Aus der Stille [Reprint 2021 ed.]
 9783112395622, 9783112395615

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Aus -er Stille.

Gedichte von

Ada Linden. Herausgegeben von Karl Sch rat teilt hat.

NheM 1896.

W. Rob. Langewiesche.

An die Leser' AlS ich daran ging, das Material zu meiner Anthologie „Unsere Frauen in einer Auswahl aus ihren Dichtungen" zu sammeln, lernte ich unter vielen anderen auch eine Dichterin Ada Linden kennen, deren erzählende Poesien einen besonders günstigen Eindruck auf mich machten. Heute weiß ich, daß mein Urteil von gewichtigeren Männern ge­ teilt wurde, denn kein geringerer als Emanuel Geibel äußerte sich in anerkennender Weise über Ada Lindens Gedichte, und Emil Ritterhaus unterstützte die aufeinem einsamen Dorfe lebende Dichterin in ihren litterarischen Bestrebungen. Ada Linden, eigentlich Luise Förster, ist die Tochter eines Grubensteigers aus Glücksthal in der preußischen Rheinprovinz und wurde dort am 1. Ok­ tober 1847 geboren. Das bald vaterlos gewordene Mädchen besuchte die Schule des Nachbardorfes und fand daselbst in dem Pfarrer der Gemeinde, Herrn H. Dörrien, einen gütigen Beschützer und Berater, der unsere Dichterin unterrichtete, so daß es ihr später möglich wurde, die Lehrerinnenprüfung zu be­ stehen und eine Stütze der Ihrigen zu werden. Schon in der Kindheit sang sie auf dem weiten und einsamen Wege in die Schule selbstgedichtete

VI

Lieder vor sich hin, und später, wenn Gemüt und Phantasie zur poetischen Äußerung drängten, schrieb sie ihre Verse auf und trat dann unter dem schon genannten Pseudonym an die Öffentlichkeit. WaS

so im Laufe der Jahre an poetischen Früchten ent­ stand, das soll teilweise, in diesem Büchlein ge­ sammelt, an die Öffentlichkeit treten und pocht an die Thüren jener Familien, wo der Sinn für das Schöne noch nicht abgestorben ist. Ich selbst ent­ halte mich

bezüglich

des

künstlerischen Wertes der

Gedichte jeder Bemerkung; die Kritik wird ihreernsten Amtes walten, und das Publikum wird durch die Aufnahme antworten, die es dem Büchlein zuteil

werden läßt. Daß ich so recht von Herzen wünsche: Ada Lindens Poesien mögen in der deutschen Familie, insonderheit in ihrer engeren Heimat ein gern ge­ sehener Gast werden, das will ich schon aus dem Grunde nicht unterdrücken, weil es der einsamen Dichterin, die durch ein Herzleiden gezwungen wurde, ihre Stelle an der Volksschule zu Wickrathberg auf­ zugeben, Trost und Genugthuung bieten müßte. Ich würde mich glücklich schätzen, wenn ich durch meine bescheidenen Worte dazu beitragen könnte, der leiden­ den Dichterin auch zur Anerkennung zu verhelfen. Preßburg, im Spätherbst 1895.

Prof, fiarl Wriß-Schrattknthal.

Inhalt. Seite Die Tifel..............................................

1

Fremdling.........................................

4

Freud' und Leid

6

Genesung............................................................................................

8

Schön-Annchen........................................................................................ 10 Des Mütterleins Traum...................................................................... 13

DaS Gebet der Mutter

....

15

Die letzte Schicht

19

Der Bergsturz

23

Heimkehr.............................

26

Die vergfrau

30

Die Seidenweberin

88

Da» Gewissen

36

Siguruna...................................................

88

Königin Ilde

41

MathtldtS....................................................................................................45 DaS Mädchen von Hemmingstedt..................................................... 48

Ein Tröpflein Lieb'............................................................................ 63 Schutzengletn..............................................................................................56 Die Bekehrte..............................................................................................58

Die Opferpriesterin..................................................................................61 Am Friedhofrand.....................................................................

66



vni



Ente Lohengrins Segen......................................................................... 71 .

73

Kaiser Karl und der Hirtenknabe .........

77

Julfest....................................................................................... .....

Der Schild von Nürburg............................................................. 81 Lilly............................................................................................... 83

Garfield

86

John Maynard.............................................................................. 89 Letzter Gruß.................................................................................... 91

Graf Konrad von Zollern.............................

....

94

KatsergotteSdienst auf dem Meere............................................ 96

Die Tanne.................................................................................... 99 Mirjam.........................................................................................101

Pilatus am «einfrlder Maar................................................... .108

Cdriftt Versuchung........................................................................106 Pfingstmorgen

Empor...............................................................................................109

107

Die Eifel.

Ob mich umwogt ein grünend Saatgefilde, Ob mich umblüht der Eb'ne bunte Pracht, Es fühlt mein Herz zu einem andern Bilde

Sich hingezogen mit geheimer Macht:

O meine Heimat, unvergess'ne, wilde, Wie oft hab' ich in Sehnsucht Dein gedacht!

O, meine Heimat, ferne, felsumstarrte, Wie lieb ist mir Dein Angesicht, daS harte!

Ich seh' Euch wieder, ernste, braune Haiden, Bon waldgekrönten Höhen rings begrenzt; Hoch schwebt ein Falke, stille Herden weiden,

Ein Kirchlein schimmert, epheugrün umkränzt. Und dort —- in Purpur will's die Sonne kleiden —

Aus Buchenzweigen hell ein Giebel glänzt.

O Vaterhaus, drin fremde Hände schalten,

Ein Engel möge segnend ob Dir walten!

fltnben, Lu» der Ettlle.

1

2 Steig vor mir auf mit Deinem Tannendüster, Du BergeShang, umglüht vom Abendstrahl;

Erschließ Dich mir mit Deinem Quellgeflüster, Du weltverborg'neS, grünes Felsenthal! Beschatte mich, Du alterSdunkle Rüster,

Erzähle Märchen mir wie dazumal, Und laß Du Deinem heiligen Wivfelrauschen

Noch einmal mich, mein Hochwald, selig lauschm!

Hier hat mein Kindesherz, daS sorgenlose, Am innigsten des LenzeS Gruß beglückt!

Hier lag ich träumend oft im weichen Moose, Wenn Waldesblüten ich zum Strauß gepflückt

Zu Häupten glühte mir die wilde Rose, BiS duftend sie mir Haar und Brust geschmück;

Dann neigten sich die Zweige flüsternd nieder, Und tief im Herzen sproßten mir die Lieder.

Und dort, wo Feuer einst dem Bergesschlunde

Entquoll, wie buntes ruht der liefe See, AlS lüg' begraben unten auf dem Grunde

Ein ungeheures, namenloses Weh! In TodeSsttlle starrt die weite Runde —

Scheu fliegt der Bogel — schreckhaft zagt daS Rch ..

DeS Berges Herz mit seinen stolzen Gluten Gebrochen liegt eS in den düstern Fluten.

8 Der Herbstnacht denk ich, wenn in Sturmgesängen Der alten Götter Klageruf erbraust,

AlS ob zur Andacht die Entthronten zwängen Ringsum die Wildnis mit gewaltiger Faust---------

Wohl hab' seitdem gelauscht ich Holdern Klängen, Nicht immer haben Stürme mich umsaust,

Doch meiner Heimat dunkle Lieder trage Ich tief im Herzen bis zum letzten Schlage.

4

Fremdling.

„Ich bin ein Fremdling überall!"

So singst Du frisch mit ros'gem Munde Nach manches LiedeS frohem Schall,

Das hell erklang in heitrer Runde. Du singst im glanzerfüllten Saal, Mit Lippen, nur gewohnt zu scherzen,

Bon unverstandener Sehnsucht Qual Das tiefe, dunkle Lied der Schmerzen.

In Deines Herzens Glückesruh, Umschmeichelt rings von Lust und Freude,

Du lachend Kind, was weißt denn Du

Bon dieses Liedes bitterm Leide? Du gleitest auf der Melodie,

Nichts ahnend, über grause Tiefen ---------O sing die Worte nicht mehr, die JnS Auge mir die Thränen riefen!

6 Du weißt nicht, was es heißt:

allein

In diesen frohbelebten Räumen Lin stiller, stummer Fremdling sein

Mit seinem Hoffen, seinen Träumen!

Du suchst nicht das ersehnte Land, Wo Deine Rosen blühm werden;

Reich schmückte ja deS Glücke- Hand Mit ihnen Deinen Pfad auf Erden!

Du selbst ein RöSlein frisch und rot,

O prange fort im Morgenschimmer! Der Sorge Reif, der Hauch der Not

Entfärbe Deine Blüte nimmer!

Und ziehen Wolken fern entlang,

Du blühst im Garten liebumfangen: Die Tann' am öden Felsenhang Die laß vor Dlip und Stürmen bangen!

6

Freud' «ud Lew. ES träumte mir im Leide:

Die Freude trat herein Im Morgenröten Kleide,

Umglänzt von Strahlenschein. Und alS mit holdem Grüßen Sie sich zu mir gewandt,

Da sank ich chr zu Füßen,

Küßt' ihr die weiße Hand: „In Deiner Strahlenkrone O, sei willkommen hier!

Mit Deinem Glanze wohne, Du Hohe, nun bei mir!

„O, daß vor Dir versinke

DaS feindlich finstre Leid! Dein goldneS Scepter winke

Mir leuchtend allezeit!"



7 —

Da spmch die Freude leise: „Ich bin ein flüchtiger Gast;

Auf meiner Erdenreise Halt' ich nur kurze Rast.

„Doch zürne Du der dunkeln, Umflorten Schwester nicht:

Mein Scepter kann nur funkeln, Wenn es durch Wolken bricht."

8

Genesung. Wenn Du im Herzen hast getragen Still eine Liebe, groß und rein,

Und mußt dann doch dem Glück entsagen, Und stehst mit Deiner Lieb' allein, O, woll' sie nicht in Dir verschließen

Bis Harm sie dunkelt und vergällt, Nein, laß sie segnend sich ergießen,

Ein reicher Strom, der ganzen Welt!

Als Opserflamme laß sie glühen Auf Deines Gottes Hochaltar, AIS weiße Lilie laß sie blühen

Den Menschen allen, rein und wahr! O, sei der Held, der TodeSwunden

Vergessend, hoch die Fahne schwingt!

Am eh'sten wird Dein Herz gesunden, Wenn fremdem Weh es Heilung bringt!

9 Die Wolke sei, die lautloS spendet Den Regen, den die Blume trinkt.

Die Sonne sei, die Strahlen sendet

Und allgesegnet still versinkt. Der Armut öde, düstre Kammer

Verkläre Deiner Milde Schein; Zu denen, die in Not und Jammer,

Tritt als des Trostes Engel ein!

AuS Thränen, die Du Freudelosen Getrocknet hast mit linder Hand,

Erblüh'n Dir rote Freudenrosen Auf rauher Bahn, im Wüstensand.

Und statt deS Glückes, das erstorben Wie Sommerpracht im HerbsteSwehn, Hast Du ein höheres Dir erworben, Das unverwelklich wird bestehn!

10

Schön-Annchen. ES rauschen die Wasser im Mühlengrund,

Betauen am Ufer die Blumen bunt, Die leuchten wie Perlengeschmeide.

ES pflückt sie Schön-Annchen, deS Müllers Kind,

Und sie singt ein Lied in den FrühlingSwind: Wie die Liebe lohnet mit Leide. Da grüßt sie ein Wandrer: „Du Jungfrau wert, Wer hat Dich das traurige Lied gelehrt?

Du frisches Blümlein der Haide?"

„Meine Muhme, die sang's gar manchen Tag, Nun klingt mir'S im Herzen, ich sing'S ihr nach. Doch ich weiß nichts von Lieb' und von Leide!"

„Die Liebe, sie leuchtet, ein Röslein rot, — An den Dornen doch blutet manch Herz sich tot;

D'rum, Holde, nur immer sie meide!" „Schafft Liebe dem Herzen so bittere Pein,

So will ich daS meine bewahren fein,

Daß mir sie nicht lohne mit Leide!" —

11 „D Kind, in die Ferne zog ich hinaus.

