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German Pages 187 [102] Year 1954
WOLFGANG RUSSISCHE
STEINITZ LAUTLEHRE
WOLFGANG
STEINITZ
RUSSISCHE LAUTLEHRE MIT 8 A B B I L D U N G E N IM T E X T
3. D U R C H G E S E H E N E A U F L A G E
AKADEMIE-VERLAG
1961
.
BERLIN
Copyright 1953 by Akademie-Verlag GmbH, Berlin Alle ltechte vorbehalten Erschienen im Akademie-Verlag GmbH, Berlin \V 8, Leipziger Stralle 3—4 Lizenz-Nr. 202 • 100/222/81 Offsetnauhdruck: VKlt Druckerei „Thomas Müntzer'* Had Langensalza Bestellnummer: 5118 Preis: 5,50 Printed In Germany ES 7 1
VORWORT ZUR 1. AUFLAGE Die rassische Sprache ist nach dem zweiten Weltkrieg zu einer Weltsprache geworden, die die Völker der Sowjetunion und der Volksdemokratien in West und Ost und darüber hinaus zahlreiche fortschrittliche Menschen aus den antiimperialistischen und den kapitalistischen Ländern miteinander verbindet. Heute lernt in der Deutschen Demokratischen Republik jedes Schulkind Russisch. Aber das Niveau des Russischunterrichts läßt bei uns noch viel zu wünschen übrig. Ein großer Teil unserer Russischlehrer hat eine zu kurzfristige und besonders qualitativ ungenügende Ausbildung erhalten. Wissenschaftliche Lehr- und Handbücher der russischen Sprache für die Russischlehrer fehlen entweder völlig oder sind weitgehend veraltet. Das vorliegende Buch, das auf Grund von Vorlesungen entstanden ist, die ich 1947—1949 an der Humboldt-Universität zu Berlin über die russische Sprache der Gegenwart gehalten habe, ist in erster Linie für die große Zahl unserer Russischlehrer bestimmt, die keine Universitätsausbildung erhalten haben. Eben dadurch ist die Anlage des Buches, die vom Einfachen und Konkreten zum Komplizierten und Abstrakten fortschreitet, sowie der Stil der Darstellung bedingt. So steht die Theorie des Phonems nicht vor der Behandlung der Sprechorgane und der Einteilung der Laute, sondern danach. Manches ist deshalb an zwei, ja sogar an drei Stellen behandelt worden, das erstemal kurz, dann ausführlicher. Zweitrangige und Spezialfragen sind durch Petitdruck deutlich als solche gekennzeichnet, können also beim ersten Lesen übergangen werden. Da bisher ein Lehrbuch der russischen Phonetik (wie der Phonetik überhaupt) für den Universitätsunterricht fehlt, wird die Arbeit avreh für die Studenten der Slawistik von Nutzen sein. Freilich sind, wie sich das aus V
dem Hauptzweck des Buches ergibt, keineswegs alle Probleme der russischen Phonetik dargestellt, die in Universitätsvorlesungen behandelt werden müssen. Laute, deren Bildung recht kompliziert zu beschreiben ist (wie z. B. in), sind nicht genauer beschrieben, wenn ihre Bildung mit der der deutschen Laute (z. B. sch) identisch oder im wesentlichen identisch ist, da eine derartige Beschreibung für die Lehrer von geringem Nutzen wäre. Lauterscheinungen, die weder im Deutschen noch im Russischen vorkommen, wie z. B. Nasalvokale, werden nicht behandelt.
VORWORT ZUR 2. UND 3. AUFLAGE Dieses Buch ist von slawistischer und pädagogischer Seite gut aufgenommen worden. Für die in Rezensionen1 und Briefen vorgetragenen kritischen Bemerkungen, Wünsche und Verbesserungsvorschläge möchte ich allen meinen herzlichen Dank aussprechen. Freilich konnte ich nicht jeden Wunsch berücksichtigen: manches entsprach nicht dem Rahmen und den Zielen des Buches; die Ausarbeitung des so wünschenswerten — und im Vorwort zur 1. Auflage für eine spätere Auflage in Aussicht gestellten — Kapitels über den Akzent war mir aus Zeitmangel nicht möglich; manche Bemerkungen scheinen mir nicht richtig zu sein. Weitere Änderungen wurden durch die in den letzten Jahren in der Sowjetunion erschienene orthoepische Literatur hervorgerufen, insbesondere durch zwei Arbeiten: 1954 erschien von P. H. AßaHecoB, PyccKoe JimrepaTypHoe np0H3H0iiieHH6, eine zweite verbesserte Auflage; 1955 wurde vom Institut für Sprachwissenschaft der Akademie der Wissenschaften der UdSSR, unter der gemeinsamen Redaktion von P. H. ABaHeccfe und C. H. OmeroB, ein Hand-und Wörterbuch zum Akzent und zur Ausspräche der russischen Literatursprache (PyccKoe jurrepaTypHoe ynapemie H npoH3HoineHne) herausgegeben, das einen offiziösen Charakter trägt. Ich habe alle in meiner Darstellung angeführten Regeln und Beispiele an Hand dieser beiden sowjetischen Arbeiten neu überprüft — wobei mich dankenswerterweise Dr. Helger Vogt unterstützte — und an den entsprechenden 1
Russischunterricht. 1053, S. 534—638 (N. Nikolajew). — Zeitschrift für Phonetik u. allgemeine Sprachwissenschaft, Bd. 8, S. 411—416 (A. ïsa&enko). — The Slavonio Review, Bd. 33, 1954, S. 236—239 (W. E . Matthews). — Wiener Slavist. Jahrbuch, Bd. 4. 1955, S. 186—188 (W. Appel). — Bulletin de la Société de Linguistique de Paris, Bd. 51, 1955, 8. 125 (R. L'Hermitte). — Rezensionen der 2. neubearbeiteten Auflage: The Slavonic Review, Bd. 36, 1958, S. 585 (W. K. Matthews). — Wiener Slavist. Jahrbuch, Bd. 7, 1958, S. 182—183 (H. Galton).
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dem Hauptzweck des Buches ergibt, keineswegs alle Probleme der russischen Phonetik dargestellt, die in Universitätsvorlesungen behandelt werden müssen. Laute, deren Bildung recht kompliziert zu beschreiben ist (wie z. B. in), sind nicht genauer beschrieben, wenn ihre Bildung mit der der deutschen Laute (z. B. sch) identisch oder im wesentlichen identisch ist, da eine derartige Beschreibung für die Lehrer von geringem Nutzen wäre. Lauterscheinungen, die weder im Deutschen noch im Russischen vorkommen, wie z. B. Nasalvokale, werden nicht behandelt.
VORWORT ZUR 2. UND 3. AUFLAGE Dieses Buch ist von slawistischer und pädagogischer Seite gut aufgenommen worden. Für die in Rezensionen1 und Briefen vorgetragenen kritischen Bemerkungen, Wünsche und Verbesserungsvorschläge möchte ich allen meinen herzlichen Dank aussprechen. Freilich konnte ich nicht jeden Wunsch berücksichtigen: manches entsprach nicht dem Rahmen und den Zielen des Buches; die Ausarbeitung des so wünschenswerten — und im Vorwort zur 1. Auflage für eine spätere Auflage in Aussicht gestellten — Kapitels über den Akzent war mir aus Zeitmangel nicht möglich; manche Bemerkungen scheinen mir nicht richtig zu sein. Weitere Änderungen wurden durch die in den letzten Jahren in der Sowjetunion erschienene orthoepische Literatur hervorgerufen, insbesondere durch zwei Arbeiten: 1954 erschien von P. H. AßaHecoB, PyccKoe JimrepaTypHoe np0H3H0iiieHH6, eine zweite verbesserte Auflage; 1955 wurde vom Institut für Sprachwissenschaft der Akademie der Wissenschaften der UdSSR, unter der gemeinsamen Redaktion von P. H. ABaHeccfe und C. H. OmeroB, ein Hand-und Wörterbuch zum Akzent und zur Ausspräche der russischen Literatursprache (PyccKoe jurrepaTypHoe ynapemie H npoH3HoineHne) herausgegeben, das einen offiziösen Charakter trägt. Ich habe alle in meiner Darstellung angeführten Regeln und Beispiele an Hand dieser beiden sowjetischen Arbeiten neu überprüft — wobei mich dankenswerterweise Dr. Helger Vogt unterstützte — und an den entsprechenden 1
Russischunterricht. 1053, S. 534—638 (N. Nikolajew). — Zeitschrift für Phonetik u. allgemeine Sprachwissenschaft, Bd. 8, S. 411—416 (A. ïsa&enko). — The Slavonio Review, Bd. 33, 1954, S. 236—239 (W. E . Matthews). — Wiener Slavist. Jahrbuch, Bd. 4. 1955, S. 186—188 (W. Appel). — Bulletin de la Société de Linguistique de Paris, Bd. 51, 1955, 8. 125 (R. L'Hermitte). — Rezensionen der 2. neubearbeiteten Auflage: The Slavonic Review, Bd. 36, 1958, S. 585 (W. K. Matthews). — Wiener Slavist. Jahrbuch, Bd. 7, 1958, S. 182—183 (H. Galton).
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Stellen die nötigen Korrekturen vorgenommen, so daß die Arbeit den Stand von 1955 vertritt. Schließlich habe ich auch die im Vorwort zur ersten Auflage schon angekündigte Abschwächung bzw. Beseitigung des polemischen Charakters der Darstellung durchgeführt1. Berlin, 31. Dezember 1956 1
W. Steinte
Alle diese Änderungen sind im allgemeinen im Rahmen der betreffenden Seite der ersten Auflage durchgeführt, so daß sich im allgemeinen keine nennenswerten Abweichungen zwischen den Seitenzahlen der ersten und der zweiten Auflage ergeben. Um dem Benutzer das Auffinden des Neuen zu erleichtern, seien die Seitenzahlen angeführt, auf denen wesentlichere Änderungen vorgenommen sind: S. 27, 64—65, 70—72, 8, 15, 19, 31—33, 38—40, 43—44, 47—50, 52, 56, 75—76, 80—82.
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INHALT Vorwort Die Sprechorgane , Systematische Einteilung der Lauterscheinungen Laut und Phonem Laut und Schrift Phonetische Transkription Orthoepie Die Vokale Die deutschen Vokale Die russischen Vokale Die betonten Vokale a o y
3 ii, bi Die unbetonten Vokale a und o y, K), w, ii e, 3 und a Die Konsonanten Allgemeine Einteilung Stimmhafte und stimmlose Konsonanten Palatalisierte und harte Konsonanten Quantität der Konsonanten Lange Klusile Stimmlose Klusile r, k Zischlaute ji, ji' P. P' H
j
V 1 9 14 21 23 25 30 30 34 36 37 37 37
38 39 46 48 50 50 54 54 55 58 66 67 67 68 69 72 74 74 74
IX
Tabelle der russischen Konsonanten Lautverbindungen Assimilation Andere Veränderungen bei Konsonantenverbindungen . . . Anlaut Auslaut Konsonantenbuchstabengruppen mit nicht ausgesprochenen Konsonanten Literaturverzeichnis und Abkürzungen Sachregister Russisches Wortregister
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78 79 79 80 80 80 81 82 83 87
DIE SPRECHORGANE Die Grundlage für alles Sprechen ist der L u f t s t r o m , der beim Ausatmen entsteht 1 . Das Atmen ist eine biologische Funktion des menschlichen Körpers, die unabhängig vom Sprechen vor sich geht. Erst wenn der Luftstrom durch die S p r e c h o r g a n e in verschiedenster Weise beeinflußt, modifiziert wird, wird er zum Sprachmaterial. Die reinen A t m u n g s o r g a n e — Lunge, Zwerchfell, Luftröhre —, deren Tätigkeit und Rolle für alle Sprachen die gleiche ist, brauchen hier, bei der Darstellung der russischen Lautlehre, nicht näher behandelt zu werden. Wichtig für uns sind die eigentlichen S p r e c h o r g a n e , deren Tätigkeit und Rolle sich in den verschiedenen Sprachen — so z. B. im Russischen und Deutschen — teilweise voneinander unterscheidet und dadurch die Verschiedenheit ihres Lautsystems und ihrer Aussprache hervorruft. Es sind dies: Kehlkopf, Raghenhöhle, Nasenhöhle und Mundhöhle mit Zunge, hartem und weichem Gaumen, Zähnen und Lippen 2 . Die über dem Kehlkopf liegenden Hohlräume, in denen der Luftstrom bearbeitet wird, faßt man mit einem von den Blasinstrumenten genommenen Terminus als A n s a t z r o h r zusammen.
Im folgenden werden die Sprechorgane in der umgekehrten Reihenfolge dargestellt, zuerst also die Lippen. Dies geschieht aus pädagogischen Gründen. Phonetik ist ein Gebiet, auf dem man ohne eigene Übung und Prüfung nicht weiterkommt. Das Lesen von Büchern oder Hören einer Vorlesung allein genügt nicht — man muß selber nachprüfen, und das ist bei mit den Lippen und an den Zähnen gebildeten Lauten am leichtesten 3 . 1
Das normale Sprechen geschieht beim Ausatmen. Auf andere Weise — also beim Einatmen oder durch Saugen — gebildete Sprachlaute sind Sonderfälle, auf die wir hier nicht einzugehen brauchen. * Auch die eigentlichen Spreohorgane haben eine primäre biologische Funktion, sind also unabhängig vom Sprechen biologisch notwendig. * Ein wichtiges Hilfsmittel beim Kontrollieren ist der Spiegel.
1
Aus demselben Grunde — Anknüpfen an die bekannten und für jeden nachprüfbaren Tatsachen der Muttersprache — führe ich in diesem Abschnitt Beispiele nur aus der deutschen Lautlehre an. 1. L i p p e n . Die mit aktiver Teilnahme der Lippen gebildeten Laute heißen Lippen- oder L a b i a l l a u t e (lat. labium 'Lippe'). Dabei ist die aktive Teilnahme der Lippen verschiedenartig. Bei den L a b i a l k o n s o n a n t e n wird entweder von b e i d e n Lippen ein völliger Verschluß gebildet (6, p, m) oder aber die Unterlippe bildet mit den Oberzähnen einen schmalen Spalt, eine Enge, durch die die Luft mit Reibungsgeräusch entweicht (/, w). Bei der Bildung der Labial v o k a l e werden die Lippen gerundet und nach vorn gestülpt (o, u, ö, ii). Die mit b e i d e n Lippen gebildeten Konsonanten nennt man auch bilabial, mit Unterlippe und Oberzähnen gebildeten labiodental,
die
2. Die Mundhöhle wird vorn durch die Z ä h n e abgeschlossen. Laute, die mit dem vorderen Teil der Zunge an den Oberzähnen gebildet werden, heißen Zahnlaute oder D e n t a l e (lat. dens, dentis 'Zahn'). Auch hier kann von der Zunge an den Zähnen ein völliger Verschluß (z. B. d, t, n) oder auch nur eine Enge (z. B. s) gebildet werden. Zu den Dentalen im weiteren Sinne kann man auch die im ganzen Zahngebiet gebildeten Laute rechnen. So werden d, t, n von manchen nicht an (genauer: hinter) den Oberzähnen gebildet, sondern an der über den Zähnen befindlichen, deutlich fühlbaren Verdickung des Zahnfleisches, den sog. Alveolen 1 . Die dort gebildeten Zahnlaute nennt man auch alveolar, die hinter den Oberzähnen gebildeten auch postdental.
3. über den Alveolen beginnt das Dach der Mundhöhle oder der G a u m e n . Laute, die mit der Zunge am Gaumen gebildet werden, nennt man G a u m e n l a u t e ; mit Verschluß gebildet werden z. B. g, k, mit Enge ch. Unrichtig ist die Bezeichnving „Kehllaute" für diese keineswegs in der Kehle, sondern am Gaumen gebildeten Laute. Daher erscheint auch ihre alte lateinische Bezeichnimg G u t t u r a l e (lat. guttur 'Kehle') ungeeignet, die freilich — da die wörtliche Bedeutung eines lateinischen Terminus dem Benutzer nicht so gegenwärtig ist — noch weit verbreitet ist.
Es ist jedoch wenig üblich, von „Gaumenlauten" im allgemeinen zu sprechen, da man beim Gaumen zwei klar verschiedene Teile unterscheiden kann — den harten vorderen und den weichen hinteren Gaumen, wie man sich mit dem genügend weit eingeführten Zeigefinger leicht überzeugen kann. Der 1
2
In den Alveolen oder Zahnscheiden sitzen die Oberzähne im Oberkiefer.
Abb. 1. Schematicher Durchschnitt durch die Sprechorgane 1 2 3 4 5 6
Lippen Zähne Alveolen vorderer h a r t e r G a u m e n ( p a l a t u m ) hinterer weicher G a u m e n oder Gaumensegel (velum) Zäpfchen
7 6 9 10 11 12
Zungenspitze Zungenrucken Hinterzunge Rachenhöhle Luftröhre Stimmbänder
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harte Vordergaumen heißt lateinisch palatum. Der weiche Hintergaumen ist ein beweglicher Muskel, der beim gewöhnlichen Atmen wie ein Segel (lat. velum) bei Windstille schlaf! herabhängt und auch Gaumensegel genannt wird. Von besonderer Bedeutung sind die Hintergaumenlaute oder Velare, zu denen russ. r, K, X gehören. Zu den ausgesprochenen Vordergaumenlauten oder P a l a t a l e n gehört j (0). Am vorderen Teil des harten Gaumens, hinter den Alveolen, werden die «-Laute (sch, in, m u. a.) gebildet, die daher Postalveolare (oder auch Präpalatale) genannt werden.
