268 71 5MB
German Pages 431 [433] Year 2021
Forschungen zum Alten Testament Herausgegeben von
Konrad Schmid (Zürich) · Mark S. Smith (Princeton) Hermann Spieckermann (Göttingen) · Andrew Teeter (Harvard)
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Walter Bührer
Schriftgelehrtes Murren Schriftgelehrte Fortschreibungs- und Auslegungsprozesse in den Murrerzählungen in Exodus und Numeri
Mohr Siebeck
Walter Bührer, geboren 1984; Studium der Ev. Theologie, Assyriologie und Semitistik in Zürich und Heidelberg; 2014 Promotion; 2021 Habilitation; seit 2015 Juniorprofessor für Religion und Literatur des Alten Testaments an der Ruhr-Universität Bochum. orcid.org/0000-0001-7697-3771
ISBN 978-3-16-161059-2 / eISBN 978-3-16-161060-8 ISSN 0940-4155 / eISSN 2568-8359 (Forschungen zum Alten Testament) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2021 Mohr Siebeck Tübingen, www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde-Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Großbuchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden.
für Raphaela und Jael
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2021 von der Theologischen Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg als Habilitationsschrift angenommen und wird hier in leicht überarbeiteter Form veröffentlicht. Die Arbeit nahm 2014 in Heidelberg ihren Ausgang im Rahmen meiner „Eigenen Stelle“ an dem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekt „Innerbiblische Schriftauslegung in den Erzähltexten des Pentateuch“. Mit meinem Wechsel an die Ruhr-Universität Bochum 2015 konnte das DFG-Projekt in eine Sachbeihilfe umgewandelt werden, die hier vorliegende Arbeit wurde zu einem Teilprojekt dieses größeren Projektes. Wenn die großmehrheitlich am häuslichen Schreibtisch in Hannover geschriebene Heidelberger und Bochumer Arbeit nun zum Buch geworden ist, kann ich vielen danken: Prof. Dr. Jan Christian Gertz hat nicht nur das Erstgutachten verfasst, mit ihm zusammen sind 2013, nach manchen Jahren der Promotionsbetreuung, die ersten Ideen für das Projekt entstanden – lange bevor die Murrerzählungen Gegenstand dieser Arbeit wurden. Als sie es endlich waren, konnten die Thesen dankenswerterweise in einem gemeinsam verantworteten Heidelberger und Bochumer Forschungskolloquium zur Diskussion gestellt werden. Prof. Dr. Dr. h.c. Manfred Oeming hat das Zweitgutachten verfasst – und mich in meiner Heidelberger Zeit weit mehr geprägt, als meine (bisherigen) Arbeiten (zum Pentateuch) zu erkennen geben. Prof. Dr. Beate Ego hat nicht nur das Drittgutachten verfasst, sondern mich in Bochum äußerst kollegial aufgenommen. In den gemeinsam verantworteten Forschungskolloquien seit 2015 konnte das DFG-Projekt in all seinen Teilprojekten verschiedentlich diskutiert werden. Prof. Dr. Christian Frevel und Jun.-Prof. Dr. Katharina Pyschny sind mir in und außerhalb von Bochum in Zu- und Widerspruch kluge und hilfreiche Gesprächspartner der Exodus- und Numeri-Exegese. Dr. Meike J. Röhrig war von 2015–2018 wissenschaftliche Mitarbeiterin im DFG-Projekt, hat darin ihre Dissertation angefertigt1 und dadurch und
1
Die Arbeit ist gerade unter dem Titel „Innerbiblische Auslegung und priesterliche Fortschreibungen in Lev 8–10“ (FAT II/128, Tübingen 2021) erschienen.
VIII
Vorwort
durch die kritische Lektüre von Teilen dieser Arbeit Entscheidendes zum Gelingen dieser Arbeit und des Projektes insgesamt beigetragen. Leonie K. Stör hat als wissenschaftliche Mitarbeiterin im DFG-Projekt seit 2020 alle Teile dieser Arbeit kritisch gelesen und kommentiert und erarbeitet selbst eine Dissertation innerhalb des Projektes. Darüber hinaus hat sie an der Erstellung der Register mitgearbeitet. Jan-Hendrik Spies und Ruben Emanuel Voß, meinen Bochumer Hilfskräften, danke ich einmal mehr für ihre unschätzbare Hilfe bei der Literaturbeschaffung, dem Korrekturlesen, der Arbeit am Register und vielem mehr. Mit Priv.-Doz. Dr. Friedrich-Emanuel Focken und Priv.-Doz. Dr. Joachim J. Krause konnte ich in verschiedenen Gesprächen und Projekten die methodischen Überlegungen dieser Arbeit schärfen, mit Dr. Clarissa Breu, Priv.Doz. Dr. Friedrich-Emanuel Focken, Elisabeth Maikranz, Dr. Raphaela J. Meyer zu Hörste-Bührer, Priv.-Doz. Dr. Frederike van Oorschot, Torben Stamer, Dr. Kinga Zeller und Dr. Carolin Ziethe die hermeneutischen Überlegungen im Rahmen des theologisch-interdisziplinären Forschungsnetzwerkes „Schriftbindung evangelischer Theologie“. Den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der genannten Forschungskolloquien in Bochum und Heidelberg sei für die Diskussion ebenso gedankt wie den Teilnehmerinnen und Teilnehmern einer von mir 2018 in Bochum durchgeführten Tagung im Rahmen des DFG-Projektes, auf der ich meine Überlegungen zu schriftgelehrten Fortschreibungs- und Auslegungsprozessen präsentieren konnte.2 Den Herausgebern der Reihe danke ich für die Aufnahme der Arbeit in die „Forschungen zum Alten Testament“, namentlich Prof. Dr. Konrad Schmid, Prof. Dr. Mark S. Smith, Prof. Dr. Dr. h.c. Hermann Spieckermann und Prof. Dr. Andrew Teeter. Für die Betreuung seitens des Verlages danke ich Kendra Mäschke, Elena Müller, Matthias Spitzner und Tobias Stäbler. Der mit dem häuslichen Schreibtisch in Hannover verbundene Dank soll durch die Widmung zum Ausdruck gebracht werden. Hannover, im August 2021
2
Walter Bührer
Die Beiträge der Tagung wurden 2019 unter dem Titel „Schriftgelehrte Fortschreibungs- und Auslegungsprozesse. Textarbeit im Pentateuch, in Qumran, Ägypten und Mesopotamien“ (FAT II/108, Tübingen) publiziert.
Inhaltsverzeichnis Vorwort .................................................................................................... VII Abkürzungen ........................................................................................... XIII
1.
Schriftgelehrte Fortschreibungs- und Auslegungsprozesse in den Murrerzählungen – Einführung ........................................... 1
1.1. Einführung ........................................................................................... 1 1.2. Die Murrerzählungen der Bücher Exodus und Numeri ......................... 2 1.2.1. Die Murrlexeme ........................................................................ 3 1.2.2. Die unterschiedlichen Formen der Murrerzählungen ............... 16 1.2.3. Wiederkehrende Motive in den Murrerzählungen .................... 18 1.2.4. Forschungsgeschichtliche Verortung ....................................... 29 1.2.5. Folgerungen aus der forschungsgeschichtlichen Verortung ..... 43 1.3. „Innerbiblische Schriftauslegung“ – „Schriftgelehrte Fortschreibungs- und Auslegungsprozesse“ ....................................... 46 1.3.1. Forschungsgeschichtliche Verortung ....................................... 47 1.3.2. Phänomenologie schriftgelehrter Fortschreibungs- und Auslegungsprozesse ................................................................ 55 1.4. Fazit ................................................................................................... 61
2.
Ex 15,22–27 – Wasserwunder in Mara und Elim ........................ 65
2.1. 2.2. 2.3. 2.4.
Ex 15,22–27 – Einführung ................................................................. 65 Analyse der Grundschicht Ex 15,22–25a.27: Mara und Elim ............. 68 Ex 15,25b.26: Schriftgelehrter Nachtrag zu Tora und Leben .............. 77 Fazit ................................................................................................... 83
3.
Ex 16 – Speisungswunder in der Wüste Sin: Wachteln, Manna – und der Sabbat .............................................. 85
3.1. 3.2. 3.3. 3.4.
Ex 16 – Einführung ............................................................................ 85 Analyse der Grundschicht: Die Wachtel-und-Manna-Erzählung ........ 87 Die Sabbatnachträge: Ex 16,4f.16–20.22–30 ...................................... 98 Die Nachträge zum Manna in 16,32–35 und die Ergänzungen 16,6f.; 16,8; 16,36 .......................................... 104 3.5. Fazit ................................................................................................. 106
X
4.
Inhaltsverzeichnis
Ex 17,1–7 – Wasserwunder bei Rephidim: Massa und Meriba 109
4.1. Ex 17,1–7 – Einführung ................................................................... 4.2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Ex 17,1–7 .................................................................................. 4.2.1. Die beiden Murrlexeme: Ex 17,2 und 17,3 ............................ 4.2.2. Die Verortung der Erzählung: Ex 17,1 .................................. 4.2.3. Massa und Meriba: Ex 17,2.7 ................................................ 4.2.4. Das Wasserwunder: Ex 17,4–6 .............................................. 4.2.5. Literarhistorische Verortung ................................................. 4.3. Fazit .................................................................................................
5.
111 112 118 119 122 126 129
Num 11 – Das klagende und bestrafte Volk bei Tabera und Qibrot-Hattaawa ................................................ 135
5.1 Num 11 – Einführung ...................................................................... 5.2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 11,1–3 .............................................................................. 5.3. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 11,4–35 ............................................................................ 5.4. Fazit .................................................................................................
6.
109
135 139 146 158
Num 12 – Miriams und Aarons Klage gegen den Erzpropheten Mose ..................................................... 161
6.1. Num 12 – Einführung ...................................................................... 161 6.2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 12 ..................................................................................... 163 6.3. Fazit ................................................................................................. 178
7.
Num 13–14 – Aufbegehren gegen das Land: Die Kundschaftererzählung ......................................................... 181
7.1. Num 13–14 – Einführung ................................................................. 7.2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 13–14 ............................................................................... 7.2.1. Die Verleumdung des Landes und das Murren des Volkes: Die priesterliche Schicht ....................................................... 7.2.2. Kalebs Ermutigung, Moses Fürbitte und die gescheiterte Landnahme: Die nicht-priesterlichen Textteile ...................... 7.2.3. Die Kundschaftererzählung im Pentateuch und Hexateuch: Redaktionsgeschichtliche Synthese .................... 7.3. Fazit .................................................................................................
181 191 191 206 219 233
Inhaltsverzeichnis
8.
Num 16–17 – Aufbegehren gegen Moses Führerschaft und Aarons Priestertum: Aufstände Einzelner und des ganzen Volkes ......................................................................... 237
8.1. Num 16–17 – Einführung ................................................................. 8.2. Die Subjekte – Entflechtung der einzelnen Aufstände ...................... 8.3. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 16–17 ............................................................................... 8.3.1. Die verweigerte Landnahme: Datan und Abiram ................... 8.3.2. Der Zugang zu YHWH: Der Aufstand der 250 Laien und das Murren des Volkes .................................. 8.3.3. Der Aufstand der Leviten gegen die Aaroniden: Korach versus Aaron ............................................................. 8.4. Fazit .................................................................................................
9.
XI
237 240 246 251 259 268 274
Num 20,1–13 – Erneutes Wasserwunder trotz der Verfehlung Moses und Aarons ..................................... 277
9.1. Num 20,1–13 – Einführung .............................................................. 9.2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 20,1–13 ............................................................................ 9.3. Literarhistorische Auswertung und Intention von Num 20,1–13 ............................................................................ 9.4. Fazit .................................................................................................
277 279 297 301
10. Num 21,4–9 – Finales Murren, Schlangenplage und open end 303 10.1. Num 21,4–9 – Einführung ................................................................ 303 10.2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 21,4–9 .............................................................................. 304 10.3. Fazit ................................................................................................. 318
11. Auswertung .................................................................................... 321 12. Fazit ................................................................................................ 343 13. Übersetzungen ............................................................................... 347 Literaturverzeichnis .................................................................................. Stellenregister ........................................................................................... Autorenregister ......................................................................................... Sachregister ..............................................................................................
363 381 409 415
Abkürzungen Abkürzungen richten sich nach SCHWERTNER, S.M., IATG3 – Internationales Abkürzungsverzeichnis für Theologie und Grenzgebiete. Zeitschriften, Serien, Lexika, Quellenwerke mit bibliographischen Angaben, Berlin/Boston 32014. Darüber hinaus verwendete Abkürzungen sowie lediglich abgekürzt zitierte Literaturangaben: Ges18
GKB HALAT3
HeBAI HThKAT LHBOTS
GESENIUS, W., Hebräisches und Aramäisches Wörterbuch über das Alte Testament. Bearbeitet und hg.v. R. Meyer und H. Donner, Berlin/Göttingen/Heidelberg 182013 (=1987–2012). GESENIUS, W./KAUTZSCH, E./BERGSTRÄSSER, G., Hebräische Grammatik, Hildesheim, 1962. KOEHLER, L./BAUMGARTNER, W., Hebräisches und Aramäisches Lexikon zum Alten Testament. Neu bearbeitet von W. Baumgartner, J.J. Stamm und B. Hartmann, Leiden/Bosten 32004 (=1967–1995). Hebrew Bible and Ancient Israel Herders Theologischer Kommentar zum Alten Testament Library of Hebrew Bible/Old Testament Studies
1. Schriftgelehrte Fortschreibungsund Auslegungsprozesse in den Murrerzählungen – Einführung 1.1. Einführung 1.1. Einführung
Gegenstand dieser Untersuchung sind die Erzählungen von Israels Murren während der Wüstenwanderung, kurz die Murrerzählungen. Sie werden im Rahmen der aktuellen Pentateuchforschung redaktionsgeschichtlich analysiert, wobei ein besonderes Augenmerk auf ihren kreativen Umgang mit vorliegenden Texten gelegt wird. Die Murrerzählungen werden somit sowohl in produktions- wie rezeptionsästhetischer Hinsicht untersucht und gewürdigt, wobei der rezeptionsästhetische Fokus auf antike Rezeptionen und darin schwerpunktmäßig auf den Bereich der biblisch gewordenen Literatur(en) beschränkt bleibt. Die Verschränkung produktions- und rezeptionsästhetischer Analyse ergibt sich notwendig aus dem in den letzten (Jahrzehnten und) Jahren verstärkt explizit reflektierten Phänomen der sogenannten „innerbiblischen Schriftauslegung“, also der Beobachtung, dass Auslegung und deutende Aneignung biblischer (genauer: biblisch gewordener) Texte nicht erst nach Abschluss der (zwangsläufig monolithisch verstandenen) Entstehung und Kanonisierung der Bibel einsetzten, sondern bereits prägend für Entstehungs- und Kanonisierungsprozesse waren, ja diese oft richtiggehend ausmachten. Die Fokussierung der hermeneutischen Beweggründe der Entstehungs- und Kanonisierungsprozesse der biblisch gewordenen Texte verhilft, und dies ist die theologisch-hermeneutische These dieser Arbeit, die redaktionsgeschichtliche Analyse der Texte als theologisch bedeutsam verstehbar und vermittelbar darzustellen, weil sie dem theologischen und hermeneutischen Proprium der biblischen Texte, ihrer in der Geschichte voranschreitenden Dynamik, wie von der Relation zwischen Gott und den Menschen gesprochen werden kann, am besten gerecht zu werden vermag. Die Einleitung wird zunächst in die untersuchten Texte einführen.1 Danach werden das Phänomen der sogenannten „innerbiblischen Schriftauslegung“
1
S.u. Kap. 1.2.
2
1. Einführung
vorgestellt und notwendige Anfragen und Präzisierungen hierzu vorgenommen.2
1.2. Die Murrerzählungen der Bücher Exodus und Numeri 1.2. Die Murrerzählungen der Bücher Exodus und Numeri
Als Murrerzählungen werden in dieser Untersuchung in sich jeweils abgeschlossene Erzählungen der Bücher Exodus und Numeri verstanden, in denen die Israeliten oder exponierte Vertreter bzw. Vertreterinnen der Israeliten gegen ihre menschliche und göttliche Leitung im Rahmen der Wüstenwanderung „murren“, nämlich Ex 15,22–27; 16; 17,1–7; Num 11,1–3; 11,4–35; 12; 13f.; 16f.; 20,1–13; 21,4–9.3 Das „Murren“ kann durch unterschiedliche Lexeme, hier „Murrlexeme“ genannt, zum Ausdruck gebracht werden und kann innerhalb der jeweiligen Erzählungen unterschiedliche Gründe sowie unterschiedliche Auswirkungen haben. Der Aufbau der einzelnen Erzählungen ist vergleichbar; je nach Auswirkung des Murrens lassen sich im Wesentlichen zwei unterschiedliche Grundformen aus den jeweils deutlich komplexer gestalteten Einzelerzählungen systematisieren: solche ohne und solche mit Bestrafung des Murrens. Nebst den Murrlexemen und dem vergleichbaren Aufbau der einzelnen Erzählungen weisen sie auch wiederkehrende Motive auf, die die Vergleichbarkeit der Einzelerzählungen weiter erhöhen. Der Blick in die Textgeschichte der einzelnen Murrerzählungen sowie ihre Rekapitulationen im weiteren Alten Testament zeigen, dass die Einzelerzählungen im Rahmen der Textgeschichte aufeinander abgestimmt wurden. Die exegetischen Einzeluntersuchungen der vorliegenden Untersuchung werden zeigen, dass dies bereits für die Entstehung der Murrerzählungen zutrifft. In den folgenden Unterkapiteln soll eine Art (synchrone) Kartographie der Murrerzählungen erstellt werden, ehe die Einzelerzählungen je für sich literarkritisch und redaktionsgeschichtlich analysiert werden.4 Dabei werden die unterschiedlichen Murrlexeme,5 die unterschiedlichen Formen der Murrerzählungen6 sowie wiederkehrende Motive darin7 untersucht und eine kurze for-
2
S.u. Kap. 1.3. Nebst den Israeliten bzw. dem Volk (im Einzelnen mit unterschiedlichen Bezeichnungen; vgl. etwa COATS, Rebellion, 26f.; VERVENNE, Protest, 259) sind in Num 12 Miriam und Aaron und in Num 16 die ehedem wohl je eigenständigen Gruppen von Korach und seinen Leuten, Datan und Abiram sowie der 250 Männer Subjekt des Murrens. Zu den unterschiedlichen und wechselnden Objekten des Murrens s.u. Kap. 1.2.1. 4 S.u. Kap. 2. bis Kap. 10. 5 S.u. Kap. 1.2.1. 6 S.u. Kap. 1.2.2. 7 S.u. Kap. 1.2.3. 3
1.2. Die Murrerzählungen der Bücher Exodus und Numeri
3
schungsgeschichtliche Verortung8 mitsamt Auswertung für die vorliegende Untersuchung9 geboten. Die angesprochene Verknüpfung der einzelnen Murrerzählungen bereits im Rahmen ihrer Entstehung, also das „schriftgelehrte Murren“, wird nach den exegetischen Einzeluntersuchungen in Kapitel 11. systematisiert dargestellt. Kapitel 12. fasst die Ergebnisse kurz zusammen, Kapitel 13. bietet zusätzlich eine Übersetzung der Murrerzählungen, die versucht, die redaktionsgeschichtlichen Ergebnisse der folgenden Analysen durch die graphische Gestaltung kenntlich zu machen. 1.2.1. Die Murrlexeme 1.) Wichtigstes Murrlexem ist „ לוןmurren“ mit dreizehn Belegen als Verb und acht Belegen als Substantiv ( )תלנותinnerhalb der Murrerzählungen10 sowie zwei weiteren Belegen außerhalb.11 Wie die Unterschiede zwischen Ketib und Qere sowie zwischen dem masoretischen Text, dem Text des samaritanischen Pentateuch und den Belegen in den Handschriften von Qumran zeigen, sind Niphal- und Hiphilformen des Verbes bedeutungsgleich.12 Gemurrt wird dabei meist „gegen“ ( )עלjemanden. Von der Septuaginta wird das Verb stets mit διαγογγύζω oder γογγύζω „murren“ (mit unterschiedlichen Präpositionen für „ עלgegen“) übersetzt, das auch zur Übersetzung anderer (Murr-)Lexeme Anwendung findet,13 das Substantiv mit γογγυσμός oder γόγγυσις „Murren“.14 „ לוןmurren“ ist in allen drei vor-sinaitischen sowie in zwei der insgesamt sieben nach-sinaitischen Murrerzählungen belegt. Dabei wird in Ex 15,22–27; 16 ausschließlich dieses Murrlexem verwendet. In den drei weiteren Murrerzählungen mit „ לוןmurren“ sind auch andere Murrlexeme belegt: In Ex 17,3 8
S.u. Kap. 1.2.4. S.u. Kap. 1.2.5. 10 Vgl. als Verb in Ex 15,24; 16,2.7.8; 17,3; Num 14,2.27bis.29.36; 16,11; 17,6.20 und als Substantiv in Ex 16,7.8bis.9.12; Num 14,27; 17,20.25. 11 Vgl. Jos 9,18; Ps 59,16. Zu beiden Stellen s.u. 12 Vgl. COATS, Rebellion, 23.28. Zu Num 14,36 s.u. Kap. 7.1. Anm. 4. 13 Vgl. für אנןhitpol. „klagen“ Num 11,1; Thr 3,39 und für „ רגןmurren“ Dtn 1,27; Ps 106,25; Jes 29,24. Vgl. auch Jes 30,12; Ri 1,14; Jdt 5,22; 1Makk 11,39 (καταγογγύζω); Sir 10,25; 31,24 sowie Mt 20,11; Lk 5,30; 15,2; 19,7; Joh 6,41.43.61; 7,32; 1Kor 10,10bis. GATHMANN, Gemeinde, 28–41 kommt nach der Durchsicht der Septuaginta-Belege zum Schluss, „dass Murren auf keine einzelne, einfache oder eindeutige Bedeutung festgelegt werden kann. (δια-/κατα-)γογγύζειν/γογγυσμός sind nicht ausschließlich negativ belegte und vor allem keine ausschließlich theologischen termini technici, mit deren Hilfe sofort ein komplettes Programm aus Schuld, Schuldnachweis und Sündenstrafe abgespult werden könnte.“ AaO., 40. 14 Vgl. auch Jes 58,9; Sap 1,10.11; Sir 46,7; PsSal 5,13; 16,11 sowie Joh 7,12; Apg 6,1; Phil 2,14; 1Petr 4,9. Im Neuen Testament ist darüber hinaus γογγυστής „Murrende(r)“ belegt: Vgl. Jud 16. 9
4
1. Einführung
folgt das „Murren gegen“ Mose ( )לון עלauf das „Streiten mit“ ihm in 17,2 ()ריב עם. In Num 14,2 erscheint das „Murren gegen“ Mose und Aaron ()לון על als Versprachlichung des „Weinens“ ( )בכהaus 14,1. In 14,9 rufen die beiden Kundschafter Josua und Kaleb die murrenden Israeliten auf, sich nicht „gegen YHWH aufzulehnen“ ()מרד ב. In der YHWH-Rede 14,27–35 wird das „Murren gegen“ YHWH ( ;לון על14,27.29 nach 14,2) zum „Versammeln gegen“ YHWH ( יעד עלniph.; 14,35). In den davor stehenden YHWH-Reden 14,11f.20–25 wird ohne so klaren terminologischen Bezug auf das „Murren gegen“ YHWH ( )לון עלaus 14,2 das Handeln des Volkes als „Verachten“ (נאץ pi.; 14,11.23) und „Versuchen“ ( נסהpi.; 14,22) YHWHs, als „nicht Glauben an“ ihn ( לא+ אמן בhiph.; 14,11) und „nicht auf seine Stimme Hören“ ( לא+ ;שׁמע בקול14,22) beschrieben. In 16,11 fasst Mose die „Versammlung gegen“ ihn selbst und Aaron ( קהל עלniph.; 16,3; vgl. 16,19) als „Versammeln gegen“ YHWH ( יעד עלniph.) und als „Murren gegen“ Aaron auf ()לון על. In seiner Rede in 16,28–30 bezeichnet Mose eine außergewöhnliche Form des Todes seiner (und Aarons) Opponenten als Erweis ihres „Verachtens“ YHWHs (נאץ pi.; 16,30). In 17,7 wird das „Murren gegen“ Mose und Aaron ( )לון עלaus 17,6 zur „Versammlung gegen“ Mose und Aaron ( קהל עלniph.). Und in 17,25 schließlich werden die Urheber des „Murrens“ ( )תלנותvon YHWH als „Widerspenstige“ ( )בני־מריbezeichnet. Aus diesem Befund geht zweierlei hervor: Einerseits kann „ לוןmurren“ mit anderen (Murr-)Lexemen kombiniert werden, die teilweise deutlicher und teilweise weniger deutlich dasselbe Geschehen bezeichnen, und die meist außerhalb der Murrerzählungen häufiger belegt sind. Andererseits geschieht diese Kombination von (Murr-)Lexemen nicht ohne Bedeutungsverschiebung: Oft ändern sich die Kommunikationssituation, das Objekt des Murrens und der (zitierte) Inhalt des Murrens. Wenn das „Murren“ anders beschrieben und anders zitiert wird, geschieht dies damit nicht „unschuldig“, sondern in einem Deutungsakt. Dieser Deutungsakt dient meist dazu, das „Murren“ negativer zu qualifizieren. Damit ist es aber nicht statthaft, diese Deutungen des „Murrens“ mit dem „Murren“ gleichzusetzen und das „Murren“ als von Anfang an negativ qualifizierter Akt der Rebellion zu verstehen.15 Über die angesprochenen Bedeutungsverschiebungen in Num 13f.; 16f. hinaus mögen dies zwei Beispiele etwas genauer veranschaulichen: a.) In Ex 16, wo ausschließlich „murren gegen“ ( )לון עלals Murrlexem belegt ist, hält die Erzählstimme in 16,2 dieses „Murren gegen“ Mose und Aaron fest und zitiert dieses 15
Vgl. GATHMANN, Gemeinde. Etwa gegen COATS, Rebellion, 21–28; KNIERIM, לוןlūn rebellieren; SCHUNCK, לוּןlûn; TROPPER, Hunde, 88f.94f.; ZANELLA, לוןlwn. Die hier und andernorts (s.u. Kap. 2.1. mit Anm. 10f.) vorgenommene Harmonisierung der Belegstellen übergeht nur schon den basalen Unterschied zwischen Murrerzählungen mit und solchen ohne Bestrafung des Murrens (s.u. Kap. 1.2.2.) und missachtet gänzlich den Kontext der einzelnen Belege.
1.2. Die Murrerzählungen der Bücher Exodus und Numeri
5
Murren der Israeliten in 16,3 eingeleitet durch „ ויאמרו אלהםund sie sprachen zu ihnen …“. Alle weiteren Belege des Murrens der Israeliten finden sich im Munde von Erzählfiguren: Vergleichsweise neutral ist die Feststellung im Munde YHWHs in 16,12, dass er das „Murren“ ( )תלנותder Israeliten gehört habe. Dass YHWH aber zugleich YHWH-Erkenntnis für das Volk ankündigt, lässt auf mangelhafte YHWH-Erkenntnis beim murrenden Volk schließen. In der Rede Moses und Aarons in 16,6f. und in der Rede Moses in 16,8 wird das Murren umadressiert: Das Murren des Volkes richte sich (primär) gegen YHWH. Damit wird in erster Linie die Adressierung der Klage der Israeliten korrigiert, doch erscheint das Murren so auch in einem etwas negativeren Licht: Was sind schon Mose und Aaron (16,7b.8b) im Vergleich zum Exodusgott?16 b.) In Num 11,4–35, wo kein Murrlexem im engeren Sinne verwendet wird, klagen die Israeliten weinend ( )בכהund fragen: מי יאכלנו בשׂר „Wer gibt uns Fleisch zu essen?“ (11,4bγ). Ihr Weinen und ihr Reden haben keinen expliziten Adressaten, werden aber im weiteren Verlauf von den Erzählfiguren Mose und YHWH aufgenommen und jeweils unterschiedlich gedeutet: Mose deutet in seiner Rede an YHWH das Weinen des Volkes als Weinen vor ihm („ כי־יבכו עלי לאמרDenn sie weinen vor mir und sagen“; 11,13bα), und den Fleischeswunsch als Forderung an ihn (תנה־לנו בשׂר ונאכלה „Gib [du] uns Fleisch, damit wir essen können!“; 11,13bβ). In seiner Antwort an Mose deutet YHWH das Weinen als Weinen vor seinen Ohren (כי בכיתם „ באזני יהוהdenn ihr habt vor den Ohren YHWHs geweint“; 11,18a) bzw. als Weinen vor ihm („ ותבכו לפניוund ihr habt vor ihm geweint“; 11,20b). Sodann zitiert nur der Anfang der YHWH-Rede in 11,18a den Anfang der Volkes-Rede in 11,4bγ wörtlich. Der ausführliche zweite Teil der Volkesrede in 11,5f. mit der Erinnerung an die bereitstehende Speise in Ägypten und der Unmutsäußerung über das ewig selbe Manna wird von YHWH dagegen in 11,18aβ („ כי־טוב לנו במצריםdenn es ging uns gut in Ägypten“) als implizite und in 11,20bγ („ למה זה יצאנו ממצריםWarum nur sind wir aus Ägypten ausgezogen?“) als explizite Infragestellung des Exodus gedeutet. Diese erzählinternen Formen der Deutung des Murrens durch Kombinationen von Murrlexemen, Wechsel der Kommunikationsebenen, Umadressierungen des Murrens und Umformulierungen sollen in dieser Untersuchung als „narrative Verschlimmerung“ bezeichnet werden. Narrative Verschlimmerungen dieser und anderer Art finden sich mehrfach in den Murrerzählungen und werden hier daher als wiederkehrendes Motiv darin behandelt.17 Die redaktionsgeschichtliche Analyse wird zeigen, dass narrative Verschlimmerungen 16
Vergleichbar ist der Befund in Num 14,2 (Mose und Aaron) → 14,27.29 (YHWH) (vgl. noch 14,36 mit Mose als Objekt), ähnlich auch in 17,6.20 (Mose und Aaron als Objekt des Murrens) → 17,20.25 (das Murren [ ]תלנותist vor YHWH) (vgl. noch 16,11 mit Aaron als Objekt). 17 S.u. Kap. 1.2.3.
6
1. Einführung
sowohl auf synchroner wie diachroner Ebene anzusiedeln sind, die genannten Deutungen damit gleichursprünglich oder später als das damit Gedeutete sein können. Um die Deutung von „ לוןmurren“ als solches bestimmen zu können, können daher nur solche Belege herangezogen werden, in denen keine Form narrativer Verschlimmerung vorliegt. Innerhalb der Murrerzählungen ist dies in erster Linie Ex 15,22–27, wo auf das Murren des Volkes gegen Mose (;לון על 15,24) mit sofortiger Hilfeleistung durch Mose und YHWH reagiert und der Grund des Murrens, die anhaltende Wassernot, behoben wird. Das Murren erscheint hier damit als nachvollziehbare, geradezu natürliche Reaktion des Volkes auf die vorliegende Notsituation und wird in keiner Weise negativ gewertet.18 Daneben sind auch die zwei Belegstellen von „ לוןmurren“ außerhalb der Murrerzählungen zu nennen: In Jos 9,18 murrt die Versammlung der Israeliten gegen ihre Vorsteher ( לון )על, weil diese den listigen Gibeonitern geschworen haben, sie – entgegen Gottes Bannforderung und Bundesverbot (9,24; vgl. Dtn 7,1f.; 20,16–18) – zu verschonen. Die Vorsteher haben klar die Funktion, Josua, der zunächst den Bund mit den Gibeonitern geschlossen hat (Jos 9,15a), und gegen den nicht gemurrt wird, syn- und diachron nachträglich zu exkulpieren (vgl. 9,15b.18– 21).19 Damit kann das Murren als Kritik an der unbedarften Führerschaft durch (Josua und) die Vorsteher verstanden werden, die mehr als die Vorsteher dem YHWH-Willen konform geht.20 Schließlich werden in Ps 59,15f. die Feinde des Beters mit kläffenden Hunden (vgl. schon 59,7f.), die gegen Abend die Stadt auf der Suche nach Fressen durchstreifen,21 verglichen. 59,16b hält dann fest: אם־לא ישׂבעו וילינו, 18
S.u. Kap. 2.1. mit Anm. 10f. Die Motive des Bundesschlusses durch Josua (9,15a), der zuvor zusammen mit den Männern Israels Ansprechpartner der Gibeoniter war, und des Schwures durch die Vorsteher (9,15b), die zuvor nicht genannt wurden, liegen im Wesentlichen unverbunden nebeneinander – so dass auch die Einsetzung der Gibeoniter zu Holzhauern und Wasserschöpfern doppelt berichtet wird (9,21 und 9,23.27). (Zumindest) 9,15b.18–21 dürfte daher nachgetragen sein. Die Exkulpation Josuas setzt sich in der Textgeschichte fort: In der Septuaginta haben sich in 9,14 nicht die Männer (Israels), die zuvor Josua an die Seite gestellt wurden, sondern die Vorsteher (οἱ ἄρχοντες) durch die Gibeoniter und deren trügerisches Beweismittel hinters Licht führen lassen, und sie waren es, die YHWH nicht befragt haben. Die Aufnahme von Jos 9 in Jos 10,1–4, die nur den Friedensschluss aus 9,15aα, nicht aber den Bundesschluss aus 9,15aβ nennt, legt nahe, dass die Genese von Jos 9 noch komplexer war als hier durch die Exkulpation Josuas durch die Vorsteher angezeigt. Vgl. etwa BERNER, Deception; GERMANY, Narrative, 412–421. 20 Nach GATHMANN, Gemeinde, 10 geht es entsprechend „primär“ um „Kritik an den Autoritäten“, „denn im Vorfeld des Vertragabschlusses lag Misstrauen gegenüber den Gibeonitern in der Luft“. Vgl. aaO., 19. 21 Gegen TROPPER, Hunde, 87; HOSSFELD/ZENGER, Psalmen 51–100, 141–152 (Zenger) „umkreisen“ die Hunde nicht die verschlossene Stadt, sondern „durchstreifen“ sie (סבב 19
1.2. Die Murrerzählungen der Bücher Exodus und Numeri
7
was abhängig von der Vokalisation des letzten Wortes als „Wenn sie nicht satt werden, dann murren / knurren sie ( ַויַּלִּ ינוּoder ;וְ יַלִּ ינוּWurzel “)לוןoder als „Wenn sie nicht satt werden, dann bleiben sie über Nacht ( ַויָּלִ ינוּoder ;וְ יָלִ ינוּ Wurzel “)ליןzu übersetzen ist. Letzteres entspricht der masoretischen Vokalisation ( ) ַויָּלִ ינוּund ist aus der Antike bereits durch die aramäischen Übersetzungen bezeugt, Ersteres entspricht der griechischen und lateinischen Übersetzung mit γογγύζω bzw. murmuro. Wiewohl beide Deutungen zumindest möglich sind, erscheint aufgrund der doppelten Parallele einerseits zum Heulen der Hunde im vorangehenden Vers ( ;המה59,7.15) und andererseits zur darauf folgenden akustischen Äußerung bereits in 59,8 die Deutung als akustisches Phänomen auch in 59,16 plausibler – wie denn auch die inhaltliche Frage nach Grund und Ziel des Verbleibens der hungrigen Hunde an dem Ort, an dem sie gerade nichts zu fressen finden, schwierig zu beantworten wäre.22 Das Knurren der hungrigen Hunde mag wohl bedrohlich wirken, eine Rebellion oder Vergleichbares stellt es jedoch nicht dar. In 59,16 ist es denn auch nicht der Bildgeber, sondern sind es die mit den knurrenden Hunden verglichenen Feinde des Beters, die eine Bedrohung darstellen. לוןist damit im Falle der nicht verbalisierten Unmutsäußerung der Hunde am besten als „Knurren“, im Falle der verbalisierten Unmutsäußerung der Israeliten in allen weiteren Belegen des Lexems am besten als „Murren“ zu
;עירvgl. Jes 23,16; vgl. auch, jeweils mit der Präposition ב, 2Chr 17,9; Hld 3,2.3; 5,7); demgegenüber wird das Umkreisen der Stadt mit סבב את־העירausgedrückt (vgl. Jos 6,3.4.7. 11.14.15bis; 2Kön 6,15). Vgl. GUNKEL, Psalmen, 252.254. Weiter kann auch auf 1Kön 14,11; 16,4; 21,24 verwiesen werden, wo die Hunde dadurch von den Vögeln unterschieden werden, dass erstere „in der Stadt“, letztere „auf dem Feld“ „fressen“, sowie auf das Schicksal Isebels in 2Kön 9 (vgl. 1Kön 21,23). 22 Vgl. COATS, Rebellion, 22f.; HALAT3 498f.502f.; Ges18 603.608; ACHENBACH, Murren. Für diese Deutung von Ps 59,16 vgl. auch GUNKEL, Psalmen, 252–255. Anders dagegen TROPPER, Hunde; HOSSFELD/ZENGER, Psalmen 51–100, 141f.150f. (Zenger); ZANELLA, לוןlwn; GATHMANN, Gemeinde, 22f.34f. Die inhaltlichen Argumente Troppers vermögen nicht, zu überzeugen, da (auch) er unter Absehung des jeweiligen Verwendungszusammenhangs der einzelnen Belege von „ לוןmurren“ darin pauschal „eine gegen die Befreiungsgeschichte Gottes gerichtete, auf Blindheit und Mißverständnissen beruhende Rebellion des Volkes, das damit seine eigene heilvolle Zukunft verwirft“, sieht (aaO., 88). Dass in allen anderen biblischen Belegen Subjekt des „Murrens“ Menschen sind, und dass das Verb sonst mit der Präposition „ עלgegen“ verwendet wird, spricht aufgrund des anderen, noch dazu bildhaften, Kontextes nicht gegen die hier vorgebrachte Deutung. Troppers chiastische Auflösung von 59,15f. übergeht das Heulen der Hunde in 59,15 und den Unterschied zwischen Bewegung (wiederkommen – durchstreifen – umherstreunen) und NichtBewegung (über Nacht bleiben). Demgegenüber dürften Troppers semitistische und epigraphische (nicht aber die an Ps 59,15f. geeichten inhaltlichen) Argumente zur phönizischen Kilamuwa-Inschrift (KAI 24) in der Tat zeigen, dass hier nicht von „knurrenden“, sondern von „umhergehenden“ Hunden die Rede ist (vgl. TROPPER, aaO., 90–95 zu KAI 24 9f.; vgl. auch die Aufnahme bei GATHMANN, aaO., 22f.).
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1. Einführung
übersetzen, wobei „Murren“ als solches keinerlei Wertung enthält, sondern erst durch den Kontext erhält.23 Die Belege in Ps 59,16 und Jos 9,18 zeigen, dass „Murren“ einerseits nicht auf Menschen, und andererseits nicht auf die Exodusgeneration beschränkt ist, sondern von diesem schwerpunktmäßigen Beleghorizont auf andere Kontexte übertragbar ist. Diese Übertragbarkeit zeigt sich auch in den Belegen in den Handschriften von Qumran:24 1QS/1Q28 VII 17f. spricht von einem „Murren gegen“ ( )לון עלdie Grundlagen der Gemeinschaft von Qumran und einem unberechtigten Murren gegen den Nächsten; beides wird (unterschiedlich hart) bestraft. 1QS/1Q28 V 25 // 4QSd/4Q258 II 5 mahnt, den Bruder bzw. Nächsten nicht mit „Murren“ ( )תלונהanzureden ()דבר. Nach 4QDe/4Q270 7 i 13f. (teilweise rekonstruiert) soll aus der Versammlung verstoßen werden, wer gegen die Väter (im Unterschied zu den Müttern) „murrt“ ()לון על. In 1QHa/1Q35 XIII 25, wo „ לוןmurren“ ohne die Präposition „ עלgegen“ verwendet wird, klagt der Beter über das Murren über ihn durch seine Nächsten; er wird zum Grund (Z. 23) und Objekt (Z. 30) des „Murrens“ ()תלונה, das hier „zusammen mit anderen negativen, mit dem gemeinschaftlichen Leben nicht verträglichen Verhaltensweisen genannt wird“25 wie etwa – mit Blick auf die Murrerzählungen interessant – „ רגןNörgeln“ (Z. 23) und „ ריבStreit“ (Z. 22.30.35). Schließlich wird in dem Weisheitstext 4Q424 1 7f. ohne Bezug auf die Gemeinschaft von Qumran ganz allgemein geraten, sich in finanziellen Fragen nicht auf einen „mürrischen Menschen“ ( ;איש תלונהZ. 7) zu verlassen. Angesichts dieser eher negativen Konnotationen von „murren“ erstaunt die Differenzierung in 1QS/1Q28 VII 17f.: Gegenüber dem Nächsten ist nur das unberechtigte ( )אשר לוא במשפטMurren strafbar. „Murren muss nicht zwingend per se als negative Handlung qualifiziert werden. Es könnte aufgrund der vorliegenden Formulierung angenommen werden, dass ein LūN bmšpṭ straffrei und somit als rechtmäßig angesehen werden könnte.“26
Die weiteren nun zu besprechenden Murrlexeme können nur insofern als Murrlexeme bezeichnet werden, als sie innerhalb der Murrerzählungen die Funktion des Murrens einnehmen, also im Wesentlichen funktions-, aber nicht zwingend bedeutungsäquivalent zu „ לון עלmurren gegen“ sind. Die einzelnen Lexeme sind aber in aller Regel außerhalb der Murrerzählungen deutlich öfter belegt und weisen an diesen Stellen keine Konnotationen mit dem Murren und keine Berührungen mit den Murrerzählungen auf. 27 Die Lexeme
23
Vgl. GATHMANN, Gemeinde. Vgl. zum Folgenden ZANELLA, לוןlwn. Vgl. auch GATHMANN, Gemeinde, 22–28. Text und Stellenangaben sind der Studienausgabe von GARCÍA MARTÍNEZ/TIGCHELAAR, Scrolls entnommen. Nebst den qumranischen Belegen im engeren Sinne gibt 4QRPc/4Q365 6a ii und 6c 10 Ex 15,24 wieder und 4QRPc/4Q365 35 ii 1f. Num 17,20. Dazu kommen die entsprechenden Handschriften der biblisch gewordenen Texte. 25 ZANELLA, לוןlwn, 499. 26 GATHMANN, Gemeinde, 24. 27 Für die Belege der im Folgenden genannten Lexeme außerhalb der Murrerzählungen sei auf die Konkordanzen und Wörterbücher verwiesen. 24
1.2. Die Murrerzählungen der Bücher Exodus und Numeri
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werden hier im Wesentlichen entsprechend ihrer kanonischen Reihenfolge in den Murrerzählungen besprochen. 2.) Neben oder anstelle von „ לון עלmurren gegen“ verwenden Ex 17,2bis und Num 20,3.13 את/ „ ריב עםstreiten mit“.28 Die Belege sind damit begrenzt auf die nach diesem Tun der Israeliten benannte Station (Massa und) Meriba ()מריבה. „ ריבstreiten“ (absolut oder mit unterschiedlichen Präpositionen) und Lexeme derselben Wurzel sind vielfach belegt und reichen vom handgreiflichen Streit Gleichrangiger (vgl. etwa Ex 21,18) über den Zwist zwischen Gruppen (vgl. etwa Gen 26,20–22) zum Gerichtsverfahren (vgl. etwa Ex 23,3.6) und dem Streiten Gottes (vgl. etwa Jes 3,13; Hos 4,1) bzw. dem Streiten mit Gott (vgl. etwa Jer 12,1). Ob „ ריבstreiten“ in Ex 17,2(.7); Num 20,3.13 nun mehr handgreiflich oder mehr quasi-rechtlich verstanden wird, das Volk wegen des Wassermangels Mose angegangen ist oder einen Anspruch auf Wasser einklagen wollte, lässt der Text nicht erkennen. Deutlich ist aber, dass sich die oft belegte Engführung auf die rechtliche Deutung nicht rechtfertigen lässt, und dass die Reaktion des Volkes in beiden Fällen als unangemessen bewertet wird: In Ex 17,2.7 wird das „Streiten mit“ Mose als Versuchen ( )נסהYHWHs, in Num 20,13 das „Streiten mit“ Mose (;ריב עם 20,3) als „Streiten mit“ YHWH ( )ריב אתgedeutet. In Ex 17,2f. folgt auf das „Streiten mit“ Mose das „Murren gegen“ ihn ()לון על, in Num 20,2f. ist das „Streiten mit“ Mose die Fortsetzung der „Versammlung gegen“ ihn selbst und Aaron ( קהל עלniph.), und die sich so versammelnden und streitenden Israeliten werden in 20,10 von Mose als „Widerspenstige“ ( )המריםangesprochen. את/ „ ריב עםstreiten mit“ als Murrlexem ist damit nur in Zusammenhängen narrativer Verschlimmerung belegt, in denen sich die Kommunikationssituation, das Objekt des Murrens und im Falle von Ex 17,1–7 auch der (zitierte) Inhalt des Murrens ändern und in denen unterschiedliche Murrlexeme verwendet werden. Die Wiedergabe von „ ריבstreiten“ und Lexemen derselben Wurzel in der Septuaginta ist nicht einheitlich. Mit λοιδορέω „schmähen“ und verwandten Lexemen wird nicht nur das Murren der Israeliten in Ex 17,2.7; Num 20,3.13 bezeichnet,29 sondern etwa auch das Handgemenge in Ex 21,18. 28
Vgl. noch Ex 17,7 („ ריבStreit“); Num 27,14 („ מריבהStreit“); Dtn 33,8 („ ריבstrei-
ten“). 29
In Ex 17,7 wird der Ortsname „Massa und Meriba“ als πειρασμὸς καὶ λοιδόρησις „Versuchung und Schmähung“ übersetzt, der „Streit“ ( )ריבmit λοιδορία „Schmähung“. In Num 20,13; 27,14; Dtn 32,51; 33,8; Ps 81,8; 106,32 werden die „Wasser von Meriba(t Kadesch)“ als ὕδωρ ἀντιλογίας „Wasser des Widerspruchs“, in Num 20,24 als ὕδωρ τῆς λοιδορίας „Wasser der Schmähung“ übersetzt. Bei der Übersetzung von Ps 95,8 lässt sich fragen, ob hier nicht Meriba zugunsten eines Anklangs an Mara (in Ex 15,23 Πικρία „Bitternis“ genannt) übergangen wurde: „Verhärtet nicht eure Herzen wie bei der Verbitterung (ὡς ἐν τῷ παραπικρασμῷ), entsprechend dem Tag der Versuchung in der Wüste“. παραπικραίνω „verbittern“ gibt zwar regelmäßig „ מרהsich widersetzen“ wieder (vgl. Ps 78,8.17.40.56; 105,28; 106,7.33.43; 107,11), ein Lexem, das auch in den Meriba-Texten
10
1. Einführung
Der Brunnenstreit in Gen 26,20–22 changiert zwischen μάχομαι „zanken, kämpfen, streiten“ und κρίνω „rechten“. Letzteres und verwandte Lexeme sind schwerpunktmäßig in Rechtstexten belegt (vgl. etwa Ex 23,3.6; Jes 3,13; Hos 4,1), etwas weniger formell ist δικάζω „streiten, richten“ (vgl. etwa Ri 6,31f.). Jeremias Widerspruch gegen YHWH in Jer 12,1 wird als Verteidigungsrede verstanden: ἀπολογέομαι. 3.) אנןhitpol. „klagen“ ist innerhalb der Murrerzählungen nur in Num 11,1 belegt, außerhalb der Murrerzählungen nur noch in Thr 3,39. Die Septuaginta übersetzt an beiden Stellen mit γογγύζω „murren“, also mit der üblichen Übersetzung für „ לוןmurren“. Weitere Murrlexeme sind in Num 11,1–3, der kürzesten der Murrerzählungen, nicht belegt. Inhalt und (formelhafter) Aufbau der Erzählungen weisen sie aber klar als Murrerzählung aus, und als solche wurde sie auch rückblickend wahrgenommen (vgl. Dtn 9,22). 4.) und 5.) Letzteres gilt auch für Num 11,4–35. Zum Murren kommt es hier in zwei Schritten: Zunächst wird ein Teil der Wandernden, nämlich das (nicht-israelitische) „dahergelaufene Volk“ oder „Mischvolk“ ()האספסף, „begierig“ ( ;התאוו תאוהἐπεθύμησαν ἐπιθυμίαν; 11,4a), woraufhin die Israeliten „erneut weinen“ ( ;וישׁבו ויבכו11,4b). Belegt sind damit auch in dieser Murrerzählung zwei verschiedene Lexeme für das Murren, wobei nur das Weinen auch versprachlicht wird. Noch dazu zeichnet sich diese Erzählung durch die Betonung des neuerlichen Weinens in eine (nicht explizierte) Reihe von vergleichbaren Ereignissen ein.30 אוהhitp. „begehren“ wird nach 11,4a in 11,34 wieder aufgenommen, wo der Ort wegen des Begehrens ( אוהhitp.) des Volkes – womit nun auch die Israeliten gemeint sind – und seiner darauf folgenden tödlichen Strafe Qibrot-Hattaawa ()קברות התאוה, „Gräber der Begierde“, genannt wird. An dieser Stelle wird also nicht das Objekt des Murrens verändert, sondern das Subjekt ausgeweitet. In den weiteren Murrerzählungen ist das Lexem nicht mehr belegt (vgl. aber noch Ps 106,14 sowie Ps 78,29.30). „ בכהweinen“ als Klage- und Murrlexem begegnet nebst Num 11,4.10.13.18. 20 nur in Num 14,1 (vgl. noch Dtn 1,45) und wird von der Septuaginta an diesen Stellen stets mit κλαίω „weinen“ übersetzt. Die narrative Verschlimmerung im Zusammenhang mit „ בכהweinen“ in 11,4–35 (Änderung von Kommunikationsebene, Objekt und Zitation des Murrens) wurde bereits bei der Besprechung von „ לוןmurren“ dargestellt. In 14,1f. wird das Weinen durch „ לון עלmurren gegen“ versprachlicht und im weiteren Kontext ebenso negativ qualifiziert. 6.) Zwei Murrerzählungen, die bislang noch nicht genannt wurden, verwenden „ דבר בreden gegen“ als Murrlexem – und zwar in beiden Fällen als einziges Murrlexem: Num 12,1–16 (in 12,1.8b) und Num 21,4–9 (in Num 20,10.24; 27,14 belegt ist, doch wird es dort von der Septuaginta jeweils anders (und jeweils unterschiedlich) übersetzt. 30 S.u. Kap. 5.1. mit Anm. 7.
1.2. Die Murrerzählungen der Bücher Exodus und Numeri
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21,5.7).31 Im ersten Fall ist Mose Objekt des Murrens von Miriam und Aaron, und das Murrlexem wird in der Erzählung (12,1) und YHWH-Rede (12,8b) von der Septuaginta mit (κατα)λαλέω κατά „reden gegen“ übersetzt. Im zweiten Fall sind Gott und Mose Objekt des Murrens des Volkes. Die Septuaginta unterscheidet hier in ihrer Übersetzung der Erzähl(er)stimme (21,5) durch unterschiedliche Präpositionen zwischen dem „Reden zu / gegen“ Gott (καταλαλέω πρός) und dem „Reden gegen“ Mose (καταλαλέω κατά); in der Übersetzung der direkten Rede des Volkes (21,7) findet sich diese Unterscheidung nicht mehr, hier wird bei beiden Objekten mit κατά „gegen“ übersetzt.32 Auch für diese beiden Erzählungen gilt, dass Inhalt und Aufbau der Erzählungen sie klar als Murrerzählung ausweisen. Im Falle von Num 12 ist bemerkenswert, in sprachstatistischer Hinsicht aber wenig überraschend, dass דבר בhier auch im Sinne von „reden mit“ verwendet wird (12,2bis.6.8a; von der Septuaginta jeweils mit λαλέω plus Dativ übersetzt). 7.) קהל עלniph. „sich versammeln gegen“ ist in Num 16,3; 17,7; 20,2 belegt (vgl. dagegen etwa Ex 32,1 mit der Bedeutung „sich versammeln bei“), קהל עלhiph. „versammeln gegen“ in Num 16,19. Die Septuaginta gibt die Stellen mit unterschiedlichen Lexemen wieder. Objekt, wogegen sich diese Versammlung richtet, sind stets Mose und Aaron. In 16,3 stellen im überlieferten Text die ehedem wohl je eigenständigen Gruppen von Korach und seinen Leuten, Datan und Abiram sowie der 250 Männer gemeinsam das Subjekt dieser Versammlung dar (vergleichbar ist 16,19). In 17,7 und 20,2 ist das ganze Volk Subjekt. Insbesondere die Belege in 16,3 und 20,2 können als funktionsäquivalent zu „ לון עלmurren gegen“ gelten, da hier jeweils der Beginn der Auflehnung berichtet wird: In 16,3 stellt קהל עלniph. „sich versammeln gegen“ das einzige Murrlexem dar (allerdings in einem komplexen Zusammenhang),33 in 20,2f. folgt auf die „Versammlung gegen“ Mose und Aaron das „Streiten mit“ Mose ( ;ריב עם20,3). In 17,7 wird durch die Erzählstimme das „Murren gegen“ ( )לון עלMose und Aaron aus 17,6 zur „Versammlung gegen“ sie, während der sich die Theophanie YHWHs ereignet. Nebst den bisher genannten Murrlexemen, die funktionsäquivalent zu לון „ עלmurren gegen“ verwendet werden können, sind innerhalb der Murrerzählungen weitere Lexeme zur Deutung des Murrens belegt. Diese stehen nie in der Funktion des berichteten Murrens, sondern ausschließlich in Figurenrede in deutenden Bezügen auf den bereits mit anderen Lexemen beschriebenen
31 Zu vergleichen ist noch Ps 78,19, wo „ דבר בreden gegen“ als Murrlexem für die Manna-und-Wachtel-Wundererzählung(en) verwendet wird (vgl. 78,17–31). 32 Die aramäischen Übersetzungen unterscheiden in Num 21,5 und 21,7 auch die Murrlexeme je nach Objekt des Murrens. Vgl. WEVERS, Notes, 341.343. Zur Auslegung von 21,4–9 in den Targumim vgl. MANESCHG, Erzählung, 285–384. 33 Dass Num 16,1f. textlich korrupt ist, erschließt sich jedem, der den hebräischen Text zu übersetzen versucht. S.u. Kap. 8.1.
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1. Einführung
Bericht des Murrens. Die im Folgenden genannten Lexeme – auch sie sind außerhalb der Murrerzähungen häufiger belegt – können daher nur als Murrlexeme im weiteren Sinne bezeichnet werden: 8.) Die YHWH-Rede Num 14,20–25 dekretiert den Tod der Exodusgeneration in der Wüste (mit Ausnahme von Kaleb), weil sie trotz YHWHs (Wunder-)Zeichen in Ägypten und der Wüste YHWH schon zehnmal versucht haben (14,22; vgl. Hi 19,3). נסהpi. „versuchen“ (πειράζω oder ἐκπειράζω) erscheint so als eine Art systematisierende Zusammenfassung des Murrens Israels in der Wüste. 14,20–25 nimmt indes das zuvor geschilderte Murren der Israeliten aus 14,2 ( )לוןnicht deutlich bzw. nicht explizit auf (im Unterschied zur zweiten YHWH-Rede in 14,26–35), und in den weiteren Murrerzählungen wird nur noch in Ex 17,2.7 das „Streiten mit“ Mose ( )ריב עםals „Versuchen“ YHWHs gedeutet ( נסהpi.). In beiden Fällen geht es also um die Deutung des Geschehens durch eine Erzählfigur. Des Weiteren handeln Dtn 6,16bis; Ps 78,18.41.56; 106,14 (vgl. noch Dtn 33,8) von der Versuchung YHWHs durch Israel. Demgegenüber operieren Ex 15,25; 16,4; Dtn 8,2.16 gerade mit vertauschtem Subjekt und Objekt, lassen also YHWH Israel versuchen, auf die Probe stellen; nach Dtn 8,2.16 diente die Wüstenwanderung insgesamt als Erprobung des Volkes. 9.) „ מאסverwerfen; verschmähen“ wird innerhalb der Murrerzählungen in Num 11,20 auf die Verwerfung YHWHs und in 14,31 auf die Verschmähung des Verheißenen Landes (vgl. noch Ps 106,24) jeweils durch das Volk und jeweils in YHWH-Rede angewandt. Die Septuaginta gibt die Stellen mit unterschiedlichen Lexemen wieder. 10.) „ מרד בsich auflehnen gegen“ ist innerhalb der Murrerzählungen lediglich in Num 14,9 belegt, in der Rede der beiden Kundschafter Josua und Kaleb, die die zuvor weinenden ( ;בכה14,1b) und murrenden ( ;לון על14,2) Israeliten auffordern, sich nicht „gegen YHWH aufzulehnen“ (μὴ ἀποστάται γίνεσθε „Werdet nicht Abtrünnige“). Dass das Lexem für Rebellion (in politischen oder theologischen Kontexten)34 innerhalb der Murrerzählungen nur einmal und hier in einer Figurenrede belegt ist, sollte zur Vorsicht gemahnen, statt von Murrerzählungen von Rebellionserzählungen o.ä. zu sprechen – zumal der Text nicht erkennen lässt, ob er bzw. Josua und Kaleb Murren und Rebellieren gleichsetzt bzw. gleichsetzen oder die Warnung vor dem Rebellieren als Warnung versteht bzw. verstehen, über das Murren hinaus auch noch zu rebellieren.35 11.) נאץpi. „verachten; verwerfen“ ist innerhalb der Murrerzählungen in Num 14,11.23; 16,30 belegt (vgl. noch Ps 107,11) und wird von der Septuaginta jeweils mit παροξύνω „reizen; erzürnen“ übersetzt. Objekt des Verach34
Vgl. nebst den Wörterbüchern auch BÜHRER, Nimrod, 15f. Etwa gegen COATS, Rebellion; KNIERIM, לוןlūn rebellieren; KUPFER, Israel, die den Rebellionsbegriff bereits im Titel bzw. Untertitel ihrer Arbeiten führen (s.o. Anm. 15). 35
1.2. Die Murrerzählungen der Bücher Exodus und Numeri
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tens ist in den Murrerzählungen stets YHWH. In 14,11.23 qualifiziert YHWH selbst das Tun der Israeliten als Verachten, in 16,30 Mose. Das voranstehende Tun der Israeliten ist im Falle (des überlieferten Textes) von Num 14 das „Murren gegen“ Mose und Aaron ( ;לון על14,2), im Falle (des überlieferten Textes) von Num 16 die „Versammlung gegen“ Mose und Aaron (קהל על niph.; 16,3.19). 12.) und 13.) In den YHWH-Reden Num 14,11f.20–25 wird das Murren des Volkes nebst „Verachten“ ( נאץpi.; 14,11.23) und „Versuchen“ ( נסהpi.; 14,22) YHWHs (s.o.) auch als „nicht Glauben an“ ihn ( לא+ אמן בhiph.; 14,11) und „nicht auf seine Stimme Hören“ ( לא+ ;שׁמע בקול14,22) beschrieben. Das Motiv des Nicht-Glaubens an YHWH wird in Num 20,12 auf das Verhalten Moses und Aarons angewandt, in Dtn 1,32 (vgl. Num 13,33bSmr);36 Dtn 9,23; Ps 78,22.32 (vgl. 78,8.37); 106,24 auf das des Volkes. Die Septuaginta formuliert jeweils mit negiertem πιστεύω „glauben“. Das Motiv des Nicht-Hörens begegnet auch in Dtn 8,20; 9,23; Ps 106,25. Die Septuaginta formuliert jeweils mit negiertem εἰσακούω oder ἀκούω „hören“. Beide Motive sind außerhalb der Murrerzählungen und Erinnerungen daran deutlich häufiger belegt. 14.) יעד עלniph. „sich versammeln gegen“ ist innerhalb der Murrerzählungen in Num 14,35; 16,11 belegt (vgl. noch 26,9Smrbis;37 27,3).38 Die Septuaginta gibt die Stellen mit unterschiedlichen Lexemen wieder. In beiden Fällen ist YHWH das Objekt, wogegen die Versammlung stattfindet. Dabei nimmt in Num 14 YHWH das „Murren gegen“ Mose und Aaron ( )לון עלaus 14,2 auf, in 16,11 nimmt Mose die „Versammlung gegen“ ihn selbst und Aaron ( קהל עלniph.) aus 16,3 auf bzw. parallelisiert die „Versammlung gegen“ YHWH ( יעד עלniph.) mit dem „Murren gegen“ Aaron ( ;לון על16,11). Nebst der Kommunikationsebene ändert sich hier also auch das Objekt des Murrens. 15.) Mit „ חטאsündigen“ (von der Septuaginta an den folgenden Stellen jeweils mit ἁμαρτάνω „sündigen“ übersetzt) qualifizieren die Murrenden selbst ihr Verhalten in Num 12,11; 14,40; 21,7; Dtn 1,41 (Zitat in der Mose-Rede). Darüber hinaus wird das Lexem auch in Num 16,22; Ps 78,17.32 (vgl. noch Num 17,3; Ps 106,6) für das Handeln des Volkes in der Wüste verwendet. 16.) „ מרהwiderspenstig sein“ und „ מריWiderspenstigkeit“ sind innerhalb der Murrerzählungen in Num 17,25; 20,10 belegt: In 17,25 wird das zuvor murrende Volk ( לוןund )תלנותvon YHWH als „Widerspenstige“ ( )בני־מריbezeichnet. In 20,10 spricht Mose das Volk, das sich gegen ihn und Aaron versammelt hat ( קהל עלniph.; 20,2) und gegen ihn stritt ( ;ריב עם20,3), als „Wi36
Zur Angleichung von Num 13f. und Dtn 1,19-46 im Samaritanischen Pentateuch s.u. mit Anm. 41f. und s.u. Kap. 7.1. 37 Der masoretische Text blickt hier mit נצהhiph. „(handgreiflich) streiten“ auf Num 16f. zurück, einem Lexem, das in den Murrerzählungen nicht belegt ist. 38 In 1Kön 8,5 // 2Chr 5,6 meint יעד עלniph. dagegen „sich versammeln bei“.
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1. Einführung
derspenstige“ ( )המריםan.39 Außerhalb der Murrerzählungen werden die Lexeme in Num 20,24; 27,14 von YHWH auf das Verhalten Moses und Aarons aus 20,1–13 angewandt und in Dtn 1,26.43; 9,7.23.24 (vgl. noch 31,27) von Mose auf das Verhalten des Volkes (speziell im Zusammenhang der verweigerten Landnahme aber auch allgemein für das Verhalten in der Wüste insgesamt). Schließlich zeigen etwa die Belege in Ps 78,8.17.40.56; 105,28; 106,7. 33.43; 107,11; Ez 20,8.13.21; Neh 9,17, dass „ מרהwiderspenstig sein“ und „ מריWiderspenstigkeit“ nicht nur Israels Verhalten während der Wüstenwanderung, sondern bereits in Ägypten und darüber hinaus bezeichnen können.40 Die Septuaginta gibt die Stellen mit unterschiedlichen Lexemen wieder. Außerhalb der Murrerzählungen wird (im masoretischen Text) in Dtn 1,27 und Ps 106,25 רגןniph. „murren“ für das Murren der Israeliten im Zusammenhang der verweigerten Landnahme verwendet. Die Septuaginta übersetzt mit διαγογγύζω bzw. γογγύζω „murren“, also der üblichen Wiedergabe von „ לוןmurren“. Der Samaritanische Pentateuch hat in seiner Wiedergabe der Kundschaftererzählung in Num 13f. mehrere Passagen aus deren (synchron verstandenen) Nacherzählung in Dtn 1,19–46 nachgetragen, damit Bericht und Nacherzählung dieses Berichtes einander auf der Textebene noch besser entsprechen:41 Num 13,1 wird der Text aus Dtn 1,20–23a, syntaktisch an die Erzählweise von Num 13f. angepasst, vorangestellt. Num 14,1 wird der Text aus Dtn 1,27–33, syntaktisch nur bedingt an die Kommunikationsebene von Num 13f. angepasst, vorangestellt.42 Damit enthält die Kundschaftererzählung des Samaritanischen Pentateuch auch das Lexem רגןniph. „murren“. Schließlich wird Dtn 1,42, syntaktisch an die Erzählweise von Num 13f. angepasst, Num 14,41 vorangestellt. Außerhalb der Murrerzählungen werden darüber hinaus נצה עלhiph. „streiten gegen“ in Num 26,9MT, קצףhiph. „erzürnen“ in Dtn 9,7.8.22; Ps 106,32 und קנאpi. „reizen“ in Ps 106,16 zur Beschreibung des Handelns (Einzelner) des Volkes im Rahmen des Murrens in der Wüste verwendet.
Als Fazit dieses Durchgangs lässt sich festhalten, dass unterschiedliche Lexeme zur Beschreibung von Israels Murren in der Wüste verwendet werden. Es konnte dabei zwischen Murrlexemen im engeren Sinne, die obigen Ziffern
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BHS schlägt ausgehend von Num 20,10 für 20,3bα statt der seltenen (aber nicht singulären) Redeeinleitung „ ויאמרו לאמרund sie sprachen, sprechend“ „ וימרו לאמרund sie waren widerspenstig und sprachen“ vor. Dies dürfte aber eher eine Harmonisierung darstellen und hat keinerlei Anhalt an der Textüberlieferung. Vgl. auch die Kritik bei ARTUS, Études, 204 Anm. 2. 40 Für die weiteren Belege sei auch hier auf die Wörterbücher verwiesen. 41 „Nach Ausweis des Befundes besteht die Funktion der prä-samaritanischen Fortschreibungen im Wesentlichen darin, Lücken in der Repräsentanz des Narrativs auf der Textoberfläche zu füllen, sei es bei korrespondierenden Passagen innerhalb eines einzigen Textes, sei es im Vergleich zweier Erzählungen ein und desselben Ereignisses.“ SCHORCH, Fortschreibungen, 131 (vgl. dort im Einzelnen zu den unterschiedlichen Formen dieser Erweiterungen). Zu den Auffüllungen von Num 13f. im Samaritanischen Pentateuch s.u. Kap. 7.1. 42 S.u. Kap. 7.1. mit Anm. 5.
1.2. Die Murrerzählungen der Bücher Exodus und Numeri
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1.)–7.), und Murrlexemen im weiteren Sinne, die obigen Ziffern 8.)–16.), unterschieden werden. Nur erstere werden innerhalb der Murrerzählungen auch anstelle des gebräuchlichsten Murrlexems, „ לון עלmurren gegen“, zur Beschreibung des Murrens verwendet. Besonders in den Murrerzählungen des Numeribuches werden mehrere Murrlexeme (im engeren wie weiteren Sinne) verwendet. Die Kombination der Lexeme erfolgt dabei nicht neutral, sondern steht zumeist im Interesse einer Deutung des Geschehens. Diese Deutungsakte geschehen durch Kombinationen von Murrlexemen, Wechsel der Kommunikationsebenen, Umadressierungen des Murrens und Umformulierungen.43 Sie dienen meist dazu, das „Murren“ negativer zu qualifizieren, und werden daher in der vorliegenden Untersuchung als Deutung des Murrens vom Murren unterschieden und als „narrative Verschlimmerung“ als wiederkehrendes Motiv innerhalb der Murrerzählungen behandelt.44 Wo dagegen keine Form „narrativer Verschlimmerung“ hinsichtlich des Murrens vorliegt, und das Murren nicht bestraft, sondern die Ursache des Murrens von YHWH (durch die Vermittlung insbesondere Moses) beseitigt wird, erscheint das Murren schlicht als Akt der Problembenennung, der kaum oder gar nicht in negativem Licht erscheint. An diesen Stellen, Ex 15,22–27; Jos 9; Ps 59,15f. und bedingt Ex 16,45 insinuiert damit auch der deutsche Begriff „murren“ letztlich eine negativere Bewertung, als es die hebräischen Texte erkennen lassen, und wird hier nur um der konkordanten Übersetzung und des Zusammenhangs mit den anderen Murrerzählungen willen entsprechend übersetzt.46 43
Ungleich des Wechsels bzw. der Ausdehnung des Objekts des Murrens bleibt das Subjekt in der Regel identisch (die Ausnahme stellt die Ausweitung vom Mischvolk auf das Volk insgesamt in Num 11,4 → 11,34 dar), kann aber im Einzelnen unterschiedlich bezeichnet werden (s.o. Anm. 3). Im Falle von Num 17,6–28 stellt des Murren des Volkes die Reaktion auf die Bestrafung des Murrens einzelner Israeliten aus Num 16,1–17,5 dar. 44 Demgegenüber bestimmt COATS, Rebellion, 24 die Bedeutung von „ לון עלmurren gegen“ im Sinne von Rebellion gerade mittels der nur ein- bzw. zweimal innerhalb der Murrerzählungen, und nur in deutenden Passagen, belegten Lexeme „ מרד בsich auflehnen gegen“ und „ מרהwiderspenstig sein“ bzw. „ מריWiderspenstigkeit“. S.o. Anm. 15.35 und s.u. Kap. 1.2.4. mit Anm. 86; Kap. 2.1. mit Anm. 11. 45 Zum vergleichsweise positiven Wüstenbild in Ex 16 vgl. auch VON RAD, Theologie, 295. 46 Auf etwas anderem Wege und nur unter Berücksichtigung der Belege von „ לוןmurren“ und Ableitungen und Übersetzungen hiervon kommt GATHMANN, Gemeinde zu einem ähnlichen Ergebnis. Vgl. aaO., 42: Die von ihm untersuchten Lexeme „sind ambivalente, aber keine per se negativ belegten Begriffe. Murren ereignet sich an keiner Stelle grundbzw. voraussetzungslos, und eine implizite Legitimität kommt dort zum Ausdruck, wo Murren erhört und die zum Murren Anlass gebende Situation positiv verändert wird …; mit einer Bedeutung wie ‚rebellieren/Rebellion‘ ist dementsprechend vorsichtig umzugehen. Göttliche Strafakte folgen dem Murren nicht automatisch, sondern dann, wenn Murren Teil eines Handlungskomplexes ist, der sich illegitim über die Grenzen zwischen Gott und
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1. Einführung
1.2.2. Die unterschiedlichen Formen der Murrerzählungen Aus den einzelnen Murrerzählungen lässt sich ein vergleichbarer Erzählkern herausschälen: In allen Fällen murren das Volk bzw. einzelne Figuren daraus, und das Murren wird in einem mehrschichtigen Prozess, an dem YHWH und die menschliche Führung des Volkes gemeinsam beteiligt sind, beendet. Die einzelnen Erzählungen in ihrer vorliegenden Textgestalt sind ungleich komplexer. Die oben gemachte Unterscheidung zwischen bestraftem und nicht bestraftem Murren verhilft, zwei Grundformen der Murrerzählungen zu systematisieren, die in ihrer Ausprägung im Einzelnen wieder deutlich komplexer sind:47 Die vor-sinaitischen Murrerzählungen Ex 15,22–27; 16; 17,1–7 gehen von einer natürlichen Bedrohungslage als Auslöser des Murrens aus: einem Mangel an Wasser (15,22–24; 17,1–3) oder Nahrung (16,1–3). Dieser Mangel wird jeweils durch ein wunderhaftes Eingreifen YHWHs, vermittelt durch Mose, behoben. Das aus Ägypten befreite und in die Wüste geführte Volk, das hier scheinbar zu sterben droht, wird damit auch in der Wüste von YHWH geschützt, so dass die Wüstenwanderung jeweils fortgesetzt werden kann: Die drei vor-sinaitischen Murrerzählungen sind eingebunden in ein Stationenverzeichnis, das den kontinuierlichen Fortgang der Wüstenwanderung anzeigt (vgl. 15,22f.27; 16,1; 17,1; 19,1f.). Die beiden Wasserwundererzählungen gehen einander sehr viel deutlicher parallel als die Wachtel-und-Manna-Wundererzählung. In Ex 15,22–27 und 17,1–7 wird – genauso wie in der Wasserwundererzählung Num 20,1–13 (s.u.) – die Bedrohungslage durch den Erzähler konstatiert (Ex 15,22f.; 17,1; Num 20,1.2a), woraufhin das Volk zu Mose murrt, und dieser sich (mehr oder weniger direkt) an YHWH wendet (Ex 15,24.25aα1; 17,2–4; Num 20,2b.3– 5.6a). In Ex 16 dagegen wird die Bedrohungslage lediglich im Murren des Volkes gegen Mose und Aaron benannt (16,2f.). Darauf reagiert zunächst YHWH (16,4f.), erst anschließend erfolgt eine Reaktion von Mose und Aaron (16,6–10). Während in den Wasserwundererzählungen die Notlage des Volkes jeweils vergleichsweise schnell behoben wird, ist Ex 16 ungleich länger und weist mit der Sabbatfindung ein weiteres Thema nebst dem des Speisungswunders auf. Es wird sich im weiteren Verlauf der Untersuchung zeigen, dass die größten Unterschiede im Ablauf redaktionsgeschichtlich bedingt sind;48 doch auch bei einem Vergleich der Wasserwundererzählungen mit der rekonstruierten Grundschicht von Ex 16 bleiben deutliche Unterschiede im Aufbau bestehen.
Gottesvolk hinwegsetzt.“ (Herv. gelöscht). Vgl. auch LOHFINK, Ursünden, 178 Anm. 32; SCHMIDT, Studien, 186–195.205f.; ARTUS, Études, 125f.; FRANKEL, Stories, 19.90. 47 Vgl. zum Folgenden etwa, mit unterschiedlichen Darstellungen, CHILDS, Exodus, 258f. (s.u. Kap. 1.2.4.); BUIS, Conflits; VERVENNE, Protest, 263–269; SCHART, Mose, 47– 57; ARTUS, Études, bes. 36–40; FRANKEL, Stories, 31–61; ACHENBACH, Vollendung, 206– 209. SCHMIDT, Studien, 179–203 arbeitet die Struktur der priesterschriftlichen Murrerzählungen heraus, vermerkt aber auch zahlreiche Abweichungen von der Grundstruktur in den einzelnen Erzählungen. 48 S.u. Kap. 3.
1.2. Die Murrerzählungen der Bücher Exodus und Numeri
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Während die vor-sinaitischen Murrerzählungen YHWHs Fürsorge in der Wüste angesichts natürlicher Bedrohungslagen betonen und das Murren des Volkes nicht sanktionieren, erscheint in den nach-sinaitischen Murrerzählungen das Verhältnis zwischen Israel und YHWH sowie Mose (und Aaron) deutlich konfliktbeladener, und das Murren wird bestraft. Das Murren entzündet sich hier in der Regel nicht an einer natürlichen Notlage (zu Num 20,1–13 s.u.). Vielmehr führt eine Unzufriedenheit mit der bestehenden Situation – bezüglich der Nahrung (Num 11,4–35; 21,4–9) oder bezüglich der Führung in der Wüste (Num 12; 13f.; 16f.) – zum Murren; Num 11,1–3 lässt keinen Grund für das Murren erkennen. Dieses Murren wird von YHWH jeweils bestraft. Moses Funktion ist nun nicht mehr, die Klage über die Notlage und deren Lösung zwischen dem Volk und YHWH zu vermitteln, sondern die Konsequenzen des Murrens, die Strafe, einzugrenzen. Aufgrund des Eintretens Moses setzt sich auch hier die Wüstenwanderung fort, und auch die nach-sinaitischen Murrerzählungen werden durch ein Stationenverzeichnis zusammengehalten (vgl. 10,33a; 11,35; 12,16; 20,1.22; 21,4a.10–35; 22,1). Als Strafe für das Murren erfolgt die Wanderung nun allerdings auf Umwegen, geographisch wie zeitlich (vgl. bes. Num 14,26–35). Num 20,1–13 nimmt in jeglicher Hinsicht eine Sonderstellung ein. Die nach-sinaitische Wasserwundererzählung geht deutlich der vor-sinaitischen Wasserwundererzählung Ex 17,1–7 parallel mit natürlicher Notlage, Eintreten Moses (und hier auch Aarons) und anschließendem Wasserwunder.49 Das Murren des Volkes wird entsprechend nicht bestraft. Bestraft werden hier allerdings Mose und Aaron (Num 20,12), deren Handeln beim Wasserwunder von YHWH als Unglaube gewertet und dadurch sanktioniert wird, dass sie die Israeliten nicht ins Verheißene Land hineinführen werden. Als Erzählung vom Murren Israels in der Wüste steht 20,1–13 damit den vor-sinaitischen Murrerzählungen näher, als Erzählung eines Strafens YHWHs in der Wüste dagegen den nach-sinaitischen Murrerzählungen. Auf Letztere ist 20,1–13 auch insofern bezogen, als der Entzug der Führerschaft einen deutlichen Bezug auf die Kundschaftererzählung darstellt: Schon dort waren Mose und Aaron nicht von der Sanktion des Todes in der Wüste ausgenommen (im Unterschied zu Kaleb und Josua); die sich daran anschließende Frage der weitergehenden Führerschaft in der Wüste und ins Verheißene Land wurde dort jedoch nicht geklärt. Auch Num 13f.; 16f. nehmen hinsichtlich ihres Aufbaus auf je eigene Weise eine Sonderstellung ein. Num 16f. enthält gleich mehrere Murrerzählungen, die jeweils eine Strafe für das Murren berichten. Die Kundschaftererzählung Num 13f. stellt nur in ihrem zweiten Teil, Num 14, eine Murrerzählung dar. Das Murren des Volkes setzt aber die Erkundung 49
Num 20,1–13 wird sich denn auch in redaktionsgeschichtlicher Hinsicht als eine Adaption von Ex 17,1–7 erweisen. Wie im Falle von Ex 16 hat die Sonderstellung also auch hier redaktionsgeschichtliche Gründe. S.u. Kap. 9.
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1. Einführung
des Verheißenen Landes und den Bericht darüber in Num 13 voraus, und die Strafe für das Murren, die vierzigjährige Wüstenwanderung, ist deutlich auf die vierzigtägige Erkundung des Verheißenen Landes bezogen (vgl. bes. Num 14,26–35).
1.2.3. Wiederkehrende Motive in den Murrerzählungen Die einzelnen Murrerzählungen weisen verschiedene wiederkehrende Motive auf – teilweise mehr inhaltlicher, teilweise mehr struktureller Art –, die die Murrerzählungen eng miteinander verknüpfen. Das Motiv der narrativen Verschlimmerung wurde, zumindest in einer seiner Formen, bereits bei der Besprechung der unterschiedlichen Murrlexeme deutlich. Nebst diesem mehr formalen Motiv weisen verschiedene Murrerzählungen eine Ägyptenerinnerung in der Rede des Volkes auf; in mehreren Murrerzählungen fungiert Mose als Fürbitter Israels vor YHWH; und in mehreren Murrerzählungen wird eine Theophanie YHWHs an Wendepunkten der Erzählung berichtet. Diese Motive sollen im Folgenden im Einzelnen besprochen werden. Diese Aufzählung übergreifender Themen innerhalb der Murrerzählung ist dabei nicht vollständig, genannt sind aber die zentralsten Motive. Bereits im vorangehenden Kapitel wurde die Einbindung der einzelnen Murrerzählung in ein Stationenverzeichnis genannt; diese Kontextualisierung der Murrerzählungen soll in den einzelnen exegetischen Kapiteln und der Auswertung der vorliegenden Untersuchung weiter diskutiert werden.50 1.) Die bereits dargestellten Kombinationen von Murrlexemen, Wechsel der Kommunikationsebenen, Umadressierungen und Umformulierungen des Murrens wurden als eine Form narrativer Verschlimmerung bezeichnet, bei der die murrenden Israeliten in immer negativerem Licht erscheinen, das Murren als immer schlimmer erscheint, je häufiger darauf Bezug genommen wird.51 Verschlimmern können sich innerhalb der Murrerzählungen aber nicht nur Deutung und Bewertung des Murrens, sondern auch etwa die das Murren auslösende Notlage: Ex 15,22–27 berichtet von einer doppelten Not – und einer doppelten Lösung. Das Problem des nicht vorhandenen Wassers in der Wüste (15,22; vgl. 17,1; Num 20,2) wird durch die Ankunft in Mara nur prima vista gelöst, de facto jedoch verschärft: Das Wasser in Mara ist untrinkbar (15,23). Erst nach dieser Verschlimmerung der Bedrohungssituation des Volkes murrt dieses (15,24), und im weiteren Verlauf der Erzählung werden beide Probleme behoben: Die Bitterwasser von Mara werden trinkbar gemacht (15,25), und dem allgemeinen Problem des Wassermangels in der Wüste wird – zumindest vorübergehend – dadurch begegnet, dass Israel in eine Oase, nach Elim, kommt (15,27). Eine Verschärfung der Bedrohungslage kommt auch in Ex 17,1–7 zum Ausdruck: Auf die Wasserforderung an Mose reagiert dieser mit einer Deutung dieser Forderung als Versuchung YHWHs, geht da50 51
S.u. bes. Kap. 2.2.; Kap. 4.2.2.; Kap. 11. S.o. Kap. 1.2.1.
1.2. Die Murrerzählungen der Bücher Exodus und Numeri
19
mit zunächst nicht auf das Problem des Wassermangels ein (17,1f.). In 17,3 wird dann nicht nur der Wassermangel, sondern das daraus folgende Dursten des Volkes und dessen Angst vor dem Tod durch Verdursten festgehalten. Gegenüber 17,2 findet damit eine Verschärfung der Bedrohungslage statt; dies geht auch aus Moses Reaktion hervor, der nun seinerseits den Tod durch das Volk fürchtet (17,4). 2.) In dieser verschärften Klage des Volkes in Ex 17,3 wird die Frage nach dem Warum und Wozu des Exodus angesichts des drohenden Todes gestellt. Vergleichbare Infragestellungen des Exodus durch das Volk oder einzelne Israeliten, zuweilen mit einer regelrechten Ägyptennostalgie verbunden, sind in mehreren Murrerzählungen und darüber hinaus belegt:52 Ex 14,11f. 11 … „Gibt es denn keine Gräber in Ägypten, dass du uns genommen hast, um zu sterben in der Wüste? Warum hast du uns das angetan, uns aus Ägypten herauszuführen? 12 War dies nicht unsere Rede, die wir zu dir sprachen in Ägypten: ‚Lass ab von uns, wir wollen Ägypten dienen. Denn es ist besser für uns, Ägypten zu dienen, als zu sterben in der Wüste.‘“ Ex 16,3 … „Wären wir doch durch die Hand YHWHs im Land Ägypten gestorben, als wir an den Fleischtöpfen saßen, als wir Brot aßen in Fülle, denn ihr habt uns herausgeführt in diese Wüste, um zu töten diese ganze Versammlung durch Hunger.“ Ex 17,3 … „Warum hast du uns aus Ägypten heraufgeführt, um mich, meine Söhne und mein Vieh sterben zu lassen vor Durst?“
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… המבלי אין־קברים במצרים למות במדבר53לקחתנו מה־זאת עשׂית לנו להוציאנו ממצרים׃ הלא־זה הדבר אשׁר דברנו אליך במצרים לאמר חדל ממנו ונעבדה את־מצרים כי טוב לנו עבד את־מצרים ממתנו במדבר׃
… מי־יתן מותנו ביד־יהוה בארץ מצרים בשׁבתנו על־סיר הבשׂר באכלנו לחם לשׂבע כי־הוצאתם אתנו אל־המדבר הזה להמית את־כל־הקהל הזה ברעב׃
… למה זה העליתנו ממצרים להמית אתי ואת־בני ואת־מקני בצמא׃
Vgl. RÖMER, Exode; DERS., Nostalgia. Zu Römers diachronen Auswertung des von ihm pauschal als „Ägyptennostalgie“ interpretierten Motivs s.u. Kap. 1.2.4. mit Anm. 138, zu einer kritischen Auseinandersetzung mit ihm s.u. Kap. 4.2.1. ACHENBACH, Vollendung, 228 Anm. 118 spricht pauschal von „Ägyptensehnsucht“. Zur Frageform vgl. COATS, Rebellion, 29–40; speziell zu Ex 14,11f. im Zusammenhang dieser Stellen vgl. VERVENNE, Protest; zu vergleichbaren Stellen außerhalb der Bücher Exodus und Numeri vgl. ACHENBACH, ebd.; RÖMER, Nostalgia, 72–74. 53 Die Septuaginta liest für „ לקחnehmen“ ἐξάγω „herausführen“ wie in 14,11b.
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Num 11,4–6.18–20 4 … „Wer gibt uns Fleisch zu essen? 5 Wir erinnern uns an die Fische, die wir in Ägypten umsonst aßen, an die Gurken, die Melonen, den Lauch, die Zwiebeln und den Knoblauch. 6 Aber jetzt ist unsere Kehle trocken. Es gibt nichts als das Manna (vor) unseren Augen.“ 18 [Wiedergabe durch YHWH] … ‚Wer gibt uns Fleisch zu essen? Denn in Ägypten ging es uns besser.‘ … 20 … ‚Warum nur sind wir aus Ägypten ausgezogen?‘“ Num 14,2–4 2 … „Wären wir doch im Land Ägypten gestorben, oder wären wird doch in dieser Wüste gestorben. 3 Ja warum führt uns YHWH in dieses Land, um durch das Schwert zu fallen? Unsere Frauen und Kinder werden zur Beute werden. Ist es nicht besser für uns, nach Ägypten zurückzukehren?“ 4 … „Wir wollen uns ein Haupt einsetzen und wollen nach Ägypten zurückkehren.“ Num 16,12–14 12 … [Rede Datans und Abirams] „Wir ziehen nicht hinauf! 13 Ist es noch zu wenig, dass du uns heraufgeführt hast aus einem Land, das von Milch und Honig (über-)fließt, um uns zu töten in der Wüste, dass du dich (nun) auch über uns zum Herrschen erhebst? 14 Auch hast du uns nicht in ein Land geführt, das von Milch und Honig (über-)fließt, und hast uns keine Felder und Weinberge zum Erbbesitz gegeben. Willst du die Augen jener Männer ausstechen? Wir ziehen nicht hinauf!“ Num 20,3–5 3 … „Wären wir doch umgekommen, als unsere Brüder umgekommen sind vor YHWH. 4 Und warum habt ihr die Versammlung YHWHs in diese Wüste geführt, damit wir und unser Vieh dort sterben? 54
… מי יאכלנו בשׂר זכרנו את־הדגה אשׁר־נאכל במצרים חנם את הקשׁאים ואת האבטחים ואת־ החציר ואת־הבצלים ואת־השׁומים׃ ועתה נפשׁנו יבשׁה אין כל בלתי אל־המן עינינו׃ … מי יאכלנו בשׂר … כי־טוב לנו במצרים … למה זה יצאנו ממצרים׃
… לו־מתנו בארץ מצרים או במדבר הזה לו־מתנו׃ ולמה יהוה מביא אתנו אל־הארץ הזאת לנפל בחרב נשׁינו וטפנו יהיו לבז הלוא טוב לנו שׁוב מצרימה׃ … נתנה ראשׁ ונשׁובה מצרימה׃
… לא נעלה׃ המעט כי העליתנו מארץ זבת חלב ודבשׁ להמיתנו במדבר כי־תשׂתרר עלינו גם־השׂתרר׃ אף לא אל־ארץ זבת חלב ודבשׁ הביאתנו ותתן־לנו נחלת שׂדה וכרם העיני האנשׁים ההם תנקר לא נעלה׃
… ולו גוענו בגוע אחינו לפני יהוה׃ את־קהל יהוה אל־54ולמה הבאתם שׁם אנחנו55המדבר הזה למות ובעירנו׃
Die Septuaginta liest für בואhiph. „hineinführen“ ἀνάγω „heraufführen“; vgl. Num 16,13; 20,5 (jeweils für עלהhiph. „heraufführen“).
1.2. Die Murrerzählungen der Bücher Exodus und Numeri 5 Und warum habt ihr uns aus Ägypten heraufgeführt, um uns an diesen üblen Ort zu bringen? Es ist kein Ort für Saat, für Feigenbäume, Weinstöcke und Granatapfelbäume, und Wasser gibt es nicht, zu trinken.“ Num 21,5 … „Warum habt ihr uns heraufgeführt aus Ägypten, damit wir in der Wüste sterben? Denn es gibt kein Brot und kein Wasser, und uns ekelt es vor der mageren Speise.“
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ולמה העליתנו ממצרים להביא אתנו אל־המקום הרע הזה לא מקום זרע ותאנה וגפן ורמון ומים אין לשׁתות׃
ממצרים56… למה העליתנו במדבר57למות כי אין לחם ואין מים ונפשׁנו קצה בלחם הקלקל׃
Die (Murr-)Reden in Ex 14,11f.; 16,3; 17,3; Num 11,4–6.18–20; 14,2–4; 16,12–14; 20,3–5; 21,5 enthalten im Einzelnen unterschiedliche Motive: Der gefürchtete Tod in der Wüste bzw. im Verheißenen Land – der vorzuziehende Tod in Ägypten bzw. in der Wüste – das vorzuziehende Leben in Ägypten (in Vergangenheit oder Zukunft) – die Infragestellung des Exodus. Angesichts des befürchteten Todes wird in Ex 14,11f.; 16,3 der Tod in Ägypten dem in der Wüste vorgezogen, in Num 20,3–5 der Tod durch (eine Strafe von) YHWH dem durch Verdursten in der Wüste,58 in Num 14,2f. der Tod in Ägypten oder in der Wüste dem im (Verheißenen) Land durch das Schwert. Ex 17,3; Num 11,4–6.18–20; 16,12–14; 21,5 weisen dagegen keinen Todeswunsch auf; hier wird vielmehr der in der Wüste drohende Tod oder allgemein die als ungut erlebte Situation in der Wüste mit dem Leben in Ägypten explizit oder implizit kontrastiert: Das Leben in Ägypten erscheint, auch wenn es in Unfreiheit zu leben war (vgl. Ex 14,12), dem Wandern in der Wüste und in Freiheit überlegen (vgl. auch Ex 14,11f.; 16,3; Num 20,4f.). Num 16,12–14 kehrt dabei die heilsgeschichtlichen Vorzeichen um und definiert Ägypten als „Land, das von Milch und Honig (über-)fließt“. In Num 14,3f. fasst das Volk entsprechend den Beschluss, nach Ägypten zurückzukehren (vgl. Neh 9,17 und dazu BHS). Der Exodus wird explizit in Ex 14,11; 55
Die Septuaginta liest transitiv wie in Ex 16,3; 17,3; Num 16,13; 21,5LXX (vgl. auch Num 17,6): ἀποκτεῖναι ἡμᾶς „um uns zu töten“. Damit gleicht die Septuaginta einerseits die Murrerzählungen stärker aneinander an, und andererseits erscheint der Vorwurf des Volkes gegenüber Mose so noch gravierender. Vgl. WEVERS, Notes, 323.342. 56 Die Septuaginta und der Samaritanische Pentateuch lesen für עלהhiph. „heraufführen“ ἐξάγω „herausführen“ bzw. יצאhiph. „herausführen“ (vgl. Ex 14,11; 16,3) und lesen das Verb im Singular. Letzteres könnte eine theologische Entschärfung darstellen. Vgl. WEVERS, Notes, 341f. 57 Die Septuaginta liest auch hier transitiv: ἀποκτεῖναι ἡμᾶς „um uns zu töten“ (s.o. Anm. 55). 58 Die Referenz des Rückblicks in Num 20,3 ist nicht ganz klar. Das Umkommen „vor YHWH“ weist auf eine Strafmaßnahme YHWHs hin; das Lexem „ גועumkommen“ verweist auf 17,27f., wo allerdings kein Umkommen der Israeliten konstatiert, sondern ihre Furcht vor dem Umkommen geäußert wird. S.u. Kap. 9.2. mit Anm. 31–34.
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17,3; Num 11,20 (in der Wiedergabe der Volkesrede durch YHWH); 20,4f.; 21,5 (vgl. Num 14,3) in Frage gestellt. Nebst Num 11,1–3, wo überhaupt keine direkten Reden mitgeteilt werden, und Num 12, wo das verhandelte Problem mehr eines innerer Führung und damit im Wesentlichen unabhängig von der Lokalität Wüste und dem Exodusereignis ist, weist von den Murrerzählungen nur Ex 15,22–27 keine Infragestellung des Exodus oder eine Ägyptennostalgie auf. Dies fügt sich gut in das bisher gezeichnete Bild, wonach das Murren des Volkes in Ex 15,22– 27 nicht negativ zu werten ist. Das Heilshandeln YHWHs im Exodusereignis und der Führung durch die Wüste wird hier nicht in Frage gestellt, vielmehr macht das Volk gerade auf die Gefährdung dieses Heilshandelns durch die natürlichen Bedingungen der Wüste nachdrücklich aufmerksam. Demgegenüber fügt sich das Ägyptenmotiv an den genannten Belegstellen gut in die jeweilige Erzählung und die darin zum Ausdruck kommende Bewertung des Volkes ein: In Ex 16 und 17,1–7 reagiert das murrende Volk auf eine natürliche Bedrohungslage, die im weiteren Verlauf der Erzählung von YHWH behoben wird. Ex 16,3 und 17,3 dienen dabei nicht der Verklärung Ägyptens, sondern der Benennung des Problems: In Ex 16 wird allein in der Volkesrede die Hungersnot als Bedrohung genannt; dem Tod in der Wüste wird dabei nicht das Leben, sondern der Tod in Ägypten durch die Hand YHWHs vorgezogen. Die Fleischtöpfe Ägyptens und das Brot in Fülle dienen gerade dazu, das Wunderhandeln YHWHs zu betonen, der in der Wüste Fleisch und Brot für das ganze Volk bereitstellen kann. In Ex 17,3 wird der Exodus zwar in Frage gestellt, aber nur ein (vermeintlich) Tod bringender Exodus. Ägypten wird in keiner Weise positiv gezeichnet. Nur der unmittelbar befürchtete Tod in der Wüste stellt den als Befreiung gedachten Exodus in Frage. Die Frage des Volkes lässt sich so durchaus mit Moses Fürbitte für das Volk in Ex 32,11–13 und Num 14,13–19 vergleichen, wo es ebenso um die potentielle Auslöschung des ganzen Volkes und dessen Verhinderung geht. In Num 20,1–13, wo das Volk ebenso von Wassermangel bedroht und für sein Murren nicht bestraft wird, wo viel mehr YHWH helfend eingreift, ist die Murrrede deutlich ausführlicher. Aber auch hier dient die Infragestellung des Exodus dem Aufweis der Sinnlosigkeit eines im Tode endenden Befreiungsgeschehens. Der „üble Ort“ (20,5) ohne Vegetation und Wasser steht zu Ägypten gleichermaßen in Kontrast wie zum Verheißenen Land; der Erzählung dürfte es freilich insbesondere um letzteren Kontrast gehen. Dies ist in den verbleibenden Murrerzählungen anders, wo das Murren ohne äußere Not erfolgt und bestraft wird: In Num 16,12–14 findet eine Umwertung der Verheißung YHWHs statt; nicht mehr das Verheißene Land, sondern Ägypten ist „ein Land, das von Milch und Honig (über-)fließt“. Datan und Abiram verweigern entsprechend die Gefolgschaft ins Verheißene
1.2. Die Murrerzählungen der Bücher Exodus und Numeri
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Land.59 Desgleichen tat das Volk bereits in 14,2–4, wo sie einen, letztlich nicht ausgeführten, Umkehrbeschluss fassen. Auslöser dieses Beschlusses sind nicht die Nöte der Wüste, sondern potentielle Gefahren im Verheißenen Land. In 11,4–6 und 21,5 wird der Exodus (implizit oder explizit) in Frage gestellt, weil das Volk die Nahrung in der Wüste als defizitär bewertet. 11,4– 6 stellt der Nahrung in der Wüste den Speiseplan Ägyptens gegenüber. In der deutenden Wiedergabe der Volkesrede durch YHWH in 11,18 lässt YHWH das Volk auch das Leben in Ägypten als besser bezeichnen. Ex 14,11f. ist in seinem Kontext schlecht verankert und wird daher meist und zu Recht als literarischer Nachtrag zur Verbindung von Exodus- und Wüstenerzählung gedeutet.60 Auf die Infragestellung des Exodus reagiert der angesprochene Mose nicht, sondern versucht, das sich fürchtende Volk zu beruhigen.
Die Erinnerung an Ägypten in den (Murr-)Reden Ex 14,11f.; 16,3; 17,3; Num 11,4–6.18–20; 14,2–4; 16,12–14; 20,3–5; 21,5 hat also unterschiedliche Ausprägungen und Funktionen in den einzelnen Erzählungen. Die Frage nach dem Warum und Wozu des Exodus als solche kann damit ebenso wenig wie das Murren als solches unkritisch als Abwertung des murrenden Volkes interpretiert werden.61 Während die bisher betrachteten wiederkehrenden Motive in mehreren Erzählungen unterschiedlicher Überlieferungsbereiche begegnen, treten die Fürbitte Moses und die Erscheinung der Herrlichkeit YHWHs in der Regel nicht zusammen auf: Erstere ist nur in nicht-priesterschriftlichen Murrerzählungen belegt, Letztere nur in priesterlichen, in denen neben Mose auch Aaron auftritt. Fokussiert werden soll zunächst die Fürbitte Moses, im darauf folgenden Abschnitt die Erscheinung der Herrlichkeit YHWHs innerhalb der Murrerzählungen: 3.) Die Fürbitte als „die (sprachliche) Intervention des Beters vor Gott für einen Dritten, die zu dessen Gunsten auf eine positive Situationsveränderung abhebt“,62 wird im Alten Testament ingesamt und auch in den Murrerzählungen terminologisch unterschiedlich zum Ausdruck gebracht, wobei die einzelnen Lexeme – vergleichbar den Murrlexemen – auch unabhängig von Fürbitten belegt sind.63 Dabei ist die Fürbitte als Sonderform des Gebets „im Alten 59
Dass sich „ לא נעלהWir ziehen nicht hinauf!“ in Num 16,12.14 auf die verweigerte Landnahme bezieht, ist nicht unumstritten, angesichts der Exodus-Landnahme-Terminologie in 16,13f. aber sehr wahrscheinlich (s.u. Kap. 8.3.1. mit Anm. 55). 60 S.u. Kap. 4.2.1. mit Anm. 23f. 61 Gegen die in Anm. 52 genannten Arbeiten. 62 LEUENBERGER, Fürbitte, 49f. (Herv. gelöscht). 63 Zu den unterschiedlichen Lexemen, mit denen Fürbitte zum Ausdruck gebracht wird, vgl. LEUENBERGER, Fürbitte, 49 Anm. 6, zu den in den Murrerzählungen hierfür belegten Termini s.u. Zum Thema insgesamt vgl. bes. AURELIUS, Fürbitter (zu Mose als Fürbitter Israels; zur Arbeit von Aurelius s.u. Kap. 1.2.4.); WIDMER, Moses (zu Moses Fürbitte in
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1. Einführung
Testament nicht jedermanns Sache“, sondern wird nur von herausragenden Einzelpersonen berichtet, nebst Mose besonders Amos, Jeremia und Samuel.64 Innerhalb der Murrerzählungen steht die Fürbitte Moses jeweils zwischen dem Murren und dessen „Lösung“. Die Fürbitte wird durch unterschiedliche Lexeme eingeleitet, wird teilweise ausgeführt, teilweise nicht, und schließlich changieren auch die Begünstigten der Fürbitte: In Ex 15,22–27 murrt das Volk wegen des Wassermangels gegen Mose (לון ;על15,24), woraufhin Mose zu YHWH um Hilfe schreit ( ;צעק15,25),65 und dieser ihm den Ausweg aus der Not des Volkes weist. Moses Fürbitte für das Volk wird hier nur festgehalten, ihr Inhalt wird jedoch nicht mitgeteilt. Ebenso wenig wird in Num 11,1–3 und 21,4–9 die Fürbitte Moses (jeweils mit פללhitp.; 11,2; 21,7bis) ausgeführt, doch auch hier endet die Not des Volkes unmittelbar (11,2bβ) oder mittelbar durch YHWHs Anweisung (21,8f.). In 21,7 hat das Volk Mose nach einem Sündenbekenntnis um Fürbitte gebeten, und sie erfolgt sodann explizit „ בעד העםfür das Volk“. In 11,2 geht der Fürbitte das (ebenso wortlose) Schreien um Hilfe des Volkes an Mose voraus ( ;צעקvgl. Ex 15,25). In den weiteren Belegen von Moses Fürbitte wird auch deren Inhalt mitgeteilt: In Ex 17,1–7 und Num 11,4–35 changiert Moses Klage zwischen Fürbitte für das Volk und Bitte für sich selbst.66 Ausgangspunkt sind in beiden Fällen Forderungen des Volkes an Mose, denen er sich nicht gewachsen, sondern sich vielmehr davon bzw. von dem Volk bedroht fühlt. Sein Hilfeschrei an YHWH ( )צעקin Ex 17,4 und seine ohne spezifischen Gebetsterminus, sondern schlicht mit „ ויאמר משׁה אל־יהוהUnd Mose sprach zu YHWH“ eingeleitete Klage in Num 11,11–15 bedenken sowohl das Problem des Volkes als auch – und erst recht – sein eigenes dadurch entstandenes Problem. Von YHWH werden in beiden Fällen beide Probleme einer Lösung zugeführt. Bei der kurzen und knappen Fürbitte in Num 12,13 ist die zur Strafe vom „Aussatz“ befallene Miriam Begünstigte von Moses Fürbitte: אל נא רפא נא לה „Oh Gott, heile sie doch!“ Die Fürbitte wird wieder eingeleitet mit צעק „schreien“ und gefolgt von YHWHs Anweisung zur Problembehebung und deren Durchführung (12,14f.). Ausführlich ist die Fürbitte in Num 14,13–19, Moses Bitte um Vergebung für das Volk. Hier wird (wie in 11,11 schlicht mit „ ויאמר משׁה אל־יהוהUnd
Ex 32–34 und Num 13f.); ROHDE, Fürbitte; LEUENBERGER, aaO. (zu Am 7,1–6 und Ex 32,7–14). 64 AURELIUS, Fürbitter, 3. Vgl. ROHDE, Fürbitte; LEUENBERGER, Fürbitte, 51f. zu den unterschiedlichen Subjekten und Begünstigten von Fürbitte. 65 Dass hier Mose das Subjekt des Schreiens ist, ergibt sich aus dem Erzählfluss. Samaritanus und Septuaginta haben ihn explizierend hinzugefügt. S.u. Kap. 2.1. 66 Vgl. AURELIUS, Fürbitter, 128f.
1.2. Die Murrerzählungen der Bücher Exodus und Numeri
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Mose sprach zu YHWH“ eingeleitet; 14,13) nicht das Ende einer bereits bestehenden Notlage erbeten, sondern die Abkehr von YHWHs Vernichtungsplan (14,11f.). Mose führt dabei zwei Argumente an: Einerseits die zu erwartende Außenwirkung, wenn YHWH das soeben aus Ägypten gerettete Volk sogleich selbst vernichtet (14,13–16),67 und andererseits die aus Ex 34,6f. übernommene Selbstbestimmung YHWHs als „langmütig und groß an Gnade, einer, der Schuld und Sünde vergibt, aber nicht ungestraft lässt, sondern die Schuld der Väter an den Söhnen heimsucht bis zur dritten und vierten Generation“ (יהוה ארך אפים ורב־חסד נשׂא עון ופשׁע ונקה לא ינקה פקד עון אבות על־בנים ;על־שׁלשׁים ועל־רבעים14,18) (14,17f.19). Diese in allen Kanonteilen des Alten Testaments belegte, jeweils etwas unterschiedlich wiedergegebene „Gnadenformel“ unterscheidet zwei sich scheinbar widersprechende Aspekte des göttlichen Wirkens und setzt sie miteinander ins Verhältnis: „Gottes Zorn, der gewiss nicht ungestraft lässt, auf der einen und Gottes Geduld hin zu diesem Zorn, seine Langmut, wodurch er vergeben kann, auf der anderen Seite.“68 Entsprechend dem ersten Teil der Gnadenformel gewährt YHWH Moses Bitte um Vergebung („ סלח־נאVergib doch!“; 14,19) und vergibt gemäß Moses Rede ( ;סלחתי כדברך14,20). Entsprechend dem zweiten Teil der Gnadenformel wird der Ungehorsam des Volkes jedoch dadurch bestraft, dass die Frevler das Verheißene Land nicht sehen werden (14,21–25). Die im jetzt vorliegenden Text des Numeribuches darauf unmittelbar folgende zweite YHWH-Rede detailliert die Sanktion und verhängt vierzig Jahre in der Wüste als Strafzeit für die Exodusgeneration (14,26–35). Wie in Num 14,13–19 dient auch in 16,22 die Fürbitte der Abwendung der von YHWH angedrohten Vernichtung. Hier indes „gilt die Fürbitte“, die nun singulär eine Fürbitte Moses und Aarons ist, „nicht den Unruhestiftern, sondern den Unschuldigen, ‚der ganzen Gemeinde‘, die jetzt durch und mit Korah von Gottes Zorn bedroht ist.“69 YHWHs Vernichtungsbeschluss setzen die beiden Anführer des Volkes die Frage entgegen, ob für die Sünde eines Mannes die ganze Versammlung YHWHs Zorn (und dessen Früchte) verdiene. Auf diese Einforderung der individuellen Gerechtigkeit lässt YHWH die unschuldige Versammlung sich von den schuldig Gewordenen separieren (16,23f.). Die Fürbitte Moses und Aarons ist auch hier nicht mit einem spezifischen Gebetslexem eingeführt. Stattdessen erfolgt sie in der Folge der Erscheinung der Herrlichkeit YHWHs (16,19b). Den Vernichtungsbeschluss 67
Zu vergleichen ist YHWHs eigene Deutung in Ez 20,8f.13f.21f. (vgl. 20,44), die Verschonung Israels vor YHWHs Zorn um seines Namens willen, „damit er nicht entweiht würde vor den Augen der Völker“. Vgl. zu dem Text BÜHRER, Ezechiel, 191–200. 68 MEYER ZU HÖRSTE-BÜHRER/BÜHRER, Erkenntnishorizonte, 211. Zur Gnadenformel vgl. aaO., 210–212 und bes. SPIECKERMANN, Barmherzig. Die wichtigsten Belege der Gnadenformel sind Ex 34,6f.; Num 14,18; Neh 9,17; Joel 2,13; Jon 4,2; Nah 1,3; Ps 86,15; 103,8; 145,8. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Anspielungen daran. 69 AURELIUS, Fürbitter, 128.
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scheint YHWH damit in dieser Form seiner Erscheinungsweise Mose und Aaron mitzuteilen (16,20f.). Sie fallen daraufhin auf ihr Angesicht nieder und sprechen die Fürbitte ( ;ויפלו על־פניהם ויאמרו16,22aα). Die Verbindung dieser Fürbitte mit der Erscheinung der Herrlichkeit YHWHs leitet über zu den weiteren Belegen dieser Theophanie und zeigt, dass dem Niederfallen der Anführer bei der Erscheinung der Herrlichkeit YHWHs eine vergleichbare Funktion wie der Fürbitte zukommen kann (vgl. 17,10b; etwas anders 20,6): 4.) Wie in den nicht-priesterschriftlichen Murrerzählungen eine Form von Fürbitte Moses zwischen dem Murren und dessen „Lösung“ steht, so in den priesterlichen Murrerzählungen die Erscheinung der Herrlichkeit YHWHs.70 Die Erscheinung der Herrlichkeit YHWHs „ist die Form seiner rettend-richtenden Anwesenheit mit und unter seiner Gemeinde.“71 Dabei ist in Ex 16 allein der rettende Aspekt im Blick. In Num 14; 20,1–13 werden beide Aspekte, der rettende und der richtende, mit jeweils gegensätzlichem Objekt verbunden, insofern das Erscheinen der Herrlichkeit YHWHs in Num 14,10 die (zuvor murrenden und nun ihrer Strafe entgegen gehenden) Israeliten davon abhält, Josua und Kaleb, möglicherweise auch Mose und Aaron, zu steinigen, diese mithin rettet, und in Num 20,1–13 das Wasserwunder zur Rettung des Volkes einläutet, aus dem letztlich die Strafe der Führer resultiert; diese Strafe der Führer ist freilich im Rahmen der Theophanie noch nicht explizit im Blick, sie ergibt sich erst durch die Nicht-Befolgung der Anweisungen YHWHs. In Num 16f. schließlich überwiegt der Aspekt der Bestrafung der Murrenden, wobei auch hier die Theophanie eine Form von Unterstützung für Mose und Aaron darstellt.72 Betrachtet man die einzelnen Belege der Erscheinung der Herrlichkeit YHWHs innerhalb der Murrerzählungen in ihrer kanonischen Reihenfolge, so zeigt sich eine klare Entwicklung:73
70 Vgl. STRUPPE, Herrlichkeit; WAGNER, Herrlichkeit, 52–122; RUDNIG-ZELT, Glaube, 234–249. Der Unterschied zwischen nicht-priesterlichen und priesterlichen Texten geht besonders aus der Parallele der zwei Wasserwundererzählungen in Ex 17,1–7 und Num 20,1– 13 hervor: In Ex 17,4 schreit Mose nach dem Murren des Volkes zu YHWH, in Num 20,6 wenden sich Mose und Aaron nach dem Murren des Volkes wortlos an YHWH, der ihnen sodann erscheint. 71 STRUPPE, Herrlichkeit, 214. 72 Insofern greift T. Wagners Deutung zu kurz, in RP (Num 14; 16f.; 20,1–13) diene die Erscheinung der Herrlichkeit YHWHs der Gerichtsansage (vgl. etwa WAGNER, Herrlichkeit, 115.119–122). 73 Nicht berücksichtigt werden in der folgenden Tabelle Ex 24,16f.; 29,43; 40,34f.; Lev 9,6.23, die nicht im Rahmen von Murrerzählungen stehen, sowie Ex 16,7, wo das Sehen ( ראהqal) der Herrlichkeit YHWHs angekündigt wird. Diese Texte zeigen, dass das Motiv der (Erscheinung der) Herrlichkeit YHWHs nicht auf die priesterlichen Murrerzählungen begrenzt ist, sondern bereits in der Exodus- und sodann in der Sinai-Erzählung begegnet und eine zentrale theologische Bedeutung für die priesterlichen Texte innehat. Zur priesterschriftlichen Konzeption s.u. Kap. 3.2. In Num 14,21f. ist sodann in einem nicht-priesterli-
1.2. Die Murrerzählungen der Bücher Exodus und Numeri Ex 16,10f. 10 Und als Aaron zur ganzen Versammlung der Israeliten sprach, wandten sie sich zur Wüste. Und siehe, die Herrlichkeit YHWHs erschien in der Wolke. 11 Und YHWH redete zu Mose und sprach: Num 14,5.10.2674 5 Und Mose und Aaron fielen auf ihr Angesicht … 10 Und die ganze Versammlung sprach, dass man sie (Josua und Kaleb, möglicherweise auch Mose und Aaron) steinigen solle. Aber die Herrlichkeit YHWHs erschien im / am Zelt der Begegnung allen Israeliten. 26 Und YHWH redete zu Mose und zu Aaron und sprach: Num 16,19–22 19 Und Korach versammelte gegen sie (Mose und Aaron) die ganze Versammlung beim Eingang des Zeltes der Begegnung. Und die Herrlichkeit YHWHs erschien der ganzen Versammlung. 20 Und YHWH redete zu Mose und zu Aaron und sprach: 21 „Sondert euch ab aus der Mitte dieser Versammlung, ich will sie vernichten in einem Augenblick.“ 22 Da fielen sie auf ihr Angesicht nieder und sprachen [zu YHWH]: … Num 17,7–11 7 Und als sich die Versammlung gegen Mose und Aaron versammelte, wandten sie sich zum Zelt der Begegnung. Und siehe, die Wolke bedeckte es, und die Herrlichkeit YHWHs erschien.
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ויהי כדבר אהרן אל־כל־עדת בני־ ישׂראל ויפנו אל־המדבר והנה כבוד יהוה נראה בענן׃ וידבר יהוה אל־משׁה לאמר׃
… ויפל משׁה ואהרן על־פניהם ויאמרו כל־העדה לרגום אתם באבנים
באהל מועד75וכבוד יהוה נראה אל־כל־בני ישׂראל׃ וידבר יהוה אל־משׁה ואל־אהרן לאמר׃
ויקהל עליהם קרח את־כל־העדה אל־פתח אהל מועד וירא כבוד־יהוה אל־כל־העדה׃ וידבר יהוה אל־משׁה ואל־אהרן לאמר׃ הבדלו מתוך העדה הזאת ואכלה אתם כרגע׃ … ויפלו על־פניהם ויאמרו
ויהי בהקהל העדה על־משׁה ועל־אהרן ויפנו אל־אהל מועד והנה כסהו הענן וירא כבוד יהוה׃
chen Text von der Herrlichkeit YHWHs die Rede, allerdings wird hier keine Theophanie geschildert, sondern vorausgesetzt (vgl. Num 14,10b): S.u. Kap. 7.2.2. mit Anm. 146f. 74 Das Murren des Volkes in Num 14,1–10 zieht bekanntlich zwei parallele Reaktionen YHWHs nach sich, 14,11–25 und 14,26–35. Aus unterschiedlichen Gründen dürfte 14,26– 35 die ursprüngliche Fortsetzung von 14,10 darstellen (s.u. Kap. 7.2.1.). Aber auch 14,11 setzt mit einer Rede YHWHs an Mose ein: ויאמר יהוה אל־משׁה. 75 Die Septuaginta fügt ἐν νεφέλῃ „in einer Wolke“ hinzu (vgl. Ex 16,10) und verortet die Erscheinung etwas einfacher „auf“ oder „bei dem Zelt des Zeugnisses“: ἐπὶ τῆς σκηνῆς τοῦ μαρτυρίου.
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1. Einführung
8 Da kamen Mose und Aaron vor das Zelt der Begegnung. 9 Und YHWH redete zu Mose und sprach: 10 „Entfernt euch aus der Mitte dieser Versammlung, ich will sie vernichten in einem Augenblick.“ Da fielen sie auf ihr Angesicht nieder. 11 Und Mose sprach zu Aaron: … Num 20,6f. 6 Und Mose und Aaron gingen weg von der Versammlung zum Eingang des Zeltes der Begegnung. Da fielen sie auf ihr Angesicht nieder. Und die Herrlichkeit YHWHs erschien ihnen. 7 Und YHWH redete zu Mose und sprach:
ויבא משׁה ואהרן אל־פני אהל מועד׃ לאמר׃76וידבר יהוה אל־משׁה הרמו מתוך העדה הזאת ואכלה אתם כרגע ויפלו על־פניהם׃ … ויאמר משׁה אל־אהרן
ויבא משׁה ואהרן מפני הקהל אל־פתח אהל מועד 77 ויפלו על־פניהם וירא כבוד־יהוה אליהם׃ וידבר יהוה אל־משׁה לאמר׃
Ort der Theophanie ist in den Numeribelegen stets das Zelt der Begegnung, in Ex 16,10f. aus dem naheliegenden Grund nicht, dass es zu diesem Zeitpunkt der Erzählung noch nicht errichtet ist. Doch bereits in 16,10 wenden sich die Israeliten der Wüste zu – blicken somit zum Ort der folgenden Offenbarung mindestens des Bauplans des Heiligtums. Während die Herrlichkeit YHWHs zunächst jeweils allen Israeliten erscheint, spricht YHWH jeweils ausschließlich zu Mose oder zu Mose und Aaron. In Num 16,21 fordert YHWH von Mose und Aaron, sich von genau der Versammlung abzusondern, der sich seine Herrlichkeit gerade offenbart hat, um die Versammlung zu vernichten.78 Folgt darauf in 16,22 zunächst noch die Fürbitte für die Versammlung, eingeleitet durch das Niederfallen der Anführer, kündigt sich die Separierung von Führern und Geführten in 17,7f. an und wird in 20,6 vollzogen: Die Hinwendung zum Zelt der Begegnung ist in 17,7 zwar ebenso formuliert wie die Hinwendung zur Wüste in Ex 16,10, doch dürften in Num 17,7aβ Subjekt der Hinwendung nur noch die eben angegangenen Mose und Aaron (17,7aα), nicht mehr aber die ganze Versammlung der Israeliten (Ex 16,10) sein. Auf jeden Fall wird in Num 17,7b nicht mehr betont, dass die Herrlichkeit YHWHs allen Israeliten erschien (so noch in 14,10; 16,19), sondern schlicht festgehalten, dass die Herrlichkeit YHWHs erschien. Mose und Aaron kommen daraufhin direkt zum Zelt der Begegnung – die Versammlung ist hier 76 Die Septuaginta liest hier mit Aaron wie in Num 14,26; 16,20, masoretischer und samaritanischer Text lesen hier ohne ihn wie in Ex 16,11; Num 20,7. Nur in Num 17,7–10 besteht durch das Fehlen Aarons eine Spannung, da in 17,10a beide angesprochen sind und in 17,10b beide auf ihr Angesicht niederfallen. Die Septuagintalesart ist glatter und dürfte wohl eine jüngere Harmonisierung darstellen. 77 Mehrere Vulgata-Handschriften fügen hier eine Fürbitte Moses und Aarons ein. 78 Zur Deutung „dieser Versammlung“ auf die Israeliten insgesamt im Gegensatz zur Versammlung („Rotte“) Korachs alleine (wie es etwa die Septuaginta präzisiert: τὴν πᾶσαν αὐτοῦ συναγωγὴν) s.u. Kap. 8.3.3. mit Anm. 124.
1.2. Die Murrerzählungen der Bücher Exodus und Numeri
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nicht weiter im Blick (17,8). Gleichwohl erfolgt auch hier nach dem neuerlichen Befehl zur Separierung mit dem Ziel der Vernichtung der Versammlung (17,9) noch ein Eintreten Moses und Aarons für die Versammlung (17,10b. 11–15), wiederum eingeleitet durch das Niederfallen der Anführer. In 20,6 jedoch separieren sich Mose und Aaron von Anfang an von der Versammlung, gehen zum Zelt der Begegnung, fallen auf ihr Angesicht nieder – und erst dann erscheint die Herrlichkeit YHWHs ihnen beiden. Die Herrlichkeit YHWHs erscheint damit in allen genannten Texten immer zur Lösung der durch das Murren der Israeliten zum Ausdruck kommenden Not. Ist diese Not eine natürliche, das Leben der Israeliten bedrohende, erscheint YHWHs Herrlichkeit in erster Linie zur Rettung, besteht die Not jedoch im Murren selbst, erscheint YHWHs Herrlichkeit in erster Linie zur Bestrafung der Murrenden. Unabhängig davon verengt sich der Kreis derer, die die Herrlichkeit YHWHs schauen können, immer expliziter. 1.2.4. Forschungsgeschichtliche Verortung Die Forschungsgeschichte zu den Wüstenerzählungen im Allgemeinen und den Murrerzählungen im Besonderen ist deutlich erkennbar von den Entwicklungen und Umbrüchen in der Pentateuchforschung insgesamt beeinflusst. Nebst übergreifenderen Arbeiten79 und solchen, die sich lediglich auf eine oder wenige der Murrerzählungen beziehen,80 die also – in beiden Fällen – die Murrerzählungen nicht als solche spezifisch adressieren, sind besonders folgende Arbeiten zu nennen, die mehrere Murrerzählungen analysieren und / oder sich zu Tradition, Theologie und / oder Genese der Murrerzählungen insgesamt äußern, und die entsprechend für eine Beschäftigung mit den Murrerzählungen relevant sind: M. Noth hat in seiner 1948 erschienenen „Überlieferungsgeschichte des Pentateuch“ das Thema „Führung in der Wüste“ als narratives Bindeglied zwischen den theologisch gewichtigeren und überlieferungsgeschichtlich älteren Themen „Herausführung aus Ägypten“ und „Hineinführung in das Kulturland“ beschrieben.81 Wie beim Thema „Verheißung an die Erzväter“ liegen 79 Nebst den Kommentaren sind etwa BLUM, Studien; LEVIN, Jahwist; VAN SETERS, Life, 153–207.220–244; GERMANY, Narrative zu nennen. 80 Vgl. etwa die monographischen Arbeiten von STRUPPE, Herrlichkeit (zur „Herrlichkeit Jahwes in der Priesterschrift“, die Ex 16; Num 14; 20,1–13, nicht aber Num 16f. behandelt); RABE, Gerücht (zu Num 13f.); ARTUS, Études (der besonders die narrativen Texte in Num 13,1–20,13 behandelt); KNIPPING, Kundschaftergeschichte (zu Num 13f.); RUDNIG-ZELT, Glaube, 128–271 (zu Num 13f. sowie Dtn 1–3); GARTON, Mirages (zu Ex 17,1– 7 und Num 20,1–13; ausführlich hierzu s.u. Kap. 4.3.); PYSCHNY, Führung (zu Num 16f.; ausführlich hierzu s.u. Kap. 8.3.) – nebst unzähligen weiteren Arbeiten, die auch auf einzelne der Murrerzählungen zu sprechen kommen. 81 Vgl. NOTH, Überlieferungsgeschichte, 48f.62f.127–143, die Zitate aaO., 62 (die Seitenangaben im Haupttext beziehen sich auf dieses Buch).
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1. Einführung
auch hier „lokale Haftpunkte“ in Form von „Wasserstellen in der Wüste“ vor, an die die Überlieferungen angeknüpft haben (63.127). Nebst der Wasserfrage sind auch die Hungerfrage sowie schließlich einzelne kriegerische Auseinandersetzungen prägend für das Bild der Wüste, doch haften die Hungerund Kriegs-Erzählungen kaum an einzelnen Lokalitäten. Bemerkenswert ist nach Noth, dass „dieses Thema erst in Palästina entstanden und auch in seinen Einzelheiten vom palästinischen Gesichtskreis aus zu verstehen“ ist (128); die Wüste wird in den einzelnen Erzählungen als etwas „bemerkenswert Fremdes“ empfunden (134). Das Murren des Volkes ist diesen Erzählungen der „in den Bedrängnissen der Wüste gewährte[n] göttliche[n] Hilfe“ (137) erst später zugewachsen, aber noch im vorliterarischen Stadium (vgl. 135). Als überlieferungsgeschichtlichen Ursprung des Murrmotivs benennt Noth die Ortsnamenätiologie in Num 11,34 (vgl. 137). Stellt damit für Noth das Murren Israels eine – wenn auch angesichts der „Nöte und Gefahren des Wüstenlebens“ naheliegende (137) – Verdunkelung von Israels erzählter Geschichte dar, so unterscheidet G. von Rad in seiner 1957 erschienenen „Theologie des Alten Testaments“ von Anfang an zwischen einer positiven und einer negativen Darstellung der Wüstenzeit Israels.82 Für Ersteres nennt er Jer 2,1–3, für Letzteres Ez 20 als jeweils deutlichste Beispiele. Die „Darstellung des Hexateuch“ mit den hier untersuchten Murrerzählungen „hält“ auch in ihrer Vielschichtigkeit „etwa die Mitte“ zwischen den genannten Extremen, da sie „Jahwes gnädiges Geschichtswalten ebenso erkennen [lässt] wie das Verhalten Israels“ (297). Von Rad geht wohl von einzelnen (nicht weiter spezifizierten) Murrerzählungen aus, „die sehr alt sind“, sieht das „Anwachsen des negativen Aspektes, derart, daß schließlich die ganze Wüstenzeit als eine so düstere Epoche erschien“, aber erst im Kontext „der späteren Königszeit“ (297). C. Barth setzt sich in einem 1966 erschienenen Aufsatz kritisch mit dem (nicht nur zu seiner Zeit gängigen) Bild der Wüstentradition auseinander, wonach ein ehedem positives Wüstenbild zunehmend negativ gefärbt wurde.83 Nach Barth stellt demgegenüber die Wüstenzeit der prophetischen Texte (Jer 2,2f.; 3,4; Hos 2,16f.; 9,10), die gerne als Belege einer alten Tradition einer positiven Wüstenüberlieferung gedeutet wurden und werden, schlicht die Voraussetzung der (Unheils-)Geschichte Israels für die entsprechenden Texte dar, nicht aber die „glanzvolle, erste Episode“ dieser Geschichte (19). Alles andere sei argumentum e silentio. Wenn überhaupt, dann zielen diese Texte auch auf die Taten YHWHs. Was die negative Eintrübung des Wüstenbildes angeht, so gilt für Barth: „… eine Wüstentradition ohne negativen Aspekt hat es m.E. in Israel gar nie gegeben.“ (23). Barth rechnet seiner Zeit entspre82
Vgl. VON RAD, Theologie, 293–301 (die Seitenangaben im Haupttext beziehen sich auf dieses Buch). 83 Vgl. BARTH, Bedeutung (die Seitenangaben im Haupttext beziehen sich darauf).
1.2. Die Murrerzählungen der Bücher Exodus und Numeri
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chend mit den klassischen Frühdatierungen der Erzählwerke des Pentateuch und nimmt mit Noth an, dass das Murrmotiv überlieferungsgeschichtlich jünger sei als die es enthaltenden Erzählungen; dadurch ergibt sich eine gewisse Spannung zu seinen vorangehenden Überlegungen. G.W. Coats hat in seiner 1968 erschienenen Dissertation das Murrmotiv in den Wüstentraditionen untersucht und darin nebst den Murrerzählungen auch nicht-narrative Texte mit dem Murrmotiv analysiert.84 Nach Coats stammt das Murrmotiv vom Jahwisten, der ehedem (im Weitesten) positive Wüstentraditionen umgeformt habe. Den traditionsgeschichtlichen Ausgangspunkt der Murrtradition könnte, anders als bei Noth und explizit in Abgrenzung von ihm, die Erzählung von Datan und Abiram darstellen.85 Das Murren, in seinen unterschiedlichen lexematischen Ausprägungen, ist nach Coats „completely negative“ (250), stellt also keine situationsbedingte Unmutsbekundung, sondern „open rebellion“ (249) dar.86 Aus seiner Analyse von Ps 78 schließt er auf den Jerusalemer Tempelkult und das dort begangene „festival of election“ (251) als Sitz im Leben der Murrtradition, die sich polemisch gegen das Nordreich wende.87 B.S. Childs nimmt in seinem Exoduskommentar von 1974 die oben genannten Einsichten Barths auf und hält über diesen hinaus das Murrmotiv auch für überlieferungsgeschichtlich alt.88 Childs unterscheidet zwischen zwei unterschiedlichen Schemata der Murrerzählungen, die seither in der Diskussion um die Texte stets (kritisch) diskutiert werden. „Pattern I is found in its clearest form in Ex. 15.22f[f].; 17,1ff.; and Num. 20.1–13“ (258); etwas allgemeiner formuliert gehören hierzu alle Wasser- und Speisewundererzählungen, bei denen es um „the miraculous preservation of Israel in the desert“ geht (258). Die einzelnen Erzählungen sind nach folgendem Schema aufgebaut: Notlage – Murren Israels – Fürsprache Moses – YHWHs wunderhafte 84 Vgl. COATS, Rebellion (die Seitenangaben im Haupttext beziehen sich darauf). Als Erzählungen werden auch Ex 13,17–14,31 und – als Exkurs – Ex 32,1–33,6 behandelt, Num 12 dagegen nur knapp in einem Appendix (vgl. aaO., 25 Anm. 12). 85 Vgl. COATS, Rebellion, 177–184.252. Entsprechend sehen KNIERIM, לוןlūn rebellieren, 871 und SCHUNCK, לוּןlûn, 529f. den „Ursprung der Verwendung des Begriffes“, gemeint ist hier jeweils „ לוןmurren“, „in der Überlieferung von der Rebellion der Korahiten gegen die Führerschaft Moses in der Wüste“ in Num 16f. (KNIERIM, ebd.). Das Muster ist in beiden Fällen das der Ausweitung des Murrens Einzelner auf Gesamtisrael. 86 Vgl. COATS, Rebellion, 21–28.29–43 für seine lexikalische und formkritische Analyse der Texte. Gefolgt wird Coats in dieser Einschätzung (direkt oder indirekt) etwa von KNIERIM, לוןlūn rebellieren; SCHUNCK, לוּןlûn; TROPPER, Hunde, 88f.94f.; ZANELLA, לון lwn. Dazu s.o. Kap. 1.2.1. mit Anm. 15.35.44. 87 Vgl. COATS, Rebellion, 199–224.251f. Nach COATS, aaO., 152.156.251 weise auch die jahwistische Kundschaftererzählung in Num 13f. wegen der Figur Kalebs „a decidedly pro-Judean flavor“ auf. 88 Vgl. CHILDS, Exodus, 254–264 (die Seitenangaben im Haupttext beziehen sich auf dieses Buch).
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1. Einführung
Rettung. „Pattern II is found in its clearest form in Num. 11.1–3; 17.6–15 …; 21.4–10.“ (258) „These stories focus on Israel’s disobedience in the desert and the subsequent punishment and eventual forgiveness“ (259). Die einzelnen Erzählungen sind nach folgendem Schema aufgebaut: Murren Israels – YHWHs Zorn und Strafe – Fürsprache Moses – Ende der Strafe. Die beiden Schemata wurden nach Childs bereits in ihrer mündlichen Überlieferung aneinander angeglichen, wobei Pattern I von Anfang an „an element of negative complaint“ enthielt (259). Dass die einzelnen Erzählungen deutlich komplexer sind als diese Schemata, versteht sich von selbst. Bezeichnend ist freilich, dass Childs zwischen „klaren“ Vertretern und weniger klaren Vertretern beider Schemata unterscheiden muss und letztere nicht zusortiert. Num 11,4–35; 12; 13f.; 16f. enthalten zwar jeweils eine Bestrafung der Murrenden, lassen sich aber schwerlich ohne weiteres „Pattern II“ zuweisen. Bei den „klaren“ Vertretern von „Pattern II“ fällt weiter auf, dass Childs den Hilferuf des Volkes vor der Fürsprache Moses (Num 11,2a; 21,7a; vgl. weiterhin Num 12,11f.) in seiner Gliederung nicht berücksichtigt.89 V. Fritz legt in seiner 1970 erschienenen Dissertation eine traditionsgeschichtliche Untersuchung der Wüstenüberlieferung des Jahwisten vor, die in ihrem ersten Teil eine literarkritische Untersuchung der für Fritz relevanten Passagen aus Ex 15 bis Num 21 bietet.90 Die so rekonstruierten jahwistischen Texte werden sodann überlieferungs- und traditionsgeschichtlich analysiert. Dabei unterscheidet Fritz zwischen den mündlichen Einzelüberlieferungen, einer fragmentarisch überlieferten vor-jahwistischen schriftlichen Fassung der Texte, die YHWHs Hilfe in der Wüste betonen (mit Ex *16; *17,1–7; Num 10,29–32; *11,4–35; *16),91 der jahwistischen Fassung der Texte aus dem 10. Jh., die Israels Abfall von YHWH betonen, und schließlich verschiedenen Zusätzen. Der traditionell in die „Mitte des 10. Jahrhunderts zur Zeit der davidisch-salomonischen Aufklärung“ (121) datierte Jahwist erscheint damit bereits bei Fritz „als Redaktion und Interpretation der Überlieferung“ (113). In seiner Überarbeitung der ihm vorgegebenen Überlieferungen „hat der Jahwist das Verhalten des Volkes nachträglich negativ qualifiziert, während in den jahwistischen Neubildungen Ex 15,22–25a; Num 10,33a; 11,1–3 und 21,4b–9 das Murren des Volkes als der entscheidende Inhalt anzusprechen ist.“ Anders als vor ihm Barth und nach ihm Childs rekonstruiert Fritz damit auf überlieferungs- und traditionsgeschichtlichem Wege eine ehedem
89 Ähnliche Anfragen gelten letztlich auch an die deutlich komplexere Schematisierung bei VERVENNE, Protest, 263–269, der Childs Pattern I in I-A (die von Childs genannten Texte plus Ex 14,10ff.) und I-B (Ex 16,1–35) und Childs Pattern II in II-A (die von Childs genannten Texte), II-B (Num 11,4–34) und II-C (Num 13f.; Dtn 1,20ff.) ausdifferenziert. 90 Vgl. FRITZ, Israel (die Seitenangaben im Haupttext beziehen sich darauf). Mit Ausnahme von Num 17 werden sämtliche (Teile der) Murrerzählungen behandelt. 91 Vgl. FRITZ, Israel, 107f.
1.2. Die Murrerzählungen der Bücher Exodus und Numeri
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positive Wüstenüberlieferung, die erst durch die Arbeit des Jahwisten in die vorliegende negative Darstellung der Wüstenzeit Israels umgedeutet wurde. Seine überlieferungsgeschichtlichen Thesen finden zuweilen bis heute Zustimmung, etwas anders sieht dies mit seiner literar- und redaktionsgeschichtlichen Analyse aus. Gehen die bisher genannten Arbeiten klassischerweise von einem Quellenmodell auch für die Erklärung der Murrerzählungen aus und betonen dabei besonders die theologischen und stilistischen Qualitäten der jahwistischen Texte, steht bei den Arbeiten von J. Van Seters, H.H. Schmid und R. Rendtorff aus den Jahren 1975–1976 der „sogenannte Jahwist“ (Schmid) im Zentrum der „Kritik der Pentateuchkritik“ (Rendtorff):92 Van Seters und Schmid vertreten eine jüngere Datierung des Jahwisten, Rendtorff weist die Quellenscheidung als Methode insgesamt zurück.93 Nur Schmid kommt ausführlicher auf die Murrerzählungen zu sprechen und unterzieht dabei die Arbeit von Fritz einer kritischen Analyse.94 Schmid nimmt die zwei Erzählungen zum Ausgangspunkt, bei denen der Jahwist nach Fritz am eigenständigsten formulieren konnte, nämlich Num 10,33a; 11,1–3 und 21,4b.5–9.95 In der kurzen Tabera-Erzählung 11,1–3 „ist nicht zu verkennen, dass im Aufbau der Szene der Ablauf des Richterschemas (Ungehorsam des Volkes – Zorn Jahwes – Schreien des Volkes – Rettung durch Jahwe) anklingt.“96 Während Fritz aus dieser Nähe folgerte, „daß Num 10,33a; 11,1–3 nicht vor der Zeit des Jahwisten entstanden sein kann“,97 fragt Schmid, „ob Fritz damit nicht (gegen seine eigene Ansetzung des Jahwisten) eine Reihe von Argumenten für eine relativ späte Entstehung des jahwistischen Werkes geliefert hat.“ (63). Auch wenn Schmid selbst keinen ausführlichen Vergleich zwischen den (jahwistischen) Murrerzählungen und dem deuteronomistischen Richterschema bietet und die Quellenscheidung der Wüstenerzählungen von Fritz im Wesentlichen über92 Vgl. VAN SETERS, Abraham; SCHMID, Jahwist; RENDTORFF, Problem. Die Zitate stammen aus dem Titel von Schmid und der Kapitelüberschrift bei RENDTORFF, aaO., 80. 93 Vgl. hierzu etwa RÖMER, Hauptprobleme, 289; DERS., Urkunden, 2; BÜHRER, Ansätze, 21f. 94 Vgl. zum Folgenden SCHMID, Jahwist, 61–82 (die Seitenangaben im Haupttext beziehen sich auf dieses Buch). RENDTORFF, Problem, 25f.73f.156 versteht den „Aufenthalt Israels in der Wüste“ (aaO., 73; Herv. gelöscht) als eine der „größeren Einheiten“ (aaO., 19) innerhalb der Überlieferungsgeschichte des Pentateuch und sieht diesen Aufenthalt stärker im kompositorischen Zusammenhang mit der Sinaiperikope als mit der Exodus- bzw. Mose-Erzählung. Van Seters hat die Murrerzählungen später im zweiten Band seines „Jahwisten“ behandelt und folgt darin im Wesentlichen der Arbeit von Schmid: Vgl. VAN SETERS, Life, 153–207.220–244.363–382. 95 Vgl. SCHMID, Jahwist, 61–64 sowie FRITZ, Israel, 119f. 96 SCHMID, Jahwist, 62. Vgl. die Belege bei FRITZ, Israel, 69 und dessen Auswertung aaO., 119f. 97 FRITZ, Israel, 69, auch zitiert bei SCHMID, Jahwist, 62. FRITZ, Israel, 120 datiert das Richterschema dann auch in die frühe Königszeit.
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1. Einführung
nimmt, schließt er aus dem jeweils vergleichbaren Aufbau sowie weiteren Formulierungsparallelen auf eine zeitliche „Nähe“ des sogenannten Jahwisten zur „deuteronomisch-deuteronomistischen Traditionsbildung“ (82).98 Der Vergleich mit dem deuteronomistischen Richterschema hat freilich seine Grenzen, angefangen bei der Beobachtung, dass nur die Murrerzählung vom Murren des Volkes sprechen.99 Schon bei Num 11,1–3 und 21,4–7, den engsten Parallelen, fällt sodann ein deutlicher Unterschied im Aufbau auf, insofern die Fürbitte Moses im deuteronomistischen Richterschema keinerlei Entsprechung hat. Die weiteren Murrerzählungen weisen dann nochmals andere Gliederungen auf. Damit zeigt Schmids Arbeit direkt und indirekt, dass innerhalb der ehedem dem Jahwisten zugewiesenen Texten nochmals zu differenzieren ist. Mit den drei genannten Arbeiten von Van Seters, Schmid und Rendtorff ist auf jeden Fall der „Abschied vom Jahwisten“ eingeläutet, den der gleichnamige Sammelband aus dem Jahr 2002 eher „konstatiert und dokumentiert“, „als dass er ihn fordert“, „denn de facto ist der Jahwist in vielen vorgängigen Publikationen bereits verabschiedet worden und unerläutert kann ihn heute niemand mehr in die Diskussion einbringen, was auf dasselbe herauskommt: Ein ‚Jahwist‘, den sich jeder selber zurechtlegen kann, ist keiner mehr.“100 Dem angesprochenen Motiv der Fürbitte Moses ist die 1988 erschienene Dissertation von E. Aurelius gewidmet.101 Seine Arbeit zielt auf die syn- wie diachrone Erhellung „eine[r] bestimmte[n] Seite des alttestamentlichen Mosebildes“: „Mose als Fürbitter Israels“ (6). Hierzu untersucht Aurelius die Erzählung von Moses Fürbitte am Sinai in Ex 32–34, deren Nacherzählung mitsamt Relokalisierung der Ereignisse an den Horeb in Dtn 9f. sowie die Erzählungen über den „angeklagte[n] Fürbitter“ in Exodus und Numeri – nebst Ex 5,22f. in seinem Kontext die meisten der auch hier untersuchten Murrerzählungen.102 Nach Aurelius hat Mose weder „als erster die Rolle des Fürbitters
98 Vgl. auch die Auswertung bei SCHMID, Jahwist, 167–183. Schmid behandelt Num 21,4b.5–9; Ex 15,22–25a; 17,1bβ.2–7; Num *11,4–35; *12. 99 Ausführlicher zum deuteronomistischen Richterschema s.u. Kap. 5.2. 100 GERTZ/SCHMID/WITTE (Hg.), Abschied, VI. Vgl. BÜHRER, Ansätze, 21f. Es mag nicht verwundern, dass jüngere Arbeiten, die dem klassischen Quellenmodell verpflichtet sind, v.a. die argumentativen Schwachpunkte von H.H. Schmids Arbeit betonen, um einen vor-deuteronomistischen Jahwisten oder Jehowisten beibehalten zu können. Vgl. etwa SCHART, Israel, 239; SEEBASS, Numeri, 21–24. 101 Vgl. AURELIUS, Fürbitter (die Seitenangaben im Haupttext beziehen sich darauf). Die Arbeit ist in erfrischender Weise „in größter Freiheit“ gegenüber der „im Fließen“ befindlichen Pentateuchforschung geschrieben, „ohne Stütze und so auch ohne Zwang von irgendeiner alten oder neuen Gesamttheorie her.“ AaO., 6. 102 Vgl. AURELIUS, Fürbitter, 127–202. Das Zitat entstammt der Kapitelüberschrift. Ex 16 wird nur sehr knapp im Zusammenhang von Ex 17,1–7 und Num 16 behandelt, Num 12 und 20,1–13 werden aufgrund des Fokus der Arbeit nicht untersucht (vgl. aaO., 127–130).
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Israels übernommen“, noch ist diese Rolle Moses älteste (203): Erster Fürbitter Israels war Amos „in seinen beiden ersten Visionsberichten (7:1–6)“, und erste Rolle Moses war die des „Anführer[s] beim Auszug aus Äypten“ (203). Während Aurelius Ex *32, „mindestens v1–6, 15a*, 19f, 30–34“,103 noch vorexilisch zur geschichtstheologisch begründeten Warnung des Südreichs ansetzt, ordnet er alle weiteren Belege von Moses Fürbitte exilisch und nachexilisch ein. Als älteste Murrerzählung macht er Ex 15,22–25a aus, die „sich als eine Weiterführung der Auszugstradition im Lichte der Gerichtsprophetie [erweist]. Die Grundstruktur der Auszugstradition, Israels Not, Klage und Rettung, ist aufgenommen und um eine Erfahrung der Propheten erweitert worden: das gegen Gottes Boten feindliche Gottesvolk. Die übrigen Murrgeschichten sind ihrerseits unterschiedlich ausgeführte und bereicherte Weiterführungen der Themen der Maraerzählung“ (206).104 Der hierin zum Ausdruck kommenden Bewertung des Murrens als den Anführern gegenüber „feindliche“ Rebellion und damit Sünde105 kann nach obigem Durchgang durch die unterschiedlichen Murrlexeme nicht gefolgt werden,106 entsprechend ist auch die von Aurelius daraus abgeleitete Datierung der ältesten Murrerzählungen nochmals zu überdenken. Abgesehen davon werden in den Einzeluntersuchungen die Analysen von Aurelius an vielen Stellen positiv aufgenommen und vertieft werden. A. Schart legt in seiner 1990 erschienenen Dissertation „[e]ine redaktionsgeschichtliche Studie zu den Wüstenerzählungen“ vor.107 Die Arbeit zeichnet sich durch die Kombination von synchronen und diachronen Zugängen aus, verbleibt in ihrem redaktionsgeschichtlichen Hauptteil allerdings im Wesent103 AURELIUS, Fürbitter, 68 – mit weiteren Einschränkungen und möglichen Ausweitungen des Grundbestandes. Vgl. insgesamt aaO., 60–68. 104 Nach AURELIUS, Fürbitter, 154.157f. ist erst die durch die Hinzufügung von Ex 15,24.25a entstandene Murrerzählung 15,22–25a nachexilisch, die vorausgehende Schilderung vom „Aufbruch vom Schilfmeer und … Anfang der Wüstenwanderung“ in 15,22f.27 jedoch möglicherweise die ursprüngliche Verbindung der vorexilischen „Auszugs- und Sinaierzählung“ (aaO., 158). Ausführlicher dazu s.u. Kap. 2.2. „Die übrigen Murrgeschichten“ ordnet er folgendermaßen relativ-chronologisch: Ex 15,22–25a und Num 11,1–3 sind älter als Ex 17,1–7 und Num 11,4–35, da in den letzteren zwei Erzählungen die Fürbitte für das Volk der Klage Moses über sein eigenes Geschick zunehmend weicht (vgl. aaO., 184f.). „Später als die Klage Ex 17:4 ist höchstwahrscheinlich die Fürbittszene Nu 14 …; später als sie alle ist die Erzählung von der ehernen Schlange Nu 21:4–9; und noch später dürfte die Fürbitte in Nu 16, der Erzählung vom Aufruhr Korahs, sein.“ (aaO., 186). Num 11 und 12 werden vor-priesterschriftlich eingeordnet (vgl. aaO., 175), Ex 16 als einzige priesterschriftliche Murrerzählung, Num 16f.; 20,1–13 sowie die priesterlichen Anteile in Num 13f. als spät-priesterliche Texte (vgl. aaO., 187f.). 105 Vgl. AURELIUS, Fürbitter, 155 und dazu s.u. Kap. 2.1. mit Anm. 10f. 106 S.o. Kap. 1.2.1. mit Anm. 15.35.44. 107 Vgl. SCHART, Mose (die Seitenangaben im Haupttext beziehen sich darauf). Das Zitat entspricht dem Untertitel.
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1. Einführung
lichen in den Bahnen klassischer Quellenscheidung mit der Unterscheidung einer jehowistischen, einer priesterschriftlichen und – und das geht über die bisherigen Analysen hinaus – zweier deuteronomistischer Schichten, einer vor-priesterschriftlichen (Dje) und einer nach-priesterschriftlichen und nachendredaktionellen (Dp), in Exodus und Numeri.108 Entsprechend dem Fokus auf die Wüstenerzählungen insgesamt mit ihrem übergeordneten Thema der „Führung des Mose“ (46) werden auch etwa Ex 17,8–16; 18 behandelt. Demgegenüber kommt Num 16f.; 21,4–9 erstaunlicherweise weder in der synchronen noch der diachronen Analyse eine weitergehende Bedeutung zu.109 Zentral für Schart ist die Herausarbeitung der „Ringstruktur um den Sinai“ (49 u.ö.): In den vor-sinaitischen Wüstenerzählungen steht die Furcht des Volkes angesichts konkreter Bedrohungen im Zentrum, ihr Verhalten wird nicht bestraft. Nach-sinaitisch, also nach der Veränderung der „Rechtsgrundlage“ (51), steht dagegen der Zorn YHWHs im Zentrum, das Verhalten des Volkes wird bestraft. Dass sich Num 20,1–13 dieser Struktur nicht fügt, hält Schart selbst explizit fest,110 an seiner Strukturanalyse ändert der Textbefund jedoch nichts. Weiter fällt auf, dass mehrere Murrerzählungen (Ex 16; Num 12; 13f.; 16f.) in Scharts Schema keine Funktion haben (und keine Erwähnung finden) und dass einige Bezüge doch recht gesucht wirken, etwa die Parallele Ex 15,22–25 / Num 21,16–18.111 Es erstaunt nicht, dass Fritz und Childs, auf die sich Schart u.a. beruft,112 die Anordnung der Murrerzählungen um den Sinai nur für den Jahwisten betonen,113 nicht aber für den „Endtext“ (37 u.ö.). Nach Schart „steigert“ die Priesterschrift das Murren Israels gegenüber dem Jahwisten bzw. Jehowisten bis hin zur „Ablehnung des verheißenen Landes und zur Verschwörung gegen Mose und Aaron“ (251).114 Wie Schart folgt auch L. Schmidt in seinen Arbeiten der klassischen Quellenscheidung, unterscheidet bei den vor-priesterschriftlichen Texten aber mi-
108 Dabei wird der Jehowist von SCHART, Mose, 240 „in die Zeit nach dem Untergang des Nordreichs“, der ihm vorgegebene Jahwist „in die frühe Königszeit“ (aaO., 241) datiert. Zu Scharts Unterscheidung zwischen Dje (worin Israel YHWH versucht) und Dp (worin YHWH Israel versucht) vgl. aaO., 177.181–183, zum redaktionsgeschichtlichen Gesamtergebnis vgl. aaO., 242–253. 109 Vgl. nur SCHART, Mose, 220–224 zum jehowistischen Datan-Abiram-Fragment. Das Murren des Volkes in Num 17,6–15, also die Erzählung von „Mose und Israel im Konflikt“ (so Scharts Titel) innerhalb von Num 16f., findet dagegen keine Behandlung. 110 Vgl. SCHART, Mose, 50. 111 Vgl. das Schema bei SCHART, Mose, 52. 112 Vgl. SCHART, Mose, 49 Anm. 60. 113 Vgl. FRITZ, Israel, 70 („Sinaitradition“); CHILDS, Exodus, 260 („golden calf incident“). 114 Vgl. SCHART, Mose, 248f. zum Israelbild der Priesterschrift und aaO., 251 zum Israelbild der maßgeblich durch die Priesterschrift geprägten Endredaktion.
1.2. Die Murrerzählungen der Bücher Exodus und Numeri
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nutiös zwischen jahwistischen, elohistischen und jehowistischen Texten.115 In seinen 1993 erschienenen „Studien zur Priesterschrift“ untersucht er in einem ausführlichen Kapitel „Die priesterlichen Murrerzählungen“ (Ex 16; Num 13f.; 16–18; 20,1–13).116 Darin widmet er sich nebst der literarkritischen Analyse der einzelnen Erzählungen auch „Aufbau und Komposition der priesterlichen Murrerzählungen“.117 „Die vier priesterschriftlichen Murrerzählungen sind“ nach Schmidt „eine kunstvolle Komposition, in der diese Erzählungen auf vielfältige Weise aufeinander bezogen sind. Sie bilden aber deutlich zwei Paare, in denen in umgekehrter Reihenfolge dargestellt wird, daß Jahwe einen Mangel der Israeliten beseitigte, sie jedoch für ein schuldhaftes Murren bestrafte. Das erste Paar besteht aus der Wachtel-Manna-Erzählung (Ex 16,1ff*) und der priesterlichen Kundschaftergeschichte (Num 13f*). In ihrer vorwurfsvollen Klage gegen Mose und Aaron machen die Israeliten indirekt (Ex 16,3) oder direkt (Num 14,3) Jahwe einen Vorwurf. Mose und Aaron stehen hier für die Israeliten ganz auf der Seite Jahwes. Dagegen kritisieren die Israeliten in dem zweiten Paar, zu dem die 250 Männer-Erzählung (Num 16f*) und die Geschichte von dem Wasser aus dem Felsen (Num 20,1ff*) gehören, in ihrer vorwurfsvollen Klage Mose und Aaron, weil ihre beiden Führer eigenmächtig gehandelt haben.“ (198f.). Literarkritik wie Komposition der vier priesterschriftlichen Murrerzählungen, denen jeweils eine vor-priesterschriftliche Quelle zugrunde lag, zeigen nach Schmidt einerseits, „daß P als selbständige Quellenschrift entstanden ist“ (203),118 und andererseits, dass „für die Komposition der Murrerzählungen … die priesterliche Sinaiperikope keine Rolle“ spielt (201).119 Das Murren der Israeliten (mit unterschiedlichen hebräischen Lexemen) ist nach Schmidt für die Priesterschrift keine „offene
115
Vgl. den Überblick bei SCHMIDT, Numeri, 2–10 und sein „Plädoyer für die umstrittene Neuere Urkundenhypothese“ bei DERS., Dickicht (das Zitat entstammt dem Untertitel). 116 Vgl. SCHMIDT, Studien, 35–206 (die Seitenangaben im Haupttext beziehen sich darauf). Das Zitat entspricht dem Titel des Kapitels. Durch seine 2004 erschienene Kommentierung von Num *10–36 hat er auch die nicht-priesterlichen Murrerzählungen des Numeribuches analysiert (vgl. DERS., Numeri). Ex 17,1–7 wird in DERS., Studien, 56–62 untersucht, Ex 15,22–27 wird von Schmidt dagegen nicht eingehender behandelt. 117 So die Überschrift des Unterkapitels; vgl. SCHMIDT, Studien, 179–203. 118 Schmidt wendet sich hierbei besonders gegen das Kompositionsmodell von E. Blum, der Num 16f. und Num 20,1–13 als Fallbeispiele für seine These einer priesterlichen Kompositionsschicht behandelt (vgl. BLUM, Studien, 263–278); vgl. SCHMIDT, Studien, 35. 119 SCHMIDT, Studien, 201–203 wendet sich explizit gegen die oben dargestellte These der „Ringstruktur um den Sinai“ von A. Schart (vgl. SCHART, Mose, 49 u.ö.). Schmidts Ausführungen zu den vielgestaltigen Verknüpfungen der vier priesterschriftlichen Murrerzählungen erwecken freilich den Eindruck, dass zwischen Ex 16 und Num 13f. nicht nur die nicht-priesterlichen Texte, sondern auch die priester(schrift)liche Sinaiperikope ein Störelement darstellt.
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1. Einführung
Rebellion“,120 sondern eine „vorwurfsvolle Klage“ (187 u.ö.). Erst spätere priesterliche Erweiterungen haben daraus Beschuldigungen im Sinne einer „vorgerichtlichen Auseinandersetzung“ (205) gemacht. Schuldig und daher bestraft werden die Israeliten nur, wenn sie „murren, obwohl für sie keine Gefahr besteht“ (194).121 Auch D. Frankel legt seiner 2002 erschienenen Dissertation die priesterlichen Murrerzählungen zugrunde (Ex 16; Num 13f.; 16–18; 20,1–13), kommt ausgehend davon aber auch auf die Tradition der Murrerzählungen insgesamt zu sprechen.122 Sein Ziel ist der Nachweis, dass ein Teil der priesterlichen Literatur des Pentateuch bereits vorexilisch anzusetzen ist in Form von literarisch eigenständigen und isoliert tradierten „early priestly narratives“ (7). Diese Erzählungen wurden mit nicht-priesterlichen Erzählungen durch einen „priestly editor“ (8) kombiniert und erweitert und punktuell durch einen „supplementer“ (8), den „late, post-editorial, priestly author“ (8), ergänzt. Frankel unterscheidet so zwischen „three broad layers of P material. It is for this reason that we use the term ‚priestly school‘“ (8). Auf diesem in Durchführung wie Ergebnis zuweilen etwas eigenwilligen literarkritischen Wege und unter Aufnahme und Weiterentwicklung der zwei „pattern“ von Childs kommt Frankel zum Schluss, dass die Murr-Reden den Murrerzählungen erst nachträglich hinzugefügt wurden, und dass insgesamt „[t]he earliest stories of provision portrayed Israel in positive or neutral terms while the early stories of punishment portrayed Israel as sinners.“ (14). Das priesterliche Murrlexem „ לוןmurren“ ist damit „in and of itself … not necessarily negative“ (90; vgl. 19). Frankel spricht sich so einerseits gegen eine Entwicklung eines ehedem positiven Wüstenbildes Israels hin zu einem negativen aus und vertritt die Gleichzeitigkeit positiver wie negativer Wüstentraditionen in alter Zeit.123 Andererseits vertritt er eine Entwicklung der Murrerzählungen insgesamt, bei der mit zunehmender Verknüpfung mit dem vorliegenden literarischen Pentateuchkontext auch die einzelnen Murrerzählungen Israel in zunehmend negativerem Licht dargestellt haben.124 Dabei betont Frankel, dass sowohl die nicht-priesterlichen wie priesterlichen Murrerzählungen keinerlei Kenntnis der Sinai-Gesetzgebung aufweisen.125
120
SCHMIDT, Studien, 187 in Auseinandersetzung mit COATS, Rebellion, 249 (s.o. Anm. 86). 121 Vgl. insgesamt zur Bewertung des Murrens SCHMIDT, Studien, 186–195.205f. 122 Vgl. FRANKEL, Stories (die Seitenangaben im Haupttext beziehen sich darauf). 123 Vgl. bes. FRANKEL, Stories, 11–31. 124 Vgl. bes. FRANKEL, Stories, 31–61. Trotz seines Plädoyers für literar- und redaktionskritische Analysen im Gegensatz zu den in älteren Arbeiten bevorzugten überlieferungs- und traditionsgeschichtlichen Lösungen (vgl. aaO., 18) bleibt in diesem Kapitel seiner Arbeit der methodische Zugriff unscharf. 125 Vgl. bes. FRANKEL, Stories, 53–57.315–317.
1.2. Die Murrerzählungen der Bücher Exodus und Numeri
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R. Achenbach untersucht in seiner 2003 erschienenen Habilitationsschrift zur Redaktionsgeschichte des Numeribuches nebst den Murrerzählungen in Numeri auch Ex 16 und Ex 17,1–7 im Zusammenhang mit der jeweiligen „Parallelerzählung“ des Numeribuches knapp.126 Sein Hauptaugenmerk liegt auf der Redaktionsgeschichte des Numeribuches insgesamt, das er, in Anschluss an und Weiterführung von E. Otto,127 in der vorliegenden literarischen Gestalt in Gänze nach-priesterschriftlich einordnet und auf drei Redaktions- bzw. Bearbeitungsschichten aufteilt: Die Hexateuchredaktion aus der ersten Hälfte des 5. Jh., die Pentateuchredaktion aus der zweiten Hälfte des 5. Jh. und drei theokratische Bearbeitungen aus dem 4. Jh.128 Achenbach stellt das Numeribuch – ungeachtet der konkreten Textanalysen und der These hexateuch- und pentateuch-übergreifender Redaktionsschichten, die durchaus strittig sind – überzeugend als Dokument der Kanonisierung bzw. eben „Vollendung der Tora“ dar. Hinsichtlich der Murrerzählungen rechnet er in Ex *15,22–27; *17,1–7 sowie in Num *11,1–3.4–35; 12,1b…?; *13f.; *21,6– 9(?) mit vor-deuteronomistischen Überlieferungsfragmenten. Innerhalb des Numeribuches wurden diese Überlieferungsfragmente von der Hexateuchredaktion in dem redaktionellen Verfahren der Réécriture überarbeitet und um weitere Murrerzählungen ergänzt (Num *12; *16f.),129 um die „These vom Ungehorsam ab ovo“ nachzuweisen (203), Mose dagegen als Fürbitter darzustellen (vgl. 217). Bei diesem im einzelnen nicht rekonstruierbaren Prozess
126 Vgl. ACHENBACH, Vollendung (vgl. einführend zu den Murrerzählungen aaO., 203– 209, wo auch Ex 15,22–27 thematisiert wird; zu Ex 16 im Zusammenhang mit Num 11,4– 35 aaO., 232–236; zu Ex 17,1–7 und Num 20,1–13 aaO., 302–317; die Seitenangaben im Haupttext beziehen sich auf dieses Buch). Vgl. auch DERS., Erzählung; DERS., Murren (vgl. die zusammenfassende Darstellung seiner redaktionsgeschichtlichen These bei DERS., Numeri und Deuteronomium). 127 Vgl. bes. OTTO, Deuteronomium im Pentateuch und Hexateuch. 128 Eine Übersicht der Zuweisungen findet sich bei ACHENBACH, Vollendung, 635–638 (die Angaben hier stimmen allerdings oft nicht genau mit den Analysen in den einzelnen Kapiteln überein). Die These wurde anhand der Kundschaftererzählung in Dtn 1,19–46 und Num 13f. entwickelt (vgl. OTTO, Deuteronomium im Pentateuch und Hexateuch, 12–109; ACHENBACH, Erzählung) und von dort auf die weiteren Texte des Hexateuch angewandt, entsprechend wird sie in Kap. 7.1. mit Anm. 30–45 nochmals ausführlicher diskutiert werden. 129 Die Betonung des Phänomens der Réécriture, wonach Texte nicht rein additiv ergänzt, sondern grundlegend umgearbeitet werden konnten, hat durchaus Anhalt an empirischen Beispielen antiker Textproduktion bzw. -überlieferung und erscheint sinnvoll als Kritik an allzu simplen Subtraktionsverfahren in der Rekonstruktion der Textgenese, enthebt aber allzu oft die vertretenen Thesen der methodischen Überprüfbarkeit (vgl. auch die kritischen Bemerkungen ausgehend von einem Vergleich zwischen dem masoretischen Ezechielbuch und Pseudo-Ezechiel [4QpsEzeka–f] bei PORZIG, Auslegungsprozesse, 98f.). Nebenbei sei angemerkt, dass die Hexateuchredaktion in Achenbachs Modell oft dem Text des Jahwisten aus älteren Modellen entspricht.
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1. Einführung
der Réécriture dienten das „deuteronomistische[] Schema der Geschichtsdarstellung“ (207f.) sowie Ex *32–34 (vgl. 212f.) als weitere Vorgaben. „Im vorderen Teil der Wüstenerzählung werden diese Geschichten [durch die Pentateuchredaktion] in Ex 15,25b; 16,4b; 17,7b redaktionell übergreifend als Prüfungs- bzw. Versuchungs-Geschichten interpretiert“ (207), im Numeribuch „wurden die Murrgeschichten zu Erzählungen von Provokationen (= ‚Versuchungen‘) Gottes in Aufständen gegen den Offenbarungsmittler Mose und den Hohenpriester Aaron stilisiert, die deren Kompetenz als Offenbarungs- bzw. Kultmittler problematisierten (Num 14,22).“130 Die Pentateuchredaktion zeichnet des Weiteren, angesichts der beschriebenen Programmatik durchaus erstaunlich, auch für Num 20,1–13 verantwortlich. In Num 13f.; 16f. schließlich war auch die Theokratische Bearbeitung tätig, die „das Numeribuch … zu einer großen Ursprungslegende einer hierokratisch geführten israelitischen Theokratie“ umformt (623). C. Kupfer legt in seiner 2012 erschienenen Dissertation (aus dem Jahr 2000) „[e]ine leserorientierte Exegese der Rebellionstexte in Exodus 15:22– 17:7 und Numeri 11:1–20:13“ vor131 – behandelt also die Murrerzählung Num 21,4–9 erstaunlicherweise nicht.132 Im Unterschied zu den bisher genannten Arbeiten verwendet er einen narratologischen Ansatz, weshalb „[d]ie Genese des Textes und der von ihm rezipierten Vorstufen … genauso ausgeblendet [wird] wie eine Reflektion seiner außertextlichen Referenz, Intention und theologischen Relevanz.“ (35).133 Da sich Kupfers „kooperierende[r] Leser“ insbesondere um „Signale, die eine kohärente Lektüre fördern“, bemüht (34), mangelt es oft auch den einzelnen exegetischen Kapiteln an (narratologischer) Tiefenschärfe. Die Bezeichnung der Murrerzählungen als „Rebellionstexte“ (so schon im Untertitel) stellt diese unter Absehung ihrer jeweiligen Eigenarten in ein noch düstereres Licht als die üblichere Bezeichnung Murrerzählungen.134 T. Römer135 und C. Berner136 haben in jüngerer Zeit in zahlreichen Einzelstudien mehrere der Murrerzählungen unter redaktionsgeschichtlicher Frage130
ACHENBACH, Murren (Abschnitt 2.). So der Untertitel von KUPFER, Israel (die Seitenangaben im Haupttext beziehen sich darauf). 132 Weshalb Num 21,4–9 nicht behandelt wird, begründet auch Anm. 159 in KUPFER, Israel, 42f. nicht plausibel, denn die dort als Referenz genannte Arbeit von Schart hat einen leicht anderen Untersuchungsgegenstand (s.o.). 133 Zu Kupfers Methodik vgl. KUPFER, Israel, 33–43. 134 S.o. Kap. 1.2.1. mit Anm. 15.35.44. 135 Vgl. bes. RÖMER, Exode; DERS., Nombres 11–12; DERS., Buch Numeri (BZAW); DERS., Sojourn; DERS., Périphérie; JOOSTEN/RÖMER, Éléments, 196–219 (Römer); RÖMER, Geschichtswerk; DERS., Nostalgia; DERS., Buch Numeri (ThW). 136 Vgl. BERNER, Aufstand; DERS., Laien; DERS., Schlange; DERS., Wasserwunder; DERS., Sabbat. 131
1.2. Die Murrerzählungen der Bücher Exodus und Numeri
41
stellung analysiert und unterschiedlich weit reichende Thesen für die Genese von Tetrateuch und Hexateuch insgesamt daraus abgeleitet: Nach Römer stellen die Murrerzählungen in Exodus und Numeri Reinterpretationen der ehedem rein positiven Schilderungen der Wüstenzeit Israels in Jer 2,1–3; Hos 2,16f.; 9,10 dar. Während bei den „Wüstenerzählungen in Exodus“ die Murrthematik jedoch in den einzelnen Erzählungen erst nachträglich und nach-priesterschriftlich eingetragen (oder zumindest verstärkt) wurde, erscheint sie in den „Konflikterzählungen in Numeri“ als integraler Bestandteil.137 Als Bindeglied macht Römer das Motiv der Ägyptennostalgie fest: „The negative image of the wilderness period that prevails in the Pentateuch as we know it today is, in Exod 13–17, strongly influenced by the interventions of one or several redaction(s) of Egypt nostalgia… [A] large part of the texts in Numbers stems from the same redactors who transformed the rebellion narratives of Exod 13ff.“138 Num 11–21 und das Numeribuch insgesamt stellt sich Römer so als spätes Sammelbecken schriftgelehrter Textarbeit dar, das in den bereits im Wesentlichen kanonische Geltung besitzenden Büchern Genesis, Exodus, Leviticus und Deuteronomium keinen Eingang mehr finden konnte.139 Im Unterschied zu Achenbach versteht er Numeri dabei einerseits stärker als Fortschreibungsliteratur im Sinne eines „rolling corpus“,140 dessen Genese nicht alleine mit Redaktionsschichten erklärt werden kann, und andererseits als Größe sui generis, die nicht zu schnell in Pentateuch und Hexateuch übergreifende Bezüge aufgelöst werden kann.141 Als raison d’être der Murrerzählungen des Numeribuches, wenn nicht des Numeribuches überhaupt, macht Römer die „Integration des Ungehorsams des Volkes in die Thora“ aus: „Der Treuebruch gegenüber Jhwh und seinen Geboten ist demnach nicht mehr an das Wohnen im Land gebunden, wie es im DtrG der Fall war, sondern kann sich zu jeder Zeit und an jedem Ort ereignen. Die ‚Wüste‘ spiegelt damit auch die Situation der Diaspora wider.“142 Berner legt seinen Schwerpunkt auf die genaue Analyse einzelner Erzählungen, und wird daher jeweils dort wieder aufgenommen werden. Für den vorliegenden Zusammenhang hervorzuheben ist, dass er anders als Römer 137 Vgl. RÖMER, Buch Numeri (ThW), 146 (hier die Zitate). Vgl. DERS., Sojourn, 430– 445; DERS., Périphérie, 25–28. In DERS., Nostalgia, 74–76 scheint nun Ex 17,2 als vorpriesterschriftlich angenommen zu werden, und die Zuweisung von Ex 16,3 zur ursprünglichen Priesterschrift (so noch DERS., Exode, 163f.) wird wieder als Möglichkeit vertreten. 138 RÖMER, Nostalgia, 84. Vgl. schon DERS., Exode. Zum Motiv der Ägyptennostalgie s.o. Kap. 1.2.3., zur literarhistorischen Auswertung dieses Motives und zur Auseinandersetzung mit Römer s.u. Kap. 4.2.1. 139 Vgl. RÖMER, Buch Numeri (BZAW), 220–231; DERS., Sojourn, 443–445; DERS., Périphérie, 22–32. 140 RÖMER, Sojourn, 444. 141 Vgl. RÖMER, Périphérie, 28–34. 142 RÖMER, Buch Numeri (ThW), 146 (beide Zitate). Vgl. DERS., Sojourn, 442f.
42
1. Einführung
nicht von Numeri, sondern von Exodus ausgeht und daher die Murrerzählungen stärker im Zusammenhang von Tetrateuch und Hexateuch betrachtet: Während er die von ihm bislang untersuchten Murrerzählungen (Ex 15,22– 27; 16; 17,1–7; Num 16f.; 20,1–13; 21,4–9) als nach-priester(schrift)liche Fortschreibungsketten ansieht, erkennt er in Ex 12,37a; 13,20; 15,22.27aαb; 16,1aα; 17,1bα; 19,2a ein vor-priester(schrift)liches Itinerar, „das über den Moment des Auszugs hinausreicht“ und wahrscheinlich sein „Ziel mit dem Bericht über die Landnahme im Josuabuch fand (Jos 2–12*).“143 In diesem durch ein Stationenverzeichnis zusammengehaltenen vor-priester(schrift)lichen Hexateuchzusammenhang144 verortet schließlich auch S. Germany in seiner 2017 erschienenen Dissertation die nicht-priesterlichen Erzählungen des „Exodus-Conquest Narrative“.145 Im Bereich der Wüstenwanderung umfasste dieser vor-priesterliche Hexateuch, der mit Moses Geburtserzählung einsetzte und bis Jos *10 reichte, Ex 13,20; 15,22b.23a(b).27; 16,1aα; 19,2aα2; Num 20,1aβ.22a; 21,10b.11a; *22,1b; Dtn *34,5 (vgl. 448),146 enthielt also die für die Murrerzählungen wichtigen Stationen Mara, Elim, die Wüste Sinai und Kadesch. Die narrative Auffüllung dieser Wegmarken geschah durch priesterliche (so im Falle von Ex 16,1aβγ.2f.11–15.35a und Num 13,1–3.21a.25.26a*.32b; 14,1–5*.26–29*.31–35*.39)147 und insbesondere durch nach-priesterliche Schreiber.
143
BERNER, Exoduserzählung, 430f. (mit Bezug auf KRATZ, Komposition, 289–291); vgl. aaO., 350–353; DERS., Wasserwunder. 144 Vgl. auch KRATZ, Komposition, 289–291.301–304; DERS., Hexateuch; GERTZ, Tora, 289–293; FREVEL, Wiederkehr; DERS., Pieces, 119. Dagegen nimmt LEVIN, Jahwist, 392f. lediglich ein „Itinerar des Auszugs der Israeliten aus Ägypten und ihrer Wüstenwanderung“ an und lässt es mit Num 20,1 in Kadesch enden. 145 So der Titel von GERMANY, Narrative (die Seitenangaben im Haupttext beziehen sich darauf). Von den in der vorliegenden Studie untersuchten Murrerzählungen behandelt Germany nur Num 20,1–13 und 21,4–9 nicht. Zu Germanys Arbeit im Rahmen der aktuellen Pentateuchforschung vgl. BÜHRER, Ansätze, 26–28. 146 Insgesamt bestand Germanys Exodus-Conquest Narrative aus Ex 2,1.2a.3*.5aαbα.6. 10aβb.11aαb.12.15*; 3,1*.2b.3a.4a.5a.6b.7a.10*; 4,18aα*.20aβ; 5,1f.*; 7,14–18*.20*.21a. 24a.26f.29; 8,2b.16f.*.20.28; 12,29a.30aβb.33(.37?); 13,20; 15,22b.23a(b).27; 16,1aα; 19,2aα2; Num 20,1aβ.22a; 21,10b.11a; 22,1b*; Dtn 34,5*; Jos 1,1f.*; 3,1a*.14a.16*; 4,(11a?.)19b; 6,1–3.4aβ.5*.7a*.11*.14*.15.16aα.20*.21.24a; 8,1a*.2b(?).10*.11aα1*.12*. 13aα*.14a*.19*.21; 9,3.6a.8a.15aα; 10,1aαb.3f.5–7*.9a.10aβb.29–32*.34–40*.42(?). Vgl. GERMANY, Narrative, 448f. 147 Germanys Hauptinteresse liegt in den nicht-priesterlichen Texten, daher erstaunt es nicht, dass er keine weiterführende literarhistorische Differenzierung innerhalb der priesterlichen Texte anstellt; die ältesten priesterlichen Texte versteht er nicht als eine ehedem eigenständige Quelle, sondern als Bearbeitung älteren Textmaterials.
1.2. Die Murrerzählungen der Bücher Exodus und Numeri
43
1.2.5. Folgerungen aus der forschungsgeschichtlichen Verortung In der knappen forschungsgeschichtlichen Verortung zu den Murrerzählungen waren die Entwicklungen der Pentateuchforschung insgesamt deutlich zu erkennen. Da die Murrerzählungen, auf zwei – recht unterschiedliche – Bücher des Pentateuch verteilt, Teil dieses größeren Ganzen sind, ist dies nicht weiter erstaunlich. In methodischer Hinsicht zeigt dies aber das stets vorhandene Problem des Zirkelschlusses vom übergeordneten Modell der Pentateuchentstehung zu den Einzeltexten und vice versa. Einzelne der genannten Studien wenden bestehende Modelle der Pentateuchentstehung auf die Murrerzählungen an und kommen damit, zumindest im Nachhinhein und von Außen betrachtet, zu wenig erstaunlichen Ergebnissen. Andere der genannten Studien nehmen ihren Ausgang bei den Einzeltexten, und es bleibt wahlweise mehr oder weniger unklar, wie die dort erarbeiteten Ergebnisse in die Genese des Pentateuch insgesamt eingezeichnet werden könnten, oder aber die an diesen Einzeltexten erarbeiteten Modelle werden pars pro toto auf den ganzen Pentateuch extrapoliert – womit letztlich der Fehler der klassischen Quellenscheidung mit anderen Vorzeichen bzw. mit anderen Ausgangstexten wiederholt wird.148 Die vorliegende Untersuchung versucht eine Art Mittelweg. Sie legt kein vorgefertigtes Modell zur Entstehung des Pentateuch zugrunde, sondern geht von den zu analysierenden Einzeltexten aus und versucht, die daran erarbeiteten Ergebnisse zu Tendenzen der aktuellen Pentateuchdebatte ins Verhältnis zu setzen. Dass diese sogleich zu nennenden Tendenzen eine Konstruktion des Verfassers dieser Untersuchung darstellen, versteht sich von selbst – und damit ebenso, dass auch diese Untersuchung nicht auf gänzlich neutralem Grund aufruht. Die gegenwärtige Pentateuchforschung, die de facto wieder eine Hexateuch- wenn nicht Enneateuchforschung ist, zeichnet sich durch eine Kombination der früher oft allzu strikt voneinander getrennten Grundmodelle zur Entstehung des Pentateuch aus, des Fragmenten-, Quellen- und Ergänzungsmodells.149 Als eine Art Ankerpunkt der erzählenden Texte des Pentateuch können die priesterschriftlichen Texte gelten, deren Separierung aus theologischen und stilistischen Gründen vergleichsweise gut und konsenshaft gelingt. In dem 2015 erschienenen Sammelband „Abschied von der Priesterschrift?“, dessen Titel deutlich an den bereits genannten „Abschied vom Jahwisten“ von 2002 erinnert,150 im Unterschied dazu aber mit Fragezeichen versehen ist, gehen 148
Vgl. die Problemanzeige anhand der klassischen Texte der Quellenscheidung bei BÜHRER, Anfang, 13–19. 149 Das Folgende basiert auf der bibliographischen Darstellung der „Neuere[n] Ansätze in der Pentateuchkritik“ in BÜHRER, Ansätze (die Seitenangaben im Haupttext beziehen sich darauf). 150 S.o. Kap. 1.2.4. mit Anm. 100.
44
1. Einführung
„[d]ie meisten Beiträger … von einer spät-exilischen bis früh-nachexilischen Priesterschrift als Quelle des Pentateuch aus, die mit Gen 1 eingesetzt und bis in die Sinai-Perikope hinein gereicht hat … Dabei ist ‚Quelle‘ im Sinne eines literarisch eigenständigen Werkes zu verstehen, das zumindest mehrere Traditionen des heute vorliegenden Pentateuch kombiniert (im vorliegenden Fall die Urgeschichte, die Erzeltern- und die Mose-Exodus-Erzählung).“ (22f.)151 „Dieser Grundbestand wurde um weitere priesterliche, ‚spät-‚ oder ‚sekundärpriesterliche‘, Texte erweitert, ehe dieser Textbestand mit den älteren nichtpriesterschriftlichen Texten kombiniert wurde … Aber auch nach dieser Kombination sind die priesterlichen und nicht-priesterlichen Texte weiter fortgeschrieben worden“ (23).152 Strittig sind das genaue Ende der Priesterschrift und die Stratifizierung der späteren priesterlichen Texte. Für die Murrerzählungen bedeutet dies, dass bei den priesterlichen Texten (in) Ex 16; Num 13f.; 16f.; 20,1–13 nebst der genauen Textabgrenzung im Einzelnen einerseits nach der relativen Chronologie dieser priesterlichen Texte untereinander zu fragen ist und andererseits, ob sie Teil der ursprünglichen Priesterschrift (klassische Sigla: PG/P), Teil der um weitere priesterliche Texte erweiterten Priesterschrift (klassische Sigla: PS/p) oder erst Teil des aus priesterschriftlichen, priesterlichen und nicht-priesterlichen Texten zusammengesetzten (werdenden) Pentateuch (klassisches Siglum: Rp) sind. Die nicht-priester(schrift)lichen Texte, klassischerweise auf Jahwist und Elohist aufgeteilt und der Priesterschrift literarhistorisch vorgeordnet, werden in der aktuellen Pentateuchdebatte nicht mehr Pentateuch übergreifenden Quellenschriften zugewiesen und zunehmend nach-priesterschriftlich datiert. „Kohärenz-Probleme (die Frage nach der literarischen Erstreckung und nach dem Kerygma), literarhistorische Probleme (die Beobachtung deuteronomistisch geprägter Texte), historische Probleme (die Frage nach den institutionellen Rahmenbedingungen des 10./9. Jh. für die Literaturproduktion) sowie Probleme der Durchführbarkeit der Quellenscheidung im Einzelnen“ haben zunächst beim Elohisten, später auch beim Jahwisten zu Modifikationen und 151
Auch die nachhaltig von R. Rendtorff und E. Blum wieder in die Debatte eingespeiste Deutung der Priesterschrift als Ergänzungs- bzw. (in Blums Falle präziser) Kompositionsschicht (vgl. RENDTORFF, Problem; BLUM, Studien; DERS., Profil) wird seither immer stärker vertreten (s.o. Anm. 147). 152 „Terminologisch lässt sich zumindest auf Deutsch also zwischen ‚priesterschriftlich‘ und ‚priesterlich‘ unterscheiden. Ersteres geht von einer Priesterschrift als Quelle aus und meint nur diese; letzteres meint a) bei Annahme einer Priesterschrift als Quelle die priesterlichen Texte, die jünger als die Priesterschrift sind, oder b) bei Ablehnung einer Priesterschrift als Quelle sämtliche priesterliche Texte des Pentateuch ungeachtet ihrer literarhistorischen Stratifizierung. Mit ‚nach-priesterlich‘ bzw. ‚post-priestly‘ ist auf die Texte abgehoben, die jünger als die Kombination der ältesten priesterlichen Schicht des Pentateuch bzw. der Priesterschrift mit den vor-priester(schrift)lichen Texten sind; eine inhaltliche Qualifizierung ist damit zunächst einmal nicht im Blick.“ BÜHRER, Ansätze, 23.
1.2. Die Murrerzählungen der Bücher Exodus und Numeri
45
schließlich in weiten Teilen der (zumindest europäischen) Forschung zum Abschied dieser vor-priesterschriftlichen Quellen geführt (21). Ansätze zu dieser Dynamisierung der Pentateuchforschung finden sich, nostalgischer Selbstvergewisserungen zum Trotz, bereits etwa bei J. Wellhausen und M. Noth.153 Beide haben etwa im Numeribuch einen Text erkannt, der mit der klassischen Quellenscheidung nicht hinreichend zu erklären ist. Noth etwa formulierte in der Einleitung seines Numerikommentars: „Nimmt man das 4. Mosebuch für sich, so käme man nicht leicht auf den Gedanken an ‚durchlaufende Quellen‘, sondern eher auf den Gedanken an eine unsystematische Zusammenstellung von zahllosen Überlieferungsstücken sehr verschiedenen Inhalts, Alters und Charakters (‚Fragmentenhypothese‘).“154 Für die vor-priesterschriftlichen Texte kann in der gegenwärtigen Pentateuchdebatte von einem kombinierten Fragmenten- und Ergänzungsmodell ausgegangen werden mit den zunächst literarisch unabhängig voneinander tradierten Erzählkränzen der Urgeschichte, der Erzelternerzählung und der Exoduserzählung. Insbesondere bei der Exoduserzählung ist die literarische Erstreckung dieser Erzählung Gegenstand aktueller Diskussionen155 und wird auch für die Behandlung der Murrerzählungen zumindest des Exodusbuches relevant sein. Ein Großteil der nicht-priesterschriftlichen Texte wird dagegen in der gegenwärtigen Pentateuchdebatte – nach älteren Vorläufern – als nach-priesterschriftlich eingeordnet und methodisch mithilfe des Ergänzungsmodells erklärt.156 Ob sich dabei die nach-priesterschriftliche Fortschreibungsgeschichte des Pentateuch eher in Form übergreifender Redaktionen oder in Form punktueller Fortschreibungen vollzogen hat, ist Gegenstand aktueller Diskussionen, wie oben bereits schlaglichtartig anhand der unterschiedlichen Modelle zur Entstehung des Numeribuches bei R. Achenbach und T. Römer deutlich wurde.157 Die aktuelle Pentateuchforschung zeichnet sich so „durch eine Kombination des Fragmentenmodells für die vor-priesterschriftlichen Texte, des Quellenmodells für die Priesterschrift (sowie in seiner sehr eigenen Weise für das Deuteronomium) und des Ergänzungsmodells für die nach-priesterschriftlichen Texte sowie Ergänzungen bereits innerhalb der vor-priesterschriftlichen Texte und der Priesterschrift (sowie des Deuteronomiums) aus. Die ‚Vollendung der Tora‘ (so der Titel von Achenbach) ist ein vielstufiger, komplexer,
153
Vgl. BÜHRER, Ansätze, 20f. NOTH, Numeri, 8. Um gleichwohl am überkommenen Modell der Quellenscheidung festhalten zu können, fährt Noth kontraintuitiv fort mit der Bemerkung: „Aber es wäre eben […] unsachgemäß, das 4. Mosebuch zu isolieren.“ Ebd. 155 S.o. Kap. 1.2.4. mit Anm. 143f. 156 Vgl. etwa den forschungsgeschichtlichen Überblick bei SCHMID, Diaskeuase. 157 S.o. Kap. 1.2.4. 154
46
1. Einführung
im Einzelnen wohl auch kaum mehr gänzlich rekonstruierbarer, auf jeden Fall nicht methodisch-monolithisch hinreichend beschreibbarer Prozess schriftgelehrter Traditionsbildung, dessen theologische und theologiegeschichtliche Relevanz gerade auch in seiner Geschichtlichkeit begründet liegt.“ (32).
1.3. „Innerbiblische Schriftauslegung“ – „Schriftgelehrte Fortschreibungs- und Auslegungsprozesse“158 1.3. „Schriftgelehrte Fortschreibungs- und Auslegungsprozesse“
Dass die Texte des Alten Testaments als schriftgelehrte Traditionsliteratur zu verstehen sind,159 wonach die Produktion neuer Texte oder Textbestandteile geprägt ist von bereits vorliegenden Texten, wird in den letzten (Jahrzehnten und) Jahren beinahe inflationär mit dem Begriff „innerbiblische Schriftauslegung“ auf den Punkt gebracht. Der Begriff „innerbiblische Schriftauslegung“ kann nachgerade als Modewort gegenwärtiger alttestamentlicher Exegese bezeichnet werden.160 Wie bei früheren solcher Modethemen gilt auch hier, dass die Verabsolutierung der jeweils zugrundeliegenden Beobachtung oder Frage für ihre Bearbeitung oft hinderlich ist: Beide Bestandteile dieses Modewortes sind problematisch: Der Begriff „innerbiblisch“ ist für die Zeit der Entstehung der schließlich biblisch gewordenen Texte anachronistisch und nimmt eine Trennung vor, die zur Zeit der Entstehung der Texte weder inhaltlich, noch – und erst recht nicht – formal existierte.161 Der Begriff „(Schrift-)Auslegung“ ist zumindest klärungsbedürftig: Wird letztlich jeglicher Textbezug und jegliches Textwachstum als „Auslegung“ begriffen,162 weil in der Tat jeglicher Textbezug und jegliches Textwachstum auf vorgegebenen, schriftlichen oder mündlichen, Texten beruht,163 verliert der Begriff seine Erschließungsfunktion.164 Um dem erstgenannten Problem Herr zu werden, muss auf anachronistische Kanonverständnisse und damit einhergehende methodische Verkürzungen verzichtet werden. Hierzu haben neuere Arbeiten zum kanonischen Pro158
Vorformen von Kap. 1.3. und Kap. 1.3.2. wurden bereits in BÜHRER, Fortschreibungs- und Auslegungsprozesse, 1–6; DERS., Funktion, 179–182 publiziert. 159 Vgl. zum Begriff SCHMID, Traditionsliteratur. 160 Vgl. SCHMID, Schriftauslegung, 5; WEYDE, Interpretation, 287. 161 Vgl. bes. ZAHN, Exegesis. 162 Ein derart weites Verständnis des Auslegungsbegriffes findet sich etwa bei SCHREINER, Interpretation; FISHBANE, Interpretation; DERS., Exegesis; LEVIN, Testament, 7.21– 27 u.ö.; KRATZ, Exegese; BECKER, Exegese, 89.93; LEVINSON, Kanon; SCHMID, Traditionsliteratur (doch s.u. Anm. 211.217); ZAKOVITCH, Interpretation. 163 D.M. Carrs These der mündlich-schriftlichen Schreiberausbildung birgt wichtige Potentiale für jegliche historisch interessierte Arbeit an antiken Texten, die bislang bei Weitem nicht ausgeschöpft wurden. Vgl. CARR, Writing. 164 Vgl. GERTZ, Schriftauslegung, 31–33.
