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German Pages 71 [72] Year 1893
Schiedseid ober
H^arteienvernehmung? )m Hinblicke auf die Verhandlungen des deutschen )uristentages von
Dr. Iofef Trnttev.
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München 1893. Verlag von R- Oldenbourg.
Herrn Geheimen Dustizrat
Professor Dr. Heinrich Brunner, derzeit Mitglied der ständigen Deputation
des Deutschen )uristentages,
in alter Freundschaft und warmer Verehrung
gewidmet.
^chiedseid oder Parteienvernehmung? Die von dem deutschen Juristentage bereits einmal verneinend beantwortete Frage, ob die Eideszuschiebung im Civilprozeß durch die Vernehmung der Parteien als Zeugen zu ersetzen sei, wird
auf 1893 verschobenen D. I. St.
dem für 1892 einberufenen,
zur neuerlichen Beantwortung
vorliegen.
Den vielfachen,
aus
früherer Zeit stammenden, von hervorragenden Rechtsgelehrten in Wort und Schrift dargebotenen Erörterungen jener hochwichtigen
Frage schließen sich nunmehr noch zwei Gutachten an, die von Frhrn. v. Canstein und von Kleinfeller für den D. I. T.
verfaßt und in den „Verhandlungen des 22. D. I. St." „Gut achten" I. Band, S. 3—66 und S. 67—107 abgedruckt sind.
Die
Verschiebung des 22. D. I. T. bietet Gelegenheit, einiges über
diese beiden Gutachten und über die Frage selbst in eingehenderer
Weise vorzubringen, als dies bei den Verhandlungen desselben selbst möglich wäre. Frhr. v. Canstein entscheidet sich für die Beibehaltung
des Schiedseides neben Zulassung der freiwillig angebotenen
zeugeneidlichen Vernehmung
und bringt bezüglich des Schieds
eides Reformvorschläge vor, während Kleinfeller sich für
die Ersetzung des Schiedseides durch die Vernehmung der Par teien als Zeugen unter Aufstellung bestimmter Sätze, welche für diese zu gelten hätten, ausspricht. Trutter, Schiedseid oder Parteienvernehmung?
1
Die Erstatter der beiden Gutachten beschäftigen sich zunächst mit dem Wesen unseres Schiedseides; nach der Ansicht des einen ist dieser ein Beweismittel, nach der des anderen wird er wenigstens von derR.C.P O. als solches behandelt. Frhr. v. Can stein erklärt im Anschlüsse an Glaser als Beweismittel des Beweispflichtigen nicht den Eid des Delaten, sondern den des Deferenten, zu welchem dieser sich mit der Delation des Schiedseides erbietet (S. 9). In dem durch die Eideszuschiebung bewirkten, aber nicht etwa dahin, daß der Delat zu einem Zeug nisse über das Beweisthema, sondern bloß dahin, daß er — ähnlich wie beim Kalumnieneide — zur Beschwörung seiner bona fides, oder aber zur Beschwörung seiner Ignoranz angehalten wird, gerichteten Zwang liege ein Moment, welches es rechtfertigt, daß dem Eide des Beweispflichtigen über die Wahrheit (?) des Beweis themas unbedingt volle Beweiskraft geschenkt wird (S. 11). Kleinfeller führt aus, daß der zugeschobene Eid in Deutschland aller dings als Schiedseid und nicht als Beweiseid recipiert, wohl aber später gegen seine Natur zum Beweismittel gestempelt wurde, obwohl er nicht fähig ist, den Platz eines Wahrheitserforschungs mittels auszufüllen (S. 73, 74 und 76). Die Eideszuschiebung sei nicht Beweisangebot, sondern Ablehnung der Beweisführung unter Überwälzung der Beweislast auf den Gegner (S. 77). Obwohl die Erstatter der beiden Gutachten darin überein stimmen, daß dem. Schiedseide heute Beweismitteleigenschaft zugestanden ist, sind sie doch ganz entgegengesetzter Ansicht darüber, worin das Beweismittel bestehe; Kleinfeller erwähnt nebenbei noch eine dritte, von ihm als falsch bezeichnete Ansicht, nach welcher nicht der Eid, sondern die Eideszuschiebung Beweismittel sein soll. Kleinfeller will den Schiedseid abgesägt wissen, weil er die ihm aufgehalste Eigenschaft eines Wahrheitserforschungs mittels nicht auszufüllen vermag; Frhr. v. Canstein möchte einen rationell entwickelten und verbesserten Schiedseid erhalten sehen, weil er ein der Dispositionsmaxime des Civilprozesses so
3
Allgemeines.
vorzüglich entsprechendes Feststellungsmittel der Wahr heit
ist.
Schärfere Widersprüche
in
der Begründung
der
einander entgegenstehenden Gutachten lassen sich wohl kaum denken. Will man sich in Beantwortung der dem nächsten deutschen
Juristentage gestellten Frage für das eine oder andere entscheiden,
so wird man, glaube ich, am besten thun, zunächst zu untersuchen, ob denn der Schiedseid wirklich ein Beweismittel, ein Wahrheits
erforschungsmittel ist, oder ob er etwa ein Mittel ist zur Feststellung einer Thatsache, die wegen Mangel von Beweismitteln dem Richter
nicht bewiesen werden kann, weiters zu sehen,
ob er nicht
gerade als solches gute Dienste zu leisten vermag, insbesondere ob er etwa als solches, nicht aber als vermeintliches Feststellungs mittel derWahrheit einer streitigen Thatsache derDispositions-
maxime des Civilprozesses entspricht. Ich würde die B e i b e h a l t u n g des Schiedseides befürworten, weil er kein Beweismittel ist, mit der Wahrheitserforschung gar nichts zu thun hat, sondern lediglich ein Mittel ist, eine wegen
Abganges, von Beweismitteln nicht beweisbare Thatsache im Prozesse unabhängig von der richterlichen Überzeugung von ihrer Wahr heit festzustellen, wie ich
dies in meinen
beiden Abhandlungen
„über prozessualische Rechtsgeschäfte" (1890) und über „bona fides
im Civilprozesse" (1892) dargcthan habe.')
Damit will ich aber
die Frage nicht ausgeschlossen wissen, ob die heutige Institution
des Schiedseides keiner Verbesserung fähig wäre; nur müßte man da verbessern wollen,
wo etwas zu bessern ist, nicht aber der
Deutschen C.P.O. Dinge in die Schuhe schieben, die sie zwar nicht
kennt, die man aber verbessern will, wie Frhr. v. Canstein dies
ttjut.2)
Für Aufnahme der Institution der Einvernehmung der
*) Die diesbezüglichen Ausführungen finden sich im II. Teile Abschnitt III, insbesondere im 3. Kapitel dieses Abschnittes „das Eidesgeschäft" der erst genannten Abhandlung, sowie in dem vom „Feststellen im Wege der Eides geschäfte" handelnden Kapitel des II. Abschnittes meiner Abhandlung über „bona fides im Civilprozesse". 2) Nach der R.C.P.O. insbesondere nach dem von Frhrn. v. Canstein (S. 24) citierten § 424 hat (derBeweispflichtige) derDeferent einen Wissens1*
4
Allgemeines.
Parteien als Zeugen unter Zwang zur Aussage könnte ich nur
dann eintreten, wenn diese Institution zugleich mit der der Civileid dahin zu schwören, daß die Thatsache wahr sei, wenn sie in einer Handlung desselben besteht oder Gegenstand seiner Wahrnehmung gewesen ist; über andere Thatsachen hat er einen positiven Überzeugungseid dahin zu schwören, daß
er nach sorgfältiger Prüfung und Erkundigung die Überzeugung erlangt habe,
daß die Thatsache (wenn er eine negative behauptet hat, also diese) wahr sei. Einen andern Eid des Deferenten, einenJgnoranz- (richtiger negativen Überzeugungs-) Eid desselben, d. h. einen Eid des D e f e r e n t e n dahin lautend „er habe die Überzeugung nicht erlangt, daß die Thatsache wahr sei" gibt es
nicht, er kann wenigstens nach den Bestimmungen derR.C.P.O. nie Vorkommen. Dies ist für jeden, der den § 424 auch nur einmal aufmerksam gelesen und sich
die Fälle, in denen die verschiedenen Eidesnormen zur Anwendung gelangen, vergegenwärtiget hat, sonnenklar.
Frhrn. v. Canstein war es Vorbehalten, auf
dem Gebiete der R.C.P.O. eine neue Entdeckung zu machen.
Er sagt (auf S. 24):
„es sei nicht zu rechtfertigen, daß der Gegner des Beweispflichtigen durch seinen Kalumnieneid (darüber, daß es falsch ist, den negativen Überzeugungseid des Delaten als Kalumnieneid zu erklären, spreche ich mich später aus) über seine
bona fides den Beweis des Beweisthemas herstellen kann; ganz und gar nicht aber, daß jede der beiden Parteien durch Leistung eines bloßen Jgnoranzeides die Wahrheit (?) oder Unwahrheit des Beweisthemas — wenn auch nur in
einzelnen Fällen — voll beweisen könne". Um das Unerhörte, „daß auch der Deferent durch seinen Eid, daß er nichts wisse, den vollen Beweis darüber herstellen könne, daß die Thatsache, von der er nichts weiß, wahr sei"
in die Erscheinung zu bringen, weist Frhr. v. Canstein in der Note 16 aus den Fall hin, daß ein aus negative Feststellung klagender Kläger „durch den
Eid, den er als Deferent im Rückschiebungsfalle, dahin schwören würde, daß er die Überzeugung nicht erlangt habe, daß z. B. sein Erblasser ein Darlehen
vom Erblasser des Beklagten erhalten habe, den Beweis herstellen könnte, daß sein Erblasser ein Darlehen nicht erhalten habe".
Hiermit beweist
Frhr. v. Canstein nur das Eine, daß er nicht nur über die Bestimmungen des § 424, sondern auch über die negative Feststellungsklage, über die Frage der Beweislast bei einer solchen ganz im unklaren ist. Bekanntlich sind die
Ansichten über die Beweislast im Falle einer negativen Feststellungsklage geteilt;
sagt man, Kläger habe die Nichtexistenz des Rechtsverhältnisses zu beweisen, so könnte in dem Beispiele Frhrn. v. Cansteins der Kläger als Deferent und Relat nur dazu kommen, zu schwören, daß er die Überzeugung erlangt habe, daß die von ihm behauptete negative Thatsache, sein Erblasser habe vom Erb
lasser des Beklagten ein Darlehen nicht erhalten, wahr sei; sagt man, Be klagter habe die Existenz des geleugneten Rechtsverhältnisses zu beweisen,
so kann der Kläger nur als Delat zum Schwure kommen, wo er dann allerdings nur einen Jgnoranzeid abzulegen haben würde.
Aber ein Eid des
Wesen des Schiedseides. jury
debütieren würde;
5
für die Parteien - Einvernehmung ohne
Zwang zur Aussage und neben dem Schiedseide nur dann, wenn sie sich mit diesem verträgt;
ob dies der Fall ist, muß,
obwohl es von Frhrn. v. Canstein behauptet wird, doch -genau
geprüft werden, zumal nach dem in obiger Note Gesagten Vor
sicht nicht überflüssig scheint.
Frhr. v. Canstein nennt den Civilprozeß ein Königreich mit zwei Gebieten, in deren einem formelle, in deren anderem materielle Wahrheit herrsche;
auf welchem dieser Gebiete der
Rechtsstreit ganz oder teilweise auszukämpfen sei, bestimmen die
Parteien.
Das Gebiet der formellen Wahrheit erscheine als
Ausnahme gegenüber dem Gebiete der materiellen Wahrheit, weil diese immer anzustreben sei, wenn der Richter nicht im
konkreten Falle auf Grund der formellen Wahrheit zu entscheiden gebunden sei (©. 13).
Sohin werden die Fälle, in denen formelle
Wahrheit nach der R.C.P.O.
entscheiden soll, aufgezählt, und
daran die Bemerkung geknüpft, daß der Richter in denselben die Klägers als Deferenten resp. Relaten, er habe die Überzeugung nicht er
langt, daß sein Erblasser ein Darlehen vom Erblasser des Beklagten erhallen habe, ist auch im Falle einer negativen Feststellungsklage ein Ding der aller rein st en Unmöglichkeit.
Frhr. v. Canstein hat offenbar in seinem
Feuereifer, mit dem er gegen ein Phantasiegebilde kämpft, den Eid, Kläger habe die Überzeugung nicht erlangt, daß ein Darlehen geflossen sei, mit dem, Kläger habe die Überzeugung erlangt, daß ein Darlehen nicht g-efl offen sei, verwechselt; denn daß er durch ein artiges Taschenspielerkunststückchen etwas, was nicht existiert, darthun wollte, darf ihm wohl nicht zugemutet werden. Aber er hätte auch der RCP.O. nicht zumuten sollen, daß in ihr „der Rechtssatz, den man für unmöglich Hallen würde, wenn nicht die historische
Entwickelung (?) dahinter stünde", nämlich der, „daß der Deferent durch seinen I g n o r a n z eid vollen Beweis' herstellen könne" ausgestellt wird.
Man
sollte-es beinahe „für unmöglich halten", daß der R.C.P.O. ein solcher Wider sinn zugemutet, und daß in einem für den deutschen Juristentag er statteten Gutachten dieBeseitigung eines derR.C.P.O. total unbekannten, absolut widersinnigen Rechtssatzes als unbedingt notwendige Reform
verlangt wird.
6
Wesen des Schiedseides.
betreffenden Thatsachen als wahr zu behandeln habe, während
er eine Thatsache
dann als unwahr
zu erklären habe (!?),
wenn der Beweispflichtige trotz des gegnerischen Widerspruches seine Beweispflicht nicht erfüllt (S. 13, 14).
Nachdem Vergleiche zu hinken Pflegen, so wird davon ab
gesehen, daß ein Königreich mit zwei Gebieten, von denen eines nur ein Ausnahmsgebiet ist, nicht recht vorstellbar ist.
Aber wie
steht es mit dem behaupteten Verhältnisse der Ausnahme
zur Regel?
In den sog. Ausnahmsfällen, als deren erster
der angeführt wird, daß eine behauptete Thatsache nicht geleugnet wurde, hat der Richter, wie Frhr. v. Canstein sagt, die behauptete
Thatsache als wahr zu behandeln; dieses „als wahr behandeln" besteht nun darin, daß die behauptete und nicht geleugnete Thatsache,, ihre Erheblichkeit vorausgesetzt, dem Urteile zu Grunde zu legen ist, ohne daß das Gericht die Pflicht und das Recht
hat, sie in Bezug auf ihre Wahrheit zu prüfen; sie ist für das Gericht unanzweifelbar.
Kann man aber diesen Fall als
Ausnah msfall erklären? Der Richter hat eine jede im Prozesse behauptete Thatsache, wenn sie nicht bestritten wird, und er nicht zur Überzeugung gelangt, daß der Behauptende bei Behauptung der betreffenden Thatsache unmöglich von deren Wahrheit über
zeugt sein konnte, daß, dieser also kein subjektives Prozeßrecht, die konkrete Thatsache zu behaupten, hatte/) dem Urteile zu Grunde
zu legen, deren Relevanz vorausgesetzt.
Weil nun jede be
hauptete, nicht unzweifelhaft unwahre Thatsache für das Gericht
unanzweifelbar und
als
solche dem Urteile zu Grunde zu
legen ist, so wird man in diesem sogenannten „Als-wahr-behandeln" keine Ausnahme von der nirgends aufgestellten Regel, daß •) Der Nachweis der Richtigkeit des zuletzt Angeführten, daß der Richter
auch bezüglich einer nicht bestrittenen Thatsache, deren Wahrheit er also
nicht zu prüfen hat, doch stets zu prüfen habe, ob der Behauptende von
der Wahrheit der behaupteten Thatsache überzeugt sein könne, und im Falle, als sich das Gegenteil ergibt, diese nicht dem Urteile zu Grunde legen dürfe, wurde auf S. 143 ff. meiner Abhandlung „bona fides im Civilprozesse" zu
erbringen versucht und, wie ich glaube, auch erbracht.
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Wesen des Schiedseides.
das Gericht grundsätzlich jede behauptete Thatsache in Bezug
auf ihre Wahrheit zu prüfen habe, finden können.^) Erst da durch, daß eine behauptete Thatsache vom Gegner verneint wird, daß dieser sein Bestreitungsrecht ausübt, tritt die Richter
pflicht, die Thatsache in Bezug auf ihre Wahrheit zu prüfen, ein. Das Ergebnis dieser eventuell über vorangegangene Beweis
erhebung vorgenommenen Prüfung kann nun ein zweifaches sein; das Gericht gelangt entweder zur Überzeugung, daß die That
sache wahr sei, oder es gelangt nicht zu dieser Überzeugung.
Im ersten Falle legt es die Thatsache dem Urteile zu Grunde, im zweiten nicht; thut es letzteres, so erklärt es damit aber keines wegs, wie Frhr. v. Canstein meint, die bestrittene Thatsache als unwahre, sondern nur die für das Gericht anzweifelbare als zweifelhafte, welche als solche dem Urteile nicht zu Grunde gelegt werden darf, nachdem die Richterpflicht, die be
hauptete Thatsache in Bezug auf ihre Wahrheit zu prüfen,
durch Verneinung derselben wachgerufen ist.
Es ist ein arger
Irrtum, zu sagen, die unbewiesen gebliebene Thatsache sei formell unwahr, als solche zu behandeln.
Dies wird ersichtlich
in Fällen, in denen eine andere Thatsache, welche nicht wahr sein könnte, wenn die zweifelhaft gebliebene unwahr wäre, oder doch als unwahr zu behandeln wäre, dem Urteile zu Grunde gelegt wird, was ja bei der behaupteten „Als-unwahr-Behandlung"
nicht geschehen könnte.
Eine bewiesene Thatsache ist jene, von deren Wahrheit sich das Gericht überzeugt hat; ist das Gericht zur Überzeugung von der Wahrheit einer für dasselbe anzweifelbar gewordenen *) Nichts desto weniger besteht für das Gericht die Pflicht, materielle
Wahrheit anzustreben.
Wenn es auch nicht berechtiget ist, eine nicht
bestrittene Thatsache auf deren Wahrheit zu prüfen, so ist es doch verpflichtet,
sich in Fällen, in denen ihm eine behauptete Thatsache unwahrscheinlich vorkommt, den Gegner des Behauptenden durch Ausübung seines Frage rechtes zu veranlassen, daß dieser von seinem Best reit nngsrechte Ge
brauch macht, um dann mit der Wahrheitsprüfung Vorgehen zu können.
Hierüber meine Abh. bon. fid. i. C.P. S. 129 f. und 149 ff.
Wesen des Schiedseides.
8
Thatsache gelangt, entweder weil es diese Überzeugung aus dem.
gesamten Inhalte der Verhandlungen gewonnen oder seine Über
zeugung dem Ergebnisse einer von den Parteien beantragten Be weisaufnahme entnommen hat, so ist doch die er- oder bewiesene Thatsache notwendig nur subjektiv wahr; es kann ja sein, daß das Gericht die Überzeugung von der Wahrheit der Thatsache gewonnen hat, obwohl sie objektiv unwahr ist.
Von der
objektiven Wahrheit einer Thatsache kann sich das Gericht nur
durch Inaugenscheinnahme (auch von Urkunden) überzeugen; zur subjektiven Überzeugung von der Wahrheit einer Thatsache,
welche objektiv unwahr ist, kann das Gericht gelangen auf Grund von Zeugenaussagen; reichen diese hin zur Bildung der sub jektiven Überzeugung von der Wahrheit der Thatsache, so nennen wir die Überzeugung eine materielle; ist aber das Gericht auf Grund von Zeugenaussagen eine Thatsache, ohne daß es von deren
Wahrheit selbst überzeugt ist, als wahr anzunehmen, durch Gesetzes
norm angewiesen, weil etwa eine bestimmte Anzahl besonders qualifizierter Zeugen eine Thatsache als wahr bestätiget haben, so reden wir von formeller Überzeugung. Das Gericht muß
die Thatsache als bewiesen hinnehmen, obwohl es vielleicht, wenn es nach freier Überzeugung zu urteilen hätte und nicht durch Beweisregeln gebunden wäre, die Thatsache als nicht bewiesen erklären würde.