Wie traulich mich grüßt Deines BaterS Haus, Versteckt hinter Erlen und Weide!

Dort möcht ich auSmhn im grünen Gezelt

Bon dem eitlen Treiben der lauten Welt Und der Liebe, die lohnet mit Leide!

„Giebt niederes Dach Dir willkommene Rast, Wir hegen und pflegen mit Freuden als Gast

Dich Fremdling im Wanderertleide!

Hier grüßen Dich Vöglein in Lüsten blau

Und Blumen in glitzerndem Wellentau, Ob auch Liebe Dir lohnte mit Leide!" — Wie traulich sitzt es sich Hand in Hand

Unter hängenden Weiden am Uferrand! Sie scherzen und kosen beide. — Und eS flüstern die Fluten im Mühlengrund

Und schmücken mit Perlen die Blümlein bunt —

Und die Liebe, sie lohnet mit Leide.

Die Knospen schwellen im dunklen Grün, Und die leuchtenden, duftenden Rosen verblühen, Und ein Flüstern durchschauet die Weide; Und eS rauschen die Fluten im Mühlengrund,

Betauen mit Thränen die Blumen bunt, Und die Liebe, sie lohnet mit Leide. —

12 Schon ziehen die Schwalben zur Ferne hinaus: „Sag endlich mir, Liebster, wo bist Du zu HalS? Deine Eltern, leben sie beide?

ES streicht durch die Wipfel der Nachtwind kalt

Um die roten Röslein, sie welkten so bald,

Und die Liebe, sie lohnet mit Leide!"

„Weh, daß der Sommer, der süße, geflohn! Nun muß ich zurück zu deS Balers Thron;

Fahrwohl, fahrwohl nun, ich scheide! Bald trag' ich deS Landes Scepter und Kron',

O Liebste, ich bin ja der Fürstensohn, Und die Liebe, sie lohnet mit Leide!"

ES welken und sterben die Blumen bunt,

Dumpf rauschen die Wasser im Mühlengrund,

Und d'rüber trauert die Weide. Bleich sitzt am Ufer des Müllers Kind,

Mit den fallenden Blättern tändelt der Wind, Und die Liebe, sie lohnet mit Leide. —

18

Des Mütterleins Traum. DaS Mütterlein sitzt am Fenster und spinnt, ES rauscht in den schattigen Bäumen der Wind; Am Himmel gehen die Wolken daher —

„Grüß Gott Dich, mein Sohn, aus dem weiten Meer! Wenn drüben die Äpfel sich röten am Baum, — Drei Wochen, drei kurze nur, sind eS noch kaum, —

Dann kommst Du nach Hause zum Mütterlein: Wie magst Du ein stattlicher Seemann wohl sein!" ES Heft und ticket die Uhr an der Wand,

Der Faden entsinkt chrer fleißigen Hand; ES weht durchs Fenster so schwül und heiß,

Am Rocken entschlummert das Mütterlein leis.

„Grüß Gott Dich, mein Sohn!

O welch wonniges

Glück!

Nun kehrst Du, noch eh' ich eS dachte, zurück. Willkommen, willkommen, mein Sohn, zu HauS!

Nun ruh' von Gefahren und MÜhm Dich aus! „Wie starr ist Dein Auge, die Wange wie blaß,

Dein blondeS Gelock wie kühl und wie naß! Mein Sohn, wie kalt, wie kalt Deine Hand!" — Da schlägt laut hallend die Uhr an der Wand.

14 Die Alte fährt auf bei dem dröhnenden Klang:

„Wie hab' ich geträumt, geträumt doch so bang!

Mein Sohn, mein Sohn aus dem weiten Meer. Wie ist mir um Dich das Herz so schwer!" — Auf wilder, wogender See zur Stund'

Versinkt ein mächtiges Schiff in den Grund ;

Ein Jüngling sicht hoch am schwankenden Rand:

„Nie sch' ich Dich wieder, mein Vaterland! „Ade, o du Heimat am fernen Rhein!

Wer sorgt nun für Dich, mein Mütterlein?" Da reißt's in die Tiefe ihn jäh hinab,

Aufschäumend schließt sich das schaurige Grab.

Wild wallet und flutet das brausende Meer, Hoch über dem Schiff gehn die Wogen daher. —

Daheim das Mütterlein sitzt und spinnt: Es rauscht in den schattigen Bäumen der Wind.

Goldschimmernde Wolken am Himmel gehn; Durchs Fenster flüstert's im Abendwehn:

„Komm mit, komm mit mir, lieb Mütterlein!" Sie faltet die Hänhe, still schlummert sie ein. —

16

Das Gebet -er Mutter.

Lichter glüh'n, Signale schallen;

In des Bahnhofs weiten Hallen Schon daS Dampfroß schnaubt und stöhnt.

Dunstumsprüht und dampfumwoben

Harrt der junge Führer droben,

BiS der Abfahrt Zeichen tönt. Und er sieht am Arm des Gatten

Treten aus der Halle Schatten Ein geschmücktes, junges Weib; Scherzend ist sie eingesttegen, Schwellend sich die Polster schmiegen

An den jugendschönen Leib. Brausend über Thal und Hügel,

Auf des Dampfes mächtigem Flügel

Eilt der Bahnzug durch die Nacht;

Donnernd fliegt er über Brücken —

Aus des Eisenrosses Rücken Finster hält der Führer Wacht.

16 Um ihn her die Dämpfe steigen,

Ballen sich zum wilden Reigen,

RuheloS, dämonengleich.

Aus des Kessels Röhren dröhnend Drängt und wallt und zischt eS stöhnend Wie von Geisterlippen bleich:

„Du, deß Herz von Qual zerriffen, — Hinter Dir auf sammt'nen Kiffen

Lachend ruht, die Dich betrog! Sahst sie mit dem andern kosen,

Spottend wohl des Freudelosen,

Dem sie Lieb' und Treue log.

„Nur ein Griff von Deinen Händen,

Und es wirb sich alles wenden, Was so elend Dich gemacht! Gieb uns frei!

Mit wildem Jagen

Wollen wir, entfesselt, tragen Euch in eine Todesnacht.

„Zög're nicht, den Kanlpf zu kürzen! Freiheit uns!

Entgleisend stürzen

Soll der Zug ins düstre Thal!

An des Abgrunds Felsenklippen Küßt der Tod die roten Lippen,

Löscht auch Deines Herzens Qual!"

17 „Recht wohl habt Ihr, wilde Geister Der Natur!

Dem Herrn und Meister

Dienet heut zum letztenmal!"

Zuckend will die Hand er heben,

Plötzlich läßt ihn jäh erbeben Eines Lichtleins milder Strahl.

Niedre Fensterscheiben winken

Durch die Nacht mit stillem Blinken, Und ein rascher Blick erspäht:

Klein und schlicht ein freundlich Zimmer,

D'rin bei stillem Laiupenschimmer

Eine Greisin im Gebet.

Blitzschnell ist das Bild entflogen,

Doch der Rache wilde* Wogen

Legten sich vor seiner Macht.

Die Dämonen sind geflohen, Hehr vom Himmelszelt, dem hohen, Grüßt ein Stern in lichter Pracht.

Und der Führer preist den Segen, Unter dem er allerwegen Auch in dunklen Stunden steht. —

Mag die Hölle ihn umschlingen: Engelgleich, mit weißen Schwingen Schinnt ihn Mütterleins Gebet. Linden, NuS der Stille.

2



18



Brausend über Thal und Hügel Aus deS DampseS mächtigem Flügel

Eilt der Bahnzug durch die Nacht. Sicher fliegt er über Brücken —

Aus deS Eisenrosses Rücken

Hält ein Braver treue Wacht.

19

Die letzte Schicht. Das Häuschen an deS Dorfes Ende Lag dicht am braunen BergeShang,

Der Epheu um die weißen Wände

Sein grün Gewinde freundlich schlang.

Alljährlich Slaar und Schwalbe hatten Ihr Heim am Dache friedlich traut,

Und in des Birnbaums Blätterschatten Hat seins der munfre Fink' gebaut. Wenn schmetternd seine hellen Lieder

Begrüßten froh das gold'ne Licht, Fuhr unser Vater rüstig nieder Im finstern Schacht zur Tagesschicht. —

Frühmorgens war's; aus Waldestiefen Stieg'S blau empor wie Opserdust.

Ihr hehr Glückaus!

die Glocken riesen

Dem Vater zu aus hoher Luft. Zum Abschied auf die runden Wangen Küßt' er das Mägdlein, rosigzart,

Deß krauses Köpfchen schlafbesangen Sich schmiegt' an seinen blonden Bart.

20 Die Mutter hat mit inn'gem Gruße Ihm lang noch betend nachgesehn. Und ich, der Bub', wollt bis zum Fuße

Der Halden mit dem Bater gehn.

Die Grubenlampe durst' ich tragen, So schritt ich zukunftsfroh dahin: „Sollst, Bater, nimmermehr Dich Plagen,

Wenn ich erst groß geworden bin! Dann magst nach Mühen und Beschwerde Du wie ein Herr im Sessel ruhn,

Und ich, ich will in finffrer Erde

Für Dich die Grubenarbeit thun!

Dann fahr' am Abend und am Morgen

Zur Schicht ich selber fröhlich an, Für Dich und Mutter will ich sorgen, Sollst sehen, was ich schaffen kann!

Will mächtig dann das Fäustel schwingen Vor Eit beim stillen Lampenschein,

Und funkensprühend soll erklingen

Mein Eisen tief irn Erzgestein!"

Der Vater mit der rauhen Rechten Mir über Stirn und Wange strich:

„Bist ja von Bergmannsart, der echten, Glückauf, mein Jung'!

Golt schütze Dich!

21 Und hörst?

Am Sonntagnachmittage

Geh'n wir zum Pathen auch zu Zweier,

Dann wandern wir in Haid' und Hage Durch Flur und Feld im Sonnenschein!" -

Der Abend nahte, Ruh zu spenden, Die Sonne sank so blutigrot, Die Mutter mit geschäft'gen Händen

Bereitete das Abendbrot. Klein Schwesterlein spielt' auf der Schwelle

Mit buntem Haideblütenstrautz.

Der treue Spitz war auch zur Stelle, Späht' harrend nach deni Herren aus. Des Vaters Stuhl an TischeSmitte Schob ich und holte Stock und Schuh:

Da kam mit zögernd schwerem Schritte Ein Mann aus unser Häuslein zu.

Ich hört' ihn zu der Mutter sprechen,

Im Schmerze schrie sie gellend aus,

Ich sah sie jäh zusammenbrechen Und eilte fort in hast'gem Lauf. Das Herz erstarrt in bangem Schauer-

Drang ich hindurch zum Schachtesrand;

„Fort, Knabe!" rief ein alter Hauer

Und wehrte angstvoll meiner Hand.



22



Doch ich, wild trotzend dem Verbote, Riß von der Bahre weg daS Tuch: Mein Vater war der bleiche Tote,

Den daS Gestein im Schacht erschlug! —

Ernst mahnten d'rauf des Alten Worte:

„'s ist Bergmannsloos!

Sohn, murre nidjt!

Dein Vater hat getreu vor Orte Vollbracht die dunkle Erdenschicht. Nun fuhr er sterbend auf zum Tage,

Dem ew'gen, hoch im Lichtgezelt, Daß dort den Ehrenkranz er trage Der Arbeit lotgetreuer Held!"

23

Der Bergsturz.

„Vorüber die Woche voll Mühen und Sorgen, Nun grüßt uns der Sonntag mit freundlichem Schein!

Zu neuer Arbeit erwachen wir morgen, Heut laßt unS genießen uno fröhlich sein!" Hoch über'm Bergdorf im Morgenwind

Dumpfhallend deS Kirchleins Glocken klangen:

„Mitten wir im Leben sind Bon dem Tod umfangen!"

Im engen Thale, auf grünenden Matten,

Wo Falter gaukeln im lustigen Tanz,

Dort spielen die Kinder im Erlenschatten Und flechten Blumen zum duftigen Kranz.

