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German Pages 380 Year 2014
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1284
Rundfunk und Staat Das Gebot der Staatsferne des Rundfunks vor neuen Herausforderungen
Von
Alexandra Rauchhaus
Duncker & Humblot · Berlin
ALEXANDRA RAUCHHAUS
Rundfunk und Staat
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1284
Rundfunk und Staat Das Gebot der Staatsferne des Rundfunks vor neuen Herausforderungen
Von
Alexandra Rauchhaus
Duncker & Humblot · Berlin
Die Juristische Fakultät der Universität Passau hat diese Arbeit im Jahre 2014 als Dissertation angenommen.
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Vorwort Die Konvergenz der Medien birgt für das Kommunikationsverfassungsrecht viele Fragen, insbesondere wie mit dem Fortschritt der Technik und den dadurch bedingten Neuerungen umzugehen ist. Mit dieser Arbeit, die die Juristische Fakultät der Universität Passau im Sommersemester 2014 als Dissertation zur Erlangung des Grades eines Doktors der Rechtswissenschaft angenommen hat, habe ich daher den Versuch unternommen, das im Rundfunkverfassungsrecht verankerte Gebot der Staatsferne des Rundfunks unter Zugrundelegung des Prozesses der Konvergenz der Medien einer neuen Betrachtung zu unterziehen und die Grenzen des Gebots anhand von aktuellen Fragestellungen neu zu justieren. Rechtsprechung und Literatur konnten im Wesentlichen bis April 2014 Berücksichtigung finden. Herzlich danken möchte ich an dieser Stelle meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Ralf Müller-Terpitz, der die Untersuchung dieses Themas anregte und mir bei der Bearbeitung sowohl beratend zur Seite stand als auch den nötigen inhaltlichen wie zeitlichen Freiraum zur Fortentwicklung der Arbeit ließ. Ebenso gilt mein Dank Herrn Professor Dr. Herbert Bethge für die rasche Erstellung des Zweitgutachtens. Dank gebührt zudem meinen ehemaligen Kollegen vom Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht sowie Wirtschaftsverwaltungs-, Medien- und Informationsrecht, insbesondere Frau Dr. Anna Bloch für die angenehme und bisweilen kreativ ausartende Bürogemeinschaft sowie Herrn Dr. Hannes Beyerbach für die wertvollen Gespräche während der Erstellung dieser Arbeit und die kritische Durchsicht des Manuskripts. Von all denen, die mich im privaten Bereich unterstützt haben, gilt mein herzlichster Dank meinen Eltern, die meine Ausbildung uneingeschränkt gefördert und auch die Veröffentlichung dieser Arbeit ermöglicht haben. Nicht zuletzt möchte ich meinem Lebensgefährten Herrn Tim Alexander Kirchhoff für seinen steten Rückhalt und das Verständnis für manch langen Arbeitstag danken. Kelkheim, im Juni 2014
Alexandra Rauchhaus
Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 1. Kapitel
Die Veranstaltung von Rundfunk in Deutschland 25
A. Die Anfänge während der Weimarer Republik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 B. Das Rundfunkwesen während des Nationalsozialismus . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 C. Die Nachkriegsjahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 D. Die Gründung der ARD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 E. Die Deutschland-Fernsehen-GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 F. Das erste Rundfunkurteil des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . 36 G. Die Gründung des ZDF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 H. Die Entwicklung in den siebziger Jahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 I. Die Entwicklung in den achtziger Jahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 I. Das FRAG-Urteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 II. Das Niedersachsen-Urteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 III. Das Baden-Württemberg-Urteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 IV. Der „Staatsvertrag über die Neuordnung des Rundfunkwesens“ . . . . . . 54 J. Die Entwicklung in den neunziger Jahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 I. Das Nordrhein-Westfalen-Urteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 II. Der Hessen-3-Beschluss sowie das Rundfunkgebührenurteil I . . . . . . . . 59 1. Der Hessen-3-Beschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 2. Das Rundfunkgebührenurteil I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 K. Die Entwicklung im 21. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 L. Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 2. Kapitel
Das Gebot der Staatsferne des Rundfunks 71
A. Die Herleitung des Gebots der Staatsferne des Rundfunks . . . . . . . . . . . . . . 71 I. Der Grundsatz der Gewaltenteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 II. Das Prinzip der Volkssouveränität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 III. Die Chancengleichheit bei der politischen Mitwirkung . . . . . . . . . . . . . . 75 IV. Das Vielfaltsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 V. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 VI. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
8 Inhaltsverzeichnis B. „Staat“ im Sinne des Gebots der Staatsferne des Rundfunks . . . . . . . . . . . . 83 C. Die Ausprägung des Gebots der Staatsferne des Rundfunks . . . . . . . . . . . . . 84 I. Der Inhalt des Gebots der Staatsferne des Rundfunks . . . . . . . . . . . . . . 84 II. Die Reichweite des Gebots der Staatsferne des Rundfunks . . . . . . . . . . 86 1. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . 86 2. Sonstige Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 3. Zwischenresümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 4. Die Reichweite dargestellt an staatlichen Einwirkungsmöglichkeiten . 94 a) Die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks . . . . . . . . 94 aa) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 bb) Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 cc) Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 b) Die rundfunkrechtliche Frequenzoberverwaltung . . . . . . . . . . . . . . 97 aa) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 bb) Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 cc) Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 c) Das Rundfunklizenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 aa) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 bb) Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 d) Die Staatsaufsicht über den Rundfunk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 aa) Die Rechtsaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 (1) Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. . . . . . . . . . 103 (2) Die Landesmedienanstalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 (3) Zwischenresümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 bb) Die staatliche Finanzkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 (1) Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. . . . . . . . . . 107 (2) Die Landesmedienanstalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 (3) Zwischenresümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 cc) Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 e) Die interne Aufsicht der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten . 109 aa) Die Aufgaben und Befugnisse der Rundfunkgremien . . . . . . 110 bb) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 cc) Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 dd) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 ee) Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 f) Die Aufsicht der Landesmedienanstalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 aa) Die Aufgabe der Organe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 bb) Das Entsendungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 (1) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 (2) Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 (3) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 (4) Zwischenresümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131
Inhaltsverzeichnis9 cc) Die Besetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 (1) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 (2) Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 (3) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 (4) Zwischenresümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 dd) Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 g) Die Beteiligung des Staates an der Rundfunkveranstaltung . . . . . 134 h) Der Parlamentsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 III. Zwischenresümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 D. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 3. Kapitel
Das Parlament als Rundfunkveranstalter 140
A. Das Parlament als Adressat des Gebots der Staatsferne des Rundfunks . . . 140 B. Die Vereinbarkeit des Parlamentsfernsehens mit dem Gebot der Staatsferne des Rundfunks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 I. Art und Umfang des Parlamentsfernsehens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 1. Das Parlamentsfernsehen des Deutschen Bundestags . . . . . . . . . . . . . 142 2. Das Parlamentsfernsehen anderer Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 II. Einordnung des Angebots als Rundfunk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 1. Der verfassungsrechtliche Rundfunkbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 a) Verbreitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 b) Darbietung in Wort, Ton und Bild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 aa) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 bb) Einordnung des Parlamentsfernsehens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 c) Die übrigen Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 2. Resümee: Staatsrundfunk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 III. Einfachrechtliche Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 IV. Rechtfertigung von Staatsrundfunk als zulässige Öffentlichkeitsarbeit? . 154 1. Begriff der Öffentlichkeitsarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 2. Die Funktion und Legitimation der Öffentlichkeitsarbeit des Parlaments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 3. Grenzen der Öffentlichkeitsarbeit des Parlaments . . . . . . . . . . . . . . . . 159 a) Zuständigkeit: Kompetenzordnung des Grundgesetzes . . . . . . . . . 160 aa) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 bb) Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 (1) Art. 42 GG – Die Verhandlungsöffentlichkeit des Bundes tags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 (2) Kompetenz kraft Sachzusammenhangs . . . . . . . . . . . . . . . 165 (3) Kompetenz kraft Natur der Sache . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 (4) Das amtliche Verlautbarungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167
10 Inhaltsverzeichnis (5) Die Aufgabe als Kompetenzgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . 168 (a) Die Aufgabe der Staatsleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 (b) Die Aufgabe der Öffentlichkeitsarbeit . . . . . . . . . . . . 170 (6) Zwischenresümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 cc) Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 b) Das Gebot der Neutralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 c) Verstoß gegen das Gebot der Staatsferne des Rundfunks? . . . . . . 177 aa) Schützenswerte Rechtsposition des Bundestags . . . . . . . . . . . 178 bb) Maßstab bei der Berücksichtigung der Rechtspositionen . . . . 179 cc) Abwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 (1) Aufgabenverteilung zwischen Staat und Gesellschaft . . . 182 (a) Das Verhältnis von Staat und Gesellschaft . . . . . . . . 182 (b) Die freie öffentliche Meinungs- und Willensbildung . 184 (2) Rolle des Staates innerhalb der Kommunikationsordnung . 186 (3) Wandel der Medienlandschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 (4) Angemessene Berücksichtigung des Gebots der Staatsferne des Rundfunks? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 dd) Zwischenresümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 C. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 4. Kapitel
Die Angebote der Bundesregierung im Internet 198
A. Die Bundesregierung als Adressatin des Gebots der Staatsferne des Rundfunks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 B. Die Vereinbarkeit der Angebote mit dem Gebot der Staatsferne . . . . . . . . . 199 I. Art und Umfang der Angebote im Internet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 II. Einordnung der Angebote als Rundfunk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 1. Notwendigkeit einer Internetdienstefreiheit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 2. Einordnung von Vod- und Podcasts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 a) Video-on-Demand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 aa) Abgrenzung Individual- oder Massenkommunikation . . . . . . 205 (1) Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 (2) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 bb) Die massenmediale Wirkung des Rundfunks . . . . . . . . . . . . . 208 (1) Die dynamische Offenheit des Rundfunkbegriffs . . . . . . 209 (2) Die Eignung zur Meinungsrelevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 (a) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 (b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 (aa) Zeitgleicher Empfang. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 (bb) Inhaltliche Rezeptionsoptionen. . . . . . . . . . . . . . 214 (cc) Einbindung in ein Gesamtprogramm. . . . . . . . . 216 cc) Zwischenresümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217
Inhaltsverzeichnis11 b) Die „Vod- und Podcasts“ der Bundeskanzlerin . . . . . . . . . . . . . . . 218 c) Livestreaming . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 3. Einordnung des YouTube-Kanals der Bundesregierung . . . . . . . . . . . 219 a) Die Bundesregierung als Rundfunkveranstalterin . . . . . . . . . . . . . 220 b) Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 4. Die Einordnung von Twitter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 a) Ist Twitter Individualkommunikation? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 b) Potenzieller Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung . . . . . . 225 5. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 III. Die Umsetzung des Gebots für Rundfunkangebote im Internet . . . . . . . 226 1. Notwendigkeit der Staatsferne für Rundfunkangebote im Internet . . 226 a) Der Vielfaltsaspekt und Konzentrationsprozesse . . . . . . . . . . . . . . 227 b) Die Marktzutrittsschranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 c) Missbrauchspotenzial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 d) Vergleich zur Situation des Pressemarktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 e) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 2. Die Umsetzung des Gebots der Staatsferne des Rundfunks . . . . . . . . 236 a) Ansatz im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 b) Eigener Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 aa) Das Gebot der Staatsferne der Presse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 bb) Zwischenresümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 c) Weitere verfassungsrechtliche Grenzen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 aa) Grundrechtsverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 bb) Rundfunkrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 cc) Begründungspflicht für Rundfunkangebote der Regierung im Internet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 (1) Verfassungsrechtliche Grundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 (2) Zulässigkeit einer Begründungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . 250 (3) Gebotenheit einer Begründungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . 251 3. Zwischenresümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 C. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 5. Kapitel
Die Rundfunkbeteiligung politischer Parteien 254
A. Politische Parteien als Adressaten des Gebots der Staatsferne des Rundfunks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 I. Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 12.3.2008 – BVerfGE 121, 30 . 255 II. Begründungsversuche im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 III. Alternative Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 IV. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 B. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268
12 Inhaltsverzeichnis 6. Kapitel
Das gemischtwirtschaftliche Unternehmen als Rundfunkveranstalter unter besonderer Berücksichtigung der Deutschen Telekom AG 269
A. Aktueller Anlass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 B. Begriffserläuterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 C. Gemischtwirtschaftliche Unternehmen als Adressaten des Gebots der Staatsferne des Rundfunks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 I. Das Verhältnis von Adressatenstellung und Grundrechtsfähigkeit . . . . . 272 1. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 3. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 II. Die Grundrechtsbindung gemischtwirtschaftlicher Unternehmen . . . . . . 278 1. Das Fraport-Urteil des Bundesverfassungsgerichts – BVerfGE 128, 226 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 2. Urteil des BGH vom 12. Dezember 2011 – „Einkauf Aktuell“ . . . . . 281 3. Beherrschungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 4. Landgericht Hamburg, Urteil vom 6. November 2008 – 315 O 136/08 . 289 5. Rechtsform als Kriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 6. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 III. Die Grundrechtsbindung der DTAG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 1. Rechtsform- und Aufgabenansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 2. Beherrschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 a) Beteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 b) Faktische Möglichkeiten der Einflussnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 c) § 17 Abs. 1 AktG und Art. 2 Abs. 1 lit. f) der Richtlinie 2004/109/ EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 d) Art. 87f Abs. 2 S. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 aa) Inhalt und Reichweite des Art. 87f Abs. 2 S. 1 GG . . . . . . . 296 bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 3. Zwischenresümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 IV. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 D. Die Wahrung der Staatsferne durch Entherrschungsverträge . . . . . . . . . . . . . 304 I. Die „Entherrschungserklärung“ der DTAG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 II. Staatsferne durch Entherrschungsverträge? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 E. „Staatssponsoring“ von privaten Rundfunkveranstaltern . . . . . . . . . . . . . . . . 309 I. Grenzen der Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten . 310 II. Grenzen der Finanzierung der Presse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375
Abkürzungsverzeichnis a. A.
andere(r) Ansicht
Abb. Abbildung Abl. Amtsblatt Abs. Absatz Abschn. Abschnitt a. F.
alte Fassung
AfP
Archiv für Presserecht (Z)
AG Aktiengesellschaft AK Alternativkommentar AktG Aktiengesetz Alt. Alternative AöR
Archiv des öffentlichen Rechts (Z)
APuZ
Aus Politik und Zeitgeschichte (Z)
ARD
Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland
Art. Artikel Aufl. Auflage Az. Aktenzeichen BayGVBl.
Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt
BayMG
Gesetz über die Entwicklung, Förderung und Veranstaltung privater Rundfunkangebote und anderer Telemedien in Bayern (Bayerisches Mediengesetz)
BayRG
Gesetz über die Errichtung und die Aufgaben einer Anstalt des öffentlichen Rechts „Der Bayerische Rundfunk“ (Bayerisches Rundfunkgesetz)
BayVBl.
Bayerische Verwaltungsblätter (Z)
BayVerfGH
Bayerischer Verfassungsgerichtshof
BayVerfGHE
Entscheidungen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs (Amtliche Sammlung)
BayVGH
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
BB
Der Betriebs-Berater (Z)
BBC
British Broadcasting Corporation
14 Abkürzungsverzeichnis Bd. Band Bearb. Bearbeiter(in) Beschl. Beschluss BGBl. Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BGHZ
Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen (Amtliche Sammlung)
BK
Bonner Kommentar zum Grundgesetz
BLM
Bayerische Landeszentrale für neue Medien
BMF
Bundesministerium der Finanzen
BR
Bayerischer Rundfunk
BRD
Bundesrepublik Deutschland
BR-Drs. Bundesratsdrucksache Brem. Gbl.
Bremisches Gesetzblatt
BremLMG
Bremisches Landesmediengesetz
BremStGH
Staatsgerichtshof der Freien Hansestadt Bremen
BritMRVO
Britische Militärregierungsverordnung
BT-Drs. Bundestagsdrucksache BV
Bayerische Verfassung
BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerfGE
Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (Amtliche Sammlung)
BVerfGG Bundesverfassungsgerichtsgesetz BVerwGE
Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (Amtliche Sammlung)
bzw. beziehungsweise CDU
Christlich Demokratische Union Deutschlands
CR
Computer und Recht (Z)
C-SPAN
Cable Satellite Public Affairs Network
CSU
Christlich Soziale Union in Bayern
DDR
Deutsche Demokratische Republik
ddvg
Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft
ders. derselbe DIAS
Drahtfunk im amerikanischen Sektor
dies. dieselbe(n) DLR-StV
Staatsvertrag über die Körperschaft des öffentlichen Rechts „Deutschlandradio“ (Deutschlandradio-Staatsvertrag)
Abkürzungsverzeichnis15 DM
Deutsche Mark
DÖV
Die Öffentliche Verwaltung (Z)
DStR
Deutsches Steuerrecht (Z)
DTAG
Deutsche Telekom AG
DVBl.
Deutsches Verwaltungsblatt (Z)
Einl. Einleitung Entsch. Entscheidung epd
Evangelischer Pressedienst
EU
Europäische Union
f. folgende FAZ
Frankfurter Allgemeine Zeitung (Z)
ff.
[und] die folgenden
FG Festgabe Fn. Fußnote FRAG
Freier Rundfunk AG
FrMRVO
Französische Militärregierungsverordnung
FS Festschrift Gbl. Gesetzblatt GBl. BW
Gesetzblatt für das Land Baden-Württemberg
GBl. DDR
Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik
gem. gemäß GEZ Gebühreneinzugszentrale GG Grundgesetz GmbH
Gesellschaft mit beschränkter Haftung
GVBl.
Gesetz- und Verordnungsblatt
GVK
Gremienvorsitzendenkonferenz der Landesmedienanstalten
GV. NW.
Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen
GVOBl. Schl.-H.
Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Schleswig-Holstein
GVRS
Das Zweite Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes Nr. 806 über die Veranstaltung von Rundfunksendungen im Saarland
Ham. GVBl.
Hamburgisches Gesetz- und Verordnungsblatt
Hess GVBl.
Hessisches Gesetz- und Verordnungsblatt
HessStGH
Staatsgerichtshof des Landes Hessen
HGR
Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa
16 Abkürzungsverzeichnis HPRG
Gesetz über den privaten Rundfunk in Hessen (Hessisches Privatrundfunkgesetz)
HR
Hessischer Rundfunk
HR-G
Gesetz über den Hessischen Rundfunk
Hrsg. Herausgeber Hs. Halbsatz HStR
Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland
i. d. F.
in der Fassung
i. E.
im Ergebnis
i. Ü.
im Übrigen
i. V. m.
in Verbindung mit
JuS
Juristische Schulung (Z)
JZ
Juristen Zeitung (Z)
KEF
Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten
KEK
Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich
KfW
Kreditanstalt für Wiederaufbau
KJM
Kommission für Jugendmedienschutz der Landesmedienanstalten
K&R
Kommunikation und Recht (Z)
KritJ
Kritische Justiz (Z)
KtK
Kommission für den Ausbau des technischen Kommunikationssystems
LG Landgericht lit. littera LMedienG BW Landesmediengesetz Baden-Württemberg LMG
Landesmediengesetz (Rheinland-Pfalz)
LMG NRW
Landesmediengesetz Nordrhein-Westfalen
LRG Landesrundfunkgesetz Ls. Leitsatz LT-Drs. Landtagsdrucksache MDR-StV
Staatsvertrag über den Mitteldeutschen Rundfunk
MedienG LSA
Mediengesetz des Landes Sachsen-Anhalt
MEG
Gesetz über die Erprobung und Entwicklung neuer Rundfunkangebote und anderer Mediendienste in Bayern
MMR
Multimedia und Recht (Z)
MP
Media Perspektiven (Z)
Abkürzungsverzeichnis17 MStV
Staatsvertrag über die Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg im Bereich des Rundfunks
MStV HSH
Staatsvertrag über das Medienrecht in Hamburg und Schleswig- Holstein
MüKo
Münchener Kommentar
m. w. N.
mit weiteren Nachweisen
NDR
Norddeutscher Rundfunk
NDR-StV
Staatsvertrag über den Norddeutschen Rundfunk
Nds. StGH
Niedersächsischer Staatsgerichtshof
NdsVBl.
Niedersächsische Verwaltungsblätter (Z)
NJW
Neue Juristische Wochenschrift (Z)
NMedienG
Niedersächsisches Mediengesetz
NMHH
Nemzeti Média- és Hírközlési Hatóság (Nationale Medien- und Kommunikationsbehörde Ungarn)
Nr. Nummer NRWVerfGH
Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen
NVwZ
Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (Z)
NWDR
Nordwestdeutscher Rundfunk
NWVBL
Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter (Z)
o. g.
oben genannte(n)
ORB
Ostdeutscher Rundfunk Brandenburg
ORF
Österreichischer Rundfunk
OVG Oberverwaltungsgericht PartG
Gesetz über die politischen Parteien (Parteiengesetz)
RÄStV Rundfunkänderungsstaatsvertrag RB
Radio Bremen
RBB-StV
Staatsvertrag über die Errichtung einer gemeinsamen Rundfunkanstalt der Länder Berlin und Brandenburg
RBG Radio-Bremen-Gesetz RFinStV Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag RGBl. Reichsgesetzblatt Rh.-Pf. GVBl
Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Rheinland-Pfalz
RhPfVerfGH
Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz
RIAS
Rundfunk im amerikanischen Sektor
RM Reichsmark Rn. Randnummer(n) Rspr. Rechtsprechung
18 Abkürzungsverzeichnis RStV
Staatsvertrag für Rundfunk und Telemedien (Rundfunkstaatsvertrag)
RuF
Rundfunk und Fernsehen (Z)
RundfG M-V
Rundfunkgesetz für das Land Mecklenburg-Vorpommern
RW
Rechtswissenschaft (Z)
S. Seite SaarlVerfGH
Verfassungsgerichtshof des Saarlandes
SächsPRG
Gesetz über den privaten Rundfunk und neue Medien in Sachsen (Sächsisches Privatrundfunkgesetz)
SächsVerfGH
Sächsischer Verfassungsgerichtshof
SDR
Süddeutscher Rundfunk
SFB
Sender Freies Berlin
SMG
Saarländisches Mediengesetz
sog. sogenannte SPD
Sozialdemokratische Partei Deutschlands
st. Rspr.
ständige Rechtsprechung
SWF Südwestfunk SWR-StV
Staatsvertrag über den Südwestrundfunk
SZ
Süddeutsche Zeitung (Z)
ThürLMG
Thüringer Landesmediengesetz
ThürVerfGH
Thüringer Verfassungsgerichtshof
u. a.
unter anderen(m)
UmwG Umwandlungsgesetz Urt. Urteil UStG Umsatzsteuergesetz UWG
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb
v. von/vom VBlBW
Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg (Z)
VerwArch
Verwaltungsarchiv (Z)
VG Verwaltungsgericht vgl. vergleiche VVDStRL
Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
WDR
Westdeutscher Rundfunk Köln
WDR-G
Gesetz über den „Westdeutschen Rundfunk Köln“
WRV
Weimarer Reichsverfassung
Abkürzungsverzeichnis19 Württ.-Bad. Reg. Bl.
Regierungsblatt der Regierung Württemberg-Baden
WuW
Wirtschaft und Wettbewerb (Z)
Z Zeitschrift ZAK
Kommission für Zulassung und Aufsicht
ZDF
Zweites Deutsches Fernsehen
ZDF-StV ZDF-Staatsvertrag ZfSH/SGB
Zeitschrift für die sozialrechtliche Praxis (Z)
ZHR
Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht (Z)
ZJS
Zeitschrift für das Juristische Studium (Z)
ZParl
Zeitschrift für Parlamentsfragen (Z)
ZRP
Zeitschrift für Rechtspolitik (Z)
ZUM
Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht (Z)
ZUM-RD
Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht Rechtsprechungsdienst (Z)
Einleitung Vor dreiundfünfzig Jahren hat das Bundesverfassungsgericht in seinem ersten Rundfunkurteil das Gebot der Staatsferne des Rundfunks aus dem Grundgesetz hergeleitet1 und in zahlreichen Rundfunkurteilen bis in die Gegenwart weiterentwickelt.2 Zur Gewährleistung der freien öffentlichen und individuellen Meinungsbildung muss der Rundfunk als Medium und Faktor in diesem Prozess frei von staatlichem Einfluss sein.3 Ungeachtet der Existenz dieses Gebots zeigen die aktuellen Geschehnisse, dass Hoheitsträger immer wieder versuchen, nicht nur den Rundfunk, sondern die Arbeit der Medien insgesamt zu beeinflussen. Diese Vorgänge waren und sind zumeist im Ausland zu beobachten. In jüngster Zeit bereitet insbesondere die Lage der Medien in Ungarn Sorgen. Zwar wurde das umstrittene Mediengesetz, das in seiner ursprünglichen Fassung der von der Regierungspartei kontrollierten neuen Medienaufsichtsbehörde NMHH4 nicht nur die Aufsicht der staatlichen Medien, sondern auch die Kontrolle über die privaten Fernseh- und Radiosender sowie Zeitungen und Internetportale erteilte, entschärft. Von der geplanten inhaltlichen Kontrolle hat man nun hinsichtlich der Presse und Internetportale abgesehen. Alle audiovisuellen Medien und damit auch der einzige oppositionelle Rundfunksender Klubradio unterliegen jedoch weiterhin dieser Kontrolle. Zudem ist die NMHH mit regierungsnahen Vertretern besetzt, sodass an ihrer Unabhängigkeit als Medienaufsichtsbehörde zu zweifeln ist. Bedenklich war die Situation in den letzten Jahren auch in Italien. Durch den Besitz dreier großer Fernsehsender konnte der damalige Ministerpräsident Silvio Berlusconi über dieses Medium maßgeblichen Einfluss auf die Bevölkerung nehmen. Die Möglichkeit, sich in einem eigenen Sender darzustellen und seine Politik zu präsentieren, ist ihm insbesondere in der Wahlkampfzeit zugute gekommen. Der Blick ins Ausland soll jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch in Deutschland die Medien nicht immer frei von staatlichen Einflüssen 1 BVerfGE
12, 205. BVerfG, Urt. v. 25.3.2014 – 1 BvF 1/11. 3 BVerfGE 12, 205 (262). 4 Nemzeti Média- és Hírközlési Hatóság (Nationale Medien- und Kommunika tionsbehörde Ungarn). 2 Zuletzt
22 Einleitung
sind, wenngleich nicht von Repressionen in dem oben beschriebenen Sinne gesprochen werden kann. Dennoch mehren sich auch hierzulande die staatlichen Einflussnahmeversuche, wobei damit noch nichts über deren Rechtswidrigkeit gesagt ist. Eines der bekanntesten nationalen Beispiele dürfte das Geschehen um den ehemaligen ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender sein, dessen Vertrag mit dem Sender wohl aus politischen Gründen nicht fortgesetzt wurde.5 Diese Vorgänge haben bezüglich der Verfassungsmäßigkeit des ZDF-Staatsvertrags zu einer abstrakten Normenkontrolle vor dem Bundesverfassungsgericht geführt, über die das Gericht Anfang diesen Jahres entschieden hat.6 In letzter Zeit haben verschiedentliche Anrufe von Staatsorganen oder Politikern bei Presse- und Rundfunkorganen für eine lebhafte Diskussion in der Öffentlichkeit gesorgt. Im Einzelnen ist hier der Anruf des ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff bei Kai Diekmann, dem Chefredakteur der BILD-Zeitung, zu nennen. In seiner damaligen Funktion als Bundespräsident bat er den Redakteur, von einer angekündigten Berichterstattung abzusehen. Ähnlich gestaltet sich der Fall der sogenannten „ZDF-Affäre“. In deren Rahmen hatte der Sprecher der CSU, Hans Michael Strepp, bei der ZDF-heute-Redaktion angerufen und darum gebeten, von einer Bericht erstattung über den SPD-Parteitag abzusehen, andernfalls würde dies Diskussionen hervorrufen. Etwas anders gelagert ist der Anruf der Sprecherin von CSU-Minister Markus Söder. Diese rief bei der BR-Nachrichtensendung Rundschau an und fragte nach, ob eine Wiederholung eines bloßstellenden Berichts über Markus Söder zur Atomkraft geplant wäre. Der Bericht wurde sodann nicht mehr gesendet. In den neunziger Jahren, während der Regierungszeit von Johannes Rau, war der Einfluss der SPD auf den WDR Gegenstand der Diskussionen. Dies zeigte sich insbesondere beim Landesmagazin Westpol, deren Redaktion recherchiert hatte, dass die damalige Ministerin für Wissenschaft und Forschung, Anke Brunn (SPD), ihrem Ehemann möglicherweise eine Professur hatte zukommen lassen. In der Folge wurde die Sendung nicht nur inhaltlich neu ausgerichtet. Sie bekam mit HorstWerner Hartelt auch einen als Vertrauten von Johannes Rau geltenden Kommentator. Diese Fälle zeigen, dass insbesondere das Bedürfnis nach Korrektur der Darstellung der eigenen Person und Politik das Interesse der Staatsorgane 5 Im Streit um parteipolitisch motivierte Personalentscheidungen hat sich jüngst auch der Redakteursrat des ORF an den österreichischen Verfassungsgerichtshof gewandt und um eine Prüfung des ORF-Gesetzes gebeten. Die Redakteure bringen vor, das Gesetz sehe insbesondere keine Sanktionsmöglichkeiten bei Verstößen gegen ihre Anhörungs- und Mitwirkungsrechte bei Postenbesetzungen vor; dazu ZEIT Online v. 3.1.2013. 6 BVerfG, Urt. v. 25.3.2014 – 1 BvF 1/11.
Einleitung23
begründet, Einfluss auf die inhaltliche Arbeit der Medien zu nehmen. Dieses Bedürfnis ist menschlich nachvollziehbar und eine unsachgemäße Darstellung durch die Medien muss auch nicht in jedem Fall akzeptiert werden. Ein Anruf bei einer Redaktion mit der Bitte, man möge eine falsche oder auch über die Maßen unfaire Darstellung berichtigen, führt keinesfalls zu einem Verstoß gegen das Gebot der Staatsferne des Rundfunks oder der Presse. Es ist vielmehr das Recht eines jeden auf die Wahrung der eigenen Persönlichkeitsrechte zu achten. Im Übrigen – ohne den folgenden Ausführungen vorgreifen zu wollen – steht es einem Hoheitsträger jedoch nicht zu, über Inhalte, Zeitpunkt und Gestaltung von Rundfunk und Presse zu bestimmen. Als weitere Entwicklung auf dem Medienmarkt ist die Zunahme von staatlichen Medienangeboten zu registrieren. Die Bundes- und jede Landesregierung verfügt mittlerweile über einen eigenen Internetauftritt. Vielfach werden dort nicht nur Text-, sondern auch Video- und Hörfunkangebote zur Verfügung gestellt, wie beispielsweise die Vod- und Podcasts der Bundeskanzlerin. Zudem betreibt der Bundestag einen eigenen Fernsehsender. Diese Entwicklungen der letzten Jahrzehnte bieten Anlass genug, das rundfunkrechtliche Strukturprinzip des Gebots der Staatsferne des Rundfunks auch speziell vor dem Hintergrund der neuen Medien zu untersuchen. Insoweit soll die Arbeit dazu dienen, sich der aus dem Gebot ergebenden verfassungsrechtlichen Direktiven zu vergewissern, aber auch dem technischen Fortschritt geschuldete Anpassungen vorzunehmen. Zugleich sollen damit die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen für den Gesetzgeber herausgearbeitet werden. Hierzu wird im ersten Kapitel der Arbeit ein Überblick über die Geschichte und Entwicklung des Rundfunks unter dem Blickwinkel der Einflussnahme des Staates auf dieses Medium gegeben, wobei auf die Rundfunkurteile einzugehen sein wird, um den status quo der verfassungsrechtlichen Ausgestaltung der Rundfunkordnung zu bestimmen. Das zweite Kapitel beschäftigt sich sodann mit dem Verständnis des Gebots der Staatsferne des Rundfunks, wie es in Rechtsprechung und Schrifttum für die klassischen Rundfunkangebote interpretiert wird. Dieses Kapitel soll als Grundlegung für die weiteren dienen. Die sich daran anschließenden Kapitel drei bis sechs widmen sich den angesprochenen aktuellen Herausforderungen des Gebots. Zunächst wird auf das Parlamentsfernsehen des Deutschen Bundestags einzugehen sein. Immerhin betreibt damit ein Staatsorgan Fernsehen im herkömmlichen Sinne. Man kann davon sprechen, dass die Situation ein wenig an die von Konrad Adenauer ins Leben gerufene Deutschland-Fernsehen GmbH erinnert. Auf den ersten Blick scheint es sich daher um einen
24 Einleitung
klassischen Fall zu handeln, der im Widerspruch zum Gebot der Staatsferne des Rundfunks steht. Das vierte Kapitel befasst sich mit Angeboten der Bundesregierung im Internet. Herauszuarbeiten ist dabei zunächst, ob diese Angebote die Voraussetzungen des verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriffs erfüllen. Erst im Anschluss kann sodann geprüft werden, ob und wie das Gebot der Staatsferne des Rundfunks auf diese neuen „Medien“ anzuwenden ist. Bereitet die Bestimmung der Adressaten des Gebots im Rahmen der bis dahin untersuchten Sachverhalte keine Probleme und wird folglich auch nur kurz thematisiert, so ist diese alleiniger Gegenstand des fünften Kapitels, welches die Anwendung des Gebots auf politische Parteien beleuchtet. Dabei soll insbesondere das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu dieser Frage analysiert werden. Im sechsten Kapitel wird zu untersuchen sein, ob das Gebot der Staatsferne des Rundfunks auf gemischtwirtschaftliche Unternehmen anzuwenden ist. Anlass zur Untersuchung dieser Frage hat das Engagement der Deutschen Telekom AG (DTAG) im Rundfunkbereich gegeben. Obwohl die Bundesrepublik nur noch knapp ein Drittel der Anteile der DTAG hält, wurde im Rahmen der Vergabe der Bundesligarechte die Rundfunkfähigkeit der Deutschen Telekom kontrovers diskutiert. Es wird daher auch hier die Adressatenstellung im Mittelpunkt der Darstellung stehen. Die Arbeit endet mit einer Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse dieser Untersuchung.
1. Kapitel
Die Veranstaltung von Rundfunk in Deutschland Die historische Entwicklung des deutschen Rundfunkwesens ist maßgeblich für das Verständnis der Rundfunkfreiheit und das Gebot der Staatsferne des Rundfunks. So beruht unsere heutige Rundfunkordnung einerseits auf den Lehren, die man aus der Zeit des Nationalsozialismus gezogen hat. Andererseits ist es wohl auch ein „Zusammenspiel“ von Politik und Rechtsprechung, das immer wieder dazu geführt hat, den Grad des zulässigen Staatseinflusses auf den Rundfunk in Deutschland zu thematisieren. Es ist daher nicht nur eine Frage neuerer Art, sondern beschäftigt die genannten Akteure seit mehreren Jahrzehnten, über die dieses Kapitel einen Überblick geben soll. Im Vordergrund werden dabei die für das Gebot der Staatsferne des Rundfunks entscheidenden Ereignisse stehen. Um eine umfassende Einordnung zu ermöglichen, soll darüber hinaus auch auf die Entwicklung der rundfunkrechtlichen Rechtsprechung im Übrigen eingegangen werden.
A. Die Anfänge während der Weimarer Republik Am 29. Oktober 1923 eröffnete in Berlin die Gesellschaft Radio-StundeAG ihr Programm, womit die Anfänge der Veranstaltung von Rundfunk in Deutschland privatrechtlicher Natur waren.1 Zuvor hatte die Reichspostverwaltung, die sich aufgrund der wirtschaftlichen Risiken bei der Veranstaltung (zunächst) zurückhielt, das Reichsgebiet in neun Sendegebiete eingeteilt. In diesen Gebieten sollten sich Rundfunkgesellschaften etablieren, die für die inhaltliche Gestaltung des Programms verantwortlich waren. Die Ausstrahlung erfolgte sodann über posteigene Sendeanlagen.2 Verantwortlich für diese ursprüngliche Ausgestaltung des Rundfunkwesens war Hans Bredow, der zunächst als verantwortlicher Ministerialdirektor und später als Staatssekretär im Reichspostministerium tätig war. Bredow erkannte schon früh, dass dieses Medium zu Parteizwecken instrumentalisiert werden könn1 Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, Teil A, Rn. 3; Schuster, Meinungsvielfalt, S. 22; Lerg, in: Bausch, Rundfunk, Band I, S. 151 ff. 2 Herrmann/Lausen, Rundfunkrecht, § 4 Rn. 4; siehe auch BVerfGE 12, 205 (208 ff.).
26
1. Kap.: Die Veranstaltung von Rundfunk in Deutschland
te und hielt daher eine staatliche Organisation für unangebracht.3 Vielmehr sollte der Privatindustrie ein umgrenzter Spielraum zugestanden werden.4 Die damalige Rundfunkorganisation fußte somit nicht nur auf dem Prinzip der Dezentralisierung, sondern auch auf den Grundsätzen der privatrechtlichen Gründung und privater Kapitalbeschaffung. Im Laufe des Jahres 1924 gründeten sich acht weitere Rundfunkgesellschaften, deren Programme Musikstücke, Nachrichten und Vorträge, später auch Werbung, umfassten.5 Die Phase, in der sich der Staat nur mit dem sendetechnischen Bereich begnügte, währte jedoch nicht lang. Schon 1926, als die staatlichen Stellen nun den Einfluss des Rundfunks auf die öffentliche Meinungsbildung registrierten, wurden die Konzessionen nur noch unter Bedingungen erteilt, die Eingriffe in die wirtschaftliche Struktur der Gesellschaften sowie in deren Programmgestaltung zur Konsequenz hatten.6 So stand der Erhalt einer Konzession unter der Bedingung, sich im zentralistischen Dachverband Reichsrundfunkgesellschaft mbH zu organisieren, welche sodann am 15. Mai 1925 von fünf Rundfunkgesellschaften erfüllt wurde. Ergänzend musste die Mehrheit der Geschäftsanteile dieser Gesellschaften an die Reichsrundfunkgesellschaft übertragen werden, wobei deren Mehrheit wiederum die Deutsche Reichspost kostenlos erhielt. Somit hatte man die gesellschaftsrecht liche Abhängigkeit der regionalen Rundfunkgesellschaften von der Deutschen Reichspost bewirkt.7 Neben diesem gesellschaftsrechtlichen Mitspracherecht umfasste das vom Reichspostministerium ausgearbeitete „Paket“8 auch die „Richtlinien für den Nachrichten- und Vortragsdienst“ vom 7. Dezember 1926.9 Inhalt dieser Richtlinien war die Verpflichtung der Regionalgesellschaften, für ihre Nachrichten nur solches Material zu verwenden, welches ihnen von der Rundfunknachrichtenagentur „Drahtloser Dienst AG“ (DRADAG) geliefert wurde. Die mehrheitlichen Anteile an der DRADAG standen dem Reichsinnenministerium zu.10 Ferner enthielten diese Richtlinien auch Einzelheiten zur 3 Stern, Das Staatsrecht der BRD IV/1, § 110 I 1 a); Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, Teil A, Rn. 5. 4 Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, Teil A, Rn. 5; Lerg, Entstehung des Rundfunks, S. 304 f. 5 Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, Teil A, Rn. 17; Bullinger, in: HStR VII, § 163 Rn. 95; Schuster, Meinungsvielfalt, S. 23. 6 Herrmann/Lausen, Rundfunkrecht, § 4 Rn. 9; Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, Teil A, Rn. 19 ff. 7 Lerg, in: Bausch, Rundfunk, Band I, S. 201 f.; Schuster, Meinungsvielfalt, S. 23. 8 Herrmann/Lausen, Rundfunkrecht, § 4 Rn. 9. 9 Abgedruckt bei Schuster, Archiv für das Post- und Fernmeldewesen 1949, 309 (330 f.). 10 Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, Teil A, Rn. 23.
A. Die Anfänge während der Weimarer Republik27
Programmaufsicht. In politischen Fragen musste daher stets das Urteil eines entsprechenden Ausschusses abgewartet11 und in kulturellen Angelegenheiten die Entscheidungen der Kulturbeiräte berücksichtigt werden.12 Die Gründung der Reichsrundfunkgesellschaft, die Vorgaben zur Nachrichtenbeschaffung sowie die Elemente der Programmaufsicht werden als erste Rundfunkordnung Deutschlands bezeichnet,13 deren Verfassungsmäßigkeit gemessen an den Grundrechten der Weimarer Verfassung – insbesondere Art. 118 WRV – schon damals bezweifelt worden ist.14 Die Rundfunkordnung von 1926 wurde nachfolgend bereits 1932 reformiert, um den Einfluss des Staates abermals zu verschärfen, hin zu einer vollständigen Verstaatlichung des Rundfunks.15 Die Rundfunkgesellschaften hatten seit Juni 1932 zum einen eine „Stunde der Reichsregierung“ in ihr Programm aufzunehmen. Zum anderen wurden am 27. Juli 1932 durch die Vereinigten Ausschüsse des Reichsrates neue „Leitsätze zur Neuregelung des Rundfunks“ festgelegt, die das Ziel verfolgten, den Rundfunk gänzlich als Sprachrohr der Reichsregierung auszubauen.16 Gegenstand dieser Leitsätze war der Übergang der sich noch in der Hand von Privataktionären befindlichen Gesellschaftsanteile auf den Staat und damit verbunden die Umwandlung der in der Reichsrundfunkgesellschaft organisierten Aktiengesellschaften in solche mit beschränkter Haftung. Die Anteile an diesen Gesellschaften standen anschließend zu 49 % den Ländern und zu 51 % der Reichsrundfunkgesellschaft zu. Die Anteile Letzterer lagen wiederum zu 51 % bei der Deutschen Reichspost und zu 49 % bei den Ländern.17 Die DRADAG wurde aufgelöst und durch eine Nachrichtenabteilung ersetzt, die unmittelbar in die Reichsrundfunkgesellschaft eingegliedert war. Dort sollte auch die Klärung von Grundsatzfragen betreffend den Rundfunk angesiedelt werden.18 Schließlich erfolgte die Überwachung der regionalen Rundfunkgesellschaften durch Staatskommissare des Reichsinnenministeriums, die an die Zusammensetzung vgl. Schuster, Meinungsvielfalt, S. 24. Entstehung des Rundfunks, S. 255, 257. 13 Lerg, in: Bausch, Rundfunk, Band I, S. 267; Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, Teil A, Rn. 24. 14 Dencker, Blätter für Funkrecht 1929, S. 9 ff.; zu den 1961 geäußerten Zweifeln des BVerfG siehe BVerfGE 12, 205 (233 f.) m. w. N. 15 Lerg, in: Bausch, Rundfunk, Band I, S. 500; Herrmann/Lausen, Rundfunkrecht, § 4 Rn. 13. 16 Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, Teil A, Rn. 26. 17 Lerg, in: Bausch, Rundfunk, Band I, S. 500 f.; Herrmann/Lausen, Rundfunkrecht, § 4 Rn. 13. 18 Lerg, in: Bausch, Rundfunk, Band I, S. 501. 11 Zur
12 Lerg,
28
1. Kap.: Die Veranstaltung von Rundfunk in Deutschland
Stelle der politischen Überwachungsausschüsse getreten waren. Ihre Aufsichtsbefugnisse umfassten die Durchsetzung von Programmänderungen, das Untersagen von Sendungen sowie die Erteilung von Weisungen, die auch personelle Besetzungen betreffen konnten.19 Durch die Richtlinien für den Rundfunk vom 18. November 1932 wurde zudem die Programmgestaltung stark nationalpolitisch geprägt.20
B. Das Rundfunkwesen während des Nationalsozialismus Nach diesem Blick auf die Neustrukturierung der ersten Rundfunkordnung vermag es nicht zu überraschen, dass Hans Bausch diese Entwicklung während der letzten Phase der Weimarer Republik als „totale Verstaatlichung des deutschen Rundfunks“21 bezeichnete, welche mit der sogenannten Machtergreifung der Nationalsozialisten am 5. März 1933 dahingehend fortgesetzt wurde, dass der Rundfunk vollständig als politisches Propagandainstrument etabliert wurde.22 Grundlegend für dieses Ziel war zunächst der Erlass über die Errichtung des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda vom 13. März 1933, mit Hilfe dessen Adolf Hitler sämtlichen anderen Ministerien Aufgaben entziehen konnte.23 Nur einen Tag nach diesem Erlass wurde Josef Goebbels als zuständiger Minister benannt.24 Bereits im Juni 1933 wurden die Rundfunkangelegenheiten, soweit sie nicht die technische Verwaltung betrafen, aus dem Reichsinnen- sowie Reichspostministerium durch Verordnung ausgegliedert, womit die wirtschaftliche und politische Kontrolle des Mediums im Propagandaministerium konzentriert war.25 Die Regionalgesellschaften wurden in der Folge zu bloßen Zweigstellen der Reichsrundfunkgesellschaft, sogenannten „Reichssendern“, umgeformt, die Geschäftsanteile der Reichsrundfunkgesellschaft gingen auf das Reich, vertreten durch das Propagandaministerium, über.26 19 Lerg,
in: Bausch, Rundfunk, Band I, S. 500. Rundfunkverfassungsrecht, Teil A, Rn. 29. 21 Lerg, in: Bausch, Rundfunk, Band I, S. 505. 22 Fritz, Massenmedium Rundfunk, S. 14 ff.; Stern, Das Staatsrecht der BRD IV/1, § 110 I 2 b). 23 RGBl. 1933 I, S. 104. 24 Näheres, vgl. Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, Teil A, Rn. 31. 25 RGBl. 1933 I, S. 449; Meinungsvielfalt in der dualen Rundfunkordnung, S. 26; Magnus, Der Rundfunk in der BRD, S. 24. 26 Magnus, Der Rundfunk in der BRD, S. 24, Herrmann/Lausen, Rundfunkrecht, § 4 Rn. 16. 20 Ricker/Schiwy,
B. Das Rundfunkwesen während des Nationalsozialismus 29
Neben den „Gleichschaltungsgesetzen“ vom 31. März und 7. April 1933, welche die Staatlichkeit der Länder umfassend aufhoben27, führte das am 22. September verabschiedete „Reichskulturkammergesetz“28 zur staatlichen Überwachung und Organisation aller Kulturschaffenden. Mit der ersten Durchführungsverordnung vom 1. November 193329 wurde die Reichsrundfunkkammer gebildet, welcher unter anderem die Aufgabe zukam, „alle mit dem Rundfunk in Verbindung stehenden Kräfte mit dem Geist und dem Willen des Nationalsozialismus“ zu durchdringen.30 Zum Erreichen dieses Ziels wurde die Mitgliedschaft aller am Rundfunk Beteiligten forciert; nur wer ihr angehörte, konnte im Rundfunk tätig sein.31 Flankierend dazu wurde der Ausbau der Sende- und Empfangstechnik betrieben, um ein möglichst breites Publikum politisch beeinflussen zu können. Insbesondere die Entwicklung und der Vertrieb des Volksempfängers VE 301 ließen die Teilnehmerzahlen steigen.32 Mit diesem recht einfach konstruierten Einheitsmodell, welches zum Preis von 76 RM für jedermann erschwinglich sein sollte, konnte im Jahre 1935 zumindest in den dicht besiedelten Gebieten ein sicherer Empfang gewährleistet werden, der jedoch auf die regionalen Bezirkssender sowie den Deutschlandsender beschränkt war.33 Nachdem die nationalsozialistische Propaganda zunächst – technisch bedingt – nur über den Hörfunk verbreitet wurde, fanden unter der Leitung des Reichspostzentralamtes sowie der Reichsrundfunkgesellschaft am 22. März 1935 die ersten regelmäßigen Fernsehsendungen statt.34 Das Pro27 Ricker/Schiwy,
Rundfunkverfassungsrecht, Teil A, Rn. 32 f. I 1933, S. 661. 29 RGBl. I 1933, S. 797. 30 Schütte, Regionalität und Föderalismus, S. 127. 31 Herrmann/Lausen, Rundfunkrecht, § 4 Rn. 16. 32 Ende 1932: 4.300.000 Hörer; 1.5.1935: 6.700.000 Hörer, vgl. Schütte, Regiona lität und Föderalismus, S. 159. 33 Der Empfang sog. „Feindsendern“ wurde zunächst mangels Rechtsgrundlage als „Vorbereitung zum Hochverrat“ angeklagt, was insbesondere Rundfunkteilnehmer betraf, die den Sender „Radio Moskau“ empfingen. Ab dem 1.9.1939, mit dem Beginn des Überfalls auf Polen, wurde durch die „Verordnung über außerordentliche Rundfunkmaßnahmen“ das Abhören von ausländischen Sendern, seien es auch Programme verbündeter oder neutraler Staaten, verboten (RGBl. I 1939, S. 1683), vgl. Hensle, Rundfunkverbrechen, S. 22 ff. 34 Zunächst wurde die Zuständigkeit für das Fernsehen dem Reichsluftfahrtministerium unter der Leitung von Hermann Göring durch einen „ersten Führererlass“ v. 12.7.1935 mit Hinweis auf die Bedeutung für die Flugsicherung und den nationalen Luftschutz übertragen. Dem Reichspostministerium wurde ein Mitspracherecht eingeräumt (RGBl. I 1935, S. 1059). Nach Intervention von Josef Goebbels erging noch am 11.12.1935 ein „zweiter Führererlass“, der die Zuständigkeit dahingehend änder28 RGBl.
30
1. Kap.: Die Veranstaltung von Rundfunk in Deutschland
gramm konnte zunächst nur in Gemeinschaftsstuben und in einigen Privathaushalten empfangen werden, wobei der erste mediale Höhepunkt die Direktübertragungen der Olympischen Spiele 1936 war. Inhaltlich war das Programm von Kampagnen gegen Systemgegner, dem Mythos Hitler sowie der Geringschätzung der demokratischen Strukturen der deutschen Vergangenheit geprägt.35 Mit dem Ende des Krieges im Mai 1945 und der Kapitulation des Deutschen Reiches kam auch der Rundfunk zum Erliegen.
C. Die Nachkriegsjahre In den ersten Nachkriegsjahren (1945 bis 1948) war der Aufbau einer neuen Rundfunkordnung durch den Einfluss der Besatzungsmächte geprägt. Die Konsequenz aus dem Missbrauch des Rundfunks für die parteipoli tischen Zwecke der Nationalsozialisten ziehend, wurde den Deutschen zunächst jede Sendetätigkeit verboten. Dazu verdeutlichte General Lucius D. Clay, dass es „die grundlegende Politik der US-Militärregierung [sei, dass] die Kontrolle über die Mittel der öffentlichen Meinung wie Presse und Rundfunk verteilt und von der Beherrschung durch die Regierung freigehalten werden“ müsse.36 In der Sowjetischen Besatzungszone hingegen wurde der Deutsche Demokratische Rundfunk der Deutschen Zentralverwaltung für Volksbildung unterstellt. Eine Trennung von Rundfunk und Staat war somit keinesfalls gegeben.37 Vielmehr wurde Mitte 1946 die Generalintendanz des Deutschen Demokratischen Rundfunks gebildet, um eine einheitliche Koordinierung des Rundfunks in der Besatzungszone zu gewährleisten, womit der Rundfunk unter der Führung der kommunistischen Partei stand.38 Später – nach der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik – wurde er dem Staatlichen Rundfunkkomitee beim Ministerrat unterstellt.39 te, dass das Propagandaministerium für die „darstellerische Gestaltung von Fernsehübertragungen für Zwecke der Volksaufklärung und Propaganda“ verantwortlich sei. Siehe dazu Diller, in: Bausch, Rundfunk, Band II, S. 188, 191. 35 Herrmann/Lausen, Rundfunkrecht, § 4 Rn. 18; Stern, Das Staatsrecht der BRD IV/1, § 110 I 1 c). 36 Schriftlicher Befehl v. 21.11.1947, abgedruckt bei Bausch, in: ders., Rundfunk, Band III, S. 34 f. 37 Herrmann/Lausen, Rundfunkrecht, § 4 Rn. 25. 38 Steininger, Deutschlandfunk, S. 14 f.; Herrmann/Lausen, Rundfunkrecht, § 4 Rn. 25. 39 Gegründet am 14.8.1952 durch Verordnung über die Bildung des Staatlichen Rundfunkkomitees, GBl. DDR 1952, S. 733.
C. Die Nachkriegsjahre31
Nachdem sich das Verhältnis zwischen Besatzungsmächten und Besetzten in den drei westlichen Besatzungszonen entspannt hatte, begann man bereits 1946, über die zukünftige Rundfunkordnung Deutschlands zu beraten. Es zeichnete sich dabei eine weitgehende Übereinstimmung mit der Rundfunkorganisation der jeweiligen Besatzungsmächte ab,40 was insbesondere für die britische Besatzungszone galt. So war das Rundfunkwesen nach dem Vorbild der British Broadcasting Corporation (BBC) streng zentralistisch und staatsunabhängig organisiert.41 Durch die britische Militärregierungsverordnung Nr. 118 vom 1. Januar 194842 entstand der Nordwestdeutsche Rundfunk (NWDR) mit Sitz in Hamburg und somit die erste Rundfunkorganisation in der Nachkriegszeit.43 Allerdings konnte diese zentralistische Organisation nicht den jeweiligen regionalen Interessen der heutigen Länder Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen sowie Schleswig-Holstein Rechnung tragen, weshalb das Land Nordrhein-Westfalen durch Gesetz vom 25. Mai 195444 den Westdeutschen Rundfunk Köln (WDR) gründete. Die drei anderen Bundesländer der britischen Besatzungszone gründeten daraufhin durch Staatsvertrag vom 16. Februar 1955 den Norddeutschen Rundfunk (NDR).45 Nach zehn Jahren britischen Einflusses auf den deutschen Rundfunk hob der Hohe Kommissar am 3. Januar 1955 die Verordnung Nr. 118 auf.46 Zwar strebten auch die Amerikaner zunächst eine der heimischen vergleichbare Rundfunkordnung an, mithin eine dezentrale Ordnung mit kommerziellen privatrechtlichen Sendern. Dieses System war aber aufgrund der differierenden Wirtschaftskraft nicht übertragbar. Letztlich wurde daher nur das Prinzip der Dezentralisierung umgesetzt, um Machtkonzentrationen vorzubeugen.47 In der Folge gestand die amerikanische Militärregierung den gesetzgebenden Körperschaften das Recht zu, die Organisation des Rund40 Bausch,
in: ders., Rundfunk, Band III, S. 148 ff.; Herrmann, RuF 1975, 211. in: ders., Rundfunk, Band III, S. 18, 23; Greene, Entscheidung und Verantwortung, S. 43 ff. 42 Abgedruckt in: Brack/Herrmann/Hillig, Organisation des Rundfunks, S. 133. 43 Kutsch, in: Der NDR, S. 83 ff.; Brack/Herrmann/Hillig, Organisation des Rundfunks, S. 36 ff. Diese Anstalt des öffentlichen Rechts sollte dem Zweck des Betriebs der Rundfunkanlagen sowie der Verbreitung von Nachrichten und Darbietungen dienen, Herrmann, Rundfunkrecht, § 4 Rn. 29. 44 GV. NW. 1954, S. 151. 45 Herrmann/Lausen, Rundfunkrecht, § 4 Rn. 40 nennt als Grund, dass die Regierung in Düsseldorf „sich vom „roten“ Hamburger NWDR nicht genügend und zutreffend gewürdigt“ fühlte; i. Ü. Brack/Herrmann/Hillig, Organisation des Rundfunks, S. 44 ff. 46 Aufgehoben durch BritMRVO 1955 Nr. 257 zum 1.2.1955; Brack/Herrmann/ Hillig, Organisation des Rundfunks, S. 44 ff.; Schuster, Meinungsvielfalt, S. 29. 47 Schuster, Meinungsvielfalt, S. 29. 41 Bausch,
32
1. Kap.: Die Veranstaltung von Rundfunk in Deutschland
funks selbst zu regeln.48 So entstanden in den Jahren 1948 und 1949 zunächst der Bayerische Rundfunk (BR) durch Gesetz vom 10. August 1948, gefolgt vom Hessischen Rundfunk (HR) am 2. Oktober 1948, Radio Bremen (RB) am 22. November 1948 sowie dem Süddeutschen Rundfunk (SDR) am 6. April 1949, jeweils in der Form einer Anstalt des öffentlichen Rechts.49 Ebenso wie die britische legte auch die französische Besatzungsmacht bei der Ausgestaltung der Rundfunkordnung das Prinzip der Zentralisierung zugrunde. Die Militärregierung schuf am 30. Oktober 1948 mit der Verordnung Nr. 187 den Südwestdeutschen Rundfunk (SWF) in der Form einer Anstalt des öffentlichen Rechts, die bis 1949 unter der Kontrolle des französischen Oberkommandos stand.50 Aufgrund der französischen Ansprüche auf das Saargebiet wurde Radio Saarbrücken zunächst durch Verordnung vom 15. September 1946 aus dem SWF herausgegliedert und als selbstständige Rundfunkorganisation unter der Kontrolle der Besatzungsmacht aufgebaut.51 Nachdem diese Ansprüche aufgegeben worden waren, unterstellte man mit Verordnung Nr. 111 vom 16. September 1947 alle Rundfunkeinrichtungen des Saarlands dem mittlerweile gegründeten Rundfunkamt.52 Am 1. Januar 1957 trat das Saarland zur Bundesrepublik Deutschland bei. Durch Landesgesetz Nr. 538 vom 27. November 195653 wurde der Saarländische Rundfunk in eine Anstalt des öffentlichen Rechts umgewandelt.54 Auch die übrigen drei Länder der französischen Besatzungszone (Baden, Rheinland-Pfalz und Württemberg-Hohenzollern) wollten die Veranstaltung 48 Befehl von General Lucius D. Clay zur Errichtung regierungsunabhängiger Sender aus dem Jahre 1947, abgedruckt bei Bausch, in: ders., Rundfunk, Band III, S. 34 f. 49 Bay. GVBl. 1948, S. 135; Hess. GVBl. 1948, S. 123; Brem. GBl. 1948, S. 225; Württ.-Bad. Reg. Bl. 1949, S. 71. 50 FrMRVO Nr. 187, Journal Officiel 1948, S. 1756, abgedruckt bei Friedrich, Rundfunk und Besatzungsmacht, S. 258 ff. Siehe dazu auch S. 69 ff.; Bausch, Rundfunkpolitik, S. 139. Der Aufbau dieses Senders begann allerdings schon unmittelbar nach der Besetzung Deutschlands. Ab dem 31.3.1946 wurde ein regelmäßiges Programm angeboten, auch wenn keine Rechtsgrundlage für diese Art der Tätigkeit bestand. Erst am 1.1.1948 wurde zumindest eine „Geschäftsordnung für die Studios des Südwestfunks“ geschaffen, die den Südwestfunk als diejenige Rundfunkorganisation einsetzte, die alle politischen und kulturellen Interessen auf dem Gebiet des Rundfunks zu wahren hatte, vgl. Bausch, in: ders., Rundfunk, Band III, S. 136 ff. 51 Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, Teil A, Rn. 42; Schwan, Rundfunk als Instrument, S. 38 ff. 52 Schwan, Rundfunk als Instrument, S. 45 ff. 53 Abl. Saarland 1956, S. 1549. 54 Die gesetzliche Grundlage für den saarländischen Rundfunk trat am 18.7.1952 mit dem Saarländischen Rundfunkgesetz in Kraft, infolgedessen die Saarländischer Rundfunk GmbH entstand. Mit dem o. g. Beitritt hörte die Saarländischer Rundfunk GmbH auf zu existieren, Brack/Herrmann/Hillig, Organisation des Rundfunks, S. 88 ff.
D. Die Gründung der ARD33
von Rundfunk auf einer deutschen Rechtsgrundlage aufbauen, die in der Folge durch Staatsvertrag über den Südwestfunk vom 27. August 195155 geschaffen wurde. Diese ursprüngliche Fassung währte jedoch nicht lang. Nachdem in der Öffentlichkeit der Vorwurf des Staatsrundfunks geäußert wurde, insbesondere aufgrund der Einräumung weitgehender Rechte der Landesregierungen, kam es zu einer Entschärfung durch Staatsvertrag vom 29. Februar 1952.56 In Berlin bestand insoweit die Besonderheit, dass durch die sowjetische Einnahme des Hauses des Rundfunks zunächst eine stark propagandistisch geprägte Rundfunksituation entstand, welcher die Amerikaner durch die Gründung des Drahtfunks im amerikanischen Sektor (DIAS) am 7. Februar 1946 entgegen zu steuern versuchten. Mit Beginn der terrestrischen Übertragung wurde der DIAS in Rundfunk im amerikanischen Sektor (RIAS) umbenannt.57 Ebenso wollten die Briten dem kommunistisch beherrschten Sender Berliner Radio eine freiheitlich-demokratische Informationsquelle entgegensetzen. Daher gründeten sie eine Zweigstelle des NWDR, die später in der öffentlich-rechtlichen Anstalt Sender Freies Berlin (SFB) aufging.58
D. Die Gründung der ARD Bereits 1947 hatte Hans Bredow in der Schrift „Über die Neuregelung des Rundfunks“ die Gründung einer Arbeitsgemeinschaft Deutscher Rundfunk vorgeschlagen. Dieser Vorschlag wurde 1948 von Sir Hugh Carleton Greene, Chief Controller des NWDR, aufgegriffen, um eine Zusammen arbeit der Rundfunkanstalten der Westzonen zu ermöglichen.59 In einer gemeinsamen Sitzung am 9./10. Juni 1950 der Gremienvorsitzenden und -mitglieder sowie Intendanten entschloss man sich zur Gründung einer Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten, woraufhin am 5. August 1950 die ARD gegründet wurde.60 55 Rh.-Pf. GVBl. 1952, S. 71, vgl. zu den Protesten seitens der Bundesregierung, die die Zuständigkeit der Länder für organisatorische Fragen des Rundfunks bezweifelte, Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, Teil A, Rn. 53. 56 Magnus, Der Rundfunk in der BRD, S. 36 f. sowie Bausch, in: ders., Rundfunk, Band III, S. 183 ff. 57 Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, Teil A, Rn. 43 sowie ausführlich Kundler, RIAS Berlin, S. 14 ff. 58 Gründung des SFB durch Landesgesetz v. 12.11.1953, GVBl. 1953, S. 1400; Heinrich, Vom NWDR Berlin zum SFB, S. 104 ff.; Brack/Herrmann/Hillig, Organisation des Rundfunks, S. 51. 59 Herrmann/Lausen, Rundfunkrecht, § 4 Rn. 34. 60 Bausch, in: ders., Rundfunk, Band III, S. 257; Schuster, Meinungsvielfalt, S. 31; Herrmann, RuF 1975, 211 (213). Neben der Verabschiedung eines Vertrages zur
34
1. Kap.: Die Veranstaltung von Rundfunk in Deutschland
E. Die Deutschland-Fernsehen-GmbH Die Bestrebungen der Länder veranlassten auch den Bund, seine rundfunkpolitischen Ziele weiter zu forcieren, sodass am 9. Mai 1951 die erste dahingehende Debatte im Bundestag stattfand.61 Im Vordergrund stand dabei der Erlass eines Bundesrundfunkgesetzes. Dieser Idee widersprachen nicht nur die Länder, auch die Alliierten waren nicht gewillt, die von ihnen durch die Militärverordnungen geschaffene Rundfunkordnung, die die Organisa tionshoheit der Länder statuierte, aufzugeben.62 Erste Gesetzentwürfe in den Jahren 1951 bis 1953 scheiterten daher am Widerstand der Länder, die sich gegen ein potentielles Fernsehmonopol des Bundes wandten63, zugleich endete auch die erste Legislaturperiode des Bundestags.64 1954 bildete sich, um die Neuordnung des Rundfunks in Deutschland voranzutreiben, auf Veranlassung der Bundesregierung wiederum eine Arbeitsgruppe des Bundes und der Länder, die ein Jahr später einen erneuten Gesetzesvorschlag („Allgemeiner Rundfunkstaatsvertrag“) sowie Entwürfe für drei weitere Staatsverträge vorlegte.65 Letztere regelten einen Kurzwellensender, ausgestaltet als Bundesanstalt, einen Langwellensender als „Wiedervereinigungssender“, dessen Betrieb in Bund-Länder-Zusammenarbeit erfolgen sollte, sowie das Fernsehen, welches in einem öffentlich-rechtlichen Verbund der Rundfunkanstalten betrieben werden, auf den jedoch die Bundesregierung über den Verwaltungsrat erheblichen Einfluss haben sollte.66 Gründung der „Deutschen Welle“ beschlossen die Intendanten 1953, den sog. „Fernsehvertrag“, in dem die Veranstaltung des Fernsehgemeinschaftsprogramms „Deutsches Fernsehen“ vereinbart wurde. Durch das Abkommen über die Koordinierung des Ersten Fernsehprogramms v. 17.4.1959 wurde den im „Fernsehvertrag“ statuierten Ermächtigungen und Verpflichtungen eine gesetzliche Grundlage gegeben, vgl. Bausch, in: ders., Rundfunk, Band III, S. 273, 283, 363; Wehmeier, Die Geschichte des ZDF, S. 12 ff. Am selben Tag wurde durch dieses Länderabkommen erstmals der Finanzausgleich zwischen den Rundfunkanstalten geregelt, nachdem zuvor die Landesrundfunkanstalten über 12 Jahre hinweg diesen Ausgleich durch Verwaltungsvereinbarungen selbstständig gewährleistet hatten, siehe Bausch, in: ders., Rundfunk, Band III, S. 287 ff.; Herrmann, RuF 1975, 211 (223 f.). 61 Stern, Das Staatsrecht der BRD IV/1, § 110 I 2 e). 62 Bausch, in: ders., Rundfunk, Band III, S. 326 f. 63 Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, Teil A, Rn. 56; i. Ü. vgl. das Gutachten von Theodor Maunz: „Rechtsgutachten über die Frage der Vereinbarkeit des Gesetzentwurfs über die Wahrnehmung gemeinsamer Aufgaben auf dem Gebiet des Rundfunks mit dem Grundgesetz“, in dem dieser sich schon 1953 mit den Fragestellungen beschäftigte, die das BVerfG 1961 in seinem ersten Rundfunkurteil aufgriff, abgedruckt bei: Zehner, Der Fernsehstreit, S. 276 ff. 64 Bausch, in: ders., Rundfunk, Band III, S. 364 ff.; Brack/Herrmann/Hillig, Organisation des Rundfunks, S. 17 f. 65 Fischer, Dokumente zur Geschichte, S. 132 ff.
E. Die Deutschland-Fernsehen-GmbH35
Diesem Kompromiss – mag er auch verfassungswidrig gewesen sein – stand das Bundeskanzleramt jedoch kritisch gegenüber, da die angestrebte Auflockerung des Rundfunkmonopols der Länder durch den Vorschlag gerade nicht angestrebt wurde.67 66
Auf der anderen Seite waren aber die Länder an einer Einigung mit den Bund interessiert, da sie, was die Bereitstellung der Sendetechnik sowie der Übertragungskapazitäten, mithin die Funkhoheit, betraf, von der Deutschen Bundespost abhängig waren. Die Position des Bundes wurde darüber hinaus durch die Erschließung neuer UKW-Frequenzen verstärkt, für die die Landesrundfunkanstalten Anträge gestellt hatten.68 Der Bund wollte diese Frequenzen jedoch für ein eigenes „zweites Programm“ nutzen, beziehungsweise an private Rundfunkveranstalter vergeben.69 Insbesondere für letztere Bestrebung war das im Bayerischen Rundfunk beginnende Werbefernsehen70 sowie das geäußerte Interesse in der Privatwirtschaft ursächlich.71 Erstaunlich ist daher, dass es trotz dieses vorhandenen Interesses der Privatwirtschaft erst 30 Jahre später zum Aufbau der dualen Rundfunkordnung mit der „zweiten Säule“, dem Privatrundfunk, kam.72 Durch die bei der Bundestagswahl 1957 gewonnene absolute Mehrheit der Regierung um Konrad Adenauer wurde diese in ihrem Vorhaben, ein zusätzliches bundesdeutsches Fernsehprogramm zu veranstalten, bestärkt.73 Am 30. September 1959 erging ein Kabinettsbeschluss zu einem Gesetz über den Rundfunk, welches die Gründung von drei öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten vorsah: „Deutschland Fernsehen“, „Deutsche Welle“ und „Deutschlandfunk“. Dieser Vorschlag wurde jedoch vom Bundesrat abgelehnt, der Bund hinwiederum betonte seine Regelungskompetenz aus Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG.74 66 Steininger,
Politische Vierteljahresschrift 1976, 474 (480). Der Fernsehstreit, S. 149; Bredow, Freiheit des Rundfunks, S. 92 f., 99. 68 Bausch, in: ders., Rundfunk, Band III, S. 376 f. 69 Zehner, Der Fernsehstreit, S. 151; Wehmeier, Die Geschichte des ZDF, S. 12 f. 70 Bis zu sechs Minuten zwischen 19.30 und 20 Uhr, siehe Bausch, in: ders., Rundfunk, Band IV, S. 534. 71 Bausch, in: ders., Rundfunk, Band III, S. 386. 72 Einzig das Rundfunkgesetz des Saarlands in der Fassung v. 7.6.1967 sah die Zulassung von privaten Rundfunkveranstaltern vor, Gesetz Nr. 844 v. 7.6.1967, Abl. S. 478. 73 Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, Teil A, Rn. 60. 74 BR-Drs. 1959, Nr. 315; Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, Teil A Rn. 64. Aufgrund der Differenzen zwischen Bund und Ländern, welche vorrangig die Gründung der Rundfunkanstalt Deutschland-Fernsehen betraf, kam es am 29.6.1960 im Bundestag nur zur Abstimmung über die Teile des ursprünglichen Gesetzentwurfs, die die Gründung von Deutschlandfunk und Deutsche Welle betrafen. Das dann in 67 Zehner,
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1. Kap.: Die Veranstaltung von Rundfunk in Deutschland
Obwohl die Gründung einer Rundfunkanstalt des Bundes politisch nicht durchsetzbar erschien, verfolgte Konrad Adenauer dieses Ziel, indem er am 25. Juli 1960 die Gründung der Deutschland-Fernsehen-GmbH mit der notariellen Beurkundung vollziehen ließ.75 Diese GmbH hatte den Zweck der „Veranstaltung von Fernseh- und Rundfunksendungen, die den Rundfunkteilnehmern in ganz Deutschland und im Ausland ein umfassendes Bild Deutschlands“ vermitteln sollte.76 Die Länder erfuhren von dem Vollzug der Gründung der GmbH erst im Anschluss an die notarielle Beurkundung, sodass eine vorherige Einflussnahme auf den Gesellschaftsvertrag ausgeschlossen war.77 Zwar war die Beteiligung der Länder in der Satzung der GmbH vorgesehen78, diese lehnten jedoch einen Erwerb von Geschäftsanteilen ab. Daher wurden diese Kapitalanteile schon im August 1960 auf die Bundesrepublik Deutschland übertragen, womit die Deutschland-Fernsehen-GmbH letztlich als „Ein-Mann-GmbH“ bestand.79
F. Das erste Rundfunkurteil des Bundesverfassungsgerichts Am 19. August 1960 beantragte daher die Freie und Hansestadt Hamburg gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG beim Bundesverfassungsgericht festzustellen, dass die Bundesregierung die Hansestadt durch die Gründung der Deutschland-Fernsehen-GmbH in ihrem Recht aus Art. 30 GG verletze. Diesem Antrag schlossen sich später auch die Länder Hessen, Niedersachsen und Bremen an. Hessen machte ergänzend geltend, dass die Bundesregierung durch die Gründung der GmbH und die geplante Veranstaltung von Sendungen auch gegen „Art. 5 GG und Art. 30 GG i. V. m. Art. 87 Abs. 3 GG […] sowie gegen die Pflicht zu länderfreundlichem Verhalten“ verstoße habe.80 der Folge beschlossene Gesetz („Gesetz über die Errichtung von Rundfunkanstalten des Bundesrechts“, BGBl. I 1960, S. 862) wurde am 2.12.1960 im BGBl. veröffentlicht. Ausführlich dazu Steininger, Langer Streit um kurze Welle, sowie ders., Deutschlandfunk. 75 Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, Teil A, Rn. 65. 76 § 2 der Satzung der „Deutschland-Fernsehen-GmbH“, abgedruckt bei Zehner, Der Fernsehstreit, S. 16. 77 BVerfGE 12, 205 (258): „Die Länder erfuhren von der notariellen Beurkundung des Vertrages erst am 25.7.1960 um 16.15 Uhr, als dieser jedoch schon beurkundet war.“ 78 §§ 6 und 7 der Satzung sahen für den Bund Anteile in Höhe von 12.000 DM vor, die Länder sollten jeweils Kapitalanteile in Höhe von 1.000 DM erhalten. Näheres bei Brack/Herrmann/Hillig, Organisation des Rundfunks, S. 100 f. 79 Bausch, in: ders., Rundfunk, Band III, S. 420.
F. Das erste Rundfunkurteil des Bundesverfassungsgerichts 37
Zur Begründung dieser Anträge wurde vorgetragen, dass sich aus Art. 73 Abs. 1 Nr. 7 GG nicht die Kompetenz des Bundes zur Organisation des Rundfunks sowie der Veran- und Gestaltung von Sendungen ergebe. Diese Kompetenz liege allein bei den Ländern. Die Vorgehensweise der Bundesregierung in dieser Angelegenheit verletze neben dem Gebot des länderfreundlichen Verhaltens auch Art. 5 GG, der es dem Staat verbiete, „den Rundfunk zu lenken oder zu beeinflussen“.81 80
Die Bundesregierung hingegen wand ein, dass Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG den „Rundfunk als Ganzes“ erfasse und der Bund mit der Gründung der „Deutschland-Fernsehen-GmbH“ Rechte der Länder (Art. 30 GG) nicht verletzen könne, da der Bund schon „kraft der ‚Natur der Sache‘ [zu dieser Gründung] befugt“ sei. Auch das Gebot zum länderfreundlichen Verhalten sei nicht beeinträchtigt, da „die Gesellschaft [doch] mit den Ländern“ gemeinsam gegründet werden sollte. In der Gründung der GmbH liege auch keine Beeinträchtigung des Prozesses freier öffentlicher Meinungsbildung, sodass auch Art. 5 GG nicht verletzt sein könne.82 Schon während dieses Verfahrens nahm die Veranstaltung von Rundfunkangeboten durch die Deutschland-Fernsehen-GmbH konkrete Gestalt an, sodass Anfang 1961 Sendungen für einen Zeitraum von einem Vierteljahr existierten.83 Diese rasch fortschreitende Entwicklung wurde dann durch die einstweilige Anordnung des Bundesverfassungsgerichts vom 80 BVerfGE 12, 205 (217). Der Senat der Hansestadt Hamburg hatte darüber hinaus einen Normenkontrollantrag gestellt, um feststellen zu lassen, dass „§ 3 des Staatsvertrages über den Norddeutschen Rundfunk […] mit Art. 73 Abs. 1 Nr. 7 GG vereinbar“ sei. § 3 Abs. 1 des Staatsvertrages sah für den Norddeutschen Rundfunk sowohl das ausschließliche Recht zur Veranstaltung von Rundfunksendungen als auch zur Errichtung und zum Betrieb der Sendetechnik (Ham. GVBl. I 1955, S. 198) vor. Die Frage nach der Vereinbarkeit der dem NDR übertragenen Befugnis zur Errichtung und zum Betrieb von Sendeanlagen mit dem Grundgesetz wurde durch das BVerfG dahingehend geklärt, dass die Regelung nur insoweit verfassungsgemäß sei, dass sie das „Monopol [des NDR] zur Veranstaltung von Rundfunksendungen“ betreffe, nicht jedoch das „Monopol zur Errichtung und zum Betrieb von Sendeanlagen.“ Mit dieser Auffassung legte das Gericht Art. 73 Abs. 1 Nr. 7 GG dahingehend aus, dass nur der „sendetechnische Bereich des Rundfunks unter Ausschluß der sogenannten Studiotechnik, nicht aber der Rundfunk als Ganzes“ von der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz erfasst sein sollte. Diesem sendetechnischen Bereich seien alle erforderlichen Regelungen zum Erhalt eines ordnungsgemäßen und vor allem störungsfreien Rundfunkbetriebs zuzuordnen, mithin die Ordnung des Funkverkehrs. Im Übrigen sei der Rundfunk nicht Teil des in Art. 73 Abs. 1 Nr. 7 GG genannten Fernmeldewesens. 81 BVerfGE 12, 205 (217 f.). 82 BVerfGE 12, 205 (218 f.). 83 Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, Teil A, Rn. 68.
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1. Kap.: Die Veranstaltung von Rundfunk in Deutschland
17. Dezember 1960 unterbrochen, die vorläufig jedwede Veranstaltung eines zweiten Fernsehprogramms in der BRD untersagte.84 Die Entscheidung in der Hauptsache erfolgte bereits zwei Monate später, am 28. Februar 1961. Diese auch als erstes Rundfunkurteil oder Fernseh urteil85 bekannte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts prägte die rundfunkrechtliche Organisation Deutschlands maßgeblich und legte die Grundlagen für das Gebot der Staatsferne des Rundfunks. Zunächst widmete sich das Bundesverfassungsgericht der Verletzung von Art. 30 i. V. m. Art. 83 ff. GG und ordnete die Gesetzgebungs- sowie Verwaltungskompetenz für die Veranstaltung von Rundfunksendungen den Ländern zu, womit die Gründung der Deutschland-Fernsehen-GmbH gegen Art. 30 i. V. m. Art. 83 ff. GG verstieß.86 Im Folgenden machte das Gericht Ausführungen zu der ungeschriebenen, sich aus dem Grundgesetz ergebenden, wechselseitigen Pflicht des Bundes und der Länder zu bundesfreundlichem Verhalten.87 Dieser Grundsatz umfasse nicht nur zusätzliche Pflichten oder Beschränkungen der verfassungsrechtlich normierten Pflichten und Kompetenzen für Bund und Länder. Vielmehr betreffe diese Pflicht auch das Prozedere sowie den Stil der Verhandlungen zwischen Bund und Ländern.88 Gerade diese Komponente des Grundsatzes sei hier betroffen. Die Bundesregierung habe mit ihrem Vorgehen bei der Neuregelung des Rundfunkwesens in Deutschland die Bemühungen und Vorschläge der Länder gar nicht oder nur unzureichend berücksichtigt.89 84 BVerfGE
12, 36. zur Zählung der Rundfunkurteile bzw. zur Bezeichnung der Urteile und Beschlüsse hier und im Folgenden: Fechner, Medienrecht, S. 279 ff. 86 Die Bundesregierung hatte im Rahmen des Verfahrens vorgebracht, dass eine Verletzung dieser Normen ausgeschlossen sei, da es sich bei der Gründung der GmbH nicht um die Erfüllung einer staatlichen Aufgabe handeln würde, sondern vielmehr um gesetzesfreie Bundesverwaltung, die nicht in den Anwendungsbereich dieser Normen falle. Das BVerfG erwiderte jedoch, dass eine Aufgabe dann öffentlicher Natur im Sinne des Art. 30 GG sei, sobald sich der Staat mit dieser befasse, selbst wenn er sich dazu privatrechtlicher Formen bediene. Zwar sehe Art. 30 GG Ausnahmen in der Weise vor, dass andere Regelungen zugunsten des Bundes getroffen oder zugelassen werden könnten, dies sei jedoch für die Veranstaltung von Rundfunksendungen weder aus der Verfassung noch kraft Natur der Sache beziehungsweise einer natürlichen Bundeszuständigkeit ersichtlich, BVerfGE 12, 205 (243 ff.). 87 BVerfGE 12, 205 (254 ff.). Die Länder hatten diese als Pflicht zum länderfreundlichen Verhalten bezeichnet, siehe BVerfGE 12, 205 (217). 88 BVerfGE 12, 205 (255). 89 BVerfGE 12, 205 (256 f.). 85 Vgl.
F. Das erste Rundfunkurteil des Bundesverfassungsgerichts 39
Darüber hinaus sei auch das Gründungsverfahren der Deutschland-Fernsehen-GmbH nicht unter Berücksichtigung dieser Pflicht abgelaufen. So wurden die Gegenvorschläge der Länder, die ohnehin erst neun Tage vor der geplanten notariellen Beurkundung des Gesellschaftsvertrags umfassend über die Absichten der Bundesregierung informiert worden waren, nicht berücksichtigt. Vielmehr stellte man die Länder vor vollendete Tatsachen, indem man sie erst am Nachmittag des 25. Juli 1960 über die vollzogene notarielle Beurkundung des Gesellschaftsvertrags informierte.90 Die Gründung der Gesellschaft verstieß daher auch gegen das Gebot zu bundesfreundlichem Verhalten.91 Schließlich nahm das Bundesverfassungsgericht zum Gehalt der Rundfunkfreiheit Stellung.92 Dabei stellte das Gericht die Bedeutung der Rundfunkfreiheit schon an den Anfang seiner die deutsche Rundfunkordnung prägenden Ausführungen. Diese Freiheit sei von „fundamentaler Bedeutung für das gesamte öffentliche, politische und verfassungsrechtliche Leben“ und ebenso wie die Presse ein unentbehrliches modernes Massenkommunikationsmittel, welches staatsfrei ausgestaltet sein müsse.93 Der Rundfunk sei nicht nur „Medium“, sondern auch „Faktor“ der öffentlichen Meinungsbildung, weshalb die Rundfunkfreiheit nicht nur als Individualgrundrecht des Bürgers gegen den Staat, sondern gleichermaßen als institutionelle Freiheit von Bedeutung sei.94 Der Rundfunk unterscheide sich jedoch von der Presse in der Weise, dass „im Bereich des Rundfunks sowohl aus technischen Gründen als auch mit Rücksicht auf den außergewöhnlich großen finan ziellen Aufwand“ die Anzahl der Veranstalter geringer sei als bei der Presse.95 Diese Sondersituation erfordere besondere Vorkehrungen, um die in Art. 5 GG garantierte Rundfunkfreiheit zu wahren. Als solche der Zweckerreichung dienlichen Vorkehrungen bezeichnete das Gericht die Veranstaltung des Rundfunks durch juristische Personen des öffentlichen Rechts, die dem Staat entzogen seien beziehungsweise nur einer beschränkten staatlichen Aufsicht unterliegen und in deren Kollegial organen alle gesellschaftlich relevanten Gruppen gleichermaßen zu Wort kommen würden.96 Diese Struktur entspreche dem Aufbau der bestehenden Rundfunkanstalten, was aber keinesfalls bedeute, dass rechtsfähige Gesellschaften des privaten Rechts von der Rundfunkveranstaltung auszuschließen 90 BVerfGE 91 BVerfGE 92 BVerfGE 93 BVerfGE 94 BVerfGE 95 BVerfGE 96 BVerfGE
12, 12, 12, 12, 12, 12, 12,
205 205 205 205 205 205 205
(257 f.). (259). (259 ff.). (259 f.). (260 f.). (261). (261 f.).
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1. Kap.: Die Veranstaltung von Rundfunk in Deutschland
seien. Die Rundfunkveranstaltung durch Private komme jedoch nur dann in Betracht, wenn diese in ähnlicher Weise wie die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten alle gesellschaftlich relevanten Kräfte zu Wort kommen ließen und die Freiheit der Berichterstattung gewährleistet würde.97 Demgegenüber widerspreche aber auch ein Monopol der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten nicht der Verfassung. Allerdings müsse in beiden Fällen berücksichtigt werden, dass der Rundfunk „weder dem Staat noch einer gesellschaftlichen Gruppe ausgeliefert“ werde, was jedoch bei der Deutschland-Fernsehen-GmbH, die vollständig in der Hand des Staates liege, der Fall sei.98 Im Ergebnis verstoße die Gründung der Gesellschaft daher auch gegen Art. 5 GG.99 Es lässt sich festhalten, dass mit diesem Urteil wesentliche Grundsätze der Rundfunkordnung und -organisation aufgestellt worden sind. Genannt seien insoweit das Gebot der Staatsferne des Rundfunks, das Pluralismusgebot, die Sondersituation des Rundfunks sowie die Zulässigkeit der dualen Rundfunkordnung. Insbesondere den elementaren Grundsatz der Staatsferne des Rundfunks hat das Bundesverfassungsgericht in seiner noch folgenden Rechtsprechung aufrecht erhalten, stets seinen Ursprung betont und damit eine Grundfeste des deutschen Mediensystems verfassungsrechtlich abgesichert.
G. Die Gründung des ZDF Die Anstalten der ARD wollten ihre Monopolstellung auf dem deutschen Fernsehmarkt durch die Schaffung eines unter ihrer Verantwortung stehenden zweiten Vollprogramms festigen, weshalb die Intendanten schon am 14. März 1961 vereinbarten, entsprechende Vorkehrungen zu treffen.100 Allerdings entschieden die Ministerpräsidenten der Länder nur drei Tage später, dieses zweite Vollprogramm durch eine von der ARD unabhängige Fernsehanstalt ausstrahlen zu lassen.101 Dazu wurde am 6. Juni 1961 der Staatsvertrag über die Errichtung der Anstalt des öffentlichen Rechts Zweites Deutsches Fernsehen (ZDF) unterzeichnet.102 Trotz dieser Geschlossenheit der Ministerpräsidenten bei der Unterzeichnung des Abkommens bestanden Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit. Neben dem großen Einfluss der Län97 BVerfGE
12, 205 (261 f.). 12, 205 (262). 99 BVerfGE 12, 205 (264). 100 Rupp, Rechtsgutachten ZDF, S. 14 f. 101 Bausch, in: ders., Rundfunk, Band III, S. 461 f. 102 Abgedruckt in Fuhr, ZDF-Staatsvertrag, S. 9 ff., 31 f.; Brack/Herrmann/Hillig, Organisation des Rundfunks, S. 106. 98 BVerfGE
H. Die Entwicklung in den siebziger Jahren41
der auf das ZDF103 wurde vor allem die Abschlusskompetenz der Länder bezweifelt. So führte man an, mit der Gründung des ZDF eine unzulässige „Dritte Ebene“ zwischen Bund und Ländern geschaffen zu haben, da das ZDF weder der ARD noch einem einzelnen Land zugeordnet werden könne.104 Damit begründete auch der Bayerische Rundfunk seine Weigerung, gemäß § 23 ZDF-Staatsvertrag 30 % seines Rundfunkgebührenaufkommens an das ZDF abzuführen.105 Der Rechtsstreit106 wurde letztlich vor dem Bundesverwaltungsgericht geklärt, welches die Abschlusskompetenz aus einem „Erst-Recht-Schluss“ aus Art. 32 Abs. 3 GG herleitete. Wenn die Länder schon völkerrechtliche Verträge abschließen könnten, dann müsse dies doch erst recht für Staatsverträge mit den anderen Bundesländern gelten.107 Die erste Ausstrahlung des ZDF-Programms erfolgte am 1. April 1963. Bis dahin hatte die ARD übergangsweise ein zweites Programm angeboten, welches dann später als Grundlage diente.108
H. Die Entwicklung in den siebziger Jahren Die Entwicklung des Rundfunks in den siebziger Jahren war durch Fragen betreffend die finanzielle, technische und organisatorische Weiterentwicklung des Rundfunks in der Bundesrepublik geprägt. 1969 hatten die Bundesländer zum ersten Mal durch Staatsvertrag109 mit Wirkung zum 1. Januar 1970 die Rundfunkgebühr auf 2,50 DM Grundgebühr und 6 DM Fernsehgebühr erhöht. In den folgenden Jahren verschärfte sich die Finanzlage aufgrund der allgemeinen wirtschaftlichen Lage, sodass die Landtage die Rundfunkgebühr bis 1979 noch zwei weitere Male erhöhten.110 Im Zuge der zweiten Rundfunkgebührenerhöhung wurde 1975 durch die Ministerpräsidenten die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) eingeführt, die den von den Rundfunkanstal103 Siehe
dazu nunmehr BVerfG, Urt. v. 25.3.2014 – 1 BvF 1/11, Rn. 88 ff. Verfassungs- und verwaltungsrechtliche Probleme des ZDFStaatsvertrages, S. 7 ff., 63; Haegert, NJW 1961, 1137 (1140). 105 Herrmann, RuF 1975, 211 (228). 106 BVerwGE 22, 299 ff. 107 BVerwGE 22, 299 (305 ff.); ebenso Pfeiffer, NJW 1962, 565 f.; Maunz, NJW 1962, 1641; zweifelnd Kratzer, DVBl. 1963, 309 (313). 108 Bausch, in: ders., Rundfunk, Band III, S. 497 ff. 109 „Staatsvertrag über die Höhe der Rundfunkgebühr“, zuletzt ratifiziert durch die Hamburger Bürgerschaft am 29.12.1969. 110 Zum 1.1.1974 auf 3 DM Grundgebühr und 7,5 DM Fernsehgebühr; zum 1.1.1979 auf 3,8 DM Grundgebühr und 9,2 DM Fernsehgebühr, Herrmann/Lausen, Rundfunkrecht, § 4 Rn. 69, 76 f. 104 Fröhler/Zeidler,
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1. Kap.: Die Veranstaltung von Rundfunk in Deutschland
ten angemeldeten Finanzbedarf überprüfen und dementsprechend gegenüber den Ministerpräsidenten der Länder Empfehlungen über die Höhe der Gebühr abgeben sollte.111 Darüber hinaus wurde durch Beschluss der ARDRundfunkanstalten die Einziehung der Rundfunkgebühren ab dem 1. Januar 1976 von der Postverwaltung112, die nach dem Zweiten Weltkrieg im Auftrag der Rundfunkanstalten gehandelt hatte, auf die Gebühreneinzugszentrale (GEZ) übertragen. Auch das ZDF trat kurze Zeit später der GEZ bei.113 Durch die Neuregelung des § 2 Abs. 3 S. 2 Umsatzsteuergesetz (UStG) vom 29. Mai 1967114 unterlagen die Rundfunkgebühren entgegen der bisherigen Rechtslage erstmals der Umsatzsteuer. Zu diesem Zweck galt die Veranstaltung von Rundfunk als gewerbliche oder berufliche Tätigkeit im Sinne des UStG. Die Hessische Landesregierung hielt diese Regelung für verfassungswidrig und beantragte am 27. September 1968 im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle diese Regelung für nichtig zu erklären. Parallel dazu erhoben acht Landesrundfunkanstalten115 Verfassungsbeschwerde gegen § 2 Abs. 3 S. 2 sowie § 12 Abs. 2 Nr. 7a UStG.116 Das Bundesverfassungsgericht erklärte am 27. Juli 1971 § 2 Abs. 3 S. 2 UStG für mit dem Grundgesetz unvereinbar und damit nichtig.117 Zur Begründung wurde darauf verwiesen, dass die Tätigkeit der Rundfunkanstalten sich im öffentlich-rechtlichen Bereich vollziehe. Sie stünden in öffentlicher Verantwortung, würden Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen und erfüllten eine integrierende Funktion. Zwar bedienten sich die Rundfunkanstalten bei dieser Aufgabenerfüllung oftmals Mitteln des Privatrechts, dies dürfe jedoch kein Anlass für den Rückschluss sein, es handele sich um eine Tätigkeit gewerblicher Art. Vielmehr sei für diese Einschätzung auf die verfassungsrechtlichen Grundsätze für den Rundfunk zurückzugreifen. Demnach sei zu berücksichtigen, dass der Rundfunk „infolge der Entwicklung der Fernsehtechnik, zu einem der mächtigsten Kommunikationsmittel und Massenmedium geworden [ist], das wegen seiner 111 Bausch,
in: ders., Rundfunk, Band IV, S. 667. dazu Grupp, Rundfunkgebührenrecht, S. 37 ff. 113 Grupp, Rundfunkgebührenrecht, S. 61 f. 114 BGBl. I 1967, S. 545. 115 Verfassungsbeschwerde des Bayerischen Rundfunks, des Hessischen Rundfunks, des Norddeutschen Rundfunks, des Radio Bremen, des Saarländischen Rundfunks, des Süddeutschen Rundfunks, des Südwestfunks sowie des Westdeutschen Rundfunks. 116 Beide Verfahren wurden zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden, BVerfGE 31, 314 (321). 117 BVerfGE 31, 314. 112 Näheres
H. Die Entwicklung in den siebziger Jahren43
weitreichenden Wirkungen und Möglichkeiten sowie der Gefahr des Mißbrauchs zum Zweck einseitiger Einflußnahme auf die öffentliche Meinung nicht dem freien Spiel der Kräfte überlassen werden“118 könne. Zudem bestätigte das Bundesverfassungsgericht auch zehn Jahre nach dem ersten Rundfunkurteil die dort aufgestellten Grundsätze: die institutionelle Freiheit, die Sondersituation des Rundfunks und der sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Wahrung der Rundfunkfreiheit, die Bedeutung für die öffentliche Meinungsbildung sowie das Gebot der Staats- und Gruppenferne des Rundfunks.119 Insbesondere letzterer Grundsatz wurde durch das Gericht betont. So sei der Rundfunk „Sache der Allgemeinheit“, die „in voller Unabhängigkeit überparteilich betrieben und von jeder Beeinflussung freigehalten werden“ müsse.120 Das so ausgestaltete Rundfunkwesen führe dazu, dass die Rundfunkanstalten in der Erfüllung einer öffentlich-recht lichen Aufgabe tätig würden. Die Ausübung einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit sei damit unvereinbar und § 2 Abs. 3 S. 2 UStG mithin nichtig.121 Die technische Entwicklung des Rundfunks in Deutschland sollte durch die von der Bundesregierung eingesetzte Kommission für den Ausbau des technischen Kommunikationssystems (KtK) vorangetrieben werden, indem diese Vorschläge für den Ausbau des Telekommunikationssystems vorlegen sollte. Dabei ging es insbesondere um die Frage, wie man der Frequenzknappheit des terrestrischen Bereichs begegnen sollte. Die besten Chancen zur Aufhebung dieser Knappheit sah man in der Satellitenkommunikation sowie der Breitbandkabeltechnik.122 Letztere sollte – so der Anfang 1976 veröffentlichte Bericht der KtK123 – in „Pilotprojekten“ realisiert werden. Dazu wurden 1978 durch Beschluss der Ministerpräsidenten die Städte Berlin, Dortmund, Ludwigshafen sowie München bestimmt.124 Aufgrund dieser neuen technischen Möglichkeiten, die der vom Bundesverfassungsgericht dargelegten „Sondersituation“ des Rundfunks abhelfen sollten, forderte man erneut die Einführung privater Rundfunkveranstalter.125 In rundfunkorganisatorischer Hinsicht ist zudem die Novellierung der Bayerischen Verfassung (BV) von 1973 zu erwähnen. So wurde aufgrund 118 BVerfGE
31, 314 (325). 31, 314 (326 ff.). 120 BVerfGE 31, 314 (327). 121 BVerfGE 31, 314 (329 ff.). 122 Bullinger, Strukturwandel der Telekommunikation, S. 63 ff. 123 KtK, Telekommunikationsbericht. 124 Bausch, in: ders., Rundfunk, Band IV, S. 895 ff. sowie ausführlich Hübner, Kabelfernsehprojekte. 125 Vgl. dazu das Schrifttum bei Herrmann/Lausen, Rundfunkrecht, § 4 Rn. 81. 119 BVerfGE
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1. Kap.: Die Veranstaltung von Rundfunk in Deutschland
eines Volksentscheids vom 1. Juli 1973 Art. 111a in die BV aufgenommen. Neben der Gewährleistung der Rundfunkfreiheit enthält dieser Artikel den Grundsatz der öffentlich-rechtlichen Trägerschaft des Rundfunks. Auslöser dieses Volksentscheids war ein Gesetzentwurf von 1971, der den Einfluss der Parteien und des Parlaments auf den Bayerischen Rundfunk verstärken sollte. Mit der Einführung des Art. 111a BV verfolgte man das Ziel, die befürchtete Zulassung privater Rundfunkveranstalter zu verhindern und die Staatsfreiheit des Rundfunks zu wahren.126
I. Die Entwicklung in den achtziger Jahren Auch in diesem Jahrzehnt wurde die Rundfunkordnung der Bundesrepublik durch zwei Rundfunkurteile127 des Bundesverfassungsgerichts entscheidend geprägt. Durch die strukturelle Veränderung des NDR, den Abschluss des ersten Rundfunkstaatsvertrags sowie den Ausbau der privatwirtschaftlichen Rundfunkveranstaltung trug auch die Politik zur Entwicklung bei. Bereits am 8. Juni 1978 hatte das Land Schleswig-Holstein den Staatsvertrag für den NDR vom 16. Februar 1955 mit der Begründung der finanziellen Schwierigkeiten der Anstalt sowie der Benachteiligung des Landes im Programm des NDR gekündigt. Zugleich legte man einen neuen Entwurf für einen NDR-Staatsvertrag vor, der bestimmte Programmgrundsätze sowie eine stärkere Regionalisierung vorsah.128 Jedoch kamen die drei Länderregierungen bis zum Juli 1980 zu keiner Einigung, da auch der Vorschlag des Hamburger Senats für einen neuen NDR-Staatsvertrag, der sich an der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts orientierte, keine Zustimmung fand. In der Folge drohte nun das unerwünschte Auseinanderbrechen der „Drei-Länder-Anstalt“, was die Parteien am 20. August 1980 zum Abschluss eines neuen Staatsvertrags für den NDR bewegte. Dieser trug der gewünschten Regionalisierung durch Gründung von Regionalstudios sowie dem Gebot der Staatsfreiheit des Rundfunks Rechnung.129
126 Bausch,
in: ders., Rundfunk, Band IV, S. 630 ff. 57, 205; 73, 118. 128 Bausch, in: ders., Rundfunk, Band IV, S. 940 ff. 129 Bausch, in: ders., Rundfunk, Band IV, S. 951 ff. Das BVerwG stellte zu dieser Entwicklung fest, dass die 3 Länder durch diesen neuen Staatsvertrag dem Vertrag von 1955 nur eine neue Fassung gegeben und dadurch normiert hätten, dass der 1955 gegründete NDR fortgeführt würde. Nur das Land Schleswig-Holstein sei durch seine Kündigung zwischenzeitlich aus der Anstalt ausgeschieden, was jedoch nicht zu deren Auflösung geführt habe, BVerwGE 60, 162. 127 BVerfGE
I. Die Entwicklung in den achtziger Jahren45
I. Das FRAG-Urteil Versuchten die am NDR beteiligten Bundesländer noch den Ausbau des öffentlich-rechtlichen Systems zu sichern, so hatte das Saarland als einziges Bundesland bereits 1967 durch eine Novellierung des Rundfunkgesetzes die Veranstaltung deutschsprachiger Sendungen durch private Rundfunkveranstalter gestattet.130 In der Folge beantragte daher die Freier Rundfunk AG (FRAG) bei der Landesregierung eine Konzession. Diese wurde jedoch mit dem Hinweis auf mögliche Existenzschwierigkeiten des Saarländischen Rundfunks wegen des vermuteten Verlusts von Werbeeinnahmen am 26. Oktober 1976 abgelehnt.131 Daraufhin klagte die FRAG vor dem Verwaltungsgericht, was zu einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG führte. Das vorlegende Gericht hielt die §§ 38 ff. GVRS für mit dem Grundgesetz unvereinbar. Das Bundesverfassungsgericht bestätigte auch in dieser Entscheidung die bisher gesetzten Grundzüge der Rundfunkorganisation. Deren Ausgestaltung sei dem Gesetzgeber überlassen, solange er durch die gewählte Form freie, umfassende und wahrheitsgemäße Meinungsbildung gewährleisten könne, mithin der dienenden Rundfunkfreiheit Rechnung trage.132 Dabei habe der Gesetzgeber Vorkehrungen zu treffen, „die sicherstellen, daß der Rundfunk nicht einer oder einzelnen gesellschaftlichen Gruppen ausgeliefert wird, daß die in Betracht kommenden gesellschaftlichen Kräfte im Gesamtprogramm zu Wort kommen und daß die Freiheit der Berichterstattung unangetastet“ bliebe. Dieses Erfordernis der gesetzlichen Vorkehrungen zur Gewährleistung der Rundfunkfreiheit bestünde auch dann, wenn die Sondersituation des Rundfunks entfiele, da in diesem Fall nicht mit hinreichender Sicherheit erwartet werden könne, dass das Programmangebot den Anforderungen der Rundfunkfreiheit entsprechen werde.133 Die Anforderungen seien auch dann nicht erfüllt, wenn sie nur durch die öffentlich-rechtlichen Anstalten gewährleistet würden. Vielmehr würde eine zusätzliche Berücksichtigung einzelner Meinungsrichtungen im privaten Rundfunk das Gleichgewicht des „Zu-Wort-Kommens“ stören, wenn nicht sogar aufheben.134 Der Gesetzgeber habe die Entscheidung über die Grundlinien der Rundfunkordnung zu 130 §§ 38–46e des Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes Nr. 806 über die Veranstaltung von Rundfunksendungen im Saarland (GVRS) v. 7.6.1967 (ABl. S. 478). 131 Vgl. zum vorangegangenen verwaltungsgerichtlichen Verfahren sowie der unzulässigen Vorlage des OVG Saarlouis an das BVerfG (BVerfGE 42, 42); Badura, Verfassungsrechtliche Bindungen der Rundfunkgesetzgebung, S. 11 ff. 132 BVerfGE 57, 295 (320 f.); so auch schon in BVerfGE 12, 205 (262). 133 BVerfGE 57, 295 (322). 134 BVerfGE 57, 295 (324).