Das Gaumensegel endet in dem herunterhängenden Zäpfchen (lat. uvula), das bei weit (in a- Stellung) geöffnetem Mund und mit dem Löffelstiel heruntergedrückter Zunge deutlich zu sehen ist. 4. Die Zunge ist ein äußerst beweglicher, langer und breiter, fleischiger Muskel, der bei der Bildung der Mehrzahl aller Laute, der Vokale wie der Konsonanten, aktiv teilnimmt und daher eine sehr wichtige Rolle für die Sprache überhaupt spielt1. Die Zunge kann willkürlich sowohl nach vorwärts und rückwärts bewegt werden wie nach oben und unten, und zwar nicht nur als Ganzes, sondern auch mit ihrem vorderen, mittleren und hinteren Teil; besonders beweglich ist die Zungenspitze. Wir sahen oben schon, daß der Vorderteil der Zunge an der Bildung der Dentale aktiv teilnimmt. In gleicher Weise nimmt der Hinterteil der Zunge aktiv an der Bildung der Velare teil. Die Oberfläche der Zunge heißt Z u n g e n r ü c k e n , die damit gebildeten Laute, wie k, g, auch dorsale (lat. dorsum 'Rücken'). Die mit der Z u n g e n s p i t z e bzw. dem vorderen Rand der Zunge gebildeten Laute, wie z. B. t, d, n, heißen auch apikale (lat. apex, apicia 'Spitze') bzw. koronale (lat. Corona 'Kranz, Rand'). Die Zunge kann horizontal und vertikal verschoben werden. Die Verschiebung der Hauptmasse der Zunge nach vorn oder rückwärts ergibt die h o r i z o n t a l e Verschiebung der Zungenlage. Allein durch diese Verschiebung unterscheiden sich z. B. im Deutschen o und ö voneinander, oder auch u und ti; bei o (u) liegt die Zungenmasse hinten, bei ö (ü) vorn, wie man sich durch abwechselndes o-ö-o-ö-o-ö-Sprechen und Kontrolle mit dem eingeführten Finger leicht überzeugen kann. Die Änderung des Abstandes der Zunge vom Gaumen ergibt die v e r t i k a l e Verschiebung der Zungenlage*. Durch eine größere Hebung des vorderen Zungenteils unterscheidet sich z. B. dtsch. i von e oder auch ü von ö. 1
Daher bedeutet H3HK 'Zunge' und 'Sprache'; ebenso in vielen anderen Sprachen, darunter auch in altertümlichem Gebrauch im Deutschen. * Außer der willkürlichen Änderung dieser Lage ist die Zunge auch automatisch mit dem größeren oder kleineren Winkel des Unterkiefers zum Oberkiefer verbunden.
i
Der aktive Anteil der Zunge an der Bildung der Dentale und der Velare ist bei der Darstellung dieser Lautgruppen schon erwähnt worden. Nach dem in der phonetischen Schule von UJepÖa üblichen Lauteinteilungsschema werden Dentale und Gaumenlaute als Z u n g e n l a u t e (Linguale, HBÜHHue) zusammengefaßt und dann in Vorderzungenlaute (— Dentale), Mittelzungenlaute ( = Palatale) und Hinterzungenlaute ( = Velare) unterteilt. Während bei der traditionellen Einteilung der Laute nach der Artikulationestelle sowohl aktive (bei Labialen) als passive (bei Dentalen, Palatalen, Velaren) Sprechorgane zugrunde gelegt werden, will LUepÖa der Einteilung nur ein Prinzip, und zwar die a k t i v e n Sprechorgane zugrunde legen. Die Zusammenfassung der Dentale, Palatale und Velare — d. h. aller Konsonanten außer den Labialen — durch einen gemeinsamen Terminus „Zungenlaute" oder „Linguale" entspricht jedoch nicht dem Lautsystem des ^Russischen oder Deutschen, so daß ich die traditionellen Termini beibehalte.
5. Das unter 3. besprochene Gaumensegel hängt beim gewöhnlichen Atmen, das bei geschlossenem Munde durch die Nase erfolgt, schlaff herunter und gibt dadurch der aus der Luftröhre in die Rachenhöhle strömenden Luft freien Zugang zur Nasenhöhle. Die Nasenhöhle ist ein passives Sprechorgan, ein Resonanzraum, der der hindurchströmenden Luft eine besondere, nasale Klangfarbe leiht. Die beim Ausströmen der Luft durch die Nase gebildeten Laute heißen Nasale; hierher gehören m, n und y (der velare Nasal in 'singe, Stange', s. S. 24). Bei den anderen Konsonanten und bei den Vokalen des Deutschen und Russischen entweicht die Luft nur durch den Mund, wobei der Zugang zur Nasenhöhle durch Anheben des Gaumensegels abgesperrt wird. 6. I n der Bachenhöhle, in die Mund- und Nasenhöhle einmünden, werden im Deutschen und Bussischen keine Konsonanten gebildet, so daß wir von einer näheren Behandlung absehen können.
7. Der Kehlkopf (griech. larynx) ist ein kompliziert gebautes Organ, dessen Hauptaufgabe es ist, die sog. Stimme zu erzeugen1, d. h. die wichtige Eigenschaft, die für die Bildung der Vokale, für die Unterscheidung von stimmhaften und stimmlosen Konsonanten und schließlich für das Singen notwendig ist. Vorhandensein und Fehlen der Stimme macht man sich am besten klar, wenn man sonst gleich gebildete Konsonanten wie / und w je einige Sekunden gezogen, mehrmals abwechselnd (aber ohne Unterbrechung) hintereinander spricht, also: f f w w f f u n o f f . Hierbei spürt man bei ww ein Vibrieren im Kopf, das sich auf die Hand überträgt, wenn man Daumen und Zeigefinger leise zu beiden Seiten des Kehlkopfes (Adamsapfels) aufsetzt. 1
Da wir hier stets nur die normale Sprache im Auge haben, gehen wir auf das Flüstern nicht ein.
5
Die stimmhaften Laute sind tönend. Der Ton der Stimme tritt besonders klar hervor, wenn man beide Ohren mit je einem Finger verschließt und dann die //««»-Übung vornimmt. Die S t i m m e wird durch Schwingungen der sog. Stimmbänder oder Stimmlippen 1 erzeugt. Über die Stimmbänder und die Konstruktion des Kehlkopfes, der ohne Spezialinstrumente nicht zu beobachten ist, seien hier die wichtigsten Angaben gemacht (vgl. Abb. 2). Der Kehlkopf bildet den oberen Abschluß der Luftröhre. Die aus den Lungen durch Luftröhre und Kehlkopf strömende Luft gelangt in den Rachenraum, von wo aus sie durch Mund oder Nase (oder auch durch beide) hinausströmt. Die Wände des Kehlkopfes bestehen aus mehreren Knorpeln. Der größte dieser Knorpel, Schildknorpel oder volkstümlich Adamsapfel genannt, liegt vorn und ist mit den Fingern leicht abtastbar. An der Vorderwand des Schildknorpels sind die für die Erzeugung des Stimmtones unmittelbar wichtigen Stimmbänder oder Stimmlippen befestigt, zwei Muskelfalten auf der linken und rechten Seite der Luftröhre, die mittels der beiden beweglichen Stellknorpel einander angenähert werden können. Die Öffnung zwischen den Stimmbändern heißt Stimmritze (griech. glottis). Sind die Stimmbänder maximal weit voneinander entfernt, so kann die Luft ungehindert passieren. Das ist die normale Stellung beim Ausatmen, aber auch bei der Bildung der stimmlosen Konsonanten, z. B. /. Die elastischen, federnden Stimmbänder erfüllen ihre eigentliche, sprachliche Funktion, wenn sie einander leicht berühren, jedoch nur so weit, daß sie von der ausströmenden Luft auseinandergedrückt werden, dann dank ihrer Elastizität wieder zurückfedern, wieder auseinandergedrückt werden usw. Durch dieses Hin- und Herfedern der Stimmbänder gerät die ausströmende Luft in rhythmische Schwingungen, entsteht also ein Ton, eben die S t i m m e . Die Höhe eines Tones beruht bekanntlich auf der Anzahl der Schwingungen innerhalb einer Zeiteinheit; je mehr (schneller) Schwingungen, desto höher der Ton. Lange Saiten schwingen langsamer als kurze, ergeben also tiefere Töne (deshalb entstehen bei Verkürzung des schwingenden Saitenteils auf der Laute oder Geige höhere Töne). Da Männer einen größeren Kehlkopf („Adamsapfel"!) mit längeren Stimmbändern haben als Frauen und Kinder, 1
6
Ich verwende im weiteren den traditionellen, dem üblichen lateinischen und auch russischen (rojiccoBue CBH3KH) Terminus entsprechenden Ausdruck Stimm&änder, obgleich es sich freilich nicht um freischwebende, an beiden Enden befestigte, saitenartige Bänder handelt.
ergibt sich daraus die tiefere Stimmlage bei Männern1. Die Variation in der Tonhöhe, über die jedes Individuum beim Sprechen und Singen verfügt, hängt natürlich nicht von der (ja unveränderlichen) Länge seiner Stimmbänder ab, sondern von ihrer stärkeren oder schwächeren Anspannung: je stärker ihre Anspannung, um so höher der Ton.
Abb. 2. Querschnitt durch den Kehlkopf (schematisch) 2 1 Schildknorpel oder Adamsapfel, 2 Stellkocrpel oder GieBkannenknorpel, 3 Stimmbinder, 4 Stimmritze
Abb. 3 a: Stimmbänder weit geöffnet
1
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2
b: Stimmbänder aneinanderliegend
Der Vergleich zwischen Stimmbändern und Saiten ist freilich nur bedingt, vgl. oben S. 6 Anm. 1. Unter Zugrundelegung von F. Scheminzky, Die Welt des Schalls, 1935, S. 414. Steinltz, Russische Lautlehre
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Werden die Stimmbänder einander maximal genähert, so entsteht ein völliger Verschluß der Öffnung (der Stimmritze). Die Luft kann dann nicht mehr entweichen. Ein solcher Verschluß findet z. B. beim Husten statt, wenn die Stimmbänder durch einen Fremdkörper (Brotkrümchen o. ä.) oder durch Schleim gereizt werden.
In der Sprache wird Verschluß und Sprengung der Stimmritze z. B. im sog. Knacklaut verwendet, wie er im Deutschen vor jedem im Wort- oder Wurzelanlaut stehenden Vokal erscheint (hier durch „'" bezeichnet); z. B. in 'Anzug, 'Ofen, 'immer,'AtMn,
8
aber auch in Ver'ein, ge'achtet u. a.; s. S. 34.
SYSTEMATISCHE EINTEILUNG DER LAUTERSCHEINUNGEN Nachdem wir die Sprechorgane kennengelernt und dabei auch eine Anzahl von Lauten der deutschen Sprache als Beispiele der Tätigkeit der betreffenden Organe herangezogen haben, kommen wir zur systematischen Einteilung der Lauterscheinungen, wobei wir wieder vom Deutschen ausgehen. Zuerst wird ein allgemeiner Überblick über die wichtigsten Einteilungsgrundsätze gegeben, die dann, wenn nötig, ausführlicher dargestellt werden. Die Laute des Deutschen — wie die jeder anderen menschlichen Sprache — zerfallen ihrer Bildung nach in zwei Hauptgruppen: 1. Laute, bei denen die aus der Luftröhre ausströmende Luft einem Hindernis begegnet, das überwunden wird — die K o n s o n a n t e n ; 2. Laute, bei denen die aus der Luftröhre ausströmende Luft keinem Hindernis begegnet — die Vokale. Als Beispiele für Konsonanten nehmen wir p oder t, bei denen der Mund an den Lippen bzw. Zähnen völlig geschlossen ist, wodurch die Luft am Ausströmen gehindert wird, a oder ä als Beispiele für Vokale zeigen im Gegensatz dazu den Mund weit geöffnet. Auch alle anderen Laute lassen sich, wie wir sogleich sehen werden, eindeutig in diese beiden Gruppen einordnen. Der Unterschied zwischen Vokalen und Konsonanten liegt also in der Art, wie die ausströmende Luft von den Sprechorganen behandelt wird, in der Art ihrer Bildung oder A r t i k u l a t i o n . In vielen Sprachen — so im Deutschen und im Bussischen — unterscheiden sich Vokale und Konsonanten noch durch eine andere wesentliche (und für den Anfänger leichter zu erkennende) Eigenschaft: die Vokale haben stets silbische Funktion, sind immer Silbenträger; die Konsonanten haben nicht silbische Funktion, sind nicht Silbenträger 1 . 1
Es gibt andere Sprachen, z. B. das Tschechische, in denen auch bestimmte Konsonanten (besonders l, r, m, n) Silbenträger sein können. Siehe auch S. 13.
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Die Termini „Selbstlaut, Mitlaut" sind nicht sehr geeignet. Wenn man sie im Deutschen und Bussischen darauf bezieht, daß die Vokale selbst eine S i l b e bilden können, die Konsonanten aber nicht, so könnte man diese Erklärung annehmen. Die häufige Behauptung aber, daß man die Mitlaute nicht allein, ohne Vokal, richtig aussprechen oder etwa nicht singen könne, ist falsch. I, m, n z. B. sind ausgezeichnet allein auszusprechen und zu singen, „scharfes" a sehr gut allein auszusprechen (z. B. als Buhe heischende Interjektion) usw.
Liegt der Hauptunterschied zwischen den beiden Hauptlautgruppen — Vokalen und Konsonanten — in dem Unterschied ihrer A r t i k u l a t i o n s a r t , so erscheint für die Unterteilung der Vokale und Konsonanten als zweites Einteilungsmoment die Teilnahme der verschiedenen Sprechorgane oder die Stelle, an der sie gebildet werden, die A r t i k u l a t i o n s s t e l l e . Als wichtigste Artikulationsstellen erscheinen im Deutschen Lippen, Zähne und weicher Gaumen, so daß wir für das Deutsche Labiale, Dentale und Velare unterscheiden, z. B. p, t, k oder m, n, y. Für die Konsonanten, die wegen ihrer größeren Zahl und verschiedenartigen Bildungsweise auch mehr Einteilungsmomente erfordern, erscheint als drittes Einteilungsmoment noch das Vorhandensein oder Fehlen der S t i m m e bei ihrer Bildung (z. B. f—w). Bei den Konsonanten müssen wir schließlich noch bezüglich der A r t des H i n d e r n i s s e s , auf das die ausströmende Luft trifft, mehrere Gruppen unterscheiden. a) Verschlußlaute Das Hindernis ist ein vollständiger V e r s c h l u ß des Mundes: b, d, g, j>, t, k. Bei der Bildung der Verschlußlaute kann man in „Normalstellung" (vgl. z. B. b und g in 'aber', 'Lage') drei Momente unterscheiden: die Bildung des Verschlusses, das Halten des Verschlusses, das öffnen des Verschlusses. Das Charakteristische für diese Laute, die Eigenschaft, die nie fehlen kann, ist der Verschluß, weshalb sie als Verschlußlaute oder Klusile, russ. CMbiiHbie (cHuiKa Zusammenschluß) bezeichnet werden. Daneben kommen, besonders in älteren Darstellungen, auch noch andere Bezeichnungen vor, so z. B. „Explosiva" (russ. B3pi>iBHije), da die Öffnung des Verschlusses infolge der angestauten Luft explosionsartig erfolgt und gerade dabei das für diese Laute charakteristische Geräusch entsteht (s. auch S. 67). b) Enge- oder Reibelaute Das Hindernis ist eine E n g e , durch die die Luft entweicht, wobei sie sich dort reibt und damit durch das jeweilige Hindernis bedingte Reibungsgeräusche 10
hervorbringt (z. B. stimmlose /, s, ch stimmhafte w, z 1 ). Das Charakteristische bei der Bildung dieser Laute ist die Enge oder der Spalt, weshalb sie Engelaute (russ. mejieBHe oder mejiHHHwe) genannt werden. Da das für diese Laute charakteristische Geräusch durch Reibung entsteht, werden sie auch Reibelaute oder Frikative (lat. fricare 'reiben') genannt. Da bei diesem Reibungsgeräusch der Luftstrom, das Atmen anscheinend besonders auffällig hervortritt, werden sie auch Spiranten (lat. spirare 'atmen') genannt. Alle diese Termini sind also gleichbedeutend. Zu den Verschluß- und den ihnen entsprechenden Engelauten gehören folgende deutsche Konsonanten: Verschlußlaute stimmlos stimmhaft
Labiale Dentale Velare c)
p t k
b d g
Engelaute stimmlos stimmhaft
f s ch
w z1
Affrikaten
Eine Affrikate ist eine enge, unlösbare Verbindung von an der gleichen Stelle gebildetem Verschlußlaut + Engelaut; z. B. russ. u, i . Eine Verbindung wie ks, z. B. in 'Axt, Hexe', ist keine Affrikate, da der Gaumenverschlußlaut k und der dentale Engelaut s n i c h t an derselben Stelle gebildet werden. Diese Verbindung nimmt die Dauer zweier Konsonanten in Anspruch und läßt sich klar in zwei selbständig im Deutschen vorkommende Elemente k -j- s zerlegen. Wir können je eines dieser Elemente weglassen und erhalten dabei ein ganz neues Wort, z. B. aJcst, ast, akt (Axt, Ast, Akt) oder hekse, heke, hese2 (Hexe, Hecke, Hesse). H ist eine Verbindung von erweichtem T' und erweichtem in', welch letzteres bekanntlich selbständig im Russischen gar nicht vorkommt, so daß man M — abgesehen von seiner einfachen Länge — nicht in zwei selbständige Laute des Russischen zerlegen und damit die Verbindung auflösen kann. Auf die Enge der Verbindung von klusilem und spirantischem Element in den Affrikaten weist auch ihre russische Bezeichnung hin: cjiHTHue 'verschmolzene'. Der lateinische Name Affrikaten „angeriebene" 3 weist darauf hin, daß sie keine reinen Reibelaute (Frikative) sind, sondern nur ein frikatives Element enthalten. 1 8 1
z ist das Transkriptionszeichen für stimmhaftes « wie in 'sausen'; s. S. 24. Zur phonetischen Umschrift s. S. 23f., 32. Lat. fricare 'reiben', affricare 'anreiben'.
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Die Enge der Verbindung zeigt sich schließlich auch darin, daß die einfache Affrikate nicht die Dauer von 2 Konsonanten, sondern von einem einfachen Konsonanten hat. Das gilt für i (in phonetischer Umschrift auch TW geschrieben) und für u ( = TC), das eben wegen seiner Kürze nicht in die zwei, im Russischen ja vorhandenen Konsonanten T -j- c zerlegt werden kann. d) Sonore Für m, n, y ist charakteristisch, daß einerseits im Munde ein völliger Verschluß geschaffen ist — an den Lippen, den Zähnen bzw. dem weichen Gaumen, wovon man sich auch bei n und y leicht überzeugen kann, indem man bei ihrer Aussprache die Nase zuhält. Andererseits kann aber die Luft frei und ohne Reibungsgeräusch durch die Nase ausströmen; dies wird erreicht, indem sich das beim Sprechen gewöhnlich gehobene Gaumensegel senkt und somit der Luft den Zutritt zur Nasenhöhle freigibt. Man nennt diese Konsonanten Nasale 1 . Die nichtnasalen Laute faßt man bisweilen auch als orale oder Mundlaute (lat. oa, oria 'Mund') zusammen.
Für das deutsche l ist charakteristisch, daß die Vorderzunge an derselben Stelle wie bei n, t, d (also an den Oberzähnen) einerseits einen Verschluß bildet, andererseits aber dieser Verschluß nicht vollständig ist, sondern an beiden Zungenseiten eine Öffnung bleibt, durch die die Luft frei, ohne besonderes Reibungsgeräusch, ausströmt. Von dem Vorhandensein der seitlichen Öffnung bei der Bildung des l kann man sich leicht überzeugen, wenn man hintereinander (ohne abzusetzen) nnUnnll spricht. Es ist deutlich zu spüren, wie die seitliche Öffnung nach n aufgeht und nach l wieder geschlossen wird. Für r ist charakteristisch, daß ein elastischer, leicht vibrierender Teil, nämlich die Zungenspitze oder das Zäpfchen, durch die ausströmende Luft in Schwingungen (Zittern) versetzt wird. Indem die Zungenspitze bzw. das Zäpfchen gegen die Zahngegend bzw. die gehobene Hinterzunge artikuliert, entsteht abwechselnd ein Verschluß und eine Öffnung. I und r werden als Liquidae (lat. liquidvs 'flüssig, fließend'), russ. i u i a B H b i e zusammengefaßt. I wird wegen der Bedeutimg der aeitlichen Öffnung als laterale Liquida bezeichnet (lat. latua, lateria Seite), r als „zitternde" (russ.flpoJKAmuft)Liquida. 1
Die Bezeichnimg des dtsch. 9 (ng) als „nasales n" ist natürlich völlig falsch, m ist der labiale, n der dentale, Tj der velare oder Gaumen-Nasal.