Sie schmücken die Locken mit buntem Gewind,

Wie glänzen die Augen, wie glühen die Wangen! „Mitten wir im Leben sind Bon dem Tod umfangen!"

24 Beim blonden Liebchen in dämmernder Laube

Sitzt fröhlich der Jäger am blühenden Rain:

„Und hörst Du den Lockruf der wilden Taube,

Und siehst Du das Häuschen am Buchenhain, Das schirmend der kletternde Epheu umspinnt?

D'rin führ' ich Dich heim, eh' der Sommer vergangen !" „Mitten wir im Leben sind

Bon dem Tod umfangen!"

Und plaudernd im schattigen Wirtshausgarten

Die Alten sitzen im Sonntagsstaat; Sie stopfen die Pfeifen, sie mischen die Karten Und halten gar mancherlei heimlichen Rat.

„Auf, Kellnerin, fülle die Krüge geschwind Und stille der durstigen Kehlen Verlangen!"

„Mitten wir im Leben sind Bon dem Tod umfangen!"

Beim Nachbar drüben zum fröhlichen Feste Ist blank und geschmückt das ganze Haus, Es kamen von nah und ferne die Gäste

Herbei zum lustigen Kindtausschmaus. „Es lebe der Täufling, das rosige Kind,

Der Jahre so viel, wie Becher ihm klangen!" „Mitten wir im Leben sind

Bon dem Tod umfangen!"

25 Es klagt am Fenster, von Reben umsponnen, Ein schlankes Mädchen, zur Ferne gewandt: „Wie ist all mein Glück, das süße, zerronnen,

Seit treulos Du fortzogst ins fremde Land!

Nun wein' ich um Dich die Augen mir blind.

Mir graut vor dem Leben, den: öden, dem langen. „Mitten nrir im Leben sind Kon dem Tod umfangen!"

Durch die Lüste braust ein Krachen, Donnernd sinkt die Felsenwand,

Jäh verstummt das ftohe Lachen, Starrer Schrecken lähmt die Hand:

Niederstürzt der Berg mit Macht, Hüllend rings in Todesnacht Jüngling, Jungfrau, Greis und Kind, Waldesgrün und Blumenprangen.

Schaurig durch den Abendwind über'm Thal die Glocken sangen: „Mitten wir im Leben sind Von dem Tod umfangen!"



26

-

(dmfdjr. Ein Bursch zog über die braune Haid',

Der war gar lange gewandert und weit, Gefahren fern über Meer und Land —

Zur Heimat nun hat er den Schritt gewandt: „2Bie arm einst ergriff ich den Wanderstab, Der dürftigen Witwe einziger Knab.

Nun hab' ich erworben viel Schätze wert,

Will ftöhlich nun rasten am eigenen Herd.

Wie heiß ich in fremder Sonne Glut Geschafft und gerungen um Geld und Gut,

Hat nun doch im wilden Weltgebraus

Nach Dir mich verlangt, o Vaterhaus! ES hat mich gegrüßt in Nächten mild Des frommen Mütterleins liebes Bild,

Im Traum wie hab' ich so oft Dich geschaut, Blauäugiges Schätzchen, Du herzige Braut.

Ihr eilenden Schwalben, mm fliegt mir voraus! Am Dorfesende, im kleinsten Haus

Da grüßt mir herzinnig mein Mütterlein arm, Bald soll sie nun ruhen von Sorg und Harm!

27 Ihr Blümlein der Heimat, so lieb und blau.

Wie lacht ihr mir zu auf Feld und An! Euch will ich pflücken der Liebsten mein,

Ihr sollt meine erste Gabe sein!" Bon der Sonne des Mittag- heiß umglüht

Entschlummert der Bursche, wandermüd. Am Haiderand unterm Wachholderbaum,

Da kam ihm ein banger, ein schwerer Traum. Drei" Rosen sand er im grünen Hag, Sein Mütterlein drunter begraben lag, Und neben ihn hin durch den Haselstrauch

Ging klagend und seufzend der BindeShauch. Ein weißes Vöglein ihm trauernd sang:

„ü wärest Du nimmer geblieben so lang! Wohl weckte der Lenz die Blumen aufs neu'.

Doch nimmer erstorbene Lieb' und Treu'!" Der Bursche sprang aus, sein Herz war schwer, Und weiter und weiter wandert er,

Bis endlich zu seinen Füßen im Thal Ein Dörflein blintte im Abendstrahl.

Heim kehrten die Herden aus Feld und An, Rauchwölkchen stiegen zum Himmelsblau.

Nun schritt durch die engen Straßen er schon, Ernst grüßt ihn der Abendglocke Ton.

23 Und als er kam zu des Dorfes Mitt', Da hielt er ein den hastigen Schritt; Es sahen die spielenden Kinder ihn an, Ausweichend dem frembcn bärtigen Mann.

„Sagt, wo ist die Linde so hoch und breit.

Darunter wir spielten zur Kinderzeit?" „©in Wetter ihr Kron' und Äste brach, Sie wurde gefällt seit Jahr und Tag!"

Der Bursche schritt weiter mit rüstigem Gang, Zur Schmiede hin zog ihn der Hämmer Klang.

Htzch sprühten die glühenden Funken empor, Dort stand der Meister wohl unter'm Thor. „Gott grüß' Euch, mein lieber Meister Schmied!

Erkennt Ihr noch den, der vor Jahren schied? Was macht Euer rosiges Töchterlein? Und wird sie noch lieb und hold mir sein?" Wohl gab ihm der Meister die schwielige Hand,

Doch sprach er, das Antlitz zur Seite gewandt:

„Bist ausgeblieben zu lange Zeit, Nun hat sie ein wackerer Mann gefreit!"

Tief seufzte der Bursche, doch sprach er kein Wort, Und weiter ging er und weiter fort. „Weich ruht sich's am Mutterherzen warm,

Süß tröstet die Mutter des Kindes Harm."

29 Und als er gekommen zum Gartenhag, Daran seiner Mutter Häuslein lag,

Ein fremdes an seiner Stätte stand! „Deiner Mutter Haus ist abgebrannt!"

Da fragt er noch einmal voll banger Pein:

„C, sagt mir, wo ist mein Mütterlein?" „Jüngst schloß sie die müden Augen zu,

Du magst ihr gönnen die ewige Ruh!"

Am Hügel kniet er im Dämmerlicht, Er preßt in die Hände das bleiche Gesicht.

„Nun hab' ich nicht Heimat, nicht Liebe mehr,

Nun ist mir die Welt und das Herz so leer!" „O Mütterlein, als ich Dir Abschied bot,

Wie reich da war ich bei Mangel und Not! Nun heimgekehrt, daß Gott erbarm! Wie bin ich trotz Gold und Schätzen arm!"

Und wieder hinaus in die Welt er zog,

Hoch über ihm krächzend ein Nabe flog: Die Haide war öde, der Weg war kahl,

Grau lag der Nebel auf Berg und Thal.

SV

Die Brrßfnw. (Sage.)

„Glück aus, Glück auf, mein Liebchen traut! Und bist Du schon erwacht?

Ade nun, Du herzllebste Braut, Ich fahr' zum tiefen Schacht!"

„Fährst Du hinab zum tiefen Schacht,

O so vergiß nicht mein! Nimm vor der Bergfrau wohl in acht Mein güldneS Ringelein!"

lind ats der Knappe steht vor Ort

Im tiefen Schacht allein,

WaS flimmert in der Strecke dort, Jst's wohl der Lampe Schein?

31 DaS Eisen in deS Knappen Hand

Tief ins Gestein wohl bringt.

Da horch!

Aus dunkler Felsemvand

Ein lockend Lied erklingt:

„O Knappe schmuck, o Knappe hold,

Gieb Du Dein Ringlein mir! Biel Silber und viel rote- Gold

DaS will ich schenken Dir!"

„Das Ringlein geb' ich nimmermehr,

Frau Fey, laß von mir ab! DaS Ringlein lieb' ich viel zu sehr,

Weil mir'S die Liebste gab!"

„Liebst Du Dein Schätzchen gar so sehr, So mag es also sein: Du giebst Dein Ringlein mir nur her

Für diesen Demantstein!

So hell ihn noch kein König trug

In seiner güldnen Kron'!

Bist dann auf einmal reich genug,

Kannst Hochzeit halten schon!"

32 „Biel Ringlein hat der Goldschmied noch — Gieb mir den Demantstein!

Biel lieber als ein Ringlein doch Soll mir die Hochzeit sein!"

„O Knappe, schöner Knappe Du,

Gieb mir das Ringlein an! Hier, meine Hand!

O, steh nur zu,

Wie helle funkelt's dran!"

„Frau Fey, wie ist Dein Händchen sein,

Wie blitzt Dein Aug' so klar! Wie leuchtet hell von Glanzgestein Dein nachtschwarz Lockenhaar!

Dein Ann so weich und weiß wie Schnee!

Wie ist Dein Mund so rot! O bleib bei mir, Du schönste Fee,

Sonst sehn' ich mich zu Tod'!"

„Was weinst Du, Kind, bei Tag und Nacht,

Was trauerst Du . so sehr?" — „Mein Liebster fuhr zum liefen Schacht, Heim kehrt er nimmermehr!"

38

Die Seidenweberin. „In Nachbars Garten, im blühenden Baum Laut jubelnd die Böglein singen.

Der Webstuhl klappert, ich hör' eS kaum, Wie hell in des Stübchens düsteren Raum

Der Nachtigall Weisen erklingen. „Ob leuchtend durchs Fenster das Abendrot, Ob duftig mich grüßt der Morgen:

Die Mutter ist krank und der Bater ist tot,

Die kleinen Geschwister sie weinen nach Brot, Da gilt es zu schaffen und sorgen! —

„Es eilt der Faden wohl her unb hin

Sich schmiegend nach unten und oben, So ziehen und eilen durch meinen Sinn

Biel Bilder und Träume, rotleuchtend drin Hat Sehnsucht die Fäden gewoben.

Linden. Au- der Stille.

8

34 „Flink aufwärts und abwärts von Rand zu Rand Das Schifflein die Kette durchgleitet,

Bis Faden auf Faden sich schimmernd spannt,

Die Seide dann unter der emsigen Hand Al- prangend Gewebe sich breitet. „In rauschender Pracht, in leuchtendem Schein

Einst wogt sie beim Feste-schimmer. Wie Sorgen und Sehnen ich wob hinein, Wie dunkel daS Stübchen, wie arm und klein:

Die Glänzende kündet's Euch nimmer!" —

Da bringt der Bote ein Brieflein ihr:

„Und trag' ich nun Wehr und Waffen, Mein Schah, Dein denk ich in Treuen allhier! Und kehr' ich einst heim, dann helf' ich Dir,

Für Dich will ich sorgen und schaffen!" — Es eilt der Faden wohl her und hin, Sich schmiegend nach unten und oben. Wie glänzen die Augen der Weberin,

Wie schimmert die Seide!

Rotleuchtend darin

Hat Hoffnung die Fäden gewoben! —

35

Das Gewissen. Die Becher klingen beim frohen Mahl, Das Fest durchrauscht die Hallen.

Herr Bodo steht im hohen Saal,

Umflammt von hellem Kerzenstrahl, Und stolz und schön vor Allen.

Des Grafen Tochter im weißen Kleid, Rot-Röslein im goldigen Haare, Sie reicht ihm die zarten Hände beid', Sie schaut ihn an in Wonne und Leid, Feucht wird ihr Aug', das klare.

„O, daß Du mußt durch finstre Nacht Zur Bergesseste reiten! Mir bangt um Dich vor bunkler Macht, Ach, dürft ich, fern der Festespracht,

Treuliebend Dich geleiten!" „Mein süßes Lieb, so fromm und rein,

Dein denk' ich zu allen Stunden. Und muß es heut geschieden sein, Bald sind wir ewig zu trautem Verein Durch Priesterhand verbunden!"

36 Herr Bodo schwingt sich auf sein Roß

Und sprengt hinaus ins Dunkel; Der Klang verhallt, und fern im Schloß

Verstummt der Gäste, der Diener Troß, Verglüht das Lichtgefunkel.