Dabei ist nicht zu übersehen, daß Beweisregeln
stets einen inneren Grund haben; weil regelmäßig für die Herstellung der subjektiven Überzeugung von der Wahrheit einer Thatsache bestimmt geartete Überzeugnngsgründe ausreichend
sind, so soll sich das Gericht bei deren Vorhandensein für
überzeugt halten; oder weil eine bestimmte Thatsache regelmäßig die Wirkung einer bestimmten anderen ist, so soll sich das Gericht von dieser für überzeugt halten, wenn es zur Überzeugung
von der Wahrheit der ersteren gelangt ist. In allen Fällen, in denen es zur Prüfung der Wahrheit einer Thatsache durch das Gericht kommt, muß dieses zu einem Ausspruche über seine Überzeugung gelangen; es kann erklären,
daß es sich eine Überzeugung nicht bilden konnte, daß ihm also die Thatsache zweifelhaft geblieben ist; erklärt es sich für über zeugt, so kann dies geschehen, entweder weil es die materielle Überzeugung von der Wahrheit der Thatsache gewonnen, oder weil es gefunden hat, daß so viele und so geartete Beweisgründe vorliegen, die nach dem Gesetze für die Herstellung der Über zeugung genügen, in welchem Falle es seine formelle Über zeugung von der Wahrheit der Thatsache ausspricht; dieser Aus spruch wird durch die Beweisregel gedeckt. In beiden Fällen handelt es sich um eine Überzeugung, entweder um das spezielle Überzeugtsein, oder um das generelle Überzeugts einkönn en; dabei ist im Auge zu behalten, daß die Überzeugung etwas Menschliches ist, und daß das Gesetz dem Durchschnitts menschen nie zumuten darf, sich auf Grund von Überzeugungs gründen für überzeugt zu halten, welche eine subjektive Über zeugung allgemein zu bewirken nicht vermögen. So war zur Zeit der Geltung des gemeinen deutschen Civilprozeßrechtes und ist auch jetzt nach der allg. österr. Ger.-Ordn. beispielsweise nicht vorgeschrieben, daß sich das Gericht durch die beschworene Aussage eines einzigen, wenn auch klassischen Zeugen für überzeugt halten solle von der Wahrheit einer That sache, welche es dann dem Urteile zu Grunde zu legen hat. Und dasselbe Gesetz, welches dieBeweisregel, daß auf Grund der Aussagen von zwei weder verwerflichen noch bedenklichen Zeugen die Wahrheit der bezeugten Thatsache angenommen werden müsse, nicht ausgenommen hat, die R.C.P.O., sollte vorgeschrieben haben, daß sich das Gericht von der Wahrheit oder Unwahrheit einer Thatsache überzeugt halten solle, wenn eine Prozeßpartei, die das höchste Interesse an dem Ausgange der Prozeßsache hat, beschwört, daß die Thatsache wahr oder unwahr sei, eventuell nur, daß sie überzeugt sei, die Thatsache sei wahr oder unwahr, oder gar nur, daß sie die Überzeugung nicht erlangt habe, die Thatsache sei wahr? Es mag ja sein, daß in speziellen Fällen für die Bildung der subjektiven Überzeugung des Gerichtes eine solche
Wesen des Schiedseides.
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beschworene Aussage einer Prozeßpartei genügen kann;
ob sie
dafür genügt, das muß dem Gerichte überlassen werden, geradeso
wie es dem Gerichte überlassen ist,
sich
Aussage eines Zeugen zu begnügen.
mit der beschworenen
Aber als
Beweis
regel kann doch das Gesetz unmöglich aufstellen, daß sich das Gericht von der Wahrheit resp. Unwahrheit einer Thatsache über
zeugt zu halten habe, weil eine Partei beschworen hat, die That sache sei wahr resp, unwahr, oder sie, die Partei, sei von deren
Wahrheit resp. Unwahrheit überzeugt; noch weniger kann als
Beweisregel gelten, daß sich das Gericht von der Unwahrheit einer Thatsache überzeugt zu halten habe, weil eine Partei be schworen hat, sie habe die Überzeugung nicht erlangt, daß die
Thatsache wahr sei.
Obwohl nun die im § 428 ausgesprochene Norm als eine widersinnige, nicht zu rechtfertigende Beweisregel be
sonders in Anbetracht der verschiedenen, in ihrer Wirkung ein ander gleichgestellten Eidesnormen allgemein erklärt wird, so ist man bis jetzt doch dabei stehen geblieben, sie als eine Beweisregel, d. i. als eine Norm zu betrachten, welche das Gericht
anweist, sich von der Wahrheit resp. Unwahrheit einer bestrittenen Thatsache f ür überzeugt zu halten.
Die Bedeutung des Schieds
eides, nach welcher Eidesnorm immer er abgelegt wird, soll die eines formellen Beweismittels, d. i. eines solchen, durch welches die formelle Überzeugung des Gerichtes von der
Wahrheit oder Unwahrheit einer Thatsache bewirkt wird, sein. Nach dieser Auffassung der Norm des § 428
hätte der Richter
eine bestrittene Thatsache, über welche es zur Eideszuschiebung
bez. Zurückschiebung kam, oder das Gegenteil derselben für voll bewiesen anzusehen und zu erklären, wenn der zugeschobene bez.
zurückgeschobene Eid abgelegt wurde; daß dies nicht der Sinn
des § 428 sein könne, habe ich unter Hinweisung darauf dargethan, daß ja nicht diejenige Thatsache (oder deren Gegenteil) be
schworen wird, welche fest gestellt werden soll, sondern immer nur die interne Thatsache, daß der Schwörende die Über-
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Wesen des Schiedseides.
zeugung, welche er bezüglich der Wahrheit oder Unwahrheit der
Thatsache im Prozesse ausgesprochen, auch wirklich hat^). Ich habe nachgewiesen, daß auch der Wissenseid nur ein strengerer, besonders gearteter Überzeugungseid ist. Ich habe dargethan, daß
der Sinn der Norm des § 428 der ist, daß durch die Eides ablegung das Vorhandensein jener Überzeugung, welche der Schwörende bezüglich der Wahrheit der festzustellenden Thatsache ausgesprochen hat, in ihm zum Erweise gelangt, und hiedurch
die Thatsache im Sinne der von dem Schwörenden bezüglich der Wahrheit derselben ausgesprochenen Überzeugung fest-
gestellt wird. Deshalb halte ich es auch für ganz unrichtig, von der
Feststellung der Wahrheit einer Thatsache im Eideswege zu sprechen;
durch
den Schiedseid
soll
gar
nicht die objektive
Wahrheit einer Thatsache dargethan, sondern bloß bewirkt werden,
daß die Thatsache unangesehen auf ihre objektive Wahr heit zur Urteilsgrundlage wird, wenn und weil der Deferent beschwört, daß er die subjektive Überzeugung von der
Wahrheit derselben habe; es kann auch bewirkt werden, daß das Gegenteil der festzustellenden Thatsache Urteilsgrundlage
wird,
wenn und weil der Delat beschwört, daß er von deren Unwahr heit überzeugt sei, oder auch nur, daß er die Überzeugung von ihrer Wahrheit nicht erlangen konnte.
Der Schiedseid hat
mit der objektiven Wahrheit einer Thatsache und mit der Überzeugung des Gerichtes von derselben gar nichts z» thun;
durch ihn soll stets nur erhärtet werden die subjektive Über
zeugung des Schwörenden bezüglich der Wahrheit der That
sache, welche dann entweder selbst oder deren Gegenteil für den Prozeß festgestellt sein soll; das heißt: die behauptete That
sache, welche durch Bestreitung für das Gericht an zweifelbar geworden ist, soll dadurch, daß der Behauptende beschwört, von
ihrer Wahrheit überzeugt zu sein, für das Gericht wieder zur 6) Darüber sowie über das Folgende finden sich die genaueren Ausführ ungen in meiner Abh. bon. fid. t. C P. S. 244 ff. insbef. 251, 253, 255.
Wesen des Schiedseides.
12
unanzweifelbaren werden
und als solche dem Urteile zu
Grunde gelegt werden müssen, während
durch den Eid des
Bestreitenden dahin gehend, daß er von der Unwahrheit überzeugt sei, oder daß er doch die Überzeugung von der Wahrheit nicht erlangen konnte,
das Gegenteil der behaupteten Thatsache
für
das
Gericht unanzweifelbar wird und dem Urteile zu Grunde ge
legt werden muß.
Durch den Schiedseid wird die streitige That
sache nicht als objektiv wahre bewiesen, sondern es soll nur sie oder deren Gegenteil als für das Gericht unanzweifelbar festgestellt werden.
Wann es zu dieser Thatsachenfeststellung
im Prozesse kommen könne, wird später besprochen werden.
Bezüglich
eines allgemein gesuchten Beweiswertes der
eidlichen Versicherung, zu welcher es über die Eideszu-
resp,
zurückschiebung kommt, für die objektive Wahrheit der streitigen
Thatsache müßte wohl dasselbe gelten, was Frhr. v. Canstein bezüglich des reinen Beweiseides
bemerkt;
dieser kann nur
jene Beweiskraft beanspruchen, die ihm an sich zukommt.
Und
daß diese Beweiskraft regelmäßig und grundsätzlich eine volle, den Richter vollständig überzeugende wäre, muß entschieden
geleugnet werden.
Es kann wohl,
wenn andere Umstände
hinzutreten, ausnahmsweise auf Grund eines solchen Eides sich die richterliche Überzeugung von der Wahrheit einstellen, aber dies kann eben nur die Ausnahme bilden (S, 10).
Weil dem
mit der Eidcszuschiebung angebotenen Eide des Deferenten an sich nicht volle Beweiskraft zugemesfen werden könnte, so sollten Garan
tien dafür geschaffen werden, daß dieser Eid der Wahrheit ent spricht.
Die größtmögliche Garantie werde nun dadurch geboten,
daß der Gegner diesen Eid dadurch hintanhalten könne, daß er seinem Widerspruch durch Leistung eines Überzeugungs eides über die Unwahrheit des Eidesthemas Kraft verleiht, oder
aber einen Jgnoranzeid schwört (S. 23). Über zu Tage liegende Ungenauigkeiten,
welche die citierten
Bemerkungen enthalten — bekanntlich kann doch Delat nicht in allen Fällen mit der Ablegung des Überzeugungseides los-
kommen, sondern er muß, wenn es sich um Thatsachen, die in seinen Handlungen bestehen oder Gegenstand seiner Wahrnehmung gewesen sind, um (ungenau) facta propria handelt, den sog. Wahrheitseid schwören — will ich mich hinwegsetzen, um zur Besprechung der Auffassung zu kommen, welche Frhr. v. Canstein von der Eideszuschiebung hat. Er nennt sie das Gegenstück zum dispositiven Geständnisse; er erklärt beide als formelle Feststellungsmittel der Wahrheit (?) im Civilprozeß, welche der hier herrschenden Dispositionsmaxime entsprungen sind und mit derselben stehen und fallen; durch beide werde die Wahr heitsfeststellung und das Beweisthema beschränkt durch eine Disposition der Partei, welche dem Forschen des Richters Grenzen setzen will (S. 21). Weil der Beweispflichtige durch die Eideszuschiebung das Beweisthema begrenze und dem Gegner das Recht gebe, durch seinen Eid den Sieg davonzutragen, so liege in der Eideszuschiebung eine Disposition (S. 22). Das Wesen des Schiedseides bestehe darin, daß der Beweis pflichtige das Sachverhältnis und das Beweisthema auf be stimmte Thatsachen beschränkt, und sich erbietet, die Wahr heit derselben durch s e i n e n W a h r h e i ts e i d zu erhärten (S. 23). Auch das Letztere ist wieder ungenau, und zwar wesentlich ungenau, denn der Deferent hat ja nur dann, wenn That sachen, die in seinen eigenen Handlungen bestehen oder Gegen stand seiner Wahrnehmung gewesen sind, den sog. Wahrheitseid zu schwören, sonst nur einen positiven Überzeugungseid; doch dies nur nebenbei. Aber wie steht es mit der „wichtigsten, bisher so gut wie über sehenen Disposition, die in der ohne Beweisanbietung erfolgten Eideszuschiebung gelegen" sein soll, nämlich „mit der Beschrän kung des Sachverhältnisses und damit des Beweisthemas auf jene Thatsachen, welche als das rechtserzeugende (?) Faktum angeführt und in das Eidesthema ausgenommen werden" (S.22)? Ich glaube, diese Beschränkung wurde bisher nur deshalb über sehen, weil sie nicht vorhanden ist.
14
Wesen des Schiedseides. Die den Parteien durch die Verhandlungsmaxime gewahrte
Disposition über das Thatsachenmateriale, welches der Entscheidung zu Grunde zu legen ist, erfolgt durch Ausübung des subjektiven
Prozeßrechtes, erhebliche Thatsachen zu behaupten, Wahrheit der. Behauptende überzeugt ist.
recht steht beiden Parteien zu; führen,
die
Dieses Behauptungs
eine kann Thatsachen an
die andere verschwiegen hat.
welche
von deren
Der Gegner
des
Behauptenden hat weiters das subjektive Prozeßrecht, behauptete
Thatsachen, von deren Unwahrheit er überzeugt ist, zu bestreiten und solche Thatsachen,
welche weder seine eignen Handlungen,
seiner Wahrnehmung
noch Gegenstand
gewesen sind,
im Wege
der Abgabe einer Nichtwissens-Erklärung anzuzweifeln. Durch Bestreitung oder Anzweiflung werden die behaupteten Thatsachen
für das Gericht anzweifelbare,
und sie müssen, wenn sie
für das Gericht zweifelhaft sind, von dem Behauptenden be
wiesen werden,
können.
um dem Urteile zu Grunde gelegt werden zu
Den von den Parteien in Ausübung ihrer subjektiven
Prozeßrechte getroffenen Dispositionen bezüglich des Thatsachen-
materiales gegenüber hat sich das Gericht nicht passiv zu ver halten; vermutet das Gericht, daß ihm ein unvollständiger,
die gesamten erheblichen Thatsachen nicht
umfassender
oder
ein
wenigstens teilweise unwahrer Thatbestand vorgetragen wurde, so ist es Sache des Gerichtes, durch Ausübung seines Frage
rechtes die Parteien dahin zu bringen, weitere ergänzende That sachen zu behaupten und behauptete zu bestreiten, zuzweifeln°).
eventuell an-
Darüber hinaus gibt es überhaupt kein „Er
forschen" des Sachverhaltes seitens des Gerichtes, es kann das selbe daher
werden.
auch
Dagegen
hauptungsrecht
nicht
wird
erst
durch Eideszuschiebung
beschränkt
die Eideszuschiebung
das Be
durch
beider Parteien ebenso wenig
das Fragerecht des Gerichtes.
beschränkt
als
Das Gericht muß ja nicht sofort
auf den Schiedseid erkennen; absolute Voraussetzung für die 6) Darüber finden sich die näheren Ausführungen in meiner Abh. hon. fid. i. C P. S. 129 ff.
15
Wesen des Schiedseides.
Zulässigkeit der Eidcsgeschäfte ist es vielmehr, daß sich
das
Gericht von der streitigen Thatsache oder von deren Gegenteil keine Überzeugung gebildet hat und bilden kann. Die Eides
zuschiebung hindert das Gericht nicht im mindesten, beide Par
teien nach von ihm vermuteten, mit der Thatsache, über welche
der Eid zugeschoben wurde, zusammenhägenden Thatsachen, durch welche
der
vorgetragene
wird, zu fragen.
Sachverhalt zum
Gesamtthatbestande
Diese Fragen müssen zwar nicht beantwortet
werden; der Behauptende, welcher im Sinne Frhrn. v. Can
steins durch Eidesznschiebung das Forschen des Gerichtes be schränken
will,
zuschiebung
kann schweigen,
nicht bewirken,
daß
aber er kann
durch
Eides
sein Gegner schweigt, der
Richter weiter fragt und so durch Fragen und Antworten jene Thatsachen in den Prozeß noch eingeführt werden, deren Vor
bringung der Deferent durch die Eideszuschiebung abgeschnitten haben wollte.
Die von Frhrn. v. Canstein beweislos hingestellte Behaup tung, es werde durch die Eideszuschiebung eine Schranke für
die richterliche Forschung gezogen, ist somit unrichtig');
die Eideszuschiebung beendet nicht das Fragerecht, welches die R.C.P.O. als das vorzügliche Mittel der richterlichen For
schung kennt; das Gericht kann nach und trotz der Eideszuschiebung erforschen, insoweit es hiezu überhaupt berechtiget ist.
Jene
7) Auch das dispositive Geständnis zieht im Gegensatze zu der von Frhrn. v. Canstein ausgestellten Behauptung für die richterliche Forschung keine Schranke. Vor allem wird die Richterpflicht durch dasselbe nicht geändert;
das Gericht hat die zugestandene Thatsache ebenso zu behandeln wie die nicht bestrittene. Weder durch das bloße Nichtbestreiten noch durch das
gerichiliche Geständnis wird das F r a g e r e ch 1 des Gerichtes alteriert. Ich halte es so^ar für die Pflicht des Gerichtes, durch Fragestellung zu bewirken, daß
der Gestehende sein Geständnis, welches er über eine augenscheinlich unwahre und rur durch einen zu Tage liegenden Irrtum zugestandene Thatsache ab
gelegt hat, widerrufe. Außerdem weise ich nur noch auf die Fälle hin, in denen ein gerichtliches Geständnis der Rechtswirkung entbehrt; vgl. meine Abh. über proz. Rechtsgeschäfte S. 368 ff. und meine Abh. bon. fid. i. C.P.
S. 62, 145 f.
Wesen des Schiedseides.
16
Disposition — zum Begriffe einer solchen ist es doch not wendig, daß sie rechtsbestimmend sein muß — welche Frhr.
v. Canstein als
die
wichtigste
der Eideszuschiebung
erklärt,
fehlt: der Gegner kann nach erfolgter Eideszuschiebung neue
Thatsachen behaupten, das Gericht nach solchen fragen, ja der Deferent wird vielleicht selbst neue Thatsachen, die er sonst lieber verschwiegen hätte, vorbringen, wenn der Delat erklärt, den Eid
anzunehmen,
und der Deferent sich von dem Vorbringen neuer
Behauptungen event, in Verbindung mit einem Beweisangebot
einen Erfolg verspricht. Damit,
daß ich
Disposition leugne,
diese in der
Eideszuschiebung
liegende
will ich aber gewiß nicht behauptet haben,
daß in ihr gar keine Disposition gelegen sei; es liegt vielmehr in derselben eine rechtsgeschäftliche; es erfolgt durch Willens erklärung des Deferenten in rechtsbestimmender Weise eine Ab
änderung
des
ursprünglichen Prozeßverhältniffes dahin, daß
zu den'den Inhalt desselben bildenden subjektiven Prozeßrechten
des Beantragens, Behauptens, Bestreitens und Beweisens das zur Feststellung einer Thatsache im Eideswege Hinzutritt.
Klein
fe ller findet zwar, daß mit obigem von mir aufgestellten Satze
jedenfalls nach keiner Richtung etwas gewonnen werde (S. 93)8). „Jedenfalls" ist es leichter, dies zu sagen, als es darzuthun; der
von Kleinfeller versuchte Beweis für die Nichtigkeit seines Aus
spruches beweist die Unrichtigkeit meines Satzes nicht.
Ich werde
der Sache bald näher kommen. 8) Auf S. 92 sagt Kleinfeller: „Dieses (das Prozeßverhältnis) erfährt
durch Zuschiebung keine Abänderung" und dazu in Note 32 „So Trutter, Über prozessuale Rechtsgeschäfte S. 318 ff." Darnach muß wohl Jedermann annehmen, daß ich lo c. cit. behauptete, das Prozeßverhältnis erfahre durch Zuschiebung keine Abänderung.
Wenn nun später angeführt wird, daß ich
die Eideszuschiebung als ein das Prozeßverhältnis abänderndes Rechtsgeschäft
erkläre, so wäre damit dargethan, daß ich mich mit mir selbst in Widerspruch
setze; dies ist nicht so, denn auch auf S. 318 sage ich wortdeutlich, daß Ab änderung des Prozeßverhältniffes durch das prozessuale Rechtsgeschäft der Eidesuschiebung erfolgt.
Wesen des Schiedseides.
17
anerkennt,
Während Frhr. v. Canstein
daß die Eides
zuschiebung wichtige Dispositionen (allerdings nicht jene, die er
als die wichtigste erklärt,) enthalte,
vollkommen;
leugnet
dies Kleinfell er
nach seiner Ansicht ist die Eideszuschiebung gegen
wärtig kein Dispositionsmittel mehr (S. 75 u. 92). Kleinfeller
kein
Nach
ist aber der zugeschobene Eid auch in Wahrheit
Beweismittel;
die
Ordnung
bestehende
der
Eides-
zuschicbung soll nicht nur mit dem Beweiszweck und der Beweis-
mitteleigcnschaft unverträglich, sondern eine hiermit verträgliche Ordnung des zugeschobenen Eides soll überhaupt unmöglich sein
(S. 91).
noch
Wenn nun der Schiedscid weher ein Dispositionsmittel
ein Beweismittel ist,
was ist er
denn?