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Den Lauten m, n, y, l, r ist eine spezifische Besonderheit ihrer Artikulationsart g e m e i n s a m : sie haben einerseits einen Verschluß, ein Hindernis für die ausströmende Luft, andererseits eine Öffnung, durch die Luft frei passieren kann. Insofern diese Laute ein Hindernis, einen Verschluß haben, gehören sie klar zu den Konsonanten. Insofern sie aber eine Öffnung haben, zeigen sie eine den Vokalen verwandte Eigenschaft. Dies äußert sich auch darin, daß diese Laute im Deutschen, Russischen und in vielen anderen Sprachen keine stimmlose Entsprechung haben, daß also die Stimmhaftigkeit für sie, ebenso wie für die Vokale, eine typische Eigenschaft ist. Man faßt daher die Nasale m, », y sowie die Liquida l und r als S o n o r e (lat. sonor 'Ton, Klang'; russ. coHaHTbi) zusammen. Neben „Sonore" ist auch die Bezeichnung S o n a n t e n gebräuchlich. Es sind unter den Konsonanten eben die Sonqre, die in einer Reihe von Sprachen außer den Vokalen auch als Silbenträger auftreten können (vgl. oben S. 9 Anm. 1). In der Umgangssprache ist dies auch im Deutschen der Fall, wo an Stelle von unbetontem e + Sonore auch silbische Sonore vorkommen; vgl. z. B. („°" ist das Zeichen der Silbigkeit) gebm 'geben', ladn 'Laden', medl 'Mädel' usw.
Den tönenden Sonoren gegenüber, die kein oder nur ganz schwaches Geräusch aufweisen, faßt man Verschlußlaute, Erigelaute und Affrikaten als G e r ä u s c h l a u t e zusammen. Zur Einteilung der russischen Konsonanten siehe S. 54 f. Zur Einteilung der deutschen und russischen Vokale siehe S. 30 ff.
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LAUT UND PHONEM Die Lautgebilde, die durch die verschiedensten Kombinationen der oben beschriebenen Sprechorgane von Menschen erzeugt werden können, sind unendlich mannigfaltig. Mit ihrer Erforschung beschäftigt sich die Phonetik. Die Untersuchung der Laute als naturwissenschaftlicher Erscheinungen kann von zweierlei Standpunkten aus erfolgen: erstens vom Standpunkt des Sprechers, der mit seinen Sprechorganen die Laute erzeugt oder artikuliert; zweitens vom Standpunkt des Hörers, der diese Laute wahrnimmt. Im ersten Falle handelt es sich um die organogenetische oder artikulatorische Phonetik, die die Bildimg oder Artikulation der Laute durch die Sprechorgane beschreibt; im zweiten Falle um die akustische Phonetik, die die akustischen Eigenschaften der Laute untersucht.
Der Unterschied beider Betrachtungsweisen sei an den Vokalen veranschaulicht. Wir nennen die Vokale o, u hintere, e, i vordere Vokale, weil bei ihrer Bildung der hintere bzw. vordere Teil der Zunge beteiligt ist. Wir können sie aber auch als dunkle (tiefe) bzw. helle (hohe) Vokale bezeichnen, auf Grund des Gehöreindruckes, den die mit Apparaten durchgeführte physikalisch-akustische Analyse völlig bestätigt. Die Phonetik beruhte anfänglich (bis gegen Ende des vorigen Jahrhunderts) auf der Wahrnehmungsfähigkeit des Beobachters — im wesentlichen auf seinem feinen Gehör, weshalb man diese Art Phonetik auch Ohrenphonetik genannt hat. Allmählich wurden immer mehr Instrumente und Apparate in den Dienst der Phonetik gestellt, die nun nach dem Vorbild der Naturwissenschaften auch experimentelle Methoden anwandte, weshalb man diese Art der Phonetik experimentelle oder instrumenteile Phonetik nennt. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß an der genauesten Erforschung der Lautbildung ja keineswegs nur die Sprachwissenschaftler, sondern auch Mediziner (bei Erkrankungen und Defekten der Sprechorgane), Lehrer für Taubstumme und Sprachbehinderte, Gesanglehrer, Rundfunk- und Tonfilmtechniker u. a. aufs höchste interessiert sind. 14
Anfanglich überwogen die Untersuchungsmethoden der organogenetischen Phonetik. Mit der Vervollkommnung der akustischen Technik, insbesondere durch Radio und Tonfilm, entwickelte sich die akustische Phonetik immer mehr. In letzter Zeit hat der Böntgentoniilm, der gleichzeitig eine genaue organogenetische und akustische Analyse gestattet, zum erstenmal eine Art Synthese der beiden Forschungsmethoden gebracht.
Bei den verschiedenen Sprechern ein und derselben Sprache treten beim Sprechen die mannigfaltigsten, naturwissenschaftlich genau feststellbaren und definierbaren Variationen auf. Je nachdem, ob ein Mann, eine Frau oder ein Kind spricht, wird z. B. das Wort 'Kahn' vom akustischen Standpunkt aus in einer ganz verschiedenen Tonhöhe und Klangfarbe erscheinen. Ob man laut oder leise, ruhig, behaglich oder erregt, freundlich, zärtlich, herrisch oder grob usw. spricht — all das wird ja ausschließlich oder wesentlich durch lautliche Momente charakterisiert. Je nach dem Sprechtempo, in dem ich erzähle, wird die absolute Länge des ä in 'Kahn' verschieden sein; so z. B. behaglich erzählend: „Gestern sind wir Kahn gefahren", oder aber überstürzt berichtend: „Er sprang aus dem Kahn, stürzte das Ufer rauf und . ..". Die Bedeutung des Lautkomplexes kän 'Kahn' bleibt aber immer die gleiche, klar verständliche. Sprechen wir aber statt des langen ä ein kurzes a1, so verändert sich die Bedeutung des Wortes plötzlich: kan 'kann'. Entsprechende Paare von deutschen Wörtern gibt es bekanntlich nicht wenig; z. B. Bahn — Bann; Wahn — wann; fahl — Fall usw. Wir sehen also, daß es sehr viele verschiedene Eigenschaften der Laute gibt, von denen einige für die Bedeutung der Wörter und ihrer Formen wichtig, belangvoll sind, andere aber unwichtig, belanglos. Dabei bedeutet „unwichtig, belanglos" hier nicht, daß eine Eigenschaft wie z. B. die Stimmlage an sich für uns unwichtig, belanglos ist — wir erkennen ja an ihr, ob der Sprecher ein Mann, eine Frau oder ein Kind ist! —, sondern es besagt nur, daß diese Eigenschaft für die Bedeutung des gesprochenen Wortes, für den Inhalt der sprachlichen Mitteilung unwichtig, belanglos ist. Ein anderes Beispiel. Wenn man den lautlichen Unterschied der beiden Wörter 'müde' und 'Made' bestimmen soll, so wird man den Unterschied der langen Vokale u bzw. ö angeben: müde, müde. Ist aber die Aussprache der anderen Laute völlig identisch ? Wenn man 'müde' und 'Made' vor dem Spiegel spricht, so wird man sehen, daß bei dem ersten m die Lippen gerundet und vorgestülpt sind, was bei dem zweiten m nicht der Fall ist. Der in die Augen fallende Unterschied zwischen diesen beiden Arten des m er1
Ich schreibe hier die kurzen Vokale des Deutschen ohne Kurzzeichen, da die langen Vokale durch — bezeichnet werden.
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klärt sich nun offensichtlich aus der Art der Bildung des folgenden Vokals: vor dem ü, das mit gerundeten und vorgestülpten Lippen gebildet wird, nimmt auch m eine solche Bildungsweise (zusätzlich zu seiner normalen: „Lippen geschlossen, Gaumensegel gesenkt") an; vor ä, an dessen Bildung die Lippen a k t i v nicht teilnehmen, zeigt m eine normale Bildung. Die Unterschiede der beiden m, die dem gewöhnlichen Sprecher völlig unbewußt sind, sind offenbar sprachlich, für die Bedeutung der Wörter, belanglos; wenn man aber an Stelle des labialen m ein dentales n spricht, ist dies für die Bedeutung der Wörter belangvoll — vgl. z. B. 'mein' und 'nein'. Wir wiederholen: Es gibt Lauterscheinungen, die für die Unterscheidung der Bedeutungen von Wörtern wichtig sind, und andere, die hierfür unwichtig sind. Beide Fälle kann man naturwissenschaftlich genau bestimmen. Eine Lauterscheinung, die die B e d e u t u n g eines Wortes unterscheidet, ist aber nicht nur eine naturwissenschaftliche Erscheinung. Sie hat eine bestimmte Aufgabe oder Funktion in der Sprache, diesem Mittel zur Verständigung in der Gesellschaft, und ist somit auch eine g e s e l l s c h a f t l i c h e Erscheinung. Ob eine Lauterscheinung bedeutungsunterscheidend ist oder nicht, können wir nicht auf Grund einer abstrakten naturwissenschaftlichen Analyse feststellen, sondern nur auf Grund ihrer konkreten Funktion in der betreffenden Sprache. So unterscheiden z. B. ä und e im Deutschen (in der Bühnenaussprache) Bedeutungen von Wörtern (z. B. 'Ähre' und 'Ehre'), im Russischen hingegen nicht, wo ihr Vorkommen vielmehr durch die Beschaffenheit des folgenden Konsonanten bestimmt ist (vgl. Bec, ¿TO mit ä und Becb, bth mit e; s. S. 38). Es ist daher notwendig, die beiden, ihrer Funktion nach grundverschiedenen Gruppen von Lauterscheinungen auch terminologisch klar zu unterscheiden. Sprachlaute, die dazu dienen, die Bedeutungen von Wörtern zu unterscheiden, heißen P h o n e m e . Sprachlaute, die nicht dazu dienen, Bedeutungen von Wörtern zu unterscheiden, heißen V a r i a n t e n . So sind m und n oder ä und e im Deutschen Phoneme, da sie Bedeutungen wie 'mein' und 'nein', 'Ähre' und 'Ehre' unterscheiden. Die beiden Arten des m in 'müde' und 'Made' oder ä—e im Russischen (in ¿TO und 6TH) sind aber nur Varianten des Phonems m bzw. des Phonems 3, da sie allein nie dazu dienen, Bedeutungen zu unterscheiden. Varianten, wie die beiden besprochenen m- oder 3-Arten, die durch ihre Stellung (neben einem bestimmten Laut, im Auslaut/u. a.) bedingt sind, nennt man stellungsbedingte oder k o m b i n a t o r i s c h e V a r i a n t e n . 16
Es gibt in allen Sprachen eine große Anzahl von kombinatorischen Varianten. Die kombinatorischen Varianten treten in der gegebenen Stellung o b l i g a t o r i s c h auf. Außer den kombinatorischen gibt es noch andere Varianten. So wird z. B. das r im Deutschen nach den Regeln der Bühnenaussprache als gerolltes Zungenspitzen-r gesprochen, in der Umgangssprache aber oft als gerolltes Zäpfchen-r. Wie man sieht, handelt es sich um artikulatorisch sehr verschiedene Laute. Da aber diese Laute nie einander gegensätzlich gegenübergestellt werden, sie also nie zur Unterscheidung von Wörtern dienen, sondern nur entweder bei verschiedenen Individuen oder bei verschiedenen Sprechstilen (feierlich bzw. alltäglich u. ä.) auftreten, handelt es sich nur um verschiedene Varianten des Phonems r. Andererseits sind diese Varianten nicht kombinatorisch durch ihre Lautumgebung bestimmt. Man faßt diese nichtkombinatorischen, daher also nichtobligatorischen Varianten als f a k u l t a t i v e V a r i a n t e n zusammen (im einzelnen kann man in dem besprochenen r-Fall individuelle und stilistische Varianten unterscheiden). Die Varianten unterscheiden sich nicht nur durch anscheinend ganz geringfügige Verschiedenheiten, wie z. B. bei den besprochenen zwei m-Varianten, sondern oftmals durch sehr auffällige Verschiedenheiten — so z. B. bei r in der Bildung mit der Zungenspitze oder mit dem Zäpfchen. Varianten, und zwar kombinatorische, eines einheitlichen Phonems % stellen z. B. auch die deutschen sog. ach- und icA-Laute dar: der ocA-Laut erscheint nach hinteren Vokalen (o, o, u, au), der icA-Laut in allen übrigen Fällen (also nach vorderen Vokalen: ö, e, i, ö, ü, ei, eu, nach Konsonanten sowie im Anlaut von Wörtern und Suffixen wie z. B. -chen). % ist also im Deutschen ein einheitliches Phonem „stimmloser Gaumen-Engelaut", dessen einheitliche Bezeichnung in der Rechtschreibung durch ck also durchaus richtig ist 1 und — entgegen zahlreichen falschen Reformvorschlägen — deshalb bei einer eventuellen Reform der deutschen Rechtschreibung nie geändert werden dürfte. Die naiven Schöpfer des Buchstabenalphabets bzw. die Anpasser solcher Alphabete auf eine neu geschaffene Schriftsprache haben hier die moderne Phonemerkenntnis vorweggenommen, während die naturwissenschaftlich orientierte Phonetik bis vor kurzem den Wald vor lauter Bäumen, d. h. das sprachlich Wesentliche vor lauter Detaillauten nicht sehen konnte. 1
Für mangelhaft könnte man höchstens seine Schreibung durch z w e i Buchstaben ansehen, nicht aber ihre gleiche Verwendung für den ach- und icA-Laut.
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Welche naturwissenschaftlich klar bestimmbaren Lauterscheinungen den Charakter von Phonemen tragen, welche Varianten sind — dies festzustellen ist keineswegs immer einfach. Diese Feststellung kann nicht allgemein, für alle Sprachen oder für eine Sprache in allen ihren schriftlich belegten Perioden getroffen werden, soudern muß auf Grund einer genauen Analyse einer bestimmten Sprache zu einem bestimmten Zeitpunkt erfolgen. Ein Phonem ist keine unveränderlich feststehende, sondern eine historische, sich entwickelnde Kategorie. So weist z. B. die russische Literatursprache um 1950 — wie die Darstellungen der Aussprachenormen der russischen Literatursprache in so autoritativen Werken wie AßaHecoB 1950, OweroB 1949, Y m a K O B 1935 und H e p H t i u i e B 1914 eindeutig zeigen — gewisse klare, wenn auch nicht sehr tief und weitreichende Unterschiede in der Aussprache gegenüber der Zeit um 1930 oder 1910 auf, recht wesentliche Unterschiede aber gegenüber der Aussprache des Altrussischen. Für die Feststellung der Phoneme und Varianten einer Literatursprache, also z. B. der heutigen russischen, darf man sich selbstverständlich nicht auf lokale Dialekte oder auf Jargons dieser Sprache berufen. Bei der Frage „Phonem oder Variante ?" können sich in einzelnen Fällen auch Meinungsverschiedenheiten bei verschiedenen Forschem zeigen. Dies ist z. B. bei der Beurteilung von russ. H der Fall (s. S. 4HF.). Es kann sich auch ergeben, daß in ein und derselben Sprache eine naturwissenschaftlich gleiche Erscheinung bei einem Laut phonematische, bei einem anderen aber nichtphonematische Bedeutung hat. Vergleichen wir z. B. 'müder' (ein müder Mann) und 'Mieder'. Die beiden Wörter werden offenbar durch den Gegensatz von ü — i differenziert. Der Unterschied zwischen ü und i liegt darin, daß bei ü die Lippen gerundet und vorgestülpt sind, bei i aber nicht. Derselbe Unterschied liegt aber auch in den beiden anlautenden m-Lauten vor (vgl. oben!). Der gleiche lautliche Unterschied macht einerseits aus ü und t, die die verschiedene Lippenstellung unabhängig von ihrer Lautumgebung besitzen und zur Bedeutungsunterscheidung von Wörtern verwenden, zwei Phoneme; andererseits aus den beiden m-Arten, die diese Eigenschaft nur in Abhängigkeit von den benachbarten Vokalen besitzen, kombinatorische Varianten.
Die einzelnen Phoneme lassen sich nicht abstrakt und isoliert, unabhängig von den anderen Lauten der betreffenden Sprache, bestimmen, sondern nur in Beziehung und im Gegensatz zu diesen. Ein Phonem hat also bestimmte belangvolle Eigenschaften, die sich aus seinem Gegensatz zu anderen Phonemen ergeben. So kann m im Deutschen als „labialer Nasal", d. h. durch z w e i Eigenschaften, eindeutig definiert werden, da es zum Unter-
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schied von den beiden anderen Nasalen n und y labial ist, zum Unterschied von anderen Labialen p, b, /, w aber mit gesenktem Gaumensegel, also nasal gebildet wird. Das russische M, das naturwissenschaftlich, seiner Bildungsweise und akustischen Eigenschaft nach, mit dem deutschen m völlig identisch ist, wird durch diese Definition jedoch nicht eindeutig bestimmt, da es durch sie nicht von dem palatalisierten M' (Mb) unterschieden wird. Die Definition des russ. M ist also: „nichtpalatalisierter labialer Nasal". Als weiteres Beispiel für die Bestimmung der belangvollen Eigenschaften eines Phonems gegenüber anderen Phonemen diene b. Deutsch b ist: 1. Verschlußlaut gegenüber w, / (vgl. Beil, weil, feil); 2. stimmhaft gegenüber p, t, k (vgl. Bein, Pein, kein); 3. labial gegenüber g, d (vgl. Bank, Dank und bleich, gleich); 4. nichtnasal gegenüber m, n (vgl. Bein, mein, nein). Deutsch b ist also ein „nichtnasaler labialer stimmhafter Verschlußlaut". Bei russ. 6 kommt als 5. Eigenschaft noch hinzu, daß es gegenüber 6', M' USW. nichtpalatalisiert ist.
Wir müssen also für jede Sprache konkret die Phoneme (und phonematischen Eigenschaften) feststellen, die insgesamt das Lautsystem der betreffenden Sprache bilden. Während die Zahl der bildbaren und naturwissenschaftlich bestimmbaren Laute unzählig groß ist, ist die Zahl der in jeder konkreten Sprache zur Bedeutungsunterscheidung benutzten Laute, d. h. der Phoneme, recht gering. Sie beträgt gewöhnlich zwischen 30—50 Phonemen — in einigen Sprachen mehr, in anderen weniger. Die Betrachtung der Lauterscheinungen vom Standpunkt ihrer Funktion in der Sprache, insbesondere die Analyse der Phoneme, ist Gegenstand eines besonderen Teils der Phonetik, der P h o n o l o g i e 1 . Es gibt eine Reihe von lautlichen Eigenschaften, die nicht zur Bildungsweise eines einzelnen Lautes gehören. Ein Teil dieser lautlichen Eigenschaften oder lautlichen Momente ist für die sprachliche Bedeutung belanglos — so z. B. die Stimmstärke, mit der man spricht, die Stimmlage (ob Mann, Frau oder Kiijd spricht) u. a., vgl. oben. Ein anderer Teil dient aber in bestimmten Sprachen zur Unterscheidung von Bedeutungen, so z. B. der dynamische Akzent (deutsch „übersetzen" und „übersetzen", russ. «oMa und jjOMä usw.). Im letzteren Falle handelt 1
Die Phonologie ist Ende der 20er Jahre von N. S. Trubetzkoy und R. Jakobson begründet worden.