1.3. „Schriftgelehrte Fortschreibungs- und Auslegungsprozesse“
47
zess oder besser: zu den kanonischen Prozessen einerseits,165 sowie zu material präsenten Beispielen textgeleiteter Fortschreibungs- und Auslegungsprozesse, die sogenannten empirischen Beispiele, andererseits166 wichtige Erkenntnisse hervorgebracht. Um dem zweitgenannten Problem Herr zu werden, sind die unterschiedlichen Phänomene textgeleiteter oder schriftgelehrter Fortschreibungs- und Auslegungsprozesse präzise zu beschreiben und voneinander zu unterscheiden, und derart der Auslegungsbegriff zu schärfen. In der Konsequenz wird in der vorliegenden Untersuchung statt von „innerbiblischer Schriftauslegung“ von „textgeleiteten“ oder „schriftgelehrten Fortschreibungs- und Auslegungsprozessen“ gesprochen.167 Die folgenden Unterkapitel bieten eine kurze forschungsgeschichtliche Verortung zum Phänomen168 und einen Vorschlag zur Unterscheidung der unterschiedlichen Phänomene textgeleiteter oder schriftgelehrter Fortschreibungs- und Auslegungsprozesse.169 1.3.1. Forschungsgeschichtliche Verortung170 M. Luthers Überzeugung, dass die Schrift Interpretin ihrer selbst ist,171 wird in der neueren alttestamentlichen Wissenschaft unter literarkritischen und redaktionsgeschichtlichen Vorzeichen verschiedentlich dergestalt aufgenommen,172 dass die bereits alte Einsicht in die traditions- und schriftgeleitete Schriftwerdung alttestamentlicher Texte zunehmend hervorgehoben und hermeneutisch reflektiert wird. Schon J. Wellhausen konnte die Genese des He-
165
Vgl. etwa die Darstellung bei SCHMID, Schriftwerdung (mit Lit.). Vgl. etwa KRATZ, Exegese; MÜLLER/PAKKALA/TER HAAR ROMENY, Evidence; MÜLLER/PAKKALA (Hg.), Insights. 167 Zum Begriff s.u. Kap. 1.3.2. Wenn SOMMER, Prophet, 23 das Phänomen als „innerbiblical allusion and exegesis“ bezeichnet, löst er damit lediglich das zweite genannte Problem des Begriffes. 168 S.u. Kap. 1.3.1. 169 S.u. Kap. 1.3.2. 170 Angesichts der Interdependenz der Fragestellung mit der Geschichte des Faches insgesamt kann es im Folgenden nur um einige wenige, jedoch bedeutsame Schlaglichter gehen. Ausführlichere forschungsgeschichtliche Verortungen bieten etwa SCHMID, Schriftauslegung; LEVINSON, Kanon (bes. 107–206); GERTZ, Schriftauslegung. 171 Vgl. Luthers Assertio omnium articolorum von 1520: „ut sit ipsa per se certissima, facillima, apertissima, sui ipsius interpres, omnium omnia probans, iudicans et illuminans“; „dass sie durch sich selbst ganz gewiss ist, ganz leicht zugänglich, ganz verständlich, ihr eigener Ausleger, alles von allen prüfend, richtend und erleuchtend“ (Text und Übersetzung nach HÄRLE [Hg.], Studienausgabe, 80f.). Zu Luthers Schriftverständnis vgl. etwa MOSTERT, Scriptura; LEPPIN, Luther. 172 Vgl. etwa KRATZ, Exegese, 126; LEVIN, Testament, 25. 166
48
1. Einführung
xateuch als „lebendigen Process[]“ beschreiben und von einer „stufenmäßige[n] Entwicklung der Tradition“ sprechen.173 Besonders zwei Arbeiten aus der ersten Hälfte des 20. Jh. sind hervorzuheben, die auch die späteren Texte, Nachträge, Glossen, kurz die „Nachgeschichte alttestamentlicher Texte innerhalb des Alten Testaments“,174 theologisch zu würdigen begannen: So arbeitet H.W. Hertzberg insbesondere am Jesajabuch heraus, „daß die Geschichte der Stoffe mit ihrer schriftlichen Fixierung nicht abgeschlossen ist“ (111). Vielmehr sind „Zusätze, Glossen und Textfehler“ (112), „Wucherungen am Text … eben auch ‚Text‘“ (113), insofern spätere Tradenten das überlieferte Wort durch eigene Aktualisierungen ihrer Zeit angepasst und damit je bleibend gültig gemacht haben. So beurteilt Hertzberg etwa „den König von Assur“ in Jes 7,17 (vgl. 7,20; 8,7) als spätere Glosse, die das Wort an König Ahas auf die Zeit von 701 ausdeutet (vgl. 112f.). Sind diese Einsichten Hertzbergs geprägt durch christliche Überlegenheitsrhetorik gegenüber der jüdischen Nachgeschichte des Alten Testaments (vgl. etwa 121), so hat I.L. Seeligmann die Kontinuität zwischen „innerbiblischer“ und jüdischer Schriftauslegung betont.175 Nach Seeligmann lässt sich zeigen, „dass sich die älteste Midraschexegese organisch aus der Eigenart der biblischen Literatur entwickelt hat“ (151), in der bereits Abwandlungen von Motiven, Assoziationen (das „Spielelement der Sprache“; 158) und „historisierende Adaption der Motive“ (169) festzustellen sind. Wenn auch im Alten Testament selbst noch kein Midrasch enthalten ist,176 teilen die alttestamentlichen Texte oft die Tendenz des Midrasch zur Aktualisierung der Textbedeutung auf die je gegenwärtige Zeit. Seeligmann illustriert dies an einigen Stellen des Danielbuches, die sich „wie ein aktualisierender Kommentar zu Jesajah’s Prophetie über Assur“ (171) lesen. Die prophetische Literatur wird spätestens seit den Arbeiten W. Zimmerlis zunehmend als sich ständig aktualisierende und so fortschreibende Auslegung verstanden.177 Insbesondere die Arbeiten von O.H. Steck haben die Genese der Prophetenbücher immer stärker als „prophetische Prophetenauslegung“ verstehen lassen, wonach nicht die namengebende Person des Propheten, sondern das nach ihm benannte Prophetenbuch Anfangspunkt und Zentrum der
173
WELLHAUSEN, Prolegomena, 293f. Der ausführliche „forschungsgeschichtliche[] Essay zur innerbiblischen Exegese“ von LEVINSON, Kanon, 107–206 (Zitat aus der Kapitelüberschrift) beginnt denn bezeichnenderweise auch mit Wellhausens Prolegomena. Vgl. auch SCHMID, Schriftauslegung, 8f.; GERTZ, Schriftauslegung, 25–31. 174 So der Titel von HERTZBERG, Nachgeschichte (die Seitenangaben im Haupttext beziehen sich darauf). 175 Vgl. SEELIGMANN, Voraussetzungen (die Seitenangaben im Haupttext beziehen sich darauf). 176 Vgl. aber seinen späteren Beitrag zur Chronik: SEELIGMANN, Anfänge. 177 Vgl. etwa ZIMMERLI, Ezechiel; DERS., Fortschreibung.
1.3. „Schriftgelehrte Fortschreibungs- und Auslegungsprozesse“
49
Erforschung sein muss – und oft auch nur sein kann.178 Dabei hat Steck gezeigt, dass sich die „prophetische Prophetenauslegung“ nicht nur in punktuellen Fortschreibungen niedergeschlagen hat, sondern auch in buchredaktionellen Texten wie etwa Jes 35 und buchübergreifenden Verbindungen wie etwa der gegenseitigen Abgleichung von Jesaja- und Zwölfprophetenbuch. Nicht nur die prophetische Literatur des Alten Testaments mit ihrem „besonderen Zeitbezug des prophetischen Worts …, das offenbar von vornherein nicht als in der Zeit aufgehend aufgefasst wurde, in die hinein es gesprochen oder geschrieben wurde“, dem vielmehr „eine Gültigkeit auch darüberhinaus zugebilligt [wurde], die jedoch der fortschreibenden Auslegung bedurfte“,179 sondern auch die Rechtstexte des Alten Testaments, die sich als Gottesrecht präsentieren, boten und bieten reichlich Anschauungsmaterial für den Nachweis schriftgeleiteter Schriftwerdung der biblisch gewordenen Texte:180 Da das Bundesbuch in Ex 20,22–23,33 als ältestes Gesetzescorpus des Alten Testaments „als Gottesrede verfasst ist, … konnte alle nachfolgende Rechtsüberlieferung nur noch als Auslegung zu diesem mit göttlicher Autorität ausgestatteten Erstentwurf hinzutreten.“181 Was demgegenüber die Erzähltexte von Pentateuch und Vorderen Propheten angeht, so „verstellte die Neuere Urkundenhypothese, die für den Pentateuch (bzw. Hexateuch) ein gegenüber den übrigen alttestamentlichen Büchern singuläres Entstehungsmodell postulierte, … lange den Blick“ für solche schriftgelehrten Fortschreibungs- und Auslegungsprozesse.182 Diese rückten erst durch die oben beschriebene Dynamisierung der Pentateuchforschung seit den 1970er Jahren in den Fokus.183 Der Fortgang der Forschung hat die so knapp beschriebenen Aktualisierungs- und Auslegungsvorgänge immer deutlicher in weiten Teilen des Alten Testaments herausgearbeitet bis hin zum ersten Höhepunkt und Résumé „innerbiblischer Schriftauslegung“ in der umfangreichen Arbeit M. Fishbanes von 1985: „Biblical Interpretation in Ancient Israel“.184 Hier werden zahl-
178
Vgl. STECK, Prophetenbücher, hier 125–204. SCHMID, Schriftauslegung, 11. 180 Vgl. bereits die kult- und rechtshistorischen Studien von WELLHAUSEN, Prolegomena und in jüngerer Zeit etwa LEVINSON, Deuteronomy; OTTO, Rechtshermeneutik; NIHAN, Torah und die Überblicksdarstellung bei LEVINSON, Kanon. 181 SCHMID, Schriftauslegung, 11. Vgl. DERS., Schriftwerdung, 72–76; LEVINSON, Kanon, bes. 26–64. 182 SCHMID, Schriftauslegung, 11. 183 Vgl. SCHMID, Schriftauslegung, 14–16 und s.o. Kap. 1.2.4.; Kap. 1.2.5. Vertreter der sogenannten „Neo-Documentary Hypothesis“ unterscheiden entsprechend zwischen „Innerbiblical Exegesis“ und „Pentateuchal Redaction“ (so die Begrifflichkeiten aus dem Titel von STACKERT, Exegesis) und verorten Erstere bei den (europäischen) „Non-Documentarians“ und Letztere bei den „Neo-Documentarians“ (vgl. STACKERT, aaO., 369–374). 184 Vgl. FISHBANE, Interpretation. Eine frühere Überblicksdarstellung auf wenigen Seiten bietet SCHREINER, Interpretation. 179
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1. Einführung
reiche Beispiele für „innerbiblischer Schriftauslegung“ aus allen Bereichen der alttestamentlichen Literatur angeführt, wobei Fishbane einen sehr weiten Auslegungsbegriff ansetzt.185 Nur sehr ansatzweise erfolgen dabei eine Analyse der „Auslegungs“-Phänomene auf ihre theologischen Intentionen hin und die Reflexion über die relativ-chronologische Auswertung der Text-Text-Bezüge.186 Fishbane klassifiziert die verschiedenen Phänomene „innerbiblischer Schriftauslegung“ nach formalen und inhaltlichen Kriterien. Er beginnt mit Textänderungen im Laufe der Textüberlieferung durch Schreiber („Scribal Comments and Corrections“) und behandelt sodann Auslegungen in Rechtstexten, Erzählungen und prophetischen Texten („Legal Exegesis“, „Aggadic Exegesis“ und „Mantological Exegesis“).187 Fishbane richtet seine Klassifizierung damit stark an der späteren rabbinischen Exegese aus. Damit trägt er den Verbindungen der rabbinischen Exegese zur Schriftgelehrsamkeit der „alttestamentlichen“ Zeit Rechnung und es gelingt ihm, das umfangreiche Material zu ordnen. Gleichwohl ist die Klassifizierung von außen an das Material herangetragen und nicht aus den Texten des Alten Testaments heraus entwickelt worden. Dies schlägt sich auch darin nieder, dass Fishbane seine Einordnung nach formalen und inhaltlichen Kriterien nicht in allen Fällen präzise durchführen kann:188 Die von Fishbane nach formalen Kriterien bestimmte Gruppe der auf Schreiber zurückgeführten Kommentare und Korrekturen kommt in allen von ihm unterschiedenen Literaturbereichen vor, so dass eine Differenzierung der unterschiedlichen Überlieferungsbereiche unterbleibt. Die mit der Rechtspraxis in Verbindung gebrachte Auslegung von Rechtstexten erfolgt ebenso durch rechtliche Exegese im engeren Sinne wie durch erzählerische Ausgestaltung. In diesem Fall unterbleibt die Differenzierung nach formalen Kriterien. Schließlich besteht die Gefahr, dass bei einer Rekonstruktion der Entstehungsprozesse der biblischen Texte nach dem Vorbild der rabbinischen Exegese historische Brüche und Verschiebungen zwischen der biblisch gewordenen Literatur und der rabbinischen Auslegung dieser sich in einem Kanon verfestigten Literatur nicht hinreichend berücksichtigt werden.189 Demgegenüber beschränkt sich R.G. Kratz bei der Klassifizierung von Phänomenen „innerbiblischer Schriftauslegung“ auf formale Kriterien, die auch in außerbiblischen Texten des gleichen Kulturraumes und vergleichbarer
185
Vgl. KUGEL, Interpreters, 280; SOMMER, Exegesis, 488 Anm. 23 („Fishbane describes the phenomenon he studies as ‚inner-biblical exegesis‘, but most of his examples involve allusion, not exegesis“; zu Sommers Kategorien s.u. mit Anm. 194–203). 186 Vgl. KUGEL, Interpreters, 277–280; LEVINSON, Kanon, 23. 187 Vgl. FISHBANE, Interpretation; DERS., Exegesis. 188 Vgl. KUGEL, Interpreters, 274–277. 189 Vgl. SEELIGMANN, Voraussetzungen, 176 mit der Unterscheidung der „sich noch im Fluss befindliche[n] ... Literatur“ und der „abgeschlossenen Schrift“.
1.3. „Schriftgelehrte Fortschreibungs- und Auslegungsprozesse“
51
Zeit materialiter nachweisbar sind:190 „Kommentar (Pescher)“,191 „Zitat und Nachschrift (rewritten bible)“,192 „Textüberlieferung und Übersetzung“ sowie „Redaktion“. Auch wenn Redaktion eine recht offene Kategorie darstellt, ist an diese Klassifizierung anzuschließen, um die formale Textbindung von Fortschreibungs- und Auslegungstexten hinsichtlich ihrer Referenztexte zu bestimmen. Anders als Fishbane zeigt Kratz deutlich anhand der biblischen Texte sowie anhand der external evidence des Handschriftenbefundes die Interdependenz von „innerbiblischer Schriftauslegung“ und Redaktionsgeschichte auf – und setzt sie schließlich in eins, womit er nicht nur ein sehr weites Auslegungs-, sondern auch ein ebenso weites Verständnis von Redaktion(sgeschichte) vertritt.193 Während an der herausgearbeiteten Interdependenz festgehalten werden kann und muss, ist gegen die Gleichsetzung zu betonen, dass die genannten Kategorien nicht eo ipso als Auslegung zu bestimmen sind, sondern als Orte, an denen Auslegung geschehen, und als Methoden, mittels derer Auslegung vorgenommen werden kann. Einen engeren Auslegungsbegriff wendet B.D. Sommer in seiner 1998 erschienenen Dissertation zu „Allusion in Isaiah 40–66“ an,194 worin es ihm um die Kategorisierung von Text-Text-Bezügen im engeren Sinne geht.195 Er unterscheidet zwischen „inner-biblical allusion and exegesis“,196 woran im folgenden Kapitel angeknüpft wird: „An exegetical text clarifies or transforms an earlier text; an allusive text utilizes an earlier text. An exegetical text is 190
Vgl. KRATZ, Exegese. Während sich das Anliegen der Aktualisierung früher ergangener (insbesondere prophetischer) Worte auf die jeweilige Gegenwart in den biblisch gewordenen Texten und den nicht kanonisierten Kommentaren aus Qumran deckt, unterscheidet sich die Technik der Kommentierung: Die Kommentare aus Qumran konstituieren einerseits ein neues Werk und unterscheiden andererseits explizit zwischen Referenztext und dessen Deutung; vgl. KRATZ, Exegese, 128f. 192 „Im Unterschied zu den Pescharim wird der Text“ bei „Anspielungen, Zitate[n] und Exzerpte[n] bis hin zu Reformulierungen ganzer Bücher“ „nicht eigens exponiert, um anschließend gedeutet zu werden, sondern geht in den neuen Text ein. Auch diese Art von Schriftbenutzung wird heute zunehmend unter dem Gesichtspunkt der Auslegungs- und Rezeptionsgeschichte behandelt und gerne unter dem Titel rewritten bible zusammengefasst.“ KRATZ, Exegese, 135. Bemerkenswert ist hierbei die Aufweitung der Kategorie der rewritten bible, die für Kratz nicht nur werkexterne Nachschriften, sondern auch werkinterne Zitate, Anspielungen etc. umfasst. 193 Vgl. KRATZ, Exegese, 156; vgl. DERS., Redaktionsgeschichte/Redaktionskritik, 370. Vgl. auch SCHMID, Schriftauslegung, 5 mit Anm. 1: „Das Thema innerbiblischer Schriftauslegung“ … „ist auch verhandelbar unter dem … Begriff der ‚Redaktionsgeschichte‘ …, insofern diese als innerbiblische Rezeptionsgeschichte in den Blick kommt“. 194 SOMMER, Prophet (Zitat des Untertitels). 195 Als Ziel seiner Studie nennt SOMMER, Prophet, 10: „Developing criteria to decide what parallels can be termed allusions, citation, or the result of influence is the project of the study of inner-biblical allusion and exegesis“. 196 SOMMER, Prophet, 2.23 u.ö. 191
52
1. Einführung
formally dependent on and oriented toward the older text, without which it cannot exist; an alluding one has a formal independence, even if its production of meaning depends to a great degree on older texts. An allusion may help us to recognize elements in the evoked text which we had not noticed before, and hence it may aid in interpreting the evoked text, but this is a secondary feature not present in all allusions. Exegesis, however, necessarily and primarily involves an attempt at helping the reader recognize elements in the older text and offering suggestions regarding its interpretation.“197 Sommers Auffassung von Auslegung ist dabei an die Autorintention geknüpft: Auslegung ist nur, was als Auslegung verfasst wurde, nicht aber, was im Laufe des Kanonisierungsprozesses auch zu Auslegung geworden ist.198 Wie der zitierte Untertitel seiner Studie zeigt, weist der (ganz im Unterschied zu den Arbeiten etwa von Steck und Kratz) als literarische Einheit wahrgenommene Textbereich Jes 40–66 nach Sommer insbesondere Anspielungen auf (besonders an Jeremia, Jes 1–40, die Psalmen und den Pentateuch). Im Anschluss an Z. Ben-Porat unterscheidet Sommer vier Stufen der Perzeption von TextText-Bezügen, denn erst die Aktualisierung des Text-Text-Bezuges durch die Rezipienten führt die vom Autor des anspielenden Textes gelegte Textspur zu ihrem Ziel:199 In einem ersten Schritt erkennt der Rezipient im anspielenden Text die vom Autor gelegte Textspur – die „Einschreibung“ nach J.J. Krause.200 In einem zweiten Schritt identifiziert er den Referenztext. In einem dritten Schritt bringt der Rezipient „certain elements of the evoked text or the marked to bear on the alluding text, and these alter the reader’s construal of meaning of the sign in the alluding text.“201 In einem vierten Schritt schließlich wird der komplette Referenztext zur Sinnbildung herangezogen. Nicht jeder Text-Text-Bezug ist auf alle vier Perzeptionsstufen angelegt, und nicht jeder Rezipient schreitet jede der vom Autor angelegten Stufen ab. Hinsichtlich der Unterscheidung zwischen Anspielungen und Auslegungen ist die unterschiedliche Weite des jeweiligen Perzeptionsprozesses nach Sommer bemerkenswert: Da bei einer Anspielung alles auf den anspielenden Text zielt, kann erst ab der dritten Stufe von einer Anspielung gesprochen werden, worin sich „eine 197
SOMMER, Prophet, 17f. SOMMER, Prophet, 27 veranschaulicht dies am Beispiel von Nachschriften, „revision“: „This category is distinct from exegesis because the new text does not claim to explain the older one, but presents an innovative variation of the older text’s ideas. However, the effect of the category often becomes exegetical, especially if the source which has been revised is preserved or becomes canonical.“ Dies bleibt richtig, auch wenn man anders als Sommer nicht davon ausgeht, dass Revisionen ihre Quellen ersetzen wollten. Wie für Nachschriften gilt auch für Polemiken eine mögliche sekundär-exegetische Verwendung; vgl. SOMMER, aaO., 29. 199 Vgl. BEN-PORAT, Poetics, bes. 107–116; SOMMER, Prophet, 10–13 sowie die Anwendung auf biblische Texte aaO., 22–31; KRAUSE, Exodus, 55 sowie die Anwendung auf biblische Texte aaO., 56f. 200 Vgl. KRAUSE, Exodus, 52.55 mit dem Hinweis auf die missverständliche Nomenklatur bei Ben-Porat und Sommer, die von „the marker“ im anspielenden und „the marked“ im Referenztext sprechen. 201 SOMMER, Prophet, 12. 198
1.3. „Schriftgelehrte Fortschreibungs- und Auslegungsprozesse“
53
integrative Sinnbildung im Zusammenspiel von präsentem Text und Referenztext“ vollzieht.202 Da bei einer Auslegung alles auf den angespielten Text zielt, spielen die Stufen drei und vier des Perzeptionsprozesses in der beschriebenen Form dagegen keine Rolle.203
B.M. Levinson hat 2008 auf englisch und, in überarbeiteter Form, 2012 auf deutsch eine Abhandlung zur radikalen Offenheit des biblischen Kanons in seinem Werden und Bestehen vorgelegt.204 Darin bietet er Beiträge zur Rechtsgeschichte und Rechtshermeneutik im Alten Orient und Antiken Israel sowie eine „kommentierte Bibliographie“ im Sinne einer „intellektuelle[n] Genealogie desjenigen Zugangs zur Bibel …, der für gewöhnlich mit dem Begriff der ‚innerbiblischen Schriftauslegung‘ verbunden wird.“205 Die in diesem Zitat anklingende Reserve gegenüber dem Begriff206 „innerbiblische Schriftauslegung“ wird in seinem Buch nicht weiter expliziert, Levinson verwendet durchgehend einen sehr weiten Auslegungsbegriff. Levinson benennt folgende „literarische Techniken“ für den kreativen Umgang mit autoritativen Rechtstexten: „literarische ‚Tricks‘ hinsichtlich der Erzählstimme (wie den Wechsel der Erzählstimme und Pseudepigraphie) und besondere Techniken der Schreiberkunst (wie ‚Seidels Gesetz‘ und lemmatische Zitierung und Wiederverwendung).“207 K. Schmid hat 2011 eine Aufsatzsammlung unter dem Titel „Schriftgelehrte Traditionsliteratur“ publiziert, die nebst „Fallstudien zur innerbiblischen Schriftauslegung im Alten Testament“208 aus allen Kanonteilen eine forschungsgeschichtliche Darstellung zum Thema, Überlegungen zu den „mate202
KRAUSE, Exodus, 56. Vgl. SOMMER, Prophet, 15. Vgl. SOMMER, Prophet, 24f. („in a case of exegesis, the new text’s surface meaning is simply to make a comment on the older text; once that surface meaning is understood, the older text already has come into play, so that stages three and four are unnecessary. Nonetheless, one might argue that the reader goes through a process resembling, if distinct from, stages three and four.“ AaO., 24). Anders KRAUSE, Exodus, 57 Anm. 104. 204 Der englische Titel lautet, entsprechend dem Schwerpunkt der Textbeispiele, „Legal Revision and Religious Renewal in Ancient Israel“, der deutsche formuliert in seinem Untertitel etwas allgemeiner „Der kreative Kanon. Innerbiblische Schriftauslegung und religionsgeschichtlicher Wandel“. Bemerkenswert ist auch die Aufweitung in der Betitelung des forschungsgeschichtlichen Essays: Aus „The Phenomenon of Rewriting within the Hebrew Bible“ wurde „Schriftauslegung in der Hebräischen Bibel“. Zur radikalen Offenheit des Kanons vgl. etwa LEVINSON, Kanon, 14.106 („So betrachtet, ist der Kanon als radikal offen zu bezeichnen. Er lädt zur Innovation ein, verlangt Interpretation, fordert die Frömmigkeit heraus, stellt Rangfolgen in Frage, rechtfertigt Subversion, gewährleistet Differenz und verkörpert selbst das Prinzip der Kritik.“). 205 LEVINSON, Kanon, 107. 206 Im Vorwort spricht Levinson auch von der „Methode“ „innerbiblischer Schriftauslegung“ (LEVINSON, Kanon, XIX). 207 LEVINSON, Kanon, 101. Vgl. die Herleitung anhand der „biblischen Auseinandersetzungen mit dem Prinzip der generationenübergreifenden Strafe“ aaO., 65–99. 208 So der Untertitel von SCHMID, Traditionsliteratur. 203
54
1. Einführung
rialen und literatursoziologischen Rahmenbedingungen innerbiblischer Schriftauslegung“,209 zur Kanonbildung sowie zu theologischen Anschlussfragen enthält, die eine andauernde Kontinuität im Umgang mit der ausgelegten Schrift aufweisen: „Die innerbiblische Auslegung scheint also einen Prozess in Gang gesetzt zu haben, der durch die Kanonisierung der biblischen Bücher wohl entscheidend modifiziert, nicht aber unterbrochen worden ist: Zu einem gewissen Teil besitzt dieser ununterbrochene Auslegungsprozess über die Kanongrenze hinweg wahrscheinlich eine Eigendynamik: Die biblischen Texte werden weiter ausgelegt, weil sie immer schon ausgelegt worden sind. Sind sie selber immer schon ausgelegte Texte, so wurzelt die Iteration ihrer Auslegung in ihnen selbst.“210 Schmid vertritt in den unterschiedlichen Beiträgen ein relativ weites Auslegungsverständnis, gibt aber zu bedenken, ob nicht „bestimmte literarische Befunde redaktions- oder kompositionsgeschichtlich nicht über den Auslegungsbegriff zu erfassen“ sind.211 Um „innerbiblische Schriftauslegung“ klassifizieren zu können, ist nach Schmid „vor allem der unterschiedliche literarische Horizont redaktioneller Einschreibungen zu beachten“.212 Der kurze Überblick hat gezeigt, dass Auslegung und Anwendung der alttestamentlich gewordenen Texte bereits zum Zeitpunkt ihres Werdens prägend hierfür waren, die Entstehung der alttestamentlich gewordenen Texte entsprechend als „textgeleitete“ oder „schriftgelehrte Fortschreibung und Auslegung“ bezeichnet werden kann. Um die unterschiedlichen Phänomene schriftgelehrter Fortschreibungs- und Auslegungsprozesse unterscheiden zu können und nicht pauschal unter den Auslegungsbegriff subsumieren zu müssen, wie es in der Forschung mehrheitlich geschieht, gilt es im Folgenden, einige Kriterien zur Unterscheidung zu benennen. „Wünschenswert ist jedenfalls eine sinnvolle Verbindung formaler und inhaltlicher Kriterien, die auch berücksichtigt, was mit dem ausgelegten und dem auslegenden Text durch die Exegese geschieht, ob z.B. auf einen anderen Text lediglich angespielt wird oder ob eine Transformation des vorgegebenen Textes, eine Übertragung seiner Inhalte, eine Rekontextualisierung, ein Gattungswechsel und dergleichen mehr vorliegt.“213
209
SCHMID, Traditionsliteratur, 2. SCHMID, Schrift, 280. 211 SCHMID, Schriftauslegung, 6. 212 SCHMID, Schriftauslegung, 7; vgl. DERS., Arbeit, 52f. Vgl. GERTZ, Schriftauslegung, 210
34. 213
GERTZ, Schriftauslegung, 34. Eine Kombination formaler und inhaltlicher Modi „innerbiblischer Schriftauslegung“ bietet auch ZAKOVITCH, Interpretation.
1.3. „Schriftgelehrte Fortschreibungs- und Auslegungsprozesse“
55
1.3.2. Phänomenologie schriftgelehrter Fortschreibungs- und Auslegungsprozesse Eingangs wurde bereits auf das doppelte Problem des Begriffes „innerbiblische Schriftauslegung“ verwiesen: Er ist in seinem ersten Bestandteil anachronistisch für die Zeit der Entstehung der biblisch gewordenen Texte und in seinem zweiten Bestandteil seinerseits auslegungs- oder besser: klärungsbedürftig.214 Aufgrund dieser zwei Problemkreise sowie um der komparatistischen Perspektive willen, die die grundlegend schrifgelehrte Textproduktion auch in den Nachbarkulturen des antiken Israel zum Vergleich heranziehen will,215 erscheint es geraten, alternative Bezeichnungen für das Phänomen der „innerbiblischen Schriftauslegung“ zu verwenden. Die hier vorgeschlagene Rede von „textgeleiteten“ oder „schriftgelehrten Fortschreibungs- und Auslegungsprozessen“ hat den Vorteil, dass Anachronismen vermieden werden, dass die Vergleichbarkeit mit nicht-biblischen Literaturen auch vom Begriff her mitgegeben ist, und dass der klärungsbedürftige Auslegungsbegriff nicht verabsolutiert wird. Durch die Kombination der Begriffe Fortschreibung und Auslegung wird darüber hinaus das Zusammenspiel synchroner und diachroner Perspektiven angedeutet: In einer historisch arbeitenden Wissenschaft sind Fortschreibungs- und Auslegungsprozesse stets auch auf das diachrone Verhältnis der untersuchten Texte zu befragen (und die Möglichkeit der Rekonstruierbarkeit solcher Verhältnisbestimmungen kritisch zu reflektieren). Gleichzeitig zeigt sich, dass Fortschreibungs- und Auslegungsprozesse auch je synchron, also etwa auf der Ebene eines (diachron konturierbaren) Werkes, vorhanden und beschreibbar sind. Mit der Betonung der Aneignung von Textbedeutung und Auslegung von Texten teilt die Frage nach schriftgelehrten Fortschreibungs- und Auslegungsprozessen damit mit rezeptionsästhetischen Ansätzen das Interesse insbesondere an den Rezipientinnen und Rezipienten von Texten. Mit der Betonung der textgeleiteten und damit ebenso Texte rezipierenden Fortschreibungsprozesse, dem Wachstum der Texte, teilt die Frage nach schriftgelehrten Fortschreibungs- und Auslegungsprozessen mit redaktions- und kompositionsgeschichtlichen Ansätzen das Interesse insbesondere an den Produzenten und Produzentinnen von Texten. Von rezeptionsästhetischen Ansätzen unterscheidet sich die Frage nach schriftgelehrten Fortschreibungs- und Auslegungsprozessen, zumindest solange sie als Frage im Rahmen einer historisch arbeitenden Wissenschaft bearbeitet wird, dadurch, dass sie nicht ahistorisch vorgeht; es geht ihr also nicht um rein rezeptionsästhetisch herstellbare Verknüpfungen von Texten – so interessant diese auch sein mögen –, sondern um produktionsästhetisch plausibel zu machende, absichts-
214
S.o. Kap. 1.3. Vgl. dazu etwa FRAHM, Traditions für Mesopotamien und PRIES, Intertextualität für Ägypten mit der Nennung jeweils weiterer Literatur zum Thema. 215
56
1. Einführung
voll hergestellte Textbezüge. Insofern geht die Frage nach schriftgelehrten Fortschreibungs- und Auslegungsprozessen mit redaktions- und kompositionsgeschichtlichen Ansätzen – auch forschungsgeschichtlich216 – Hand in Hand. Indes ist die Frage nach schriftgelehrten Fortschreibungs- und Auslegungsprozessen von redaktions- und kompositionsgeschichtlichen Ansätzen um der heuristischen Funktion des Auslegungsbegriffes willen zu unterscheiden, da „bestimmte literarische Befunde redaktions- oder kompositionsgeschichtlich nicht über den Auslegungsbegriff zu erfassen“ sind.217 Als textgeleitet oder schriftgelehrt können diese Fortschreibungs- und Auslegungsprozesse bezeichnet werden, insofern sie, wie beschrieben, von bereits bestehenden Texten geprägt sind. Der in diesem Zusammenhang verbreitete Begriff der Schriftgelehrsamkeit218 rückt dabei institutionalisierte Formen von Ausbildung und Textproduktion vor Augen, die besonders für Mesopotamien und Ägypten gut bezeugt sind.219 Für das historische Israel können vergleichbare Formen institutionalisierter Ausbildung und Textproduktion immerhin vermutet werden.220 Ein mögliches caveat bei der Rede von schriftgelehrten Fortschreibungs- und Auslegungsprozessen ist zumindest im theologischen Bereich eine theologische Überhöhung des Schriftbegriffs, womit wie bei der Rede von „innerbiblischer Schriftauslegung“ anachronistische Kanonverständnisse mitschwingen könnten. Der Begriff der Fortschreibung221 ist hier sehr weit gefasst und umfasst um der komparatistischen Perspektive willen das ganze Spektrum der Textpro216
S.o. Kap. 1.3.1. und vgl. bes. SCHMID, Schriftauslegung; LEVINSON, Kanon, 107– 206; GERTZ, Schriftauslegung. 217 SCHMID, Schriftauslegung, 6. Vgl. GERTZ, Schriftauslegung, 31–33. 218 Vgl. den Aufsatzband von K. Schmid, der von „schriftgelehrter Traditionsliteratur“ spricht (SCHMID, Traditionsliteratur), womit das Ergebnis textgeleiteter Fortschreibungsund Auslegungsprozesse fokussiert wird. 219 Vgl. etwa GESCHE, Schulunterricht und die Überblicke bei CARR, Writing; CANCIKKIRSCHBAUM/KAHL, Philologien, bes. 46–69. 220 Vgl. in jüngerer Zeit CARR, Writing; BLUM, Wandinschriften. Vgl. auch SCHMID, Arbeit; GRUND-WITTENBERG, Literalität. 221 Der als Oberbegriff gewählte Begriff der Fortscheibung wird auch in der alttestamentlichen Wissenschaft nicht einheitlich verwendet (vgl. LEUENBERGER, Fortschreibung), wenngleich die enge Definition auf kleinräumige, punktuelle Ergänzungen im gleichen Text überwiegt (vgl. ZIMMERLI, Fortschreibung; LEVIN, Fortschreibungen; BECKER, Exegese, 86–89.93; Levins Aufsatzsammlung stellt indes ein schönes Beispiel für einen nicht einheitlichen Gebrauch des Begriffes dar, wenn er im Vorwort die einzelnen Aufsätze auch als Fortschreibungen der biblischen Texte bezeichnet: LEVIN, aaO., 7; und auch Becker kann die Texte des Alten Testaments insgesamt als „Redaktoren- und Fortschreibungsliteratur“ bezeichnen: BECKER, aaO., 27; vgl. aaO., 45.83.93 [„Als innerbiblische Exegese oder Schriftauslegung bezeichnet man das Gesamtphänomen der Fortschreibungstätigkeit, bei der vorgegebene biblische Texte … ausgelegt und aktualisiert werden.“; Herv. verändert]). In der Altorientalistik und der Ägyptologie ist der Fortschreibungsbe-
1.3. „Schriftgelehrte Fortschreibungs- und Auslegungsprozesse“
57
duktion und –überlieferung von der getreuen oder modifizierenden Abschrift über kleinräumige und isolierte Fortschreibungen im engeren Sinne wie etwa der Glossierung oder punktuellen Ergänzung, Kompilierungen ehedem eigenständiger Texte, Umformulierungen von Texten (réécriture/rewriting), ein ganzes Werk/Buch oder mehrere Werke/Bücher umspannende Redaktionsschichten, von dem/den Referenztext(en) isoliert überlieferte Kommentare oder Neufassungen davon (rewritten [bible/scripture] texts) bis hin zu Übersetzungen.222 Mit dem Einschluss von Umformulierungen umfasst dieses weite Begriffsverständnis von Fortschreibung – prima vista kontraintuitiv – auch die Möglichkeit von Textausfall im Rahmen von Textproduktion.223 Und mit dem Einschluss von Abschriften vorliegender Texte wird die allzu strikte Trennung von Textkritik und Literarkritik aufgehoben, die seit der Auswertung der Qumrantexte obsolet geworden ist. Während mit diesem weit gefassten Fortschreibungsbegriff in erster Linie auf Techniken der Textproduktion abgezielt ist, wird mit dem Begriff der Auslegung auf die hinter den Techniken vermuteten Intentionen im Fortschreibungsprozess abgezielt, genauer eine spezielle Form eines Text-TextBezuges bezeichnet, wonach der präsente Text den Referenztext (sei er auf der gleichen oder einer älteren literarhistorischen Ebene) kreativ adaptiert und deutend auf ihn rückwirkt. Um textgeleitete Fortschreibungs- und Auslegungsprozesse in den untersuchten Textcorpora beispielhaft erfassen und präzise beschreiben zu können, ist jeweils im Einzelnen zu klären, wie diese neuen, fortschreibenden Texte („Nehmer-Texte“, „Hypertexte“, „präsente Texte“) mit dem oder den ihnen vorgegebenen, fortgeschriebenen Text oder Texten („Geber-Text[e]“, „Hypotext[e]“, „Referenztext[e]“) umgehen, und zwar in praktischer wie inhaltlicher Hinsicht. Hier kann 1.) nach der Selbständigkeit oder Nicht-Selbständigkeit der neuen Texte, nach ihrer 2.) formalen und 3.) inhaltlichen Textbindung, 4.) nach der Reichweite und Fülle ihrer intertextuellen oder schriftgelehrten Bezüge, 5.) nach ihrer möglichen Rückwirkung auf die Referenztexte sowie 6.) nach ihrer primären Motivation gefragt werden: 1.) Tritt der neue Text unmittelbar neben den Referenztext, wird er in ihn eingeschrieben oder in einem neuen literarischen Zusammenhang isoliert von
griff nicht ebenso eingebürgert, findet aber doch zuweilen Verwendung; vgl. etwa den Titel von FRANKE, Fortschreibungsprozesse. Zum Phänomen vgl. CANCIK-KIRSCHBAUM/ KAHL, Philologien. 222 Die Aufzählung ist keineswegs vollständig und trennscharf. Vgl. auch die Darstellung bei KRATZ, Exegese (s.o. Kap. 1.3.1.) sowie den Überblick zu mesopotamischen und ägyptischen Texten bei CANCIK-KIRSCHBAUM/KAHL, Philologien, 141–249. 223 Vgl. dazu bes. PAKKALA, Omissions und zu einem Spektrum von Techniken textgeleiteter Textproduktion anhand material präsenter Beispiele etwa KRATZ, Exegese; MÜLLER/PAKKALA/ TER HAAR ROMENY, Evidence; MÜLLER/PAKKALA (Hg.), Insights.
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1. Einführung
seinem Referenztext überliefert?224 Steht der fortschreibende Text im Zusammenhang mit weiteren Fortschreibungen oder nicht, handelt es sich um punktuelle Fortschreibungen oder um übergreifende Redaktionsschichten? 2.) Wird der Referenztext (mehr der weniger getreu) abgeschrieben, erweitert, gekürzt, umgearbeitet oder neu geschrieben?225 Wird er dabei zitiert, wird auf ihn angespielt, oder klingt er lediglich an?226 3.) Wird der Referenztext als Quelle von Autorität verstanden, an der partizipiert werden soll (und die damit gleichzeitig weiter gesteigert wird), soll er außer Kraft gesetzt, in Frage gestellt, aktualisiert, interpretiert werden, o.ä.? 4.) „Richtet sich eine Fortschreibungsmaßnahme nur auf den unmittelbaren Nahkontext der Einschreibung, bezieht sie sich auf einen Buchteil, ein ganzes Buch oder sogar eine Bücherfolge?“227 Werden unterschiedliche, auch diachron zu differenzierende, Texte aufgenommen?
224
Vgl. ZAHN, Exegesis, 108–115. Zahn unterscheidet hierbei terminologisch zwischen revision und reuse: „On the one hand, it [i.e. innerbiblical exegesis] can take the form of exegetical changes made to the interpreted text itself, a technique I refer to as revision. On the other hand, it can involve what I call reuse: redeployment of the interpreted text, with exegetical modifications, in a new composition.“ AaO., 109. Zur Kategorie reuse gehören insbesondere Beispiele von rewritten bible/scripture texts. Zahn verweist aaO., 113f. auf die unterschiedliche Betonung je einer dieser Kategorien bei Vertretern eines kombinierten Fragmenten-, Quellen- und Ergänzungsmodells für die Entstehung des Pentateuch auf der einen Seite und bei Vertretern der sogenannten „Neo-Documentary Hypothesis“ auf der anderen: Während Erstere stark redaktionsgeschichtlich arbeiten und die Kategorie der revision betonen, blenden Letztere Redaktionsprozesse weitgehend aus und betonen entsprechend die Kategorie des reuse (vgl. STACKERT, Exegesis, 369–374 [s.o. Anm. 183]). 225 Zur Klärung des weit gefassten Begriffes der Fortschreibung s.o. 226 KRAUSE, Exodus, 56–58 unterscheidet im Anschluss an SOMMER, Prophet, 6–31 zwischen dem schriftgelehrt-spielerischen Anklang (bei SOMMER, aaO., 15–17 „echo“ genannt), der „auf eine integrative Sinnbildung im Zusammenspiel von präsentem Text und Referenztext“ zielenden Anspielung, dem Zitat und der Auslegung als „Kategorien absichtsvoller Text-Text-Beziehungen“ (vgl. die Aufnahme bei WEINGART, Markierung, 150–153). Wenn dabei auch dem Zitat zumindest potentiell „an exegetical purpose“ (KRAUSE, aaO., 57 Anm. 100 und WEINGART, aaO., 152 Anm. 36 in Aufnahme von SCHULTZ, Search, 221; vgl. SCHULTZ, aaO., 213f.239) zukommen kann, wird deutlich, dass die Kategorie der Auslegung auf einer anderen Ebene anzusiedeln ist: Auslegung kann formal unterschiedlich erfolgen – etwa mittels Zitat(en) (die von SOMMER, aaO., 23f. genannten Ausnahmen zeigen sogleich gegen ihn, dass Auslegung formal nicht schwerpunktmäßig durch Zitate realisiert wird). Auslegung wird in der vorliegenden Studie daher als eine Form inhaltlicher Textbindung verstanden und so von ihren formalen Realisierungsmöglichkeiten unterschieden, die, anders als bei Anklang, Anspielung und Zitat, auch nicht auf eindeutige Text-Text-Bezüge begrenzt sind. Auf etwas andere Weise unterscheidet auch SOMMER, aaO., 20–31.171–173 zwischen formaler und inhaltlicher Textbindung. 227 SCHMID, Schriftauslegung, 7. Vgl. DERS., Arbeit, 52f.; GERTZ, Schriftauslegung, 34.
1.3. „Schriftgelehrte Fortschreibungs- und Auslegungsprozesse“
59
5.) Dient der Textbezug in erster Linie dem neuen, fortschreibenden Text oder geht der Textbezug eher vom Referenztext aus und zielt auf diesen ab, indem er erklärt, interpretiert, kritisiert oder korrigiert wird? Es lässt sich grob unterscheiden in Bezüge mit wenig oder keiner und solche mit (größerer) Rückwirkung auf den Referenztext. Im ersten Fall, etwa bei Anspielungen, wird der Referenztext „für eine eigene Aussageabsicht“ verwendet,228 der Textbezug dient damit in erster Linie dem neuen, präsenten, Text und nicht dem Referenztext. Im zweiten Fall geht der Textbezug vom Referenztext aus und zielt auf diesen ab, indem er erklärt, interpretiert, kritisiert oder korrigiert wird; in diesem Fall kann von Auslegung im engeren Sinne die Rede sein: Auslegung ist „abhängig von und orientiert an ihrem Referenztext, ohne den sie nicht bestehen kann.“229 In beiden Fällen liegt vor, was gemeinhin als „innerbiblische Schriftauslegung“ bezeichnet wird und wofür hier der neutralere Begriff der textgeleiteten oder schriftgelehrten Textproduktion verwendet wird: der Bezug auf (einen) bereits vorhandene(n) Text(e), doch nur im zweiten Fall soll von Auslegung im engeren Sinne gesprochen werden. Es bleibt freilich zu betonen, dass über das Kriterium der Rückwirkung auf den Referenztext allein keine trennschafe Unterscheidung möglich ist, da Auslegung und Anwendung oft Hand in Hand gehen – zumal kaum eine Auslegung keinerlei eigene Aussageabsicht hat.230 6.) Schließlich ist nach der Motivation textgeleiteter Fortschreibungs- und Auslegungsprozesse zu fragen, wofür hier idealtypisch zwischen primär textinternen, also im weitesten Sinne an der Textwelt der Autoren und Rezipienten orientierten, und primär textexternen, also im weitesten Sinne an der Lebenswelt der Autoren und Rezipienten orientierten, Motivationen unterschieden werden soll.231 Liegt das Interesse primär am Referenztext selbst? Bietet er etwa Leerstellen, ist er theologisch anstößig, ist ein Lexem darin erläuterungsbedürftig? Oder liegt das Interesse primär an der Deutung der Lebenswelt der Rezipienten und Autoren? Wird ein Text dieser Lebenswelt angeglichen, wird er in eine neue geschichtliche Situation hin aktualisiert? 228
KRAUSE, Exodus, 57 (Herv. W.B.) in Aufnahme von SOMMER, Prophet, 17f. KRAUSE, Exodus, 57. Vgl. SOMMER, Prophet, 17f.; DERS., Interpretation, 1833 („the goal of the later passage is to illuminate the earlier one“). 230 Die Durchlässigkeit der einzelnen Kategorien betonen auch SOMMER, Prophet, 18 u.ö. und KRAUSE, Exodus, 58 u.ö. 231 Vgl. hierzu bereits die kurze Bemerkung bei FISHBANE, Interpretation, 18: „On the one hand, external historical determinants provide the social context for exegesis; on the other, exegesis arises from such purely internal factors as textual content and the ‚issues‘ perceived therein by the tradents.“ Vgl. auch aaO., 408–418 sowie SCHMID, Schrift, 277: „Auslegung geschieht ja immer auf ein Woraufhin, auf das ausgelegt wird – sei dies nun die jeweilige Erfahrungswirklichkeit der biblischen Schriftsteller … oder aber das Schriftganze oder bestimmte Teile davon“. ZAKOVITCH, Interpretation, 60f. unterscheidet zwischen „ideological and contextual“ „motives“. Vgl. auch RÖHRIG, Auslegung, 8–11. 229
60
1. Einführung
Der Begriff der „Aktualisierung“ steht mit am Anfang der (Forschungs-) Geschichte zur „innerbiblischen Schriftauslegung“.232 Diese hat ausgehend von prophetischen und Gesetzes-Texten textgeleitete Fortschreibungs- und Auslegungsprozesse insbesondere als Aktualisierung älterer Texte an neue historische Situationen zu verstehen gelehrt, „Aktualisierung“ wird so oft als Movens „innerbiblischer Schriftauslegung“ wenn nicht als Synonym dazu verstanden.233 Es stellt sich allerdings die Frage nach möglichen Unterschieden zwischen den verschiedenen Überlieferungsbereichen:234 Kommt der Aktualisierung der Texte auf die jeweilige Gegenwart in Erzähltexten die gleiche Bedeutung zu wie in den in eine bestimmte Zeit hineingesprochenen Prophetenbüchern oder auch den Gesetzestexten als das in den jeweiligen Zeiten als autoritativ angesehene Gottesrecht? Die Unterscheidung zwischen primär textextern und primär textintern motivierten Fortschreibungs- und Auslegungsprozessen zeigt an, dass in den meisten Fällen beide Aspekte ineinandergreifen – doch nur die Unterscheidung ermöglicht präzisere Bestimmungen der jeweils zugrundeliegenden Motive und dadurch letztlich eine Verhältnisbestimmung der in der Debatte oft gleichgesetzten Begriffe der „Aktualisierung“ (als primär textextern motivierte Textproduktion) und der „Auslegung“ (als primär textintern motivierte Textproduktion). Die genannten Fragen sollen dabei helfen, in den Texten belegte Phänomene beschreiben und voneinander unterscheiden zu können. Die Beschreibung der einzelnen Phänomene und die dadurch entstehende Generierung eines Spektrums schriftgelehrter Fortschreibungs- und Auslegungsphänomene erscheint den Texten angemessener als eine um der Darstellung willen allzu rigide Klassifizierung solcher Phänomene. Die Diskussion um „innerbiblische Schriftauslegung“ hat nicht zuletzt gezeigt, dass trennscharfe Klassifizierungen und Kategorisierungen kaum möglich sind, dass viel mehr Überschneidungen von Kategorien die Regel darstellen. Als Ergebnis dieser „textgeleiteten“ oder „schriftgelehrten Fortschreibungs- und Auslegungsprozesse“, die mittels der Kompositions-, Redaktionssowie Textgeschichte (zumindest näherungsweise) nachgezeichnet werden 232
S.o. Kap. 1.3.1. Vgl. der Sache nach etwa STECK, Prophetenbücher, 158: „Im Bereich der Prophetenüberlieferung sind die überkommenen Texte Gottesbotschaften, also autoritative Texte. Rezeption solcher Texte für die Folgezeit, die über bloßes Abschreiben hinausgeht, ist zwangsläufig Auslegung, wenn die Weitergeltung wachgehalten und die Distanz zwischen Text und sich wandelnder Zeit überbrückt werden soll. … Kurz: Das Textgut, auf das Bezug genommen wird, ist für die Tradenten nicht erklärungs-, wohl aber … entfaltungsbedürftig.“ 234 Vgl. die Überlegungen bei FISHBANE, Interpretation, 78f.; KUGEL, Interpreters, 277; GERTZ, Schriftauslegung, 34. 233
1.4. Fazit
61
können, liegen die Texte des Alten Testaments als „schriftgelehrte Traditionsliteratur“ vor.235 Demgegenüber ist von Auslegung um der heuristischen Funktion des Auslegungsbegriffes willen hier nur dann die Rede, wenn der präsente Text („Nehmer-Text“, „Hypertext“) in erster Linie der Rückwirkung auf den Referenztext („Geber-Text“, „Hypotext“) dient, also von diesem ausgeht und auf diesen abzielt, und wenn er primär textintern motiviert ist.236 Die Textbezüge können dabei gleichermaßen als schriftgelehrt wie als intertextuell (bei diachronen Bezügen) oder intratextuell (bei synchronen Bezügen) bezeichnet werden – eingedenk der Tatsache, dass auch diese Begriffe forschungsgeschichtlich bedingt jeweils definitionsbedürftig sind.237
1.4. Fazit 1.4. Fazit
Gegenstand dieser Untersuchung sind die schriftgelehrten Fortschreibungsund Auslegungsprozesse in den Murrerzählungen, kurz: das „schriftgelehrte Murren“. Die insgesamt zehn Murrerzählungen der Bücher Exodus und Numeri (Ex 15,22–27; 16; 17,1–7; Num 11,1–3; 11,4–35; 12; 13f.; 16f.; 20,1– 13; 21,4–9) werden hierzu redaktionsgeschichtlich analysiert. Dabei ergänzen sich produktions- und rezeptionsästhetische Aspekte, um die an Texten arbeitende Textproduktion zu erhellen. Die synchron orientierte Kartographie der Murrerzählungen hat mehrere wiederkehrende Motive in den unterschiedlichen Erzählungen herausgearbeitet (die Einbettung der Erzählungen in ein Itinerar; das Motiv der narrativen Verschlimmerung; die Frage nach dem Warum und Wozu des Exodus angesichts des drohenden bzw. befürchteten Todes; die Fürbitte Moses; die Er-
235
So der Titel von SCHMID, Traditionsliteratur. Damit wird hier eine weitere Einschränkung gegenüber WEYDE, Interpretation, 300 vorgenommen, der sowohl textextern wie textintern motivierte Fortschreibungen als Auslegung versteht: „Exegesis … intends to apply the meaning of an earlier text to a later setting, in some cases also to modify its meaning. Thus, one should distinguish between exegesis in terms of application or actualization of an earlier text, and exegesis in terms of giving new meaning to or transforming an earlier text.“ Das jeweils Erstgenannte wird hier dagegen als Aktualisierung oder Anwendung verstanden. 237 Intertextualität ist in diesem Sinne eng als Text-Text-Bezug zu fassen und nicht als zufällige oder systemreferenzielle Vergleichbarkeit zwischen Texten. Systemreferenzielle Vergleichbarkeit lässt sich, mit den klassisch-exegetischen Begrifflichkeiten, als gattungs-, traditions- oder überlieferungsgeschichtliche Intertextualität beschreiben. Mit KRAUSE, Exodus, 37–66; WEINGART, Markierung; WEYDE, Interpretation; STIPP, Erkennbarkeit u.v.m. kann damit am Begriff der Intertextualität durchaus auch für die diachron arbeitende Exegese festgehalten werden – wie es denn auch in den Literaturwissenschaften entsprechende Verwendungen des Begriffes gibt (vgl. etwa PFISTER, Konzepte; BROICH/PFISTER/ SUERBAUM, Bezugsfelder; HELBIG , Intertextualität). 236
62
1. Einführung
scheinung der Herrlichkeit YHWHs),238 hat zwei Grundformen der Murrerzählungen benannt (solche mit und solche ohne Bestrafung des Murrens)239 und hat die unterschiedlichen Murrlexeme besprochen (wobei zwischen Murrlexemen im engeren und solchen im weiteren Sinne unterschieden wurde, und zur ersteren Kategorie nur solche Verben gezählt wurden, die innerhalb der Murrerzählungen auch anstelle des gebräuchlichsten Murrlexems, לון „ עלmurren gegen“, zur Beschreibung des Murrens verwendet werden).240 Die Analyse hat gezeigt, dass Deutungen des Murrens etwa durch Kombinationen von Murrlexemen, Wechsel der Kommunikationsebenen, Umadressierungen des Murrens und Umformulierungen vom Murren selbst zu unterscheiden sind. Während das Murren selbst schlicht als Akt der Problembenennung erscheint, lassen erst die als narrative Verschlimmerung gewerteten Deutungen des Murrens und bzw. oder der jeweilige narrative Kontext das Murren in negativ(er)em Licht erscheinen. Eine Subsumierung der verschiedenen Murrlexeme unter das Stichwort „Rebellion“ wird den einzelnen Belegen in ihren Kontexten daher nicht gerecht.241 Da die Murrerzählungen zwei unterschiedlichen Büchern des Pentateuch entstammen, die auf je eigene Weise zentral sind für die gegenwärtige Pentateuchforschung, da sie Doppelüberlieferungen im weitesten Sinne enthalten (Ex 16 / Num 11,4–35; Ex 17,1–7 / Num 20,1–13), die die klassische Pentateuchforschung auf unterschiedliche Quellen aufgeteilt hat, da sie Erzählungen enthalten, die unverkennbar mehrschichtig sind (vgl. bes. Num 13f.; 16f.), und da sie im Laufe ihrer Textgeschichte (weiter) aneinander angeglichen wurden, stellen sie gleichermaßen einen hervorragend geeigneten Untersuchungsgegenstand für eine redaktionsgeschichtliche Arbeit auf dem Hintergrund der aktuellen Forschung am Pentateuch242 und für eine Anwendung der Frage nach „innerbiblischer Schriftauslegung“ auf die narrativen Texte des Pentateuch dar. Hat die Rede von „innerbiblischer Schriftauslegung“ gegenwärtig Hochkonjunktur und wird, nach den prophetischen und Rechts-Texten, immer mehr auch auf die Erzähltexte des Pentateuch angewandt,243 so bleibt insbesondere die Frage nach der Definition von „Auslegung“ meist unbeantwortet. Aus diesem Grund wurde hier vorgeschlagen, die an bereits bestehenden Texten orientierte Textproduktion (im späteren Alten Testament aber auch darüber hinaus) als „textgeleitete“ oder „schriftgelehrte Fortschreibungs- und Auslegungsprozesse“ zu bezeichnen – und nicht unter den ana238
S.o. Kap. 1.2.3. S.o. Kap. 1.2.2. 240 S.o. Kap. 1.2.1. 241 S.o. Kap. 1.2.1. mit Anm. 15.35.44; Kap. 1.2.3. mit Anm. 51. 242 Zu einer forschungsgeschichtlichen Verortung der Murrerzählungen und Folgerungen daraus für die aktuelle Pentateuchforschung s.o. Kap. 1.2.4.; Kap. 1.2.5. 243 Zu einer forschungsgeschichtlichen Verortung des Phänomens der „innerbiblischen Schriftauslegung“ s.o. Kap. 1.3.1. 239
1.4. Fazit
63
chronistischen und bezüglich des Auslegungsbegriffes klärungsbedürftigen Begriff der „innerbiblischen Schriftauslegung“ zu subsumieren.244 Während mit dem weit gefassten Fortschreibungsbegriff in erster Linie auf Techniken der Textproduktion abgezielt ist, wird mit dem Begriff der Auslegung auf die hinter den Techniken vermuteten Intentionen im Fortschreibungsprozess abgezielt, genauer eine spezielle Form eines Text-Text-Bezuges bezeichnet, wonach der präsente Text den Referenztext (sei er auf der gleichen oder einer älteren literarhistorischen Ebene) kreativ adaptiert und deutend auf ihn rückwirkt. Ausgangspunkt dieses auslegenden Fortschreibungsprozesses ist primär der Referenztext, nicht aber eine textexterne Größe aus der Lebenswelt der Rezipienten.
244
S.o. Kap. 1.3.2.
2. Ex 15,22–27 – Wasserwunder in Mara und Elim 2.1. Ex 15,22–27 – Einführung 2.1. Ex 15,22–27 – Einführung
Im vorliegenden Text des Exodusbuches schließt die Erzählung Ex 15,22–27 durch die Aufbruchsnotiz in 15,22 nahtlos an die voranstehende Erzählung und Erinnerung des Meerwunders in Ex 14 und Ex 15 an und führt Israel endgültig in die Wüste. Dabei nimmt ausschließlich 15,22aα mit der Nennung des Schilfmeeres ( )ים־סוףals Ausgangspunkt der Wüstenwanderung die vorangehenden Kapitel explizit auf.1 Mit der neuerlichen Aufbruchsnotiz in 16,1 setzt eine neue Erzählung ein, die nicht mehr von einem Wasser-, sondern von einem Nahrungsmangel ausgeht. Auch innerhalb von 15,22–27 finden verschiedene Ortsverlagerungen statt, die eine erste Gliederung der Erzählung ermöglichen: 1.) Der Aufbruch ( )נסעIsraels vom Schilfmeer wird in 15,22aα im Unterschied zu den meisten, vergleichsweise standardisierten Itinerarnotizen der Bücher Exodus und Numeri2 als Aufbruchsbefehl Moses mitgeteilt (ַויַּסַּ ע משׁה „ את־ישׂראל מים־סוףUnd Mose ließ Israel vom Schilfmeer aufbrechen“),3 dessen Ausführung sogleich erzählt wird:
1 Dass dabei mit Ex 10,19; 13,18; 15,4 späte Texte in ihren jeweiligen Kontexten im Blick sind (vgl. auch Ex 23,31; Num 14,25; 21,4; 33,10f. [wobei in Num 33,8–11 das Schilfmeer explizit nicht den Ort des Meerwunders bezeichnet; s.u. Anm. 19]; Dtn 1,40; 2,1; 11,4; Jos 2,10; 4,23; 24,6; Ri 11,16; Neh 9,9; Ps 106,7.9.22; 136,13.15; zum Schilfmeer ohne Exodusbezug vgl. 1Kön 9,26; Jer 49,21), wird noch zu diskutieren sein (s.u. Kap. 2.2.). Bemerkenswert ist auf jeden Fall, dass die Bezeichnung „Schilfmeer“ als kondensierte Erinnerung an die in Ex 14 erfolgte finale Errettung vor den Ägyptern in Ex 14 gerade nicht verwendet wird. Zum Schilfmeer vgl. etwa LAMBERTY-ZIELINSKI, Schilfmeer (vgl. aaO., 2.28f. zu ihrer Unterscheidung zwischen „Schilfmeer“ als „Exodusterminus“ und als „Nicht-Exodusterminus“); ROSKOP, Itineraries, 247–252. 2 ... מן... „ ויסעוUnd sie brachen auf von …“ o.ä. Vgl. Ex 12,37; 13,20; 16,1; 17,1; 19,2; Num 10,12(.13).33; 20,22; 21,4.10.11; 22,1 sowie das Stationenverzeichnis Num 33,1–49. Vgl. auch Num 11,35; 12,16; 14,25; 21,12.13 jeweils mit anderen Formen von „ נסעaufbrechen“. Vgl. zu den Itinerarnotizen in den Büchern Exodus und Numeri die unterschiedlichen Analysen etwa bei NOTH, Überlieferungsgeschichte, 241–246; COATS, Itinerary; DAVIES, Itineraries; ROSKOP, Itineraries; GERMANY, Narrative, 71–75. 3 Die Septuaginta liest τοὺς υἱοὺς ̓Ισραὴλ „die Israeliten“.
66
2. Ex 15,22–27 – Wasserwunder in Mara und Elim
2.) 15,22aβ: „ ויצאו אל־מדבר־שׁורUnd sie zogen hinaus in die Wüste Schur.“4 3.) 15,22b lässt Israel drei Tage durch die Wüste ziehen ( )הלךund liefert die Exposition für die weitere Erzählung: „ ולא־מצאו מיםAber sie fanden kein Wasser.“5 4.) Der Zug Israels geht geschichtstheologisch sowie durch den Wassermangel bedingt zwangsläufig weiter, und so kommen sie ( )בואin 15,23a nach Mara, wo sich das Problem des Wassermangels verschärft: Wasser ist hier wohl vorhanden, aber nicht trinkbar, da das Wasser von Mara („ )מרהbitter“ ( )מרist. Der in 15,22 konstatierte Wassermangel wird also nur prima vista beseitigt, bei näherem Hinsehen verfließt die Hoffnung auf Rettung. 15,23b liefert die entsprechende Ätiologie des Namens Mara. Dass es bei der Bitterkeit nicht nur um ein Geschmacksurteil geht, sondern auch um die Unterscheidung zwischen lebensförderlichem Wasser und lebensbedrohlichem Bitterwasser, dass also das Wasser von Mara „nicht einfach bitter“ war, sondern „Wasser, das Krankheit, ja Tod bringen konnte“,6 erschließt sich mehr aus der Dramatik des Kontextes und allenfalls aus dem Vergleich mit 2Kön 2,19–22 als aus dem Konkordanzbefund, der zwar in der Tat „Aussagezusammenhänge[]“ aufweist, „wo es um Krankheit, Tod oder Verzweiflung geht“,7 der aber auch die Opposition „bitter“ – „süß“ kennt (vgl. Jes 5,20; Prov 27,7 und sodann Ex 15,25) und damit an diesen und weiteren Stellen eben doch auch auf die Geschmacksqualität abzielt. Israel verbleibt für eine unbestimmte Zeit in Mara, wo 15,23–26 spielen, doch hält der Text gerade nicht fest, dass Israel hier gelagert ( )חנהhätte – im Unterschied zu der systematisierenden Nacherzählung der Stationen Israels in Num 33,1–49,8 die die Israeliten auch in Mara lagern lässt (33,8), und auch 4
Samaritanus und Septuaginta gleichen an 15,22aα an und lesen auch hier kausativ, lassen also Mose Israel „hinausführen“: ויוצאהו/ καὶ ἤγαγεν αὐτοὺς (gefolgt von COATS, Rebellion, 47 Anm. 2). 5 Die Septuaginta fügt die Verwendung des Wassers erklärend hinzu (καὶ οὐχ ηὕρισκον ὕδωρ ὥστε πιεῖν „Aber sie fanden kein Wasser zum Trinken.“), womit sie wohl an die beiden weiteren Wasserwundererzählungen in Ex 17,1 und Num 20,5 angleicht (jeweils mit לשׁת]ו[ת/ πιεῖν). 6 LOHFINK, Jahwe, 95. 7 LOHFINK, Jahwe, 95. Zu vergleichen sind besonders „ מרbitter“, „ מררbitter sein“ und „ מררBitter-Trank/-Kraut“. Num 5,11–31 ist gegen Lohfinks Betonung gerade deshalb kein einschlägiger Vergleichstext, weil das bittere Wasser hier zusätzlich explizit als „fluchbringend“ ( אררpi.) qualifiziert wird (ähnlich einseitig auch HOUTMAN, Exodus, 306). 8 Zum durchgehend schriftgelehrten Charakter von Num 33,1–49 vgl. bereits HOLZINGER, Numeri, 160: „Das Verzeichnis ist eine gelehrte Studie, die einem im jetzigen Text vorhandenen Misstand abhelfen will, nämlich dass man schlechterdings nicht sieht, wie R sich eigentlich den Zug durch die Wüste gedacht hat, ist also jedenfalls jünger als die Verbindung von JED mit P …“ Vgl. weiter aaO., 160f.: „Wenn diese Studie Namen hat …, die im übrigen Pentateuchtext nicht enthalten sind, so ist das wahrhaftig kein Beweis für alte gute Überlieferung: Ortsnamen auf der Sinaihalbinsel konnte man sich leicht verschaffen.
2.1. Ex 15,22–27 – Einführung
67
hier im Unterschied zu den meisten, vergleichsweise standardisierten Itinerarnotizen der Bücher Exodus und Numeri.9 In 15,24 murrt das Volk gegen Mose ()לון על, womit im Erzählablauf des Pentateuch erstmalig ein Murrlexem begegnet. Das Murren besteht dabei angesichts des doppelten Wassermangels, des Nichtvorhandenseins in 15,22 und sodann des Bitterseins in 15,23, gleichermaßen knapp und nachvollziehbar in der Frage „ מה־נשׁתהWas sollen wir trinken?“. „Das ‚Murren‘ hat hier keinen Beiklang des Ungeziemenden oder gar Rebellischen. Es ist die normale Reaktion der Geführten gegenüber dem, der sie führt, wenn etwas nicht in Ordnung ist, und der Not wird ja dann auch nach dessen Bittruf von Gott her ohne weiteres Abhilfe geschaffen.“10 Darin unterscheidet sich diese Murrerzählung von allen weiteren, die – zumindest im überlieferten Text – das Murren der Israeliten mehr oder weniger deutlich negativ qualifizieren.11 Die „Lösung“ der Bitterwasserproblematik berichtet 15,25a dicht gedrängt: Er – der zuvor angesprochene und von Samaritanus und Septuaginta explizierend hinzugefügte Mose – schreit zu YHWH ( ;צעק15,25aα1); YHWH weist
… Wenn man die Aufbruch- und Endstation, Raemses und Arboth Moab nicht zählt, so sind es 40 Stationen, entsprechend den 40 Jahren…“ Vgl. auch etwa LAMBERTY-ZIELINSKI, Schilfmeer, 210f.; VAN SETERS, Life, 153–164; ACHENBACH, Vollendung, 622–628 (ThB III), der von „schriftgelehrter Legendenbildung“ spricht (aaO., 622); ROSKOP, Itineraries, bes. 136–144.223–232.275–281. Anders zuletzt wieder GARTON, Mirages, 161– 182.253–259 (kritisch zu dessen Analyse s.u. Kap. 4.3. mit Anm. 88). 9 ... „ ויחנו בUnd sie lagerten in …“ o.ä. Vgl. Ex 13,20; 15,27; 17,1; 19,2; Num 12,16; 21,10.11.12.13; 22,1 sowie das Stationenverzeichnis Num 33,1–49. Vgl. auch Ex 14,2 mit anderen Formen von („ חנהsich) lagern“ und Ex 15,23.27; 16,1; 19,1.2; Num 20,1.22 mit Formen von („ בואan)kommen“. 10 LOHFINK, Jahwe, 96. Vgl. die Aufnahme des Zitates auch bei LEVIN, Jahwist, 349 mit den weiteren Überlegungen aaO., 349 Anm. 7. Vgl. auch FRANKEL, Stories, 36; ALBERTZ, Wüstenüberlieferung, 151f. und mit Blick auf „ לוןmurren“ insgesamt LOHFINK, Ursünden, 178 Anm. 32; SCHMIDT, Studien, 186–195.205f.; ARTUS, Études, 125f.; FRANKEL, aaO., 19.90; GATHMANN, Gemeinde. 11 Gegen AURELIUS, Fürbitter, 154f.160, der die „Deutung des ‚Murrens‘ als Sünde“ vertritt (aaO., 155), ist daher das Verständnis der anderen Murrerzählungen nicht ohne weiteres auf Ex 15,22–27 zu übertragen, zumal die von ihm ins Feld geführte Infragestellung des Exodus und die damit mehr oder weniger eng verbundene Ägyptennostalgie hier im Gegensatz zu Ex 14,11f.; 16,3; 17,3; Num 11,4–6.18–20; 14,2–4; 16,12–14; 20,3–5; 21,5 (dazu s.o. Kap. 1.2.3. und s.u. Kap. 4.2.1.) gerade nicht begegnet. Ähnlich problematische Harmonisierungen der Stellen unter Absehung ihrer jeweiligen Eigenart bieten etwa auch COATS, Rebellion, 21–28.50–53; HOUTMAN, Exodus, 306f.; KUPFER, Israel, 48.55 (etwas abgeschwächt, allerdings unter dem Buchtitel „Rebellionstexte“). Sie alle kämpfen mit der „Spannung“, dass der vorliegende Text „no sign that the people’s question is interpreted as rebellion“ enthält (COATS, Rebellion, 52), dass ihres Erachtens „murren“ aber grundsätzlich Rebellion zum Ausdruck bringe. Dagegen s.o. Kap. 1.2.1. mit Anm. 15.35.44.
68
2. Ex 15,22–27 – Wasserwunder in Mara und Elim
( )ירהihm ein Holz (15,25aα2);12 er – gemeint sein muss wieder Mose – wirft es ins Wasser (15,25aβ); das Wasser wird süß ( ;מתק15,25aγ). Dass Israel von dem derart geheilten Wasser getrunken hat, wird nicht berichtet – muss nicht berichtet werden, denn es versteht sich von selbst, hier genauso wie in Elim (15,27), Massa und Meriba (17,1–7), Jericho (2Kön 2,19–22) und zahlreichen weiteren vergleichbaren Stellen.13 In 15,25b.26 folgen asyndetisch der Verweis auf Rechtgebung und Prüfung „dort“, womit wohl auf die Tora-Terminologie aus 15,25aα2 Bezug genommen sein dürfte ()ירה,14 und die Prädikation YHWHs als Heilender, womit wohl (wenn auch nicht terminologisch) auf die Trinkbarmachung des Bitterwassers aus 15,25a Bezug genommen sein dürfte. Da die Rede in 15,26 die Themen Gesundheit und Gebotsobservanz verknüpft, ist sie deutlich auf 15,25b bezogen; darüber hinaus wird hier über die Wüstenzeit und das in 15,22aα anvisierte Meerwunder hinaus Israels Zeit in Ägypten eingespielt, genauer die Plagen. Da in 15,25b.26 allerdings Subjekte und Objekte nicht explizit genannt und aufgrund des Kontextes oder von Vergleichsstellen unterschiedlich ergänzt werden können, ist strittig, wer wem „ חק ומשׁפטOrdnung und Rechtsbestimmung“ gibt, wer wen versucht ()נסה, und wer Sprecher von 15,26 ist. Eine Deutung wird in Kapitel 2.3. versucht. 5.) Nach den in Mara spielenden Ereignissen von 15,23–26 berichtet 15,27 die nächste und letzte Ortsverlagerung innerhalb der Einheit 15,22–27: ויבאו ויחנו־שׁם על־המים... „ אילמהUnd sie kamen nach Elim … und lagerten dort am Wasser.“ In Elim, wo es zwölf Wasserquellen und 70 Palmen gibt, ist die anfängliche Problematik des Wassermangels damit hinreichend beseitigt.
2.2. Analyse der Grundschicht Ex 15,22–25a.27: Mara und Elim 2.2. Analyse der Grundschicht Ex 15,22–25a.27: Mara und Elim
Die Nacherzählung konnte zwei Auffälligkeiten des Textes herausarbeiten: Einerseits fallen die Verse 15,24–26 dadurch auf, dass sie die Einheit 15,22–27 erst zu einer Murrerzählung machen und dass sie allesamt Geschehnisse an einem spezifischen Ort berichten und somit im Unterschied zu 15,22f.27 keine Reisenotizen enthalten. Dieser Eindruck wird durch die Ortsnamenätiologie in 15,23b verschärft, die in gewisser Weise Abschlusscharak-
12 Der durchaus auffälligen masoretischen Lesart („ ירהunterweisen“) steht mit ויראהו/ καὶ ἔδειξεν „und er zeigte“ in Samaritanus und Septuaginta sowie weiteren antiken Textzeugen eine zwar besser bezeugte aber als lectio facilior zu wertende Lesart gegenüber. 13 Zu einem ähnlichen Fall s.u. Kap. 3.2. Anm. 30. Zum Quellwunder in 2Kön 2,19–22, das nicht explizit lokalisiert wird und nur aufgrund des Kontextes bei Jericho verortet werden kann, s.u. Kap. 2.2. 14 Vgl. etwa EERDMANS, Studien, 46.
2.2. Analyse der Grundschicht Ex 15,22–25a.27: Mara und Elim
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ter hat. Die Verse 15,24–26 sind freilich unverkennbar auf ihren Vorkontext angewiesen, und ein literarischer Bruch liegt nicht vor. Im Gegensatz dazu fallen andererseits die Verse 15,25b.26 sowohl durch ihren asyndetischen Anschluss mit Verben im Perfekt (in 15,26 gefolgt von einer wayyiqtol-Form) im Unterschied zu der durchgängig mit wayyiqtol-Formen strukturierten Einheit 15,22–25a.27 als auch dadurch auf, dass 15,25b.26 keinen klaren Bezug zur Wasserthematik der umliegenden Erzählung aufweist und die hier eingeführte Gesetzgebung für die umliegende Erzählung auch keinerlei Konsequenzen zu haben scheint. Darüber hinaus ist der intertextuelle Rückraum dieses Passus sehr viel größer als in der restlichen Erzählung, und so können denn 15,25b.26 mit der Forschungsmehrheit als „‚eine einzige Erweiterung‘“ eingestuft werden, „‚und zwar eine relativ spät in der Pentateuchgeschichte anzusetzende‘, weil sie … sowohl deuteronomistische als auch priesterschriftliche Sprach- und Denkgewohnheiten aufnimmt.“15 15,25b.26 sind daher gesondert in Kapitel 2.3. zu behandeln. Zu klären ist hier also, wie sich die Geschehnisse in Mara, nun genauer: 15,24.25a, zu den umliegenden Reisenotizen 15,22f.27 verhalten, und in welchem literarischen Kontext diese wie jene stehen. 15,22f. weisen keinerlei literarische Spannungen auf – wohl aber zwei Auffälligkeiten, wenn die zwei Verse in ihrem Kontext betrachtet werden: Einerseits nimmt ausschließlich 15,22aα mit der Nennung des Schilfmeeres die Erzählung vom Meerwunder in Ex *14 auf. Dabei wird mit der Bezeichnung „ ים־סוףSchilfmeer“ allerdings ein Name verwendet, der in Ex 14 gerade nicht belegt ist, sondern nur in jüngeren Texten Verwendung findet (Ex 10,19; 13,18; 15,4).16 Andererseits ist die Reisenotiz in Form eines Aufbruchsbefehls im Rahmen der Itinerarnotizen des Pentateuch singulär,17 und es fällt auf, dass just in diesem Zusammenhang gleich zwei textgeschichtliche Varianten zu verzeichnen sind: Die Septuaginta und der Samaritanische Pentateuch glei-
15 AURELIUS, Fürbitter, 153 unter Aufnahme des für 15,22–27 insgesamt wegweisenden Aufsatzes von LOHFINK, Jahwe, hier 119. Vgl. aus der Wolke der älteren und jüngeren Zeugen etwa HOLZINGER, Exodus, 53.56; BAENTSCH, Exodus-Leviticus-Numeri, 140–143; EERDMANS, Studien, 44–46; NOTH, Exodus, 101–103; COATS, Rebellion, 49f.53; FRITZ, Israel, 6–8; SCHMID, Jahwist, 66; BLUM, Studien, 145f.; SCHART, Mose, 172–178; LEVIN, Jahwist, 350f.; LAMBERTY-ZIELINSKI, Schilfmeer, 134; ALBERTZ, Exodus I, 256.262. 264f.; GERMANY, Narrative, 95–97. Dagegen rechnen mit literarischer Gleichursprünglichkeit etwa VAN SETERS, Life, 177f.; BERNER, Wasserwunder, 207–209. CHILDS, Exodus, 267 sieht nur 15,26 als deuteronomistischen Nachtrag an. Die nicht an der Diachronie interessierten Arbeiten von C. Kupfer und C. Dohmen sprechen von einem „Themenwechsel“ zwischen 15,25a und 15,25b (DOHMEN, Exodus, 380) bzw. einer Unterbrechung des Erzählverlaufs durch 15,25b (vgl. KUPFER, Israel, 49; vgl. aaO., 46.55). 16 S.o. Anm. 1. 17 S.o. Anm. 2 und 9. GERMANY, Narrative, 95 weist zudem darauf hin, dass nur „the itinerary notice in 15:22a contains two verbs of departure“.
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2. Ex 15,22–27 – Wasserwunder in Mara und Elim
chen 15,22aβ durch die kausative Lesart an 15,22aα an; darüber hinaus nennt die Septuaginta als Objekt des Aufbruchsbefehls die Israeliten und nicht Israel.18 Die genannten Auffälligkeiten könnten ein Indiz von Textwachstum sein und etwa mit für die These einer nachträglichen Einbindung der nicht-priesterschriftlichen Meerwundererzählung in den Itinerarzusammenhang durch 15,22aα sprechen:19 „Ex 15,22aβ setzt nahtlos den in der Erwähnung des Lagers am Wüstenrand angelegten Faden fort und könnte einmal ohne Schwierigkeiten direkt an 13,20b angeschlossen haben.“20 Das Lagern ( )חנהder Israeliten „am Rande der Wüste“ in 13,20 steht in der Tat in einer gewissen Spannung zum Lagern ( )חנהder Israeliten „am Meer“ in 14,9, und für 15,22– 27 ist 15,22aα nicht notwendig. Die These der nachträglichen Einarbeitung der nicht-priesterschriftlichen Meerwundererzählung in den Itinerarzusammenhang 13,20 → 15,22aβ kann allerdings nicht alleine ausgehend von 15,22 geklärt werden, und die genannten Auffälligkeiten lassen sich auch anders auswerten: Die Itinerarnotizen sind zwar vergleichsweise standardisiert, weisen aber gleichwohl ein gewisses Maß an Variationsreichtum in der konkreten Formulierung auf. 21 Eine diachrone Schichtung lassen die unterschiedlichen Formulierungsmöglichkeiten als solche daher kaum zu. Die textgeschichtlichen Varianten lassen sich hinreichend als Harmonisierung beider Vershälften erklären; das kann, muss aber zumal aufgrund der singulären Darstellungsweise als Aufbruchsbefehl nicht auf eine diachrone Nahtstelle hinweisen. Und schließlich ist auch die Bezeichnung „ ים־סוףSchilfmeer“ für den Ort des Wasserwunders aus Ex 14 kein hinreichendes Argument für die Nachträglichkeit von 15,22aα, da sowohl im Fall der Gleichursprünglichkeit als auch der Nachträglichkeit eine von Ex 14 abweichende Benennung gewählt ist – und zwar aller Wahrscheinlichkeit nach literarhistorisch erstmalig.22 18
S.o. Anm. 4 und 3. Vgl. LEVIN, Jahwist, 335.348–350; BERNER, Exoduserzählung, 350–353.430f. (in DERS., Wasserwunder, 208f. scheint er 15,22 dagegen für einheitlich zu halten) – mit unterschiedlichen Auswertungen für die vor-priesterschriftliche Exoduserzählung insgesamt. LEVIN, aaO., 348 Anm. 4 verweist zu Recht darauf, „daß später das Itinerar in Num 33,10– 11 zwischen Meerwunder und Schilfmeer trennt.“ Genauer: Num 33,5–11 kombiniert die nicht-priesterschriftliche und priesterschriftliche Meerwundererzählung, lässt die Stationen Mara und Elim auf den Durchzug durch das Meer folgen und Israel erst nach dem Aufbruch von Elim am Schilfmeer lagern. 20 BERNER, Exoduserzählung, 350. GERMANY, Narrative, 96 mit Anm. 112 postuliert demgegenüber als vor-priesterschriftlichen Zusammenhang ausschließlich 13,20 → 15,22b.23a(b).27 (vgl. aaO., 95–97). 21 Zu den Belegen s.o. Anm. 2 und 9. 22 Vgl. LEVIN, Jahwist, 348 mit Anm. 3 und die gleichermaßen simple wie letztlich überzeugende Auskunft bei FRITZ, Israel, 38: „Mit der ausdrücklichen Nennung des Schilfmeeres ist dabei das Wunder am Meer nachträglich lokalisiert“ (vgl. aaO., 115f.), wobei 19
2.2. Analyse der Grundschicht Ex 15,22–25a.27: Mara und Elim
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Die genannten Auffälligkeiten von 15,22aα sind für eine literarhistorische Schichtung innerhalb von 15,22f. damit letztlich nicht hinreichend. Damit erübrigen sich auch (v.a. ältere) Thesen, die die Wandernotizen in 15,22f.27 auf Priesterschrift und vor-priesterschriftlichen Text aufteilen wollen und einen Gutteil der Itinerarnotizen der Priesterschrift zuweisen,23 wie bereits J. Wellhausen zu Recht kritisiert und die Verse dem nicht-priesterschriftlichen Text zugewiesen hat.24 Mose führt nach der Rettung aus und von Ägypten Israel damit vom Schilfmeer aus final in die, nun namentlich benannte, Wüste Schur, wo die Rettungserfahrung zunichte gemacht zu werden droht durch die doppelte Wasser-Problematik des Wassermangels in 15,22 und des Bitterwassers in 15,23. Im vorliegenden Text entspricht dieser doppelten Wasser-Problematik eine chiastisch dazu angeordnete doppelte Problemlösung: Das spezifische Problem des Bitterwassers wird im Rahmen der Murrerzählung in 15,24.25a behoben, wodurch das ehedem bittere Wasser süß wurde. Das allgemeinere Problem des Wassermangels in der Wüste wird sodann durch die Ankunft in der Oase Elim in 15,27 behoben, die die kontinuierliche Bewahrung Israels durch YHWH auch auf der Wüstenwanderung anzeigt. Die Erzählung lässt sich somit nach dem Schema ABBA gliedern: A B B’ A’
15,22: 15,23: 15,24.25a: 15,27:
Kein Wasser in der Wüste Bitterwasser in Mara Süßes Wasser in Mara Wasser in der Wüste; Lagern in der Oase Elim
Durch die derart geschilderte, dem doppelten Problem entsprechende doppelte Lösung wird verdeutlicht, dass YHWHs Rettungshandeln in und aus Ägypten in der Wüste nicht zum Erliegen kommt, sondern sich fortsetzt. Die aufgezeigte ABBA-Struktur spricht dafür, dass beide Berichte der Wassergabe der Erzählung bereits ursprünglich angehört haben: Ohne 15,2725 wäre nur das spezifische Problem des Bitterwassers in Mara gelöst, nicht aber das grundlegende Bedürfnis nach Wasser in der Wüste. Bemerkenswerterweise „lagert“ Israel denn auch nicht in Mara.26 Darüber hi„nachträglich“ nicht diachron zu verstehen ist (demgegenüber wertet etwa KRATZ, Komposition, 290 mit Anm. 82 מים־סוףals Zusatz, und nach GERMANY, Narrative, 96f. ist 15,22a insgesamt nach-priesterlich). 23 Vgl. etwa NOTH, Exodus, 101 (15,22aα.27); COATS, Rebellion, 47–49 (15,22a.27); LOHFINK, Jahwe, 109f. (15,22aα[sic! – im Text steht irrtümlich 15,25aα].27; 16,1; vgl. DERS., Priesterschrift, 229–231); STRUPPE, Herrlichkeit, 223f. 24 Vgl. WELLHAUSEN, Composition, 77f. Vgl. auch etwa HOLZINGER, Exodus, 53; BAENTSCH, Exodus-Leviticus-Numeri, 140; AURELIUS, Fürbitter, 153f.; VAN SETERS, Life, 153–164.175f.; SCHMIDT, Priesterschrift, 485f.; DOZEMAN, Itineraries, 260–273 und s.u. Kap. 4.2.2. 25 So etwa FRITZ, Israel, 6–8, der 15,27 P zuweist und 15,22–25a J. 26 S.o. Kap. 2.1.
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2. Ex 15,22–27 – Wasserwunder in Mara und Elim
naus wird sich Elim hier und in 16,1aα als Teil des nicht- und zugleich vorpriesterschriftlichen Itinerars 15,27 → 16,1aα → 17,1b → 19,2a erweisen.27 Ohne 15,24.25a28 wäre die Ortsnamenätiologie von Mara als solche eine Art blindes Motiv in der Erzählung: Die Ortsnamenätiologie 15,23b ist zur Verschärfung der Wassernot aus 15,22b und zum Kontrast zu Elim in 15,27 nach 15,23a schlicht nicht notwendig. Sie stellt damit kaum das Ziel von 15,23 bzw. der Erzählung insgesamt dar; der Ortsname ist von Anfang an bekannt und wird bereits zweimal in 15,23a genannt; ohne 15,24.25a wäre die Ortsnamenätiologie also schlicht überflüssig. Die Ortsnamenätiologie zielt vielmehr auf das Paradox ab, dass an dem „Bitterwasser“ genannten Ort süßes Wasser fließt – oder zumindest für Israel floss. Dieses Paradox wird aber nur im literarisch spannungsfreien Text 15,23–25a erklärt. Es ist also gerade nicht auffällig, „daß die Ätiologie nicht wie gewöhnlich am Ende der Erzählung“29 steht, denn dort hätte sie nach dem Wunder nichts mehr verloren. „Die Absicht der Erzählung liegt somit nicht in der Deutung einer Gegebenheit durch ein Ereignis bei der Wüstenwanderung Israels, sondern in der Schilderung eines bestimmten Verhaltens des Volkes zu Beginn des Wüstenzuges.“30 „Der Ausgangspunkt für die Erzählung liegt dabei in dem Ortsnamen Mara, aus dem sich das entscheidende Motiv der bitteren Wasser ableiten läßt, so daß nicht mit einer Ortskenntnis für die Entstehung des Stückes gerechnet werden muß. [...] Mit dem aus dem Namen zu erschließenden Umstand, daß die Wasser von Mara wegen ihrer Bitterkeit nicht trinkbar sind, ist dann das Moment des Murrens des Volkes verknüpft…“31 Dass Israels Mur27
S.u. Kap. 3.2. mit Anm. 9; Kap. 4.2.2. So die Vermutung bei AURELIUS, Fürbitter, 154.157f., die bei LEVIN, Jahwist, 348– 350 zur Gewissheit geworden ist. Der „offenbar gewollte[] Gegensatz“ zwischen Mara und Elim (LEVIN, aaO., 350) besteht im vorliegenden Text genauso wie in Levins Rekonstruktion (JQ: 15,22aβ.23.27; JR: 15,22aαb.24.25a; RS: 15,25b.26). Vgl. auch RÖMER, Sojourn, 432f.; BERNER, Exoduserzählung, 351 Anm. 32 (wohingegen er in DERS., Wasserwunder, 207–209 die literarische Einheitlichkeit von 15,23–26 insgesamt vertritt; dazu s.u.) und GERMANY, Narrative, 95–97 (der v.a. auf den nach-priesterlichen Charakter der Verse abzielt; dazu s.u.). Für COATS, Rebellion, 50 stellt 15,23 als „aetiological saga“ den Kern der Überlieferung dar, die durch den Jahwisten mit dem murrenden Israel in 15,22b.24.25a verbunden wurde. Hier bleibt allerdings die Funktion der Ankunftsnotiz in 15,23aα unklar. 29 AURELIUS, Fürbitter, 154. Vgl. die Aufnahme bei LEVIN, Jahwist, 349 und GERMANY, Narrative, 95. 30 FRITZ, Israel, 41. Vgl. auch CHILDS, Exodus, 267f.; LOHFINK, Jahwe, 96 Anm. 11; ACHENBACH, Vollendung, 207 mit Anm. 25; 218; DOHMEN, Exodus, 379. 31 FRITZ, Israel, 41. Vgl. ALBERTZ, Exodus I, 21.261f.264, der in 15,23–25a „eine eigenständige Lokalüberlieferung über den Ort Mara“ vermutet (aaO., 261), die von Albertz’ Exodusredaktor in die Exoduskomposition eingefügt wurde (vgl. DERS., Wüstenüberlieferung, 148 für Mara sowie Elim und Meriba, womit der Exodusredaktor gleich „drei lokale Traditionen über Wasserplätze in der Wüste aufgenommen“ habe). Da zumindest im Falle von Mara und Meriba auch nach Albertz nicht nur ein Wasserplatz in der Wüste erinnert 28
2.2. Analyse der Grundschicht Ex 15,22–25a.27: Mara und Elim
73
ren hier nicht negativ gedeutet wird,32 zeigt gerade der Umgang mit dem Ortsnamen: „Bitternis“ / „Mara“ verweist kontrastiv auf YHWHs Wundertat, wird aber gerade nicht zur Qualifizierung von Israels Verhalten angewandt: Israel murrt ( )לוןzwar, verbittert ( )מרהsich aber nicht gegen Mose und YHWH, wie es dies in Num 17,25; 20,10.24; Dtn 1,26.43; 9,7.23f.; 31,27bis; Ps 78,8.17.40.56; 105,28; 106,7.33.43 getan hat (vgl. noch Num 27,14 für Moses und Aarons Verfehlung). Die Erzählung könnte indes einen weiteren Ausgangspunkt gehabt haben, was die These der literarischen Einheitlichkeit von Ex 15,22–25a.27 oder zumindest von 15,23–25a weiter bestärken würde: Das „Erzählmotiv“33 der durch einen Mittler Gottes geheilten Quelle. Nach 2Kön 2,19–22 wird Elischa von den „Männern der Stadt“, die aufgrund ihres literarischen Vorkontextes als Jericho bestimmt werden kann, für die Wundererzählung aber nicht zwingend so bestimmt werden muss, auf ihre ambivalente Situation aufmerksam gemacht: והמים רעים והארץ משׁכלת... „ מושׁב העיר טובDas Wohnen in der Stadt ist gut, …, doch das Wasser ist schlecht, und die Erde verursacht Fehlgeburten.“ Elischa lässt sich daraufhin eine neue Schale mit Salz bringen, wirft ( )שׁלךdas Salz in die Wasserquelle und hält in einer quasi-performativen Rede (daher die Perfekt-Form) fest, dass das Wasser nun geheilt ( )רפאist und hinfort weder Tod noch Fehlgeburten ( )מות ומשׁכלתverursachen wird. In 2Kön 2,22 bestätigt der Erzähler dies. Die sachliche Parallele zu Ex 15,22–27 liegt auf der Hand: In beiden Fällen wird ungenießbares, schlechtes Wasser dadurch trinkbar gemacht, dass ein Mittler Gottes in einer Art magischer Handlung Materie (Holz bzw. Salz) in das kontaminierte Wasser wirft ( ;שׁלךEx 15,25aβ; 2Kön 2,21aβ). In beiden Texten in ihrer überlieferten Gestalt ist darüber hinaus die Wurzel „ רפאheilen“ belegt (vgl. auch Ez 47,1–12): In 2Kön 2,21.22 ist sie explizit auf die Heilung der Wasserquelle bezogen, in Ex 15,26 kennzeichnet sie dagegen YHWHs Verhalten Israel gegenüber insgesamt und ist nicht explizit auf die Heilung der Wasserquelle bezogen. Eine literarische Abhängigkeit zwischen beiden Texten lässt sich aufgrund der unterschiedlichen Diktion im Einzelnen kaum hinreichend plausibilisieren, lässt sich aber auch nicht mit Sicherheit ausschließen. 2Kön 2,1–18, die Übertragung von Elias Geist auf Elischa, und 2Kön 2,19–22 gehen in ihrer überlieferten Gestalt der Abfolge von Meerwunder in Ex 14 und Wasserwunder in Ex 15 parallel, indem zunächst vom Durchzug durch das Wasser (auch hier im Einzel-
wird, sondern Israels Wüstenwanderung, erscheint Albertz’ These einer isolierten Überlieferung eines solchen Überlieferungsfragmentes unter Absehung des traditionsgeschichtlichen Kontextes doch recht voraussetzungsreich. Da er in beiden Erzählungen von literarisch einheitlichen Texten ausgeht, erscheint die Annahme literarischer Gleichursprünglichkeit jeweils plausibler (zu Ex *17,1–7 s.u. Kap. 4.). 32 S.o. Kap. 2.1. mit Anm. 10f. 33 AURELIUS, Fürbitter, 157. Vgl. CHILDS, Exodus, 268.
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2. Ex 15,22–27 – Wasserwunder in Mara und Elim
nen mit unterschiedlicher Terminologie; vgl. bes. Ex *14,21a[np] und 2Kön 2,8.14) und dann vom Quellwunder berichtet wird. Anders als die Sukzessionserzählung dürfte 2Kön 2,19–22 zu den ältesten Einzelerzählungen und Erzählsammlung(en) über Elischa gehören.34 Wenn die Verortung der Wundererzählungen über Elischa im Nordreich auch für die Einzelerzählung 2Kön 2,19–22 und die Einschätzung, dass die Botenspruchformel in 2,21 nachgetragen sei zur Theologisierung der ehedem rein wunderhaften Elischa-Erzählung (vgl. 2,22b), zutreffen,35 stellt 2Kön 2,19–22 ein motiv- und traditionsgeschichtlich älteres Stadium dar als Ex 15,22–27, wo das Zusammenspiel von YHWH und Mose beim Wunder unauflösbar ist, und die Erzählung in den heilsgeschichtlichen Aufriss der Exoduserzählung eingetaktet ist. Nach „dem üblichen Grundsatz der Sagenforschung, dass Motive im Laufe ihrer überlieferungsgeschichtlichen Wanderung in der Regel ‚größer‘ werden“,36 könnte das Quellwunder vom Wundermann Elischa zu Mose, dem Mittler zwischen YHWH und Israel, gewandert und in die ohnehin wasserarme Wüste transferiert worden sein, wo YHWH vermittelst Moses nicht den Bewohnern einer Stadt, sondern Israel insgesamt Wasser aufbereitet. Unabhängig von der Verhältnisbestimmung zu 2Kön 2,19–22 lässt sich die literarhistorische Verortung von Ex 15,22–25a.27 klären: Abgesehen von 15,25b.26 weist die Einheit 15,22–27 keinerlei literarische Spannungen auf, 15,22–25a.27 erweisen sich somit als „eine planvolle Einheit“.37 Das bedeutet, dass die Erzählung vom Bitterwasser in Mara als Murrerzählung gleichursprünglich wie die umliegenden Itinerarnotizen in 15,22 und 15,27 und damit wie diese (in ihrem Zusammenhang mit den weiteren nicht-priesterschriftlichen Itinerarnotizen)38 als zugleich nicht- und vor-priesterschriftlich einzuordnen ist. 15,22–25a.27 führt damit aller Wahrscheinlichkeit nach die vor-priesterschriftliche Exoduserzählung fort.39
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Vgl. etwa WÜRTHWEIN, Könige, 366–368; SAUERWEIN, Elischa, 28–30.109–113. 229f. und aaO., 9–11 für einen knappen forschungsgeschichtlichen Überblick. 35 Vgl. die in der vorangehenden Anm. genannten Arbeiten, bes. SAUERWEIN, Elischa, 122–126.225 zu der von ihr herausgearbeiteten „Theologisierende[n] Redaktion“. Treffen die Thesen zur Redaktionsgeschichte von 2Kön 2,21 und Ex 15,22–27 zu, ist in beiden Fällen das Wunder nachträglich deutlicher auf YHWH als Urheber bezogen worden: Durch die Gottesspruchformel in 2Kön 2,21 wird die Rede in 2,21b (... „ רפאתי למים האלהIch habe dieses Wasser geheilt…“) zur YHWH-Rede – im Gegensatz zur Kennzeichnung als Elischa-Rede in 2,22b. In Ex 15,26 wird YHWH insgesamt als Heilender ( )רפאqualifiziert, was mehr oder weniger Anhalt an der Grundschicht 15,22–25a hat. 36 SCHMID, Geburt, 168 mit Verweis auf KOCH, Formgeschichte, 155. 37 So mit BAENTSCH, Exodus-Leviticus-Numeri, 141, der allerdings weitere quellenkritische „Vermutungen“ anstellt. 38 S.o. mit Anm. 27 und s.u. Kap. 4.2.2. 39 Vgl. zur vor-priesterschriftlichen Exoduserzählung Ex *1–14 etwa die Rekonstruktion bei GERTZ, Tradition.
2.2. Analyse der Grundschicht Ex 15,22–25a.27: Mara und Elim
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Demgegenüber haben sich insbesondere C. Berner und S. Germany für eine nach-priesterschriftliche Einordnung der Murrerzählung in Ex 15,(23.)24.25a(b.26) bei vor-priesterschriftlicher Einordnung des Itinerars in Ex 15,22(a.)b.(23).27 ausgesprochen.40 Ihre Argumente gilt es daher, zu überprüfen: 1.) Berner argumentiert zunächst stratigraphisch: „Die in 17,2 [nach Berner ein Nachtrag zu der bereits nach-priesterschriftlichen „Stabbearbeitung“ Ex 17,1bβ.3aβb.4–6]41 wie selbstverständlich vorgetragene Forderung nach Wasser setzt offenkundig die in 15,23–25a beschriebene Erfahrung voraus.“ (207) Demgegenüber habe die „Mara-Erzählung … noch keinen erkennbaren Einfluss auf den Grundbestand der Rephidim-Erzählung“ (207). Daraus folgt für Berner die Einordnung von 15,23–25a als nach-priesterschriftlich und jünger als die „Stabbearbeitung“ – und als gleichursprünglich mit 17,2.7. Beide Voraussetzungen überzeugen nicht: Erstens bemisst sich die literarhistorische Einordnung von 15,23–25a nicht (oder nicht ausschließlich) daran, wo der Text nicht vorausgesetzt wird (ob Berners Einschätzung angesichts der deutlichen Struktur- und Formulierungsparallelen zwischen 15,23–25a und 17,3–6 überhaupt zutrifft, mag hier dahingestellt bleiben).42 Und zweitens erklärt sich die Wasserforderung in 17,2, die anders formuliert und mit einem anderen Murrlexem eingeführt wird als die in 15,24, hinreichend aus der Feststellung des Wassermangels in 17,1. 2.) Berner und Germany vergleichen den in 15,24f. tätigen „Wundertäter“ (208 u.ö.) bzw. „wonder worker“ (96) Mose mit dem priesterschriftlichen und nach-priesterschriftlichen Plagenzyklus, wo Mose nach Anweisung YHWHs vergleichbar magische Handlungen vornimmt. Abgesehen von dieser grundlegenden Charakterisierung weisen der Plagenzyklus und 15,24f. freilich keine engeren Parallelen auf. Berner argumentiert ausgehend von Ex 17 mit den Stellen mit Moses Stab und sieht 15,23–26 in konzeptioneller Fortsetzung dazu:43 Die Texte dienten allesamt der Profilierung Moses (s.u.). Die hierbei zugrundeliegende Stratigraphie wurde allerdings soeben in Frage gestellt, und der Stab spielt in 15,23–26 keine Rolle. Germany nennt als Beleg für die nach-priesterschriftliche Einordnung Ex 7,19f.; 9,22.23a als Vergleichsstellen, jedoch ohne weitere Auswertung. Doch auch wenn man die weiteren „Plagen“ in den Vergleich miteinbezieht, fallen die Unterschiede zu 15,23–26 deutlich auf:44 Die priesterschriftlichen Erweiswunder (Blutwasser – Frösche – Mücken – Geschwüre – Tötung der Erstgeburt) zielen auf die Erkenntnis der Ägypter der Gottheit YHWHs ab (vgl. 7,5), sind durch das prophetische (vgl. 7,1f.) Zusammenspiel Moses und Aarons sowie die jeweilige (Nicht-)Reaktion der ägyptischen Magier gekennzeichnet und schließlich in ihrem Effekt zeitlich befristet (mit der Ausnahme der einmal getöteten Erstgeburt; vgl. 12,12f.). Ägypten scheidet in 15,23–26 als Handlungsträger natürlich aus, aber auch Aaron „fehlt“, und die Erzählung weist keine prophe40 Vgl. BERNER, Wasserwunder, 207–209; GERMANY, Narrative, 95–97 (die Seitenangaben im Haupttext beziehen sich auf diese zwei Arbeiten; die unterschiedliche Rekonstruktion der Redaktionsgeschichte der Erzählung in beiden Arbeiten spielt für den Vergleich hier keine Rolle). Demgegenüber vollzieht sich die Erweiterung des Itinerars zu einer Murrerzählung etwa bei LEVIN, Jahwist, 348–350 und KRATZ, Komposition, 295. 301–304 noch in vor-priesterschriftlicher Zeit. 41 Eine kritische und letztlich abschlägige Evaluation von Berners nach-priesterschriftlicher Ansetzung von Ex *17,1–7 wird in Kap. 4.2.5. geführt. 42 Zu den Parallelen zwischen beiden Erzählungen s.u. Kap. 4.1. 43 Ausführlich zu diesen Texten s.u. Kap. 4.2.4. 44 Vgl. die Textanalyse des Plagenzyklus bei GERTZ, Tradition, 74–188 und die Zusammenfassung aaO., 395f.
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2. Ex 15,22–27 – Wasserwunder in Mara und Elim
tentheologische Prägung auf; eine zeitliche Befristung des Quellwunders lässt sich dem Text nicht entnehmen, zu dieser Frage äußert er sich weder positiv noch negativ. Bei den nach-priesterschriftlichen Plagen (Hagel – Heuschrecken – Finsternis), die vor-priesterschriftliche und priesterschriftliche Elemente kombinieren, agieren in den ersten beiden Fällen Mose und YHWH (nicht aber Aaron) gemeinsam bei der Heraufführung der Plage: Mose streckt seinen Stab aus – und YHWH lässt die Plage hereinbrechen (9,23; 10,13).45 Die Handlung erscheint damit deutlich weniger magisch als Ex 15,25a, wo nicht etwa YHWH das Wasser süß macht, sondern das im Auftrag YHWHs von Mose ins Wasser geworfene Holz. Die oben besprochene Motivparallele von Elischas Quellwunder in 2Kön 2,19–22 ist Ex 15,23–25a damit deutlich näher als die einzelnen Episoden des Plagenzyklus.46 Davon kommt die neunte und letzte der vorläufigen Plagen, die Finsternis, Ex 15,23–25a am nächsten, da die ausgestreckte Hand Moses in 10,21 (Auftrag) und 10,22 (Ausführung) Auslöser und Anzeiger der (auch hier: zeitlich befristeten) Finsternis ist. Nähere Parallelen zu 15,23–25a weist aber auch 10,21–27 nicht auf. Kurz: Moses Wunderhandeln in 15,25a steht dem Elischas in 2Kön 2,19–22 deutlich näher als dem Wunderhandeln Moses im Plagenzyklus. Der pauschale Hinweis auf Moses Wunderhandeln vermag damit nicht, Ex 15,23–25a plausibel literarhistorisch zu verorten. 3.) Nach Berner dienten die „Stabbearbeitung“ sowie 15,23–26 und 17,2.7 der „Profilierung der Mosegestalt im Gegenüber zu Aaron und Josua“ (208). Dass Aarons Stab im Laufe der Redaktionsgeschichte auch auf Mose übertragen wurde, ist sicherlich richtig.47 In 15,23–26 spielen Aaron und ihm andernorts zugewiesene Requisiten freilich keine Rolle. Nach Berner ziele 15,23–26 indes besonders auf Josua ab. Diese These hat zwei Voraussetzungen: Einerseits die literarische Einheitlichkeit von 15,23–26, die Berner als „Möglichkeit“ (207) erwägt; den literarischen Bruch zwischen 15,25a und 15,25b deutet er dabei als gezielte Verbindung zweier unterschiedlicher Mosebilder, das des Wundertäters und das des Gesetzgebers (vgl. 208). Andererseits ist vorausgesetzt, dass in 15,25b in Analogie zu Jos 24,25 Mose (und nicht YHWH) „ חק ומשׁפטOrdnung und Rechtsbestimmung“ setzt. Diese Interpretation ist aber durchaus strittig. Im folgenden Kapitel 2.3. wird in beiden Fragen anders argumentiert werden. Vergleicht man Mose mit Elischa, so erscheint Mose als vergleichsweise hilflos und auf die Unterweisung ( )ירהYHWHs angewiesen;48 die These der Profilierung Moses erscheint somit auch aus inhaltlichen Gründen schwierig. 4.) Germany nennt schließlich auch das Murrlexem לוןals Grund für die nach-priesterschriftliche Einordnung, da dieses sonst nur in (nach-)priesterschriftlichen Texten belegt sei. Selbst wenn diese Voraussetzung zutreffen sollte,49 besagt sie für Ex 15,24 wenig bis
45 Zum diachron bedingten In- und Nebeneinander der unterschiedlichen Akteure (YHWH – Aaron – Mose) bei der Wasserplage in 7,14–25 s.u. Kap. 4.2.4. mit Anm. 57. 46 Das scheint freilich auch BERNER, Wasserwunder, 208 so zu sehen: „Der Wundertäter“ ist „in Ex 15,23–25a vermutlich gezeichnet vor dem Hintergrund der Heilung einer Quelle durch Elisha (2Kön 2,19–22)“. 47 S.u. Kap. 4.2.4. mit Anm. 57. 48 Vgl. AURELIUS, Fürbitter, 157f. in Aufnahme von SCHNUTENHAUS, Entstehung, 39: „‚Zur höheren Ehre Elisas mag man sich seine Taten erzählen, zu der Moses nicht. Vielmehr wird in derartigen Mosegeschichten von des Volkes Sünde und Jahves helfender Treue erzählt‘, und Mose ist ‚der Angegriffene, Wehrlose, der sich nicht von sich aus helfen kann wie Elisa, sondern auf Jahves Belehrung angewiesen ist.‘“ 49 Zu Ex 17,3 s.u. Kap. 4.2.1.; Kap. 4.2.5.
2.3. Ex 15,25b.26: Schriftgelehrter Nachtrag zu Tora und Leben
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nichts. Eine der Belegstellen muss die älteste sein,50 das Lexem alleine kann die literarhistorische Einordnung der Erzählung nicht hinreichend determinieren. Die angeführten Argumente von Berner und Germany können eine nach-priesterschriftliche Einordnung der Murrerzählung in Ex 15,(23.)24.25a(b.26) damit nicht erweisen. Damit steht auch diesbezüglich der oben vertretenen These der literarischen Gleichursprünglichkeit und vor-priesterschriftlichen Einordnung von 15,22–25a.27 nichts im Wege. Im Folgenden sollen die Verse analysiert werden, für die auch hier eine nach-priesterschriftliche Ansetzung vertreten wird: 15,25b.26.
2.3. Ex 15,25b.26: Schriftgelehrter Nachtrag zu Tora und Leben 2.3. Ex 15,25b.26: Schriftgelehrter Nachtrag zu Tora und Leben
Während 15,22–25a.27 sowohl in synchroner wie diachroner Hinsicht eine Einheit darstellt, ist dies für 15,25b.26 im Kontext von 15,22–27 in beiderlei Hinsicht nicht der Fall. „Plötzlich steilt sich die Sprache auf. Auf eine Weise, die sonst in narrativen Texten alten Erzählstils schlicht unbelegbar ist, fügt sich eine neue, ganz andersartige und allerhöchstens sehr hintergründig vorbereitete Information asyndetisch an“.51 Die Motive von Gesetzgebung und Prüfung (15,25b) sowie von Gebotsobservanz und daraus resultierender Gesundheit im weitesten Sinne (15,26) stehen zueinander deutlicher in Bezug als zu der sie umgebenden Erzählung, aus der sie sich nicht zwingend ergeben – und in der sie keinerlei Widerhall finden. Wohl lassen sich in der Trinkbarmachung des Bitterwassers und der hierzu erfolgten Unterweisung ( )ירהMoses in 15,25a Anknüpfungspunkte für 15,25b.26 benennen, doch sind die Unterschiede deutlich: Von Krankheit ( )מחלהund Heilung ( )רפאist nur in 15,26 die Rede, nicht aber in der Wasserwundererzählung. Und während diese von einer Unterweisung ( )ירהspricht, ist in 15,25b.26 wohl von „ חקOrdnung“ (im Singular wie Plural), „ משׁפטRechtsbestimmung“ und „ מצותGeboten“ die Rede, aber gerade nicht von Tora ([„ תורהUnter-]Weisung“). Mehr noch: YHWHs Hilfe angesichts der Wassernot folgt in 15,25a der Bitte um Hilfe auf dem Fuße und ist an keine Bedingungen geknüpft. In 15,26 ist die Bewahrung Israels vor Krankheit dagegen an die Bedingung geknüpft, auf die Stimme YHWHs zu hören ()שׁמוע תשׁמע לקול יהוה אלהיך, das Rechte in seinen Augen zu tun ()והישׁר בעיניו תעשׂה, auf seine Gebote zu hören ()והאזנת למצותיו und alle seine Ordnungen zu bewahren ( ;ושׁמרת כל־חקיו15,26a). Die Häufung von Gebotsterminologie und die Einschärfung von Gebotsobservanz haben schon früh zu einer Einordnung in den deuteronomisch-deuteronomistischen Bereich geführt. N. Lohfink hat in einer ausführlichen Studie diese Einordnung dahingehend geschärft, dass 15,25b.26 aufgrund mehrerer Abweichungen selbst nicht deuteronomisch-deuteronomistisch ist, sondern eine Kombi50
Affirmativ mit Blick auf 15,24 etwa LEVIN, Jahwist, 349 Anm. 7. LOHFINK, Jahwe, 97f. Zum verbreiteten Konsens, 15,25b.26 als Nachtrag einzustufen, s.o. Anm. 15. 51
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2. Ex 15,22–27 – Wasserwunder in Mara und Elim
nation von (spät-)deuteronomisch-deuteronomistischen und priesterlichen Sprachformen und Motiven darstellt – und so im besten Sinne schriftgelehrt ist.52 15,25b.26 wurde also nachträglich zwischen 15,25a und 15,27 eingefügt, wo der Nachtrag ungehört verhallt. Mit den bisher angestellten Überlegungen ist die Ergänzung inhaltlich noch kaum erklärt. Die Deutung hängt dabei nicht zuletzt an der Frage, wer in 15,25b.26 jeweils Subjekt, wer jeweils Objekt ist. Explizit genannt sind Subjekt und Objekt an keiner der drei relevanten Stellen („Dort gab er ihm Ordnung und Rechtsbestimmung. Und dort prüfte er ihn/es. Und er sprach…“) – entsprechend unterschiedlich fallen die Deutungen aus, wobei bemerkenswerterweise die antiken Versionen anders als bei dem weniger interpretationsoffenen Satz 15,25aα153 hier nicht explizierend ergänzt haben. Zunächst ist festzuhalten, dass ein Subjektswechsel innerhalb der drei Sätze in 15,25b.26 in keiner Weise angezeigt ist – weder durch einen Numeruswechsel wie in 15,25aα1 (gemeint sein muss Mose im Unterschied zum Volk, für das zuvor Pluralformen verwendet wurden), noch durch die explizite Nennung eines Subjektes wie in 15,25aα2 (YHWH) und 15,25aγ (Wasser), noch inhaltlich wie in 15,25aβ (gemeint sein muss Mose, der zuvor Objekt der Unterweisung YHWHs war, nachdem er YHWH um Hilfe gerufen hatte). Eine Deutung der Verse, die mit einem gleichbleibenden Subjekt auskommt, verdient daher den Vorzug vor Deutungen, die unterschiedliche Subjekte ansetzt. In Frage kommen aufgrund des Vorkontextes YHWH (15,25aα2) und Mose (15,25aα1.β). Gesetzgeber können YHWH wie Mose sein, als Objekt kommt das Volk – und mit ihm Mose – in Frage.54 Im konkreten Fall fällt die Formulierung mit Singular, „ חק ומשׁפטOrdnung und Rechtsbestimmung“, auf. „Der Doppelausdruck steht normalerweise im Plural, und zwar im deuteronomisch/deuteronomistischen Bereich als ḥuqqîm ûmišpāṭîm, ‚Gesetze und Rechtsentscheidungen‘, im priesterschriftlichen Bereich als ḥuqqôt ‚Gesetze‘ und mišpāṭîm ‚Rechtsentscheidungen‘“.55 Diese Gesetze werden von YHWH oder Mose gegeben ()נתן, von YHWH geboten ()צוה, von Mose gelehrt ( למדpi.) oder verkündet ( ;דברauch mit YHWH als Subjekt: Dtn 5,31), etc. Vergleichsstellen für die singularische Form sind ausschließlich Jos 24,25; 1Sam 30,25; Esr 7,10 (vgl. noch Ps 81,5 im Parallelismus und Gen 47,26 nur mit „ חקOrdnung“), wo jeweils ein menschliches Subjekt (Josua – David – Esra; anders in Ps 81,5) dem Volk bzw. Israel „Ordnung und Rechtsbestimmung“ auferlegt
52
Vgl. LOHFINK, Jahwe, 112–120. S.o. Kap. 2.1. 54 Nach GERMAN, Moses, 51–58 gehe es dagegen um eine Zurüstung Moses: Nur Mose gelten die göttliche Gesetzgebung und Prüfung, die er nach Ausweis von 15,25a (bereits vor der Prüfung!?) bestanden habe. Unklar bleibt bei dieser Deutung, wer in 15,26 angesprochen ist. 55 LOHFINK, Jahwe, 99 Anm. 22. 53
2.3. Ex 15,25b.26: Schriftgelehrter Nachtrag zu Tora und Leben
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( ;שׂיםGen 47,26; Jos 24,25; 1Sam 30,25 sowie in Ex 15,25b) bzw. lehrt (למד pi.; Esr 7,10). Aus der engen Parallele zwischen 1Sam 30,25 sowie besonders Jos 24,25 und Ex 15,25b wird oft auch für Ex 15,25b auf ein menschliches Subjekt und damit Mose als Gesetzgeber geschlossen – allerdings meist ohne weiter zu fragen, wer dann wen prüft und wer Sprecher von 15,26 ist.56 YHWH als Subjekt ist damit freilich nicht ausgeschlossen, auch wenn es keine derart engen Parallelen zu einer göttlichen Rechtssetzung gibt: „Ordnung und Rechtsbestimmung“ meinen in Ex 15,25b (wie in Jos 24,25) nichts anderes als die Sinaigesetzgebung, wie die Formulierung in 15,26 zeigt, sollen aber offenbar vor Erreichen des Sinais noch anders zum Ausdruck gebracht werden.57 Urheber ist damit auch hier YHWH, die Sphäre göttlicher Gesetzgebung strahlt vom Sinai auf die voranstehenden Wüstenstationen in Ex 15– 18 aus.58 Auch von YHWH wird das Auferlegen ( )שׂיםvon Gesetzen berichtet (vgl. Jer 33,25; Ps 78,5). Als Prüfer oder Versucher kommt insbesondere YHWH in Frage, als Objekt seiner Erprobung das Volk, da YHWH auch in Ex 16,4; 20,20; Dtn 8,2.16; 13,4; Ri 2,22; 3,1.4 (vgl. auch Dtn 4,34) das Volk prüft. Wiewohl auch das Volk YHWH auf die Probe stellen kann (vgl. Ex 17,2.7; Num 14,22; Dtn 6,16bis; Ps 78,18.41.56; 95,9; 106,14; vgl. auch Dtn 33,8), scheidet diese Deutung aufgrund der Singularform für 15,25b aus. Mose als Subjekt von נסה „prüfen“ ist dagegen an keiner Stelle belegt, und daher auch für 15,25b nicht ohne weiteres anzunehmen.59 56
Vgl. etwa JACOB, Exodus, 452; LOHFINK, Jahwe, 98f.; LEVIN, Jahwist, 350; KUPFER, Israel, 50–52.55; BERNER, Wasserwunder, 208; GERMANY, Narrative, 95 mit Anm. 107; KESSLER, Weg, 157f. (mit Anm. 1 auf S. 643). LOHFINK, aaO., 98f. Anm. 21 führt als Zusatzargument die „palindromische Anordnung der Subjekte“, explizit oder implizit, an, wonach in 15,24–27 die Abfolge Volk – Mose – YHWH – Mose – Wasser – Mose – YHWH – Mose – Volk als Subjekte mit dem Wasser(wunder) im Zentrum vorliege. Nebst der Interpretationsoffenheit in der zweiten Hälfte dieser palindromischen Struktur ist freilich ihre Beweiskraft v.a. durch den Anfang erheblich geschwächt: Es ist unklar – und wird von Lohfink nicht angesprochen –, weshalb zumindest 15,23, wenn nicht 15,22f. insgesamt, als Exposition nicht in die Betrachtung miteinbezogen werden sollte. 57 So kann denn auch LOHFINK, Jahwe, 100 Anm. 22 formulieren: „Der pluralische Doppelausdruck für im Pentateuch vorliegende Rechtsordnungen Israels wird als bekannt vorausgesetzt. Um nicht gegen die offenliegende Tatsache zu stehen, daß diese Rechtsordnungen Israel erst vom Sinai ab gegeben werden, steht der Doppelausdruck hier noch im Singular. Es ist dasselbe gemeint und darf doch nicht ganz dasselbe sein.“ Vgl. die Aufnahme bei LEVIN, Jahwist, 350. 58 Zu vergleichen sind die Nachträge Ex 16,4f.16–20.22–30; 17,6aα und der insgesamt späte Text Ex 18. S.u. Kap. 4.2.4. mit Anm. 64. 59 VAN SETERS, Life, 178 und JACOB, Exodus, 452 nehmen gleichwohl Mose als Subjekt auch dieses Satzes an, da Mose unmittelbar davor (Van Seters) bzw. unmittelbar danach (Jacob) Subjekt sei. Jacob nimmt seine Deutung freilich wieder etwas zurück: „Das Subjekt zu נסהוist Gott durch Vermittlung Moses“ (aaO., 530).
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2. Ex 15,22–27 – Wasserwunder in Mara und Elim
Sprecher der Rede in 15,26 könnten wiederum YHWH oder Mose sein, als Angeredeter (im Maskulin Singular) kommt wiederum das Volk – und mit ihm Mose – in Frage. Die Rede über YHWH in der dritten Person in 15,26a deutet auf Mose als Sprecher, die Rede YHWHs in der ersten Person mitsamt Selbstvorstellung in 15,26b auf YHWH. Allerdings findet sich verschiedentlich in YHWH-Reden der Verweis auf YHWHs Handeln, YHWH kann also über sich selbst in der dritten Person sprechen.60 Und auch in Mose-Reden kann „bisweilen das Ich Jahwes durchbrechen“.61 Als Subjekt des ersten und dritten Satzes in 15,25b.26 kommen damit YHWH oder Mose gleichermaßen in Frage, beim zweiten Satz dagegen nur YHWH. Geht man nicht von einem in keinster Weise angezeigten Subjektswechsel in den drei Sätzen aus, ist damit die plausibelste Auflösung, wegen der Erprobung YHWH als Subjekt aller drei Sätze zu verstehen:62 YHWH legt in Mara Israel „Ordnung und Rechtsbestimmung“ vor, prüft es und gibt ihm eine „bedingte Segensverheißung“.63 Bei dieser Auflösung ist YHWH Subjekt aller drei Belege von שׂים: „So unterstreicht jetzt auch die Wortwiederholung die Grundaussage: Während Jahwe den Ägyptern die Krankheit auferlegt [V.26bα], legt er Israel eine Lebensordnung auf [V.25b], und wenn es nach ihr lebt, legt er Israel keine Krankheit auf [V.26bβ].“64 Die den Ägyptern bzw. Ägypten auferlegte,65 den Israeliten im Gehorsamsfalle nicht auferlegte Krankheit ( )מחלהzeigt erneut den schriftgelehrten Rückraum der Ergänzung auf. 15,26 blickt dabei weiter zurück als die bisherige Erzählung, nämlich in eine Zeit, da YHWH Ägypten Krankheiten auferlegt hat. Die genaue Referenz dieser auferlegten Krankheiten teilt der Text nicht mit, und so wurden und werden immer wieder zwei Deutungen vertre60
Vgl. nur Ex 16,28f. (s.u. Kap. 3.3. mit Anm. 53). LOHFINK, Jahwe, 101 Anm. 24. Lohfink nennt für Ersteres Dtn 1,8, für Letzteres Dtn 7,4; 11,13–15; 17,3; 28,20; 29,4f. als Parallelen. 62 So auch BAENTSCH, Exodus-Leviticus-Numeri, 142f.; NOTH, Exodus, 102f. und wohl auch GERMAN, Moses, 51–58 (s.o. Anm. 54); DOHMEN, Exodus, 380f. Nach HOLZINGER, Exodus, 56; FRITZ, Israel, 8 ist YHWH Subjekt von 15,25b (zum Subjekt von 15,26 äußern sie sich nicht). Nach ALBERTZ, Exodus I, 266f. ist YHWH Subjekt von 15,25b, wogegen der Sprecher von 15,26 Mose oder (bedingt durch Albertz’ redaktionsgeschichtliche Zuordnung) der Bote Gottes sein könnte. 63 LOHFINK, Jahwe, 101. 64 LOHFINK, Jahwe, 103 – der hier gegen seine vorherige Zuordnung doch YHWH zum Subjekt zumindest auch des ersten Satzes macht. 65 YHWHs Handeln an Ägypten und Israel wird in beiden Fällen mit dem gleichen Verb ()שׂים, jedoch mit unterschiedlichen Präpositionen ( במצריםbzw. עליךmit Bezug auf Israel) formuliert. Die Septuaginta verdeutlicht, dass die Ägypter (τοῖς Αἰγυπτίοις) und nicht das Land Ägypten gemeint seien. Da etwa Dtn 7,15 zeigt, dass „ שׂיםauferlegen“ auch mit der Präposition בauf Personen bezogen werden kann, ist in Ex 15,26 trotz der unterschiedlichen Präpositionen die Deutung auf das Land wie auf dessen Bewohner gleichermaßen möglich. Vgl. auch LOHFINK, Jahwe, 103 Anm. 35. 61
2.3. Ex 15,25b.26: Schriftgelehrter Nachtrag zu Tora und Leben
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ten: Vor allem in jüngeren Arbeiten der Bezug auf den Plagenzyklus oder, vor allem in älteren Arbeiten, der Verweis auf „Krankheiten“, „die für Aegypten charakteristisch sind“.66 Die für letztere Deutung angeführten Vergleichsstellen, Dtn 7,15; 28,27.35.58–61, dürften allerdings weniger spezifische Krankheiten im Blick haben als vielmehr die „Diskreditierung des Fremden“ durch die Parallelisierung von Bedrohung/Krankheit und Fremdheit.67 Damit dürfte auch hier jeweils ein Bezug auf den Plagenzyklus gegeben sein,68 womit das außergewöhnliche Ereignis bei der Befreiung aus Ägypten verallgemeinert wird. Dtn 7,15 verheißt Israel für den Fall der Gebotsobservanz die Befreiung ( סורhiph.) von jeglicher Krankheit („ ;)חליund keine der üblen Seuchen Ägyptens“ ()וכל־מדוי מצרים הרעים sollen Israel auferlegt ( )שׂיםwerden, sondern vielmehr Israels Feinden. Der mehrschichtige Fluchkatalog Dtn *28,15–68 weist gleich an drei Stellen Parallelen auf: Laut Dtn 28,27 schlägt YHWH den, der nicht auf YHWH hört, mit „dem Geschwür Ägyptens, mit Beulen, Aussatz und Grind, von denen du nicht geheilt werden kannst“ (יככה יהוה בשׁחין מצרים )ובעפלים ובגרב ובחרס אשׁר לא־תוכל להרפא, und laut 28,35 „mit üblen Geschwüren …, von denen du nicht geheilt werden kannst“ ( אשׁר לא־תוכל להרפא... )בשׁחין רע. Dtn 28,58–61 sieht für die Nicht-Beachtung der Tora des Deuteronomiums „große und andauernde Plagen“ ()מכות גדלות ונאמנות, „üble und andauernde Krankheiten“ ()וחלים רעים ונאמנים, „jede Seuche Ägyptens“ ( )כל־מדוה מצריםsowie weitere „Plagen und Krankheiten“ ( )כל־חלי וכל־מכהals Sanktion vor. Mit Blick auf die Krankheitsthematik sind des Weiteren Dtn 29,21 und Ex 23,25f. zu vergleichen: In Dtn 29,21 stehen „die Plagen jenes Landes und die Krankheiten, mit denen YHWH es geschwächt hat“ ()את־מכות הארץ ההוא ואת־תחלאיה אשׁר־חלה יהוה בה, den folgenden Generationen der bestraften Israeliten vor Augen. Nach Ex 23,25f. wird YHWH Israels Brot und Wasser(!) segnen und alle Krankheit aus seiner Mitte entfernen (וברך את־לחמך )ואת־מימיך והסרתי מחלה מקרבך, so dass es im Lande keine Fehlgeburt und Unfruchtbarkeit gibt ( ;לא תהיה משׁכלה ועקרה בארצךvgl. auch 2Kön 2,19.21; Dtn 7,14), sofern Israel YHWH und nicht den anderen Göttern dient.
Ältester Text in diesem „Stellengeflecht“ ist wohl Dtn 28,27(.35).69 Hier ist nebst anderen Hautkrankheiten vom „Geschwür Ägyptens“ ( )שׁחין מצריםdie Rede, womit der gleiche Begriff gewählt ist wie in der priesterschriftlichen Geschwürplage Ex 9,8–12, wo die „Geschwüre mit aufbrechenden Blasen“
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BAENTSCH, Exodus-Leviticus-Numeri, 143, der die hier oft bemühte Trias „Elephantiasis, Augenkrankheiten, Dysenterie etc.“ nennt. Einen Bezug auf den Plagenzyklus lehnt er explizit ab. 67 EBACH, Fremde, 307. 68 Vgl. OTTO, Deuteronomium, 852.873f.2016. 69 Vgl. LOHFINK, Jahwe, 104.117f.129–138, das Zitat auf S. 118. Lohfink setzt auch Ex 23,25 früh, nämlich „protodeuteronomisch“ (aaO., 118; vgl. aaO., 132), an, doch vgl. zur Deutung von Ex *23,20–33 im kompositorischen Zusammenhang weiterer nach-deuteronomistischer Texte, die vom („ מלאך )יהוהBoten (YHWHs)“ handeln, BLUM, Studien, 365– 377; ALBERTZ, Exodus II, 15f.111f. Zu Dtn 28 vgl. etwa KOCH, Vertrag, 171–247; OTTO, Deuteronomium, 1959–2021.
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2. Ex 15,22–27 – Wasserwunder in Mara und Elim
Mensch und Vieh in Ägypten befallen. Von „Krankheit“ ist hier zwar nicht explizit die Rede, der Zusammenhang ist freilich hinreichend deutlich und wird nicht zuletzt daran ersichtlich, dass die ägyptischen Magier nun am Wunderwettstreit aufgrund ihrer eigenen Schwächung nicht mehr partizipieren können (9,11). Lexematische Übereinstimmungen zwischen dem Plagenzyklus und Ex 15,25b.26 finden sich zwar keine nennenswerten,70 gleichwohl erscheint es plausibel, dass in 15,26 die „Plagenerzählungen“ „unter dem ihnen selbst fremden allgemeinen Begriff der von Jahwe dem Land auferlegten ‚Krankheit‘ deutend zusammengefaßt“ werden.71 Nebst der priesterschriftlichen Geschwürplage lässt sich auch die nicht-priesterschriftliche Viehpest in 9,1–7 gut unter dem Krankheitsbegriff fassen. Die Ergänzung Ex 15,25b.26 verallgemeinert damit in zweierlei Hinsicht: „An dem einen Ereignis [dem Wasserwunder zu Mara] wurde viel Umfassenderes und Allgemeingültigeres deutlich“:72 Gebotsobservanz führt zu einem heilvollen Leben ohne Krankheit im weitesten Sinne. Dafür steht einerseits das Wasserwunder zu Mara und andererseits der ebenfalls mit der Manipulation von Wasser einsetzende Plagenzyklus, der hier nun als von YHWH auferlegte Krankheit im weitesten Sinne, die mal tödlich verläuft und mal nicht, verstanden wird. Die ägyptischen Plagen stellen das Gegenmodell der in 15,25b.26 erhofften Reaktion Israels dar: Während Israel auf YHWHs Stimme hören soll ()שׁמע, steht das Nicht-Hören ( שׁמע+ )לאdes Pharao bereits am Anfang des Plagenzyklus und durchzieht ihn insgesamt, besonders in seiner priesterschriftlichen Gestalt (vgl. insgesamt 7,4.13.16.22; 8,11.15; 9,12; 11,9). Die ägyptischen Plagen als solche sind irreversibel, als Krankheit unheilbar (Dtn 28,27; vgl. 28,35; jeweils mit רפאniph. + )לא. Wer dagegen auf YHWH hört, dem verspricht er Heilung ( ;רפאEx 15,26),73 für den ist Mara in gewisser Weise wiederholbar.74 70 So entspricht die (nicht) auferlegte ( )שׂיםKrankheit in 15,26 der von YHWH eingesetzten ( )שׂיםFroschplage in 8,8 und den von ihm vollzogenen ( )שׂיםZeichen in 10,2 – beides redaktionelle Texte. 71 LOHFINK, Jahwe, 106. 72 LOHFINK, Jahwe, 104. Vgl. die ähnlichen Formulierungen aaO., 100 Anm. 22; 106. 108. 73 Von YHWH als (potentiell) Heilendem sprechen noch Gen 20,17; Num 12,13 (s.u. Kap. 6.); Dtn 32,39; 2Kön 20,5.8; Jes 19,22; 30,26; 57,18f.; Jer 3,22; 17,14; 30,17; 33,6; Hos 6,1; 7,1; 11,3; 14,5; Mal 3,20; 2Chr 7,14; 30,20; Hi 5,18; Ps 6,3; 30,3; 41,5; 60,4; 103,3; 107,20; 147,3. Vgl. LOHFINK, Jahwe, 121–129; NIEHR, JHWH. Zur Medizin im Alten Israel vgl. etwa BEYERLE, Medizin. 74 So verstanden lässt sich mit LOHFINK, Jahwe, 106 bilanzieren, dass die Israeliten den Test YHWHs bestanden haben: „Am Anfang der Plagenreihe befinden sich die Ägypter also in einer ganz ähnlichen Lage wie die Israeliten dann in Mara, wo auch das Wasser nicht trinkbar war. Doch ihnen wird es jetzt in trinkbares verwandelt, und damit wird die ganze Plagenabfolge, die in Krankheit und Tod hineinläuft, schon am Anfang abgebrochen, weil sie eine Tora empfangen, sich durch sie auf die Probe stellen lassen und die Probe be-
2.4. Fazit
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2.4. Fazit 2.4. Fazit
Abgesehen von 15,25b.26 weist die Einheit 15,22–27 keinerlei literarische Spannungen auf. Die Gabe von „Ordnung und Rechtsbestimmung“ durch YHWH, seine Erprobung des Volkes und seine Einschärfung der Gebotsobservanz, die heilvolles Leben ermöglicht (15,25b.26), haben für die umliegende Wasserwundererzählung 15,22–25a.27 keinerlei Konsequenzen. Vielmehr wird durch diese Ergänzung „Narratives … in Allgemeingültiges überführt“,75 indem YHWHs Heilshandeln an Israel in Mara und YHWHs Unheilshandeln an Ägypten im Plagenzyklus miteinander kontrastiert werden: Das Hören auf YHWH ermöglicht Heilung in einem von Unheil stets heimgesuchten Umfeld. Für Letzteres stehen in der Grundschicht der Wassermangel in der Wüste und, verschärft, das Bitterwasser in Mara. Dieser doppelten Wasser-Problematik steht eine chiastisch dazu angeordnete doppelte Problemlösung gegenüber, womit die Erzählung ein ABBA-Schema aufweist: Das spezifische Problem des Bitterwassers (15,23; B) wird im Rahmen der Murrerzählung in 15,24.25a behoben (B’), wodurch das ehedem bittere Wasser süß wurde. Das allgemeinere Problem des Wassermangels in der Wüste (15,22; A) wird sodann durch die zwölf Wasserquellen in Elim in 15,27 behoben (15,27; A’). Damit gehören Mara und Elim von Anfang an zusammen, und die Mara-Erzählung stellt von Anfang an eine Murrerzählung dar, in der das Paradox erklärt wird, weshalb an einem „Bitterwasser“ genannten Ort süßes Wasser fließt. Die Grundschicht 15,22–25a.27 ist auf Grund des Itinerarzusammenhangs aller Wahrscheinlichkeit nach Teil der vor-priesterschriftlichen Exoduserzählung, die Ergänzung 15,25b.26, die das heilvolle Leben für Israel konditioniert, erweist sich als spät-deuteronomistisch und nach-priesterschriftlich. Während für die Grundschicht im Quellwunder Elischas in 2Kön 2,19–22 eine Motivparallele ausgemacht werden kann, stellt die Ergänzung ein schriftgelehrtes Konglomerat deuteronomisch-deuteronomistischer sowie priesterlicher Motive und Wendungen dar. Während die Grundschicht ein Beispiel für YHWHs Bewahrung Israels in der Wüste darstellt, verallgemeinert die Ergänzung weiter: Das Hören auf YHWHs Unterweisung (das Stichwort aus 15,25a: )ירהermöglicht heilvolles Leben – auch über die Wüstenzeit hinaus. Die Ergänzung 15,25b.26 stellt damit mit vergleichsweise geringer formaler Textbindung eine ausweitende Auslegung der Grundschicht dar; eine Rückwirkung der Ergänzung auf die Erzählung als solche ist nicht auszumachen (am Wasserwunder zu Mara ändert sich nichts), doch das darin zum Ausdruck kommende Rettungs- und Bewahrungshandeln YHWHs wird stehen. Das ist der erste Anfang ihrer neuen Lebenswirklichkeit. Diese wird aber in 15,26 ganz grundsätzlich und ohne Bindung an ein bestimmtes Ereignis auf den Begriff gebracht. So weitet sich von Mara aus auch der Horizont zur Zukunft hin.“ 75 LOHFINK, Jahwe, 108.
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2. Ex 15,22–27 – Wasserwunder in Mara und Elim
aufgeweitet, ist nicht länger an spezifische Stationen der Wüstenwanderung, sondern an den Gebotsgehorsam Israels geknüpft. YHWHs Wort kann selbst die Toren heilen ()רפא, wenn sie wieder zu YHWH um Hilfe schreien ( ;זעקPs 107,17–22). Bemerkenswert mit Blick auf die weiteren Murrerzählungen ist, wie nüchtern hier von Israels Murren gegen Mose ( )לון עלdie Rede ist. Die Erzählung ist frei von kritischen Untertönen gegenüber Israels Verhalten, ebenso die Ergänzung.76 Wie die weiteren Kapitel zeigen werden, wird Israels Verhalten in den einzelnen Murrerzählungen dagegen zunehmend negativ bewertet. In 15,25b.26 scheint Israel den Test YHWHs demgegenüber bestanden, sich in Mara damit gottgefällig – und gerade nicht ihm widerstrebend ( – )מרהverhalten zu haben.77 Die Heilstat des Exodus wird hier, anders als in fast allen weiteren Murrerzählungen,78 mit keinem Wort in Frage gestellt.
76
Für Ersteres s.o. Kap. 2.1. mit Anm. 10f.; Kap. 2.2. mit Anm. 32, für Letzteres s.o. Kap. 2.3. mit Anm. 74. 77 So mit LOHFINK, Jahwe, 106 (s.o. Anm. 74) gegen CHILDS, Exodus, 270, für den „[t]he motif of murmuring is evidence that she [Israel] had failed the test“ (vgl. aber noch aaO., 268 über das Murren in 15,24: „it is certainly not a rebellion“), oder KUPFER, Israel, 53 (vgl. aaO., 269), der aber nicht ausführt, inwiefern „Israel in Mara … gerade nicht im Sinne Jahwes gehandelt“ habe. 78 S.o. Kap. 1.2.3.
3. Ex 16 – Speisungswunder in der Wüste Sin: Wachteln, Manna – und der Sabbat1 3.1. Ex 16 – Einführung 3.1. Ex 16 – Einführung
Im vorliegenden Text des Exodusbuches schließt die Erzählung von Ex 16 durch die Aufbruchsnotiz in 16,1 nahtlos an Ex 15 an, wo nach dem Bericht über das Meerwunder und dessen Erinnerung und Vergegenwärtigung von einer ersten Notsituation und ihrer Beseitigung durch Gott in der Wüste berichtet wird (15,22–27). Gefolgt wird Ex 16 von der zweiten und berühmteren Erzählung eines Wasserwunders in 17,1–7, die wiederum mit einer Aufbruchsnotiz einsetzt. In einer ehedem eigenständigen Priesterschrift schließt Ex 16, sofern man bereit ist, einen Teil dieses Kapitels einer ehedem eigenständigen Priesterschrift zuzuweisen,2 direkt an den Bericht über das Meerwunder in Ex 14 an3 und wird gefolgt von der Notiz über die Ankunft des Volkes in der Wüste (und am Berg) Sinai.4 In beiden Kontexten ist Ex 16 also durch die Orts- sowie Themenwechsel als eigenständige Erzählung ausgewiesen. In der Wüste Sin, am fünfzehnten Tag des zweiten Monats nach dem Auszug aus Ägypten, also unmittelbar nach den wunderbaren Machterweisen Gottes zur Rettung Israels in und aus Ägypten, murrt die ganze Versammlung der Israeliten gegen Mose und Aaron ()לון על, weil sie den Hungertod in der Wüste fürchten; demgegenüber wären
1
Eine erste Fassung dieses Kapitels wurde bereits als exegetischer Teil in BÜHRER, Funktion publiziert. 2 Zur Priesterschrift vgl. die divergente (und keineswegs die gesamte Bandbreite internationaler Pentateuchforschung abdeckende) Sammlung HARTENSTEIN/SCHMID (Hg.), Abschied. 3 Die priesterschriftliche Meerwundererzählung umfasste nach GERTZ, Tradition, 195– 206.231.396 folgenden Textbestand: Ex 14,1.2abα.3.4.8a.10abβ.15.16*.17abα.18a. 21aα*.b.22.23aα.26.27aα*.28a.29. 4 Nach dem Minimalbestand von POLA, Priesterschrift, 213–298.343 Anm. 144 umfasste die priesterschriftliche Sinaierzählung folgenden Textbestand: Ex 19,1; 24,15b.16f.18a*; 25,1.8a.9; 29,45f.; 40,16.17a.33b. Über Pola hinaus wird man mindestens 40,34 noch zur ursprünglichen Priesterschrift zählen müssen, dazu wohl auch Teile von Ex 25–29. Vgl. etwa KRATZ, Komposition, 102–117.246–248; NIHAN, Torah, 20–68.
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3. Ex 16 – Speisungswunder in der Wüste Sin
sie lieber durch die Hand YHWHs in Ägypten gestorben, wo sie an den Fleischtöpfen saßen und Brot zur Genüge zur Verfügung hatten (16,2f.). Bemerkenswert ist, dass hier anders als bei den Wasserwundererzählungen keine Notlage der Israeliten durch den Erzähler konstatiert wird (vgl. Ex 15,22f.; 17,1b; Num 20,2a); es ist allein das Volk, das von einer Hungersnot ()רעב spricht.5 Im Folgenden wird das Murren der Israeliten von YHWH jedoch erhört, und der Grund des Murrens durch die Speisung mit Wachteln und Manna behoben (16,11–15). Damit ist im Prinzip alles Notwendige gesagt: Der (gefühlte) Mangel an Fleisch und Brot wird beseitigt durch die Wachteln am Abend und das Manna am Morgen. Das Kapitel freilich ist ungleich länger und behandelt des Langen und Breiten ein Thema, das weder in der Exposition der Erzählung, noch in der genannten Problemlösung begegnet, nämlich den Sabbat. Ausgehend von der Findung und Sammlung des Mannas finden die Israeliten nicht nur dieses wundersame Brot, sie finden in der Wüste gleichsam den Sabbat als heiligen Ruhetag für Gott (16,4f.16–30). Vom Sabbat handelt insbesondere der zweite Teil des Kapitels, der von der eingangs beschriebenen (gefühlten) Notsituation der Israeliten kaum mehr etwas zu erkennen gibt und die Wachteln gänzlich unter den Tisch kehrt. Im zweiten Teil des Kapitels geht es dagegen relativ unvermittelt (s.u. zu 16,4f.) um Fragen zur Sammlung, Haltbarkeit und Aufbewahrung des Mannas: Grundsätzlich verdirbt das Manna binnen Tagesfrist (16,19f.), nur das am sechsten Tag eingesammelte Manna ist auch am siebten Tag genießbar (16,24). Dies ist notwendig, weil am siebten Tag kein frisches Manna zu finden ist, da der siebte Tag Ruhetag ist (16,5.22–30). Damit setzt nach dem vorliegenden Text des Pentateuch in Ex 16 erstmals die Bewahrung des Sabbats durch Israel ein, der der Schöpfung bereits durch das göttliche Ruhen am Schöpfungssabbat in Gen 2,2f. eingestiftet wurde. Doch nicht nur die Bewahrung des Sabbats nimmt hier ihren Anfang, sondern auch seine Nicht-Bewahrung durch einige aus dem Volk (Ex 16,27–29).6 Das ganze Kapitel entpuppt sich so letztlich als göttliche Prüfung seines Volkes, ob sie seiner Weisung folgen oder nicht (16,4f.; vgl. 16,28f.). Ex 16 schließt mit der Aufbewahrung von Manna, das ja eigentlich nicht aufbewahrt werden kann, zur Erinnerung an die göttliche Speisung des Volkes während der vierzig Jahre in der Wüste für spätere Generationen (16,32–36).7 Die Nacherzählung hat, auch wenn sie nicht Vers für Vers vorgegangen ist, das Erzählgefälle deutlich zum Ausdruck gebracht: Aus der Wachtel-undManna-Erzählung wird zunehmend eine Ätiologie des Sabbats. Dieses „zu5
In der Moserede Dtn 8,3 war es Gott, der die Israeliten tatsächlich hungern ( רעבhiph.)
ließ. 6
LXX fügt τινές „einige“ explizierend hinzu. Die Aufbewahrung hier entspricht freilich der Aufbewahrung des Mannas für den Sabbat: S.u. Anm. 68. 7
3.2. Analyse der Grundschicht: Die Wachtel-und-Manna-Erzählung
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nehmend“ ist nun nicht nur synchron zu verstehen, dazu diente die Nacherzählung, sondern auch diachron: Die im Folgenden zu entfaltende These lautet, dass sämtliche Sabbat-Passagen dem Kapitel nachträglich hinzugewachsen sind, und dass der Grundbestand der Wachtel-und-Manna-Erzählung der ursprünglichen Priesterschrift (P oder PG) zuzuweisen ist.8
3.2. Analyse der Grundschicht: Die Wachtel-und-Manna-Erzählung 3.2. Analyse der Grundschicht: Die Wachtel-und-Manna-Erzählung
Der erste Teil des Kapitels ist deutlich überladen: Zwischen der Exposition9 mitsamt dem Murren des Volkes und ihrer Rede in 16,1–3 und dem Er-
8 Die These hat ihre Vorläufer insbesondere in älteren Arbeiten (vgl. etwa zum ersten Teil der These HOLZINGER, Exodus, 53–55, zum zweiten KUENEN, Manna, und insgesamt MAIBERGER, Manna, bes. 134–142.213.423f. [P: 16,1–3.6f.9–13.14abα.15.21.31.35a], dem etwa FREVEL, Blick, 118 in Teilen gefolgt ist; vgl. auch die Andeutung bei ZENGER, Israel, 42). Die jüngere Forschung neigt eher dazu, entweder das Kapitel der Priesterschrift mehr oder weniger in Gänze abzusprechen (vgl. etwa LEVIN, Jahwist, 352–355; POLA Priesterschrift, 134–143; KRATZ, Komposition, 246f.; ACHENBACH, Vollendung, 207.232–236; BERNER, Sabbat – wobei hier im Anschluss an WELLHAUSEN, Composition, 78f.325–329 ein [fragmentarischer] vor-priester[schrift]licher Kern etwa in *16,4f.13–15[.28f.] angenommen wird), oder ihr auch die Sabbat-Passagen zuzuweisen (vgl. bes. RUPRECHT, Stellung – wonach 16,4f.28f.[.31f.] wie schon bei KUENEN, aaO. als deuteronomistische Ergänzung zum Grundbestand interpretiert werden; Ruprecht sind hierin viele gefolgt, etwa PERLITT, Mensch, 78–81; KÖCKERT, Leben, 97f.; BLUM, Studien, 146–148.296.311f.; SCHART, Mose, 122–136.178–180; HARTENSTEIN, Sabbat, 119f.; RÖMER, Sojourn, 431f.; GRUND, Entstehung, 238–257; ALBERTZ, Exodus I, 256–265; TUCKER, Composition, 119– 121). Mit einer vergleichsweise ausführlichen (spät datierten) jahwistischen Grundschicht (16,1a.2f.*4–7.13b–15.21.27–31.35a) rechnet VAN SETERS, Life, 181–191. Eine etwas eigenwillige Mischform unterschiedlicher Forschungspositionen vertritt FRANKEL, Stories, 63–117, der mit einer vorexilischen „early priestly story“ (aaO., 82 u.ö.; 16,2.9.10a.14b. 15a.31.33*.34.35a) und einer „early non-priestly story“ (ebd. u.ö.; 16,4abα.5.21.27.28a. 29f.) rechnet, die von einem „priestly editor“ (aaO., 96 u.ö.) kombiniert und um 16,1aβb. 3aαb.4bβ.6.7aβb.15b.16–20.22–26.28b.32(.35b.36) angereichert wurde, ehe ein priesterlicher „late supplementer“ (aaO., 112 u.ö.) 16,1aαγ.3aβγ.7aα.8.10b–14a hinzufügte. VON RAD, Priesterschrift, 52–57.212–214 weist die Sabbat-Passagen einerseits dem Jahwisten und andererseits seiner zweiten, jüngeren, Quelle der Priesterschrift zu (PB), wogegen die ältere priesterschriftliche Quelle (PA) lediglich von einem Wachtelwunder berichtet habe. 9 In 16,1a tritt das Subjekt, „ כל־עדת בני־ישׂראלdie ganze Versammlung der Israeliten“, erst hinter das zweite Verb statt wie meistens direkt hinter das erste (vgl. so etwa 17,1); 16,1aα („ ויסעו מאליםund sie brachen auf von Elim“) knüpft dabei an 15,27 an, der aber nicht für die Priesterschrift reklamiert werden kann, sondern integraler Bestandteil von 15,22–25a.27 ist (s.o. Kap. 2.2.). Die Kombination beider Beobachtungen spricht dafür, 16,1aβ als Eröffnung der priesterschriftlichen Wachtel-und-Manna-Erzählung anzusetzen (vgl. etwa SCHMIDT, Exodus 16, 485f.; die Argumente bei MAIBERGER, Manna, 110 zei-
88
3. Ex 16 – Speisungswunder in der Wüste Sin
scheinen von Wachteln und Manna in 16,13f. stehen zwei Reden YHWHs (16,4f.11f.) und drei Reden Moses (16,6f.8.9; die erste Rede wird von Mose und Aaron gehalten), die zum Teil mehr und zum Teil weniger in den Kontext eingebunden sind und die sich zum Teil doppeln. Hinzu kommt die Erscheinung der Herrlichkeit YHWHs während der nicht ausgeführten Rede Aarons in 16,10. Auf das Murren der Israeliten folgt die erste Gottesrede in 16,4f., die die Volkesrede nur partiell aufnimmt, da YHWH nur vom Brot spricht, das er vom Himmel herab regnen lassen will. Auf das ersehnte Fleisch – und die später aufziehenden Wachteln – nimmt YHWH hier keinen Bezug. Der Großteil der Rede bezieht sich mit den Anweisungen zur Sammlung des Brotes vielmehr erst auf den zweiten Teil des Kapitels und wird entsprechend in den drei folgenden Reden Moses völlig ignoriert. Schließlich wird das ganze Geschehen schon hier als Prüfung des Gebotsgehorsams des Volkes interpretiert (vgl. 16,28f.), womit sich die Gottesrede als deuteronomistisch geprägt zu erkennen gibt (vgl. bes. Dtn 8,2.16).10 Die erste Gottesrede ist damit aus den drei genannten Gründen der ursprünglichen Wachtel-und-Manna-Erzählung abzusprechen. Schwierigkeiten bereiten auch die beiden folgenden Mose-Reden 16,6f. und 16,8: In ihnen teilt Mose dem Volk mit, was YHWH ihm erst einige Verse später in der zweiten Gottesrede mitteilen wird: YHWH hat das Murren der Israeliten gehört (16,12a → 16,7aβ / 16,8aβ) und lässt ihnen nun zusagen, dass sie am Abend bzw. in der Abenddämmerung11 Fleisch essen und am
gen nur, aber immerhin so viel, dass die Konstruktion „Verb-Aufbruchsort-Verb-SubjektZielort“ zwar „selten, aber nicht ungewöhnlich“ ist). Gegen SCHMIDT, aaO., 486 muss die Erwähnung von Elim in 16,1aγ dagegen nicht als sekundär betrachtet werden: „[D]ass Elim zuvor erwähnt wurde“ (ebd.), ist in 16,1aγ (anders als in 16,1aα) nicht vorausgesetzt (dasselbe müsste ansonsten auch für den Sinai gelten!), vorausgesetzt ist nur die Kenntnis von Elim oder einer Elim-Tradition. Wie die weitere Analyse in Kap. 4.2.2. zeigen wird, ist 16,1aα Teil des nicht- und zugleich vor-priesterschriftlichen Itinerars 15,27 → 16,1aα → 17,1b → 19,2a. 10 Vgl. etwa PERLITT, Mensch, 78–81. 11 Auf die Parallele zum priesterschriftlichen Bericht des Passafestes ist schon oft hingewiesen worden: Nach Ex 12,6 wird das Opfertier in der Abenddämmerung geschlachtet. Die Parallele wird indes bei BERNER, Sabbat, 567f. überzeichnet: Nach Berner wird „[ü]ber die doppelte Speisung mit Wachteln und Manna ... also gezielt auf die Doppelstruktur des Passa-Mazzotfestes angespielt“; daraus folgt s.E., dass „die Anspielung auf den Ablauf des [siebentägigen] Passa-Mazzotfestes in 16,12 von vornherein die Sabbatthematik im zweiten Teil des Kapitels“ „antizipiert“ und somit ein weiteres Argument für die diachrone Nachordnung der priesterlichen Passagen in Ex 16 gegenüber dem (seinerseits nach-priesterschriftlichen) nicht-priesterlichen Kernbestand des Kapitels darstellt. Nun wird allerdings der Verzehr der Mazzot im Gegensatz zu dem des Manna nicht auf den Morgen festgelegt, sondern mit dem Abend in Verbindung gebracht (12,18) und dem Essen des Passafleisches hinzugesellt (12,8). Hinzu kommt, dass die Passagen zu den Mazzot in
3.2. Analyse der Grundschicht: Die Wachtel-und-Manna-Erzählung
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Morgen von Brot satt werden (16,12a → 16,8aα). Daran sollen sie (abends und morgens) erkennen, dass YHWH ihr Gott ist (16,12b → 16,6b.7aα). Die beiden ersten Mose-Reden nehmen also die zweite Gottesrede vorweg und buchstabieren dabei einerseits aus, zu was für einer Gotteserkenntnis die Israeliten genau kommen werden: Sie erkennen die Herrlichkeit des ExodusGottes (vgl. bes. 16,6b). Andererseits qualifizieren sie das Murren der Israeliten gegen Mose und Aaron als Murren gegen YHWH (16,7b.8b). Damit korrigieren sie in erster Linie die Adressierung der Klage der Israeliten: Nicht Mose und Aaron stehen hinter dem Exodus, wie die Israeliten in 16,3b meinten, sondern YHWH; er alleine kann den Israeliten daher aus ihrer Notlage helfen. Darüber hinaus erscheint das Murren der Israeliten so in einem negativeren Licht: Nicht gegen Mose und Aaron richtet sich das Murren, sondern gegen YHWH, der die Israeliten zuvor aus Ägypten und vor den Ägyptern gerettet hat. Damit werden die Israeliten in gewisser Weise bereits zu Beginn des Kapitels disqualifiziert (und nicht erst im Zusammenhang ihrer mangelhaften Sabbatobservanz). In der ursprünglichen Wachtel-und-Manna-Erzählung wird das Murren der Israeliten dagegen nicht bewertet. Da ihrer (gefühlten) Notlage Abhilfe verschafft wird, scheint ihr Anliegen als zumindest nicht gänzlich verfehlt verstanden worden zu sein. Die beiden Mose-Reden selbst doppeln sich: 16,8, wo Mose alleine spricht, und kein Adressat angegeben wird, erscheint als Explikation zu 16,6f., wo Mose und Aaron zu „allen Israeliten“ sprechen: Während 16,6f. vor allem das Motiv der Gotteserkenntnis aus 16,12 aufnimmt und die Unterscheidung zwischen (der Speisung der Israeliten am) Abend und (am) Morgen als Merismus auflöst, gleicht 16,8 die Ankündigung Moses noch deutlicher mit der Ankündigung YHWHs ab, indem die Tageszeiten wieder mit der Speisung korreliert werden. Schließlich wird der Gedanke aus 16,7, dass sich das Murren gegen Mose und Aaron gegen YHWH selbst richtet, noch weiter expliziert. In seiner dritten Rede wendet sich Mose in 16,9 an Aaron und gibt diesem einen Redeauftrag an „die ganze Versammlung der Israeliten“:12 Sie sollen
Ex 12 aller Wahrscheinlichkeit nach auf einer späteren literarischen Ebene als die priesterschriftliche Grundschicht in Ex 12 und Ex 16 liegt (zu Ex 12 vgl. GERTZ, Tradition, 29– 73.396; GESUNDHEIT, Year, 44–95), und dass die priesterlichen Passagen in Ex 16 literarhistorisch stärker voneinander zu scheiden sind als bei Berner, der die vorhandenen Spannungen zwischen dem ersten und dem zweiten Kapitelteil nicht behandelt. 12 Dass Aaron in Ex 16,9f. im Auftrag Moses die Kommunikation mit dem Volk übernimmt (vgl. etwa noch Lev 9,3), mutet auf den ersten Blick etwas erstaunlich an, ist jedoch einerseits nach dem Murren der Israeliten gegen Mose und Aaron in Ex 16,2f. durchaus verständlich, und hat andererseits innerhalb der Priesterschrift ein Vorbild in der Einsetzung Aarons als Sprachrohr Moses vor dem Pharao (Ex 7,1f.). In der jüngeren Ausmalung dieses Motivs in Ex 4 soll Aaron explizit auch an Moses Stelle mit dem Volk reden (4,16).
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3. Ex 16 – Speisungswunder in der Wüste Sin
sich vor YHWH versammeln, da er ihr Murren gehört hat. Noch als Aaron diese Worte „der ganzen Versammlung der Israeliten“ mitteilt, wenden sie sich angesichts der Erscheinung der Herrlichkeit YHWHs in der Wolke zur Wüste hin (16,10). Auch dieser Abschnitt wirft Fragen hinsichtlich seiner Zugehörigkeit zur ursprünglichen Wachtel-und-Manna-Erzählung auf, doch erweisen sich die entsprechenden Argumente anders als bei den bisherigen Mosereden als nicht stichhaltig: 1.) 16,9b („ כי שׁמע את תלנתיכםdenn er [YHWH] hat euer Murren gehört“) scheint ebenso wie die vorangehenden Mose-Reden YHWHs Aussage hierzu aus 16,12 vorwegzunehmen; anders als in den vorangehenden Mose-Reden findet hier jedoch weder eine Vertiefung (wie zuvor bezüglich der Gotteserkenntnis) noch eine Verschärfung (wie zuvor bezüglich des Murrens) statt, ja der Inhalt der Gottesrede scheint Mose hier noch nicht bekannt zu sein; und dass Mose eine in den Texten nicht immer narrativ hergeleitete intime Kenntnis des Gotteswillens besitzt, ist in zahlreichen Texten zu beobachten – in Ex 16 etwa noch in den von Mose zitierten YHWH-Reden in 16,23 (hier wird zumindest 16,5 weitergeführt) und 16,32.13 2.) Auch die Erscheinung der Herrlichkeit YHWHs erscheint wie eine Vorwegnahme. So ist Ex 16 nach T. Pola „theologisch, auch dramatisch und offenbar auch literargeschichtlich nicht der primäre Ort der Erscheinung des כָּבוֹדJahwes, es handelt sich vielmehr um eine Vorwegnahme der für Pg auf dem Sinai (Ex 2415b–18* und öfters) und in der Endgestalt auch der Stiftshütte (Ex 4033bff) beheimateten Offenbarungsmotivik“.14 Diese Einschätzung hängt freilich im Wesentlichen von der zugrunde gelegten Textabgrenzung und Theologie der Priesterschrift insgesamt ab:15 Steht nicht fest, dass in der Priesterschrift die erstmalige Erscheinung der Herrlichkeit YHWHs auf dem Sinai zu erfolgen hat,16 spricht nichts dagegen, 16,9f. der Priesterschrift zuzuSchließlich kann auch auf Ex 12,3 verwiesen werden: Die Anweisung zum Passa sollen Mose und Aaron gemeinsam dem Volk mitteilen. 13 Dies spricht auch gegen C. Berners These, 16,9 würde 16,4f. voraussetzen (vgl. BERNER, Sabbat, 566f.) und damit den „priesterliche[n] Bestand von Ex 16 in Gänze [als] Teil einer (in sich nochmals mehrschichtigen) Bearbeitung der älteren nichtpriesterlichen Partien des Kapitels“ (aaO., 568), die ihrerseits ebenso mehrschichtig seien (vgl. aaO., 569f. Anm. 29), erweisen. 14 POLA, Priesterschrift, 137 (im Original z.T. kursiv gedruckt). 15 Zu Polas Textabgrenzung s.o. Anm. 4. Bei POLA, Priesterschrift, 134–143 stellt die genannte Argumentation nur ein Argument unter weiteren gegen die Zugehörigkeit von Ex 16 zur Priesterschrift dar. Wie sogleich zu zeigen ist, überzeugen auch seine anderen Argumente nicht. 16 Das Erstaunen von POLA, Priesterschrift, 137 darüber, „daß von einer Reaktion des versammelten Volkes, insbesondere einer Proskynese, nichts berichtet wird“, wenn es sich bei Ex 16,10 um die erste Erscheinung der Herrlichkeit YHWHs in der Priesterschrift handeln soll, ruft seinerseits Erstaunen hervor, da auch in der von Pola rekonstruierten Priesterschrift kein Bericht einer Reaktion des Volkes auf die erste Erscheinung der Herrlichkeit YHWHs erfolgt.
3.2. Analyse der Grundschicht: Die Wachtel-und-Manna-Erzählung
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weisen. Dies lässt sich auch plausibilisieren: Die Priesterschrift verbindet in der Wüsten- bzw. Wachtel-und-Manna-Erzählung die Erscheinungs- und Wirkweisen YHWHs in der Errettung am (Schilf-)Meer und in der Offenbarung am Sinai:17 Nach Ex 14,4.17.1818 erweist YHWH seine Herrlichkeit ()כבד am Pharao durch die Rettung der Israeliten, in Ex 16,10 erscheint den Israeliten die Herrlichkeit YHWHs ( )כבוד יהוהaus der Wüste zur Rettung angesichts der drohenden (oder zumindest befürchteten) Hungersnot in der Wüste und in Ex *24,15–18 schließlich erscheint die Herrlichkeit YHWHs ( )כבוד יהוהzur Offenbarung (mindestens) des Bauplans des Heiligtums auf dem Sinai. Dabei ist sowohl in der Wüste wie auf dem Sinai die Wolke Anzeichen und Begleiterscheinung der Theophanie.19 Ist die Funktion von Ex 16 als narrativ-theologisches Bindeglied zwischen der Errettung am (Schilf-)Meer und der Sinaioffenbarung und damit 16,9f. als ursprünglicher Bestandteil von Ex 16 erkannt, erübrigen sich einerseits Überlegungen zur Umstellung des Kapitels hinter die Sinaioffenbarung in der ehedem eigenständigen Priesterschrift, wie sie insbesondere die ältere Forschung angestellt hat,20 und andererseits das Absprechen von Ex 16 der Priesterschrift insgesamt, was insbesondere in jüngeren Forschungsbeiträgen geschieht, aufgrund der „virtuell präsente[n], dramatisch aber noch gar nicht vorhandene[n] Stiftshütte“.21 Die Theophanie hier mag durchaus als Vorabschattung der Sinai-Theophanie verstanden werden. Anders als in den tatsächlich nach-priesterschriftlichen Versen Ex 16,32–34, wo es um die dauerhafte Aufbewahrung von Manna nicht nur „vor YHWH“ (16,33), sondern gerade auch „vor dem Zeugnis“ (16,34) geht, sind hier weder die Erzählung von 17 Vgl. hierzu bes. RUPRECHT, Stellung, 291–298 sowie etwa STRUPPE, Herrlichkeit, 139–147; SCHMIDT, Exodus 16, 489f.; ALBERTZ, Exodus I, 262f.271f.; TUCKER, Composition, 118–128. 18 Zur Textabgrenzung vgl. GERTZ, Tradition, 195–206.231.396, wonach 14,18b ein Nachtrag zur noch selbständigen Priesterschrift darstellt. 19 Gegen ALBERTZ, Exodus I, 271 muss aufgrund des Artikels bei „ בענןin der Wolke“ in Ex 16,10 nicht „die nicht-priesterliche Vorstellung von der Wolken- und Feuersäule ... (13,21f.; 14,19b–20.24)“ im Hintergrund stehen (zur nach-priesterschriftlichen Ansetzung der Wolken- und Feuersäule s.u. Kap. 7.2.3.6. mit Anm. 222): Einerseits ließe sich die Determination durch die Parallele zur Sinaitheophanie erklären, und andererseits beschränkt sich der Artikel in 16,10 ohnehin auf die masoretische Vokalisation; von LXX wird er nicht geboten. 20 Vgl. zuletzt BADEN, Place (vgl. Lit.). Mit einer entsprechenden Umstellung einher gehen oft die Änderung von („ )אל־(המדברhin zur) Wüste“ in 16,10 zu einem der Lexeme des Wüstenheiligtums: המקדשׁ, אהל מועדoder ( המשׁכןso etwa HOLZINGER, Exodus, 54; vgl. in jüngerer Zeit POLA, Priesterschrift, 137; BADEN, aaO., 503 Anm. 47) und die Tilgung oder Änderung von „ במדברin der Wüste“ in 16,2 (vgl. etwa KUENEN, Manna, 289; BADEN, ebd.). Letzteres ist nach der Lokalisierung in 16,1 in der Tat auffällig; angesichts des Fehlens von במדברin LXX lässt sich hiervon jedoch schwerlich allzu viel ableiten. 21 So eines der Argumente bei POLA, Priesterschrift, 137 (im Original kursiv).
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3. Ex 16 – Speisungswunder in der Wüste Sin
der Sinai-Theophanie noch die der Errichtung der Stiftshütte vorausgesetzt. Ex 16 geht es hier also darum, „festzuhalten, dass JHWH auch schon vor dem Bau des Heiligtums seinem Volk in seiner ganzen Majestät sichtbar nahekam. Auch in dieser scheinbar gottverlassenen Wüste hatte er es nicht alleingelassen...“22 Auf Theophanie und Gottesrede folgt in 16,13–15 die Verwirklichung des von YHWH Angekündigten: Am Abend, für den die Israeliten Fleisch zugesagt bekamen, kommen Wachteln auf und bedecken das Lager, und am Morgen, für den die Israeliten Brot zugesagt bekamen, findet sich eine Tauschicht auf dem Boden rings ums Lager, die etwas Feinkörniges unter sich birgt. Wie die antike Textüberlieferung23 so waren auch die Israeliten mit der so wundersam erschienenen Materie nicht vertraut (vgl. Dtn 8,3.16) und müssen erst von Mose belehrt werden, dass dies nun das von YHWH versprochene Brot ist.24 In 16,16, wo auf die eingetragene YHWH-Rede aus 16,4f. verwiesen wird, sowie in 16,17–20 geht es nicht mehr nur um die Speisung des Volkes bzw. um dessen Einsammeln des Mannas, sondern bereits um die je eingesammelte Menge und um Fragen der Haltbarkeit des Mannas. Dagegen bietet sich 16,21 als ursprüngliche Fortsetzung von 16,15 an: Auf die Vorstellung der körnigen Masse auf dem morgendlichen Boden als das von YHWH gegebene Brot durch Mose wird hier die allmorgendliche Sammlung des Mannas entsprechend dem jeweiligen Gebrauch vermeldet – und dass das Manna, das zuvor ja im Tau verortet wurde, in der Mittagshitze schmilzt. Diese regelmäßige Sammlung impliziert keine Wochengliederung und ebenso wenig eine regelmäßige Unterbrechung der Sammlung am siebten Tag. Wer aber ausgehend von dieser Wochengliederung mitsamt dem Sabbat an die Wachtel-und-Manna-Erzählung herangeht, wird an 16,21 die Frage nach dem Sabbat und nach der Aufbewahrung des Mannas richten. Genau dies ist auch geschehen: In 16,22–30 wird (nach der Vorbereitung in 16,16–20) der Sabbat synchron gesprochen eingeführt, diachron gesprochen eingefügt. Dass diese Verse in der Tat eingefügt sind, ergibt sich auch daraus, dass die Benennung des Mannas im darauf folgenden Vers 16,31 syntaktisch nicht angebunden ist: Die Israeliten25 nennen „seinen Namen“ ( )את־שׁמוManna. Das Suffix in שׁמוkann sich 22
ALBERTZ, Exodus I, 271. LXX übersetzt 16,14a nicht und übersetzt in 16,14b anstelle des Hapax legomenon „ מחספסknisternd / körnig?“ und des zweimaligen „ דקfein“ frei nach dem Vorbild von 16,31b ... λεπτὸν ὡσεὶ κόριον λευκὸν ὡσεὶ πάγος ἐπὶ τῆς γῆς „... etwas Feines wie Koriander(samen), weiß wie Reif, auf der Erde“. Möglicherweise ist schon der hebräische Text „gelehrt glossiert“ (HOLZINGER, Exodus, 57). 24 Zur Deutung von מן הואals Frage „Was ist das?“ s.u. Anm. 27. 25 MT und Smr lesen „Haus Israels“, LXX „Söhne Israels“. Eine Textzuweisung sollte daher kein Gewicht auf die Benennung Israels hier legen: Es ist einfacher, „Söhne Israels“ schon für die Vorlage von LXX anzunehmen, als von einer Änderung durch die Überset23
3.2. Analyse der Grundschicht: Die Wachtel-und-Manna-Erzählung
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nur auf das zuvor gesammelte Brot beziehen, im vorliegenden Text läuft der Bezug allerdings unsinnigerweise auf den in 16,30 genannten siebten Tag.26 Schließt man dagegen, wie hier vorgeschlagen, 16,31 an 16,21 und 16,15 an, ist die Verweiskette einwandfrei:27 Benannt wird das von YHWH gegebene Brot (16,15), das sie, die zuvor angesprochenen Israeliten, allmorgendlich einsammelten (16,21: „Und sie sammelten es“), und das unter der heißen Sonne schmilzt („da schmolz es“).28 Damit kommt der durch das Murren der Israeliten eröffnete Spannungsbogen an sein Ende.29
zung auszugehen. In dem oft zum Vergleich herangezogenen Vers Num 20,29 liest auch LXX „das ganze Haus Israel“. Etwa gegen SCHMIDT, Exodus 16, 495. 26 Vgl. bereits WELLHAUSEN, Composition, 78. Es ist freilich zuzugestehen, dass der Fehler auf syntaktischer Ebene das Verständnis des Textes kaum erschwert (vgl. ROSKOP ERISMAN, Genre Conventions, 59–61). Der syntaktische (Fehl-)Bezug des Suffixes allein stellt daher kein hinreichendes literarkritisches Argument dar – und wird hier auch nicht allein für die redaktionsgeschichtliche Thesenbildung verwendet. 27 Selbst wenn man מן הואin 16,15a entgegen den antiken Versionen nicht als Frage „Was ist das?“, sondern als Aussage „Es ist Manna“ verstehen will, handelt es sich nicht um eine Benennung, entsprechend bei der Benennung in 16,31 nicht um eine Doppelung zu oder Revision von 16,15 (etwa gegen RUPRECHT, Stellung, 275; BERNER, Sabbat, 572f.). Als Benennung müsste die Wortreihenfolge invertiert (Subjekt-Prädikat) sein – analog zur Identifikationsaussage „ הוא הלחםEs ist das Brot“ (gefolgt von einem Relativsatz). Im vorliegenden Falle fände dagegen eine Klassifizierung des Vorliegenden als Teil der Größe Manna statt (Prädikat-Subjekt: „Manna ist es“), das Manna wäre damit als bereits bekannt vorauszusetzen. Vgl. zur Syntax und Terminologie WALTKE/O’CONNOR, Syntax, 130–135.297–299 (§8.4; 16.3.3); vgl. auch RUPRECHT, aaO., 286–288, dessen Interpretation aber nicht überzeugt: Handelte es sich hier um die „Erwähnung von Bekanntem“ (aaO., 288), beim Manna also um etwas, was alle Wüstenwanderer kennen, entbehrte der Klage des Volkes in 16,2f. und damit der Erzählung insgesamt jegliches Fundament. Plausibler bleibt somit die bereits alte Deutung von מָ ן הואals Frage wie מַ ה־הואin 16,15aβ, wobei מָ ןals schriftgelehrt-spielerische Abwandlung des Interrogativpronomens מַ הzum Gleichklang mit „ מָ ןManna“ zu interpretieren ist (vgl. MAIBERGER, Manna, 267–279. 424f.). Was die Beschreibung des Mannas in 16,14 und 16,31b angeht, so kann festgehalten werden, dass sich die beiden Beschreibungen weder doppeln, noch widersprechen: Auf die prima vista-Beschreibung des Mannas als „etwas Feinkörniges, fein wie der Reif auf dem Boden“ kann nach der regelmäßigen Sammlung und Verköstigung eine etwas präzisere Beschreibung gegeben („weiß wie Koriandersamen“) und auf seinen Geschmack abgezielt werden („und sein Geschmack [war] wie Honigkuchen“). Bei Erzählerkommentaren wie 16,31b (oder auch 16,36), die (anders als 16,14b) nicht narrativ eingebunden sind, ist es freilich stets schwierig bis unmöglich, zu klären, ob sie dem Referenztext gleichursprünglich sind, oder auf welcher Ebene der Textentstehung sie möglicherweise hinzugekommen sind. 28 Die umgekehrte These, dass 16,31 später als 16,30 wäre (so etwa RUPRECHT, Stellung, 274f.; ALBERTZ, Exodus I, 258.263), ist gerade „[w]egen des fehlenden Bezugspunkts für das Suffix“ weniger plausibel (so richtig SCHMIDT, Exodus 16, 493 Anm. 39). 29 RUPRECHT, Stellung, 290f. hat zu Recht auf den gänzlich unterschiedlichen Aufbau von *16,1–15 mit dem „dramatischen Spannungsbogen von der Not bis zur Errettung“ und
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3. Ex 16 – Speisungswunder in der Wüste Sin
Als Kern von Ex 16 und als ursprüngliche Wachtel-und-Manna-Erzählung haben sich damit 16,1aβγb.2f.9–15.21.31 erweisen lassen.30 Die Erzählung handelt von der gnadenhaften Speisung der Israeliten durch YHWH während ihrer Zeit in der Wüste durch die Wachteln und das sehr viel außergewöhnlichere und daher zu definierende Manna. Innerhalb der Priesterschrift stellt Ex *16 die einzige Wüstenerzählung dar, wofür die Priesterschrift indes ältere Vorbilder hatte.31 Als Erzählung einer gnaden- und wunderhaften Rettung hat Ex *16 aber in der ihr vorangehenden Erzählung von der Errettung der Israeliten am (Schilf-)Meer eine priesterschriftliche Parallele. In der (gefühlten) Notsituation in der Wüste erfolgt hier eine punktuelle, auf diese konkrete Situation bezogene und begrenzte Erscheinung YHWHs, der dem Bedürfnis der Israeliten nach Fleisch und Brot (16,1–3) Erfüllung verheißt (16,9–12) und verschafft (16,13–15). Die Speisung mit den Wachteln, von denen auch außerbiblische antike Texte sowie Bildzeugnisse wissen, und die daher als bekannte Naturerscheinung in Palästina und auf der Sinaihalbinsel den Adressaten von Ex *16 als bekannt vorausgesetzt werden konnten und somit nicht weiter beschrieben werden mussten,32 ist dabei als einmalige Speisung vorgestellt. Das Manna hingegen wird als kontinuierliche Speisung vorgestellt, wie aus der allmorgendlichen Sammlung hervorgeht (16,21). Anders als die Wachteln stellt das Manna keine bekannte Größe dar, muss entsprechend von *16,16–30 hingewiesen und konnte, bei Annahme der literarischen Gleichursprünglichkeit, den zweiten Teil als „midraschartige Erweiterung“ des ersten bezeichnen (beide Zitate aaO., 291 Anm. 49). 30 Das Argument von GRUND, Entstehung, 244 in Auseinandersetzung mit den Analysen von MAIBERGER, Manna und STRUPPE, Herrlichkeit, dass „die Erzählung mit V.15 nicht enden kann“, übergeht einerseits argumentationslos (vgl. nur aaO., 244 Anm. 385), dass bei Maiberger (s.o. Anm. 8) wie hier 16,21.31 zur Grundschicht dazu gerechnet werden (STRUPPE, aaO., 107–147 äußert sich zu 16,16–36 nicht klar); und andererseits wird die Begründung, dass bis 16,15 die Hunger-Problematik narrativ nicht gelöst sei, da bis dahin kein Israelit gesammelt und gegessen hätte (die Formulierung nach GRUND, aaO., 244), dem Charakter solcher Erzählungen nicht gerecht, die nicht alles zu erzählen brauchen, was sich von selbst versteht: Dass die Israeliten das Manna tatsächlich gegessen haben, wird ohnehin nur in den Nachträgen 16,32.35 explizit gesagt (GRUND, aaO., 246f. scheint 16,32 der Grundschicht zuzuweisen), zuvor aber selbstverständlich vorausgesetzt – wie etwa auch in der voraufgehenden Erzählung 15,22–27 vorausgesetzt wird, dass die Israeliten sowohl in Mara wie in Elim Wasser getrunken haben (s.o. Kap. 2.1. mit Anm. 13); explizit gesagt zu werden, braucht aber auch hier das Selbstverständliche nicht. Auch die weiteren Murrerzählungen liefern hierfür Anschauungsmaterial. 31 Damit ist noch nichts über die literarhistorische Ansetzung der „Parallel“-Erzählung in Num 11 gesagt, es geht nur um das Vorhandensein vor-priesterschriftlicher Wüstenerzählungen. Zu Num 11,4–35 als kreativer Zusammenschau und Überbietung von (zumindest) Ex 16; 17,1–7; 18,13–27 s.u. Kap. 5.3. Zu den beiden vor-priesterschriftlichen Murrerzählungen Ex *15,22–27 und *17,1–7 s.o. Kap. 2. und s.u. Kap. 4. 32 Vgl. MAIBERGER, Manna, 170–177; VON DER OSTEN-SACKEN, Untersuchungen, 115–117.374–382.
3.2. Analyse der Grundschicht: Die Wachtel-und-Manna-Erzählung
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Mose mit dem zugesagten Brot identifiziert werden (16,15) und wird sodann von den Israeliten benannt (16,31).33 Mit der Benennung kommt der Spannungsbogen an sein Ende, und es kann im Folgenden von der Ankunft der Israeliten am Sinai berichtet werden, wo aus dem punktuellen Erscheinen der Herrlichkeit YHWHs durch die Errichtung des Heiligtums die permanente Einwohnung YHWHs bei den Israeliten werden wird.34 In diesem Zusammenhang wird denn auch die Erkenntnisformel nach 16,12 in 29,46 erneut angeführt und „vervollständigt“: Die Israeliten erkennen YHWH als ihren Gott, der sie aus Ägypten geführt hat und der in ihrer Mitte wohnen will.35 Die ursprüngliche Wachtel-und-Manna-Erzählung 16,1aβγb.2f.9–15.21.31 stellt damit einen integralen Bestandteil der Priesterschrift dar.36 Gegen eine Zuordnung von Ex *16 zur Priesterschrift hat sich am ausführlichsten T. Pola ausgesprochen.37 Seine sieben Argumente (mit Unterpunkten) sind daher hier kurz zu prüfen: Polas Argumente 2.) („Wäre Ex 16*P primär, so bliebe die wirtschaftliche Grundlage des späteren Opferbetriebes ungeklärt.“ [136]), 3b.) (16,6f. seien später wegen der ungewöhnlichen Verwendung der Erkenntnisformel), 6.) (16,35 ist in sich spannungsreich und weist deutlich über das Kapitel hinaus) und 7c.) („die Besonderheiten und Abweichungen der Ausführungsformeln in Ex 1616–34 mitsamt den seltsam gestalteten Befehlsbeschreibungen als Moserede“ „unterstreichen“ „zusätzlich“, „daß Ex 1616–34 nicht zu Pg gehört.“ [143]) betreffen Texte, die weder hier noch bei Pola selbst (der „spätere Opferbetrieb“ [136]) der Priesterschrift zugewiesen werden, und sind daher für die Frage nach der Zugehörigkeit von Ex *16 zur Priesterschrift unerheblich. Polas Argumente 1.) (die nicht verifizierbare Lokalisierung in der „Wüste Sin“ sei als Vorwegnahme des „Sinai“ zu begreifen), 3a.) (die im Text bereits „virtuell präsente“ Stiftshütte [137]),38 4.) (s.u.), 6.) (s.o.) und 7b.) (die redaktionelle Stellung des Kapitels in
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Diese narrative Er-Findung des Mannas lässt es als unwahrscheinlich erscheinen, dass hier auf eine natürliche Begebenheit abgezielt ist (was nicht heißt, dass eine solche nicht möglicherweise doch im Hintergrund steht). Zwar kann das alttestamentliche Manna mit dem Honigtau der Mannatamariske verglichen werden (vgl. ausführlich MAIBERGER, Manna, 325f.362–409.432–438), doch dürften entsprechende Vergleiche der Rezeptionsgeschichte der alttestamentlichen Manna-Texte angehören (angefangen bei Josephus: Ant. III 31) und der nachträglichen naturalistischen Erklärung des Wunders dienen (dass dies nur bedingt gelingt – da der Honigtau viel zu wenig Nahrung für eine kontinuierliche Ernährung, erst recht für ein ganzes Volk, erbringt –, haben solche naturalistischen Erklärungen meist an sich). Die alttestamentlichen Manna-Texte zielen dagegen auf das Wunder der göttlichen Speisung ab – und das umso stärker je jünger die Texte sind (s.u. mit Anm. 76). 34 Zur Textabgrenzung s.o. Anm. 4. 35 Zu Ex 29,45f. vgl. POLA, Priesterschrift, 337f. 36 Zu möglichem, aber nicht sicher rekonstruierbarem Textwachstum in 16,14b s.o. Anm. 23, zu 16,31b s.o. Anm. 27. 37 Vgl. zum Folgenden POLA, Priesterschrift, 134–143 (die Seitenangaben im Haupttext beziehen sich darauf, Hervorhebungen vom Original werden nicht übernommen). Vgl. auch die Kritik an Polas Darstellung bei FREVEL, Blick, 119–123. 38 Hierzu s.o. mit Anm. 14.21.