Die Eides
zuschiebung ist doch so lange gewesen und ist heute noch;
auch
ich erlaube mir, mich zu denen zu zählen, die das von Klein
feller citierte
„und sie bewegt sich doch" ausrufen; auch die
deutsche Reichsgesetzgebuug hat den Schiedseid am Leben gelassen.
Allerdings verdankt er dies nach Kleinfeller nur einem gründ lichen Mißverständnisse; die R.C.P.O. soll ihn beibehalten haben, weil sie ihn irrtümlich als Beweismittel betrachtete, als welches
sie ihn zum Teil wirklich; zum Teil wenigstens scheinbar (S. 77) behandelt. Was Kleinfeller vorbringt, um nachzuweisen, daß der
Schiedseid
kein Beweismittel sei,
daß er mit der ihm
aufge
drängten Beweismittelnatur unvereinbar sei, kann ich unbeschadet,
wenn ich
auch bezüglich der Nichtigkeit einzelner Ausführungen
Bedenken
habe,
da ich ja schon
als
im
Gesamtergebnisse
richtig
zugestehen,
wiederholt die bereits früher aufgestellte Be
hauptung ausgenommen und zu rechtfertigen versucht habe,
daß dem Schiedseide trotz des Wortlautes Natur eines Beweismittels für die einer Thatsache nicht zukomme,
der R.C.P.O. die
objektive Wahrheit
sondern daß er ein Mittel ist,
eine Thatsache für den Prozeß fest zu st eilen unabhängig von der richterlichen Überzeugung von ihrer Wahrheit, das will
sagen, zu bewirken, daß eine bestrittene Thatsache, welche dem Trutter, Schiedseid oder Parteienvernehmung? 2
Wesen des Schiedscides.
18
Gerichte zweifelhaft ist und durch Beweis nicht unzweifel haft gemacht werden kann, oder deren Gegenteil dennoch als
aber nicht als bewiesen, Urteils
(wieder) unanzweifelbar,
grundlage wird.
In diesem und nur in diesem Sinne kann man
von einem Dispositionsmittel sprechen, welches in der Eides
zuschiebung samt dem hieran sich schließenden Eidesverfahren mit der abschließenden Eidesablegung oder Verweigerung, eventuell mit
dem hinzugetretenen Eideserlasse gelegen ist.
Kleinfeller gesteht nun wohl dem Schiedseide des römischen Prozesses, nicht aber dem unseres heutigen die Eigenschaft eines
Dispositionsmittels zu, nicht,
und zwar letzteres zunächst deshalb
„weil der zugeschobene Eid nicht mehr ein Mittel zur
Feststellung von Ansprüchen und Rechtsverhältnissen, sondern nur von Thatsachen ist".
Letzteres ist gewiß richtig;
denn wäre er
ersteres geblieben, so wäre er mehr als ein Dispositionsmittel,
er wäre Streitentscheidung selbst, beendung
ein Mittel zur Prozeß
ohne richterliche Entscheidung oder höchstens unter
Hinzutritt einer nur deklaratorischen.
Ebenso wenig kann
der Eideszuschiebung ihren dispositiven Charakter nehmen,
daß
„die Wahrheit des Beschworenen nicht mehr unerheblich ist
für die Wirksamkeit des Eides, sondern das Prozeß- und Straf
recht die Wahrheit des Eides betonen, für das Recht nicht mehr
daß es für den Prozeß,
gleichgültig ist, ob die Partei wahr
oder falsch schwor, sondern daß es auf die objektive Wahr heit (!) der eidlichen Erklärung ankommt, zumal unter gewissen
Voraussetzungen Gegenbeweis und Restitutionsklage zu lässig ist" (S. 74, 75, 92). Rechte
keine
Gewiß ist nur, daß es nach römischem
Meineids strafe
gab,
dagegen ist aus der von
Kleinfeller citierten Kodexstelltz zu entnehmen, daß Zweifel fälle vorkamen, in denen es fraglich war,
ob die durch einen
Meineid erfolgte Rechtsbeugung nicht wieder wettgemacht werden konnte; die Begriffe Gegenbeweiszulassung und Restitutionsklage
fehlen natürlich im römischen Prozesse wegen der vollständig freien Beweiswürdigung
und
wegen der Nichtentwickelung der Rechts-
Wesen des Schiedseides.
mittel.
19
Man kann also bezüglich des römischen Prozesses nicht
behaupten, daß es grundsätzlich gleichgültig war, ob die Partei wahr oder falsch schwor; noch weniger aber darf von einem so
genauen Kenner des Prozeß- und Strafrechtes wie Kleinfeller
die Behauptung aufgestellt werden, daß es heute stets auf die
objektive Wahrheit der eidlichen Erklärung ankomme. Was
ist
die
objektive
Wahrheit
der
eidlichen
Er
klärung? Was kann sie sein beim sog. Wahrheitseide und was beim Überzeugungseide? Wenn der sog. Wahrheitseid nicht ebenfalls, wie ich dargethan habe, ein Überzeugungseid ist, wenn es einen wirklichen
Wahrheitseid, mit dem die Wahrheit oder Un
wahrheit der streitigen Thatsache beschworen wird, geben würde,
(dies behauptet auch Kleinfeller S. 85),
der Ablegung
eines Wahrheitseides
so könnte im Falle
die objektive Wahrheit der
eidlichen Erklärung nur darin bestehen, daß die als wahr oder unwahr beschworene Thatsache objektiv wahr oder unwahr
ist.
Gerade das wird aber weder vom Prozeß-, noch vom
Strafrechte gefordert.
Wer eine Thatsache beschwört, weil er sie
durch seine Sinne oder durch den inneren Sinn wahrgenommen
hat, kann sicher weder wegen vorsätzlicher noch wegen fahrlässiger Verletzung der Eidespslicht verurteilt werden, wenn auch die That sache objektiv nicht wahr ist, die (wie ich behauptete, impli cite als Grund der Überzeugung beschworne) Wahrnehmung aber
auf einer nicht hintanzuhaltenden Sinnestäuschung9) beruhte.
9) In dem Gesagten liegt ein schlagender Beweis für die Richtigkeit der in meiner Abh. „bon. fid. i. C.P." S. 249 u. 251 f. aufgestellten Behaup tungen, daß es falsch ist, von einem Wahrheilseide zu sprechen, und daß auch der Wissenseid nichts anderes ist als ein Überzeugungseid, und zwar ein solcher, mit welchem nicht.nur die vorhandene positive Über zeugung, sondern auch der Grund derselben, daß die Überzeugung auf
eigener Wahrnehmung beruhe, beschworen wird.
Fehlt es an dieser
Wahrnehmung und wird die Unwahrheit der Thatsache dargethan, so wird Ver
urteilung wegen Verletzung gegen die Eidespflicht erfolgen, wenn auch der Schwörende andere Gründe für seine Überzeugung hatte. Beim Wissenseide 2e
20
Wesen des Schiedseides.
Wenn beim Überzeugungseide von einer
objektiven
Wahrheit der eidlichen Erklärung gesprochen werden wollte, so
könnte sie vielleicht darin bestehen, daß der Schwörende seine subjektive Überzeugung, welche zu haben, er beschwor, auch wirklich hatte.
Kann man aber dies eine objektive Wahrheit
der eidlichen Erklärung nennen? Diese geht doch nur dahin, man habe die beschworene subjektive Überzeugung; eine Über zeugung kann objektiv wahr sein, und sie ist es dann, wenn
sie die richtige ist, sie kann aber auch objektiv unwahr sein, wenn sie eine unrichtige ist. Unter der objektiven Wahrheit einer eidlichen Erklärung, durch welche eine subjektive Überzeugung zum Ausdrucke gebracht wird, kann daher richtig nur verstanden werden, daß die subjektive Überzeugung objektiv wahr
ist, daß die Überzeugung mit der Wirklichkeit stimmt, nicht aber, daß man sie wirklich hat. Kleinfeller verwechselt das that sächliche Vorhandensein der Überzeugung mit der objek
tiven Wahrheit der erklärten Überzeugung, oder er nennt das Erstere wenigstens in ganz falscher, irreführender Weise „objektive Wahrheit".
Weder Straf- noch Prozeßgesetz legen ein Gewicht
auf die objektive Wahrheit der eidlichen Erklärung beim Überzeugungseide, wie er behauptet, sondern nur auf das Vor
handensein der beschworenen Überzeugung. Derjenige, welcher beschwor, die subjektive
Überzeugung von der
Wahrheit einer
Tbatsache zu haben, kann, wenn auch dargethan wird, daß die von ihm eidlich erhärtete subjektive Überzeugung objektiv un
wahr
ist,
wegen
Verletzung
der Eidespflicht nicht
verurteilt
werden, wenn er nur ausreichende Gründe für seine Für-
wahrannahme hat. Die Behauptung
Kleinfellers,
objektive Wahrheit der eidlichen
daß es
Erklärung
heute
auf die
ankomme,
ist
kann man einer solchen Verurteilung nur entgehen, wenn konstatiert wird, daß bei der Wahrnehmung, welche stets implicite beschworen wird, beim Gesehen- oder Gehört-haben u. s. w. eine nicht hintanhaltbare Sinnestäuschung unterlief, daß diese die Ursache war für die unrichtige Wahrnehmung.
21
Wesen des Schiedseides.
demnach sowohl ganz bestimmt bezüglich des sog. Wahrheits-, als auch, wie ich dargethan zu haben glaube, bezüglich des Über-
zeugungseides
unrichtig.
Kann
eine Verurteilung wegen
Verletzung der Eidespflicht nicht erfolgen, so kann auch unge
achtet dessen, daß konstatiert wurde, die eidliche Erklärung sei
objektiv unwahr, daß sich also die als wahr beschworene That sache objektiv
als unwahr
herausgestellt
hat,
doch
weder
Gegenbeweis geführt, noch Restitutionsklage angestrengt
werden; die durch Eid festigest eilte Thatsache bleibt unwider
ruflich in solchem Falle Urteilsgrundlage, obwohl deren zweifel lose Unwahrheit sich
ergeben hat;
sie wurde ja nicht als
objektiv wahre festgestellt, sondern nur als für das Gericht unzweifelbare,
und zwar dadurch,
daß eine der von den
Parteien bezüglich der Wahrheit der Thatsache erklärten Überzeugungen eidlich erhärtet wurde, wobei es nicht darauf ankommt, ob diese Überzeugung die richtige,
objektiv wahre
ist, wenn nur der Schwörende die Eidespflicht nicht verletzt hat.
Freilich wäre es grundfalsch, die Eideszuschiebung und Zurück schiebung
dahin
aufzufassen,
der Zuschiebende wolle kraft
seiner Dispositionsgewalt die streitige Thatsache als unwahr, der Zurückschiebende als wahr gelten lassen, wenn der Gegner das Gegenteil resp, die Thatsache beschwört; dies ist schon des
halb falsch,
weil die streitige Thatsache resp, deren Gegenteil
nie beschworen wird, wie ich dies dargethan'"), auch daun nicht, wenn ein Wissenseid abgelegt wird, noch weniger, wenn nur ein Überzeugungseid. Die Parteien haben auch im Prozesse ebenso
wenig wie sonst im Leben die Dispositionsgewalt, zu be wirken, daß eine Thatsache unter irgend einer Bedingung als
wahr oder unwahr gilt; sie selbst können sich sagen, daß sie eine Thatsache für wahr oder unwahr halten oder gelten lassen
wollen, wenn dies oder jenes geschieht, also auch wenn der Gegner
schwört, von ihrer Wahrheit oder Unwahrheit überzeugt zu sein; *’) Hierüber habe ich mich wiederholt und insbesondere aus S. 254 ff. meiner Abh. „bon. fid. i. C.P." ausgesprochen.
Wesen des Schiedseides.
22
aber für einen dritten, für den Richter, der zu prüfen hat, ob die Thatsache objektiv wahr ist, können sie dieselbe kraft dieser imaginären Dispositionsgewalt nicht als wahr oder un
wahr gelten lassen;
sie können nicht bewirken,
daß er sie als
wahre oder unwahre erkennt, weil bezüglich ihrer ein Wissens oder Überzeugungseid abgelegt wurde. Gewiß „enthält die in der Eideszuschiebung liegende Disposition einen
Willensakt"
(was Kleinfeller S. 92 bezüglich einer in der Eideszuschiebung eventuell liegenden „Anstiftung zum Meineide" bemerkt, übergehe
ich, da ich doch nicht sicher bin, ob diese Bemerkung nicht „eventuell" ein Witz sein soll), sie ist ja, wie ich behauptete und behaupte, eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung, und zwar eine solche, durch welche das ursprüngliche Prozeßverhältnis abgeän
dert wird;
was,
und nach
hin
welcher Richtung
mit diesem
Satze etwas gewonnen wird, habe ich bereits in meiner Abhand
lung über prozessuale Rechtsgeschäfte in,
wie ich glaube,
nicht
unverständlicher Weise ausgesprochen und neuerdings in meiner
Abhandlung
über bona fides im Civilprozesse mit aller wün
schenswerten Deutlichkeit ausgeführt. Schon in ersterer habe ich
darauf hingewiesen,
daß die
subjektiven Prozeßrechte, welche das ursprüngliche Prozeß
verhältnis enthält, die Befugnis zur Vornahme jener actus be treffen, welche bereits Bulgarus aufzählt,
d. i. Beantragen,
Behaupten, Bestreiten und Beweisen (S. 289 loc. cit.); tritt zu diesen subjektiven Prozeßrechten üoch ein neues hinzu,
so ist das ur
sprüngliche Prozeßverhältnis abgeändert, zumal sein Inhalt erweitert ist;
dies
allein
Rechtsverhältnissses.
genügt zur
Abänderung
eines
Erfolgt diese Abänderung dadurch,
daß ein Subjekt des Rechtsverhältnisses einerechtsbestimmende, nicht rechtsausübende Willenserklärung, mit welcher das Gesetz ohne weitere Vermittlung den Eintritt des beabsichtigten Erfolges verknüpft, so haben wir es mit einer durch ein Rechtsgeschäft
bewirkten Abänderung des ursprünglichen Rechtsverhältnisses
zu thun.
Dagegen würde gar nichts beweisen, daß die Möglichkeit zur Vornahme des abändernden Rechtsgeschäftes, die facultas agendi, schon mit der Begründung des ursprünglichen Rechtsverhält nisses gegeben war, worauf K l e i n f e l l e r (©. 92) hinweist, was aber, wie gleich gezeigt werden wird, für das Eidesgeschäft nicht zutrifft. Er selbst muß doch anerkennen, daß aus der Mög lichkeit, den Inhalt des Prozeßverhältnisses um das Recht zur Thatsachenfeststellung zu erweitern, durch Vornahme, (des Rechts geschäftes) der Eidesznschiebung ein Recht, und zwar ein subjek tives Prozeßrecht wird, welches mit der Begründung des Prozeß verhältnisses noch nicht da war, zu den Prozeßrechten, welche dessen Inhalt ausmachten, noch nicht gehörte. Die Möglichkeit zur Abänderung eines Rechtsverhältnisses durch ein Rechtsgeschäft kann schon mit der Existenz des Rechtsverhältnisses vorhanden sein, wenn die Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Rechts geschäftes gegeben sind; diese vorhandene Möglichkeit hat aber keinen Einfluß auf das Rechtsverhältnis; erst die Vorn.ahme des Rechtsgeschäftes, durch welches der Inhalt des Rechtsverhältnisses erweitert wird, bewirkt die (inhaltliche) Abänderung desselben. Zur Entkräftung des Gesagten kann nicht mit Kleinfeller darauf hingewiesen werden, daß die Parteien dieselben geblieben sind, daß der Anspruch (Prozeßgegenstand) derselbe geblieben ist und auch der Zweck des Prozesses keine Änderung erfuhr (S. 93). Dagegen ist die hieran sich schließende Bemerkung, daß das Ver hältnis des Richters zu den Parteien — dies ist ja das Prozeß verhältnis oder richtiger wenigstens eine Seite desselben — keine Veränderung erfuhr, unrichtig. Daß das Verhältnis des Richters zu den Parteien das Prozeßverhältnis, wenigstens eine Seite des selben ist, scheint Kleinfeller übersetzen zu haben, denn sonst könnte er wohl nicht zu dem Schlüsse kommen: „Das Prozeß verhältnis wird nicht geändert, weil das Verhältnis des Richters zu den Parteien (das ist ja eben das Prozeßverhältnis, wenigstens eine Seite desselben) ebenfalls keine Veränderung erfuhr". Ab gesehen davon ist das idem, welches das idem beweisen soll,
Wesen des Schiedseides.
24
item falsch; gerade das Verhältnis des Richters zu den Parteien, die durch Ausübung der den Inhalt des ursprüng
lichen Prozeßverhältnisses
bildenden Prozeßrechte wachgerufenen
Pflichten des Richters werden durch das rechtswirksame Zu
standekommen geändert.
des
der
Rechtsgeschäftes
Eideszuschiebung
ab -
Das Gericht hat selbstverständlich die Zulässigkeit
dieses Rechtsgeschäftes zu prüfen; besteht es aber danach zu Recht,
so ist, welchen Verlauf und Ausgang das an die Zuschiebung sich anschließende
Eidesverfahreu
nehmen möge,
die
Stellung
des
Gerichtes im Prozeßverhältnisse, seine konkrete Pflicht in Bezug auf die Behandlung der festzustellenden Thatsache geändert.
Nachdem das ursprüngliche Prozeßverhültnis als subjektive Prozeßrechte der Parteien nur die des Beantragens, Behauptens, Bestreitens und Beweisens umfaßt, so können durch Ausübung
derselben nur jene Pflichten auf Seite des Gerichtes wachgerufen
werden,
welche diesen Prozeßrechten
entsprechen.
So hat ins
besondere das Gericht behauptete Thatsachen, insoferne sie nicht
unerheblich und nicht unzweifelhaft unwahr sind, dem Urteile ohne Wahrheitsprüfung zu Grunde zu legen: dagegen behauptete und bestrittene, dadurch für das Gericht anzweifelbar gewordene
nur dann,
wenn sie für dasselbe gar nicht zweifelhaft
waren oder aufhörten, dies zu sein, d. h. wenn sich das Gericht von der Wahrheit der Thatsachen überzeugte.
Weil die
beiden Parteien in Ausübung ihrer Prozeßrechte bezüglich der Wahrheit einer Thatsache verschiedene Überzeugungen im Pro zesse erklärten, muß sich das Gericht, damit die Thatsache Urteils grundlage werden könne, davon überzeugt haben, daß sie wahr sei. Kann es diese Überzeugung nicht gewinnen, dann darf
es die Thatsache im Urteile nicht verwerten. Die der Ausübung der genannten subjektiven Prozeßrechte entsprechende, so
Weise
geartete Richterpflicht soll aber in der
abänderbar
sein,
daß
durch
rechtsbestimmende
Parteiwillenserklärung eine bestrittene Thatsache bedingungs
weise doch Urteilsgrundlage werden muß,
obwohl sich das
Wesen des Schiedseides.
25
Gericht von ihrer Wahrheit keine Überzeugung bilden konnte, wenn es nur wenigstens nicht zur Überzeugung von dem Gegen teile gelangt ist.
Der Behauptende, welcher nicht in der Lage ist,
den Erfolg der Bestreitung (Anzweiflung) durch Beweisen auf zuheben, soll ihn in anderer Weise beseitigen können;
dafür,
daß die bestrittene Thatsache Urteilsgrundlage wird, soll nicht
gefordert werden, daß dem Gerichte eine wegen Mangels an Beweismitteln unherstellbare Überzeugung von der Wahrheit der Thatsache beigebracht wird; es soll dafür genügen, daß die von dem Behauptenden ausgesprochene Überzeugung von der Wahrheit der Thatsache eidlich erhärtet wird, wenn nicht der Bestreitende seine Überzeugung von der Unwahrheit, eventuell
auch nur den Mangel einer Überzeugung von der Wahrheit der Thatsache eidlich erhärtet hat,
einseitige
prozessuale Rechtsgeschäft
wozu er in dem durch das der
Eideszuschiebung
geänderten Prozeßverhältnisse das Recht
erhält.
änderung des Prozeßverhältnisses besteht darin,
ab-
Die Ab
daß zu den
ursprünglichen subjektiven Prozeßrechten das zur Feststellung einer bestrittenen, somit für das Gericht anzweifelbar gewordenen
und zweifelhaften (zweifelhaft gebliebenen und bleibenden) Thatsache
im Eideswege Hinzutritt und, daß durch die Ausübung dieses Feststellungsrechtes die Richterpflicht geändert wird. Nicht auf die unherstellbare Überzeugung des Gerichtes von der Wahr
heit der Thatsache soll es ankommen, sondern auf die Erhärtung einer der einander widersprechenden Überzeugungen der Par teien, wodurch
natürlich eine Überzeugung des Gerichtes von
der Wahrheit der Thatsache nicht bewirkt werden, sondern nur
die für das Gericht anzweifelbar gewordene Thatsache aufhören soll, anzweifelbar zu sein, und zwar deshalb, weil der Bestreitende es unterließ, seine erklärte Überzeugung von der Un
wahrheit der Thatsache oder den erklärten Mangel einer diesfälligen Überzeugung zu erhärten, dagegen der Behauptende seine Über
zeugung von der Wahrheit der behaupteten Thatsache durch seinen Eid bekräftigte.