Hin führt der Pfad am Bergesrand

In jähem Steigen und Sinken,

Fern dunkelt das braune Haideland, Zur Rechten starrt die Felsenwand,

Tief gähnt das Moor zur Linken.

„O nein, das ist die Else nicht Mit ihren schwarzen Flechten:

Das sind im Wasser die Weiden dicht,

Die kahl und düster im Mondenlicht Dort ragen in Herbstesnächten!

„Das ist die Else nimmermehr Mit ihren Armen, den weichen, Nur Nebelgebilde luftig und leer, Die aus den felsigen Klüften umher Um die Bergesgipfel streichen.

„Das ist die Else nimmermehr Mit ihrem roten Munde!

Das sind die Dünste, die dumpf und schwer Im Bruche drunten am morschen Wehr

Entstiegen dem feuchten Grunde.

37 „Das ist des Gärtners Else nicht Mit Augen voll dunkler Flammen! O wende Dich weg, Du bleiches Gesicht!

Wenn Einer am Wege die Blume bricht, Wer will ihn drum verdammen!

„Das ist die tolle Else nicht, Die irrend im Moor versunken; Und was dort schimmernd in fahlem Licht Bald weithin schweifend, bald nah und dicht,

Sind huschende Jrrlichtfunken!" —

Er sieht's mit weißer, winkender Hand Herauf aus den Gründen greifen;

Er sieht's eint schmalen Wegesrand

In langhinwallendem Nebelgewand, Mit leuchtender: Augen streifen.

Er bebt; da bäumt sich das Noß empor,

Ein jäher Sprung zur Linken!

Ein Fall!

Ein Rauschen im schwankenden Rohr,

Ein stöhnend Ringen, und tief im Moor Reiter und Roß versinken. —

38

Siguruna. Siguruna kniet mit Thränen an des Totenhügels Fuße, Des Geliebten denkt sie klagend mit der Sehnsucht

heißem Gruße:

„Ach!

Mit Deines Auges Strahle schwand mir hin der Sonne Licht, Öde Nacht ist all mein Leben, schau' ich nicht Dein

Angesicht!

„Halagar! O mein Gebieter, hoch und herrlich Du vor

Allen, Die Walkürenarm getragen auf zu Odins Götter­

hallen, Meine Seele sie beschwört Dich: Kehr zurück, o Halagar,

Auf dem Roß, dem goldgezäumten, stell Dich streit­ gerüstet dar! „Daß mit Dir empor ich reite auf zum hohen Königs­ saale, Daß ich sitze Dir zur Seite bei dem frohen Hochzeit­

mahle;



89



Laß mich lösen Dir die Brünne, die so rot von

Heldenblut,

Laß mich reichen Dir den Becher, voll des Weines Feuerflut."

Leuchtend zucken ferne Blitze durch des SommerabendS Schwüle;

Siguruna

schlummert

träumend

auf

des

LagerS

Purpurpfühle,

Und sie sieht durch Woltendunkel hoch auf fahlem Geisterroß

Halagar, den Helden, reiten aufwärts zu dem KönigS-

schloß.

„Sei gegrüßt, o mein Geliebter! Ach, mir war um

Dich so bange! Träumte schon, Du seist gestorben! Sag, wo weiltest

Du so lange?

O, wie kalt sind Deine Hände, Deine Wangen, Halagar! O, wie haben Nachttautropsen Dir befeuchtet Bart und Haar!" —

„Nicht der Nachttau, Deine Thränen sind es, die auf mich gefallen, Deine heißen Klagen riesen mich zurück auS OdinHallen;



40



An der Flamme Deiner Liebe trockne nun der Thränen

Flut, Meine kalte Brust erwärme neu an Deines Herzens

Glut!"

Durch der hohen Säulen Bogen strahlt deS Morgens

rosig Prangen,

der Sonne erste

Strahlen

küffen SigurunaS

Doch sie werden nie sie wecken,

die entschlummert

Und

Wangen; bleich und kalt, Und erneute Totenklage durch die Burg des Königs

hallt. —

41

Königin Ude. Wer fährt durch deS Nordmeers brausende Flut An deS schimmernden DrachschiffS Borden? Herr Reginher ist es, hochgemut Und reich an Sieg und erbeutetem Gut.

Stolz zieht sein Geschwader gen Norden. Und am Maste die Jungfrau blond und hehr,

Mit den lilienweißen Wangen, Ist Königin Ilde! Im nordischen Meer Um die Herrschaft stritt sie mit Reginher.

Nun führt er die Swlze gefangen. Auf die leuchtende Brünne, daS Purpurgewand

Wallt hernieder ihr Goldhaar im Sturme. Wie verlangend noch wintt sie mit weißer Hand

Nach der fernen Heimat versinkendem Strand, Nach der Felsburg schwindendem Turme. Nun steht sie, versunken in Zorn und Schmerz,

Umleuchtet von Abendgluten. Umschlänge den Leib nicht der Fesseln Erz,

Wie so freudig wohl strebte sie heimatwärts Durch die schmeichelnden schäumenden Fluten!

42 O Du stolzer Wiking, und kümmert's Dich nicht,

Daß das herrliche Weib Dir eigen?

Wie wendest so kalt Du Dem Angesicht, Wo berauschend die Schönheit

zum Herzen spricht,

Wie so trotzig nur magst Du schweigen! Hoch steht er, gestützt auf des Schwertes Knauf, Am Kiel, umtost ton den Wellen;

Da kommt es wie Wolken von Westen herauf,

Da sieht er'S nahend im eiligen Lauf Wie leuchtende Segel schwellen.

Das ist Herr Harald von Angelland, Der um Ilde, die Königin, freite:

Er kommt, sie zu retten auS ReginherS Hand; Seekönig, nun halte dem Rächer Du Stand,

Nun rüste Dich, Wiking, zum Streite! Und als dann die Nacht übers weite Meer

Gebreitet die düsteren Schwingen,

Da bricht es hervor, da flammt es umher, Da schwirren die Pfeile, da blitzt der Speer, Und Schwert und Streitaxt erklingen.

Wohl färben vom Blute der Helden sich rot

Die brausenden Wasser der Runde: Fest steht ohne Wanken in Kampf und Not

43 Die Wikingerschar, wie mancher auch tot

Hinabsinkt zum Meeresgrunde. Hell funkelt in Neginhers Händen das Schwert, Aufflammend in leuchtendem Bogen.

Doch sein Heer geschlagen, die »Schiffe verheert; Sein Drachschiff einzig noch unversehrt

Trägt fort ihn auf schäumenden Wogen.

Da winkt er die letzten der Tapfern herbei,

Und sie lassen das Boot hernieder: „Mein Loos ein- heldenhaft Sterben sei! In dem sicheren Boote doch kehre Du frei

Zu den Deinen, o Königin, wieder!" In das Drachschiff dann wirft er den lodernden Brand. —

Hochatmend, die Freiheit zu grüßen, Hebt Königin Ilde die weiße Hand, Dann eilt von des rettenden Bootes Rand

Sie zurück zu des Helden Füßen. „Die einst sich mir neigten in schmachtender Pein, Die mochten umsonst um mich werben.

Du aber, Du schlugst nicht in Fesseln allein

Den Leib mir, Du banntest die Seele mein, Dein bin ich im Leben und Sterben. „Aus des Zornes Fluten, des Hasses Nacht Erhebt sich's mit leuchtenden Schwingen,

44 Da blüht es herauf in flammender Pracht,

Da will es mit süßer, seliger Macht Zu Deinen Füßen mich zwingen!" Und jauchzend neigt sich hernieder der Held,

Ans Herz die Tapfre zu heben. „So weit sich breitet das himmlische Zelt,

Ich bin ja der seligste Mann auf der Welt, Dem das herrlichste Weib sich ergeben!" Nun steh'n sie umleuchtet von lodernder Glut,

Die königlich stolzen Gestalten! An des Helden Herzen Schön-Ilde ruht Und lächelt in freudigem Todesmut,

Von seinen Armen gehalten. Bleich sieht es Herr Harald von Angelland; Schon sinnt er, die Rettung zu wagen,

Da zuckt ein Blitz aus der Wolkenwand, Und über des Königsschiffs ragenden Rand

Dumpfbrausend die Fluten schlagen. — Im strahlenden Glanze der Morgen erschien, Im Meere die Schwingen zu baden —

Vor der sieghaften Sonne die Wolken flieh'n,

Zwei weiße Schwäne gen Walhall ziehen

Auf des Frührots leuchtenden Pfaden.

45

Mathildis. Zur Klosterthür in Herford, die Nebengrün umlaubt, Ein fremder Wandrer Pilgert, das Antlitz wegbestaubt; Er schreitet zur Kapelle den Säulengang entlang, Wo Orgelton ihn ladet und frommer Chorgesang.

Und dort im Kreis der Nonnen er eine Jungfrau sieht, Die betend am Altare in frommer Andacht kniet. Noch hüllt nicht Band noch Schleier ihr Antlitz lieb­ lich hold, Licht auf des Gürtels Spange fällt ihrer Flechten Gold. Durchs hohe Bogenfenster fällt buntes Sonnenlicht, Bestrahlt mit warmem Schimmer der Jungfrau An­ gesicht. In reinem Glanze leuchtet ihr Auge klar und blau, Wie in dem Blumenkelche erglänzt der Morgentau.

„Sagt an, wer ist die Jungfrau im lichten Linnen­ kleid ? Weit komm ich her, doch nimmer sah ich solch holde Maid!" „Sie, die mit hoher Schönheit vereint so frommen Sinn, O Pilger, ist Mathildis, des Klosters Schülerin." —

46 Gebet und Lied verhallte;- am Thore wartend steht

Der Pilger, als Mathildis an ihm vorübergeht. Und eine Gabe heischend, schaut er sie bittend an; Voll Milde grüßt sie freundlich den fremden Wanders­ mann.

Im Täschchen eifrig sucht sie vergeblich dann und spricht:

„Geld für die Wegezehrung, o Pilger, find' ich nicht."

Dann löst sie rasch die Spange von ihrem weißen Arm: „Nimm hin!

Sie mag

Dich schützen vor mancher

Sorge Harm!" Der Pilger nimmt das Kleinod, aus seinem Auge bricht Ein Strahl, darob errötet der Jungfrau Angesicht.

„Gesegnet sei, Mathildis, Du Jungfrau fromm und

hold; Und mag Dich nie gereuen der Spange rotes Gold!" — Wer sprengt so stolz und mächtig auf reichgeschirrtem Roß Zur Klosterthür von Herford, gefolgt vom Dienertroß?

Hoch weht vorauf das Banner, das weiße Roß im Feld:

Das ist der Kaiser Heinrich, der edle Sachsenheld.

Schnell springt er ab vom Rappen dicht an der Treppe Fuß, Ties neigt sich die Äbtissin mit ehrfurchtsvollem Gruß.

Er schreitet durch die Halle, er steht im hohen Saal: „Ich komme, hier zu werben mein kaiserlich Gemahl!

47 „So rufet mir Mathildis, des Klosters Schülerin, Sie ist es, der in Minne treu zngethan ich bin!" Errötend vor dem Kaiser im Saal Mathildis steht,

Den Pilgersmann erkennt sie, der Gabe jüngst erfleht. „Zn lösen ein Gelübde, als Pilger, unerkannt

Betrat ich dieses Kloster im bürftigcn Gewand.

Da sah ich Dich, Mathildis, im Kirchlein betend knien; Wie Du, so wunderlieblich noch Keine mir erschien.

Wohl schlug Dein schönes Antlitz mein Herz in süßen

Bann, Doch, Deinen Sinn zu prüfen, erheischt' ich Gaben dann.

Du reichtest mir die Spange in Milde lieb und hold, Willst nun dafür Du tragen der Kaiserkrone Gold?"

Wohl noch wie traumbefangen die Jungfrau bebend schweigt, Doch leuchten ihre Blicke, erglühend sie sich neigt. Der Herold kündet's draußen, die Hörner schmettern

laut,

Und Alle freudig grüßen die junge Kaiserbraut.