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3. Ex 16 – Speisungswunder in der Wüste Sin
der Pentateucherzählung) betreffen die bereits angesprochene Frage der Stellung von Ex 16 innerhalb der Priesterschrift bzw. des Pentateuch. Hier wurde oben auf die bewusste Zwischenstellung der Wachtel-und-Manna-Erzählung zwischen YHWHs Errettung der Israeliten am (Schilf-)Meer und seiner Offenbarung am Sinai verwiesen: Der Kern von Ex *16 weist tatsächlich auf den Sinai hin, setzt ihn in seiner narrativen Gestaltung aber nicht voraus (anders als die tatsächlich späteren Verse 16,32–34). Darüber hinaus stellt die NichtLokalisierbarkeit der „Wüste Sin“ natürlich kein Argument für die literarische Kritik dar: Der Name kann gleichermaßen von der Priesterschrift wie von späteren priesterlichen Kreisen gebildet worden sein. Es verbleiben drei Argumente: 4.) Die Rede YHWHs in 16,11f. ordne sich einerseits der feierlicheren Rede YHWHs in 6,2–8 unter und antizipiere andererseits die Sinai-Offenbarung, weshalb ihre Pragmatik innerhalb der Priesterschrift insgesamt unklar bliebe. Allerdings kann die gegenüber 6,7 sowie 29,46 kürzere Erkenntnisformel in 16,12 situationsbedingt kaum anders gelautet haben, und auch die jeweilige Ausführlichkeit der Reden ist situationsbedingt zu erklären; für 16,11f. gilt wie für das Kapitel insgesamt eine bewusste Zwischenstellung zwischen Exodus und Sinai. 5.) 16,31 wird von Pola als „sekundäres P-Gut“ (139) verstanden wegen der Konkurrenz zu 16,15 und der Bezeichnung „Haus Israels“. Dagegen wurde oben bereits gesagt, dass 16,15 nicht als Benennung oder Ätiologie des Mannas taugt,39 die Benennung in 16,31 damit erst eigentlich den Spannungsbogen zu Ende führt, und dass aufgrund der Textüberlieferung besser keine weitergehenden Schlüsse aus der Bezeichnung „Haus Israels“ gezogen werden sollten.40 7a.) Den Wachteln bzw. der Fleischesspeise in 16,3.12.13 wird von Pola nur eine „Nebenrolle“ (140), wenn auch eine „literarkritisch nicht abtrennbare“ (140), gegenüber dem Manna bzw. der Brotspeise zugeschrieben. Eine solche Unebenheit sei aber untypisch für die Priesterschrift, sie erkläre sich „überlieferungsgeschichtlich oder gar literarisch“ (140). Der letzte Punkt kann nur zusammen mit einer Behandlung von Num 11 genauer untersucht werden,41 er spielt indes für die Frage der Zuordnung von Ex *16 zur Priesterschrift keine Rolle. Was die Einschätzung als Unebenheit angeht, scheint sie durch die Betonung des wunderhaften Charakters des Mannas im Gegensatz zur natürlichen Erscheinung von Wachteln hinreichend erklärt. Legt man die hier rekonstruierte Abgrenzung der Wachtel-und-Manna-Erzählung zugrunde, können Polas Argumente gegen die Zuweisung von Ex *16 zur Priesterschrift also allesamt nicht überzeugen. Desgleichen gilt auch für ein weiteres Argument, das E. Otto angeführt hat: Nach Otto nimmt 16,3 die nach-priesterschriftlichen Verse 14,11f. invertiert (für 14,11aβb) auf und erweist sich damit als ebenso nach-priesterschriftlich.42 Allerdings ist die Motivkonstella39
S.o. Anm. 27. S.o. Anm. 25. 41 S.u. Kap. 5.3. 42 Vgl. OTTO, Deuteronomium im Pentateuch und Hexateuch, 36–38.54.58; DERS., Fortschreibungen, 312 mit Anm. 17 (die von ihm jeweils aufgeführte Referenzliteratur ordnet Ex 14,11f. zu Recht nach-priesterschriftlich ein [s.o. Kap. 1.2.3. mit Anm. 60 und s.u. Kap. 4.2.1. mit Anm. 23f.], verweist zum Teil auch auf die Formulierungsparallelen zu den anderen Belegen einer Ägyptennostalgie im weitesten Sinne, vertritt aber gerade nicht die von Otto postulierte Kaskade literarischer Abhängigkeiten). Vgl. die Aufnahme bei ACHENBACH, Erzählung, 101f.; DERS., Vollendung, 233. 40
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tion vom vorzuziehenden Tod in Ägypten gegenüber dem durch den Exodus drohenden Tod in der Wüste auch anderweitig belegt (vgl. Ex 14,11; 16,3; Num 14,2f.; vgl. auch Ex 17,3; Num 16,12–14; 20,3–5; 21,5; Dtn 9,28 für das Motiv des Todes in der Wüste infolge des Exodus),43 so dass eine Motivparallele wahrscheinlicher ist als literarische Abhängigkeit – nach deren Richtung Otto auch gar nicht fragt. Ein „signifikanter Textanteil … und nicht allein einzelne Elemente oder Stichworte“ wird auf jeden Fall nicht zitiert.44 Für den Nachweis einer invertierten Zitation im Sinne von Seidels Gesetz reichen die geprägten Exodus- und Wüstenlexeme, die noch dazu an beiden Stellen unterschiedlich verwendet werden (למות/במדבר ;להמית/להוציאנו ;אל־המדבר הזה/)הוצאתם אתנו,45 damit nicht aus.46
Diese Wachtel-und-Manna-Erzählung hat indes einiges an Text aus sich heraus gesetzt: Schon in der Grundschicht erscheinen die Wachteln als bekannte Größe, die es nicht weiter zu erläutern braucht (16,13a), das Manna hingegen als genauer zu definierende Speise (16,13b.14f.21b.31). Aus dem Bericht von der täglichen Sammlung des Mannas und seiner Eigenschaft, in der Sonne zu schmelzen, in 16,21 leiteten sich die Fragen nach der Haltbarkeit und Aufbewahrung des Mannas sowie nach dem Umgang mit dem Manna an dem der Leserschaft bekannten Sabbat ab: In 16,4f.16–20.22–30 wird so die Forderung der Sabbatobservanz auf die gnadenhafte Gabe des Mannas während Israels Wüstenaufenthalt ausgeweitet: Auch das Manna soll am Sabbat nicht gesammelt werden.47 Mit den Sabbat-Nachträgen verschiebt sich das Thema der Erzählung: Statt um die gnadenhafte Speisung der Israeliten in der Wüste geht es nun primär um die Findung des Sabbats; das Manna dient so letztlich als Mittel zum Zweck. Doch nicht nur das Thema ändert sich, auch die Tonalität der Erzählung ist eine neue: Statt um Gottes Zuwendung zu seinem Volk geht es nun um das Versagen dieses Volkes in der göttlichen Prüfung seiner Sabbatobservanz; auch Gottes Zuwendung dient so letztlich als Mittel zum Zweck. Erst 43
S.o. Kap. 1.2.3. WEINGART, Markierung, 160; vgl. aaO., 162. 45 Als signifikant könnte etwa eine invertierte Zitation von 14,11aβ, לקחתנו למות במדבר „dass du uns genommen hast, um zu sterben in der Wüste“, gelten, womit (erstens) ein zusammenhängendes Textstück mit (zweitens) spezifischer Diktion (das von der Septuaginta an 14,11b angepasste unübliche Exoduslexem „ לקחnehmen“) zitiert wäre. 46 Vgl. zu Seidels Gesetz die methodischen Überlegungen sowie die Beispiele bei BEENTJES, Quotations; DERS., Discovering; WEINGART, Markierung, bes. 160–163 (vgl. auch SOMMER, Exegesis, 485 Anm. 12). Innerhalb der Murrerzählungen lässt sich lediglich die Wiederaufnahme von Num 14,29a(nur „ במדבר הזה יפלו פגריכםIn dieser Wüste werden [zer-]fallen eure Leichname“) in 14,32 („ ופגריכם אתם יפלו במדבר הזהEure eigenen Leichname aber werden [zer-]fallen in dieser Wüste“) als invertiertes Zitat deuten (s.u. Kap. 7.2.1.), was angesichts der Vielzahl intratextueller Zitate in Form von Deutungen gehaltener Reden (s.o. Kap. 1.2.1.; Kap. 1.2.3.) sowie von Zitaten und Anspielungen an weitere Texte durchaus bemerkenswert ist. 47 Vgl. MAIBERGER, Manna, 213.215, der diesen Bezug auf 16,21 freilich seinen zwei Erweiterungsschichten B und C zuschreiben muss. 44
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3. Ex 16 – Speisungswunder in der Wüste Sin
ganz am Schluss der Erzählung führt die göttliche Pädagogik, vermittelst Moses, zur erwünschten Einhaltung des Sabbats (16,30). In 16,32–35 wird in einem weiteren Nachtrag das Manna mit der Tradition der vierzigjährigen Wüstenwanderung verbunden; diese Verse haben also einen viel breiteren literarischen Kontext vor Augen als die Wachtel-undManna-Erzählung sowie die Sabbatnachträge. Die Aufbewahrung des Mannas „vor YHWH“ (16,33) und „vor dem Zeugnis“ (16,34) meint dabei „die noch nicht vorhandene Lade in dem noch nicht gebauten Heiligtum“.48 Anders als in den Vorabschattungen der Sinai-Theophanie im ersten Teil des Kapitels sind hier also klar permanente Installationen vorausgesetzt und damit literarisch vorweggenommen. 16,36 schließlich kann zu einem beliebigen Punkt der Entstehung des Kapitels hinzugekommen sein, um das im zweiten Teil des Kapitels belegte Gomer-Maß zu erklären. Die Motivation der jeweiligen Fortschreibungen der Wachtel-und-MannaErzählung lassen sich relativ deutlich unterscheiden: Einerseits wurde die zunehmende Sabbatfrömmigkeit der nachexilischen Zeit von außen an den Text herangetragen. Ex 16 bot sich dafür besonders gut an: Mit dem Manna hat Israel zugleich den Sabbat gefunden. Andererseits sind die nachgetragenen Mose-Reden sowie die Frage der Aufbewahrung des Mannas für spätere Generationen mehr als Ausgleich mit anderen „biblischen“ Texten zu begreifen, also primär textintern motiviert. Beiden Motivationen ist weiter nachzugehen, und die jeweiligen Texte sind in ihrem Zusammenhang zu betrachten.
3.3. Die Sabbatnachträge: Ex 16,4f.16–20.22–30 3.3. Die Sabbatnachträge: Ex 16,4f.16–20.22–30
Die Sabbatnachträge werden mit der YHWH-Rede in 16,4f. prominent eingeführt, die im Folgenden weiter spezifiziert wird: In 16,4a wird die Wachtelund-Manna-Erzählung partiell aufgenommen durch die Ankündigung des vom Himmel regnenden Brotes, in 16,4b.5 wird sodann das neue Ziel, die Einführung von Sabbat und Sabbatobservanz, eingeführt: Das Volk soll täglich seine Tagesration einsammeln, was YHWH als Prüfung der Gebotstreue des Volkes dient, und am sechsten Tag wird die gesammelte Menge das Doppelte der üblicherweise gesammelten Menge betragen. Die YHWH-Rede bleibt bis 16,16 unbeachtet, wo die Mose-Rede aus 16,15b nahtlos fortgesetzt wird: Zu dem in der Grunderzählung definierten Brot als Gabe YHWHs wird nun die Bestimmung zur Sammlung angeführt: Jeder soll „entsprechend seinem Nahrungsbedarf“ ( )לפי אכלוsammeln,49 was am besten nicht individuell, 48
RUPRECHT, Stellung, 275. Vgl. bes. Num 17,16–26. Es ist in der Tat unverkennbar, dass der tägliche Essensbedarf hier terminologisch anders bezeichnet wird als in 16,4 („ דבר־יום ביומוdie Sache des Tages an seinem Tag“). Es ist 49
3.3. Die Sabbatnachträge: Ex 16,4f.16–20.22–30
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sondern kollektiv mit Blick auf die jeweiligen Zeltbewohner zu verstehen ist, wie aus 16,16bβ hervorgeht – und wie es die Septuaginta expliziert.50 Pro Kopf wird dabei als Maßeinheit ein Gomer veranschlagt (16,16bα): Wer viele Köpfe zu versorgen hat, sammelt entsprechend viel, wer wenige Köpfe zu versorgen hat, entsprechend wenig (16,17f.).51 Dass die so Versorgten je nach Alter o.ä. unterschiedlich viel Nahrung bedürfen, ist dabei nicht im Blick, und muss es angesichts der wundersamen Speisung, um die es hier einzig geht, auch nicht; vielleicht ist nicht zufällig vom Gomer-Maß die Rede, das nur in Ex 16 bezeugt ist. Die Explikation der Septuaginta hinsichtlich der kollektiven Deutung macht diese natürlich als Harmonisierung verdächtig. Jedoch geht auch 16,22b davon aus, dass nicht alle Israeliten, die vom Manna aßen, dieses auch sammelten oder zumindest für die Sammlung verantwortlich zeichneten. Die in 16,16–18 bereits einmal belegte Abfolge von Anweisung Moses und Ausführung durch das Volk wird im Folgenden drei weitere Male durchschritten (16,19–22; 16,23f.; 16,25–27), wobei der zweite und der vierte Beleg von der Missachtung des Befehls durch das Volk geprägt sind, so dass YHWH in 16,28f. in Aufnahme seiner ersten Rede erneut auf die Gebotsobservanz Israels zu sprechen kommt. Die ersten beiden Durchgänge des Befehls-Erfüllungs-Schemas explizieren dabei die regelmäßige Sammlung aus 16,4bα, die aber auch unverkennbar, dass 16,4 YHWHs Rede an Mose ist, 16,16 dagegen Moses Anweisung an diejenigen, die nun tatsächlich das Manna sammeln sollen, und dass 16,16 die Sammlung weiter spezifiziert. Eine Spannung zwischen beiden Versen liegt damit nicht vor. 50 אישׁ לפי אכלוwird in 16,16 mit ἕκαστος εἰς τοὺς καθήκοντας „jeder für die Seinen“ und in 16,18 mit ἕκαστος εἰς τοὺς καθήκοντας παρ᾽ ἑαυτῷ „jeder für die Seinen bei ihm“ wiedergegeben. In 16,21 wird sodann singularisch gelesen, die Deutung hiervon kann nach dem Vorangehenden aber nicht mehr fraglich sein: ἕκαστος τὸ καθῆκον αὐτῷ „jeder, was ihm ziemt“. Ob MT ( )כפי אכלוoder Smr ( לפי אכלוwie in 16,16.18) hier ursprünglicher ist, ist so wenig entscheidbar wie für die Interpretation von Bedeutung. Der Vergleich mit 12,4 wurde schon oft angestellt (vgl. etwa GRUND, Entstehung, 250f.), jedoch scheint dort auf die individuelle Essensmenge abgezielt zu sein (was die Septuaginta treffend mit ἕκαστος τὸ ἀρκοῦν αὐτῷ „jeder das ihm Ausreichende“ wiedergibt), das Moment des Wunderhaften fehlt denn auch, vielmehr geht es um eine schlichte Berechnung des Bedarfes. Vgl. auch, mit anderer Formulierung, 12,16. 51 Vgl. HOLZINGER, Exodus, 54; NOTH, Exodus, 107f.; RUPRECHT, Stellung, 288f.; ALBERTZ, Exodus I, 273 (die hier zuweilen vertretene Gleichmachung der Bemühungen der Israeliten durch die göttliche Verteilgerechtigkeit – jeder erhält gleich viel unabhängig von seinem Fleiß, Erfolg o.ä. – ist m.E. unnötig: Wer viel sammelt, hat am Ende keinen Überfluss, weil er viele ernähren muss; wer wenig sammelt, hat am Ende keinen Mangel, weil er nur wenige ernähren muss). Bei dieser Interpretation erübrigt sich die häufig angenommene Aufteilung zwischen der Sammlung nach dem je eigenen Bedarf in 16,16a.18b(.21) und der ex post festgestellten wunderhaften Gleichheit aller angesichts des Wunders Gottes in 16,16b.18a(.22aβ) (vgl. nur WELLHAUSEN, Composition, 78.328; SCHMIDT, Exodus 16, 491; die Zuweisung von 16,17 variiert dabei von Modell zu Modell).
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3. Ex 16 – Speisungswunder in der Wüste Sin
Durchgänge drei und vier explizieren die Bestimmungen zum sechsten Tag aus 16,5: Die tägliche Sammlung des jeweiligen Nahrungsbedarfes (vgl. 16,4bα.16 und in der Grunderzählung 16,21) impliziert, dass kein Manna bis zum nächsten Tag aufbewahrt werden soll (16,19–22) – was sich den ungehorsamen Israeliten auch sogleich als sinnloses Bemühen entpuppt (16,20aβ). Der sechste Tag stellt die Ausnahme der zuvor festgelegten Regel dar (16,5.22.23f.): Die gesammelte Menge erweist sich als das Doppelte der üblichen Tagesration, was seinen Grund in der Besonderheit des von Mose in 16,23 eingeführten siebten Tages hat: Der siebte Tag wird als heiliger Sabbat für YHWH präsentiert; die doppelte Menge an Manna soll am sechsten Tag wie üblich zubereitet werden,52 doch lässt sich das so Zubereitete diesmal ohne Schaden über Nacht aufbewahren. Erst am siebten Tag erschließt sich dessen Bedeutung: Die doppelte Menge des sechsten Tages impliziert, dass am siebten Tag kein Manna gefunden werden kann – was sich den ungehorsamen Israeliten auch sogleich wieder bestätigt (16,25–27). Angesichts des erneuten Ungehorsams ergeht die zweite YHWH-Rede in 16,28f., die auf den Aspekt der Gebotsbefolgung aus 16,4bβ zurück kommt: Die Israeliten sind dem in 16,16–26 in mehrere Gebote ausdifferenzierten Gebot aus 16,4 nicht hinreichend gefolgt und werden nun vermittelst Moses53 in einer letzten Ausdeutung von 16,4f. dazu aufgefordert, am siebten Tag gar nicht erst nach dem nicht vorhandenen Manna zu suchen, sondern am jeweiligen Ort (im Lager) zu verbleiben. Der Sabbat wird ihnen dabei nun wie zuvor das himmlische Brot als Gabe YHWHs präsentiert. Jetzt kann das Volk den Sabbat als Tag der Arbeitsunterbrechung begehen (16,30). Damit schließen die Ergänzungen zum Sabbat, die Erzählung insgesamt kommt mit der aus der Grunderzählung stammenden Benennung des Mannas in 16,31 an ihr vorläufiges Ende. Der zweite Teil des Kapitels, genauer: die Nachträge zum Sabbat, stellen so insgesamt eine Auslegung der dem ersten Teil des Kapitels hinzugefügten
52 16,23bα („ אפהbacken“ und בשׁלpi. „kochen“) präzisiert dabei 16,5aβ ( כוןhi. „zubereiten“). Der vermeintliche Widerspruch (vgl. nur WELLHAUSEN, Composition, 78.328), „daß das nicht gesammelte Manna sich an der Sonne verflüchtigt, während das gesammelte Manna weiterverarbeitet werden kann, [erklärt sich] aus der erzählerischen Absicht: auf diese Weise bleibt Israel auf die täglich neu gegebene Ration Manna angewiesen. Weder bleibt nicht gesammeltes Manna als Vorrat liegen, noch kann man gesammeltes Manna ansparen“ (SCHART, Mose, 134). Hier einen literarkritisch relevanten Widerspruch auszumachen, verkennt die grundlegend „wunderbare[] Art des himmlischen Brotes“ (KUENEN, Manna, 286). 53 Der masoretische Text wie die antiken Versionen haben 16,28f. insgesamt als YHWH-Rede verstanden, und es besteht kein Grund, 16,29 als Moserede (syn- oder diachron) umzudeuten: In YHWH-Reden finden sich häufig Passagen über YHWHs Tun in der 3. Person, und die Anrede an eine Pluralgröße in 16,29 und 16,28b zeigt, dass sich auch diese Rede (wie etwa 16,4f. oder explizit 16,11f.) über den Mittler Mose letztlich an die Israeliten richtet.
3.3. Die Sabbatnachträge: Ex 16,4f.16–20.22–30
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YHWH-Rede 16,4f. dar. 16,4f.16–20.22–30 haben sich als literarisch einheitliche Schicht erwiesen,54 die der Wachtel-und-Manna-Erzählung ein ganz neues Thema und Gepräge verleihen. Aus dem Text der Wachtel-und-MannaErzählung alleine lassen sich die Sabbat-Passagen nicht herleiten, da sich die terminologischen Übereinstimmungen in engen Grenzen halten. Vielmehr dürfte der Anlass der Ergänzung in der Lebenswelt der nachexilischen Tradenten- und Rezipientenkreise zu finden sein, für die die Einhaltung des Sabbat genannten Ruhetages alle sieben Tage identitätsstiftende Funktion hatte und zunehmend bedeutsamer wurde, und in der die Einhaltung des Sabbats zunehmend nachdrücklicher gefordert wurde (vgl. etwa Neh 13,15–22). Angesichts der täglichen Sammlung der göttlichen Gnadennahrung (Ex 16,21) musste zwangsläufig die Frage nach dem Umgang mit dem Manna am siebten Tag, dem Ruhetag gestellt und beantwortet werden. Das Gebot, sechs Tage ( )שׁשׁת ימיםzu arbeiten und am siebten Tag ( )וביום השׁביעיvon der Arbeit zu ruhen (vgl. Ex 20,9f.; 23,12; 31,15; 34,21; 35,2; Lev 23,3; Dtn 5,13f.), konnte auf den speziellen Fall des Sammelns des Mannas angewandt werden: Ex 16,26.55 Einen spezifischen Gebertext für dieses bekannte Gebot auszumachen, erscheint nicht möglich. Deutlich ist freilich, dass 16,26, zumal in Kombination mit 16,23, den jüngeren Belegen des Sabbat-Gebotes näher steht als den tendenziell älteren Belegen des Ruhetags-Gebotes,56 da auch hier der siebte Tag explizit als „Sabbat“ ( ;וביום השׁביעי שׁבת16,26; vgl. Ex
54 Schon KUENEN, Manna, 291f. hat den engen Zusammenhang von 16,4f.16–20.22–30 zu Recht gesehen („Es stimmt v. 16 ... mit v. 22; v. 20 ... mit v. 27 ...; v. 20 ... mit v. 24 ...“; aaO., 291). Gleichwohl betrachtet er nur 16,4f.22–30 als inner-priesterlichen Nachtrag, weil es s.E. nur hier um „die nachdrückliche Bestätigung und Einschärfung des Sabbathgebotes“ (ebd.) gehe. Damit wird er der beschriebenen Doppelstruktur von 16,16–20.22 und 16,23–30, die jeweils 16,4f. explizieren, aber kaum gerecht. Gleiches gilt für die Überlegung bei GRUND, Entstehung, 246, 16,28 sei zusammen mit 16,27(!), wozu sie selbst nur Gegenargumente anführen kann, nachträglich in die Mose-Rede (dazu s. voranstehende Anm.) 16,25f.29 eingefügt worden. Als Folgeproblem dieser These erweist sich für GRUND, aaO., 249 mit Anm. 417 möglicherweise auch 16,20 als Nachtrag, da die Missachtung des Gebotes nun plötzlich singulär (ein literarkritisches Argument?) ist. 55 Damit erübrigt sich der vermeintlich starke Kontrast zwischen der „gleichsam natürlich strukturiert[en]“ Sabbat-Struktur der Zeit bzw. Woche ohne Sabbat-Gebot in einer die Sabbat-Passagen von Ex 16 weitgehend enthaltenden Priesterschrift einerseits, und den ein Sabbat-Gebot voraussetzenden deuteronomistischen Nachträgen in 16,28f. andererseits (zu Vertretern s.o. Anm. 8, das Zitat hier nach KÖCKERT, Leben, 97): In keiner Schicht von Ex 16 findet sich ein explizites Sabbat-Gebot, vorausgesetzt ist ein solches aber bereits im Sammlungs-Verbot für den siebten Tag in 16,26. 56 So mit MAIBERGER, Manna, 189f. gegen GRUND, Entstehung, 255f. Zu den „Wandlungen im Verständnis des Sabbatgebotes“ vgl. KÖCKERT, Palast (das Zitat aus dem Titel) und speziell zu den spät-priesterlichen Sabbat-Texten NIHAN, Sabbatgesetz. Dass das sog. „Privilegrecht“ und mit ihm das Ruhetags-Gebot in Ex 34,21 keineswegs alt ist, haben in letzter Zeit besonders BLUM, „Privilegrecht“ und GESUNDHEIT, Year, 12–43 gezeigt.
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3. Ex 16 – Speisungswunder in der Wüste Sin
20,10; 31,15; 35,2; Lev 23,3; Dtn 5,14) sowie als „Sabbatfeiertag“ und „heiliger Sabbat für YHWH“ ( ;שׁבתון שׁבת־קדש ליהוהEx 16,23; vgl. Ex 31,15; 35,2; Lev 23,3) bezeichnet wird. Eine Ex 16 vergleichbare Rückprojizierung der nachexilischen Sabbat-(Nicht-)Einhaltung in die Zeit der Wüstenwanderung findet sich auch in dem narrativen Text Num 15,32–36, wonach das Sammeln von Holz am Sabbat mit dem Tod zu bestrafen ist (zur Todessanktion vgl. innerhalb des Pentateuch noch Ex 31,14f.): Hier ist aus einigen aus dem Volk, die den Sabbat missachten, aus Ex 16,27 ein einzelner geworden, die Israeliten dagegen erweisen sich durch die Aufdeckung des Vergehens als sabbatobservant. Die Sabbat-Passagen in Ex 16 fügen sich damit gut ein in die Vorstellung der Sabbatstruktur von Zeit und Schöpfung, die in nachexilischer Zeit zunehmend bedeutend wurde. Die Priesterschrift und spätere priesterliche Tradentenkreise hatten maßgeblichen Anteil an dieser Entwicklung. Die literarische Analyse von Ex 16 hat indes gezeigt, dass die Sabbat-Passagen in Ex 16 nicht der Priesterschrift zugewiesen werden können. Die Sabbat-Nachträge in Ex 16 sind daher vielmehr späteren priesterlichen Redaktoren, die auch von deuteronomistischer Theologie beeinflusst sind, zuzuweisen. Zuletzt hat besonders A. Grund vertreten, dass die Sabbat-Passagen in Ex *16 integraler Bestandteil der Priesterschrift seien.57 Auf ihre Argumente ist hier im Sinne einer Gegenprobe zu der hier entfaltenen These daher kurz einzugehen:58
57
Demgegenüber konnte RUPRECHT, Stellung, 291–298, der zwar die Sabbatpassagen nicht nur zur priesterschriftlichen Grundschicht (16,1–3.6f.9–27.30.35a) rechnet, sondern sie als solche schlicht voraussetzt (vgl. aaO., 272), die „Funktion der Mannaerzählung bei P“ ohne Verweis auf den Sabbat behandeln (und darin ist ihm die vorliegende Analyse weitgehend gefolgt). Die Sabbat-Passagen wirken s.E. „wie angehängt“ und sind nur insofern vorbereitet, als in 16,(14.)15 „nur noch vom Manna die Rede ist“ (aaO., 288) – was freilich besser mit der Struktur von 16,13–15 insgesamt begründet werden kann. Wenn schließlich s.E. der deuteronomistische Einschub 16,4f. herausstellt, „daß der zweite Teil der Erzählung, wo es um den Sabbat geht, die Hauptsache ist“, und dass „[d]as Vorangehende ... zum einleitenden Vorspann degradiert“ wird (aaO., 299), läge die Schlussfolgerung nahe, seine Voraussetzung kritisch zu bedenken. 58 Vgl. zum Folgenden GRUND, Entstehung, 238–257 (die Seitenangaben im Haupttext beziehen sich darauf), der sich TUCKER, Composition, 119–121 anschließt. Hinsichtlich der Frage nach der Entstehung des Sabbats bietet Grund eine Synthese der Mehrheitsmeinung, wonach zwischen „dem vorexilischen, שַׁ בָּ תgenannten Vollmondtag und dem ‚siebten Tag‘ als Tag der Arbeitsunterbrechung, die in exilischer Zeit in eins gesetzt wurden zum wöchentlichen Sabbat als Ruhetag“ (BÜHRER, Anfang, 123), unterschieden werden muss (vgl. auch HARTENSTEIN, Sabbat). Unabhängig von der Zuweisung von Ex *16,16– 30 zur ursprünglichen Priesterschrift oder Nachträgen dazu ist das Verständnis des Sabbats als wöchentlicher Tag der Arbeitsunterbrechung für Ex *16 also vorausgesetzt – wie es denn innerhalb der ursprünglichen Priesterschrift ja bereits in Gen 1,1–2,3 angelegt und in 2,2f. belegt ist (vgl. BÜHRER, aaO., 21–163, bes. 110–131).
3.3. Die Sabbatnachträge: Ex 16,4f.16–20.22–30
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Grunds Argumente für die Zuweisung der Sabbat-Passagen an die Priesterschrift sind, nebst der zugrundeliegenden literarischen Analyse von Ex 16,59 1.) dass die von YHWH in 16,11f. angekündigte Speisung und Erkenntnis erst schrittweise in 16,13–30 erfolge (vgl. 248f.253f.), sowie die literarischen Bezüge 2.) zu Ex *12, 3.) zu Ex 6,2–8 und 4.) zu Gen 1,1–2,3 (vgl. 250–253.256). Keines der Argumente vermag, zu überzeugen: 1.) Die angekündigte Speisung und Erkenntnis erfolgen bereits in 16,13–15: Hier wird YHWH als Retter in der Not erkannt, denn von ihm stammt das Brot, das den Israeliten zur Nahrung gegeben ist. Dass die Israeliten das Manna gegessen haben, setzt die Fortsetzung der ursprünglichen Erzählung in 16,21.31 hinreichend deutlich voraus.60 Dass im weiteren Verlauf der Erzählung weitere Erkenntnisse hinzutreten konnten, bleibt dabei unbenommen. 61 2a.) und 2c.) Zweifellos besteht eine Parallele zwischen 16,12 und 12,6, dem (Schlachten und) Essen der Wachteln bzw. des Passalammes „ בין הערביםin der Abenddämmerung“, sowie dem Gebot, nichts bis zum Morgen aufzubewahren, in 16,19 und 12,10. Die erste Parallele betrifft in Ex 16 jedoch die Wachteln und nicht das für die Sabbat-Passagen relevante Manna, und bei der zweiten Parallele ist der Ausgangspunkt des Gebotes unterschiedlich (das Verspeisen des Passalammes in einer Nacht – das regelmäßige Schlechtwerden des Mannas über Nacht). 2b.) Die Parallele zwischen 16,16.18.21 und 12,4 geht nicht über die (nur an diesen Stellen belegte) Wendung des jeweiligen Nahrungsbedarfes (לפי אכלו/ )כhinaus. In 12,4 geht es um die schlichte Berechnung des Essensbedarfes für das in der Abenddämmerung zu verzehrende Fleisch, in 16,16.18.21 um die wunderhafte Brotspeisung jeden Morgen.62 2d.)–2f.) Die Parallelen bezüglich der Aufbewahrung des noch zu schlachtenden Passalammes bzw. der bereits zubereiteten Mannaration für den Sabbat in 12,6a und 16,23, des herausgehobenen siebten Tages in 12,16 (im Zusammenhang nun des Mazzot-Festes) und 16,26 sowie der Erinnerungsfunktion in 12,14.17 und 16,33 sind terminologisch nicht besonders eng, betreffen jeweils unterschiedliche Funktionen in der jeweiligen Erzählung und sind schließlich auf Textpassagen in Ex 12 beschränkt, die aller Wahrscheinlichkeit nach auf einer späteren literarischen Ebene als die priesterschriftliche Grundschicht in Ex 12 und Ex 16 liegen.63 3.) Die Bezüge zwischen der (im Wesentlichen literarisch einheitlichen) priesterschriftlichen Erzählung der Mose-Berufung in Ex 6,2–864 und Ex 16,6f.12 sind be- und anerkannt, betreffen aber nicht den Sabbat. Dass allein der Volksbegriff in 16,30 einen Bezug zur Bundesformel in 6,7 herstellen und „Israel in der Sabbatruhe“ so als „Bundespartner“ YHWHs darstellen solle (252), ist recht weit hergeholt.65 4.) Die „Abend-Morgen-Motivik“ (253), die mit der Tage-Gliederung von Gen 1,1–2,3 verglichen wird, sowie die Vorstellung der Nahrung als Gabe Gottes in Ex 16,15 und Gen 1,29.30 (mit anderer Syntax) betreffen die Wachtel-und-Manna-Erzählung, nicht die Sabbat-Passagen in Ex 16. Darüber hinaus erscheint eine bewusste literarische Bezugnahme hier keineswegs zwingend. Es bleibt damit als einzige klare Parallele zwischen den SabbatPassagen in Ex 16 und der priesterschriftlichen Schöpfungserzählung das Ablassen von der 59
Kritisch hierzu vgl. bereits Anm. 30.54. S.o. Anm. 30. 61 Vgl. RUPRECHT, Stellung, 291 Anm. 49. 62 S.o. mit Anm. 50. 63 S.o. Anm. 11. 64 Vgl. für die Einschätzung von Ex 6,2–8 als im Wesentlichen literarisch einheitlicher Text der Priesterschrift etwa GERTZ, Tradition, 237–250.395; FREVEL, Blick, 115–119. 65 Der hierfür zitierte SCHART, Mose, 133 argumentiert denn auch anders! 60
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3. Ex 16 – Speisungswunder in der Wüste Sin
Arbeit am siebten Tag durch Gott in Gen 2,2 und durch das Volk in Ex 16,30. Dass es sich hier um eine bewusste literarische Bezugnahme handelt – ganz zu schweigen von der Frage, ob sie als intra- oder intertextuell zu bestimmen wäre –, ist gleichermaßen schwierig, zu bejahen wie zu verneinen: Gen 2,2 stellt in der Tat die engste Parallele zu Ex 16,30 unter allen Sabbat-Texten des Alten Testaments dar; dies ist aber kaum erstaunlich, da im Gegensatz zu Gen 2,2 und Ex 16,30 die allermeisten Sabbat-Texte des Alten Testaments keine narrative Darstellung der Einhaltung der Sabbatruhe darstellen; die enge Parallele zwischen beiden Versen mag also schlicht daran liegen, dass hier zwei Erzähltexte Vergleichbares erzählen. Und ein Weiteres spricht eher dafür, dass nicht allzu bewusst auf die priesterschriftliche Schöpfungserzählung abgezielt wird: Dass es in Gen 2,2 um den Schöpfungssabbat Gottes geht, spiegelt sich in Ex *16 nicht wider. Anders als etwa Ex 20,8–11; 31,13–17 weist Ex 16 keine klaren Bezüge zur Erschaffung der Welt durch Gott auf. Das Argument schließlich, dass ohne Ex *16,16–35 „die Kompositionsidee von Gen 1,1–2,3 vom Sechstagewerk und dem siebten als geheiligtem Ruhetag in P vollends in der Luft“ hinge (258 Anm. 477), widerlegt Grund gleich selbst durch die bekannte Parallelisierung der priesterschriftlichen Schöpfungserzählung mit der priesterschriftlichen Sinaiperikope:66 Die Sabbatstruktur der Zeit ist in der Priesterschrift von der Schöpfung bis zum Heiligtumsbau für ihre nachexilischen Rezipienten mit Händen zu greifen – die Sabbat-Passagen in Ex 16 benötigt die Priesterschrift dafür nicht auch noch. Die Argumente von Grund vermögen also, deutlich zu zeigen, dass die Grundschicht von Ex *16 zahlreiche literarische Bezüge zu anderen priesterschriftlichen Texten aufweist, vermögen aber gerade nicht, zu begründen, wozu sie angeführt sind, dass nämlich auch die Sabbat-Passagen in Ex *16 der Priesterschrift angehören.
3.4. Die Nachträge zum Manna in 16,32–35 und die Ergänzungen 16,6f.; 16,8; 16,36 3.4. 16,32–35 und 16,6f.; 16,8; 16,36
Die nachgetragenen Verse 16,6f.; 16,8; 16,32–35 und 16,36 verbindet, dass sie nicht den Sabbat thematisieren, sondern sich auf die gnadenhafte Speisung mit den Wachteln und besonders dem Manna beziehen. Sie dürften gleichwohl diachron auf die Sabbat-Nachträge in Ex 16 folgen, was zumindest für 16,32–35.36 relativ deutlich ist. Anders als bei den Sabbat-Nachträgen handelt es sich bei den Nachträgen zur Wachtel-und-Manna-Erzählung im engeren Sinne nicht um eine einheitliche Schicht. In 16,32 wird mit der gleichen Formulierung wie in 16,16 von Mose eine Weisung YHWHs angeführt; die Weisung aus 16,32 hat jedoch anders als die von 16,16 keinen Referenzpunkt in der Erzählung. Eine gewisse Parallele findet der Vers aber in 16,8, insofern nämlich beide Reden (im masoretischen Text)67 syntaktisch auffällige Nominalsätze darstellen. Die zuvor angesetzte Essensmenge pro Kopf und pro Tag, ein Gomer (vgl. 16,16.18.22), soll nun 66
Vgl. GRUND, Entstehung, 257–273; BÜHRER, Anfang, 126–128 (jeweils mit weiterer
Lit.). 67
Der Samaritanische Pentateuch und die Septuaginta lesen in 16,32 dagegen eine Aufforderung: מלאו/ πλήσατε „Füllt (das Gomer)“.
3.4. 16,32–35 und 16,6f.; 16,8; 16,36
105
aufbewahrt werden zur Erinnerung an die göttliche Gabe des Brotes in der Wüste für die kommenden Generationen. Ein Adressat der Mose-Rede wird hier nicht mitgeteilt, gemeint sein dürften wohl die Israeliten insgesamt. In 16,33 weist Mose jedoch explizit Aaron dazu an, das zuvor Gebotene zu tun – wobei hier zusätzlich das Medium der Aufbewahrung genannt wird. So erstaunlich zuvor die Nicht-Nennung des oder der Adressaten war, erstaunt nun die Referenzgröße der künftigen Generationen: Genau wie in der zitierten YHWH-Rede soll das Manna aufbewahrt werden „ לדרתיכםfür eure Generationen“. Damit aber würde Mose streng genommen seine eigenen Nachkommen ausschließen. Der Abschnitt zur Aufbewahrung des Mannas für künftige Generationen – von Aaron in 16,34 auftragsgemäß durchgeführt – ist damit wohl in sich uneinheitlich, doch lässt sich hier kaum mehr eine klare Textentwicklung rekonstruieren. Wichtiger für den vorliegenden Kontext ist denn auch, dass sich der Abschnitt durch die Aufnahme des in den Sabbat-Passagen eingeführten Gomer-Maßes und der dort eingeführten Möglichkeit, das Manna dann aufzubewahren, wenn YHWH es geboten hat,68 als nochmals spätere Erweiterung erweist. 16,32–34 haben dabei nicht nur die Wachtelund-Manna-Erzählung mitsamt den Sabbat-Nachträgen im Blick, sondern die weiteren priesterschriftlichen und spätpriesterlichen Texte der Sinai-Erzählung, denn sie setzen bereits ein permanentes Heiligtum, beziehungsweise das darin befindliche „Zeugnis“, voraus (vgl. Num 17,19.25). Damit weist der Abschnitt nicht nur inhaltlich über sich hinaus (die Aufbewahrung für künftige Generationen), sondern auch literarisch durch die Exodus- und WüstenMemoria.69 Diesen weiteren Bezugsrahmen weist auch 16,35 auf mit dem Vorausblick auf das Ende der Speisung mit Manna nach den vierzig Jahren der Wüstenwanderung. Dem Vers korrespondiert Jos 5,12, die Feststellung des Ausbleibens des Mannas, als die Israeliten erstmalig vom Ertrag des Westjordanlandes aßen. Im Rahmen der Quellenscheidung wurden Ex 16,35a und 16,35b jeweils einer der in Ex 16 angesetzten Quellenschriften zugewiesen.70 Indes stellt 16,35b eine Präzisierung von 16,35a dar, denn das Aussetzen des Mannas fand nicht beim Erreichen irgend eines bewohnten Landes (16,35a) statt, wozu ja auch die ostjordanischen Gebiete gezählt werden könnten, sondern erst beim Erreichen der Grenze des Landes Kanaan (16,35b; vgl. Jos 5,12b). Der Septuaginta war auch diese Formulierung noch zu unpräzise – es gibt ja
68
Vgl. bes. 16,23. Darüber hinaus entspricht die Aufbewahrung hier der Aufbewahrung des Mannas für den Sabbat, insofern an allen Stellen dieselben Lexeme verwendet werden: „ נוחaufbewahren“ in 16,23.24 und 16,33.34 sowie „ למשׁמרתzur Aufbewahrung“ in 16,23 und 16,32.33.34. 69 Vgl. auch RUPRECHT, Stellung, 274–278. 70 Vgl. nur WELLHAUSEN, Composition, 78f.
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3. Ex 16 – Speisungswunder in der Wüste Sin
zwei Seiten einer Grenze –, daher schreibt sie vom „Gebiet Phoinikiens“.71 Die Präzisierung von Ex 16,35a durch 16,35b kann dabei gleichermaßen nachgetragen wie gleichursprünglich sein.72 Ob 16,35 zusammen mit 16,32–34 geschrieben wurde, lässt sich weder mit Sicherheit bejahen noch verneinen. Unklar bleiben muss auch, wann und in welchem Zusammenhang 16,36, die Erklärung des Gomer-Maßes als zehnter Teil eines Epha, dem Text hinzugewachsen ist. Da hier aber die wundersame Menge des göttlichen Brotes mit einem bekannten Maß verrechnet wird, dürfte diese Erklärung erst nach den Sabbat-Nachträgen entstanden sein. Die beiden Mose-Reden in 16,6f. und 16,8 wurden bereits in Kapitel 3.2. im Zusammenhang behandelt. Hier ist nur noch zu fragen, wann und in welchem Zusammenhang sie der Erzählung hinzugewachsen sind. Dass die Speisung mit Wachteln am Abend und mit Manna am Morgen und die damit einhergehende Gotteserkenntnis (16,12.13–15) in der ersten Mose-Rede ausgeweitet wird auf eine ganztägige, morgens und abends stattfindende Erkenntnis der Herrlichkeit YHWHs (im Unterschied zu der sich in der Theophanie erweisenden Herrlichkeit YHWHs in 16,10b), spricht dafür, dass auch hier ein Mehr an Gottesgeschichte im Blick ist als in der auf die Strecke vom (Schilf-) Meer bis zum Sinai begrenzten Wachtel-und-Manna-Erzählung, dass also zumindest die kontinuierliche Abfolge von sechs Arbeitstagen und einem Ruhetag wenn nicht gar aufgrund der Exodus-Memoria in 16,6b auch das Ende der durch den Exodus eingeläuteten Wüstenzeit (wie in 16,35) im Blick ist. Wenn in der Umadressierung des Murrens in 16,7 tatsächlich eine (leise) Kritik am Volk steckt, könnte hier auch das kontinuierliche Scheitern der Israeliten an den Ansprüchen YHWHs im Blick sein, womit das Resultat des göttlichen Testes aus 16,4b bereits vorweggenommen wäre. In 16,8 wird dann die Ausweitung der Gottesrede durch Mose und Aaron dieser wieder genauer angeglichen und die Umadressierung des Murrens aus 16,7 „zum Überfluß ... erläutert.“73
3.5. Fazit 3.5. Fazit
Ex 16 stellt eine spannungsreiche Einheit dar, die in ihrem ersten Teil von der wunderhaften Speisung der Israeliten mit Manna und Wachteln durch YHWH 71 εἰς μέρος τῆς Φοινίκης; Phönizien steht in der Septuaginta verschiedentlich für Kanaan, vgl. nur Jos 5,12, wo innerhalb der griechischen Überlieferung an Ex 16,35 angeglichen wird (vgl. KRAUSE, Exodus, 352f.). 72 KRAUSE, Exodus, 351–357 spricht sich für Letzteres aus: „Ex 16,35 ist ‚doppelt‘ formuliert, weil und wie es auch Jos 5,11f. ist.“ AaO., 356. S.E. ist 16,35 vom Autor von Jos 5,10–12 geschrieben, um „einen Bezugspunkt“ für die eigene Erzählung zu schaffen (ebd.). 73 LEVIN, Jahwist, 354.
3.5. Fazit
107
berichtet und in ihrem zweiten Teil die wunderhafte Speisung mit Manna als Ausgangspunkt für die Einführung des Sabbats als wöchentlichem Ruhetag beschreibt, den die Israeliten von Beginn an nicht gottgewollt einhalten. Als Kern und Ausganspunkt von Ex 16 hat sich 16,1aβγb.2f.9–15.21.31 erweisen lassen:74 Die Wachtel-und-Manna-Erzählung mit der Errettung aus der (gefühlten) Notlage des nicht vorhandenen Essens stellt eine narrativ-theologische Verbindung zwischen der Errettung der Israeliten am (Schilf-)Meer und der permanenten Einwohnung YHWHs im Volk Israel am Sinai dar – und ist damit integraler Bestandteil der Priesterschrift. Demgegenüber „enthält“ das Kapitel „nicht einmal Fragmente einer vorpriesterlichen Manna-Erzählung“,75 sondern nur Fortschreibungen des priesterschriftlichen Grundbestandes: Mit 16,4f.16–20.22–30 wurde aus der Rettungserzählung eine Erzählung der Sabbat-Findung und Sabbat-Missachtung. Die literarisch aller Wahrscheinlichkeit nach einheitliche Sabbat-Schicht fragt ausgehend von der allmorgendlichen Sammlung des in der Sonne schmelzenden Mannas in 16,21 nach dem Umgang mit dem Manna am (sechsten Tag und am) Sabbat, der die Lebenswelt der nachexilischen Rezipienten des Textes bestimmt. Die SabbatPassagen sind damit als primär textextern motivierte Fortschreibungen der ursprünglichen Wachtel-und-Manna-Erzählung zu interpretieren. Sie verwenden diese in didaktischer Absicht, um die Notwendigkeit der Sabbatobservanz sowie die Einsicht in die Sinnlosigkeit seiner Missachtung bereits vor Israels Aufenthalt am Sinai zu situieren. Die redaktionelle Reichweite der SabbatNachträge ist im Wesentlichen auf Ex 16 beschränkt, dies hat vor allem der Vergleich mit weiteren Sabbat-Texten des Pentateuch gezeigt. Eine Auslegung im engeren Sinne findet nur synchron innerhalb der Sabbat-Passagen selbst statt, indem die Anweisungen Gottes aus 16,4f. in 16,16–18; *16,19– 22; 16,23f.; 16,25–27; 16,28f. in mehreren Schritten präzisiert werden. Die weiteren Nachträge in 16,6f.; 16,8; 16,32–34; 16,35 und 16,36 bringen mehr oder weniger deutlich das für den Sabbat relevante Manna in den Zusammenhang der vierzigjährigen Wüstenwanderung. Sie sind damit anders als die Sabbat-Passagen nicht in erster Linie textextern motiviert, sondern durch den weiteren pentateuchischen und hexateuchischen Erzählablauf. Entsprechend größer ist ihre redaktionelle Reichweite. Im Falle der ersten beiden Mose-Reden 16,6f.8 wird einerseits die zweite Gottesrede vorweggenommen und die dort genannte Gotteserkenntnis der Israeliten expliziert und andererseits das Murren der Israeliten durch die Korrektur ihrer Adressierung kritisiert. Damit findet hier Auslegung im engeren Sinne statt. In beiden Fällen ist
74
Zu 16,1aα s.o. Anm. 9. Kapitel 4.2.2. wird zeigen, dass 17,1a Teil dieser Grundschicht ist. 75 SCHMIDT, Exodus 16, 496.
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3. Ex 16 – Speisungswunder in der Wüste Sin
auch hier der literarische Bezugsrahmen weiter, insofern es explizit um den Exodusgott geht. Bemerkenswert, wenn auch kein Zusatzargument für die hier vertretene These, ist, dass sich auch die innerbiblische Rezeption von Ex 16 im Wesentlichen auf den ersten Teil des Kapitels beschränkt: Der Sabbat und seine Einhaltung scheinen in diesen Texten keine Rolle zu spielen. Das wunderhafte Manna wird aber gegenüber den Wachteln noch weiter hervorgehoben und zum „Himmelsbrot“ und „Engelsbrot“ erhöht;76 zuweilen erscheint das Manna auch alleine (Dtn 8,3.16; Jos 5,12; Neh 9,20). Einzig in Neh 9 wird im ersten Durchgang durch die Heilsgeschichte ab ovo, dem Gottespreis 9,6–15, auf die Kundgabe des Gotteswillens am Sinai (9,13), die Kundgabe des Sabbats (9,14) und die Versorgung mit „Brot vom Himmel“ und „Wasser vom Felsen“ (9,15) zusammen verwiesen, freilich in einer anderen Reihenfolge als im Pentateuch. Im zweiten Teil, 9,16–31, wo Gottes Barmherzigkeit und der Ungehorsam Israels miteinander kontrastiert werden, wird nur noch die Versorgung mit Manna (und Wasser) genannt (9,20). Die Speisung mit Wachteln / Fleisch wird in beiden Fällen nicht erwähnt.
76 Vgl. Ps 78,24: „ דגן־שׁמיםHimmelskorn“ / ἄρτον οὐρανοῦ „Himmelsbrot“; Ps 78,25: „ לחם אביריםBrot der Starken“ / ἄρτον ἀγγέλων „Engelsbrot“; Ps 105,40: לחם שׁמים/ ἄρτον οὐρανοῦ „Himmelsbrot“. Vgl. auch, ohne Verweis auf die Wachteln, Neh 9,15: לחם משׁמים/ ἄρτον ἐξ οὐρανοῦ „Brot vom Himmel“.
4. Ex 17,1–7 – Wasserwunder bei Rephidim: Massa und Meriba 4.1. Ex 17,1–7 – Einführung 4.1. Ex 17,1–7 – Einführung
Im vorliegenden Text des Exodusbuches schließt die Erzählung Ex 17,1–7 durch die Aufbruchsnotiz in 17,1 nahtlos an Ex 16 an: Das Manna- und Wachtelwunder sowie die Findung des Sabbats spielen in der „Wüste Sin“ (16,1), von wo die Israeliten in 17,1 aufbrechen, bis sie, über verschiedene Stationen ()למסעיהם,1 nach Rephidim gelangen (17,1b). Rephidim ist sodann (expliziter oder impliziter) Schauplatz auch der folgenden Erzählungen 17,8– 16 und 18,1–27, ehe die Israeliten von Rephidim weiter in die „Wüste Sinai“ ziehen (19,2; vgl. Num 33,15). Auch die konkrete Bezeichnung des Subjektes in 17,1a, כל־עדת בני־ישׂראל „die ganze Versammlung der Israeliten“, stellt eine Anknüpfung an Ex 16 dar: In Ex 17,1–7 ist ansonsten stets vom „Volk“ oder, einmalig in 17,7, von den „Israeliten“ die Rede,2 nicht aber von „der ganzen Versammlung der Israeliten“. Diese ausführliche Bezeichnung findet sich dagegen in Ex 16,1.2.9.10 – allesamt Teil der im voranstehenden Kapitel rekonstruierten Grundschicht von Ex 16.3 Die Erzählung wird durch die Ortsbenennung in 17,7 abgeschlossen, worin die Ereignisse von 17,1–7 zusammenfassend auf den Punkt gebracht werden: Der Ort des Wasserwunders ist der Ort der „Versuchung und Schmähung“ (πειρασμὸς καὶ λοιδόρησις), ist Massa und Meriba. Die thematisch ganz anders gelagerte Kriegserzählung Ex 17,8–16 wird sodann auch in Rephidim lo-
1 Num 33,(11.)12–14 füllt die Leerstelle und führt die Stationen der Israeliten weiter aus, indem Dophqa ( ;דפקהLXX: ʿΡαφακά) und Alusch ( ;אלושׁLXX: Αἰλούς) genannt werden (zu Num 33,1–49 s.o. Kap. 2.1. Anm. 8). 4QpaleoGen-Exl und 4QExc lesen gegen die bessere Bezeugung durch MT, Smr, LXX, 4QpaleoExm und weitere Textzeugen die Stationen vor dem Aufbruchsort („Und die ganze Versammlung der Israeliten brachte auf nach ihren Stationen von der Wüste Sin…“). 2 Vgl. „ עםVolk“ in 17,1b.2a.3abis.4a.5a.6a. Dazu werden in 17,5a.6b „ זקני ישׂראלdie Ältesten Israels“ genannt. 3 S.o. Kap. 3.2.
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4. Ex 17,1–7 – Wasserwunder bei Rephidim: Massa und Meriba
kalisiert, lässt aber von der dort zuvor erfolgten „Versuchung und Schmähung“ nichts erkennen.4 Ein Vergleich des Aufbaus der Erzählung mit der des ersten Wasserwunders in 15,22–27 erbringt weitere Beobachtungen, die für die Frage der Genese der Erzählung von Bedeutung sein könnten: 1.) Exposition / Problemlage: In 15,22–27 wird zunächst vom Nichtvorhandensein (15,22) und sodann dem Bittersein von Wasser (15,23) berichtet. 17,1 hält dagegen schlicht fest, dass in Rephidim kein Wasser vorhanden war zum Trinken für das Volk. 2.) Klage des Volkes und Reaktion Moses: In 15,24 murrt das Volk gegen Mose ( )לון עלund fragt, was es trinken soll (15,24), woraufhin Mose zu YHWH um Hilfe schreit ( ;צעק15,25a). In 17,2a streitet das Volk mit Mose ( )ריב עםund fordert die Gabe von Wasser; dabei dürfte an dieser Stelle mit 4QpaleoExm, Samaritanus, Septuaginta, Vulgata und weiteren antiken Textzeugen gegen den masoretischen Text der Imperativ Singular zu lesen sein, womit Mose alleine angesprochen ist: „ תנה־לנו מים ונשׁתהGib (du) uns Wasser, damit wir trinken können!“.5 Mose wendet sich nun (noch) nicht an YHWH, sondern deutet das Streiten des Volkes mit ihm als Versuchen ( )נסהYHWHs (17,2b). Damit kommt wieder das Volk in den Blick, das noch immer und immer mehr nach Wasser dürstet ( )צמאund den Tod durch Verdursten befürchtet: Das Volk murrt nun gegen Mose ( )לון עלund stellt angesichts des befürchteten Todes den Exodus in Frage (17,3). Erst jetzt schreit Mose zu YHWH um Hilfe ( )צעקund fürchtet seinerseits den Tod durch das Volk (17,4). 3.) Problemlösung: Entsprechend der doppelten Problemlage in 15,22.23 löst YHWH das Problem der Israeliten in 15,25a.27 in zwei Schritten.6 In 17,5f. folgen Anweisung und – konstatierte aber nicht erzählte – Ausführung der Problemlösung durch ein neuerliches Wasserwunder: Mose soll mit
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Die Erzählung vom Sieg über Amalek lässt sich freilich als bekräftigende Antwort Gottes auf die von Mose formulierte Frage der Israeliten in 17,7b, „Ist YHWH in unserer Mitte oder nicht?“, lesen (vgl. SCHART, Mose, 171). 5 So mit einer Vielzahl an Exegeten (vgl. etwa LEVIN, Jahwist, 356 Anm. 1; ALBERTZ, Exodus I, 279 Anm. 1; u.v.m.). Anders etwa AURELIUS, Fürbitter, 169 (Mose und YHWH); GARTON, Mirages, 158f. (Mose und YHWH; vgl. auch aaO., 130f.184 zu den unterschiedlichen Füllungen des Plurals); vgl. auch ACHENBACH, Vollendung, 304 Anm. 1; 307, nach dem die ursprüngliche Singular-Form durch die Pentateuchredaktion in den Plural geändert wurde, womit nun Mose und Aaron gemeint seien. In der synchronen Abfolge von Ex 16 zu Ex 17 läuft der Bezug wegen 16,2f. wohl auf Mose und Aaron. 6 Zur Textanalyse s.o. Kap. 2., zur Doppelstruktur von Problem und Lösung bes. Kap. 2.2. Dass die Ergänzung 15,25b.26 auch in der Parallelisierung zu 17,1–7 keinerlei Funktion hat, spricht sicher nicht gegen die oben vertretene redaktionsgeschichtliche These zu 15,22–27.
4.2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Ex 17,1–7
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seinem bereits aus den Ägyptenereignissen bekannten Stab auf einen Felsen schlagen, der daraufhin Wasser für das Volk freigibt. 4.) Ortsnamenätiologie: In 17,7 erfolgt als Zusammenfassung der berichteten Ereignisse die Benennung des Ortes als Massa und Meriba; in 15,22–27 wird dagegen nur bei der zweiten Problemlage, dem Bitterwasser, eine Ortsnamenätiologie mitgeteilt (15,23b). Diese hat jedoch nicht mit den dort erfolgten Ereignissen zu tun – denn die Bitterwasser wurden ja gesüßt und damit trinkbar gemacht –, vielmehr wird der bereits bestehende Ortsname aufgrund des zuvor bestehenden, nun aber beseitigten Problems nachvollzogen. Wie in 17,2 findet sich bei der Benennung des Ortes als Massa und Meriba in 17,7 eine neuerliche und zusätzliche Deutung der Geschehnisse: Das Streiten (mit Mose) und das Versuchen YHWHs wird als Infragestellung der Gegenwart YHWHs gedeutet. Wer „neuen Notsituationen nicht im Vertrauen auf bereits Erlebtes begegne[t], sondern eher mit gesteigertem Zweifel“,7 stellt den in Frage, der voraufgehende Notsituationen (schon mehrfach) gewendet hat. Mit der Infragestellung der Gegenwart des Exodusgottes endet die Erzählung im Wesentlichen mit dem gleichen Wort, mit dem sie eingesetzt hat: אין: „Ist YHWH in unserer Mitte oder nicht?“ (17,7bβ) / „Nicht gab es Wasser zum Trinken für das Volk“ (17,1bβ).
4.2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Ex 17,1–7 4.2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Ex 17,1–7
Die knappe Nacherzählung und der kurze Vergleich beider WasserwunderErzählungen des Exodusbuches8 haben bereits wichtige Beobachtungen für die Frage der Genese der Erzählung Ex 17,1–7 erbracht: Erstens fällt auf, dass sich 17,1a mit dem Aufbruch von der „Wüste Sin“ (→ Ex 16,1) und der Benennung der Israeliten als „ כל־עדת בני־ישׂראלdie ganze Versammlung der Israeliten“ (→ Ex 16,1.2.9.10) eng an Ex 16 anlehnt, obwohl nach traditioneller Deutung Ex 17,1–7 als jahwistischer Text dem priesterschriftlichen Kapitel Ex 16 diachron vorausgehen müsste. Auch dort, wo das Quellenmodell in dieser Form nicht mehr vertreten wird, wird Ex 17,1–7 meist als der ältere der beiden Texte betrachtet. Zweitens fällt die Mehrzahl an Ortsbezeichnungen auf, die sich alle im Wesentlichen auf denselben Raum beziehen: Rephidim (17,1) – „ שׁםdort“ (17,3) – „ המקוםder Ort“ (17,7) – Massa und Meriba (17,7). Dazu kommen noch die Hinweise in 17,6 auf den Ort der Präsenz YHWHs beim Wasserwunder: „dort auf dem Felsen am Horeb“ ()שׁם על־הצור בחרב.
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DOHMEN, Exodus, 403. Der Vergleich mit der Wasserwundererzählung Num 20,1–13 erfolgt in Kap. 9.1.
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4. Ex 17,1–7 – Wasserwunder bei Rephidim: Massa und Meriba
Drittens fällt auf, dass das Murren des Volkes zweifach und mit unterschiedlicher Terminologie berichtet wird: einmal als Streiten mit Mose (ריב ;עם17,2a), einmal als Murren gegen Mose ( ;לון על17,3). Mit Blick auf den nachfolgenden Kontext, die Offenbarung auf dem Berg Sinai, fällt sodann viertens die Nennung des Horeb in 17,6 auf, womit die deuteronomisch-deuteronomistische Bezeichnung des Gottesberges gewählt ist, die innerhalb des Exodusbuches nur in Ex 3,1; 17,6; 33,6 belegt ist. Dabei wird verschiedentlich auch der Zusammenhang der Nennung des Horeb, nämlich die Theophanie YHWHs dort (17,6aα), als auffällig im literarischen Kontext charakterisiert.9 Die vier Beobachtungen entsprechen denen von E. Zenger, der insgesamt sieben Beobachtungen aufführt, die s.E. gegen die literarische Einheitlichkeit der Erzählung sprechen.10 Dabei wird die erste Beobachtung durch den hier erfolgten Einbezug des Kontextes, Ex 16, noch deutlich prägnanter als bei Zenger. Zenger nennt folgende drei weitere, jeweils zusammengehörende, Beobachtungen, auf die im Einzelnen zurückzukommen sein wird, die für die Analyse aber eine untergeordnete oder keine Rolle spielen: „(5) Der Befehl in V. 5aβ ‚Gehe du dem Volk voraus!‘ gehört vorstellungsmäßig mit dem literarkritisch problematischen V. 6aα … zusammen und wird seinerseits dadurch literarkritisch affiziert; er nimmt überdies den Befehl ‚Geh‘, der am Ende von V. 5 gegeben wird, vorweg.“ „(6) Die ätiologische Notiz in V. 7a ist insofern auffallend, als sie sich nicht, wie von der vorliegenden Textfolge her zu erwarten wäre, auf den Felsen bezieht, der Wasser gibt, sondern auf den Ort … der Meuterei …“ „(7) Das abschließende Zitat der Rede des Volkes (V. 7bγ) wirkt nachhinkend und angehängt, zumal es in der Geschichte selbst vorher weder semantisch vorbereitet noch geschehensmäßig gedeckt ist.“
4.2.1. Die beiden Murrlexeme: Ex 17,2 und 17,3 Sind die gemachten Beobachtungen auch allgemein bekannt, so kann doch schwerlich von einem Konsens in der literarhistorischen Auswertung dieser Beobachtungen gesprochen werden. In der Regel wird die doppelte Beschreibung des Murrens als Ausgangspunkt für die Analyse genommen und als literarhistorisch auszuwertende Spannung interpretiert.11 Ausgehend davon wird – setzt man sich nicht dem Zwang der Quellenscheidung aus, die die beiden
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Vgl. etwa ZENGER, Israel, 59 („V. 6aα [die Theophanie YHWHs auf dem Felsen am Horeb] unterbricht den syntaktisch (zweimal we-qatal!) und geschehensmäßig engen Zusammenhang der ‚Beauftragungsformel‘ ‚Geh und schlage!‘ (Ende von V. 5 und V. 6aβ).“); AURELIUS, Fürbitter, 168f. 10 Vgl. ZENGER, Israel, 58f. Die folgenden Zitate entstammen alle aaO., 59 (Herv. gelöscht). 11 Selbst KUPFER, Israel, 77 spricht in seiner achronen Analyse von einer „Doppelung“, wertet dies allerdings in seinem Theorierahmen nicht weiter aus.
4.2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Ex 17,1–7
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Murrlexeme unterschiedlichen Quellfäden zuwies12 – eine Grundschicht und eine oder mehrere Erweiterung(en) rekonstruiert. Dabei wird mal die erste, mal die zweite Beschreibung des Murrens als ursprünglicher gewertet: 1.) Ursprünglich sei der Rechtsstreit in *17,1.2.4–7 ()ריב. Dagegen sei *17,3 mit dem priesterlichen Murrlexem לוןnachgetragen, um dieses Lexem zu ergänzen und die Schuld des Volkes wegen seiner Ägyptennostalgie zu verschärfen.13 2.) Ursprünglich sei die tendenziell positive Erzählung des Wasserwunders mit der nicht sonderlich negativ gewerteten Beschwerde des Volkes in *17,1.3–6 ()לון, die nachträglich um *17,2.7 erweitert worden sei, um die Schuld des Volkes wegen des Rechtsstreits zu verschärfen.14 3.) Mag die jeweilige Zuordnung schon an sich etwas beliebig erscheinen, und sind auch Zusatzargumente mittels anderer Texte wenig aussagekräftig,15 12 Vgl. aus der älteren Forschung etwa NOTH, Exodus, 109–112, der freilich „positive[] Merkmale[]“ für E, dem er 17,3 zuweist, vermisst; vgl. DERS., Überlieferungsgeschichte, 32.39. 13 Vgl. etwa (mit unterschiedlichen Textzuweisungen im Einzelnen) FRITZ, Israel, 10– 13; AURELIUS, Fürbitter, 167–176; LEVIN, Jahwist, 356–358; HERRMANN, Frage, 48–50; JOHNSTONE, Sea, 257f.; ACHENBACH, Vollendung, 302–308 (Achenbach unterscheidet zwischen einer „Urfassung“ als Wundererzählung, der Hexateuchredaktion als Murrerzählung [ ]ריבund der Pentateuchredaktion [ לוןsowie „ נסהversuchen“], doch bleiben die genauen Textzuweisungen und der methodische Zugriff etwas unklar; vgl. auch aaO., 228 Anm. 116); NIHAN, Mort, 164; MACDONALD, Anticipations, 10–14; RÖMER, Nostalgia, 75 (in DERS., Sojourn, 433 rechnet er mit einer Grundschicht ohne jegliche Murrlexeme); JEON, Call, 182–184; SCHMIDT, Stab, 261–264. SCHMID, Jahwist, 65 mit Anm. 19 rechnet mit einer innerjahwistischen Erweiterung. 14 Vgl. etwa (mit unterschiedlichen Textzuweisungen im Einzelnen) RUPRECHT, Stellung, 302–304; ZENGER, Israel, 56–75; SCHART, Mose, 167–169; BERNER, Wasserwunder; ALBERTZ, Exodus I, 284 (für die im Einzelnen nicht mehr rekonstruierbare Vorlage des i.W. einheitlichen Textes von Ex 17,1–7; vgl. DERS., Wüstenüberlieferung, 144.148); GERMANY, Narrative, 103–106. 15 So leitet AURELIUS, Fürbitter, 168 aus dem Fehlen von לוןin Num 20,1–13, das „anerkanntermaßen von Ex 17:1–7 abhängt“, ab, dass Ex 17,3 entsprechend ein noch jüngerer Zusatz zu Ex 17 sein muss (vgl. auch MACDONALD, Anticipations, 10 Anm. 7). Ungeachtet der vorausgesetzten Abhängigkeitsrichtung (die auch in dieser Arbeit „anerkannt“ wird; s.u. Kap. 9.) vermag das Argument schwerlich zu überzeugen: Wenn das Fehlen von לוןfür eine priesterliche Murrerzählung so „auffällig“ oder gar „unerklärlich“ ist, ist es das völlig unabhängig von der Redaktionsgeschichte von Ex 17,1–7. Es ist also von Num 20,1–13 aus zu fragen, weshalb das Lexem dort nicht verwendet wird. Dazu lässt sich immerhin so viel sagen, dass ריבin 20,3 (parallel zu Ex 17,2) angesichts der Lokalisierung der Erzählung bei den „Wassern von Meriba“ in Num 20,13 schlicht notwendig ist, dass mit „ קהל עלsich versammeln gegen“ in 20,2 ein weiteres Murrlexem verwendet wird, das auf priesterliche Texte i.w.S. beschränkt ist, und dass auch „ נסהprüfen“ bzw. „Massa“ in 20,1–13 keine Verwendung findet. Schließlich ist zu bedenken, dass es der vorliegenden Erzählung von 20,1–13 weniger um das Volk, als viel mehr um dessen Anführer geht. Zu guter Letzt kann auch darauf verwiesen werden, dass auch in der nicht-priesterlichen Mara-Erzählung, die
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4. Ex 17,1–7 – Wasserwunder bei Rephidim: Massa und Meriba
muss entgegen dieser Mehrheit mit nur wenig anderen Stimmen durchaus als fraglich gelten, ob 17,2 und 17,3 tatsächlich eine Doppelung darstellen:16 Beim Streiten mit Mose ist Gegenstand der Volkesrede die Wasserforderung – auf die Mose nicht eingeht (17,2b), beim Murren gegen Mose die Infragestellung des Exodus angesichts des nun befürchteten Verdurstens in der Wüste. Man kommt nicht umhin, von einer Steigerung der Bedrohungslage zu sprechen, die durch die Feststellung des Durstens des Volkes in 17,3aα (nach Moses Untätigkeit in 17,2b) präzise zum Ausdruck gebracht wird. Zu dieser Verschlimmerung der Situation passt auch Moses zweite Reaktion in 17,4: Er wendet sich jetzt erst an YHWH, hat jedoch nicht das Volk und dessen Not, sondern in erster Linie sich selbst und seine Not im Blick: Aus Moses Perspektive begegnet das Volk dem Wassermangel mit der Wasserforderung, dem befürchteten Tod durch Verdursten mit der Androhung des Todes Moses durch Steinigung (17,4b).17 Indem im weiteren Verlauf das Ausgangsproblem beseitigt wird, erübrigt sich auch Moses Problem – zumal die Art und Weise der Problemlösung die zentrale Bedeutung seiner Person bzw. seines Amtes hervorhebt. Ex *17,1–7 einmal unmittelbar vorangegangen sein dürfte, לוןverwendet wird: Ex 15,24 (s.u.). GERMANY, Narrative, 105 argumentiert entsprechend seiner These in die umgekehrte Richtung: Da in Num 20,1–13 von „ נסהprüfen“ bzw. „Massa“ nicht die Rede ist, sind die entsprechenden Verse in Ex 17,1–7 (17,2.7) erst nach der Aufnahme der Erzählung in Num 20,1–13 im Ursprungstext eingefügt worden. Dagegen lassen sich die gleichen Fragen stellen wie an die Argumentation von Aurelius. 16 Vgl. einerseits EERDMANS, Studien, 53f.; BLUM, Studien 148–152; DOHMEN, Exodus, 400; ALBERTZ, Exodus I, 282–284, die den Text im Wesentlichen für literarisch einheitlich halten, und andererseits GARTON, Mirages, 192–195.198f., der 17,2aαbβ.3aβb. 4aβ(einleitend )לאמר.b sowie die Meriba-Passagen in 17,7 zusammen einer Bearbeitungsschicht zuweist. Zu Gartons komplexer Analyse s.u. Kap. 4.3. BLUM, aaO., 150 mit Anm. 205 erkennt in der Erzählung einen „sorgfältige[n] Aufbau des Spannungsbogens“: „Wesentlich ist dabei die sukzessive inhaltliche Verschiebung im Vordergrund der Erzählhandlung: Aus dem Wassermangel als Ausgangsproblem (v. 1b) wird mit der Forderung in v. 2a … und vor allem mit v. 3f. die Infragestellung der Führung durch Mose. Diese Zuspitzung auf die Person Moses nimmt dann auch die Lösung auf in dem betont demonstrativen Handeln Mose[s] … In dieser Linie und als Vermittlung zwischen der Forderung in v. 2 und Moses Angst in v. 4 erscheint mir gerade die Eskalation mit v. 3 wichtig, die daraus resultiert, daß das Volk nun den Wassermangel zu spüren bekommt. Nur wer die (durch die Inclusio [ ]צמא – צמאbetonte) Rede vom Dürsten in v. 3 ausblendet, muß in dem Vers die viel erörterte Dublette zu v. 2 sehen …“ 17 Vgl. etwa BERNER, Wasserwunder, 201 („nur der … Vorwurf, Mose habe das Volk aus Ägypten in die Wüste geführt, um Mensch und Vieh verdursten zu lassen, ist drastisch genug, um die Reaktion in 17,4 plausibel zu machen: Vom Volk mit dem Vorwurf einer vorsätzliche[n] Tötungsabsicht konfrontiert, muss Mose selbst um sein Leben fürchten.“), dem man freilich entgegen halten kann, dass nur die Steigerung, also die Kombination von 17,2 und 17,3, die Todesangst Moses begründen kann; zumindest führen 17,3 vergleichbare Vorwürfe des Volkes in den anderen Murrerzählungen (s.u.) nicht zu Moses Todesangst.
4.2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Ex 17,1–7
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Wie in der Mara-und-Elim-Erzählung Ex 15,22–25a.27 findet sich damit auch in Ex *17,1–7 eine narrative Verschlimmerung der Ausgangslage: Dort stellte sich das Murren des Volkes gegen Mose ( ;לון על15,24) erst allmählich ein, hier steigert sich das Missfallen des Volkes zunehmend, weil es den Wassermangel deutlicher zu spüren bekommt. Blickt man auf die Mara-Erzählung, die Ex *17,1–7 einmal unmittelbar vorangegangen sein dürfte,18 kann zudem gesagt werden, dass Ex *17,1–7 mit לון עלzumindest eines der beiden Murrlexeme vorgegeben war, da dem Volk auch in Mara dieses Murrlexem in den Mund gelegt wird (vgl. 15,24). Ex *17,1–7 vorgegeben dürfte freilich auch das zweite Murrlexem, ריב עם, sein, auch wenn dieses als Murrlexem auf die Belege der Meriba-Erzählung beschränkt ist (vgl. Ex 17,2bis.7; Num 20,3.13; 27,14 [als Substantiv]; Dtn 33,8; dazu noch Meriba als Ortsname in Ex 17,7; Num 20,13.24; 27,14; Dtn 32,51; 33,8; Ps 81,8; 95,8; 106,32): „ ריבstreiten“ (absolut oder mit unterschiedlichen Präpositionen) und Lexeme derselben Wurzel sind vielfach belegt und reichen vom handgreiflichen Streit Gleichrangiger (vgl. etwa Ex 21,18) über den Zwist zwischen Gruppen (vgl. etwa Gen 26,20–22)19 zum Gerichtsverfahren (vgl. etwa Ex 23,3.6) und dem Streiten Gottes (vgl. etwa Jes 3,13; Hos 4,1) bzw. dem Streiten mit Gott (vgl. etwa Jer 12,1). Ob „ ריבstreiten“ in Ex 17,2(.7) mehr handgreiflich oder quasi-rechtlich verstanden wird, das Volk wegen des Wassermangels Mose angegangen hat oder einen Anspruch auf Wasser einklagen wollte, lässt der Text nicht erkennen. Deutlich ist aber, dass die Reaktion des Volkes als unangemessen betrachtet wird, und dass sich die oft belegte Engführung auf die rechtliche Deutung nicht rechtfertigen lässt. Die Wiedergabe dieser Lexeme in der Septuaginta ist nicht einheitlich. Mit λοιδορέω „schmähen“ und verwandten Lexemen wird nicht nur das Murren der Israeliten in Ex 17,2.7; Num 20,3.13 bezeichnet,20 sondern etwa auch das Handgemenge in Ex 21,18. Der Brunnenstreit in Gen 26,20–22 changiert zwischen μάχομαι „zanken, kämpfen, streiten“ und κρίνω „rechten“. Letzteres und verwandte Lexeme sind schwerpunktmäßig in Rechtstexten belegt (vgl. etwa Ex 23,3.6; Jes 3,13; Hos 4,1), etwas weniger formell ist δικάζω „streiten, richten“ (vgl. etwa Ri 6,31f.). Jeremias Widerspruch gegen YHWH in Jer 12,1 wird als Verteidigungsrede verstanden: ἀπολογέομαι.
Können damit beide Murrlexeme als der Erzählung vorgegeben betrachtet werden, wird die Einschätzung zusätzlich gestützt, dass sie in Ex 17,2 und
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S.u. Kap. 4.2.5. GARTON, Mirages, 186 beschränkt den Vergleich auf Gen 26,20–22 und zieht daraus entsprechend wenig überzeugende Schlüsse. Demgegenüber sieht AURELIUS, Fürbitter, 172f.176 insbesondere das Jeremiabuch als Quelle für ריב/ Meriba in Ex 17, was genauso reduktionistisch ist. 20 Anders als in Ex 17,7 wird der Ortsname „Wasser von Meriba“ in Num 20,13 als ὕδωρ ἀντιλογίας „Wasser des Widerspruchs“ verstanden. 19
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4. Ex 17,1–7 – Wasserwunder bei Rephidim: Massa und Meriba
17,3 keine nachträgliche Doppelung, sondern von Anfang an eine narrative Steigerung darstellen. Die Infragestellung des Exodus durch das Volk teilt Ex 17,3 mit weiteren (zitierten) Volkesreden innerhalb der Murrerzählungen (vgl. Ex 16,3; Num 11,4–6.18–20; 14,2–4; 16,12–14; 20,3–5; 21,5 sowie Ex 14,11f.). Für T. Römer stellt dies ein Zusatzargument für die Nachträglichkeit von 17,3 innerhalb der Erzählung dar, da s.E. die vor-sinaitischen Wüstenerzählungen eine ehedem rein positive Wüstenvorstellung gehabt und erst redaktionell das die vorliegenden Texte bestimmende negative Wüstenbild erhalten hätten.21 Römer argumentiert einerseits mithilfe des Vergleiches mit prophetischen und deuteronomisch-deuteronomistischen Texten zur Wüstenzeit Israels, die ein sehr viel positiveres Bild von Israels Wüstenwanderung zeichnen,22 andererseits mittels knapper redaktionsgeschichtlicher Analysen der Murrerzählungen. Der Blick auf die Redaktionsgeschichte der einzelnen (vor-sinaitischen) Texte und der Motiv-Vergleich sprechen jedoch gegen Römers These: 1.) Während die erste Erwähnung des Motivs in Ex 14,11f. in der Tat ein Einschub im vorliegenden Textzusammenhang ist, da „das von Mose vorgebrachte Heilsorakel in V. 13f mit keiner Silbe auf das ‚Murren‘ in V. 11f eingeht“, und „die Vorwürfe in V. 11f eher die Wüstenzeit (literarisch) vor Augen [haben] als die unmittelbare Gefährdung durch die Verfolger“,23 legen die hier vorgelegten Analysen zu Ex 16 und 17,1–7 das Gegenteil für 16,3 und 17,3 nahe: In beiden Fällen ist das Motiv der Infragestellung des Exodus inhaltlich und stilistisch gut in der jeweiligen Erzählung verankert.24
21 Vgl. RÖMER, Nostalgia und, im Detail unterschiedlich, bereits DERS., Exode. Zur knappen Darstellung von Römers Gesamtthese s.o. Kap. 1.2.4. mit Anm. 135.137–142. Zur Infragestellung des Exodus als wiederkehrendes Motiv der Murrerzählungen s.o. Kap. 1.2.3. 22 Vgl. hierzu nebst den in der voranstehenden Anm. genannten Texten auch RÖMER, Geschichtswerk. 23 GERTZ, Tradition, 216; vgl. aaO., 201f. Vgl. BERNER, Exoduserzählung, 385–389. Der Samaritanische Pentateuch hat Ex 6,9 als Anknüpfungspunkt für die Volkesrede in 14,12 interpretiert und sie dort entsprechend eingefügt. Zu Ex 14,11f. im Vergleich zu den Murrerzählungen vgl. bes. VERVENNE, Protest. 24 Im Falle von Ex 16,3 hält RÖMER, Nostalgia, 75f.84 freilich eine andere Auswertung für denkbar: „that Exod 16:3 represents the oldest text, which inspired the redactor of 14:11–12 and other texts.“ AaO., 75 Anm. 32. In DERS., Exode, 163f.171 hielt er Ex 16,3 noch klar für einen integralen Bestandteil des priesterschriftlichen Kapitels. Der von RÖMER, Nostalgia, 74 für seine These angeführte GERTZ, Tradition, 202f. äußert sich nicht zur Einordnung von 16,3 und lässt aaO., 216 Anm. 120 sogar die gegenteilige These vermuten; dagegen stuft der von Römer angeführte OTTO, Deuteronomium im Pentateuch und Hexateuch, 36–45 Ex 16,3 in der Tat nach-priesterschriftlich ein (vgl. aaO., 36–38.54.58), rechnet jedoch „die gesamte Erzählung in Ex 16,1–15 nicht zu PG“ (aaO., 37). Zu Ottos Argumentation und ihrer Kritik s.o. Kap. 3.2. mit Anm. 42–46.
4.2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Ex 17,1–7
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2.) In Ex 14,11f.; 16,3 wird der Tod in Ägypten dem in der Wüste vorgezogen, die Lebensumstände in Ägypten als besser bewertet als die in der Wüste. Letzteres machen auch explizit Num 11,4–6.18–20; 16,12–14 und implizit Ex 17,3; Num 20,3–5; 21,5. In Num 20,3–5 wird darüber hinaus der Tod durch YHWH dem Tod durch Verdursten in der Wüste vorgezogen (vgl. Ex 16,3). In Num 14,2–4 werden Leben und Sterben in Ägypten und in der Wüste der Landnahme vorgezogen – und eine Rückkehr nach Ägypten beschlossen. Ex 17,3; Num 11,4–6.18–20; 16,12–14; 21,5 weisen keinen Todeswunsch auf, Ex 17,3 auch keine Ägyptennostalgie im Sinne einer Idealisierung Ägyptens:25 Der Exodus wird in Frage gestellt, weil in der Wüste der Tod durch Verdursten droht; im Unterschied zu den auch nur implizit die Lebensumstände in Ägypten positiv ausmalenden Klagen in Num 20,3–5; 21,5 wird hier keinerlei Gegenbild gemalt (in Num 20,5: Saat, Feigenbäume, Weinstöcke, Granatapfelbäume, Wasser; in Num 21,5: Brot und Wasser im Gegensatz zu der in der Wüste vorhandenen mageren Nahrung). Ex 17,3 ist damit derjenige Text, der seine Infragestellung des Exodus am vorsichtigsten formuliert; die Zeit in Ägypten wird in keiner Weise positiv gezeichnet, sie ist überhaupt nicht im Blick; nur der unmittelbar befürchtete Tod in der Wüste stellt den als Befreiung gedachten Exodus in Frage. Dies und die Beobachtung, dass die Volkesrede in 17,3 von allen besprochenen Texten, in denen das Volk den Exodus in Frage stellt, die kürzeste Rede darstellt, lässt zumindest als möglich erscheinen, dass 17,3 der älteste der genannten Texte ist, der von den weiteren Belegen dann in die eine oder andere Richtung weiter ausgemalt wurde. Aufgrund der stereotypen Formulierung der Texte lässt sich jedoch eine literarische Abhängigkeit der Texte nicht eindeutig nachweisen. Daher kann auch erst die weitere Analyse von 17,1–7 zeigen, ob 17,3 literarhistorisch vor 16,3 anzusetzen ist oder nicht. Damit können weder in der Diskussion angeführte stilistische noch inhaltliche Gründe 17,2f. überzeugend aufspalten. Die Erzählung hat damit von Anfang an zwei Volkesreden und zwei unterschiedliche Murrlexeme enthalten. Dass das Volk in 17,3 von sich zunächst im Plural („Warum hast du uns aus Ägypten heraufgeführt?“), danach im Singular („um mich, meine Söhne und mein Vieh sterben zu lassen vor Durst?“) spricht, ist auffällig – und von der Septuaginta und der Vulgata mit durchgängigen Pluralformen vereinheitlicht worden – aber nicht singulär, wie etwa Num 20,19 zeigt.26 Die bereits erfolgte Heraufführung des ganzen Volkes droht nach Aussage des Volkes zum Tod jedes einzelnen zu führen.27
25
Der Begriff von RÖMER, Nostalgia, 70 („idealization of Egypt“). Insgesamt fällt in Ex 17,1–7 die uneinheitliche Verwendung von Plural- (17,1.2aβγb. 3b[nur ]העליתנו.4b.7) und Singularformen (17,2aα.3[außer ]העליתנו.6a) mit Blick auf das Volk auf. Allerdings wird man bei einer aus einer Mehrzahl zusammengesetzten Größe wie dem Volk sowie einer Vielzahl diesbezüglich vergleichbarer Texte dieser Beobachtung 26
118
4. Ex 17,1–7 – Wasserwunder bei Rephidim: Massa und Meriba
4.2.2. Die Verortung der Erzählung: Ex 17,1 Beide Belege des Murrens, 17,2 und 17,3, sind auf Vorkontext angewiesen. In 17,3 wird mit „ שׁםdort“ ein Rückverweis auf einen Ort gemacht,28 17,2 ist als solches völlig kontextfrei. Die voraufgehende Beschreibung des Wassermangels in 17,1bβ nennt zwar das Ausgangsproblem und damit den Anlass für das Murren des Volkes, lässt aber die Erzählung auch im luftleeren Raum stehen. Steht 17,1a wegen der gegenüber der restlichen Erzählung unterschiedlichen Bezeichnung für die Israeliten in Spannung zu dieser und lässt sich darüber hinaus einwandfrei dem priesterschriftlichen Itinerar Ex 16,1aβγb → 17,1a → 19,1 (von der Wüste Sin zur Wüste Sinai) zuweisen, so verbleibt nur 17,1bα, Rephidim, als Lokalisierung der Wasserwundererzählung. „ ויחנו ברפידיםund sie lagerten in Rephidim“ ist indes seinerseits auf Vorkontext angewiesen – und findet diesen am einfachsten in der in Ex 16,1a Spannung erzeugenden Aufbruchsnotiz 16,1aα,29 womit die Erzählung vom Wasserwunder bei Rephidim nicht nur inhaltlich, sondern auch literarisch mit der Mara-und-Elim-Erzählung (15,22–25a.27) verbunden wird:30 Und sie kamen nach Elim … Und sie lagerten dort am Wasser. Und sie brachen auf von Elim und lagerten in Rephidim. Aber es gab kein Wasser zum Trinken für das Volk.
… ויבאו אילמה ויחנו־שׁם על המים ויסע מאילם ויחנו ברפידים ואין מים לשׁתת העם
15,27 16,1aα 17,1bα 17,1bβ
Der priesterschriftliche Text *16,1aβγb–17,1a ist damit eingebettet in den nicht-priesterschriftlichen Zusammenhang 16,1aα; 17,1b.31 Trifft das Gesagte Richtiges, so war *17,1–7 von Anfang an in Rephidim lokalisiert32 – und kein allzu großes Gewicht beimessen. Im Falle von Num 20,19 liest die Vulgata konsequent Pluralformen, die Septuaginta liest den letzten Satz des Volkes wie den ersten im Plural, hat dazwischen aber wie der masoretische Text je eine Plural- und eine Singularform. 27 Vgl. BAENTSCH, Exodus-Leviticus-Numeri, 159; RÖMER, Nostalgia, 75 Anm. 35; ALBERTZ, Exodus I, 286. 28 Der Rückverweis vermag gegen ALBERTZ, Exodus I, 284 (für die Vorlage von 17,1– 7) und GERMANY, Narrative, 103f. nicht, die Last der literarkritischen Nachordnung von 17,2 zu tragen. 29 S.o. Kap. 3.2. mit Anm. 9. 30 Vgl. VAN SETERS, Life, 153–164 (im Detail etwas anders); SCHMIDT, Priesterschrift, 485f.; DOZEMAN, Itineraries, 260–273 und die in Anm. 33f. genannte Lit. 31 Das nicht-priesterschriftliche Itinerar findet seine Fortsetzung in 19,2aα. Vgl. die in der voranstehenden Anm. genannte Lit. 32 Dagegen ist für BLUM, Studien, 148 Anm. 198 17,1abα in Gänze eine „priesterlich formulierte Stationenangabe“. Im Rahmen seiner vorpriesterlichen Komposition KD würde damit jedoch die Feststellung von 17,1bβ, dass kein Wasser vorhanden ist, inhaltlich wenig sinnvoll unmittelbar (wenn nicht auf die Feststellung des Lagerns am Wasser in 15,27 dann) auf das Trinkbarmachen der Wasser von Mara in 15,25a folgen (vgl. insgesamt aaO.,
4.2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Ex 17,1–7
119
konnte auch unter diesem Namen in Erinnerung gerufen werden (vgl. Num 33,14f.). Ob das Itinerar und die Wasserwundererzählung dabei gleichursprünglich sind,33 oder die Erzählung nachträglich in ein Stationenverzeichnis eingetragen wurde,34 muss die literarhistorische Einordnung der Erzählung erweisen.35 4.2.3. Massa und Meriba: Ex 17,2.7 In Ex 17,7 wird der Ort des Wasserwunders wegen der Intervention des Volkes, die zu dem Wasserwunder führte, als „Massa und Meriba“ benannt.36 144–152 und zur Problematik der Itinerare den berechtigten Hinweis aaO., 146 Anm. 189). S.E. haben erst die priesterlichen Tradenten zur hinreichenden Unterscheidung von Ex *17,1–7 und Num *20,1–13 das erste Wasserwunder „in Ex 17,1b zusätzlich und ‚eindeutig‘ lokalisiert: in ‚Rephidim‘, also unter Vorgriff auf die Ortsangabe, die sie in 17,8 vorfanden.“ AaO., 277. Damit scheint Blum aber einerseits aus dem Itinerar doch mehr abzuleiten, als s.E. methodisch möglich ist (vgl. nochmals aaO., 146 Anm. 189), und andererseits ist Rephidim in Ex 17,8–16 nicht stärker verankert als in 17,1–7: Der „mehrfach[] verdeckte[] Wortspielanklang“ „‚ – רפד ;רפה ידיםstützen‘; ‚ – רפידהLehne‘“ (aaO., 152 Anm. 217) ist eben nur verdeckt, lässt sich nur rezeptionsästhetisch herstellen, steht aber nicht im Text. Rephidim der Erzählung in *17,1–7 literarhistorisch nachzuordnen, bereitet damit sehr viel mehr Probleme, als es als Voraussetzung der Erzählung zu betrachten. Desgleichen gilt etwa auch im Gegensatz zur Analyse von GARTON, Mirages, 157–201, bei dessen ersten drei Textschichten die Referenz von „ שׁםdort“ in 17,3 unbestimmt bleibt, und auch gegen T. Polas Übersetzung von Rephidim mit „Lager“ aufgrund des „sachlich[en]“ Bezuges auf 17,8–16 (POLA, Priesterschrift, 269), denn: Das mit רפדbereitete Lager ist gerade kein militärisches (vgl. Hi 17,13; vgl. auch Hld 3,10). 33 So etwa ALBERTZ, Exodus I, 279–284 (vgl. auch aaO., 256.261–264 für die Zuweisung des vor-priesterlichen Itinerars Ex 15,27; 16,1aα; 17,1bα an die Exodus-Komposition; vgl. DERS., Wüstenüberlieferung, 143f.148) oder GERMANY, Narrative, 103–107, für den Erzählung und Itinerar nach-priesterlich sind; Germany übergeht dabei einerseits die Spannung, die durch die unterschiedliche Benennung Israels in 17,1a und der restlichen Erzählung herrührt. Andererseits überzeugt seine Argumentation für die nach-priesterliche Ansetzung von 17,1bα und 19,2aα*(nur ( )ויסעו מרפידיםdie priester[schrift]liche Lokalisierung der Wüste Sin zwischen Elim und dem Sinai in 16,1a hätte Rephidim noch nicht im Blick; vgl. aaO., 107) nicht – und zwar weder in der von ihm vorausgesetzten Einschätzung der Priesterschrift als Bearbeitungsschicht (die Wüste Sin ist auch dann zwischen Elim und dem Sinai, wenn auf dem Weg zum Sinai noch Rephidim liegt), noch, und erst recht nicht, in einem kombinierten Quellen- und Fragmentenmodell, bei dem vor-priesterschriftliches und priesterschriftliches Itinerar und Erzählmaterial zumindest im hier interessierenden Textbereich ehedem eigenständig waren. 34 So etwa BERNER, Wasserwunder (vgl. auch KRATZ, Komposition, 300.301–304). 35 S.u. Kap. 4.2.5. 36 Dass also die „Meuterei“ und nicht das Wunder oder der Felsen zur Ortsbenennung führen, ist gegen ZENGER, Israel, 59 (s.o. mit Anm. 10, Zengers sechste Beobachtung) und dessen Aufnahme etwa bei SCHART, Mose, 167 nicht besonders auffällig, wie ein Blick auf andere Ortsnamenätiologien zeigt: In Num 11,3 wird der Ort nach der Art der Bestrafung des Volkes benannt (Tabera wegen des brennenden, בער, Feuers), nicht nach dem Verge-
120
4. Ex 17,1–7 – Wasserwunder bei Rephidim: Massa und Meriba
17,7abα ist dabei chiastisch aufgebaut, indem die Begründung der Namensgebung den zweitgenannten Namen zuerst, den erstgenannten Namen an zweiter Stelle behandelt: Massa und Meriba – wegen „ ריבstreiten“ und „ נסהversuchen“. Benennung und Begründung nehmen Moses deutende Erwiderung auf das Volk in 17,2bβ ( )ריב – נסהauf, die Benennung in chiastischer, die Begründung in paralleler Reihenfolge. Dass das Streiten des Volkes in 17,2 Mose als Adressaten hatte, wird in 17,7 nicht mehr explizit genannt. Das im Alten Testament seltene Nebeneinander zweier Namen für denselben Ort, Massa und Meriba, und die Tatsache, dass alle anderen Verweise auf diesen Ort Massa und Meriba nicht klar miteinander gleichsetzen oder nur einen der beiden Namen verwenden, Massa oder Meriba,37 wird oft als Indiz für eine gestufte Entstehung des Doppelnamens gewertet. Dabei sehen die meisten Analysen Meriba in 17,7 und „ ריבstreiten“ in 17,2.7 als älter an, Massa in 17,7 und „ נסהversuchen“ in 17,2.7 dagegen als von deuteronomisch-deuteronomistischer Hand nachgetragen, was mit der stärkeren Verankerung von „ ריבstreiten“ in der Erzählung (ausgehend von 17,2a) und der geringeren Beleglage von Massa begründet wird.38 Der Befund wäre damit mit hen des Volkes oder der Reaktion Moses darauf; in Num 11,34 spiegelt sich in dem zusammengesetzten Namen Qibrot-Hattaawa das Vergehen des Volkes ( אוהhitp. „begierig sein“) und der Ausgang seiner Bestrafung (die Bestattung, קבר, der Verstorbenen) wider, nicht aber etwa das Wachtelwunder. Kurz: Es scheint schlicht keine Gesetzgebung zu geben, welcher Bestandteil einer Erzählung für die Ortsnamenätiologie herangezogen wird. Dies dürfte nicht zuletzt darin begründet liegen, dass zuweilen bestehende Ortsnamen ex post begründet, zuweilen aber Ortsnamen erst durch Erzählungen gebildet worden sein dürften. 37 Massa und Meriba: Ex 17,7; Dtn 33,8 (keine explizite Gleichsetzung); Ps 95,8 (keine explizite Gleichsetzung); Meriba: Num 20,13.24; 27,14 (Meribat-Kadesch); Dtn 32,51 (Meribat-Kadesch); Ps 81,8; 106,32; Ez 47,19 (Meribat-Kadesch); 48,28 (Meribat-Kadesch); Massa: Dtn 6,16; 9,22. Daneben wird Ex *17,1–7 in Num 33,14f. mit dem Namen Rephidim in Erinnerung gerufen. 38 Vgl. etwa NOTH, Überlieferungsgeschichte, 32 Anm. 111; DERS., Exodus, 109–112; LEHMING, Massa; FRITZ, Israel, 48–55; RUPRECHT, Stellung, 303; CHILDS, Exodus, 306; SCHMID, Jahwist, 66f.; BLUM, Studien, 150f.; SCHART, Mose, 168 Anm. 69. Vgl. auch ALBERTZ, Exodus I, 284; DERS., Wüstenüberlieferung, 144.148. Diesen Konsens greift GARTON, Mirages, 182–187 an und argumentiert ausgehend von 17,7, dass die spätere Einfügung von Meriba die „einfachere“ Annahme sei, weil in diesem Fall nur ein zusammenhängender Einschub in 17,7 anzunehmen ist ()ומריבה על־ריב בני ישׂראל, wohingegen bei Massa wegen der chiastischen Aufnahme der Namen in ihrer Begründung zwei nicht zusammenhängende Einschübe in 17,7 notwendig wären ()מסה … ועל נסתם את־יהוה. Über Leistung und Grenze dieses Kriteriums editorischer Einfachheit denkt Garton an dieser Stelle nicht weiter nach – da es in seinen Rekonstruktionen ansonsten keinerlei Rolle spielt (so weist er etwa seiner Meriba-Schicht nebst der Meriba-Passage in 17,7 die nicht zusammenhängenden Ergänzungen 17,2aαbβ.3aβb.4aβ[einleitend ]לאמר.b zu), scheint es hier eher ad hocBegründung seiner auch sonst verfolgten Herleitung der Thesen aus dem Deuteronomium zu sein; vgl. aaO., 184: „First and foremost, the M-Mt reminiscences in Deut 6:16 and 9:22 anticipate this conclusion.“ Zu Gartons Analyse insgesamt s.u. Kap. 4.3.
4.2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Ex 17,1–7
121
den beiden vorangehenden Erzählungen Ex *15,22–27 und Ex *16 vergleichbar, wo die mit „ נסהversuchen“ formulierten Passagen und der damit jeweils zusammenhängende Text Ex 15,25b.26; 16,4f.16–20.22–30 als (auch) deuteronomisch-deuteronomistisch geprägte Ergänzungen zu werten sind. Allerdings ist hierbei Zweierlei zu beachten: Einerseits sind Subjekt und Objekt von „ נסהversuchen“ gerade gegensätzlich in Ex 15,25b; 16,4 (YHWH versucht Israel) und in Ex 17,2.7 (Israel versucht YHWH). Andererseits stehen Ex 15,25b.26; 16,4f. in deutlicher Spannung zum jeweils umliegenden Text, in Ex 17,2.7 gilt dies für die mit „ נסהversuchen“ formulierten Passagen nicht: „Literarisch läßt V.7 sich nicht aufdröseln: Das Motiv der Versuchung wird auf eine Weise eingeführt, die es sogleich mit dem Motiv des Streites verbindet.“39 Desgleichen gilt für 17,2b, wo Mose das Streiten des Volkes mit ihm als dem Mittler zwischen YHWH und dem Volk als Versuchung YHWHs deutet und damit die unmögliche Forderung des Volkes an ihn korrekt readressiert. Ein literarkritisch auszuwertender Bruch in Moses Antwort liegt nicht vor.40 „Der Ort wird also ‚Massa und Meriba‘ genannt, ist wahrscheinlich in Ex 17:7 immer so genannt worden, und es ist zu bezweifeln, daß diese Namen je wirkliche Orte bezeichnet haben. Die Lokalisierungsversuche haben zu keinem sicheren Ergebnis geführt; beide Worte kommen anderswo eindeutig als abstrakte Begriffe vor; und sie lassen sich beide in Ex 17 als künstliche Bildungen, rein ‚theologische Ortsnamen‘ hinreichend erklären.“41 Der letztlich nicht exakt lokalisierte Ort Massa und Meriba, der von Rephidim etwas (wenn auch nicht allzu viel: 17,5–7.8) entfernt vorgestellt wird, und an den auch nur mit einem der beiden Namensbestandteilen erinnert werden kann, dient damit in erster Linie der Erinnerung an das kritisierte Verhalten der Israeliten in der Wüste.42 Dieses Verhalten, genauer das Versuchen YHWHs, wird in 17,7bβ in einer neuerlichen Deutung expliziert: Wie Mose schon in 17,2 das Streiten gegen ihn als Versuchen YHWHs deutete, so deutet er oder der Erzähler dieses Versuchen nun als Infragestellung der Gegenwart YHWHs. Als Deutung muss die Volkesrede „weder semantisch vorbereitet noch geschehensmäßig gedeckt“ sein, „nachhinkend und angehängt“ ist sie auf jeden Fall nicht.43 Wie sich die Bedrohungssituation und ihre Wahrnehmung in 17,1–4 verschlimmern, so auch die Deutung der Reaktion des Volkes auf diese Bedrohungs39
LEVIN, Jahwist, 357. Vgl. etwa AURELIUS, Fürbitter, 169. 41 AURELIUS, Fürbitter, 170. Vgl. die Aufnahme bei LEVIN, Jahwist, 357. 42 Vgl. AURELIUS, Fürbitter, 175f. („Die Namengebung in Ex 17:7 dient lediglich dazu, das Verhalten des Gottesvolkes gegen Gott und seinen Boten dem Gedächtnis tief einzuprägen.“ AaO., 176); DOHMEN, Exodus, 399f. 43 Gegen ZENGER, Israel, 59 (beide Zitate). Zu bedenken ist nochmal, dass die Erzählung mit der Infragestellung der Gegenwart des Exodusgottes im Wesentlichen mit dem gleichen Wort endet, mit dem sie eingesetzt hat: אין. S.o. Kap. 4.1. 40
122
4. Ex 17,1–7 – Wasserwunder bei Rephidim: Massa und Meriba
situation. Ein vergleichbarer Vorgang findet sich etwa in Ex 16,6f.8, wo das Murren der Israeliten gegen Mose und Aaron von diesen als Murren gegen YHWH gedeutet wird, oder in Num 11,13 und 11,18.20, wo die Volkesrede zunächst von Mose und dann von YHWH deutend reformuliert wird.44 4.2.4. Das Wasserwunder: Ex 17,4–6 Haben sich damit bisher 17,1b–3.7 als literarische Einheit erwiesen, ist nun die Erzählung des eigentlichen Wasserwunders zu analysieren. Die „rein persönliche Klage“45 Moses in 17,4 bringt seine Todesangst angesichts des im Ablauf der Erzählung wie im Vergleich zu Ex *15,22–27 gesteigerten Murrens des Volkes zum Ausdruck.46 Wegen der direkten Forderung an Mose „ תנה־לנו מים ונשׁתהGib (du) uns Wasser, damit wir trinken können!“ in 17,247 fragt er nun … „ מה אעשׂהWas soll ich tun …?“. Demgegenüber reagierte er in 15,25 auf die nicht adressierte Frage des Volkes מה־נשׁתה „Was sollen wir trinken?“ in 15,24 mit dem nicht verbalisierten Hilfeschrei an YHWH. Dass Mose in seiner Frage … „ מה אעשׂה לעם הזהWas soll ich tun für dieses Volk (da) …?“ das Volk durch die betonte Hervorhebung mittels Demonstrativpronomens negativ qualifiziere,48 mag in diesem spezifischen Kontext nicht falsch sein. Die Wendung als solche ist freilich nicht wertend.49 YHWHs Antwort an Mose benennt in 17,5 die Vorbereitung zur und in 17,6a die Ausführung der Problemlösung, die Mose sodann in 17,6b auftragsgemäß vollzieht. Die knappe Form der Auftragsbestätigung („ ויעשׂ כן משׁהUnd Mose machte es so“) lässt dabei nicht rückblickend erkennen, was alles zum Auftrag gehört hat.
44
Zu Ersterem s.o. Kap. 3.2., zu Letzterem s.u. Kap. 5.1.; Kap. 5.3. AURELIUS, Fürbitter, 171. 46 Gegen LEVIN, Jahwist, 356–358 haben sich damit gegenüber Ex *15,22–27 nicht nur die Not und die Klage des Volkes verschärft, sondern auch die Reaktion Moses darauf. Weshalb letztere Verschärfung gegenüber den ersten beiden literarhistorisch später anzusiedeln sein sollte, ist nicht ersichtlich. 47 Zur textkritischen Auswertung s.o. Kap. 4.1. mit Anm. 5. 48 So etwa SCHART, Mose, 186.200 (vgl. aaO., 103.120.151); ALBERTZ, Exodus I, 287; DERS., Wüstenüberlieferung, 153 mit Anm. 47, der in der Doppeldeutigkeit der Frage gerade ein Anzeichen für die Verarbeitung einer ehedem positiven Vorlage erkennen will; KUPFER, Israel, 80 Anm. 137. 49 Vgl. etwa Ex 3,21; 5,22.23; 18,18.23; 32,21.31; 33,12. Durch den Kontext bedingt lässt sich etwa in Ex 32,9; Num 11,11.12.13.14; 14,11 zumindest eine gewisse Distanzierung erkennen. Bemerkenswert sind besonders Ex 32 und Num 14, wo die distanzierende Rede von „diesem Volk“ jeweils YHWH in den Mund gelegt wird (Ex 32,9; Num 14,11), Mose sich aber gerade für „dieses Volk“ einsetzt (Ex 32,31; Num 14,13.14.15.16.19bis). Nur in Num 11,11–15 klagt Mose selbst explizit über „dieses ganze Volk“ und wünscht sich letztlich wegen „dieses ganzen Volkes“ und nicht wie in Ex 32,31f. um dieses Volkes willen zusammen mit ihm den Tod. Dazu s.u. Kap. 5.3. mit Anm. 68. 45
4.2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Ex 17,1–7
123
Die Vorbereitung in 17,5 ist in sich gegliedert, indem 17,5aβb den Eingangsbefehl aus 17,5aα, „ עבר לפני העםGeh dem Volk voraus!“,50 weiter detailliert: Mose soll einige der Ältesten Israels und seinen Stab nehmen und so gehen. Die beiden Befehle der Fortbewegung („ עבר לפניGeh voraus!“ und „ והלכתUnd geh!“) sind damit nicht als Doppelung zu verstehen und der eine51 oder andere52 davon als Nachtrag zu werten. Mit den Ältesten und dem Stab Moses werden quasi die Requisiten des sogleich aufgetragenen und durchgeführten Wasserwunders – „einander gezielt chiastisch gegenübergestellt“53 – genannt: Zugute kommt es dem Volk (vgl. 17,6aβ), das eigentliche Wasserwunder geschieht aber nur vor den Augen der Ältesten (vgl. 17,6bβ). Moses Stab wird in 17,5b mit einem Relativsatz als der bereits aus den Ägyptenereignissen bekannte Stab qualifiziert. Wenn auch im vorliegenden Zusammenhang nichts auf einen Zusatz hinweist, so erweisen doch die eingespielten Referenztexte den Relativsatz als spätere Einfügung in 17,5b54 – wo er denn auch bedenkenlos gestrichen werden kann.55 „ אשׁר הכית בו את־היארmit dem du auf den Nil geschlagen hast“ nimmt die Erzählung der Wasserplage aus Ex *7,14–25 auf, die in 7,15b.17b.20a den Stab Moses nennt, mit dem er die Wasser im Nil geschlagen hat (7,20). Der Text ist anerkanntermaßen mehrschichtig,56 wie sich etwa am Unterschied der verwendeten Stäbe, den unterschiedlichen Akteuren und den unterschiedlichen Konsequenzen bezüglich des Wassers zeigt:57 Er enthält einen vor-
50
Vgl. zur Übersetzung JACOB, Exodus, 492 und die Aufnahmen davon etwa bei ZENIsrael, 57f.; DOHMEN, Exodus, 374.376.401f. mit Verweis u.a. auf Gen 32,17; 33,3.14. Die Unterscheidung zwischen einem lokalen und einem temporalen Verständnis wirkt dabei freilich etwas künstlich, da sich in den meisten Fällen beides gegenseitig bedingt. 51 Etwa gegen ZENGER, Israel, 57, der „Geh dem Volk voran!“ als Vorwegnahme von „Und geh!“ interpretiert (s.o. mit Anm. 10, Zengers fünfte Beobachtung). 52 Etwa gegen LEVIN, Jahwist, 358 (17,5aβb kommen „zu spät und verderben die Szene“) oder SCHMIDT, Stab, 261f., der 17,5b insgesamt für später hält; aber warum müsste die Anweisung, den Stab zu nehmen und zu gehen „vor den Anweisungen in V. 5a stehen“ (SCHMIDT, aaO., 262)? 53 BERNER, Wasserwunder, 198. 54 S.u. Kap. 4.2.5. zur literarhistorischen Verortung der Grundschicht von Ex *17,1–7, mit der letztlich die Entscheidung über die Gleichursprünglichkeit oder Nachträglichkeit des Relativsatzes erst getroffen wird. 55 Vgl. auch etwa ACHENBACH, Vollendung, 304f. (aaO., 228 Anm. 116 scheint dagegen die Stabesthematik der Grundschicht insgesamt abgesprochen zu werden); ALBERTZ, Exodus I, 279.283; DERS., Wüstenüberlieferung, 146f.; GERMANY, Narrative, 104–106 (als Möglichkeit); GARTON, Mirages, 160[hier mit falscher Schichtzuweisung].195f.199.263. 56 Vgl. die diesbezüglich unverdächtige Einschätzung von EERDMANS, Studien, 23f. und die im Folgenden genannte Lit. 57 Vgl. zum Folgenden die Analyse bei GERTZ, Tradition, 79–84.98–113.395 sowie etwa ACHENBACH, Vollendung, 305; BLUM, Verbindung, 134.153f.; ALBERTZ, Exodus I, 136f.140–142; BERNER, Wasserwunder, 196.201–205; GERMANY, Narrative, 43f.55f. Vgl. GER,
124
4. Ex 17,1–7 – Wasserwunder bei Rephidim: Massa und Meriba
priesterschriftlichen Strang, in dem YHWH den Nil schlägt ()נכה, so dass die Fische darin sterben und das Wasser darin vorübergehend untrinkbar wird: Ex 7,14.15a.16.17a.b*.18. 21a.23–25. Der Text enthält sodann den priesterschriftlichen Strang, der im Anschluss an und in Analogie zu 7,8–13 ein Erweiswunder Moses und Aarons vor dem Pharao berichtet, bei dem Aaron seinen Stab über sämtliche Gewässer Ägyptens ausstrecken ( )נטהsoll, woraufhin alle Gewässer Ägyptens zu Blut werden, und die ägyptischen Zauberer Gleiches tun: Ex 7,19.20aα*(nur )ויעשׂו־כן משׁה ואהרן כאשׁר צוה יהוה.21b.22. Schließlich enthält der Text redaktionelle Ausgleiche zwischen den genannten Erzählsträngen, die von einem Schlag ( )נכהauf den Nil durch Mose mit seinem Stab sprechen, woraufhin sich das Wasser im Nil in Blut verwandelt: Ex 7,15b.17b*(nur במטה אשׁר־בידי עלund )ונהפכו לדם.20aα*(nur )וירם במטה ויך את־המים אשׁר ביאר.aβb. Moses Stab hier ist also dem priesterschriftlichen Stab Aarons (vgl. nebst *7,19–22 auch die Belege in 8,1–3 und 8,12–15) nachgebildet und führt den vor-priesterschriftlichen Schlag YHWHs gegen den Nil aus, damit dieser wie in der priesterschriftlichen Darstellung zu Blut wird. In diesen redaktionellen Passagen wird dabei auf einen weiteren Stabestext Bezug genommen, indem in 7,15b der Stab Moses als derjenige qualifiziert wird, der sich bereits zu einer „ נחשׁSchlange“ verwandelt hatte (הפך wie in 7,17b). Damit ist Ex 4,2–4 mit dem Stab Moses im Blick – im Unterschied zum Stab Aarons, der in Ex 7,8–13 zu einer „ תניןSchlange“ wurde –, ein Kapitel, das seinerseits schon von seiner Anlage her zu großen Teilen nach-priesterschriftlich einzuordnen ist.58
Durch die Hinzufügung des Relativsatzes in 17,5 wurde aus dem zunächst unverdächtigen und nur hier belegten Stab Moses ein Wunderrequisit, das Mose bereits bei den Erweiswundern vor Israel (Ex *4) und vor dem Pharao (Ex *7 sowie *9,15–35; *10,1–20) sowie beim Meerwunder (Ex *14,16) verwendet hat.59 Das Wasserwunder in Ex 17 steht durch den expliziten Rückverweis nun in Kontrast zum Wasserwunder in Ex 7: Dort wurde Wasser untrinkbar gemacht, hier wird eine neue Wasserquelle erschaffen – durch den Stab Moses. „Mit seinem Stab in der Hand wirkt er den Ägyptern in gleicher Weise zum Schaden wie den Israeliten zugute.“60
auch SCHMIDT, Stab, 258–261, der jedoch die Belege des Mose-Stabes noch vor-priesterschriftlich einordnet. 58 Vgl. die Analyse bei GERTZ, Tradition, 305–334.345–348.394 sowie etwa BLUM, Verbindung, 127–130.133–140.153f.; RÖMER, Exodus 3–4; BERNER, Exoduserzählung, 106–136; ALBERTZ, Exodus I, 69–77; GERMANY, Narrative, 21–35. Dagegen rechnet etwa SCHMIDT, Stab, 254–258 mit einem vor-priesterschriftlichen Kern in Ex 4, der auch den Stab Moses in 4,2–4 umfasst habe. 59 Zur nach-priesterschriftlichen Ansetzung der Belege auch in Ex 9; 10; 14 vgl. die Analysen von J.C. Gertz, zusammengefasst bei GERTZ, Tradition, 395f., und BERNER, Exoduserzählung, 222f.235.359f. (jeweils mit Verweis auf die Textgeschichte). Auch 17,9bβ mit dem „Stab Gottes“ in Moses Hand steht innerhalb der Erzählung *17,8–16 isoliert und damit im Verdacht, nachgetragen zu sein in der freilich schon an sich nach-priesterschriftlichen Erzählung. Vgl. etwa BERNER, aaO., 121; ALBERTZ, Exodus I, 279f.283f. (mit vorpriesterschriftlicher Ansetzung des Grundbestandes); GERMANY, Narrative, 106–108; OSWALD, Amalek, 66. 60 BERNER, Wasserwunder, 204.
4.2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Ex 17,1–7
125
Wahrscheinlich war dieser Verweiszusammenhang hinreichender Anlass zur Ergänzung in 17,5. Nicht unmöglich ist aber auch die von R.E. Garton vorgetragene These, dass der Relativsatz in 17,5 durch die Stabesproblematik in Num 20,8–11 (Moses oder Aarons Stab?) hervorgerufen sein könnte, um in Ex 17 explizit zu machen, was hier vom engeren literarischen Kontext zwar klar sein müsste, ausgehend von Num 20 aber missverständlich sein könnte: „Canonically, the only purpose this relative clause serves in Exod 17:5 is to disambiguate the staff Moses uses in the immediate episode as opposed to the one Moses uses in Num 20:8–11.“61 Ist zwar erstere Deutung (im engen Sinne) naheliegender, so handelte es sich in beiden Fällen um eine schriftgelehrte Ergänzung, die Ex 17,1–7 mit weiteren Texten verknüpft.
Auch die beauftragte Ausführung in 17,6a ist kaum einheitlich: Ziel des Voranschreitens ist der Felsen, auf den Mose – mit dem in seiner Hand befindlichen Stab – schlagen soll, und der daraufhin Wasser für das Volk freigeben wird.62 Der Stab in der Hand, Moses Gehen und Moses Schlagen stehen damit in unmittelbarer Abfolge, die durch die Ankündigung der Theophanie YHWHs „dort auf dem Felsen am Horeb“ (17,6aα) unterbrochen wird.63 Der Ergänzer stellt klar, dass nur die Präsenz YHWHs das Wasserwunder bei dem Felsen bei Rephidim ermöglicht hat und zieht die Sphäre des Gottesberges hier ähnlich wie in den Nachträgen Ex 15,25b.26; 16,4f.16–20.22–30 (Gesetzgebung in der Wüste) und in dem ebenso späten Text Ex 18, der bereits am Gottesberg spielt (18,5), insgesamt in die Wüste vor.64 Der Felsen wird „an den Horeb verlegt, weil er jetzt zum Ort einer Theophanie geworden und 61 GARTON, Mirages, 196. Zur Stabesproblematik in Num 20,8–11 s.u. Kap. 9.2. Dass Num 20,1–13 auf Ex 17,1–7 (rück-)gewirkt hat, erhellt etwa die Septuaginta, die in Ex 17,6b die Augenzeugenschaft des Wasserwunders an Num 20,12 anpasst: Nicht nur einige der Ältesten Israels, sondern die Israeliten insgesamt haben das Wasserwunder gesehen. Nach BERNER, Wasserwunder, 205 bediene sich die ganze „nachpriesterschriftliche ‚Stabbearbeitung‘ … der Vorlage aus Num 20,1–13 mit der Absicht …, diese gezielt zu überbieten.“ Gegen die hierin vorausgesetzte Abhängigkeitsrichtung Num *20,1–13 → Ex *17,1– 7 spricht nur schon die eben angesprochene Aufweitung der Augenzeugenschaft des Wunders in Num 20,12. Ausführlicher hierzu s.u. Kap. 9.2. 62 Das Ziel von Moses Voranschreiten ist damit mit dem nicht weiter lokalisierten aber offensichtlich für Mose bei Rephidim lokalisierbar gedachten Felsen hinreichend gegeben. Gegen BERNER, Wasserwunder, 199, für den nur der namentlich genannte Horeb diese Ziel-Funktion einnehmen kann. 63 S.o. mit Anm. 9. Gegen die opinio communis, die in 17,6a mindestens den Horeb wenn nicht die ganze Theophanieankündigung für sekundär erachtet, haben jüngst BERNER, Wasserwunder, 198f.201f. und GARTON, Mirages, 160.192.197.260 Ex 17,6 für literarisch einheitlich und zur Grundschicht des Kapitels gehörend betrachtet. Berner verortet diesen Grundbestand (17,1bβ.3aβb.4–6) nach-priesterschriftlich (in Ergänzung zum vorpriesterschriftlichen Itinerar 17,1bα), Garton (Grundbestand: 17,3aα.4aα[ohne ]לאמר. 5a.b[ohne ]אשׁר הכית בו את־היאר.6) in konzeptioneller und literarhistorischer Nähe zu Dtn 8,15. 64 Vgl. etwa BLUM, Studien, 162f. Anm. 271; FREVEL, Ex 18, 538–544; MACDONALD, Anticipations.
126
4. Ex 17,1–7 – Wasserwunder bei Rephidim: Massa und Meriba
eine solche (nach dem Ergänzer) nur ‚am Horeb‘ am Platze ist (cf Ex 33:21– 23).“65 Dass die weiteren Belege des Horeb im Exodusbuch ebenso nachgetragen oder sehr spät sind, spricht sicher nicht gegen die vorgetragene These.66 Dagegen interpretieren einige Exegeten nur den „Horeb“ als Glosse, sehen die Theophanie aber als integralen Bestandteil des Kapitels an.67 Indes klappt (so etwa Albertz) oder hinkt (so etwa Noth) der Horeb hier im Unterschied zu Ex 3,1 nicht nach: Der Felsen und der Horeb werden nicht etwa gleich gesetzt (wie der Gottesberg und der Horeb in 3,1), vielmehr ist ein spezifischer Felsen am Horeb gemeint, weshalb die unterschiedlichen Präpositionen („ על־הצור בחרבauf dem Felsen am Horeb“) inhaltlich motiviert sind.
Die Erzählung schließt mit der Ausführung des Wasserwunders vor den Augen der Ältesten in 17,6b und der bereits besprochenen Benennung des Ortes des Wasserwunders nach dem Streiten und Versuchen der Israeliten in 17,7. 4.2.5. Literarhistorische Verortung Die bisherige Analyse hat Ex 17,1b.2–5a.b*(ohne )אשׁר הכית בו את־היאר.6aβb.7 als literarisch einheitlichen Text erwiesen und den Relativsatz in 17,5b und die Theophanieansage 17,6aα als Nachträge ausgemacht, wobei aufgrund des literarisch einwandfreien Zusammenhangs in 17,5 die Ausscheidung des Relativsatzes einzig über die nach-priesterschriftlichen Referenztexte begründet werden konnte. Die Erzählung ist damit einerseits in das vor-priesterschriftliche Itinerar 15,27 → 16,1aα → 17,1bα → 19,2aα eingebettet, andererseits liegt zumindest mit dem Relativsatz in 17,5b ein nach-priesterschriftlicher Textbestandteil vor. Es stellt sich damit die Frage der literarhistorischen Einordnung des postulierten Grundbestandes, die darüber Auskunft geben muss, ob die vor-priesterschriftliche Einbettung in die Itinerarnotizen oder die nach-priesterschriftliche Einbettung in die weitere Exoduserzählung mittels der Stabesthematik den Grundbestand determinieren – oder ob allenfalls eine ganz andere Einordnung vorzunehmen ist. 65
AURELIUS, Fürbitter, 169. Vgl. auch ZENGER, Israel, 59; LEVIN, Jahwist, 358; ACHVollendung, 228 Anm. 116; 304.306; SCHMIDT, Stab, 262. 66 Zum sekundären Charakter des Horeb in 3,1 vgl. GERTZ, Tradition, 263–266, zu 33,6 etwa PERLITT, Sinai, 38 („unsinnig, also vielleicht schlicht … Textverderbnis“); ALBERTZ, Exodus II, 284.289f.293. Umgekehrt interpretieren LEVIN, Dekalog, 79f.; BERNER, Exoduserzählung, 71.75f. „ אל־הר האלהיםhin zum Gottesberg“ in 3,1 als nachträgliche Explikation zu חרבה, was sie nicht als den Namen des Gottesberges, sondern als – die diesem Namen zugrundeliegende Grundbedeutung – „ins Ödland“ verstehen, woraus erst später und zufällig der Name Horeb entstanden sei. 67 Vgl. etwa EERDMANS, Studien, 54; NOTH, Exodus, 110.112; FRITZ, Israel, 11f.49; BLUM, Studien, 162f. Anm. 271; ALBERTZ, Exodus I, 279.283; GERMANY, Narrative, 104– 106 (als Möglichkeit, mit nach-priesterlicher Ansetzung des Grundbestandes). ENBACH,
4.2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Ex 17,1–7
127
Beide hier postulierten Nachträge wurden zuletzt von C. Berner als integraler Bestandteil der Erzählung interpretiert und als Argument für die nachpriesterschriftliche Ansetzung der gesamten Erzählung verwendet.68 Einen „nachpriesterschriftliche[n] Horizont“ erkennt Berner auch in der Nennung der Ältesten Israels als Augenzeugen des Wunders (mit Verweis auf Ex 3,16.18; 4,29; 12,21) und der Klage Moses in 17,4, die sich s.E. „aufs Engste mit den späten Programmtexten in Ex 5,22f.; 32,7–14; Num 11,11–14; 14,11–25“ berühre.69 Die Ältesten Israels sind indes hinreichend oft und auch in vor-priesterschriftlichen Texten belegt und können damit als solche weder in traditionsgeschichtlicher noch literarhistorischer Hinsicht Ex 17,5f. als nach-priesterschriftlich erweisen70 (und dies ungeachtet der strittigen Auswertung der Belege in 3,16.18, die einzig als vor-priesterschriftliche Belege innerhalb der Exoduserzählung in Frage kommen), da die Ältesten in 17,5f. (genauso wie in 3,16) als den Erzählfiguren wie den Rezipienten bekannte Größe vorausgesetzt sind.71 Auch bei der Klage Moses sind Zweifel an Berners Argumentation angebracht: Die genannten Klagen weisen zwar in der Tat Gemeinsamkeiten auf, nicht zu übersehen sind aber auch die Unterschiede – angefangen damit, dass die Klage Moses in 17,4 die mit Abstand kürzeste der genannten ist. Bei ihr handelt es sich um eine „rein persönliche Klage“72 Moses angesichts seiner Bedrohung durch das Volk. Eingeleitet wird sie mit „ ויצעקund er schrie“, womit sich Mose innerhalb der Murrerzählungen nur noch in Ex 15,25 und Num 12,13, nicht aber in den von Berner angeführten Texten, an YHWH wendet (und zwar für das Volk bzw. für Miriam). In Ex 5,22f.; 32,11–13; Num 14,13–19 handelt es sich im Unterschied zu Ex 68 Vgl. BERNER, Wasserwunder, der Ex 17,1bβ.3aβb.4–6 als nach-priesterschriftlichen Grundbestand ansetzt, der in das vor-priesterschriftliche Itinerar 17,1bα → 19,2a eingeschrieben wurde. Anders noch in DERS., Exoduserzählung, 121. Eine ebenso nach-priesterliche Ansetzung der Erzählung vertritt GERMANY, Narrative, 103–106, dessen Argumentation v.a. mittels Kenntnis anderer nach-priesterlicher Texte jedoch an deren Evaluation hängt – und mit ihr fällt (zu 15,24.25a s.o. Kap. 2.2.). Ohne eingehende Analyse kommt auch JEON, Call, 182–184 zu einer nach-priesterschriftlichen Ansetzung von 17,1bβ.2.7 und, nochmals später, 17,3–6. Mit einer wohl noch vor-priesterschriftlichen, aber wohl „eher nachexilische[n] als exilische[n]“ Datierung rechnet AURELIUS, Fürbitter, 175. 69 BERNER, Wasserwunder, 196. Vgl. aaO., 200. 70 Vgl. zu den Ältesten in Literatur- und Religionsgeschichte Israels etwa WAGNER, Beobachtungen (v.a. für die vorexilische Zeit); ACHENBACH, Vollendung, 251–259 (v.a. für die babylonische und persische Zeit); GRÄTZ, Chronik (v.a. für die hellenistische Zeit). 71 Vgl. etwa die unterschiedlichen Auswertungen bei GERTZ, Tradition, 299–303.305; RÖMER, Exodus 3–4, 77, die die Ältesten in 3,16 vor-priesterschriftlich einordnen, ALBERTZ, Exodus I, 20f.68.72–77, der die Belege der Ältesten in 3,16 und 3,18 vor-priesterschriftlich datiert, jedoch auf unterschiedlichen Ebenen (vgl. auch aaO., 20.100–106 zu Ex 5), oder SCHMITT, Ältesten, 59–61; BERNER, Exoduserzählung, 69f.88–99 mit einer nachpriesterschriftlichen Ansetzung. 72 AURELIUS, Fürbitter, 171 (s.o. Anm. 45).
128
4. Ex 17,1–7 – Wasserwunder bei Rephidim: Massa und Meriba
17,4 um Moses Fürbitten für das Volk; ein Bruch zwischen Mose und dem Volk ist nicht zu erkennen. Ein solcher Bruch findet sich wie in Ex 17,4 dagegen auch in Num 11,11–15. Hier gehen freilich die persönliche Klage Moses und seine Wiedergabe der Klage des Volkes bruchlos miteinander einher (11,11f. / 11,13 / 11,14f.); der gefürchtete Tod aus Ex 17,4 wird in Num 11,15 zum erwünschten Tod, ist nicht mehr Problem, sondern Lösung der durch das Volk in Frage gestellten Führerschaft Moses. Insgesamt stellt Num 11,4–35 gegenüber Ex *17,1–7 die deutlich komplexere Erzählung dar, und man kann mit guten Gründen sagen, dass „Nu 11:4–35 in allen entscheidenden Punkten, Israels Murren, Moses Klage und Gottes Wunder, als eine nachdrückliche Steigerung der Massa- und Meribaerzählung Exod 17:1–7“ erscheint.73 Somit können alle von Berner angeführten Vergleichsstellen zur Klage Moses in Ex 17,4 diesen Text nicht als nach-priesterschriftlich erweisen. Damit verbleiben die beiden hier postulierten Nachträge: Die Theophanieansage 17,6aα ist zwar mit der Nennung des Horeb klar deuteronomistisch geprägt, dadurch jedoch nicht zwingend nach-priesterschriftlich; da allerdings 17,6aα mit guten Gründen als Nachtrag innerhalb von *17,1–7 bewertet wurde,74 trägt die literarhistorische Verortung der Theophanieansage für die Datierung der Grundschicht ohnehin wenig aus. Damit wäre einzig der Relativsatz in 17,5b ein schlagendes Argument für eine nach-priesterschriftliche Anordnung. Da aber auch die Referenztexte des Relativsatzes in 17,5b in ihren jeweiligen Kontexten nachgetragen und (bzw. oder) nach-priesterschriftlich sind, ist es wahrscheinlicher, in der Mose-Stab-Verweiskette eine Bearbeitungsschicht zu finden, die den Stab Moses in Analogie und Überbietung des priesterschriftlichen Aaron-Stabes zeichnet.75 Ex *17,1–7 lässt sich damit gegen Berner nicht als nach-priesterschriftlich erweisen. Aufgrund der nahtlosen Einbindung in das vor-priesterschriftliche Itinerar und der Parallelität zu mit gleichzeitiger Steigerung von der Mara-Erzählung Ex 15,22–25a.27 hat damit die vor-priesterschriftliche Einordnung von Ex 17,1b.2–5a.b*(ohne )אשׁר הכית בו את־היאר.6aβb.7 die größere Plausibilität für sich.
73
AURELIUS, Fürbitter, 182. Vgl. ausführlicher die Analyse in Kap. 5. S.o. Kap. 4.2.4. mit Anm. 62f. 75 Ob diese Bearbeitungsschicht in sich einheitlich ist, lässt sich kaum sagen, zumal hinsichtlich des Relativsatzes in 17,5b der Anlass der Einfügung auch ein anderer gewesen sein könnte, nämlich die Disambiguierung des Stabes aus Num 20,1–13; s.o. Kap. 4.2.4. mit Anm. 61. 74
4.3. Fazit
129
4.3. Fazit 4.3. Fazit
Die Erzählung vom Wasserwunder bei Rephidim, Ex 17,1–7, weist verschiedene Auffälligkeiten auf, die in der Forschung mehrheitlich durch die mehrschichtige Entstehungsgeschichte des Textes begründet werden. Demgegenüber hat die vorliegende Analyse versucht, zu zeigen, dass von den eingangs genannten vier Beobachtungen76 nur zwei diachron auszuwerten sind: Ex 17,1a ist Teil des priesterschriftlichen Itinerars 16,1aβγb → 17,1a → 19,1,77 und die Ankündigung der Theophanie, 17,6aα, ist ein deuteronomistisch geprägter Nachtrag, der die Präsenz YHWHs während der wunderhaften Wassergabe herausstellt.78 Über die eingangs genannten Beobachtungen hinaus hat sich der mit seinem Kontext nahtlos verbundene Relativsatz in 17,5b (אשׁר „ הכית בו את־היארmit dem du auf den Nil geschlagen hast“) als Nachtrag erwiesen, mittels dessen Moses Handeln beim Wasserwunder zu Rephidim zum Segen für Israel mit Moses Handeln am Wasser in Ägypten zum Fluch für Ägypten kontrastiert wird.79 Wie im Falle von *15,22–27 durch die Einfügung von 15,25b.26 wurde also auch *17,1–7 enger mit den vorangehenden Ägyptenereignissen, namentlich dem Plagenzyklus, verknüpft. Als Grundbestand der Erzählung konnte damit Ex 17,1b.2–5a.b*(ohne אשׁר )הכית בו את־היאר.6aβb.7 plausibel gemacht werden: Im unmittelbaren Anschluss an die Erzählung vom Wasserwunder in Mara und den darauf folgenden Aufenthalt in der Oase Elim (15,22–25a.27; 16,1aα) stellt sich in Rephidim erneut eine Notlage ein, ein neuerlicher Wassermangel. Diesmal begegnen die Israeliten dem Mangel mit einer direkten Forderung an Mose, die dieser nur zurückweisen kann, und der darauf folgenden Infragestellung des Exodus. 17,2f. stellen damit eine narrative Steigerung dar, mitnichten jedoch eine Doppelung. Gegenüber 15,22–25a.27; 16,1aα verschärft sich damit in *17,1–7 die Situation des Volkes in der Wüste, und ihr Verhältnis gegenüber Mose und YHWH erscheint problematischer. YHWH bewahrt indes auch hier Israel vor dem (befürchteten) Verdursten. Die Problemlösung, auch hier von YHWH vorgegeben, unterstreicht einerseits Moses Führung des Volkes durch die Mittlerstellung der Ältesten und entzieht so der Anfrage an Moses rechtmäßige Führung aus 17,3 den Boden. Andererseits erscheint auch Moses Wunderhandeln im Auftrag YHWHs hier gegenüber 15,25 größer: Während er dort eine Quelle geheilt hat, hat er hier eine neue Quelle hervorgebracht. Innerhalb dieser Grunderzählung lassen sich zwei Fälle einer synchronen Auslegung benennen: In 17,2b deutet Mose das Streiten ( )ריבdes Volkes mit ihm als Versuchen ( )נסהYHWHs. Darin ist die Benennung des Ortes des 76
S.o. Kap. 4.2. S.o. Kap. 4.2.2. 78 S.o. Kap. 4.2.4. 79 S.o. Kap. 4.2.4. 77
130
4. Ex 17,1–7 – Wasserwunder bei Rephidim: Massa und Meriba
Wasserwunders bei Rephidim mit dem Doppelnamen „Massa und Meriba“ vorgezeichnet. Die Fülle an Ortsbezeichnungen ist damit im Wesentlichen theologisch bedingt und nicht Anzeichen einer stufenweisen Genese der Erzählung. In 17,7b wird sodann die Versuchung YHWHs weiter ausgedeutet als Infragestellung der Gegenwart YHWHs inmitten des Exodusvolkes. Wie sich die Situation Israels in der Wüste verschlimmert, so auch die Wahrnehmung von Israels Reaktion darauf. Obige Analyse hat bereits in Grundzügen eine „innerbiblische“ Nachgeschichte des Kapitels erkennen lassen: In mindestens zwei Fällen – und mit Num 20,1–13 liegt ein dritter vor – wurde die Erzählung vom Wasserwunder bei Rephidim in späteren Texten aufgenommen und weitergesponnen: Die Klage des Volkes in Ex 17,3 dürfte am literarhistorischen Anfang von vergleichbaren Volkesklagen in den weiteren Murrerzählungen stehen,80 und die Klage Moses in 17,4 dürfte am literarhistorischen Anfang von vergleichbaren Klagen Moses in den weiteren Murrerzählungen stehen.81 Eine von der hier vorgelegten Analyse von Ex 17,1–7 (sowie von Num 20,1–13) in vielerlei Hinsicht stark abweichende Analyse hat R.E. Garton vorgelegt, der die Genese beider Erzählungen des Wasserwunders von Meriba in starker Wechselwirkung sieht und der forschungsgeschichtlich durchaus neue Wege geht. Seine Arbeit soll daher hier etwas ausführlicher besprochen werden: Ausgangspunkt seiner Arbeit ist die traditionsgeschichtliche Analyse der Massa-undMeriba-Texte des Deuteronomiums, deren Ergebnis er auf Ex 17,1–7 und Num 20,1–13 anwendet. Daraus resultiert für Garton eine Traditions- und Redaktionsgeschichte der Texte, die von einer mündlichen Tradition eines Wasserwunders bei einem Felsen ausgeht, die unabhängig voneinander in Dtn 8,15; 32,13 sowie den jeweiligen Grundschichten von Ex 17,1–7 und Num 20,1–13 aufgenommen wurde. Daran schließt sich eine Fortschreibungsgeschichte beider Erzählungen sowie weiterer Belegstellen im Deuteronomium an, die die Texte teilweise miteinander, teilweise mit ihrem jeweiligen Kontext enger verknüpft. Die einzelnen Schritte dieser Fortschreibungsgeschichte verankert Garton fast durchgängig in Pentateuch und Hexateuch übergreifenden Redaktions- oder Bearbeitungsschichten, benennt dabei aber die jeweiligen literarischen Erstreckungen dieser Redaktionen und der durch sie entstehenden Werke nicht, nennt auch kein Pentateuchmodell, dem er sich als solchem anschließen würde, so dass die Evaluation seiner redaktionsgeschichtlichen Thesen hinsichtlich ihrer redaktions- bzw. kompositionsgeschichtlichen Bögen schwierig ist. Die jeweilige Grundschicht ist dabei wie Dtn 8,15; 32,13, aber anders als die Erzählungen in ihrer überlieferten Gestalt, eine positive Erzählung eines Wasserwunders. Für den nicht-priesterschriftlichen Text Ex 17,3aα.4aα(ohne )לאמר.5a.b(ohne )אשׁר הכית בו את־היאר.6 und seine deuteronomistische Massa-Überarbeitung („Dtr-Dtr Supp“: Ex 17,1bβ.2aβγbαγ. 7[ohne )]ומריבה על־ריב בני ישׂראל וleitet Garton aufgrund des etwas später datierten Verses Dtn 9,22 („Dtr Supp“) eine ursprüngliche Platzierung im heutigen Text von Num 11, also zwischen Tabera und Qibrot-Hattaawa ab. Beide Texte seien ursprünglich als „divine tests
80 81
S.o. Kap. 4.2.1. S.o. Kap. 4.2.5.
4.3. Fazit
131
rather than instances of corporate failure“82 zu verstehen gewesen – womit sie wieder Dtn 8,15f. (YHWH prüft das Volk) entsprechen. Aufgrund dieser anderen Stellung im Erzählverlauf des Pentateuch stellt der Horeb in Ex 17,6 für Garton kein Problem dar und kann der „Foundational Narrative“ zugerechnet werden. Ebenso positiv ist die frühe priesterschriftliche Erzählung Num 20,2a.6–8*.10a.11(ohne „( )פעמיםearly P“). Diese und die priestergrundschriftliche Fassung der Kadesch-Wasserwunder-Erzählung („PG“ mit den Zusätzen Num 20,1aβ.3bα.4a[lies ]למה.5aβγ.13b[ergänze )]יהוהzeichnen sich im Gegensatz zur überlieferten Textgestalt dadurch aus, dass YHWH Mose in 20,8a aufträgt, den Felsen zu schlagen: והכית את.83 Erst mit Dtn 6,16 („late Dtr“), der zwischen der jeweiligen Grundschicht und ihrer ersten Bearbeitung angesiedelt wird, ändert sich die Tonalität der Erzählung, da es nun Israel ist, das YHWH versucht. Aus den beiden Wasserwundererzählungen werden so im Laufe ihrer Fortschreibungsgeschichte immer mehr Rebellions-Erzählungen, verhalten beginnend mit der Massa- und der Kadesch-Überarbeitung.84 In einem zweiten Bearbeitungsschritt werden beide Erzählungen mittels der MeribaThematik miteinander koordiniert. Dieser vor der Hexateuch-Redaktion angesiedelten Bearbeitung (daher „pre-Hex Supp“ „Meribah-Coordination“) sind die engen Parallelen zwischen beiden Erzählungen zu verdanken: Sie umfassen Ex 17,2aαbβ.3aβb.4aβ(einleitend )לאמר.b sowie die Meriba-Passagen in 17,7 ( )ומריבה על־ריב בני ישׂראל וund Num 20,3a.4b. 5aαbβ(lies … )באשׁר מים.8513a.86 Bemerkenswert ist, dass nach Garton auf dieser Ebene beide Murrlexeme in Ex 17 ( ריבund )לוןgleichzeitig eingefügt wurden, wohingegen eine große Mehrheit der Exegeten hierin die größte Spannung der Erzählung erkennt, wenn auch wohl zu Unrecht.87 Die Hexateuch-Redaktion („HexRed“) verbindet erstmals die nicht-priesterliche und priesterschriftliche Wüstenüberlieferung miteinander zu einem Erzählablauf. Dafür nimmt die Hexateuch-Redaktion das priesterliche „Ur-Itinerar“ Num *33 als Vorlage für die Festlegung der Reihenfolge der Wüstenstationen auf – und schreibt auch dieses Kapitel wei-
82 GARTON, Mirages, 197. In seiner Thesenbildung folgt Garton in Vielem den Thesen von W. Johnstone, vgl. bes. JOHNSTONE, Sea. 83 Vgl. GARTON, Mirages, 211f. mit Anm. 20. Weshalb er die Singular-Form wählt (was durchaus als Glättung bezeichnet werden kann), begründet er nicht. 84 Für diese jeweils erste Erweiterung gilt nach GARTON, Mirages, 231: „Yet the PG קדש episode, like the non-P מסהepisode, is not necessarily a positive tradition.“ 85 Vgl. GARTON, Mirages, 229 Anm. 69. 86 Es ist bei Arbeiten wie derjenigen Gartons, in denen komplexe kleinteilige redaktionsgeschichtliche Analysen geboten werden, nicht ganz unüblich, dass die Verszuschreibungen innerhalb der Arbeit nicht einheitlich und zuweilen auch nicht (innerhalb der jeweiligen These) stimmig sind. So führt Garton etwa Num 20,5aα, das seine Entsprechung in Ex 17,3bα hat, in seinen Übersichten zur Meriba-Koordination nicht auf (vgl. GARTON, Mirages, 209.233.239), in der Behandlung dieser Stellen (aaO., 224–231) und den Textübersichten im Anhang des Buches (hier aaO., 265) wird der Versteil jedoch genannt; auch der bereits genannte Relativsatz in Ex 17,5b wird von Garton unterschiedlich zugewiesen (dabei hat „post-Pent Red“ aaO., 160 die Mehrheitsmeinung gegen sich: „Pent Red“; vgl. etwa aaO., 196 u.ö.). In der vorliegenden Arbeit wird in solchen Fällen der bekanntermaßen nicht ganz einfache Versuch unternommen, die intentio auctoris auch dort zu treffen, wo sie von dessen opus nicht getroffen wird. 87 S.o. Kap. 4.2.1.
132
4. Ex 17,1–7 – Wasserwunder bei Rephidim: Massa und Meriba
ter.88 Die nicht-priesterliche Massa-und-Meriba-Erzählung wird durch die Hexateuch-Redaktion an ihren überlieferten Ort vor dem Sinai transponiert und durch die Hinzufügung von Ex 17,1abα weiter in Rephidim lokalisiert, wobei diese Angabe Num 33,14abα.15 entstammt. Bemerkenswert ist, dass der literarische Kontext von Ex 17,1–7, namentlich Ex 17,8–16 und Ex 16, in die Überlegungen Gartons nicht einbezogen wird. Demgegenüber entstammen der Hexateuch-Redaktion diejenigen Zusätze in Num 20, die die Erzählung stärker mit dem nach-sinaitischen Wüstenzug in Num *10–14 verbinden: Num 20,1aαb.5bα:89 Die Lokalisierung in der Wüste Zin entstammt *33,36 und knüpft an 13,21 an; die Lebensmittel in 20,5 knüpfen an 13,23 an; der Tod Miriams und der Aarons in Num 20 stellen zusammen mit der Erzählung Num 12 einen Miriam-Aaron-Rahmen um Num 13f. dar. Num 20 folgte dabei unmittelbar auf die Kundschaftererzählung der HexateuchRedaktion.90 Die Pentateuch-Redaktion („PentRed“) stellt in Num 20 die Bezüge zu Num 16f. („PentRed“) her, auf das das Kapitel auf dieser Stufe unmittelbar folgte, „so as to cast the P* M-Mt narrative as a continuation of the rebellion(s) against Moses and Aaron.“91 20,2b entspricht *16,3a; 20,3bβ hat die engste Parallele in 17,27f.; 20,9.10b basiert auf 17,22–26. Möglicherweise entstammt auch פעמיםin 20,11a der Pentateuchredaktion. Als Reaktion auf die Arbeit an Num 20 disambiguiert die Pentateuch-Redaktion den Stab in Ex 17,5b durch die Hinzufügung des Relativsatzes ()אשׁר הכית בו את־היאר.92 Die Genese von Ex 17,1–7 (im masoretischen Text) kommt mit den beschriebenen fünf literarischen Schichten an ihr Ende. Num 20 wurde erst durch eine weitere Bearbeitung („post-PentRed“), die Hinzufügung von Num *20,1293 und die Überarbeitung von 20,8 ( והכית אתwird ersetzt durch )ודברתם אל, in die überlieferte masoretische Textgestalt gebracht.94 Erst auf dieser Stufe stellt Num 20,1–13 eine Erzählung vom Scheitern Moses und Aarons dar, wie es nun auch Dtn 32,51 bezeugt. Eine kritische Würdigung der Arbeit Gartons kann und muss hier nicht alle Teilthesen diskutieren; dass die vorliegende Arbeit zu anderen Thesen kommt, ist bereits deutlich ge88
Zu Num 33,1–49 vgl. GARTON, Mirages, 161–182.253–259. Zu der hier im Gegensatz zu Garton vertretenen Sicht von Num 33,1–49 als schriftgelehrte Konstruktion s.o. Kap. 2.1. mit Anm. 8. 89 Bei der Ergänzung von Num 20,5bα wurde die vom „pre-Hex Supp“ eingefügte Konjunktion ( באשׁרs.o.) wieder getilgt. 90 Ebenso der Hexateuch-Redaktion zugewiesen wird Dtn 32,48–50.52. 91 GARTON, Mirages, 219f. „M-Mt“ steht in Gartons Studie durchgehend für „the Massah-Meribah tradition“; vgl. aaO., 1. 92 S.o. Kap. 4.2.4. mit Anm. 61. Ebenso der Pentateuch-Redaktion zugewiesen wird Dtn 33,8. 93 Der Finalsatz 20,12aβγ ( )להקדישׁני לעיני בני ישׂראלwird dabei einem „later glossator“ zugewiesen. Vgl. GARTON, Mirages, 212 Anm. 22; 215f. Anm. 32. 94 Eine in dieser Hinsicht ähnliche These hat bereits FREVEL, Blick, 306–336 vorgelegt, der den „Schuld-Strafe-Konnex“ (aaO., 332) einem Redaktor zuweist, von dem Num 20,12 und der Redeauftrag in 20,8 ( )ודברתםstammen (s.u. Kap. 9.2. mit Anm. 8.25f.; vgl. auch KOHATA, Überlieferungsgeschichte, 10f.15–20.23f.; FRANKEL, Stories, 263–311.360– 363). Von GARTON, Mirages, 151.206 wird Frevels Arbeit fälschlich als Gegenentwurf (Num 20,1–13 als i.W. einheitliche réécriture von Ex 17,1–7) wahrgenommen. Was keine dieser Arbeiten zu erklären vermag, ist die Sinnhaftigkeit des Zusatzes bzw. der Umarbeitung in Num 20,8. 20,12 alleine hätte genügt, Mose und Aaron eine Schuld zukommen zu lassen. 20,8 benötigt eine andere Erklärung.
4.3. Fazit
133
worden. Der Gesamtthese Gartons wird man nur folgen können, wenn man auch ihrer Herleitung folgen mag. Hierzu ist zu klären, ob die traditionsgeschichtliche Analyse der Deuteronomiumstexte zutreffend ist, und ob die Anwendung dieser Analyse auf die Texte von Ex 17 und Num 20 in literarhistorischer Abzweckung sachgerecht ist. Hier ist nur letztere Frage zu stellen – und zu negieren: Die Einordnung von Ex 17 in Num 11 legt sich weder von Ex 17 noch von Num 11, einem Text, den Garton gar nicht näher analysiert,95 sondern ausschließlich von Dtn 9,22 her nahe. Dass die hier belegte Abfolge Tabera – Massa – Kibrot-Hattaawa eine Reihenfolge, und nicht etwa eine schlichte Aufzählung, darstelle, ist eine unbegründete Voraussetzung, dass diese Reihenfolge ursprünglicher als die im überlieferten Tetrateuch belegte sei, ebenso.96 Und: Passt die Nennung des Horeb wirklich zu (und in) Num 11? Kann Num 11 vor-priesterschriftlich datiert werden? Ist eine (von Garton nicht geleistete) Rekonstruktion von Num 11 als Abfolge von „divine tests“ plausibel? Die Fragen deuten an, dass die Alternative – Dtn 9,22 nennt drei exemplarische Orte, ohne eine Reihenfolge nahezulegen – wahrscheinlicher ist. Ähnlich verhält es sich beim Schluss von Dtn 32,51 auf Num 20: Dass Dtn 32,51 die jüngste Deuteronomiumsbelegstelle ist, mag stimmen, spielt aber keine Rolle für die Frage, ob die Sünde Moses und Aarons auch in Num 20,12 nachgetragen sei. Die anderen Deuteronomiumsbelege haben schlicht eine andere Intention – und im Übrigen auch einen anderen Sprecher (nur in Dtn 32,48–52 spricht YHWH mit Mose); ob sie die Tradition der Verschuldung der Anführer kennen oder nicht, lässt sich aus ihnen schlicht nicht erheben. Auch die Analysen von Ex 17 und Num 20 im Einzelnen sind nicht in jedem Fall überzeugend und oft nicht zwingend. Ein Beispiel hierfür mag genügen: Die doppelte Ätiologie in Ex 17,7 – Massa oder Meriba – ist nach Garton redaktionsgeschichtlich aufzulösen, wobei s.E. nicht mit Trägerkreisen im weitesten Sinne (Massa als deuteronomistisch, Meriba als priesterlich) argumentiert werden kann, sondern mit Überlegungen zum editorischen Prozess:97 „The מסהetiology (vv. 7aiv-v* + 7bβ) would be slightly more difficult to insert if the מריבהetiology were primary than if the priority were reversed. As it stands, the מריבהetiology could have been created via a single insertion (v. 7av-bα). Thus, in v. 7 at least, the מריבהetiology appears supplemental, thereby indicating the primacy of the מסהetiology.“98 Das nicht weiter explizierte Kriterium ist das der geringeren oder größeren Komplexität, die mit größerer bzw. geringerer Plausibilität geglichen wird. In Gartons Analyse wird dieses Kriterium nur hier angewandt – bei den einzelnen Versatzstücken der Meriba-Koordination in Ex 17,2aαbβ.3aβb.4aβ(einleitend )לאמר.b, also im Rahmen derselben Schicht, spielt das Kriterium der Komplexität auf jeden Fall keine Rolle –, so dass der Eindruck nicht von der Hand zu weisen ist, das Zusatzargument, in Dtn 6,16; 9,22 sei Meriba noch nicht erwähnt, weil es noch nicht erwähnt sein könne, ist vielmehr Vater des Gedankens, womit auch hier das Deuteronomium die Lösung für Ex 17 (und Num 20) diktiert.99 Wird man damit Gartons Analyse im Gesamten wie auch in Teilen zwar nicht folgen können, so ist mit ihm zu bedenken, ob und wenn ja wie die Genese von Ex 17,1–7 und Num 20,1–13 interdependent verlief, und ob die Bezüge von Num 20,1–13 zu Num 13f. und zu Num 16f., die für die Deutung von Num 20 seit jeher relevant waren, allenfalls un95
Vgl. nur GARTON, Mirages, 198. Vgl. WELLHAUSEN, Composition, 79 Anm. 2: „Aus der Reihenfolge Deut. 9,22 darf man schwerlich Schlüsse ziehen.“ Vgl. etwa auch LEHMING, Massa, 73. 97 Vgl. GARTON, Mirages, 182–187. S.o. Kap. 4.2.3. mit Anm. 38. 98 GARTON, Mirages, 184. 99 Auch die weiteren Zusatzargumente bei GARTON, Mirages, 184–186 vermögen nicht, die These weiter zu plausibilisieren. 96
134
4. Ex 17,1–7 – Wasserwunder bei Rephidim: Massa und Meriba
terschiedlichen Händen zuzuweisen sind. Diese Fragen gilt es, bei der Behandlung von Num 20,1–13 wieder aufzunehmen.100
100
S.u. Kap. 9.
5. Num 11 – Das klagende und bestrafte Volk bei Tabera und Qibrot-Hattaawa 5.1. Num 11 – Einführung 5.1. Num 11 – Einführung
Num 11 besteht aus zwei Erzählungen und (mindestens) drei Themenkreisen, die in der vorliegenden Fassung des Kapitels eng miteinander verwoben sind. Die in den bisher untersuchten Murrerzählungen belegten Murrlexeme kommen dabei in Num 11 nicht vor. Eigenständig lesbar ist einzig die erste Erzählung in Num 11,1–3, die eine Art Murrerzählung in nuce darstellt: Das Volk beklagt sich ( אנןhitpol.)1 – ein Grund wird nicht genannt –, YHWH erzürnt darüber und schickt ein Feuer zur Strafe (11,1). Das Volk schreit zu Mose (um Hilfe; )צעק, dieser hält Fürbitte vor YHWH ( פללhitp.), und das Feuer fällt in sich zusammen (11,2). Vers 3 trägt die Benennung des Ortes nach: Wegen des brennenden (;בער 11,1.3) Feuers wird der Ort Tabera ( ;תבערהLXX: ̓Εμπυρισμός; Vg: Incensio; „Brand“) genannt. Eine vorangehende Verortung der Erzählung erfolgt bei dieser Erzählung nicht, zumindest nicht innerhalb von Num 11, sondern nur – unter Absehung aller priesterlicher Texte in Num 102 – in 10,33a, wo der Aufbruch des (nur durch den Plural implizierten) Volkes vom „Berg YHWHs“ berichtet wird: „ ויסעו מהר יהוה דרך שׁלשׁת ימיםUnd sie brachen auf vom Berg YHWHs, drei Tagesreisen weit“.3 Die Zeitspanne der drei Tage, wiewohl häufig belegt, erinnert aufgrund ihrer kompositorischen Stellung zu
1
אנןhitpol. „klagen“ ist nur hier in den Murrerzählungen belegt, LXX liest γογγύζω „murren“, also das üblichere Murrlexem: Mit (δια)γογγύζω gibt LXX sonst „ לוןmurren“ wieder (in Dtn 1,27 auch „ רגןmurren“). אנןist nur noch in Thr 3,39 belegt, auch hier im Hitpolel, und wird auch hier von LXX mit γογγύζω „murren“ wiedergegeben. 2 Zu einer Verhältnisbestimmung s.u. Kap. 11. 3 Vgl. etwa WELLHAUSEN, Composition, 98f.; BAENTSCH, Exodus-Leviticus-Numeri, 501.503; FRITZ, Israel, 14–16.68–70; AURELIUS, Fürbitter, 143f.; BLUM, Studien, 143f. mit Anm. 181; LEVIN, Jahwist, 370f.; SCHART, Mose, 210–214; ACHENBACH, Vollendung, 173–219. Nach GERMANY, Narrative, 194–203.453 ist 10,33a vor-priesterlich (allerdings jünger als Germanys Exodus-Landnahme-Erzählung), sein unmittelbarer Kontext sowie 11,1–3.4–35 nach-priesterlich. Dass 10,33a zu den Voraussetzungen von 11,1–3.4–35 gehört, erscheint damit unstrittig. Zu klären ist, ob 11,1–3 und bzw. oder 11,4–35 gleichursprünglich oder jünger als 10,33a sind (s.u. Kap. 5.4.).
136
5. Num 11 – Tabera und Qibrot-Hattaawa
Beginn der ersten nach-sinaitischen Murrerzählung unweigerlich an die Verortung der ersten vor-sinaitischen Murrerzählung in Ex 15,22, wo Israel drei Tage durch die wasserlose Wüste zieht.4 Der Unterschied zwischen Num 11,1–3 und den bisherigen Murrerzählungen im Erzählablauf des Pentateuch besteht einerseits in der Kürze der hier vorliegenden Darstellung, die auch keinerlei direkte Rede(n) enthält, und andererseits im (Grund und) Ausgang der Klage: Eine das Murren begründende Bedrohungslage wird hier nicht geschildert, dafür wird das Murren von YHWH bestraft, und die Strafe durch Moses Eintreten begrenzt. Die zweite Erzählung, 11,4–35, mündet ebenso in die Benennung des Ortes aufgrund der Geschehnisse dort (11,34), eine Ortsverlagerung zwischen der ersten und zweiten Erzählung wird aber nicht berichtet.5 In der vorliegenden Form setzt die zweite die erste Erzählung klar voraus: In der Mitte des in 11,1f.(3) genannten Volkes (11,4: „ בקרבוin seiner Mitte“) befinden sich auch Personen, die wohl nicht genealogisch mit Israel verbunden sind. Sie werden hier als „Dahergelaufene(s Volk)“ oder „Mischvolk“ bezeichnet ()האספסף, und werden auch an anderer Stelle, mit anderer Terminologie, den wandernden Israeliten zur Seite gestellt (vgl. bes. Ex 12,38) – in 10,29–32 in Form des schließlich wohl mitziehenden midianitischen Schwagers Moses, Hobab, und in 12,1 in Form der kuschitischen Ehefrau Moses.6 Diese Leute „wurden begierig“ ( ;התאוו תאוה11,4; vgl. 11,34) und scheinen mit ihrer Begierde auch die Israeliten angesteckt zu haben, denn diese stimmen ebenso ( )גםeine neu4
Als zu gehende Wegstrecke werden die „drei Tage“ wie in Num 10,33a (oder Gen 30,36; Ex 3,18; 5,3; 8,23; Num 33,8 und mit anderen Zahlen Gen 31,23; 1Kön 19,4; 2Kön 3,9) durch „ דרךWeg(strecke)“ oder wie in Ex 15,22 (oder Jon 3,3 und mit anderen Zahlen 1Kön 19,8; Jon 3,4) durch Formen bzw. Ableitungen von „ הלךgehen“ von der Angabe einer reinen Zeitspanne, die oft gerade durch das Warten an Ort und Stelle geprägt ist, unterschieden. Das unterschiedlich verwendete „Drei-Tage-Schema“ mag daher gegen ACHENBACH, Vollendung, 206 nicht die Beweislast einer (Hexateuch-)Redaktionsschicht zu tragen. 5 Dtn 9,22 setzt voraus, dass es sich um unterschiedliche Orte handelt, da hier Massa zwischen Tabera und Qibrot-Hattaawa genannt wird. Num 33,16f. erwähnt Tabera dagegen nicht, sondern leitet von der Wüste Sinai direkt weiter nach Qibrot-Hattaawa und Hazerot. Ps 78 schließlich nennt keine der Wüstenstationen aus Exodus und Numeri beim Namen und scheint in seiner überlieferten Textgestalt die Ereignisse der Wüstenwanderung auf zwei „Stationen“ bzw. Ereignisse zu beschränken: das Wasserwunder in 78,15f., das Ex 17,1–7 und Num 20,1–13 gleichermaßen anklingen lässt, und das Manna-und-WachtelWunder (in dieser Reihenfolge) in 78,17–31. Letztere „Station“ steht Num 11,4–35 deutlich näher als Ex 16 (gegen HOSSFELD/ZENGER, Psalmen 51–100, 434–436 [Hossfeld]) und erweckt aufgrund von 78,21 den Eindruck, dass Num 11 insgesamt eine Station darstelle, an einem Ort spiele (vgl. „ אףZorn“ und „ אשׁFeuer“ in Ps 78,21 und Num 11,1). 6 Dabei wird das „Mischvolk“ ( )ערבaus Ex 12,38 von der Septuaginta genauso wie האספסףin Num 11,4 mit ἐπίμικτος „Mischvolk“ wiedergegeben. Vgl. zu diesen und weiteren Stellen ACHENBACH, Vollendung, 221–224. Zu Num 12,1 s.u. Kap. 6.
5.1. Num 11 – Einführung
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erliche Klage an („ בכהweinen“):7 Sie streben, wie in Ex 16,2–4, nach Nahrung, die sie in Ägypten zur Genüge hatten. Diesmal jedoch fürchten sie nicht den Hungertod, sondern sehnen sich nach Fleisch, da sie sich an das geschmackvolle Essen in Ägypten erinnern, und geben sich mit dem ewig selben Manna, das sie nach dem vorliegenden Geschehensablauf des Pentateuch seit Ex 16 als gnadenhafte Speisung durch YHWH kennen, nicht mehr zufrieden (Num 11,4–6). Im weiteren Erzählverlauf sagt YHWH den Israeliten durch Mose die Gabe von Fleisch zu (11,18) und schickt schließlich Wachteln zur Speise (11,31) – erneut nach Ex 16. Die so kurz – und unvollständig – nacherzählte Erzählung von Qibrot-Hattaawa weist indes mindestens zwei Auffälligkeiten auf: Einerseits entpuppt sich die Speisung mit Wachteln letztlich als Strafe und nicht als gnadenhafte Speisung wie in Ex 16: Auf die Klage der Israeliten erzürnt YHWH ( חרה+ ;אףNum 11,10; vgl. 11,1b.33b), und schon in der Ankündigung des Fleisches als Reaktion auf die Klage resultiert die überreiche Fleischesgabe im Überdruss und Ekel (oder gar Krankheit?) der Israeliten (11,19f.).8 Auf die Fleischesgabe in 11,31f. schließlich folgt ein nicht weiter spezifizierter, jedoch tödlicher „sehr großer Schlag“ YHWHs gegen das Volk ( ;מכה רבה מאד11,33). Es stellt sich damit – gerade im Vergleich mit Ex 16 – die Frage, ob die Fleischesgabe von Anfang an als Strafe verstanden wurde, oder ob der vorliegende Erzählstrang auf eine gnadenhafte Fleischesgabe, also eine Wachtel-Wunder-Erzählung im eigentlichen Sinne, zurückgehen könnte. Andererseits ist ein weiterer Erzählzug in diese Wachtel-Erzählung integriert, der die Wachtel-Erzählung voraussetzt: Der Bericht von der Geistbegabung von 70 Ältesten. In diesem Ältesten-Strang wird der Klage des Volkes die Klage Moses an die Seite gestellt: In 11,11–15 klagt er, das Volk nicht mehr länger alleine (er-)tragen ( )נשׂאzu können. In seiner Klage nimmt er in 11,13 Bezug auf den Fleischeswunsch der Israeliten aus 11,4(–6) und deutet ihn als Forderung an ihn selbst: Das klagende Weinen des Volkes in 11,4bα versteht er als Weinen vor ihm: „ כי־יבכו עלי לאמרDenn sie weinen vor 7 „ בכהweinen“ als Klage- und Murrlexem begegnet nebst Num 11,4.10.13.18.20 nur in Num 14,1; vgl. noch Dtn 1,45. Eine eindeutige Referenz auf ein früheres Murr- oder Klage-Geschehen ist damit nicht gegeben, ein Bezug auf die unmittelbar vorangehende Erzählung Num 11,1–3 oder auf Ex 16 aufgrund der in Ex 16 und Num 11,4–35 genannten Speisen Manna und Wachteln jedoch durchaus naheliegend. Von der Septuaginta wird וישׁבו „ ויבכוund sie weinten erneut“ mit καὶ καθίσαντες ἔκλαιον „und sitzend weinten sie“ wiedergegeben, וישׁבוwird somit nicht von שׁוב, sondern von ישׁבabgeleitet (vgl. Dtn 1,45). Der Septuaginta-Lesart folgen etwa BUDD, Numbers, 122f.; FRANKEL, Stories, 23 (mit Verweis auf Ri 20,26; Ps 137,1). 8 Die griechische Wiedergabe des im masoretischen Text nur hier bezeugten „ זראÜbelkeit; Ekel“ (Vg: nausia „Übelkeit“) mit χολέρα „Cholera“ oder „Übelkeit“ (vgl. Sir 37,30; vgl. WEVERS, Notes, 172) dürfte vom tödlichen Ausgang der Erzählung beeinflusst sein.
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5. Num 11 – Tabera und Qibrot-Hattaawa
mir und sagen“ (11,13bα). Das nicht explizit adressierte „ מי יאכלנו בשׂרWer gibt uns Fleisch zu essen?“ des Volkes (11,4bγ) gibt er wieder als תנה־לנו בשׂר „ ונאכלהGib (du) uns Fleisch, damit wir essen können!“ (11,13bβ). Mose scheint so, die Klage des Volkes als Anlass für seine eigene Klage zu nehmen. In seiner Antwort auf Mose bezieht sich YHWH zunächst auf Moses Klage, sodann auf die Klage des Volkes (11,16f.18–20) – kombiniert also auch beide Erzählstränge. Und auch YHWH deutet die Klage des Volkes: Das Weinen wird als Weinen vor den Ohren YHWHs (;כי בכיתם באזני יהוה 11,18a; vgl. 11,1) bzw. als Weinen vor ihm ( ;ותבכו לפניו11,20b) verstanden, die Rede des Volkes als implizite (11,18aβ)9 und explizite (11,20bγ) Infragestellung des Exodus. Schließlich wird in 11,21f.23 dem klagenden Mose der zweifelnde an die Seite gestellt, ehe YHWH den Anlass der Klage Moses (11,24–30) und den Anlass der Klage des Volkes beseitigt und das Volk zugleich für seine Klage bestraft (11,31–34). Es stellt sich die Frage, ob der Ältesten-Strang der Grunderzählung nachträglich hinzugewachsen ist, oder ob er mit ihr (zumindest literarisch) gleichursprünglich ist, da, wie gesehen, zumindest in 11,11–20 beide Stränge bruchlos ineinander verwoben sind. Liegen im vorliegenden Text von Num 11 zwei Erzählungen vor, so ist auch zu bedenken, ob die zwei Erzählungen möglicherweise auf eine zurückgehen könnten,10 und wie sie auf ihren literarischen Kontext bezogen sind. Denn: Es fällt auf, dass beide Erzählungen in Num 11 zunächst nicht lokalisiert sind, dass keine Ortsverlagerung zwischen ihnen berichtet wird, dass aber beide in eine Ortsnamenätiologie münden (11,3.34). Beide spielen sie nach Darstellung des Numeribuches nach dem Aufbruch der Israeliten vom „Berg YHWHs“ (10,33a). Im Zusammenhang dieses Aufbruchs ist von Moses Schwager Hobab, dem Sohn von Moses Schwiegervater Reguel (bzw. Jitro), die Rede (10,29–32). Sind auch die Namen unterschiedlich, wird durch die midianitische Verwandtschaft Moses ein Bogen zur letzten Erzählung vor Erreichen des Gottesberges (Ex 18,5) gezogen: In Ex 18,13–27 setzt Mose auf Anraten seines Schwiegervaters (Jitro; vgl. 18,1–12) herausragende Männer zu seiner Entlastung ein; dass dies eine Parallele zum Ältesten-Strang in Num 11 darstellt, ist schon vielfach beschrieben worden. Nimmt man schließlich die besonders von E. Aurelius gemachte Beobachtung hinzu, dass die Klage Moses in Num 11,11–15 seine Klage aus Ex 17,4 aufnimmt und verschärft, wie denn insgesamt Ex 17,1–7 in Num 11,4–35 wiederzuhallen
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Nur der Anfang der YHWH-Rede in 11,18a zitiert den Anfang der Volkes-Rede in 11,4bγ wörtlich. Mose formuliert den Fleischeswunsch in 11,13bβ um, und der ausführliche zweite Teil der Volkesrede in 11,5f. wird von YHWH in 11,18aβ und 11,20bγ anders und je unterschiedlich wiedergegeben. 10 So LEVIN, Jahwist, 370–375 (JQ: 11,31*.32aα*.b; JR: 11,2a.4bβγ.11.23.31*; JE: 11,1.2b.3.4abα…).
5.2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 11,1–3
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scheint,11 so stellt sich die Frage, ob Num 11 oder gar Num *10,29–11,35 insgesamt als nach-sinaitische Neudeutung der vor-sinaitischen Texte Ex 16; 17,1–7; 18,13–27 zu deuten und möglicherweise als solche auch entstanden sein könnte. Die Textabgrenzung nach hinten ist demgegenüber deutlich weniger spektakulär: Von Qibrot-Hattaawa (11,34) ziehen die Israeliten nach 11,35 weiter nach Hazerot, wo sich die Ereignisse von Num 12 abspielen werden (vgl. 12,16).
5.2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 11,1–3 5.2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 11,1–3
Num 11,1–3 stellt die kürzeste der Murrerzählungen dar. Die einzelnen Gliederungselemente werden jeweils nur in aller Kürze ausgeführt: 10,33a 11,1a 11,1b 11,2a 11,2b 11,3
Itinerar Beschwerde / Murren des Volkes Zorn YHWHs und Strafe: Das fressende Feuer YHWHs Hilfeschrei des Volkes an Mose Fürbitte Moses und Ende der Strafe Ortsnamenätiologie
Keine der drei genannten Reden wird ausgeführt, daher bleiben auch Grund und Inhalt der Klage des Volkes offen. Im Unterschied zu den Murrerzählungen in Ex 15,22–27; 16; 17,1–7 wird hier auch keine Notlage genannt, die das Murren begründen könnte. Die Klage des Volkes in den Ohren YHWHs erscheint damit letztlich grundlos. Dafür bewirkt nun die Klage des Volkes erst eigentlich eine Notlage: die Strafe YHWHs durch das fressende Feuer. Auf diese Notlage reagiert das Volk mit dem Hilfeschrei ( ;צעק11,2) an Mose. Wie Grund und Inhalt der Klage bleibt auch das genaue Ausmaß der Strafe offen: Das Feuer „fraß am Rande des Lagers“ (11,1bγ) – hat Israel damit nicht im Kern getroffen.12 Gegenüber den bisherigen Murrerzählungen haben sich
11
Vgl. AURELIUS, Fürbitter, 181–186, nach dem Num 11,4–35 „in allen entscheidenden Punkten, Israels Murren, Moses Klage und Gottes Wunder, als eine nachdrückliche Steigerung der Massa- und Meribaerzählung“ in Ex 17,1–7 erscheint (aaO., 182). 12 Der „Rand des Lagers“ ist in Ri 7,17.19; 2Kön 7,5.8 Eingangstor zum Lager und potentieller Kriegsschauplatz. Parallelen für das auflodernde ( )בערFeuer YHWHs ()אשׁ יהוה, das „am Rande des Lagers“ frisst ()אכל, sind etwa Lev 10,1f.; Num 16,35; 26,10; Ps 106,18; 2Kön 1,9–15; Hi 1,16; Thr 2,3; dazu etwa Lev 9,24; 1Kön 18,38 im Kontext von Opferdarbringungen. Keine dieser Passagen ist so eng mit Num 11,1–3 verbunden, dass literarische Abhängigkeit zweifelsfrei nachgewiesen werden könnte. Die genannten Vergleichsstellen sowie der Hilfeschrei des Volkes in 11,2 mahnen auf jeden Fall zur Vorsicht, das Feuer zu verharmlosen (so etwa SEEBASS, Numeri, 20–26, dessen Deutung sichtlich
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5. Num 11 – Tabera und Qibrot-Hattaawa
auch der Adressat der Volkesklage und die Funktion Moses geändert: Bisher murrten die Israeliten gegen Mose (Ex 15,24; 17,3; )לון על, stritten mit ihm (Ex 17,2; )ריב עםoder murrten gegen Mose und Aaron (Ex 16,2; )לון על, wobei in allen Fällen YHWH als die hinter Mose (und Aaron) stehende Autorität explizit (Ex 16,6f.8.9.12; 17,2.7) oder implizit mitgemeint war – zumindest helfend eingegriffen hat. Hier nun klagt das Volk zwar niemanden direkt an, ihr Gerede kommt aber direkt vor die Ohren YHWHs ohne Vermittlung durch Mose (Num 11,1). Muss Mose so nicht das Murren des Volkes an YHWH vermitteln, so vermittelt er zwischen dem strafenden YHWH und dem bestraften Volk, indem er für dieses Fürbitte leistet ( פללhitp.; 11,2). Die Episode läuft letztlich auf die Ätiologie des Ortsnamens Tabera hinaus (11,3): Unmittelbar nach Aufbruch vom Sinai hat das Volk YHWH derart erzürnt, dass er ein fressendes Feuer unter sie gebracht hat. Wie in Ex 17,7 dürfte damit weniger der Ort(sname) als solcher im Zentrum des Interesses stehen als vielmehr die Erinnerung an das strafwürdige Verhalten Israels, dem mit Tabera ein Ort in der kollektiven Erinnerung geschaffen wird13 – einer freilich, der nebst Num 11,1–3 nur noch in Dtn 9,22 genannt wird. Die kurze Erzählung Num 11,1–3 weist keinerlei Anzeichen literarischer Mehrschichtigkeit auf und kann entsprechend mit einem Gutteil der Forschung als literarische Einheit betrachtet werden.14 Wiederkehrende Formulierungen bestärken diese Annahme: „ בערbrennen“ in 11,1b.3b – in beiden Fällen mit Bezug auf das Volk: „es brannte unter ihm (“)בם. Dazu kommt in 11,3a der von „ בערbrennen“ hergeleitete Ortsname „ תבערהTabera“. אשׁ יהוה „Feuer YHWHs“ in 11,1b.3b, dazu „ אשׁFeuer“ in 11,2b. Auch 11,1a spricht nicht gegen die Einschätzung literarischer Einheitlichkeit: Die inhaltliche durch die literarhistorische Frontstellung geprägt ist), nur weil das genaue Ausmaß der Strafe nicht beziffert wird. Zum Feuer als Gerichtswerkzeug sowie Präsenzmarker YHWHs vgl. auch die Angaben bei ACHENBACH, Vollendung, 215–217. 13 S.o. Kap. 4.2.3. Vgl. AURELIUS, Fürbitter, 146: „Hinter Nu 10:33a 11:1–3 ist somit keine eigenständige Überlieferung, sondern ausschließlich eine theologische Absicht anzunehmen.“ Vgl. ACHENBACH, Vollendung, 218. Es erstaunt nicht, dass auch Tabera nicht lokalisierbar ist. 14 Vgl. etwa, oft nur implizit, NOTH, Numeri, 73–76; COATS, Rebellion, 124; FRITZ, Israel, 16; BUDD, Numbers, 117–121; AURELIUS, Fürbitter, 143–146; ACHENBACH, Vollendung, 203–219.635 (wobei unklar bleibt, wie sich die Réécriture der Hexateuchredaktion zur vordeuteronomistischen Überlieferung verhält); GERMANY, Narrative, 197–203 u.v.m. Demgegenüber versucht LEVIN, Jahwist, 370–375, eine vor- und eine jahwistische Wachtel-Wunder-Erzählung zu rekonstruieren, die erst nachträglich auf zwei Murrerzählungen aufgeweitet wurde, ohne allerdings literarische Bruchlinien benennen zu können (s.o. Anm. 10). Die Referenz des eintreffenden YHWH-Wortes (11,23) bleibt in Levins Jahwisten offen, bzw. muss hinzugedacht werden (vgl. aaO., 372). Und der Hilferuf des Volkes in 11,2 angesichts der Strafe YHWHs wird zu einer Klage über eine Notlage, die in den weiteren Murrerzählungen nie mit („ צעקum Hilfe) schreien“ formuliert wird, „gründlich uminterpretiert“ (so die Kritik bei ACHENBACH, aaO., 206 Anm. 22).
5.2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 11,1–3
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Leerstelle – weshalb, wie, was klagt das Volk? – braucht nicht durch Emendationen gefüllt zu werden,15 wenn gesehen wird, dass hier nicht eine konkrete Klage, sondern „die Klage eo ipso als Sünde“ gilt.16 11,1a verzeitet 11,1b nach 10,33a: „Und sie brachen auf vom Berg YHWHs, drei Tagesreisen weit. Und als das Volk übel klagte in den Ohren YHWHs, da hörte es YHWH und …“ „ רעschlecht“ ist hierbei adverbial aufgefasst.17 Num 11,1–3 ist geprägt durch mindestens zwei Überlieferungskomplexe: 1.) Die vor-sinaitischen Murrerzählungen und 2.) das deuteronomistische Richterschema:18
15 Vgl. etwa BHK und BHS, die ohne Anhalt an der Textüberlieferung „ רעבHungersnot“ statt „ רעschlecht“ lesen wollen. Vgl. auch die Kritik an vergleichbaren Thesen bei AURELIUS, Fürbitter, 145 Anm. 76. 16 ACHENBACH, Vollendung, 211. 17 Vgl. ACHENBACH, Vollendung, 210f. Die hier vertretene Übersetzung von Num 11,1 entspricht in etwa der zweiten von Achenbach angeführten. Dass dagegen „ רעschlecht“ zur Qualifizierung des Volkes diente (so die erste von Achenbach angeführte Übersetzung), ist aus inhaltlichen Gründen wenig wahrscheinlich: Das Agieren des Volkes spielt sich „in den Ohren YHWHs“ ab, wird von ihm „gehört“; ein „schlecht Sein“ des Volkes würde aber nicht gehört, sondern gesehen werden (vgl. dazu die im Folgenden genannten deuteronomistischen Passagen). Die Septuaginta fasst „ רעschlecht“ als Inhalt der Klage bzw. des Murrens auf: καὶ ἦν ὁ λαὸς γογγύζων πονηρὰ ἔναντι κυρίου … „Und das Volk murrte Schlechtes vor dem Herrn …“ Die substantivierte Auflösung von „ רעschlecht“ dürfte auch für den hebräischen Text möglich sein; dass אנןhitpol. „klagen“ in Thr 3,39 mit „ עלüber“ konstruiert ist (vgl. LXX: γογγύζω … περί), spricht angesichts der geringen Beleglage nicht zwingend dagegen. Zum adverbiellen Gebrauch von „ רעschlecht“ schreiben JOÜON/MURAOKA, Grammar, 304 Anm. 3 (§102c): „The adjectives טוֹבgood and ַרע bad do not appear to be used in the adverbial sense of well and badly. For well we find the inf. abs. הֵ יטֵ יבand for badly one could no doubt have used the inf. abs. הָ ֵר ַﬠ, though it is not found in this sense.“ Num 11,1 findet in ihrer Grammatik keine Erwähnung; als Belegstelle für „well“ mit „inf. abs. “הֵ יטֵ יבkommt m.E. nur Jer 7,5 in Frage, wo allerdings die figura etymologica „ היטיב תיטיבוbessert ein Bessern“ steht. Die Deutung von „ רעschlecht“ als Adverb scheint damit nicht ausgeschlossen. 18 Vgl. AURELIUS, Fürbitter, 142–146; VAN SETERS, Life, 220f.226f.; ACHENBACH, Vollendung, 203–219; GERMANY, Narrative, 200f. Aurelius, Van Seters und Achenbach nennen als dritten vorausgesetzten Überlieferungskomplex die hintere Sinai-Perikope Ex *32–34, genauer: „die ältere Fürbittszene Ex 32:30–34 (vielleicht auch 32:7–14 und 33:12–17), wo Mose wie in Nu 11:1–3 als Israels Fürsprecher gegen Jahwe, dh gegen sein Zornesgericht auftritt“; AURELIUS, aaO., 146. Dies ist nicht nur möglich, sondern wahrscheinlich (s.u. Kap. 5.4.), lässt sich aber ausgehend von Num 11,1–3 nicht mit Sicherheit nachweisen, da die Fürbitte in 11,2 in dem Lexem פללhitp. „Fürbitte leisten“ kondensiert erscheint, das in Ex *32–34, wo stattdessen die Fürbitte inhaltlich ausgeführt wird, gerade nicht belegt ist, und da umgekehrt die zentralen Lexeme im Zusammenhang der Fürbitte aus Ex *32–34 in Num 11,1–3 nicht belegt sind (zu nennen sind etwa „ חטאSünde“ / „sündigen“; כפרpi. „Sühne erwirken“; „ נשׂא חטאתSünde vergeben“; „ פקדRechenschaft fordern“; חלהpi. „besänftigen“; נחםniph. „Reue empfinden“).
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5. Num 11 – Tabera und Qibrot-Hattaawa
1.) Auf der Suche nach dem (überlieferungsgeschichtlichen) Ursprung des Murrmotivs stellte M. Noth fest, dass dieses in Num 11,1–3 sicher nicht zu finden sei, dass die kurze Erzählung mit der derart wenig konkreten Strafhandlung des Klagens „das Schonvorhandensein dieses Erzählmotivs“ vielmehr voraussetze.19 Wie bereits gesehen, eröffnet Num 11,1–3 den Reigen der nach-sinaitischen Murrerzählungen und steht so in Korrespondenz zur ersten vor-sinaitischen Murrerzählung Ex 15,22–25a.27. Das auf Num 11,1–3 hinführende Itinerar 10,33a ahmt Ex 15,22 nach, verwendet aber die etwas gebräuchlichere Formulierung für die Benennung der Wegstrecke:20 Nach jeweils drei Tagen stellt sich ein Konflikt zwischen dem Volk und Mose ein. Während die vor-sinaitischen Murrerzählungen YHWHs Fürsorge in der Wüste betonen, der das Volk vor natürlichen Bedrohungslagen bewahrt, zeichnen die nach-sinaitischen Murrerzählungen ein deutlich konflikthafteres Verhältnis zwischen Israel und Mose bzw. zwischen Israel und YHWH. Die Erzählungen entzünden sich in der Regel nicht an einer natürlichen Notlage (die Ausnahme ist Num 20,1–13), vielmehr ist hier „[d]as Murren Israels … die eigentliche Not in der Wüste.“21 Die Erzählungen sind von einer Strafe YHWHs und dem Versuch, diese Strafe einzugrenzen, geprägt (auch diesbezüglich stellt Num 20,1–13 eine Ausnahme dar). Gerade in der Verkürzung auf die wesentlichen Formelemente der nach-sinaitischen Murrerzählungen erscheint Num 11,1–3 „als Typos für die Murrgeschichten“,22 zumindest für die nach-sinaitischen: Das Volk liegt YHWH ständig klagend in den Ohren trotz der bereits erfahrenen Bewahrung in der Wüste – zumindest wird der eigentliche Akt des Murrens bzw. Klagens bemerkenswerterweise nur hier durch ein an sich zeitloses Partizip zum Ausdruck gebracht (;ויהי העם כמתאננים wörtlich „und als das Volk war wie Klagende, da …“). 11,1–3 blickt damit auf die vor-sinaitischen Murrerzählungen zurück und auf die nach-sinaitischen voraus und fasst letztere quasi zusammen: Immer, wenn das Volk klagte oder murrte, erfolgte eine göttliche Strafe, die dank des Eintretens Moses in ihrer Auswirkung auf das Volk begrenzt wurde (mit der genannten Ausnahme von Num 20,1–13).23 2.) Die gegenüber den vor-sinaitischen Murrerzählungen andere Struktur von Num 11,1–3 (und bedingt der meisten weiteren nach-sinaitischen Murrerzählungen) lässt sich durch die modifizierende Aufnahme des deuteronomisti19 NOTH, Überlieferungsgeschichte, 137; vgl. insgesamt aaO., 134–143 (den überlieferungsgeschichtlichen Ursprung des Murrmotivs findet Noth in Num 11,34; vgl. DERS., Numeri, 76; s.o. Kap. 1.2.4). Vgl. die Aufnahme bei SEEBASS, Numeri, 24. 20 S.o. Anm. 4. 21 ACHENBACH, Vollendung, 210. 22 AURELIUS, Fürbitter, 145. Explizit anders SEEBASS, Numeri, 23. 23 Die Frage nach dem literarhistorischen Verhältnis von Num 11,1–3 zu den weiteren Murrerzählungen kann erst im Anschluss an die Behandlung der einzelnen Erzählungen erfolgen: S.u. Kap. 11. Zu Num 11 insgesamt s.u. Kap. 5.4.
5.2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 11,1–3
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schen Richterschemas erklären:24 In Ri *2,11–19 wird paradigmatisch,25 in den darauf folgenden Erzählungen der einzelnen Richter bzw. Retter exemplarisch der zyklische Gang der Richterzeit beschrieben, der folgende wiederkehrende Elemente enthält, die im Einzelnen freilich nicht statisch verwendet werden:26 a.) Sündenformel: „ ויעשׂו בני־ישׂראל את־הרע בעיני יהוהUnd die Israeliten taten das Schlechte in den Augen YHWHs“ (2,11; 3,7; 6,1) bzw. erweiterte Sündenformel: „ ויספו בני ישׂראל לעשׂות הרע בעיני יהוהUnd die Israeliten fuhren fort, das Schlechte in den Augen YHWHs zu tun“ (3,12; 4,1; 10,6; 13,1). Das „Schlechte in den Augen YHWHs“, terminologisch aus den deuteronomistischen Königsbeurteilungen hinlänglich bekannt, wird nur im Programmtext, bei Othniel und Jiftach als Abfall von YHWH und Verehrung anderer Götter konkretisiert (*2,11–13; 3,7; 10,6), hat in den anderen Erzählungen dagegen keinen Anhaltspunkt. b.) Zornesformel: „ ויחר־אף יהוה בישׂראלUnd der Zorn YHWHs entbrannte gegen Israel“ (2,14[.20]; 3,8; 10,7) und Übereignungsformel (YHWH gibt Israel den Feinden preis [„ מכרpreisgeben“ in 2,14; 3,8; 4,2; 10,7; „ נתןgeben“ in 2,14; 6,1; 13,1]) mit anschließender Notschilderung. c.) Israels Hilfeschrei an YHWH: ויצעקו בני־ישׂראל אל־יהוה/ „ ויזעקוUnd die Israeliten schrien zu YHWH (um Hilfe)“ (3,9.15; 4,3; 6,6[.7]; 10,10 – dagegen nicht in *2,11–19). d.) YHWHs Einschreiten durch die Einsetzung ( קוםhiph.) eines Richters oder Retters (2,16[.18]; 3,9.15), durch dessen Berufung (6,11–24) o.ä.27 e.) Beugeformel ( כנעhiph. „beugen; demütigen“ oder niph. „sich beugen“ in 3,30; 4,23; 8,28; 11,33). f.) Ruheformel: שׁנהx „ ותשׁקט הארץUnd das Land hatte x Jahre Ruhe“ – wobei „x“ meist 40 ist (3,11.30; 5,31; 8,28). g.) Tod des Richters (2,19; 3,11; 4,1; 8,32; 12,7). Die derart formelhafte Gestaltung der Richterzeit geht auf den deuteronomistischen Redaktor der Richterbuches (DtrR) zurück, der den Programmtext *2,11–19 und die Regentschaft Othniels in 3,7–11, wo die Erzählung jeweils im Wesentlichen aus dem Formelschema besteht, eigenständig verfasst, und 24
Auf diesen Bezug haben erstmals nachhaltig FRITZ, Israel, 69.119f. und SCHMID, Jahwist, 62 (vgl. insgesamt aaO., 61–82) hingewiesen (s.o. Kap. 1.2.4.). 25 Vgl. FOCKEN, Landnahme, 45–54.72 zur Rekonstruktion und Deutung der Grundschicht (Ri 2,6[?].7–12.14–16.18.19a) im Rahmen von Ri 2,6–3,6. 26 Darstellung und Begrifflichkeit im Folgenden orientiert sich an BECKER, Richterzeit, 83; GROSS, Richter, 189–195.212–216. Dass im geschichtstheologischen Programmtext *2,11–19 nicht alle Formeln belegt sind, ergibt sich daraus, dass hier keine konkrete Situation im Blick ist. Israels Hilfeschrei kann wohl deshalb entfallen, weil „in 2,18b Jahwes grundloses Mitleid als das die Richterzeit bestimmende Leitmotiv betont an das Ende der Einleitung“ gestellt ist (BECKER, aaO., 91). 27 Detaillierter hierzu vgl. GROSS, Richter, 192–194.
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5. Num 11 – Tabera und Qibrot-Hattaawa
der in den weiteren Erzählungen Vorlagen überarbeitet und durch die genannten Formeln strukturiert hat. „DtrR hat das dtr. Richterbuch zwischen den bereits priesterschriftlich geprägten Hexateuch und die bereits dtr. überarbeiteten Bücher 1Sam–2Kön eingeschrieben“, ist also nach-priesterschriftlich zu verorten.28 Parallelen wie Unterschiede zwischen dem deuteronomistischen Richterschema und Num 11,1–3 sind nicht zu verkennen:29 a.) Der Sündenformel entspricht Num 11,1a, wobei „ הרע בעיני יהוהdas Schlechte in den Augen YHWHs“ kontextbedingt zur singulären Wendung רע „ באזני יהוהübel in den Ohren YHWHs“ wird, da das Klagen bzw. Murren nicht gesehen, sondern gehört wird (vgl. Num 11,18; 14,28).30 Das Vergehen des Volkes wird unterschiedlich bestimmt: Fremdgötterverehrung im Richterschema (sofern überhaupt expliziert), Klagen hier. b.) Die Zornesformel ist auch – nach dem Hinweis auf YHWHs Hören – in 11,1b belegt: „ וישׁמע יהוה ויחר אפוUnd YHWH hörte es und sein Zorn entbrannte“. Auch hier folgt ihr die Strafe auf dem Fuße, die nun aber nicht in Feindesbedrohung, sondern im fressenden Feuer YHWHs besteht.31 c.) Auch in 11,2a schreit Israel um Hilfe, wendet sich aber nicht an YHWH, vor dessen Ohren Israel gerade geklagt hat, sondern an Mose: ויצעק „ העם אל־משׁהUnd das Volk schrie zu Mose (um Hilfe)“. d.) YHWHs Einschreiten erfolgt in 11,2b entsprechend dem geänderten Adressaten des Hilferufes erst nach der Fürbitte Moses für das Volk. Die Fürbitte hat im Richterschema kein Äquivalent: Dort „ruft Israel zu Gott …, und Gott sendet einen Retter, der nicht betet, sondern arbeitet. In (Ex–)Nu hingegen ist der Retter schon von Anfang an da, das Volk ruft … zu ihm und er bittet … zu Gott.“32 28
FOCKEN, Landnahme, 222. Vgl. insgesamt aaO., 160–166.219–234; GROSS, Richter, 82–94 (und jeweils zur Stelle). 29 Unverkennbar ist auch der parallele Aufbau von Num 21,4–9 und Num 11,1–3 (vgl. SCHMID, Jahwist, 61–64; AURELIUS, Fürbitter, 142; ACHENBACH, Vollendung, 207–209). In der Erzählung von der Schlangenplage fehlen aber sämtliche aufgeführte Formeln des Richterschemas, und die einzige wörtliche Parallele zwischen beiden Murrerzählungen besteht in der im Richterschema fehlenden Fürbitte Moses (vgl. 11,2b; 21,7b). Bemerkenswert ist freilich der Vergleich zwischen Num 21,7 und Ri 10,10(.15): Die Rede des Volkes an Mose in Num 21,7 enthält ein Sündenbekenntnis, der Hilfeschrei des Volkes an YHWH in Ri 10,10(.15) besteht aus einem solchen. Als Teil des Richterschemas kann das Sündenbekenntnis allerdings nicht gelten. Weiter hierzu s.u. Kap. 10.2. 30 Vgl. AURELIUS, Fürbitter, 145 (mit weiteren Belegen für die Ohren YHWHs). Zahlreiche hebräische Handschriften sowie die Septuaginta haben hier an die üblichere Formulierung angeglichen und lesen „ בעיני יהוהin den Augen YHWHs“ bzw. ἔναντι κυρίου „vor dem Herrn“. 31 Hier wird man nicht ohne weiteres von kontextbedingter Anpassung sprechen können. Für die Richtererzählungen ist freilich die Feindesbedrohung paradigmatisch. 32 AURELIUS, Fürbitter, 145.
