Aus der Stille [2., durchgeseh. Aufl. Reprint 2021]
 9783112395608, 9783112395592

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Aus der Stille.

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ttS öer Ktille Gedichte von

Ada Linden. Zweite durchgesehene Auflage.

Leipzig tz. I. Göschen'sche Verlagshandlung 1897.

Inhalt. Celte

Tie Eifel Fremdling Freud' und Leid Genesung Schön-Annchen .... TeS Mütterleins Traum. Das Gebet der Mutter Tie letzte Schicht Der Bergsturz Heimkehr Die Bergfrau Die Scidenweberin .... Das Gewissen Siguruna Königin Ilde ...

MathildiS Das Mädchen von Hemmingstedt Sin Tröpfleln Lieb Echutzengletn Die Bekehrte Die Lpferpriesterin Am Friedhofrand

.

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....

1 4 6 8

10 13

15 19

-

VI



Leite Lohengrins Segen.................................................................................. 71

Julfest..........................................................................................

73

Äolfcr Karl und der Hirtenknabe.

77

.

.

Der Schild von Nürburg................................................................ 81

Tilly.........................................................................................................83 Garfield................................................................................................... 86

John Mahnard.........................................................................

89

Letzter Gruß............................................................................................. 91 Graf Konrad von Zollern.................................................................94

Kaisergottesdienst auf dem Meere...................................

96

Die Tanne..............................................................................................99

Mirjam............................................................................................

101

Pilatus am Wetnfelder Maar......................................................... 108 Christi Versuchung................................................................................ 105 Pfingstmorgen......................................................................................107

Empor.......................................................................................................109

Dir «ifel. Ob mich umwogt ein grünend Saalgefilde,

Ob mich umblüht der Ebne bunte Pracht,

ES schaut mein Herz nach einem andern Bilde, Das klar mir aufersteht in stiller Nacht. O meine Heimat, unvergess'ne, wilde, Wie oft hab' ich in Sehnsucht Dein gedacht!

O meine Heimat, ferne, felSumstarrte, Wie lieb ist mir Dein Angesicht, das harte!

Ich seh' Euch wieder, ernste, braune Haiden, Bon waldgekrönten Höhen rings begrenzt;

Hoch schwebt ein Falke, stille Herden weiden, Ein Kirchlein droben, epheugrün umkränzt.

Und bork — in Purpur will's die Sonne kleiden — Aus Buchengrün ein Dach so traulich glänzt!

O Vaterhaus, d'rin fremde Hände schalten,

Ein Engel möge segnend ob Dir walten! Linden, Aus der Stille.

1

2 Steig vor mir auf mit Deinem Tannendüster, Du Bergeshang, umglüht vom Abendstrahl;

Erschließ Dich mir mit Deinem Quellgeflüster, Du weltverborg'nes, grünes Felsenthal!

Beschatte mich, Du allersdunkle Rüster, Erzähle Märchen mir wie dazumal,

Und laß Du Deinem heil'gen Wipselrauschen Noch einmal mich, mein Hochwald, selig lauschen!

Hier hat mein Kindesherz, das sorgenlose,

Am innigsten deS Lenzes Gruß beglückt!

Hier lag ich träumend oft im weichen Moose, Wenn WaldeSblüten ich zum Strauß gepflückt.

Zu Häupten glühte mir die wilde Rose, Bis duftend sie mir Haar und Brust geschmückt; Dann neigten sich die Zweige flüsternd nieder, Und tief im Herzen sproßten mir die Lieder.

Und dort, wo Feuer einst dem Bergesschlunde Entquollen, einsam ruht der tiefe See, Als lüg' begraben drunten auf dem Grunde

Ein ungeheures, namenloses Weh! In Todesstille starrt die weite Runde — • Scheu fliegt der Bogel — schreckhaft zagt das Reh ...

Des Berges Herz mit seinen stolzen Gluten

Gebrochen liegt es in den düstern Fluten.

3 Der Herbstnacht denk ich, wenn in Sturmgesängen

Der alten Götter Klageruf erbraust, Als ob zur Andacht die Entthronten zwängen

Ringsum die Wildnis mit gewaltiger Faust--------Wohl hab' seitdem gelauscht ich Holdern Klängen,

Nicht immer haben Stürme mich umsaust, Doch meiner Heimat dunkle Lieder trage Ich tief im Herzen bis zum letzten Schlage.

*

4

Fremdling. „Ich bin ein Fremdling überall!"

So singst Du frisch mit rosigem Munde Nach manches Liedes frohem Schall,

Das hell erklang in heitrer Runde.

Du singst im glanzersüllten Saal,

Mit Lippen, nur gewohnt zu scherzen, Bon unverstandener Sehnsucht Qual Das tiefe, dunkle Lied der Schmerzen.

In Deines Herzens Glückesruh, Umschmeichelt rings von Lust und Freude, Du lachend Kind, was weißt denn Du

Von dieses Liedes bitterm Leide! Du gleitest aus der Melodie, Nichts ahnend, über dunkle Tiefen---------

O sing nicht mehr die Worte, die

Ins Auge mir die Thränen riefen!

5 Du weißt nicht, was es heißt: allein

In diesen frohbelebten Raumen Ein stiller, stummer Fremdling sein

Mit seinem Hoffen, seinen Träumen! Du suchst nicht daS ersehnte Land, Wo Deine Rosen blühen werden;

Reich schmückte ja des Glückes Hand Mit ihnen Deinen Pfad aus Erden!

Du selbst ein Röslein frisch und rot, O prange fort im Morgenschimmer!

Der Sorge Reif, der Hauch der Not

Entfärbe Deine Blüte nimmer! Und ziehen Wolken fern entlang, Du blühst im Garten liebumfangen:

Die Tann' am öden Felsenhang Die laß vor Blitz und Stürmen bangen!

*

6

Freud' und Leid. Es träumte mir im Leide:

Die Freude trat herein

Im morgenroten Kleide,

Umglänzt von Strahlenschein. Und als mit holdem Grüßen

Sie sich zu mir gewandt, Da sank ich ihr zu Füßen, Küßt' ihr die weiße Hand:

„In Deiner Strahlenkrone

O, sei willkommen hier! Mit Deinem Glanze wohne, Du Hohe, nun bei mir!

„O, daß vor Dir versinke Das feindlich finstre Leid! Dein goldneS Scepter winke

Mir leuchtend allezeit!"

Da sprach die Freude leise:

„Ich bin ein flücht'ger Gast; Auf meiner Erdenreise

Halt' ich nur kurze Rast.

„Doch züme Du der dunklen, Umflorten Schwester nicht:

Mein Scepter kann nur funkeln, Wenn es durch Wolken bricht."

*

8

Genesung. Wenn still im Herzen tief getragen Du eine Liebe groß und rein, Und mußt dann doch dem Glück entsagen,

Und stehst mit Deiner Lieb' allein, O, woll' sie nicht in Dir verschließen BiS Harm sie dunkelt und vergällt.

Nein, laß sie segnend sich ergießen.

Ein reicher Strom, der ganzen Welt? Als Opferflamme laß sie glühen Auf Deines Gottes Hochaltar,

Als weiße Lilie laß sie blühen

Den Menschen allen, rein und wahr! O, sei der Held, der Todeswunden

Vergessend, hoch die Fahne schwingt! Am eh'sten wird Dein Herz gesunden,

Wenn fremdem Weh es Heilung bringt!

9 Die Wolke sei, die lautlos spendet Den Regen, den die Blume trinkt,

Die Sonne sei, die Strahlen sendet Und allgesegnet still versinkt. Der Armut öde, düstre Kammer

Verkläre Deiner Milde Schein; Zu denen, die in Not und Jammer, Tritt als des Trostes Engel ein!

Aus Thränen, die Du Freudelosen

Getrocknet hast mit linder Hand,

Erblüh'n Dir rote Freudenrosen Auf rauher Bahn, im Wüstensand. Und statt des Glückes, das erstorben

Wie Sommerpracht im Herbsteswehn, Hast Du ein höheres Dir erworben,

Das unverwelklich wird bestehn!

*

10

Schön-Nnmhrn. Es rauschm Wasser im Mühlengrund, Betauen am Ufer die Blumen bunt, Die leuchten wie Perlengeschmeide.

Es pflückt sie Schön-Annchen, des Müllers Kind,

Und sie singt ein Lied in den Frühlingswind: Wie die Liebe lohnet mit Leide.

Da grüßt sie ein Wandrer: „Du Jungfrau wert, Wer hat Dich das traurige Lied gelehrt?

Du frisches Blümlein der Haide?" „Meine Muhme, die sang'S gar manchen Tag,

Nun

klingt mir'8 im Herzen; ich ftng'8 ihr nach,

Doch ich weiß nichts von Lieb' und von Leide!"

„Die Liebe, sie leuchtet, ein Röslein rot, —

An dm Dornen doch blutet manch Herz sich tot; D rum, Holde, nur immer sie meide!"

„Schafft Liebe dem Herzen so bittre Pein,

So will ich das meine bewahren sein, Das mir sie nicht lohne mit Leide!" —

11 „O Kind, in die Ferne zog ich hinaus. Wie traulich mich grüßt Deine- Balers Haus,

Versteckt hinter Erlen und Weide! Dort möcht ich ausruhn im grünen Gezelt

Von dem eitlen Treiben der lauten Welt

Und der Liebe, die lohnet mit Leide! „Giebt niederes Dach Dir willkommene Rast,

Wir hegen und Pflegen mit Freuden als Gast Dich Fremdling im Wandererkleide!

Hier grüßen Dich Vöglein in Lüften blau Und Blumen in glitzerndem Wellentau,

Ob auch Liebe Dir lohnte mit Leide!" — Wie traulich sitzt es sich Hand in Hand

Unter hängenden Weiden am Uferrand! Sie scherzen und kosen beide. —

Und es flüstern die Fluten im Mühlengrund Und schmücken mit Perlen die Blümlein bunt —

Und die Liebe, sie lohnet mit Leide.

Die Knospen schwellen im dunklen Grün, Und die leuchtenden, duftenden Rosen verblüh'n, Und ein Flüstern durchschauert die Weide; Und es rauschen die Fluten im Mühlengrund, Betauen mit Thränen die Blumen bunt,

Und die Liebe, sie lohnet mit Leide. —

12 Schon ziehen die Schwalben zur Herne hinaus:

„Sag endlich mir, Liebster, wo bist Du zu Haus? Deine Eltern, leben sie beide? Es streicht durch die Wipfel der Nachtwind kalt

Um die roten Rö-lein, sie welkten so bald, Und die Liebe, sie lohnet mit Leide!"

„Weh, daß der Sommer, der süße, geflohn!

Nun muß ich zurück zu des Vaters Thron; Fahrwohl, Fahrwohl nun, ich scheide!

Bald trag' ich des Landes Scepter und Kron',

O Kind, ich bin ja der Fürstensohn, Und die Liebe, sie lohnet mit Leide!"

Es welken und sterben die Blumen bunt, Dumps rauschen die Wasser im Mühlengrund,

Und d'rüber trauert die Weide.

Bleich sitzt am Ufer des Müllers Kind,

Mit den fallenden Blättern tändelt der Wind,

Und die Liebe, sie lohnet mit Leide. —

¥

13

Des Mütterleins Traum. Das Mütterlein sitzt am Fenster und spinnt,

Es rauscht in den schattigen Bäumen der Wind; Am Himmel gehen die Wolken daher —

„Grüß Gott Dich, mein Sohn, auf dem wetten Meer! Wenn drüben die 4tpfel sich röten am Baum, —

Drei Wochen, drei kurze nur, sind es noch kaum, — Dann kommst Du nach Hause zum Mütterlein:

Wie magst Du ein stattlicher Seemann wohl sein!" Es tickt und ticket die Uhr an der Wand, Der Faden entsinkt ihrer fleißigen Hand;

Es weht durchs Fenster so schwül und heiß, Am Rocken entschlummert das Mütterlein leis.

„Grüß Gott Dich, mein Sohn!

O Freud, o Glück!

Nun kehrst Du, noch eh' ich es dachte, zurück.