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es sich also um phonematische E i g e n s c h a f t e n , die ebenfalls zum Gegenstand der Phonologie gehören. Die Phoneme (und phonematischen Eigenschaften) dienen zur Unterscheidung von sprachlichen Bedeutungen. In erster Linie handelt es sich um die Unterscheidung der Bedeutungen von W ö r t e r n und ihren Formen, also um Fragen der Wort phonologie. Aber es gibt auch lautliche Erscheinungen, die in der betreffenden Sprache nur in bezug auf den Satz eine phonematische, also bedeutungsunterscheidende Funktion haben. So die Tonhöhe oder Melodie im Deutschen. Wenn ich nüchtern feststelle: „Er ist tot" oder ausrufe: „Er ist tot!" oder •
•
•
erschrocken frage „Er ist tot?", so werden die sehr wesentlich verschiedenen Bedeutungen dieser Sätze (Aussage-, Ausrufungs- und Fragesatz) nur durch den Unterschied in der Melodie des Satzes ausgedrückt. Dabei zeigt sich der Unterschied in der Satzmelodie hier im wesentlichen in dem Worte „tot", das mit tiefem bzw. hohem bzw. mit von tief hochaufsteigendem Ton gesprochen wird. Die Bedeutung des W o r t e s „tot" ändert sich jedoch durch diese verschiedenen Töne in keiner Weise. Gänzlich anders ist die Funktion der Tonhöhe hingegen im Chinesischen und vielen anderen Sprachen, wo nur durch Unterschiede der eben gekennzeichneten Art sonst lautlich gleiche Wörter völlig verschiedene Bedeutungen erhalten. Die satzphonologischen Lauterscheinungen sind jedoch weitaus geringer an Zahl und an Bedeutung als die wortphonologischen. Sie sind noch wenig erforscht und werden im folgenden nicht näher behandelt werden.
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LAUT UND SCHRIFT Die menschliche Sprache ist ihrem Ursprung und ihrem Wesen nach eine L a u t s p r a c h e , eine gesprochene Sprache. Das gesprochene Wort ist auch heute noch von größter Bedeutung — im alltäglichen Umgang und im Unterricht, im Theater und in Versammlungen sowie im Radio, das die dem gesprochenen Wort bis dahin gesetzte Schranke des kleinen Raums überwunden hat. Die zweite, die zeitliche Schranke des gesprochenen Wortes, seine Vergänglichkeit in der Zeit, ist durch die Erfindung der Schrift überwunden worden1. Die russische und die für das Deutsche angewandte lateinische Schrift sind Buchstabenschriften oder Alphabete, die in ihrem Bau den gleichen Gesetzmäßigkeiten unterliegen und historisch auf die gleiche Quelle zurückgehen. Bei der Schaffung der Buchstabenschriften oder Alphabete war das — zwar nicht theoretisch begründete, aber instinktiv klar erfaßte — H a u p t prinzip, jeden bedeutungsunterscheidenden Laut, d. h. also jedes Phonem durch ein besonderes Zeichen, einen besonderen Buchstaben, wiederzugeben, die Unterscheidung von Varianten durch besondere Zeichen aber zu unterlassen. Dieses Prinzip war z. B. in der ältesten Form der griechischen Schrift oder in dem von den Slawenaposteln Kyrill und Methodius geschaffenen ersten kirchenslawischen Alphabet, dem glagolitischen, weitgehend durchgeführt. In der heutigen russischen oder deutschen Orthographie ist zwar das Prinzip, die Varianten nicht zu bezeichnen, beibehalten. Das Prinzip „1 Phonem = 1 Buchstabe" zeigt aber so viele Ausnahmen, daß von einer Gleichsetzung von Buchstabe und Phonem („Laut") nicht mehr die Rede sein kann. Um das russische LautBystem zu verstehen, muß man sich über den Unterschied von Buchstabe und Phonem (Laut) völlig klar sein. Das Auseinanderklaffen von Buchstabe und Phonem hat erstens historische Gründe. Nachdem das Alphabet geschaffen war, hatte die geschriebene Sprache, als im Unterschied zur gesprochenen die Zeit überdauernd, die Tendenz zum Festhalten an i Die modernen Lautaufnahmegeräte werden die Schrift niemals ersetzen können.
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der einmal gegebenen Form. Diese Tendenz verstärkte sich mit der stärkeren Verwendung und der damit zunehmenden Bedeutung der Schrift. Da sich aber gleichzeitig die gesprochene Sprache veränderte, entstand allmählich eine Verschiedenheit zwischen der gesprochenen und der geschriebenen Sprache, die z. B. beim Englischen zu einem weitgehenden Auseinanderfallen geführt hat. Bei der Übertragung des lateinischen Alphabets auf die deutsche Sprache, die einige dem Lateinischen unbekannte Laute enthielt, war es notwendig, mit den gegebenen lateinischen Buchstaben neue Laute zu bezeichnen. Dies tat man, nach mancherlei verschiedenartigen Versuchen, u. a. dadurch, daß man 1 Phonem mit Hilfe von 2 Buchstaben, wie bei ch, oder gar von 3 Buchstaben wiedergab, wie bei sch. Die für das Deutsche so wichtige Unterscheidung von langen und kurzen Vokalen wird nicht an dem Vokalbuchstaben selbst bezeichnet, sondern mit Hilfe eines auf den Vokalbuchstaben folgenden Buchstaben; die Hauptregeln — die freilich viele Ausnahmen zeigen — sind: k u r z e r V o k a l wird durch Verdopplung des folgenden Konsonanten bezeichnet; z. B. Mann, denn, Wette, Bitte (aber: man, in u. a.); l a n g e r Vokal wird durch folgendes h (bei allen Vokalen), Doppelsetzung des Vokals (aa, ee, oo) oder folgendes e (ie) bezeichnet. In ganz entsprechender Weise wird die für das Russische so wichtige Unterscheidung von harten und erweichten (palatalisierten) Konsonanten nicht an den Konsonantenbuchstaben selbst bezeichnet, sondern mit Hilfe eines auf den Konsonantenbuchstaben folgenden Buchstaben — eines jotierten Vokalbuchstaben (h, e, H, e, K>) oder b. Ein weiteres wichtiges Prinzip der Orthographie unserer Schriftsprachen ist die S t a m m s c h r e i b u n g , worunter man die unveränderte Schreibung des Stammes in verschiedenen Formen des Wortes bei veränderter Aussprache versteht; vgl. z. B. 'Tage' und 'Tag', Jiyra und Jiyr mit g, r, obgleich in 'Tag', Jiyr k gesprochen wird. Wie die angeführten Beispiele zeigen, kann in der Orthographie des Deutschen und des Russischen ein Buchstabe recht verschiedene Funktionen haben. So können dtsch. h und e besondere Phoneme bezeichnen, d. h. eigenen Lautwert haben (z. B. in 'helle': hele); sie können aber auch keinen eigenen Lautwert haben, sondern nur die phonematische Eigenschaft eines anderen Lautes bezeichnen — nämlich die Länge des davorstehenden Vokals (z. B. in 'hehle', 'sie': hele, si). Ähnlich hat russ. h zwei Funktionen: 1. be22
zeichnet es die Folge von zwei besonderen Phonemen, j + o, z. B. in H 'ich' = ja; 2. bezeichnet es die Palatalisierung des davorstehenden Konsonanten mit folgendem o, ' + o, z. B. mhi 'Ball' = M'ai. Der Buchstabe b hat nie einen eigenen Lautwert; am Wortende und zwischen Konsonanten dient er dazu, eine lautliche Eigenschaft des davorstehenden Konsonanten zu bezeichnen, nämlich seine Palatalisierung, z. B. Gen. Plur. nyjib = nyji\ Besonders verschiedenartig ist die Bezeichnung des häufigen Phonems j im Russischen, das außer durch if noch, je nach seiner Stellung, auf siebenerlei verschiedene Weise bezeichnet wird (s. S. 75 f.). Beachtenswert ist, daß es sich bei der Vokallänge im Deutschen und bei der Palatalisierung im Russischen um sehr wesentliche und charakteristische Lauterscheinungen dieser Sprachen handelt, die ausschließlich mit Hilfe von nachfolgenden Buchstaben bezeichnet werden. Während im Deutschen die Eigenschaft „Länge" der Vokale gewöhnlich durch einen Konsonantenbuchstaben (h) bezeichnet wird, wird im Russischen die Eigenschaft „Palatalisierung" der Konsonanten gewöhnlich durch die jodierten Vokalbuchstaben bezeichnet. Die bisher angeführten und mehrere weitere Besonderheiten der russischen Orthographie lassen sich in klare, allgemeingültige Regeln fassen. Daneben gibt es eine Reihe von Fällen, wo in einzelnen Wörtern Schreibweise und Aussprache nicht miteinander übereinstimmen; so wird in cöjiHue kein JI, in 3NPABCTBYÖ das erste B nicht gesprochen. Für wissenschaftliche Zwecke ist eine genauere Bezeichnung der gesprochenen Laute notwendig, als sie die Orthographie unserer Schriftsprachen gibt — die sog. p h o n e t i s c h e T r a n s k r i p t i o n . Die .phonetische Transkription kann sich darauf beschränken, die Phoneme und phonematischen Eigenschaften der gegebenen Sprache konsequent zu bezeichnen; also z. B. dtsch. täk, tage (Tag, Tage); ir, mir, sl, fi (ihr, mir, sie, Vieh), wo die langen Vokale, die Aussprache von v sowie von g im Silbenschluß konsequent bezeichnet sind; russ. ropaT, rapaflä (röpoa, PI. ropoflä), wo unbetontes o ebenso wie unbetontes a durch a sowie n im Auslaut durch T bezeichnet ist. Die phonetische Transkription kann aber auch die Varianten der Phoneme bezeichnen, wobei selbstverständlich nur ein Teil der auffälligeren Varianten ausgesucht wird; so werden unbetonte o-a in der Silbe vor dem Ton wie kurzes a ausgesprochen: (ä); in anderer Stellung aber — also n a c h dem 3
Steinitz, Russische Lautlehre
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Ton bzw. weiter vor dem Ton — wie „ein sehr kurzer nichtlabialisierter mittelweiter Vokal": (i); also z. B. röpvr, ri>päs& (s. genauer zu den unbetonten Vokalen a—o S. 48f.). Es ist stets notwendig, genau anzugeben, ob und inwieweit eine phonetische Transkription auch Varianten oder nur die Phoneme bezeichnet. Durch die phonetische Transkription wird das Verständnis für den lautlichen Bau und für das Phonemsystem einer gegebenen Sprache wesentlich erleichtert. So tritt der Charakter der palatalisierten Konsonanten des Bussischen als besonderer, einheitlicher, gleichbleibender Phoneme in der Transkription: nyji'a, nyji'y, nyji' 1 weit klarer hervor als in der Orthographie: nyjiH 'Kugel', nyjiio, nyjib. Es gibt verschiedene Systeme der phonetischen Transkription, auf die näher einzugehen hier nicht notwendig erscheint. Ich verwende die phonetische Transkription nur dort, wo sie zur Klärung bestimmter phonetischer Erscheinungen unumgänglich ist. Auch dann gebe ich im allgemeinen nur die zur Diskussion stehende phonetische Erscheinung in Transkription, wobei die Transkriptionszeichen meistens in [ ] stehen; z. B. mecTb = rnefcV], wo auf die Palatalisierung des c' hingewiesen wird. Hier sei nur folgendes gesagt: Die Palatalisierung der Konsonanten wird durch ein hinter dem Konsonantenbuchstaben stehendes ' bezeichnet. Der Wortakzent wird durch ein über dem Vokalbuchstaben stehendes bezeichnet. — bezeichnet Länge, sowohl des Vokals, z. B. ä, ö, ü im Deutschen, wie auch des Konsonanten, z. B. fü (oder mm) im Russischen; s. auch S. 32 oben. Von besonderen phonetischen Zeichen werden hier bisweilen verwandt: 6 = sch, in
z = stimmhaftes s, 3 y = dtsch. ng in 'singen', vgl. S. 74 X — dtsch. ach-, »cA-Laut (s. S. 17). < >: in < > gestellte Buchstaben bezeichnen ein Phonem, sofern dies ausdrücklich hervorgehoben werden soll. Ist aus dem Zusammenhang klar, daß es sich um ein Phonem handelt, so steht der Buchstabe ohne < ); z. B> und a S. 38. 1
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' bezeichnet die Palatalisierung oder Erweichung des davorstehenden Konsonanten.
ORTHOEPIE Die Literatursprachen zeigen von ihrer Entstehung an das deutliche Bestreben, die S c h r e i b u n g der einzelnen Wörter festzulegen und somit eine Gleichförmigkeit der Schreibweise bei allen in der betreffenden Sprache Schreibenden zu erreichen. Dieses Bestreben verstärkt sich mit dem Aufkommen des Buchdruckes, durch den das geschriebene Wort Besitz breitester Massen wird. Freilich war die Beachtung der orthographischen Regeln in dieser Zeit vorwiegend eine Obliegenheit der Buchdrucker und Korrektoren. Erst mit der Einführung der allgemeinen Schulpflicht wird die Rechtschreibung eine jeden Bürger aktiv betreffende Angelegenheit. Genaue o r t h o g r a p h i s c h e Normen werden offiziell für jede Literatursprache festgelegt und sind obligatorisch. Anders verhält es sich auf dem Gebiet der A u s s p r a c h e , wo landschaftliche, dialektale Besonderheiten sich auch in der Sprache der bildungstragenden Kreise bis in unsere Tage erhalten haben. Bestrebungen, die Aussprache einer Literatursprache überdialektal festzulegen, eine einheitliche Aussprachenorm auszuarbeiten, traten zuerst dort auf, wo sich das gesprochene Wort an einen größeren Kreis von Menschen wandte, und zwar gewöhnlich nicht in der Form der alltäglichen Umgangssprache, sondern einer gehobenen, feierlichen, oft in Versform vorgetragenen Sprache — auf der Bühne. Da~die Schauspieler zudem aus den verschiedenen Gegenden eines Landes stammten und von einer Bühne zur anderen wechselten, fiel bei ihnen eine dialektal gefärbte Aussprache besonders auf. Die Bestrebungen zur Vereinheitlichung der Aussprache sind daher anfangs aufs engste mit dem Theater verknüpft. So forderte schon Goethe 1803 in seinen „Regeln für Schauspieler": „Wenn mitten in einer tragischen Rede sich ein Provinzialismus eindrängt, so wird die schönste Dichtung verunstaltet und das Gehör des Zuschauers beleidigt. Daher ist das erste und notwendigste für den sich bildenden Schauspieler, daß er sich von allen Fehlern des Dialekts befreie und eine vollständige reine Aussprache zu erlangen suche. Kein Provinzialismus taugt auf die Bühne. Dort herrsche nur die reine deutsche 3«
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Mundart, wie sie durch Geschmack, Kunst und Wissenschaft ausgebildet und verfeinert worden." Diese Bestrebungen haben dann 1898 zur Einigung über die „Deutsche Bühnenaussprache" geführt (siehe das unter diesem Titel erschienene Werk von Th. Siebs, 16. Auflage 1957). Auch in Rußland waren die Bestrebungen nach einheitlicher Aussprache eng mit dem Theater verbunden, und noch in dem 1950 erschienenen Lehrbuch P y c c K H ö H3MK. y q e Ö H H K HJIH n e a a r o r H q e c K H X YHHJIMU von A. 3 e M CKHÜ C. KpiOHKOB, M. CßETJIAEB heißt es (I, S. 90): „Als richtige russische Aussprache gilt die Moskauer, wie sie auf der Bühne des Kleinen und des Künstlertheaters zu hören ist." In unserer Zeit hat jedoch das gesprochene Wort eine noch weit größere Bedeutung erhalten — sowohl durch die technischen Erfindungen, insbesondere Lautsprecher, Rundfunk, Tonfilm, durch die der Sprecher nicht mehr von Hunderten, sondern von Zehntausenden, ja von Millionen gehört werden kann, wie auch durch die im Kampf der werktätigen Massen um Demokratie und Sozialismus erreichte Beteiligung immer größerer Kreise am öffentlichen Leben, öffentliches Sprechen und Hören spielen heute eine völlig andere Rolle als vor 100 Jahren. Damit hat auch die Frage der einheitlichen Aussprache einer Literatursprache sowohl quantitativ wie qualitativ eine ganz andere Bedeutung als vor 100 Jahren, als sie im wesentlichen die Aussprache auf der Bühne betraf. Was Goethe für das Theater verlangte, gilt entsprechend heute für die öffentliche Rede überhaupt. Dabei spielt natürlich nicht nur der ästhetische Gesichtspunkt eine Rolle, sondern der Gesichtspunkt der besseren und leichteren Verständlichkeit bei der öffentlichen Rede. Die Bedeutung der einheitlichen richtigen Aussprache der Literatursprache und die Lehre hiervon, die Orthoepie1, wird von sowjetischen Sprachwissenschaftlern und Sprachpädagogen besonders stark hervorgehoben. So gibt P. AßaHecoB in seinem Buch PyccKoe JMTepaTypHoe np0H3H0ineHHe (Moskau 1954, S. 5ff.) einen ausführlichen Abschnitt über die Orthoepie. Die Aussprachenormen der russischen Literatursprache haben sich historisch entwickelt. Vor der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution wurden die orthoepischen Normen des Russischen hauptsächlich durch die Sprache der Moskauer Intelligenz vertreten (vgl. ABaHecoB 1954, S. 14). Die „Moskauer Aussprache" galt als mustergültig. In der Epoche des Aufbaus des Sozialismus wurde die alte Intelligenz durch die neuen Kader der Arbeiter- und Bauernintelligenz völlig umgestaltet. 1
V o n griech. orthoa
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'recht, richtig', epos ' W o r t ' , also Ortho-epie zu sprechen.