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1. Kap.: Die Veranstaltung von Rundfunk in Deutschland
treffen, wobei er es nicht bei der bloßen Einführung des privaten Rundfunks – mithin der Entscheidung über das „Ob“ der Einführung bewenden lassen könne. Vielmehr bedürfe es weiterer gesetzlicher Regelungen, um die Rundfunkfreiheit zu gewährleisten.135 Entscheide sich der Gesetzgeber für eine „binnenpluralistische“ Struktur der privaten Veranstalter, so habe er sicher zu stellen, dass die in Betracht kommenden gesellschaftlichen Gruppen sachgerecht bestimmt und gewichtet würden und einen effektiven Einfluss auf das Organ hätten, welches sie vertrete. Wolle der Gesetzgeber hingegen die Rundfunkfreiheit durch „außenpluralistische“ Vielfalt herstellen und erhalten, so müsse er durch geeignete Vorkehrungen sicherstellen, dass das Gesamtangebot der inländischen Programme der bestehenden Meinungsvielfalt auch tatsächlich im Wesentlichen entspreche.136 Weiterhin müssten auch für den Inhalt des Programms Leitgrundsätze gelten, die ein Mindestmaß an inhaltlicher Ausgewogenheit, Sachlichkeit und gegenseitiger Achtung gewährleisten, wobei unabhängig von der gewählten Struktur die Rundfunkveranstalter an die Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG gebunden seien. Darüber hinaus obliege bei einer binnenpluralistischen Struktur die Wahrung dieser Anforderungen dem Veranstalter jedes einzelnen Gesamtprogramms; bei einem außenpluralistischen Modell hingegen seien die Veranstalter lediglich zu sachgemäßer, umfassender und wahrheitsgemäßer Information und einem Mindestmaß an gegenseitiger Achtung verpflichtet.137 Um die Einhaltung dieser gesetzlichen Bestimmungen zu sichern, müsse auch für den privaten Rundfunk eine begrenzte Staatsaufsicht normiert werden.138 Schließlich bedürfe es im Falle der Entscheidung des Gesetzgebers für die Einführung des privaten Rundfunks entsprechender Zugangsregelungen, die für die Aufnahme privater Rundfunkveranstalter, ein rechtsstaatliches Verfahren bereitstellen.139 Gleiches gelte für den Fall, dass die zur Verfügung stehenden Verbreitungsmöglichkeiten es nicht erlauben, allen Bewerbern den Zugang zu eröffnen. Es genüge keinesfalls, diese Entscheidung dem Zufall, dem freien Spiel der Kräfte oder dem ungebundenen Ermessen 135 BVerfGE
57, 295 (324). 57, 295 (325). 137 BVerfGE 57, 295 (325 f.). 138 BVerfGE 57, 295 (326). 139 Neben der Überprüfung von allgemeinen Voraussetzungen wie etwa der Geschäftsfähigkeit oder Zuverlässigkeit des Antragsstellers dürfe ein solches Verfahren nur der Gewährleistung der Rundfunkfreiheit dienen. Im Übrigen obliege es dem Gesetzgeber die Voraussetzungen der Erteilung, des Widerrufs oder der Versagung der Erlaubnis festzulegen, BVerfGE 57, 295 (326 f.). 136 BVerfGE
I. Die Entwicklung in den achtziger Jahren47
der Exekutive zu überlassen.140 Diesen vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Anforderungen für die Veranstaltung von privatem Rundfunk konnten die Regelungen der §§ 38 ff. GVRS nicht genügen.141 Mit der dritten Rundfunkentscheidung hatte das Bundesverfassungsgericht zwar die Zulassung des Privatrundfunks nicht für verfassungswidrig erklärt, für die Einführung jedoch Hürden aufgestellt. Das Gericht hatte damit erstmals konkrete Vorgaben für die Zulassung privaten Rundfunks statuiert. Wesentlich war zudem die Interpretation der Rundfunkfreiheit als dienende Freiheit, an der das Gericht trotz zunehmenden Widerstands im Schrifttum bis heute festhält. Trotz der angesprochenen Hürden nutzte man ab 1984 zunehmend die schon in den siebziger Jahren begonnene und sich weiter fortsetzende technische Entwicklung aus, um den privaten Rundfunk in der Bundesrepublik auch politisch durchzusetzen.142 Der Ausbau des Breitbandkabels sowie des Satellitensystems schritt weiter voran und verringerte den die Sondersitua tion des Rundfunks begründenden Frequenzmangel. So wurde in vielen Bundesländern – beginnend mit den CDU/CSU-regierten Ländern – die privatrechtliche Veranstaltung von Rundfunkprogrammen normiert.143 Das Rundfunksystem wurde damit grundlegend reformiert, wobei einige Bun140 BVerfGE
57, 295 (327). enthielt dieses Gesetz keine verfassungsmäßigen Regelungen über den Zugang und die Auswahl von Bewerbern. Hinzu kam, dass die Bestimmungen über den Beirat (§§ 46, 46b, 46c GVRS) keine Gewähr dafür boten, dass die gesellschaftlich relevanten Kräfte in den Organen des Saarländischen Rundfunks hinreichenden Einfluss hatten und im Gesamtprogramm zu Wort kommen konnten. Das Gericht erklärte wegen der fehlenden oder unzureichend geregelten Vorschriften – mithin der Wesentlichkeit dieser Mängel – sämtliche Vorschriften zur Veranstaltung privater Rundfunksendungen im Saarland für nichtig; der noch verbliebene Torso von Regelungen habe keine selbstständige Bedeutung und könne keine die Veranstaltung privater Rundfunksendungen verfassungsmäßig regelnde Wirksamkeit entfalten, BVerfGE 57, 295 (327 ff.). Vgl. zur kontrovers geführten rechtswissenschaftlichen Diskussion z. B.: Pestalozza, NJW 1981, 2158; Ricker, NJW 1981, 1925; HoffmannRiem, ZRP 1981, 177; Scholz, JZ 1981, 561; Lerche, NJW 1982, 1676. 142 Herrmann/Lausen, Rundfunkrecht, § 4 Rn. 98; vgl. auch zur technischen Entwicklung die Darstellung in BVerfGE 73, 118 (121 ff.). 143 Baden-Württemberg: Landesmediengesetz v. 1.1.1986, GVBl. S. 533; Bayern: Medienerprobungs- und Entwicklungsgesetz v. 1.12.1985, GVBl. S. 445; Berlin: Kabelprojektgesetz v. 17.7.1984, GVBl. 1984, S. 964; Bremen: Landesmediengesetz v. 16.2.1989, GBl. S. 77; Hamburg: Mediengesetz v. 3.12.1985, GVBl. S. 315; Hessen: Privatfunkgesetz v. 30.11.1988, GVBl. S. 385; Niedersachsen: Landesrundfunkgesetz v. 23.5.1984, GVBl. S. 147; Nordrhein-Westfalen: Landesrundfunkgesetz v. 19.1.1987, GV. NW. S. 22; Rheinland-Pfalz: Landesrundfunkgesetz v. 24.6.1986, GVBl. S. 159; Saarland: Landesrundfunkgesetz v. 8.12.1984, ABl. S. 1249; Schleswig-Holstein: Rundfunkgesetz v. 27.11.1984, GVBl. S. 214. 141 So
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1. Kap.: Die Veranstaltung von Rundfunk in Deutschland
desländer eine binnen- und andere eine außenpluralistische Rundfunkstruktur etablierten. Einzig Bayern hatte aufgrund von Art. 111a BV ein Modell aus binnen- und außenpluralistischen Elementen gewählt.144 Die ersten deutschsprachigen Fernsehsendungen privater Rundfunkveranstalter, RTLPlus und SAT 1, konnten ab dem 2. Februar 1984 beziehungsweise ab dem 1. Januar 1985 empfangen werden, wobei die Ausstrahlung zunächst auf einige Bundesländer begrenzt blieb.145 Der private Rundfunk hatte sich somit mit dem Willen der Politik in der Bundesrepublik etabliert.146
II. Das Niedersachsen-Urteil Durch das vierte Rundfunkurteil des Bundesverfassungsgerichts wurde dann erstmals das Niedersächsische Landesrundfunkgesetz und die durch dieses normierte Einführung des privaten Rundfunks in seinen Grundlinien mit dem Grundgesetz für vereinbar erklärt.147 201 Mitglieder des Bundestags, die der SPD-Fraktion angehörten, hatten den Normenkontrollantrag gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG gestellt und beantragt, das Niedersächsische Landesrundfunkgesetz für nichtig zu erklären, da wesentliche Bestimmungen gegen Art. 5 Abs. 1 GG verstießen.148 Das Bundesverfassungsgericht stellte wiederum die verfassungsrechtlich gebotene Aufgabe des Rundfunks an den Anfang seiner Ausführungen. Der Rundfunk habe – wie alle anderen Garantien des Art. 5 Abs. 1 GG – freie individuelle und öffentliche Meinungsbildung zu gewährleisten.149 Diese vollziehe sich in einem Kommunikationsprozess, in welchem dem RundMook, AfP 1986, S. 10 f.; Ricker, Privatrundfunk-Gesetze, S. 96 ff. Rundfunkrecht, § 4 Rn. 98 f. 146 Ricker, Privatrundfunk-Gesetze, S. 1. 147 BVerfGE 73, 118. 148 BVerfGE 73, 118 (139). Die Antragsteller begründeten diese Annahme damit, dass das Gesetz der verfassungsrechtlich gebotenen Vielfalt sowohl in gegenständlicher als auch inhaltlicher Hinsicht nicht gerecht werde, da es weder Regelungen über den erforderlichen Umfang der einzelnen Programmsparten enthalte noch die ausreichenden Mindestpflichten im Hinblick auf die inhaltliche Programmvielfalt nenne. Gleiches gelte für die Finanzierungsregelungen, die nicht in hinreichendem Umfang zur Vielfaltssicherung beitrügen. Weiterhin sehe das Gesetz keine hinreichenden Sicherungen der Funktionsfähigkeit ökonomischen Wettbewerbs vor, was die Gefahr der Entstehung vorherrschender Meinungsmacht hervorrufe. Schließlich seien auch einzelne Zugangs- und Auswahlvorschriften verfassungswidrig, da sie nicht dem Erfordernis der Staatsfreiheit sowie dem Gebot des chancengleichen Zugangs entsprächen. Bedenken bestünden auch hinsichtlich der Vorrangkriterien bei der Auswahl der Veranstalter, s. BVerfGE 73, 118 (139 ff.). 149 BVerfGE 73, 118 (152); so auch schon in BVerfGE 12, 205 (260); 31, 314 (326); 57, 295 (319 f.). 144 Dazu
145 Herrmann/Lausen,
I. Die Entwicklung in den achtziger Jahren49
funk die Aufgabe eines „Mediums“ und „Faktors“ zukomme. Rundfunk informiere nicht nur in möglichster Breite und Vollständigkeit, sondern sei auch selbst am Prozess der Meinungsbildung beteiligt.150 Diese Aufgabe erfordere zunächst die Freiheit des Rundfunks vom Staat. Daneben bedürfe es aber auch einer positiven Ordnung bestehend aus materiellen, organisatorischen und Verfahrensregelungen, die sicherstelle, dass die Vielfalt der bestehenden Meinungen im Rundfunk Ausdruck finde. Wie der Gesetzgeber diese Gewährleistung der Rundfunkfreiheit umsetze, sei jedoch im Rahmen der gezogenen Grenzen seine Entscheidung.151 Zwingend habe der Gesetzgeber nur über die Grundlinien der Rundfunkordnung zu entscheiden. Das Gericht wiederholte hier die schon im dritten Rundfunkurteil152 aufgezeigten Möglichkeiten des Gesetzgebers, frei über das Ordnungsmodell (binnen- oder außenpluralistisches) zu bestimmen.153 Ebenso wurden die Anforderungen an die inhaltliche Ausgewogenheit, die Staatsaufsicht sowie an die Zugangs- und Auswahlregelungen beibehalten.154 Ergänzend zur bis dato bestehenden Rechtsprechung ging das Gericht nunmehr auf den Einfluss der neuen technischen Entwicklungen auf die Auslegung des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG ein.155 Im Rahmen dieser Betrachtung der Entwicklung der Rundfunklandschaft müsse man insbesondere die technische Entwicklung berücksichtigen. Die technischen Voraussetzungen der Veranstaltung und Verbreitung hätten sich durch die Entwicklung der „Neuen Medien“ verbessert und würden es auch weiterhin tun, wobei dies jedoch nicht für den Bereich der terrestrischen Frequenzen gelte, bei dem die bisherige Knappheit unverändert fort bestünde.156 Eine Verbesserung der Situation könne man auch nicht für die ökonomischen Bedingungen erkennen. Nach wie vor erfordere die Verbreitung von Fernsehvollprogrammen einen außergewöhnlich hohen finanziellen Aufwand.157 Die Sondersituation des Rundfunks sei daher nicht entfallen, sie habe sich ledig150 BVerfGE
73, 118 (152). 73, 118 (152 f.). 152 BVerfGE 57, 295. 153 BVerfGE 73, 118 (153); 12, 205 (262); 57, 295 (322). 154 BVerfGE 73, 118 (153 f.); so auch schon in BVerfGE 57, 295 (326 ff.). Wiederum nimmt das BVerfG nicht dazu Stellung, ob auch die Finanzierung des privaten Rundfunks einer gesetzlichen Regelung bedarf, BVerfGE 73, 118 (154); 57, 295 (324). 155 BVerfGE 73, 118 (154). 156 BVerfGE 73, 118 (121 ff., 154 f.). 157 BVerfGE 73, 118 (123 f.). Letztlich sei die bisherige Rundfunklandschaft auch durch die Entstehung eines europäischen beziehungsweise über diesen Raum hinausgehenden Rundfunkmarktes und die damit weiträumige Verbreitung der Programme verändert worden, BVerfGE 73, 118 (124, 154 f.). 151 BVerfGE
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1. Kap.: Die Veranstaltung von Rundfunk in Deutschland
lich verändert.158 Für den Privatrundfunk müsse daher berücksichtigt werden, dass die Anbieter der Aufgabe der umfassenden Information nicht in vollem Maße gerecht werden könnten. Zum einen würden die Programme schon technisch nur einen begrenzten Teil der Bevölkerung erreichen. Aufgrund der Werbefinanzierung stünden die Anbieter zum anderen vor der wirtschaftlichen Notwendigkeit, möglichst massenattraktive Programme zu möglichst niedrigen Kosten zu verbreiten. Ein breit angelegtes oder stets ausgewogenes Programm könne daher nicht erwartet werden.159 Die Rechtslage dürfe nicht dergestalt sein, dass der private Rundfunk unter Voraussetzungen zugelassen werde, die eine Veranstaltung von Programmen in hohem Maße erschwerten, wenn nicht sogar ausschließen würden.160 Innerhalb dieser dualen Rundfunkordnung sei die unerlässliche „Grundversorgung“ Sache der öffentlich-rechtlichen Anstalten.161 Ihnen komme die Aufgabe der Gewährleistung des klassischen Auftrags des Rundfunks zu. Dieser umfasse neben der Rolle für die Meinungs- und politische Willensbildung, Unterhaltung, über laufende Berichterstattung hinausgehende Informationen sowie kulturelle Funktionen.162 Versuche man nun, die rechtlichen Bindungen für den privaten Rundfunk zu formulieren, so könne der Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zur Grundversorgung nicht außer Betracht bleiben. Zwar könne die Übertragung dieser Aufgabe nicht dazu führen, dass der private Rundfunk von der Sicherung der Rundfunkfreiheit ausgenommen und den Kräften des Marktes anvertraut werden dürfe.163 Solange und soweit die Grundversorgung durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk sichergestellt sei, erscheine es aber gerechtfertigt, an die Breite des Programmangebots und die Sicherung gleichgewichtiger Vielfalt im privaten Rundfunk geringere Anforderungen zu stellen. Diesen Voraussetzungen konnte das Niedersächsische Landesrundfunkgesetz im Wesentlichen genügen.164 Mängel sah das Gericht bei der Wahrung des Grundsatzes der Staatsferne, welche im Erlaubnisverfahren nicht ausrei158 BVerfGE
73, 118 (121). 73, 118 (155 f.). 160 BVerfGE 73, 118 (157). 161 BVerfGE 73, 118 (157). Siehe zur Grundversorgung Goerlich/Radeck, JZ 1989, 53 (55 ff.). 162 BVerfGE 73, 118 (157). 163 BVerfGE 73, 118 (157); 57, 295 (323). 164 Mängel sah das BVerfG allerdings in dem nicht hinreichend klar konturierten Übergang vom Außen- zum Binnenpluralismus. Daneben seien die Regelungen zur Verhinderung vorherrschender Meinungsmacht (§§ 5, 23, 28 Niedersächsisches Landesrundfunkgesetz v. 23.5.1984) ergänzungsbedürftig, was insbesondere die Erwei159 BVerfGE
I. Die Entwicklung in den achtziger Jahren51
chend sichergestellt sei. So sei es zwar nicht zu beanstanden, dass man die Erteilung einer Erlaubnis an eine staatliche Behörde übertrage. Die Entscheidung dieser staatlichen Erlaubnisbehörde müsse jedoch hinreichend streng an gesetzlich bestimmte Voraussetzungen gebunden sein. Dies sahen die §§ 8 bis 10 des Landesrundfunkgesetzes allerdings nicht vor.165 Mit der Einführung des Begriffs der „Grundversorgung“ und der Übertragung dieser Aufgabe auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk hatte das Gericht damit einen weiteren Baustein für die deutsche Rundfunkordnung gesetzt.166 Dieser Begriff der Grundversorgung wurde in den folgenden Jahren durch die Rechtsprechung gefestigt, steht heute jedoch aufgrund seiner „Konturlosigkeit“ mehr denn je in der Kritik. Neben den weiteren Voraussetzungen für die Einführung des privaten Rundfunks sind für das Gebot der Staatsferne des Rundfunks die Ausführungen zu den Grenzen staatlichen Einflusses beim Zugang zum privaten Rundfunk maßgeblich.
III. Das Baden-Württemberg-Urteil Nur vier Monate später erging bereits das fünfte Rundfunkurteil des Bundesverfassungsgerichts, welches ein weiteres Mal die Voraussetzungen einer verfassungsmäßigen Rundfunkordnung präzisierte. Die beiden Landesrundfunkanstalten SWF und SDR hatten eine Verfassungsbeschwerde erhoben, die sich gegen einige Regelungen167 des Landesmediengesetzes von Baden-Württemberg168 richtete.169 Dabei hatte sich das Gericht mit der Frage zu befassen, ob es vor dem Hintergrund der sich entwickelnden dualen Rundfunkordnung mit Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG vereinbar sei, die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten von der Veranstaltung bestimmter Rundfunkprogramme und sonstiger Kommunikationsdienste auszuschließen und diese allein den privaten Anbietern vorzubehalten.170 Die Verfassungsbeschwerden waren jedoch nur zum Teil erfolgreich: terung der Regelungen auf Spartenprogramme sowie der herangeführten Programme betraf, BVerfGE 73, 118 (167 f., 173). 165 BVerfGE 73, 118 (183 ff.). 166 Zum Urteil siehe die Ausführungen von Stock, NJW 1987, 217; Seemann, DÖV 1987, 129; Stern, Das Staatsrecht der BRD IV/1, § 110 I 3 d) m. w. N. 167 Die Beschwerde richtete sich im Einzelnen gegen § 5 I, II; § 7; § 10 I, II; § 13 II–IV; § 44 III; § 45 II, § 46 II i. V. m. § 23 II Nr. 4 des Landesmediengesetzes Baden-Württemberg v. 16.12.1985. 168 Landesmediengesetz Baden-Württemberg (LMedienG BW) v. 16.12.1985, GBl. S. 539. 169 BVerfGE 74, 297. 170 Im Einzelnen wandten sich die beiden Beschwerdeführer dabei u. a. gegen Regelungen, die sie von der Veranstaltung regionaler und lokaler Rundfunkprogram-
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1. Kap.: Die Veranstaltung von Rundfunk in Deutschland
Die bereits aufgestellten Grundsätze der dualen Rundfunkordnung wurden durch das Bundesverfassungsgericht bestätigt.171 Das Gericht ging jedoch näher auf den Grundversorgungsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ein. Dieser Begriff bezeichne keine Mindestversorgung, auf die der öffentlich-rechtliche Rundfunk beschränkt sei. Auch eine Interpretation dahingehend, dass es sich hierbei gar um eine Aufgabenverteilung zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk handele, sei ausgeschlossen. Vielmehr seien drei Elemente wesentlich, die das System im Ganzen gewährleisten müsse: Eine Übertragungstechnik, die den Empfang für alle sicherstelle, ein Programm, das dem Auftrag des Rundfunks, freie, umfassende und wahrheitsgemäße Meinungsbildung zu gewährleisten, voll entspreche, und die Sicherung gleichgewichtiger Vielfalt durch organisatorische und verfahrensrechtliche Vorkehrungen.172 Für die Veranstaltung eines regionalen bzw. lokalen Rundfunkprogramms bedeute dies zwar nicht, dass eine zu der landes- oder bundesweiten Grundversorgung durch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten hinzutretende eigene Grundversorgung für diesen Bereich geboten sei. Es müsse allerdings auch im regionalen und lokalen Rundfunk sichergestellt sein, dass in ihm die bestehende Meinungsvielfalt zum Ausdruck gelange. Eine Grundversorgung durch die Landesrundfunkanstalten sei daher nur dann geboten, wenn die gesetzliche Ordnung des privaten Rundfunks diese Meinungsvielfalt nicht herstellen könne.173 Die angegriffene Norm des § 13 Abs. 1 S. 1 und 2 LMedienG BW war somit zumindest nicht im Hinblick auf die Notwendigkeit einer Grundversorgung zu beanstanden, da das Zulassungsverfahren zur Veranstaltung regionaler und lokaler Programme gemäß § 22 LMedienG BW den genannten Anforderungen entsprach.174 Allerdings verstoße der in § 13 Abs. 1 S. 1 LMedienG BW normierte Ausschluss von Programmen der Landesrundfunkanstalten gegen Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG und das durch diesen gewährleistete Grundprinzip freier me ausschlossen (§ 13 II 1 u. 2 LMedienG BW), die ein Verbot von Werbung in regionalen und lokalen Programmen der Landesrundfunkanstalten (§ 13 II 4 LMedienG BW) sowie die Zulassungsbedürftigkeit von sog. Spartenprogrammen (§ 13 III LMedienG BW) statuierten. Des Weiteren wurde die gesetzliche Ausgestaltung der Ton- und Bewegtbilddienste auf Abruf (§ 45 II LMedienG BW) angegriffen. BVerfGE 74, 297 (300 f.). Zu den vorgetragenen Argumenten der Beschwerdeführer, siehe BVerfGE 74, 297 (306 ff.) sowie Wittig-Terhardt/Rüggeberg, Das Landesmediengesetz Baden-Württemberg vor dem BVerfG. 171 BVerfGE 74, 297 (323 ff.). 172 BVerfGE 74, 297 (326). 173 BVerfGE 74, 297 (327). 174 BVerfGE 74, 297 (327 ff.).
I. Die Entwicklung in den achtziger Jahren53
Meinungsbildung.175 Dieses Prinzip verwehre es dem Gesetzgeber, die Veranstaltung bestimmter Rundfunkprogramme zu untersagen oder andere Maßnahmen zu ergreifen, welche die Möglichkeit verkürzten, durch Rundfunk verbreitete Beiträge zur Meinungsbildung zu leisten. Die Rundfunkveranstaltung zu gleichen Bedingungen müsse auch jenseits der Grundversorgung durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gelten.176 Werde die Veranstaltung von Rundfunk in einem bestimmten Bereich lediglich den privaten Anbietern vorbehalten, so würde insoweit die Rundfunkfreiheit verkürzt. Der Ausgestaltungsauftrag der Rundfunkfreiheit durch den Gesetzgeber umfasse jedoch lediglich die Sicherung der Rundfunkfreiheit, gesetzliche Maßnahmen dürften daher ausschließlich einer besseren oder zumindest gleichwertigen Sicherung der Freiheit dienen. Der Ausschluss der Rundfunkprogramme nach § 13 Abs. 1 S. 1 und 2 LMedienG BW bestehe jedoch allein zum Schutz der privaten Rundfunkanbieter, um diese vor der Konkurrenz der öffentlich-rechtlichen zu bewahren. Diese rein wirtschaftlichen Gründe stellten aber eine Unterbindung freien publizistischen Wettbewerbs dar und führten daher zu einer Verkürzung der Rundfunkfreiheit.177 Die beiden Regelungen verstießen daher gegen Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG und waren deshalb nichtig.178 175 Ausschluss von Programmen, die nicht für den gesamten Sendebereich der Anstalten im Lande veranstaltet und verbreitet werden, sowie der Ausschluss der Veranstaltung regionaler und lokaler Programme, die nicht schon am 31.12.1984 bestanden haben, (§ 13 I 2 LMedienG BW). 176 BVerfGE 74, 297 (333). 177 BVerfGE 74, 297 (334 f.). 178 BVerfGE 74, 297 (340). Die gegen das Verbot von Werbung in regionalen und lokalen Programmen der Landesrundfunkanstalten (§ 13 II 4 LMedienG BW) gerichtete Beschwerde war erfolglos. Das Gericht stellte zwar fest, dass die finanzielle Sicherung dieser Programme an sich vom Schutzbereich der Rundfunkfreiheit erfasst sei. Allerdings erstrecke sich diese Sicherung nicht auf jede Form der Finanzierung. Maßgeblich sei allein, dass die Finanzierung der Tätigkeit der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten insgesamt hinreichend gewährleistet werden müsse, sodass den Anstalten die Finanzierung derjenigen Programme ermöglicht werde, deren Veranstaltung ihren spezifischen Funktionen nicht nur entspreche, sondern auch zur Wahrnehmung dieser Funktionen erforderlich sei. Der Gesetzgeber sei dabei aber nicht daran gehindert, einzelne Finanzierungsformen zu beschränken oder auszuschließen. Ebenso waren die gegen § 13 III LMedienG BW vorgebrachten Einwände erfolglos. Die Veranstaltung von sog. Spartenprogrammen, das heißt Programmen, die Abonnenten oder Einzelentgeltzahlern vorbehalten waren, wurde durch das LMedienG BW an eine besondere gesetzliche oder staatsvertragliche Zulassung gebunden. Das Gericht vertrat jedoch auch hier die Ansicht, dass bei dieser Regelung lediglich die Form der Finanzierung gesetzlich gebunden sei. Die Landesrundfunkanstalten seien jedoch nicht daran gehindert, Spartenprogramme zu veranstalten, die Regelung enthielte mithin kein „Verspartungsverbot“.
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1. Kap.: Die Veranstaltung von Rundfunk in Deutschland
Erfolgreich war die Verfassungsbeschwerde zudem im Hinblick auf die Einwände, die gegen § 45 Abs. 2 LMedienG BW vorgetragen wurden. Die Bestimmung schloss die Landesrundfunkanstalten von der Veranstaltung von Ton- und Bewegtbilddiensten auf Abruf bis zu einer besonderen gesetzlichen oder staatsvertraglichen Zulassung aus, worin das Bundesverfassungsgericht einen Verstoß gegen Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG erblickte. So seien auch die „rundfunkähnlichen Kommunikationsdienste“ vom insoweit entwicklungsoffenen Rundfunkbegriff umfasst, um freie individuelle und öffentliche Meinungsbildung zu gewährleisten. Solle „die Rundfunkfreiheit in einer sich wandelnden Zukunft ihre normierende Wirkung bewahren, dann [könne] es nicht angehen, nur an eine ältere Technik anzuknüpfen, den Schutz des Grundrechts auf diejenigen Sachverhalte zu beschränken, auf welche diese Technik bezogen ist, und auf diese Weise die Gewährleistung in Bereichen obsolet zu machen, in denen sie ihre Funktion auch angesichts der neuen technischen Möglichkeiten durchaus erfüllen könnte.“179 Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts hatte somit die Rechte der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten im Rahmen der Grundversorgung gestärkt, und zudem das Recht zugestanden, außerhalb der Grundversorgung mit den privaten Rundfunkveranstaltern zur Wahrung und Stärkung der Rundfunkfreiheit in publizistische Konkurrenz zu treten. Von Bedeutung ist zudem die Einordnung der rundfunkähnlichen Kommunikationsdienste in den Schutzbereich der Rundfunkfreiheit. Das Gericht hat damit die Bedeutung der Rundfunkfreiheit auch für die Zukunft gesichert.
IV. Der „Staatsvertrag über die Neuordnung des Rundfunkwesens“ Die Ausgestaltung der Rundfunkordnung durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts führte in der Folge auch zu einer medienpolitischen Einigung aller Bundesländer über das Rundfunkwesen Deutschlands. Zugleich wurde deutlich, dass die rasche Entwicklung der Rundfunktechnik auch in rechtlicher Hinsicht neue Wege erforderte.180 Am 1. Dezember 1987 trat daher der „Staatsvertrag über die Neuordnung des Rundfunkwesens“ in Kraft. Dieser enthielt vor allem Regelungen für das Nebeneinander von öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk in einer dualen Rundfunkordnung.181 Die Regelungen stellten dabei einen Kompromiss zwischen den Interessen der öffentlich-rechtlichen (Bestand und Entwicklung) und den privatrechtlichen (Aufbau und Fortentwicklung) Rundfunkveranstaltern 179 BVerfGE
74, 297 (350 f.). in: Hahn/Vesting, Rundfunkrecht, RStV Präambel, Rn. 2. 181 Ricker, NJW 1988, 453; Gersdorf, Grundzüge des Rundfunkrechts, Rn. 46. 180 Hahn/Witte,
J. Die Entwicklung in den neunziger Jahren55
dar.182 Mit diesem nach vier Jahren erzielten Konsens intendierten die Länder, die Wettbewerbsfähigkeit des Rundfunkwesens Deutschlands im Rahmen der vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Bedingungen sowohl in nationaler als auch internationaler Hinsicht zu ermöglichen.183
J. Die Entwicklung in den neunziger Jahren Nach der Wiedervereinigung Deutschlands galt es, auch das Rundfunksystem der DDR demokratischen Strukturen zuzuführen. Der Einigungsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR vom 31. August 1990184 enthielt daher in Art. 36 eine Regelung die vorsah, dass der Rundfunk der DDR zunächst als „gemeinschaftliche, staatsunabhängige rechtsfähige Einrichtung“ fortgeführt werde. Diese sollte die Bevölkerung der „Neuen Bundesländer“ im Sinne einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt mit Hörfunk und Fernsehen versorgen, wobei sie bis zum 31. Dezember 1991 durch gemeinsamen Staatsvertrag der Beitrittsländer aufgelöst oder in einzelne Rundfunkanstalten überführt werden sollte.185 In der Folge wurden daher neue Rundfunkanstalten gegründet bzw. sich bereits bestehenden angeschlossen.186 Gleiches galt auch für die Privatfunkgesetzgebung. Alle fünf neuen Bundesländer erließen in den Jahren 1991 und 1992 Ge setze über den privaten Rundfunk, um eine duale Rundfunkordnung zu ermöglichen.187 Zugleich trat am 1. Januar 1992 der Staatsvertrag über den Rundfunk im vereinten Deutschland in Kraft, mit dem man auch dem gesetzgeberischen 182 Gersdorf, Grundzüge des Rundfunkrechts, Rn. 46; Hesse, Rundfunkrecht, S. 32 f. 183 Ricker, NJW 1988, 453. 184 BGBl. II S. 885. 185 Hesse, Rundfunkrecht, S. 37 f. 186 Mitteldeutscher Rundfunk (MDR), durch Staatsvertrag v. 30.5.1991 durch Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen gegründet; Ostdeutscher Rundfunk Brandenburg (ORB), Gesetz v. 6.11.1991; Mecklenburg-Vorpommern beteiligte sich am NDR, Gesetz v. 28.11.1991; in Berlin galt durch das Gesetz über die Vereinheitlichung des Berliner Landesrechts v. 28.9.1990 das SFB-Gesetz. Siehe dazu insgesamt Herrmann/Lausen, Rundfunkrecht, § 4 Rn. 123 ff. 187 Berlin und Brandenburg: „Staatsvertrag über die Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg im Bereich des Rundfunks“ v. 29.2.1992; MecklenburgVorpommern: „Rundfunkgesetz für das Land Mecklenburg-Vorpommern“ v. 9.7.1991, GV. S. 194; Sachsen: „Gesetz über den privaten Rundfunk und Neue Medien in Sachsen“ v. 27.6.1991, GV. S. 178; Sachsen-Anhalt: „Gesetz über den privaten Rundfunk in Sachsen-Anhalt“ v. 22.5.1991, GVBl. S. 87; Thüringen: „Thüringer Privatfunkgesetz“ v. 31.7.1991, GV. S. 255; zu den Inhalten siehe Herrmann/Lausen, Rundfunkrecht, § 4 Rn. 128 ff. m. w. N.
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1. Kap.: Die Veranstaltung von Rundfunk in Deutschland
Bedürfnis nach einer einheitlichen Rundfunkordnung für das vereinigte Deutschland nachkam. Der dualen Rundfunkordnung wurde mithin ein bundesweiter Rahmen gegeben. Darüber hinaus wurde der 1. Rundfunkstaatsvertrag reformiert. Diese Reform betraf insbesondere die europarechtlichen Pflichten und die Rundfunkfinanzierung. Eingefügt wurden auch die Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht in seinem sechsten Rundfunkurteil für eine verfassungsgemäße Rundfunkordnung aufgestellt hatte.188 Dieser erste gesamtdeutsche Rundfunkstaatsvertrag wurde mittlerweile fünfzehn Reformen unterzogen, zuletzt durch den fünfzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag vom 15. Dezember 2010.189
I. Das Nordrhein-Westfalen-Urteil Gegenstand dieses bereits angesprochenen sechsten Rundfunkurteils vom 5. Februar 1991 waren Regelungen des WDR-Gesetzes sowie solche des Landesrundfunkgesetzes Nordrhein-Westfalen.190 Gegen diese Bestimmungen erhoben jeweils Abgeordnete des Deutschen Bundestags den Normenkontrollantrag. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts beschäftigte sich mit fünf Regelungskomplexen: der Bestands- und Entwicklungsgarantie für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, dem Zwei-Säulen-Modell für den lokalen Rundfunk, der Zulassung und Ausgestaltung eines landesweiten privaten Rundfunks, der Zusammensetzung der Rundfunkräte sowie der Regelung des Schulrundfunks.191 Der Gesetzentwurf für das WDR-Gesetz verfolgte das Ziel, eine gesetzliche Bestands- und Entwicklungsgarantie für den WDR zu etablieren.192 Die entsprechenden Bestimmungen193 wurden jedoch von den Antragstellern als Ermächtigung des WDR zu wirtschaftlich-unternehmerischer Tätigkeit großen Ausmaßes ohne Begrenzungen verstanden und stellten damit einen Verstoß gegen Art. 5 Abs. 1 und Art. 12 GG dar.194 Das Bundesverfassungs188 Gersdorf, Grundzüge des Rundfunkrechts, Rn. 54; zum 6. Rundfunkurteil (BVerfGE 83, 238) sogleich mehr. 189 Eine Übersicht zu den Rundfunkänderungsstaatsverträgen und den entsprechenden Materialien findet sich auf der Homepage des Instituts für Urheber- und Medienrecht München: http://www.urheberrecht.org/law/normen/rstv/ (letzter Abruf dieses sowie aller folgenden Links: 20.4.2014). 190 Gesetz über den Westdeutschen Rundfunk Köln v. 19.3.1985, GV. NW. S. 237; Rundfunkgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen v. 19.1.1987, GV. NW. S. 22. 191 BVerfGE 83, 238 (241). 192 BVerfGE 83, 238 (242). 193 §§ 3 II, VII–IX; 33 II; 47 WDR-Gesetz sowie § 6 II LRG. 194 Vgl. BVerfGE 83, 238 (276 ff.).
J. Die Entwicklung in den neunziger Jahren57
gericht hingegen hielt diese Regelungen mit dem Grundgesetz vereinbar. Eine Bestands- und Entwicklungsgarantie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk sei solange verfassungsrechtlich geboten, wie die privaten Veranstalter den Rundfunkauftrag nicht in vollen Umfang erfüllen könnten, mithin die Grundversorgung der Bevölkerung durch diese nicht sichergestellt sei. Diese Garantie umfasse aufgrund der schnellen Entwicklung des Rundfunkwesens nicht nur die herkömmliche Technik, sondern auch neue Übertragungsformen.195 Andernfalls bestünde die Gefahr, dass der Rundfunkauftrag eines Tages nicht mehr in vollem Umfang erfüllt werden könne.196 Grenzen der auf die Grundversorgung bezogenen Bestands- und Entwicklungsgarantie ergäben sich allein aus der Funktion des Rundfunks. Auch der Vorwurf der Modellinkonsistenz durch die Zulassung einer Mischform von öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk greife nicht durch. Vielmehr schließe das Grundgesetz eine Kooperation nicht aus. Die duale Rundfunkordnung verpflichte nicht zu einer strikten Trennung von öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk. Der Gesetzgeber müsse kein konsistentes Modell schaffen, er könne vielmehr auch kombinieren oder einzelne Elemente eines Modells in ein anderes übernehmen.197 Er müsse nur dafür Sorge tragen, dass der Rundfunk seine dienende Funktion erfüllen könne198 und der Programmauftrag nicht durch tendenziöse oder kommer zielle Orientierungen überlagert und damit ausgehöhlt würde.199 In Bezug auf die angegriffenen Bestimmungen betreffend die Zulassung und Veranstaltung privaten Rundfunks führte das Gericht aus, dass zwar die Programmanforderungen an diese höher als in vergleichbaren Regelungen anderer Bundesländern seien, nicht jedoch so hoch wie für den WDR.200 Hinzu komme, dass auch in dieser Hinsicht nur die Freiheitlichkeit des Rundfunkwesens maßgeblich und jede Organisationsform, die diesem Ziel Rechnung trage, mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Somit könne der Ge195 BVerfGE
83, 238 (299, 302). 83, 238 (303). 197 BVerfGE 83, 238 (305, 308). 198 BVerfGE 83, 238 (305). 199 Daher sei auch eine über die bloße Kooperation hinausgehende Beteiligung des WDR an einer Veranstaltergemeinschaft bestehend aus privaten und öffentlichrechtlichen Veranstaltern, wie sie § 6 II Landesrundfunkgesetz vorsah, verfassungsmäßig. Für diese beiden Formen der Zusammenarbeit müsse aber sichergestellt sein, dass die Programmanteile der beiden Sektoren voneinander abgegrenzt und einem der beiden zurechenbar seien. Grenzen der Vereinbarungen, die aufgrund § 6 II Landesrundfunkgesetz getroffen würden, seien solche, die den Übergang von einem dualistischen zu einem kooperativen Modell überschreiten würden. Diese Entscheidung bleibe dem Gesetzgeber vorbehalten, vgl. BVerfGE 83, 238 (306 ff.). 200 BVerfGE 83, 238 (317). 196 BVerfGE
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1. Kap.: Die Veranstaltung von Rundfunk in Deutschland
setzgeber auch privaten Rundfunkveranstaltern binnenpluralistische Maßstäbe vorschreiben. Darüber hinaus bestünde keine Verpflichtung, die Vielfaltsanforderungen zu senken. Es müsse allerdings sichergestellt werden, dass die Anforderungen nicht die private Rundfunkveranstaltung in hohem Maße erschwere oder ausschließe. Dies sei allerdings beim Landesrundfunkgesetz nicht ersichtlich.201 Das Gericht sah jedoch in der Regelung der Zuordnung von Übertragungskapazitäten (§ 3 Abs. 1 S. 1 Landesrundfunkgesetz) einen Verstoß gegen das Gebot der Staatsfreiheit des Rundfunks. Die Regelung sah die Zuteilung der freiwerdenden Übertragungskapazitäten an private wie auch öffentlich-rechtliche Bewerber durch die Landesregierung vor. Bei der Zuteilung war lediglich eine Mindestzuteilung an private Veranstalter zu berücksichtigen. Im Übrigen war die Landesregierung in ihrer Entscheidung frei. Zwar könne eine solche staatliche Zuteilung nicht unmittelbar auf die Programmgestaltung Einfluss nehmen, die Rundfunkfreiheit schütze jedoch auch vor mittelbaren Programmeinflüssen. Die geringe Bindung der Landesregierung an gesetzliche Vorgaben bei ihrer Auswahlentscheidung genüge nicht, um die Gefahr staatlicher Einflussnahme auf das Programm wirksam auszuschließen.202 Geboten sei daher vielmehr eine dem Vorbehalt des Gesetzes genügende Festlegung der Kriterien, nach denen die Entscheidungen zu treffen sind.203 Daneben sei auch das Erfordernis der Zustimmung des Hauptausschusses des Landtags nicht geeignet, die verfassungsrechtlichen Bedenken auszuräumen, da sich der Grundsatz der Staatsfreiheit auch auf die Legislative erstrecke. Als Teil der Staatsgewalt unterliege diese der öffentlichen Kritik und Kontrolle, sodass auch dem Parlament und seinen Unterorganen kein Einfluss auf die Programme der Rundfunkveranstalter eingeräumt werden dürfe. Dies schließe allerdings nicht jedes Tätigwerden in diesem Bereich aus. Eine dem Vorbehalt des Gesetzes genügende, allgemeine Festlegung der Kriterien, nach denen die konkreten Zuordnungsentscheidungen zu treffen seien, sei ihm vielmehr von Verfassungs wegen nicht untersagt, sondern sogar geboten.204 Schließlich wurde durch das WDR-Gesetz die Verbreitung von Bildungssendungen mit Schulcharakter an eine Genehmigung durch ein eigenes Anstaltsorgan, welches wiederum von der Zustimmung der Landesregierung abhängig war, gebunden (§§ 28, 29 WDR-Gesetz). Die Sendungen mussten sich des Weiteren an staatlichen Unterrichtslinien orientieren (§ 3 Abs. 4 WDR-Gesetz). Die Richter stellten zwar fest, dass die Bildungssendungen 201 BVerfGE
83, 83, 203 BVerfGE 83, 204 BVerfGE 83, 202 BVerfGE
238 238 238 238
(317). (322 ff.). (324). (323 f.).
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als Rundfunksendungen grundsätzlich nicht der staatlichen Kontrolle unterliegen dürften. Andererseits teilten diese Sendungen wesentliche Merkmale mit der Schule, die durch Art. 7 Abs. 1 GG unter der Aufsicht des Staates stehe. Daher habe dieser auch ein berechtigtes Interesse an der Kontrolle der Bildungsqualität der Sendungen. Das Gebot der Staatsfreiheit des Rundfunks und die Schulaufsicht des Staates müsste mithin zu einem angemessenen Ausgleich gebracht werden.205 Eine verfassungsrechtliche Grenze bestünde dort, wo es nicht mehr um das Interesse des Staates an der Sicherung der Gleichwertigkeit der Bildungsveranstaltung ginge. Diese Grenze sei im Falle des WDR-Gesetzes jedoch noch nicht erreicht.206 Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem sechsten Rundfunkurteil die Rundfunkordnung der Bundesrepublik weiter fortgeschrieben, aber auch die schon aufgestellten Grundsätze bestätigt.207 Kern der Entscheidung ist wohl die Anerkennung der Bestands- und Entwicklungsgarantie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Fortentwickelt wurde auch das Gebot der Staatsferne des Rundfunks, insbesondere wurde das Parlament erstmals als Adressat des Gebots anerkannt. Im Übrigen betont das Gericht jedoch auch den für die Umsetzung des Gebots geltenden Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers. Das Urteil legt zudem die Grundlage für die Einzelheiten der Finanzierung des Rundfunks, welche Gegenstand der drei folgenden Rundfunkurteile sein sollten.
II. Der Hessen-3-Beschluss sowie das Rundfunkgebührenurteil I 1. Der Hessen-3-Beschluss Den Anfang bildete dabei der Hessen-3-Beschluss, dessen Gegenstand eine Verfassungsbeschwerde des HR gegen das Verbot der Werbung in seinem dritten Fernsehprogramm war. Das Verbot wurde 1987 im ersten Rundfunkstaatsvertrag von den Ländern vereinbart, was allerdings nur für den Hessischen Rundfunk Konsequenzen hatte, da dieser als einzige Rundfunkanstalt in seinem dritten Fernsehprogramm Werbung sendete.208 Durch das Verbot entgingen ihm Einnahmen in Höhe von ca. 12 Millionen DM, die er seit 1985 zur Finanzierung des Hörfunksenders hr4 einsetzte. In dem Werbeverbot sah der HR daher u. a. einen Verstoß gegen die Rundfunkfreiheit, 205 BVerfGE
83, 238 (340). 83, 238 (341). 207 Zum 6. Rundfunkurteil u. a. Bethge, ZUM 1991, 337; Herrmann, ZUM 1991, 325; Degenhart, DVBl. 1991, 510. 208 BVerfGE 87, 181 (182 ff.). 206 BVerfGE
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1. Kap.: Die Veranstaltung von Rundfunk in Deutschland
da es ihm ohne diese Einnahmen nicht mehr möglich sei, den Grundversorgungsauftrag zu erfüllen.209 Das Bundesverfassungsgericht wies die Beschwerde als unbegründet zurück. Zwar sei der Gesetzgeber, wenn er die Rundfunkveranstaltung ganz oder zum Teil auf die öffentlich-rechtlichen Anstalten übertrage, dazu verpflichtet, die Finanzierung dieser zu gewährleisten, wobei er die besondere Funktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu beachten habe und die Finanzierung ihr nach Art und Umfang entsprechen müsse. Wie diese verfassungsrechtliche Pflicht der funktionsgerechten Finanzierung erfüllt werde, sei jedoch dem Gesetzgeber überlassen.210 Einschränkend müsse allerdings beachten werden, dass eine vornehmlich auf Werbeeinnahmen basierende Finanzierung ausgeschlossen sei, um programm- und vielfaltsver engende Zwänge wie sie im privaten Rundfunk zu beobachten seien, zu vermeiden. Die Gebührenfinanzierung sei die dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk gemäße Art der Finanzierung. In Betracht komme allerdings eine Mischfinanzierung – auch bestehend aus Werbeeinnahmen – solange die Gebührenfinanzierung nicht in den Hintergrund gedrängt würde. Andererseits stehe es dem Gesetzgeber auch frei, die zusätzliche Werbefinanzierung auszuschließen. Maßgeblich sei allein, dass die Finanzierung hinreichend gesichert werde.211 Der Umfang der Gewährleistung orientiere sich dabei an der Funktion der öffentlich-rechtlichen Anstalten, den Rundfunkauftrag sicherzustellen. Das zur Erfüllung des Programmauftrags Erforderliche müsse finanziert werden.212 Das Gericht konnte insoweit beim HR nur eine allgemein schlechte Finanzlage feststellen. Es war allerdings nicht ersichtlich, dass der Grundversorgungsauftrag nicht mehr gewährleistet werden konnte.213 2. Das Rundfunkgebührenurteil I Die Grundlagen zur Gebührenfestsetzung, die im Hessen-3-Beschluss gelegt wurden, präzisierte das Bundesverfassungsgericht sodann am 30. November 1994 im Rundfunkgebührenurteil I.214 Gegenstand der Richtervorla209 BVerfGE
87, 181 (188). 87, 181 (198). 211 BVerfGE 87, 181 (199 f.). 212 Dies betreffe zum Beispiel regionale Programme, jedenfalls bei Rundfunkanstalten, die einen größeren Flächenstaat oder gar mehrere Bundesländer mit Rundfunk versorgen. Nur so könne man den regionalen Unterschieden und den besonderen Identifikations- und Informationsbedürfnissen der Empfänger Rechnung tragen. BVerfGE 87, 181 (200 ff.). 213 BVerfGE 87, 181 (205 f.). 214 BVerfGE 90, 60. 210 BVerfGE
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ge nach Art. 100 GG war die Frage, ob der Zustimmungsbeschluss des Bayerischen Landtags zum Staatsvertrag von 1982215 über die Höhe der Rundfunkgebühr mit dem Grundgesetz vereinbar war. Dabei stand insbesondere das Verfahren der Festsetzung der Rundfunkgebühr im Fokus. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof216 nahm im Rahmen seiner Begründung einen Verstoß durch Art. 1 des Staatsvertrags217 gegen Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG an, da die Einflussnahme des Staates auf die Programmgestaltung über die wirtschaftlichen Belange der Rundfunkanstalten nicht ausgeschlossen werden könne. Insoweit sei der Grundsatz der Staatsfreiheit verletzt.218 Art. 1 des Staatsvertrags wurde durch das Bundesverfassungsgericht für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt, aber bis zur Neuregelung durch den Gesetzgeber aufrecht erhalten.219 Die Festsetzung der Rundfunkgebühr entspreche nicht den Anforderungen des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG, wobei das Gericht erstmals die verfassungsrechtlich gebotenen Vorkehrungen zum Schutz der Programmautonomie vor den Gefahren der staatlichen Gebührenfestsetzung nannte. Diese sei wegen der Abhängigkeit der Rundfunkanstalten von der staatlichen Finanzausstattung und deren vorrangiger Einnahmequelle ein besonders wirksames Mittel zur indirekten Einflussnahme auf die publizistische Freiheit. Die Rundfunkfinanzierung habe sich strikt daran zu orientieren, dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk die zur Erfüllung seiner Funktionen erforderlichen Programme zu finanzieren und damit die Grundversorgung zu gewährleisten.220 Für die Gebührenfestsetzung würden die Grundsätze der Programmneutralität und der Programmakzessorietät gelten. Dabei dürften bei der Festsetzung medienpolitische oder programmlenkende Zwecke keine Rolle spielen. Darüber hinaus seien zunächst die Programmentscheidungen der Rundfunkanstalten zugrunde zu legen, die im Rahmen des Rundfunkauftrags 215 Staatsvertrag über die Höhe der Rundfunkgebühr und zur Änderung des Staatsvertrags über einen Finanzausgleich zwischen den Rundfunkanstalten, GVBl. 1983, S. 379. 216 Dem Verfahren der konkreten Normenkontrolle ging eine Klage bayerischer Fernsehteilnehmer vor dem Verwaltungsgericht voraus. Diese verlangten vom Bayerischen Rundfunk die Rückzahlung desjenigen Teils der Rundfunkgebühr, der gemäß Art. 3 I des Staatsvertrages von 1982 zur Finanzierung der Kabelpilotprojekte bereitzustellen war, des sog. Kabelgroschens. Die Klage wurde abgewiesen (ZUM 1987, 472), auf die Berufung der Kläger hin setzte der Verwaltungsgerichtshof das Verfahren aus und legte die Frage dem BVerfG vor. Siehe dazu auch BVerfGE 90, 60 (72). 217 Art. 1 des Staatsvertrages: „Die Rundfunkgebühr wird wie folgt festgesetzt: die Grundgebühr beträgt monatlich 5,05 DM, die Fernsehgebühr monatlich 12,20 DM.“ 218 BVerfGE 90, 60 (70 ff.). 219 BVerfGE 90, 60 (104 f.). 220 BVerfGE 90, 60 (93).
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1. Kap.: Die Veranstaltung von Rundfunk in Deutschland
unter Berücksichtigung der Grundsätze von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit getroffen worden sind. Abweichungen seitens des Gesetzgebers von diesen Entscheidungen seien nur zugunsten von Informationszugangs- und Vermögensinteressen des Publikums möglich. Ob zweckwidrige Erwägungen auf die Festsetzung der Gebühr Einfluss genommen hätten, trete in der Regel jedoch nicht zu Tage und könne daher auch nicht nachträglich nachgewiesen werden.221 Daher müsse eine Struktur für die staatliche Rundfunkfinanzierung bereitgestellt werden, die die Möglichkeit rechtswidriger Kompetenzwahrnehmungen so weit wie möglich ausschließe. Diese Erfordernisse erfülle nur eine angemessene Verfahrensregelung; der Grundrechtsschutz werde damit in den Prozess der Entscheidungsfindung vorverlagert.222 Das bis dahin bestehende Verfahren der Gebührenfinanzierung gewährleiste diesen prozeduralen Grundrechtsschutz jedoch nicht in vollem Umfang. Mängel sah das Gericht bei der Sicherung der für die Erfüllung des Rundfunkauftrags erforderlichen Mittel sowie beim Ausschluss der Einflussnahme des Staates auf die Programmgestaltung.223 Der Staatsvertrag treffe keine näheren Regelungen über die Kriterien und das Verfahren der Festsetzung. Die Einbeziehung der KEF in den Entscheidungsprozess der Länder biete keine ausreichende Sicherheit der Rundfunkfreiheit, da diese ein bloßes Hilfsinstrument der Ministerpräsidentenkonferenz und ihre Zusammensetzung, Aufgaben, Verfahren sowie die Unabhängigkeit ihrer Mitglieder nicht ausreichend gesetzlich bestimmt sei. Schließlich komme den Entscheidungen der KEF im Verfahren kein entsprechendes Gewicht zu. So hätten die Ministerpräsidenten und Landtage die Möglichkeit, Gebührenanpassungen nach medienpolitischen Zwecken festzusetzen oder aufzuschieben, ohne dass zweckwidrige gegen die Rundfunkfreiheit verstoßende Erwägungen nachweisbar wären.224 Den aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG folgenden Bindungen des Staates bei der Gebührenfestsetzung werde am ehesten ein gestuftes und kooperatives Verfahren gerecht, das der Eigenart der jeweiligen Teilschritte entspreche und die Möglichkeiten politischer Einflussnahme begrenze. Dabei müssten die auf den Programmentscheidungen basierenden Bedarfsanmeldungen der Rundfunkanstalten die Grundlage der Bedarfsermittlung und der sich anschließenden Gebührenfestsetzung bilden.225 Eine Überprüfung der Bedarfsanmeldung dürfe sich nicht auf die Vernünftigkeit oder Zweckmäßigkeit der Programmentscheidungen der Anstalten beziehen und sei damit keine 221 BVerfGE
90, 90, 223 BVerfGE 90, 224 BVerfGE 90, 225 BVerfGE 90, 222 BVerfGE
60 60 60 60 60
(94 ff.). (96). (97). (100). (102).
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politische, sondern eine fachliche Aufgabe. Geklärt werden müsse daher, ob die Programmentscheidung sich im Rahmen des Rundfunkauftrags halte, der daraus folgende Finanzbedarf zutreffend sei und die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit berücksichtigt wurden. Bei Abweichungen von der Gebührenhöhe müssten nachweisbare Gründe angegeben werden. Die Wahrnehmung dieser Aufgabe sei einem sachverständig zusammengesetzten Gremium – wie es mit der KEF schon intendiert war – zu übertragen, sofern Aufgabe, Zusammensetzung (politik- und rundfunkfrei), die Unabhängigkeit der Mitglieder und das Verfahren gesetzlich regelt würden.226 Maßgeblich für die Gebührenfestlegung ist damit die Zurverfügungstellung finanzieller Mittel, die die Erfüllung des Rundfunkauftrags durch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ermöglichen sowie die Sicherstellung des Grundsatzes der Programmneutralität bei der Gebührenfestsetzung und -entscheidung. Die Umsetzung dieser Ziele muss durch einen prozeduralen Grundrechtsschutz gewährleistet werden.227 Während der neunziger Jahre hatte sich die duale Rundfunkordnung in Deutschland endgültig etabliert. In den Vordergrund traten damit vor allem Fragen der finanziellen Absicherung sowohl des privaten als auch des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und deren Stellung im dualen System. Mit dem ersten gesamtdeutschen Rundfunkstaatsvertrag von 1991 erlangten die vom Bundesverfassungsgericht in den Rundfunkentscheidungen aufgestellten Grundsätze eine gesetzliche Grundlage, wenngleich diese durch die schon damals bestehende rasche Veränderung des Rundfunkwesens aufgrund des technischen Fortschritts stetiger Anpassung und Veränderung bedurften.
K. Die Entwicklung im 21. Jahrhundert Das bereits in den neunziger Jahren sichtbare Problem, eine Rundfunkregulierung zu etablieren, die dem technischen Fortschritt der Medienlandschaft gewachsen ist, prägt nun auch die Entwicklung im 21. Jahrhundert. Obwohl die Judikatur des Bundesverfassungsgerichts zur Rundfunkordnung gerade aufgrund dieser rasanten technischen und wirtschaftlichen Entwicklung des Rundfunkmarktes zum Teil infrage gestellt wird, was insbesondere die Interpretation des Grundrechts mit der Betonung und Ausgestaltung der objektiv-rechtlichen Komponente betrifft,228 hält das Bundes226 BVerfGE
90, 60 (103). Rundfunkgebührenurteil I: Rühl, ZUM 1995, 167; Hümmerich, AfP 1996, 118; Ricker, NJW 1994, 2199; Libertus, in: Hahn/Vesting, Rundfunkrecht, § 14 RStV, Rn. 21 ff.; Oppermann, JZ 1994, 499; Lehment, ZUM 1994, 617. 228 Starck, NJW 1992, 3257; Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 I, II Rn. 193 (Erstbearbeitung). Dazu auch Jarass, Die Freiheit der Massenmedien, S. 117 ff.; 227 Zum
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1. Kap.: Die Veranstaltung von Rundfunk in Deutschland
verfassungsgericht weiterhin an den über die Jahrzehnte hinweg aufgestellten Direktiven fest. Anlass dazu gab das Rundfunkgebührenurteil II.229 Das Gericht bestätigte die aufgestellten Anforderungen an die gesetzliche Ausgestaltung der Rundfunkordnung zur Sicherung der Rundfunkfreiheit auch vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen und rief damit eine öffentliche Diskussion hervor.230 Gegenstand der Verfassungsbeschwerde – erhoben durch die in der ARD zusammengeschlossenen Rundfunkanstalten, das ZDF sowie das Deutschlandradio – war u. a. Art. 6 Nr. 4 des Achten Rundfunkänderungs staatsvertrags,231 der die Höhe der Rundfunkgebühr in § 8 Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag (RFinStV)232 regelte. In den Jahren 2003 und 2004 wurde das Verfahren zur Festsetzung der Rundfunkgebühr für den Zeitraum von 2005 bis 2008 durchgeführt, mithin in einem dreistufigen Verfahren bestehend aus den Verfahrensschritten „Bedarfsanmeldung durch die Rundfunkanstalten“, „Überprüfung des angemeldeten Bedarfs durch die KEF mit sich anschließendem Gebührenbericht“ und der „Gebührenfestsetzung durch die Länder“.233 Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten hatten im April 2003 einen Bedarf angemeldet, nach dem die Rundfunkgebühr um 2,01 € auf 18,16 € hätte erhöht werden müssen. Die KEF kam hingegen nur auf eine Erhöhung um 1,09 €, mithin auf eine Gebühr von 17,24 €. Als Kürzungsgrund führte die KEF noch Wendt, in: vMünch/Kunig, GG, Art. 5 Rn. 51 ff.; Stern, Das Staatsrecht der BRD IV/1, § 110 I 3 i) m. w. N.; sowie die Nachweise bei: Bosman, Rundfunkfreiheit, S. 26 ff.; Hain, in: Die Macht der Medien, S. 66 ff.; ders., in: Bitburger Gespräche, Jahrbuch 2007/I, S. 21 ff.; ders. K&R 2010, 638 (639 Fn. 11); ders., K&R 2010, 242 (245 Fn. 48); ders./Seehaus, K&R 2009, 613 Fn. 3; ders., K&R 2006, 325 (331); ders., Rundfunkordung, S. 85; ders., JZ 2008, 128 (130 f.); ders., AfP 2012, 313 (317 ff.); Engel, AfP 1994, 185 (186 ff.); Seelmann-Eggebert, ZUM 1992, 79 (80); Fink, DÖV 1992, 805 ff.; Kull, in: FS Lerche 1993, S. 663 ff.; Scholz, AfP 1995, 357 (359); Weisser, ZUM 1997, 877 (881 ff.).; Degenhart, in: BK, Art. 5 I, II Rn. 643 ff.; ders., K&R 2000, 49 (52 f.); ders., AfP-Sonderheft 2007, 24 (26 ff.); Nds. StGH, ZUM-RD 2006, 321 (326) m. w. N.; Cornils, Ausgestaltung der Grundrechte, S. 54 ff. Siehe auch die Darstellung bei Schulz, Chancengleichheit als Freiheitsverwirklichung, S. 62 ff.; Starck, NJW 1980, 1359 ff.; ders., JZ 1983, 405 (407 f.); MüllerTerpitz, RW 2012, 223 (227 f.). 229 BVerfGE 119, 181. 230 Faßbender, NVwZ 2007, 1265; Gounalakis/Wege, NJW 2008, 800; Jungheim, ZUM 2008, 493; Degenhart, K&R 2008, 214; Hain, JZ 2008, 128. 231 Achter Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge (8. Rundfunkänderungsstaatsvertrag) v. 8. bis 15.10.2004, GBl. BW 2005, S. 189. 232 „§ 8 RFinStV – Höhe Höhe der Rundfunkgebühr – Die Höhe der Rundfunkgebühr wird monatlich wie folgt festgesetzt: 1. Die Grundgebühr: 5,52 Euro, 2. Die Fernsehgebühr: 11, 51 Euro.“ 233 BVerfGE 90, 60; 119, 181 (182 f.).
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vorhandene Eigenmittel an.234 Die Ministerpräsidenten der Länder einigten sich schließlich auf eine Erhöhung der Gebühr um 88 Cent, welche dann mit dem 8. RÄStV in § 8 RFinStV geregelt wurde.235 Aufgrund dieser Abweichung von der durch die KEF vorgetragenen Bedarfserhöhung sahen sich die Beschwerdeführer in ihrer Rundfunkfreiheit verletzt. Es seien das Gebot der Staatsferne sowie die aus diesem Gebot resultierenden prozeduralen Anforderungen an das Verfahren der Gebührenfestsetzung nicht berücksichtigt worden. Dies betreffe insbesondere die Abweichungsgründe der Länder, die den verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht entsprächen.236 Das Gericht bestätigte zunächst die in den vorhergehenden Rundfunkurteilen aufgestellten „Grundsätze zur Rundfunkordnung“ und sprach diesen auch vor dem Hintergrund der Entwicklung des Rundfunkwesens die grundsätzliche Geltung zu. Der mit der Vermehrung von Übertragungskapazitäten verbundene Wegfall der Sondersituation des Rundfunks sowie die Entwicklung der Medienmärkte habe nicht dazu geführt, dass gesetzliche Regelungen zur Ausgestaltung der Rundfunkordnung entbehrlich würden. Vielmehr bestünde die herausgehobene Bedeutung des Rundfunks unter den Medien aufgrund seiner Breitenwirkung, Aktualität und Suggestivkraft weiterhin fort.237 Rundfunk würde darüber hinaus nicht nur zu publizistischen, sondern zunehmend zu wirtschaftlichen Zielen eingesetzt. Insbesondere die Werbefinanzierung stärke den Trend zur Massenattraktivität und zur Standardisierung des Angebots, was in der Konsequenz zu Vielfaltsdefiziten führe.238 Gleiches gelte für den erheblichen Konzentrationsdruck im Bereich des privatwirtschaftlichen Rundfunks, bei dem das Risiko einer einseitigen Einflussnahme auf die öffentliche Meinungsbildung bestehe.239 Umso mehr sei es notwendig, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk seinen Rundfunkauftrag erfüllen könne, mithin die erforderlichen technischen, organisatorischen, personellen und finanziellen Vorbedingungen bestünden. Gerade die finanzielle Ausstattung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten müsse entwicklungsoffen und bedarfsgerecht ausgestaltet sein.240 Für die damit verbundene Gebührenfestsetzung bedeute dies die Gewährleistung einer funktionsgerechten Finanzierung.241 234 BVerfGE
119, 181 (186 f.). Entscheidungsprozess der Länder BVerfGE 119, 181 (188 ff.). 236 BVerfGE 119, 181 (196 ff.). 237 BVerfGE 119, 181 (214 f.). 238 BVerfGE 119, 181 (215 f.). 239 BVerfGE 119, 181 (217). 240 BVerfGE 119, 181 (218 f.). 241 BVerfGE 119, 181 (218 f.). 235 Zum
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1. Kap.: Die Veranstaltung von Rundfunk in Deutschland
Nehme der Gesetzgeber die abschließende Entscheidung über die Gebührenhöhe vor, so trage er für diese die politische Verantwortung. Folglich dürfe er bei seinen Erwägungen aus Akzeptanzgründen auch die Interessen der Gebührenzahler berücksichtigen, namentlich die Gesichtspunkte des Informationszugangs und der angemessenen Belastung der Gebührenzahler. Dazu zählten auch außerhalb des Rundfunks liegende Faktoren wie die allgemeine wirtschaftliche Lage, die Einkommensentwicklung oder sonstige Abgabenbelastungen der Bürger, soweit sie sich auf die finanzielle Belastung der Gebührenzahler auswirkten oder deren Zugang zur Information durch Rundfunk gefährdeten. Wiederum betonte das Gericht, dass medienpolitische Zwecke nicht verfolgt werden dürften.242 Die durch die Beschwerdeführer angegriffene Gebührenfestsetzung entsprach diesen Maßstäben nicht, sodass das Gericht einen Verstoß gegen Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG annahm. Die von den Ländern vorgetragene Rechtfertigung für die Abweichung sei in weiten Teilen nicht nachvollziehbar und gehe zum Teil auch von falschen Annahmen aus. So habe der Gesetzgeber zwar berechtigterweise die Interessen der Bevölkerung angeführt, sich aber bei seiner Begründung lediglich auf die Wiedergabe des für die Abweichung maßgeblichen Maßstabs beschränkt und auf die allgemein bestehende angespannte wirtschaftliche Lage verwiesen.243 Auch die angeführten bestehenden zusätzlichen Einsparpotentiale bei den Rundfunkanstalten seien nicht ersichtlich. So habe die KEF solche bereits bei ihrer Abweichung von der Bedarfsanmeldung berücksichtigt. Darüber hinaus gehende Einsparpotentiale seien jedoch nicht nachvollziehbar dargelegt worden.244 Schließlich hatten die Länder noch die aktuelle Gesamtentwicklung der Aufgaben im dualen System und im Wettbewerb der Medien angeführt. Das Gericht konnte in diesen Gründen jedoch keine Berechtigung zur Bedarfsfeststellung erkennen. Vielmehr lege dieser Grund nahe, dass der Gesetzgeber so auf den Wettbewerb der privatwirtschaftlichen und der öffentlich-rechtlichen Medien im dualen System über die Gebührenfestsetzung habe Einfluss nehmen wollen. Dies sei jedoch nicht mit der Rundfunkfreiheit vereinbar.245 Die verfassungsrechtlichen Mängel führten in der Folge zwar nicht zur Nichtigkeit der Regelung. Allerdings wurde dem Gesetzgeber aufgetragen, den Rundfunkanstalten bei der Neufestsetzung der Gebühr für den neuen Gebührenzeitraum einen Ausgleich zu gewähren, falls ihnen auf der Grund242 BVerfGE
119, 119, 244 BVerfGE 119, 245 BVerfGE 119, 243 BVerfGE
181 181 181 181
(226 f.), so auch schon in BVerfGE 90, 60 (94 ff.). (230 f.). (233). (239 f.).
L. Zusammenfassung und Ausblick67
lage der verfassungswidrigen Festsetzung für die laufende Periode Mittel entgangen seien.246 Im Jahr 2008 erging sodann eine Rundfunkentscheidung, die sich mit der Verfassungsmäßigkeit der Beteiligung von Parteien an privaten Rundfunkunternehmen beschäftigte.247 Das Hessische Privatrundfunkgesetz sah ein Verbot der Beteiligung von politischen Parteien an privaten Rundfunkveranstaltern vor. Das Gericht hielt dieses absolute Verbot mit Art. 5 Abs. 1 S. 2 i. V. m. Art. 21 Abs. 1 GG unvereinbar, gleichwohl es dem Gesetzgeber zustehe, die Beteiligung insoweit auszuschließen, als dass die Parteien einen bestimmenden Einfluss erhielten.248 Die ausführliche Besprechung des Urteils erfolgt im fünften Kapitel und soll daher an dieser Stelle zurückgestellt werden. Die vorerst letzte Rundfunkentscheidung betrifft die Frage der Verfassungsmäßigkeit des ZDF-Staatsvertrages, insbesondere die Zusammensetzung der Aufsichtsgremien der Rundfunkanstalt.249 Bezeichnet als die „causa Brender“ geisterte die Frage nach dem zulässigen Einfluss des Staates auf die Rundfunkgremien der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten durch sämtliche Medien.250 Nunmehr hat das Bundesverfassungsgericht ausführlich Stellung genommen und die verfassungsrechtlichen Leitlinien bestimmt. Auf diese Ausführungen wird im zweiten Kapitel im thematischen Zusammenhang mit der internen Aufsicht über die öffentlich-recht lichen Rundfunkanstalten ausführlich einzugehen sein.
L. Zusammenfassung und Ausblick Resümierend lässt sich festhalten, dass die in Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG verankerte Rundfunkfreiheit, so wie sie durch die bisherige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts interpretiert wurde, auch für die Zukunft die Grundlage der rundfunkrechtlichen Gesetzgebung sein wird. Dies hat das Gericht trotz des sich immer schneller und vielfältig entwickelnden Medien246 BVerfGE
119, 181 (241 f.). 121, 30. 248 BVerfGE 121, 30. 249 BVerfG, Urt. v. 25.3.2014 – 1 BvF 1/11. 250 U. a. Marohn, Der Beschützer, ZEITOnline v. 19.11.2009; Müller, Staatsnah, FAZ v. 7.1.2011; ders., Dinosaurier in der Pflicht, FAZ v. 26.4.2010; Euler, Koch verteidigt sein Nein zu Vertragsverlängerung Brenders, FAZ v. 11.12.2009, sowie der offene Brief von 35 Staatsrechtslehrern, die sich gegen die politische Einflussnahme wenden, abrufbar unter: http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/2.1756/ offener-brief-zur-brender-debatte-staatsrechtler-pruefstein-fuer-die-rundfunkfreiheit1886805.html. 247 BVerfGE
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1. Kap.: Die Veranstaltung von Rundfunk in Deutschland
marktes sehr deutlich gemacht. Mögen die Herausforderungen für dieses Grundrecht vor dem Hintergrund der Konvergenz der Medien zukünftig Neue sein, so wird doch bisweilen bezweifelt, dass das Bundesverfassungsgericht bei entsprechender Gelegenheit seine zur Rundfunkfreiheit spezielle Grundrechtsinterpretation verändern oder gar aufgeben wird. In der Literatur scheint dagegen diese Ausgestaltung zumindest in Ansätzen nicht mehr für erforderlich gehalten zu werden. Insbesondere die Notwendigkeit der Sonderstellung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit seinen weitgehenden Rechten steht regelmäßig zur Diskussion.251 In letzter Zeit geht es dabei um die Reichweite des klassischen Rundfunkauftrags der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Mittelpunkt des Streits zwischen Zeitungs- und Zeitschriftenverlegern, privatem Rundfunk und öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten ist deren zunehmende Präsenz im Internet u. a. durch die Bereitstellung von sogenannten „Apps“252 für Smartphones und Tablet-Computer. Im Kern geht es um die Frage, inwieweit der öffentlichrechtliche Rundfunk auch auf dem Gebiet der Telemedien tätig werden darf, mithin inwieweit der Rundfunkauftrag auf diesem Gebiet zu erfüllen ist. Das Kölner Landgericht hatte einer Klage von acht Zeitungsverlagen, die sich gegen die Tagesschau-App gewandt hatten, zum Teil statt gegeben, da die App vom 15. Juni 2011 zu „presseähnlich“ gewesen sei. Ein generelles Verbot lehnte das Gericht hingegen ab.253 Das OLG Köln hat auf die Berufung der ARD hin dieses Urteil aufgehoben und festgestellt, dass die ARD für die Website tagesschau.de und die entsprechende App die nötige Genehmigung besitze und die App als Teil des Telemedienkonzepts der Sendung uneingeschränkt zulässig sei.254 Der Streit um die „Presseähnlichkeit“ ist damit aber noch nicht vorbei, da der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger bereits ankündigt hat, gegen das Urteil Revision einzulegen.255 Der aufgrund des „Beihilfekompromisses“256 mit der Europäischen Kommission eingeführte Drei-Stufen-Test (§ 11f RStV) soll daher gewährleisten, 251 Starck, NJW 1992, 3257; Ladeur, NJW 1982, 359; Degenhart, K&R 2000, 49 (54); ders., ZUM 2000, 356 (363); Wendt, in: vMünch/Kunig, GG, Art. 5 Rn. 53 ff.; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 5 I, II Rn. 272. 252 Siehe beispielsweise zum Umfang der „tagesschau-App“: http://www.tages schau.de/app/. 253 LG Köln, Urt. v. 27.9.2012 – 31 O 360/11. 254 OLG Köln, Urt. v. 20.12.2013 – 6 U 188/12 = GRUR-Prax 2014, 44. 255 Dazu: http://www.tagesschau.de/inland/tagesschau-app100.html. 256 U. a. private Fernsehveranstalter hatten ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen Verstößen der deutschen Gebührenfinanzierung gegen das Beihilfeverbot gemäß Art. 87 EGV a. F. angestrengt. Gerade die Finanzierung der Telemedien durch die Rundfunkgebühr wurde als europarechtswidrig betrachtet. Die EU-Kommission sah in der entsprechenden Norm des RStV
L. Zusammenfassung und Ausblick69
dass die gebührenfinanzierten Rundfunkanstalten ihr Engagement in diesem Bereich nur so weit wahrnehmen, wie es zur Wahrung des Rundfunkauftrags, der in § 11 Abs. 1 RStV definiert ist, erforderlich ist.257 Neuerungen gibt es auch im Bereich der Gebührenfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Seit dem 1. Januar 2013 wird die herkömmliche gerätebezogene Rundfunkgebühr durch einen Rundfunkbeitrag258 ersetzt, der nicht mehr an das Vorhalten eines Gerätes anknüpft, sondern unabhängig davon, von jedem Haushalt zu entrichten ist.259 Diese „Haushaltsabgabe“ beträgt einheitlich für jeden Haushalt 17,98 €, die Differenzierung zwischen Grund- und Fernsehgebühr wurde damit aufgehoben. Befreiungstatbestände sind jedoch weiterhin vorgesehen.260 Vor einer möglichen Reform steht auch das Medienkonzentrationsrecht. Seit dem Fusionsvorhaben der Axel Springer AG und der Mediengruppe ProSiebenSat.1 Media AG, welches die KEK untersagte, ist das Verhältnis von § 26 Abs. 1 und Abs. 2 RStV sowie deren Auslegung umstritten.261 Letztlich geht es dabei um die Frage, ob die KEK in einem Beurteilungsfall, in dem die 25 %-Zuschaueranteilsgrenze des § 26 Abs. 2 RStV nicht überschritten wird, konzentrationsrechtliche Sanktionen anordnen kann und damit Zuschaueranteile auf medienrelevanten verwandten Märkten berücksichtigt werden.262 Es bleibt abzuwarten, wie sich das nationale Medienkonzenkeine hinreichend präzise Definition des öffentlichen Rundfunkauftrags. Der deutsche Gesetzgeber verpflichtete sich daher im „Beihilfekompromiss“ mit der EUKommission, für die Online-Angebote eine klare und kontrollierbare gesetzliche Regelung zu schaffen. Mit der Einführung des Drei-Stufen-Test durch den 12. RÄStV ist er den Anforderungen aus dem Kompromiss nachgekommen. Entscheidung der EU-Kommission v. 24.4.2007, K(2007) 1761 endg., teilweise abgedruckt in epd medien 39/2007, S. 3 ff. Zur Beihilfeproblematik: Gundel, ZUM 2008, 758. 257 Zum Drei-Stufen-Test: Dörr, ZUM 2009, 897; Ladeur, ZUM 2009, 906; Sokoll, NJW 2009, 885; Peters, NJW 2010, 335 jeweils mit weiteren Nachweisen. 258 Eingeführt durch den 15. Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge v. 15. bis 21.12.2010. 259 Siehe zur Verfassungsmäßigkeit dieses geräteunabhängigen Beitrags die Popularklageverfahren vor dem BayVerfGH, Az.: 8-VII-12 u. 24-VII-12. 260 Zum Rundfunkbeitrag: Degenhart, ZUM 2011, 193; ders., ZUM 2009, 374; Ferreau/Poth, NVwZ 2011, 714; Reuters, Die Rundfunkgebühr auf dem Prüfstand der Finanzverfassung; Wagner, Abkehr von der geräteabhängigen Rundfunkgebühr; Eumann, in: Die Macht der Medien, S. 99ff. Kirchhof, Gutachten über die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, 2010, abrufbar unter: http://www.ard.de/ download/398406/index.pdf. 261 KEK, Beschluss 293-1 bis -5 v. 10.1.2006, abrufbar unter: http://www.kekonline.de/fileadmin/Download_KEK/Verfahren/kek293prosieben-sat1.pdf. 262 Dazu Renck-Laufke, ZUM 2006, 907; Engel, ZUM 2005, 776; Bremer/Grünwald, MMR 2009, 80; Hepach, ZUM 2007, 40; Bornemann, MMR 2006, 275; Gounalakis/Zagouras, NJW 2006, 1624.
70
1. Kap.: Die Veranstaltung von Rundfunk in Deutschland
trationsrecht auch vor dem Hintergrund zunehmender crossmedialer Tendenzen der Medienmärkte entwickeln wird. Momentan scheint ein rein auf den Fernsehmarkt zugeschnittenes Konzentrationsrecht noch den tatsächlichen Gegebenheiten gerecht zu werden.263 Die Konvergenz der Medien ruft nunmehr auch die Frage hervor, ob die abgestufte Regelungsdichte zwischen Fernsehen und Telemedien – so, wie sie im Rundfunkstaatsvertrag264 und der Audiovisuelle-MediendiensteRichtlinie265 verankert ist – tatsächlich noch zeitgemäß ist. Gefordert wird bereits ein „Medienstaatsvertrag“, der nicht mehr zwischen den einzelnen Medien differenziert, sondern vielmehr an deren Meinungsbildungsmacht anknüpft.266 Letztlich muss bei dieser Entwicklung jedoch berücksichtigt werden, dass die Konvergenz der Medien noch nicht abgeschlossen und das geltende Medienrecht noch in der Lage ist, den aktuellen Herausforderungen mit angemessenen Lösungen zu begegnen.
263 Holznagel, ZUM 2009, 620; Wallraf, ZUM 2010, 492; a. A. Schwartmann, ZUM 2009, 842. 264 Staatsvertrag für Rundfunk und Telemedien (Rundfunkstaatsvertrag), i. d. F. der Bekanntmachung v. 27.7.2001, zuletzt geändert durch Art. 3 des 15. Rundfunk änderungsstaatsvertrages. 265 Richtlinie über Audiovisuelle Mediendienste 2007/65/EG v. 11.12.2007, neu kodifiziert durch die Richtlinie 2010/13/EU v. 13.3.2010, Abl.EU Nr. L 95/2 v. 15.4.2010. 266 Wagner, in: Europäisches und nationales Medienrecht im Dialog, S. 334 f.
2. Kapitel
Das Gebot der Staatsferne des Rundfunks Die Entwicklung des Rundfunkwesens in der Bundesrepublik hat gezeigt, dass die Frage nach einer zulässigen Form der Staatsnähe bzw. Staatsferne des Rundfunks die politischen Diskussionen und in der Folge oftmals auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bis in die Gegenwart durchzieht. So hat das Bundesverfassungsgericht bereits in seinem ersten Rundfunkurteil konstatiert, dass der Rundfunk „weder dem Staat noch einer gesellschaftlichen Gruppe ausgeliefert“ werden dürfe1 und „wegen seiner weitreichenden Wirkungen und Möglichkeiten sowie der Gefahr des Mißbrauchs zum Zweck einseitiger Einflußnahme auf die öffentliche Meinung nicht dem freien Spiel der Kräfte überlassen werden“ könne.2 Die Offenheit dieser Aussagen lässt jedoch Spielräume. Gegenstand der folgenden Ausführungen sollen daher die Herleitung, der Adressatenkreis sowie die Reichweite dieses Gebots sein.
A. Die Herleitung des Gebots der Staatsferne des Rundfunks Zwar besteht in Literatur und Rechtsprechung mittlerweile weitgehend Einigkeit darüber, dass das Gebot der Staatsferne des Rundfunks mit dem Inhalt der Gewährleistung der Programmfreiheit der staatsunabhängigen Medien durch Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG in seiner subjektiv-abwehrrechtlichen Funktion zu gewährleisten ist.3 Der Grundsatz der Staatsferne des Rundfunks erschöpft sich jedoch nicht in dieser abwehrrechtlichen Funktion, sondern schließt zugleich aus, dass der Staat selbst Rundfunk veranstaltet. Man könnte nun annehmen, dass auch diese Facette des Gebots aus der subjektiv-rechtlichen Funktion der Rundfunkfreiheit abzuleiten ist.4 Dies 1 BVerfGE
12, 205 (262). 31, 314 (325). 3 Jüngst das BVerfG in BVerfGE 121, 30 (51); Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 I, II Rn. 213 (Erstbearbeitung); Paschke, Medienrecht, Rn. 237; HoffmannRiem, Finanzierung, S. 47; Zimmermann, Hochschulrundfunk, S. 104. 4 Paschke, Medienrecht, Rn. 237. 2 BVerfGE
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2. Kap.: Das Gebot der Staatsferne des Rundfunks
hätte zur Konsequenz, dass den staatsunabhängigen Rundfunkveranstaltern aus der Rundfunkfreiheit ein Anspruch auf ein Tätigwerden frei von staatlicher Konkurrenz zukommen würde.5 Mit Blick auf die sonstige wirtschaftliche Betätigung des Staates scheint dieses Verständnis der Rundfunkfreiheit jedoch widersprüchlich. Für die Berufsfreiheit, die in diesen Fällen staatlicher Wirtschaftstätigkeit herangezogen wird, lehnt man einen solchen Abwehranspruch ganz überwiegend ab.6 Einen solchen für die Rundfunkfreiheit zu konstruieren, wäre daher nicht überzeugend. Aus diesem Grund werden im Wesentlichen vier weitere Herleitungsstränge für das Gebot der Staatsfreiheit vertreten, mag es im Einzelnen auch ergänzende Elemente geben. Vor allem Gersdorf7 zieht das Demokratieprinzip in den Ausprägungen des Prinzips der Volkssouveränität und des Gebots der Chancengleichheit bei der politischen Mitwirkung zur Deduktion heran. Nur noch vereinzelt wird auf den Grundsatz der Gewaltenteilung verwiesen.8 Schließlich wird – auch durch das Bundesverfassungsgericht – ein vielfaltsbezogener Ansatz vertreten.9
I. Der Grundsatz der Gewaltenteilung Vereinzelt wird das Gebot der Staatsfreiheit des Rundfunks im Grundsatz der Gewaltenteilung gemäß Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG verankert.10 Als notwendiges Korrelat für das vom Staat beanspruchte Gewaltmonopol bewirkt die grundgesetzliche Gewaltenteilung die Teilung der Funktionsträger – Legislative, Exekutive und Judikative.11 Zweck des Prinzips ist – so das Bundesverfassungsgericht – die Machtmäßigung der Gewalten. Sie müssten sich gegenseitig kontrollieren, hemmen und begrenzen, eine absolute Trennung hingegen ist dazu nicht erforderlich. Vielmehr seien auch 5 Reffken,
Politische Parteien, S. 269. Politische Parteien, S. 270 m. w. N. 7 Gersdorf, Staatsfreiheit, S. 58 ff.; so aber auch v. Coelln, Stellungnahme zur ZDF-Staatsvertragsklage, abgedruckt in: Funkkorrespondenz 34.2011, 11 (15). 8 Insbesondere Kewenig, Zu Inhalt und Grenzen der Rundfunkfreiheit, S. 61 ff. 9 BVerfGE 12, 205 (262 f.); 57, 295 (320 ff.); 73, 118 (152 ff.); BVerfG, Urt. v. 25.3.2014 – 1 BvF 1/11, Rn. 33; Jarass, Staatsfreiheit, S. 30; Bethge, Reorganisa tion, S. 18 f.; Hoffmann-Riem, Rundfunkorganisation, S. 16; Reffken, Politische Parteien, S. 270 ff. 10 Kewenig, Zu Inhalt und Grenzen der Rundfunkfreiheit, S. 61; zustimmend Lerche, Landesbericht, S. 77, Fn. 229. 11 Schmidt-Aßmann, in: HStR I, § 24 Rn. 47. 6 Reffken,
A. Die Herleitung des Gebots der Staatsferne des Rundfunks 73
Gewaltenverschränkungen zulässig, soweit der Kernbereich des jeweils anderen Funktionsträgers nicht berührt werde.12 Solche Verschränkungen sind keine Ausnahmeerscheinungen, sondern ergeben sich auch aus dem Grundgesetz, um Machtmäßigung, aber auch eine Sachgerechtigkeit der Entscheidungen zu erreichen.13 Ausgehend von diesem Verständnis des Gewaltenteilungsprinzips steht für die von Kewenig vertretene Ansicht das Gebot der Gewaltenhemmung von Regierung und Parlament im Vordergrund seiner Ausführungen. So komme in der Parlaments- und Regierungswirklichkeit die bedeutsame Aufgabe der Regierungskontrolle nicht mehr dem Parlament als Ganzem, sondern lediglich der Opposition zu. Die Verflechtungen zwischen Regierung, Parlament und Parteien führten dazu, dass die wechselseitige Kontrolle nicht mehr gewährleistet werde, da die Regierung und die sie stützende Parlamentsmehrheit gemeinsame Interessen verfolgten.14 Der Opposition stünden zur Kontrolle dieser Interessen nur wenig effektive Mittel zur Verfügung.15 Sie sei daher neben diesen Kontrollmechanismen auf zusätzliche Elemente angewiesen, insbesondere auf die Massenkommunikationsmittel. Diese würden der Opposition die Möglichkeit bieten, obgleich ihrer schwachen parlamentarischen Position ihre Anliegen in der Öffentlichkeit zu äußern und so auf die öffentliche Meinung einzuwirken. Presse und Rundfunk würden damit zu einem unersetzlichen Bestandteil der Gewaltenteilung, quasi zum Sprachrohr der Opposition.16 Für die Wahrnehmung dieser Funktion durch den Rundfunk sei das Gebot der Staatsfreiheit jedoch unerlässlich. Nur ein staatsfreier Rundfunk und eine ebenso freie Presse könnten ihre Aufgabe im System der „checks and balances“ erfüllen. Aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung ergebe sich somit das Gebot der Staatsfreiheit des Rundfunks.17 Wegen der hohen Unbestimmtheit des Gewaltenteilungsprinzips wird es zum Teil auch nur in Ergänzung zur Rundfunkfreiheit herangezogen und als Leitprinzip oder Verfassungsdirektive verstanden.18
12 BVerfGE
3, 225 (247); 7, 183 (188); 9, 267 (279); 34, 52 (59). in: HStR I, § 24 Rn. 55. 14 Kewenig, Zu Inhalt und Grenzen der Rundfunkfreiheit, S. 61 ff. 15 Kewenig, Zu Inhalt und Grenzen der Rundfunkfreiheit, S. 62 f. 16 Kewenig, Zu Inhalt und Grenzen der Rundfunkfreiheit, S. 64 f. 17 Kewenig, Zu Inhalt und Grenzen der Rundfunkfreiheit, S. 65. 18 Jarass, Staatsfreiheit, S. 17; ders., AfP 1979, 228 (230 f.). 13 Schmidt-Aßmann,
74
2. Kap.: Das Gebot der Staatsferne des Rundfunks
II. Das Prinzip der Volkssouveränität Einige erachten das Gebot als Ausdruck der im Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) verankerten Volkssouveränität.19 Das Demokratieprinzip gehört zu den Grundentscheidungen des Grundgesetzes. Demokratie bedeutet die Herrschaft des Volkes. Nach Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG hat deshalb alle Staatsgewalt vom Volke auszugehen, womit sich das Grundgesetz ausdrücklich zum Prinzip der Volkssouveränität bekennt. Die Ausübung der Staatsgewalt erfolgt dabei nicht unmittelbar durch das Volk, sondern durch seine gewählten Repräsentanten. Diese besitzen die Herrschaft nicht aus eigenem Recht, sondern führen sie auf das Volk zurück. Die Staatsorgane bedürfen daher der Legitimation durch das Volk, damit gewährleistet ist, dass der Wille des Volkes bei der Ausübung staatlicher Macht leitend ist.20 Eine dementsprechende Orientierung der Staatsorgane macht jedoch eine Rückkoppelung staatlichen Handelns an das Volk erforderlich. Zuvörderst geschieht dies gemäß Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG durch Wahlen und Abstimmungen.21 Die überwiegend von Gersdorf vertretene Ansicht erachtet ferner die öffentliche Meinung als zentralen Faktor staatlicher Rückkoppelung mit dem Volk, die im Gegensatz zu den nur periodisch stattfindenden Wahlen eine beständige und permanente Wechselwirkung mit diesem bewirke.22 Das Bestehen einer öffentlichen Meinung bedeute nicht zugleich auch die Kenntnisnahme und Berücksichtigung im staatlichen Entscheidungsprozess. Sowohl Äußerung durch das Volk als auch Information der Staatsorgane über die öffentliche Meinung sei nicht ohne Weiteres gewährleistet. Im Rahmen der Wechselwirkung komme dem Rundfunk daher die Aufgabe zu, eine „Kommunikationslücke“ zwischen Staat und Volk zu schließen. Der Rundfunk sei jedoch nicht nur eine Kommunikationsplattform oder gar ein Kommunikationsnetz. Durch die Auswahl der Inhalte sowie die Art und Weise der Berichterstattung greife er zugleich selber als Faktor in den Kommunikationsprozess ein (sog. Medium- und Faktorfunktion des Rundfunks).23 19 Gersdorf, Staatsfreiheit, S. 58 ff.; Starck, Rundfunkfreiheit, S. 13 ff., Lücke, DVBl. 1977, 977 (978); v. Coelln, Stellungnahme zur ZDF-Staatsvertragsklage, abgedruckt in: Funkkorrespondenz 34.2011, 11 (15). 20 Böckenförde, in: HStR I, § 22 Rn. 3 ff.; Stern, Das Staatsrecht der BRD I, § 18 I 4, II 4. 21 Badura, in: HStR I, § 23 Rn. 34 ff.; Stern, Das Staatsrecht der BRD I, § 18 II 5, Stein/Frank, Staatsrecht, § 8 III. 22 Gersdorf, Staatsfreiheit, S. 59, 63 f.; Stern, Das Staatsrecht der BRD I, § 18 II 5 e). 23 Gersdorf, Staatsfreiheit, S. 69 f.
A. Die Herleitung des Gebots der Staatsferne des Rundfunks 75
Damit der Rundfunk diese Funktion erfüllen könne, müsse der Rückkoppelungsprozess mit dem Staat als Adressat von diesem unbeeinflusst, mithin staatsfrei bleiben. Folglich sei das Prinzip der Volkssouveränität mit dem Gebot der Staatsfreiheit des Rundfunks untrennbar verbunden, die Volkssouveränität bilde den Kern des Gebots.24
III. Die Chancengleichheit bei der politischen Mitwirkung Demokratie bedeutet zugleich auch Gleichheit in der Freiheit. Diese demokratische Gleichheit ist eine staatsbürgerliche Gleichheit, die die Teilnahme an der politischen Willensbildung und Herrschaftsausübung umfasst, mithin die politischen Mitwirkungsrechte.25 Ausprägung dieser staatsbürgerlichen Gleichheit ist insbesondere für die politischen Parteien die Chancengleichheit bei der politischen Willensbildung des Volkes.26 Der Staat wird nach dieser Ausprägung zur Neutralität gegenüber dem politischen Wettbewerb verpflichtet, sodass den Parteien die Chance eingeräumt wird, sich gegenüber anderen durchzusetzen.27 Die maßgeblichen Wertauffassungen sollen sich frei von staatlicher Beeinflussung bilden können. Dabei muss gewährleistet werden, dass die Chance der Minderheiten an die Regierung zu gelangen, nicht durch Einflussnahme der an der Regierung befindlichen Mehrheit auf die öffentliche Meinung zunichte gemacht wird. Für den Rundfunk bedeute dies nun, dass er von jeder Art staatlicher Tätigkeit freigehalten werden müsse. Andernfalls wäre ein Verstoß gegen das Gebot der Chancengleichheit im politischen Wettbewerb zu konstatieren. Demzufolge sei neben dem Prinzip der Volkssouveränität auch das Gebot der Chancengleichheit bei der politischen Mitwirkung als Begründungsstrang des Gebots heranzuziehen.28 Darüber hinaus sei das Demokratieprinzip aber auch mit der objektivrechtlichen Seite der Rundfunkfreiheit verklammert und vermittele dieser ihre spezifische Funktion. Das Gebot der Staatsfreiheit des Rundfunks wirke daher über Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG in dessen Schutzbereich hinein.29 Somit 24 Gersdorf,
Staatsfreiheit, S. 72. in: HStR I, § 22 Rn. 41; Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20
25 Böckenförde,
II Rn. 35. 26 Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 II Rn. 39; Sachs, in: ders., GG, Art. 20 Rn. 20. 27 Volkmann, in: Berliner Kommentar GG, Art. 20 Rn. 16; Stein/Frank, Staatsrecht, § 8 IV. 28 Hesse, Rundfunkrecht, 1. Aufl., S. 55; Wojahn, Organisationsstrukturen, S. 37; Gersdorf, Staatsfreiheit, S. 76 f. 29 Gersdorf, Staatsfreiheit, S. 79.
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2. Kap.: Das Gebot der Staatsferne des Rundfunks
ist das Gebot auch als Ausdruck dieser Komponente der Rundfunkfreiheit zu verstehen. Andere hinwiederum betrachten das Demokratieprinzip aufgrund der bestehenden Unbestimmtheit lediglich als Ergänzung zu Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG.30
IV. Das Vielfaltsgebot Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht schützt die Rundfunkfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG in ihrer vorrangig auszuübenden Funktion die freie öffentliche und individuelle Meinungsbildung.31 Das Grundgesetz enthält mithin den Auftrag, durch die Rundfunkordnung Meinungsvielfalt herzustellen, um freie und umfassende Meinungsbildung zu gewährleisten. Die gesetzliche Ordnung habe sicherzustellen, dass die Vielfalt der bestehenden Meinungen im Rundfunk in möglichster Breite und Vollständigkeit berücksichtigt und auf diese Weise umfassende Information geboten werde.32 Damit der Rundfunk diesem Gebot effektiv dienen könne, beinhalte das Gebot auch das Verbot der Auslieferung des Rundfunks an staatliche oder private Interessen. Der Rundfunk müsse in der Lage sein, seine Funktion als Medium und Faktor auszuüben. Diese Vermittlungsfunktion könne der Rundfunk aber nur dann ausfüllen, wenn er von staatlicher Lenkung und Beeinflussung freigehalten werde und unabhängig von privater Indienstnahme agieren könne.33 Vielfach wird die dogmatische Grundlage daher im Gebot der Pluralität, das heißt im Gebot der Gewährleistung umfassender Meinungsvielfalt ge sehen.34 Es wird insoweit von einem vielfaltsbezogenen Ansatz gespro30 Jarass, Staatsfreiheit, S. 17; ders., AfP 1979, 228 (230 f.). Die Nähe der Medienfreiheiten zum Demokratieprinzip legt auch Bethge, in: Sachs, GG, Art. 5 Rn. 15 ff. sehr anschaulich dar. 31 BVerfGE 57, 295 (319); 74, 297 (323); 83, 238 (295 f.); 90, 60 (87); 121, 30 (51 f.); BVerfG, Urt. v. 25.3.2014 – 1 BvF 1/11, Rn. 34. 32 BVerfGE 57, 295 (325); 73, 118 (157 f.); 74, 297 (324 f.). 33 Jarass, Staatsfreiheit, S. 30; Bethge, Reorganisation, S. 18 f.; Hoffmann-Riem, Rundfunkorganisation, S. 16; Stender-Vorwachs, Staatsferne und Gruppenferne, S. 39 f.; Stettner, Rundfunkstruktur, S. 41 f.; Rossen, Freie Meinungsbildung durch den Rundfunk, S. 300. Siehe weitere Nachweise bei Gersdorf, Staatsfreiheit, S. 51. 34 Jarass, Staatsfreiheit, S. 30; Bethge, Reorganisation, S. 18 f.; Hoffmann-Riem, Rundfunkorganisation, S. 16; Scheel, Zur Staatsfreiheit des Rundfunks, S. 34 ff.; Stender-Vorwachs, Staatsferne und Gruppenferne, S. 39; Stettner, Rundfunkstruktur, S. 41 f.; Rossen, Freie Meinungsbildung durch den Rundfunk, S. 300 f. Holznagel, MMR 2011, 300 (301). Weitere Nachweise bei Gersdorf, Staatsfreiheit, S. 51. Dahinstehen kann an dieser Stelle, ob das Vielfaltsgebot aus dem Demokratieprinzip oder der objektiv-rechtlichen Funktion der Rundfunkfreiheit herzuleiten ist, da seine verfassungsrechtliche Qualität jedenfalls nicht in Frage steht. So auch Reffken, Politische Parteien, S. 274.
A. Die Herleitung des Gebots der Staatsferne des Rundfunks 77
chen.35 Charakteristisch für diese Ansicht ist damit die Gleichstellung der Beeinflussung des Rundfunks durch gesellschaftliche Kräfte und durch Staatsorgane und die damit verbundene Gleichstellung des Gefährdungspotentials.36
V. Stellungnahme Geht die von Kewenig vertretene Herleitung aus dem Prinzip der Gewaltenteilung davon aus, dass das Gebot der Staatsferne zuvörderst der Kon trolle der Regierung durch die Opposition diene, würde der Rundfunk zu einem die Opposition unterstützenden Element. Zwar mag es zwingender erscheinen, aufgrund der parlamentarischen Machtstrukturen die Regierung zu kontrollieren. Die Opposition ihrerseits ist jedoch auch Teil des Parlaments und als solcher dem Staat zuzurechnen.37 Darüber hinaus ist nicht ausgeschlossen, dass die Opposition als aktuelle Minderheit die zukünftige Mehrheit wird. Der Opposition kommt somit keine schützenswertere Position gegenüber der Regierung zu. Würde man die Aufgabe des Rundfunks daher in der Unterstützung der Opposition bei der Regierungskontrolle erblicken, so liefe dies letztlich auch auf einen „Staatsrundfunk“ hinaus.38 Die Herleitung des Gebots aus dem Gewaltenteilungsprinzip ist daher abzulehnen. Fragen wirft auch die Deduktion des Gebots aus dem Demokratiegebot auf, mag sie auch in „der klaren Handhabung bestechend sein.“39 Diese Ansicht geht davon aus, dass die demokratisch erforderliche Rückkoppelung der Staatsorgane an das Volk mittels der Medien nur gelingen kann, wenn dieser Prozess frei von staatlicher Einflussnahme sei. Demokratiegebot und Staatsfreiheit bildeten insoweit eine normative Sinngemeinschaft.40 Gerade die Betonung der demokratischen Funktion des Rundfunks als „Rückkoppelungskanal“ im öffentlichen Kommunikationsprozess bei der Herleitung des Gebots der Staatsfreiheit erscheint zu stark.41 Zwar ist die Rundfunkfreiheit aufgrund ihrer Bedeutung für die öffentliche Meinungs- und Willensbildung 35 Gersdorf,
Staatsfreiheit, S. 50. Organisationsstrukturen, S. 34; diese Ansicht kritisierend Gersdorf, Grundzüge des Rundfunkrechts, Rn. 133; Gersdorf, Staatsfreiheit, S. 51. 37 Siehe dazu 2. Kapitel B. 38 Gersdorf, Staatsfreiheit, S. 84 f.; Scheel, Zur Staatsfreiheit des Rundfunks, S. 33. 39 Bumke, Landesmedienanstalten, S. 148. 40 Gersdorf, Staatsfreiheit, S. 72. 41 So ähnlich, aber ausschließlich die unterhaltende Funktion des Rundfunks betonend Scheel, Zur Staatsfreiheit des Rundfunks, S. 33; Klein, Rundfunkfreiheit, S. 52 f., verneint eine Indienstnahme der Rundfunkfreiheit für eine öffentliche Auf36 Wojahn,
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2. Kap.: Das Gebot der Staatsferne des Rundfunks
unentbehrlich für die freiheitlich-demokratische Grundordnung; daran bestehen auch keine Zweifel.42 Die Kommunikationsfreiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG weisen als Bezugspunkte jedoch nicht nur die politische Meinungsbildung auf. Vielmehr bedienen sie alle Aspekte der öffentlichen Meinungsbildung. Diese sind daher auch kultureller, sozialer und wirtschaftlicher Art. Im Rahmen der öffentlichen Meinungsbildung stehen sich all diese gleich geordnet gegenüber.43 Schließlich zeigt sich auch in der Realität, dass alle Aspekte der öffentlichen Meinungsbildung bedient werden. Das heißt, die Inhalte führen nicht nur schwerpunktmäßig zur Aufdeckung politischer und administrativer Versäumnisse.44 Die Rundfunkprogramme bestehen vielfach schlicht aus unterhaltenden Angeboten.45 Die Verwirklichung umfassender freier öffentlicher Meinungsbildung durch den Rundfunk erschöpft sich somit nicht nur darin, dem Demokratieprinzip zur Geltung zu verhelfen. Ebenso betont das Bundesverfassungsgericht vor dem Hintergrund des sich entwickelnden und an Bedeutung gewinnenden europäischen Rundfunkmarktes die kulturelle Bedeutung des Rundfunks.46 Daneben sind die Medien auch in das Sozialstaatsprinzip eingebunden.47 Das Prinzip – verankert in Art. 20 Abs. 1 und 28 Abs. 1 S. 1 GG – verpflichtet den Staat zur sozialen Gerechtigkeit in Exekutive, Legislative und Judikative mit dem Ziel des Abbaus erheblicher sozialer Unterschiede und der Sicherung der Chance zu realer Freiheitsentfaltung.48 In der modernen Kommunikationsgesellschaft ist die Teilhabe an Information, Unterhaltung und Kommunikation – mithin den Massenmedien – unerlässlich, um am gabe gänzlich und verweist darauf, dass alle Grundrechte sich als wesentliche Elemente der freiheitlichen Demokratie erweisen. 42 BVerfGE 7, 198 (208); 35, 202 (221 f.); 77, 65 (74). 43 Degenhart, in: BK, Art. 5 I, II Rn. 28 ff.; Bamberger, ZUM 2001, 373 (374). 44 Diese Funktion betonend Gersdorf, Staatsfreiheit, S. 72. 45 So ähnlich Scheel, Zur Staatsfreiheit des Rundfunks, S. 33, der von einer zum Teil „banalen Stellung [des Rundfunks] in der sozialen Realität“ spricht. Gerhards/ Klingler, MP 2011, 36 (40, Abb. 2); Krüger, MP 2011, 204 (205, 223). Siehe auch Hoffmann-Riem, in: Benda/Maihofer, Hdb. d. Verfassungsrechts, § 7 Rn. 8, der die Freizeit-Unterhaltung durch die Massenmedien betont. Studien haben zudem gezeigt, dass gerade die privaten Sender ihren Informationsanteil im Programm abbauen, epd medien Nr. 28 v. 15.7.2011, S. 11 f. 46 BVerfGE 73, 118 (158); 74, 297 (324); Stern, Das Staatsrecht der BRD IV/1, § 108 I 2., I 2. c) m. w. N.; Hesse, Rundfunkrecht, S. 63. 47 Grundlegend Herrmann, Fernsehen und Hörfunk, S. 297 ff.; Hoffmann-Riem, in: Benda/Maihofer, Hdb. d. Verfassungsrechts, § 7 Rn. 19 ff. 48 Hain, Rundfunkordnung, S. 146 f.; Sommermann, in: vMangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 20 Rn. 112 ff.; Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, Art. 20 Rn. 29.
A. Die Herleitung des Gebots der Staatsferne des Rundfunks 79
gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können.49 So betont auch das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zum Existenzminimum die sozialkulturellen Bedürfnisse des Menschen, die im Rahmen eines menschenwürdigen Existenzminimums in Form eines Mindestmaßes an Teilhabe befriedigt werden müssten.50 Dabei habe sich der Gesetzgeber auch an der sozialen Wirklichkeit zu orientieren, die sich in einer technisierten Informationsgesellschaft anders als früher darstelle.51 Die Grundversorgung durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk stellt damit auch vor dem Hintergrund der zunehmenden Digitalisierung einen unentbehrlichen Zugang zur Massenkommunikation dar. Wird so jedem Bürger die Teilnahme am Prozess der öffentlichen Meinungsbildung ermöglicht, ist der Rundfunk ein wichtiger sozialer Belang.52 Diese Erwägungen spielen daneben bei der Fernsehempfangbarkeit von Großereignissen, insbesondere Sportveranstaltungen, und dem Recht der Kurzberichterstattung eine Rolle.53 Eine vollständige Kommerzialisierung des Rundfunks in der Bundesrepublik, welche zu einer Aufspaltung der Gesellschaft in einen informierten und nicht informierten Teil führen würde, stünde damit nicht nur der Rundfunkfreiheit, sondern neben dem Demokratieprinzip auch dem Sozialstaatsgebot entgegen.54 Die Rundfunkfreiheit steht somit auch in einem inneren Zusammenhang mit dem Sozialstaatsgebot.55 Es lässt sich daher festhalten, dass dem Rundfunk vielfältige Aufgaben innerhalb der Gesellschaft zukommen. Seine Funktion als „Rückkoppelungskanal“ im demokratischen Prozess ist zwar zwingend auf die Staats49 So schon Herrmann, Fernsehen und Hörfunk, S. 298, der von einer aus dem Sozialstaatsprinzip abzuleitenden Pflicht der staatlichen Organe zur sozial gestalteten Rundfunkkommunikation spricht; Reese, Der Funktionsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, S. 60, 139 f. 50 BVerfGE 125, 175 (213, 223 ff.). 51 BVerfGE 125, 175 (224). 52 Hain, Rundfunkordnung, S. 147; Reese, Der Funktionsauftrag des öffentlichrechtlichen Rundfunks, S. 60, 139 f.; Herrmann, Fernsehen und Hörfunk, S. 298; Klein, Rundfunkfreiheit, S. 59. Rossen-Stadtfeld, ZUM 2008, 1 (2 f.). Eine primär sozialstaatliche Interpretation der Grundversorgung ablehnend, Degenhart, in: BK, Art. 5 I, II Rn. 760 m. w. N. 53 BVerfGE 97, 228 (256 f.); Bröcker/Neun, ZUM 1998, 766 (777). 54 Herrmann, Fernsehen und Hörfunk, S. 299. So auch das BVerfG, das von einer Unvereinbarkeit einer Kommerzialisierung von Informationen mit den Leitvorstellungen des Art. 5 I 2 GG spricht, BVerfGE 97, 228 (258). 55 Starck, NJW 1992, 3257 (3262); Hain, Rundfunkordnung, S. 44, 146 f.; Hoffmann-Riem, Rundfunkorganisation, S. 15, der darüber hinaus noch auf den rechtsstaatlichen Bezug im Hinblick auf die durch den Rundfunk geschaffene Öffentlichkeit verweist; ders., JZ 1975, 469 ff.; Herrmann, Fernsehen und Hörfunk, S. 297; Vollmeier, Grundversorgung im konvergierenden Mediensektor, S. 152 ff.
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2. Kap.: Das Gebot der Staatsferne des Rundfunks
ferne angewiesen. Gleichermaßen fordern aber auch kulturelle sowie sozialstaatliche Funktionen die Staatsferne des Rundfunks. Haben die Staatsgewalten für die Verwirklichung des Sozialstaatsprinzips Sorge zu tragen, muss zugleich verhindert werden, dass es durch diese Verbindung staatlicher Intervention mit gesellschaftlicher Interaktion zu einer Vereinnahmung der individuellen Freiheit von staatlichen Zwecken kommt.56 Sollen die angesprochenen sozialstaatlichen Maßnahmen im Rundfunk die Freiheitsförderung zum Ziel haben und die Teilhabe am gesellschaftlichen Kommunika tionsprozess ermöglichen, so setzt dies im Rahmen des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG die Freiheit der Programmgestaltung und deren Inhalte voraus.57 Nur so kann eine staatliche Vereinnahmung ausgeschlossen werden. Das Gebot der Staatsferne des Rundfunks dient daher letztlich den demokratischen, sozialen, kulturellen sowie individuellen Funktionen des Rundfunks. Folgert man das Gebot aus dem Demokratiegebot, so würden die anderen Funktionen zumindest in den Hintergrund treten. Zudem statuiert das aus dem Demokratieprinzip abgeleitete Gebot der Volkssouveränität die behauptete Trennung von Rundfunk und Staat zum Schutz der freien Willensbildung des Volkes nicht.58 Vielmehr bestehen in einer Demokratie im Rahmen der Willensbildung Verflechtungen und Verschränkungen zwischen Volk und Staatsorganen. Willensbildung verläuft nicht einseitig, sondern beidseitig.59 Das Prinzip der Volkssouveränität untersagt daher grundsätzlich nicht den Einfluss des Staates auf den gesellschaftlichen Meinungs- und Willensbildungsprozess der Gesellschaft, sondern lässt ihn in Grenzen zu.60 Aus diesem Grund überzeugt auch die Herleitung der strikten Trennung zwischen Staat und Rundfunk aus dem Demokratieprinzip nicht. Die Ableitung einer Trennung von Staat und Rundfunk im Sinne einer Staatsfreiheit ist zudem auch nicht mit der objektiven Komponente der Rundfunkfreiheit, sofern man eine solche annimmt, vereinbar.61 Nach der dienenden Funktion der Rundfunkfreiheit kommt dem Staat die Pflicht zu, die Rundfunkordnung auszugestalten. Der Gesetzgeber hat dafür Sorge zu tragen, dass die Rundfunkfreiheit gewahrt wird. Rundfunkfreiheit kann so56 Sommermann, in: vMangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 20 Rn. 117; Zacher, in: FS Dürig 1990, S. 70 f.; Böckenförde, in: FG Hefermehl, 1972, S. 26 ff. 57 Heinig, Der Sozialstaat im Dienst der Freiheit, S. 211 ff., spricht von der autonomen Lebensführung; Fechner, NJW 1997, 3211 (3213); Hesse, JZ 1997, 1083 (1085). 58 Reffken, Politische Parteien, S. 265 ff. 59 BVerfGE 44, 125 (139 f.); Reffken, Politische Parteien, S. 265 f. 60 Reffken, Politische Parteien, S. 268. 61 Scheel, Zur Staatsfreiheit des Rundfunks, S. 34 f.
A. Die Herleitung des Gebots der Staatsferne des Rundfunks 81
mit nicht ohne den Einfluss des Staates auf die Rundfunkordnung bestehen.62 Daher ist nicht jegliches Tätigwerden des Staates ausgeschlossen. Vielmehr kann zur Erreichung des Normziels – der Verwirklichung freier Meinungsbildung – ein staatliches Tätigwerden auch geboten sein, um bestimmenden Einfluss zum Beispiel gesellschaftlicher Kräfte zu verhindern. Solange der Staat zur Herstellung oder Erhaltung der Rundfunkfreiheit tätig wird, sind staatliche Maßnahmen nicht ausgeschlossen.63 Die Möglichkeiten des Staates sind allerdings insoweit zu unterbinden, als sie nicht der Wahrung der Rundfunkfreiheit dienen.64 So betont auch das Bundesverfassungsgericht, dass es „nicht um eine vollständige Freiheit des Rundfunks von jeglicher staatlicher Berührung [geht]; vielmehr ist eine weitgehende Staatsferne zur Verwirklichung der freien Meinungsbildung anzustreben.“65 Die Herleitung des Gebots aus den genannten Prinzipien könnte daher keine Antwort auf den Ausgestaltungsauftrag des Gesetzgebers finden.66 Aber auch unabhängig von letzterem Hinweis ist im Ergebnis die Herleitung aus dem Demokratieprinzip abzulehnen. Den Kommunikationsfreiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG ist der Zweck der Herstellung von Meinungsvielfalt zur Ermöglichung umfassender freier öffentlicher und individueller Meinungsbildung gemein. Dem Rundfunk kommt in diesem Prozess als Medium und Faktor der öffentlichen Meinungsbildung eine exponierte Stellung zu.67 Soll der Rundfunk diesem übergeordneten Zweck dienen, so setzt dies, neben der Vermeidung einseitigen Einflusses auf die öffentliche Meinungsbildung infolge der Zusammenballung publizistischer Macht,68 die Staatsferne des Mediums voraus. Wird die Meinungsvielfalt durch einseitige Einflussnahme staatlicher oder gesellschaftlicher Natur beeinträchtigt, kann der Rundfunk die gesamte Vielfalt der bestehenden Meinungen, das heißt ein gesellschaftsplurales Meinungsspektrum, nicht zum Ausdruck bringen.69 Das Gebot der Staatsferne des Rundfunks ist somit zum Schutze der Meinungsvielfalt darauf gerichtet, eine staatliche Beherrschung des Rundfunks zu verhindern und sichert insoweit das Pluralitätsgebot.70 62 So jüngst das BVerfG in BVerfGE 121, 30 (52) sowie zuvor BVerfGE 73, 118 (182); 90, 60 (88). 63 BVerfGE 121, 20 (52). 64 BVerfGE 73, 118 (182); 121, 30 (53). 65 BVerfGE 121, 30 (53). 66 Scheel, Zur Staatsfreiheit des Rundfunks, S. 34 ff. 67 Scheel, Zur Staatsfreiheit des Rundfunks, S. 33. 68 BVerfGE 57, 295 (323); 73, 118 (160); 97, 228 (258); 114, 371 (389). 69 BVerfGE 59, 231 (260); 73, 118 (183); 83, 238 (323f.); 90, 60 (89). 70 BVerfGE 73, 118 (190); 88, 25 (35 f.); 121, 30 (53); Dörr, ZUM 2000, 666 (668).
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2. Kap.: Das Gebot der Staatsferne des Rundfunks
Erachtet man die Grundlage des Gebots der Staatsferne des Rundfunks im Vielfaltsgebot, so wird die Gleichsetzung von staatlichen und gesellschaftlichen Gefährdungen der Rundfunkfreiheit angemahnt. Hinzu komme, dass das Gebot der Staatsferne in diesem Falle keine eigenständige normative Bedeutung habe.71 Zugegebenermaßen erscheint ein staatlicher Eingriff oftmals bedenklicher.72 Betrachtet man jedoch den Zweck der Kommunikationsfreiheiten, so kann es zum Schutze der Meinungsvielfalt keinen Unterschied zwischen staatlichen und gesellschaftlichen Gefährdungen für den Rundfunk geben.73 Auch der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht kann letztlich keine klare Rangordnung der Gefährdungspotentiale entnommen werden. Nach dem Wortlaut ist vielmehr von einer Gleichstellung auszugehen, wenn das Gericht von der Gefahr spricht, dass „der Rundfunk dem Staat oder einer gesellschaftlichen Gruppe ausgeliefert“ werde.74 Vor dem Hintergrund der immer stärker verzahnten und global agierenden Medienkonzerne scheint eine solche Differenzierung schließlich auch nicht angezeigt. So hat gerade auch die gescheiterte Fusion der Axel Springer AG und der Mediengruppe ProSiebenSat.1 Media AG gezeigt, dass das Bedürfnis der gesellschaftlichen Kräfte nach gesteigertem Einfluss auf die Bevölkerung nicht zu unterschätzen ist.75 Im Übrigen bedeutet die Herleitung des Gebots der Staatsferne aus dem Pluralitätsprinzip nicht, dass der Hoheitsträger bis diesseits der Beherrschungsgrenze auf Kommunikationsprozesse Einfluss nehmen könnten.76 Eine solche Annahme hätte zur Folge, dass man die subjektiv-rechtliche Komponente der Rundfunkfreiheit völlig außer Acht ließe und verkenne, dass Rundfunkfreiheit stets auch Programmfreiheit bedeute.77
VI. Resümee Das Gebot der Staatsferne des Rundfunks ist neben der subjektiv-rechtlichen Komponente der Rundfunkfreiheit aus dem Pluralitätsgebot herzuleiten. Im Rahmen der Erfassung der Ausprägungen des Gebots der Staatsferne ist zu berücksichtigen, dass es – wenn man dem Gebot eine bestimmte 71 Gersdorf,
Staatsfreiheit, S. 80. liegt auch der Ausformung des Art. 5 GG ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber dem Staat zugrunde, BVerfGE 57, 295 (320); 90, 60 (88); 121, 30 (52); Schneider-Freyermuth, ZUM 2000, 564 (565). 73 Scheel, Zur Staatsfreiheit des Rundfunks, S. 34. 74 BVerfGE 90, 60 (88) sowie zuletzt BVerfGE 121, 30 (52). 75 BVerfGE 119, 181 (216 f.). 76 Gersdorf, Staatsfreiheit, S. 80 f. 77 Dazu sogleich 2. Kapitel C. I. 72 So
B. „Staat“ im Sinne des Gebots der Staatsferne des Rundfunks 83
„Stoßrichtung“ geben möchte – der Verwirklichung der freien Meinungsbildung durch Vermittlung von Meinungsvielfalt dient und der Rundfunk aus diesem Grunde nicht dem Staat ausgeliefert werden darf.