Willkommen, willkommen, mein Sohn, zu Haus' Nun ruh' von Gefahren und Mühen Dich aus! „Wie starr ist Dein Auge, die Wange wie blaß, Dein blondes Gelock wie kühl und wie naß!

Mein Sohn, wie kalt, wie kalt Deine Hand!" — Da schlägt laut hallend die Uhr an der Wand.

14 Die Alte fährt auf bei dem dröhnenden Klang: „Wie hab' ich geträumt, geträumt doch so bang!

Mein Sohn, mein Sohn aus dem weilen Meer, Wie ist mir um Dich daS Herz so schwer!" —

Auf wilder, wogender See zur Stund' Versinkt ein mächtige- Schiff in den Grund ;

Ein Jüngling steht hoch am schwankenden Rand: „9Hc seh' ich Dich wieder, mein Vaterland!

„Ade, o du Heimat am fernen Rhein!

Wer sorgt nun für Dich, mein Mütterlein?" Da reißt's in die Tiefe ihn jäh hinab, Auffchäumend schließt sich das schaurige Grab. Wild wallet und flutet daS brausende Meer,

Hoch über dem Schiff gehn die Wogen daher. — Daheim daS Mütterlein sitzt und spinnt;

Es rauscht in den schattigen Bäumen der Wind.

Goldschimmernde Wolken am Himmel gehn! Durchs Fenster flüstert's im Abendwehn:

„Komm mit, komm mit mir, lieb Mütterlein!" Sie faltet die Hände, still schlummert sie ein. —

¥

15

Vas Gebet der Mutter. Lichter glüh n, Signale schallen;

In des Bahnhofs weiten Hallen Schon das Dampfroß schnaubt und stöhnt.

Dunstumsprüht und dampfumwoben

Harrt der junge Führer droben, Bis der Abfahrt Zeichen tönt. Und er sieht am Arm des Gatten

Treten aus der Halle Schatten Ein geschmücktes, junges Weib; Scherzend ist sie eingestiegen, Schwellend sich die Polster schmiegen

An den jugendschönen Leib. Brausend über Thal und Hügel, Auf des Dampfes mächtigem Flügel

Eilt der Bahnzug durch die Nacht; Donnernd fliegt er über Brücken —

Auf des Eisenrosses Rücken Finster hält der Führer Wacht.

16 Um ihn her die Dämpfe steigen, Ballen sich zum wilden Reigen, Ruhelos, dämonengleich.

AuS des Kessels Röhren dröhnend Drängt und wallt und zischt es stöhnend Wie von Geisterlippen bleich:

„Du, deß Herz von Qual zerrissen, —

Hinter Dir aus sammt'nen Kiffen Lachend ruht, die Dich betrog! Sahst sie mit dem andern kosen,

Spottend wohl des Freudelosen, Dem sie Lieb' und Treue log. „Nur ein Griff von Deinen Händen, Und es wird sich alles wenden, Was so elend Dich gemacht!

Gieb uns frei!

Mit wildem Jagen

Wollen wir, entfesselt, tragen Euch in eine TodeSnacht. „Zög're nicht, den Kampf zu kürzen!

Freiheit uns!

Entgleisend stürzen

Soll der Zug ins düstre Thal!

An de- Abgrunds Felsenklippen

Küßt der Tod die roten Lippen, Löscht auch Deines HerzenS Qual!"

17 „Recht wohl habt Ihr, wilde Geister Der Natur!

Dem Herrn und Meister

Dienet heut zum letztenmal!" Zuckend will die Hand er heben, Plötzlich, läßt ihn jäh erbeben

Eine- Lichtleins milder Strahl. Niedre Fensterscheiben winken

Durch die Nacht mit stillem Blinken, Und ein rascher Blick erspäht:

Klein und schlicht ein freundlich Zimmer,

D'rin bei stillem Lampenschimmer Eine Greisin im Gebet. Blitzschnell ist das Bild entflogen,

Doch der Rache wilde Wogen

Legten sich vor seiner Macht. Die Dämonen sind geflohen, Hehr vom Himmelszelt, dem hohen,

Grüßt ein Stern in lichter Pracht. Und der Führer preist den Segen,

Unter dem er allerwegen Auch in dunklen Stunden steht. —

Mag die Hölle ihn umschlingen: ' Engelgleich, mit weißen Schwingen Schirmt ihn Mütterleins Gebet. Linden, AuS der Stille.

2



18



Brausend über Thal und Hügel

Auf deS DampseS mächt'gem Flügel Eilt der Bahnzug durch die Nacht.

Sicher fliegt er über Brücken — Auf des Eisenrosses Rücken Hält ein Braver treue Wacht.

¥

19

Vie lehtr Schicht. Das Häuschen an des Dorfes Ende Lag dicht am braunen Bergeshang, Der Epheu um die weißen Wände

Sein grün Gewinde freundlich schlang.

Alljährlich Staar und Schwalbe hatten Ihr Heim am Dache friedlich traut,

Und in des Birnbaums Blätterschatten Hatt' seins der munt're Fink' gebaut.

Wenn schmetternd seine hellen Lieder Begrüßten froh das gold'ne Licht,

Fuhr unser Bater rüstig nieder Im finstern Schacht zur Tagesschicht. —

Frühmorgens war's; aus Waldestiefen Stieg's blau empor wie Opferdust.

Ihr hehr Glückauf! die Glocken riefen

Dem Bater zu aus hoher Luft.

Zum Abschied auf die runden Wangen Küßt' er das Mägdlein, rosigzart, Deß krauses Köpfchen schlafbesangen

Sich schmiegt' an seinen blonden Bart.

2*

20 Die Mutier hat mit inn'gem Gruße

Ihm lang noch betend nachgesehn. Und ich, der Bub', wollt bis zum Fuße Der Halden mit dem Baler gehn.

Die Grubenlampe durft' ich tragen,

So schritt ich zukunstsfroh dahin:

„Sollst, Vater, nimmermehr Dich Plagen, Wenn ich erst groß geworden bin!

Dann magst nach Mühen und Beschwerde Du wie ein Herr im Sessel ruhn, Und ich, ich will in finstrer Erde

Für Dich die Grubenarbeit thun! Dann fahr' am Abend und am Morgen

Zur Schicht ich selber fröhlich an, Für Dich und Mutter will ich sorgen,

Sollst sehen was ich schaffen kann! Will mächtig dann das Fäustel schwingen

Bor Ort beim stillen Lampenschcin, Und funkensprühend soll erklingen

Mein Eisen tief im Erzgestein!" Der Vater mit der rauhen Rechten

Mr über (Stirn und Wange strich:

„Bist ja von BergmannSart, der echten,

Glückauf, mein Jung'!

Gott schütze Dich!

21 Und hörst?

Am Sonntagnachmittage

Geh'n wir zum Pathen auch zu Zweien,

Dann wandern wir in Haid' und Hage Durch Flur und Feld im Sonnenschein!" -

Der Abend nahte, Ruh zu spenden, Die Sonne sank so blutigrot,

Die Mutter mit geschäft'gcn Händen Bereitete das Abendbrod. Klein Schwestcrlein spielt' aus der Schwelle

Mit buntem Heideblütenstrauß. Der treue Spitz war auch zur Stelle,

Späht' harrend nach dem Herren aus. Des Vaters Stuhl an Tischesmitte

Schob ich und holte Rock und Schuh: Da kam mit zögemd schwerem Schritte Ein Mann auf unser Häuslein zu.

Ich hört' ihn zu der Mutter sprechen, Im Schmerze schrie sie gellend auf,

Ich sah sie jäh zufammenbrechen

Und eilte fort in hast'gem Lauf. Das Herz erstarrt in bangem Schauer Drang ich hindurch zum Schachtesrand;

„Fort, Knabe!" rief ein alter Hauer

Und wehrte angstvoll meiner Hand.

22

Doch ich, wild trotzend dem Verbote, Riß von der Bahre weg das Tuch:

Mein Vater war der bleiche Tote,

Den das Gestein im Schacht erschlug! —

Ernst mahnten d'rauf des Alten Worte: „'s ist Bergmannsloos!

Sohn, murre nicht!

Dein Vater hat getreu vor Orte Vollbracht die dunkle Erdenschicht. Nun fuhr er sterbend aus zum Tage,

Dem ew'gen, hoch im Lichtgezelt, Daß dort den Ehrenkranz er trage

Der Arbeit totgetreuer Held!"

¥

23

Der Bergsturz. „Vorüber die Woche voll Mühen und Sorgen,

Nun grüßt uns der Sonntag mit freundlichem Schein! Zu neuer Arbeit erwachen wir morgen,

Heut laßt uns genießen und fröhlich sein!"

Hoch ütier'm Bergdorf im Morgenwind

Dumpshallend des Kirchleins Glocken klangen: „Mitten wir im Leben sind

Bon dem Tod umfangen!"

Im engen Thale, aus grünenden Matten, Wo Falter gaukeln im luftigen Tanz, Dort spielet: die Kinder im Erlenschatten Und flechtet: Blumen zum duftiget: Kranz. Sie schmücken die Locket: mit buntem Gewind,

Wie glänzet: die Augen, tvie glühet: die Wangen! „Mitten wir im Leben sind

Von dem Tod umfangen!"

24 Beim blonden Liebchen in dämmernder Laube

Sitzt fröhlich der Jäger am blühenden Rain:

„Und hörst Du den Lockruf der wilden Taube,

Und siehst Du das Häuschen am Buchenhain, Das schirmend der kletternde Gpt>cu umspinnt?

D'rin führ' ich Dich heim, eh' der Sommer vergangen!" „Mitten wir im Leben sind

Von dem Tod umfangen!"

Und plaudernd im schatttgen Wirtshausgarten

Die Alter: fitzen im Sonntagsstaat; Sie stopfen die Pfeifen, sie mischen die Karten

Und halten gar mancherlei heimlichen Rat. „Auf, Kellnerin, fülle die Krüge geschwind Und stille der durstigen Kehlen Verlangen!"

„Mitten wir im Leben sind

Von dem Tod umfangen!"

Beim Nachbar drüben zum fröhlichen Feste

Ist blank und geschmückt das ganze Haus,

Es kamen von nah und ferne die Gäste

Herbei zum lustigen Kindtausschmaus. „Es lebe der Täufling, das rosige Kind,

Der Jahre so viel, wie Becher ihm klangen'" „Mitten wir im Leben sind

Von dem Tod umfangen!"

Es flagt am Fenster, von Reben umsponnen,

Ein schlankes Mädchen, zur Ferne gewandt: „Wie ist all mein Glück, das süße, zerronnen,

Seit treulos Du fortzogst ins fremde Land! Nun wein' ich um Dich die Augen mir blind,

Mir graut vor dem Leben, dem öden, dem langen. „Mitten wir im Leben sind Bon dem Tod umfangen!"

Durch die Lüfte braust em Krachen, Donnernd sinkt die Felsenwand,

Jäh verstummt das frohe Lachen, Starrer Schrecken lähmt die Hand:

Niederstürzt der Berg mit Macht,

Hüllend rings in Todesnacht Jüngling, Jungfrau, Greis und Kind,

Waldesgrün und Blumenprangen. Schaurig durch den Abendwind Über'm Thal die Glocken sangen:

„Mitten wir im Leben sind

Bon dem Tod umfangen!"

26

Heimkehr.

Ein Bursch zog über die braune Haid', Der war gar lange gewandert und weit, Gefahren fern über Meer und Land — Zur Heimat nun hat er den Schritt gewandt: „Wie arm einst ergriff ich den Wanderstab, Der dürftigen Witwe einziger Knab. Nun hab' ich erworben viel Schätze wert, Will fröhlich nun rasten am eigenen Herd.

Wie heiß ich in fremder Sonne Glut Geschafft und gerungen mn Geld und Gut, Hat nun doch im wilden Weltgebraus Nach Dir mich verlangt, o Vaterhaus!

Es hat mich gegrüßt in Nächten mild Des frommen Mütterleins liebes Bild, Im Traum wie hab' ich so oft Dich geschaut, Blauäugiges Schätzchen, Du herzige Braut.

Ihr eilenden Schwalben, nun fliegt mir voraus! Am Dorsesende, im kleinsten Haus Da grüßt mir herzinnig mein Mütterlein arm, Bald soll sie nun ruhen von Sorg' und Harm!