48

Das Mädchen von Hemmingstedt. Wo die Nordsee mit wogenden Armen umschlingt

Die grünen Marschen, die deichumringt Die blühende Küste umsäumen, Wo über die Dünen der Weststunn braust,

Herführend vom Meere mit mächtiger Faust

Der Fluten brandendes Schäumen: Da wohnt ein freiheittropig Geschlecht, Gestählt in Sturm und Gefahren, Um todesmutig sein altes Recht Mit Gut und Leben zu wahren.

Wohl lüstet's den König von Dänenland,

Zu legen die eiserne Herrscherhand Aus Dithmarschens blühende Auen. Sie sollten ihm tragen Gut und Gold,

Er wollte in Schatzung, in Dienst und Sold Geknechtet die Freien schauen.

„Und wollt Ihr" — so sprach er in zornigen! Groll —

„Die trotzigen Nacken nicht neigen: Bei Gott, der dänische Löwe soll

Die eisernen Krallen Euch zeigen!"

„Holla, Her-r Johann von Dänemark,

Die Bauern der Marschen, kühn und stark,

49 In- dänische Joch zu zwingen. Da- soll, so lange noch Sturm und Meer

Umbranden die Dämme, die Dünen umher, Dir nun und nimmer gelingen! Wir setzen dagegen so Gut wie* Blut,

Und eher wollen wir sterben, Als datz der dänische Übermut Das schöne Land soll verderben!"

Und über die Geest Herr Johann zog,

Stolz wehte der leuchtende Danebrog

Aus Holsteins düsterer Haide. Gefolgt von der Knappen und Söldner Troß,

Den Herren und Rittern, hoch zu Roß, Im glänzenden Waffengeschmeide, So ritt er gewaltig zum Nordseestrand,

Die Kühnheit der Freien zu rächen, Für ewige Zeiten mit mächtiger Hand

Den Trotz der Bauern zu brechen.

Der Tag versinkt und die Dämmerung graut, Aus Marschen und Deichen der Nebel braut.

Gespenstische Schatten wallen. Am einsamen Warfthaus am Rande der Haid'

Steht Signe, die hohe, die herrliche Maid, Im Lande die schönste von Allen.

Linden, Ans der Ctive.

4

60 Und über den Deich aus dunkelndem Pfad

Durch nebelumwogtes Gelände Aus schäumendem Rosse ein Reiter naht,

Jetzt reicht er Schön-Signe die Hände.

„Gott grüß Dich, des Marschlands Blume Du!

Nun hat mein Sehnen und Sinnen Ruh,

Da ich Dich wiedergesunden!

Seit einst in den Tagen voll Sommerpracht Wir uns sahen und liebten, hat Dein gedacht

Mein Herz zu allen Stunden. Aus des Königs Gezelt heut trieb mich hinaus Zu Dir mein sehnend Verlangen,

Eh' morgen die Hörner mich rufen zum Strauß, Noch einmal mein Lieb zu umfangen!"

Da schaut sie in Wonne und Weh ihn an: „Wohl bist Du ein stolzer Rittersmann Und ich aus geringem Geschlechte!

Doch ehe der Priester dem Manne mich eint, Der der Dänen Freund und der Unsern Feind,

Gehör' ich dem niedrigsten Knechte! — Siehst dort Du, im Osten wie Feuersglut

Den nächtlichen Himmel rötet? Dort floß meiner Brüder und Schwestern Blut,

Die das Schwert der Deinen getötet!" —

51 Der Morgen dämmert, der Beststurm braust,

Fest stehen die Bauern, vom Wetter umsaust, Bei Hemmingstedt aus der Schanze.

Truhen und Listen Dir länger frommt, Nun hüte Dich, Bauer, die Garde kommt, Sie holt Dich zum Waffentanze!" Ausbrechen die Mannen der Marschen zur Schlacht,

Zu sterben oder zu siegen, Doch der Feinde gewaltiger Übel-macht Mutz daS Häuflein der Helden erliegen. Da noch einmal erschließt sich der Schanze Thor,

Dreihundert Männer stürmen hervor,

Die rollenden Würfel zu wenden. Wer führt die Helden zum Todesstreit?

Schön Signe, die hohe, die herrliche Maid,

DaS Kreuz des Erlösers in Händen! Und im Sturmestoben von Westen daher

Zum Schutz seiner Söhne, der freien, Durch die offenen Schleusen ergießt sich das Meer In der Feinde gelichtete Reihen. —

Errungen! Errungen der blutige Sieg,

Beendet mit ihm der heilige Krieg, DaS Heer der Feinde vernichtet! In der Kirche zu Lldenwörder hoch Aufragt der erbeutete Danebrog Zum Siegeszeichen errichtet.



52 —

„Wo ist Schön-Signe, die kühn uns geführt? Sie brachte die Feinde zum Wanken.

Auf! Laßt uns ihr Alle, so wie sichs gebührt.

In jubelnder Huldigung danken!" Wo ist Schön-Signe, die Heldenmaid?

Wohl sah ich schimmern ihr weißes Kleid An der schäumenden Wasser Rande. Dort liegt, von den schmeichelnden Wellen umwallt,

Mit klaffender Stirne, still und kalt Ein Ritter im Waffengewande.

Schön-Signe sich über den Toten neigt Und küßt ihn mit heißem Munde. Die Fluten brausen, die Woge steigt, Sie bettend im tiefen Grunde.

53

Sin Tröpflet« Lieb'. Im öden Haus ein finstres Kämmerlein,

Drin fitzt die alte Näherin allein.

Hell sind die Fenster dort im Nachbarhaus, Der Kerzen Licht glänzt in die Nacht hinaus.

Und Kinderjube! übertönt den Wind. — Ach ja — auch sie war einst ein fröhlich Kind.

Auch sie hat einst vor langer, langer Frist

Sich hoch gefreut zum lieben heiligen Christ.

Dann wuchs sie auf, bald stand sie ganz allein: Vom frühen Morgen bis zum Abendschein

Hat redlich sie erkämpft ihr Stücklein Brod, Doch keine Hand ihr Schutz und Hilfe bot.

Nie nahte ihr die Liebe lind und weich, üb' ward ihr Herz und ihre Wange bleich. — Nun ist sie alt und schwach und slerbenSmatt,

Arn Wege sank sie hin, ein welkes Blatt! Wer fragt nach ihr!

Ach, wär's vorüber bald.' —

Da auf dem Flur ein frohes Flüstern hallt,

Leis' pocht es an:

zwei Kinder treten ein;

Wie wird so hell voll Licht das Kämmerlein!



54



Ein brennend Bäumchen trägt der Kleinen Hand. „Die Mutter hat -u Dir uns hergesandt:

Wir sollen grüben Dich vom lieben Christ,

Der für uns alle heut gekommen ist!" Ta dringt's ins Auge ihr so feucht und warm.

Fest um die Kindlein schlingt sie ihren Arm.

Was ist's, das sie auf einmal glücklich macht? Auch ihrer hat die Liebe heut gedacht!

Wie innigwohl doch thut ein Tröpslein Lieb Dem einsam Dürstenden!

O gieb, o gieb!

55

Schutzeuglei«. Es steht am Weg ein gewaltiges Haus,

Bielfenstrig ragt's über die andern hinaus. Dort steigt aus den hohen, finstern Kaminen Der Rauch in die Lüste wirbelnd hinauf. Tort brausen und stöhnen die Dampfmaschinen,

Und Räder sich schwingen in kreisendem Laus. Es rasselt der Webstuhl, die Spindel sich dreht,

Auf seinem Posten ein Jeder steht. Biel Hände sich flink und rastlos regen

Im stillen Verein mit fröhlichem Fleiß,

Zu schassen der Arbeit goldenen Segen, Zu ernten der Mühe lohnenden Preis. Nur Einer steht grollend und finster am Thor,

Die Fäuste geballt: aus den Zähnen hervor Dringt knirschend ein Fluch.

Man hieß ihn gehen,

Er mochte nicht beugen den trotzigen Sinn.

Nun muß er der Not ins Auge sehen. Wo findet er Arbeit vor Lenzesbeginn? —

56

Im niederen Häuschen Ein blondes Mägdlein „Ach, weine Du nicht! Ich will sie suchen am Eh' wieder der Schnee Sie zugedeckt hält noch

am Walde dicht zur Mutter spricht: Die weißen Glöckchen Waldeshang, mit den dichten Flöckchen Wochen lang.

„Ich nehm' sie mit zur Stadt hinaus Und bringe Dir Geld für Brot nach Haus " Das Tüchlein dann um die Schultern gewunden, Eilt's eifrig hinaus in den schweigenden Wald, Wo's gestern die ersten Blümchen gesunden. — Wie streicht der Nordwind so eisig kalt!

Wie blühen die Glöckchen so tief versteckt, Fast hat schon der Schnee sie alle bedeckt; Wie frieren die kleinen, zitternden Hände, Weh thun die Füße, verweht ist die Spur. Am Kreuze dort an des Weges Wende Will's ruhen und rasten ein wenig nur.

Die Flocken fallen so dicht, so dicht! Es zieht das Tüchlein tief ins Gesicht, Will schlafen und träumen. — Welch süßes Klingen, Welch Flüstern und Rauschen und heimlich Wehn! Das sind wohl der Englein leuchtende Schwingen, Die dort unter dunklen Bäumen gehn!-----

67 Mil bleichem Gesicht und wankendem Schritt Ein Mann aus der Schenke am Wege dort tritt:

Da hallt*- vom Walde herab ihm entgegen Wie RoffeSschnauben und Schellenton:

Ein Schlitten naht aus beschneiten Wegen,

Drin sitzt der Fabritherr mit seinem Sohn.

Im Auge des Hasses glühenden Schein Ergreift der Andre den mächtigen Stein,

Sich duckend hinter den dunklen Bäumen.

Zum tödlichen Wurf aus sicherm Versteck

Erhebt er die Hände...

Was läßt ihn säumen?

Was läßt ihn erzittern in Staunen und Schreck ?

Er sieht in des stolzen Fabrikherrn Arm Geschmiegt in die Pelze, schimmernd und warmr

Ein Köpfchen mit blonder Löckchen Fülle,

Gebettet in Decken und Tücher weich, So sorglich umfangen von schützender Hülle,

Ein süßes Gesichtchen, still und bleich! — „Wir fanden's im Walde, ver-schneit und allein.

Gott Dank!

Noch mag es gerettet sein."

„Mein Kind!"

Die Thränen ihm feuchten die Lider —

Versöhnung erfleht er reuevoll, heiß; Bald steht am rasselnden Webstuhl er wieder,

Wie eh'mals zu schaffen mit freudigem Fleiß. —

58

Die Bekehrte.

Bon Purpurbaldachinen Beschattet, prachtumglänzt, Mit Rosen und Rubinen Gewand und Haar bekränzt, Zur Sette des Cäsaren Satz ich in stolzer Ruh; Uns jubelten die Scharen Des Römervoltes zu.

Da hallten fremde Lieder Aus der Arena Kreis, Liktoren führten nieder Gefesselt einen Greis; Es schritt an seiner Seite Der Christen ernste Schar, Dem Meister zum Geleite In Nöten und Gefahr. Nun hemmten sie die Schritte, Sie standen betend da, Und in der Frommen Mitte Ich eine Jungfrau sah:

59 Auf ihrem Angesichte

Ein sel'ger Friede lag. Ein Glanz vom ew'gen Lichte Aus ihrem Auge brach.

Sie sah den Tiger dräuen Am offnen Gitterthor,

Es drängten sich die Leuen

Blutlechzend schon hervor. Doch sonnenglanzumwoben Hebt sie das Angesicht

Und schaut getrost nach oben Empor zvm goldnen Licht.