Wesen des Schiedseides.
26
Die Mö glichkeit, das Prozeßverhältnis in der Weise durch
rechtsbestimmende Parteiwillenserklärung abzuändern, tritt aber erst in dem Stadium des fortentwickelten Prozeßverhältnisses ein.
Keine Partei
zuschiebung
kann ohne weiteres sofort
das Feststellungsrecht
Eides
einer
von ihr be
einführen;
die Parteien
bezüglich
haupteten Thatsache in den Prozeß
durch
können dies erst über Ausübung des Bestreitungsrechtes
von Seite des Gegners und sie können dies nur unter der Voraussetzung, daß das Gericht, welches bereits daran gegangen ist, es zu versuchen, sich eine Überzeugung von der Wahrheit der streitigen Thatsache zu bilden, zu keiner eigenen Überzeugung gelangen konnte. Es ist daher die Behauptung,
daß die Möglichkeit der Thatsachenfeststellung im Eideswege schon mit der Begründung irrige.
des Prozeßverhältnisses gegeben ist,
eine
Das Gericht braucht und darf es einer bestrittenen That
sache, welche für dasselbe anzweifelbar geworden ist, gegenüber keineswegs sofort zulafsen, daß es bei der Entscheidung nicht auf seine Überzeugung von der Wahrheit der Thatsache ankommt;
es hat sich vielmehr diese Überzeugung zu verschaffen; erst
wenn es zu keiner Überzeugung gelangen kann, darf es das
auf Abänderung des Prozeßverhältnisses abzielende Rechts geschäft der Eideszuschiebung und im Anschlüsse hieran auch das der Eideszurückschiebung eventnell auch des Eideserlasses für zu
lässig erklären. Hoffentlich genügt dies endlich, um darzuthun, daß durch die Einführung des Rechtes zur Thatsachenfeststellung im Eideswege
und durch die Ausübung desselben das ursprüngliche Prozeß
verhältnis
abgeändert wird, und um klar zu machen, nach
welcher Richtung
durch Erfassen
und Verwerten des Gesagten
etwas für die Beschaffung der Urteilsgrundlage gewonnen wird;
ein abschließendes Urteil darüber, ob dies der Fall ist, kann, ich Kleinfeller nicht zugestehen. Dagegen
gestehe ich gern als richtig zu,
daß die Eides
zuschiebung kein Mittel zur Disposition über die Beweislast
Wesen des Schiedseides.
27
ist (S. 92); diese kommt bei der Eideszuschiebung nur in der Weise
in Betracht, daß das Gesetz in § 412 als absolute Voraus setzung für die Zulässigkeit des Rechtsgeschäftes der Eides
zuschiebung aufstellt, daß den Zuschiebenden die Beweis la st bezüglich der festzustellenden Thatsache trifft ^).
Kann er
den
") „Anscheinend" stellt Kleinfeller (S. 76) den Satz, daß durch die Bestimmung des § 412 die Wirksamkeit der Eideszuschiebung davon ab
hängig gemacht wird, ob auf der zuschiebenden Partei die Beweislast ruht, so hin, als wäre dies eine längst bekannte und ausgemachte Sache, und erwähnt
nur nebenbei, daß ich darüber, wann die Beweislast zu prüfen sei, auf S. 887 ff. insbes. S. 341 u. 342 meiner Abh. über proz. Rechtsgeschäfte eine irrige Ansicht ausgesprochen habe, welche durch Hinweisung auf das von ihm
(S. 78, 79) im Texte nach Anm. 10 Gesagte abgefertigt wird. Dem gegenüber muß ich zunächst für mich unbescheidenerweise in An spruch nehmen, daß vor meiner erwähnten Abhandlung die Prozeßdoktrin die Bestimmung des § 412 im Anschlüsse an die Motive in anderer Weise erklärte
Und daß der Satz, es werde mit der Bestimmung des § 412 eine absolute Voraussetzung für die Zulässigkeit des Rechtsgeschäfts der Eideszuschiebung ausgestellt, zuerst von mir ausgesprochen und in längerer Ausführung auf S. 337—343 begründet wurde. Um nicht wieder die Bemerkung entgegen gehalten zu bekommen, mit diesem Satze werde nach keiner Richtung etwas gewonnen, will ich nur darauf Hinweisen, daß, wenn die Richtigkeit dieses Satzes
anerkannt wird, gegen jedes bedingte Endurteil, mit welchem auf einen von
dem Nichtbeweisbelasteten zugeschobenen oder ihm zurückgeschobenen Eid erkannt
wird, mit Erfolg die Berufung bzw. die Revision ergriffen werden kann.
Klein
feller hätte mich, wenn er mich bei diesem Anlasse überhaupt citieren wollte, wozu allerdings Veranlassung vorlag, da er den von mir ausgestellten Satz adoptierte, als denjenigen nennen müssen, der denselben aufstellte und begründete; gewiß aber durfte er mich nicht citieren als Vertreter einer von mir nicht
ausgestellten Ansicht über die Frage, wann die Beweislast zu prüfen sei; das, was Kleinfeller als seine dagegen vorgebrachte richtige Ansicht hinstellt, ist ja wieder die meine, die er, wenn er genauer gelesen, bei mir hätte
finden müssen. Kleinfeller mißversteht offenbar, was ich damit, daß die Zulässigkeit des Eides mit Rücksicht auf die Beweislast erst dann zu prüfen ist, wenn das Gericht sich über das Ergebnis des Eidesverfahrens auszusprechen hat, sagen wollte und gesagt habe.
Ergebnis des Eidesverfahrens,
Der Ausspruch über das
welches sich zusammensetzt
aus Partei
erklärungen, Zuschiebung, Einwendungen dagegen, Annahme, Zurückschiebung, Einigung der Parteien, erfolgt durch das bedingte End urteil oder durch Beweisbeschluß. Ich habe auf S. 342 ausdrücklich bemerkt, daß es zum
Eidesverfahren, d. i. zur Abgabe obiger Partei-Erklärungen ohne vor herige Prüfung seitens des Gerichtes kommen könne, weiters auf S. 350, 351,
28
Wesen des Schiedseides.
Beweis für diese durch Ausübung seines Beweisrechtes nicht erbringen, kann er wegen Mangels an Beweismitteln nicht hoffen, das Gericht von der Wahrheit der streitigen Thatsache zu überzeugen, dann soll
der
Beweisbelastete,
der
allein
ein
rechtliches
Interesse an der Abänderung des Prozeßverhältnisses
durch
Hinzutritt des Feststellungsrechtes zu seinem Inhalte hat,
durch
die rechtsbestimmende Willenserklärung, welche in der Eideszuschie bung gelegen ist, die Abänderung des Prozeßverhältnisses dahin bewirken zu können, daß es nicht nötig ist, die streitige Thatsache, damit sie Urteilsgrundlage werde, zu beweisen, sondern daß sie vom Gerichte dann ni.cht mehr angezweifelt werden dürfe, wenn im Wege der Eidesgeschäfte die eine der beiden von den Parteien erklärten Überzeugungen bezüglich der Wahrheit der
Thatsache eidlich erhärtet oder durch Eidesverweigerung als nicht bona fide abgegeben, oder durch Eideserlaß als bona fide
abgegeben dargethan wird.
Der Schiedseid, wie ihn die R.C.P.O. kennt, ist demnach kein Beweismittel, d. i. kein Mittel, durch welches die Überzeugung des Gerichtes von der Wahrheit der bestrittenen Thatsache be wirkt werden soll, er ist auch kein nur formelles Feststellungs
mittel der Wahrheit einer Thatsache, indem durch dasselbe die Wahrheitsfeststellung und das Beweisthema beschränkt wird, wie Frhr.v.Canstein behauptet; er ist auch kein Mittel zur Disposition
über den Anspruch; er ist ebenso wenig ein Mittel zur Disposition daß diese Prüfung erst m i t S ch l u ß der Verhandlung regelmäßig stattsindct, ausnahmsweise schon früher, wenn die Eidesleistung durch Beweis
beschluß ungeordnet wird, und zwar bei Fassung desselben.
Vor dem
Schlüsse der Verhandlung bzw. vor der Fassung eines Beweisbeschlusses hat
die Prüfung der Beweislast nur in dem Falle koi'nzidierender Eideszuschiebungen
zu geschehen.
Es ist daher unrichtig, mich als Vertreter der Ansicht, daß
die Beweislast bloß dann vor der Eidesauflage geprüft werden muß, wenn sich beide Parteien über dieselbe Thatsache, bzw. über Thatsache und Widerspiel
gegenseitig Eide zuschieben, anzusühren; meine Ansicht habe ich vielmehr dahin
deutlich ausgesprochen, daß die Beweislast stets dann geprüft werden muß,
wann es zur Eidesauslage durch bedingtes 'Endurteil oder Beweisbeschluß kommt, und auch schon früher im Falle koinzidierender Eideszuschiebungen.
29
Wesen des Schiedseides.
über Thatsachen in dem Sinne, daß durch Ablegung des Schiedseides Gegenbeweis
und
Restitutionsklage
dann ausgeschlossen würde,
wenn sich auch der Schwörende einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht scbuldig gemacht hat; er ist auch kein
Mittel zur Disposition über die Beweislast.
Die Eideszuschiebung
ist aber mehr, als durch den medizinisch anklingenden Satz: „sie sei
eine auf Beförderung und Erleichterung der Thatsachenfeststellung durch Eid gerichtete einseitige Willenserklärung" aus
gedrückt wird. Die Thatsachenfeststellung durch Eid wird durch die
Eideszuschiebung nicht befördert und erleichtert, sondern dem durch Ausübung jener Prozeßrechte, welche den Inhalt des ur sprünglichen Prozeßverhältnisses bilden, sich gestaltenden Pro
zesse ist die Thatsachenfeststellung durch Eid völlig fremd; zu
dieser kann es erst kommen durch Erweiterung, d i.Abänderung des Inhaltes des Prozeßverhültmsscs, und zwar nur in einem be stimmten Stadium der Entwickelung des Prozeßverhältnisses, unter
gewissen Voraussetzungen für die Zulässigkeit des einseitigen abändernden Rechtsgeschäftes.
Die Feststellung der nicht beweisbaren Thatsache soll dadurch
erfolgen,
daß eine der beide» von den Parteien bezüglich der
Wahrheit der streitigen Thatsache ausgesprochenen verschiedenen Überzeugungen erhärtet, und dann die Thatsache im Sinne der erhärteten Überzeugung des Behauptenden oder das Gegen
teil derselben im Sinne der erhärteten Überzeugung des Bestrei
tenden oder Anzweifelnden dem Urteile, ohne daß es auf die Über zeugung des Gerichtes von der Wahrheit der Thatsache mehr an
kommt, als für das Gericht wieder unanzweifelbare zu Grunde gelegt wird 12). Was im speziellen Falle zu geschehen hat, wird durch das
Ergebnis des an die Eideszuschiebung sich anschließenden Eides
verfahrens
bestimmt.
zuschiebung
wird nur
Durch
das Rechtsgeschäft der Eides
bewirkt,
daß es zur Feststellung
12) Hierüber und über das Nächstfolgende brachte ich eingehende Aus führungen in meiner Abh. „hon. fid. i. C.P " S. 224 ff.
Wesen des Schiedseides.
30
der nicht beweisbaren Thatsache kommt; mit der Zuschiebung entsteht für den Dekaten das Recht, seine Überzeugung zu be schwören, eventuell die bis zum Wissen um die Wahrheit der That sache gesteigerte oder auch den Mangel jeder Überzeugung. Be
schwört er seine Überzeugung von der Unwahrheit der Thatsache oder den Mangel einer Überzeugung, so soll das Gegenteil der
behaupteten Thatsache für das Gericht unanzweifelbar sein und
muß dem Urteile zu Grunde gelegt werden. muß
Aber der Delat
nicht schwören; er kann nur dagegen nichts machen, daß
es zur Thatsachenfeststellung kommt; dagegen ist es ihm über lassen, diese Feststellung durch Beschwörung seiner Überzeugung zu
bewirken oder dem Deferenten die Beschwörung seiner Über
zeugung anheimzugeben, was durch die Vornahme des einseitigen prozessualen Rechtsgeschäftes der Eideszurückschiebung erfolgt.
Er bestimmt, durch wessen Eid die Feststellung erfolgen soll. Will er seine Überzeugung nicht beschwören und überläßt er dem Deferenten die Beschwörung seiner Überzeugung, so wird, wenn dieser schwört, von der Wahrheit der Thatsache überzeugt
zu sein, eventuell die Thatsache als wahre sogar zu wissen, die
Thatsache für das Gericht wieder unanzweifelbar und muß dem Urteile zu Grunde gelegt werden, denn der Bestreitende hat es unterlassen, seine Überzeugung zu erhärten, und die Feststellung
von der Erhärtung der Überzeugung
des Deferenten abhängig
gemacht. Gibt der Delat keine Annahme-Erklärung ab und schiebt er
auch den Eid nicht zurück, so kann es zwar zur Feststellung der Thatsache nicht kommen, aber es wird doch dem Deferenten ein für ihn gleichwertiger Erfolg, dieBestreitungserklärung
verliert ihre rechtliche Wirkung, die Thatsache ist für das Gericht nicht anzweifelbar, daher dem Urteile als unanzweifel bare, wenn auch nicht endgültig festgestellte zu Grunde zu legen.
Verweigert der Delat den angenommenen Eid, so soll die Überzeugung des Gegners als erhärtet gelten; ebenso, wenn der Deferent den Eid verweigert; im ersteren Falle wird die Thatsache
im Sinne der vom Deferenten, im letzteren im Sinne der vom Dekaten ausgesprochenen Überzeugung festgestellt, sie oder deren Gegenteil wird als unanzweifelbar dem Urteile zu Grunde gelegt. Durch Erlaß des Eides (ein selbständiges prozessuales Rechtsgeschäft, das aber wieder erst in einer späteren Stufe der Prozeßentwickelung, wenn einmal die Person desjenigen, durch dessen Eid die Feststellung zu erfolgen hätte, bestimmt ist, zulässig wird,) wird die Feststellung im Sinne der Überzeugung desjenigen, der seine Überzeugung zu beschwören hätte, bewirkt. Alle drei Eidesgeschäfte sind an absolute und dispositive Voraussetzungen gebunden, über deren Vorhandensein, wenn es sich um absolute handelt, oder wenn der Mangel einer dis positiven parteiseitlich gerügt wird oder auch, wenn dies nicht geschieht, dieselbe aber im speziellen Falle als subsidiär abso lute nach richterlichem Ermessen zu gelten hat, das Gericht befindet. Das Gericht wirkt beim Zustandekommen der Eidesgeschäfte in keiner Weise mit, es hat nur zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Zulässigkeit derselben gegeben sind, nnd darüber seinen Ausspruch zu thun.") Dies ist die Regelung der Institution des Schieds eides nach dem Sinne der bezüglich desselben von der R.C.P.O. ausgestellten Normen.
Im Gegensatze zu dem Schiedseide, welcher nicht dem Zwecke der Wahrheitserforschung, sondern zur Beschaffung der Urteilsgrundlage durch Thatsachenfeststellung im Wege der eidlichen Erhärtung der Parteiüberzeugung dient, soll die Parteienls) Bezüglich des zuletzt Gesagten erlaube ich mir, außer aus die in der vorangehenden Note bereits anbezogenen Ausführungen auch noch auf jene hinzuweisen, welche sich in meiner Abh. „über proz. Rechtsgeschäfte" S. 174ff.,
184 f. und 331 ff. finden.
32
Parteimvernehmung neben Schiedseid.
einvernehmung als neues Wahrheitsersorschungsmittel eingeführt werden.
Ob sie als solches für den Prozeß ebenso
gute Dienste leisten kann wie der Schiedseid als Feststellungs mittel, ist zu untersuchen.
Denken wir uns zunächst die Parteienvernehmung als Beweis mittel in der Gestaltung, welche von Frhrn. v. Canstein vor geschlagen wird, ohne dahinter stehenden Zwang, und neben
dem Schiedseide, so dürfte sich durch Einführung derselben keine
besondere Umgestaltung des Prozesses vollziehen.
Gewiß „liegt
kein Grund vor, den Parteien zu verbieten, unter Wahrheits pflicht ihr Zeugnis und ihre Vernehmung anzubieten".
Aber sie
können doch auch heute schon alle jene Thatsachen, welche aus
ihnen dereinst im Stadium der Beweisaufnahme herausvernommen werden sollen, dem Gerichte bereits im Laufe derVerhandlung
mitteilen;
sie können sich eingehendst über den Sachverhalt aus
sprechen, jede einzelne Thatsache beleuchten. Gründe für und wider die Wahrheit derselben anführen; allerdings erfolgt ein derartiges
Vorbringen der Parteien heute nicht unterWahrheitspflicht in dem Sinne, daß die Parteien wegen vorgebrachter Unwahrheiten Rechtsnachteile zu befürchten hätten;
die Parteien kein Recht, zu lügen;
aber auch heute haben
sie haben nur ein Prozeß-
Recht, solche Thatsachen zu behaupten, von deren Wahrheit sie
überzeugt sind.
Was nützt heute einer Partei eine unwahre Be
hauptung? Muß sie nicht Bestreitung erwarten und dann darauf gefaßt sein, daß sie in die Lage kommen werde, ihre Überzeugung durch Schwur zu erhärten?
Dann wird ja die Aussage unter
Wahrheitspflicht nachträglich gestellt. Daß es sich nicht rechtfertigen lasse, einen Zwang in der
Art auf die Parteien auszuüben, daß sie sich als Zeugen unter
Wahrheitspflicht entweder über Antrag der Gegenseite oder
über Befehl des Beweis suchenden Gerichtes vernehmen lassen müssen, darin stimme ich gern mitFrhrn. v. Canstein überein.
Im Vergleiche mit der Tortur, welcher die Parteien dann unter zogen würden, verdient diejenige, welche man in dem heute wider
Parteienvernehmung neben Schiedseid.
33
den Delaten geübten Zwange, der nur dahin geht, entweder seine Überzeugung beschwören oder den Ausgang des Prozesses der
Gewissenhaftigkeit seines Gegners überlassen zu müssen, gelegen findet, gewiß nicht jenen Namen. Ich stimme Frhrn. v. Can stein aus innerster Überzeugung bei, daß nur zu oft Fälle vorkommen würden, wo Parteien unwahre Thatsachen zugestehen, um nur der Tortur der Vernehmung, bei welcher sie Gefahr laufen, über die allerheikelsten Vorkommnisse ihres Privat- und
Familienlebens entgehen.
unter Wahrheitspflicht aussagen zu müssen,
zu
Es ist gewiß auch richtig, daß der Zeugniszwang als
Zwang der Partei, sich als Zeuge vernehmen zu lassen und auf
gestellte Fragen zu antworten, mit der Parteistellung unvereinbar
ist (S. 33 ff.), und zwar aus den dort angegebenen Gründen.
Dies fühlt
wohl auch Kleinfeller,
der,
obwohl er dafür
plädiert, daß die Vernehmung der Partei über Antrag des Gegners oder von Amts wegen angeordnet werden soll, den Parteien die Befugnis zugestanden wissen will, die Zeugen
aussage zu v e r w e i g e r n, und daß es in dem Falle der Verweigerung weder zu Zwangsmaßregeln noch zur poena confessi zu kommen
brauche, sondern daß der Richter unter sorgfältiger Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung zu entscheiden habe (S. 103). Bei dieser Entscheidung würde aber doch gewiß auf den Umstand,
daß die Aussage verweigert wurde, ein großes Gewicht gelegt werden, der Richter würde, wie Frhr. v. Canstein (S. 35) sagt, in der Verweigerung der Aussage einen Vermutungsgrund gegen
die Wahrheit des Vorbringens des das Zeugnis Verweigernden
erblicken, dem Gegner mehr Vertrauen schenken, so daß die Ver weigerung
mit
einem
Rechtsnachteile
verbunden
wäre,
während doch den Parteien die Verweigerung der Aussage gestattet sein müßte, ohne daß sie einen Rechtsnachteil erfahren, damit
man von einer Befugnis, die Aussage zu verweigern, sprechen
kann.
Der Rechtsnachteil ist nur dann zu vermeiden, wenn die
Vernehmung nur über Antrag der zu vernehmenden Partei erfolgen darf (S. 35). Truttcr, Schiedseid oder Parteienvernehmung?