27 Ihr Blümlein der Heimat, so lieb und blau,

Wie lacht ihr mir zu auf Feld und Au! Euch will ich pflückm der Liebsten mein, Ihr sollt meine erste Gabe sein!"

Bon der Sonne des Mittags heiß umglüht Entschlummert der Bursche, wandermüd. Am Haiderand unter'm Wachholderbaum,

Da kam ihm ein banger, ein schwerer Traum. Drei Rosen fand er im grünen Hag,

Sein Mütterlein drunter begraben lag, Und neben ihn hin durch den Haselstrauch Ging klagend und seufzend der Windeshauch.

Ein weißes Vöglein ihm ttauernd sang: „O wärest Du nimmer geblieben so lang!

Wohl weckte der Lenz die Blumen aufs neu',

Doch nimmer erstorbene Lieb' und Treu'!" Der Bursche sprang aus, jein Herz war schwer, Und weiter und weiter wandert er,

Bis endlich zu seinen Füßen im Thal

Ein Dörslein blinkte im Abendstrahl.

Heim kehrten die Herden aus Feld und Au, Rauchwölkchen stiegen zum Himmelsblau.

Nun schritt durch die engen Straßen er schon,

Emst grüßt ihn der Abendglocke Ton.

28 Und als er kam zu des Dorfes Mitt',

Da hielt er ein den hastigen Schritt;

Es sahen die spielenden Kinder ihn an,

Ausweichend dem fremden bärtigen Mann. „Sagt, wo ist die Linde so hoch und breit,

Darunter wir spielten zur Kinderzeit?" „Ein Wetter ihr Kron' und Äste brach, Sie wurde gefällt seit Jahr und Tag!" Der Bursche schritt weiter mit rüstigem Gang,

Zur Schmiede hin zog ihn der Hämmer Klang. Hoch sprühten die glühenden Funken empor, Dort stand der Meister wohl unterem Thor.

„Gott grüß' Euch, mein lieber Meister Schmied!

Erkennt Ihr noch den, der vor Jahren schied? Was macht Euer rosiges Töchterlein? Und wird sie noch lieb und hold mir sein?" Wohl gab ihm der Meister die schwielige Hand,

Doch sprach er, das Antlitz zur Seite gewandt: „Bist ausgeblieben zu lange Zeit,

Nun hat sie ein wackerer Mann gefreit!" Tief seufzte der Bursche, doch sprach er kein Wort, Und weiter ging er und weiter fort.

„Weich ruht sich's am Mutterherzen warm,

Süß tröstet die Mutter des Kindes Harm."

29

Und als er gekommen zum Gartenhag, Daran seiner Mutter Häuslein lag, Ein fremdes an seiner Stätte stand! „Deiner Mutter Haus ist abgebrannt!"

Da fragt er noch einmal voll banger Pein: „C, sagt mir, wo ist mein Mütterlein?" „Jüngst schloß sie die müden Augen zu, Du magst ihr gönnen die ewige Ruh!" Am Hügel kniet er im Dämmerlicht, Er preßt in die Hände das bleiche Gesicht. „Nun hab' ich nicht Heimat, nicht Liebe mehr, Nun ist mir die Welt und das Herz so leer!" „O Mütterlein, als ich Dir Abschied bot, Wie reich da war ich bei Mangel und Not! 9hm heimgekehrt, daß Gott erbarm! Wie bin ich trotz Gold und Schätzen arm!"

Und wieder hinaus in die Welt er zog, Hoch jiber ihm krächzend ein Rabe flog; Tie Haide war öde, der Weg so kahl, Grau lag der Nebel aus Berg und Thal. *

30

Die Vergfrau. (Sag e.) „Glück auf, Glück auf, mein Liebchen traut!

Und bist Du schon erwacht?

Ade nun, Du herzliebste Braut, Ich fahr' zum tiefen Schacht!"

„Fährst Du hinab zum tiefen Schacht,

O so vergiß nicht mein! Nimm vor der Bergfrau wohl in acht

Mein güldnes Ringelein!"

Und als der Knappe steht vor Ort Im tiefen Schacht allein, Was flimmert in der Strecke dort, Jst's wohl der Lampe Schein?

31 Das Eisen in des Knappen Hand Tief ins Gestein wohl dringt. Da horch!

Aus dunkler Felsenwand

Ein lockend Lied erklingt:

„O Knappe schmuck, o Knappe hold, Gieb Du Dein Ringlein mir!

Viel Silber und viel rotes Gold

Das will ich schenken Dir!"

„Das Ringlein geb' ich nimmermehr,

Frau Fey, laß von mir ab! Das Ringlein lieb' ich viel zu sehr, Weil mir's die Liebste gab!"

„Liebst Du Dein Schätzchen gar so sehr, So mag es also sein: Du giebst Dein Ringlein mir nur her

Für diesen Demantstein!

So hell ihn noch kein König trug In seiner güldnen Kron'! Bist dann auf einmal reich genug,

Kannst Hochzeit halten schon!"

32

„Biel Ringlein Hal der Goldschmied noch — Gieb mir den Demantstein! Viel lieber als ein Ringlein doch Soll mir die Hochzeit sein!" „C Knappe, schöner Knappe Du, Gieb mir das Ringlein an! Hier, meine Hand! £, sieh nur zu, Wie helle funkelt's dran!"

„Frau Fey, wie ist Dein Händchen fein, Wie blitzt Dein Aug' so klar! Wie leuchtet hell von Glanzgestein Dein nachtschwarz Lockenhaar! Dein Arur so weich und weiß wie Schnee! Wie ist Dein Mund so rot! O bleib bei mir, Du schönste Fee, Sonst sehn' ich mich zu Tod'!" „Was weinst Du, Kind, bei Tag und Nacht, Was trauerst Du so sehr?" — „Mein Liebster fuhr zum tiefen Schacht, Heim kehrt er nimmermehr!"

*

33

Dir Seidenweberin. „In Nachbars Garten, im blühenden Baum

Laut jubelnd die Böglein singen. Der Webstuhl klappert, ich hör' eS kaum,

Wie hell in des Stübchens düsteren Raum Der Nachtigall Weisen erklingen.

„Ob leuchtend durchs Fenster das Abendrot, Ob duftig mich grüßt der Morgen:

Die Mutter ist krank und der Baler ist tot,

Die kleinen Geschwister sie weinen nach Brot, Da gilt eS zu schaffen und sorgen! — „ES eilt der Faden wohl her und hin

Sich schmiegend nach unten und oben,

So ziehen und eilen durch meinen Sinn Biel Bilder und Träume, rotleuchtend drin

Hat Sehnsucht die Fäden gewoben.

Linden, Au- der Stille.

34 „Flink auswärts und abwärts von Rand zu Rand

Das Schisflein die Kette durchgleitet.

Bis Faden auf Faden sich schimmernd spannt, Die Seide dann unter der emsigen Hand

Als prangend Gewebe sich breitet. „In rauschender Pracht, in leuchtendem Schein Einst wogt sie beim Festesschimmer.

Wie Sorgen und Sehnen ich wob hinein, Wie dunkel das Stübchen, wie arm und klein: Die Glänzende kündet's Euch nimmer! —

Da bringt der Bote ein Brieflein ihr: „Und trag' ich nun Wehr und Waffen,

Mein Schatz, Dein denk ich in Treuen all hier Und kehr ich einst heim, dann helf' ich Dir,

Für Dich will ich sorgen und schaffen!" — Es eilt der Faden wohl her und hin,

Sich schmiegend nach unten und oben. Wie glänzen die Augen der Weberin, Wie schimmert die Seide!

Rotleuchtend darin

Hat Hoffnung die Fäden gewoben! —

¥

35

Das Gewissen. Die Becher klingen beim frohen Mahl, Das Fest durchrauscht die Hallen.

Herr Bodo stehl im hohen Saal,

Umflammr von hellem Kerzenstrahl,

Und stolz und schön vor Allen. Des Grasen Tochter im weißen Kleid,

Rot-Röslein im goldigen Haare, Sie reicht ihm die zarten Hände 6eib', Sie schaut ihn an in Wonne und Leid, Feucht wird ihr Aug', das klare.

„O, daß Du mußt durch finstre Nacht Zur Bergessestc reiten! Mir bangt um Dich vor dunkler Macht,

Ach, dürst ich, fern der Festespracht, Treuliebend Dich geleiten!"

„Mein süßes Lieb, so fromm und rein,

Dein denk' ich zu allen Stunden.

Und muß es heut geschieden sein,

Bald sind wir ewig zu trautem Verein Durch Priesterhand verbunden!"

3’

36 Herr Bodo schwingt sich auf sein Roß Und sprengt hinaus ins Dunkel;

Der Klang verhallt, und fern im Schloß

Verstummt der Gäste, der Diener Troß, Verglüht das Lichtgesunkel.

Hin führt der Pfad am Bergesrand

In jähem Steigen und Sinken,

Fern dunkelt das braune Haideland, Zur Rechten starrt die Felsenwand, Tief gähnt das Moor zur Linken. „O nein, das ist die Else nicht

Mit ihren schwarzen Flechten;

Das sind im Wasser die Weiden dicht, Die kahl und düster im Mondenlicht

Dort ragen in Herbstesnächten! „Das ist die Else nimmermehr

Mit ihren Armen, den weichen, Nur Nebelgebilde lustig und leer, Die aus den felsigen Klüften umher

Um die Bergesgipfel streichen. „Das ist die Else nimmermehr Mit ihrem roten Munde!

Das sind die Dünste, die dumpf und schwer

Im Bruche drunten am morschen Wehr

Entstiegen dem feuchten Grunde.

37

„Das ist des Gärtners Else nicht Mit Augen voll dunkler Flammen! O Wölbe Dich weg, Du bleiches Gesicht! Wenn Einer am Wege die Blume bricht, Wer will ihn bnim verdammen!

„DaS ist die tolle Else nicht, Die irrend im Moor versunken; Und was dort schimmernd in fahlem Licht Bald weithin schweifend, bald nah und dicht, Sind huschende Jrrlichtfunken!" — Er sieht's mit weißer, winkender Hand Herauf aus den Gründen greifen; Er sieht's am schmalen Wegesrand In langhinwallendem Nebelgewand, Mit leuchtenden Augen streifen. Er bebt; da bäumt sich das Roß empor, Ein jäher Sprung zur Linken! Ein Fall! Ein Rauschen im schwankenden Rohr, Ein stöhnend Ringen, und tief im Moor Reiter und Roß versinken. — ¥

38

Siguruna. Siguruna kniet in Thränen an des Totenhügels Fuße, Des Geliebten denkt sie klagend mit der Sehnsucht heißem Gruße: Ach! Mit Deines Auges Strahle schwand mir hin der Sonne Licht, ßbe Nacht ist all mein fieben, schau' ich nicht Dein Angesicht!

„Halagar! O mein Gebieter, hoch und herrlich Du vor Allen, Die Walkürenarm getragen auf zu Odins Götter­ hallen, Meine Seele sie beschwört Dich: Kehr zurück, o Halagar, Aus dem Roß, dem gvldgezäumten, stell Dich streit­ gerüstet dar! „Daß mit Dir empor ich reite auf zum hohen Königs saale, Daß ich sitze Dir zur Seite bei dem frohen Hochzeit­ mahle;

39 Laß

mich

lösen Dir

die Brünne,

die so rot von Heldenblut,

Laß mich reichen Dir den Becher, voll des Weines

Feuerflut."

Leuchtend zucken ferne Blitze durch des Sommerabends

Schwüle; Siguruna

schlummert

träumend

aus

des

Lagers

Purpurpfühle,

Und sie sieht durch Wolkendunkel hoch aus fahlem Geisterroß Halagar, den Helden, reiten aufwärts zu dem Königs­

schloß.

„Sei gegrL'lßt, o mein Geliebter!

Ach, mir war um Dich so bange!

Träumte schon, Du seist gestorben!