Da riß ich aus den Haaren

Den Kranz von Rosenlaub, Warf vor der Wunderbaren Ihn huld'gend in den Staub. „£ lehr' auch mich erwerben

So hehre, jüste Ruh'! O lehr' mich lächelnd sterben

Und siegesfroh wie Du!" Und an deS Podiums Fusie, Wo lichtverklärt sie stand,

Hob sie zum Gegengruße

Das Kreuz in ihrer Hand:

60

„Wenn läutcmb Dich die Flamme Bon Christi Geist durchglüht, Dann aus des Kreuzes Stamme Auch Dir das Heil erblüht!" So sprach die Hochgemute. Zerrissen lag sie dann; Bon ihrem roten Blute Ein Bächlein sacht verrann. Doch hoch zum ew gen Leben, Bon Not und Tod befreit, Sah ich die Seele schweben In Himmelsherrlichteit.

Da floh auch ich zur Stunde Der Sünde Glanz und Pracht, Ich einte mich dem Bunde Deß, der das Heil gebracht. Und ob mir Kertermauern llnd Schmach und Qualen drohn, Statt Rosen ohne Trauern Trüg' ich die Dornentron.

61

Die Opferpriefterin. Es drängt zum heil'gcn Haine Das Sachsenvolk sich hin

Am hohen Opfersteine

Harrt stumm die Priesterin.

Und in der Sachsen Mitte Der Franke Hardumot

Geht stolz mit festem Schritte

Hinan zum Opfertod.

„Für Sachsenblut, geflossen Auf Berdens grünem Feld, Sei heute Deins vergossen,

Gefangner Frankenheld!

Die Götter zu versöhnen, Die zürnend sich gewandt. Seit Sachsenmannen sröhnen Dem Gott aus Römerland!"

62 Es tönt in Zweig' und Lüften

Bielstimmig Bogellied, Ein Hauch von Rosendüsten

Den wald'gen Hag durchzieh:.

Des Franken Blick, umfangen

Bon irdischer Frühlingsprach:, Schaut ew'gen Lenzes Prangen Hoch über Todesnacht.

Jäh will die Priest'rin heben Den blanken Lpferstahl, Da senkt sie ihn mit Beben

Bor seines Auges Strahl; Es schmilzt in süßem Bangen Ihr stolzer Mut dahin,

Und ungekannt Verlangen Bebt ihr durch Herz und Sinn.

„Nicht heute mag's geschehen,

Die Gotter wollen's nicht;

Wie Runen seh' ich's stehen Ob seinem Haupte licht.

Vergönnet mir bis morgen

Zum heil'gen Werk die Frist, Weil heut mir noch verborgen Der Götter Ratschluß ist."



63

-

DeS Lagers Feuer glühten Dahin beim Sternen schein;

Versenkt in dumpfe- Brüten

Bacht Hardumot allein. Im schimmernden Gewände,

Bon Lockenslut umweht, Rasch lösend seine Bande

Die Priest'rin vor ihm steht.

Und ihm zu folgen winkend,

Eilt lautloS sie voran, Wo hell durchs Dunkel blinkend

Ein Fluß durchrauscht den Tann. „SBcnn rastlos Du von dannen

Ziehst seinem Laufe nach,

Bist Du bei Deinen Mannen, Eh' zweimal steigt der Tag!"

Fest sagt der Held von Franken

Der Jungfrau Hände dann: „£ sprich, wie soll Dir danken

Der freiheittrunk'ne Mann?" Zieh mit mir, sei die Meine,

Sonst bleibt mein Herz allhier,

Ich biet' am grünen Rheine Bieltraute Heimstatt Dir!"

64 Da wendet sich voll Grauen Die Priesterin zurück:

„Nicht darf ich sehnend schauen Nach Andrer Erdenglück!

Die Hände, die gehalten

Das heil'ge Opserschwert, Die können nimmer walten An Deines Hauses Herd.

„Den Göttern ist mein Leben,

Den zürnenden, geweiht; Dir mögen Heil sie geben

Und Sieg und Herrlichkeit. Geh Du getrost entgegen

Dem lichten Morgenstrahl, Ich wirke Zaubersegen Zur Nacht beim Nunenmal.^ —

In hohen Himmelslüften

Die Lerche grüßt den Tag,

Ein Hauch von Rosendüften Durchzieht den grünen Hag.

Da drängt zum heiligen Haine Das Volk der Sachsen hin: Am hohen Opfersteine

Harrt bleich die Priesterin.

65

„Das Opfer ist entflohen! frcrn weilt der Frankenheld — Den Göttern doch, den hohen, Ein andres ist bestellt!" — Sie hebt das schwertesgleiche Zweischneidige Opsererz Und senkt's zum Todesstreiche Tief in daS eigne Herz.

Linden, ?'.u» der Stille.

-

66

-

Am Kriedhofrand. I. Es liegt allein an des Friedhofs Rand

Ein Grab, versunken in Schutt und Sand,

In wuchernden Dorngewinden versteckt,

Bon feuchten, modernden Blättern bedeckt. Kein Strahl der Sonne will'S wärmend umfließen.

Kein Blümlein mag hier sich duftend erschließen; Und hat der Wandrer daS Grab gesehn

Und fragt, die eilig vorübergehn, Dann legen sie wohl aufS Herz die Hand, Sehn scheu hinüber zum Kirchhofsrand: „Man konnt' ihm kein ehrlich Begräbnis geben,

Ein Mörder war er am eignen Leben; Es soll nicht des toten Sünders Gebein Die heilige Erde des Friedhofs entweihn!" O Ihr, die Ihr wandelt auf sonnigem Pfad,

Ihr, denen nimmer der Sturm genaht,

Wie wagt Ihr zu richten mit hartem Wort Den armen, einsamen Toten dort!

67 Das Herz, daS in Sturm und Wogendrang Allein und hilflos kämpfend versank! Auch über ihm hat in stiller Nacht Ein Mutterauge einst betend gewacht.

Auch er trat fröhlich hinaus in die Welt, Bon Sehnen und Hoffen die Brust geschwellt.

Es mußte sein Herz mit Sang begrüßen Die Lenzesblümlein zu seinen Füßen, Die Sonne am blauen Himmelsdom, Den flüsternden Wald und den brausenden Strom;

Die klangen und rauschten und weckten wieder Im tiefsten Innern ihm neue Lieder. Es schweifte sein Blick in blaue Fernen

Hinaus zu den glückverheißenden (Sternen. Und gleich dem Adler sonnenwärts In freudigem Streben sich hob sein Herz

Und drang und glühte in stolzem Regen Dem hohen leuchtenden Ziel entgegen.

Doch die Sterne, die Sterne sie hielten nicht Wort, Die Lenzesblumen verwehten verdorrt,

In Nebel versank die Sonne matt, Vom Baume der Hoffnung fiel Blatt auf Blatt.

Die Sorge den Morgengruß ihm bot, Zu Gaste lud sich die bleiche Not: Und das Ziel, für das er in Sehnsucht entbrannt,

In unermesiene Weiten schwand. 5*

68 Biel Andre sah er's müh'los erringen Auf des Geistes nicht, auf des GoldeS Schwingen.

Nun wollt' er um Beistand die Menschen flehn,

Zu denen verehrend er ausgesehn. O sie, die so laut die Liebe Preisen,

Sie werden auch ihm sich helfend erweisen! —

Sie sagten ihm manches schöne Wort, Sie zuckten die Achseln und wandten sich fort. Da rafft' er noch einmal sich stolz empor:

„Und ob ich den Glauben an Menschen verlor,

Noch darf ich dem eigenen Herzen vertraun, Noch will ich hoffend aufwärts schaun. Geduld!

Geduld!

Und über Nacht

Mag kommen das Glück wohl, eh

ich's gedacht!"

So hofft' und harrt' er Tag für Tag,

Doch das Glück, sein Glück nicht kommen mag. So rang und rang er Jahr um Jahr,

Sein Auge ward trüb und bleich sein Haar;

Er ging umher so still und müd



Ist all die lodernde Glut versprüht?

O nein, Du sahst nicht, in tiefer Nacht

Wie er brennenden Auges einsam gewacht, Wie er aufwärts blickte zu Himmelshöh'n,

Wo die Sterne glänzten so ruh voll schön:

Wie seiner Hoffnung mit Hellem Schein, So lächelten strahlend sie seiner Pein

69 Und zogen weiter tu leuchtenden Gleijen Vorüber in wandellos ewigen Kreisen. —

Da schlugen ob seinem Haupte zusammen

Der Verzweiflung wilde, düstere Flammen.

Im Herzen ihm ward es finstere Nacht, Da schloß er die Augen, da hat er's vollbracht! — Sie scharrten am Kirchhofsrand ihn ein, Es schmückt die Stätte nicht Kreuz noch Stein,

Kein Priester betet' an seinem Grab, Kein Freund rief ein Abschiedswort hinab,

Und wie sein Leben an Dornen so reich,

Im Tod noch umschlingt ihn ihr wild Gezweig. Still deckte den Hügel mit dunkler Hülle

Gefall'ner Blätter welkende Fülle,

Und Herbstesstürme drüber wehn, Und Wogen des Lebens drüber gehn.

Es schaun auf des armen Sünders Grab Noch lächelnd und strahlend die Sterne herab, Ziehn weiter droben in leuchtenden Gleisen Vorüber in wandellos ewigen Kreisen. —

70 II. FrühlingSlust weht von den Bergen nieder,

Träumend ging zum öden Grab ich wieder. Sieh, die Domen, die eS still behüten,

Prangen heut in hundert Hellen Blüten. Lichtes Grün entkeimt dem dunklen Staube,

Drängt sich aufwärts aus dem welken Laube. Und mit ihrem Dust, dem wunderjüßen,

Blaue Veilchen drin verborgen grüßen.

Durch der Domen schwankendes Gehege Fand die FrühlingSsonne doch die Wege.

Milder Schein von roten Abendgluten, Will verklärend noch das Grab umfluten.

Hoch vom Kirchlein Besperglocken klingen, Leise rauscht es wie von Engelschwingen.

Und ein Vöglein, im Gezweig verborgen, Fröhlich singt vom lichten Ostermorgen.

71

Lohen-rinS Gegen.

Goldigrot in Strahlengluten Fern die Abendsonne schied,

Ueber stille, dunkle Fluten Neigt sich träumend Schilf und Ried.

In des Hochwalds tiefem Düster

Singt ein Bogel sehnsuchtreich, Und ein todeSbang Geflüster

Weht durch- blühende Gezweig. Auf deS SchloßbergS grüner Halde

Weinend Beatrice steht,

Und herab zu Fluß und Walde

Ihres Schmerzes Klage weht. Heimberufen von dem Schwane Sieht sie den Geliebten ziehn,

Einmal noch aus schwankem Kahne Grüßt sie scheidend Lohengrin: „Keine Klage bringt Dir wieder,

Weckt Dir totes Glück aufs neu. Feuchten Thränen auch die Lider,

Bebst Du atlch in Schmerz und Ren,

72 Dennoch geh' ich, nun zu meiden

Ewig Dich, mein süßes Glück;

Meine Liebe soll nicht scheiden, Mein Gedenken bleibt zurück. „Freundlich soll es Dich umwehen.

Lindernd Deine bittre Pein,

Soll am Tage mit Dir gehen,

Dir im Traume Tröster fern. Sieh, ich will die Stätte segnen. Die einst unser Fuß betrat,

Süßer Friede soll begegnen Dir und Jedem, der ihr naht.

„Zum Gedächtnis unserm Builde

Will ich diese Lande sei'n, Segnen ringS die weite Runde,

Segnen Schloß und Wald und Rhein!

Jeder Pfad, den wir gegangen, Jeder Garten, jede Au

Schmücke sich mit Blütenprangen, Grüße Dich, vielliebe Frau!"

73

Julfeft. Nordsturm durchbraust die Winternacht, Heult in den Klüften und saust mit Macht

Nieder vom ragenden Bergesgipfel Hin durch des Eichwalds entblätterte Wipfel.

Doch auf der Lichtung beschneitem Raum

Glüht der entzündete Tannenbaum, Und um ihn her, nach der Väter Art,

Stehn die Germanenhelden geschart, Feiernd das Julfest, die Sonnwendnacht,

Da aus dem Dunkel das Licht erwacht. Jetzt aus der Priester ernstem Kreis Feierlich schreitet ein hehrer Greis:

Mächtig noch reckt sich die hohe Gestalt, Gleich einem Eichbaum im Bergeswald, Weiß wie der Schnee sein Bart und Haar,

Leuchtende (Sterne sein Augenpaar.