3
Parteienvernehmung neben Schiedseid.
34 Dagegen,
daß es insbesondere dem Delaten nicht
gestattet sein soll, eine Eideszuschiebung dadurch zu beantworten,
daß er die Vernehmung des Deferenten beantragt, sprechen die Gründe, welche Frhr. v. Canstein auf S. 35 ff. anführt.
Nach
den von ihm gemachten Vorschlägen soll ja dem Delaten, der es nicht auf sich nehmen will, seine bezüglich der bestrittenen Thatfache erklärte Überzeugung eidlich zu erhärten, das Recht zustehen,
seine Vernehmung zu beantragen und in dieser dem Gerichte seine Überzeugungsgründe zu erschließen. Will er aber auch das nicht, so ist es gewiß nicht gerechtfertiget, dem Deferenten
die Ablegung des von ihm angebotenen Eides dadurch abzuschneiden,
daß verlangt wird, er solle sich als Zeuge vernehmen lassen. Wenn dem Delaten die Möglichkeit offen steht, entweder die streitige Thatsache dadurch für das Gericht unanzweifelbar zu machen, daß er seine Überzeugung beschwört, oder dem Richter
Beweisgründe für die Unwahrheit jener dadurch zu liefern, daß
er sich vernehmen läßt, so müßte man es auch dem Deferenten offen lassen, entweder seine Überzeugung zu beschwören, oder Beweisgründe durch seine Vernehmung zu liefern; das heißt: der Deferent würde seine Vernehmung statt der Ablegung des zurück
geschobenen Eides anbieten können;
dieser Fall würde allerdings
kaum vorkommen, denn der Beweisbelastete wird und soll nur dann zur Eideszuschiebung greifen, wenn er nicht erwarten kann,
durch seine Vernehmung das Gericht von der Wahrheit der be haupteten Thatsache zu überzeugen.
Hat er nun den Eid zu
geschoben und wurde ihm dieser zurückgeschoben, warum sollte er
seine Vernehmung beantragen? Aber dem Deferenten darf nicht durch den vom Gegner gestellten Antrag auf Vernehmung die
Ablegung seines angebotenen Eides abgeschnitten werden; der Gegner darf nur den Eid zurückschieben, wenn er weder
schwören, noch sich selbst als Zeugen vernehmen lassen will. Ebenso ungerechtfertigt wäre, es dem Deferenten
anheim
zugeben, ob er seinem Gegner den Eid zuschieben oder dessen
Vernehmung beantragen toolle.• Auch diesbezüglich ist Frhrn.
Parteienvernehmung neben Schiedseid.
35
v. Canstein beizustimmen, wenn er (S. 39 ff.) ausführt, daß ja Delat nicht zu beweisen habe, daher von ihm nicht verlangt
werden könne, daß er dem Richter durch seine Vernehmung Be weisgründe erschließe.
Es
wäre
zweifellos
ungerechtfertigt,
das Widerspruchsrecht (Bestreitungsrecht) in der Weise zu be
schränken, daß es nur dann zustande, wenn der Bestreitende
bereit ist, sich der Tortur der Vernehmung zu unterwerfen.
Das
Bestreitungs- resp. Anzweiflungsrecht geht dahin, eine Thatsache,
von deren Unwahrheit man überzeugt ist, zu bestreiten, beziehungs weise eine solche, bezüglich deren man kein Wissen zu haben braucht, anzuzweifeln, wenn man thatsächlich gar keine Überzeugung be züglich der Wahrheit derselben hat. Bei der Feststellung einer streitigen Thatsache im Eidcswege hat der Delat nur seine Über-
zeugung oder den Mangel einer solchen zu beschwören.
Der
Eid des Delaten ist demnach kein Beweisgrund für die Unwahrheit
der Thatsache, er soll es auch gar nicht sein.
Hiermit stimmen
Frhrn. v. Cansteins Bemerkungen im wesentlichen,
wenn es
auch nicht richtig ist, daß der Eid des Delaten, wie er auch lautet, immer nur ein Überzeugungseid oder Ignoranzen sei, denn er lautet ja bezüglich jener Thatsachen, die in eigenen Hand
lungen des Delaten bestehe», oder Gegenstand seiner Wahrnehmung
gewesen sind, regelmäßig:
„ich schwöre, daß die Thatsache nicht
wahr ist"; dann ist er aber ein Wissenseid.
Es trifft sich gut,
daß meine Mitte Juli 1892, also wenige Wochen vor der Publi zierung der Gutachten erschienene Abhandlung über bona fides im Civilprozesse die von Frhrn. v. Canstein gelassene Lücke da
durch ausfüllt, daß dargethan wird, es sei der Wissenseid auch nur ein besonders gearteter Überzeugungseid. Weil
regelmäßig
Frhr. v. Canstein übersehen hat,
daß der Delat
über Thatsachen, welche in seinen Handlungen be
stehen oder Gegenstand seiner Wahrnehmung gewesen sind, einen
Wissenseid abzulegen hat, kommt er dazu,
jedem Eide des
Delaten die Natur eines Kalumnieneides-zuzuschreiben, was
er gewiß doch dann nicht ist, wenn er als Wissenseid ab3*
36
Parteienvernehmung neben Schiedseid.
gelegt wird. Aber er ist es auch dann nicht, wenn er als Überzeugnngs- oder sogenannter Jgnoranzeid abgelegt
wird, denn nie beschwört der Delat den Mangel der calumnia, der malitia, der Schikane, sondern seine Überzeugung, eventuell den Mangel einer Überzeugung von der Wahrheit der Thatsache. Es ist aber etwas anderes, zu schwören, man habe nach sorgfältiger Prüfung und Erkundigung die Überzeugung
erlangt, daß eine Thatsache nicht wahr sei, eventuell man habe nach sorgfältiger Prüfung und Erkundigung die Über zeugung nicht erlangt, daß eine Thatsache wahr sei, und zu schwören, man sei frei von calumnia, malitia, Schikane
gewesen, als man die Thatsache bestritt, und sei auch jetzt noch
frei davon, indem man die Bestreitung eidlich erhärtet; der Delat schwört nicht, daß er nicht gegen seine bessere Überzeugung die
Thatsache bestritten habe, sondern daß er sie bestritten habe, weil er von ihrer Unwahrheit überzeugt ist, eventuell keine Über zeugung bezüglich
ihrer Wahrheit erlangen
v. Canstein widerspricht sich selbst,
indem er,
konnte.
Frhr.
obwohl er im
Texte vor Note 22 sagt, daß der Delat nur einen Eid über den Mangel der calumnia, malitia, Schikane schwöre, in der Note darauf hinweist, daß durch den Überzeugungs- resp. Jgnoranzeid
kein Beweis für die streitige Thatsache erbracht wird; denn be schworen werde ja nicht diese, sondern die vorhandene resp, nicht vorhandene Überzeugung des Schwörenden; das ist doch nicht Mangel an calumnia, sondern viel mehr.
Mit dem
in der Note Gesagten befinde ich mich im Einklänge; nur habe
ich noch den weiteren Beweis erbracht, daß auch durch den
Miss en seid,
der meist,
aber ungenau Wahrheitseid
genannt
wird, nicht die Thatsache oder deren Gegenteil, sondern nur das Wissen, die zum Wissen gesteigerte Überzeugung von der Wahrheit oder Unwahrheit um die streitige Thatsache beschworen wird. Die schwer wiegenden Gründe, welche gegen einen Zeugnis zwang sprechen, würden daher nur gestatten, mit Frhrn. v. Can
stein die Aufnahme der Institution der Parteivernehmung unter
Parteienvernehmung neben Schiedseid.
37
der Bedingung zu befürworten, daß es dazu nur dann kommen
dürfe,
wenn eine
oder beide Parteien ihre Vernehmung frei
willig anbieten, nicht aber auch dann, wenn die eine Partei die
Vernehmung ihres Gegners beantragt, oder das Gericht dieselbe von sich aus anordnet.
Der durch einen solchen Antrag erfol
gende Zwang des Gegners würde dadurch nicht gemildert, daß der Antrag, wie Kleinfeller (S. 99) es zu wünschen
scheint, stets auch den wider den Antragsteller gerichteten Zwang, sich selbst als Zeugen vernehmen zu lassen, enthalten
solle; ich wenigstens könnte mir nicht vorstellen, daß dem Antrag
steller das Recht zugestanden werden sollte, zu verlangen, daß
sich sein Gegner als Zeuge vernehmen bereit
erklärt, sich
selbst
ohne daß er sich
lasse,
vernehmen zu
lassen.
Auffallend ist
allerdings, daß Kleinfeller (S. 103) von der Befugnis beider Parteien,
die
Zeugenaussage zu
verweigern,
spricht.
Sollte
danach die von Kleinfeller gewünschte gesetzliche Behandlung
des Antrages auf Vernehmung des Gegners nur dahin zu ver stehen sein, daß der Richter zur Vernehmung beider Parteien zu
schreiten hat, der Antragsteller aber befugt wäre, seine Aus sage zu verweigern?
Ich hielte dies für undenkbar.
Daß der wider den Gegner
gerichtete Zeugniszwang durch
die Befugnis zur Verweigerung der Aussage nicht gemildert
wird, liegt klar; denn auch derjenige, der seine Aussage nur des halb verweigert, weil er besorgt, daß Geschehnisse des intimsten
Privat- oder Familienlebens bei der Vernehmung zur Sprache kommen dürften,
wissen will,
wird
deren Erörterung er um jeden Preis vermieden
durch
seine Weigerung ein starkes Indiz
gegen die Wahrheit der zu beweisenden Thatsache liefern. Will er dies nicht, muß er sich vernehmen lassen.
Die Frage, ob der
heute nur für den Dekaten bestehende Eideszwang, der ja nur dahin geht, entweder seine bereits ausgesprochene Überzeugung
eidlich zu erhärteu, oder es dem Deferenten offen zu lassen, seine Überzeugung zu beschwören, durch Einführung eines neuen, viel unerträglicheren Zwanges, des Zeugniszwanges über gegne-
38
Parteienvernehmung neben Schiedseid.
rischen Antrag
beseitigt werden solle, kann nur ablehnend be
antwortet werden.
Der Eideszwang soll vielmehr nach den Vor
schlägen Frhr. v. Cansteins dadurch
beseitigt werden, daß
es dem Delaten verstattet wird, freiwillig seine Vernehmung an zubieten, also ohne statt des alten einen neuen Zwang einzuführen. Noch
auf
bedenklicher
als
die
Vernehmung
Antrag des Gegners scheint es mir,
wie
der
Partei
Kleinseller
(S. 101) befürwortet, dem Gerichte die Macht einzuräumen, von sich aus die Vernehmung der Parteien anzuordnen.
Dies
wäre gewiß keine Erweiterung der richterlichen Prozeßleitungs
gewalt, sondern Einführung der Jnquisitionsmaxime in den Civilprozeß.
richtet
sein,
dadurch
das
Die Prozeßleitungsgewalt kann nur dahin ge zur
klar zu stellen,
Entscheidung daß alle
verstellte
Rechtsverhältnis
erheblichen Thatsachen
im
Prozesse geltend gemacht, eventuell bewiesen werden; dazu ge
nügt das richterliche Fragerecht, wenn nur von demselben der entsprechende Gebrauch gemacht wird. Aber zur Prozeß leitung gehört es nicht, daß sich das Gericht die Überzeugung
von der Wahrheit einer bestrittenen Thatsache dadurch zu ver schaffen sucht,
daß es verlangt,
die Parteien haben sich
Wahrheitspflicht vernehmen zu lassen.
unter
Müßte diesem Ver
langen entsprochen werden, dann würden die Parteien aufhören,
es zu sein.
Kleinseller meint allerdings, das Inquisitorische
würde wesentlich gemildert — damit ist es als vorhanden
zugestanden — durch die Befugnis zur Verweigerung der Aus
sage.
Dabei darf aber nicht übersehen werden, daß die Ver
weigerung der Aussage über vom Gegner beantragte Ver
nehmung vielleicht in einzelnen Fällen ohne Rechtsnachteil
sein kann, dies niemals aber dann sein wird, wenn das Ge
richt von Amtswegen die Vernehmung angeordnet hat; in diesem Falle wird sie stets von dem Gerichte als eine Auflehnung gegen seine Verfügungsgewalt angesehen und dementsprechend be
handelt werden.
Es kann der Partei gelingen,
dem Gerichte
nahezulegen, daß der Gegner nur aus Schikane, nur um sie
Parteienvernehmung neben Schiedseid.
39
die Vernehmung beantragt habe,
in die @nge zu treiben,
und
daß sie nur deshalb die Aussage verweigere, weil der Gegner
bei Stellung seines Antrages von der illoyalen Absicht geleitet war, ihr Parteiinteresse in Konflikt zu bringen mit dem berech tigten Interesse, über gewisse Dinge zu schweigen, in welchem Falle das Gericht vielleicht in der Verweigerung der Aussage kein Indiz finden würde.
Aber dem Gerichte
liegt doch
Schikane fern; wenn es selbst, von sich aus, die Partei zu vernehmen für gut befindet, dann bedeutet Verweigern Unter
liegen — auch wenn
beide Parteien ihre Aussage verweigern
sollten, würde doch der Beweisbelastete unterliegen; er hätte sich müssen vernehmen lassen, wenn einmal das Gericht zur Über zeugung gekommen ist,
daß sich für dasselbe durch seine Ver
nehmung die gesuchten Beweisgründe erschließen werden.
Will
man dem Gerichte die Macht einräumen, von Amtswegen die
Einvernehmung
der Parteien
anzuordnen,
dann darf das
er
kennende Gericht es nicht mehr sein, welches die Beweisfrage zu beantworten hat.
Wenden wir uns dem Bilde zu, welches Frhr. v. Canstein vom künftigen Prozesse, in welchem zum Schiedseide die frei willige Partienvernehmung treten soll, entwirft, so ersehen wir
zunächst, daß die Parteien, statt das Eidesthema zu beschwören, berechtigt sein sollen, zu
den,
wenn
sie
nicht
verlangen, daß sie vernommen wer
selbst
über
die
Subsumierbar
kei t des
konkreten Sachverhaltes unter das abstrakte (?) Be
weisthema
entscheiden und die Entscheidung nicht auf ihr Ge
wissen nehmen wollen (S. 29).
ich nicht glücklich.
Die letztere Bemerkung finde
Beweisthema beim Schiedseide — ich muß
mich für den Moment auf einen Standpunkt stellen, den ich nicht einnehme — ist doch die Wahrheit einer konkreten Thatsache;
wie soll es denn abstrakt sein?
Wie weit der Schwörende
subsumieren müsse und welche logische Operation er außerdem
noch vorzunehmen und zu überprüfen habe, darüber habe ich mich eingehend in meiner Abhandlung über bona fides im Civilprozesse
Parteienvernehmung neben Schiedseid.
40
(S. 264 ff.) ausgesprochen.
Nicht um eine zweifelhafte Sub
sumtion kann es sich bei der Eidesablegung handeln,
denn ist
diese zweifelhaft, dann darf nicht geschworen werden, sondern darum, ob der Schwurpflichtige in der Lage ist, seine Überzeugung,
welche er bereits früher im Prozesse bezüglich der Wahrheit einer Thatsache ausgesprochen hat, zu beschwören, ob die Überzeugungs
gründe, die ihn veranlaßten, seine Überzeugung auszusprechen und
aufrecht zu erhalten, ausreichend find für eine feststehende Über zeugung, eventuell ob
nicht etwa doch Überzeugungsgründe da
sind, in Anbetracht welcher von einem Mangel jeglicher Über zeugung nicht gut gesprochen werden kann.
Hiermit hat die Sub
sumtion, welche immer nötig ist, damit eine konkrete Thatsache ausgesagt werden konnte, nichts zu thun; diese Subsumtion mußte
bereits erfolgen, damit auf Grund einer bestimmten Wahrnehmung eine konkrete Thatsache erkannt werden konnte.
welche erfolgen muß,
Die Subsumtion,
um eine konkrete Thatsache als solche zu
erkennen und auszusagen, diese Beurteilung eines Wahrgenom menen ist etwas anderes, als die in der Bildung einer Über
zeugung von der Wahrheit einer Thatsache liegende Operation14). Nur in Fällen, in denen die Überzeugung bezüglich der Wahrheit einer konkreten Thatsache nicht feststeht, nicht aber, wenn es sich um die Subsumierbarkeit des Wahrgenommenen unter den Thatsachenbegriff handelt, werden und können die Parteien, statt ihre Überzeugung resp, den Mangel einer solchen zu beschwören,
sich erbieten, dem Gerichte die Überzeugungsgründe, welche u) Ich kann hier die Richtigkeit des Gesagten nicht ausführen und begründen, und muß daher auf die oben im Texte anbezogenen Ausführungen
in meiner Abh. „hon. fid. i. C.P." Bezug nehmen;
hier handelt es sich
doch nur um Prüfung der Ansicht, daß Zweifel über die Subsumierbarkeit des
konkreten Sachverhaltes unter das abstrakte Beweisthema die Parteien berechtigen sollen, ihre Vernehmung zu begehren, statt einen Schiedseid abzulegen.
Diese
Ansicht erscheint mir, abgesehen von dem im Texte Gesagten, schon deshalb irrig, weil dabei von einem falschen Standpunkte ausgegangen wird; nicht
darum handelt es sich, ob die Parteien die Entscheidung auf sich nehmen wollen, sondern ob sie die Bildung der Überzeugung dem Gerichte zu überlassen haben.
Parteienvernehmung neben Schiedseid.
sie haben, klarzulegen;
sie verzichten darauf,
41
ihre Überzeugung
resp, deren Mangel zu beschwören und dadurch die Thatsache
als unanzweifelbare festzustelleti, und versuchen noch ein Letztes,
um den Richter, ich möchte sagen, durch Vorführung von argu menta ad hominem, die von ihnen erklärte Überzeugung, die sie doch durch ihren Eid nicht erhärten wollen, beizubringen. Die einzelnen Fälle, welche sich bei Zulassumg der frei
willigen,
eidlichen Parteienvernehmung neben dem Schiedseide
ergeben würden, stellt Frhr. v. Canstein auf S. 60 ff. zusammen und behandelt sie unter Zugrundelegung von ihm postulierter
Abänderungen des Schiedseides. Er stellt nicht nur in erster Linie den gegenstandslosen
Abänderungsantrag, daß es in Hinkunft für den Deferenten keinen Jgnoranzeid (negativen Überzeugungseid) mehr geben dürfe, daß dieser durch den Eid, er wisse nichts, nicht mehr vollen Beweis darüber Herstellen könne,
daß die Thatsache wahr sei
(S. 24), was, zu Ehren der R.C.P.O. sei es wiederholt, ohnedies nicht der Fall ist, sondern er verlangt, daß der dem Dekaten verstattete Jgnoranzeid, den man doch genauer negativen Über
zeugungseid zu nennen haben wird, nicht die Wirkung
haben
solle, daß der Richter das Gegenteil der behaupteten Thatsache für wahr halten müsse, sondern daß durch Ablegung desselben nur Rekusation des Schiedseides, also bewirkt werden könne,
daß Deferent geschlossen
und
von
der Beschwörung
angewiesen werde,
Weise zu beweisen.
seiner Behauptung
aus
die Thatsache in anderer
Dieser Abänderungsvorschlag steht und fällt
mit der Aufnahme der Parteienvernehmung als neues Beweismittel.
Denn hat der Deferent überhaupt Beweismittel, so wird er, ganz abgesehen davon, daß es die bona fides erfordert, sie vorzuführen, statt zum Schiedseide zu greifen, dies gewiß in einem Falle nicht
thun, in dem der Delat mit der Ablegung eines negativen Überzeugungseides loskommen kann; hätte er es aber auch gethan,
so würde er doch gewiß nach Abgabe der Annahme-Erklärung des Delaten seine unbenützt gelassenen Beweismittel vorführen.
Parteimvernehmung neben Schiedseid.
42
Die Beseitigung der bisherigen.Wirkung des Jgnoranzeides,
an deren Stelle Rekusation bewirkt werden soll, hat für die Praxis nur dann eine Bedeutung, wenn man dem Deferenten ein Beweis mittel mehr als er bisher hatte — seine Vernehmung — gibt.
Wäre dies nicht, so kann es dem beweislosen Deferenten, der zum Schiedseide seine Zuflucht nehmen mußte, ziemlich gleichgültig sein, ob durch den Jgnoranzeid
das Gegenteil festgestellt oder
ihm das Feststellungsmittel genommen wird.