In diesem Zusammenhang sind auch in den alten Aussprachenormen gewisse Änderungen erfolgt, durch die die begrenzte M o s k a u e r Aussprachenorm zur g e m e i n r u s s i s c h e n Norm geworden ist: „die Aussprachenormen der heutigen gemeinrussischen Literatursprache, die sich in der sowjetischen Epoche im Prozeß der Umgestaltung der alten Moskauer Aussprachenormen herausgebildet haben" (OateroB 1949, S. X). Diese neuen Normen sind jedoch nicht plötzlich, explosionsartig an die Stelle der alten Normen getreten, sondern haben sich allmählich neben den alten entwickelt, die allmählich zurücktreten, veralten und verschwinden. Dabei ist dieser Prozeß noch im Gange, und das Vorherrschen der alten oder der neuen Form ist noch nicht in allen Fällen entschieden 1 . In mehreren Fällen werden von den führenden Handbüchern und Autoren — OmeroB 1949, AßaHecoB-0?KeroB 1955, TpaMMaTHKa 1952 — beide Ausspracheweisen als gleichberechtigt bezeichnet; in anderen Fällen zeigen sich bei den verschiedenen Autoren gewisse Differenzen. Die Unterschiede zwischen der alten Moskauer Norm und der sich jetzt stabilisierenden, von AßaHecoB-0?KeroB 1955 vertretenen gemeinrussischen Aussprachenorm betreffen folgende wichtigere Punkte: Alte Moskauer Norm
Neue gemeinrussische Norm
(zum größten Teil noch bei ViiiaKOB 1935)
(AßanecoB-OmeroB 1955)
1. m: wie langes erweichtes in' in'
wie langes erweichtes in' m' oder wie Affrikate in' h' (in' T' in'), mit sehr schwachem Element T'
2.
wie langes erweichtes JK'JK' wie langes hartes mm
JKJK:
wie langes erweichtes
JK' JK'
oder
3. -KHÜ, -ruß, -XHH (bei Adjektiven) : wie unbetontes -Kofi usw., d. h. mit hartem K und mit reduziertem T> (S. 48): -KI.fi
wie -K'HÜ USW., d. h. mit erweichtem K' und mit H, oder wie in der alten Moskauer Norm: -KT>Ö, d. h. mit hartem K und mit T.
4. -CH, -CB (Reflexivendung): hartem c
mit erweichtem c' (Ausnahme s. S. 65)
1
mit
TpaMHaTHKa 1952, S. 50: „Es ist vorläufig schwer, im einzelnen zu sagen, wie die Normen der sich heranbildenden neuen Literaturaussprache beschaffen sein werden." In seiner recht kritischen Rezension von AßaHeooB-OweroB 1955 (PyocKHfl H3UK B uiKOJie, 1966, 5, S. 104—106) sagt Akad. S. Obnorskij, die dort angegebene Orthoepie „macht den Eindruck einer subjektiven Orthoepie."
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5. IH in vielen Wörtern der Umgangsprache wie UIH
nur noch ausnahmsweise (in ganz wenigen Wörtern) wie UIH
6. r in 66ra und einigen anderen religiösen Wörtern als stimmhafter Spirant (y, s. S. 68)
wie normales r
7. unbetontes a nach JK, m wie U (wapa wie Hibipä)
wie sonstiges unbetontes a (jKäpä) (siehe auch S. 48—49)
Die Unregelmäßigkeiten in der Aussprache der Konjugationsformen einiger Verben (z. B. ruiaTHTb 'bezahlen', wo zwar n j i a T H i n t geschrieben, aber nach der alten Moskauer Norm njióTHiub gesprochen wurde) sind beseitigt. Die Tendenz in den neuen Normen ist deutlich: Annäherung der Aussprache an die S c h r i f t ; Aufgabe der spezifischen Moskauer Züge (z. B. nji[ó]THUII>) wie der geschichtlich überlebten Züge (spirantische Aussprache von r in 6óra). Für den Unterricht des Russischen als Fremdsprache bringen die neuen Aussprachenormen damit wesentliche Erleichterungen. Viele Fälle, die nach Y i u a K O B 1935 als Sondergruppen oder Ausnahmen zu lernen waren, sind jetzt völlig normal und brauchen im Schulunterricht nicht besonders erwähAt zu werden. Ganz abgesehen von den älteren Darstellungen (Langenscheidt u. a.) sind auch in den nach 1945 in der DDR erschienenen russischen Grammatiken (Berneker-Vasmer, Marnitz-Häusler, Trautmann) diese Veränderungeil meist nicht berücksichtigt und werden die veralteten Normen gegeben. Bei der Frage der Aussprachenormen ist noch ein sehr wichtiger Umstand zu berücksichtigen: die Frage der S p r e c h s t i l e . J e nachdem, ob es sich um ein Gespräch im Familien- oder Bekanntenkreis, mit Fremden, um einen Vortrag, um einen feierlichen Festakt u. a. handelt, wird sich die Rede nicht nur durch bestimmte besondere Wörter (vgl. z. B. 'kriegen, bekommen, erhalten, empfangen') und syntaktische Konstruktionen unterscheiden, sondern auch durch ihre Aussprache. Das gilt in gleicher Weise für das Deutsche wie für das Russische. Für das Deutsche ist diese Frage noch gar nicht untersucht worden. Für das Russische hat II{ep6a zwei Hauptstile des Sprechens unterschieden — nójiHbift und H e n ó J i H u B CTHJIB, den „vollen" und den „unvollständigen Stil". AßaHecoB 1954, S. 15f., bezeichnet den HenojiHbift CTHJib treffender als p a a r o B Ó p H b i t t CTtuib „umgangssprachlicher Stil". Der volle oder gehobene Sprechstil unterscheidet sich von dem umgangssprachlichen Sprechstil durch klarere, korrekte Arti28
kulation sowie durch ein langsameres Sprechtempo. Die deutsche Bühnenaussprache z. B. vertritt eben diesen gehobenen, vollen Sprechstil. Für den fremdsprachlichen Unterricht sind diese Unterscheidungen von großer Wichtigkeit, wie schon IUepßa betont hat. Als Norm des fremdsprachlichen Unterrichts kommt offenbar nur die klare, korrekte und langsamere Ausspracheweise des „vollen Stils" in Frage. So gilt z. B. im Deutschunterricht im Ausland die deutsche Bühnenaussprache als Norm. Daß die Sprechweise eines so unterrichteten Ausländers im Alltagsgespräch einen überkorrekten und damit etwas steifen Eindruck erweckt, ist nicht zu vermeiden, ist aber nicht von wesentlichem Nachteil. Viel gefährlicher wäre es, im Fremdsprachenunterricht umgangssprachliche Aussprachenormen zu lehren: diese setzen ein ganz flüssiges Sprechtempo voraus und wirken im langsamen Sprechtempo — wie es sowohl im anfänglichen Schulunterricht wie auch noch später beim Ausländer das Normale ist — verzerrt und direkt lächerlich, ja können leicht Mißverständnisse hervorrufen und das Verstehen direkt erschweren. Hinzu kommt, daß über die Normen der umgangssprachlichen Aussprache sowohl für das Russische wie für das Deutsche keine Einigkeit besteht. Im Russischunterricht unserer Schule ist also m. E. nur der „volle Stil" anzuwenden. Das ist besonders wichtig für die Aussprache der reduzierten Vokale, wo bisweilen versucht worden ist — unter Berufung auf die „echtrussische Aussprache" —, die nur für den umgangssprachlichen Stil typische, ganz starke Reduzierung schon den Anfängern beizubringen.
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DIE VOKALE Die Vokale sind Laute, bei deren Bildung der Luftstrom auf keinerlei Hindernis im Mundraum stößt. Da also — zum Unterschied von den Konsonanten — kein Hindernis (Enge oder Verschluß) überwunden werden muß, entstehen bei ihrer Bildung auch keine Geräusche, sondern nur klare Klänge mit regelmäßigen Schwingungen. Die regelmäßigen (periodischen) Schwingungen der Vokale sind nicht einfacher, sondern zusammengesetzter Art, da alle Vokale aus dem gleichen Grundton und verschiedenartigen sog. Obertönen zusammengesetzt sind. Die Verschiedenheit der Vokale entsteht durch die Verschiedenheit in der Gestalt des Schwingungs- oder Resonanzraumes, in dem die Vokale gebildet werden. Der Schwingungsraum verändert sich erstens nach dem Abstand von Zunge und Qaumen, zweitens nach der Anteilnahme des vorderen, mittleren oder hinteren Teils des Zungenrückens sowie drittens nach der Anteilnahme und Form der Lippen. Entsprechend verändern sich auch die Obertöne, die physikalisch meßbar sind und die verschiedene Klangfarbe oder den sog. E i g e n t o n der verschiedenen Vokale ergeben.
Die Vokale sind also akustische Klänge, die sich durch ihre Obertöne oder Klangfarbe voneinander unterscheiden. Da die akustische Beschreibung und Bestimmung der Vokale nur auf Grund 6ehr komplizierter Apparaturen und Verfahren möglich ist, beschränken wir uns hier auf ihre artikulatorische Beschreibung und Bestimmung, d. h. die Darstellung ihrer Bildungsweise durch die verschiedenen Mundorgane. Zum besseren Verständnis der russischen Vokale betrachten wir zunächst die deutschen Vokale. D I E DEUTSCHEN VOKALE
Die deutschen Vokale (d. h. die Vokale der deutschen Bühnensprache) unterscheiden sich in bezug auf folgende Eigenschaften: 1. Aktive Teilnahme des vorderen oder hinteren Teils der Zungenmasse an der Bildung; nach dieser Eigenschaft unterscheidet man vordere (ä, e, 30
1. ö, ü) und h i n t e r e V o k a l e (a, o, u). Die aktive Teilnahme des vorderen bzw. hinteren Zungenteils ergibt die waagerechte oder h o r i z o n t a l e Vers c h i e b u n g der Zunge. Die Vokale a und ö unterscheiden sich voneinander nur durch die aktive Teilnahme des hinteren bzw. vorderen Teils der Zungenmasse; ebenso o und ö sowie u und ü, wovon man sich leicht überzeugen kann, indem man z. B. bei ö die Fingerspitze auf die Zunge legt und dann abwechselnd ö-o-ö-o spricht: bei o spürt man, wie die Zunge zurückgezogen wird. Da der vordere Zungenteil gegen den harten Gaumen (palatum), der hintere gegen den weichen Gaumen (velum) artikuliert, nennt man die vorderen Vokale auch palatale, die hinteren auch velare.
2. Abstand der Zungenoberfläche vom Gaumen. Es kommen drei Abstandsgrade vor: weiter, mittelweiter (oder mittlerer) und enger Abstand. Dementsprechend unterscheidet man auch w e i t e , m i t t e l w e i t e und enge Vokale. Weite Vokale sind a und ä, enge u, ü, i, mittelweite o, ö, e. Die Veränderung des Zungenabstandes vom Gaumen ergibt die senkrechte oder v e r t i k a l e V e r s c h i e b u n g d e r Zunge. Der Abstandsgrad der Zunge ist mit dem Ö f f n u n g s g r a d des Mundes kombiniert, der also ebenfalls'weit, mittelweit und eng sein kann. Beide sind schließlich auch mit der Größe des Kieferwinkels (Winkel zwischen Ober- und Unterkiefer) kombiniert: weiter Abstandsgrad der Zunge = weiter Öffnungsgrad = weiter Kieferwinkel. Außer den Termini 'weit* (russ. umpöitHtt), 'eng' (russ. y3Knfi) und 'mittelweit' erscheinen in der Fachliteratur auch noch andere Bezeichnungen. Betrachtet man nicht den weiten, mittelweiten oder engen Abstand der Zungenoberfläche vom Gaumen, sondern ihre 'dementsprechend tiefe, mittlere oder hohe Lage oder Stellung im Munde, so spricht man auch von „Vokalen tiefer, mittlerer und hoher Stellung" (russ. rjiÄCHtie HHdKoro nojvieM a 1 oder 6e3 n.; nn&cHue cpöflHero nOÄiewa; rji&cHbie Bucöitoro o d e r BÖpxHero nojvteMa).
Von den Termini 'weit — eng' scharf zu unterscheiden sind die Termini 'offen — geschlossen', s. u. 3. Labialität (aktive Teilnahme, und zwar Rundung und Vorstülpung der Lippen). Im wesentlichen nur durch diese Eigenschaft unterscheiden sich e und ö voneinander, die beide vordere mittelweite Vokale sind; ebenso i und ü (vordere enge Vokale), o, u, ö, ü Bind labiale Vokale, o, ö, e, i nichtlabiale (illabiale) Vokale. 4. Länge und Kürze (die Länge wird in der phonetischen Transkription durch - bezeichnet, die Kürze bleibt unbezeichnet; z. B. Wahn — wann, 1
noflieM Hebung — nämlich der Zunge. 31
Kahn — kann = wän — wan, kän — kan). Durch diese quantitative Eigenschaft unterscheiden sich alle angeführten Vokalqualitäten des Deutschen, mit Ausnahme des ä, das nur in langer Quantität vorkommt. Langes a wird in der Bühnensprache von langem e unterschieden, vgl. 'Ähre' und 'Ehre', 'Bären' und 'Beeren'; in der norddeutschen Umgangssprache fallen sie aber gewöhnlich zusammen. — Kurzes ä ist nur in der Orthographie von kurzem e verschieden, vgl. 'wende' und 'Wände' usw.
Die Länge und Kürze der Vokale ist im Deutschen bei den engen und mittelweiten Vokalen mit ihrer Geschlossenheit bzw. Offenheit gekoppelt: lange Vokale sind g e s c h l o s s e n , kurze o f f e n . Die Termini 'geschlossen' ( 3 a K p Ü T H ß ) bzw. 'offen' (oTKpwTbiit) dürfen nicht mit „weit" bzw. „eng" verwechselt werden. Während „weit" und „eng" absolute Abstände zwischen Zungenoberfläche und Gaumen in der ganzen Gradleiter bzw. das absolute Weitsein und Engsein der Mundöffnung bezeichnen, bezeichnen „geschlossen" und „offen" nur ein relatives Geschlossensein (Engersein) bzw. Offensein (Weitersein) innerhalb eines Grades. Die engen Vokale i und i, ü und u, ü und ü enthalten zwei verschiedene Stufen: die langen l ü ü zeigen die engere, also mehr geschlossene Stufe, die kurzen % u ü die weitere, also mehr offene Stufe. Dasselbe Verhältnis zeigt sich zwischen den mittelweiten langen e ö o und kurzen e o ö. Ein offener Vokal ist offen nur in bezug auf seine geschlossene (lange) Paarentsprechung (z. B. u zu ü), nicht etwa in bezug auf einen Vokal des anderen Grades (also nicht u zu ol). Statt „offen" und „geschlossen" verwendet man auch die Termini „ungespannt" und „gespannt", nach dem Grade der Muskelspannung der Zunge. Spricht m a n dtsch. i-i-i-i hintereinander, so fühlt man bei i eine stärkere Muskelspannung der Zunge, die mit einer gewissen Hebung des vorderen Zungenteils verbunden ist. Das entsprechende Verhältnis erscheint auch bei e-e, o-ö, u-ü usw. — I n der phonetischen Spezialliteratur kommen statt „offen" und „geschlossen" auch die Termini „weit" und „eng" vor, die hier in einem andern Sinne verwandt werden (S. 31). Das Phonem „kurzes offenes e" wird außer e auch ä geschrieben, vgl. 'wende' und 'Wände' usw. E s ist zu beachten, daß sich dieses Phonem e zu e genau so verhält wie o zu KHo. y entspricht in seiner Bildung und akustischen Eigenschaft (nicht in der Länge) dem deutschen langen geschlossenen ü in 'du, nun', nicht dem deutschen kurzen u in 'muß'; vgl. z. B. den Unterschied in der russischen Aussprache des y in IlymKHH und der des u in 'Puschkin' bei einem nicht Russisch sprechenden Deutschen. Ebenso wie bei a und o erscheint auch bei y zwischen erweichten Konsonanten eine vordere Variante die sich dem dtsch. ü nähert; z.B. iyn> (n'yt'), nyiwio (q'yV-), JIWFLH (JI'YN'N), TIOJIB (T'YJI') Tüll. I m Schulunterricht b r a u c h t diese V a r i a n t e
m. E. nicht berücksichtigt zu werden; vgl. oben zu ä sowie S. 37 Anm. 5.
. Schreibweise: 9 im Anlaut sowie (in Fremdwörtern) nach Vokal; e für 1. j + a, z. B. eji, efl; 2. ' + a, z. B. ceji, oßea; 3. JK, m, IJ + 3. z- B. »ecT, mecTb.
9 ist ein mittelweiter nichtlabialer Vokal. Wir sahen, daß eine normale Grundvariante und, zwischen erweichten Konsonanten, eine vordere („palatalisierte") kombinatorische Variante ä, ö, y besitzen. Ähnlich, wenn auch unter anderen Bedingungen, hat auch 3 zwei kombinatorische Hauptvarianten — eine g e s c h l o s s e n e , die ich mit e bezeichne und die, -abgesehen von der Quantität; etwa dem geschlossenen dtsch. e in 'See' entspricht; sowie eine sehr o f f e n e , die ich mit ä bezeichne und die, abgesehen von der Quantität, dem offenen dtsch. e (ä) in 'Held, wende (Wände)' entspricht. Die Verteilung dieser beiden Hauptvarianten ist folgende: vor erweichten Konsonanten erscheint e, z. B. in 3TH, Beet, ejib, ejiH, IIO93HH, HA aejie, inecTt ( = -C'T'!, S. S. 63); in allen anderen Stellungen erscheint ä: 1. vor harten Konsonanten, z. B. 9TO, Bec, eji, nosT, aejio, rnecT; 2. im Auslaut, z. B. in Bce, rue, Ha CTOJIC usw. Unrichtig ist die in „Sprachführern" u. dgl. weitverbreitete Behauptung, daß der Buchstabe 3 stets = dtsch. ä ausgesprochen werde; vgl. z. B. 3T0 und 3TH.
Die beiden Varianten von , e und ä, werden von einem Deutschen besonders klar aufgefaßt, da die entsprechenden Laute im Deutschen ja Phoneme sind. Bei guter phonetischer Schulung kann man bei (3) noch weitere kombinatorische Varianten feststellen (z. B. eine „hintere" Variante nach harten Konsonanten wie in mecT, siehe ABaHecoB), die für den Schulunterricht aber nicht von Bedeutung sind.
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Die bisher behandelten russischen Vokale unterscheiden sich als Phoneme eindeutig durch folgende zwei Eigenschaften: 1. durch den Öffnungsgrad (Abstandsgrad der Zunge vom Gaumen): enge y mittelweite o, a weite a; 2. durch Labialität: labiale o, y nichtlabiale a, 9. Alle 4 Vokale haben neben (d. h. zwischen und — schwächer — vor) palatalisierten Konsonanten „palatalisierte" Varianten: haben vordere Varianten ¿, ó, y; hat eine geschlossene Variante e. Ein phonomatischer Unterschied zwischen hinteren und vorderen Vokalen, wie er in den deutschen Vokalpaaren o-ö, ö-ö, u-ü, ü-u, ä-ä vorkommt, erscheint hier also n i c h t . Für den Unterschied von und , die beide mittelweite Vokale sind, ist entscheidend, daß o labial, 3 nichtlabial ist — nicht aber, daß o ein hinterer, a ein vorderer Vokal ist. Es bleiben noch H und u zu behandeln. H. Der Buchstabe h kommt vor I. im Anlaut, z. B. ÚMH, ácitpa, óiqeT, ÉBA; 2. nach Konsonantbuchstaben, z. B. 6 H T I > , J I H T B ,
THXO,
KapTHHa, roBopÚT,
«HH;
3. nach Vokalbuchstaben, z. B. C T O É T , T A É H C T B E H H B I F I , 4. nach B, z. B. HBH (Plur. Nom. von iefi).