5.2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 11,1–3
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Die weiteren formelhaften Wendungen haben in den Murrerzählungen keine Parallele. Die hier mit d.) bis g.) bezeichneten Formeln werden bei Vergleichen mit den Murrerzählungen daher oft etwas verkürzend mit „Rettung durch Jahwe“ zusammengefasst.33 Nebst den wörtlichen Parallelen bei der (adaptierten) Sündenformel, Zornesformel und dem Hilfeschrei ist es besonders die Tatsache der Rhythmisierung der Geschichtsdarstellung als solche und die Parallelität hierin (Israel handelt schlecht – YHWH zürnt und straft – Israel schreit um Hilfe – YHWH hilft vermittelst einer menschlichen Führungsgestalt), die einen Bezug nahelegen – aber aufgrund der Unterschiede nicht sicher erweisen können.34 Deutlich ist auf jeden Fall, dass die Terminologie in Num 11,1–3 nicht in vor-deuteronomistische Zeit weist.35 Die Unterschiede in der Darstellung sind bedingt durch die unterschiedlichen (heils-)geschichtlichen Voraussetzungen: Die Richtererzählungen haben die Königs- und damit führungslose Zeit im Lande im Blick; in den Murrerzählungen befindet sich Israel erst (implizit oder explizit) auf dem Weg ins Lande und wird dabei von Mose geführt. Die Führungsgestalt, die YHWHs Heil dem Volk vermittelt, muss damit nicht bei jedem Zwischenfall neu berufen werden, sondern ist bereits da. „Die [nachsinaitischen] Murrgeschichten bilden demnach unter Verwendung der dtr. Motivik und der älteren Wüstenerzählungen eine nach-deuteronomistische Weiterentwicklung der Erzählform.“36 Wie gesehen, sollte dieses Urteil zunächst einmal auf Num 11,1–3 beschränkt bleiben. Num 11,1–3 stellt damit – ähnlich wie Ri *2,11–19 hinsichtlich der Richter- bzw. Rettererzählungen des Richterbuches – eine paradigmatische Darstellung von Israels Verhalten auf der Wüstenwanderung nach dem Sinai dar, eine Art vorausgehende Zusammenfassung der nach-sinaitischen Murrerzählungen.37
33 So SCHMID, Jahwist, 62 und AURELIUS, Fürbitter, 142; ähnlich FRITZ, Israel, 119; ACHENBACH, Vollendung, 208. 34 Vgl. auch die Einschätzung von SCHMIDT, Numeri, 20 Anm. 16. 35 Vgl. AURELIUS, Fürbitter, 96.142–146; ACHENBACH, Vollendung, 203–219. 36 ACHENBACH, Vollendung, 208. 37 Zur literarhistorischen Verhältnisbestimmung zu den weiteren Murrerzählungen s.u. Kap. 5.4.; Kap. 11.
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5.3. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 11,4–3538 5.3. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 11,4–35
Obige kurze Nacherzählung der zweiten, auf der ersten basierenden Erzählung 11,4–35 hat zwei Auffälligkeiten benannt: Einerseits die schillernde Beschreibung der Wachteln sowohl als göttliche Gnadengabe als auch als Strafe, andererseits das Nebeneinander und Ineinander von Wachtel-Erzählung und Ältesten-Strang. Die Forschung hat beide Auffälligkeiten meist mit Thesen zur Entstehungsgeschichte der Erzählung zu beantworten versucht: Einerseits wurde und wird oft – nicht zuletzt aufgrund des Vergleichs mit Ex 16 – angenommen, dass die Fleischesgabe nicht von Anfang an als Strafe dargestellt worden sei, sondern auf eine rein positive Wachtel-Wunder-Erzählung zurückgehe.39 Andererseits kann es nachgerade als Forschungskonsens gelten, dass der Ältesten-Strang (mit unterschiedlichen Zuweisungen in etwa Num 11,[11f.] [14f.]16f.24b.25–30) der Grunderzählung (mit unterschiedlichen Zuweisungen in etwa 11,4–6.10.[11f.]13.[14f.]18–23.24a.31–35) erst nachträglich hinzugewachsen oder hinzugefügt worden sei.40 E. Aurelius hat versucht, diesen
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Eine gekürzte Fassung dieses Kapitels ist als vierter Teil in BÜHRER, Law, hier 230– 238 erschienen. 39 Vgl. etwa (mit unterschiedlichem methodischem Zugriff) NOTH, Numeri, 81; COATS, Rebellion, 99.104–115; BUDD, Numbers, 125.129; LEVIN, Jahwist, 370–375 (s.o. Anm. 10); ACHENBACH, Vollendung, 219–266 (s.u.); SEEBASS, Numeri, 40f.; SCHMIDT, Numeri, 17–28; RÖMER, Nostalgia, 76f.84; GERMANY, Narrative, 197–203. 40 Vgl. etwa WELLHAUSEN, Composition, 99–101; HOLZINGER, Numeri, 41–45; BAENTSCH, Exodus-Leviticus-Numeri, 503–510; EISSFELDT, Hexateuch, 39–41.161*– 164*; NOTH, Numeri, 73–81; COATS, Rebellion, 96–115; FRITZ, Israel, 16–18; SCHMID, Jahwist, 70–75; BUDD, Numbers, 122–131; GUNNEWEG, Gesetz, 169.175; BLUM, Studien, 82f.; SCHART, Mose, 160–166.214–216; RÖMER, Nombres 11–12, 487f.; DERS., Nostalgia, 76; SOMMER, Moses; ACHENBACH, Vollendung, 219–266; SCHMIDT, Numeri, 17– 28; BADEN, Redaction, 106–114.174.284; DERS., Composition, 82–102; GERMANY, Narrative, 197–203. Klassisch ist die Aufteilung auf Jahwist (Wachtelerzählung) und Elohist (Ältestenerzählung – meist im Zusammenhang mit Num 11,1–3; 12), wobei bereits bei klassischen Vertretern zuweilen mit Sondertraditionen o.ä. gerechnet wird. Ganz anders argumentiert SEEBASS, Numeri, 27–56, bes. 36–45, der die „Ältestensage“ als Grunderzählung ansieht (11,4abα.5.6aα.10abα.33bβγ.10bβ.11.14–17.24.25a.30.34f. Doch: Wie lässt sich der Fleischeswunsch des Volkes aus dieser Klage plausibel eliminieren? Warum muss sich Mose über das bereits schwer bestrafte Volk noch in dieser Weise beklagen? Welche Worte soll Mose nach 11,24a dem Volk mitteilen? Was sollte das Resultat dieser Ältestensage sein?) und die „Wachtelvariante“, die auf eine „selbständige Sage“ zurückgehe, als Bearbeitung hiervon (11,4bβ.6aβb.7–9.12abα.13.18aαb.19.20a.21–23.31f.; die Zitate aaO., 38.40).
5.3. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 11,4–35
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Konsens aufzubrechen – und darin soll ihm hier gefolgt werden:41 Sowohl 1.) die literarische Analyse der Erzählung als auch 2.) die Berücksichtigung ihrer Bezugstexte erweisen 11,4–35 als literarisch (im Wesentlichen) einheitliche, schriftgelehrte Erzählung. Anfragen an den vorliegenden Text stellen sich bei der Erklärung zum Manna im Kontext der Erzählung (11,7–9) und bei 11,12bβγ. Im ersten Fall ist jedoch, wie bei solchen Erzählerkommentaren üblich, schwerlich zu benennen, welchem Stadium der Textentstehung die Verse entstammen. Im zweiten Fall ist die Kommunikationsebene wegen der 2. Person Singular zumindest auffällig, doch ist auch hier kein klares Urteil möglich.42 Bei der oft für einen Nachtrag gehaltenen Episode von Eldad und Medad in 11,26–29 dürfte es sich dagegen um einen integralen Bestandteil des Kapitels handeln: Die beiden stellen nicht zusätzliche Geistbegabte dar, sondern sind Teil der 70 Ältesten (11,26: וישׁארו „ … שׁני־אנשׁים במחנהDoch es verblieben zwei Männer im Lager …“; … … ולא יצאו האהלה „… Aber sie waren nicht hinausgegangen zum Zelt …“). Die Episode zeigt, dass die Geistbegabung nicht auf die Gegenwart des Begegnungszeltes und Moses begrenzt ist.43 Auch der Zorn YHWHs in 11,10bα, dessen tödliche Auswirkung erst 11,33 berichtet, stellt keine Spannung dar zwischen Moses Hören der Klage des Volkes und seiner Reaktion darauf in 11,10a und 11,10bβ:44 YHWHs Zorn kann auch ohne (unmittelbare) Strafak-
41
Vgl. AURELIUS, Fürbitter, 176–186. Vgl. auch WENHAM, Numbers, 108 Anm. 2; RODeuteronomist, 238–240; LEVINE, Numbers, 327f.; VAN SETERS, Life, 214.227–234. M. Noth hat bekanntlich beide Thesen vertreten: Nach seiner „Überlieferungsgeschichte des Pentateuch“ ist „[d]ie Einheitlichkeit von Num. 11 ... kein literarkritisches, sondern ein überlieferungsgeschichtliches Problem; denn verschiedene Stoffe sind hier zu einer nicht mehr auflösbaren Einheit verschmolzen“ (NOTH, Überlieferungsgeschichte, 34 Anm. 119; vgl. aaO., 141f.). Nach seinem späteren Numeri-Kommentar sind jedoch die beiden Erzählstränge „so wenig miteinander verflochten, vielmehr von Abschnitt zu Abschnitt so reinlich voneinander geschieden, daß mit literarischer Zusammensetzung zu rechnen ist.“ NOTH, Numeri, 75. Noth betrachtet hier 11,14–17.24b–30 als Ergänzung zur jahwistischen Wachtel-Erzählung. In mehreren jüngeren Arbeiten wird auch BLUM, Studien, 79– 84(.194f.) für die literarische Einheitlichkeit von Num 11,4–35 angeführt, allerdings zu Unrecht: Blum geht es aaO., 76–88.194–197 um die Konnexionen lediglich der ÄltestenSchicht von Num 11,4–35 (vgl. aaO., 76) zu seiner vor-priesterlichen Komposition (KD), die in Num 11 u.ö. „ältere Erzählungen … wesentlich neu geprägt“ hat (aaO., 88; vgl. aaO., 216 Anm. 39). Die Ältesten-Schicht stellt nach Blum damit eine Réécriture der vorgegebenen Wachtelerzählung mit ganz anderem Interesse dar (vgl. aaO., 83). 42 Vgl. BLUM, Studien, 81 mit Anm. 159. Zu den textgeschichtlichen Harmonisierungen vgl. BHS. 43 Vgl. BLUM, Studien, 84; SCHARBERT, Numeri, 50f.; LEVINE, Numbers, 325f.; ACHENBACH, Vollendung, 262–266. Dagegen wird 11,26–29 regelmäßig als weiterer Nachtrag beurteilt; vgl. etwa NOTH, Überlieferungsgeschichte, 142 Anm. 364; 193.206; DERS., Numeri, 80f.; SEEBASS, Numeri, 34f.52f. (11,25b–29); SCHMIDT, Numeri, 19.21f.; GERMANY, Narrative, 200.202f.; ARTUS, Dieu, 31–36. 44 Etwa gegen WELLHAUSEN, Composition, 100; HOLZINGER, Numeri, 42f.; BAENTSCH, Exodus-Leviticus-Numeri, 504.506f.; NOTH, Numeri, 73.77; SEEBASS, Numeri, 36–38; ACHENBACH, Vollendung, 227f.; SCHMIDT, Numeri, 20–22; KUPFER, Israel, 91 (im Rahmen seiner achronen Analyse als „Lesestörung[]“ gewertet; aaO., 90); GERMANY, SE,
148
5. Num 11 – Tabera und Qibrot-Hattaawa
tion entbrennen (vgl. etwa Ex 4,14–17; 32,7–14; Hi 42,7–9). YHWHs Zorn rahmt die ganze Reaktion (Moses und YHWHs) auf die Klage des Volkes: Zuerst entzündet sich die Klage Moses daran (11,11–15), YHWH reagiert darauf (11,16–32 – wobei YHWHs Zorn in 11,20 deutlich zum Vorschein kommt) und kommt erst zuletzt auf seinen Zorn zurück (11,33).
1.) Schon die unterschiedlichen Zuweisungen des ersten und letzten Teils von Moses Klage, 11,11f.14f., mal zur Wachtel-, mal zur Ältesten-Erzählung in unterschiedlichen Arbeiten zeigt die Problematik literarkritischer Erklärungsversuche, und zwar in zweierlei Hinsicht: Einerseits lassen sich in der Klage Moses wie in der Antwort Gottes keine literarischen Brüche benennen. Während die Ältesten-Thematik inhaltlich von der Wachtel-Erzählung abhängig ist, hängt umgekehrt in beiden Reden die Wachtel-Erzählung am ÄltestenStrang durch die jeweilige Redeeinleitung in 11,11 und 11,16.45 Andererseits sind beide Themen, der Fleischeswunsch des Volkes sowie die Belastung Moses durch das Volk und seine Entlastung durch Älteste, auch inhaltlich ineinander verwoben: Der Fleischeswunsch des Volkes dient als Anlass zu Moses Klage, deshalb rahmt die Klage Moses seine Wiedergabe der Klage des Volkes in 11,11f. / 11,13 / 11,14f. Moses Überforderung passt zu beiden Themen, dem Wachtel- und dem Ältesten-Strang. Die durch J. Wellhausen prominent und seither oft vertretene schroffe Unterscheidung beider Erzählstränge wird dem Text damit nicht gerecht:46 Durch die Unzufriedenheit mit dem Narrative, 199f.203. Hier werden als „Lösung“ zuweilen recht beliebige Textumstellungen vorgenommen. 45 Vgl. dazu besonders die methodenkritischen Überlegungen bei AURELIUS, Fürbitter, 178 (dagegen weist BADEN, Redaction, 111f.284 kurzerhand beide Redeeinleitungen in 11,11.16 sowohl seinem J als auch seinem E zu). Bemerkenswert ist besonders 11,18(–20), wo ohne 11,16f. nicht nur eine Redeeinleitung („ ויאמר יהוה אל־משׁהUnd YHWH sprach zu Mose“ o.ä.) fehlte, sondern auch der Redeauftrag („ ואל־העם תאמרUnd zum Volk sollst du sagen“) wohl anders hätte formuliert sein müssen (etwa „ אמר אל־העםSprich zum Volk“; vgl. etwa mit unterschiedlichen Formulierungen im Einzelnen Ex 16,9; Num 16,24; 17,2 u.ö. Dagegen ist Lev 20,2 klar als Fortsetzung zu Lev 18 erkennbar). Dass Mose das Volk (wie die Ältesten) erst zusammenrufen muss, ist nach 11,10 folgerichtig: Das murrende Weinen erscheint hier nicht als kollektive Tat des versammelten Volkes, sondern als je einzeln vollzogene Handlung. Diese subtil orchestrierte Szenerie der je in Familienbanden aber inhaltlich doch einmütig (11,4–6) weinenden Israeliten ist gegen SOMMER, Moses, 612f. kaum geeignet, das Volk zu ent- und Mose zu belasten – wie denn auch Moses und YHWHs Wiedergaben der Volkesrede in 11,13.18.20 zeigen (s.o. Kap. 5.1. mit Anm. 9). Sommers Deutung steht klar im Dienst seiner literarhistorischen These (s.o. Anm. 40). 46 Vgl. WELLHAUSEN, Composition, 99: „Wie kann der Hunger des Volkes in Mose den Wunsch erwecken, Mitarbeiter für seine öffentliche Tätigkeit zu haben! die schafften auch kein Fleisch und es kam doch darauf an, die erste Not zu kehren.“ (Die vielfach mit Zustimmung zitierte Aussage wird von GUNNEWEG, Gesetz, 169 mit Anm. 2 ins Lächerliche gesteigert). Die „erste Not“ ist jedoch nicht „der Hunger des Volkes“, sondern ihre Gier nach anderer Nahrung (11,4–6). Damit ist in der Tat die Frage nach der Leitung des Volkes und der Rolle Moses im Blick.
5.3. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 11,4–35
149
Vorhandenen (11,6) und der damit verbundenen Ägyptennostalgie (11,5) wird die Befreiungstat des Exodus und deren (göttlicher wie menschlicher) Vollstrecker in Frage gestellt; der Wunsch nach Fleisch mitsamt dessen Befriedigung und Bestrafung einerseits und die Frage nach der Leitung dieses begierig fordernden Volkes andererseits gehören damit Hand in Hand. Dies gilt nicht nur für 11,11–20, sondern auch für die restliche Erzählung: Auch in 11,21–24a.31–35 und 11,24b–30 stehen der Wachtel- und der Ältesten-Strang bruchlos nebeneinander. Und Moses Zweifel in 11,21f.23 bezieht sich einerseits auf die Fleischesthematik und lässt andererseits erneut die Überforderung Moses angesichts seiner Aufgabe gegenüber dem Volk überaus deutlich werden. Schließlich lassen sich auch einige zentrale Lexeme benennen, die in beiden Erzählsträngen belegt sind: „ אסףversammeln“ (11,4.16.22.24.30. 32bis); „ רוחGeist / Wind“ (11,17.25bis.26.29.31; das unterschiedliche Genus erklärt sich hinreichend durch den Unterschied in der Sache); „ סביבringsum“ (11,24.31.32); „ כל־העם הזהdieses ganze Volk“ (11,11.12.13.14); je nach Textzuweisung lässt sich auch „ נשׂאtragen“ / „ משׂאLast“ (11,11.12bis.14.17ter) anführen.47 Vergleichbares gilt für die Frage, ob dem Text eine ehedem positive Wachtel-Wunder-Erzählung vorlag.48 Um eine solche zu rekonstruieren, muss zumindest in 11,6 (Manna), 11,18 (deutende Aufnahme der Volkesklage) und 11,20 (Umschwung von der überaus reichhaltigen Speisung zur ekelhaften Übersättigung) literarisch Zusammenhängendes ohne Not auseinandergerissen werden.49 Dass hierzu nichts zwingt, zeigt auch der sogleich erfolgende Blick auf die Bezugstexte von 11,4–35.50
47
„ בכהweinen“ (11,4.10.13.18.20) wird nur innerhalb des Wachtel-Stranges verwendet, dort aber auch in den Passagen, die das Wachtel-Wunder als Strafe betrachten: 11,20b. 48 S.o. mit Anm. 39. 49 Vgl. VAN SETERS, Life, 232–234, der darüber hinaus auf die Bezüge zwischen Num 11,23 und Jes 50,2; 59,1 (jeweils mit [„ קצרzu] kurz sein“ und „ ידHand“ bezogen auf YHWH) sowie das Thema des eintreffenden ( ;קרהNum 11,23) bzw. beständigen YHWHWortes (vgl. etwa, mit unterschiedlichen Formulierungen, Jes 40,8; 45,23; 55,11) verweist und folgert: „Scholars have misunderstood the positive elements of the story as the remnants of an older tradition. Instead, they are an ironic use of the language of salvation prophecy as reflected in Second Isaiah.“ AaO., 232. 50 Der Blick auf die Bezugstexte von Num 11,4–35 ist nicht nur für die Frage nach schriftgelehrten Rezeptions- und Produktionsprozessen, sondern auch für die Redaktionsgeschichte des Kapitels relevant: Obige kurze literarische Analyse konnte zwar zeigen, dass der Text keine literarischen Brüche aufweist, die eine literarkritische Unterscheidung von Textschichten erfordert. Da die Entstehung (auch) alttestamentlicher Texte aber auch ohne erkennbare literarische Brüche vonstatten gegangen sein kann bzw. ist, kann die Analyse der Bezugstexte zumindest versuchen, wahrscheinlich zu machen, weshalb in einem Text mehrere Bezugstexte und Themen kombiniert vorkommen (müssen).
150
5. Num 11 – Tabera und Qibrot-Hattaawa
Eine komplexe Analyse einer Wachtel-Wunder-Erzählung hat R. Achenbach vorgelegt.51 Er rechnet mit einer noch tentativ rekonstruierbaren (Manna-)Wachtel-Wundererzählung in Ex 16,3a(.8a).11–15* (die Angaben zu 16,8 sind uneinheitlich bei Achenbach) und einer davon abhängigen, ebenso nur ansatzweise rekonstruierbaren, Wachtel-Wundererzählung in Num 11,4bβ.5.6a...13*.16aα.18aα.*b.19.20aα.21–23*.31f. (vor-deuteronomistisch).52 Erstere zielte auf die Gotteserkenntnis des Volkes, Letztere auf die Stärkung des Vertrauens Moses auf YHWHs Wort. Letztere wurde dann vom Hexateuchredaktor zur Murrerzählung Num *11 (noch ohne die Ältesten-Schicht) ausgebaut,53 Erstere durch den Pentateuchredaktor zur Murrerzählung mitsamt Sabbat-Ätiologie Ex *16, wobei der Pentateuchredaktor für seine Réécriture zugleich die Murrerzählung Num *11 des Hexateuchredaktors nutzte.54 Der vorliegende Text von Num *11 (noch ohne die Ältesten-Schicht) ist nach Achenbach damit älter als der vorliegende Text von Ex *16, bei den ihnen zugrundeliegenden Quellen verhält es sich gerade umgekehrt. Die Ältesten-Schicht in Num 11,10abβ.11f. 14f.16aβb.17.24–30 stammt sodann auch vom Pentateuchredaktor.55 Um zu diesem vergleichsweise komplexen Ergebnis zu kommen, untersucht Achenbach in erster Linie Num 11, Ex 16 wird von ihm nicht eigens analysiert. Für Ex 16 wird einzig E. Ottos Einordnung von 16,3 als nach-priesterschriftlich vorausgesetzt; dem wurde bei der obigen eingehenden Analyse von Ex 16 begründet widersprochen.56 Unklar bleibt bei Achenbach vor allem, auf welchem methodischem Wege er zur jeweiligen Grundschicht in Ex 16 und Num 11 kommt; dies und die oft unterschiedlichen Stellenzuweisungen für die einzelnen Schichten machen eine Evaluation seiner These im Einzelnen unmöglich.57 Bei der hier vorgenommenen literarkritischen und redaktionsgeschichtlichen Analyse beider Erzählungen steht auf jeden Fall der einfacheren und intuitiveren Abhängigkeitsrichtung (Ex 16 → Num 11), die Achenbach in die nicht sicher rekonstruierbare Vorzeit verlagert, auch auf literarischer Ebene nichts im Wege.
51
Vgl. ACHENBACH, Vollendung, 219–266, bes. 221–236. Vgl. ACHENBACH, Vollendung, 266 (vgl. mit etwas anderen Angaben aaO., 635). 53 ACHENBACH, Vollendung, 266 weist der Hexateuchredaktion Num 11,4abα.6b*. 10bα...18aβγb.20aβb.33–35 zu (vgl. mit jeweils etwas anderen Angaben aaO., 235.635). 54 Vgl. ACHENBACH, Vollendung, 236. Vgl. aaO., 232: „Ex 16 bildet demnach eine redaktionelle Ausgestaltung der Wachtel- und Manna-Erzählung unter gezielter Reduzierung der Wachtelwundererzählung. Diese Reduzierung muß schon mit Hinsicht auf Num 11 erfolgt sein, wo eine neuerliche, gänzlich gegenläufige Interpretation gegeben wird.“ 55 Vgl. ACHENBACH, Vollendung, 266 (vgl. mit jeweils etwas anderen Angaben aaO., 237.635 und im Durchgang der Analyse aaO., 237–266). 56 S.o. Kap. 3.2. mit Anm. 42–46. 57 Unklar erscheint besonders der Bezug der Pentateuchredaktion in Ex 16 auf die Hexateuchredaktion in Num 11: Lässt sich für Ex 16 tatsächlich von einer „gezielte[n] Reduzierung der Wachtelwundererzählung … mit Hinsicht auf Num 11“ sprechen? (ACHENBACH, Vollendung, 232; s.o. Anm. 54). Wie sollte sie konkret vonstatten gegangen sein? Anders als Achenbach hat OTTO, Deuteronomium im Pentateuch und Hexateuch, 36– 38.54.108 Anm. 404 Ex 16,3 und die weiteren Belege der Ägyptennostalgie des Volkes allesamt der Hexateuchredaktion zugewiesen. Durch Achenbachs Zusammenstellung von Ex 16,3 und 16,4 (vgl. aaO., 207) in seiner Pentateuchredaktion weist diese Schicht die oben in Kap. 3.2. benannte Spannung auf, dass 16,4f. einerseits 16,2f. nur partiell aufnimmt und andererseits innerhalb von 16,1–15 ohne jegliche Reaktion verhallt und erst in 16,16–30 wieder aufgenommen wird. 52
5.3. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 11,4–35
151
2.) Nach Aurelius entnimmt Num 11,4–35 beide Themen der Erzählung, die Speisung mit Wachteln und die Einsetzung von Ältesten zur Unterstützung Moses, der ihm vorliegenden Tradition. „Anlaß und Absicht“ dieser Kombination stellt die „Vertiefung und Weiterführung der Klage Moses“ aus Ex 17,4 dar.58 Damit setzt Num 11,4–35 (mit Aurelius und über ihn hinaus gehend)59 Ex 16; 17,1–7; 18,13–27 voraus und führt sie kreativ fort: 2a.) Am unstrittigsten ist dies im Falle von Ex 18,13–27 (sowie der Nacherzählung in Dtn 1,9–18):60 Hier setzt Mose auf Anraten seines Schwiegervaters Jitro herausragende Männer zu seiner Entlastung ein, da er (auf Dauer) nicht alle Rechtsfragen des Volkes „alleine“ ( ;לבדEx 18,14.18; Num 11,14.17; Dtn 1,9.12) klären kann. Diese herausragenden Männer sollen Mose dabei unterstützen, das Volk zu (er-)tragen („ נשׂאtragen“ / „ משׂאLast“; Ex 18,22; Num 11,11.12bis.14.17ter; Dtn 1,9.12bis). Die Verortung im Bereich der Rechtsprechung wird in der Abfolge von Ex 18,13–27 – Dtn 1,9–18 – Num 11,4–35 immer schwächer, aus den Richtern ( ;שׁפטEx 18,[13.16.] 22bis.26bis; Dtn 1,16bis) werden zunehmend Unterstützer Moses (Num 58
AURELIUS, Fürbitter, 181. Vgl. VAN SETERS, Life, 229–231. Hinsichtlich der Relationierung von Num 11 und Ex 16 verbleibt AURELIUS, Fürbitter, 179–181 in den durch die klassische Quellenscheidung vorgeprägten Bahnen: „Die Speisung des Volkes mit Wachteln hat der Erzähler also aus einer vor ihm nicht bezeugten Tradition … übernommen“ (aaO., 181); die Speisung mit Manna entstamme Dtn 8,16. Dass Num 11 Ex 16 voraussetzt, nehmen dagegen etwa auch RÖMER, Sojourn, 434; DERS., Nostalgia, 76 („Num 11* refers to the combination of manna and quails in Exod 16 and midrashically continues this narration, in order to emphasize the permanent rebellion of the people.“); GERMANY, Narrative, 197–203 an (sowie unter anderen Voraussetzungen MAIBERGER, Manna, 318–320.428). Zu R. Achenbachs Modell s.o. 60 Vgl. AURELIUS, Fürbitter, 180f. Exegetische und literarhistorische Fragen zu Ex 18,13–27 und Dtn 1,9–18 können hier nicht thematisiert werden. Die in Ex 18 wohl nachträglichen Verse 18,21b.25b spielen für den Vergleich mit Num 11 ohnehin keine Rolle. Für die literarhistorische Abfolge Ex 18,13–27 → Dtn 1,9–18 → Num 11,4–35 sprechen u.a. die stets schwächer werdende Verortung im Bereich der Rechtsprechung, die stets höhere Autorität hinter der Reform (Jitro → Mose → YHWH) und mit Blick auf die Nachordnung von Num 11 sodann die Konkretisierung der Anzahl Ältester und ihre Geistbegabung in Num 11. Vgl. ROSE, Deuteronomist, 224–263; AURELIUS, ebd.; ACHENBACH, Vollendung, 237–248; GERMANY, Narrative, 202. Demgegenüber sieht VAN SETERS, Life, 208–219 Num 11,4–35 und Ex 18,13–27, die er beide seinem spät datierten Jahwisten zuweist, wenig überzeugend als „midrash“ zu Dtn 1,9–18 an (aaO., 219) und verortet Ex 18,13–27 ursprünglich unmittelbar vor Num 11. PYSCHNY, Rewriting, 252–257 verweist Dtn 1,9–18 klar in die Nachgeschichte von Ex 18,13–27, erwägt aber auch die Möglichkeit, „dass Dtn 1,9–18 bestimmte Aspekte von Ex 18 und Num 11 miteinander verbindet, die Ältesten von Num 11 auf diese Weise nun explizit [nach Ex 18: wieder!] zu Richtern macht und sie gleichzeitig im deuteronomischen bzw. deuteronomistischen Gedankengut verankert.“ AaO., 257 (Herv. und Klammer W.B.). BADEN, Redaction, 106–114 weist Ex 18,13–27 und den Ältestenstrang in Num 11,4–35 E zu. Die klassische (Verlegenheits-)Lösung rigider Quellenscheidung war Num 11 (J) → Ex 18 (E) → Dtn 1 (D). 59
152
5. Num 11 – Tabera und Qibrot-Hattaawa
11,17b), deren genaue Funktion unklar bleibt – und angesichts der deutlicheren Referenztexte hier auch unklar bleiben kann. Hinsichtlich ihrer Begabung mit dem Geist Moses und dem daraus resultierenden prophetischen Gebahren ( נבאhitp.; Num 11,25.26.27) der 70 Ältesten steht Num 11,4–35 denn auch (spät-)prophetischen Texten über die Ausschüttung des Geistes YHWHs (vgl. Joel 3; Jes 32,15; 44,3; 63,10–14; Ez 36,26f.; 39,29), auf den hin der Geist, der auf Mose ist (... ;הרוח אשׁר עלNum 11,17.25) und von YHWH an die Ältesten weitergegeben wird, durchsichtig ist, und der in Moses Wunsch in Num 11,29 auch explizit genannt ist, näher als Ex 18,13–27 oder Dtn 1,9– 18.61 Während die Zahl der Unterstützer Moses in Ex 18,13–27; Dtn 1,9–18 nicht genau beziffert wird, begegnet die Zahl der 70 Ältesten auch in Ex 24,1f.9–11.12–14 – genauso wie auch hier die Delegation von Rechtsprechung ( ;דבר24,14; vgl. Ex 18,16.19.22bis.26bis; Dtn 1,17) und Josua als „ משׁרתDiener“ Moses (Ex 24,13; Num 11,28)62 begegnen. Der (wahrscheinliche) Bezug auf Ex 2463 sowie die Parallelen zu den (spät-)prophetischen Tex61
Vgl. RÖMER, Nombres 11–12, 488–491; DERS., Sojourn, 437f. (vgl. auch NIHAN, Mort, 153 Anm. 30). Dass es sich hierbei um eine anti-deuteronomistische Sicht der Prophetie handeln soll, überzeugt kaum angesichts der bleibenden Unterscheidung zwischen Mose und den 70 Ältesten: Mose wählt die 70 Ältesten aus (11,16.24); nur mit Mose spricht YHWH direkt (11,17.25); die 70 Ältesten dienen der Unterstützung Moses und bleiben ihm durchweg nachgeordnet (11,16f.24.30). Vgl. auch GUNNEWEG, Gesetz; BLUM, Studien, 194–197; ACHENBACH, Vollendung, 237–266. 62 Vgl. zu Josua auch Ex 32,17 und 33,11 und dazu BLUM, Studien, 80f.: „Als Begleiter Moses auf dem Berg (Ex 24; 32) (Aufgabe und Ort neben Mose werden weder hier noch beim Ohel Mo‘ed näher bestimmt) bleibt Josua vom Abfall des Volkes (Ex 32) unbelastet; er kann demnach auch im Begegnungszelt amtieren und schließlich durch Jhwh selbst als Nachfolger Moses zum Führer des Volkes bei der Landnahme bestallt werden (Dtn 31,14f.23 …).“ Vgl. aaO., 89–91. 63 Da es in Num 11,4–35 um die Geistbegabung der 70 Ältesten geht, nicht aber um eine Legitimation der 70 herausgehobenen Ältesten oder gar der Institution der Ältesten als solche (vgl. 11,16), dürfte Num 11 auch hier der nehmende Text sein (vgl. GUNNEWEG, Gesetz, 175f.; SCHMITT, Suche, 273). Eine Geistbegabung der 70 Ältesten spielt in Ex 24,1.9(.14) keine Rolle; „die Existenz eines solchen auserwählten Gremiums“ ist gegen ACHENBACH, Vollendung, 255 mitnichten „so selbstverständlich vorausgesetzt, daß man hier nur mit einer Rückprojektion der sich aus der Ältestenlegende von Num 11 ergebenden Verhältnisse in die Sinaiperikope rechnen kann“ (vgl. aaO., 250), denn die Mitnahme von 70 Ältesten wird in Ex 24,1 von YHWH geboten (vgl. Num 11,16), ohne dass auf Bekanntes Bezug genommen wäre. Zur frühestens exilischen Gottesschau und Mahlfeier in Ex 24,1.9–11 vgl. HARTENSTEIN, Wolkendunkel, 136–152; ALBERTZ, Exodus II, 107f. 112f.134.140f.; GERMANY, Narrative, 118–122.136, zu Ex 24,12–14 ALBERTZ, aaO., 142. 147.149–151. Vgl. auch BLUM, Studien, 89–91. Mit den Genannten ist gegen Achenbach umgekehrt zu vermuten, dass die priesterlichen Gestalten neben Mose und den 70 Ältesten nachträglich hinzugekommen sein könnten – wie denn auch der Samaritanische Pentateuch noch die weiteren Aaronsöhne nachgetragen hat in 24,1.9. Auf den möglichen Bezug des Geisttransfers von Mose auf die Ältesten mittels „ אצלwegnehmen“ (Num 11,17.25) zu den
5.3. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 11,4–35
153
ten hinsichtlich des Geistes Moses bzw. YHWHs, hinsichtlich der nur vermeintlich zu kurzen Hand YHWHs64 und schließlich auch hinsichtlich des Bildes YHWHs als Mutter Israels (vgl. Num 11,12 mit Jes 42,14; 46,3; 49,15; 66,13) bestätigen die durch den Vergleich mit Ex 18,13–27 und Dtn 1,9–18 gewonnene Einschätzung, dass Num 11,4–35 nachexilisch einzuordnen ist. ולא יספו, je nach Vokalisation zu übersetzen mit „und sie fuhren nicht fort“ (abgeleitet von „ יסףfortfahren“; so der masoretische und griechische Text) oder „und sie hörten nicht auf“ (abgeleitet von „ סוףenden“; so die aramäischen und lateinischen Übersetzungen), in 11,25 stellt eine alte crux interpretum dar, die im Wesentlichen an der Frage der Deutung von נבא hitp. „sich prophetisch gebärden“ hängt. Die Unterstützung Moses durch die geistbegabten 70 Ältesten muss sich nach 11,25 fortsetzen, wenn Num 11 und YHWHs Lösung von Moses Problem nicht ins Leere hinauslaufen sollen, und setzt sich auch fort: Das Ruhen des Geistes auf den 70 Ältesten ( כנוח עליהם הרוח/ ;ותנח11,25.26; vgl. 2Kön 2,15; Jes 11,2) wird vom ולא יספוder 70 Ältesten daher nicht tangiert. Enden kann damit lediglich eine prophetische Verzückung der 70 Ältesten, die Anzeichen der Geistbegabung ist – etwa in Analogie zu Sauls vorübergehender prophetischen Verzückung in 1Sam 10,6.10–13 (vgl. 1Sam 19,20–24) im Unterschied zu seiner bleibenden Wesensänderung ( ;הפך1Sam 10,6.9).
2b.) Nach Aurelius „erscheint Nu 11:4–35 in allen entscheidenden Punkten, Israels Murren, Moses Klage und Gottes Wunder, als eine nachdrückliche Steigerung der Massa- und Meribaerzählung Exod 17:1–7.“65 Während in Ex 16 und 17,1–7 eine natürliche Notlage zum Murren ( לוןin 16,2.7.8.9.12; 17,3; תלנותin 16,7.8a.b) oder Aufbegehren („ ריבstreiten“ in 17,2a.b.7; „ נסהversuchen“ in 17,2.7) der Israeliten führt, ist es in Num 11,4–6 der Wunsch nach mehr: Das Manna wird in 11,6.7–9 als ständige Nahrung der Israeliten dargestellt, derer sie nun überdrüssig sind. Sie wollen wieder Fleisch. Moses deutende Wiedergabe ihres Wunsches in Num 11,13, „ תנה־לנו בשׂר ונאכלהGib (du) uns Fleisch, damit wir essen können!“, ist parallel aufgebaut zum Wunsch nach Wasser in Ex 17,2, zumal wenn man mit 4QpaleoExm, Samaritanus, Septuaginta, Vulgata und weiteren antiken Textzeugen gegen den masoretischen Text den Imperativ Singular liest: „ תנה־לנו מים ונשׁתהGib (du) uns Wasser, damit wir trinken können!“.66 Moses Deutung der Volkesrede spielt damit den früheren Zwischenfall in Rephidim ein.67 In Ex 17,4 wendet sich Mo„ אצילי בני ישׂראלVornehmen der Israeliten“ (Ex 24,11) hat etwa schon WELLHAUSEN, Composition, 100 mit Anm. 1 aufmerksam gemacht. 64 S.o. Anm. 49. 65 AURELIUS, Fürbitter, 182. 66 S.o. Kap. 4.1. mit Anm. 5. 67 Moses Deutung der Volkesrede aus 11,4 als direkte Forderung an ihn in 11,13 und Moses Einspielung von Ex 17,1–7 zeigen, dass das Agieren des Volkes und dessen Konsequenzen für ihn selbst „schlecht ist in den Augen Moses“ (11,10bβ) – und nicht YHWHs Zorn über das Volk (gegen COATS, Rebellion, 102f.; SCHART, Mose, 161f.166.181f.215 [Schart sieht Mose in Analogie zu Num 14,11–25 als Fürbitter für das Volk; als Fürbitte wäre Moses Rede vor der Strafe bzw. Strafankündigung freilich verfrüht, wie der Vergleich mit Num 11,1f.; 12; 14,11–25; 21,4–9 zeigt; vgl. auch 17,6–15]; KUPFER, Israel,
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5. Num 11 – Tabera und Qibrot-Hattaawa
se in Todesangst hilfeschreiend an YHWH, da er die Steinigung ( )סקלdurch das Volk fürchtet. In Num 11,11–15 wendet er sich in einer viel ausführlicheren, wiederum rein persönlichen Klage an YHWH – und erbittet von diesem gleich den Tod, wenn er das Volk weiterhin alleine (er-)tragen muss (11,15): Angesichts des (immer) unzufrieden(er)en Volkes stellt der Tod hier nicht mehr das Problem, sondern die Lösung des Problems des Propheten Mose dar – zwar nicht die beste, aber immerhin eine bessere Lösung.68 Entsprechend der doppelten und gegenüber Ex 16 und 17,1–7 zudem gesteigerten Problematik der Führerschaft Moses fällt auch die Reaktion YHWHs größer aus: Während in Ex 17,1–7 das Problem des Volkes und das Moses zusammen gelöst werden, indem Mose vor der Augenzeugenschaft von Ältesten Wasser aus dem Felsen zum Trinken für das Volk hervorbringt (17,5f.), nimmt sich YHWH in Num 11 zunächst des Problems Moses an und stellt ihm 70 Älteste Israels als Unterstützer zur Seite.69 In einem zweiten Schritt wird dem Wunsch des Volkes durch die überreiche Gabe von Wachteln stattgegeben (11,31f.) – freilich nicht ohne das begierige Volk zu bestrafen (11,33f.). Das (strafende) Wunder ist in 11,20 gleichermaßen Anzeichen der Gegenwart YHWHs „inmitten“ ( )בקרבdes Volkes wie in Ex 17,7.70 2c.) Schließlich ist auch der Bezug von Num 11,4–35 auf Ex 16 sowohl im Erzählablauf des Pentateuch wie in literarhistorischer Hinsicht evident: In Ex 16,3 konstatiert das Volk selbst die Gefahr einer Hungersnot ( )רעבund des daraus folgenden Todes in der Wüste und erinnert sich zurück an Fleisch und Brot, das ihnen in Ägypten zur Genüge zur Verfügung stand. YHWH verheißt
94–105.114. WEVERS, Notes, 165 bezieht Moses Missfallen auch auf YHWHs Zorn, weist aber darauf hin, dass die Septuaginta in 11,11 רעעhiph. „übel tun; schlecht behandeln“ nach רע/ πονηρός „schlecht“ in 11,10 gerade nicht mit πονηρεύομαι „schlecht sein/handeln“, sondern mit κακόω „schlecht behandeln“ übersetzt). 68 „So erweist sich die Formulierung des Todeswunsches als ein zwar radikal formuliertes argumentum ad deum …, das aber dennoch hinter und mit dem Argument des Todeswunsches nicht nur den Tod angesichts des Leidens als bessere, sondern auch ein vom Leiden befreites Leben als beste Möglichkeit zu erhoffen scheint.“ DIETRICH, Tod, 17 (vgl. aaO., 12–17 für vergleichbare Texte). Mose teilt dieses Schicksal mit weiteren ProphetenGestalten: Jeremia, Elija, Jona. Vgl. BÜHRER, Gott, 70–75; zum Vergleich der Konfessionen Jeremias mit Ex 17,1–7 und Num 11,4–35 vgl. AURELIUS, Fürbitter, 172f.183f. (vgl. auch ACHENBACH, Vollendung, 237–248). Schon HOLZINGER, Numeri, 44 sprach in diesem Zusammenhang von „Prophetenstimmung“; vgl. auch WELLHAUSEN, Composition, 100f. Demgegenüber dient Moses Todeswunsch in Ex 32,31f. der Umstimmung YHWHs um des Volkes willen, nicht um seinetwillen. 69 „Die aus Ex 17 übernommenen Ältesten nehmen in Nu 11 den Platz der ‚tüchtigen, gottesfürchtigen‘ bzw ‚klugen, einsichtigen und verständigen‘ Männer von Ex 18 und Dt 1 ein“; AURELIUS, Fürbitter, 182. Vgl. VAN SETERS, Life, 230. 70 Vgl. VAN SETERS, Life, 229. YHWHs Gegenwart „inmitten“ ( )בקרבdes Volkes ist freilich zentral auch für die Kundschaftererzählung (vgl. Num 14,11.14.42) und die Sinaiperikope (vgl. Ex 33,3.5; 34,9f.).
5.3. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 11,4–35
155
und verschafft ihnen daraufhin Fleisch in Form von Wachteln und Brot in Form von Manna (16,11f.13–15).71 In Num 11,4–6 wird, ohne die Feststellung einer Notlage, sogleich Fleisch verlangt, und in 11,31–33 in Form von Wachteln gegeben.72 Bereits die einförmige Gleichung von Fleisch und Wachteln in beiden Texten ist ein Argument für Textkenntnis. Dabei sind die Wachteln in beiden Fällen als bekannt vorausgesetzt, brauchen zumindest nicht erläutert zu werden, denn bei ihnen handelt es sich um eine bekannte Naturerscheinung in Palästina und auf der Sinaihalbinsel.73 Beim Manna verhält es sich anders: In Num 11,(4–)6.7–9 ist es sowohl auf der Erzählebene wie auf der Erzählerebene als bekannt vorausgesetzt, in Ex 16,13–15.21.31 muss das Manna dagegen für die Israeliten wie für die Leser erst schrittweise als das von YHWH verheißene Brot definiert werden;74 von Brot spricht Num 11 dagegen nicht.75 In Ex 16 sind Manna und Wachteln ausschließlich positiv besetzt, in Num 11 werden sie dagegen als ambivalent dargestellt: Auf die Gabe des Mannas haben die Israeliten keine Lust mehr, und die überreich geschenkten Wachteln gereichen dem begierigen Volk zur tödlichen Strafe. Die Texte unterscheiden sich auch im Ausmaß des Wachtel-Wunders: In Ex 16,12f. wird die Speisung mit Wachteln als einmalige Gabe dargestellt, die Wachteln fallen auf das Lager, sind aber neben dem wunderhaften Manna nicht weiter von Bedeutung. In Num 11,31f. liegen die Wachteln dagegen in Massen rings um das Lager, so dass die Israeliten zwei Tage mit dem Einsammeln beschäftigt sind.76 Die Größe dieses Wunders entspricht der ange-
71
Dass die erste Rede YHWHs, 16,4f., die ausschließlich Brot verheißt, nachgetragen ist, ist aus inhaltlichen und sprachlichen Gründen gemeinhin anerkannt. Obige Analyse in Kap. 3. hat darüber hinaus zu zeigen versucht, dass auch die beiden Reden Moses (und Aarons) in 16,6f.8 als präzisierende Vorwegnahmen von 16,12 nachgetragen sind. Sodann hat sich der Großteil der zweiten Hälfte des Kapitels, die Findung des Sabbats, als Fortschreibung zur ursprünglichen Manna-und-Wachtel-Erzählung der Priesterschrift (16,1aβγb.2f.9–15.21.31) erwiesen. 72 Vgl. בשׂרin Ex 16,3.8.12; Num 11,4.13bis18ter.21.33; שׂלוin Ex 16,13; Num 11,31.32. 73 Vgl. VON DER OSTEN-SACKEN, Untersuchungen, 115–117.374–382. Die Setzung bzw. Nicht-Setzung des bestimmten Artikels in Ex 16,13; Num 11,32 bzw. Num 11,31 besagt gegen AURELIUS, Fürbitter, 179 nichts für die Frage der Bekanntheit von Wachteln oder einer Wachtel-Erzählung, solange die Referenz in der Naturerscheinung gegeben ist. S.o. Kap. 3.2. mit Anm. 32. 74 S.o. Kap. 3.2. 75 Vgl. „ מןManna“ in Ex 16,31.33.35bis; Num 11,6.7.9; „ לחםBrot“ in Ex 16,3.4.8.12. 15.22.29.32 – nicht aber in Num 11. 76 Wenn das Volk in 11,32 „jenen ganzen Tag (und die ganze Nacht und den ganzen Folgetag)“ mit dem Einsammeln der Wachteln beschäftigt ist, scheint 11,32 am Folgetag zu dem von 11,4–31 zu liegen. Das Essen der Wachteln findet damit wie in 11,18 angekündigt „morgen“ statt (vgl. HOLZINGER, Numeri, 42). Die Heiligung des Volkes (11,18)
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5. Num 11 – Tabera und Qibrot-Hattaawa
kündigten Sättigung mit Fleisch für einen Monat aus 11,18–20. Gegenüber Ex 16 ist das Wunder also gesteigert und dient nicht nur zur Sättigung, sondern auch zur Strafe. Beide Aspekte verdeutlichen, dass Ex 16 nicht als der nehmende, sondern nur als der gebende Text in Frage kommt, denn andernfalls wäre das Wachtel-Wunder gemindert worden und stünde aufgrund des Strafaspektes in Num 11 in keinem besonders guten Licht. Von beidem kann in Ex 16 aber keine Rede sein, hier geht es ohne jegliche Misstöne um die wundersame und gnadenhafte Speisung des Volkes durch YHWH. Die Steigerung des Wunders und die Abhängigkeit gegenüber Ex 16 lassen sich auch an Num 11,32aβ aufzeigen: „ הממעיט אסף עשׂרה חמריםDer, der wenig (gesammelt) hat, hat zehn Homer gesammelt“. In Ex 16,17.18 wird mit Blick auf das Manna unterschieden zwischen denen, die wenig ()מעט, und denen die viel ( )רבהsammeln für ihre Familien. Als individuelle Tagesration wird dabei ein Omer ( )עמרveranschlagt (16,16.18.22.32.33.36). Die nur hier belegte Maßeinheit wird in 16,36 als zehnter Teil eines Epha angegeben. Die zehn Homer ( )חמרaus Num 11,32 als Mindestmaß stellen damit das Tausendfache der Tagesration aus Ex 16 dar.77 Trifft die redaktionsgeschichtliche Analyse von Ex 16 in Kapitel 3. Richtiges, läuft der Bezug hier auf die nach-priesterschriftlichen Sabbatnachträge in Ex 16. Dies gilt auch für Num 11,8a, wo es um die Verarbeitung des Mannas geht. In der priesterschriftlichen Grundschicht von Ex 16 ist davon nicht die Rede, sondern erst im zweiten Teil des Kapitels, wo es schwerpunktmäßig um Fragen der Sammlung, Haltbarkeit und Aufbewahrung des Mannas geht: Ex 16,23 und Num 11,8 haben nebst unterschiedlichen Lexemen „ בשׁלkochen“ gemein, Num 11,8 beschreibt dabei die Zubereitung des Mannas detaillierter als Ex 16,23. Was in Ex 16 für die Israeliten und die Leser noch neu ist, stellt in Num 11 bekannte Praxis dar. Schließlich lassen sich dafür auch Num 11,9 und Ex 16,13b.14 anführen: Das Niederfallen des Mannas im Tau wird in Num 11 schlicht konstatiert, in Ex 16 aber narrativ eingeführt.78 Fazit: Num 11,4–35 nimmt also die im Wesentlichen inhaltlich unverbunden hintereinanderstehenden Erzählungen Ex 16 (in seiner redaktionell erweiterten Gestalt), 17,1–7 sowie 18,13–27 auf und verbindet sie zu einer entsprechend thematisch vielschichtigen Erzählung,79 in der alle Bestandteile – mit könnte damit ebenso als vollzogen gedacht sein, ohne dass sie berichtet werden muss – ähnlich Jos 3,5; 7,13. Etwa gegen WELLHAUSEN, Composition, 100. 77 Zur Relationierung von Homer und Epha vgl. Ez 45,11. 78 Der Erzählerkommentar Num 11,7–9 weist bei allen Unterschieden die engsten Parallelen zu Ex 16 auf (vgl. Num 11,7a mit Ex 16,31bα; Num 11,8b mit Ex 16,31bβ; Num 11,9 mit Ex 16,13b.14), die in der Textgeschichte zudem noch deutlicher ausgezogen wurden. 79 Vergleichspunkte zu Ex 17,8–16 und 18,1–12 sind dagegen weniger auszumachen, und vor allem betreffen sie nicht die Erzählsubstanz von Num 11: Num 11,28 und Ex 17,8–16 haben mit Josua eine weitere gemeinsame Erzählfigur, und Ex 17,14 und Num 11,26 haben das Motiv von etwas schriftlich Fixiertem gemein, das in Num 11 nicht weiter
5.3. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 11,4–35
157
Ausnahme der nicht vorhandenen äußeren Not des Volkes – gesteigert wieder begegnen: Moses Notlage angesichts des fortwährenden (oder zumindest erneuten) Murrens, seine Klage und Gottes Reaktion darauf in Form der zusätzlichen, aber nicht genauer definierten Unterstützung Moses, des gesteigerten Wunders und der Strafe. Als Anlass dient dabei die Umwertung der göttlichen Gnadengabe des Mannas und die damit einher gehende Infragestellung des Exodus und der Wüstenwanderung durch das Volk. Ein weiterer Bezugstext von Num 11,4–35 stellt Ex 33,7–11 dar,80 wo die Befragung ( ;בקשׁ33,7) YHWHs beim Zelt der Begegnung außerhalb des Lagers stattfindet.81 YHWH und Mose sprechen im oder beim Zelt der Begegnung miteinander (nach Ex 33,11 „ פנים אל־פניםvon Angesicht zu Angesicht“), die Wolke bzw. die Wolkensäule zeigt sichtbar die Präsenz YHWHs an (Ex 33,9f.; Num 11,25). Die Position des Zeltes der Begegnung außerhalb des Lagers wird dabei in Num 11,4–35 schlicht vorausgesetzt: Nach der Geistbegabung der Ältesten beim Zelt der Begegnung gehen Mose und die Ältesten zurück ins Lager (11,30); Eldad und Medad dagegen sind gar nicht erst zum Zelt (der Begegnung) hinausgegangen, sondern im Lager verblieben (11,26). Es bestätigt sich damit auch hier, dass Num 11,4–35 auf verschiedenen Bezugstexten beruht und dort Berichtetes und Geschildertes voraussetzt. Anders als im Falle von Ex 16; 17,1–7; 18,13–27 ist beim Bezug von Num 11,4–35 auf Ex 33,7–11 jedoch kein kreativ-interpretatives Interesse der Verknüpfung und Steigerung der vorgegebenen Texte erkennbar. Insgesamt geht es in Num 11,4–35 damit um die Verhältnisbestimmung von Tora, für die Mose steht, und Prophetie im Zusammenhang der „Vollendung der Tora“.82 Und diese Verhältnisbestimmung erfolgt im Sinne einer Neben- und Unterordnung der Prophetie gegenüber der (wie die zahlreichen Bezugnahmen des Kapitels auf vorgegebene Texte aus dem Alten Testament zeigen: schriftlichen) Tora: Der Prophetie „eignet … die hohe Würde, an Moses Geist beteiligt zu sein. Dennoch bleibt Mose auch der Prophetie gegenüber der Mittler, zu dem Jahwe allein unmittelbar spricht“.83 Diese Unter-
erläutert wird. Ex 18,1–12 steht mit der positiven Würdigung des Exodus – gerade auch im Munde des Midianiters Jitro – in deutlichem Kontrast zur Infragestellung des Exodus durch das Volk in Num 11. Die midianitische Verwandtschaft Moses wird nach-sinaitisch indes nicht in Num 11, sondern bereits in Num 10,29–32 thematisiert. 80 Vgl. bes. GUNNEWEG, Gesetz; BLUM, Studien, 76–88.194–197 (als Teile seiner vorpriesterlichen Komposition KD); SCHMITT, Suche, 268–275. Zu dem hier vorliegenden Verweiszusammenhang gehören auch Ex 34; Num 12; Dtn 31,14f.23; 34,10. 81 Die Befragung YHWHs in Ex 18,13–27 ( ;דרשׁ18,15) wird dagegen nicht weiter verortet. 82 Vgl. RÖMER, Nombres 11–12, 496f. („Nb 11–12 peut se lire sur l’arrière-fond des débats idéologiques précédant la clôture du canon de la Torah“; aaO., 496) und die entsprechend betitelte Studie von ACHENBACH, Vollendung. 83 GUNNEWEG, Gesetz, 177.
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5. Num 11 – Tabera und Qibrot-Hattaawa
scheidung wird in Num 12 noch schärfer gezogen und mittels der Figur Aarons um die Verhältnisbestimmung von Tora und Priestertum erweitert: Während in Num 11 70 Älteste – und im Modus des Wunsches das Volk insgesamt – zu Propheten erhöht werden, betont Num 12 noch stärker die bleibende Unterscheidung zwischen Mose und allen weiteren Propheten (und Priestern), erhöht damit Mose gegenüber allen weiteren Propheten (und Priestern).84
5.4. Fazit 5.4. Fazit
Abschließend sollen die Ergebnisse obiger Analysen von Num 11,1–3 und von Num 11,4–35 gebündelt und zusammen ausgewertet werden, um Funktion und literarhistorische Stellung von Num 11 zu ergründen: Beide Murrerzählungen in Num 11 haben sich als (im Wesentlichen) literarisch einheitlich erwiesen, im Falle von 11,1–3 mit, im Falle von 11,4–35 gegen die Forschungsmehrheit.85 11,4–35 ist dabei deutlich als Fortsetzung von 11,1–3 gestaltet: Das „dahergelaufene Volk“ oder „Mischvolk“ ()האספסף befindet sich „inmitten“ des in 11,1f.(3) agierenden Volkes Israel (;בקרבו 11,4). Das neuerliche Weinen der Israeliten in 11,4b lässt sich dabei gleichermaßen auf 11,1–3 wie Ex 16 beziehen.86 Der Zorn YHWHs über Israels Klagen ist in Num 11,10b gegenüber 11,1b durch die Partikel „ מאדsehr“ gesteigert, und auch die Strafe für Israels Klagen erscheint gravierender in der zweiten Erzählung: In 11,1–3 brannte das Feuer YHWHs im Volk und fraß „am Rande des Lagers“, in 11,33 schlägt ( )נכהYHWH das Volk מכה רבה מאד „mit einem sehr großen Schlag“. Der Ort des Geschehens wird sodann nicht nach dem Mittel der Bestrafung (so in 11,3: Tabera), sondern nach deren Resultat, dem Tod und Begräbnis des begierigen Volkes, benannt (11,34: Qibrot-Hattaawa). Beide Murrerzählungen in Num 11 haben sich aufgrund der in ihnen aufgenommenen Überlieferungen als nach-priesterschriftlich erwiesen: Num 11,1–3 als erste nach-sinaitische Murrerzählung ahmt die erste vor-sinaitische (und vor-priesterschriftliche) Murrerzählung Ex 15,22–25a.27 durch die Aufnahme der dreitägigen Wegstrecke in Num 10,33a nach. Der gegenüber den vor-sinaitischen Murrerzählungen unterschiedliche Geschehensablauf dürfte durch die modifizierende Aufnahme des deuteronomistischen Richterschemas bedingt sein, das in seiner ausgeführten Gestalt (vgl. bes. Ri *2,11–19; 3,7– 84
Vgl. GUNNEWEG, Gesetz, 177f.; SCHMITT, Suche, 273f.; ARTUS, Dieu. Zu Num 12 s.u. Kap. 6. 85 Zu 11,7–9 und 11,12bβγ, die keine sichere Zuordnung erlauben, s.o. Kap. 5.3. mit Anm. 42. Auf 11,35 ist in Kap. 6.3. nochmals zurückzukommen. 86 S.o. Anm. 7.
5.4. Fazit
159
11) als nach-priesterschriftlich einzuordnen ist.87 Num 11,4–35 erweist sich als Zusammenschau der vor-sinaitischen (Murr-)Erzählungen Ex 16 (in seiner redaktionell erweiterten Gestalt); 17,1–7; 18,13–27, die hier alle in gesteigerter Intensität aufgenommen werden: Das Klagen des Volkes entzündet sich nicht mehr an einer Notlage, sondern an der Abwertung der göttlichen Gnadengabe des Manna; Moses Klage hat nicht mehr das Volk, sondern nur noch sich selbst und seine Überforderung im Blick; YHWHs Reaktion auf Mose und das Volk resultiert in der Unterstützung Moses durch die 70 geisterfüllten Ältesten und dem ins Unermeßliche gesteigerten Wachtelwunder, letztlich aber angesichts des fortwährenden Klagens des Volkes auch in dem „sehr großen Schlag“ gegen das Volk (Num 11,33). Dass auch Teile der Sinai-Perikope vorausgesetzt sind, wurde für Num 11,1–3 zumindest als möglich erachtet,88 für Num 11,4–35 ist die Aufnahme von Ex 33,7–11 deutlich, die von Ex 24,1f.9–11.12–14 zumindest wahrscheinlich.89 Num 11,4–35 weist darüber hinaus zahlreiche Parallelen zu (spät-)prophetischen Texten, insbesondere Deuterojesaja, auf. Sind damit einerseits 11,1–3 und 11,4–35 (in allen seinen Bestandteilen) mit guten Gründen als nach-priesterschriftlich einzuordnen, stellt andererseits 11,4–35 eine Fortsetzung zu 11,1–3 dar, und sind schließlich beide Erzählungen auf die vor-sinaitischen Murrerzählungen bezogen, dürfte die oben gestellte Frage,90 ob Num 11 oder gar *10,29–11,35 insgesamt als nach-sinaitische Neudeutung der vor-sinaitischen Texte Ex 16; 17,1–7; 18,13–27 zu deuten und möglicherweise als solche auch entstanden sein könnte, zu bejahen und zu ergänzen sein: Num 11,1–35 scheint insgesamt ein literarisch einheitliches nach-priesterschriftliches Scharnier zwischen den vor-sinaitischen und den nach-sinaitischen Murrerzählungen darzustellen.91 11,1–3 fungiert als Einleitung in die nach-sinaitischen Murrerzählungen, die fast ausnahmslos dem Ablaufschema von 11,1–3 zumindest locker folgen, und markiert die Grenze gegenüber den vor-sinaitischen Murrerzählungen. 11,4–35 fungiert als Zusammenschau der vor-sinaitischen Murr- bzw. Wüstenerzählungen unter nach-sinaitischen Bedingungen. Num 11 dient damit der bewussten Gestaltung der Wüstenzeit und unterscheidet eine vor- und eine nach-sinaitische Periode. Während die vor-sinaitische Phase von Israels Wüstenwanderung durch YHWHs gnadenhaftes Wunderhandeln als Reaktion auf Israels Murren angesichts von Bedrohungslagen geprägt ist, erscheinen vergleichbare Bedro87
S.o. Kap. 5.2. mit Anm. 28. S.o. Kap. 5.2. mit Anm. 18. 89 Zu Ex 33,7–11 s.o. Kap. 5.3. mit Anm. 80f., zu Ex 24,1f.9–11.12–14 s.o. Kap. 5.3. mit Anm. 63. 90 S.o. Kap. 5.1. mit Anm. 11. 91 Betrachtet man Num 11 insgesamt als Einheit, ergibt sich für die Geistbegabung der 70 Ältesten in der Geistbegabung der Richter und Retter des Richterbuches (vgl. Ri 3,10; 6,34; 11,29; 13,25; 14,6.19; 15,14) eine weitere Parallele. 88
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5. Num 11 – Tabera und Qibrot-Hattaawa
hungsszenarien den Israeliten in der nach-sinaitischen Wüstenwanderung als ungleich bedrohlicher (vgl. 11,4–35), sie reagieren entsprechend zunehmend und grundlegend unwirsch (vgl. 11,1–3). Damit werden sie nun aber sich selbst (vgl. 11,1–3.33f.) aber auch Mose (vgl. 11,4–35) zur Bedrohung. Auf dieser nach-priesterschriftlichen Ebene wird damit der Sinai zur Scheide in der Bewertung des Handelns des Volkes.
6. Num 12 – Miriams und Aarons Klage gegen den Erzpropheten Mose 6.1. Num 12 – Einführung 6.1. Num 12 – Einführung
Die Murrerzählung Num 12 ist eingefasst zwischen den zwei Wandernotizen 11,35 und 12,16: Das Volk bricht auf von Qibrot-Hattaawa, wo sich die Ereignisse von Num 11 abgespielt haben, und kommt nach Hazerot; von Hazerot bricht das Volk auf und kommt in die Wüste Paran, dem Ausgangspunkt der Kundschaftererzählung (vgl. 13,3.26).1 Innerhalb dieser zwei Itinerare spielt das Volk kaum eine Rolle (vgl. nur noch 12,15b), das in den Murrerzählungen sonst stets – ob kollektiv oder in Form einzelner Opponenten – Subjekt des Murrens ist. Num 12 erzählt vielmehr von der Auflehnung zweier herausragender Personen gegen Mose, die sonst eher an Moses Seite stehen: Miriam und Aaron. Eine klare Verhältnisbestimmung zwischen diesen drei menschlichen Hauptakteuren der Erzählung nimmt Num 12 nicht vor – ebenso wenig 20,1– 13.2 Dass Miriam und Aaron innerhalb Israels eine herausragende Stellung innehaben, setzen jedoch nicht nur Miriam und Aaron selbst in 12,2 voraus, sondern bestätigt auch der Erzähler, indem er sie einerseits nicht einführt – sie also als bekannt voraussetzt – und andererseits das Volk auf seinem Zug durch die Wüste auf Miriams Wiedereingliederung ins Lager warten lässt (12,15b.16). Einzig Mi 6,4 nennt Mose, Aaron und Miriam in einer Reihe als die drei Führungsfiguren des Exodus.3 In ein genealogisches Verhältnis bringen die drei einzig Num 26,59 und 1Chr 5,29: Aaron, Mose und Miriam sind die Kinder von Amram und Jochebed. In der Leviten-Genealogie Ex 6,16–25 wird Miriam in 6,20 übergangen (vgl. auch Ex 4,14; 7,1f.; 28,1f.4.41; Lev 16,2; Num 20,8; 27,13; Dtn 32,50). In Ex 15,20 wird sie lediglich als Schwester Aarons bezeichnet. Die unvermittelt (und literarisch nachgetragen) auftreten-
1
Bemerkenswert ist der Unterschied zwischen dem für die Wüstenwanderung typischen „Lagern“ des Volkes in der Wüste Paran ( ;חנה12,16) und dem vergleichsweise unspezifischen „Sein“ des Volkes in Hazerot ( ;היה11,35). S.u. Kap. 6.3. 2 Zur Todesnotiz Miriams in 20,1b s.u. Kap. 9.2. 3 Vgl. KESSLER, Mirjam, 64f.70f.
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6. Num 12 – Miriams und Aarons Klage gegen den Erzpropheten Mose
de Schwester Moses in *2,1–10 wird nicht mit Namen genannt, und von einem älteren Bruder Moses ist auch nicht die Rede.4 Schließlich erinnert Dtn 24,9 an das, was YHWH an Miriam auf dem Weg aus Ägypten getan hat, womit nach dem Hinweis auf die Beachtung der Bestimmungen zum Umgang mit Hautkrankheiten in 24,8 Miriams Bestrafung in Num 12 gemeint sein muss.5 Num 12 lässt sich folgendermaßen nacherzählen: Miriam, und mit ihr Aaron, „redet gegen“ ( ;דבר ב3. Person Feminin Singular)6 Mose „wegen der kuschitischen Frau, die er genommen hatte.“ (12,1). Diese kuschitische Frau spielt in der weiteren Erzählung ebenso wenig eine Rolle wie im restlichen Alten Testament. Vielmehr sprechen ( ;אמר3. Person Plural) Miriam und Aaron im Folgenden über die Offenbarungsmittlerschaft Moses und die ihrige und sehen hierin vor allem Gemeinsamkeiten: הרק אך־במשׁה דבר יהוה הלא גם־בנו „ דברHat YHWH wirklich nur mit Mose geredet? Hat er nicht auch mit uns geredet?“ (12,2a). YHWH hört ihre Rede (12,2b), Mose schweigt dazu – der Erzähler bezeichnet ihn passenderweise als überaus demütig (12,3) –, und YHWH ruft unvermittelt die drei, Mose, Aaron und Miriam, zum Zelt der Begegnung heraus, „und die drei gingen hinaus“ ( ;ויצאו שׁלשׁתם12,4). YHWH steigt nun in einer Wolkensäule herab zum Zelt, ruft Aaron und Miriam zu sich und betont in seiner Rede nun die Unterschiede in der Offenbarungsmittlerschaft Moses und der aller anderen Propheten (12,5–8). Die Begegnung endet mit dem Zorn YHWHs „ בםgegen sie (Plural)“ und seinem Weggehen (12,9). Als auch die Wolke vom Zelt entschwunden ist, bleibt Miriam „aussätzig“7 zurück (12,10). Aaron bittet daraufhin Mose, ihnen die töricht begangene Sünde nicht zuzurechnen und Miriam zu verschonen (12,11f.). Mose schreit ( )צעקentsprechend zu YHWH und bittet um die Heilung Miriams (12,13). YHWHs Antwort impliziert Miriams Heilung, setzt aber eine siebentägige Beschämung Miriams außerhalb des Lagers fest (12,14). Während dieser sieben Tage zieht das Volk nicht weiter (12,15), danach aber bricht das Volk auf von Hazerot und kommt in die Wüste Paran (12,16).
4
Vgl. zu dem Text etwa SCHMID, Geburt (mit weiterer Lit.). Vgl. zu Dtn 24,8f. etwa SAMUEL, Levi, 129–131. 6 Zur Form und Deutung des Verbes s.u. Kap. 6.2. 7 Dass mit „ צרעתHautkrankheit; Geschwür“ und „ צרעvon Hautkrankheit / Geschwür betroffen (sein)“ nicht Aussatz / Lepra (Hansen’s Disease) gemeint ist, ist mittlerweile hinreichend bekannt. Vgl. etwa HIEKE, Levitikus, 470f.473–475 und speziell mit Blick auf Num 12 SCHINKEL, Mirjam. Zur entsprechenden Deutung von 12,10(–15) s.u. Kap. 6.2. 5
6.2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 12
163
6.2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 12 6.2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 12
Obige Nacherzählung hat die grundlegende Spannung des Kapitels aufgezeigt: Die betont von Miriam vorgebrachte Problematik mit der kuschitischen Ehefrau Moses tritt hinter das Thema der Offenbarungsmittlerschaft zurück und spielt außerhalb von 12,1 keine explizite Rolle. Der Betonung Miriams in 12,1 entspricht aber in gewisser Weise, dass nur sie von YHWH bestraft wird (12,10–15). „Dieser Sachverhalt“ wird klassischerweise so erklärt, „daß der Vorwurf der kuschitischen Heirat eigentlich und ursprünglich zu Mirjam, die dafür bestraft wird, gehört, während die Bestreitung der Sonderstellung Moses in Sachen des Offenbarungsempfangs als von ‚Aaron und Mirjam‘ ausgehend berichtet wird, und zwar so, daß dieses Thema mit einer Zurechtweisung seitens Jahwes seinen Abschluß findet (V.6–9).“8 Die Komposition dieser „zwei verschiedene[n] Stoffe“9 im vorliegenden Kapitel wird in der Forschung unterschiedlich erklärt:10 1.) Num 12 sei durch die Kompilation zweier ehedem eigenständiger Erzählungen entstanden; dabei werden diese Erzählungen nicht zwingend auf die klassischen Quellen des Quellenmodells aufgeteilt, viel mehr wird auch mit Sondertraditionen gerechnet.11 M. Noth hat bei Annahme der Kompilation zweier ehedem eigenständiger Erzählungen oder Stoffe die „Scheidung in getrennte literarische Quellen“ als „nicht durchführbar“ erachtet.12 2.) Num 12 sei durch die Überarbeitung bzw. durch Überarbeitungen einer Grundschicht entstanden; dabei werden Grundschicht und Überarbeitung(en)
8
NOTH, Numeri, 82f. NOTH, Numeri, 83. 10 Wie schwer sich die klassische Pentateuchforschung unter der Voraussetzung des Quellenmodells mit dem Kapitel getan hat („Num. 12 gehört mit zu den verzweifelten Fällen der Pentateuchanalyse“; NOTH, Überlieferungsgeschichte, 34 Anm. 120), zeigt sich besonders an der vergleichsweise beliebig erscheinenden Zuweisung des rekonstruierten Grundbestandes mal an J, mal an E (s.u. Anm. 11–14). 11 Vgl. etwa EISSFELDT, Hexateuch, 61.101.164*–166*.276*f. (L: 11,35b; 12,2.5b.6.7a. 8a.9.10b.11–16; E: 12,1.3f.5a.7b.8b.10a); FRITZ, Israel, 18f.75–79 (J: 12,1[ohne ]ואהרן.*9. 10aβ.13–16; Sondertradition/Zuwachs zu J: 12,2–4.5a.6–8.9b.10aα.11; redaktionell sind 12,1[nur ]ואהרן.5b.10b.12 und die Änderung von בהzu בםin 12,9); SCHARBERT, Numeri, 51–54 (J: 12,1[ohne ]ואהרן.9.10b.11–16; E: 12,2–9; JE: 12,10a; reichlich unklar bleibt in den kurzen Bemerkungen die Einordnung von 12,9; 12,10 und 12,11). 12 NOTH, Numeri, 83 (vgl. aaO., 82–86; Noth betrachtet Num 12 als „sekundären Zuwachs von J“; aaO., 83; in DERS., Überlieferungsgeschichte, 34 Anm. 120 rechnete er noch mit einem „jahwistischen Grundbestand mit allerlei Wucherungen, Veränderungen und in diesem Falle auch Verlusten“; vgl. aaO., 139–141). Vgl. BLUM, Studien, 84f. 9
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6. Num 12 – Miriams und Aarons Klage gegen den Erzpropheten Mose
teils mit den klassischen Quellen des Quellenmodells in Verbindung gebracht, teils unabhängig davon betrachtet.13 3.) Nur wenige grundsätzlich diachron vorgehende Arbeiten erachten Num 12 als weitgehend literarisch einheitlich, auch hier mit oder ohne Bezug auf die klassischen Quellen des Quellenmodells.14 Für Num *12 gilt dasselbe wie für Num *11,4–35 – und das nicht zuletzt aufgrund des Verhältnisses der beiden Texte zueinander: Sowohl 1.) die literarische Analyse der Erzählung als auch 2.) die Berücksichtigung ihrer Bezugstexte erweisen Num 12 als literarisch (im Wesentlichen) einheitliche, schriftgelehrte Erzählung.15 1.) Die literarkritische Unterscheidung unterschiedlicher Stoffe in Num 12 steht und fällt an der Einschätzung zu den ersten beiden Versen. Die meisten weiteren literarkritischen Operationen in dem Kapitel sind von dieser Einschätzung abhängig und stehen nicht auf eigenen Füßen.
13 Vgl. etwa HOLZINGER, Numeri, 46–49 (Miriam-Kuschitin-Prophetie-Erzählung von E plus „eine gründliche, nicht mehr zurückzubildende Umgestaltung der ursprünglichen Erzählung.“ AaO., 47); BAENTSCH, Exodus-Leviticus-Numeri, 510–514 („wird der ursprüngliche Bericht v. 1.2b.3.9*–16* E1, die Überarbeitung v. 2a.4–8 E2 zuzuschreiben sein.“ AaO., 511; E2 hat dabei auch in den Text von E1 eingegriffen, etwa durch die Hinzufügung von Aaron; 12,16b wurde von Rp überarbeitet; aaO., 512 weist er 12,3 E2 zu); COATS, Rebellion, 261–264 (Nachtrag innerhalb von J: „tradition of the Cushite wife, 1, 10, 12–16; tradition of Moses’ peculiar relationship with Yahweh, 2 (3), 4–9, 11.“ AaO., 262); SCHMID, Jahwist, 75–77 (12,1.9a10aβ.13–16 von einem „spätdatierten Jahwisten“ [aaO., 77]; 12,2–4.5a.6–8.9b.10aα.11 als „Propheten-Rezension“ [aaO., 75]); SEEBASS, Numeri, 57–75 (J: 12,1[ohne ]ואהרן.4.5a.9[ohne ]בם10[.11abα?].12–16a; JE: 12,1[nur ]ואהרן.2[.3?].5b.6–8.11[?].[16b?]); ACHENBACH, Vollendung, 267–301.635 (HexRed: 12,1[ohne ]ואהרן.2b.*9.10aβ.13–15[.*16a]; PentRed: 12,*1.2a.3–8.9b.10aαb11f.16b); SCHMIDT, Numeri, 28–34 (JE: 12,1[ohne ]ואהרן.2b.9[nur ]ויחר אף יהוה.10aβ.13–16a; P: 12,16b; Pentateuchredaktion: 12,1[nur ]ואהרן.2a.3–8.10aαb.11f. plus die Überarbeitung von 12,16). Vgl. auch LEVIN, Jahwist, 375; FRANKEL, Stories, 45. Dagegen sieht T. Römer 12,2–9 (mit Textverlust oder späterer Überarbeitung am Anfang) als spät-deuteronomistische Grundschicht und 12,1.10–15 als Erweiterung an (vgl. RÖMER, Nombres 11–12, 491– 496; DERS., Mose, 207f.214; DERS., Sojourn, 439–442; DERS., Moses Traditions, 75; JOOSTEN/RÖMER, Éléments, 196–219 [Römer]; in RÖMER, Sojourn, 440 Anm. 73 sieht er im Anschluss an die Arbeit von U. Rapp [s. folgende Anm.] auch eine einheitliche Entstehung als möglich an). Römer kann sich auf WELLHAUSEN, Composition, 99f. berufen und wird von UEHLINGER, YHWH, 233 Anm. 8 gefolgt. 14 Vgl. etwa BUDD, Numbers, 132–139 (spät datierter J); VAN SETERS, Life, 234–239 (spät datierter J); SCHART, Mose, 216–218.225f.229–235.239f. (E); RAPP, Mirjam, 31– 193, bes. 123–147; GERMANY, Narrative, 204–206 (dabei werden der Erzählung einzig 12,16b literarhistorisch vor- und 12,3 nach-geordnet). 15 Zu Num 11,4–35 s.o. Kap. 5.3; zu 11,35 und 12,16 s.u. Kap. 6.3.
6.2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 12
165
Deutlich ist, dass 12,2 auf 12,1 angewiesen ist, da 12,2 die handelnden Subjekte nicht benennt, sondern voraussetzt. In der vorliegenden Form kommt 12,2 als Erzähleinsatz damit nicht in Frage.16 12,1 setzt durch die Verbform der 3. Person Feminin Singular betont mit dem Handeln Miriams ein. Der mitgenannte Aaron wird dadurch freilich von der Handlung nicht ausgeschlossen: Das Prädikat richtet sich schlicht nach dem erstgenannten Subjekt, in Num 12,1 genauso wie etwa in Gen 33,7; Ri 5,1; Est 9,29:17 An allen genannten Stellen ist das erstgenannte Subjekt eine Frau, der ein Mann oder andere Personen folgt bzw. folgen. Durch die Erstnennung kommt jeweils eine Fokussierung zum Ausdruck. Die Ausscheidung von „ ואהרןund Aaron“ aus 12,1 und die daraus abgeleitete Aufteilung von Num 12 in eine Miriam-Mischehen-Erzählung einerseits und eine MiriamAaron-Prophetie-Erzählung andererseits sind damit von 12,1 aus gesehen nicht angezeigt. Mehr noch: Der Vergleich von Redeeinleitung in 12,1 und Redeinhalt in 12,2 zeigt die Zusammengehörigkeit beider Verse an: Miriam, und mit ihr Aaron, „redet gegen“18 ( ;דבר ב3. Person Feminin Singular) Mose. Dass der Inhalt des Redens Miriams und Aarons nicht mitgeteilt würde, ist möglich.19 Möglich ist aber ebenso, ihre mit „ ויאמרוund sie sprachen“ als direkte Rede gekennzeichneten Worte in 12,2 als Inhalt ihres Redens zu verstehen.20 Darin kommt דבר בin anderer Bedeutung wieder vor: Nicht als „Reden 16 Alternativ ist mit Textverlust zu rechnen: Vgl. RÖMER, Nombres 11–12, 496 Anm. 87 („Il suffit d’ajouter les noms d’Aaron et de Miryam au v. 2.“); DERS., Sojourn, 440 Anm. 73; s.o. Anm. 13. 17 Vgl. GKB §146f–h. 18 Zum adversativen Gebrauch der Präposition בin der Wendung „ דבר בreden gegen“ vgl. Num 12,1.8b; 21,5.7; Ps 78,19 sowie, außerhalb des Murr-Kontextes, Jer 31,20; Ps 50,20; Hi 19,18. Eine einheitliche Übersetzung von דבר בin Num 12 im Sinne von „intensiv zureden“ – in 12,2bis.6.8a im positiven Sinne, in 12,1.8b im negativen Sinne – ist etwa gegen SEEBASS, Numeri, 58.59 (ähnlich auch FISCHER, Authority, 161f.) angesichts dieser Vergleichsbeispiele nicht angezeigt. Mehr noch: Die unterschiedliche Übersetzung kann klar zwischen dem Vergehen Miriams und Aarons einerseits (12,1.8b mit Miriam und Aaron als Subjekt und Mose als Objekt) und dem prophetischen Offenbarungsempfang andererseits (12,2bis.6.8a mit YHWH als Subjekt und Mose bzw. dem oder den Propheten als Objekt) unterscheiden. Diese Unterscheidung hat auch die Septuaginta klar vorgenommen durch die Übersetzung mit (κατα)λαλέω κατά in 12,1.8b und λαλέω plus Dativ in 12,2bis.6.8a. 19 Zu vergleichen sind dann aus den in Anm. 18 genannten Stellen Ps 50,20; Hi 19,18. 20 Zu vergleichen ist dann aus den in Anm. 18 genannten Stellen Ps 78,19. Nach דבר „reden“ wird „[d]ie wörtliche Rede … meist m. לֵא ֹמרangeschlossen … od. m. … ו ַ֫יּ ֹאמֶ ר, selten folgt die wörtl. Rede unmittelbar“ (Ges18 238); für Letzteres lässt sich über die ebd. genannten Beispiele hinaus auch Num 21,5 anführen. RAPP, Mirjam, 40.57 mit Anm. 96; 126 führt als Argument für diese Deutung die Verwendung von „ על־אדותwegen“ in Num 12,1 an, womit das Thema „nur angedeutet“, in 12,2 aber expliziert wird (aaO., 40), muss dafür allerdings in unzulässiger Weise die (wenigen) Vergleichsbelege für „ על־אדותwegen“ auf Gen 26,32 reduzieren.
166
6. Num 12 – Miriams und Aarons Klage gegen den Erzpropheten Mose
gegen“, sondern als „Reden mit“: „ הרק אך־במשׁה דבר יהוה הלא גם־בנו דברHat YHWH wirklich nur mit Mose geredet? Hat er nicht auch mit uns geredet?“ (12,2a). Bezeichnenderweise kommen beide Verwendungsweisen von דבר ב in der gemeinhin der Miriam-Aaron-Prophetie-Erzählung zugewiesenen YHWH-Rede 12,6–8 wieder vor, und zwar in streng chiastischer Anordnung: A 12,1: B 12,2aα: C 12,2aβ: C’ 12,6: B’ 12,8a: A’ 12,8b:
Miriams und Aarons „Reden gegen“ Mose YHWHs „Reden mit“ Mose YHWHs „Reden mit“ Miriam und Aaron YHWHs „Reden mit“ irgendeinem YHWH-Propheten YHWHs „Reden mit“ Mose Miriams und Aarons „Reden gegen“ Mose
Wenn YHWH in 12,8 Miriam und Aaron also fragt ומדוע לא יראתם לדבר בעבדי „ במשׁהAber warum habt ihr euch nicht gefürchtet, gegen meinen Diener Mose zu reden?“, so nimmt er den Redeinhalt aus 12,2, aber die Redeeinleitung aus 12,1 auf.21 Der Vergleich mit den weiteren Murrerzählungen zeigt, dass das Murren in der Regel versprachlicht wird, und dass die Murrrede meist mit einer Form von „ אמרsprechen“ eingeleitet wird.22 Trifft diese enge Verbindung von 12,1 und 12,2 Richtiges, so stellt der Hinweis auf Moses Ehe mit der kuschitischen Frau schlicht den Anlass der Auseinandersetzung um die Offenbarungsmittlerschaft dar.23 Dass dieser Anlass ein rein persönlicher sei,24 ist angesichts der in Num 12 kombinierten Quellentexte wenig wahrscheinlich (s.u.). 12,1b stellt eine metanarrative Bestätigung der durch die Erzählung in 12,1a mitgeteilten Information der kuschitischen Ehefrau Moses dar, und kann als solche ursprünglicher Teil der Erzählung sein.25 Da eine Intention hinter einer möglichen Glossierung nicht erkennbar ist, ist 12,1b als ur-
21
Vgl. SPERLING, Miriam, 47. Vgl. auch SEEBASS, Numeri, 63 und SCHMIDT, Numeri, 31, jeweils im Rahmen eines Fortschreibungsmodells, in dem der Ergänzer seinen Bezugstext allerdings erst selbst schafft durch die Hinzufügung von „ ואהרןund Aaron“ in 12,1 (s.o. Anm. 13). 22 Vgl. Ex 15,24; 16,2f.; 17,2.3.7; Num 11,4–6.13.18.20; 14,2f.; 16,3; 17,6; 20,(2.)3–5 (vgl. auch Num 13,33Smr / Dtn 1,27). Nur in Num 21,5 folgt die Murrrede direkt auf das Murrlexem („ דבר בreden gegen“), die Septuaginta fügt hier bezeichnenderweise λέγοντες „sprechend“ hinzu. Einzig in 11,1–3, der kürzesten aller Murrerzählungen, wird keine Murrrede mitgeteilt; diese Murrerzählung kommt indes ohne jegliche direkte Rede aus und formuliert mit dem nur hier für „murren“ belegten Verb אנןhitpol. „klagen“. 23 Vgl. zur Unterscheidung von Anlass und Ursache der Auseinandersetzung in Num 12 etwa WENHAM, Numbers, 111; SCHART, Mose, 229f.; MILGROM, Numbers, 94; KUPFER, Israel, 121f.; ABELA, Shaming, 530. 24 So etwa ROBINSON, Jealousy, der umgekehrt die Auseinandersetzung um die Offenbarungsmittlerschaft als Vorwand für Miriams Eifersucht interpretiert. 25 Vgl. ROBINSON, Jealousy, 429f.; RAPP, Mirjam, 125f.
6.2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 12
167
sprünglicher Bestandteil der Erzählung zu werten.26 Dass Mose eine (bestimmte – daher der Artikel) kuschitische Frau geheiratet hat, stellt eine völlig neue Information dar; die metanarrative Bestätigung dieser Tatsache ergibt somit auch in inhaltlicher Hinsicht Sinn. Was hier berichtet und bestätigt wird, wirft freilich zahlreiche Fragen auf: In welchem Zusammenhang und weshalb hat Mose eine kuschitische Frau geheiratet? In welchem Verhältnis steht diese Ehe zu Moses Ehe mit der Midianiterin Zippora? Und: „Was eigentlich an dieser kuschitischen Heirat anstößig war, wird nicht gesagt“.27 Die damit angezeigten Leerstellen hat die Rezeption von Num 12 äußerst phantasievoll gefüllt.28 Dass das Alte Testament nicht alle Erzählstoffe des antiken Israel überliefert, versteht sich von selbst. Desgleichen ist offensichtlich, dass über Moses Familienangelegenheiten nur sehr selektiv berichtet wird (vgl. Ex 2,15–22; 3,1; 4,18–20; 4,24–26; 18,1–12; Num 10,29–32; vgl. auch Ex *2,1–10; Ri 1,16; 4,11). Hinter Num 12,1 mag also eine Tradition oder eine Tradition gewordene Konstruktion einer kuschitischen Ehe Moses nebst seiner midianitischen Ehe stehen.29 Eine immer wieder vertretene Identifizierung der kuschitischen Frau mit der midianitischen30 (Zippora),31 stellt dagegen in erster Linie eine harmonisierende Auffüllung der genannten Leerstelle(n) dar und basiert darüber hinaus auf schwachen Argumenten: Sämtliche alttestamentliche Belege des Gentiliziums („ כושׁי)תkuschitisch“ beziehen sich auf כושׁ
26
Vgl. SEEBASS, Numeri, 67f.: „Aber man kann nicht plausibel machen, warum ein Glossator und nicht der ursprüngliche Erzähler die Bemerkung gemacht hat.“ 27 NOTH, Numeri, 84. 28 Vgl. die Materialsammlung bei WINSLOW, Memories. Knappe Überblicke bieten etwa DIES., Marriage; ACHENBACH, Vollendung, 275–281. 29 Vgl. zur Annahme einer Num 12 vorgegebenen Tradition BUDD, Numbers, 136; RÖMER, Mose, 207–215; DERS., Moses Traditions, 75; WINSLOW, Marriage (vgl. auch ACHENBACH, Vollendung, 270.281.285.635 [„12,1b…? äg.-jüd. Moselegende*“]), zur Annahme einer „Konstruktion des Erzählers“ SCHMIDT, Numeri, 30f., hier 30; UEHLINGER, YHWH, 232 („Der Verfasser von Num 12 … braucht die anonyme Kuschiterin nur für den Problemaufbau“). DIEBNER, Frau, 87–95 vermutet als Hintergrund „die (ver-)schwindende Diaspora an der Südgrenze Ägyptens, in Elephantine“ (aaO., 95) und wird darin direkt und indirekt etwa von RÖMER, Mose, 214; ACHENBACH, aaO., 276–280 gefolgt; vgl. auch WINSLOW, aaO., 296f. 30 Eine zweite midianitische (kuschanitische) Ehefrau nebst Zippora nehmen etwa an: NOTH, Numeri, 84; FRITZ, Israel, 76f.; SEEBASS, Numeri, 62 („Kuschan als Verwandtschaft der bloß angeheirateten [midianitischen] Verwandtschaft wollte Mirjam nicht auch noch für Israels Führer im hl. Land.“). 31 Vgl. etwa HOLZINGER, Numeri, 47; EISSFELDT, Hexateuch, 61; FISCHER, Authority, 163f.; RAPP, Mirjam, 64–68 u.ö.; GERHARDS, Herkunft, 167–170.174f. Nach BLUM, Mose, 50 liegt Num 12,1 „vermutlich die Tradition einer ‚kuschanitischen‘ Frau zugrunde, die – entsprechend dem Parallelismus in Hab 3,7 – kaum als sachliche Variante zur Midianiterin gemeint war, in der vorliegenden kompositionellen Fassung (KD) jedoch als ‚kuschitisch = nubisch‘ reinterpretiert wurde“. Vgl. DERS., Studien, 84 Anm. 176.
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6. Num 12 – Miriams und Aarons Klage gegen den Erzpropheten Mose
„Kusch“, womit an sämtlichen Belegstellen Nubien gemeint ist.32 Die Septuaginta setzt diese Bedeutung auch für Num 12,1 durch die Übersetzung mit Αἰθίοψ bzw. Αἰθιοπίς „äthiopisch“ voraus – und mit ihr ein Gutteil der antiken jüdischen Rezeption.33 Einzige Belegstelle für eine Gleichung von kuschanitisch(!) und midianitisch ist Hab 3,7, wo Midian in Parallele zu Kuschan ()כושׁן, nicht also Kusch, steht.34 Auch wenn die Septuaginta hier ebenso mit Αἰθίοψ „äthiopisch“ übersetzt, dürfte es sich bei Kuschan um ein Gebiet bei oder in Midian handeln. Dass Num 12,1 von einer kuschanitischen oder midianitischen Frau Moses handle, wäre angesichts der deutlich besser bezeugten kuschitischen Lesart jedoch weiter zu begründen. Oder anders formuliert: Weshalb spricht der Erzähler nicht vom dem, was er meint? Dass die kuschanitische Frau in 12,1a determiniert ist, besagt bezüglich einer Gleichsetzung mit Zippora als der bereits bekannten Ehefrau Moses jedenfalls nichts:35 Die Determination macht schlicht die Referenz deutlich: Miriam und Aaron reden wegen der einen bestimmten kuschitischen Frau, die Mose geehelicht hat, gegen ihn. Der Erzählerkommentar in 12,1b liest bezeichnenderweise ohne Determination: כי־אשׁה כשׁית „ לקחJa, er hatte eine kuschitische Frau genommen.“ Dass kuschanitisch einen Euphemismus für midianitisch (vergleichbar etwa der Ersetzung von midianitisch durch kenitisch in Ri 1,16; 4,11)36 darstelle in einer Zeit, in der „Israel wegen der Ablehnung Midians (vgl. Num 25; 31; Ri 6–8) seine midianitischen Wurzeln in Frage stellte“,37 setzt eine literarhistorisch relativ frühe Ansetzung der anderen Mose-Midian-Texte im Vergleich zu Num 12,1 voraus, die jedoch kaum für alle Texte wahrscheinlich ist. Ein überzeugendes Argument für eine nur hier belegte Bedeutung von ( כושׁי)תals kuschanitisch bzw. midianitisch lässt sich auf diese Weisen nicht beibringen.
Eine etwaige Separierung von 12,2a und 12,2b (hörte YHWH ursprünglich nur Miriams Reden aus 12,1?) und eine Scheidung innerhalb von 12,9 (zürnte YHWH ursprünglich nur Miriam?) haben keinen Anhalt am jeweiligen Vers, sondern sind als Kollateralschäden der Separierung von 12,1 und 12,2 zu betrachten.38 YHWHs Weggehen in 12,9 setzt sein Herbeikommen voraus, das in 12,5 berichtet wird. Die Wolkensäule, in der er herabsteigt (12,5a), entschwindet in 12,10 und lässt Miriam und Aaron zurück. Mit diesen beiden hat YHWH in 12,6–8 gesprochen, nachdem er sie, die beiden Opponenten Moses, in 12,5 von Mose separiert hatte: Gingen Mose, Aaron und Miriam in 32
Vgl. JERICKE, Kusch; BÜHRER, Nimrod, 17f. Vgl. ACHENBACH, Vollendung, 275–281. 34 GERHARDS, Herkunft, 168 hat zumindest auf das Problem hingewiesen: „Allerdings ist diese Verbindung philologisch nicht unproblematisch. Das Gentilizium zu כּוּשָׁ ןmüsste כּוּשָׁ ִניbzw. כּוּשָׁ ִניתheißen und nicht wie in Num. xii 1 כּוּשׁית. ִ Da aber der Parallelismus zum ‚Lande Midian‘ zeigt, dass כּוּשָׁ ןeine geographische Bezeichnung sein wird, lässt sich das –ān als Lokalendung deuten. In Kuschan könnte ein Stamm gelebt haben, der ( כּוּשׁohne Lokalendung!) hieß, und von diesem wiederum könnte das in Num. xii 1 benutzte Adjektiv abgeleitet sein.“ Hier häufen sich zahlreiche Hypothesen aufeinander. 35 Gegen RAPP, Mirjam, 67. 36 Der „mehr oder weniger ‚nostrifizierte[]‘ Keniter“ (BLUM, Mose, 50) Hobab, „Schwiegervater Moses“, wird in Ri 4,11 immerhin beim Namen genannt, die Identifizierung damit explizit gemacht. 37 So RAPP, Mirjam, 68.70.130.146 u.ö., hier 130. 38 Vgl. RAPP, Mirjam, 133–137. 33
6.2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 12
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12,4 zu dritt (aus dem Lager) hinaus ( )ויצאו שׁלשׁתםzum Begegnungszelt als dem Ort der Theophanie (vgl. 12,5.10),39 so verlassen Aaron und Miriam diese Dreiergruppe in 12,5 zu zweit ()ויצאו שׁניהם.40 Angesichts der „aussätzigen“ Miriam (12,10) wendet sich Aaron in 12,11f. bittend wieder an Mose und anerkennt so dessen von YHWH in 12,6–8 hervorgehobene Sonderstellung. Dass Miriams „Aussatz“ doppelt konstatiert wird, entspricht formal der doppelten Feststellung von Moses kuschitischer Ehe in 12,1: In 12,10aβ konstatiert der Erzähler Miriams „Aussatz“, in 12,10b lässt er Aaron Miriams „Aussatz“ feststellen. Ist nach dem bisher Gesagten Num 12 von Anfang an eine Erzählung von Miriams und Aarons Opposition gegen Mose, gibt es keinen Grund, 12,11b auszuscheiden, worin sich Aaron als mitschuldig bezeichnet. Aaron bittet im ersten Teil seiner Rede um „Strafverzicht“ für beide Opponenten Moses (12,11), im zweiten Teil um „Heilung“ von der bereits eingesetzten Strafe Miriams (12,12).41 Dass die Bestrafung nur Miriam trifft – ohne Aarons Einsicht ihn aber womöglich sogleich ebenso, wie seine Rede in 12,11 suggeriert –, ist durch Miriams Hervorhebung in 12,1 im Text hinreichend begründet.42 Auf Moses Fürbitte in 12,13 reagiert YHWH in 12,14
39
Die Septuaginta und aufgrund der Platzverhältnisse wohl auch 4QNumb komplettieren in 12,4b die Ausführung des Auftrages entsprechend 12,4aβ (καὶ ἐξῆλθον οἱ τρεῖς εἰς τὴν σκηνὴν τοῦ μαρτυρίου „und die drei gingen hinaus zum Zelt des Zeugnisses“); Smr und 4QLev-Numa lesen wie MT. Zu dem außerhalb des Lagers angesiedelten Begegnungszelt s.u. mit Anm. 58f. und s.o. Kap. 5.3. mit Anm. 80f. 40 Vgl. RUDOLPH, Text, 113; NOTH, Numeri, 85; SEEBASS, Numeri, 69f.; RAPP, Mirjam, 44.51.132; SCHMIDT, Numeri, 32; KUPFER, Israel, 124 mit Anm. 161. Dass die drei zuvor im Zelt der Begegnung waren, Aaron und Miriam also dieses wieder verlassen würden, dürfte dagegen kaum gemeint sein (etwa gegen WINSLOW, Memories, 104; JOOSTEN/ RÖMER, Éléments, 192f. [Joosten]) – in 12,4 wurde von YHWH auch lediglich der Gang zum Zelt der Begegnung angewiesen. Dass YHWH in 12,5.6–8 mit Aaron und Miriam spricht, konterkariert den Inhalt seiner Rede keineswegs: Einerseits spricht YHWH zu ihnen lediglich aus der Wolkensäule heraus – mit Mose dagegen unvermittelt. Andererseits zeigt der Vergleich mit Ex 33,7–11 (s.u.) auch eine Differenz in der Lokalisierung auf: Mit Mose spricht YHWH im Zelt der Begegnung (33,9.11), mit Aaron und Miriam lediglich davor. 41 Vgl. RAPP, Mirjam, 138–140, hier 139. RAPP, aaO., 138 verweist besonders auf Ex 21,22.30: „ שׁיתkommt im Zusammenhang von Sünde und Strafe nur in Ex 21,22.30; Num 12,11 und Ps 90,8 vor. In den Exodusbelegen geht es um das Auferlegen von Strafen für materiellen Schaden, der aus Fahrlässigkeit bzw. Unvorsichtigkeit entsteht, und deren Ausmaß jeweils vom Betroffenen festgelegt ( )שׁיתwird. Von da her legt sich für unseren Text nahe, dass Aaron Mose um so etwas wie ‚Strafverzicht‘ bittet, da Mose ja auch persönlich betroffen ist.“ 42 Vgl. etwa MILGROM, Numbers, 93; FISCHER, Authority, 161. Dass Aaron nicht bestraft wird, teilt Num 12 mit Ex 32, „wo Aharon auch grade noch mit einem blauen Auge davonkommt.“ BAENTSCH, Exodus-Leviticus-Numeri, 513.
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6. Num 12 – Miriams und Aarons Klage gegen den Erzpropheten Mose
zwar reichlich opak, aber doch wohl im Sinne der Fürbitte vergebend.43 Seiner Anweisung zum siebentägigen Ausschluss Miriams aus dem Lager wird in 12,15 Folge geleistet, womit die Erzählung an ihr Ende kommt. 12,16 führt das Itinerar aus 11,35 weiter und leitet zur priesterlichen Kundschaftererzählung in Num *13f. über (Hazerot → Wüste Paran).44 Einzig „ ואחרdanach aber“ scheint eine voraufgehende Erzählung vorauszusetzen, und der schematisch vermeldete Aufbruch des Volkes ( נסע+ )העםsteht in sinnvollem Kontrast zur Feststellung, dass das Volk nicht aufbrach während Miriams Ausschluss aus dem Lager ( לא נסע+ ;העם12,15). Noch nicht angesprochen wurde 12,3. Die Charakterisierung Moses als „demütigster unter allen Menschen“ wird oft als Glosse betrachtet.45 Als metanarrativer Erzählerkommentar kann der Vers freilich jedem Zeitpunkt der Genese der Erzählung angehören, also auch dem Grundbestand. Zwei Überlegungen sprechen für eine gleichursprüngliche Entstehung mit der restlichen Erzählung: Erstens: 12,3 widerspricht durch die Kontrastierung Moses mit allen Menschen der Herausforderung in 12,2 unmittelbar und kann so als Leserlenkung (wie die jeweils doppelte Feststellung von Moses kuschitischer Heirat in 12,1 und Miriams „Aussatz“ in 12,10) gewertet werden.46 YHWHs Widerspruch gegenüber Miriam und Aaron erfolgt erst in seiner Rede am Zelt der Begegnung (12,6–8), die in 12,4f. erst vorbereitet wird und die in 12,7 die Sonderstellung Moses „im Hause“ YHWHs 12,3 vergleichbar hervorhebt: Der demütigste, Gott ergebenste Mensch auf Erden ist mit dem ganzen Haus YHWHs betraut als „Diener YHWHs“.47 Zweitens: Das Heraustreten aus der Erzählung macht umso deutlicher, dass Mose nicht auf die Herausforderung reagiert.48 Die Hintergrundinformation über ihn erweist sich gerade ange43
S.u. Der Einsatz einer direkten Rede mit der Kopula (12,14a) ist auch anderweitig belegt (vgl. etwa Ex 2,20; Num 20,3b; 2Sam 18,12; 1Kön 2,22 und insgesamt GKB §154b; s.u. Kap. 9.2. mit Anm. 31). Die Annahme von Textausfall (vgl. etwa BHS; BAENTSCH, Exodus-Leviticus-Numeri, 514; NOTH, Numeri, 82.86; vgl. auch SEEBASS, Numeri, 58.60) ist daher unnötig. 44 Zu 11,35 und 12,16 s.u. Kap. 6.3.; zur priesterlichen Kundschaftererzählung s.u. Kap. 7.2.1.; zur literarhistorischen Relationierung von Num 10–14 s.u. Kap. 11. 45 Vgl. etwa HOLZINGER, Numeri, 46; NOTH, Numeri, 84f.; COATS, Rebellion, 261 oder auch GERMANY, Narrative, 204.206, der die Erzählung ansonsten für einheitlich halt. 46 Vgl. RAPP, Mirjam, 131. 47 Vgl. COATS, Humility, 100–106; SEEBASS, Numeri, 59f.69; ACHENBACH, Vollendung, 291f.; KUPFER, Israel, 126. „Der Sinn von v.7b ist klar: Mose nimmt im Haus Gottes die Stelle eines Verwalters ein, wie … Joseph im Haus des Ägypters Gen 39.“ HOLZINGER, Numeri, 48. Vgl. PERLITT, Mose, 7; UEHLINGER, YHWH, 240–242. 48 Diese Deutung setzt voraus, dass Mose Kenntnis der Rede Miriams und Aarons hat (gegen RAPP, Mirjam, 38–40.55–59 u.ö.) – auch wenn er in 12,2 nicht explizit angeredet wird. Die oben genannten Vergleichsbeispiele für den adversativen Gebrauch der Präposition בin der Wendung „ דבר בreden gegen“ (s.o. Anm. 18) lassen sich auf jeden Fall gegen RAPP, aaO., 38f. mit Anm. 29–31 nicht einfach in ein „Reden über“ eine Person in deren
6.2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 12
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sichts seines Schweigens als richtig. Den Angriff auf sich selbst kommentiert Mose nicht.49 Kann damit die literarische Analyse der Erzählung ihre literarische Einheitlichkeit wahrscheinlich machen, kann die Analyse ihrer Bezugstexte einerseits diese Einschätzung untermauern und andererseits die Komposition der unterschiedlichen Stoffe in Num 12 begründen: 2.) Beide Problemkreise von Num 12, die Mischehenthematik und die Frage nach der Offenbarungsmittlerschaft Moses, haben einen Bezug zur vorangehenden Erzählung Num 11,4–35: Hier erscheint das „dahergelaufene Volk“ oder „Mischvolk“ ( ;האספסף11,4) als Einfallstor für Israels Murren: Aus der Begierde dieser Nicht-Israeliten ( ;התאוו תאוה11,4) resultiert die Tod bringende Begierde des Volkes ( ;העם המתאוים11,34). In unmittelbarem Anschluss an diese Erzählung an Moses Ehe mit einer Nicht-Israelitin zu erinnern, schwächt Moses Position in der Führung des Volkes unzweifelhaft – weiter, denn schon in 11,4–35 reagiert Mose auf Israels Murren mit dem Eingeständnis seiner Führungsschwäche (11,11–15). YHWH verteilt als Reaktion darauf von Moses Geist auf 70 ausgewählte Älteste, die Mose bei der Führung des Volkes unterstützen sollen (11,16–20.24–30) und die sich daraufhin prophetisch gebärden (11,25.26.27). Sind auch hier die sich prophetisch gebärdenden Unterstützer Moses von ihm abhängig, da sie ihm zudienen sollen, von ihm ausgewählt sind und an seinem Geist partizipieren, so behebt Num 12 in der chiastisch aufgebauten YHWH-Rede 12,6–850 das mögliche Missverständnis, dass die von Mose abgeleitete und die von ihm erwünschte (11,29) Prophetie den gleichen Stellenrang in der Offenbarungsvermittlung hätte wie YHWHs unvermittelte Rede zum Erzpropheten Mose:51
Abwesenheit und ein „Reden gegen“ eine Person in deren Anwesenheit unterteilen: Auf jeden Fall reagiert der in Ps 78,19f. nicht explizit angeredete YHWH in 78,21 auf die Herausforderungsrede, und auch Hiob weiß von der hier nicht mitgeteilten Rede gegen ihn in Hi 19,18. 49 Vgl. BAENTSCH, Exodus-Leviticus-Numeri, 512; SCHINKEL, Mirjam, 100; SCHMIDT, Numeri, 32. 50 Vgl. KSELMAN, Note; UEHLINGER, YHWH, 238–240. 51 Vgl. PERLITT, Mose, 5–8; GUNNEWEG, Gesetz, 177f.; BLUM, Studien, 79f.194–197; RÖMER, Nombres 11–12, 495f.; SCHMIDT, Numeri, 34; KUPFER, Israel, 127f., die sich v.a. dadurch unterscheiden, wie scharf sie den Kontrast zwischen Num 11 und Num 12 (synwie diachron) betonen. Auf dem Hintergrund von Num 11 gelesen, erhält 12,3 nach RÖMER, aaO., 495 eine weitere Funktion: „Il s’agit de corriger l’image du Moïse énervé de Nb 11,10–15.“
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6. Num 12 – Miriams und Aarons Klage gegen den Erzpropheten Mose
12,6–8 „… A Wenn euer Prophet ein YHWH-Prophet ist:52 B In einer Erscheinung gebe ich mich ihm zu erkennen,53 C im Traum rede ich mit ihm. D Nicht so mein Diener Mose: D’ Mit meinem ganzen Haus ist er betraut. C’ Von Mund zu Mund rede ich mit ihm, B’ in einer Erscheinung, aber nicht in Rätseln. A’ Und die Gestalt YHWHs erblickt er.54
אם־יהיה נביאכם יהוהA במראה אליו אתודעB בחלום אדבר־בוC לא־כן עבדי משׁהD בכל־ביתי נאמן הואD’ פה אל־פה אדבר־בוC’ ולא בחידת55 במראהB’ ותמנת יהוה יביטA’
Während YHWH mit den Propheten lediglich mittelbar, durch Offenbarungen und Träume, spricht, die es erst zu deuten gilt, spricht er mit Mose „von Mund zu Mund“ und nicht in deutungsbedürftigen Rätseln; er redet mit Mose in einer Erscheinung, und das heißt, dass Mose dabei YHWHs Gestalt erblickt. Die Vermittlung des YHWH-Wortes durch Mose ist damit zuverlässiger (vgl. 12,7) als die durch jegliche andere Propheten, und das dürfte hier letztlich genauso wie in Num 11 daran liegen, dass Moses Vermittlung des
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„Die ungewöhnliche, durch das Suffix durchbrochene Constructus-Verbindung hat zu allerlei Verwirrung und Konjekturen geführt“; ACHENBACH, Vollendung, 295 Anm. 116. Vergleichbar sind etwa Lev 26,42; Num 25,12; Jer 33,20; Ez 6,11; Hab 3,8. Vgl. WENHAM, Numbers, 112 mit Anm. 2; RAPP, Mirjam, 33.36–38; ACHENBACH, aaO., 295; KUPFER, Israel, 125. Vgl. auch JOÜON/MURAOKA, Grammar, 434 Anm. 3 (=§129 a); WALTKE/ O’CONNOR, Syntax, §9.3d, jedoch jeweils ohne Verweis auf Num 12,6. 53 בַ מראהträgt den synkopierten Artikel, womit die masoretische Vokalisation wohl eine bestimmte Offenbarung meint. 54 Die Septuaginta scheint hier an Ex 33,18–23 anzuspielen, indem sie statt „ תמונהGestalt“ δόξα / „ כבודHerrlichkeit“ liest und Moses „Erblicken“ in die Vergangenheit setzt. Vgl. WEVERS, Notes, 187f.; JOOSTEN/RÖMER, Éléments, 195 (Joosten). 55 Mit 4QNumb, Smr, LXX sowie einigen hebräischen Handschriften und aramäischen Übersetzungen ist gegen den masoretischen Text במראהstatt ומראהin Analogie zu ()ולא בחידתzu lesen (die Edition des Samaritanus durch A. von Gall und in ihrem Gefolge BHS u.v.m. lesen die Unform ;בממראהdie Ausgabe von A. Tal liest korrekt). 4QLev-Numa kombiniert beide Lesarten zu ובמראה. Vgl. MILGROM, Numbers, 96; UEHLINGER, YHWH, 238f. Die unterschiedliche masoretische Vokalisierung von „ מראהErscheinung“, מַ ְראָ הin 12,6, מַ ְראֶ הin 12,8, versucht, den Unterschied zwischen Mose und allen anderen Propheten zusätzlich augenscheinlich zu machen. UEHLINGER, aaO., 239 hat demgegenüber zu Recht auf den eigentlichen Unterschied im (Konsonanten-)Text hingewiesen, nämlich das jeweils damit verbundene Verb: ידעhitp. in 12,6, דברpi. in 12,8: „In Satz B [12,6bβ] würde das heißen, dass YHWH sich dem Propheten in Vision zu erkennen gibt, ohne mit ihm aber wirklich zu reden (dies tut er laut Satz C [12,6bγ] nämlich im Traum). … Nach Num 12,7f wäre Mose dagegen (und er allein) in der Lage, mit Gott gleichzeitig zu reden und ihn zu sehen, weil YHWH eben ‚Mund zu Mund‘ mit ihm kommuniziert (C’ [12,8aα1]) und Mose gleichzeitig seine Gestalt sieht (A’ [12,8aβ]).“ „Spekulationen zum Unterschied zwischen ‚Vision‘ und ‚Erscheinung‘“ verbieten sich entsprechend (so mit RAPP, Mirjam, 97).
6.2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 12
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YHWH-Wortes verschriftlicht ist,56 was in beiden Fällen die schriftgelehrten Bezüge subtil aufweisen. „[G]ewinnt … Prophetie“ in Num 11 „von dem Erzpropheten Mose und seiner Überlieferung her zugleich Legitimierung und Wesensbestimmung“, so in Num 12 „den überlegenen Maßstab, an dem sie sich gegebenenfalls ausrichten lassen muß“.57 Num 12 beruht dabei wie Num 11 auch auf Ex 33,7–11, wo die Position des Zeltes der Begegnung außerhalb des Lagers als Ort der Befragung YHWHs begründet wird, was Num 12,4 genauso wie Num 11 schlicht voraussetzt. YHWH und Mose sprechen im oder beim Zelt der Begegnung nach Ex 33,11 „ פנים אל־פניםvon Angesicht zu Angesicht“ (vgl. Dtn 34,10), nach Num 12,8 „ פה אל־פהvon Mund zu Mund“ angesichts der Gestalt YHWHs. Als für alle sichtbare Form der Gegenwart YHWHs fungiert die herabgestiegene Wolke bzw. Wolkensäule ( ירד+ ;]עמוד ה[ענןEx 33,9f.; Num 11,25; 12,5[.10]; vgl. Ex 34,5; Dtn 31,1558), die am Eingang des Zeltes steht ( עמד+ ;פתח האהלEx 33,9f.; Num 12,5; vgl. Dtn 31,15).59
Num 12 geht aber noch in einem weiteren Aspekt über Num 11 hinaus: Num 12 unterstellt nicht nur die Prophetie der Tora, sondern auch das Priestertum. Die „Hinzufügung“ Aarons erfolgt nicht innerhalb der Genese von Num 12, sondern im diachronen Nacheinander von Num 11 und Num 12. Während Miriam durch Ex 15,20f. klar als Prophetin gilt, gilt dies für Aaron nur mittelbar: Aaron ist in Ex 4,14–16; 7,1f. Moses Sprachrohr („ פהMund“; 4,16), Moses Prophet ( ;נביא7,1). Mose dagegen ist Aarons (4,16) bzw. Pharaos (7,1) „Gott“ ()אלהים, also der Urheber der durch Aaron an das Volk bzw. den Pharao zu übermittelnden Worte. Das Verhältnis zwischen den zwei Brüdern (4,14; 7,1f.) wird somit wie das zwischen Gott und einem Propheten beschrieben. Da aber auch Aarons „Gott“ Mose selbst Prophet YHWHs ist, folgt daraus die vergleichsweise komplexe Befehlskette bei den Erweiswundern bzw. Plagen in Ex *7–12. Ist Aaron so nur vermittelst Moses Prophet YHWHs – und findet sich in seiner Anerkennung von Moses Sonderposition in Num 12,11f. wieder in dieser seiner Zwischenstellung der doppelt abgeleiteten Autorität ein –, so trifft die Frage Miriams und Aarons in 12,2 doch besser auf Aaron zu als auf Miriam: Zu Miriam spricht YHWH ausschließlich in Num 12 und damit nie alleine (12,4: Mose, Aaron und Miriam; 12,5[f.]: Aaron und Miriam). Zu Aaron spricht YHWH dagegen – nebst den Stellen, an denen er zusammen mit Mose (und / oder Miriam) adressiert wird60 – in 56
Vgl. SPERLING, Miriam, 51–55. BLUM, Studien, 195. 58 Vgl. zur Angleichung von Dtn 31,15 an Num 12,5 im Rahmen der Textgeschichte MCCARTHY, Deuteronomy, 136*. 59 Vgl. zu den Texten bes. GUNNEWEG, Gesetz; BLUM, Studien, 76–88.194–197; SCHMITT, Identität, 268–275; ARTUS, Dieu, 27–29 und s.o. Kap. 5.3. mit Anm. 80f. 60 Vgl. Ex 6,13.26; 7,8; 9,8; 12,1.43; Lev 11,1; 13,1; 14,33; 15,1; Num 2,1; 4,1.17; 14,26; 16,20; 19,1; 20,12.23 sowie Num 12,4 (Mose, Aaron und Miriam), Num 12,5(f.) (Aaron und Miriam) und Ps 99,6f. (Mose, Aaron und Samuel). 57
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6. Num 12 – Miriams und Aarons Klage gegen den Erzpropheten Mose
Ex 4,27; Lev 10,8; Num 18,1.8.20 alleine: In Ex 4,27–31 geht es um die beschriebene Funktion Aarons als Sprachrohr Moses gegenüber dem Volk (vgl. 4,14–16); in Lev 10,8; Num 18,1.8.20 ist Aaron in seiner Funktion als (Hohe-)Priester im Blick. Ein Nachweis der Kenntnis dieser Stellen beim Autor von Num 12 ist rein textimmanent weder möglich, noch nötig, denn Num 12 beschreibt Aaron hinreichend deutlich in priesterlicher Funktion (s.u.), so dass die doppelte Frontstellung des Kapitels gegenüber Prophetie und Priestertum klar ersichtlich ist.61 Die Unterordnung der Prophetie gegenüber Mose wird von YHWH explizit mitgeteilt (12,6–8); die Unterordnung des Priestertums wird durch Aarons Bitte an Mose in 12,11f. narrativ veranschaulicht. Der Bezug auf Aarons Priestertum wird mittels der Thematik des „Aussatzes“ geschaffen. Miriams „Aussatz“ und der Umgang damit in 12,10–15 spielt verschiedene Texte ein. In der „Aussatz-Tora“ Lev 13f.,62 die zu den genannten Texten gehört, in denen YHWH auch Aaron anspricht,63 ist ebenso wie in Num 5,1–4; 2Kön 7,3f.10f.; 15,5; 2Chr 26,19-23 deutlich, dass ein „Aussätziger“ in irgend einer Form abgesondert werden muss von der Gemeinschaft, temporär zu Diagnosezwecken bei Aussicht auf Heilung oder aber auf Dauer. Diese Absonderung erfolgt bei dem in der Wüste wandernden Israel durch den Ausschluss „aus dem Lager“ ( ;מחוץ למחנהLev 13,46; 14,3; Num 5,3f.; vgl. Lev 14,8; Num 5,2). Die Absonderung wird in den Texten unterschiedlich bezeichnet, innerhalb der „Aussatz-Tora“ Lev 13f. jeweils mit סגרhiph. (13,4.5[.11].21.26.31.33[.50.54; 14,38.46]). Beide Wendungen sind auch beim Umgang mit Miriam in Num 12 belegt: Sie soll nach 12,14 „aus dem Lager“ („ )מחוץ למחנהausgeschlossen“ werden ( סגרniph.); in 12,15 wird entsprechend gehandelt.64 Verantwortlich für die Inspektion ( )ראהder betroffenen Person (oder Sache) sowie für die Diagnose ist der Priester, in Lev 13,2 entsprechend dem Erzählverlauf des Pentateuch „Aaron, der Priester, oder einer seiner Söhne, die Priester“. Wenn in Num 12,10b der Erzähler Aaron Miriams „Aussatz“ feststellen lässt, nachdem er in 12,10aβ genau dies bereits konstatiert hatte, dann dürfte hier genau diese in Lev 13f. beschriebene priesterliche Funktion im Blick sein. Für diesen Bezug dürfte auch die doppelte Verwendung von „ והנהund siehe!“ in Num 12,10 sprechen, das in 61
Vgl. etwa GUNNEWEG, Gesetz, 177f.; SCHMITT, Suche, 273f.; KESSLER, Mirjam, 64f.; ACHENBACH, Vollendung, 281–285.290–301; SCHMIDT, Numeri, 34. 62 Vgl. etwa NIHAN, Torah, 270–281.299–324; HIEKE, Levitikus, 465–521. 63 S.o. Anm. 60. 64 Dass nach Ex 33,7(–11) auch das Zelt der Begegnung außerhalb des Lagers steht und diese Positionierung des Zeltes der Begegnung in Num 12 vorausgesetzt ist (s.o. mit Anm. 58f.), bedeutet gegen RAPP, Mirjam, 112f.115.164 u.ö. mitnichten, dass „sich Mirjam primär im Bereich der Offenbarung und nicht am Ort der Unreinen“ befinden würde (aaO., 113): In 12,14f. ist von Offenbarung – besonders nach 12,6–8 – keine Rede, vielmehr geht es um den Ausschluss Miriams, und dieser wird terminologisch ebenso realisiert wie der Ausschluss „Aussätziger“.
6.2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 12
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Lev 13f. regelmäßig die Evaluation des Priesters einleitet. Die Unterschiede zwischen Lev 13f. und Num 12 liegen darin begründet, dass die „Aussatz-Tora“ idealtypisch formuliert, während in Num 12 ein spezifischer Fall vorliegt. Die Inspektion durch den Priester verläuft in 12,10 anders als in Lev 13f., weil die Betroffene einerseits nicht erst zum Priester gebracht werden muss (vgl. בואhoph. in Lev 13,2.9; 14,2; vgl. 13,16), sondern bereits neben ihm steht, und andererseits der „Aussatz“ als Strafe YHWHs klar ersichtlich ist. In beiden Punkten stimmt Num 12,10 mit 2Chr 26,19f. überein: Usija wird wegen seines Zornesausbruches über die Priester in deren Anwesenheit von YHWH mit „Aussatz“ „geschlagen“ ( נגעpi.; 2Chr 26,20; 2Kön 15,5); daraufhin „wendete sich Asarja, der Oberpriester, zusammen mit den Priestern ihm zu, und siehe, er war ‚aussätzig‘ an seiner Stirn“ (ויפן אליו עזריהו כהן הראשׁ וכל־ ;הכהנים והנה־הוא מצרע במצחו2Chr 26,20). In beiden Fällen wird die Inspektion dargestellt durch die Hinwendung ( )פנהdes Priesters (bzw. der Priester) und die Feststellung des „Aussatzes“ als solches. Die Diagnose ist in beiden Fällen durch den Strafaspekt65 obsolet: Dass Usija durch YHWHs „Schlag“ unrein – und damit kultunfähig – geworden ist, wird durch seine sofortige Entfernung aus dem Tempel und die Absonderung seines Wohnsitzes hinreichend deutlich. Dass Miriam durch den auf YHWH zurückgehenden „Aussatz“ unrein geworden ist, wird durch Aarons Rede in Num 12,11f. hinreichend deutlich: Ihre (gemeinsame) Tat stuft er als „Sünde“ ( חטאתund ;חטא 12,11) ein und versteht Miriam als todgeweiht.66 Indem er diese Rede an Mose richtet, den Miriam und er zuvor angegangen sind, und ihn um „Strafverzicht“ für sie beide (12,11) sowie um „Heilung“ von der bereits eingesetzten Strafe Miriams (12,12) bittet,67 nimmt die Erzählung jedoch eine andere Wendung als die in 2Chr 26,19–23 oder die idealtypischen Fälle in Lev 13f.: Mose leistet Fürbitte für Miriam, bittet um ihre Heilung ( ;רפאNum 12,13). Diese Heilung wird zwar nicht berichtet, aber als unmittelbar vollzogen vorausgesetzt: YHWH nimmt in seiner Anordnung in Num 12,14 die genannten Bestimmungen der „Aussatz-Tora“ zum „Ausschluss“ des oder der Befallenen „aus dem Lager“ auf, begründet diesen Ausschluss jedoch anders:68 Nicht 65
Als Strafe ist „Aussatz“ darüber hinaus noch in 2Sam 3,29; 2Kön 5,27 belegt. Vgl. etwa MILGROM, Numbers, 97; NIHAN, Torah, 308.320. Dass „Aussatz“ durchaus eine Frage von Leben und Tod sein kann, weiß auch der „König von Israel“ in 2Kön 5,7. Dem zur Hälfte aufgezehrten ( אכלniph.) Fleisch in Num 12,12 steht das zurückgekehrte ( )שׁובFleisch gegenüber, das für die Heilung vom „Aussatz“ steht (vgl. Ex 4,7; Lev 13,16f.; 2Kön 5,10.14). 67 S.o. mit Anm. 41. 68 Vgl. ACHENBACH, Vollendung, 286–289. Tatsächlich „interpretiert“ YHWH also mit RAPP, Mirjam, 105 „die Bedeutung des Aussatzes nur mehr von Krankheit auf ‚soziales Stigma‘ um“, kann diese Umdeutung aber nur leisten, weil der Text gegen RAPP, aaO., 98– 114 u.ö. die Deutung von „Aussatz“ als Krankheit voraussetzt. Die unterschiedliche Begründung und die unterschiedliche Autorität (YHWH in Num 12,14f., der Priester in Lev 66
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6. Num 12 – Miriams und Aarons Klage gegen den Erzpropheten Mose
weil Miriam „aussätzig“ ist, soll sie sieben Tage in Quarantäne verbringen,69 sondern weil sie sich „schämen“ ( כלםniph.) soll, wie wenn ihr Vater sie willentlich bespuckt hätte.70 Dürften damit einerseits der Bezug von Num 12 auf Lev 13f. und andererseits Aarons Funktion als Priester auch in Num 12 als sicher gelten,71 so nimmt Num 12 weitere Texte zum Thema „Aussatz“ auf: Die metanarrative Feststellung 12,10aβ, dass Miriam „‚aussätzig‘ wie Schnee“ ist (והנה מרים )מצרעת כשׁלג, hat keine Entsprechung in Lev 13f., dafür aber im zweiten Beglaubigungswunder Moses für das Volk in Ex 4,6f. und der Bestrafung Gehasis in 2Kön 5,27. Könnte im Falle des Beglaubigungswunders Ex 4,6f. der nehmende Text sein – wie denn Ex 4,1–17 insgesamt literarhistorisch älteres Material aus dem weiteren Verlauf der Exodus-Erzählung aufnimmt –,72 so dürfte die Erzählung von der Heilung des aramäischen Hauptmanns Naaman in 2Kön 5 der Vorgeschichte von Num 12 angehören.73 Zweierlei ist im Vergleich mit Num 12 bemerkenswert: Einerseits wird der „‚Aussatz‘ Naamans“ (2Kön 5,27), also der „Aussatz“, von dem Naaman durch Elischas Wirken befreit wurde (2Kön 5,1–14), Elischas Diener Gehasi angehängt als Strafe für seinen Ungehorsam gegenüber Elischas Worten. Der zur Strafe verhängte „Aussatz“ resultiert also in Num 12 wie in 2Kön 5 aus einem Autoritätenkonflikt, in dem die nachmalig Bestraften die geltende Autorität missachtet haben; dies gilt auch für 2Sam 3,29; 2Chr 26,19f. im jeweiligen Kontext.74 Andererseits teilen Num 12 und 2Kön 5 das Thema der Prophetie:75 Nach 2Kön 5,3 ist es gerade der Prophet als solcher, der vom „Aussatz“ befreien ()אסף76
13f.) können denn auch den Unterschied des Verbalstammes ( סגרniph. in Num 12,14f., סגר hiph. in Lev 13f.) erklären (gegen RAPP, aaO., 112f. Anm. 304 u.ö.). 69 Vgl. Lev 13,4.5.21.26.31.33(.50.54); 14,8(.38). In manchen Fällen wird zweimal eine siebentägige Quarantäne verhängt. 70 Zum Spucken ( )ירקbzw. zum Speichel ( )רקals Beschämung vgl. Dtn 25,9; Jes 50,6; Hi 30,10. Hier einen ansonsten nicht belegten „Brauch“ anzunehmen (SCHMIDT, Numeri, 32), ist angesichts der genannten Parallelen zur Beschämung durch Bespucken unnötig. 71 Etwa gegen RAPP, Mirjam, 98–114 u.ö. 72 Vgl. auch ACHENBACH, Vollendung, 287f. Zu Ex 4 s.o. Kap. 4.2.4. mit Anm. 58. Die These von SCHINKEL, Mirjam, 99–101 lässt sich entsprechend diachron reformulieren: Ex 4,6f. wendet Miriams „Aussatz“ aus Num 12,10 auf Moses Hand an und expliziert Moses Eintreten für Miriam in Num 12,13 als Beglaubigung Moses. 73 2Kön 5 ist in der vorliegenden Form freilich ebenso ein nachexilischer Text; vgl. etwa HAARMANN, Verehrer, 132–169, bes. 156–160. Dies gilt auch bei Annahme einer mehrschichtigen Erzählung (so etwa SAUERWEIN, Elischa, 55–64), insofern in diesem Falle der für den Vergleich relevante Vers 2Kön 5,27 zur jüngsten Schicht gezählt wird. 74 Vgl. SPERLING, Mirjam, 48f. 75 Vgl. SPERLING, Mirjam, 49. 76 Die Heilung vom „Aussatz“ in 2Kön 5,3.6.7.11 wird jeweils mit אסףformuliert. Damit könnte man Num 12,14.15, die Wiederaufnahme (oder Heilung?) Miriams (jeweils אסף niph.) vergleichen. Vgl. SPERLING , Mirjam, 45 mit Anm. 42. Die Septuaginta berichtet in
6.2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 12
177
kann; nach 2Kön 5,8 soll Naaman zu Elischa kommen, „damit er erkenne, dass ein Prophet in Israel ist“; Naamans Diener wollen der Rede des Propheten nach 2Kön 5,13 auf jeden Fall Folge leisten. Um Moses Sonderstellung als Erzprophet herauszustellen, bot sich die Strafe des „Aussatzes“ von 2Kön 5 her gelesen also richtiggehend an: Aaron, der Priester, kann den „Aussatz“ wie in Lev 13f. wohl feststellen, doch nur Mose, der Prophet, kann den „Aussatz“ wie in 2Kön 5 beheben. Anders als Elischa agiert Mose hierbei nicht im weitesten Sinne mantisch,77 sondern durch die an YHWH gerichtete Fürbitte – also durch das Wort. Die Themen Prophetie – „Aussatz“ – Priestertum ließen sich so auch über die literarische Analyse hinaus als zusammenhängend erweisen. Sie zielen hier letztlich auf die Frage nach der zuverlässigen Führung Israels. Wie gesehen, gehören in dieser Hinsicht auch die Fragen nach Moses Mischehe und seiner Führung Israels zusammen. Während Num 11,4–35 eine eher exklusivistische Sicht Israels nahelegt, da sich Israels Murren erst an der Begierde der Nicht-Israeliten entzündet, Letztere also Israels Verderben herbeiführen, legt Num 12 eine eher inklusivistische Sicht Israels nahe: Zumindest an Moses ehelicher Verbindung mit einer Kuschiterin ist nichts auszusetzen. Der Text ist damit von dem insbesondere in der (fortgeschrittenen) Perserzeit geführten Diskurs über die Legitimität oder Illegitimität von Mischehen gewiss nicht unberührt.78 Indes sind der Verallgemeinerbarkeit von Moses Mischehe enge Grenzen gesetzt: Der Text betont gerade Moses Sonderposition unter allen Propheten (12,6–8), ja Menschen (12,3); wenn dem Erzpropheten Mose eine kuschitische Ehe gestattet wird, wird dadurch nicht automatisch jede (kuschitische oder sonstige) Mischehe für andere Propheten oder Nicht-Propheten legitimiert. Num 12 geht es in erster Linie um Moses Sonderposition in der Vermittlung von YHWHs Wort und nicht um die Mischehenfrage.79 Kusch spielt in den entsprechenden Texten zur Frage nach der Legitimität oder Illegitimität von Mischehen auch keinerlei Rolle, vielmehr geht es hier um das Verbot, sich mit der Vorbevölkerung und der Nachbarschaft „Israels“ zu vermählen.80 Es ist also, die obige Alternative nun klärend aufnehmend,81 12,15 abweichend vom masoretischen Text nicht von der Wiederaufnahme Miriams, sondern explizit von ihrer Reinigung: ἕως ἐκαθαρίσθη Μαριάμ. 77 Dass hierbei die Zahl Sieben durch das siebenfache Untertauchen im Jordan (2Kön 5,10.14) ebenso eine Rolle spielt wie in Num 12,14f. ist angesichts der Bedeutsamkeit dieser Zahl wenig erstaunlich. Der siebentägige Ausschluss in Num 12,14f. geht vielmehr auf die entsprechende Quarantänedauer in Lev 13f. zurück. 78 Vgl. zu diesem Diskurs etwa die Sammlung bei FREVEL (Hg.), Marriages. 79 Vgl. BUDD, Numbers, 134.138. 80 Vgl. bes. Ex 34,11–16 (mit der Nennung von Amoritern, Kanaanitern, Hethitern, Perisitern, Chiwwitern und Jebusitern in 34,11MT); Dtn 7,1–4 (mit der Nennung von Hethitern, Girgaschitern, Amoritern, Kanaanitern, Perisitern, Chiwwitern und Jebusitern in 7,1); das Gemeindegesetz Dtn 23,2–9 (mit der Ablehnung von Ammonitern und Moabitern, aber
178
6. Num 12 – Miriams und Aarons Klage gegen den Erzpropheten Mose
plausibel, dass der Verfasser von Num 12 Moses Ehe mit einer kuschitischen Frau frei erfunden hat:82 Mose wird eine weitere Mischehe zugewiesen, um ihn nach Num 11 angreifbar zu machen in der Frage, um die es Num 12 eigentlich geht; diese Mischehe wird jedoch so konstruiert, dass Moses Ehe in dem Text, der die Bedeutsamkeit der Tora gegenüber allen weiteren Vermittlungen von YHWHs Wort hervorhebt, nicht gegen die Tora steht. Die antikjüdischen Traditionen über Moses Äthiopien-Feldzug,83 mit oder ohne seiner Eheschließung dort, stellen in diesem Falle sekundäre Ausmalungen der spärlichen Informationen über Moses Eheleben aus dem Alten Testament dar. Dies ist nicht zuletzt durch die stimmigere Geschehensabfolge gegenüber dem Alten Testament plausibel: Moses Engagement in Äthiopien wird seiner midianitisch-arabischen Verbindung vorangestellt (vgl. bes. Ant. II 238–263) – und nicht erst im Rahmen der Wüstenwanderung „nachgetragen“.
6.3. Fazit 6.3. Fazit
Die literarische Analyse von Num 12 und die Berücksichtigung der darin kombinierten Bezugstexte konnten Num 12 als literarisch (im Wesentlichen) einheitliche, schriftgelehrte Erzählung erweisen.84 Miriam, und mit ihr Aaron, „redet gegen“ ( ;דבר ב3. Person Feminin Singular) Mose „wegen der kuschitischen Frau, die er genommen hatte.“ (12,1). Damit wird Mose nach der Erzählung von Num 11,4–35 an einer schwachen Stelle angesprochen: Das wiederholte Murren Israels, aufgrund dessen Mose selbst seine Führungsschwäche offenbart, nahm seinen Ausgang bei den mitziehenden Nicht-Israeliten (11,4). Indem Miriam und Aaron an die vom Erzähler konstruierte Ehe Moses mit einer Kuschiterin erinnern, bereiten sie den
der Aufnahme [der Nachkommen] von Edomitern und Ägyptern); Jos 23,6–13; Ri 3,1–6 (mit der Nennung von Kanaanitern, Hethitern, Amoritern, Perisitern, Chiwwitern und Jebusitern in 3,5); 1Kön 11,1–13 (mit der Nennung von Moabiterinnen, Ammoniterinnen, Edomiterinnen, Sidonierinnen und Hethiterinnen nebst der Tochter des Pharao in 11,1MT); Esr 9f. (mit der Nennung von Kanaanitern, Hethitern, Perisitern, Jebusitern, Ammonitern, Moabitern, Ägyptern[!] und Amoritern in 9,1MT); Neh 10,31; 13,1–3.23–30 (mit der Nennung von Ammoniterinnen, Moabiterinnen und Aschdoditerinnen). 81 S.o. mit Anm. 29. 82 Im Hintergrund dürften jüdisch-ägyptische bzw. jüdisch-kuschitische Mischehen aus der ägyptischen Diaspora stehen. Vgl. DIEBNER, Frau, 87–95; ACHENBACH, Vollendung, 275–281. 83 Vgl. dazu etwa WINSLOW, Memories, bes. 167–200.419–426.429–431; DIES., Marriage; RÖMER, Mose, 207–215; DERS., Moses Traditions, 75. 84 Dabei ist in 12,8 mit 4QNumb, Smr, LXX sowie einigen hebräischen Handschriften und aramäischen Übersetzungen gegen den masoretischen Text „ במראהin einer Erscheinung“ statt „ ומראהund als eine Erscheinung“ zu lesen. S.o. Kap. 6.2. mit Anm. 55.
6.3. Fazit
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Boden für ihre Kritik am Führungsanspruch Moses: Hinsichtlich der Offenbarungsmittlerschaft sehen sie sich auf gleicher Stufe wie Mose. Wie 12,1 knüpft damit auch 12,2 und die sich daran anschließende Auseinandersetzung um die Offenbarungsmittlerschaft Moses an Num 11,4–35 an: Wurden dort 70 herausragende Männer Mose hinsichtlich ihrer Geistbegabung angenähert, so macht Num 12 unmissverständlich klar, dass ausschließlich Mose Erzprophet ist, da YHWH ausschließlich mit Mose unmittelbar spricht. Unterstellt damit Num 12 noch deutlicher als Num 11 die Prophetie der Tora als das durch Mose vermittelte Wort YHWHs, so fügt Num 12 über Num 11 hinaus eine weitere Klärung hinzu: Auch die Priesterschaft, ihrerseits Mittlerin des YHWH-Willens, ist der Tora nachgeordnet. Aaron kann zwar entsprechend der „Aussatz-Tora“ Lev 13f. Miriams „Aussatz“ feststellen, doch nur der Erzprophet Mose vermag durch seine Fürbitte, Heilung zu vermitteln. Stellt Num 12 damit eine Korrektur, oder zumindest eine Präzisierung von Num 11 dar, ist nochmals auf die Rahmung der Erzählung durch die beiden Itinerarnotizen 11,35 und 12,16 einzugehen.85 Bereits eingangs wurde auf die im Rahmen des Wüstenitinerars singuläre Wendung („ ויהיו ב)חצרותund sie waren in (Hazerot)“ (11,35b) im Vergleich zur üblicheren Wendung ויחנו („ ב)מדבר פארןund sie lagerten in (der Wüste Paran)“ (12,16b) verwiesen.86 Wenn auch angesichts der zahlreichen Differenzen in der Ausgestaltung des Wüstenitinerars sowie des natürlicherweise gegebenen Übergangscharakters dieser Passagen die literarkritische Analyse hier an ihre analytischen Grenzen stößt, lässt sich ausgehend von der Analyse der Erzählungen in Num 11 und Num 12 immerhin vermuten, dass auf den Aufbruch von Qibrot-Hattaawa in 11,35a(ohne )חצרותeinst die Notiz vom Lagern in der Wüste Paran, also 12,16b, direkt folgte. Die Erzählung von Num 12 wurde in diesem Falle mittels der Station Hazerot neu in den Zusammenhang 11,35a(ohne → )חצרות 12,16b → 13,1 eingetaktet:87 Der Aufbruch von Qibrot-Hattaawa erfolgte nun „in Richtung Hazerot“ (11,35a[nur )]חצרות, wo das Volk dann „war“ (11,35b) und „nach“ den Ereignissen um Miriam weiterzog (12,16a). Die literarisch (im Wesentlichen) einheitliche Erzählung 11,4–35 umfasste also präziser 11,4–34.35a(ohne ;)חצרות12,16b.88 Auf den späteren Autor von Num 12 geht damit 11,35a(nur )חצרות.b; 12,1–16a zurück.
85
S.o. Kap. 5.3. Anm. 85. S.o. Anm. 1. Num 33,17f. hat dies selbstredend vereinheitlicht. Hier folgt auf Hazerot die lange Liste von Ortslagen, die in der Pentateucherzählung zuvor keine Rolle spielten: 33,18–36. 87 Vgl. GERMANY, Narrative, 205f. 88 Ob 12,16b dieser Erzählung allenfalls bereits vorlag, wird in Kapitel 11. mit Anm. 9 thematisiert. 86
7. Num 13–14 – Aufbegehren gegen das Land: Die Kundschaftererzählung 7.1. Num 13–14 – Einführung 7.1. Num 13–14 – Einführung
Im vorliegenden Text des Numeribuches bricht das Volk nach den Ereignissen um Mirjam, Aaron und Mose in Hazerot (vgl. 11,35) von dort auf und lagert in der Wüste Paran (12,16; vgl. 10,12). Die Wüste Paran ist der Ausgangspunkt der Kundschaftererzählung von Num 13f., die letztlich einen Generationen-Umbruch im Volk Israel herbeiführt: Von hier sendet Mose im Auftrag YHWHs Kundschafter aus (13,1–3), und hierher kehren sie nach vierzig Tagen zurück, um Bericht zu erstatten (13,25–29). 13,4–16 benennt die nun bezifferten zwölf Kundschafter, in 13,17–20 werden sie von Mose instruiert, und 13,21–24 beschreibt die Erkundung. Der Kundschafterbericht ist ambivalent, hebt gleichermaßen die Fruchtbarkeit wie die Bedrohlichkeit des Landes hervor, so dass ein Kundschafter, Kaleb, das Volk beruhigen muss (13,30). Kalebs Ermutigung führt dazu, dass die anderen Kundschafter den ambivalenten Kundschafterbericht in die andere Richtung vereindeutigen und ein „Gerücht über das Land“ verbreiten (13,31–33). Als Strafe für diese Verleumdung des Verheißenen Landes (vgl. 13,2) sterben die Kundschafter, die das Gerücht verbreitet haben, durch eine nicht weiter beschriebene Plage vor YHWH (14,36–38). Derart gerahmt vom Vergehen und Ergehen der Kundschafter berichtet Num 14 von der nicht weniger frevelhaften Reaktion des Volkes insgesamt: Es weint ( ;בכה14,1) und murrt gegen Mose und Aaron ( ;לון על14,2): Sie wären lieber in Ägypten oder in der Wüste gestorben, als im Verheißenen Land dem Schwert zum Opfer zu fallen. Entsprechend beschließen sie die Rückgängigmachung der im Exodus einsetzenden Befreiungsgeschichte und wollen, mit einem neuen Anführer, nach Ägypten zurückkehren (14,2–4). Während Mose und Aaron als Reaktion auf ihr Angesicht fallen (14,5), versuchen nun zwei Kundschafter, das Volk zu ermutigen: Josua und Kaleb betonen die positiven Qualitäten des Landes und die Hilfestellung YHWHs; sie ermahnen das Volk, sich nicht gegen YHWH aufzulehnen ( ;מרד ב14,9), und das Volk des Landes nicht zu fürchten (14,6–9). Als das Volk sie (also Josua und Kaleb, möglicherweise auch Mose und Aaron) steinigen will, erscheint die Herrlichkeit YHWHs allen Israeliten (14,10).
182
7. Num 13–14 – Aufbegehren gegen das Land: Die Kundschaftererzählung
In 14,11–25 und 14,26–35 folgen zwei Reaktionen YHWHs auf das Murren des Volkes: Im ersten Fall lässt YHWH von seinem nur Mose ausnehmenden Vernichtungsbeschluss (14,11f.) durch die Fürbitte Moses für Israel (14,13–19) ab, vergibt dem Volk, bestraft jedoch alle, die ihn schon zehnmal versucht (נסה pi.; 14,22) und nicht auf seine Stimme gehört haben ( לא+ ;שׁמע בקול14,22), alle, die ihn verachten ( נאץpi.; 14,23; vgl. 14,11), damit, dass sie das den Vätern zugeschworene Land nicht sehen werden (14,20–23). Explizit ausgenommen hiervon wird einzig Kaleb, den YHWH ins Land führen wird, und dessen Nachkommen das Land besitzen werden (14,24). Die Israeliten werden entsprechend zurück zum Schilfmeer geschickt (14,25). Im zweiten Fall wendet sich YHWH, diesmal ohne Gegenrede, an Mose und Aaron (14,26) und nimmt in seiner Rede 14,27–35 explizit Bezug auf *14,1–10: Das Murren der Israeliten gegen Mose und Aaron ( ;לון על14,2) deutet YHWH als Murren gegen ihn selbst (14,27.29 – mit drei Belegen von לון עלund einem Beleg von )תלנות1 und teilt Mose eine Rede ans Volk mit (14,28–34):2 Darin werden das in der ersten Reaktion YHWHs mitgeteilte Ergehen der Israeliten präzisiert, die Ausnahmen korrigiert: Entsprechend dem vorgezogenen Tod in der Wüste (14,2f.) sollen die Israeliten während der Dauer von vierzig Jahren, entsprechend der Tage der Erkundung (14,34), in der Wüste fallen. Dies betrifft alle Israeliten über 20 Jahren, die gegen YHWH gemurrt haben (14,29). Die Kinder der Exodusgeneration müssen vierzig Jahre die Hurerei ihrer Väter (er-)tragen, bis sie ins Land kommen werden (14,31.33). Explizit ausgenommen hiervon werden Josua und Kaleb (14,30b).3 In seinem abschließenden Schwur bekräftigt YHWH den Untergang in der Wüste für die, die sich gegen YHWH versammelt haben (יעד על niph.; 14,35). Ehe Mose in 14,39a seinen Redeauftrag ausführt, beschreiben 14,36–38 die bereits genannte Bestrafung der Kundschafter.4 Das Volk reagiert mit 1
Die Septuaginta gleicht 14,27 mit 14,2 hinsichtlich des Objekts des Murrens aus, indem sie zwischen dem Murren vor oder gegen YHWH (14,27a) und dem Murren wegen Mose und Aaron (14,27b) unterscheidet (ἃ αὐτοὶ γογγύζουσιν ἐναντίον μου, τὴν γόγγυσιν τῶν υἱῶν ̓Ισραήλ, ἣν ἐγόγγυσαν περὶ ὑμῶν, ἀκήκοα). Die Präpositionen sind dabei an allen drei Stellen unterschiedlich (14,2: καὶ διεγόγγυζον ἐπὶ Μωυσῆν καὶ ̓Ααρὼν πάντες οἱ υἱοὶ ̓Ισραήλ). In 14,29b entspricht die Septuaginta dem masoretischen Text (ὅσοι ἐγόγγυσαν ἐπ᾽ ἐμοί). Zu 14,36 s.u. Anm. 4. 2 Der Imperativ Singular „ אמרsprich“ in 14,28 wird im Text nicht klar auf Mose oder Aaron bezogen. Dass Mose gemeint ist, ergibt sich im vorliegenden Text aus 14,39, wonach Mose „diese Worte“ allen Israeliten mitteilt. 3 Das Schicksal Moses und Aarons wird erst in Num 20 weiter thematisiert; s.u. Kap. 9. 4 Dabei wird in 14,36 erneut auf das Murren Bezug genommen: In der griechischen Überlieferung murren die Kundschafter gegen das Land vor der Versammlung (διεγόγγυσαν κατ᾽ αὐτῆς πρὸς τὴν συναγωγὴν), in der hebräischen Überlieferung ist dage-
7.1. Num 13–14 – Einführung
183
Trauer auf YHWHs Rede (14,39b) und besinnt sich eines nur vermeintlich Besseren: Am (nächsten) Morgen will das Volk zur eigentlichen Landnahme aufbrechen ( ;עלה14,40; vgl. 13,30f.; 14,42) und ignoriert damit YHWHs Routenänderung (14,25). Moses Warnung (14,41–43) verhallt ungehört, und das Volk wird von den Landesbewohnern geschlagen und bis nach Horma vertrieben (14,44f.). Die Anweisungen YHWHs in Num 15 setzen das Leben im Verheißenen Land voraus und stellen so formal und inhaltlich eine neue Texteinheit dar. Num 15–19 sind insgesamt nicht weiter verortet, erst in 20,1 kommt das Volk in die Wüste Zin, macht sich so gewissermaßen auf den Weg der Kundschafter aus 13,21. In Dtn 1 findet sich in 1,19–46 eine Nacherzählung von Num 13f. durch Mose. Darin wird die Schuld des Volkes deutlich drastischer geschildert als in Num 13f., Moses eigenes Tun dagegen in positiverem Licht dargestellt, was beides nicht zuletzt an der anderen Kommunikationssituation (Mose-Rede an das Volk in Dtn 1, Erzählung in Num 13f.) liegen könnte. Dieses negativere Bild des Volkes und das positivere Moses in Dtn 1 haben wiederum Eingang gefunden in Num 13f., indem der Samaritanische Pentateuch an verschiedenen Stellen Textmaterial aus Dtn 1 in Num 13f. eingetragen hat: Vor Num 13,1 fügt der Samaritanische Pentateuch, syntaktisch an die Erzählweise angepasst, Dtn 1,20–23a ein: Moses Aufforderung zur Landnahme und die Bitte des Volkes, Kundschafter vorauszuschicken. Das ganze Geschehen – das Gerücht über das Land, das Murren des Volkes, die gescheiterte Landnahme – gründet so im Willen des Volkes und geht nicht mehr auf YHWHs Veranlassung zurück. Zwischen Num 13,33 und 14,1 fügt der Samaritanische Pentateuch, syntaktisch mehr oder weniger gelungen an die Erzählweise angepasst,5 Dtn 1,27–33 ein: Das Murren (רגן niph.; 1,27) des Volkes, das die Frage nach dem Warum und Wozu von YHWHs Handeln aus Num 14,3 gleich selbst beantwortet und damit die Anklage deutlich steigert (1,27f.): Weil YHWH das Volk hasse ( ;בשׂנאת יהוה אתנו1,27), habe er es aus Ägypten geführt, damit die Amoriter sie vernichten. Gefolgt wird dieses erste Murren, dem das zweite in Num 14,2–4 den Umkehrbeschluss hinzufügt, durch eine in Num 13f. nicht belegte Kriegsansprache Moses, die gleichermaßen an die Ermutigungsrede Josuas und Kalebs aus 14,7–9
gen Mose Objekt des Murrens („ עליוgegen ihn“). Subjekt des Murrens sind nach dem hebräischen Konsonantentext (Ketib) die Kundschafter bei / mit der Versammlung (וילונו עליו לון ;את־כל־העדהniph.), nach der masoretischen Lesetradition (Qere) die durch die Kundschafter zum Murren veranlasste Versammlung (… לון ;וילינוhiph.). Wenn auch die allermeisten Übersetzungen und Exegeten der kausativen Deutung des Qere folgen (vgl. aber RABE, Gerücht, 134–137; ARTUS, Études, 148), weist die Septuaginta gerade in ihrer Umdeutung des Objektes auf ein nicht kausatives Verständnis des Ausgangstextes. Vgl. WEVERS, Notes, 231. 5 Die Wiedergabe von Dtn 1,32f. erfolgt auf der falschen Kommunikationsebene, womit Moses Ermahnung letztlich unnötig erscheint, da das Ergebnis (der Unglaube des Volkes) bereits vorab mitgeteilt wäre: Dtn 1,29a.32f. sind direkte Mose-Rede, 1,29b–31 ein Selbstzitat Moses in seiner Rede. Im Samaritanischen Pentateuch wird vor Num 14,1 nur Dtn 1,29a der Kommunikationssituation der Erzählung angepasst, nicht aber 1,32f. Damit erscheint 1,32f. wenig sinnvoll als syntaktische Fortsetzung des Zitates von 1,29b–31.
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7. Num 13–14 – Aufbegehren gegen das Land: Die Kundschaftererzählung
wie an die Kriegsansprache des Priesters im Rahmen des deuteronomistischen Kriegsgesetzes (Dtn 20,2–4) erinnert (1,29–33). Die als Schwäche deutbare Sprachlosigkeit Moses in Num 14,1–10 wird so aufgehoben. Zwischen Num 14,40 und 14,41 fügt der Samaritanische Pentateuch schließlich, wiederum syntaktisch an die Erzählweise von Num 13f. angepasst, Dtn 1,42 ein: YHWHs Redeauftrag an Mose, dessen Erfüllung Dtn 1,43 schlicht festhält, Num 14,42 jedoch ausführt: Das Volk soll nicht zur Landnahme hinaufziehen, da YHWH in diesem Fall nach dem Geschehenen nicht mehr inmitten des Volkes ist. Das wechselseitige Abhängigkeitsverhältnis von Num 13f. und Dtn 1 beschränkt sich nicht auf die Textgeschichte, und auch hier nicht auf den Samaritanischen Pentateuch,6 sondern betrifft ebenso die Genese beider Texte, wie im Folgenden auszuführen sein wird.7
Die Nacherzählung der klar strukturierten und für sich stehenden Kundschaftererzählung hat bereits grundlegende Spannungen dieses Textes aufgezeigt, die auf eine mehrstufige Wachstumsgeschichte der zwei Kapitel hinweisen: Das Nebeneinander zweier Reaktionen YHWHs auf das Murren des Volkes, 14,11–25 und 14,26–35, ist vor allem deshalb auffällig, da nur die zweite YHWH-Rede auch explizit Bezug auf das Murren des Volkes nimmt, da nur die zweite YHWH-Rede sich an Mose und Aaron wendet, die zuvor Objekt des Murrens waren, und da nur die zweite YHWH-Rede mit Josua und Kaleb die Kundschafter und damit Angehörigen der Exodusgeneration vom Tod der Exodusgeneration in der Wüste ausnimmt, die zuvor dem murrenden Volk entgegentraten. 14,26–35 greift damit über 14,11–25 hinweg auf 14,1–10 zurück. Und wenn auch 14,26–35 als Präzision und Korrektur von 14,11–25 gelesen werden kann, so setzt nichts in 14,26–35 die Kenntnis von 14,11–25 voraus. 14,11–25 ist jedoch in seiner vorliegenden Gestalt mit einem anderen vorausgehenden Textstück verbunden: Dass ausschließlich Kaleb und seine Nachkommen ins zugeschworene Land geführt werden sollen, „weil ein anderer Geist mit ihm war und er mir (YHWH) nachfolgte“ (עקב היתה רוח אחרת ;עמו וימלא אחרי14,24), greift über 14,1–10, wo Kaleb zusammen mit Josua für YHWH warb, auf 13,30f. zurück, wo sich Kaleb alleine gegen die anderen Kundschafter stellte. Bemerkenswerterweise wird Kaleb in 13,30 und 14,24, wo er alleine begegnet, ohne Filiation genannt, in 13,4–16, 14,6(–9), 14,30 und 14,38, wo er zusammen mit Josua begegnet, dagegen mit Filiation als Sohn Jephunnes. Die Bestrafung der Kundschafter in 14,36–38 unterbricht den Zusammenhang zwischen dem Auftrag an Mose, zum Volk zu reden, aus 14,28–34 und
6 Vgl. etwa noch Num 14,23 (s.u. Anm. 143), 14,31 (s.u. Anm. 93) sowie Num 14,45 und Dtn 1,44. Vgl. MÜLLER/PAKKALA/TER HAAR ROMENY, Evidence, 35–44 und speziell zu Num 14,23 und 14,31 VAN DER MEER, Generation. 7 S.u. Kap. 7.2.3.
7.1. Num 13–14 – Einführung
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seiner Ausführung dieses Auftrages in 14,39.8 Dass die Kundschafter besonders bestraft werden sollen, war in beiden Reaktionen YHWHs nicht abzusehen; dort war jeweils nur von einzelnen Ausnahmen beim Strafhandeln explizit die Rede. Terminologisch passt 14,36–38 gleichwohl zu 14,26–35 und den weiteren damit zusammenhängenden Texten. Nebst dem Doppelgespann aus Josua und Kaleb (vgl. 13,4–16; 14,6.30.38) ist es insbesondere das Lexem für die Erkundung, תור, das unterschiedliche Textteile aus Num 13 und Num 14 zusammenhält:9 13,2.16.17.21.25.32bis; 14,6.7.34.36.38.10 Dass beide Passagen, in denen allein Kaleb als Kundschafter genannt wird, 13,30f. und 14,11– 25, keinen Beleg von „ תורerkunden“ aufweisen, erstaunt nach den bisherigen Beobachtungen nicht. Ausgehend von diesen und zahlreichen weiteren Spannungen oder Auffälligkeiten, von denen die unterschiedlichen Bezeichnungen für Israel11 und die unterschiedlichen Vorstellungen über das erkundete Gebiet12 nur die offen-
8 S.o. mit Anm. 2. Zur redaktionsgeschichtlichen Auswertung dieses Befundes s.u. Kap. 7.2.1. 9 Demgegenüber spielt das Murren nur in Num 14 eine Rolle. Vgl. לון עלin 14,2.27bis. 29.36 und תלנותin 14,27. Die anderen Murrlexeme leisten keine Verbindung zwischen unterschiedlichen Textteilen (vgl. „ בכהweinen“ in 14,1; „ מרד בsich auflehnen gegen“ in 14,9; נאץpi. „verachten; verwerfen“ in 14,11.23; לא+ אמן בhiph. „nicht glauben an“ in 14,11; נסהpi. „versuchen“ in 14,22 und לא+ „ שׁמע בקולnicht auf seine Stimme hören“ in 14,22; in den Zusätzen des Samaritanischen Pentateuch steht zwischen 13,33 und 14,1 noch רגןniph. „murren“ [vgl. Dtn 1,27] und אין+ אמן בhiph. „nicht glauben an“ [vgl. Dtn 1,32]). 10 In Dtn 1 wird „ תורerkunden“ lediglich auf YHWH bezogen (1,33; vgl. Num 10,33; Ez 20,6). Für die Kundschafter ist dagegen von „ חפרauskundschaften“ die Rede (Dtn 1,22). Der Samaritanische Pentateuch gibt dies in Dtn 1,22 wie im Zusatz vor Num 13,1 mit dem bedeutungsgleichen חפדwieder (vgl. MCCARTHY, Deuteronomy, 51*). Zu den Kundschafter-Lexemen vgl. ROSE, Deuteronomist, 271–275. 11 Hierbei ist bemerkenswert, dass in beiden Passagen, in denen allein Kaleb als Kundschafter genannt wird, und die keinen Beleg von „ תורerkunden“ aufweisen, 13,30f. und 14,11–25, ausschließlich von „ עםVolk“ die Rede ist (13,30; 14,11.13.14.15.16.19bis). Daneben ist der Volksbegriff noch in 14,1b.39b auf Israel und in 13,18.28.31.32; 14,9 auf das erkundete Volk bezogen. Die Passagen dagegen, die mit „ תורerkunden“ formulieren und das Doppelgespann aus Josua und Kaleb aufweisen, sowie weitere Passagen, die bislang nicht angesprochen wurden, bezeichnen die Israeliten dagegen mit folgenden Begriffen: („ )כל( בני ישׂראלalle) Israeliten“ (13,2.3.24.32; 14,2a.10b.27b.39a), „ כל־העדהdie ganze Versammlung“ (13,26; 14,1a.2b.10a.35.36; vgl. 14,27a), „ כל־עדת בני־ישׂראלdie ganze Versammlung der Israeliten“ (13,26; 14,7) und „ כל־קהל עדת בני ישׂראלdie ganze Versammlung der Versammlung der Israeliten“ (14,5; die griechische Übersetzung liest hier nur einen Begriff für „Versammlung“; vgl. WEVERS, Notes, 212). 12 Ausführlicher hierzu s.u. Kap. 7.2.1.
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7. Num 13–14 – Aufbegehren gegen das Land: Die Kundschaftererzählung
sichtlichsten sind, hat die Forschung unterschiedliche Modelle hervorgebracht, um die Genese der Erzählung zu erklären:13 1.) Vertreter eines Quellenmodelles14 gehen von einer älteren Fassung der Kundschaftererzählung aus, die meist dem Jahwisten oder dem Jehowisten, und einer jüngeren Fassung, die der Priesterschrift zugewiesen wird. Hinzu kommen (sofern nicht noch weitere Quellen angenommen werden)15 eine Redaktion, welche beide Quellen miteinander kombiniert hat, und mögliche weitere Ergänzungen.16 Vertreter eines Quellenmodells setzen damit das Vorhandensein und die mindestens partielle Rekonstruierbarkeit von (zumindest) zwei eigenständigen Fassungen der Kundschaftererzählung voraus, die jeweils in einem größeren literarischen Zusammenhang tradiert wurden. Ein gewisser „Schönheitsfehler“ quellenkritischer Erklärungen der Kundschaftererzählung besteht darin, dass die jahwistische oder jehowistische Fassung nach allgemeiner Einschätzung nur fragmentarisch überliefert ist, da mindestens
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Eine ausführliche Darstellung der älteren Forschungsgeschichte bietet RABE, Gerücht, 5–80. 14 Vgl. etwa die im Einzelnen recht unterschiedlichen Arbeiten von WELLHAUSEN, Composition, 101f.338–340; KUENEN, Uitzending; HOLZINGER, Numeri, 49–60; BAENTSCH, Exodus-Leviticus-Numeri, 514–533; EISSFELDT, Hexateuch, 61–63.166*– 173*; NOTH, Numeri, 87–99; COATS, Rebellion, 137–156; FRITZ, Israel, 19–24.79–86; MCEVENUE, Style, 90–144; BUDD, Numbers, 140–164; STRUPPE, Herrlichkeit, 147–179; SCHART, Mose, 58–96.149–160.218–220; DERS., Story; SCHARBERT, Numeri, 54–61; LEVINE, Numbers, 52–57.347–381; SCHMIDT, Studien, 73–113; DERS., Kundschaftererzählung; DERS., Numeri, 34–52; SEEBASS, Numeri, 76–129; FREVEL, Blick, 125–133; WIDMER, Moses, 236–253; BADEN, Redaction, 114–130.275f.285; BOORER, Place; KISLEV, Joshua. Nach SCHMIDT, Kundschaftererzählung, 40 ist Num 13f. innerhalb des Numeribuches „die stärkste Stütze für die Auffassung, daß auch in dem literarisch äußerst schwierigen Buch Numeri mit mindestens einer vorpriesterlichen und einer priesterlichen Quellenschrift zu rechnen ist.“ Und Kuenens Abhandlung versteht sich auch als Zurückweisung der Grundschrifthypothese; vgl. KUENEN, aaO., 545f. 15 Über weitere Ausprägungen des Quellenmodells informiert die Forschungsgeschichte bei RABE, Gerücht, 5–80. Eine Art Umbruch markiert J. Wellhausen: In seiner 1876 erschienenen Abhandlung (WELLHAUSEN, Composition, 101f.) spricht er von der „Duplicität von JE“ (aaO., 102) und rechnet „z.B.“ bei 14,2a.3.30–33 mit „einer zweiten Quelle“ nebst dem „Hauptbericht (J)“ (ebd.). KUENEN, Uitzending „weist“ dagegen 1877 in Auseinandersetzung mit Wellhausen „überzeugend nach, dass in dem Stücke Num. 14,26–38 nichts von JE enthalten ist“ (so die Wiedergabe durch WELLHAUSEN, aaO., 338), dass vielmehr in Num 13f. nebst den zwei Quellen J und P nur mit redaktionellen Erweiterungen und keinen weiteren Quellen zu rechnen ist. Dem schließt sich Wellhausen in den 1885 erschienenen Nachträgen zu seiner Composition an (vgl. WELLHAUSEN, aaO., 338–340). 16 Dabei kann die Redaktion schlicht als Quellenkompilation verstanden werden, die selbst keinen Text produziert hat, oder als textproduktive Redaktion. Ergänzungen sind in jedem Stand der Textentstehung möglich.
7.1. Num 13–14 – Einführung
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ihr Anfang fehlt.17 Durch die P und J(E) verbindende Redaktion sind solche Textauslassungen aber in dem Modell durchaus erklärbar18 – wie denn auch neuere Arbeiten an Handschriften gezeigt haben, dass im Rahmen von Textentstehung und Textüberlieferung auch mit Textumstellungen, -umformulierungen, -auslassungen etc. zu rechnen ist, Textentstehung und Textüberlieferung damit nicht rein additiv verlaufen sind.19 Der priesterschriftliche Anteil an Num 13f. erscheint dagegen einfacher zu benennen und besteht besonders aus den Textteilen, die mit „ תורerkunden“ formulieren und die das Doppelgespann aus Josua und Kaleb aufweisen. 14,11–25 wurde schon früh als Sonderfall gewertet, insofern hier ein älterer Kern redaktionell überarbeitet wurde.20 Als externe Bestätigung wird von Vertretern eines Quellenmodells auf Dtn 1,19–46 verwiesen, dessen Grundbestand lediglich die jahwistische oder jehowistische Fassung von Num 13f., (noch) nicht aber die priesterschriftliche voraussetze.21 2.) Daneben besteht vor allem aus jüngerer Zeit ein bunter Strauß von Ergänzungsmodellen im weitesten Sinne, die von einer ehedem eigenständigen Fassung der Erzählung ausgehen, die im weiteren Verlauf der Textentstehung (in der Regel in mehreren Schritten) fortgeschrieben wurde, wobei zwischen punktuellen Fortschreibungen22 und übergreifenden Kompositions- oder Redaktionsschichten unterschieden wird. Einzelne Modelle changieren dabei zwischen (reinen) Ergänzungs- und Fragmentenmodellen.23 Mit einher geht 17
Um nur zwei Beispiele zu nennen: Nach FRITZ, Israel, 19–24.79–86 umfasste J Num 13,...17b.18f.22...27a.28...30.31...; 14,1b...4...8a.9.11.22–24.25b.39–44a.45 (während Fritz also mit einer Lücke zwischen 13,28 und 13,30 rechnet, nehmen etwa WELLHAUSEN, Composition, 101 und KUENEN, Uitzending, 563 eine spätere Umstellung von 13,30f. an), nach L. Schmidt Num 13,...17b.18.19b.20.22a(statt ויבאist Plural zu lesen: )ויבאו.23a. 26a(nur )וילכו ויבאו אל־משׁה קדשׁה.27f.30f.; 14,1aβb.11a.21a(nur )חי־אני.23aα.24.39b.40. 41aαb.43.44a.45 (vgl. SCHMIDT, Kundschaftererzählung, 41–43; DERS., Numeri, 34–52; die leicht unterschiedlichen Angaben aus beiden Texten wurden hier harmonisiert; vgl. bereits DERS., Studien, 73–113). 18 Darauf hat etwa SCHMIDT, Kundschaftererzählung, 48 Anm. 34 in seiner Auseinandersetzung mit E. Otto zu Recht hingewiesen. Zu Ottos These s.u. 19 Vgl. etwa PAKKALA, Omissions; MÜLLER/PAKKALA/TER HAAR ROMENY, Evidence; MÜLLER/PAKKALA (Hg.), Insights. S.o. Kap. 1.3.; Kap. 1.3.2. 20 Vgl. etwa WELLHAUSEN, Composition, 102; NOTH, Numeri, 91.96f. 21 Gegenüber Vertretern von Ergänzungsmodellen für Num 13f. (s.u.) wird Dtn 1,19–46 bei SCHMIDT, Kundschaftererzählung zum Hauptargument für einen jahwistischen Quellfaden. Zu Dtn 1,19–46 s.u. Kap. 7.2.3.2. 22 Vgl. die in Anm. 25 genannten Arbeiten. 23 Klar ein Fragmentenmodell vertritt FRANKEL, Stories, 119–201.330–346 (1.: die ursprüngliche priesterliche Kundschaftererzählung im engeren Sinne: 13,1.2aα.3.21[ohne ]ויעלו.25.32abα; 14,26[ohne ]ואל־אהרן.27aα.35.37; 2.: die nicht-priesterliche Murrerzählung, die in Kenntnis der älteren priesterlichen sowie der deuteronomistischen Variante in Dtn *1,19–46 und 9,23 abgefasst ist: Num 20,1aβb.3a.5abα; 13,17b.18a.19aβ.20[ohne ומה ]הארץ.22[nur ]ויעלו בנגב.23f.…27.28abα.29…[?]; 14,1b.4…39b.40–45 [zu Frankels Analy-
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7. Num 13–14 – Aufbegehren gegen das Land: Die Kundschaftererzählung
bei diesen Modellen meist die Einschätzung, dass auch die ältesten Texte in Num 13f. (deutlich) jünger sind als bei den unterschiedlichen Ausprägungen des Quellenmodells. Die einzelnen Modelle können weiter differenziert werden aufgrund ihrer Annahme wahlweise einer nicht-priester(schrift)lichen24 oder einer priester(schrift)lichen25 Grundschicht von Num 13f. oder dem vorausgesetzten Ursprung der Kundschaftererzählung in26 oder hinter27 der Grundschicht von Dtn 1,19–46. Während Vertreter einer priester(schrift)lichen Grundschicht aus der bereits von M. Noth gemachten Beobachtung, dass die „Fragmente“ der nicht-priesterlichen Erzählung „nur der Ausgestaltung der zugrunde gelegten P-Erzählung“ dienen,28 folgern, dass die „vermeintliche Parallelquelle, gewöhnlich dem Jahwisten zugeschrieben, … in den priesterlichen Bestand so glatt eingebettet [ist], daß sie am ehesten aus ihm herse von 20,1–13 s.u. Kap. 9.2. Anm. 10]; 3.: priesterlicher Editor, der die beiden älteren Erzählungen kombinierte, und auf den 13,2aβ.17a.21[nur ]ויעלו.26[ohne קדשׁהund ואת־כל־ ]העדה.32bβ.33[ohne ;]בני ענק מן־הנפלים14,1a.2f.5.10.26[nur ]ואל־אהרן.27b.28.29[nur במדבר ]הזה יפלו פגריכם.33.36.39a zurückgehe; 4.: „post-editorial additions“ [aaO., 172 u.ö.]: erstens: 14,11–23.25; zweitens: 13,22[ohne ]ויעלו בנגב.28bβ.30f.; 14,24; drittens: 13,2b.4–16; 14,6–9.29(ab )וכל־פקדיכם.30–32.34.38; viertens, jedoch ohne klare Reihung: 13,18b.19aαb. 20[nur ]ומה הארץ.26[nur קדשׁהund ]ואת־כל־העדה.33[nur ;]בני ענק מן־הנפלים14,27aβ). 24 Vgl. BLUM, Studien, 133–135.177–181 (mit traditioneller Textzuweisung an die vorund die priesterliche [KP] Schicht; mindestens 14,11–25 wird KD zugewiesen); POLA, Priesterschrift, 92–94; ARTUS, Études, 83–159.244–257.261f.278–286 sowie die etwas eigenwilligen Arbeiten von KNIPPING, Kundschaftergeschichte, 288–517 (s.u. Anm. 50.55) und WAGNER, Herrlichkeit, 58–61.68.104–106.368f.374–376. 25 Vgl. LEVIN, Jahwist, 375–377 (s.u. Anm. 55); RABE, Gerücht (wegen des rein literarkritischen Ansatzes nimmt Rabe bewusst keine Zuordnung der von ihm rekonstruierten Grundschicht zu einer redaktionsgeschichtlich zu konturierenden Texteinheit vor; seine Grundschicht kommt aber „zum Teil dem nahe, was viele Quellenkritiker als priesterschriftlichen Beitrag in Num 13.14 betrachten“; aaO., 440); KRATZ, Komposition, 109; RUDNIG-ZELT, Glaube, 176–197 (s.u. Anm. 75); GERMANY, Narrative, 206–215(–224). In mancherlei Hinsicht vergleichbar ist das Fragmentenmodell von FRANKEL, Stories, 119– 201.330–346 (s.o. Anm. 23): Bemerkenswert sind die ähnlichen Textzuweisungen an die älteste priesterliche Schicht, die bei Frankel vorexilisch, bei den anderen Genannten jedoch nachexilisch eingeordnet wird. 26 Vgl. AURELIUS, Fürbitter, 130–141.187f. (im Anschluss an ROSE, Deuteronomist, 264–294; M. Rose selbst geht von einem Quellenmodell für Num 13f. aus, analysiert den Text aber nicht eigens); VAN SETERS, Life, 363–382 (dessen exilisch datierter Jahwist Dtn 1 kennt und von P überarbeitet wird); JEON, Narrative, 255–265. 27 Vgl. OTTO, Deuteronomium im Pentateuch und Hexateuch, 12–109; DERS., Deuteronomium (HThKAT), 367–407; ACHENBACH, Erzählung. Vgl. das tabellarische Ergebnis bei ACHENBACH, Erzählung 123 Anm. 313; DERS., Vollendung, 34 Anm. 152; 635 (die Versangaben weichen hier verschiedentlich voneinander ab und entsprechen zuweilen auch nicht den Ausführungen). Einführend zu Achenbachs Rekonstruktion des Numeribuches sowie der Murrerzählungen s.o. Kap. 1.2.4. mit Anm. 126–130 und vgl. DERS., Numeri und Deuteronomium. Zu den Arbeiten von E. Otto und R. Achenbach s.u. 28 NOTH, Überlieferungsgeschichte, 15. S.u. Kap. 7.2. mit Anm. 46.
7.1. Num 13–14 – Einführung
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vorging“,29 rekonstruieren die Vertreter der anderen Ergänzungsmodelle eine vor-priester(schrift)liche Kundschaftererzählung, die in der Regel keinem größeren Textzusammenhang entstammt und, wie im Quellenmodell, nur noch mehr oder weniger fragmentarisch überliefert ist. Ein besonders profiliertes Modell für die Entstehung von Num 13f. hat E. Otto ausgehend von einer Analyse des Deuteronomium-Rahmens vorgelegt; R. Achenbach ist ihm darin gefolgt und hat das Modell im Rahmen seiner ausführlichen Numeri-Analyse verfeinert:30 Die im 8. oder 7. Jh. verschriftlichte, isoliert tradierte Kundschaftererzählung31 wurde zunächst im 6. Jh. von einem deuteronomistischen Redaktor aufgenommen, der das deuteronomistische Deuteronomium (Dtn *4,45–28,68 [DtrD]) um die Rahmung Dtn *1–3; *29f. erweitert und mit dem deuteronomistisch überarbeiteten Josuabuch verbindet (Jos *1–11; *23; Ri 2,6–9): DtrL. Diese Fassung findet sich in Dtn *1,19–45.32 In der ersten Hälfte des 5. Jhs. wurde die Fassung der Kundschaftererzählung von DtrL und ebenso die vorexilische Kundschaftererzählung, die damit also weiter in splendid isolation tradiert wurde, von der Hexateuchredaktion (HexRed), welche „die durch PS erweiterte Priesterschrift (Gen 1 – Lev 9) in den durch DtrL redigierten Verbund von Deuteronomium und Josuabuch“33 integriert und erstmalig die Texte des nachmaligen Numeribuches in einen literarischen Zusammenhang gebracht hat, aufgenommen und überarbeitet (Num *13f.).34 Das Kernanliegen der Hexateuchredaktion „bestand u.a. darin, mit der Hervorhebung der besonderen Rolle des Keniziters Kaleb als dem einzig überlebenden Jahwe-Getreuen die Integration nichtisraelitischer Jahwe-Gläubiger in den Qahal Israels und im Verheißungslande zu begründen.“35 In der zweiten Hälfte des 5. Jhs. wurde die Kundschaftererzählung in Num *13f. durch die Pentateuchredaktion (PentRed), die das Josuabuch vom Pentateuch abtrennte, erneut bearbeitet, wieder unter Aufnahme auch der isoliert tradierten vorexilischen Kundschaftererzählung.36 Kalebs Position wird dabei zugunsten Moses geschwächt. PentRed geht damit hinter HexRed und DtrL, für die „der Landbesitz das zentrale Heils-
29
LEVIN, Jahwist, 375. S.o. Anm. 27. 31 Nach ACHENBACH, Vollendung, 34 Anm. 152 ist sie fragmentarisch in Dtn 1,…*20…22.*23.24–26…*28…35(.39a?).39b.*40–44 und in Num 13,…17b.18–20.22aα. 23f.*27.*28a…30f.; 14,23(.*24).25b… noch überliefert. Nach OTTO, Deuteronomium im Pentateuch und Hexateuch, 26–29.52.62 entstammen in Num 14 dagegen 14,1b…40–44a. 45 der älteren Kundschaftererzählung. Für die Datierung ins 8. Jh. vgl. OTTO, aaO., 106, für die Datierung ins 7. Jh. DERS., Deuteronomium (HThKAT), 384f.; DERS., Books, 384. 32 Nach ACHENBACH, Vollendung, 34 Anm. 152 entstammen Dtn 1,19a.20–27a.34f. 39b.40–46 DtrL. Vgl. OTTO, Deuteronomium im Pentateuch und Hexateuch, 17–19.63. 33 OTTO, Deuteronomium im Pentateuch und Hexateuch, 6. 34 Nach ACHENBACH, Vollendung, 34 Anm. 152 entstammen Num 13,…17b.18–20.22– 24.26a.27a.28.30f.; 14,(1b)…23b.24.25b…40–45; Dtn 1,19b.27b.28–32.36–38.46; Jos *14,6–15; *15,13–19 HexRed. 35 ACHENBACH, Vollendung, 33. 36 Nach ACHENBACH, Vollendung, 34 Anm. 152 entstammen Num 13,1.*2a.3a.21.25. *26.32f.; 14,1a.2–5a.10b.11–22.25a.26–28.*29a.29b.30a.31–37.39; Dtn 1,32f.(*39a?) PentRed. Dass eine Bearbeitung auch die Quelle ihrer Quelle nutzte, ist nach dem vorliegenden Modell durchaus üblich; vgl. etwa OTTO, Books, 384.386–388. 30
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7. Num 13–14 – Aufbegehren gegen das Land: Die Kundschaftererzählung
gut“ war,37 wieder zur Tora-Zentrierung von DtrD zurück. „Eine späte, an theokratischen Idealvorstellungen orientierte Neubearbeitung (ThB) stilisiert Israel zum heiligen Jahweheer des Zwölf-Stämme-Volkes und integriert Kaleb genealogisch in den Stamm Juda.“38 Diese Theokratische Bearbeitung datiert Achenbach ins 4. Jh. Die Theokratische Bearbeitung erscheint bei Otto erst vorsichtig am Horizont,39 entsprechend sind seine Textzuweisungen an die Hexateuchredaktion und an die Pentateuchredaktion umfangreicher als bei Achenbach.40 Dass die einzelnen Schichten in den jüngeren Bearbeitungen teilweise nur fragmentarisch überliefert sind, liegt einerseits an der selektiven Aufnahme der Quellen durch die Redaktionen bzw. Bearbeitungen und andererseits an deren Neuformulierungen durch die Redaktionen bzw. Bearbeitungen, was Achenbach als Réécriture bezeichnet, die „für die traditionelle literarkritische Arbeit eine Schwierigkeit darstellt, weil sich die Fortschreibung nicht einfach nur an einen vorgegebenen Text angliedert, sondern diesen neu formuliert.“41 Es kann nicht übersehen werden, dass bei Achenbach die in Num 13f. noch erkennbare vorexilische Kundschaftererzählung genauso wie die Fassung der Hexateuchredaktion der jahwistischen Fassung der Kundschaftererzählung aus Quellenmodellen über weite Strecken entspricht42 – freilich unter Absehung des dort vorausgesetzten größeren literarischen Kontextes eines vorpriesterschriftlichen Tetrateuch oder Pentateuch. Entsprechend gehen auf die Pentateuchredaktion und die Theokratische Bearbeitung die traditionell der Priesterschrift oder priesterlichen Tradenten zugewiesenen Texte zurück. Bei Otto stimmt bereits die Hexateuchredaktion mit den traditionell priester(schrift)lichen Texten in Num 13f. überein.43 Dies führt zur grundsätzlichen Frage, wie sehr konkrete Textanalysen im Dienste von übergeordneten Modellen stehen. Wenn Otto das Deuteronomium, oder noch spezifischer Dtn 1–3 als Schlüssel für die Redaktionsgeschichte des Numeribuches betrachtet,44 wird man auf jeden Fall fragen müssen, ob damit nicht analog der klassischen Quellenscheidung ein Modell von außen an die Texte herangetragen wird.45 Auf jeden Fall ist die Modell bestimmende Unterscheidung zwischen Landzentrierung (HexRed) und Torazentrierung (PentRed) nicht ohne weiteres aus Num 13f. zu erheben. Dies zeigt nicht zuletzt die Flexibilität in der Zuweisung der klassischerweise priester(schrift)lichen Texte mal an HexRed (Otto), mal an PentRed (Achenbach) oder von Josua als einer der Kundschafter mal an HexRed (Otto), mal an ThB (Achenbach).
37
OTTO, Deuteronomium im Pentateuch und Hexateuch, 7. ACHENBACH, Vollendung, 34. Nach Achenbach entstammen Num 13,2b.3b.4–16. *17a(.29aβγ?); 14,6–10a.29b.30b.38 ThB (vgl. aaO., 34 Anm. 152). 39 Vgl. OTTO, Deuteronomium im Pentateuch und Hexateuch, VII („Gesetzesnovellen und spätnachexilische Erzählungen zur priesterlichen Statusdiskussion“). 40 Vgl. OTTO, Deuteronomium im Pentateuch und Hexateuch, 26–29.51f. 41 ACHENBACH, Erzählung, 66. Zu einem methodischen caveat hierzu s.o. Kap. 1.2.4. Anm. 129. 42 S.o. Anm. 17. 43 Vgl. OTTO, Deuteronomium im Pentateuch und Hexateuch, 26–29.51f. 44 Vgl. OTTO, Books, 385.388.394 und DERS., Deuteronomium im Pentateuch und Hexateuch, VII („für die Literaturgeschichte des Pentateuch“ insgesamt). Vgl. auch ACHENBACH, Vollendung, 31–34.629. Achenbachs Analyse von Num 13f. als „Schlüsseltext der Redaktionsgeschichte des Pentateuchs“ (so im Titel von DERS., Erzählung) setzt auf jeden Fall auch mit Dtn 1,19–46 ein (vgl. DERS., Erzählung, 61–77). 45 S.o. Kap. 1.2.5. 38
7.2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 13–14
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Der knappe forschungsgeschichtliche Überblick sowie die Ausführungen zur Textüberlieferung von Num 13f. haben gezeigt, dass einerseits die literarische und literarhistorische Bestimmung des ältesten Textstranges in Num 13f. nach wie vor strittig ist, und dass andererseits sämtliche literarische Schichten von Num 13f. zahlreiche Verknüpfungen in Pentateuch und Hexateuch aufweisen. Die folgende Analyse geht von Num 13f. als dem zur Debatte stehenden Text aus und wird sodann auch Dtn 1,19–46; Jos 14,6–15; 15,13–19; Num 32,6–15 und Ex 32–34 etwas ausführlicher in die Betrachtung einbeziehen.
7.2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 13–14 7.2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 13–14
Die bisherigen Ausführungen haben grob zwei Erzählstränge in Num 13f. zutage gefördert, die nun je für sich und in ihrem Verhältnis zueinander genauer untersucht werden müssen. Da in „der Kundschaftergeschichte Num. 13.14 … die P-Erzählung wieder so einseitig bevorzugt“ erscheint, die nicht-priesterlichen Textteile dagegen „auch hier nur der Ausgestaltung der zugrunde gelegten P-Erzählung“ dienen,46 setzt die Analyse mit der priesterlichen Schicht ein.47 In einem zweiten Schritt werden die nicht-priesterlichen Texte untersucht.48 In einem dritten Schritt werden die so erarbeiteten Schichten ansatzweise in die Redaktionsgeschichte von Pentateuch und Hexateuch eingezeichnet.49 7.2.1. Die Verleumdung des Landes und das Murren des Volkes: Die priesterliche Schicht Kennzeichnend für die priesterliche Schicht ist in Num 13f. wie in anderen priesterlichen Murr- oder Wüstenerzählungen unter anderem die Führung des Volkes durch Mose und Aaron, die Bezeichnung „ עדהVersammlung“ für die Israeliten sowie das Motiv der Erscheinung der Herrlichkeit YHWHs. Damit zusammen hängt in Num 13f. die Verwendung des Lexems „ תורerkunden“ und das dem Führungsduo aus Mose und Aaron korrespondierende Kundschafterduo aus Josua und Kaleb. 46
NOTH, Überlieferungsgeschichte, 15. Statt von nicht-priesterlichen Textteilen spricht NOTH, ebd. von „Fragmente[n] der aus den alten Quellen stammenden Erzählung“ und rekonstruiert dem von ihm zugrunde gelegten Quellenmodell entsprechend auch in Num 13f. eine jahwistische und eine priesterschriftliche Schicht (vgl. aaO., 19.34.143–150; DERS., Numeri, 87–99). 47 S.u. Kap. 7.2.1. 48 S.u. Kap. 7.2.2. 49 S.u. Kap. 7.2.3.