Und gen Osten erhebt er die Hände, Grüßend die Stunde der Sonnenwende:

74 „Flammender Tannbaum durchglühe die Nacht, Die uns des LichteS Aufgang gebracht! Über der Erde, der Winterhärten, Über den Strömen, den eiserstarrten,

Hin durch den nordsturmentblätterten Hain Leucht' in den Lüften Dein strahlender Schein,

Kündend, daß wieder sein Angesicht Zu uns gewendet daS himmlische Licht,

Daß nun nach Winterstürmen und Graun Bald seinen Sieg im Lenze wir schaun! Wendet'- dann wieder rückwärts die Bahn,

Einst wird doch Baldur, der Herrliche, nahn,

Er, der auf immer daS Dunkel besiegt. Dem auch die Macht des Todes erliegt! Ewiges, unvergängliche- Licht

Dann aus den Höhen herniederbricht.

Gottessohn, Baldur, Du strahlender Held,

Wann wirst Du nahn, zu erlösen die Welt?"

Hoch vom schneeigen BergeSpfad

Schwebenden Schrittes ein Jüngling naht: Faltig ein weißer Mantel umwallt

Seine vom Lichtglanz umfloss'ne Gestalt, Und er verkündet mit strahlenden Mienen:

„Baldur, der Göttliche, ist uns erschienen! Nieder zur Erde vom Himmelsthron Sandte Allvater uns ihn, seinen Sohn!

76 Fern in Bethlehem ward er geboren, UnS zu befrein, die im Dunkel verloren.

Kindlein auf Erden er worden ist:

Hört eS, fein Name heißt: Jesus Christ! Hell durch der Menschheit bergende Hülle

Leuchtet der Gottheit ewige Fülle, Und sein Licht, daS lebendige Wort,

Dringt durch die Lande von Ort zu Ort.

Leidend für unS nach deS Balers Gebot,

Stieg er hinab in den bitteren Tod, Hat mit dem Grimmen, dem Starken gerungen, Siegreich für unS ihn auf ewig bezwungen.

Führt, die chm folgen, durch TodeSnacht

Ein in des ewigen Lebens Pracht. Nimmer daS Schwert erbaut ihm den Thron,

„Gnad'" ist sein Scepter und „Liebe" die Kron'. Fern ward die selige Botschaft auch mir, Euch sie zu künden nun, steh' ich hier!" —

Still sind die Stürme, die Wolken zerstoben, Strahlend erglänzt aus dem Dunkel droben Nun der Gestirne leuchtende Pracht;

Ahnungsvoll schweigend dämmert die Nacht,

Leise nur hoch in den Wipfeln es rauscht. — Staunend der Alte der Botschaft lauscht,

Jubelnd erschließt sich sein Herz der Kunde

Aus des begeisterten Jünglings Munde:

76 „Tag des Heiles, bist endlich Du da? Selig, daß noch mein Auge Dich sah, Selig, daß Du gekommen bist,

Grüß' ich Dich, Baldur-Jesus Christ!

Hoch auf dem sonnenumstrahlten Thron Seh' ich Dich walten, o Gottessohn!

Ueber der Erde dunkelnde Weiten Seh' ich Dein siegendes Lichtreich sich breiten,

Mich auch umfängt Dein seliger Schein, Nahe mir, Heiland, längst wartet' ich Dein!" Freudig das Haupt er sterbend neigt,

Lächelnd sein Mund im Tod erbleicht,

Und des Tannbaums flammender Glanz

Webt um sein Haupt den Glorienkranz.

77

Kaiser Karl und der Hirtenknabe.

Der Kaiser Karl zu Aachen war,

Umgeben von der stolzen Schar

Der kampferprobten Helden.

Da kam, vom Papst ihm zugesandt, Ein Bote aus dem wälschen Land,

Die Kunde ihm zu melden: „Die Römerstadt, bedrängt gar sehr

Bon König Desiderius' Heer, Läßt Deinen Schuh erstehen!"

Der Kaiser draus voll Unmut spricht:

„An dem soll, der den Frieden bricht,

Gerecht Gericht geschehen!" Draus Kaiser Karl gen Wälschland zog,

Gar sroh und stolz sein Banner flog In Sonnenschein und Winde.

Doch bald auf rauhen Alpenhöhn, Im Wettersturm, im wilden Föhn Ging's nimmer so geschwinde.

78 Gar steil und schwierig war der Pfad

Am schmalen, zack'gen Felsengrat

Auf hoher Alpenfirne. „Hallo, bei solchem Schneckengang Da wird die Zeit mir viel zu lang!" Sprach Karl mit finstrer Stirne.

So wandten sich zum besiern Weg

Die Heere, doch eS schwand der Steg In finstern Bergesschlünden. Der Nebel braute recht- und links,

Ob rückwärts oder vorwärts ging's,

Kein Führer möcht' eS künden.

Die Helden sah'n sich ratlos an:

„Fürwahr, das war nicht wohlgethan.

Wer mag den Weg unS zeigen?" Da hörten sie von Bergeshöh'n

Hinab ein lautes Horngetön

Wie Lied und Festesreigen.

Und munter kam mit leichtem Mut,

Ein Sträußlein Edelweiß am Hut,

Ein Sennerknab' gegangen. Wohl in sein Horn er kräftig stieß.

Ein Hirtenlied er lustig blieS, Daß weit die Töne klangen.

79 „Weißt Du zum Land Italia

Den rechten Weg?"

„Ihr Herren, ja!

Mir ist darob nicht bange!

Mit meinem Horn zieh' ich voraus;

Getrost durch Sturm und Nebelgraus Folgt seinem hellen Klange!" Der Spielmann rüstig zog alsdann Dem stolzen Frankenheer voran;

Sein Lied auf Windesschwingen

Gar fröhlich klang bergauf, bergab, Und neuen Mut den Helden gab

Das helle, frohe Klingen.

Und als ins Land Italia

Der Kaiser nun herniedersah,

Rief er mit frohem Sinne: „ES sei das Land deS Spielmanns Lohn,

Soweit sich seines HorneS Ton

Erschwingt von Bergeszinne!"

„Habt Dank, Herr Kaiser, tausendmal!

So zieh' denn über Berg und Thal

Der Klang zu Euerm Preise!" Ins Horn dann stieß er freudig bald Noch einmal, daß durch Feld und Wald Es dröhnt' im weiten Kreise.



80

-

Drauf ward der Hirtenknab' sogleich

Ein möcht'ger Gras im Frantenreich,

Das durft' ihm niemand wehren. Als Ritter auch mit Schwert und Sporn Hielt treulich er sein gutes Horn

Allzeit in hohen Ehren.

81

Der Schild Hon Nürburg.

(Burg RÜrburg bei Adenau in der Chfel.) Herr Ulrich hat vor Zeiten Gar manchen Schwertesstreich Gethan mit kühnen» Streiten Für Kaiser und für Reich; Fuhr oftmals auch zum Feste Hinab nach Altenahr, Wo er im Kreis der Gäste Ein froher Zecher war.

Nun war ihm still verglommen Der unruhvolle Tag, Sein Abend war gekommen, Und todeskrank er lag. Mit heitenn Angesichte Er auf zum Himmel sah: „Mein Heil ist im Gerichte Das Kreuz von Golgatha!" Da sprengt auf schnellem Rosse Durchs Burgthor in den Hof Zu seines Bruders Schlosse Von Köln der Erzbischof. Linden. Aus der Sttlle. f>

82

„Und geht es nun zum Sterben, Hast, Bruder, Du's bedacht, Die Seligkeit zu erben, Dein Testament gemacht?" Da sprach Herr Ulrich milde: „Auf Gnade darf ich traun, Du sollst an meinem Schilde Davon ein Zeichen schaun!" Und als nach dreien Tagen Man ihn zur Gruft gesenkt, Der Schild, den er getragen, Ans Burgthor ward gehängt.

Da glänzt im Strahlenkränze Der Aar in heller Glut, So wie im Sonnenglanze Erglüht des MeereS Flut. Dann bricht der Schild in Scherben. Der Bischof neigte sich: „Herr Gott, so selig sterben Last Du dereinst auch mich!"

83

Tilly. Es sprengt der finstre Alte, Der Tilly, durch die Reih'n;

Aus seiner Stirn die Falte, Sie dräut wie Wetterschein: „In schuttbedeckten Gassen

Nicht Obdach find' ich hier, Hat übrig man gelassen

Dem Feldherm kein Quartier?"

Nur hart am Kirchhossrande

Ein Häuschen steht allein, Noch unversehrt vom Brande,

Dort tritt der Feldherr ein. Stumm grüht ihn an der Schwelle

Ein ernster, greiser Mann, Der weist zur Lagerstelle

Das eigne Bett ihm an.

84 Und Tilly legt sich nieder,

An Schlacht und Sieg er denkt, Bis schwer auf seine Lider

Sich Schlaf und Traum gesenkt. Er sieht in Wolken fliegend Daher vom Nordmeerstrand

Ein Löwenbanner siegend

Durchzieh» das deutsche Land.

Bom Wiehern seines Schecken

Der Alte ist erwacht. Wie, sollt' den Tilly schrecken

Ein wirrer Traum der Nacht? Er hat mit keckem Munde Die Zukunft einst erfragt,

Da hat chm stolze Kunde

Der alte Mönch gesagt:

„Herr, Deiner Siege Kette

Nicht eher bricht und reifet, Bis Dir die Ruhestätte Der Totengräber weist!"

Und als im Morgengrauen

Der Feldherr reiten will, Da ist kein Wirt zu schauen Im Häuslein leer und still.

85 Er tritt vors Thor.

Ein Schauer

Erfaßt den starken Mann:

Jenseits der Kirchhofsmauer Gähnt eine Gruft ihn an;

In Händen noch den Spaten,

Grüßt ihn sein ernster Wirt----------------------„Mein Glück hat mich verraten!

Der Löwe triumphiert!"

Zum Sturm rückt die Kolonne,

Die Trommeln wirbeln bang — Des Tilly Ruhmessonne

Neigt sich zum Untergang. Erschreckt sehn die Soldaten DeS Feldherrn bleich Gesicht--------------

---------„Meiu Glück hat mich verraten! Der Siege Kette bricht!"

86

Garfield.

Zu Washington am Kapitol

Da wogt des Volks Gedränge. Wem gilt das sreud'ge Grüßen wohl, Der Jubelruf der Menge?

Wem huld'gen heut im Waffenglanz

Die Krieger in Festparade? Wem neigen sich im bunten Kranz Die Fahnen von der Estrade?

Es tritt zum weißen Schloßbalkon Aus reichgeschmückten Stufen

Des Volkes starker, treuer Sohn,

Den es zutn Herrn berufen. Ihm braust empor der Jubelklang,

Ihm huld'gen Wort und Blicke; Der dienend einst die Holzaxt schwang,

Lenkt jetzt des Volks Geschicke!

87 Aus Druck und Not in harten Müh'n Hat er sich ausgeschwungen

Und geistesmächtig, thaten kühn Das hohe Ziel errungen.

Nun grüßen ihn viel hohe Herr'n,

Die ihn den Besten nannten, Und dort, mit Ordensband und Stern,

Die fremden Fürstengesandten.

Die stille Greisin sehn sie nicht

Fernab der stolzen Runde. Wie hängt ihr Aug' voll Sonnenlicht

An des Erwählten Munde!

Der hohe Herr auf dem Prachtbalkon,

Dem alle so lies sich neigen: Es ist ihr James, ihr Sohn!

ihr Sohn!

Vor allen doch ihr zu eigen!

Sie hat für ihn gesorgt, gewacht,

Ihn auf den Armen gehalten, Die Hände im Gebet zur Nacht

Ihn einst gelehrt zu fallen.

Wie bat sie oft mit heißem Flehn Um Segen für seine Pfade! Jetzt will sie nur von ferne stehn,

Lobpreisend des Höchsten Gnade!