B. „Staat“ im Sinne des Gebots der Staatsferne des Rundfunks Eng mit der Herleitung ist die Bestimmung der Adressaten des Gebots der Staatsferne des Rundfunks verknüpft, mithin der Frage, wer denn nun dem „Staat“ angehört. Wird das Gebot auch aus der subjektiv-rechtlichen Funktion der Rundfunkfreiheit abgeleitet und entfaltet es damit eine gegen den Staat im Sinne des Grundrechts gerichtete Abwehrfunktion, kann auch das Gebot der Staatsferne, das diese Funktion noch verstärkt, nur gegen die Grundrechtsverpflichteten gerichtet sein. Denn es wäre widersprüchlich, einer Rechts figur, die auch aus der Rundfunkfreiheit abgeleitet wird, einen anderen Staatsbegriff zugrunde zu legen als dem Grundrecht selbst.78 So hat auch das Bundesverfassungsgericht für die Hochschulen die Grundrechtsträgerschaft als ausreichende Gewähr dafür erachtet, das für die Veranstaltung von Rundfunk gebotene Maß an Staatsfreiheit zu sichern.79 Die Bestimmung der Adressaten des Gebots richtet sich daher nach Art. 1 Abs. 3 GG, der zwar nur ausdrücklich Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung der Grundrechtsbindung unterstellt, jedoch umfassend alle öffentliche Gewalt im Sinne des Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG erfasst.80 Grundrechtsverpflichtet ist auch die Staatsgewalt der Länder sowie die von Bund und Ländern eingerichteten öffentlich-rechtlichen Körperschaften, Stiftungen und Anstalten.81 Darüber hinaus binden die Grundrechte all diejenigen, die den genannten Gewalten zuzurechnen sind.82 Diese Prüfung richtet sich sodann nach den für Art. 1 Abs. 3 GG in Schrifttum und Rechtsprechung herausgearbeiteten Direktiven. Die Darstellung der Voraussetzungen der Zurechnung soll zurückgestellt werden, da im Rahmen der Prüfung der Adressatenstellung der Deutschen Telekom AG eine ausführliche Darstellung erfolgen wird. An 78 A. A. BVerfG, Urt. v. 25.3.2014 – 1 BvF 1/11, Rn. 57 ff., das eine funktionale Betrachtungsweise zugrunde legt. Siehe dazu 6. Kapitel C. I. 79 BVerfG, Beschl. v. 31.7.2007 – 1 BvR 946/07 = NVwZ 2007, 1304 (1305). 80 Starck, in: vMangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 1 III Rn. 221. 81 Starck, in: vMangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 1 III Rn. 221. 82 Dreier, in: ders., GG, Art. 1 III Rn. 65; Dederer, Staatsgewalt, S. 13, dort ausführlich zu den verschiedenen Möglichkeiten der Zurechnung.
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2. Kap.: Das Gebot der Staatsferne des Rundfunks
dieser Stelle soll daher für die weitere Prüfung lediglich festgehalten werden, dass die Bestimmung des Adressatenkreises des Gebots auf der Grundlage der Grundrechtsverpflichtung erfolgt.
C. Die Ausprägung des Gebots der Staatsferne des Rundfunks Die Ausprägungen des Gebots der Staatsferne des Rundfunks sind Gegenstand zahlreicher Beiträge in der Literatur. Ebenso hat sich auch die Rechtsprechung mit Inhalt und Reichweite der Staatsferne beschäftigt.83 Dennoch ist der Schutzbereich des Gebots nicht dergestalt, dass eine Darstellung das Gebot in allen Facetten darlegen könnte. Neben den feststehenden unüberwindbaren Grenzen staatlichen Einflusses sind es oftmals Fragen des Einzelfalls, die sich im Zusammenhang mit Inhalt und Reichweite des Gebots stellen. Das gilt insbesondere dann, wenn man das Gebot der Staatsferne des Rundfunk aus der rundfunkspezifischen Diversifikationsmaxime ableitet und folglich keine strikte Trennung von Rundfunk und Staat annimmt. Unter der Berücksichtigung der Gewährleistung von Meinungsvielfalt zur Sicherung der freien öffentlichen Meinungs- und Willensbildung sind daher Inhalt und Reichweite des Gebots, so wie es für den klassischen Rundfunk – mithin Fernsehen und Hörfunk – verstanden wird, herauszuarbeiten.
I. Der Inhalt des Gebots der Staatsferne des Rundfunks Die dargestellte Wahrung der Vermittlungsfunktion des Rundfunks für die öffentliche Meinungsbildung setzt die von Staat und Gesellschaft unbeeinflusste publizistische Tätigkeit der im Rundfunk beschäftigten Personen voraus. Die Rolle als Medium und Faktor kann der Rundfunk nur dann ausüben, wenn die publizistische Arbeit, das heißt die Tätigkeit der Redakteure und Journalisten, die Inhalte sowie deren Darstellungsweise und -zeitpunkt auswählen, unbeeinflusst erfolgt. Stünde dieser sensible und wichtige Prozess für die freie öffentliche Meinungsbildung unter der Kontrolle oder Aufsicht des Staates, so könnte dies zu Auswirkungen auf die Arbeit, insbesondere zu einem gewissen Anpassungsdruck führen.84 Rechtsprechung und Schrifttum sind sich daher einig, dass der Kern der Rundfunkfreiheit in der Programmfreiheit der Rundfunkveranstalter gesehen wird.85 Diese umfasst Auswahl, Inhalt und Gestaltung des Programms, 83 Zuletzt
BVerfG, Urt. v. 25.3.2014 – 1 BvF 1/11, Rn. 33 ff. Staatsfreiheit, S. 86. So auch BVerfGE 121, 30 (55). 85 BVerfGE 59, 231 (258); 95, 220 (234); 83, 238 (296); 90, 60 (87 ff.).; Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 I, II Rn. 213 (Erstbearbeitung); Degenhart, in: BK, 84 Gersdorf,
C. Die Ausprägung des Gebots der Staatsferne des Rundfunks 85
wobei der gesamte Prozess „von der Beschaffung der Information bis hin zur Verbreitung der Nachricht oder Meinung“ geschützt ist.86 Eine Differenzierung zwischen der Qualität oder der Art der Sendeinhalte insbesondere der Ausschluss der Unterhaltungselemente und der Werbung87 wird zu Recht abgelehnt.88 Zum einen kann vor dem Hintergrund der vielfältigen Formate im Rundfunk oft keine klare Trennung in Form einer Kategorisierung der Sendeinhalte vorgenommen werden.89 Zum anderen erscheint auch eine gegenüber der Pressefreiheit restriktivere Interpretation der Rundfunkfreiheit nicht nachvollziehbar.90 Schließlich kann auch hier wiederum auf die Funktion der Rundfunkfreiheit, öffentliche Meinungsbildung zu gewährleisten, verwiesen werden, die unter anderem auch kulturelle und unterhaltende Aspekte umfasst.91 Diese durch die Programmautonomie erfassten Tätigkeiten sind durch die Rundfunkfreiheit im Sinne eines umfassenden Verbots nicht nur staatlicher, sondern vor jedweder fremder Einflussnahme geschützt.92 Der Kern des Schutzes des Gebots der Staatsferne des Rundfunks liegt damit im Verbot staatlicher Dominanz von Vermittlungsinhalten. Das Prinzip findet damit immer dann Anwendung, wenn es um den Einfluss des Staates auf die programmschaffende und meinungsbildende Funktion des Rundfunks geht. Der Grundsatz ist daher programmakzessorischer Natur.93
Art. 5 I, II Rn. 733; Jarass, Die Freiheit der Massenmedien, S. 198 ff.; ders., Staatsfreiheit, S. 31; Badura, Rundfunkfreiheit und Finanzautonomie, S. 41 f.; Gersdorf, Staatsfreiheit, S. 86; Hesse, JZ 1997, 1083 (1086); Weber, Staatsmacht und Rundfunkfreiheit, S. 53; Klein, DÖV 1999, 758 (762); Schmitt Glaeser, AöR (112) 1987, 215 (242). 86 BVerfGE 10, 118 (121); 91, 125 (134); Degenhart, in: BK, Art. 5 I, II Rn. 734. 87 Hesse, Verfassungsrecht, § 12 Rn. 396; Jarass, Staatsfreiheit, S. 35. 88 So auch BVerfGE 12, 205 (260); Gersdorf, Staatsfreiheit, S. 87; Degenhart, in: BK, Art. 5 I, II Rn. 733, 676 ff.; Jarass, in: ders./Pieroth, GG, Art. 5 Rn. 37; Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 I, II Rn. 201 (Erstbearbeitung). 89 Gersdorf, Staatsfreiheit, S. 88. 90 Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 I, II Rn. 201 (Erstbearbeitung). 91 Siehe oben 2. Kapitel A. V. sowie Gersdorf, Staatsfreiheit, S. 87; StenderVorwachs, Staatsferne und Gruppenferne, S. 50 f. 92 BVerfGE 59, 231 (258). 93 Stettner, Rundfunkstruktur, S. 42 f.; Gersdorf, Staatsfreiheit, S. 86; Jarass, Staatsfreiheit, S. 31; Hoffmann-Riem, in: Benda/Maihofer, Hdb. d. Verfassungsrechts, § 7 Rn. 57, jeweils mit weiteren Nachweisen.
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2. Kap.: Das Gebot der Staatsferne des Rundfunks
II. Die Reichweite des Gebots der Staatsferne des Rundfunks Die Reichweite des Gebots steht in engem Zusammenhang mit der Herleitung desselben. Geht man von der Annahme aus, dass das Gebot dogmatisch im Demokratieprinzip zu verorten ist, so ist eine Einflussnahme jedweder Art durch staatliche Organe ausgeschlossen. Es wird insoweit dann von einem „Einmischungs- und Beeinträchtigungsverbot“ auf die publizistische Tätigkeit gesprochen.94 Wie jedoch bereits dargestellt wurde, ist die Deduktion des Gebots aus dem rundfunkspezifischen Vielfaltsgebot vorzuziehen, was für seine Reichweite zur Folge hat, dass – was allerdings noch zu präzisieren ist – nicht jedweder Einfluss des Staates unzulässig ist.95 Einige sprechen daher von einem staatsgerichteten Auslieferungs- oder Beherrschungsverbot.96 Für die Bestimmung der sachlichen Reichweite ergibt sich unter Zugrundelegung dieser Ansicht in Rechtsprechung und Literatur dennoch kein einheitliches Bild. Ist auch nach dieser Ansicht die unmittelbare Einwirkung des Staates auf das Programm nach dem Gebot der Staatsferne des Rundfunks unumstritten ausgeschlossen, bestehen bei den mittelbaren, indirekten Einwirkungsmöglichkeiten unterschiedliche Ansichten, die es im Folgenden aufzuzeigen gilt. 1. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Das Bundesverfassungsgericht hat in seinen Rundfunkentscheidungen oftmals zur Reichweite des Gebots Stellung bezogen. Auf den ersten Blick scheint das Bundesverfassungsgericht dabei sprachlich sowohl ein striktes Einmischungsverbot als auch ein Beherrschungsverbot anzunehmen. So fordert das Gericht im ersten Rundfunkurteil, dass der Rundfunk als modernes Instrument der Meinungsbildung weder dem Staat noch einer gesellschaftlichen Gruppe ausgeliefert werden dürfe. Dies bedeute aber jedenfalls nicht, dass Vertretern des Staates in den Organen der von ihm unabhängigen Rundfunkanstalten kein angemessener Einfluss eingeräumt werden dürfe. Ausgeschlossen sei nur, dass der Staat unmittelbar oder mit94 So Gersdorf, Staatsfreiheit, S. 91 ff.; ders., Grundzüge des Rundfunkrechts, S. 61 f. 95 So auch ausdrücklich BVerfG, Urt. v. 25.3.2014 – 1 BvF 1/11, Rn. 44. 96 Scheel, Zur Staatsfreiheit des Rundfunks, S. 36 f.; Ossenbühl, Rechnungsprüfung, S. 35 ff.; Herrmann, Fernsehen und Hörfunk, S. 248; Ricker, Privatrundfunkgesetze, S. 33; Berendes, Staatsaufsicht, S. 100 ff.; Lerche, Landesbericht, S. 75 ff.; Stender-Vorwachs, Staatsferne und Gruppenferne, S. 39 f.; Hesse, Rundfunkrecht, S. 64 f.; Stettner, Rundfunkstruktur im Wandel, S. 42 f.
C. Die Ausprägung des Gebots der Staatsferne des Rundfunks 87
telbar eine Anstalt oder Gesellschaft, die Rundfunk veranstaltet, beherrsche.97 Das Auslieferungsverbot greift das Gericht auch im Mehrwertsteuerurteil auf und konkretisiert dieses dahingehend, dass es auf alle Teile der Entstehung eines Sendeprogramms Anwendung finde.98 Hingegen spricht das Gericht im weiteren Verlauf davon, dass der Rundfunk als „Sache der Allgemeinheit“ in voller Unabhängigkeit überparteilich betrieben und von jeder Beeinflussung freigehalten werden müsse.99 Dies bedeute für die Gesetz gebung der Länder, dass die Verbreitung von Nachrichten und Darbietungen durch das Medium staatsfrei100 zu erfolgen habe, was als striktes Ein mischungsverbot des Staates gewertet werden könnte. Raum für den noch im ersten Rundfunkurteil eingeräumten angemessenen staatlichen Einfluss bleibt damit nicht. In einem weiteren Beschluss, der die freie Mitarbeit im Rundfunk betraf, legte das Bundesverfassungsgericht die Rundfunkfreiheit ganz allgemein als „Programmfreiheit im Sinne eines Verbots nicht nur staatlicher, sondern jeder fremden Einflußnahme auf Auswahl, Inhalt und Ausgestaltung der Programme“ aus.101 Diese Interpretation wird sodann dahin konkretisiert, dass die Rundfunkfreiheit auch die Freiheit gewährleiste, „frei von fremdem, insbesondere staatlichem Einfluß, über die Auswahl, Einstellung und Beschäftigung der Rundfunkmitarbeiter zu bestimmen.“102 Das Gericht bestätigt daher die Annahme, dass der Programmbereich und die in ihm tätigen Personen frei von staatlicher Beeinflussung bleiben müssen, geht mithin von einem strikten Einflussverbot aus. Ein extensives Verständnis des Gebots scheint das Gericht im FRAGUrteil zugrunde zu legen. So verlange die freie individuelle und öffentliche Meinungsbildung durch den Rundfunk die Freiheit desselben von staatlicher Beherrschung und Einflussnahme.103 Das zuvor im Mehrwertsteuerurteil statuierte Auslieferungsverbot wird lediglich auf die gesellschaftlichen Gruppen erstreckt.104 Im Niedersachsen-Urteil wird zunächst auf die bestehende Rundfunkrechtsprechung Bezug genommen. In diesem Rahmen fordert das Gericht 97 BVerfGE
12, 205 (262 f.). 31, 314 (325 f.). 99 BVerfGE 31, 314 (327). 100 BVerfGE 31, 314 (329). 101 BVerfGE 59, 231 (258). 102 BVerfGE 59, 231 (260). 103 BVerfGE 57, 295 (320). 104 BVerfGE 57, 295 (322). 98 BVerfGE
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2. Kap.: Das Gebot der Staatsferne des Rundfunks
die Freiheit des Rundfunks von staatlicher Beherrschung oder Einflussnahme105, was insoweit widersprüchlich erscheint, als es eine klare Festlegung der Reichweite des Gebots ausschließt. Man wird daher wohl von einer sprachlichen Ungenauigkeit auszugehen haben. Denn im weiteren Verlauf nimmt das Gericht erstmals ausführlich zum – zunächst so bezeichneten – Grundsatz der Staatsfreiheit Stellung.106 So seien zwar staatliche Maßnahmen zur Herstellung oder Erhaltung der Rundfunkfreiheit nicht ausgeschlossen. Dem Gesetzgeber und der Exekutive sei aber jegliche Einflussnahme auf den Rundfunk versagt. Dieser Ausschluss wird jedoch sogleich auf alle Einflüsse, die die Programmfreiheit unmittelbar aber auch mittelbar beeinträchtigen können, begrenzt.107 An anderer Stelle wird in Bezug auf die Zulassung von politischen Parteien zum privaten Rundfunk von dem Gesichtspunkt der Staatsferne und Überparteilichkeit des Rundfunks und später im Kontext mit juristischen Personen des öffentlichen Rechts von der Staatsfreiheit des Rundfunks gesprochen.108 Eine klare Linie gibt es in diesem Urteil nicht. Im Baden-Württemberg-Beschluss äußert sich das Gericht im Rahmen der Darstellung der bisher erfolgten Ausgestaltung der Rundfunkordnung ausdrücklich nur dahingehend, dass die dienende Freiheit des Rundfunks eine staatliche Beherrschung und Einflussnahme ausschließe.109 Jedoch nimmt das Gericht abermals Stellung zur Programmfreiheit. So müsse verhindert werden, dass sich der Gesetzgeber über die Art und den Umfang der Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Einfluss auf die Gestaltung oder den Inhalt von Programmen verschaffe.110 Damit nimmt das Gericht letztlich eine inhaltliche Beschreibung des Gebots vor.111 Das siebte Rundfunkurteil geht zunächst wieder auf das Auslieferungsgebot ein, spricht im Folgenden aber von der Verletzung des Gebots der Staatsfreiheit des Rundfunks. Dieses Gebot füllt das Gericht dann in der Weise aus, dass es in erster Linie die Staatsfreiheit der Berichterstattung bedeute. Der Rundfunk müsse seine Medium- und Faktor-Funktion unbeeinflusst vom Staat ausüben können. Einfluss auf Auswahl, Inhalt und Gestaltung der Programme dürften diesem daher nicht eingeräumt werden, wobei wiederum unmittelbare als auch mittelbare Programmeinflüsse ausgeschlos105 BVerfGE 106 BVerfGE 107 BVerfGE 108 BVerfGE 109 BVerfGE 110 BVerfGE
111 Wilhelmi,
73, 118 (152). 73, 118 (152, 191). 73, 118 (182 f.). 73, 118 (190 f.). 74, 297 (324). 74, 297 (342). Verfassungsrechtliche Probleme, S. 185.
C. Die Ausprägung des Gebots der Staatsferne des Rundfunks 89
sen werden.112 Das Urteil knüpft damit in Bezug auf Programmfreiheit und deren Schutz an das Niedersachsen-Urteil an. Im Rundfunkgebührenurteil I scheint das Bundesverfassungsgericht dem Gebot eine ähnliche Richtung wie im ersten Rundfunkurteil zu geben. So müsse der Rundfunk vor der Indienstnahme für außerpublizistische Zwecke bewahrt werden.113 Eine solche Indienstnahme durch unmittelbare und mittelbare Beeinflussung der Programmfreiheit drohe dabei sowohl von staatlichen als auch gesellschaftlichen Kräften. Der Rundfunk dürfe daher weder dem Staat noch gesellschaftlichen Kräften ausgeliefert werden. Gegen die Gängelung der Kommunikationsmedien durch den Staat hätten sich die Kommunikationsgrundrechte ursprünglich gerichtet, und in der Abwehr staatlicher Kontrolle fänden sie auch heute noch ihr wichtigstes Anwendungsfeld. Insoweit bestehe auch ein Beherrschungsverbot. Das Gebot erschöpfe sich darin jedoch nicht. Vielmehr müsse jede politische Instrumentalisierung des Rundfunks ausgeschlossen werden, was neben der unmittelbaren Lenkung auch die subtileren Mittel indirekter Lenkung beinhalte.114 Einflussmöglichkeiten auf die publizistische Tätigkeit sollten so weit wie möglich ausgeschaltet werden.115 Im Urteil zur Rundfunkfähigkeit politischer Parteien wiederholt das Gericht die Aussagen zur Reichweite des Gebots, welche im Rundfunkgebührenurteil I aufgestellt worden sind.116 Darüber hinaus wird jedoch ausdrücklich festgestellt, dass kein absolutes Trennungsgebot zwischen Staat und Rundfunk bestehe. Es gehe nicht um eine vollständige Freiheit des Rundfunks von jeglicher staatlicher Berührung, es sei lediglich eine weitgehende Staatsferne zur Verwirklichung der freien Meinungsbildung anzustreben117 und ein bestimmender Einfluss auf die Programmgestaltung oder Programminhalte auszuschließen.118 Das Gericht ordnet im Folgenden die so verstandene Reichweite sprachlich dem Grundsatz der Staatsfreiheit zu,119 betont jedoch, dass es sich inhaltlich eher um ein System der Staatsferne handele.120 Im Hinblick auf die Organisation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks hat das Bundesverfassungsgericht in seinem jüngsten Rundfunkurteil kons112 BVerfGE 113 BVerfGE 114 BVerfGE 115 BVerfGE 116 BVerfGE 117 BVerfGE 118 BVerfGE 119 BVerfGE
120 BVerfGE
83, 238 (322 ff.). 90, 60 (87). 57, 295 (320); 90, 60 (88); 90, 60 (88); 121, 30 (52). 90, 60 (89). 121, 30 (52 f., 61). 121, 30 (53). 121, 30 (58, 60 f., 63). 121, 30 (59, 61, 66). 121, 30 (67).
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2. Kap.: Das Gebot der Staatsferne des Rundfunks
tatiert, dass das Gebot der Staatsferne „zuvörderst eine politische Instrumentalisierung des Rundfunks verhindern“ solle.121 Das Gericht geht insoweit von einem „Instrumentalisierungsverbot“122 aus, welches nicht darauf abzielt, „die Zusammensetzung der Rundfunkanstalten völlig oder möglichst weitgehend staatsfrei auszugestalten.“123 Vielmehr sei eine gewisse und auch nicht nur völlig marginalisierte Mitwirkung von staatlichen Vertretern zulässig.124 Das Gericht setzt damit seine Rechtsprechung fort, die einen bestimmenden staatlichen Einfluss auf die Programmgestaltung auszuschließen sucht.125 Im Folgenden soll daher von dem Gebot der Staatsferne des Rundfunks gesprochen werden, wenngleich erst die detaillierte Darstellung der Ausgestaltung des Gebots zeigen wird, dass der Begriff der Staatsferne dem Inhalt des Gebots besser als der der Staatsfreiheit entspricht. 2. Sonstige Rechtsprechung Im Rahmen einer Klage einer evangelisch-lutherischen Landeskirche gegen die Wahl der vom Land Schleswig-Holstein zu bestimmenden Mitglieder des Rundfunkrates des NDR nahm das OVG Lüneburg zur Reichweite des Gebots grundlegend Stellung. Die Klägerin machte u. a. die Missachtung von rechtlichen Vorschriften geltend.126 So sah § 8 des NRD-Staatsvertrags127 vor, dass für das Land Schleswig-Holstein maximal zwei staatliche Vertreter im Rat vertreten sein sollten. Tatsächlich wurden jedoch vier Landtagsmitglieder gewählt. Das Gericht verwies auf eine verfassungskonforme Auslegung des § 8 NDR-Staatsvertrags im Lichte des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG und berief sich auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im ersten Rundfunkurteil. Das Gebot der Staatsfreiheit des Rundfunks erfordere, dass den Staatsorgangen selbst kein entscheidender oder beherrschender Einfluss innerhalb der Rundfunkorganisation eingeräumt werde.128 Dieses Gebot ließe sich jedoch nur dann erfüllen, wenn im Rundfunkrat die Vertreter des Staates in der Minderheit blieben. Möglich sei dies aber nur dann, wenn die Höchstzahlregelungen für die am NDR beteiligten Länder 121 BVerfG,
Urt. v. 25.3.2014 – 1 BvF 1/11, Rn. 47. Urt. v. 25.3.2014 – 1 BvF 1/11, Rn. 47. 123 BVerfG, Urt. v. 25.3.2014 – 1 BvF 1/11, Rn. 44. 124 BVerfG, Urt. v. 25.3.2014 – 1 BvF 1/11, Rn. 44. 125 BVerfG, Urt. v. 25.3.2014 – 1 BvF 1/11, Rn. 43; BVerfGE 121, 30 (58, 60 f., 63); 83, 238 (330). 126 OVG Lüneburg, Urt. v. 29.8.1978 = DÖV 1979, 170 ff. 127 NDR-Staatsvertrag v. 16.2.1955, GVOBl. Schl.-H., S. 92 ff. 128 OVG Lüneburg, Urt. v. 29.8.1978 = DÖV 1979, 170. 122 BVerfG,
C. Die Ausprägung des Gebots der Staatsferne des Rundfunks 91
auch eingehalten würden. Denn den Ländern komme mit Blick auf die Wirkungen des Art. 5 GG kein Ermessen im Rahmen des § 8 NDR-Staatsvertrags zu.129 Das OVG Lüneburg hatte sich damit an dem noch im ersten Rundfunkurteil statuierten Auslieferungs- und Beherrschungsverbot orientiert. Das Verwaltungsgericht Hamburg nahm drei Jahre später zur Zusammensetzung des NDR-Verwaltungsrats Stellung und orientierte sich in seinem Urteil an den vom OVG Lüneburg aufgestellten Grundsätzen, die – so das VG – auch für den Verwaltungsrat gelten müssten.130 Für die Zusammensetzung des Verwaltungsrats sei daher zu berücksichtigen, dass dem Staat innerhalb dieses Gremiums kein beherrschender Einfluss zukommen dürfe.131 Dabei müsse man auch bedenken, dass der NDR-Verwaltungsrat besonders einflussreich sei, entscheide er doch mit Zustimmung des Rundfunkrats über die Wahl und Entlassung des Intendanten. Zudem überwache er die Wahrung der Programmgrundsätze sowie über sein Aufsichtsrecht wirtschaftliche und technische Belange. Er habe damit wichtige Wahl- und Aufsichtsfunktionen, die zur Einflussnahme auf die Programmfreiheit führten.132 Ebenso nahm auch der Bayerische Verfassungsgerichtshof im Rahmen einer Popularklage gegen die Regelungen über die Zusammensetzung des ZDF-Verwaltungsrates ein Dominanzverbot des Staates an.133 Der Rundfunk dürfe weder dem Staat noch einer gesellschaftlichen Gruppe ausgeliefert werden. Ein von staatlichen Organen veranstalteter, beherrschter oder kon trollierter Rundfunk sei unzulässig, wobei dem Staat aber nicht jede Mitwirkung in den internen Kontrollgremien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks verwehrt werden könne. Maßgeblich sei der Ausschluss der Dominanz des Staates. Die bayerische Verfassung (Art. 111a Abs. 1 S. 1) gewährleiste daher eine „Staatsunabhängigkeit“ des Rundfunks oder statuiere ein „Verbot der Staatsnähe“.134 Somit interpretiert auch der Bayerische Verfassungsgerichtshof das Gebot nicht als striktes Einmischungsverbot des Staates. Auch wenn das Gericht sprachlich den Ausschluss der Dominanz des Staates betont, so scheint dies doch inhaltlich dem vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Beherrschungs- oder Auslieferungsverbot zu entsprechen. In einer früher ergangenen Entscheidung zur Vereinbarkeit des Gesetzes über die Erprobung und Entwicklung neuer Rundfunkangebote und anderer 129 OVG
Lüneburg, Urt. v. 29.8.1978 = DÖV 1979, 170 f. Hamburg, Urt. v. 8.2.1979 = DVBl. 1980, 491. 131 VG Hamburg, Urt. v. 8.2.1979 = DVBl. 1980, 491 (492). 132 VG Hamburg, Urt. v. 8.2.1979 = DVBl. 1980, 491 (493). 133 BayVerfGH, Entsch. v. 16.2.1989 = BayVerfGHE 42, 11 = NJW 1990, 311. 134 BayVerfGH, Entsch. v. 16.2.1989 = BayVerfGHE 42, 11 (18) = NJW 1990, 311 (313). 130 VG
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2. Kap.: Das Gebot der Staatsferne des Rundfunks
Mediendienste in Bayern (MEG) mit der Bayerischen Verfassung sprach der Bayerische Verfassungsgerichtshof in Bezug auf die Zusammensetzung des Medienrates der Bayerischen Landesmedienanstalt von dem Verbot eines unangemessen starken staatlichen Einflusses auf das Organ, ging mithin ebenfalls von einem Beherrschungsverbot aus.135 Sprachlich zum Ausdruck brachte ein solches Beherrschungsverbot der Bayerische Verwaltungsgerichtshof. Zwar sei in der Festsetzung der Rundfunkgebühr durch den Staat eine Verletzung von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG zu sehen, der Gerichtshof fügte dem jedoch hinzu, dass sich der Staat nicht vollends aus diesem Bereich zurückziehen müsse, sondern nur ein Beherrschungsverbot gelte.136 Auch der Thüringer Verfassungsgerichtshof hatte sich im Rahmen einer abstrakten Normenkontrolle mit der Zusammensetzung eines Rundfunkrats zu beschäftigen.137 Auch hier war die mit dem Gebot der Staatsferne zu vereinbarende Anzahl staatlicher Vertreter (hier im MDR-Rundfunkrat) zu klären. Das Verfassungsgericht stellte zunächst fest, dass das Gebot der Staatsferne des Rundfunks der Programmgestaltungsseite des Rundfunkbetriebs gelte, es aber nicht die Präsenz der Staatsseite in den Aufsichtsgremien verbiete. Diese Präsenz müsse lediglich angemessen und begrenzt sein, um einen mittelbaren oder unmittelbaren Einfluss auf die Programmgestaltung zu verhindern.138 Das Gericht, welches in den Leitsätzen von einem „Gebot der Staatsferne“ spricht139, stellt deutlicher als die übrige Rundfunkrechtsprechung heraus, dass man nicht ein für das gesamte Rundfunkwesen geltendes absolutes Verbot des Staatseinflusses annehmen kann. Vielmehr lässt sich hier schon festhalten, dass die zulässige Staatsnähe mit der Möglichkeit der Einflussnahme staatlicher Organe auf die publizistische Tätigkeit in Zusammenhang steht. 3. Zwischenresümee Bereits die dargestellte Rechtsprechung zeigt, dass die Reichweite des Gebots sowohl sprachlich als auch inhaltlich divergierend interpretiert wird. So verwendet selbst das Bundesverfassungsgericht innerhalb ein und desselben Urteils verschiedene Begrifflichkeiten. Soweit man lediglich eine Aus135 BayVerfGH, Entsch. v. 21.11.1986 = AfP 1987 394 (403) = BayVerfGHE 39, 96 (154 ff.). 136 BayVGH, Beschl. v. 6.7.1988 = BayVBl. 1988, 685 ff. 137 ThürVerfGH, Urt. v. 19.6.1998 = ZUM-RD 1998, 394. 138 ThürVerfGH, Urt. v. 19.6.1998 = ZUM-RD 1998, 394 (400 f.). 139 ThürVerfGH, Urt. v. 19.6.1998 = ZUM-RD 1998, 394, Leitsatz 4.
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legung nach dem Wortlaut heranzieht, stehen sich diese Begrifflichkeiten dann auch in widersprüchlicher Weise gegenüber. Daneben scheint das Gericht einmal von einem Gebot der Staatsferne auszugehen, das als Beherrschungs- und Auslieferungsverbot aufgefasst werden kann.140 Andere Urteile hingegen erwecken den Eindruck, das Gericht ginge von einem strikten Einmischungsverbot aus.141 Die sonstige Rechtsprechung nimmt dagegen recht einheitlich eine restriktive Interpretation im Sinne eines Beherrschungs-, Auslieferungs- oder Dominanzverbots vor.142 Diese auf den ersten Blick sehr unterschiedliche Interpretation der Reichweite des Gebots kann jedoch relativiert werden, wenn man die Aussagen der Gerichte dem inhaltlichen Kontext, in dem sie getätigt werden, zuordnet. So hat gerade die Rechtsprechung des Thüringer Verfassungsgerichtshofs darauf verwiesen, dass es bei der Reichweite des Gebots entscheidend auf die Gefahr des staatlichen Einflusses auf die Programmfreiheit als Kern der Rundfunkfreiheit ankommt.143 Nicht jede staatliche Betätigung im Rundfunkwesen verwirklicht jedoch diese Gefahr in gleicher Weise. Die vorzunehmende „Abstufung“ zeigt sich auch in Ansätzen in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Der Staat organisiere, konzessioniere, beaufsichtige und finanziere den Rundfunk und versehe diesen mit Übertragungskapazitäten. Damit eröffneten sich für den Staat Einflussmöglichkeiten auf die publizistische Tätigkeit, welche jedoch so weit wie möglich auszuschließen seien. Dies gelte neben den einmaligen Einrichtungs- und Ausgestaltungsakten insbesondere für die wiederkehrenden Maßnahmen der Ausstattung und Beaufsichtigung.144 So nimmt auch das Bundesverfassungsgericht zumindest keine einheitliche Reichweite des Gebots für alle staatlichen Einwirkungen an. Um den Eindruck einer antagonistischen Rechtsprechung zu widerlegen, soll die Rechtsprechung anhand der wesentlichen Einwirkungsmöglichkeiten des Staates auf den Rundfunk dargestellt werden. Daneben wird auf Parallelen und Differenzen mit dem rundfunkrechtlichen Schrifttum verwiesen.
140 BVerfGE 12, 205 (262 f.); 31, 314 (325); 73, 118 (183 ff.); 83, 238 (322 ff.); 90, 60 (87 f.); 121, 30 (52, 61); BVerfG, Urt. v. 25.3.2014 – 1 BvF 1/11, Rn. 44, 47. 141 BVerfGE 31, 314 (327, 329); 57, 295 (320); 74, 297 (324). 142 OVG Lüneburg, Urt. v. 29.8.1978 = DÖV 1979, 170 f.; BayVerfGH, Entsch. v. 16.2.1989 = NJW 1990, 311 (313); ThürVerfGH, Urt. v. 19.6.1998 = ZUM-RD 1998, 394 (400 f.). 143 ThürVerfGH, Urt. v. 19.6.1998 = ZUM-RD 1998, 394 (400). 144 BVerfGE 90, 60 (88 f.). Anklingend in BVerfGE 73, 118 (182 ff.).
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2. Kap.: Das Gebot der Staatsferne des Rundfunks
4. Die Reichweite dargestellt an staatlichen Einwirkungsmöglichkeiten a) Die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Gerade die jüngere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat sich ausführlich mit der Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten beschäftigt und hat damit auch eine gewisse Klarheit für eine rundfunkpolitische Diskussion, die sich um das Dilemma zwischen der Staatsferne des Rundfunks und der letztlich vom Gesetzgeber zu bestimmenden angemessenen Höhe der Rundfunkgebühr rankte, gebracht.145 aa) Rechtsprechung In den beiden grundlegenden Rundfunkgebührenurteilen hat das Bundesverfassungsgericht zunächst einmal festgehalten, dass die Rundfunkgebührenfestsetzung ein besonders wirksames Mittel zur indirekten Einflussnahme auf die Programmfreiheit ist.146 Das Gebot der Staatsferne des Rundfunks fordere daher auch die Staatsfreiheit bei der Gebührenfestlegung. Im Kern müsse gewährleistet werden, dass der Einfluss des Staates über die Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten auf die Programmgestaltung ausgeschlossen werde. Das Gericht teilt damit einer alleinigen Gebührenfestsetzung durch die Landtage eine Absage. Ebenso sei jedoch aufgrund der medienpolitischen Bedeutung der Gebührenentscheidung eine anstaltsautonome Gebührenfestsetzung ausgeschlossen, denn diese berücksichtige die Interessen der Rundfunkteilnehmer nicht in ausreichender Weise.147 Ferner könnten die Anstalten – so das Bundesverfassungsgericht – auch nicht völlig frei in ihrer Entscheidung sein, da dies unter Umständen zu einer Ausweitung ihres Bedarfs über den Rahmen des Funktionsnotwendigen hinaus führen würde.148 Um dieser Spannungslage – namentlich der Staatsferne des Rundfunks und Staatsverantwortung für den Rundfunk – gerecht zu werden, sei der Gesetzgeber zunächst einmal für die Ausübung des ihm zustehenden me dienpolitischen Gestaltungsspielraums auf die allgemeine Rundfunkgesetzgebung beschränkt, über die er im Rahmen der Programmfreiheit die Funk145 U. a. Theurer, Länder wollen Erhöhung der Rundfunkgebühr verschieben, FAZ v. 7.1.2004; Müller, Streit um die Rundfunkgebühren, FAZ v. 1.5.2007; Kerscher, Machtkampf um 21 Cent, SZ v. 2.5.2007; Gröpl, DÖV 2006, 105 (108). 146 BVerfGE 90, 60 (93). 147 BVerfGE 90, 60 (92 f.); 119, 181 (223); so auch schon Badura, Rundfunkfreiheit und Finanzautonomie, S. 73 ff. 148 BVerfGE 119, 181 (219).
C. Die Ausprägung des Gebots der Staatsferne des Rundfunks 95
tion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks festlegen und den Finanzbedarf so in abstrakter Weise begrenzen könne.149 Über diese Trennung hinaus hält das Gericht vor dem Hintergrund des Gebots der Staatsferne zusätzlich noch ein gestuftes Verfahren für erforderlich. In dessen Rahmen muss zum einen die KEF als sachverständiges Kontrollgremium rundfunk- und politikfrei zusammengesetzt sein.150 Zum anderen zeigt sich die bei der Gebührenfestsetzung gebotene Staatsferne des Rundfunks auf der dritten Stufe des Verfahrens. Verbleibt die Letztentscheidungsbefugnis über die Gebührenfestsetzung151 beim Gesetzgeber, darf sie nicht zu einer politischen Entscheidung der Regierungschefs und Länderparlamente werden.152 Abweichungen vom Vorschlag der KEF sind daher nur insoweit zulässig, als sie vor der Rundfunkfreiheit Bestand haben. Namentlich kommen insoweit nur Gesichtspunkte des Informationszugangs sowie der angemessenen Belastung der Rundfunkteilnehmer in Betracht.153 Für die Reichweite des Gebots der Staatsferne des Rundfunks kann daher festgehalten werden, dass im Rahmen der Finanzierung des öffentlichrechtlichen Rundfunks staatlicher Einfluss nach der Rechtsprechung nicht generell unvereinbar mit dem Gebot ist. Ausgeschlossen sind lediglich staatliche oder parteipolitische Einflüsse auf die Programmgestaltung. bb) Schrifttum Die Zulässigkeit gesetzgeberischen Einflusses auf die Gebührenfestsetzung, soweit er keine Auswirkungen auf die Programmfreiheit hat, wird im Schrifttum nicht bezweifelt.154 Schließt sich wohl die Mehrheit des Schrifttums der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts an,155 so existieren auch Stimmen, die diese 149 BVerfGE
119, 181 (221 f.). 90, 60 (103); 119, 181 (225). 151 Siehe auch zu den Urteilen 1. Kapitel J. II. 2. sowie K. 152 BVerfGE 90, 60 (98); 119, 181 (227). 153 BVerfGE 90, 60 (103 f.); 119, 181 (227). Zur Festsetzung der Rundfunkgebühr: Mohr, Legitimationsdefizite, S. 81 ff. 154 Krausnick, Rundfunksystem, S. 69; Badura, Rundfunkfreiheit und Finanzauto nomie, S. 61, 70; Dörr, Staatsferne und Zusammensetzung, S. 14 ff.; Ricker, NJW 1994, 2199 ff.; Wieland, Lokalrundfunkfinanzierung, S. 56; Scheel, Gebührenfestsetzung, S. 197; Oppermann, JZ 1994, 499 (500); Degenhart, in: BK, Art. 5 I, II Rn. 811. Siehe speziell zu den Problemen im Zusammenhang mit dem Demokratieprinzip, Mohr, Legitimationsdefizite, S. 153 ff. 155 Dörr, Staatsferne und Zusammensetzung, S. 14 ff.; Ricker, NJW 1994, 2199 ff.; Dörr, JuS 2008, 544 ff.; Ory, AfP 2007, 401 (406) sowie Müller-Terpitz, in: Verfas150 BVerfGE
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2. Kap.: Das Gebot der Staatsferne des Rundfunks
gänzlich ablehnen und den Staatseinfluss (noch) weiter reduzieren wollen, indem die Länder die Vorschläge der KEF uneingeschränkt umzusetzen hätten oder ein Abweichen in kaum denkbaren Fällen möglich sei.156 Zum Teil wird im Schrifttum auch ein weitgehenderer Einfluss des Gesetzgebers auf die Gebührenfestsetzung für zulässig erachtet. Ist es dem Gesetzgeber nach der Rechtsprechung verwehrt, aufgrund der allgemeinen wirtschaftlichen Lage, die sich nicht unmittelbar auf die finanzielle Lage der Gebührenzahler auswirkt, vom Vorschlag der KEF abzuweichen,157 so wird in der Literatur vertreten, dass es dem Rundfunkgesetzgeber zustehe, in Zeiten wirtschaftlicher Rezession von den Rundfunkanstalten Einsparungen quantitativ-struktureller Art zu verlangen.158 In Betracht zu ziehen sei auch eine Abweichung aus Gründen, die die duale Rundfunkordnung gefährden könnten. Eine Gebührenfestsetzung dürfe auch nicht dazu führen, dass die Veranstaltung von privatem Rundfunk nicht mehr geleistet werden könne, denn auch die Funktionsfähigkeit des privaten Rundfunks ist durch den Gesetzgeber zu wahren bzw. darf nicht unmöglich gemacht werden. Es sei daher legitim, wenn der Gesetzgeber bei der Gebührenfestsetzung auch die Funktionsfähigkeit des privaten Rundfunks innerhalb des dualen Rundfunksystems berücksichtige.159 Einige gestehen dem Gesetzgeber auch Abweichungen aufgrund der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung bzw. der Entwicklung der öffentlichen Haushalte zu.160 Darüber hinaus seien die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Abweichungsgründe des Gesetzgebers ohne eine programmbezogene Wertung nicht umsetzbar.161 Im Ergebnis ist zu konstatieren, dass im Schrifttum ein vielfältiges Bild im Hinblick auf die Einflussmöglichkeiten des Gesetzgebers bei der Gebührenfestsetzung existiert. So ist eine einheitliche Linie kaum auszumachen. Vielmehr variieren die Ansichten, wenn es um die Frage der zulässigen Abweichungsmöglichkeiten geht.
sungsrechtsprechung, S. 843 f.; siehe auch die Darstellung bei Scheel, Gebührenfestsetzung, S. 108 f. 156 Hümmerich, AfP 1996, 25 (30); Frank, KritJ 1995, 77 (79) sowie Scheel, Gebührenfestsetzung, S. 109 f. m. w. N. 157 BVerfGE 119, 181 (227). 158 Gröpl, DÖV 2006, 105 (110 ff.). 159 Huber, in: Die Macht der Medien, S. 90 f. 160 Degenhart, Anhörung vor dem Ausschuss für Wissenschaft und Hochschule, Kultur und Medien des Sächsischen Landtages am 3.2.2005; Degenhart, SächsVBl. 2005, 129 (132). 161 Degenhart, in: BK, Art. 5 I, II Rn. 811.
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cc) Resümee Geht das Bundesverfassungsgericht in seiner Rechtsprechung davon aus, dass dem Staat nur ein geringer Einfluss bei der Gebührenentscheidung über die begrenzte Anzahl der Abweichungsmöglichkeiten zukommen soll, so ist im Schrifttum kaum eine einheitliche Ansicht auszumachen. Dennoch wird bis auf einige wenige, die das Gebührensystem in Gänze bezweifeln,162 die Teilnahme des Staates an der Gebührenfestsetzung an sich nicht in Frage gestellt. Die KEF als sachverständiges Gremium, welches die Bedarfsanmeldung der Rundfunkanstalten auf die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sowie auf die Vereinbarkeit mit dem Programmauftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten überprüft, muss dabei rundfunkund politikfrei zusammengesetzt sein.163 Mit dieser Institution ist ein Gremium geschaffen, welches die Spannungslage zwischen Staatsferne und Staatsverantwortung wohl noch am ehesten auflösen kann. Solange die KEF nicht zu einem bloßen Hilfsorgan der Politik ohne jeden Einfluss avanciert, sind die dem Gesetzgeber durch das Bundesverfassungsgericht zugebilligten Einflussmöglichkeiten zu akzeptieren. Weitergehende Rechte der Legislative im Verfahren der Gebührenfestsetzung würden hingegen zu einer Aufweichung der Kompetenzen der KEF führen und das Gebot der Staatsferne des Rundfunks aufweichen. Denn bei Etablierung weiterer Abweichungsmöglichkeiten steigt zugleich die Gefahr, dass der Staat über den „goldenen Zügel“ der Finanzierung doch Einfluss auf die Programmgestaltung gewinnen kann. Die im Schrifttum genannten weiteren Abweichungsmöglichkeiten sind daher abzulehnen. b) Die rundfunkrechtliche Frequenzoberverwaltung Grundlage der Veranstaltung von Rundfunk und damit der Ausübung der Rundfunkfreiheit ist die Zuteilung von Frequenzen.164 Wird die Vergabe dieser Kapazitäten dem Staat oder einer von ihm abhängigen Stelle über tragen, so ist zunächst einmal die Verteilung der Frequenzen zwischen den öffentlich-rechtlichen und den privaten Rundfunkunternehmen, mithin die rundfunkrechtliche Frequenzoberverwaltung,165 problematisch.166 Be162 Gersdorf, AfP 1994, 108; ders., Staatsfreiheit, S. 358; Kresse/Kennel, ZUM 1994, 159 (164). 163 BVerfGE 90, 60 (103); 119, 181 (225). 164 BVerfGE 73, 118 (182 ff.); 83, 238 (322 ff.); 90, 60 (93). 165 Hesse, Rundfunkrecht, S. 260 f.; Wollenschläger, Verteilungsverfahren, S. 446 ff. Siehe zur telekommunikationsrechtlichen Frequenzzuteilung, Holznagel/Enaux/Nienhaus, Telekommunikationsrecht, Rn. 455 ff.; Holznagel, MMR 2008, 207 (212). Zum
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2. Kap.: Das Gebot der Staatsferne des Rundfunks
steht zumindest bei den terrestrischen Frequenzen Knappheit, so wird die an sich abstrakte Entscheidung zwischen öffentlichem und privatem Rundfunk zu einer Auswahl zwischen einem zusätzlichen öffentlich-rechtlich oder privat veranstalteten Programm.167 Ein, wenn auch nur mittelbarer, Einfluss auf die Programmgestaltung kann folglich nicht ausgeschlossen werden.168 166
aa) Rechtsprechung Um die Gefahr einer solchen staatlichen Einflussnahme auf das Programm auszuschließen, unterliegt das Verfahren der Frequenzvergabe – so das Bundesverfassungsgericht im Nordrhein-Westfalen-Urteil – dem Grundsatz der Staatsfreiheit.169 Zwar werde mit der Zuordnung nur über den Anteil, mit dem öffentlichrechtliche und private Veranstalter im Gesamtprogramm zum Zuge kommen, entschieden. Die Rundfunkfreiheit stehe jedoch auch mittelbaren Programmeinflüssen entgegen.170 Die Möglichkeit eines solchen mittelbaren Einflusses ergebe sich schon daraus, dass die staatliche Stelle bei der Zuteilung die Wahl zwischen konkreten Bewerbern um die frei werdende Übertragungsmöglichkeit und damit über deren Programmangebot habe. Dies könne jedoch nicht zur Folge haben, dass im Vergabeverfahren ein staatlicher Entscheidungsträger ausgeschlossen sei.171 Allerdings erfordere eine mit dem Gebot zu vereinbarende staatliche Zuteilung eine dem Vorbehalt des Gesetzes entsprechende Festlegung der Kriterien, nach denen die Verfahren der Zuordnung, OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 29.9.2011 – 2 B 10902/11.OVG = ZUM 2012, 80. 166 Folgende Bundesländer sehen noch einen staatlichen Entscheidungsträger vor: Bayern (Art. 32 BayMG, Reservekompetenz der Staatsregierung), Hessen (§ 3 HPRG, Reservekompetenz der Landesregierung), Nordrhein-Westfalen (§ 11 LMG NRW, Reservekompetenz des Ministerpräsidenten), Saarland (§ 21 SMG, Reservekompetenz des Ausschusses des Landtags), Sachsen (§ 4 SächsPRG, Reservekompetenz der Sächsischen Staatskanzlei), Sachsen-Anhalt (§ 33 MedienG LSA, Reservekompetenz der obersten Landesbehörde) und Thüringen (§ 3 ThürLMG, Reservekompetenz der obersten Landesbehörde). Ein Schiedsverfahren sehen die Länder Bremen (§ 26 BremLMG), Niedersachsen (§ 3 NMedienG), Rheinland-Pfalz (§ 28 LMG) und Schleswig-Holstein (§ 22 MStV HSH) vor. Die Landesmedienanstalt ist in Baden-Württemberg (§ 20 LMedienG BW), Berlin/Brandenburg (§ 6 MStV) und Mecklenburg-Vorpommern (§ 4 RundfG M-V) der zuständige Entscheidungsträger. 167 BVerfGE 83, 238 (323); Bumke, Landesmedienanstalten, S. 432. 168 BVerfGE 83, 283 (323). 169 BVerfGE 83, 238 (323). 170 BVerfGE 73, 118 (183); BVerfGE 83, 238 (323). 171 BVerfGE 83, 238 (323 f.).
C. Die Ausprägung des Gebots der Staatsferne des Rundfunks 99
konkrete Zuordnungsentscheidung zu treffen sei.172 Lehnt das Gericht diese Ausführungen an das Niedersachsen-Urteil an, so müssen die gesetzlichen Kriterien so genau gefasst sein, dass keine programmbezogenen Ermessens tatbestände oder Beurteilungsspielräume verbleiben.173 Das Bundesverfassungsgericht geht somit davon aus, dass ein staatlicher Entscheidungsträger im Vergabeverfahren nicht ausgeschlossen ist, solange ihm eine unmittelbare oder mittelbare Einflussnahme auf die Programmgestaltung verwehrt ist.174 bb) Schrifttum Im Schrifttum hingegen wird die Verfassungsmäßigkeit der Zuteilung der Übertragungskapazitäten durch eine staatliche Instanz bezweifelt.175 Die Wahrnehmung der Frequenzoberverwaltung durch den Staat könne zu einer Störung des publizistischen Wettbewerbs zwischen öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk führen, da nicht ausgeschlossen sei, dass die Entscheidung auch programmbezogene Elemente enthalte.176 Darüber hinaus bestünde bei einer staatlichen Vergabeentscheidung die Gefahr eines Anpassungsdrucks seitens der Veranstalter, da die Vergabe auch als Disziplinierungsmittel eingesetzt werden könne. Ob tatsächlich eine staatliche Einflussnahme vorliege, könne dabei dahinstehen, denn eine freie Meinungsbildung sei schon dann nicht mehr möglich, wenn Grund zu der Annahme bestehe, nur bei „Wohlverhalten“ mit Frequenzen versorgt zu werden.177 Alternativ komme daher nur die Zuständigkeit der Landesmedienanstalten als staats- und politikfreie Instanz178 oder jedenfalls eine insgesamt staatsun83, 238 (324); so auch Gersdorf, Regelungskompetenzen, S. 35. 73, 118 (182 f.); so dann auch ausdrücklich für das Frequenzvergabeverfahren in BVerfGE 90, 60 (89). Ebenso SächsVerfGH, Urt. v. 10.7.1997 = ZUM-RR 1998, 345 (351). 174 BVerfGE 73, 118 (182); 83, 238 (323 f.); 90, 60 (89 f.). 175 Gersdorf, Staatsfreiheit, S. 222 ff.; ders., Grundzüge des Rundfunkrechts, S. 60; Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, Teil D Rn. 63 ff.; Engels, ZUM 1997, 106 (122); Degenhart, DVBl. 1991, 510 (518); Hesse, JZ 1991, 357 (360); Klute, RuF 1992, 365 (377); Eberle, Rundfunkübertragung, S. 97 f.; Bumke, Landesmedienanstalten, S. 432 f. 176 Gersdorf, Staatsfreiheit, S. 222 ff.; ders., Grundzüge des Rundfunkrechts, S. 60; Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, Teil D Rn. 63 ff.; Engels, ZUM 1997, 106 (122); Klute, RuF 1992, 365 (377); Eberle, Rundfunkübertragung, S. 100 f. 177 Eberle, Rundfunkübertragung, S. 97 f.; Hoffmann-Riem, Rundfunkaufsicht, S. 76 f. So auch das BVerfG für das Lizenzverfahren BVerfGE 73, 118 (183); bestätigt durch BVerfGE 90, 60 (89). 178 Gersdorf, Staatsfreiheit, S. 259 ff.; ders., Grundzüge des Rundfunkrechts, S. 61; Hesse, JZ 1991, 357 (360); Bumke, Landesmedienanstalten, S. 436 ff.; Eberle, Rundfunkübertragung, S. 100 f.; Wagner, Die Landesmedienanstalten, S. 96 f. 172 BVerfGE 173 BVerfGE
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2. Kap.: Das Gebot der Staatsferne des Rundfunks
abhängige Stelle in Frage.179 Als verfassungsgemäß wird auch ein „Kooperationsmodell“ erachtet, in dessen Rahmen eine Einigung zwischen der Landesrundfunkanstalt und der Landesmedienanstalt angestrebt werden soll. Dieses Modell setzt allerdings voraus, dass der Staat im Konfliktfall keinen Einfluss auf die Vergabe haben kann.180 Schließlich wird die Einrichtung eines Schiedsverfahrens befürwortet.181 cc) Resümee Das Bundesverfassungsgericht hat die Vereinbarkeit des Gebots der Staatsferne des Rundfunks mit einer staatlichen Zuständigkeit für die Vergabe von Übertragungskapazitäten jedenfalls nicht ausdrücklich verneint, sodass die Ansichten in Rechtsprechung und Schrifttum auseinander gehen. Während das Schrifttum aufgrund des Gebots der Staatsferne eine Vergabe ausschließlich durch eine staatsunabhängige Stelle für zulässig erachtet, kommt für das Bundesverfassungsgericht auch eine staatliche Institution für die Zuordnungsentscheidung in Frage. Berücksichtigt man in letzterem Fall den vorgesehenen Ausschluss von staatlichen Wertungsspielräumen, liegt der Unterschied mithin nur im Vollzug der Entscheidung, so nähern sich die Ansichten in Schrifttum und Rechtsprechung jedenfalls an.182 Der Wille, die staatliche Entscheidungsinstanz ausschließlich zum Vollzugsorgan zu machen, darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich in der Praxis als schwierig erweisen mag, das Vergabeverfahren rechtlich so auszugestalten, dass der staatlichen Stelle keinerlei Wertungs- oder Handlungsspielräume hinsichtlich der Programmgestaltung bei ihrer Entscheidung zukommen.183 Zudem sollte man bedenken, dass es sich bei der Vergabe der Übertragungskapazitäten um die Grundvoraussetzung der Rundfunkveranstaltung handelt. Zwar sehen die Landesrundfunkgesetze die staatliche Entscheidungskompetenz nur dann vor, wenn es zu keiner Einigung der Beteiligten kommt. Aber allein diese Reservekompetenz kann schon dazu führen, dass sich die Rundfunk- und Landesmedienanstalten angepasst verhalten. Es ist daher nicht nachzuvollziehen, warum das Bundesverfassungsgericht in dieser großzügigen Weise die Reichweite des Ge179 Ricker/Schiwy,
Rundfunkverfassungsrecht, Teil D Rn. 68 ff. Rundfunkverfassungsrecht, Teil D Rn. 67; Bumke, Landesmedienanstalten, S. 436. Der Ausschluss einer staatlichen Ersatzzuständigkeit gilt auch für das sog. „Frequenzsplitting“, siehe Hoffmann-Riem, Rundfunkaufsicht, S. 79. 181 Bumke, Landesmedienanstalten, S. 439. 182 Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, Teil D Rn. 67. 183 Gersdorf, Grundzüge des Rundfunkrechts, S. 60 erscheint dieser Ausschluss unmöglich. 180 Ricker/Schiwy,
C. Die Ausprägung des Gebots der Staatsferne des Rundfunks 101
bots der Staatsferne bestimmt. Gerade die Rundfunkgebührenurteile, in denen das Gericht die Gefahr der mittelbaren, subtilen Einflüsse betont,184 stehen dazu im Widerspruch. Die Wahl einer staatsunabhängigen Entscheidungsinstanz ist daher mit dem Gebot der Staatsferne des Rundfunks besser zu vereinbaren. c) Das Rundfunklizenzverfahren Nach § 20 Abs. 1 S. 1 RStV bedarf die Veranstaltung privaten Rundfunks in Deutschland der Zulassung. Wird diese Zulassung durch den Staat erteilt, so muss auch in diesem Rahmen das Gebot der Staatsferne des Rundfunks berücksichtigt werden. aa) Meinungsstand In seiner Entscheidung zum Niedersächsischen Landesrundfunkgesetz sowie im FRAG-Urteil hat das Bundesverfassungsgericht sehr genaue Anforderungen an die Ausgestaltung von Regelungen zur Zulassung privater Rundfunkveranstalter im Hinblick auf die Voraussetzungen des Gebots der Staatsferne formuliert.185 So habe der Gesetzgeber als wesentlichen Teil der Ordnung des Privatrundfunks Zugangsregelungen für den privaten Rundfunk zu schaffen, die die Voraussetzungen der Erteilung oder Versagung der Erlaubnis sowie die Auswahl zwischen den Bewerbern bestimmen. Diese Entscheidung könne nicht auf die Exekutive übertragen werden.186 Sehe das niedersächsische Gesetz die Zuständigkeit einer staatlichen Erlaubnisbehörde für die Zulassungsentscheidung vor, so könne ein wirksamer Schutz der Programmfreiheit der privaten Veranstalter nur bei strengen Anforderungen gewährleistet werden: Der Behörde dürften keine Handlungs- und Wertungsspielräume eingeräumt werden, die es ermöglichten, dass sachfremde Erwägungen Einfluss auf die Entscheidung gewinnen könnten. Dies gelte umso mehr, als solche Freiräume sich bereits im Vorfeld als Druckmittel oder gar „Selbstzensur“ auf die Interessenten auswirken könnten. Der Behörde dürfe daher weder ein ungebundenes noch gebundenes Ermessen zugestanden werden. Eine unmittelbare oder mittelbare Bewertung des Programms müsse dem Staat gänzlich verschlossen bleiben.187 184 BVerfGE
90, 57, 186 BVerfGE 57, 187 BVerfGE 73, 185 BVerfGE
60 (93 ff.); 119, 181 (220); 121, 30 (41). 295 (326 f.); 73, 118 (182 ff.). 295 (326 f.); 73, 118 (153 f.); 83, 238 (322 f.); 121, 30 (55 f.). 118 (183); 83, 238 (322 f.); 90, 60 (89); 121, 30 (55 f.).
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2. Kap.: Das Gebot der Staatsferne des Rundfunks
Ein solcher Programmeinfluss liege aber noch nicht – so das Gericht – bei der Bewertung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Antragstellers vor, da die Gefahr einer auch nur mittelbaren Einflussnahme sehr gering sei. So könne die Erlaubnisbehörde im Falle von Mängeln dem Veranstalter jedenfalls nicht vorschreiben, auf welche Art und Weise er die Finanzierung zum Beispiel durch Programmreduzierung sicherzustellen habe.188 Für die Ausgestaltung des Lizenzverfahrens kommt es dem Bundesverfassungsgericht folglich darauf an, dass die Programmfreiheit weder durch unmittelbaren noch mittelbaren staatlichen Einfluss beeinträchtigt wird. Dies schließt aber nicht aus, dass eine staatliche Behörde für die Lizenzentscheidung zuständig ist,189 solange der Behörde kein Bewertungsspielraum hinsichtlich Art und Form der Programme eingeräumt wird.190 Diesen Anforderungen haben mittlerweile alle Landesgesetzgeber Rechnung getragen, indem sie die unabhängigen Landesmedienanstalten zur zuständigen Behörde erklären.191 Insoweit ist man auch den im älteren Schrifttum vorgetragenen Argumenten gefolgt, die sich an der Einbindung einer staatlichen Behörde in das Lizenzverfahren störten.192 bb) Resümee Dennoch bleibt festzuhalten, dass auch hinsichtlich der im Lizenzverfahren zu gewährleistenden Staatsferne von einem Ausschluss staatlichen Einflusses ausgegangen werden muss. Zwar hält das Bundesverfassungsgericht in seiner älteren Rechtsprechung eine staatliche Zulassungsbehörde noch mit dem Gebot der Staatsferne für vereinbar. Die Zulassungsentscheidung steht jedoch in einem so engen Zusammenhang mit der Programmgestaltung, dass ein mittelbarer Einfluss nicht ausgeschlossen werden kann. Praxisrelevanz kommt dieser Frage ohnehin nicht mehr zu, da nach aktueller 188 BVerfGE
73, 118 (185 f.). 73, 118 (183) bestätigt in BVerfGE 83, 238 (323); 90, 60 (89). 190 BVerfGE 73, 118 (182); 83, 238 (323 f.); 90, 60 (89 f.). 191 Die Landesrundfunkgesetze sehen nach geltender Rechtslage alle die Zuständigkeit der Landesmedienanstalten als Erlaubnisbehörde vor, vgl. §§ 12 ff. LMedienG BW; Art. 23 ff. BayMG; §§ 21 ff. MStV; §§ 3 ff. BremLMG; §§ 17 ff. MStV HSH; §§ 4 ff. HPRG; §§ 8 ff. RundfG M-V; §§ 4 ff. NMedienG; §§ 4 ff. LMG NRW; §§ 24 ff. LMG RP; §§ 43 ff. SMG; §§ 5 ff. SächsPRG; §§ 12 ff. MedienG LSA; §§ 4 ff. ThürLMG. Ebenso für bundesweit verbreitetes Programm, §§ 20 ff. RStV. 192 Ricker, Privatrundfunk-Gesetze, S. 66 ff.; ders., AfP 1980, 140 (143 f.) für die Zulassung zum Kabelpilotprojekt Ludwigshafen; Jarass, Staatsfreiheit, S. 65; Bethge, NVwZ 1997, 1 (5); Badura, Verfassungsrechtliche Bindungen der Rundfunkgesetzgebung, S. 71; Klein, Rundfunkfreiheit, S. 91 f.; Stender-Vorwachs, Staatsferne und Gruppenferne, S. 151 ff.; Gersdorf, Staatsfreiheit, S. 121. 189 BVerfGE
C. Die Ausprägung des Gebots der Staatsferne des Rundfunks 103
Gesetzeslage den Landesmedienanstalten die Aufgabe der Zulassung übertragen worden ist. Die Frage ist daher lediglich theoretischer Natur. d) Die Staatsaufsicht über den Rundfunk Die Frage nach dem zulässigen Einfluss des Staates über die Aufsicht des Rundfunks ist selten in der Praxis relevant geworden.193 Im Schrifttum ist zwar die Zulässigkeit der Aufsicht an sich unbestritten. Verschiedene Ansichten bestehen jedoch hinsichtlich der mit dem Gebot der Staatsferne zu vereinbarenden Reichweite der Aufsicht. aa) Die Rechtsaufsicht (1) Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Spricht das Bundesverfassungsgericht schon in seinem ersten Rundfunkurteil davon, dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten „höchstens einer beschränkten staatlichen Rechtsaufsicht unterworfen“ werden dürfen, macht es jedoch keinerlei Ausführungen über die Reichweite einer solch „beschränkten“ Rechtsaufsicht.194 Auch eine Begründung für diese Annahme liefert das Gericht nicht. Die Vereinbarkeit der Rechtsaufsicht mit der Rundfunkfreiheit wird auch im Schrifttum nicht wirklich in Frage gestellt.195 Fest steht, dass eine Fachaufsicht über die Rundfunkanstalten aufgrund des Gebots der Staatsferne ausgeschlossen ist.196 Mit Blick auf das Selbstverwaltungsrecht der Rundfunkanstalten, welches aufgrund des speziellen Gehalts des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG zu einem hohen Grad an Selbstständigkeit der Anstalten führt, besteht darüber hinaus Konsens, dass die Rechtsaufsicht über die Anstalten nur subsidiär gegenüber der anstaltsinternen Kontrolle eingreifen kann (sog. Subsidiaritätsgebot).197 die Darstellung bei Hesse, Rundfunkrecht, S. 172 Fn. 266. 12, 205 (261); 57, 295 (326). So auch BVerwGE 54, 29 (36). Zur Frage der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Staatsaufsicht an sich, siehe Gotzmann, Staatsaufsicht, S. 31 ff.; Hesse, Rundfunkrecht, S. 172 ff.; Frye, Staatsaufsicht, S. 72 ff. 195 Berendes, Staatsaufsicht, S. 104 ff.; Mallmann, Zur Staatsaufsicht, S. 19; Dörr, Rechtsaufsicht Deutsche Welle, S. 36 m. w. N. Nur vereinzelt wird eine absolute Aufsichtslosigkeit gefordert, vgl. Krüger, Staatslehre, S. 877. 196 Berendes, Staatsaufsicht, S. 100 ff.; Hoffmann-Riem, Rundfunkaufsicht, S. 82; Jarass, Staatsfreiheit, S. 53; Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, Teil D Rn. 13 jeweils m. w. N. 197 Berendes, Staatsaufsicht, S. 147; Beater, Medienrecht, Rn. 1774; Jarass, Staats freiheit, S. 53; Degenhart, in: BK, Art. 5 I, II Rn. 828; Herrmann/Lausen, Rundfunk193 Siehe
194 BVerfGE
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2. Kap.: Das Gebot der Staatsferne des Rundfunks
Für die Gegenstände der Rechtsaufsicht hat das Gebot der Staatsferne zur Folge, dass im Programmbereich der staatliche Handlungsspielraum so gering sein muss, dass kein Raum für Erwägungen der Zweckmäßigkeit verbleibt und die Programmautonomie gewahrt wird.198 Dies betrifft alle Normen, die die Programmgestaltung tangieren. Nur vereinzelt wird diskutiert, die Rechtsaufsicht für den Programmbereich gänzlich zu versagen, um so effektiv den Einfluss auf die Programmfreiheit ausschließen zu können.199 Gegen diese Annahme spricht jedoch, dass man den Programmbereich nicht trennscharf von nicht programmbezogenen Bereichen abgrenzen kann. Der Ausschluss würde letztlich dazu führen, dass die Kontrolle weitestgehend inhaltsleer und im Grunde genommen wirkungslos wäre.200 Staatliche Rechtsaufsicht ist damit auch im Programmbereich zulässig, sofern Aufsichtsmaßstab und -mittel hinreichend präzisiert sind.201 Lässt eine staatliche Rechtsaufsicht die Überprüfung von Verstößen gegen Rechtsnormen zu, ergibt sich für den Bereich des Rundfunkrechts, welches zahlreiche Normen mit einem Auslegungsspielraum auch im Programmbereich enthält, die Gefahr, dass die Rechtsaufsicht in eine Fachaufsicht umschlagen könnte.202 Für den Aufsichtsmaßstab der Rechtsaufsicht ist daher zweierlei festzustellen: Zum einen müssen die Rechtsnormen, die einen Aufsichtsmaßstab statuieren, konkret bestimmbare Rechtspflichten begründen, sodass die Rechtsaufsicht keine eigenen Erwägungen – seien sie politischer oder zweckmäßirecht, § 14 Rn. 45; Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, RStV, Abschn. I B 5, Vor § 11 RStV Rn. 37; Dörr, Rechtsaufsicht Deutsche Welle, S. 57 ff. Die Bundesländer sehen alle die Rechtsaufsicht vor: § 48 LMedienG BW; Art. 19 BayMG; § 18 MStV; § 55 BremLMG; § 50 MStV HSH; § 60 HPRG; § 51 RundfG M-V; § 53 NMedienG; § 117 LMG NRW; § 50 LMG RP; § 62 SMG; § 36 SächsPRG; § 54 MedienG LSA; § 55 ThürLMG. 198 Jarass, Staatsfreiheit, S. 55; Berendes, DÖV 1975, 413 (419); Mallmann, Zur Rechtsaufsicht, S. 43 ff.; Lerche, Landesbericht, S. 98 f.; Hoffmann-Riem, Rundfunkaufsicht, S. 93; Dörr, Rechtsaufsicht Deutsche Welle, S. 51. 199 So etwa Leibholz, in: FS Scheuner 1973, S. 375; Wufka, Rundfunkfreiheit, S. 117. 200 VG Mainz, Urt. v. 19.12.1978 = JZ 1979, 303 (304); Dörr, Rechtsaufsicht Deutsche Welle, S. 51; Fuhr, ZDF-Staatsvertrag, S. 408 f.; Mallmann, Zur Rechtsaufsicht, S. 64 ff. 201 Bumke, Landesmedienanstalten, S. 246; Lerche, Landesbericht, S. 99 f.; Dörr, Rechtsaufsicht Deutsche Welle, S. 51. 202 Beater, Medienrecht, Rn. 1772 ff.; Jarass, Staatsfreiheit, S. 55; Knothe/Wanckel DÖV 1995, 365 (368); Berendes, Staatsaufsicht S. 103; Lerche, Landesbericht, S. 99 f.; Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, RStV, Abschn. I B 5, Vor § 11 RStV Rn. 31 f., 36; Dörr, Rechtsaufsicht Deutsche Welle, S. 52; Hesse, Rundfunkrecht, S. 176 f.
C. Die Ausprägung des Gebots der Staatsferne des Rundfunks 105
ger Art – treffen kann.203 Speziell für den sensiblen Bereich der Programmgrundsätze hat die Aufsicht darüber hinaus die Einschätzungsprärogative der Rundfunkanstalten zu berücksichtigen. So fällt es den Rundfunkanstalten in diesem Bereich zu, über die Auslegung von unbestimmten Rechtsbegriffen zu entscheiden und entsprechende an sie gestellte Anforderungen an die Gestaltung des Programms umzusetzen. Der Beurteilung durch die Rechtsaufsicht ist dieser Bereich entzogen.204 Zum anderen wirkt sich die Annahme einer beschränkten Rechtsaufsicht aber auch auf die Überprüfung der sonstigen Normen aus. Die Rechtsaufsicht wird auf eine Evidenzkontrolle reduziert, um zu vermeiden, dass sich die Aufsicht zu einer ständigen Beobachtung entwickelt. Das heißt, die Rechtsaufsicht ist auf besonders gravierende Verstöße zu beschränken.205 Für die Aufsichtsmittel gebietet das Gebot der Staatsfreiheit schließlich, dass der Staat im Rahmen der Aufsicht nicht selber tätig wird. Aufsichtsmaßnahmen, die ein staatliches Eigenhandeln mit sich bringen, wie etwa die Ersatzvornahme oder die Ernennung eines Staatskommissars, sind ausgeschlossen.206 Aber auch die unterhalb dieser Schwelle des Eigenhandelns liegenden staatlichen Aufsichtsmaßnahmen müssen dem Gebot einer beschränkten Staatsaufsicht genügen. So hat der Staat nur dann ein Auskunftsrecht, wenn es Grund für die Annahme eines schwerwiegenden Rechtsverstoßes gibt.207 Ergeht gegenüber der Rundfunkanstalt der Hinweis auf einen solchen, steht es ihr zunächst einmal frei, Korrekturen vorzunehmen. Wird dem Verstoß seitens der Anstalt nicht abgeholfen, verbleibt lediglich der Weg einer Aufsichtsklage vor den Verwaltungsgerichten.208
203 Dörr,
Rechtsaufsicht Deutsche Welle, S. 51 f. Mainz, Urt. v. 19.12.1978 = JZ 1979, 303 (304); Dörr, Rechtsaufsicht Deutsche Welle, S. 54 f. 205 Hahn, Aufsicht des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, S. 95; Beater, Medienrecht, Rn. 1772 ff.; Berendes, Staatsaufsicht S. 108 ff.; Lerche, Landesbericht, S. 100 Fn. 326a; Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, RStV, Abschn. I B 5, Vor § 11 RStV Rn. 32, 36; Hesse, Rundfunkrecht, S. 177; Gersdorf, Staatsfreiheit, S. 204 f.; Dörr, Rechtsaufsicht Deutsche Welle, S. 51, 56; a. A. Rossen-Stadtfeld, ZUM 2008, 1 (8), der den Evidenzbegriff für ungeeignet hält. 206 Hoffmann-Riem, Rundfunkaufsicht, S. 92 f.; Jarass, Staatsfreiheit, S. 55 m. w. N.; Berendes, Staatsaufsicht, S. 187; a. A. Knothe/Wanckel, DÖV 1995, 365 (369), Theisen, Privatrundfunk-Normen, S. 44 f. 207 Fuhr, ZDF-Staatsvertrag, S. 411; Hahn, Aufsicht des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, S. 96; Berendes, Staatsaufsicht, S. 177 f. 208 Hahn, Aufsicht des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, S. 97; Herrmann/Lausen, Rundfunkrecht, § 14 Rn. 41 ff.; a. A. Frye, Staatsaufsicht, S. 175 ff.; Gotzmann, Die Staatsaufsicht, S. 195 f. 204 VG
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2. Kap.: Das Gebot der Staatsferne des Rundfunks
(2) Die Landesmedienanstalten Ist die Aufsicht über den privaten Rundfunk schon durch die Landesmedienanstalten auf eine externe Kontrolle ausgelegt, so steht der staatlichen Rechtsaufsicht bei der Überprüfung der Anwendung der Landesrundfunkgesetze durch die Landesmedienanstalten auch nur eine beschränkte Aufsicht zu.209 Für die Reichweite dieser Aufsicht können die für den öffentlichrechtlichen Rundfunk geltenden Grundsätze übertragen werden.210 (3) Zwischenresümee Das Gebot der Staatsferne des Rundfunks führt nicht dazu, dass der Staat nachdem er durch die gesetzliche Ausgestaltung des Rundfunksystems seiner Verantwortung für das Rundfunkwesen gerecht geworden ist, sich sodann völlig aus diesem Bereich zurückzuziehen hat. Vielmehr hat er dafür Sorge zu tragen, dass die zur Gewährleistung der Rundfunkfreiheit geschaffenen Regelungen auch umgesetzt werden. Daher bedarf es der Rechtsaufsicht.211 Um andererseits aber dem Gebot der Staatsferne Rechnung zu tragen, findet diese Aufsicht wiederum ihre Grenzen in der Programmfreiheit. Die Einhaltung der Normen kann daher im Rahmen der Rechtsaufsicht nur insoweit beanstandet werden, wie der Einfluss auf die Programmgestaltung ausgeschlossen wird. Dem haben Aufsichtsmaßstab und -mittel Rechnung zu tragen. Im Übrigen sind die Normen nur auf evidente Verstöße hin zu überprüfen.212
209 Degenhart,
ZUM 1997, 153 (158); Berendes, Staatsaufsicht, S. 245 ff. Landesmedienanstalten, S. 247 f., 324 ff.; Stender-Vorwachs, Staatsferne und Gruppenferne, S. 180 f.; Hesse, Rundfunkrecht, S. 31; Beater, Medienrecht, Rn. 1780; Bethge, JZ 1985, 308 (311). A. A. Knothe/Wanckel, DÖV 365 (368 f.), die diese Grundsätze für die Aufsicht über die Landesmedienanstalten modifizieren möchten. Die Autoren erachten auch weniger restriktive Beschränkungen der Aufsicht für zulässig, insbesondere die Differenzierung zwischen neutralen und programmbezogenen Bereichen könne aufgehoben werden. Ebenso sei die Ersatzvornahme ein zulässiges Aufsichtsmittel. Dem gegenüber wendet Bumke, Landesmedienanstalten, S. 326, 247 zu Recht ein, dass es bei der Annahme einer solchen Reichweite der Rechtsaufsicht unmittelbar zu einer programmlich wirkenden Entscheidung einer staatlichen Behörde kommen würde, was mit dem Gebot der Staatsferne des Rundfunks nicht vereinbar wäre. Der Schutz des Kernbereichs der Rundfunkfreiheit könne so nicht mehr gewährleistet werden. 211 Loehning, DÖV 1953, 193 (196); Dörr, Rechtsaufsicht Deutsche Welle, S. 35 ff. 212 Zu den seltenen Fälle des rechtsaufsichtlichen Einschreitens, Beater, Medienrecht, Rn. 1774 sowie Hesse, Rundfunkrecht, S. 172 Fn. 266. 210 Bumke,
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bb) Die staatliche Finanzkontrolle (1) Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Auch für die Haushaltskontrolle der Rundfunkanstalten gilt, dass deren Zulässigkeit an sich nicht bestritten wird.213 Vielmehr geht es auch in diesem Bereich des Rundfunksystems um die Frage, wie diese Form der Aufsicht mit dem Gebot der Staatsferne zu vereinbaren ist.214 Für die Haushaltskontrolle der Rundfunkanstalten durch die Landesrechnungshöfe gilt zunächst das Subsidiaritätsgebot. Die staatliche Finanzkon trolle kommt somit erst dann zum Tragen, wenn die anstaltsautonome Finanzkontrolle versagt hat.215 Überprüfen die Landesrechnungshöfe die Einhaltung der Grundsätze der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit der Anstaltsführung,216 kann nicht ausgeschlossen werden, dass über das Urteil der Landesrechnungshöfe betreffend das Ausgabenverhalten zugleich Einfluss auf die Programmgestaltung genommen wird.217 Denn die unbestimmten Rechtsbegriffe der „Wirtschaftlichkeit“ und „Sparsamkeit“ machen eine rein rechtliche Entscheidung unmöglich. Vielmehr ist stets der Durchgriff auf die Sachentscheidung erforderlich, um eine wertende Beurteilung zu ermöglichen.218 Um einen solchen Einfluss zu verhindern, bestehen auch hier die verfassungsrechtlichen Grenzen der Rundfunkfreiheit, insbesondere der Programmfreiheit. Danach haben die Landesrechnungshöfe im Bereich der Programmtätigkeit lediglich die Möglichkeit zu überprüfen, ob die Mittel, so wie sie veranschlagt waren, auch ausgegeben worden sind. Eine Kontrolle von 213 Berendes, Staatsaufsicht, S. 195. Zur Legitimierung der staatlichen Finanzkontrolle, Ossenbühl, Rechnungsprüfung, S. 50 ff. sowie Krempel, Rechnungshöfe. 214 Ossenbühl, Rechnungsprüfung, S. 40, 62 ff.; zur Finanzkontrolle der Rechnungshöfe über Beteiligungsgesellschaften öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten, Hahn, ZUM 2001, 775. 215 Schneider-Freyermuth, ZUM 2000, 564 (570); Bumke, Landesmedienanstalten, S. 318 ff.; Ossenbühl, Rechnungsprüfung, S. 65. 216 Dies sehen die Bundesländer Bayern (Art. 21 BayMG), Berlin/Brandenburg (§ 17 MStV), Bremen (§ 54 BremLMG), Hamburg/Schleswig-Holstein (§ 49 MStV HSH), Hessen (§ 59 HPRG), Niedersachsen (§ 50 NMedienG); Nordrhein-Westfalen (§ 113 LMG NRW); Rheinland-Pfalz (§ 49 LMG RP); Saarland (§ 40 SMG); Sachsen (§ 35 SächsPRG); Sachsen-Anhalt (§ 50 MedienG LSA); Thüringen (§ 54 ThürLMG) vor. 217 Badura, Rundfunkfreiheit und Finanzautonomie, S. 67. Jarass, Rechnungsprüfung, S. 42 nennt hier die Beispiele der Programmproduktion oder des Programmeinkaufs. 218 Ossenbühl, Rechnungsprüfung, S. 64.
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2. Kap.: Das Gebot der Staatsferne des Rundfunks
Programmentscheidungen in Bezug auf ihre Wirtschaftlichkeit ist damit ausgeschlossen.219 Daneben darf eine Prüfung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit aufgrund der bestehenden Wertungsspielräume bei der Auslegung dieser Grundsätze nicht zu einer Zweckmäßigkeitskontrolle missbraucht werden.220 Ebenso wie die Rechtsaufsicht ist auch im Rahmen der Finanzkontrolle nur bei evidenten Rechtsverstößen ein Eingreifen der Landesrechnungshöfe zulässig. Es besteht daher auch für die Rechnungsprüfung nur eine „beschränkte“ Kontrollmöglichkeit.221 Schließlich kann die Prüfung nur für die Vergangenheit erfolgen.222 (2) Die Landesmedienanstalten Die Landesmedienanstalten veranstalten selbst keinen Rundfunk, sodass die Rechnungsprüfung keinen unmittelbaren Programmbezug entfalten kann. Dennoch sind mittelbare Auswirkungen auf die Programmfreiheit nicht gänzlich auszuschließen.223 Daher steht den Rechnungshöfen auch bei der Überprüfung der Landesmedienanstalten nur eine reduzierte Aufsicht zu.224 (3) Zwischenresümee Für die Haushaltskontrolle gilt, dass den Landesrechnungshöfen jeglicher Einfluss auf die Programmgestaltung versagt werden muss. Diese Beschränkung spiegelt sich im reduzierten Prüfungsumfang sowie der eingeschränkten Prüfungstiefe – reduziert auf eine Evidenzkontrolle – wieder. 219 Hahn, ZUM 2001, 775 f.; VG Stuttgart, Urt. v. 12.8.1992 = ZUM 1993, 624 (625); Ossenbühl, Rechnungsprüfung, S. 69; Jarass, Rechnungsprüfung, S. 43; Badura, Rundfunkfreiheit und Finanzautonomie, S. 67; Berendes, Staatsaufsicht, S. 210. 220 Berendes, Staatsaufsicht, S. 210; Jarass, Rechnungsprüfung, S. 42 m. w. N. 221 VG Stuttgart, Urt. v. 12.8.1992 = ZUM 1993, 624 (625); Schneider-Freyermuth, ZUM 2000, 564 (570 f.); Ossenbühl, Rechnungsprüfung, S. 69. Jarass, Staatsfreiheit, S. 57 hegt keine Bedenken gegen die Kontrolle durch die Landesrechnungshöfe. Sie seien nicht der Gubernative zuzurechnen, sodass sich die Kontrolle auch auf die gesamte Haushalts- und Wirtschaftsführung beziehen könne. 222 Hesse, Rundfunkrecht, S. 198 ff.; VG Stuttgart, Urt. v. 12.8.1992 = ZUM 1993, 624 (625); Jarass, Rechnungsprüfung, S. 43; Gersdorf, Grundzüge des Rundfunkrechts, S. 158. 223 Bumke, Landesmedienanstalten, S. 322 stellt dies sehr anschaulich an Hand des Bereichs der Fördervergabepraxis dar, bei dem die inhaltliche Bewertung eines konkreten Förderprojekts durch die Rechnungshöfe nicht ausgeschlossen werden kann. 224 Bumke, Landesmedienanstalten, S. 322 f.; Berendes, Staatsaufsicht, S. 246.
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cc) Resümee Die Staatsaufsicht über den Rundfunk wird in ihrer Zulässigkeit nicht bezweifelt. Schwierigkeiten ergeben sich jedoch hinsichtlich des richtigen Maßes der staatlichen Einflussnahme. Sowohl bei der Rechtsaufsicht als auch der Finanzkontrolle der Rundfunk- und Landesmedienanstalten muss der unmittelbare und mittelbare Einfluss auf die Programmgestaltung ausgeschlossen werden. Es ergibt sich daher nur für diesen Bereich ein Einflussverbot für den Staat. Die Existenz des Staates im rundfunkorganisatorischen System an sich steht dem Gebot der Staatsferne allerdings nicht entgegen. e) Die interne Aufsicht der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Mit Spannung wurde das Urteil des Bundesverfassungsgerichts für die vom Land Rheinland-Pfalz beantragte Normenkontrolle des ZDF-Staatsvertrags erwartet, da es bislang noch an einer ausführlichen Stellungnahme des Gerichts zur verfassungsmäßigen Zusammensetzung der für die interne Aufsicht zuständigen Rundfunkgremien fehlte.225 Unter Berücksichtigung der nunmehr vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten verfassungsrechtlichen Maßgaben soll daher untersucht werden, welche Vertreter der Rundfunkgremien – namentlich Rundfunk- bzw. Fernsehrat sowie Verwaltungsrat – überhaupt dem „Staat“ im Sinne des Gebots der Staatsferne des Rundfunks zuzuordnen sind, wobei auch die mittelbare Einflussnahme des Staates, zum Beispiel durch die Benennung von Vertretern aus dem gesellschaftlichen Bereich, berücksichtigt werden muss. Sodann ist zu klären, wie hoch der zulässige Anteil staatlicher Vertreter in den Gremien sein darf. Dies erfordert, ohne der Darstellung vorweg greifen zu wollen, eine Gesamtschau verschiedener Aspekte. Eine prinzipielle Aussage hinsichtlich einer „Staatsquote“ – so wie sie das Bundesverfassungsgericht nun festgelegt hat226 – ist hingegen abzulehnen. Für eine solche Annahme unterscheiden sich die einzelnen Gremien in Zusammensetzung und hinsichtlich ihrer Befugnisse zu stark. Diese kurze Darstellung der Probleme zeigt bereits, dass allein mit der umfassenden Klärung all dieser Fragen eine einzelne Monographie zu füllen 225 BVerfG, Urt. v. 25.3.2014 – 1 BvF 1/11. Siehe zum Verfahren v. Coelln, Stellungnahme zur ZDF-Staatsvertragsklage, abgedruckt in: Funkkorrespondenz 34.2011, 11 ff. sowie die Antragsschrift der rheinland-pfälzischen Landesregierung, abgedruckt in: Funkkorrespondenz 15.–16.2011, S. 11 ff. Dazu auch: Schadrowski/ Stumpf, AfP 2012, 417. 226 BVerfG, Urt. v. 25.3.2014 – 1 BvF 1/11, Rn. 51.
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2. Kap.: Das Gebot der Staatsferne des Rundfunks
wäre. Es können daher in diesem Rahmen nicht alle Details ausgeführt werden. Die Darstellung wird sich zunächst mit den Aufgaben und Befugnissen der Rundfunkgremien beschäftigen. Das Gebot der Staatsferne des Rundfunks sucht, wie oben dargestellt, den Einfluss des Staates auf die Programmgestaltung zu verhindern. Es ist daher herauszuarbeiten, wie weit der Einfluss der jeweiligen Gremien auf diesen Bereich geht und dementsprechend den staatlichen Vertretern innerhalb der Gremien zukommen kann. Stellt sich im Laufe der Prüfung heraus, dass schon das Gremium an sich keinen bzw. nur einen sehr geringen Einfluss hat, müsste dies in noch weitgehenderer Weise zugunsten der Staatsvertreter berücksichtigt werden. Sodann sind weitere Aspekte zur Bestimmung des zulässigen Maßes staatlichen Einflusses auf das Entsendungsverfahren sowie innerhalb der Gremien darzulegen. aa) Die Aufgaben und Befugnisse der Rundfunkgremien Die Rundfunkgremien sollen zum einen gewährleisten, dass alle in der Gesellschaft vorhandenen politischen, weltanschaulichen und gesellschaftlichen Kräfte im Programm zu Wort kommen können.227 Zum anderen bietet die pluralistische Zusammensetzung der Gremien eine Ersatzkonstruktion für den Ausschluss des Staates als Aufsichtsinstanz. Die Programmaufsicht, die nach dem Gebot der Staatsferne des Rundfunks nicht von einer staatlichen Behörde übernommen werden darf, wird daher von der Gesellschaft vertreten durch die pluralistisch zusammengesetzten Gremien wahrgenommen.228 Rundfunkräte bzw. beim ZDF der Fernsehrat stellen daneben sicher, dass die Rundfunkanstalt ihre Aufgaben gemäß der sie bindenden Gesetze erfüllt. So stehen den Räten zum einen Entscheidungs- zum anderen Beratungsund Überwachungskompetenzen zu.229 Sie entscheiden über die Wahl und Abberufung des Intendanten.230 Zum Teil gilt dies auch für dessen Vertreter231 sowie die Direktoren der Rund227 BVerfGE 12, 205 (261 f.); 60, 53 (64 f.); 83, 238 (334); BVerfG, Beschl. v. 7.11.1995 – 1 BvR 209/93 = AfP 1996, 56. 228 BVerfGE 38, 238 (333); Cornils, Ausgestaltung, S. 157; ders., in: Die Macht der Medien, S. 49. 229 Ausführliche Darstellung bei Hahn, Aufsicht des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, S. 49 ff. sowie Jank, Die Rundfunkanstalten der Länder und des Bundes, S. 81 ff. 230 Wahl des Intendanten: Art. 7 III Nr. 1 BayRG; § 9 Nr. 1 HR-G; § 13 II Nr. 2 RBB-StV; § 8 IV Nr. 2 RBG; § 28 II Nr. 2 SMG; § 15 III Nr. 1 SWR-StV; § 16 II Nr. 3 WDR-G; § 26 I ZDF-StV; Wahl des Intendanten auf Vorschlag des Verwal-
C. Die Ausprägung des Gebots der Staatsferne des Rundfunks 111
funkanstalten232. Darüber hinaus steht ihnen zum Teil auch die Wahl einiger oder gar sämtlicher Verwaltungsratsmitglieder sowie weiterer leitender Angestellter zu.233 Zudem genehmigen sie den Haushaltsplan und den Jahresabschluss.234 Zu den Kernkompetenzen der Rundfunkräte gehört auch die Beratung des Intendanten, die sich auf die Programmgestaltung235 sowie allgemeine Programmangelegenheiten beziehen kann.236 Einfluss auf das Rundfunkprogramm kommt den Räten schließlich über die Aufstellung von Richtlinien sowie der Überwachung dieser Richtlinien und der Programmgrundsätze zu.237 Neuerdings führen die Räte auch das Verfahren nach § 11f RStV, den sogenannten Drei-Stufen-Test, durch. 231
Damit kommen den Rundfunkräten bzw. dem Fernsehrat des ZDF wichtige Aufgaben innerhalb der Anstalt zu. Sie werden daher auch als „rechtlich bedeutsamstes Organ“ der Rundfunkanstalt bezeichnet.238 Je nach der konkreten Aufgabenzuweisung an den Rundfunkrat hat dieser umfassenden Einfluss auf personelle sowie programmliche Entscheidungen. Würden diese Aufgaben ausschließlich staatliche Vertreter wahrnehmen, könnte die Programmfreiheit nicht mehr gewahrt werden.239 tungsrats: § 20 IV Nr. 4 MDR-StV; § 18 III Nr. 2 NDR-StV; § 26 I Nr. 1 DLR-StV; Abberufung: Art. 7 III Nr. 1, Art. 12 V BayRG; § 20 II DLR-StV; § 9 Nr. 1, § 16 VI HR-G; § 30 IV MDR-StV; § 28 IV NDR-StV; § 13 II Nr. 2, § 22 II RBB-StV; § 8 IV Nr. 2, § 15 IV 1 RBG; § 28 II Nr. 2, § 34 IV SMG; § 26 III SWR-StV; §§ 16 II Nr. 3, 24 II WDR-G; § 26 III ZDF-StV. 231 Art. 7 III Nr. 2 BayRG; § 9 Nr. 1 HR-G; § 18 III Nr. 2 NDR-StV; § 13 II Nr. 3 RBB-StV; § 28 II Nr. 3 SMG. 232 Art. 7 III Nr. 3 BayRG; § 20 IV Nr. 4 MDR-StV; § 13 II Nr. 3 RBB-StV; § 8 IV Nr. 3 RBG; § 15 III Nr. 5 SWR-StV; § 16 II Nr. 4 WDR-G. 233 Wahl aller Mitglieder: § 20 IV Nr. 5 MDR-StV; § 18 III Nr. 3 NDR-StV; Wahl der Mehrzahl der Mitglieder: Art. 7 III Nr. 4 BayRG; § 11 I 2 HR-G; § 13 II Nr. 1 RBB-StV; § 8 IV Nr. 4 RBG; § 28 II Nr. 1 SMG; § 15 III Nr. 6 SWR-StV; § 16 II Nr. 6 WDR-G; § 24 I lit. a) ZDF-StV. 234 Art. 7 III Nr. 6 BayRG; § 20 II DLR-StV; § 9 Nr. 3 HR-G; § 20 IV Nr. 6, 7 MDR-StV; § 18 III Nr. 4, 5 NDR-StV; § 13 II Nr. 5 RBB-StV; § 8 IV Nr. 6 RBG; § 28 II Nr. 6, 7, 9 SMG; § 15 III Nr. 2, 7 SWR-StV; § 16 II Nr. 8 WDR-G; § 19 III ZDF-StV. 235 Art. 7 III Nr. 7 BayRG. 236 § 20 I 1 DLR-StV; § 9 Nr. 2 HR-G; § 20 II 1 Hs. 2 MDR-StV; § 18 II 1 Hs. 2 NDR-StV; § 13 I 1 Hs. 2 RBB-StV; § 8 II RBG; § 28 III SMG; § 15 II 1 Hs. 2 SWR-StV; § 16 III WDR-G; § 20 I 1 Hs. 2 ZDF-StV. 237 Art. 7 III Nr. 8 BayRG; § 20 I 2 DLR-StV; § 9 Nr. 2 Alt. 2 HR-G; § 20 II 1 Hs. 2 MDR-StV; § 18 I 1 Hs. 1 NDR-StV; § 13 I 1 HS: 1 RBB-StV; § 8 IV Nr. 5 RBG; § 28 I 2 SMG; § 15 II 1 Hs. 2 SWR-StV; § 16 III Hs. 2, IV 1 WDR-G; § 20 I 2 ZDF-StV. 238 OVG Lüneburg, Urt. v. 29.8.1978 = DÖV 1979 170 (171). BVerfGE 31, 314 (328): „höchste[s] Organ der Anstalt.“ 239 Dörr, Staatsferne und Zusammensetzung, S. 16; Herrmann/Lausen, Rundfunkrecht, § 11 Rn. 44; Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, RStV, Abschn. I B 5, Vor § 11 RStV Rn. 62.
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2. Kap.: Das Gebot der Staatsferne des Rundfunks
Der Verwaltungsrat ist hauptsächlich für die wirtschaftlichen Belange der Rundfunkanstalt verantwortlich. Ihm kommt die Aufgabe zu, die Geschäftsführung des Intendanten zu überwachen240 und gegebenenfalls die Zustimmung zu gesetzlich festgelegten Rechtsgeschäften des Intendanten zu geben.241 In Fragen der Geschäftsführung steht dem Verwaltungsrat gegenüber dem Intendanten auch ein Beratungsrecht zu.242 Darüber hinaus überwacht der Verwaltungsrat die Tätigkeit des Intendanten, wozu ihm zur wirksamen Durchsetzung nicht nur ein Informations- und Auskunftsrecht, sondern zum Teil auch das Recht, einen Sachverständigen hinzuzuziehen, eingeräumt wird.243 Inhaltlich prüft der Verwaltungsrat dabei den vom Intendanten aufgestellten Haushaltsplan sowie den Jahresabschluss,244 die anschließend beide vom Rundfunkrat genehmigt werden. In Zusammenarbeit mit den Rundfunkräten kommt dem Verwaltungsrat ferner die Aufgabe zu, den Intendanten zu wählen oder dem Rundfunkrat entsprechende Vorschläge zu unterbreiten.245 Zudem vertritt der Verwaltungsrat die Anstalt bei Rechtsgeschäften und -streitigkeiten mit dem Intendanten,246 insbesondere beim Abschluss des Dienstvertrags247. Über die Kontrolle des Intendanten, der die Verantwortung für die Programmgestaltung trägt, kann der Verwaltungs-
240 Art. 10 II Nr. 3 BayRG; § 23 II DLR-StV; § 15 I HR-G; § 26 I MDR-StV; § 25 I NDR-StV; § 18 I RBB-StV; § 13 I RBG; § 32 I SMG; § 21 I SWR-StV; § 21 I 1 WDR-G; § 23 II ZDF-StV. 241 Zum Beispiel bei Grundstücksgeschäften, der Übernahme von Bürgschaften oder finanzintensiven Verpflichtungen der Anstalt: § 28 DLR-StV; § 15 I i. V. m. § 16 II 2 HR-G; § 26 II Nr. 5 i. V. m. § 31 I MDR-StV; § 25 II Nr. 4 i. V. m. § 30 NDRStV; § 18 III RBB-StV; § 13 II RBG; § 32 II Nr. 3 SMG; § 21 II Nr. 6 i. V. m. § 27 SWR-StV; § 21 III WDR-G; § 28 ZDF-StV. 242 Ausdrücklich § 13 I 1 RBB-StV; § 13 I RBG; § 21 II Nr. 1 WDR-G. Das Recht wird allerdings auch den übrigen Räten zugesprochen, Fuhr, ZDF-Staatsvertrag, S. 303. 243 Ausdrücklich § 15 II HR-G; § 26 III MDR-StV; § 25 III NDR-StV; § 18 IV i. V. m. § 13 IV RBB-StV; § 32 III SMG; § 21 III SWR-StV; § 21 I 2–4 WDR-G. Das Auskunfts- und Einsichtnahmerecht besteht aber auch ohne ausdrückliche Regelung, Fuhr, ZDF-Staatsvertrag, 303. 244 Art. 10 II Nr. 4 BayRG; § 23 IV DLR-StV; § 15 I 2 Nr. 3 HR-G; § 26 II Nr. 2 MDR-StV; § 25 II Nr. 1 NDR-StV; § 18 II Nr. 3 RBB-StV; § 13 IV Nr. 1 RBG; § 32 II Nr. 5 SMG; § 21 II Nr. 2 SWR-StV; § 21 II Nr. 4 WDR-G; § 23 I 2 ZDF-StV. 245 Siehe oben 2. Kapitel C. II. 4. e) aa). 246 Art. 10 II Nr. 2 BayRG; § 23 I 2 DLR-StV; § 15 I 2 HR-G; § 26 II Nr. 6 MDR-StV; § 25 II Nr. 5 NDR-StV; § 18 II Nr. 2 RBB-StV; § 13 VI RBG; § 32 II Nr. 2 SMG; § 21 II Nr. 8 SWR-StV; § 21 II Nr. 2 WDR-G; § 23 I 1 ZDF-StV. 247 Art. 10 II Nr. 1 BayRG; § 23 I 1 DLR-StV; § 15 I 2 Nr. 1 HR-G; § 18 II Nr. 1 RBB-StV; § 13 IV Nr. 1 RBG; § 32 II Nr. 1 SMG; § 21 II Nr. 3 WDR-G; § 23 I 2 ZDF-StV.
C. Die Ausprägung des Gebots der Staatsferne des Rundfunks 113
rat damit zumindest mittelbar auf die Programmentscheidungen des Intendanten Einfluss nehmen.248 Auch beim Verwaltungsrat zeigt sich sehr deutlich, dass die organisatorische Ausgliederung der Rundfunkanstalten als Anstalten des öffentlichen Rechts allein nicht ausreichend ist, um die Staatsunabhängigkeit der Rundfunkanstalt auch tatsächlich sicher zu stellen.249 bb) Rechtsprechung Indem den Rundfunkgremien Einfluss auf die Programmgestaltung der Rundfunkanstalt zukommt und die Programmfreiheit potentiell gefährdet ist, kommt es entscheidend auf den Einfluss der staatlichen Vertreter innerhalb der Gremien an. Das Bundesverfassungsgericht hat schon früh die Zulässigkeit staatlicher Vertreter in den Rundfunkgremien gebilligt, solange diese die Anstalt nicht unmittelbar oder mittelbar beherrschen würden. Ausgeschlossen sei damit nur ein beherrschender Einfluss.250 Ein solcher liege – so das Gericht – jedenfalls nicht vor, wenn von den 26 Mitgliedern eines Rundfunkausschusses fünf von den im Landtag vertretenen Parteien bestimmt würden.251 Ebenso führe die Anwesenheit von zwei Gemeindevertretern in der Vertreterversammlung einer mindestens zwölf und maximal 22 Mitglieder umfassenden Veranstaltergemeinschaft nicht zu einem beherrschenden staatlichen Einfluss.252 Daneben hat das Gericht im selben Urteil die Zusammensetzung der Gremien im Hinblick auf die gesellschaftlich relevanten Gruppen dem Gesetzgeber zugestanden. Diese Befugnis ende jedoch dann, wenn die Zusammensetzung zu einer groben Verzerrung führe.253 Dieses Verbot der groben Verzerrung dürfte nicht nur für die gesellschaftlich relevanten Kräfte, sondern für das Gremium im Allgemeinen gelten, das heißt auch auf die Besetzung mit staatlichen Vertretern übertragbar sein.254 Sehr konkret hat sich das Gericht nun im Rahmen der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des ZDF-Staatsvertrags geäußert und Leitlinien für die 248 Dörr, Staatsferne und Zusammensetzung, S. 16; Hahn, Aufsicht des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, S. 80. 249 Gersdorf, Staatsfreiheit, S. 161. 250 BVerfGE 12, 205 (263); 73, 118 (165); 83, 238 (330). 251 BVerfGE 73, 118 (165). 252 BVerfGE 83, 238 (330). 253 BVerfGE 83, 238 (334 f.). 254 Dörr, Staatsferne und Zusammensetzung, S. 18.
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2. Kap.: Das Gebot der Staatsferne des Rundfunks
Ausgestaltung der Aufsichtsgremien aufgestellt. So dürfe der Anteil der staatlichen und staatsnahen Mitglieder ein Drittel der gesetzlichen Mitglieder des jeweiligen Gremiums nicht übersteigen.255 Dabei müsse nicht nur verhindert werden, dass diese Mitglieder in die Lage versetzt würden, als Gesamtheit Entscheidungen allein durchzusetzen oder zu blockieren, mithin die Möglichkeit eines konzertierten Zusammenwirkens.256 Vielmehr ziele das Gebot der Staatsferne schon prinzipiell auf eine Begrenzung der Einflussnahme von staatlichen und staatsnahen Mitgliedern, deren Perspektive in politische Gesamtprogramme rückgebunden sei.257 Letztlich gewährleiste nur diese Zusammensetzung der Gremien, dass ein bestimmender Einfluss der staatlichen und staatsnahen Mitglieder auf das Gremium hinreichend ausgeschlossen werde.258 Im Hinblick darauf, wer als staatliches oder staatsnahes Mitglied gilt, nimmt das Bundesverfassungsgericht eine funktionale Betrachtungsweise vor, die es aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG ableitet. Danach sei maßgeblich, ob eine Person handele, die staatlich-politische Entscheidungsmacht inne habe oder im Wettbewerb um ein hierauf gerichtetes öffentliches Amt oder Mandat stehe und insoweit in besonderer Weise auf die Zustimmung einer breiteren Öffentlichkeit verwiesen sei.259 Auch dürften Regierungsmitglieder und sonstige Vertreter der Exekutive auf die Bestellung staatsferner Mitglieder keinen bestimmenden Einfluss haben. Andernfalls wäre die Gefahr, dass die Kräftefelder des Wettbewerbs um Amt und Mandat auf die Auswahl überwirken, groß. Zudem könnten Anreize erwachsen, amtliche und politische Perspektiven durch die Auswahl entsprechender Gruppenvertreter zu verstärken.260 Der Gesetzgeber habe darüber hinaus sicherzustellen, dass die als staatsferne Mitglieder in die Gremien berufenen Personen auch persönlich in einer hinreichenden Distanz zu staatlich-politischen Entscheidungszusammenhängen stehen. Dementsprechend habe er Inkompatibilitätsregelungen für solche Personen zu schaffen, die Mitglieder von Regierungen, Parlamentarier, politische Beamte oder Wahlbeamte in Leitungsfunktionen sind oder in herausgehobener Funktion für eine politische Partei Verantwortung tragen.261 255 BVerfG,
Urt. Urt. 257 BVerfG, Urt. 258 BVerfG, Urt. 259 BVerfG, Urt. C. I. 260 BVerfG, Urt. 261 BVerfG, Urt. 256 BVerfG,
v. v. v. v. v.
25.3.2014 – 1 BvF 1/11, Rn. 51, 55. 25.3.2014 – 1 BvF 1/11, Rn. 53. 25.3.2014 – 1 BvF 1/11, Rn. 54. 25.3.2014 – 1 BvF 1/11, Rn. 55. 25.3.2014 – 1 BvF 1/11, Rn. 58 f. Siehe dazu auch 6. Kapitel
v. 25.3.2014 – 1 BvF 1/11, Rn. 66 f. v. 25.3.2014 – 1 BvF 1/11, Rn. 75 ff.
C. Die Ausprägung des Gebots der Staatsferne des Rundfunks 115
Zudem bedürfe es einer hinreichenden Absicherung der persönlichen Rechtsstellung aller Mitglieder zur Gewährleistung ihrer Eigenständigkeit bei der Aufgabenwahrnehmung. Hierfür sei erforderlich, dass die Mitglieder hinsichtlich ihrer Aufgabenwahrnehmung weisungsfrei gestellt würden.262 Schließlich habe der Gesetzgeber Regelungen zu schaffen, die für die Arbeit der Aufsichtsgremien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks jedenfalls ein Mindestmaß an Transparenz gewährleisteten.263 Auch haben Verwaltungs- und Landesverfassungsgerichte zu diesem Problem Stellung genommen. Das OVG Lüneburg hält die Zusammensetzung der Gremien nur dann mit dem Gebot vereinbar, wenn die staatlichen Vertreter in der Minderheit blieben.264 Das Verwaltungsgericht Hamburg übertrug diese Rechtsprechung des OVG auf die Zusammensetzung des NDR-Verwaltungsrates, sodass auch bei diesem ein beherrschender Einfluss staatlicher Vertreter auszuschließen sei.265 Der Bayerische Verfassungsgerichtshof nahm eine Beherrschung des Gremiums an, wenn der Staat und die ihm zuzurechnenden Mitglieder des Gremiums rechtlich oder faktisch so eng miteinander verbunden oder voneinander abhängig seien, dass sie als geschlossene Gruppe des Staates einen beherrschenden Einfluss ausüben könnten. Diese Beherrschung ist dann anzunehmen, wenn „der Staat“ so einheitlich und geschlossen auftreten könne, dass die anderen Gruppen ihm gegenüber unangemessen benachteiligt wären.266 Zudem sei die Mitwirkung staatlicher Vertreter umso unproblematischer, je geringer der Einfluss des Gremiums auf die Programmgestaltung sei. Für den Verwaltungsrat sieht das Gericht zwar wichtige personelle und finanzielle Kompetenzen, jedoch hätten diese lediglich mittelbaren Einfluss auf das Programm.267 Für die Zusammensetzung des MDR-Rundfunkrates hielt der Thüringer Verfassungsgerichtshof nur einen angemessenen Staatsanteil für zulässig.268 Ausgeschlossen werden müsse, dass die Staatsseite in der Lage sei, die außerstaatlichen Gruppen bei Abstimmungen zu majorisieren. Zu berück262 BVerfG,
Urt. v. 25.3.2014 – 1 BvF 1/11, Rn. 80 f. Urt. v. 25.3.2014 – 1 BvF 1/11, Rn. 82 ff. 264 OVG Lüneburg, Urt. v. 29.8.1978 = DÖV 1979 170 (171). 265 VG Hamburg, Urt. v. 8.2.1979 = DVBl. 1980, 491 f. 266 BayVerfGH, Entsch. v. 16.2.1989 = NJW 1990, 311 (313). 267 BayVerfGH, Entsch. v. 16.2.1989 = NJW 1990, 311 (313 f.). 268 ThürVerfGH, Urt. v. 19.6.1998 = ZUM-RD 1998, 394 (401). 263 BVerfG,
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2. Kap.: Das Gebot der Staatsferne des Rundfunks
sichtigen seien jedoch auch den Staatseinfluss neutralisierende Elemente wie divergierende Interessenlagen der jeweiligen Staatsgruppen oder der bei Mehrländeranstalten vorzufindende Gesichtspunkt der föderalen Brechung.269 Fasst man diese Aussagen zusammen, lässt sich jedenfalls als gemeinsame Grundlage festhalten, dass ein Anteil staatlicher Vertreter sowohl in Rundfunk- als auch Verwaltungsrat nicht ausgeschlossen ist, sich aber unterhalb der absoluten Mehrheit befinden muss. cc) Schrifttum Das Schrifttum sieht bei der Besetzung der Rundfunkgremien im Zusammenhang mit dem Gebot der Staatsferne nicht nur das Problem der zulässigen Anzahl staatlicher Vertreter, sondern verweist – wie nun auch das Bundesverfassungsgericht – auf die Rechtslage beim Entsendungsverfahren, soweit für die Auswahl von Gremienmitgliedern ein Hoheitsträger zuständig ist. So überlassen einige Rundfunkgesetze die Berufung nichtstaatlicher Vertreter zum Teil der Exekutive oder Legislative.270 Gehören Exekutive und Legislative unstreitig zu den Adressaten des Gebots der Staatsferne,271 gehen die Ansichten über die Folgen dieses staatlichen Einflusses auseinander. Die Befürworter des staatlichen Berufungsverfahrens verweisen im Wesentlichen darauf, dass durch die Beteiligung der Legislative eine höhere demokratische Legitimation der Rundfunkratsmitglieder erreicht werden könne.272 Für das ZDF müsse außerdem berücksichtigt werden, dass die durch die Wahl der Mitglieder ausgeübte Staatsgewalt der Ministerpräsidenten, die regelmäßig verschiedenen Parteien angehörten, föderalistisch gebrochen und daher nur abgeschwächter Natur sei.273 Gegen diese Ansicht lassen sich allerdings verschiedene Einwände hervorbringen. Die Annahme, die durch die Wahl ausgeübte Staatsgewalt der 269 ThürVerfGH, Urt. v. 19.6.1998 = ZUM-RD 1998, 394 (402 f.); zur föderalen Brechung siehe auch das BayVerfGH, Entsch. v. 16.2.1989 = NJW 1990, 311 (313). 270 So beim ZDF-Fernsehrat, § 21 III, IV ZDF-Staatsvertrag; Rundfunkrat von Radio-Bremen, § 10 II Radio-Bremen-Gesetz. 271 BVerfGE 73, 118 (182); 83, 238 (323 f.). 272 OVG Lüneburg, Urt. v. 29.8.1978 = DÖV 1979 170 (172); Starck, Rundfunkfreiheit, S. 16. 273 Fuhr, ZDF-Staatsvertrag, S. 282 f.; Lerche, Landesbericht, S. 77 f.; Bachof/ Kisker, ZDF-Staatsvertrag, S. 64.