Sag, wo weiltest

Du so lange? O, wie kalt sind Deine Hände, Deine Wangen, Halagar! O, wie haben Nachttautropfen Dir beseuchtet Bart

und Haar!" —

„Nicht der Nachttan, Deine Thränen sind es, die auf mich gefallen,

Deine heißen Klagen riefen mich zurück aus Odins

Hallen;

40 An der Flamme Deiner Liebe trockne nun der Thränen Flut,

Meine kalte Brust erwärme neu an Deines Herzens

Glut!" Durch der hohen Säulen Bogen strahlt des Morgens

rosig Prangen,

Und der Sonne

erste Strahlen

küssen Sigurunas Wangen;

Doch sie werden nie sie wecken, die entschummert bleich und kalt,

Und erneute Totenklage durch die Burg deS König-

hallt. —

*

41

Rönigin Ilde. Wer fährt durch des Nordmeers brausende Flut

An des schimmernden Drachschisfs Borden? Herr Reginher ist es, hochgemut Und reich an Sieg und erbeutetem Gut.

Stolz zieht sein Geschwader gen Norden.

Und am Maste die Jungfrau blond und hehr,

Mit den lilienweißen Wangen,

Ist Königin Ilde!

Im nordischen Meer

Um die Herrschaft stritt sie mit Reginher.

Nun führt er die Stolze gefangen.

Aus die leuchtende Brünne, das Purpurgewand Wallt hernieder ihr Goldhaar im Sturme.

Wie verlangend noch winkt sie mit weißer Hand Nach der fernen Heimat versinkendem Sttand, Nach der Felsburg schwindendem Turme.

Nun steht sie, versunken in Zorn und Schmerz,

Umleuchtet von Abendgluten.

Umschlänge den Leib nicht der Fesseln Erz, Wie so freudig wohl strebte sie heimatwärts

Durch die schmeichelnden schäumenden Fluten!

42 O Du stolzer Wiking, und kümmert's Dich nicht, Daß daS herrliche Weib Dir eigen?

Wie wendest so kalt Du Dein Angesicht, Wo berauschend die Schönheit zum Herzen spricht, Wie jo trotzig nur magst Du schweigen!

Hoch steht er, gestützt auf des Schwertes Knauf,

Am Kiel, umtost von den Wellen; Da kommt es wie Wolken von Westen herauf, Da sieht er'8 nahend im eiligen Lauf,

Wie leuchtende Segel es schwellen. Das ist Herr Harald von Angelland,

Der um Ilde, die Königin, freite: Er tommt, sie zu retten aus Reginhers Hand;

Seekönig, nun halte dem Rächer Du Stand, Nun rüste Dich, Wiking, zum Streite!

Und als dann die Nacht übers weite Meer Gebreitet die düsteren Schwingen, Da bricht es hervor, da flammt es umher, Da schwirren die Pfeile, da blitzt der Speer,

Und Schwert und Streitaxt erklingen. Wohl färben vom Blute der Helden sich rot

Die brausenden Wasser der Runde: Fest steht ohne Wanken in Kampf und Not

43 Die Wikinger Schar, wie mancher auch tot

Hinabsinkt zum Meeresgrunde. Hell funkelt in Reginhers Händen das Schwert,

Aufflammend in leuchtendem Bogen.

Doch sein Heer geschlagen, die Schiffe verheert; Sein Drachschiff einzig noch unversehrt

Trägt fort ihn aus schäumenden Wogen.

Da winkt er die letzten der Tapfern herbei, Und sie laffen das Boot hernieder:

„Mein Loos ein heldenhaft Sterben sei! In dem sicheren Boote doch kehre Du frei Zu den Deinen, o Königin, wieder!"

In das Drachschiff dann wirst er den lodernden Brand.— Hochatmend, die Freiheit zu grüßen,

Hebt Königin Ilde die weiße Hand, Dann eilt von des rettenden Bootes Rand

Sie zurück zu des Helden Füßen.

„Die einst sich mir neigten in schmachtender Pein, Die mochten umsonst um mich werben. Du aber, Du schlugst nicht in Fesieln allein

Den Leib mir, Du banntest die Seele mein,

Dein bin ich im Leben und Sterben. „Aus des Zornesfluten, des Hasses Nacht

Erhebt sich's mit leuchtenden Schwingen,

44

Da blüht es herauf in flammender Pracht, Da will eS mit süßer, seliger Macht Zu Deinen Füßen mich zwingen!" Und jauchzend neigt sich hernieder der Held, AnS Herz die Tapfre zu heben. „So weit sich breitet daS himmlische Zelt, Ich bin ja der seligste Mann auf der Welt, Dem das herrlichste Weib sich ergeben!"

Nun steh'n sie umleuchtet von lodernder Glut, Die königlich stolzen Gestalten! An des Helden Herzen Schön-Ilde ruht Und lächelt in freudigem Todesmut, Bon seinen Armen gehalten. Bleich sieht es Herr Harald von Angelland; Schon sinnt er, die Rettung zu wagen, Da zuckt ein Blitz aus der Wolkenwand, Und über des Königsschiffs ragenden Rand Dumpfbrausend die Fluten schlagen. — Im strahlenden Glanze der Morgen erschien, Im Meere die Schwingen zu baden — Vor der sieghaften Sonne die Wolken flieh'n, Zwei weiße Schwäne gen Walhall zieh'n Auf Frührots leuchtenden Pfaden. ¥

45

MaLhildis. Zur Klosterthür in Herford, die Rebengrün umlaubt,

Ein fremder Wandrer pilgert, das Antlitz wegbestaubt; Er schreitet zur Kapelle den Säulengang entlang,

Wo Orgelion ihn ladet und frommer Chorgesang.

Und dort im Kreis der Nonnen er eine Jungfrau sieht, Die betend am Altare in frommer Andacht kniet.

Noch hüllt nicht Band noch Schleier ihr Antlitz lieb­ lich hold,

Licht auf des Gürtels Spange fällt ihrer Flechten Gold.

Durchs hohe Bogenfenster dringt buntes Sonnenlicht, Bestrahlt mit warmem Schimmer der Jungfrau An-

gesicht.

In reinem Glanze leuchtet ihr Auge klar und blau, Wie in dem Blumenkelche erglänzt der Morgentau.

„Sagt an, wer ist die Jungfrau im lichten Linnen­ kleid ?

Weit komm ich her, doch nimmer sah ich solch holde

Maid!" „Sie, die mit hoher Schönheit vereint so frommen

Sinn, C Pilger, ist Mathildis, des Klosters Schülerin." —

46 Gebet und Lied verhallte; am Thore wartend steht Der Pilger, als Mathildis an ihm vorübergeht.

Und eine Gabe heischend, schaut er sie bittend an;

Voll Milde grüßt sie fteundlich den fremden Wanders­ mann. Im Täschchen eifrig sucht sie vergeblich dann und spricht: „Geld für die Wegezehrung, o Pilger, finb' ich nicht."

Dann löst sie rasch die Spange von ihrem weißen Arm: „Nimm hin!

Sie mag Dich schützen vor mancher

Sorge Harm!" Der Pilger nimmt das Kleinod, aus seinem Auge bricht

Ein Strahl, darob errötet der Jungfrau Angesicht. „Gesegnet sei, Mathildis, Du Jungfrau fromm und

hold; Und mag Dich nie gereuen der Spange rotes Gold!" — Wer sprengt so stolz und mächtig aus reichgeschirrtem

Roß Zur Klosterthür von Herford, gefolgt vom Dienertroß? Hoch weht vorauf das Banner, das weiße Roß im Feld: Das ist der Kaiser Heinrich, der edle Sachsenheld.

Schnell springt er ab vom Rappen dicht an der Treppe

Fuß, Tief neigt sich die Äbtissin mit ehrfurchtsvollem Gruß.

Er schreitet durch die Halle, er steht im hohen Saal: „Ich komme, hier zu werben mein kaiserlich Gemahl!

47

„So rufet mir Mathildis, des Klosters Schülerin, Sie ist c8, der in Minne treu zugethan ich bin!" Errötend vor dem Kaiser im Saal MathildiS stehl, Den Pilgersmann erkennt sie, der Gabe jüngst erfleht.

„Zu lösen ein Gelübde, als Pilger, unerkannt Betrat ich dieses Kloster im dürftigen Gewand. Da sah ich Dich, Mathildis, im Kirchlein betend knien; Wie du, so wunderlieblich noch Keine mir erschien.

Wohl schlug Dein schönes Antlitz mein Herz in süßen Bann, Doch, Deinen Sinn zu prüfen, erheischt' ich Gaben dann. Du reichtest mir die Spange in Milde lieb und hold. Willst nun dafür Du tragen der Kaiserkrone Gold?"

Wohl noch wie traumbefangen die Jungfrau bebend schweigt, Doch leuchten ihre Blicke, erglühend sic sich neigt. Der Herold kündet's draußen, die Hörner schmettern laut, Und alle freudig grüßen die junge Kaiserbraut. ¥

48

Das Mädchen von Hemmingstedt. Wo die Nordsee mit wogenden Armen umschlingt Die grünen Marschen, die deichumringt Die blühende Küste umsäumen. Wo über die Dünen der Weststurm braust, HersÜhrend vom Meere mit mächtiger Faust Der Fluten brandendes Schäumen: Da wohnt ein freiheittrotzig Geschlecht, Gestählt in Sturm und Gefahren, Um todesmutig sein altes Recht Mit Gut und Leben zu wahren.

Wohl lüstets den König von Dänenland, Zu legen die eiserne Herrscherhand Auf Dithmarschens blühende Auen. Sie sollten ihm tragen Gut und Gold, Er wollt' in Schatzung, in Dienst und Sold Geknechtet die Freien schauen. „Und mögt Ihr" — so sprach er in zornigem Groll — „Die trotzigen Nacken nicht neigen: Bei Gott, der dänische Löwe soll Die eisernen Krallen Euch zeigen!" „Holla, Herr Johann von Dänemark, Die Bauern der Marschen, kühn und stark,

49 Ins dänische Joch zu zwingen,

Das soll, so lange noch Sturm und Meer

Umbranden die Dämme, die Dünen umher, Dir nun und nimmer gelingen!

Wir setzen dagegen so Gut wie Blut,

Und eher wollen wir sterben, Als daß der dänische Übermut Das schöne Land soll verderben!"

Und über die Geest jpeiT Johann zog, Stolz wehte der leuchtende Danebrog

Auf Holsteins düsterer Haide. Gefolgt von der Knappen und Söldner Troß,

Den Herren und Rittern, hoch zu Roß,

Im glänzenden Waffengeschmeide,

So ritt er gewaltig zum Nordseestrand,

Die Kühnheit der Freien zu rächen, Für ewige Zeiten mit mächttger Hand Dm Trotz der Bauern zu brechen.

Und über die Marschen der Heerruf scholl

Bon Warft zu Warst er brausend schwoll, Von den Türmen die Glocken klangen.

Sechstausend, der Marschen Aufgebot, Sie zogen hinaus zu Kampf und Tod

Hell glänzten die Speere, die fangen! Linden, Aus der Stille.

4

50 Wolf Jsebrand führte das Bauernheer, Der Alte, bedächtigen Mutes.

An der Spitze zog Reinmar, der Starke, einher Voll feurigen Jugendblutes.

Der Tag versinkt und die Dämmerung graut, Auf Marschen und Deichen der Nebel braut, Gespenstische Schatten wallen.

Am einsamen Warschaus am Rande der Haid^ Steht Signe, die hohe, die herrliche Maid,

Im Lande die schönste von Allen.

Und über den Deich auf dunkelndem Pfad

Durch nebelumwogtes Gelände Auf schäumendem Rosse ein Reiter naht,

Jetzt reicht er Schön-Signe die Hände.

„Gott grüß Dich, des Marschlands Blume Du! Nun hat mein Sehnen und Sinnen Ruh,

Da ich Dich wiedergefunden! Seit einst in den Tagen voll Sommerpracht

Wir uns sahen und liebten, hat Dein gedacht Mein Herz zu allen Stunden.

Aus des Königs Gezelt heut trieb mich hinaus Zu Dir mein sehnend Verlangen, Eh' morgen die Hörner mich rufen zum Strauß,

Noch einmal mein Lieb zu umfangen!"