Bloß deshalb, weil
durch die vorgeschlagene Verbesserung etwas angeblich ganz Un
logisches aus dem Gesetze beseitigt würde, könnte ich für dieselbe nicht eintreten,
denn der vorgeworfene Mangel
an Logik im
Gesetze ist nur dann vorhanden, wenn man hübsch beim Wort
laute desselben stehen bleibt und sagt: durch den Eid, man habe die Überzeugung von der Wahrheit einer Thatsache nicht erlangt, werde voller Beweis des Gegenteils derselben her
gestellt.
Das
scheinen.
Wenn man
müßte
gewiß
anwidernd
widersinnig
aber richtig erfaßt,
Schiedseid überhaupt zu keiner
er
daß es durch den
Wahrheitsfeststellung
der
streitigen Thatsache kommt, sondern daß durch denselben nur eine der beiden im Prozesse bezüglich der Thatsache erklärten Überzeugungen erhärtet, und damit die Thatsache im Sinne der
erhärteten Überzeugung fest gestellt werden soll, so ist es gewiß, nachdem das Gesetz die Anzweiflung von facta aliena dadurch zugelassen hat, daß der Gegner erklärt, die Wahrheit derselben
nicht zu wissen, nicht gefehlt, zu bestimmen, daß durch Be schwörung des Umstandes, man habe die Überzeugung von der Wahrheit der Thatsache nicht erlangen können, das Gegenteil der
Thatsache festgestellt werden soll. Daß man für den Delaten den negativen Überzeugungseid bezüglich jener facta aliena, über welche der Eid zugeschoben werden darf, zuließ, ist gewiß nur eine gerechtfertigte Kompensation dafür,
daß der Eid auch
über bestimmte facta aliena zugeschoben werden darf.
Was soll
es bei richtiger Auffassung der Eidesgeschäfte heißen, wenn gesagt wird, die Ablegung des Jgnoranzeides dürfe den Delaten nur
berechtigen, den Schiedseid zu refüsieren ? Nach der rechts geschäftlichen Willenserklärung des Deferenten soll, weil er die Thatsache, welche in einer Handlung der Rechtsvorgänger oder Vertreter des Delaten besteht oder Gegenstand der Wahrnehmung dieser Personen gewesen ist, nicht beweisen kann, diese doch dann Urteilsgrundlage werden, wenn er seine subjektive Überzeugung von ihrer Wahrheit eidlich erhärtet, es wäre denn, daß sein Gegner sich entschlösse, die Nichtwissenserklärung, durch welche er das Anzweifelbarwerden der Thatsache für das Gericht bewirkt hat, eidlich zu erhärten. Thut er dies, schwört er, daß er eine Über zeugung von der Wahrheit einer solchen Thatsache nicht erlangen konnte, so soll ja nicht das Gegenteil derselben als wahr be handelt, sondern unangesehen auf dessen Wahrheit nur deshalb dem Urteile zu Grunde gelegt werden, weil 1. der Defe rent, welcher zwar von der Wahrheit der Thatsache überzeugt zu sein behauptete, diese doch nicht beweisen konnte, und 2. der Delat überdies noch beschwor, daß er sich im Gegensatze zum Defe renten von der Wahrheit der Thatsache nicht überzeugen konnte. Würde neuerungsweise dem negativen Überzeugungseide nur die Wirkung der Rekusation des Schiedseides zugestanden, dafür aber dem Deferenten ein neues Beweismittel, das seiner Vernehmung geboten, so würde seine künftige Lage seiner heutigen gegenüber eine wesentlich bessere; er hätte trotz abgelegten Jgnoranzeides noch immer die Möglichkeit offen, den Richter durch seine Vernehmung von der Wahrheit der streitigen That sache zu überzeugen. Bekanntlich wird nun gegen den Schiedseid geltend gemacht, es sei nicht gut zu rechtfertigen, daß man dem Deferenten, der wegen Mangel an Beweisen voraussichtlich unterliegen würde, mit dem Schiedseide den Eideszwang gegen den Delaten gibt. Dennoch erscheint der im Schiedseid liegende sog. Eideszwang in Anbetracht dessen gerechtfertigt, daß die Be streitung mala fide erfolgt sein kann, und ohne Schiedseid auch durch eine solche Bestreitung der Prozeßverlust auf Seite des Deferenten unvermeidlich herbeigeführt würde. Der Deferent, der
44
Parleienvernehmung neben Schiedseid.
die Wahrheit einer Thatsache nicht zu beweisen in der Lage ist, kann heute durch Eideszuschiebung nur bewirken, daß entweder jene Überzeugung, welche den Delaten allein zur Bestreitung
berechtigt,
oder der Mangel
einer Überzeugung,
worauf
die Anzweiflung beruht, von Seite des Delaten eidlich erhärtet wird, oder daß er zur eidlichen Erhärtung seiner Überzeugung von der Wahrheit der Thatsache zugelassen und so entweder das Gegenteil derselben oder diese selbst für den Prozeß als unan
zweifelbar festgestellt wird.
Nimmt man nun dem Delaten die
Möglichkeit, diesen Feststellungserfolg durch Beschwörung des Mangels einer Überzeugung von der Wahrheit solcher
Thatsachen,
die in Handlungen seiner Vertreter
oder Rechts
vorgänger bestehen, oder welche Gegenstand der Wahrnehmung dieser Personen gewesen sind, herbeizuführen, verbindet man mit der Ablegung des negativen Überzeugungseides nur den Erfolg,
daß dadurch die Rekusation des Schiedseides bewirkt wird, in welchem Falle dann Deferent noch immer berechtigt sein sollte,
sich als Zeuge vernehmen zu fassen, so würde darin eine neuer
liche, und zwar nicht zu rechtfertigende Begünstigung des
Deferenten gelegen sein.
Dieser hat durch das Rechtsgeschäft der
Eideszuschiebung einmal in rcchtsbestimmender Weise erklärt, daß die Feststellung der wegen Bewcismangels nicht beweisbaren That sache durch eidliche Erhärtung einer der erklärten Überzeugungen, resp, des Mangels derselben als unanzweifelbare erfolgen solle; dabei muß es aber auch dann in allen Fällen bleiben.
Will
sich der Beweisbelastete als Zenge vernehmen lassen, so hätte er
dies von vornherein zu thun, er darf aber nicht fordern, daß zunächst der Delat den Mangel seiner Überzeugung beschwört und dann erst seine Vernehmung beantragen.
Aus
diesem Grunde bin ich gegen die Beseitigung der bisherigen Wirkung des sog. Jgnoranzeides
auch in dem Falle, als
die
Parteienvernehmung neben dem Schiedseide eingeführt würde.
Ganz unverständlich ist es mir, wie dadurch, daß man dem
abgelegten Jgnoranzeide seine heutige Wirkung nimmt und durch
45
Parteienvernehmung neben Schiedseid.
ihn nur Rekusation des Schiedseides bewirken läßt, „die ungerecht fertigte Beschränkung des ß410 R.C.P.O. beseitigt, und der
Schiedseid über jedes Faktum zugelassen werden könnte" (S. 26). Dadurch, daß man dem abgelegten Jgnoranzeide seine definitve
Wirkung
benimmt, kann doch
nicht
gerechtfertigt werden, daß
auch über Thatsachen, bezüglich welcher es heute zum Schieds eide gar nicht kommen kann, dieser zulässig sein soll.
Man
hatte gute Gründe dafür, zu bestimmen, daß dem Delaten nicht zugemutet werden dürfe, bezüglich aller Thatsachen, welche er
durch bloße Anzweiflung für das Gericht anzweifelbar machen fcmir (§ 129 Abs. 3), sondern nur bezüglich solcher, welche in Handlungen seiner Rechtsvorgänger oder Vertreter bestehen
oder Gegenstand der Wahrnehmung dieser Personen gewesen sind, einen negativen Überzcugungseid abzulegen. Warum sollen diese Gründe dadurch behoben sein, daß der sog. Jgnoranzeid
nicht mehr Feststellung des Gegenteils, sondern nur Rekusation
des Schiedseides bewirkt?
Ich kann
den Gedankengang nicht
finden, auf dem Frhr. v. Canstein zu der von ihm aufgestellten
Ansicht gelangt ist, und muß sie vorläufig, insolange keine Gründe
für sie angeführt werden, als jeder inneren Begründung bar erkennen.
Nach Frhrn. v. Canstein (S. 60 f.) soll in Zukunft der Beweisbelastete die Wahl haben, bezüglich eines jeden bestrittenen
Faktums seinem Gegner den Eid zuzuschieben, oder seine Ver nehmung zu beantragen; er wird, so heißt es, letzteres thun, wenn er fürchtet, sein Gegner könnte' einen Meineid schwören.
Dieser den Deferenten bei seiner Wahl leitende Gesichtspunkt
mag praktisch sein, aber richtig ist er nicht.
Die Vernehmung
der Parteien soll ein neues Beweismittel, ein Mittel, um das Gericht von der Wahrheit einer Thatsache zu überzeugen,
sein.
Der Schiedseid ist ein Feststellungsmittel,
lässig, wenn es an Beweismitteln fehlt.
nur zu
Darum kann der
Beweisbelastete wohl die Wahl haben, aber er hat kein Wahlrecht;
erwartet er, daß sich aus seiner Vernehmung für das Gericht
46
Parteienvernehmung neben Schiedseid.
ausreichende Überzeugungsgründe anschließen, so erfordert
es vielmehr die bona fides, daß er seine Vernehmung beantrage. Nur wenn er sich von seiner Vernehmung kein Resultat für die Überzeugung des Gerichtes erwartet, wird er, den Anforderungen der Redlichkeit im prozessualen Verkehre Rechnung tragend, zum Schiedseide greifen dürfen.
Selbstverständlich kann er stets
neben der Eideszuschiebung seine Vernehmung anbieten.
Das
Gericht hat dann über die Zulässigkeit der ersteren zu entscheiden und zwar bejahend, wenn es sich Gewinnung einer Überzeugung aus der Vernehmung (event, auch
aus der des sich ebenfalls
anbietenden Gegners) nicht verspricht.
Ist aber einmal von dem
Gerichte auf den Eid, welcher ohne gleichzeitiges Anerbieten seiner Vernehmung vom Deferenten zugeschoben wurde, erkannt worden,
und hat der Delat auch nur einen Jgnoranzeid geschworen,
so
darf es doch dem Deferenten nicht mehr gestattet werden, seine
Vernehmung zu beantragen; das hätte er früher thun müssen; hätte er sie aber neben der Eidesschiebung beantragt gehabt, so kann es zu derselben nicht mehr kommen, denn zur Ablegung des negativen Überzeugungseides von Seite des Delaten durfte
es nur kommen, weil sich das Gericht von der angebotenen
Vernehmung des Deferenten keinen Erfolg versprach.
Es will
mir scheinen, daß es nicht gut angeht, dem Jgnoranzeide des
Delaten nur Rekusationswirkung zuzugestehen und dann das Be weismittel der Parteienvernehmung zulässig zu erklären.
Man
wird zu der Ansicht gedrängt, daß sich Schiedseid und Partei vernehmung nebeneinander nicht vertragen; mit der Behand
lung der letzteren als Korrektiv der Ersteren (©. 33) will es nicht
gut gehen. Sehen wir weiter!
Über erfolgte Eideszuschiebung soll der
Delat auf vier verschiedene Arten handeln können.
den Eid zurück, dann bleibt es beim Alten.
Schiebt er
Nicht aber im
Falle der Annahme, denn der Delat soll stets die Möglichkeit haben, sich zu erklären, ob er den Überzeugungseid (einen
Wahrheitseid hätte er, nach Frhrn. v. Canstein, nur über Er-
Parteienvernehmung neben Schiedseid.
47
gänzungen und Berichtigungen des Beweisthemas abzulegen) über die Unwahrheit des Beweisthemas oder statt des Überzeugungseides den Jgnoranzeid schwören wolle.
höchst bedenklichen Neuerung,
Mit Zulassung dieser
mit welcher offenbar dem
Delaten dadurch, daß er nicht einmal mehr über facta propria einen Wissens- oder positiven Überzeugungseid abzulegen
hat, ein Ersatz dafür geboten werden soll, daß ihm über alle Thatsachen der Eid zugeschoben werden kann,
sowie dafür, daß
er durch Ablegung des Jgnoranzeides nur den Schiedseid reku-
sieren,
nicht aber das Gegenteil feststellen kann,
würde jedoch
nach meiner und auch nach der an früherer Stelle ausgesprochenen Ansicht Frhrn. v. Cansteins der ganze Schiedseid wertlos. Nach Frhrn. v. Canstein (S. 11) fordert es die Rechtssicherheit,
daß der Beweisbelastete einseitig ein formelles Beweismittel mit voller Beweiskraft schaffen könne; dies Beweismittel soll der Schiedseid sein.
Wie stünde es nun mit der durch die Eides
zuschiebung erfolgenden einseitigen Schaffung dieses formellen
Beweismittels, „welches einen bestimmten Beweiseffekt haben und den Parteien und den Parteienvertretern im Voraus die
Gewißheit geben soll, o.b ein Prozeß gewonnen werden wird oder nicht, so daß dieser Eid an Wert einer vollbeweisenden Urkunde gleichkommt", wenn der Delat stets über jedes Faktum nur
einen
Jgnoranzeid
Schiedseid refüsiert würde?
abzulegen
brauchte,
wodurch
der
Der Schiedseid würde aufhören,
ein Feststellungsmittel zu sein, wenn der Delat in allen Fällen
der Annahme des Eides damit wegkäme, zu schwören, er habe die Überzeugung von der Wahrheit 'der Thatsache nicht erlangt, statt schwören zu müssen, die Thatsache sei unwahr oder er habe die Überzeugung von ihrer Unwahrheit. Jeder, der diese hat, kann
gewiß auch den sog. Jgnoranzeid ablegen; darum ist dessen Ab
legung für den Delaten stets einfacher; wenn er durch denselben auch nicht die Feststellung des Gegenteils bewirkt, so schneidet er
durch Ablegung desselben dem Deferenten die Feststellung ab, die er ihm vielleicht sonst durch Zurückschiebung des Eides offen lassen
48
Parteienvernehmung neben Schiedseid.
müßte, wenn er nur die Wahl hätte, einen Wissens- eventuell positiven Überzeugungseid zu schwören oder zu referieren. In wie vielen Fällen, in denen heute ein gewissenhafter Delat den Eid, welchen er als positiven Überzeugungseid abzulegen hätte, zurückschieben muß, weil er doch nicht so ganz von der Unwahr
heit der Thatsache überzeugt ist, würde statt der Zurückschiebung die Ablegung
eines sogen. Jgnoranzeides,
den
er dann noch
immer mit bestem Gewissen ablegen könnte, erfolgen, und dadurch dem Deferenten das Feststellungsmittel, welches den Parteien und ihren Vertretern im voraus die Gewißheit geben soll, ob der Prozeß zu gewinnen ist oder nicht, entwunden werden! Wenn ich mir auch
gegenwärtig halte, was Frhr. v. Canstein den Lesern seines Gut achtens ermahnend zuruft, daß Kritisieren und Niederreißen leicht,
Verbessern und Neuaufbauen schwieriger ist, so müßte ich doch die
darin liegende Verbesserung der R.C.P.O., daß der Delat in allen Fällen also auch in solchen, in denen es sich um Thatsachen handelt, über die er heute einen Wissens- eventuell positiven Über zeugungseid ablegen oder referieren muß, die Möglichkeit haben soll, sich für die Ablegung eines positiven Überzeugungseides oder
des Jgnoranzeides zu
entscheiden,
schlechterung erklären.
als eine entschiedene Ver
Verbessern scheint wirklich sehr schwer
zu sein.
Will sich Delat über die erfolgte Eideszuschiebung weder für die Zurückschiebung noch für die Ablegung eines positiven Über-
zeugungs- oder Jgnoranzeides nach Wahl entscheiden, „so soll er auch sein Zeugnis anbieten können".
„Ist das Resultat (des Zeug
nisses) gleich einem Jgnoranzeid'e, so kann der Beweispslichtige
sein Zeugnis anbieten; ist das Resultat g le ichs?) dem Über
zeugungseide, so wird der Delat siegen" (S. 61). Das heißt zunächst wohl, es solle Rekusation des Schieds
eides nicht nur durch Ablegung des Jgnoranzeides, sondern immer dadurch erfolgen können, daß Delat seine Vernehmung anbietet. Es läge daher stets in der Hand des Delaten, dem Deferenten
„das den Erfolg des Prozesses sichernde formelle Beweismittel"
Parteienvernehmung neben Schiedseid.
49
zu entwinden. Mit der Feststellung einer Thatsache als unanzweifel barer durch Beschwörung der Überzeugung des Deferenten
ist es vorbei; er wäre darauf angewiesen,
wenn sich aus der
Vernehmung des Delaten nicht die Wahrheit der Thatsache ergibt, was im Falle, als dieser seine Vernehmung anbietet, nicht zu er warten ist, die Überzeugung des Gerichtes von der Wahrheit
der Thatsache zu bewirken; Prozeß verloren.
gelingt ihm dies nicht, hat er den
Auch wenn sich aus der Vernehmung des De
laten nur ergibt, daß er bezüglich der Wahrheit der streitigen That sache gar keine Überzeugung habe (Resultat gleich einem Ignoranz eide),
so
soll der Beweispflichtige nur seine Vernehmung als
Zeuge anbieten können.
Das wäre klar.
Damit hört aber die
Eideszuschiebung auf, ein einseitiges prozessuales Rechtsgeschäft zu sein, zum Schiedseide kann es nur kommen, wenn auch De-
lat will.
Dies scheint auch Frhrn. v. Canstein (S. 11) un
genügend, und doch plädiert er für diese, die Gestaltung der Eides
zuschiebung als einseitiges prozessuales Rechtsgeschäft völlig umgestaltende Neuerung.
Wann ist aber das Resultat der Vernehmung des Delaten gleich dem Überzeugungseide? in welchem Falle, wie gesagt wird,
der Delat „siegen werde". Ist dies auch gewiß? Durch den positiven Überzeugungseid des Delaten wird beschworen, daß er von der Unwahrheit der Thatsache überzeugt sei; weil er dies beschworen hat, ist das Gegenteil derselben formell bewiesen, sagt
Frhr. v. Canstein, gestellt, sage ich.
ist das Gegenteil als unanzweifelbar fest
Hat sich aber aus der Vernehmung des Delaten
ergeben, daß derselbe aus bestimmten Gründen von der Un
wahrheit der Thatsache überzeugt ist, so kann es ja sein, daß auch das Gericht die Überzeugung der Unwahrheit gewonnen hat; es kann aber auch sein, daß sich das Gericht auf Grund der ihm bekannt gewordenen Überzeugungsgründe nicht bestimmt fühlt,
eine Überzeugung zu bilden,
wie vor zweifelhaft bleibt. laten nicht entschieden. Trutter, Schiedseid oder
daß ihm die Thatsache nach
Damit ist aber der Sieg des De
Sollte Frhr. v. Canstein darunter, daß Parteieuvernehmung? 4
50
Parteienvernehmimg neben Schiedseid.
das Resultat der Vernehmung gleich ist dem Überzeugungseide,
n u r verstehen, daß der Richter von der Unwahrheit der Thatsache
überzeugt wird, worauf es doch beim Überzeugungseide nicht an kommt, dann hat er entweder in seiner Aufstellung den möglichen Fall vergessen, daß sich aus der Vernehmung mehr ergibt als die Überzeugungslosigkeit des Delaten, nämlich seine Überzeugung
von der Unwahrheit, daß aber doch das Gericht nicht über zeugt wird, in welchem Falle der Delat nicht siegt, sondern der
Deferent wieder durch Anbietung seines Zeugnisses siegen könnte, oder er fordert für den gedachten Fall die Aufstellung einer Be weis regel, dahin gehend, daß das Gericht sich von der Unwahr
heit der Thatsache überzeugt zu halten habe, wenn der Delat durch seine Vernehmung darthut, daß er von deren Unwahrheit über zeugt sei. So würden sich in Zukunft die Dinge gestalten, wenn der
Beweisbelastete seine Vernehmung nicht anbietet, sondern den Eid zuschiebt, wodurch
sich kein einseitiges prozessuales
Rechtsgeschäft mehr vollziehen, sondern es in das Belieben des
Delaten gestellt würde, den Schiedseid durch das Anerbieten seiner Vernehmung auszuschließen;
wozu ist er dann noch gut?
wozu ihn beibehalten?
Wie würden sich die Dinge gestalten, wenn der Beweis
belastete von vornherein neben
der Eidcszuschiebung sich zum
Beweise durch seine Aussage erbietet, oder das Letztere doch so
fort dann thut, wann der Delat die Eideszuschiebnng damit be antwortet, daß er seine Vernehmung beantragt?
Oder sollte der
Deferent etwa hiezu nicht berechtigt sein, sollte er das Resultat der Vernehmung des Delaten abwarten müssen und diese Be
rechtigung erst dadurch erhalten, daß das Resultat der Vernehmung
des Delaten gleich ist einem Jgnoranzeide? denkbar.