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7. Num 13–14 – Aufbegehren gegen das Land: Die Kundschaftererzählung
Innerhalb der ausführlichen Aussendungsszene 13,1–20 ist der priesterliche Kern in 13,1.2a.3 zu finden:50 YHWH beauftragt Mose, Männer zur Erkundung des Landes Kanaan, das YHWH den Israeliten geben will, auszusenden, und Mose handelt entsprechend. Zusätzlich genannt werden der Ausgangspunkt der Erkundung, die Wüste Paran (vgl. Num 10,12; 12,16), und die Charakterisierung dieser Männer als „ ראשׁי בני־ישׂראלOberhäupter der Israeliten“. Dagegen steht 13,2b in zweierlei Hinsicht in Spannung zum Grundbestand: Einerseits wird die Erkundung hier nicht einer Singular-, sondern einer Pluralgröße mitgeteilt („ תשׁלחוsendet“), was der Samaritanische Pentateuch und die griechische Übersetzung durch Anpassung an 13,2a korrigiert haben.51 Andererseits ist die Gliederung Israels in zwölf Stämme nur hier und in der ebenso späteren Kundschafterliste 13,4–16 von Bedeutung, nicht aber im Rest der Kundschaftererzählung. 13,3b steht dagegen in keinerlei Spannung zu 13,1.2a.3a, dürfte vielmehr Ausgangspunkt der weitergehenden Klärung der Identität der herausragenden Vertreter Israels darstellen und ist damit dem Grundbestand zuzurechnen.52 Dass die Kundschafterliste 13,4–16
50 Vgl. RABE, Gerücht, 230–235.273–285.351–353.410.414–416; KNIPPING, Kundschaftergeschichte, 76–83.288–301.486 (Knipping weist seine Grundschicht, die traditionell als priesterlich und nicht-priesterlich bewertete Passagen umfasst, indes versuchsweise dem vor-deuteronomischen und damit nicht- und zugleich vor-priesterschriftlichen Jerusalemer Geschichtswerk des sog. Münsteraner Pentateuchmodells zu; vgl. aaO., 495–497. 515f.). Dass in „Num 13,1f. … keinesfalls der ursprüngliche Anfang der Erzählung liegen“ könne, da anders als in Dtn 1 „eine Vorbereitung des Landnahmethemas“ fehle (so ACHENBACH, Erzählung, 78), kann angesichts von 13,2a schwerlich überzeugen. 51 Diese Spannung spricht gegen die Literarkritik von SCHMIDT, Studien, 74f.84.113; DERS., Numeri, 43, wonach der priesterschriftliche Grundbestand aus 13,1.2a.17a bestünde, und 13,2b.3–16 en bloc nachgetragen sei (vgl. LEVIN, Jahwist, 375.376 Anm. 29), denn der Plural „ תשׁלחוsendet“ steht auch in Spannung zur Aussendung der Kundschafter allein durch Mose in 13,3.16. Die Pluralformulierung in 13,2b könnte Aaron und die Israeliten im Blick haben, denen die Kundschafter in 13,26 Bericht erstatten (vgl. RABE, Gerücht, 414), oder, weniger wahrscheinlich, durch Dtn 1,22f. bedingt sein, wo die Erkundung auf einen Vorschlag des Volkes zurückgeht (vgl. OTTO, Deuteronomium im Pentateuch und Hexateuch, 30 Anm. 67; RUDNIG-ZELT, Glaube, 179 Anm. 238). 52 Vgl. FRANKEL, Stories, 131. Hier ergibt sich eine bemerkenswerte Verbindung zu Num 14,4, wo sich die Israeliten ein neues Haupt, also einen neuen Anführer geben wollen ( ;נתנה ראשׁvgl. Neh 9,17). Aus welcher Personengruppe sollte dieser Anführer rekrutiert werden, wenn nicht aus den in Num 13,3 genannten? Immerhin setzen die Israeliten ihr Vertrauen mehr in die Kundschafter als in Mose. Auf jeden Fall steht der Hauptmann in 14,4 wie die Hauptleute in 13,3 in keinem Bezug zum Stämmesystem – im Unterschied zu den Fürsten in 13,2b und anders als die Kundschafterliste in 13,4–16. Dass („ ראשׁOber-) Haupt“ und „ נשׂיאFürst“ etwa in Num 7,2; 36,1 synonym verwendet werden (vgl. ACHENBACH, Erzählung, 80 mit Anm. 108) und „das umfängliche Organisationssystem von Num 1f. mit seiner Unterteilung in מטות אבותund deren ראשׁיםund נשׂיאיםvoraus“ setzen (aaO., 80), ist wohl deutlich; doch anders als 7,2; 36,1 oder auch 1,4.16; 10,4; 13,2b; 17,18; 30,2;
7.2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 13–14
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nachgetragen ist,53 ergibt sich wiederum aus zwei Gründen: Einerseits stellt 13,17a eine Wiederaufnahme dar, die nach dem Einschub der Kundschafterliste an YHWHs Auftrag (13,2a) und Moses Ausführung (13,3a) anknüpft.54 Andererseits ist die Stämmethematik und damit die Zwölfzahl der Kundschafter, wie bereits bemerkt, nur hier und in dem nachgetragenen Vers 13,2b von Bedeutung: Der priesterliche Grundbestand beziffert die Kundschafter nicht. Durch die nachträgliche Verteilung der Kundschafter auf je einen Stamm wird die Erzählung stärker mit dem Numeribuch insgesamt verknüpft, das in seiner vorliegenden Gestalt Israel als nach Stämmen gegliedert (vgl. bes. Num 1f.; 7; 26; 34) und von Stammesfürsten vertreten darstellt (vgl. bes. 1,4–16; 2; 7; 34,16–29). Nach der Wiederaufnahme 13,17a könnte der Erzählfaden aus 13,1.2a.3 in der Beauftragung der Kundschafter durch Mose vermeintlich in 13,17b.18–20 weitergehen.55 Allerdings liegen in 13,17b.18–25 unterschiedliche Beschreibungen des erkundeten Territoriums vor, die auf unterschiedliche Autorenschaft hinweisen: Dem Auftrag in 13,17b („ עלו זה בנגב ועליתם את־ההרGeht nun hinauf in den Negeb, und geht hinauf aufs Gebirge“56) entspricht die Ausführung in 13,22 („ ויעלו בנגבund sie gingen hinauf in den Negeb“), auf die die 31,26b; 32,28 spricht 13,3b nicht von Stämmen, Fürsten, Vätern, Berufenen, Gemusterten o.ä. 53 Vgl. etwa NOTH, Überlieferungsgeschichte, 19; DERS., Numeri, 87.92; COATS, Rebellion, 137.139; LEVIN, Jahwist, 375f.; SCHMIDT, Studien, 74f.; DERS., Numeri, 43; RABE, Gerücht, 275–280.410.414–416; ARTUS, Études, 89–99; KNIPPING, Kundschaftergeschichte, 83–90.302–312.486; OTTO, Deuteronomium im Pentateuch und Hexateuch, 26.30; FRANKEL, Stories, 123.175f.; ACHENBACH, Erzählung, 79f.123 Anm. 313; RUDNIG-ZELT, Glaube, 179f.; GERMANY, Narrative, 207.213f. Anders etwa FRITZ, Israel, 19–22; SCHART, Mose, 88 (vgl. nun aber DERS., Story, 166 Anm. 7); SEEBASS, Numeri, 85–89.96 (mit dem methodisch fragwürdigen und redaktionslogisch unnötig komplizierten Winkelzug von Textumstellungen). 54 Bemerkenswert, jedoch kaum literarkritisch auszuwerten ist der Unterschied zwischen dem in 13,16 genannten Auftrag („ לתור את־הארץdas Land auszukundschaften“) und dem in 13,17 entsprechend 13,2a genannten („ לתור את־ארץ כנעןdas Land Kanaan auszukundschaften“). Auf eine ehedem eigenständige Kundschafterliste verweist dieser Unterschied auf jeden Fall nicht. 55 Nach LEVIN, Jahwist, 375 ist die Priesterschrift in Num 13f. „etwa in 13,1–2a.17– 18a.21.25–26(bis )פארן.32abα; 14,2.5.10b.37 zu finden“, nach KNIPPING, Kundschaftergeschichte, 288–517 (vgl. die Übersicht aaO., 486–491) die jehowistische Grundschicht von Num 13f. in 13,1.2a.3.17b.18–20.21a.22a(nur )ויעלו בנגב.23–25.26a(nur וילכו ויבאו אל־משׁה [)אל־מדבר פארן ]קדשׁה.27(ohne )וגם זבת חלב ודבשׁ.28abα; 14,1(ohne )כל־העדה.2b(ohne אלהם כל־ )העדה.3f.26(ohne )ואל־אהרן.28.29a(nur )במדבר הזה יפלו פגריכם.31f.39.41aα.42. In diesen Rekonstruktionen wird damit auch berichtet, dass Mose, nach YHWHs Auftrag, den (insgesamt anonym bleibenden) Kundschaftern bei ihrer Aussendung einen Auftrag erteilt. Die Rekonstruktionen erweisen sich aber unter anderem aufgrund der sogleich zu erörternden Unterschiede in den geographischen Angaben als schwierig. 56 Vgl. zur Übersetzung SCHART, Mose, 59; RABE, Gerücht, 148.164f.
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7. Num 13–14 – Aufbegehren gegen das Land: Die Kundschaftererzählung
Schilderung zweier Stationen folgt: Hebron (13,22) und das Traubental (13,23f.), eingeleitet jeweils mit „ ויבא)ו( עדund sie kamen bis“.57 Dem Auftrag YHWHs aus 13,2a (und seiner Wiederholung in 13,17a), das Land Kanaan zu erkunden ( תור+ )את־ארץ כנען, korrespondiert jedoch deutlicher die Ausführung in 13,21 und die Rückkehr in 13,25, wo in beiden Fällen einerseits von „ תורerkunden“ die Rede ist,58 und andererseits das erkundete Territorium als „ הארץdas Land“ bezeichnet wird. Mit der Süd-Nord-Erstreckung „von der Wüste Zin bis nach Rechob (bei) Lebo-Hamat“ in 13,21 liegt eine „Alternierung“, um nicht zu sagen: Ausweitung „der älteren Formel ‚von Dan bis Beersheba‘“ vor, womit die idealen Grenzen eines Gesamt-Israel gemeint sind.59 In 13,17b und 13,22–24 ist dagegen explizit nur vom Süden die Rede, wenn auch „ ההרdas Gebirge“ offen sowohl für eine Begrenzung auf das judäische Gebirge wie für eine Deutung auf die Gebirgszüge Israels insgesamt ist.60 Aufgrund der unterschiedlichen Beschreibung des erkundeten Territoriums, der einwandfreien Textabfolge sowie der je unterschiedlichen lexematischen Verbindungen umfasste der ursprüngliche priesterliche Erzählfaden damit nach 13,1.2a.3 vorerst 13,21.25,61 enthielt also keinen explizierten Auftrag an die Kundschafter. An 13,1.2a.3.21.25 schließt 13,26(ohne )קדשׁה62 nahtlos an:63 Die rückkehrenden Kundschafter kommen zu Mose, Aaron und der gesamten Versamm57 Der sperrigen Singularformulierung in 13,22 im Codex Leningradensis und in 4QNumb steht die 13,23 entsprechende Pluralformulierung in einigen Handschriften des masoretischen Textes, in 4QRPc, dem Samaritanischen Pentateuch, der Septuaginta und weiteren Versionen gegenüber. Wegen der möglichen Kollektivbedeutung des Singulars ist eine Deutung auf die Kundschafter insgesamt auch unabhängig von einer Textänderung möglich. S.u. Kap. 7.2.2. mit Anm. 119f. 58 Smr und 4QNumb gleichen 13,21 („ ויעלו ויתרוund sie gingen hinauf und erkundeten“) an 13,26 an und lesen „ וילכו ויבאו ויתרוund sie gingen und kamen und erkundeten“. 59 ACHENBACH, Erzählung, 84f. mit Verweis auf Num 34,1–12 (mit der Wüste Zin in 34,3 als Teil der Südgrenze und mit Lebo-Hamat in 34,8 als Teil der Nordgrenze; vgl. auch OLSON, Death, 142f.) und Ez 47,13–20. 60 Vgl. ARTUS, Études, 101f. (Artus nimmt schließlich eine Begrenzung auf das judäische Gebirge vor). 61 Vgl. etwa WELLHAUSEN, Composition, 101; KUENEN, Uitzending, 546.562; NOTH, Überlieferungsgeschichte, 19; DERS., Numeri, 87.90.94f.; FRITZ, Israel, 20–22; BUDD, Numbers, 141f.; SCHART, Mose, 88; SCHMIDT, Studien, 75–78.84.106–113; DERS., Numeri, 35.39.44; LEVIN, Jahwist, 375; RABE, Gerücht, 353.356–359.410f.; ARTUS, Études, 105.110–112; SEEBASS, Numeri, 96; FRANKEL, Stories, 131.340f.; RUDNIG-ZELT, Glaube, 180.182. 62 Dass sich „ קדשׁהnach Kadesch“ „sachlich und formal mit der unmittelbar vorangehenden Angabe ‚in die Pharan-Wüste‘ stößt“ (NOTH, Numeri, 94), ist weitgehend anerkannt. Ob es sich um ein Fragment einer vor-priesterlichen Erzählung oder um einen späten Ausgleich mit Num 20,1, Dtn 1,19.46 oder Jos 14,6–15 handelt, wird die weitere Analyse erweisen müssen (s.u. Kap. 7.3.). Bei Annahme eines Quellenmodells hat bereits FRITZ, Israel, 20f.85f. für eine Glosse votiert.
7.2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 13–14
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lung der Israeliten in die Wüste Paran, von wo sie in 13,3 aufgebrochen waren (13,26a). Dort erstatten sie dem Führungsduo und der gesamten Versammlung Bericht und zeigen ihnen die Früchte des Landes (13,26b). Die hieran anschließende Szene mit dem ausgeführten Kundschafterbericht und der widersprüchlichen Ausdeutung davon durch zwei Parteien der Kundschafter (13,27–31) übergeht den in 13,26 noch anwesenden Aaron kommentarlos und beantwortet Moses Fragen aus 13,18–20. Damit steht 13,27–31 mit Texten in Verbindung, die zuvor bereits der priesterlichen Schicht abgesprochen wurden. An 13,1.2a.3.21.25.26(ohne )קדשׁהschließt dagegen das Gerücht der Kundschafter über das Land in 13,32 nahtlos an, wo mittels „ תורerkunden“ und der uneingeschränkten Bezeichnung für das erkundete Land ( )הארץdeutlich an den vorangehenden priesterlichen Erzählfaden angeknüpft wird.64 Die unterschiedliche Bezeichnung der Adressaten des Kundschafterberichtes in 13,26 (Mose, Aaron und die ganze Versammlung [der Israeliten]) und des Gerüchtes in 13,32 (die Israeliten) weist nicht auf unterschiedliche Autorenschaft hin, sondern zeigt den unterschiedlichen Grad der Öffentlichkeit der jeweiligen Rede an: Der „offizielle“ Bericht, der zwar nicht ausgeführt wird, der wegen der gezeigten Früchte des Landes aber nicht rein negativ gewesen sein kann, wird der versammelten Menge mitsamt dem Führungsduo übermittelt. Das Gerücht dagegen sickert wohl erst langsam ein: ויוציאו דבת הארץ אשׁר „ תרו אתה אל־בני ישׂראל לאמרUnd sie ließen ausgehen das Gerücht über das Land, das sie erkundet hatten, unter den Israeliten folgendermaßen“ (13,32a).65 Die Frage nach dem Umfang des ursprünglichen Gerüchtes entscheidet sich an der Deutung seines ersten Teils: Kann ein Land, das seine Bewohner verschlingt (;הארץ אשׁר עברנו בה לתור אתה ארץ אכלת יושׁביה הוא 63
Vgl. etwa NOTH, Überlieferungsgeschichte, 19; DERS., Numeri, 87.90.94f.; COATS, Rebellion, 138–141; SCHART, Mose, 88; RABE, Gerücht, 292–294.356–359.411; SEEBASS, Numeri, 96. KUENEN, Uitzending, 562; LEVIN, Jahwist, 375 rechnen lediglich 13,26a(ohne )קדשׁהzur priesterlichen Schicht. BADEN, Redaction, 115–117.122.125.275f.285 vermutet in 13,26 ein Amalgam aus J und P. 64 Vgl. etwa, mit unterschiedlicher Rekonstruktion innerhalb von 13,32f., KUENEN, Uitzending, 546f.562f.; NOTH, Überlieferungsgeschichte, 19; DERS., Numeri, 87f.90.94f.; COATS, Rebellion, 138–141; FRITZ, Israel, 20–22; BUDD, Numbers, 143; SCHART, Mose, 88; SCHMIDT, Studien, 83–85.106–113; DERS., Numeri, 35f.39.45; LEVIN, Jahwist, 375; RABE, Gerücht, 298–303.359f.411; SEEBASS, Numeri, 96.112f.; RUDNIG-ZELT, Glaube, 176f. Anm. 225; 182. 65 Vgl. RABE, Gerücht, 359f. (wenn er aaO., 360 von einer „Doppelstrategie“ und der „Doppelzüngigkeit“ der Kundschafter spricht, erkennt er eine Intentionalität ihres Tuns, die der Text nicht expliziert). Gegen RUDNIG-ZELT, Glaube, 182 Anm. 253 widerspricht damit der „verhalten positiv[e]“ Bericht in *13,26 nicht dem Gerücht in *13,32f., macht es nicht unglaubwürdig. Auch der Parallelbericht in Dtn 1,19–46 verdeutlicht, dass ein (hier: rein!) positiver Kundschafterbericht zu einer Weigerung des Volkes führen kann (vgl. 1,25–28).
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7. Num 13–14 – Aufbegehren gegen das Land: Die Kundschaftererzählung
13,32bα), zugleich großgewachsene Männer hervorbringen (וכל־העם אשׁר־ראינו ;בתוכה אנשׁי מדות13,32bβ)?66 Deutet man das Bild des seine Bewohner fressenden Landes auf dem Hintergrund von Lev 26,38 und Ez 36,13f. in deren jeweiligen Kontexten als Hinweis auf „kriegerische[] Auseinandersetzungen“,67 so stehen die entsprechenden Kampfeshandlungen und die Körpergröße der daran Beteiligten in keinerlei Widerspruch zueinander. Beide Aussagen dienen der nachhaltigen Einschüchterung der Israeliten: Die Bewohner des erkundeten Landes sind nicht nur ausgesprochen groß, sie sind auch kampfeserprobt. 13,33 ist ein Zusatz, der das Motiv der großen Männer ins Phantastische steigert: Die Vorbevölkerung Israels in Kanaan wird mit der Tradition der urgeschichtlichen Riesen in Verbindung gebracht, die Israeliten werden mit Heuschrecken verglichen. Die nur hier und in Gen 6,4 als Nachkommen aus den göttlich-menschlichen Verbindungen belegten Nephilim („ נפיליםRiesen“) 68 werden sodann durch die letzten Worte in Num 13,33a weiter beschrieben und mit den in den nicht-priesterlichen Passagen 13,22.28 genannten Anak-Söhnen in Verbindung gebracht: „ בני ענק מן־הנפליםdie Anakiter von den Nephilim“. Da diese, letztlich unklare, Verhältnisbestimmung in der ältesten griechischen Überlieferung fehlt,69 dürfte es sich um einen Zusatz im
66 Die Frage wurde zuletzt etwa von RUDNIG-ZELT, Glaube, 176f. Anm. 225 negativ beantwortet. Vgl. zur Diskussion, mit positiver Antwort, RÜTERSWÖRDEN, Dominium, 1–9; RABE, Gerücht, 301. 67 NOTH, Numeri, 95. Vgl. RÜTERSWÖRDEN, Dominium, 5–7: „Dieser Sprachgebrauch ist der sowohl innerhalb des Alten Testaments als auch innerhalb des Alten Orients gebräuchliche. So heißt es in 2S 18,8: ‚Der Kampf breitete sich über das ganze Land aus, und der Wald fraß ( )אכלmehr Leute, als das Schwert an jenem Tag gefressen ( )אכלhatte.‘ Wie hebräisch אכלkann auch das akkadische akālu gebraucht werden, wenn militärische Gegner von der Natur verschlungen werden.“ AaO., 6. Wenn die Formulierung damit hinreichend stereotyp ist, ist Vorsicht geboten, das Verhältnis zwischen Ez 36,13f. und Num 13,32, die darüber hinaus im Einzelnen unterschiedlich formulieren hinsichtlich des Objektes („ אדםMenschen“ oder „ יושׁביהseine Bewohner“), und von denen Ez 36,13f. das Subjekt nicht explizit nennt, sogleich als Zitat oder Anspielung zu deuten (so aber etwa LOHFINK, Ursünden, 184–189; DERS., Geschichte, 238f.; SCHART, Mose, 66.91; SEEBASS, Numeri, 100.112; RUDNIG-ZELT, Glaube, 236 Anm. 492). Eher kommt hier eine gemeinsame Vorstellung zum Ausdruck, wonach die schmähenden Feinde oder die verleumderischen Kundschafter Israels das Verheißene Land schlecht reden und so das exilierte „Israel“ an seiner Rückkehr hindern wollen (vgl. die genannte Lit. und etwa ARTUS, Études, 275.280f.; DERS., Numbers 32, 373). Vermag damit die Verhältnisbestimmung zwischen Ez 36,13f. und Num 13,32 nicht, die priesterliche Kundschaftererzählung literarhistorisch genauer einzuordnen, weist doch der für beide Texte angenommene historische Kontext auf die fortgeschrittene Perserzeit, in der Judäer nach Jehud „zurückgekehrt“ sind (vgl. den Überblick bei FREVEL, Geschichte, 337–350). 68 Vgl. zu ihnen PERLITT, Riesen, 236–244; BÜHRER, Göttersöhne, 503–506. 69 Vgl. MÜLLER/PAKKALA/TER HAAR ROMENY, Evidence, 35–38.
7.2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 13–14
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Zusatz handeln, der die Kombination von priesterlichen und nicht-priesterlichen Texten in Num 13f. voraussetzt.70 Auf die priesterliche Kundschaftererzählung im engeren Sinne, 13,1.2a.3. 21.25.26(ohne )קדשׁה.32 schließt die Erzählung vom Murren Israels und der Reaktion ihrer Anführer darauf an. Ihre ursprüngliche Abgrenzung umfasst 14,1a.2–5.10: Relativ deutlich ist, dass 14,1b („ ויבכו העם בלילה ההואund das Volk weinte in jener Nacht“) einen Zusatz darstellt: Das Subjekt wird hier anders bezeichnet als in seinem Kontext: Während 14,1a.2b von „der ganzen Versammlung“ ()כל־העדה, und 14,2a von „allen Israeliten“ ( )כל בני ישׂראלsprechen und damit an die Bezeichnungen des bis hier rekonstruierten priesterlichen Erzählfadens anknüpfen, verwendet 14,1b die Bezeichnung „das Volk“ ()העם, die im bis hier rekonstruierten priesterlichen Erzählfaden lediglich auf die Bevölkerung Kanaans angewandt wurde (13,32; 14,9).71 Darüber hinaus hat die Zeitangabe „in jener Nacht“ weder im vorangehenden noch im folgenden Kontext einen Referenzpunkt. Auch 14,1a ist auffällig: Eine Hinführung auf das Murren (14,2) durch das Erheben der Stimme ist in den weiteren Murrerzählungen nicht belegt und an sich nicht notwendig; ein Anschluss von 14,2 an 13,32 ist nicht nur syntaktisch einwandfrei, vielmehr folgt das Murren „aller Israeliten“ inhaltlich stimmig auf die Kundgabe des Gerüchtes an „die Israeliten“; schließlich wirkt auch 14,1a selbst überfüllt: Das Erheben der Stimme kann mit נשׂאoder נתן+ קולbezeichnet werden, nur hier werden beide Verben zusammen verwendet.72 Ein zwingendes Argument für einen literarkritischen Schnitt ist so jedoch nicht zu benennen.73 Während die bisherige Darstellung auf die Kundschafter fokussiert war, und sie, nach ihrer Aussendung in 13,2a.3, in 13,21.25.26.32 nicht weiter definiert lediglich als 3. Person Plural begegneten (– ויעלו ויתרו )ויוציאו – וישׁיבו – וילכו ויבאו – וישׁבו, wird in 14,1a bereits durch die andere Verbform der 3. Person Singular Feminin der Blick auf ein neues Subjekt gerichtet: „ ותשׂא כל־העדה ויתנו את־קולם וילנו עלUnd sie, die ganze Versammlung, 70
Da in 13,22.28 die Anakiter als „ ילדי הענקKinder des Anak“ bezeichnet werden, könnte der Zusatz in 13,33a die deuteronomistischen Belege voraussetzen: ( בני ענקDtn 9,2b); ( בני ענקים1,28; 9,2a). Vgl. MÜLLER/PAKKALA/TER HAAR ROMENY, Evidence, 38. Zu den Anakitern vgl. PERLITT, Riesen, 232–236 und s.u. Kap. 7.2.3.4. mit Anm. 204. 71 Zu den Bezeichnungen im Einzelnen s.o. Anm. 11. Nebst diesen zwei Beobachtungen stellt die Abfolge „Stimme erheben“ – „weinen“ – „sprechen“ gegen RABE, Gerücht, 246.305 keine Spannung dar angesichts der Parallelstellen Gen 29,11f.; Ri 2,4f.; 21,2f.; Ruth 1,9f.; 1Sam 24,17f. 72 SCHMIDT, Studien, 85 verweist auf Jes 3,7; 42,2; Hi 21,12, wo „ נשאauch ohne das Objekt Stimme“ die Bedeutung „Stimme erheben“ hat, und weist wie schon andere vor ihm Num 14,1aα P und Num 14,1aβb J zu (vgl. DERS., Numeri, 36.45). 73 Etwa gegen LEVIN, Jahwist, 375f.; RUDNIG-ZELT, Glaube, 182f., die lediglich 14,2(a) dem priesterlichen Erzählfaden zuweisen.
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7. Num 13–14 – Aufbegehren gegen das Land: Die Kundschaftererzählung
erhob und sie [nämlich die Vielzahl der die Versammlung ausmachenden Personen] gaben ihre Stimme und sie […] murrten gegen“. Nach dem Gerücht kommt alles auf die Reaktion der Israeliten an. War der „offizielle“ Bericht der Kundschafter an „die ganze Versammlung“ samt deren Führung zumindest ausgewogen (13,26b), könnte auf das Erheben der Stimme „der ganzen Versammlung“ in 14,1a also durchaus eine positive Rede folgen; wegen des Gerüchtes der Kundschafter an „die Israeliten“ (13,32) murren nun aber „alle Israeliten“ gegen Mose und Aaron ( ;לון על14,2). Wie beinahe74 immer wird das Murren der Israeliten inhaltlich gefüllt,75 und wie so oft läuft das Murren auf eine Infragestellung von Exodus und Wüstenwanderung hinaus (14,2f.):76 Angesichts des vermeintlich Tod bringenden Landes und seiner gewaltigen Bewohner ziehen die Israeliten den Tod
74
S.o. Kap. 6.2. mit Anm. 22. Gegen RUDNIG-ZELT, Glaube, 182f. Nach RUDNIG-ZELT, aaO., 176–197 besteht die priesterliche Grundschicht aus 13,1.2a.3a.21.25.32abα; 14,2a.5a.10b.37. Darin „geht es hauptsächlich um die Undankbarkeit der Kundschafter, die das Land als Gabe Jahwes verschmähen und leichtfertig ein böses Gerede darüber verbreiten (13,32abα). Dafür werden sie mit dem Tod bestraft (14,37). Das Volk hat in dieser Fassung nur eine Nebenrolle. Sein Murren illustriert (14,2a), wie gefährlich das Gerücht der Kundschafter war. Entsprechend wird das Volk in dieser ältesten Version nicht bestraft.“ AaO., 199. Ausgangspunkt dieser These dürfte die Wahrnehmung einer „logischen Spannung zwischen dem Tod allein der Kundschafter in 14,37 und dem Tod aller Erwachsenen im Volk in 14,29–35“ sein, denn „[e]igentlich schließt der Tod aller Erwachsenen das Sterben der Kundschafter ein. … Weiter wird diese besondere Strafe für die Kundschafter in der Jahwerede 14,26ff. nicht angekündigt. Und die Strafen unterscheiden sich.“ AaO., 185 (vgl. schon LEVIN, Jahwist, 375f.; FRANKEL, Stories, 125f. [s.o. Anm. 23]; ähnlich argumentiert auch RABE, Gerücht, 266.341–343.368–370.421f., doch folgt für ihn aus dieser Spannung die literarhistorische Nachordnung von 14,36–38). In der Rekonstruktion von Rudnig-Zelt (sowie in der Levins; s.o. Anm. 55) bleibt jedoch die Funktion des Volkes und die seines Murrens unklar. Und: Die genannte „logische[] Spannung“ besteht nicht: Entsprechend dem unterschiedlichen Vergehen von Kundschaftern und Volk unterscheidet sich auch ihr jeweiliges Ergehen. Dass die Kundschafter durch eine Plage sterben (14,37), steht zum Tod der erwachsenen Israeliten in der Wüste aus *14,26–35 in keinem Widerspruch, bestätigt vielmehr das Eintreffen dieses YHWH-Wortes an einer besonderen Teilmenge Israels – und muss daher auch nicht eigens angekündigt werden. Ist aber *14,26–35 von Anfang an Teil der priesterlichen Kundschaftererzählung, muss ihr auch das Murren des Volkes in 14,2–4 (mindestens zu Teilen) zugewiesen werden, da sich die YHWH-Rede darauf bezieht. Die Rekonstruktion von Rudnig-Zelt wird auch durch Dtn 1,19–46 nicht gestützt: Die „Spezialstrafe für die Kundschafter“ wurde in Dtn 1,19–46 nicht aufgrund der „Spannung zwischen dem Tod aller und dem Tod allein der Kundschafter“ „ausgelassen“ (so RUDNIG-ZELT, aaO., 185 Anm. 267; das zitierte „allein“ dürfte es nach der Rekonstruktion von RUDNIG-ZELT, aaO., 197–233 für Dtn 1 ohnehin nie gegeben haben; vgl. die Zusammenfassung aaO., 230), Mose geht es in der Anrede an das Volk am Ende der vierzigjährigen Wüstenwanderung schlicht um die Sünde des Volkes, die diese Gerichtszeit über Israel brachte. 76 S.o. Kap. 1.2.3. 75
7.2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 13–14
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in Ägypten oder in der Wüste dem befürchteten Schlachtentod77 in dem Land, in das YHWH sie führt, vor. Während sie ihr Murren gegen Mose und Aaron mit der Frage beenden, ob eine Rückkehr nach Ägypten nicht besser sei,78 planen sie im Anschluss untereinander („ ויאמרו אישׁ אל־אחיוund ein jeder sprach zu seinem Nächsten/Bruder“; vgl. Ex 16,15), eine neue Führung einzusetzen und nach Ägypten zurückzukehren (Num 14,4).79 Wie beim Bericht und dem Gerücht der Kundschafter ist auch die Reaktion der Israeliten damit zweiteilig, und der zweite Teil stellt jeweils eine Steigerung hinter vorgehaltener Hand dar.80 Als Reaktion auf das Murren der Israeliten fallen Mose und Aaron auf ihr Angesicht, bleiben aber sprachlos (14,5).81 Stattdessen betreten – unerwartet und literarisch nachgetragen – Josua und Kaleb die Bühne und ergreifen das Wort (14,6–9):82 Während Mose und Aaron als hinreichend bekannt gelten können und im Rahmen der priesterlichen Kundschaftererzählung daher nicht eingeführt werden, werden Josua und Kaleb einerseits mit Filiation und andererseits in ihrer Funktion als zwei der Kundschafter vorgestellt: ויהושׁע בן־נון „ וכלב בן־יפנה מן־התרים את־הארץJosua aber, der Sohn von Nun, und Kaleb, der Sohn von Jephunne, die unter denen waren, die das Land erkundet hatten“. 77
Die Septuaginta übersetzt „ לנפל בחרבum durch das Schwert zu fallen“ passend mit πεσεῖν ἐν πολέμῳ „um im Krieg zu fallen“. 78 Die Septuaginta formuliert hier affirmativ. 79 Zu 14,4 s.o. Anm. 52. Die Problematik der klassischen Quellenscheidung, 14,4 ohne hinreichende Argumente einem vor-priesterschriftlichen Erzählfaden zuweisen zu müssen, hat COATS, Rebellion, 138.146 klar benannt, beugte sich jedoch dem Systemzwang und folgte NOTH, Numeri, 88.90f.95f. (vgl. DERS., Überlieferungsgeschichte, 19.34.136 Anm. 350; auch ACHENBACH, Erzählung, 104 erkennt in 14,4 noch „ein Rudiment der älteren Version“). Ansonsten hält COATS, aaO., 138f.141–143 Num 14,1a.2f.5–10 für einheitlich. 80 Vgl. SCHART, Mose, 87 („erzählerische Steigerung des Murrens“); SCHMIDT, Studien, 86–88; DERS., Numeri, 45f. 81 Die dreifache Constructus-Verbindung „ כל־קהל עדת בני ישׂראלdie ganze Versammlung der Versammlung der Israeliten“ (14,5b) als Publikum von Moses und Aarons Niederfallen wirkt überfüllt und wurde von der griechischen Übersetzung entsprechend vereinfacht (s.o. Anm. 11). „ קהלVersammlung“ spielt in Num 13f. (anders als in Num 16f.; 20,1–13) keine Rolle, die Zusammenstellung von „ עדהVersammlung“ und „ בני ישׂראלIsraeliten“ ist in der priesterlichen Kundschaftererzählung dagegen verschiedentlich belegt. Aber wozu sollte „ קהלVersammlung“ hier nachgetragen worden sein? Worin besteht die „Angleichung an den Kontext“ von Num 15–17 nach RUDNIG-ZELT, Glaube, 183 an dieser, aber eben auch nur an dieser Stelle in Num 13f.? Ähnlich wie Num 14,5b formuliert immerhin der masoretische Text von Ex 12,6; Smr und 4QpaleoGen–Exl lesen hier wie in Num 14,5b (vgl. auch LXX). 82 Als nachgetragen werten 14,6–9 auch etwa LEVIN, Jahwist, 375f.; ARTUS, Études, 122–132; FRANKEL, Stories, 123f.174f.186.195f.; ACHENBACH, Erzählung, 104–110; RUDNIG-ZELT, Glaube, 184; GERMANY, Narrative, 209.213f.; KISLEV, Joshua, 48. KNIPPING, Kundschaftergeschichte, 153–166.365–396.488f.506–514 weist 14,5–9 (sic) seiner „Josua-Fortschreibung“ zu.
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7. Num 13–14 – Aufbegehren gegen das Land: Die Kundschaftererzählung
Die zwei nun namentlich bekannten Kundschafter präsentieren „der ganzen Versammlung der Israeliten“, und damit öffentlich, ihre Sicht der Dinge und widersprechen dem Gerücht der anderen Kundschafter. Diese Differenzierung innerhalb der Kundschaftergruppe überrascht: Weder die bislang rekonstruierte priesterliche Erzählung, noch der überlieferte Text von Num 13f. deuten darauf hin: Der priesterliche Text 13,1.2a.3.21.25.26(ohne )קדשׁה.32 legt nahe, dass alle Kundschafter hinter dem Gerücht stehen. Die nicht-priesterliche Unterscheidung zwischen Kaleb einerseits und den anderen Kundschaftern andererseits lässt keinen Raum für einen weiteren Kundschafter an der Seite Kalebs, denn nach 13,31 haben sich alle anderen Männer, die mit Kaleb hinaufzogen, gegen die Landnahme ausgesprochen. Zwei weitere Argumente sprechen ebenso dafür, dass 14,6–9 einen Nachtrag darstellt: Erstens: Wen die Versammlung in 14,10 steinigen will, macht der Text nicht explizit. „ אתםsie“ bezieht sich im vorliegenden Text zunächst auf Josua und Kaleb, schließt aber Mose und Aaron, gegen die das Volk murrte, nicht aus. Bleibt die Referenz im vorliegenden Text damit unklar, bezieht sich die Steinigungsabsicht im rekonstruierten Text 14,1a.2–5.10 klar auf Mose und Aaron: Den beabsichtigten Führungswechsel aus 14,4 will das Volk damit sogleich in die Hand nehmen, indem sie die alte Führung beseitigt. Zweitens: Auch unabhängig von der unklaren Referenz der Steinigungsabsicht werden die auf dem Boden liegenden Mose und Aaron durch das Auftreten Josuas und Kalebs ins erzählerische Abseits gedrängt, aus dem sie erst die Erscheinung der Herrlichkeit YHWHs in 14,10 und die sich daran anschließende YHWH-Rede in 14,26 wieder herausholen.83 Der Zusammenhang des Niederfallens der Anführer des Volkes und der Erscheinung der Herrlichkeit YHWHs ist in den priesterlichen Murrerzählungen mehrfach belegt, wobei jeweils beides eng zusammen gehört:84 In Num 16,19–22 und 17,7–11 fallen Mose und Aaron als Reaktion auf die Erscheinung der Herrlichkeit YHWHs und die von YHWH geäußerte Vernichtungsdrohung auf ihr Angesicht und treten für das bedrohte Volk ein. In Num 20,6f. fallen Mose und Aaron beim Zelt der Begegnung auf ihr Angesicht, woraufhin ihnen die Herrlichkeit YHWHs erscheint. Sieht man von 14,6–9 ab, so wirkt in der Abfolge von 14,5 → 14,10 ähnlich wie in 20,6 das Niederfallen Moses und Aarons als wortlose Forderung an YHWH, einzuschreiten angesichts von Israels Murren.85 Kurz: 14,6–9 stellt einen Nachtrag dar, der den einwandfreien Zusammenhang von 13,1.2a.3.21.25.26(ohne )קדשׁה.32; 14,1a.2–5 → 14,10 in meh83
Zur Fortsetzung von 14,10 durch 14,26 s.u. S.o. Kap. 1.2.3. 85 Vgl. STRUPPE, Herrlichkeit, 175–179. Zu 20,6 s.u. Kap. 9.2. mit Anm. 43. Bemerkenswert ist die Parallele zu Ex 17,4: Auch hier wendet sich Mose an YHWH um Hilfe, auch hier droht – nach seiner Aussage – seine Steinigung. Mose fällt hier jedoch nicht sprachlos auf sein Angesicht, sondern klagt expressis verbis. Vgl. FRANKEL, Stories, 186. 84
7.2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 13–14
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rerlei Hinsicht stört. Der Nachtrag selbst ist literarisch einheitlich und mit der voraufgehenden Erzählung bestens verwoben: הארץ אשׁר עברנו בה לתור אתה „das Land, durch das wir zogen, um es zu erkunden“ frisst nicht etwa seine Bewohner (13,32bα), sondern ist ein „sehr sehr gutes Land“ (טובה הארץ מאד ;מאד14,7b), wie Josua und Kaleb einleitend festhalten. Das im Lande lebende Volk mag wohl großgewachsen sein (13,32bβ), kann aber (in Umkehr der Essensmotivik aus 13,32bα) von Israel eingenommen werden: „ כי לחמנו הםDenn unsere Speise sind sie“ (14,9). Dass Israel das Volk des Landes nicht zu fürchten braucht, wird hier nicht nur, am Anfang und am Ende, doppelt gesagt, sondern, derart gerahmt, dreifach begründet: „ כי לחמנו הםDenn unsere Speise sind sie.“ – „ סר צלם מעליהםIhr Schutz ist von ihnen gewichen.“ – ויהוה „ אתנוYHWH ist mit uns.“ (14,9). Der Hinweis auf YHWH als Ermöglichungsgrund für eine erfolgreiche Landnahme findet sich bereits in der Entkräftigung des ersten Teils des Gerüchts, 14,8.9(nur „ אך ביהוה אל־תמרדוNur gegen YHWH sollt ihr euch nicht auflehnen“), in dem die Qualität das Landes mit der Verheißung genau dieses Landes zusammengebracht wird: „Wenn YHWH Gefallen an uns hat, wird er uns in dieses Land bringen ( בואhiph.; vgl. 14,3) und es uns geben ( ;נתןvgl. 13,2), ein Land, das von Milch und Honig (über-)fließt.“ Darauf folgt im strukturellen Zentrum ihrer Rede die bereits zitierte Warnung, sich nicht gegen YHWH aufzulehnen (14,9), womit Josua und Kaleb das Murren des Volkes gegen ihre Anführer als Auflehnung gegen YHWH werten. „In ihrer Gesamtheit läßt sich diese Ansprache störungsfrei lesen. Triftige Gründe für die Aussonderung von Redeteilen sind nicht namhaft zu machen.“86 Bereits der synchrone Durchgang durch Num 13f. hat gezeigt, dass nicht die erste (14,11–25), sondern die zweite Reaktion YHWHs ursprünglich auf die bislang rekonstruierte priesterliche Kundschaftererzählung in 13,1.2a.3. 21.25.26(ohne )קדשׁה.32; 14,1a.2–5.10 folgte: *14,26–35. Die YHWH-Rede knüpft in allen ihren Teilen deutlich an den vorangehenden priesterlichen Erzählfaden an. Gerahmt wird die Rede an das Volk durch 14,27.35: Das in 14,27 erfragte („ עד־מתיwie lange?“) Ende von „ העדה הרעה הזאתdieser schlechten Versammlung“ (14,27.35) wird nach der Ausführung von *14,28– 34 in 14,35 zusammenfassend beantwortet: Wer gegen YHWH murrt (;לון על 14,27.29), sich gegen ihn versammelt ( יעד עלniph.; 14,35), geht „in dieser Wüste“ zugrunde ( ;תמם14,35; vgl. 14,33), stirbt ( ;מות14,35; vgl. 14,2bis.37) dort. Die durch Mose an die Israeliten zu übermittelnde Rede in *14,28–34 ist vergleichbar der bisherigen priesterlichen Kundschaftererzählung überarbeitet worden: 14,28 legt die Logik der Bestrafung dar: Wie die Israeliten gesprochen haben, so wird YHWH an ihnen handeln. Dem entsprechend teilt *14,29 die Strafe für die (erwachsenen) Israeliten mit: Da sie lieber in Ägypten oder 86
RABE, Gerücht, 313. Vgl. OTTO, Deuteronomium im Pentateuch und Hexateuch, 38f.; ACHENBACH, Erzählung, 105–110.
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7. Num 13–14 – Aufbegehren gegen das Land: Die Kundschaftererzählung
„ במדבר הזהin dieser Wüste“ gestorben ( )מותwären (14,2b), werden sie במדבר „ הזהin dieser Wüste“ fallen ( ;נפל14,29; vgl. 14,3a). Anders als den murrenden (erwachsenen) Israeliten soll es ihren Kindern ergehen:87 Bis zur zugesagten Landgabe (13,2) müssen die Kinder erst vierzig Jahre durch die Wüste ziehen (14,33), müssen also das natürliche Ende der (erwachsenen) Exodusgeneration in der Wüste abwarten.88 Die ursprüngliche priesterliche Strafrede, 14,26–28.29a(nur )במדבר הזה יפלו פגריכם.33.35, umfasste damit keine Ausnahmen unter den Erwachsenen und keine weiteren Qualifizierungen, wer als Erwachsener zu gelten habe. Diese Ausnahmen und Qualifizierungen tragen erst 14,29a(nur וכל־פקדיכם „ לכל־מספרכם מבן עשׂרים שׁנה ומעלהja, alle eure Gemusterten nach eurer ganzen Zahl, von zwanzig Jahren an aufwärts“).29b.30–32 nach,89 wie die Wiederaufnahme von Num 14,29a(nur „ במדבר הזה יפלו פגריכםIn dieser Wüste werden [zer-]fallen eure Leichname“) in 14,32 („ ופגריכם אתם יפלו במדבר הזהEure eigenen Leichname aber werden [zer-]fallen in dieser Wüste“) in Form eines invertierten Zitates deutlich macht. In *14,29 wird präzisiert, wer der nach 14,33 zu verschonenden Kindergeneration angehört und wer nicht: Als (zu bestrafende) Erwachsene gelten alle Gemusterten nach der Gesamtzahl der Israeliten von zwanzig Jahren an aufwärts. Anders als die Verschonung der Kinder, hat die Festlegung auf zwanzig Jahre und die Musterung der Israeliten keinen Anhalt an Num 13f., dafür aber an den Musterungen in Num 1 und Num 26. Damit dürfte 14,29a(nur וכל־פקדיכם לכל־מספרכם מבן עשׂרים שׁנה )ומעלה.29b wie 13,2b.4–16.17a ein späterer priesterlicher Nachtrag zur weite87
*14,30–35 ist mitnichten in Gänze „eine Dublette zu 14,27–29*“ (gegen RUDNIGZELT, Glaube, 185 Anm. 270; vgl. LEVIN, Jahwist, 375f.). Im ersten Teil der Rede an die Israeliten, *14,28–30, geht es um die Erwachsenen und die Ausnahmen bei deren Bestrafung, im zweiten Teil, *14,31–34, um die Kinder. Dass die Grundschicht von 14,26–35 bzw. von Num 13f. insgesamt ein Gericht ohne Zukunftsperspektive beschrieben hätte, dass also „das ganze Volk einschließlich der Kinder“ in der Wüste gestorben wäre (so RUDNIG-ZELT, aaO., 204; vgl. aaO., 185f.; LEVIN, aaO., 376), ist angesichts der (mindestens traditionsgeschichtlichen) Fortsetzung von Num 13f. wenig plausibel. 88 Die vierzig Jahre stellen die Höchstgrenze der durchschnittlichen Lebenserwartung (unter Absehung von Säuglings- und Kindersterblichkeit) dar. Nach vierzig Jahren ist der Generationenwechsel damit im Wesentlichen vollzogen. Vgl. POLA, Kleinkind, 127–130; JANOWSKI, Anthropologie, 80–82.103f. 89 Vgl. etwa, im Detail unterschiedlich, MCEVENUE, Style, 90f. mit Anm. 2; OLSON, Death, 139; STRUPPE, Herrlichkeit, 154f.; LEVIN, Jahwist, 376; SCHMIDT, Studien, 97– 104.111–113; DERS., Numeri, 37.50; RABE, Gerücht, 334–339.364–366.413.420–422; OTTO, Deuteronomium im Pentateuch und Hexateuch, 28.48f.; FRANKEL, Stories, 172– 174.196–199; RUDNIG-ZELT, Glaube, 185f.; KISLEV, Joshua, 49. Vgl. auch ACHENBACH, Erzählung, 118–123 (s.E. „ist die Réécriture in v.26–35 mit solcher Konsequenz erfolgt, dass eine literarkritische Aufspaltung kaum möglich ist“; aaO., 118; gleichwohl werden 14,29a[nur ]וכל־פקדיכם לכל־מספרכם מבן עשׂרים שׁנה ומעלה.30b literarhistorisch nachgeordnet; die Angaben zu 14,29b bleiben etwas unklar in Achenbachs Œuvre).
7.2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 13–14
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ren Verknüpfung der Kundschaftererzählung mit dem Numeribuch insgesamt sein. 14,30a hält unnötigerweise fest, dass der Tod in der Wüste bedeutet, nicht ins Verheißene Land zu kommen.90 14,30b nimmt Kaleb und Josua von der Strafe aus, womit indirekt auf deren Eintreten für YHWH in 14,6–9 Bezug genommen wird.91 Der Nachtrag hier hängt damit mit dem Nachtrag dort zusammen, was die Zusammengehörigkeit der meisten priesterlichen Nachträge in Num 13f. wahrscheinlich macht. Ebenso wie 14,30a die Strafe für die Erwachsenen mit Blick auf die Landverheißung expliziert, expliziert 14,31 die heilvolle Zukunft der Kinder im Land: Die Kinder ()טף,92 die die murrenden Israeliten bereits als Beute ( )בזder gewaltigen Landesbewohner gewähnt hatten (vgl. das Zitat von 14,3a in 14,31a), wird YHWH ins Land führen (;בוא hiph.; vgl. 14,3), sie werden erkennen ()ידע,93 was ihre Väter verworfen ()מאס haben. Sind die vierzig Jahre Strafdauer aus 14,33 bereits hinreichend durch die Vorstellung des Generationenwechsels erklärt,94 verbindet 14,34 die vierzig Jahre explizit mit den vierzig Tagen der Erkundung aus 13,25 und liefert so eine neuerliche Begründung der Strafdauer. Da der Vers nach der Fokussierung der Kindergeneration unvermittelt wieder auf die Exodusgeneration zu sprechen kommt und dabei alle angesprochenen Israeliten als Kundschafter betrachtet („ תרתםihr habt erkundet“), steht der Vers zudem in Spannung zur
90 Die zum Zeichen der Zusage erhobene Hand ( )נשׂא ידist innerhalb der priesterlichen Texte des Pentateuch nur noch in Ex 6,8 belegt (vgl. noch Ez 20,5bis.6.15.23.28.42; 36,7; 47,14; Neh 9,15; vgl. BÜHRER, Ezechiel, 192). Num 14,30 besagt damit mit anderen Worten dasselbe wie 13,2. Zu „ לשׁכן אתכם בהdass ich euch darin wohnen lasse“ vgl. Jer 7,3.7. 91 Die gegenüber 14,6 (sowie 14,38) umgekehrte Reihenfolge der zwei Kundschafter (der die Reihenfolge in 13,4–16 entspricht) lässt sich stilistisch als invertierte Aufnahme nach dem Schema ABBA erklären und muss daher als solches nicht als literarkritisches Indiz (wofür?!) gewertet werden. Ob die zwei Kundschafter nach dem Schema ABBA oder ABAB genannt werden: Eine Spannung besteht nicht. Wenn ARTUS, Études, 122–132.151 das Eintreten Josuas und Kalebs in 14,6–10a sowie die Erinnerung daran in 14,38 als Nachträge wertet, ist 14,30 mit der Strafausnahme von Kaleb und Josua in seiner priesterlichen Grundschicht (vgl. aaO., 146–151.154) gänzlich unvorbereitet. 92 Die Zitation von 14,3 in 14,31 nimmt eine leichte Umdeutung des Lexems טףvor: „In seiner allgemeinsten Verwendung … dürfte ṭap̠ etwa ‚Anhang, Familie, Troß‘ bedeuten und Frauen, Kinder, Alte, Sklaven usw. mit umfassen“ (LOCHER, טַ ףṭap̠, 373). Wegen der vierzigjährigen Strafdauer dürften in 14,31 (sowie in Dtn 1,39) nur noch die (Klein-)Kinder gemeint sein, da nur sie noch, idealerweise, eine entsprechende Lebenserwartung haben (s.o. mit Anm. 88). 93 Die Septuaginta betont in 14,31 dagegen wie in 14,24bβ und Dtn 1,39 die Inbesitznahme des Landes durch die Kindergeneration: εἰσάξω αὐτοὺς εἰς τὴν γῆν, καὶ κληρονομήσουσιν τὴν γῆν, ἣν ὑμεῖς ἀπέστητε ἀπ᾽ αὐτῆς „Ich werde sie in das Land führen, und sie werden das Land ererben, das ihr verworfen habt.“ 94 S.o. mit Anm. 88.
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7. Num 13–14 – Aufbegehren gegen das Land: Die Kundschaftererzählung
restlichen priesterlichen Erzählung. 14,34 dürfte damit eine „erst nachträglich hinzugefügte Spekulation“ darstellen.95 Der Abschluss des bislang rekonstruierten priesterlichen Erzählfadens, 13,1.2a.3.21.25.26(ohne )קדשׁה.32; 14,1a.2–5.10.26–28.29a(nur במדבר הזה יפלו )פגריכם.33.35, wird traditionellerweise in der Bestrafung der Kundschafter *14,36–38 gesehen, wo YHWHs Schwur, zu tun, was er geredet hat (14,35), sogleich an einer besonderen Teilmenge der Israeliten in Erfüllung geht:96 Ihr Tod in der Wüste vollzieht sich unmittelbar in Form einer nicht näher beschriebenen Plage, nur Josua und Kaleb überleben (vgl. 14,30). Nur selten wurde stattdessen der Abschluss der priesterlichen Kundschaftererzählung in Moses Übermittlung der YHWH-Rede an die Israeliten in *14,39 gesehen,97 da *14,39–45 in der Regel dem nicht-priesterlichen Textstrang zugewiesen wird.98 Allerdings könnten die unterschiedlichen Bezeichnungen Israels in 14,39a („ כל־בני ישׂראלalle Israeliten“) und 14,39b („ העםdas Volk“), die mit der bisher erarbeiteten Literarkritik des Kapitels konvergieren,99 und die Korrespondenz von Rede-Auftrag in 14,28 mit dessen Einlösung in 14,39a darauf hinweisen, in 14,39a den ursprünglichen Abschluss der priesterlichen Kund95
NOTH, Numeri, 98. Vgl. etwa COATS, Rebellion, 139; SCHMIDT, Studien, 101f.; ARÉtudes, 150; FRANKEL, Stories, 179f. Auch diese Erweiterung knüpft terminologisch an die priesterliche Erzählung mitsamt Erweiterungen an, einerseits durch die Erkundung ( )תורdes Landes und andererseits durch die Kontrastierung der erwachsenen Israeliten und der Kinder auch hier: Während die Kinder das Land erkennen werden ( ;ידע14,31), erkennen ( )ידעdie Erwachsenen lediglich die Abwendung YHWHs ( ;תנואהLXX: τὸν θυμὸν τῆς ὀργῆς μου „die Wut meines Zorns“; 14,34); während die Kinder die Hurerei ( )זנותihrer Eltern tragen müssen ( ;נשׂא14,33), müssen die Erwachsenen ihre eigenen Sünden ( )עוןtragen ( ;נשׂא14,34). Frappant sind auch die Ähnlichkeiten zwischen Num 14,34 und Ez 4,6, zumal angesichts der auch sonst vorhandenen Ähnlichkeiten zwischen Num 13f. und dem Ezechielbuch, auf die insbesondere ARTUS, aaO., 83–159 und ACHENBACH, Erzählung, hier 122 hingewiesen haben. Da Num 14,34 die Formel recht eigentlich verkehrt verwendet, denn das Strafmaß beträgt de facto ein Jahr pro Tag und nicht umgekehrt, dürfte es sich um ein Zitat aus Ez 4,6 handeln (vgl. FRANKEL, aaO., 179 Anm. 122). An beiden Stellen entspricht die „Strafdauer“ der „Lebensdauer derjenigen Generation, deren Schuld geahndet werden soll“ (POHLMANN, Buch, 91; vgl. insgesamt zum Text aaO., 89–92). 96 Vgl. etwa NOTH, Numeri, 89f.98 (14,36–38); FRITZ, Israel, 19–22 (14,36–38); COATS, Rebellion, 139.144 (14,36–38); SCHMIDT, Studien, 104.112f. (14,37f.; vgl. DERS., Numeri, 37.39.50); ARTUS, Études, 146–151.154.261f. (14,36f.); SEEBASS, Numeri, 81.88. 124f. (14,36–38); FRANKEL, Stories, 124–130.174.184f.191f.194 (14,37). Vgl. auch LEVIN, Jahwist, 375f. (14,37) und RUDNIG-ZELT, Glaube, 184–186 (14,37), die jedoch die YHWH-Rede 14,26–35 in Gänze für später halten (dagegen s.o. Anm. 75). 97 Vgl. etwa RABE, Gerücht, 266–268.341–343.368–371.413 (14,39a); GERMANY, Narrative, 210f.213.215 (14,39). Nach KNIPPING, Kundschaftergeschichte, 459–485.490–497 folgte in seiner jehowistischen Grundschicht auf 14,26(ohne )ואל־אהרן.28.29a(nur במדבר הזה )יפלו פגריכם.31f. sogar 14,39.41aα.42. 98 S.u. Kap. 7.2.2. 99 S.o. Anm. 11. TUS,
7.2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 13–14
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schaftererzählung zu sehen. 14,39a und 14,36–38 schließen sich als Abschluss der priesterlichen Kundschaftererzählung auf jeden Fall gegenseitig aus, da Moses Rede nach 14,36–38 zu spät kommt. Ein eigentlicher Bruch zwischen 14,39a und 14,39b ist allerdings nicht vorhanden, 14,39b stellt deutlich eine Weiterführung von 14,39a dar. Da *14,40–45 auf 14,39(b) angewiesen ist, aber über *14,26–38 hinaus auf 14,(11–)25b zurückgreift, und da schließlich nicht von allen Redeaufträgen die Erfüllung berichtet wird100 (wie auch nicht zu allen Reden an Dritte eine Beauftragung berichtet wird), erscheint letztlich die klassische Zuweisung von *14,39–45 an nicht-priesterliche Tradenten und von *14,36–38 an die priesterliche Kundschaftererzählung doch plausibler.101 Bei 14,36 dürfte es sich dabei um eine nachträgliche Präzisierung der in 14,37 genannten Männer ( )האנשׁיםhandeln, die das Handeln der „Männer, die das schlechte Gerücht über das Land verbreitet hatten“,102 und dessen Folgen nochmals deutlicher nachzeichnet.103 14,38 trägt die nach 14,6–9 und 14,30b notwendig gewordene Ausnahme von Josua und Kaleb nach. Fazit: Num 13,1.2a.3.21.25.26(ohne )קדשׁה.32; 14,1a.2–5.10.26–28. 29a(nur )במדבר הזה יפלו פגריכם.33.35.37 haben sich als kohärente Erzählung erweisen lassen, die nicht auf die weiteren Texte in Num 13f. angewiesen ist. Diese priesterliche Kundschaftererzählung wurde durch priesterliche Ergänzungen fortgeschrieben, die die Erzählung stärker ins Numeribuch insgesamt einbinden – und die, wie der weitere Fortgang der Analyse präzisieren wird, auch die nicht-priesterlichen Texte in Num 13f. im Blick haben:104 13,2b.4–16.17a; 14,6–9; 14,29a(nur וכל־פקדיכם לכל־מספרכם מבן עשׂרים שׁנה )ומעלה.29b.30–32.36.38 beziffern die Kundschafter, teilen sie auf die zwölf 100
Um nur ein Beispiel zu nennen, sei auf Ex 16,12 im Kontext verwiesen. Wenn damit die Auflösung des Singular-Imperativs aus 14,28 nach der Anrede an Mose und Aaron in 14,26 durch 14,39 wegfällt (s.o. Anm. 2), so muss gleichwohl in 14,26 „ ואל־אהרןund zu Aaron“ nicht getilgt werden (etwa gegen SCHMIDT, Studien, 96.113.179. 180 Anm. 358), denn einerseits ist die Hinzufügung Aarons als Adressat kaum plausibel zu machen, und andererseits ist eine Deutung von Mose als anvisierter Sprecher angesichts zahlreicher Reden Moses an Israel vergleichsweise naheliegend. 102 Zum formal indeterminierten „ רעהschlecht“ bezogen auf das Gerücht vgl. RABE, Gerücht, 213 mit dem Hinweis auf Gen 37,2b. 103 Vgl. etwa FRANKEL, Stories, 126–128. Bemerkenswert sind dabei zusätzlich die unterschiedliche Formulierung des Gerüchtes in 14,36 einerseits („ דבה על־הארץein Gerücht über das Land“) und 13,32; 14,37 andererseits ([„ דבת־הארץ ]רעהdas [schlechte] Gerücht des Landes“) sowie die unterschiedliche Konstellation beim Murren: In 14,36 ist lediglich Mose Objekt des Murrens, in der rekonstruierten priesterlichen Murrerzählung dagegen Mose und Aaron (14,2), was YHWH in 14,27.29 sodann auf sich selbst bezieht. Subjekt des Murrens sind nach 14,2.27.29 alle Israeliten, in 14,36 werden dagegen explizit auch die Kundschafter zu Murrenden (zumindest bei der Annahme eines nicht-kausativen Verständnisses des Murrens hier; s.o. Anm. 4.). 104 Dazu s.u. Kap. 7.2.3.1. 101
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7. Num 13–14 – Aufbegehren gegen das Land: Die Kundschaftererzählung
Stämme Israels auf, setzen das Thema der Musterung Israels voraus und führen schließlich eine Differenzierung innerhalb der Kundschaftergruppe ein, indem Josua und Kaleb als positives Gegenüber den anderen Kundschaftern, die das Gerücht über das Land verbreitet und mit den Israeliten gemurrt haben (14,36),105 entgegen gesetzt werden. Diese Ergänzungen haben den (Neben-)Effekt, dass Israel stärker noch als in der priesterlichen Grundschicht als zum Krieg bereites Heer erscheint: So, wie in Num 1 (vgl. bes. 1,3.20.45) ausschließlich die wehrfähigen Männer von zwanzig Jahren aufwärts gemustert wurden, so sterben ausschließlich die wehrfähigen Männer von zwanzig Jahren aufwärts in der Wüste (14,29).106 Als Nachträge wurden ebenso 13,33, „ קדשׁהnach Kadesch“ in 13,26 und 14,34 bestimmt: Während der Grundbestand von 13,33 das Motiv der großen Männer aus 13,32bβ nachträglich ins Phantastische steigert, setzt die darin nochmals jüngere Verhältnisbestimmung von Anakiter und Nephilim (בני ענק )מן־הנפליםdie Kombination von priesterlichen und nicht-priesterlichen Texten in Num 13f. voraus. „ קדשׁהnach Kadesch“ in 13,26 ist aus Num 13f. heraus überhaupt nicht zu erklären und ist daher in Kapitel 7.3. zu behandeln. 14,34 bringt die priesterlichen Verse 13,25 und 14,33 in ein spekulatives Verhältnis, das sie davor nicht hatten. 7.2.2. Kalebs Ermutigung, Moses Fürbitte und die gescheiterte Landnahme: Die nicht-priesterlichen Textteile Wie bereits die forschungsgeschichtliche Verortung gezeigt hat, stellen die nicht-priesterlichen Texte in Num 13f. keine vollständige Erzählung dar.107 Sie finden sich in drei „Blöcken“, wobei nur in Num 13 priesterliche und nicht-priesterliche Texte ineinander verwoben sind: 1.) 13,17b–20; 13,22–24; 13,27–29; 13,30f.; 14,1b. 2.) 14,11–25; 3.) 14,39–45. 1.) Während die priesterliche Kundschaftererzählung keine Instruktion Moses an die Kundschafter berichtet, stellt eine solche Instruktion das erste dar, was im nicht-priesterlichen Text überliefert ist. Die Instruktion, ihre Ausführung und die Rückmeldung der Kundschafter dazu in 13,17b–20, 13,22– 24 und 13,27–29 sowie 13,30f. sind ebenso klar aufeinander abgestimmt,108 wie sie sich vom umliegenden priesterlichen Textbestand abheben: In 13,17b werden als Ort der Erkundung der Negeb und das Gebirge genannt, in 13,18a der Auftrag in nuce mitgeteilt: וראיתם את־הארץ מה־הוא
105
S.o. Anm. 4.103. Vgl. OLSON, Death, 139.149. Zur Stellung von Num 13f. insgesamt im Rahmen des überlieferten Numeribuches vgl. aaO., 138–152. 107 S.o. Kap. 7.1. 108 „Die enge Beziehung zwischen diesen Stücken“ spricht gegen SCHMIDT, Numeri, 40 Anm. 43 alleine jedoch weder für noch gegen ein Quellen- oder Ergänzungsmodell. 106
7.2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 13–14
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„Schaut euch das Land an, wie es beschaffen ist!“109 13,18b–20 detaillieren diesen Auftrag durch verschiedene Fragen, die nach einem vergleichsweise einheitlichen Schema aufgebaut sind: 13,18b fragt nach der dort ansässigen Bevölkerung („sind sie stark oder schwach, sind sie wenig oder viel?“),110 13,19a nach der Qualität das Landes („ist es gut oder schlecht?“), 13,19b nach den Wohnorten („in [offenen] Lagern oder in befestigten Städten?“), 13,20aα nach der Beschaffenheit des Erdbodens („ist er fett oder mager, gibt es darauf Bäume oder nicht?“). 13,20aβ ermutigt die Kundschafter schließlich, etwas von den Früchten des Landes mitzunehmen. In 13,20b verortet sodann der Erzähler metanarrativ die Erkundung im agrikulturellen Jahresverlauf. Wie der Auftrag, so warten auch seine Ausführung und die Berichterstattung mit metanarrativen Erzählerkommentaren auf: Zur ersten Station, Hebron (13,22) wird das Alter der Stadt im Vergleich zur ägyptischen Stadt Zoan, Tanis, mitgeteilt (13,22b),111 zur zweiten Station, Wadi Eshkol („Traubental“; 13,23f.) wird die Begründung des Ortsnamens durch die Taten der Kundschafter bzw. allgemein der Israeliten dort mitgeteilt (13,24): Das Mitnehmen von Landesfrüchten entsprechend 13,20aβ, besonders einer gewaltigen Weintraube.112 13,29 führt schließlich eine Art Völkertafel Kanaans an. Solche Hintergrundinformationen können auf sämtlichen Stufen der Textent109 „ את־הארץdas Land“ ist hier genauso wie in 13,21 bezogen auf das jeweils zuvor spezifizierte Territorium: Der Negeb und das Gebirge in 13,17b–20.22–24.27–29, das Land Kanaan in 13,1.2a.3(.4–17a).21.25.26(ohne )קדשׁה.32. Während die Inspektion des Landes in der priesterlichen Kundschaftererzählung konsequent mit „ תורerkunden“ bezeichnet wird, sollen hier die Kundschafter das Land, weniger spezifisch, besichtigen ( ;ראה13,18) und zu diesem Zwecke ins Land hinaufziehen ( ;עלה13,17bbis.22.30bis.31bis; vgl. noch 14,40bis.42.44; dass auch der priesterliche Vers 13,21 die Kundschafter hinaufziehen lässt, damit sie das Land erkunden können []ויעלו ויתרו, spricht gegen ARTUS, Études, 105; ACHENBACH, Erzählung, 84 nicht für eine literarische Abhängigkeit der Texte [in welcher Richtung auch immer!], da die topographischen Gegebenheiten Israels schlicht ein Heraufziehen von der Wüste ins gebirgige Landesinnere voraussetzen). 110 13,18b und 13,20aα bieten jeweils zwei Entweder-oder-Fragen, 13,19a und 13,19b jeweils eine, üblicherweise mit ה … אםausgedrückt. Lediglich die erste Frage formuliert mit ה … ה. Vgl. zu dieser und weiteren Variationen im Schema, die jedoch keine literarkritische Relevanz haben, RABE, Gerücht, 282–284; ARTUS, Études, 100–104. 111 Vgl. hierzu ACHENBACH, Erzählung, 90. 112 Neben der Ranke mit nur einer Weintraube, die von zwei Männern getragen werden muss, erscheinen die Granatäpfel und Feigen (13,23b) als unbedeutend und werden oft als nachklappend o.ä. gewertet und entsprechend als Nachtrag betrachtet (vgl. etwa SCHMIDT, Studien, 76; ARTUS, Études, 107f.; RUDNIG-ZELT, Glaube, 181f. Anm. 252). 13,23aβ stellt jedoch schlicht eine Parenthese dar zur weiteren Beschreibung der dem Ort den Namen gebenden Traube. Die Granatäpfel und Feigen (13,23b) sind damit ebenso Objekt des Abschneidens wie die bereits in 13,23aα ausführlicher beschriebene Traube. Vgl. RABE, Gerücht, 288f. Für die Einheitlichkeit spricht sich auch etwa OTTO, Deuteronomium im Pentateuch und Hexateuch, 33 mit Anm. 85 aus.
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7. Num 13–14 – Aufbegehren gegen das Land: Die Kundschaftererzählung
stehung angesiedelt werden – also auch auf der Ebene der (jeweiligen) Grundschicht. Die beachtliche Rekurrenz des Phänomens in dem vergleichsweise kurzen Textabschnitt spricht eher für als gegen eine Zuweisung der genannten Erzählerkommentare an die entsprechende Grundschicht. Einzig 13,29 könnte hiervon ausgenommen sein, da dieser gelehrte Kommentar weit über den Horizont von Num 13f. hinaus geht. Versteht man 13,29 jedoch noch als direkte Rede der Kundschafter, lässt sich diese Kartographie als Detaillierung des in 13,28 angeführten starken Volkes verstehen.113 Die Kundschafter beantworten in ihrem Bericht Moses Fragen aus 13,18– 20: Dass das Land „von Milch und Honig (über-)fließt“ (*13,27b) beantwortet die Frage nach der Qualität das Landes (13,19a) wie die nach der Beschaffenheit des Erdbodens (13,20aα). Das Vorzeigen der Früchte (*13,27b) nimmt ebenso die letztgenannte Frage sowie den Auftrag aus 13,20aβ auf. Wird das Verheißene Land damit positiv gesehen, erscheinen die Bewohner des Landes (vgl. 13,28a mit 13,18b) und ihre befestigten Städte (vgl. 13,28bα mit 13,19b) Furcht einflößend. 13,28bβ mit dem Hinweis auf die Anaks-Kinder verweist schließlich zurück auf die erste Station: Hebron.114 Dürften die Instruktion, ihre Ausführung und die Rückmeldung der Kundschafter dazu in 13,17b–20, 13,22–24 und 13,27–29 sowie 13,30f. (s.u.) im Wesentlichen literarisch einheitlich sein,115 wird der Hebron-Anak-Komplex darin, *13,22 und 13,28bβ, oft als Nachtrag gewertet: Die Erkundung bestünde ursprünglich lediglich im Hinaufziehen in den Negeb (13,22[nur )]ויעלו בנגבund der Besichtigung des Traubentals (13,23f.).116 Begründet wird dies mit zwei textinternen und zwei textexternen Argumenten:
113
Nach FRANKEL, Stories, 157f. zeigt 13,29, dass auch die nicht-priesterlichen Verse eine gesamtisraelitische Perspektive der Erkundung aufweisen. 114 „ וגםund auch“ mag zwar verschiedentlich Nachträge richtiggehend markieren (vgl. FRANKEL, Stories, 157 Anm. 83), „[u]ngeschickt angefügt“ ist 13,28bβ gegen OTTO, Deuteronomium im Pentateuch und Hexateuch, 33f. jedoch nicht, denn der Verweis auf die Anaks-Kinder dient nicht der weitergehenden Beschreibung der Landbevölkerung insgesamt (oder deren Wohnstätten), sondern hebt ein Detail des Gesehenen besonders hervor. 115 Zur Einheitlichkeit von 13,17b–20 s.o. mit Anm. 110, zur Einheitlichkeit von 13,27 vgl. RUDNIG-ZELT, Glaube, 182 Anm. 253 mit weiterer Lit., zur Einheitlichkeit von 13,27– 29 insgesamt vgl. RABE, Gerücht, 295. Zur möglichen Einschränkung hinsichtlich 13,29 s.o. mit Anm. 113. 116 Vgl. RABE, Gerücht, 106–108.236f.286f.418–420; ARTUS, Études, 107f.113–115. 118f.252; KNIPPING, Kundschaftergeschichte, 102–107.121–124.317–321.335–337.487. 503–506; OTTO, Deuteronomium im Pentateuch und Hexateuch, 26f.31–34 (vgl. aaO., 75– 86); FRANKEL, Stories, 156–158; ACHENBACH, Erzählung, 83–94.96f.; RUDNIG-ZELT, Glaube, 181f. mit Anm. 252f.; 189f.; JEON, Narrative, 260.263–265. Wo in der älteren Forschung 13,22 und 13,23f. als Dubletten interpretiert wurden, wurde dagegen meist 13,23(f.) für jünger erachtet und je nach Modell E zugewiesen (vgl. etwa HOLZINGER, Numeri, 51f.55f.; BAENTSCH, Exodus-Leviticus-Numeri, 515f.520f.; EISSFELDT, Hexateuch, 167*) oder als „Zuwachs innerhalb der jahwistischen Version“ gedeutet (so FRITZ, Israel, 22f.).
7.2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 13–14
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1.) Die vermeintliche Ergänzung springt unvermittelt vom Plural der umliegenden Erzählung („ ויעלו בנגב … ויבאו עד־נחל אשׁכלUnd sie zogen hinauf in den Negeb … Und sie kamen zum Traubental“; 13,*22a.23) in den Singular („ ויבא עד־חברוןUnd er/man kam nach Hebron“). 2.) „Num 14,43.45 weiß nichts von Anakitern als Gegner Israels, sondern nur von Amalekitern und Kanaanäern.“117 3.) Als Motiv für die Ergänzung des Hebron-AnakKomplexes in Num 13,22 und 13,28 wird die Verbindung der Bücher Numeri und Josua genannt und mittels der literarischen Bezüge zwischen Num 13f. und Jos 14,6–15; 15,13– 19, der Übergabe Hebrons an Kaleb, plausibilisiert: „Wird der literarische Horizont von Num 13,22aβγb im Josuabuch in Anschlag gebracht, erklärt sich auch die Verwendung des Sing. in V.22aβ durch den Autor der Ergänzung, handelt es sich doch um eine Anspielung auf Kaleb, der allein von Hebron Besitz ergreifen wird.“118 4.) Schließlich werden Dtn 1,24 und Num 32,9 als Beleg für den rekonstruierten Text ohne das Hebronmotiv angeführt, da Dtn 1,19–46 und Num 32,6–15 lediglich Wadi Eshkol als Ort der Erkundung nennen. Keines der Argumente vermag, zu überzeugen: Ad 1.) Die Textgeschichte von 13,22 sowie der Rückbezug auf diesen Vers im Kundschafterbericht in 13,28 („ ראינוwir haben gesehen“) zeigen, dass als Subjekt des Singulars ויבאstets die Kundschafter insgesamt verstanden wurden, dass die Singularform im Codex Leningradensis und in 4QNumb (nebst der Pluralform in einigen Handschriften des masoretischen Textes, in 4QRPc, dem Samaritanischen Pentateuch, der Septuaginta und weiteren Versionen) entsprechend kollektiv aufzufassen ist. Als Anspielung auf Kaleb ist die Singularform daher schwerlich plausibel zu machen.119 Eine Spannung zum Kontext besteht auf jeden Fall nicht, und so kann die lectio difficilior des Codex Leningradensis beibehalten werden, wenn auch ein Ausfall der Pluralendung nicht ausgeschlossen werden kann und muss.120 Ad 2.) Dass „Num 14,43.45 … nichts von Anakitern als Gegner Israels“ „weiß“,121 lässt sich schwerlich sagen: Der Text erwähnt sie einfach nicht. Da in 14,39–45 Israel insgesamt der Bevölkerung Kanaans insgesamt gegenüber steht, müssen die drei Anaks-Kinder (und nicht die „Anakiter[]“!) aus Hebron hier nicht eigens genannt werden. Aus 14,43.45 lässt sich damit nichts für die Frage der literarischen Einheitlichkeit oder Uneinheitlichkeit von 13,22 ableiten.122 Ad 3.) Die literarischen Bezüge zwischen Num 13f. und Jos 14,6–15; 15,13–19 sind offenkundig. Offenkundig ist auch, dass sie mehr umfassen als lediglich den Hebron-Anak117
OTTO, Deuteronomium im Pentateuch und Hexateuch, 32. OTTO, Deuteronomium im Pentateuch und Hexateuch, 32f. Durch seine ausschließliche Beschränkung auf den Text von Num 13f. kann N. Rabe nur das erstgenannte textinterne Argument geltend machen. Entsprechend hält er fest: „Ob durch die 3. sg. m. in … 13,22b eine Verbindung Hebrons zu Kaleb gezogen werden soll, läßt sich nicht nachweisen, da die 3. sg. m. impersonal gedeutet werden kann und kein expliziter Bezug zwischen Kaleb und Hebron in Num 13.14 gezogen wird.“ RABE, Gerücht, 419. Dass die „Informationen über Hebron, seine Bewohner und seine Erbauung“ „erzählerisch unverbunden dem vorher Berichteten folgen“ (RABE, aaO., 236), kann im Rahmen einer Erkundungsmission wenig erstaunen, spricht also nicht gegen die literarische Einheitlichkeit. 119 Vgl. SCHMIDT, Kundschaftererzählung, 46 Anm. 25 und s. voranstehende Anm. 120 Zum Plural konjizieren in jüngerer Zeit etwa BUDD, Numbers, 140f.; SEEBASS, Numeri, 79.83; SCHMIDT, Kundschaftererzählung, 42 mit Anm. 6; 46 mit Anm. 25; DERS., Numeri, 35 mit Anm. 36. 121 OTTO, Deuteronomium im Pentateuch und Hexateuch, 32 (s.o. mit Anm. 117). 122 Vgl. SCHMIDT, Kundschaftererzählung, 46. 118
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7. Num 13–14 – Aufbegehren gegen das Land: Die Kundschaftererzählung
Komplex in 13,22 und 13,28.123 Einen literarkritischen Schnitt in 13,22 oder 13,28 können sie auf jeden Fall nicht begründen. Ad 4.) Num 13f., Num 32,6–15 und Dtn 1,19–46 stehen in einem mehrschichtigen Beziehungsgeflecht, das in Kapitel 7.2.3. genauer analysiert wird. Im Falle von Num 32,6–15 ist vergleichsweise klar, dass die Verbindung von priesterlichen und nicht-priesterlichen Texten in Num 13f. bereits vorausgesetzt wird. Dass Num 32,9 lediglich Wadi Eshkol als Ort der Erkundung nennt, besagt für Num 13,22–24 damit nichts. Und auch der „Paralleltext in Dtn 1,24a … belegt“ nicht „die ursprüngliche Zusammengehörigkeit von Num 13,22aα und 23aα …“124 Denn einerseits spricht Dtn 1,24 gar nicht vom Negeb, und andererseits wäre (unter der Voraussetzung der Abhängigkeit von Dtn 1,19–46 vom nicht-priesterlichen Text von Num 13f.) aufgrund der Darstellungspragmatik von Dtn 1,19–46 die Erwähnung von Hebron in 1,24 gar nicht zu erwarten:125 Moses Nacherzählung der Kundschaftererzählung betont einseitig die Schuld des Volkes. Die negative Darstellung der Kundschafter und ihr mindestens ambivalenter Bericht in Num 13f. finden in Moses Nacherzählung keinen Nachklang: Dass Mose lediglich vom Traubental spricht, von wo die Kundschafter zum Erweis der guten Qualität des Verheißenen Landes Früchte mitnehmen (vgl. Num 13,23f. mit Dtn 1,24f.), nicht aber von Hebron, wo die bedrohlichen Anaks-Kinder verortet werden, passt also zu „Moses“ Darstellungsinteresse an dieser Stelle. Die negative Qualifizierung des Landes aufgrund seiner Bewohner legt Mose erst dem Volk in den Mund (1,26–28), und hier erfolgt dann passenderweise der Verweis auf die Anakiter (1,28b). Kurz: Unabhängig davon, ob Dtn 1,24 bereits Kenntnis von Num 13,22 hat oder nicht:126 Dass Hebron in Dtn 1,24 nicht genannt wird, stellt kein Kriterium für eine literarkritische Scheidung in Num 13f. dar.
13,17b–20, 13,22–24 und 13,27–29 stellen damit jeweils literarisch einheitliche Stücke dar. Auf den ambivalenten Kundschafterbericht folgen die zwei Disambiguierungsversuche in 13,30f.: Kaleb fokussiert in seiner Ermutigungsrede an das Volk in 13,30 einzig das Land und damit die positiven Aspekte aus 13,23f.27, die anderen Kundschafter dagegen fokussieren in 13,31 einzig die Bevölkerung und damit die negativen Aspekte aus 13,22.28f.127
123
S.u. Kap. 7.2.3. So aber ACHENBACH, Erzählung, 85. 125 So mit anderer Begründung auch OTTO, Deuteronomium im Pentateuch und Hexateuch, 84: „Das Hebronmotiv ist in Dtn 1,19–46 nicht eingefügt worden, da in der Rede des Mose eine auf den Weg zum Ostjordanland fokussierte Perspektive vorherrscht.“ 126 Kap. 7.2.3. wird versuchen, Letzteres zu plausibilisieren. 127 Kaleb wird in 13,30 nicht wie in 13,6 mit Filiation eingeführt (vgl. 14,6.30.38 sowie, ohne Filiation, 14,24). Eine Einführung Kalebs erfolgt aber durch 13,30f. insgesamt: Kaleb ist einer der Männer, die (mit ihm) hinaufgezogen sind ( ;והאנשׁים אשׁר־עלו עמו13,31), also einer der von Mose ausgesandten Kundschafter. Mehr über ihn muss hier gar nicht mitgeteilt werden. Gegen GERMANY, Narrative, 208 setzt 13,30f. die Kundschafterliste 13,4–16 damit nicht zwingend voraus. RUDNIG-ZELT, Glaube, 195 trennt 13,31 von 13,30 ab und sieht in Kaleb ursprünglich keinen Kundschafter, sondern einen – nicht weiter eingeführten – Angehörigen des Volkes. Beides überzeugt nicht und wird auch durch den Hinweis auf Dtn 1,36 nicht plausibler („Noch der Zusatz Dtn 1,36 weiß nicht, daß Kaleb Kundschafter war.“ AaO., 195 Anm. 320), denn der Relativsatz in 1,36a setzt im vorliegenden Zusam124
7.2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 13–14
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Damit sind 13,17b–20, 13,22–24, 13,27–29 und 13,30f. als jeweils literarisch einheitliche und gut aufeinander abgestimmte Stücke erwiesen. Es ist jedoch offensichtlich, dass sie nicht für sich stehen können: Erstens fehlt den Stücken eine Einleitung. Zweitens fehlt vor 13,27 eine Rückkehr zu Mose, dem die Kundschafter Bericht erstatten. Und drittens erstaunt die unvermittelte Gegenwart des Volkes in 13,30f., da es zuvor nicht genannt wird, aber offenbar auch über das Ergebnis der Erkundung im Bilde ist, ansonsten es nicht beruhigt zu werden brauchte. Die genannten Lücken und Auffälligkeiten wurden und werden je nach zugrunde liegendem Modell für die Genese des Pentateuch insgesamt meist durch die Annahme von Textausfall im Rahmen der Kompilation einer vor-priester(schrift)lichen und einer priester(schrift)lichen Fassung von Num 13f., durch die Annahme von Réécriture, durch Textumstellungen oder durch die (Re-)Konstruktion einer Brücke zwischen den Textteilen erklärt oder beseitigt.128 Dies ist, mit unterschiedlicher Plausibilität im Einzelnen, möglich. Möglich ist indes auch die Annahme, 13,17b–20, 13,22– 24, 13,27–29 und 13,30f. als Fortschreibung(en) des jeweils vorangehenden priesterlichen Textbestandes zu verstehen, denn dieser bietet exakt das, was den nicht-priesterlichen Texten jeweils fehlt:129 Wer wem den Auftrag zur Erkundung gibt (13,17b–20), und wer wen über die erfolgte Erkundung informiert (13,27–31), machen die priesterlichen Texte 13,1.2a.3 bzw. 13,1–17a130 und 13,26 deutlich.131 Dass die Kundschafter in 13,27 dabei nur eine Singumenhang deutlich voraus, „daß Kaleb Kundschafter war“ (ebd.): „ הארץ אשׁר דרך־בהdas Land, durch das er gezogen ist“. 128 Hierfür kann wieder auf die in Anm. 17 angeführten Rekonstruktionen von J durch V. Fritz und L. Schmidt verwiesen werden. ACHENBACH, Erzählung, 79 erkennt in 13,1. 2a(.bα?).3a eine Réécriture durch PentRed, da er die Verse zuvor ohne überzeugende Argumentation als „ursprüngliche[n] Anfang der Erzählung“ zurückgewiesen hat (aaO., 78; dagegen s.o. Anm. 50). 129 Vgl. die in Anm. 25 genannte Lit. 130 Dass 13,17 „syntaktisch keinerlei Spannungen“ aufweist (RUDNIG-ZELT, Glaube, 180), ist zweifellos richtig. Daraus folgt allerdings nicht zwingend die literarische Einheitlichkeit des Verses (gegen RUDNIG-ZELT, aaO., 180f.; LEVIN, Jahwist, 376). Da 13,17a eine Wiederaufnahme von 13,3a nach dem Einschub der Kundschafterliste darstellt (s.o. Kap. 7.2.1.; so auch RUDNIG-ZELT, aaO., 179f.), könnte 13,17b ursprünglich auch auf 13,3 gefolgt sein. 131 Dass „die Aussendungsrede (Num 13,17b–20) … nach der Aussendung in Num 13,3a.(17a) zu spät kommt“ (OTTO, Deuteronomium im Pentateuch und Hexateuch, 31; vgl. etwa FRITZ, Israel, 19 und RABE, Gerücht, 234.352f., um nur je einen Vertreter der oben unterschiedenen Grundmodelle zu benennen), ist ein oft wiederholtes Missverständnis. Bei Berichten von der Aussendung von Boten oder Briefen wird regelmäßig der Auftrag der Boten oder der Inhalt des Briefes erst mitgeteilt, nachdem der jeweilige Text die Aussendung bereits genannt hat; dies scheint also die übliche Darstellungsweise zu sein. Vgl. BÜHRER, Wayyiqtol mit den Hinweisen auf Jos 18,3–9; 2Sam 11,14f.; 11,18–22; 1Kön 21,8–11; vgl. auch Gen 45,24f.; Ri 21,10f. Die genannten Texte formulieren sämtlich mit „ שׁלחsenden“. Dass auch der nicht-priesterliche Text Num 13,27 dieses Lexem
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7. Num 13–14 – Aufbegehren gegen das Land: Die Kundschaftererzählung
largröße ansprechen („ ויספרו־לוund sie berichteten ihm“), erstaunt zwar nach 13,26 etwas, lässt sich aber dadurch erklären, dass sie alleine oder in erster Linie Mose adressieren, da er alleine sie ausgesandt hat („ שׁלחתנוdu hast uns gesandt“; vgl. 13,1–3.16f.). Die nicht-priesterlichen Texte füllen so die vergleichsweise nüchterne priesterliche Kundschaftererzählung mit Leben und formulieren dabei „teils anekdotisch[]“:132 Von der Erkundung von der Wüste Zin bis nach Rechob (bei) Lebo-Hamat (13,21) werden mit Hebron und dem Traubental zwei Beispiele beschrieben (13,22–24);133 das Traubental veranschaulicht und steigert zugleich das Vorzeigen der Landesfrüchte aus 13,26bβ, das in der priesterlichen Erzählung lediglich vermerkt, nun aber legendarisch wird.134 13,17b–20 präzisiert den Auftrag der Erkundung aus 13,1.2a.3(.4–17a). 13,27–30 führt den in 13,26 lediglich vermerkten Kundschafterbericht aus. 13,30f. löst die Spannung zwischen „offiziellem“ Bericht der Kundschafter mit dem Vorzeigen der Früchte und dem Verbreiten des Gerüchts in 13,26.32 auf unterschiedliche Personen auf: An der Verbreitung des Gerüchts sind nicht alle Kundschafter beteiligt, zumindest Kaleb sieht der Landnahme positiv entgegen. Eine Ergänzungsthese erscheint damit als die einfachste These bei mindestens gleichbleibendem Erklärungswert: Da sie nicht mit nicht vorhandenem Text argumentieren oder an anderen Texten gewonnene Modelle auf Num 13 anwenden muss, erklärt sie den Befund von Num 13 am einfachsten. Da besonders für den Befund von Num 13 gilt, dass „Härten, die eine Quellenscheidung begründen könnten“,135 hier nicht bestehen, steht einer Ergänzungsthese auch nichts im Wege. Lassen sich aber auch die nicht-priesterlichen Texte in Num 14 als Ergänzung(en) der priesterlichen Kundschaftererzählung plausibel machen? 14,1b, das Weinen des Volkes („ )העםin jener Nacht“, steht in Spannung zu seinem Kontext, weshalb der Halbvers oben der priesterlichen Kundschafter-
verwendet, ist damit gegen RUDNIG-ZELT, Glaube, 191 kein Hinweis auf die Abhängigkeit von der priesterlichen Kundschaftererzählung, sondern schlicht sachlich bedingt. 132 LEVIN, Jahwist, 376. 133 Auch vergleichbare Kundschaftererzählungen begnügen sich oft mit der Beschreibung von herausragenden Stationen der an sich umfangreicher vorgestellten Erkundung: Vgl. Jos 2; Ri 18,1–10. Zu Num 32,6–15 und Dtn 1,19–46 s.o. mit Anm. 124–126 und s.u. Kap. 7.2.3. Vgl. ROSE, Deuteronomist, 277; RABE, Gerücht, 353; RUDNIG-ZELT, Glaube, 181. 134 13,26bβ ist damit weder dem nicht-priesterlichen Text zuzuweisen (so etwa FRITZ, Israel, 20.22) oder als spätere Verknüpfung von nicht-priesterlichem und priesterlichem Text zu interpretieren (so etwa SCHMIDT, Studien, 78–85.113). Dass 13,26 vom Vorzeigen der Landesfrüchte berichtet, ist auch ohne (literarisch wie literarhistorisch) vorangehenden Auftrag dazu und Bericht davon verständlich in einer Erzählung von der Erkundung eines Landes. 135 LEVIN, Jahwist, 375f. Vgl. RABE, Gerücht, 429f. – jeweils für Num 13f. insgesamt.
7.2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 13–14
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erzählung überhaupt erst abgesprochen wurde.136 Für die These eines Ergänzungsmodells ist dies natürlich ein gewisses Hindernis. Dass 14,1b „nachträglich die Dramatik“ „steigert“,137 gilt für den überlieferten Text auf jeden Fall unabhängig davon, ob er durch Fortschreibung oder Quellenkompilation zustande kam. Doch auch einem Quellenmodell bereitet 14,1b Schwierigkeiten, da sich keine Fortsetzung für den Halbvers findet:138 Die weiteren nicht-priesterlichen Texte *14,11–25 und *14,39–45 setzen ein Verschulden des Volkes voraus, das aber nicht in 14,1b, sondern nur in den priesterlichen Versen 14,1a.2–4 berichtet wird. Allein das Weinen führt kaum zum Zorn YHWHs, wie der Vergleich mit 11,4–35 nahelegt: Erst die Rede des Volkes wird verurteilt. Aus dem priesterlichen Abschnitt 14,1a.2–4 lässt sich jedoch nichts für eine nicht-priesterliche Erzählung „retten“.139 Eine solche würde damit eine weitere Lücke aufweisen – und zwar wiederum genau an einer Stelle, an der die priesterliche Kundschaftererzählung in einem kohärenten und für sich alleine verständlichen Erzählablauf exakt das bietet, was dem nicht-priesterlichen Text fehlt.140 Die nachträgliche Steigerung der Dramatik könnte damit doch die Intention dieser Ergänzung darstellen:141 „Der Verweis auf die Nacht drückt die Intensität der Verzweiflung oder Trauer aus, die nicht nach einigen Stunden nachließ.“142 2.) Für die Verhältnisbestimmung von 14,11–25 zur priesterlichen Kundschaftererzählung ist nach den Ausführungen zu 14,1b bereits das Wichtigste gesagt: 14,11–25 setzt ein Murren Israels voraus, das YHWH als „Verachten“ ( נאץpi.; 14,11.23) und „Versuchen“ ( נסהpi.; 14,22) seiner selbst, als „nicht Glauben an“ ihn ( לא+ אמן בhiph.; 14,11) und „nicht auf seine Stimme Hören“ ( לא+ ;שׁמע בקול14,22) bewerten kann. Im vorliegenden Text von Num 13f. wird ein solches Murren aber nur in den priesterlichen Versen 14,1a.2–4 berichtet. 14,11–25 ist damit – modellunabhängig – gut in den Erzählfluss eingetaktet. Ein Quellenmodell muss an dieser Stelle jedoch wieder mit Textausfall rechnen. Auch nach hinten ist 14,11–25 gut in den Erzählfluss eingetaktet: YHWHs Drohung, Israel bis auf Mose zu vernichten (14,11f.), Moses Epoche markierende Fürbitte (14,13–19) sowie YHWHs Vergebung (14,20– 25) führen genau zu der im priesterlichen Text verhängten Strafe des Unter-
136
S.o. Kap. 7.2.1. mit Anm. 71. LEVIN, Jahwist, 376. 138 Vgl. RUDNIG-ZELT, Glaube, 192f. 139 S.o. Kap. 7.2.1. mit Anm. 79 zu 14,4. 140 SCHART, Mose, 218–220 entgeht diesem Problem, indem er die jehowistische Fassung der Kundschaftererzählung auf 13,17b.18–20.22–24.27–31; 14,1b beschränkt. Seine Selbstkorrektur in DERS., Story, 165 (s.u. Anm. 168) handelt sich das genannte Problem wieder ein. 141 S.o. mit Anm. 137. 142 KUPFER, Israel, 148 Anm. 265. 137
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7. Num 13–14 – Aufbegehren gegen das Land: Die Kundschaftererzählung
gangs der Exodusgeneration (14,26–35).143 Die mit großem Theaterdonner eingeführte und schließlich wieder aufgehobene Bedrohung Israels durch YHWH selbst (14,12a), bleibt damit folgenlos:144 In 14,11–25 besteht die Strafe darin, dass „alle Männer, die meine [=YHWHs] Herrlichkeit und meine Zeichen gesehen haben ()ראה, die ich in Ägypten und in der Wüste getan habe, und die mich schon zehnmal versucht und nicht auf meine Stimme gehört haben, das Land, das ich ihren Vätern zugeschworen habe, nicht sehen ( )ראהwerden. Und alle, die mich verachten, werden es nicht sehen (“!)ראה (14,22f.). Das Volk soll vielmehr zurück zum Schilfmeer und damit zum Ausgangspunkt der Befreiungsgeschichte (14,25b).145 Nach 14,11–25 gelesen erscheint 14,26–35 als zweifache Präzisierung: Die Umkehr der Heilsgeschichte wird auf vierzig Jahre Wüstenwanderung begrenzt; (nur,) wer Teil der erwachsenen Exodusgeneration ist, stirbt in der Wüste. Da 14,26–35 jedoch an keiner Stelle auf 14,11–25 angewiesen ist, dürfte die im vorliegenden Text von Num 13f. zweite Reaktion YHWHs nicht als Präzisierung der ersten entstanden sein. Umgekehrt erscheint der Hinweis auf YHWHs Vergebungsbereitschaft als passende Ergänzung der Verschonung der Kindergeneration in *14,26–35. Und: Der bereits genannte Hinweis auf die Herrlichkeit YHWHs, die die Israeliten gesehen haben bzw. sehen (14,22), erklärt sich am leichtesten als Bezug auf die Erscheinungen der Herrlichkeit YHWHs in den priesterlichen Wüstenerzählungen,146 hier besonders auf 14,10: Die in 14,10 erschienene Herrlichkeit YHWHs steht den Israeliten in 14,22 noch vor Augen.147 Die vierzigjährige Wanderschaft der Kindergeneration aus der priesterlichen Kundschaftererzählung (14,33) wird in 14,25 als Wiederholung der Exodusroute präzisiert; die Rückkehr zum Schilfmeer entspricht damit in perfider Weise dem Wunsch des Volkes, nach Ägypten zurückzukehren, aus der priesterlichen Kundschaftererzählung (14,3f.) Wie bei den nicht-priesterlichen Texten in Num 13 legt sich damit auch hier ein Ergänzungsmodell nahe: „Der erste Redegang V.11–25 ist keine Parallele, sondern ein weiterführender theologischer Kommentar“ zum zweiten Redegang 14,26–35: „Moses Einwand benennt das Problem: Würde nicht durch die harte Bestrafung die Erwählung Israels in den Augen der Völker 143
Bemerkenswerterweise trägt die Septuaginta zwischen 14,23a und 14,23b die Verschonung der Kindergeneration im Sinne von 14,31.33 und in Worten, die Dtn 1,39 anklingen lassen, nach. Vgl. VAN DER MEER, Generation. 144 Vgl. LEVIN, Jahwist, 376f.; RUDNIG-ZELT, Glaube, 184f. mit Anm. 266 (vgl. aaO., 194f.). Ähnlich argumentiert auch AURELIUS, Fürbitter, 138, der indes auf anderem forschungsgeschichtlichen Hintergrund Dtn 1 als Quelle ausmacht. 145 Zum Schilfmeer s.o. Kap. 2.1. mit Anm. 1. 146 S.o. Kap. 1.2.3. 147 Vgl. SCHMITT, Redaktion, 232; SCHMIDT, Studien, 92f.; OTTO, Deuteronomium im Pentateuch und Hexateuch, 41f.; FRANKEL, Stories, 162f.; GERMANY, Narrative, 212; SÉNÉCHAL, Horizon, 624.
7.2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 13–14
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widerlegt werden? Müßten nicht sogar Zweifel an Jahwes Gottheit aufkommen? Als Mose Ex 34,6–7 zitiert und an den neuen Bund am Sinai erinnert (Ex 34,9), findet Jahwe sich zur Vergebung bereit. Das bleibt freilich ohne Folgen: Die gegenwärtige Generation muß dennoch in die Wüste zurück und dort sterben – V.26–35 gaben es vor.“148 Während 14,26–35 klar auf die vorangehende priesterliche Kundschaftererzählung bezogen ist und diese fortsetzt, finden sich zwischen 14,11–25 und den weiteren nicht-priesterlichen Texten in Num 13f. keine solch engen Bezüge. Der Text ist vielmehr „so stark mit deuteronomistischen Redewendungen und Anschauungen durchsetzt, daß man hier einen umfangreichen späteren Zuwachs zur J=Erzählung annehmen muß.“149 Gegen den eben zitierten M. Noth und viele mehr lässt sich an den Rändern von 14,11–25 jedoch kein nicht- (geschweige denn vor-) priesterlicher Erzählstrang herauslösen, der die nicht-priesterlichen Texte von Num 13 und Num 14 zusammenhielte: Dieser Annahme, die darüber hinaus in vielen Rekonstruktionen erneut mit Textausfall rechnet,150 steht die weitestgehend literarisch einheitliche Gestaltung von 14,11–25 entgegen.151 „Von fast allen Auslegern wird nun die Fürbittszene als ein (mehr oder weniger deuteronomistischer) Einschub in 14:11–25 betrachtet. So verbreitet dieser Konsens ist, so unterschiedlich sind indessen die Ansichten darüber, wie der Einschub genauer abzugrenzen sei. Am Anfang wird der Schnitt vor v11a, 11b oder 12, am Ende nach v20, 21, 22, 23a, 23b oder 24 gemacht. Diese Variationen werden durch einen Blick in den Text sofort verständlich. Denn weder in v11f noch in v20–25 sind irgendwelche Brüche oder Ungereimtheiten zu erkennen, die darauf hindeuten, daß Mose mit seiner Fürbitte hier sekundär in einen ursprünglich flüssigen Text eingedrungen sei. Die Gottesrede in v11f führt auf Moses Fürbitte v13–19 ebenso bruchlos hin wie die in v20–25 (mit Ausnahme von v25a, möglicherweise auch v23b) auf das düstere Schlußwort v25b. Daß Kaleb von der Strafe ausgenommen wird v24, setzt die Ankündigung der Strafe v23a voraus; der Schwur v23a setzt die Schwurformel v21a voraus; und deren Einleitung „[ ואולםAber!“] paßt unbestreitbar besser nach der Vergebung v20 als direkt nach der Anklage v11. Hinter der Herauslösung der (wie auch immer abgegrenzten) Fürbittszene steht denn auch kaum die Beobachtung von 148
LEVIN, Jahwist, 376f. Vgl. RABE, Gerücht, 422–425; KNIPPING, Kundschaftergeschichte, 170–217.399–432.489f.503–506; OTTO, Deuteronomium im Pentateuch und Hexateuch, 40–48; FRANKEL, Stories, 160–163; RUDNIG-ZELT, Glaube, 184f. mit Anm. 266; 194f.; GERMANY, Narrative, 210.212–215. Die im Zitat bereits genannten und weitere Bezugsstellen von 14,11–25 außerhalb von Num 13f. sprechen weiter für eine vergleichsweise späte Abfassung des Textes; s.u. Kap. 7.2.3. 149 NOTH, Numeri, 96. BADEN, Redaction, 117 übergeht dies gänzlich. 150 So etwa NOTH, Numeri, 97: „[F]reilich muß zwischen V.11aβ und V.23b durch den Einschub ein Satz verdrängt worden sein, in dem von dem verheißenen Lande die Rede war, in das nach V.23b alle ‚Verächter‘ Jahwes nicht gelangen sollen“. Vgl. auch MCEVENUE, Style, 101; SÉNÉCHAL, Horizon, 612–614. 151 Vgl. etwa, mit Unterschieden im Detail, AURELIUS, Fürbitter, 132f.; SCHART, Mose, 81f.; KNIPPING, Kundschaftergeschichte, 170–217.399–432.489f.503–506; OTTO, Deuteronomium im Pentateuch und Hexateuch, 40–48; FRANKEL, Stories, 160–163.
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7. Num 13–14 – Aufbegehren gegen das Land: Die Kundschaftererzählung
unerträglichen Spannungen in 14:11–25, denn solche entstehen erst durch die literarkritischen Operationen, sondern eher der Wille, einige (notwendige) Satzfetzen aus dem Schlunde des unersättlichen Deuteronomismus für den angeblich jahwistischen und aus früher Königszeit stammenden Erzählfaden in Nu 13f zu retten.“152
In 14,11–25 nachgetragen sind lediglich die Völkerkunde in 14,25a und die Verschonung Kalebs in 14,24: „Passt“ auch 14,24 inhaltlich zu 13,30 und setzt diesen Vers voraus,153 so bereitet YHWHs Vernichtungswille in 14,11f. ein Problem für die Zusammengehörigkeit von 13,30 zu 14,11–25 insgesamt: Nach Kalebs Eintreten im Sinne YHWHs wäre sein impliziter Ausschluss aus der nur mit Mose neu beginnenden Heilsgeschichte ein gleichermaßen theologisches wie narratives Problem.154 14,11–25 dürften damit ursprünglich 14,24 nicht enthalten und 13,30 nicht vorausgesetzt haben. Auch die Verortung von Amalekitern und Kanaanitern in der zuvor nicht genannten Ebene, 14,25a, fällt inhaltlich und stilistisch aus der YHWH-Rede heraus und dürfte am ehesten eine späte Korrektur – durch die zusätzliche Autorität der YHWHRede – von 13,29 (Verortung von Amalek im Negeb und von Kanaanitern an der Meeresküste) und 14,43.45 (Verortung von Amalekitern und Kanaanitern auf dem Gebirge) darstellen.155 3.) 14,39–45 hat zwei Voraussetzungen: Eine Rede YHWHs, die Mose laut 14,39 weitergibt, und einen Befehl YHWHs, den das Volk laut 14,41 zu übertreten gewillt ist.156 Einen Redeauftrag erhält Mose von YHWH nur im priesterlichen Vers 14,28 – und er richtet sich dort ebenso wie bei seiner Ausführung in 14,39 an „(alle) Israeliten“ (vgl. 14,27b), womit die Bezeichnung Israels gewählt ist, die regelmäßig in den priesterlichen Texten von Num 13f., nicht aber in den nicht-priesterlichen Texten von Num 13f. begegnet.157 Letzteres gilt auch bei einem Bezug von 14,39a auf die YHWH-Reden in 14,11–25 oder, im überlieferten Text, auf beide Strafreden YHWHs in 14,11–25 und 14,26–35. 14,39a 152
AURELIUS, Fürbitter, 132. Als Argument für die literarische Ursprünglichkeit auch von 14,23b nennt er die ansatzweise chiastische Anordnung von 14,11a / 14,11b.12 – 14,22.23a / 14,23b (vgl. aaO., 132 Anm. 15). 153 Die „hochtheologisch[e]“ Beschreibung von Kalebs Verhalten in 14,24 steht gegen RUDNIG-ZELT, Glaube, 195 in keinem Widerspruch zu Kalebs rein profaner Ermutigung in 13,30: Kaleb muss in 13,30 schlicht auf den Kundschafterbericht Bezug nehmen. 14,24 zeigt sodann, „daß Kalebs Erwiderung“ „im Sinne YHWHs gewesen ist.“ RABE, Gerücht, 425. 154 Vgl. FRANKEL, Stories, 155f.162.180.191. 155 Vgl. etwa RABE, Gerücht, 255f.329f.427 und s.o. mit Anm. 152 die Ausführungen von E. Aurelius. 156 Nach SCHMIDT, Numeri, 37f.49.51 sind 14,25b und 14,41aβ sekundär in ihrem jeweiligen Kontext. Schmidt führt hierfür jedoch keine Argumente am Text an. 157 Zu den Bezeichnungen im Einzelnen s.o. Anm. 11. Der Erzählerkommentar 13,24 spricht als metanarratives Element nicht gegen diese Einschätzung (was laut der Erzählung in 13,23 die Kundschafter machten, wird hier den Israeliten insgesamt zugeschrieben).
7.2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 13–14
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stellt durch die wahrscheinliche Anknüpfung an 14,28 sicher, „dass das Volk nicht wegen des Todes der Kundschafter (V.37) sehr trauerte, sondern wegen der Strafankündigung Jahwes.“158 Die Voraussetzung für 14,41 stellt 14,11–25 dar, denn nur in 14,25b gibt YHWH den Befehl, von der eigentlich geplanten Landnahme zu lassen, den das Volk in 14,40–45 übertritt. Die Trauer des Volkes (14,39b) erklärt sich ebenso gut als Reaktion auf 14,11–25 wie der reumütige („ חטאנוwir haben gesündigt“; 14,40) und letztlich kläglich gescheiterte Versuch, den ursprünglichen Plan der Landnahme nach dem eigenen Fehlverhalten doch noch umsetzen zu wollen – in Verkennung der geänderten Bedingungen. Beide genannten Voraussetzungen von 14,39–45 führen also auf priesterliche Texte aus Num 13f. oder auf solche Texte, die ihrerseits priesterliche Texte aus Num 13f. voraussetzen. Erscheint damit auch hier ein Ergänzungsmodell ausgehend von einer priesterlichen Grundschicht plausibel, könnte auch Moses Warnung in 14,43 als bewusste Aufnahme der Murrrede des Volkes in 14,3 gewertet werden: Fürchtet das Volk, im Verheißenen Land durch das Schwert zu fallen ( נפל+ )בחרב, wird sie genau dieses Schicksal ereilen, wenn sie nun gegen YHWHs Gebot ins Verheißene Land ziehen.159 14,39–45 ist insgesamt literarisch einheitlich.160 14,44b wegen der Erwähnung der Bundeslade ganz oder in Teilen literarkritisch auszusondern, hat keinerlei Anhalt am Text – auch wenn die Bundeslade in der Erzählung nicht weiter genannt wird (vgl. aber 10,33–36). Den Schnitt macht vor allem, wer in 14,39–45 einen jahwistischen oder jehowistischen Kern sucht.161 Dass die Bundeslade und Mose in 14,44b das Lager nicht verlassen, löst Moses Warnung aus 14,42a.43b ein: YHWH ist nicht inmitten ()בקרבכם, ist nicht mit ( )עמכםden Israeliten. Fazit: Während die priesterlichen Texte in Num 13f. eine kohärente und für sich stehende Erzählung bilden,162 ist dies bei den nicht-priesterlichen Texten in Num 13f. nicht der Fall. Vielmehr sind sie an zahlreichen Stellen auf den vorliegenden priesterlichen Text bezogen und lassen sich als Detaillierung davon verstehen: 13,17b–20, 13,22–24, 13,27–29 und 13,30f. führen die Erkundung weiter aus;163 14,1b dramatisiert die Reaktion des Volkes auf 158
SCHMIDT, Numeri, 51. Da es sich bei נפל+ בחרבum eine geprägte Wendung handelt, kann diese Parallele freilich nicht mit Sicherheit als intentionaler Text-Text-Bezug gewertet werden. 160 Anders die in der folgenden Anm. genannten älteren Arbeiten oder etwa RUDNIGZELT, Glaube, 187 Anm. 275 („die dublettenhaften V.41b.43“ sind nachgetragen). 161 So etwa NOTH, Numeri, 90.98; FRITZ, Israel, 23; SEEBASS, Numeri, 94.96.126; SCHMIDT, Numeri, 38.51f. Aufgrund seines programmatischen Ausblendens des literarischen Kontextes von Num 13f. scheidet auch RABE, Gerücht, 346–348.427 Num 14,44b aus 14,39–45 aus. 162 S.o. Kap. 7.2.1. 163 Zur möglichen Einschränkung hinsichtlich 13,29 s.o. mit Anm. 113. 159
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7. Num 13–14 – Aufbegehren gegen das Land: Die Kundschaftererzählung
die divergenten Kundschafterberichte; *14,11–25 tragen die Vergebungsbereitschaft YHWHs nach und profilieren den in der priesterlichen Darstellung vergleichsweise blass dargestellten Mose; 14,39–45 tragen die Reaktion des Volkes auf die Strafe YHWHs nach und führen die anhaltende Uneinsichtigkeit des Volkes vor Augen. Der Textbefund von Num 13f. spricht damit für ein Ergänzungsmodell ausgehend von einer priesterlichen Grundschicht. Quellen- und Fragmentenmodelle haben demgegenüber den doppelten Nachteil, dass sie einerseits das Modell meist von außen an Num 13f. herantragen und dass sie andererseits mit einem beträchtlichen Anteil an Textausfällen rechnen müssen. Auch wenn (oder: gerade weil) empirische Beispiele von Textproduktion und Textüberlieferung zeigen, dass mit Textausfall gerechnet werden muss,164 darf die Annahme von Textausfall nicht zum Ausgangspunkt einer These gemacht werden, da in nicht vorhandenen Text schlicht alles hineingelesen werden kann.165 Die Ausführungen zu Kaleb haben gezeigt, dass die nicht-priesterlichen Ergänzungen nicht aus einer Hand stammen. 14,11–23.25b166 sind älter als die Kaleb-Passagen in 13,30f. und 14,24, da ansonsten YHWH in seiner Strafankündigung in 14,11f. in völlig unverständlicher Weise Kaleb übergangen hätte. Die Zusammengehörigkeit aller nicht-priesterlichen Passagen in Num 13 kann weder mit Sicherheit bestätigt noch ausgeschlossen werden. Daher sind der Einfachheit halber 13,17b–20, 13,22–24, 13,27–29, 13,30f. sowie 14,1b zusammen als zweite Stufe der Ergänzung des priesterlichen Textes nach 14,11–23.25b zu werten. Mit diesen weiteren Ergänzungen hängt 14,24 zusammen. Sodann setzt auch 14,39–45 die Strafrede YHWHs, 14,11– 23.25b, voraus, ist also gleichursprünglich oder jünger als diese. Für letztere Option sprechen folgende zwei Beobachtungen: In *14,11–25 ist im Unterschied zu allen anderen, priesterlichen wie nicht-priesterlichen, Texten in Num 13f. stets von „ העם הזהdiesem Volk“ die Rede; die nicht-priesterlichen Texte 13,17b–20, 13,22–24, 13,27–29, 13,30f., 14,1b sowie 14,39b.40–45 verwenden dagegen lediglich die Bezeichnung „ העםVolk“ für Israel.167 Darüber hinaus unterscheiden sich der intertextuelle Rückraum und damit die zugrunde liegenden Diskurse zwischen 14,11–23.25b einerseits und den weiteren nicht-priesterlichen Texten andererseits. Diesen Diskursen gilt die Aufmerksamkeit des nun folgenden Kapitels. Eine literarische Zusammengehörigkeit der nicht-priesterlichen Texte von Num 13 sowie 14,11–25 und 14,39– 45 ist nach all dem Gesagten auf jeden Fall auch unabhängig von der Frage 164
S.o. Kap. 7.1. mit Anm. 19. Dieser methodischen Anforderung wird etwa in Kapitel 8. dadurch begegnet werden, dass Num 16,1f. für die Rekonstruktion der Genese von Num 16f. weitgehend außer Acht gelassen wird. Zur genaueren Begründung s.u. Kap. 8.1. 166 Zu 14,25a s.o. mit Anm. 155. 167 Zu den Belegen s.o. Anm. 11. 165
7.2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 13–14
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nach einer einstigen literarischen Verbindung dieser Texte nicht ohne weiteres selbstverständlich, sie erscheint vielmehr als unwahrscheinlich.168 7.2.3. Die Kundschaftererzählung im Pentateuch und Hexateuch: Redaktionsgeschichtliche Synthese Die Grundlinien der Redaktionsgeschichte von Num 13f. wurden in den beiden vorangehenden Kapiteln erarbeitet. Im vorliegenden Kapitel soll die redaktionsgeschichtliche Synthese expliziert und plausibilisiert werden. Die Plausibilisierung erfolgt unter anderem durch den Vergleich mit Dtn 1,19–46; Jos 14,6–15; 15,13–19; Num 32,6–15 und Ex 32–34. 7.2.3.1. Num 13f.: Num 13,1.2a.3.21.25.26(ohne )קדשׁה.32; 14,1a.2–5.10.26– 28.29a(nur )במדבר הזה יפלו פגריכם.33.35.37 hat sich als (priesterliche) Grundschicht der Kundschaftererzählung erwiesen. Diese Erzählung von der Verleumdung des Landes durch die Kundschafter und dem Murren des Volkes wurde in mehreren Etappen fortgeschrieben. Zunächst wurde die Erzählung in mindestens zwei Schritten durch nichtpriesterliche Texte ergänzt: 14,11–23.25b169 tragen die Vergebungsbereitschaft YHWHs nach und profilieren den in der priesterlichen Darstellung vergleichsweise blass dargestellten Mose: Moses Fürbitte ermöglicht, dass die Bestrafung des Volkes lediglich in dem bereits im priesterlichen Text von 14,26–28.29a(nur )במדבר הזה יפלו פגריכם.33.35 verhängten Niedergang der Exodusgeneration in der Wüste besteht. Ist diese Ergänzung damit insbesondere theologisch interessiert, so schmücken die weiteren nicht-priesterlichen Ergänzungen den priesterlichen Text vor allem als Erzählung weiter aus: 13,17b–20, 13,22–24, 13,27–29 und 13,30f. detaillieren die Erkundung, 14,1b dramatisiert die Reaktion des Volkes auf die divergenten Kundschafterberichte, 14,39–45 trägt die Reaktion des Volkes auf die Strafe YHWHs nach und führt die anhaltende Uneinsichtigkeit des Volkes vor Augen. 13,30f. und in seinem Gefolge 14,24 führen mit Kaleb eine neue Figur in den Text von Num 13f. ein. Aus der nicht weiter definierten Gruppe der Kundschafter ragt Kaleb alleine als positives Gegenbild hervor. Er fordert zur Einnahme ( )ירשׁdes Landes auf (13,30) und wird anders als seine Mitbrüder das Land betreten, seine Nachkommen werden das Land einnehmen ( ירשׁhiph.; 14,24). Die weiteren priesterlichen Ergänzungen, 13,2b.4–16.17a; 14,6–9; 14,29a(nur )וכל־פקדיכם לכל־מספרכם מבן עשׂרים שׁנה ומעלה.29b.30–32; 14,36.38, 168
Im Rahmen eines Quellenmodells hat m.W. nur SCHART, Mose, 88f.149–160.218– 220 die Konsequenz gezogen und die vor-priesterliche Schicht auf 13,17b.18–20.22– 24.27–31; 14,1b begrenzt. In DERS., Story, 165 rechnet er wieder konventioneller mit einem auch in Num 14 maßgeblich beteiligten Jahwisten und nennt als dessen Bestand 13,*17b–20.*22a.*23f.*27–29.*30f.; 14,1b.*11a.*21a.*23a.*24.40.*41.*43–45. 169 Zu 14,25a s.o. Kap. 7.2.2. mit Anm. 155.
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7. Num 13–14 – Aufbegehren gegen das Land: Die Kundschaftererzählung
setzen die genannten nicht-priesterlichen Ergänzungen voraus und korrigieren sie an bezeichnender Stelle: Kaleb wird Josua an die Seite gestellt, und beide werden als Stammesfürsten neben zehn weiteren präsentiert. Auf diese Weise wird Kaleb genealogisch Israel-Juda zu- und dem Nachfolger Moses beigeordnet. Eine explizite Verhältnisbestimmung zwischen Israel-Juda und Kaleb nehmen die nicht-priesterlichen Texte in Num 13f. nicht vor, Kaleb wird in 13,30 und 14,24 ohne Filiation schlicht bei seinem Namen genannt. Traditionell gehört Kaleb jedoch genealogisch nicht zu Israel-Juda, sondern gehört als Keniziter (vgl. Num 32,12; Jos 14,6.13LXX.14 sowie Jos 15,17; Ri 1,13; 3,9.11) den Edomitern an (vgl. Gen 36,11.15.42; 1Chr 1,36.53) (s.u.). „Der Gedanke war dem Bearbeiter offensichtlich unerträglich geworden, dass der einzige Überlebende der Exodusgeneration und Erbe der Verheißung, der einzige, der voll hinter Jahwe gestanden haben soll, nicht ein Sohn aus Israel gewesen sein sollte.“170 Josua wird so relativ unvermittelt zu einem Kundschafter und in Num 14,30 explizit vom Todesschicksal der Exodusgeneration ausgenommen (vgl. noch 26,65b; 32,10–12). Der priesterliche Sukzessionstext 27,12–23 (vgl. noch Num 32,28; 34,17; Dtn 3,23–29; 31,1–8.23; 34,9)171 setzt dagegen Josuas Beteiligung an der Erkundung Kanaans ebenso wenig voraus wie etwa Dtn 1,38 und Jos *14,6–15. Diese Texte gilt es nun, in die Betrachtung miteinzubeziehen. 7.2.3.2. Dtn 1,19–46: Der Grundbestand von Moses Nacherzählung der Kundschaftererzählung dürfte 1,19f.17222–24.17325(ohne )וישׁבו אתנו דבר.174 26f.17534.35aαb.17639(ohne )וטפכם אשׁר אמרתם לבז יהיה.17740–43.44(ohne 170
ACHENBACH, Erzählung, 83. Zur Ablösung von Mose und Aaron durch Josua und Eleasar s.u. Kap. 9.3. 172 1,21 spricht Israel im Unterschied zum Kontext ohne erkennbare Motivation im Singular an. Davor gehören mindestens 1,1a.6.7(nur )פנו וסעו לכם ובאו הר האמריzum Grundbestand. 1,9–18 sind klar nachgetragen, denn die Erzählung von der Einsetzung von Richtern (s.o. Kap. 5.3.) „unterbricht den Befehl, vom Horeb aufzubrechen (Dtn 1,6–8), und dessen Durchführung (Dtn 1,19).“ RUDNIG-ZELT, Glaube, 147. 173 Der text- wie literarkritisch oftmals zurechtgerückte Halbvers 1,24b ist unproblematisch: „ וירגלו אתהund sie kundschafteten es aus“ bezieht sich auf das unmittelbar zuvor genannte Traubental (vgl. OTTO, Deuteronomium [HThKAT], 371): „In st.-cstr.-Verbindungen richtet sich das Genus des Regens manchmal nach dem des Rectum.“ BROCKELMANN, Syntax, §16g. 174 Angesichts der zahlreichen Harmonisierungen innerhalb der unterschiedlichen Textgestalten der Kundschaftererzählung(en) ist es durchaus wahrscheinlich, dass die in der griechischen Überlieferung nicht bezeugte Wendung „ וישׁבו אתנו דברund sie erstatteten uns Bericht“ eine spätere Angleichung an Dtn 1,22 oder Num 13,26 darstellt. 175 In 1,28 zitiert das Volk einen Kundschafterbericht, den die Kundschafter nicht in Dtn 1, sondern in Num 13,28 gegeben haben, und der kaum zur intendierten Abqualifizierung des Volkes in Dtn 1 passt. Dtn 1,29–33, worin 1,31a(ohne )ובמדברnochmals nachgetragen sein dürfte, unterbricht den Zusammenhang von 1,27 → 1,34 und hat keinerlei Kon171
7.2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 13–14
221
)בשׂעיר.17845179 umfasst haben, setzt die rekonstruierte priesterliche Kundschaftererzählung voraus und hat seinerseits die nicht-priesterlichen Ergänzungen in Num 13f. beeinflusst:180 Moses Nacherzählung betont einseitig die Schuld des Volkes:181 Sie hinterfragen nicht „nur“ den Exodus angesichts des negativen Kundschafterberichsequenz für die Erzählung. Vgl. etwa PERLITT, Deuteronomium (BK.AT), 105–114; ACHENBACH, Erzählung, 68–73; SCHART, Story, 174f.; GERMANY, Narrative, 216–218. 176 In 1,35 doppelt „ הדור הרע הזהdiese üble Generation / von dieser üblen Generation“ syntaktisch unverbunden „ אישׁ באנשׁים האלהjeder unter diesen Männern“ und ist von einem Gutteil der griechischen Überlieferung nicht bezeugt. Letzteres gilt auch für „ לתתzu geben“. Die Ausnahme Kalebs in 1,36 ist nach dem ausschließlich positiven Kundschafterbericht in 1,27 unvorbereitet. Dasselbe gilt für den Zorn YHWHs über Mose in 1,37 und die Heraushebung Josuas in 1,38, die zudem die zitierte YHWH-Rede an das Volk in *1,35f. 39f. unterbrechen und so 1,37b.38–40 irrigerweise als Begründung für YHWHs Zorn über Mose erscheinen lassen. 1,37f. gehören also zusammen und sind unabhängig von der Kundschafterthematik: Während Mose nicht „dorthin“ „kommen“ soll, soll Josua „dorthin kommen“ – doch nicht weil er sich wie Kaleb als Kundschafter positiv hervorgetan hätte, sondern weil er als Moses Nachfolger Israel das Verheißene Land als Erbe verteilen wird (vgl. 3,28; 31,7.23). 177 Der erste Teil von 1,39a, „ וטפכם אשׁר אמרתם לבז יהיהEure (Klein-)Kinder aber, von denen ihr sagtet, sie würden zur Beute werden“, ist innerhalb von Dtn 1 unvorbereitet. Die Aussage stellt ein wörtliches Zitat von Num 14,31a dar, wo wiederum 14,3 zitiert wird. Darüber hinaus ist die Aussage in der griechischen Überlieferung so nicht bezeugt (vgl. auch 4QDtnh; dagegen bezeugt der Samaritanische Pentateuch den zweiten Relativsatz in Dtn 1,39 nicht); vgl. VAN DER MEER, Generation, 409–411. 178 „Das Seïr in V.44 nimmt die Ankunft in dieser Gegend in 2,1 vorweg.“ RUDNIGZELT, Glaube, 160. Vgl. PERLITT, Deuteronomium (BK.AT), 82.130. 179 1,46 steht einerseits in Spannung zum Zusammenhang von 1,40 → 2,1, dem Befehl zur Rückkehr „in die Wüste auf dem Weg zum Schilfmeer“ und seiner Ausführung. Andererseits ist hier lediglich von Kadesch als Ort der Kundschaftererzählung die Rede, wo ansonsten im Deuteronomium von Kadesch-Barnea gesprochen wird (vgl. Dtn 1,2.19; 2,14; 9,23). 180 Vgl. zur Analyse von Dtn 1 und der hier vertretenen relativ-chronologischen Einordnung, mit Unterschieden im Detail, RUDNIG-ZELT, Glaube, 147–160.173–176.197–233; GERMANY, Narrative, 216–224. Dagegen vertritt BADEN, Redaction, 114–130.275f.285 in seinem Versuch der Wiederbelebung des Quellenmodells die literarische Abhängigkeit von Dtn 1,19–45 von der jahwistischen Fassung von Num 13f., wohingegen die priesterschriftliche Fassung von Num 13f. unabhängig von den anderen Fassungen entstanden sei; Baden übergeht aber erstens sowohl die literarkritischen Spannungen als auch den textgeschichtlichen Befund in Dtn 1 selbst, vertritt zweitens eine im Detail nicht überzeugende Quellenscheidung in Num 13f. und setzt drittens die relativ-chronologische Nachordnung von D gegenüber J und E unhinterfragt voraus (von einem „near-universal consensus that J and E are both earlier than D“ [aaO., 104 Anm. 18], kann in der aktuellen Pentateuchforschung in keiner Weise gesprochen werden). 181 Moses Nacherzählung der Kundschaftererzählung kommt so eine wichtige Funktion für Dtn *1–3 insgesamt zu: „Die südjudäisch orientierte Kundschaftergeschichte (1,19–46) steht in einem festen antithetischen Zusammenhang mit den ostjordanischen Begebenhei-
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7. Num 13–14 – Aufbegehren gegen das Land: Die Kundschaftererzählung
tes wie in Num 13,25f.32; 14,1–4, sondern unterstellen YHWH nach dem rein positiven Kundschafterbericht, den Exodus bereits in der Absicht ermöglicht zu haben, sie schließlich durch die Hand der Amoriter zu vernichten (Dtn 1,25–27).182 Diesem Darstellungsinteresse entspricht die unterschiedliche Auftragslage hinsichtlich der Erkundung: Indem das Volk die Initiative zur Erkundung gibt, die von Mose nur gebilligt wird, wird ihr Fehlverhalten gegenüber der Landgabe YHWHs nach vorne gezogen: Sie verweigern nicht erst die Landnahme angesichts der bedrohlichen Landesbewohner, vielmehr misstrauen sie von Anfang an dem Heilsgut des Verheißenen Landes. Dtn 1,19f.22–24.25(ohne )וישׁבו אתנו דבר.26f. erklärt sich so am plausibelsten als bewusste Adaption von Num 13,1.2a.3.21.25.26(ohne )קדשׁה.32; 14,1a.2–4. Die Reaktion YHWHs in Dtn 1,34.35aαb.39(ohne )וטפכם אשׁר אמרתם לבז יהיה entspricht sodann deutlich – unter Absehung der priesterlichen Theophaniethematik aus Num 14,5.10 – der Reaktion YHWHs in Num 14,26–28.29a(nur )במדבר הזה יפלו פגריכם.33.35. Die Fokussierung der Schuld des Volkes hat zur Folge, dass die Bestrafung der Kundschafter aus Num 14,37 in Dtn 1 unterbleiben kann und muss. Stattdessen wird in Dtn 1,40–43.44(ohne )בשׂעיר.45 die Schuld des Volkes erneut dargestellt und erstmals von der gescheiterten Landnahme berichtet. Die nicht-priesterlichen Ergänzungen in Num 13f. setzen die rekonstruierte Grundschicht von Dtn 1,19–46 voraus:183 Der indirekte Auftrag, das Land zu erkunden, aus Num 13,1.2a.3 wird in Dtn 1,22 hinsichtlich einer kriegerischen Landnahme weiter ausgeführt und sodann in Num 13,17b.18–20 einerseits noch weiter detailliert und andererseits den Kundschaftern explizit mitgeteilt. Die beispielhafte Erkundung des Traubentals, die Mitnahme von Landesfrüchten und die explizite Berichterstattung in Dtn 1,24f. führen die relativ nüchterne priesterliche Darstellung aus Num 13,25f. weiter aus und werden ihrerseits in den nicht-priesterlichen Ergänzungen Num 13,22–24 und 13,27– 29 detailreicher ausgestaltet.184 Die nicht-priesterlichen Ergänzungen über-
ten (2,16–3,17). Dem Scheitern dort entspricht das Gelingen hier. Diese Gegensatz-Spannung exemplifiziert die dtr Predigt-Alternative Ungehorsam/Gehorsam.“ PERLITT, Deuteronomium 1–3, 120. 182 Auch PERLITT, Deuteronomium (BK.AT), 103 muss dies als „außerordentliche Verschärfung“ bezeichnen. 183 Vgl., bei unterschiedlichem Modell für die Redaktionsgeschichte von Num 13f., ROSE, Deuteronomist, 289–293; AURELIUS, Fürbitter, 133–136 sowie die in Anm. 180 genannte Lit. 184 Auch SCHART, Story, 182 muss angesichts der in Dtn 1,24f. fehlenden Traube aus Num 13,23f. festhalten: „It is difficult to explain why this detail would have been deleted, if the author of Deut 1 knew it, because it would have added some quite impressive evidence to the evaluation of the spies that ‚the land is good‘ (Deut 1:25b).“ PERLITT, Deuteronomium (BK.AT), 99 spricht vom „Pointenmord“. Die Beobachtung führt Schart (wie Perlitt) nicht zu einer Infragestellung des zugrundeliegenden (Quellen-)Modells, sondern
7.2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 13–14
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nehmen in Num 14,25b.39–45 auch die Erzählung von der gescheiterten Landnahme aus Dtn 1,40–43.44(ohne )בשׂעיר.45:185 Mit der Rückkehr nach Ägypten, und damit der Umkehrung der Heilsgeschichte, verschärfen sie die Strafe entsprechend „der schärferen Anklage“: „Israel ist schon seit Ägypten immer wieder ungehorsam gewesen (14:11, 22)“.186 Und während in Dtn 1,41–43.44(ohne )בשׂעיר.45 das „Fehlen“ der Kundschafter in der das Volk (in seinem Gegensatz zu Mose) fokussierenden Erzählung von Dtn 1,19–46 nicht weiter auffällt, bleibt in Num 14,39–45 im Zusammenhang von Num 13f. völlig offen, wie sich Kaleb (und im überlieferten Text von Num 13f. auch Josua) in der Auseinandersetzung verhält (bzw. verhalten).187 Neu führen die nicht-priesterlichen Ergänzungen Kaleb als positiv dargestellten Kundschafter ein (Num 13,30f.; 14,24) – und dies hat in Dtn 1 zum Nachtrag von Dtn 1,36 geführt, wie denn die nicht-priesterlichen Ergänzungen nachträglich auch in Dtn *1,28.29–33 Eingang in Dtn 1 gefunden haben.188 Für Dtn 9,1f.23f. gilt Entsprechendes, nur dass hier ausschließlich YHWH, Mose und das Volk insgesamt im Blick sind, die Kundschafter dagegen unberücksichtigt bleiben. In diesem komplexen Wechselverhältnis zwischen Num 13f. und Dtn 1,19–46 fanden die priesterlichen Erweiterungen Num 13,2b.4–16.17a; 14,6– 9; 14,29a(nur )וכל־פקדיכם לכל־מספרכם מבן עשׂרים שׁנה ומעלה.29b.30–32; 14,36.38 lediglich in dem Zusatz „ וטפכם אשׁר אמרתם לבז יהיהEure (Klein-)Kinder aber, von denen ihr sagtet, sie würden zur Beute werden“ in Dtn 1,39a einen Widerhall (vgl. Num 14,31a). Die Zwölfzahl der Kundschafter dürfte dagegen umgekehrt aus Dtn 1,23 stammen.189 Die priesterlichen Nachträge passen dies in die priesterliche Vorstellung und Diktion der in zwölf Stämme gegliederten Versammlung Israels ein, benennen die zwölf zu Fürsten gewordenen Kundschafter und erheben Josua in den Rang eines solchen Kundschaf-
zu der wenig plausiblen Annahme, „that the J version in Num 13–14 and the oldest layer of Deut 1 are mutually independent versions of an oral version of the story.“ SCHART, aaO., 184. 185 Auch SCHMIDT, Kundschaftererzählung, 42 Anm. 9; 43 Anm. 11; 56 und ACHENBACH, Erzählung, 75–77 müssen dies, zumindest in Teilen, eingestehen. 186 AURELIUS, Fürbitter, 134. Vgl. aaO., 136f.138f. Vgl. auch RUDNIG-ZELT, Glaube, 186–188. Mose handelt in Num 14,41–43 also entsprechend YHWHs Auftrag aus Dtn 1,42, dessen Ausführung in Dtn 1,43 lediglich vermerkt wird, und schmückt die Rede weiter aus. 187 Vgl. FRANKEL, Stories, 154. 188 „Mose hält in Dtn 1,29–31* eine Kriegsansprache, wie sie in Dtn 20,2b–4 vorgeschrieben wird. Auf diese Weise wird Kalebs Ermunterung [aus Num 13,30] nachträglich theologisch begründet: Das Volk kann das Land besiegen, weil Jahwe für es kämpft.“ RUDNIG-ZELT, Glaube, 227. Vgl. ACHENBACH, Erzählung, 68–73. 189 Vgl. PERLITT, Deuteronomium (BK.AT), 98; ACHENBACH, Erzählung, 65f.; RUDNIG-ZELT, Glaube, 206.
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7. Num 13–14 – Aufbegehren gegen das Land: Die Kundschaftererzählung
ters. In Dtn 1,37f., selbst ein Nachtrag in Dtn 1,19–46, wird Josua auf jeden Fall noch nicht als Kundschafter betrachtet.190 Der Vergleich von Dtn 1,19–46 und Num 13f. zeigt damit das redaktionsgeschichtlich bedingt enge Beziehungsnetz beider Texte auf und bestätigt so tatsächlich die redaktionsgeschichtliche These zu Num 13f. – nur eben anders, als die im weitesten Sinne klassische Forschung meinte,191 die den fragmentarischen jahwistischen bzw. vor-priester(schrift)lichen Text von Num 13f. zunächst aus Dtn 1 ergänzte (analog den Auffüllungen des Samaritanischen Pentateuch), um anschließend die modellbedingt vorausgesetzte Abhängigkeit von Dtn 1 vom jahwistischen bzw. vor-priester(schrift)lichen Text von Num 13f. vertreten zu können.192 7.2.3.3. Jos 14,6–15: Während Kaleb in Num 13f. und in Dtn 1,19–46 erst nachträglich in den Text kam, gehört er in Jos 14,6–15 sowie in Jos 15,13–19 (s.u.) dem Grundbestand an. In 14,6–12 fordert er, unmittelbar vor der Zuteilung des Landes an den Stamm Juda in Jos *15, Hebron als sein Erbteil von Josua. In 14,13 wird ihm Hebron von Josua übergeben, was nach 14,14 noch in der Gegenwart des Erzählers Bestand hat. 14,15 teilt sodann den alten Namen Hebrons mit: Kirjat-Arba, Stadt des Arba. 14,14f. haben zudem die Funktion, die nach 14,11f. anstehende Eroberung Hebrons als vollzogen darzustellen. Jos 14,6–15 nimmt klar auf die Kundschaftererzählung(en) in Num 13f. und Dtn 1,19–46 Bezug. Wie dort begegnet Kaleb auch hier im Gespann mit Josua, doch wird Josua hier wie in Dtn 1,38, aber anders als in den priesterlichen Erweiterungen Num 13,2b.4–16.17a; 14,6–9; 14,29a(nur וכל־פקדיכם לכל־ )מספרכם מבן עשׂרים שׁנה ומעלה.29b.30–32; 14,36.38 nicht als Kundschafter dargestellt:193 Kaleb setzt sich in Kontrast zu seinen Brüdern, die mit ihm hinaufzogen ( עלה+ ;עםJos 14,8; vgl. Num 13,31) und das Herz des Volkes beunruhigten ( מסהhiph. + ;לבJos 14,8; vgl. Dtn 1,28 [mit מססhiph.]); ihn hat Mose ausgesandt aus Kadesch-Barnea, um das Land auszukundschaften ( רגלpi.; Jos 14,7; vgl. Dtn 1,24), er hat Bericht erstattet ( שׁובhiph. + ;דברJos 14,7; vgl. Num 13,26; Dtn 1,22[.25MT]) und er ist darin YHWH vollkommen nachgefolgt ( מלאpi. + ;אחרJos 14,8; vgl. Num 14,24; Dtn 1,36; Jos 14,9.14; vgl. auch Num 32,11f. unter Einschluss von Josua und Abgrenzung von Israel).
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S.o. Anm. 176. S.o. Kap. 7.1. mit Anm. 21. 192 Vgl. etwa WELLHAUSEN, Prolegomena, 352.371f.; DERS., Composition, 101.199 oder auch ACHENBACH, Erzählung, 78. Zum Samaritanus s.o. Kap. 7.1. 193 Dabei ist in Jos 14,6 „ ועל אדותיךund dich betreffend“ „ein leicht begreiflicher Einsatz eines Späteren“; WELLHAUSEN, Composition, 338. Vgl. etwa KUENEN, Uitzending, 559; GASS, Landverteilung, 223f.241.243. 191
7.2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 13–14
225
Josua dagegen wird als Adressat des Kundschafterberichtes dargestellt (Jos 14,12; vgl. Num 13,28; Dtn 1,28). Für das Josuabuch wie den Hexateuch insgesamt stellt sich dadurch die Frage, weshalb Josua aus der Perspektive der Kundschaftererzählung das Verheißene Land betreten durfte. Wenn er kein Kundschafter war, muss er der zu verschonenden Kindergeneration angehört haben. Hierzu passen die Erwähnungen Josuas im Pentateuch außerhalb von Num 13f., die ihn als Diener Moses und Jüngling charakterisieren,194 sowie die Analogie zu Eleasar als Nachfolger (und Sohn) Aarons.195 In deutlichem Widerspruch hierzu steht jedoch die Todesnotiz Josuas in Jos 24,29, die Josua mit 110 Jahren sterben lässt – womit Josua bereits beim Exodus ein erwachsener Mann und bei der Erkundung Kanaans älter als Kaleb gewesen sein dürfte.196 Diesen Widerspruch lösen erst die priesterlichen Ergänzungen in Num 13,2b.4–16.17a; 14,6–9; 14,29a(nur )וכל־פקדיכם לכל־מספרכם מבן עשׂרים שׁנה ומעלה.29b.30– 32.36.38, die Josua explizit in der Exodusgeneration verorten und ihn explizit vom Todesschicksal der Exodusgeneration ausnehmen (vgl. noch 26,65b; 32,10–12).197 Hierauf reagiert in Jos 14,6 nur noch der kurze Zusatz ועל אדותיך „und dich betreffend“ – mehr schlecht als recht.198 Jos 14,6–15 ist damit älter als die genannten priesterlichen Ergänzungen in Num 13f., doch macht ihn dies noch nicht zu einem „alten“ Text: Jos 14,6–15 setzt die priesterliche Grundschicht von Num 13f. mitsamt den nicht-priesterlichen Ergänzungen (und damit ebenso Dtn *1,19–46) voraus, was nebst den bereits angeführten Parallelen auch die Altersangaben Kalebs in Jos 14,7.10 zeigen: „Die 45 Jahre Zwischenzeit setzen sich zusammen aus den 40 Jahren Steppenwanderung (Num 14,33f.) und weiteren 5 Jahren, die der Verfasser offenbar für die Eroberung von O- und W-Jordanland ansetzen zu müssen glaubte“.199 Darüber hinaus wird Kaleb bereits als nicht weiter definierter Teil Judas betrachtet (Jos 14,6: Die Judäer treten herzu, Kaleb ergreift das Wort), wenn auch nicht als genealogisch mit Juda verbunden, wohingegen er in den nicht-priesterlichen Texten von Num 13f. noch lediglich Teil Gesamtisraels war. Erst die priesterlichen Ergänzungen in Num 13f. ordnen Kaleb als
194
Die bisherigen Erwähnungen Josuas im Pentateuch führen ihn in Ex 17,8–16 gar nicht ein und charakterisieren ihn in Ex 24,13; (32,17;) 33,11; Num 11,28 als „Diener“ ( )משׁרתMoses („ מבחריוvon seiner Jugend an“; Num 11,28), als „jungen Mann; Jüngling“ ( ;נערEx 33,11). 195 Vgl. Num 20,22–29; 27,12–23. Zur Ablösung von Mose und Aaron durch Josua und Eleasar s.u. Kap. 9.3. 196 Vgl. zu Kalebs Alter(sfrische) Jos 14,6–15. Josua ist zu diesem Zeitpunkt bereits alt und in die Jahre (wörtlich: Tage) gekommen: Jos 13,1. 197 Vgl. FRANKEL, Stories, 194; KISLEV, Joshua, 54f. 198 S.o. Anm. 193. 199 NOTH, Josua, 85. Vgl. ACHENBACH, Erzählung, 88.
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7. Num 13–14 – Aufbegehren gegen das Land: Die Kundschaftererzählung
Stammesfürsten Judas auch genealogisch Juda zu (Num 13,2b.6; vgl. Num 34,19; 1Chr 4,15). 7.2.3.4. Jos 15,13–19: Im Buchablauf des Josuabuches gelesen erscheint 15,13–19 als Erfüllung von 14,6–15: Kaleb erhält Hebron (nach 14,13: erneut), das hier zunächst mit dem Namen Kirjat-Arba genannt wird, und setzt seine in 14,10f. hervorgehobene Kampfeskraft unter Beweis (15,13f.). 15,13f. berichtet so von Kalebs Eroberung von Hebron, auf die in 14,6–15 nur voraus (14,11f.) und zurück (14,14f.) geblickt, die aber nicht berichtet wird. Für sich gelesen lässt 15,13–19 jedoch nichts von der in 14,6–15 vorausgesetzten Kundschafterthematik (weder für Kaleb, noch für Josua) erkennen, die Wüstenwanderung ist nicht im Blick, es geht ausschließlich um die Landnahmethematik. Mehr noch: Der in 15,13 genannte Befehl YHWHs an Josua, Kaleb inmitten der Judäer einen Landanteil ( ;חלקvgl. dagegen „ נחלהErbland“ in 14,9.13.14) zu geben, hat keinen Anhalt an den verschiedenen Kundschaftertexten.200 Die Erzählung berichtet in 15,15–19 sodann von innerfamiliären Regelungen um Wasserstellen zwischen Kaleb(itern) in Hebron, Kirjat-Arba, und Othniel(itern) in Debir, Kirjat-Sepher (oder Kirjat-Sopher?). Ist Kaleb nach 14,6 nicht weiter definierter Teil Judas (s.o.), so erhält er in 15,13 lediglich seinen Landanteil „inmitten der Judäer“ ()בתוך בני־יהודה, wird Juda somit schlicht geographisch zugeordnet. Wenn er sodann in 15,17 mit Kenaz in Verbindung gebracht wird (vgl. Ri 1,13; 3,9.11), wird deutlich, dass Kaleb genealogisch nicht Juda bzw. Israel, sondern den Edomitern angehört (vgl. Gen 36,11.15.42; 1Chr 1,36.53; vgl. noch 1Sam 25,3; 30,14). Die Erzählung vom Sieg des Nicht-Israeliten Kaleb über Scheschai, Ahiman und Talmai und sein daraus abgeleiteter Besitz Hebrons dürfte die exilisch-nachexilische Situation des Nebeneinanders von Judäern und Edomitern im Bereich des ehemaligen Südreiches Juda reflektieren. Hebron gehört dabei nicht Jehud, sondern (dem späteren) Idumäa an.201 Die Erzählung stellt also keine besonders „alte“ Tradition dar,202 gleichwohl handelt es sich bei Jos 15,13–19 um den ältesten Kaleb-Hebron-Text, dessen Anfang in 15,13 redaktionell dem Kontext der Landverteilung (durch Josua) angeglichen wurde.203 200
Dadurch und durch die Unbestimmtheit, wer Kaleb den Landanteil gegeben hat, ist der masoretische Text als lectio difficilior zu werten im Unterschied zur griechischen Übersetzung, die den YHWH-Befehl nicht speziell an Josua ergehen lässt, dafür aber im zweiten Versteil explizit Josua als Geber von Hebron nennt. Vgl. GASS, Landverteilung, 247. 201 Vgl. ACHENBACH, Erzählung, 91–93; JERICKE, Hebron; WRIGHT, David, 170.216f.; KUGLER, Hebron, 579f.; JEON, Narrative, 267–274. 202 Etwa gegen NOTH, Überlieferungsgeschichte, 143–150; FRITZ, Israel, 79–86; ROSE, Deuteronomist, 264–294. 203 Vgl. FRANKEL, Stories, 153–160; WRIGHT, David, 184–191.201; RUDNIG-ZELT, Glaube, 158f. Anm. 152; 230f. Anm. 460; GERMANY, Narrative, 211f.; KUGLER, Hebron,
7.2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 13–14
227
An die Erzählung von Kalebs Sieg über Scheschai, Ahiman und Talmai knüpfen Num 13,22 (Ahiman, Scheschai und Talmai in Hebron); 13,30f.; 14,24 an (und in ihrem Gefolge Dtn 1,36),204 verzichten aber auf jeglichen Verweis auf Kalebs nicht-israelitische Abstammung. Die nicht-priesterlichen Texte von Num 13f. stellen damit einen ersten und vorsichtigen Schritt der Integration des Keniziters Kaleb in Israel-Juda dar: Kaleb wird in die gesamtisraelitische Erzählung der Wüstenwanderung und Landnahme eingeführt, doch nur ihm wird unter den erwachsenen Israeliten die Hineinführung ins Land und die Besitznahme dort durch seine Nachkommenschaft verheißen, denn nur er folgte YHWH vollkommen nach (Num 14,24). Die Vereinnahmung Kalebs für Israel-Juda setzt sich in der Folge weiter fort: Jos 14,6–15 lässt Kaleb zusammen mit den Judäern antreten und erinnert an Kalebs Treue zu seinem Gott YHWH („ ואנכי מלאתי אחרי יהוה אלהיIch aber folgte YHWH, meinem Gott, vollkommen nach“; 14,8) im Rahmen der Kundschaftererzählung(en) von Num 13f.; Dtn 1,19–46 (s.o.).205 Jos 10,36f.38f.
578. Dagegen entstammt nach OTTO, Deuteronomium im Pentateuch und Hexateuch, 75– 86.103f. die Kaleb-Hebron-Anakiter-Thematik einer „vom Hexateuchredaktor verwendete[n] Hebron-Kaleb-Ätiologie“ (aaO., 76 Anm. 264), die er zur Verbindung von Priesterschrift und DtrL einerseits in Num 13f.; Dtn 1,19–46 eingetragen und andererseits bei der Abfassung von Jos 14,6–15; 15,13–19 verwendet habe. Die Hebron-Kaleb-Ätiologie, „die aus der Besitzangabe ‚bis auf den heutigen Tag‘, dem Namen der Stadt vor der Inbesitznahme durch Kaleb, dem Namen der Anaksöhne und dem Gründungsdatum der Stadt (Num 13,22b) besteht“ (aaO., 85), destilliert Otto mit unklarer Methodik aus den überlieferten Texten unter Absehung derer Differenzen im Detail; nebst Num 13,22b weist er dieser Ätiologie Jos 14,14a.15a (die für das Modell notwendige Ausscheidung von 14,14b wird aus nachvollziehbaren Gründen nicht erläutert: Eine literarkritische Scheidung ist in keiner Weise angezeigt) und Jos 15,13b.14aβb zu. Weshalb Kaleb Hebron gehört, begründet diese Ätiologie freilich nicht. Ältester Beleg Kalebs ist nach Otto freilich bereits die in Num 13,30f. noch greifbare ältere Kundschaftererzählung, womit die Genealogie Kalebs und das Verhältnis von Num 13,30f. zur Hebron-Kaleb-Ätiologie letztlich unklar bleiben (vgl. aaO., 106). 204 Wenn auch die Reihenfolge der drei Anak-Söhne unterschiedlich ist, so stimmen doch ausschließlich Num 13,22.28 und Jos 15,14b in der Bezeichnung der Anak-Söhne als „ ילדי הענקKinder des Anak“ überein. Da die Wendung im griechischen Text von Jos 15,14b nicht bezeugt ist, dürfte es sich jedoch um eine sekundäre Angleichung an Num 13,22.28 handeln, die zudem בני הענקin Jos 15,14a unnötig doppelt. Vgl. noch ( בני הענקJos 15,14a; Ri 1,20); ( בני ענקNum 13,33; Dtn 9,2b); ( בני ענקיםDtn 1,28; 9,2a); ( ענקיםDtn 2,10.11.21; Jos 11,21.22; 14,12.15) sowie den Verweis auf „Arba, den Vater Anaks“ (ארבע )אבי הענק, in Jos 15,13 (vgl. Jos 21,11). Zu den Anakitern vgl. PERLITT, Riesen, 232–236. 205 Mit WRIGHT, David, 190 lässt sich das Interesse von Jos 14,6–15 an Kalebs Altersangaben (vgl. bes. 14,7.10) folgendermaßen erklären: „Caleb’s piety grows with his soldierly prowess… The later passage, chapter 14, devotes a significant amount of space to the issue of Caleb’s age. He stands ready and eager to conquer his territory, even though he is now an octogenarian. What generated the author’s attention to this issue was the composition of new texts. The older legend, chapter 15, presents Caleb fighting formidable foes.
228
7. Num 13–14 – Aufbegehren gegen das Land: Die Kundschaftererzählung
schreibt die Eroberung von Hebron (in 10,5 als amoritisch qualifiziert) und Debir Josua und Gesamtisrael zu, desgleichen Jos 11,21f. den Sieg über die mittlerweile beinahe omnipräsenten Anakiter und Jos 12,10.13 den Sieg über den König von Hebron und den König von Debir.206 In Jos 21,9–16 erhält Kaleb lediglich die zu Hebron gehörenden Felder und Dörfer von Juda (vgl. 1Chr 6,39–44). Ri 1,9–11 schreibt den Sieg über die drei Anak-Söhne Scheschai, Ahiman und Talmai Juda zu, das erst daraufhin Hebron an Kaleb übergibt (1,20).207 Einen letzten Schritt gehen die priesterlichen Erweiterungen in Num 13f., die Kaleb nun explizit genealogisch in Juda einbinden (13,2b.6; vgl. Num 26,65; 34,19; 1Chr 4,13.15) und ihm Josua als weiteren positiv gewerteten Kundschafter an die Seite stellen (Num 13,8.16; 14,6–9.30.38; vgl. 32,12). Dass schließlich Num 32,12, der nun auch Josua als Kundschafter betrachtet (s.u.), Kaleb sowohl als Sohn Jephunnes als auch als Keniziter bezeichnen kann, zeigt, dass die Integration Kalebs in Juda so weit vorangeschritten ist, dass seine traditionelle Verortung nicht mehr verschwiegen werden muss (vgl. auch Jos 14,6.13LXX.14).208 In den priesterlichen Ergänzungen in Num 13f. wird er jeweils mit Filiation genannt wie in Jos 15,13.14LXX sowie in Num 26,65; 32,12; 34,19; Dtn 1,36; Jos 14,6.13.14; 21,12; 1Chr 4,15; 6,41: Num 13,6; 14,6.30.38 (vgl. Sir 46,7). Der Ort der Grabstätte der Patriarchen gehört damit de facto zwar nicht zu Jehud, doch ist das edomitische Hebron geschichtstheologisch bedingt in ideologischer Hinsicht sehr wohl Teil Judas – und nach Dtn 23,8f. sind Edomiter spätestens in der dritten Generation in der Versammlung YHWHs willkommen.209 7.2.3.5. Num 32,6–15: In der Erzählung von der Übergabe der eroberten ostjordanischen Gebiete an Ruben und Gad in Num *32 (in *32,33–42 um HalbThis fearsome warrior was not likely an old man. Yet after authors inserted Caleb into the Spy Account from Numbers …, his age had to be adjusted.“ 206 Dagegen erscheint die Übertragung von Josuas Errungenschaften auf Kaleb weniger wahrscheinlich (gegen KUGLER, Hebron). Möglich erscheint indes, dass Jos 14,6–15 auch einen Ausgleich zwischen Jos 15,13–19 und den jüngeren Berichten von Josuas Eroberungen im Süden in Jos 10–12 darstellt. Dafür spricht einerseits die gänzlich unkriegerische Übergabe Hebrons an Kaleb in 14,13f. und andererseits die 11,23b zitierende Feststellung 14,15b, dass das Land zur Ruhe kam vom Krieg ()והארץ שׁקטה ממלחמה, die deutlich besser in den Zusammenhang von 11,23 passt (was NOTH, Josua, 85 und viele andere zur These einer redaktionellen Umstellung geführt hat). 207 „Ri 1,10–15.20 ist die literarisch einheitliche projudäische Bearbeitung der Vorlage Jos 15,13–19.“ GROSS, Richter, 111. 208 Einzig die Septuaginta versteht Kaleb, Sohn Jephunnes, in Num 32,12 nicht als Keniziter, sondern als ὁ διακεχωρισμένος „der, der sich abgesondert hat“ – von den anderen Kundschaftern. 209 Vgl. ACHENBACH, Erzählung, 87–93; ARTUS, Josué 13–14, 244–247.
7.2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 13–14
229
Manasse erweitert) argumentiert Mose in 32,6–15 mit den Ereignissen der Kundschaftererzählung: Die zwei Stämme seien an ihrer Väter, der Kundschafter von Num 13f., statt aufgetreten, die Israeliten zu ängstigen und sie so weiter am Einzug in das Verheißene Land zu hindern. Moses Nacherzählung der Kundschaftererzählung in 32,(6.)7–15210 nimmt dabei Num 13f. und Dtn 1,19–46 in ihren jeweils vorliegenden Gestalten auf – soweit dies im Detail überhaupt nachgewiesen werden kann.211 32,6–15 dürfte seinerseits uneinheitlich sein: D. Frankel hat die These vertreten, 32,10–12 seien ein Nachtrag innerhalb von 32,6–15, um die beiden positiv dargestellten Kundschafter Kaleb und Josua von der Bestrafung der Exodusgeneration explizit auszunehmen.212 Frankels Argumenten – einerseits zeige die doppelte Zornesformel („ ויחר־אף יהוהund es entbrannte der Zorn YHWHs“) in 32,10 und 32,13 die Möglichkeit einer Überarbeitung an, und andererseits lassen sich 32,6–9.13–15 als kohärenter Zusammenhang lesen – lässt sich Folgendes hinzufügen: Der Vergleich Gads und Rubens mit den als Vätern bezeichneten Kundschaftern sieht keine Ausnahmen innerhalb der Väter vor. Wenn von den für den Untergang der Exodusgeneration verantwortlichen Vätern unvermittelt zwei unschuldig waren, wird das Bild der für Gesamtisrael verantwortlichen Minderheit aufgesprengt. Stimmt diese Annahme, ergibt sich folgendes Bild für 32,6–15: In paränetischer Absicht werden die Kundschafter aus Num 13f. in 32,6–9.13–15 rein negativ dargestellt – und wohl gerade deshalb wird nur das positiv konnotierte Traubental (im Unterschied zu dem für die bedrohlichen Vorbewohner stehenden Hebron) als beispielhafter Ort der Erkundung genannt. Für Kaleb und Josua ist damit kein Platz in dieser Erzählung. Erst ein späterer Ergänzer hat 210
Es ist das relative Recht von Quellenmodellen (vgl. nur SCHMIDT, Numeri, 191–202) aber auch jüngerer Ergänzungsmodelle im weitesten Sinne (vgl. etwa ACHENBACH, Vollendung, 369–388; ARTUS, Numbers 32, 368–371), dass erst mit Num 32,7 die Nacherzählung der Kundschaftererzählung beginnt, und dass die Gaditen und Rubeniten in 32,16–19 nicht auf diese eingehen. Jedoch taugt weder die Frage Moses in 32,6b, den Meinungsumschwung der Gaditen und Rubeniten herbeizuführen, noch besteht eine literarkritisch zu behebende Spannung zwischen 32,6 und 32,7–15. Vielmehr erscheint die Gegenüberstellung der Brüder ( ;אח32,6 – von den Gaditen und Rubeniten wird dieses Lexem bezeichnenderweise nicht aufgenommen) und der Väter ( ;אב32,8.14) bewusst gewählt: Die Väter haben zum Untergang der Exodusgeneration in der Wüste geführt (32,13), das gegenwärtige Handeln der Gaditen und Rubeniten droht, auch die Kindergeneration zu vernichten (32,15). Deutlich nachgetragen innerhalb von Num 32 sind dagegen einerseits der Einbezug des halben Stammes Manasse in Num *32,33–42 und andererseits der Einbezug Eleasars und Josuas in *32,2.28–32. 211 Vgl. etwa OTTO, Deuteronomium im Pentateuch und Hexateuch, 94–101.105; ACHENBACH, Vollendung, 381–385; SCHART, Story, 186f. 212 Vgl. FRANKEL, Stories, 176–178. Nach SCHMIDT, Numeri, 196 Anm. 156 stammt 32,12 „von einem jüngeren Ergänzer, der vermisste, dass Jahwe die Kundschafter Kaleb und Josua von der Bestrafung ausgenommen hatte.“
230
7. Num 13–14 – Aufbegehren gegen das Land: Die Kundschaftererzählung
die Korrespondenz zu den Kundschaftererzählungen in Num 13f. und Dtn 1,19–46 weiter vervollständigt, indem er auch den Schwur YHWHs in Num 32,11 (vgl. Num 14,23.28–34; Dtn 1,35) sowie Kaleb und Josua als Ausnahmen von den zu bestrafenden Kundschaftern und Angehörigen der Exodusgeneration in Num 32,12 (vgl. Num 14,24.30; Dtn 1,36[.38]) nachgetragen hat. Dabei wurde auch die sonst auf Kaleb begrenzte Beschreibung, dass er vollkommen YHWH nachgefolgt sei ( מלאpi. + ;אחרNum 14,24; Dtn 1,36; Jos 14,8.9.14), auf Kaleb und Josua angewandt (Num 32,12). 7.2.3.6. Ex 32–34: Num 14,11–23.25b, YHWHs Strafrede, Moses Fürbitte und YHWHs Vergebung, ist deutlich auf Ex 32–34 bezogen, verweist in Num 14,17 sogar explizit darauf zurück. Damit blickt Num 14,11–23.25b zurück auf die Sinai-Perikope und weitere Texte vor Num 13f. im Erzählablauf des Pentateuch, während die weiteren nicht-priesterlichen Texte in Num 13f. voraus blicken auf die Bücher Deuteronomium und Josua (s.o.). YHWHs Strafrede in 14,11f. nimmt kaum Bezug auf die voranstehenden (priesterlichen) Texte von Num 14. Dafür entspricht YHWHs Beschluss, das Volk zu vernichten und nur Mose zu einem großen Volk zu machen, konzeptionell wie auf Lexemebene Ex 32,10 – sowie Dtn 9,14(.25b): Ex 32,10 „… 10 Und nun, lass mich, damit mein Zorn gegen sie entbrenne und ich sie vertilge. Dich aber will ich zu einem großen Volk machen.“ Num 14,12 „… 12 Ich will es mit der Pest schlagen und es vernichten.213 Dich aber will ich zu einem größeren und mächtigeren Volk machen als (dies)es.“ Dtn 9,14.25b „… 14 Lass ab von mir, damit ich sie vernichte und ihren Namen auslösche unter dem Himmel. Dich aber will ich zu einem mächtigeren und zahlreicheren Volk machen als (dies)es.“ 25b Denn YHWH hatte angekündigt, euch zu vernichten.
ועתה הניחה לי ויחר־אפי בהם ואכלם ואעשׂה אותך לגוי גדול׃
אכנו בדבר ואורשׁנו ואעשׂה אתך לגוי־גדול ועצום ממנו׃
הרף ממני ואשׁמידם ואמחה את־שׁמם מתחת השׁמים ואעשׂה אותך לגוי־עצום ורב ממנו׃ כי־אמר יהוה להשׁמיד אתכם׃
213 Mit ירשׁhiph. wird das übliche Lexem für die Enteignung der Vorbevölkerung Kanaans und die Inbesitznahme des Landes durch Israel verwendet (vgl. im Kontext nur Num 13,30 [qal]; 14,24 [hiph.]). Im vorliegenden Zusammenhang dürfte die Bestrafung allgemein den Entzug der Existenzgrundlage meinen.
7.2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 13–14
231
In Ex *32,7–10 ist wie in Dtn 9,12–14 die Anfertigung des Goldenen Kalbes Stein des Anstoßes, Num 14,11f. formuliert dagegen sehr viel allgemeiner und auch nicht explizit auf den Kontext von Num 14 bezogen. Die sich hieran anschließende Fürbitte Moses für das Volk in Ex 32,11–13; Num 14,13–19; Dtn 9,26–29 weist jeweils zwei Argumente auf, die in Ex 32,11; Dtn 9,26.29 zusätzlich mit einer Beschwichtigung und dem Verweis auf den Exodus versehen sind: Einerseits die zu erwartende Außenwirkung, wenn YHWH das soeben aus Ägypten gerettete Volk sogleich selbst vernichtet (Ex 32,12; Num 14,13–16; Dtn 9,28), und andererseits die Anknüpfung an die bisherige Heilsgeschichte (Ex 32,13; Num 14,17–19; Dtn 9,27). Am Sinai bzw. Horeb fragen die Ägypter nach YHWHs böser Absicht hinter Exodus und Wüstenwanderung bzw. nach seinem Unvermögen bei der verheißenen Landgabe, in der Wüste Paran fragt die durch die Ägypter mittels „Flüsterpropaganda“214 informierte Bevölkerung Kanaans. Num 14,13–16 stellt damit nicht nur eine Adaption der sinaitischen Fürbitte Moses an den fortgeschrittenen Stand der Wüstenwanderung dar, sondern dürfte auch Jos 7,7–9 im Blick haben.215 Eine Adaption der sinaitischen Fürbitte Moses an den fortgeschrittenen Stand der Wüstenwanderung und damit an die fortgesetzte Heilsgeschichte findet auch im zweiten Argument Moses statt: Am Sinai bzw. Horeb erinnert Mose an die Landverheißung an Abraham, Isaak und Jakob-Israel, blickt also auf die Erzelternerzählungen zurück, in der Wüste Paran erinnert er an die Selbstbestimmung YHWHs als „langmütig und groß an Gnade, einer, der Schuld und Sünde vergibt, aber nicht ungestraft lässt, sondern die Schuld der Väter an den Söhnen heimsucht bis zur dritten und vierten Generation“ (יהוה ארך אפים ורב־חסד נשׂא עון ופשׁע ונקה לא ינקה פקד עון אבות על־בנים על־ ;שׁלשׁים ועל־רבעיםNum 14,18), blickt also auf die Sinaiperikope zurück, konkret auf die „Gnadenformel“ in Ex 34,6f.,216 die hier zu (weiten) Teilen zitiert wird.217 Der Übergang vom ersten zum zweiten Argument, Num 14,17, markiert einerseits die Zitation der Gnadenformel durch die Einleitung כאשׁר דברת „ לאמרwie du geredet hast, indem du sprachst“. Andererseits wird der Begriff der „Kraft“ ( )כחYHWHs, die sich als groß erweisen möge ()גדל, umgeprägt: Nicht mehr das Vermögen oder unterstellte Unvermögen YHWHs bei Exodus 214
SCHART, Mose, 157. Vgl. AURELIUS, Fürbitter, 137: „Der einigermaßen komplizierte Gedankengang erklärt genügend, daß der Satzbau in v13–16 so ungewöhnlich verwickelt ist.“ 215 Vgl. etwa AURELIUS, Fürbitter, 137; SCHART, Mose, 157f.; OTTO, Deuteronomium im Pentateuch und Hexateuch, 47; SÉNÉCHAL, Horizon, 623. 216 Vgl. zur Gnadenformel SPIECKERMANN, Barmherzig; MEYER ZU HÖRSTE-BÜHRER/ BÜHRER, Erkenntnishorizonte, 210–212. Die wichtigsten Belege der Gnadenformel sind Ex 34,6f.; Num 14,18; Neh 9,17; Joel 2,13; Jon 4,2; Nah 1,3; Ps 86,15; 103,8; 145,8. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Anspielungen daran. 217 Die Septuaginta und der Samaritanische Pentateuch ergänzen Num 14,18 teilweise nach Ex 34,6f.
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7. Num 13–14 – Aufbegehren gegen das Land: Die Kundschaftererzählung
und Landgabe sind im Blick wie in Num 14,13–16; Ex 32,11f.; Dtn 9,26.28f., vielmehr erweisen sich YHWHs Größe und Kraft nach Num 14,17–19 gerade in der Zurücknahme seiner kriegerischen Seite, in seiner Vergebungsbereitschaft.218 Die vor-sinaitische Heilsgeschichte wird dabei in *14,11–25 nicht verschwiegen: An den Väterschwur erinnert Num 14,23, an YHWHs Beistand in Ägypten 14,22, an den Exodus 14,13, an „die nach Moses Fürbitte Ex 34:9 gewährte Gegenwart Jahwes בקרב העם הזה, ‚inmitten dieses Volkes‘“ Num 14,11.14a, an „die Offenbarung am Sinai ‚[ עין בעיןAuge in Auge‘]“ 14,14b, an „die Führung in der Wüste durch die Wolken- und Feuersäule“ 14,14b unter Aufnahme von Ex 13,21f., an YHWHs Beistand in der Wüste Num 14,22 und schließlich an YHWHs Vergebungsbereitschaft ממצרים ועד־ „ הנהvon Ägypten bis hierher“ 14,19.219 YHWHs Vergebungsbereitschaft und Vergebung wird in Num 14,18.19.20 wie bereits in Ex 32,32; 34,7.9 mit נשׂא und סלחzum Ausdruck gebracht, nun aber über den Sinai hinaus bis nach Ägypten gedehnt: „Von Ägypten an ist dieses Volk von dem vergebenden Gott getragen worden – und wird es immer noch.“220 In der kontrovers geführten Debatte um die Redaktionsgeschichte von Ex 32–34 erscheint zumindest die Einschätzung von *32,7–14 als Nachtrag innerhalb von Ex 32 als vergleichsweise konsensfähig:221 *32,7–14 steht in Spannung zum schrittweisen Erkennen des Abfalls des Volkes durch Mose, seinem Sündenbekenntnis und seiner Bitte um Vergebung in *32,15–35, die einwandfrei an *32,1–6 anschließen. Mit dem Bezug auf Ex 32,7–14 sowie auf Ex 13,21f., in seiner vorliegenden Form ebenso nach-priesterschriftlich,222 setzt Num 14,13–19 damit nach-priesterschriftliche Texte voraus, womit zumindest die relative Spätdatierung von Moses Fürbitte in Num 13f. bestätigt wird.
218
Vgl. AURELIUS, Fürbitter, 137f. Alle Zitate aus AURELIUS, Fürbitter, 137. Zu den literarischen Bezügen vgl. auch etwa OTTO, Deuteronomium im Pentateuch und Hexateuch, 40–48; SÉNÉCHAL, Horizon, 619–627. 220 AURELIUS, Fürbitter, 140. 221 Vgl. etwa AURELIUS, Fürbitter, 41–44.57–126; GERTZ, Beobachtungen; KONKEL, Sünde; ALBERTZ, Exodus II, 260–324; STOPPEL, Angesicht, 350–396. 222 Entstammt die Wolkensäule bereits der vor-priesterschriftlichen Exoduserzählung, so ist „die Einführung der Feuersäule auf das Bemühen der Endredaktion zurückzuführen …, den von P berichteten Durchzug der Israeliten mit dem nächtlichen Meerwunder der nicht-priesterschriftlichen Version in eins zu setzen.“ GERTZ, Tradition, 214. Vgl. zur Begründung aaO., 209–214 sowie GROSS, Wolkensäule; BERNER, Exoduserzählung, 371– 375. 219
7.3. Fazit
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7.3. Fazit 7.3. Fazit
Num 13f. begründet die vierzigjährige Wüstenwanderung Israels mit der Vertrauenslosigkeit des Volkes in YHWHs Heilsgeschichte. Num 13f. stellt damit für den narrativen Ablauf von Pentateuch und Hexateuch einen tiefen Bruch dar: Die aus Ägypten erretteten Israeliten werden das zugesagte Land nicht selbst in Besitz nehmen, sondern erst ihre Kinder, die sich in der Wüste nicht aktiv gegen YHWH, Mose und Aaron gewandt und gegen sie gemurrt haben. Aufgrund dieser grundlegenden Funktion der Kundschaftererzählung für Theologie und Narration von Pentateuch und Hexateuch erstaunt es nicht, dass gerade an diesem Text mehrere Hände gearbeitet haben. Die Redaktionsgeschichte von Num 13f. verlief (gleichwohl lediglich) in drei Hauptschritten, die jedoch interdependent zur Redaktionsgeschichte weiterer Texte in Pentateuch und Hexateuch abliefen: Die nicht-priesterlichen Texte in Num 13f. haben sich dabei nicht als Fragmente einer vor-priester(schrift)lichen Erzählung, sei sie eine Pentateuchquelle oder nicht, erwiesen, sondern als Ergänzungen der priesterlichen Grundschicht von Num 13f. Die priesterliche Grundschicht von Num 13f., die von der Bestrafung der murrenden Exodusgeneration durch den Tod in der Wüste handelt, umfasste 13,1.2a.3.21.25.26(ohne )קדשׁה.32; 14,1a.2–5.10.26–28. 29a(nur )במדבר הזה יפלו פגריכם.33.35.37.223 Sie hat zahlreiche weitere Texte im Pentateuch und Hexateuch hervorgerufen, die die Erzählung des Generationenwechsels in der Wüste weiter vertieft haben. Moses Nacherzählung der priesterlichen Kundschaftererzählung im Grundbestand von Dtn 1,19–46, 1,19f.22–24.25(ohne )וישׁבו אתנו דבר.26f.34.35aαb. 39(ohne )וטפכם אשׁר אמרתם לבז יהיה.40–43.44(ohne )בשׂעיר.45, hat die Funktion, die im Erzählablauf erneute Mitteilung der Sinai- bzw. Horeb-Gesetzgebung im Deuteronomium durch den Generationenwechsel als notwendig zu begründen. Mose betont dabei einseitig die Schuld des Volkes – und stellt so unter der Hand seine eigene „Figur“ in Num 13f. in einem etwas besseren Licht dar. Die Mission der Kundschafter sowie das daraus resultierende frevelhafte Handeln des Volkes werden deutlicher militärisch gezeichnet. Die nicht-priesterlichen Texte in Num 13f. haben in mindestens zwei Schritten die priesterliche Kundschaftererzählung angereichert und mit weiteren Texten aus Pentateuch und Hexateuch verbunden: 14,11–23.25b tragen unter Aufnahme von Ex 32–34 die Vergebungsbereitschaft YHWHs nach und profilieren den in der priesterlichen Darstellung vergleichsweise blass dargestellten Mose als erfolgreichen Fürbitter.224 13,17b–20, 13,22–24, 13,27–29, 13,30f., 14,1b, 14,24 sowie 14,39–45 versehen die Kundschaftererzählung 223
Nicht näher zu verortende Nachträge hierzu sind *13,33 (s.o. Kap. 7.2.1. mit Anm. 68–70) und 14,34 (s.o. Kap. 7.2.1. mit Anm. 94f.). 224 Zu 14,25a s.o. Kap. 7.2.2. mit Anm. 155.
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7. Num 13–14 – Aufbegehren gegen das Land: Die Kundschaftererzählung
mit erzählerischen Details und teils anekdotenhaften Zügen.225 Dabei nehmen sie die stärker militärisch ausgerichtete Fassung der Kundschaftererzählung aus Dtn 1,19f.22–24.25(ohne )וישׁבו אתנו דבר.26f.34.35aαb.39(ohne וטפכם אשׁר )אמרתם לבז יהיה.40–43.44(ohne )בשׂעיר.45, auf und steigern diese Züge teils weiter. Die beispielhaft berichtete Erkundung des Südens, also desjenigen Gebietes, das die Kundschafter zwangsläufig als erstes betraten, wird unter Aufnahme der in Jos *15,13–19 überlieferten Kaleb-Hebron-Erzählung weiter ausgeführt, um das edomitisch-idumäische Hebron als zu Juda gehörend vereinnahmen zu können. Während die priesterliche Grundschicht von Num 13f. nur begrenzt intertextuell verwoben ist, stellen die nicht-priesterlichen Ergänzungen in ihrer Substanz schriftgelehrte Adaptionen dar. Im Falle des Rückbezuges auf die Sinaiperikope sind im engeren Sinne schriftgelehrte Motive leitend, im Falle der Verbindung mit den Büchern Deuteronomium und Josua sind auch textexterne Motive erkennbar. Diese Schriftgelehrsamkeit der nicht-priesterlichen Erweiterungen lässt es nun auch als möglich erscheinen, dass die zusätzliche Richtungsangabe „ קדשׁהnach Kadesch“ in 13,26 im Zusammenhang mit den weiteren nicht-priesterlichen Ergänzungen in Num 13 steht. Trifft dies zu, dürfte es sich am ehesten um einen Ausgleich mit Dtn 1 handeln.226 Die nicht-priesterlichen Texte in Num 13f. haben weitere Ergänzungen in Dtn 1,19–46 (*1,28.29–33; 1,36; vgl. auch 9,1f.23f.), die Erzählung Jos *14,6–15 sowie die priesterlichen Ergänzungen in Num 13f. nach sich gezogen.227 Letztere, 13,2b.4–16.17a; 14,6–9.29a(nur וכל־פקדיכם לכל־מספרכם מבן )עשׂרים שׁנה ומעלה.29b.30–32.36.38, verknüpfen die Kundschaftererzählung noch stärker mit dem Numeribuch durch die Eintragung der Stämmegliederung Israels. Der zuvor alleine herausragende Kundschafter Kaleb wird weiter, nun auch genealogisch, in Juda integriert und um Josua ergänzt, womit dem Helden der Landnahmetradition der Einzug ins Verheißene Land auch explizit gewährt wird. Abhängig von den priesterlichen Ergänzungen in Num 13f. sind schließlich 26,65b; 32,10–12. Hat damit die Analyse von Num 13f. eine vor-priesterschriftliche Ansetzung der nicht-priesterlichen Texte von Num 13f. als unwahrscheinlich erwiesen, so kann auch die priesterliche Grundschicht von Num 13f. nicht der Priesterschrift zugewiesen werden. Dies kann indes kaum ausschließlich am
225
Zur möglichen Einschränkung hinsichtlich 13,29 s.o. Kap. 7.2.2. mit Anm. 113. Zu den unterschiedlichen Optionen s.o. Kap. 7.2.1. mit Anm. 62. 227 Hinzu kommt noch der Zusatz im Zusatz: Die Verhältnisbestimmung von Anakiter und Nephilim ( )בני ענק מן־הנפליםin 13,33. S.o. Kap. 7.2.1. mit Anm. 70. 226
7.3. Fazit
235
Text von Num 13f. nachgewiesen werden,228 weshalb in der Auswertung in Kapitel 11. auf die Frage zurückzukommen ist. Jüngst hat I. Dershowitz die berühmt-berüchtigten Shapira Fragmente neu publiziert und die Doppelthese ihrer Authentizität und ihrer Antiquität vertreten.229 S.E. stellen die Fragmente keine neuzeitliche Fälschung, sondern eine proto-biblische Fassung des Deuteronomiums aus vorexilischer Zeit dar, die insbesondere die narrativen Teile, nebst dem Dekalog aber kaum legislative Teile des kanonisch gewordenen Deuteronomiums enthalte. Die Frage der Authentizität der im 19. Jahrhundert als Fälschung deklarierten und seit Ende des 19. Jahrhunderts verschollenen Fragmente mag hier auf sich beruhen bleiben.230 Die mit der in diesem Kapitel entwickelten Redaktionsgeschichte der Kundschaftererzählung in deutlichem Widerspruch stehende Datierung der Fragmente in vorexilische Zeit soll aber kurz überprüft werden: Nach Dershowitz zeigt die Kundschaftererzählung der Shapira Fragmente keinerlei Kenntnis der priester(schrift)lichen Kundschaftererzählung und der nach-priesterschriftlichen Ergänzungen in Num 13f. und Dtn 1.231 Eine eigene Analyse von Num 13f. und Dtn 1 bietet er allerdings nicht. Ein Vergleich der Texte zeigt gegen Dershowitz jedoch klar, dass die Kundschaftererzählung der Shapira Fragmente Num 13f. und Dtn 1 unter Einschluss der priesterlichen Passagen aus Num 13f. voraussetzt: Fragment A Z. 5–9232 entspricht in etwa Dtn 1,19–21, enthält aber nicht die Spannung zwischen pluralischer und singularischer Anrede Israels in 1,20 bzw. 1,21, sondern spricht Israel konsequent im Plural an. Damit erscheint die Passage eher als Harmonisierung des biblischen Textes denn als dessen Vorläufer. Fragment B Z. 1–5 stellt eine Konflation von Num 14,11.21–23 und Dtn 1,34f. dar233 und setzt damit beide biblische Versionen der Kundschaftererzählung voraus. Dass umgekehrt Dtn 1,34f. den Text der Shapira Fragmente gekürzt haben soll, ist angesichts der für das Deuteronomium bezeichnenden Formulierungen in den genannten Zeilen dagegen wenig wahrscheinlich. Doch nicht nur setzen die Shapira Fragmente beide biblischen Versionen der Kundschaftererzählung voraus, vielmehr hat obige Darstellung in Kapitel 7.2.2. gezeigt, dass auch unter den Vertretern der klassischen Quellenscheidung Num 14,11.21– 23 nicht ohne Weiteres einer vor-priesterschriftlichen und vor-deuteronomistischen Grundschicht zugewiesen wurde. 228
In Kap. 7.2.1. mit Anm. 67 wurde das Gerücht der Kundschafter über das seine Bewohner verschlingende Land (Num 13,32) in einen traditionsgeschichtlichen Zusammenhang mit Lev 26,38 und Ez 36,13f. gebracht. Die priesterliche Kundschaftererzählung weist dann in die fortgeschrittene Perserzeit, in der Judäer zur „Rückkehr“ nach Jehud ermutigt werden mussten – und in begrenztem Ausmaß auch tatsächlich „zurückgekehrt“ sind. 229 Vgl. DERSHOWITZ, Valediction (FAT); DERS., Valediction (ZAW). 230 In Reaktion auf Dershowitz’ Arbeit haben etwa R. Hendel orthographische, M. Richelle epigraphische und B. Suchard textkritische und linguistische Argumente angeführt, die auf eine neuzeitliche Fälschung hinweisen: Vgl. HENDEL, Notes; RICHELLE, Strips; SUCHARD, Valediction. 231 Vgl. DERSHOWITZ, Valediction (FAT), 63–69. 232 Vgl. den Text der Shapira Fragmente bei DERSHOWITZ, Valediction (FAT), 131– 155. 233 Das wird von DERSHOWITZ, Valediction (FAT), 68f. vermerkt, aber nicht ausgewertet.
236
7. Num 13–14 – Aufbegehren gegen das Land: Die Kundschaftererzählung
Fragment B Z. 5f. entspricht in etwa Dtn 1,36.38, nimmt also Kaleb und Josua von der Bestrafung des Volkes aus. Das ist in zweierlei Hinsicht bemerkenswert: Erstens ist die Kundschaftererzählung der Shapira Fragmente keine eigentliche Kundschaftererzählung, da sie Dtn 1,22–25, die Aussendung der Kundschafter und ihren Bericht, nicht enthält.234 Die Ausnahme von Kaleb und Josua ist in den Shapira Fragmenten damit nur verständlich, wenn die Kundschaftererzählungen in Num 13f. und Dtn 1 als Kundschaftererzählungen vorausgesetzt sind. Zweitens fällt die Figur Josuas auf: Von Josua als Kundschafter handeln nur die priesterlichen Passagen aus Num 13f., nach obiger Analyse erst die priesterlichen Ergänzungen. Dtn 1,38 hat dagegen in der Gegenüberstellung Moses und Josuas, des Führers des Exodus und des Führers des Eisodus, in 1,37f., einer Passage, die in Dtn 1 klar nachgetragen ist,235 Josua als Nachfolger Moses im Blick, nicht aber als Kundschafter. Die Formulierung [„ ]ו[יהשׁע בן נן העמד לפנךund] Josua, der Sohn des Nun, der vor dir steht“ in den Shapira Fragmenten entspricht abgesehen von der Defectiv-Schreibung exakt Dtn 1,38aα und steht damit, hier wie dort, in Spannung zur umliegenden Rede YHWHs (bzw. Gottes in den Shapira Fragmenten) an das im Plural angesprochene Volk. Die Shapira Fragmente zitieren damit einen Nachtrag aus Dtn 1 – allerdings unter Auslassung seines Kontextes (1,37), weshalb Josua nebst Kaleb eher als Kundschafter denn als Nachfolger Moses im Blick sein dürfte. Damit ist aber nebst dem Nachtrag aus Dtn 1 auch die priesterliche Kundschaftererzählung aus Num 13f. mit Josua als Kundschafter vorausgesetzt. Fragment B Z. 7–9 nimmt in der Beschreibung des Todes der Israeliten in der Wüste die entsprechende priesterliche Darstellung aus Num 14,26–35 auf: „ עד תםbis zugrunde gegangen ist“ (Z. 7) bzw. למת... „ עד תםוbis … gänzlich gestorben sind“ (Z. 9) ist deutlich an Num 14,33 („ עד־תםbis zugrunde gegangen ist/sind“) und 14,35 ( ימתו... „ יתמוgehen sie zugrunde … sterben sie“) orientiert – und findet seine nächste Parallele in der spät-priesterlichen Nacherzählung der Kundschaftererzählung Num 32,13, wo auch das Subjekt von „ תמםzugrunde gehen“ mit dem der Shapira Fragmente übereinstimmt („ עד־תם כל־הדורbis die ganze Generation zugrunde gegangen ist“). Singulär ist die weitere Charakterisierung der im Rahmen der Kundschaftererzählung bestraften Generation als „ אנשׁי המרבהMänner des Streites“ in den Shapira Fragmenten (Fragment B Z. 8f.). Ein klarer Bezug auf Ex 17,1–7 oder Num 20,1–13 ist zwar nicht erkennbar, doch ist der Eindruck nicht von der Hand zu weisen, dass die Shapira Fragmente die Wüstenerzählungen des Pentateuch insgesamt vor Augen haben könnten. Die Kundschaftererzählung der Shapira Fragmente setzt damit klar Num 13f. und Dtn 1 in jeweils überarbeiteter Gestalt voraus und kann unmöglich ein Vorläufer dieser Erzählungen sein. Setzt man die in diesem Kapitel erarbeitete Redaktionsgeschichte der Kundschaftererzählung voraus, so lässt sich die Kundschaftererzählung der Shapira Fragmente als weitere Fortsetzung der zunehmenden Schuldzuschreibung an das Volk verstehen.
234
Fragment A Z. 8f. springt von Dtn 1,21 (s.o.) direkt zu Dtn 1,26, der Weigerung der Landnahme durch das Volk. 235 S.o. Kap. 7.2.3.2. mit Anm. 176.
8. Num 16–17 – Aufbegehren gegen Moses Führerschaft und Aarons Priestertum: Aufstände Einzelner und des ganzen Volkes 8.1. Num 16–17 – Einführung 8.1. Num 16–17 – Einführung
Als Erzählung hebt sich Num 16f. schon aus stilistischen Gründen deutlich von den umgebenden legislativen Texten Num 15 und Num 18 ab. Inhaltlich lassen sich die Bestimmungen über die Priester und deren Aufgaben am Heiligtum in Num 18 freilich gut auf die Geschehnisse in Num 16f. beziehen; über die Exodus- und Landnahmethematik sowie das Motiv der Heiligkeit lassen sich auch Bezüge zwischen Num 16f. und Num 15 festmachen.1 In beiden Fällen sind aber sowohl der Erzähltext Num 16f. als auch die Gesetzestexte in Num 15 und Num 18 je für sich verständlich.2 Anders als in den bisherigen Murrerzählungen werden die Geschehnisse aus Num 16f. nicht explizit verortet, dürften damit als noch in der Wüste (vgl. 16,13) Paran (vgl. 13,3.26) stattfindend gedacht sein, von wo es erst in 20,1 in die Wüste Zin weitergeht.3 Num 16f. berichten in ihrer vorliegenden Gestalt von einer vierfachen Auflehnung. Die einzelnen Zwischenfälle folgen jedoch nicht (chrono-)logisch aufeinander, sondern sind derart ineinander verwoben, dass sowohl eine Textgliederung wie auch ein textgenetischer Rekonstruktionsversuch mit Schwierigkeiten belastet sind. Es unterscheiden sich die Personen(gruppen), von denen die Auflehnung ausgeht (Korach, Datan und Abiram, 250 Männer, die Is-
1
In LAB XVI wurde die Anweisung zu den Quasten aus Num 15,37–41 gerade zum Grund für den Aufstand von „Korach und den zweihundert Männern“ (XVI 1) gemacht. 2 Vgl. ARTUS, Études, 22f.55f.58f.; PYSCHNY, Führung, 45f.51–55.70f. 3 Vgl. ACHENBACH, Erzählung, 78. Nach PYSCHNY, Führung, 71 „spielen sich Num 15–19 … in Horma [vgl. 14,45] ab, zumindest wird bis 20,1 nichts Anderweitiges explizit erzählt.“ Abgesehen von der unklaren Lokalisierung von Horma, dessen sprechender Name „Bannort“ mehr theologisch als topographisch relevant sein dürfte, spricht gegen diese These allerdings, dass in 14,39–45 nur die gegen YHWHs Gebot verstoßenden Israeliten in die Schlacht ziehen und nach Horma versprengt werden; das Lager aber bleibt, wo es war: in der Wüste Paran. Eine Rückkehr der versprengten Israeliten ins Lager wie in Dtn 1,45 wird in Num 13f. allerdings nicht vermeldet.
238 8. Num 16–17 – Aufbegehren gegen Moses Führerschaft und Aarons Priestertum raeliten insgesamt),4 die Adressaten der Auflehnung (Mose, Aaron, YHWH), die für die Auflehnung verwendeten Lexeme, der konkrete Anlass, die Intention und schließlich der Ausgang der Auflehnung in Form der Bestrafung der Aufrührer. Während die Auflehnung der „ganzen Versammlung der Israeliten“ in 17,6 sowohl zeitlich (sie findet an einem Folgetag, ממחרת, statt) wie inhaltlich (der Vorwurf an Mose und Aaron blickt auf den Tod von Israeliten zurück) auf eine oder mehrere bereits erfolgte und sanktionierte Auflehnung(en) zurück blickt, werden Korach, Datan und Abiram sowie die 250 Männer in 16,1f. gemeinsam eingeführt.5 Im weiteren Textverlauf agieren sie freilich in der Regel nicht gemeinsam, und auch ihre Motivation(en) und letztlich ihre Bestrafung(en) scheinen unterschiedlich zu sein. Diese Beobachtungen, sowie die syntaktisch eigenwillige Anhäufung von Angaben in 16,1f. und die textgeschichtliche Problematik von 16,1 verwehren einen exegetischen Einstieg bei der Exposition von Num 16f.: Die beiden Verse in ihrer vorliegenden Textgestalt dürften am Endpunkt einer (Text-)Entwicklung stehen, die sich im weiteren Verlauf der Erzählung besser fassen lässt. 16,1f. scheiden damit als Argumentationsbasis für weitergehende textgenetische Überlegungen aus.6 Was die textgeschichtliche Problematik von 16,1 angeht, sind zwei Punkte zu nennen: 1.) Die Septuaginta verbindet die beiden Versteile, indem sie explizit Korach und Datan und Abiram zum Subjekt des Verbes macht. Anstelle des durchaus erstaunlichen ויקח קרח „und Korach nahm“ (ein Objekt seines Nehmens ist nicht berichtet)7 liest sie καὶ ἐλάλησεν
4
Dass das Nebeneinander und partielle Ineinander von Korach, Datan und Abiram sowie der 250 Männer ein exegetisches Problem darstellt, zeigen schon die Versionen: So liest etwa die Septuaginta in 16,24.27a ohne Datan und Abiram, und in der Nacherzählung des Textes in 26,9–11 ist die Zuordnung der drei Gruppen in 26,10 unterschiedlich: Im masoretischen Text und der Septuaginta stirbt Korach zusammen mit Datan und Abiram, im Samaritanus dagegen stirbt Korach zusammen mit den 250 Männern. 4QNumb scheint einen Ausgleich zu versuchen, auf nochmals andere Weise etwa auch LAB XVI (vgl. auch LAB LVII 2). Vgl. auch SAMUEL, Levi, 227–232. 5 Je nach zugrundeliegender Definition von Murrerzählung wird zuweilen nur 17,6–15 oder 17,6–26(–28) als Murrerzählung bestimmt, da nur hier das ganze Volk murrt (vgl. etwa CHILDS, Exodus, 258; GATHMANN, Gemeinde, 11). 6 Vgl. BERNER, Aufstand, 11.20f. Anm. 38 (hier bleibt allerdings unklar, weshalb dann 16,1b[nur ]ודתן ואבירם בני אליאב.2aα gleichwohl als redaktionelle Einleitung zur noch nicht um priesterliche Texte erweiterten Datan-Abiram-Erzählung als möglich erachtet wird); SAMUEL, Levi, 209.215f. Vgl. auch PYSCHNY, Führung, 158–167.192f., für deren Rekonstruktion der Einschätzung zu *16,2 gleichwohl eine entscheidende Rolle zukommt (s.u. Kap. 8.3.). 7 Verschiedentlich wird erwogen, ויקחnicht von „ לקחnehmen“, sondern von *„ יקחsich vermessen; sich unverschämt benehmen“ abzuleiten: Vgl. NOTH, Numeri, 104 mit Anm. 2; HALAT, 411; BUDD, Numbers, 179f.; SCHARBERT, Numeri, 65; Ges18, 615; SEEBASS, Numeri, 167.170; BERNER, Laien, 17. Vgl. die Darstellung bei SAMUEL, Levi, 215; PYSCHNY, Führung, 160. BERNER, ebd. weist auf 17,4 („ ויקח אלעזרUnd Eleasar nahm“) und 17,12
8.1. Num 16–17 – Einführung
239
Κόρε ... καὶ Δαθὰν καὶ Ἀβιρὼν ... „Und Korach ... und Datan und Abiram ... sprachen“. Damit versucht die Septuaginta, dem oben genannten Problem der Exposition etwas entgegen zu kommen. 2.) Nebst Korach sowie Datan und Abiram, den Söhnen Eliabs, wird „ און בן־פלתOn, Sohn von Pelet“ als vierter Aufrührer im Bunde angeführt. On spielt jedoch nicht nur im weiteren Verlauf der Erzählung keine Rolle mehr, er ist auch im Alten Testament sonst nirgends belegt. Desgleichen gilt für Pelet (1Chr 2,33 handelt von einer anderen Person). Ob nun aus Num 26,5.8 (vgl. Gen 46,9; Ex 6,14; 1Chr 5,3) (nachträglich?) Eliab, der Vater von Datan und Abiram (vgl. Num 16,12; Dtn 11,6), verdeutlichend als בן־8 )ו(הוא בן־פלוא („ ראובןund) er ist der Sohn von Pallu, des Sohnes Rubens“ (so BHS) bezeichnet, und der Text dann fehlerhaft überliefert wurde, oder nicht, sei dahingestellt.9 Dass der vorliegende masoretische Text von 16,1b* nicht zum Ausgangspunkt weitergehender Interpretationen verwendet werden sollte, ist jedenfalls deutlich. Textgeschichtliche Schwierigkeiten werden auch über 16,1f. hinaus die Analyse von Num 16f. begleiten und nicht selten das Verständnis des Textes erschweren.