MOH;
Der durch H bezeichnete Vokal steht seiner Bildung und seinem akustischen Eindruck nach dem deutschen langen geschlossenen i in 'sie, ihn' ganz nahe, das als „vorderer enger nichtlabialer langer (geschlossener) Vokal" definiert wird. 1. Im Anlaut bezeichnet h nur diesen Vokal, ohne vorhergehendes j (HMH
USW.).
Auch in den mit H beginnenden Kasus des Personalpronomens der 3. F. Si. und Fl.: HM, HX, HM, HMH gilt nunmehr diese Aussprache als die normale, die Aussprache mit anlautendem j (H: JHM, J'HX USW.) gilt als nicht korrekt; siehe ABaHecoB 1054, S. 174.
2. Nach Konsonantbuchstaben bezeichnet H diesen Vokal sowie die Palatalisierung des davorstehenden Konsonanten, z. B. H H T H ( = H ' Ó T ' H ) ; weitere Beispiele s. o. 4
Stelnitz, Russische Lautlehre
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3. Nach Vokalbuchstaben und b bezeichnet H die Verbindung ja, z. B. CTOÖT 'er steht' ( = CTajirr); TAÄHCTBEHHBIFI ( = TajÖH.); MBH ( = q'jn). Bei sehr flüssigem Sprechen wird j hier nur ganz schwach gesprochen; vgl. auch S. 76.
Der durch H wiedergegebene Vokal kommt also vor 1. im Anlaut, 2. nach palatalisierten Konsonanten (einschließlich j). M kommt nur nach harten Konsonanten vor, also nicht im Anlaut; z. B. 6HTI>, MHJIO, KOÖwjia 'Stute', CTOJIH Plur. Einen dem u entsprechenden Vokallaut gibt es im Deutschen nicht, weshalb dieser Laut beim Russischlernen Schwierigkeiten macht. Hinzukommt, daß er in zahlreichen grammatischen Darstellungen des Russischen ungenügend oder falsch beschrieben wird. Welche Eigenschaften der Vokalbildung sind für u charakteristisch? Bei der Behandlung der deutschen Vokale stellten wir drei wichtige Bildungseigenschaften der Vokale fest (abgesehen von der Länge, die für das Russische nicht in Frage kommt): 1. aktive Teilnahme des vorderen oder hinteren Zungenteils; 2. Abstands- oder öfinungsgrad; 3. Labialität. Dem Öffnungsgrad nach ist u ein enger Vokal, wie y und h (gegenüber a, o, 3). In bezug auf L a b i a l i t ä t ist I>I ein ungerundeter oder nichtlabialer Vokal, wie H, im Unterschied zu y. Die ungerundete Lippenhaltung ist für die richtige Aussprache von H äußerst wichtig. Da u ein ungerundeter enger Vokal ist, werden bei ihm die Lippen bzw. die Mundwinkel gespreizt wie bei dtsch. t.
Während an der Bildung von H der vordere Teil der Zungenmasse aktiv teilnimmt und sich gegen den vorderen Gaumen hebt, wird bei der Bildung von u die Zunge zurückgezogen, so daß der mittlere und hintere Teil der Zunge sich gegen den Gaumen heben. Durch das Zurückziehen der Zunge unterscheidet sich u klar von h. y wird gleichfalls mit zurückgezogener Zunge gebildet, wobei aber nur der hintere Teil der Zunge gegen den Gaumen gehoben ist.
Wenn wir die engen Vokale des Deutschen, «, ü, i 1 , und des Russischen, y, M, H, in einer Tabelle anordnen, erhalten wir folgendes Bild: 1
Hier ohne Berücksichtigung der Quantität.
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Enge Vokale des Russischen und Deutschen1 Lippen: Zunge:
gerundet zurückgezogen
ungerundet zurückgezogen
gerundet vorn
y/u
M/—
— ¡ü
ungerundet vorn H Ii
Dtsch. ü und russ. u unterscheiden sich sowohl in bezug auf Lippenbeteiligung wie auf horizontale Zungenstellung schroff voneinander. Die in „Sprachführern" u. dgl. übliche Umschrift des bi durch dtsch. ü ist also denkbar ungeeignet und irreführend. Bei der Umschrift russischer Namen mit deutschen Buchstaben geben wir M durch y wieder, z. B. CUJITHKÖB Saltykow; öbijiiäHa Byline. Nachdem wir die Bildung von H und bi besprochen haben, entsteht die Frage: sind H und H zwei Vokalphoneme oder sind sie kombinatorische Varianten eines einzigen Vokalphonems ? Über diese Frage besteht bisher auch in der sowjetischen Slawistik keine Einheitlichkeit der Meinungen2. Da es sich aber um eine für das Verständnis und die Durchsichtigkeit der russischen Phonetik und Morphologie recht wesentliche Frage handelt, will ich sie hier nicht mit Schweigen übergehen. Dabei kann ich an dieser Stelle nur den mir richtig erscheinenden Standpunkt begründen und nicht auf Polemik eingehen. Ebensowenig kann hier auf die Sprachgeschichte eingegangen werden. H kommt nur nach harten Konsonanten vor (nie im Anlaut), H kommt nur im Anlaut und nach palatalisierten Konsonanten 3 vor. Das Vorkommen von H und H ist also genau durch ihre Stellung geregelt, durch ihre Stellung bedingt, u und h a l l e i n können nie die Bedeutungen von Wörtern unterscheiden. In Fällen wie 6brrb und 6HTB, HbiTb und HHTb, MMJIO und MHJIC. jibicuif 'kahlköpfig' und JIÖCHÖ 'Fuchs-' erscheint stets außer dem Unterschied von.H und h der Unterschied von hartem und palatalisiertem Konsonanten (6—6', H — H ' , M — M ' , J I — J I ' , c—c'), der bekanntlich eindeutig phonomatischen Charakter hat (s. S. 58f.). Demgegenüber liegt z. B. der Unterschied zwischen MMJIO und MÄJIO nur in den Vokalen bi und a. Ihrer Bildung nach stimmen bi und h in zwei Eigenschaften überein: sie sind nichtlabial und dem öfinungsgrad nach eng. Wie wir oben S. 39 sahen, 1
Die russischen Vokale stehen links, die deutschen rechts vom Strich. — Dasselbe Schema in meinem Bussischen Lehrbuch S. 165 (154). * Siehe ausführlicher zu dieser Frage A. H. TBosAeB, O $0H0Ji0iri — CHT — ÖHTT u. a.
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Daß in der Stellungsbedingtheit Unterschiede zwischen der Verteilung a — ä usw. einerseits und h — bi andererseits vorkommen 1 , ist kein Einwand, da das Vorkommen der Varianten e — ä des Phonems 3 ja auch gegenüber dem der Varianten a — ä eine gewisse Sonderregelung zeigt (e nur v o r palatalisierten Konsonanten). Das Verhältnis von MHJI Z U MHJI ist das gleiche wie das von Maji zu MHJI 'zerquetschte' oder MOJI Z U MÖJI 'fegte': der phonomatische Unterschied liegt in jedem Wortpaar in dem Unterschied zwischen M und M\ Der Einwand schließlich, daß „man eben doch H und H verschieden ausspräche", ist nicht stichhaltig. Auch die Varianten e und ä in Becb und Bec oder die Varianten ach- und icA-Laut des deutschen Phonems werden klar verschieden ausgesprochen und müssen in ihren bestimmten Stellungen verschieden ausgesprochen werden. Wie oben S. 17 gesagt, sind stellungsbedingte Varianten obligatorisch, werden aber automatisch, eben durch ihre Stellung, geregelt. Sind bi und h kombinatorische Varianten eines einzigen Phonems, so bedeutet dies, daß ihre stellungsbedingt verschiedene Aussprache genau zu beachten ist. Auch der Einwand, daß man doch die Laute u und h als verschieden a u f f a ß t 3 , ist nicht stichhaltig. Ein Deutscher, der nur ein wenig über seine Sprache reflektiert, ist sich des Unterschiedes zwischen ach- und icA-Laut bewußt; ebenso ist man sich sehr wohl der Verschiedenheit von Zungenspitzen- und Zäpfchen-r bewußt. Aber die beiden cA-Laute oder die beiden r-Laute dienen im Deutschen niemals dazu, Bedeutungen von Wortstämmen zu unterscheiden. Sie sind kombinatorische {ach, ich) oder fakultative (r) Varianten eines einzigen Phonems. Zusammenfassend: H und H können also in der heutigen russischen Sprache nur als zwei kombinatorische Varianten eines einzigen Phonems betrachtet werden. Bei dieser Betrachtungsweise wird der merkwürdige „Vokalwechsel" in Wortbildungen wie MCnäTb — CbiCKäTb 'aufsuchen, finden', OTucKäTb 'auffinden, ermitteln'; nrpaTb — cbirpäTb vo., OTurpaTb 'zurückgewinnen'; HMH — OTbmeHHbiit, 6e3biMHHHwß 'namenlos'; HCXOUHMK — 6e3ucx6itfmit 1
Im Anlaut erscheint das Phonem ( a ) in der gleichen Variante wie nach hartem Konsonanten, das Phonem ( i) in der gleichen Variante wie nachpalatalisiertem Konsonanten: HMa, 6MTI>.
1 3
Siehe S. 17. Eins der Hauptargumente von TBOSAeB.
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'auswegslos' ohne weiteres klar: die im Anlaut normale Variante H muß nach den harten Konsonanten der Präfixe c, OT, 6es u. a. selbstverständlich durch die „harte" Variante u ersetzt werden. Diese Schreibweise wird nach den seit 1956 geltenden offiziellen Orthographieregeln auch bei Fremdwörtern durchgeführt, z. B. Hflea, hh^öhbiH — öeawfleüHHit. In der bis 1956 erschienenen Literatur, also auch in dem 1955 herausgegebenen Werk AßaHecoB-OweroB, erscheint bei Fremdwörtern noch die Schreibung mit H, z. B. 6e3HnettHbift, wobei aber ausdrücklich die Aussprache [3u] angegeben wird. All dies zeigt, daß für die Erklärung von c- + H- >' cu- nicht die historische Erklärung aus dem Altrussischen (c- aus ci>-) ausreicht, sondern daß es sich um eine noch heute wirkende lebendige kombinatorische Lautverteilung handelt. DM beweist auch das Folgende.
Der Übergang von anlautendem H- ZU M nach hartem Konsonanten ist in der Aussprache noch weit häufiger. Er erfolgt nach den orthoepischen Normen der heutigen russischen Literatursprache nicht nur, wie oben angeführt, in der Wortbildung, sondern auch in eng miteinander verbunden gesprochenen Wortgruppen, besonders nach Präpositionen; z. B. H3 HCKpw, 6päT H cecTpä, noa öroM, OH arpäeT = H[3-M]CKPH, 6pä[T-W] cecTpä, no[a-k]roM, o[H-H]rpäeT (YNIAKOB 1935, S. XXXI, § 23: 3; AßAHECOB 1954, S. 77f.). Voraussetzung einer solchen Aussprache ist jedoch, daß keinerlei Pause vor dem Vokal gemacht wird. Gewisse präpositioneile Verbindungen werden jetzt in öinem Wort, und daher auch mit bi geschrieben; z. B. OweroB 1949: cbi3aÖT0TBa 'von Kindheit an' (c — H3 — fleTCTBa), ciMHOBa 'von neuem' (c — H3 — HOBa). Nach JK und UI schreibt man H, das aber nach diesen harten Konsonanten wie u ausgesprochen wird; z. B. HtHTb, uiHTb, HamtiM. Wie S. 58 gesagt, spiegelt sich hier die ältere palatalisierte Aussprache von w, in wider. Nachdem w, ui im Russischen hart geworden waren, mußte nach ihnen natürlich auch die „harte" Variante u ausgesprochen werden. N a c h U schreibt m a n H nur in Fremdwörtern, z. B. UHKJI, QNBHJIM34UNFL, IWPK,
wo überall bi gesprochen wird. In russischen Wörtern schreibt man u, z. B. UbinjieHOK,
OTI]!i.
Während im Russischen die Vokalphoneme weder miteinander noch mit H oder H reimen können, kommen Reime von H mit H bei klassischen und sowjetischen Dichtern nicht selten vor; z. B. bei A. S. Puschkin in EßREHHFL OHERHH, 4. Kapitel: XI MHJIOÖ / YHWJIBIÜ; 6MJI / BQ3Mymn; XX poHHbie / KaKHe; XXII oähh / apuiHH; XXIII ropöT / ßejKHT; XXXI mimeT / flbiuiHT; ycjiHuiHT / nimier; XLIII nycTbiHHOß / ajiHHHHö; XLIX MHJX /ocyIIIHJI; bei M. Lermontow: rpaHHT / 3aptäT; bei S. Michalkow, B My3ee 44
B. H. JleHHHa: CH6öpb / BIIRAPB; CXBATHTB / « H T B ; bei S. Marschak, Biepa H ceroflHH: $HTÄJib / nbuib; no npHBUiKe / OT CIIHHKH 1 . Die Beziehungen zwischen H und u sind also vom Reimstandpunkt aus prinzipiell verschieden von den Beziehungen zwischen verschiedenen Vokalphonemen, die niemals miteinander reimen. Das Vokalsystem der betonten Vokale des Russischen kann also folgendermaßen dargestellt werden: enge y % mittelweite
o
weite
3 'a
Die russischen betonten Vokale sind eindeutig durch zwei Eigenschaften zu bestimmen: 1. durch den Öffnungsgrad (a — o, 3 — y, »), 2. durch die Labialität (a, 3, t — o, y). Tragen wir die wichtigeren Varianten in die Tabelle ein, so erhalten wir: y (y)
(M, «)»
O (6)
3 (e, ö) a'(*)
Faßt man bi als besonderes Phonem auf, so würde sich folgendes System ergeben: enge y w H mittelweite weite 1
o
3 a•
Zu den in diesen Beispielen miteinander reimenden unbetonten Vokalen siehe unten S. 51.
45
Zu den beiden Einteilungsprinzipien, Öffnungsgrad und Labialität, würde dann bei den engen Vokalen noch treten „horizontale Zungenstellung": H: enger nichtlabialer vorderer Vokal H: enger nichtlabialer nichtvorderer (hinterer)1 Vokal y : enger labialer nichtvorderer (hinterer) Vokal. Die
unbetonten
Vokale
Die unbetonten Vokale des Russischen unterscheiden sich, wie wir sahen, von den betonten in dreierlei Beziehung: 1. die Q u a n t i t ä t (Dauer oder Länge) der unbetonten Vokale ist wesentlich kürzer als die der betonten Vokale; 2. die Q u a l i t ä t der unbetonten Vokale ist nicht so klar und deutlich ausgeprägt wie die der betonten; 3. die Zahl der Vokalphoneme in unbetonter Stellung ist geringer als die der Vokalphoneme in betonter Stellung. Die unbetonten Vokale sind also gegenüber den betonten in Quantität, Qualität und Zahl r e d u z i e r t . Bezüglich der Q u a l i t ä t der unbetonten Vokale, z. B. der Aussprache der durch h und e bezeichneten Vokale in nHTÖ, aecuTÉ u. a., sind in den deutschen Grammatiken und Lehrbüchern des Russischen sehr verschiedene Angaben zu finden. Aber auch in der sowjetischen sprachwissenschaftlichen und pädagogischen Literatur der letzten 20 Jahre zeigen sich in diesem Punkte beträchtliche Verschiedenheiten. Für die Festsetzung der zu lehrenden Aussprachenormen des Russischen als Fremdsprache im Schulunterricht der DDR, insbesondere im Grundschulunterricht, kommt gerade bezüglich der unbetonten Vokale noch ein wichtiger Gesichtspunkt hinzu. Die Reduzierung der unbetonten Vokale ist im Russischen je nach dem Sprechstil recht verschieden: in der flüssigen Rede der Umgangssprache ist sie sehr stark, im gehobenen Stil, bei Ansprachen, Rezitationen, auf der Bühne, im Radio ist sie weit schwächer. Spricht nun ein Anfänger russische Wörter wie necHTH, roBopHTb langsam und stockend aus und spricht dabei die unbetonten Vokale einerseits langsam, also halblang, andererseits voll reduziert (also etwa S H - C H - T H , N > 1
Ob man den nichtvorderen Vokal w als hinteren oder mittleren bezeichnet, ist in diesem Zusammenbang nicht wesentlich.
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Ba-pHTb1), so kann dies nur verzerrt und lächerlich wirken. Der Anfänger muß zudem deutlicher artikulieren, um sich eine klar ausgeprägte Artikulation der neuen, für das Russische eigentümlichen Laute anzueignen. Die Unterscheidung Stscherbas zwischen nojiHufi und HenojiHUtt CTHJIB beim Sprechen ist hier von größter Bedeutung. Für den Russischunterricht in unserer Grundschule kann es sich m. E. nur darum handeln, den Schülern eine k o r r e k t e Aussprache des Russischen zu vermitteln. Die korrekte Aussprache einer Sprache wird im Alltag immer einen gewissen steifen Charakter tragen. Diese Gefahr ist für den russisch nicht perfekt sprechenden Ausländer aber viel geringer als die Gefahr der scheinbaren Nachahmung der flüssigen Umgangssprache, die nur zu naiven Verzerrungen führt und den Sprechenden für russische Ohren lächerlich macht. Im Deutschunterricht der Sowjetunion wird ganz entsprechend die deutliche Aussprache des unbetonten e und des folgenden n in der Infinitivendung verlangt — also „haben", „finden", „tragen", nicht die in unserer Umgangssprache üblichen hab?ji, findn, tragj?. Von den Bedürfnissen des russischen Schulunterrichts in der DDR ausgehend, schlage ich im folgenden also Normen vor, die meiner Ansicht nach für die Aussprache der russischen unbetonten Vokale bei uns in der Grundschule zu gelten hätten. An erster Stelle steht aber natürlich eine Übersicht über die orthoepischen Normen, die für die Aussprache der russischen unbetonten Vokale in den letzten 20 Jahren von den drei wichtigsten und autoritativen sowjetischen Autoren auf diesem Gebiet, yuiaKOB 1935, 0««eroB 1949, AßaHecoB 1950/1954 und AßaHecoB-OiKeroB 1955, aufgestellt worden sind und die gerade in diesem Punkt wesentliche Veränderungen von 1935 bis 1955 aufweisen. Die von mir im folgenden auf Grund von ABaHecoB-Owerop 1955 vorgeschlagenen Aussprachenormen für den russischen Grundschulunterricht in der DDR sind nur als „vorläufige Normen" gedacht. Sie sollen aber dazu helfen, das Chaos, die Unsicherheit und die äußerst widerspruchsvollen Behauptungen auf diesem, für die Unterrichtspraxis so wichtigen Gebiet unter den Russischlehrern wie unter den Dozenten in den Lehrerbildungsinstituten und auch Universitäten zu überwinden. Es scheint mir sicher, daß wir mit der Erhöhung des Niveaus sowohl der Ausbildung der Russischlehrer wie des Russischunterrichts und mit der endgültigen Stabili1
Zu 1> 8. u.