C. Die Ausprägung des Gebots der Staatsferne des Rundfunks 117
Ministerpräsidenten sei föderalistisch gebrochen, setzt voraus, dass die Mehrheitsverhältnisse in den Ländern immer untereinander different sind. Dies wird auch in den meisten Fällen so sein. Allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, dass im Extremfall alle oder ein Großteil der Bundesländer von einer Fraktion regiert werden. Gleiches gilt für eine große Koali tion. In diesen beiden Fällen fehlt es gerade an den sich neutralisierenden Einflüssen und es ist vielmehr davon auszugehen, dass eine einseitige Besetzung zum Beispiel des ZDF-Fernsehrates nicht ausgeschlossen werden kann.274 Das vorgebrachte Argument der demokratischen Legitimation der berufenen Vertreter täuscht darüber hinweg, dass das Parlament ein Adressat des Gebots ist.275 Beruft das Parlament ein Mitglied – sei es auch aus einem durch die entsendungsberechtigte Gruppe vorgelegten Vorschlag – so liegt die endgültige Entscheidung beim Parlament. Die entsendungsberechtigte Gruppe wird unter Umständen nur Mitglieder vorschlagen, bei denen sie davon ausgeht, dass sie auch gewählt werden. „Unliebsame“ Mitglieder werden womöglich gar nicht erst vorgeschlagen. Ein Anpassungsdruck sowie eine gewisse Abhängigkeit seitens der Vertreter, um möglicherweise auch für die nächste Amtsperiode die Berufung zu garantieren, kann mithin nicht ausgeschlossen werden.276 Die so berufenen Vertreter können daher nicht mehr dem nichtstaatlichen Bereich zugerechnet werden, sie gelten vielmehr als Staatsvertreter. Letztlich widerspricht damit die Berufung nichtstaatlicher Vertreter durch den Staat der Intention des Gebots der Staatsferne des Rundfunks, macht eine solche Regelung an sich aber noch nicht unzulässig.277 Dies ist solange nicht der Fall, wie die Anzahl der Staatsvertreter auch mit den hinzuzurechnenden Mitgliedern nicht gegen das Beherrschungsverbot verstößt.278 Gleiches muss für den Verwaltungsrat gelten.279 Auch wenn dieser „nur“ mittelbar auf das Programm Einfluss nehmen kann, ändert dies nichts daran, 274 Hahn, Aufsicht des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, S. 171; Hoffmann-Riem, Rundfunkaufsicht, S. 40 f.; Gebel, ZUM 1993, 394 (399). Dazu auch BVerfG, Urt. v. 25.3.2014 – 1 BvF 1/11, Rn. 65 ff. 275 Siehe dazu das 3. Kapitel A. 276 Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, Teil D Rn. 25.; Hahn, Aufsicht des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, S. 172 f.; Dörr, Staatsferne und Zusammensetzung, S. 29 f.; Scheel, Zur Staatsfreiheit des Rundfunks, S. 41; Schulz, Staatsferne, S. 13. 277 Siehe aber BVerfG, Urt. v. 25.3.2014 – 1 BvF 1/11, Rn. 66, das einen bestimmenden Einfluss von Regierungsmitgliedern oder sonstigen Vertretern der Exekutive auf die Auswahl und Bestellung der staatsfernen Mitgliedern untersagt. 278 Hahn, Aufsicht des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, S. 174. 279 Hesse, JZ 1997, 1083 (1084 f.); Schuster, Meinungsvielfalt, S. 152 ff.; Dörr, Staatsferne und Zusammensetzung, S. 31; Fechner, Medienrecht, S. 320; Degenhart, NVwZ 2010, 877 (878). So auch BVerfG, Urt. v. 25.3.2014 – 1 BvF 1/11, Rn. 55.
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2. Kap.: Das Gebot der Staatsferne des Rundfunks
dass der Verwaltungsrat als Teil der Rundfunkanstalt staatsfern ausgestaltet sein muss. Zwar spricht das Bundesverfassungsgericht stets davon, dass der Rundfunk nicht vom Staat beherrscht werden darf und erwähnt in diesem Zusammenhang lediglich die Rundfunkräte.280 Würde man jedoch die Verwaltungsräte vom Gebot der Staatsferne ausnehmen, könnten sich staatliche Interessen durch die „Hintertür“ durchsetzen, was jedoch nicht im Sinne der Rundfunkfreiheit sein kann.281 Dafür spricht auch, dass das Bundesverfassungsgericht mehrfach darauf hingewiesen hat, dass der Rundfunk nicht nur vor unmittelbarem staatlichen Einfluss, sondern auch vor den subtileren Mitteln indirekter Einwirkung bewahrt werden müsse.282 Nimmt der Verwaltungsrat wichtige Überwachungsfunktionen, insbesondere des Inten danten wahr, kann zumindest ein solch mittelbarer Einfluss nicht negiert werden.283 Die Beteiligung von Hoheitsträgern am Entsendungs- bzw. Berufungsverfahren hat somit zur Konsequenz, dass die so berufenen Vertreter gesellschaftlicher Gruppen der Anzahl der Staatsvertreter hinzuzurechnen sind. Im Schrifttum wurden bereits im Vorfeld des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zum ZDF-Staatsvertrag zahlreiche konkrete Vorschläge zu einer mit dem Gebot der Staatsferne des Rundfunks zu vereinbarenden Besetzung der Rundfunkgremien gemacht. Größtenteils ist man sich auch hier einig, dass die Anzahl staatlicher Vertreter unterhalb der absoluten Mehrheit liegen muss.284 Nur wenige lehnen jegliche Form der Beteiligung staatlicher Vertreter an den Rundfunkanstalten mit dem Hinweis, der Rundfunk sei eine im gesellschaftlichen Boden verwurzelte Aufgabe, ab.285 Vielfach wird der zulässige Staatsanteil zwischen 280 BVerfGE
12, 205 (262); BVerfG, Urt. v. 25.3.2014 – 1 BvF 1/11, Rn. 55. Aufsicht des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, S. 191. 282 So zuletzt BVerfGE 121, 30 (53). 283 Dörr, Staatsferne und Zusammensetzung, S. 26 f.; Hahn, Aufsicht des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, S. 191. 284 Schulz, Staatsferne, S. 17; Berendes, Staatsaufsicht, S. 71 f.; Fuhr, ZDFStaatsvertrag, S. 280 f.; Degenhart, in: BK, Art. 5 I, II Rn. 773; Lerche, Landesbericht, S. 76; Scheel, Zur Staatsfreiheit des Rundfunks, S. 48; Starck, in: vMangoldt/ Klein/Starck, GG, Art. 5 I, II Rn. 130; Mallmann, Zur Rechtsaufsicht, S. 111 f.; Bethge, ZUM 1989, 209 (210) spricht von einer „deutlichen Minderheitsposition“. 285 Starck, Rundfunkfreiheit, S. 27; Wufka, Rundfunkfreiheit, S. 96; Scheele, Art. 5 Abs. 1 GG, S. 109 ff.; Gersdorf, Grundzüge des Rundfunkrechts, S. 63, der darauf verweist, dass das BVerfG bisher keinen dogmatisch tragfähigen Grund für die Zulässigkeit staatlicher Vertreter in den öffentlich-rechtlichen Gremien genannt hat. Auch Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, Teil D Rn. 23 verweisen auf dieses Problem. Scheel, Zur Staatsfreiheit des Rundfunks, S. 50 wirft auch die Frage auf, warum das BVerfG bei der Frage der Zusammensetzung der KEF besonders 281 Hahn,
C. Die Ausprägung des Gebots der Staatsferne des Rundfunks 119
der 50-%-Marke und einem Drittel gesehen. So steht oftmals die Forderung nach einem Anteil von deutlich unter 50 % im Raum.286 Andere setzen die Höchstgrenze bei einem Drittel an.287 Jarass geht sogar von einer Zahl unterhalb von einem Drittel aus. Allerdings rechnet dieser die Vertreter der Gemeinden, der Judikative sowie der parlamentarischen Opposition nicht zu den staatlichen Mitgliedern.288 Diese Ansicht dürfte jedoch überholt sein. Zwar können sich erstere gegenüber dem Staat auf einen gewissen Bereich der Unabhängigkeit (Selbstverwaltungsrecht und richterliche Unabhängigkeit) berufen. Dies hat jedoch keinen Einfluss auf das Verhältnis zum Bürger. Gegenüber diesem agieren sie – und dies gilt auch für die Opposition im Parlament – als Staatsgewalt.289 Es finden sich aber auch Stimmen, die einen Einfluss unterhalb von einem Drittel befürworten. Diese Ansicht differenziert zwischen den unmittelbaren Staatsvertretern und den Parteien. So soll der Anteil der Staatsvertreter 25 %, der der Parteien 10 % betragen.290 Über die prozentuale Begrenzung hinaus werden noch andere Gesichtspunkte herangezogen. Ricker/Schiwy wollen auch den Einfluss des jeweiligen staatlichen Vertreters, welchen er aufgrund seiner Erfahrung und Stellung besitzt, berücksichtigen.291 Bei den länderübergreifenden Rundfunkanstalten wird zudem auf die föderalistische Brechung des staatlichen Einflusses abgestellt. So würden bei Mehrländeranstalten die Interessen der staatlichen Vertreter aufgrund ihrer unterschiedlichen politischen Ansichten divergieren, sodass die Staatsvertreter nicht als einheitliche Gruppe auftreten könnten. Vielmehr führe dies zu einer Abschwächung des Staatseinflusses.292 strenge Anforderungen an die Staatsferne formuliert hat, bei den Rundfunkgremien hingegen Großzügigkeit walten lässt. 286 Wobei jedoch die Parteienvertreter den Staatsvertretern zugerechnet werden, Schuster, Meinungsvielfalt, S. 151; Hoffmann-Riem, in: AK-GG, Art. 5 I, II Rn. 212. 287 Degenhart, in: BK, Art. 5 I, II Rn. 773. Auch die Bayerische Verfassung sieht die Höchstgrenze von einem Drittel vor, Art. 111a II 3 BV. Einen Anteil von einem Drittel befürwortet auch Stock, AöR (104) 1979, 1 (21 f.). So nun auch BVerfG, Urt. v. 25.3.2014 – 1 BvF 1/11, Rn. 51. 288 Jarass, Staatsfreiheit, S. 48 f. 289 Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, Teil D Rn. 78, 81 ff.; Gersdorf, Staatsfreiheit, S. 104 f., 108 f., 112. 290 Scheel, Zur Staatsfreiheit des Rundfunks, S. 48 sowie RTL-Justiziar Kresse, zitiert nach Lilienthal, epd/Kirche und Rundfunk Nr. 64 v. 16.8.1995, 4 (8). 291 Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, Teil D Rn. 24. 292 Fuhr, ZDF-Staatsvertrag, S. 280; Lerche, Landesbericht, S. 78; Jarass, Staatsfreiheit, S. 50; Degenhart, NVwZ 2010, 877 (880); Hain, Zulassungs- und Aufsichtsentscheidungen, S. 78; v. Coelln, Stellungnahme zur ZDF-Staatsvertragsklage, abgedruckt in: Funkkorrespondenz 34.2011, 11 (21 ff.).
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2. Kap.: Das Gebot der Staatsferne des Rundfunks
Für die Besetzung des Verwaltungsrates kann nichts anderes gelten als für das Entsendungsverfahren. Auch die Besetzung unterliegt dem Gebot der Staatsferne des Rundfunks. Dementsprechend wird auch für den Anteil staatlicher Vertreter im Verwaltungsrat eine Quote deutlich unterhalb von 50 % gefordert.293 dd) Stellungnahme Sollen alle unmittelbaren und mittelbaren staatlichen und parteipolitischen Einflüsse von der Rundfunkveranstaltung soweit ferngehalten werden, dass sich aus diesen kein beherrschender Einfluss ergibt, erfordert dies sowohl ein staatsfern ausgestaltetes Besetzungsverfahren als auch eine entsprechende Besetzung sowohl von Rundfunk- bzw. Fernsehrat als auch Verwaltungsrat. Bezüglich Letzterem ist insgesamt kein anderer Maßstab im Hinblick auf das Gebot zugrunde zu legen. Eine Differenzierung zwischen mittelbaren und unmittelbaren Einflüssen würde die Konsequenz haben, dass dem Staat letztlich doch Mittel und Wege zur Verfügung stünden, um auf die Programmfreiheit in einem ihm nicht zustehenden Maße Einfluss zu nehmen.294 Allerdings schließt das Gebot eine angemessene Beteiligung des Staates nicht aus,295 spricht das Bundesverfassungsgericht doch ausdrücklich davon, dass keine strikte Trennung zwischen Rundfunk und Staat existiert.296 Es wäre daher auch verfehlt in diesem Bereich anstatt von einem Gebot der Staatsferne, von einem Gebot der Staatsfreiheit zu sprechen. Man mag davon sprechen, dass der Staat kein eigenes „Gruppeninteresse“ inne hat und ihm daher auch kein Platz in einem Rundfunkgremium zukommt.297 Diese Ansicht verkennt jedoch, dass die Mitglieder im Rundfunkrat gerade keine Interessenvertreter sind, sondern im Sinne der Allgemeinheit für ein plurales Rundfunkprogramm zu sorgen haben. Für dieses Ausbalancieren eignen sich auch staatliche Vertreter, die dem Gemeinwohl verpflichtet sind.298 Zu be293 Dörr, Staatsferne und Zusammensetzung, S. 27; ders., K&R 2009, 555 (558 f.); Hahn, Aufsicht des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, S. 193; Schuster, Meinungsvielfalt, S. 154; Hesse, JZ 1997, 1083 (1085); Scherer, ZUM 2008, 8 (18). 294 So nunmehr auch BVerfG, Urt. v. 25.3.2014 – 1 BvF 1/11, Rn. 55; Hahn, Aufsicht des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, S. 191; a. A. BayVerfGH, Entsch. v. 16.2.1989 = NJW 1990, 311 (313). 295 BVerfG, Urt. v. 25.3.2014 – 1 BvF 1/11, Rn. 44; Hahn, Aufsicht des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, S. 185 f.; Schuster, Meinungsvielfalt in der dualen Rundfunkordnung, S. 145; Berendes, Staatsaufsicht, S. 71 f.; Schadrowski/Stumpf, AfP 2012, 417 (418); Degenhart, NVwZ 2010, 877 (878 f.). 296 BVerfGE 121, 30 (53). 297 Wufka, Rundfunkfreiheit, S. 96; Scheele, Art. 5 Abs. 1 GG, S. 109 f.
C. Die Ausprägung des Gebots der Staatsferne des Rundfunks 121
denken ist dabei, dass es durchaus auch gesellschaftliche Gruppen gibt, die nicht durch die im Gremium anwesenden Vertreter repräsentiert werden. Deren Belange können dann gerade auch durch die demokratisch legitimierten staatlichen Vertreter wahrgenommen werden.299 Zum Teil haben Rechtsprechung und Schrifttum verdeutlicht, dass die bereits angesprochene Spannungslage nicht generell, sondern nur im Einzelfall aufgelöst werden kann.300 Im Rahmen der Besetzung von Rundfunkgremien kann jedenfalls davon ausgegangen werden, dass die Anzahl staatlicher Vertreter auf eine Quote deutlich unter 50 % begrenzt werden muss. Eine bloße Minderheit dieser Vertreter würde hingegen nicht ausreichen. Denn so kann die Beherrschung des Gremiums nur dann ausgeschlossen werden, wenn alle gesellschaftlichen Gruppen geschlossen abstimmen würden. Dies ist sehr unwahrscheinlich, dürfen doch die gesellschaftlichen Gruppen teilweise nur einen oder zwei Vertreter entsenden. Die aufeinandertreffenden unterschiedlichen Ansichten innerhalb der gesellschaftlichen Gruppen dürften daher stärker divergieren als bei der staatlichen Gruppe. Eine einheitliche Stimmabgabe scheint daher äußerst unwahrscheinlich, sodass die staatliche Mehrheit leicht erreicht werden könnte, wenn sich auch nur einige der gesellschaftlichen Vertreter der staatlichen Ansicht anschließen.301 Zwar bestehen im Einzelfall zwischen den unmittelbaren staatlichen Vertretern – mithin solchen der Legislative, Exekutive und Judikative – und denen politischer Parteien innere Verbindungen und ähnliche Interessen. Daraus zu schließen, der Anteil beider Gruppen zusammen müsse zwingend auf ein Drittel oder gar darunter reduziert werden,302 überzeugt nicht. Diese formale Reduzierung trägt dem im Einzelfall bestehenden Einfluss – insbesondere auch den Kompetenzen der Gremien – nicht Rechnung. Das Gebot der Staatsferne des Rundfunks schließt nur den beherrschenden, allerdings nicht jeden staatlichen Einfluss aus.303 Eine Reduzierung der staatlichen Vertreter steht dem Gebot jedoch auch nicht entgegen.304 298
298 BVerfGE 83, 238 (333); 60, 53 (64 f.); BVerfG, Urt. v. 25.3.2014 – 1 BvF 1/11, Rn. 40 u. 41; Berendes, Staatsaufsicht, S. 71 f., 79 f. 299 BVerfG, Urt. v. 25.3.2014 – 1 BvF 1/11, Rn. 41; v. Coelln, Stellungnahme zur ZDF-Staatsvertragsklage, abgedruckt in: Funkkorrespondenz 34.2011, 11 (18 f.); De genhart, NVwZ 2010, 877 (878). 300 Siehe aber demgegenüber BVerfG, Urt. v. 25.3.2014 – 1 BvF 1/11, Rn. 55 ff. 301 So auch Hahn, Aufsicht des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, S. 186; Schuster, Meinungsvielfalt, S. 150 f. 302 So das BVerfG, Urt. v. 25.3.2014 – 1 BvF 1/11, Rn. 61. 303 Schulz, Staatsferne, S. 9; Kewenig, DÖV 1979, 174 (175); Hahn, Aufsicht des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, S. 187; Berendes, Staatsaufsicht, S. 80 f.; Lerche, Landesbericht, S. 76; Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, Teil D Rn. 24. 304 Hahn, Aufsicht des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, S. 185; Kewenig, DÖV 1979, 174 (175) lehnt einen völligen Ausschluss staatlicher Vertreter ab, da es in
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2. Kap.: Das Gebot der Staatsferne des Rundfunks
Ebenso wie die Verbindung zwischen unmittelbaren staatlichen Vertretern und den politischen Parteien nicht überbewertet werden darf,305 kann auch nicht die durch eine föderalistische oder sonstige politisch bedingte Brechung der Staatsmacht angenommene Neutralisierung des staatlichen Einflusses geltend gemacht werden.306 So verweist Huber zu recht darauf, dass verstärkt die Neigung besteht, sogenannte „Paketlösungen“ seitens der staatlichen Vertreter zu forcieren, was gerade dazu führt, dass die föderalistische Brechung weitgehend aufgehoben wird.307 Es ist daher durchaus nicht abwegig, dass im Einzelfall parallele Interessenlagen der Repräsentanten verschiedener Hoheitsträger bestehen.308 In diesem Fall besteht dann die Gefahr der Staatsdominanz innerhalb des Gremiums. Selbst wenn es sich dabei nur um einen Einzelfall handeln sollte, da auch der Staat keine homogene Gruppe darstellt, muss er entsprechend dem Gebot der Staatsferne des Rundfunks verhindert werden. Das Gebot sieht nicht vor, dass die Gremien nur „im Großen und Ganzen“ frei von staatlicher Dominanz agieren. Eine solche Beherrschung ist vielmehr auszuschließen. Diesen Gefahren für das Gebot der Staatsferne des Rundfunks ist durch präventives Handeln entgegenzutreten. Eine Verletzung des Gebots könnte unter Umständen nicht oder nur sehr schwer wieder rückgängig gemacht werden. Der Gesetzgeber ist nicht darauf verwiesen, Verletzungen des Gebots abzuwarten und erst im Anschluss tätig zu werden.309 Die Möglichkeit des einheitlichen Auftretens der staatlichen Vertreter darf deshalb nicht unberücksichtigt bleiben.310 Ferner ist die Intention des Gebots der Staatsferne des Rundfunks, staatlichen Einfluss als solchen zu verhindern bzw. in einem angemessenen Rahmen zu halten. Es kann daher nicht maßgeblich sein, diesem Fall an jeder Transparenz und öffentlichen Kontrolle des Berufungsverfahrens fehle. So auch Fechner, NJW 1997, 3211 (3215), der für diesen Fall noch auf die fehlende demokratische Legitimation der Rundfunkräte verweist. 305 A. A. BVerfG, Urt. v. 25.3.2014 – 1 BvF 1/11, Rn. 61. 306 Im Ergebnis so auch Hahn, Aufsicht des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, S. 187 f.; Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, Teil D Rn. 26; Schuster, Meinungsvielfalt, S. 153 f.; Schulz, AfP 2013, 464 (468); abweichende Meinung des Richters Meyn, ThürVerfGH v. 19.6.1998 = ZUM-RD 1998, 407 (409). 307 Huber, in: FS Bethge 2009, S. 509; zustimmend Dörr, Staatsferne und Zusammensetzung, S. 24. Siehe auch zu den sog. „Freundeskreisen“ innerhalb der Rundfunkräte Frank, Staatsferne, S. 323 f.; a. A. Schadrowski/Stumpf, AfP 2012, 417 (419 f.); v. Coelln, Stellungnahme zur ZDF-Staatsvertragsklage, abgedruckt in: Funkkorrespondenz 34.2011, 11 (22) m. w. N. 308 Siehe auch zu den sog. Freundeskreisen BVerfG, Urt. v. 25.3.2014 – 1 BvF 1/11, Rn. 54. 309 BVerfGE 121, 30 (64). 310 Hain, Verfassungsklage ZDF-StV, abgedruckt in: Funkkorrespondenz 15.–16. 2011, 11 (26).
C. Die Ausprägung des Gebots der Staatsferne des Rundfunks 123
dass nur einseitige politische Tendenzen durch eine föderalistische Brechung ausgeschlossen werden. Das Gebot geht vielmehr darüber hinaus.311 Auch der sich aus der Zusammensetzung des Gremiums mit staatlichen Vertretern verschiedener „politischer Lager“ ergebende Kompromisszwang verhindert nicht, dass die entsprechende Wahrnehmung der Aufgaben des Gremiums staatsdominiert ist.312 Schließlich sollte auch die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers berücksichtigt werden.313 Es kann nicht die eine, allein zulässige Zusammensetzung der jeweiligen Gremien geben. Vielmehr wird immer ein mit dem Gebot der Staatsferne des Rundfunks zu vereinbarender Spielraum bestehen, der auch vom Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Gremienbesetzung wahrgenommen werden kann. Maßgeblich ist daher „eine wertende Gesamtbeurteilung aller relevanten Aspekte“.314 Dabei sind die den Staatseinfluss begründenden gegen die den Staatseinfluss neutralisierenden Belange abzuwägen. In diese Abwägung sind neben der Zahl der „Staatsvertreter“ und der ihr durch entsprechende Entsendungsverfahren zuzurechnenden an sich nichtstaatlichen Vertreter, die Aufgaben des jeweiligen Organs einzubeziehen. Dies betrifft insbesondere die Möglichkeiten des Organs auf die Programmgestaltung Einfluss zu nehmen. Demgegenüber wirken sich die Rechte von Minderheiten sowie der Einfluss von anderen Organen den Staatseinfluss mindernd aus. ee) Resümee Für die interne Aufsicht der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gilt damit sowohl für das Besetzungsverfahren als auch die Zusammensetzung der Rundfunkgremien ein Beherrschungsverbot. Die auch in diesem Rahmen bestehende Spannungslage zwischen unzulässigem und noch zulässigem staatlichen Einfluss ist durch eine im Einzelfall vorzunehmende wertende Gesamtbetrachtung aufzulösen, wobei aufgrund der strukturellen und organisatorischen Unterschiede der Anstalten dies problematisch sein kann. Nicht zuletzt aus diesem Grund wird vermehrt die Forderung nach einem neuen System geäußert, um diese Unsicherheiten zu beseitigen.315 311 Dörr, Staatsferne und Zusammensetzung, S. 23; Huber, in: FS Bethge 2009, S. 509; Scherer, ZUM 2008, 8 (18). 312 Hain, Verfassungsklage ZDF-StV, abgedruckt in: Funkkorrespondenz 15.–16. 2011, 11 (26f.). 313 BVerfGE 83, 238 (333, 335); BVerfG, Urt. v. 25.3.2014 – 1 BvF 1/11, Rn. 50; Degenhart, in: BK, Art. 5 I, II Rn. 769; dies betont auch v. Coelln, Stellungnahme zur ZDF-Staatsvertragsklage, abgedruckt in: Funkkorrespondenz 34.2011, 11 (18). 314 Hain, Zulassungs- und Aufsichtsentscheidungen, S. 77. Ähnlich Schulz, AfP 2013, 464 (468), der von einem „Zusammenspiel vieler Faktoren“ spricht.
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2. Kap.: Das Gebot der Staatsferne des Rundfunks
f) Die Aufsicht der Landesmedienanstalten Zwar hat die Zusammensetzung der Aufsichtsgremien der Landesmedienanstalten in der Vergangenheit keine der gegenüber den Gremien der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten vergleichbare mediale Aufmerksamkeit erfahren. Dennoch spielt auch hier die Frage nach dem zulässigen Staatseinfluss eine nicht unerhebliche Rolle. Einige Bundesländer sehen hier einen nicht unbedenklichen Einfluss des Parlaments vor. Den Landesmedienanstalten kommt innerhalb der Rundfunkordnung jedoch eine andere Rolle als den öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstaltern zu. Sie sind mit Ausnahme der Situation in Bayern (Art. 111a Abs. 2 S. 1 BV) – keine Rundfunkveranstalter. Es ist daher im Rahmen der Bestimmung der Aufgaben der Gremien auch kurz auf die Anwendbarkeit des Gebots der Staatsferne des Rundfunks einzugehen. Schließlich werden die Probleme des Entsendungsverfahrens und der Besetzung beleuchtet. 315
aa) Die Aufgabe der Organe Die Landesmedienanstalten haben in der Regel zwei Organe, ein Hauptorgan sowie ein Exekutivorgan. Einige Bundesländer agieren jedoch mit drei Organen, um zum Teil das Hauptorgan bei seinen vielfältigen Aufgaben zu unterstützen und zu entlasten.316 Den Hauptorganen317 der Landesmedienanstalten kommen schwerpunktmäßig Aufgaben im programmlichen Bereich zu. Sie sind insbesondere für 315 Ausführlich Schulz, Staatsferne, S. 21 ff.; Frank, Staatsferne, S. 329 ff.; Hahn, Aufsicht des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, S. 211 ff. m. w. N.; Schulz, AfP 2013, 464 (468); Möllers, AfP 2013, 457 (463 f.). Diese Frage war auch Gegenstand der 114. Tagung des Studienkreises für Presserecht und Pressefreiheit, dokumentiert von Libor, AfP 2013, 486 (488 ff.). 316 Siehe nur LT-Drs. Schleswig-Holstein 12/1984. Zweifel hinsichtlich der Staatsferne der „Wanderorgane“ KEK, ZAK, GVK und KJM werden nur vereinzelt geäußert. Siehe dazu Cornils, Ausgestaltung, S. 161 f.; Hain, Zulassungs- und Aufsichtsentscheidungen, S. 79 ff. 317 Die Bezeichnung dieser Organe variiert in den Landesgesetzen, sodass hier allgemein vom „Hauptorgan“ und „Exekutivorgan“ gesprochen werden soll. Im Folgenden wird zunächst die Bezeichnung für die Landesmedienanstalt des entsprechenden Bundeslandes, im Anschluss daran das Haupt- sowie das Exekutiv organ und ggf. das dritte Organ genannt: Baden-Württemberg: Landesanstalt für Kommunikation: Medienrat (§§ 41 ff. LMedienG BW), Vorstand (§§ 34 ff. LMedienG BW); Bayern: Bayerische Landeszentrale für neue Medien: Medienrat (Art. 12 f. BayMG), Präsident (Art. 15 BayMG), Verwaltungsrat (Art. 14 BayMG); Berlin/Brandenburg: Medienanstalt Berlin-Brandenburg: Medienrat (§§ 9 ff. MStV), Direktor (§§ 13 f. MStV); Bremen: Bremische Landesmedienanstalt: Landesrundfunkausschuss (§§ 49 ff. BremLMG), Direktor (§§ 52 f. BremLMG); Hamburg/
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die im Zusammenhang mit der Zulassung stehenden Aufgaben verantwortlich.318 Zuständig sind die Organe auch für die Aufsicht über die Rundfunkveranstalter, wobei insbesondere die Herstellung der Meinungsvielfalt im Programm geprüft wird.319 Zu den Aufgaben mit Programmbezug gehört auch der Erlass von Satzungen oder Richtlinien, zum Beispiel im Bereich der Werbung und des Jugendschutzes, die die gesetzlichen Regelungen konkretisieren.320 Kompetenzen in personellen Angelegenheiten ergeben sich im Rahmen der Einstellung und Entlassung leitender Mitarbeiter sowie bei der Wahl des Exekutivorgans.321 Durch die erforderliche Genehmigung des Haushaltsplan sowie die Zustimmung zum Jahresabschluss der LandesmeSchleswig-Holstein: Anstalt: Medienrat (§§ 38 ff. MStV HSH), Direktor (§ 47 MStV HSH); Hessen: Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien: Versammlung (§§ 49 ff. HPRG), Direktor (§ 55 HPRG); Mecklenburg-Vorpommern: Medienanstalt Mecklenburg-Vorpommern: Medienausschuss (§§ 51 ff. RundfG M-V), Direktor (§ 57 RundfG M-V); Niedersachsen: Niedersächsische Landesmedienanstalt: Versammlung (§§ 40 ff. NMedienG), Direktor (§ 48 NMedienG); Nordrhein-Westfalen: Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen: Medienkommission (§§ 93 ff. LMG NRW), Direktor (§§ 100 ff. LMG NRW); Rheinland-Pfalz: Landeszentrale für Medien und Kommunikation: Versammlung (§§ 40 ff. LMG), Direktor (§ 44 LMG); Saarland: Landesmedienanstalt Saarland: Medienrat (§§ 56 f. SMG), Direktor (§ 58 SMG); Sachsen: Sächsische Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien: Medienrat (§§ 31 f. SächsPRG) und Versammlung (§§ 29 f. SächsPRG), wobei die Aufgabe des Exekutivorgans dem Geschäftsführer (§ 33 f. SächsPRG) zukommt, der jedoch keinen eigenen Organstatus hat. Sachsen-Anhalt: Medienanstalt SachsenAnhalt: Versammlung (§§ 42 ff. MedienG LSA), Vorstand (§§ 45 ff. MedienG LSA); Thüringen: Landesmedienanstalt: Versammlung (§§ 45 ff. ThürLMG), Direktor (§§ 49 ff. ThürLMG). 318 Insbesondere Erteilung, Untersagung Rücknahme und Widerruf der Zulassung: § 42 LMedienG BW (Zustimmung zur Entscheidung des Vorstands); Art. 12 II 2 Nr. 6 BayMG; § 12 I i. V. m. § 24 I und § 31 MStV; § 51 I i. V. m. §§ 6, 10 f. BremLMG; § 39 II Nr. 1 MStV HSH; § 51 I Nr. 1 HPRG; § 53 I Nr. 3 RundfG M-V; § 44 I Nr. 5 lit. a) NMedienG; § 94 I i. V. m. § 4 I, §§ 119 f. LMG NRW; § 42 Nr. 9 LMG; § 57 Nr. 1 SMG; § 32 VII Nr. 1 SächsPRG; § 43 I Nr. 7 MedienG LSA; § 47 I Nr. 1 ThürLMG. 319 § 42 I LMedienG BW; Art. 12 II 1 BayMG; § 12 I i. V. m. § 19 III MStV; § 51 I i. V. m. §§ 48, 13 BremLMG; § 39 II Nr. 2 MStV HSH; § 53 I Nr. 4 RundfG M-V; § 44 I Nr. 4, 9 NMedienG; § 94 I i. V. m. § 31 LMG NRW; § 42 Nr. 5 LMG; § 57 Nr. 2 SMG; § 32 VII Nr. 5, § 29 VIII SächsPRG; § 43 I Nr. 6 MedienG LSA; § 47 I Nr. 11 ThürLMG. 320 § 41 II Nr. 3 LMedienG BW; Art. 12 II 2 Nr. 7 BayMG; § 12 I MStV; § 51 I BremLMG; § 39 II Nr. 11 MStV HSH; § 51 I Nr. 4 HPRG; § 53 I Nr. 5 RundfG M-V; § 44 I Nr. 3 NMedienG; § 94 I LMG NRW; § 42 Nr. 3 LMG; § 57 Nr. 8, 9 SMG; § 32 VII Nr. 7 SächsPRG; § 43 I Nr. 2 lit. a) MedienG LSA; § 47 I Nr. 13–15 ThürLMG. Zu den rundfunkrechtlichen Richtlinien Bornemann, ZUM 2012, 89. 321 Art. 12 II 2 Nr. 2, 3, 8 BayMG; § 13 I MStV; §§ 52 III, 53 I 2 BremLMG; § 39 II Nr. 9, 10 MStV HSH; § 51 I Nr. 2, II Nr. 3 HPRG; § 53 I Nr. 7, 8 RundfG M-V; § 44 I Nr. 1, 2 NMedienG; §§ 94 II Nr. 6, 7, 100 I, 104 II LMG NRW; § 42
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2. Kap.: Das Gebot der Staatsferne des Rundfunks
dienanstalt haben die Organe auch auf die wirtschaftlichen Belange der Anstalt Einfluss.322 Dazu zählt die zu erteilende Zustimmung zu finanzintensiven Rechtsgeschäften.323 Das Hauptorgan trifft damit im Gegensatz zu den Rundfunkräten alle Grundsatzentscheidungen, zu denen insbesondere die Maßnahmen im Programmbereich gehören.324 Bei der Zusammensetzung der Hauptorgane haben sich die meisten Bundesländer an den Rundfunkräten der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten orientiert und eine pluralistisch zusammengesetzte Versammlungsform gewählt, wobei die Bezeichnung nicht einheitlich ist.325 Die übrigen Länder haben ein Ratsmodell gewählt, welches auf eine geringere Anzahl von Mitgliedern setzt, die besonderen Sachverstand und medienspezifische Kenntnisse nachweisen können.326 Das Exekutivorgan der Anstalten steht an deren Spitze. Zum Teil ist es monokratisch, zum Teil aber auch kollegial zusammengesetzt.327 Die Aufgabe dieses Organs besteht zumeist in der administrativen Verwaltung der Anstalt. So führt das Gremium die laufenden Geschäfte aus, vertritt die Anstalt nach außen und setzt die Beschlüsse des Hauptorgans um. Zudem ist es in unaufschiebbaren Fällen zuständig.328 Verbleibt die Letztentscheidungskompetenz beim Hauptorgan, darf die Bedeutung des Exekutivorgans nicht verkannt werden. So bereitet es oftmals die Maßnahmen des Hauptorgans vor oder kommt in informellen Gesprächen mit den privaten Anbietern zusammen.329 Nr. 2 LMG; § 32 VII Nr. 8 SächsPRG; § 43 II, III MedienG LSA; § 47 I Nr. 2, II Nr. 2 ThürLMG. 322 § 42 VI 1, 2 LMedienG BW; Art. 12 II 2 Nr. 4 BayMG; § 51 I i. V. m. 54 III BremLMG; § 39 II Nr. 7 MStV HSH; § 51 I Nr. 11 HPRG; § 53 I Nr. 6 RundfG M-V; § 44 I Nr. 12 NMedienG; § 109 LMG NRW; § 42 Nr. 15 LMG; § 57 Nr. 6 SMG; § 32 VII Nr. 6 SächsPRG; § 43 I Nr. 43–45 MedienG LSA; § 47 I Nr. 5 ThürLMG. 323 § 42 VI 3 LMedienG BW; Art. 12 II 2 Nr. 1 BayMG; § 12 I MStV; § 39 II Nr. 12 MStV HSH; § 51 II HPRG; § 53 I Nr. 9 RundfG M-V; § 44 I Nr. 11 NMedienG; § 94 II Nr. 1–5 LMG NRW; § 42 Nr. 14 i. V. m. § 44 III Nr. 1 LMG; § 32 VII Nr. 2 SächsPRG; § 43 I Nr. 41 MedienG LSA; § 47 II Nr. 3, III ThürLMG. 324 Gersdorf, Staatsfreiheit, S. 163; Hesse, Rundfunkrecht, S. 226; HoffmannRiem, Rundfunkaufsicht, S. 26. 325 Hesse, Rundfunkrecht, S. 225. 326 Hesse, Rundfunkrecht, S. 225 f. 327 Nur in Baden-Württemberg (§ 34 LMedienG BW) und Sachsen-Anhalt (§ 45 MedienG LSA) ist das Exekutivorgan kollegial zusammengesetzt. 328 § 35 LMedienG BW (wobei der Vorstand in Baden-Württemberg sehr weitgehende Kompetenzen hat); Art. 15 BayMG; § 14 MStV; § 52 BremLMG; § 47 MStV HSH; § 55 HPRG; § 57 RundfG M-V; § 48 NMedienG; § 103 LMG NRW; § 44 LMG; § 58 SMG; § 46 MedienG LSA; § 51 ThürLMG. 329 Gersdorf, Staatsfreiheit, S. 164 f.
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Letztlich tritt jedoch nur das Hauptorgan gegenüber den privaten Anbietern zum Beispiel bei der Zulassung oder Aufsichtsmaßnahmen auf. Trifft damit ein Organ Maßnahmen, die in die Programmfreiheit der Veranstalter eingreifen können (wenn auch nur mittelbar), muss die Zusammensetzung der Hauptorgane dem Gebot der Staatsferne des Rundfunks genügen. Ebenso wie bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten kann auch bei den Landesmedienanstalten durch die organisatorische Ausgliederung vom Staat dessen Einfluss nicht ausgeschlossen werden. Über die Zulassung und Aufsichtsmaßnahmen durch Gremien, in denen Staatsvertreter Mitglied sind, kann ein beherrschender Einfluss des Staates zustande kommen.330 Die Landesmedienanstalten nehmen daher Aufgaben wahr, die keinesfalls von staatlichen Stellen erfüllt werden können.331 Die Landesmedienanstalten in diesem Bereich der mittelbaren Staatsverwaltung zuzuordnen, und damit als Adressaten des Gebots der Staatsferne des Rundfunks zu qualifizieren, überzeugt daher nicht.332 Dieser Annahme steht auch nicht entgegen, dass die Landesmedienanstalten eine von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten unterschiedliche Aufgabenstellung haben und nicht selber Rundfunk veranstalten. Insbesondere im Hinblick auf die Aufsichtsfunktionen der Landesmedienanstalten besteht gerade kein Unterschied zu den internen Kontrollinstanzen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten.333 Daher gilt es sowohl bei der Entsendung der Mitglieder als auch der Zusammensetzung des Hauptgremiums die Grenzen des staatlichen Einflusses zu bestimmen. bb) Das Entsendungsverfahren Die Entsendung der Mitglieder aus dem gesellschaftlichen Bereich erfolgt in den einzelnen Bundesländern in sehr unterschiedlicher Art und Weise. Einige Rundfunkgesetze sehen gar keine Staatsbeteiligung am Entsendungsverfahren vor.334 Andere sehen lediglich eine Kompetenz des Rundfunkausschusses des Landtages für den Fall vor, dass sich die Organisationen nicht auf eine zu entsendende Person einigen können.335 Für die Medienräte von 330 Gersdorf,
Staatsfreiheit, S. 160 ff.; Bethge, JZ 1985, 308 (311). Staatsfreiheit, S. 129. 332 Gersdorf, Staatsfreiheit, S. 129; Bethge, NJW 1995, 557 (558). 333 Gersdorf, Staatsfreiheit, S. 128 f. 334 Bayern, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Saarland, Sachsen-Anhalt, Thüringen. 335 Baden-Württemberg, § 41 III 6 LMedienG BW, (Vorstand wird allerdings vom Parlament gewählt [§ 34 LMedienG BW]); Mecklenburg-Vorpommern, § 52 III RundfG M-V; Rheinland-Pfalz, § 40 III LMG. 331 Gersdorf,
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2. Kap.: Das Gebot der Staatsferne des Rundfunks
Berlin und Brandenburg sowie Hamburg und Schleswig-Holstein hingegen wird die Wahl der Mitglieder ausschließlich durch die Landesparlamente vorgenommen. Dabei sind die Mitglieder mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der gesetzlichen Mitglieder zu wählen, zum Teil auch aus Vorschlägen.336 In Bremen wählt der Landtag einen Teil der Mitglieder aus Vorschlägen.337 Gerade die Rechtslage in den fünf zuletzt genannten Bundesländern sieht damit eine teilweise oder gänzliche Zuständigkeit des Staates für die Entsendung vor. Dies wirft selbstverständlich die Frage nach der Zulässigkeit dieser Regelungen auf. (1) Rechtsprechung Der Sächsische Verfassungsgerichtshof hält ein Verfahren im Grundsatz für zulässig, bei dem vier von fünf Mitgliedern des Medienrats vom Landtag gewählt werden, da die Mitglieder dadurch demokratische Legitimation erlangten. Ein solches Verfahren sei aber wegen der damit verbundenen Einflussmöglichkeiten des Staates nur dann zulässig, wenn zusätzliche Vorkehrungen zur Sicherung des Gebots der Staatsferne des Rundfunks bestünden.338 Das Wahlverfahren müsse daher so ausgestaltet sein, dass die mittelbare Einflussnahme des Staates ausgeschlossen werde. Dies sei jedoch dann nicht gewährleistet, wenn das Wahlverfahren vorsehe, dass Personalvorschläge durch die Fraktionen oder eine bestimmte Anzahl von Abgeordneten dem Landtag unterbreitet und sodann in einem zweiten Schritt vom Landtag gewählt würden. Denn damit bestünde die Möglichkeit, dass die Vorauswahl politisch motiviert sei. Die Wahrung des Gebots der Staatsferne des Rundfunks erfordere daher auch schon die staatsfern ausgestaltete Vorauswahl.339 (2) Schrifttum Wiederum erachten einige Stimmen den Ausschluss eines staatlichen Bestimmungsrechtes sowohl für die pluralistisch zusammengesetzten als auch die mit Sachverständigen besetzten Gremien als einzige Alternative, um dem Gebot der Staatsferne des Rundfunks angemessen Rechnung zu tragen.340 336 Berlin/Brandenburg, § 10 I MStV; Hamburg/Schleswig-Holstein, § 42 MStV HSH; Sachsen: § 31 SächsPRG: Medienrat wird vom Landtag gewählt. 337 § 49 IV BremLMG. 338 SächsVerfGH, Urt. v. 10.7.1997 = ZUM-RR 1998, 345 (346). 339 SächsVerfGH, Urt. v. 10.7.1997 = ZUM-RR 1998, 345 (346 f.). 340 Gersdorf, Staatsfreiheit, S. 191 ff.
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Vertreten wird allerdings auch, dass die staatlich bestimmten Mitglieder – sei es auch aus einem Vorschlag heraus341 – dem Staat zuzurechnen sind.342 Regelungen, die nur einen geringen Teil der Mitglieder durch den Landtag bzw. eine Reservekompetenz des Landtags vorsehen, sind folglich mit dem Gebot der Staatsferne des Rundfunks vereinbar, solange dem Staat kein beherrschender Einfluss im Gremium zukommt.343 Interessanter dürfte es sein, der Frage nach der Zulässigkeit eines ausschließlich mit Sachverständigen besetzten Organs nachzugehen, welche sämtlich durch das Parlament gewählt werden. Besteht das Sachverständigengremium nur aus einer geringen Anzahl von Personen, so kommt jedem Einzelnen davon ein erheblicher Einfluss zu. Werden diese vom Parlament gewählt, so lassen sich die verfassungsrechtlichen Bedenken nicht einfach von der Hand weisen.344 (3) Stellungnahme Zwar wird durch das gesetzlich vorgesehene Erfordernis der Zweidrittelmehrheit der Versuch unternommen, eine Entschärfung des Staatseinflusses herbeizuführen.345 So ist durchaus denkbar, dass es für die einzelnen Fraktionen in der Regel nicht möglich ist, den von ihr favorisierten Kandidaten allein zu bestimmen. Vielmehr müssten sie auf die Unterstützung der anderen Fraktionen hoffen, was dazu führen kann, dass man sich eher auf einen Kandidaten einigt, dessen Unabhängigkeit anerkannt ist.346 Auch kann aus der Wahl von sachkundigen und qualifizierten Mitgliedern folgen, dass diese für staatliche Einflussversuche und Instrumentalisierungen unanfälliger sind, da ihnen ihr 341 Bumke, Landesmedienanstalten, S. 156 f., die jedoch auch Zweifel hinsichtlich des Auswahlverfahrens aus Vorschlägen äußert; Lerche, Landesbericht, S. 79 f. 342 Bumke, Landesmedienanstalten, S. 156; Schuster, Meinungsvielfalt, S. 148 f.; Chuang, Kontrollorgane, S. 72; Stender-Vorwachs, Staatsferne und Gruppenferne, S. 172, die jedenfalls die Auswahl durch das Parlament für zulässig erachtet. 343 Gebel, ZUM 1993, 394 (397). 344 Bedenken äußern Hoffmann-Riem, Rundfunkaufsicht, S. 39; Bumke, Landesmedienanstalt, S. 293 f.; Degenhart, AfP 1988, 327 (334); Gebel, ZUM 1993, 394 (398f.); Rossen, ZUM 1992, 408 (412 ff.); Hesse, DÖV 1986, 177 (186); Starck, JZ 1983, 405 (413); Gersdorf, Staatsfreiheit, S. 192 ff.; Wagner, Landesmedienanstalten, S. 129 f.; Bethge, JZ 1985, 308 (311). Daneben ergeben sich auch aus Vielfaltsgesichtspunkten Bedenken Gersdorf, Staatsfreiheit, S. 182 ff.; Hoffmann-Riem, Rundfunkaufsicht, S. 44 ff. 345 Wagner, Landesmedienanstalten, S. 129 f.; SächsVerfGH, Urt. v. 10.7.1997 = ZUM-RR 1998, 345 (347). 346 Wagner, Landesmedienanstalten, S. 130.
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2. Kap.: Das Gebot der Staatsferne des Rundfunks
medienspezifischer Sachverstand ein zusätzliches „Standing“ gibt.347 Daneben bewirken auch die vorgesehenen Inkompatibilitätsvorschriften eine Reduzierung der staatlichen Nähe.348 Dieser Wahlmodus kann daher sicherlich im Einzelfall dazu führen, dass das Landesparlament einen Kandidaten wählt, der unabhängig ist und den entsprechenden Sachverstand aufweist. Zu bedenken ist allerdings, dass der Wahl in der Realität Absprachen der großen Parteien vorausgehen werden und es zu den schon genannten „Paketlösungen“ kommen wird, indem man den Kandidaten der jeweils anderen Partei mitträgt, solange es auch zu der Wahl des „eigenen“ Kandidaten kommt.349 Im Übrigen ändern das Mehrheitserfordernis sowie der Sachverstand der Mitglieder, ebenso wie die Inkompatibilitätsvorschriften nichts an dem Charakter der staatlichen Einwirkung. Die Maßnahmen können nicht in effektiver Weise die notwendige Staatsferne herstellen.350 Entscheidet das Parlament über die Mitglieder des wichtigsten Organs der Landesmedienanstalten, kann die Möglichkeit der mittelbaren staatlichen Einflussnahme somit nicht verneint werden.351 Eine Regelung, die dem Parlament die Wahl sämtlicher Mitglieder des Gremiums überlässt, kann damit nicht mit dem Gebot der Staatsferne des Rundfunks vereinbar sein.352 Anders ist die Situation zu beurteilen, wenn das Parlament lediglich einige gesellschaftliche Vertreter auswählt, die ihm dann zwar zuzurechnen sind, aber letztlich noch nicht allein dadurch eine Beherrschung des Gremiums begründen.353
347 Hoffmann-Riem, Rundfunkaufsicht, S. 40; Rossen, 1992, 408 (413), der jedoch auch auf die Schwächen hinweist; ders., ZUM 1994, 224 (229 f.). 348 Hoffmann-Riem, Rundfunkaufsicht, S. 27. 349 Hoffmann-Riem, Rundfunkaufsicht, S. 40; Rossen, ZUM 1992, 408 (413) m. w. N.; Gebel, ZUM 1993, 394 (399); a. A. Gödel, in: Landesmediengesetz BadenWürttemberg, § 58 Rn. 3. 350 Rossen, 1992, 408 (413); Bumke, Landesmedienanstalt, S. 294; Gersdorf, Staatsfreiheit, S. 194. 351 Hoffmann-Riem, Rundfunkaufsicht, S. 40; Degenhart, AfP 1988, 327 (334); BVerfGE 59, 231 (259) betont gerade das Potenzial der staatlichen Einflussnahme über Personalentscheidungen. 352 So auch Hoffmann-Riem, Rundfunkaufsicht, S. 41; Stender-Vorwachs, Staatsferne und Gruppenferne, S. 171; Bumke, Landesmedienanstalt, S. 294; Rossen, ZUM 1992, 408 (414); Starck, JZ 1983, 408 (413). 353 Bumke, Landesmedienanstalt, S. 159.
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(4) Zwischenresümee Für das Entsendungsverfahren bei den Hauptorganen der Landesmedienanstalten kann daher festgehalten werden, dass eine staatliche Teilnahme an diesem Verfahren nicht per se mit dem Gebot unvereinbar ist. Es gilt wiederum ein Beherrschungsverbot. cc) Die Besetzung Die Frage der verfassungsrechtlich zulässigen Anzahl staatlicher Vertreter in den Hauptorganen der Landesmedienanstalten stellt sich damit in gleichem Maße wie bei den Rundfunkräten der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Allerdings können aufgrund der unterschiedlichen Strukturen der Gremien die Ergebnisse nicht eins zu eins übertragen werden.354 (1) Rechtsprechung Das Bundesverfassungsgericht hat in der Entscheidung zum Niedersächsischen Landesrundfunkgesetz die schon für die Rundfunkräte aufgestellten Grundsätze auf die Versammlung als Hauptorgan der Anstalt übertragen, betonte aber zugleich, dass die staatliche Ausgliederung des Kontrollorgans nicht schon allein dazu führe, ihm den Charakter eines staatsfreien Gremiums zukommen zu lassen.355 Nichtsdestoweniger schließe es Art. 5 GG aus, dass auch Vertretern des Staates ein angemessener Anteil eingeräumt werde. Es sei lediglich darauf abzustellen, ob dem Staat innerhalb des Gremiums ein erheblicher Einfluss zukomme.356 Auch der Sächsische Verfassungsgerichtshof sah es nur für notwendig an, dass der Staat keinen bestimmenden bzw. beherrschenden Einfluss auf die Programmangelegenheiten erhalte.357 Ferner sprach sich auch der Bayerische Verfassungsgerichtshof lediglich für ein Verbot eines unangemessen starken staatlichen Einflusses auf das Organ aus.358 Die Rechtsprechung nimmt damit auch in dieser organisationsrechtlichen Frage des Gebots der Staatsferne des Rundfunks ein Beherrschungsverbot an. 354 Die meisten Bundesländer haben ein pluralistisch zusammengesetztes Gremium, nur wenige weisen dagegen ein mit wenigen Sachverständigen besetztes Organ, das sog. Ratsmodell, auf. 355 BVerfGE 73, 118 (165), bestätigt in BVerfGE 83, 238 (333). 356 BVerfGE 73, 118 (165). 357 SächsVerfGH, Urt. v. 10.7.1997 = ZUM-RR 1998, 345 (346). 358 BayVerfGH, Entsch. v. 21.11.1986 = AfP 1987 394 (403) = BayVerfGHE 39, 96 (154 ff.).
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2. Kap.: Das Gebot der Staatsferne des Rundfunks
(2) Schrifttum Entsprechend der Besetzung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten wird es auch für die pluralistisch zusammengesetzten Hauptgremien der Landesmedienanstalten als zulässig erachtet, dass staatlichen Vertretern ein angemessener Einfluss eingeräumt wird.359 Dabei wird auch hier wiederum der zulässige Anteil staatlicher Vertreter deutlich unterhalb der absoluten Mehrheit angesiedelt.360 Vereinzelt wird auch ein Anteil von einem Viertel gefordert.361 Vertreten wird zudem unter Verweis auf den fehlenden legitimierenden Grund für die Mitgliedschaft staatlicher Vertreter in den Hauptorganen der Landesmedienanstalten, dass diese Mitgliedschaft mit dem Gebot unvereinbar sei.362 Lediglich ein Äußerungsrecht staatlicher Abgesandter sei zulässig, ein darüber hinausgehendes Stimmrecht jedoch nicht.363 Cornils hingegen begründet die Teilnahme staatlicher Vertreter in den Organen der Landesmedienanstalten gerade mit der Annahme, der Staat stehe ebenso wie die gesellschaftlichen Kräfte für bestimmte Auffassungen, die für die öffentliche Meinungsbildung relevant seien und daher im Rundfunk eine Repräsentanz haben müssten.364 Bei den pluralistisch zusammengesetzten Hauptorganen zeichnet sich damit ein der Situation der öffentlichrechtlichen Anstalten vergleichbares Bild. (3) Stellungnahme Die Hauptorgane stellen zumeist die zentralen Entscheidungsorgane in den Landesmedienanstalten dar, insbesondere in den programmrelevanten und damit sensiblen Bereichen der Zulassung und Aufsicht. Gerade diese Tätigkeiten erfordern, obwohl die Landesmedienanstalten – mit Ausnahme der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien – nicht selbst als Programmveranstalter tätig werden, die Staatsferne der Anstalten. Die Gremien müssen daher ihre Arbeit unabhängig und in eigener Verantwortung ausüben, weshalb staatliche Hoheitsträger diese Aufgaben nicht wahrnehmen dürfen.365 359 Bethge, Landesrundfunkgesetz Niedersachsen, S. 98 f.; Stender-Vorwachs, Staatsferne und Gruppenferne, S. 155, 159; Bumke, Landesmedienanstalt, S. 154; Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, Teil D Rn. 31; Gebel, ZUM 1993, 394 (397). Cornils, Ausgestaltung, S. 163 ff., geht weiter und hält auch die vom Parlament zusammengesetzten Sachverständigengremien für zulässig. 360 Bumke, Landesmedienanstalt, S. 154. 361 Vahrenhold, Privatfunkaufsicht, S. 140. 362 Gersdorf, Staatsfreiheit, S. 182 ff. 363 Gersdorf, Staatsfreiheit, S. 184. 364 Cornils, Ausgestaltung, S. 143 f., 160; ders., in: Die Macht der Medien, S. 55. 365 Bethge, Landesrundfunkgesetz Niedersachsen, S. 98.
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Es verwundert daher nicht, wenn sowohl gegen die Besetzung der Gre mien mit Staatsvertretern als auch die Entsendung von Vertretern gesellschaftlicher Gruppen durch staatliche Hoheitsträger der Vorwurf geäußert wird, es fehle an einem sachlichen Grund für die staatliche Teilnahme.366 Das Bundesverfassungsgericht hat demgegenüber in seiner Entscheidung zum Landesrundfunkgesetz von Nordrhein-Westfalen die Minderheitsbeteiligung der Kommunen an einer Betriebsgesellschaft damit begründet, dass die Beteiligung der staatlichen Vertreter ein Gegengewicht zu den kommerziellen Interessen an der Rundfunkveranstaltung sei und so die lokalen Belange im Rundfunk angemessen zur Geltung gebracht würden.367 Verallgemeinert man diesen Gedanken, so soll den staatlichen Vertretern gerade die Aufgabe zukommen, die Belange des Gemeinwohls im Gremium zu vertreten, wobei ein wenig Misstrauen gegenüber dieser Fähigkeit wohl bleiben muss.368 Die Intention, dem Staat ein gewisses Maß an Objektivität und Gemeinwohlinteresse zuzuschreiben, findet sich jedoch auch bei der Ausgestaltung der Rundfunkordnung wieder. So wird dem parlamentarischen Gesetzgeber am ehesten zugetraut, die Rundfunkfreiheit zu wahren.369 Ebenso wie bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstaltern endet diese Einflussnahme aber dort, wo die staatlichen Vertreter in beherrschender Weise auf die Landesmedienanstalt einwirken können. Unvereinbar ist mit dem Gebot der Staatsferne damit ein Gremium, sei es pluralistischer Natur oder ein Sachverständigengremium, das durchweg vom Parlament bestimmt wird. Gleiches gilt, wenn der Anteil der Staatsvertreter zu hoch ist, wobei auf das für die öffentlich-rechtlichen Anstalten Gesagte verwiesen werden kann. (4) Zwischenresümee In Bezug auf die Besetzung der Hauptorgane kann auf die Darstellung zu den öffentlich-rechtlichen Anstalten verwiesen werden, womit das Gebot der Staatsferne des Rundfunks auch für die Landesmedienanstalten als Beherrschungsverbot zu interpretieren ist.
366 Gersdorf,
Staatsfreiheit, S. 182 ff. 83, 238 (331). 368 Bumke, Landesmedienanstalt, S. 158; Cornils in: Die Macht der Medien, S. 56; Berendes, Staatsaufsicht, S. 68 m. w. N. 369 Vgl. BVerfGE 57, 295 (321); Gersdorf, Staatsfreiheit, S. 146. 367 BVerfGE
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2. Kap.: Das Gebot der Staatsferne des Rundfunks
dd) Resümee Es bleibt daher auch für die Organisation der Aufsichts- und Zulassungseinrichtungen der Landesmedienanstalten festzuhalten, dass sich das Gebot der Staatsferne des Rundfunks als Beherrschungsverbot darstellt. Damit unvereinbar sind Regelungen, die die Wahl sämtlicher oder eines großen Teils der Gremienmitglieder staatlichen Hoheitsträgern überlassen. Die Reichweite des Gebots der Staatsferne des Rundfunks erfährt daher gleich ob der unterschiedlichen Aufgabestellung keine Unterschiede gegenüber den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. g) Die Beteiligung des Staates an der Rundfunkveranstaltung Ausgeschlossen ist nach der Rechtsprechung, dass der Staat sich an der Rundfunkveranstaltung beteiligt und damit unmittelbaren Einfluss auf das Programm bekommen würde.370 Dem Staat ist es daher nicht nur untersagt, auf staatsunabhängige Rundfunkunternehmen Einfluss zu nehmen, sondern darüber hinaus auch selbst als Veranstalter zu agieren.371 Eindeutig ist dies jedenfalls für die Exekutive, Legislative und Judikative. Schwierigkeiten hingegen bereitet die Einordnung von politischen Parteien sowie von Unternehmen, an denen der Staat Anteile hält. Auf deren Stellung als Adressaten des Gebots der Staatsferne des Rundfunks wird später noch einzugehen sein.372 h) Der Parlamentsvorbehalt Konsequenzen ergeben sich aus dem Gebot der Staatsferne auch für den Gesetzgeber. So hat er zwar – nach dem objektiv-funktionellen Verständnis der Rundfunkfreiheit – den Auftrag, die Rundfunkordnung auszugestalten. Zugleich ist der Gesetzgeber aber auch Adressat des Gebots der Staatsferne des Rundfunks.373 Die Reichweite des Gebots der Staatsferne des Rundfunks ist daher gegenüber dem Ausgestaltungsauftrag des Gesetzgebers abzugrenzen. 370 BVerfGE 12, 205 (263); 73, 118 (165); 83, 238 (330); 90, 60 (88); 121, 30 (52); BayVerfGH, Entsch. v. 16.2.1989 = BayVerfGHE 42, 11 = NJW 1990, 311; ThürVerfGH, Urt. v. 19.6.1998 = ZUM-RD 1998, 394 (400); Jarass, Staatsfreiheit, S. 36 f.; ders., Die Freiheit der Massenmedien, S. 215 ff.; Holznagel, MMR 2011, 300 (301). 371 A. A. Weiss, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 237, der ein staatliches Rundfunk- und Fernsehprogramm vor dem Hintergrund der unerlässlichen Grundversorgung der Bevölkerung für gerechtfertigt hält. 372 Siehe dazu die Kapitel 5 und 6. 373 BVerfGE 73, 118 (182); 83, 238 (323 f.).
C. Die Ausprägung des Gebots der Staatsferne des Rundfunks 135
Die Ausgestaltung der Rundfunkfreiheit ist „Aufgabe des Gesetzgebers“ und kann nicht der Exekutive überlassen werden; es besteht vielmehr ein Parlamentsvorbehalt. Dabei ist der Gesetzgeber nicht auf eine Ausgestaltung beschränkt, die lediglich den Staatseinfluss auf das zulässige Maß reduziert. Vielmehr hat er für eine positive gesetzliche Ordnung zu sorgen, die alle die Verwirklichung der Rundfunkfreiheit sichernden Fragen erfasst, mithin die optimale Grundrechtsverwirklichung.374 Zu den wesentlichen Strukturprinzipien, die es durch den Gesetzgeber bei der Ausgestaltung zu wahren gilt, gehören das Gebot der Staatsferne und des Pluralismus sowie die Programmfreiheit.375 Im Rahmen der Wahrnehmung dieser Aufgabe steht dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zu, auch für Differenzierungen nach der Regelungsart und Regelungsdichte.376 Der Ausgestaltungsauftrag berechtigt den Gesetzgeber aber nicht, die Rundfunkfreiheit einzuschränken oder zu verkürzen. Die Ausgestaltung darf allein der Sicherung der Rundfunkfreiheit dienen.377 Die Ersetzung von Regelungen muss daher zur besseren oder zumindest gleichwertigen Sicherung der Freiheit führen.378 Besteht in dieser Hinsicht noch Klarheit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, fällt es im Übrigen jedoch schwer, stets ein klare Grenze zwischen dem Ausgestaltungsauftrag des Gesetzgebers und dem autonomen Verantwortungsbereich der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten bzw. den Landesmedienanstalten zu ziehen. Es lassen sich der Rechtsprechung jedoch einige Leitlinien entnehmen. Bei der Beurteilung der Vereinbarkeit einer Regelung mit dem Gebot der Staatsferne des Rundfunks ist ebenso wie beim sonstigen Tätigwerden des Staates im Bereich des Rundfunks die Programmrelevanz maßgeblich. Je wahrscheinlicher die Auswirkungen des mit der Regelung verfolgten Handelns auf die Programmgestaltung sind, desto mehr muss diese der Regelungsbefugnis des Gesetzgebers entzogen werden.379 Die sich daraus ergebende Autonomie der Rundfunk- und Landesmedienanstalten reicht jedoch 374 BVerfGE 57, 295 (321 ff.); BVerfG, Urt. v. 25.3.2014 – 1 BvF 1/11, Rn. 45; Gersdorf, Staatsfreiheit, S. 147. 375 BVerfGE 12, 205 (262 f.); 57, 295 (321 f.); Ricker, Privatrundfunk-Gesetze, S. 17 f.; Badura, Verfassungsrechtliche Bindungen der Rundfunkgesetzgebung, S. 65. 376 BVerfGE 57, 295 (325 f.); 83, 238 (296, 315 f., 334); 90, 60 (94); 114, 371 (387); 118, 181 (214); BVerfG, Urt. v. 25.3.2014 – 1 BvF 1/11, Rn. 50. 377 BVerfGE 57, 295 (321); 73, 118 (166); 74, 297 (334). 378 BVerfGE 74, 297 (334); BVerfG, Beschl. v. 7.11.1995 – 1 BvR 209/94 = AfP 1996, 56 (58), dort speziell zu Änderungen von Rundfunkgesetzen während einer laufenden Amtsperiode der Gremienmitglieder. 379 Cornils, Ausgestaltung, S. 147 f.; BVerfGE 73, 118 (182 f.) keine Beurteilungsspielräume des Gesetzgebers im Programmbereich.
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2. Kap.: Das Gebot der Staatsferne des Rundfunks
nicht so weit, dass jede gesetzliche Programmbegrenzung mit dem Grundgesetz von vornherein unvereinbar wäre.380 Zu berücksichtigen ist, ob der Gesetzgeber gezielt in die Programmgestaltung einwirkt oder lediglich allgemeine Programmgrundsätze festlegt. Ersteres ist ihm untersagt, Letzteres kann dem Pluralismusgebot dienen.381 Regelungsbereiche, die außerhalb der Programmgestaltung liegen oder diese nur tangieren und damit ein geringeres Potenzial zur Instrumentalisierung des Rundfunks bieten, stehen der Ausgestaltungsbefugnis des Gesetzgebers nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts teils mehr, teils weniger großzügig zu. Ersteres gilt insbesondere für die organisatorische Ausgestaltung des Rundfunksystems. So bleibt es dem Gesetzgeber überlassen, das Rundfunkmodell (binnen- oder außenpluralistisch) festzulegen, wobei eine „Modellkonsistenz“ gerade nicht erforderlich ist.382 Ebenso steht es dem Gesetzgeber zu, über die Voraussetzungen für die Zuteilung von Frequenzen und die Zulassung privater Rundfunkveranstalter zu entscheiden.383 Ferner kommt dem Staat im Rahmen der Festlegung der gesellschaftlich relevanten Gruppen in den Rundfunkgremien und Medienräten ein erheblicher Spielraum bis zur Grenze der grob einseitigen Zusammensetzung zu.384 Die Bestimmung der Art und Weise des Entsendungsverfahrens durch den Gesetzgeber wird daher wohl nur in Ausnahmefällen einen Verstoß gegen das Gebot der Staatsferne begründen.385 Strenger hingegen wird – so haben es die beiden Rundfunkgebührenentscheidungen gezeigt – die Festlegung der Rundfunkgebühr behandelt. Zwar kann der Gesetzgeber vom Vorschlag der KEF abweichen, dies jedoch nur in sehr begrenzten Fällen.386 Auch die Zusammensetzung der KEF unterliegt gegenüber den Aufsichtsgremien strengeren Anforderungen.387 Außer380 BVerfGE
90, 60 (92). 90, 60 (95); Cornils, Ausgestaltung, S. 151 f. 382 BVerfGE 12, 205 (262); 57, 295 (325); 83, 238 (239). Dazu Lerche, in: Nordrhein-Westfalen-Urteil, S. 51 ff. 383 BVerfGE 73, 118 (182 f.); 83, 238 (323 f.). 384 BVerfGE 83, 238 (334 f.); BVerfG, Beschl. v. 7.11.1995 – 1 BvR 209/94 = AfP 1996, 56 (57 f.); BVerfG, Urt. v. 25.3.2014 – 1 BvF 1/11, Rn. 71; Degenhart, DVBl. 1991, 510 (520) geht dieses Ermessen gerade im Hinblick auf die Zusammensetzung der Aufsichtsgremien zu weit. 385 Hahn, Aufsicht des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, S. 165, die jedoch Zweifel an der Regelung des § 19 MDR-Staatsvertrag äußert; Hoffmann-Riem, Rundfunkaufsicht, S. 32; Scheel, Zur Staatsfreiheit des Rundfunks, S. 41; Schulz, Staatsferne, S. 14. 386 BVerfGE 90, 60 (103 f.); 119, 181 (223 f.). 387 BVerfGE 90, 60 (103). 381 BVerfGE
C. Die Ausprägung des Gebots der Staatsferne des Rundfunks 137
dem legt das Bundesverfassungsgericht – ohne noch folgenden Ausführungen vorgreifen zu wollen – bei der Beteiligung von politischen Parteien an privaten Rundfunkveranstaltern strenge Maßstäbe zugrunde.388 Die Grenzziehung zwischen Parlamentsvorbehalt bzw. Ausgestaltungsauftrag und dem Gebot der Staatsferne des Rundfunks spiegelt letztlich die Schwierigkeiten bei der Festlegung der Reichweite des Gebots wider. Im Programmbereich darf der Gesetzgeber nicht tätig werden, nicht einmal ein Beurteilungsspielraum darf ihm zustehen.389 Darüber hinaus kommt dem Gesetzgeber zwar ein zum Teil nicht unerheblicher Gestaltungsspielraum zu. Grenze dieses Spielraums ist aber nicht erst die Willkür, sondern schon die grobe Verzerrung bzw. die missbräuchliche Ausübung der Gesetzgebungsbefugnis.390 Neuerdings setzt das Bundesverfassungsgericht allerdings auch im Rahmen dieser Ausgestaltungsdogmatik eine angemessene Zuordnung der Rechtspositionen voraus, womit es letztlich den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auf der Schutzbereichsebene anwendet.391 Für das Gebot der Staatsferne des Rundfunks hat dies zur Folge, dass der Gesetzgeber, auch wenn er zum Schutze des Gebots tätig wird, eine angemessene Berücksichtigung der einzuschränkenden Rechtsgüter vorzunehmen hat.392 Schränkt der Gesetzgeber die Rundfunkfreiheit, andere Grundrechte oder Verfassungsrechtsgüter zur Entfaltung des Gebots ein, muss er vorher eine „angemessene Zuordnung der Rechtspositionen“ getroffen haben.393 Die innerhalb des Abwägungsprozesses zu berücksichtigenden Aspekte sind von den sich gegenüberstehenden Rechtspositionen abhängig. Es soll daher an dieser Stelle darauf verzichtet werden, abstrakte und daher wenig zielführende Beispiele zu konstruieren. In den noch zu analysierenden konkreten Anwendungsfällen wird vielmehr an entsprechender Stelle auf den Abwägungsprozess einzugehen sein.394
388 BVerfGE
121, 30 (52 ff.). 73, 118 (182 f.). 390 BVerfGE 38, 238 (334, 337); BVerfG, Beschl. v. 7.11.1995 – 1 BvR 209/94 = AfP 1996, 56 (57 f.). 391 BVerfGE 121, 30 (59 ff.). 392 Legt man ein klassisch-liberales Grundrechtsverständnis zugrunde, so hat dieser Abwägungsprozess auf der Schranken-Ebene zu erfolgen. 393 BVerfGE 121, 30 (59 ff.). 394 Siehe 3. Kapitel für das Parlamentsfernsehen oder 5. Kapitel für die politischen Parteien. 389 BVerfGE
138
2. Kap.: Das Gebot der Staatsferne des Rundfunks
III. Zwischenresümee Die Darstellung der Reichweite des Gebots anhand von staatlichen Einwirkungsmöglichkeiten hat gezeigt, dass eine abschließende Bestimmung der Reichweite des Gebots der Staatsferne nicht möglich ist. Vielmehr können nur Leitlinien aufgestellt werden, die eine Annäherung ermöglichen. Die Reichweite muss im Einzelfall bewertet werden und kann von einem strikten Einflussverbot bis hin zu einer gewissen Beteiligung des Staates, welche jedoch eine Beherrschung oder Auslieferung des Rundfunks an den Staat ausschließt, reichen. Ausgangspunkt muss stets die Frage nach der Programmrelevanz des staatlichen Wirkens, mithin dem Grad der Beeinträchtigung der Programmfreiheit sein, denn äußerste Grenze des staatlichen Einflusses ist die Programmfreiheit. Staatliche Einflussnahme auf Auswahl, Inhalt, Gestaltung und Verbreitung des Programms, sei sie mittelbarer oder unmittelbarer Art, ist mit dem Gebot der Staatsferne unvereinbar.395 In dieser Hinsicht kann damit ein Einflussnahmeverbot angenommen werden. Sind die wirtschaftlichen Belange der Rundfunkanstalten betroffen, ist der Staatseinfluss nicht gänzlich ausgeschlossen. Ihm sind aber weitgehende Grenzen gezogen, um den mittelbaren Einfluss auf die Programmfreiheit zu unterbinden.396 Ebenso streng wird in der Rechtsprechung die Beteiligung von politischen Parteien am Rundfunk bewertet.397 Für diese Belange, die zwar keinen unmittelbaren Einfluss auf das Programm ermöglichen, bei denen jedoch ein solcher von subtilerer, mittelbarer Art zu befürchten ist, besteht daher zwar kein striktes Einflussverbot, jedoch nur ein sehr geringer Bereich für das staatliche Tätigwerden. Weitergehender Einfluss steht dem Staat nach der Rechtsprechung im Rahmen der Organisation des Rundfunkwesens zu, das heißt im Bereich der Aufsicht der Rundfunkgremien, der Vergabe von Frequenzen sowie der Zulassung. Hier kann man von einem Auslieferungs- und Beherrschungsverbot sprechen.398 Gerade diese organisatorischen Bezüge des Gebots der Staatsferne des Rundfunks werden in ihrem graduellen Einfluss auf die Programmfreiheit recht unterschiedlich beurteilt, was auch der Grund für die unterschiedlichen 395 BVerfGE 31, 314 (329); 57, 295 (320); 59, 231 (258); 73, 118 (182 f.); 83, 238 (322 f.). 396 So das BVerfG in den Entscheidungen BVerfGE 90, 60 (103 f.); 119, 181 (223 f.). 397 BVerfGE 121, 30 (52 ff.). 398 So das BVerfG in den Entscheidungen BVerfGE 12, 205 (263); 57, 295 (333 f.); 60, 53 (64 ff.); 73, 118 (182 f.); 83, 238 (330 ff.); 121, 30 (52 ff.).
D. Resümee139
Ansichten in Rechtsprechung und Schrifttum sein dürfte. Dieses Problem offenbart auch die Schwächen des Ansatzes des Bundesverfassungsgerichts und des Großteils des Schrifttums.399 Denn die Bestimmung der Reichweite des Gebots setzt die Bestimmung der Programmrelevanz des staatlichen Tätigwerdens voraus, für die es jedoch keinen Maßstab gibt. Hinzu kommt, dass schon im Vorfeld nicht immer klar erkennbar ist, ob das Handeln des Staates überhaupt in der Lage ist, die Programmfreiheit beeinträchtigen zu können.400 Möglich ist stets nur eine Annäherung. Andererseits hat diese Festlegung der Reichweite den Vorteil, zugleich ein gewisses Maß an Flexibilität und Rechtssicherheit zu bieten. Andernfalls müsste jeder Fall neu festgesetzt werden, was darüber hinaus zur Folge hätte, dass nicht oder nur verzögert auf neue technische Entwicklungen reagiert werden könnte. Dieser Interpretation entspricht auch das entwicklungsoffene Verständnis des Rundfunkbegriffs. Die graduell abgestufte Reichweitenbestimmung stellt damit einen Mittelweg zwischen ausreichender Flexibilität und Rechtssicherheit dar.401
D. Resümee Das Gebot der Staatsferne des Rundfunks ist neben der subjektiv-recht lichen Komponente der Rundfunkfreiheit aus dem rundfunkspezifischen Pluralitätsgebot herzuleiten. Der Adressatenkreis erfasst all diejenigen, die der Grundrechtsbindung unterliegen. Inhaltlicher Kern des Gebots ist die Programmfreiheit. Die Reichweite des Gebots ist graduell abgestuft zu bestimmen, sodass weder von einem Einfluss- noch einem Beherrschungsoder Auslieferungsverbot ausgegangen werden kann. Begrifflich sollte von einem „Gebot der Staatsferne des Rundfunks“ gesprochen werden, mag es im Einzelfall auch als Gebot der Staatsfreiheit zu interpretieren sein. Der Begriff der Staatsfreiheit würde jedoch letztlich die absolute Trennung von Staat und Rundfunk intendieren, die nach dem hier vertretenen Verständnis nur in einzelnen Fällen anzunehmen ist.
399 Einige Autoren vertreten im Detail leicht abweichende Ansichten, gehen jedoch auch von der Programmrelevanz aus, siehe dazu Wojahn, Organisationsstrukturen, S. 52 ff. 400 Wojahn, Organisationsstrukturen, S. 54, 56. 401 So auch Wojahn, Organisationsstrukturen, S. 49, 56.
3. Kapitel
Das Parlament als Rundfunkveranstalter „Der Deutsche Bundestag verhandelt öffentlich“, so Artikel 42 GG. Dem so statuierten Öffentlichkeitsgebot des Bundestags wird heute zumeist ganz traditionell durch die Möglichkeit der Teilnahme an den Plenarsitzungen des Bundestags Rechnung getragen. Darüber hinaus stehen dem Bürger aber auch die Übertragungen der Debatten mittels Audio- und Video-Livestreaming im Internet zur Verfügung. Ein zusätzliches Angebot des Bundestags bildet schließlich das Parlamentsfernsehen, welches ein eigenes, durch den Bundestag produziertes Fernsehprogramm ist. Dieser wohlgemeinte BürgerService wirft jedoch die Frage auf, ob der Deutsche Bundestag mit dem Angebot Fernsehen und damit unzulässigen Staatsrundfunk betreibt. Mit Blick auf das Gebot der Öffentlichkeitsarbeit des Bundestags ist in diesem Falle über entsprechende „Rechtfertigungsgründe“ nachzudenken, das heißt über die Rechtfertigung an sich unzulässigen Staatsrundfunks durch zulässige Öffentlichkeitsarbeit.
A. Das Parlament als Adressat des Gebots der Staatsferne des Rundfunks Ein möglicher Verstoß gegen das Gebot der Staatsferne des Rundfunks setzt jedoch zunächst einmal voraus, dass das Parlament als Veranstalter des Programms Adressat des Gebots der Staatsferne des Rundfunks ist. Rechtsprechung und Schrifttum sind sich weitgehend1 einig, wenn die Legislative zu den Adressaten des Gebots gezählt wird.2 Als Teil der Staats1 Jarass, Staatsfreiheit, S. 41, will die parlamentarische Opposition als Adressatin ausnehmen, da diese nur wenig an der Ausübung hoheitlicher Gewalt beteiligt sei. Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, Teil D Rn. 78, weisen jedoch zu Recht daraufhin, dass auch die Opposition ebenso ein Hoheitsträger ist und durch ihre politisch reduzierte Macht nicht die „Staatsqualität“ verliert. Mayntz, Zwischen Volk und Volksvertretung, S. 487 Fn. 22, erachtet den Bundestag nicht als Adressat des Gebots der Staatsferne des Rundfunks. Diese Ansicht dürfte jedoch seit BVerfGE 73, 118 (182) überholt sein. 2 BVerfGE 73, 118 (182); 83, 238 (322 f.); 90, 60 (92); OVG Lüneburg, Urt. v. 29.8.1978 = DÖV 1979, 170 ff.; Gersdorf, Staatsfreiheit, S. 105; Ricker, PrivatfunkGesetze, S. 43; Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, Teil D Rn. 78; Stender-
B. Parlamentsfernsehen und Gebot der Staatsferne des Rundfunks141
gewalt unterliegt sie der Kritik und Kontrolle der durch die Medien vermittelten öffentlichen Meinung.3 Diese Rückkoppelung mittels der Medien kann allerdings nur gelingen, wenn der Gesetzgeber als Teil der Staatsgewalt keinen Einfluss auf Auswahl, den Inhalt und die Gestaltung der Rundfunkprogramme erhält.4 Dass der Staat selber als Rundfunkveranstalter tätig wird, ist, wie bereits dargestellt, mit dem Gebot der Staatsferne des Rundfunks unvereinbar.5 Das Parlamentsfernsehen würde, soweit es den verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriff verwirklicht, gerade die unmittelbarste Form eines Staatsfernsehens und damit einen Verstoß gegen das Gebot der Staatsferne darstellen.6
B. Die Vereinbarkeit des Parlamentsfernsehens mit dem Gebot der Staatsferne des Rundfunks Bereits im Jahr 2007 hat die KEK die Zulässigkeit des Parlamentsfernsehens bezweifelt und auf die Unvereinbarkeit mit der Rundfunkfreiheit verwiesen.7 Im März 2011 hat die ZAK nun die Unzulässigkeit des Parlamentsfernsehens – allerdings nur – mangels Rechtsgrundlage festgestellt. Im Übrigen müsse dem Bundestag aber die Möglichkeit gegeben werden, „über seine Arbeit auf zeitgemäße Art und Weise zu informieren.“8 ZAK und KEK gehen somit von zwei verschiedenen Annahmen aus. Erachtet die ZAK das Parlamentsfernsehen in seiner gegenwärtigen Form als Öffentlichkeitsarbeit des Parlaments, für die es nur einer entsprechenden Rechtsgrundlage bedürfe, geht die KEK davon aus, dass das Parlamentsfernsehen nur unter bestimmten Voraussetzungen den Begriff der Öffentlichkeitsarbeit verwirklicht. Andernfalls sei es unzulässiger Staatsrundfunk. Vorwachs, Staatsferne und Gruppenferne, S. 202 f.; Bethge, Reorganisation, S. 20; Huber, in: FS Bethge 2009, S. 498; Wufka, Rundfunkfreiheit, S. 98; Schuster, Meinungsvielfalt, S. 146 f.; Goerlich/Laier, ZUM 2008, 475 (481); Wilhelmi, Verfassungsrechtliche Probleme, S. 189; Holznagel, MMR 2011, 300 (301); Ricker, NJW 1994, 2199 (2200); Starck, Rundfunkfreiheit, S. 17; Scheel, Zur Staatsfreiheit des Rundfunks, S. 40; Klaes, Informationsauftrag, S. 257. 3 Gersdorf, Staatsfreiheit, S. 105. 4 BVerfGE 73, 118 (182); 83, 238 (322 f.); 90, 60 (92) sowie oben 2. Kapitel C. II. 4. g). 5 So auch das BVerfG zuletzt in BVerfGE 121, 30 (52). 6 KEK, 10. Jahresbericht, S. 302. 7 KEK, 10. Jahresbericht, S. 303. 8 ZAK, Pressemitteilung 08/2011 v. 16.3.2011, abrufbar unter: http://www.diemedienanstalten.de/presse/pressemitteilungen/kommission-fuer-zulassung-und-auf sicht/detailansicht/article/zak-pressemitteilung-082011-derzeitige-rechtslage-laesstparlamentsfernsehen-des-deutschen-bundest.html.
142
3. Kap.: Das Parlament als Rundfunkveranstalter
Es muss folglich geklärt werden, ob es sich beim Parlamentsfernsehen des Bundestags um ein Rundfunkangebot handelt, und soweit dies der Fall ist, ob es aufgrund des Vorliegens der Merkmale der Öffentlichkeitsarbeit für verfassungsgemäß zu erachten ist.
I. Art und Umfang des Parlamentsfernsehens Um die Rundfunkqualität des Parlamentsfernsehens bestimmen zu können, ist zunächst ein Blick auf Art und Umfang des Angebots zu werfen. Mögliche Alternativen zum deutschen System zeigt ein kurzer Vergleich mit anderen europäischen sowie US-amerikanischen Parlamentskanälen. 1. Das Parlamentsfernsehen des Deutschen Bundestags Bis die ZAK im März 2011 die Unzulässigkeit des Parlamentsfernsehens erklärte, war das Angebot des Bundestags immer umfangreicher geworden. Diente das Programm zunächst nur der internen Übertragung von Plenarsitzungen, wird es seit November 2000 auch der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt.9 Nunmehr kann das Programm über das digitale Kabelnetz von Kabel Deutschland im Raum Berlin sowie über Satellit empfangen werden. Diesem Ausbau der Reichweite des Programms folgte auch eine inhaltliche Ausweitung. Ausgehend von der bloßen Übertragung von Plenarsitzungen kamen mit der Zeit auch Interviews, Reportagen und eigene redaktionell gestaltete Beiträge hinzu.10 Mit der Versagung der Zulassung durch die ZAK hat der Bundestag die Beiträge auf die Übertragung von Plenarsitzungen und öffentlichen Ausschusssitzungen reduziert. Im Übrigen werden aber auch die redaktionell gestalteten Beiträge weiterhin über die Mediathek des Bundestags gesendet.11 Inwieweit solche Angebote mit dem Gebot der Staatsferne des Rundfunks zu vereinbaren sind, soll im folgenden Kapitel geklärt werden.
9 Feldkamp, in: Datenhandbuch des Deutschen Bundestages, 20.3 Parlamentsfernsehen. Zu den im Vorfeld des Aufbaus des Parlamentsfernsehens geführten Diskussionen siehe die Darstellung bei Mayntz, Zwischen Volk und Volksvertretung, S. 478 ff. 10 Die Mediathek des Parlamentsfernsehens: http://www.bundestag.de/Media thek/parlamentstv/archiv/index.html. Siehe zur Entwicklung der Fernsehberichterstattung über den Deutschen Bundestag, Mayntz, ZParl 1993, 351. 11 Siehe das Angebot der Mediathek: http://www.bundestag.de/Mediathek/index. jsp.
B. Parlamentsfernsehen und Gebot der Staatsferne des Rundfunks143
2. Das Parlamentsfernsehen anderer Staaten Auch in anderen Staaten finden sich Rundfunkprogramme, die die Belange des Parlaments darstellen, wobei sich die Art und Weise der Organisa tion unterscheidet. Es soll daher ein kurzer Blick auf die Modelle in Groß britannien, Frankreich und den Vereinigten Staaten von Amerika geworfen werden. In Großbritannien überträgt die BBC auf dem Kanal BBC Parliament live Debatten aus dem Ober- und Unterhaus sowie den Ausschüssen, aber auch Diskussionsrunden und Informationen zu aktuellen Themen.12 Das Angebot erfolgt mithin in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft. Daneben betreibt aber auch ein privates Medienunternehmen im Auftrag des britischen Parlaments den Kanal Parliament Live TV. Die Angebote sind allerdings im Gegensatz zur BRD ausschließlich im Internet verfügbar.13 In Frankreich wurde 1999 durch Gesetz der gemeinsame Parlamentskanal von Nationalversammlung und Senat La Chaîne parlementaire ins Leben gerufen. Dieser soll mittels Kabel und Internet sowie terrestrisch über die Arbeit der beiden Kammern informieren. Dabei steht allerdings mehr die politische Bildung im Allgemeinen als die Übertragung von Debatten im Vordergrund. Die Finanzierung erfolgt allein durch die beiden Kammern, was Fragen der Unabhängigkeit des Rundfunkangebots aufwirft.14 Vorbild dieser beiden exemplarisch dargestellten Parlamentskanäle ist der US-amerikanische Sender C-SPAN, der schon seit 1978 Parlamentsberichterstattung betreibt. C-SPAN ist eine private gemeinnützige Organisation, die von US-Kabelgesellschaften finanziert wird. Dadurch sind die Veranstalter weder auf staatliche Mittel noch auf Werbeeinnahmen angewiesen, mithin in der Programmgestaltung unabhängig. Die Inhalte der drei Fernsehkanäle und des Radiokanals erstrecken sich u. a. auf die Debatten des US-Repräsentantenhauses sowie des US-Senats, Ausschusssitzungen, aber auch Wahlkämpfe und Pressekonferenzen. Daneben werden umfangreiche Informationen über die Justiz und die Zeitgeschichte angeboten.15 Sowohl das französische als auch britische Modell sind letztlich nicht völlig frei von staatlicher Beeinflussung, wobei das französische dem deut12 http://news.bbc.co.uk/democracylive/hi/bbc_parliament/; siehe auch zur Entwicklung in Großbritannien v. Hase, in: FS Schnellknecht 1984, S. 229 f. 13 http://www.parliamentlive.tv/Main/Home.aspx. 14 Siehe ausführlicher dazu Pernak/Zimmermann, EuroParl TV, S. 7 f. m. w. N. sowie zur Entwicklung in Frankreich v. Hase, in: FS Schnellknecht 1984, S. 230 f. 15 http://www.c-span.org/about/mission/; Pernak/Zimmermann, EuroParl TV, S. 14; Wagner, MP 1997, S. 214 ff.; zur Entwicklung in den USA, v. Hase, in: FS Schnellknecht 1984, S. 229.
144
3. Kap.: Das Parlament als Rundfunkveranstalter
schen Modell im Hinblick auf den möglichen Grad staatlicher Einwirkung noch am nächsten kommt. Einzig der Sender C-SPAN scheint seiner Anlage nach die Staatsabhängigkeit ausschließen zu können. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass der amerikanische Rundfunk die Form eines öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalters nicht kennt. Der Rundfunkmarkt ist allein privatwirtschaftlich organisiert, sodass die Voraussetzungen etwas anderer Natur sind.
II. Einordnung des Angebots als Rundfunk Nach diesem Blick auf den Umfang des deutschen Parlamentsfernsehens sowie der ausländischen Angebote soll die Rundfunkqualität des Angebots des Bundestags untersucht werden. Erfüllt das Parlamentsfernsehen nicht die Merkmale des verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriffs, kann auch kein möglicher Konflikt mit dem Gebot der Staatsferne des Rundfunks in Betracht kommen. Es wird jeweils zum einen das Angebot des Parlamentsfernsehens vor dem Frühjahr 2011 sowie das aktuelle – deutlich reduzierte – Angebot auf das Vorliegen der Merkmale hin überprüft. 1. Der verfassungsrechtliche Rundfunkbegriff Unter Rundfunk im Sinne des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG wird gemeinhin die für die Allgemeinheit bestimmte Veranstaltung und Verbreitung von Darbietungen aller Art in Wort, Ton und Bild unter Benutzung elektromagnetischer Schwingungen ohne Verbindungsleitung oder längs oder mittels eines Leiters verstanden.16 Damit entspricht diese Definition dem bis 2009 im Rundfunkstaatsvertrag verankerten Rundfunkbegriff des § 2 RStV a. F.17 Die Neufassung des einfachrechtlichen Rundfunkbegriffs steht der Annahme des genannten verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriffs allerdings nicht entgegen.18 Das Bundesverfassungsgericht vertritt eine dynamische Interpretation des Rundfunkbegriffs, da die Rundfunkfreiheit nur dann den Meinungsbildungsprozess schützen könne, wenn der Begriff des Rundfunks an den technischen Wandel anzupassen in der Lage sei.19
16 Starck, in: vMangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 5 I, II Rn. 95; Degenhart, in: BK, Art. 5 I, II Rn. 667; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 5 I, II Rn. 99; Jarass, in: ders./Pieroth, GG, Art. 5 Rn. 36; Brand, Rundfunk, S. 42 f. 17 Geändert durch den 12. RStV i. d.F v. 18.12.2008, BayGVBl. 2009, S. 193. 18 Starck, in: vMangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 5 I, II Rn. 96. 19 BVerfGE 73, 118 (154 f.); 83, 238 (302).
B. Parlamentsfernsehen und Gebot der Staatsferne des Rundfunks145
a) Verbreitung Das Merkmal der Verbreitung setzt die Überwindung einer Distanz voraus, die jedenfalls räumlicher Art sein muss.20 Zwischen dem Deutschen Bundestag als Kommunikator und den Rezipienten des Parlamentsfernsehens besteht eine räumliche Distanz, sodass das Programm verbreitet wird. b) Darbietung in Wort, Ton und Bild Inhaltlich muss das Angebot die Voraussetzungen einer Darbietung erfüllen, welche jede Übermittlung von Information oder Meinung erfasst.21 Damit werden nicht nur reine Informationsprogramme, sondern auch kulturelle oder schlicht unterhaltende Sendungen einbezogen.22 Umstritten ist allerdings, ob darüber hinaus den Beiträgen eine rundfunkspezifische massenmediale Wirkung zukommen muss, um den verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriff zu verwirklichen. Für den herkömmlichen Rundfunk nimmt das Bundesverfassungsgericht eine aufgrund seiner besonderen Breitenwirkung, Aktualität und Suggestivkraft gegenüber den anderen Medien herausragende Stellung für die öffentliche Meinungsbildung an, die auch das gesteigerte Bedürfnis nach Regulierung bewirke.23 Für die Annahme eines Rundfunkangebots wird daher im Schrifttum das Vorliegen dieser besonderen Wirkkraft mit entsprechender Meinungsbildungsrelevanz gefordert.24 Andere verneinen hingegen die Notwendigkeit der besonderen Wirkung des Mediums für die Verwirklichung der Rundfunkeigenschaft und erachten die Eigenschaften der Breitenwirkung, Aktualität und Suggestivkraft lediglich als Beschreibung des derzeitigen Phänomens Rundfunks, die nur für die entsprechende einfachrechtliche Regulierung der Angebote relevant werden könne.25 20 Brand, Rundfunk, S. 49; Degenhart, in: BK, Art. 5 I, II Rn. 674. Gersdorf, Verfassungsrechtlicher Rundfunkbegriff, S. 116 ff., hingegen hält dieses Merkmal für entbehrlich und ordnet die Probleme anderen Tatbestandsmerkmalen des Rundfunkbegriffs zu. 21 BVerfGE 57, 295 (319); 60, 53 (63 f.); Degenhart, in: BK, Art. 5 I, II Rn. 676. 22 BVerfGE 12, 205 (260); 31, 314 (326, 342); 35, 202 (222); 73, 118 (152). 23 BVerfGE 90, 60 (87); noch deutlicher in BVerfGE 119, 181 (214 f.). 24 Bullinger, AfP 1996, 1 (7); Gersdorf, in: Dittmann/Fechner/Sander, Der Rundfunkbegriff im Wandel der Medien, S. 141; Degenhart, ZUM 1998, 137 f.; ders., ZUM 1998, 333 (342 Fn. 105); Roßnagel, NVwZ 2000, 662 (625); Koreng, AfP 2009, 117 (119); Castendyk/Böttcher, MMR 2008, 13 (15); Hoffmann-Riem, AfP 1996, 9 (11). 25 Vgl. Brand, Rundfunk, S. 115 ff.; v. Coelln, AfP 2008, 433 (444); Weberling, AfP 2008, 445 (447).
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3. Kap.: Das Parlament als Rundfunkveranstalter
aa) Stellungnahme Die Wirkkraft des Rundfunks ruft einen besonderen Einfluss der gesendeten Inhalte auf die öffentliche Meinungsbildung hervor. Der Schutz dieser öffentlichen Meinungsbildung vor einseitiger gesellschaftlicher oder staatlicher Beeinflussung ist der Kern des Art. 5 Abs. 1 GG. Dementsprechend können nur ausschließlich zur individuellen und öffentlichen Meinungsbildung geeignete (staatliche) Angebote dem Rundfunkbegriff unterfallen, da nur solche eine Gefahr für die demokratische Willensbildung begründen können.26 Es ist dabei aber ausreichend, dass das Angebot lediglich die Eignung zur Meinungsbildung aufweist, nicht hingegen die rundfunkspezifische Wirkung.27 Dies ist ein Aspekt, der auf einfachrechtlicher Ebene zum Tragen kommt und eine Differenzierung hinsichtlich der Intensität der Regulierung rechtfertigt. So konstatiert auch das Bundesverfassungsgericht, dass „Anlass der gesetzlichen Ausgestaltung der Rundfunkordnung […] die herausgehobene Bedeutung, die dem Rundfunk unter den Medien wegen seiner Breitenwirkung, Aktualität und Suggestivkraft zukommt,“ ist.28 Normziel, und damit wesentlich für den Schutzbereich des Grundrechts, ist allerdings die freie und öffentliche Meinungsbildung.29 Auf der Schutzbereichsebene der Rundfunkfreiheit muss daher im Vordergrund stehen, dass das Angebot diese Meinungsbildungsfreiheit gefährden kann. Dies ist jedoch nicht erst dann der Fall, wenn ein Angebot die einem herkömmlichen redaktionell gestalteten Rundfunkprogramm zugeschriebenen Besonderheiten im Hinblick auf Breitenwirkung, Aktualität und Suggestivkraft aufweist. Die Schwelle zur Gefährdung, das heißt das Vorliegen der Meinungsrelevanz, kann auch schon unterhalb dieser besonderen Wirkung gegeben sein. Vom Schutzbereich der Rundfunkfreiheit kann daher nur dann ein Angebot ausgeschlossen werden, wenn es offensichtlich keinerlei Meinungsrelevanz aufweist, was allerdings nur im Einzelfall, wie zum Beispiel bei Wetterdaten, der Fall sein dürfte.30 Zudem würden solch weitgehende Anforderungen den Schutzbereich der Rundfunkfreiheit verkomplizieren 26 Koreng, AfP 2009, 117 (119 f.); Gounalakis, Konvergenz der Medien, S. 36; Degenhart, ZUM 1998, 333 (340 ff.); Gersdorf, Verfassungsrechtlicher Rundfunkbegriff, S. 142 f.; Hoffmann-Riem, AfP 1996, 9 (11). 27 So auch Gersdorf, Verfassungsrechtlicher Rundfunkbegriff, S. 142 f.; a. A. Koreng, AfP 2009, 117 (120). 28 BVerfGE 119, 181 (214 f.). 29 BVerfGE 90, 60 (87). 30 Im Ergebnis so auch Gersdorf, Verfassungsrechtlicher Rundfunkbegriff, S. 143 sowie Kunisch, Rundfunk im Internet, S. 72 f.
B. Parlamentsfernsehen und Gebot der Staatsferne des Rundfunks147
und im Ergebnis auch überladen.31 Schließlich ist eine Verengung des verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriffs auch nicht notwendig, um einer unter Umständen unangemessenen Regulierung auf einfachrechtlicher Ebene zu entgehen.32 Zum einen würde dies bedeuten, den verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriff aus (rechts-)politischen Gründen, mithin vom gewünschten Regelungsziel her, zu bestimmen. Dies würde das Grundrecht jedoch seiner verfassungsrechtlichen Stellung berauben. Gleiches gilt für einen Rückschluss von der staatsvertraglichen Rundfunkdefinition auf den verfassungsrechtlichen Begriff.33 Zum anderen muss die verfassungsrechtliche Einordnung nicht zwangsläufig auch eine einheitliche einfachrechtliche Regulierung zur Folge haben.34 Vielmehr erscheint es sogar vor dem Hintergrund der subjektivrechtlichen Komponente der Rundfunkfreiheit geboten, die Regulierung entsprechend der publizistischen Relevanz vorzunehmen.35 Im Übrigen gewährt das Gericht dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Rundfunkordnung einen weiten Gestaltungsspielraum, insbesondere auch für Differenzierungen nach der Regelungsart und Regelungsdichte.36 Die Auffassung, schon auf verfassungsrechtlicher Ebene weitgehende Anforderungen an den Rundfunkbegriff zu stellen,37 überzeugt nicht. Es bleibt daher festzuhalten, dass lediglich die Eignung zur Meinungsrelevanz eine Voraussetzung des verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriffs ist.38
31 Brand, Rundfunk, S. 71; Gersdorf, Verfassungsrechtlicher Rundfunkbegriff, S. 96; Schliersee-Papier der Rundfunkreferenten v. 29.4.1975, abgedruckt in: Brand, Rundfunk, S. 277. 32 Brand, Rundfunk, S. 67 ff.; a. A. Dittmann, in: ders./Fechner/Sander, Der Rundfunkbegriff im Wandel der Medien, S. 36. 33 Kunisch, Rundfunk im Internet, S. 66; Brand, Rundfunk, S. 68. 34 Scherer, AfP 1996, 213 (218); Hoffmann-Riem, AfP 1996, 9 (12); Brand, Rundfunk, S. 68 ff.; Gersdorf, Grundzüge des Rundfunkrechts, Rn. 119; Held, Online-Angebote, S. 84; v. Coelln, AfP 2008, 433 (443 f.); Koreng, AfP 2009, 117 (119). A. A. Bullinger/Mestmäcker, Multimediadienste, S. 46 f. 35 Gersdorf, Verfassungsrechtlicher Rundfunkbegriff, S. 149 ff.; ders., AfP 1995, 565 (568). 36 BVerfGE 119, 181 (214). 37 Bullinger/Mestmäcker, Multimediadienste, S. 46 f. 38 Noch weitergehend Brand, Rundfunk, S. 120, der für den Darbietungscharakter „jede durchgeführte Auslese von Inhalten jedweder Art“ erachtet. Siehe auch Held, Online-Angebote, S. 84, der ebenfalls einen sehr weiten Rundfunkbegriff vertritt, ohne Berücksichtigung der Meinungsrelevanz. Ebenso Dörr, in: Dittmann/ Fechner/Sander, Der Rundfunkbegriff im Wandel der Medien, S. 125 f.
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3. Kap.: Das Parlament als Rundfunkveranstalter
bb) Einordnung des Parlamentsfernsehens Veranstaltet der Deutsche Bundestag ein Programm, welches Interviews, Reportagen und kommentierte Sitzungen des Plenums oder der Ausschüsse enthält, so weist dieses die erforderliche Meinungsbildungsrelevanz auf. Der Rezipient erlangt einen Eindruck von der Funktionsweise des Parlaments, unter Umständen auch von den parlamentsinternen Vorgängen und der Arbeit der Abgeordneten. Er kann sich so eine Ansicht über alle das Parlament betreffenden Fragen bilden. Insoweit hatte das bis 2011 veranstaltete Programm Darbietungscharakter. Fraglich ist nun, ob das aktuelle Programm in Form der Direktübertragungen die Merkmale einer Darbietung, insbesondere die Eignung zur Meinungsrelevanz aufweist. Schließlich werden die Sitzungen lediglich unkommentiert und ohne weitere Einbindung übertragen. In der Literatur findet sich einerseits die Ansicht, dass die Eignung zur Meinungsrelevanz nur dann anzunehmen sei, wenn das Angebot redaktionell gestaltet sei, das heißt wenn aus anderen Quellen stammende Informationen mit Blick auf die Rezipienten bearbeitet und zu einem von den Rezipienten nutzbaren Produkt zusammengefasst werden. Daran fehle es, wenn thematisch sehr eng begrenzte Informationen ohne Einbindung in ein größeres Angebot oder Programm übermittelt würden. Vom Rundfunkbegriff auszuschließen sei daher beispielsweise eine isoliert übertragene Rede. Damit wäre die unkommentierte Wiedergabe der Plenar- und Ausschusssitzungen kein Rundfunk im Sinne des Grundgesetzes.39 Dieser Ansicht kann allerdings nicht mit Blick auf die Besonderheiten des Fernsehens gefolgt werden. Das Fernsehen ermöglicht die gleichzeitige Vermittlung von bildlichen, akustischen, schriftlichen sowie para- und nonverbalen Informationen, deren Verarbeitung durch den Rezipienten nicht einfach ist.40 Neben dieser gegenüber anderen Medien bestehenden Verdichtung von verschiedenen Informationen weist das Fernsehen auf der Ebene der formalen Aspekte Besonderheiten auf. Als solche werden beispielsweise die Informationsverdichtung im visuellen und auditiven Kanal genannt (Schnitte oder Zoomfunktionen), ein nicht durch den Rezipienten zu steuernder Bilderfluss, die Einschränkung des Sehfeldes oder die fehlende Möglichkeit des Rezipienten, nonverbale Informationen, die durch das Fernsehen transportiert werden, endgültig beurteilen zu können, da ihm keine 39 Jarass, AfP 1998, 133 (135). So auch Mayntz, Zwischen Volk und Volksvertretung, S. 512, für die unkommentierte Wiedergabe von Sitzungen mittels fest installierter Kameras. 40 Schenk, Medienwirkungsforschung, S. 116.
B. Parlamentsfernsehen und Gebot der Staatsferne des Rundfunks149
Überprüfungsmöglichkeit zur Verfügung steht.41 Die verschiedenen Angebotsweisen des Fernsehens können daher schon unabhängig von den Inhalten erhebliche Wirkungen hervorrufen, sodass hierfür nicht nur entscheidend ist, was mitgeteilt wird, sondern wie es mitgeteilt wird.42 Dies haben auch Untersuchungen zu verschiedenen Präsentationsstilen ergeben.43 So ist die Glaubwürdigkeit eines Sprechers zum Beispiel auch davon abhängig, aus welcher Perspektive er dargestellt wird. Der Darstellung im Profil kommt eine höhere Glaubwürdigkeit zu als einer frontalen Aufnahme.44 Entscheidend ist des Weiteren der Kamerawinkel. Ein hoher Kamerawinkel führt zwar dazu, dass die wahrgenommene Macht und Dominanz des vor der Kamera Agierenden vermindert wird, seine Glaubwürdigkeit aber steigt. Grund – so die Kommunikationswissenschaft – ist, dass der höhere Winkel die Identifikation der Rezipienten mit dem Sprecher erleichtere.45 Mittels eines niedrigen Kamerawinkels kann hingegen die physische Erscheinung einer Person in der Weise beeinflusst werden, dass sie größer und eindrucksvoller erscheint, was Macht und Aktivität der Person nahelegt. Bereits dieser kurze Blick auf die kommunikationswissenschaftlichen Untersuchungen verdeutlicht, dass auch die „bloßen“ Direktübertragungen mittels des Einsatzes der verschiedenen Kameras und deren Einstellungen zur Manipulationen des Rezipienten beitragen können. Der bewusste Einsatz einer Kamera kann eine Veränderung der Wahrnehmung herbeiführen und somit die in dem Zusammenhang entstehenden Einstellungen und Ansichten des Rezipienten beeinflussen. Auch die Zusammenstellung der aufgenommenen Bilder kann maßgeblichen Einfluss darauf haben, wie ein Redner und seine Aussagen im Bundestag wahrgenommen werden, er ist vom Präsentationsstil durch die Kameras abhängig. Ebenso wird man mit Blick auf die im juristischen Schrifttum vorherrschenden Ansichten die Meinungsbildungsrelevanz der Direktübertragungen bejahen können. Der Schluss von der redaktionellen Gestaltung auf die Meinungsrelevanz eines Angebots kann auch für die Direktübertragungen gezogen werden.46 Hierfür ist allerdings nicht erst eine Kommentierung des 41 Zu
weiteren Besonderheiten siehe Schenk, Medienwirkungsforschung, S. 116. Medienwirkungsforschung, S. 116; grundlegend dazu Marshall McLu han, der den berühmten Satz „The medium is the message“ formuliert hat. Siehe dazu Winterhoff-Spurk, Fernsehen, S. 90 ff. 43 Siehe eine Übersicht bei Schenk, Medienwirkungsforschung, S. 121 ff. 44 Baggaley/Ferguson/Brooks, Psychology of the TV Image, S. 27 ff. 45 McCain/Chilberg/Wakshlag, The Effect of Camera Angle on Source Credibility and Attraction, Journal of Broadcasting 21 (1977), 35 (44). 46 Gersdorf, Parlamentsfernsehen, S. 43; Goerlich/Laier, ZUM 2008, 475 (482); Brand, Rundfunk, S. 114. 42 Schenk,
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3. Kap.: Das Parlament als Rundfunkveranstalter
Programms notwendig. So konstatiert auch das Bundesverfassungsgericht, dass die Entscheidung für eine Sendung stets die Entscheidung gegen eine andere Sendung ist, womit bereits eine gewisse Tendenz anzunehmen ist.47 Ebenso äußern sich auch Stimmen im Schrifttum. Bereits die Entscheidung, die Übertragung nicht zu kommentieren, sei redaktioneller Art.48 Die Übermittlung erfolge nicht unbewusst, vielmehr seien mit ihr auch Entscheidungen zum Beispiel hinsichtlich von Kameraeinstellungen, der Länge der Beiträge oder dem Schnitt der Bilder verbunden.49 Der Rezipient kann sich auch unbeeinflusst von der Kommentierung Dritter eine Ansicht bilden.50 Dafür ist nicht erst eine Kommentierung notwendig. Vielmehr gewährt das bloße Bild einen „ungefilterten“ Eindruck.51 Das Schweigen hat mithin eine meinungsbildende Relevanz, die unter Umständen noch viel stärker ist, da sie ohne die Deutung oder Interpretation anderer erfolgt.52 Die Eignung zur Meinungsrelevanz kann daher den Direktübertragungen nicht abgesprochen werden, sodass auch die unkommentierte Übertragung der Bilder aus dem Bundestag eine Darbietung im Sinne des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG ist. Der Begriff der Darbietung wird sodann durch die Merkmale „in Wort, Bild und Ton“ näher konkretisiert, wobei schon das Vorliegen eines Merkmals für die Verwirklichung des Rundfunkbegriffs ausreichend ist.53 Das Parlamentsfernsehen ist ein Programm, das optisch und akustisch wahrnehmbar ist, sodass die Darbietung und auch Wort, Bild und Ton erfolgt. c) Die übrigen Voraussetzungen Wesentlich für das Massenkommunikationsmittel ist zudem, dass der Empfängerkreis der Sendung beliebig und unbestimmt ist, sich die Darbietung mithin an die Allgemeinheit richtet.54 Dies wäre bei einem Parla12, 205 (260); Degenhart, in: BK, Art. 5 I, II Rn. 676. ZUM 2008, 475 (482); Brand, Rundfunk, S. 114; Gersdorf, Parlamentsfernsehen, S. 43. 49 Gersdorf, Parlamentsfernsehen, S. 44. 50 Goerlich/Laier, ZUM 2008, 475 (482); Brand, Rundfunk, S. 115; Hadamik, Gutachten f. Bundestag, S. 8 f.; Jensen, Öffentlichkeitsarbeit, S. 133; Hennis, in: FS Arndt 1969, S. 153, zur Meinungsbildungsrelevanz von Reden im Parlament. 51 Gersdorf, Parlamentsfernsehen, S. 44. 52 Goerlich/Laier, ZUM 2008, 475 (482); Brand, Rundfunk, S. 115. 53 Brand, Rundfunk, S. 121. 54 Gersdorf, Parlamentsfernsehen, S. 46; ders., Verfassungsrechtlicher Rundfunkbegriff, S. 106; Brand, Rundfunk, S. 129; Degenhart, in: BK, Art. 5 I, II Rn. 678; Jarass, in: ders./Pieroth, GG, Art. 5 Rn. 36. 47 BVerfGE
48 Goerlich/Laier,
B. Parlamentsfernsehen und Gebot der Staatsferne des Rundfunks151
mentsfernsehen bereits dann erfüllt, wenn es auch nur im Sinne eines „Betriebsrundfunks“ an eine Teilöffentlichkeit gerichtet ist.55 Schließlich setzt Rundfunk die gegenstandslose Übermittlung der Inhalte voraus, wobei es weder auf die verwendete Übertragungstechnik (analog oder digital), noch auf die Übertragungsmedien (etwa Satellit, Kabel, Terrestrik) ankommt.56 Daher ist auch die fernmeldetechnische Komponente des Rundfunkbegriffs für ein Parlamentsfernsehen anzunehmen. 2. Resümee: Staatsrundfunk Die Ausführungen haben gezeigt, dass das Parlamentsfernsehen sowohl in seinem aktuellen als auch vorherigen Umfang die Voraussetzungen des verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriffs erfüllt. Damit scheidet ein Konflikt mit dem Gebot der Staatsferne des Rundfunks nicht schon mangels Vorliegens dieser Merkmale aus. Es ist daher zunächst einmal von dem Vorliegen unzulässigen Staatsrundfunks auszugehen.