Fallen 16,1f. als Argumentationsbasis weg, verbleiben eher Erzählfragmente denn vollständige Erzählungen, da die in Num 16 berichteten drei Aufstände (dann) einer klaren Exposition entbehren. Aus diesem Grund wird in der vorliegenden Arbeit nicht von der Datan-Abiram-Erzählung, der Erzählung der 250 Männer oder der Korach-Erzählung o.ä. gesprochen, sondern von den Erzählzügen, Erzählsträngen o.ä. von Datan und Abiram, der 250 Männer oder von Korach.10 Dieser Nicht-Befund ist gleichwohl in einer Hinsicht weiterführend: Die Amalgamierung dreier Erzählstränge (s.u.) in diesen zwei Versen lässt Raum für die Möglichkeit, dass im Laufe von Textentstehung und bzw. oder Textüberlieferung Textbestandteile ausgefallen sind oder bewusst ausgelassen oder umformuliert wurden, dass also der Erzählanfang eines Erzählstranges (oder auch mehrerer) nicht mehr (vollständig) im überlieferten Text vorhanden ist. Mit solchem Textausfall, also nicht vorhandenem Text, zu argumentieren, ist methodisch schwierig. Methodische Redlichkeit erfordert, die Annahme von Textausfall nicht zum Ausgangspunkt weiterer Thesenbildungen zu verwenden. Zahlreiche Beispiele aus material nachvollziehbaren, sog. empirischen Beispielen von Textentstehung und Textüberlieferung belegen jedoch, dass im Rahmen von Textentstehung und Textüberlieferung auch mit
(„ ויקח אהרןUnd Aaron nahm“) hin und folgert, dass die Formulierung in 16,1 bewusst gewählt sei, um „Korach von Beginn an in Relation zu seinen priesterlichen Kontrahenten zu setzen.“ Angesichts der textlich schwierigen Verhältnisse in 16,1f. einerseits und der jeweiligen Belegdichte von לקחund * יקחandererseits ist beides lediglich als möglich zu betrachten. 8 Mit Smr, LXX und möglicherweise auch 4QNumb ist gegen MT Singular zu lesen. Vgl. auch Dtn 11,6. 9 Kritisch äußert sich etwa SEEBASS, Numeri, 167.170. Vgl. die Diskussion bei PYSCHNY, Führung, 160–162, die letztlich der Emendation der BHS folgt. 10 Vgl. PYSCHNY, Führung, 143 („Erzähleinheit“; „Erzählelemente“).
240 8. Num 16–17 – Aufbegehren gegen Moses Führerschaft und Aarons Priestertum Umstellungen, Umformulierungen, Auslassungen etc. von Texten bzw. Textteilen zu rechnen ist, Textentstehung und Textüberlieferung damit nicht rein additiv verlaufen sind.11 Die Erzählung Num 16f. soll in einem ersten Schritt ausgehend von den Subjekten der Auflehnung, ihren Intentionen und ihrem Ergehen entflechtet werden,12 ehe in einem zweiten Schritt die einzelnen Erzählfäden in literarkritischer und redaktionsgeschichtlicher Hinsicht analysiert werden.13
8.2. Die Subjekte – Entflechtung der einzelnen Aufstände 8.2. Die Subjekte – Entflechtung der einzelnen Aufstände
Eine einheitliche Lektüre von Num 16f. scheitert spätestens14 in 16,12: In 16,12–14 wird deutlich, dass Datan und Abiram, die hier nach 16,1 erneut als Söhne Eliabs vorgestellt werden, entgegen dem Anschein der Exposition in 16,1f.15 nicht zu Korach und dessen Versammlung gezählt werden können. Mit diesen nämlich spricht Mose in 16,5–7.8–11 in zwei Reden direkt, nach Datan und Abiram jedoch muss er in 16,12 erst eigens schicken – und in 16,25 (nach einer weiteren Rede an Korach in 16,16f.) eigens zu ihnen gehen. Datan und Abiram gehören somit nicht zur Versammlung gegen Mose und Aaron in 16,3–11 ( ;קהל על16,3; vgl. 16,19 und mit anderem Subjekt 17,7) und nicht zu Korachs Versammlung. An Letzterem ändert sich auch nichts dadurch, dass Korach allein, also ohne den Zusatz „und seine Versammlung“, Datan und Abiram in 16,24.27 beigesellt wird, und dass er und die ihm zugehörigen Leute in 16,32b im Rahmen eines Textabschnittes genannt werden, der zwar nicht explizit, jedoch aufgrund der Kontextstellung als Strafe für Datan und Abiram und deren Familien erscheint (16,27b.28–34). Die drei genannten Belege des seiner Versammlung beraubten Korach erwecken viel11 In den letzten Jahren haben insbesondere R. Müller und J. Pakkala durch den Vergleich mit empirischen Beispielen die in vielen redaktionsgeschichtlichen Analysen vorausgesetzte Annahme rein (oder im Wesentlichen) additiven Textwachstums überzeugend zurückgewiesen. Vgl. etwa PAKKALA, Omissions; MÜLLER/PAKKALA/TER HAAR ROMENY, Evidence; MÜLLER/PAKKALA (Hg.), Insights. S.o. Kap. 1.3.; Kap. 1.3.2. 12 S.u. Kap. 8.2. 13 S.u. Kap. 8.3. 14 Davor ist nicht etwa der Wechsel von Singular (Erzählerrede: Mose spricht zu Korach) zu Plural (direkte Rede Moses: Mose spricht die Leviten bzw. Korach und dessen Versammlung an) in 16,8–11 auffällig, sondern die syntaktisch schwerfällige Anrede קרח „ וכל־עדתוKorach und seine ganze Versammlung“ in der direkten Moserede an „Korach und seine ganze Versammlung“ (16,5) in 16,6b (dies hat nur die lateinische Übersetzung korrigiert: tu Core et omne concilium tuum). Vgl. etwa AURELIUS, Fürbitter, 196 (man wird „das auffällige und nachhinkende קרח וכל־עדתוin v6 für einen Zusatz … halten.“) und s.u. Kap. 8.3.2.; Kap. 8.3.3. 15 Auch 16,3 und 16,4 ließen diesen Anschein noch zu, da in 16,3 das handelnde und sprechende Subjekt nicht explizit benannt wird.
8.2. Die Subjekte – Entflechtung der einzelnen Aufstände
241
mehr den Eindruck, als ob Korach hier in einen Zusammenhang geraten wäre, in dem er ursprünglich nichts zu suchen hatte: Mose geht in 16,25 (entsprechend 16,12–14) nur zu Datan und Abiram, und in 16,27b stehen nur Datan und Abiram mit ihren Familien vor ihren Zelten, ehe sich die Erde auftut und sie verschlingt. Die Separation von Korach einerseits und Datan und Abiram andererseits wird in der Septuaginta offensichtlich, die in den beiden aufeinander abgestimmten Versen 16,24b (Aufforderung) und 16,27a (Ausführung) ohne Datan und Abiram liest – und in 16,24b statt von Korachs Wohnstatt von Korachs Versammlung.16 Dieser erste, knappe Versuch einer einheitlichen Lektüre von Num 16 hat zu einem kohärenten Erzählzug von Datan und Abiram geführt, der zumindest 16,12–14.25.27b.28–31.32a.33f. enthält.17 Ob sich dieser Erzählzug als literarisch eigenständiger Erzählstrang erweisen lässt, und ob weitere Textteile dazugerechnet werden können, oder ob einzelne Textteile darin sich als nicht zugehörig erweisen, muss die weitere Analyse freilich erst zeigen. Die gemachten Überlegungen bestätigen auf jeden Fall die bereits oben getroffene Feststellung, dass 16,1f. nicht zum Ausgangspunkt der Analyse gemacht werden sollte. Wie verhält es sich mit der dritten Gruppe an Aufständischen, den אנשׁים „ מבני־ישׂראל חמשׁים ומאתים250 Männern der Israeliten“? Die 250 Männer bzw. die Zahl 250 begegnet nebst der Exposition in 16,2 nur noch in 16,17 und 16
BERNER, Laien, 21f. und GERMANY, Narrative, 226f. folgen in 16,23f.27a der griechischen Lesart und verweisen Datan und Abiram in die Textgeschichte des masoretischen Textes. Die Passagen zu Korach sprechen aber sonst, anders als die von Datan und Abiram (16,[26.]27b), nicht von der Wohnstatt Korachs, sondern verorten das Geschehen in aller Öffentlichkeit am Zelt der Begegnung (vgl. 16,[18.]19). Es erscheint daher plausibler (und redaktionslogisch einfacher), „Korach“ in 16,24b.27a als redaktionellen Zusatz zu werten, der die unterschiedlichen Textschichten zu verknüpfen sucht, wo dies (mehr oder weniger) sinnvoll erscheint. Die Wohnstatt der Aufrührer ist auf jeden Fall nur im Textstrang von Datan und Abiram von Bedeutung; eine spätere Konstruktion einer Wohnstatt Korachs würde ein blindes Motiv in die Gesamterzählung einführen. Darüber hinaus verkompliziert sich Berners These, da er für den griechischen Text mit einer weiteren Harmonisierung rechnen muss, der „nachträglichen Angleichung von 16,24 an den vorangehenden Kontext der Opferprobe, wo die Rotte Korach ihren Auftritt hat (16,16).“ BERNER, aaO., 21 Anm. 31 (Germany äußert sich hierzu nicht). 17 Für 16,32b lässt sich nicht mit letzter Sicherheit zwischen 16,32bα und 16,32bβ trennen: Problematisch ist nur 16,32bα mit der Erwähnung Korachs, 16,32bβ könnte ohne weiteres an 16,32a anschließen, und ein literarischer Bruch zwischen beiden Teilversen ist nicht vorhanden. Der Vergleich zwischen 16,32a und 16,32b spricht aber dafür, 16,32b in Gänze als Nachtrag zu betrachten: „[A]nders als bei Dathan und Abiram (v. 27ff.) ist bei Korach nicht die Familie einschließlich der Kinder in den Untergang einbezogen, sondern ‚nur‘ der Haushalt und der Besitz. Dieser Gedanke wird in Nu 26,11 explizit aufgenommen, er war offenbar wichtig im Blick auf die ja fortbestehenden ‚Korachiten‘.“ BLUM, Studien, 264. In Num 26 „gelten die Vv.8–11 mit Recht allgemein als Zusatz“; SAMUEL, Levi, 184.
242 8. Num 16–17 – Aufbegehren gegen Moses Führerschaft und Aarons Priestertum 16,35. In 16,16f. fordert Mose Korach auf, zusammen mit seiner Versammlung ein Räucheropfer vor YHWH darzubringen. Wenn 16,17aγb dabei von 250 Räucherpfannen zusammen mit Korach(s) und Aaron(s) spricht, setzt der Text hier die 250 Männer mit der Versammlung Korachs gleich. Diese Gleichsetzung ergibt eine im Wesentlichen kohärente Lektüre von zumindest 16,3f.5–11.16–18. In diesem Erzählzug spricht Mose dreimal zu Korach und dessen Versammlung (16,5–7; 16,8–11; 16,16f.). In den beiden äußeren Reden weist er sie mit nur leicht unterschiedlicher Terminologie zu dem Räucheropfer an, von dem 16,18 berichtet;18 in seiner zweiten Rede steht relativ unvermittelt nebst der Frage der Heiligkeit des Volkes und der Zugänglichkeit YHWHs auch die Forderung nach dem Priesteramt für die Leviten und damit das Thema der Hierarchisierung kultischer Vollzüge im Raum. Die bis hierhin gleichwohl im Wesentlichen mögliche Gleichsetzung der 250 Männer mit Korach und seiner Versammlung wird jedoch in 16,35 fraglich, wo von Korach (und seiner Versammlung?) keine Spur ist.19 Der Vers berichtet, wie ein Feuer ( ;אשׁvgl. 16,7.18 sowie 17,2.11) von YHWH ausgeht und die 250 Männer, die das Räucherwerk darbrachten oder noch dabei sind, dies zu tun, frisst. Wie beim Erzählzug von Datan und Abiram entsteht auch hier der Eindruck, dass die 250 Männer mit Korach (und seiner Versammlung?) nichts zu tun haben. Der Vergleich der unterschiedlichen Personengruppen zeigt also, dass Korach und seine Versammlung zwar zunächst jeweils als partiell deckungsgleich mit Datan und Abiram sowie den 250 Männern erscheinen, dass sich diese Gleichsetzungen im weiteren Textverlauf jedoch als problematisch oder gar unmöglich erweisen. Korach, mit dem die Erzählung einsetzt, ist ihr damit weniger zentral, als es auf den ersten Blick erscheint. Dies gipfelt in der Beobachtung, dass in der sogenannten Erzählung vom „Aufruhr und Unter-
18
16,18 steht mit der Abfolge „nehmen der Räucherpfannen – Feuer darein/darauf (im Samaritanus an 16,7 angeglichen) geben – Räucherwerk darauf legen“ der Anweisung in 16,6f. näher als der in 16,17, wo vom Feuer nicht die Rede ist. Weshalb 16,18 nur von der „Vorbereitung“, nicht aber der „Durchführung“ der Opferprobe berichten solle, ist gegen SAMUEL, Levi, 204 u.ö. angesichts der genannten Übereinstimmung von Auftrag und Ausführung in 16,6f. / 16,18 und der Parallele in 17,11f. nicht ersichtlich. Für Samuels Rekonstruktion der Redaktionsgeschichte der priesterlichen Bestandteile von Num 16f. erscheint seine Deutung freilich zentral (s.u. Anm. 92). 19 Gegen SAMUEL, Levi, 184f.226–228 „legt“ es nicht „die Geschichte“ von Num 16f. „nahe“, dass Korach „mit den 250“ zusammen im Feuer verbrannte (so aaO., 228 Anm. 1038), sondern erst deren (ihrerseits divergente) Nachgeschichte (s.o. Anm. 4). 17,5bα ist auf jeden Fall nicht explizit hinsichtlich der Todesart und der Toten, und da in 16,28–34 die Bestraften nicht beim Namen genannt werden, ist nach 16,27 ein Einbezug Korachs in die Bestrafung Datans und Abirams durchaus möglich. Vgl. BERNER, Laien, 21f.
8.2. Die Subjekte – Entflechtung der einzelnen Aufstände
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gang der Rotte Korach“20 die Bestrafung Korachs im Unterschied zu der Datans und Abirams und der der 250 Männer nicht explizit mitgeteilt wird.21 Zwischen Datan und Abiram sowie den 250 Männern gibt es dagegen keinerlei Überschneidungen jenseits der Exposition. Diese beiden Erzählfäden unterscheiden sich darüber hinaus durch die Adressierung und den Inhalt der Auflehnung: Datans und Abirams Auflehnung richtet sich ausschließlich an Mose und wirft ihm einerseits Versagen beim Exodus und bei der Führung ins Verheißene Land und andererseits Machtmissbrauch vor (16,12–14). In den bislang nicht weiter ausdifferenzierten Passagen über die 250 Männer einerseits und Korach und dessen Versammlung andererseits stehen dagegen Mose und Aaron in der Kritik; mit den Themen der Heiligkeit des Volkes, der Nahbarkeit YHWHs, den Räucheropfern, dem Priesteramt und der Hierarchisierung kultischer Vollzüge erscheint Aaron auch inhaltlich mehr involviert als Mose. Anders als das Ineinander mehrerer Aufstände in Num 16 bietet Num 17 drei aneinandergereihte Episoden, die teils inhaltlich aufeinander folgen und teils auf Num 16 Bezug nehmen:22 17,1–5 berichtet mit deutlichem Rückbezug auf den Erzählstrang der 250 (nun verbrannten) Männer von der Anfertigung des Altarüberzugs aus den Räucherpfannen der Verbrannten als Erinnerungszeichen unter der Anleitung des Priesters Eleasar, Sohn Aarons. 17,6–15 berichtet vom Murren des gesamten Volkes gegen Mose und Aaron ( לון עלin 17,6; קהל עלniph. in 17,7) und der kultischen Interzession 20
So lautet die Überschrift über Num 16,1–17,5 auch noch in der (für) 2017 revidierten Lutherübersetzung, die in 16,1–3 (aus nachvollziehbaren Gründen harmonisierend) folgendermaßen übersetzt: „Und Korach, …, dazu Datan und Abiram, die empörten sich gegen Mose, dazu zweihundertfünfzig Männer … Und sie versammelten sich gegen Mose und Aaron …“ Dabei entfällt „ ויקחund es nahm“ gänzlich, und „ ויקמו לפניund sie erhoben sich vor“ wird mit dem wenig hilfreichen Verweis auf 12,1f. als weiteres Murrlexem neben קהל עלhiph. „sich versammeln gegen“ aus dem weiteren Verlauf der Erzählung aufgefasst (ähnlich etwa COATS, Rebellion, 164, der jedoch zugesteht, dass es für diese Deutung von ויקמו לפניkeine Parallele gibt; ARTUS, Études, 164; SEEBASS, Numeri, 167.170.181; KUPFER, Israel, 170). Bei 16,2 ist jedoch höchst „fraglich“, „ob damit überhaupt ein Rebellieren ausgedrückt ist“ (PYSCHNY, Führung, 164 mit Verweis auf קום לפניin Jos 7,12f.; vgl. auch Lev 26,37); erst mit Num 16,3 beginnt das eigentliche Murren (und erst die lateinische Übersetzung hat in 16,2 aus „sich erheben vor“ unmissverständlich „sich erheben gegen“ gemacht: surrexerunt contra Mosen). Gegen KUPFER, aaO., 170 Anm. 362; PYSCHNY, aaO., 164 Anm. 94 bezeichnet קוםauch in 2Kön 12,21; 2Chr 13,6 nicht als solches „auflehnen, rebellieren“; diese Bedeutung wird im Kontext erst durch das jeweils folgende Lexem zum Ausdruck gebracht („ קשׁרsich verschwören“ bzw. „ מרדsich auflehnen“). 21 Vgl. etwa AURELIUS, Fürbitter, 192.197. KUPFER, Israel, 168 spricht in diesem Zusammenhang von „Informationslücken“. Zu einigen antiken (Um-)Deutungen dieses Befundes s.o. Anm. 4. 22 Vgl. PYSCHNY, Führung, 78–85.
244 8. Num 16–17 – Aufbegehren gegen Moses Führerschaft und Aarons Priestertum Aarons, von Mose angewiesen, angesichts der Plage YHWHs. Auch diese Episode hat deutliche Anklänge an den Erzählstrang der 250 Männer, insofern erstens die Klage des Volkes in 17,6b (implizit) auf den Tod zahlreicher Israeliten verweist und damit wohl mehr Getötete im Blick hat als der Erzählfaden von Datan und Abiram, zweitens auch hier Mose und Aaron als Adressaten des Aufruhrs im Blick sind, und drittens Aarons Interzession genau dem in 16,6f. gebotenen und in 16,18 vollzogenen Räucheropfer entspricht (nehmen der Räucherpfanne[n] – Feuer darein/darauf geben – Räucherwerk [darauf] legen), hier nun freilich mit positivem Ausgang.23 Wie das Räucheropfer in 16,18 am Zelt der Begegnung erfolgt, geht Aarons Interzession von ihm aus und kommt dort auch zu ihrem Ende. 17,16–26 berichtet vom Stabesordal, bei dem von den zwölf die Stämme Israels repräsentierenden Stäben der den Stamm Levi repräsentierende Stab Aarons als Zeichen seiner Erwählung über Nacht aufblüht. Hier ist nun weder von Korach, den 250 Männern oder Datan und Abiram die Rede. Dafür wird auf das Murren der Israeliten in 17,6(–15) Bezug genommen, denn der aufgeblühte Aaronstab soll als Zeichen dienen, um das Murren der Israeliten zu beenden und so Leben zu ermöglichen (17,20b.25). Wie in 17,6–15 (sowie 16,18; vgl. aber auch 16,19) spielt das Stabesordal beim Zelt der Begegnung (vgl., mit unterschiedlichen Bezeichnungen, 17,19.22.23.24.25.28). Die im Rahmen von Num 16f. offen bleibende Frage von 17,27f. schließlich folgt insofern stimmig auf das Stabesordal, als die Adressierung einzig Moses dessen alleiniger Handlungsträgerschaft im Stabesordal entspricht. Die Todesangst der Israeliten angesichts der (Un-)Nahbarkeit YHWHs lässt sich am stimmigsten mit dem Erzählstrang der 250 Männer verbinden. Bemerkenswert ist, dass in Num 17 Korach nur oberflächlich, Datan und Abiram hingegen überhaupt nicht begegnen. Die beiden Kapitel Num 16f. durchzieht ausgehend von der Murrthematik so letztlich eine zweiteilige Gliederung: 16,1–17,5 handeln von den Verfehlungen Einzelner und deren Bestrafung, 17,6–28 von den Verfehlungen der Israeliten insgesamt und deren Bestrafung. Diese grobe Zweiteilung wird durch die Zeitangaben im Text gestützt – und weiter verfeinert: 16,1–17,5 spielen (höchstwahrscheinlich) an einem Tag, mit 17,6 setzt ein Folgetag ( )ממחרתein; die Episode von der Stabesprobe wird sodann auf zwei Tage aufgeteilt (vgl. 17,23: „ ממחרתam Folgetag“), womit die in Num 16f. erzählte Zeit aus insgesamt drei Tagen besteht.24 Nach dem eingangs Gesagten, er23
Zu beachten ist freilich die unterschiedliche Funktion des Räucheropfers: „In Num 16 dienen die kultischen Handlungen zur Vorbereitung eines Ordals, in Num 17,11f hingegen, Sühne für die Gemeinde zu bewirken“; GATHMANN, Gemeinde, 18. 24 Vgl. PYSCHNY, Führung, 78. Verschiedentlich wird erwogen, die in Num 16,1–17,5 berichteten Ereignisse als an zwei Tagen spielend zu deuten: Explizite Anzeichen für mehrere Tage finden sich zwar nicht, doch wird im zweimaligen Auftrag zur Räucheropferpro-
8.2. Die Subjekte – Entflechtung der einzelnen Aufstände
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staunt es nicht, dass insbesondere die Ausführungen zu den Verfehlungen der Einzelnen in 16,1–18 deutlich ausführlicher ausfallen als die Ausführungen zur Verfehlung der Israeliten insgesamt in 17,6f., und dass die Bestrafung der Einzelnen in 16,25–35 – mit Rückbezügen auf 16,1–18 – Textmaterial bietet, das keine direkte Entsprechung in 17,6–28 hat. Indes weisen beide Teile deutliche Parallelen in der berichteten Reaktion YHWHs auf (vgl. bes. 16,19–22 mit 17,7–15): Zweimal wird von einer Theophanie berichtet: In 16,19b nach (dem Aufruhr durch besonders hervorgehobene Israeliten und zwar besonders nach) der Versammlung Korachs gegen Mose und Aaron ( קהל עלhiph.) in 16,19a sowie in 17,7 nach (dem Murren [ ]לון עלder ganzen Versammlung der Israeliten in 17,6 und zwar besonders nach) der Versammlung der Israeliten gegen Mose und Aaron ( קהל עלniph.) in 17,7a. In beiden Fällen befiehlt YHWH die Separierung von der Versammlung, die er „in einem Augenblick vernichten“ will ( הרמו מתוך העדה הזאת ואכלה אתם כרגע/ ;הבדלו16,21; 17,10a) – unterschiedlich sind hier nur das Lexem zur Separierung ( בדלniph. in 16,21; רמםniph. in 17,10a) und der explizite Adressat der Rede: Mose und Aaron in 16,20, Mose alleine in 17,9 – doch ergeht auch in 17,10 die Aufforderung im Plural, in 17,8 (explizit) und 17,10b (implizit) agieren Mose und Aaron zusammen, und schließlich hat die Septuaginta Aaron in 17,9 zur Vereindeutigung ergänzt.25 In beiden Fällen setzen sich Mose und Aaron für die bedrohte Versammlung ein: In 16,22 „fallen sie auf ihr Angesicht“ und stellen YHWH die rhetorische Frage nach der Angemessenheit kollektiver Strafe angesichts der Sünde einzelner bzw. eines einzelnen, in 17,10b „fallen sie auf ihr Angesicht“ und bringen in 17,11–15 ein Räucheropfer dar, um für das Volk Sühne zu leisten und so der von YHWH geschickten Plage Einhalt zu gebieten. Schließlich begegnet auch das Motiv des Erinnerungszeichens zweimal: Nach 17,1–5 sollen die Räucherpfannen der Verbrannten zu Blechplatten gemacht werden als Überzug für den Altar, um den Israeliten als Erinnerungszeichen zu dienen, damit kein Unbefugter Räucheropfer darbringt.26 Nach 17,25f. soll auch der Stab Aarons, der sich im Stabesordal den anderen Stäben der Stammesfürsten gebe die Probe jeweils auf einen bzw. den Folgetag festgelegt (16,7: „ מחרmorgen“; 16,16: „ מחרmorgen“; vgl. auch 16,5: [„ בקרam] Morgen/morgens“ [vgl. aber LXX; s.u. Anm. 87]). Wenn auch nicht explizit notiert, könnten die Räucheropferprobe und deren Folgen in 16,18–17,5 damit auf einen neuen Tag gegenüber dem Aufbegehren gegen Mose und Aaron fallen. In diesem Fall ergäbe sich eine Gliederung von Num 16f. in vier Tage. Vgl. so etwa BERNER, Laien, 19. Im Folgenden wird die Deutung auf drei Tage vorgezogen; s.u. Kap. 8.3.2. mit Anm. 86.105. 25 S.o. Kap. 1.2.3. mit Anm. 76. Vgl. auch etwa RÖSEL, Septuaginta, 35; BERNER, Laien, 6 Anm. 6. 26 „ אותZeichen“ in 17,3b, „ זכרוןErinnerung(szeichen)“ in 17,5. Nach Auffassung der Septuaginta „sind“ die Räucherpfannen bereits „zum Zeichen für die Israeliten geworden“ (17,3b: καὶ ἐγένοντο εἰς σημεῖον τοῖς υἱοῖς ̓Ισραὴλ).
246 8. Num 16–17 – Aufbegehren gegen Moses Führerschaft und Aarons Priestertum genüber als überlegen erwiesen hat, als Zeichen ( )אותdienen „für die Widerspenstigen“ ( )לבני־מרי, damit „ihr Murren“ ( )תלונתםund damit das Sterben ein Ende haben. Der Blick auf die unterschiedlichen Subjekte der in Num 16f. berichteten Aufstände hat unterschiedliche, teilweise nebeneinander her laufende, teilweise aufeinander aufbauende Erzähllinien zutage gebracht, die im Folgenden im Einzelnen besprochen werden.
8.3. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 16–17 8.3. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 16–17
Seit den Analysen von A. Kuenen27 und J. Wellhausen28 liegen die „Konsensund Dissenslinien“ hinsichtlich der Redaktionsgeschichte von Num 16f. relativ deutlich auf der Hand:29 Die Separierung dreier Erzählstränge nach dem oben aufgeführten Personenschlüssel und die relativen Textzuweisungen dazu in Num 16 werden vergleichsweise konsensuell vorgenommen, ebenso die Zuweisung des Erzählzugs von Datan und Abiram an nicht-priesterliche sowie des Erzählzugs von den 250 Männern und der Verweise auf Korach und dessen Versammlung an priesterliche Kreise. Dabei sind die Textzuweisungen und die Redaktionsgeschichte der priesterlichen Textbestandteile im Detail durchaus strittig. Während ältere Arbeiten Korach noch in beiden priesterlichen Schichten ansiedelten,30 wird er, wie oben gezeigt, in jüngeren Arbeiten nur mehr der letzten priesterlichen Schicht bzw. späteren Ergänzungen zugewiesen.31 Diese letzte, 27
Vgl. KUENEN, Opstand. Vgl. WELLHAUSEN, Composition, 102–106.340–342. Der erste Teil dieser Abhandlung ist vor Kuenens Analyse (von 1878) publiziert worden (nämlich 1876), der zweite danach (als „Nachträge“ 1885). Da Wellhausen seine Analyse in den Nachträgen der Analyse Kuenens angleicht, wird Kuenens Arbeit hier zuerst genannt. Zu Wellhausens älterer Sicht vgl. auch WELLHAUSEN, Prolegomena, 353. 29 Vgl. ausführlich zur Forschungsgeschichte PYSCHNY, Führung, 97–142, woraus die Rede der „Konsens- und Dissenslinien“ stammt (vgl. aaO., 139 u.ö.). Zu Vertretern einzelner Modelle s.u. Anm. 34.36f. Dagegen erscheinen etwa die Ausführungen bei WAGNER, Herrlichkeit, 61–65.106–111.113f.119f. und BADEN, Composition, 149–168 (zu Num 16); DERS., Stratification (zu Num 17) als unterkomplex und kaum am Text erarbeitet. 30 Aus Num 27,3 wird abgeleitet, dass „die Rotte Korahs nicht aus Leviten“ bestand (WELLHAUSEN, Composition, 341). Korach selbst war entsprechend zunächst „ein weltliches Stammhaupt“ (aaO., 105) aus dem Stamm Juda (vgl. aaO., 106) und wurde erst in der zweiten priesterlichen Schicht zusammen mit seiner Versammlung levitisiert. Vgl. KUENEN, Opstand, 143f.152. Der Verweis auf Korach durch die Töchter Zelophads in 27,3 ist freilich nicht einfach zu deuten; er dürfte am ehesten die Funktion einer captatio benevolentiae, mit Num 16f. aber wenig zu tun haben; vgl. BÜHRER, Law, 219f. Anm. 19. 31 Wegweisend hierfür war die Untersuchung von GUNNEWEG, Leviten, 171–184.187f. 28
8.3. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 16–17
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dritte Schicht wird seit Kuenen meist als „nicht selbständig, sondern parasitisch“ betrachtet, also als die Redaktion, die die beiden älteren Berichte miteinander kombinierte.32 Aus der konsensuellen Zuweisung zu nicht-priesterlichen bzw. priesterlichen Kreisen folgte beinahe zwingend die klassische literarhistorische Vorordnung des Erzählzugs von Datan und Abiram gegenüber den priesterlichen Textbestandteilen; sie wird bezeichnenderweise nicht nur in (v.a. älteren) (klassischen oder revidierten) Quellenmodellen, sondern auch in (v.a. jüngeren) Ergänzungsmodellen im weitesten Sinne vertreten und ist bislang nur selten zurückgewiesen worden.33 Hinsichtlich der absoluten Datierung neigt die jüngere Forschung auch bei den Texten von Num 16f. zu späteren Datierungen als die ältere Forschung. Während bei Quellenmodellen34 die literarhistorische Verortung der (jeweils ältesten) nicht-priesterlichen und priesterlichen Schicht im Zusammenhang mit den jeweiligen Pentateuchquellen im Wesentlichen vorgegeben war (bzw. ist) – wobei die priesterlichen Texte in Num 16f. bereits früh nicht mehr ohne weiteres der Priester(grund)schrift zugewiesen wurden –,35 ist bei Ergänzungsmodellen im wei-
32 WELLHAUSEN, Composition, 340 in Aufnahme von KUENEN, Opstand (vgl. bes. aaO., 160f.) in Korrektur seiner eigenen Darstellung in WELLHAUSEN, aaO., 102–106. Verschiedentlich belegt ist auch die Auffassung, dass die Korach-Bearbeitung lediglich eine inner-priesterliche Erweiterung darstelle, und dass die Kombination von nicht-priesterlichen und priesterlichen Texten in Num 16f. auf eine spätere (Pentateuch-)Redaktion zurückgehe; vgl. etwa BAENTSCH, Exodus-Leviticus-Numeri, 539–553; SCHMIDT, Studien, 113–179; DERS., Numeri, 60–76. Vereinzelt wird auch die Korach-Schicht als dritte „Quelle“ innerhalb des Kapitels verstanden; vgl. etwa VON RAD, Priesterschrift, 109–113.231– 233; ZWICKEL, Räucherkult, 291–299. 33 Vgl. aber SCHMITT, Suche, 264–268; SCHORN, Rubeniten, 252–262; RÖMER, Nostalgia, 78f.; PYSCHNY, Führung (s.u.) – und auf ganz eigene Weise LEHMING, Versuch. 34 Vgl. etwa KUENEN, Opstand; WELLHAUSEN, Composition, 102–106.340–342; HOLZINGER, Numeri, 65–70; BAENTSCH, Exodus-Leviticus-Numeri, 539–553; EISSFELDT, Hexateuch, 63.173*–176*.277*; NOTH, Überlieferungsgeschichte, 19.34.138f.; DERS., Numeri, 104–116; COATS, Rebellion, 156–184 (bemerkenswerterweise werden hier auch 16,32– 34 P zugewiesen; vgl. aaO., 160–162); FRITZ, Israel, 24–26; AHUIS, Autorität (der die Korach-Bearbeitung bemerkenswerterweise als deuteronomistisch einstuft); BUDD, Numbers, 179–198; SCHARBERT, Numeri, 65–72; SCHMIDT, Studien, 113–179; DERS., Numeri, 60– 76; LUX, Erde, 187f.; SEEBASS, Numeri, 165–213 (vgl. bes. aaO., 189: Der Erzählzug vom Aufstand der 250 Laien und dem Murren des Volkes stelle eine frühnachexilische Kompositionsschicht dar, die den fragmentarisch überlieferten Erzählzug von Datan und Abiram des Jahwisten und die der Priestergrundschrift zugewiesene, ursprünglich zwischen Lev 9 und Num 1 angesiedelte Erzählung vom Aaronstab miteinander verbunden habe; „[i]n einer späteren Epoche der Perserzeit“ [aaO., 188] sei die Korach-Bearbeitung erfolgt). 35 Vgl. etwa NOTH, Überlieferungsgeschichte, 19 mit Anm. 59; 138; GUNNEWEG, Leviten, 171.177.179; FRITZ, Israel, 24–26(.86–89); AURELIUS, Fürbitter, 186–189; POLA, Priesterschrift, 94f. Bei STRUPPE, Herrlichkeit oder SCHART, Mose finden die priesterlichen Texte aus Num 16f. entsprechend keine Beachtung. Demgegenüber versucht FRAN-
248 8. Num 16–17 – Aufbegehren gegen Moses Führerschaft und Aarons Priestertum testen Sinne der Spielraum breiter, und so kann hier zwischen Fragmentenbzw. Erzählkranzmodellen mit zwei ehedem eigenständigen Erzählungen (der Datan und Abiram Erzählung einerseits und der Erzählung vom Aufstand der 250 Laien andererseits)36 und Ergänzungsmodellen im engeren Sinne (also Grundschriftmodelle mit Blick auf Num 16f., wobei der Erzählzug von Datan und Abiram als Grundschicht gewertet wird)37 unterschieden werden. KEL, Stories, 203–261.346–359 auch für Num 16–18 das hohe Alter einzelner priesterlicher Traditionen bzw. Texte nachzuweisen (s. folgende Anm.). 36 Vgl. etwa AURELIUS, Fürbitter, 186–202; BLUM, Studien, 130–132.263–271 (der Erzählzug von Datan und Abiram wird KD zugewiesen, die Korach-Leviten-Bearbeitung KP, und der Erzählzug der 250 Laien wird als ältere priesterliche Überlieferung gedeutet); ARTUS, Études, 160–203.244–257.262f.278–286; FRANKEL, Stories, 42–45.203–261.346–359 (1.: „Pre-J“ [aaO., 356] „pre-editorial, priestly, narrative materials that reject the possibility that Israelites might serve as priests and express support for the exclusive priestly rights of the Aaronites“ [aaO., 236; Herv. W.B.]: erstens: Num *16,2…4.*5–7.*18.35; 17,27f.; *18,1–5; zweitens: *17,1–5; drittens: 17,11–14a; viertens: *17,16–26; diese „Materialien“ bzw. Erzählkränze haben ihrerseits eine Vorgeschichte; 2.: die nicht mehr sicher rekonstruierbare, da stark überarbeitete Erzählung von Datan und Abiram; 3.: „an editorial layer that combines the earlier priestly materials with the non-priestly story of Dathan and Abiram and seeks to portray the Israelites as murmurers who continuously challenge the combined political and cultic leadership of Moses and Aaron“ [aaO., 236; Herv. W.B.]; 4.: „a post-editorial layer that deals with the struggle of Korah and the Levites for cultic equality with the Aaronite priests“ [aaO., 236]); ACHENBACH, Vollendung, 37–129 (Achenbach weist den Erzählzug von Datan und Abiram der Hexateuchredaktion zu, die aber wohl mittels Réécriture eine ältere Erzählung überarbeitet hat; den Erzählzug der 250 Laien weist er der Pentateuchredaktion zu, rechnet aber mit einem dieser Redaktion voraufgehenden, noch fragmentarisch rekonstruierbaren Erzählkern, der ursprünglich weder „mit der Kundschaftergeschichte noch mit der Datan-Abiram-Erzählung“ im Zusammenhang stand [aaO., 65]; weiter „verzahnt“ [aaO., 55] wurden beide Erzählungen durch die Korach-Bearbeitung, die Achenbach seiner Theokratischen Bearbeitung zuweist. Die teilweise bemerkenswerten Textzuweisungen, die in der Arbeit allerdings nicht einheitlich angeführt werden, werden in DERS., Satrapie, 138–143 kommentarlos in etwas gewöhnlichere Textzuweisungen überführt); JEON, Zadokites; PYSCHNY, Führung (s.u.). 37 Vgl. etwa LEVIN, Jahwist, 377f.; VAN SETERS, Life, 239–244; KRATZ, Komposition, 110; BERNER, Aufstand; DERS., Laien; SAMUEL, Levi, 202–235; GERMANY, Narrative, 224–235 (Germany bewertet erstaunlich viel Material aus Num 17 als jünger denn die Korach-Bearbeitung) – und auf ganz eigene Weise LEHMING, Versuch. C. Berner kommt in seinen Arbeiten von äußerst präzisen Textbeobachtungen zu einer hyperkomplexen Redaktionsgeschichte mit elf Redaktionsschichten, die auch punktuelle Fortschreibungen jenseits von Schichtenzugehörigkeiten aufweisen (vgl. als Ergebnis DERS., Laien, 23–27): Die Grundschicht stellt die Erzählung vom Aufstand Datans und Abirams gegen Mose dar (16,12f.14a.b[nur ]לא נעלה.25a.27b.32a.33abα.34); in einem nächsten Schritt wurde die Bestrafung Datans und Abirams unter Bezug auf Gen 4 als Gottesurteil ausgemalt (16,1b[nur ]ודתן ואבירם בני אליאב.2aα.15.28–31; s.u. Anm. 64), ehe die Geschichte des Aufstandes der 250 Laien (16,2aβ.[b].3f.5a[nur ]וידבר אליהם לאמר.6abα.7a[ohne ]מחר.14b[nur העיני האנשׁים ]ההם תנקר.18[ohne ]ומשׁה ואהרן.26.33bβ.35; 17,11[ohne ]החל הנגף.12aαb.15a) hinzukam; ausgehend hiervon wurde zunächst Num 17 in mehreren Zügen erweitert, ehe schließlich
8.3. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 16–17
249
K. Pyschny hat die Forschungsgeschichte zur Genese von Num 16f. ausführlich dargestellt und kommt in ihrer eigenen redaktionsgeschichtlichen Analyse zu einem neuen Bild, das es kurz zu diskutieren gilt:38 Pyschny schließt aus der „Unverbundenheit der Datan-Abiram- und der 250-MännerErzähleinheit“, die seit jeher ein starkes Argument für Quellenmodelle war und von ihr als „Crux jeglicher Fortschreibungshypothese“ angesehen wird (269), dass die beiden Erzähleinheiten jeweils selbständig existierten und erst redaktionell miteinander verbunden wurden. Dabei dreht sie die gängige relative Chronologie um und erachtet die priesterliche „250-Männer-Erzähleinheit als literarische[n] Grundbestand von Num 16–17“ (270).39 Dieser Grundbestand wurde zunächst durch weitere priesterliche Erweiterungen ergänzt, die Korach-Bearbeitung I40 und das Stabesordal (17,16–28),41 ehe die ehedem eigenständige „nicht-priesterliche Datan-und-Abiram-Erzähleinheit“ (273)42 redaktionell durch die Korach-Bearbeitung II eingearbeitet wurde.43 Während den Textzuweisungen Pyschnys mit einigen Abstrichen gefolgt werden kann (s.u.), sind ihre fünf Argumente für die Einschätzung der „250-Männer-Erzähleinheit als literarischer Grundbestand von Num 16–17“ (270) kritisch zu betrachten: 1.) Gegen eine forschungsgeschichtlich und modellbedingt unhinterfragte diachrone Vorordnung der Datan-und-Abiram-Erzähleinheit gegenüber der 250-Männer-Erzähleinheit hält Pyschny fest, dass „[g]erade die Unberührtheit beider Erzähleinheiten“ deutlich mache, „dass eine diachrone Verhältnisbestimmung in beide Richtungen prinzipiell möglich ist“ (270). – Beobachtung und Auswertung sind sicher richtig, ein relativ-chronologisches Argument ist damit aber gerade nicht gewonnen. 2.) „Innerhalb der Exposition Num 16,1–2 konnte einzig im Falle der 250-Männer-Erzähleinheit ein suffizienter Erzählanfang rekonstruiert werden“ (270),44 nämlich 16,2 ohne „ וund“ vor „ אנשׁיםMänner“. – Dass „dieses Argument angesichts des kompilatorischen als elfte und letzte Schicht die Korach-Bearbeitung die beiden Kapitel im Wesentlichen in die überlieferte Form brachte. Gegen Berner deuten jedoch nicht alle „terminologischen Differenzen … auf unterschiedliche literarische Ebenen hin“ (DERS., Laien, 7), wie er gelegentlich auch selbst eingesteht (vgl. DERS., Aufstand, 27 Anm. 55). 38 Vgl. zum Folgenden PYSCHNY, Führung, bes. 268–277 (die Seitenangaben im Haupttext beziehen sich auf dieses Buch). 39 Als Grundbestand der 250-Männer-Erzähleinheit nennt Pyschny Num 16,2(ohne וvor )אנשׁים.3f.5a(ohne )אל־קרח ואל־כל־עדתו.6(ohne )קרח וכל־עדתו.7aα.18.35; 17,1.2aα.3(ohne את )מחתות החטאים האלה בנפשׁתם.4.5abβ.6–13.14a.15. Vgl. zu dieser und den folgenden Angaben PYSCHNY, Führung, 272f. Die Angaben zu den einzelnen Schichten variieren im Detail bei den verschiedenen Nennungen in der Studie. Nach der Übersetzung aaO., 274 gehört auch 17,2b zur Grundschicht, והקריב אליוin 16,5a dagegen erst zur nächsten Schicht. Da 16,7aβ explizit der Bearbeitung vom Stabordal zugewiesen wird (s.u Anm. 41), muss hier gegen die Angaben im Buch 16,7a auf 16,7aα begrenzt werden. 40 Num 16,1a.5a(nur )אל־קרח ואל־כל־עדתו.6(nur )קרח וכל־עדתו.7b.8–11; 17,5bα.14b. Zu *16,5a s. voranstehende Anm. 41 Nebst Num 17,16–28 gehören hierzu „die Einträge in Num 16,5b.7aβ“; PYSCHNY, Führung, 272. 42 Num 16,12–15.23.24(ohne )קרח.25f.27(ohne )קרח.28–31.32abβ.33abα.34. 43 Num 16,1b.16f.19–22.24b(nur )קרח.27a(nur )קרח.32bα. Als weitere, „kleinere redaktionelle Eingriffe“ (PYSCHNY, Führung, 274) werden 16,33bβ; 17,2aβ.3(nur את מחתות )החטאים האלה בנפשׁתםgenannt. 44 Vgl. zur Analyse von Num 16,1f. PYSCHNY, Führung, 158–167.192f.
250 8. Num 16–17 – Aufbegehren gegen Moses Führerschaft und Aarons Priestertum Charakters von Num 16,1–2 in methodischer Hinsicht nicht allzu stark gewichtet werden kann“ (270),45 gesteht Pyschny sogleich zu. 3.) „Der Erzählanfang ist in beiden Erzähleinheiten recht unvermittelt“ (271), die Datan-und-Abiram-Erzähleinheit schließt nur inhaltlich, nicht aber literarisch an die nichtpriesterliche Kundschaftererzählung in Num 13f. an. – Auch dieses Argument zeigt lediglich, dass mithilfe des Erzählanfangs oder postulierter Verbindungen mit anderen Erzählungen eine relative Chronologie beider Erzähleinheiten nicht etabliert werden kann. 4.) „Argumentativ gewichtiger“ erscheint Pyschny „hingegen die Beobachtung, dass in Num 17 gar nicht mehr auf die Datan-Abiram-Erzähleinheit rekurriert wird, was doch insbesondere dann verwundert, wenn eben diese den Anfang des literarischen Wachstums gebildet haben soll.“ (271). – Wenn auch die Beobachtung richtig ist, erscheint die Folgerung daraus bzw. die genannte Verwunderung kaum geeignet, relativ-chronologische Schlussfolgerungen zu ziehen. Warum sollte Num 17 Bezug auf Datan und Abiram nehmen, wenn es dem Kapitel doch um priesterliche Angelegenheiten geht? Wie etwa der von Pyschny oft gemachte Verweis auf Dtn 11,6 und andere Anspielungen an Num 16f. zeigen, kann Textrezeption vergleichsweise frei verfahren.46 5.) Schließlich wird mittels der Wiederaufnahme der Ankündigung der Opferprobe von *16,5–7 in 16,16f. argumentiert, dass „damit eben nicht nur Num 16,7b–11, sondern auch Num 16,12–15 gegenüber der 250-Männer-Erzähleinheit als sekundär gezeichnet“ werden (272). – Dass vor der Durchführung der Opferprobe in 16,18 die Anweisung dazu nochmals gegeben wird, zeigt in der Tat, dass der jetzt zwischen 16,7 und 16,18 stehende Text hier kaum ursprünglich ist. Für die literarhistorische Verortung von 16,12–15 als solches folgt daraus allerdings nichts, solange diese Passage nicht als Fortschreibung von *16,1–11 oder gleichursprünglich mit 16,7b–11 erwiesen werden kann – zumal in 16,16f. Datan und Abiram völlig übergangen werden. Gerade wenn man von ehedem selbständigen Erzähleinheiten ausgeht, besagt die nachträgliche redaktionelle Kompilation nichts über die relative Chronologie der jeweiligen Grundschichten. Die Überlegungen Pyschnys zeigen damit, dass die klassische literarhistorische Vorordnung der Datan-und-Abiram-Erzähleinheit nicht ungeprüft übernommen werden kann. Zwingende Argumente für die literarhistorische Vorordnung der 250-Männer-Erzähleinheit werden allerdings nicht angeführt. Durch die literarhistorische Umgruppierung der traditionellen Textschichten ergeben sich in Pyschnys Modell dagegen die zusätzlichen Schwierigkeiten, dass zwei Korach-Redaktionen angenommen werden müssen, und dass der postulierte literarische Grundbestand noch schwieriger im literarischen Kontext des Numeribuches einzuordnen ist als der Erzählzug von Datan und Abiram.47 Nebst der zusätzlichen Komplexität dieses Modells durch die doppelte Korach-Bearbeitung wird auch nicht recht
45
S.o. Kap. 8.1. Vgl. etwa PYSCHNY, Führung, 268.285–289 (s.u. Kap. 8.3.1. mit Anm. 75). Dem gleichen Missverständnis wie Pyschny unterliegt auch BADEN, Stratification (und durchgängig in seinen Analysen). 47 PYSCHNY, Führung, 278–280 erwägt zwar einen Anschluss der priesterlichen 250Männer-Erzähleinheit an die priesterliche Kundschaftererzählung sowie eine mögliche Zuweisung beider an die Priester(grund-)schrift, separiert aber letztlich die 250-Männer-Erzähleinheit wegen ihrer Heiligkeitsthematik von den weiteren priesterlichen Murrerzählungen und ordnet sie diesen vorsichtig diachron nach. Die Frage, welcher/n priesterlichen Schicht/en die weiteren priesterlichen Murrerzählungen zuzuweisen sind, wird nicht diskutiert. 46
8.3. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 16–17
251
klar, weshalb die Erzählung von der Stabesprobe, 17,16–28, dem Erzählzug der 250 Laien und der ersten Korach-Bearbeitung literarhistorisch nachgeordnet wird.48
8.3.1. Die verweigerte Landnahme: Datan und Abiram Dem Erzählzug von Datan und Abiram wurden bislang Num 16,12–14.25. 27b.28–31.32a.33f. zugewiesen. Es spricht nichts dagegen, hierzu auch folgende Verse zu zählen:49 Moses Reaktion in 16,15; YHWHs Auftrag, sich von der Wohnstatt Datans und Abirams zu entfernen in 16,23.24(ohne ;)קרח Moses Übermittlung dieses Auftrages an die Versammlung als eigentliche Adressatin der Gottesrede in 16,26; und schließlich die Ausführung von YHWHs Anweisung durch die Versammlung in 16,27a(ohne )קרח. Im Falle von 16,24.27a ist also das von der Septuaginta durch Auslassung von Datan und Abiram behobene Problem des Nebeneinanders von Korach einerseits und Datan und Abiram andererseits genau umgekehrt zu lösen und Korach als spätere Hinzufügung zu werten.50 Die Anschuldigungen Datans und Abirams in 16,12–14 lassen eine inhaltliche Reaktion Moses erwarten. 16,15 stellt eine in inhaltlicher und sprachlicher Hinsicht einwandfreie Fortsetzung von 16,12–14 dar, bei der nur der Bezug von „ מנחתםihre (Opfer-)Gabe“ klärungsbedürftig ist (s.u.). Moses Bitte an YHWH (oder zumindest seine Anrufung YHWHs) lässt ihrerseits eine Reaktion YHWHs erwarten, wodurch sich die aufeinander abgestimmte Einheit 16,23.24(ohne )קרח.26.27a(ohne )קרחerklärt.51 Dabei stellt die Abfolge 16,26.27a ([Aufforderung zur] Entfernung der Versammlung von Datan und Abiram) → 16,34 („ganz Israel“, das nach wie vor „rings um sie herum“ ist, flieht angesichts des aufgerissenen Erdbodens) keine Spannung, sondern eine Steigerung dar angesichts der eingetretenen Strafaktion ( סורund עלהniph. „sich entfernen“ → „ נוסfliehen“).52
48
Vgl. PYSCHNY, Führung, 262f.272f.278–280.284f. Vgl. die ähnlichen Textabgrenzungen bei SAMUEL, Levi, 202–235, bes. 207–212; PYSCHNY, Führung, 144–186. 50 S.o. Kap. 8.2. mit Anm. 16. 51 Dass in 16,24b.27a von der „Wohnstatt“ ( )משׁכןDatans und Abirams die Rede ist, in 16,26.27b jedoch von ihren „Zelten“ ( אהלim Plural), braucht nicht zu erstaunen: Auch in profaner Verwendung können die beiden Begriffe synonym verwendet werden, wie Num 24,5; Jes 54,2; Jer 30,18; Hi 21,28 zeigen. Die Numerus-Inkongruenz ist dahingehend aufzulösen, dass die Wohnstatt Datans und Abirams aus mehreren Zelten bestanden hat. Auch der Wechsel des Verbes, עלהniph. in 16,24.27 und סורin 16,26 (jeweils in der Bedeutung von „weichen; sich entfernen“), kann als „stilistische Abwechslungsmöglichkeit[]“ verstanden werden (SAMUEL, Levi, 208 Anm. 950). 16,23.24(ohne )קרח.26.27a(ohne )קרחgehören damit bereits ursprünglich zum Erzählzug von Datan und Abiram (etwa gegen AURELIUS, Fürbitter, 194.196f.; BERNER, Aufstand, 21f.26f.; DERS., Laien, 20–22.23–27). 52 Etwa gegen FRITZ, Israel, 24; BERNER, Aufstand, 21; GERMANY, Narrative, 227. 49
252 8. Num 16–17 – Aufbegehren gegen Moses Führerschaft und Aarons Priestertum Num 16,12–15.23.24(ohne )קרח.25f.27(ohne )קרח.28–31.32a.33f. ergibt eine kohärente Erzählung, die nicht auf die weiteren Texte in Num 16f. angewiesen ist: In 16,12 werden die beiden Widersacher Moses mit Filiation eingeführt,53 am Ende der Erzählung sind sie und ihre Familien vom Erdboden verschwunden. „Die Strafaktion gegen Datan und Abiram bezieht sich in ironischer Weise auf die Vorwürfe der beiden zurück: Weil sie Mose vorwarfen, er würde sie in der Wüste töten (Num 16,13), sterben sie genau dort; weil sie sich weigerten ‚hinaufzuziehen‘ ( עלהNum 16,12.14), müssen sie in die Scheol hinab ( ירדNum 16,33), weil sie das Land ( )ארץverschmähten, werden sie von der Erde ( ארץNum 16,32) verschlungen.“54 Das Aufbegehren Datans und Abirams in 16,12–14 setzt mit der Kritik an Moses Heraufführung in die Wüste den Erzählzusammenhang von Exodus – Wüstenzug – Landnahme voraus und ist in diesem Zusammenhang bestens verständlich. Die Kritik angesichts der Heraufführung und der bislang nicht eingelösten Hineinführung ins Verheißene Land geht mit dem Vorwurf des Machtmissbrauchs einher: Die Rede Datans und Abirams in 16,12–14 ist durch „ לא נעלהWir ziehen nicht hinauf!“ in 16,12b und 16,14b2 gerahmt, womit im Zusammenhang von 16,13f. (vgl. bes. 16,13a.14a) am wahrscheinlichsten die Weigerung, sich an der Landnahme bzw. am Zug ins Verheißene Land zu beteiligen, gemeint ist.55 Innerhalb dieses Rahmens wird zweimal zunächst die Exodus-Landnahme-Thematik und sodann die Thematik des Machtmissbrauchs angeführt: 16,13a / 16,14a und 16,13b / 16,14b1:56 In 16,13a wird Mose vorgeworfen, Israel „aus einem Land, das von Milch und Honig (über-)fließt“ ( )מארץ זבת חלב ודבשׁheraufgeführt ( עלהhiph.) zu haben, um es in der Wüste zu töten ( ;)להמיתנו במדברin 16,14a wird ihm vorgeworfen, Israel „nicht in ein Land, das von Milch und Honig (über-)fließt“ (אף לא אל־ )ארץ זבת חלב ודבשׁhineingeführt ( בואhiph.) zu haben und ihm nicht „Felder und Weinberge als Erbbesitz“ ( )נחלת שׂדה וכרםgegeben zu haben. In 16,13b
53 Nebst den (textgeschichtlichen) Unwägbarkeiten von Num 16,1f. (s.o. Kap. 8.1.) spricht auch die Filiation in 16,12 gegen einen Einsatz des Erzählzugs von Datan und Abiram in *16,1f., da sich die Filiation ansonsten unnötig doppeln würde (vgl. SAMUEL, Levi, 209; PYSCHNY, Führung, 166f.). 54 SCHART, Mose, 223. 55 Vgl. etwa FRITZ, Israel, 86–89; SCHART, Mose, 226f.; ACHENBACH, Vollendung, 44f.; SAMUEL, Levi, 209 und die Diskussion weiterer Deutungen bei PYSCHNY, Führung, 145–148. Anders in jüngerer Zeit etwa SCHARBERT, Numeri, 67; LUX, Erde, 189f.197– 202; BERNER, Aufstand, 16f., doch dass die Weigerung der Landnahme nach Num 13f. gerade dem Willen YHWHs entspräche, wird Num 13f. nicht gerecht: Num 13f. begründet die vierzigjährige Wüstenwanderung als Strafe für das Murren der Exodusgeneration, nicht jedoch eine Rücknahme der Verheißung der Landgabe für Israel insgesamt. Anders bereits Ant. IV 11–58. 56 Vgl. zu dieser Gliederung BLUM, Studien, 131 Anm. 122; PYSCHNY, Führung, 148– 153.
8.3. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 16–17
253
wird Mose ein Führungsanspruch vorgeworfen ( שׂררhitp. „[be]herrschen“) und in 16,14b1 konkretisiert, indem ihm „eine quasi totalitäre Herrschaft über das gesamte Volk Israel vorgeworfen“ wird.57 Die Referenzgröße „jene Männer“ in 16,14b1 („ העיני האנשׁים ההם תנקרWillst du jenen Männern die Augen ausstechen?“) ist indes nicht ohne weiteres klar: Der prima vista naheliegende Bezug von „jenen Männern“ auf die zuvor mit Mose und Aaron in Konflikt geratenen 250 Männer und / oder Korach (mit seiner Versammlung) ist auch im überlieferten Text von Num 16 schwierig, da Mose nach Datan und Abiram ja erst schicken muss (16,12a; vgl. 16,25), der Text also davon ausgeht, dass Datan und Abiram bei der Unterredung von Mose und Korach in 16,5–11 nicht zugegen sind.58 Da der Erzählzug von Datan und Abiram keine eigentliche Exposition aufweist (s.u.), wird zuweilen auch Textverlust vor 16,12 vermutet;59 dies ist zwar durchaus möglich, doch wird so die Referenzgröße von „jenen Männern“ in den methodisch nicht überprüfbaren ausgelassenen Text verlagert. Wenn mit „jenen Männern“ damit keine zuvor im (postulierten) Text genannten Personen identifiziert werden können, erscheint es am plausibelsten, hier wie zuvor in 16,13f. die Sprecher als Repräsentanten Israels zu verstehen – denn nicht nur Datan und Abiram, sondern ganz Israel hat Mose heraufgeführt aus Ägypten –, die ihrer Sorge Ausdruck verleihen, Mose könne an den Israeliten gewaltvoll agieren.60 Die „ האנשׁים ההםjene Männer“ sind damit hier wie etwa in 1Sam 29,4 die von den Anführern / Repräsentanten in den Blick genommenen, nicht aber explizit genannten Angehörigen des Volkes.61 Auf die Kritik an der Heraufführung und der noch nicht vollendeten Landgabe geht Mose mit keinem Wort ein, er reagiert nur auf den Vorwurf des Machtmissbrauchs mit seiner an 1Sam 12,3 erinnernden Unschuldsbeteuerung in Num 16,15b (vgl. 1Sam 8,16) und der Bitte „ אל־תפן אל־מנחתםWende dich ihrer (Opfer-)Gabe nicht zu!“ in Num 16,15aγ (vgl. Mal 2,13). Von einer („ מנחהOpfer-)Gabe“ ist im ganzen Erzählfaden von Datan und Abiram nicht die Rede. Demgegenüber ist die Opferthematik zentral im restlichen Text von Num 16f. – wird allerdings gerade nicht mit diesem Lexem zum Ausdruck gebracht. Ein (redaktioneller) Bezug auf die priesterlichen Passagen von Num 16f. ist damit wenig plausibel.62 Methodisch schwierig ist auch hier die An57
PYSCHNY, Führung, 153. Etwa gegen BERNER, Aufstand, 19.25f.; GERMANY, Narrative, 225.233–235, die den Bezug als redaktionell einstufen. 59 Vgl. etwa ARTUS, Études, 180. 60 Zum „Ausstechen ( )נקרder Augen“ vgl. Ri 16,21; 1Sam 11,2; Prov 30,17. Vgl. auch 2Kön 25,7. 61 Vgl. PYSCHNY, Führung, 151–153. Vgl. auch SAMUEL, Levi, 210 mit Anm. 957, der den Bezug aber auf Datan und Abiram eng führt. 62 Etwa gegen WELLHAUSEN, Composition, 105.341; KUENEN, Opstand, 159 („een fragment, welks juiste plaats zich niet meer laat bepalen“); SCHMITT, Suche, 267; SCHORN, 58
254 8. Num 16–17 – Aufbegehren gegen Moses Führerschaft und Aarons Priestertum nahme einer im Laufe der Textentstehung ausgelassenen Referenz.63 Ohne solche Zusatzannahmen kommt eine Deutung aus, die hier eine Bitte Moses um den göttlichen Beziehungsabbruch zu den Übeltätern sieht: YHWH soll auf die Bitte Moses hin von sich aus den (Kult-)Kontakt mit Datan und Abiram abbrechen – und für diese dann in der Tat scheinbar grundlos ihr Opfer nicht annehmen (vgl. Gen 4,4f. als konzeptionelle Parallele).64 Es folgen sodann die von YHWH angeordnete Separierung der Versammlung der Israeliten von der Wohnstatt der Übeltäter (16,23.24[ohne ]קרח.25f. 27[ohne )]קרחund deren Bestrafung auf bislang ungesehene und daher schöpfungsgleiche Weise ( בריאהund ;ברא16,30; vgl. Ex 34,10), die den zuvor kritisierten Mose als von YHWH gesandt legitimiert (Num 16,28–31.32a.33f.).65 Rubeniten, 252.261; SCHMIDT, Studien, 174.179; DERS., Numeri, 63 Anm. 73; SAMUEL, Levi, 210; GERMANY, Narrative, 226.232 Anm. 167 (aber vgl. aaO., 233f.). 63 Etwa gegen COATS, Rebellion, 158.166; ARTUS, Études, 181f.; SEEBASS, Numeri, 179.181.184; ACHENBACH, Vollendung, 47–49. COATS, ebd. sowie FRANKEL, Studies, 217 sehen die nicht-priesterliche und die priesterliche (Grund-)Erzählung in enger Parallele zueinander und schließen daher auf eine Opferprobe auch im Erzählzug von Datan und Abiram, an die 16,15 noch erinnere. 64 Vgl. etwa BUDD, Numbers, 187; AURELIUS, Fürbitter, 190.195; KUPFER, Israel, 180; PYSCHNY, Führung, 167–173 (und hinsichtlich der Deutung auch ACHENBACH, Vollendung, 47–49). Die schon früh kommentierten Formulierungsparallelen mit Gen 4 (vgl. מנחה „Gabe“ in Gen 4,3.4.5 und Num 16,15; („ חרהer-)zürnen“ in Gen 4,5.6 und Num 16,15; פצה „sich öffnen“ + „ האדמהder Erdboden“ + „ את־פיהseinen/ihren Mund“ in Gen 4,11 und Num 16,30; zur frühen Parallelisierung vgl. etwa LAB XVI) betont v.a. BERNER, Aufstand, 13f. und wertet sie im Sinne literarischer Abhängigkeit (s.o. Anm. 37). Dabei setzt er voraus, dass Num 16,15.18–31 (nebst 16,1b*.2aα.25b) eine erste Erweiterung des Erzählzugs von Datan und Abiram darstelle, die die Unschuld Moses und die quasi-urgeschichtliche Schandtat Datans und Abirams herausstreiche (vgl. aaO., 11–14). Weder die Voraussetzung, noch die Auswertung überzeugen: Die Formulierungsvarianz zwischen Ankündigung und Ausführung der Bestrafung Datans und Abirams vermag keinen literarischen Bruch zu belegen, da האדמהund הארץhier (und verschiedentlich sonst) ein und dasselbe bezeichnen, ohne dass ein konzeptioneller Unterschied besteht: den „Erdboden“, auf dem Datan und Abiram stehen. Damit erscheint die deutlichste Parallele beider Texte weniger aussagekräftig, als von Berner und anderen vertreten. Verstärkt wird diese Skepsis, wenn über Berner hinaus nicht nur die Parallele פצהbzw. („ פתחsich) öffnen“ + האדמהbzw. „ הארץder Erdboden“ beachtet wird, sondern auch die jeweils mehrfach belegten Wendungen פצהbzw. פתח + „ פהden Mund öffnen/aufreißen“. Dass der Erdboden in Gen 4,11 seinen Mund aufgesperrt hat, um das Blut des getöteten Abel zu nehmen ()לקח, in Num 16,30.32 aber, um die Frevler lebendigen Leibes zu verschlingen ()בלע, dürfte damit letztlich eher eine zufällige Parallele sein. 65 Nach KUENEN, Opstand, 155f. entspricht der schöpfungsgleichen Tat ihre ausladende Beschreibung; 16,28–34 ist mit Ausnahme von 16,32b literarisch einheitlich (s. auch voranstehende Anm.); auch die Unterscheidung zwischen קהלund ( עדהjeweils „Versammlung“) als solche ist hier wie sonst kein hinreichendes Kriterium literarkritischer Scheidung (vgl. bes. 16,3), so dass 16,33bβ weder der Korachbearbeitung (gegen ACHENBACH, Vollendung, 43f.51f.), noch einer Anpassung an die Erzähleinheit der 250 Laien (gegen
8.3. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 16–17
255
Was diesem Erzählzug bekanntlich fehlt, ist eine Exposition:66 Wie Num 16f. insgesamt wird der Erzählzug von Datan und Abiram nicht lokalisiert, und es ist (auch im überlieferten Text von Num 16f.) unklar, weshalb Mose in 16,12 nach Datan und Abiram schickt. Über Datan und Abiram verlautet nichts Konkretes in diesem Erzählzug: Eine rubenitische Stammeszugehörigkeit kennen erst die späteren Texte in Num 16,1; 26,8–11; Dtn 11,6, nicht aber die hier rekonstruierte Grundschicht von Num 16f.;67 der Vatersname Eliab in Num 16,12 ist auf jeden Fall kein eindeutiges Indiz für eine rubenitische Abstammung, ist er doch in unterschiedlichen Kontexten und gerade auch mit unterschiedlichen Stammeszuschreibungen belegt.68 Es geht hier, anders als in den noch zu behandelnden priesterlichen Texten von Num 16f., damit kaum um „geschichtliche Rivalitäten einer späteren Zeit“, die „in die klassische Zeit der Geschichte Israels zurückverlegt“ worden sind.69 „[M]an PYSCHNY, Führung, 157) zugewiesen werden muss. Vgl. auch WELLHAUSEN, Composition, 341f. gegen DERS., aaO., 103f. (Kuenen wie Wellhausen übergehen 16,34 kommentarlos). 66 Pointiert anders BERNER, Aufstand, 20f., der unter der Voraussetzung, es gehe nicht um die verweigerte Landnahme, formuliert: „Der Grund für die Vorladung Datans und Abirams ist also nicht im vorangehenden Erzählkontext, sondern in der Datan-Abiram-Erzählung selbst zu suchen: Num 16,12a ist nicht inhaltlich, sondern allein erzähltechnisch motiviert, eine konstruierte Exposition, die den passenden Vorwand für ein Aufbegehren gegen Mose liefert.“ 67 Vgl. FRITZ, Israel, 87; SAMUEL, Levi, 209 Anm. 956; 215 mit Anm. 983. Auch für PYSCHNY, Führung (s.o. Kap. 8.3. mit Anm. 42f.) ist die explizite rubenitische Genealogie Datans und Abirams in 16,1 nicht Teil der ehedem eigenständigen Datan-und-Abiram-Erzähleinheit, gleichwohl dient ihr die rubenitische Stammeszugehörigkeit der literarhistorischen Verortung des Textes (vgl. aaO., 289f.317f.321f.). Dass „die Datan-Abiram-Erzähleinheit eine subtile Vorbereitung von Num 32*; Jos 22*“ (PYSCHNY, aaO., 317), eine „subtile Ätiologie für die ostjordanische Ansiedlung Rubens“ (SAMUEL, aaO., 209 Anm. 956) darstelle (vgl. auch LEVINE, Numbers, 424f.), erscheint wenig plausibel: In Num 16 geht es um das verweigerte Hinaufziehen ins Land ( ;עלה16,12.13.14; vgl. 16,24.27), in Num 32 dagegen um das verweigerte Überqueren des Jordans zur Wohnsitznahme im Westjordanland ( ;עבר32,5.7.21.27.29.30.32; vgl. 32,19); Datan und Abiram betrachten ihren aktuellen Standpunkt in der Wüste gerade nicht als das (verheißene) Erbland (;נחלה 16,14), die Rubeniter in Num 32 dagegen betrachten ihren aktuellen Standpunkt im Ostjordanland als ihr erwünschtes Erbland ( ;נחלה32,19.32), als ihren Landbesitz ( ;אחזה32,5.22. 29.32); Num 32 erinnert nicht etwa an Datan und Abiram, sondern an die Kundschaftererzählung Num 13f. (s.o. Kap. 7.2.3.5.); und schließlich: Wenn der Erzählzug von Datan und Abiram sowie dessen Nacherzählung in Dtn 11,6 als Warnung vor Ungehorsam gegenüber Mose und YHWH dienen sollen, ist ein Bezug zu der in Num 32 (schließlich) als legitim (und nicht als Ungehorsam) erachteten ostjordanischen Ansiedlung unter anderem Rubens weder in die eine, noch in die andere Richtung sachdienlich. Weitere Überlegungen zur Bedeutung der rubenitischen Abstammung Datans und Abirams (unter Annahme von Num *16,1f. als Teil dieser Erzählung) bietet SCHORN, Rubeniten, 263–268. 68 Vgl. PYSCHNY, Führung, 145 mit Anm. 5. 69 Mit FRITZ, Israel, 87 gegen NOTH, Überlieferungsgeschichte, 139.
256 8. Num 16–17 – Aufbegehren gegen Moses Führerschaft und Aarons Priestertum wird vielmehr von einer theologischen Beispielerzählung ausgehen dürfen.“70 Als solche dürfte sie, wenn ihre überlieferte Stellung im Numeribuch auch ihre ursprüngliche ist,71 „als ein Anhang zu der Kundschaftererzählung Num 13–14“ zu verstehen sein, worin „[d]ie Reaktion des Volkes … am Einzelfall dargestellt“ wird.72 Weshalb Mose in 16,12 zu Datan und Abiram schickt, bleibt freilich auch in diesem Zusammenhang unklar, und wegen des (möglichen) Textausfalls ist auch die Frage nach einem einstmaligen literarischen Anschluss an Num 13f. schlicht nicht zu beantworten. Während bereits Gliederung und Inhalt den Erzählzug von Datan und Abiram als Murrerzählung begreifen lassen, wird einzig in Moses Rede in 16,28– 30 ein Murrlexem verwendet. Mose spricht dabei nicht die beiden Aufrührer an, nennt auch nie deren Namen, sondern spricht nur über sie. Die nicht explizit adressierte Rede richtet sich einerseits an die Ältesten Israels, die zusammen mit Mose zu Datan und Abiram kamen (16,25), und andererseits an alle umstehenden Israeliten, die Versammlung, die sich von „diesen frevlerischen Männern“ entfernen sollen (16,26; vgl. 16,23f.27a) und die sich angesichts deren Bestrafung schnell in Sicherheit bringen (16,34). Diese Adressaten sollen an der neuartigen Bestrafungsweise der Übeltäter erkennen, כי נאצו „ האנשׁים האלה את־יהוהdass diese Männer YHWH verworfen haben“ (16,30). Mit נאץpi. „verachten; verwerfen“ wird hier wie in 14,11.23 jeweils in Figurenrede das Handeln der Murrenden deutend umschrieben, indem einerseits ein deutlich wertendes Lexem für die Beschreibung eines nicht deutlich wertenden Lexems für das Sprechen der jeweiligen Opponenten Moses und deren Handlungen verwendet wird. Und andererseits ändert sich in beiden Fällen das Objekt des Murrens: Während Datan und Abiram in 16,12–14 ausschließlich Mose kritisieren, und das Volk in 14,2 gegen Mose und Aaron murrt (לון )על, ist in 14,11.23; 16,30 jeweils YHWH das Objekt des Verachtens. In den Nacherzählungen von Num 16f. werden bemerkenswerterweise andere (oder keine) Murrlexeme verwendet: In 26,9 wird das Agieren Datans und Abirams in der Versammlung Korachs im masoretischen Text mit der nur hier als Murrlexem verwendeten Wendung נצה עלhiph. „streiten gegen“, im samaritanischen Text mit dem aus 16,11 bekannten Murrlexem יעד עלniph. „sich versammeln gegen“ beschrieben (mit jeweils zwei Belegen in dem Vers). Letzteres wird auch zur Beschreibung der Versammlung Korachs in 27,3 verwendet (vgl. noch Sir 45,18f.: ἐπισυνίστημι). Ps 106,16–18 bezeich-
70
SAMUEL, Levi, 212 Anm. 975. Aufgrund des im Laufe der Redaktionsgeschichte des Kapitels wohl weggefallenen Anfangs der Erzählung über Datan und Abiram kann eine ursprünglich andere Kontexteinbettung nicht ausgeschlossen werden, es zwingt jedoch nichts zu dieser Annahme. 72 LEVIN, Jahwist, 377. Vgl. etwa ACHENBACH, Vollendung, 43–54; BERNER, Aufstand, 20–23; SAMUEL, Levi, 211f.233; GERMANY, Narrative, 231f. Kritisch (aber sehr knapp) PYSCHNY, Führung, 186.289. 71
8.3. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 16–17
257
net das Aufbegehren gegen Mose und Aaron, den Heiligen YHWHs, im Zusammenhang der „Rotte Abirams“ mit קנאpi. „reizen“ (106,16). Diese Nacherzählungen werten das Murren aus Num 16f. deutlicher als Num 16f. selbst, und zwar nochmals negativer, insofern nämlich die in Num 16f. beschriebenen Handlungen der Aufrührer von Anfang an vom Erzähler negativ qualifiziert wird und nicht erst in deutender Figurenrede. Und noch ein Zweites fällt auf, was mit Ersterem gewiss im Zusammenhang steht: Die genannten Nacherzählungen reflektieren nicht den Erzählzug von Datan und Abiram alleine, sondern eine redaktionell erweiterte Gestalt von Num 16f. – aller Wahrscheinlichkeit nach den im Wesentlichen überlieferten Textbestand.73 Beides ist in der Nacherzählung Dtn 11,6 anders: 11,2–7 erinnert an unterschiedliche Stationen der Befreiungsgeschichte Israels in Ägypten (11,2f.), beim Exodus (11,4) und im Rahmen der Führung durch die Wüste (11,5f.). Was YHWH Israel „getan hat in der Wüste“ (11,5), wird dabei nicht weiter ausgeführt. Der Vorkontext lässt erwarten, dass auch hier an YHWHs Befreiungshandeln gedacht ist. Als ein Ereignis der Wüstenwanderung erinnert 11,6 dann aber daran, was YHWH „Datan und Abiram getan hat, den Söhnen Eliabs, des Sohnes Rubens, dass die Erde ihren Mund aufriss und sie verschlang mitsamt ihrem Hausstand und ihren Zelten und ihren Tieren, die bei ihnen waren, inmitten ganz Israels“ (ואשׁר עשׂה לדתן ולאבירם בני אליאב בן־ראובן אשׁר פצתה הארץ את־פיה ותבלעם ואת־בתיהם ואת־אהליהם ואת כל־היקום אשׁר ברגליהם )בקרב כל־ישׂראל׃. Die Beschreibung des Tuns der Erde nimmt deutlich Ankündigung und Ausführung der Bestrafung aus Num 16,30 (ופצתה האדמה את־פיה )ובלעה אתם ואת־כל־אשׁר להםund 16,32a (ותפתח הארץ את־פיה ותבלע אתם ואת־ )בתיהםauf.74 Dtn 11,6 ist „ein deutlicher Beleg für die ältere Fassung der Datan-Abiram-Geschichte, die weder um den Laien-Aufstand noch die KorachSchicht erweitert worden war. Damit ist zugleich ein terminus post quem für die beiden Bearbeitungen in Num 16 gegeben, der v.a. angesichts des eben-
73
Vgl. etwa SAMUEL, Levi, 227–233; JEON, Zadokites, 383f.392–395; PYSCHNY, Führung, 285–288. Das ist auch für Ps 106,16–18 wahrscheinlich wegen 1.) der Nennung Aarons 2.) als „Heiligem YHWHs“, wegen 3.) der kaum zufälligen Bezeichnung der „Übeltäter“ als „Versammlung / Rotte“ und 4.) des strafenden Feuers. Dass Korach nicht explizit genannt wird, könnte „aus Rücksicht auf das korachitische Tempelpersonal“ erfolgt sein (PYSCHNY, aaO., 286; vgl. SAMUEL, aaO., 229; JEON, aaO., 392–395). 74 Die in Num 16,30.32 nicht genannten Zelte ( )אהליהםDatans und Abirams sind in 16,27b belegt. Da nach SCHORN, Rubeniten, 252.258.260 16,30 der Endredaktion von Num 16f. zuzuweisen sei, sieht sie die überlieferte Textgestalt von Num 16f. als Quelle von Dtn 11,6 (ähnlich PYSCHNY, Führung, 288f.; s. folgende Anm.). Selbst wenn diese Voraussetzung entgegen der hier vorgelegten Analyse richtig sein sollte, ließe sich erwägen, Num 16,32a als alleinigen Quellentext für Dtn 11,6 zu betrachten (Num 26,10 kann hier auf jeden Fall außer Acht gelassen werden!).
258 8. Num 16–17 – Aufbegehren gegen Moses Führerschaft und Aarons Priestertum falls kaum hohen Alters von Dtn 11 aufhorchen läßt.“75 Über den hier rekonstruierten Erzählzug von Datan und Abiram hinaus weist Dtn 11,6 lediglich die rubenitische Abstammung der Aufrührer explizit auf – und ist damit selbst traditionsbildend geworden. Doch auch hier erscheint aufgrund des Kontextes der Exodus-Eisodus-Zusammenhang als bedeutender denn die rubenitische Abstammung. Nicht nur die priesterlichen Textbestandteile, deren literarische Qualifizierung (als Bearbeitung[en] wie im obigen Zitat oder als weitere[s] Erzählfragment[e]) erst noch zu erheben ist, sondern auch der hier rekonstruierte Erzählzug von Datan und Abiram ist kaum als alter Text im Sinne der klassischen Quellenscheidung (J / E / JE) zu bezeichnen. Schon der beschriebene konzeptionelle und womöglich einmal literarische Anschluss an Num 13f. sprechen gegen eine vor-priesterschriftliche Einordnung.76 Des Weiteren spricht auch das vorliegende Mose-Bild für eine nachexilische Entstehung: Durch das Erweiswunder in Form der Bestrafung Datans und Abirams wird Moses göttliche Sendung ( ;שׁלח16,28.29) gegen deren Infragestellung eindrücklich bestätigt. Im Hintergrund steht wohl das deuteronomistische Prophetengesetz Dtn *18,9–22, wonach nur das Wort als von YHWH gesprochen angesehen werden kann, das sich erfüllt (18,22).77 Darüber hinaus ergibt sich 75
SAMUEL, Levi, 228f. Sollte Dtn 11,6 mit VEIJOLA, Deuteronomium, 248 nochmals einen Nachtrag innerhalb von 11,2–7 darstellen, da nur hier das Strafhandeln YHWHs im Blick ist, und da 11,5 mit der Ankunft der angesprochenen Israeliten „an diesem Ort“ „den Charakter eines Abschlusses“ aufweist, verschärft sich die Frage der (Spät-)Datierung nochmals. Nach SCHORN, Rubeniten, 252–262 sind Dtn 11,2–7 und die „Datan-AbiramErzählung“ nach-priesterschriftlich einzuordnen, was beides sicher richtig ist; für die literarhistorische Auswertung von Num 16f. insgesamt folgt daraus aber nichts, wenn die Texte darin ebenso insgesamt als nach-priesterschriftlich angesehen werden. Es ist natürlich richtig, dass sich Dtn 11,6 nicht „notwendigerweise auch auf das priesterliche Material“ beziehen musste (PYSCHNY, Führung, 289; s.o. Kap. 8.3. mit Anm. 46), da Rezeptionsprozesse immer in relativer Freiheit geschehen. Es ist aber doch bemerkenswert, dass Dtn 11,6 nicht wie Num 26,9–11 Korach einfach in die Aufzählung der Opponenten Moses und Aarons integrierte (und das, ohne auf genuin priesterliche Vorstellungen aus Num 16f. einzugehen). Dies ist erst, und das ist ebenso bemerkenswert, in der Nachgeschichte von Dtn 11,6 als notwendig erachtet worden: In der samaritanischen Fassung von Dtn 11,6 (ואשר עשה לדתן ולאבירם בני אליאב בן ראובן אשר פצתה הארץ את פיה ותבלעם ואת כל האדם אשר לקרח ואת )בתיהם ואת אהליהם ואת כל היקום אשר ברגליהם בקרב כל ישראל׃, in 4QPhyl A, 4QPhyl K, 8QMez und allenfalls auch in 4QDtnj mit einem (unterschiedlich positionierten) Einschub aus Num 16,32a (vgl. MCCARTHY, Deuteronomy, 35.81*). Die Textgeschichte von Dtn 11,6 spiegelt mithin die Redaktionsgeschichte von Num 16f.! 76 Zu Num 13f. s.o. Kap. 7. 77 Vgl. LUX, Erde, 204f.; ACHENBACH, Vollendung, 47.51–54; SAMUEL, Levi, 212. Vgl. zur prophetischen Prägung des Mose-Bildes auch etwa BLUM, Studien, 130f., zur nachexilischen Datierung auch etwa AURELIUS, Fürbitter, 194f.; BERNER, Aufstand, 14– 16; JEON, Zadokites, 383f.; GERMANY, Narrative, 231f.; PYSCHNY, Führung, 289f.317f. und die in Anm. 79 genannten Arbeiten.
8.3. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 16–17
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„[m]it dem Nachdruck auf der göttlichen Sendung ( )שׁלחund dem Wunderzeichen (allerdings ohne den Begriff ‚Zeichen‘) … ein enger Bezug zu Ex 3f.: Mose wird durch Dathan und Abiram gleichsam genötigt, seine Berufung vor dem Volk erneut auszuweisen.“78 Nebst diesen Bezugstexten werden oft auch sprachstatistische Argumente für eine nach-priesterschriftliche Ansetzung des Erzählzugs von Datan und Abiram geltend gemacht79 – die hier wie an vergleichbaren Stellen vergleichbare methodische Probleme mit sich bringen.80 Aufschlussreich ist immerhin die spezifische Verwendung der Rede vom „Land, das von Milch und Honig (über-)fließt“ ( )ארץ זבת חלב ודבשׁin 16,13.14. Die Wortkombination dürfte ihren Ursprung in der deuteronomisch-deuteronomistischen Theologie haben und wird hier im Munde Datans und Abirams gänzlich umgewertet: „Beachtet man, daß die Formel gerade in Num 16,13 nicht in ihrem üblichen Sinn als Kennzeichnung des Verheißungslandes Kanaan begegnet, sondern in einer abgeleiteten, man möchte beinahe sagen zynischen Weise auf Ägypten als Land der Herausführung bezogen wird, dann kann Num 16,13 nicht von den dtn.-dtr. Belegen abgesetzt werden.“81 8.3.2. Der Zugang zu YHWH: Der Aufstand der 250 Laien und das Murren des Volkes Für die Entfaltung der Redaktionsgeschichte der priesterlichen Passagen in Num 16f. sind erstens das bereits eingangs genannte Nebeneinander der 250 Männer einerseits und Korachs und seiner Versammlung andererseits und zweitens die zweifache (bzw. dreifache) Antwort Moses an die Aufrührer in 16,5–7 und 16,8–11 (sowie 16,16f.) zu beachten. 16,3 berichtet von einer Versammlung gegen Mose und Aaron (קהל על niph.). Aufgrund der unlösbaren Verquickung der Aufständischen in 16,1f. ist das Subjekt dieser Versammlung unklar. So, wie Aaron gegenüber dem Erzählzug von Datan und Abiram hier neu als Objekt des Murrens eingeführt wird, ändert sich auch das Streitthema: Die ganze Versammlung sei heilig aufgrund ihrer Gottesunmittelbarkeit, Mose und Aaron sollen sich entsprechend nicht über die Versammlung erheben (רב־לכם כי כל־העדה כלם קדשׁים )ובתוכם יהוה ומדוע תתנשׂאו על־קהל יהוה. Mose hört dies, fällt auf sein Angesicht 78 BLUM, Studien, 131. Vgl. LUX, Erde, 204f.; ACHENBACH, Vollendung, 51; BERNER, Aufstand, 15. 79 Vgl. etwa SCHMITT, Suche, 267; SCHORN, Rubeniten, 260f. und bes. LUX, Erde, 192– 195. 80 Vgl. ausführlicher BÜHRER, Anfang, 277–284.290f.305–310.313f. und spezifisch mit Blick auf den Erzählzug von Datan und Abiram SAMUEL, Levi, 211. 81 LUX, Erde, 192. Vgl. AURELIUS, Fürbitter, 189f.; ACHENBACH, Vollendung, 45; PYSCHNY, Führung, 149–151 und s.o. Kap. 1.2.3. Zur Deutungsgeschichte der Wortkombination vgl. KNIPPING, Wortkombination.
260 8. Num 16–17 – Aufbegehren gegen Moses Führerschaft und Aarons Priestertum nieder (16,4) und hält gleich zwei Gegenreden, 16,5–7 und 16,8–11, in beiden Fällen an Korach (und seine Versammlung) adressiert. Während die erste Rede Moses die Klage aus 16,3 aufnimmt und die Kläger zu einer Handlung auffordert, geht die zweite Rede Moses inhaltlich über die Klage aus 16,3 hinaus und begnügt sich mit rhetorischen Fragen: In 16,3.4.5–7 „sind es Laien, welche die Heiligkeit der ganzen Gemeinde geltend machen gegen die Bevorrechtung Einzelner, sie eifern nicht für Levi gegen Aharon, sondern für das allgemeine Priesterrecht gegenüber jedwedem Klerus. In v.8–11 sind es Leviten, die unzufrieden mit ihren bisherigen Privilegien noch mehr verlangen, sie eifern nicht für die Gemeinde, sondern für ihren Stand und beanspruchen als niederer Klerus Gleichstellung mit dem hohen. Besonders lehrreich ist der Vergleich von הקריבin v.5 und v.9.10. Die ‚Näherung‘ der Aufständischen ist v.9.10 bereits Tatsache de iure et facto, nach v.5 ist sie eben der Gegenstand des Streites.“82 Die Problemkonstellation verengt sich damit von der ersten zur zweiten Moserede, und – um wiederum ein vielzitiertes Diktum J. Wellhausens anzuführen – „… der Streit zwischen Klerus und Adel hat sich in einen häuslichen Streit zwischen höherem und niederem Klerus verwandelt, der ohne Zweifel in der Gegenwart des Erzählers brennender war.“83 Damit sind die Redaktionslogik der priesterlichen Texte in Num 16f. entschlüsselt und zugleich ihre Motive erkannt: Die Arbeit an den priesterlichen Texten dürfte zu wesentlichen Teilen durch textexterne Größen bestimmt sein, namentlich die Frage nach der Vertretung der „Israeliten“ im Kultvollzug. Während die mit „ שׁמעו־נא בני לויHört doch, ihr Söhne Levis/Leviten!“ eingeleitete und an den in (16,1 sowie) 16,10 als Leviten bezeichneten Korach adressierte Rede in 16,8–11 spezifisch levitische Ansprüche aufnimmt und zurückweist, ist davon in 16,(3f.)5–7 nichts zu erkennen. Das der Eröffnung der Klage von 16,3 und der Eröffnung von Moses zweiter Antwort in 16,8 nachgebildete Schlusswort Moses in 16,7b („ רב־לכם בני לויGenug mit Euch, ihr Söhne Levis/Leviten!“), die Adressierung der Rede „ אל־קרח ואל־כל־עדתוan Korach und seine ganze Versammlung“ in 16,5 sowie die bereits angesprochene syntaktisch schwierige Anrede „ קרח וכל־עדתוKorach und seine ganze Versammlung“ in der direkten Moserede an „Korach und seine ganze Versammlung“ in 16,684 dürften damit am ehesten als Nachträge in 16,5–7 zu betrachten sein, die die ältere Laienproblematik mit der jüngeren Levitenproblematik verzahnen.85 Der Befund ist hier damit ähnlich wie bei den einzelnen redaktionellen Hinzufügungen „Korachs“ im Erzählzug von Datan und Abiram. 16,(*2.)3f.5(ohne [)אל־קרח ואל־כל־עדתו ]לאמר.6abα.7a stellen auf jeden 82
WELLHAUSEN, Composition, 104 (Herv. im Original gesperrt gedruckt). WELLHAUSEN, Prolegomena, 353. 84 S.o. Anm. 14. 85 Vgl. etwa BERNER, Aufstand, 25; DERS., Laien, 4.16–18.23–27 (mit kleinteiligerer Schichtung); SAMUEL, Levi, 216f.223–226. 83
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Fall einen kohärenten Erzählzug dar. Subjekt der Kritik an Mose und Aaron in 16,3 dürften damit die in 16,2 genannten, nicht als Leviten gekennzeichneten [„ ]ו[אנשׁים מבני־ישׂראל חמשׁים ומאתים נשׂיאי עדה קראי מועד אנשׁי־שׁםund] 250 Männer der Israeliten, Fürsten der Versammlung, Berufene der Versammlung, Männer von Namen“ sein, wie auch der weitere Textverlauf bestätigt. Die 250 Notabeln werden von Mose aufgefordert, Räucherpfannen zu nehmen, darein Feuer zu geben und Räucherwerk darauf zu legen vor YHWH – am Folgetag86 (;זאת עשׂו קחו־לכם מחתות ותנו בהן אשׁ ושׂימו עליהן קטרת לפני יהוה מחר 16,6abα.7aα).87 Klassischerweise wird als Fortsetzung dieses Erzählstranges die unmittelbar folgende Ausführung der Räucheropferprobe in *16,18 und die Bestrafung der 250 räuchernden Laien in 16,35 angenommen.88 *16,18 entspricht präzise der Anweisung in 16,6abα.7aα (ויקחו אישׁ מחתתו ויתנו עליהם אשׁ וישׂימו ;עליהם קטרת ויעמדו פתח אהל מועד ומשׁה ואהרן16,18);89 als Ort der Opferprobe wird der „Eingang(sbereich) des Begegnungszeltes“ genannt, wo es in der Anweisung „vor YHWH“ lautete.90 An diesem Ort der Präsenz YHWHs, „vor 86
Mit BERNER, Aufstand, 25 mit Anm. 47; DERS., Laien, 19; GERMANY, Narrative, 225 dürfte „ מחרmorgen“ in 16,7 nachgetragen sein, um (zusammen mit der Wiederaufnahme 16,16f., wo „ מחרmorgen“ syntaktisch weniger auffällig steht) das Vergehen Korachs weiter zu steigern: Es scheint nun, dass nicht nur die Person der Darbringenden, wie es Moses Rede in *16,5–7 nahelegt, für die Strafe YHWHs ausschlaggebend ist, sondern auch die Tatsache, dass das Räucheropfer überstürzt dargebracht wird, nämlich noch am gleichen, statt am folgenden Tag. Das überstürzte Opfer illustriert nachgerade, dass Korach und seine (250) Leute unwürdig waren, das Räucheropfer darzubringen – und damit eben nicht „heilig“. S.u. Kap. 8.3.3. 87 Die Funktion dieser Opferprobe ist deutlich: Die Aufrührer werden erkennen, wer auserwählt ( )בחרund damit heilig ( )קדושׁist, und wer nicht. Dagegen ist das Verständnis der ersten Worte Moses in 16,5 durch die textgeschichtliche Schwierigkeit deutlich gestört: „ בקרläßt sich adverbiell als ‚morgens‘ verstehen, wobei die Tageszeit nirgends in der Geschichte eine Rolle spielt. Hart ist dann auch der Anschluß mit וידע, welches zudem als defektiv geschriebenes hifʿil zu lesen wäre. Eventuell ist daher der LXX zu folgen, die lediglich eine andere Vokalisierung voraussetzt. Nach ihr hätte JHWH ohnehin bereits bedacht und erkannt, wer die betreffende Person sei, was im Rückblick auf den Aufenthalt Israels am Sinai auch zutrifft. Die Probe diente dann lediglich dazu, der Gemeinde diese Entscheidung noch einmal vor Augen zu führen.“ SAMUEL, Levi, 217. Auch ACHENBACH, Vollendung, 67f. liest „ בקרpi. i.S.d. sakralrechtlich bedeutsamen Begutachtung“ (aaO., 67 Anm. 112), folgt aber sonst dem masoretischen Text; die unterschiedlichen Tempora diskutiert er nicht. Zu vergleichen ist auch 4QNumb. Zur Deutung von בקרs.u. 88 Vgl. etwa AURELIUS, Fürbitter, 195 und die ausführliche Darstellung bei PYSCHNY, Führung, 187–214. 89 S.o. Anm. 18. 90 Dass in 16,18 „ ומשׁה ואהרןauch Mose und Aaron“ zugegen waren, dürfte eine präzisierende Glosse oder aber die notwendige Überleitung zu 16,19 durch die Korach-Bearbeitung darstellen. Vgl. etwa FRITZ, Israel, 25; BERNER, Laien, 19f.23–27 (mit kleinteiligerer Schichtung); GERMANY, Narrative, 226. Die Septuaginta hat die Kopula ausgelassen und
262 8. Num 16–17 – Aufbegehren gegen Moses Führerschaft und Aarons Priestertum YHWH“, vollzieht sich auch die Strafe: „ מאת יהוהvon YHWH“ geht ein Feuer aus und frisst die 250 Männer, die das Räucherwerk darbrachten oder noch dabei sind, dies zu tun (16,35).91 Diese klassische Textzuweisung an den Erzählzug der 250 Laien setzt voraus, dass dieser Erzählzug und der Erzählzug von Datan und Abiram ehedem eigenständig waren und erst nachträglich redaktionell verbunden wurden. Damit läge ein Quellen- oder Fragmentenmodell vor, wobei weder im einen noch im anderen Fall ein Quellenzusammenhang erkennbar ist. Im Rahmen der in jüngerer Zeit vermehrt vertretenen reinen Fortschreibungsmodelle lässt sich 16,(*2.)3f.5(ohne [)אל־קרח ואל־כל־עדתו ]לאמר.6abα.7a(ohne )מחר.18(ohne )ומשׁה ואהרן.35 dagegen nicht als Fortschreibung des oben rekonstruierten Erzählzuges von Datan und Abiram begreifen, da die Handlungsträger in 16,18 (gemeint sind die 250 Laien) nach 16,12–15 (genannt sind Datan und Abiram) schlicht unverständlich wären.92 Da 16,(*2.)3f.5(ohne אל־קרח ואל־כל־עדתו [)]לאמר.6abα.7a(ohne )מחר.18(ohne )ומשׁה ואהרן.35 auch inhaltlich nicht vom oben rekonstruierten Erzählzug von Datan und Abiram abhängig ist,93 er-
lässt so nur „Mose und Aaron bei den Türen des Begegnungszeltes“ stehen; zur Deutung dieses Befundes s.u. Anm. 124. 91 Mit „ מקריבי הקטרתdie das Räucherwerk darbringen“ „wird pointiert rekapituliert, was in 16,18* en detail [sic] ausgeführt wurde.“ BERNER, Aufstand, 27 Anm. 55. 92 Etwa gegen die Rekonstruktionen von LEVIN, Jahwist, 377f.; KRATZ, Komposition, 110; BERNER, Aufstand; DERS., Laien; GERMANY, Narrative, 224–233 und auch das Quellenmodell von SEEBASS, Numeri, 165–213 (vgl. bes. aaO., 189; s.o. Anm. 34). SAMUEL, Levi, 213–227 umgeht dieses Problem, indem er 16,16–22 sowie 16,35 insgesamt der zweiten Bearbeitungsschicht zuweist. Dass sich aus der so rekonstruierten ersten Bearbeitungsschicht eines Laienaufstandes „eine sinnvolle Geschichte ergäbe“ (aaO., 214), ist dann in der Tat fraglich. Die Rekonstruktion muss sich jedoch fragen lassen, weshalb die zweite Bearbeitungsschicht die (Vorbereitung zur) Opferprobe und die Bestrafung der so Opfernden einführen musste, wenn zuvor die Bestrafung Datans und Abirams im Sinne eines Negativerweises für *16,5–7 hinreichend war. Detailfragen kommen hinzu, etwa zur Deutung von 16,18 ausschließlich als Vorbereitung der Opferprobe (s.o. Anm. 18), zur Deutung des Konnexes 16,6f. → 16,18 → 17,11 (s.u.) und zur Deutung der Parallelität von 16,19–22 und 17,7–15 (s.o. Kap. 8.2. und s.u. Kap. 8.3.3.; gegen SAMUEL, aaO., 219f. spielt 16,18 in diesem für die zweite Bearbeitungsschicht relevanten Zusammenhang auf jeden Fall keine Rolle). 93 Der parallele Aufbau beider Erzählzüge (der Aufstand gegen die Anführer durch einzelne aus dem Volk, gefolgt von der Bestrafung der Aufrührer mit dem Tod) war bei KUENEN, Opstand, 155 Argument für den Redaktor, beide ehedem eigenständigen Erzählzüge miteinander zu kombinieren, also für ein Fragmentenmodell, und ist bei BERNER, Aufstand, 24 und GERMANY, Narrative, 230 mit Anm. 159 Argument für ein Fortschreibungsmodell. Die Aufweitung von Subjekt (Datan und Abiram → 250 Männer) und Objekt (Mose → Mose und Aaron) des Murrens alleine kann allerdings nicht als Argument für ein Fortschreibungsmodell angeführt werden, wenn (wie auch bei Berner und Germany) beide Erzählzüge nach-priesterschriftlich eingeordnet werden, denn nach-priesterschriftlich lie-
8.3. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 16–17
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scheint die Annahme zweier ehedem eigenständiger Erzählzüge im Sinne eines Fragmentenmodells damit am plausibelsten. Der so rekonstruierte Erzählzug der 250 Laien setzt sich in Num 17 fort, wo sich die Analyse deutlich einfacher gestaltet als in Num 16: 17,6–15, das Murren des ganzen Volkes, und 17,16–28, die Stabesprobe, stellen die nahtlose Fortsetzung des Laienaufstandes dar, in die nur mit 17,14b nachträglich ein Hinweis auf die hauptsächlich in Num 16 verhandelte Korach-Thematik eingefügt wurde.94 Von dem „häuslichen Streit“95 zwischen Leviten und Aaroniden ist in 17,6–28 insgesamt nicht die Rede: Hier steht das ganze Volk Mose und Aaron gegenüber (17,6–15), und Aaron wird als „geborener Vertreter“96 Levis den anderen Stämmen gegenübergestellt (17,16–28). 17,1–5 dagegen, „wo der Same Aharons sich nicht mit Levi deckt“ (17,5),97 ist im Zusammenhang mit der Leviten-Aaroniden-Problematik der Korach-Erweiterungen in Num 16 zu sehen.98 *17,6–15 und 17,16–28 erweisen in zwei Schritten, wen YHWH erwählt (hat), und wer ihm daher im Kult nahen darf (*16,5–7): Am Folgetag ()ממחרת murrt die ganze Versammlung der Israeliten gegen Mose und Aaron ()לון על: „ אתם המתם את־עם יהוהIhr habt das Volk YHWHs getötet!“ (17,6).99 Angesichts dieser Versammlung gegen Mose und Aaron ( קהל עלniph.) wenden sie, wohl Mose und Aaron allein,100 sich zum Zelt der Begegnung, die Wolke bedeckt es, und die Herrlichkeit YHWHs erscheint (17,7). Mose und Aaron kommen zum Zelt der Begegnung (17,8), YHWH fordert Mose (und implizit Aaron)101 auf, sich von der Versammlung zu entfernen, damit er sie in einem Augenblick vernichten kann (17,9.10a). Wie in vergleichbaren Fällen erfolgt eine Interzession, hier nicht in Form einer Fürbitte, sondern durch das beherzte Eingreifen des Führungsduos, wodurch die Plage aufgrund YHWHs Zorns gen mehrere Murrerzählungen vor, die sich wahlweise gegen Mose oder aber gegen Mose und Aaron wenden. 94 Vgl. KUENEN, Opstand, 145–148; WELLHAUSEN, Composition, 341; BAENTSCH, Exodus-Leviticus-Numeri, 540.550–553. Vgl. auch, jeweils etwas unterschiedlich, AURELIUS, Fürbitter, 198f. (nur 17,6–13); ARTUS, Études, 191–202 (nur *17,6–26 und mit kleinteiligerer Schichtung); SEEBASS, Numeri, 165–213 (mit der erstaunlichen literarhistorischen Vorordnung von *17,16–26; s.o. Anm. 34); SCHMIDT, Numeri, 60–76 (nur 17,6–13.27. 28b; vgl. DERS., Studien, 146–179); SAMUEL, Levi, 219–221.225–227 (nur 17,6–14a.15. 27f.); PYSCHNY, Führung, 223–266 (*17,1–15). 95 WELLHAUSEN, Prolegomena, 353 (s.o. mit Anm. 83). 96 WELLHAUSEN, Composition, 341. 97 WELLHAUSEN, Composition, 341. Vgl. KUENEN, Opstand, 145. 98 S.u. Kap. 8.3.3. 99 Ein Rückbezug auf 16,35 ist aufgrund der größeren Anzahl Toter wahrscheinlicher als ein Bezug nur auf 16,28–34 (gegen SAMUEL, Levi, 219); ein Bezug auf die Levitenthematik in Num 16 ist wegen des Volkes-Begriffs nicht plausibel. 100 S.o. Kap. 1.2.3. 101 S.o. Kap. 8.2. mit Anm. 25.
264 8. Num 16–17 – Aufbegehren gegen Moses Führerschaft und Aarons Priestertum zwar 14.700 Opfer fordert, die Versammlung aber letztlich gerettet wird (17,10b.11–13.14a.15): Mose weist Aaron an, das zu tun, was er schon den aufständischen Laien in *16,6f. aufgetragen hat, und was sie, mit letztlich verheerendem Ergebnis, in *16,18 ausgeführt haben: Er soll eine Räucherpfanne nehmen, darauf Feuer geben und Räucherwerk (darauf) legen (17,11). Die Gottesunmittelbarkeit dieses Räucheropfers („vor YHWH“ in der Anweisung an die Laien, „beim Eingang[sbereich] des Begegnungszeltes“ in der Opferprobe) wird hier gleich zweifach zum Ausdruck gebracht: Die Interzession Moses und Aarons fängt beim Begegnungszelt an und endet dort, und Aaron soll das Feuer „ מעל המזבחvom Altar“ nehmen. Dieses so angewiesene Räucheropfer hat die Funktion, für die Versammlung Sühne zu erwirken und so den Schaden durch die bereits eingesetzte Plage zu begrenzen (ויאמר משׁה אל־אהרן קח את־המחתה ותן־עליה אשׁ מעל המזבח ושׂים קטרת והולך מהרה אל־העדה וכפר ;עליהם כי־יצא הקצף מלפני יהוה החל הנגף17,11).102 Nach dem erfolgreichen Einschreiten Aarons wird in 17,16–26 in einem mittels ihrer Stammesoberhäupter das ganze Volk betreffenden Versuchsaufbau versucht, das die Plage aus 17,11–15 verursachende Murren des Volkes grundsätzlich zu beenden und so Leben zu ermöglichen (17,20b.25): Der zum Erweis der Erwählung (vgl. בחרin 17,20 und 16,5.7) über Nacht erblühte Stab Aarons als Vertreter Levis (17,18.23) wird – zusammen mit den weiteren, nicht erblühten Stäben – „allen Israeliten“ gezeigt (17,24) und „als Zeichen für die Widerspenstigen“ ( )לאות לבני־מריschließlich „ לפני העדותvor dem Zeugnis“ deponiert (17,25f.).103 Der Angstschrei der Israeliten in 17,27f. folgte weder ursprünglich auf 16,35, noch auf 17,15, denn in beiden Fällen ist die Strafe der Übeltäter bzw. die Plage bereits beendet. Vielmehr ziehen die Israeliten hier die korrekten, wenn auch überspitzt formulierten, Schlüsse aus der durch *16,5–7 eingeleiteten Opferprobe: Wer sich dem Heiligtum naht,
102
Die kleinteilige(re) Schichtung innerhalb von 17,6–15 etwa bei ACHENBACH, Vollendung, 39f.63f.81f.124–126; BERNER, Aufstand, 27–31; DERS., Laien, 5–8; GERMANY, Narrative, 228.233–235 (hier wird erstaunlicherweise 17,6–15 für jünger als die KorachBearbeitung erachtet) erscheint weder vom Textbefund geboten (so sind etwa bei den unterschiedlichen Lexemen [derselben Wurzel!] sowie Belegen der Plage [ נגףund ]מגפהdie unterschiedlichen Funktionen, Zeitstufen und Kommunikationsebenen zu beachten!), noch vom Ergebnis überzeugend (was rechtfertigt etwa YHWHs Zorn in *17,11–13, wenn das Murren des Volkes später sei, die Übeltäter aus Num 16 aber bereits sämtlich bestraft sind?). Vgl. auch die Einschätzung bei PYSCHNY, Führung, 247–250. 103 Auch hier erscheint die kleinteilige(re) Schichtung innerhalb von 17,16–26.27f. etwa bei BERNER, Laien, 8–12; GERMANY, Narrative, 229f.233–235 (hier wird erstaunlicherweise auch 17,16–28 für jünger als die Korach-Bearbeitung erachtet) weder vom Textbefund geboten, noch vom Ergebnis überzeugend. Vgl. auch die Einschätzung bei PYSCHNY, Führung, 260–262.
8.3. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 16–17
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ohne dafür autorisiert zu sein, ohne von YHWH erwählt zu sein, geht in der Tat zugrunde, wie der Tod der 250 Laien gezeigt hat.104 Der in *16,5–7 angekündigte Erweis, wen YHWH erwählt (hat), erfolgt nach dem masoretischen Text „ בקרam Morgen“. Wenn auch der Text an dieser Stelle mehrere Unklarheiten enthält,105 so erweist sich 17,6–28 deutlich als Erfüllung von *16,5–7: Am nächsten Tag, vielleicht am nächsten Morgen, entzündet sich mit dem Murren des ganzen Volkes der Anlass für Aarons zweifache Bestätigung und die Einsicht des Volkes. 16,(*2.)3f.5(ohne [)אל־קרח ואל־כל־עדתו ]לאמר.6abα.7a(ohne )מחר.18(ohne )ומשׁה ואהרן.35; 17,6–13.14a.15–28 haben sich als kohärenten Erzählzug erwiesen, der gleich als doppelte Murrerzählung bezeichnet werden kann: Die Versammlung gegen Mose und Aaron durch die 250 Laien in 16,3 (קהל על niph.) mit der Frage nach der Heiligkeit der Versammlung ( כל־העדהund קהל )יהוהhat nach der Bestrafung der 250 Männer die Versammlung gegen Mose und Aaron ( קהל עלniph.) durch die Versammlung ( )עדהder Israeliten insgesamt zur Folge (17,7), die über den Tod der 250 Männer gegen Mose und Aaron murren ( ;לון על17,6). Während die Opferprobe negativ erweist, wer von YHWH nicht erwählt ist, erweist erst der Umgang Moses und Aarons mit dem Murren der Israeliten positiv, wer von YHWH erwählt ist und sich YHWH erfolgreich kultisch nähern kann. In den beiden YHWH-Reden in 17,16–20 und 17,25 zeigt der Wechsel beim Objekt des Murrens (Mose und Aaron in 17,20, YHWH in 17,25), dass das Murren gegen das Führungsduo (vgl. 17,6) als Murren gegen den sie legitimierenden YHWH verstanden wird. Die Murrenden werden von YHWH dabei syn- wie diachron erstmals innerhalb der Murrerzählungen auch als „Widerspenstige“ ( )בני־מריbezeichnet (17,25). Mehr noch als beim Erzählzug von Datan und Abiram fehlt auch beim Erzählzug vom Aufstand der 250 Laien und dem Murren des Volkes eine klar erkennbare Einbindung in den literarischen Kontext des Numeribuches, da erstens 16,2 bzw. 16,1f. für die Rekonstruktion ausscheiden müssen,106 der Erzählzug zweitens nicht verortet ist und sich drittens nicht ohne weiteres als (literarische) Fortsetzung von Num 13f. plausibel machen lässt. Der Erzählzug vom Aufstand der 250 Laien und dem Murren des Volkes ist daher als priesterliches Erzählfragment zu bewerten, das erst redaktionell mit dem Erzählzug von Datan und Abiram verbunden wurde und erst so Eingang in den
104
Vgl. WENHAM, Aaron’s Rod; SEEBASS, Numeri, 172f.178.187.208f. Vgl. auch BLUM, Studien, 269 („die Israeliten … formulieren ihre Einsicht in die Unnahbarkeit des Heiligen für sie selbst“) und dessen Aufnahme bei PYSCHNY, Führung, 265, die jedoch 17,16–28 für jünger als den Erzählzug der 250 Laien halten. 105 S.o. Anm. 87. 106 S.o. Kap. 8.1.
266 8. Num 16–17 – Aufbegehren gegen Moses Führerschaft und Aarons Priestertum literarischen Kontext des Numeribuches fand.107 Die im Rahmen eines Fragmentenmodells theoretisch mögliche Frühdatierung dieses Erzählfragmentes (zumindest im Verhältnis zum Erzählzug von Datan und Abiram) ist aus unterschiedlichen Gründen wenig wahrscheinlich: Die Betonung des Räucheropfers und das in zwölf Stämme gegliederte Israel, das von Fürsten vertreten wird (vgl. נשׂיאin 16,2; 17,17.21ter; vgl. bes. 1,16), die die Erhebung (vgl. נשׂאhitp. in 16,3) Moses und Aarons kritisieren, weisen auf jeden Fall in nach-priesterschriftliche Zeit:108 Der Erzählzug der 250 Laien setzt die in Num *1–4 entfaltete Gliederung Israels nach den zwölf Stämmen voraus,109 weist in 17,16–28 indes eine eigenwillige Sonderform auf, insofern Levi (so nicht von dreizehn Stäben auszugehen ist) in die Zählung miteingeschlossen wird.110 Die hier belegte Sonderform lässt sich freilich aus dem Erzählkontext heraus gut begründen, geht es hier doch um die Gegenüberstellung des durch Aaron repräsentierten Stammes Levi gegenüber allen anderen Stämmen, die mittels der Stäbe veranschaulicht wird. Diese Sonderstellung Levis geht der (deuteronomistischen) Erwählung Levis in Dtn 18,5 durchaus parallel (mit „ בחרerwählen“ wie in Num 16,5.7; 17,20; vgl. noch Dtn 21,5 sowie mit anderer Terminologie 10,8f.). Die Regelung für die Leviten bzw. für die levitischen Priester in Dtn *18,1–8, die „YHWH, dein Gott, erwählt hat aus allen deinen Stämmen, um zu stehen und zu dienen im Namen YHWHs“ (כי בו בחר יהוה אלהיך מכל־ ;שׁבטיך לעמד לשׁרת בשׁם־יהוה18,5), dürfte eine Num 16f. vergleichbare Redaktionsgeschichte durchlaufen haben, insofern aus der (bereits redaktionell gewachsenen) Erwählung Levis bzw. der levitischen Priester (Dtn 18,1f.4–8) durch Einschaltung von 18,3 die Erwählung des Priesters wurde.111 Dem korrespondiert die Scheidung innerhalb der Leviten zwischen Aaroniden und Nicht-Aaroniden, die die folgende Korach-Bearbeitung einführte.112 Hinsichtlich der Räucheropferprobe lässt sich auf den „Aufschwung der Räucherpraxis“ „[i]nsbesondere in der Perserzeit“ verweisen, der „möglicherweise zuvorderst den neu auflebenden und intensivierten Handelsbeziehungen zum arabischen Weihrauch- und Gewürzhandel zu verdanken ist.“113 Wenn auch die alttestamentlichen Räucherpfannen ( )מחתותnicht klar mit den materiellen Hinterlassenschaften des antiken Israel geglichen werden kön107
Vgl. die in Anm. 36 genannten Arbeiten, zuletzt bes. PYSCHNY, Führung, 278–280 („eine ursprünglich selbstständige Erzählung bzw. ein unabhängiger Erzählkranz“; aaO., 280). 108 Vgl. PYSCHNY, Führung, 278–280.291–316.318–321. 109 Zur Redaktionsgeschichte von Num 1–4 s.u. Kap. 8.3.3. mit Anm. 137. 110 Vgl. SAMUEL, Levi, 220: „Im Unterschied zu Num 1–10 denkt die Episode offenbar an ein Zwölfersystem, welches Levi einschließt und Joseph als einen Stamm zählt.“ 111 Vgl. SAMUEL, Levi, 108–124 und knapp ACHENBACH, Vollendung, 68.126. 112 S.u. Kap. 8.3.3. 113 PYSCHNY, Führung, 293; vgl. aaO., 291–302.
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nen,114 weisen doch auch die textlichen Parallelen in nach-priesterschriftliche Kontexte und teilen mit Num 16f. das Interesse einer Konzentration auf das (immer weiter ausdifferenzierte) Kultpersonal: So ist es in Lev 16,12f. Aaron, der im Heiligtum Räucherwerk darbringt, und in Lev 10,1f. sind es die zwei Aaronsöhne Nadab und Abihu, die vor YHWH ein unerlaubtes, da nicht aufgetragenes Räucheropfer darbringen, und die das gleiche Schicksal wie die 250 Laien in Num 16 ereilt. Nur Aaron nimmt in Lev 16,12 und Num 17,11 das Feuer vom Altar; Nadab und Abihu sowie die 250 Laien in Lev 10,1f. bzw. Num 16,6f.17.18 nehmen das Feuer aus einer nicht genannten Quelle115 – und werden daraufhin von einem Feuer von YHWH verzehrt (Lev 10,2; Num 16,35). Auch der mit Gold überzogene Räucheraltar aus Ex 30,1–10; 37,25–28 (vgl. noch 30,27; 31,8; 35,15; 39,38; 40,5.26f.), der im Heiligtum steht und so schon optisch von der ganzen Versammlung der Israeliten separiert ist, dient lediglich Aaron bzw. dem Hohepriester zum Räucheropfer – und zwar nach klaren Vorgaben hinsichtlich des Räucherwerkes (30,34–38). Keiner dieser Vergleichstexte kann der Priesterschrift zugewiesen werden: 1.) Der Räucheraltar stellt, zusammen mit Ex 30f. insgesamt, einen Nachtrag dar zu den priester(schrift)lichen Anweisungen zum Heiligtumsbau Ex *25–29, die mit 29,45f. an ihr Ziel und Ende kommen. Nach der Errichtung des Altars ( )המזבחin 27,1–8 kommt dieser neue Altar in jeglicher Hinsicht zu spät,116 was sich bekanntlich in der (ohnehin komplexen) Textgeschichte der priesterlichen Sinaiperikope niedergeschlagen hat: Der Samaritanus und 4QpaleoExm lesen 30,1–10 zwischen 26,35 und 26,36f., die Septuaginta und der Monacensis lesen verschiedene Belege des masoretischen Textes für den Räucheraltar nicht.117 2.) Lev 10 erweist sich schon durch seine narrative Gestaltung als Fremdkörper innerhalb des Leviticusbuches und wird in jüngerer Zeit zu Recht als einer der spätesten Texte des Pentateuch angesehen.118 3.) Schließ114
Vgl. PYSCHNY, Führung, 294–300. Zu beachten ist, dass das „fremde Feuer(opfer, das er ihnen nicht geboten hatte)“ (אשׁ [ )זרה ]אשׁר לא צוה אתםin Lev 10,1b nicht auf die Herkunft des Feuers abzielt, sondern auf die Darbringung(sweise) bzw. die Darbringenden (vgl. auch Num 26,61). Die Herkunft des Feuers wird in Lev 10,1a nicht weiter bestimmt, genauso wenig wie in Num 16,6f.17.18; es wird jeweils schlicht festgehalten, dass die Handelnden Feuer in die Räucherpfannen gaben. Die weitreichenden literarhistorischen und religionsgeschichtlichen Überlegungen bei ACHENBACH, Vollendung, 95–101 erübrigen sich damit. Vgl. auch RÖHRIG, Auslegung, 212. 116 Vgl. schon WELLHAUSEN, Composition, 137–141 und etwa NOTH, Exodus, 191– 193; NIHAN, Torah, 31–33. 117 Vgl. BOGAERT, Construction; NIHAN, Torah, 31–33. 118 Vgl. ACHENBACH, Vollendung, 93–110; NIHAN, Torah, 576–607; DERS., Narrative, 222–236; FREVEL, Moses; RÖHRIG, Auslegung, 147–220. Die Frage der literarhistorischen Verhältnisbestimmung wird kontrovers diskutiert. Zuletzt hat RÖHRIG, aaO., 203–219 gegen eine Mehrheit Lev 10 als Vorlage für den Erzählzug der 250 Laien in Num 16f. bestimmt und zumindest die gängigen Argumente für eine literarhistorische Nachordnung 115
268 8. Num 16–17 – Aufbegehren gegen Moses Führerschaft und Aarons Priestertum lich kann Lev *16 nur dann der Priesterschrift zugewiesen werden, wenn ihr auch zumindest Teile von Lev *8f. angehört haben, wogegen es jedoch überzeugende Argumente gibt.119 Die Bezugs- wie Paralleltexte des Erzählzugs vom Aufstand der 250 Laien und dem Murren des Volkes weisen ihn damit in die fortgeschrittene Perserzeit. 8.3.3. Der Aufstand der Leviten gegen die Aaroniden: Korach versus Aaron Die dritte Schicht von Num 16f. lässt sich nach den bisherigen Abgrenzungen vergleichsweise einfach konturieren. Ihr spezifisches Interesse geht aus der zweiten Mose-Rede 16,8–11 hervor: Die Leviten, angeführt von Korach, verlangen nach dem Priesteramt und versammeln sich daher, in der Wiedergabe Moses, gegen YHWH ( יעד עלniph.) und murren gegen Aaron ( ;לון על16,11). Während Korach und die Leviten hier syntaktisch einwandfrei eingebunden sind, sind die weiteren Verweise auf Korach und die Leviten-Aaroniden-Problematik in Num 16f. den jeweiligen Kontexten nachträglich hinzugefügt worden und dienen der Verbindung der beiden ehedem eigenständigen Erzählzüge von Datan und Abiram einerseits und vom Aufstand der 250 Laien und dem Murren des Volkes andererseits. Korach und seine Versammlung ereilt damit das gleiche Schicksal wie Datan und Abiram bzw. die 250 Laien (zumindest bezüglich des Dass der Bestrafung), womit auch das Anliegen der Leviten deutlich zurückgewiesen wird. In 16,1f. „werden sämtliche drei Versionen zusammengeworfen“,120 „um alle Empörer gleich zu Anfang namhaft zu machen“.121 Korach steht dabei an von Lev 10 zu Recht in Frage gestellt. Zu beachten ist freilich, dass beide Texte unterschiedliche Fragen thematisieren und somit eine je eigene Erzählpragmatik aufweisen: In Num 16f. geht es um die Laienproblematik, in Lev 10 um eine spezifische Verfehlung von Aaroniden. Weder das eine noch das andere lässt sich damit ohne weiteres als älter bzw. jünger bezeichnen, da beide Fragen der jeweiligen Erzählsituation geschuldet sind: In Lev 10 sind nach Lev 8f. folgerichtig ausschließlich die Aaroniden im Blick, in der Wüstenerzählung Num 16f. ist die Personenzahl wie in den weiteren Murr- oder Wüstenerzählungen deutlich größer. Lev 10 zeigt nach Lev 8f. die Herausforderungen und Gefährlichkeit des Kultes für die Priester auf, Num 16f. die Leben spendende Wirksamkeit des rite vollzogenen Kultes angesichts von Infragestellungen dieses geregelten Kultes. Versagen damit die gängigen Argumente für eine relativ-chronologische Auswertung, ist, gerade auch angesichts der Einschätzung des Erzählzugs der 250 Laien als priesterliches Erzählfragment, mit der Möglichkeit von im Wesentlichen gleichursprünglicher Entstehung beider Texte bei den gleichen Trägerkreisen zu rechnen, die in den unterschiedlichen Texten Unterschiedliches bezweckten. Hinsichtlich der späteren Korach-Bearbeitung (s.u. Kap. 8.3.3.) hat FRANKEL, Studies, 254 (mit anderem literarhistorischen Koordinatensystem [s.o. Anm. 36] und anderer Deutung des „fremden Feuers“) erwogen, die Nicht-Nennung des Feuers in 16,16f. im Unterschied zu 16,6f.18 (s.o. Anm. 18) könnte einen Reflex auf die nun vorausgesetzte Erzählung Lev 10,1–5 darstellen. 119 Vgl. zuletzt die Diskussion bei RÖHRIG, Auslegung. 120 WELLHAUSEN, Composition, 105.
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erster Stelle und wird hier wie im weiteren Verlauf als Hauptgegner Moses (und Aarons) dargestellt. Was von 16,1f. auf die Korach-Bearbeitung zurückgeht, was allenfalls bereits älter ist, und was allenfalls auf die (fehlerhafte) Textüberlieferung zurückzuführen ist, muss angesichts der auch textgeschichtlichen Problematik dieser zwei Verse offen bleiben.122 Nach den Ergänzungen innerhalb der ersten Mose-Rede, 16,5a(nur אל־קרח [)ואל־כל־עדתו ]לאמר.6bβ.7a(nur )מחר.7b, sowie 16,8–11 geraten die auf den Folgetag verwiesenen 250 unter der Hand zu Leviten gewordenen Laien mitsamt ihrem (neuen) Anführer Korach nun aus dem Blick: Auf die beiden Mosereden folgt der erste Teil des Erzählzugs von Datan und Abiram, 16,12– 15. Auch diese Begegnung endet im Konflikt, und so stehen im Folgenden gleich zwei Problemlösungen an. 16,16f. erinnert nach 16,12–15 mit etwas anderer Diktion an Moses Auftrag aus 16,6f.,123 bindet nun aber Korach und die 250 Männer explizit aneinander und leitet zur Opferprobe in 16,18 aus dem Erzählzug der 250 Laien über. Als alleiniger (menschlicher) Opponent Korachs und seiner Versammlung wird wie in 16,8–11 Aaron explizit hervorgehoben (16,16b.17aβb); in der Leviten-Aaroniden-Problematik ist Mose nur Vermittler. Die Konfliktlage spitzt sich in 16,18–21 deutlich zu: Nicht wie zweifach aufgefordert am Folgetag, sondern sogleich nehmen sich die Aufständischen Räucherpfannen und erscheinen am Zelt der Begegnung (16,18). Mehr noch: Korach versammelt die ganze Versammlung ( )כל־העדהgegen Mose und Aaron ( קהל עלhiph.), will also wohl ganz Israel als Zeugen der Räucheropferprobe und so als Opponenten Moses und Aarons (16,19a).124 Als Reaktion auf diesen nun gesamtisraelitischen Konflikt erscheint die Herr121
FRITZ, Israel, 25. S.o. Kap. 8.1. 123 S.o. Anm. 18.118. 124 16,19aα lautet „ ויקהל עליהם קרח את־כל־העדהUnd Korach versammelte gegen sie die ganze Versammlung“. Die Referenz von „ עדהVersammlung“ ist in Num 16f. mehrdeutig (vgl. PYSCHNY, Führung, 90f.94f.). Wo die Gefolgsleute Korachs im Blick sind, sind diese mit Possessivsuffix („seine / deine Versammlung“) direkt mit ihm verknüpft (vgl. 16,5.6. 11.16; 17,5). Alle anderen Belege von „ עדהVersammlung“ beziehen sich auf die Israeliten insgesamt. In 16,19 ist „die ganze Versammlung“ Objekt des Versammelns Korachs gegen Mose und Aaron, womit auch Korachs (engere) Gefolgsleute miteingeschlossen sind. Die Septuaginta liest hier dagegen nur von Korachs Gefolgsleuten: καὶ ἐπισυνέστησεν ἐπ᾽ αὐτοὺς Κόρε τὴν πᾶσαν αὐτοῦ συναγωγὴν … „Und Korach versammelte bei ihnen/gegen sie seine ganze Versammlung…“ Dieser Übersetzung folgen (explizit oder implizit) etwa COATS, Rebellion, 159.171; FRITZ, Israel, 25; ACHENBACH, Vollendung, 61f.; SAMUEL, Levi, 218. Vgl. dagegen auch etwa AURELIUS, Fürbitter, 200. Die Septuaginta weist hier indes eine andere Deutung des Verfehlens Korachs auf: Während der masoretische Text auch die Opponenten Moses und Aarons am Zelt der Begegnung verortet (16,18), verortet die Septuaginta dort nur Mose und Aaron (s.o. Anm. 90). Das Hinzutreten von Korach und seiner Versammlung zum Zelt des Zeugnisses in 16,19 erscheint so als weitere kultische Grenzüberschreitung; vgl. RÖSEL, Septuaginta, 34. 122
270 8. Num 16–17 – Aufbegehren gegen Moses Führerschaft und Aarons Priestertum lichkeit YHWHs der ganzen Versammlung, und YHWH spricht zu Mose und Aaron (16,19b.20): Sie sollen sich von dieser Versammlung separieren, damit er sie in einem Augenblick vernichten kann (16,21). Vorbild dieser Theophanie, der YHWH-Rede und der sich daran anschließenden Fürbitte Moses und Aarons in 16,22 ist *17,6–15, wo „die ganze Versammlung der Israeliten“ von Anfang an als Subjekt des Murrens gegen Mose und Aaron agiert und nicht erst von Korach gegen Mose und Aaron versammelt werden muss, dann aber gänzlich inaktiv bleibt. Das bereits beim synchronen Textdurchgang kommentierte unterschiedliche Lexem für die Separierung ( בדלniph. in 16,21; רמםniph. in 17,10a)125 könnte hier bewusst gewählt sein, insofern bereits in 16,9 die Separierung des Personenkreises, der YHWH nahen darf, die Leviten, mit בדלhiph. bezeichnet wurde.126 In ihrer Fürbitte in 16,22 sprechen Mose und Aaron YHWH als „ אל אלהי הרוחת לכל־בשׂרGott, Gott der Geister allen Fleisches“ an,127 argumentieren mithin von Anfang an schöpfungstheologisch: Will YHWH tatsächlich wegen des Fehlverhaltens eines Menschen der ganzen Versammlung zürnen?128 Die 250 zu Leviten gewordenen Laien werden damit ebenso wie Datan und Abiram sowie sämtliche Israeliten, die nicht an dem Aufstand teilhatten, Korach unterstellt.129 Korach allein, mit dem Num 16f. einsetzt, wird als Sünder hervorgehoben.130 Die unterschiedlichen Streitpunkte – die verweigerte Landnahme und Infragestellung von Moses Integrität, die Forderung des Kultzugangs auch für Laien aufgrund der Heiligkeit der ganzen Versammlung, die Forderung des Priesteramtes auch für Leviten – treten völlig in den Hintergrund angesichts der Sünde des einen Menschen und des umfassenden Vernichtungswilllens YHWHs. YHWHs Antwort auf die Fürbitte Moses und Aarons ist die aus dem Erzählzug von Datan und Abiram bekannte: Die Separierung der Versammlung von „diesen frevlerischen Männern“ (16,26), die nun in 16,24.27 um Korach ergänzt werden. Die Frevler werden in zwei Etappen bestraft: Datan und Abiram, ergänzt um den Anhang Korachs (16,32b), werden vom Erdboden verschluckt (16,27b–34), die 250 levitisierten Laien vom Feuer YHWHs gefressen (16,35). Das Schicksal Korachs wird nicht explizit mitgeteilt.131 125
S.o. Kap. 8.2. Darüber hinaus ist בדלdeutlich öfter belegt als – רמםbezüglich der Aussonderung der Leviten in Dtn 10,8 und Num 8,14 (und vgl. 1Chr 23,13 zur Aussonderung Aarons und der Aaroniden); vgl. dazu SAMUEL, Levi, 17–29.193–202. 127 Vgl. noch Num 27,16 und s.u. Kap. 9.3. mit Anm. 98. 128 Auch YHWHs Zürnen ( )קצףist ein Hinweis auf Num *17,6–15 als Quelle; vgl. קצף „Zorn“ in 17,11 (sowie 18,5). 129 Vgl. AURELIUS, Fürbitter, 186: „[I]n Nu 16 bittet Mose überhaupt nicht für die Sünder, sondern für die Unschuldigen, daß sie nicht mit den Schuldigen bestraft werden sollen (16:22).“ 130 Vgl. AURELIUS, Fürbitter, 199–202. 131 S.o. Kap. 8.1. mit Anm. 4; Kap. 8.2. mit Anm. 19.21. 126
8.3. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 16–17
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In 17,14b hält die Korach-Bearbeitung sodann fest, dass die 14.700 an der Plage von 17,10–15 gestorbenen Israeliten die in Num 16 zu Tode gekommenen Aufrührer nicht beinhalten. Wenn dabei von „der Angelegenheit Korachs“ die Rede ist, werden auch hier die unterschiedlichen Auflehnungen aus Num 16 in eins gesetzt. Der Aufruhr Korachs und das Murren des Volkes aufgrund der Bestrafung der Aufrührer werden also klar voneinander unterschieden. Während die beiden Episoden 17,6–15 und 17,16–28 als Erfüllung zu *16,5–7 zu verstehen sind und damit eine klare Funktion für den Erzählzug vom Aufstand der 250 Laien und dem Murren des Volkes haben, „räumt“ *17,1–5 „auf“: Was geschieht mit den Räucherpfannen der in 16,35 zu Tode gekommenen Israeliten? *17,1–5 weist mit dieser Frage deutlich über die Anliegen des Erzählzugs vom Aufstand der 250 Laien und dem Murren des Volkes hinaus, setzt ihn aber klar voraus und ist ihm damit literarhistorisch nachzuordnen. Die Frage der Heiligkeit des Volkes insgesamt und die Gegenüberstellung von Laien und Aaron als Vertreter Levis sind hier nicht im Blick. Vielmehr geht es hier mit dem Priester(sohn) Eleasar, Sohn Aarons,132 um das aaronidische Priesteramt (vgl. הכהןin 17,2.4), nach dem, in der Wiedergabe Moses, Korach und seine levitische Versammlung verlangt hat ( ;כהנה16,11). In *17,1–5 geht es damit auch um die Leviten-Aaroniden-Problematik, die Episode lässt sich daher auch der Korach-Bearbeitung zuweisen. Diese Einschätzung erhärtet sich durch folgende Beobachtung: Der aus den durch die Darbringung heilig gewordenen Räucherpfannen der Verbrannten hergestellte Altarüberzug soll als Erinnerungszeichen für die Israeliten dienen ( אותin 17,3; זכרוןin 17,5), damit kein „Unbefugter, der nicht von den Nachkommen Aarons ist“ ()אישׁ זר אשׁר לא מזרע אהרן הוא, zum Räuchern vor YHWH tritt. Als Unbefugter kann natürlich prinzipiell jeder Israelit gelten, „doch die ausdrückliche Erwähnung des ‚Samens Aarons‘ macht es doch wahrscheinlich, dass speziell die Leviten gemeint sind.“133 Wie im Falle der aus *17,6–15 nach 16,19–22 übernommenen Fürbitte, stammt auch das Motiv des Erinnerungszeichens aus dem Erzählzug vom Aufstand der 250 Laien und dem Murren des Volkes: 17,25 ()אות.
132 Während in 17,2 der Bezug von „ הכהןder Priester“ nicht eindeutig ist – Aaron oder Eleasar? –, kann in 17,4 nur Eleasar gemeint sein, zumindest im masoretischen Text. Die Septuaginta fügt in 17,4 Aaron dazu und bezieht הכהןhier lediglich auf ihn (Ἐλεαζὰρ υἱὸς Ἀαρὼν τοῦ ἱερέως; vgl. 3,32; 4,16), der Samaritanus liest wie 17,2 und ist damit ebenso deutungsoffen wie dort. Die griechische Lesart könnte eine Korrektur darstellen, da im Erzählablauf des Numeribuches Eleasar Aaron als Hohepriester noch nicht abgelöst hat (vgl. 20,22–29; vgl. aber bereits 19,3f.). 133 KUENEN, Opstand, 145 (Übers. W.B.). Vgl. WELLHAUSEN, Composition, 341 (s.o. Kap. 8.3.2. mit Anm. 97).
272 8. Num 16–17 – Aufbegehren gegen Moses Führerschaft und Aarons Priestertum *17,1–5 ist kaum literarisch einheitlich. Eine allzu kleinteilige Schichtung ist aber nicht geraten, wenn man erkennt, dass die Episode mehrfach bereits Genanntes im weiteren Fortgang detailliert:134 17,2aβ unterbricht den Zusammenhang zwischen der (über Mose zu vermittelnden) Aufforderung an Eleasar, die Räucherpfannen aufzusammeln, in 17,2aα und ihrer Begründung in 17,2b (sie sind heilig geworden), indem YHWH hier mitten im Auftrag an Eleasar unvermittelt Mose anweist, das Feuer zu verstreuen ()ואת־האשׁ זרה־הלאה. Der Einschub hat in der Ausführungsnotiz in 17,4f. bezeichnenderweise keine Entsprechung. 17,3 erscheint ebenso überladen, zwingt aber nicht zu literarkritischen Eingriffen: Zunächst werden die Räucherpfannen detailliert und ihre materiale Bestimmung mitgeteilt (17,3aα), sodann wird die Begründung aus 17,2b weiter detailliert und das Ziel der ganzen Handlung mitgeteilt (17,3aβb). 17,4f. berichtet von der korrekten Ausführung des in 17,2f. gegebenen Auftrages und detailliert in 17,5 die Zeichenfunktion aus 17,3b. Darin lässt sich der Hinweis auf Korach, 17,5bα, durchaus als genuiner Bestandteil dieser Detaillierung auffassen: Dem „Unbefugten, der nicht von den Nachkommen Aarons ist“, soll es nicht wie Korach und dessen Versammlung ergehen.135 Eleasar macht den Überzug ( )צפויfür den Altar aus den nun als bronzen ( )נחשׁתqualifizierten Räucherpfannen (17,4) in Analogie zum bronzenen Brandopferaltar aus Ex 27,2f.; 38,2f. ( צפהpi. „überziehen“). Die Analogie wurde in der griechischen Überlieferung noch weiter ausgemalt, insofern Bezalel anachronistisch den „bronzenen Brandopferaltar aus den bronzenen Räucherpfannen anfertigte, die den Männern gehörten, die mit der Versammlung Korachs aufbegehrten“ (οὗτος ἐποίησεν τὸ θυσιαστήριον τὸ χαλκοῦν ἐκ τῶν πυρείων τῶν χαλκῶν, ἃ ἦσαν τοῖς ἀνδράσιν τοῖς καταστασιάσασι μετὰ τῆς Κόρε συναγωγῆς; Ex 38,22LXX). Der Korach-Bearbeitung können damit folgende Texte zugewiesen werden: Num 16,(*1f.)5a(nur [)אל־קרח ואל־כל־עדתו ]לאמר.6bβ.7a(nur )מחר.7b.8– 11.16f.18(nur )ומשׁה ואהרן.19–22.24(nur )קרח.27(nur )קרח.32b; 17,1.2aαb.3– 5.14b. Als Bearbeitungsschicht zweier voraufgehender, ihrerseits jeweils nachpriesterschriftlicher Erzählungen ist die Korach-Bearbeitung der fortgeschrit134
Etwa gegen SCHMIDT, Studien, 146–148.178f.; DERS., Numeri, 73; BERNER, Laien, 13–16. 135 Damit entgeht man auch den Problemen, entweder 17,5bα etwas unglücklich als Korach-Zusatz in der Korach-Bearbeitung interpretieren zu müssen (so etwa SCHMIDT, Studien, 146–148.178f.; DERS., Numeri, 73), oder *17,1–5 wegen 17,5bα der Korach-Bearbeitung literarhistorisch vorangehen lassen und dafür eine unnatürliche Fortsetzung des Laienstranges aus Num 16 (so PYSCHNY, Führung, 235–239) bzw. eine weitere, relativ isolierte Eleasar-Schicht als jüngere Fortschreibung des Laienstranges (so BERNER, Laien, 13–16; GERMANY, Narrative, 227f.; in Berners Rekonstruktion wird Eleasar ursprünglich nicht einmal eingeführt) postulieren zu müssen.
8.3. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 16–17
273
tenen Perserzeit zuzuweisen.136 Dies lässt sich durch weitere Beobachtungen erhärten: Die in der Mose-Rede 16,8–11 vorausgesetzte Sonderstellung der Leviten innerhalb Israels wird in *3,14–39; 4,1–3.22f.29f.34–49 mit ihrer doppelten Zählung (mit unterschiedlicher Funktion) und Beauftragung zum Dienst am Begegnungszelt begründet. Die klare Unterscheidung zwischen Leviten und Aaroniden und die Unterordnung Ersterer unter Letztere, um die es der Korach-Bearbeitung durch die Zurückweisung von Korachs Ansprüchen geht, wird (wohl in mehreren Etappen) insbesondere in 3,1–13.32.40– 51; *4,4–33; *8 sowie 18,1–7 nachträglich festgehalten.137 Die Redaktionsgeschichte von Num 16f. spiegelt sich so in der Redaktionsgeschichte von Num 1–10. Das Aufbegehren gegen die dort etablierte Ordnung endet im Tod, den die Ordnung gerade verhindern sollte: Der kultische Dienst der Leviten bzw. der priesterliche Dienst der Aaroniden soll verhindern, dass Unbefugte im Kult zu Tode kommen (vgl. 1,51; 3,10.38; 18,7 sowie 17,5; 18,4). Des Weiteren liegt die Nähe der Korach-Bearbeitung zur spät-priesterlichen, „vor-chronistischen“138 Leviten-Genealogie Ex 6,16–25 auf der Hand, die Korach als Cousin von Mose und Aaron präsentiert. Dass die genealogischen Notizen 6,13–30 nachträglich in den priesterschriftlichen Erzählzusammenhang 6,12 → 7,1 eingetragen wurden, ist aus mehreren Gründen offensichtlich: 6,13–30 unterbricht den Dialog zwischen YHWH und Mose in 6,10f.12 und *7,1–5 und führt Priestergestalten ein, die erst in den Büchern Leviticus und Numeri von Bedeutung sind. Des Weiteren sind die narrativen Rahmenverse 6,13.26–30 klar als Wiederaufnahme von 6,10f.12 erkennbar.139 Der weite literarische Horizont (Lev 10,1–5; Num 3f.; 16f.; 25; 26,11) und die Fokussierung der aaronidischen Linie im Unterschied zu den weiteren levitischen Linien, deuten darauf hin, dass die Leviticus- und Numeritexte hier bereits vorausgesetzt, die dort berichteten Zwischenfälle und Streitigkeiten bzw. deren Auflösung hier im Modus der Genealogie vorweggenommen werden.140 Trifft dies zu, ist Ex 6,13–30 bereits als Rezeption von u.a. Num 16f. anzusehen. Die in Ex 6,13– 30 angespielten Texte erweisen sich dadurch freilich nicht als „alt“, vielmehr wird hier ein später Überblick über späte Texte gegeben. „Die Familiengeschichte der Genesis, die mit dem Exodus zu einer Volksgeschichte geworden war, wird in den spätesten Zusätzen wieder fokussiert auf eine Familiengeschichte: auf Levi und seine als Kultpersonal beschäftigten Nachfahren.“141 Damit sprengt die Genealogie die Exodus-Landnahme-Thematik auf 136
Vgl. PYSCHNY, Führung, 318–323. Vgl. bes. die umsichtigen Analysen bei SAMUEL, Levi, 149–178.193–202.233–235. 242–245. 138 ACHENBACH, Vollendung, 115; vgl. aaO., 122: „aus der Epoche nach Esra und damit dem 4. Jh.“ 139 Vgl. etwa GERTZ, Tradition, 251f.; ACHENBACH, Vollendung, 110f.; SAMUEL, Levi, 263–270. 140 Vgl. SAMUEL, Levi, 269f. Auch ACHENBACH, Vollendung, 110–123 scheint dies so zu sehen, erkennt aaO., 40f. in Ex 6,14–27 jedoch eine Voraussetzung für die korachitische Genealogie in Num 16,1. Da die dramatis personae in Lev 10,1–5; Num 3f.; 16,1; 25,7 jeweils genealogisch eingeführt werden, sind die Texte auf Ex 6,13–30 auf jeden Fall nicht angewiesen. 141 SAMUEL, Levi, 269. 137
274 8. Num 16–17 – Aufbegehren gegen Moses Führerschaft und Aarons Priestertum und weist voraus auf den Kultvollzug am Jerusalemer Tempel.142 Ex 6,13–30 und die Korach-Bearbeitung weisen damit deutlich über die in ihnen erzählte Zeit hinaus.
8.4. Fazit 8.4. Fazit
Die Analyse von Num 16f. nahm ihren Ausgang bei folgender Doppelbeobachtung: 16,1f. führt mehrere Opponenten Moses (und Aarons) zusammen ein, ist aber textgeschichtlich und syntaktisch schwierig und daher als Ausgangsbasis für die Analyse wenig geeignet. Demgegenüber treten die in 16,1f. genannten Aufrührer im weiteren Verlauf der Erzählung meist unabhängig voneinander auf oder in solchen Zusammenhängen, die sich leicht – auch aus textgeschichtlichen Gründen – als sekundäre Verknüpfungen erklären lassen.143 Da die unterschiedlichen Aufrührer auch noch unterschiedliche Anliegen haben und diese unterschiedlich adressieren, konnte die vorliegende Analyse die bereits alte These bestätigen und präzisieren, dass Num 16f. aus drei unterschiedlichen literarischen Schichten zusammengesetzt ist: Der nicht-priesterliche Erzählzug von Datan und Abiram Num 16,12– 15.23.24(ohne )קרח.25f.27(ohne )קרח.28–31.32a.33f. hat sich als kohärente Murrerzählung erwiesen, in der Datan und Abiram die Führung Moses auf dem Weg ins Verheißene Land kritisieren und ihre Kritik mit dem Leben bezahlen. Die zumindest an ihrem Anfang wohl nicht vollständig überlieferte Erzählung dürfte ursprünglich eine Beispielerzählung für die verweigerte Landnahme einzelner Israeliten im Anschluss an die Kundschaftererzählung Num 13f. darstellen. Die Erzählung geht ganz im Exodus-Landnahme-Kontext auf und ist aufgrund der in ihr vorausgesetzten Texte und Traditionen (nebst Num 13f. das deuteronomistische Prophetengesetz Dtn *18,9–22 und die Rede vom „Land, das von Milch und Honig [über]fließt“ [ארץ זבת חלב )]ודבשׁals nach-priesterschriftlich einzuordnen. Strukturell parallel zu diesem Erzählzug berichtet auch der priesterliche Erzählzug vom Aufstand der 250 Laien und dem Murren des Volkes in seinem ersten Teil von einer Auflehnung einzelner im Volk gegen Mose und (hier auch) Aaron und ihrer anschließenden Bestrafung. Die Bestrafung der 250 Laien setzt sodann den Aufstand des Volkes insgesamt aus sich heraus. Erst nach dem Murren des Volkes, der Reaktion YHWHs (Strafe), Moses und Aarons (kultische Interzession) darauf und nach der augenscheinlichen und merkwürdigen Erwählung Aarons kommt die Erzählung und kommen mit ihr die Israeliten zur Erkenntnis, wer YHWH kultisch nahen darf, ohne dadurch sein Leben zu verlieren. Der Erzählzug vom Aufstand der 250 Laien und dem 142 143
8.1.
Vgl. ACHENBACH, Vollendung, 122. Zu dem ausschließlich in 16,1 genannten „ און בן־פלתOn, Sohn von Pelet“ s.o. Kap.
8.4. Fazit
275
Murren des Volkes umfasst damit Num 16,(*2.)3f.5(ohne אל־קרח ואל־כל־עדתו [)]לאמר.6abα.7a(ohne )מחר.18(ohne )ומשׁה ואהרן.35; 17,6–13.14a.15–28. Die Zahl der 250 Laien ist ausweislich von 16,35 konstitutiv für diese Schicht, ihre Titulatur als Fürsten der Versammlung ebenso. Entsprechend dürfte *16,2aβb im Wesentlichen diesem Erzählzug zuzuweisen sein. Die textgeschichtliche und syntaktische Problematik von 16,1f. und der unklare syntaktische Übergang von 16,2 zu 16,3 lassen hier aber eine genaue Rekonstruktion nicht mehr zu.
Diese doppelte Murrerzählung ist als (spät-)priesterliches Erzählfragment zu bezeichnen, da es unabhängig vom nicht-priesterlichen Erzählzug von Datan und Abiram und weitestgehend unabhängig vom Exodus-Landnahme-Erzählkontext insgesamt ist;144 es stellt damit weder Teil einer Quelle, noch Fortschreibung des Erzählzugs von Datan und Abiram dar.145 Das Thema des Räucheropfers (vgl. bes. Lev 10,1–5; 16,12f.) und die Vorstellung des in zwölf Stämme gegliederten Israel mit der Sonderstellung Levis (vgl. bes. Num *3,14–39; 4,1–3.22f.29f.34–49 sowie Dtn *18,1–8) weisen deutlich in nach-priesterschriftliche Zeit: Die Erzählung weist in ihrer Zurückweisung des Anspruchs der Laien auf Kultpartizipation ein überhöhtes Heiligkeitsverständnis des Volkes zurück, das sich in Num 16,3 auf eine enggeführte priester(schrift)liche Präsenztheologie (vgl. als Bezugspunkt Ex 29,43–46) und deuteronomistische und spät-priesterliche Heiligkeitstheologie (vgl. als Bezugspunkt Ex 19,5f.)146 beruft.147 Über diese intertextuellen Anknüpfungspunkte hinaus könnte die kultische Fokussierung auf Aaron und die Kritik am Räucherkult durch Laien (vgl. auch Ez 8,7–13)148 auch textextern motiviert sein und entsprechenden Praktiken am nachexilischen (Tempel-)Kult wehren. Textexterne Interessen dürften auch hinter der dritten Textschicht stehen, auch wenn sie nur in Texten greifbar sind:149 Num 16,(*1f.)5a(nur אל־קרח ואל־ 144 Dies ist das relative Recht von Überlegungen, den Erzählzug der 250 Laien mit Lev 9, Lev 10 oder Lev 16 in Verbindung zu bringen; vgl. etwa die Überlegungen bei ACHENBACH, Vollendung, 63–65. 145 Hauptargument gegenüber den derzeit immer beliebteren reinen Fortschreibungsmodellen innerhalb von Num 16f. war, dass die handelnden Subjekte in 16,18 (gemeint sind die 250 Laien) nach 16,12–15 (genannt sind Datan und Abiram) verunklarend unbestimmt blieben; s.o. Kap. 8.3.2. mit Anm. 92. Erst die Korach-Bearbeitung hat beide Erzählstränge durch 16,16f. miteinander ausgeglichen. 146 Vgl. weiter Lev 19,2; 20,26; 22,32f.; Num 15,39f.; Dtn 7,6; 14,2.21; 26,19; 28,9. 147 Vgl. BLUM, Studien, 271; ARTUS, Études, 165.195.203.264–268.281f.; ACHENBACH, Vollendung, 54–66, bes. 55–58; PYSCHNY, Führung, 195.213f. sowie die kurze Bemerkung von FISHBANE, Interpretation, 122 Anm. 47. 148 Vgl. PYSCHNY, Führung, 209–211. 149 Vgl. dazu die Überlegungen bei SAMUEL, Levi, 406–408 und s.o. Kap. 8.3.2. mit Anm. 82f. zu der von J. Wellhausen beschriebenen Redaktionslogik und Motivation der priesterlichen Texte in Num 16f. ARTUS, Études, 251f. spricht bei der Korach-Bearbeitung von Aktualisierung.
276 8. Num 16–17 – Aufbegehren gegen Moses Führerschaft und Aarons Priestertum [)כל־עדתו ]לאמר.6bβ.7a(nur )מחר.7b.8–11.16f.18(nur )ומשׁה ואהרן.19–22.24(nur )קרח.27(nur )קרח.32b; 17,1.2aαb.3–5.14b stellt die Korach-Bearbeitung dar, die die beiden ehedem unabhängigen Erzählzüge von Datan und Abiram und vom Aufstand der 250 Laien und dem Murren des Volkes miteinander verknüpft.150 Num *16,1f. führt alle Aufrührer der Erzählung zusammen und stellt sie unter die Leitung des Leviten Korach.151 Während das Anliegen Datans und Abirams davon unberührt bleibt und sie erst in ihrer Bestrafung mit Korach (zumindest teilweise) verbunden werden, werden die 250 namhaften Laien unter der Hand zur levitischen Gefolgschaft Korachs; ihr Anliegen ist nicht mehr in erster Linie kultische Partizipation aufgrund der Heiligkeit der gesamten Versammlung, sondern – sehr viel hierarchischer gedacht – der Anspruch auf das Priesteramt für die Leviten insgesamt. Indem Korach und seine Versammlung nun ebenso zum Räucheropferordal bestellt werden, stirbt Korachs Versammlung den Tod der 250 räuchernden Männer. Ihr Anliegen wird damit ebenso klar zurückgewiesen, und die Zurückweisung im aaronidischen Kult ebenso bleibend erinnert (17,1–5). Die Beschränkung der Leviten auf niedere Dienste und die Bevorzugung des aaronidischen Priestertums wird parallel zu Num 16f. besonders auch in Num 3,1–13.32.40–51; *4,4–33; *8; 18,1–7 sowie auf je eigene Weise etwa in Dtn 18,3; Ez 44,6–16 festgehalten. Die Korach-Bearbeitung dürfte damit eine spät-priesterliche Reaktion auf Konflikte innerhalb der nachexilischen Tempelgemeinde darstellen, die im Einzelnen zu erhellen, die Partei ergreifenden Texte nicht ermöglichen.152 Deutlich ist in jedem Fall, dass in nochmals späteren Texten Korachs Söhne vom Schicksal ihres Vaters noch expliziter ausgenommen wurden, ja werden mussten angesichts der kaum rein fiktiven Präsenz korachitischer Tempelsänger und Torwächter am Heiligtum (vgl. Ex 6,24; Num 26,8–11.58; 1Chr 6,7– 13.16–23; 9,17–34; 26,1–19; 2Chr 20,19 sowie die Korach-Psalmen 42–49; 84f.; 87f.).153
150
Bei 17,2aβ handelt es sich um einen späteren Einschub (s.o. Kap. 8.3.3.). Welche Anteile von 16,1f. auf die Korach-Bearbeitung, auf den Erzählzug vom Aufstand der 250 Laien und dem Murren des Volkes, allenfalls sogar auf den Erzählzug von Datan und Abiram oder aber auf die Textüberlieferung zurückgehen, lässt sich aufgrund der textgeschichtlichen wie syntaktischen Problematik von 16,1f. (s.o. Kap. 8.1.) nicht mehr präzise benennen. 152 Zu Levi und den Leviten im Alten Testament vgl. bes. SAMUEL, Levi (so nach dem Untertitel der Studie), der bei der Übertragung redaktionsgeschichtlicher Thesen auf religionsgeschichtliche Entwicklungen ebenso zurückhaltend ist. 153 Vgl. etwa KISLEV, Sons und s.o. Anm. 17 zu Num 16,32b. 151
9. Num 20,1–13 – Erneutes Wasserwunder trotz der Verfehlung Moses und Aarons 9.1. Num 20,1–13 – Einführung 9.1. Num 20,1–13 – Einführung
Im vorliegenden Text des Numeribuches beginnt mit der Itinerarnotiz Num 20,1 eine neue Erzählung nach den legislativen Materialien in Num 18; 19, die sich mit 20,1–13 assoziativ wohl verknüpfen lassen, die aber anders als die voraufgehenden Murrerzählungen keine Voraussetzung für 20,1–13 darstellen. Lagern die Israeliten nach 12,16; 13,3.26 in der Wüste Paran, so kommen sie ( )בואin 20,1 in die Wüste Zin, vollziehen also den Weg der Kundschafter aus 13,21 in Teilen nach, und bleiben ( )ישׁבin Kadesch. Die Erzählung vom Wasserwunder in Kadesch kommt in 20,13 an ihr Ende. 20,14–21 sind zwar ebenso in Kadesch verortet, doch geht es hier nicht um Mose, Aaron und die ganze Versammlung der Israeliten mit ihrem Bedürfnis nach Wasser in der Wüste, sondern um die erfolglose Gesandtschaft Moses an den König der Edomiter im Zusammenhang der Wanderung ins Verheißene Land. Dagegen nimmt 20,22–29 den Erzählfaden aus 20,1–13 nahtlos (und explizit: 20,24) wieder auf, indem die ganze Versammlung der Israeliten von Kadesch aufbricht ( ;נסע20,22), und der in 20,12 verhängte Übergang der Leitungsfunktion zumindest für Aaron vollzogen wird. Der synchrone Vergleich der unterschiedlichen Murrerzählungen hat die Sonderstellung von Num 20,1–13 bereits aufgezeigt:1 Die erneute Erzählung eines Wasserwunders an den Wassern von Meriba (20,13) stimmt mit den vor-sinaitischen Murrerzählungen insofern überein, als das Klagen durch eine natürliche Notlage motiviert, das klagende Volk nicht (oder höchstens indirekt) bestraft, und die anfängliche Notlage durch das Engreifen YHWHs behoben wird. Mit den nach-sinaitischen Murrerzählungen stimmt 20,1–13 dagegen insofern überein, als die Geschehnisse an den Wassern von Meriba eine Sanktion nach sich ziehen – eine, die innerhalb der Murrerzählungen freilich ihresgleichen sucht: Bestraft werden hier die Anführer des Volkes: Mose und Aaron.2 1
S.o. Kap. 1.2.2. Angesichts der Unzweideutigkeit der Strafe Moses und Aarons – sie dürfen das Volk nicht ins Verheißene Land führen (20,12) – droht der Fokus auf die Sünde Moses und 2
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9. Num 20,1–13 – Erneutes Wasserwunder
Auch im Einzelnen ist 20,1–13 auf vor- wie nach-sinaitische Murrerzählungen bezogen. Als Erzählung eines Wasserwunders an den Wassern von Meriba scheint 20,1–13 die Wasserwundererzählung Ex 17,1–7, die in Massa und Meriba verortet wird (17,7), nachzubilden. Die Bestrafung Moses und Aarons, die darin besteht, dass sie das Volk nicht ins Verheißene Land hineinführen werden (Num 20,12), beruht dagegen auf der Kundschaftererzählung Num 13f., wo das Murren der Israeliten mit dem Aussterben der Exodusgeneration in der Wüste sanktioniert wird (vgl. bes. Num 14,26–35). Offen blieb bei dieser Sanktion die Frage, was aus der Führerschaft Moses und Aarons werden soll. Schließlich hat auch Num 16f. in mehrerlei Hinsicht Aufnahme in 20,1–13 gefunden, wie im Folgenden zu zeigen sein wird. Aufbau und Eigenart der Erzählung werden gerade bei einem Vergleich mit Ex 17,1–7 deutlich:3 1.) Exposition / Problemlage (Num 20,1.2a; Ex 17,1; vgl. Ex 15,22.23): In Rephidim „gab es kein Wasser zu trinken für das Volk“ (;ואין מים לשׁתת העם Ex 17,1b). In Kadesch in der Wüste Zin „gab es kein Wasser für die Versammlung“ ( ;ולא־היה מים לעדהNum 20,2a).4 Noch dazu verstarb dort Miriam (20,1b). 2.) Klage des Volkes und Reaktion Moses (Num 20,2b.3–5.6a; Ex 17,2–4; vgl. Ex 15,24.25a): In Ex 17,2f. wird das Streiten mit Mose ( ;ריב עם17,2a) und das Murren gegen Mose ( ;לון על17,3) auf zwei Redegänge verteilt, auf die Forderung nach Wasser (17,2a) und die Infragestellung eines in den Tod führenden Exodus (17,3). Mose reagiert jeweils unmittelbar (17,2b.4), wendet sich aber erst im zweiten Fall an YHWH. In Num 20,3–5 findet sich nur eine, dafür deutlich längere Rede des Volkes, das einen in den Tod führenden oder unvollständigen Exodus in Frage stellt, aber nicht explizit nach Wasser verlangt. Das Streiten mit Mose ( ;ריב עם20,3a) wird dabei vorbereitet durch die „Versammlung gegen“ Mose und Aaron ( קהל עלniph.; 20,2b). Mose geht sodann zusammen mit Aaron weg von der Versammlung ( )קהלzum Eingang des Begegnungszeltes; dort fallen sie auf ihr Angesicht. Im Unterschied zu Ex 17,2b.4 spricht Mose (oder sprechen Mose und Aaron) in Num 20,6a weder zum Volk, noch zu YHWH. 3a.) Problemlösung (Num 20,6b.7f.9–11; Ex 17,5f.; vgl. Ex 15,25a.27): In Ex 17,5.6a teilt YHWH Mose in einer direkten Rede die Anweisungen zum Aarons an der Intention der Erzählung vorbeizugehen. Die Leerstellen des Textes wurden in seiner Rezeptionsgeschichte bereits zur Genüge äußerst kreativ gefüllt (vgl. die Darstellung etwa bei MILGROM, Magic [=DERS., Numbers, 448–456] und die berechtigte Kritik an solchen Auffüllungen etwa bei PROPP, Rod). 3 In Klammern wird jeweils auch die Parallele zur ersten Wasserwundererzählung Ex 15,22–27 genannt. Zum Vergleich zwischen 15,22–27 und 17,1–7 hinsichtlich des Aufbaus s.o. Kap. 4.1. 4 In der Volkesrede steht der Wassermangel nochmals deutlicher in Parallele zum Bericht in Ex 17,1b: „ ומים אין לשׁתותUnd Wasser gibt es nicht zu trinken.“ (Num 20,5bβ).
9.2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 20,1–13
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Wasserwunder mit, denen Mose nach 17,6b Folge leistet. In Num 20,6b erscheint die Herrlichkeit YHWHs Mose und Aaron, in 20,7f. teilt YHWH Mose allein die Anweisungen (an Mose und Aaron) zum Wasserwunder mit, und in 20,9–11 vollziehen Mose und Aaron das Wasserwunder. Die jeweiligen Berichte der Ausführung des Wasserwunders unterscheiden sich in ihrer Ausführlichkeit also deutlich (Ex 17,6b / Num 20,9–11), und dies dürfte keinen Zufall darstellen, sondern bewusst „auf das spezifische Anliegen von Nu 20 hinführen“.5 3b.) Neuerliches Problem: Verurteilung der Anführer (Num 20,12; ohne Parallele): Auf das vollzogene Wasserwunder folgt in Num 20,12 eine direkte Rede YHWHs an Mose und Aaron, wonach sie bei ihrem Vollzug des Wasserwunders YHWH nicht (hinreichend) vertraut haben und daher die Israeliten nicht ins Verheißene Land führen werden. 4.) Ortsnamenätiologie (Num 20,13; Ex 17,7 [vgl. Ex 15,23b]): In Ex 17,7 wird der Ort des Wasserwunders bei Rephidim als Massa und Meriba gedeutet. Num 20,13 spricht von den „Wassern von Meriba“. Wie in Ex 17,7 (und bereits in 17,2b) wird auch in Num 20,13 das zuvor geschilderte Geschehen gedeutet und narrativ verschlimmert: Das Objekt des Streitens ( )ריב אתder Israeliten ist hier anders als in Ex 17,2; Num 20,3 nicht Mose, und wird anders als in Ex 17,7 nicht offen gelassen, sondern wird hier nun explizit als YHWH benannt. Im Samaritanischen Pentateuch (vgl. 4QNumb) wendet sich Mose daraufhin bittend an YHWH, doch wenigstens ins Verheißene Land hinübergehen und es sehen zu dürfen. YHWH verwehrt ihm dies, gestattet ihm nur die Aussicht vom Gipfel des Pisga. Der Samaritanische Pentateuch verwendet hierzu, syntaktisch an die Erzählweise von Num 20 angepasst, Dtn 3,24f.26b.27f. Gefolgt wird diese Texterweiterung durch die Übernahme von Dtn 2,2–6, wiederum syntaktisch angepasst, womit YHWHs Handlungsanweisung zu dem in Num 20,14–21 Berichteten auch im Numeribuch mitgeteilt wird. Bemerkenswert ist, dass der Zorn YHWHs über Mose wegen des Volkes aus Dtn 3,26a (vgl. Dtn 1,37; 4,21) in der samaritanischen Erweiterung von Num 20 keine Aufnahme findet. Die samaritanische Erweiterung unterscheidet damit – sachgemäß, wie sich zeigen wird – zwischen Moses Eigendarstellung der Ereignisse, die die Schuld des Volkes betont, und der Darstellung der Ereignisse in Num 20,1–13 (vgl. 20,24; 27,12–14; vgl. auch Dtn 32,48–52), die Moses und Aarons Eigenverantwortung betont.
9.2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 20,1–13 9.2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 20,1–13
Die gliedernde Nacherzählung hat nebst den Bezügen zu anderen Murrerzählungen besonders eine Auffälligkeit gezeigt, nämlich das klärungsbedürftige 5
BLUM, Studien, 275 Anm. 174. Vgl. KOHATA, Überlieferungsgeschichte, 13; SCHART, Mose, 104.109.111; ARTUS, Études, 233 mit Anm. 99.
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9. Num 20,1–13 – Erneutes Wasserwunder
Nebeneinander von Mose und Aaron:6 Zuweilen kommen sie zusammen vor, zuweilen begegnet aber nur einer von ihnen, nämlich Mose. Dass dabei ausgerechnet die Passagen, in denen nur Mose im Blick ist, auch noch Ex 17,1–7 am nächsten stehen, die anderen Passagen dort aber keine Entsprechung finden, hat im Laufe der Forschungsgeschichte7 zu unterschiedlichen redaktionsgeschichtlichen Modellen geführt, die entweder eine nachträgliche Angleichung einer (Mose-und-Aaron-)Grundschicht an Ex 17,1–78 oder eine nachträgliche Einfügung von Aaron in eine Ex 17,1–7 vergleichbare Grundschicht9 vertreten.10 Da allerdings die beschriebene Koinzidenz, dass die Ex
6 Weitere Auffälligkeiten nennt etwa FREVEL, Blick, 308–310. Auf sie ist im weiteren Verlauf einzugehen. 7 Ausführlichere Darstellungen der Forschungsgeschichte bieten etwa ARTUS, Études, 209–217; FREVEL, Blick, 310–323; GARTON, Mirages, 9–22 (mit dem Fokus auf die Tradition von Massa und Meriba). 8 Vgl. etwa VON RAD, Priesterschrift, 117–119.234f. (PA: 20,1a.2.3b.4.6.7.8a[ohne קח ]את־המטה.[bβ?].10.[11bβ?].12.13); NOTH, Numeri, 126–129 (P: 20,2.3b.4.6f.8a[ohne קח את־ ]המטה.bβ.10.11b.12; Überarbeitung von Ex 17,1–7 her und weitere Nachträge); ZENGER, Israel, 62–66 (P: 20,1aα[ohne ]בחדשׁ הראשׁון.2.3b.6.7.8aα[ohne ]קח את־המטה ו.aβ.10.12; PS: 20,1aα[nur ]בחדשׁ הראשׁון.4.8aα[nur ]קח את־המטה ו.b.9.11; RP: 20,1aβb.3a.5.13); STRUPPE, Herrlichkeit, 180–216 (P: 20,[1a*].2.3b.6f.8aα[ohne ]קח את־המטה.aβ[ohne ]ונתן מימיו.b.10. 11b.12; wegen der „doppelte[n] Abhängigkeit“ von Ex 17,1–7 lässt sich „eine saubere, eindeutige Trennung von PG und PS nicht mehr vor[]nehmen“; aaO., 185); ARTUS, Études, 204–243.244–257.263.278–286 (P: 20,2.3bα[nur ]ויאמרו.4–7.8a[ohne ]קח את־המטה.10.11b. 12; Nachträge zum Ausgleich mit Ex 17,1–7: Num 20,3a.8aα[nur ]קח את־המטה.b.9.11a; Nachträge im Rahmen der Herausbildung des Numeribuches: 20,1.3b.13); FREVEL, Blick, 306–336 (P: 20,1aα.2.3b[ohne ]ויאמרו.4.6.7.8aα[ohne ]קח את־המטה ו.β[nur ]אל־הסלע.b.10. 11b; Pentateuchredaktion: 20,1aβb.13, wobei 20,1b ältere Tradition darstellt; Überarbeitung von Ex 17,1–7 her, möglicherweise auch vom Pentateuchredaktor: Num 20,3a.bα[nur ]ויאמרו.5.8aα[nur ]קח את־המטה ו.9*[?].11a; weitere Nachträge: מלפני יהוהin 20,9; 20,12 und die Umarbeitung zu einem Redeauftrag in 20,8aβ); SCHMIDT, Numeri, 88–93 (P: 20,1aα[wohl ohne ]בחדשׁ הראשׁון.2.3b[ohne ]ויאמרו.4.6.7.8a[ohne ]קח את־המטה ו.10.11b.12; Pentateuchredaktion: 20,1aβ[als ursprünglicher Abschluss der jahwistischen Kundschaftererzählung].b.3a.bα[nur ]ויאמרו.5.8aα[nur ]קח את־המטה ו.b.11a.13; vgl. DERS., Studien, 45– 72; DERS., Stab, 269–271); BOORER, Place, 50–52 (P: 20,2.3b.4.6.7.8aα[ohne קח את־המטה ]ו.aβ.10.11b.12; Überarbeitung von Ex 17,1–7 her: Num 20,3a.5.8aα[nur ]קח את־המטה ו.9. 11a; weiterer Nachtrag: 20,13). In den genannten Arbeiten wird das Verhältnis der Grundschicht von Num 20,1–13 zu Ex 17,1–7 unterschiedlich stark betont. Des Weiteren unterscheidet sich die Einschätzung, ob die nachträgliche Anpassung an Ex 17,1–7 der Entlastung Moses und Aarons (wegen der Belastung des Volkes) oder gerade deren weiterer Belastung (durch die herausgestellten Unterschiede gegenüber 17,1–7) diene. Etwas anders argumentiert BERNER, Wasserwunder, 205 mit Anm. 33, der in Num 20,3a.11* von Ex 17,1–7 beeinflußte Nachträge sieht, die Grundschicht von Num 20,1–13 aber Ex 17,1–7 literarhistorisch vorordnet. 9 Vgl. LEVIN, Jahwist, 372f.378 (JQ: 20,1aβ und 20,1b; P: 20,1aα.2a.3abα[ohne ]לאמר. 5[lies ]העליתָ נו.7.8a[bis ]העדה.8b.9.11.13; RS: 20,2b.3b[ab ]לאמר.4.6.8a[ab ]אתה.10; nach-
9.2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 20,1–13
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17,1–7 am nächsten stehenden Passagen in Num 20,1–13 nur von Mose allein handeln, keineswegs überrascht, da Ex 17,1–7 nur von Mose, nicht aber von Aaron handelt, werden auch redaktionsgeschichtliche Modelle, die nicht primär von einem Ausgleich beider Wasserwundererzählungen ausgehen,11 sowie die These der weitgehenden literarischen Einheitlichkeit von Num 20,1– 13, wobei die priesterliche Erzählung des Wasserwunders eine steigernde Nacherzählung der nicht-priesterschriftlichen Fassung in Ex 17,1–7 darstellt,12 vertreten. Es wird sich in der Tat zeigen, dass sich die Erzählung „gerade auch in den vermeintlichen Inkonsequenzen und in den z.T. wörtlichen Bezügen zu Ex 17 als eine Episode [erweist], die ihren Skopos in einer Kontrastierung mit anderen Überlieferungen – deren Kenntnis auch bei dem Leser vorausgesetzt wird – subtil gestaltet“,13 und letztlich literarisch einheitlich ist. Dass das zuweilen etwas abrupte Auf- und Abtreten Aarons neben Mose auffällig ist, zeigt bereits die griechische Übersetzung: Die Septuaginta passt die hebräischen Singularformen in Num 20,8b an die unmittelbar vorausgehende Pluralform in 20,8aβ an und liest dreimal Imperativ Plural: „sprecht!“
endredaktionell: 20,12). Vgl. auch die überlieferungsgeschichtliche Analyse von KOHATA, Überlieferungsgeschichte, 10–29. 10 Eine Art Fortführung älterer quellenkritischer Modelle (vgl. etwa WELLHAUSEN, Composition, 106–108; HOLZINGER, Numeri, 81–85; BAENTSCH, Exodus-Leviticus-Numeri, 564–570; EISSFELDT, Hexateuch, 41–43.177*f.277*f.) bietet SEEBASS, Numeri, 267– 286, der mit „der Fusion von P [Num 20,1aα.2.3b.4.6f.8a(bβ?).9–12] mit einer Variante zu Ex 17,1–7, die aber zu unvollständig erhalten ist, um mit ihr zu arbeiten“, rechnet (aaO., 279). Die Variante zu Ex 17,1–7 stellt wohl eine gegenüber P ältere Tradition dar, nämlich „Trümmer einer Kadesch-Anekdote“ (aaO., 278). Vgl. auch FRANKEL, Stories, 263–311. 360–363 (20,1aβb.3a.5abα als nicht-priesterlicher Text, der ursprünglich als Einleitung zur nicht-priesterlichen Kundschaftererzählung gedient habe [s.o. Kap. 7.1. Anm. 23]; 20,1aα[ohne ;כל־העדהmit Jahresangabe].2.3bα.4.6f.8aαb.9.10a.11 als „early priestly“; 20,1aα[nur ]כל־העדה.3bβ.5bβ.13 und die Kompilation von nicht-priesterlichem und „early priestly“ Text durch den „priestly editor“; 20,8a.12aαb als „post-editorial“ Hinzufügung der Sünde Moses und Aarons; 20,10b.12aβγ als noch spätere Glossen). 11 Vgl. etwa GARTON, Mirages, 157–201.202–235.236–240, der eine koordinierende Redaktion beider Erzählungen annimmt (die vor-hexateuchredaktionelle Meriba-Koordination), von der die wesentlichen Parallelen beider Erzählungen herrühen, deren Redaktionsgeschichte davor und danach aber unabhängig voneinander vonstatten ging (s.o. Kap. 4.3. zu den fünf Schichten in Ex 17,1–7 und den sechs Schichten in Num 20,1–13). 12 Vgl. COATS, Rebellion, 71–82 (nur 20,1aβ ist ein Fragment, wohl aus J); FRITZ, Israel, 27f. (mit 20,1aβb als Nachtrag); BUDD, Numbers, 215–220; SAKENFELD, Problems (mit 20,11a als Nachtrag); BLUM, Studien, 271–278; SCHART, Mose, 97–121 (mit 20,1aβb als möglichem Nachtrag); RAPP, Mirjam, 233–326; ACHENBACH, Vollendung, 302–317 (HexRed: 20,1aβb; PentRed: 20,1aα[ohne ]בחדשׁ הראשׁון.2–8.9[ohne ]מלפני יהוה.10–13); NIHAN, Mort, 155–168 (vgl. DERS., Torah, 25–30); RÖMER, Sojourn, 79–81 (anders noch in DERS., Exode, 168f.); SPECHT, Verfehlung (mit 20,3a als möglicher Glosse). Vgl. auch die Überlegungen bei LEHMING, Massa, 71–73; ALBERTZ, Numeri, 339 Anm. 18. 13 BLUM, Studien, 272. Vgl. ACHENBACH, Vollendung, 309.
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9. Num 20,1–13 – Erneutes Wasserwunder
(καὶ λαλήσατε / „ – )ודברתםlasst hervorkommen!“ (καὶ ἐξοίσετε; MT liest Singular: „ – )והוצאתgebt zu trinken!“ (καὶ ποτιεῖτε; MT liest Singular: )והשׁקית. Die Einbeziehung Aarons in YHWHs Auftrag stellt dabei ebenso eine Harmonisierung dar wie die Tilgung des auf Mose bezogenen Possessivsuffixes beim Stab in 20,11a (τῇ ῥάβδῳ für )במטהו, wodurch sich alle Verweise auf den Stab (20,8.9.11) problemlos auf Aarons Stab beziehen lassen.14 Beide Harmonisierungen dienen der Vereindeutigung des Textflusses und der Hervorhebung von Aarons Mitschuld.15 Das die Rede Moses in 20,10b einleitende „ ויאמרund er sprach“ setzt aber auch die Septuaginta nicht in den Plural und zeigt damit letztlich, dass das Auf- und Abtreten der einzelnen Erzählfiguren an der jeweiligen Fokussierung liegt und damit keine literarkritisch auszuwertende Spannung darstellt.16 Dies soll im Folgenden zunächst anhand der Passagen gezeigt werden, in denen die Septuaginta harmonisierte, sodann anhand der restlichen Erzählung: In 20,7 spricht YHWH Mose alleine an, nachdem in 20,6 Mose und Aaron zum Eingang des Zeltes der Begegnung gingen, dort niederfielen und der Erscheinung der Herrlichkeit YHWHs ansichtig wurden – mithin Mose und Aaron präsent und entsprechend in YHWHs Anordnung in 20,8 zusammen adressiert sind. Die Hervorhebung Moses durch die Anrede ist weder in Zusammenhängen von der Erscheinung der Herrlichkeit YHWHs (vgl. Ex 16,11; Num 14,11; 17,9)17 noch unabhängig davon singulär und vermag angesichts der betonten Sonderstellung Moses auch gegenüber Aaron nicht zu erstaunen.18 „Aaron ist dem Zusammenhang nach immer mitzudenken“19 – hier wie in der singularisch eingeführten Rede an das Volk in 20,10b, in der der Sprecher, ja doch wohl Mose, pluralisch formuliert („ ה … נוציאwerden wir herauskommen lassen?“) und damit Aaron, der soeben mit Mose das Volk versammelt hat (20,10a), miteinbezieht.20 Die Anweisung YHWHs in 20,8 14 Zur Deutung des hebräischen Textes s.u. Dagegen folgt etwa PROPP, Rod, 20.22 in 20,11 der griechischen Lesart. 15 Vgl. GARTON, Mirages, 204f. 16 Vgl. bes. SAKENFELD, Problems, bes. 140–147, die zu dem Schluss kommt: „The complex text of Numbers 20 presents Aaron as ‚equal yet subordinate‘, or ‚subordinate yet equal‘, a tension which summarizes the larger picture of the P tradition.“ AaO., 146. Vgl. auch RAPP, Mirjam, 277–281 u.ö. und die im Folgenden genannte Lit. 17 Zu Num 14,11 s.o. Kap. 1.2.3. mit Anm. 74, zu 17,9 s.o. Kap. 1.2.3. mit Anm. 76; Kap. 8.2. mit Anm. 25. 18 Zu vergleichen ist etwa Ex 7,1–7, wo auf die Rede YHWHs an Mose über die Verhältnisbestimmung zwischen Mose und Aaron die Erfüllungsnotiz mit Mose und Aaron folgt: 7,6 (vgl. auch die jüngere Ausmalung in 4,10–17). Vgl. ACHENBACH, Vollendung, 312f.; NIHAN, Mort, 174. 19 BLUM, Studien, 275 Anm. 173. 20 Möglicherweise ist mit SAKENFELD, Problems, 142f. der nicht explizit genannte Sprecher von 20,10b gerade ein Hinweis auf die enge Verbindung zwischen Mose und Aaron: „The writer simply regards one as speaking for both and in fact may highlight this
9.2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 20,1–13
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und die Ausführung durch Mose und Aaron in 20,9–11 zeigen die Zuständigkeiten Moses und Aarons jeweils präzise an und bereiten gerade durch die Unterschiede zwischen Anweisung und Ausführung die Kritik YHWHs an Mose und Aaron in 20,12 vor:21 20,8aα1: Mose soll den Stab nehmen – und handelt entsprechend: 20,9. 20,8aα2: Mose soll zusammen mit Aaron die Versammlung versammeln – und sie handeln entsprechend: 20,10a.22 Dass sie die Israeliten אל־פני הסלע „vor dem Felsen“ (20,10) versammeln sollten, wurde ihnen nicht aufgetragen, ergibt sich aber aus dem nächsten Auftrag: 20,8aβ: Mose und Aaron sollen zum Felsen sprechen „vor ihren Augen“ ()ודברתם אל־הסלע לעיניהם, was ihre Anwesenheit dort voraussetzt. Daraufhin wird der Felsen sein Wasser geben. So wird Mose, als der hervorgehobene Führer innerhalb des Führungsduos Mose und Aaron, Wasser aus dem Felsen für sie hervorgehen lassen und die Versammlung und ihr Vieh tränken (20,8b). – Diese Anweisung an Mose und Aaron erfüllen sie nicht auftragsgemäß: Sie sprechen nicht zum Felsen, vielmehr spricht Mose in ihrer beider Namen zum Volk (20,10b), den Felsen schlägt er mit dem Stock (20,11a). Trotz dieser Abweichungen von ihrem Auftrag ereignet sich das Wasserwunder, wird aber bezeichnenderweise anders beschrieben als in der YHWHRede: Die Wasser, viele gar, kommen von selbst hervor ( יצאqal; 20,11bα) und nicht explizit durch Moses (und Aarons) Zutun ( יצאhiph.; 20,8b.10b); die Versammlung und ihr Vieh trinken ( ;שׁתה20,11bβ; vgl. 20,5b), werden aber nicht von Mose getränkt ( שׁקהhiph.; 20,8b).23
reality by not specifying a subject“ (aaO., 143). Die These, dass Mose als Sprecher mit der Pluralform nicht Aaron, sondern YHWH mit meine und so YHWH für sich vereinnahme (vgl. etwa ARDEN, Moses, 52; SPECHT, Verfehlung, 306), hat nach 20,10a wenig für sich. 21 Vgl. WENHAM, Numbers, 150f.; STRUPPE, Herrlichkeit, 214–216; BLUM, Studien, 274f.; SCHART, Mose, 102–107; ARTUS, Études, 233–235; RAPP, Mirjam, 299–305; ACHENBACH, Vollendung, 308–317; NIHAN, Mort, 162f.165f.; SPECHT, Verfehlung, 274.280– 283. 22 Ein inhaltlicher Unterschied zwischen „ עדהVersammlung“ im Auftrag (vgl. 20,1a.2a. 8bis.11) und „ קהלVersammlung“ in der Ausführung (vgl. 20,4.6.10.12) ist auch in dieser Erzählung nicht auszumachen. 20,10a lässt sich in dieser Hinsicht damit nicht als Abweichung vom Auftrag verstehen (anders etwa SCHART, Mose, 105 Anm. 29). Der Auftrag, die Versammlung zu „versammeln“ ( קהלhiph.; 20,8.10), stellt natürlich ein (Wort-)Spiel mit der eingangs genannten „Versammlung gegen“ Mose und Aaron in 20,2b dar (קהל על niph.; vgl. SCHART, aaO., 101.103.120, gegen den aber „ הקהל הזהdiese Versammlung“ im Munde YHWHs in 20,12 nicht „abschätzig“ verstanden werden muss; zu einem ähnlich gelagerten Befund, Ex 17,4, s.o. Kap. 4.2.4. mit Anm. 48f.; vgl. auch die Kritik bei RAPP, Mirjam, 277). 23 Vgl. STRUPPE, Herrlichkeit, 193.202f.207f.; SCHART, Mose, 105.107. Der inhaltlich bedeutsame Wechsel vom Kausativ zum Grundstamm kommt nicht trotz, sondern gerade auch durch den Lexemwechsel von „ שׁקהtränken“ zu „ שׁתהtrinken“ zum Ausdruck, denn Ersteres wird nie im Grundstamm, Letzteres nie im Kausativ verwendet.
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9. Num 20,1–13 – Erneutes Wasserwunder
20,12: Die YHWH-Rede adressiert sowohl in der Redeeinleitung wie in der direkten Rede Mose und Aaron zusammen und hält sie zusammen für verantwortlich für das Geschehene. Entsprechend richtet sich die Sanktion an beide: Sie werden die Versammlung ( )קהלnicht ins Verheißene Land führen ( בואhiph.)24 – wie sie die Versammlung ( )קהלzuvor aus Ägypten und in die Wüste geführt haben ( בואhiph.; 20,4).25 Auch wenn das wechselvolle Nebeneinander von Mose und Aaron auf den ersten Blick etwas erstaunen mag und in der Septuaginta teilweise vereindeutigt wurde, lässt es sich also plausibel als Fokussierung oder Betonung des je-
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Es geht nicht darum, dass Mose und Aaron nicht ins Verheißene Land kommen sollen (etwa gegen WAGNER, Herrlichkeit, 65–68.111–115.121f.), denn dies hat Num 14 bereits implizit verhängt, wo Mose und Aaron anders als Kaleb und Josua von der entsprechenden Sanktion nicht ausgenommen wurden. Es geht hier vielmehr, und präzise, um die Führungsfrage. 25 In diesem Bezug liegt keine „Ironie“ (gegen SCHART, Mose, 103; YHWH „gibt … dem Vorwurf Israels“ mitnichten „recht“), vielmehr geht es präzise um das Ende der bisherigen Führung durch Mose und Aaron. Der Bezug und seine Deutung sprechen damit gegen FREVEL, Blick, 330 nicht „gegen die Zugehörigkeit von v. 12 zum Grundtext“ (aaO., 328; Argument 9: „Für die Pg ist bei dem aufgeladenen Thema nicht mit subtiler Ironie zu rechnen.“ AaO., 330). Frevels „[z]ehn Gründe gegen die Zugehörigkeit von v. 12 zum Grundtext“ (vgl. aaO., 328–330, das Zitat stellt die Kapitelüberschrift dar) sind mehrheitlich Gründe gegen die Zugehörigkeit von 20,12 zur Priesterschrift – wie etwa das zitierte Argument 9. Seine i.W. literarkritischen Argumente für 20,12 vermögen nicht, zu überzeugen (Ähnliches gilt für FRANKEL, Stories, 277–284, dessen Analyse der von Frevel sehr nahe steht, ohne ihn jedoch anzuführen): Argument 3: 20,13 mit der Verherrlichung schließe an 20,11 an, passe aber nicht zu 20,12. – Da YHWH Mose und Aaron in 20,12 die Nicht-Verherrlichung YHWHs vorwirft, erscheint die Abfolge 20,11–13 kohärent; die weitere Darstellung wird zeigen, dass und wie die Verherrlichung YHWHs gerade trotz Moses und Aarons Nicht-Befolgung von YHWHs Auftrag geschah. Argument 4: Die Redeeinleitungen und die Adressaten der YHWH-Rede in 20,7 und 20,12 unterscheiden sich voneinander, und YHWHs Rede in 20,12 hat keine Parallele in den „übrigen Erscheinungserzählungen“ (FREVEL, aaO., 328). – Das ist richtig, stellt aber kein literarkritisches Argument dar, wie für die unterschiedlichen Redeeinleitungen und Adressaten die von Frevel angegebenen Parallelen in ihren Kontexten schon hinreichend zeigen; und den jeweiligen Einzelerzählungen entsprechend singuläre Motive oder Elemente weisen alle Murrerzählungen auf, das stellt als solches auch kein literarkritisches Argument dar. Argument 6: Schuld und Strafe entsprächen sich nicht, vielmehr wird „das Führungsduo … deshalb als schuldig bezeichnet …, damit eine Begründung gefunden wird, warum die beiden das Land der Verheißung nicht erreichen werden.“ (aaO., 329). – Letzteres ist zweifellos richtig, Num 20 setzt die Tradition vom Mose-Tod außerhalb des Verheißenen Landes voraus (s.u. Kap. 9.3.). Doch wie sollte eine dieser Strafe exakt entsprechende Schuld aussehen?! Die oben beschriebene doppelte Abweichung Moses und Aarons von ihrem Auftrag stellt eine hinreichende Verfehlung dar, um Moses und Aarons traditionell vorgegebenen Tod außerhalb des Verheißenen Landes ex post zu begründen.