51 Da schaut sie in Wonne und Veh chn an:

„Wohl bist Du ein stolzer Rittersmann Und ich aus geringem Geschlechte!

Doch ehe der Priester dem Manne mich eint,

Der der Dänen Freund und der Unsern Feind, Gehör' ich dem niedrigsten Knechte! —

Siehst dort Du, im Osten, wie Feuersglut Den nächtlichen Himmel rötet?

Dort floß der Brüder und Schwestern Blut,

Die das Schwert der Deinen getötet!* — Der Morgen dämmert, der Weststurm braust,

Fest stehen die Bauern, vom Wetter umsaust, Bei Hemmingstedt auf der Schanze.

„Nicht Trutzen und Listen Dir länger frommt, Nun hüte Dich, Bauer, die Garde kommt, Sie holt Dich zum Waffentanze!"

Ausbrechen die Mannen der Marschen zur Schlacht,

Zu sterben oder zu siegen, Doch der Feinde gewaltiger Übermacht Muß das Häuflein der Helden erliegen.

Da noch einmal erschließt sich der Schanze Thor, Dreihundert Männer stürmen hervor,

Die rollenden Würfel zu wenden. Wer führt die Helden zum Todesstreit?

Schön Signe, die hohe, die herrliche Maid,

Das Kreuz des Erlösers im Händen! 4e

52 Und im Sturmestobcn von Westen daher Zum Schutz seiner Söhne, der freien, Durch die offenen Schleusen ergießt stch das Meer

In der Feinde gelichtete Reihen. — Errungen! Errungen der blutige Sieg, Beendet mit ihm der heilige Krieg,

Das Heer der Feinde vernichtet!

In der Kirche zu Oldenwörder hoch Aufragt , der erbeutete Danebrog Zum Siegeszeichen errichtet.

„Wo ist Schön-Signe, die kühn uns geführt? Sie brachte die Feinde zum Wanken. Aus! laßt uns ihr Alle, so wie sich's gebührt, In jubelnder Huldigung danken!"

Wo ist Schön-Signe, die Heldenmaid? Wohl sah ich schimmern ihr weißes Kleid

An der schäumenden Wasser Rande. Dort liegt, von den schmeichelnden Wellen umwallt, Mit klaffender Stirne, still und kalt

Ein Ritter im Waffengewande.

Schön-Signe sich über den Toten neigt Und küßt ihn mit heißem Munde.

Die Fluten brausen, die Woge steigt,

Sie bettend im tiefen Grunde.

¥

53

Ein Lröpstrin Lieb'. Im öden Haus ein finstres Kämmerlein, Drin sitzt die alte Näherin allein. Hell sind die Fenster dort im Nachbarhaus, Der Kerzen Licht glänzt in die Nacht hinaus, Und Kinderjubel übertönt den Wind. — Ach ja — auch sie war einst ein fröhlich Kind, Auch sie hat einst vor langer, langer Frist Sich hoch gefreut zum lieben heiligen Christ. Dann wuchs sie aus, bald stand sie ganz allein; Bom frühen Morgen bis zum Abendschein Hat redlich sie erkämpft ihr Stücklein Brod, Doch keine Hand ihr Schutz und Hilfe bot. Nie nahte ihr die Liebe lind und weich, Öd' ward ihr Herz und ihre Wange bleich. — Nun ist sie alt und schwach imb sterbensmalt, Am Wege sank sie hin, ein welkes Blatt! Wer fragt nach ihr! Ach, wär's vorüber bald! — Da aus dem Flur ein frohes Flüstern hallt, Leis' pocht es an: zwei Kinder treten ein; Wie wird so hell voll Licht das Kämmerlein!



54



Ein brennend Bäumchen trägt der Kleinen Hand: „Die Mutter hat zu Dir uns hergesandt; Wir sollen grüßen Dich vom lieben Christ, Der für uns alle heut gekommen ist!" Da dringt's ins Auge ihr so feucht und warm, Fest um die Kindlein schlingt sie ihren Arm. Was tffa, das sie auf einmal glücklich macht? Auch ihrer hat die Liebe heut gedacht! Wie innigwohl doch thut ein Tröpstein Lieb' Dem einsam Dürstenden! C gieb, o gieb!

¥

55

Schuhrnglein. Es stehl am Weg ein gewaltiges Haus,

Bielsenstrig ragt's über die andern hinaus.

Dort steigt aus den hohen, finstern Kaminen

Der Rauch in die Lüste wirbelnd hinauf.

Dort brausen und stöhnen die Dampfmaschinen, Und Räder fich schwingen in kreisendem Laus. Es raffelt der Webstuhl, die Spindel sich dreht,

Auf seinem Posten ein Jeder steht.

Biel Hände sich flink und rastloS regen Im stillen Verein mit ftöhlichem Fleiß,

Zu schaffen der Arbeit goldenen Segen, Zu ernten der Mühe lohnenden Preis.

Nur Einer steht grollend und finster am Thor, Die Fäuste geballt; aus den Zähnen hervor

Dringt knirschend ein Fluch.

Man hieß ihn gehen,

Er mochte nicht beugen den trotzigen Sinn.

Nun muß er der Not ins Auge sehen.

Wo findet er Arbeit vor LenzcSbeginn? —

56 Im niederen Häuschen am Walde dicht

Ein blondes Mägdlein zur Mutter spricht:

„Ach, weine Du nicht!

Die weißen Glöckchen

Ich will sie suchen am Waldeshang, Eh' wieder der Schnee mit den dichten Flöckchen

Sie zugedeckt hält noch Wochen lang. „Ich nehm' sie mit zur Stadt hinaus

Und bringe Dir Geld für Brot nach Haus!"

Das Tüchlein dann um die Schultern gewunden.

Eilt's eifrig hinaus in den schweigenden Wald, Wo's gestern die ersten Blümchen gestmden. —

Wie streicht der Nordwind so eisig kalt!

Wie blühen die Glöckchen so tief versteckt,

Fast hat schon der Schnee sie alle bedeckt; Wie frieren die kleinen, zitternden Hände!

Weh thun die Füße, verweht ist die Spur. Am Kreuze dort an des Weges Wende

Will's ruhen und rasten ein wenig nur. Die Flocken fallen so dicht, so dicht!

Es zieht das Tüchlein tief ins Gesicht, Will schlasen und träumen. — Welch süßes Klingen,

Welch Flüstern und Rauschen und heimlich Wehn! Das sind wohl der Englein leuchtende Schwingen,

Die dort unter dunklen Bäumen gehn!--------

57 Mit bleichem Gesicht und wankendem Schritt

Ein Mann aus der Schenke am Wege bort tritt:

Da hallt's vom Walde herab chm entgegen Wie Rossesschnauben und Schellenton:

Ein Schlitten naht aus beschneiten Wegen,

Drin sitzt der Fabrikherr mit seinem Sohn. Im Auge des Haffes glühenden Schein Ergreift der Andre den mächttgen Stein, Sich duckend hinter den dunklen Bäumen.

Zum tödlichen Wurf aus sicherm Versteck Erhebt er die Hände. . .

WaS läßt chn säumen?

Was läßt ihn erzittern in Staunen und Schreck?

Er sieht in des stolzen Fabrikherrn Arm

Geschmiegt in die Pelze, schimmernd und warm, Ein Köpfchen mit blonder Löckchen Fülle,

Gebettet in Decken und Tücher weich, So sorglich umfangen von schützender Hülle, Ein süßes Gesichtchen, still und bleich! —

„Wir sanden'S im Walde, verschneit und allein. Gott Dank!

Noch mag es gerettet sein."

„Mein Kind!" Die Thränen ihm feuchten die Lider — Versöhnung erfleht er reuevoll, heiß;

Bald steht am rasselnden Webstuhl er wieder, Wie eh'mals zu schaffen mit freudigem Fleiß. —

¥

58

Die Bekehrte. Von Purpurbaldachinen

Beschattet, prachtumglänzt, Mit Rosen und Rubinen

Gewand und Haar bekränzt, Zur Seite des Cäsaren Saß ich in stolzer Ruh;

Uns jubelten die Scharen

Des Römervoltes zu.

Da hallten fremde Lieder Aus der Arena Kreis,

Liktoren führten nieder Den hehren Christengreis;

Es schritt an seiner Seite Der Jünger ernste Zahl, Dem Meister zum Geleite Vereint in Todesqual.

Nun hemmten sie die Schritte, Sie standen betend da,

Und in der Frommen Mitte Ich eine Jungfrau sah:

59 Auf ihrem Angesichte

Ein seliger Friede lag, Ein Glanz vom eto'gen Lichte Aus ihrem Auge brach. Sie sah den Tiger dräuen

Am offnen Gitterthor,

Es drängten sich die Leuen Blutlechzend schon hervor. Doch sonnenglanzumwoben

Hebt sie das Angesicht Und schaut getrost nach oben Empor zum goldnen Licht.

Da riß ich aus den Haaren Den Kranz von Rosenlaub, Warf vor der Wunderbaren

Ihn huld'gend in den Staub. „O lehr' auch mich erwerben So hehre, stolze Ruh'! O lehr' mich lächelnd sterben

So siegessroh wie Du!"

Und an des Podiums Fuße, Wo lichtverklürt sie stand,

Hob sie zum Gegengruße Das Kreuz in ihrer Hand:

60 „Wenn läuternd Dich die Flamme

Von Christi Geist durchglüht,

Dann aus des Kreuzes Stamme Auch Dir das Heil erblüht!"

Verstummend im Gebrülle, Und in des Tigers Klau'n

Hinsank sie; doch die Hülle

Nur möcht' ich blutend schau'n,

Mir däucht', ich sah entschweben

Die Seele froh, befreit Empor zum ew'gen Leben

In Himmels Herrlichkeit. Da floh auch ich zur Stunde

Der Sünde Glanz und Pracht,

Ich einte mich dem Bunde Deß, der daS Heil gebracht.

Und ob mir Kertermauern

Und Schmach und Qualen drohn, Statt Rosen ohne Trauern

Trüg' ich die Dornenkron'.

¥

61

Die Opferpriesterin. Es drängt zum heil'gen Haine

DaS Volk der Sachsen hin, Am hohen Opfersteine

Harrt stumm die Priesterin.

Und in der Sachsen Mitte Der Franke Hardumot

Geht stolz mit festem Schritte Hinan zum Opsertod.

„Für Sachsenblut, geflossen Aus Verdens grünem Feld,

Sei heute Deins vergossen, Gefangner Frankenheld!

Die Götter zu versöhnen, Die zürnend sich gewandt, Seit Sachsenmannen stöhnen

Dem Gott aus Römerland!"

62 Es tönt in Zweig und Lüsten Vielstimmig Bogellied,

Ein Hauch von Rosendüsten Den wald'gen Hag durchzieht. Des Franken Blick, umfangen

Bon irdischer Frühlingspracht,

Schaut ew'gen Lenzes Prangen Hoch über Todesnacht.

Jäh will die Priesterin heben Den blanken Opferstahl,

Da senkt sie ihn mit Beben

Bor seines Auges Strahl;

Es schmilzt in süßem Bangen Ihr stolzer Mut dahin,

Ein ungekannt Verlangen Bebt ihr durch Herz und Sinn.

„Nicht heute nmg'S geschehen,

Die Götter wollen's nicht; Wie Runen seh' ich's stehen

Ob feinem Haupte licht. Vergönnet mir bis morgen

Zum heil'gen Werk die Frist, Weil cheut mir noch verborgen

Der Götter Ratschluß ist."

63

DeS Lagers Feuer glühten Dahin beim Sternenschein; Versenkt in dumpfes Brüten Wacht Hardumot allein. Im schimmernden Gewände, Bon Lockenslut umweht, Rasch lösend seine Bande Die Priest'rin vor ihm steht.

Und ihm zu folgen winkend, Eilt lautlos sie voran, Wo hell durchs Dunkel blinkend Ein Fluß durchrauscht dm Tann. „Wenn rastlos Du von dannen Ziehst seinen: Laufe nach, Bist Du bei Seinen Mannen Eh' zweimal steigt der Tag!"