Das scheint mir un
Nachdem es zur Thatsachenfeststellung durch den Schieds
eid nur kommen darf, wenn es an Beweismitteln fehlt,
die
Parteienvernehmung aber zu diesen zählen würde, so muß der Deferent nicht nur gleich von vornherein berechtigt sein, neben
Parteienvernehmung neben Schiedseid.
51
der Eideszuschiebung seine Aussage anzubieten, sondern auch später
dann, wann der Delat über die Eideszuschiebung seine Ver
nehmung beantragt.
Der Deferent muß dies in seinem wohl
verstandenen Interesse thun, damit sich das Gericht eine Vor überzeugung nicht auf Grund
Delaten bilde.
der einseitigen Aussage
Haben sich aber Delat und
des
Deferent zur
Aussage erboten, so kann doch das Gericht den Deferenten nicht
übergehen und den Delaten allein einvernehmen. Nur in diesem letzteren Punkte befinde ich mich in Übereinstimmung mit Frhrn. v. Canstein.
Dieser schweigt sich nicht nur darüber aus, ob es zulässig sein solle, neben der Eideszuschiebung die Vernehmung anzubieten, sondern
es folgt aus seiner Darstellung mit Notwendigkeit, daß der Beweis belastete, der den Eid zugeschoben hat, auf den Antrag des De
ferenten, ihn lieber als Zeuge zu vernehmen, hin nicht berechtigt sei, sofort auch seine Vernehmung zu beantragen; denn sonst müßte er der letzteren. Möglichkeit gedenken und ihr Rechnung
tragen.
Frhr. v. Canstein sagt nämlich (S. 51), wie ich glaube
mit vollem Recht, daß, wenn
beide Parteien freiwillig ihre
Aussage angeboten haben, grundsätzlich beide Parteien als Zeugen zu vernehmen sind.
In diesem Falle habe der Richter
zuerst festzustellen, wer näher zum Beweisrechte stehe, und sodann
den Näheren zuerst zu vernehmen. Den Vortritt soll gewähren die eigene Wahrnehmung, sohin die Glaubwürdigkeit und schließlich der Umstand, daß der Gegner beweispflichtig ist (S. 52). Danach muß es,
wenn Delat seine Aussage anbietet, und Deferent das
Gleiche gethan hat oder thut, was ihm jedenfalls freistehen muß, nicht einmal zur Vernehmung des Delaten in erster Linie,
viel weniger allein kommen.
Danach könnte das S. 61 ad c
Gesagte nur dann seine teilweise Richtigkeit haben, wenn Deferent nicht ebenfalls seine Aussage angeboten hat, oder anbietet,
ein Fall, der wohl kaum vorkommen dürfte, wenn die Institution der Parteienvernehmung neben der des Schiedseides im Prozesse ihren
Platz finden soll.
Mir will scheinen,
daß
beide Institutionen 4»
52
Parteienvernehmung neben Schiedseid.
nebeneinander nicht gut bestehen können; sicher nicht so,
wie Frhr. v. Canstein sich dies vorstellt; aber auch nicht in anderer Weise. Daran müßte doch, wie immer man den Schiedseid regeln
will, festgehalten werden, daß er kein Beweismittel für die Wahrheit einer Thatsache, sondern nur ein Mittel zur Feststellung einer Thatsache unabhängig von der Überzeugung des Gerichtes
ist; es müßte denn der Schiedseid nur ausschließlich als strikter Wahrheits- (nicht Wissens-) Eid zugelassen werden, was wohl aus
geschlossen erscheint.
Anderseits ist die Parteiaussage jedenfalls
Beweismittel; aus ihr sollen sich Beweisgründe für die Für-wahrAnnahme des Gerichtes ergeben.
Wenn nun, was wohl auch für
alle Zukunft so sein müßte, der Schiedseid nur für den Fall eines Mangels an Beweismitteln zulässig sein soll, so müßte er seinen
Platz hinter der Parteienvernehmung haben; kann das Gericht auch aus dieser keine Überzeugung von der Wahrheit oder Un wahrheit der streitigen Thatsache gewinnen,
rechtsbestimmende Willenserklärung
des
so müßte es über
beweislosen Deferenten
immer zum Schiedseide kommen, wenn dieser wie heute dem gleichen Zwecke dienen soll, den rechtlichen Erfolg einer Bestreitungs erklärung von der Beschwörung der Überzeugung einer der beiden
Parteien abhängig zu machen.
Ich gestehe selbstverständlich gern
zu, daß das Gericht in vielen Fällen in die Lage kommen würde,
sich
seine Überzeugung
bilden,
wonach
es
auf
Grund
zum Schiedseide
braucht und nicht mehr kommen kann.
der
Parteienaussagen
nicht
mehr
zu
zu komme»
Oft ist aber nicht immer.
Es werden gewiß auch Fälle Vorkommen, wo das Gericht keine eigene Überzeugung von der Wahrheit einer Thatsache erlangt,
obwohl, vielleicht auch weil es beide Parteien einvernommen hat. Will man dann nicht den Beweisbelasteten ohne weiteres unter liegen lassen, so muß es doch geschehen, daß die Überzeugung der
einen oder andern Partei in der Weise den Ausschlag gibt, daß die Thatsache als im Sinne der beschwor»en Überzeugung un anzweifelbar dem Urteile zu Grunde gelegt wird.
Parteivernehmung statt Schiedseides.
53
In allen Fällen würden die Prozesse verlängert und ver teuert, denn sicher müßte es stets, wenn eine Thatsache streitig
ist, zu einer Beweisaufnahme kommen.
Daß keine der beiden
Parteien ihre Aussage anbietet, ist wohl kaum anzunehmen, wenn
Entscheidung auf Grund des Schiedseides in Aussicht steht.
Hierin
würde ich aber noch immer keinen Grund erblicken, mich gegen die Parteienvernehmung auszusprechen, wenn ich sie als ein gutes
Beweismittel erkennen würde, was sie, wie sich aus Späterem er geben wird, nicht ist. Wäre sie dies, dann könnte man den Schieds eid preisgeben; ich finde es nur unthunlich, den Schiedseid als
das, was er ist, beibehalten und die Parteienvernehmung als ein sog. Korrektiv für die Mängel des Schiedseides einführen zu wollen.
Solche haften ihm, als Beweismittel betrachtet, allerdings viele und bedenkliche an. an Mängeln,
Als Feststellungsmittel leidet er nicht
die ihn zum Gebrauche untauglich machen; miß
braucht kann er werden; dies teilt er mit vielen anderen Institu tionen.
Eine Korrektur, welche durch
die Nebeneinander
stellung der beiden Institutionen bewirkt werden sollte,
mir unerreichbar.
scheint
Die Frage, ob Schiedseid, ob Parteienverneh
mung ist ein aut-aut und verträgt keine ausgleichende Beant wortung, wie sie von Frhrn. v. Canstein versucht wurde.
Anders stellt sich zur Frage Kleinfeller, der die Institution
des Schiedseides aus dem Prozesse beseitigt und dafür als neues Beweismittel die Parteienvernehmung
in denselben eingeführt
wissen will. Ihm ist der Schiedseid wertlos (S. 85); daß er als
Beweismittel behandelt wertlos ist, wird zugestanden; ob aber als Feststellungsmittel, ist eine andere Frage, die ich bereits ver neinend beantwortet habe, indem ich in meinen beiden wiederholt citierten Abhandlungen sowie auch hier Ausführungen brachte,
aus denen sich ergibt, nach welcher Richtung durch die Eides geschäfte, welche das Prozeßverhältnis abändern, etwas, und zwar
54
Parteivernehmung statt Schiedseides.
etwas sehr Bedeutendes für die Herstellung der Urteilsgrundlage
gewonnen wird. Zu gewinnen ist nach der Ansicht Kleinfellers (©. 94ff.)
durch alle anderen bisher vorgeschlagenen Mittel zur Abhilfe der
Schiedseidmißstände nichts; er erblickt (©. 97 ff.) in der Verneh mung der Parteien als Zeugen das Heil der Zukunft, besonders
wenn jene so gestaltet wird, wie dies den von ihm ausgestellten „bestimmten Sätzen" entspricht; durch jene soll die Lücke ausgefüllt
werden, welche im Civilprozesfe durch den Mangel an sonstigen Beweisen entsteht, und welche bisher durch die Eideszuschiebung
uud den richterlichen Eid ausgefüllt wurde.
Daß die Parteien
vernehmung würde diesen Zweck vollständig erfüllen können,
muß ich bezweifeln; aber ich stimme bei, daß sie, um diesen Zweck erfüllen zu können, ohne vorgängige Beweisführung zu
lässig sein müßte (S. 98).
Die Gründe, welche gegen eine andere als die freiwillige
Vernehmung der Parteien sprechen, wurden bereits hervorgehoben; danach scheint es wohl
durchaus unzulässig,
daß der Beweis
belastete berechtigt sein soll, Antrag auf Vernehmung seines Gegners zu stellen, ebenso oder noch mehr, daß dem Richter
die Befugnis eingeräumt werde, die Vernehmung von Amts wegen anzuordnen (S. 101), wenn man auch den Parteien die
(in ihrer Wirkung sehr zweifelhafte) Befugnis einräumen wollte, die Zeugenaussage zu verweigern (S. 103). Würde man An
trag aus Vernehmung des Gegners für zulässig erklären, so wäre es gewiß richtig, in diesem Anträge eine Bereiterklärung des
Antragstellers, sich selbst vernehmen zu lassen, zu finden; diese Bereiterklärung müßte aber dann selbstverständlich ein späteres Geltendmachen der Befugnis,
die Aussage zu verweigern, aus
schließen; schwierig gestaltet sich die Sache, wenn der Antragsteller
als Zeuge veruommen, die Beantwortung einzelner Fragen verweigern wollte.
Es ist ja richtig,
daß die Verweigerung der
Antwort nur von Bedeutung ist für die Bildung der richterlichen Überzeugung, Aber kann die Partei, die, weil sie den Antrag
Parteivernehmung statt Schiedseides.
55
auf Vernehmung des Gegners gestellt hat, selbst vernommen wird, uud zwar über Dinge, die der schlau berechnende Gegner zur
Sprache gebracht hat, scheinbar um die Wahrheit oder Unwahr heit der streitigen Thatsache zu beleuchten, in Wirklichkeit aber um den Antragsteller in die Alternative zu versetzen,
entweder sein
Schtoeigen als Beweisgrund in die Wagschale zu werfen, oder Dinge dem Gegner, dem Gerichte, der Öffentlichkeit preiszugeben,
an
deren Geheimhaltung
er
ein
begründetes
materielles oder
sonstiges Interesse hat, dem Gerichte klar machen, daß sie nur in
Wahrung dieses, ihres Interesses die Frage nicht beantworte, und
daß in deren Nichtbeantwortung kein Beweisgrund für die Un
wahrheit der streitigen Thatsache gefunden werden könne? Kleinfeller verlangt weiters, daß immer beide Parteien,
zunächst unbeeidigt, zu vernehmen seien, und daß der Richter
auf Grund
dieser Vernehmung die Glaubwürdigkeit prüfe,
um
dann erst diejenige Partei zu beeiden, welche ihm als die glaubwürdigste und im Besitze des
besseren Wissens
erscheint
beider
(S. 99).
Beeidigung
Parteien
promissorische Eid sei zu vermeiden (S. 103).
befindliche und
der
Der Richter,
welcher sowohl bei gänzlicher Verweigerung der Aussage durch
eine Partei, als
bei Verweigerung
des Eides
und
bei Nicht
beantwortung einzelner Fragen unter sorgfältiger Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung zu entscheiden habe (S. 103),
soll sich in jedem Falle nach dem Grundsätze der freien Beweis
würdigung a ii ch mit der unbeeidigten Aussage begnügen können
(S. 104). Dem Anträge auf zcugeneidliche Parteivernehmung brauche
nicht stattgegeben, und die bereits erfolgte richterliche Anordnung derselben brauche nicht ausgeführt zu werden, sobald eine Partei
andere Beweismittel benennt (S. 104). Zunächst einiges über diese Sätze, insoweit sie nicht bereits
besprochen wurden.
Wenn man schon trotz der früher aus
geführten Bedenken Vernehmung über Antrag des Gegners sowie von Amtswegen für zulässig erklären würde, so wäre es gewiß
richtig, daß der Richter beide Parteien vernehmen soll, daß Be-
Parteivernehmung statt Schiedseides.
56
eidigung beider Parteien und der promissorische Eid zu vermeiden ist. Dagegen erscheint es mir notwendig, daß die ganze Aussage der Parteien von vornherein unter Wahrheitspflicht ge
setzt werde.
Die Parteien müßten wissen, eventuell darüber belehrt
werden, daß sie bei ihrer Vernehmung nicht so wie im Laufe der Verhandlung unwahre Thatsachen behaupten und wahre leugnen
können, ohne daß sie dafür ein Rechtsnachteil trifft.
Nur
wenn die ganzen Aussagen der Parteien unter Wahrheitspflicht
stehen, wird sich das Gericht ein verläßliches Urteil darüber bilden können, welche Partei die glaubwürdigere ist und sich im
Besitze des besseren Wissens befindet, welche es also beeiden soll.
Wenn die Parteien auch bei der Vernehmung noch straflos, ohne einen Rechts Nachteil fürchten zu müssen, lügen und sich gegenseitig verdächtigen können,
getäuscht werden.
Ich fürchte,
würde das Gericht nur zu oft daß die Gerichte, wenn sie nach
Beendigung der Vernehmung aus dem Ergebnisse desselben jene
Behauptungen zusammenfassen würden, welche beeidet werden
sollen (S. 105), und es dann zur Beeidigung kommen würde, die sonderbarsten Erfahrungen machen dürften; die Parteien werden erst wahrhaft werden, wenn ihnen bekannt gegeben ist, welche Behauptungen sie auf ihren Eid nehmen müssen; früher haben sie nur erzählt,
jetzt müssen sie schwören, und da werden, sie
manche Behauptungen aus ihren Erzählungen ausgeschieden wissen
wollen, vielleicht gerade solche, welche den Richter bestimmten,
der Partei, die er zu beeiden beschlossen,
zuzuerkennen.
das bessere Wissen
Dann muß er doch notwendig von der angeord
neten Beeidigung
absehen und die andere Partei beeiden.
Und
dies alles sollte geschehen, ohne daß die Partei ein Rechts nachteil treffen
würde?
Eine Parteieneinvernehmung könnte
nur dann befürwortet werden, wenn die ganzen Aussagen
unter Wahrheitspflicht gestellt würden; wie und in welcher der verschiedenen denkbaren Weisen dies geschehen soll, ist Sache
legislatorischer Erwägung;
daß
es
aber überhaupt geschieht,
scheint mir eine absolute Notwendigkeit.
Parteivernehmung statt Schiedseides.
57
Gänzlich unerläßlich schiene es mir ferner, daß die, wenn auch
nachträgliche,
werden müßte.
Beeidigung
der Partei obligatorisch
Die Parteien sollen doch
Zeugen sein
und
müßten daher so wie Zeugen behandelt werden; wenn nun jeder Zeuge, gleichgültig, ob das Gericht auf seine Aussage ein Gewicht legt oder nicht, beeidigt werden muß, so würde es doch gewiß
gefordert werden müssen, daß jene Partei ihre Aussage beeidet, welche für das Gericht Überzeugungsgrund werden soll. Es der freien Beweiswürdigung des Gerichtes zu überlassen, ob es sich
auch durch die unbeschworene Aussage der Partei überzeugt halten wolle, schiene mir ein grober Fehler, besonders dann, wenn
die Aussage nicht ohnedies unter rechtlicher Wahrheitspflicht steht. Den Parteien das Feststellungsmittel des Schiedseides nehmen,
und dem Richter die Macht geben, es von seinem Ermessen
abhängig zu machen,
ob die Partei, welche durch ihre Aussage
den Sieg davontragen soll, dieselbe zu beschwören hat, das erschiene mir als eine gesetzgeberische That, gegen welche sich selbst,
wenn die Institution des Schiedseides sich wirklich im Volke noch
so wenig eingelebt hätte,
wie dies Kleinfeller behauptet, ein
Schrei der allgemeinen Mißbilligung erheben müßte.
Ich will ganz
davon absehen, daß eine Behandlung der Parteien als Zeugen
stets erfordern würde die Beeidigung beider Parteien; ich kann dies aber nur darum, weil ich von vornherein die Aussagen der
als Zeugen vernommenen Parteien unter Wahrheitspflicht gestellt
wissen will.
Nicht bloß jene Partei soll strafbar werden, die
gegen dieEidespflicht verstoßen hat, sondern auch diejenige,
welche durch ihre Aussage gegen die als rechtliche normierte
Wahrheitspflicht verstoßen würde.
Warum sollte man nicht
jede falsche Aussage einer als Zeuge vernommenen Partei vor Gericht als ein Delikt behandeln, oder, wenn man dies nicht will,
andere Rechtsnachteile eintreten lassen?
Einer auch für Nicht
christen zu berechnenden Gesetzgebung soll „die christliche Auffassung
von der Heiligkeit und Wichtigkeit des Eides" nicht höher stehen,
als die von der dem Gerichte gegenüber den Parteien obliegenden
Pavteivernehmuilg statt Schiedseides.
58
Wahrheitspflicht, wenn sie sich, den Partei standpunkt auf
gebend, dem Gerichte als Auskunftspersonen zur Ver
fügung stellen.
Wenn uns eine Reform der R.C.P.O. die Institution der Vernehmung der Parteien als Zeugen bringen sollte, so dürfte doch die Gestaltung dieser Institution nicht unter Zugrunde legung jener Sätze erfolgen, die von Kleinfeller aufgestellt
werden, wenigstens nicht aller dieser Sätze,
und zwar gerade
jener nicht, welche als die wichtigsten erscheinen. Nach meinem Dafürhalten liegt aber überhaupt kein Grund vor,
zu der fraglichen Institution seine Zuflucht zu nehmen;
unser Schiedseid leistet mehr, als ihm allgemein zugestan den wird, und die Parteienvernehmung dürfte weniger leisten,
als man von ihr erwartet.
Man wird gutthun, sich die beiden
gewiß wahren Aussprüche Ahrens' (Naturrecht oder Philosophie
des Rechtes und des Staates Bd. I S. 323 u. 328) gegenwärtig „Der Mensch soll sich mehr als Gesetzfinder, wie als
zu halten:
Gesetzgeber betrachten!" und „das Gesetz soll in den Fluß der
unmittelbaren Rechtsbildung im Volksbewußtsein gestellt bleiben!" Die Frage,
ob Schiedseid,
ob Parteienvernehmung,
nicht das Gemüt des Volkes, sondern Juristen.
beschäftigt
nur den Verstand der
Zur Antwort drängt nicht das Volk, welches nur
einen richtig funktionierenden, raschen und billigen Prozeß verlangt; zur Antwort drängen die Juristen, welche nicht ein§ werden können, über das Wesen des Schiedseides, über das Überwiegen seiner Vor- und-Nachteile gegenüber der Par teienvernehmung.
Die
öffentliche
Meinung
steht
anders
wie
damals, als es sich um Einführung des mündlichen (unmittelbaren) Verfahrens handelte, unserer Frage indifferent gegenüber; es will mir scheinen, als hätte sie das richtige Gefühl, daß durch die in Frage
stehende
Neuerung
keine
heutigen Verfahrens erreicht würde.
Vervollkommnung
des
Ob es rascher und billiger
würde, möchte ich mindestens in toto bezweifeln, denn beinahe für jeden Prozeß steht dann ein
Beweisaufnahmeverfahren
^arteiberne'fjmung statt Schiedseides. bevor.
59
Ungleich wichtiger erscheint mir aber, ob durch die Neue-
rung ein richtigeres Funktionieren des Prozesses bewirkt, ob erhöhte Garantien
daß die
dafür geschaffen würden,
Urteilsgrundlage eine objektiv wahre wird. Diese Garantie ist in den Fällen nicht vorhanden, in denen sich das Gericht die Überzeugung von der objektiven Wahrheit
einer Thatsache nicht durch eigne Wahrnehmung derselben
zu verschaffen vermag, sondern darauf angewiesen ist, sich seine Überzeugung auf Grund der Aussagen von Zeugen zu bilden,
mögen dieselben auch Thatzeugen sein. Auch wenn Zeugen unter ihrem Eide bestätigen, die streitige Thatsache selbst wahrgenommen
zu haben, ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen,
daß die
Wahrnehmung oder die Wiedergabe des Wahrgenommenen eine
ungenaue war beziehungsweise ist.