III. Einfachrechtliche Ausgestaltung Mit Blick auf die Ansicht der ZAK, es fehle für die Zulassung des Parlamentsfernsehens lediglich an einer Rechtsgrundlage, ist vor der weiteren verfassungsrechtlichen Prüfung auch die einfach-rechtliche Gesetzeslage zu betrachten. Maßgeblich ist dafür § 20a RStV, der die Zulassung bundesweiten Fernsehens regelt. Ausgeschlossen ist demnach die Zulassung zur Rundfunkveranstaltung für juristische Personen des öffentlichen Rechts (§ 20a Abs. 3 S. 1 RStV). Als Staatsorgan der Bundesrepublik Deutschland, die eine juristische Person des öffentlich-rechtlichen Rechts ist, findet die Regelung daher auf den Bundestag Anwendung.57 Eine andere Frage ist jedoch, ob daneben auch die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 RStV erfüllt sind, mithin der Rundfunkbegriff im einfachrechtlichen Sinne vorliegt; andernfalls würde § 20a RStV schon gar keine Anwendung finden. 55 Jarass, in: ders./Pieroth, GG, Art. 5 Rn. 36. Das Parlamentsfernsehen des Deutschen Bundestages ist derzeit über den Satelliten Astra unverschlüsselt zu empfangen. Daneben besteht diese Möglichkeit auch über das digitale Berliner Breitbandkabelnetz, womit die Allgemeinbezogenheit vorliegt. Siehe dazu Feldkamp, in: Datenhandbuch des Deutschen Bundestages, Abschn. 20.3 Parlamentsfernsehen. 56 Brand, Rundfunk, S. 58; Gersdorf, Verfassungsrechtlicher Rundfunkbegriff, S. 119 f.; Degenhart, in: BK, Art. 5 I, II Rn. 673. 57 Stern, Das Staatsrecht der BRD II, § 26 I 2 α.
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3. Kap.: Das Parlament als Rundfunkveranstalter
Nach § 2 Abs. 1 S. 1 RStV ist Rundfunk ein linearer Informations- und Kommunikationsdienst; er ist die für die Allgemeinheit und zum zeitgleichen Empfang bestimmte Veranstaltung und Verbreitung von Angeboten in Bewegtbild oder Ton entlang eines Sendeplans unter Benutzung elektromagnetischer Schwingungen. Änderungen zum verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriff ergeben sich nun zum Teil durch die Neufassung des § 2 RStV, die notwendig war, um das deutsche Recht entsprechend der Audiovisuelle-Mediendienste-Richtlinie anzupassen. Eingegangen werden soll hier nur auf die gegenüber dem verfassungsrechtlichen Begriff bestehenden Veränderungen. Mit der Neufassung verzichtet der Gesetzgeber auf das Merkmal der Darbietung und führt stattdessen den Begriff des „linearen Informationsund Kommunikationsdienstes“ ein. Ein Informations- und Kommunika tionsdienst erfasst wohl zunächst einmal alle möglichen multimedialen Angebote, die dann im Einzelfall den Kategorien Rundfunk und Telemedien zuzuordnen sind. Linear ist ein solches Angebot, wenn es für eine Vielzahl von Personen zum zeitgleichen Empfang bereitgestellt wird; es ist mithin lediglich eine „Punkt-zu-Mehrpunkt-Verbindung“ erforderlich. Konsequenz dieser wesentlichen Umgestaltung des Rundfunkbegriffs ist die Wahl eines völlig inhaltsneutralen Begriffs. Allerdings ist nicht klar, ob der Gesetzgeber damit tatsächlich auf ein inhaltliches Merkmal verzichten wollte. Nach der Begründung des Gesetzgebers zum Zwölften Rundfunkänderungsstaatsvertrag heißt es zum Rundfunkbegriff, dass dieser „unverändert die Veranstaltung von Angeboten für die Allgemeinheit und damit die bereits bisher herangezogenen Kriterien der Breitenwirkung, Aktualität und Suggestivkraft“ umfasse. Der Gesetzgeber ordnet damit die bisher beim Merkmal der Darbietung verankerten Kriterien der Meinungsbildungsrelevanz dem Merkmal der Allgemeinheit zu. Fehlte es dann in der Folge an diesen Voraussetzungen, sei das Vorliegen eines Rundfunkangebots ausgeschlossen. Der Ausschluss trotz Vorliegen eines linearen Angebots – und der damit verbundene Widerspruch – wird auch an weiteren Regelungen des § 2 RStV deutlich. So schließt § 2 Abs. 3 Nr. 3 RStV Angebote vom Rundfunkbegriff aus, die ausschließlich zu persönlichen oder familiären Zwecken dienen. Nach § 2 Abs. 3 Nr. 4 RStV gilt dies auch für Angebote, die nicht journalistisch-redaktionell gestaltet sind. Begründet wird dieser Ausschluss mit der fehlenden Meinungsbildungsrelevanz. Im Gegensatz zum Gesetzeswortlaut scheint der Gesetzgeber daher nicht von einem inhaltsneutralen Rundfunkbegriff auszugehen. Vielmehr sollen Angebote, die keine Auswirkungen auf die Meinungsbildung haben können, vom Rundfunkbegriff ausgeschlossen werden. Einer solchen verfassungskonformen Auslegung steht auch nicht die AVMD-Richtlinie, die als Grundlage für die deutsche Regelung fungierte,
B. Parlamentsfernsehen und Gebot der Staatsferne des Rundfunks153
entgegen. Diese geht entsprechend der Definition eines audiovisuellen Mediendienstes auch von einer meinungsbildenden Wirkung für die Allgemeinheit aus. Gemäß Art. 1 lit. a) erster Spiegelstrich AVMD-Richtlinie sind audiovisuelle Mediendienste „Dienstleistung[en] im Sinne der Art. 49 und 50 des Vertrags, für die ein Mediendiensteanbieter die redaktionelle Verantwortung trägt und deren Hauptzweck die Bereitstellung von Sendungen zur Information, Unterhaltung oder Bildung der allgemeinen Öffentlichkeit über elektronische Kommunikationsnetze im Sinne des Artikels 2 Buchstabe a der Richtlinie 2002/21/EG ist.“ Damit geht auch der europäische Gesetzgeber von einem inhaltlichen Merkmal aus, was ebenso wie das Element der Darbietung eine Meinungsbildungsrelevanz des Angebots voraussetzt. Für den Rundfunkbegriff des Rundfunkstaatsvertrags kann daher in verfassungskonformer und richtlinienkonformer Auslegung davon ausgegangen werden, dass auch nach der Neufassung des Gesetzestextes weiterhin ein inhaltliches Kriterium für den Rundfunkbegriff erforderlich ist. Die Definition ist daher nicht inhalte-, sondern lediglich technologieneutral. Das Parlamentsfernsehen wird im Übrigen via Satellit und Kabel einer Vielzahl von Personen zur Verfügung gestellt. Die erforderliche Meinungsbildungsrelevanz des Programms wurde bereits bejaht, womit das Parlamentsfernsehen ein linearer Informations- und Kommunikationsdienst ist. Das Merkmal des zeitgleichen Empfangs des neuen Rundfunkbegriffs soll die Differenzierung zwischen Rundfunk und den Abrufdiensten ermöglichen. Rundfunk liegt nur dann vor, wenn der Rezipient keinen Einfluss auf den Zeitpunkt, zu dem das Angebot empfangbar ist, haben kann. Maßgeblich ist daher, dass der Rezipient keine zeitliche Auswahlmöglichkeit besitzt. Die Zuschauer haben – zumindest was die Übertragung via Satellit und Kabel betrifft – keinen Einfluss auf den Beginn der Sendung, sodass das Parlamentsfernsehen zum zeitgleichen Empfang bestimmt ist. Ebenso setzt auch die Voraussetzung der Verbreitung des Angebots entlang eines Sendeplans die nicht vorhandene Einflussmöglichkeit des Rezipienten voraus. Zwar wird der Begriff im Rundfunkstaatsvertrag nicht legaldefiniert, aus einer Zusammenschau der Definitionen von Rundfunkprogramm (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 RStV) und Sendung (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 RStV) wird jedoch geschlussfolgert, dass die redaktionelle Gestaltung des Angebots erforderlich ist. Der Rundfunkanbieter muss seine Sendungen in einer von ihm festgelegten Reihenfolge zur Verfügung stellen. Der Rezipient hat folglich nicht die Freiheit, zwischen den einzelnen Inhalten und deren Sendereihenfolge zu wählen. Für das Parlamentsfernsehen existiert ein für jeweils eine Woche erstellter Überblick über die Übertragungen. Auf die Reihenfolge der Übertragungen hat der Rezipient keinen Einfluss, sodass das Parlamentsfernsehen auch entlang eines Sendeplans erfolgt.
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3. Kap.: Das Parlament als Rundfunkveranstalter
In § 2 Abs. 3 RStV werden nun fünf Fallgruppen genannt, die trotz Vorliegen aller Merkmale des Rundfunkbegriffs von diesem ausgenommen werden sollen. Für das Parlamentsfernsehen soll näher auf § 2 Abs. 3 Nr. 4 RStV eingegangen werden, der ein Angebot dann vom Rundfunkbegriff und der damit verbundenen strengeren Regulierung ausnimmt, wenn es nicht „journalistisch-redaktionell gestaltet“ ist. Grund für diese Ausnahme ist die fehlende Meinungsbildungsrelevanz. Als Beispiel für diese Fallgruppe werden Übertragungen herangezogen, die mittels fest installierter Kameras laufend Verkehrs- oder Wetterinformationen übermitteln. Zwar besteht hier zum Parlamentsfernsehen in der aktuellen Form die Parallele der bloßen Übertragung. Der Unterschied liegt jedoch in der Art der übertragenen Inhalte. Handelt des sich bei Wetter- oder Verkehrsinformationen um reine Datendienste, liefert das Parlamentsfernsehen Informationen über das Parlament und seine Abgeordneten. § 2 Abs. 3 Nr. 4 RStV ist mithin für das Parlamentsfernsehen nicht einschlägig. Für das Parlamentsfernsehen ergeben sich daher keine Änderungen zum verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriff. Auch der einfachrechtliche Rundfunkbegriff nach dem Rundfunkstaatsvertrag ist verwirklicht, womit für die Zulassung des Parlamentsfernsehens zur Zeit keine Rechtsgrundlage existiert. Umso mehr gilt es zu prüfen, ob das Verfassungsrecht eine solche Zulassung ermöglicht oder ihr entgegensteht.
IV. Rechtfertigung von Staatsrundfunk als zulässige Öffentlichkeitsarbeit? Ein Ansatz für die Zulässigkeit eines Parlamentsfernsehens wird im Schrifttum in der legislativen Öffentlichkeitsarbeit gesehen, deren Vorliegen zugleich die Merkmale eines verfassungswidrigen Staatsrundfunks ausschließe.58 Die Verwirklichung der Merkmale des Rundfunkbegriffs allein könne nicht – entsprechend einer rein begrifflichen Abgrenzung – dazu führen, dass es dem Bundestag verwehrt sei, auch mittels dieses Mediums Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben.59 So würde man für die von Behörden herausgegebenen Druckerzeugnisse auch nicht von unzulässiger „Staatspresse“ sprechen. Sie sei vielmehr aus der staatlichen Befugnis zur Öffentlichkeitsarbeit abzuleiten und im Interesse demokratischer Transparenz geboten.60 Der Staat habe zwar, wenn er 58 Gersdorf,
Parlamentsfernsehen, S. 50 ff. Parlamentsfernsehen, S. 52 f. 60 Degenhart, AfP 2009, 207 (210); Gersdorf, Parlamentsfernsehen, S. 32, 52 f. 59 Gersdorf,
B. Parlamentsfernsehen und Gebot der Staatsferne des Rundfunks155
sich des Mediums Presse bediene, den „Grundsatz prinzipiell staatsfreier Kommunikation“ zu wahren und daher thematische Grenzen sowie Begrenzungen in Umfang und Intensität zu berücksichtigen. Die Tätigkeit an sich sei aber nicht ausgeschlossen.61 Nichts anderes könne daher für den Rundfunk gelten.62 Für das Parlamentsfernsehen des Deutschen Bundestags ist daher zunächst zu klären, ob die inhaltlichen Merkmale der Öffentlichkeitsarbeit verwirklicht sind. Im Anschluss daran sind die in Rechtsprechung und Literatur entwickelten Direktiven für die Zulässigkeit von staatlicher Aufgabenerfüllung zu prüfen. 1. Begriff der Öffentlichkeitsarbeit Die Öffentlichkeitsarbeit des Parlaments zählt zum entformalisierten bzw. informalen Staatshandeln63 und umfasst die Unterrichtung der Bevölkerung über vergangene, gegenwärtige sowie bevorstehende Tätigkeiten und Ziele einer staatlichen Stelle64. Im Schwerpunkt handelt es sich zumeist um die Selbstdarstellung des Parlaments, die Quaritsch als „die Gesamtheit der Mittel und Verhaltensweisen, die das eigene Erscheinungsbild bestimmen sollen“, beschrieben hat.65 Das heißt, es werden Vorgänge dargestellt, erläutert oder bewertet. Es geht um die Darstellung der eigenen „Leistungsbilanz“, aber auch um das Werben um Konsens und Zustimmung. Öffentlichkeitsarbeit ist daher nicht nur Informations-, sondern auch Überzeugungsarbeit.66 Inhaltlich ist die Öffentlichkeitsarbeit auf die Darstellung der parlamentarischen Aktivitäten beschränkt.67 Der Bundestag ist im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit nicht zu einer allumfassenden Berichterstattung berechtigt. Thematisch ist er auf den Funktionskreis des Parlaments beschränkt.68 Abzugrenzen ist die Öffentlichkeitsarbeit zum einen von staatlichen Aufklärungen, Empfehlungen oder Warnungen. Dieser Informationstätigkeit fehlt die auf den Dialog gerichtete Zielsetzung. Sie ist schlicht einseitiges 61 Degenhart,
AfP 2009, 207 (210); Ladeur, DVBl. 1984, 224 (225). Parlamentsfernsehen, S. 52 f. 63 Schoch, in: HStR III, § 37 Rn. 76. 64 RhPfVerfGH, Urt. v. 19.8.2002 = NVwZ 2003, 75 (77). 65 Quaritsch, DÖV 1993, 1070 (1071). 66 NRWVerfGH, Urt. v. 15.10.1991 = NVwZ 1992, 467 (468); Schoch, in: HStR III, § 37 Rn. 76; Mandelartz, DÖV 2009, 509 (512); Schwarzer, Staatliche Öffentlichkeitsarbeit, S. 15; Bull, Staatsaufgabe, S. 367 f.; Hill, JZ 1993, 330 (331 f.). 67 RhPfVerfGH, Urt. v. 19.8.2002 = NVwZ 2003, 75 (77). 68 Gersdorf, Parlamentsfernsehen, S. 53. 62 Gersdorf,
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3. Kap.: Das Parlament als Rundfunkveranstalter
Informationshandeln und eine politische Entscheidung.69 Diese Formen sind nicht darauf gerichtet, dem Bürger die politische Meinungsbildung zu ermöglichen, sondern beinhalten vielmehr eine gezielte – und vom Staat gewünschte – Verhaltenssteuerung.70 Zum anderen ist staatliche Öffentlichkeitsarbeit auch keine Pressearbeit, da sich beide Informationstätigkeiten hinsichtlich der eingesetzten Kommunikationsmittel sowie der Adressaten unterscheiden.71 Medien- und Pressearbeit richtet sich gerade nicht in direkter Weise an den Bürger, sondern hat die Intention, dass die gegenüber der Presse geäußerten Informationen an die Bürger kommuniziert werden. Allein den Medien bleibt es überlassen, über die Veröffentlichung an sich sowie deren Inhalt und Umfang zu entscheiden. Der staatliche Informationsgeber hingegen hat keinen Einfluss auf die dann durch die Medien veröffentlichten Informationen. Es findet gerade keine unmittelbare Kommunikation zwischen Staat und Bürger statt. Betrachtet man die Inhalte des Parlamentsfernsehens, so tragen die ehemals vorhandenen Interviews und Beiträge dazu bei, dem Bürger die Arbeitsweise des Parlaments – gleichsam wie bei einem „Tag der offenen Tür“ – zu verdeutlichen und über die parlamentarische Debatte und deren Hintergründe zu informieren. Fraglich ist jedoch, ob auch die bloße Übertragung einer Debatte inhaltlich die Merkmale der Öffentlichkeitsarbeit erfüllt. Eine Debatte im Bundestag hat zuvörderst die Intention, einen Beitrag zu einer Diskussion innerhalb des Plenums zu leisten. Sie richtet sich daher nicht ausschließlich an die Öffentlichkeit.72 Andererseits kann eine Rede das Ziel haben, gerade auf eine öffentliche Diskussion oder einen besonders aktuellen Anlass zu reagieren.73 Einer Parlamentsdebatte kann daher ein „Doppelcharakter“ zukommen, wenn auch die Öffentlichkeit informiert werden soll. Gedacht werden könnte hier etwa an die im Bundestag geleisteten Beiträge zur Atomkatastrophe in Japan, die sicherlich dazu genutzt worden sind, der Bevölkerung einerseits zu signalisieren, dass eine solche Katastrophe momentan nicht in Deutschland denkbar ist, andererseits zu vermitteln, dass die weitere Nutzung der Atomkraft auch von staatlicher Seite hinterfragt wird.74 69 Mandelartz,
DÖV 2009, 509 (513); Engel, Informationstätigkeit, S. 7 ff. in: HStR III, § 37 Rn. 82. 71 BVerfGE 44, 125 (154 f.); Mandelartz, DÖV 2009, 509 (513 f.). 72 Mandelartz, DÖV 2009, 509 (516). 73 96. Sitzung des Bundestags v. 17.3.2011, abrufbar unter: http://dbtg.tv/fvid/ 1042468 oder die aus entsprechendem Anlass abgehaltene „Aktuelle Stunde“ des Bundestags. 74 Mandelartz, DÖV 2009, 509 (516). 70 Schoch,
B. Parlamentsfernsehen und Gebot der Staatsferne des Rundfunks157
Bei den mittels des Rundfunks übertragenen Debatten aus dem Bundestag und seinen Ausschüssen kann es sich inhaltlich um legislative Öffentlichkeitsarbeit handeln. 2. Die Funktion und Legitimation der Öffentlichkeitsarbeit des Parlaments Die Öffentlichkeitsarbeit staatlicher Institutionen hat sich in den letzten Jahren rasant entwickelt und beschränkt sich nicht mehr nur auf Plakate, Informationsbroschüren oder den „Tag der offenen Tür“. Es werden vielmehr alle medialen Möglichkeiten – insbesondere das Internet – genutzt, um den Bürger über die Arbeit der staatlichen Stellen zu informieren.75 Ihre Legitimation findet die Öffentlichkeitsarbeit vor allem in den in Art. 20 GG verankerten Prinzipien der Demokratie und des sozialen Rechtsstaats.76 Zwar geht nach Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG alle Staatsgewalt vom Volke aus, doch wird sie gemäß Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG auf Wahlen und Abstimmungen begrenzt. Umso mehr ist es in einer Demokratie erforderlich, dass sich die gewählten Volksvertreter stets um die Rückkoppelung mit dem Volk bemühen. Dies setzt zum einen die Freiheit der Massenmedien, zum anderen aber auch einen informierten Bürger voraus. Beides kann jedoch nur dann gelingen, wenn der politische Prozess prinzipiell öffentlich ist.77 Das Öffentlichkeitsgebot zielt damit darauf ab, demokratische Repräsentation erst zu ermöglichen. Staatliche Öffentlichkeitsarbeit schafft die Grundlage für einen wechselseitigen Abgleich der Auffassungen von Regierenden und Regierten. Denn die parlamentarische Diskussion ruft eine Debatte in der Öffentlichkeit hervor, aus der sich dann eine öffentliche Meinung bildet. Diese wiederum wirkt in den parlamentarischen Findungsprozess hinein. Das Parlament agiert in einem Kommunikationsprozess auf der Grundlage der parlamentarischen Ansichten und der öffentlichen Meinung.78 Öffentlichkeitsarbeit ist daher notwendig, um den Grundkonsens der Bürger über die vom Grundgesetz geschaffene Staatsordnung lebendig zu halten.79 Sie ist aber auch dann geboten, wenn es um die Rechtfertigung unpopulärer Entscheidungen geht. Es muss 75 Mandelartz,
DÖV 2009, 509. NJW 1981, 193 (194); Schürmann, NJW 1992, 1072 (1074); Tiemann, Parlamentarische Öffentlichkeitsarbeit, S. 28 ff. 77 Kempen, Amtliche Öffentlichkeitsarbeit, S. 176; Tiemann, Parlamentarische Öffentlichkeitsarbeit, S. 28 f.; Mandelartz, DÖV 2009, 509 (512); Bull, Staatsaufgabe, S. 367. 78 Kempen, Amtliche Öffentlichkeitsarbeit, S. 186; Tiemann, Parlamentarische Öffentlichkeitsarbeit, S. 38. Zur Öffentlichkeitsarbeit der Fraktionen Schröder, NVwZ 2005, 1280. 79 BVerfGE 44, 125 (147); Mandelartz, DÖV 2009, 509 (512). 76 Jarass,
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3. Kap.: Das Parlament als Rundfunkveranstalter
den Staatsorganen möglich sein, Maßnahmen, die zu Lasten der Bürger ergehen, erläutern und rechtfertigen zu können.80 Rechtswissenschaft und Kommunikationswissenschaft sind sich daher einig, wenn sie die Öffentlichkeitsarbeit des Parlaments als konstitutiv für die Funktionsfähigkeit eines modernen demokratischen Systems erachten.81 Sie ist „nicht nur verfassungsrechtlich zulässig, sondern auch notwendig.“82 Zugleich erfordert das Prinzip des sozialen Rechtsstaats, dass dem Bürger die für das Verständnis der entsprechenden Debatte nötigen Informationen zur Verfügung gestellt werden. Das Öffentlichkeitsgebot des parlamentarischen Systems setzt voraus, dass den Bürgern das erforderliche Spezialwissen zur Verfügung gestellt wird, um die Parlamentsvorgänge beurteilen, billigen oder verwerfen zu können.83 Dies kann insbesondere Bereiche erfassen, die mit dem Risiko der Einseitigkeit behaftet sind oder bei denen kein gesellschaftliches Informationsgleichgewicht besteht. Andernfalls kann nicht davon ausgegangen werden, dass der oben beschriebene Legitima tionsprozess auch tatsächlich funktioniert.84 Ebenso muss der Staat seine Bürger sachgerecht und verständlich über ihre Rechte informieren, insbesondere solche, die ihm aufgrund der hohen Technizität der Gesetze nicht ohne entsprechende Erläuterung bekannt sind.85 Dieses Informationsgebot kann auch im Hinblick auf besondere Gefahrenlagen bestehen.86 Der Öffentlichkeit bedarf es schließlich auch zur Kontrolle des parlamentarischen Systems.87 Die Legitimität der Öffentlichkeitsarbeit des Parlaments wird folglich nicht in Frage gestellt. In den Erscheinungsformen Selbstdarstellung, (Po litik-)Vermittlung und Rechtfertigung erfüllt das Parlament öffentliche Aufgaben.88
44, 125 (148); Schwarzer, Staatliche Öffentlichkeitsarbeit, S. 16. DÖV 2009, 509 (512); Schmale/Tinnefeld, MMR 2011, 786 (788). 82 BVerfGE 44, 125 (147). 83 BVerfGE 44, 125 (147); Kempen, Amtliche Öffentlichkeitsarbeit, S. 198 f. 84 BVerfGE 105, 252 (268 f.); Kempen, Amtliche Öffentlichkeitsarbeit, S. 198 f. 85 BVerfGE 44, 125 (148). 86 Jarass, NJW 1992, 1072 (1074). 87 Tiemann, Parlamentarische Öffentlichkeitsarbeit, S. 30; Mayntz, Zwischen Volk und Volksvertretung, S. 93. 88 BVerfGE 44, 125 (147); NRWVerfGH, Urt. v. 15.10.1991 – 12/90 = NVwZ 1992, 467; Engel, Informationstätigkeit, S. 32; Leisner, Öffentlichkeitsarbeit, S. 41 ff.; Goerlich/Laier, ZUM 2008, 475 (477); Schoch, in: HStR III, § 37 Rn. 77; Bull, Staatsaufgabe, S. 367; Gersdorf, Parlamentsfernsehen, S. 29 m. w. N. 80 BVerfGE
81 Mandelartz,
B. Parlamentsfernsehen und Gebot der Staatsferne des Rundfunks159
3. Grenzen der Öffentlichkeitsarbeit des Parlaments Über die Frage der Legitimation der Öffentlichkeitsarbeit des Bundestags hinaus sind nun die Grenzen staatlicher Aufgabenerfüllung zu bestimmen. Diese ergeben sich aus der Stellung des Bundestags im gesamtstaatlichen Gefüge. Zwar kommt ihm innerhalb dieser Grenzen die beschriebene Öffentlichkeitsfunktion zu,89 der Bundestag steht jedoch bei der Funktionserfüllung in keinem rechtsfreien Raum im Sinne einer unbeschränkten Parlamentssouveränität.90 Diese Intention kommt gerade auch in Art. 20 Abs. 3 Hs. 1 GG zum Ausdruck. Der Bundestag ist im Rahmen der legislativen Tätigkeiten an die Verfassung gebunden. Die Selbstdarstellung des Parlaments mittels der Direktübertragungen hat, selbst wenn sie keinen Grundrechtseingriff bewirkt,91 die Geltung der allgemeinen Rechtsordnung zu wahren.92 Demnach setzt zulässige Öffentlichkeitsarbeit des Staates zum einen die Wahrung der Aufgaben- und Zuständigkeitsordnung des Grundgesetzes im Verhältnis zu den Ländern voraus. Zum anderen muss die Öffentlichkeitsarbeit auch inhaltliche Anforderungen wie das Neutralitätsgebot berücksichtigen.93 Daneben stellt sich die Frage, ob durch die Wahrnehmung der Öffentlichkeitsarbeit mittels des Rundfunks ein Verstoß gegen das Gebot der Staatsferne des Rundfunks vorliegen kann.
89 Klein,
in: HStR III, § 50 Rn. 42 ff. JuS 2011, 1 f.; Möllers, AfP 2013, 457 (461). 91 Solange sich das Parlamentsfernsehen auf die Direktübertragungen beschränkt, ist ein Eingriff in Rechte Dritter nicht ersichtlich. Ein solcher wäre nur dann möglich, wenn auch die Interviews und sonstigen Beiträge über Abgeordnete gesendet würden. In diesem Fall wäre wohl die Chancengleichheit der Fraktionen und Abgeordneten gemäß Art. 38 I 2 GG durch das Programm zu wahren, so auch Gersdorf, Parlamentsfernsehen, S. 58; Bethge, AfP-Sonderheft 2007, 18 (20). Anders bei staatlichen Warnungen, siehe dazu Heintzen, VerwArch 1990, 532; Murswiek, DVBl. 1997, 1021. 92 Schoch, in: HStR III, § 37 Rn. 164; Goerlich/Laier, ZUM 2008, 475 (478). 93 BVerfGE 44, 125 (149); NRWVerfGH, Urt. v. 15.10.1991 – 12/90 = NVwZ 1992, 467 (468); SaarlVerfGH, Urt. v. 26.3.1980 – Lv 1/80 = NJW 1980, 2181; BremStGH, Entsch. v. 30.11. 1983 – St 1/83 = DVBl. 1984, 221; HessStGH, Beschl. v. 20.12.1990 – P. St. 1114 = NVwZ 1992, 465; RhPfVerfGH, Urt. v. 23.10.2006 – VGH O 17/05 = NVwZ 2007, 200 (201); Schoch, in: HStR III, § 37 Rn. 130, 164; Bumke, Die Verwaltung 37 (2004), 3 (11); Häberle, JZ 1977, 361 (366 f.); Bilstein, Rundfunksendezeiten, S. 144; Degenhart, AfP 2009, 207 (210); Bethge, AfP-Sonderheft 2007, 18 (20 f.). 90 Morlok/Hientzsch,
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3. Kap.: Das Parlament als Rundfunkveranstalter
a) Zuständigkeit: Kompetenzordnung des Grundgesetzes Die Veranstaltung des Parlamentsfernsehens erinnert ein wenig an den Versuch des ehemaligen Bundeskanzlers Konrad Adenauer, mit Hilfe der „Deutschland-Fernsehen-GmbH“ ein der staatlichen Kontrolle unterliegendes Rundfunkprogramm anzubieten. Auch wenn die Inhalte des Parlamentsfernsehens sicherlich anderer Natur sind als die des damals geplanten Rundfunkangebots, so ist doch das Medium dasselbe. Beide Programme stellen Rundfunk im Sinne des Grundgesetzes dar. Die inhaltliche Einordnung des Angebots des Bundestags als Öffentlichkeitsarbeit steht dem nicht entgegen. Maßgeblich für die Zuständigkeit des Bundestags für ein solches Angebot sind daher die im ersten Rundfunkurteil vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätze zur Kompetenzordnung im Rundfunkbereich. aa) Grundsatz Dem Grundgesetz liegt der Grundsatz der Länderzuständigkeit zugrunde. Die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Wahrnehmung der staatlichen Aufgaben weist Art. 30 GG grundsätzlich den Ländern zu. Der Bund ist hingegen nur dann zuständig, wenn ihm eine Kompetenz ausdrücklich zugewiesen wird, bei Zweifeln besteht keine Vermutung zugunsten einer Bundeskompetenz, allerdings auch nicht ohne Weiteres zugunsten einer Länderkompetenz. Es bedarf einer Auslegung dahingehend, ob eine Materie dem Bund zuzuordnen ist. Kann dies nicht begründet werden, sind die Länder zuständig.94 Für den Rundfunk als kulturelle Angelegenheit ist der Bund zudem nur dann regelungsbefugt, wenn eine hinreichend deutliche Ausnahmeregelung existiert.95 Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts steht die Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenz für die Veranstaltung von Rundfunksendungen allein den Ländern zu.96 Die in Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 und 7 GG normierten ausschließlichen Kompetenzen des Bundes umfassen die Öffentlichkeitsarbeit eines Bundesorgans mittels Rundfunk nicht. Die entsprechende Regelung der Rundfunkveranstaltung – also der programminhaltlichen Seite des Rundfunks – steht mit Ausnahme des Auslandsrundfunks allein den Ländern zu, die Regelung der fernmeldetechnischen Übertragung hingegen dem Bund.97 94 BVerfGE 12, 205 (228); März, in: vMangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 30 Rn. 23; Korioth, in: Maunz/Dürig, Art. 30 Rn. 25; Erbguth, in: Sachs, GG, Art. 30 Rn. 7 f. 95 BVerfGE 12, 205 (228). 96 BVerfGE 12, 205 (249). 97 BVerfGE 12, 205 (241); Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 73 Rn. 35 f.; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 73 Rn. 4, 26 f.; Gabriel-Bräutigam, Rundfunkkompetenz,
B. Parlamentsfernsehen und Gebot der Staatsferne des Rundfunks161
bb) Ausnahmen Allerdings könnte sich die Regelungsmaterie „Öffentlichkeitsarbeit des Parlaments mittels Rundfunk“ der Kompetenzordnung der Art. 30, 70 ff., 83 ff. GG entziehen. So finden sich Stimmen im Schrifttum, die die Veranstaltung des Parlamentsfernsehens auf Art. 42 Abs. 1 S. 1 GG stützen. Daneben ist zu prüfen, ob der Bundestag, die Veranstaltung des Parlamentsfernsehens auf ungeschriebene Kompetenzen – namentlich kraft Sachzusammenhangs oder kraft Natur der Sache – stützen kann. Unter Umständen besteht auch ein amtliches Verlautbarungsrecht des Bundestags, das einen eigenen Parlamentskanal umfasst. Schließlich kommen die Aufgaben der Staatsleitung und wie oben bereits mehrfach angesprochen der Öffentlichkeitsarbeit in Betracht. (1) Art. 42 GG – Die Verhandlungsöffentlichkeit des Bundestags Möglicherweise kann sich der Bundestag – wie im Schrifttum vorgeschlagen – für die Veranstaltung des Parlamentsfernsehens auf Art. 42 Abs. 1 S. 1 GG berufen. Es ist mithin die Reichweite der Vorschrift zu untersuchen. Dies betrifft zum einen die von Art. 42 GG erfassten Objekte der Öffentlichkeit sowie zum anderen deren Formen. Das Parlamentsfernsehen des Deutschen Bundestags beinhaltet neben der Berichterstattung aus dem Plenum auch Übertragungen aus den Ausschüssen. Art. 42 GG müsste daher die Berichterstattung aus beiden Gremien erfassen. Für die Arbeit der Ausschüsse ist dies jedoch zweifelhaft.98 So ergibt sich aus dem Vergleich des Wortlauts von Art. 42 Abs. 1 und Abs. 3 GG, dass Letzterer zwischen dem „Bundestag“ und seinen „Ausschüssen“ differenziert, im ersten Absatz eine solche Differenzierung aber gerade nicht vorgenommen wird.99 Daneben enthält auch Art. 42 Abs. 1 S. 1 GG eine spezielle Regelung für die zu gewährende Öffentlichkeit von Untersuchungsausschüssen. Diese haben insoweit öffentlich zu verhandeln, als es die Beweiserhebung betrifft. Die darüber hinausgehenden Beratungen und Beschlussfassungen des Untersuchungsausschusses sind jedoch nicht für die S. 79 ff.; Hadamik, Gutachten f. Bundestag, S. 3 ff.; Holznagel/Krone/Jungfleisch, Landesmedienanstalten, S. 128 f.; Möllers, AfP 2013, 457 (461). 98 Magiera, Parlament und Staatsleitung, S. 148; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 42 Rn. 1; Kloepfer, in: HStR III, § 42 Rn. 62; Kretschmer, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, Art. 42 Rn. 5. A. A. Linck, ZParl 1992, 673 (681 f.); Morlok, in: Dreier, GG, Art. 42 Rn. 24 m. w. N. 99 BVerfGE 1, 144 (152); Gersdorf, Parlamentsfernsehen, S. 37; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 42 Rn. 38 ff.; Magiera, in: Sachs, GG, Art. 42 Rn. 2.
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3. Kap.: Das Parlament als Rundfunkveranstalter
Öffentlichkeit zugänglich.100 Wenn somit schon für die Untersuchungsausschüsse, deren wesentliche Funktion darin besteht, Sachverhalte von öffentlichem Interesse aufzuklären, die Öffentlichkeit von den Beratungen und sonstigen Beschlussfassungen ausgeschlossen wird, dann muss dies erst recht für sonstige Ausschüsse des Bundestags gelten.101 Sollte sich im weiteren Verlauf der Untersuchung eine Kompetenz aus Art. 42 Abs. 1 S. 1 GG ergeben, so kann diese nur die Direktübertragung aus dem Plenarsaal, nicht jedoch aus den Ausschüssen des Bundestags ermöglichen. Daneben ist zu klären, welche Formen der Öffentlichkeit von Art. 42 Abs. 1 S. 1 GG erfasst sind. Unstreitig wird dies für die Sitzungsöffentlichkeit des Bundestags bejaht.102 Diese gewährt jedermann im Rahmen der räumlichen Verhältnisse die rechtliche Möglichkeit des freien Zutritts zum Bundestagsplenum.103 Davon zu unterscheiden ist die Berichterstattungsöffentlichkeit, die die amtliche und nichtamtliche Berichterstattung über die Verhandlungen im Bundestag betrifft. Amtliche Berichterstattung erfolgt hauptsächlich durch den Stenografischen Dienst sowie das Presse- und Informationszentrum des Bundestags. Nichtamtliche Berichterstattung erfolgt mittels der Massenmedien, die im Rahmen ihrer sonstigen Berichterstattung auf die Belange des Bundestags eingehen.104 Für diese Form der Öffentlichkeit ist kennzeichnend, dass über die Vorgänge im Parlament berichtet, die Verhandlungsöffentlichkeit demnach mittelbar und – im Hinblick auf die nichtamtliche Berichterstattungsöffentlichkeit – redaktionell beeinflusst hergestellt wird. Soweit die Vertreter von Presse und Rundfunk zum Zwecke der Berichterstattung lediglich den Zugang zum Parlament im Sinne der Sitzungsöffentlichkeit benötigen, bestehen keine Zweifel, dass diese Form der Öffentlichkeit von Art. 42 GG erfasst ist.105 Umstritten ist hingegen, ob die Norm auch Direktübertragungen mittels des Rundfunks aus dem Plenum des Bundestags erfasst, mithin eine über den bloßen Zugang hinausgehende Form der Öffentlichkeit des Parlaments.106 Dabei muss berücksichtigt werden, dass es hierbei um die von den 100 Magiera,
in: Sachs, GG, Art. 44 Rn. 18. ZParl 1992, 673 (681). 102 Achterberg/Schulte, in: vMangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 42 I Rn. 1 m. w. N. 103 Achterberg/Schulte, in: vMangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 42 I Rn. 3; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 42 Rn. 32 f. 104 Achterberg/Schulte, in: vMangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 42 I Rn. 7 ff. 105 Gersdorf, Parlamentsfernsehen, S. 36; Kißler, Öffentlichkeitsfunktion, S. 315; Achterberg/Schulte, in: vMangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 42 I Rn. 5. 106 Befürwortend Morlok, in: Dreier, GG, Art. 42 Rn. 27; Kißler, Öffentlichkeitsfunktion, S. 316; Kolbe, Gutachten f. Bundestag, S. 7; Dieterich, Parlamentsverhandlung, S. 15 ff.; ablehnend Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 42 Rn. 36; Achterberg/ Schulte, in: vMangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 42 I Rn. 5; Gersdorf, Parlamentsfern101 Linck,
B. Parlamentsfernsehen und Gebot der Staatsferne des Rundfunks163
Rundfunkanstalten veranstalteten Direktübertragungen geht, nicht jedoch um Direktübertragungen, die durch das Parlament selbst veranstaltet werden. Das heißt, selbst wenn die Verhandlungsöffentlichkeit des Art. 42 Abs. 1 S. 1 GG auch die über die Sitzungsöffentlichkeit hinausgehenden Direktübertragungen erfasst, ergibt sich für die hier aufgeworfene Frage noch keine Antwort.107 Allein die Tatsache, dass den Rundfunkanstalten ein Zugangsrecht eingeräumt wird, lässt keine Rückschlüsse auf eine mögliche Veranstaltung von Direktübertragungen durch das Parlament zu. Dies muss auch schon deshalb gelten, weil die Vorschrift nicht ausdrücklich festlegt, wie die erforderliche Öffentlichkeit herzustellen ist.108 Es ist vielmehr so, dass das Grundgesetz keine konkreten Anforderungen an die Verwirklichung des Öffentlichkeitsprinzips stellt, aus denen sich eine Pflicht des Bundestags, ein entsprechendes Niveau zu halten, ergebe.109 Auch vor dem Hintergrund der Funktionen der Regelung ist eine ohne Weiteres vorgenommene Gleichstellung der beiden Rundfunkveranstalter im Rahmen des Art. 42 Abs. 1 S. 1 GG nicht unproblematisch. Das öffentliche Verhandeln von Argumenten und Gegenargumenten, öffentliche Debatten sowie die öffentliche Diskussion sind – so das Bundesverfassungsgericht – wesentliche Elemente des demokratischen Parlamentarismus. Gerade das im parlamentarischen Verfahren gewährleistete Maß an Öffentlichkeit der Auseinandersetzung und Entscheidungssuche eröffne Möglichkeiten eines Ausgleichs widerstreitender Interessen, die sich bei einem weniger transparenten Vorgehen so nicht ergäben.110 Die durch Art. 42 Abs. 1 S. 1 GG zu schaffende Öffentlichkeit des politischen Prozesses ist damit eine Funktionsvoraussetzung der Demokratie.111 Eine Direktübertragung der Plenarsitzungen würde daher nur zu einem Zuwachs an Publizität führen. Vor dem Hintergrund des Demokratieprinzips kann ein solcher nicht verwehrt werden.112 Der Verhandlungsöffentlichkeit des Bunsehen, S. 36; Binder, DVBl. 1985, 1112 (1114 ff.); Pernice, Öffentlichkeit und Medienöffentlichkeit, S. 117. 107 A. A. Kretschmer, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, Art. 42 GG Rn. 6, der Art. 42 Abs. 1 S. 1 GG als Grundlage für ein Parlamentsfernsehen erachtet. Binder, DVBl. 1985, 1112 (1115 f.), der ein Recht der Opposition aus Art. 42 Abs. 1 S. 1 GG auf Berichterstattung ableitet, die mittels bundestagseigener Aufnahmen durch Dritte verbreitet werden sollen. 108 Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 42 Rn. 36. 109 Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 42 Rn. 36. 110 BVerfGE 40, 237 (249); 70, 324 (355). Siehe dazu auch Bauer, Der Staat 49 (2010), 587. 111 Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 42 Rn. 9. 112 Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 42 Rn. 36; Gersdorf, Parlamentsfernsehen, S. 36 f.; Kretschmer, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, Art. 42 GG Rn. 6, 22; Schürmann, Öffentlichkeitsarbeit, S. 326.
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3. Kap.: Das Parlament als Rundfunkveranstalter
destags kommt jedoch nicht nur diese Repräsentationsfunktion zu, sondern auch eine Kontrollfunktion.113 Die Öffentlichkeit des Staatsorgans führt zu einer Kontrolle durch die Gesellschaft, das heißt neben den Abgeordneten selbst wird das Volk in diesen Prozess einbezogen. Der Entscheidungsprozess im Parlament wird sichtbar und damit kontrollierbar.114 Gerade diese Kontrollfunktion der Norm berechtigt allerdings dazu, die Vereinbarkeit des Parlamentsfernsehens mit der Funktion der Verhandlungsöffentlichkeit des Bundestags zu bezweifeln. Das Parlamentsfernsehen würde diese Funktion des in Art. 42 GG zum Ausdruck kommenden Verfassungsgebots115 konterkarieren. Stellt der Bundestag die Bilder zusammen, die die Öffentlichkeit über die Vorgänge im Parlament informieren sollen, kommen ihm weitgehende Möglichkeiten zu, um auf die gesendeten Inhalte Einfluss zu nehmen. Dies muss nicht einmal bedeuten, dass die Bilder manipuliert, das heißt im Nachhinein verändert werden. Allein eine Kameraperspektive oder die Auswahl und Zusammenstellung der Aufnahmen können die Kon trollfunktion beeinträchtigen. Die Kontrollfunktion erfasst nicht nur die Aussagen des Redners, sondern auch das Verhalten der Abgeordneten im Parlament, sei es durch Zwischenrufe oder sonstigem auffälligen Verhalten. So hat das Verhalten des Bundesfinanzministers Schäuble, der in einer Sitzung zur Griechenland-Hilfe auf seinem iPad „Sudoku“ spielte, in der Gesellschaft eine lebhafte Diskussion hervorgerufen, inwieweit der Minister seinen Aufgaben als Abgeordneter nachkomme.116 Die Berichterstattungsöffentlichkeit hat in diesem Fall die Wahrnehmung der Kontrollfunktion ermöglicht. Zwar kann hier nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit behauptet werden, dass solche Bilder nicht durch ein Parlamentsfernsehen entstanden wären, die Behauptung dessen erscheint jedoch auch nicht unwahrscheinlich. Das Parlament will mit der Berichterstattung den Bürgern ein positives Bild von seiner Arbeitsweise vermitteln. Aufnahmen, die Abgeordnete bei einer wichtigen Entscheidung des Bundestags abgelenkt zeigen, dürften diesem Ziel nicht zuträglich sein. In der Folge kann auch nicht mit ihrer Veröffentlichung gerechnet werden. Liegt die Auswahl der gesendeten Aufnahmen somit im Verantwortungsbereich des Bundestags selbst, besteht die Gefahr einer Beeinträchtigung der Kontrollfunktion des Art. 42 Abs. 1 S. 1 GG. Die Norm bietet daher für ein vom Bundestag veranstaltetes Programm kein verfassungsrechtliches 113 Kißler, 114 Kißler,
Öffentlichkeitsfunktion, S. 304 ff. Öffentlichkeitsfunktion, S. 306; Haftendorn, Publizistik 6 (1961), 273
(290 f.). 115 Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 42 Rn. 27, 31. 116 Siehe die Berichterstattung der ARD, http://www.youtube.com/watch?v=mpx OdhRzvSw.
B. Parlamentsfernsehen und Gebot der Staatsferne des Rundfunks165
Gebot, welches Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG relativieren könnte. Art. 42 Abs. 1 S. 1 GG scheidet daher als taugliche Kompetenzgrundlage aus. (2) Kompetenz kraft Sachzusammenhangs Schürmann117 stellt die Frage nach einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs für die Veranstaltung eines Parlamentsfernsehens in den Raum. Eine solche könne wohl dann angenommen werden, wenn es sich um ein Programm handele, welches sich auf reine Direktübertragungen beschränkt, die unredigiert und unzensiert lediglich Tatsachen übertragen. Daneben dürfe es auch keiner Auswahl oder Ordnung der Sendungen geben.118 Eine Kompetenz kraft Sachzusammenhangs setzt jedoch voraus, dass „eine dem Bund zugewiesene Materie verständigerweise nicht geregelt werden kann, ohne dass zugleich eine nicht ausdrücklich zugewiesene andere Materie mitgeregelt wird, wenn also ein Übergreifen in nicht ausdrücklich zugewiesene Materien unerlässliche Voraussetzung ist für die Regelung einer der Bundesgesetzgebung zugewiesenen Materie.“119 Gerade für die Veranstaltung von Rundfunk hat das Bundesverfassungsgericht eine solche Kompetenz des Bundes abgelehnt und auch im herrschenden Schrifttum wird dies nicht bezweifelt.120 Die Kompetenzen, die dem Bund gemäß Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 und 7 GG zugestanden werden, können klar von der Rundfunkveranstaltung, deren Regelung den Ländern zusteht, abgegrenzt werden. Der von Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG umfasste Auslandsrundfunk betrifft gerade nicht die Darstellung von Staat und Staatsorganen und deren Öffentlichkeitsarbeit, sondern hat die Aufgabe, Rundfunksendungen für das Ausland zu produzieren, die ein umfassendes Bild über das politische, kulturelle und wirtschaftliche Leben Deutschlands zeigen. Maßgeblich ist somit ein ausgewogenes und plurales Programm, welches sich an ausländische Bürger oder die im Ausland lebenden Deutschen richtet.121 Die Öffentlichkeitsarbeit von Staatsorganen ist jedoch nicht erfasst.122 Ebenso ist von Art. 73 Abs. 1 Nr. 7 GG nur der sendetechnische Bereich des Rundfunks erfasst.123 Auslandsrundfunk 117 Schürmann,
Öffentlichkeitsarbeit, S. 327 Fn. 619. Öffentlichkeitsarbeit, S. 327. 119 BVerfGE 3, 407 (421). 120 BVerfGE 12, 205 (241 f.); Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 73 Rn. 35. 121 BVerfGE 12, 205 (242); Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 73 Rn. 4; Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 73 Rn. 3; Heintzen, in: vMangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 73 Rn. 9. 122 Dörr, Rechtsaufsicht Deutsche Welle, S. 41 ff. 123 BVerfGE 12, 205 (227); Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 73 Rn. 35; Heintzen, in: vMangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 73 Rn. 79. 118 Schürmann,
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3. Kap.: Das Parlament als Rundfunkveranstalter
und sendetechnische Angelegenheiten einerseits sowie Rundfunkveranstaltung andererseits sind jedoch jeweils in sich abgeschlossene Materien, die nicht einheitlich vom Bund geregelt werden müssen. Eine Kompetenz kraft Sachzusammenhang ist daher abzulehnen.124 (3) Kompetenz kraft Natur der Sache Vertreten wird auch die Annahme einer Kompetenz kraft Natur der Sache.125 Eine solche Bundeszuständigkeit wird dann begründet, wenn ein Sachgebiet begriffsnotwendig nur durch den Bund geregelt werden kann. Es muss sich daher um eine Angelegenheit handeln, die von vornherein der Zuständigkeit der Länder entzogen ist und nur vom Bund wahrgenommen werden kann.126 Die Bundesregierung hatte im Verfahren um die „Deutschland-FernsehenGmbH“ vorgebracht, dass sich eine natürliche Kompetenz des Bundes schon daraus ergebe, dass die Veranstaltung des Rundfunkprogramms der Notwendigkeit nationaler Repräsentation nach innen diene und das Gebot kontinuitätsbewahrende Tradition pflege.127 Das Bundesverfassungsgericht lehnte eine solche Kompetenz mit dem Hinweis ab, dass die nationale Repräsentation, das heißt die Selbstdarstellung der Nation vor der Bevölkerung der Bundesrepublik, eine so weitgehende Angelegenheit sei, dass sie sich einer näheren Bestimmung entziehe. Diese Pflege könne im Übrigen auch durch die Länder wahrgenommen werden. Sie sei nicht eine nur vom Bund wahrzunehmende Aufgabe.128 Das Gericht hat eine solche Zuständigkeit jedoch nicht gänzlich abgelehnt, sondern nur auf bundeseigene Angelegenheiten in den Grenzen des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG beschränkt.129 Es stellt sich daher die Frage, ob diese Rechtsprechung auf das Parlamentsfernsehen übertragen werden kann. Das Parlamentsfernsehen dient allein der Selbstdarstellung eines Bundesorgans. Es betrifft daher keine die Länder und ihre Angelegenheiten tangierende Materie. Vielmehr erscheint eine Regelung des Fernsehens des Deutschen Bundestags durch die Länder – wäre eine solche überhaupt zulässig – als Eingriff in die Angelegenheiten des Bundes. Allerdings unterscheidet sich das Parlamentsfernsehen gegen124 Heintzen, in: vMangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 70 Rn. 47; Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 70 Rn. 46. 125 So damals die Bundesregierung für die „Deutschland-Fernsehen-GmbH“, vgl. BVerfGE 12, 205 (219). 126 BVerfGE 12, 205 (252). 127 BVerfGE 12, 205 (252). 128 BVerfGE 12, 205 (252 f.). 129 BVerfGE 12, 205 (252 f.).
B. Parlamentsfernsehen und Gebot der Staatsferne des Rundfunks167
über einer nationalen Repräsentation darin, dass es Letzterer darauf ankommt, die Gesellschaft der Bundesrepublik zu repräsentieren. Dagegen geht es gerade nicht um die Repräsentation eines Staatsorgans. Darin liegt ein wesentlicher Unterschied zum Parlamentsfernsehen. Eine Übertragung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, verbunden mit der Bundeskompetenz für die Veranstaltung eines Parlamentsfernsehens, kann daher auch nicht kraft Natur der Sache begründet werden. (4) Das amtliche Verlautbarungsrecht Eine Möglichkeit des Staates in die Programmfreiheit einzugreifen, stellt das amtliche Verlautbarungsrecht dar. Als Kompetenz für einen eigenen Parlamentskanal ist dieses Recht jedoch nicht geeignet. Zum einen werden schon die Voraussetzungen des Begriffs der amtlichen Verlautbarung nicht durch das selbstdarstellende Angebot des Parlamentsfernsehens erfüllt. Maßgebliches Abgrenzungskriterium für eine amtliche Verlautbarung ist die Art und Weise der medialen Übermittlung der Erklärung.130 Eine amtliche Verlautbarung kann dann nicht angenommen werden, wenn das Angebot vor der Ausstrahlung einer redaktionellen Gestaltung unterzogen wird.131 Für das zunächst angebotene umfassend redaktionell gestaltete Programm des Bundestags fehlt es damit schon an den Eigenschaften einer amtlichen Verlautbarung. Gleiches gilt aber auch für die Direktübertragungen. Zwar stehen dem Bundestag gegenüber einem weitergehend redaktionell gestalteten Programm geringere Gestaltungsmöglichkeiten zu. Über die Kameraführung, die Entscheidung über das Gesendete an sich sowie Beginn und Ende der Sendung besteht jedoch ein gewisser Spielraum für den Bundestag als Veranstalter.132 Zudem besteht ein Verlautbarungsrecht nur bei Eintritt einer konkreten Not- oder Ausnahmesituation. Es muss sich um besonders zugespitzte Situa tionen handeln, die für den Staat und seine Bürger existentielle Bedeutung haben, um den weitgehenden Eingriff in die Programmgestaltungsfreiheit der Rundfunksender zu rechtfertigen.133 Dies kann jedoch bei der Selbstdarstellung des Parlaments nicht angenommen werden.134 130 Bilstein,
Rundfunksendezeiten, S. 14. Rundfunksendezeiten, S. 20. 132 Bilstein, Rundfunksendezeiten, S. 22 m. w. N. 133 Siehe beispielsweise § 10 ZDF-StV oder § 36 Abs. 1 LMG NRW. 134 Fuhr, ZDF-Staatsvertrag, S. 141 f.; Jensen, Öffentlichkeitsarbeit, S. 59 f.; Bilstein, Rundfunksendezeiten, S. 148; a. A. Lenz, JZ 1963, 338 (342 f.), der den Regierungen über das Verlautbarungsrecht auch Übertragungen aus dem Bundestag ermöglichen möchte. 131 Bilstein,
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3. Kap.: Das Parlament als Rundfunkveranstalter
Schließlich begründet ein Verlautbarungsrecht auch nicht die Möglichkeit, einen eigenen Rundfunksender zu betreiben. Es berechtigt „lediglich“ dazu, dass der Staat auf die bestehenden Rundfunkanstalten in der Weise einwirkt, indem er Sendezeiten für seine Mitteilungen zur Verfügung gestellt bekommt und für diese die Programmverantwortung erhält.135 (5) Die Aufgabe als Kompetenzgrundlage Für die Informationstätigkeit des Staates insbesondere bei Warnungen oder Empfehlungen wird bisweilen die Kompetenz der Bundesregierung aus der Aufgabe der Staatsleitung abgeleitet. Gleiches gilt für die Informationstätigkeit des Staates mittels Druckerzeugnissen, bei der die Aufgabe der Öffentlichkeitsarbeit als Kompetenzgrundlage dient. Aus diesem Grund soll an dieser Stelle diskutiert werden, ob die entsprechenden Staatsaufgaben auch als Kompetenz für ein Parlamentsfernsehen dienen können. (a) Die Aufgabe der Staatsleitung In Betracht kommt zunächst, die Kompetenz aus der Aufgabe der Staatsleitung des Parlaments herzuleiten. Das Bundesverfassungsgericht hat im Jahr 2002 eine solche für die Bundesregierung für die sogenannte regierungsamtliche Informationstätigkeit begründet. Die Bundesregierung sei „auf Grund ihrer Aufgabe der Staatsleitung überall dort zur Informationsarbeit berechtigt, wo ihr eine gesamtstaatliche Verantwortung zukommt, die mit Hilfe von Informationen wahrgenommen werden“ könne.136 Der Bund sei „zur Staatsleitung insbesondere berechtigt, wenn Vorgänge wegen ihres Auslandsbezugs oder ihrer länderübergreifenden Bedeutung überregionalen Charakter haben und eine bundesweite Informationsarbeit der Regierung die Effektivität der Problembewältigung fördert. In solchen Fällen kann die Bundesregierung den betreffenden Vorgang aufgreifen, gegenüber Parlament und Öffentlichkeit darstellen und bewerten und, soweit sie dies zur Problembewältigung für erforderlich hält, auch Empfehlungen oder Warnungen aussprechen.“137 Die Informationstätigkeit des Bundes sei zudem notwendig, wenn ein überregional geprägtes öffentliches Informationsinteresse bestehe. In diesem Fall spreche die Effektivität der Informationstätigkeit für ein Handeln des 135 Schürmann, AfP 1993, 435 (438 ff.); Fuhr, ZDF-Staatsvertrag, S. 139 ff.; Bilstein, Rundfunksendezeiten, S. 66; a. A. Dörr, Rechtsaufsicht Deutsche Welle, S. 42. 136 BVerfGE 105, 252 (270); 105, 279 (306). 137 BVerfGE 105, 279 (306 f.).
B. Parlamentsfernsehen und Gebot der Staatsferne des Rundfunks169
Bundes.138 Einer besonderen gesetzlichen Ermächtigung bedürfe es für die Informationstätigkeit hingegen solange nicht, wie diese nur zu einem mittelbar-faktischen Grundrechtseingriff führe.139 Neben dieser bedenklichen Aufweichung des grundrechtlichen Gesetzesvorbehalts hat das Bundesverfassungsgericht damit zugleich rechtsstaatswidrig von der Aufgabe auf die Befugnis geschlossen. Zudem wird für den Fall des Informationshandelns des Bundes auf der Grundlage der Aufgabe der Staatsleitung von der Kompetenzordnung des Grundgesetzes abgewichen und eine parallele Zuständigkeit von Bund und Ländern konzipiert.140 Unabhängig von den Schwächen dieser Rechtsprechung ist die Aufgabe der Staatsleitung, die auch dem Bundestag zukommt, als Kompetenz ungeeignet. Dem Bundestag stehen aufgrund seiner Mitverantwortung für die Entwicklung des Staates Mitwirkungsrechte an der Staatsleitung zu. Aus dieser sogenannten „Staatsleitung zur gesamten Hand“141 wird daher in Parallele zur Bundesregierung eine Kompetenz für die Veranstaltung eines Rundfunkprogramms zum Zwecke der Selbstdarstellung abgeleitet.142 Für eine solche Annahme könnte sprechen, dass die Selbstdarstellung des Parlaments in Form der Direktübertragungen gerade nicht mit einem Grundrechtseingriff verbunden ist und daher im Gegensatz zu staatlichen Warnungen ein Minus darstellt. Gegen die Übertragung der Rechtsprechung auf den Fall des Parlamentsfernsehens muss hingegen vorgebracht werden, dass es sich bei der Selbstdarstellung gerade nicht um eine Informationstätigkeit handelt, die aufgrund von aktuellen Gefahrenlagen für die Bevölkerung im gesamtstaatlichen Interesse geäußert wird.143 Selbstdarstellung ist eine dauerhafte Politikvermittlung und wird nicht nur aus einem aktuellen im Einzelfall dringlichen Anlass getätigt. Neben den in der Wissenschaft geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken gegenüber einer solchen Herleitung an sich144 fehlt es im Falle des Parlamentsfernsehens, wie gezeigt, schon an einer vergleichbaren Mate138 BVerfGE 139 BVerfGE
105, 252 (275 f.). 105, 252 (271); 105, 279 (303). Siehe dazu Schoch, in: HStR III,
§ 37 Rn. 111 ff. 140 Zu den Schwächen dieser Rechtsprechung siehe statt vieler Schoch, in: HStR III, § 37 Rn. 111 ff.; ders., NVwZ 2011, 193. 141 Kretschmer, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, Art. 40 Rn. 6. 142 Ausdrücklich auch für ein Parlamentsfernsehen des Bundestags Kretschmer, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, Art. 42 GG Rn. 6, 22. 143 BVerfGE 105, 252 (268 ff.). 144 Schoch, in: HStR III, § 37 Rn. 113 m. w. N.
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3. Kap.: Das Parlament als Rundfunkveranstalter
rie.145 Die besonderen Voraussetzungen (Informationsminus oder gesamtstaatliche Verantwortung), die ebenso eine wie vom Bundesverfassungsgericht begründete parallele Zuständigkeit rechtfertigen würden, liegen hier nicht vor. Daher kann eine Kompetenz zur Veranstaltung eines Parlamentsfernsehens des Bundestags nicht aus der Aufgabe der Staatsleitung gefolgert werden. (b) Die Aufgabe der Öffentlichkeitsarbeit Schließlich könnte die Aufgabe des Parlaments, Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben, zugleich auch als Kompetenz zur Veranstaltung eines Rundfunkprogramms herangezogen werden. Öffentlichkeitsarbeit sei Information über staatliche Aufgabenerfüllung, mithin über Grundlagen und Ergebnisse von staatlichen Tätigkeiten. Zudem würde die Ausweitung der Öffentlichkeit durch ein solches Programm zu einer verstärkten Betonung der demokratiestaatlichen Komponente führen.146 Eine solche Medienaktivität sei auch verfassungsrechtlich im Interesse demokratischer Transparenz geboten.147 Das Recht der Selbstdarstellung legitimiere daher auch das Recht zur Veranstaltung des Parlamentsfernsehens.148 Es wird damit eine funktionale Abgrenzung149 von Rundfunk und Öffentlichkeitsarbeit vorgenommen, die auf das vergleichbare Vorgehen bei der Presse gestützt wird. Diese für den Bundestag und andere Staatsorgane bestehende Möglichkeit, Druckerzeugnisse – zum Beispiel die Zeitschrift „Das Parlament“ – zu verbreiten, müsse nun auch für den Rundfunk bestehen, so die Forderungen im Schrifttum.150 Die Vertreter dieser Übertragung bauen auf eine behauptete vergleichbare Rechtslage auf, die jedoch einer Hinterfragung bedarf. Ebenso wie für den Rundfunk besteht auch für die Presse ein Gebot der Staatsferne. „Eine freie, nicht von der öffentlichen Gewalt gelenkte, keiner 145 Goerlich/Laier,
ZUM 2008, 475 (478). Öffentlichkeitsarbeit, S. 326 f. Bull begründet die Staatsaufgabe der Sicherung der menschlichen Entfaltungsmöglichkeit und erachtet in diesem Rahmen einen Staatsrundfunk für zulässig, solange garantiert sei, dass an der inhaltlichen Gestaltung des Programms alle relevanten gesellschaftlichen Kräfte beteiligt würden, vgl. Bull, Staatsaufgabe, S. 315. 147 Degenhart, AfP 2009, 207 (210). 148 Gersdorf, Parlamentsfernsehen, S. 56; Degenhart, AfP 2009, 207 (210). 149 Gersdorf, Parlamentsfernsehen, S. 52. 150 Marschall, ZParl 1997, 279 (287); Schürmann, Öffentlichkeitsarbeit, S. 324; ders., AfP 1993, 435 (443); Gersdorf, Parlamentsfernsehen, S. 51 f. 146 Schürmann,
B. Parlamentsfernsehen und Gebot der Staatsferne des Rundfunks171
Zensur unterworfene Presse ist ein Wesenselement des freiheitlichen Staates; insbesondere ist eine freie, regelmäßig erscheinende politische Presse für die moderne Demokratie unentbehrlich“, so das Bundesverfassungsgericht im grundlegenden „Spiegel-Urteil“.151 Die Geltung dieses Gebots ist auch bis heute nicht in Frage gestellt worden. Jüngst erst ist der BGH der Frage nachgegangen, ob die Deutsche Post AG durch das Verteilen der Werbesendung „Einkauf Aktuell“ gegen das Gebot der Staatsferne der Presse verstoßen hat.152 Inhaltlich erstreckt sich das Gebot auf den Ausschluss des Staates von pressemäßiger Betätigung, sei sie unmittelbarer oder mittelbarer Art.153 Die Aufgaben der Presse können daher nicht von der organisierten staatlichen Gewalt erfüllt werden.154 Soweit besteht für Rundfunk und Presse eine vergleichbare verfassungsrechtliche Struktur, die dafür sprechen könnte, auch Rundfunk gleichsam der Presse (in gewissen Grenzen) als Medium der Öffentlichkeitsarbeit zuzulassen. Gegen die Übertragung sprechen jedoch die nicht unerheblichen Unterschiede zwischen beiden Medien. Zum einen ist die Presse privatrechtlich und privatwirtschaftlich ausgerichtet, sodass im Gegensatz zum Rundfunk eine Überführung in öffentlichrechtliche Organisationsformen wie zum Beispiel in eine öffentlich-rechtliche Zeitungsanstalt ausgeschlossen ist.155 „Presseunternehmen müssen sich im gesellschaftlichen Raum frei bilden können. Sie arbeiten nach privatwirtschaftlichen Grundsätzen und in privatrechtlichen Organisationsformen.“156 Für den Rundfunk hat das Bundesverfassungsgericht die Zulässigkeit der privatrechtlichen Veranstaltung nie bezweifelt, sie kann allerdings nur neben die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten treten. Den Rundfunk allein den Grundsätzen der Privatwirtschaft zu überlassen, hat das Gericht jedoch bis jetzt stets ausgeschlossen, da die Herstellung der Meinungsvielfalt nicht in einem rein privatrechtlichen Grundsätzen unterworfenen Rundfunkmarkt gewährleistet werden könne.157 Für die Presse hat das Bundesverfassungsgericht dagegen schon im ersten Rundfunkurteil angemerkt, dass diese dann nicht durch staatliche Einflussnahme gefährdet sei, wenn eine staatliche 151 BVerfGE
20, 162 (174). Urt. v. 15. 12.2011 – I ZR 129/09 = GRUR 2012, 728. Im Ergebnis nahm der BGH kein Verstoß gegen das Gebot an, da die Deutsche Post mangels Beherrschung durch den Staat nicht Adressatin des Gebots ist. Siehe dazu die Darstellung im 6. Kapitel. 153 Bethge, in: Sachs, GG, Art. 5 Rn. 72, 80. 154 BVerfGE 20, 162 (175). 155 BVerfGE 20, 162 (175); 66, 116 (133); Bethge, in: Sachs, GG, Art. 5 Rn. 72. Differenzierter Ehmke, in: FS Arndt 1969, S. 115 ff. 156 BVerfGE 20, 162 (175). 157 BVerfGE 73, 118 (158); 119, 181 (217 ff.). 152 BGH,
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3. Kap.: Das Parlament als Rundfunkveranstalter
Betätigung „wegen der Konkurrenz mit der Fülle der vom Staat unabhängigen Zeitungen und Zeitschriften an dem Bild der freien Presse substantiell nichts ändern würde“.158 Eine solche Annahme findet sich im Hinblick auf den Rundfunk nicht. Bereits die den beiden Mediengattungen zugrunde gelegten Strukturprinzipien unterscheiden sich daher erheblich.159 Zum anderen ist die mediale Wirkung bzw. publizistische Relevanz von Rundfunk und Presse nicht vergleichbar. Zwar wird im Schrifttum auf die Veränderung der im ersten Rundfunkurteil formulierten Sondersituation des Rundfunks – verbunden mit der Annäherung an die Situation der Presse – verwiesen, die sodann ein Abweichen vom Gebot der Staatsferne des Rundfunks rechtfertige.160 Übersehen wird bei einer solchen Annahme jedoch die besondere Meinungsrelevanz des Rundfunks. Rundfunk ist Medium und Faktor im Prozess der öffentlichen Meinungsbildung und damit eines der mächtigsten Kommunikationsmittel und Massenmedien.161 Seine besondere Meinungsbildungsrelevanz, die ihn von anderen Massenmedien unterscheidet, weist der Rundfunk nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts durch seine Breitenwirkung, Aktualität und Suggestivkraft auf. An dieser Bedeutung hat auch die Erweiterung der technischen Möglichkeiten, die gesteigerte Anzahl von Rundfunksendern als auch das Internet nichts geändert.162 Die neuen technischen Möglichkeiten – zum Beispiel das HybridTV, das u. a. eine Einbindung des Rezipienten in das Fernsehprogramm durch Abstimmungen ermöglicht,163 verstärken vielmehr den Eindruck, dass es auch in Zukunft zu keiner Veränderung der Meinungsrelevanz des Rundfunks kommen wird. Rundfunk insbesondere in Gestalt des Fernsehens kann daher derzeit auch weiterhin als das „Leitmedium“ bezeichnet werden.164 158 BVerfGE
12, 205 (260). Goerlich/Laier, ZUM 2008, 475 (483). 160 Marschall, ZParl 1997, 279 (287 f.); Schürmann, Öffentlichkeitsarbeit, S. 324 ff.; ders., AfP 1993, 435 (443); Gersorf, Parlamentsfernsehen, S. 38 f.; Kolbe, Gutachten f. Bundestag, S. 4 f. Zur Veränderung der Sondersituation Jensen, Öffentlichkeitsarbeit, S. 63 ff. sowie Lutzhöft, Rundfunkfreiheit, S. 12 ff. 161 St. Rspr. seit BVerfGE 12, 205 (260). Lutzhöft, Rundfunkfreiheit, S. 15. 162 BVerfGE 119, 181 (214 ff.). 163 Müller-Terpitz/Rauchhaus, Hybrid-TV, S. 310 ff. 164 Jensen, Öffentlichkeitsarbeit, S. 72 f.; Vesting, Prozedurales Rundfunkrecht, S. 18 ff.; Beater, Medienrecht, Rn. 911; Holznagel, JZ 2012, 165 (171). Die Entwicklung der Mediennutzung zeigt, dass Fernsehen und Hörfunk gegenüber der Nutzung des Internets immer noch einen erhöhten Stellenwert haben. So betrug im Jahr 2010 die Nutzungsdauer des Fernsehens bei Personen ab 14 Jahren 220 Minuten am Tag, beim Hörfunk 187 Minuten und beim Internet 83 Minuten. Auch ist beim Fernsehen gegenüber den anderen Medien die Nutzungsmotivation im Hinblick auf die Informationsbeschaffung am stärksten ausgeprägt, vgl. Daten zur Mediensituation in Deutschland 2011, S. 67 Abb. 3 u. S. 68 Abb. 2. A. A. Weisser, 159 Vgl.
B. Parlamentsfernsehen und Gebot der Staatsferne des Rundfunks173
Die Funktion als „Leitmedium“ hat Schürmann schon 1992 betont. So sprach er davon, dass wir in einer „Fernseh- bzw. Mediendemokratie“ lebten, in der nicht nur die Meinungsbildung, sondern auch die Wirklichkeitswahrnehmung maßgeblich durch die Mediendarstellung geprägt werde.165 Zwar hat heute das Internet schon wesentliche Eigenschaften dieser besonderen Wirkkraft des Fernsehens übernommen, insbesondere im Hinblick auf die Aktualität dürfte das Internet kaum zu überbieten sein. Die Rolle als Leitmedium, welche sodann auch die besondere Regulierung des Fernsehens rechtfertigt, ergibt sich jedoch noch aus dem bei den Rezipienten bestehenden Eindruck, das Fernsehen habe die beschriebene Leitmedium-Rolle. Es handelt sich folglich um ein „Image“.166 Als ein Medium, auf das in fast jedem Haushalt zurückgegriffen werden kann, hat es die Möglichkeit, innerhalb kürzester Zeit auf eine Großzahl von Rezipienten Einfluss zu nehmen. Das Fernsehen hat daher aufgrund dieser Erreichbarkeit gegenüber der Presse und dem Internet einen Reichweitenvorteil.167 Rundfunk und Presse unterscheiden sich darüber hinaus auch im Hinblick auf die Aktualität der verbreiteten Inhalte. Neben dem Internet vermag es wohl kein anderes Medium, so schnell auf Ereignisse zu reagieren. Diese Aktualität des Rundfunks erzeugt beim Rezipienten den Eindruck der Teilhabe am Geschehen und motiviert dazu, sich meinungsbildend damit auseinander zu setzen.168 Schließlich zeigt sich die besondere Bedeutung des Rundfunks auch in seiner Suggestivkraft. Gegenüber dem geschriebenen Wort hat der Rundfunk durch die Macht der bewegten Bilder weitgehende Möglichkeiten, den Zuschauer an das Angebot zu binden.169 Das Zusammenwirken dieser drei Eigenschaften des Rundfunks führt beim Rezipienten zu einem Gefühl des unmittelbaren Erlebens, wodurch die Inhalte einen hohen Grad an Authentizität und Glaubwürdigkeit intendieZUM 1997, 877 (881 f.); Rossen-Stadtfeld, in: Hahn/Vesting, Rundfunkrecht, § 25 RStV Rn. 13. 165 Schürmann, NJW 1992, 1072 (1074 f.); Jensen, Öffentlichkeitsarbeit, S. 73; angedeutet bei NRWVerfGH, Urt. v. 15.10.1991 – 12/90 = NJW 1992, 467 (468). 166 Hasebrink/Schulz/Held, Macht als Wirkpotenzial, S. 11; Cornils, in: Medienkonzentrationskontrolle – Quo vadis?, S. 35 f. 167 BVerfGE 119, 181 (215); TNS Infratest MediaResearch, Relevanz der Medien für die Meinungsbildung, Studie im Auftrag der BLM 17.3.2010; DLM-Strukturpapier, S. 6, abrufbar unter: http://www.die-medienanstalten.de/service/positionen/ar chiv.html#c2344. 168 BVerfGE 119, 181 (215); Schulz, in: Hahn/Vesting, Rundfunkrecht, Anhang: 3. Strukturpapier zur Unterscheidung von Rundfunk und Mediendiensten, S. 6. 169 BVerfGE 97, 228 (259); 119, 181 (215), Jensen, Öffentlichkeitsarbeit, S. 86 f.; Jarass, AfP 1998, 133 (137); Pieper/Wiechmann, ZUM 1995, 83 (88 f.); Gersdorf, Verfassungsrechtlicher Rundfunkbegriff, S. 146.
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3. Kap.: Das Parlament als Rundfunkveranstalter
ren.170 Der Rezipient muss gerade nicht wie beim geschriebenen Wort auf die durch einen anderen interpretierte Wirklichkeit zurückgreifen, sondern kann sich auf seine eigenen Sinne verlassen. Zugleich sind es aber auch diese Sinne, die durch entsprechende Effekte leicht zu täuschen sind, was zu einer von der Wirklichkeit abweichenden Wahrnehmung führen kann. Das vermeintlich unmittelbare Erleben von Geschehnissen ist daher nicht frei von Verfremdungen und Täuschungen.171 Die Stärke des Fernsehens liegt daher gerade bei der Einflussnahme auf Einstellungen durch periphere Eindrücke.172 Presse und Rundfunk weisen somit eine unterschiedliche mediale Wirkung auf173, die gerade für den Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung wesentlich ist. Auch der Rückgriff auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung174 bzw. die Rechtsprechung einiger Landesverfassungsgerichte zur Öffentlichkeitsarbeit der Landtagsfraktionen175 und Landesregierungen176 legt keine Übertragung auf die Öffentlichkeitsarbeit mittels des Rundfunks nahe. Das Bundesverfassungsgericht und die Landesverfassungsgerichte haben in ihrer Rechtsprechung anerkannt, dass Öffentlichkeitsarbeit von Regierung und gesetzgebenden Körperschaften nicht nur zulässig, sondern auch notwendig ist, um den Grundkonsens im demokratischen Gemeinwesen lebendig zu halten.177 Die in Rede stehenden verwendeten Medien178 sind jedoch nicht mit der publizistischen Relevanz des Rundfunks vergleichbar. Die Übertragung der Rechtsprechung zur Öffentlichkeitsarbeit von Staatsorganen auf den hier zugrundeliegenden Sachverhalt ist daher abzulehnen. Die Aufgabe der Öffentlichkeitsarbeit kann deshalb nicht als Kompetenz herangezogen werden.179 170 BVerfGE 97, 228 (256), Jensen, Öffentlichkeitsarbeit, S. 87 f.; Schulz, APuZ B40/1993, 16 (21). 171 Schulz, APuZ B40/1993, 16 (20 ff.). 172 Hasebrink/Schulz/Held, Macht als Wirkpotenzial, S. 9. 173 So auch Goerlich/Laier, ZUM 2008, 475 (483). 174 BVerfGE 44, 125; 63, 230. 175 BremStGH, Entsch. v. 19.10.1996 – St 1/95 = NVwZ 1997, 768; RhPfVerfGH, Urt. v. 19.8.2002 – VGH O 3/02 = NVwZ 2003, 75. 176 NRWVerfGH, Urt. v. 15.10.1991 – 12/90 = NVwZ 1992, 467; RhPfVerfGH, Urt. v. 23.10.2006 – VGH O 17/05 = NVwZ 2007, 200. 177 BVerfGE 44, 125 (147); 63, 230 (242 f.). 178 Gegenstand der Rechtsprechung waren zum Beispiel ein „Tag der offenen Tür“, Anzeigenserien der Bundesregierung und einer Landesregierung in der Presse, die Verwendung von staatlichen Finanzzuschüssen an Fraktionen, die damit Prospekte und Plakate drucken ließen. 179 I. E. so auch Bumke, in: Hahn/Vesting, Rundfunkrecht, § 20a RStV, Rn. 27, der jedoch der Öffentlichkeitsarbeit eine andere Zielrichtung als dem Parlamentsfernsehen attestiert.
B. Parlamentsfernsehen und Gebot der Staatsferne des Rundfunks175
(6) Zwischenresümee Dem Bund steht daher keine aus einer Staatsaufgabe herzuleitende Kompetenz zur Veranstaltung eines Parlamentsfernsehens zu, womit es an einer Kompetenz des Bundes für die Veranstaltung des Parlamentsfernsehens fehlt. cc) Resümee Die Regelungsmaterie „Öffentlichkeitsarbeit des Parlaments mittels Rundfunk“ entzieht sich damit nicht der Kompetenzordnung der Art. 30, 70 ff., 83 ff. GG. Eine Kompetenz zur Veranstaltung eines Parlamentsfernsehens durch den Bundestag besteht nach aktueller Rechtslage nicht und kann auch nicht qua Bundesgesetz geschaffen werden. Es bedarf damit einer Änderung des Grundgesetzes, um die Zulässigkeit des Parlamentsfernsehens im Hinblick auf die Kompetenzordnung des Grundgesetzes herzustellen. b) Das Gebot der Neutralität Die Zulässigkeit der Öffentlichkeitsarbeit des Staates erfordert die Verpflichtung zur Neutralität. Diese manifestiert sich in der Pflicht zur parteipolitischen, religiös-weltanschaulichen sowie zur Meinungsneutralität.180 Die Pflicht zur parteipolitischen Neutralität statuiert für die Öffentlichkeitsarbeit dort eine Grenze, wo offene oder versteckte Wahlwerbung zugunsten politischer Kräfte und Gruppierungen beginnt.181 Denn Staatsorganen ist es verwehrt, „sich in amtlicher Funktion im Hinblick auf Wahlen mit politischen Parteien oder Wahlbewerbern zu identifizieren und sie unter Einsatz staatlicher Mittel zu unterstützen oder zu bekämpfen, insbesondere durch Wahlwerbung die Entscheidung des Wählers zu beeinflussen.“182 Eine „Staatsmeinung“, durch die Einfluss auf die Willensbildung der Bürger genommen werden könnte, widerspricht dem freiheitlich-demokratischen System. Der Staat ist bei der Öffentlichkeitsarbeit der Allgemeinheit verantwortlich und nicht einer Partei.183 Die Öffentlichkeitsarbeit „muss schon 180 Schlaich, Neutralität, S. 236 ff.; Gramm, NJW 1989, 2917 (2924); Engel, Informationstätigkeit, S. 239. 181 BVerfGE 44, 125 (150 ff.); 63, 230 (243). So auch schon Leisner, Öffentlichkeitsarbeit, S. 163 f. 182 BVerfGE 44, 125 (141, 144). 183 Bethge, Grundrechtskollisionen, S. 70; Bilstein, Rundfunksendezeiten, S. 145; Jarass, NJW 1981, 193 (195); Degenhart, AfP 2009, 207 (211); Kempen, DÖV 1972, 740.
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3. Kap.: Das Parlament als Rundfunkveranstalter
den Eindruck einer werbenden Einflussnahme zugunsten einzelner Parteien ebenso wie willkürliche, ungerechtfertigt herabsetzende und polemische Äußerungen über andere Parteien vermeiden“.184 Diese Grenze gilt nicht nicht nur in der Vorwahlzeit, sondern ist stets zu beachten.185 Ebenso gebietet auch die Pflicht des Staates zur religiös-weltanschau lichen Neutralität Zurückhaltung und Toleranz gegenüber entsprechenden Überzeugungen. Der Staat darf sich nicht parteiergreifend in die Überzeugungen, die Handlungen und in die Darstellungen Einzelner oder religiöser und weltanschaulicher Gemeinschaften einmischen.186 Dass sich der Staat mit einzelnen Religionen oder sonstigen Anschauungen identifiziert, ist damit ausgeschlossen.187 Schließlich ist es dem Staat aufgrund des Gebots zur Meinungsneutralität auch versagt, Differenzierungen nach Meinungsinhalten auf Seiten Dritter vorzunehmen.188 Unabhängig von weiteren möglichen Grenzen hätte dieses Gebot zur Neutralität für das Parlamentsfernsehen eine Reduzierung des Angebots auf die Direktübertragungen zur Folge. Weitere Angebote des Senders wie zum Beispiel Interviews mit Abgeordneten, Diskussionsrunden oder ausführliche Berichterstattungen über Vorgänge einzelner Fraktionen, mithin ein Angebot mit redaktionellen Komponenten, kommen hingegen nicht in Frage.189 Bei solchen Angeboten bestünde zum Beispiel die Gefahr, dass die Chancengleichheit der Parteien gefährdet wird, indem nicht alle Fraktionen gleichermaßen berücksichtigt werden. Auch die Einladung eines Abgeordneten zu einem Interview durch die Redaktion des Senders kann dazu führen, dass es zu einer verfälschten Wahrnehmung seitens des Bürgers kommt. Gerade ein Rundfunksender des Staates erweckt beim Bürger gesteigertes Vertrauen, indem er den Eindruck erhält, die Informationen direkt von den Volksvertretern zu erhalten. Dass mit den Interviews aber unter Umständen für parteipolitische Zwecke geworben wird, ist nicht immer auf den ersten Blick ersichtlich.190 Zum anderen würde in diesem Fall durch den Bundes184 BVerfGE
44, 125 (150). 44, 125 (149). 186 BVerfGE 105, 279 (294 f.). 187 BVerfGE 105, 279 (294); Schlaich, Neutralität, S. 236 f.; Engel, Informationstätigkeit, S. 240. 188 BVerfGE 80, 124 (134). 189 So auch die KEK in ihrem 10. Jahresbericht, S. 302; Daiber, Grenzen staatlicher Zuständigkeiten, S. 230. Die vermittelten Informationen müssen daneben sachlich gehalten sein und der Wahrheit entsprechen, vgl. BVerfGE 44, 125 (148); 63, 230 (243); Kretschmer, in: Schmidt–-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, Art. 42 GG Rn. 23; Gramm, NJW 1989, 2917 (2920 f.); Papesch, Staatliche Informationstätigkeit, S. 125 f. 190 Gersdorf, Parlamentsfernsehen, S. 59. 185 BVerfGE
B. Parlamentsfernsehen und Gebot der Staatsferne des Rundfunks177
tag eine Auswahl personeller, zeitlicher und thematischer Art stattfinden, mit der die Meinungsbildung gezielt beeinflusst werden kann. Besonderer Brisanz könnte einem solchen Vorgang insbesondere in der Vorwahlzeit zukommen, wenn schon die herkömmliche Öffentlichkeitsarbeit besonders zurückhaltend auszuüben ist.191 Die Öffentlichkeitsarbeit in dieser Form mit dem Gebot zur Neutralität zu vereinbaren, dürfte regelmäßig ausgeschlossen sein. Denkbar bleiben hingegen Direktübertragungen.192 Ausgeschlossen ist damit, dass das Parlament unter Hinweis auf die rechtfertigende Öffentlichkeitsarbeit ein redaktionell gestaltetes Programm veranstalten kann. Unter dem Gesichtspunkt des Neutralitätsgebots verbleibt jedoch die Möglichkeit von Direktübertragungen, deren Zulässigkeit im Weiteren geprüft werden soll. c) Verstoß gegen das Gebot der Staatsferne des Rundfunks? Für die Frage, ob das Parlamentsfernsehen einen Verstoß gegen das Gebot der Staatsferne des Rundfunks darstellt, könnte man nun schlicht subsumieren, dass der Bundestag als Staatsgewalt ein Fernsehprogramm anbietet, mithin selbst als Rundfunkveranstalter auftritt und damit die aufgeworfene Frage zu bejahen ist. Andererseits ist das Bundesverfassungsgericht in der HPRG-Entscheidung dazu übergegangen, auch dem Gebot der Staatsferne des Rundfunks eine – wohlgemerkt grundrechtliche – Position gegenüberzustellen, um sodann beide zum Ausgleich zu bringen.193 Das Gericht hatte zum einen die Parteien als Adressaten des Gebots der Staatsferne des Rundfunks eingeordnet,194 zum anderen aber den Gesetzgeber aufgefordert, einen Ausgleich zwischen dem Schutz des Rundfunks vor Staatseinfluss und den grundrechtlich schützenswerten rundfunkrechtlichen Positionen der Parteien vorzunehmen.195 Damit wendet das Bundesverfassungsgericht im Rahmen der Ausgestaltung des Schutzbereiches der Rundfunkfreiheit letztlich den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit an. „Kommunikations- und rundfunkbezogene Vorschriften, die den rechtlichen Rahmen der Rundfunkfreiheit regeln, sind am Maßstab des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG nicht zu beanstanden, wenn sie geeignet sind, das Ziel der Rundfunkfreiheit zu fördern, und die von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG geschützten Interessen angemessen 44, 125 (150 ff.); Häberle, JZ 1977, 361 (366 f.). auch die KEK, 10. Jahresbericht, S. 302. 193 BVerfGE 121, 30 (59, 64). 194 Zu dieser Einordnung, siehe das Kapitel 5. 195 BVerfGE 121, 30 (59 ff.). 191 BVerfGE 192 So
178
3. Kap.: Das Parlament als Rundfunkveranstalter
berücksichtigen.“196 Damit hat das Gericht seine Rechtsprechung zur Ausgestaltungsdogmatik der Rundfunkfreiheit in der Weise angepasst, dass auch Regelungen im Rahmen der Ausgestaltung des Schutzbereiches nicht schon dann verfassungsgemäß sind, wenn sie die Gewährleistung der Rundfunkfreiheit zum Ziel haben. Sie müssen nunmehr auch andere rundfunkrechtliche Positionen berücksichtigen, was in dem besagten Fall die rundfunkrechtliche Position der Parteien aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 i. V. m. Art. 21 GG war.197 Letztlich werden damit die objektiv-rechtliche und die subjektiv-rechtliche Funktion der Rundfunkfreiheit zum Ausgleich gebracht.198 Lehnt man die objektiv-rechtliche Funktion der Rundfunkfreiheit ab, ergeben sich letztlich keine Unterschiede. Wird in die Rundfunkfreiheit Dritter zur Wahrung anderer rundfunkrechtlicher Positionen oder Verfassungsrechtsgüter wie dem Gebot der Staatsferne des Rundfunks eingegriffen, dann sind beide Aspekte auf der Ebene der Schranken-Schranken im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes miteinander abzuwägen.199 Für die Veranstaltung eines Parlamentsfernsehens stellt sich daher die Frage, ob der Bundestag entsprechend den Parteien eine schützenswerte Rechtsposition dem Gebot der Staatsferne des Rundfunks gegenüber stellen kann und, sollte dies der Fall sein, ob diese vor dem Gebot der Staatsferne Bestand haben kann. aa) Schützenswerte Rechtsposition des Bundestags Das Bundesverfassungsgericht hat die grundrechtlich schützenswerte Position der Parteien aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 i. V. m. Art. 21 GG bekräftigt. Im Gegensatz zur Auffassung u. a. der Hessischen Landesregierung200 nahm das Gericht keine strukturelle Unvereinbarkeit von Parteien und Rundfunk an. Vielmehr könnten sie sich sowohl auf die Meinungsfreiheit als auch auf die Rundfunkfreiheit berufen. Dies gelte insbesondere für den Fall, dass sie durch gesetzliche Bestimmungen von der Beteiligung an einem Rundfunkveranstalter ausgeschlossen würden.201 Für das Parlament als Träger von Hoheitsgewalt ist die Eröffnung des Schutzbereiches ausgeschlossen. Das Parlament kann nicht grundrechtsbe196 BVerfGE
121, 30 (59). 121, 30 (59). 198 Müller, AfP 2009, 433 (434 f.). 199 So zum Beispiel Hain, K&R 2012, 98 (103) m. w. N. 200 Stellungnahme der Hessischen Landesregierung, der Landesregierung von Ba den-Württemberg, der Bayerischen Staatsregierung und der CDU, BVerfGE 121, 30 (40 ff.). 201 BVerfGE 121, 30 (60). 197 BVerfGE
B. Parlamentsfernsehen und Gebot der Staatsferne des Rundfunks179
rechtigt sein, es ist vielmehr grundrechtsverpflichtet, Art. 1 Abs. 3 GG. Der Bundestag kann sich daher nicht auf eine den Parteien vergleichbare aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG abgeleitete grundrechtlich schützenswerte Position berufen. Allerdings stützt das Bundesverfassungsgericht die schützenswerte Position der Parteien nicht nur auf Art. 5 GG. Es zieht auch Art. 21 GG heran: „Die Beteiligung an einem Rundfunksender kann darüber hinaus dem Funktionsbereich der Parteien nach Art. 21 Abs. 1 GG zugeordnet werden, weil sich ihnen in Rundfunkunternehmen eine Möglichkeit zur Mitwirkung an der politischen Meinungsbildung bietet.“202 Überträgt man diesen Gedanken auf die Pflicht des Bundestags zur Öffentlichkeitsarbeit, so würde die Selbstdarstellung mittels Direktübertragungen der Funktionserfüllung dienen. Durch bundesweit übertragene Direktübertragungen könnte eine größere Zahl der Bürger von der Arbeit des Bundestags Kenntnis nehmen. Zweifelhaft bleibt nun aber, ob allein das Öffentlichkeitsgebot, welchem der Bundestag zu entsprechen hat, als schützenswerte Position genügt oder ob nicht vielmehr eine spezifische rundfunkrechtliche Position erforderlich ist. Für letztere Annahme spricht, dass das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich von der Beachtung der rundfunkrechtlichen Positionen spricht203 oder auf den Schutz der grundrechtlichen Positionen der Parteien verweist.204 Andererseits handelt es sich bei dem Recht des Bundestags, Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben, um eine aus dem Demokratiegebot abgeleitete verfassungsrechtlich schützenswerte Position. Diese ist zwar nicht, wie das Recht der Parteien, an der politischen Meinungsbildung mitzuwirken, im Grundgesetz ausdrücklich erwähnt, an ihrer Schutzwürdigkeit bestehen jedoch keine Zweifel.205 bb) Maßstab bei der Berücksichtigung der Rechtspositionen Von der Annahme einer verfassungsrechtlich geschützten Position des Bundestags, die der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Rundfunkordnung – mithin der Gewährleistung der objektiv-rechtlichen Komponente der Rundfunkfreiheit oder im Rahmen der Schranken-Schranken der Rundfunkfreiheit – zu berücksichtigen hätte, ist jedoch die Frage zu trennen, inwieweit diese geschützte Position des Parlaments auch zum Tragen kommen kann. Insoweit ist auf den vom Bundesverfassungsgericht im Urteil zur Parteienbeteiligung aufgestellten Maßstab zurückzugreifen. 202 BVerfGE
121, 30 121, 30 204 BVerfGE 121, 30 205 Schoch, in: HStR 203 BVerfGE
(60). (56). (57, 68). III, § 37 Rn. 77.
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3. Kap.: Das Parlament als Rundfunkveranstalter
Das Gericht betont zunächst das hohe Gewicht der Freiheit der öffentlichen und privaten Meinungsbildung, die für das demokratische Gemeinwesen schlechthin konstitutiv und insoweit vom Gesetzgeber bei der Abwägung des zur Ausgestaltung der Rundfunkfreiheit führenden Prozesses zu berücksichtigen ist.206 Dieselbe Erwägung müsste dementsprechend auch im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung getroffen werden. Zudem stehe – so das Gericht – dem Gesetzgeber bei der Bestimmung und Gewichtung von Gefahren für die Verwirklichung der Rundfunkfreiheit und der Festlegung der für ihre Herstellung und Erhaltung zu wählenden Mittel ein Einschätzungs- und Ermessensspielraum zu. Er könne bei der Wahrnehmung seiner Gewährleistungsfunktion für die Verwirklichung der Rundfunkfreiheit nicht darauf verwiesen werden, spürbare Störungen der Meinungsvielfalt oder erhebliche Beeinträchtigungen der Staatsfreiheit abzuwarten, bevor er regelnd und begrenzend tätig werde. Er müsse im Rahmen seiner Ausgestaltungsverantwortung bereits entsprechenden Gefahren effektiv begegnen können, weil einmal eingetretene Fehlentwicklungen – wenn überhaupt – nur bedingt und nur unter erheblichen Schwierigkeiten rückgängig gemacht werden könnten. Die Bestimmung des dazu Erforderlichen unterliege dabei in weiten Grenzen der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers.207 Eine angemessene Förderung der objektiv-rechtlichen Ziele der Rundfunkfreiheit – die im Rahmen eines klassisch-liberalen Verständnisses zum Beispiel dem Demokratie-, Sozialstaats- oder Rechtsstaatsgebots entnommen werden könnten208 – sah das Gericht dann in dem Ausschluss einer über die bloße Beteiligung der Parteien an Rundfunkunternehmen hinausgehende Möglichkeit des bestimmenden Einflusses auf Programminhalte oder die Programmgestaltung.209 Das Gericht bekräftigt damit die Wahrung der Programmfreiheit als Kern des Gebots der Staatsferne des Rundfunks. Unverhältnismäßig hingegen sei das absolute Verbot für politische Parteien, sich an privaten Rundfunkveranstaltern zu beteiligen, welches gegen Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG i. V. m. Art. 21 GG verstoße.210 Ein umfassendes Verbot für politische Parteien, sich an Rundfunkunternehmen zu beteiligen, verfehle die vom Gesetzgeber herzustellende angemessene Zuordnung der verschiedenen Rechtspositionen. Die für die politischen Parteien eintretenden Nachteile stünden auch bei Berücksichtigung der weitreichenden Aus206 BVerfGE
121, 30 (63). 121, 30 (63 f.). 208 Dazu zuletzt Hain, K&R 2012, 98 (101 Fn. 45). 209 BVerfGE 121, 30 (63). 210 BVerfGE 121, 30 (64 ff.). 207 BVerfGE
B. Parlamentsfernsehen und Gebot der Staatsferne des Rundfunks181
gestaltungsermächtigung des Gesetzgebers zum Maß der Förderung der mit der Regelung verfolgten Ziele außer Verhältnis. Dem Verbot stehe keine angemessene Förderung der objektiv-rechtlichen Ziele der Rundfunkfreiheit, namentlich der Gewährleistung von Meinungsvielfalt und Staatsfreiheit des Rundfunks, gegenüber. Insbesondere bleibe unberücksichtigt, dass die Parteien gezwungen seien, bei auch nur sehr geringfügiger Beteiligung ihre Anteile zu veräußern, unabhängig davon, ob die Partei bei einer geringfügigen Beteiligung überhaupt Einfluss auf das jeweilige Rundfunkunternehmen ausüben könnte.211 Zudem sei der Auftrag der Parteien, an der politischen Meinungsbildung mitzuwirken, zu berücksichtigen. Diesem würden die Parteien traditionell durch Beteiligungen an Presseunternehmen nachgekommen. Solche Beteiligungen umfassten heute in aller Regel auch mittelbare Beteiligungen an Rundfunkunternehmen. Ein vollständiger Ausschluss der Beteiligung von Parteien an Rundfunkunternehmen führe deshalb dazu, dass diese Beteiligungen nur in Verbindung mit Beteiligungen an Presseunternehmen aufgegeben werden könnten. Dies beeinträchtige die den Parteien verfassungsrechtlich aufgegebene Mitwirkung bei der öffentlichen Willensbildung über den unmittelbaren rundfunkrechtlichen Bereich hinaus, treffe sie in überkommenen Parteitraditionen und stelle auch aus diesem Grund eine übermäßige Belastung dar.212 Zu berücksichtigen sind damit einerseits das hohe Gewicht der Meinungsbildungsfreiheit sowie der Einschätzungsspielraum des Gesetzgebers, der es ihm gestattet, auch schon im Vorfeld einer Gefahr zu begegnen und nicht erst die Beeinträchtigung abzuwarten. Dies gilt umso mehr, als dass die Programmfreiheit betroffen ist. Andererseits müsse der Auftrag der Parteien, an der Meinungsbildung mitzuwirken, gewürdigt werden. cc) Abwägung Die Erwägungen, die das Bundesverfassungsgericht für den Schutz der rundfunkrechtlichen Position der Parteien getroffen hat, lassen sich schon aufgrund der verschiedenen Schutzgüter nicht in jeder Hinsicht übertragen. Dennoch muss bei der folgenden Abwägung die Frage im Vordergrund stehen, ob das Verbot, den Rundfunk zu Zwecken der Öffentlichkeitsarbeit zu nutzen, eine unangemessene Beeinträchtigung der Aufgabe der Öffentlichkeitsarbeit darstellt, die vor dem Hintergrund des Schutzes des Gebots der Staatsferne des Rundfunks nicht zu rechtfertigen ist. Dabei sollen ver211 BVerfGE
212 BVerfGE
121, 30 (64). 121, 30 (65).
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3. Kap.: Das Parlament als Rundfunkveranstalter
schiedene Erwägungen getroffen werden, die für und gegen diese Form der Öffentlichkeitsarbeit sprechen. (1) Aufgabenverteilung zwischen Staat und Gesellschaft Möglicherweise ergibt sich für die Öffentlichkeitsarbeit des Bundestags eine Grenze aus der Aufgabenverteilung zwischen Staat und Gesellschaft. So hat zwar die Prüfung der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern ergeben, dass dem Bund keine Kompetenz zur Veranstaltung eines Rundfunkprogramms zusteht, sondern dies vielmehr Sache der Länder ist. Es kann aber auch die Frage aufgeworfen werden, ob durch die Öffentlichkeitsarbeit des Staates mittels Rundfunk in eine der Gesellschaft zugewiesene Aufgabe eingegriffen wird. (a) Das Verhältnis von Staat und Gesellschaft Soll aus der behaupteten Aufgabenverteilung zwischen Staat und Gesellschaft eine Grenze formuliert werden, so erfordert dies einen Blick auf das Verhältnis von Staat und Gesellschaft, insbesondere auf die Existenz und die Ausprägung einer solchen Trennung. Die Frage nach dem Verhältnis von Staat und Gesellschaft durchzieht die deutsche Staatsrechtslehre.213 Die Differenzierung geht auf das 19. Jahrhundert zurück, in dem sich der Monarch und seine Bürokratie auf der einen Seite – als Träger der Staatsgewalt – und das Volk – als Gesellschaft, verbunden durch private und ökonomische Beziehungen214 – auf der anderen Seite gegenüberstanden. Auch die spätere Einführung des Parlaments als Vertretung des Volkes änderte in der Staatslehre nichts an diesem Verständnis. Ebenso wurde die Ausübung der exekutiven Gewalt weiterhin durch den Monarchen und nicht durch das Parlament legitimiert. Der Monarch war damit unangefochten Träger der Hoheitsgewalt.215 Mit dem Ausrufen der Republik verlagerte sich diese Trägerschaft auf das Volk, dem damit sowohl die 213 Siehe nur exemplarisch Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 149 ff.; Krüger, Staatslehre, S. 526 ff.; Herzog, Allgemeine Staatslehre, S. 48 ff.; Böckenförde, Unterscheidung von Staat und Gesellschaft, S. 9 ff.; ders., in: FG Hefermehl 1972, S. 11 ff.; Forsthoff, Der Staat der Industrie-Gesellschaft, S. 21 ff.; Rupp, in: HStR II, § 31. 214 Hegel spricht von der Gesellschaft als ein System der individuellen Bedürfnisse und Sonderinteressen, die die Einzelnen miteinander verbinde, Hegel, Rechtsphilosophie, § 188. 215 Ehmke, in: FG Smend 1962, S. 36 f.; Herzog, Allgemeine Staatslehre, S. 52.
B. Parlamentsfernsehen und Gebot der Staatsferne des Rundfunks183
Rolle der Gesellschaft als auch der Staatsgewalt zukam.216 Dementsprechend kamen auch Stimmen auf, die die Trennung zwischen Staat und Gesellschaft für obsolet erklärten.217 Andere wiederum wollten den Dualismus zwischen Staat und Gesellschaft nicht aufgeben, diesen allerdings an die Bedingungen der Demokratie anpassen.218 So beherrsche der Dualismus „als liberales, wenn auch in mancher Hinsicht renoviertes und reformiertes Erbgut immer noch das gegenwärtige Denken“.219 Denn auch in der Demokratie besteht das Bedürfnis nach einer regulierenden Instanz, die den widerstreitenden gesellschaftlichen Interessen einerseits mit verbindlichen Verhaltensnormen gegenübertritt, diese aber andererseits auch zum Ausgleich bringt. Diese regulierende Instanz wird mit dem Ziel tätig, öffentliche Wohlfahrt und soziale Gerechtigkeit zu verwirklichen. Dabei unterliegt sie der Pflicht zu Unabhängigkeit, Unbestechlichkeit und Sachlichkeit.220 Im Gegensatz dazu steht es der Gesellschaft frei, Sonderinteressen zu verfolgen. Die Handlungsmaßstäbe von Staat und Gesellschaft sind daher verschiedener Art.221 Auch aus einem anderen Blickwinkel lassen sich Unterschiede zwischen Staat und Gesellschaft erkennen. Betrachtet man die Strukturen von Staat und Gesellschaft, so zeichnet sich Letztere durch Freiheit aus, die jedoch mit einer gewissen Ungleichheit verbunden ist.222 Die Gesellschaft ist durch die grundrechtlich geschützte Verschiedenheit der ihr angehörenden Individuen geprägt. Im Prozess der demokratischen Integration kommen gerade diese Unterschiede zum Tragen und jedes Individuum beeinflusst entsprechend seines realen Gewichts innerhalb des Prozesses das politische Leben. Die Pluralität hat damit eine Ungleichheit innerhalb der Gesellschaft zur Folge.223 Der Staat ist darauf gerichtet, die im Gemeinwesen gestellten Aufgaben, seien sie wirtschaftlicher, sozialer oder kultureller Art, zu erfüllen. Insoweit wirkt der Staat auf eine von dem Rechtsprinzip der Gleichheit geprägte Entscheidung hin.224 Dementsprechend beruht der Staat gerade auf 216 Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 150; Böckenförde, Unterscheidung von Staat und Gesellschaft, S. 18 ff. 217 Siehe die Nachweise bei Böckenförde, Unterscheidung von Staat und Gesellschaft, S. 7 Fn. 1. 218 Böckenförde, Unterscheidung von Staat und Gesellschaft, S. 28 ff.; Ossenbühl, Rundfunk zwischen Staat und Gesellschaft, S. 18 f.; Schlaich, Neutralität, S. 247 f.; Herzog, Allgemeine Staatslehre, S. 53; Ehmke, in: FG Smend 1962, S. 25. 219 Ossenbühl, Rundfunk zwischen Staat und Gesellschaft, S. 18. 220 Zippelius, Allgemeine Staatslehre, Einl. zu § 27; Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 151 ff. 221 Zippelius, Allgemeine Staatslehre, § 27 II 1. 222 Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 152. 223 Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 151 f.; Kaiser, Repräsentation, S. 339. 224 Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 152.
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3. Kap.: Das Parlament als Rundfunkveranstalter
einer egalitären Ordnung, die von den gegenläufigen gesellschaftlichen Strukturen freigehalten werden muss. Das Prinzip der Gleichheit ist das demokratische Fundament des Staates. Die Ungleichheit des Pluralismus, die die Gesellschaft auszeichnet, vermag hingegen ein solches Fundament nicht zu begründen.225 Allein diese beiden Aspekte des Verhältnisses von Staat und Gesellschaft haben – ohne die Unterscheidung226 an dieser Stelle vertieft thematisieren zu können – gezeigt, dass an einer Differenzierung zwischen beiden Sphären festgehalten werden kann, wenngleich auch nicht – was noch zu zeigen sein wird – über die Verschränkungen der beiden Sphären hinweggesehen werden darf. Für die hier aufgeworfene Frage kann allerdings festgehalten werden, dass Staat und Gesellschaft nicht in jeder Hinsicht eine Einheit bilden und sich daher auch für die Aufgabenerfüllung des Staates Grenzen aus diesem Verhältnis ergeben können. (b) Die freie öffentliche Meinungs- und Willensbildung Durch die Veranstaltung des Parlamentsfernsehens zum Zwecke der Öffentlichkeitsarbeit wird die öffentliche Meinungsbildung beeinflusst.227 Dieser Meinungsbildung des Volkes – mithin der gesellschaftlichen Meinungsbildung – hat das Bundesverfassungsgericht die staatliche Willensbildung gegenübergestellt228 und damit zur „verfassungsdogmatischen Wiederbelebung der dualistischen Scheidung zwischen Staat und Gesellschaft“229 beigetragen. In einem demokratischen Staatswesen müsse sich – so das Gericht in seinem Urteil zur Parteienfinanzierung – insbesondere die Willensbildung des Volkes frei, offen und unreglementiert vollziehen, die sodann in den für die Willensbildung im Staat entscheidenden Akt der Parlamentswahl einmünde. Jedoch müssten die Willensbildung des Volkes und die Bildung des staatlichen Willens durch seine verfassten Organe unterschieden werden. Von dieser Unterscheidung gehe das Grundgesetz aus, indem es in Art. 21 Abs. 1 GG von der Willensbildung des Volkes, in Art. 20 Abs. 2 GG von der Bildung des Staatswillens handele.230 225 Isensee,
Subsidiaritätsprinzip, S. 152; Kaiser, Repräsentation, S. 359 f. auch Böckenförde, Unterscheidung von Staat und Gesellschaft, S. 8, der nicht von „Trennung“, sondern „Unterscheidung“ spricht. 227 Siehe dazu beim Rundfunkbegriff, 3. Kapitel B. II. 1. b). 228 BVerfGE 20, 56 (98). 229 Wufka, Rundfunkfreiheit, S. 58. 230 BVerfGE 20, 56 (98). 226 So
B. Parlamentsfernsehen und Gebot der Staatsferne des Rundfunks185
Nur dann, wenn das Volk als Verfassungs- oder Kreationsorgan durch Wahlen und Abstimmungen selbst die Staatsgewalt ausübe, fiele die Äußerung des Volkswillens mit der Bildung des Staatswillens zusammen. Darüber hinaus beeinflusse aber auch die öffentliche Meinung die Entschlüsse der Staatsorgane, womit die Willensbildung des Volkes und die staatliche Willensbildung auf vielfältige Weise miteinander verschränkt seien. In einer Demokratie müsse sich aber dessen ungeachtet die Willensbildung vom Volk zu den Staatsorganen und nicht umgekehrt von den Staatsorganen zum Volk hin vollziehen. Die Staatsorgane würden durch den Prozess der politischen Willensbildung des Volkes, der in die Wahlen einmündet, erst hervorgebracht, was bedeute, dass es den Staatsorganen grundsätzlich verwehrt sei, sich in Bezug auf den Prozess der Meinungs- und Willensbildung des Volkes zu betätigen. Dieser Prozess müsse vielmehr grundsätzlich „staatsfrei“ bleiben.231 Das Gericht begründet damit ein „Verfassungsgebot der grundsätzlich staatsfreien und offenen Meinungs- und Willensbildung vom Volk zu den Staatsorganen“232, das jedenfalls einen bestimmenden Einfluss des Staates innerhalb der öffentlichen Kommunikation zu verhindern versucht.233 Die Teilhabe des Staates an der öffentlichen Kommunikation unterliegt damit verfassungsrechtlicher Limitierung.234 Allerdings verweist das Gericht ausdrücklich auch auf die bereits angesprochenen Verschränkungen, die zwischen Staat und Gesellschaft bestehen. Einwirkungen der Staatsorgane auf den Prozess der öffentlichen Meinungsbildung sind nur dann mit dem demokratischen Grundsatz der freien und offenen Meinungs- und Willensbildung vom Volk zu den Staatsorganen vereinbar, wenn sie durch einen besonderen, sie verfassungsrechtlich legitimierenden, Grund gerechtfertigt werden können. Die Öffentlichkeitsarbeit von Regierungen und gesetzgebenden Körperschaften erachtet das Gericht – ohne weitere Begründung – dabei für zulässig.235 Die Einflussnahme des Staates auf den gesellschaftlichen Willensbildungsprozess kann vor dem Hintergrund des Grundsatzes der staatsfreien Willensbildung jedoch nur in Grenzen bestehen. Auch im Schrifttum wird die meinungsbildende Wirkung der Öffentlichkeitsarbeit erkannt und in Grenzen für rechtmäßig gehalten. Sei es die Funktion der 231 BVerfGE
20, 56 (98 f.). 20, 56 (100). 233 Degenhart, AfP 2009, 207 (209 f.); Bilstein, Rundfunksendezeiten, S. 145 ff.; Bethge, AfP-Sonderheft 2007, 18 (20 f.); Schürmann, AfP 1993, 435 (439); Schürmann, Öffentlichkeitsarbeit, S. 316; Gersdorf, Parlamentsfernsehen, S. 60 f.; Bull, Staatsaufgabe, S. 312. 234 Degenhart, AfP 2009, 207 (208); Bethge, AfP-Sonderheft 2007, 18 (20); Bilstein, Rundfunksendezeiten, S. 144; Engelbert, NJW 1993, 1233. 235 BVerfGE 20, 56 (99 f.). 232 BVerfGE
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3. Kap.: Das Parlament als Rundfunkveranstalter
Öffentlichkeitsarbeit, einen Konsens mit dem Staatswesen und der verfassungsmäßigen Ordnung herzustellen, so bedinge dies eine gewisse Grundtendenz der Informationsvermittlung, mit der die Beeinflussung der Meinungsbildung nicht nur billigend in Kauf genommen werde.236 Für die Frage der Zulässigkeit des Parlamentsfernsehens ergeben sich aus dieser Rechtsprechung Einschränkungen im Hinblick auf die inhaltliche Gestaltung des Programms. Eine allgemeingültige „Formel“ zur Bestimmung der den Staatsorganen für ihre Öffentlichkeitsarbeit zur Verfügung stehenden Verbreitungswege findet sich jedoch nicht. Zwar hat das Gericht zur Rechtmäßigkeit von Druckerzeugnissen und Angeboten im Rahmen eines Tags der offenen Tür Stellung bezogen und Grenzen dargelegt. Eindeutige Rückschlüsse auf die Zulässigkeit des Rundfunks als Verbreitungsweg für die Öffentlichkeitsarbeit von Staatsorganen lassen sich jedoch nicht ziehen. Aufgrund der Anerkennung von Verschränkungen ist die staatliche Mediennutzung daher nicht ausgeschlossen. (2) Rolle des Staates innerhalb der Kommunikationsordnung Es ist allerdings danach zu fragen, welcher Raum dem Angebot des Parlaments innerhalb der Kommunikationsordnung zukommen darf. Stünden dem Staat weitere Verbreitungsmöglichkeiten für seine Informationstätigkeit zur Verfügung, wäre ihm auch ein stärkerer Einfluss auf die gesellschaftliche Meinungs- und Willensbildung eröffnet. Eine stete Anpassung der Kommunikationsbedingungen des Staates an den Wandel der Medienlandschaft würde letztlich dazu führen, dass das System der politischen Meinungs- und Willensbildung vom Volk zum Staat hin verändert würde. Der Staat würde mit einem eigenen umfassenden Rundfunkprogramm, mit welchem er sich direkt an die Bürger wenden könnte, die Aufgabe der Medien wahrnehmen. Gerade die dienende Funktion der Medien als Medium und Faktor innerhalb dieses Systems, das heißt die Meinungen auszuwählen, zu strukturieren und zu bündeln, aber auch selber solche zu vertreten, würde für den Bereich der Parlamentsberichterstattung umgangen, mit der Folge, dass sich die Meinungsbildung nur in eingeschränkter Weise vom Volk zum Staat vollzieht. Dies wirft nun die Frage auf, ob einem staatlichen Medienangebot eine solche Rolle zukommen darf. Dabei ist zunächst daran zu erinnern, dass sich diese in dem sensiblen Geltungsbereich von Art. 5 GG vollzieht. Dieser statuiert in seiner objektiv-rechtlichen Funktion den Grundsatz der Staats236 Degenhart, AfP 2009, 207 (210); Gramm, Der Staat 30 (1991), 51 (65); Ladeur, DÖV 2002, 1 (3); Schlaich, Neutralität, S. 247 f.