Fest faßt der Held von Franken Der Jungfrau Hände dann: „O sprich, wie soll Dir danken Der freiheittrunk'ne Mann? Zieh mit mir, fei die Meine, Sonst bleibt mein Herz allhier, Ich biet' am grünen Rheine Bieltraute Heimstatt Dir!"

64 Da wendet sich voll Grauen

Die Priesterin zurück: „Nicht darf ich sehnend schauen Nach Andrer Erdenglück!

Die Hände, die gehalten

DaS heil'ge Opserschwert, Die können nimmer walten An Deines Hauses Herd.

„Den Göttern ist mein Leben,

Den zürnenden, geweiht; Dir mögen Heil sie geben Und Sieg und Herrlichkeit.

Geh Du getrost entgegen Dem lichten Morgenstrahl, Ich wirke Zaubersegen Zur Nacht beim Runenmal."

In hohen Himmelslüften

Die Lerche grüßt den Tag, Ein Hauch von Rosendüften

Durchzieht den grünen Hag.

Da drängt zum heil'gen Haine Das Volk der Sachsen hin;

Am hohen Opfersteine Harrt bleich die Priesterin.

65 „Das Opfer ist entflohen!

Fern weilt der Frankenheld — Den Göttern doch, den hohen, Ein andres ist bestellt!" —

Sie hebt das schwertesgleiche Zweischneid'ge Opfererz

Und senkt's zum Todesstreiche

Tief in das eigne Herz.

¥

Linden, AuS der Stille.

6

66

Am Frirdhofrand. I. Es liegt allein an des Friedshoss Rand

Ein Grab, versunken in Schult und Sand, In wuchernden Dorngewinden versteckt, Bon feuchten, modernden Blättern bedeckt. Kein Strahl der Sonne will's wärmend umfließen. Kein Blümlein mag hier sich duftend erschließen;

Und hat der Wandrer das Grab gesehn Und fragt, die eilig vorübergehn, Dann legen sie wohl aufs Herz die Hand, Sehn scheu hinüber zum Kirchhossrand:

„Man konnt' ihm kein ehrlich Begräbnis geben.

Ein Mörder war er am eignen Leben;

Es soll nicht des toten Sünders Gebein Die heilige Erde des Friedhofs entweihn!"

£) Ihr,, die Ihr wandelt auf sonnigem Pfad, Ihr, denen nimmer der Sturm genaht, Wie wagt Ihr zu richten mit hartem Wort

Den armen, einsamen Toten dort!

67 Das Herz, das in Sturm und Wogendrang Allein und hilflos kämpfend versank!

Auch über ihm hat in stiller Nacht

Ein Mutterauge einst betend gewacht. Auch er trat fröhlich hinaus in die Welt, Bon Sehnen und Hoffen die Brust geschwellt.

Es mußte sein Herz mit Sang begrüßen Die Lenzesblümlein zu seinen Füßen,

Die Sonne am blauen Himmelsdom, Den flüsternden Wald und den brausenden Strom;

Die klangen und rauschten und weckten wieder

Im tiefsten Innern ihm neue Lieder. Es schweifte sein Blick in blaue Fernen Hinauf zu den glückverheißenden Sternen.

Und gleich dem Adler sonnenwärts

In freudigem Streben sich hob sein Herz

Und drang und glühte in stolzem Regen Dem hohen leuchtenden Ziel entgegen. Doch die Sterne, die Sterne sie hielten nicht Wort, Die Lenzesblumen verwehten verdorrt,

In Nebel versank die Sonne matt,

Vom Baume der Hoffnung fiel Blatt auf Blatt. Die Sorge den Morgengnrß ihm bot, Zu Gaste lud sich die bleiche Not: Und das Ziel, für das er in Sehnsucht entbrannt,

In unermessene Weiten schwand.

68 Biel Andre sah er's müh'los erringen

Auf des Geistes nicht, auf des Goldes Schwingen. Nun wollt' er um Beistand die Menschen flehn,

Zu denen verehrend er ausgesehn. Ö sie, die so laut die Liebe Preisen, Sie werden auch ihm sich helfend enveisen! — Sie sagten ihm manches schöne Wort,

Sie zuckten die Achseln und wandten sich fort. Da rafft' er noch einmal sich stolz empor:

„Und ob ich den Glauben an Menschen verlor, Noch darf ich dem eigenen Herzen vertraun,

Noch will ich hoffend auswärts schaun. Geduld!

Geduld!

Und über Nacht

Mag kommen das Glück wohl, eh' ich's gedacht!"

So hofft' und harrt- er Tag für Tag, Doch das Glück, sein Glück nicht kommen mag.

So rang und rang er Jahr um Jahr, Sein Auge ward trüb und bleich sein Haar;

Er ging umher so still und müd' — Ist all die lodernde Glut versprüht?

O nein, Du sahst nicht, in tiefer Nacht

Wie er brennenden AugeS einsam gewacht,

Wie er auswärts blickte zu Himmelshöh'n, Wo die Sterne glänzten so ruh'voll schön:

Wie seiner Hoffnung mit Hellem Schein, So lächelten strahlend sie seiner Pein

69 Und zogen weiter in leuchtenden Gleisen Vorüber in wandellos ewigen Kreisen. —

Da schlugen ob seinem Haupte zusammen Der Verzweiflung wilde, düstere Flammen.

Im Herzen ihm ward es finstere Nacht,

Da schloß er die Augen, da hat er's vollbracht — Sie scharrten am Kirchhossrand ihn ein,

Es schmückt die Stätte nicht Kreuz noch Stein, Kein Priester betet' an seinem Grab, Kein Freund rief ein Abschiedswort hinab,

Und wie sein Leben an Dornen so reich,

Im Tod noch umschlingt ihn ihr wild Gezweig.

Still deckte den Hügel mit dunkler Hülle

Gefallener Blätter welkende Fülle

Und Herbstesstürme drüber wehn, Und Wogen des Lebens drüber gehn.

Es schaun auf des armen Sünders Grab Noch lächelnd und strahlend die Sterne herab,

Ziehn weiter droben in leuchtenden Gleisen

Vorüber in wandellos ewigen Kreisen. —

¥

70

II. Frühlingsluft weht von den Bergen nieder, Träumend ging zum öden Grab ich wieder.

Sieh, die Dornen, die es still behüten, Prangen heut in hundert Hellen Blüten. LichteS Grün entkeimt dem dunklen Staube, Drängt sich auswärts aus dem welken Laube, Und mit ihrem Duft, dem wundersüßen, Blaue Veilchen drin verborgen grüßen.

Durch der Dornen schwankendes Gehege Fand die Frühlingssonne doch die Wege.

Milder Schein von roten Abendgluten, Will verklärend noch das Grab umfluten. Hoch vom Kirchlein Vesperglocken klingen Leise rauscht es wie von Engelschwingen. Und ein Vöglein, im Gezweig verborgen, Fröhlich singt vom lichten Ostermorgen.

*

Lohrngrins Segen. Goldigrot in Strahlengluten Fern die Abendsonne schied, Über stille, dunkle Fluten

Neigt sich träumend Schilf und Ried. In des Hochwalds tiefem Düster

Singt ein Vogel sehnsuchtsreich,

Und ein todesbang Geflüster

Weht durchs blühende Gezweig. Auf des Schloßbergs grüner Halde

Weinend Beatrice steht, Und herab zu Fluß und Walde Ihres Schmerzes Klage weht.

Heimberufen von dem Schwane

Sieht sie den Geliebten ziehn, Einmal noch aus schwankenr Kahne Grüßt sie scheidend Lohengrin:

„Keine Klage bringt Dir wieder, Weckt Dir totes Glück aufs neu.

Feuchten Thränen auch die Lider, Bebst Du auch in Schmerz und Reu,

72 Dennoch geh' ich, nun zu meiden Ewig Dich, mein süßes Glück; Meine Liebe soll nicht scheiden,

Mein Gedenken bleibt zurück. „Freundlich soll es Dich umwehen.

Lindernd Deine bittre Pein, Soll am Tage mit Dir gehen, Dir im Traume Tröster sein.

Sieh, ich will die Stätte segnen, Die einst unser Fuß bettat, Süßer Friede soll begegnen Dir und Jedem, der ihr naht.

„Zum Gedächtnis unserm Bunde Will ich diese Lande fei'n,

Segnen rings die weite Runde, Segnen Schloß und Wald und Rhem Jeder Pfad, den wir gegangen,

Jeder Garten, jede Au' Schmücke sich mit Blütenprangen,

Grüße Dich, vielliebe Frau!"

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JuLfest. Nordsturnr durchbraust die Winternacht, Heult in den Klüften und saust mit Macht Nieder vom ragenden Bergesgipfel Hin durch des Eichwalds entblätterte Wipfel. Doch aus der Lichtung beschneitem Raum Glüht der entzündete Tannenbaum, Und um ihn her, nach der Väter Art, Stehn die Germanenhelden geschart, Feiernd das Julfest, die Sonnwendnacht, Da aus dem Dunkel das Licht erwacht. Jetzt aus der Priester ernstem Kreis Feierlich schreitet ein hehrer Greis; Mächtig noch reckt sich die hohe Gestalt, Gleich einem Eichbaum im Bergeswald, Weiß wie der Schnee sein Bart imb Haar, Leuchtende Sterne sein Augenpaar. Und gen Osten erhebt er die Hände, Grüßend die Stunde der Sonnenwende:



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„Flammender Tannbaum durchglühe die Nacht, Die uns des Lichtes Ausgang gebracht! Über der Erde, der Winterhärten, Über den Strömen, den eiserstarrten, Hin durch den nordsturmentblätterten Hain Leucht in den Lüsten Dein strahlender Schein, Kündend, daß wieder sein Angesicht Zu uns gewendet das himmlische Licht, Daß nun nach Winterstürmen und Graun Bald seinen Sieg im Lenze wir schaun! Wendet's dann wieder rückwärts die Bahn, Einst wird doch Baldur, der Herrliche, nahn, Er, der auf immer das Dunkel besiegt, Dem auch die Macht des Todes erliegt! Ewiges, unvergängliches Licht Dann aus den Höhen herniederbricht. Gottessohn, Baldur, Du strahlender Held, Wann wirst Du nahn, zu erlösen die Welt?"

Hoch vom schneeigen Bergespsad Schwebenden Schrittes ein Jüngling naht: Faltig ein weißer Mantel umwallt Seine vom Lichtglanz umfloss'ne Gestalt, Und er verkündet mit strahlenden Mienen: „Baldur, der Göttliche ist uns erschienen! Nieder zur Erde vom Himmelsthron Sandle Allvater uns ihn, seinen Sohn!

75 Fern in Bethlehem ward er geboren, Uns zu befrein, die im Dunkel verloren.

Kindlein auf Erden er worden ist;

Hört es, sein Name heißt: Jesus Christ!

Hell durch der Menschheit bergende Hülle Leuchtet der Gottheit ewige Fülle, Und sein Licht, das lebendige Wort, Dringt durch die Lande von Ort zu Ort. Leidend für uns nach des Vaters Gebot,

Stteg er hinab in den bitteren Tod,

Hat mit dem Grimmen, dem Starken gerungen,

Siegreich für uns ihn auf ewig bezwungen,

Führt, die ihm folgen, durch Todesnacht Ein in des ewigen Lebens Pracht. Nimmer das Schwert erbaut ihm den Thron.

„Gnad'" ist sein Scepter und „Liebe" die Kron'.

Fern ward die selige Botschaft auch mir,

Euch sie zu kündigen nun steh' ich hier!" — Still sind die Stürme, die Wolken zerstoben, Sttahlend erglänzt aus dem Dunkel droben

Nun der Gesttrne leuchtende Pracht;

Ahnungsvoll schweigend dämmert die Nacht, Leise nur hoch in den Wipfeln es rauscht. —

Staunend der Alte der Botschaft lauscht,

Jubelnd erschließt sich sein Herz der Kunde Aus des begeisterten Jünglings Munde:

76 „Tag des Heils, bist endlich Tu da'?

Selig, daß noch mein Auge Dich sah, Selig, daß Du gekommen bist,

Grüß' ich Dich, Baldur-Jesus Christ!

Hoch auf dem sonnenumstrahlten Thron Seh' ich Dich walten, o Gottessohn!