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sierung der orthoepischen Nonnen des Russischen in der Sowjetunion 1 nach einiger Zeit gewisse Modifikationen in den hier vorgeschlagenen Unterrichtsnormen vornehmen werden. Bezüglich der Q u a n t i t ä t der unbetonten Vokale gilt folgendes. Die quantitative Reduzierung oder Abschwächung ist im allgemeinen um so stärker, der Vokal also um so kürzer, je weiter entfernt die Silbe vom Ton ist. Dies gilt jedoch nicht von der Anfangs- und der Schlußsilbe. Die quantitative Reduzierung darf nicht zum völligen Ausfall des Vokals führen. So sind in 4321 1234 5 4 82 1 NEPEBEAEHA 3 und 4 am stärksten reduziert, in KOJIOKOJI& und CKÖBOPOAU 3, ohne daß dies zum Ausfall eines Vokals führt. Die einzelnen unbetonten Vokale Bei der folgenden Darstellung erweist es sich als zweckmäßig, nicht von den gesprochenen Lauten, sondern von den geschriebenen Buchstaben auszugehen. Der Kürze wegen werde ich nicht von den „Vokalbuchstaben H, e, o usw." sprechen, sondern einfach von H, e, o usw. Statt Silbe vor bzw. nach der betonten Silbe sage ich auch vortonige bzw. nachtonige Silbe. Unbetonte a und o Unbetonte a und o fallen in einem reduzierten Vokal zusammen, der je nach seiner Stellung im Wort — im Anlaut und in der ersten Silbe vor dem Ton; in anderen Silben vor und nach dem Ton — verschiedene Nuancen aufweist. In Lehrbüchern häufige Formulierungen wie: „Das unbetonte o klingt fast wie a", sind also nicht richtig: unbetontes o klingt genau so wie unbetontes a, aber anders als betontes a.
Für die Aussprache von unbetontem a und o gelten heute die folgenden genauen, detaillierten orthoepischen Normen 2 : 1. a und o in der ersten Silbe vor dem Ton, nach harten Konsonanten: wie kurzes [ä]; z. B. Tp[ä]ßd, Ht[ä]pa, in[ä]jiyH, u[ä]pÄ3M; boa£, nporny wie B[ä]n&, np[ä]iuy. 1
Vgl. hierzu S. 27 Ann. 1.
* N a c h AraHecoB 1964, S. 33 ff. u n d ÄBaHecoB-OweroB 1955, S. 541 ff.
48
2. a und o in anderen Silben vor und nach dem Ton, nach harten Konsonanten: wie [T>] — „ein sehr kurzer (d. h. reduzierter) nichtlabialisierter Vokal der mittleren Reihe und mittlerer Zungenhebung" ; z. B. CTapnKà, flBäfluaTB
wie
r ó j i [ i . ] B y ; céHO
CT[i>]pnKà,
flBàjmftjTb;
rojiOBà,
[a]KHÓ,
wie
und céHa wie C6H[T>], Jiéro und Jiéra wie
3. a und o im Anlaut: wie [ ä ] ; z . B . [ a ] n T é K [ i ] , wie
róJioBy
[&TÄ]MÄH;
r[T>]ji[à]Bà,
JICT[T>]. OKHÓ,
oropóa
[à]r[a]póa.
Da a und o nach diesen Regeln auch nach dem Ton zusammengefallen sind, können die in der Schrift durch a und o unterschiedenen unbetonten Endungen auch miteinander r e i m e n . Derartige Reime kommen bei klassischen wie bei sowjetischen Schriftstellern vor; z. B. bei S. Marschak, Biepa n ceroflHH : 6à. AsaHecoB-OweroB 1955, S. 541 f. (und AßaHecoB 1954, S. 39) geben als a l l g e m e i n e Aussprache ebenfalls ä an; für einzelne Wörter wird jedoch die alte Aussprache mit u (oder mit u s , einem Laut zwischen u und a) als orthoepisch bezeichnet ; so insbesondere für HtajiÓTb und seine Ableitungen, z. B. in K comajiéHHio : w[U]jiéTb, K CO>K[U]JTÓHHBO. Zur Aussprache von unbetontem a nach den stets w e i c h e n H, n< (z. B. in laoó, maflÓTb) siehe S. 52. Unbetontes o vor dem Ton wird auch in eingebürgerten Fremdwörtern wie npo$éccop, «EMOKPÀT, KOCTIÓM wie ä ausgesprochen. Für russische Schulanfänger, die vom Sprechen her keinen Unterschied zwischen unbetontem a und o kennen, bereitet es natürlich anfänglich große Schwierigkeiten, beim Schreiben den richtigen Buchstaben zu wählen. Reohtschreibeübungen für unbetonte a und o sind deshalb im russischen Mutterspracheunterricht sehr häufig. I m Russischunterricht der deutschen Schule brauchen sie nicht einen so großen Raum einzunehmen, da sich der deutsche Schüler ja sehr stark vom gelesenen Schriftbild aus an das russische Wort erinnert. Jedoch kommen durch die a-Aussprache hervorgerufene Fehlschreibungen von russischem unbetontem o auch in der deutschen Schule vor. Für die G r u n d s c h u l p r a x i s genügt m. E. die Regel „a und o v o r betonter Silbe werden wie sehr kurzes ä gesprochen". Die Unterscheidung weiterer Schattierungen und Sonderfälle — eine Silbe vor der betonten Silbe: [&]; weiter weg vor der betonten Silbe: [t>]; u.a., s. o. — würde beim gegenwärtigen Stand des Russischunterrichts zur Verwirrung und zu Schwierigkeiten führen. Die Aussprache von unbetontem o v o r der betonten Silbe wie a wird von dem russischen Lehrbuch für die 5. Klasse von B. Lewin (3. Aufl., 1953) schon von der ersten Stunde an gefordert (siehe dort S. 89).
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Unbetonte a und o sind nach den Aussprachenormen der russischen Literatursprache auch n a c h betonter Silbe zusammengefallen (s. genauer oben). In dieser Stellung kommt o besonders in Endungen vor, z. B. CJIOBO, CJIÖBOM, ÄENOB, HÖBOM, KÖMHaTOö. In den häufigen Fällen wie Nom. CJIÖBO, Gen. cjiößa oder Instr. Si. OTBCTOM, Dat. PI. OTBeTaM oder jiejKäjia, Jie>Kä.no, wo die verschiedenen Endungen nur durch o bzw. a unterschieden werden, wäre ihre gleiche Aussprache für den Grundschulunterricht sehr gefährlich, da sie zu zahlreichen Fehlern beim S c h r e i b e n russischer Wörter führen würde. Für den Grundschulunterricht sollten also m. E. o und a n a c h betonter Silbe unterschieden und wie sehr kurze ö und ä ausgesprochen werden. Unbetonte a und o sollten also im Grundschulunterricht ausgesprochen werden v o r betonter Silbe in gleicher Weise: wie ä; n a c h betonter Silbe verschieden: wie ä und ö. Unbetonte y, K>, H, H Die engen Vokale werden in unbetonter Stellung zwar sehr kurz gesprochen, unterscheiden sich aber in ihrer Qualität nicht wesentlich von den entsprechenden betonten Vokalen. Über die Aussprache der unbetonten Vokale in Tynä, MöryT, ceioT, 6ä6bi, cwrpäTb, nyjiw, Hfly, ist also nichts besonderes zu sagen. Die Adjektivendungen -ruft, -KHÄ, -XHÖ (Z. B. fl6jirnfl, pyccKull, Tiixiifl) werden nach der heutigen Aussprachenorm so ausgesprochen, wie sie geschrieben werden — mit erweichten r', K', X' und mit H. Daneben kommt auch noch die Aussprache nach der alten Moskauer Norm vor: -ruft, -KHB, -xufl wie imbetonte -roit, -«oft, -xoö, d. h. mit hartem Konsonanten und reduziertem T> (s. S. 49), z. B. fl&ji[rbj] (ABaHecoB-OweroB 1955, S. 567).
Unbetonte e (3) und H Unbetonte e (a) und h sind nach den orthoepischen Normen des Russischen in den meisten Fällen zusammengefallen in einem reduzierten Vokal, der je nach seiner Stellung im Wort verschiedene Nuancen aufweist. ABaaecoB 1954, S. 42 sagt: „Für die Buchstaben H und e wird nach weichen Konsonanten in der ersten Silbe vor dem Ton ein Laut ausgesprochen, der H nahesteht, genauer ein etwas abgeschwächter vorderer Vokal, der in bezug auf die Zungenhebung zwischen H und e steht . . . Wir bezeichnen diesen 50
Laut mit [eH]. Beispiele: für den Buchstaben H . . . B[3'eH]jiä, [B'eH]3äTb . . . l ; für den Buchstaben e: npH[H'e"]cy, [6'e H ]jibe". a und e in den anderen Silben vor dem Ton wird ebenfalls als Laut zwischen e und H ausgesprochen, „aber bedeutend mehr reduziert als in der ersten Silbe vor dem Ton". Diesen stark reduzierten Laut bezeichnet ABaHecoB durch [a], z. B. nepeBeaeHa wie [n'ap'9B'aj;'eHHä]. Derselbe Laut erscheint nach ABanecoB auch in nachtonigen Silben, z. B. Bbmecy, BHTHHy wie BBL[H'3]Cy,
BM[T'A]HY.
In allen diesen Fällen sind unbetonte H und e in der Aussprache z u s a m m e n gefallen. In den E n d u n g e n werden aber unbetonte H und e (nach AßaHecoB 1954 und ABaHecoB-OjKeroB 1955) in der Aussprache u n t e r s c h i e d e n : abgesehen von unwichtigen Sonderfällen wird H wie [T>] ausgesprochen, d. h. wie oben beschriebenes unbetontes a — o 2.; e wird wie reduziertes e -— [a] ausgesprochen; z. B. Känjia, MÖp« wie [Kanji'i.], [MÖp'i]; nojie, B nojie wie [noJi'a], [ noji'a]. Der Unterschied in der Aussprache der reduzierten t> und a liegt in ihrem verschiedenen Öffnungsgrad, wobei T> mit einem weiteren (aber nicht so weit wie ä) und a mit einem engeren (aber nicht so eng wie H) Öffnungsgrad gesprochen wird. Die von VuiaKOB 1935, S. X X X I I angegebenen, sehr komplizierten und mit der Schreibweise nicht übereinstimmenden Normen für die Aussprache von n und e in E n d u n g e n sind veraltet. In allen anderen Fällen sind h und e auch nach yiuaKOB zusammengefallen, und zwar in einem „in der Mitte zwischen e und H stehenden L a u t " , den er „ycjioBHo" H s c h r e i b t , z. B . BE3Y =
BH3Y.
Die Aussprache von unbetontem H und e vor der betonten Silbe als H, das sog. H K A H B E — z. B. Hecy, cejio, B3RJIHHY, H3HK wie [H'H]cy, [C'H]JI6, B3r[ji'N]Hy, [ J H ] 3 H K — wird von AßaHecoB ausdrücklich als für den npoCTope^HBIFI CTHJib (vulgären Stil) charakteristisch und n i c h t der Norm e n t s p r e c h e n d bezeichnet. Ebenso TpaMMaTHKa 1952 über unbetontes e: „Der Vokal darf jedoch nicht in H übergehen" (S. 64; 60, 63). Trautmann, § 11: 4 steht auf dem Standpunkt des HKaHbe. — Berneker-Vasmer, S. 38 f. gibt für H und e sowohl e (d. h. einen Laut zwischen e und i) wie besonders i. — Langenscheidt, Lautlehre, S. 8 steht auf dem Standpunkt des tiKaHbe. Nach der heute veralteten bzw. dialektalen Norm desrifcaHbekonnten Silben mit unbetontem H, e und H miteinander reimen. Derartige — sonst unverständ1
B3HJI&, BH3ÄTb. 51
liehe — Reime kommen z. B. häufig in Kindergedichten von S. Marschak vor; so in Biepa H ceroflHH: IlysupeK y Bac sanáflH, KaK saHOK&r eró XOSARH.
. . . no npnBúiice . . . QT CnÚHKH.
Aus einem anderen Gedicht: HTO MU HÚHIE AÉJIATB ÖYNEM T 9TO BMÉCTE Hia OÖCYFLHM.
Da in vielen russischen Dialekten unbetontes e und h mit n zusammengefallen sind (¿KaHbe), macht es den dortigen russischen Schulanfängern natürlich anfänglich Schwierigkeiten, beim Schreiben den richtigen Buchstaben zu wählen. Rechtschreibungsübungen für imbetonte e (H) und H (Z. B. cnernii und cnnuiri, nocenéji und nocnaéji bei LUepÖa, S. 36f.) sind deshalb im russischen Mutterspracheimterricht häufig. Für den deutschen Russischunterricht sind derartige Sonderübungen n i c h t notwendig, da unbetonte e und a in der Aussprache von H ja unterschieden werden.
Nach den stets palatalisierten q, m schreibt man statt H: a, das aber denselben Aussprachenormen unterliegt wie H. Vor betonter Silbe wird also a nach i , m wie [eH] ausgesprochen, z. B. naciä, maBéjib 'Sauerampfer' wie [H'eH]cú, [m'e H ]Béab 1 . Nach den stets harten Konsonanten JK, m, u wird unbetontes e (in der Silbe vor dem Ton) nach ABanecoB 1054, S. 40 und ABaHecoB-OweroB 1955, S. 542 mit einem zwischen 8 und u stehenden Vokal ausgesprochen, den die genannten Verfasser mit w3 bezeichnen (vgl. oben S. 51 eH, wo-e als Grundzeichen gewählt ist). So z. B. in meHá, HtejiTéTb.wejiéso, mecTóft.menTáTb, ueiié wiew[u 3 jHá.wfu 3 JnTéTb usw.
Welche Aussprachenormen von e (a) und H sollen wir im G r u n d s c h u l U n t e r r i c h t anwenden? E s handelt sich um drei Fragen: 1. Unbetonte e und h sind im Russischen, abgesehen von den Endungen, zusammengefallen. Sollen unbetonte e und H auch in unserem Grundschulunterricht gleich ausgesprochen werden? 2. Für die Aussprache von unbetonten e und h werden von AßaHecoB usw. drei Stufen: [e", a und H3] angegeben. Sollen wir im Grundschulunterricht a) d r e i Stufen unterscheiden? b) wenn nicht, können wir eine Stufe verallgemeinern? Ich möchte auf alle drei Fragen mit „nein" antworten. Die gleiche Aussprache von unbetonten e und H würde zahlreiche Schreibfehler hervor1
Nach ABaHecoB 1954, OweroB 1949 und rpaMMaTHKa 1952.
52
rufen. Die Einübung von drei besonderen Varianten, die gerade der f l ü s s i g e n Bede eigen sind, würde m. E. im russischen Anfangsunterricht mit seinem sehr langsamen Sprechtempo nur zu lächerlichen Verzerrungen führen. Auf diesem Standpunkt steht auch das russische Lehrbuch für die 5. Klasse von B. Lewin (3. Aufl., 1953), in dem nichts über den Zusammenfall von unbetontem H mit e oder von einer besonderen Aussprache dieser unbetonten Vokale gegenüber betontem e gesagt wird, während der Zusammenfall von unbetonten vortonigen o und a von der ersten Unterrichtsstunde an gefordert wird. Ich würde also für die gegenwärtige Zeit für unseren Grundschulunterricht folgende Aussprachenormen von unbetonten e und a vorschlagen: 1. unbetontes e wird in allen Stellungen wie sehr kurzes geschlossenes e ausgesprochen (wobei der davorstehende Konsonant, außer JK,. in, ix, erweicht ist). Das geschlossene e ist als v o r erweichten Konsonanten erscheinende Variante des betonten e bekannt. Das geschlossene e steht gegenüber dem offenen ä (in 9TO) in bezug auf den Öffnungsgrad dem H näher und steht daher auch dem [eB], dem „Vokal zwischen e und H", ganz nahe. — Ein Unterschied zwischen geschlossenem e und offenem ä, je nach der Beschaffenheit des folgenden Konsonanten, besteht also in unbetonten Silben n i c h t .
2. Unbetontes a wird in allen Stellungen wie unbetontes, kurzes ä ausgesprochen (wobei der davorstehende Konsonant erweicht ist); z. B. n f l T H , B 3 H J i a , H 3 Ü K , fleCHTb, fleCHTÖ w i e [ n ' ä ] T Ö , B [ 3 ' ä ] j l ä , [ j a ] 3 H K , « 6 [ c ' ä ] T b , fle[c'ä]TÖ;
ebenso laciä,
maBejib
wie [i'äjciä,
[m'ä]Bejib.
Der Übergang zur Aussprache von unbetontem H (außer in Endungen) wie unbetontes e wäre aber für nicht zu ferne Zeit vorzusehen.
53
DIE KONSONANTEN ALLGEMEINE EINTEILUNG
Die Konsonanten sind Laute, bei denen die ausströmende Luft im Mundraum einem Hindernis begegnet, das überwunden wird. Eine allgemeine Übersicht über die Konsonanten ist S. 9ff.gegeben worden. Hier folgt eine Übersicht über die Einteilung der Konsonanten im Russischen. I. In bezug auf die Art, wie dieses Hindernis überwunden wird — die Artikulationsart — sind im Russischen zu unterscheiden: 1. 2. 3. 4.
Verschlußlaute oder Klusile (z. B. n, T) Engelaute oder Spiranten (z. B. , c) Affrikaten (z. B. u, u) Sonore (z. B. M, JI).
Geräusch laute
II. In bezug auf die Artikulationsstelle, an der die Laute gebildet werden, sind im Russischen zu unterscheiden: 1. 2. 3. 4.
Labiale (z. B. n, M) Dentale (z. B. T, H) Postalveolare (z. B. in, h) Velare (z. B. K, X).
III. In bezug auf die Stimmbeteiligung sind im Russischen stimmhafte und stimmlose Konsonanten zu unterscheiden (z. B. 6 — n, 3 — c). IV. In bezug auf die Palatalisierung sind im Russischen harte und palatalisierte (erweichte) Konsonanten zu unterscheiden (z. B. H — H', c — c'). V. In bezug auf die Quantität (Dauer) sind im Russischen kurze und lange Konsonanten zu unterscheiden (z. B. H — HH, B — BB). Die Eigenschaften III.—V., die für die nach Artikulationsart und -stelle verschiedenen Konsonanten gemeinsam sind, werden für alle Konsonanten gemeinsam in besonderen Kapiteln behandelt. Es folgen einige Bemerkungen zu I. und II. sowie die Darstellung derjenigen einzelnen Konsonanten des 54
Russischen, über die bezüglich ihrer Bildung und Aussprache (zum Unterschied vom Deutschen) oder ihrer Schreibweise etwas Besonderes zu sagen ist. Zum Schluß folgt eine Konsonantentabelle sowie ein Abschnitt über die russischen Konsonantenverbindungen. STIMMHAFTE U N D STIMMLOSE KONSONANTEN
Die Entstehung der „Stimme" ist oben S. 6 behandelt worden. Die stimmhaften Konsonanten des Russischen werden weit ausgeprägter stimmhaft, t ö n e n d gesprochen als die entsprechenden Laute des Deutschen. Die Stimme erscheint schon unmittelbar zu Beginn des Konsonanten, nicht erst, nachdem seine Bildung schon eingesetzt hat, wie das häufig im Deutschen der Fall ist. Besonders zu beachten ist die stimmhafte Aussprache in für Deutsche ungewohnten stimmhaften Konsonantenverbindungen im Anlaut, wie z. B. in 3HaTi>, 3jio, 3ßecb, wo man bei uns fälschlicherweise häufig CHaTjb, cjio, c«ecb hört. Der phonematische Gegensatz von Stimmhaftigkeit und Stimmlosigkeit, also die Paarigkeit von stimmhaften und stimmlosen Konsonanten, erscheint nur bei folgenden Konsonanten: n —6 n' - 6'
$ —b - b'
t —3 t' — h*
c —3 c' - 3'
in — jk
k —r k' - r \
Es handelt sich hier ausschließlich um G e r ä u s c h l a u t e (Verschluß- und Engelaute). Einige Geräuschlaute: x, x' und die Affrikaten u, h, m sind stimmlos und haben keine stimmhaften Phonementsprechungen. Nur in bestimmter kombinatorischer Stellung — vor stimmhaften Konsonanten — kommen stimmhafte V a r i a n t e n von ihnen vor, siehe S. 57. m in der Ausspracheweise ni'm' hat eine stimmhafte Phonementsprechung in der Ausspracheweise jh'w' von hok; siehe S. 70 und 72.