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freiheit der gesellschaftlichen Willensbildung, der eine staatsfreie Kommunikations- und Informationsordnung erfordert.237 Der von beherrschenden staatlichen oder gesellschaftlichen Einflüssen freie Rundfunk soll den offenen und freien Prozess der Meinungs- und Willensbildung des Volkes ermöglichen.238 Für die Rolle des Staates innerhalb der Kommunikationsordnung ist daher maßgeblich, dass es bei dem Grundsatz der Staatsfreiheit des gesellschaftlichen Willensbildungsprozesses bleiben muss.239 So hält auch Bethge neben der Legalität informalen Staatshandelns die Übereinstimmung mit der freiheitsrechtlichen, notwendigerweise staatsdistanzierten Grundrechtsverfassung für erforderlich.240 Daraus folgt, dass die staatliche öffentliche Kommunikation keinesfalls der gesellschaftlichen Kommunikation gleich geordnet ist. Vielmehr bleiben sie unterschiedliche Größen, wobei der staatlichen Teilhabe an der öffentlichen Kommunikation nur ein geringer Raum zugestanden werden kann.241 Dass die Staatsorgane gleichsam als Gegenspieler zur Gesellschaft im öffentlichen Kommunikationsraum agieren, ist damit ausgeschlossen. Das für die Notwendigkeit der Anpassung der Kommunikationsbedingungen vorgetragene Argument, der Staat müsse auch seine Sicht der Dinge im Rahmen der öffentlichen Diskussion erläutern können, kann damit keineswegs voll zum Tragen kommen.242 Diese subsidiäre Rolle des Staates erstreckt sich jedoch nicht nur auf die öffentliche Kommunikation insgesamt, sondern gilt auch für den jeweiligen thematischen Zusammenhang.243 Für das Parlamentsfernsehen, welches dem thematischen Bereich der Parlamentsberichtserstattung zuzuordnen ist, hat dies zur Folge, dass ihm lediglich eine untergeordnete Rolle zukommen dürfte. Wirft man einen Blick auf den deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunk, so erfolgt die umfassendste Parlamentsberichtserstattung hauptsächlich244 durch den Ereignis- und Dokumentationskanal Phoenix, der ein Gemeinschaftsprogramm von ARD und ZDF ist. Dieser Rundfunksender 237 Bilstein, Rundfunksendezeiten, S. 144; Degenhart, AfP 2009, 207 (209); Bethge, AfP-Sonderheft 2007, 18 (20); Krüger, in: Selbstdarstellung des Staates, S. 37. 238 Bilstein, Rundfunksendezeiten, S. 147; Ossenbühl, DÖV 1977, 381 (384). 239 BVerfGE 121, 30 (54); Bethge, AfP-Sonderheft 2007, 18 (20), ähnlich Dolderer, Objektive Grundrechtsgehalte, S. 323. 240 Bethge, AfP-Sonderheft 2007, 18 (21). 241 Bethge, AfP-Sonderheft 2007, 18 (21); Ossenbühl, in: FS Schmitt Glaeser 2003, S. 108. 242 Bethge, Grundrechtskollisionen, S. 70. 243 Degenhart, AfP 2009, 207 (211). 244 Daneben erfolgt Parlamentsberichtserstattung selbstverständlich durch jeden anderen Rundfunksender, der über die Geschehnisse im Parlament berichtet, etwa in den Nachrichten.
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überträgt live oder zeitversetzt bedeutende gesellschaftspolitisch relevante Ereignisse aus dem In- und Ausland wie Debatten im Bundestag, in den Landtagen, im Europäischen Parlament oder in ausländischen Parlamenten und anderen europäischen Institutionen, wenn sie für die deutsche Öffentlichkeit von Interesse sind.245 Diese Programmbeschreibung verdeutlicht, dass Phoenix gerade die für die Meinungsbildung der Bevölkerung relevanten Plenarsitzungen überträgt und damit die erforderliche Publizität herstellt. Agiert der Bundestag neben diesem Angebot mit einem eigenen umfassenden Rundfunkprogramm, treten beide Angebote in ein Konkurrenzverhältnis, wobei nicht ersichtlich ist, dass dem Angebot des Bundestags dabei nur eine untergeordnete Rolle zukäme. Das muss insbesondere dann gelten, wenn der Bundestag ein Programm anbieten würde, welches über die bloße Direktübertragung der Plenar- und Ausschusssitzungen hinausgehen würde. Ein Programm, das auch Interviews und Gesprächsrunden sowie Reportagen und kommentierte Übertragungen beinhaltet, würde dem Angebot der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gleichen. Darüber hinaus weist die umfassende Parlamentsberichterstattung ohnehin nur einen sehr geringen Marktanteil auf. Dementsprechend ist auch die Zahl der ausführlich berichtenden Sender gering. Bestehen daher nur wenige Anbieter, kommt der Berichterstattung des Parlaments eine umso größere Bedeutung und damit auch eine größere Meinungsbildungsrelevanz zu.246 Sehr anschaulich lässt sich dies anhand der Wahl des Bundespräsidenten vom 18. März 2012 verdeutlichen. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunksender haben anlässlich der Wahl ein umfangreiches Programm mit Live-Berichten aus dem Plenarsaal des Bundestags, daneben aber auch zahlreiche Interviews mit Politikern, Wahlmännern und -frauen und Beiträgen rund um das Thema „Präsidentenwahl“ angeboten. Das Bundestagsfernsehen beschränkte sich hingegen auf die bloße Übertragung des Geschehens aus dem Plenarsaal des Bundestags. Hätte seitens des Bundestags ein ebenso umfangreiches Programm bestanden, wären die Angebote in Konkurrenz getreten. Spricht man dem Bundestag die Möglichkeit eines solchen umfassenden Rundfunkprogramms zu,247 so stünden sich ein staatliches und öffentlichrechtliches Angebot in einem Konkurrenzverhältnis gegenüber.248 Dass die Annahme eines Konkurrenzverhältnisses nicht abwegig ist, zeigt auch die Absprache zwischen dem Deutschen Bundestag und den öffentlich-rechtli245 http://www.phoenix.de/692.htm.
246 Phoenix erreichte im Februar 2011 erstmals seit dem Programmstart im Jahr 1997 einen Marktanteil von 1,1 %. Besonders quotenträchtig war dabei die Bundestagsfragestunde über Karl-Theodor zu Guttenbergs Dissertation (4,6 %), vgl. Funkkorrespondenz 9.2011, S. 18. 247 So Gersdorf, Parlamentsfernsehen, S. 54 f.; a. A. Magiera, DVBl. 2009, 1102. 248 Im Ergebnis so auch Magiera, DVBl. 2009, 1102.
B. Parlamentsfernsehen und Gebot der Staatsferne des Rundfunks189
chen Rundfunkanstalten. Letztere erklärten sich zu einem erweiterten Angebot von Übertragungen aus dem Bundestag bereit, solange der Deutsche Bundestag auf einen eigenen bundesweit ausgestrahlten Parlamentskanal verzichtet.249 Das heißt, die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben bewusst versucht, ein konkurrierendes Programm des Bundestags zu verhindern. Warum trotz dieser Absprache das Parlamentsfernsehen weiter betrieben wird, bleibt fraglich. Etwas anderes mag für bloße Direktübertragungen, das heißt unkommentierte Ausstrahlungen des Bundestags gelten. Das zusätzliche Rundfunkangebot des Staates bewirkt lediglich, dass der Öffentlichkeit eine zusätzliche Informationsquelle zur Verfügung gestellt wird, die die Arbeitsweise des Parlaments und der Abgeordneten darstellt, aber auch nicht darüber hinausgeht. Die Abbildung der Vorgänge im Parlament stellt lediglich ein Minus zu einem umfassend redaktionell gestalteten Programm dar, welches diese Vorgänge durch Kommentierung oder Interviews in einen bestimmten Rahmen einbettet. Das Parlamentsfernsehen sendet in diesem Fall nur einen Bruchteil von dem, was Phoenix, aber auch jeder andere Sender anbietet. Insoweit würde dem Parlamentsfernsehen die verfassungsrechtlich geforderte subsidiäre Rolle zukommen.250 Ein Rundfunkangebot des Bundestags, welches über bloße Direktübertragungen hinausgehen würde und entsprechend der öffentlich-rechtlichen Rundfunkangeboten gestaltet wäre, ist mit der Rolle des Staates innerhalb der Kommunikationsordnung nicht vereinbar. Auch aus diesem Grund ist ausgeschlossen, dass das Parlamentsfernsehen Interviews, Gesprächsrunden, Reportagen oder gar unterhaltende Elemente enthält. Bloße Direktübertragungen sind hingegen mit dem Subsidiaritätsprinzip vereinbar. (3) Wandel der Medienlandschaft Als weiterer Belang, der sich auf das Verhältnis der beiden Rechtsposi tionen auswirken soll, wird des Weiteren der Wandel der Medienlandschaft genannt. In der Rechtsprechung und im Schrifttum wird die – allerdings in der Intensität variierende – Notwendigkeit einer Anpassung der staatlichen 249 Siehe dazu die Pressemitteilung des Deutschen Bundestags v. 5.6.2008, abrufbar unter: http://webarchiv.bundestag.de/cgi/show.php?fileToLoad=1594&id=1088. Ebenso unverständlich ist, dass der Bundestag bei die Öffentlichkeit interessierenden Debatten und Sitzungen eine Übertragung durch Phoenix abgelehnt hat, siehe dazu Funkkorrespondenz 16.–17.2010, S. 15. 250 Zum Subsidiaritätsprinzip als Grenze der staatlichen Aufgabenerfüllung, Isensee, Subsidiaritätsprinzip; ders., in: HStR IV, § 73 Rn. 66; Daiber, Grenzen staatlicher Zuständigkeiten, S. 223 ff.
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3. Kap.: Das Parlament als Rundfunkveranstalter
an die gesellschaftlichen Kommunikationsbedingungen geäußert.251 Insbesondere Schürmann fordert, das mediale Handeln des Staates an die Kommunikationsbedingungen der Gesellschaft anzupassen. Würden wir in einer „Fernseh- bzw. Mediendemokratie“ leben, so müsse der Staat die Gelegenheit haben, sich gesellschaftlichen Kommunikationsstörungen entgegenzusetzen, indem die öffentliche Meinung auch durch staatliche Öffentlichkeitsarbeit mitbestimmt werde.252 Dieses so durch Schürmann beschriebene Bedürfnis des Staates gründet sich auf der Rolle der Medien in der Gesellschaft. Größtenteils liegt es in der Verantwortung der Massenmedien zu entscheiden, welche parlamentarischen Vorgänge in der Öffentlichkeit dargestellt und diskutiert und welche ignoriert werden. Zudem erlangen gerade die Vorgänge im Parlament meist nur dann die Aufmerksamkeit der Medien, wenn sie von besonderer Brisanz sind. Die Darstellung des parlamentarischen Alltags erfolgt dabei selten.253 Vorgebracht wird daneben auch der Vorwurf des Missbrauchs der Öffentlichkeit durch die Medien. Indem die Medien im öffentlichen Diskurs das Parlament verzerrt darstellten und zum Teil auch falsche Tatsachenbehauptungen aufstellten, würden sie ein falsches Parlamentsimage begründen.254 Dem Parlament selber stünden demgegenüber weniger Möglichkeiten zur Verfügung, um auf direktem Wege die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit für seine Belange zu erreichen. Ihm müsse daher das Bedürfnis nach einem Gegensteuern sowie das Recht, seine Sicht der Dinge darzulegen, zugestanden werden. Um zu diesem Zweck auch auf die in der Gesellschaft zu diskutierenden Themen Einfluss haben zu können, stünden die von ihm dazu eingesetzten Medien in seinem Ermessen.255 251 BVerfGE 105, 252 (268 f.); RhPfVerfGH, Urt. v. 19.8.2002 = NVwZ 2003, 75 (79); RhPfVerfGH, Urt. v. 23.10.2006 = NVwZ 2007, 200 (201). So auch Schürmann, Öffentlichkeitsarbeit, S. 327 f.; ders., AfP 1993, 435 (442 ff.); Gersdorf, Parlamentsfernsehen, S. 54. 252 Schürmann, NJW 1992, 1072 (1074 f.); angedeutet in NRWVerfGH, Urt. v. 15.10.1991 – 12/90 = NJW 1992, 467 (468). 253 Sarcinelli, Politische Kommunikation, S. 239 f.; Czerwick, in: Politikvermittlung, S. 172 f. mit Beispielen; Baerns, in: Politikvermittlung, S. 150; Klages, in: Selbstdarstellung des Staates, S. 74; Quaritsch, Probleme der Selbstdarstellung des Staates, S. 48. 254 Lehr, AfP 2010, 25 (25 f.) mit Beispielen; Czerwick, in: Politikvermittlung, S. 175; Kriele, ZRP 1990, 109 ff.; Schürmann, NJW 1990, 1072 (1074); Sarcinelli, Politische Kommunikation, S. 241. 255 Schürmann, NJW 1992, 1072 (1074 f.); NRWVerfGH, Urt. v. 15.10.1991 – 12/90 = NJW 1992, 467 (468). Für den Einsatz des Rundfunks plädierten die Bundestagsabgeordneten Norbert Geis und Helmut Buschbaum in der 184. Sitzung der 11. Wahlperiode des Deutschen Bundestags; ähnlich Czerwick, in: Politikvermittlung, S. 178; vergleiche auch Lehr, AfP 2010, 25 (25 f., 29 f.).
B. Parlamentsfernsehen und Gebot der Staatsferne des Rundfunks191
Auch das Bundesverfassungsgericht hat hervorgehoben, dass sich die staatliche Teilhabe an öffentlicher Kommunikation im Laufe der Zeit grundlegend gewandelt und verändert habe und dies auch weiterhin tue, was sich im Ergebnis auch auf die Aufgabenerfüllung des Staates auswirke.256 Ebenso betont der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz, dass die Art und Weise der öffentlichen politischen Auseinandersetzung einem Wandel unterliege, der zu einer zunehmenden „Mediatisierung der Politik“ führe. Die Vielfalt der Angebote mache es zunehmende schwieriger, Aufmerksamkeit für politische Inhalte zu erlangen. Daher müsse sich auch die Öffentlichkeitsarbeit von Staatsorganen diesen veränderten Umständen gerade in Bezug auf die verschiedenen Wahrnehmungsmuster der Bürger anpassen.257 Ein anderer Aspekt, der für die Erweiterung der zur Verfügung stehenden Medien angeführt wird, ist die Fülle der privatrechtlichen und öffentlichrechtlichen Angebote insgesamt. Das Parlamentsfernsehen könne daher nur noch „eine Stimme unter vielen“ sein.258 Daneben hätten sich auch die technischen Voraussetzungen zugunsten der Pluralität der Meinungen verändert.259 Zwar ist mit dieser Erweiterung der Verbreitungsmöglichkeiten zugleich auch eine Steigerung der Öffentlichkeit des Bundestags verbunden. Ein Prinzip, welches dem Staat eine ungehinderte Anpassung seiner Öffentlichkeitsarbeit an den Wandel der Medienlandschaft gestattet, existiert jedoch nicht. Vielmehr hat der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz zu Recht konstatiert, dass auch das Erfordernis der effektiven Vermittlung nicht vo raussetze, dass „sämtliche im politischen Wettbewerb auch nur förderlichen Aktionsformen als verfassungsrechtlich zwingend notwendige Wirkungsmöglichkeiten“ anerkannt würden.260 Zwar sind die in Rechtsprechung und Schrifttum geäußerten Beweggründe des Staates, eine Ausweitung der ihm 256 BVerfGE 105, 252 (268 f.). Das BVerfG betont auch, dass sich die tatsächlichen Entwicklungen auf die Rundfunkfreiheit und deren Interpretation auswirken, BVerfGE 73, 118 (155). 257 RhPfVerfGH, Urt. v. 19.8.2002 = NVwZ 2003, 75 (79); RhPfVerfGH, Urt. v. 23.10.2006 = NVwZ 2007, 200 (201). So auch Schürmann, Öffentlichkeitsarbeit, S. 327f. Daneben ist zu berücksichtigen, dass auch eine defizitäre Ausstattung des Staates bei seiner Aufgabenerfüllung zulässig sein kann, Isensee, in: HStR IV, § 73, Rn. 22; Goerlich/Laier, ZUM 2008, 475 (478). 258 Schürmann, Öffentlichkeitsarbeit, S. 328; Jarass, Gutachten zum 56. DJT, G 19; ähnlich Bull Staatsaufgabe, S. 315; Herrmann, Fernsehen und Hörfunk, S. 249 f.; Marschall, ZParl 1997, 279 (287); Bullinger, VBlBW 1983, 57 (61); v. Hase, in: FS Schnellknecht 1984, S. 227; Kolbe, Gutachten f. Bundestag, S. 6. 259 Mayntz, Zwischen Volk und Volksvertretung, S. 489; Kolbe, Gutachten f. Bundestag, S. 4 ff. 260 RhPfVerfGH, Urt. v. 19.8.2002 = NVwZ 2003, 75 (80); bestätigt in RhPfVerfGH, Urt. v. 23.10.2006 = NVwZ 2007, 200 (201); so auch Goerlich/Laier, ZUM 2008, 475 (478).
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3. Kap.: Das Parlament als Rundfunkveranstalter
zur Verfügung stehenden Medien zu fordern, nachvollziehbar. Zu Bedenken ist allerdings, ob diesem Bedürfnis auch aus Gründen der „Erforderlichkeit“ im Sinne einer effektiven Vermittlung der staatlichen Öffentlichkeitsarbeit entsprochen werden kann.261 Trotz der geänderten Informations- und Kommunikationsstrukturen der heutigen Gesellschaft kann der Bundestag auf die herkömmlichen Medien und in Grenzen auch das Internet262 zurückgreifen. Dies gilt insbesondere für die Mittel der sogenannten „aufgedrängten Öffentlichkeitsarbeit“, die dem Bürger ungefragt zugestellt werden bzw. die er ohne eigenen Beitrag zur Kenntnis nehmen kann. Gerade die Mittel der „aufgedrängten Öffentlichkeitsarbeit“, wie etwa Plakate, Beilagen und Broschüren in Zeitungen bzw. Zeitschriften oder Postwurfsendungen, haben großes Potential, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit zu erreichen.263 Im Gegensatz dazu handelt es sich beim Parlamentsfernsehen um „aufgesuchte Öffentlichkeits arbeit“.264 Der Bürger wird nicht ohne sein Zutun über die Arbeitsweise des Parlaments informiert. Er muss selbst aktiv tätig werden, um diese Informationen zu erlangen, etwa durch einen Besuch im Parlament, einen Tag der offenen Tür oder den Auftritt des jeweiligen Staatsorgans im Internet, Infomobile und Infostände. Würde man dem Bundestag die Veranstaltung des Parlamentsfernsehens versagen, stünden ihm weiterhin vielfältige Möglichkeiten zur Verfügung, um direkt auf den Bürger einzuwirken, ohne dass dieser von sich aus tätig werden muss. Gerade im Hinblick auf das Kennenlernen der Arbeitsweise des Parlaments kann der Bundestag auf weitere Mittel der aufgesuchten Öffentlichkeitsarbeit zurückgreifen. So stehen ihm weiterhin die oben beschriebenen Mittel zur Verfügung. Ebenso spricht der Einfluss der herkömmlichen Öffentlichkeitsarbeit auf das öffentliche Kommunikationssystem nicht zwangsläufig für ein zusätzliches Angebot des Bundestags. So greifen die Medien vielfach auf die mittels der Öffentlichkeitsarbeit verbreiteten Informationen zurück und reproduzieren diese lediglich. Der Öffentlichkeitsarbeit kommt damit auch eine gewisse Macht im Hinblick auf Themen und Zeitpunkt der Veröffentlichungen zu.265 Schließlich besteht seitens des Bundestags die Möglichkeit, mit den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zu kooperieren, was die Darstellungsoptionen erweitert.266 Die Erforderlichkeit des Parlamentsfernse261 RhPfVerfGH,
Urt. v. 19.8.2002 = NVwZ 2003, 75 (79). Frage wird in Kapitel 4 zu klären sein. 263 Mandelartz, DÖV 2009, 509 (515). 264 Mandelartz, DÖV 2009, 509 (515 f.). 265 Baerns, in: Politikvermittlung, S. 152, 160. 266 Siehe zu möglichen Kooperationsformen mit anderen Rundfunkveranstaltern, Goerlich/Laier, ZUM 2008, 475 (484). 262 Diese
B. Parlamentsfernsehen und Gebot der Staatsferne des Rundfunks193
hens zu Zwecken der Selbstdarstellung des Bundestags ist daher zumindest zu bezweifeln. Zwar ist das Bedürfnis des Staates, seine Mediennutzung im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit dem Wandel der Medienlandschaft anzupassen, durchaus nachvollziehbar. Ein Recht auf Anpassung „im Gleichschritt“ mit den technisch zur Verfügung stehenden Mitteln steht ihm jedoch nicht zu, solange er noch mit den bestehenden Mitteln seine Aufgaben wahrnehmen kann. Zu diesem Zweck ist jedoch keinesfalls ein herkömmliches Fernsehprogramm notwendig. Allenfalls können für den Bereich der Parlamentsberichterstattung Direktübertragungen als zulässig erachtet werden. (4) A ngemessene Berücksichtigung des Gebots der Staatsferne des Rundfunks? Zwar sprechen die einbezogenen Erwägungen unter dem jeweils eingenommenen Blickwinkel zumindest nicht gegen die Zulässigkeit von Direktübertragungen zum Zwecke der Öffentlichkeitsarbeit des Bundestags. Bisher unberücksichtigt ist bei dieser Einschätzung jedoch der Aspekt des Gebots der Staatsferne des Rundfunks geblieben. Das Gebot bewirkt zwar kein absolutes Verbot staatlichen Wirkens auf dem Gebiet des Rundfunks, sondern sieht vielmehr ein abgestuftes Schutzkonzept vor.267 Es hat allerdings einen absolut zu schützenden Kern, die Programmfreiheit. Ausgeschlossen ist damit, dass ein Staatsorgan als Rundfunkveranstalter installiert wird268 und so Einfluss auf die mittels des Rundfunks eingebrachten Beiträge in 267 Siehe
oben Kapitel 2. Rspr. seit BVerfGE 12, 205 (263). Goerlich/Laier, ZUM 2008, 475 (unter Hinweis auf Ehmke, VVDStRL 20 [1963], 53) sehen zudem Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG als „negative Kompetenznorm“. Das Grundrecht hätte die Wirkung, der öffentlichen Gewalt in der Sache jeden Einfluss zu nehmen (Goerlich/Laier, ZUM 2008, 475 [482]). Dieser Annahme liegt eine Verfassungsinterpretation zugrunde, die von einer „Einheit der Verfassung“ ausgeht, in der gleichwohl Spannungsverhältnisse, aber keine prinzipiellen Unvereinbarkeiten bestehen. Die Kompetenzzuweisungen seien demnach nicht nur als Zuständigkeitsabgrenzungen zwischen Bund und Ländern zu verstehen. Sie stünden darüber hinaus auch mit den Grundrechten in engem Zusammenhang, sie bildeten gar eine Einheit. Diese sei dergestalt, dass einerseits Kompetenzen Auswirkungen auf Grundrechte haben könnten, daneben aber auch gleichermaßen Grundrechte begrenzend auf Kompetenzen wirken könnten, so wie es gerade in der Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika ausdrücklich formuliert sei. Allein die Akzeptanz einer „Einheit der Verfassung“ mit der Intention, die Verfassung „als einen in sich sinnvollen, zwar vielseitigen und keineswegs spannungslosen, aber doch immer auf die Einheit des politischen Gemeinwesens gerichteten Ordnungszusammenhang zu interpretieren“, sage allerdings zunächst noch nichts über die Hie rarchie der Rechte und Rechtsgüter im Einzelfall aus. Für diese Frage müsse daher auf ein der Verfassung zugrundeliegendes Vorverständnis zurückgegriffen werden, 268 St.
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3. Kap.: Das Parlament als Rundfunkveranstalter
den Meinungsbildungsprozess erlangen kann. Denn zur Sicherung der Pluralität der Meinungen sucht das Gebot der Staatsferne des Rundfunks, den Prozess der freien öffentlichen Meinungs- und Willensbildung vor dem Einfluss des Staates zu schützen.269 Das Parlamentsfernsehen wird durch den Bundestag veranstaltet, die Programminhalte und -entscheidungen stehen damit zur Disposition eines Staatsorgans. Das gilt nicht nur für die Zusammenstellung eines umfangreich redaktionell gestalteten Programms, sondern auch für die Direktübertragungen. Auch bei Letzteren ist das „Ob“, „Wann“ und „Wie“ der Sendungen zu bestimmen, das heißt die Auswahl der Debatten, der Sendezeitpunkt sowie die Auswahl und Zusammenstellung der über die acht Kameras aufgenommenen Bilder. Allein diese Entscheidungen haben Einfluss auf die Meinungsbildung der Rezipienten.270 Zu bedenken ist zudem, dass es sich bei diesen Direktübertragungen nicht nur um eine Ausdehnung der parlamentarischen Öffentlichkeit handelt.271 Die Eindrücke, die ein Zuschauer im Bundestag selbst erhält, sind nicht vergleichbar mit denen, die ihm über ein Fernsehprogramm angeboten werden. Die Kameraeinstellungen können dem Zuschauer verschiedene Perspektiven auf das Geschehen einräumen, die ihm von der Zuschauertribüne nicht zur Verfügung stehen. Daneben kann die Übertragung viel weitgehender sein, da die Kameras das Geschehen aus verschiedenen Bereichen des Plenums einfangen können, die von der Besuchertribüne nicht einzusehen sind. Wenngleich die Übertragungen des Parlamentsfernsehens auch unkommentiert erfolgen, sind sie doch umfassender als die bloße Sitzungsöffentlichkeit des Bundestags. Die Direktübertragungen ersetzen damit nicht nur den Nachteil des Fernsehzuschauers, nicht am Ort des Geschehens, mithin auf der Besuchertribüne des Bundestags selbst, zu sein. Sie tragen vielmehr zur Meinungsbildung des Zuschauers bei. Die Programmfreiheit als absolut zu schützender Kern des Gebots der Staatsferne des Rundfunks ist damit beeinträchtigt. das durch den Konsens aller Vernünftig- und Gerecht-Denkenden begründet werde, (Ehmke, VVDStRL 20 [1963]), 53 [73 ff., 89 ff., 131]). 269 Gersdorf, Parlamentsfernsehen, S. 52 spricht daher zurecht davon, dass es nicht auf eine begriffliche Abgrenzung von zulässiger Öffentlichkeitsarbeit und unzulässiger Rundfunkveranstaltung ankommen kann. Es ist stets der Einfluss des Staates auf die Meinungs- und Willensbildungsprozess zu bestimmen. 270 So war bei der Vereidigung des Bundespräsidenten Joachim Gauck und seiner anschließenden Rede die Kamera nicht nur auf den Redner gerichtet. Kaum sprach der Bundespräsident die Leistungen seines Vorgängers an, wurde die Kamera mit Zoomfunktion auf das Ehepaar Wulf geschwenkt. Abrufbar unter: http://dbtg.tv/cvid/ 1617987. 271 So wohl auch Magiera, DVBl. 2009, 1102.
B. Parlamentsfernsehen und Gebot der Staatsferne des Rundfunks195
Die Ermöglichung von Direktübertragungen für den Bundestag – auch zu Zwecken der Öffentlichkeitsarbeit – würde damit das Gebot der Staatsferne konterkarieren. Ein Ausgleich im Sinne des Versuchs, sowohl dem Öffentlichkeitsgebot des Bundestags als auch dem Gebot der Staatsferne des Rundfunks gerecht zu werden, ist nicht möglich. Die Friktionen zwischen beiden Geboten müssen hingenommen werden.272 Zieht man nochmals die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Hessischen Privatrundfunkgesetz heran, so bestehen keine Zweifel daran, dass der Staat nicht als Rundfunkveranstalter auftreten kann: „Der Staat selber darf aber nicht als Rundfunkbetreiber auftreten [...]. Auch wenn der Staat als Garant einer umfassend zu verstehenden Rundfunkfreiheit unverzichtbar ist, besteht die Gefahr, die Rundfunkfreiheit auch politischen Interessen unterzuordnen. Gegen eine Gängelung der Medien durch den Staat haben sich die Kommunikationsgrundrechte ursprünglich gerichtet, und in der Abwehr staatlicher Kontrolle der Berichterstattung finden sie auch heute ein wesentliches Anwendungsfeld […].“273
Insoweit bestätigt das Gericht nicht nur eine Auffassung, die es in seinem ersten Rundfunkurteil begründet hat.274 Es geht sogar noch weiter und bezieht in den Anwendungsbereich des Gebots der Staatsferne des Rundfunks auch die Parteien ein als eine Gruppe, die – so das Gericht – nicht dem Staat zuzuordnen ist.275 Die Parteien sind darauf angewiesen, dass ihre politischen Ansichten durch die Massenmedien in der Bevölkerung verbreitet werden. Dementsprechend besitzen die politischen Parteien Beteiligungen an Presseunternehmen, die im Gegensatz zu Rundfunkbeteiligungen rechtlich unproblematisch sind. Die Annahme, die Medienbeteiligungen der Parteien aufgrund ihres verfassungsrechtlichen Auftrags auszuweiten, liegt daher nicht fern.276 Dennoch hält es das Bundesverfassungsgericht vor dem Hintergrund des Gebots der Staatsferne des Rundfunks für geboten, den Parteien einen bestimmenden Einfluss auf die Programmgestaltung oder Programminhalte eines Rundfunkunternehmens zum Schutze der Freiheit der öffentlichen und privaten Meinungsbildung zu versagen.277 Denn diese
272 Häberle, JZ 1977, 361 (366), für die Öffentlichkeitsarbeit und die Integrität des freien Willensbildungsprozesses. 273 BVerfGE 121, 30 (52); dazu auch Koreng, AfP 2009, 117 (118). 274 BVerfGE 12, 205 (262). 275 BVerfGE 121, 30 (53). Diese Einbeziehung wird noch näher zu untersuchen sein. Siehe dazu das Kapitel 5. 276 v. Coelln, in: Verfassungsrechtsprechung, S. 858; Kepplinger, in: Hill, Staatskultur im Wandel. 277 BVerfGE 121, 30 (61 ff.).
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3. Kap.: Das Parlament als Rundfunkveranstalter
Freiheit hat hohes Gewicht und ist für das demokratische Gemeinwesen schlechthin konstitutiv.278 Eine Gegenüberstellung der Rechte von Parteien und Bundestag im Hinblick auf die Mitwirkung am öffentlichen Meinungsbildungsprozess kann eine staatliche Rundfunkveranstaltung erst recht nicht rechtfertigen. Zum einen ist der Bundestag im Gegensatz zu den Parteien dem staatlichen Bereich zuzuordnen, sodass nicht nur von der Gefahr „staatsnaher Einflussnahme auf die inhaltliche Programmgestaltung“ gesprochen werden kann, sondern sogar von der Gefahr staatlicher Einflussnahme.279 Zum anderen steht beim Parlamentsfernsehen nicht nur eine Beteiligung des Staates an einem staatsunabhängigen Rundfunkunternehmen zur Debatte, sondern die Zulassung eines Staatsorgans als Rundfunkveranstalter. Die Möglichkeiten, auf die Programmgestaltung Einfluss zu nehmen, sind mithin bereits nicht vergleichbar. Ist mit dem Gebot der Staatsferne schon nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die bestimmende Einflussnahme eines staatsnahen Unternehmensbeteiligten unvereinbar, so muss dies erst recht für einen staatlichen Rundfunkveranstalter, dem die Programmgestaltung obliegt, gelten. Die Betätigung des Staates – und das gilt sowohl für den Bund als auch die Länder – ist im Programmbereich ausgeschlossen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass das Parlament als Kollegial- und Selbstverwaltungsorgan, die pluralistische Gesellschaft abbildet und die Gewähr dafür bietet, die in der Bevölkerung vertretenen Ansichten zu repräsentieren.280 Dieser Unterschied der Funktion des Parlaments gegenüber der Regierung ist vor dem Gebot der Staatsferne irrelevant. Es will jeglichen Einfluss des Staates im Programmbereich verhindern. Damit kann es nicht darauf ankommen, ob das Parlament Ausdruck einer pluralistischen Gesellschaft ist, denn es übt Staatsgewalt281 aus und ist damit Adressat des Gebots der Staatsferne des Rundfunks.282 278 BVerfGE
121, 30 (63). 121, 30 (63). 280 So aber Kolbe, Gutachten f. Bundestag, S. 3 ff.; Marschall, ZParl 1997, 229 (287); Mayntz, Volksvertretung, S. 489. 281 Scholz, in: FS 50 Jahre BVerfG II, S. 672. 282 So auch Goerlich/Laier, ZUM 2008, 475 (481 ff.); Bumke, in: Hahn/Vesting, Rundfunkrecht, § 20a RStV, Rn. 27; Jarass, Die Freiheit der Massenmedien, S. 198 ff., 215 ff.; Marschall, ZParl 1997, 279 (288); Hadamik, Gutachten f. Bundestag, S. 5; Jensen, Öffentlichkeitsarbeit, S. 92 f.; Quaritsch, in: Selbstdarstellung des Staates, S. 6; Ladeur, DÖV 2002, 1 (4), für die Massenmedien im Allgemeinen; a. A. Gersdorf, Parlamentsfernsehen, S. 35 ff.; Kretschmer, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, Art. 42 Rn. 7, 22 f.; Binder, DVBl. 1985, 1112 (1116); Schürmann, NJW 1992, 1072 (1075); ders., AfP 1993, 435 (442 ff.); ders., Öffentlichkeitsarbeit, S. 326 ff.; Mayntz, Zwischen Volk und Volksvertretung, S. 86 f.; Bilstein, 279 BVerfGE
C. Resümee197
Der Ausschluss eines eigenen Parlamentskanals hat allerdings nicht zur Folge, dass der Bundestag und seine Arbeit völlig aus dem Rundfunkangebot verschwinden. Dem Bundestag verbleibt die Möglichkeit, in Koopera tion mit den Rundfunkanstalten der Länder und des Bundes sowie privaten Rundfunkveranstaltern zu agieren. dd) Zwischenresümee Zusammenfassend kann daher konstatiert werden, dass die dem Bundestag zustehenden Rechte, auf den Meinungsbildungsprozess einzuwirken, es nicht vermögen, ein staatliches Fernsehprogramm zu etablieren, sei es auch nur in Form von Direktübertragungen. Denn damit würde einem Staatsorgan – entsprechendes gilt für andere Staatsorgane – die Programmgestaltung obliegen. Dieser Bereich ist jedoch als absolut zu schützender Kern nach dem Gebot der Staatsferne des Rundfunks von jeglichem Einfluss des Staates frei zu halten.
C. Resümee Der Veranstaltung eines Parlamentsfernsehens durch den Bundestag fehlt es damit nicht nur an einer Bundeskompetenz. Ein solches Rundfunkangebot würde auch gegen das Neutralitätsgebot – soweit es sich um ein umfassend redaktionell gestaltetes Programm handelt – und im Übrigen gegen das Gebot der Staatsferne des Rundfunks verstoßen. Das Parlamentsfernsehen stellt mithin keine zulässige Form der Öffentlichkeitsarbeit des Parlaments, sondern vielmehr eine unzulässige Rundfunkveranstaltung dar und ist daher mit dem Grundgesetz unvereinbar.
Rundfunksendezeiten, S. 146 f.; Kolbe, Gutachten f. Bundestag, S. 6 f.; Magiera, DVBl. 2009, 1102.
4. Kapitel
Die Angebote der Bundesregierung im Internet Die Bundesregierung tritt nicht mehr nur mit Informationsbroschüren, Anzeigen in Zeitungen und Zeitschriften oder Informationstagen an den Bürger heran, um über ihre Arbeit zu informieren. Dem Bürger wird zu diesem Zweck auch eine Fülle von Informationen über das Internet zur Verfügung gestellt. Bei diesen handelt es sich jedoch nicht nur um Texte oder Bilder, sondern auch um Video- und Audiobeiträge die zum Teil auch über YouTube abrufbar sind. Daneben wird auf der Kommunikationsplattform Twitter über die Arbeit der Bundesregierung informiert. Die Möglichkeiten der Regierung über das Internet an den Bürger heranzutreten sind vielfältiger geworden und ihre Einordnung in die bekannten Kategorien der Medien fällt nicht immer leicht. Da die Bundesregierung in diesem öffentlichen Kommunikationsraum agiert, wirft dies – unabhängig von einem möglichen Zugewinn an Transparenz – verfassungsrechtliche Fragen auf, wobei die Ausführungen gleichermaßen für alle Staatsorgane gelten können.
A. Die Bundesregierung als Adressatin des Gebots der Staatsferne des Rundfunks Die Bundesregierung als Teil der Exekutive wird in Schrifttum und Rechtsprechung weitestgehend unbestritten als Adressatin des Gebots der Staatsferne des Rundfunks erachtet.1 Ebenso ist die den einzelnen Ministern unterstellte hierarchisch gegliederte Verwaltung erfasst. Sie sind zur Ausübung staatlicher Macht berufen und unterliegen daher dem Gebot.2
1 BVerfGE 57, 295 (333 f.); 73, 118 (182); 83, 238 (310, 323); 90, 60 (89); BVerfG, Urt. v. 25.3.2014 – 1 BvF 1/11, Rn. 59; Scheel, Zur Staatsfreiheit des Rundfunks, S. 39; Gersdorf, Staatsfreiheit, S. 104; Ricker, Privatrundfunk-Gesetze, S. 34 ff.; Jarass, Staatsfreiheit, S. 40; Degenhart, NVwZ 2010, 877 (879); Fechner, NJW 1997, 3211 (3215). 2 Gersdorf, Staatsfreiheit, S. 104.
B. Die Vereinbarkeit der Angebote mit dem Gebot der Staatsferne199
B. Die Vereinbarkeit der Angebote mit dem Gebot der Staatsferne Ist die Einordnung der Bundesregierung als Adressatin unproblematisch festzuhalten, können die über das Internet verbreiteten Angebote nicht ohne Weiteres als Rundfunkangebote im Sinne des Grundgesetzes eingeordnet werden. Daneben sind auch die Strukturen dieses Marktes nicht in allen Belangen mit dem klassischen Rundfunkmarkt vergleichbar, sodass die Übertragung des Gebots, so wie es im klassischen Sinne verstanden wird, rechtfertigungsbedürftig ist. Aus diesem Grund soll zunächst auf die Rundfunkqualität der verschiedenen Angebote eingegangen und sodann die Umsetzbarkeit des Gebots der Staatsferne des Rundfunks im Internet geprüft werden.
I. Art und Umfang der Angebote im Internet Die Darstellung des Umfangs der Internetangebote der Regierung soll auf solche beschränkt werden, die im Zusammenhang mit dem Rundfunkbegriff und dem Gebot der Staatsferne des Rundfunks relevant sind. Ziel ist, nicht einzelne konkrete Angebote auf deren Rundfunkqualität zu untersuchen, sondern diese übergeordneten Gruppen zuzuordnen, um eine gewisse Allgemeingültigkeit zu erreichen, die jedoch aufgrund der rasanten technischen Entwicklung auch nur eine Momentaufnahme darstellen kann. Dabei kann zunächst festgehalten werden, dass das Internet selbst nicht in seiner Gesamtheit die Merkmale des Rundfunkbegriffs erfüllen kann. Das Internet ist kein Medium, sondern lediglich ein Verbreitungsweg für verschiedene Medien.3 Es kann auch als Infrastruktur bezeichnet werden.4 Es stellt eine Plattform für Angebote dar, die in den Schutzbereich der Kommunikationsfreiheiten des Art. 5 GG fallen. Als solche können sie die Merkmale des Rundfunks und Presse verwirklichen, aber auch als Meinung fungieren.5 Die Bundesregierung stellt auf ihrer Website der Öffentlichkeit Podbzw. Vodcasts zur Verfügung. Es handelt sich dabei um Audio- oder Video dateien, zum Beispiel Videobotschaften der Kanzlerin oder Pressekonferen3 Stern, Das Staatsrecht der BRD IV/1, § 110 II 3 g) α; Degenhart, CR 2011, 231 (234). Ähnlich Klaes, ZUM 2009, 135 (137 f.). 4 Möllers, AfP 2008, 241 (247); Jäkel, AfP 2012, 224 (225). 5 A. A. Kunisch, Rundfunk im Internet, S. 38 ff., der das Internet weitgehend dem verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriff unterwirft, sowie Bethge, in: Sachs, GG, Art. 5 Rn. 90 und Stern, Das Staatsrecht der BRD IV/1, § 110 II 3 g) β, die das Internet gänzlich als Rundfunk einordnen.
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zen6, die nachträglich abrufbar sind. Diese Beiträge können vom Benutzer kostenlos und individuell genutzt werden, das heißt nicht nur der Zeitpunkt, sondern auch die Art und Weise des Abrufs können von ihm bestimmt werden.7 Letztere Möglichkeit betrifft nicht nur das Endgerät, über welches das Angebot abgerufen wird wie zum Beispiel Handy, Smartphone, Tablet PC, Hybrid-Fernseher oder MP3-Player. Der Nutzer kann auch innerhalb des Beitrags „hin- und herspringen“, ist damit nicht auf eine vom Veranstalter veranlasste Reihenfolge festgelegt. Davon ist das Near-Video-/Audio-on-Demand abzugrenzen. Letztere bieten nicht den beschriebenen umfangreichen individuellen Zugriff auf den Anfang und den Verlauf des Angebots, sondern werden in kürzeren Zeitabständen wiederholt gestartet. Der Nutzer ist damit gezwungen, auf den ihn interessierenden Programmteil zu warten.8 Werden laufende terrestrische bzw. über Kabel verbreitete Programme zeitgleich auch oder nur ausschließlich im Internet angeboten, so spricht man von einem „Livestream“.9 Interessantestes Beispiel dürfte in diesem Zusammenhang die Übertragung des Online-Bürgerdialogs mit der Bundeskanzlerin in Erfurt, Heidelberg und Bielefeld sein, die auch über den Internetauftritt der Bundeskanzlerin live verfolgt werden konnten.10 Des Weiteren betreiben sowohl die Bundesregierung als auch die einzelnen Bundesministerien einen YouTube-Kanal. Das Videoportal ermöglicht es den Nutzern, eine eigene individuell gestaltete Website zu erstellen. Neben den individuellen Texten des Betreibers können auf diesem Kanal Videos für die öffentliche Nutzung bereitgestellt werden. Es handelt sich bei diesen Beiträgen um Videos-on-Demand. Ebenso wird die Kommunikationsplattform Twitter von der Bundesregierung genutzt. Der derzeitige Sprecher der Bundesregierung und Chef des Bundespresseamtes, Steffen Seibert, sendet über den „Microblogging-“ oder „Micromessaging-Dienst“ Informationen in Echtzeit an die Öffentlichkeit. Twitter ist zunächst einmal lediglich eine Plattform, auf der angemeldete Nutzer Kurznachrichten, sogenannte Tweets, mit maximal 140 Zeichen ver6 Beispielsweise „Die Kanzlerin direkt“, „Die Woche der Kanzlerin“ oder „3 Fragen, 3 Antworten“, abrufbar unter: http://www.bundesregierung.de/Webs/Breg/ DE/Mediathek/mediathek_node.html. 7 Amlung/Fisch, ZUM 2009, 442 (444); Müller, in: Handbuch Multimedia-Recht, 7.5, Rn. 60. 8 Vgl. Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, Teil B Rn. 62; Eberle, ZUM 1994, 530 (531). 9 Holznagel/Nolden, in: Handbuch Multimedia-Recht, 5, Rn. 10; Betzinger/Müller, NVwZ 2010, 1131. 10 Der Dialog ist abrufbar unter: https://www.dialog-ueber-deutschland.de/DE/00Homepage/homepage_node.html.
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öffentlichen können.11 Mittlerweile werden aber auch eine Vielzahl von weiteren Funktionen wie das Hochladen von Bildern, das Verlinken von Inhalten oder die Analyse von Twitter-Aktivitäten angeboten.12 Die Tweets der Bundesregierung sind über die von Twitter zur Verfügung gestellte Plattform abzurufen, daneben erscheinen die Meldungen auch auf der Website der Bundesregierung. Damit ist es zwar nur angemeldeten Twitter-Benutzern möglich, auf die Tweets der Bundesregierung zu reagieren; die nicht registrierten Interessierten können die Tweets jedoch zumindest über die Homepage einsehen. Damit werden letztlich die dort publizierten Informationen einer großen Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Betrachtet man nun diese Formen der staatlichen Nutzung von Kommunikationsmitteln und der Teilnahme an gesellschaftlichen Kommunikationsprozessen, hat der Staat innerhalb des gesellschaftlichen Kommunikationsraums eine Position, die einem privaten Nutzer gleich kommt. Die Bundesregierung nutzt alle auch nur im Internet zur Verfügung stehenden Mittel und Wege, um über ihre Arbeit zu informieren, sich mithin darzustellen. Die Klärung der Frage, ob sie tatsächlich gleich einem Privaten in diesem Raum agieren kann, erfordert zunächst eine verfassungsrechtliche Einordnung der beschriebenen Angebote.
II. Einordnung der Angebote als Rundfunk Die Online-Aktivitäten bzw. die Internetpräsenz der Bundesregierung stehen mit dem Gebot der Staatsferne nur dann in Konflikt, wenn sie auch die Merkmale des Rundfunkbegriffs erfüllen, wobei zum Teil auf die obigen Ausführungen zum verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriff zurückgegriffen werden kann. Den Ausführungen muss jedoch die Frage der Notwendigkeit einer sogenannten „Internetdienstefreiheit“, die neben die herkömmlichen Kommunikationsfreiheiten treten und den Schutz nahezu aller Angebote des Internets bezwecken soll, vorangestellt werden. Die Notwendigkeit einer solchen Innovation wird insbesondere von Holznagel befürwortet13 und würde 11 Krieg,
K&R 2010, 73; Hientzsch, DÖV 2010, 357. K&R 2010, 73 (74) auch mit Ausführungen zu den rechtlichen „Stolperfallen“ bei der Anwendung von Twitter. 13 Holznagel, MMR 2011, 1 (2); ders., AfP 2011, 532 (534 f.); ders./Schumacher, ZRP 2011, 74 (77); dies., in: Kloepfer, Netzneutralität, S. 58 ff.; ähnlich schon Mecklenburg, ZUM 1997, 525, der von einer Internetfreiheit spricht und zum Teil auch Aspekte dem Schutzbereich zuordnet, die nunmehr vom Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme erfasst sind. Davon zu unterscheiden ist die Internetzugangsfreiheit, die für alle Bürger einen Breitbandinternetzugang gewährleisten soll, siehe dazu Baer, Blätter für deutsche und internationale Politik 2011, 90 (95 ff.). 12 Krieg,
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4. Kap.: Die Angebote der Bundesregierung im Internet
die Frage aufwerfen, ob und gegebenenfalls wie das Gebot der Staatsferne des Rundfunks auf eine spezielle Internetfreiheit zu übertragen ist. 1. Notwendigkeit einer Internetdienstefreiheit? Die von Holznagel und Schumacher vorgeschlagene Innovation der Kommunikationsfreiheiten des Art. 5 GG sieht eine eigenständige Internetdienstefreiheit vor, die speziell auf die Besonderheiten der „many-to-many“ Kommunikation im Internet reagieren könne.14 Der Schutzbereich erfasse Kommunikationsinhalte, die an einen unbestimmten Personenkreis verbreitet werden. Dabei unterscheide sich der Schutzbereich der Internetdienstevon der Pressefreiheit durch die Verkörperung der Kommunikationsinhalte. Solche würden weiterhin unter den Schutzbereich der Pressefreiheit fallen. Es bleibe damit bei der bewährten Abgrenzung. Entsprechend dem internationalen und einfachrechtlichen nationalen Rundfunkrecht sei für die Abgrenzung zum Rundfunkbegriff auf die Unterscheidung zwischen linearen und nicht linearen Angeboten abzustellen. Allein die nicht linearen Dienste seien von der Rundfunkfreiheit geschützt. Im Übrigen sei die Internetdienstefreiheit einschlägig.15 Art. 5 GG sei daher im Ergebnis als allgemeine Medienfreiheit zu verstehen.16 Dass die Verfassung der Bildung neuer „unbenannter“ Grundrechte nicht entgegensteht, hat in jüngerer Zeit das Bundesverfassungsgericht bewiesen. Das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme, welches das Gericht in der Entscheidung zur Online-Durchsuchung entwickelt hat, wird als neue Interpretation des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG abgeleitet.17 Dennoch hat diese Entscheidung im Hinblick auf die Notwendigkeit einer solchen Entwicklung in der Literatur nicht nur Zustimmung erfahren.18 Gerade der Vorwurf, dass auch eine weite Interpretation des Schutzbereichs des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung ausreichend gewesen wäre, kann nicht leicht von der Hand gewiesen werden.19 Ebenso stellt sich auch bei einer Internetdienstefreiheit die Frage, ob nicht der durch Art. 5 GG gewährleistete Schutz von Rundfunk, Film und Presse für die Angebote im Internet ausreichend oder im Falle der Vernei14 Holznagel/Schumacher,
in: Kloepfer, Netzneutralität, S. 58. in: Kloepfer, Netzneutralität, S. 59. 16 Holznagel/Schumacher, in: Kloepfer, Netzneutralität, S. 58. 17 BVerfGE 120, 274 (302). 18 U. a. Eifert, NVwZ 2008, 521 f.; Sachs/Krings, JuS 2008, 481 (483 ff.); Herrmann, Das Grundrecht, S. 55 Fn. 137 m. w. N. 19 Eifert, NVwZ 2008, 521 f. 15 Holznagel/Schumacher,
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nung auf das Auffanggrundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG zurückzugreifen ist. Die Entwicklung des Art. 5 GG hin zu einer Medienfreiheit, die auch die Internetdienstefreiheit umfasst, trägt der fortschreitenden Konvergenz der Medien Rechnung. Die Differenzierung zwischen Rundfunk, Presse und Film fällt zunehmend schwerer, da die Grenzen zwischen diesen Medien – so, wie sie die Verfassungsgeber vorgefunden haben – heute zunehmend verschwimmen. Gerade das Internet hat zu dieser Entwicklung beigetragen.20 Diese Probleme hat die Rechtsprechung jedoch schon früh insbesondere hinsichtlich der Interpretation des Rundfunkbegriffs erkannt und seitdem stets betont, dass sich ein allgemeingültiges Verständnis für den Rundfunkbegriff verbiete. Vielmehr sei dieser entwicklungsoffen:21 „Soll die Rundfunkfreiheit in einer sich wandelnden Zukunft ihre normierende Wirkung bewahren, dann kann es nicht angehen, nur an eine ältere Technik anzuknüpfen, den Schutz des Grundrechts auf diejenigen Sachverhalte zu beschränken, auf welche diese Technik bezogen ist, und auf diese Weise die Gewährleistung in Bereichen obsolet zu machen, in denen sie ihre Funktion auch angesichts der neuen technischen Möglichkeiten durchaus erfüllen könnte. Zur Gewährleistung freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung bedarf es vielmehr der […] Schutzwirkungen des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG auch bei den ‚rundfunkähnlichen Kommunikationsdiensten‘. Deren Einbeziehung in den Schutzbereich der Gewährleistung erscheint daher geboten […].“22
Eine enge Interpretation des Rundfunkbegriffs mit der Folge der Ausgliederung nicht linearer Angebote dürfte daher nicht notwendig sein.23 Zudem spricht auch nicht die Konsequenz einer stärkeren Regulierung gegen die Zuordnung der Angebote zum Rundfunkbegriff. Denn es ist einerseits nicht auszuschließen, dass die Regulierung der Meinungsmacht auch für das Internet erforderlich sein wird, etwa für Suchmaschinen.24 Andererseits besteht aber auch die Möglichkeit, auf der Schrankenebene auf eine entsprechend geringere Gefährdung zu reagieren.25 20 Hain, K&R 2012, 98 f.; ders., K&R 2006, 325 (326 f.); Ory, AfP 2011, 19 (22); Degenhart, in: BK, Art. 5 I, II Rn. 647; Härting, K&R 2012, 264 f.; Jäkel, AfP 2012, 224. 21 BVerfGE 74, 297 (350). 22 BVerfGE 74, 297 (350 f.); 83, 238 (302 f.). 23 So auch Hain, Telemedienangebote, S. 35; ders., K&R 2012, 98 (101); Brand, Rundfunk, S. 234 ff.; Degenhart, CR 2011, 231 (235 f.); ders., in: HGR IV, § 105 Rn. 31; Determann, Kommunikationsfreiheit im Internet, S. 448; Holznagel, MMR 2011, 1 f.; Neuhoff, ZUM 2012, 371 (376); a. A. Wellenreuther, Presseähnliche Telemedien, S. 69 ff., der eine Internetfreiheit ablehnt und eine „Freiheit sui generis“ begründet. 24 Hain, K&R 2012, 98 (101). A. A. Holznagel/Schumacher, in: Kloepfer, Netzneutralität, S. 58; Möllers, AfP 2008, 241 (249). 25 Hain, K&R 2012, 98 (103).
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Liegen die Merkmale des Rundfunkbegriffs nicht vor, so kann auf die anderen Freiheiten des Art. 5 GG zurückgegriffen werden, wobei sich für die Pressefreiheit durch ihre Beschränkung auf verkörperte Druckerzeugnisse bzw. deren funktionelle Surrogate26 sowie für die Meinungsfreiheit, die sich auf den Schutz der Individualkommunikation erstreckt,27 Grenzen ergeben.28 Schließlich ist aber zu bedenken, dass Art. 2 Abs. 1 GG als Auffanggrundrecht ein weiter Schutzbereich zukommt, der bestehende Lücken zu schließen vermag.29 Die Notwendigkeit einer speziellen Internetdienstefreiheit, die Angebote im Internet aus den Kommunikationsfreiheiten des Art. 5 GG ausgliedert, vermag daher nicht zu überzeugen. Es ist vielmehr auf die bestehenden Kommunikationsfreiheiten zurückzugreifen, wobei beim Rundfunkbegriff dessen Entwicklungsoffenheit zu berücksichtigen ist. Daneben sollte aber auch eine erweiternde, entwicklungsoffene Interpretation des Schutzbereichs der Pressefreiheit in Betracht gezogen werden.30 2. Einordnung von Vod- und Podcasts Die Vod- und Podcasts der Bundesregierung weisen Parallelen zu Fernsehen und Hörfunk auf. Die aus Wort-, Bild- und Tonbeiträgen bestehenden Angebote sind an die Allgemeinheit gerichtet und werden fernmeldetechnisch verbreitet. Insoweit bestehen keine Zweifel an der Verwirklichung dieser beiden Merkmale des Rundfunkbegriffs.31 Das Vorliegen der Merkmale des verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriffs im Übrigen bereitet jedoch Schwierigkeiten und ist im Schrifttum in großem Maße umstritten. Mithin ist eine differenzierende Darstellung für das Video-on-Demand sowie 26 Degenhart, in: BK, Art. 5 I, II Rn. 375, 377; a. A. Möllers, AfP 2008, 241 (243 f.) und Jäkel, AfP 2012, 224 (226, 228), die die Anknüpfung an die stoffliche Fixierung für überholt halten und daher die Online-Aktivitäten von Zeitungen dem Schutzbereich der Pressefreiheit zuordnen. Zweifel an der Orientierung an der Verkörperung äußert auch Kube, in: HStR IV, § 91 Rn. 20 f. 27 Degenhart, in: BK, Art. 5 I, II Rn. 100. 28 Brand, Rundfunk, S. 236; Ladeur, ZUM 1997, 372 (383); Kube, in: HStR IV, § 91 Rn. 12, 14; a. A. Degenhart, in: BK, Art. 5 I, II Rn. 698 sowie Determann, Kommunikationsfreiheit im Internet, S. 455, die zum Schutz von Informationen im Internet generell die Meinungsfreiheit des Art. 5 I 1 GG heranziehen möchten. 29 Murswiek, in: Sachs, GG, Art. 2 Rn. 42 ff.; Stern, Das Staatsrecht der BRD IV/1, § 110 II 3 i). 30 Siehe dazu Bullinger, AfP 1996, 1 (3); Waldenberger/Hoß, AfP 2000, 237; Michel, ZUM 1998, 350 (353); Jensen, Öffentlichkeitsarbeit, S. 154 f.; Jäkel, AfP 2012, 224 (226, 228); Fiedler, AfP 2011, 15 (16 f.). 31 Siehe Brand, Rundfunk, S. 173, 182 f.; Michel, ZUM 1998, 350 (353 f.); Klaes, ZUM 2009, 135 (137, 140 f.).
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Livestreaming notwendig. Die gefundenen Ergebnisse können sodann auf die Angebote der Bundesregierung übertragen werden. a) Video-on-Demand Kennzeichnend für das Video-on-Demand ist die Freiheit des Nutzers, den Zeitpunkt und die Reihenfolge der Ausstrahlung des Angebots zu bestimmen. Ihm steht es frei, zwischen den verschiedenen Angeboten zu wählen und sie in einer beliebigen Reihenfolge zu einer von ihm gewählten Zeit anzuschauen. Zudem ist er nicht daran gehindert, einen Beitrag abzubrechen und unmittelbar einen nächsten auszuwählen. Auch ein „Hin- und Herspringen“ innerhalb des Videos ist oft möglich. Gegenüber dem Fernsehen und Hörfunk ist der Rezipient daher zumindest nicht auf eine vergleichbare Passivität gegenüber dem Programmangebot beschränkt.32 Aufgrund dieser fehlenden Passivität des Rezipienten wird schon der massenkommunikative Charakter des Video-on-Demand bezweifelt. Ein Medium dürfe nicht als „öffentliches Forum der Meinungsbildung benutzt“33 werden, sondern müsse einseitig die öffentliche Meinungsbildung beeinflussen. Andernfalls liege lediglich Individualkommunikation vor.34 Umstritten ist daneben, ob das Video-on-Demand die Eignung zur massenmedialen Wirkung aufweisen kann.35 aa) Abgrenzung Individual- oder Massenkommunikation Die Abgrenzung zwischen Individual- und Massenkommunikation kann sich nicht auf eine rechtswissenschaftliche Definition stützen,36 beschreiben beide Begriffe doch letztlich kommunikationswissenschaftlich analysierte Prozesse. Aus diesem Grund wird weithin auf die grundlegende Definition der Massenkommunikation von Maletzke zurückgegriffen.37 Dieser bezeichnet Massenkommunikation als „jene Form der Kommunikation, bei der Aussagen öffentlich (also ohne begrenzte oder personell definierte Empfängerschaft) durch technische Verbreitungsmittel (Medien) indirekt (also bei räumlicher, zeitlicher oder raumzeitlicher Distanz zwischen den Kommunikations32 Möllers,
AfP 2008, 241 (249). ZUM 1995, 82 (89). 34 Pieper/Wiechmann, ZUM 1995, 82 (89); Schulz, ZUM 1996, 487 (489). 35 Zweifel äußern insbesondere Degenhart, ZUM 1998, 333 (341 ff.); ders., in: BK, Art. 5 I, II Rn. 695; Ring, ZUM 1998, 358 (359). 36 Siehe aber die Versuche bei Jarass, Die Freiheit der Massenmedien, S. 29 ff.; Rossen, Freie Meinungsbildung durch den Rundfunk, S. 41 ff. 37 Maletzke, Psychologie der Massenkommunikation. 33 Pieper/Wiechmann,
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4. Kap.: Die Angebote der Bundesregierung im Internet
partnern) und einseitig (also ohne Rollenwechsel zwischen Aussagendem und Aufnehmenden) an ein disperses Publikum […] vermittelt werden“.38 Im Zentrum steht – in Bezug auf das Video-on-Demand – die angesprochene Einseitigkeit des Informationsflusses.39 (1) Schrifttum Einige setzen für das Vorliegen von Massenkommunikation den Ausschluss der Möglichkeit eines „doppelten Rollenwechsels zwischen Aussagendem und Aufnehmenden“ voraus.40 Massenkommunikation könne nur dann angenommen werden, wenn die Kommunikation nicht durch „Rede und Gegenrede ausgehandelt werden“ könne.41 Massenkommunikation verlaufe stets einseitig. Immer seien die Beteiligten durch ein technisches Mittel verbunden, welches so konstruiert sei, dass die Aussagen nur in eine Richtung vermittelt werden könnten. Die den Beteiligten zukommenden Rollen seien durch das Medium bereits im Vorfeld festgelegt.42 Individualkommunikation zeichne sich hingegen gerade dadurch aus, dass die beiden beteiligten Kommunikatoren zu Inhaltsschaffenden werden könnten. Damit liege kein massenkommunikatives Angebot vor, wenn sich eine Interaktion, zum Beispiel ein Diskussionsprozess, zwischen Veranstalter und Rezipient entfalten könne.43 Diese Interaktionsmöglichkeit wird beim Video-on-Demand darin erblickt, dass der Rezipient über denselben Verbreitungsweg eine Rückmeldung an den Veranstalter senden kann, insbesondere mittels E-Mail, die sodann auch gleich beantwortet werden könne. Der Rezipient wähle daher nicht nur ein Programm aus, im Sinne von Ein- und Ausschalten oder Wechseln, sondern beteilige sich aktiv an der Kommunikation.44 Beim herkömmlichen Rundfunk hingegen sei dies nicht möglich, da dem Nutzer ein Beitrag offeriert werde, welchen er unter einseitig durch den Kommunikator gesetzte Bedingungen nutzen könne. Er habe aber nicht die Möglichkeit, das Programm zu kommentieren, zu kritisieren oder zu gestalten.45 38 Maletzke,
Psychologie der Massenkommunikation, S. 32. ZUM 1996, 487 (489); Pieper/Wiechmann, ZUM 1996, 82 (89); ähnlich Ricker, NJW 1997, 3199 (3201); Koreng, AfP 2009, 117 (120); Lent, Rundfunk-, Medien-, Teledienste, S. 116 ff. m. w. N. 40 Held, Online-Angebote, S. 61; Schulz, ZUM 1996, 487 (489). 41 Held, Online-Angebote, S. 61; Schulz, ZUM 1996, 487 (489). 42 Maletzke, Psychologie der Massenkommunikation, S. 24. 43 Brand, Rundfunk, S. 105 f.; Schulz, ZUM 1996, 487 (489). 44 Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, Teil B Rn. 71 f. 45 Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, Teil B Rn. 71 f. 39 Schulz,
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(2) Stellungnahme Allein die Möglichkeit, auf ein Angebot reagieren zu können, macht es jedoch noch nicht zur Individualkommunikation.46 Zum einen ermöglicht auch das herkömmliche Fernsehen, auf das Angebot des Veranstalters reagieren zu können, sei es mittels Brief oder E-Mail. Daneben kann der Rezipient aufgrund der technischen Neuerungen beispielsweise durch das Hybrid-Fernsehen das Geschehen auf dem Bildschirm kommentieren. Zwar scheint der Stand der Technik bisher nur den einfachen Weg der E-Mail-Kommunikation zu ermöglichen. Die ARD hat jedoch nunmehr begonnen, die Möglichkeiten des herkömmlichen Rundfunks mit denen des Internets zu verknüpfen. So wurde in der Episode „Der Wald steht schwarz und schweiget“ des „Tatorts“ am 13. Mai 2012 erstmals die Frage nach dem Mörder nicht beantwortet. Die Suche wurde vielmehr den Zuschauern überlassen, die mit Hilfe von Vernehmungsprotokollen und Berichten der Spurensicherung, auf die online zugegriffen werden konnte, den Mörder ermitteln sollten. Hilfe konnte auch über facebook und Twitter gesucht werden. Im Anschluss an die Tätersuche konnte dessen Geständnis im Internet als Videodatei abgerufen werden.47 Die ARD hat bereits angekündigt, die Teilnahme der Rezipienten an dieser Aktion analysieren zu wollen, um weitere Cross-Media-Projekte initiieren zu können.48 Aus diesem Grund kann auch nicht davon die Rede sein, dass ein Massenmedium gerade die Einseitigkeit des Informationsflusses ausmacht. Eine Rückkoppelung stellt zum Beispiel auch die Einschaltquote oder eine Mitteilung an die Redaktion dar.49 Bezogen auf das Angebot des „Tatort+“ zeigt die Resonanz der Zuschauer und deren Frequentierung eines solchen neuen Angebots, ob eine solche Programmgestaltung gewünscht oder zukünftig nicht weiter zu verfolgen ist. Formen der Interaktion finden sich mithin auch beim klassischen Rundfunk. Es ist daher eine gewisse Flexibilisierung des Begriffs der Einseitigkeit in dem Sinne vorzunehmen, dass nur eine echte gleichberechtigte Rollenverteilung zwischen den Beteiligten die Merkmale der Individualkommunikation begründen,50 das heißt, dass der Informationsempfänger auch die Rolle des Informierenden einnehmen kann.51 46 Stern,
Das Staatsrecht der BRD IV/1, § 110 II 3 g) γ. zum sog. „Tatort+“, an dem sich über 100.000 Zuschauer beteiligten, den Beitrag auf der Homepage der ARD http://www.daserste.de/unterhaltung/krimi/ tatort/specials/tatort-plus-100.html. 48 http://www.daserste.de/unterhaltung/krimi/tatort/specials/tatort-plus-100.html. 49 Brand, Rundfunk, S. 106 f. 50 So auch Brand, Rundfunk, S. 108. 51 Pieper/Wiechmann, ZUM 1995, 82 (89); Rossen, Freie Meinungsbildung durch den Rundfunk, S. 60. 47 Siehe
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4. Kap.: Die Angebote der Bundesregierung im Internet
Zwar ist zu konstatieren, dass die Rezeptionsoptionen in zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht weiter sind als beim Fernsehen oder Hörfunk, indem der Nutzer selbst über Beginn und Ende des Angebots und auch eventuell den Verlauf der Sendung bestimmen kann. Diese Optionen gehen jedoch nicht soweit, dass der Rezipient über das insgesamt zur Verfügung gestellte Angebot bestimmen kann. Ihm werden – gleich dem herkömmlichen Rundfunk – „vorabfabrizierte“ Inhalte zur Verfügung gestellt, aus denen er sodann auswählen kann. Ein Rollentausch, wie er zum Beispiel bei der EMail-Kommunikation möglich ist, indem A auf das Gesagte von B reagieren kann und B auf das von A und so jedem Einfluss auf den Inhalt der Kommunikation zukommt, kann allerdings nicht stattfinden.52 Für das Video-onDemand ist daher zunächst festzuhalten, dass es sich nicht um Individual-, sondern um Massenkommunikation handelt. bb) Die massenmediale Wirkung des Rundfunks Im Folgenden ist die für eine mögliche Geltung des Gebots der Staatsferne notwendige Einordnung des Video-on-Demand als Rundfunk vorzunehmen. Den dort gefundenen Ergebnissen kann jedoch nicht mehr als der Charakter einer Momentaufnahme zukommen, wenn man die fortschreitenden Entwicklungen der Angebote im klassischen Rundfunk und im Internet im Hinblick auf die Meinungsbildungsrelevanz berücksichtigt. Schwierigkeiten bereitet die Einordnung jedoch nicht nur aus Gründen fehlender empirischer Daten, die die Meinungsbildungsrelevanz der Medien stets bestimmen könnten, sondern auch aus Gründen, die rechtswissenschaftlicher Natur sind. Unklar ist vor allem, ob einem Video-on-Demand die Eignung zur Meinungsrelevanz gleichsam einem herkömmlichen Rundfunkprogramm zukommen kann oder diese aufgrund der zumindest formal bestehenden Unterschiede hinsichtlich der bereits angesprochenen Rezeptionsoptionen zu verneinen ist. Letztere Annahme würde einen sehr engen verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriff zugrunde legen, was unter Umständen mit der vom Bundesverfassungsgericht propagierten Offenheit des Rundfunkbegriffs kollidieren könnte. Dementsprechend ist zunächst zu klären, ob sich bereits aus der dynamischen Offenheit des Rundfunkbegriffs die Einordnung des Video-on-Demands als Rundfunk ergibt, womit die Frage nach der Notwendigkeit der rundfunkspezifischen Wirkung dahinstehen könnte. Sollte dies nicht der Fall sein, stellen sich die genannten Probleme mit Blick auf die massenmediale Wirkung des Rundfunks. 52 Schulz, ZUM 1996, 487 (492); Pieper/Wiechmann, ZUM 1998, 82 (85); Michel, ZUM 1998, 350 (351); Hoffmann-Riem/Vesting, MP 1994, 382 (387); a. A. insbesondere Degenhart, ZUM 1998, 333 (341 f.).
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(1) Die dynamische Offenheit des Rundfunkbegriffs Das Bundesverfassungsgericht hat zur Einordnung der „neuen Dienste“ bisher nicht umfassend Stellung genommen, allerdings, neben der Erörterung einiger Aspekte, keine Zweifel an der Entwicklungsoffenheit des Rundfunkbegriffs gelassen und eine Loslösung von bestimmten Übertragungstechniken statuiert.53 Hinsichtlich der Gleichzeitigkeit des Empfangs hat sich das Bundesverfassungsgericht im Baden-Württemberg-Beschluss geäußert. Es könne für die verfassungsrechtliche Zuordnung zum Rundfunkbegriff nicht wesentlich sein, dass bei der rundfunkähnlichen Kommunikation der Zeitpunkt des Empfangs durch den Teilnehmer bestimmt werde.54 Maßgeblich seien vielmehr der Inhalt der Sendung und die am Kommunikationsprozess Beteiligten. In beiden Fällen würden Sendungen gleichen Inhalts verbreitet, die von einem Veranstalter an eine unbestimmte Vielzahl von Zuschauern oder Hörern verbreitet werden. Die Auswahlentscheidung treffe der Teilnehmer durch Ein- und Ausschalten.55 In einer späteren Entscheidung hingegen hat es – wohlgemerkt – das Rundfunkprogramm als „eine auf längere Dauer angelegte, planmäßige und strukturierte Abfolge von Sendungen oder Beiträgen“ definiert, wobei diese Definition nur als das herkömmliche Verständnis bezeichnet wurde, Abweichungen durchaus denkbar sind.56 Die Ausführungen des Gerichts legen es zunächst einmal nahe, einen weiten und dynamischen verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriff anzunehmen und das Video-on-Demand als „rundfunkähnliche Kommunikation“ dem Rundfunkbegriff zu unterstellen.57 Allerdings lässt das Gericht offen, warum es dazu tendiert, Zugriffs- und Abrufdienste dem Rundfunkbegriff zu unterstellen. Allein der Bezug zum Inhalt und der Verbreitung an die Allgemeinheit ist keine Aussage dahin zu entnehmen, ob die Einordnung „trotz fehlender oder gerade wegen bestehender oder zu erwartender Meinungsrelevanz der Dienste gelten soll“.58 Der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann daher im Ergebnis nur entnommen werden, dass im Einzelfall ein rundfunkähnlicher Kommunikationsdienst dem verfas53 BVerfGE 74, 297 (350), bestätigt durch BVerfGE 83, 238 (302). Siehe dazu zu auch schon 1. Kapitel I., I. und III. 54 BVerfGE 74, 297 (351). 55 BVerfGE 74, 297 (352). 56 BVerfGE 97, 298 (310). 57 So v. Coelln, AfP 2008, 433 (440); Holznagel, MMR 2011, 1 f.; Röger, ZRP 1997, 203 (205). 58 Koreng, AfP 2009, 117 (118), der zudem den Vergleich zur Entwicklungsoffenheit des Pressebegriffs zieht. Ähnlich auch Lerche, AfP-Sonderheft 2007, 52 (53 f.).
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sungsrechtlichen Rundfunkbegriff unterfallen kann.59 Die dafür wesentlichen Kriterien hat es jedoch nicht abschließend bestimmt. Damit bleibt aber die Frage nach der Eignung des Video-on-Demands zur Meinungsrelevanz offen. (2) Die Eignung zur Meinungsrelevanz Die Bestimmung der Meinungsrelevanz von Medien ist letztlich eine Aufgabe, die von der Medienwirkungsforschung geleistet werden muss. Allein die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts, das speziell dem Fernsehen attestiert, es suggeriere aufgrund der Möglichkeit, zeitgleich in Bild und Ton zu berichten, Authentizität und den Eindruck des Miterlebens,60 führen für die Einordnung des Video-on-Demands nicht weiter, da auch dieses die entsprechende Berichterstattung in Bild und Ton ermöglicht. Aber auch die Kommunikationswissenschaften konstatieren Schwierigkeiten bei der Untersuchung eines Mediums als unabhängige Variable im Persuasionsprozess.61 Insbesondere die Komplexität des Vorgangs der Meinungsbildung mit zahlreichen Variablen sorgt für die Unbestimmtheit. Erst einige dieser Variablen konnten herausgearbeitet und deren Bedeutung für den Meinungsbildungsprozess analysiert werden. Erwähnenswert ist in dieser Hinsicht beispielsweise eine Umfrage, die die Glaubwürdigkeit der Medien untersucht hat.62 Die Glaubwürdigkeit eines Mediums ist ein Faktor im Wirkungsprozess, der als Teil verschiedener Komponenten zu einer Einstellungsbildung oder -änderung beim Rezipienten führen kann.63 Das heißt allein die der Quelle zukommende Glaubwürdigkeit kann Einfluss auf die Meinungsbildung haben. Die Umfrage zur Glaubwürdigkeit verschiedener Medien zeigt, dass im Zeitraum zwischen 2005 und 2010 die Glaubwürdigkeit des Internets im Gegensatz zu den anderen untersuchten Medien (Fernsehen, Hörfunk und Tageszeitungen) zwar gestiegen ist, allerdings dem Internet insgesamt die geringste Glaubwürdigkeit attestiert wird.64 Die dem Fernsehen über diesen Aspekt zukom59 A. A., die mehr oder weniger pauschal das Internet dem Rundfunkbegriff unterwerfen, soweit die Angebote an die Allgemeinheit gerichtet sind: Brand, Rundfunk, S. 245, 258 f.; Dietlein/Heineman, K&R 2004, 418 (421); Witt, Internet-Aktivitäten öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten, S. 86; Potthast, ZUM 2007, 443 (446). 60 BVerfGE 97, 228 (256). 61 Schenk, Medienwirkungsforschung, S. 108 f.; Bonfadelli, Medienwirkungsforschung, S. 285 f.; Bonfadelli/Friemel, Medienwirkungsforschung, S. 88. 62 Daten zur Mediensituation in Deutschland 2011, S. 69, Abb. 1. 63 Bonfadelli/Friemel, Medienwirkungsforschung, S. 78 f. 64 Daten zur Mediensituation in Deutschland 2011, S. 69, Abb. 1.
B. Die Vereinbarkeit der Angebote mit dem Gebot der Staatsferne211
mende Glaubwürdigkeit und der damit verbundene Einfluss auf die Meinungsbildung kann dem Internet insgesamt daher noch nicht bescheinigt werden. Die Glaubwürdigkeit eines Mediums ist allerdings nur eine Komponente im Rahmen der Medienwirkung. Als maßgeblich werden zudem Aspekte erachtet, die allein vom Rezipienten abhängig sind, wie zum Beispiel dessen Bildungsniveau, die Umstände der Rezeption oder dessen Alter.65 Die zur Zeit noch hinsichtlich der Wirkungen des Internets bestehenden Unsicherheiten in der Kommunikationswissenschaft66 dürften auch ein Grund für die Unklarheiten sein, die in der Rechtswissenschaft bestehen. Diese zieht zur Bestimmung der Meinungsrelevanz des Rundfunks verschiedene Kriterien heran, wobei bei kaum einem dieser Aspekte im Hinblick auf die Wesentlichkeit für die besondere Wirkkraft des Rundfunks Einigkeit besteht. Dementsprechend ist auch die Einordnung des Video-on-Demand, welche sich ebenfalls an diesen Kriterien orientiert, wohl eine der derzeit umstrittensten Fragen in Bezug auf Art. 5 GG.67 Die Ansichten gehen dabei teilweise von der Notwendigkeit der rundfunkspezifischen Wirkung (Breitenwirkung, Aktualität und Suggestivkraft) für den verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriff aus, die auch dem Video-on-Demand zukommen müssten.68 Wie jedoch bereits gezeigt, ist allein die Eignung zur Meinungsrelevanz (auch für das Video-on-Demand) maßgeblich ist.69 Soweit allerdings auf die oben genannten Ansichten Bezug genommen wird, lässt es sich nicht vermeiden, von der rundfunkspezifischen Wirkung zu sprechen. Das Video-on-Demand bietet dem Rezipienten gegenüber dem herkömmlichen Rundfunk weitergehende Rezeptionsoptionen durch einen flexiblen zeitlichen und inhaltlichen Zugriff auf das Angebot. Daneben fehlt es auch an einer zum Beispiel dem Fernsehen gleichenden Einbindung in einer Gesamtprogramm. Schließlich zeigen sich Unterschiede bei der redaktionellen Gestaltung der Angebote.
65 Kunisch,
Rundfunk im Internet, S. 72. aber Lin, Effects of the Internet, in: Media Effects, S. 567 ff. m. w. N. zu Beiträgen, die sich mit den Wirkungen des Internets beschäftigen. 67 Koreng, AfP 2009, 117 (118). 68 Bullinger, AfP 1996, 1 (7); Gersdorf, in: Dittmann/Fechner/Sander, Der Rundfunkbegriff im Wandel der Medien, S. 141; Degenhart, ZUM 1998, 137 f.; ders., ZUM 1998, 333 (342 Fn. 105); Roßnagel, NVwZ 2000, 662 (625); Koreng, AfP 2009, 117 (119); Castendyk/Böttcher, MMR 2008, 13 (15); Hoffmann-Riem, AfP 1996, 9 (11). 69 Siehe dazu beim Parlamentsfernsehen 3. Kapitel C. II. 1. b) aa). 66 Siehe
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4. Kap.: Die Angebote der Bundesregierung im Internet
(a) Meinungsstand Aus einer Gesamtschau dieser Differenzen, aber auch aufgrund des Fehlens einzelner Merkmale im Vergleich zum herkömmlichen Rundfunk wird die massenmediale Wirkung, insbesondere die Suggestivkraft des Videoon-Demand in Frage gestellt, woraus das Fehlen der Meinungsbildungsrelevanz geschlussfolgert wird. Diese Ansicht spricht dem Video-on-Demand generell die rundfunkmäßige Wirkung auf den Rezipienten ab, da der Nutzer nicht an ein planhaft ablaufendes Programm gebunden sei.70 Die Meinungsmacht werde mit zunehmender Individualisierung und Wahlmöglichkeit abgeschwächt und fehle, wenn der Nutzer zu beliebiger Zeit beliebige Inhalte empfangen könne.71 Indessen erachten andere diese divergierende Passivität gegenüber dem Programmangebot nicht als so gravierend, dass sie das generelle Verneinen der Rundfunkmerkmale bei allen Angeboten dieser Art begründen könne, da fehlende zeitliche und inhaltliche Rezeptionsmöglichkeiten für den verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriff nicht wesentlich seien.72 (b) Stellungnahme (aa) Zeitgleicher Empfang Der Aspekt der zeitlichen Einbindung des Rezipienten prägt das herkömmliche Bild von Hörfunk und Fernsehen. Die Inhalte werden zeitgleich an die Rezipienten ausgestrahlt, womit dieser an die Programmentscheidungen des Rundfunkveranstalters gebunden ist. Im Schrifttum wird daher vorgebracht, dass es bei einem individuell zu bestimmenden Ausstrahlungszeitpunkt an der rundfunkspezifischen massenkommunikativen Wirkung fehle, da es sich in diesem Fall nicht mehr um ein „Faktormedium“, welches 70 Möllers, AfP 2008, 241 (249); Kube, in: HStR IV, § 91 Rn. 13 f.; Bullinger, AfP 1996, 1 (7). Degenhart, in: BK, Art. 5 I, II Rn. 685 u. ders., in: HGR IV, § 105 Rn. 30, der dieses Problem im Rahmen des Merkmals der Allgemeinheit ansiedelt; ders., CR 2011, 231 (235). Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, Teil B Rn. 67 verorten diese Problematik beim Merkmal der Verbreitung. Da die vorgebrachten Argumente im Hinblick auf die Auswirkungen der Rezeptionsmöglichkeiten des Nutzers auf das Vorliegen des Rundfunkbegriffs identisch sind, soll hier auf eine nähere Darstellung der Verortung des Problems verzichtet werden. Siehe dazu aber Kunisch, Rundfunk im Internet, S. 56 ff. 71 Degenhart, in: BK, Art. 5 I, II Rn. 685. 72 Gersdorf, Grundzüge des Rundfunkrechts, Rn. 109 ff.; ders., Rundfunkbegriff, S. 64 ff.; Jensen, Öffentlichkeitsarbeit, S. 128 ff.; Held, Online-Angebote, S. 78 f., 101 f.; Brand, Rundfunk, S. 85 ff.; Klaes, ZUM 2009, 135 (138); Lerche, ZUM 2007, 439 (440).
B. Die Vereinbarkeit der Angebote mit dem Gebot der Staatsferne213
seine Wirkung in allen Lebensbereichen entfalte, sondern um ein „Forummedium“ handele, dem grundsätzlich diese massenmedientypische Wirkung für die Meinungsbildung fehle.73 Aus diesem Grund wird die Gleichzeitigkeit der Verbreitung des Angebots als maßgebliches Kriterium für den Rundfunkbegriff erachtet.74 Jedoch ist heute bereits dem Fernsehen zu attestieren, dass es vielfach nur als Begleitmedium genutzt wird oder der Rezipient zwischen den verschiedenen Programmen „zappt“, das heißt die Inhalte werden nicht immer mit voller Aufmerksamkeit wahrgenommen, wodurch die „sinnstiftende Autorität“ des Rundfunkveranstalters beeinträchtigt wird. Die Intention des Veranstalters, durch einen planvoll gestalteten Ablauf die Fesselwirkung des Rundfunks zu erreichen, wird durch den Zuschauer unterlaufen.75 Die Veränderung des Nutzerverhaltens sorgt mithin für eine Veränderung der Wirkkraft des Rundfunks. Trotz dieses Verlustes an Bindungskraft des Fernsehens wird dem herkömmlichen Rundfunk die Suggestivkraft nicht abgesprochen.76 Aus diesem Grund bestehen Zweifel an der behaupteten Maßgeblichkeit der Gleichzeitigkeit der Wahrnehmung eines Angebots. Für das Video-on-Demand muss zudem konstatiert werden, dass die zeitlichen Rezeptionsoptionen nicht zwangsläufig zu einem Verlust der Wirkungskraft der Bilder führen.77 Der Rezipient entschließt selbstbestimmt, wann er ein bestimmtes Programm konsumieren möchte und wird dies in der Regel nur dann tun, wenn er tatsächlich an dem Angebot interessiert ist und seine Aufmerksamkeit auf dieses richten kann. Das Aufrufen der Seite erfordert ein bestimmtes Interesse sowie die entsprechende Zeit des Nutzers. Auch kommunikationswissenschaftliche Erkenntnisse belegen, dass die Behaltensleistung der Rezipienten bei der Nutzung der unterschiedlichen Medien u. a. von der zur Verfügung stehenden Zeit abhängig ist. Könne der Rezipient das Rezeptionstempo selber bestimmen, steige auch die Behal73 So Brand, Rundfunk, S. 87, unter Berufung auf Bullinger/Mestmäcker, Multimediadienste, S. 59, die dieses Argument jedoch nur auf Abrufdienste erstrecken, soweit es sich dabei um Texte handelt. 74 Bullinger, AfP 1996, 1 (6 f.); ders., Strukturwandel der Telekommunikation, S. 32; Stettner, ZUM 1995, 293 (295); Stammler, AfP 1975, 742 (750); Degenhart, ZUM 1998, 137 f.; Roßnagel, NVwZ 2000, 622 (625); Koreng, AfP 2009, 117 (120). 75 Determann, Kommunikationsfreiheit im Internet, S. 410; Hoffmann-Riem, AfP 1994, 9 (14); Depenheuer, AfP 1997, 669 (673); Jensen, Öffentlichkeitsarbeit, S. 130. 76 Determann, Kommunikationsfreiheit im Internet, S. 410; Hoffmann-Riem, AfP 1994, 9 (14); Jensen, Öffentlichkeitsarbeit, S. 130. 77 Brand, Rundfunk, S. 90; Jensen, Öffentlichkeitsarbeit, S. 130; Kunisch, Rundfunk im Internet, S. 75 f.; Michel, MMR 2005, 284 (285); Eberle, CR 1996, 193 (195); Gersdorf, Der verfassungsrechtliche Rundfunkbegriff, S. 152, der sogar von einer Steigerung der Suggestivkraft spricht.
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4. Kap.: Die Angebote der Bundesregierung im Internet
tensleistung, mithin die Eindrücklichkeit der Inhalte.78 Die zeitliche Flexibilität führt folglich nicht dazu, dass die massenmediale Wirkung entfällt. Sie kann vielmehr noch stärker ausgeprägt sein.79 Für Angebote, die zunächst im Fernsehen oder Hörfunk gesendet und sodann zeitversetzt auch im Internet zur Verfügung gestellt werden, muss hinzugefügt werden, dass ein Bild seine Eindrücklichkeit nicht dadurch verliert, dass es wenige Minuten später wahrgenommen wird.80 Die zeitlichen Rezeptionsoptionen bei einem Video-on-Demand können daher nicht verhindern, dass die Wirkung auf die öffentliche Meinungsbildung zum Tragen kommt. Ebenso kann nicht in generalisierender Weise davon gesprochen werden, dass die Suggestivkraft gegenüber dem herkömmlichen Rundfunk zwangsläufig geringer sei. Im Einzelfall kann diese vielmehr sogar gesteigert sein. Der zeitgleiche Empfang eines Angebots ist daher für den verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriff nicht als maßgebliches Merkmal zu betrachten. (bb) Inhaltliche Rezeptionsoptionen Ebenso wird die Wesentlichkeit von inhaltlichen Selektionsoptionen für den Rundfunkbegriff unterschiedlich beurteilt. Einige verweisen darauf, dass sich die rundfunkspezifische Wirkung erst dann entfalten könne, wenn dem Zuschauer eine rein passive Aufgabe zufalle. Beim Video-on-Demand fehle es aber an dieser Eigenschaft, da der Nutzer über den Prozess des Ein- und Ausschaltens hinaus eine inhaltliche Auswahl treffen könne. Der Nutzer könne sich beliebig an einer Informationsrohmasse bedienen und das Angebot entsprechend seiner Interessen selektieren.81 Damit würden ihm keine Informationen aufgedrängt.82 Die rundfunktypische Passivität im Bezug auf den Inhalt könne daher nicht bejaht werden.83 Zu bedenken ist allerdings, dass die inhaltlichen Optionen im Rahmen des Video-on-Demand lediglich eine Flexibilisierung des Angebots zur Folge haben, aber nicht dazu führen, dass ein „Rollentausch“ zwischen Kom78 Schenk,
Medienwirkungsforschung, S. 120. Rundfunkbegriff, S. 67. 80 Jensen, Öffentlichkeitsarbeit, S. 131; Emmer/Kuhlmann/Vowe/Wolling, MP 2002, 166 (171 ff.). 81 Schmitt Glaeser, Kabelkommunikation und Verfassung, S. 187; Bullinger, AfP 1996, 1 (8); Ricker, NJW 1997, 3199 (3201); Degenhart, ZUM 1998, 333 (343). 82 Ferger/Junker, DÖV 1981, 439 (445 f.). 83 VG Saarlouis, Urt. v. 18.4.1995 – 1 K 297/92 = ZUM 1995, 642 (647); Degenhart, MMR 1998, 137 (138); Möllers, AfP 2008, 241 (249); Koreng, AfP 2009, 117 (120). 79 Gersdorf,
B. Die Vereinbarkeit der Angebote mit dem Gebot der Staatsferne215
munikator und Rezipient erfolgt. Die inhaltlichen Selektionsmöglichkeiten führen zwar zu einer gesteigerten Auswahlmöglichkeit, letztlich kann aber auch der Fernsehzuschauer zwischen den einzelnen Programmen wählen. Die angenommene Passivität des Zuschauers besteht daher auch nicht in dem Maße, wie sie oftmals geschildert wird.84 Der Zuschauer ist nicht auf das Ein- und Ausschalten eines Programms beschränkt. Vielmehr kann er zwischen den einzelnen Programmen wechseln (sog. „Zapping“), die Möglichkeit des „Timeshiftings“ nutzen oder durch den Einsatz eines Videooder DVD-Recorders zusätzliche Optionen schaffen. Sowohl bei Fernsehen und Hörfunk als auch beim Video-on-Demand stehen die Zuschauer zunächst einmal vor der Entscheidung, ob sie den Inhalt beziehen wollen oder nicht.85 Auch führen mittlerweile hybride, internetfähige Fernsehgeräte dazu, die Passivität des Zuschauers aufzuheben. Für den Zuschauer wird es keine Rolle spielen, ob er sich zum Beispiel die Nachrichten auf einem der herkömmlichen Fernsehsender anschaut oder das Angebot über die Mediathek auf seinem Fernsehbildschirm ansieht. Noch eindrücklicher dürfte die neue Verteilung der Übertragungsrechte der Fußballbundesliga sein. Seit 2013 darf der Springer-Verlag bis zu sechsminütige Zusammenfassungen der Bundesliga-Spiele im Internet zur Verfügung stellen.86 Der Zuschauer kann ebenso wie bei der Sportschau von ARD auf ein redaktionell-gestaltetes Programm zurückgreifen und sich die besonderen Ereignisse des Spieltags anschauen. Dabei dürfte das Angebot von Springer insbesondere, was die Moderation und die Auswahl der spannendsten und interessantesten Spielmomente betrifft, Ähnlichkeiten mit dem Angebot der ARD aufweisen. Interessiert sich ein Zuschauer nur für einen Verein, wird er auch nur auf dieses Spiel zugreifen und diesem seine volle Aufmerksamkeit widmen. Die mediale Wirkung wird in diesem Fall zumindest nicht geringer sein, als wenn der Zuschauer das Angebot der Sportschau rezipiert. Gleichermaßen wie bei den zeitlichen Selektionsmöglichkeiten ist daher auch hier darauf zu verweisen, dass die inhaltliche Flexibilität des Nutzers zu einer verstärkten Meinungsrelevanz führen kann. Die Selektion des Angebots durch den Nutzer ermöglicht die zielgenaue Beschaffung von Informationen, das heißt der Nutzer wird diesen von ihm ausgewählten Programmteilen besondere Aufmerksamkeit schenken.87 Die Meinungsrelevanz 84 Kunisch, Rundfunk im Internet, S. 72; Brand, Rundfunk, S. 98 f.; Michel, ZUM 1998, 350 (351). 85 Jensen, Öffentlichkeitsarbeit, S. 129 f.; Brand, Rundfunk, S. 98; HoffmannRiem, AfP 1996, 9 (14). 86 Siehe dazu Spiller, Springer und Sky nehmen die Bundesliga in die Zange, in: ZEITOnline v. 9.8.2013. 87 Brand, Rundfunk, S. 99 ff.; Michel, ZUM 1998, 350 (352); Eberle, CR 1996, 193 (195).
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4. Kap.: Die Angebote der Bundesregierung im Internet
kann daher im Einzelfall auch beim Video-on-Demand vorliegen. Dementsprechend stellt auch Gersdorf fest, dass es für die Einordnung des Videoon-Demand irrelevant sei, dass der Rezipient über Selektions- und Auswahlmöglichkeiten verfüge, die das „Wann“, „Was“ und „Wie“ der Rezeption betreffen.88 (cc) Einbindung in ein Gesamtprogramm Die besondere Meinungsrelevanz wird zudem an der Notwendigkeit eines „Gesamtprogramms mit massenhafter und langdauernder Fesselwirkung“ festgemacht.89 Damit ist die Frage angesprochen, ob eine dem Fernsehen vergleichbare redaktionelle Gestaltung des Angebots notwendig ist, um einen potenziellen Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung begründen zu können.90 Maßgebliches Kriterium sei allein die redaktionelle Aufarbeitung von Informationen durch Auswahl, Zusammenstellung und Bearbeitung.91 Diese entfalle, wenn Angebote ohne Einbindung in ein Gesamtprogramm zur Verfügung gestellt würden, wobei auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verwiesen wird, das ein Rundfunkprogramm herkömmlich als „eine auf längere Dauer angelegte, planmäßige und strukturierte Abfolge von Sendungen oder Beiträgen“ definiert hat.92 Auch der Bayerische Verfassungsgerichtshof sieht den Rundfunk als Massenkommunikationsmittel dadurch gekennzeichnet, dass der Veranstalter die Beiträge in einem laufenden Programm zusammenfasse.93 Werden zum Beispiel auf der Homepage der Bundeskanzlerin Videobotschaften angeboten, stehen diese in keinem Zusammenhang bzw. werden nicht als laufendes Programm angeboten. Der Nutzer kann flexibel entscheiden, welche Videoangebote er rezipieren möchte und in welcher Reihenfolge. Die Flexibilität seitens des Rezipienten führe dazu, dass die Programmgestaltung nicht mehr einseitig beim Veranstalter liege, sodass man nicht mehr von Rundfunk im Sinne des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG sprechen könne.94 88 Gersdorf, Verfassungsrechtlicher Rundfunkbegriff, S. 158; ders., Rundfunkbegriff, S. 66 f. 89 Bullinger/Mestmäcker, Multimediadienste, S. 53; Bullinger, AfP 1996, 1 (7 f.); Degenhart, MMR 1998, 137 (138); Roßnagel, NVwZ 2000, 622 (625); Klaes, ZUM 2009, 135 (138 f.). 90 Bejahend Jarass, AfP 1998, 133 (134); Degenhart, ZUM 1998, 333 (343). Verneinend Kunisch, Rundfunk im Internet, S. 71 f.; Held, Online-Angebote, S. 85. 91 Jarass, AfP 1998, 133 (135). Siehe allerdings auf rundfunkstaatsvertraglicher Ebene den Ausschluss bei § 2 Abs. 3 Nr. 4 RStV. 92 BVerfGE 97, 298 (310). 93 BayVerfGHE 39, 96 (165). 94 Schmitt Glaeser, Kabelkommunikation und Verfassung, S. 187 f.; i. E. so auch Jäkel, AfP 2012, 224 (226).
B. Die Vereinbarkeit der Angebote mit dem Gebot der Staatsferne217
Diese Flexibilität seitens des Rezipienten darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass letztlich die Passivität hinsichtlich des zur Verfügung stehenden Angebots gleichermaßen beim Video-on-Demand besteht.95 Auch die Videobotschaften der Kanzlerin stellen ein vorstrukturiertes oder „vorabfabriziertes“ Angebot dar. Dem Nutzer wird ein Beitrag offeriert, welchen er unter einseitig durch den Kommunikator gesetzten Bedingungen nutzen kann. Er hat hingegen nicht die Möglichkeit, das Programm zu verändern, sondern kann nur aus einem bestimmten und im Vorfeld festgesetzten Fundus wählen.96 Zudem kann mit Hilfe von Hyperlinks eine netzartige Verknüpfung der Ton- und Videoelemente hergestellt werden. Der Veranstalter ist dabei in der Lage, durch geschicktes Verknüpfen der Inhalte den Nutzer an seine Angebote zu binden und von einem Wechsel auf eine andere Seite abzubringen. Diese Zusammenstellung von verschiedenen Angeboten kommt daher einem Gesamtangebot zumindest nahe, da der Nutzer angeregt wird, weitere Video-on-Demand-Angebote des Veranstalters zu nutzen.97 Das gleiche Ziel verfolgen letztlich auch die Rundfunkveranstalter, wenn sie am Ende einer Sendung für das folgende Programm werben. Bereits jetzt ist es auch im Internet möglich, die Angebote aufgrund von Verknüpfungen so lange weiterlaufen zu lassen, bis der Nutzer einschreitet. Er muss die Verlinkung daher nicht einmal mehr aktiv anklicken.98 Das Video-on-Demand mangels redaktioneller Gestaltung bzw. Einbindung in ein Gesamtprogramm vom Rundfunkbegriff im Sinne des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG auszuschließen, überzeugt aufgrund der schon bestehenden technischen Möglichkeiten nicht. Auch das Video-on-Demand weist eine redaktionelle Gestaltung auf und kann durch Hyperlinks oder den Anbieter selbst in ein gewisses rundfunkähnliches Gesamtprogramm eingebettet werden. cc) Zwischenresümee Die Annahme, dem Video-on-Demand müsse generell die Rundfunkeigenschaft abgesprochen werden, kann nicht aufrecht erhalten werden. Vielmehr muss im Einzelfall entschieden werden, ob dem Angebot die massenmediale Wirkung eines herkömmlichen Rundfunkangebots zukommen kann, wobei jedoch keine hohen Anforderungen an diese Eignung gestellt werden 95 Gersdorf, Rundfunkbegriff, S. 70 f.; Klaes, ZUM 2009, 135 (138 f.); Röger, ZRP 1997, 203 (205). 96 Pieper/Wiechmann, ZUM 1998, 82 (85); Hoffmann-Riem/Vesting, MP 1994, 382 (387). 97 Klaes, ZUM 2009, 135 (138); a. A. Koreng, AfP 2009, 117 (121). 98 Möllers, AfP 2008, 241 (249). Siehe unten die Bewertung von YouTube, 4. Kapitel B. II. 3.
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4. Kap.: Die Angebote der Bundesregierung im Internet
können. Soweit ein solches Angebot daher an die Allgemeinheit gerichtet ist, wird der verfassungsrechtliche Rundfunkbegriff zu bejahen sein. b) Die „Vod- und Podcasts“ der Bundeskanzlerin Es verbleibt die abschließende Einordnung der Videobotschaften der Bundeskanzlerin („Die Kanzlerin direkt“ oder „Die Woche der Kanzlerin“), der Übertragungen von Pressekonferenzen oder abrufbaren Audiodateien mit Reden der Kanzlerin unter den Rundfunkbegriff des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG. Keine Zweifel bestehen hinsichtlich der Eigenschaft als Massenkommunikation. Die Angebote sind an einen unbestimmten Nutzerkreis gerichtet, dem keinerlei Möglichkeiten zukommt, an die Position des Kommunikators zu treten. Die Entscheidung über das „Ob“ und „Wie“ der zur Verfügung gestellten Inhalte liegt nicht beim Nutzer, sondern beim Presse- und Informationsamt der Bundesregierung als Herausgeber des Internetauftritts. Die unter dem Darbietungsmerkmal des verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriffs diskutierte Eignung zur Meinungsrelevanz wird bei den exemplarisch herausgestellten Angeboten nicht zu verneinen sein.99 Wie dargestellt geben die Rezeptionsoptionen, die auch diese Angebote ermöglichen, keinen Einfluss auf die publizistische Relevanz. Selbst wenn man eine redaktionelle Gestaltung der Angebote für erforderlich hält, weisen zum Beispiel die Videobotschaften der Kanzlerin entsprechende Merkmale auf. Nach einem mit Bildern der Kanzlerin gestalteten Intro wird sie zu aktuellen Themen und Aufgaben interviewt. Zudem wird bereits auf der Abrufseite des Videos über die Inhalte im Sinne einer Hintergrundinformation kurz informiert. Auf der Seite wird über einen weiteren Button auf den Kontext des Angebots aufmerksam gemacht, der sodann zu einem zusätzlichen Video-on-Demand der Kanzlerin führt.100 Das heißt, es finden sich bereits Ansätze der Gestaltung eines – wohlgemerkt rundfunkähnlichen – Gesamtprogramms. Im Ergebnis sind daher die Voraussetzungen des verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriffs zu bejahen. c) Livestreaming Unweit leichter ist die Einordnung von Angeboten, die als Livestream übertragen werden. Dabei handelt es sich um die zeitgleiche, inhaltlich unfür den „Kanzler-Podcast“, Koreng, AfP 2009, 117 (121). Angela Merkel zur Hilfe für die Flutopfer des Hochwassers im Sommer 2013: http://www.bundeskanzlerin.de/SiteGlobals/Forms/Webs/BKin/ Suche/DE/Solr_Mediathek_formular.html?cat=videos>p=619104_list%253D3&do ctype=Video&id=733060. 99 A. A.
100 Bundeskanzlerin
B. Die Vereinbarkeit der Angebote mit dem Gebot der Staatsferne219
veränderte Übertragung der Fernsehsignale.101 Diese Angebote unterscheiden sich lediglich durch die Übertragungstechnik, stellen aber im Übrigen einen bloßen „Komplementär-Verteilweg“102 zum Fernsehen oder Hörfunk dar. Gleiches gilt auch für Angebote, die nur ausschließlich im Internet gesendet werden, aber im Gegensatz zum Video-on-Demand keine Rezeptionsoptionen bieten. Auch bei diesen Angeboten besteht letztlich nur der Unterschied hinsichtlich des Übertragungsweges. Insbesondere mit Blick auf die Meinungsrelevanz dieser Angebote können sich keine Unterschiede zu den herkömmlichen Verbreitungswegen, etwa Terrestrik, Kabel oder Satellit, ergeben.103 So verfolgten etwa den Sprung des Extremsportlers Felix Baumgartner aus der Stratosphäre zeitgleich acht Millionen Menschen live auf You Tube.104 Selbst wenn die Homepage der Kanzlerin einen solchen Zulauf nicht verzeichnen kann, fallen die dort „gestreamten“ Bilder vom Bürger- oder Zukunftsdialog unter den verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriff. 3. Einordnung des YouTube-Kanals der Bundesregierung Die Bundesregierung betreibt neben dem bereits umfangreichen Angebot auf ihrer eigenen Website mehrere YouTube-Kanäle.105 Auf den Kanälen werden zahlreiche Videos zur Verfügung gestellt, die teils schon über die Website abrufbar sind, teils aber auch dieses Angebot ergänzen. Im Wesentlichen handelt es sich dabei um die Angebote „Die Kanzlerin direkt“, „Die Woche der Kanzlerin“ und „3 Fragen, 3 Antworten“, die mit einer gewissen Regelmäßigkeit erscheinen sowie aktuelle Pressemitteilungen und Berichte der verschiedenen Ministerien. Jeder Beitrag weist einen kurzen Text auf, der in die Thematik des Videos einführt. Die Beiträge können einerseits durch den Rezipienten einzeln abgerufen werden; beendet er ein Video nicht oder wechselt zu einem anderen, laufen die Videos in der vom Ministerium vorgegebenen Reihenfolge ab.106 Die bereits oben angesprochene Vergleichbarkeit zu einem Gesamtprogramm wird mithin sehr deutlich.107 Dar101 Lerche,
ZUM 2007, 439. in: HStR IV, § 91 Rn. 15; Klaes, ZUM 2009, 135 (137 f.). 103 Michel, ZUM 1998, 350 (354); Janik, AfP 2000, 7 (12 f.); ders., K&R 2001, 572 (577 ff.); Klaes, ZUM 2009, 135 (137 f.); Lerche, ZUM 2007, 439. 104 Dazu Khunkham, Mit Baumgartner schafft Youtube die „Mondlandung“, Die Welt v. 15.10.2012. 105 Siehe nur den Kanal der Bundesregierung (http://www.youtube.com/user/bun desregierung) mit Hinweis auf die entsprechenden Kanäle der Bundesministerien. 106 Zum Beispiel die Beiträge des Bundesfamilienministeriums zum „Dialog Internet“, abrufbar unter: http://www.youtube.com/watch?v=YeNxpcdgR6g&feature= autoplay&list=PL8180EC94C9 461A99&playnext=3. 107 Siehe beim Video-on-Demand, 4. Kapitel B. II. 2. a) bb) (2) (b) (cc). 102 Kube,
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4. Kap.: Die Angebote der Bundesregierung im Internet
über hinaus kann der Rezipient die Beiträge unmittelbar kommentieren oder seinerseits auf anderen Plattformen zur Verfügung stellen. Im Hinblick auf die Voraussetzungen des verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriffs ist die Eigenschaft der Bundesregierung als Rundfunkveranstalterin von Interesse, da die Beiträge der Bundesregierung in eine fremde Plattform integriert werden. Im Wesentlichen ist daher zu klären, welche Rechte YouTube hinsichtlich der ausgestrahlten Beiträge zukommen und wie sich diese auf den Status als Rundfunkveranstalter auswirken. a) Die Bundesregierung als Rundfunkveranstalterin Als Veranstalter eines Rundfunkprogramms im Sinne des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG wird angesehen, wer die „Struktur [des Programms] festlegt, die Abfolge plant, die Sendungen zusammenstellt und unter einer einheitlichen Bezeichnung dem Publikum anbietet. Durch diese auf das gesamte Programm bezogene Tätigkeit unterscheide[t] er sich vom bloßen Zulieferer einzelner Sendungen oder Programmteile“.108 Nicht erforderlich ist hingegen, dass der Veranstalter die Sendung selbst ausstrahlt bzw. produziert hat. Unerheblich ist auch, ob er in einer öffentlich- oder privatrechtlichen Rechtsform auftritt, kommerziell oder gemeinnützig tätig wird oder eine natürliche oder juristische Person ist.109 Die Beurteilung ist auch nicht von der Bezeichnung oder Anerkennung durch ein Gesetz abhängig. Maßgeblich ist die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit.110 Rundfunkveranstalter ist somit, wer die aktive Programmgestaltungsfunktion inne hat.111 Zwar erfolgt der Abruf der Videos auf der Plattform YouTube. Die Zusammenstellung, die Bestimmung des Zeitpunkts der Veröffentlichung und die Anordnung und Gestaltung der Beiträge bestimmt jedoch die Bundesregierung. Diese ist damit nicht nur ein bloßer Zulieferer einzelner Programmteile, sondern hat die Programmgestaltungsfunktion inne. Sie ist damit Rundfunkveranstalterin. Dieser Annahme steht auch nicht die Einräumung der weitgehenden Nutzungsrechte an YouTube entgegen.112 Zwar kann die 108 BVerfGE
97, 298 (310). 97, 298 (310). 110 BVerfGE 97, 298 (310 f.); 114, 371 (389). 111 Schütz, ZUM 1993, 55 ff.; Lerche, ZUM 1993, 441 ff.; Degenhart, ZUM 2003, 913 (917); Bethge, NJW 1995, 557 (559); Ory, ZUM 1998, 484 (485). 112 Auszug aus den Nutzungsbedingungen von YouTube: „10. Rechte, die Sie einräumen: 10.1 Indem Sie Nutzerübermittlungen bei YouTube hochladen oder posten, räumen Sie YouTube eine weltweite, nicht-exklusive und gebührenfreie Lizenz ein (mit dem Recht der Unterlizenzierung) bezüglich der Nutzung, der Reproduktion, dem Vertrieb, der Herstellung derivativer Werke, der Ausstellung und der Aufführung der Nutzerübermittlung im Zusammenhang mit dem Zur-Verfügung-Stellen 109 BVerfGE
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Plattform in einem sehr weitgehenden Maße die hochgeladenen Beiträge weiterverwenden (siehe 10.1 der Nutzungsbedingungen), zum Beispiel in ein anderes Angebot integrieren oder zu Werbezwecken nutzen. Das heißt, die Bundesregierung kann nicht mehr exklusiv über Art, Maß und Zeitpunkt der weiteren Verwendung oder Veröffentlichung entscheiden. In dieser Hinsicht gehen die Nutzungsmöglichkeiten weit über die Rechte an einem herkömmlichen Rundfunkangebot hinaus. Nichtsdestoweniger stehen die Angebote, die durch die Bundesregierung auf ihrem YouTube-Kanal erstmalig gesendet und in das Gesamtangebot eingebettet werden, allein zur Disposition der Bundesregierung. YouTube kann an diesen Angeboten keinerlei Veränderungen vornehmen. Die Rechte, die den Plattforminhabern eingeräumt werden, betreffen nur die Verwendung nach der Veröffentlichung, nicht hingegen eine schon vor dieser liegende Verwendung. Dementsprechend sind die Rechte betreffend der Verwendung der Beiträge an die Veröffentlichung auf YouTube gebunden. Sobald das Angebot durch die Bundesregierung gelöscht wird, entfallen auch die Rechte des Plattformanbieters (10.2 der Nutzerbedingungen). Letztlich ist zu konstatieren, dass YouTube zunächst einmal nur die Funktion des Ausstrahlens zukommt, wenn man die Plattform mit einem herkömmlichen Rundfunkangebot vergleichen möchte. Die durch den Nutzer der Plattform eingeräumten Rechte betreffen sodann erst die weitere Nutzung, die im Vergleich mit einem herkömmlichen Rundfunkangebot ungewöhnlich weit ist. Für die auf dem YouTube-Kanal der Bundesregierung zur Verfügung gestellten Videos ist die Bundesregierung daher ebenso aus diesem Gesichtspunkt heraus als Rundfunkveranstalter anzusehen.
der Dienste und anderweitig im Zusammenhang mit dem Zur-Verfügung-Stellen der Webseite und YouTubes Geschäften, einschließlich, aber ohne Beschränkung auf Werbung für und den Weitervertrieb der ganzen oder von Teilen der Webseite (und auf ihr basierender derivativer Werke) in gleich welchem Medienformat und gleich über welche Verbreitungswege; jedem Nutzer der Webseite eine weltweite, nichtexklusive und gebührenfreie Lizenz ein bezüglich des Zugangs zu Ihren Nutzerübermittlungen über die Webseite sowie bezüglich der Nutzung, der Reproduktion, dem Vertrieb, der Herstellung derivativer Werke, der Ausstellung und der Aufführung solcher Nutzerübermittlung in dem durch die Funktionalität der Webseite und nach diesen Bestimmungen erlaubten Umfang. 10.2 Die vorstehend von Ihnen eingeräumten Lizenzen an Nutzervideos erlöschen, sobald Sie Ihre Nutzervideos von der Webseite entfernen. Die vorstehend von Ihnen eingeräumten Lizenzen an Nutzerkommentaren sind unbefristet und unwiderruflich, lassen aber Ihre oben unter Ziffer 8.2 bezeichneten Eigentumsrechte im Übrigen unberührt.“ Abrufbar unter: http://www. youtube.com/t/terms.