9.2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 20,1–13
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weiligen Handlungs- oder Verantwortungsträgers verstehen.26 Dies gilt ebenso für den Anfang der Erzählung: Die Versammlung ( )עדהversammelt sich gegen Mose und Aaron (קהל על niph.; 20,2). In 20,3 streitet das Volk ( )עםaber nur gegen Mose ()ריב עם.27 Ihre Rede in 20,3b–5 adressiert aber wieder klar eine Pluralgröße (20,4: ולמה „ הבאתםund warum habt ihr geführt?“; 20,5: „ ולמה העלי ֻתנוund warum habt ihr uns heraufgeführt?“), womit nach 20,2 und im Kontext der Murrerzählungen insgesamt nur Mose und Aaron gemeint sein können. Die unterschiedlichen Murrlexeme, das unterschiedliche Subjekt sowie das unterschiedliche Objekt des Murrens in 20,2 und 20,3 sind auffällig und stellen in ihrer Zusammenschau mehr als die bisher betrachteten Belege des Nebeneinanders von Mose und Aaron eine kritische Anfrage an die Einheitlichkeit der Erzählung dar. Es lässt sich aber von der Erzählung selbst sowie von einem Vergleich mit weiteren Murrerzählungen her die literarische Einheitlichkeit auch von 20,2–5 aufzeigen:28 So wie Mose in 20,10 alleine das Volk anspricht, sodann aber in seinem und Aarons Namen redet, so wird Mose in 20,3 alleine vom Volk angesprochen, das dann aber zu ihm und Aaron redet. Mose wird damit auch in 20,3 als der hervorgehobene Führer innerhalb des Führungsduos Mose und Aaron dargestellt, das wechselvolle Nebeneinander von Mose und Aaron der ganzen Erzählung somit hier eingeführt. Darüber hinaus bereitet 20,3 den Ab26 Demgegenüber sieht FREVEL, Blick, 323–336 in den Abweichungen zwischen Auftrag und Ausführung den Schlüssel zur diachronen Vereindeutigung und (re-)konstruiert 20,8 nach 20,10 (ähnlich verfahren KOHATA, Überlieferungsgeschichte, 10f.15–20.23f.; FRANKEL, Stories, 277–284; Vorgänger nennt MILGROM, Magic, 253–256 [=DERS., Numbers, 448–451]). Ergebnis (s.o. Anm. 8) ist eine Ex 16 und Num 14 „ähnlich aufgebaut[e]“ Erzählung einer wunderhaften Wassergabe (FREVEL, aaO., 324), in der Mose und Aaron lediglich die Versammlung der Israeliten geboten wird. Der Redeauftrag in 20,8aβ(nur )ודברתםentfällt wegen seiner Nichtentsprechung in 20,10 und wurde erst zusammen mit 20,12 eingefügt, um „nicht ganz glücklich einen Schuld-Strafe-Konnex“ zu etablieren (aaO., 332). Die These weist mehrere Probleme auf: Methodisch erscheint die (Re-)Konstruktion von 20,8 nach 20,10 mehr als Harmonisierung denn als redaktionsgeschichtliche Auswertung literarkritischer Brüche. Dem Redaktor werden dabei Deutungen zugetraut, die dem (durch den Redaktor erstellten) Endtext nicht zugetraut werden, sondern vielmehr Ausgangspunkt der diachronen Thesenbildung waren (etwa die Frage der Mitschuld Aarons oder die Deutung von Moses Frage in 20,10; zu einem ähnlichen Problem s.u. Anm. 62). Und schließlich ist die Hinzufügung des Redeauftrages in 20,8 kaum hinreichend begründet: Num 20,12 alleine hätte genügt, Mose und Aaron eine Schuld zukommen zu lassen. Eine ähnliche These mit denselben Schwierigkeiten hat auch GARTON, Mirages, 202–235, bes. 209–218 vertreten (s.o. Anm. 11 und ausführlich Kap. 4.3.), auf dessen sechster (und letzter) diachronen Ebene Num 20,1–13 zu einer Erzählung vom Scheitern Moses und Aarons wurde durch Hinzufügung von 20,12 und der Umarbeitung des ursprünglichen Auftrages an Mose, den Felsen zu schlagen („ והכית אתschlage“), zu dem jetzt vorliegenden Redeauftrag an Mose und Aaron („ ודברתם אלredet zu“). 27 Die syrische Übersetzung fügt hier harmonisierend „und gegen Aaron“ hinzu. 28 Vgl. SCHART, Mose, 113f.; NIHAN, Mort, 163f.
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9. Num 20,1–13 – Erneutes Wasserwunder
schlussvers 20,13 vor („ ריבstreiten“ und „ מריבהMeriba“), 20,5b und 20,2a stellen über das Motiv des Wassermangels eine Inklusion dar, und 20,2–5 knüpft, wie der weitere Verlauf der Erzählung, an voraufgehende Murrerzählungen an: Num 20,3abα1 ist ein wörtliches Zitat von Ex 17,2aαβ (וירב העם עם־משׁה „ ויאמרוUnd das Volk stritt mit Mose und sie sprachen“). Dass dabei der Numeritext der nehmende Text ist, ergibt sich durch das verwendete Lexem für die murrenden Israeliten: In Ex 17,1–7 werden die Israeliten grundsätzlich als „ עםVolk“ bezeichnet,29 in Num 20,1–13 nur hier und in dem noch eigens zu thematisierenden Vers 20,1aβ. Stattdessen bezeichnet Num 20,1–13 die Israeliten in der Regel als „Versammlung“.30 In 20,12.13 werden sie zudem als „Israeliten“ bezeichnet, wobei im Falle der Ortsnamenätiologie wieder eine Anspielung an Ex 17,1–7 vorliegt: Das Streiten der Israeliten (Ex 17,2a.b.7; Num 20,3.13) wird in Steigerung der bisherigen Stellen zu einem „Streiten mit YHWH“ ( את־יהוה... )ריב. In der Rede der Israeliten finden sich ebenso Anspielungen an bisherige Murrerzählungen: 20,3b blickt klar zurück: „ ולו גוענו בגוע אחינו לפני יהוהWären wir doch umgekommen, als unsere Brüder umgekommen sind vor YHWH.“31 „ גועumkommen“ ist innerhalb der Murrerzählungen nur noch in Num 17,27f. – dem letzten im engeren Sinne narrativen Text vor 20,1 – belegt, wo das verbliebene Volk nach den Ereignissen um Korach, Datan und Abiram und die 250 Männer sowie deren Bestrafungen den Tod angesichts der Nähe YHWHs fürchtet.32 In 17,27f. wird allerdings nicht ein Umkommen der Brüder berichtet, sondern ein Umkommen befürchtet. Aus diesem Grund wird verschiedentlich nicht 17,27f. als Referenztext für 20,3 genannt, sondern wegen des tatsächlichen Todes von Israeliten „ לפני יהוהvor YHWH“ 14,37, wo der Tod der Kundschafter (mit „ מותsterben“) „ במגפה לפני יהוהdurch eine Plage vor YHWH“ mitgeteilt wird.33 Da „ גועumkommen“ an seinen nicht besonders
29 Vgl. Ex 17,1b.2a.3abis.4a.5a.6a. Zu den anderen Bezeichnungen für die Israeliten in 17,1–7 s.o. Kap. 4.1. mit Anm. 2. 30 Vgl. עדהin Num 20,1a(erweitert zu „ בני־ישׂראל כל־העדהdie Israeliten, die ganze Versammlung“).2a.8bis.11; קהלin 20,4.6.10.12. S.o. Anm. 22. 31 Ob der Einsatz der direkten Rede mit der Kopula nun an der Erregung der Sprechenden liegt (vgl. etwa BLUM, Studien, 273; SCHART, Mose, 97 Anm. 1 mit weiteren Vertretern dieser Deutung), oder nicht: Er ist auch anderweitig belegt: Vgl. etwa Ex 2,20; Num 12,14a; 2Sam 18,12; 1Kön 2,22 und insgesamt GKB §154b. S.o. Kap. 6.2. mit Anm. 43. 32 Vgl. für den Bezug etwa KUENEN, Opstand, 148; WENHAM, Numbers, 149; BLUM, Studien, 272f.; SCHMIDT, Studien, 158f.182; DERS., Numeri, 89.91; RAPP, Mirjam, 270f. u.ö.; LEVEEN, Reading; GARTON, Mirages, 219. 33 Vgl. STRUPPE, Herrlichkeit, 187f.195; FREVEL, Blick, 315 Anm. 205; 325; FRANKEL, Stories, 292.304; SEEBASS, Numeri, 272.279; BOORER, Place, 58. Zu beachten ist freilich, dass die „Plage“ aus Num 14,37 in 20,3 bei der Annahme bewusster Anspielung keinerlei Widerhall finden würde.
9.2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 20,1–13
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zahlreichen Belegen in der Tat synonym auch zu „ מותsterben“ verwendet wird (vgl. etwa 20,28f.), erscheint dies nicht unmöglich. Letztlich sind beide Bezüge denkbar, schließen sich auch nicht zwingend gegenseitig aus, wenn auch der Bezug auf 17,27f. wegen der Lexemübereinstimmung mit „ גועumkommen“ enger ist als 14,37 mit dem überaus geläufigen „ לפני יהוהvor YHWH“:34 Die Israeliten wären lieber bei einem der bereits erfolgten Gottesgerichte in der Wüste gestorben, anstatt schon wieder zu dürsten. Und ein solches Gottesgericht stellt nach Num 13f. auch Num 16f. dar, auf das die ängstliche Rede des Volkes in 17,27f. reagiert. Bereits die „Versammlung gegen“ ( קהל עלniph.) Mose und Aaron in 20,2 hat Num 16f. anklingen lassen, da nur in diesen zwei Murrerzählungen קהל עלniph./hiph. „(sich) versammeln gegen“ als Murrlexem verwendet wird (vgl. 16,3.19; 17,7; 20,2);35 ein Bezug von 20,3 auf 17,27f. erscheint damit umso wahrscheinlicher, zumal noch weitere Bezüge auf Num 16f. zu verzeichnen sind (s.u.). Nach dem Todeswunsch in 20,3 enthält 20,4f. die Motive des gefürchteten Todes in der Wüste und der Infragestellung des Exodus. Diese Motivkonstellation teilt die Volkesrede mit Ex 17,3, doch auch mit anderen Murrerzählungen (vgl. bes. Ex 16,3; Num 14,2–4 sowie Ex 14,11f.; Num 11,4–6.18–20; 16,12–14; 21,5).36 Zwischen „Todeswunsch“ in Num 20,3 und „Todesangst“ in 20,4f. besteht also kein literarkritisch aufzulösender Widerspruch,37 die Kombination beider Motive ist vielmehr gut bezeugt, und der Todeswunsch hat hier genauso wie in vergleichbaren Fällen die Funktion, die Dringlichkeit der Not und der Bitte zu unterstreichen: Ein im Tod endendes Befreiungsgeschehen wäre in der Tat sinnlos.38 Die beiden Warum-Fragen, 20,4 und 20,5, stellen keine Doppelung, sondern eine Steigerung dar:39 Die Herausführung in die Wüste und der befürchtete Tod dort in 20,4 ist mit Ex 14,11f.; 16,3; 17,3 zu vergleichen, die Beschreibung des „üblen Ortes“ innerhalb der Wüste 34 Vgl. ARTUS, Études, 224. Ein Sterben („ )מותvor YHWH“ belegen auch Lev 10,2; Num 3,4, „vor Gott“ 1Chr 13,10. 35 קהל עלniph. „sich versammeln gegen“ in Num 20,2 dagegen als „echo“ von יעד על niph. „sich versammeln gegen“ in 14,35 zu betrachten (so BOORER, Place, 58), überzeugt nicht, sondern stellt schlicht eine Verlegenheitslösung aufgrund der Annahme der relativ späteren Entstehung der priesterlichen Texte in Num 16f. dar (vgl. aaO., 51; s.o. Kap. 8.3. Anm. 35). 36 S.o. Kap. 1.2.3. 37 Etwa gegen STRUPPE, Herrlichkeit, 186–190; ARTUS, Études, 224f.227. 38 Vgl. SCHART, Mose, 113f.; FRANKEL, Stories, 304. Zum Todeswunsch als argumentum ad deum vgl. DIETRICH, Tod, 12–17 und s.o. Kap. 5.3. mit Anm. 68. 39 Vgl. STRUPPE, Herrlichkeit, 186–190; SCHART, Mose, 114; ARTUS, Études, 227 Anm. 83; RAPP, Mirjam, 271f.295–297; NIHAN, Mort, 163f. Dagegen sieht SEEBASS, Numeri, 271.280 in 20,5 eine Abschwächung gegenüber 20,4, muss dafür aber die Wassernot in 20,5bβ ausblenden, und FREVEL, Blick, 314f. bezeichnet die diachrone Scheidung zwischen 20,4 und 20,5 als „Konsens“, setzt in seiner Argumentation aber voraus, was er erst erweisen wollte: die Zuweisung der Grundschicht zur Priesterschrift.
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in Num 20,5 mit Num 16,12–14; 21,5, wo ebenso die Unvollständigkeit von Exodus und Landgabe im Blick ist. Dabei werden mit den „Feigenbäumen“ ( )תאנהund „Granatapfelbäumen“ ()רמון, sowie mit anderem Lexem auch mit den „Weinstöcken“ ( )גפןim Gegenüber zu den „Weintrauben“ ()אשׁכול ענבים, gerade die durch die Kundschafter bekannt gemachten Früchte des Verheißenen Landes genannt (Num 13,23; vgl. Dtn 8,8). Das Volk will hier damit anders als in Num 11,4–35 und 21,4–9 nicht einfach mehr, als es hat, sondern klagt angesichts eines neuerlichen Wassermangels und damit angesichts des erneut unmittelbar bevorstehenden Todes über die bisherige Nicht-Einlösung der Verheißung.40 YHWH wendet die Not des Volkes dann auch sogleich (20,6–11) und bestätigt erneut, die Landverheißung zu erfüllen (20,12b).41 Wie in den weiteren priesterlichen Murrerzählungen folgt auch hier die Erscheinung der Herrlichkeit YHWHs auf das Murren der Israeliten (20,6; vgl. Ex 16,10; Num 14,10; 16,19; 17,7). Wie in Ex 16,11f. kündigt YHWH in Num 20,7f. die Behebung der natürlichen Notlage durch ein Wunder an, in Num 20,7f. kommt Mose (und Aaron) dabei eine Ex 17,5f. vergleichbare Mittlerfunktion zu. Singulär, aber nicht unvorbereitet, an der Theophanieschilderung in Num 20,6f. ist, dass YHWHs Herrlichkeit ausschließlich Mose und Aaron, nicht aber den Israeliten insgesamt erscheint: Mose und Aaron haben sich vom Angesicht der Versammlung entfernt, sind zum Eingang des Zeltes der Begegnung gegangen und dort auf ihr Angesicht niedergefallen. Die Fokussierung auf das Zelt der Begegnung teilt 20,6 mit den weiteren genannten Belegen der Erscheinung der Herrlichkeit YHWHs.42 In 16,22; 17,10 stellt das Niederfallen Moses und Aarons auf ihr Angesicht eine Reaktion auf YHWHs Rede dar und wird jeweils von einem Eintreten des Führungsduos für die Israeliten gefolgt. Ihr Niederfallen hier könnte damit ebenso das Eintreten Moses und Aarons für die – dürstenden – Israeliten meinen. Die umgekehrte Reihenfolge der Ereignisse im Vergleich zu Num 16f., die so wirkt, als wollten Mose und Aaron hier die Erscheinung der Herrlichkeit YHWHs geradezu herbeizwingen (vgl. auch die Abfolge 14,5 → 14,10b),43 dürfte dabei durch die Voraussetzung der ganz unterschiedlichen Texte Ex 17,1–7 (vgl. auch Num 14) und Num 16f. bedingt sein: Das wortlose Niederfallen vor dem 40
Num 20,3–5 enthält gerade keine explizite Ägyptennostalgie (etwa gegen NIHAN, Mort, 163; KUPFER, Israel, 204f.216): Der Blick ist nicht zurück, sondern nach vorne, zum Verheißenen Land hin gerichtet. Das Leben in Ägypten ist hier anders als in Ex 16,3; Num 11,4–6.18–20; 16,12–14 nicht im Blick, mit den genannten Früchten aber das noch nicht erreichte Verheißene Land. 41 Die zweite Frage ist damit gegen SCHART, Mose, 114 mitnichten „lediglich eine Paraphrase der vorhergehenden“, und die Rede des Volkes hat nur dann einen „lamourjanten, wehleidigen Ton“ (ebd.), wenn auch dieses Murren des Volkes allzu pauschal als „unmotiviert[] und unbelehrbar[]“ (BLUM, Studien, 275) qualifiziert wird. 42 S.o. Kap. 1.2.3. (vgl. dort auch zur diesbezüglichen Sonderstellung von Ex 16,10). 43 S.o. Kap. 7.2.1. mit Anm. 85.
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Begegnungszelt in 20,6 geht dem Schreien zu YHWH in Ex 17,4 funktional parallel44 – und zudem inhaltlich dadurch, dass in beiden Fällen das Ergehen der Israeliten deutlich weniger im Blick ist als in Num 16,22; 17,10. Die „private“ Unterredung der Anführer mit YHWH dürfte nebst der Vorgabe durch Ex 17,4f.6a und möglicherweise auch Ex 16,10–1245 aber auch Konsequenz aus Num 16,21; 17,10 sein, wo Mose und Aaron zweifach aufgerufen werden, sich von den Israeliten abzusondern. Diese Absonderung hat sich bereits in 17,7–9 abgezeichnet, wo Mose und Aaron gesondert zum Zelt der Begegnung kommen (vgl. bes. 17,8 mit 20,6a). Die Separierung von der Versammlung oszilliert damit zwischen dringlichem Eintreten für die Versammlung angesichts des Wassermangels – der sodann behoben wird – und inhaltlicher Distanzierung von dem Murren der Israeliten wie in Num 16f.,46 das aber anders als dort hier nicht bestraft wird.47 Auch das eigentliche Wasserwunder und dessen Folgen erweisen ihre Eigenart und Intention gerade in ihrer kreativen Adaption vorgegebener Erzählungen: Die Requisiten des Wasserwunders in 20,8–11 sind denen aus Ex 17,5f. vergleichbar: Der Stab ( ;מטהEx 17,5; Num 20,8.9.11), der Felsen ( צורin Ex 17,6bis;48 סלעin Num 20,8bis.10bis.11)49 und als Publikum „Älteste Israels“ (Ex 17,5f.) oder die „Versammlung“ der Israeliten insgesamt (Num 20,8–11). Gerade die Aufweitung des Publikums zeigt, dass Num 20,1–13 eine steigernde Nacherzählung von Ex 17,1–7 darstellt:50 Das Wunder geschieht nicht vor 44
Vgl. ACHENBACH, Vollendung, 312. Vgl. FREVEL, Blick, 326: „Die Offenbarung der ‚Lösung‘ findet nicht coram publico statt, sondern ergeht wie in Ex 16,1–15* nur an Mose, und zwar jetzt, nach Errichtung des Heiligtums, am Eingang des Zeltes der Begegnung.“ 46 Vgl. etwa SCHART, Mose, 100f.120; FREVEL, Blick, 326. 47 Gegen STRUPPE, Herrlichkeit, 204.210–212.215.233 (vgl. auch RAPP, Mirjam, 275f.; SPECHT, Verfehlung, 279f.299) ist die Separierung von den Israeliten nicht als Versagen Moses und Aarons zu interpretieren. Dies zeigt einerseits der Bezug auf Num 16f., den Struppe aufgrund ihrer literarhistorischen Voraussetzungen nicht beachtet (s.o. Kap. 8.3. Anm. 35), und andererseits die Darstellung in 20,1–13 selbst: Die Rede YHWHs in 20,8 lässt weder an den Anführern, noch an den Israeliten Kritik erkennen; vielmehr wird eine Lösung für das Ausgangsproblem des Wassermangels präsentiert. Der Auftrag, die Versammlung ( )עדהzu versammeln ( קהלhiph.), zielt auf das Wasserwunder beim Felsen, hat also ein konkretes lokales Ziel und nicht die Aufgabe, die Separierung von der Versammlung rückgängig zu machen (bemerkenswerterweise wird in 20,6 die Versammlung als קהל, nicht als עדהbezeichnet). Und schließlich ist 20,12 hinreichend durch die Abweichungen Moses und Aarons von ihrem Auftrag motiviert. 48 Vgl. Dtn 8,15; 32,13; Jes 48,21; Ps 78,15.20; 105,41; 114,8. 49 Vgl. Dtn 32,13; Neh 9,15; Ps 78,16. 50 Dies ist etwa mit SCHMIDT, Stab, 269f. (vgl. DERS., Studien, 56.204) gegen BERNER, Wasserwunder, 205 mit Anm. 33; UTZSCHNEIDER/OSWALD, Exodus, 52.139 Anm. 62; 181 oder auch gegen FRANKEL, Stories, 264.297–302; SPECHT, Verfehlung, 288.292.310f. 45
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einer begrenzten Anzahl an Augenzeugen, sondern vor dem ganzen Volk, womit die Schwere von Moses und Aarons Unglauben durch Ungehorsam betont wird.51 Dass das Wunder von Num 20,1–13 nochmals größer ist als das von Ex 17,1–7, zeigt sich weiter darin, dass hier nun explizit „viele Wasser“ ( ;מים רביםNum 20,11b) hervorquellen, dass explizit auch die Tiere trinken können (20,11b),52 und dass das Wunder nicht mittels des magischen Stabes Moses, sondern mittels des gesprochenen Wortes erfolgen soll (20,8) – und sich letztlich trotz des Missbrauchs des Stabes als Schlagstock wie von selbst, und das heißt gottgewollt, ereignet (20,11b).53 Mit der Stabesthematik in 20,8–11 wird erneut Num 17 eingespielt – und nur unter Berücksichtigung dieses Bezuges lässt sich eine plausible Deutung des Textes erzielen, die sich nicht zuerst selbst einen neuen Text konstruieren muss: Der Auftrag in 20,8aα1, „ קח את־המטהNimm den Stab“, scheint nach dem Auftrag in Ex 17,5b, „ ומטך … קחund nimm deinen Stab …“,54 prima vista Moses Stab im Blick zu haben, die beiden Wasserwundererzählungen damit eng zu verzahnen – wenn auch auffällt, dass der Stab anders als in Ex 17,5b (oder auch 14,16) in Num 20,8 gerade kein Possessivsuffix trägt. Die Erfüllung dieses Auftrages in 20,9 lässt an dieser Deutung aber zweifeln: ויקח „ משׁה את־המטה מלפני יהוה כאשׁר צוהוUnd Mose nahm den Stab vor dem Angesicht YHWHs weg, wie er ihm geboten hatte.“ Der Stab, der vor dem Angesicht YHWHs ist, ist der nach 17,16–26 im „Begegnungszelt“ (17,19) bzw. „Zelt des Zeugnisses“ (17,22.23) „vor dem Angesicht des Zeugnisses“ (17,25) deponierte Stab des Stammes Levi, auf dem Aarons Name eingeschrieben wurde (17,17b.18a) und der daher als „Stab Aarons“ bezeichnet werden kann (17,21b.23.25). Diesen Stab Aarons hat Mose im Rahmen der Stabesprobe „vor dem Angesicht YHWHs“ deponiert und von dort wieder weggenommen zum Erweis der Gottesunmittelbarkeit der durch Aaron repräAnm. 88 festzuhalten. Auch LIM TENG KOK, Scripts sieht in Num 20,1–13 eine Steigerung gegenüber Ex 17,1–7, spricht sich aber letztlich erstaunlicherweise gegen eine literarische Abhängigkeit aus. 51 Die Septuaginta hat diese Aufweitung der Augenzeugenschaft aus Num 20,12 nachträglich in Ex 17,6b eingetragen und lässt auch hier die Israeliten insgesamt (ἐναντίον τῶν υἱῶν ̓Ισραήλ) und nicht nur die zuvor mitgenommenen Ältesten Israels ()לעיני זקני ישׂראל das Wasserwunder bezeugen (s.o. Kap. 4.2.4. Anm. 61). 52 Zu „ בעירVieh“ vgl. Num 20,4.8.11. Ex 17,3 bedenkt das Vieh in Form von „ מקנהBesitz“ nur in der Klage des Volkes. 53 Diese Steigerung des Wunders spricht auch gegen R.E. Gartons These der Koordination der zwei ehedem literarisch eigenständigen Wasserwundererzählungen durch den Meriba-Redaktor (vgl. GARTON, Mirages, 181–187.197–201.229–231.232–235; s.o. Kap. 4.3.), die zudem unerklärt lässt, weshalb der eine Redaktor doch vergleichsweise unterschiedlich und Unterschiedliches formuliert in beiden Erzählungen. 54 Der in Ex 17,5b ergänzte Relativsatz zu Moses Stab (s.o. Kap. 4.2.4.) findet in Num 20,1–13 keinen Widerhall. Für die literarhistorische Einordnung des Relativsatzes besagt dies freilich nichts.
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sentierten Leviten (17,22.24). Wird dieser oft beschriebene Verweiszusammenhang berücksichtigt,55 sind Mose und Aaron in ihrem Agieren noch enger miteinander verbunden, als bisher beschrieben, da Mose dort, wo er scheinbar alleine handelt, Aarons Stab in Händen hält.56 Die Gegenthese, wonach hier ursprünglich stets Moses Stab gemeint und „ מלפני יהוהvor dem Angesicht YHWHs weg“ nachgetragen sei,57 hat einerseits 20,9b gegen sich, wo כאשׁר „ צוהוwie er ihm geboten hatte“ den voranstehenden Gottesnamen als Subjekt voraussetzt,58 und andererseits die von Vertretern dieser These bislang nicht eingelöste Begründungspflicht, weshalb der ehedem eindeutige Text nachträglich verunklart werden sollte.59 Dass der Verweis auf 17,16–26 bewusst erfolgt, ergibt sich aus folgenden zwei Beobachtungen: Einerseits steht die Befehlserfüllungsformel „ כאשׁר צוהוwie er ihm geboten hatte“ in 20,9b inmitten des Ausführungsberichtes und nicht an dessen Ende oder an seiner statt, wie es üblicher wäre.60 Dabei markiert sie nicht etwa den Bruch zwischen auftragsgemäßer Befehlserfüllung und eigenmächtiger Abkehr davon, denn dieser Bruch erfolgt erst nach 20,10a, sondern steht zwischen den ersten beiden auftragsgemäß vollzogenen Handlungen Moses und Aarons in 20,9 und 20,10a.61 Das ist dahin gehend zu deuten, dass die Befehlserfüllungsformel anzeigt, dass bereits der Befehl den Aaronstab meinte und nicht etwa Moses Stab: Am Begegnungszelt (20,6) meint der Verweis auf „den Stab“ den im Begegnungszelt deponierten Stab.62 Andererseits wird der Aaronstab in 20,7–11 55
Vgl. WENHAM, Numbers, 149; BUDD, Numbers, 216.218; BLUM, Studien, 273; SCHART, Mose, 115; RAPP, Mirjam, 276.299–304 u.ö.; SEEBASS, Numeri, 273f.281f.; SCHMIDT, Numeri, 67.88–93; NIHAN, Mort, 167; KUPFER, Israel, 206–209; SPECHT, Verfehlung, 301f. 56 Vgl. SAKENFELD, Problems, 143–147. 57 Vgl. etwa FREVEL, Blick, 320f.331f. (der in der Stabesthematik einen mindestens zweifach geschichteten Nachtrag zur Grundschicht von 20,1–13 erkennt; s.o. Anm. 8). Weitere Vertreter nennt SCHART, Mose, 115 Anm. 74. 58 Vgl. FRANKEL, Stories, 294 Anm. 77; NIHAN, Mort, 167 Anm. 81. Vertreter der genannten und hier abgewiesenen These müssten 20,9b mit der Septuaginta lesen (καθὰ συνέταξεν κύριος), weisen darauf aber nicht hin. 59 Vgl. auch die Kritik bei SCHART, Mose, 114–116. 60 Vgl. BÜHRER, Anfang, 73–81 (mit weiterer Lit.). 61 Gegen KOHATA, Überlieferungsgeschichte, 13f.; MILGROM, Numbers, 165; SPECHT, Verfehlung, 303. 62 Vgl. SEEBASS, Numeri, 281: „Mose hatte den Stab Levis/Aarons (so 9) zu nehmen. Der Stab von 8a kann im Kontext ohnehin nicht der Moses sein, weil er hier durch ein Suffix hätte bezeichnet werden müssen. Am Begegnungs-Zelt und vor Jahwe ist der Stab der im Heiligtum deponierte.“ Da FREVEL, Blick, 309.320f.331f. diachron zwischen dem Aaronstab in 20,9 und dem Mosestab in 20,8.11 unterscheidet, muss er aaO., 321 Anm. 229 die Vermutung anstellen, auch die Determination des Stabes in 20,8 sei „[m]öglicherweise“ redaktionell. Wenig überzeugend ist seine Zurückweisung der (hier gefolgten) These E. Blums, wonach sich Num 17 „auch auf der Endtextebene nicht zum Schlüssel der Erzählung aufbauen“ lasse (aaO., 321), denn genau dies macht auch Frevels Redaktor in
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präzise in der Funktion beschrieben, die ihm nach 17,16–26 zukommt:63 Die Stabesprobe dient der Beendigung des Murrens ( לוןund ;תלנות17,20), der schließlich im Heiligtum (genauer: „ לפני העדותvor dem Zeugnis“) deponierte Aaronstab dient „als Zeichen für die Widerspenstigen“ ()לאות לבני־מרי, damit das Murren ( )תלנותendet, und die Israeliten nicht sterben (17,25). In genau „dieser Zeichenbedeutung wird“ der Stab „hier ‚aufgenommen‘“64 – allerdings nicht von Mose: Der Stab soll zum Zeichen, nicht aber zum Schlagen dienen (vgl. 20,8), wird aber von Mose in eigenmächtiger Abkehr vom Auftrag in Opposition zu dem als „Widerspenstige“ ( ;המרים20,10b) bezeichneten Volk als Schlagstock eingesetzt (20,11). Auch der letzte Beleg des Stabes lässt sich kohärent mit dieser Deutung erklären: Mose schlägt den Felsen „ במטהוmit seinem Stab“ (20,11). Auch hier denkt man zunächst unweigerlich an Moses Stab, doch auch ein Bezug auf Aarons Stab ist möglich und nach dem Bisherigen wahrscheinlich: „Sein Stab“ meint schlicht den Stab in Moses Hand, und das ist nach dem vorangehenden Text der Stab Aarons.65 Der Stab ist damit an allen drei Belegstellen identisch, es ist der Stab des von YHWH erwählten ( ;בחר17,20) levitischen (Hohe-)Priesters, der im Rahmen der Stabesprobe ausgeschlagen hat und Blüten hervorkommen ließ ( יצאhiph.; 17,23); so, wie der „tote“ Stab in Num 17 prosperierte, soll nun Wasser aus dem Felsen hervorkommen ( יצאhiph. in 20,8[.10]; יצאqal in 20,11), damit Israel trinken kann (20,8.11) und nicht stirbt (17,25). Die Differenz zu Ex 17,1–7 ist offensichtlich: Mose soll nicht mit seinem Stab den Felsen schlagen (17,5f.), sondern mit Aarons Stab als Zeichen für die Widerspenstigen zusammen mit Aaron vor den Augen (und Ohren) der murrenden Israeliten zum Felsen sprechen (Num 20,8). Gleichwohl handelt er in 20,10f. nach dem Muster von Ex 17,1–7 und schlägt den Felsen, und zwar פעמים: Dies wird in der Debatte entweder stärker von Ex 17,1–7 her kommend als „zum zweiten Mal; erneut“66 oder, weitaus üblicher, stärker von Num 20,1–13 her kommend als „zweimal“ übersetzt. Im letzteren Falle wird das zweimalige Schlagen gerne mit der – strittigen – Intention Moses (vgl. 20,10) in Verbindung gebracht (das zweimalige Schlagen unterstreiche den Zorn, den Zweifel, die 20,9, dem „Num 20 als Anwendungsgeschichte für Num 17“ „erschien“ (aaO., 332; vgl. aaO., 336). Das „Verhältnis von Redeauftrag und Schlagen mit dem Stab und … das von Schuld und Strafe“ „zwingt“ damit mitnichten „in die Diachronie“ (aaO., 321), wie hier im Anschluss an und Fortführung von Blum u.a. (s.o. mit Anm. 12) zu zeigen versucht wird. 63 Vgl. PROPP, Rod, 22.26; BLUM, Studien, 273; RAPP, Mirjam, 299–304.325 u.ö.; SEEBASS, Numeri, 273f.281f.; NIHAN, Mort, 167 Anm. 81; SPECHT, Verfehlung, 301f. 64 BLUM, Studien, 273. 65 Vgl. BLUM, Studien, 274 Anm. 170; SEEBASS, Numeri, 274.282; NIHAN, Mort, 167 Anm. 81. Von SAKENFELD, Problems, 143 wird diese Deutung als Möglichkeit erwogen, letztlich jedoch zurückgewiesen, weshalb sie 20,11a als Nachtrag wertet (vgl. aaO., 145. 149). Vgl. auch, etwas anders, SCHART, Mose, 116 Anm. 78; SCHMIDT, Stab, 271. 66 Vgl. SAKENFELD, Problems, 149; FREVEL, Blick, 331f. mit Anm. 260.
9.2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 20,1–13
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Überheblichkeit Moses o.ä.),67 lässt sich aber auch hinsichtlich der zwei Handlungsträger auflösen: Mose schlägt einmal für sich, einmal für Aaron.68 Beide Deutungen scheinen möglich; die Septuaginta übersetzt פעמיםin Gen 27,36 mit δεύτερον „zum zweiten Mal“, in Num 20,11 allerdings, wie meistens, mit δίς „zweimal“. Da „zum zweiten Mal“ im Hebräischen regulär mit שׁניתzum Ausdruck gebracht wird, und wegen der beschriebenen Darstellung des gemeinsamen Handelns Moses und Aarons erscheint die Deutung auf ein Schlagen für Mose und für Aaron am plausibelsten. Dass auch trotz Moses und Aarons Übertreten der Anweisungen der Durst des Volkes gestillt wurde, wird einerseits durch den bereits beschriebenen Wechsel vom Kausativ- ( יצאhiph. in 20,8b.10b; שׁקהhiph. in 20,8b) zum Grundstamm ( יצאqal in 20,11bα; שׁתהqal in 20,11bβ; vgl. 20,5b) angezeigt.69 Andererseits bringt auch 20,13 die doppelte „Sinnspitze des Textes treffend zum Ausdruck“:70 20,13a fokussiert das Streiten der Israeliten und zeichnet so in Aufnahme von 20,3 einerseits und Ex 17,2.7 andererseits die Wasserwundererzählung Num 20,1–13 deutlich in den Kontext der weiteren Murrerzählungen ein. 20,13b verweist dagegen implizit auf das Handeln Moses und Aarons und explizit auf das YHWHs: „ ויקדשׁ בםUnd er (=YHWH) hat sich an ihnen (=den Israeliten) als heilig erwiesen“71 zeigt, dass „ בקדשׁin Kadesch“ (20,1) YHWH selbst seine Herrlichkeit an seinem Volk erwiesen hat (קדשׁ 67 Die Deutung von Moses Frage in 20,10b ist notorisch umstritten – und das seit früher Zeit (vgl. etwa MILGROM, Magic [=DERS., Numbers, 448–456] zur Frage nach Moses Sünde insgesamt; SCHMIDT, Numeri, 92f.). Da das Reden zu den Israeliten (und das Schlagen des Felsens) anstelle des Redens zu dem Felsen eine hinreichend deutliche Abweichung vom Auftrag YHWHs darstellt, dürfte der Inhalt der Rede bei der Beurteilung von Moses und Aarons Handeln als Unglaube von untergeordneter Bedeutung sein. Nimmt man die herausgearbeiteten Bezüge zu 17,16–26 gerade in 20,8–11 und zu den weiteren Murrerzählungen in 20,1–13 insgesamt ernst, dürften weder unangemessener Zorn, Zweifel oder Überheblichkeit in Moses Frage zum Ausdruck kommen. Moses Frage dient der Widerspenstigen Zähmung, hier durch den Rückbezug auf 17,16–26, andernorts durch die Deutung des Murrens der Israeliten gegen Mose (und Aaron) als Murren gegen YHWH (vgl. Ex 16,6f.8; 17,2b; Num 16,11). „Mose unterstreicht durch seine Frage, daß die Behebung der Wassernot völlig ungeschuldet ist, ganz und gar gnadenhafte Zuwendung YHWHs. Vorausgesetzt wird dabei, daß das Murren gegen die Führer zugleich ein Murren gegen YHWH und seinen Heilsplan (v. 4) ist. … Die Wasserspende fällt entsprechend der übergroßen Gnade YHWHs überreichlich aus ()מַ ִים ַרבִּ ים.“ FREVEL, Blick, 327. 68 Vgl. ACHENBACH, Vollendung, 314; NIHAN, Mort, 166 Anm. 77. Vgl. auch PROPP, Rod, 23 Anm. 23. 69 S.o. mit Anm. 23. 70 SCHART, Mose, 117. 71 Die Referenz von בםist durchaus strittig (durch das Wasser [vgl. Num 27,14, hier jedoch mit קדשׁhiph.]? durch/an Mose und Aaron? an/vor den Israeliten?). Da die Israeliten unmittelbar vorangehen, ist der Bezug auf sie am plausibelsten. Vgl. etwa COATS, Rebellion, 76; SCHART, Mose, 98 Anm. 4 (anders aaO., 108); SEEBASS, Numeri, 283; NIHAN, Mort, 156f. Anm. 39.
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9. Num 20,1–13 – Erneutes Wasserwunder
niph.), obwohl die Anführer des Volkes YHWH nicht vertraut und ihn vor den Augen des Volkes nicht geheiligt haben ( קדשׁhiph.; 20,12). Im Abschlussvers kommen so nochmals beide Stränge der Erzählung zusammen und erweisen sich so auch im Rückblick als zusammengehörig.72 Dies gilt schließlich auch für 20,1: Die Inklusion „ קדשׁKadesch“ in 20,1 und קדשׁniph. „sich heiligen“ in 20,13 wurde soeben genannt. Die Ankunft der „Israeliten, der ganzen Versammlung“73 in Kadesch erinnert an die Ankunft der Kundschafter ebendort „bei Mose, Aaron und der ganzen Versammlung der Israeliten“ in 13,26, wo die Kundschafter den Israeliten die Früchte des Verheißenen Landes zeigen, die die Israeliten in 20,3–5 – immer noch oder wieder in Kadesch – vermissen. Der Subjektswechsel zwischen 20,1aα („die Israeliten, die ganze Versammlung“) und 20,1aβ („das Volk“) sowie die gegenüber 13,26 unterschiedliche Verortung Kadeschs (hier in der Wüste Zin, dort in der Wüste Paran)74 haben oft zur Einschätzung geführt, 20,1aβ sei nicht Teil der Grundschicht von 20,1–13.75 Allerdings sprechen die Inklusion zwischen 20,1aβ und 20,13, der Wechsel zwischen „Versammlung“ und „Volk“ auch zwischen 20,2 und 20,3 sowie die Fortsetzung der Erzählung in 20,22–29 und 27,12–23, wo Kadesch (in der Wüste Zin!) jeweils fest verankert ist (20,22; 27,14), gegen einen literarischen Bruch an dieser Stelle. Kadesch ist hier, ebenso wie Mara in Ex 15,22–27, Massa und Meriba in Ex 72 Vgl. SCHART, Mose, 117; NIHAN , Mort, 157 Anm. 43. Dagegen ist die Separierung von Num 20,13 von 20,12 etwa bei BOORER, Place, 51f. (s.o. Anm. 8) ungenau: 20,12 hält nicht fest, „that Yhwh’s holiness was not shown“ (aaO., 51), sondern dass Mose und Aaron sie nicht vor den Augen der Israeliten erwiesen haben; nach dem Wasserwunder und seinetwegen lässt sich sehr wohl festhalten, dass YHWH sich an den Israeliten als heilig erwiesen hat. Dagegen bleibt bei Boorers Rekonstruktion unklar, weshalb sich das Wasserwunder trotz der in 20,12 festgehaltenen Verfehlung Moses und Aarons ereignete. 73 Die seltene Reihenfolge בני־ישׂראל כל־העדהfindet sich noch im Bericht vom Aufbruch aus Kadesch in Num 20,22 und ähnlich in 27,21. Beide Texte, 20,22–29 und 27,12–23, stellen die logische Fortsetzung von 20,1–13 dar, die Übergabe der Führung Aarons und Moses auf Eleasar und Josua. Dazu s.u. Kap. 9.3. 74 Vgl. für Ersteres (in geographischer Hinsicht oder aufgrund des inhaltlichen Bezuges zu Num 20,1–13) Num 20,1(.14.16).22; 27,14; 33,36f.; 34,3f.; Dtn 32,51; Jos 15,1–3; Ri 11,16f.; Ez 47,19; 48,28, für Letzteres (in geographischer Hinsicht oder aufgrund des inhaltlichen Bezuges zu Num 13) Num 13,26; 32,8; Dtn 1,(2.)19.46; 2,14; 9,23; Jos 14,6f. Die weiteren Belege von Kadesch(-Barnea) lassen sich nicht deutlich einer dieser zwei Traditionen zuordnen (vgl. Gen 14,7; 16,14; 20,1; Jos 10,41; Ps 29,8). Eine Harmonisierung versucht die Septuaginta in Num 33,36, indem sie die im hebräischen Text hier vorgenommene Gleichsetzung von Zin und Kadesch dadurch auflöst, dass sie zusätzlich eine Wanderung von der Wüste Zin zur Wüste Paran berichtet und Letzteres mit Kadesch gleichsetzt (… καὶ παρενέβαλον ἐν τῇ ἐρήμῳ Σίν. καὶ ἀπῆραν ἐκ τῆς ἐρήμου Σὶν καὶ παρενέβαλον εἰς τὴν ἔρημον Φαράν, αὕτη ἐστὶν Καδής). Die Analyse von Num 13f. hat indes gezeigt, dass Kadesch in 13,26 nachgetragen ist: S.o. Kap. 7.2.1. mit Anm. 62; Kap. 7.3. mit Anm. 226. 75 Vgl. nebst vielen SCHART, Mose, 112.117 und s.o. Anm. 8–12.
9.2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 20,1–13
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17,1–7 sowie Tabera und Qibrot-Hattaawa in Num 11, in erster Linie ein „theologische[r] Ortsname“,76 weshalb die Nennung der Oase Kadesch als Lokalisierung eines Wasser- und Nahrungsmittelmangels auch gänzlich unproblematisch ist: Kadesch ist nach Num 20,1 eben gerade keine Oase; erst das in 20,1–13 erzählte Wasserwunder schafft die Bedingungen der Möglichkeit einer Oase hier.77 Desgleichen gilt für die Notiz vom Tod und Begräbnis Miriams, 20,1b. Dieser Versteil stellt nur unter der (letztlich quellenkritischen und zirkulären) Voraussetzung eine Schwierigkeit dar, dass 20,1–13 in der Substanz der Priesterschrift zugewiesen werden soll, Miriam aber in den der Priesterschrift zugewiesenen Texten ansonsten nicht belegt ist.78 Löst man sich von den traditionellen quellenkritischen Zuweisungen, stellt die Notiz vom Tode Miriams keinerlei literarkritisches Problem dar, sondern vielmehr ein Zeichen für Mose und Aaron, dass nun auch ihr Tod kurz bevorsteht.79 Die Notiz vom Tode Miriams zeigt damit von Anfang an, dass es in 20,1–13 nicht nur um das Schicksal des Volkes, sondern auch und insbesondere um das seiner Anführer geht. Schwierig bleibt die Frage der Datierung der Erzählung im Rahmen der Wüstenwanderung: 20,1 nennt nur den Monat, nicht aber das Jahr, in dem die Israeliten nach Kadesch 76
AURELIUS, Fürbitter, 170 (zu Massa und Meriba); s.o. Kap. 4.2.3. mit Anm. 41. Zu Kadesch in Num 20,1–13 als literarisch-theologischer Größe vgl. RAPP, Mirjam, 243f.255– 257.262–266.282.284–288 u.ö. 77 Gegen FREVEL, Blick, 308; RUDNIG-ZELT, Glaube, 219 Anm. 414; 245. Vgl. dagegen auch KNAUF, Supplementa, 22: „Much confusion has been created in the interpretation of Numb. 20 … by the discovery of the ‚true‘ Kadesh Barnea in the Negeb … It is frequently disregarded that the biblical Kadesh is not necessarily, or not always, identical with the ‚historical‘ Kadesh.“ Zum „richtigen“ bzw. „historischen“ sowie zum literarischen Kadesch (und zu damit verbundenen forschungsgeschichtlichen Hypothesen) vgl. etwa FUHS, Qādeš; RAPP, Mirjam, 243f.255–257.262–266.282.284–288 u.ö.; ROSKOP, Itineraries, 252–271; JERICKE, Kadesch-Barnea. 78 Vgl. die Darstellung und Kritik bei SPECHT, Verfehlung, 289–291, für den die Zuweisung an die Priesterschrift schließlich kein Problem darstellt, da „P und seine Leser aber das Erzähl-Material kennen“. Von ACHENBACH, Vollendung, 310f. wird erstaunlicherweise nicht begründet, weshalb in seinem Modell 20,1b nachgetragen sein soll. 79 Vgl. KOHATA, Überlieferungsgeschichte, 27; BLUM, Studien, 278; SCHART, Mose, 112f.; RAPP, Mirjam, 233f.254–262.281f.314f. u.ö. (Rapps Betonung der Hinweisfunktion von Miriams Tod auch für das Volk erscheint angesichts der Wassernot und der stereotypen Todessehnsucht und Todesfurcht des Volkes innerhalb der Murrerzählungen wenig überzeugend; Koinzidenz ist nicht mit Kausalität zu verwechseln); NIHAN, Mort, 164; KUPFER, Israel, 203 mit Anm. 482; 216; SPECHT, Verfehlung, 289–291. Vgl. auch NOTH, Überlieferungsgeschichte, 200 („P hat … seine Erzählung ausklingen lassen mit dem Motiv des Todes der drei Geschwister Mirjam, Aaron und Mose und das Sterben dieser drei … stattfinden lassen an den drei nach seiner Erzählung letzten Stationen des Weges der israelitischen Stämme“), der in DERS., Numeri, 127f. dagegen in 20,1aβb wieder die „alten Quellen“ sieht.
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9. Num 20,1–13 – Erneutes Wasserwunder
kamen. Die Stellung von 20,1–13 im vorliegenden Text und im Rahmen der hier angedeuteten Redaktionsgeschichte des Numeribuches sowie die Ortsangaben am Rande des Kulturlandes80 weisen tendenziell auf ein spätes Datum im Rahmen der Wüstenwanderung. Wegen der Datierung des Todes Aarons ins vierzigste Jahr nach dem Exodus in 33,37–39 werden meist auch die Ereignisse in 20,1–13 ins vierzigste Jahr datiert.81 Das ist möglich. Möglich ist sodann, dass diese Jahresangabe, weil letztlich evident, im Laufe der Textüberlieferung ausgefallen ist oder ausgelassen wurde, oder dass sie, wiederum weil evident, nie im Text stand. Mit der (Frage nach der) Jahresangabe zusammen hängt die Frage, welche Generation der Israeliten in 20,1–13 im Blick ist. Hier sprechen sowohl die Erzählung selbst wie die Murrerzählungen insgesamt und die Gesamtkomposition des Numeribuches deutlich für die todgeweihte Exodusgeneration: Das murrende Volk bezeichnet in 20,3 die bisher in der Wüste Verstorbenen als „ אחינוunsere Brüder“, schreibt sich damit ebenso der Exodusgeneration zu, da sie ansonsten von ihren Vätern hätten sprechen müssen (vgl. dagegen etwa Zelophads Töchter in 27,3); mit 21,4–9 folgt eine weitere Murrerzählung, die Israeliten sterben lässt – die Exodusgeneration ist damit noch nicht ausgestorben. Dies geht auch aus Num 26 hervor: Erst mit der neuerlichen Volkszählung ist die Strafe an der Exodusgeneration vollzogen – jetzt lebt nur noch die Kindergeneration, die ins Verheißene Land ziehen darf; die Ablösung der Exodusgeneration durch die Generation ihrer Kinder stellt einen vierzig Jahre dauernden kontinuierlichen Prozess dar, Teile der Landnahmegeneration waren als Kinder von Anfang an mit dabei (vgl. 14,3.31), nach vielen Plagen und natürlichen Todesfällen sind ab Num 26 von den Erwachsenen der Exodusgeneration aber nur noch Josua, Kaleb und Mose übrig (vgl. 14,24.30.38; 26,65; 32,12 für Josua und Kaleb) – und Moses Tod steht kurz bevor (vgl. 27,12–14). Dass in 20,1–13 das Murren nicht bestraft wird, keine Israeliten getötet werden, hängt nicht an der anvisierten Generation der Israeliten (oder einer – nicht explizierten – veränderten Einschätzung YHWHs über das Murren), sondern wie in der Vorlage Ex 17,1–7 daran, dass das Murren über eine natürliche Notlage nicht bestraft wird.82 Unabhängig von der (Frage nach der) Jahresangabe weckt die Angabe des ersten Monats verschiedene Assoziationen: 1.) Nach Ex 12 ist im ersten Monat „eigentlich der Vollzug des Passafestes anzunehmen. Aber anstatt hiervon zu berichten, wird notiert, daß Mirjam dort gestorben ist.“83 „Liest man den Text auf der Endtextebene“, so ist mit R. Achenbach und noch über ihn hinaus, ein doppeltes Problem gegeben: Einerseits „muß nach Num 19 die Notiz vom Tod und der Bestattung Mirjams noch einmal besonders bestürzend klingen, wenn es heißt, daß ‚die Volksgemeinde kein Wasser hatte‘ (v. 2a), denn das mußte ja bedeuten, daß die Reinigungsriten nicht durchführbar waren!“84 Und andererseits erscheint 20,1–13 als Anwendungserzählung der Regelung aus 9,1–14 (oder umgekehrt formuliert: 9,1–14 erscheint als verallgemeinerte Regelung unter anderem des in 20,1–13 beschriebenen Problemfalls), wonach die Passafeier im Falle der Verunreinigung Einzelner aufgrund des Kontaktes zu Leichnamen oder im Falle einer weiten Reise auf den zweiten Monat ver80
Vgl. FREVEL, Blick, 76 Anm. 30: „Näher kann man kaum noch an die Kulturlandgrenze herankommen, ohne selbst schon im Lande zu sein“. 81 Vgl. etwa WELLHAUSEN, Composition, 107; FREVEL, Blick, 315.324f.; ACHENBACH, Vollendung, 38.309f.; SPECHT, Verfehlung, 286f. 82 Etwa gegen FREVEL, Blick, 315.324f.327; SPECHT, Verfehlung, 293f.; BURNSIDE, Moses, 140.145. 83 ACHENBACH, Vollendung, 310. Vgl. SPECHT, Verfehlung, 287–291. 84 ACHENBACH, Vollendung, 310. Zu Num 19 vgl. aaO., 525–528.
9.3. Literarhistorische Auswertung und Intention von Num 20,1–13
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schoben werden kann.85 Berücksichtigt man diesen „Assoziationskreis“,86 erklärt sich – auch unter Absehung von 9,1–14; 19, die anders als 20,1–13 auch die Beisassen mit im Blick haben (vgl. „ גרFremder“ in 9,14bis; 19,10) – womöglich auch die im Rahmen der Itinerarangaben eigentümliche Wortwahl „ ישׁבsich niederlassen“ oder „bleiben“ aus 20,1 und muss nicht als „Fehlentscheidung“ des Volkes interpretiert werden, wonach sich das Volk hier – im wasserlosen Kadesch – hätte bleibend niederlassen wollen.87 2.) Eine andere Assoziation vermutet C. Kupfer, der ausgehend von 1Chr 12,16 und Jos 3,15 „im Zusammenhang mit“ Jos 4,19 „vom typischen Hochwasser des Jordans zu dieser Jahreszeit“ eine „Assoziation des ersten Monats mit angesammeltem Wasserreichtum“ vermutet, die Num 20,1 gerade kontrastiere.88
9.3. Literarhistorische Auswertung und Intention von Num 20,1–13 9.3. Literarhistorische Auswertung und Intention von Num 20,1–13
Nach dem Aufweis der schriftgelehrten Gestaltung von Num 20,1–13 fällt die literarhistorische Verortung der Erzählung nicht schwer. Die Erzählung hat sich als literarisch einheitliche Verbindung bereits vorliegender Murrerzählungen erwiesen, ist damit literarhistorisch gleichursprünglich oder jünger als ihr jüngster Bezugstext. Schon das Aufbegehren gegen Mose und Aaron in 20,2.3a kombiniert die vor-priesterschriftliche Wasserwundererzählung Ex 17,1–7 („ ריב עםstreiten mit“) und die nach-priesterschriftliche Erzählung vom Aufstand Korachs, Datans und Abirams und der 250 Männer in Num 16f. ( קהל עלniph./hiph. „[sich] versammeln gegen“). Während der Aufbau von Num 20,1–13 grob dem von Ex 17,1–7 entspricht, erinnert die Klage der Israeliten in Num 20,3b.4f. an die nach-priesterschriftliche Klage in Num 17,27f. und die ebenso nach-priesterschriftliche Präsentation der Früchte des Verheißenen Landes durch die Kundschafter in Num 13,23.89 Noch haben Mose und Aaron die Israeliten nicht ins Verheißene Land mit seinen Früchten geführt ( בואhiph.; vgl. 20,4.5 sowie 14,3; 16,14; 20,12), sondern nur in die Tod bringende Wüste, an einen üblen Ort. Und nach 20,12 ist klar, dass Mose und Aaron die Israeliten nicht mehr ins Verheißene Land führen werden, denn sie haben durch die Abweichungen von ihrem Auftrag – beides gleichermaßen an Ex 17,1–7 wie Num 17 geeicht – darin versagt, YHWH zu heiligen ( קדשׁhiph.; 20,12), so dass er sich selbst heiligen musste ( קדשׁniph.; 20,13) in Kadesch ( ;קדשׁ20,1). Damit
85 Zu Num 9,1–14 vgl. ACHENBACH, Vollendung, 547–549, der die zwei Texte jedoch nicht ins Verhältnis setzt. 86 ACHENBACH, Vollendung, 310. 87 Gegen SPECHT, Verfehlung, 284–289, das Zitat aaO., 285. 88 Vgl. KUPFER, Israel, 202, die Zitate aaO., 202 Anm. 479. 89 Zur nach-priesterschriftlichen Einordnung von Num 13,23 s.o. Kap. 7.2.2.; Kap. 7.2.3., zu der von Num 17,27f. s.o. Kap. 8.3.2.
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9. Num 20,1–13 – Erneutes Wasserwunder
expliziert Num 20,1–13 das, was die Kundschaftererzählung Num 13f. noch implizit ließ: Dass und vor allem weshalb Mose und Aaron die Israeliten nicht ins Verheißene Land führen werden:90 Während ihr Sterben in der Wüste in Num 13f. implizit blieb, sie im Unterschied zu Kaleb und Josua nicht explizit von dem Todesschicksal der Exodusgeneration in der Wüste ausgenommen wurden, wird das Ende ihrer Führung des Volkes in der Wüste – und damit implizit ihr Sterben dort – in Num 20,1–13 nun expliziert. Dass es in Num 20,1–13 implizit auch um das Sterben Moses und Aarons in der Wüste geht, das offensichtlich mit dem Ende ihrer Führung zusammenfällt – zumal sogleich Nachfolger eingeführt werden –, zeigt auch Moses Reaktion in Dtn 3,24–28 und der samaritanischen Erweitung von Num 20,13,91 wo Mose nicht nur die Führung ins Verheißene Land, sondern auch sein Überqueren des Jordans versagt wird. In Num 20,22–29; 27,12–23; Dtn *32,48–52 wird sodann unter Bezug auf Num 20,1–13 explizit der (anstehende) Tod Aarons und Moses in der Wüste festgehalten und der Wechsel der Führung von Aaron auf Eleasar – bezeichnenderweise in 17,1–5 eingeführt (vgl. auch 19,3.4) – und von Mose auf Josua vollzogen. Bemerkenswert an diesem Führungswechsel ist, dass er mit einer Umwertung der Positionen einher geht:92 Während Mose auch in 20,1–13 als der hervorgehobene Führer innerhalb des Führungsduos Mose und Aaron erscheint, erscheint sein Nachfolger Josua dem Nachfolger Aarons, Eleasar, untergeordnet (27,19.21f.; vgl. Num 32,28; 34,17; Jos 14,1; 17,4; 19,51; 21,1). Diese Entwicklung zeichnet sich in Num 20,1–13 bereits ab, insofern Mose nicht seinen eigenen Stab als Wundermittel, sondern den Stab Aarons als Zeichen verwenden soll – den Stab also, der nach 17,16–26 den Stamm Levi insgesamt repräsentiert aber spezifisch für den (Hohe-)Priester, und nicht etwa für Mose, steht.93 In dieser Hinsicht mag es kein Zufall 90
Vgl. zum Folgenden etwa FRITZ, Israel, 27; BLUM, Studien, 276f.; ACHENBACH, Vollendung, 314–316; NIHAN, Mort, 164f.173f.; ALBERTZ, Numeri, 348. 91 S.o. Kap. 9.1. 92 Vgl. hierzu NIHAN, Mort, 173–182: „Le crime des deux chefs de la communauté en Nb 20 n’entraîne pas simplement leur remplacement par deux représentants de la seconde génération (Josué/Éléazar) qui reprendraient leur rôles respectifs, mais justifie au contraire une inversion radicale de la conception du rôle du pouvoir sacerdotal vis-à-vis du chef charismatique désigné par Yhwh telle qu’on la rencontre jusque là dans le Pentateuque.“ (aaO., 174; Herv. gelöscht). Die kurze Analyse der Texte aaO., 168–172 macht die literarische Gleichursprünglichkeit von 20,1–13; 20,22–29; 27,12–23 wahrscheinlich. Dtn 32,50b.51 ist möglicherweise ebenso „contemporaine de cette édition de Nb, et vise à harmoniser l’ancien récit de la mort de Moïse en Dt 32,48–50a.52; 34,1–6* avec la conception défendue par l’édition théocratique en Nombres.“ AaO., 172. 93 Daher ist die kaum am Text begründete Ausscheidung der Sukzessionspassagen in Num 20,22–29 bei ACHENBACH, Vollendung, 318–334, bes. 331 auch konzeptionell nicht notwendig. Achenbach weist *20,1–13 i.W. der Pentateuchredaktion zu (vgl. aaO., 302– 317; s.o. Anm. 12), *20,22–29 ohne die Eleasar- bzw. Sukzessionspassagen ebenso, Letztere dagegen zusammen mit 27,12–23 (vgl. aaO., 557–567) seiner Theokratischen Bearbei-
9.3. Literarhistorische Auswertung und Intention von Num 20,1–13
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sein, dass in dieser Schuldgeschichte der Anführer „der Schatten auf dem strahlenden Bild“ insbesondere Aarons „so hell wie möglich ausfällt!“94 Die Führung ins Land durch Josua und der Tod Moses außerhalb des Landes war den Numeritexten traditionell vorgegeben; Josua musste daher in Num 13f. schließlich explizit vom Todesschicksal in der Wüste ausgenommen werden.95 Dagegen erschien der Einbezug von Mose und Aaron ins Schicksal der Exodusgeneration insofern störend, als sie beide in Num 14 nicht gemurrt haben, der Tod in der Wüste aber explizit mit dem Murren begründet wird (vgl. bes. 14,29). Die deuteronomistische Literatur hat daraus den Tod Moses außerhalb des Landes wegen des Volkes gemacht (vgl. Dtn 1,37; 3,23–28; 4,21f.): YHWH erzürnte über Mose wegen des Volkes: גם־בי ( התאנף יהוה בגללכם1,37); ( ויתעבר יהוה בי למענכם3,26);96 ויהוה התאנף־בי על־דבריכם (4,21). Die priesterliche Überlieferung hat mit Num 20,1–13 einerseits Aaron explizit in das Schicksal Moses und der Exodusgeneration eingebunden und hat andererseits die individuelle Verschuldung Moses und Aarons eingeführt, um ihr Ergehen mit einem von ihnen begangenen Vergehen begründen zu können: Das Murren des Volkes ist nicht der Grund für Moses und Aarons Tod in der Wüste, sondern lediglich der Anlass für Moses und Aarons eigene Verfehlung und ihren daraus resultierenden Tod in der Wüste. Nebst den genannten nach-priesterschriftlichen Bezugstexten weist damit auch die Reflexion über individuelle Vergeltung in die Perserzeit (vgl. bes. Ez 18)97 – eine Vorstellung, die im Vorkontext bereits in Num 16,22 von Mose und Aaron selbst in ihrem Eintreten für die Israeliten angemahnt wurde.98 Während damit Num 13f. die Frage nach der Fortsetzung der Führung bereitstellt, enttung (vgl. aber auch die dazu nicht recht passende Darstellung aaO., 636). Mit C. Nihan dürften die Texte vielmehr auf eine Hand zurückgehen (s. voranstehende Anm.). Literarkritische Operationen an den Texten wurden insbesondere dort vorgenommen, wo ein Grundbestand für die Priesterschrift „gerettet“ werden sollte; vgl. etwa, mit weiterer Lit., FREVEL, Blick, 234–348 (wobei Frevel *27,12–23 der Priesterschrift nachordnet, Mose also innerhalb der Priesterschrift keinen Nachfolger zuweist. Typisch ist etwa die Argumentation zum Nachtragscharakter von 20,22a aaO., 239: „In der Pg würde man die Wüste Zin als letzten Aufenthaltsort erwarten (Num 20,1a), wenn hier der Aufbruch von Kadesch notiert wird, hat das schon Num 20,1b.13.14–21 im Rücken. Ob die priestergrundschriftliche Aufbruchsnotiz ausgefallen oder lediglich von RP überarbeitet wurde, läßt sich nicht mehr sagen.“). Zu den Texten in ihrem Zusammenhang vgl. auch DERS., Leadership. 94 BLUM, Studien, 276 (auf Mose und Aaron bezogen). 95 S.o. Kap. 7.2.1. und bes. Kap. 7.2.3. mit Anm. 170f.193–198. 96 Just diese Passage aus Dtn 3,23–28 wird in der Erweiterung des Samaritanischen Pentateuch von Num 20,13 – sachgemäß – ausgelassen; s.o. Kap. 9.1. 97 Vgl. NIHAN, Mort, 165. 98 Die Formulierungsparallele zwischen 16,22 und 27,16 ( יהוה אלהי הרוחת לכל־בשׂר/ אל „Gott / YHWH, Gott der Geister allen Fleisches“) ist kaum zufällig und unterstreicht das Beziehungsgefüge zwischen Num 16f.; 20; 27. Indes ist 16,22 möglicherweise von 27,16 abhängig (vgl. AURELIUS, Fürbitter, 202).
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9. Num 20,1–13 – Erneutes Wasserwunder
nimmt Num 20,1–13 Ex 17,1–7 den plot und Num 17,16–26.27f. letztlich den Grund für die Notwendigkeit des Führungswechsels: Weil Mose und Aaron sich im Umgang mit dem Stab des (Hohe-)Priesters verfehlt, weil sie nicht auf YHWH gehört und die schöpferische Kraft des Wortes haben wirken lassen, sondern sich auf das bewährte Muster aus Ex 17,1–7 verlassen haben, wird ihnen die Führung des Volkes entzogen. Num 20,1–13 ist damit gleichursprünglich oder jünger als Num 17,16–26.27f.99 – und damit gleichursprünglich oder jünger als zumindest der herausgearbeitete priesterliche Erzählzug vom Aufstand der 250 Laien und dem Murren des Volkes.100 Die Wiedergabe von Moses und Aarons Verfehlung aus 20,1–13 in 20,24 und 27,14 bestätigt dabei die obige Lesart: Sie haben mit dem Zeichenstab für die Widerspenstigen unrecht gehandelt, haben die dürstenden Israeliten als Widerspenstige beschimpft – und waren gerade so selbst widerspenstig ()מרה gegenüber dem Gebot YHWHs.101 Bekanntlich führen auch die gängigen Sprachstatistiken zu einer nach-priesterschriftlichen Einordnung von 20,1–13 – angefangen bei der alten Beobachtung, dass אמןhiph. „vertrauen; glauben“ „sonst bei P nicht üblich“ ist.102 Dass אמןhiph. „vertrauen; glauben“ in Gen 15,6; Ex 4,1.5.8bis.9.31; 14,31; 19,9; Num 14,11; Dtn 1,32; 9,23; 28,66 in nach-priesterschriftliche Zeit führt, wird immer mehr zugestanden;103 die Belege des Lexems zumindest in Gen 45,26 und Jes 7,9, deren gelegentliche Spätdatierung keineswegs einen Konsens darstellt, zeigen jedoch, dass das Lexem als solches nicht notwendigerweise in nach-priesterschriftliche Zeit weist. Dass אמןhiph. „vertrauen; glauben“ „sonst bei P nicht üblich“ ist,104 ist ebenso wenig ein hinreichendes Argument für die relativ-chronologische Einordnung des Verses angesichts der inhaltlichen Sonderstellung der Erzählung sowie der insgesamt nicht allzu häufigen Belegdichte des Lexems innerhalb des Pentateuch.105 Kurz: Die 99 Vgl. bes. NIHAN, Mort, 155–168 und aaO., 168–182, der in Auseinandersetzung mit R. Achenbachs Einordnung von Num *20,1–13 zur Pentateuchredaktion (s.o. Anm. 12.93) den Text der Theokratischen Bearbeitung aus Achenbachs Modell zuweist (dazu s.o. Kap. 1.2.4. mit Anm. 126–130). Vgl. auch KUENEN, Opstand, 148; RAPP, Mirjam, 316–322. 100 S.o. Kap. 8.3.2. 101 Vgl. BLUM, Studien, 274f. 102 BAENTSCH, Exodus-Leviticus-Numeri, 569, der entsprechend 20,12 nach 20,24 korrigiert. Vgl. auch etwa POLA, Priesterschrift, 96 („Unmöglich für einen Pg-Text“); FREVEL, Blick, 328; NIHAN, Mort, 156. 103 Vgl. etwa NIHAN, Mort, 156 mit Verweis auf GERTZ, Tradition, 223–228.311f. 104 BAENTSCH, Exodus-Leviticus-Numeri, 569. 105 Dies ist das relative Recht in der Argumentation von BOORER, Place, 52f. Anm. 23 („Since Moses and Aaron behave in a unique way in this episode compared to their behavior in the rest of Pg, it is perhaps not surprising that terminology uncharacteristic of P but used in non-P texts in relation to the rebellion of the people … occurs here.“) in Auseinandersetzung mit C. Nihans Arbeit (s.u. mit Anm. 107). Allerdings blendet sie die weiteren Argumente (insbesondere die Bezüge zu Num 16f.) für eine nach-priesterschriftliche Ansetzung aus. Während FREVEL, Blick, 328 Num 20,12 wegen אמןhiph. nicht der Priesterschrift meint zuweisen zu können, weil das Lexem nicht zu deren sonstigem „Sprachgebrauch[]“ gehöre, kann er aaO., 241f. völlig zu Recht zu Eleasar im Grundbestand von
9.4. Fazit
301
Sprachstatistik ist methodisch nur begrenzt belastbar,106 im vorliegenden Fall mögen die zuletzt besonders von C. Nihan zusammengestellten Beobachtungen daher schlicht als – für sich selbst nicht ausschlaggebende – Zusatzargumente für obige stratigraphische Argumentation dienen.107 Immerhin zeigen sie, dass die gesamte Erzählung Lexeme aufweist, die schwerpunktmäßig in nach-priesterschriftliche Zeit weisen.
9.4. Fazit 9.4. Fazit
Num 20,1–13 hat sich als literarisch einheitliche Murrerzählung erwiesen, die ihre Aussage gerade in kreativ-adaptiver Aufnahme vorangehender Murrerzählungen entfaltet. Das Nebeneinander zweier Murrlexeme ( קהל עלniph. „sich versammeln gegen“ in 20,2b und „ ריב עםstreiten mit“ in 20,3a) sowie das Nebeneinander von Mose und Aaron, bei dem Aaron nicht immer mit im Blick ist, erklärt sich durch die Aufnahme der vor-priesterschriftlichen Wasserwundererzählung Ex 17,1–7 (mit „ ריב עםstreiten mit“ in 17,2a sowie – gleichursprünglich108 – „ לון עלmurren gegen“ in 17,3; ohne Aaron) und der priesterlichen Teile der nach-priesterschriftlichen Erzählung vom Aufstand Korachs, Datans und Abirams und der 250 Männer Num 16f. (unter anderem mit קהל עלniph./hiph. „[sich] versammeln gegen“ in 16,3.19; 17,7; mit Aaron). Die Erzählung 20,1–13 fokussiert jeweils präzise Mose allein oder Mose und Aaron zusammen als Handlungs- und Verantwortungsträger im Gegenüber zum dürstenden und murrenden Volk. Wenn auch die Erzählung in Aufnahme von Ex 17,1–7 eine Murr- sowie Wasserwundererzählung ist, so geht es ihr doch weniger um das Ergehen des Volkes als vielmehr um das seiner Anführer: Dass Mose und Aaron das Volk nicht ins Verheißene Land führen, sondern vielmehr bereits in der Wüste sterben, ist Num 20,1–13 traditionell vorgegeben und im Vorkontext in *14,26–35 bereits implizit festgehalten. 20,1–13 und die darauf bezogenen Erzählungen Num 20,22–29; 27,12– 23; Dtn *32,48–52 explizieren und begründen dies mit einer individuellen Verfehlung Moses und Aarons im Unterschied zur deuteronomistischen Einbeziehung Moses in die Kollektivstrafe Israels (vgl. Dtn 1,37; 3,23–28; 20,22–29 mit dem gleichen Argument wie hier zu 20,12 – dem spezifischen Aussageinteresse der jeweiligen Passage – festhalten: „Daß Eleasar in der Priestergrundschrift ansonsten keine größere Rolle spielt, ist zwar richtig, doch als Argument gegen Pg nicht einschlägig, weil es ja hier gerade um die genealogische Nachfolge für Aaron geht.“ Zu Eleasar s.o. mit Anm. 92f. 106 Vgl. ausführlicher BÜHRER, Anfang, 277–284.290f.305–310.313f. und spezifisch mit Blick auf die Frage nach dem Ende der Priesterschrift SKA, Récit, 648–653. 107 Vgl. NIHAN, Mort, 156–158. Vgl. auch schon die von FREVEL, Blick, 330 genannten „Momente, die gegen eine Zugehörigkeit des Grundtextes … zur Priestergrundschrift sprechen“; ohne weitere Diskussion werden diese aber als nicht ausreichend abgetan, „den alten Konsens aufzugeben“. 108 S.o. Kap. 4.2.1.
302
9. Num 20,1–13 – Erneutes Wasserwunder
4,21f.). Die Verfehlung Moses und Aarons besteht, wie erst recht der Vergleich des Aufbaus von Ex 17,1–7 und Num 20,1–13 zeigt, in der partiellen Missachtung des göttlichen Gebotes aus 20,8 in 20,9–11: Statt den Stab Aarons aus dem Heiligtum (vgl. 20,9) als Zeichen für die Widerspenstigen zu verwenden (vgl. 17,16–26), übergeht Mose YHWHs Auftrag und handelt nach dem Vorbild von Ex 17,1–7. Die in der Stabesprobe in Num 17,16–26 und der Verwendung von Aarons Stab durch Mose in 20,1–13 bereits anklingende Verschiebung der Hierarchien wird in 27,12–23 abschließend festgeschrieben: Der Führungswechsel geht mit der Umwertung der Führungspositionen einher, insofern Moses Nachfolger Josua Aarons Nachfolger Eleasar untersteht. 20,1–13 handelt damit, im Verbund mit den genannten Texten, nicht so sehr von der Führung des Volkes in der Wüste, als vielmehr von einem Epochenwechsel in der Führung – und ist damit wie durch die Thematik der Hineinführung ins Verheißene Land klar auf den Hexateuch bezogen. Das Volk, das sich gegen Mose und Aaron versammelt und mit Mose streitet, wird dagegen nicht bestraft – ihre natürliche Notlage wird wie in Ex 17,1–7 und den weiteren vor-sinaitischen Murrerzählungen von YHWH gnadenhaft gewendet. Ihr Hinweis auf die Unvollständigkeit von Exodus und Landgabe scheint damit letztlich als nicht unberechtigt betrachtet zu werden.
10. Num 21,4–9 – Finales Murren, Schlangenplage und open end 10.1. Num 21,4–9 – Einführung 10.1. Num 21,4–9 – Einführung
Num 21,4–9 stellt den End- und Höhepunkt der insgesamt zehn Murrerzählungen in Exodus und Numeri dar. 21,4–9 folgt im vorliegenden Text des Numeribuches unmittelbar auf den ersten berichteten Sieg über Kanaan, 21,1–3, nimmt auf diese Ereignisse jedoch keinerlei Bezug. Ganz im Gegenteil: Auf die positive Wendung für Israel bei Horma im Vergleich zu Num 14,45 folgt nicht etwa die Übernahme kanaanitischen Territoriums, sondern der Umweg um Edom in Richtung auf das Schilfmeer ausgehend vom Berg Hor.1 Damit knüpft die Itinerarnotiz 21,4a gleich an drei verschiedene Erzählungen des Vorkontextes an: 21,4aα1 („ ויסעו מהר ההרUnd sie brachen auf vom Berg Hor“) knüpft an den spät-priesterlichen Bericht vom Tod Aarons auf dem Berg Hor in 20,22–29 an.2 21,4aα2 („ דרך ים־סוףauf dem Weg zum Schilfmeer“) löst den in 14,25b erteilten Befehl zur Umkehr zum Schilfmeer ein. 21,4aβ („ לסבב את־ארץ אדוםum das Land Edom zu umgehen“) berücksichtigt die Weigerung Edoms, Israel durch das eigene Territorium ziehen zu lassen, aus 20,14–21. Die Itinerarnotiz 21,4a ist damit weniger geographisch präzise als vielmehr schriftgelehrt angelegt. Die in 21,4–9 berichteten Ereignisse werden entsprechend nicht genauer lokalisiert, sondern schlicht „unterwegs“ ( ;בדרך21,4b) verortet. Auf die Erzählung folgen in 21,10–20 der relativ schematische Bericht über den Zug durchs Ostjordanland und in 21,21–35 die ersten berichteten Eroberungen ostjordanischen Territoriums (vgl. Num 32), womit Israel die Wüste endgültig hinter sich gelassen hat. Dass beim Aufbruch nach Obot in 21,10 kein Ausgangsort benannt wird, entspricht dabei durchaus
1 Für 21,1–3 dürfte dies bedeuten, dass die Erzählung erst nachträglich in den Zusammenhang 20,29 → 21,4 eingefügt wurde – und möglicherweise nie in einem anderen Zusammenhang stand. Der Sieg über die (westjordanischen) Kanaaniter musste auf jeden Fall vor dem Zug durch ostjordanisches Territorium ab 21,10 berichtet werden. 21,1–3 dient der Darstellung der militärischen Leistungsfähigkeit Israels, sofern es in Übereinstimmung mit YHWH agiert. Vgl. GERMANY, Narrative, 237f. 2 Zu 20,22–29 s.o. Kap. 9.3. mit Anm. 92f.
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10. Num 21,4–9 – Finales Murren, Schlangenplage und open end
der Darstellung von 21,4–9: Die berichtete Plage hat einerseits keinen eigentlichen Abschluss und geschieht andererseits unterwegs.3 Unterwegs wird das Volk ungeduldig und „redet gegen“ ( ;דבר ב21,5) Gott und Mose.4 Als Strafreaktion auf die erneute Infragestellung der Heilsbedeutung des Exodus sendet YHWH feurige Schlangen unter das Volk, so dass viel Volk an den Schlangenbissen stirbt (21,6). Eingeleitet durch ein Sündenbekenntnis bittet das Volk Mose um Fürbitte bei YHWH (21,7a), und Mose kommt der Bitte unmittelbar nach (21,7b). YHWH beauftragt Mose, eine Schlangenstandarte anzufertigen, deren Anblick die gebissenen Israeliten heilt (21,8). Und so geschieht es (21,9). Unter den unterschiedlichen Bezeichnungen für die Schlangen5 sticht besonders die von Mose gemachte („ )עשׂהeherne Schlange“ (;נחשׁ ]ה[נחשׁת 21,9bis) hervor, da „die eherne Schlange, die Mose gemacht hatte“ (נחשׁ )הנחשׁת אשׁר־עשׂה משׁה, im Bericht von Hiskias „Kultreform“ in 2Kön 18,4 wieder begegnet: Nebst der stereotypen Abschaffung und Zerstörung der Kulthöhen, Mazzeben und der Aschera soll Hiskia auch besagtes mosaisches Artefakt zertrümmert ( )כתתhaben, „da bis in jene Tage die Israeliten ihm geräuchert hatten“ ()כי עד־הימים ההמה היו בני־ישׂראל מקטרים לו. Weisen auch beide Texte ansonsten keine weiteren Bezüge zueinander auf, so dürfte es sich bei der in 2Kön 18,4 Nechuschtan genannten ehernen Schlange (ויקרא־לו נחשׁתן „und man nannte sie Nechuschtan“) um die in Num 21,9 gemachte Schlangenstandarte handeln – zumindest in kanonischer Lektüre. Dass die Schlangenstandarte nach den Ereignissen von 21,4–9 mitgenommen worden wäre, wird zwar nicht berichtet. Da die Schlangenplage aber en passant erfolgt und nicht auf einen Ort in der Wüste festgelegt ist, erscheint eine Mitnahme zumindest auf dem weiteren Weg durch die Wüste gleichermaßen plausibel wie sinnvoll. Die folgende Analyse hat daher auch nach dem Verhältnis zwischen Num 21,4–9 und 2Kön 18,4 zu fragen.
10.2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 21,4–9 10.2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 21,4–9
Bereits die klassische Quellenscheidung hat die Einheitlichkeit von 21,4–9, zumindest der Erzählung im engeren Sinne, 21,4b–9, erkannt: Die unter3
Vgl. dagegen Num 33,41–44: Berg Hor → Zalmona → Punon → Obot → Ije-Abarim. Zur Differenzierung zwischen dem Reden gegen Gott und gegen Mose in der griechischen und aramäischen Überlieferung s.o. Kap. 1.2.1. mit Anm. 32. 5 „ הנחשׁים השׂרפיםfeurige Schlangen“ in 21,6; „ הנחשׁdie Schlangen“ in 21,7 (kollektiver Singular); („ שׂרףFeuer-)Schlange; Saraph“ in 21,8; „ נחשׁ נחשׁתeherne Schlange“ in 21,9a; „ הנחשׁdie Schlangen“ (kollektiver Singular) und „ נחשׁ הנחשׁתdie eherne Schlange“ in 21,9b. S.u. Kap. 10.2. 4
10.2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 21,4–9
305
schiedlichen Gottesbezeichnungen („ אלהיםGott“ in 21,5; „ יהוהYHWH“ in 21,6.7bis.8) – nebst den unterschiedlichen Bezeichnungen für die Schlangen – lassen sich nicht auf zwei Quellen aufteilen, erschweren aber auch eine Zuweisung an eine der alten Pentateuchquellen, weshalb die Zuweisungen an J6 oder E7 als vergleichsweise beliebig erscheinen.8 Die sich mehr und mehr von der klassischen Quellenscheidung lösende jüngere Pentateuchforschung hat 21,4(b)–9 darüber hinaus zunehmend als schriftgelehrte Erzählung zu verstehen gelehrt,9 wobei gelegentlich mit der Aufnahme älterer, nicht mehr rekonstruierbarer Traditionen gerechnet wird.10 Demgegenüber wurden und werden quellen- oder literarkritische Thesen zu der Erzählung eher selten vertreten.11 6 Vgl. etwa NOTH, Überlieferungsgeschichte, 34.133f. („wahrscheinlich ein[] Zusatz innerhalb des Werkes von J“; aaO., 133; s. aber folgende Anm.); FRITZ, Israel, 29f.93–96; SCHMID, Jahwist, 63f.; BUDD, Numbers, 232–235; VAN SETERS, Life, 221-226 (J oder „secondary development“; aaO., 222). 7 Vgl. etwa HOLZINGER, Numeri, 89; BAENTSCH, Exodus-Leviticus-Numeri, 575f.; EISSFELDT, Hexateuch, 180*f.278*; NOTH, Numeri, 136–138 (s. aber voranstehende Anm.). 8 Vgl. etwa WELLHAUSEN, Composition, 108; COATS, Rebellion, 115–124. 9 Vgl. etwa AURELIUS, Fürbitter, 146–153; BLUM, Studien, 122–124 (KD); RÖMER, Exode, 169–171; DERS., Nostalgia, 81–83; LEVIN, Jahwist, 379; SCHMIDT, Numeri, 101– 106 (Pentateuchredaktion); SCHIPPER, Schlange, 371f.; BERNER, Schlange; GERTZ, Hezekiah, bes. 746–751. 10 Nach KOENEN, Schlange, 353–363 ist die Erzählung zwar literarisch einheitlich, doch lässt sie „schriftlich formulierte“ (aaO., 358) Vorstufen erkennen: Eine „im einzelnen nicht rekonstruierbar[e]“ „Saraph-Schlangen-Erzählung“ (ebd.)., die „zur Gründungslegende eines bei Schlangenbissen Heilung versprechenden Kultgegenstands“, des Nechuschtan, „überarbeitet“ (aaO., 363) und nach dessen Zerstörung durch Hiskia „zu einer Murrgeschichte umgestaltet“ (aaO., 361) wurde; die zahlreichen Bezüge zu anderen Murrerzählungen bleiben bei dieser Analyse unbeachtet. ACHENBACH, Vollendung, 347–352.388.636 (HexRed) und FREVEL, Understanding, 135–138 nehmen bei Annahme schriftgelehrter Entstehung des Textes die Aufnahme älterer, nicht mehr rekonstruierbarer Traditionen an. Vgl. auch COATS, Rebellion, 120–124. 11 Vgl. SCHARBERT, Numeri, 84f. („zwei Quellen …, die aber nicht mehr sauber getrennt werden können“; aaO., 84); BEYERLE, Schlange (Beyerle leitet aus der synchronen Unterscheidung zwischen Narratio und Diskurs in 21,4–9 methodisch unvermittelt eine diachrone Unterscheidung zwischen der im Wesentlichen narrativen Grundschicht 21,4b.6. 7a[nur ]ויבא העם אל־משׁה.b.9 und ihrer im Wesentlichen diskursiven Überarbeitung ab; die Grundschicht wird aaO., 35 „einer priesterschriftlichen Redaktion“, die „theologische Überarbeitungsstufe … wegen ihrer motivischen Nähe zu Dtn 8,15f. eher dem dtr. Bearbeiter“ zugewiesen); SEEBASS, Numeri, 311–327 (JE: 21,4b.5a[nur ]וידבר העם באלהים ובמשׁה.b. 6aβ[hier muss als Subjekt נחשׁיםergänzt werden].b.7.9 [das Murren erscheint freilich im vorausgesetzten Anschluss an 20,14–21; 21,1–3 wenig motiviert]; „6aα.8 ist Bearbeitung wegen 2Kön 18,4“ [aaO., 319; dies erklärt freilich den Unterschied in der Bezeichnung der Schlangen gerade nicht, denn 2Kön 18,4 spricht nicht von („ שׂרףFeuer-)Schlange“]; „4a.*5a (Ägyptennostalgie) sind redaktionelle Zusätze“ [ebd.]); FRANKEL, Stories, 27–29 (21,4[*?].6.9 als Grundschicht).
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10. Num 21,4–9 – Finales Murren, Schlangenplage und open end
Im Ergebnis mit der Analyse von Num 11,4–35; 12 vergleichbar, hier nun aber in Übereinstimmung mit einem etablierten Forschungskonsens lässt sich 21,4–9 1.) durch die literarische Analyse der Erzählung und 2.) durch die Berücksichtigung ihrer Bezugstexte als literarisch einheitliche, schriftgelehrte Erzählung erweisen. 1.) Die knappe Nacherzählung hat bereits gezeigt, dass 21,4–9 stringent aufgebaut ist. Dies lässt sich weiter erhärten:12 Der erste Teil der Erzählung, 21,4–6, ist charakterisiert durch die zweimalige Verwendung des Verbes „ מותsterben“: Das Volk murrt, weil es den Tod in der Wüste befürchtet (21,5: במדבר14 ממצרים למות13„ למה העליתנוWarum habt ihr uns heraufgeführt aus Ägypten, damit wir in der Wüste sterben?“), und erleidet gerade deswegen den Tod dort (21,6: „ וימת עם־רב מישׂראלUnd es starb viel Volk aus Israel“). Der zweite Teil der Erzählung, 21,7–9, ist im Kontrast dazu charakterisiert durch die zweimalige Verwendung des Verbes „ חיהleben“, das zugleich das letzte Wort der Erzählung darstellt: Laut YHWHs Anweisung wird jeder Gebissene leben, der die Schlangenstandarte ansieht ()ראה: „ וחיund er wird am Leben bleiben“ (21,8). Die Erzählung schließt entsprechend mit den Worten „ והיה אם־נשׁך הנחשׁ את־אישׁ והביט אל־נחשׁ הנחשׁת וחיWenn nun die Schlangen jemanden gebissen hatten, und er zur ehernen Schlange aufblickte, so blieb er am Leben“ (21,9b). Den Umbruch vom ersten zum zweiten Teil der Erzählung markiert die Rede des Volkes in 21,7, worin das Volk sein vorheriges Tun (das „Reden gegen“ Gott bzw. YHWH und Mose) als Sünde disqualifiziert,15 den zuvor angegangenen Mose um Fürbitte ersucht und seine Rettung letztlich von YHWH erhofft. YHWH und Mose werden somit durch das Volk selbst „rehabilitiert“:16 Sie wollen (doch) nicht den Tod des Volkes, sondern ermöglichen dessen Leben. Nebst diesem stringenten Aufbau bieten auch die unterschiedlichen Bezeichnungen für die Schlangen keinen Anlass, an der literarischen Einheitlichkeit der Erzählung zu zweifeln: YHWH schickt in 21,6 הנחשׁים השׂרפים „feurige Schlangen“ unter das Volk, womit ausweislich des Artikels eine be12
Vgl. zum Folgenden bes. WÉNIN, Serpent, 545–550 sowie KOENEN, Schlange, 356f.; SCHIPPER, Schlange, 371f.; GERTZ, Hezekiah, 746. 13 Zur Lesart von Septuaginta und Samaritanus s.o. Kap. 1.2.3. mit Anm. 56. 14 Zur transitiven Deutung der Septuaginta (ἀποκτεῖναι ἡμᾶς „um uns zu töten“; vgl. Ex 16,3; 17,3; Num 16,13; 20,4LXX) s.o. Kap. 1.2.3. mit Anm. 55.57. 15 Das Sündenbekenntnis des Volkes hat nur scheinbar ein Vorbild im Sündenbekenntnis des Volkes in Num 14,40, denn dort leitet es ein neuerliches Fehlverhalten des Volkes gegenüber YHWHs Befehl ein. Vielmehr ist 21,7 mit 12,11, Aarons Bitte um Nicht-Zurechnung der begangenen Sünde, zu vergleichen. In beiden Fällen folgt eine Fürbitte Moses (s.u. mit Anm. 33). 16 So nach WÉNIN, Serpent, 547.
10.2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 21,4–9
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kannte Größe im Blick ist:17 Die giftigen Schlangen in der (arabischen Halb-) Wüste, teilweise als geflügelt beschrieben, sind seit Asarhaddons Annalennotiz zum Feldzug gegen Magan und Meluhha 671 v.Chr. als literarischer Topos belegt. Zu vergleichen sind nebst der Annalennotiz und Num 21,4–9 besonders Dtn 8,15 („ נחשׁ שׂרףfeurige Schlangen“ im kollektiven Singular); Jes 14,29; 30,6 sowie Herodot Hist. II 75f.; III 107–109.18 Im Munde des Volkes ist in Num 21,7 sodann von „ הנחשׁden Schlangen“ im kollektiven Singular die Rede, dem gegenüber („ שׂרףFeuer-)Schlange; Saraph“ gebräuchlicheren Lexem zur Bezeichnung von Schlangen.19 Dass diese „beißen“ (;נשׁך 21,6.8.9), wissen auch Gen 49,17; Prov 23,32; Qoh 10,8.11; Jer 8,17; Am 5,19; 9,3. In Am 9,3 „gebietet“ ( צוהpi.) YHWH der Schlange, so dass sie beißt; in Jer 8,17 „sendet“ ( שׁלחpi.; vgl. Num 21,6; vgl. noch Dtn 32,24b) YHWH Schlangen, „gegen die es keine Beschwörung gibt“, so dass sie beißen. In YHWHs Anweisung zur Anfertigung eines Remediums in Num 21,8 ist von („ שׂרףFeuer-)Schlange; Saraph“ die Rede, womit wohl auf das brennende Gegengift gegen die brennend-giftigen Schlangen aus 21,6 (הנחשׁים „ )השׂרפיםim Sinne einer magia analogica“ abgezielt ist.20 Mose, der dem Gegengift konkrete Gestalt geben muss, fertigt entsprechend der augenscheinlichen Bedrohung durch „ הנחשׁSchlangen“ (vgl. 21,7.9b) eine auch dem Wortlaut entsprechende „ נחשׁ נחשׁתeherne Schlange“ an (21,9a; dazu determiniert in 21,9b).21
17 Dasselbe gilt für die von Herodot bezeugten fliegenden Schlangen Arabiens: „Die auffallenden Schlangen des arabisch-ägyptischen Grenzraumes sind eine bekannte und mit der Region verbundene Wundergeschichte. Besonders deutlich ist das bei Herodot, der bei der Erstnennung auf seine Nachforschungen nach den fliegenden Schlangen verweist (πυνθανόμενος τῶν πτερωτῶν ὀϕίων [Hist II 75]), womit er die Bekanntheit des Phänomens bei seinen Lesern bzw. Zuhörern voraussetzt.“ ROLLINGER, Herodot, 935. 18 Vgl. ROLLINGER, Herodot; ROLLINGER/LANG, Schlangen; GERTZ, Hezekiah, 753f. Zum archäologischen Befund und seiner Deutung vgl. KEEL, Recht, 195–266; DERS., Land; SCHMITT, Magie, 196–198; SCHIPPER, Schlangenbeschwörung, 431–434. 19 („ שׂרףFeuer-)Schlange; Saraph“ ist überhaupt nur in Num 21,6.8; Dtn 8,15; Jes 14,29; 30,6 sowie in Jesajas Thronratsvision in Jes 6,2.6 belegt. 20 SCHIPPER, Schlangenbeschwörung, 422 (ohne Bezug auf Num 21). Vgl. JOINES, Serpent, 251.256; MILGROM, Numbers, 174.459f.; BEYERLE, Schlange, 34 Anm. 57; WÉNIN, Serpent, 548f. Anm. 9; GERTZ, Hezekiah, 754. Bemerkenswert ist, dass auch die fliegenden Schlangen Arabiens nach Herodot nur durch das Verbrennen von Storax vertrieben werden können (Hist. III 107); vgl. ROLLINGER, Herodot, 938. Im zweiten Buch der Historien berichtet Herodot von Ibissen, die die fliegenden Schlangen am Eindringen in Ägypten hindern (Hist. II 75f.). Dieses Motiv findet sich wieder in den antik-jüdischen Traditionen über Moses Äthiopien-Feldzug (vgl. RÖMER, Mose, 207–214; DERS., Moses Traditions, 72–74): So setzt Mose etwa nach Ant. II 243–248 Ibisse gegen die teils fliegenden Schlangen in der Wüste ein. Der Schauplatz ist damit weiter in den Süden gerückt. Vgl. zu dieser geographischen Ausweitung ROLLINGER/LANG, Schlangen, 104. 21 Vgl. MILGROM, Numbers, 174.
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10. Num 21,4–9 – Finales Murren, Schlangenplage und open end
Die meisten antiken Übersetzungen unterscheiden nicht zwischen den unterschiedlichen Bezeichnungen für die Schlangen und vereinheitlichen den Text so: Die Septuaginta liest stets ὄφις „Schlange“, in 21,8b über den masoretischen Text hinaus und in 21,6 in der Wendung τοὺς ὄφεις τοὺς θανατοῦντας „die todbringenden Schlangen“ für „ הנחשׁים השׂרפיםfeurige Schlangen“. Während die Septuaginta also 21,8b harmonisierend nach 21,9b erweitert, so kürzt die Vulgata, die stets serpens „Schlange“ liest, ebenso harmonisierend 21,9b nach 21,8b. In beiden Fällen entsprechen sich dadurch Ankündigung und Ausführung besser als im masoretischen Text. Eine vergleichbare Harmonisierung zwischen Auftrag bzw. Bitte und Ausführung findet sich in 21,7a und 21,7b, wo die Septuaginta die Fürbitte „an YHWH“ ( אל־יהוה/ πρὸς κύριον) aus 21,7a auch in 21,7b ergänzt, die Vulgata dagegen 21,7a um den Gottesbezug kürzt. Einige griechische und lateinische Handschriften sowie Teile der aramäischen Überlieferung lassen darüber hinaus bereits in 21,8 YHWH die Fertigung einer ehernen Schlange entsprechend der Ausführung in 21,9 anweisen. Während Targum Onkelos wie der masoretische Text zwischen den hebräischen Begriffen „ נחשׁSchlange“ und („ שׂרףFeuer-)Schlange; Saraph“ unterscheidet und חיוי/ ח)י(ויא „Schlange“ bzw. קלי/ „ קל)י(אBrennende (Schlange)“ liest, lesen Targum Neophyti, Targum Jonathan und das Fragmententargum stets חיוי/ „ ח)י(ויאSchlange“ – also die drei Targumim, die in 21,6 einen Bezug zur Schlange in Gen 3 herstellen.22
2.) Num 21,4–9 stellt nicht nur in kanonischer, sondern aller Wahrscheinlichkeit nach auch in literarhistorischer Hinsicht die letzte Murrerzählung dar. Die Erzählung bietet eine Art Zusammenfassung der vorangehenden Murrerzählungen am Übergang von Wüstenzeit zur Zeit der Landnahme, wie nach Vorläufern insbesondere E. Aurelius gezeigt hat.23 Die Einführung hat bereits gezeigt, wie das Itinerar in 21,4a unterschiedliche Erzählzusammenhänge aus dem Vorkontext miteinander verbindet.24 Was für die Einleitung zur Erzählung 21,4–9 gilt, gilt ebenso für die restliche Erzählung – und so dürfte 21,4a nicht etwa eine spätere redaktionelle Einbindung der Erzählung25 oder ein ihr vorgegebenes Itinerar26 darstellen, sondern
22
S.u. mit Anm. 56. Zur Auslegung von 21,4–9 in den Targumim vgl. MANESCHG, Erzählung, 285–384. 23 Vgl. AURELIUS, Fürbitter, 146–153. Als Vorläufer können besonders COATS, Rebellion, 115–120 und ROSE, Deuteronomist, 301–304 genannt werden. Die in Anm. 9 genannten Arbeiten sowie VAN SETERS, Life, 221-226 schließen sich in Vielem Aurelius an und müssen im Folgenden jeweils nicht einzeln aufgeführt werden, wo sie im Wesentlichen Aurelius folgen. 24 Vgl. 21,4aα1 mit 20,22–29, 21,4aα2 mit 14,25b und 21,4aβ mit 20,14–21. S.o. Kap. 10.1. 25 So die Mehrheitsmeinung; vgl. etwa NOTH, Numeri, 136. 26 So BERNER, Schlange, 344. Nach BERNER, aaO., 344 Anm. 11 verrate „der Halbvers“ „ein Interesse“ an der Umgehung Edoms, „das in 21,4b–9 keine Rolle“ spiele. Dies gilt indes ebenso für das Interesse an der Rückkehr zum Schilfmeer: In beiden Fällen (sowie der Erwähnung des Berges Hor) geht es darum, dass 21,4a voranstehende Texte zusammenbringt – und zwar mit dem Ziel, die Entmutigung des Volkes auf dem Weg zu veranschaulichen. 21,4a hat damit kein von 21,4b–9 abweichendes Interesse.
10.2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 21,4–9
309
integraler Bestandteil der Erzählung von der Schlangenplage 21,4–9 sein:27 Auf dem Weg zum Schilfmeer wird das Volk ungeduldig, also wohl des scheinbar nicht enden wollenden Weges mit den in 21,5 aufgezählten Einschränkungen des Lebens überdrüssig ( קצר+ ;נפשׁ21,4b; vgl. Ri 10,16; 16,16; Sach 11,8).28 Das Volk redet infolgedessen gegen Gott und Mose ( ;דבר ב21,5). Damit ist erstmalig in den Murrerzählungen Gott, YHWH (21,7), von Anfang an als der eigentliche Adressat der Kritik im Blick und wird nicht erst durch deutende Wiederaufnahme(n) des initialen Murrens gegen den oder die menschlichen Anführer von Exodus und Wüstenwanderung durch Erzählfiguren oder den Erzähler als solches ins Spiel gebracht.29 21,4–9 hat damit Abschlusscharakter für den Zyklus der Murrerzählungen, indem hier die Kritik an YHWH und seiner Sendung der menschlichen Führung von Exodus und Wüstenwanderung auf die Spitze getrieben – und durch die Einsicht in die Sündhaftigkeit dieses Tuns (21,7) sodann gebrochen wird. Nicht die Autorität des (priesterlichen) Amtes beendet das Murren, wie YHWH in 17,20.25 hoffte, sondern Einsicht des Volkes und Umkehr jedes Einzelnen, der nur gerettet wird, wenn er selbst zur ehernen Schlange aufblickt (21,8f.). Die direkte Kritik an YHWH ist nur mit 11,1–3 bedingt vergleichbar, wo zwar – wie auch in 11,4–35 – kein Adressat des Klagens bzw. Murrens des Volkes genannt wird, wo aber „das Volk übel klagte in den Ohren YHWHs“ ( ;ויהי העם כמתאננים רע באזני יהוה11,1).30 Mit 11,1–3 teilt 21,4–9 bekanntlich auch die Struktur:31
27
Vgl. AURELIUS, Fürbitter, 149f.; LEVIN, Jahwist, 379; GERTZ, Hezekiah, 746f. Vgl. auch VAN SETERS, Life, 222f. 28 Vgl. auch Ex 6,9; Mi 2,7; Hi 21,4 jeweils mit „ רוחGeist“ statt „ נפשׁKehle; Leben“. בדרךin 21,4b lässt sich angesichts der Vergleichsstellen Ri 10,16; Sach 11,8 sowohl lokal „auf dem Weg“ wie kausal „wegen des Weges“ übersetzen. Vgl. MANESCHG, Erzählung, 66; MILGROM, Numbers, 173. 29 S.o. Kap. 1.2.1.; Kap. 1.2.3. Vgl. BERNER, Schlange, 345f. Diese Einschätzung hat auch Konsequenzen für die Deutung der textgeschichtlichen Varianten in 21,5 (s.o. Anm. 13; Kap. 1.2.3. mit Anm. 56): Die defektive Schreibung העליתנוist mit der masoretischen Vokalisierung als Plural zu lesen und nicht mit Septuaginta und Samaritanus die Kritik mildernd auf Mose allein zu beziehen. 30 Zur Übersetzung von 11,1 s.o. Kap. 5.2. mit Anm. 17. 31 Vgl. etwa FRITZ, Israel, 93; SCHMID, Jahwist, 63f.; AURELIUS, Fürbitter, 146. Zu 11,1–3 im Vergleich zum deuteronomistischen Richterschema s.o. Kap. 5.2.
310 10,33a 11,1a 11,1b 11,2a 11,2b 11,3
10. Num 21,4–9 – Finales Murren, Schlangenplage und open end Itinerar Beschwerde / Murren des Volkes Zorn YHWHs und Strafe: Das fressende Feuer YHWHs Hilfeschrei des Volkes an Mose Fürbitte Moses und Ende der Strafe Ortsnamenätiologie
21,4 21,5 21,6 21,7a 21,7b 21,8f.
Itinerar Beschwerde / Murren des Volkes Strafe YHWHs: Die feurigen Schlangen Bitte des Volkes an Mose Fürbitte Moses Bewahrung von der Strafe
Num 11,1–3 bietet – in Analogie zu Ri *2,11–19 für das Richterschema – das Strukturgerüst, um Israels Verhalten auf der Wüstenwanderung nach dem Aufenthalt am Sinai paradigmatisch zu beschreiben und so zwischen vor- und nach-sinaitischen Murrerzählungen zu scheiden. Num 21,4–9 reichert dagegen die einzelnen Bestandteile dieses Schemas um „allerlei konkrete Einzelzüge“ an,32 indem die beschriebenen Reden allesamt ausgeführt werden. Bemerkenswerterweise unterscheidet sich 21,4–9 gerade in den Bestandteilen des Schemas am deutlichsten von 11,1–3, wo die Tabera-Episode dem wohl zugrundeliegenden Richterschema am präzisesten folgt: Die Strafe in 21,6 wird nicht mit der Zornesformel „ ויחר־אף יהוה בישׂראלUnd der Zorn YHWHs entbrannte gegen Israel“ (Ri 2,14[.20]; 3,8; 10,7; vgl. Num 11,1b) eingeleitet, und der Hilferuf wird nicht als Hilfeschrei ( צעק/ ;זעקRi 3,9.15; 4,3; 6,6[.7]; 10,10; Num 11,2a) an YHWH bzw. an Mose beschrieben, sondern als bittende Rede an Mose. Die Bitte des Volkes um Fürbitte Moses vor YHWH in Num 21,7a entspricht Aarons Fürsprache für Miriam und sich selbst vor Mose in 12,11f., die ebenso wie 21,7a („ חטאsündigen“) mit der Einsicht in die Sündhaftigkeit des eigenen Tuns einher geht (vgl. „ חטאתSünde“ und חטא „sündigen“ in 12,11). Die Realisierung der Fürbitte mittels פללhitp. in 21,7b entspricht dann wieder 11,2b (vgl. Dtn 9,20.26), wohingegen Moses Fürbitte in Num 12,13 mit seinem Schreien zu YHWH einsetzt ( ;צעקvgl. Ex 15,25; 17,4). Anders als bei der Struktur von Num 11,1–3 stehen in 21,4–9 also die weiteren Murrerzählungen im Vordergrund, nicht aber das deuteronomistische Richterschema, das ohne das Motiv der Fürbitte auskommt.33 Die erste ausgeführte Rede der Erzählung enthält ein „ziemlich schriftgelehrte[s] Murren“:34 Die Infragestellung des Exodus, der statt in das Verheißene Land nur zu Leid und Tod in der Wüste führe, in 21,5a (למה העליתנו „ ממצרים למות במדברWarum habt ihr uns heraufgeführt aus Ägypten, damit wir 32
AURELIUS, Fürbitter, 146. Gegen AURELIUS, Fürbitter, 148; BERNER, Schlange, 347; GERTZ, Hezekiah, 750 ist damit Num 12,11f. das deutlich wahrscheinlichere Vorbild für 21,7 als das im Rahmen des Richterschemas lediglich in Ri 10,10.15 belegte Sündenbekenntnis. Angesichts der Enneateuch umfassenden Schriftgelehrsamkeit von Num 21,4–9 kann ein Bezug auf und erst recht die Kenntnis von Ri 10,6–16 freilich nicht ausgeschlossen werden – zumal angesichts der parallelen Formulierung mit קצר+ נפשׁin Num 21,4 und Ri 10,16 (s.o. mit Anm. 28). 34 AURELIUS, Fürbitter, 147. 33
10.2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 21,4–9
311
in der Wüste sterben?“) ist stereotyp und in fast allen Murrerzählungen in etwas unterschiedlicher Ausprägung belegt (vgl. Ex 16,3; 17,3; Num 11,4– 6.18–20; 14,2–4; 16,12–14; 20,3–5; vgl. noch Ex 14,11f.).35 Das eigentliche Murren in 21,5b, die Beschreibung des gefühlten Leids in der Wüste, kombiniert drei in den vorangehenden Murrerzählungen jeweils einzeln belegte Nöte:36 „Es gibt kein Brot“ ( )אין לחםwie in Ex 16.37 „Und es gibt kein Wasser“ ( )ואין מיםwie in Ex 15,22–25; 17,1–7; Num 20,1–13.38 Noch dazu, und durchaus in Spannung zum Vorangehenden, „ekelt es uns vor der mageren Speise“ ()ונפשׁנו קצה בלחם הקלקל39 wie in Num 11,4–35, wo sich die Israeliten angesichts des die Kehle austrocknenden Mannas Fleisch zu essen wünschen (11,4–6).40 Nicht nur bestätigt der Erzähler eine solche Not des Volkes nicht, vielmehr verrät sich das Volk selbst durch den Verweis auf die Dürftigkeit der damit ja vorhandenen Speise, womit wie in 11,4–6 nur das Manna gemeint sein kann: Wie in 11,4–6 geht es nicht um eine natürliche Notlage, sondern um den Wunsch nach mehr. 35
S.o. Kap. 1.2.3. „ למה העליתנו ממצריםWarum habt ihr uns heraufgeführt aus Ägypten?“ findet seine engsten Parallelen in Ex 17,3 („ למה זה העליתנו ממצריםWarum hast du [=Mose] uns aus Ägypten heraufgeführt?“) und Num 20,5 („ ולמה העליתנו ממצריםUnd warum habt ihr [=Mose und Aaron] uns aus Ägypten heraufgeführt?“). „ למות במדברdamit wir in der Wüste sterben“ findet seine engsten Parallelen in Ex 14,11 ( )למות במדברund Num 20,4 (ולמה „ הבאתם את־קהל יהוה אל־המדבר הזה למות שׁם אנחנו ובעירנוWarum habt ihr [=Mose und Aaron] die Versammlung YHWHs in diese Wüste geführt, damit wir und unser Vieh dort sterben?“). Insgesamt geht Num 21,5a am ehesten 16,13a parallel (המעט כי העליתנו מארץ זבת חלב „ ודבשׁ להמיתנו במדברIst es noch zu wenig, dass du uns heraufgeführt hast aus einem Land, das von Milch und Honig [über]fließt, um uns zu töten in der Wüste?“). Eine literarische Abhängigkeit von einem spezifischen Referenztext lässt sich nicht festmachen. 36 Vgl. COATS, Rebellion, 120; AURELIUS, Fürbitter, 147. 37 Vgl. „ לחםBrot“ in Ex 16,3 für das vermisste Brot aus Ägypten, dem nun „ רעבHungersnot“ gegenüber steht, und Ex 16,4.8.12.15.22.29.32 für das von YHWH gnadenhaft gegebene „ לחם מן־השׁמיםBrot vom Himmel“ (16,4), also das Manna. 38 Vgl. „ מיםWasser“ in Ex 15,22.23; 17,1[]ואין מים.2.3; Num 20,2.5[ ]ומים איןfür das jeweils nicht vorhandene oder ungenießbare Wasser und Ex 15,25bis.27bis; 17,6; Num 20,8bis.10.11.13 für das von YHWH gnadenhaft gegebene bzw. verheißene Wasser. Vgl. auch Dtn 8,15 ()אין־מים. 39 Für das hapax legomenon )ה(קלקלwerden besonders drei Ableitungen erwogen: 1.) Eine Ableitung von „ קלleicht; gering“, „ קללleicht sein; gering sein“ oder קלהII „verächtlich sein“. 2.) Eine Ableitung vom akkadischen qulqulliānu / qulqullânu, womit wohl eine Cassia-Art bezeichnet wird (vgl. AHw 927; CAD 13, 301). 3.) Eine Ableitung von קלהI „rösten“. Vgl. ACHENBACH, Vollendung, 348; GERTZ, Hezekiah, 749f. Anm. 18 und die Wörterbücher. Mit den antiken Übersetzungen erscheint die erste Ableitung am wahrscheinlichsten. Die zweite erweckt den Verdacht nachträglicher naturalistischer Erklärung, und die dritte verweist auf Stellen, die Brot und Geröstetes gerade voneinander unterscheiden (vgl. etwa Lev 23,14; Jos 5,11). 40 Vgl. 11,6: „ ועתה נפשׁנו יבשׁה אין כל בלתי אל־המן עינינוAber jetzt ist unsere Kehle trocken. Es gibt nichts als das Manna (vor) unseren Augen.“
312
10. Num 21,4–9 – Finales Murren, Schlangenplage und open end
Das ohne Not geäußerte Murren wird wie in 11,1–3 und 11,4–35 bestraft. Ein inhaltlicher Zusammenhang zwischen dem Murren und der Bestrafung besteht nicht. Vielmehr schickt YHWH „ הנחשׁים השׂרפיםfeurige Schlangen“. Im Hintergrund dürfte das bereits beschriebene Wissen um giftige Schlangen in der Wüste stehen,41 möglicherweise sogar der Text von Dtn 8,15: Während im Falle der Hervorbringung von Wasser aus dem Felsen (8,15b) und der Speisung mit Manna (8,16) die entsprechenden Murrerzählungen des Exodusbuches, Ex 17,1–7 und Ex 16, als Ausgangstexte zu gelten haben, an die hier knapp erinnert wird, könnte bei den „feurigen Schlangen“ die umgekehrte Abhängigkeitsrichtung vorliegen, sofern überhaupt von literarischer Abhängigkeit auszugehen ist: In Dtn 8,15a dient der Hinweis auf die „feurigen Schlangen“ nebst der Nennung „der Skorpione und der Dürre des Landes, wo kein Wasser ist“, der Beschreibung der „großen und furchtbaren Wüste“, durch die YHWH das Volk „geführt“ hat (המוליכך במדבר הגדל והנורא נחשׁ שׂרף ;)ועקרב וצמאון אשׁר אין־מיםes geht also grundsätzlich um die Führung YHWHs in der Wüste, als deren Charakteristika giftige Tiere und Wasserknappheit genannt werden. In dieser grundsätzlichen Beschreibung wird auf kein spezifisches Eingreifen YHWHs Bezug genommen. Erst die beiden folgenden Beschreibungen YHWHs verweisen jeweils auf ein spezifisches Eingreifen YHWHs im Rahmen der Führung durch die Wüste: YHWH ist der, „der dir Wasser hervorkommen ließ aus dem Kieselfelsen“ (;המוציא לך מים מצור החלמישׁ 8,15b),42 ist der, „der dich mit Manna speiste in der Wüste, das deine Väter nicht kannten“ ( ;המאכלך מן במדבר אשׁר לא־ידעון אבתיך8,16).43 Erst Num 21,4–9 macht aus der zitierten Charakterisierung der Wüste von Dtn 8,15a oder aber aus dem die giftigen Schlangen umfassenden Traditionswissen über die Wüste ein spezifisches Heilsereignis, indem der Text von einer Schlangenplage auf Israels Wüstenwanderung berichtet, die das Volk dank Moses und YHWHs Hilfe überlebte.44 Das Verhältnis von Dtn 8,15f. zu den Murrerzäh41
S.o. mit Anm. 17f. Wird auch der Felsen als Quellort des Wasserwunders jeweils leicht unterschiedlich bezeichnet (vgl. Ex 17,6: ;הצורNum 20,8.10.11: ;הסלעDtn 8,15: [ צור החלמישׁvgl. Dtn 32,13; Ps 114,8]), so kommt doch jeweils dank YHWH Wasser ( )מיםaus dem Felsen hervor ( יצאqal oder hiph.): Vgl. Ex 17,6; Num 20,8b.10b.11; Dtn 8,15b. 43 Für Dtn 8,16 gilt dasselbe wie für Num 11,(4–)6.7–9: Das Manna ist sowohl auf der Erzählebene (in Dtn 8,16 bei den von Mose angesprochenen Israeliten) wie auf der Erzählerebene als bekannt vorausgesetzt, in Ex 16,13–15.21.31 muss das Manna dagegen für die Israeliten wie für die Leser erst schrittweise als das von YHWH verheißene Brot definiert werden (s.o. Kap. 3.2.; Kap. 5.3. mit Anm. 74). Dtn 8,16a speist sich besonders aus Ex 16,15: ויראו בני־ישׂראל ויאמרו אישׁ אל־אחיו מן הוא כי לא ידעו מה־הוא ויאמר משׁה אלהם הוא הלחם אשׁר „ נתן יהוה לכם לאכלהUnd die Israeliten sahen es (=die feinkörnige Masse auf dem morgendlichen Wüstenboden; 16,14) und sprachen zueinander: ‚Was ist das?‘ Denn sie wussten nicht, was es war. Da sprach Mose zu ihnen: ‚Das ist das Brot, das YHWH euch zur Speisung gegeben hat.‘“ Zur Übersetzung von 16,15 s.o. Kap. 3.2. mit Anm. 27. 44 Vgl. VAN SETERS, Life, 224. 42
10.2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 21,4–9
313
lungen in Exodus und Numeri ist damit weder in die eine, noch in die andere Richtung eindimensional,45 vielmehr besteht – bei Annahme literarischer Abhängigkeiten – ein diachrones Wechselverhältnis, bei dem der auch sonst als schriftgelehrt und jung ausgewiesene Text Num 21,4–9 nochmals jünger ist als der ebenso schriftgelehrte und junge Text Dtn 8,15f., der die vor-priesterschriftliche Erzählung vom Wasserwunder bei Rephidim und die priesterschriftliche Wachtel-und-Manna-Erzählung aufnimmt und die Wüste traditionell beschreibt. Dass zwischen Dtn 8,15 und Num 21,4–9 tatsächlich TextText-Kenntnis besteht, lässt sich nicht mit letzter Sicherheit feststellen. Da aber nur diese zwei Texte das Thema der Führung Israels durch die Wüste durch YHWH mit der Zusammenstellung der zwei Schlangentermini נחשׁund שׂרףteilen (als הנחשׁים השׂרפיםbzw. als )נחשׁ שׂרף, im Unterschied zu den anderen genannten Belegen der Schlangen in der Wüste aber gerade nicht von fliegenden Schlangen sprechen, und schließlich beides Texte mit einem hohen Maß an intertextuellen Verwebungen sind, erscheint die Annahme literarischer Kenntnis äußerst plausibel. Im Blick dürfte freilich noch ein ganz anderer Text sein, wodurch sich letztlich auch „die überraschende Vielfalt der Schlangenbezeichnungen in Nu 21:4–9“ „erklärt“: „durch Anschluß einerseits an Dt 8:15 ()נחשׁ שׂרף, andererseits an 2 R 18:4 (“)נחשׁ הנחשׁת:46 2Kön 18,4 schreibt Hiskia gleich zu Beginn seiner berichteten Herrschaft eine Kultreform zu, bei der er nebst der deuteronomistischen Trias der Kulthöhen, Mazzeben und der Aschera (vgl. nur 1Kön 14,23; 2Kön 17,9f.) auch die von Mose gemachte eherne Schlange beseitigte:
45 Etwa gegen VEIJOLA, Deuteronomium, 214f., der in allen drei Fällen Dtn 8,15f. als nehmenden Text sieht, oder gegen AURELIUS, Fürbitter, 147–149.151.169.171f., der Dtn 8,15f. als Quelle der Manna-, Wasserwunder- und Schlangenplage-Erzählungen insgesamt ansieht (vgl. OTTO, Deuteronomium [HThKAT], 902f.918f.): „Es kommt alles aus der zum erstenmal in Dt 8:15f bezeugten Tradition; dieses Stück ist nicht die Zusammenfassung, sondern vielmehr die Quelle der entsprechenden Pentateucherzählungen.“ AaO., 172. Aurelius begründet dies einerseits mit der jeweiligen Determination des Felsens in Ex 17,6 und der Feuerschlangen in Num 21,6 und andererseits mit der Notwendigkeit eines Bezugspunktes für das Manna in Num 11,6 (hierzu s.o. Kap. 5.3. Anm. 59). Jedoch kann in keinem der drei Fälle die Determination die Beweislast literarischer Abhängigkeit tragen, solange die Referenz des Felsens, der Feuerschlangen und des Mannas für die Erzählfiguren und Leser aufgrund textlicher, textpragmatischer oder traditionsgeschichtlicher Gründe hinreichend klar ist – und das ist sie. 46 AURELIUS, Fürbitter, 149. Vgl. aaO., 151 und bereits NOTH, Überlieferungsgeschichte, 133f.; DERS., Numeri, 137.
314
10. Num 21,4–9 – Finales Murren, Schlangenplage und open end
2Kön 18,4 Er hat die Kulthöhen beseitigt, die Steinmäler zerschlagen, die Aschera zerstört und die eherne Schlange zertrümmert, die Mose gemacht hatte. Denn bis in jene Tage räucherten ihr die Israeliten, und man nannte sie Nechuschtan.
הוא הסיר את־הבמות ושׁבר את־ המצבת וכרת את־האשׁרה וכתת נחשׁ הנחשׁת אשׁר־עשׂה משׁה כי עד־הימים ההמה היו בני־ישׂראל מקטרים לו ־לו נחשׁתן47ויקרא
2Kön 18,4 und Num 21,9 teilen den Namen des Artefakts ( )נחשׁ ]ה[נחשׁתund die Tatsache, dass Mose es gemacht ( )עשׂהhat, haben mithin dasselbe Objekt vor Augen. Dagegen berichtet 2Kön 18,4 nichts von den Umständen der Anfertigung des Artefakts, Num 21,4–9 nichts von seiner kultischen Verehrung, seinem Namen und seiner Mitnahme im weiteren Verlauf der Wüstenwanderung. Da ein Ende der Schlangenplage in Num 21,4–9 jedoch nicht mitgeteilt, und da die Schlangenplage nicht genau lokalisiert, sondern als „unterwegs“ in der Wüste stattfindend beschrieben wird (21,4b), stellt sich unweigerlich die Frage nach dem Verbleib der ehernen Schlange. Gerade angesichts der traditionsgeschichtlich vorgegebenen Kenntnis der Bedrohung durch Schlangen in der Wüste ist die Annahme der Mitnahme des Heilung vermittelnden Artefaktes naheliegend. Sind zwar beide Texte, 2Kön 18,4 und Num 21,4–9, je für sich verständlich und nicht auf den jeweils anderen Text angewiesen,48 so stellt sich bei Num 21,4–9 die Frage nach dem weiteren Schicksal der ehernen Schlange und bei 2Kön 18,4 die Frage nach den Umständen ihrer Anfertigung durch Mose. Moses Urheberschaft sticht auch aus 2Kön 18,4 selbst heraus, wie einerseits 2Chr 31,1 zeigt: Während 2Chr 29–31 Hiskias Reformmaßnahmen breit ausführt, fehlt hier jeglicher Hinweis auf die Beseitigung des Nechuschtan. Dies lässt sich unter anderem als bewusste Auslassung deuten, um nicht auf mosaisches Erbe verweisen zu müssen, von dem im gleichen Atemzug die Beseitigung mitgeteilt wird.49 Andererseits steht Moses Urheberschaft der ehernen Schlange in einem gewissen Kontrast zu Hiskias Beseitigung der verschiedenen Kulteinrichtungen: Die Beseitigung der Kulthöhen, Mazzeben und der Aschera ist typisch deuteronomistisch und lässt Hiskia insbesondere 47 Die Pluralform des antiochenischen Textes bestätigt die kollektive Deutung des masoretischen Textes. 48 Gegen BERNER, Schlange, 342 (ähnlich SCHIPPER, Schlange, 370f.385), nach dem „der Rückverweis auf den mosaischen Ursprung des Artefaktes ohne den Bericht im Numeribuch in der Luft“ hänge. 2Kön 18,4 ist ohne Num 21,4–9 jedoch mitnichten „unverständlich“ (ebd.). 49 Vgl. etwa SPIECKERMANN, Juda, 173 Anm. 33; KOENEN, Schlange, 355; GERTZ, Hezekiah, 753. JONKER, Neḥushtan zeigt überzeugend, dass daneben weitere Gründe für die Auslassung der Notiz von der Beseitigung des Nechuschtan in 2Chr 31,1 bestanden.
10.2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 21,4–9
315
als Vorläufer Josias (vgl. 2Kön 23) und als Kontrast zu seinem Nachfolger Manasse (vgl. 2Kön 21,3) erscheinen.50 Berücksichtigt man deuteronomistische Programmtexte wie Dtn 7,5; 12,3 mit der aufgetragenen Beseitigung von Altären, Mazzeben, Ascheren und Götterbildern, dürfte die Einschätzung deuteronomistischer Provenienz zumindest indirekt auch für die Beseitigung des Nechuschtan gelten:51 Der Nechuschtan nimmt in 2Kön 18,4 die Position der zu zerstörenden Götterbilder aus Dtn 7,5; 12,3 ein; ihm wird ebenso geräuchert ( קטרpi.) wie den fremden Gottheiten etwa in 1Kön 11,8; 2Kön 22,17; 23,5.52 Der Bericht von Hiskias Kultreform ist damit insgesamt als ideologisch deuteronomistisch zu bezeichnen, was mit dem archäologischen Nicht-Befund zu einer Kultreform Hiskias gut übereinstimmt.53 Die konkrete Ausfüllung der zu zerstörenden Götterbilder durch den Nechuschtan und dessen Zurückführung auf Mose entstammen dagegen kaum deuteronomistischer Fiktion, sondern sind vielmehr „ein Indiz für das Alter der Nachricht, da DtrH bei der Autorität, die er allem Mosaischen beimißt, dies kaum einem Gegenstand angedichtet hätte, dessen Liquidierung anschließend zu berichten war“.54 Macht bereits 2Kön 18,4 selbst deutlich, dass nicht die von Mose gefertigte eherne Schlange selbst Stein des Anstoßes und Grund für ihre Zerstörung ist, sondern allein ihre Verehrung, so enthebt Num 21,4–9 Mose jeglichen Schattens, den 2Kön 18,4 auf ihn werfen könnte: Während einer konkreten Notlage hat Mose auf Geheiß YHWHs die eherne Schlange gemacht; eine Verwendung der ehernen Schlange zu anderen als zu heilenden Zwecken war nicht vorgesehen. Mit E. Aurelius dürfte damit Num 21,4–9 als Ätiologie nicht für den Nechuschtan, sondern für die Notiz von Moses Anfertigung des Nechuschtan entstanden sein: „In Nu 21:4–9 wird somit nicht die Rolle des Schlangenbildes in Jerusalem mit Hilfe gewisser Volksphantasien über die Wüste legitimiert, sondern die belastende, aber offenbar nicht einfach zu streichende Herleitung des Bildes von Mose in 2 R 18:4 mit Hilfe der heilsgeschichtlichen Verkündigung in Dtn 8:15 erklärt.“55 50
Vgl. bes. SPIECKERMANN, Juda, 170–175. Vgl. NA’AMAN, Historicity, 181–183; GERTZ, Hezekiah, 751f. 52 Vgl. auch 1Kön 22,44; 2Kön 12,4; 14,4; 15,4.35; 16,4; 17,11; 23,8 mit der Darbringung von Räucheropfern auf den (nicht beseitigten) Kulthöhen. Zur negativen Deutung von „ קטרräuchern“ in den Königebüchern vgl. JONKER, Neḥushtan, 127f.137. 53 Vgl. etwa NA’AMAN, Historicity und den Überblick bei FREVEL, Geschichte, 288– 293. 54 SPIECKERMANN, Juda, 173 Anm. 33. Vgl. NA’AMAN, Historicity, 181–183.193f.; BEYERLE, Schlange, 31–33; KOENEN, Schlange, 353–356; SCHMIDT, Numeri, 103f.; GERTZ, Hezekiah, 752f. 55 AURELIUS, Fürbitter, 151. Vgl. GERTZ, Hezekiah, 758. Dagegen geht ACHENBACH, Vollendung, 350f. davon aus, dass erst der zerstörte Nechuschtan auf Mose zurückgeführt wurde, indem in 2Kön 18,4b der „Hinweis, daß es sich um ein Machwerk des Mose gehan51
316
10. Num 21,4–9 – Finales Murren, Schlangenplage und open end
Dass ein inhaltlicher Zusammenhang zwischen dem Murren und der Bestrafung nicht besteht, liegt also an der Kombination unterschiedlicher Referenztexte: Aus der von Mose gemachten ehernen Schlange (2Kön 18,4) und YHWHs Führung durch die von feurigen Schlangen belebte Wüste (Dtn 8,15) wurde eine Schlangenplage während Israels Wüstenwanderung abgeleitet. Diese wurde auf der Erzählebene mit dem seinerseits schriftgelehrten Murren der Israeliten begründet. Erst die Targumim haben innerhalb von Num 21,4–9 einen Zusammenhang zwischen dem Murren und der Schlangenplage hergestellt durch die kreative Verbindung dieser Erzählung mit Gen 3:56 Targum Neophyti, Targum Jonathan und das Fragmententargum, nicht jedoch Targum Onkelos, haben in Num 21,6 jeweils eine ausführliche Erweiterung, die die Sendung der brennenden bzw. giftigen Schlangen begründet. Die Texte verweisen einerseits, in jeweils unterschiedlicher Ausprägung, auf die Heilstat von Exodus und göttlicher Führung durch die Wüste, womit das Murren der Israeliten in einen scharfen Kontrast zu YHWHs Heilstaten gebracht wird. Genannt wird in allen drei Texten die Speisung mit dem Manna, in Targum Neophyti und im Fragmententargum auch die Gabe von Wasser und Wachteln. Andererseits werden die Schlangen, die wegen des urgeschichtlichen Fluches Staub zur Nahrung zugewiesen erhalten haben, und die Israeliten, die von YHWH derart gnadenhaft versorgt werden, miteinander kontrastiert: Während die Schlange über ihre Nahrung nicht gemurrt ( )רעםhat, haben die Israeliten über ihre Nahrung gemurrt ()רעם. Die Schlangen erscheinen somit als die natürliche Form der Bestrafung für die undankbaren Israeliten.
Der zweite Teil der Erzählung, der insgesamt von der Bewahrung von der Strafe handelt, folgt wieder dem Schema von Num 11,1–3, orientiert sich aber, wie beschrieben, in der konkreten Ausgestaltung stärker an den weiteren Murrerzählungen als an dem 11,1–3 wohl zugrundeliegenden deuteronomistischen Richterschema: Das Sündenbekenntnis des Volkes und die Bitte um Fürbitte in 21,7a entsprechen dem Sündenbekenntnis Aarons und seiner Fürsprache für Miriam in 12,11f.57 Ein Bezug auf Num 12 erscheint auch durch die gemeinsame Ver-
delt haben mußte, [] erst im Gefälle von Num 21,4–9 (HexRed) nachgetragen“ wurde. Da BERNER, Schlange, 341–343 2Kön 18,4b insgesamt für jünger als Num 21,4–9 ansieht (s.o. Anm. 48), muss er aaO., 348–354 nach einer anderen Erklärung für die eherne Schlange suchen und findet sie im Bezug auf Num 17: „Die auf der Standarte befestigte eherne Schlange ist bildlich gesprochen nichts anderes als der auf dem Aaronstab [17,25f.] befestigte [aus den ehernen Räucherpfannen gefertigte] Altarüberzug Eleazars [17,1–5].“ AaO., 352. Allerdings sind die für den Altarüberzug Eleasars wie für den Aaronstab jeweils konstitutive Erinnerungsfunktion (vgl. „ אותZeichen“ in 17,3b.25; „ זכרוןErinnerung[szeichen]“ in 17,5) und die Nähe zum Kult bei der ehernen Schlange in Num 21,4–9 gerade nicht vorhanden. 56 Vgl. die Zusammenstellung bei MANESCHG, Erzählung, 285–384. WÉNIN, Serpent, 551–554 geht in seinem rezeptionsästhetisch ausgerichteten Vergleich beider Texte noch über die Targumim hinaus. 57 S.o. mit Anm. 33.
10.2. Literarkritische und redaktionsgeschichtliche Analyse von Num 21,4–9
317
wendung von „ דבר בreden gegen“ als Murrlexem plausibel, das lediglich diese zwei Murrerzählungen teilen (12,1.8b; 21,5.7). Da Num 12 schwerpunktmäßig auf Num 11 bezogen ist und keine weiteren Murrerzählungen verarbeitet, Num 21,4–9 sich aber gerade als Summe und Höhepunkt der Murrerzählungen herausgestellt hat,58 dürfte auch hier 21,4–9 der nehmende Text sein. Moses Fürbitte mittels פללhitp. wird in 21,7b wie in 11,2b nur konstatiert, aber nicht ausgeführt. Die Bewahrung von der Strafe erfolgt in 21,8f. wie in Ex 15,25aα2βγ; 17,5f.; Num 12,14–16 (vgl. auch 11,16–33; 16,23–27) in zwei Schritten: YHWHs Anweisung und ihre Ausführung. Der Nechuschtan aus 2Kön 18,4 wird dabei als Schlangenstandarte gedeutet, deren Anblick die gebissenen Israeliten heilen kann.59 Dass damit über das Problem des Wassermangels (Num 21,5) hinaus eine Verbindung zur ersten Murrerzählung durch die Thematik von YHWH als Heilendem (Ex 15,26) bewusst angelegt ist, lässt sich mangels lexikalischer Verbindungen zwar nicht nachweisen, ist aber angesichts der bemerkenswerten Schriftgelehrsamkeit von Num 21,4–9 nicht von der Hand zu weisen. Trifft dies zu, „verklammert“ die „Heilungsthematik … die erste (Ex 15,24.25a) mit der letzten Murrgeschichte (Num 21,4b–9) und bildet auf diese Weise einen thematischen Rahmen um die gesamte Wüstenzeit.“60 Eine Bezugnahme ist nach C. Berner gerade deswegen plausibel, weil die Bewahrung von der Strafe in 21,8f. nicht in Form einer unmittelbaren Beendigung der Plage stattfindet: „[D]ie Plage dauert an und JHWH wehrt lediglich ihren tödlichen Folgen … Auf diese Weise wird eine Situation inszeniert, die den Aspekt der Heilung betont hervortreten lässt und JHWHs Selbstvorstellung als Israels Arzt exemplifiziert.“61 Steht schließlich das Murren „gegen Gott bzw. YHWH und Mose“ ( ;דבר ב21,5.7) tatsächlich in bewusstem Kontrast zum „Vertrauen“ ( )אמןdes Volkes „in YHWH und Mose, seinen Diener“ als Reaktion auf den Exodus und die Rettung am Schilfmeer in Ex 14,31MT ()ויאמינו ביהוה ובמשׁה עבדו62 und ist nicht lediglich als Höhepunkt der stets letztlich auf YHWH abzielenden Murrerzählungen zu werten, so bestätigt sich erneut die Abschluss- und Rahmenfunktion von Num 21,4–9 für die gesamte Epoche der Wüstenwanderung.63
58
S.o. mit Anm. 23. Vgl. die Deutung der belegten Schlangenappliken bei SCHIPPER, Schlangenbeschwörung als apotropäische und therapeutische Artefakte. 60 BERNER, Schlange, 348. 61 BERNER, Schlange, 348. 62 Vgl. ROSE, Deuteronomist, 304; AURELIUS, Fürbitter, 147.149; BLUM, Studien, 124; RÖMER, Nostalgia, 82; BERNER, Schlange, 347; GERTZ, Hezekiah, 750. 63 Vgl. AURELIUS, Fürbitter, 152; RÖMER, Nostalgia, 82f.; BERNER, Schlange, 344– 348; GERTZ, Hezekiah, 751.757f. Vgl. auch SCHMIDT, Numeri, 102f. (begrenzt auf Numeri). 59
318
10. Num 21,4–9 – Finales Murren, Schlangenplage und open end
Schließt die Struktur gebende Tabera-Erzählung in 11,3 mit einer Ortsnamenätiologie, so lässt sich 21,4–9 insgesamt als Ätiologie bezeichnen: für die Rückführung des Nechuschtan auf Mose.64 Ein Abschluss der Schlangenplage wird nicht mitgeteilt, die Erzählung endet insofern offen und überlässt die Heilung von den Schlangenbissen dem Vertrauen des Einzelnen in YHWH als dem hinter der anzusehenden Schlangenstandarte stehenden Heilenden Israels (vgl. Ex 15,25).
10.3. Fazit 10.3. Fazit
Die literarische Analyse von Num 21,4–9 und die Berücksichtigung der darin kombinierten Bezugstexte konnten die letzte Murrerzählung als literarisch einheitliche, schriftgelehrte Erzählung erweisen, die in so gut wie all ihren Teilen auf anderen Texten beruht. 21,4–9 stellt eine Art Summe aller Murrerzählungen dar, indem sie das Murren der Israeliten auf die Spitze treibt durch die Kombination bisher jeweils getrennt belegter Vorwürfe (kein Brot – kein Wasser – die vorhandene Nahrung ist dürftig) und die erstmals direkte Adressierung des Murrens an YHWH ( ;דבר ב21,5.7). 21,4–9 erfüllt damit zwei Funktionen: 1.) 21,4–9 schließt die Epoche der Wüstenwanderung ab, während der Israel von Anfang bis Ende murrt. Bleibt sich Israel insofern „selbst treu“, so auch Gott:65 Murrt Israel angesichts einer natürlichen Notlage, so errettet YHWH sein Volk aus dieser Notlage und versorgt Israel mit Nahrung und Wasser (Ex 15,22–27; 16; 17,1–7; Num 20,1–13). Murrt Israel oder eine Teilmenge daraus dagegen aus Unzufriedenheit oder mangelndem Vertrauen, erregt Israel bzw. die murrende Teilmenge daraus den Zorn YHWHs und wird bestraft (Num 11,1–3; 11,4–35; 12; 13f.; 16f.; 21,4–9); in diesem Fall bewahrt YHWH sein Volk von den tödlichen Auswirkungen der von ihm selbst geschickten Strafe nur aufgrund eines Eintretens Moses (und allenfalls Aarons). In Num 21,4–9 wird die Rettung nun aber zusätzlich in den Verantwortungsbereich jedes Einzelnen verschoben, denn nicht die als Gegengift gefertigte Schlangenstandarte als solche heilt die Gebissenen, sondern deren Aufblicken zur ehernen Schlange (21,8b.9b). Während die kollektiv zum Tod in der Wüste verdammte Exodusgeneration (vgl. Num 14,26–35) nur mit der Ausnahme von Kaleb und Josua in der Wüste stirbt (vgl. Num 26; Dtn 34), eröffnet sich so der Kindergeneration eine Hoffnungsperspektive im Vertrauen und Gehorsam auf YHWH, wie bereits Ex 15,25f. zu Beginn der Wüstenwanderung festgehalten hat. 64
S.o. mit Anm. 55. Die Formulierung nach AURELIUS, Fürbitter, 152 (bezogen auf die nach-sinaitischen Murrerzählungen). 65
10.3. Fazit
319
2.) Num 21,4–9 dient aber auch in zweierlei Hinsicht der Exkulpierung Moses: Nach dem Bericht von Moses (und Aarons) Versagen in 20,1–13 stellt 21,4–9 Mose einerseits wieder als der vertrauensvoll YHWH gehorchende Mittler zwischen Israel und YHWH dar, der YHWHs Auftrag (21,8a) genau erfüllt (21,9a).66 Andererseits, und dies erklärt auch den terminologischen Unterschied zwischen 21,8a ([„ שׂרףFeuer-]Schlange; Saraph“) und 21,9a („ נחשׁ ]ה[נחשׁתeherne Schlange“), macht 21,4–9 unmissverständlich deutlich, dass „die eherne Schlange, die Mose gemacht hatte“ (נחשׁ הנחשׁת )אשׁר־עשׂה משׁה, und die Hiskia zertrümmerte (2Kön 18,4), ursprünglich keinen Kultgegenstand, sondern ein von YHWH legitimiertes Remedium darstellte. Die Erinnerung an die mosaische Herkunft des Nechuschtan erscheint so in gutem Licht. Die Verehrung dieses Artefaktes dagegen ist frevelhaft, weil dadurch der hinter dem Artefakt stehende, Israel heilende Gott YHWH vergessen zu werden droht.
66
Vgl. BEYERLE, Schlange, 28f.; GERTZ, Hezekiah, 748.757.
11. Auswertung Nach den exegetischen Einzeluntersuchungen zu den Murrerzählungen in den vorangehenden Kapiteln, die die einzelnen Erzählungen in ihrer kanonisch überlieferten Reihenfolge behandelt haben, soll im Folgenden die Verknüpfung der einzelnen Murrerzählungen im Rahmen ihrer Entstehung, also das „schriftgelehrte Murren“, in literaturgeschichtlicher Darstellung systematisiert werden. Die insgesamt zehn Murrerzählungen werden so in ein relativchronologisches Verhältnis zueinander gebracht, beginnend mit dem bzw. den ältesten Texten, und die darin aufgewiesenen schriftgelehrten Fortschreibungs- und Auslegungsprozesse anhand der in Kapitel 1.3.2. dargelegten Phänomenologie konzise dargestellt. 1.) und 2.) Als älteste Murrerzählungen haben sich die beiden vor-sinaitischen Wasserwundererzählungen in Ex *15,22–27 und *17,1–7 erwiesen, die über die Itinerarnotiz 16,1aα miteinander verbunden und vor-priesterschriftlich einzuordnen sind. Ihr Grundbestand umfasst 15,22–25a.27; 16,1aα; 17,1b.2–5a.b*(ohne )אשׁר הכית בו את־היאר.6aβb.7 und dürfte aller Wahrscheinlichkeit nach zur vor-priesterschriftlichen Exoduserzählung gehört haben. Die ältesten Belege von „ לון עלmurren gegen“ und „ ריב עםstreiten mit“ innerhalb der Murrerzählungen finden sich damit in Ex 15,24; 17,3 bzw. in Ex 17,2bis. Das heißt, beide Erzählungen stellten von Anfang an Murrerzählungen dar, wurden also nicht erst redaktionell aus Wundererzählungen zu Murrerzählungen umgeformt. Nach dem Meerwunder und vor der Gottesbegegnung am Sinai verdeutlichen beide Erzählungen das heilbringende Beisein YHWHs für Israel über den Exodus hinaus durch die Gabe von Wasser in der Wüste: In Mara, in Elim und bei Rephidim. Dass letzteres Wasserwunder in erster Linie unter den Namen Massa und Meriba erinnert wird, und nicht unter dem Namen Rephidim, zeigt den inhaltlichen Unterschied zwischen beiden vor-priesterschriftlichen Wasserwundererzählungen an: Der doppelte Wassermangel in *15,22–27, das Nichtvorhandensein in 15,22 und das Bittersein in 15,23, wird nach dem Murren des Volkes und ihrer knappen Rede („ מה־נשׁתהWas sollen wir trinken?“; 15,24) sogleich behoben; das Murren gegen ( )לון עלMose wird somit als berechtigt angesehen. Dagegen wird die mit „streiten mit“ ()ריב עם
322
11. Auswertung
eingeleitete Forderung an Mose, dem Volk Wasser zu geben (17,2a),1 in 17,2b von Mose umgedeutet als Versuchen ( )נסהYHWHs. Daraufhin stellt das Volk, eingeleitet mit „ לון עלmurren gegen“, den Exodus in Frage (17,3) – und in Moses deutender Wahrnehmung damit zugleich seine Führung des Volkes (17,4). Gleichwohl behebt YHWH vermittelst Moses die natürliche Notlage des Volkes und steigert das Wunder gegenüber der Mara-Erzählung, indem nicht lediglich eine Quelle geheilt, sondern eine neue Quelle geschaffen wird. Moses Position gegenüber dem Volk wird dadurch gestärkt. Das Murren des Volkes wird damit auch hier als berechtigt wahrgenommen angesichts des Wassermangels in der Wüste, das konkrete Vorgehen des Volkes jedoch zunehmend negativ gedeutet. Der Abschlussvers 17,7 erinnert schließlich den Ort bei Rephidim unter den Namen Massa und Meriba, wo die Israeliten die Gegenwart YHWHs unter ihnen in Frage gestellt haben. Die hiermit vorausgesetzte vor-priesterschriftliche Exoduserzählung konnte im Rahmen dieser Arbeit nicht eigens analysiert werden.2 In der redaktionsgeschichtlichen Analyse der eigentlichen Exoduserzählung, Ex 1–14, bestehen in der Debatte zahlreiche Konsenslinien – bei ebenso zahlreichen Unterschieden in der Detailrekonstruktion. Ein Anschluss von 15,22 an die durch die Itinerarnotiz 13,20 eingeleitete vor-priesterschriftliche Meerwundererzählung, die mit dem Hinweis auf die toten Ägypter am Ufer des Meeres in 14,30 endet (und allenfalls bereits ursprünglich im Miriam-Lied *15,20f. besungen wurde), erscheint auf jeden Fall syntaktisch wie inhaltlich schlüßig.3 Die redaktionsgeschichtliche Analyse der Gottesbergperikope erfolgt dagegen weniger konsenshaft. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde der vor-priesterschriftlichen Gottesbergperikope einerseits Ex 19,2aα zugewiesen, womit die vor-priesterschriftliche Reiseroute bis in die Wüste Sinai komplettiert wird. Andererseits wurde deutlich, dass sich die vor-priesterschriftliche Exoduserzählung in den in der vorliegenden Studie analysierten narrativen Texten des Numeribuches nicht fortsetzt, auch nicht in den Itinerarnotizen, da diese allesamt als nach-priesterschriftlich eingeordnet werden konnten. Die beiden vor-priesterschriftlichen Wasserwundererzählungen führen die vor-priesterschriftliche Exoduserzählung weiter, indem sie dem Exodus eine Wüstenwanderung folgen lassen. Die Texte stehen also klar in narrativer Kontinuität. Eine intratextuelle Bezugnahme findet sich lediglich durch die Notiz vom Aufbruch vom Schilfmeer in 15,22 – freilich nur durch den in der vor-priesterschriftlichen Exoduserzählung nicht belegten Namen Schilfmeer 1
Zur textkritischen Auswertung s.o. Kap. 4.1. mit Anm. 5. Zu den hier und im Folgenden vorausgesetzten Tendenzen der aktuellen Pentateuchforschung s.o. Kap. 1.2.5. 3 Vgl. etwa die Analysen bei LEVIN, Jahwist, 341–347; GERTZ, Tradition, 189–232; BERNER, Exoduserzählung, 343–405. Zum Itinerarzusammenhang s.o. Kap. 2.2. 2
11. Auswertung
323
()ים־סוף.4 Die Mara-Erzählung, *15,22–27, erklärt das Paradox, weshalb an einem „Bitterwasser“ genannten Ort süßes Wasser fließt bzw. floss. Ob die Motivparallele der geheilten Quelle auf die Kenntnis der Erzählung vom Quellwunder Elischas in 2Kön 2,19–22 schließen lässt, lässt sich nicht mit Sicherheit erweisen. Ex *17,1–7 folgt im Aufbau *15,22–27, steigert aber die erste Wasserwundererzählung durch die Verdoppelung des Murrens und den Umfang des Wunders. Eine Auslegung im engeren Sinne findet innerhalb von *17,1–7 synchron durch die narrative Verschlimmerung in Form der beschriebenen Umdeutungen des initialen Murrens statt. Innerhalb beider Wasserwundererzählungen finden sich Nachträge, die die jeweilige Grundschicht jeweils mehr oder weniger deutlich mit dem zwischenzeitlich angewachsenen literarischen Nahkontext weiter verweben: 15,25b.26 – YHWHs Gesetzgebung, seine Erprobung des Volkes und seine Einschärfung der Gebotsobservanz – verallgemeinert den bereits in der Grundschicht zum Ausdruck kommenden Heilswillen YHWHs für sein Volk, konditioniert ihn jedoch: Sofern Israel auf YHWH hört, schenkt YHWH Israel auch unabhängig von spezifischen Orten innerhalb der erzählten Heilsgeschichte Israels Heil und Heilung. YHWHs Verheißung, im Gehorsamsfalle die den Ägyptern bzw. Ägypten auferlegte Krankheit Israel nicht aufzuerlegen (15,26), verweist zurück auf den Plagenzyklus, indem die einzelnen Plagen deutend als Krankheit verstanden werden. YHWHs Gesetzgebung in 15,25b lässt die (um die Gesetzgebung erweiterte) Gottesbergperikope in die Wüstenerzählung vorausstrahlen. YHWHs Erprobung ( )נסהdes Volkes in 15,25b dreht wohl die Versuchung ( )נסהYHWHs durch das Volk in 17,2.7 um. Desgleichen sind auch die Nachträge in *17,1–7 auf den unmittelbaren literarischen Vor- und Nach-Kontext bezogen: Die Ankündigung der Theophanie, 17,6aα, ist ein deuteronomistisch geprägter Nachtrag, der die Präsenz YHWHs während der wunderhaften Wassergabe herausstellt und das Wunder an den (Sinai bzw.) Horeb verlagert, womit auch hier die Sphäre des Gottesberges bereits in die Wüste hineinragt. Wie im Falle von 15,25b.26 steht nicht ein spezifischer Referenztext im Hintergrund. Dagegen verbindet der Relativsatz zum Stab Moses in 17,5b, „ אשׁר הכית בו את־היארmit dem du auf den Nil geschlagen hast“, die Wasserwundererzählung kontrastiv mit dem Plagenzyklus, indem auf die nach-priesterschriftlichen Belege von Moses Stab in 7,15b.17b.20a Bezug genommen und damit eine intertextuelle Verweiskette geschaffen wird: In 7,14–25 hat Mose mittels seines Stabes Wasser für die
4
Zum Schilfmeer s.o. Kap. 2.1. mit Anm. 1; Kap. 2.2.
324
11. Auswertung
Ägypter untrinkbar gemacht, hier nun verschafft er mittels seines Stabes den Israeliten Wasser zum Trinken.5 17,1a schließlich ist Teil des priesterschriftlichen Itinerars 16,1aβγb → 17,1a → 19,1. Grundbestand wie Nachträge beider vor-sinaitischer Wasserwundererzählungen sind damit klar auf weitere Texte bezogen, weisen aber insgesamt eine eher geringe formale Textbindung und eine begrenzte intertextuelle Reichweite auf – mit den (relativen) Ausnahmen des bereits in die nach-priesterschriftliche Zeit weisenden Relativsatzes zum Stab Moses in 17,5b und den synchronen Ausdeutungen des Murrens des Volkes aus 17,2a.3 in 17,2b und 17,7. Sollte die Motivparallele zu 2Kön 2,19–22 auf einen intendierten TextText-Bezug zurückgehen, steigert sich die intertextuelle Reichweite von Ex *15,22–27. Ist damit *17,1–7 auf *15,22–27 bezogen, und schreiben die in beiden Erzählungen ausgemachten Erweiterungen die Texte in ihrem unmittelbaren literarischen Kontext der Exoduserzählung fort, so findet sich in diesen Texten keinerlei Widerhall der weiteren Murrerzählungen aus Exodus und Numeri. Ein solcher findet sich erst im Rahmen der Textüberlieferung: So weitet die Septuaginta in Ex 17,6b die Augenzeugenschaft des Wasserwunders nach dem Vorbild von Num 20,12 auf die Israeliten insgesamt aus, und auch der kurze Zusatz in Ex 15,22, dass kein Wasser „zum Trinken“ (ὥστε πιεῖν) vorhanden war, könnte eine Angleichung an Ex 17,1 und Num 20,5 darstellen (jeweils mit לשׁת]ו[ת/ πιεῖν). 3.) Auch die ehedem eigenständig überlieferte Priesterschrift hat mit Ex *16 bereits ursprünglich eine Murrerzählung enthalten: Der Priesterschrift wurde die Wachtel-und-Manna-Erzählung 16,1aβγb.2f.9–15.21.31 mitsamt dem Aufbruchsbericht 17,1a zugewiesen. Sie verbindet durch das Stationenverzeichnis 16,1aβγb → 17,1a → 19,1 aber ebenso inhaltlich-theologisch die priesterschriftliche Exoduserzählung und die priesterschriftliche Gottesbergperikope. Inhaltliches Bindeglied ist die Vorstellung der Herrlichkeit YHWHs: In 14,4.17.18 erweist YHWH seine Herrlichkeit ( כבדniph.) am Pharao durch die Rettung der Israeliten im Meerwunder, in 16,10 erscheint den Israeliten die Herrlichkeit YHWHs ( )כבוד יהוהaus der Wüste zur Rettung angesichts der Hungersnot in der Wüste und in *24,15–18 erscheint die Herrlichkeit YHWHs ( )כבוד יהוהauf dem Sinai. Wird auch die Hungersnot nicht vom Erzähler, sondern lediglich im Munde des gegen Mose und Aaron murrenden ( ;לון על16,2) Volkes in 16,3 festgehalten, speist YHWH das Volk einmalig mit Wachteln und fürderhin mit dem wunderhaften Manna. Das Murren 5
Diese auf den Nahkontext bezogene Erklärung erscheint insgesamt naheliegender als die These einer auf Num 20,8–11 bezogenen Disambiguierung des Stabes. S.o. Kap. 4.2.4. mit Anm. 61.
11. Auswertung
325
wird damit auch hier angesichts der als real gewerteten Notlage als berechtigt wahrgenommen. Durch den Hinweis auf die zu erlangende YHWH-Erkenntnis des Volkes in 16,12 wird das Murren des Volkes aber in gewisser Weise zurückgewiesen: Hinter dem Exodus stehen nicht die vom Volk in 16,2f. angegangenen Mose und Aaron, sondern steht vielmehr YHWH, der Gott Israels. Diese Deutung wird sekundär noch verschärft, indem die beiden Reden in 16,6f.8 das Murren gegen Mose und Aaron als Murren gegen YHWH deuten und so kritisieren. Da die Priesterschrift auch an anderer Stelle (die) vor-priesterschriftliche(n) Texte des Pentateuch voraussetzt, ist es naheliegend, dass Ex *16 die Motive des Murrens in der Wüste – mitsamt dem bekanntesten Murrlexem: „ לון עלmurren gegen“ – und der Infragestellung des Exodus *15,22–27 und *17,1–7 entnommen hat. Die verschiedenen Belege der Infragestellung des Exodus sind jedoch derart stereotyp formuliert, dass sich keine klaren literarischen Abhängigkeiten ausmachen lassen,6 und alleine die geteilte Verwendung des besagten Murrlexems stellt auch keinen hinreichenden Nachweis für einen intendierten Text-Text-Bezug dar. Die Wachtel-und-Manna-Erzählung ist in mindestens zwei Schritten fortgeschrieben worden: Erstens: Mit 16,4f.16–20.22–30 wurde aus der Rettungserzählung eine Erzählung der Sabbat-Findung und Sabbat-Missachtung. Das Manna und YHWHs Zuwendung dienen nur mehr als Mittel zum Zweck. Die literarisch aller Wahrscheinlichkeit nach einheitliche Sabbat-Schicht fragt ausgehend von der allmorgendlichen Sammlung des in der Sonne schmelzenden Mannas in 16,21 nach dem Umgang mit dem Manna am (sechsten Tag und am) Sabbat, der die Lebenswelt der nachexilischen Rezipienten des Textes bestimmt. Die Sabbat-Passagen sind damit als primär textextern motivierte Fortschreibungen der ursprünglichen Wachtel-und-Manna-Erzählung zu interpretieren. Sie verwenden diese in didaktischer Absicht, um die Notwendigkeit der Sabbatobservanz sowie die Einsicht in die Sinnlosigkeit seiner Missachtung bereits vor Israels Aufenthalt am Sinai zu situieren. Die intertextuelle Reichweite der Sabbat-Nachträge ist im Wesentlichen auf die Grundschicht von Ex 16 beschränkt, eine formale Textbindung gegenüber der Wachtel-und-Manna-Erzählung ist jedoch kaum erkennbar. Die Kenntnis des Sabbatgebotes ließ nicht auf einen konkreten Gebertext schließen. Eine Auslegung im engeren Sinne mit deutlicher formaler Textbindung findet synchron innerhalb der Sabbat-Passagen selbst statt, indem die Anweisungen Gottes aus 16,4f. in 16,16–18; *16,19–22; 16,23f.; 16,25–27; 16,28f. in mehreren Schritten präzisiert werden. Zweitens: 16,32–34; 16,35 und 16,36 bringen mehr oder weniger deutlich das Manna in den Zusammenhang der vierzigjährigen Wüstenwanderung 6
S.o. Kap. 1.2.3.; Kap. 4.2.1.
326
11. Auswertung
(vgl. bes. Ex 16,35 mit Jos 5,12). Diese Passagen sind damit anders als die Sabbat-Passagen nicht in erster Linie textextern motiviert, sondern durch den weiteren pentateuchischen und hexateuchischen Erzählablauf. Entsprechend größer ist ihre intertextuelle Reichweite. In den ersten beiden Mose-Reden Ex 16,6f. und 16,8 wird einerseits die zweite Gottesrede aus 16,12 vorweggenommen und die dort genannte Gotteserkenntnis der Israeliten expliziert und andererseits das Murren der Israeliten durch die Korrektur ihrer Adressierung kritisiert. Damit findet hier Auslegung im engeren Sinne statt. Als schriftgelehrter Rückraum kann hier Ex 16 und die Exoduserzählung insgesamt bestimmt werden, insofern es explizit um den Exodusgott geht. Dürfte also die Grundschicht von Ex *16 die beiden Wasserwundererzählungen *15,22–27; *17,1–7 voraussetzen,7 so findet sich weder in der Grundschicht, noch in den Ergänzungen von Ex 16 ein Widerhall der weiteren Murrerzählungen aus dem Numeribuch. 4.) bis 10.) Die redaktionsgeschichtliche Arbeit am Numeribuch ist derzeit weit davon entfernt, weitreichende Konsenslinien aufzuweisen. Bemerkenswert ist immerhin, dass auch modellübergreifend immer mehr Textanteile des Numeribuches als nach-priesterschriftlich angesehen werden. Die vorliegende Analyse von Num 11 und 12, von Num 13f., 16f. und 20,1–13 sowie schließlich von Num 21,4–9 hat deutlich gemacht, dass die Erzählungen in ihrem literarhistorischen Verhältnis zueinander sowie manche der einzelnen Erzählungen selbst als nach-priesterschriftliche Fortschreibungsketten entstanden sind, somit von Anfang an schriftgelehrte Fortschreibungs- und Auslegungstexte darstellen: Sie alle setzen mehr oder weniger deutlich andere Murrerzählungen und weitere Texte voraus. Bearbeitungsschichten oder Quellen, die das gesamte Numeribuch und allenfalls darüber hinaus den Pentateuch und Hexateuch insgesamt umfasst haben, ließen sich dagegen nicht ausmachen.8 7
Möglicherweise hat die spätere redaktionelle Kombination der vor-priesterschriftlichen Exoduserzählung und der Priesterschrift zur Aufweitung der Adressierung in der Forderung des Volkes in Ex 17,2a geführt: Aus der Forderung an Mose alleine („ תנהGib“) wurde nach Ex 16 wohl die Forderung an Mose und (implizit) Aaron („ תנוGebt“). S.o. Kap. 4.1. mit Anm. 5. 8 Mit dieser Einschätzung stimmt die vorliegende Arbeit mit der in letzter Zeit insbesondere durch T. Römer vertretenen Sicht überein, das Numeribuch als „rolling corpus“, als „a theatre of scribal interpretations and discussions“ zu verstehen (RÖMER, Sojourn, 444.445; zu Römers Arbeiten s.o. Kap. 1.2.4. mit Anm. 135.137–142). Seine „Speculations about the Formation of Numbers 11–20“ (aaO., 441) sehen indes etwas anders aus als die im Folgenden dargelegten Überlegungen (und beruhen oft auf anderen Rekonstruktionen der Genese der einzelnen Erzählungen). Römer nennt vier Stationen der Redaktionsgeschichte von Num 11–21, die ihrerseits nicht literarisch einheitlich sind bzw. sein müssen: 1.) Num 13f.; 2.) 11,4–35 und 20,1–13; dazu wahrscheinlich „the transformation of Exodus
11. Auswertung
327
Folgende relativ-chronologische Abfolge der nach-sinaitischen und nachpriesterschriftlichen Murrerzählungen erscheint nach den vorliegenden Analysen plausibel: 4.) Die älteste Murrerzählung des Numeribuches stellt die priesterliche (also nach-priesterschriftliche) Grundschicht der Kundschaftererzählung Num 13f. dar: 13,1.2a.3.21.25.26(ohne )קדשׁה.32; 14,1a.2–5.10.26–28.29a(nur במדבר הזה )יפלו פגריכם.33.35.37. Hier wird das Volk diachron betrachtet erstmalig bestraft für sein Murren gegen Mose und Aaron ( ;לון על14,2), das von YHWH als Murren gegen ihn selbst gedeutet wird ( ;לון על14,27bis): Die Angst davor, das Verheißene Land zu betreten, der das Volk mit der Rückkehr nach Ägypten, also der Umkehr der Heilsgeschichte, begegnen will, wird mit dem Tod der Exodusgeneration in der Wüste bestraft. Durch die Verschonung der Kinder (14,33) bleibt die Verheißung jedoch gewahrt und die Zukunft Israels gesichert. Die Erzählung beginnt und endet indes mit einem anderen Thema: den Kundschaftern. Die (vorerst nicht bezifferten und nicht benannten) Kundschafter, herausragende Vertreter der Israeliten (13,3b), verbreiten ein „Gerücht über das Land“ (13,32), führen das Volk so in die Irre und werden schließlich unmittelbar dafür bestraft (14,37). Eine Entschuldigung für das Murren des Volkes stellt dies gleichwohl nicht dar: Die Missinterpretation der Heilsgeschichte und ihre gewünschte Rückgängigmachung bleiben nicht unbestraft. Die geographische Verortung Israels in der Kundschaftererzählung verhilft, die Verortung des priesterlichen Grundbestandes im Erzählablauf und in der Redaktionsgeschichte des Numeribuches und des Pentateuch zu erhellen: Die Kundschafter werden von der Wüste Paran ausgesandt (13,3) und kommen hierher zurück (*13,26). Damit knüpft die priesterliche Kundschaftererzählung an 10,11f.; 12,16b an: Den durch die Wolke, die die Präsenz YHWHs gleichzeitig anzeigt und verbirgt, angeführten Aufbruch aus der Wüste Sinai (vgl. Ex 19,1) und den ebenso durch die Wolke ausgelösten Verbleib in der Wüste Paran. Während sich die Wolke (und mit ihr implizit das von ihr bedeckte Wüstenheiligtum) bereits in Num 10,12 in der Wüste Paran niederlässt ()שׁכן, lagert ( )חנהsich das Volk erst in 12,16b explizit dort und befindet sich davor im Erzählablauf des Pentateuch noch in Tabera (11,1–3), Qibrot-Hattaawa (11,4–35) und Hazerot (11,35; 12,1–16a). Dabei spielt in Qibrot-Hattaawa und Hazerot jeweils das Zelt der Begegnung eine entscheidende Rolle, womit eine Spannung zu 10,12 erzeugt wird, wonach das Wüstenheiligtum zumindest implizit bereits „weiter“, nämlich in der Wüste Paran, ist. Diese Spannung ist am einfachsten durch die Annahme eines vorauf15–17 into rebellion accounts“ (aaO., 442); 3.) Num 12,2–9 und 12,1.10–15; dazu möglicherweise auch 11,1–3 und 21,4–9; 4.) Num 16f. „in several stages“ (ebd.), vielleicht zusammen mit Num 15; 18f.
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11. Auswertung
gehenden priesterlichen Itinerars zu erklären, das nach der Gottesbegegnung am Sinai von der Wüste Sinai weiterführt in die Wüste Paran (10,11f. [; 12,16b?]) und sodann in die Wüste Zin nach Kadesch (20,1), und das nachträglich um die nicht-priesterlichen Stationen Tabera, Qibrot-Hattaawa und Hazerot erweitert wurde ausgehend von dem nochmaligen Bericht des Aufbruchs vom „Berg YHWHs“ in 10,33a.9 Bemerkenswerterweise wird in 10,33a das Subjekt nicht explizit genannt („ ויסעו מהר יהוהUnd sie brachen auf vom Berg YHWHs“), die aufbrechende Pluralgröße – wiewohl im Rahmen der Exoduserzählung unschwer auf Israel zu beziehen – setzt damit die Nennung der aufbrechenden Israeliten in 10,12 voraus (ויסעו בני־ישׂראל למסעיהם „ ממדבר סיניUnd die Israeliten brachen auf nach ihren Stationen aus der Wüste Sinai“). Auch die weiteren priesterlichen und nicht-priesterlichen Texte aus Num 10 sind allesamt jünger als 10,11f.: Die Aufteilung Israels auf Stämme und Heerlager sowie die damit einhergehenden Signalinstrumente in den priesterlichen Texten stellen eine nachträgliche Detaillierung des Aufbruchs der Israeliten insgesamt dar, die entsprechenden Texte sind in der priesterlichen Grundschicht der Kundschaftererzählung nicht vorausgesetzt; die nichtpriesterlichen Texte kreisen ausgehend von der priesterlichen Wolke aus 10,11f. um die Frage, wer und was alles an der Führung Israels in der Wüste beteiligt war.
Ein weiteres Argument für die hier dargestellte These einer priesterlichen Grundschicht vom Aufbruch aus der Wüste Sinai stellt die Redaktionsgeschichte von Dtn 1 dar: Die Grundschicht von Dtn 110 setzt wie der priesterliche Zusammenhang Num *10–14 den Ort der Kundschaftererzählung unmittelbar nach dem Aufbruch vom Gottesberg an. Die Stationen Tabera, QibrotHattaawa und Hazerot sind in Dtn 1 nicht belegt. Lässt sich dieser Befund durchaus unterschiedlich deuten, so ist deutlich, dass einerseits die Num 11,4–35 vergleichbare Szene von der Einsetzung von Richtern in Dtn 1,9–18 innerhalb von Dtn 1 nachgetragen ist,11 und dass andererseits dieser Nachtrag in Dtn 1 Num 11,4–35 literarhistorisch vorzuordnen ist.12 Dass Num 11 mindestens der priesterlichen Grundschicht der Kundschaftererzählung Num 13f. literarhistorisch nachzuordnen ist, stimmt schließlich mit der These überein, dass Num 11 ein Scharnier zwischen vor-sinaitischen 9
Vgl. KRATZ, Komposition, 109; RUDNIG-ZELT, Glaube, 213–217. RUDNIG-ZELT, aaO., 217 Anm. 405 stellt zu Recht die Frage, ob 12,16b einst direkt auf 10,11f. gefolgt sein kann, da in diesem Fall ein zwar inhaltlich mühelos aufzulösender, syntaktisch aber auffälliger Subjektswechsel vorliegt. Folgte 12,16b nicht ursprünglich auf 10,11f., dürfte es nach der Einschaltung von 10,33a; 11,1–34.35a(ohne )חצרותund später von 11,35a(nur )חצרות.b; 12,1–16a die Verknüpfung der priesterlichen Grundschicht von Num 13f. zu 10,11f. wiederherstellen, mithin eine Art Wiederaufnahme durch den Autor von Num 11 darstellen (s.o. Kap. 6.3.). Vgl. GERMANY, Narrative, 205f. 10 Zu ihrer Rekonstruktion s.o. Kap. 7.2.3.2. 11 S.o. Kap. 7.2.3.2. Anm. 172. 12 S.o. Kap. 5.3. zur Relationierung von Ex 18,13–27 – Dtn 1,9–18 – Num 11,4–35.
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und nach-sinaitischen Murrerzählungen darstellt, mithin mindestens eine nach-sinaitische Murrerzählung, eher mehrere, voraussetzt.13 Die beschriebene priesterliche Darstellung des Aufbruchs der Israeliten aus der Wüste Sinai (Num 10,11f.), wohin sie die priesterschriftliche Itinerarnotiz Ex 19,1 geführt hat, und die priesterliche Grundschicht der Kundschaftererzählung sind nach-priesterschriftlich anzusetzen: Was die Darstellung des Aufbruchs angeht, so fällt die unterschiedliche Funktion der Wolke in Num 10,11f. gegenüber ihrer Funktion in den priesterschriftlichen Texten auf, wie S. Rudnig-Zelt treffend beschrieben hat: „Die Vorstellung, daß die Wolke das Volk führt, indem sie sich von der Stiftshütte erhebt und am neuen Lagerplatz niederläßt, ist nur in nach-P Texten belegt [vgl. Ex 40,36f.; Num 9,15–22] … Diese Konzeption unterscheidet sich deutlich von der priesterschriftlichen Darstellung von Herrlichkeit Jahwes ()כבוד und Wolke. In PG [vgl. Ex 16,10b; *24,15–18; 40,34] verhüllt die Wolke die Herrlichkeit. Das ist ihre einzige Aufgabe. Sie kann sich folglich nicht selbständig fortbewegen, sondern nur im Zusammenhang mit der Herrlichkeit. Dieser ist sie streng untergeordnet. Deshalb wäre die ‚PG-Wolke‘ gar nicht in der Lage, das Volk zu führen. Vielmehr ist die Idee, daß die Wolke das Volk führt, eine Weiterentwicklung der PG-Konzeption, um eine Gottespräsenz nach dem Sinaiaufenthalt zu ermöglichen.“14 Eine Umfunktionierung der Wolke wird in den priesterlichen Sinaitexten auf jeden Fall weder mitgeteilt, noch irgendwie vermittelt. Ab Ex 40,36 ist ihre Funktion unvermittelt eine andere. 40,34 hat dagegen unverkennbar Abschlussfunktion, indem einerseits das Heiligtum von YHWH anerkannt wird, und andererseits durch seine Einwohnung in diesem Heiligtum seine Verheißung, mitten unter den Israeliten zu wohnen aus 29,45f., erfüllt wird.15 Was die priesterliche Grundschicht der Kundschaftererzählung angeht, so fällt im Unterschied zu den vorangehenden priesterschriftlichen Erwähnungen der (Erscheinung der) Herrlichkeit YHWHs (vgl. zumindest Ex 16,10; 24,16f.; 40,34) auf, dass sie in Num 14,10 einerseits zur Bestrafung der Israeliten erscheint und nicht zu ihrer Bewahrung bzw. zum Kultkontakt, und dass
13
S.o. Kap. 5.4. und s.u. RUDNIG-ZELT, Glaube, 214 Anm. 393 (mit weiterer Lit.). Die in Klammern angegebenen Verweisstellen weichen von den bei Rudnig-Zelt genannten etwas ab. Obige Analyse von Ex 16 hat gezeigt, dass eine Grundschicht dieses Kapitels der Priesterschrift zuzuweisen ist (s.o. Kap. 3.2.), die Überlegungen Rudnig-Zelts zur Verhüllung der Herrlichkeit YHWHs durch die Wolke sprechen gegen sie (aaO., 238 Anm. 499) ebenso dafür. 15 Sind auch Argumente zum Sprachgebrauch stets kritisch auf ihre Valenz zu prüfen, so fällt doch mit POLA, Priesterschrift, 91f.256 die Bezeichnung für das Heiligtum als משׁכן „ העדתWohnstatt des Zeugnisses“ in Num 10,11 auf, da diese Bezeichnung anders als die aus klar priesterschriftlichen Texten stammende Bezeichnung „ משׁכןWohnstatt“ (vgl. bes. Ex 25,9; 40,34) nur in spät-priesterlichen Texten belegt ist: Ex 38,21; Num 1,50.53bis. 14
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11. Auswertung
sie andererseits nicht von der Wolke geschützt wird.16 Wie der Wolke in 10,11f. kommt damit auch der (Erscheinung der) Herrlichkeit YHWHs in 14,10 (wie an den weiteren Belegen im Numeribuch) eine etwas andere Funktion zu als in den priesterschriftlichen Belegen des Exodusbuches – und mit ihr ebenso dem Zelt der Begegnung, das vom Wohnort YHWHs in der Sinaiperikope, auf die Ex 16,10 bereits verweist, zum punktuellen Begegnungsort in den Numeritexten wird.17 Ließen sich diese Unterschiede noch mit den unterschiedlichen Situationen begründen, bei denen von der (Erscheinung der) Herrlichkeit YHWHs berichtet wird, so weist die Parallele zwischen Ez 36,13f., der Schmährede über das Menschen fressende Land, und Num 13,32, dem Gerücht der Kundschafter über das seine Bewohner fressende Land, für beide Texte in die fortgeschrittene Perserzeit: An beiden Stellen werden die Verweigerer der „Rückkehr“ nach Jehud zurückgewiesen.18 Die somit nach-priesterschriftlich angesetzte priesterliche Grundschicht der Kundschaftererzählung setzt den priester(schrift)lichen Pentateuch insoweit voraus, als sie die Exoduserzählung fortsetzt und die Landgabethematik weiterführt.19 Nach Ex *16 bietet sie die zweite priesterliche Murrerzählung und teilt mit Ex *16 zahlreiche Motive. Klare Gebertexte lassen sich indes weder für die Exodus- und Landgabethematik, noch für das Murren, die Infragestellung des Exodus und das Motiv der (Erscheinung der) Herrlichkeit YHWHs benennen, da alle Formulierungen vergleichsweise stereotyp sind. Die priester(schrift)liche Sinaiperikope ist (nebst dem Itinerar in Num 10,11f.) durch die Nennung des Zeltes der Begegnung in Num 14,10 vorausgesetzt. Dass auf dem Sinai auch die Gabe des Gesetzes erfolgte, findet in Num *13f. dagegen keinerlei Widerhall. Auslegung im engeren Sinne findet innerhalb der priesterlichen Grundschicht der Kundschaftererzählung synchron durch die narrative Verschlimmerung in Form der beschriebenen Umadressierung (Mose und Aaron → YHWH) und Umdeutung („ לון עלmurren gegen“ → יעד עלniph. „sich versammeln gegen“ [14,35]) des Murrens sowie durch die Umkehrung der Murrrede des Volkes in der Strafrede YHWHs 16
S.o. Kap. 1.2.3. mit Anm. 75 zum textkritischen Befund. Vgl. RUDNIG-ZELT, Glaube, 236–248 – mit dem entscheidenden Unterschied der literarhistorischen Einordnung von Ex *16 (s.o. Anm. 14). 18 S.o. Kap. 7.2.1. mit Anm. 67. Zu vergleichen ist auch Lev 26,38. 19 JEON, Promise macht darauf aufmerksam, dass die Landgabethematik in der priesterlichen Kundschaftererzählung und anderen spät-priesterlichen Texten ohne einen Verweis auf die Erzeltern auskommt, dass aber in den priesterschriftlichen Texten der Bücher Genesis und Exodus im Zusammenhang mit der Landgabethematik stets der Landschwur an die Erzeltern belegt ist. Diesen Unterschied wertet er als weiteres Argument für das Ende der Priesterschrift im Rahmen der Sinaiperikope. Auch hier gilt freilich, dass die NichtNennung eines Motivs argumentativ schwerlich allzu schwer wiegt. Gleichwohl ist bemerkenswert, dass die späteren nicht-priesterlichen Erweiterungen in Num 13f. den Landschwur an die Väter in 14,23 nachgetragen haben (s.u.). 17
11. Auswertung
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statt: Aus dem Todeswunsch wird die Todesstrafe (vgl. 14,2b mit *14,28f. 35b). Die priesterliche Grundschicht von Num 13f. hat zahlreiche weitere Texte innerhalb und außerhalb von Num 13f. nach sich gezogen:20 Der Grundbestand von Moses Nacherzählung der priesterlichen Kundschaftererzählung in Dtn 1,19–46, 1,19f.22–24.25(ohne )וישׁבו אתנו דבר.26f.34. 35aαb.39(ohne )וטפכם אשׁר אמרתם לבז יהיה.40–43.44(ohne )בשׂעיר.45, betont einseitig die Schuld des Volkes – und stellt so Moses eigene „Figur“ in einem etwas besseren Licht dar. Die Mission der Kundschafter sowie das daraus resultierende frevelhafte Handeln des Volkes werden deutlicher militärisch gezeichnet, was besonders in den nicht-priesterlichen Erweiterungen von Num 13f. aufgenommen wurde. Die nicht-priesterlichen Texte in Num 13f. haben in mindestens zwei Schritten die priesterliche Kundschaftererzählung angereichert und mit weiteren Texten aus Pentateuch und Hexateuch verbunden: 14,11–23.25b tragen unter Aufnahme von Ex 32–34 die Vergebungsbereitschaft YHWHs nach und profilieren den in der priesterlichen Darstellung vergleichsweise blass dargestellten Mose als erfolgreichen Fürbitter.21 Num 13,17b–20, 13,22–24, 13,27– 29, 13,30f., 14,1b, 14,24 sowie 14,39–45 versehen die Kundschaftererzählung mit erzählerischen Details und teils anekdotenhaften Zügen.22 Dabei nehmen sie die stärker militärisch ausgerichtete Fassung der Kundschaftererzählung aus Dtn 1,19f.22–24.25(ohne )וישׁבו אתנו דבר.26f.34.35aαb.39(ohne וטפכם אשׁר )אמרתם לבז יהיה.40–43.44(ohne )בשׂעיר.45 auf und steigern diese Züge teils weiter. Die beispielhaft berichtete Erkundung des Südens wird unter Aufnahme der in Jos *15,13–19 überlieferten Kaleb-Hebron-Erzählung weiter ausgeführt, um das edomitisch-idumäische Hebron als zu Juda gehörend vereinnahmen zu können. Während die priesterliche Grundschicht von Num 13f. nur begrenzt intertextuell verwoben ist, stellen die nicht-priesterlichen Ergänzungen in ihrer Substanz schriftgelehrte Adaptionen dar. Im Falle des Rückbezuges auf die Sinaiperikope sind im engeren Sinne schriftgelehrte Motive leitend, im Falle der Verbindung mit den Büchern Deuteronomium und Josua sind auch textexterne Motive erkennbar.23 In beiden Fällen ist die Textbindung an die priesterliche Grundschicht von Num 13f. lexematisch gering, doch setzen die nicht-priesterlichen Ergänzungen stets den jeweiligen Erzähl20 Nicht näher zu verortende Nachträge innerhalb von Num 13f. sind *13,33 (s.o. Kap. 7.2.1. mit Anm. 68–70) und 14,34 (s.o. Kap. 7.2.1. mit Anm. 94f.). 21 Zu 14,25a s.o. Kap. 7.2.2. mit Anm. 155. 22 Zur möglichen Einschränkung hinsichtlich 13,29 s.o. Kap. 7.2.2. mit Anm. 113. 23 Diese Schriftgelehrsamkeit der nicht-priesterlichen Erweiterungen lässt es als möglich erscheinen, dass die zusätzliche Richtungsangabe „ קדשׁהnach Kadesch“ in 13,26 im Zusammenhang mit den weiteren nicht-priesterlichen Ergänzungen in Num 13 steht. Trifft dies zu, dürfte es sich am ehesten um einen Ausgleich mit Dtn 1 handeln. Zu den unterschiedlichen Optionen s.o. Kap. 7.2.1. mit Anm. 62.
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verlauf der priesterlichen Grundschicht voraus: Die Ergänzungen in Num 13 detaillieren den Auftrag, die Ausführung und die Berichterstattung der Erkundung, 14,11–23.25b deutet das Murren das Volkes aus 14,2–4 und die Strafe YHWHs aus *14,26–35. Dagegen gleicht 14,39–45 Num 13f. mit Dtn 1 durch die Aufnahme von Dtn *1,40–45 aus. Die nicht-priesterlichen Texte in Num 13f. haben weitere Ergänzungen in Dtn 1,19–46 (*1,28–33; 1,36; vgl. auch 9,1f.23f.), die Erzählung Jos *14,6– 15 sowie die priesterlichen Ergänzungen in Num 13f. nach sich gezogen.24 Letztere, 13,2b.4–16.17a; 14,6–9.29a(nur וכל־פקדיכם לכל־מספרכם מבן עשׂרים שׁנה )ומעלה.29b.30–32.36.38, verknüpfen die Kundschaftererzählung noch stärker mit dem Numeribuch durch die Eintragung der Stämmegliederung Israels. Der zuvor alleine herausragende Kundschafter Kaleb wird weiter, nun auch genealogisch, in Juda integriert und um Josua ergänzt, womit dem Helden der Landnahmetradition der Einzug ins Verheißene Land auch explizit gewährt wird. Die priesterlichen Ergänzungen in Num 13f. sind damit gleichermaßen auf das Josuabuch wie das Numeribuch bezogen, im ersteren Falle mit geringer, im zweiteren Falle mit deutlicher formaler Textbindung. 5.) Während sich die Redaktionsgeschichte von Num 16f. vergleichsweise leicht nachzeichnen lässt, kann die Einschreibung von Num 16f. in die Redaktionsgeschichte des Numeribuches insgesamt nur tentativ erfolgen. Dies liegt einerseits daran, dass die in Num 16f. berichteten Geschehnisse nicht lokalisiert werden und damit nicht im Zusammenhang des Wüstenitinerars stehen, und andererseits daran, dass die Eingangsverse 16,1f. syntaktisch und textgeschichtlich problematisch sind:25 16,1f. führt syntaktisch unklar drei (bzw. vier) Personen oder Personengruppen ein, die im weiteren Verlauf von Num 16f. in aller Regel nicht mehr zusammen (bzw. im Falle Ons, Sohn von Pelet, gar nicht mehr) auftreten. Und wo sie im weiteren Verlauf von Num 16f. doch gemeinsam genannt werden, lässt sich dies jeweils – auch aus textgeschichtlichen Gründen – leicht als sekundäre Verknüpfung erklären. Für die Analyse bedeutet dies, dass 16,1f. als Argumentationsbasis für die Rekonstruktion der Entstehung von Num 16f. entfällt, und dass die in Num 16f. enthaltenen Erzählzüge in ihrer vorliegenden Gestalt keinen suffizienten Erzählanfang mehr aufweisen. Im Folgenden soll daher zunächst die Redaktionsgeschichte von Num 16f. kurz rekapituliert werden. Anschließend wird nach möglichen Verbindungslinien der einzelnen Erzählzüge in Num 16f. zum Numeribuch insgesamt gefragt. Num 16f. geht auf die zwei ehedem eigenständigen Erzählzüge von Datan und Abiram in 16,12–15.23.24(ohne )קרח.25f.27(ohne )קרח.28–31.32a.33f. 24
Hinzu kommt noch der Zusatz im Zusatz: Die Verhältnisbestimmung von Anakiter und Nephilim ( )בני ענק מן־הנפליםin 13,33. S.o. Kap. 7.2.1. mit Anm. 70. 25 S.o. Kap. 8.1.
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und vom Aufstand der 250 Laien und dem Murren des Volkes in 16,(*2.)3f.5(ohne [)אל־קרח ואל־כל־עדתו ]לאמר.6abα.7a(ohne )מחר.18(ohne ומשׁה )ואהרן.35; 17,6–13.14a.15–28 zurück. Im ersten Fall dürfte der Anfang des Erzählzugs verloren sein, denn ein Grund für Moses Schicken nach Datan und Abiram in 16,12 wird nicht mitgeteilt. Im zweiten Fall dürften mindestens Spuren des Erzählanfanges in 16,2 enthalten sein, lassen sich aber aufgrund der beschriebenen Problematiken mit dem Text von 16,1f. nicht mehr mit Sicherheit rekonstruieren. Erst die Korach-Bearbeitung hat beide Erzählzüge miteinander verwoben und dabei den Aufstand der 250 Laien in einen Leviten-Aufstand umgedeutet: 16,(*1f.)5a(nur [)אל־קרח ואל־כל־עדתו ]לאמר. 6bβ.7a(nur )מחר.7b.8–11.16f.18(nur )ומשׁה ואהרן.19–22.24(nur )קרח.27(nur )קרח.32b; 17,1.2aαb.3–5.14b.26 Datan und Abiram werfen Mose Versagen beim Exodus und bei der Führung ins Verheißene Land sowie Machtmissbrauch vor (16,12–14). Um Moses Sendung durch YHWH zu bestätigen, sterben die Aufrüher samt ihren Familien einen ungewöhnlichen Tod in der Wüste (*16,28–33) – womit sie genau das ereilt, was sie Mose vorgeworfen haben: der Tod in der Wüste. Ihre Kritik an Mose wird zunächst nicht als Murren bezeichnet. Erst Mose deutet ihre Umwertung der Verheißung YHWHs als Verwerfen YHWHs (נאץ pi.; 16,30). Mit der Exodus-Landnahme-Thematik schließt der Erzählzug thematisch gut an die Kundschaftererzählung Num 13f. an, ohne den Text von Num 13f. klar vorauszusetzen. Der Erzählzug erscheint im Anschluss an Num 13f. als eine Art Beispielerzählung für die verweigerte Landnahme einzelner Israeliten. Sollte dieser thematische Anschluss möglicherweise auch ein einstmals literarischer gewesen sein, so ließe sich der Erzählzug von Datan und Abiram vorsichtig mit den einzelnen nicht-priesterlichen Erweiterungen in Num 13f. vergleichen, die die priesterliche Kundschaftererzählung mit erzählerischen Details anreichern. Zudem fällt auf, dass hier wie dort, aber nirgends sonst, die Deutung des initialen Murrens gegen Mose (und Aaron) mit נאץpi. „verachten; verwerfen“ bezeichnet wird (14,11.23; 16,30), und zwar jeweils mit YHWH als neuem Objekt. Strukturell parallel zu diesem Erzählzug berichtet auch der priesterliche Erzählzug vom Aufstand der 250 Laien und dem Murren des Volkes in seinem ersten Teil von einer Auflehnung einzelner im Volk gegen Mose und (hier auch) Aaron und ihrer anschließenden Bestrafung. Möglicherweise hat genau diese strukturelle Parallele beider Erzählzüge, die ansonsten ganz an-
26
Welche Anteile von 16,1f. auf die Korach-Bearbeitung, auf den Erzählzug vom Aufstand der 250 Laien und dem Murren des Volkes, allenfalls sogar auf den Erzählzug von Datan und Abiram oder aber auf die Textüberlieferung zurückgehen, lässt sich aufgrund der textgeschichtlichen wie syntaktischen Problematik dieser Verse nicht mehr präzise benennen. Bei 17,2aβ handelt es sich um einen späteren Einschub (s.o. Kap. 8.3.3.).
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dere Themen aufweisen, zu ihrer späteren Kombination geführt.27 Die Bestrafung der 250 Laien setzt sodann den Aufstand des Volkes insgesamt aus sich heraus und führt damit erst zur Antwort auf die alles auslösende Frage aus *16,5–7, wen YHWH erwählt (hat) (17,16–26), und wer ihm daher im Kult nahen darf (*17,6–15.28f.): Aaron. Als Murrlexem ist hier parallel zu לון על „murren gegen“ syn- wie diachron betrachtet erstmalig auch קהל עלniph. „sich versammeln gegen“ belegt. Der Erzählzug ist weniger deutlich als der Erzählzug von Datan und Abiram auf seine überlieferte Stellung im Numeribuch bzw. in der berichteten Wüstenwanderung bezogen. Durch die Verortung des Räucheropferordals und der kultischen Interzession Aarons am Zelt der Begegnung bzw. ausgehend davon und durch die berichtete Erscheinung der Herrlichkeit YHWHs dort ist aber die priester(schrift)liche Sinaiperikope vorausgesetzt. Das Thema des Räucheropfers (vgl. bes. Lev 10,1–5; 16,12f.) und die Vorstellung des in zwölf Stämme gegliederten Israel mit der Sonderstellung Levis (vgl. bes. Num *3,14–39; 4,1–3.22f.29f.34–49 sowie Dtn *18,1–8) weisen deutlich in nach-priesterschriftliche Zeit. Wegen der Stämmesystematik, wenn auch in eigenwilliger Ausprägung, dürfte der priesterliche Erzählzug vom Aufstand der 250 Laien und dem Murren des Volkes jünger sein als die priesterliche Grundschicht von Num 13f. und kann mit den älteren Texten in Num *1–428 der Phase der Arrondierung des Numeribuches als eigenes Buch des Pentateuch zugewiesen werden. Über diesen hinsichtlich der formalen Textbindung eher schwach ausgeprägten schriftgelehrten Rückraum hinaus könnte die kultische Fokussierung auf Aaron und die Kritik am Räucherkult durch Laien auch textextern motiviert sein und entsprechenden Praktiken am nachexilischen (Tempel-)Kult wehren. Textexterne Interessen dürften auch hinter der Korach-Bearbeitung stehen, die die beiden ehedem unabhängigen Erzählzüge von Datan und Abiram und vom Aufstand der 250 Laien und dem Murren des Volkes miteinander verknüpft hat. Num *16,1f. führt alle Aufrührer der Erzählung zusammen und stellt sie unter die Leitung des Leviten Korach. Während das Anliegen Datans und Abirams davon unberührt bleibt, und sie erst in ihrer Bestrafung mit Korach (zumindest teilweise) verbunden werden, werden die 250 namhaften Laien unter der Hand zur levitischen Gefolgschaft Korachs; ihr Anliegen ist nicht mehr in erster Linie kultische Partizipation aufgrund der Heiligkeit der gesamten Versammlung, sondern der Anspruch auf das Priesteramt für die Leviten insgesamt. Ihr Anliegen wird durch den Tod der nun levitisierten 250 Männer klar zurückgewiesen. Die Beschränkung der Leviten auf niedere Dienste und die Bevorzugung des aaronidischen Priestertums wird parallel zur Korach-Bearbeitung besonders auch in Num 3,1–13.32.40–51; *4,4–33; *8; 18,1–7 sowie auf je eigene Weise etwa in Dtn 18,3; Ez 44,6–16 festgehal27 28
S.o. Kap. 8.3.2. mit Anm. 93. Hierzu s.o. Kap. 8.3.3. mit Anm. 137.