Die Sonore (m, m', h, h', ji, ji', p, p', j) kommen nur stimmhaft vor, zeigen also keine Paarigkeit. Stimmassimilation N e b e n e i n a n d e r s t e h e n d e G e r ä u B c h k o n s o n a n t e n werden e n t weder s t i m m h a f t oder s t i m m l o s a u s g e s p r o c h e n — in Abhängigk e i t von dem z u l e t z t s t e h e n d e n . a) Stimmhafte Geräuschlaute vor stimmlosen werden stimmlos; b) stimmlose Geräuschlaute vor stimmhaften werden stimmhaft. 5 Stelllitt, Ku9sl9Che Lautlehre
55
Beispiele für a ) : 6a6«a (6ä6a), BCH (Beck), Be3TÖ (ße3y), noanucaTb, Bnepefl. In den auf 3 endenden Präfixen (6e3-, B03-, HS-, HH3-, paa-, qepe3-) wird vor stimmlosen Konsonanten stimmloses c g e s c h r i e b e n , z. B. 6ecnon6nTb, Boen HT ¿Tb, HcxonHTb, paccKaaäxb, qepeciyp. Beispiele f ü r b ) : npöcbSa, MOjiOTtSä 'das Dreschen', BOK3äji, TaKHte, aHenHÖT;
ebenso bei Präfixen:
ÖTHHX
[-HÄ-],
OTßpöCHTb
[-A6-],
cöpöcHTb [36-].
'abwerfen', ca&jm [33-] 'von hinten'. Die Regel b) hat eine Ausnahme: vor B werden stimmlose Konsonanten nicht stimmhaft; vgl. TBOB, CBOH, KBac u. a . Die in den älteren deutschen Grammatiken des Bussischen übliche Formulierung: „Vor stimmhaftem Konsonant wird ein stimmloser stimmhaft und umgekehrt: vor stimmlosem Konsonant wird ein stimmhafter stimmlos", ist n i c h t r i c h t i g . Weder werden vor den stimmhaften Sonoren die stimmlosen Geräuschlaute stimmhaft —vgl. cjiaTb, IIUIIO, cMyTHHft, euer, (KOTÖJI — ) KOTJIÄ USW. —noch werden umgekehrt die stimmhaften Sonoren vor stimmlosen Geräuschlauten stimmlos — vgl. KOJibijö, ropT&Hb 'Kehlkopf', (KOMÖK 'Klümpchen' — ) KOMKA USW. In der Grundschulpraxis wird man aber wohl mit der „groben Regel" auskommen. Der Lehrer muß jedoch in der Oberschule auf durchaus mögliche Fragen der Schüler die richtige Antwort geben können. In der Orthographie wird die Stimmassimilation im allgemeinen nicht bezeichnet. Eine Ausnahme bilden die Präfixe auf -3 (na- usw., s. o.) sowie einige historisch zu erklärende Einzelfälle wie rge = K-ne, wo K- die Wurzel des Fragepronomens K-TO, K-oro ist (vgl. dtsch. wo, teer). Stimmassimilation erfolgt natürlich auch, wenn b — das ja nur die Erweichung des davorstehenden Konsonanten bezeichnet — zwischen den beiden Konsonanten steht; z. B. npöcböa = np6[3'6]a. Die bisherigen Beispiele bezogen sich auf die Stimmassimilation der Konsonanten innerhalb von W ö r t e r n , wobei hier, einfach ausgedrückt, unter W o r t der orthographisch zusammengeschriebene Komplex verstanden ist Wie die angeführten Beispiele zeigen, geht die Stimmassimilation in Wörtern sowohl in der Stellung Präfix — Wurzel (noA-naca/ri) wie Wurzel (Stamm) — Suffix (6ä6-na, npöci>-6a) oder in der Wurzel selbst (Beet — BCH) vor sich. Die Stimmassimilation greift jedoch auch über die Wortgrenzen hinaus. Diese Frage hängt mit der Stimmhaftigkeit der Konsonanten im A u s l a u t zusammen. I m allgemeinen werden im Auslaut stimmhafte Geräuschlaute stimmlos; also Jioß
[n],
röpofl
[T],
CHer [ K ] ,
Hör [K]
Gen. Plur.,
HÖH« [ i n ] ,
JIOJKB
[m],
B03 [c], 3flOpÖB [$], rB03Hb [ - C V ] , H3ß [HCn] U. Dies gilt für einzeln ausgesprochene Wörter sowie vor Sprechpausen, die in der Orthographie im allgemeinen durch ,,. , " u. a. bezeichnet werden. Beide Stellungen zusammengenommen bezeichnet man als „ a b s o l u t e n A u s l a u t " . 56
In zusammenhängend gesprochenen Wortgruppen erscheinen jedoch dieselben Gesetzmäßigkeiten wie innerhalb von Wörtern: vor stimmhaften Geräuschlauten 1 im Anlernt werden im Auslaut des vorangehenden Wortes ebenfalls stimmhafte Geräuschlaute gesprochen. Dabei kann es sich bei den auslautenden Konsonanten handeln: a) um in Normalstellung stimmhafte Geräuschlaute, z. B. (pe3aTb, peaty 'schneiden') Imperativ pejKfe, gewöhnlich = pe[in]; in pe?Kb ßyjiKy aber mit [?K] ; b) um in Normalstellung stimmlose Geräuschlaute, z. B. (SpöcHTb,) 6pocb mit [c'J, aber in öpoeb 6yMäry mit [3']. In anderen Stellungen (vor Vokalen, Sonoren und B) erscheinen im Auslaut nur stimmlose Geräuschlaute, z . B . röpon[T] Oaecca; P E J K B MHCO, P E J K B orypeu, pejKb BÖJIOCM (alle mit ui). In der Stellung vor anlautenden stimmhaften Geräuschlauten werden auch die sonst stets stimmlosen Geräuschlaute 11, h, m, x stimmhaft. So wird in OTÖU 6hiji BÖMA vor 6 statt I; eine stimmhafte Affrikate GA gesprochen; in KJIIOH 6HJI NOT^PHH statt 1 eine Affrikate n'w'. Es handelt sich aber hier nur um kombinatorische Varianten der Phoneme U, K?K als langem hartem [JKJK] beibehalten werden. Auch die sjk geschriebene Verbindung — z. B. in npHe3H?aTb, nöame, H3H«äpHTb 'braten', pa3>KeHb 'anzünden' — wird durch Assimilation von 3 an W wie langes JKJK — hart oder erweicht — gesprochen: NPHE[jK»]aTb oder [JK'JK'], n6[?KHI]e oder [JK'HT'], H[HIM]ÄPHTB oder [JK'JK'], pa[H5HT]eqb oder [MK'H{']. In der Stellung 'Präfix — Wurzel' (z. B. H3H?äpHTb) braucht diese Assimilation m. E. in der Grundschule nicht berücksichtigt zu werden. Die cm (3m) geschriebene Verbindung wird wie langes hartes mm gesprochen; z. B. SecinyMHiift wie 6e[inm]yMHufl, BJie3nmft Partiz. prät. von BJie3Tb 'hineinkriechen' wie BJIE[umi]Hfl. 2. A f f r i k a t e n . Die Affrikaten sind oben S. 11 als enge, unlösbare Verbindungen von an der gleichen Stelle gebildetem Verschluß- + Engelaut definiert worden. Im Russischen gibt es nur dentale (u) und postalveolare (q, m) Affrikaten. Die Affrikaten haben in bezug auf Stimmhaftigkeit und Palatalisierung keine paarigen Phonementsprechungen: sie sind 1. stimmlos 1 ; 2. die postalveolaren Affrikaten sind erweicht, die dentale ist hart. U ist stets hart; es ist eine unlösbare Verbindung der Elemente T und C: TC. 1
Zu in bestimmter Stellung vorkommenden stimmhaften Varianten der Affrikaten siehe oben S. 57.
70
H ist stets erweicht — eine unlösbare Verbindung der Elemente „erweichtes T'" und „erweichtes u i " 1 : i V . Die Erklärung dieser Aussprache durch hartes dtsch. tsch ist daher nicht richtig. Die Unterscheidung des Auslauts von H O I B und KJIKW durch I B bzw. rein orthographisch 2 — die Aussprache ist genau die gleiche.
Q
ist
Die Verbindung HH wird nach der heutigen Aussprachenorm wie normales q' + H ausgesprochen — also schreibungsgemäß. N a c h A B a H e c o B - O m e r o B 1955, S. 564, wird in einigen wenigen Wörtern in dieser Stellung statt erweichtem V hartes UI gesprochen, und zwar in KOH6). Statt t> kann, besonders im Zeitungsdruck, auch der Apostroph ' stehen, z. B. c'esA, 06'Aib. Diese Schreibweise wird jedoch immer weniger angewandt. Im Bussischunterricht ist natürlich nur 1 anzuwenden. b) wenn der Konsonant zur Wurzel (zum Stamm) gehört, durch b -j- jotierter Vokalbuchstabe; z. B. ceMbä = cefii'jä], Jibio = [Ji'jy]. Vor i> werden o, 3 erweicht ausgesprochen, andere Konsonanten jedooh hart; z. B. cbecrr, cbesH = [o'jaoT], oferfTb, on>&3A = [äöjdT'], t&TjäcT]; s. ABaHecOB-OweroB 1955, S. 559. Der vor b stehende Konsonant ist erweicht (z. B. jibio mit ji')} in mbBO bleibt natürlich das nicht erweichbare ni hart: [mjy]. Der Unterschied zwischen jiiot 'grausam (Kurzform)' und jib»T 'sie gießen', zwischen nojier 'Flug' und nojib&r 'er wird gießen' ist genau zu beachten: in jiiot, noji&r steht erweichtes ji* + Vokal: [a'yT], ho[ji'6t]; in jibiOT, nojib&r steht erweichtes ji' + ; + Vokal: [Ji'jyr], no[ji'jÖT], Dasselbe gilt natürlich auch für alle anderen Fälle wie cyflbÄ 'Richter' und cynri Gerundium usw. Was die A u s s p r a c h e von j in h, ejina, uoA usw. betrifft, so kann im Schulunterricht dtsch. und russ. j einander gleichgesetzt werden, so wie wir dies bei dtsch. t, n, s u. a. und harten russ. t , h , c u . a. tun. Die artikulatorisohen und akustischen Besonderheiten von russ. j gegenüber dtsch. j, auf die B. Olesch in „Bussischuntericht" 1949, S. 250f. so ausführlich eingegangen ist, sind geringfügig und für den Schulunterricht unwichtig. Russisch j ist ein Konsonant1. Das Verständnis dieser Tatsache erleichtert das Verständnis der russischen Formenlehre und erlaubt, eine ganze Reihe sog. „Ausnahmen" als völlig regelmäßig zu verstehen und die grammatischen Regeln entsprechend zu vereinfachen. 1 Siehe hierzu auch meinen Aufsatz in „Bussischunterricht" 1949, S. 13ff. Auch in allen neuen sowjetischen wissenschaftlichen Darstellungen des Bussischen wird j eindeutig als Konsonant bezeichnet; so z. B. in ABaRecoB 1950, S. 60; F. AsaiieooB, Oiepm pyccKofl «HaaeKTOJiorHH I, Mocraa 1949, S. 149, 122; rpauuaTHKa 1952, S. 70.
76
a) Die reflexive Konjugationsendung ist -cfl nach Konsonanten (z. B. .CB
nach Vokalen (z. B.
MÖBMCH,
MÖETECT,
MHJICH),
MÖUrech, Mbuiacb,
MHJIMCI>).
Da j ein Konsonant ist, erscheint im Imperativ Si. auf -fl die Endung -cn (z. B. MÖßCH, HE SÖHCH usw.), während im Imperativ Si. auf -H die Endung -cb erscheint (z. B. aep?KHCb). b) Die konsonantisch auslautenden Präfixe paa-, na- haben eine vokalisch (auf -o) auslautende Nebenform, die nur vor mehr als 1 Konsonanten erscheint; z. B . paaÖHTb, pa3jiäTb, paajürrb, paape3aTb, paapyimiTb, n3JiHTb, aber pasoßpaTB, pa3orHaTb, paaorpeTb, naopBÄTb. Die Regel lautet: die vokalisch auslautende Form kommt nur vor mehr als 1 Konsonanten vor. Sie lautet n i c h t : vor mehr als 1 Konsonanten kommt die vokalisch auslautende Form vor II Die konsonantisch auslautende Form kann also sowohl vor 1 (s. o.) wie vor mehreren Konsonanten vorkommen, z. B.
paaCpooÄTb, paarpaHitanTb, paarpoMÄra.
Die Verben SpaTb, r-HaTb haben im Infinitivstamm, wo sie mit 2 Konsonanten anlauten, das Präfix pa30-: pasoßpäTb, paaorHäTb. Da ihr Präsensstamm mit 1 Konsonanten anlautet (6epy, TOHIÖ), muß sich im Präsensstamm dieser Komposita das Präfix in pa3- ändern: pa36epy, paaroHio. Die Verben ÖHTb, JIHTB haben im Infinitivstamm das Präfix pa3-, im Präsensstamm aber pa30-: pa3ßÄTb 'zerschlagen' — paao6biö, pa3o6beuib; paajiöTb 'eingießen, einschenken' — paaojibiö, paaojibenib. Hier steht — umgekehrt wie bei 6paTb, raaTb — im Anlaut des Infinitivstammes 1 Konsonant, im Anlaut des Präsensstammes 2 Konsonanten: in 6bio, öbeuib usw. = [6'jy, 6'joni] ist der zweite Konsonant eben j. c) Die auf den ersten Bück so eigenartige Deklination von Bopoßelt, BOpoöbri usw. od«r näpTHH, Gen.Pl. napTHö ist völlig regelmäßig; vergleiche Nom.Si.
FLEHB =
Gen.Si. flHH =
[H'ÖH']
[a'H'-a]
Bopoßefi = Bopo[6'ej] Bopoöbfl = ßopo[6'j-a],
wo also vom Gen. Si. an e ausfällt; Nom.Si. Gen.Pl.
= 6a6-a = 6a6
napTHH = naprafi =
napTHj-a napraj,
wo also im Gen.Pl. der Feminina der endungslose Stamm erscheint.
77
TABELLE D E R R U S S I S C H E N KONSONANTEN
(Präpa-
Velare (Hinterzungenlaute)
latale)
hart
C
3
c'
Affrikaten
laterale Liquiden zitternde
3'
OL
JK
stimmhaft
B'
fl'
stimmlos
T'
erweicht
stimmhaft
fl
stimmhaft
T
stimmlos
6'
stimmhaft
B
n'
stimmlos
*
stimmhaft
Spiranten
stimmlos
6
alveolare
erweicht
stimmhaft
n
hart
stimmlos
stimmhaft
Klusile
Nasale Sonore
erweicht
stimmlos Geräuschlauto
hart
Dentale
stimmlos
PostLabiale
K
r
K*
r'
X
X'
U M
M'
H
H'
JL
JL'
P
p'
1
JL
^ Die Stellung des j im russischen Konsonantensystem ist wissenschaftlich noch nicht befriedigend geklärt. Den ihm hier zugewiesenen Platz gebe ich mit Vorbehalt; vgl. auch oben S. 4.
78
LAUTVERBINjDUNGEN Im vorhergehenden sind im wesentlichen die einzelnen Laute und Lauterscheinungen des Russischen behandelt worden. Die Darstellung der einzelnen Laute und Lauterscheinungen genügt aber nicht, um ein richtiges Bild von den Lautverhältnissen einer Sprache zu geben. Die Laute treten nämlich nur in Ausnahmefällen isoliert, selbständig mit eigener Bedeutung auf — z. B. in Interjektionen wie dtsch. oh —, im allgemeinen sind sie Bestandteile von Wörtern, die aus einer Folge von Lauten bestehen und die ihrerseits wieder als Sinneinheiten in syntaktischen Verbindungen größere Lautkomplexe bilden. Zur Lautlehre gehört daher auch als wichtiger Teil die Kombinationslehre, die die Laute in ihrem gegenseitigen Verhältnis und als Teile des Wortes (und Satzes) darstellt. Besonders wichtig iBt der Teil der Kombinationslehre, der sich mit den Verbindungen und der Stellung der Konsonanten im Wort (und Satz) beschäftigt. Einige hierher gehörige Fragen, wie die Stimmassimilation und andere Assimilationserscheinungen, sind schon oben an verschiedenen Stellen behandelt worden. Hier seien die wichtigsten Punkte zusammengestellt. ASSIMILATION
Die Angleichung oder Assimilation (lat. similia 'ähnlich') bestimmter Lauteigenschaften benachbarter Konsonanten spielt im Bussischen eine große Rolle. Der folgende Konsonant wirkt dabei auf den vorhergehenden Konsonanten zurück (sog. regressive Assimilation). Die Stimmassimilation — z. B. 6ä6iKaTb 6 6
OTTeHOK 67
c3aAH
OTT.e3fl 7 6
CKyMHO 7 1
74
KopojieHKO Kyne
74
65
Jl a , a* 5 9 , 72, JierKHö jierne
73
66
ceMbfl
76 81 56
cMepTb
n
CHer
napTHH
68 68
c-flejiaTb 6 4
64
64
cHecra
77
64
njiaraTb 2 8
coHiajieHHe: K C - » cojiHeHHbitt
81 81
JieAHHK
64
noBecTKa
JISthhk
71
81
noAflejiaTb 66
co.iHije 2 3 ,
J10>Kb 7 6
noflejiaTb 66
Cohh
JlblO, JlblOT (jlHTb) 76
nonnHCHHK
jiiot
noe3AKa
cocaTb 66 ccocaTb 66
76
M »aflop
74
MaT 6 9 ,
72
81
n03AH0 8 1
ccbuwa
CTaKaHHHK
nojibeT
CTeHHa«
76
npaaAHBK
MejiKHt) 6 5
npne3»