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4. Kap.: Die Angebote der Bundesregierung im Internet
b) Resümee Auch die Einbettung der Videos in die Plattform YouTube steht der Verwirklichung der Voraussetzungen des verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriffs nicht entgegen. Inhaltlich gilt das zu den Vod- und Podcasts Gesagte. Insoweit ergeben sich keine Unterschiede. 4. Die Einordnung von Twitter Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist zudem die Einordnung des Mikroblogging-Dienstes Twitter unter den Rundfunkbegriff interessant.113 In der Praxis wurde diese Einordnung hauptsächlich im Rahmen des § 2 RStV thematisiert, wie das Vorgehen der sog. „Isarrunde“ zeigt. Die „Isarrunde“ ist eine Gesprächsrunde Münchner Medienschaffender, die sich mit dem Einfluss digitaler Entwicklungen auf unser tägliches Leben beschäftigen. Aus Anlass der Äußerung des Bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer, der im Rahmen der Eröffnungsrede der Münchner Medientage 2010 konstatierte, das Internet sei Rundfunk, sah sich die „Isarrunde“ veranlasst, ihren Twitterkanal als Rundfunkangebot im Internet bei der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien anzumelden.114 Bei den Tweets handelt es sich – unabhängig von der Möglichkeit, auch Audio- und Video-Dateien über Twitter abzurufen – um Bildbeiträge, denn Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG setzt nicht voraus, dass es sich nur um Bewegtbilder handeln muss. Vom Rundfunkbegriff sind vielmehr auch Schriftzeichen erfasst.115 Diese Bilder werden darüber hinaus auch im Sinne des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG elektromagnetisch verbreitet. a) Ist Twitter Individualkommunikation? Wie schon beim Video-on-Demand ist auch für Twitter zunächst zu klären, ob es sich bei diesem Mikro-Blogging-Dienst um Individual- oder Massenkommunikation handelt. In der Regel wird zu diesem Zweck das Merkmal der Verbreitung der Information an die Allgemeinheit herangezogen.116 Soweit der Inhaber eines Twitter-Accounts nicht ausgeschlossen hat, dass die Tweets über die Web113 Diese Frage wird zumindest von Krieg, K&R 2009, 673 (675) und Neuhoff, ZUM 2012, 371 (376) aufgeworfen, jedoch zu keiner Lösung geführt. 114 Siehe dazu die Meldung der „Isarrunde“: http://www.isarrunde.de/isarrunden/ twitter-kanal_als_rundfunkangebot_angemeldet.html. 115 Brand, Rundfunk, S. 122. 116 Schulz, in: Hahn/Vesting, Rundfunkrecht, § 2 RStV Rn. 15.
B. Die Vereinbarkeit der Angebote mit dem Gebot der Staatsferne223
site von Twitter einsehbar sind, können die Inhalte von einem unbestimmten Rezipientenkreis konsumiert werden. Die Kommunikation kann daher als „öffentlich angesehen werden“.117 Etwas anderes könnte sich allerdings für den bereits erwähnten Fall des Ausschlusses der Veröffentlichung der Tweets an Nichtmitglieder ergeben. In diesem Fall können allein die Follower die Tweets einsehen. Man könnte mithin von einer geschlossenen Benutzergruppe sprechen, für die das Merkmal der Allgemeinheit zum Teil verneint wird.118 Eine solche wird angenommen, wenn es sich um eine von der Allgemeinheit abgrenzbare homogene Gruppe handelt, „die durch gemeinsame berufliche, ideelle oder vergleichbare mitgliedschaftliche oder öffentlich-rechtliche Beziehungen mit dem jeweiligen Anbieter verbunden sind“119 und das Angebot allein der Befriedigung des bereichsspezifischen Rezep tionsbedarfs dient.120 Ein Angebot verwirklicht daher nur dann die Voraussetzungen einer geschlossenen Benutzergruppe, wenn nur dieser Gruppe ein Angebot aufgrund des spezifischen Bezugs zugänglich ist. Nicht ausreichend ist hingegen, dass prinzipiell jeder Angehöriger dieser Gruppe werden und sodann auch auf das Angebot zugreifen kann. Sobald damit der Zugang zur Gruppe jedem möglich ist, steht es auch einem unbestimmten Rezipientenkreis offen.121 Für die Öffentlichkeit der Kommunikation bei Twitter ist daher zu folgern, dass man zwar bei einer Gruppe, die einem bestimmten Account-Inhaber, der zu bestimmten Themen twittert, „folgt“, von einem gemeinsamen Gruppeninteresse sprechen kann. Dieses gemeinsame Gruppeninteresse ist jedoch nicht derart ausgeprägt, dass es nur einen sehr begrenzten Kreis von Rezipienten betreffen kann.122 Vielmehr kann sich jeder bei Twitter registrieren und zum Follower werden, wodurch die Angebote einem unbestimmten Personenkreis unentgeltlich zur Verfügung stehen. Das heißt, auch wenn sich der Account-Inhaber entschließt, die Tweets nur seinen Followern zugänglich zu machen, ist die Kommunikation im Sinne der Rundfunkfreiheit an die Allgemeinheit gerichtet. Doch bereits die Einordnung des Video-on-Demand hat gezeigt, dass die Öffentlichkeit der Kommunikation nicht zwangsläufig auch die Eigenschaften des Massenkommunikativen begründet.123 Maßgeblich ist auch, wie 117 Schulz, 118 Zum
ZUM 1996, 487 (490). Meinungsstand siehe Schulz, in: Hahn/Vesting, Rundfunkrecht, § 2 RStV
Rn. 16. 119 Holznagel/Nolden, in: Handbuch Multimedia-Recht, 5 Rn. 52. 120 Schulz, in: Hahn/Vesting, Rundfunkrecht, § 2 RStV Rn. 15; Brand, Rundfunk, S. 138. 121 Brand, Rundfunk, S. 138; Degenhart, in: BK, Art. 5 I, II Rn. 678a. 122 Anders zum Beispiel beim Taxi- oder Polizeifunk. 123 Siehe dazu oben, 4. Kapitel B. II. 2. a) aa).
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4. Kap.: Die Angebote der Bundesregierung im Internet
sich das Verhältnis zwischen Kommunikator und Rezipient gestaltet, mithin ob die Kommunikation einseitig durch den Kommunikator bestimmt wird. Als Kommunikator tritt derjenige bei Twitter auf, der einen Account angelegt hat und Meldungen über den Mikroblogging-Dienst versendet. Sobald eine Meldung bei Twitter veröffentlicht wird, kann jeder Follower diese Meldung kommentieren oder Nachfragen äußern. Darüber hinaus kann er der Information durch eigene Erkenntnisse eine neue oder andere Richtung geben. Diese Tweets wiederum können von einer dritten Person zum Anlass genommen werden, seinerseits eine Meldung abzugeben. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, den Tweet eines anderen Mitglieds auf dem eigenen Account zu twittern (sog. Retweeten). Der ursprüngliche Kommunikator, der einen Tweet gesetzt hat, kann daher nicht einseitig beeinflussen, wie und was der Follower rezipieren wird, da sein Tweet und die damit verfolgte Bildung einer bestimmten Stimmung beim Follower nicht mehr allein in seiner Hand liegt. Twittert der Regierungssprecher Steffen Seibert Meldungen, die ein positives Bild von der Kanzlerin vermitteln sollen, steht es jedem Follower zu, auch kritische Fragen zu stellen oder Anmerkungen zu tätigen. Von einer noch weitgehenden Aufhebung der einseitigen Bestimmung der Kommunikation durch den Kommunikator wird man bei dem vom Regierungssprecher veranstalteten „Twitterview“ (#fragReg) sprechen können. 45 Minuten lang konnten registrierte Nutzer einen direkten Dialog führen, Fragen stellen oder kommentieren und damit umfassend selbst die Themen auf dem Account des Regierungssprechers bestimmen.124 Es war damit ein öffentlich, von jedermann beeinflussbar geführtes Interview, bei dem sich die Parteien gleichwertig gegenüberstanden und sich letztlich ein unbestimmter Personenkreis beteiligen konnte. Letzterer Aspekt unterscheidet Twitter zum Beispiel von einem Gespräch, welches mittels des herkömmlichen Rundfunks übertragen wird. Andererseits gleicht gerade die Öffentlichkeit der Kommunikation dem herkömmlichen Rundfunk, was die Plattform von einer E-Mail, die unproblematisch die Merkmale der Individualkommunikation verwirklicht, unterscheidet. Twitter kann daher nach diesen Kriterien weder eindeutig der Massennoch der Individualkommunikation zugeordnet werden, da der Mikroblogging-Dienst Elemente beider Kommunikationsformen enthält.
124 Siehe dazu den Bericht der „Welt Online“ v. 15.3.2012, abrufbar unter: http:// www.welt.de/politik/deutschland/article13924322/Das-war-das-Twitterview-mit-Reg Sprecher-Seibert.html.
B. Die Vereinbarkeit der Angebote mit dem Gebot der Staatsferne225
b) Potenzieller Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung Mit Blick auf die potenzielle Meinungsbildungsrelevanz, die einem einzelnen Tweet schon zukommen kann, muss trotz der individualkommunikativen Eigenschaften des Dienstes konstatiert werden, dass Twitter aufgrund der Entwicklungsoffenheit des verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriffs sowie dem Schutzzweck des Grundrechts diesem zuzuordnen ist. Wenngleich die Tweets auf 140 Zeichen beschränkt sind, kann einer einzelnen Nachricht große Wirkung zukommen. Zum einen ist die Aktualität unverkennbar. Ereignisse können schon Sekunden nach ihrem Geschehen Gegenstand eines Tweets sein, sodass die Aktualität beispielsweise einer Meldung eines Online-Auftritts einer Tageszeitung noch gesteigert wird. Hinsichtlich der Breitenwirkung muss selbstverständlich zwischen den verschiedenen Anbietern differenziert werden. Eine der Öffentlichkeit unbekannte Privatperson wird in der Regel mit ihren Tweets deutlich weniger Aufmerksamkeit erlangen als zum Beispiel die Eilmeldungen des SPIEGEL, die 37.888 Follower haben.125 Andererseits begrenzt die Anzahl der Follower nicht zwingend die Reichweite einer Nachricht. Durch die Möglichkeit des Retweeten und unter Umständen die Kenntnisnahme über die Website von Twitter kann eine Information sehr schnell weltweit verbreitet werden, auch wenn der Absender lediglich eine kleine Anzahl von Followern hat.126 Letztlich ist daher die Breitenwirkung des Blogging-Dienstes mit bereits knapp 600.000 deutschsprachigen und weltweit über 500 Millionen Nutzern127 enorm, wenngleich die Strukturen der Verbreitung der Meldungen bei Twitter zum Teil anderer Natur sind als beim herkömmlichen Rundfunk. Gerade diese beiden Eigenschaften des besonders schnellen Verbreitens einer Nachricht an einen quasi unbestimmten Empfängerkreis, der die Nachricht über mittlerweile sämtliche (mobile) Endgeräte abrufen kann, sowie die Möglichkeit über Textnachrichten hinaus auch Bilder und Videos versenden zu können, erzeugen die für den verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriff notwendige potenzielle Meinungsbildungsrelevanz. Twitter ist daher Rundfunk im Sinne des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG, sodass auch für die Nutzung von Twitter durch die Bundesregierung zu prüfen ist, inwieweit diese mit dem Gebot der Staatsferne des Rundfunks zu vereinbaren ist. 125 Stand:
27.11.2012. war es auch ein Privatmann, der die erste Nachricht über die Notwasserung eines Flugzeugs auf dem Hudson River im Jahr 2009 gesendet hat, siehe den Nachweis bei Krieg, K&R 2009, 673 (674). 127 Twitter-Statista-Dossier 2012, S. 6, abrufbar unter: http://de.statista.com/statis tik/daten/studie/157936/umfrage/anzahl-deutschsprachiger-nutzer-von-twitter-seit2009/; http://www.socialmediastatistik.de/twitter-hat-jetzt-mehr-als-500-millionen-nut zer/#more-865. 126 So
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4. Kap.: Die Angebote der Bundesregierung im Internet
5. Resümee Die exemplarisch untersuchte Nutzung „Neuer Medien“ durch die Bundesregierung hat damit ergeben, dass sie dem verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriff unterfallen können und sich damit die Frage anschließt, ob und gegebenenfalls wie das Gebot der Staatsferne des Rundfunks für diese Rundfunkangebote umzusetzen ist.
III. Die Umsetzung des Gebots für Rundfunkangebote im Internet Das Gebot der Staatsferne des Rundfunks hat das Bundesverfassungsgericht für den herkömmlichen Rundfunk entwickelt und in seiner bestätigenden Rechtsprechung auch nur auf die Veranstaltung klassischer Rundfunkangebote erstreckt. Wenngleich man das Internet nicht als Medium bezeichnen kann, welches neben Rundfunk, Presse und Film im Rahmen des Art. 5 Abs. 1 GG tritt, so weist es als Infrastruktur bzw. Verbreitungsweg für die herkömmlichen Medien gegenüber diesen Besonderheiten auf. Aus diesem Grund muss geklärt werden, ob das Gebot der Staatsferne des Rundfunks überhaupt für Angebote im Internet gelten kann. Erst im Anschluss daran sind Erwägungen zur Reichweite des Gebots zu treffen. 1. Notwendigkeit der Staatsferne für Rundfunkangebote im Internet Vielfach wird vom Internet als vielfältigem Medium par excellence gesprochen128, bei dem die Umsetzung der vom Bundesverfassungsgericht für den Rundfunk aufgestellten Anforderungen nicht als notwendig erachtet wird. Im Gegensatz zum herkömmlichen Rundfunk biete das Netz eine kaum noch überschaubare Anzahl von Angeboten an, die die freie und öffentliche Meinungsbildung sicherstellen würde.129 Die Vielfalt wird im Medienrecht als Indikator für eine funktionierende öffentliche und individuelle Meinungsbildung herangezogen.130 So garantiere die Vielfalt von Perspektiven kommunikative Chancengleichheit, fördere die Erkenntnis und trage zur Korrektur von Fehlern bei.131 Eine Regulierung, um das 128 Degenhart, AfP-Sonderheft 2007, 24 (30); Müller-Terpitz, AfP 2008, 335 (340); Koreng, AfP 2009, 117 (121). 129 Müller-Terpitz, AfP 2008, 335 (340); Dierking/Möller, MMR 2007, 426 (429). 130 Becker, ZUM 2010, 1. 131 Neuberger/Lobigs, Die Bedeutung des Internets im Rahmen der Vielfaltssicherung, S. 27.
B. Die Vereinbarkeit der Angebote mit dem Gebot der Staatsferne227
Normziel des Art. 5 Abs. 1 GG zu erreichen, sei daher für das Internet nicht erforderlich.132 Andere wiederum bezweifeln, ob die Vielfalt auch tatsächlich ein aussagekräftiger Indikator für das Funktionieren des gesamten Meinungsbildungsprozesses sei.133 Zum einen sei die Vielfalt auf der sogenannten „Input-Seite“ nur eine Eingangsbedingung für das Funktionieren des sehr komplexen und schwer messbaren Meinungsbildungsprozesses. Zum anderen müsse gerade für das Internet überprüft werden, ob die strukturelle Vielfalt, das heißt die große Zahl der unabhängigen Anbieter, auch eine publizistische Vielfalt nach sich ziehe oder letztlich nur von einem „more of the same“ gesprochen werden könne.134 Letztlich ist dabei zu klären, ob die Vielfalt des Internets den Gefahren für die freie und öffentliche Meinungsbildung der Bürger abhelfen kann. Darüber hinaus sind weitere strukturelle Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten zwischen dem klassischen Rundfunk und dem Internet herauszuarbeiten, um sodann die gefundenen Ergebnisse der Frage nach der Umsetzung des Gebots der Staatsferne des Rundfunks zugrunde zu legen. Erkenntnisse sollen zudem aus einem Vergleich mit der Situation der Presse gezogen werden. a) Der Vielfaltsaspekt und Konzentrationsprozesse Die Angebotsvielfalt des Internets kann weder das Fernsehen noch der Hörfunk aufweisen. Zwar haben sich auch bei den beiden herkömmlichen Rundfunkangeboten die Anzahl der Programme mit den Jahren vervielfacht, sodass man auch hier von einer für den normalen Bürger nahezu „unüberschaubaren Anzahl“ sprechen kann.135 Eine dem Internet auch nur annähernde Vergleichbarkeit kann beiden jedoch nicht zukommen.136 Die nicht zu übersehende strukturelle Vielfalt des Internets wird allerdings durch vielfaltsmindernde Faktoren relativiert. Einer dieser Faktoren ist die Ko-Orientierung, das heißt die wechselseitige Beobachtung und Angleichung von Inhalten zwischen Anbietern und Nutzern, aber auch der Anbie132 Müller-Terpitz, AfP 2008, 335 (340); Dierking/Möller, MMR 2007, 426 (430); v. Coelln, AfP 2008, 433 (444); Jäkel, AfP 2012, 224 (226) m. w. N.; a. A. Degenhart, Der Funktionsauftrag, S. 72. 133 Neuberger/Lobigs, Die Bedeutung des Internets im Rahmen der Vielfaltssicherung, S. 27 f.; siehe auch Möllers, AfP 2013, 457 (459), der bezweifelt, dass das Internet eine „medienimmanent staatsfreie Zone“ sei. 134 Neuberger/Lobigs, Die Bedeutung des Internets im Rahmen der Vielfaltssicherung, S. 27 f. 135 Kunisch, Rundfunk im Internet, S. 73. 136 Möllers, AfP 2008, 241 (249).
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4. Kap.: Die Angebote der Bundesregierung im Internet
ter untereinander.137 Das Internet bietet die Möglichkeit, auf einfachem Wege festzustellen, welche Informationen und Angebote die jeweiligen Konkurrenten auf dem Markt zur Verfügung stellen. Dies führt – wie Analysen belegt haben – dazu, dass zum Beispiel Weblogs sehr häufig Themen professionell-journalistischer Anbieter aufgreifen, sodass die Anzahl von Exklusivnachrichten als gering eingeschätzt wird.138 Auch die Recherche basiert häufig auf den gleichen Suchmaschinen (sog. „Googleisierung“), was ebenfalls zu einer Reduzierung der Vielfalt im Internet führt. Schließlich wird seitens der Anbieter auch auf das Nutzerverhalten reagiert, indem „Klickzahlen“ zur Anpassung an den Publikumsgeschmack führen.139 Neben dem Aspekt der Ko-Orientierung wirkt sich auch die zu beobachtende Dominanz der herkömmlichen oder traditionellen Massenmedien im Internet vielfaltsmindernd aus. Mehr als drei Viertel der journalistischen Internetangebote in Deutschland sind Ableger traditioneller Massenmedien.140 Dies hat zur Folge, dass auch diesen Angeboten eine gegenüber anderen Angeboten gesteigerte Meinungsbildungsrelevanz zukommt. Die dominierende Position der Angebote der traditionellen Medien gründet sich zum einen auf deren schon bestehenden Image und Bekanntheitsgrad, zum anderen aber auch auf der Möglichkeit, das Angebot im Internet auf den klassischen Medienmärkten refinanzieren zu können. Im Gegensatz dazu müssen Anbieter ohne einen Verlag oder Fernsehsender „im Rücken“ die vollen Produktionskosten tragen.141 Das Internet selbst bietet kaum Möglichkeiten, eine Querfinanzierung der Angebote, zum Beispiel durch Werbeerlöse oder Nutzungsgebühren, zu erreichen.142 Potenziellen „Newcomern“ stehen daher durchaus Markteintrittsbarrieren entgegen.143 Im an sich strukturell vielfältigen Internet sind daher Konzentrationsprozesse zu verzeichnen, die sich sodann vielfaltsmindernd auswirken.144 137 Neuberger/Lobigs, Die Bedeutung des Internets im Rahmen der Vielfaltssicherung, S. 30 f. 138 Neuberger/Lobigs, Die Bedeutung des Internets im Rahmen der Vielfaltssicherung, S. 30 f. 139 Neuberger/Lobigs, Die Bedeutung des Internets im Rahmen der Vielfaltssicherung, S. 30 f. m. w. N. 140 Neuberger/Nuernbergkk/Rischke, in: Journalismus im Internet, S. 222; siehe dazu aber auch die Übersicht bei Neuberger/Lobigs, Die Bedeutung des Internets im Rahmen der Vielfaltssicherung, S. 32 Tabelle I.6. 141 Neuberger/Lobigs, Die Bedeutung des Internets im Rahmen der Vielfaltssicherung, S. 32 f. 142 Neuberger/Lobigs, Die Bedeutung des Internets im Rahmen der Vielfaltssicherung, S. 31 f. 143 Neuberger/Lobigs, Die Bedeutung des Internets im Rahmen der Vielfaltssicherung, S. 198. 144 Kunisch, Rundfunk im Internet, S. 74; Klaes, ZUM 2009, 135 (139).
B. Die Vereinbarkeit der Angebote mit dem Gebot der Staatsferne229
Bereits dieser kurze Blick auf kommunikationswissenschaftliche Erkenntnisse zeigt, dass der Schluss von der strukturellen Vielfalt des Internets auf eine inhaltliche Vielfalt nicht zwingend ist,145 auch wenn aktuell die inhaltliche Vielfalt des Internets gegenüber dem Fernsehen um einiges stärker ausgeprägt ist.146 Wie sich Konzentrationstendenzen im Internet weiterentwickeln werden, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abzusehen. Marktstrukturen im Internet zeigen jedoch bereits heute, dass einige Märkte von einem oder einer sehr geringen Anzahl von Anbietern, wie etwa der Buchhandel von Amazon oder der Markt für Musikdownloads von Apple Inc. (iTunes) beherrscht werden.147 Ob sich der „Markt der Meinungen und Informationen“ ebenfalls dergestalt entwickeln wird, bleibt abzuwarten. Die Gefahr einer solchen Entwicklung scheint momentan bei der Fülle der Angebote verhältnismäßig unwahrscheinlich, jedenfalls deutlich geringer als beim herkömmlichen Rundfunk.148 Gerade für den Auftritt staatlicher Hoheitsträger im Internet spricht man nur von einem Programm unter vielen, welches nicht in der Lage sei, das Missbrauchspotenzial von Propaganda wie etwa im „Dritten Reich“ zu verwirklichen.149 Unverkennbar sind aber andererseits die weitgehenden Möglichkeiten des Staates sich im Internet zu präsentieren, unter Umständen auch Botschaften transportieren zu können, die im herkömmlichen Rundfunk oder der Presse zum Beispiel mittels Wahlwerbung nicht möglich wären. Das heißt einem Angebot der Bundesregierung kann zwar aufgrund der Vielfalt des Internets eine geringere Aufmerksamkeit zukommen oder die Botschaft gar durch andere Angebote leichter hinterfragt werden. Andererseits besitzt das Internet eine Dynamik, die dazu führen kann, dass auch eine unscheinbare Nachricht aus der Masse heraus eine besondere Aufmerksamkeit erlangt. Dies fördert auch die Beteiligung von Hoheitsträgern in sozialen Netzwerken, wie Twitter, myspace oder facebook, über die auf Angebote auf den Websites oder Plattformen wie YouTube hingewiesen wird. Es ist daher zu konstatieren, dass trotz der vielfaltsmindernden Aspekte momentan die strukturelle und inhaltliche Vielfalt des Internets stärker ist als beim herkömmlichen Rundfunk. Allerdings zeichnen sich bereits jetzt Konzentrationstendenzen dahingehend ab, dass die Meinungsbildung auch im Internet von den klassischen Medien dominiert wird, wenngleich dies 145 Neuberger/Lobigs, Die Bedeutung des Internets im Rahmen der Vielfaltssicherung, S. 38; Zweifel hat auch Brinkmann, ZUM 2013, 193 (195). 146 Neuberger/Lobigs, Die Bedeutung des Internets im Rahmen der Vielfaltssicherung, S. 34. 147 Dierking/Möller, MMR 2007, 426 (429). Dazu auch Kube, in: HStR IV, § 91 Rn. 17. 148 v. Coelln, AfP 2008, 433 (444); Möllers, AfP 2008, 241 (249). 149 Dierking/Möller, MMR 2007, 426 (430).
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4. Kap.: Die Angebote der Bundesregierung im Internet
noch nicht zu einer bedenklichen Aufweichung der Vielfalt führt. Den Angeboten der Bundesregierung kommt innerhalb des vielfältigen Angebots sicherlich nicht die Stellung eines Fernsehkanals der Bundesregierung zu. Die Strukturen des Internets führen jedoch dazu, dass ein – um es mit vielleicht zu drastischen Worten auszudrücken – Machtmissbrauch potenziell möglich ist. Insbesondere mit Blick auf die Wahlkampfzeiten der Parteien in Bund und Ländern kann auch die Vielfältigkeit des Internets nicht verhindern, dass die freie und öffentliche Meinungsbildung der Bürger gefährdet wird, wenn das Internet zur Umgehung von verfassungsrechtlichen Grenzen genutzt wird. Nicht zu verkennen sind aber auch die positiven Effekte des Internets, das den Zugang zu Informationen enorm erleichtert und daher auch für eine Steigerung der Qualität der Meinungs- und Willensbildung sorgt. b) Die Marktzutrittsschranken Der klassische Rundfunkmarkt weist nicht mehr die im ersten Rundfunk urteil durch das Bundesverfassungsgericht formulierte Frequenzknappheit auf, wozu insbesondere die erst kürzlich vollzogene vollständige Umstellung auf die digitale Verbreitung beigetragen hat.150 Insoweit kommt die noch bei den terrestrischen Frequenzen oder der analogen Übertragung über Breitbandkabelnetze bestehende Knappheit im klassischen Rundfunk nicht mehr zum Tragen, auch wenn zu konstatieren ist, dass weiterhin keine unendlich verfügbaren Kapazitäten existieren.151 Insoweit hat sich die enorme Diskrepanz zwischen dem klassischen Rundfunk und dem Internet zwar verringert, an die technischen Ressourcen des Internets kann der klassische Rundfunk jedoch nicht heranreichen.152 Ein anderer Aspekt im Rahmen der Marktzutrittsschranken ist der finanzielle Aufwand mit dem ein Angebot produziert werden kann. Dem klassischen Rundfunk hat das Bundesverfassungsgericht in dieser Hinsicht einen besonders hohen Aufwand attestiert.153 Dies dürfte noch zutreffend sein, jedoch mit dem Unterschied, dass heute die Anzahl derjenigen Marktteilnehmer größer ist, die in der Lage sind, diesen finanziellen Aufwand tragen zu können.154 Auf dem Online-Markt hingegen ist zu beobachten, dass sich einerseits ebenfalls professionell und mit hohen Kosten verbundene Ange150 Bullinger,
in: HStR VII, § 163 Rn. 120. Öffentlichkeitsarbeit, S. 63 f. 152 Jensen, Öffentlichkeitsarbeit, S. 122 f. 153 BVerfGE 12, 205 (261); 57, 295 (322). 154 Siehe die Übersicht zu den großen Medienkonzernen in: Daten zur Mediensituation in Deutschland 2011, S. 28 ff. 151 Jensen,
B. Die Vereinbarkeit der Angebote mit dem Gebot der Staatsferne231
bote finden, die aber zumeist für den klassischen Rundfunk produziert worden sind und das Netz lediglich als Sekundärverbreitungsweg genutzt wird.155 Andererseits existieren aber auch zahlreiche Portale, die ihre Angebote exklusiv für das Internet produzieren und dieses somit als Primärverteilungsweg dient. Hier finden sich im Gegensatz zum klassischen Rundfunk auch viele nicht professionelle Anbieter, was insbesondere das Portal YouTube sehr eindrücklich beweist.156 Um ein Rundfunkprogramm im Internet anbieten zu können, ist ein weitaus geringerer finanzieller Aufwand notwendig,157 wobei jedoch auch die bereits angesprochenen Probleme der fortlaufenden Finanzierung eines dauerhaften professionell redaktionell gestalteten Angebots bestehen bleiben. Anders als im klassischen Rundfunk und trotz der zunehmenden Kommerzialisierung und Professionalisierung des Internets ist es schwierig, ein Angebot zum Beispiel durch Werbeeinnahmen zu finanzieren. Die lukrativen Ausnahmen kommen zumeist nur den Anbietern stark frequentierter Seiten zugute,158 die sich aber, wie bereits gezeigt, ohnehin schon durch ihre Angebote auf den klassischen Medienmärkten querfinanzieren können. Die Marktzutrittshindernisse, die sich für den klassischen Rundfunk aus dem hohen finanziellen Aufwand ergeben, werden für das Internet daher nur insoweit relativiert, als der Zutritt an sich keine hohen Kosten erzeugt. Die Etablierung eines professionellen Angebots bleibt aber auch im Internet kostspielig. Insgesamt weist der Markt „Internet“ aber geringere Hindernisse als der klassische Rundfunkmarkt auf. c) Missbrauchspotenzial Eng mit der Frage nach der Vielfalt des Internets ist auch die Gefahr des Missbrauchs eines Mediums durch den Staat oder eine gesellschaftliche Gruppe verknüpft. Das Missbrauchspotenzial des klassischen Rundfunks wird in der überragenden Breitenwirkung, Aktualität und Suggestivkraft gesehen. Diese Eigenschaften würden im Falle eines missbräuchlichen Einflusses auf die freie und öffentliche Meinungsbildung dazu führen, dass die Wirkung auf die Bevölkerung besonders stark ist.159 Wie oben bereits gezeigt, kann das Wirkpotenzial „des Internets“ in seiner Gesamtheit nicht bestimmt werden; es ist vielmehr im Einzelfall zu prüfen, ob einem Angebot eine vergleichbare Breitenwirkung, Aktualität und Suggestivkraft zukommen 155 Dierking/Möller,
ZUM 2012, 426 (429). ZUM 2012, 426 (429). 157 Kube, in: HStR IV, § 91 Rn. 5; Jensen, Öffentlichkeitsarbeit, S. 123. 158 Kunisch, Rundfunk im Internet, S. 74; Klaes, ZUM 2009, 135 (138). 159 BVerfGE 90, 60 (87). 156 Dierking/Möller,
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4. Kap.: Die Angebote der Bundesregierung im Internet
kann.160 Keinesfalls ist Angeboten im Internet dieses Wirkpotenzial von vornherein abzusprechen.161 Der Unterschied zwischen dem klassischen Rundfunk und dem Internet als Verbreitungsweg ist darin zu sehen, dass im Internet nicht ausschließlich Beiträge mit einer rundfunkspezifischen Wirkung zur Verfügung gestellt werden. Das Missbrauchspotenzial einzelner Angebote wird dadurch jedoch nicht verringert. Auch die Manipulationsmöglichkeiten, die beispielsweise mittels Kameraeinstellungen erreicht werden können, unterscheiden sich nicht. Zudem bietet das Internet gegenüber dem klassischen Rundfunk gesteigerte Möglichkeiten, die Anonymität zu wahren, was die Hemmschwelle zur Manipulation oder Verbreitung von Unwahrheiten sinken lässt. Gerade in Wahlkampfzeiten dürfte dieser Aspekt nicht zu unterschätzen sein mit der Konsequenz, dass es der Öffentlichkeit erschwert wird, als Kontrolleur des politischen Diskurses zu agieren.162 Es lässt sich daher sagen, dass das Internet durch seine Vielfalt das Risiko des Machtmissbrauchs reduziert, aber durch seine andersartigen Strukturen, insbesondere die Möglichkeit, sich im Internet anonym zu bewegen, die Kontrolle der Informationen durch die Öffentlichkeit erschwert wird. Nicht unberücksichtigt bleiben darf, dass einzelnen Angeboten durchaus ein dem klassischen Rundfunk vergleichbares Wirkpotenzial zukommen kann. d) Vergleich zur Situation des Pressemarktes Im Gegensatz zum Rundfunk hat das Bundesverfassungsgericht für die Presse zur Sicherung der Vielfalt die Notwendigkeit einer positiven Ordnung verneint.163 So räumt es zwar ein, dass auch Zeitungsverlage, Zeitungsdruckereien und Zeitungen nicht in beliebiger Anzahl neu gegründet und unterhalten werden könnten. Der Unterschied zwischen Presse und Rundfunk bestünde aber darin, „dass innerhalb des deutschen Pressewesens eine relativ große Zahl von selbständigen und nach ihrer Tendenz, politischen Färbung oder weltanschaulichen Grundhaltung miteinander konkurrierenden Presseerzeugnissen“ existierten.164 Dies – so das Gericht später – habe zu einem gewissen bestehenden Gleichgewicht geführt, sodass es heute zur Sicherstellung umfassender Information und Meinungsbildung durch die Presse grundsätzlich genügen mag, Bestehendes zu gewährleisten und die Presse im Übrigen dem freien Spiel der Kräfte zu überlassen.165 160 Jensen,
Öffentlichkeitsarbeit, S. 124. dazu schon beim Rundfunkbegriff, 4. Kapitel B. II. 2. a) bb). 162 Holznagel, JZ 2012, 165 (171). 163 BVerfGE 12, 205 (260); 57, 295 (322 f.). 164 BVerfGE 12, 205 (261). 161 Siehe
B. Die Vereinbarkeit der Angebote mit dem Gebot der Staatsferne233
Die vom Gericht beschriebene Situation des vielfältigen Pressemarktes kann auch für die Angebote im Internet beobachtet werden, wobei das Internet noch vielfältiger ist. Ähnlichkeiten bestehen auch bei den Voraussetzungen für den Marktzutritt, wobei eine reine Online-Zeitung geringere Produktions- und Verbreitungskosten hat.166 Andererseits ist die Finanzierung durch Verkaufserlöse aufgrund der „Kostenlosmentalität“ der Bevölkerung für Angebote im Internet kaum möglich.167 Strukturelle Unterschiede zwischen „Presse- und Internetmarkt“ zeigen sich im Hinblick auf die zu verzeichnenden Konzentrationstendenzen. 165
In den letzten Jahren hat sich mehr und mehr herausgestellt, dass die Vorstellung des Bundesverfassungsgerichts, allein die Freiheit der Gründung von Presseunternehmen und die Gewährleistung der freien Berichterstattung sei ausreichend, um einen vielfältigen Meinungsmarkt zu erreichen, nicht mehr den aktuellen Entwicklungen entspricht.168 Vielmehr haben sich einige wenige große Medienkonzerne etabliert, die nicht nur auf dem Pressemarkt besonders einflussreich sind, sondern durch crossmediale Verflechtungen im Rundfunk und Internet agieren.169 Diese aus Vielfaltgesichtspunkten nicht unbedenklichen Strukturen des deutschen Presse-, aber auch Medienmarktes insgesamt haben in der Rechtswissenschaft bereits zahlreiche Vorschläge zur Reformierung des Medienkonzentrationsrechts hervorgerufen.170 Die Brisanz dieses Themas für den Rundfunk- und Pressemarkt kann für das Internet noch nicht begründet werden. Erste Studien zeigen allerdings, dass man in Zukunft über eine Erweiterung der Medienkonzentrationskontrolle auch auf bestimmte Angebote im Internet wie beispielsweise Suchmaschinen nachzudenken haben wird. An dieser Stelle bleibt nunmehr festzuhalten, dass das Internet unter dem Gesichtspunkt der Vielfalt der Angebote deutlich mehr Ähnlichkeiten zum 165 BVerfGE
57, 295 (323). Öffentlichkeitsarbeit, S. 123 f. 167 Siehe aber den Versuch von Rupert Murdoch, der für die Online-Version der „Times“ u. a. sog. Tagestickets verkauft, Bouhs, Wer lesen will, muss lösen, in: ZEITOnline v. 20.11.2009. 168 Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 I, II Rn. 179 ff. (Erstbearbeitung). 169 Exemplarisch können in dieser Hinsicht der Burda oder Springer-Konzern genannt werden, die Beteiligungen an zahlreichen Verlagen, Internetfirmen und Rundfunkunternehmen halten, siehe Daten zur Mediensituation in Deutschland 2011, S. 32 ff. 170 Vgl. hierzu u. a. Hohlfeld/Müller-Terpitz, Medienkonzentrationskontrolle – Quo vadis?; Krautscheid/Schwartmann, Fesseln für die Vielfalt?; KEK, Crossmediale Verflechtungen als Herausforderung für die Konzentrationskontrolle. Den Aspekt der zunehmenden crossmedialen Verflechtungen hat auch das BVerfG hervorgehoben, BVerfGE 119, 181 (216 f.). 166 Jensen,
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4. Kap.: Die Angebote der Bundesregierung im Internet
Presse- als zum Rundfunkmarkt aufweist. Diese Ähnlichkeit sowie die Wertigkeit, die das Bundesverfassungsgericht dem Aspekt der Vielfalt zumisst, muss folglich auch bei der abschließenden Bewertung der Notwendigkeit einer Regulierung von Rundfunkangeboten berücksichtigt werden. e) Bewertung Die strukturellen Gegebenheiten des Rundfunkmarktes, die das Bundesverfassungsgericht bei der Entwicklung des Gebots der Staatsferne des Rundfunks zugrunde gelegt hat, bestehen heute zum Teil schon nicht mehr für den klassischen Rundfunk und wie gezeigt in vielfacher Hinsicht nicht für das Internet. Die Unterschiede bestehen insbesondere im Hinblick auf Vielfalt, finanziellen Aufwand für den Marktzutritt sowie Dynamik. Es erscheint daher nicht angemessen, das oben dargestellte Verständnis des Gebots in Rechtsprechung und Schrifttum hinsichtlich der Reichweite auf das Internet zu übertragen, wenngleich ein Missbrauchspotenzial nicht gänzlich verneint werden kann. Etwas anders gestaltet sich die Situation bei einem Vergleich mit dem Pressemarkt. Zwar sind auch hier die Gefahren für die freie und öffentliche Meinungsbildung aufgrund der überragenden Vielfalt des Internets noch etwas geringer ausgeprägt als bei der Presse. Ebenso zeichnen sich noch keine vergleichbaren den Pressemarkt belastenden Konzentrationstendenzen ab. Dennoch, wenn man eine Zuordnung treffen wollte, steht das Internet dem Pressemarkt insbesondere in Sachen Vielfalt sehr nahe. Nominell sind zwar im Internet noch mehr Angebote zu finden, diese Anzahl wirkt sich jedoch nicht auch proportional auf die inhaltliche Vielfalt aus. Gerade dieser Aspekt der Vielfältigkeit eines Marktes spielt in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei der Frage der Notwendigkeit der Regulierung der Medien eine große Rolle. Grundlegend war in dieser Hinsicht das erste Rundfunkurteil, in dem die Sondersituation des Rundfunks gegenüber den anderen Medien begründet wurde: „Hier wird die Besonderheit bedeutsam, durch die sich der Rundfunk von der Presse unterscheidet. [...] Der Unterschied zwischen Presse und Rundfunk besteht aber darin, daß innerhalb des deutschen Pressewesens eine relativ große Zahl von selbständigen und nach ihrer Tendenz, politischen Färbung oder weltanschaulichen Grundhaltung miteinander konkurrierenden Presseerzeugnissen existiert, während im Bereich des Rundfunks sowohl aus technischen Gründen als auch mit Rücksicht auf den außergewöhnlich großen finanziellen Aufwand für die Veranstaltung von Rundfunkdarbietungen die Zahl der Träger solcher Veranstaltungen verhältnismäßig klein bleiben muß. Diese Sondersituation im Bereich des Rundfunkwe-
B. Die Vereinbarkeit der Angebote mit dem Gebot der Staatsferne235 sens erfordert besondere Vorkehrungen zur Verwirklichung und Aufrechterhaltung der in Art. 5 GG gewährleisteten Freiheit des Rundfunks.“171
Zuletzt hat das Gericht im Rundfunkgebührenurteil II die Situation der Medienmärkte unter dem Vielfaltsaspekt rekurriert: „Gefährdungen der Erreichung des der Rundfunkordnung insgesamt verfassungsrechtlich vorgegebenen Vielfaltsziels entstehen auch infolge der Entwicklung der Medienmärkte und insbesondere des erheblichen Konzentrationsdrucks im Bereich privatwirtschaftlichen Rundfunks. Rundfunk wird nicht nur durch herkömmlich ausgerichtete Medienunternehmen veranstaltet und verbreitet. Zunehmend werden im Rundfunkbereich auch andere Unternehmen, neuerdings etwa Kapitalgesellschaften unter maßgeblicher Beteiligung von internationalen Finanzinvestoren tätig. Auch engagieren sich Telekommunikationsunternehmen als Betreiber von Plattformen für Rundfunkprogramme. Der Prozess horizontaler und vertikaler Verflechtung auf den Medienmärkten schreitet voran […]. Es bestehen vielfältige Potentiale der wechselseitigen Verstärkung von publizistischem Einfluss und ökonomischem Erfolg und damit der Nutzung von Größen- und Verbundvorteilen, darunter auch durch crossmediales Marketing. Die neuen Technologien erlauben im Übrigen den Einsatz von Navigatoren und elektronischen Programmführern, deren Software ihrerseits zur Beeinflussung der Auswahlentscheidung von Rezipienten genutzt werden kann.“172
Es spricht daher viel dafür, auch für die Frage der Notwendigkeit des Gebots an die Vielfalt des „Mediums“ anzuknüpfen, wobei aufgrund der bereits angesprochenen Nähe zur Presse in dieser Hinsicht auf das Verständnis der Pressefreiheit zurückgegriffen werden soll. Für die Presse besteht gleichsam dem Rundfunk ein Gebot der Staatsferne der Presse, welches das Bundesverfassungsgericht formuliert und der BGH erst kürzlich konkretisiert hat.173 So schließe das Gebot aus, dass der Staat unmittelbar oder mittelbar Presseunternehmen beherrsche, die nicht lediglich Informationspflichten öffentlicher Stellen erfüllten.174 Insoweit scheint die Rechtsprechung des BGH, der sich ausdrücklich an der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Gebot der Staatsferne des Rundfunks orientiert, eine weitgehendere Anwendung des Gebots zu postulieren. Das Bundesverfassungsgericht hatte hier bereits im ersten Rundfunk urteil die Auffassung vertreten, dass eine Einflussnahme des Staates auf den Pressemarkt dann hingenommen werden könne, „wenn sie wegen der Konkurrenz mit der Fülle der vom Staat unabhängigen Zeitungen und Zeitschriften an dem Bild der freien Presse substantiell nichts ändern würde“.175 171 BVerfGE
12, 205 (261). 119, 181 (216 f.). 173 BVerfGE 12, 205 (260); 20, 162 (175); BGH, Urt. v. 15.12.2011 – I ZR 129/10 = GRUR 2012, 728. 174 BGH, Urt. v. 15.12.2011 – I ZR 129/10 = GRUR 2012, 728. 175 BVerfGE 12, 205 (260). 172 BVerfGE
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4. Kap.: Die Angebote der Bundesregierung im Internet
Ein Agieren des Staates auf dem Pressemarkt dürfte daher nach dieser Interpretation deutlich stärker erlaubt sein, da das Bundesverfassungsgericht keine Einschränkung hinsichtlich einer mit der Verbreitung des Druckerzeugnisses verbundenen Aufgabenerfüllung aufstellt, sondern lediglich die Freiheit der Presse insgesamt zur Grenze der staatlichen Tätigkeit macht. Unabhängig von diesen inhaltlichen Differenzen kann der Rechtsprechung jedoch entnommen werden, dass selbst für das vielfältige Medium Presse ein staatliches Funktionsverbot im Sinne eines Betätigungsverbotes bestehen kann. Das heißt die Vielfältigkeit eines Mediums allein führt nicht dazu, dem Staat eine freie Betätigung auf diesem Markt zu gestatten. Es ist daher auch für Rundfunkangebote im Internet nicht von der Geltung des Gebots der Staatsferne des Rundfunks an sich abzusehen. 2. Die Umsetzung des Gebots der Staatsferne des Rundfunks Die bloße Geltung des Gebots für Angebote im Internet erlaubt jedoch noch keine Aussage über dessen Reichweite. Auch hier müssen die speziellen Strukturen des Internets berücksichtigt und das Gebot der Staatsferne des Rundfunks unter Umständen fortentwickelt werden. Gleichzeitig darf nicht aus den Augen verloren werden, dass die heutige Medienlandschaft einer viel stärkeren Dynamik unterliegt, als dies noch vor 30 Jahren der Fall war. Die Bestimmung der Reichweite des Gebots muss daher auch Raum für weitere heute noch nicht absehbare Entwicklungen bieten.176 a) Ansatz im Schrifttum Wie Jensen zu Recht bemerkt, wird die Frage der Übertragung des Gebots der Staatsferne des Rundfunks und der Presse auf entsprechende Angebote im Internet, wenn überhaupt, nur beiläufig erwähnt.177 Grund dafür ist, dass sich die wissenschaftliche Auseinandersetzung in diesem Bereich vor allem auf die Reichweite der regierungsamtlichen Öffentlichkeitsarbeit im Internet konzentriert und die Umsetzungsmöglichkeiten der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Öffentlichkeitsarbeit im Vordergrund stehen.178 Die Übertragung dieser Grundsätze auf das Internet sowie 176 Ähnlich Ladeur, DÖV 2002, 1 (8), der diese Offenheit der Medienentwicklung bei der Frage der Grenzen regierungsamtlicher Öffentlichkeitsarbeit im Internet berücksichtigt. 177 Jensen, Öffentlichkeitsarbeit, S. 140 mit entsprechenden Nachweisen. 178 Siehe nur Ladeur, DÖV 2002, 1; Mandelartz/Grotelüschen, NVwZ 2004, 647; Frevert/Wagner, NVwZ 2011, 76 (78 f.).
B. Die Vereinbarkeit der Angebote mit dem Gebot der Staatsferne237
die Erarbeitung neuer Konzepte, um die für herkömmliche Öffentlichkeitsarbeit entwickelten Grenzen entsprechend anzupassen, ist bereits an anderer Stelle ausführlich untersucht worden, sodass hier davon abgesehen werden soll.179 Im Mittelpunkt soll das Gebot der Staatsferne des Rundfunks stehen. In dieser Hinsicht sieht der vor allem von Jensen vertretene Ansatz vor, das Gebot wie beim klassischen Rundfunk umzusetzen, wobei er keine Anpassungen für erforderlich hält.180 Das heißt die Regierung, aber auch jeder andere Hoheitsträger unterliegt einem weitgehenden Betätigungsverbot. Ein Verstoß gegen das Gebot der Staatsferne des Rundfunks stellt damit die Verbreitung aller Angebote dar, die als Rundfunk im Sinne des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG einzuordnen sind. Unzulässig wären daher nicht nur die soeben dargestellten Rundfunkangebote der Bundesregierung, sondern auch das Parlamentsfernsehen des Deutschen Bundestags.181 Etwas anderes könne nur – so Jensen – für den Online-Auftritt von Hoheitsträgern an sich gelten. Dieser unterfalle nicht dem Rundfunkbegriff, sondern weise vielmehr 179 Siehe dazu die umfassende Darstellung von Jensen, Öffentlichkeitsarbeit. Das von Jensen unter Berücksichtigung verschiedener bereits vorhandener prozeduraler Regulierungsmodelle entwickelte Konzept zur Regulierung der regierungsamtlichen Öffentlichkeitsarbeit im Internet verfolgt in besonderem Maße die Ziele der Wahrung von Transparenz sowie der Anpassungsfähigkeit des Rechts an die Dynamik des Internets. Daneben wird das Modell der regulierten Selbstregulierung etabliert. Vorgesehen ist, dass die Regierung zunächst autonom eine Bestimmung ihrer Kommunikationsstrategie, verbunden mit der Artikulierung entsprechender Kommunikationsbedürfnisse im Rahmen der vom Grundgesetz vorgegebenen Ordnung erstellt. Damit werde die erforderliche Transparenz hergestellt, um unter anderem später auch eine Überprüfung dieser Vorgaben vornehmen zu können. Diese abstrakten Leitlinien sollen daneben durch konkretisierende Verwaltungsvorschriften ergänzt werden, wobei eine Orientierung am Modell des „Corporate Governance“ lanciert wird. Das heißt die Regierung hat ihre übergeordneten Ziele, die sie mit der Öffentlichkeitsarbeit verfolgt, festzuschreiben, entsprechende Strukturen und Prozesse zu bestimmen sowie ein Gesamtkonzept vorzustellen. Flankierend dazu sind Elemente der Selbstkontrolle zu etablieren. Über die Selbstkontrolle hinaus ist vorgesehen, die Regierung zu einem Bericht zu verpflichten, in dem sie zur tatsächlichen Umsetzung der Kommunikationsstrategie und Einhaltung der gesetzten Grenzen Stellung nimmt. Dieser Bericht soll auch zugleich für den Gesetzgeber dazu dienen, Fehlentwicklungen feststellen zu können und unter Umständen im Sinne des effektiven Grundrechtsschutzes Regelungen zu treffen. Zudem soll ein staatsfrei und sachverständigplural zusammengesetztes Gremium die Aufsicht über die Öffentlichkeitsarbeit übernehmen. Zugleich ist diese auch als Beschwerdestelle für den Bürger vorgesehen. Siehe auch ähnlich Ladeur, DÖV 2010, 1, der sich ebenfalls für eine Prozeduralisierung ausspricht. Auch mit dieser Thematik befassen sich Mandelartz/Grotelüschen, NVwZ 2004, 647; Becker/Blackstein, NJW 2011, 490; Kittler, NJW 2000, 122. 180 Jensen, Öffentlichkeitsarbeit, S. 140 f.; Siehe aber auch die Ansätze bei Roßnagel, NVwZ 2000, 622 (624) und Eifert, VerwArch 93 (2002), 561 (571). 181 Jensen, Öffentlichkeitsarbeit, S. 141.
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4. Kap.: Die Angebote der Bundesregierung im Internet
Ähnlichkeiten zum Pressebegriff auf, sodass hier das Gebot der Staatsferne der Presse Anwendung finde, womit dem Staat eine weitgehendere bzw. die Einflussnahme an sich gestattet werde.182 Im Ergebnis ist nach dieser Ansicht jedoch sowohl das Gebot der Staatsferne des Rundfunks als auch der Presse ohne Anpassung auf entsprechende Angebote im Internet zu übertragen. b) Eigener Ansatz Wie gezeigt weisen die tatsächlichen Gegebenheiten der Märkte Rundfunk und Internet zum Teil doch erhebliche Unterschiede auf. Vor dem Hintergrund, dass das Bundesverfassungsgericht die Notwendigkeit des Gebots der Staatsferne des Rundfunks neben der Rolle des Mediums für die freie und öffentliche Willens- und Meinungsbildung183 auch an tatsächlichen Gegebenheiten des Rundfunks festmacht, das heißt technischen und ökonomischen Besonderheiten,184 überzeugt eine schlichte Übertragung der Reichweite des Gebots auf die Angebote im Internet nicht.185 Dies betrifft insbesondere das weitgehende Betätigungsverbot. Aufgrund der dennoch bestehenden Ähnlichkeiten zum klassischen Rundfunk kann der Staat andererseits aber auch nicht wie ein Privater im Internet auftreten, das heißt er hat für Rundfunkangebote bestimmte Grenzen zu wahren. Aus den oben erlangten Erkenntnissen zu den Märkten Presse, Rundfunk und Internet und der herausgearbeiteten Nähe von Internet und Presse unter den Gesichtspunkten Vielfalt und Marktzutritt wird eine an dem Gebot der Staatsferne der Presse angelehnte Justierung des Gebots der Staatsferne des Rundfunks befürwortet. Es bedarf daher zunächst eines Blickes auf das verfassungsrechtliche Verständnis des Gebots der Staatsferne der Presse. aa) Das Gebot der Staatsferne der Presse Das Gebot der Staatsferne der Presse statuiert für den Staat kein dem Rundfunk vergleichbares Betätigungsverbot, sondern ermöglicht ihm in 182 Jensen, Öffentlichkeitsarbeit, S. 154 f. Dies ist allerdings umstritten, siehe die Nachweise bei Degenhart, AfP 2009, 207 (208 Fn. 19). 183 St. Rspr. seit BVerfGE 12, 205 (260); Siehe auch oben Kapitel 2. 184 BVerfGE 12, 205 (261) oder zuletzt BVerfGE 119, 181 (214 ff.); siehe aber auch BVerfGE 73, 118 (154 f.); Jensen, Öffentlichkeitsarbeit, S. 109; Huber, Grundrechtsschutz durch Organisation und Verfahren, S. 110 ff. 185 Jensen, Öffentlichkeitsarbeit, S. 109, verweist auf diesen Aspekt, zieht daraus aber keine Konsequenzen für die Reichweite des Gebots der Staatsferne des Rundfunks.
B. Die Vereinbarkeit der Angebote mit dem Gebot der Staatsferne239
Grenzen die Verbreitung von Druckerzeugnissen.186 Absolute Grenze der staatlichen Tätigkeit im Bereich der Presse ist die objektive Garantie des Instituts der freien Presse. Ausgeschlossen ist damit, dass der Staat wie ein Konkurrent zu den privaten Presseunternehmen agiert und so über die Maße auf die öffentliche Meinungsbildung Einfluss nehmen kann.187 Aufgrund der Vielfältigkeit des Marktes wird eine solche Konkurrentenstellung des Staates aber nicht ohne Weiteres erreicht, sondern eröffnet vielmehr Spielräume für staatliche Presseerzeugnisse. Die Zulässigkeit staatlicher Druckerzeugnisse wird dabei von dem Gedanken des Bezugs zur Erfüllung einer Informationspflicht bzw. der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe getragen.188 Es sind daher solche Inhalte unzulässig, die in keinem Zusammenhang mit einer staatlichen Tätigkeit oder einem entsprechenden staatlichen Anlass stehen. Gerade aktuelle parteipolitische Auseinandersetzungen können nicht Gegenstand der Pressetätigkeit sein. Gleiches muss auch für rein unterhaltende Beiträge gelten. Ausgeschlossen ist schließlich die politische periodische Presse.189 Zulässig sind hingegen amtliche Mitteilungen oder Verkündungen. Hierbei handelt es sich um Informationen, die aus dem originären staatlichen Bereich kommen und der staatlichen Aufgabenerfüllung dienen, wie beispielsweise der Veröffentlichungspflicht aus Art. 82 Abs. 1 S. 1 GG. In diesem Bereich der staatlichen Aufgabenerfüllung kann die Gefahr einer Verdrängung der freien Presse nicht bestehen, da diese Informationen ausschließlich vom Staat veröffentlicht werden können. Eine Umgehung der Presse kann folglich nicht befürchtet werden.190
186 Bethge, in: Sachs, GG, Art. 5 Rn. 80; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 5 Rn. 230; Bullinger, in: Löffler, Presserecht, § 1 LPG, Rn. 44; Degenhart, AfP 2009, 207 (211 f.); Jensen, Öffentlichkeitsarbeit, S. 95; Schürmann, AfP 1993, 435 (436 f.); Groß, Presserecht, Rn. 82; Plenge, Zulässigkeit staatlicher Zeitungen und Zeitschriften, S. 86 ff., 124; Kohl, AfP 1981, 326 (330). Für eine unbeschränkte Pressetätigkeit des Staates haben sich Bettermann, DVBl. 1963, 41 (42) und Peters, Rechtslage von Rundfunk und Fernsehen, S. 26 f. ausgesprochen. Diese Ansichten dürften jedoch überholt sein, so auch Jensen, Öffentlichkeitsarbeit, S. 97. 187 BVerfGE 12, 205 (260). 188 BVerfGE 20, 56 (100); BGH, Urt. v. 15.12.2011 – I ZR 129/10 = GRUR 2012, 728; Degenhart, AfP 2009, 207 (210, 211); Jensen, Öffentlichkeitsarbeit, S. 99; Ladeur, DÖV 2002, 1 (4); Studenroth, AöR 125 (2000), 257 (270); Mandelartz/Grotelüschen, NVwZ 2004, 647 (648 f.); Rath-Glawatz, AfP 1998, 261 (264 f.); Schulze-Fielitz, AfP 1998, 447 (451, 456); Plenge, Zulässigkeit staatlicher Zeitungen und Zeitschriften, S. 86. 189 Degenhart, AfP 2009, 207 (211). 190 Jensen, Öffentlichkeitsarbeit, S. 96; Degenhart, AfP 2009, 207 (211); Schoch, in: HStR III, § 37 Rn. 58 ff., 62 f.
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4. Kap.: Die Angebote der Bundesregierung im Internet
Schwieriger gestaltet sich der Fall, wenn der Staat dem Bürger redaktionell gestaltete Veröffentlichungen zur Verfügung stellt wie zum Beispiel Zeitungen, Zeitschriften oder Informationsbroschüren. Die redaktionelle Bearbeitung von Quellen ist originäre Aufgabe der freien Medien. Gerade die Eigenarbeit an der ursprünglichen Quelle, das heißt die Bewertung, Zusammenstellung und Auswertung von Informationen macht die Presse zum Medium und Faktor der öffentlichen Meinungsbildung. Nimmt der Staat diese Aufgabe selbst wahr, verlieren die Medien ihre Rolle zur Sicherstellung eines freiheitlich-demokratischen Staates. Dieses Gefahrenpotenzial nehmen einige daher auch zum Anlass, dem Staat die Veröffentlichung redaktionell aufgearbeiteter Informationen zu versagen.191 Hoheitsträger wären damit auf die Publikation von nicht redaktionell gestalteten amtlichen Mitteilungen und Veröffentlichungen beschränkt. Sinnvoller erscheint es jedoch, an den bereits geäußerten Gedanken des Aufgabenbezugs anzuknüpfen. Besteht seitens des Staates eine Informationspflicht gegenüber dem Bürger, so kann er nicht darauf verwiesen werden, dieser Pflicht ohne oder nur mit geringer Chance auf Wahrnehmung durch den Bürger nachzukommen. Zu denken ist in dieser Hinsicht an die Pflicht der Regierung zur Öffentlichkeitsarbeit.192 Wird diese verfassungsrechtliche Pflicht der Regierung auferlegt, kann von ihr nicht verlangt werden, den Medien die Aufgabenerfüllung zu überlassen und lediglich mittels der amtlichen Verkündungen dieser Pflicht nachzukommen. Soll der Staat den Bürger mit seinen zum Teil wichtigen Informationen erreichen, muss ihm auch die Möglichkeit geboten werden, selber über die eigenen Aufgaben zu informieren. Dies betrifft nicht nur die Öffentlichkeitsarbeit in der Form der Selbstdarstellung, sondern auch Schutzpflichten des Staates, wie etwa im Bereich der Lebensmittelsicherheit oder dem Gesundheitsschutz.193 Soweit es sich daher um eine Informationstätigkeit in Erfüllung einer staatlichen Aufgabe handelt, kann dem Staat auch nicht die redaktionelle Gestaltung dieser Information versagt werden.194 Ein anderer Aspekt ist die Informationstätigkeit des Staates, die aus Gründen eines „Marktversagens“ vorgenommen wird, das heißt wenn „die gesellschaftlichen Kräfte nicht ausreichen, um ein hinreichendes Informationsgleichgewicht herzustellen“.195 Das Bundesverfassungsgericht sieht in 191 Ricker,
AfP 1981, 320 (322) m. w. N. 44, 125 (147); Degenhart, AfP 2009, 207 (210); Jensen, Öffentlichkeitsarbeit, S. 98 f.; ausdrücklich für Twitter und facebook, Holznagel, JZ 2012, 165 (171). Siehe dazu auch schon Kapitel 3. 193 Degenhart, AfP 2009, 207 (211) mit weiteren Beispielen; Gramm, Der Staat 30 (1991), 51 (63). 194 So auch Jensen, Öffentlichkeitsarbeit, S. 99. 195 BVerfGE 105, 252 (269). 192 BVerfGE
B. Die Vereinbarkeit der Angebote mit dem Gebot der Staatsferne241
diesem Fall den Staat in der Pflicht, die Informationstätigkeit zu übernehmen, auch wenn dies Vorgänge außerhalb oder weit im Vorfeld der eigenen gestaltenden politischen Tätigkeit betrifft, das heißt wenn der Aufgabenbezug fehlt.196 Dem Staat kommt in dieser Rolle die Aufgabe der Presse zu, er ist Teil der öffentlichen Kommunikation und unterliegt weder in thematischer noch in stilistischer Hinsicht Beschränkungen.197 Überall dort, wo die Regierung einen Informationsmangel befürchtet, kann sie tätig werden. Diese Interpretation des Bundesverfassungsgerichts hat zu Recht im Schrifttum nicht nur Zustimmung gefunden.198 Einen solchen Fall des Informationsmangels oder der Gefahr der einseitigen und interessengeleiteten Informationstätigkeit durch die Presse dürfte nur in Ausnahmefällen zu begründen sein.199 Bei der Erfüllung dieser Aufgaben unterliegt der Staat zugleich dem Gebot der Neutralität, das heißt der Pflicht zu parteipolitischen, religiös-weltanschaulichen sowie zur Meinungsneutralität.200 Der thematische Aufgabenbezug allein kann jedoch nicht gewährleisten, dass das soeben angesprochene Informationsungleichgewicht verhindert wird. Auch eine ausufernde staatliche Berichterstattung kann dazu führen, dass im jeweiligen thematischen Zusammenhang dem Staat eine beherrschende Rolle zukommt. Aus diesem Grund verweist Degenhart den Staat zu Recht auf eine subsidiäre Rolle gegenüber der Presse. Es ist daher seitens des Staates immer sicherzustellen, dass auch bei Vorliegen eines Aufgabenbezugs der Grundsatz der Staatsferne gewahrt wird.201 bb) Zwischenresümee Das Gebot der Staatsferne der Presse statuiert zwar kein absolutes Betätigungsverbot für den Staat, allerdings ist die staatliche Pressetätigkeit von einem Aufgabenbezug abhängig. Besteht eine solche Notwendigkeit der Informationstätigkeit, darf diese sich jedoch nur auf eine subsidiäre Rolle gegenüber der Presse im Übrigen beschränken. Es muss auch im thematischen Zusammenhang der Grundsatz der freien Presse gewahrt werden. Nicht erforderlich ist hingegen, dass der Staat zur Wahrung des Gebots auf 196 BVerfGE
105, 252 (269). AfP 2009, 207 (210). 198 Statt vieler siehe Schoch, in: HStR III, § 37 Rn. 112 f. 199 In diese Richtung wohl auch Degenhart, AfP 2009, 207 (210). 200 Siehe dazu bereits 3. Kapitel B. IV. 3. b). 201 Degenhart, AfP 2009, 207 (211, 212); so auch Bethge, in: Sachs, GG, Art. 5 Rn. 80. 197 Degenhart,
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4. Kap.: Die Angebote der Bundesregierung im Internet
eine redaktionelle Gestaltung seiner Angebote verzichtet; er unterliegt jedoch dem Neutralitätsgebot. Für die hier aufgeworfene Frage kann daher festgehalten werden, dass die inhaltlichen Grenzen, die das Gebot der Staatsferne der Presse statuiert, auch auf Rundfunkangebote im Internet übertragbar sind. Damit bedarf es auch für ein Vodcast der Erfüllung einer Aufgabe, wobei auch zu konstatieren ist, dass es sich zumeist um Selbstdarstellung des entsprechenden Hoheitsträgers handeln und dem staatlichen Beitrag regelmäßig auch im thematischen Zusammenhang nur eine untergeordnete Rolle zukommen wird. Informiert die Kanzlerin in ihrem Vodcast „Kanzlerin aktuell“ über die Tätigkeiten der letzten Woche, so handelt es sich dabei um Selbstdarstellung. Die Grenzen zulässiger Rundfunktätigkeit im Internet würden nur dann überschritten werden, wenn die Kanzlerin in diesem Interview auch auf parteipolitische Fragen einginge, und insoweit gegen das Gebot zur Neutralität verstoßen würde. Bedenken könnten allerdings beim Zukunftsdialog der Kanzlerin bestehen. Die Kanzlerin diskutiert mit den Bürgern über Fragen der Lebensgestaltung in der Bundesrepublik („1. Wie wollen wir zusammenleben? 2. Wovon wollen wir leben? 3. Wie wollen wir lernen?“). Die Bundeskanzlerin bezweckt mit diesem Dialog keine Selbstdarstellung,202 es geht nicht um die Darstellung ihrer Person oder ihrer Aufgabenwahrnehmung. Sie tritt vielmehr mit einigen Bürgern in Kontakt, um unmittelbar ihre Ansichten und Vorschläge für die von der Kanzlerin aufgeworfenen Fragen zu registrieren und diskutieren. Die Befragung erfolgt mithin durch die Bundeskanzlerin. Es liegt daher eine Form der Staat-Bürger-Kommunikation vor, die man auch nicht mit einem Tag der offenen Tür vergleichen kann, bei dem der Bürger auch die Gelegenheit bekommt, mit Amtsträgern ins Gespräch zu kommen. Vielmehr treffen sich Bürger und Staat auf einer Ebene, wobei es Letzterem darauf ankommt, die Ansichten seiner Bürger unmittelbar zur Kenntnis zu nehmen, ohne auf die Mittlerfunktion der Medien angewiesen zu sein. Die Bundeskanzlerin spricht daher zu Recht „von vertauschten Rollen.“203 Das Bedürfnis des Staates, die Meinungen seiner Bürger zu kennen, ist löblich. Auch wenn man daran Zweifel haben mag, ob sich der Bürgerdialog dafür eignet, die Aufgabe der Medien als Mittler im Kommunikationsprozess zwischen Staat und Gesellschaft zu ersetzen, entwickelt sich hier die staatliche aus der gesellschaftlichen Willensbildung, wenn202 Auch wenn ihr dies seitens der Opposition vorgeworfen wird, vgl. Vates, Merkel sammelt Ideen im Internet, Frankfurter-Rundschau v. 9.2.2012; Gathmann, Merkels Bürgerdialog wird immer teurer, Spiegel-Online v. 10.7.2012. 203 https://www.dialog-ueber-deutschland.de/DE/00-Homepage/homepage_node. html.
B. Die Vereinbarkeit der Angebote mit dem Gebot der Staatsferne243
gleich nur ein Bruchteil der Gesellschaft die Gelegenheit bekommt, ihre Meinungen und Wünsche kund zu tun. Dieser von der Kanzlerin veranstaltete Dialog muss nun auf eine kompetenzielle Grundlage gestützt werden, sobald sich die Kanzlerin als Staatsorgan des Rundfunks zur Verbreitung dieser Veranstaltung im Internet bedient. Zu denken ist hier an die Aufgabe der Öffentlichkeitsarbeit.204 Zwar wird man diese Form des Zugehens auf den Bürger nicht unter die herkömmliche Definition der Unterrichtung der Bevölkerung über vergangene, gegenwärtige sowie bevorstehende Tätigkeiten und Ziele einer staatlichen Stelle205 fassen können, da sich beim Bürgerdialog gerade die staatliche Stelle informiert. Die Intention, die mit herkömmlicher Öffentlichkeitsarbeit verfolgt wird, ähnelt jedoch sehr stark auch der Intention des Bürgerdialogs. Öffentlichkeitsarbeit hat neben der Information der Bürger auch den Zweck, Konsens zu schaffen und Reaktionen der Bürger hervorzurufen, die dann wiederum auch in den Entscheidungsprozess des Hoheitsträgers einfließen können.206 Der Zukunftsdialog setzt nicht erst dort an, wo die Regierung eine Idee präsentiert, sondern schon auf der Ebene der Ideensammlung. Die Regierung möchte bereits bei der Frage nach möglichen zukünftigen Projekten die Ansichten der Bürger berücksichtigen. Der Zukunftsdialog hat damit auch den Zweck, Konsens zwischen dem Handeln der Regierung und den Bürgern herzustellen, auch wenn es sich nicht um einseitiges Informationshandeln, sondern um einen Dialog handelt. Letzterer Aspekt könnte aber auch dafür sprechen, dass es sich hier um Bürgerbeteiligung handelt und nicht um Öffentlichkeitsarbeit. Denn die Kanzlerin möchte mittels des Zukunftsdialogs „Ideen und Anregungen für eine zukunftsorientierte Politik“207 sammeln; der Bürger kann damit zumindest potenziell Einfluss auf entsprechendes Regierungshandeln nehmen. Allerdings handelt es sich beim Zukunftsdialog nicht um ein Volksbegehren oder einen Volksentscheid (siehe etwa für Bayern: Art. 74 BV), das heißt die am Zukunftsdialog beteiligten Bürger haben nicht etwa die Möglichkeit, dem Landtag einen Gesetzentwurf vorzulegen oder über einen solchen zu entscheiden. Damit findet keine Entwertung der Institutionen des parlamentarisch-repräsentativen Systems auf Bundesebene statt. Im Vordergrund steht vielmehr das Schaffen von Akzeptanz, was weit hinter einem kon kreten Gesetzentwurf zurückbleibt. Auch wenn die Bundeskanzlerin von 204 Siehe
dazu das Kapitel 3. Urt. v. 19.8.2002 = NVwZ 2003, 75 (77). 206 BVerfGE 44, 125 (147); NRWVerfGH, Urt. v. 15.10.1991 = NVwZ 1992, 467 (468); Schoch, in: HStR III, § 37 Rn. 78. 207 https://www.dialog-ueber-deutschland.de/DE/60-FAQ/faq_node.html#a488000. 205 RhPfVerfGH,
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4. Kap.: Die Angebote der Bundesregierung im Internet
„Bürgerbeteiligung“208 spricht, befindet man sich nur auf einer Vorstufe der Partizipation, womit letztlich kein Anspruch auf inhaltliche Beachtung besteht. Die Gesprächsführungs- und Konsenserzielungsstrategie bleibt nicht nur auf ein Vorfeld der Entscheidungsbeteiligung beschränkt, sondern ist im Grunde genommen auch keine Form der Kooperation, es ist eher eine spezielle Form der Öffentlichkeitsarbeit, die sich auf die Verständigung mit dem Bürger konzentriert.209 Daher kann auch für die Veranstaltung des Zukunftsdialogs auf die Aufgabe der Regierung, Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben, zurückgegriffen werden. Das Thema der zukünftigen Lebensgestaltung in der Bundesrepublik ist auch keines, das nur von der Bundeskanzlerin zur Debatte gestellt wird. Auch andere Foren beschäftigen sich mit der Zukunft Deutschlands.210 Die zahlreichen Beiträge der klassischen Rundfunkveranstalter, die ihre Programme ebenfalls im Internet zur Verfügung stellen, sind zwar zumeist thematisch begrenzt. In den Gesprächsrunden geht es aber letztlich um die Frage der Art und Weise des (Zusammen-)Lebens. Dass die Verbreitung des Zukunftsdialogs der Kanzlerin andere private Angebote verdrängt und damit über eine subsidiäre Rolle hinausgeht, ist nicht ersichtlich. Entsprechend der Grenzen des Gebots der Staatsferne des Rundfunks ist auch ein solches Angebot zulässig. Der Aufgabenbezug bei der Nutzung von Twitter wird ebenfalls in der Öffentlichkeitsarbeit zu sehen sein, soweit die Tweets Nachrichten zu aktuellem Regierungshandeln beinhalten; vielfach wird es sich dann auch um Selbstdarstellung handeln. Die Ergänzung durch die unmittelbaren Kommunikationsmöglichkeiten auf der Plattform zwischen Regierung und Bürger ändert daran nichts. Sie ähnelt insoweit dem Zukunftsdialog. Es ist ein Forum, welches auf Verständigung mit dem Bürger angelegt ist und eine besondere Form der Öffentlichkeitsarbeit darstellt. Dennoch ist für all diese staatlichen Angebote festzuhalten, dass es stets einer Prüfung des Aufgabenbezugs im Einzelfall bedarf und sich insoweit Pauschalisierungen verbieten. c) Weitere verfassungsrechtliche Grenzen? Durch die Übertragung der Grenzen des Gebots der Staatsferne der Presse auf Rundfunkangebote im Internet werden materielle Vorgaben für die Angebote getroffen. Das Gebot der Staatsferne des Rundfunks wird für 208 https://www.dialog-ueber-deutschland.de/DE/10-Dialog/dialog_node.html.
den Partizipationsformen siehe Losch/Gottmann, DÖV 2000, 372 (373 f.). nur exemplarisch das „Forum Zukunft Deutschland“: http://293286. forumromanum.com/member/forum/forum.php?USER=user_293286. 209 Zu
210 Siehe
B. Die Vereinbarkeit der Angebote mit dem Gebot der Staatsferne245
diesen Markt deutlich aufgeweicht, indem schon die Tätigkeit an sich erlaubt und so das absolute Betätigungsverbot aufgehoben wird. Im Hinblick auf das Wirkpotenzial weisen Rundfunkangebote im Internet jedoch wesentlich mehr Ähnlichkeiten zum klassischen Rundfunk als zu Textangeboten im Internet auf, wenngleich dies nicht für das Internet in seiner Gesamtheit gilt. Es ist daher zu prüfen, ob und gegebenenfalls wie diesem Missbrauchspotenzial im Internet Rechnung zu tragen ist. Zu bedenken ist vor allem, dass ein Staatsorgan programmgestaltend tätig werden darf. Werden die materiellen Grenzen des Gebots überschritten, so ist dies sogleich mit einem Eingriff in dem für den klassischen Rundfunk äußerst sensiblen Bereich der Programmgestaltung verbunden. Ein Verstoß gegen die Rundfunkfreiheit würde daher umso schwerer wiegen. Diese Dimension darf auch nicht für Angebote im Internet unberücksichtigt bleiben, wenngleich kein absolutes Betätigungsverbot besteht. Um der freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung Willen sollte daher über zusätzliche Grenzen nachgedacht werden, um die Staatsferne des Rundfunks im Internet sicherzustellen. Die bisher herausgearbeiteten materiellen Grenzen allein tragen diesem zu schützenden Gut noch nicht umfassend Rechnung. Andererseits muss berücksichtigt werden, dass sich eine noch weitergehende Begrenzung der Tätigkeiten der Bundesregierung nur dann zwingend ergibt, wenn dies bereits verfassungsrechtlich vorgesehen ist. Denn gerade im Rundfunkrecht kommt dem Gesetzgeber ein weiter Einschätzungsspielraum zu. Nichtsdestoweniger könnte hier an den auch im Rundfunkrecht bekannten Grundrechtsschutz durch Organisation und Verfahren zu denken sein. Entspricht die Anwendung eines absoluten Betätigungsverbots nicht den Realitäten des Marktes, können allein materielle Grenzen jedoch nicht gänzlich ausschließen, dass der Grundrechtsschutz gewahrt wird. Dies entspricht vielmehr einer Situation, der mit einem prozeduralen Grundrechtsschutz begegnet werden könnte. Man spricht insoweit auch vom Grundrechtsschutz durch Organisation und Verfahren.211 aa) Grundrechtsverständnis Dieser Ansatz geht davon aus, dass Grundrechte nicht nur Anforderungen an die Gestaltung des materiellen Rechts stellen. Sie entfalten ihren Schutz, 211 Grundlegend Häberle, VVDStRL 30 (1972), 43 (81), der den Begriff des „status activus processualis“ geprägt hat. Allgemein dazu Bergner, Grundrechtsschutz durch Verfahren; Huber, Grundrechtsschutz durch Organisation und Verfahren; Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 428 ff.; Bethge, NJW 1982, 1; Dolde, NVwZ 1982, 65.
246
4. Kap.: Die Angebote der Bundesregierung im Internet
soweit dies erforderlich ist, auch über die Verfahrensregelungen, das heißt das materielle Recht wird durch die Verfahrensdimension der Grundrechte flankiert.212 Grundrechte haben damit organisationsnormierende Wirkung.213 Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass diese Verfahrensdimension keinem allgemeinen Grundsatz folgt. Vielmehr hat das Bundesverfassungsgericht in Einzelfällen dazu Stellung genommen; ein Gesamtbild hat sich daraus allerdings (noch) nicht ergeben.214 Auch besteht keine klare Definition von Verfahrens- und Organisationsnormen, wobei beide Aspekte auch nicht immer klar herausgearbeitet werden können, sondern sich gegenseitig überlagern.215 Man wird wohl allgemein von einem prozeduralen Recht sprechen können und damit alle Regelungen erfassen, die „Systeme von Regeln und/oder Prinzipien zur Erzeugung von Ergebnissen“216 beinhalten. Ziel dieser Grundrechtsdimension ist es, dass die Verfahrens- und Organisationsregelungen sicherstellen, dass das Ergebnis ihrer Anwendung „mit hinreichender Wahrscheinlichkeit und in hinreichendem Maße grundrechtsgemäß ist“.217 bb) Rundfunkrecht Das Bundesverfassungsgericht begegnet der Gefahr des Missbrauchs staatlicher Kompetenzen auch im Rundfunkrecht mit dem Grundrechtsschutz durch Verfahren und Organisation. Zum einen fordert Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG, dass durch organisationsrechtliche Regelungen die Freiheit des Rundfunks gewährleistet werde.218 Zum anderen hat das Gericht im Rundfunkgebührenurteil I einen prozeduralen Grundrechtsschutz dort für geboten erachtet, wo die Grundrechte ihre materielle Schutzfunktion nicht hinlänglich erfüllen können. Das sei unter anderem dann der Fall, wenn eine Ergebniskontrolle an materiellen Maßstäben zwar noch denkbar sei, aber erst zu einem Zeitpunkt stattfinden könne, in dem etwaige Grundrechtsverletzungen nicht mehr korrigiert werden könnten. Aus diesem Grund müsse der Grundrechtsschutz in den Prozess der Entscheidungsfindung vorverlagert und nicht erst auf das Entscheidungsergebnis bezogen werden.219 Die rechtliche Struktur 212 BVerfGE
53, 30 (60, 65). Grundrechtsschutz durch Organisation und Verfahren, S. 45. 214 Kischel, Die Begründung, S. 123 f.; Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 429. 215 Zu diesem Aspekt Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 430 f., der für ein weites Verständnis des Verfahrensbegriffs plädiert, das auch Organisationsnormen erfassen soll. 216 Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 431. 217 Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 431. 218 St. Rspr. seit BVerfGE 12, 205 (261 ff.). 219 BVerfGE 90, 60 (96). 213 Huber,
B. Die Vereinbarkeit der Angebote mit dem Gebot der Staatsferne247
müsse bei den Gefahrenquellen ansetzen und die Möglichkeit rechtswidriger Kompetenzwahrnehmungen so weit wie möglich ausschließen.220 Ein solches Verfahren erachtet das Bundesverfassungsgericht für die Rundfunkfinanzierung, die Konzessions- sowie die Frequenzvergabe, an denen staatliche Hoheitsträger beteiligt sind, für notwendig.221 Bei den damit verbundenen Entscheidungen sei nicht ausgeschlossen, dass auch sachfremde Einflüsse zum Tragen kämen, welche sich aber in der Regel weder aufdecken noch am Entscheidungsergebnis ablesen ließen und auch nachträglich nicht mehr korrigiert werden könnten.222 Der prozedurale Grundrechtsschutz hat daher in diesem Zusammenhang dafür Sorge zu tragen, dass dem beteiligten Hoheitsträger kein Einfluss auf die Programmgestaltung gewährt wird. Das Verfahren soll die Grundlagen der Entscheidung offenlegen und sicherstellen, dass sich das staatliche Handeln beispielsweise allein am Zweck der Finanzgewährleistungspflicht aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG orientiert und nicht etwa programmliche und medienpolitische Zwecke verfolgt. Für den Fall der Abweichung von der Bedarfsanmeldung der Rundfunkanstalten durch den Gesetzgeber besteht daher eine Begründungspflicht.223 Möchte der Gesetzgeber die Gebührenhöhe anpassen, so muss er dafür entsprechende Gründe angeben. Nur so ist feststellbar, auf welcher Grundlage der Gesetzgeber zu dieser Ansicht gelangt ist und welche Zwecke er mit der Abweichung verfolgt. Dies allein gewährleistet, dass in der Folge zweckwidriges Handeln des Staates festgestellt werden kann.224 Der Staat muss sich daher „in die Karten schauen lassen“.225 Die Ermöglichung der Fremdkontrolle des Gesetzesgebers durch Dritte bildet damit einen Grund für die Begründungspflicht, deren Notwendigkeit unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG abgeleitet wird. cc) Begründungspflicht für Rundfunkangebote der Regierung im Internet Gleich dem Gesetzgeber, der bei der Festsetzung der Rundfunkgebühren zweckgebunden ist, muss auch die Bundesregierung, soweit sie im Internet Rundfunkangebote der Öffentlichkeit zur Verfügung stellt, einen Aufgabenbezug herstellen, um das Gebot der Staatsferne des Rundfunks zu wahren. Zwar besteht bei letzterem staatlichen Handeln nicht die Gefahr, dass ein 220 BVerfGE
90, 60 (96); 119, 181 (222). 90, 60 (96). 222 BVerfGE 119, 181 (222). 223 BVerfGE 90, 60 (104); 119, 181 (224). 224 BVerfGE 90, 60 (104); 119, 181 (224). 225 Rothkegel, ZfSH/SGB 2010, 135 (141, 145). 221 BVerfGE
248
4. Kap.: Die Angebote der Bundesregierung im Internet
kompetenzüberschreitendes Handeln nicht (mehr) nachvollzogen werden kann, da man es zumeist auf den Aufgabenbezug hin überprüfen kann. Die Gefahrenlage ist jedoch in der Hinsicht vergleichbar, dass es letztlich gilt, den staatlichen Einfluss auf den Rundfunk in bestimmten materiell-rechtlichen Grenzen zu halten und damit die Überschreitung der staatlichen Kompetenzwahrnehmung zulasten der Programmfreiheit zu verhindern. Eine Begründung dieses staatlichen Handelns soll dafür Sorge tragen, dass die Motive des Handelns offen gelegt werden und so die Transparenz staatlichen Handelns hergestellt wird. Es liegt daher der Gedanke nicht fern, auch für Rundfunkangebote von Hoheitsträgern im Internet eine Pflicht zu konstruieren, durch die das Vorliegen der materiell-rechtlichen Voraussetzungen – namentlich der Aufgabenbezug sowie das Vorliegen der Subsidiarität – offengelegt werden muss.226 Das Ziel einer solchen Pflicht ist die Herstellung von Transparenz im Prozess der (politischen) Meinungs- und Willensbildung. Dieses Ziel wird nicht nur durch die Rundfunkfreiheit verfolgt, sondern auch durch das Demokratieprinzip. Aus diesem Grund soll auf die Verankerung der Pflicht eingegangen und überprüft werden, ob tatsächlich der prozedurale Grundrechtsschutz als Verankerung herangezogen werden kann oder sich eine solche Pflicht bereits aus anderen verfahrensrechtlichen Normen oder Prinzipien des Grundgesetzes ergibt. Aufgrund der Komplexität und Vielschichtigkeit dieser Fragestellung wird schwerpunktmäßig auf den Gedanken der Herstellung von Transparenz eingegangen, der zur Reduzierung der Missbrauchsgefahr führen soll.227 (1) Verfassungsrechtliche Grundlage Das Bundesverfassungsgericht hat den aus der Rundfunkfreiheit abgeleiteten prozeduralen Grundrechtsschutz, der auch eine Begründungspflicht erfassen kann, zu einem wesentlichen Bestandteil des Verständnisses des Grundrechts gemacht.228 Gerade im Schrifttum findet diese grundrechtsbezogene Herleitung jedoch nicht nur Zustimmung. Insbesondere wird vorgebracht, dass das Grundgesetz bereits Normen enthalte (Rechtsstaatsprinzip, Demokratieprinzip, Art. 19 Abs. 4 oder Art. 103 Abs. 1 GG), die Verfahrensschutz gewährten. Würden die Grundrechte daher deren spezielle Funktiowohl Schulz, AfP 2013, 464 (467). die umfassenden Darstellungen zur Begründungspflicht Lücke, Begründungszwang und Verfassung oder Kischel, Die Begründung. 228 Zuletzt BVerfGE 119, 181 (222 ff.). 226 So
227 Siehe
B. Die Vereinbarkeit der Angebote mit dem Gebot der Staatsferne249
nen übernehmen, käme es zu einem Leerlaufen dieser Normen, was verfassungsrechtlich nicht gewünscht sein könne.229 Eine Begründungspflicht, die das Gebot der Staatsferne des Rundfunks sichern soll, hat vor allem die Funktion, die Transparenz staatlichen Handelns herzustellen. Der Hoheitsträger muss die Motive und die Grundlage für sein Handeln offen legen und entsprechend rechtfertigen, wenn er an der öffentlichen Kommunikation teilnehmen möchte.230 Demokratie vollzieht sich in einem Prozess, bei dem sich die Willensbildung vom Volk zu den Staatsorganen vollzieht und durch eine stete Rückkoppelung geprägt ist.231 Dieser Prozess kann aber nur dann gelingen, wenn freie Willens- und Meinungsbildung durch das Volk gewährleistet ist, das heißt wenn die Gesellschaft in der Lage ist, staatliche Entscheidungen zu verfolgen, zu kritisieren oder zu hinterfragen. Diese Möglichkeit der Gesellschaft setzt jedoch voraus, dass sie ausreichend über die staatlichen Vorgänge und Motive informiert ist, was allerdings nicht nur die Offenlegung des Inhalts der Entscheidung erfasst, sondern auch der Entscheidungsgründe. Gerade Letztere stellen sicher, dass die Bürger die Verantwortlichkeit erkennen und die Zielsetzung der Entscheidung nachvollziehen können. Das Demokratieprinzip fordert damit Transparenz staatlichen Handelns, die durch die Begründung und damit Offenlegung der materiellen Vorgaben hergestellt werden kann.232 Nimmt die Bundesregierung an der öffentlichen Kommunikation im Internet mittels Rundfunk teil, besteht mehr als bei einem Druckerzeugnis oder einem Textbeitrag die Gefahr der Einflussnahme auf die freie Willensund Meinungsbildung. Ein Video-on-Demand ist in der Lage, beispielsweise das Bild der Regierung in der Öffentlichkeit zu beeinflussen oder Entscheidungen einseitig darzustellen. Die Wirkung kann aufgrund des Einsatzes des Rundfunks entsprechend stark sein. Aus diesem Grund ist es notwendig, dass der Bürger die Herkunft der Information und deren zugrundeliegenden Anlass kennt und sie damit im Rahmen seiner Willens- und Meinungsbildung einordnen und entsprechend bewerten kann. Ihm muss bewusst sein, dass es sich hierbei um eine staatliche Information handelt, 229 Kischel, Begründung, S. 130 ff.; Heberler, DÖV 2010, 754 (762); Lücke, Begründungszwang und Verfassung, S. 69 ff. m. w. N. 230 Für die Öffentlichkeitsarbeit der Regierung im Internet spricht sich auch Ladeur, DÖV 2002, 1 (11) für Regelungen zur Wahrung von Transparenz aus, lässt jedoch offen, wie solche Regelungen aussehen könnten. 231 BVerfGE 20, 56 (99); 44, 124 (140); Schmitt Glaeser, in: HStR III, § 38 Rn. 34, 38. 232 Dreier, in: ders., GG, Art. 20 Rn. 73; Lücke, Begründungszwang und Verfassung, S. 97 ff.; Kischel, Begründung, S. 111 ff. m. w. N.
250
4. Kap.: Die Angebote der Bundesregierung im Internet
die auf eine entsprechende Kompetenz gestützt werden kann. Insoweit stellt die Begründungspflicht auch sicher, dass die Entscheidung der Fremdkontrolle zugänglich gemacht wird. Erst wenn der Aufgabenbezug dokumentiert und nachvollziehbar gemacht wird, kann eine effektive Kontrolle durch die Öffentlichkeit, gerichtet auf das tatsächliche Vorliegen dieser Angaben, erfolgen.233 Die Begründungspflicht für diese spezielle Form des informalen Staatshandelns kann ihre Grundlage im Demokratieprinzip finden. Insoweit ist ein Rückgriff auf die Rundfunkfreiheit und den prozeduralen Grundrechtsschutz nicht notwendig, wenngleich mit ähnlicher Argumentation die Begründungspflicht auch aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG hergeleitet werden könnte, da die Rundfunkfreiheit gerade auch dem Schutz der freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung dient. (2) Zulässigkeit einer Begründungspflicht Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist zudem fraglich, ob eine solche Pflicht im Übrigen mit dem Grundgesetz vereinbar wäre. Die Pflicht zur Offenlegung u. a. des Aufgabenbezugs würde die Gestaltungsfreiheit der Bundesregierung im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit beeinträchtigen. Die Entscheidung über die veröffentlichten Inhalte würde zumindest in diesem Punkt nicht mehr allein bei ihr liegen. Diese Beschränkung der Öffentlichkeitsarbeit der Regierung kann jedoch mit dem Bedürfnis der Bevölkerung nach Transparenz im Prozess der öffentlichen Meinungsbildung gerechtfertigt werden. Für den Rezipienten ist es unerlässlich zu erfahren, wer für die Information verantwortlich ist. Nur so kann er die Nachricht einordnen und bewerten. Es ist auch nicht ersichtlich, dass man dieses legitime Ziel einer entsprechenden gesetzlichen Regelung auf weniger eingreifendem Wege erreichen könnte. Zudem würde die Beeinträchtigung ohnehin in einem nur sehr geringen Maße erfolgen, sodass man nicht von einer unangemessenen Beschränkung sprechen kann. Angesichts der hohen Bedeutung eines freiheitlichen Meinungsbildungsprozesses, an dem der Staat ohnehin nur in einem sehr eingeschränkten Maße teilhaben darf, muss dem Bedürfnis nach Transparenz eine höhere Bedeutung zukommen.234
233 Kischel,
Begründung, S. 48, 50, 58. ähnlich Diskussion wird im Pressewesen geführt. Auch bei den presserechtlichen Offenlegungspflichten wird ganz überwiegend das Ziel der Transparenz auf dem Pressemarkt über die für die Presseunternehmen anwendbare Pressefreiheit gestellt. Siehe dazu im Einzelnen Reffken, Politische Parteien, S. 394 ff.; Sedelmaier, in: Löffler, Presserecht, § 8 Rn. 138; Möstl, DÖV 2003, 106 (111). 234 Eine
B. Die Vereinbarkeit der Angebote mit dem Gebot der Staatsferne251
(3) Gebotenheit einer Begründungspflicht Schwieriger zu beantworten ist die Frage der verfassungsrechtlichen Gebotenheit einer solchen Regelung. Zwar wäre durchaus denkbar, der Begründungspflicht etwa durch einen Hinweis im Vorspann oder Abspann des Angebots, so wie es beispielsweise bei den Wahlwerbespots der politischen Parteien gehandhabt wird, nachzukommen. Zumeist wird im Vorspann auf die Eigenschaft der Wahlwerbung und die Verantwortlichkeit der Parteien hingewiesen und sodann der Spot mit dem Vermerk der Wahlwerbung versehen.235 Dies könnte für ein Angebot der regierungsamtlichen Öffentlichkeitsarbeit dergestalt umgesetzt werden, dass im Vorspann der Aufgabenbezug und die Wahrung des Subsidiaritätsprinzips hingewiesen und das Angebot sodann als Öffentlichkeitsarbeit bezeichnet wird. Alternativ könnten diese Hinweise auch erst im Abspann des Angebots erfolgen, würden dadurch allerdings an Wirkung verlieren, da der Rezipient nach Ablauf der Sendung dem Hinweis in der Regel weniger Aufmerksamkeit schenken wird. Dieser Hinweis müsste zudem nach dem Grundsatz der Begründungsklarheit nachvollziehbar und eindeutig darlegen,236 auf welche Kompetenz der Hoheitsträger die Rundfunktätigkeit stützt und ob das Subsidiaritätsprinzip gewahrt wird. Zudem sollte dieser Hinweis im Sinne des Grundsatzes der Begründungsrechtzeitigkeit237 in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Veröffentlichung des Rundfunkangebots stehen. Allein die Sinnhaftigkeit der Regelung bzw. deren Nutzen für die Demokratie macht sie jedoch noch nicht verfassungsrechtlich geboten. Vielmehr ist zu prüfen, ob sich aus der Verfassung eine Pflicht für den Gesetzgeber zur Normierung einer entsprechenden Regelung ergibt. Die Annahme einer solchen Verpflichtung ist vor allem deshalb schwierig, weil der Gesetzgeber kein Vollzugsorgan der Verfassung ist. Bei der Erfüllung materieller Wertentscheidungen der Verfassung zugunsten bestimmter Ziele und Grundsätze steht ihm vielmehr ein eigener und vor allem weiter Handlungsspielraum zu.238 Das Demokratieprinzip als Staatsstrukturprinzip gibt dem Staat zwar die Aufgabe die Funktionsfähigkeit des Prozesses freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung zu gewährleisten. Wie er diese Aufgabe aber konkret erfüllt, liegt grundsätzlich in seinem Ermessen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn dem Demokratieprinzip eine konkrete Handlungspflicht im 235 Siehe dazu die Wahlwerbung der Bündnis 90/Die Grünen zur Europawahl 2009: http://www.youtube.com/watch?v=TgbhheNpRZ8. 236 Kischel, Die Begründung, S. 338. 237 Kischel, Die Begründung, S. 364. 238 BVerfGE 88, 203 (254).
252
4. Kap.: Die Angebote der Bundesregierung im Internet
Sinne einer Garantie eines Mindeststandards entnommen werden kann.239 Dies setzt allerdings voraus, dass Inhalt und Umfang der Gesetzgebungspflicht im Wesentlichen umgrenzt sind.240 Als in diesem Sinne zu gewährleistenden Mindeststandard wird man jedoch nur die Funktionsfähigkeit des Meinungsbildungsprozesses in einem existentiellen Mindestmaß sehen können.241 Die Normierung einer Begründungspflicht wäre daher nur dann geboten, wenn andernfalls diese Funktionsfähigkeit nicht mehr sichergestellt werden könnte. Die Transparenz im Rahmen des Meinungsbildungsprozesses herzustellen und damit das Demokratieprinzip zu wahren, kann jedoch nicht nur durch eine Begründungspflicht erreicht werden. Aus der Verfassung ergibt sich daher keine zwingende Normierung. Dennoch sollte der Gesetzgeber die Gefahr des Einflusses des Staates durch Angebote im Internet nicht aus den Augen verlieren. Allein die Vielfältigkeit des Marktes reduziert das Missbrauchspotenzial nicht. 3. Zwischenresümee Das Gebot der Staatsferne des Rundfunks findet damit auf Rundfunkangebote der Regierung im Internet Anwendung, wobei diese Ausführungen für alle Staatsorgane als Adressaten des Gebots gelten. Allerdings entspricht die Reichweite des Gebots, so wie sie beim klassischen Rundfunk verstanden wird, nicht in Gänze den Realitäten des Internets, wenngleich das Missbrauchspotenzial nicht – und dies gilt auch für die Zukunft – ausgeschlossen werden kann. Aus diesem Grund ist die Reichweite in der Weise anzupassen, dass sie sich diesbezüglich am Gebot der Staatsferne der Presse orientiert. Aus dem entwickelten Ansatz ergeben sich für die Bundesregierung, soweit sie als Rundfunkveranstalterin im Internet auftritt, materielle Grenzen, die sie zu wahren hat. Zum einen ist sie an den Aufgabenbezug, zum anderen an das Subsidiaritätsprinzip gebunden. Eine darüber hinausgehende Begründung bzw. Darlegung dieser Vorgaben für staatliche Rundfunkangebote im Internet ist zwar verfassungsrechtlich zulässig, aber nicht geboten und fällt so in den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers.
239 Stern,
Das Staatsrecht der BRD III/1, § 69 VI 4 ββ. 6, 257 (264); 56, 54 (71). 241 Reffken, Politische Parteien, S. 402. 240 BVerfGE
C. Resümee253
C. Resümee Das Gebot der Staatsferne des Rundfunks ist daher auch auf Rundfunkangebote von Staatsorganen im Internet anzuwenden, wobei dies nur eine Momentaufnahme sein kann. Das Internet befindet sich noch nicht am Ende seiner Entwicklung, sodass nicht vorhersehbar ist, wie die Realitäten, auf denen auch der dargelegte Ansatz beruht, sich verändern und weiterentwickeln werden. Dennoch ist das Gebot momentan auch für das Internet nicht aufzuheben. Dies gilt gerade vor dem Hintergrund, dass Staatsorgane die Möglichkeiten des Internets erst in den letzten Jahren für ihre Zwecke entdeckt haben und hier mit einem Anstieg der Nutzung gerechnet werden muss. Auch für die Entwicklung der untersuchten Angebotsarten ist ein Ende noch nicht absehbar. Es muss stets im Einzelfall entschieden werden, ob das Angebot dem verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriff (noch) unterfallen kann, wenngleich die Einordnung durch die Hybridisierung der Angebote zunehmend schwerer fallen wird. Die Frage, ob das Internet insgesamt staatsfern im Sinne eines „Gebots der Staatsferne des Internets“ ausgestaltet sein sollte, muss momentan verneint werden. Aber auch diese Aussage kann nur auf die heutige überragende Vielfältigkeit des Internets, wenn man alle Angebote heranzieht, gestützt werden. Dies wird sich voraussichtlich auch in den nächsten Jahren nicht ändern. Eine verlässliche Prognose ist allerdings hier nicht möglich. Die Entwicklung des Internets und die damit verbundenen Auswirkungen auf die klassischen Medien werden letztlich dazu führen, dass das Gebot der Staatsferne des Rundfunks stetig an diese Realitäten der Märkte anzupassen ist. Nicht ausgeschlossen ist, zukünftig auch die Möglichkeit der Aufgabe des Gebots der Staatsferne des Rundfunks in Betracht zu ziehen, je nach dem, wie sich die Mediensituation in den nächsten Jahrzehnten entwickeln wird.
5. Kapitel
Die Rundfunkbeteiligung politischer Parteien In den letzten Jahren haben einige Bundesländer die Beteiligungen politischer Parteien an privaten Rundfunkveranstaltern durch Novellierungen der Landesrundfunk- und -mediengesetze stärker eingeschränkt.1 Betroffen von dieser Verschärfung war einzig die SPD, die mittelbare Medienbeteiligungen in vierzehn Bundesländern inne hat. Über eine Treuhandgesellschaft (ddvg) hält die Partei Hörfunkbeteiligungen, deren Höhe in der Regel 10 % nicht überstieg und nur im Einzelfall bei knapp 44 % lag, wobei auch die ddvg – mit einer Ausnahme – nur mittelbare Anteilseignerin ist.2 Die Annahme, dass die Verschärfungen der Rundfunk- und Mediengesetze politisch motiviert waren, um das Medienengagement der SPD zu verringern, liegt daher nicht fern, wenngleich dies selbstverständlich umstritten ist. Durch die landesrechtlichen Regelungen, die das Versagen der Rundfunklizenz unabhängig von einer mittelbaren oder unmittelbaren Rundfunkbeteiligung der Parteien vorsahen, wurden zugleich auch die Pressebeteiligungen der ddvg, die dann wiederum an Rundfunkunternehmen beteiligt waren, getroffen. Wollte man eine Rundfunkbeteiligung der Presseunternehmen aufrecht erhalten, blieb nur der Rückzug der Treuhandgesellschaft übrig. Man könnte wohl davon sprechen, dass „zwei Fliegen mit einer Klappe“ geschlagen worden sind. Umso mehr Sprengstoff enthielt das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Hessischen Privatrundfunkgesetz, welches solch eine Regelung vorsah. Das Urteil hat zwar Klarheit gebracht, der Weg, den das Gericht damit eingeschlagen hat, insbesondere im Hinblick auf das Verhältnis der Parteien zum Gebot der Staatsferne des Rundfunks, hat jedoch Fragen aufgeworfen. Legislative, Exekutive und Judikative sind in Literatur und Rechtsprechung unbestritten vom Staatsbegriff des Gebots der Staatsferne des Rundfunks erfasst, da sie an der Ausübung staatlicher Macht beteiligt sind.3 Zwar 1 Dabei handelt es sich um die Länder Hessen, Rheinland-Pfalz, NordrheinWestfalen, Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg und Niedersachsen. 2 Siehe die Aufstellung auf der Homepage der ddvg: http://www.ddvg.de/themen/ rundfunkbeteiligungen/. 3 Vereinzelt wird auch die Adressatenstellung der Kommunen verneint. Siehe zum Meinungsstand Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, Teil D Rn. 81 ff. Insbesondere das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden führt jedoch nicht dazu, dass
A. Politische Parteien und das Gebot der Staatsferne des Rundfunks255
hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 12. März 20084 die politischen Parteien als Adressaten des Gebots der Staatsferne des Rundfunks eingeordnet und Vorgaben für die Reichweite des Gebots statuiert. Im Schrifttum hingegen zeichnet sich das Bild nicht eindeutig. Vielmehr wird auch aufgrund der gesellschaftlichen Verankerung der politischen Parteien – die das Bundesverfassungsgericht keineswegs bestreitet – der Rückschluss der Nichtanwendbarkeit des Gebots der Staatsferne des Rundfunks für die Parteien aufgrund fehlender Adressatenstellung gezogen. Der Frage, wie das Gebot gegebenenfalls für Parteien umzusetzen ist, muss daher ein Blick auf die Adressatenstellung der politischen Parteien vorausgehen.
A. Politische Parteien als Adressaten des Gebots der Staatsferne des Rundfunks Die bisherige Einordnung von Bundestag und Bundesregierung als Adressaten des Gebots der Staatsferne des Rundfunks konnte aufgrund ihrer Stellung als Träger staatlicher Gewalt unproblematisch bejaht werden. Politische Parteien hingegen lassen sich nicht ohne Weiteres diesem Bereich zuordnen, „wurzeln sie [doch] im gesellschaftlichen Boden und sind kraft dieser Verankerung legitimiert am gesellschaftlichen Kommunikationsprozess mitzuwirken“.5 Auf der anderen Seite sind sie aber an der staatlichen Willensbildung beteiligt. Damit sind die beiden vorherrschenden Ansichten in Rechtsprechung und Schrifttum bereits angesprochen, auf die nun im Folgenden näher einzugehen sein wird.
I. Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 12.3.2008 – BVerfGE 121, 30 Das Hessische Privatrundfunkgesetz (HPRG) sah mit der Regelung des § 6 Abs. 2 Nr. 4 HPRG6 vor, dass die Zulassung zur Rundfunkveranstaltung sie aus dem staatlichen Bereich ausscheiden und ein aliud zu diesem darstellen. Die Gemeinden üben sowohl im Rahmen des eigenen als auch übertragenen Wirkungskreises gegenüber dem Bürger hoheitliche Gewalt aus. So auch Gersdorf, Staatsfreiheit, S. 108 ff.; Ricker, Privatrundfunk-Gesetze, S. 45 ff. 4 BVerfGE 121, 30. 5 Gersdorf, in: Morlok/vAlemann/Streit, Medienbeteiligungen, S. 73. 6 „[...] (2) Die Zulassung darf nicht erteilt werden […] 4. politischen Parteien oder Wählergruppen und Unternehmen und Vereinigungen, an denen politische Parteien oder Wählergruppen beteiligt sind, unbeschadet der besonderen Bestimmungen über die Wahlwerbung. Gleiches gilt für Treuhandverhältnisse; diese sind offen zu legen.“
256
5. Kap.: Die Rundfunkbeteiligung politischer Parteien
für politische Parteien oder Wählergruppen und Unternehmen und Vereinigungen, an denen politische Parteien oder Wählergruppen beteiligt sind, ausgeschlossen ist. Die Regelung statuierte damit ein absolutes Beteiligungsverbot. Das Gericht hatte im Rahmen des von Mitgliedern des Bundestags initiierten abstrakten Normenkontrollverfahrens unter anderem zu klären, ob ein solches absolutes Beteiligungsverbot aus Gründen des Gebots der Staatsferne des Rundfunks zu rechtfertigen ist.7 Von Interesse sind daher an dieser Stelle zunächst die Ausführungen des Gerichts zur Adressatenstellung der Parteien. Die Notwendigkeit der Anwendung des Gebots der Staatsferne auch auf die politischen Parteien begründet das Gericht trotz der ausdrücklich erwähnten fehlenden Zuordnung zum Staat mit deren Staatsnähe.8 Zwar hätten die Parteien den Charakter einer frei gebildeten, im gesellschaftlich-politischen Bereich wurzelnden Gruppe und würden aufgrund ihrer spezifischen verfassungsrechtlich abgesicherten Vermittlungsfunktion zwischen Staat und Gesellschaft eine besondere Stellung einnehmen und wirkten dadurch in den Bereich der Staatlichkeit lediglich hinein, ohne ihm anzugehören.9 Im Vergleich mit anderen gesellschaftlichen Kräften käme ihnen jedoch eine besondere Staatsnähe zu. Sie seien ihrem Wesen nach auf die Erlangung staatlicher Macht ausgerichtet und übten entscheidenden Einfluss auf die Besetzung der obersten Staatsämter aus. Die Parteien beeinflussten die Bildung des Staatswillens, indem sie in die staatlichen Institutionen hineinwirkten, vor allem durch Einflussnahme auf die Beschlüsse und Maßnahmen von Parlament und Regierung. Aufgrund dieser Nähe käme es zu personellen Überschneidungen zwischen politischen Parteien und Staatsorganen.10 Durch die besondere Vermittlungsfunktion, die die Parteien im Rahmen des Willensbildungsprozesses einnehmen würden, käme es auch zu einer Rückkopplung zwischen Staatsorganen und Volk durch die Parteien. Der Einfluss der Parteien, die im Parlament die Mehrheit bildeten, ließe sich aber kaum vom staatlichen Einfluss unterscheiden.11 Es sei daher unter dem Gesichtspunkt des Gebots nicht zu beanstanden, wenn Parteien und die von ihnen abhängigen Unternehmen, Personen und Vereinigungen als Rundfunkveranstalter ausgeschlossen würden. Es kann daher als Zwischenresümee festgehalten werden, dass das Bundesverfassungsgericht aus der im Vergleich zu anderen gesellschaftlichen 7 BVerfGE
121, 30 (53 ff.). 121, 30 (53); BVerfG, Urt. v. 25.3.2014 – 1 BvF 1/11, Rn. 61 unter Rückgriff auf eine funktionale Betrachtungsweise. Dazu ausführlich 6. Kapitel C. I. 9 BVerfGE 121, 30 (53, 54). 10 BVerfGE 121, 30 (54 f.) unter Hinweis auf die st. Rspr. BVerfGE 3, 19 (26); 14, 121 (133); 20, 56 (99, 101); 44, 125 (145 f.); 52, 63 (83); 107, 339 (358 f.). 11 BVerfGE 121, 30 (55) so auch schon in BVerfGE 73, 118 (165). 8 BVerfGE
A. Politische Parteien und das Gebot der Staatsferne des Rundfunks257
Gruppen bestehenden Staatsnähe der politischen Parteien und ihrem auf Erlangung staatlicher Macht gerichteten Agieren die Adressatenstellung begründet. Bereits in der vierten Rundfunkentscheidung hatte das Gericht angedeutet, dass die Parteien aufgrund ihrer faktischen Stellung als Adressaten des Gebots der Staatsferne des Rundfunks anzusehen seien.12 Eine Vorschrift des Niedersächsischen Landesrundfunkgesetzes sah vor, dass eine rundfunkrechtliche Zuteilung weder an Parteien noch eine von ihr beherrschte Gesellschaft erteilt werden dürfe. Das Gericht hielt diese Regelung aufgrund der besonderen Stellung der Parteien zum Schutze der Staatsferne sowie der Überparteilichkeit des Rundfunks für verfassungsgemäß.13 Zudem hat der Niedersächsische Staatsgerichtshof in seinem Urteil vom 6. September 2005 die politischen Parteien zum Adressaten des Gebots der Staatsferne des Rundfunks erklärt.14 Politische Parteien seien zwar nicht mit dem Staat gleichzusetzen. Auch wenn ihnen ein Einfluss auf die Entscheidungsfindung in den Staatsorganen zukäme, seien sie keine Staatsorgane. Das Grundgesetz habe ihnen durch Art. 21 Abs. 1 GG die Aufgabe zugewiesen, bei der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken, und sie hierdurch mit dem Status einer verfassungsrechtlichen Institution ausgezeichnet, die in den Bereich institutionalisierter Staatlichkeit hineinwirke, allerdings ohne diesem anzugehören. Trotz ihrer Mittlerrolle zwischen politischen Meinungen, Interessen und Bestrebungen Einzelner und der staatlichen Willensbildung seien sie als frei gebildete, im gesellschaftlich-politischen Bereich wurzelnde Gruppen dem gesellschaftlichen Bereich zugeordnet. Aufgrund der regelmäßig bestehenden Verquickungen von Parteien und Staatsorganen sei es aber mit dem Gebot der Staatsferne des Rundfunks nicht vereinbar, wenn eine politische Partei als alleinige Veranstalterin eines Rundfunkvollprogramms auftrete.15 In der Rechtsprechung werden die politischen Parteien daher dem staatlichen Bereich im Sinne des Gebots der Staatsferne des Rundfunks zugeordnet, wenngleich anerkannt wird, dass sie eigentlich im gesellschaftlichen Bereich verwurzelt sind.