Ueber der Erde dunkelnde Weiten Seh' ich Dein siegendes Lichtreich sich breiten,

Mich auch umfängt Dein seliger Schein,

Nahe mir, Heiland, längst wartet' ich Dein!" Freudig das Haupt er sterbend neigt,

Lächelnd sein Mund im Tod erbleicht,

Und des Tannbaums flammender Glanz Webt um sein Haupt den Glorienkranz.

*

Kaiser Karl und der Hirtenknabe. Der Kaiser Karl zu Aachen war, Umgeben von der stolzen Schar

Der kampferprobten Helden. Da kam, vom Papst ihm zugesandt,

Ein Bote aus dem wälschen Land, Die Kunde ihm zu melden: „Die Römerstadt, bedrängt gar sehr

Bon König Desiderius' Heer,

Läßt Deinen Schutz erflehen!" Der Kaiser draus voll Unmut spricht: „An dem soll, der den Frieden bricht,

Gerecht Gericht geschehen!"

Draus Kaiser Karl gen Wälschland zog, Gar froh und stolz sein Banner flog

In Sonnenschein und Winde.

Doch bald aus rauhen Alpenhöhn, Im Weitersturm, im wilden Föhn Ging's nimmer so geschwinde.

78 Gar steil und schwierig war der Pfad

Am schmalen, zack'gen Felsengral Aus hoher Alpenfirne. „Hallo, bei solchem Schneckengang

Da wird die Zeit mir viel zu lang!"

Sprach Karl mit finstrer Stirne. So wandten sich zum bessern Weg

Die Heere, doch es schwand der Steg

In finstern Bergesschlünden.

Der Nebel braute rechts und links,

Ob rückwärts oder vorwärts ging's, Kein Führer möcht' es künden.

Die Helden sah'n sich ratlos an: „Fürwahr, das war nicht wohlgethan,

Wer mag den Weg uns zeigen?" Da hörten sie von Bergeshöh'n Hinab ein lautes Horngetön

Wie Lied und Festesreigen. Und munter kam mit leichtem Mut,

Ein Strüußlein Edelweiß am Hut, Ein Sennerknab' gegangen. Wohl in sein Horn er kräftig stieß,

Ein Hirtenlied er lustig blies,

Daß weit die Töne klangen.

79 „Weißt Du zum Land Italia

Den rechten Weg?" „Ihr Herren, ja! Mir ist darob nicht bange! Mit meinem Horn zieh' ich voraus;

Getrost durch Sturm und Nebelgraus Folgt seinem hellen Klange!"

Der Spielmann rüstig zog alsdann

Dem stolzen Frankenheer voran; Sein Lied auf Windesschwingen Gar fröhlich klang bergauf, bergab,

Und neuen Mut den Helden gab

Tas helle, frohe Klingen. Und als ins Land Italia

Der Kaiser nun herniedersah,

Rief er mit frohem Sinne: „ES sei das Land des Spielmanns Lohn, Soweit sich seines Hornes Ton Erschwingt von Bergeszinnc!"

„Habt Tank, Herr Kaiser, tausendmal! So zieh' denn über Berg und Thal Der Klang zu Euerm Preise!"

Ins Horn dann stieß er freudig bald Noch einmal, daß durch Feld und Wald

Es dröhnt im weiten Kreise.

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Draus ward der Hirtenknab' sogleich

Ein mächtiger Graf im Frankenreich, Das durst' ihm niemand wehren.

Als Ritter auch mit Schwert und Sporn Hielt treulich er sein gutes Horn Allzeit in hohen Ehren.

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81

Der Schild von Lürkmrg. (Vurg Nürburg bet Adenau In der Eifel.)

Herr Ulrich hat vor Zeiten Gar manchen Schwerlesstreich

Gethan mit kühnem Streiten Für Kaiser und für Reich;

Fuhr oftmals auch zum Feste Hinab nach Altenahr,

Wo er im Kreis der Gäste

Ein froher Zecher war. Nun war ihm still verglommen

Der unruhvolle Tag, Sein Abend war gekommen,

Und todeskrank er lag.

Mit heiterm Angesichte Er auf zum Himmel sah:

„Mein Heil ist im Gerichte Das Kreuz von Golgatha!" Da sprengt auf schnellem Rosse Durchs Burgthor in den Hof Zu seines Bruders Schlosse

Bon Köln der Erzbischof. Gliben, Au- der Stille.

6

82 „Und geht es nun zum Sterben Hast, Bruder Du's bedacht,

Die Seligkeit zu erben, Dein Testament gemacht?" Da sprach Herr Ulrich milde:

„Auf Gnade darf ich traun, Du sollst an meinem Schilde

Davon ein Zeichen schaun!" Und als nach dreien Tagen

Man ihn zur Gruft gesenkt, Der Schild, den er getragen, Ans Burgthor ward gehängt.

Da glänzt im Strahlenkränze Der Aar in heller Glut,

So wie im Sonnenglanze

Erglüht deS Meeres Flut Dann bricht der Schild in Scherben. —

Der Bischof neigte sich:

„Herr Gott, so selig sterben Löß Du dereinst auch mich!"

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«My. Es sprengt der finstre Alte, Der Tilly, durch die Reih'n;

Auf seiner Stirn die Falte, Sie dräut wie Wetterschein: „In schuttbedeckten Gaffen

Nicht Obdach finb' ich hier, Hat übrig man gelassen

Dem Feldherrn kein Quartier?"

Nur hart am Kirchhofsrande Ein Häuschen steht allein, Noch unversehrt vom Brande, Dort tritt der Feldherr ein.

Stumm grüßt ihn an der Scbwelle

Ein ernster greiser Mann,

Der weist zur Lagerstelle Das eigne Bett ihm an.

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Garfield. Zu Washington am Kapitol Da wogt des Volks Gedränge.

Wem gilt das freud'ge Grüßen wohl. Der Jubelruf der Menge?

Wem huld'gen heut im Waffenglanz Die Krieger in Festparade?

Wem neigen sich im bunten Kranz Die Fahnen von der Estrade?

Es tritt zum hohen Schloßbalkon

Aus reichgeschmückten Stufen Des Volkes starker, treuer Sohn,

Den es zum Herrn berufen.

Ihm braust empor der Jubelklang, Ihm huld'gen Wort und Blicke; Der dienend einst die Holzaxt schwang, Lenkt jetzt des Volks Geschicke!

87 Aus Druck und Not in harten Müh'n Hat er sich aufgeschwungen

Und geistesmächtig, thatenkühn

Das hohe Ziel errungen.

Nun grüßen ihn viel hohe Herr'n Die ihn den Besten nannten,

Und dort mit Ordensband und Stern,

Die fremden Fürstengesandten.

Die stille Greisin sehn sie nicht Fernab der stolzen Runde.

Wie hängt ihr Aug" voll Sonnenlicht An des Erwählten Munde! Der hohe Herr auf dem Prachtbalkon,

Dem alle so tief sich neigen:

Es ist ihr James, ihr Sohn! ihr Sohn! Bor allen doch ihr zu eigen!

Sie hat für ihn gesorgt, gewacht, Ihn aus den Armen gehalten,

Die Hände im Gebet zur Nacht Ihn einst gelehrt zu falten. Wie bat sie ost mit heißem Flehn

Um Segen für seine Pfade!

Jetzt will sie nur von ferne stehn, Lobpreisend des Höchsten Gnade!

88 Und er, er blickt aus Volk und Land,

Seine Augen freudig leuchten —

Da hat die Mutter er erkannt, Und Thränen dm Blick ihm feuchten.

„Hub ob ich doch zum Ziele drang

Auf steilen, hornigen Wegen, Und ob ich höchsten Preis errang,

O Mutter, eS war Dein Segen!"

Durchschreitend dann die stolzen Reihen — — Ihn treibt ein sehnend Verlangen —

Eilt er dahin zum Mütterlein Und küßt ihr die welken Wangen. Sttll sieht's das Volk, dann weit umher

Tönt Gruß und Jubelrufen, Und wie ein brausend, brandend Meer

Umdrängt's die Marmorstusen.

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John Maynard. Mi flatternden Wimpeln und rauchendem Schlot Ziet über den Eriesee stolz das Boot; DieLüste sind sonnig, die Wogen sind hell,

Hinhwebt die „Schwalbe" sicher und schnell, EStenkt das Steuer John Maynard.

Dagellt ein Angstruf: „ES brennt, eS brennt!"

thronst zum Löschen man drängt und rennt! Am Fugen dringt wirbelnd der Rauch empor,

Bor Hinterdeck züngeln die Flammen hervor: „W: sind verloren John Maynard!" „Nch ist das Vorderdeck sicher und fest,

Dor harrt in Ruhe! — Der wachsende West

Beleibt nach rückwärts die lodernde Glut, Auc in Flammen noch fliegt die „Schwalbe" gut,

In flammen steht fest John Maynard!"

90 „Wie weit, wie weit noch zum rettenden Port?" „Noch eine Stunde, dann sind wir dort! Getrost Kapitän, ich halte Stand!"

Der drückt ihm die heiße, schwielige Hand:

„So schirme Dich Gott, John Maynard!"

Fest steht er am Steuer, von Funken umsprüht, Bom sengenden Hauche der Flammen umglüht; Es lenkt mit starker, kundiger Hand

Zum sichern Hafen am nahenden Strand

DaS brennende Schiff John Maynard.

„Gerettet nun sind wir von Tod und Qual! Du Getreuer, hab' Dank viel tausend Mal!"

Nicht Antwort kommt wieder, der Rauch verweht, Am glühenden Steuer ein Toter steht — So starb für sie alle John Maynard!

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Lrhtrr Grutz. „Bor Düppel war's in der Frühlingsnacht, Mr zogm in weiter Runde In die Gräben hinaus, gerüstet zur Schlacht, In dämmernder Morgenstunde. Und wir wußten: Des steigenden Tages Rot

Es bringt uns Sieg oder bringt uns den Tod! — Dumpf rauschten die Wogen im Sunde. —

„Was Lickst Du so trübe, mein Kamerad,

Und keimst doch nicht Zagen und Bangens"

„Bon dmr Tode, dem oft ich furchtlos genaht, Hat Ahrung den Sinn mir umfangen.

Sein dunkler Fittig umrauscht mich; doch mild

Zum letztenmal grüßte mich heimlich ein Bild Aus Tazen, die längst vergangen.

92 „Eie war im Dorfe die lieblichste Maid,

Blauäugig mit goldigen Haaren, Wir spielten und scherzten in Garten und Haid'

In glücklichen Kinderjahren;

Wir schweiften im dämmernden Waldesraum —Daß alles dereinst nur ein süßer Traum,

Wir mußten's mit Schmerzen erfahren!

„Die bösen Zungen sie hielten nicht Ruh', Sie störten den seligen Frieden,

Sie raunten manch giftiges Wort uns zu, Bis zürnend einander wir mieden.

Und als sie geglaubt dem schlimmen Wort, Da wandt' ich in herbem Stolze mich fort: Für immer, für immer wir schieden! „Und willst, Kamerad, Du versprechen mir, Den letzten Gruß ihr zu sagen, So bring dies Haidekrautsträußlein ihr,

Ein Zeichen aus jenen Tagen!

Und wird sie's erkennen, jo künd' ihr auch, Daß in Lieb' und Leid bis zum letzten Hauch

Im Herzen ich sie getragen!" —

Erfochten der Sieg mit kühner That, Erstürmt war die letzte Schanze, Zur Ruhe gebettet mein Kamerad,



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Durchbohrt von dänischer Lanze!

Zum fernen Dörflern dann zog ich hinaus;

Ein stilles Weib vor dem letzten HauS Saß einsam im Abendglanze.

Und alS ich des Toten Gruß ihr bot

— Gar seltsam wollt' eS mir scheinen — Da ward chre Wange bleich und rot,

Da stand sie in Lachen und Weinen. Stumm sah sie mich an in Leid und Glück,

Dann schloß sie die Augen und sank zurück. —

So wollte der Tod sie vereinen.