11. Auswertung
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ten, also innerhalb der jüngeren Texte in Num *1–4 bzw. *1–10. Die Redaktionsgeschichte von Num 16f. spiegelt sich so in der Redaktionsgeschichte von Num 1–10. Die Korach-Bearbeitung dürfte damit eine spät-priesterliche Reaktion auf Konflikte innerhalb der nachexilischen Tempelgemeinde darstellen, die im Einzelnen zu erhellen, die Partei ergreifenden Texte nicht ermöglichen. Die Korach-Bearbeitung orientiert sich in ihrer Verbindung der ihr vorliegenden Erzählungen, inhaltlich verständlich, in erster Linie am Text des priesterlichen Erzählzugs vom Aufstand der 250 Laien und dem Murren des Volkes: So übernimmt sie etwa in 16,19–22 die Fürbitte aus *17,6–15. Durch die Wiederaufnahme von *16,5–7 in 16,16f. taktet sie aber auch den Erzählzug von Datan und Abiram sinnvoll in die priesterlichen Verse *16,5– 7; *16,18; 16,35 ein. Indem sie schließlich die 250 Laien und deren Anliegen umdeutet, liegt hier auch Auslegung im engeren Sinne vor. 6.) In der nach-sinaitischen Wasserwundererzählung Num 20,1–13 sind klar nachweisbare literarische Bezüge auf voraufgehende Murrerzählungen vorhanden. Die Erzählung hat sich als literarisch einheitliche Murrerzählung erwiesen, die ihre Aussage gerade in kreativ-adaptiver Aufnahme bereits bestehender Murrerzählungen entfaltet: Ex 17,1–7 stellt den plot für Num 20,1–13 bereit; der Kundschaftererzählung Num 13f. entnimmt 20,1–13 die Frage nach der Fortsetzung der Führung Israels und dem priesterlichen Erzählzug vom Aufstand der 250 Laien und dem Murren des Volkes in Num 16f. den Grund für die Notwendigkeit des Führungswechsels. Num 20,1–13 ist Ex 17,1–7 vergleichbar aufgebaut: Das Volk dürstet und murrt gegen Mose und Aaron; diese wenden sich an YHWH; YHWH weist eine Lösung an; und diese wird für das Volk herbeigeführt – in Num 20,9–11 aber im Unterschied zu Ex 17,6b anders als von YHWH angewiesen. Wie in Ex 17,1–7 wird also auch in Num 20,1–13 das Murren des Volkes als sachlich berechtigt wahrgenommen angesichts des Wassermangels in der Wüste, doch zugleich wird auch die negative Bewertung des Murrens als „Streiten mit“ ( את/ ;ריב עם20,3.13) dem Spendertext, sogar in Zuspitzung („die Israeliten stritten mit YHWH“; 20,13), entnommen – entsprechend der Lokalisierung an den Wassern von Meriba. Die zwei Reden aus Ex 17,2a.3b sind zu einer längeren Murrrede kombiniert (Num 20,3b–5), die über die stereotype Infragestellung des Exodus hinaus auf die Volkesrede Num 17,27f. (mit jeweils zwei Belegen von „ גועumkommen“) und auf die von den Kundschaftern in 13,23 bekannt gemachten Früchte des Verheißenen Landes Bezug nimmt, um die Not des Volkes zu veranschaulichen. Angesichts des genannten und der weiteren Bezüge auf Num 16f. dürfte auch das erstgenannte Murrlexem, קהל עלniph. „sich versammeln gegen“ in 20,2b, eine bewusste Entlehnung aus Num 16f. darstellen. Das erzählerische Gewicht der Anweisungen YHWHs und der Ausführungen durch Mose und Aaron sowie die Unterschiede zwischen Anweisungen
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11. Auswertung
und Ausführungen zeigen (gerade auch im Unterschied zu Ex 17,1–7), dass es der Erzählung weniger um das Ergehen des Volkes als vielmehr um das seiner Anführer geht. Und auch in dieser Hinsicht nimmt die Erzählung Num 13f. und Num 16f. auf: Dass Mose und Aaron das Volk nicht ins Verheißene Land führen, sondern vielmehr bereits in der Wüste sterben, ist 20,1–13 traditionell vorgegeben und im Vorkontext in *14,26–35 implizit festgehalten. 20,1–13 und die darauf bezogenen Erzählungen Num 20,22–29; 27,12–23; Dtn *32,48–52 explizieren und begründen dies mit der individuellen Verfehlung Moses und Aarons: der partiellen Missachtung des göttlichen Gebotes aus 20,8 in 20,9–11: Statt den Stab Aarons aus dem Heiligtum (vgl. 20,9) als Zeichen für die Widerspenstigen zu verwenden (vgl. 17,16–26), übergeht Mose YHWHs Auftrag und handelt nach dem Vorbild von Ex 17,1–7. Num 20,1–13 setzt damit die um die nicht-priesterlichen Erweiterungen angewachsene Kundschaftererzählung in Num 13f. und den priesterlichen Erzählzug vom Aufstand der 250 Laien und dem Murren des Volkes in Num 16f. voraus. Ob 20,1–13 jünger oder gleichursprünglich mit Letzterem ist, lässt sich aufgrund der unklaren literarhistorischen Einordnung der beiden Erzählzüge aus Num 16f. in die Redaktionsgeschichte des Numeribuches nicht mit Sicherheit sagen. Da der in 20,1–13 angekündigte und in 20,22–29; 27,12–23 nominell vollzogene Führungswechsel Moses Nachfolger Josua in keiner Weise als einen der Kundschafter im Blick hat,29 dürften die priesterlichen Erweiterungen in Num 13f. (sowie etwa 26,65b; 32,10–12) auf jeden Fall jünger als 20,1–13 sein. 20,1–13 bietet damit nicht nur ein schriftgelehrtes Murren, sondern ist in Grund und Durchführung äußerst schriftgelehrt mit deutlicher formaler Textbindung. Als Auslegung lässt sich die Erzählung nicht bezeichnen, vielmehr handelt es sich um die Anwendung unterschiedlicher Murrerzählungen zur Klärung einer Frage, die nicht nur die vorausgehenden Murrerzählungen aufgeworfen haben: Dass und weshalb Mose und Aaron Israel nicht ins Verheißene Land führen, wird mit dem Handeln der beiden an den Wassern von Meriba begründet. 7.) und 8.) Num 11 hat sich als schriftgelehrte Adaption voraufgehender (Murr-)Erzählungen erwiesen. Das Kapitel enthält zwei Murrerzählungen, 11,1–3 (das klagende und bestrafte Volk bei Tabera) und 11,4–35 (das klagende und bestrafte Volk bei Qibrot-Hattaawa), die zusammen eine literarische Einheit bilden, die ursprünglich 10,33a; 11,1–34.35a(ohne ;)חצרות 12,16b umfasst haben dürfte. 11,35a(nur )חצרות.b geht dagegen auf den späteren Autor von Num 12,1–16a zurück. Zusammen haben die zwei Erzählungen in Num 11 die Funktion eines Scharniers zwischen vor-sinaitischen und nach-
29
S.o. Kap. 7.2.1. und bes. Kap. 7.2.3. mit Anm. 170f.193–198.
11. Auswertung
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sinaitischen Murrerzählungen, die sie damit in Teilen voraussetzen und sich so als nach-priesterschriftlich erweisen. Num 10,33a; 11,1–3 ahmt als erste nach-sinaitische Murrerzählung die erste vor-sinaitische Murrerzählung Ex 15,22–25a.27 durch die Aufnahme der dreitägigen Wegstrecke nach: Nach der Errettung am Schilfmeer und nach dem Aufenthalt am Gottesberg wandert Israel drei Tage durch die Wüste – und murrt dann. Ist der Grund des Murrens in Ex 15,22–25a.27 unmittelbar einsichtig, so wird in Num 11,1–3 kein Grund mitgeteilt. Damit erscheint hier nicht eine natürliche Notlage, sondern vielmehr das Murren selbst als zu lösendes Problem: Das murrende Volk wird bestraft, und nur dank Moses Eintreten für das Volk wird die Strafe schließlich begrenzt. Der gegenüber den vor-sinaitischen Murrerzählungen unterschiedliche Geschehensablauf dürfte durch die modifizierende Aufnahme des deuteronomistischen Richterschemas bedingt sein (vgl. bes. Ri *2,11–19; 3,7–11), womit sich der intertextuelle Rückraum von Num 10,33a; 11,1–3 deutlich vergrößert. Num 11,1–34.35a(ohne ;)חצרות12,16b erweist sich als Zusammenschau der vor-sinaitischen (Murr-)Erzählungen Ex 16 (in seiner redaktionell erweiterten Gestalt); 17,1–7; 18,13–27, die hier alle in gesteigerter Intensität aufgenommen werden: Das Klagen des Volkes entzündet sich nicht mehr an einer Notlage, sondern an der Abwertung der göttlichen Gnadengabe des Manna; Moses Klage hat nicht mehr das Volk, sondern nur noch sich selbst und seine Überforderung im Blick; YHWHs Reaktion auf Mose und das Volk resultiert in der Unterstützung Moses durch die 70 geisterfüllten Ältesten und dem ins Unermeßliche gesteigerten Wachtelwunder, letztlich aber angesichts des fortwährenden Klagens des Volkes auch in dem „sehr großen Schlag“ gegen das Volk (Num 11,33). Die Aufnahme der drei genannten vor-sinaitischen (Murr-)Erzählungen bestätigt auch die literarische Analyse des Kapitels, die keine literarischen Brüche zwischen der Wachtel-Erzählung und dem Ältesten-Strang festmachen konnte: Die Klage des Volkes zieht Moses Klage zwingend nach sich, da die Abwertung des Mannas Mose als Führer des Volkes anspricht. Num 11 scheint insgesamt ein literarisch einheitliches nach-priesterschriftliches Scharnier zwischen den vor-sinaitischen und den nach-sinaitischen Murrerzählungen darzustellen. 11,1–3 fungiert als Einleitung in die nachsinaitischen Murrerzählungen, die fast ausnahmslos dem Ablaufschema von 11,1–3 zumindest locker folgen, und markiert die Grenze gegenüber den vorsinaitischen Murrerzählungen. 11,1–34.35a(ohne ;)חצרות12,16b fungiert als Zusammenschau der vor-sinaitischen Murr- bzw. Wüstenerzählungen unter nach-sinaitischen Bedingungen. Num 11 dient damit der bewussten Gestaltung der Wüstenzeit und unterscheidet eine vor- und eine nach-sinaitische Periode. Während die vor-sinaitische Phase von Israels Wüstenwanderung durch YHWHs gnadenhaftes Wunderhandeln als Reaktion auf Israels Murren angesichts von Bedrohungslagen geprägt ist, erscheinen vergleichbare Bedro-
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11. Auswertung
hungsszenarien den Israeliten in der nach-sinaitischen Wüstenwanderung als ungleich bedrohlicher (vgl. 11,4–35), sie reagieren entsprechend zunehmend und grundlegend unwirsch (vgl. 11,1–3). Damit werden sie nun aber sich selbst (vgl. 11,1–3.33f.) aber auch Mose (vgl. 11,4–35) zur Bedrohung. Auf dieser nach-priesterschriftlichen Ebene wird damit der Sinai zur Scheide in der Bewertung des Handelns des Volkes. Erscheinen die Bezugnahmen auf die vor-sinaitischen Murrerzählungen (und darüber hinaus auch auf Teile der Sinai-Perikope)30 damit als vergleichsweise sicher, gestaltet sich die Verhältnisbestimmung zu den nach-sinaitischen Murrerzählungen deutlich schwieriger: Eindeutige Bezüge zu den bisher behandelten Erzählungen Num 13f., Num 16f. und 20,1–13 sind nicht vorhanden. Einzig die Einzeichnung von 10,33a; 11,1–3 in den oben beschriebenen priesterlichen Zusammenhang von 10,11f. zur priesterlichen Grundschicht der Kundschaftererzählung in Num 13f., die zur genannten Spannung in der Verortung der das Heiligtum (und das Volk) begleitenden Wolke führt, zeigt, dass Num 11 jünger sein muss als die priesterliche Grundschicht von Num 13f. Aufgrund der für beide Erzählungen in Num 11 konstitutiven Interzession Moses dürfte darüber hinaus mindestens die erste nichtpriesterliche Erweiterung in Num 13f., 14,11–23.25b, und Num *16f. vorausgesetzt sein. Zwar erscheint eine literarhistorische Verhältnisbestimmung zwischen Num 11 und Num 16f. (in seinen unterschiedlichen Schichten) sowie 20,1–13 nicht sicher möglich, doch kann man fragen, ob Num 11 nicht mehrere nach-sinaitische Murrerzählungen voraussetzt, wenn insbesondere 11,1–3 das Anhalten des Murrens und der daraus folgenden Bestrafung betonen will. Mehr Sicherheit gewinnt die Rekonstruktion bei der Verhältnisbestimmung zwischen Num 11 und 12 sowie 21,4–9, wie sogleich zu zeigen sein wird. Erweist sich Num 11 damit als schriftgelehrtes Murren durch kreative Anwendung voraufgehender (Murr-)Erzählungen, so ist die formale Textbindung insgesamt eher gering. Einzig die Reformulierung der Murrrede durch Mose in 11,13 („ תנה־לנו בשׂר ונאכלהGib [du] uns Fleisch, damit wir essen können!“) spielt klar den früheren Zwischenfall in Rephidim ein mit der Forderung des Volkes „ תנה־לנו מים ונשׁתהGib (du) uns Wasser, damit wir trinken können!“ (Ex 17,2).31 Auslegung im engeren Sinne findet sich in Num 11 synchron in den Deutungen des Murrens des Volkes (11,4–6) durch Mose (11,13) und YHWH (11,18.20), die die Klage des Volkes nochmals deutlicher negativ bewerten. Das Murren selbst wird in Num 11 mit anderen Lexemen als in den anderen Murrerzählungen zum Ausdruck gebracht: In 11,1 „klagt“ 30 Zu Num 11,1–3 s.o. Kap. 5.2. mit Anm. 18. In Num 11,4–35 ist Ex 33,7–11 (s.o. Kap. 5.3. mit Anm. 80f.) und möglicherweise auch Ex 24,1f.9–11.12–14 vorausgesetzt (s.o. Kap. 5.3. mit Anm. 63). 31 Zur textkritischen Auswertung s.o. Kap. 4.1. mit Anm. 5.
11. Auswertung
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das Volk ( אנןhitpol.), wobei der Inhalt der Klage nicht mitgeteilt, das Murren also singulär innerhalb der Murrerzählungen nicht versprachlicht wird. In 11,4a wird zunächst das (nicht-israelitische) „Mischvolk“ („ )האספסףbegierig“ ()התאוו תאוה, woraufhin die Israeliten in 11,4b „erneut weinen“ ()וישׁבו ויבכו. Die Bestrafung trifft Nicht-Israeliten und Israeliten sodann gemeinsam. In der Ortsnamenätiologie 11,34 wird das Subjekt des initialen Murrens ( אוהhitp.) entsprechend ausgeweitet: In Qibrot-Hattaawa ()קברות התאוה, den „Gräbern der Begierde“, liegt das ganze begierige ( אוהhitp.) Volk, also auch Israel begraben ()קבר. 9.) Num 12 nimmt klar auf die zweite Murrerzählung in Num 11 Bezug und korrigiert sie in einem bestimmten Aspekt. Die Erzählung wird durch die Hinzufügung der Station Hazerot in 11,35a(nur )חצרות.b; 12,16a in die ältere Abfolge von 11,35a(ohne ;)חצרות12,16b eingetaktet. Num 12 selbst (genauer: 11,35a[nur ]חצרות.b; 12,1–16a) ist dabei literarisch einheitlich.32 Wie in 20,1–13 spielt das Volk in Num 12 eine untergeordnete Rolle. Vielmehr geht es hier um einen Konflikt in der Führung des Volkes, der eine grundlegende Klärung nach sich zieht: Miriam und mit ihr Aaron rufen die konstruierte Ehe Moses mit einer Kuschiterin in Erinnerung, um so Moses Führungsanspruch nach dem in 11,4–35 von den Nicht-Israeliten ausgehenden Murren hinterfragen zu können. Ihre eigene Offenbarungsmittlerschaft sehen sie auf gleicher oder zumindest ähnlicher Stufe wie die Moses. YHWH selbst weist dies zurück und ordnet alle Prophetie Mose unter. Num 12 weist so das mögliche Missverständnis von Num 11 zurück, dass die von Mose abgeleitete Prophetie den gleichen Stellenrang in der Offenbarungsvermittlung hätte wie YHWHs unvermittelte Rede zum Erzpropheten Mose. Num 12 geht es indes nicht nur um eine Unterscheidung zwischen Mose und den Propheten, zu denen Miriam nach Ex 15,20f. gezählt wird, sondern auch um eine Unterscheidung zwischen Mose und dem Priestertum, wofür Aaron steht: Wie in der idealtypischen „Aussatz-Tora“ von Lev 13f. der Priester Inspektion und Diagnose vornimmt, so stellt der in Num 12 bei (seiner Schwester) Miriam stehende Aaron den „Aussatz“ Miriams unmittelbar fest. Heilung zu vermitteln, vermag aber nicht der Priester, sondern wie in 2Kön 5 nur der YHWH unmittelbare (Erz-)Prophet, hier also Mose durch seine Fürbitte. Der Ausschluss Miriams aus dem Lager folgt wieder der „Aussatz-Tora“ von Lev 13f., wird von YHWH aber anders begründet: nicht wegen des „Aussatzes“, sondern zur Beschämung (Num 12,14). Daraus lässt sich die unmittelbar vollzogene Heilung Miriams ableiten, um die Mose bat (12,13). Sind auch Prophetie und Priestertum Mittlergestalten von YHWH-Wort und YHWH-Wil32
Dabei ist in 12,8 mit 4QNumb, Smr, LXX sowie einigen hebräischen Handschriften und aramäischen Übersetzungen gegen den masoretischen Text „ במראהin einer Erscheinung“ statt „ ומראהund als eine Erscheinung“ zu lesen. S.o. Kap. 6.2. mit Anm. 55.
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11. Auswertung
len, so werden sie hier doch deutlich Mose nachgeordnet. Und so, wie Miriam für die Prophetie und Aaron für das Priestertum steht, so steht der Erzprophet Mose für die Tora. Innerhalb der Murrerzählungen ist Num 12 einzig auf 11,4–35 bezogen. Die formale Textbindung ist dabei relativ gering. Mit „ דבר בreden gegen“ (12,1.8b) wird ein neues Murrlexem eingeführt, das hier vor allem dem (chiastisch angeordneten) Kontrast zum prophetisch verstandenen „ דבר בreden mit“ (12,2bis.6.8a) dient. Gegenüber den „Aussatz“-Texten Lev 13f. und 2Kön 5 sind die Bezüge lexematisch enger. Wie Num 11,4–35 setzt auch Num 12 schließlich die Position des Zeltes der Begegnung außerhalb des Lagers voraus – und damit Ex 33,7–11, wo diese Vorstellung begründet wird. Stellt Num 12 damit auf schriftgelehrte Weise die Sonderstellung Moses als Erzprophet heraus, so ist die Betonung des Vorrangs der Tora gegenüber Prophetie und Priesterschaft auch ein Instrument textexterner Machtausübung: Prophetie und Priesterschaft haben sich an der verschriftlichten Tora auszurichten. 10.) Num 21,4–9 stellt nicht nur in kanonischer, sondern aller Wahrscheinlichkeit nach auch in literarhistorischer Hinsicht die letzte Murrerzählung dar, und markiert den Übergang von der Wüstenzeit zur Zeit der Landnahme. Die literarisch einheitliche Erzählung von der Schlangenplage in der Wüste beruht dabei in so gut wie all ihren Teilen auf anderen Texten und erscheint nachgerade als Summe aller Murrerzählungen: Das ohne konstatierte natürliche Notlage ergehende Murren des Volkes („ דבר בreden gegen“; 21,5.7 – wie in 12,1.8b) richtet sich erstmalig in den Murrerzählungen von Anfang an nicht nur gegen Mose, sondern direkt auch gegen Gott bzw. YHWH. Er als der eigentliche Adressat der Kritik des Volkes wird damit anders als in den anderen Murrerzählungen nicht erst durch deutende Wiederaufnahme(n) des initialen Murrens gegen den oder die menschlichen Anführer von Exodus und Wüstenwanderung durch Erzählfiguren oder den Erzähler als solches ins Spiel gebracht, sondern steht von Anfang an fest. Auch das Murren des Volkes ist „inhaltsreich“ und „schriftgelehrt“:33 Die Infragestellung des Exodus in 21,5a ist stereotyp und in fast allen Murrerzählungen in etwas unterschiedlicher Ausprägung belegt.34 Die Begründung für diese Infragestellung, die Beschreibung des gefühlten Leids in der Wüste in 21,5b, bringt drei in den vorangehenden Murrerzählungen jeweils einzeln belegte Nöte zusammen: „Es gibt kein Brot“ wie in Ex 16; „es gibt kein Wasser“ wie in Ex 15,22–25; 17,1–7; Num 20,1–13; und „es ekelt uns vor der mageren Speise“ wie in Num 11,4–35. Gerade der Rückbezug auf
33 34
AURELIUS, Fürbitter, 147. S.o. Kap. 1.2.3.; Kap. 4.2.1.
11. Auswertung
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11,4–6 zeigt, dass es nicht um eine natürliche Notlage geht, sondern wieder um den Wunsch nach mehr. Das auf die Strafe folgende Sündenbekenntnis des Volkes und die Bitte um Fürbitte in 21,7a entsprechen dem Sündenbekenntnis Aarons und seiner Fürsprache für Miriam in 12,11f. Moses Fürbitte mittels פללhitp. wird in 21,7b wie in 11,2b nur konstatiert, aber nicht ausgeführt. Die Bestrafung durch die „feurigen Schlangen“ und die Rettung durch die „eherne Schlange“ lassen sich dagegen weder aus Num 21,4–9 selbst noch aus den weiteren Murrerzählungen begründen, sondern hängen an der (wahrscheinlichen) Aufnahme zweier weiterer Texte: Aus der von Mose gemachten ehernen Schlange aus 2Kön 18,4 und YHWHs Führung durch die von feurigen Schlangen belebte Wüste in Dtn 8,1535 wurde eine Schlangenplage während Israels Wüstenwanderung abgeleitet. Dank Moses Anfertigung eines Artefakts in Schlangenform kann jeder einzelne Gebissene durch das Aufblicken zur ehernen Schlange sein Vertrauen neu auf YHWH ausrichten, der als der Israel heilende Gott (vgl. Ex 15,26) hinter dem Artefakt steht, und so weiterleben. Das Murren Israels in der Wüste endet damit nicht durch die Autorität des (priesterlichen) Amtes, wie YHWH in Num 17,20.25 hoffte, sondern durch die Einsicht des Volkes (21,7a) und die Umkehr jedes Einzelnen (21,9b). 21,4–9 knüpft inhaltlich und lexematisch damit an zahlreiche Texte an, wobei die formale Textbindung teilweise sehr eng ist. Mit Blick auf die Murrerzählungen stellt 21,4–9 eine kreative Adaption, eine schriftgelehrte Anwendung dar. Als Auslegung lässt sich dagegen das Verhältnis gegenüber 2Kön 18,4 bestimmen: Indem Num 21,4–9 eine Ätiologie nicht des Nechuschtan, sondern vielmehr der Notiz von Moses Anfertigung des Nechuschtan darstellt,36 wird Mose nach den zahlreichen Anfechtungen in der Wüste hier explizit davon freigesprochen, einen zu beseitigenden Kultgegenstand erschaffen zu haben: Nur die Verehrung des Artefakts ist zurückzuweisen, nicht aber die Erinnerung an dessen mosaische Herkunft und die damit verbundene Erinnerung an YHWHs fürsorgliche Leitung Israels durch die „große und furchtbare Wüste“ (Dtn 8,15) als der heilsgeschichtlichen Zwischenstation zwischen Exodus und Eisodus.
35
Das Verhältnis von Dtn 8,15f. zu den Murrerzählungen ist, bei der plausiblen Annahme literarischer Abhängigkeit, eines von wechselseitiger Abhängigkeit: Dtn 8,15f. erinnert knapp an YHWHs Rettung für Israel in Ex 17,1–7 und Ex 16. Dagegen wird die Beschreibung der Wüste und ihrer Gefahren aus Dtn 8,15a in Num 21,4–9 zu einer weiteren Erzählung von YHWHs Rettung für Israel ausgebaut. S.o. Kap. 10.2. mit Anm. 41–45. 36 S.o. Kap. 10.2. mit Anm. 55; Kap. 10.3. mit Anm. 66.
12. Fazit Gegenstand dieser Untersuchung waren die insgesamt zehn Erzählungen von Israels Murren in der Wüste, die Murrerzählungen Ex 15,22–27; 16; 17,1–7; Num 11,1–3; 11,4–35; 12; 13f.; 16f.; 20,1–13; 21,4–9. Diese wurden in produktions- wie rezeptionsästhetischer Hinsicht untersucht, indem die schriftgelehrte, also sich an bereits bestehenden Texten orientierende Produktion der Texte fokussiert wurde. Kapitel 1.3. hat die gängige Bezeichnung dieser an Texten orientierten Textproduktion, die Rede von „innerbiblischer Schriftauslegung“, problematisiert und vorgeschlagen, stattdessen von „textgeleiteten“ oder „schriftgelehrten Fortschreibungs- und Auslegungsprozessen“ zu sprechen. Als „Auslegung“ wird dabei nicht undifferenziert jegliche textgeleitete Textproduktion bezeichnet, womit im Bereich der Literaturen des Alten Vorderen Orients schlechterdings jegliche Literatur als „Auslegung“ bezeichnet werden müsste, sondern spezifischer eine spezielle Form eines Text-Text-Bezuges, bei der der präsente Text den Referenztext (sei er auf der gleichen oder einer älteren literarhistorischen Ebene) kreativ adaptiert und deutend auf ihn rückwirkt. Kapitel 1.2. hat die Murrerzählungen in synchroner Hinsicht analysiert. Hierbei konnte zwischen dem Murren selbst und seinen Deutungen unterschieden werden. Die jeweils erzählinternen Deutungen des Murrens (etwa durch dessen Umformulierung oder Umadressierung) dienen dazu, das initiale Murren negativer zu bewerten. Das Murren Israels in der Wüste wird damit erzählintern, in der kanonischen Abfolge der Murrerzählungen und, wie die redaktionsgeschichtlichen Analysen in den Kapiteln 2. bis 11. gezeigt haben, schließlich auch literarhistorisch (auf die einzelnen Erzählungen wie auf den Komplex der Murrerzählungen insgesamt bezogen) zunehmend negativ gewertet. Die älteren Murrerzählungen im Exodusbuch setzen eine Notlage des Volkes in der Wüste voraus, auf die das Volk mit seinem Murren aufmerksam macht, und die YHWH, vermittelst Moses (und Aarons), gleichermaßen gnadenhaft wie wundersam beseitigt. Die beiden Wasserwundererzählungen Ex 15,22–25a.27; 16,1aα; 17,1b.2–5a.b*(ohne )אשׁר הכית בו את־היאר.6aβb.7 wurden der vor-priesterschriftlichen Exoduserzählung zugewiesen, die Wachtelund-Manna-Erzählung Ex 16,1aβγb.2f.9–15.21.31 mitsamt dem Aufbruchsbericht 17,1a der Priesterschrift. Die Nachträge innerhalb dieser Murr- und
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12. Fazit
Wundererzählungen sind auf den literarischen (Nah-)Kontext der Exoduserzählung im weitesten Sinne bezogen (15,25b.26; 16,6f.; 16,8; 16,32–34; 16,35; 16,36; der Relativsatz in 17,5b [„ אשׁר הכית בו את־היארmit dem du auf den Nil geschlagen hast“]; 17,6aα), oder sind textextern an der Lebenswelt der nachexilischen Rezipienten der Texte orientiert (16,4f.16–20.22–30). Die jüngeren Murrerzählungen im Numeribuch setzen in der Regel keine Notlage des Volkes voraus. Das Murren geschieht hier vielmehr aufgrund von Unzufriedenheit oder gänzlich grundlos. Das Murren macht also nicht auf ein Problem aufmerksam, sondern stellt selbst das Problem dar. Dementsprechend wird das Murren des Volkes oder einzelner Vertreter daraus von YHWH bestraft. Die Funktion Moses (und Aarons) besteht anders als in den vor-sinaitischen Murrerzählungen nicht darin, das Murren des Volkes vor YHWH zu bringen, sondern die Strafe zu mildern: In der ältesten nach-sinaitischen Murrerzählung, der priesterlichen (also nach-priesterschriftlichen) Grundschicht der Kundschaftererzählung, Num 13,1.2a.3.21.25.26(ohne )קדשׁה.32; 14,1a.2–5.10.26–28.29a(nur במדבר הזה יפלו )פגריכם.33.35.37, ist die Strafe YHWHs noch von Anfang an begrenzt, insofern lediglich die wegen einer potentiellen Notlage murrende Exodusgeneration in der Wüste sterben muss, die Kindergeneration aber verschont – und die Landverheißung damit gewahrt – bleibt. Erst die zahlreichen Nachträge in Num 13f. stellen Mose als Fürbitter Israels dar: Die nicht-priesterlichen Nachträge verknüpfen Num 13f. mit der Gottesbergperikope (14,11–23.25b) und den Büchern Deuteronomium und Josua (13,17b–20.22–24.27–31; 14,1b. 24.39–45); die priesterlichen Nachträge verknüpfen Num 13f. noch stärker mit dem werdenden Buch Numeri und gewähren dem Helden der Landnahmetradition, Josua, den Einzug ins Verheißene Land explizit (13,2b.4–16.17a; 14,6–9.29a[nur ]וכל־פקדיכם לכל־מספרכם מבן עשׂרים שׁנה ומעלה.29b.30–32.36.38). Im nicht-priesterlichen Erzählzug von Datan und Abiram, Num 16,12–15. 23.24(ohne )קרח.25f.27(ohne )קרח.28–31.32a.33f., vermittelt Mose YHWHs Strafe der Übeltäter und YHWHs Verschonung der restlichen Versammlung. In dem davon literarisch unabhängigen priesterlichen Erzählzug vom Aufstand der 250 Laien und dem Murren des Volkes, Num 16,(*2.)3f.5(ohne אל־ [)קרח ואל־כל־עדתו ]לאמר.6abα.7a(ohne )מחר.18(ohne )ומשׁה ואהרן.35; 17,6–13. 14a.15–28, treten Mose und Aaron der Strafe YHWHs entgegen und retten so das murrende Israel vor dem strafenden Zorn YHWHs. Der Erzählzug zielt darauf ab, Aaron als Hohepriester, der von YHWH erwählt ist und sich ihm kultisch nahen darf, herauszustellen. Kombiniert wurden die zwei Erzählzüge, die strukturell ähnlich von der Auflehnung einzelner Israeliten und ihrer anschließenden Bestrafung berichten, durch die Korach-Bearbeitung Num 16,(*1f.)5a(nur [)אל־קרח ואל־כל־עדתו ]לאמר.6bβ.7a(nur )מחר.7b.8–11.16f. 18(nur )ומשׁה ואהרן.19–22.24(nur )קרח.27(nur )קרח.32b; 17,1.2aαb.3–5.14b. Die Korach-Bearbeitung machte aus dem Laien-Aufstand einen Leviten-Aufstand, nahm damit aus wohl textexternen Gründen eine Auslegung des pries-
12. Fazit
345
terlichen Erzählzugs vom Aufstand der 250 Laien und dem Murren des Volkes vor. Die Ausnahme von der Regel der vergleichbaren Strukturierung der nachsinaitischen Murrerzählungen stellt die literarisch einheitliche Wasserwundererzählung Num 20,1–13 dar, die wie die vor-sinaitischen Murr- und Wundererzählungen von einer Notlage des Volkes ausgeht, die von YHWH behoben wird. Bestraft werden hier jedoch die Führer des Volkes, weil sie sich nicht genau an die Anweisungen YHWHs gehalten haben in der Beseitigung der Not des Volkes. Die Erzählung entfaltet ihre Aussage gerade in kreativadaptiver Aufnahme bereits bestehender Murrerzählungen und ist damit in Grund und Durchführung äußerst schriftgelehrt mit deutlicher formaler Textbindung: Ex 17,1–7 stellt den plot für Num 20,1–13 bereit; der Kundschaftererzählung Num 13f. entnimmt 20,1–13 die Frage nach der Fortsetzung der Führung Israels und dem priesterlichen Erzählzug vom Aufstand der 250 Laien und dem Murren des Volkes in Num 16f. den Grund für die Notwendigkeit des Führungswechsels. Wie Num 20,1–3 basieren auch die weiteren Murrerzählungen des Numeribuches in Grund und Durchführung auf diachron vorausgehenden Murrerzählungen sowie weiteren Texten des Alten Testaments, stellen also jeweils ein durch und durch schriftgelehrtes Murren dar: Die beiden Murrerzählungen in Num 11 stellen ein Scharnier zwischen den vor-sinaitischen und den nach-sinaitischen Murrerzählungen dar, indem sie in Num 11,1–3 die Darstellung eines am deuteronomistischen Richterschema (vgl. bes. Ri *2,11–19; 3,7–11) orientierten paradigmatischen Schemas der nach-sinaitischen Murrerzählungen bieten und in Num 11,4–35 die vor-sinaitischen (Murr-)Erzählungen Ex 16 (in seiner redaktionell erweiterten Gestalt); 17,1–7; 18,13–27 in gesteigerter Intensität kreativ-adaptiv aufnehmen. Aufgrund der für beide Erzählungen in Num 11 konstitutiven Interzession Moses dürfte darüber hinaus mindestens die erste nicht-priesterliche Erweiterung in Num 13f., 14,11–23.25b, und Num *16f. vorausgesetzt sein. Gerahmt werden die literarisch einheitlichen Erzählungen von Num 11,1–3.4–34 durch die mit ihnen gleichursprünglichen Itinerarnotizen 10,33a; 11,35a(ohne ;)חצרות12,16b. In Num 12, genauer: 11,35a(nur )חצרות.b; 12,1–16a, sind Moses Opponenten bemerkenswerterweise Miriam und Aaron. Die literarisch einheitliche Erzählung verhandelt Fragen der Führung des Volkes und der Vermittlung des Gotteswortes. Sie nimmt ihren Ausgang bei der vorangehenden Murrerzählung 11,4–35, die sie in einer Hinsicht präzisiert, um nicht zu sagen korrigiert: Mose wird von allen anderen Propheten als Erzprophet abgehoben. Prophetie und auch Priestertum (wie der Bezug auf die „Aussatz-Tora“ von Lev 13f. zeigt) sind zwar auch Mittlergestalten von YHWH-Wort und YHWHWillen, doch werden sie der direkten Vermittlung von YHWH-Wort und
346
12. Fazit
YHWH-Willen durch die Tora, für die der Erzprophet Mose steht, deutlich nachgeordnet. Num 21,4–9 stellt eine Art Summe der Murrerzählungen dar und ist in so gut wie allen Teilen auf andere Texte bezogen: Das Murren des Volkes richtet sich von Anfang an und nicht erst in deutenden Passagen explizit auch gegen Gott bzw. YHWH und kombiniert drei zuvor bereits – jeweils separat – belegte Vorwürfe: „Es gibt kein Brot“ wie in Ex 16; „es gibt kein Wasser“ wie in Ex 15,22–25; 17,1–7; Num 20,1–13; und „es ekelt uns vor der mageren Speise“ wie in Num 11,4–35. Moses Fürbitte erinnert an die Fürbitten in Num 11,1–3 und Num 12, die Heilungsthematik gleichermaßen an Num 12 wie an die erste Murrerzählung, Ex 15,22–27. Die Bestrafung durch die „feurigen Schlangen“ und die Rettung durch die „eherne Schlange“ erklärt sich durch die (wahrscheinliche) Aufnahme zweier weiterer Texte: Aus der von Mose gemachten ehernen Schlange aus 2Kön 18,4 und YHWHs Führung durch die von feurigen Schlangen belebte Wüste in Dtn 8,15 wurde eine Schlangenplage während Israels Wüstenwanderung abgeleitet. Diese wurde nun bemerkenswerterweise nicht einfach behoben wie die früheren Plagen und Notlagen in der Wüste. Vielmehr wird die Heilung vom Schlangenbiss individualisiert. Das Murren Israels in der Wüste endet damit erst durch die Einsicht des Volkes (Num 21,7a) und die Umkehr jedes Einzelnen (Num 21,9b).
13. Übersetzungen Im Folgenden wird eine Übersetzung der Murrerzählungen geboten, die versucht, die redaktionsgeschichtlichen Ergebnisse der obigen Analysen durch die graphische Gestaltung kenntlich zu machen. Durch Einrückung und gegebenenfalls Kursivierung wird jeweils ein literarhistorisch jüngeres Element ausgewiesen. Die römischen Ziffern, die für jede Erzählung in einer Legende erklärt werden, versuchen, die einzelnen Murrerzählungen in ein relativ-chronologisches Verhältnis zueinander zu bringen.1 Wenn bei (kleineren) Ergänzungen die relative Chronologie gegenüber den anderen Murrerzählungen nicht mit hinreichender Sicherheit geklärt ist, werden kleine Ziffern verwendet, die sich lediglich auf die vorangehende(n) Schicht(en) der jeweiligen Erzählung rückbeziehen. Die Übersetzungen werden mit Ausnahme von Ex 17,1–7 in ihrer kanonischen und nicht der literarhistorischen Reihenfolge abgedruckt.
Ex 15,22–27 und 17,1–7 – Wasserwunder in Mara und Elim, Massa und Meriba bei Rephidim Ex 15,22–27 und 17,1–7 – Wasserwunder in Mara und Elim, Massa und Meriba *ii
I
15,22 Und Mose ließ Israel vom Schilfmeer aufbrechen. Und sie zogen hinaus in die Wüste Schur. Und sie zogen drei Tage durch die Wüste, aber sie fanden kein Wasser. 23 Und sie kamen nach Mara. Aber sie konnten das Wasser von Mara nicht trinken, weil es bitter war. Daher nennt man seinen Namen Mara. 24 Da murrte das Volk gegen Mose und sprach: „Was sollen wir trinken?“ 25a Da schrie er zu YHWH, und YHWH wies ihm ein Holz. Und er warf (es) ins Wasser, und das Wasser wurde süß. 25b Dort legte er ihm Ordnung und Rechtsbestimmung auf und dort prüfte er es. 26 Und er sprach: „Wenn du auf die Stimme YHWHs, deines Gottes, hörst, das Rechte in seinen Augen tust, auf seine Gebote hörst und alle seine Ordnungen bewahrst, dann will ich alle Krankheit, die ich den Ägyptern / Ägypten auferlegt habe, dir nicht auferlegen, weil ich, YHWH, dein dich Heilender bin.“ 27 Und sie kamen nach Elim. Dort aber gab es zwölf Wasserquellen und siebzig Palmen. Und sie lagerten dort am Wasser. 16,1aα Und sie brachen auf von Elim.2
1
Die Begründung hierzu erfolgte in Kapitel 11. Schwierig sind insbesondere die literarhistorische Verortung der einzelnen Schichten in Num 16f. in Relation zu den weiteren Texten des Numeribuches und entsprechend die literarhistorische Verortung aller Texte, die jünger als (Teile von) Num 16f. sind. 2 Zu Ex 16,1aβγb–17,1a s.u. mit Anm. 5.
348
13. Übersetzungen
17,1b
Und sie lagerten in Rephidim. Aber es gab kein Wasser zum Trinken für das Volk. Da stritt das Volk mit Mose und sprach: „Gib (du) uns Wasser, damit wir trinken können!“3 Mose aber sprach zu ihnen: „Was streitet ihr mit mir? Was versucht ihr YHWH?“ 3 Dort aber dürstete das Volk nach Wasser und das Volk murrte gegen Mose und sprach: „Warum hast du uns aus Ägypten heraufgeführt, um mich, meine Söhne und mein Vieh sterben zu lassen vor Durst?“ 4 Da schrie Mose zu YHWH und sprach: „Was soll ich tun für dieses Volk? Nur noch wenig, und sie steinigen mich.“ *5 Und YHWH sprach zu Mose: „Geh dem Volk voraus! Nimm (einige) von den Ältesten Israels mit dir, und deinen Stab, mit dem du auf den Nil geschlagen hast, nimm in deine Hand! Und geh! 6aα Siehe, ich will dort auf dem Felsen am Horeb vor dir stehen. 6aβb Und schlage auf den Felsen! Dann wird Wasser aus ihm hervorkommen, und das Volk wird trinken.“ Und Mose machte es so vor den Augen der Ältesten Israels. 7 Und man nannte4 den Namen des Ortes Massa und Meriba wegen des Streitens der Israeliten und wegen ihres Versuchens YHWHs, indem sie sprachen: „Ist YHWH in unserer Mitte oder nicht?“ 2
Legende: I: Vor-priesterschriftliche Exoduserzählung: Ex 15,22–25a.27; 16,1aα; 17,1b.2–5a. 5b*(ohne )אשׁר הכית בו את־היאר.6aβb.7. *ii: Punktuelle Nachträge zu I, die keine einheitliche literarische Schicht darstellen, aber allesamt nach-priesterschriftlich sind: Ex 15,25b.26; der Relativsatz in 17,5b („ אשׁר הכית בו את־היארmit dem du auf den Nil geschlagen hast“); 17,6aα.
Ex 16 – Speisungswunder in der Wüste Sin: Wachteln, Manna – und der Sabbat Ex 16 – Speisungswunder in der Wüste Sin: Wachteln, Manna – und der Sabbat iii *iv
II
16,1aβγb Und die ganze Versammlung der Israeliten kam in die Wüste Sin, die zwischen Elim und (dem) Sinai liegt, am fünfzehnten Tag des zweiten Monats nach ihrem Auszug aus dem Land Ägypten.5 2 Und die ganze Versammlung der Israeliten murrte gegen Mose und gegen Aaron in der Wüste. 3 Und die Israeliten sprachen zu ihnen: „Wären wir doch durch die Hand YHWHs im Land Ägypten gestorben, als wir an den Fleischtöpfen saßen, als wir Brot aßen in Fülle, denn ihr habt uns herausgeführt in diese Wüste, um zu töten diese ganze Versammlung durch Hunger.“ 4 Und YHWH sprach zu Mose: „Siehe, ich will für euch Brot vom Himmel regnen lassen. Und das Volk soll hinausgehen und sammeln, was es für jeden Tag braucht, damit ich es prüfen kann, ob es meiner Weisung folgt oder nicht.
3
Zur singularischen Lesung תנה־לנו מים ונשׁתהs.o. Kap. 4.1. mit Anm. 5. Hier und in Num 11,3.34 wird eine unpersönliche Übersetzung von ויקראvorgezogen. Ein Bezug auf Mose („und er nannte …“) ist jedoch gleichermaßen möglich. 5 Zu Ex 16,1aα s.o. mit Anm. 2. 4
Ex 16 – Speisungswunder in der Wüste Sin: Wachteln, Manna – und der Sabbat 349 5
Wenn sie aber am sechsten Tag zubereiten, was sie einbringen, dann wird es das Doppelte sein von dem, was sie Tag für Tag sammeln.“ 6 Und Mose und Aaron sprachen zu allen Israeliten: „Am Abend werdet ihr erkennen, dass YHWH euch aus dem Land Ägypten herausgeführt hat. 7 Und am Morgen werdet ihr die Herrlichkeit YHWHs sehen, der euer Murren gegen YHWH gehört hat. Was aber sind wir, dass ihr gegen uns murrt?“ 8 Und Mose sprach: „Wenn YHWH euch am Abend Fleisch zu essen gibt und Brot am Morgen zum satt Werden; wenn YHWH euer Murren hört, mit dem ihr gegen ihn murrt. Was aber sind wir? Nicht gegen uns (richtet sich) euer Murren, sondern gegen YHWH.“ 9 Und Mose sprach zu Aaron: „Sprich zur ganzen Versammlung der Israeliten: ‚Versammelt euch vor YHWH, denn er hat euer Murren gehört!‘“ 10 Und als Aaron zur ganzen Versammlung der Israeliten sprach, wandten sie sich zur Wüste. Und siehe, die Herrlichkeit YHWHs erschien in der Wolke. 11 Und YHWH redete zu Mose und sprach: 12 „Ich habe das Murren der Israeliten gehört. Rede zu ihnen und sprich: ‚In der Abenddämmerung werdet ihr Fleisch essen (können) und am Morgen werdet ihr satt werden von Brot. Und ihr werdet erkennen, dass ich YHWH bin, euer Gott.‘“ 13 Und es geschah am Abend, da zogen Wachteln herauf und bedeckten das Lager. Und am Morgen war eine Tauschicht rings um das Lager. 14 Und als die Tauschicht aufgestiegen war, siehe, da war etwas Feinkörniges auf dem Boden der Wüste, fein wie der Reif auf dem Boden. 15 Und die Israeliten sahen (es) und sprachen zueinander: „Was ist das?“ Denn sie wussten nicht, was es war. Und Mose sprach zu ihnen: „Es ist das Brot, das YHWH euch gegeben hat zum Essen.“ 16 „Dies ist es, was YHWH geboten hat: ‚Sammelt davon, jeder entsprechend seinem Nahrungsbedarf. Ein Gomer pro Kopf sollt ihr nehmen nach der Anzahl eurer Personen, jeder für die, die in seinem Zelt sind.‘“ 17 Und die Israeliten machten es so. Und sie sammelten (es). Der eine viel, der andere wenig. 18 Und sie maßen (es) mit dem Gomer(-Maß). Und wer viel sammelte, hatte keinen Überfluss, und wer wenig sammelte, hatte keinen Mangel. Jeder hatte entsprechend seinem Nahrungsbedarf gesammelt. 19 Und Mose sprach zu ihnen: „Niemand lasse davon übrig bis zum Morgen!“ 20 Aber sie hörten nicht auf Mose, und einige ließen davon bis zum Morgen übrig. Da aber wurde es voller Würmer und stank. Mose aber wurde zornig auf sie. 21 Und sie sammelten es Morgen für Morgen, jeder entsprechend seinem Nahrungsbedarf. Wenn aber die Sonne heiß wurde, schmolz es. 22 Und am sechsten Tag sammelten sie doppelt so viel Brot, zwei Gomer für jeden. Da kamen alle Fürsten der Versammlung und berichteten (es) Mose. 23 Und er sprach zu ihnen: „Das ist es, was YHWH geredet hat: ‚Morgen ist eine Sabbatfeier, ein heiliger Sabbat für YHWH. Was ihr backen wollt, backt, und was ihr kochen wollt, kocht. Aber alles, was übrig bleibt, legt (es) zurück für euch zur Aufbewahrung bis zum Morgen.‘“ 24 Und sie bewahrten es auf bis zum Morgen, wie Mose geboten hatte. Und es fing nicht an, zu stinken, und Maden kamen keine darein.
350
13. Übersetzungen 25
Und Mose sprach: „Esst (es) heute, denn heute ist (ein) Sabbat für YHWH. Heute werdet ihr es nicht auf dem Feld finden. 26 Sechs Tage sollt ihr es sammeln. Aber am siebten Tag ist (ein) Sabbat, an dem wird es nichts geben.“ 27 Aber am siebten Tag gingen einige aus dem Volk hinaus, um zu sammeln. Aber sie fanden nichts. 28 Da sprach YHWH zu Mose: „Wie lange weigert ihr euch schon, meine Gebote und meine Weisungen zu bewahren? 29 Seht, YHWH hat euch den Sabbat gegeben. Darum gibt er euch am sechsten Tag Brot für zwei Tage. Bleibt, jeder an seiner Stelle, keiner verlasse seinen Ort am siebten Tag!“ 30 Und das Volk ruhte am siebten Tag. 31 Und das Haus Israel nannte seinen Namen Manna. Und es war weiß wie Koriandersamen, und sein Geschmack war wie Honigkuchen. 32 Und Mose sprach: „Dies ist es, was YHWH geboten hat: ‚Ein volles Gomer von ihm (sei) zur Aufbewahrung für eure (künftigen) Generationen, damit sie das Brot sehen, mit dem ich euch in der Wüste gespeist habe, als ich euch aus dem Land Ägypten herausgeführt habe.‘“ 33 Und Mose sprach zu Aaron: „Nimm einen Behälter und gib darein ein volles Gomer Manna. Stelle ihn hin vor YHWH zur Aufbewahrung für eure (künftigen) Generationen.“ 34 Wie YHWH Mose geboten hatte, so stellte Aaron ihn hin vor dem Zeugnis zur Aufbewahrung. 35 Die Israeliten aber aßen das Manna vierzig Jahre lang, bis sie in bewohntes Land kamen. Das Manna aßen sie, bis sie an die Grenze des Landes Kanaan kamen. 36 Das Gomer(-Maß) aber ist der zehnte Teil eines Epha. 17,1a Und die ganze Versammlung der Israeliten brach auf von der Wüste Sin nach ihren Stationen nach dem Befehl YHWHs. Legende: II: Priesterschriftliche Wachtel-und-Manna-Erzählung: Ex 16,1aβγb.2f.9–15.21.31; 17,1a. iii: Sabbat-Schicht: Ex 16,4f.16–20.22–30. *iv: Punktuelle Nachträge zum Manna, die keine einheitliche literarische Schicht darstellen: Ex 16,6f.; 16,8; 16,32–34; 16,35; 16,36.
Num 11 – Das klagende und bestrafte Volk bei Tabera und Qibrot-Hattaawa Num 11 – Tabera und Qibrot-Hattaawa VI
vii
11,1
Und als das Volk übel klagte in den Ohren YHWHs,6 da hörte es YHWH, und sein Zorn entbrannte. Das Feuer YHWHs aber brannte unter ihnen und fraß am Rande des Lagers. 2 Und das Volk schrie zu Mose. Und Mose betete zu YHWH. Und das Feuer fiel in sich zusammen.
6
Zur Übersetzung von ויהי העם כמתאננים רע באזני יהוהs.o. Kap. 5.2. mit Anm. 17.
Num 11 – Tabera und Qibrot-Hattaawa
351
3
Und man nannte den Namen jenes Ortes Tabera, weil das Feuer YHWHs unter ihnen brannte. 4 Das dahergelaufene Volk aber, das in seiner Mitte war, wurde begierig. Und auch die Israeliten weinten erneut und sie sprachen: „Wer gibt uns Fleisch zu essen? 5 Wir erinnern uns an die Fische, die wir in Ägypten umsonst aßen, an die Gurken, die Melonen, den Lauch, die Zwiebeln und den Knoblauch. 6 Aber jetzt ist unsere Kehle trocken. Es gibt nichts als das Manna (vor) unseren Augen.“ 7 Das Manna aber war wie Koriandersamen. Und sein Aussehen war wie das Aussehen von Bedolachharz. 8 Das Volk aber streifte umher und sammelte (es), mahlte (es) in Handmühlen oder zerstieß (es) in Mörsern, kochte (es) in Töpfen und machte daraus Brotfladen. Und sein Geschmack war wie der Geschmack von Ölkuchen. 9 Und wenn nachts der Tau auf das Lager fiel, fiel auch das Manna darauf. 10 Und Mose hörte das Volk weinen, in seinen Sippen, ein jeder am Eingang seines Zeltes. Und der Zorn YHWHs entbrannte sehr. Und in den Augen Moses war es schlecht. 11 Und Mose sprach zu YHWH: „Warum behandelst du deinen Diener schlecht? Warum finde ich keine Gnade in deinen Augen, dass du die Last dieses ganzen Volkes auf mich legst? 12 Habe ich etwa dieses ganze Volk empfangen, oder habe ich es hervorgebracht, dass du zu mir sagst: ‚Trag es in deinem Schoß, wie ein Wärter den Säugling trägt!‘ – In das Land, das du seinen Vätern zugeschworen hast?7 13 Woher habe ich Fleisch, um (es) diesem ganzen Volk zu geben? Denn sie weinen vor mir und sagen: ‚Gib (du) uns Fleisch, damit wir essen können!‘ 14 Ich alleine vermag dieses ganze Volk nicht zu (er-)tragen, denn es ist zu schwer für mich. 15 Willst du aber so mit mir tun, so töte mich doch, wenn ich Gnade in deinen Augen gefunden habe, damit ich mein Übel nicht länger ansehen muss.“ 16 Da sprach YHWH zu Mose: „Versammle mir siebzig Männer von den Ältesten Israels, von denen du weißt, dass sie die Ältesten des Volkes und seine Aufseher sind, und nimm sie zum Zelt der Begegnung. Und sie sollen sich dort mit dir hinstellen. 17 Und ich will herabkommen und mit dir dort reden. Und ich will von dem Geist, der auf dir ist, nehmen und auf sie legen. So sollen sie mit dir die Last des Volkes (er-)tragen, und du musst (es) nicht alleine (er-)tragen. 18 Zum Volk aber sollst du sagen: ‚Heiligt euch für morgen. Dann werdet ihr Fleisch essen. Denn ihr habt vor den Ohren YHWHs geweint und gesagt: «Wer gibt uns Fleisch zu essen? Denn in Ägypten ging es uns besser.» Dann wird euch YHWH Fleisch geben und ihr werdet (es) essen. 19 Nicht nur einen Tag werdet ihr essen und nicht zwei Tage, nicht fünf Tage, nicht zehn Tage und nicht zwanzig Tage. 20 (Vielmehr:) Einen Monat lang, bis es euch zum Hals herauskommt und es euch zum Ekel wird, weil ihr YHWH verworfen habt, der in eurer Mitte ist, und vor ihm geweint und gesagt habt: «Warum nur sind wir aus Ägypten ausgezogen?»‘“ 21 Da sprach Mose: „Sechshunderttausend Mann Fußvolk zählt das Volk, in dessen Mitte ich bin. Und du sagst: ‚Ich gebe ihnen Fleisch, und sie sollen einen Monat lang (davon) essen.‘ 22 Können Schafe und Rinder für sie geschlachtet werden, so dass es genug für sie ist? Oder können alle Fische des Meeres für sie gesammelt werden, so dass es genug für sie ist?“ 23 Und YHWH sprach zu Mose: „Ist denn die Hand YHWHs zu kurz? Jetzt wirst du sehen, ob mein Wort eintrifft oder nicht.“ 7
42.
Zur Problematik der Kommunikationsebenen in Num 11,12b s.o. Kap. 5.3. mit Anm.
352
13. Übersetzungen
24
Und Mose ging hinaus und redete zum Volk die Worte YHWHs. Und er versammelte siebzig Männer von den Ältesten des Volkes und stellte sie rings um das Zelt. 25 Und YHWH kam herab in der Wolke und redete mit ihm. Und er nahm von dem Geist, der auf ihm war, und gab ihn auf die siebzig Männer der Ältesten. Und als der Geist auf ihnen ruhte, gerieten sie in prophetische Verzückung, fuhren (damit) aber nicht fort.8 26 Doch es verblieben zwei Männer im Lager. Der Name des ersten war Eldad, und der Name des zweiten war Medad. Und der Geist ruhte auf ihnen. Auch sie gehörten zu den Aufgeschriebenen. Aber sie waren nicht hinausgegangen zum Zelt. Da gerieten sie in prophetische Verzückung im Lager. 27 Da lief ein junger Mann und berichtete (es) Mose und sprach: „Eldad und Medad sind in prophetische Verzückung geraten im Lager.“ 28 Josua aber, der Sohn von Nun, der Diener Moses von seiner Jugend an, antwortete und sprach: „Mein Herr, Mose, gebiete ihnen Einhalt!“ 29 Mose aber sprach zu ihm: „Was eiferst du für mich? Wäre doch das ganze Volk YHWHs Propheten, weil YHWH seinen Geist auf sie gäbe!“ 30 Und Mose ging ins Lager zurück. Er und die Ältesten Israels. 31 Ein Wind aber brach auf von YHWH und brachte Wachteln vom Meer und warf sie auf das Lager. Etwa eine Tagesreise in die eine Richtung und etwa eine Tagesreise in die andere Richtung rings um das Lager. Etwa zwei Ellen hoch vom Boden. 32 Und das Volk machte sich auf jenen ganzen Tag und die ganze Nacht und den ganzen Folgetag und sammelten die Wachteln ein. Der, der wenig (gesammelt) hat, hat zehn Homer gesammelt. Und sie breiteten sie rings um das Lager aus. 33 Das Fleisch aber war noch zwischen ihren Zähnen, es war noch nicht zerkaut, da entbrannte der Zorn YHWHs gegen das Volk. Und YHWH schlug das Volk mit einem sehr großen Schlag. 34 Und man nannte den Namen jenes Ortes Qibrot-Hattaawa. Denn dort wurde das begierige Volk begraben. *35a Von Qibrot-Hattaawa aber brach das Volk auf in Richtung Hazerot. 35b Und sie waren in Hazerot. Legende: VI: Späte nicht-priesterliche Murrerzählung: Num 11,1–34.35a(ohne )חצרות, zusammen mit Num 12,16b. vii: Spätes nicht-priesterliches Itinerar: Num 11,35a(nur )חצרות.b, zur Erzählung Num 12,1–16a gehörig.
Num 12 – Miriams und Aarons Klage gegen den Erzpropheten Mose Num 12 – Miriams und Aarons Klage gegen den Erzpropheten Mose vii
VI
12,1 Und Miriam und Aaron redeten gegen Mose wegen der kuschitischen Frau, die er genommen hatte. Ja, er hatte eine kuschitische Frau genommen. 2 Und sie sprachen: „Hat YHWH wirklich nur mit Mose geredet? Hat er nicht auch mit uns geredet?“ Und YHWH hörte es. 3 Der Mann Mose aber war der demütigste unter allen Menschen auf dem Erdboden.
8
Zur Deutung von ולא יספוs.o. Kap. 5.3. (nach Anm. 64).
Num 12 – Miriams und Aarons Klage gegen den Erzpropheten Mose
353
4
Da sprach YHWH plötzlich zu Mose, zu Aaron und zu Miriam: „Geht ihr drei hinaus zum Zelt der Begegnung!“ Und die drei gingen hinaus. 5 Und YHWH kam in einer Wolkensäule herab und trat an den Eingang des Zeltes. Und er rief: „Aaron und Miriam!“ Und die zwei traten hervor.9 6 Und er sprach: „Hört doch meine Worte: Wenn euer Prophet ein YHWH-Prophet ist:10 In einer Erscheinung gebe ich mich ihm zu erkennen,11 im Traum rede ich mit ihm. 7 Nicht so mein Diener Mose: Mit meinem ganzen Haus ist er betraut. 8 Von Mund zu Mund rede ich mit ihm, in einer Erscheinung,12 aber nicht in Rätseln. Und die Gestalt YHWHs erblickt er. Aber warum habt ihr euch nicht gefürchtet, gegen meinen Diener Mose zu reden?“ 9 Und der Zorn YHWHs entbrannte gegen sie. Und er ging weg. 10 Und als die Wolke vom Zelt gewichen war, siehe, da war Miriam „aussätzig“13 wie Schnee. Und Aaron wandte sich Miriam zu, und siehe, sie war „aussätzig“. 11 Da sprach Aaron zu Mose: „Bitte, mein Herr, rechne uns doch die Sünde nicht an, mit der wir töricht gehandelt und uns versündigt haben! 12 Möge sie doch nicht wie die Totgeburt sein, deren Fleisch schon zur Hälfte aufgezehrt ist, wenn sie aus dem Schoß ihrer Mutter kommt!“ 13 Und Mose schrie zu YHWH und sprach: „Oh Gott, heile sie doch!“ 14 Und YHWH sprach zu Mose: „Und wenn ihr Vater ihr willentlich ins Gesicht gespuckt hätte, müsste sie sich nicht sieben Tage schämen? Sie soll sieben Tage aus dem Lager ausgeschlossen werden. Danach soll sie wieder aufgenommen werden.“ 15 Da wurde Miriam sieben Tage aus dem Lager ausgeschlossen. Das Volk aber brach nicht auf, bis Miriam wieder aufgenommen wurde. 16a Danach aber brach das Volk auf von Hazerot. 16a Und sie lagerten in der Wüste Paran. Legende: VI: Spätes nicht-priesterliches Itinerar: Num 12,16b; zur Erzählung Num 11,1–34. 35a(ohne )חצרותgehörig. vii: Späte nicht-priesterliche Erzählung über Führungsstreitigkeiten: Num 12,1–16a, zusammen mit Num 11,35a(nur )חצרות.b.
9
Zur Übersetzung von ויצאו שׁניהםs.o. Kap. 6.2. mit Anm. 40. Zur Übersetzung von אם־יהיה נביאכם יהוהs.o. Kap. 6.2. mit Anm. 52. 11 Zur Übersetzung von במראה אליו אתודעs.o. Kap. 6.2. mit Anm. 53. 12 Mit 4QNumb, Smr, LXX sowie einigen hebräischen Handschriften und aramäischen Übersetzungen ist gegen den masoretischen Text במראהstatt ומראהzu lesen. S.o. Kap. 6.2. mit Anm. 55. 13 Zur Übersetzung von צרעs.o. Kap. 6.1. mit Anm. 7. 10
354
13. Übersetzungen
Num 13–14 – Aufbegehren gegen das Land: Die Kundschaftererzählung Num 13–14 – Aufbegehren gegen das Land: Die Kundschaftererzählung *IV v
III 13,1
Und YHWH redete zu Mose und sprach: „Sende für dich Männer aus, damit sie das Land Kanaan erkunden, das ich den Israeliten gebe. 2b Je einen Mann vom Stamm seiner Väter sollt ihr aussenden, jeder ein Fürst unter ihnen.“ 3 Und Mose sandte sie von der Wüste Paran aus nach dem Befehl YHWHs. Alle diese Männer waren Oberhäupter der Israeliten. 4 Und dies sind ihre Namen: Für den Stamm Ruben: Schammua, der Sohn von Sakkur. 5 Für den Stamm Simeon: Schafat, der Sohn von Chori. 6 Für den Stamm Juda: Kaleb, der Sohn von Jephunne. 7 Für den Stamm Issachar: Jigal, der Sohn von Joseph. 8 Für den Stamm Ephraim: Hoschea, der Sohn von Nun. 9 Für den Stamm Benjamin: Palti, der Sohn von Raphu. 10 Für den Stamm Sebulon: Gaddiel, der Sohn von Sodi. 11 Für den Stamm Joseph, für den Stamm Manasse: Gaddi, der Sohn von Susi. 12 Für den Stamm Dan: Ammiel, der Sohn von Gemalli. 13 Für den Stamm Asser: Setur, der Sohn von Michael. 14 Für den Stamm Naphtali: Nachbi, der Sohn von Wophsi. 15 Für den Stamm Gad: Gëuël, der Sohn von Machi. 16 Dies sind die Namen der Männer, die Mose aussandte, um das Land zu erkunden. Und Mose nannte Hoschea, den Sohn von Nun, Josua. 17a Und Mose sandte sie, um das Land Kanaan zu erkunden. 17b Und er sprach zu ihnen: „Geht nun hinauf in den Negeb, und geht hinauf aufs Gebirge. 18 Und schaut euch das Land an: Wie ist es beschaffen? Und das Volk, das darin wohnt: Ist es stark oder schwach? Ist es wenig oder viel? 19 Und wie ist das Land, darin es wohnt? Ist es gut oder schlecht? Und wie sind die Wohnorte, in denen es wohnt? Sind es offene Lager oder befestigte Städte? 20 Und wie ist der Erdboden? Ist er fett oder mager? Gibt es darauf Bäume oder nicht? Und seid mutig und nehmt von den Früchten des Landes mit.“ Es war aber gerade die Zeit der ersten Trauben. 21 Und sie zogen hinauf und erkundeten das Land von der Wüste Zin bis nach Rechob (bei) Lebo-Hamat. 22 Und sie gingen hinauf in den Negeb und kamen14 nach Hebron. Dort aber waren Ahiman, Scheschai und Talmai, die Kinder des Anak. Hebron aber war sieben Jahre vor Zoan in Ägypten erbaut worden. 23 Und sie kamen ins Traubental. Und sie schnitten dort eine Ranke mit nur einer Weintraube ab, die sie zu zweit an einer Stange trugen, und einige Granatäpfel und einige Feigen. 2a
14
Zur kollektiven Übersetzung von ויבאs.o. Kap. 7.2.1. mit Anm. 57; Kap. 7.2.2. mit Anm. 119f.
Num 13–14 – Aufbegehren gegen das Land: Die Kundschaftererzählung 24
355
Jenen Ort nannte man Traubental wegen der Traube, die die Israeliten dort abgeschnitten hatten. 25 Und sie kehrten um von der Erkundung des Landes am Ende von vierzig Tagen. *26 Und sie gingen und kamen zu Mose und Aaron und zur ganzen Versammlung der Israeliten in die Wüste Paran nach Kadesch. Und sie erstatteten ihnen Bericht und der ganzen Versammlung. Und sie zeigten ihnen die Früchte des Landes. 27 Und sie berichteten ihm und sie sprachen: „Wir sind in das Land gekommen, in das du uns gesandt hattest. Es fließt (tatsächlich) von Milch und Honig (über). Und dies sind seine Früchte. 28 Aber das Volk ist stark, das in dem Land wohnt. Und die Städte sind befestigt und sehr groß. Und auch die Kinder des Anak haben wir dort gesehen. 29 Amalek wohnt im Südland. Und die Hethiter, Jebusiter und Amoriter wohnen auf dem Gebirge. Und die Kanaaniter wohnen am Meer und am Jordanufer.“ 30 Und Kaleb beruhigte das Volk bei Mose und er sprach: „Wir wollen hinaufziehen und es in Besitz nehmen, denn wir vermögen es gewiss.“ 31 Die Männer aber, die mit ihm hinaufgezogen waren, sprachen: „Wir können nicht hinaufziehen gegen das Volk, denn es ist stärker als wir.“ 32 Und sie ließen ausgehen das Gerücht über das Land, das sie erkundet hatten, unter den Israeliten folgendermaßen: „Das Land, durch das wir gezogen sind, um es zu erkunden, ist ein Land, das seine Bewohner verschlingt. Und alle Leute, die wir darin gesehen haben, sind großgewachsene Männer. 33 Und dort haben wir die Riesen gesehen [, die Anakiter von den Riesen]. Und wir waren in unseren Augen wie Heuschrecken, und so waren wir auch in ihren Augen.“ 14,1a Da erhob die ganze Versammlung und gab ihre Stimme. 14,1b Und das Volk weinte in jener Nacht. 2 Und alle Israeliten murrten gegen Mose und Aaron. Und die ganze Versammlung sprach zu ihnen: Wären wir doch im Land Ägypten gestorben, oder wären wird doch in dieser Wüste gestorben. 3 Ja warum führt uns YHWH in dieses Land, um durch das Schwert zu fallen? Unsere Frauen und Kinder werden zur Beute werden. Ist es nicht besser für uns, nach Ägypten zurückzukehren?“ 4 Und sie sprachen zueinander: „Wir wollen uns ein Haupt einsetzen und wollen nach Ägypten zurückkehren.“ 5 Und Mose und Aaron fielen auf ihr Angesicht vor der ganzen Versammlung der Versammlung der Israeliten. 6 Aber Josua, der Sohn von Nun, und Kaleb, der Sohn von Jephunne, die unter denen waren, die das Land erkundet hatten, zerrissen ihre Kleider. 7 Und sie sprachen zur ganzen Versammlung der Israeliten und sprachen: „Das Land, durch das wir gezogen sind, um es zu erkunden, das ist ein sehr sehr gutes Land. 8 Wenn YHWH Gefallen an uns hat, wird er uns in dieses Land bringen und es uns geben, ein Land, das von Milch und Honig (über-)fließt. 9 Nur gegen YHWH sollt ihr euch nicht auflehnen. Und ihr sollt das Volk des Landes nicht fürchten. Denn unsere Speise sind sie. Ihr Schutz ist von ihnen gewichen. YHWH ist mit uns. Fürchtet euch nicht vor ihnen!“ 10 Und die ganze Versammlung sprach, dass man sie steinigen solle. Aber die Herrlichkeit YHWHs erschien im / am Zelt der Begegnung allen Israeliten.
356
13. Übersetzungen 11
UND YHWH SPRACH ZU MOSE: „WIE LANGE WILL MICH DIESES VOLK VERACHZEICHEN, DIE ICH IN SEINER MITTE GETAN HABE? 12 ICH WILL ES MIT DER PEST SCHLAGEN UND ES VERNICHTEN.15 DICH ABER WILL ICH ZU EINEM GRÖSSEREN UND MÄCHTIGEREN VOLK MACHEN ALS (DIES)ES.“ 13 UND MOSE SPRACH ZU YHWH: „DANN WIRD ÄGYPTEN / WERDEN DIE ÄGYPTER (ES) HÖREN. DENN DU HAST DIESES VOLK MIT DEINER KRAFT HERAUFGEFÜHRT AUS SEINER / IHRER MITTE. 14 UND SIE WERDEN ZU DEN BEWOHNERN DIESES LANDES SAGEN, SIE HÄTTEN GEHÖRT, DASS DU, YHWH, MITTEN IN DIESEM VOLK BIST, DEM DU, YHWH, AUGE IN AUGE ERSCHIENEN BIST, ÜBER DENEN DEINE WOLKE STEHT, UND VOR DENEN DU IN EINER WOLKENSÄULE DAHER GEHST AM TAG UND IN EINER FEUERSÄULE IN DER NACHT. 15 WENN DU ABER DIESES VOLK TÖTEST WIE EINEN MANN, DANN WERDEN DIE VÖLKER, DIE DIE KUNDE VON DIR GEHÖRT HABEN, SAGEN UND SPRECHEN: 16 ‚WEIL YHWH NICHT VERMOCHTE, DIESES VOLK IN DAS LAND ZU FÜHREN, DAS ER IHNEN ZUGESCHWOREN HATTE, HAT ER ES IN DER WÜSTE HINGESCHLACHTET.‘ 17 NUN ABER MÖGE SICH DIE KRAFT DES HERRN ALS GROSS ERWEISEN, WIE DU GEREDET HAST, INDEM DU SPRACHST: 18 ‚YHWH IST LANGMÜTIG UND GROSS AN GNADE, EINER, DER SCHULD UND SÜNDE VERGIBT, ABER NICHT UNGESTRAFT LÄSST, SONDERN DIE SCHULD DER VÄTER AN DEN SÖHNEN HEIMSUCHT BIS ZUR DRITTEN UND VIERTEN GENERATION‘. 19 VERGIB DOCH DIE SCHULD DIESES VOLKES ENTSPRECHEND DEINER GROSSEN GNADE, GENAUSO WIE DU DIESEM VOLK VERGEBEN HAST VON ÄGYPTEN BIS HIERHER.“ 20 UND YHWH SPRACH: „HIERMIT VERGEBE ICH GEMÄSS DEINER REDE. 21 DOCH SO WAHR ICH LEBE, UND DIE GANZE ERDE ERFÜLLT SEIN SOLL VON DER HERRLICHKEIT YHWHS: 22 ALLE MÄNNER, DIE MEINE HERRLICHKEIT UND MEINE ZEICHEN GESEHEN HABEN, DIE ICH IN ÄGYPTEN UND IN DER WÜSTE GETAN HABE, UND DIE MICH SCHON ZEHNMAL VERSUCHT UND NICHT AUF MEINE STIMME GEHÖRT HABEN, 23 WERDEN DAS LAND, DAS ICH IHREN VÄTERN ZUGESCHWOREN HABE, NICHT SEHEN. UND ALLE, DIE MICH VERACHTEN, WERDEN ES NICHT SEHEN! 24 Meinen Diener Kaleb aber, da ein anderer Geist mit ihm war, und er mir nachgefolgt ist, werde ich in das Land führen, in das er gekommen ist. Und seine Nachkommen sollen es in Besitz nehmen. *25 Die Amalekiter und die Kanaaniter aber bewohnen (weiterhin) die Ebene. MORGEN WENDET EUCH UM UND BRECHT AUF DURCH DIE WÜSTE IN RICHTUNG SCHILFMEER.“ 26 Und YHWH redete zu Mose und zu Aaron und sprach: 27 „Wie lange (soll es) mit dieser schlechten Versammlung (weitergehen), die sie gegen mich murren? Das Murren der Israeliten, mit dem sie gegen mich murren, habe ich gehört. 28 Sprich zu ihnen: ‚So wahr ich lebe, Spruch YHWHs: Wie ihr vor meinen Ohren geredet habt, so will ich euch tun. *29 In dieser Wüste werden (zer-)fallen eure Leichname. *29 Ja, alle eure Gemusterten nach eurer ganzen Zahl, von zwanzig Jahren an aufwärts, weil ihr gegen mich gemurrt habt. TEN, UND WIE LANGE WILL ES NICHT AN MICH GLAUBEN TROTZ ALL DER
15
Zur Übersetzung von ואורשׁנוs.o. Kap. 7.2.3.6. mit Anm. 213.
Num 13–14 – Aufbegehren gegen das Land: Die Kundschaftererzählung
357
30
Ihr werdet nicht in das Land kommen, über das ich meine Hand erhoben habe, dass ich euch darin wohnen lasse. Außer Kaleb, der Sohn von Jephunne, und Josua, der Sohn von Nun. 31 Eure Kinder aber, von denen ihr sagtet, sie würden zur Beute werden, sie werde ich hineinführen. Sie werden das Land erkennen, das ihr verworfen habt. 32 Eure eigenen Leichname aber werden (zer-)fallen in dieser Wüste. 33 Eure Kinder aber werden Hirten sein in der Wüste vierzig Jahre lang und werden eure Hurerei (er-)tragen, bis eure Leichname zugrunde gegangen sind in der Wüste. 34 Nach der Zahl der Tage, die ihr das Land erkundet habt, vierzig Tage, je ein Tag für ein Jahr werdet ihr eure Schuld tragen, vierzig Jahre. Und ihr werdet meine Abwendung erkennen.‘ 35 Ich, YHWH, habe geredet. Dies werde ich gewiss dieser schlechten Versammlung tun, die sich gegen mich versammelt hat. In dieser Wüste gehen sie zugrunde, ja dort werden sie sterben.“ 36 Die Männer aber, die Mose gesandt hatte, das Land zu erkunden, und die zurückgekehrt waren und gegen ihn gemurrt haben bei / mit der ganzen Versammlung,16 indem sie ein Gerücht über das Land verbreitet hatten: 37 Und die Männer, die das schlechte Gerücht des Landes verbreitet hatten, starben durch eine Plage vor YHWH. 38 Josua aber, der Sohn von Nun, und Kaleb, der Sohn von Jephunne, blieben am Leben von jenen Männern, die gegangen waren, um das Land zu erkunden. 39 Und Mose redete diese Worte zu allen Israeliten. Und das Volk trauerte sehr. 40 Und sie machten sich früh am Morgen auf und gingen hinauf auf den Gipfel des Gebirges und sprachen: „Seht, wir, wir wollen hinaufgehen zu dem Ort, von dem YHWH gesprochen hat. Denn wir haben gesündigt.“ 41 Mose aber sprach: „Warum wollt ihr den Befehl YHWHs übertreten? Es wird euch nicht gelingen! 42 Geht nicht hinauf, YHWH ist nicht in eurer Mitte, damit ihr nicht geschlagen werdet vor euren Feinden. 43 Denn dort stehen euch die Amalekiter und die Kanaaniter gegenüber, und ihr werdet durch das Schwert fallen. Weil ihr euch abgewandt habt von YHWH, wird YHWH nicht mit euch sein.“ 44 Aber sie waren so vermessen, auf den Gipfel des Gebirges zu gehen. Die Bundeslade YHWHs aber und Mose wichen nicht aus dem Lager. 45 Da kamen die Amalekiter und die Kanaaniter herab, die auf jenem Gebirge wohnten, und schlugen sie und vertrieben sie bis nach Horma. Legende: III: Priesterliche (nach-priesterschriftliche) Kundschaftererzählung: Num 13,1.2a.3.21. 25.26(ohne )קדשׁה.32; 14,1a.2–5.10.26–28.29a(nur )פגריכם במדבר הזה יפלו.33.35.37. *IV: Nicht-priesterliche Nachträge: Num 14,11–23.25b (IN KAPITÄLCHEN; ÄLTER) und Num 13,17b–20.22–24.27–31; 14,1b.24.39–45 (in normaler Schrift; jünger).
16
Zur Übersetzung von וילונו עליו את־כל־העדהs.o. Kap. 7.1. Anm. 4.
358
13. Übersetzungen
v:
Spät-priesterliche Nachträge: Num 13,2b.4–16.17a; 14,6–9.29a(nur וכל־פקדיכם לכל־ )מספרכם מבן עשׂרים שׁנה ומעלה.29b.30–32.36.38). Isolierte Nachträge: Num 13,26(nur * ;)קדשׁה13,33; 14,25a; 14,34.
Num 16–17 – Aufbegehren gegen Moses Führerschaft und Aarons Priestertum: Aufstände Einzelner und des ganzen Volkes Num 16–17 – Aufbegehren gegen Moses Führerschaft und Aarons Priestertum vi
*V
16,1 Und Korach, der Sohn von Jizhar, des Sohns von Kehat, des Sohns von Levi nahm. Und Datan und Abiram, die Söhne von Eliab, und On, der Sohn von Pelet, die Söhne von Ruben.17 2 Und sie erhoben sich vor Mose, und 250 Männer der Israeliten, Fürsten der Versammlung, Berufene der Versammlung, Männer von Namen. 3 Und sie versammelten sich gegen Mose und gegen Aaron und sprachen zu ihnen: „Genug mit Euch! Ja, die ganze Versammlung ist heilig, und in ihrer Mitte ist YHWH! Warum erhebt ihr euch über die Versammlung YHWHs?“ 4 Und Mose hörte es und fiel auf sein Angesicht. *5 Und er redete zu Korach und zu seiner ganzen Versammlung und sprach: „Am Morgen wird YHWH kundtun, wer zu ihm gehört und wer heilig ist und ihm nahen darf. Und wen er erwählt, der darf ihm nahen. *6 Tut dies: Nehmt euch Räucherpfannen, Korach und seine ganze Versammlung, *7 und gebt darein Feuer und legt darauf Räucherwerk vor YHWH morgen. Der Mann aber, den YHWH erwählt, der ist heilig. Genug mit Euch, ihr Söhne Levis!“ 8 Und Mose sprach zu Korach: „Hört doch, ihr Söhne Levis! 9 Ist es euch zu wenig, dass euch der Gott Israels aus der Versammlung Israels ausgesondert hat, damit ihr ihm nahekommen könnt, um die Arbeit am Heiligtum YHWHs zu verrichten und vor der Versammlung zu stehen, um ihnen zu dienen? 10 Er ließ dich und alle deine Brüder, die Leviten, mit dir (zu sich) nahekommen. Und (nun) verlangt ihr auch nach dem Priesteramt? 11 Daher versammelt ihr euch gegen YHWH, du und deine Versammlung. Aber Aaron, was ist er, dass ihr gegen ihn murrt?“ 12 UND MOSE SCHICKTE, UM DATAN UND ABIRAM, DIE SÖHNE VON ELIAB, ZU RUFEN. ABER SIE SPRACHEN: „WIR ZIEHEN NICHT HINAUF! 13 IST ES NOCH ZU WENIG, DASS DU UNS HERAUFGEFÜHRT HAST AUS EINEM LAND, DAS VON MILCH UND HONIG (ÜBER-)FLIESST, UM UNS ZU TÖTEN IN DER WÜSTE, DASS DU DICH (NUN) AUCH ÜBER UNS ZUM HERRSCHEN ERHEBST? 14 AUCH HAST DU UNS NICHT IN EIN LAND GEFÜHRT, DAS VON MILCH UND HONIG (ÜBER-) FLIESST, UND HAST UNS KEINE FELDER UND WEINBERGE ZUM ERBBESITZ GEGEBEN. WILLST DU DIE AUGEN JENER MÄNNER AUSSTECHEN? WIR ZIEHEN NICHT HINAUF!“ 15 DA WURDE MOSE SEHR ZORNIG UND ER SPRACH ZU YHWH „WENDE DICH IHRER (OPFER-) GABE NICHT ZU! NICHT EINEN EINZIGEN ESEL HABE ICH VON IHNEN GENOMMEN, UND KEINEN EINZIGEN VON IHNEN HABE ICH SCHLECHT BEHANDELT.“ 16 Und Mose sprach zu Korach: „Du und deine ganze Versammlung erscheint morgen vor YHWH. Du und sie und Aaron.
17
Zur Problematik von Num 16,1f. s.o. Kap. 8.1. Zur Kritik einiger gängiger Übersetzungen von Num 16,1f. s.o. Kap. 8.2. Anm. 20.
Num 16–17 – Aufbegehren gegen Moses Führerschaft und Aarons Priestertum 359 17
Und nehmt ein jeder seine Räucherpfanne. Und gebt darauf Räucherwerk und bringt sie vor YHWH, ein jeder seine Räucherpfanne, 250 Räucherpfannen, auch du und Aaron, jeder seine Räucherpfanne.“ *18 Und sie nahmen ein jeder seine Räucherpfanne und gaben darauf Feuer und legten darauf Räucherwerk. Und sie stellten sich an den Eingang des Zeltes der Begegnung. Auch Mose und Aaron. 19 Und Korach versammelte gegen sie die ganze Versammlung beim Eingang des Zeltes der Begegnung.18 Und die Herrlichkeit YHWHs erschien der ganzen Versammlung. 20 Und YHWH redete zu Mose und zu Aaron und sprach: 21 „Sondert euch ab aus der Mitte dieser Versammlung, ich will sie vernichten in einem Augenblick.“ 22 Da fielen sie auf ihr Angesicht nieder und sprachen: „Gott, Gott der Geister allen Fleisches. Ein einzelner Mann sündigt, und du zürnst der ganzen Versammlung?“ 23 UND YHWH REDETE MIT MOSE UND SPRACH: *24 „REDE ZUR VERSAMMLUNG UND SPRICH: ‚ENTFERNT EUCH RINGSUM VON DER WOHNSTATT KORACHS, DATANS UND ABIRAMS!‘“ 25 UND MOSE MACHTE SICH AUF UND GING ZU DATAN UND ABIRAM. UND DIE ÄLTESTEN ISRAELS KAMEN IHM NACH. 26 UND ER REDETE ZUR VERSAMMLUNG UND SPRACH: „WEICHT DOCH VON DEN ZELTEN DIESER FREVLERISCHER MÄNNER UND BERÜHRT NICHTS, WAS IHNEN GEHÖRT, DAMIT IHR NICHT UMKOMMT WEGEN ALL IHRER SÜNDEN!“ *27 DA ENTFERNTEN SIE SICH RINGSUM VON DER WOHNSTATT KORACHS, DATANS UND ABIRAMS. DATAN UND ABIRAM ABER WAREN HERAUSGEKOMMEN UND STANDEN AM EINGANG IHRER ZELTE MIT IHREN FRAUEN, IHREN SÖHNEN UND IHREN KLEINEN KINDERN. 28 UND MOSE SPRACH: „DARAN SOLLT IHR ERKENNEN, DASS YHWH MICH GESANDT HAT, ALLE DIESE TATEN ZU VOLLBRINGEN, DASS ES ABER NICHT AUS MEINEN EIGENEN HERZEN KOMMT. 29 WENN DIESE STERBEN, WIE ALLE MENSCHEN STERBEN, WENN ÜBER SIE DAS GLEICHE SCHICKSAL VERHÄNGT WIRD, WIE ÜBER ALLE MENSCHEN, DANN HAT YHWH MICH NICHT GESANDT. 30 WENN YHWH ABER ETWAS NEUES SCHAFFT, UND DIE ERDE IHREN MUND AUFREISST UND SIE VERSCHLINGT UND ALLES, WAS IHNEN IST, UND SIE LEBENDIG IN DIE UNTERWELT HINABFAHREN, DANN WERDET IHR ERKENNEN, DASS DIESE MÄNNER YHWH VERWORFEN HABEN.“ 31 ALS ER ABER ALLE DIESE WORTE ZU ENDE GEREDET HATTE, DA SPALTETE SICH DER ERDBODEN UNTER IHNEN. 32 UND DIE ERDE MACHTE IHREN MUND AUF UND VERSCHLANG SIE MITSAMT IHREM HAUSSTAND 32b
und allen Menschen, die zu Korach gehörten, und all ihrem Besitz. UND SIE FUHREN MIT ALLEM, WAS IHNEN IST, LEBENDIG IN DIE UNTERWELT HINAB. UND DIE ERDE DECKTE SIE ZU, UND SIE KAMEN UM, MITTEN AUS DER VERSAMMLUNG HERAUS. 34 GANZ ISRAEL ABER, DAS RINGS UM SIE HERUM WAR, FLOH BEI IHREM GESCHREI, DENN SIE SAGTEN: „DAMIT DIE ERDE NICHT AUCH UNS VERSCHLINGE!“ 35 Da ging ein Feuer von YHWH aus und fraß die 250 Männer, die das Räucherwerk darbrachten. 17,1 Und YHWH redete zu Mose und sprach: 33
18
Zur Deutung von כל־העדהauf die Versammlung der Israeliten insgesamt und nicht allein auf Korachs Versammlung s.o. Kap. 8.3.3. mit Anm. 124.
360
13. Übersetzungen *2
„Sage Eleasar, dem Sohn von Aaron, dem Priester,19 er soll die Räucherpfannen aus dem Brandplatz aufheben – das Feuer aber zerstreue weitherum –, denn sie sind heilig geworden. 3 Die Räucherpfannen dieser Sünder an ihrem eigenen Leben soll man zu Blechplatten machen als Überzug für den Altar. Denn sie haben sie vor YHWH gebracht, und so sind sie heilig geworden. Sie sollen den Israeliten als Zeichen dienen.“ 4 Und Eleasar, der Priester, nahm die bronzenen Räucherpfannen, die die Verbrannten gebracht hatten. Und man schlug sie zu Blechplatten als Überzug für den Altar, 5 als Erinnerungszeichen für die Israeliten, damit kein Unbefugter, der nicht von den Nachkommen Aarons ist, nahekommt, um Räucherwerk vor YHWH darzubringen, damit es nicht wie bei Korach und seiner Versammlung sei, wie YHWH zu ihm geredet hatte durch Mose. 6 Am Folgetag aber murrte die ganze Versammlung der Israeliten gegen Mose und gegen Aaron und sprach: „Ihr habt das Volk YHWHs getötet!“ 7 Und als sich die Versammlung gegen Mose und Aaron versammelte, wandten sie sich zum Zelt der Begegnung. Und siehe, die Wolke bedeckte es, und die Herrlichkeit YHWHs erschien. 8 Da kamen Mose und Aaron vor das Zelt der Begegnung. 9 Und YHWH redete zu Mose und sprach:20 10 „Entfernt euch aus der Mitte dieser Versammlung, ich will sie vernichten in einem Augenblick.“ Da fielen sie auf ihr Angesicht nieder. 11 Und Mose sprach zu Aaron: „Nimm die Räucherpfanne und gib darauf Feuer vom Altar und lege (darauf) Räucherwerk! Geh eilends zur Versammlung und erwirke Sühne für sie! Denn der Zorn ist ausgegangen von YHWH, die Plage hat begonnen.“ 12 Und Aaron nahm (sie), wie Mose geredet hatte, und lief mitten in die Versammlung. Und siehe, die Plage hatte begonnen im Volk. Und er gab (darauf) Räucherwerk und erwirkte Sühne für das Volk. 13 Und er stand zwischen den Toten und zwischen den Lebenden. Und der Plage wurde Einhalt geboten. 14a Die durch die Plage Gestorbenen aber waren 14.700. 14b Nicht eingerechnet die wegen der Angelegenheit Korachs Gestorbenen. 15 Und Aaron kehrte zu Mose zurück zum Eingang des Zeltes der Begegnung. Der Plage aber war Einhalt geboten worden. 16 Und YHWH redete zu Mose und sprach: 17 „Rede zu den Israeliten und nimm von ihnen einen Stab von jeder Familie, von allen Fürsten ihrer Familien. Zwölf Stäbe. Schreibe eines jeden Namen auf seinen Stab. 18 Und den Namen Aarons schreibe auf den Stab Levis. Denn (je) ein Stab soll für das Haupt ihrer Familien stehen. 19 Und deponiere sie im Zelt der Begegnung, vor dem Zeugnis. Dort, wo ich euch begegne. 20 Aber der Stab des Mannes, den ich erwähle, wird aufblühen. So will ich vor mir das Murren der Israeliten, mit dem sie gegen euch murren, beenden.“ 21 Und Mose redete zu den Israeliten. Und alle ihre Fürsten gaben ihm je einen Stab für einen Fürsten nach ihren Familien. Zwölf Stäbe. Und der Stab Aarons war mitten unter ihren Stäben. 19
Zu den möglichen Referenzen von הכהןhier und in Num 17,4 s.o. Kap. 8.3.3. Anm.
132. 20
Zum Adressat bzw. den Adressaten der YHWH-Rede s.o. Kap. 1.2.3. mit Anm. 76; Kap. 8.2. mit Anm. 25; Kap. 9.2. mit Anm. 17.
Num 20,1–13 – Erneutes Wasserwunder
361
22
Und Mose deponierte die Stäbe vor YHWH, im Zelt des Zeugnisses. Am Folgetag aber ging Mose zum Zelt des Zeugnisses. Und siehe, der Stab Aarons vom Haus Levis war aufgeblüht, hat Knospen hervorgebracht, hat Blüten getrieben und trug Mandeln. 24 Und Mose brachte alle Stäbe hinaus von YHWH zu allen Israeliten. Und sie sahen (sie) und nahmen ein jeder seinen Stab. 25 Und YHWH sprach zu Mose: „Bring den Stab Aarons zurück vor das Zeugnis, zur Aufbewahrung, als Zeichen für die Widerspenstigen, auf dass ihr Murren aufhöre vor mir,21 und sie nicht sterben.“ 26 Und Mose machte (es), wie YHWH ihm geboten hatte. So machte er (es). 27 Die Israeliten aber sprachen zu Mose und sagten: „Sieh, wir kommen um, wir gehen zugrunde. Wir alle gehen zugrunde. 28 Jeder, der sich der Wohnstatt YHWHs nähert, stirbt. Sollen wir allesamt umkommen?“ 23
Legende: *V: Nicht-priesterlicher Erzählzug von Datan und Abiram: Num 16,12–15.23.24(ohne )קרח.25f.27(ohne )קרח.28–31.32a.33f. (IN KAPITÄLCHEN) und spät-priesterlicher Erzählzug vom Aufstand der 250 Laien und dem Murren des Volkes: Num 16,(*2.)3f.5(ohne [)אל־קרח ואל־כל־עדתו ]לאמר.6abα.7a(ohne )מחר. 18(ohne )ומשׁה ואהרן.35; 17,6–13.14a.15–28 (in normaler Schrift). vi: Spät-priesterliche Korach-Bearbeitung: Num 16,(*1f.)5a(nur אל־קרח ואל־כל־עדתו [)]לאמר.6bβ.7a(nur )מחר.7b.8–11.16f.18(nur )ומשׁה ואהרן.19–22.24(nur )קרח.27(nur )קרח.32b; 17,1.2aαb.3–5.14b (unterstrichen). Amalgam aller drei Schichten: Num 16,1f. Isolierter Nachtrag: Num 17,2aβ.
Num 20,1–13 – Erneutes Wasserwunder trotz der Verfehlung Moses und Aarons Num 20,1–13 – Erneutes Wasserwunder V(+?) 20,1
Und die Israeliten, die ganze Versammlung, kamen in die Wüste Zin im ersten Monat. Und das Volk blieb in Kadesch. Und dort starb Miriam und wurde dort begraben. 2 Es gab aber kein Wasser für die Versammlung. Und sie versammelten sich gegen Mose und gegen Aaron. 3 Und das Volk stritt mit Mose und sie sprachen folgendermaßen: „Wären wir doch umgekommen, als unsere Brüder umgekommen sind vor YHWH. 4 Und warum habt ihr die Versammlung YHWHs in diese Wüste geführt, damit wir und unser Vieh dort sterben? 5 Und warum habt ihr uns aus Ägypten heraufgeführt, um uns an diesen üblen Ort zu bringen? Es ist kein Ort für Saat, für Feigenbäume, Weinstöcke und Granatapfelbäume, und Wasser gibt es nicht, zu trinken.“ 21 Da in Num 17,20 YHWH Subjekt des Beendens des Murrens ist, wird hier das Murren als Subjekt des Aufhörens gedeutet, wie es auch schon die griechische Übersetzung verstanden hat. Ein Bezug auf Mose („so sollst du ihr Murren aufhören lassen vor mir“) ist syntaktisch aber ebenso möglich.
362
13. Übersetzungen
6
Und Mose und Aaron gingen weg von der Versammlung zum Eingang des Zeltes der Begegnung. Da fielen sie auf ihr Angesicht nieder. Und die Herrlichkeit YHWHs erschien ihnen. 7 Und YHWH redete zu Mose und sprach: 8 „Nimm den Stab und versammle die Versammlung, du und Aaron, dein Bruder. Und redet zum Felsen vor ihren Augen. Dann wird er sein Wasser geben. Lass für sie Wasser hervorkommen aus dem Felsen und tränke die Versammlung und ihr Vieh.“ 9 Und Mose nahm den Stab vor dem Angesicht YHWHs weg, wie er ihm geboten hatte. 10 Und Mose und Aaron versammelten die Versammlung vor dem Felsen. Und er sprach zu ihnen: „Hört doch, ihr Widerspenstigen. Werden wir aus diesem Felsen Wasser für euch herauskommen lassen?“ 11 Und Mose erhob seine Hand und schlug den Felsen mit seinem Stab zweimal. Und es kam viel Wasser hervor. Und die Versammlung und ihr Vieh trank. 12 Und YHWH sprach zu Mose und zu Aaron: „Weil ihr mir nicht vertraut habt, mich nicht geheiligt habt vor den Augen der Israeliten, darum werdet ihr diese Versammlung nicht in das Land führen, das ich ihnen gegeben habe.“ 13 Dies sind die Wasser von Meriba, wo die Israeliten mit YHWH stritten, und er sich an ihnen (=den Israeliten)22 als heilig erwiesen hat. Legende: V(+?): Spät-priesterliche Wasserwundererzählung: Num 20,1–13
Num 21,4–9 – Finales Murren, Schlangenplage und open end Num 21,4–9 – Finales Murren, Schlangenplage und open end VII 21,4 Und sie brachen auf vom Berg Hor auf dem Weg zum Schilfmeer, um das Land Edom zu umgehen. Und unterwegs wurde das Volk ungeduldig. 5 Und das Volk redete gegen Gott und gegen Mose: „Warum habt ihr uns heraufgeführt aus Ägypten, damit wir in der Wüste sterben? Denn es gibt kein Brot und kein Wasser, und uns ekelt es vor der mageren Speise.“ 6 Da sandte YHWH feurige Schlangen unter das Volk. Und sie bissen das Volk. Und es starb viel Volk aus Israel. 7 Und das Volk kam zu Mose und sie sprachen: „Wir haben gesündigt, dass wir gegen YHWH und gegen dich geredet haben. Bete zu YHWH, dass er die Schlangen von uns entferne.“ Und Mose leistete Fürbitte für das Volk. 8 Und YHWH sprach zu Mose: „Mache dir eine (Feuer-)Schlange und befestige sie auf einer Standarte. Und jeder, der gebissen wurde und sie ansieht, wird am Leben bleiben.“ 9 Und Mose machte eine eherne Schlange und befestigte sie auf der Standarte. Wenn nun die Schlangen jemanden gebissen hatten, und er zur ehernen Schlange aufblickte, so blieb er am Leben.
Legende: VII: Späte nicht-priesterliche Schlangenwundererzählung: Num 21,4–9
22
Zum Bezug von בםauf die Israeliten s.o. Kap. 9.2. mit Anm. 71.
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Stellenregister Biblische Schriften Genesis Gen 1–Lev 9 1,1–2,3 1,29 1,30 2,2f. 2,2 3 4 4,3 4,4 4,5 4,6 4,11 6,4 14,7 15,6 16,14 20,1 20,17 26,20–22 26,32 27,36 29,11f. 30,36 31,23 32,17 33,3 33,7 33,14 36,11 36,15 36,42 37,2 39 45,24f. 45,26
189 44, 102–104 103 103 86, 102 104 308, 316 248, 254 254 254 254 254 254 196 294 300 294 294 82 9f., 115 165 293 197 136 136 123 123 165 123 220, 226 220, 226 220, 226 205 170 211 300
46,9 47,26 49,17
239 78f. 307
Exodus 1–14 2,1–10 2,1 2,2 2,3 2,5 2,6 2,10 2,11 2,12 2,15–22 2,15 2,20 3f. 3,1 3,2 3,3 3,4 3,5 3,6 3,7 3,10 3,16 3,18 3,21 4 4,1–17 4,1 4,2–4 4,5 4,6f. 4,7
74, 322 162, 167 42 42 42 42 42 42 42 42 167 42 170, 286 259 42, 112, 126, 167 42 42 42 42 42 42 42 127 127, 136 122 89, 124, 176 176 300 124 300 176 175
382 4,8 4,9 4,10–17 4,14–17 4,14–16 4,14 4,16 4,18–20 4,18 4,20 4,24–26 4,27–31 4,27 4,29 4,31 5 5,1f. 5,3 5,22f. 5,22 5,23 6,2–8 6,7 6,8 6,9 6,10f. 6,12 6,13–30 6,13 6,14–27 6,14 6,16–25 6,20 6,24 6,26–30 6,26 7–12 7 7,1–7 7,1–5 7,1f. 7,1 7,4 7,5 7,6 7,8–13 7,8 7,13 7,14–25
Stellenregister 300 300 282 148 173f. 161, 173 89, 173 167 42 42 167 174 174 127 300 127 42 136 34, 127 122 122 96, 103 96, 103 203 116, 309 273 273 273f. 173, 273 273 239 161, 273 161 276 273 173 173 124 282 273 75, 89, 161, 173 173, 273 82 75 282 124 173 82 123, 323
7,14–18 7,14 7,15 7,16 7,17 7,18 7,19–22 7,19f. 7,19 7,20 7,21 7,22 7,23–25 7,24 7,26 7,27 7,29 8,1–3 8,2 8,8 8,11 8,12–15 8,15 8,16 8,17 8,20 8,23 8,28 9 9,1–7 9,8–12 9,8 9,11 9,12 9,15–35 9,22 9,23 10 10,1–20 10,2 10,13 10,19 10,21–27 10,21 10,22 11,9 12 12,1 12,3
42 124 123f., 323 82, 124 123f., 323 124 124 75 124 42, 123f., 323 42, 124 82, 124 124 42 42 42 42 124 42 82 82 124 82 42 42 42 136 42 124 82 81 173 82 82 124 75 75f. 124 124 82 76 65, 69 76 76 76 82 89, 103, 296 173 90
Stellenregister 12,4 12,6 12,8 12,10 12,12f. 12,14 12,16 12,17 12,18 12,21 12,29 12,30 12,33 12,37 12,38 12,43 13–17 13,17–14,31 13,18 13,20 13,21f. 14 14,1 14,2 14,3 14,4 14,8 14,9 14,10 14,11f. 14,11 14,12 14,13f. 14,15 14,16 14,17 14,18 14,19f. 14,21 14,22 14,23 14,24 14,26 14,27 14,28 14,29 14,30 14,31
99, 103 88, 103, 199 88 103 75 103 99, 103 103 88 127 42 42 42 42, 65 136 173 41 31 65, 69 42, 65, 67, 70, 322 91, 232 65, 69f., 73, 85, 124 85 67, 85 85 85, 91, 324 85 70 32, 85 19, 21, 23, 32, 67, 96, 116f., 287, 311 21, 96f., 311 21, 116 116 85 85, 124, 290 85, 91, 324 85, 91, 324 91 74, 85 85 85 91 85 85 85 85 322 300, 317
15–18 15 15,4 15,20f. 15,20 15,22–27
15,22–25
15,22–24 15,22f. 15,22
15,23–26 15,23–25 15,23
15,24–27 15,24–26 15,24f. 15,24
15,25b.26
15,25
15,26
383 79 32, 65, 73, 85 65, 69 173, 322, 339 161 2f., 6, 15f., 18, 22, 24, 37, 39f., 42, 61, 65–84, 85, 94, 110f., 121f., 129, 139, 278f., 294, 318, 321–326, 343f., 346f. 32, 34–36, 69, 71, 73f., 77, 83, 87, 115, 118, 128f., 142, 158, 311, 321– 324, 337, 340, 343, 346, 348 16 16, 31, 35, 68f., 71, 79, 86, 110 18, 42, 65–72, 74f., 83, 110, 136, 142, 278, 311, 321f., 324 66, 68, 72, 75f. 72f., 75f. 9, 18, 42, 66–68, 70–72, 75, 79, 83, 110f., 278f., 311, 321 79 68f. 35, 69, 71f., 75, 83, 127, 317 3, 8, 18, 24, 67, 72, 75–77, 84, 110, 114f., 122, 140, 166, 278, 321 68f., 72, 74, 77–84, 110, 121, 125, 129, 318, 323, 344, 348 18, 24, 40, 66–69, 71–73, 75–80, 83, 110, 118, 121f., 127, 129, 278, 310f., 317f., 323 68f., 73–75, 77–80, 82f., 317, 323, 341
384 15,27
16
16,1–15 16,1–3 16,1
16,2–4 16,2f.
16,2 16,3
16,4–7 16,4f.
16,4
16,5 16,6–10 16,6f.
Stellenregister 16, 18, 35, 42, 67– 75, 77f., 83, 87f., 110, 115, 118f., 126, 128f., 142, 158, 278, 311, 321– 324, 337, 343, 348 2, 4f., 15–17, 22, 26, 29, 32, 34–40, 42, 44, 61f., 85– 108, 109–112, 116, 118, 121, 132, 136f., 139, 146, 150f., 153–159, 285, 311f., 318, 324–326, 329f., 337, 340f., 343–350 93, 116, 150, 289 16, 87, 94, 102 16, 42, 65, 67, 71f., 85, 87f., 91, 94f., 107, 109, 111, 118f., 126, 129, 155, 321, 324, 343, 348, 350 137 16, 42, 86f., 89, 93– 95, 107, 110, 150, 155, 166, 324f., 343, 350 3f., 87, 91, 109, 111, 140, 153, 324 4, 19, 21–23, 37, 41, 67, 87f., 96f., 116f., 150, 154f., 287f., 306, 311, 324 87 16, 79, 86–88, 90, 92, 97f., 100–102, 107, 121, 125, 150, 155, 325, 344, 350 12, 40, 79, 87, 98– 100, 106, 121, 150, 155, 311 86f., 90, 98, 100 16 5, 87–89, 95, 102– 104, 106f., 122, 140, 155, 293, 325f., 344, 350
16,6 16,7 16,8
16,9–27 16,9–15 16,9–13 16,9–12 16,9f. 16,9 16,10–14 16,10–12 16,10f. 16,10
16,11–15 16,11f. 16,11 16,12f. 16,12
16,13–30 16,13–15 16,13f. 16,13 16,14f. 16,14 16,15
16,16–36 16,16–35 16,16–34 16,16–30 16,16–26 16,16–20
16,16–18
87, 89, 106 3, 5, 26, 87–89, 106, 153 3, 5, 87–89, 104, 106f., 122, 140, 150, 153, 155, 293, 311, 325f., 344, 350 102 94f., 107, 155, 324, 343, 350 87 94 89–91 3, 87–90, 109, 111, 140, 148, 153 87 289 27f. 27f., 87f., 90f., 106, 109, 111, 288, 324, 329f. 42, 86, 150 88, 96, 100, 103, 155, 288 27f., 282 155 3, 5, 88–90, 95f., 103, 106, 140, 153, 155, 205, 311, 325f. 103 87, 92, 94, 102f., 106, 155, 312 88 96f., 155f. 97 87, 92f., 95, 102, 156, 312 87, 92–96, 98, 102f., 155, 199, 311f. 94 104 95 86, 94, 102, 150 100 79, 87, 92, 97, 101, 107, 121, 125, 325, 344, 350 99, 107, 325
Stellenregister 16,16 16,17–20 16,17f. 16,17 16,18 16,19–22 16,19f. 16,19 16,20 16,21
16,22–30
16,22–26 16,22 16,23–30 16,23f. 16,23 16,24 16,25–27 16,25f. 16,26 16,27–31 16,27–29 16,27 16,28f. 16,28 16,29f. 16,29 16,30 16,31f. 16,31
16,32–36 16,32–35 16,32–34 16,32
92, 98–101, 103f., 156 92 99 99, 156 99, 103f., 156 99f., 107, 325 86 103 100f. 87, 92–95, 97f., 100f., 103, 107, 155, 312, 324f., 343, 350 79, 86, 92, 97, 101, 107, 121, 125, 325, 344, 350 87 99–101, 104, 155f., 311 101 99f., 107, 325 90, 100–103, 105, 156 86, 101, 105 99f., 107, 325 101 101, 103 87 86 87, 101f. 80, 86–88, 99–101, 107, 325 87, 100f. 87 100f., 155, 311 93, 98, 100, 102– 104 87 87, 92–97, 100, 103, 107, 155f., 312, 324, 343, 350 86 98, 104 91, 96, 105–107, 325, 344, 350 87, 90, 94, 104f., 155f., 311
16,33 16,34 16,35
16,36 17
17,1–7
17,1–4 17,1–3 17,1f. 17,1
17,2–7 17,2–5 17,2–4 17,2f. 17,2
17,3–6 17,3f.
385 87, 91, 98, 103, 105, 155f. 87, 91, 98, 105 42, 87, 94f., 102, 105–107, 155, 325f., 344, 350 93, 98, 104, 106f., 156, 325, 344, 350 75, 110, 113, 115, 121, 124f., 131, 133, 154, 281 2, 9, 16–18, 22, 24, 26, 29, 31f., 34f., 37, 39f., 42, 61f., 68, 73, 75, 85, 94, 109–134, 136, 138f., 151, 153f., 156f., 159, 236, 278, 280f., 286, 288–290, 292, 294– 297, 300–302, 311f., 318, 321– 326, 335–337, 340f., 343–348 121 16, 122 19 16, 18, 34, 42, 65– 67, 72, 75, 86–88, 107, 109–111, 113f., 117–119, 125–130, 132, 278, 286, 311, 321, 324, 343, 348, 350 34 126, 128f., 321, 343, 348 16, 278 9, 117, 129, 278 9, 12, 19, 41, 75f., 79, 109–115, 117– 122, 127, 129–131, 133, 140, 153, 166, 278f., 286, 293, 301, 311, 321–324, 326, 335, 338 75, 113, 127 114
386 17,3
17,4–7 17,4–6 17,4f. 17,4
17,5–7 17,5f. 17,5
17,6
17,7
17,8–16 17,8 17,9 17,14 18 18,1–27 18,1–12 18,5
Stellenregister 3, 19, 21–23, 67, 75f., 97, 109–114, 116–120, 125, 127, 129–131, 133, 140, 153, 166, 278, 286f., 290, 301, 306, 311, 321f., 324, 335 113 122, 125, 127 289 19, 24, 26, 35, 75, 109f., 114, 117, 120, 122, 125, 127f., 130f., 133, 138, 153f., 200, 278, 283, 286, 289, 310, 322 121 110, 127, 154, 278, 288f., 292, 317 75, 109, 112, 122– 125f., 128–130, 132, 278, 286, 289f., 323f., 344, 348 75, 79, 109, 111f., 117, 122f., 125f., 128–131, 278f., 286, 289f., 311– 313, 321, 323f., 335, 343f., 348 9, 12, 40, 75f., 79, 109–115, 117, 119– 122, 126–131, 133, 140, 153f., 166, 278f., 286, 293, 321–324, 343, 348 36, 109, 119, 124, 132, 156, 225 119, 121 124 156 36, 79, 125, 151, 154 109 138, 156f., 167 125, 138
18,13–27
18,13 18,14 18,15 18,16 18,18 18,19 18,21 18,22 18,23 18,25 18,26 19,1f. 19,1 19,2
19,5f. 19,9 20,8–11 20,9f. 20,10 20,20 20,22–23,33 21,18 21,22 21,30 23,3 23,6 23,12 23,20–33 23,25f. 23,25 23,31 24 24,1f. 24,1 24,9–11 24,9 24,11 24,13 24,12–14 24,14 24,15–18 24,15 24,16f.
94, 138f., 151–153, 156f., 159, 328, 337, 345 151 151 157 151f. 122, 151 152 151 151f. 122 151 151f. 16 67, 85, 118, 129, 324, 327f. 42, 65, 67, 72, 88, 109, 118f., 126f., 322 275 300 104 101 102 79 49 9, 115 169 169 9f., 115 9f., 115 101 81 81 81 65 152 152, 159, 338 152 152, 159, 338 152 153 152, 225 152, 159, 339 152 90f., 324, 329 85 26, 85, 329
387
Stellenregister 24,18 25–29 25,1 25,8 25,9 26,35 26,36f. 27,1–8 27,2f. 28,1f. 28,4 28,41 29,43–46 29,43 29,45f. 29,46 30f. 30,1–10 30,27 30,34–38 31,8 31,13–17 31,14f. 31,15 32–34
32,1–33,6 32 32,1–6 32,1 32,7–14 32,7–10 32,9 32,10 32,11–13 32,11f. 32,11 32,12 32,13 32,15–35 32,15 32,17 32,19f. 32,21 32,30–34 32,31f.
85 85, 267 85 85 85, 329 267 267 267 272 161 161 161 275 26 85, 95, 267, 329 95f. 267 267 267 267 267 104 102 101f. 24, 34, 40, 141, 191, 219, 230–232, 233, 331 31 35, 122, 152, 169, 232 35, 232 11 24, 127, 141, 148, 232 231 122 230 22, 127, 231 232 231 231 231 232 35 152, 225 35 122 35, 141 122, 154
32,31 32,32 33,3 33,5 33,6 33,7–11
33,12–17 33,12 33,18–23 33,21–23 34 34,5 34,6f. 34,7 34,9f. 34,9 34,10 34,11–16 34,11 34,21 35,2 35,15 37,25–28 38,2f. 38,21 38,22LXX 39,38 40,5 40,16 40,17 40,26f. 40,33–38 40,33 40,34f. 40,34 40,36f. 40,36
122 232 154 154 112, 126 157, 159, 169, 173f., 338, 340 157, 174 157, 173 169 152, 157, 169, 173, 225 141 122 172 126 157 173 25, 215, 231 232 154 215, 232 254 177 177 101 101f. 267 267 272 329 272 267 267 85 85 267 90 85 26 85, 329 329 329
Leviticus 8f. 9 9,3 9,6
268 189, 247, 275 89 26
33,7 33,9f. 33,9 33,11
388 9,23 9,24 10 10,1–5 10,1f. 10,1 10,2 10,8 11,1 13f. 13,1 13,2 13,4 13,5 13,9 13,11 13,16f. 13,16 13,21 13,26 13,31 13,33 13,46 13,50 13,54 14,2 14,3 14,8 14,33 14,38 14,46 15,1 16 16,2 16,12f. 16,12 18 19,2 20,2 20,26 22,32f. 23,3 23,14 26,37 26,38 26,42
Stellenregister 26 139 267f., 275 268, 273, 275, 334 139, 267 267 267, 287 174 173 174–177, 179, 339f., 345 173 174f. 174, 176 174, 176 175 174 175 175 174, 176 174, 176 174, 176 174, 176 174 174, 176 174, 176 175 174 174, 176 173 174, 176 174 173 268, 275 161 267, 275, 334 267 148 275 148 275 275 101f. 311 243 196, 235, 330 172
Numeri 1–10 1–4 1f. 1 1,3 1,4–16 1,4 1,16 1,20 1,45 1,50 1,51 1,53 2 2,1 3f. 3,1–13 3,4 3,10 3,14–39 3,32 3,38 3,40–51 4,1–3 4,1 4,4–33 4,16 4,17 4,22f. 4,29f. 4,34–49 5,1–4 5,2 5,3f. 5,11–31 7 7,2 8 8,14 9,1–14 9,14 9,15–22 10–36 10–14 10 10,4 10,11f. 10,11
266, 273, 335 266, 334f. 192f. 202, 206, 247 206 193 192 192, 266 206 206 329 273 329 193 173 273 273, 276, 334 287 273 273, 275, 334 271, 273, 276, 334 273 273, 276, 334 273, 275, 334 173 273, 276, 334 271 173 273, 275, 334 273, 275, 334 273, 275, 334 174 174 174 66 193 192 273, 276, 334 270 296f. 297 329 37 132, 170, 328 135, 328 192 327–330, 338 329
Stellenregister 10,12 10,13 10,29–11,35 10,29–32 10,33–36 10,33
11–21 11–20 11f. 11
11,1–20,13 11,1–34 11,1–3
11,1f. 11,1 11,2
11,3
11,4–35
11,4–34 11,4–31
65, 181, 192, 327f. 65 139, 159 32, 136, 138, 157, 167 217 17, 32f., 65, 135f., 138–142, 158, 185, 310, 328, 336–338, 345 41, 326 326 157 35, 94, 96, 130, 133, 135–160, 161, 171–173, 178f., 295, 317, 326, 328, 336–339, 345, 350– 352 40 328, 336f., 352f. 2, 10, 17, 22, 24, 32f., 34f., 39, 61, 135–137, 139–145, 146, 158–160, 166, 309f., 312, 316, 318, 327, 336–338, 343, 345f. 136, 153, 158 3, 10, 135–141, 144, 158, 309f., 338 24, 32, 135, 138– 141, 144, 310, 317, 341 119, 135f., 138– 140, 158, 310, 318, 348 2, 5, 10, 17, 24, 32, 34f., 39, 61f., 94, 128, 135–139, 146– 158, 159f., 164, 171, 177–179, 213, 288, 306, 309, 311f., 318, 326– 328, 336–340, 343, 345f. 179 155
11,4–6
11,4
11,5f. 11,5 11,6 11,7–9 11,7 11,8 11,9 11,10–15 11,10 11,11–20 11,11–15 11,11–14 11,11f. 11,11 11,12 11,13
11,14–17 11,14f. 11,14 11,15 11,16–33 11,16–32 11,16–20 11,16f. 11,16 11,17 11,18–23 11,18–20
11,18
389 20f., 23, 67, 116f., 137, 146, 148, 153, 155, 166, 287f., 311f., 338, 341 5, 10, 15, 136–138, 146, 149f., 153, 155, 158, 171, 178, 339 5 146, 149f. 146, 149f., 153, 155, 311–313 146f., 153, 155f., 312 155f. 156 155f. 171 10, 137, 146–150, 153f., 158 138, 149 24, 122, 128, 137f., 148, 154, 171 127 128, 146, 148, 150 24, 122, 138, 146, 148f., 151, 154 122, 146f., 149, 151, 153, 351 5, 10, 122, 128, 137f., 146, 148– 150, 153, 155, 166, 338 146f. 128, 146, 148, 150 122, 149, 151 128, 154 317 148 171 138, 146, 148, 152 148–150, 152 149–152 146 20f., 23, 67, 116f., 138, 148, 156, 287f., 311 5, 10, 23, 122, 137f., 144, 146,
390
11,19f. 11,19 11,20
11,21–24 11,21–23 11,21f. 11,21 11,22 11,23 11,24–30 11,24 11,25–30 11,25 11,26–29 11,26 11,27 11,28 11,29 11,30 11,31–35 11,31–34 11,31–33 11,31f. 11,31 11,32 11,33–35 11,33f. 11,33 11,34f. 11,34
11,35
12
Stellenregister 148–150, 155, 166, 338 137 146, 150 5, 10, 12, 22, 122, 137f., 146, 148– 150, 154, 166, 338 149 146, 150 138, 149 155 149 138, 140, 149 138, 147, 149f., 171 146, 149, 152 146 146, 149, 152f., 157, 171, 173 147 147, 149, 152f., 156f., 171 152, 171 152, 156, 225 149, 152, 171 146, 149, 152, 157 146, 149 138 155 137, 146, 150, 154f. 137f., 149, 155 138, 149, 155f. 150 154, 160, 338 137, 146–148, 155, 158f., 337 146 10, 15, 30, 120, 136, 138f., 142, 158, 171, 339, 348 17, 65, 139, 161, 163, 170, 179, 181, 327f., 336f., 339, 345, 352f. 2, 10f., 17, 22, 31f., 34–36, 39, 61, 132, 139, 153, 157f., 161–179, 306, 316– 318, 326–328, 336,
12,1f. 12,1 12,2–9 12,2–4 12,2 12,3–8 12,3f. 12,3 12,4–9 12,4–8 12,4f. 12,4 12,5–8 12,5f. 12,5 12,6–9 12,6–8 12,6 12,7f. 12,7 12,8 12,9 12,9–16 12,10–15 12,10 12,11–16 12,11f.
12,11 12,12–16 12,12 12,13–16 12,13–15 12,13 12,14–16 12,14f. 12,14
338–340, 343, 345f., 352f. 243 10f., 39, 136, 162– 170, 178f., 327, 340 163f., 327 163f. 11, 161–166, 168, 170, 173, 179 164 163 162, 164, 170f., 177 164 164 170 162, 164, 169, 173 162 173 163f., 168f., 173 163 163f., 166, 168– 172, 174, 177 11, 163, 165f., 172 172 163, 170, 172 10f., 163, 165f., 172f., 178, 339f. 162–164, 168 164 162–164, 174, 327 162–164, 168–170, 173–176 163 32, 162, 164, 169, 173–175, 310, 316, 341 13, 163f., 169, 175, 306, 310 164 163, 169, 175 163f. 164 24, 82, 127, 162, 169, 175f., 310, 339 317 24, 174–177 162, 169f., 174– 176, 286, 339
Stellenregister 12,15 12,16
13,1–20,13 13f.
13 13,1–20 13,1–17 13,1–3 13,1f. 13,1
13,2
13,3–16 13,3
13,4–17 13,4–16
161f., 170, 174, 176f. 17, 65, 67, 139, 161f., 164, 170, 179, 181, 192, 277, 327f., 336f., 339, 345, 352f. 29 2, 4, 13f., 17, 24, 29, 31f., 35–40, 44, 61f., 132f., 170, 181–236, 237, 250, 252, 255f., 258, 265, 274, 278, 281, 287, 294, 298f., 318, 326–328, 330– 332–336, 338, 343– 345, 354–358 18, 185, 215, 218, 294, 331f. 192 211 42, 181, 212 193 14, 179, 183, 185, 187, 189, 192–195, 197f., 200f., 204f., 207, 211f., 219, 222, 233, 327, 344, 357 181, 185, 187–190, 192–195, 197f., 200–205, 207, 211f., 219, 222– 226, 228, 233f., 327, 332, 344, 357f. 192 161, 185, 187, 189f., 192–195, 197f., 200f., 204f., 207, 211f., 219, 222, 233, 237, 277, 327, 344, 357 207, 212 181, 184f., 188, 190, 192, 202f., 205, 210, 219, 223– 225, 234, 332, 344, 358
13,6 13,8 13,16f. 13,16 13,17–20
13,17f. 13,17
13,18–25 13,18–20 13,18f. 13,18 13,19 13,20 13,21–24 13,21
13,22–24
13,22
13,23–25 13,23f. 13,23
13,24 13,25–29 13,25f. 13,25
13,26
391 210, 226, 228 228 212 185, 192f., 228 181, 206–208, 210– 212, 217–219, 233, 331, 344, 357 193 185, 187–190, 192– 194, 202, 205–207, 211, 213, 219, 222– 225, 234, 332, 344, 358 193 189, 193, 195, 207f., 213, 219, 222 187 185, 187f., 206–208 187f., 207f. 187f., 207f. 181 42, 132, 183, 185, 187–189, 193–195, 197f., 200f., 204f., 207, 212, 219, 222, 233, 277, 327, 344, 357 189, 194, 206–208, 210–213, 217–219, 222, 233, 331, 344, 357 187–189, 193f., 196f., 207–210, 219, 227 193 187, 189, 194, 207f., 210, 219, 222 132, 187, 194, 207– 210, 216, 288, 297, 335 185, 207, 216 181 193, 222 42, 185, 187, 189, 194f., 197f., 200f., 203–207, 219, 222, 233, 327, 344, 357 42, 161, 185, 187– 189, 192–195,
392
13,27–31 13,27–30 13,27–29
13,27f. 13,27 13,28f. 13,28
13,29 13,30f.
13,30
13,31–33 13,31 13,32f. 13,32
13,33
14
14,1–10 14,1–5 14,1–4 14,1f.
Stellenregister 197f., 200f., 204– 207, 211f., 219f., 222, 224, 233f., 237, 277, 294, 327, 331, 344, 357f. 195, 211, 213, 219, 344, 357 212 206–208, 210f., 217–219, 222, 233, 331 187 187, 189, 193, 208, 210f. 210 185, 187–189, 193, 196f., 208–210, 220, 225, 227 187, 190, 207f., 216, 234, 331 183–185, 187–189, 206, 208, 210–212, 217–219, 223, 227, 233, 331 181, 184f., 187, 207, 210, 216, 219f., 223, 230 181 185, 187, 200, 207, 210, 224 189, 195 42, 185, 187f., 193, 195–198, 200f., 204–207, 212, 219, 222, 233, 235, 327, 330, 344, 357 13, 166, 183, 185, 188, 196f., 206, 227, 233f., 331f., 358 13, 17, 26, 29, 35, 122, 181, 185, 189, 212, 215, 219, 230f., 284f., 288, 299 27, 182, 184 42 222 10
14,1
14,2–5
14,2–4
14,2f. 14,2
14,3f. 14,3
14,4 14,5–10 14,5
14,6–10 14,6–9
14,6 14,7–9 14,7 14,8 14,9 14,10
14,11–25
14,11–23
4, 10, 12, 14, 137, 181, 183, 185, 187– 189, 193, 197–201, 204–206, 212f., 217–219, 222, 233, 327, 331, 344, 357 189, 197, 200f., 204f., 219, 233, 327, 344, 357 20f., 23, 67, 116f., 181, 183, 198, 213, 222, 287, 311, 332 21, 97, 166, 182, 188, 198f. 3–5, 12f., 181f., 185f., 193, 197f., 201f., 205, 256, 327, 331 21, 193, 214 22, 37, 183, 186, 201–203, 217, 221, 296f. 187, 192, 199f., 213 199 27, 181, 185, 188, 193, 198–200, 222, 288 190, 203 181, 184, 188, 199f., 203, 205, 219, 223–225, 228, 234, 332, 344, 358 184f., 203, 210, 228 183 185, 201 187, 201 4, 12, 181, 185, 187, 197, 201 26–28, 181, 185, 188f., 193, 197f., 200f., 204f., 214, 219, 222, 233, 288, 327, 329f., 344, 357 27, 127, 153, 182, 184f., 187f., 201, 205f., 213–218, 232 188, 218f., 230, 233, 331f., 338, 344f., 357
Stellenregister 14,11–22 14,11f. 14,11
14,12 14,13–19 14,13–16 14,13 14,14 14,15 14,16 14,17–19 14,17f. 14,17 14,18 14,19 14,20 14,20–25 14,20–23 14,21–25 14,21–23 14,21f. 14,21 14,22–24 14,22f. 14,22
14,23
14,24
14,25
14,26–38
189 4, 13, 25, 182, 213, 215f., 218, 230f. 4, 12f., 27, 122, 154, 182, 185, 187, 213, 215f., 219, 223, 232, 235, 256, 282, 300, 333 214–216, 230 22, 24f., 127, 182, 213, 215, 231f. 25, 231f. 25, 122, 185, 232 122, 154, 185, 232 122, 185 122, 185 231f. 25 230f. 25, 231f. 25, 122, 185, 232 25, 215, 232 4, 12f., 213, 215 182 25 235 26f. 187, 215, 219 187 214 4, 12f., 40, 79, 182, 185, 213–216, 223, 232 4, 12f., 182, 184f., 187, 189, 213–216, 219, 230, 232, 256, 330, 333 182, 184, 187–189, 203, 210, 215f., 218–220, 223f., 227, 230, 233, 296, 331, 344, 357 65, 182f., 187–189, 205, 214–219, 222, 230, 233, 303, 308, 331f., 338, 344f., 357f. 186, 205
14,26–35
14,26–29 14,26–28
14,26
14,27–35 14,27–29 14,27
14,28–34 14,28–30 14,28f. 14,28 14,29–35 14,29
14,30–35 14,30–33 14,30–32
14,30
14,31–37 14,31–35 14,31–34 14,31f. 14,31 14,32 14,33f. 14,33
393 12, 17f., 25, 27, 182, 184f., 198, 201f., 204, 214– 216, 236, 278, 301, 318, 332, 336 42 189, 202, 204f., 219, 222, 233, 327, 344, 357 27f., 173, 182, 187f., 193, 200, 204f. 4, 182 202 3–5, 182, 185, 187f., 201, 205, 216, 327 182, 184, 201, 230 202 331 144, 182, 188, 193, 201, 204f., 216f. 198 3–5, 97, 182, 185, 188–190, 193, 201f., 204–206, 219, 222–225, 233f., 299, 327, 332, 344, 357f. 202 186 188, 202, 205, 219, 223–225, 234, 332, 344, 358 182, 184f., 189f., 202–205, 210, 220, 228, 230, 296 189 42 202 193, 204 12, 182, 184, 203f., 214, 221, 223, 296 97, 202 225 182, 188, 201–206, 214, 219, 222, 233, 236, 327, 344, 357
394 14,34
14,35
14,36–38 14,36
14,37
14,38
14,39–45
14,39–44 14,39
14,40–45 14,40–44 14,40 14,41–43 14,41 14,42 14,43–45 14,43 14,44f. 14,44 14,45 15–19 15–17 15 15,32–36 15,37–41
Stellenregister 182, 185, 188, 203f., 206, 233, 331, 358 4, 13, 182, 185, 187, 201f., 204f., 219, 222, 233, 236, 327, 330f., 344, 357 181f., 184f., 198, 204f. 3, 5, 182f., 185, 188, 205f., 219, 223–225, 234, 332, 344, 358 187, 193, 198, 201, 205, 217, 219, 222, 233, 286f., 327, 344, 357 184f., 188, 190, 203, 205, 210, 219, 223–225, 228, 234, 296, 332, 344, 358 204–206, 209, 213, 216–219, 222f., 233, 237, 331f., 344, 357 187 42, 182f., 185, 187– 189, 193, 204f., 216–218 187, 189, 205, 217f. 189 13, 183f., 187, 207, 217, 219, 306 183, 223 14, 184, 187, 193, 204, 216f., 219 154, 183f., 193, 204, 207, 217 219 187, 209, 216f. 183 187, 207, 217 184, 187, 189, 209, 216, 237, 303 183, 237 199 183, 237, 327 102 237
15,39f. 16–18 16f.
16
16,1–17,5 16,1–18 16,1–11 16,1–3 16,1f.
16,1 16,2
16,3–11 16,3f.
16,3
16,4 16,5–11 16,5–7 16,5
16,6f.
275 37f., 248 2, 4, 13, 17, 26, 29, 31f., 35–37, 39f., 42, 44, 61f., 132f., 199, 218, 237–276, 278, 287–289, 297, 299–301, 318, 326f., 332, 334– 336, 338, 343, 345, 347, 358–361 2, 13, 32, 34f., 239, 241, 243f., 246, 253, 255, 257, 263f., 267, 270–272 15, 243f. 245 250 243 11, 218, 238–241, 249f., 252, 255, 259, 265, 268f., 272, 274–276, 332– 334, 344, 358, 361 238–240, 248f., 254f., 260, 273f. 238, 241, 243, 248f., 254, 260– 262, 265f., 275, 333, 344, 361 240 242, 248f., 260, 262, 265, 275, 333, 344, 361 4, 11, 13, 132, 166, 240, 243, 254, 259– 261, 265f., 275, 287, 301 240, 248, 260 242, 253 240, 242, 248, 250, 259–265, 271, 334f. 240, 245, 248f., 260–262, 264–266, 269, 272, 275f., 333, 344, 361 242, 262, 264, 267– 269
Stellenregister 16,6
16,7–11 16,7
16,8–11
16,8 16,9 16,10 16,11 16,12–15 16,12–14
16,12f. 16,12 16,13f. 16,13 16,14 16,15 16,16–22 16,16–18 16,16f.
16,16 16,17 16,18–17,5 16,18–31 16,18–21 16,18
240, 248f., 260– 262, 265, 269, 272, 275f., 333, 344, 361 250 242, 245, 248–250, 260–262, 264–266, 269, 272, 275f., 333, 344, 361 240, 242, 249, 259f., 268f., 272f., 276, 333, 344, 361 260 260, 270 260 3–5, 13, 256, 268f., 271, 293 249f., 252, 269, 274f., 332, 344, 361 20–23, 67, 97, 116f., 240f., 243, 251, 256, 287f., 311, 333 248 23, 239f., 252f., 255f., 333 252f. 20f., 237, 252f., 255, 259, 306, 311 23, 248, 252f., 255, 259, 297 248, 251, 253f. 262 242 240, 242, 249f., 259, 261, 268f., 272, 275f., 333, 335, 344, 361 241, 245, 269 241f., 267, 269 245 254 269 241f., 244, 248– 250, 261f., 264f., 267–269, 272, 275f., 333, 335, 344, 361
16,19–22
16,19
16,20f. 16,20 16,21 16,22 16,23–27 16,23f. 16,23 16,24
16,25–35 16,25f. 16,25 16,26 16,27–34 16,27
16,28–34 16,28–33 16,28–31
16,28–30 16,28 16,29 16,30 16,32–34 16,32
16,33f.
395 27, 200, 245, 249, 262, 271f., 276, 333, 344, 361 4, 11, 13, 25, 28, 240f., 244f., 261, 269f., 287f., 300 26 28, 173, 245, 270 28, 245, 270, 289 13, 25f., 28, 245, 270, 288f., 299 317 25, 241, 256 249, 251f., 254, 274, 332, 344, 361 148, 238, 240f., 249, 251f., 254f., 270, 272, 274, 276, 332f., 344, 361 245 249, 252, 254, 274, 332, 344, 361 240f., 248, 251, 253f., 256 241, 248, 251, 256, 270 241, 270 238, 240–242, 248f., 251f., 254f., 256f., 270, 272, 274, 276, 332f., 344, 361 240, 242, 254, 263 333 241, 248f., 251f., 254, 274, 332, 344, 361 4, 256 258 258 4, 12f., 254, 256f., 333 247 240f., 248f., 251f., 254, 257f., 270, 272, 274, 276, 332f., 344, 361 241, 251f., 254, 274, 332, 344, 361
396 16,33 16,34 16,35
17
17,1–15 17,1–5 17,1 17,2f. 17,2
17,3–5 17,3 17,4f. 17,4 17,5 17,6–28 17,6–26 17,6–15
17,6–14 17,6–13 17,6f. 17,6
17,7–15 17,7–11 17,7–10 17,7–9 17,7f. 17,7
17,8 17,9
Stellenregister 248f., 252, 254 248f., 251, 256 139, 242, 248f., 261–265, 267, 270f., 275, 333, 335, 344, 361 32, 243f., 246, 248, 250, 263, 290–292, 297, 316 263 243, 245, 248, 263, 271f., 276, 298, 316 249, 272, 276, 333, 344, 361 272 148, 242, 249, 271f., 276, 333, 344, 361 272, 276, 333, 344, 361 13, 245, 249, 271f., 316 272 238, 249, 271f., 360 242, 245, 249, 263, 269, 271–273, 316 15, 238, 244f., 263, 265 238, 263, 334 32, 36, 153, 238, 243f., 263f., 270f., 334f. 263 249, 263, 265, 275, 333, 344, 361 244f. 3–5, 11, 21, 166, 238, 243–245, 263, 265 245, 262 27f., 200 28 289 28 4, 11, 28, 240, 243, 245, 263, 265, 287f., 300 29, 245, 263, 289 29, 245, 263, 282
17,10–15 17,10 17,11–15 17,11–14 17,11–13 17,11f. 17,11 17,12 17,14
17,15–28 17,15 17,16–28 17,16–26
17,16–20 17,17 17,18 17,19 17,20
17,21 17,22–26 17,22 17,23 17,24 17,25f. 17,25
17,27f.
17,27 17,28f. 17,28 18f. 18 18,1–7 18,1–5 18,1 18,4
271 26, 28f., 245, 263f., 270, 288f. 29, 245, 264 248 264 242, 244 242, 248, 262, 264, 267, 270 238f., 248 249, 263–265, 271f., 275f., 333, 344, 361 265, 275, 333, 344, 361 248f., 263f. 249, 263–266, 271 98, 244, 248, 264, 290–293, 298, 300, 302, 336 265 266, 290 192, 264, 290 105, 244, 290 3, 5, 8, 244, 264– 266, 292, 309, 341, 361 266, 290 132 244, 290f. 244, 264, 290, 292 244, 264, 291 245, 264, 316 3–5, 13, 73, 105, 244, 264f., 271, 290, 292, 309, 316, 341 21, 132, 244, 248, 263f., 286f., 297, 300, 335 263 334 244, 263 327 237, 277 273, 276, 334 248 174 273
Stellenregister 18,5 18,7 18,8 18,20 19 19,1 19,3f. 19,3 19,4 19,10 20
20,1–13
20,1
20,2–8 20,2–5 20,2f. 20,2
20,3–5
20,3
20,4–7 20,4f.
270 273 174 174 277, 296f. 173 271 298 298 297 125, 132f., 182, 279, 282, 284, 292, 295, 298f. 2, 14, 16f., 22, 26, 29, 31, 34–40, 42, 44, 61f., 111, 113f., 119, 125, 128, 130– 134, 136, 142, 161, 188, 199, 236, 277– 302, 311, 318f., 326, 335f., 338– 340, 343, 345f., 361f. 16f., 42, 67, 131f., 161, 183, 187, 194, 237, 277f., 280f., 283, 286, 293–297, 299, 328 281 285f. 9, 11 11, 13, 16, 18, 86, 113, 131f., 166, 278, 280f., 283, 285–287, 294, 296f., 301, 311, 335 16, 20f., 23, 67, 97, 116f., 166, 278, 285, 288, 294, 311, 335 9, 11, 13f., 21, 113, 115, 131f., 170, 187, 278, 280f., 285–287, 294, 296f., 301, 335 280 21f., 287, 297
20,4
20,5
20,6–11 20,6–8 20,6f. 20,6
20,7–11 20,7f. 20,7 20,8–11 20,8
20,9–12 20,9–11 20,9 20,10–13 20,10f. 20,10
20,11–13 20,11 20,12
20,13
20,14–21 20,14 20,16 20,19
397 131, 280f., 283– 287, 290, 293, 297, 306, 311 20, 22, 66, 117, 131f., 187, 278, 280f., 283, 285– 288, 293, 297, 311, 324 288 131 200, 280f., 288 16, 26, 28, 200, 278–280, 282f., 286, 288f., 291 291f. 278f., 288 28, 280, 282, 284 125, 289f., 293, 324 131f., 161, 280– 283, 285f., 289– 293, 302, 311f., 336 281 278f., 283, 302, 335f. 132, 280–283, 289– 291, 302, 336 281 292 9f., 13f., 73, 131f., 280–283, 285f., 289, 291–293, 311f. 284 131f., 280–284, 286, 289–293, 311f. 13, 17, 125, 132f., 173, 277–281, 283– 285f., 288–290, 294, 297, 300f., 324 9, 113, 115, 120, 131, 277, 279–281, 284, 286, 293f., 297–299, 311, 335 277, 279, 299, 303, 305, 308 294 294 117f.
398 20,22–29
20,22 20,23 20,24 20,28f. 20,29 21 21,1–3 21,4–10 21,4–9
21,4–7 21,4–6 21,4 21,5–9 21,5
21,6–9 21,6 21,7–9 21,7
21,8f. 21,8 21,9 21,10–35 21,10–20 21,10 21,11 21,12 21,13 21,16–18 21,21–35 22,1 24,5
Stellenregister 225, 271, 277, 294, 298, 301, 303, 308, 336 17, 42, 65, 67, 277, 294, 299 173 9f., 14, 73, 115, 120, 277, 279, 300 287 93, 303 32, 307 303, 305 32 2, 10f., 17, 24, 32, 35f., 40, 42, 61, 144, 153, 288, 296, 303–319, 326f., 338, 340f., 343, 346, 362 34 306 17, 33f., 65, 303, 305, 308–310, 314 33f. 11, 21–23, 67, 97, 116f., 165f., 287f., 304–306, 309–311, 317f., 340 39 304–308, 310, 313, 316 306 11, 13, 24, 32, 144, 165, 304–310, 316– 318, 340f., 346 24, 309f., 317 304–308, 318f. 304–308, 314, 318f., 341, 346 17 303 42, 65, 303 42, 65 65 65 36 303 17, 42, 65 251
25 25,7 25,12 26 26,5 26,8–11 26,8 26,9–11 26,9 26,10 26,11 26,58 26,59 26,61 26,65 27 27,3 27,12–23 27,12–14 27,13 27,14 27,16 27,19 27,21f. 27,21 30,2 31 31,26 32 32,2 32,5 32,6–15 32,6–9 32,6 32,7–15 32,7 32,8 32,9 32,10–12 32,10 32,11f. 32,11 32,12
168, 273 273 172 193, 202, 241, 296, 318 239 241, 255, 276 239 238, 258 13f., 256 139, 238, 257 241, 273 276 161 267 220, 225, 228, 234, 296, 336 299 13, 246, 256, 296 220, 225, 294, 298f., 301f., 336 279, 296 161 9f., 14, 73, 115, 120, 293f., 300 270, 299 298 298 294 192 168 193 229, 255, 303 229 255 191, 209f., 212, 219, 228–230 229 229 229 229, 255 229, 294 209f. 220, 225, 229, 234, 336 229 224 230 220, 228–230, 296
Stellenregister 32,13–15 32,13 32,14 32,15 32,16–19 32,19 32,21 32,22 32,27 32,28–32 32,28 32,29 32,30 32,32 32,33–42 33 33,1–49 33,5–11 33,8–11 33,8 33,10f. 33,11 33,12–14 33,14f. 33,14 33,15 33,16f. 33,17f. 33,18–36 33,36f. 33,36 33,37–39 33,41–44 34 34,1–12 34,3f. 34,3 34,8 34,16–29 34,17 34,19 36,1 Deuteronomium 1–3 1
229 229, 236 229 229 229 255 255 255 255 229 193, 220, 298 255 255 255 228f. 131 65–67, 109, 132 70 65 66, 136 65, 70 109 109 119f. 132 109, 132 136 179 179 294 132, 294 296 304 193 194 294 194 194 193 220, 298 226, 228 192
29, 189f., 221 151, 154, 183–185, 188, 192, 198, 214, 220–224, 234–236, 328, 331f.
1,1 1,2 1,6–8 1,6 1,7 1,8 1,9–18 1,9 1,12 1,16 1,17 1,19–46
1,19–45 1,19–21 1,19f. 1,19 1,20–27 1,20–23 1,20 1,21 1,22–25 1,22–24 1,22f. 1,22 1,23 1,24–26 1,24f. 1,24 1,25–28 1,25–27 1,25 1,26–28 1,26f. 1,26 1,27–33 1,27f. 1,27 1,28–33 1,28–32 1,28
399 220 221, 294 220 220 220 80 151–153, 220, 328 151 151 151 152 13f., 32, 39, 183, 187f., 190f., 195, 198, 209f., 212, 219, 220–224, 225, 227, 229f., 233f., 331f. 189, 221 235 220, 222, 233f., 331 189, 194, 220f., 294 189 14, 183 189, 235 220, 235f. 236 220, 222, 233f., 331 192 185, 189, 220, 222, 224 189, 223 189 210, 222 209f., 220, 224 195 222 220, 222, 224, 233f., 331 210 220, 222, 233f., 331 14, 73, 236 14, 183 183 3, 14, 135, 166, 183, 185, 189, 220f. 332 189 189, 197, 210, 220, 223–225, 227, 234
400 1,29–33 1,29–31 1,29 1,31 1,32f. 1,32 1,33 1,34f. 1,34 1,35f. 1,35 1,36–38 1,36
1,37f. 1,37 1,38–40 1,38 1,39f. 1,39 1,40–46 1,40–45 1,40–44 1,40–43 1,40 1,41–43 1,41 1,42 1,43 1,44 1,45 1,46 2,1 2,2–6 2,10 2,11 2,14 2,16–3,17 2,21 3,23–29 3,23–28 3,24–28
Stellenregister 184, 220, 223, 234 183, 223 183 220 183, 189 13, 185, 300 185 189, 235 220, 222, 233f., 331 221 189, 220–222, 230, 233f., 331 189 210, 221, 223f., 227f., 230, 234, 236, 332 221, 224, 236 221, 236, 279, 299, 301 221 220f., 224, 230, 236 221 189, 203, 214, 220– 223, 233f., 331 189 332 189 220, 222f., 233f., 331 65, 221 223 13 14, 184, 223 14, 73, 184, 223 184, 220–223, 233f., 331 10, 137, 220, 222f., 233f., 237, 331 189, 194, 221, 294 65, 221 279 227 227 221, 294 222 227 220 299, 301 298
3,24f. 3,26 3,27f. 3,28 4,21f. 4,21 4,34 4,45–28,68 5,13f. 5,14 5,31 6,16 7,1–4 7,1f. 7,1 7,4 7,5 7,6 7,14 7,15 8,2 8,3 8,8 8,15f. 8,15
8,16 8,20 9f. 9,1f. 9,2 9,7 9,8 9,12–14 9,14 9,20 9,22 9,23f. 9,23 9,24 9,25 9,26–29 9,26 9,27
279 279, 299 279 221 299, 301f. 279, 299 79 189 101 102 78 12, 79, 120, 131, 133 177 6 177 80 315 275 81 80f. 12, 79, 88 86, 92, 108 288 131, 305, 312f., 341 125, 130, 289, 307, 311–313, 315f., 341, 346 12, 79, 88, 92, 108, 151, 312 13 34 223, 234, 332 197, 227 14, 73 14 231 230 310 10, 14, 120, 130, 133, 136, 140 73, 223, 234, 332 13f., 187, 221, 294, 300 14 230 231 231f., 310 231
401
Stellenregister 9,28f. 9,28 9,29 10,8f. 10,8 11 11,2–7 11,2f. 11,4 11,5f. 11,5 11,6 11,13–15 12,3 13,4 14,2 14,21 17,3 18,1–8 18,1f. 18,3 18,4–8 18,5 18,9–22 18,22 20,2–4 20,16–18 21,5 23,2–9 23,8f. 24,8f. 24,8 24,9 25,9 26,19 28 28,9 28,15–68 28,20 28,27 28,35 28,58–61 28,66 29f. 29,4f. 29,21 31,1–8 31,7 31,14f.
232 97, 231 231 266 270 258 257f. 257 65, 257 257 257f. 239, 250, 255, 257f. 80 315 79 275 275 80 266, 275, 334 266 266, 273, 334 266 266 258, 274 258 184, 223 6 266 177f. 228 162 162 162 176 275 81 275 81 80 81f. 81f. 81 300 189 80 81 220 221 152, 157
31,15 31,23 31,27 32,13 32,24 32,39 32,48–52
34 34,1–6 34,5 34,9 34,10
173 152, 157, 220f. 14, 73 130, 289, 312 307 82 133, 279, 298, 301, 336 132, 298 161, 298 9, 115, 120, 132f., 294, 298 132, 298 9, 12, 79, 115, 120, 132 318 298 42 220 157, 173
Josua 1–11 1,1f. 2–12 2 2,10 3,1 3,5 3,14 3,15 3,16 4,11 4,19 4,23 5,10–12 5,11f. 5,11 5,12 6,1–3 6,3 6,4 6,5 6,7 6,11 6,14 6,15 6,16 6,20
189 42 42 212 65 42 156 42 297 42 42 42, 297 65 106 106 311 105f., 108, 326 42 7 7, 42 42 7, 42 7, 42 7, 42 7, 42 42 42
32,48–50 32,50 32,51 32,52 33,8
402 6,21 6,24 7,7–9 7,12f. 7,13 8,1 8,2 8,10 8,11 8,12 8,13 8,14 8,19 8,21 9 9,3 9,6 9,8 9,14 9,15 9,18–21 9,18 9,21 9,23 9,24 9,27 10–12 10 10,1–4 10,1 10,3f. 10,5–7 10,5 10,9 10,10 10,29–32 10,34–40 10,36f. 10,38f. 10,41 10,42 11,21f. 11,21 11,22 11,23 12,10 12,13 13,1 14
Stellenregister 42 42 231 243 156 42 42 42 42 42 42 42 42 42 6, 15 42 42 42 6 6, 42 6 3, 6, 8 6 6 6 6 228 42 6 42 42 42 228 42 42 42 42 227 227 294 42 228 227 227 228 228 228 225 227
14,1 14,6–15
15,13f. 15,13 15,14 15,15–19 15,17 17,4 18,3–9 19,51 21,1 21,9–16 21,11 21,12 22 23 23,6–13 24,6 24,25 24,29
298 189, 191, 194, 209, 219f., 224–226, 227f., 234, 332 224 294 220, 224–226, 228 224f. 224, 227, 230 224, 226, 230 226 225 224, 226 225, 227 228 220, 224, 226, 228 224, 226 220, 224, 227f., 230 224, 227f. 224, 227 294 189, 191, 209, 219, 224, 226–228, 234, 331 226 226–228 227f. 226 220, 226 298 211 298 298 228 227 228 255 189 178 65 76, 78f. 225
Richter 1,9–11 1,10–15 1,13 1,14 1,16
228 228 220, 226 3 167f.
14,6–12 14,6f. 14,6 14,7 14,8 14,9 14,10f. 14,10 14,11f. 14,12 14,13f. 14,13 14,14f. 14,14 14,15 15 15,1–3 15,13–19
403
Stellenregister 1,20 2,4f. 2,6–3,6 2,6–9 2,6 2,7–12 2,11–19 2,11–13 2,11 2,14–16 2,14 2,16 2,18 2,19 2,20 2,22 3,1–6 3,1 3,4 3,5 3,7–11 3,7 3,8 3,9 3,10 3,11 3,12 3,15 3,30 4,1 4,2 4,3 4,11 4,23 5,1 5,31 6–8 6,1 6,6 6,7 6,11–24 6,31f. 6,34 7,17 7,19 8,28 8,32 10,6–16
227f. 197 143 189 143 143 143, 145, 158, 310, 337, 345 143 143 143 143, 310 143 143 143 143, 310 79 178 79 79 178 143, 158f., 337, 345 143 143, 310 143, 220, 226, 310 159 143, 220, 226 143 143, 310 143 143 143 143, 310 167f. 143 165 143 168 143 143, 310 143, 310 143 10, 115 159 139 139 143 143 310
10,6 10,7 10,10 10,15 10,16 11,16f. 11,16 11,29 11,33 12,7 13,1 13,25 14,6 14,19 15,14 16,16 16,21 18,1–10 20,26 21,2f. 21,10f.
143 143, 310 143f., 310 144, 310 309f. 294 65 159 143 143 143 159 159 159 159 309 253 212 137 197 211
1 Samuel 8,16 10,6 10,9 10,10–13 11,2 12,3 19,20–24 24,17f. 25,3 29,4 30,14 30,25
253 153 153 153 253 253 153 197 226 253 226 78f.
2 Samuel 3,29 11,14f. 11,18–22 18,12
175f. 211 211 170, 286
1 Könige 2,22 8,5 9,26 11,1–13 11,1 11,8
170, 286 13 65 178 178 315
404 14,11 14,23 16,4 18,38 19,4 19,8 21,8–11 21,23 21,24 22,44 2 Könige 1,9–15 2,1–18 2,8 2,14 2,15 2,19–22 2,19 2,21 2,22 3,9 5 5,1–14 5,3 5,6 5,7 5,8 5,10 5,11 5,13 5,14 5,27 6,15 7,3f. 7,5 7,8 7,10f. 9 12,4 12,21 14,4 15,4 15,5 15,35 16,4 17,9f. 17,11
Stellenregister 7 313 7 139 136 136 211 7 7 315
139 73 74 74 153 66, 68, 73f., 76, 83, 323f. 81 73f., 81 73 136 176f., 239f. 176 176 176 175f. 177 175, 177 176 177 175, 177 175f. 7 174 139 139 174 7 315 243 315 315 174f. 315 315 313 315
18,4 20,5 20,8 21,3 22,17 23 23,5 23,8 25,7
304f., 313–317, 319, 341, 346 82 82 315 315 315 315 315 253
Jesaja 1–40 3,7 3,13 5,20 6,2 6,6 7,9 7,17 7,20 8,7 11,2 14,29 19,22 23,16 29,24 30,6 30,12 30,26 32,15 35 40–66 40,8 42,2 42,14 44,3 45,23 46,3 48,21 49,15 50,2 50,6 54,2 55,11 57,18f. 58,9 59,1 63,10–14
52 197 9f., 115 66 307 307 300 48 48 48 153 307 82 7 3 307 3 82 152 49 52 149 197 153 152 149 153 289 153 149 176 251 149 82 3 149 152
405
Stellenregister 66,13
153
Jeremia 2,1–3 2,2f. 3,4 3,22 7,3 7,5 7,7 8,17 12,1 17,14 30,17 30,18 31,20 33,6 33,20 33,25 49,21
30, 41 30 30 82 203 141 203 307 9f., 115 82 82 251 165 82 172 79 65
Ezechiel 4,6 6,11 8,7–13 18 20 20,5 20,6 20,8 20,13 20,15 20,21 20,23 20,28 20,42 20,44 36,7 36,13f. 36,26f. 39,29 44,6–16 45,11 47,1–12 47,13–20 47,14 47,19 48,28
204 172 275 299 30 203 185, 203 14, 25 14, 25 203 14, 25 203 203 203 25 203 196, 235, 330 152 152 276, 334 156 73 194 203 120, 294 120, 294
Hosea 2,16f. 4,1 6,1 7,1 9,10 11,3 14,5
30, 41 9f., 115 82 82 30, 41 82 82
Joel 2,13 3
25, 231 152
Amos 7,1–6 5,19 9,3
24 307 307
Jona 3,3 3,4 4,2
136 136 25, 231
Micha 2,7 6,4
309 161
Nahum 1,3
25, 231
Habakuk 3,7 3,8
167f. 172
Sacharja 11,8
309
Maleachi 2,13 3,20
253 82
Psalmen 6,3 29,8 30,3 41,5 42–49 50,20 59,7f.
82 294 82 82 276 165 6
406 59,7 59,8 59,15f. 59,15 59,16 60,4 78 78, 5 78,8 78,15f. 78,15 78,16 78,17–31 78,17 78,18 78,19f. 78,19 78,20 78,21 78,22 78,24 78,25 78,29 78,30 78,32 78,37 78,40 78,41 78,56 81,5 81,8 84f. 86,15 87f. 90,8 95,8 95,9 99,6f. 103,3 103,8 105,28 105,40 105,41 106,6 106,7 106,9 106,14 106,16–18 106,16
Stellenregister 7 7 6f., 15 7 3, 7f. 82 31, 136 79 9, 13f., 73 136 289 289 136 9, 13f., 73 12, 79 171 11, 165 289 136, 171 13 108 108 10 10 13 13 9, 14, 73 12, 79 9, 12, 14, 73, 79 78 9, 115, 120 276 25, 231 276 169 8, 115, 120 79 173 82 25, 231 9, 14, 73 108 289 13 9, 14, 65, 73 65 10, 12, 79 256f. 14
106,18 106,22 106,24 106,25 106,32 106,33 106,43 107,11 107,17–22 107,20 114,8 136,13 136,15 137,1 145,8 147,3
139 65 12f. 3, 13f. 8, 14, 115, 120 9, 14, 73 9, 14, 73 9, 12, 14 84 82 289, 312 65 65 137 25, 231 82
Hiob 1,16 5,18 17,13 19,3 19,18 21,4 21,12 21,28 30,10 42,7–9
139 82 119 12 165, 171 309 197 251 176 148
Proverbia 23,32 27,7 30,17
307 66 253
Rut 1,9f.
197
Hohelied 3,2 3,3 3,10 5,7
7 7 119 7
Threni 2,3 3,39
139 3, 10, 135, 141
Ester 9,29
165
407
Stellenregister Esra 7,10 9–10 9,1
78f. 178 178
Nehemia 9 9,6–15 9,9 9,13 9,14 9,15 9,16–31 9,17 9,20 10,31 13,1–3 13,15–22 13,23–30
108 108 65 108 108 108, 203 108 14, 21, 25, 192, 231 108 178 178 101 178
1 Chronik 1,36 1,53 2,33 4,13 4,15 5,3 5,29 6,7–13 6,16–23 6,39–44 6,41 9,17–34 12,16 13,10 23,13 26,1–19
220, 226 220, 226 239 228 226, 228 239 161 276 276 228 228 276 297 287 270 276
2 Chronik 5,6 7,14 13,6 17,9 20,19 26,19–23 26,19f. 26,20 29–31 30,20
31,1
314
Judith 5,22
3
1 Makkabäer 11,39
3
Psalmen Salomos 5,13 16,11
3 3
Sapientia Salomonis 1,10f. 3 Jesus Sirach 10,25 31,24 37,30 45,18f. 46,7
3 3 137 256 3, 228
Matthäus 20,11
3
Lukas 5,30 15,2 19,7
3 3 3
Johannes 6,41 6,43 6,61 7,12 7,32
3 3 3 3 3
Apostelgeschichte 6,1 3 13 82 243 7 276 174f. 175f. 175 314 82
1 Korinther 10,10
3
Philipper 2,14
3
1 Petrus 4,9
3
408 Judas 16
Stellenregister
3
Schriften aus Qumran 1QS/1Q28 1QHa/1Q35 4QpaleoGen-Exl 4QExc 4QpaleoExm 4QLev-Numa 4QNumb
4QDtnh
8 8 109, 199 109 109f., 153, 267 169, 172 169, 172, 178, 194, 209, 238f., 261, 279, 339, 353 221
4QDtnj 4QPhyl A 4QPhyl K 4QSd/4Q258 4QDe/4Q270 4QRPc/4Q365 4QpsEzeka–f 4Q424 8QMez
258 258 258 8 8 8, 194, 209 39 8 258
Weitere Schriften Herodot Historiae 307 Josephus Antiquitates Iudaicae 95, 178, 252, 307
Liber Antiquitatum Biblicarum 237f., 254
Autorenregister Abela, A. 166 Achenbach, R. 7, 16, 19, 39–41, 45, 67, 72, 87, 96, 110, 113, 123, 126f., 135f., 140–142, 144–147, 150–152, 154, 157, 164, 167f., 170, 172, 174– 176, 178, 188–190, 192–194, 199, 201f., 204, 207f., 210f., 220f., 223– 226, 228f., 237, 248, 252, 254, 256, 258f., 261, 264, 266f., 269, 273–275, 281–283, 289, 293, 295–298, 300, 305, 311, 315 Ahuis, F. 247 Albertz, R. 67, 69, 72f., 80f., 87, 91– 93, 99, 110, 113f., 118–120, 122– 124, 126f., 152, 232, 281, 298 Arden, E. 283 Artus, O. 14, 16, 29, 67, 147, 158, 173, 183, 188, 193f., 196, 199, 203f., 207f., 228f., 237, 243, 248, 253f., 263, 275, 279f., 287 Aurelius, E. 23–25, 34f., 67, 69, 71–73, 76, 110, 112–115, 121f., 126–128, 135, 138–142, 144–148, 151, 153– 155, 188, 214–216, 222f., 231f., 240, 243, 247f., 251, 254, 258f., 261, 263, 269f., 295, 299, 305, 308–311, 313, 315, 317f., 340 Baden, J.S. 91, 146, 148, 151, 186, 195, 215, 221, 246, 250 Baentsch, B. 69, 71, 74, 80f., 118, 135, 146f., 164, 169–171, 186, 208, 247, 263, 281, 300, 305 Barth, C. 30–32 Becker, U. 46, 56, 143 Beentjes, P.C. 97 Ben-Porat, Z. 52 Berner, C. 6, 40–42, 69f., 72, 75–77, 79, 87–90, 93, 113f., 116, 119, 123–
128, 232, 238, 241f., 245, 248f., 251–256, 258–262, 264, 272, 280, 289, 305, 308–310, 314, 316f., 322 Beyerle, S. 82, 305, 307, 315, 319 Blum, E. 29, 37, 44, 56, 69, 81, 87, 101, 114, 118–120, 123–126, 135, 146f., 152, 157, 163, 167f., 171, 173, 188, 241, 248, 252, 258f., 265, 275, 279, 281–283, 286, 288, 291f., 295, 298–300, 305, 317 Bogaert, P.-M. 267 Boorer, S. 186, 280, 286f., 294, 300 Brockelmann, C. 220 Broich, U. 61 Budd, P.J. 137, 140, 146, 164, 167, 177, 186, 194f., 209, 238, 247, 254, 281, 291, 305 Bührer, W. 12, 25, 33f., 42–46, 85, 102, 104, 146, 154, 168, 196, 203, 211, 231, 246, 259, 291, 301 Buis, P. 16 Burnside, J.P. 296 Cancik-Kirschbaum, E. 56f. Carr, D.M. 46, 56 Childs, B.S. 16, 31f., 36, 38, 69, 72f., 84, 120, 238 Coats, G.W. 2–4, 7, 12, 15, 19, 31, 38, 65f., 69, 71f., 140, 146, 153, 164, 170, 186, 193, 195, 199, 204, 243, 247, 254, 269, 281, 293, 305, 308, 311 Davies, G.I. 65 Dershowitz, I. 235 Diebner, B.J. 167, 178 Dietrich, J. 154, 287 Dohmen, C. 69, 72, 80, 111, 114, 121, 123
410
Autorenregister
Dozeman, T.B. 71, 118 Ebach, R. 81 Eerdmans, B.D. 68f., 114, 123, 126 Eißfeldt, O. 146, 163, 167, 186, 208, 247, 281, 305 Fischer, I. 165, 167, 169 Fishbane, M. 46, 49–51, 59f., 275 Frevel, C. 42, 87, 95, 103, 125, 132, 177, 186, 196, 267, 280, 284–287, 289, 291–293, 295f., 299–301, 305, 315 Focken, F.-E. 143f. Frahm, E. 55 Franke, S. 57 Frankel, D. 16, 38, 67, 87, 132, 137, 164, 187f., 192–194, 198–200, 202, 204f., 208, 214–216, 223, 225f., 229, 247f., 254, 268, 281, 284–289, 291, 305 Fritz, V. 32f., 36, 69–72, 80, 113, 120, 126, 135, 140, 143, 145f., 163, 167, 186f., 193–195, 204, 208, 211f., 217, 226, 247, 251f., 255, 261, 269, 281, 298, 305, 309 Fuhs, H.F. 295 Gall, A. von 172 García Martínez, F. 8 Garton, R.E. 29, 67, 110, 114f., 119f., 123, 125, 130–133, 280–282, 285f., 290 Gaß, E. 224, 226 Gathmann, S. 3f., 6–8, 15, 67, 238, 244 Gerhards, M. 167f. German, B.T. 78, 80 Germany, S. 6, 29, 42, 65, 69–72, 75– 77, 79, 113f., 118f., 123f., 126f., 135, 140f., 146f., 151f., 164, 170, 179, 188, 193, 199, 204, 210, 214f., 221, 226, 241, 248, 251, 253f., 256, 258, 261f., 264, 272, 303, 328 Gertz, J.C. 34, 42, 46–48, 54, 56, 58, 60, 74f., 85, 89, 91, 103, 116, 123f., 126f., 232, 273, 300, 305–307, 309– 311, 314f., 317, 319, 322 Gesche, P.D. 56 Gesundheit, S. 89
Grätz, S. 127 Groß, W. 143f., 228, 232 Grund(-Wittenberg), A. 56, 87, 94, 99, 101–104 Gunkel, H. 7 Gunneweg, A.H.J. 146, 148, 152, 157f., 171, 173f., 246f. Haarmann, V. 176 Haar Romeny, B. ter 47, 57, 184, 187, 196f., 240 Härle, W. 47 Hartenstein, F. 85, 87, 102, 152 Helbig, J. 61 Hendel., R. 235 Herrmann, W. 113 Hertzberg, H.W. 48 Hieke, T. 162, 174 Holzinger, H. 66, 69, 71, 80, 87, 91f., 99, 146f., 154f., 164, 167, 170, 186, 208, 247, 281, 305 Hossfeld, F.-L. 6f., 136 Houtman, C. 66f. Jacob, B. 79, 123 Janowski, B. 202 Jeon, J. 113, 127, 188, 208, 226, 248, 257f., 330 Jericke, D. 168, 226, 295 Johnstone, W. 113, 131 Joines, K.R. 307 Jonker, L. 314f. Joüon, P. 141, 172 Kahl, J. 56f. Keel, O. 307 Kessler, R. 79, 161, 174 Kislev, I. 186, 199, 202, 225, 276 Knauf, E.A. 295 Knierim, R. 4, 12, 31 Knipping, B.R. 29, 188, 192f., 199, 204, 208, 215, 259 Koch, C. 81 Koch, K. 74 Köckert, M. 87, 101 Koenen, K. 305f., 314f. Kohata, F. 132, 279, 281, 285, 291, 295 Konkel, M. 232
Autorenregister Kratz, R.G. 42, 46f., 50–52, 57, 71, 75, 85, 87, 119, 188, 248, 262, 328 Krause, J.J. 52f., 58f., 61, 106 Kselman, J.S. 171 Kuenen, A. 87, 91, 100f., 186f., 194f., 224, 246f., 253–255, 262f., 271, 286, 300 Kugel, J.L. 50, 60 Kugler, G. 226, 228 Kupfer, C. 12, 40, 67, 69, 79, 84, 112, 122, 147, 153, 166, 169–172, 213, 243, 254, 288, 291, 295, 297 Lamberty-Zielinski, H. 65, 67, 69 Lang, M. 307 Lehming, S. 120, 133, 247f., 281 Leppin, V. 47 Leuenberger, M. 23f., 56 Leveen, A. 286 Levin, C. 29, 42, 46f., 56, 67, 69f., 72, 75, 77, 79, 87, 106, 110, 113, 121– 123, 126, 135, 138, 140, 146, 164, 188f., 192–195, 197–199, 202, 204, 211–215, 248, 256, 262, 280, 305, 309, 322 Levine, B.A. 147, 186, 255 Levinson, B.M. 46–50, 53, 56 Lim Teng Kok, J. 290 Locher, C. 203 Lohfink, N. 16, 66f., 69, 71f., 77–84, 196 Lux, R. 247, 252, 258f. MacDonald, N. 113, 125 Maiberger, P. 87, 93–95, 97, 101, 151 Maneschg, H. 11, 308f., 316 McCarthy, C. 173, 185, 258 McEvenue, S.E. 186, 202, 215 Meer, M.N. van der 184, 214, 221 Meyer zu Hörste-Bührer, R.J. 25, 231 Milgrom, J. 166, 169, 172, 175, 278, 285, 291, 293, 307, 309 Mostert, W. 47 Müller, R. 47, 57, 184, 187, 196f., 240 Muraoka, T. 141, 172 Na’aman, N. 315 Niehr, H. 82
411
Nihan, C. 49, 85, 101, 113, 152, 174, 175, 267, 281–283, 285, 287f., 291– 295, 298f. Noth, M. 29–31, 45, 65, 69, 71, 80, 99, 113, 120, 126, 140, 142, 146f., 163, 167, 169f., 186–188, 191, 193–196, 199, 204, 215, 217, 225f., 228, 238, 247, 255, 267, 280, 295, 305, 308, 313 O’Connor, M. 93, 172 Olson, D.T. 194, 202, 206 Osten-Sacken, E. von der 94, 155 Oswald, W. 124, 289 Otto, E. 39, 49, 81, 96f., 116, 150, 187– 190, 192f., 201f., 207–211, 214f., 220, 227, 229, 231f., 313 Pakkala, J. 47, 57, 184, 187, 196f., 240 Perlitt, L. 87f., 126, 170f., 196f., 221– 223, 227 Pfister, M. 61 Pohlmann, K.-F. 204 Pola, T. 85, 87, 90f., 95f., 119, 188, 202, 247, 300, 329 Porzig, P. 39 Pries, A.H. 55 Propp, W.H. 278, 282, 292f., Pyschny, K. 29, 151, 237–239, 243f., 246–259, 261, 263–267, 269, 272f., 275 Rabe, N. 29, 183, 186, 188, 192–198, 201f., 204f., 207–209, 211f., 215– 217 Rad, G. von 15, 30, 87, 247, 280 Rapp, U. 164–170, 172, 174–176, 281– 283, 286f., 289, 291f., 295, 300 Rendtorff, R. 33f., 44 Richelle, M. 235 Robinson, B.P. 166 Rohde, M. 24 Röhrig, M.J. 59, 267f. Rollinger, R. 307 Römer, T. 19, 33, 40f., 45, 72, 87, 113, 116–118, 124, 127, 146, 151f., 157, 164f., 167, 169, 171f., 178, 247, 281, 305, 307, 317, 326
412
Autorenregister
Rose, M. 147, 151, 185, 188, 212, 222, 226, 308, 317 Rösel, M. 245, 269 Roskop (Erisman), A. 65, 67, 93, 295 Rudnig-Zelt, S. 26, 29, 188, 192–199, 202, 204, 207f., 210–217, 220f., 223, 226, 295, 328–330 Rudolph, W. 169 Ruprecht, E. 87, 91, 93, 98f., 102f., 105, 113, 120 Rüterswörden, U. 196 Sakenfeld, K.D. 281f., 291f. Samuel, H. 162, 238, 241f., 248, 251– 263, 266, 269f., 273, 275f. Sauerwein, R. 74, 176 Scharbert, J. 147, 163, 186, 238, 247, 252, 305 Schart, A. 16, 34–37, 40, 69, 87, 100, 103, 110, 113, 119f., 122, 135, 146, 153, 164, 166, 186, 193–196, 199, 213, 215, 219, 221–223, 229, 231, 247, 252, 279, 281, 283–289, 291– 295 Schinkel, D. 162, 171, 176 Schipper, B.U. 305–307, 314, 317 Schmid, H.H. 33f., 69, 113, 120, 143– 146, 164, 305, 309 Schmid, K. 34, 45–49, 51, 53f., 56, 58f., 61, 74, 85, 162 Schmidt, L. 16, 36–38, 67, 71, 87f., 91, 93, 99, 107, 113, 118, 123f., 126, 145–147, 164, 166f., 169, 171,174, 176, 186f., 192–195, 197, 199, 202, 204–207, 209, 211f., 214, 216f., 223, 229, 247, 254, 263, 272, 280, 286, 289, 291–293, 305, 315, 317 Schmitt, H.-C. 127, 152, 157f., 173f., 214, 247, 253, 259 Schmitt, R. 307 Schnutenhaus, F. 76 Schorch, S. 14 Schorn, U. 247, 253, 255, 257–259 Schreiner, J. 46, 49 Schunck, K.-D. 4, 31 Seebass, H. 34, 139, 142, 146f., 164– 167, 169f., 186, 193–196, 204, 209, 217, 238f., 243, 247, 254, 262f., 265, 281, 286f., 291–293, 305
Seeligmann, I.L. 48, 50 Sénéchal, V. 214f., 231f. Ska, J.-L. 301 Sommer, B.D. 47, 50–53, 58f., 97, 146, 148 Specht, H. 281, 283, 289, 291f., 295– 297 Sperling, S.D. 166, 173, 176 Spieckermann, H. 25, 231, 314f. Stackert, J. 49, 58 Steck, O.H. 48f., 52, 60 Stipp, H.-J. 61 Stoppel, H. 232 Struppe, U. 26, 29, 71, 91, 94, 186, 200, 202, 247, 280, 283, 286f., 289 Suchard, B.D. 235 Suerbaum, U. 61 Tal, A. 172 Tigchelaar, E.J.C. 8 Tropper, J. 4, 6f., 31 Tucker, P.N. 87, 91, 102 Uehlinger, C. 164, 167, 170–172 Utzschneider, H. 289 Van Seters, J. 29, 33f., 67, 69, 71, 79, 87, 118, 141, 147, 149, 151, 154, 164, 188, 248, 305, 308f., 312 Veijola, T. 258, 313 Vervenne, M. 2, 16, 19, 32, 116 Wagner, T. 26, 188, 246, 284 Wagner, V. 127 Waltke, B.K. 93, 172 Weingart, K. 58, 61, 97 Wellhausen, J. 45, 47–49, 71, 87, 93, 99f., 105, 133, 135, 146–148, 153f., 156, 164, 186f., 194, 224, 246f., 253, 255, 260, 263, 267f., 271, 275, 281, 296, 305 Wenham, G.J. 147, 166, 172, 265, 283, 286, 291 Wénin, A. 306f., 316 Wevers, J.W. 11, 21, 137, 154, 172, 183, 185 Weyde, K.W. 46, 61 Widmer, M. 23, 186 Winslow, K.S. 167, 169, 178
Autorenregister Wright, J.L. 226f. Würthwein, E. 74 Zakovitch, Y. 46, 54, 59 Zahn, M.M. 46, 58
413
Zanella, F. 4, 7f., 31 Zenger, E. 6f., 87, 112f., 119, 121, 123, 126, 136, 280 Zimmerli, W. 48, 56 Zwickel, W. 247
Sachregister Aaroniden 263, 266, 268–271, 273, 276, 334 Abschrift 57f., 60 Adaption 17, 48, 57, 63, 145, 222, 231, 234, 289, 301, 331, 335f., 341, 343, 345 Ägyptennostalgie/Infragestellung des Exodus 5, 18–23, 41, 61, 67, 96, 113f., 116f., 129, 138, 149f., 157, 198f., 278, 287f., 304f., 310f., 325, 330, 335, 340f. Aktualisierung 48f., 51f., 56, 58–61, 275 Anspielung 25, 51f., 58f., 88, 97, 196, 209, 231, 250, 286 Anwendung 54, 59, 61, 292, 296, 336, 338, 341 Auslegung 1, 11, 46–63, 83, 100, 107, 129f., 308, 321, 323, 325f., 330, 335f., 338, 341, 343f. Autorität/autoritativ 6, 49, 53, 58, 60, 140, 151, 173, 175f., 216, 265, 309, 315, 341 Bearbeitung 39f., 42, 75f., 90, 114, 119, 125, 128, 130–132, 146, 189f., 220, 228, 247–251, 254, 257f., 261f., 264, 266, 268f., 270–276, 298–300, 305, 326, 333–335, 344, 361 diachron 6, 19, 34–36, 55, 58, 61, 69– 71, 76f., 87f., 92, 100, 104, 111, 129, 164, 171, 173, 176, 249f., 265, 285, 287, 291f., 305, 313, 327, 334, 345 Doppelung 88f., 93, 112, 114, 116, 123, 129, 221, 227, 252, 287 Dublette 114, 202, 208, 217
Einschreibung 52, 54, 57f., 127, 144, 332 Elim 18, 42, 68, 70–72, 83, 87f., 94, 115, 118f., 129, 321, 347f. Ergänzung 38f., 45, 56f., 78, 80, 82–84, 87, 100f., 104–106, 110, 113, 120f., 125, 132, 147, 186, 205f., 209, 212f., 218–225, 228, 231, 233–236, 245f., 249, 269f., 290, 308, 326, 331f. Ergänzungsmodell 43–45, 58, 187, 189, 206, 213f., 217f., 229, 247f. Erklärung 59, 66, 95, 98, 106, 147, 311, 315 Erweiterung 14, 38, 44, 58, 69, 75, 94, 97, 105, 113, 131, 156, 158f., 164, 186, 189, 204, 223f., 228f., 234, 238, 247–249, 254, 257, 263, 279, 286, 299, 308, 316, 323f., 328, 330f., 333, 336–338, 345 Fortschreibung 14, 41f., 44f., 47–49, 51, 54–63, 98, 107, 130f., 155, 187, 190, 199, 205, 211, 213, 219, 248, 250, 262, 272, 275, 321, 325f., 343 Fortschreibungsmodell 166, 249, 262, 275 Fragmentenmodell 39, 43, 45, 58, 73, 119, 187f., 218, 248, 262f., 266 Fürbitte 18, 22–26, 28, 34f, 39, 61, 67, 110, 127f., 135, 139–141, 144, 153, 162, 169f., 175, 177, 179, 182, 213, 215, 219, 230–233, 263, 270f., 304, 306, 308, 310, 316f., 331, 335, 339, 341, 344, 346–348, 350f., 353, 356, 359f., 362 Glosse 48, 57, 92, 126, 132, 166f., 170, 194, 261, 281
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Sachregister
Harmonisierung 4, 14, 28, 67, 70, 99, 147, 167, 220, 235, 241, 243, 282, 285, 294, 308 Hazerot 136, 139, 161f., 170, 179, 181, 327f., 339, 352f. Hinzufügung 24, 27, 35, 38, 66f., 86f., 100f., 124, 132, 146, 164, 166, 173, 179, 204f., 251, 260, 268, 281, 285, 339 Horeb 34, 111f., 125f., 128, 131, 133, 220, 231, 233, 323, 348 Horma 183, 303, 337, 357 Infragestellung des Exodus, siehe Ägyptennostalgie/Infragestellung des Exodus Interpretation 32, 40f., 47, 49f., 52, 58f., 67, 88, 116, 157, 167, 326 intertextuell 57, 61, 69, 104, 218, 234, 275, 313, 323–326, 331, 337 intratextuell 61, 97, 104, 322 Itinerar/Stationenverzeichnis 16–18, 42, 61, 65–67, 69–72, 74f., 79, 83f., 88, 109, 118f., 125–129, 131, 136, 139, 142, 161, 170, 179, 277, 295, 297, 303, 308, 310, 321f., 324, 328– 330, 332, 345, 350, 352f. Kadesch 9, 42, 120, 131, 194, 206, 221, 234, 277f., 281, 293–295, 297, 299, 328, 331, 355, 361 Kadesch-Barnea 221, 224, 294f. Kanon/kanonisch 1, 9, 25f., 39, 41, 46f., 50–54, 56, 235, 304, 308, 321, 340, 343 Kohärenz/kohärent 40, 44, 205, 213, 217, 229, 241f., 252, 261, 265, 274, 284, 292 Kommentar 48, 50f., 57, 93, 147, 156, 168, 170, 207f., 214, 216 Kompilation 57, 163, 186, 211, 213, 249f., 281 Komposition 37, 44, 54–56, 60, 104, 130, 163, 171, 187, 296 Korrektur 5, 50, 59, 107, 179, 184, 192, 216, 220, 240, 271, 326, 339, 345 Kürzung 58, 235, 308 Lebenswelt 59, 63, 101, 107, 325, 344
Leerstelle 59, 109, 141, 167, 278 Leviten 161, 240, 242, 244, 246, 248, 260f., 263f., 266, 268–273, 275f., 290–292, 298, 333f., 344, 358, 360f. Lücke, erzählerische 14, 187, 211, 213, 243 Manna 5, 11, 16, 20, 37, 86–109, 136f., 147, 149–151, 153, 155–157, 159, 311–313, 316, 324f., 337, 343, 350f. Mara 9, 18, 35, 42, 66, 68–75, 80, 82– 84, 94, 113, 115, 118, 128f., 294, 321–323, 347 Massa 9, 68, 109, 111, 113f., 119–121, 128, 130–133, 136, 139, 153, 278– 280, 294f., 321f., 348 masoretischer Text 3, 7, 13f., 28, 39, 68, 91f., 99f., 104, 109f., 118, 132, 137, 153, 169, 172, 177f., 182f., 194, 199, 209, 226, 238f., 241, 256, 261, 265, 267, 269, 271, 282, 308f., 314, 339, 353 Meriba 9, 68, 72, 109, 111, 113–115, 119–121, 128, 130–133, 139, 153, 277–281, 286, 290, 294f., 321f., 335f., 348, 362 metanarrativ(er Erzählerkommentar) 93, 147, 156, 166–168, 170, 176, 207f., 216 Midrasch/midraschartig 48, 94, 151 Modifikation 57f., 142, 158, 337 Murren – Deutung des Murrens 4–15, 18, 61f., 73, 89, 106, 110f., 121f., 129f., 137f., 182, 256, 265, 279, 285, 309, 321–346 – Murrlexem 2–15, 18, 23, 35, 38, 62, 67, 75–77, 112–117, 131, 135, 137, 166, 185, 243, 256, 285, 287, 301, 317, 325, 334f., 340 – אוהhitp. „begehren“ 10, 119f., 136f., 171, 177, 339, 351f. – לא+ אמן בhiph. „nicht glauben an“ 4, 13, 185, 213, 356 – אנןhitpol. „klagen“ 10, 135, 141, 338f., 350 – „ בכהweinen“ 4f., 10, 12, 136–138, 148f., 158, 181, 185, 197, 212f., 339, 351, 355
Sachregister – „ דבר בreden gegen“ 10f., 162, 165f., 168, 170f., 178, 304, 306, 309, 317f., 340, 352f., 362 – „ חטאsündigen“ 13, 175, 217, 310, 353, 357, 362 – יעד עלniph. „sich versammeln gegen“ 4, 13, 182, 201, 256, 268, 287, 330, 357f. – „ לון עלmurren gegen“ 3–9 (Einführung) und durchgehend in der Arbeit – „ מאסverwerfen; verschmähen“ 12, 198, 203, 252, 351, 357 – „ מרד בsich auflehnen gegen“ 4, 12, 15, 181, 185, 201, 243, 355 – „ מרהwiderspenstig sein“ 4, 9, 13– 15, 73, 84, 246, 264f., 292f., 300, 302, 336, 361f. – נאץpi. „verachten; verwerfen“ 4, 12f., 182, 185, 213, 256, 333, 356, 359 – נסהpi. „versuchen“ 4, 9, 12f., 18f., 68, 79, 110f., 113, 120f., 126, 129– 131, 153, 182, 185, 213f., 322f., 348, 356 – נצה עלhiph. „streiten gegen“ 13f, 256 – קהל עלhiph./niph. „(sich) versammeln gegen“ 4, 9, 11, 13, 27, 113, 240, 243, 245, 259, 263, 265, 269f., 278, 283, 285, 287, 297, 301f., 334f., 358–361 – קנאpi. „reizen“ 14, 256f. – קצףhiph. „erzürnen“ 14 – רגןniph. „murren“ 3, 8, 14, 135, 183, 185 – את/ „ ריב עםstreiten mit“ 4, 9–12, 110–117, 120f., 126, 129, 131, 140, 153, 278f., 285f., 293, 297, 301f., 321, 335, 348, 361f. – לא+ „ שׁמע בקולnicht auf die Stimme hören“ 4, 13, 182, 185, 213f., 356 Nachtrag/nachträglich 6, 14, 23, 32, 38, 41, 48, 69f., 74f., 77–82, 87, 91, 94f., 97–108, 113, 116, 119f., 123– 129, 133, 138, 140, 146f., 151f., 155f., 161, 164, 178, 186, 192f., 199–208, 213, 216f.,220, 223f., 229f., 232f., 236, 239, 241, 250, 258,
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260–263, 267f., 273, 280f., 290–292, 294f., 299, 303, 311, 323–325, 328, 330f., 343f., 348, 350, 357f., 361 narrative Verschlimmerung 5f., 9f., 15, 18f., 61f., 114–116, 121f., 129f., 279, 323, 330 Paran 161f., 170, 179, 181, 192, 195, 231, 237, 277, 294, 327f., 353–355 Pescher 51 Peshitta 285 Produktionsästhetik/produktionsästhetisch 1, 55, 61, 343 Quellenmodell 33f., 36f., 42–45, 49, 58, 62, 74, 87, 105, 111f., 119, 151, 163f., 186–191, 194, 199, 206, 212f., 218f., 221f., 229, 233, 235, 247, 249, 258, 262, 275, 281, 295, 304f., 326 Qibrot-Hattaawa 10, 120, 130, 135– 137, 139, 158, 161, 179, 295, 327f., 336, 339, 350, 352 Réécriture 39f., 57, 132, 140, 147, 150, 190, 202, 211, 248 Rephidim 75, 109–111, 118–121, 125, 129f., 132, 153, 278f., 313, 321f., 338, 347f. Revision 52f., 58, 93 rewriting 51, 53, 57f. Rezeptionsästhetik 1, 55, 61, 119, 316, 343 Rückwirkung 57, 59, 61, 63, 83, 125, 343 Sabbat 16, 86–89, 92f., 97–109, 150, 155f., 325f., 349f. Samaritanus 3, 13f., 21, 24, 28, 66–69, 92, 99, 104, 109f., 116, 152f., 166, 169, 172, 178, 183–185, 192, 194, 199, 209, 221, 224, 231, 238f., 242, 256, 258, 267, 271, 279, 298f., 306, 309, 339, 353 schriftgelehrt 3, 41, 46–63, 66f., 77–84, 93, 125, 132, 147, 149, 164, 173, 178, 234, 297, 303, 305f., 310, 313, 316–319, 321–346 Septuaginta 3, 6f., 9–14, 19–21, 24, 27f., 65–70, 80, 86, 91–93, 97, 99,
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Sachregister
104–106, 109f., 115, 117f., 125, 135–137, 141, 144, 153f., 165f., 168f., 172, 176, 178, 182f., 185, 192, 194, 196, 199, 203f., 209, 214, 220f., 226–228, 231, 238f., 241, 245, 251, 261f., 267, 269, 271f., 281f., 284, 290f., 293f., 304, 306, 308f., 314, 324, 339, 353, 361 Sin 118f., 350 Sinai 34, 36, 42, 79, 88, 90f., 95f., 106– 108, 119, 132, 136, 140, 145, 160, 215, 231f., 261, 310, 321–323, 325, 327–330, 338, 348 Stab 75f., 111, 123–126, 128, 132, 244f., 247, 249, 251, 263f., 282f., 289–293, 298, 300, 302, 316, 323f., 336, 348, 360–362 Stationenverzeichnis, siehe Itinerar/Stationenverzeichnis synchron 2, 6, 14, 35f., 55, 61, 77, 87, 92, 107, 110, 129, 201, 270, 277, 305, 323–325, 330, 338, 343 Tabera 33, 119, 130, 133, 135f., 140, 158, 295, 310, 318, 327f., 336, 350f. Targum(im) 7, 11, 153, 172, 178, 304, 308, 316, 339, 353 Text – Geber-Text 57, 61 – Hypertext 57, 61 – Hypotext 57, 61 – Nehmer-Text 57, 61 – Referenztext 51–53, 57–59, 61, 63, 93, 123, 126, 128, 152, 286, 311, 316, 323, 343 – Textausfall 57, 170, 211, 213, 215, 218, 239, 256, 296, 299 – Textauslassung 187, 239f., 251, 296, 314 – Textbezug 46, 52, 56f., 59, 61, 63, 217, 324f., 343 – Textbindung 51, 57f., 83, 324f., 331f., 334, 336, 338, 340f., 345 – textextern motiviert 59–61, 63, 107, 234, 260, 275, 325f., 331, 334, 340, 344
– textgeleitet 47, 54–57, 59f., 62, 343 – textintern motiviert 59–61, 98, 326 – Textwelt 59 – siehe auch intertextuell, intratextuell Theophanie 11, 18, 23, 25–29, 61f., 88, 90–92, 94f., 98, 106, 112, 125f., 128f., 169, 172, 178, 181, 191, 200, 214, 222, 245, 263, 269f., 279, 282, 284, 288, 323f., 329f., 334, 339, 349, 353, 355, 359f., 362 Tilgung 91, 132, 205, 282 Tora 39, 45, 68, 77, 81f., 157f., 173– 175, 178f., 190, 339f., 345f. Transformation 41, 51, 54, 61, 326 Übersetzung 3, 7, 9–15, 51, 57, 92f., 153f., 165, 168, 172, 178, 183, 185, 192, 199, 226, 240, 243, 269, 281, 285, 293, 308, 311, 339, 353, 361 Umarbeitung 39, 58, 132, 280, 285 Umformulierung 57, 187, 239f. Umstellung 91, 148, 187, 193, 211, 228, 240 Vorlage 92, 113, 118, 122, 125, 131, 144, 228, 267, 296 Vulgata 7, 28, 110, 117f., 153, 240, 243, 308 Wachteln 11, 16, 37, 85–92, 94–98, 101, 103–109, 120, 136f., 140, 146– 151, 154–156, 159, 313, 316, 324f., 337, 343, 348–350, 352 Wiederaufnahme 97, 193, 202, 211, 250, 261, 273, 309, 328, 335, 340 Zin 132, 183, 194, 212, 237, 277f., 294, 299, 328, 354, 361 Zitat 4f., 9f., 13, 51–53, 58, 90, 97, 105, 112, 116, 138, 183, 196, 202– 204, 215, 220f., 228, 231, 286 Zusatz 71, 113, 123, 132, 185, 196f., 210, 223, 225, 234, 236, 240f., 272, 305, 324, 332