Kein Zeuge kann die ob
jektive Wahrheit einer Thatsache beschwören; auch der Thatzeuge beschwört immer nur seine Überzeugung, die Thatsache, von
der er berichtet,
so,
wie er sie angegeben hat, wahrgenommen
Darum wird der Zeugenbeweis allgemein als
zu haben.
das
unzuverlässigste Beweismittel für das Wahr sein einer That
sache erklärt; und doch liegen bei einem Zeugen selten nicht er kennbare
Ursachen für eine unzuverlässige
Wahrnehmung
oder für eine ungenaue Wiedergabe des Wahrgenommenen vor, denn er steht außerhalb der Sache; seine Wahrnehmung ist
selten getrübt durch seinen Gemütszustand zur Zeit der Wahr nehmung, seine Wiedergabe wird nicht beeinflußt dadurch, daß
er im Momente der Wahrnehmung und später Beurteilung
des
Wahrgenommenen
vorgenommen
bereits eine
hat.
Dies
ändert sich aber, wenn die Parteien selbst Zeugen sein sollen.
Die Partei ist nicht nur an dem Ausgange ihrer Prozeßsache
interessiert,
sie war bereits an jedem einzelnen Faktum,
.welches beim Urteile in Betracht kommt, in der Zeit interessiert,
als
sich
dasselbe
zutrug.
Dieses
Interesse kann in
vielen
Fällen Grund sein für eine innere Erregung beim Vor
gänge und folgeweise für eine ungenaue, nicht Vorurteils-
Parteivernehmung statt Schiedseides.
60
freie Wahrnehmung. Noch unverläßlicher stellt sich die Wieder Zwischen dieser und
gabe.
Zeitraum
gelegen,
der Wahrnehmung ist stets ein
in dem sich die Partei,
bei Fassung des Entschlusses,
insbesondere
den Prozeßweg zu betreten, und
während des Prozesses intensiv mit dem Falle, mit den ein
zelnen den Gesammtthatbestand bildenden Thatsachen, beschäftigte:
in dieser Zeit kann und wird es oft geschehen, daß das vielleicht ohnedies ungenau Wahrgenommene verblaßt und verfärbt wird durch das Gefühl der Partei, im Rechte zu sein. Die Über legung
und Erwägung im Momente der Aussage ist in
Anbetracht des geleisteten
oder zu leistenden Eides eine andere
beim Zeugen als bei der Partei; ich sehe hier natürlich ganz ab von dem Prozeßinteresse, welches etwa jene bei der Partei beeinflussen könnte; beim Zeugen dürfte es nur selten Vorkommen, daß er sich
mit der Prüfung der Richtigkeit der Wahrnehmung außer in dem
Momente, in dem er sich der Wahrnehmung bewußt wurde, und
in dem Momente der Aussage befaßt; und zwar zur Zeit,
bei der Partei immer,
als der Entschluß in ihr reifte, den Prozeß
zu führen, zur Zeit, als sie ihren Rechtsfrennd informierte, sich
mit diesem konsultierte, und auch später vielleicht noch anläßlich
mancher Wendung, welche der Prozeß nahm.
daß infolgedessen ein
Ich möchte sagen,
gewisses Beharrungsvermögen
einen
Einfluß auf die Partei übt; wie oft hat die Partei die relevante
Thatsache mit all' ihren Konsequenzen schon überlegt und geprüft! Rur auf die Überzeugung von der Wahrheit derselben hin hat sie den Prozeß begonnen; hat sie nicht ihrem Rechtsfreunde, dem Zweifel aufgestiegen waren, wiederholt die Versicherung gegeben,
die Sache verhalte sich so, wie sie dieselbe dargestellt? Darum wird sie auch ohne lange, eingehende, neuerliche Überlegung und Prüfung dasselbe unter Eid aussagen, was sie früher als das Richtige erkannt, ihrem Anwälte als das Wahre mitgeteilt hat,
damit er es im Prozesse
verwerte und
ihr dadurch zum
Siege verhelfe. Die Partei wird bei der längst gewonnenen, gefestigten Überzeugung stehen bleiben, auch wenn sie als Zeuge
Parteivernehmung statt Schiedseides.
vernommen
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wird, und ihre Aussage wird für die objektive
Wahrheit der Thatsache noch ein viel schlechteres Beweis mittel sein, als die eines der Sache fern stehenden Zeugen.
Eine
erhöhte Garantie dafür, daß nur objektiv Wahres Urteils grundlage wird, ist dadurch gewiß nicht zu beschaffen, daß man
die Parteien als Zeugen vernimmt;
es wird nur ein für den
Beweis der objektiven Wahrheit einer Thatsache noch minder wertigeres Beweismittel geschaffen als Zeugen sind.
Ich zweifle nicht, aber man kann sagen,
daß man dies allgemein zugeben wird,
anch
darin liege ein Gewinn für den
Prozeß, daß es dem Richter durch die Vernehmung der Parteien ermöglicht wird, sich eine subjektive Überzeugung von der Wahrheit einer Thatsache zu bilden und daß er diese nur dann
dem Urteile zu Grunde zu legen braucht, wenn er jene erlangt hat.
Dies wäre allerdings ein
zweifelloser Gewinn
für den
Gegner des Beweispflichtigen; ob es aber ein Gewinn ist für die
Institution des Prozess es, in dem es auch zum Urteile kom
men muß, wenn das Gericht zur objektivenWahrheit nicht vorzudringen vermag, das muß erst untersucht werden. Heute hat der Beweisbelastete, dem es an Beweismitteln
fehlt, die Möglichkeit, das einseitige prozessuale Rechtsgeschäft der Eideszuschiebung vorzunehmen und dadurch zu bewirken, daß einer
mala fide - Bestreitung ihr Erfolg
genommen werde, es wäre
denn, daß der Bestreitende resp. Anzweifelnde seine bona fides darthut, indem er seine Überzeugung von der Unwahrheit der
Thatsache resp, den Mangel einer Überzeugung eidlich erhärtet. Die Partei, welche von der Wahrheit der Thatsachen überzeugt ist, und der es nur an Beweismitteln fehlt, weiß von vornherein
bestimmt, worauf es im Prozesse ankommen werde; sie weiß, daß die Entscheidung des Prozesses, weil sie den Richter von der Wahr heit der Thatsachen wegen Mangels von Beweismitteln nicht über
zeugen kann, davon abhängen müsse, ob sie in die Lage kommt, ihre Überzeugung von der Wahrheit der Thatsachen zu beschwören, oder ob ihr Gegner den zugeschobenen Eid annimmt und seine
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Parteivernehmung statt Schiedseides.
Überzeugung, welche er haben mußte, damit er zur Abgabe einer
Bestreitungserklärung berechtigt
war,
eidlich erhärtet.
Zur
Erhärtung einer der beiden einander gegenüberstehenden Über
zeugungen muß es kommen, entweder durch Ablegung oder Ver weigerung oder Erlaß des Eides, wenn es nicht der Delat vor
zieht, seine Bestreitung im Stiche zu lassen, indem er den Eid weder annimmt noch zurückschiebt.
Und es ist gut, daß es so ist,
denn der Beweisbelastete kann, wenn er von der Wahrheit der
von ihm behaupteten Thatsachen überzeugt ist, Sicherheit den Ausgang
beinahe mit
des Prozesses vorhersehen; wäre
sein
Gegner eine Person, der ein Meineid zugemutet werden kann, so wird
er sich von vornherein
danach richten
können;
er wird
keinen Eid zuschieben, sondern in der Verhandlung alle jene Umstände geltend machen, die er, als Zeuge vernommen, geltend machen könnte, um, wenn möglich, dadurch ein ihm
günstiges Resultat zu erzielen. Mit dieser Sicher!)eit derPosition des Beweisbelasteten,
dem es an Beweismitteln fehlt, wäre es vorbei, wenn man ihm
die Eideszuschiebung
nimmt, dafür
Parteien als Zeugen einführt.
aber die Vernehmung
der
Dann hängt ja die Entscheidung
des Prozesses nicht mehr davon ab, welche der beiden ein ander gegenüberstehenden Überzeugungen bezüglich der Wahrheit einer Thatsache eidlich erhärtet wird, sondern davon, daß die Überzeugung des Gerichtes von der Wahrheit durch die Ver
nehmung bewirkt wird. Weiß der Beweisbelastete Umstände, durch welche die Überzeugung des Gerichtes von der Wahr
heit hergestellt werden könnte, so wird er sie heute schon in Laufe der Verhandlung geltend machen, er braucht nicht darauf zu warten, daß er als Zeuge vernommen wird; er wird es ver
suchen, durch Geltendmachen dieser Umstände das Gericht wenigstens
einigermaßen zu überzeugen, damit es auf den Noteid erkenne. Auf den Schiedseid als letztes und alleiniges Mittel wird er es nur dann ankommen lassen, wenn er zwar selbst von der
Wahrheit der Thatsachen überzeugt ist, aber ebenso davon, daß
er, was immer er auch noch Vorbringen möge, seine Überzeugung auf den Richter nicht zu übertragen vermöge. Greift er nun in einem solchen Falle zum Schiedseide, dann weiß er, daß es nur auf die Erhärtung einer der beiden Überzeugungen ankommen könne, nicht aber darauf, die Überzeugung des Gerichtes zu be wirken, wozu er keine Aussicht hat. Wenn er auch, als Zeuge vernommen, beschwört, daß er für seine Person von der Wahr heit der Thatsache überzeugt sei, so bleibt es immer fraglich, ob dadurch die gleiche Überzeugung des Gerichtes bewirkt wird; und wenn er diesem alle Gründe, welche er für die Fürwahrannahme der Thatsache hat, und welche für ihn zwingend sind, bei seiner Vernehmung darlegt, so brauchen sie für das Gericht nicht zwingend zu sein, und er wird im Prozesse, obwohl er seine Überzeugung von der Wahrheit der Thatsache be schworen hat, unterliegen, weil er die gleiche Überzengnng des Gerichtes nicht zu bewirken vermag. Ich will zugeben, daß dieses Endergebnis, welches mir unerträglich erscheint, vielleicht nicht zu oft Vorkommen wird; man wird mir aber auch zugeben müssen, daß es in einzelnen Fällen Vorkommen kann; wegen dieser Mög lichkeit kann ich in der Ausschließung des Schiedseides und in der Einführung der Parteienvernehmung keine Verbesserung unseres heutigen Prozesses erkennen; man kann nicht sagen, darin liege eine Verbesserung, daß das Gericht nicht mehr eine That sache, obwohl es von ihrer Wahrheit nicht überzeugt ist, bloß deshalb dem Urteile zu Grunde legen muß, weil eine Partei die von ihr ausgesprochene Überzeugung von der Wahrheit der Thatsache beschworen hat. Wenn eine Verbesserung unseres heutigen Prozesses dadurch erfolgen sollte, daß das Gericht nicht mehr Thatsachen seinem Urteile zu Grunde zu legen hat, von deren Wahrheit es sich nicht überzeugt hat, so darf man nicht damit beginnen und sich damit begnügen, zn normieren: auch in jenen Fällen, in denen es dazu ge kommen ist, daß eine der beiden Parteien die von ihr ausgesprochene Überzeugung von der Wahrheit oder Unwahrheit einer Thatsache
Parteivernehmung statt Schiedseides.
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bei ihrer Vernehmung eidlich erhärtet hat, soll dafür, ob sie Urteilsgrundlage werde, die richterliche Überzeugung von der Wahr heit der Thatsache maßgebend sein; man müßte vielmehr, um eine
Thatsache, von deren Wahrheit der Behauptende überzeugt zu sein beschwor, nicht hinter eine bloß behauptete zu stellen,
in erster Linie normieren: jede behauptete Thatsache ist für das
Gericht von sich aus anzweifelbar, und nur eine solche, von deren Wahrheit sich das Gericht überzeugt hat, darf dem Urteile zu Grunde gelegt werden; auch unbestritten gebliebene oder,
wie man sich auszudrücken beliebt, stillschweigend zugestandene
Thatsachen, ja sogar gerichtlich gestandene müssen von dem Gerichte in Bezug auf ihre Wahrheit geprüft werden. Damit würde klar und offen ausgesprochen, daß das Verhandlungsprinzip, die
Dispvsitionsmaxime für den Civilprozeß auf geh ort hat zu sein, daß in ihm fortan das InquisitionsPrinzip, die Offizialmaxime
herrschen sollen, was durch die Verwerfung des Schiedseides und Einführung der Parteien-Vernehmung (wenigstens gewiß, wenn diese
von Amtswegen zulässig wäre), wenn auch nur zum Teile, aber doch sicher erreicht würde. In einem Prozesse,
in welchem der (allerdings durch die
seit Bülow von der Doktrin vielfach bekämpfte, mit Schluß der Verhandlung eintretende, aber in der totebereröffneten oder in der Berufungs-Verhandlung wieder zu beseitigende Fiktion des Ge
ständnisses verschleierte)Grundsatz gilt, daß eine nur behaup tete Thatsache für das Gericht unanzweifelbar ist und für
dasselbe erst anzweifelbar durch gegnerische Bestreitung oder An
zweiflung wird, in welchem den Parteien die Disposition in Bezug auf
das
Thatsachenmaterial
grundsätzlich
dahin
gewährt
und
gewahrt ist, daß sie nicht alle relevanten Thatsachen geltend zu machen, die geltend gemachten auch dann nicht zu bestreiten
brauchen, wenn sie auch nicht von deren Wahrheit überzeugt sind, bezüglich
welcher die eine Partei durch
die andere durch
Nichtbestreitung resp. Nicht
und daß Thatsachen, Behauptung,
anzweiflung disponierte, dem Urteile als für das Gericht unan-
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Partetvernehmung statt Schiedseides.
zweifelbare zu Grunde gelegt werden müssen, darf es gewiß
ohne Gefahr (zum mindesten ohne erhöhte Gefahr) für die Rechtsordnung den Parteien auch überlassen sein, bestrittene oder
angezweifelte Thatsachen,
für
die
es
an Beweismitteln
fehlt,
dadurch wieder für das Gericht unanzweifelbar zu machen,
sie für den Prozeß fest zu st eilen, daß eine der von den Par teien in Bezug auf die Wahrheit dieser Thatsachen erklärten Über
zeugungen eidlich erhärtet wird. Diese durch ein das ursprüng
liche Prozeßverhältnis, welches durch Parteidisposition geschaffen wurde und als subjektive Prozeßrechte der Parteien nur die des
Beantragens, Behauptens, Bestreitens und Beweisens kennt, ab änderndes prozessuales Rechtsgeschäft erfolgende Partei-Dis position
darf den Parteien nicht genommen und dafür ein
völlig unzureichendes, im Erfolg deshalb, weil auch die be schworene Überzeugung der Partei von der Wahrheit der That sache möglicherweise keinen Beweiseffekt für das Gericht haben
kann, ganz unberechenbares Beweismittel hingereicht werden. Um so weniger dann, wenn durch das Gebrauchmachen von
demselben, ja sogar ohne daß die Parteien von demselben Gebrauch machen, dem Gerichte eine bei Privatrechtsverhältnissen
notwendig ausgeschlossene Jnquisitionsmacht eingerüumt wird. Ich will mich diesbezüglich beschränken, nur darauf hinzuweisen,
daß es nicht nur in der Macht des Gerichtes stünde, alle einzelnen Details einer Thatsache, sondern auch die Motive jeder Hand
lung, jeder Erklärung zu erforschen.
Das Fragerecht, welches
dem Gerichte zusteht, um durch Ausübung desselben darauf hin
zuwirken, daß ungenügende Angaben der geltend gemachten Thatsachen ergänzt, alle für die Feststellung des Sachverhält nisses erheblichen Erklärungen abgegeben werden, ist in der durch
das Gesetz ausgesprochenen Begrenzung etwas total Ver schiedenes
von
dem Vernehmungsrechte
des
Gerichtes,
welches den Zweck haben soll, dem Gerichte Überzeugungs
gründe für die Wahrheit einer Thatsache zu erschließen; dieses
geht ins Unbegrenzte.
Warum sollte der Richter, dem es
Trutter, Schiedseid oder Parteienvernehmung?
tz
Parteivernehmung statt Schiedseides.
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unwahrscheinlich vorkommt, daß eine Partei eine bestimmte geschäft liche Erklärung abgegeben hat,
um seine Zweifel zu beseitigen,
nicht die sehr forschende Frage stellen: „Warum haben Sie
diese Erklärung abgegeben?" womit der Befragte in die Alternative versetzt wird, entweder ein Motiv, welches weder der Richter noch sein Gegner und am allerwenigsten alle seine Geschäftskollegen, die Öffentlichkeit zu wissen braucht, bekannt zu geben, oder dem
Richter einen Beweisgrund gegen die Wahrheit dadurch in die Hand zu geben, daß er sich weigert, das Motiv, welches ihn bei Vor
nahme seiner Handlung, bei Abgabe seiner Erklärung geleitet
hat, nach
welchem sich das Gericht
vergebens
umgesehen,
zu
nennen. Wer behauptet, das Inquisitorische der Parteienverneh
mung werde wesentlich gemildert durch die Befugnis zur Ver weigerung der Aussage, der hat keine richtige Vorstellung vom
Geschäftsleben, von Geschäftsgeheimnissen, die in Frage kommen
können und weder „Kunst- noch Gewerbegeheimnisse" sind. Ich kann natürlich nicht wissen, ob für die Verweigerung der Aussage der Parteien etwa bestimmte, den für die Zeugen
geltenden Normen des § 349 ähnliche als geltend gedacht werden
sollen, da ich hierüber wenigstens bei Kleinfeller nichts finden konnte;
dies würde doch zu den „bestimmten Sätzen" gehören,
nach denen die Parteienvernehmung zu normieren wäre.
Sollten
den Bestimmungen des § 349 ähnliche oder gar diese gelten, dann
würde wohl die Parteienvernehmung (über gegnerischen Antrag oder von Amtswegen) nahezu nur negative Resultate ergeben;
wie
stünde es dann mit den Beweisgründen, die dem Gerichte erschlossen werden sollen?
Oder soll die Partei beliebig die Antworten
verweigern und dabei doch noch darauf rechnen können, daß die
Verweigerung der Antwort kein Präjudiz gegen sie schaffe?
Der
Zeuge, welcher die Antwort verweigert, hat die Thatsache, die
erwiesen werden soll, weder behauptet noch bestritten. Durch seine Nichtbeantwortung wird einfach
der versuchte Beweis
nicht erbracht, es erfolgt nichts pro, nichts contra; anders bei der Partei; diese wird stets oder doch meist, je nachdem sie die
Parteiveniehmung statt Schiedseides.
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behauptende oder bestreitende ist, durch die Verweigerung ihrer Aussage ein Argument, welches gegen oder sü r die Wahrheit der Thatsache spricht, schaffen. Der inquirierende Richter, welcher sie
als Wahrheitserforschungsmittel behandeln will, welcher durch sie die Ansicht, der er sich zuneigt, bestätigt hören will, wird im Schweigen
diese Bestätigung auch dann finden, wenn er in seiner Inquisition weiter gegangen ist, als es Privatrechtsverhältnisse gestatten.
Würde man dem Gerichte, das heute so weit gehende Befug nisse hat, als sie mit derVerhandlungsmaxime vereinbar sind,
noch weitere zugestehen wollen,
so darf der inquirierende
Richter nicht mehr der entscheidende sein, sondern es muß die Entscheidung einem andern, als welchen man sich wohl am besten eine Civiljury zu denken haben dürfte, überlassen werden.
Steht die Einführung der Civiljury einmal in Frage und in Aus
sicht, dann mag man an eine Vernehmung der Parteien als Zeugen in eigener Sache denken;
bis dahin aber möge man die wieder
aufgeworfene Frage ruhig liegen lassen und sich höchstens mit Verbesserungen der im ganzen ihrem Wesen nach beizubehaltenden Institution des Schiedseides als eines Mittels,
eine Thatsache
durch Beschwörung einer der von den Parteien bezüglich ihrer Wahrheit ausgesprochenen Überzeugungen als für das Gericht
fernerhin unanzweifelbare festzustellen, befassen.
Sollte einmal statt
der dem D. I. T. zur Beantwortung verstellten Frage: ob Schieds
eid, ob Einvernehmung der Parteien als Zeugen? die Aufforderung
herantreten, Reforürvorschläge bezüglich der heutigen Institution
des Schiedseides zu erstatten, dann ist es Pflicht, mit solchen vor zutreten, von denen sich ein wirklicher Nutzen für die Institution
des Prozesses wenigstens mit einiger Berechtigung erwarten läßt. Die vorstehenden Ausführungen wollen nur anstreben, den D. I. T. vor der Abgabe eines Votums zu bewahren, durch welches
in den beiden Gutachten enthaltene Neuerungsvorschläge als den Postulaten der Doktrin und den Anforderungen der Praxis ent
sprechend erklärt würden.