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Graf Konrad von Zollern. „9hm segnet und küßt mich zum letztenmal, Frau Mutter, wohl blieb ich so gerne; Doch die Wolken, sie eilen im Morgenstrahl,

Und die Wogen, sie rauschen mit Macht zu Thal:

So zieht mich das Herz in die Ferne!

„Gesattelt im Hofe schon wiehert mein Roß, Hell klingt das Schwert mir zur Seite. Fahr wohl nun, mein Bruder, Du ttauter Genoß, Magst walten und herrschen im Zollernschloß,

DaS Glück zu erjagen ich reite! „Zum Kaiser, dem Rotbart, nun zieh' ich hinaus, Um Ruhm und Ehre zu werben.

Mir sagt es ein Traumbild: Nach Sturm und Strauß, In den Tagen der Zukunst, der Zollern Haus

Wird die Krone der Staufen ererben! Auf der Wahlstatt sah ich vor Deutschlands Heer

Einen Adler im Banner fliegen, Und ein Zoller, ein Weißbart, gewaltig und hehr, Schwang ruhmvoll deS Rotbarts leuchtende Wehr Und stürmte von Siegen zu Siegen!



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,Auf dem Haupte der schwarze Adler trug $it schimmernde Königskrone.

8om Fels zum Meer der Gewalttge schlug

Die Schwingen und strebte in strahlendem Flug Zum herrlichsten Kaiserthrone.

,Nun Mutter, o Mutter, daß Gott Euch behüt'! Mögt beten für mich Ihr zu Hause!

Schwül steigt die Sonne, der Tag erglüht, Inb es braust wie Wetter im fernen Süd: Stück auf nun, zum Kampsesgebrause!"

*

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Laifrrgottesdirnst auf dem Werre. ES braust die Brandung schäumend Am fernen Nordmeerfjord,

Mit weißem Gischt umsäumend Des stolzen Schiffes Bord.

Aus hohen Gletscherfirnen Weilt Morgensonnenglanz,

Schmückt dunkle Felsenstirnen Mit lichtem Purpurkranz.

Des Sabathfriedens Schwingen Wehn über Land und Meer,

Und ferne Glocken klingen So feierlich und hehr.

Bon blauen Meeresfluten Aufsteigt's im Nebelflor,

Als wallten Opfergluten Zum HimmelSdom empor.

97 Wer ist im blonden Haare

Der junge Feldherr dort, Am schlichten Schiffsallare Verkündend Gottes Wort?

Scheint's nicht, als rauschte leiser Aufhorchend rings die Flut?

Es ist der deutsche Kaiser, Der Priesterdienste thut!

Des Glaubens Friede leuchtet Im ernsten Angesicht, Und heil'ge Andacht feuchtet

Der blauen Augen Licht. Heil Dir!

Bor Menschen zeigst Du

Dich furchtlos, adlergleich, Doch Deinem Gotte neigst Du

Dich fromm und demutreich!

Der aus dem höchsten Throne

Der Erde machtvoll steht,

Mit Deutschlands ärmstem Sohne Sich einigt im Gebet

Bor jenes Thrones Stufen, Bor jenes Königs Macht,

Der aus dem Nichts gerufen Einst aller Welten Pracht.

Silben, Aus der Stille.

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Und zu des höchsten Ehre

Nun schallet der Choral

Und zieht mit Macht vom Meere Hinein in Bucht und Thal,

Weckt in der Berge Klüften Das Echo voll und klar, Und hoch in blauen Lüften

Wallt Deutschlands Kaiseraar.

*

99

Vie Tanne. Als aus hartem Winterbanne Lenzesgruß die Welt erweckt, Sah ich eine schlanke Tanne Tief im Buchenwald versteckt.

Rings mit Blatt und Blütenprangen Schmückt der Frühling Baum und Reis,

Doch sie harrt noch traumbefangen, In der Buchen frohem Kreis.

Rauschend dringt der Freude Kunde Durch den hohm Waldesraum, Zieht in weiter, grüner Runde Jubelnd hin von Baum zu Baum.

Lockend in den niedern Buchen

Singt ihr Lied Frau Nachtigall-------überall ein selig Suchen, Selig Finden überall! —

100 Zu der Andern Scherzgekose

Neigt sie sich mit leisem Wehn,

Doch die Fremde, Blütenlose All die Frohen nicht verstehn. —

Endlich vor dem Freudenreigen Schließt ein Traum chr Aug' und Ohr,

Goldne Glanzgebilde steigen

Hell vor ihrem Blick empor. Und sie träumt von Feenhänden

Träumt von einer Wundernacht,

Wo sie, Freude ringS zu spenden, Strahlen wird in hehrer Pracht.

Wo, vor allen auserkoren,

Zu des ew'gen Lichtes Preis, Das in Winternacht geboren,

Leuchten wird ihr dunkles Reis.

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101

Mirjam. Schwing Dich hoch auf Adlerflügeln, Jubelnd flieg voraus, mein Lied,

Zu der Väter Heimathügeln,

Wohin all mein Sehnen zieht. Aus des Dienstes harten Tagen,

Aus der Knechtschaft schwerem Bann Sollst mein träumend Herz Du tragen

Heimatwärts nach Kanaan.

Seufzend hier im Sonnenbrände, Wo die Eb'ne, dunstbedeckt,

Bis zum gelben Wüstensande Weit und schattenlos sich streckt,

Grüß ich Mamres Palmenhaine, Hebrons lieblich Waldgefild,

Wo am weißen Felsgesteine Sastdurchglüht die Traube schwillt.

102 Sch den Himmel leuchtend blauen Über*m grünen Jordanstrand,

Wo auf blumenreichen Auen Meiner Väter Hütte stand.

Sichems Brunnen hör' ich rauschen, Seh' die Herden weidend gehn,

Darf den Wundermären lauschen,

Die durch Bethels Palmen wchn:

Bon dem Meister, der erscheinen Soll aus Judas Stamm, der Held, Dessen Scepter einst vereinen

Soll die Völker dieser Welt;

Bon dem Heiland, gottgesendet, Der der Schlange Macht bezwingt, Der den Fluch in Segen wendet Und uns Eden wiederbringt.

*

103

Pilatus am Weinfeldrr Maar.*) Dunkle Eifelberge ragen Um daS wdeSstille Maar.

Träg, mit lautem Flügelschlagen

Streicht der Raben dunkle Schar,

Ausgescheucht vom Uferrande Durch deS Römers hast'gen Schritt,

Der in falttgem Gewände

Aus dem Ring der Felsen tritt. „Furchtbar treffen Deine Blitze

Kaiser, der mit mächtiger Hand

Bon Judäas Richtersitze

In die Wildnis mich verbannt; Aber grimmer doch im Innern Brennt der Reue wilder Schmerz,

Freudescheuchend ein Erinnern Folgt mir qualvoll allerwärts. Immer seh' ich voller Hoheit

In deS Spottes Dornenkron',

Wüst umtobt von Haß und Roheit Jesus, ihn, den Gottessohn, * Pilatus, auf die Anklagen seiner Feinde hin vom Kaiser tl dic BergwildntS nördlich von Trier verbannt, gab sich dort

srlbst den Tod.

104 Dem auf seiner Feinde Drohen Ich das falsche Urteil sprach,

Dem in grauser Qual am hohen

Kreuzesstamm das Auge brach.

Wusch ich vor dem Volk die Hände Heuchelnd mir von Blutschuld rein.

Glüht mir dennoch ohne Ende In der Brust des Frevels Pein.

Wohl war nicht von dieser Erde Seines Königstumes Macht,

Doch, daß einst es kommen werde, Hat sein Tod mir kund gemacht." —

Rauschen wie aus Geistermunde Aus des Seces Tiefen dringt:

„Komm! In meinem schwarzen Grunde

Deine Qual der Tod verschlingt!" Jählings folgt er; Fluten tragen Ihn hinab vom Uferrand.

Und des Nachtwinds stöhnend Klagen Irrt durchs öde Haideland.

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Christi Versuchung. Still wandelte der Herr in weiter Wüste, In BergeswlldniS öden Pfad allein;

Noch ging die Nacht, die finstre nicht zur Rüste, Noch brach kein lichter Morgenstrahl herein. Durch Wolken nur ob Jesu Haupte grüßte

Wie GotteS Auge eines Sternes Schein, Doch düstre Schattm stiegen aus den Klüften, Auf schwarzen Schwingen naht's in finstern Lüsten

Und schmeichelnd flüsterns zu deS Heilands Linken: „Ergib Dich mir!

DieS sei Dein stolzer Lohn!"

Da, aus dem Nebel sah er leuchtend winken In Herrlichkeit des Weltenkönigs Thron

Und Millionen huld'gend niedersinken

Im Staub vor ihm, dem mächt'gen Menschensohn. Bon süßen Düften wonnreich umflossen, Biel Blumen rings den Glutenkelch erschlossen.

106 Zur Rechten doch, von Hohngeschrei umklungen, Stieg aus vor ihm da- Kreuz aus Golgatha, In FeindeSschar, gequält von Lästerzungen Stand er in Banden freundverlassen da:

Sein blutig Haupt, vom Dornenkranz umschlungen, Der Gottessohn im Tod erblasien sah. Doch siegreich sprach sein Mund: „Versucher, weiche! Ich diene Gott allein und seinem Reiche."

Ein Leuchten brach wie Morgenlicht von oben, Und scheu entwich der Fürst der Finsternis.

Hell sttahlt daS Kreuz, von Himmelsglanz umwoben, Der des Verführers Nachtgebild zerriß.

Den Blick zu Gottes Angesicht erhoben, Ging Christus hin, deS hohen Ziels gewiß,

Zur Welterlösung nach deS Vaters Sendung, Durch blutigen Kampf zur herrlichen Vollendung.

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Pfingffmorgrn. Hörtest Du's auS hohen Lüsten

Niederrauschen aufs Gefild,

Lieblich wie von Blumenkästen, Slurmgewaltig, zephyrmild? Sahst Du's nicht wie Flammen leuchten

Lodernd über Berg und Thal? Noch am Halm, dem morgenfeuchten,

Funkelnd glüht der goldne Strahl! Ahnst Du, tuen in tausend Zungen Erd' und Himmel heute preist? O, das Lied, unausgesungen,

Jst's vom ew'gen Gottesgeist!

Hörst Du seines Odems Rauschen, Traf auch Dich sein Flammenwehn? Seiner Stimme mußt Du lauschen,

Seinen Ruf auch Du verstehn:

„Kehre heim aus öder Leere, Drin Du zweifelnd Dich verbannt! Irrend auf dem weiten Meere, Sieh der Heimat grünen Strand:

108 Warum suchst Du sie im Staube? Du, ein Strahl von meinem Licht; Kindessehnsucht ist der Glaube Nach des Vaters Angesicht! „Zünde in den Herzm allen,

Strahl der Pfingsten, Geist des Herrn! Steig empor in Tempelhallen

Als der ew'gen Wahrheit Stern! Daß vor Deinem Licht verschwinde, Was verdunkelnd sie durchweht; Daß in Dir sich neu verbinde,

Was sich feindlich ferne steht! „Geist des Friedens, Geist der Pfingsten, Brette aus Dein selig Reich, Und den Höchsten und Geringsten Mach in Deiner Liebe gleich!

Zum Palaste von der Hütte Webe Dein versöhnend Band, Deines Segens Fülle schütte Über Herzen, Haus und Land!"

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Lrnpoy. Bist meine Mutter, Erde, Du nicht,

Du nicht mein Baler, ewiges Licht?

Ob auch umschlungen innig und warm Traut von der Mutter liebendem Arm,

Ob chr am Herzen freudig ich ruh', Wend' ich dem Lichte sehnend mich zu.

Über der Sterne hochkreisendes Heer, Über der Welten sttllwogendes Meer Aufwärts mein Sehnen, mein Suchen geht.

Laß mich Dich finden, o Herr, im Gebet!

Höre Du, Vater, mein kindliches Flehn; Laß mich Dein leuchtendes Angesicht sehn!

Ahnend im Staube aufblick' ich zu Dir, Neig' Deinem Kinde Dich, neige Dich mir!

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Im gleichen Verlage erschienen:

Ktaifchte«, KSsar, >ont Kaselnnßroi. e Aapfete Atoeme-n