88

Und er, er blickt aus Bolt und Land, Seine Augen freudig leuchten Da hat die Mutter er erkannt, Und Thränen den Blick ihm feuchten. „Und ob ich doch zum Ziele drang Aus steilen, dornigen Wegen, Und ob ich höchsten Preis errang, O Mutter, es war Dein Segen!"

Durchschreitend dann die stolzen Reih'n — — Ihn treibt ein sehnend Verlangen — Eilt er dahin zum Mütterlein Und küßt ihr die welken Wangen. Still sieht's das Volk, dann weit umher Tont Grust und Jubelrusen, Und wie ein brausend, brandend Meer Umdrängt's die Marmorstufen.



89

-

John Maynard.

Mit flatternden Wimpeln und rauchendem Schlot

Zieht über den Eriesee stolz daS Boot; Die Lüste sind sonnig, die Wogen sind hell, Hinschwebt die „Schwalbe" sicher und schnell, ES lenkt daS Steuer John Maynard.

Da gellt ein Angstruf: „Es brennt, es brennt!" Umsonst zum Löschen man rennt und rennt!

AuS Fugen bringt wirbelnd der Rauch empor, Vom Hinterdeck züngeln die Flammen hervor:

„Wir sind verloren, Iobn Maynard!"

„Noch ist das Vorderdeck sicher und fest, Dort harrt in Ruhe! — Der tvachsende West

Vertreibt nach rückwärts die lodernde Glut, Auch in Flammeir noch fliegt die „Schwalbe" gut, In Flammen steht fest John Maynard!"

94

Graf Konrad von Zollern.

„Nun segnet und küstt mich zum letztenmal, Frau Mutter, wohl blieb ich so geilte! Doch die Wolken, sie eilen im Morgenstrahl, Und die Wogen, sie rauschen mit Macht zu Thal So zieht mich das Herz in die Ferne!

„Gesattelt im Hofe schon wiehert mein Roß, Hell klingt das Schwert mir zur Seite. Fahr wohl nun, mein Bruder, Du trauter Gettos;, Magst wallen und herrschen im Zollernschlosi, Das Glück zu erjagen ich reite!

„Zum Kaiser, dem Rotbart, nun zieh' ich hinaus, Um Ruhm und Ehre zu tverbcn. Mir sagt es ein Traumbild: Nach Simin und Straus;, In den Tagen der Zukunft, der Zollern Haus Wird die Krone der Staujen ererben! „Nus der Wahlstatt sah ich vor Deutschlands Heer Einen Adler im Banner fliegen, Und ein Zoller, ein Wetßbart, gewaltig und hehr, Schwang ruhmvoll des Rotbarts leuchtende Wehr Und stürmte von Siegen zu Siegen!

-

95

-

„Aus dem Haupte der schwarze Adler trug

Die schimmernde Königskrone. Bom FelS zum Meer der Gewaltige schlug

Die Schwingen und strebte in strahlendem Flug Zum herrlichsten Kaiserthrone.

„Nun Mutter, o Mutter, daß Gott Euch behüt'' Mögt beten für mich Ihr zu Hause! Schwul steigt die Lonne, der Tag erglüht. Und es braust wie Wetter im fernen Süd:

Glück auf nun, zum KampfeSgebrause!"

96

SaifergotteSdienft auf dem Meere.

Es braust die Brandung schäumend Am fernen Nordmeerfjord, Mit weißem Gischt umsäumend

Des stolzen Schiffes Bord. Auf hohen Gletscherfirnen

Weilt Morgensonnenglanz, Schmückt dunkle Felsenstirnen

Mit lichtem Purpurkranz.

Des Sabbathsriedens Schwingen Wehn über Land und Meer,

Hub ferne Glocken klingen So feierlich und,hehr.

Bon blauen Meeresfluten Aufsteigt'S im Nebelflor,

Als wallten Opfergluten

Zum Himmelsdom empor.

97 Wer ist im blonden Haare Der junge Feldherr dort, Am schlichten Schiffsaltare Verkündend Gotte- Wort? Scheint's nicht, als rauschte leiser

Aufhorchend rings die Flut? Es ist der deutsche Kaiser,

Der Priesterdienste thut?

Des Glaubens Friede leuchtet

Im ernsten Angesicht, Und heil'ge Andacht feuchtet

Der blauen Augen Licht. Heil Dir!

Bor Menschen zeigst Du

Dich furchtlos, adlergleich, Doch Deinem Gotte neigst Du

Dich fromm und demutreich!

Der auf dem höchsten Throne Der Erde machtvoll steht, Mit Deutschlands ärmstem Sohne Sich einigt im Gebet

Bor jenes Thrones Stufen, Bor jenes Königs Macht, Der auS dem Nichts gerufen Einst aller Wellen Pracht. Linden, Au» der Stille.

7

-

98



Und zu des Höchsten Ehre

Nun schallet der Choral

Und zieht mit Macht vom Meere Hinein in Bucht und Thal, Weckt in der Berge Klüften Das Echo voll und klar, Und hoch in blauen Lüften

Wallt Deutschlands Kaiseraar.

99

Die Tanne

Als auS hartem Winterbanne

LenzeSgrutz die Welt erweckt, Sah ich eine schlanke Tanne Ties im Buchenwald versteckt.

RingS mit Blatt und Blütenprangen Schmückt der Frühling Baum und Reis,

Doch sie harrt noch traumbesangen,

In der Buchen frohem Kreis. Rauschend dringt der Frellde Kullde Durch den hohen Waldesraum,

Zieht in weiter, grüner Runde Jubelnd hin von Baum zu Baum.

Lockend in den niedern Buchen Singt ihr Lied Frau Nachtigall — — Überall ein selig Suchen, Selig Finden überall



100 Zu der Andern Scherzgekose

Neigt sie sich mit leisem Wehn, Doch die Fremde, Blütenlose

All die Frohen nicht verstehn. — Endlich vor dem Freudenreigen

Schließt ein Traum ihr Aug' und Ohr, Goldne Glanzgebilde steigen Hell vor ihrem Blick empor.

Und sie träumt von Feenhänden, Träumt von einer Wundemacht,

Wo sie, Freude rings zu spenden, Strahler: wird in hehrer Pracht. Wo, vor allen auserkoren, Zu des ew'gen Lichtes Preis, Das in Wintemacht geboren,

Leuchten wird ihr dunkles Reis.

101

Mirjam. Schwing Dich hoch aus Adlerflügeln,

Jubelnd flieg voraus, mein Lied,

Zu der Väter Heimathügeln,

Wohin all mein Sehnen zieht. Aus des Dienstes harten Tagen, Aus der Knechtschaft schwerem Bann

Sollst mein träumend Herz Du tragen

Heimatwärts nach Kanaan.

Seufzend hier im Sonnenbrände, Wo die Eb'ne, dnnstbedeckt,

Bis zum gelben Wüstensande

Weit und schattenlos sich streckt, Grüß ich Mamres Palmenhaine,

Hebrons lieblich Waldgefild, Wo am weißen Felsgesteine Saftdurchglüht die Traube schwillt.

102 Leh den Himmel leuchtend blauen ftbcr’m grünen Jordanstrand,

Wo auf blumenreichen Auen Meiner Väter Hütte stand.

Sichems Brunnen hör' ich rauschen, Seh' die Herden weidend gehn,

Darf den Wundermären lauschen,

Die durch Bethels Palmen wehn:

Bon dem Meister, der erscheinen

Soll aus Judas Stamm, der Held,

Dessen Scepter einst vereinen Soll die Völker dieser Welt;

Bon dem Heiland, gottgesendet,

Der der Schlange Macht bezwingt, Der den Fluch in Segen wendet Und uns Eden wiederbringt.

103

Pilatus am Wemfelder Maar. *) Tunkte Eisetberge ragen

Um das todesstille Maar. Träg, mit lnutem Flügetschlagen

Streicht der Raben dunkle Schar, Ausgeschcucht vom Uferrande

Durch des Römers hast'gen Schritt, Der in faltigem Gewände

Aus den» Ring der Felsen tritt. „Furchtbar treffen Deine Blitze

Kaiser, der mit mächtiger Hand Bon Judäas Richtersitze In die Wildnis mich verbannt;

Aber grimmer doch im Innern Brennt der Reue wilder Schmerz,

Freudescheuchend ein Erinnern

Folgt mir qualvoll allerwärts.

Immer seh' ich voller Hoheit In des Spottes Dornenkrvn, Wüst umtobt von Haß und Roheit

Jesus, ihn, den Gottessohn, ♦) Pilaru-, auf die Anklagen feiner Feinde hin vom Ädifcr

in die Vergwiidni» nördlick von Trier verbannt, gab sich dort

selb- de» Tod.

104 Dem auf seiner Feinde Drohen

Ich das falsche Urteil sprach. Dem in grauser Qual am hohen Kreuzesstamm das Auge brach. Wusch ich vor dem Volk die Hände

Heuchelnd mir von Blutschuld rein,

Glüht mir dennoch ohne Ende In der Brust deS Frevels Pein.

Wohl war nicht von dieser Erde

Seines Königstumes Macht, Doch, daß einst es kommen werde, Hat sein Tod mir kund gemacht." —

Rauschen wie aus Geistermunde

Aus des Seees Tiefen dringt: „Komm! In meinem schwarzen Grunde Deine Qual der Tod verschlingt!" Jählings folgt er; Fluten tragen

Ihn hinab vom Userrand,

Und des Nachtwinds stöhnend Klagen Irrt durchs öde Haideland.

105

Christi Versuchung. Still wandelte der Herr in weiter Büste, In Bergeswildnis öden Pfad allein;

Noch ging die Nacht, die finstre, nicht zur Rüste,

Noch brach kein lichter Morgenstrahl herein. Durch Wolken nur ob Jesu Haupte grüßte

Me GotteS Auge eines Sternes Schein, Doch düstre Schatten stiegen aus den Klüften, Auf schwarzen Schwingen naht's in finstern Lüsten

Und schmeichelnd flüstert's zu des Heilands Linken:

„Ergib Dich mir!

Dies sei Dein stolzer Lohn!"

Da, aus dem Nebel sah er leuchtend winken In Herrlichkeit des Weltenkönigs Thron

Und Millionen huld'gend niedersinken Im Staub vor ihm, dem mächt'gen Menschensohn.

Bon süßen Düften lvonnereich umflossen,

Biel Blumen rings den Glutenkelch erschlossen.

106 Zur Rechten doch, von Hohngejchrei umklungen, Stieg aus vor ihn» das Kreuz aus Golgatha,

In Feindesschar, gequält von Lästerzungen Stand er in Banden freundverlassen da: Sein blutig Haupt, vom Dornenkranz umschlungen,

Der Gottessohn im Tod erblassen sah. Doch siegreich sprach sein Mund: „Versucher, weiche!

Ich diene Gott allein und seinem Reiche." Ein Leuchten brach wie Morgenlicht von oben,

Und scheu entwich der Fürst der Finsternis. Hell strahlt das Kreuz, von Himmelsglanz umwoben, Der des Verführers Nachtgebild zerriß.

Den Blick zu Gottes Angesicht erhoben,

Ging Christus hin, des hohen Ziels gewiß, Zur Welterlöjung nach des Vaters Sendung, Durch blut'gen Kampf zur herrlichen Vollendung.

107

Pfiugftmorgen. Hörtest Du's auS hohen Lüften

Niederrauschen aufs Gefild,

Lieblich wie von Blumendüsten, Sturmgewaltig, zephyrmild?

Sahst Du's nicht wie Flammen leuchten

Lodernd über Berg und Thal? Noch am Halm, dem morgenfeuchten,

Funkelnd glüht der goldne Strahl! Ahnst Du, wen in tausend Zungen

Erd' und Himmel heute preist?

O, das Lied, unausgesungen, Jst's vom ero gen Gottesgeist!

Hörst Du seines Odems Rauschen, Traf auch Dich sein Flammenroehn?

Seiner Stimme mußt Du lauschen, Seinen Rus auch Du verstehn:

„Kehre heim auS öder Leere, Drin Du zroeifelnd Dich verbannt! Irrend auf denr weiten Meere, Sieh der Heimat grünen Strand:

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