12 BVerfGE
73, 118 (190). 73, 118 (190). 14 Nds. StGH, Urt. v. 6.9.2005 – StGH 4/05 = ZUM-RD 2006, 321 (327 f.). Siehe dazu die Anmerkung von Schneider/Wimmer, NdsVBl. 2006, 325. 15 Nds. StGH, Urt. v. 6.9.2005 – StGH 4/05 = ZUM-RD 2006, 321 (327 f.). 13 BVerfGE
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5. Kap.: Die Rundfunkbeteiligung politischer Parteien
II. Begründungsversuche im Schrifttum Die Auffassung des Bundesverfassungsgerichts wird zum Teil auch im Schrifttum geteilt.16 Die Parteien strebten nach staatlicher Macht, die über Wahlerfolge zu erlangen und zu bewahren sei. In diesem Streben um die Wählerstimmen komme den Medien eine maßgebliche Rolle zu. Sie bestimmten, wie die Politiker dargestellt, das heißt welchen Eindruck die Zuschauer gewinnen würden. Es bestehe daher seitens der politischen Parteien stets der Drang, Einfluss auf die Medien zu erlangen, um eine entsprechende Berichterstattung zu erreichen.17 Andere gesellschaftliche Gruppen seien hingegen weniger existentiell und umfassend von den Medien abhängig.18 Zudem müssten sich die politischen Parteien ihre besondere verfassungsrechtliche Stellung anrechnen lassen, es kämen ihnen durch diese Stellung eben auch Vorteile wie zum Beispiel die staatliche Wahlkampf finanzierung oder die Beteiligtenstellung im verfassungsrechtlichen Organstreit zu Gute, die sie auch nutzten. Eine Gleichstellung der politischen Parteien mit anderen gesellschaftlichen Gruppen sei daher abzulehnen.19 Sie seien vielmehr ein Kernbestandteil des Staates.20 Auch wird es unter dem Gesichtspunkt der Vielfaltssicherung für gerechtfertigt erachtet, die Parteien von der Rundfunkveranstaltung auszuschließen. Den Parteien stünden auch ohne die Beteiligung an Rundfunkunternehmen ausreichend Möglichkeiten zu, um ihren Auftrag aus Art. 21 GG zu erfüllen, immerhin könnten sie in der Vorwahlzeit auf Sendezeiten zugreifen. Es sei daher nicht ersichtlich, dieses Engagement im Rundfunk noch erweitern zu müssen. Vielmehr müsse dieses Medium anderen gesellschaftlichen Gruppen zur Artikulierung ihrer Meinung dienen.21 16 Volkmann, in: Berliner Kommentar GG, Art. 21 Rn. 89; ders., Politische Parteien und öffentliche Leistungen, S. 182 f.; Huber, K&R 2004, 216 (222); Degenhart, in: BK, Art 5 I, II Rn. 725; ders., K&R 2007, 1 (4); Holznagel, MMR 2008, 596; Herrmann, Fernsehen und Hörfunk, S. 327 f.; Schuster, Meinungsvielfalt, S. 148; Grimm, in: Benda/Maihofer, Hdb. d. Verfassungsrechts, § 14 Rn. 73 ff.; ders., Anforderungen an künftige Medienordnungen, S. 1; Kewenig, Zu Inhalt und Grenzen der Rundfunkfreiheit, S. 71; Herrmann/Lausen, Rundfunkrecht, § 7 Rn. 84; Schmidt, Rundfunkvielfalt, S. 80; Müller, AfP 2009, 433 (438); Lerche, Landesbericht, S. 75 ff.; Stumper, ZUM 1994, 98; wohl auch Hoffmann-Riem, Rundfunkaufsicht, S. 22 f.; Schulz, AfP 2013, 464 (469). 17 Grimm, in: Benda/Maihofer, Hdb. d. Verfassungsrechts, § 14 Rn. 72, 75; ders., Anforderungen an künftige Medienordnungen, S. 1. 18 Grimm, in: Benda/Maihofer, Hdb. d. Verfassungsrechts, § 14 Rn. 74. 19 Schmidt, Rundfunkvielfalt, S. 80. 20 Schuster, Meinungsvielfalt, S. 148. 21 Herrmann, Fernsehen und Hörfunk, S. 327 f.
A. Politische Parteien und das Gebot der Staatsferne des Rundfunks259
Letztlich wird aber die Stellung der Parteien in Bezug auf die Staatswillensbildung als maßgeblich für die Anwendung des Gebots der Staatsferne des Rundfunks erachtet.22 So seien sie aufgrund ihres Auftrags aus Art. 21 GG an der politischen Willensbildung des Volkes beteiligt, die als Vorstufe zur Staatswillensbildung gelte und sie zu bestimmenden Faktoren im Staat mache. Damit werde die Staatswillensbildung maßgeblich durch die politischen Parteien geprägt, sie wirkten in einer parlamentarischen Demokratie gleichgerichtet, womit es unzulässig sei, die öffentliche Meinungsbildung durch den Rundfunk auch den Parteien zu überlassen.23 Zwischen dem Einfluss des Staates und der politischen Parteien ergebe sich insoweit kein Unterschied. Staatsfreiheit müsse daher auch Parteienfreiheit bedeuten, denn die Gefahren, die für die freie, ausgewogene und vielfältige Berichterstattung von den Parteien ausgingen, seien mit den vom Staat ausgehenden vergleichbar.24 Die Aufgabe der Parteien an der politischen Willensbildung mitzuwirken, höre insoweit vor den Toren des Rundfunks auf.25
III. Alternative Ansätze Einen anderen Weg geht Möstl.26 Vom Blickwinkel der demokratiestaatlichen Funktionen von Medien und politischen Parteien existiere ein Feld struktureller Kollision und Spannung, welches zum Teil dazu führe, dass sie sich als inkompatibel erwiesen. Diese Inkompatibilität zeige sich vor allem bei einem Vergleich der je charakteristischen Vermittlungsfunktion von Parteien und Medien.27 Die Medien hätten die Aufgabe eines ständigen Verbindungs- und Kontrollorgans zwischen Volk und seinen gewählten Vertretern wahrzunehmen und mithin einerseits Politik berichterstattend und kritisch kommentierend dem Volk zu vermitteln als auch – umgekehrt – die vielfältigen sich im Volk bildenden Meinungen an die Politik heran 22 Herrmann/Lausen, Rundfunkrecht, § 7 Rn. 84; Degenhart, in: BK, Art. 5 I, II Rn. 725; Wagner, Landesmedienanstalten, S. 130. 23 Herrmann/Lausen, Rundfunkrecht, § 7 Rn. 84; Degenhart, in: BK, Art. 5 I, II Rn. 725; Holznagel, MMR 2008, 596; Grimm, in: Benda/Maihofer, Hdb. d. Verfassungsrechts, § 14 Rn. 74. 24 Degenhart, in: BK, Art. 5 I, II Rn. 725; Schuster, Meinungsvielfalt, S. 148; Grimm, in: Benda/Maihofer, Hdb. d. Verfassungsrechts, § 14 Rn. 75; ders., in: Die Zukunft der Verfassung, S. 294; Volkmann, Politische Parteien und öffentliche Leistungen, S. 182 f. 25 Volkmann, in: Berliner Kommentar GG, Art. 21 Rn. 89. 26 Möstl, DÖV 2003, 106. Auf diesen Ansatz haben sich im Verfahren zum Hessischen Privatfunkgesetz wohl auch die Antragsgegner berufen, siehe BVerfGE 121, 30 (40 f.). 27 Möstl, DÖV 2003, 106 (110).
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5. Kap.: Die Rundfunkbeteiligung politischer Parteien
zutragen. Andererseits sei es ihre Aufgabe, die Kritik und Kontrolle der Politik zu gewährleisten.28 Den Parteien hingegen habe das Grundgesetz eine Vermittlungs- und Transformationsfunktion zwischen Volk und Staat zugewiesen.29 Diese Vermittlungsfunktionen von Parteien und Medien verliefen jedoch weder parallel noch fielen sie in eins, vielmehr seien sie dadurch gekennzeichnet, dass die Funktionswahrnehmung der Parteien Gegenstand publizistischer Vermittlung und Kontrolle, d. h. Substrat der publizistischen Aufgabe sei. Die Mittlerstellung der Medien gerate jedoch in Gefahr, wenn die Parteien selbst zu Medienbetreibern würden. Möstl konstatiert daher, dass die zu Kontrollierenden (die Parteien) sich nicht selbst kontrollieren (als Medienbetreiber) und die zu Vermittelnden nicht selbst zu den Mittlern werden könnten. Dies sei gerade der Kern der (partiellen) funktionalen Unvereinbarkeit von Parteien und Medien.30 Für den Rundfunk greife diese Inkompatibilität in vollem Umfang, da die Parteien nicht in der Lage seien, die Aufgabe des Rundfunks als „Berichterstattungsmedium“, welches gerade „als kritischer Mittler (nicht als Instrument einer bestimmten Meinung) die Vielfalt der vorfindlichen Themen und Meinungen [...] reflektieren und dem Publikum – auswählend wie kritisch berichtend – zugänglich [...] machen“31 soll, zu übernehmen. Als solches sollen auch die politischen Parteien kontrolliert werden, was allerdings ausschließe, dass der Rundfunk durch diese instrumentalisiert werde.32 Das Gebot der Staatsferne des Rundfunks, dessen Anwendung auf die Parteien Möstl zwar nicht für unproblematisch hält, sei jedoch letztlich ebenfalls Ausfluss des gleichen Grundgedankens, derselben demokratiestaatlichen Funktion des Rundfunks. Beide Gedanken führten daher zum Ausschluss der Parteien von der Rundfunkveranstaltung.33 Wiederum einen anderen Ansatz wählt Huber, der die politischen Parteien als „verfassungsrechtliche Institution sui generis zwischen Staat und Gesellschaft“ einordnet, ihnen aber zugleich attestiert, nicht eindeutig vom Staat unterschieden werden zu können.34 Ihnen hafte eine „chamäleonhafte Rechtsstellung an, in der sie beliebig zwischen beiden Rollen“ zu wechseln 28 Möstl,
DÖV 2003, 106 (107 f.). DÖV 2003, 106 (109). 30 Möstl, DÖV 2003, 106 (110). 31 Möstl, DÖV 2003, 106 (109). 32 Möstl, DÖV 2003, 106 (112). 33 Möstl, DÖV 2003, 106 (113). 34 Huber, in: Morlok/vAlemann/Streit, Medienbeteiligungen, S. 127, 131 f.; ders., K&R 2004, 216 (222). 29 Möstl,
A. Politische Parteien und das Gebot der Staatsferne des Rundfunks261
schienen.35 Es könne daher nicht ohne Weiteres auf das Gebot der Staatsferne des Rundfunks zurückgegriffen werden. Der Ausschluss sei jedoch dann zu rechtfertigen, wenn die Gefahr bestünde, dass der staatliche Einfluss auf den Rundfunk durch die Zulassung zu groß werde, insbesondere wenn den Parteien Möglichkeiten zur Einflussnahme auf Gestaltung und Inhalte des Programms geboten würden.36 Denn ein „bisschen Staat“ seien die Parteien als verfassungsrechtliche Institutionen dann doch.37
IV. Stellungnahme Das Bundesverfassungsgericht sowie die Auffassungen des dargestellten Schrifttums gehen zwar auch von einer Verankerung der politischen Parteien im gesellschaftlichen Bereich aus. Dies kann wohl als „verfassungsrechtliches Allgemeingut“ bezeichnet werden.38 Der Argumentation wird jedoch einseitig die „soziologisch-faktische“39 Stellung der Parteien zugrunde gelegt, was nicht unproblematisch ist.40 Schon der Status der politischen Parteien spricht gegen ihre Adressatenstellung. Das Grundgesetz geht von einem gesellschaftlichen Charakter der Parteien aus, was sich bereits der Entstehungsgeschichte entnehmen lässt.41 Die Väter und Mütter des Grundgesetzes hatten nicht die Intention, das tatsächliche Erscheinungsbild der Parteien – als gesellschaftliche Kraft – durch das Grundgesetz zu verändern.42 Diese Intention findet sodann auch in der Stellung des Art. 21 im Grundgesetz ihren Ausdruck. Der Artikel ist im Gegensatz zu Art. 20 GG nicht mit dem Titel „Ausübung der Staatsgewalt“ versehen. Art. 21 GG kommt daher innerhalb des allgemein gehalte35 Huber, in: Morlok/vAlemann/Streit, Medienbeteiligungen, S. 118.; ders., K&R 2004, 216 (219). 36 Huber, K&R 2004, 216 (223). 37 Huber, in: Morlok/vAlemann/Streit, Medienbeteiligungen, S. 127. 38 Klein, in: Morlok/vAlemann/Streit, Medienbeteiligungen, S. 78. 39 Begriff nach Reffken, Politische Parteien, S. 256 ff. 40 Ablehnung findet diese Ansicht vor allem bei Reffken, Politische Parteien, S. 277 f.; Bethge, Niedersächsisches Landesrundfunkgesetz, S. 36 ff.; ders., Reorganisation, S. 93 f.; Kersjes, Medienbeteiligungen, S. 126 ff.; Paul, Rundfunkbeteiligungen, S. 128 ff.; Cornils, ZJS 2009, 465 (472 f.); Gersdorf, in: Morlok/vAlemann/ Streit, Medienbeteiligungen, S. 72 f.; ders., Staatsfreiheit, S. 106 ff.; Klein, in: Morlok/vAlemann/Streit, Medienbeteiligungen, S. 89; Angelov, Vermögensbildung, S. 340 ff.; Wufka, Rundfunkfreiheit, S. 97 f.; Kluth, in BeckOK GG, Art. 21 Rn. 65; Ricker, Privatrundfunk-Gesetze, S. 53 ff.; Eberle/Gersdorf, JuS 1991, 489 (493); Mohr, Legitimationsdefizite, S. 71; Möllers, AfP 2013, 457 (462 f.). 41 Angelov, Vermögensbildung, S. 159. 42 Bericht des Untersuchungsausschusses I des Verfassungskonvents v. 20.8.1948, Protokoll der Sitzungen des Untersuchungsausschusses I: Grundsatzfragen, S. 217.
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5. Kap.: Die Rundfunkbeteiligung politischer Parteien
nen zweiten Abschnitts des Grundgesetzes eine eigene Bedeutung zu, das heißt die Parteien sind nicht mit den Staatsorganen gleichzusetzen.43 Gemäß § 2 Abs. 2 Parteiengesetz (PartG)44 ist die Aufgabe der Parteien „für eine ständige lebendige Verbindung zwischen dem Volk und den Staatsorganen“ zu sorgen. Das Parteiengesetz differenziert damit bereits beim Wortlaut zwischen Staatsorganen und politischen Parteien. Aber auch die Entstehungsgeschichte des Parteiengesetzes zeigt, dass die Parteien nicht der Staatsorganisation unterstellt werden sollten. In einem Entwurf von 1959 wird konstatiert, dass es mit dem Grundgesetz und dem Wesen der Parteien unvereinbar wäre, die Parteien gleichsam der Körperschaften des öffentlichen Rechts in den Staatsorganismus zu integrieren.45 Zudem ist zu bedenken, dass Parteien Vereinigungen von gleichgesinnten Bürgern sind46 und daher gesellschaftlichen Gruppen ähneln. Sie werden aus der Gesellschaft heraus gebildet. Die Gründung und der Beitritt zu einer Partei ist freiwillig. Keinesfalls stellen sie vom Staat oktroyierte Vereinigungen dar.47 Gerade darin zeigt sich ihre grundlegende Bedeutung für das politische Leben. Die repräsentative Demokratie kann nur dann funktionieren, wenn sich die Bürger organisieren und so ihre Meinung kanalisiert zum Ausdruck bringen. Die Parteien als ständige und dauerhafte Organisation der Bürger ist in dieser Rolle alternativlos.48 Zwar wird zu Recht auf die bestehende Nähe der Parteien zu staatlichen Organen und deren Willensbildung hingewiesen. Diese Nähe an sich ist gegenüber anderen gesellschaftlichen Gruppen zunächst einmal noch nicht einzigartig.49 Eine Überlagerung der gesellschaftlichen und staatlichen Willensbildung findet sich nicht nur bei den politischen Parteien. Im Grunde genommen überschreitet jeder Bürger die Grenze zwischen gesellschaftlicher und staatlicher Willensbildung, wenn er an einer Parlamentswahl teilnimmt. Ebenso kommt den Medien ein nicht unwesentlicher Einfluss auf die staatlichen Entscheidungen zu.50 43 Angelov, Vermögensbildung, S. 159, mit Hinweis auf die Verhandlung des Parlamentarischen Rates, die zu dieser Anordnung des Art. 21 GG geführt hat. 44 Gesetz über die politischen Parteien, i. d. F. v. 31.1.1994 (BGBl. I S. 149), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes v. 23.8.2011, BGBl. I S. 1748. 45 Amtliche Begründung zu einem Regierungsentwurf eines Gesetzes über die politischen Parteien, BT-Drs. III/1509, S. 14. 46 So auch in § 2 I 1 PartG normiert. 47 Kersjes, Medienbeteiligungen, S. 127; Schindler, Die Partei als Unternehmer, S. 59; Klein, in: FS Maurer 2001, S. 193. 48 Kersjes, Medienbeteiligungen, S. 127; Schindler, Die Partei als Unternehmer, S. 68, 72. 49 Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 21 Rn. 158; Reffken, Politische Parteien, S. 257. 50 Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 21 Rn. 158; Reffken, Politische Parteien, S. 257.
A. Politische Parteien und das Gebot der Staatsferne des Rundfunks263
Allerdings – und insoweit ist auch gegenläufigen Ansicht Recht zu geben – ist der Einfluss anderer gesellschaftlicher Gruppen auf die Willensbildung des Staates wesentlich geringer ausgeprägt als bei den Parteien. Durch die Besetzung nahezu aller leitenden Funktionen in den Staatsorganen mit Mitgliedern der Fraktionen kommt es zu einem besonders hohen Grad an Beeinflussung.51 Zudem besteht gegenüber anderen Gruppen gerade das Ziel der Parteien, staatliche Funktionen wahrnehmen zu können.52 Diese Verflechtungen sind jedoch die Konsequenz der Entscheidung des Grundgesetzes für eine parlamentarisch-repräsentative Demokratie und der damit verbundenen zentralen Rolle der politischen Parteien.53 Art. 21 GG, der die funktionelle Bedeutung der Parteien für das Staatswesen normiert, enthält die Befugnis der Parteien, an der öffentlichen Meinungsbildung der Gesellschaft mitzuwirken. Der Einfluss der Parteien auf die öffentliche Meinungsbildung ist daher anders als beim Staat zu bewerten, dem diese Befugnis gerade nicht zusteht bzw. nur in sehr engen Grenzen, etwa im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit.54 Darüber hinaus genießen sie eine unbeschränkte Tendenzfreiheit. Das Neutralitätsgebot, welches der Staat zu beachten hat, findet auf sie gerade keine Anwendung.55 Berücksichtigung muss auch der Grundsatz der Staatsfreiheit der Parteien finden. Die Parteien müssen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vom Staat unabhängig, das heißt staatsfrei sein:56 „Das Verfassungsgebot der grundsätzlich staatsfreien und offenen Meinungs- und Willensbildung vom Volk zu den Staatsorganen wehrt eben wegen dieser Tätigkeit der politischen Parteien jede staatlich-institutionelle Verfestigung der Parteien ab und verbietet ihre Einfügung in den Bereich der organisierten Staatlichkeit.“57 Warum dieses Gebot für die Rundfunkfreiheit durch die Positionierung der Parteien auf der staatlichen Seite durch das Bundesverfassungsgericht aufgehoben wird, ist nicht nachzuvollziehen und widersprüchlich.58 Denn die Entscheidung zur Staatsfreiheit der Parteien wurde 51 Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 21 Rn. 158; Reffken, Politische Parteien, S. 257 f. Zu dieser Verquickung siehe auch Nds. StGH, Urt. v. 6.9.2005 – StGH 4/05 = ZUM-RD 2006, 321 (327 f.). 52 Grimm, in: Benda/Maihofer, Hdb. d. Verfassungsrechts, § 14 Rn. 15; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 21 Rn. 159. 53 Paul, Rundfunkbeteiligungen, S. 129; Ossenbühl, BayVBl. 2000, 161 (162 f.). 54 Gersdorf, in: Morlok/vAlemann/Streit, Medienbeteiligungen, S. 72; Kersjes, Medienbeteiligungen, S. 127. 55 Gersdorf, Staatsfreiheit, S. 106. 56 BVerfGE 20, 56 (101 f.); 73, 40 (85); 85, 264 (287). Dazu Ossenbühl, BayVBl. 2000, 161 (165 f.). 57 BVerfGE 20, 56 (101 f.). 58 Cornils, ZJS 2009, 465 (472); Reffken, Politische Parteien, S. 262 f.
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5. Kap.: Die Rundfunkbeteiligung politischer Parteien
in Anerkennung ihrer faktisch-soziologischen Stellung getroffen.59 Aus welchem Grund sie nun gegen die Parteien gerichtet wird, bleibt offen.60 Auch im Urteil zur Öffentlichkeitsarbeit der Regierung hat das Gericht die Unterscheidung zwischen parteipolitischer und staatlicher Kommunikation betont.61 Sei es mit dem Demokratiegebot unvereinbar, dass sich die im Amt befindliche Bundesregierung als Verfassungsorgan im Wahlkampf zur Wiederwahl stelle und dafür werbe, dass sie „als Regierung wiedergewählt“ werde. So schließe dies nicht aus, dass die Mitglieder der Bundesregierung außerhalb ihrer amtlichen Funktionen für eine Partei in den Wahlkampf eingreifen würden.62 Die Unterscheidung zwischen dem staatlichen Bereich und dem parteipolitischen Bereich wurde folglich auch hier aufrecht erhalten.63 Der Grundsatz der Staatsfreiheit der Parteien ist zugleich auch ein Grund, weshalb die Gefahren, die von einem parteibeeinflussten privaten Rundfunkveranstalter ausgehen würden, anderer Natur sind als bei einem staatlichen bzw. staatlich-beeinflussten. Im Unterschied zu Letzterem besteht bei den politischen Parteien keine staatliche finanzielle Überlegenheit, das heißt die staatlichen Ressourcen kommen gerade nicht zum Tragen. Dies ist durch den Grundsatz der Staatsfreiheit der Parteien verfassungsrechtlich ausgeschlossen. Zudem können sie auch keine staatliche Autorität für sich in Anspruch nehmen.64 Der vom Bundesverfassungsgericht beschriebene Einfluss der Parteien auf den privaten Rundfunk kann sodann auch nur von den Mehrheitsparteien im Parlament ausgehen. Die Gefahr des Staatseinflusses können nur solche Parteien ausstrahlen, die auch in den beschriebenen Funktionen tätig sind. Parteien, die weder in der Regierung noch im Parlament vertreten sind, können die personellen Verflechtungen aber gerade nicht aufweisen. Dennoch wäre nach dem Verständnis des Bundesverfassungsgerichts das Gebot der Staatsferne des Rundfunks anzuwenden, sobald der Parteienbegriff verwirklicht ist. Alle Parteien einer Beschränkung aufgrund einer Gefahr zu unterwerfen, die aber nicht jede begründen kann, ist jedenfalls nicht mit dem Gebot der Staatsferne zu rechtfertigen.65 59 BVerfGE
20, 56 (101). ZJS 2009, 465 (472); Reffken, Politische Parteien, S. 261 ff. 61 BVerfGE 44, 125 (141, 154 f.). 62 BVerfGE 44, 125 (141, 154 f.). 63 Paul, Rundfunkbeteiligungen, S. 130. 64 Cornils, ZJS 2009, 465 (472); Cordes, Medienbeteiligungen, S. 346; Reffken, Politische Parteien, S. 277. 65 Angelov, Vermögensbildung, S. 341 f.; Paul, Rundfunkbeteiligungen, S. 130; v. Coelln, in: Verfassungsrechtsprechung, S. 861; a. A. Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, Teil D Rn. 29, die eine solche Differenzierung nicht vornehmen. 60 Cornils,
A. Politische Parteien und das Gebot der Staatsferne des Rundfunks265
Fragen wirft die Annahme einer Adressatenstellung der Parteien auch vor dem Hintergrund einer anderen Vorgehensweise bei der Pressefreiheit auf.66 Der Grundsatz der Staatsferne der Presse wird im Gegensatz zum Rundfunk nicht auf die Parteien erstreckt. Im Bereich der Presse gelten die Parteien ganz unstreitig als gesellschaftliche Kommunikatoren.67 Interessanterweise betont die Funktion der Parteien im Pressebereich auch das Bundesverfassungsgericht, wenn es feststellt, dass gerade die SPD traditionell ihren verfassungsrechtlichen Mitwirkungsauftrag über die Beteiligung an Presseunternehmen nachkomme.68 Dass sich hieraus eine Gefahr der Beeinflussung durch die Staatsnähe der Parteien ergibt, wird allerdings nicht angenommen. Als Ausdruck des medienübergreifenden Grundsatzes der Staatsfreiheit der Medien liegt eine differenzierende Auslegung der Adressatenstellungen beider Grundsätze jedoch fern. Den „Staat“ im Sinne des Gebots der Staatsferne der Presse anders zu verstehen als beim Gebot der Staatsferne des Rundfunks, wäre nicht nachvollziehbar.69 Auch aus grundrechtsdogmatischer Sicht ist der Schluss von der Staatsfreiheit auf die Parteienfreiheit des Rundfunks zu bezweifeln. Das Bundesverfassungsgericht gibt einerseits dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Rundfunkordnung die Aufgabe, die Staatsferne des Rundfunks auch vor Gefahren durch die Parteien zu wahren. Andererseits eröffnet das Gericht zugleich den persönlichen Schutzbereich der Rundfunkfreiheit für die Parteien und macht sie damit zu Grundrechtsträgern.70 Sie sind daher nach dieser Rechtsprechung zugleich grundrechtsverpflichtet als auch grundrechtsberechtigt.71 Zwar ist es im Verfassungsrecht durchaus nicht ungewöhnlich, dass sich Gewährleistungsbestimmungen auch gegenläufig gegenüberstehen, wie beispielsweise bei den grundrechtlichen Einrichtungs- und Schutzpflichten.72 Dennoch ist der Fall bei den politischen Parteien etwas anders gelagert. Denn hier ist ein und dasselbe Grundrechtssubjekt zugleich vom Schutzbereich erfasst und ausgeschlossen. Der Widerspruch dieser Konstruktion wird noch deutlicher, wenn man bedenkt, dass das Gebot der Staatsferne des Rundfunks abwehrend gegen den Staat gerichtet ist und 66 Paul, Rundfunkbeteiligungen, S. 131 f.; Cornils, ZJS 2009, 465 (472 f.); Reffken, Politische Parteien, S. 261 f.; Mohr, Legitimationsdefizite, S. 71. 67 BVerfGE 12, 205 (260); 121, 30 (65 ff.). 68 BVerfGE 121, 30 (31 ff.; 65 ff.). 69 Paul, Rundfunkbeteiligungen, S. 131 f.; Cornils, ZJS 2009, 465 (472 f.); Reffken, Politische Parteien, S. 261 f.; Kersjes, Medienbeteiligungen, S. 128; Cordes, Medienbeteiligungen, S. 345. 70 BVerfGE 121, 30 (55 ff.). 71 Cornils, ZJS 2009, 465 (473); ders., in: Die Macht der Medien, S. 48; Reffken, Politische Parteien, S. 277. 72 Cornils, in: Die Macht der Medien, S. 48.
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5. Kap.: Die Rundfunkbeteiligung politischer Parteien
daher die allen Grundrechten innewohnende subjektiv-abwehrende Funktion verstärkt. Man könnte nun einwenden, dass das Bundesverfassungsgericht im Falle der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten genau eine solche Konstruktion anerkannt hat. Einerseits können die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten die Rundfunkfreiheit für sich in Anspruch nehmen, weil sie „unmittelbar dem durch die Grundrechte geschützten Lebensbereich zuzuordnen“ sind.73 Zugleich unterliegen sie als Bestandteil der vollziehenden Gewalt gemäß Art. 1 Abs. 3 GG der Grundrechtsbindung, beispielsweise bei der Vergabe von Sendezeiten an Parteien.74 Insoweit hat das Konfusionsargument75 des Bundesverfassungsgerichts durchaus Lockerung erfahren. Diese Lockerung nun aber auch auf die politischen Parteien zu übertragen, bereitet Schwierigkeiten, da die verfassungsrechtliche Stellung von öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten als Anstalten des öffentlichen Rechts und politischen Parteien nicht vergleichbar ist. Die politischen Parteien sind gerade nicht der öffentlichen Gewalt zuzuordnen und auch nicht nur „ausnahmsweise“ grundrechtsberechtigt. Vielmehr können sie sich auf Grundrechte berufen.76 Sie befinden sich daher in einer staatsabwehrenden Position. Aus dieser Sicht der Grundrechte einen Grundrechtsträger zugleich für grundrechtsverpflichtet und -berechtigt zu erklären, kann nicht überzeugen.77 Hier muss vielmehr das besagte Konfusionsargument Anwendung finden. Ebenso weist auch die von Möstl vorgetragene strukturelle Inkompatibilität von Medien und Parteien, welche dazu führe, dass die Parteien von der Beteiligung an Rundfunkunternehmen auszuschließen seien, Schwächen auf.78 Die Reduzierung der Medien auf ihre Funktion als Medium im Meinungsbildungsprozess entspricht weder ihrer tatsächlichen noch ihrer verfassungsrechtlich gewollten Funktion.79 Die Medien sind keinesfalls nur Mittler, sondern anerkannter Weise auch Faktoren im Meinungsbildungsprozess.80 Dem Rundfunk daher ausschließlich eine Vermittlungsfunktion zu73 BVerfGE
31, 314 (322). 7, 99 (103 f.); 14, 121 (130). 75 BVerfGE 21, 362 (368 ff.); 61, 82 (101 ff.); 75, 192 (195 f.). 76 Starck, in: vMangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 1 III Rn. 252. 77 Paul, Rundfunkbeteiligungen, S. 132; Cornils, ZJS 2009, 465 (473); ders., in: Die Macht der Medien, S. 48; Reffken, Politische Parteien, S. 277 f. 78 Sowohl das BVerfG als auch der Niedersächsische Staatsgerichtshof haben sich ausdrücklich gegen die Inkompatibilität von Medien und Parteien gewendet, BVerfGE 121, 30 (57 f.); Nds. StGH, Urt. v. 6.9.2005 – StGH 4/05 = ZUM-RD 2006, 321 (326). 79 Cornils, ZJS 2009, 465 (471). 80 BVerfGE 12, 205 (260). 74 BVerfGE
A. Politische Parteien und das Gebot der Staatsferne des Rundfunks267
kommen zu lassen sowie alle von der Rundfunkveranstaltung auszuschließen, die ihrem Wesen nach die behauptete Funktion als reines „Berichterstattungsmedium“ nicht erfüllen können, überzeugt nicht. Denn dies würde letztlich bedeuten, jedwede Tendenz im Rundfunk auszuschließen. Damit würde allein den Redakteuren die Faktorrolle im Meinungsbildungsprozess zukommen, die aber nach Möstl die Überparteilichkeit des Rundfunks zu wahren hätten.81 Diese Annahme ist jedoch realitätsfern.82 Denn die im Rundfunk tätigen Personen agieren keinesfalls unpolitisch noch unparteiisch. Bei der Auswahl der Inhalte und der Gestaltung der Programme kommen nicht nur sachliche Kriterien, sondern auch die Auffassungen der Redakteure zum Tragen.83 Schließlich wirft die angenommene Inkompatibilität auch an dieser Stelle mit Blick auf die Pressefreiheit Fragen auf.84 Für die Presse wird eine solche Inkompatibilität mit den Parteien nicht behauptet, wenngleich gerade die Funktion und Bedeutung von Presse und Rundfunk für den Prozess der öffentlichen Meinungsbildung keinerlei Unterschiede aufweist.85 Es ist daher festzuhalten, dass die Parteien auch im Sinne des Gebots der Staatsferne des Rundfunks nicht dem staatlichen Bereich zuzuordnen, und damit auch nicht Adressaten des Gebots sind. Mithin kann das Gebot nicht herangezogen werden, um die rundfunkgrundrechtliche Position der Parteien zu beschränken. Dies allein bedeutet jedoch noch nicht, dass die Parteien unbeschränkt als Rundfunkveranstalter tätig werden können, denn der Rundfunk darf auch nicht politisch instrumentalisiert werden. Dieser Gefahr ist aber wie gezeigt nicht mit dem Gebot der Staatsferne des Rundfunks, sondern mit dem Gebot der Gruppenferne des Rundfunks zu begegnen, das heißt der Absicherung des Rundfunks gegenüber einer Beherrschung des Meinungsmarktes durch einzelne gesellschaftliche Gruppen.86 Denn bei den Parteien gilt es nicht staatliche, sondern gesellschaftliche Meinungsmacht zur Sicherung des Vielfaltsgebots abzuwehren. Im Zentrum steht dabei, der Zusammenballung publizistischer Macht entgegenzutreten und mit den Sicherungen des Medienkonzentrationsrechts Monopolstellungen zu verhindern,87 wobei es derzeit nicht denkbar ist, dass einer 81 Möstl,
DÖV 2003 206 (111). ZJS 2009, 465 (471); Paul, Rundfunkbeteiligungen, S. 133; Klein, in: Morlok/vAlemann/Streit, Medienbeteiligungen, S. 90; ders., in: FS Maurer 2001, S. 200. 83 Klein, in: FS Maurer 2001, S. 200, 203; Paul, Rundfunkbeteiligungen, S. 133. 84 Cornils, ZJS 2009, 465 (471 f.). 85 BVerfGE 74, 297 (323 ff.); 91, 125 (134). 86 BVerfGE 73, 118 (153); Stender-Vorwachs, Staatsferne und Gruppenferne, S. 40, 216. 87 Holznagel, MMR 2011, 300 (301). 82 Cornils,
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5. Kap.: Die Rundfunkbeteiligung politischer Parteien
politischen Partei in Deutschland eine derart mächtige Position auf dem Rundfunkmarkt zukommt.88
B. Resümee Das Gebot der Staatsferne des Rundfunks findet damit keine Anwendung auf die politischen Parteien. Die Frage nach der Umsetzung des Gebots stellt sich folglich nicht.
88 Siehe zu den Möglichkeiten der Beschränkung der Rundfunkveranstaltung durch politische Parteien auf Grundlage des Vielfaltsgebots die ausführlichen Darstellungen von Paul, Rundfunkbeteiligungen, S. 134 ff.; Angelov, Vermögensbildung, S. 345 ff.; Eberle/Gersdorf, JuS 1991, 489 (493 ff.) sowie die Arbeiten von Reffken, Politische Parteien und ihre Beteiligungen an Medienunternehmen; Morlok/vAlemann/Streit, Medienbeteiligungen politischer Parteien; Kersjes, Medienbeteiligungen politischer Parteien; Cordes, Medienbeteiligungen politischer Parteien und Schindler, Die Partei als Unternehmer, die sich ausführlich mit den Problemen der Medienbeteiligung politischer Parteien beschäftigen.
6. Kapitel
Das gemischtwirtschaftliche Unternehmen als Rundfunkveranstalter unter besonderer Berücksichtigung der Deutschen Telekom AG A. Aktueller Anlass Die Deutsche Telekom AG (DTAG), an der die Bundesrepublik zu ca. 30 % beteiligt ist, hat im Sommer 2012 um die Fernsehrechte der FußballBundesliga geboten. In der Öffentlichkeit hat dieses Vorgehen eine breite Diskussion um die Lizenzfähigkeit der Aktiengesellschaft hervorgerufen. Nahezu alle Zeitungen haben die Frage aufgeworfen, ob die Telekom als „Staatsunternehmen“ überhaupt eine solche privatwirtschaftliche Tätigkeit wahrnehmen darf.1 Diese Diskussion ist keinesfalls neu, sondern wurde bereits 2006 geführt, als die DTAG von der Deutschen Fußball-Liga Rechte für die Spielzeiten 2006/2007, 2007/2008 und 2008/2009 erwarb. Dabei handelte es sich um Übertragungsrechte für die erste und zweite Bundesliga im Internet. Die DTAG beantragte damals keine Rundfunkzulassung, sondern übertrug ihre Rechte auf den Pay-TV-Sender Premiere, der damit eine Sublizenz erwarb. Die umfassende Verantwortung für das Programm, insbesondere für die redaktionelle Gestaltung lag damit bei Premiere.2 Aufgrund dieser Vereinbarung zwischen Premiere und der DTAG hielten die Landesmedienanstalten damals eine Rundfunklizenz für die DTAG nicht für notwendig.3 Seine Fortsetzung fand diese Kontroverse 2009. Die DTAG hatte wiederum für 1 Siehe nur exemplarisch Dörr, Staatsfreiheit in Gefahr, Handelsblatt v. 1.2.2012, S. 10; Peitsmeier/Bünder, Endspiel um die Bundesliga, FAZ v. 30.3.2012; Kunze/Rohwetter, Fußball bei der Telekom?, ZEITOnline v. 29.3.2012 oder die Pressemitteilung der BLM v. 29.3.2012, in der der BLM-Präsident die medienrechtliche Überprüfung eines möglichen Rechteerwerbs durch die Telekom ankündigt. Abrufbar unter: http://www.blm.de/de/pub/aktuelles/pressemitteilungen/pressemitteilungen.cfm? eventPress=press.DisplayDetail&pressrelease_ID=1738. 2 Handelsblatt v. 29.8 2006, Bundesliga-TV der Telekom kommt vor die Medienaufsicht. 3 Siehe auch zum Beschluss der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten v. 13.7.2006, BLM, Geschäftsbericht 2006, S. 19. Siehe aber KEK, Beschluss 348/350/359, S. 9.
270
6. Kap.: Gemischtwirtschaftliche Unternehmen als Rundfunkveranstalter
drei Spielzeiten Übertragungsrechte der Fußball-Bundesliga zur Verbreitung über IPTV und Mobilfunkplattformen erworben. Die Verbreitung des Programms „LIGA total!“ sollte über die Plattform „T-Home Entertain“ sowie „T-Mobile“ erfolgen. Die Sendelizenz wurde erneut nicht für die DTAG, sondern nunmehr für die Constantin Sport Medien GmbH beantragt, die die redaktionellen und produktionstechnischen Leistungen erbringen sollte. Einzig eine von der ZAK veranlasste Vereinbarung zwischen dieser GmbH und der DTAG, die die Versicherung enthielt, dass die wesentlichen Programmentscheidungen bei der Constantin Sport Medien GmbH liegen und bleiben würden, führte zur Erteilung der Rundfunklizenz.4 Die Frage der Lizenzfähigkeit der DTAG wird nun aufgrund der Vergabe der Bundesligarechte an andere Bieter auch in den folgenden Jahren keine praktische Relevanz erlangen. Auch der Vertragsschluss mit Sky, der den bisherigen „LIGA total!“-Abonnementen für eine Saison den Zugriff auf das Sky-Fußballangebot zu Telekompreisen garantiert, ist rundfunkrechtlich unbedenklich. Rundfunkveranstalterin ist Sky, die den Telekom-Kunden lediglich den Zugriff auf ihr Angebot gestattet, der Telekom jedoch keine Rechte auf die Programmgestaltung einräumt.5 Für die Zukunft bleibt die Frage der Lizenzfähigkeit jedoch aktuell. Die Bundesligarechte werden ab der Spielzeit 2017/2018 neu vergeben und die DTAG wird sich mit Sicherheit an der Vergabe beteiligen, um weiterhin auf dem Rundfunkmarkt eine Rolle zu spielen. Im Falle der Vergabe der Rechte an die DTAG wird wieder die Frage im Raum stehen, ob sie diese selber wahrnehmen kann oder die redaktionelle Gestaltung an ein anderes Unternehmen – wie die Constantin Sport Medien GmbH – übergeben muss. Letzterer Fall würde sodann die Frage aufwerfen, wie eine solche Übertragung der Rechte ausgestaltet sein muss, um die Staatsferne des Rundfunks zu wahren. Es lohnt sich daher auch, dass in diesem Jahr auslaufende Vertragsverhältnis zwischen der DTAG und der Constantin Sport Medien GmbH zu untersuchen. Auch in der Rechtswissenschaft wurde das Thema aufgegriffen, wobei in der Regel die Lizenzfähigkeit der DTAG aufgrund des Gebots der Staatsferne des Rundfunks verneint wurde.6 Dieser Schluss verwundert zumindest 4 ZAK, Pressemitteilung 12/2009 v. 30.6.2009, abrufbar unter: http://www.diemedienanstalten.de/presse/pressemitteilungen/kommission-fuer-zulassung-und-auf sicht/detailansicht/article/zak-pressemitteilung-122009-zak-erteilt-zulassung-von-ligatotal.html. Sowie KEK, Beschluss 563. 5 Dazu Heuzeroth, Sky holt Telekom ins Bundesliga-Boot, Die Welt v. 4.1.2013. 6 Siehe Säcker, K&R 2012, 324; Gersdorf, AfP 2008, 259; Huber, in: FS Bethge 2009, S. 499 ff., 504 f.; Dörr, Staatsfreiheit in Gefahr, Handelsblatt v. 1.2.2012, S. 10; Holznagel, epd medien Nr. 12 v. 23.3.2012, S. 3.
B. Begriffserläuterung271
auf den ersten Blick. Denn zum einen übersteigt die mittelbare Beteiligung der BRD nicht einmal ein Drittel und zum anderen ist durch Art. 87f sowie Art. 143a und b GG die privatwirtschaftliche Betätigung der Deutschen Telekom als Nachfolgeunternehmen der Deutschen Post vorgesehen. Dass das Unternehmen daher „Staat“ im Sinne des Gebots sein soll, drängt sich zunächst nicht auf. Umso mehr bietet der Sachverhalt Anlass, auch die Adressatenstellung gemischtwirtschaftlicher Unternehmen – wie die DTAG – näher zu untersuchen.
B. Begriffserläuterung Unter dem Begriff des gemischtwirtschaftlichen Unternehmens7 werden solche Unternehmen zusammengefasst, an denen neben der öffentlichen Hand auch Private beteiligt sind, das heißt es handelt sich dabei um Kapitalgesellschaften, deren Kapitalanteile von staatlichen Einheiten und Privaten gehalten werden. Bei Letzteren kann es sich sowohl um Privatpersonen als auch juristische Personen des Privatrechts handeln. Im Gegensatz zu öffentlichen Unternehmen, deren Gesellschaftsanteile ausschließlich bei der öffentlichen Hand liegen, wird bei den gemischtwirtschaftlichen Unternehmen von einer gemischt staatlich-privaten Kapitalstruktur gesprochen.8 Ob die öffentliche Hand dabei über eine Mehrheits- oder Minderheitsbeteiligung verfügt, ist unerheblich.9 Gemischtwirtschaftliche Unternehmen agieren in allen Wirtschaftsbereichen, vor allem in der Daseinsvorsorge, aber auch – und hier soll der Schwerpunkt der Untersuchung liegen – im Medienbereich. Von besonderem Interesse ist die DTAG, die als Nachfolgeunternehmen der Deutschen Bundespost im Bereich der Telekommunikation, Informationstechnologie, Multimedia, Information und Unterhaltung, der Sicherheitsdienstleistungen, Vertriebs- und Vermittlungsdienstleistungen, des E-Banking, E-Money, Inkasso, Factoring und der Empfangs- und Bewachungsleistungen sowie der mit diesen Bereichen im Zusammenhang stehenden Serviceleistungen und in verwandten Bereichen im In- und Ausland tätig ist.10 7 Zum Teil wird auch von „Mischunternehmen“ gesprochen, Selmer, in: HGR II, § 53 Rn. 5. 8 Berger, Gemischtwirtschaftliche Unternehmen, S. 23; Harks, in: Linien der Rechtsprechung des BVerfG, S. 114. 9 Jarass, MMR 2009, 223 (225). 10 BMF, Beteiligungsbericht 2013, S. 23, abrufbar unter: http://www.bundesfi nanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Bundesvermoegen/Privati sierungs_und_Beteiligungspolitik/Beteiligungen_des_Bundes/BeteiligungsberichtAnlage-2013.pdf?__blob=publicationFile&v=1.
272
6. Kap.: Gemischtwirtschaftliche Unternehmen als Rundfunkveranstalter
Der Bund hält an der DTAG unmittelbar 15 % der Anteile und mittelbar über die KfW Bankengruppe 17 %. Die übrigen 68 % befinden sich im Streubesitz, mithin in der Hand privater Anteilseigner.11 Die KfW Bankengruppe ist eine Förderbank, organisiert als selbstständige Anstalt des öffentlichen Rechts, die die nachhaltige Verbesserung der wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Lebens- und Wirtschaftsbedingungen u. a. in den Bereichen Mittelstand, Existenzgründung, Umweltschutz, Wohnungswirtschaft, Infrastruktur, Bildungsförderung, Projekt- und Exportfinanzierung und Entwicklungszusammenarbeit unterstützt.12 Ihre Anteile liegen wiederum zu 80 % beim Bund und zu 20 % bei den Ländern,13 sie ist daher ein öffentliches Unternehmen. Für die DTAG heißt dies, dass ihre Anteile zu 32 % von staatlichen Einheiten gehalten werden. Die Ausübung der Aktionärsrechte des Bundes erfolgt seit 2005 durch das Bundesministerium der Finanzen. Zuvor nahm diese Rechte die auf Grundlage von Art. 87 f Abs. 3 GG gegründete Bundesanstalt für Post und Telekommunikation wahr.14 Auf die sich aus dieser Übertragung eventuell ergebenden Änderungen wird später noch einzugehen sein. Zunächst ist nun zu klären, ob und gegebenenfalls inwieweit die Beteiligung des Staates von knapp einem Drittel auf die Adressatenstellung der DTAG Einfluss hat.
C. Gemischtwirtschaftliche Unternehmen als Adressaten des Gebots der Staatsferne des Rundfunks I. Das Verhältnis von Adressatenstellung und Grundrechtsfähigkeit Speziell für den Fall der DTAG hat die Frage nach deren Grundrechtsfähigkeit im Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG, das heißt deren Rundfunkfähigkeit, Anlass zu Diskussionen gegeben. Darüber hinaus besteht aber auch Unklarheit darüber, in welchem Verhältnis diese Grundrechtsfähigkeit und die Adressatenstellung zueinander stehen. Es bedarf daher einer Klärung, ob die Grundrechtsfähigkeit zwingend zum Ausschluss aus dem Adressatenkreis des Gebots führt.
11 BMF,
Beteiligungsbericht 2013, S. 23. Beteiligungsbericht 2013, S. 34. 13 BMF, Beteiligungsbericht 2013, S. 34. 14 Die Änderung erfolgte durch das Gesetz zur Reorganisation der Bundesanstalt für Post und Telekommunikation und zur Änderung weiterer Gesetze v. 14.9.2005, BGBl. I S. 2746, dazu BT-Drs. 15/5573, S. 17. 12 BMF,
C. Gemischtwirtschaftliche Unternehmen und Staatsferne des Rundfunks 273
1. Meinungsstand Gersdorf spricht von Alternativität zwischen Grundrechtsfähigkeit und Adressatenstellung.15 Juristische Personen des Privatrechts, die grundrechtlichen Schutz genössen, könnten nicht dem Anwendungsbereich des Grundsatzes der Staatsfreiheit des Rundfunks unterfallen. Die Grundrechtsfähigkeit habe zur Folge, dass sie sich auch auf Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG berufen könnten und ihnen so der Schutz des Grundrechts umfassend zustehe. Dies bedeute, dass sie sich auf die Rundfunkveranstalterfreiheit berufen könnten, mithin die subjektiv-rechtliche Dimension der Rundfunkfreiheit.16 Dass sie gleichzeitig auch Adressaten des Gebots sein sollten, sei durch die Grundrechtsträgerschaft ausgeschlossen. Vielmehr impliziere dies die Unanwendbarkeit des in der Rundfunkfreiheit wurzelnden Grundsatzes.17 Säcker hingegen erachtet diesen Schluss von der Grundrechtsfähigkeit auf die Rundfunkfähigkeit als „undurchdachte These“.18 Vielmehr folge aus der Grundrechtsfähigkeit nicht zwingend die Rundfunkfähigkeit und aus der Grundrechtsunfähigkeit aber auch nicht die Rundfunkunfähigkeit. Es sei anerkannt, dass der Staat, ohne Grundrechte zu verletzen, im Gemeinwohlinteresse auch objektive Kriterien für die Berufsausübung festlegen könne. Allein die Grundrechtsfähigkeit führe noch nicht dazu, dass die grundrechtsfähige Person jeden Beruf ohne Erfüllung weiterer objektiver und subjektiver Zulassungsvoraussetzungen ausüben könne. Dies sei insbesondere bei Notaren und Schornsteinfegern anerkannt.19 Die Grundrechtsfähigkeit allein sichere noch nicht die Staatsfreiheit. Die Anerkennung der Grundrechtsfähigkeit habe nur zur Folge, dass eine für die grundsätzliche Trägerschaft von Rechten und Pflichten im Rahmen des Grundgesetzes hinreichende Staatsferne vorliege. Dies reiche jedoch nicht aus, um die notwendige Staatsferne im Sinne des Gebots zu wahren. Dieses setze eindeutig strengere Maßstäbe im Hinblick auf die organisatorische und tatsächliche Unabhängigkeit des Rundfunks voraus.20 Unter Rückgriff auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Hessischen Privatrundfunk-Gesetz21 verweist er auf die Unfähigkeit des Aktienrechts als Gradmesser für 15 Gersdorf,
AfP 2008, 259 (260). AfP 2008, 259 (262 f.). So auch Holznagel, MMR 2011, 300 (302). 17 Gersdorf, AfP 2008, 259 (262). 18 Säcker, K&R 2012, 324 (327). 19 Säcker, K&R 2012, 324 (327). 20 Säcker, K&R 2012, 324 (328 f.). 21 BVerfGE 121, 30 (62 f.): „Konzernrecht und Ausgestaltung der Rundfunkfreiheit verfolgen unterschiedliche Regelungsziele. Das Konzernrecht regelt die innere Ordnung der Konzerne, Abstimmung der Zuständigkeiten zwischen den für den Konzern handelnden Organen der Mitgliedsunternehmen, konzernbezogene Rechte 16 Gersdorf,
274
6. Kap.: Gemischtwirtschaftliche Unternehmen als Rundfunkveranstalter
das Vorliegen von Staatsfreiheit.22 Das Aktienrecht, dessen Beherrschungstatbestände zur Bestimmung der Grundrechtsfähigkeit herangezogen würden, könnten aufgrund des unterschiedlichen Regelungszwecks des Aktienrechts – wie ihn das Bundesverfassungsgericht beschreibt – nicht herangezogen werden. Aus dieser Unfähigkeit des Aktienrechts, die Beherrschung eines staatlichen Anteilseigners an einem Unternehmen im Sinne des Gebots bestimmen zu können, folgert Säcker auch die Unfähigkeit der Grundrechtsfähigkeit als Kriterium für die Bestimmung des Adressatenkreises des Gebots der Staatsferne des Rundfunks.23 Auch nach jüngster Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts knüpft das Gebot der Staatsferne des Rundfunks nicht an die grundsätzliche Unterscheidung zwischen privater Freiheit und staatlicher Bindung an, wie sie gemäß Art. 1 Abs. 3 GG und Art. 20 Abs. 2 GG für die Frage der Grundrechtsbindung maßgeblich ist.24 Es sei vielmehr eine funktionale Betrachtungsweise vorzunehmen, für die maßgeblich sei, ob eine Person handele, die staatlich-politische Entscheidungsmacht inne habe oder im Wettbewerb um ein hierauf gerichtetes öffentliches Amt oder Mandat stehe und insoweit und Pflichten der Gesellschafter auf den verschiedenen Stufen des Konzerns, notwendigen Schutz der Minderheitsgesellschafter und der Gläubiger des herrschenden, aber auch des abhängigen Konzernunternehmens (vgl. Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 8. Aufl. 2005, S. 1; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, 4. Aufl. 2006, § 50 Rn. 13). Demgegenüber geht es bei der Begrenzung der Einflussmöglichkeiten der Parteien auf den Rundfunk nicht um den Schutz der Mitgesellschafter und der Unternehmensgläubiger oder andere gesellschaftsrechtliche Zwecke. Im Mittelpunkt steht vielmehr die Abwehr einer spezifischen Gefahr, nämlich staatsnaher Einflussnahme auf die inhaltliche Programmgestaltung vermittels der beteiligten Parteien. Diese muss aber nicht erst bei einer umfassenden Beherrschung aller wesentlichen Unternehmensbereiche vorliegen. Der Gesetzgeber kann zum Beispiel Einwirkungsmöglichkeiten auf die Unternehmensstrategie, die sich auch für Minderheitsgesellschafter aus der Möglichkeit der Ausübung von Informations- und Kontrollrechten, der Ablehnung von Beschlüssen, die der Zustimmung einer qualifizierten Mehrheit bedürfen, der Möglichkeit zur Erhebung von Gesellschafterklagen (actio pro socio), der Anfechtung von Gesellschafterbeschlüssen, der Klage auf Auflösung der Gesellschaft oder der Ankündigung des Austritts mit dem dann entstehenden Abfindungsanspruch ergeben, ebenso berücksichtigen wie die Möglichkeit von Stimmrechtsvereinbarungen der Gesellschafter oder gesonderter gesellschaftsvertraglicher Regelungen, die ebenfalls höhere Einflussmöglichkeiten eines bestimmten Gesellschafters auf die Geschicke des betreffenden Unternehmens vorsehen können. Entscheidend ist nicht allein der nominale Anteil am Kapital oder an Stimmrechten, sondern der tatsächliche Einfluss auf die Programmgestaltung oder die Programminhalte. Es obliegt dem Gesetzgeber, hierfür geeignete und nachvollziehbare Kriterien zu normieren.“ 22 Säcker, K&R 2012, 324 (328 f.). 23 Säcker, K&R 2012, 324 (329). 24 BVerfG, Urt. v. 25.3.2014 – 1 BvF 1/11, Rn. 58.
C. Gemischtwirtschaftliche Unternehmen und Staatsferne des Rundfunks 275
in besonderer Weise auf die Zustimmung einer breiteren Öffentlichkeit verwiesen sei.25 2. Stellungnahme Entgegen der Ansicht Säckers und des Bundesverfassungsgerichts kann die These, dass Grundrechtsfähigkeit und der Anwendungsbereich des Gebots der Staatsferne des Rundfunks in keinem Zusammenhang stehen, nicht überzeugen. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinen Entscheidungen zum HPRG sowie dem ZDF-Staatsvertrag betont, dass das Gebot der Staatsferne des Rundfunks keine vollständige Trennung von Staat und Rundfunk verlange.26 Es gehe nicht um eine vollständige Freiheit des Rundfunks von jeglicher staatlicher Berührung. Es sei vielmehr eine weitgehende Staatsferne zur Verwirklichung der freien Meinungsbildung anzustreben.27 Dies ergibt sich auch aus der Herleitung des Gebots der Staatsferne aus dem Vielfaltsgebot, welches der Verwirklichung der freien Meinungsbildung durch Vermittlung von Meinungsvielfalt dient.28 Im Mittelpunkt steht daher die Sicherung des freien Meinungsbildungsprozesses. Insoweit besteht kein Unterschied zur Rundfunkfreiheit, denn diese dient der freien, individuellen und öffentlichen Meinungsbildung.29 Rundfunkfreiheit und das Gebot der Staatsferne des Rundfunks zielen damit in dieselbe Richtung. Dass das Gebot der Staatsferne des Rundfunks den Prozess der Meinungsbildung in personeller Hinsicht stärker zu schützen sucht, drängt sich hingegen nicht auf. Insoweit überzeugt auch der aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG hergeleitete funktionale Ansatz des Bundesverfassungsgerichts im Urteil zum ZDF-Staatsvertrag30 nicht. Denn das Gebot der Staatsferne sucht staatliche nicht hingegen politische oder gesellschaftliche Macht zu verhindern. Insoweit wird durch diesen funktionalen Ansatz das Gebot der Staatsferne des Rundfunks mit dem Anwendungsbereich des Gebots der Gruppenferne des Rundfunks vermengt. Ebenso führt der Rückgriff auf die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in der HPRG-Entscheidung zu keinem anderen Ergebnis. Die von Säcker zitierten Passagen betreffen nur die inhaltliche Reichweite des Gebots. Das Bundesverfassungsgericht geht allein auf die Frage ein, wann 25 BVerfG,
Urt. v. 25.3.2014 – 1 BvF 1/11, Rn. 58. 121, 30 (53); BVerfG, Urt. v. 25.3.2014 – 1 BvF 1/11, Rn. 44. 27 BVerfGE 121, 30 (53). 28 Siehe 2. Kapitel A. V. 29 St. Rspr., vgl. BVerfGE 57, 295 (319); 83, 118 (152); 119, 181 (214). 30 BVerfG, Urt. v. 25.3.2014 – 1 BvF 1/11, Rn. 57 f. 26 BVerfGE
276
6. Kap.: Gemischtwirtschaftliche Unternehmen als Rundfunkveranstalter
eine Beherrschung eines Rundfunkveranstalters durch einen bereits als Adressaten klassifizierten Beteiligten im Sinne des Gebots vorliegt. In diesem Zusammenhang hat es das Aktienrecht als ungeeignet für das Vorliegen der Beherrschung eingeordnet. Es hat diese Einschätzung jedoch keinesfalls auf die Bestimmung des Adressatenkreises erstreckt. Bei der Durchsicht des Urteils ist vielmehr festzustellen, dass kaum Aussagen zur Bestimmung des Adressatenkreises des Gebots vorhanden sind und schon gar nicht zum Verhältnis von Grundrechtsfähigkeit und Adressatenkreis. Diese Ausführungen erweisen sich daher als Grundlage für Rückschlüsse zum Adressatenkreis des Gebots als ungeeignet.31 Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Übrigen sowie das Schrifttum zur Frage der Bestimmung des Adressatenkreises bestätigen vielmehr die Alternativität von Grundrechtsfähigkeit und Zugehörigkeit zum Adressatenkreis. So wird bei der Verneinung der Adressatenstellung von Kirchen32 und Hochschulen33 sowie der Zuordnung der Gemeinden34 zum Adressatenkreis auch auf deren Grundrechtsfähigkeit abgestellt. Insbesondere in Bezug auf die Hochschulen hat das Bundesverfassungsgericht die Grundrechtsträgerschaft als ausreichende Gewähr erachtet, um das für die Veranstaltung von Rundfunk gebotene Maß an Staatsfreiheit zu sichern.35 Wie bereits bei den politischen Parteien gezeigt, ist die parallele Anwendung des Gebots der Staatsferne des Rundfunks und der Rundfunkfreiheit auch aus grundrechtsdogmatischer Sicht nicht tragbar. Denn hier wäre erneut ein und dasselbe Grundrechtssubjekt zugleich vom Schutzbereich erfasst und ausgeschlossen. Das Gebot der Staatsferne des Rundfunks ist abwehrend gegen den Staat gerichtet und verstärkt daher die allen Grundrechten innewohnende subjektiv-abwehrende Funktion. Dass aus dieser staatsabwehrenden Sicht der Grundrechte ein Grundrechtsträger zugleich grundrechtsverpflichtet und -berechtigt sein soll, kann, da auch hier keine eine solche Annahme rechtfertigende Besonderheit wie etwa bei den öffent31 Nunmehr
aber BVerfG, Urt. v. 25.3.2014 – 1 BvF 1/11, Rn. 58. in: BK, Art. 5 I, II Rn. 725; Gersdorf, Staatsfreiheit, S. 111 f. 33 Degenhart, in: BK, Art. 5 I, II Rn. 725; v. Mutius, in: BK, Art. 19 III Rn. 128; Gersdorf, Staatsfreiheit, S. 110 f. Zum Hochschulrundfunk: Zimmermann, Hochschulrundfunk. 34 BVerfGE 73, 118 (191), da sie „Träger öffentlicher Gewalt“ seien. Degenhart, in: BK, Art. 5 I, II Rn. 724; Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, Teil D Rn. 81 ff. 35 BVerfG, Beschl. v. 31.7.2007 – 1 BvR 946/07 = NVwZ 2007, 1304 (1305). Nunmehr betont das Gericht, dass die Hochschulen typischerweise nicht in staatlichpolitischen Entscheidungszusammenhängen stehen und daher als Adressaten des Gebots ausscheiden, BVerfG, Urt. v. 25.3.2014 – 1 BvF 1/11, Rn. 60. 32 Degenhart,
C. Gemischtwirtschaftliche Unternehmen und Staatsferne des Rundfunks 277
lich-rechtlichen Rundfunkanstalten vorliegt, mit Blick auf das vom Bundesverfassungsgericht postulierte Konfusionsargument36 nicht überzeugen.37 Zudem hat das Bundesverfassungsgericht in der HPRG-Entscheidung nochmals die Rundfunkveranstalterfreiheit des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG gestärkt, sodass unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung kein Ausschluss der gemischtwirtschaftlichen Unternehmen infrage kommen dürfte. Das heißt selbst für den Fall, dass sowohl Grundrechtsfähigkeit und Adressatenstellung zugleich bestehen können – so wie es das Gericht für die politischen Parteien angenommen hat – wird die Versagung der Rundfunklizenz nach Abwägung der Interessen nicht möglich sein, denn es würde einer Nichtberücksichtigung der rundfunkrechtlichen Stellung des Unternehmens gleichkommen. Dies wäre nach der Rechtsprechung unverhältnismäßig und daher verfassungswidrig. Auch aus verfassungsprozessualer Sicht wirft dieses Vorgehen Fragen auf. Die Grundrechtsträgerschaft eröffnet die Möglichkeit der Erhebung einer Verfassungsbeschwerde gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG. Es ist kaum vorstellbar, dass das gemischtwirtschaftliche Unternehmen sich zwar auf die Rundfunkfreiheit berufen kann, konsequenterweise jedoch nicht auf eine Verletzung des Gebots der Staatsferne des Rundfunks, da es dessen Adressat wäre und daher für das Unternehmen kein Recht statuieren würde. Als Ausfluss der Rundfunkfreiheit ist eine solche Trennung des Gebots von der Rundfunkfreiheit kaum denkbar. Für die Annahme von Alternativität von Grundrechtsfähigkeit und Anwendung des Gebots der Staatsferne des Rundfunks spricht auch das Urteil des BGH zur Staatsferne der Presse.38 Der BGH prüft im Rahmen der Frage nach der Anwendung des Gebots der Staatsferne der Presse die Grundrechtsfähigkeit der Deutschen Post AG. Mangels Beherrschung der Aktiengesellschaft durch die öffentlichen Anteilseigner nahm der BGH jedoch an, dass das Gebot nicht anzuwenden sei. Ob das Gebot darüber hinaus dennoch zur Anwendung gebracht werden müsse, wurde hingegen gerade nicht geprüft. Der BGH stellt allein darauf ab, ob ein staatliches Handeln vorliegt oder nicht, wobei er von der Grundrechtsberechtigung auf den Ausschluss der Anwendung des Gebots der Staatsferne der Presse geschlossen hat.39 Ein anderes Vorgehen für die Rundfunkfreiheit zu konstruieren, wäre widersprüchlich. 36 BVerfGE
21, 362 (368 ff.); 61, 82 (101 ff.); 75, 192 (195 f.). Rundfunkbeteiligungen, S. 132; Cornils, ZJS 2009, 465 (473); ders., in: Die Macht der Medien, S. 48; Reffken, Politische Parteien, S. 277 f. 38 BGH, Urt. v. 15.12.2011 – I ZR 129/09 = GRUR 2012, 728 – Einkauf aktuell. 39 BGH, Urt. v. 15.12.2011 – I ZR 129/09 = GRUR 2012, 728 f.; so auch schon das OLG Hamburg, Urt. v. 9.6.2010 – 5 U 259/08 = BeckRS 2010, 26485 II 1. a). 37 Paul,
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6. Kap.: Gemischtwirtschaftliche Unternehmen als Rundfunkveranstalter
Die Alternativität von Grundrechtsfähigkeit und Anwendung des Gebots der Staatsferne des Rundfunks hat zudem nicht die Folge, dass den gemischtwirtschaftlichen Unternehmen eine grenzenlose Rundfunktätigkeit zustehen würde. Ebenso wie die politischen Parteien würden sie im Falle der Grundrechtsfähigkeit sowohl dem Vielfaltsgebot als auch dem Gebot der Gruppenferne des Rundfunks40 unterliegen. Beschränkungen auf einfachrechtlicher Ebene könnten daher nur auf die Wahrung dieser Gebote gestützt werden. 3. Resümee Es ist letztlich nicht ersichtlich, dass Grundrechtsfähigkeit und Adressatenstellung parallel zueinander existieren können. Daher muss man sich der Auffassung Gersdorfs anschließen und von einem Verhältnis der Alternativität ausgehen. Das Gebot der Staatsferne des Rundfunks findet dann auf gemischtwirtschaftliche Unternehmen Anwendung, wenn sie grundrechtsgebunden sind. Dabei soll zunächst ein Überblick über die entscheidenden Kriterien der Grundrechtsbindung gegeben und diese sodann auf die DTAG angewendet werden.
II. Die Grundrechtsbindung gemischtwirtschaftlicher Unternehmen Die Bestimmung der Grundrechtsbindung nach Art. 1 Abs. 3 GG steht in einem engen Zusammenhang zur Grundrechtsberechtigung gemischtwirtschaftlicher Unternehmen, die sich nach Art. 19 Abs. 3 GG bestimmt. Dabei bestehen schon bezüglich Art. 19 Abs. 3 GG im Detail einige Unklarheiten, die auch das Verhältnis von Grundrechtsberechtigung und Grundrechtsverpflichtung zueinander betreffen.41 Im Schrifttum haben diese Fragen rund um die Grundrechtsberechtigung und -verpflichtung gemischtwirtschaftlicher Unternehmen eine kaum noch überschaubare Anzahl von Publikationen hervorgerufen, was allerdings auch mit den Unklarheiten zusammenhängt, die die Rechtsprechung hervorgerufen hat.42 Ziel soll es daher an dieser Stelle sein, die wesentlichen Tendenzen in Rechtsprechung und Literatur darzustellen und auf dieser Grundlage Leitlidazu Stender-Vorwachs, Staatsferne und Gruppenferne. in: HGR II, § 53 Rn. 54. 42 Dreier, in: ders., GG, Art. 19 III Rn. 30; Selmer, in: HGR II, § 53 Rn. 54. Zum Meinungsstand siehe auch die umfassende Darstellung bei Stern, Das Staatsrecht der BRD III/1, § 71. 40 Siehe
41 Selmer,
C. Gemischtwirtschaftliche Unternehmen und Staatsferne des Rundfunks 279
nien für das Vorgehen im Rahmen des Gebots der Staatsferne des Rundfunks festzulegen. 1. Das Fraport-Urteil des Bundesverfassungsgerichts – BVerfGE 128, 226 Ausführlich zur aufgeworfenen Problematik hat das Bundesverfassungsgericht in der Fraport-Entscheidung Stellung genommen. Am Frankfurter Flughafen, der von der Fraport AG betrieben wird, wurden Menschenrechtsaktivisten, die gegen die Abschiebung von Flüchtlingen demonstriert hatten, mit einem Hausverbot belegt. An der Fraport AG waren das Land Hessen, die Stadt Frankfurt sowie zunächst noch die Bundesrepublik Deutschland beteiligt. Nach ursprünglich 72 % befanden sich zuletzt rund 52 % der Anteile in staatlichem Besitz.43 Gegenstand des Verfahrens war daher die Grundrechtsbindung der Fraport AG und einer sich daraus ergebenden Berücksichtigung der Grundrechte der Aktivisten. Maßgeblich für die Grundrechtsbindung juristischer Personen ist Art. 1 Abs. 3 GG. Die Grundrechte binden mithin vollziehende Gewalt, Gesetzgebung und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht. Sie binden die staatliche Gewalt nicht nur für bestimmte Bereiche, Funktionen oder Handlungsformen staatlicher Aufgabenwahrnehmung, sondern umfassend und insgesamt.44 Darüber hinaus betreffe nun die unmittelbare Grundrechtsbindung – so das Bundesverfassungsgericht – nicht nur in Privatrechtsform organisierte öffentliche Unternehmen, die vollständig im Eigentum der öffentlichen Hand stünden, sondern auch gemischtwirtschaftliche Unternehmen, wenn diese von der öffentlichen Hand beherrscht würden. Für Erstere sei anerkannt, dass die Grundrechtsbindung nicht nur den oder die Träger des jeweiligen Unternehmens treffe, sondern das Unternehmen selbst.45 Dies entspreche dem Charakter eines solchen Unternehmens als verselbständigte Handlungseinheit und stelle eine effektive Grundrechtsbindung unabhängig davon sicher, ob, wieweit und in welcher Form der oder die Eigentümer gesellschaftsrechtlich auf die Leitung der Geschäfte Einfluss nehmen könnten und wie – bei Unternehmen mit verschiedenen öffentlichen Anteilseignern – eine Koordination der Einflussrechte verschiedener öffentlicher Eigentümer zu gewährleisten wäre. Aktivitäten öffentlicher Unternehmen blieben unabhängig von der Ausgestaltung der gesellschaftsrechtlichen 43 BVerfGE
128, 226 (227 f.). 128, 226 (244). 45 BVerfGE 128, 226 (245), unter Berufung u. a. auf BVerwGE 113, 208 (211). 44 BVerfGE
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6. Kap.: Gemischtwirtschaftliche Unternehmen als Rundfunkveranstalter
Einflussrechte eine Form staatlicher Aufgabenwahrnehmung, bei der die Unternehmen selbst unmittelbar an die Grundrechte gebunden seien.46 Nichts anderes könne für gemischtwirtschaftliche Unternehmen gelten, wenn diese von der öffentlichen Hand beherrscht würden. Dies sei in der Regel dann der Fall, wenn mehr als die Hälfte der Anteile im Eigentum der öffentlichen Hand stünden. Insoweit könne grundsätzlich an entsprechende zivilrechtliche Wertungen angeknüpft werden, etwa §§ 16, 17 AktG47 oder Art. 2 Abs. 1 lit. f) der Transparenzrichtlinie 2004/109/EG48.49 Maßgeblich seien in erster Linie aber nicht die konkreten Einwirkungsbefugnisse hinsichtlich der Geschäftsführung, sondern die Gesamtverantwortung für das jeweilige Unternehmen. Das Gericht nimmt damit eine wertende Betrachtung vor und stellt die Prüfung unter die Frage, ob eine staatliche Aktivität unter Beteiligung Privater oder eine private Tätigkeit unter Beteiligung des Staates vorliegt.50 Zudem stünde die Grundrechtsbindung des Staates nicht unter einem Nützlichkeitsoder Funktionsvorbehalt. Sobald der Staat eine Aufgabe an sich ziehe, sei er bei deren Wahrnehmung auch an die Grundrechte gebunden, unabhängig davon, in welcher Rechtsform er handele.51 Offen lässt es hingegen, ob in besonderen Fällen das Kriterium der Beherrschung durch die Anknüpfung an eigentumsrechtliche Mehrheitsverhältnisse zu ergänzen ist.52 Hervorzuheben sind auch die Konsequenzen, die das Bundesverfassungsgericht aus einer Grundrechtsbindung zieht. So stellt das Gericht klar, dass der Grundrechtsbindung die fehlende Grundrechtsberechtigung folgt.53 Dieser Schluss war bisher wie bereits angedeutet nicht in letzter Konsequenz geklärt. Unter Anwendung dieser Prämisse kann sich ein Unternehmen nicht auf die Grundrechte berufen, wenn es vom Staat beherrscht wird. Es gilt daher nach dieser Rechtsprechung: entweder grundrechtsberechtigt oder grundrechtsverpflichtet.54 46 BVerfGE
128, 226 (246). v. 6.9.1965 (BGBl. I S. 1089), zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 49 G v. 22.12.2011 (BGBl. I S. 3044). 48 Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.12. 2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, Abl.EU Nr. L 390/38 v. 31.12.2004. 49 BVerfGE 128, 226 (246 f.). 50 Harks, in: Linien der Rechtsprechung des BVerfG, S. 123. 51 BVerfGE 128, 226 (245). 52 BVerfGE 128, 226 (247). 53 BVerfGE 128, 226 (248 f.). 47 Aktiengesetz
C. Gemischtwirtschaftliche Unternehmen und Staatsferne des Rundfunks 281
2. Urteil des BGH vom 12. Dezember 2011 – „Einkauf Aktuell“ Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Grundrechtsbindung der Fraport AG hat auch der BGH in einer Entscheidung, die die Grundrechtsbindung der Deutschen Post AG zum Gegenstand hatte, zugrunde gelegt. Über die KfW halten der Bund und die Länder 30,5 % der Anteile der Deutschen Post AG. Diese lässt jede Woche über ihre Zusteller an Haushalte die Postwurfsendung „Einkauf Aktuell“ verteilen, die neben Werbebeilagen auch redaktionell gestaltete Beiträge enthält. Die Kläger, Interessenverbände der Zeitungsverleger und Anzeigenblätter, sahen in dem Verteilen der Sendung einen Verstoß gegen das aus der Pressefreiheit folgende Gebot der Staatsferne der Presse. Diesen werteten die Kläger zugleich als Verstoß gegen eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG.55 54
Zwar stellte der BGH – anders als noch die Vorinstanzen – fest, dass das Gebot der Staatsferne der Presse eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG sei, das Gebot jedoch mangels Beherrschung durch den Staat nicht auf die Deutsche Post AG angewendet werden könne. Das Verteilen der Sendung „Einkauf Aktuell“ stelle kein staatliches Handeln dar.56 Entsprechend der Beurteilung der Beherrschung anhand der eigentumsrechtlichen Mehrheitsverhältnisse sei die Deutsche Post AG nicht durch den Staat beherrscht, da dessen Beteiligung mit 30,5 % deutlich unter 50 % liege.57 Das Gericht räumte aber ein, dass auch eine unterhalb von 50 % liegende Beteiligung eine Beherrschung nicht ausschließe. In Verbindung mit weiteren verlässlichen Umständen rechtlicher oder tatsächlicher Art könne eine Abhängigkeit im Sinne § 17 AktG oder Art. 2 Abs. 1 lit. f) der Transparenzrichtlinie 2004/109/EG begründet werden, wenn die abstrakte Möglichkeit einer beständigen und umfassenden gesellschaftsrechtlich vermittelten Einflussnahme bestünde.58 Als solche nennt der BGH zum einen den Fall, dass die Hauptversammlungen einer Aktiengesellschaft aufgrund von Streubesitz erfahrungsgemäß so schlecht besucht sind, dass die unter 50 % liegende Beteiligung eines Großaktionärs regelmäßig ausreicht, um für einen längeren Zeitraum Beschlüsse mit einfacher 54 So auch Enders, JZ 2011, 577 (578), der von einem „Entweder-Oder“ der Grundrechtsbindung spricht. 55 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb in der Fassung der Bekanntmachung v. 3.3.2010, (BGBl. I S. 254). 56 BGH, Urt. v. 15.12.2011 – I ZR 129/09 = GRUR 2012, 728 (729). 57 BGH, Urt. v. 15.12.2011 – I ZR 129/09 = GRUR 2012, 728 (729). 58 BGH, Urt. v. 15.12.2011 – I ZR 129/09 = GRUR 2012, 728 (729), unter Bezugnahme auf BGHZ 62, 193 (201).
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6. Kap.: Gemischtwirtschaftliche Unternehmen als Rundfunkveranstalter
Mehrheit durchzusetzen.59 Zum anderen könne die Abhängigkeit durch die Möglichkeit einer tatsächlichen Einflussnahme auf den Vorstand und seine Geschäftspolitik verstärkt werden, die ein Großaktionär bei einer Gesellschaft, an der überwiegend Klein- und Kleinstaktionäre beteiligt sind, in hohem Maße auszuüben in der Lage sei. Dies komme insbesondere dann in Betracht, wenn der Großaktionär ein Mandat oder sogar mehrere Mandate im Aufsichtsrat besetzen könne.60 Der BGH führt damit als Kriterien für Beteiligungsverhältnisse unter 50 % eine regelmäßige und nicht nur zufällige Hauptversammlungsmehrheit des staatlichen Anteilseigners sowie eine besondere Mandatsverteilung im Aufsichtsrat ein, die zu einer Verstärkung der Abhängigkeit über die Beteiligung hinaus führt. Unbeachtlich für die Bestimmung der Beherrschung hält das Gericht hingegen, dass ein Staatssekretär oder ein Vorstandsmitglied der KfW sich im Aufsichtsrat der Deutschen Post AG befindet.61 Auch die Möglichkeit der KfW, ein Aufsichtsratsmitglied zu bestellen, sei nicht ausreichend.62 Ebenso könne nicht auf die Regelung des § 29 Abs. 2 WpÜG63 zurückgegriffen werden. Der dort geregelte Beherrschungsbegriff, wonach eine Abhängigkeit bereits beim Innehalten von 30 % begründet wird, könne nicht mit dem hier in Frage stehenden Beherrschungsbegriff gleichgesetzt werden. Die Regelung sei allein für den Wertpapiererwerb bzw. die -übernahme geschaffen worden und daher nicht übertragbar.64 Unschädlich sei darüber hinaus auch, dass in der Sendung Werbeanzeigen der CDU abgedruckt würden, die den Eindruck einer redaktionellen Berichterstattung erweckten. Einen Beweis für die Beherrschung könne dem keinesfalls entnommen werden.65 Ebenso führe auch ein noch bestehender Wettbewerbsvorteil aus der früheren Monopolstellung des Unternehmens nicht zu einer Beherrschung durch den Staat. Dieser könne allenfalls bei der Zustellung der Postwurfsendung der Aktiengesellschaft relevant werden, nicht jedoch bei der Beherrschung.66 Schließlich könne eine mögliche zukünftige Änderung der Mehrheitsverhältnisse auf der Hauptverhandlung nur dann zu einer Beherr59 BGH,
Urt. v. 15.12.2011 – I ZR 129/09 = GRUR 2012, 728 (729). Urt. v. 15.12.2011 – I ZR 129/09 = GRUR 2012, 728 (729), unter Bezugnahme auf BGHZ 135, 107 (114 f.). 61 BGH, Urt. v. 15.12.2011 – I ZR 129/09 = GRUR 2012, 728 (729 f.). 62 BGH, Urt. v. 15.12.2011 – I ZR 129/09 = GRUR 2012, 728 (730). 63 Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz v. 20.12.2001 (BGBl. I S. 3822), zuletzt geändert durch Art. 2 Absatz 46 des Gesetzes v. 22.12.2011 (BGBl. I S. 3044). 64 BGH, Urt. v. 15.12.2011 – I ZR 129/09 = GRUR 2012, 728 (730). 65 BGH, Urt. v. 15.12.2011 – I ZR 129/09 = GRUR 2012, 728 (730). 66 BGH, Urt. v. 15.12.2011 – I ZR 129/09 = GRUR 2012, 728 (730). 60 BGH,
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schung führen, wenn geltend gemacht werde, dass eine Erstbegehungsgefahr bestehe, was aber im vorliegenden Fall nicht vorgetragen worden sei.67 Eine Beherrschung der Deutschen Post AG wurde demnach vom BGH abgelehnt. 3. Beherrschungsansatz Das Bundesverfassungsgericht und der BGH haben damit in ihren aktuellsten Entscheidungen zur Grundrechtsbindung gemischtwirtschaftlicher Unternehmen den auch im Schrifttum vertretenen Beherrschungsansatz herangezogen.68 Kern dieses Ansatzes ist die Auffassung, dass einem privatrechtlichen Unternehmen dann keine Grundrechtsberechtigung zustehen kann, wenn das Unternehmen durch eine staatliche Einheit gesteuert,69 beherrscht70 oder bestimmt71 wird. Das Unternehmen agiere in diesem Fall als verlängerter Arm eines Hoheitsträgers und müsse daher auch dem für Hoheitsträger geltenden Grundrechtsregime unterliegen.72 Schwierig, und daher im Schrifttum in fast unübersichtlicher Weise diskutiert und kommentiert, ist die Frage, wann eine solche Beherrschung eines Unternehmens bzw. seiner Entscheidungen vorliegt. Unternehmerischen Entscheidungen gehen letztlich eine Vielzahl von Einzelentscheidungen verschiedener Personen voraus, sodass eine Einflussnahme auf einzelne Personen nicht schon zu einer Beherrschung führen kann.73 Der Einfluss muss daher so weitgehend sein, dass er den Entscheidungsprozess derart erfasst, dass die unternehmerische Entscheidung ein Mindestmaß an Übereinstimmung mit einer staatlichen Entscheidung hat.74 Anders als das Bundesverfassungsgericht in der Fraport-Entscheidung, in dem auf die „Gesamtverantwortung“ für das Unternehmen abgestellt wurde,75 wird in der Literatur auf den Einfluss des Hoheitsträgers auf die wesentlichen Entschei67 BGH,
Urt. v. 15.12.2011 – I ZR 129/09 = GRUR 2012, 728 (730). Staat, S. 243 ff.; Dreier, in: ders., GG, Art. 19 III Rn. 77; Huber, in: vMangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 19 Rn. 284 ff. 69 Storr, Staat, S. 60 ff.; Pfeifer, Steuerung kommunaler Aktiengesellschaften, S. 19 f. 70 Klein, Teilnahme des Staates, S. 90 ff.; Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 25 f.; Stern, Das Staatsrecht der BRD III/1, § 74 IV 5 b) γ) γγ); Storr, Staat, S. 88 f.; Schallemacher, Bundesunternehmen, S. 160 ff.; Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 248 ff. 71 Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 157 ff. 72 Jarass, MMR 2009, 223 (226); Gurlit, NZG 2012, 249 (252). 73 Berger, Gemischtwirtschaftliche Unternehmen, S. 34. 74 Berger, Gemischtwirtschaftliche Unternehmen, S. 34. 75 BVerfGE 128, 226 (247). 68 Storr,
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6. Kap.: Gemischtwirtschaftliche Unternehmen als Rundfunkveranstalter
dungen des Unternehmens abgestellt, das heißt die Entscheidungen der Leitungs- und Kontrollorgane der Gesellschaften.76 Inwieweit diese Leitungs- und Kontrollorgane durch den staatlichen Anteilseigner beeinflusst werden können, ist zunächst von der jeweiligen Gesellschaftsform abhängig. Mit Blick auf die Grundrechtsbindung der DTAG bilden dabei die Regelungen des Aktienrechts den Mittelpunkt der Betrachtung. Eine Beherrschung unternehmerischer Entscheidungen wird in der Regel anhand des Gesellschaftsanteils des Hoheitsträgers festgemacht. Eine Aktiengesellschaft wird damit staatlich beherrscht, wenn der Hoheitsträger die Mehrheit der Anteile inne hat.77 Der mehrheitliche Anteilsbesitz hat zunächst zur Folge, dass der staatliche Anteilseigner einer Aktiengesellschaft in der Hauptversammlung über die Mehrheit der Stimmrechte verfügt, §§ 134 Abs. 1 S. 1 und 12 Abs. 1 S. 1 AktG. Die Hauptversammlung wiederum entscheidet grundsätzlich mit der Mehrheit der abgegeben Stimmen (§ 133 Abs. 1 Hs. 1 AktG) über die Bestellung und Abberufung der Mitglieder des Aufsichtsrates, §§ 119 Abs. 1 Nr. 1, 101 Abs. 1 S. 1 sowie § 103 Abs. 1 AktG. Damit kommt einem mehrheitlichen Anteilseigner entscheidender Einfluss auf die Personalstruktur des Aufsichtsrates zu, was als wesentlich für die Beeinflussung von Unternehmensentscheidungen gesehen wird.78 Die Auswahl der Aufsichtsratsmitglie76 Storr,
Staat, S. 60 ff. auch BVerfGE 128, 226 (246 f.). 78 Emmerich, in: ders./Habersack, Konzernrecht, § 17 Rn. 6 f.; Möstl, Grundrechtsbindung, S. 15. Weitere Zuständigkeiten der Hauptversammlung sind Satzungsänderungen (§ 119 I Nr. 5 AktG), Maßnahmen der Kapitalbeschaffung und -herabsetzung (§ 119 I Nr. 6 AktG), Fortsetzungsbeschlüsse nach § 274 I, II AktG, Zustimmung zum Abschluss und zur Änderung von Unternehmensverträgen gem. §§ 293 I, II, 295 I AktG, Eingliederungsbeschlüsse nach §§ 319 I, II, 320 I AktG, Zustimmung zur Verschmelzung (§§ 65, 73 UmwG), Zustimmung zur Vermögensübertragung (§§ 179a I AktG, §§ 174 ff. UmwG) und Umwandlungsbeschlüsse (§§ 226 ff. UmwG), Verzicht und Vergleich über Ersatzansprüche (§§ 50, 93 IV, 116 AktG), Zustimmung zu Nachgründungsverträgen (§ 52 AktG), Beschlüsse über Vorbereitungshandlungen (§ 83 I AktG), Vertrauensentzug gegenüber dem Vorstand (§ 84 III AktG), Zustimmung zu Geschäften in den Fällen des § 111 IV AktG, wenn der Vorstand es verlangt, Festsetzung der Aufsichtsratsvergütung (§ 113 I 2, II AktG), Entscheidung über Geltendmachung von Ersatzansprüchen (§ 147 AktG), ausnahmsweise Feststellung des Jahresabschlusses (§§ 173 I, 234 II AktG), Verwendung des Ertrags auf Grund höherer Bewertung nach Sonderprüfung (§ 261 III 2 AktG), Bestellung anderer Abwickler als der Vorstandsmitglieder (§ 265 II AktG) und Abberufung von Abwicklern (§ 265 V AktG), Regelung ihrer Vertretungsmacht als sonst zuständige Stelle gem. § 269 II, III 3 AktG, Feststellung der Liquidationseröffnungsbilanz, der Liquidationsjahresabschlüsse sowie Entlastung von Abwicklern und Aufsichtsratsmitgliedern (§ 270 II 1 AktG). 77 So
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der allein bewirkt jedoch noch keinen Einfluss auf die Unternehmensentscheidungen, die durch diese bzw. den Vorstand getroffen werden. Die Hauptversammlung kann grundsätzlich keinen unmittelbaren Einfluss auf die Geschäftsführung nehmen. Einzig nach § 119 Abs. 2 AktG ist ein solcher Fall vorgesehen, wenn dies auf Verlangen des Vorstands geschieht. Die Initiative kann daher nicht von der Hauptversammlung ausgehen. Auch ist der Vorstand nur dann zu einer Beauftragung der Hauptversammlung mit der Geschäftsführung verpflichtet, wenn die Entscheidung der Geschäftsführung zwar formal noch im Ermessen des Vorstands liegt, sie aber „so tief in die Mitgliedsrechte der Aktionäre […] eingreife, dass der Vorstand vernünftigerweise nicht annehmen kann, er dürfe sie in ausschließlich eigener Verantwortung treffen, ohne die Hauptversammlung zu beteiligen“.79 Das heißt nur in Ausnahmefällen kann die Hauptversammlung unmittelbar Einfluss auf das operative Geschäft nehmen. Darüber hinaus wird der Hauptversammlung nach allgemeiner Auffassung auch kein Weisungsrecht gegenüber dem Aufsichtsrat und dem Vorstand zugestanden. Es besteht daher keine rechtliche Möglichkeit, auf die Entscheidungen des Aufsichtsrats Einfluss zu nehmen.80 Dies darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Hauptversammlung faktische Einflussmöglichkeiten zustehen. Das Recht, Personalentscheidungen zu treffen, erzeugt einen gewissen Druck auf die in den Aufsichtsrat entsandten Personen. Wegen des Interesses an der eigenen Wiederwahl bzw. der Verhinderung der Abwahl durch die Hauptversammlung kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Mitglieder Entscheidungen im Sinne des mehrheitlichen Anteilseigners treffen.81 Der Aufsichtsrat wiederum wählt gemäß § 84 AktG die Mitglieder des Vorstands und kann diese auch abberufen. Dem Vorstand obliegt die Geschäftsführung und Vertretung der Aktiengesellschaft. Er bestimmt damit die Geschäftspolitik.82 Über die Einflussmöglichkeiten auf die personelle Zusammenstellung des Vorstands kann der Aufsichtsrat auf die Unternehmenspolitik, das operative Geschäft, einwirken. Zwar unterliegt der Vorstand einer Aktiengesellschaft auch keinen Weisungen des Aufsichtsrats.83 Über die Zustimmungsvorbehalte des § 111 Abs. 4 AktG werden jedoch alle wichtigen und grundsätzlichen Fragen von der Zustimmung des Aufsichts79 BGHZ
83, 122 (131). 36, 296 (306); Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 1426; Hüffer, AktG, § 119 Rn. 1; Altmeppen, NJW 2003, 2561 (2564). 81 Berger, Gemischtwirtschaftliche Unternehmen, S. 41. 82 Wellkamp, Vorstand, Aufsichtsrat und Aktionär, S. 3. 83 Hüffer, AktG, § 76 Rn. 10 f. m. w. N. 80 BGHZ
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rats abhängig gemacht.84 Die Lenkungsmöglichkeiten des operativen Geschäfts durch den Aufsichtsrat erfahren daher gegenüber der Hauptversammlung nochmals eine Steigerung.85 Man wird daher zu dem Ergebnis kommen, dass der mehrheitliche Anteilsbesitz zwar nur in Ausnahmefällen rechtliche Möglichkeiten zur Einflussnahme auf die Geschäftsführung einer Aktiengesellschaft einräumt. Die Beeinflussung der Personalentscheidungen hingegen kann im Einzelfall dazu führen, dass diesem Anteilseigner ein maßgeblicher Einfluss auf die Entscheidungen des Unternehmens zukommen kann. Die Anteilsmehrheit ist daher geeignet, die Machtverhältnisse im Unternehmen abzubilden,86 wenngleich aber auch berücksichtigt werden muss, dass der Einfluss auf die Personalentscheidungen aufgrund der Komplexität unternehmerischer Entscheidungen im Einzelfall widerlegt werden kann. Mehr als eine indizielle Bedeutung sollte daher auch der Beteiligung nicht zukommen.87 Die Beherrschung kann dementsprechend nicht nur an der Kapitalmehrheit einer Aktiengesellschaft festgemacht werden. So hat das Bundesverfassungsgericht mit seinem Verweis auf § 17 Abs. 1 AktG eine weitere Möglichkeit genannt, Näheres allerdings offen gelassen.88 Damit ist eine Beherrschung auch dann denkbar, wenn nur eine staatliche Minderheitsbeteiligung vorliegt.89 Diese Möglichkeit erlangt vor allem vor dem Hintergrund des Rückzugs staatlicher Anteilseigner im Post- und Telekommunikationswesen Relevanz. Hier besitzt der Staat mittlerweile keine Kapitalmehrheit mehr, sodass der alleinige Blick auf die Beteiligung unter Umständen nicht die tatsächlichen Machtverhältnisse widerspiegelt. Eine Beherrschung im Sinne des Grundgesetzes ist unter Rückgriff auf § 17 Abs. 1 AktG daher auch dann anzunehmen, wenn der staatliche Anteilseigner als herrschendes Unternehmen einzuordnen ist. Eine entsprechende Abhängigkeit wird dann begründet, wenn dem Unternehmen die Minderheitsbeteiligung in Verbindung mit verlässlichen Umständen rechtlicher oder tatsächlicher Art den nötigen Einfluss auf die Personalpolitik der abhängigen Gesellschaft sichert.90 In diesem Fall wirkt die Minderheitsbe84 Hüffer,
AktG, § 111 Rn. 16. Gemischtwirtschaftliche Unternehmen, S. 43. Siehe aber die weitergehenden Rechte bei der Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Ausführlich dazu Berger, Gemischtwirtschaftliche Unternehmen, S. 43 ff. 86 Berger, Gemischtwirtschaftliche Unternehmen, S. 51. 87 Berger, Gemischtwirtschaftliche Unternehmen, S. 65. 88 BVerfGE 128, 226 (247). 89 Emmerich, in: ders./Habersack, Konzernrecht, § 17 Rn. 18. 90 BGHZ 69, 334 (347); 125, 366 (369); 135, 107 (114 f.); BGH, Urt. v. 15.12.2011 – I ZR 129/09 = GRUR 2012, 728 (729). 85 Berger,
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teiligung tatsächlich wie eine Mehrheitsbeteiligung.91 Als maßgebliche Kriterien für die Abhängigkeit im Sinne des § 17 Abs. 1 AktG werden die Zusammensetzung des Aktionärskreises sowie die durchschnittliche Hauptversammlungspräsenz erachtet.92 Bewegt sich Letztere üblicherweise auf einer Höhe, die dazu führt, dass bereits die Minderheitsbeteiligung allein eine sichere Hauptversammlungsmehrheit verleiht, so wird die Abhängigkeit der Gesellschaft angenommen.93 Nicht ausreichend ist hingegen, dass der Minderheitsaktionär auf eine freiwillige und damit nicht gesicherte Mitwirkung anderer Aktionäre angewiesen ist.94 Daneben könne auch die Zusammensetzung der Aktionäre dazu führen, dass der staatliche Minderheitsaktionär aufgrund beständiger rechtlicher oder tatsächlicher Umstände mit der Unterstützung so vieler Aktionäre rechnen kann, dass er im Zweifel über eine Mehrheit in der Hauptversammlung verfügt, beispielsweise bei personellen Verflechtungen auf der Ebene des Vorstands, mithin der Leitungsorgane,95 familiären Beziehungen, die zu einem geschlossenen Auftreten führen,96 oder Stimmbindungsverträgen97. In die Prüfung müssen zudem auch mögliche aktienrechtliche Beschränkungen von Aufsichtsrats- und Vorstandsmitgliedern einbezogen werden. Die Möglichkeiten, politische oder staatliche Sonderinteressen verfolgen zu können, werden daher begrenzt. Aufgrund der allgemeinen Treuepflicht sind bereits Aufsichtsratsmitglieder verpflichtet, auf die Interessen der Gesellschaft Rücksicht zu nehmen.98 Dies gilt für die Wahrnehmung sämtlicher Rechte und Pflichten des Aufsichtsrates.99 Auch bei einem Interessenkonflikt steht das Wohl der Gesellschaft im Vordergrund.100 Bei einem Verstoß 91 Hüffer,
AktG, § 17 Rn. 9. in: ders./Habersack, Konzernrecht, § 17 Rn. 19; Hüffer, AktG,
92 Emmerich,
§ 17 Rn. 9. 93 BGHZ 69, 334 (347) – Beteiligung von 43, 74 % bei 80 % Präsenz; BGHZ 135, 107 (115) – Beteiligung von 20 % bei 37 % Beteiligung in einem 5-jährigen Durchschnitt. BGH, Urt. v. 15.12.2011 – I ZR 129/09 = GRUR 2012, 728 (729); siehe dazu Hüffer, AktG, § 17 Rn. 9 m. w. N. 94 Emmerich, in: ders./Habersack, Konzernrecht, § 17 Rn. 18. 95 BGHZ 135, 107 (114 f.); OLG München, Urt. v. 7.4.1995 – 23 U 6733/94 = NJW-RR 1995, 1066 (1067); BGH, Urt. v. 15.12.2011 – I ZR 129/09 = GRUR 2012, 728 (729). 96 BGHZ 80, 69 (73). 97 Emmerich, in: ders./Habersack, Konzernrecht, § 17 Rn. 19. 98 Spindler, in: ders./Stilz, AktG, § 116 Rn. 56 ff.; Hüffer, AktG, § 116 Rn. 4; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 1427. 99 BGHZ 36, 296 (306). 100 BGHZ 36, 296 (306); BGHZ 90, 381 (398).
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gegen diese Verpflichtung ist ein Aufsichtsratsmitglied nach §§ 116 i. V. m. 93 AktG zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.101 Ebenso statuiert § 117 AktG, dass zum Schutz der Integrität des Verwaltungshandelns und des Gesellschaftsvermögens derjenige, der vorsätzlich unter Benutzung seines Einflusses auf die Gesellschaft, beispielsweise ein Mitglied des Vorstandes dazu bestimmt, zum Schaden der Gesellschaft zu handeln, der Gesellschaft gegenüber zum Ersatz des ihr daraus entstehenden Schadens verpflichtet ist.102 Noch weitergehend sind die Treuepflichten des Vorstands. Die Organstellung fordert von den Vorstandsmitgliedern den vollen Einsatz ihrer Person. Sie haben sich mit allen Kräften den Interessen der Gesellschaft zu widmen, sie in jeder Weise zu fördern und Schaden von ihr abzuwenden. Die Treuepflicht hat den Vorrang vor den persönlichen Interessen eines Vorstandsmitglieds, so insbesondere auch beim Abschluss eigener Geschäfte mit der Gesellschaft.103 Damit dürften zumindest die bestehenden faktischen Einflussmöglichkeiten auf den Vorstand durch die Beherrschung der Personalentscheidungen reduziert werden.104 Bereits diese überblicksartigen Ausführungen zeigen, dass die Frage der Beherrschung durch den staatlichen Anteilseigner eine umfassende und durchaus komplexe Prüfung erfordert. Dies betrifft insbesondere solche Unternehmen, an denen der Staat keinen mehrheitlichen Anteilsbesitz hat. Der Rückgriff auf das Aktienrecht105 macht die verfassungsrechtliche Prüfung aufgrund der zahlreichen zu berücksichtigenden Faktoren keinesfalls einfacher.
101 Hüffer,
AktG, § 116 Rn. 8. AktG, § 117 Rn. 3 ff. 103 Spindler, in: MüKo AktG, § 76 Rn. 14. 104 Ähnlich Altmeppen, NJW 2003, 2561 (2564). 105 Auch die Transparenzrichtlinie stellt gemäß des Art. 2 Abs. 1 lit. f) bei der Definition des „kontrollierten Unternehmens“ ähnliche Maßstäbe auf: „Artikel 2: Begriffsbestimmungen: (1) Für die Zwecke dieser Richtlinie gelten folgende Begriffsbestimmungen: […] f) „kontrolliertes Unternehmen“ ist jedes Unternehmen, i) an dem eine natürliche oder juristische Person über die Mehrheit der Stimmrechte verfügt, oder ii) bei dem eine natürliche oder juristische Person das Recht hat, die Mehrheit der Mitglieder des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans zu bestellen oder abzuberufen und gleichzeitig Aktionär oder Gesellschafter des betreffenden Unternehmens ist, oder iii) bei dem eine natürliche oder juristische Person Aktionär oder Gesellschafter ist und aufgrund einer Vereinbarung mit anderen Aktionären oder Gesellschaftern des betreffenden Unternehmens allein über die Mehrheit der Stimmrechte der Aktionäre bzw. Gesellschafter verfügt, oder iv) auf das bzw. über das eine natürliche oder juristische Person beherrschenden Einfluss oder die Kontrolle ausüben kann oder tatsächlich ausübt; […].“ 102 Hüffer,
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4. Landgericht Hamburg, Urteil vom 6. November 2008 – 315 O 136/08 Das Landgericht Hamburg, welches die erste Instanz im Verfahren um die Versendung der Beilage „Einkauf Aktuell“ war, nahm im Hinblick auf die Frage der Grundrechtsbindung eine funktionale Betrachtung vor.106 Ein gemischtwirtschaftliches Unternehmen sei nicht grundrechtsgebunden, soweit es eine privatwirtschaftliche Leistung erbringe und nicht als Beliehene handele.107 Damit hat das Gericht an eine auch in der weiteren Rechtsprechung bzw. Literatur vertretene Ansicht angeknüpft. Diese zieht als Kriterium für die Zuordnung zum Staat die Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe heran.108 Der Begriff der öffentlichen Aufgabe erfasst dabei „sowohl Sachbereiche, in denen staatliche Entscheider tätig werden, als auch deren Ziel- bzw. Zwecksetzungen, die auf den jeweiligen Sachgebieten verwirklicht werden sollen“.109 Kennzeichnend ist für den Ansatz, dass die Entscheidungen eine besondere inhaltliche Qualität aufweisen. Diese betrifft zum einen den Sachbereich, zum anderen die Zielsetzung.110 Gerade in letzterer Hinsicht würden sich private und staatliche Unternehmen unterscheiden. Kennzeichnend für staatliche Entscheidungen sei, dass sie das Ziel des Gemeinwohls und die Befriedigung kollektiver Bedürfnisse verfolgten.111 Im Vordergrund stünden damit keine individuellen Interessen Privater, beispielsweise erwerbswirtschaftliche Ziele.112 Herkömmlich werden als öffentliche Aufgaben die Daseinsvorsorge oder die Leistungsverwaltung erachtet.113 5. Rechtsform als Kriterium Zum Teil wird auch die Organisationsform als maßgebliches Kriterium herangezogen. So habe die privatrechtliche Organisationsform die Grund106 LG
Hamburg, Urt. v. 6.11.2008 – 315 O 136/08 = ZUM-RD 2009, 215. Hamburg, Urt. v. 6.11.2008 – 315 O 136/08 = ZUM-RD 2009, 215 (216), unter Berufung auf Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 1 III Rn. 97. 108 Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 1 III Rn. 96; Möstl, Grundrechtsbindung öffentlicher Wirtschaftstätigkeit, S. 103 ff.; Selmer, in: HGR II, § 53 Rn. 44, Lang, NJW 2004, 3601 (3602 f.). 109 Berger, Gemischtwirtschaftliche Unternehmen, S. 83. 110 Berger, Gemischtwirtschaftliche Unternehmen, S. 83. 111 BVerfGE 42, 312 (332); 44, 125 (141 f.); Isensee, in: HStR IV, § 73 Rn. 5; Klein, Teilnahme des Staates, S. 13, 26. 112 Klein, Teilnahme des Staates, S. 24. 113 BGHZ 52, 325 (328); 132, 198 (205); Berger, Gemischtwirtschaftliche Unternehmen, S. 84 f. m. w. N. und einer Aufzählung entsprechender Aufgaben. 107 LG
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rechtsberechtigung zur Folge, da sie das Unternehmen der gesellschaftlichen Sphäre zuordnen würde.114 Nur so könne eine „Vernachlässigung privater Rechtssubjekte“115 vermieden werden. Ein gemischtwirtschaftliches Unternehmen könne schon aufgrund seiner privatrechtlichen Rechtsform grundsätzlich nicht der Grundrechtsbindung unterliegen.116 Zumeist wird die Organisationsform jedoch nur als Indiz für die Grundrechtsbindung herangezogen und mit einer nicht unerheblichen Anzahl von Ausnahmetatbeständen angereichert.117 Als solche ist der Fall anerkannt, dass die private Beteiligung „lediglich Alibifunktion hat und die Tätigkeit in Wahrheit auf öffentliche Verwaltung gerichtet ist“.118 Dies wird insbesondere bei solchen Gesellschaften relevant, die in staatlichem Alleinbesitz sind. Allein der Wechsel in die private Rechtsform kann noch nicht zum Verlust der Grundrechtsbindung führen.119 Ein Unternehmen, welches von der öffentlichen Hand abhängig ist, stellt nur eine andere Form der öffentlichen Verwaltung dar.120 Es wird mithin der sogenannten „Flucht ins Privatrecht“121 entgegengetreten. Die Grundrechtsbindung muss trotz einer privatrechtlichen Rechtsform auch dann angenommen werden, wenn privatwirtschaftliche Unternehmen als Beliehene oder aufgrund einer Aufgabendelegation agieren und so Staatsgewalt ausüben.122 6. Stellungnahme Bereits die von den Vertretern des Rechtsformansatzes vorgenommenen Ausnahmen zeigen, dass die Rechtsform kein taugliches Kriterium im Rahmen der Bestimmung der Grundrechtsbindung sein kann. Der Gefahr einer „Flucht ins Privatrecht“ kann mit diesem Kriterium nicht angemessen begegnet werden.123 Allenfalls kann ihr daher eine indizielle Wirkung zukom114 Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 119; Pieroth, NWVBl. 1992, 85 (88); Ehlers, Öffentliche Unternehmen, E 39; Schmidt-Aßmann, BB 1990, Beilage Nr. 34, 1 (6 ff.). 115 Stern, Das Staatsrecht der BRD III/1, § 71 6. c). 116 Pieroth, NWVBl. 1992, 85 (88); Ehlers, Öffentliche Unternehmen, E 39. 117 Remmert, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 III Rn. 43; Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), 329 (346). Dazu auch BVerfGE 68, 193 (212). 118 Stern, Das Staatsrecht der BRD III/1, § 71 6. c). 119 Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 98 f.; Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 247. 120 BVerfGE 45, 63 (80). 121 Fleiner, Institutionen des deutschen Verwaltungsrechts, S. 326. 122 Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 85; Remmert, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 III Rn. 60 ff.; Koch, Status kommunaler Unternehmen, S. 194 ff. 123 Jarass, MMR 2009, 223 (226).
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men.124 Die vorgetragenen Ausnahmen stellen zwar adäquate Maßnahmen dar, um die Schwächen des Rechtsformansatzes zu korrigieren. Im Detail sind diese Ausnahmen allerdings in ihren Voraussetzungen nicht klar bestimmt und werfen Fragen auf.125 Die Rechtsform kann daher zwar als erster Richtpunkt herangezogen werden, eine darüber hinaus gehende Aussage wird ihr jedoch nicht zu entnehmen sein. Auch der Aufgabenansatz kann nicht in Gänze überzeugen. Vor allem zeigen sich Probleme in der Konkretisierung des Begriffs der öffentlichen Aufgabe. Bis heute hat sich keine allgemeine Staatsaufgabenlehre durchsetzen können, die eine nachvollziehbare Begründung für die Zuordnung bestimmter Entscheidungsbereiche zur öffentlichen Aufgabe dargelegt hat.126 Des Weiteren kann auch nicht davon gesprochen werden, dass es einen festen Aufgabenbereich des Staates geben kann. Die Verfassung legt einen solchen nicht fest. Vielmehr ist der Staat in der Lage, Aufgaben ansichzuziehen, diese aber wiederum auch abzustoßen.127 Bestes Beispiel dafür ist das Post- und Telekommunikationswesen. Entsprechend dem Aufgabenansatz wären die Deutsche Post AG sowie die DTAG bereits zu dem Zeitpunkt Grundrechtsträger gewesen, als sie sich noch in staatlichem Alleinbesitz befanden.128 Gemäß Art. 87f Abs. 2 S. 1 GG werden ihre Tätigkeiten in privatwirtschaftlicher Form erbracht, sodass sie in dieser Hinsicht gerade keine öffentliche Aufgabe wahrnehmen, sondern vielmehr an erwerbswirtschaftlichen Zielen orientiert sind. Die Schwächen des Beherrschungsansatzes wurzeln vor allem in der Komplexität der zu untersuchenden Prozesse.129 Zwar lassen sich für den Augenblick und den Einzelfall damit passende Ergebnisse finden; eine Veränderung der tatsächlichen Gegebenheit zum Beispiel der Aktionärsstruktur oder Beteiligungsverhältnisse kann jedoch dazu führen, dass für ein und dasselbe Unternehmen zwei verschiedene Ergebnisse im Hinblick auf die Grundrechtsbindung festzustellen sind.130 Oftmals wird auch die Möglichkeit fehlen, „hinter die Kulissen des Unternehmens zu schauen und der 124 BVerfGE 68, 193 (212); Berger, Gemischtwirtschaftliche Unternehmen, S. 75 m. w. N. 125 Dazu Berger, Gemischtwirtschaftliche Unternehmen, S. 75 f. 126 Berger, Gemischtwirtschaftliche Unternehmen, S. 86; Storr, Staat, S. 105; Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, S. 155 f. 127 BVerfGE 61, 82 (108); Berger, Gemischtwirtschaftliche Unternehmen, S. 86, 92 f.; Häberle, AöR 111 (1986), 595 (604); Jarass, MMR 2009, 223 (226). 128 Gurlit, NZG 2012, 249 (253); Jarass, MMR 2009, 223 (226). 129 Berger, Gemischtwirtschaftliche Unternehmen, S. 62, 153 f.; Selmer, in: HGR II, § 53 Rn. 25; Dreier, in: ders., GG, Art. 19 III Rn. 77. 130 Berger, Gemischtwirtschaftliche Unternehmen, S. 64; Schmidt-Aßmann, BB 1990, Beilage Nr. 34, 1 (4).
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Frage nachzugehen, welche der beiden Seiten […] im Konfliktfall das Machtwort sprechen kann“.131 Denn Entscheidungsprozesse in Unternehmen sind von einer Vielzahl von jeweils unterschiedlichen Einflussfaktoren abhängig, deren umfassende Auswertung „ein nahezu unmögliches Unterfangen“ darstellt.132 Gegen den Beherrschungsansatz wird im Schrifttum zudem die fehlende Berücksichtigung der Grundrechte privater Anteilseigner angeführt.133 Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass die Grundrechtsbindung einer juristischen Person nicht die Grundrechtsberechtigung des jeweiligen Aktionärs aufhebt. Allenfalls kann eine Beeinträchtigung der finanziellen Interessen des Aktionärs durch die Grundrechtsbindung der juristischen Person vorliegen. Dass dem so sein kann, muss dem Aktionär beim Erwerb der Anteile bewusst sein. Bei Veränderung der Aktionärsstruktur ist er zudem in der Lage, seine Anteile wieder zu veräußern.134 Mögliche Beeinträchtigungen von Interessen Privater im Falle der Grundrechtsbindung eines gemischtwirtschaftlichen Unternehmens sprechen daher keinesfalls gegen den Beherrschungsansatz. Aufgrund der Unsicherheiten und Schwächen, die jedes der aufgezeigten Kriterien mit sich bringen, ist letztlich auf eine wertende Gesamtschau der verschiedenen Aspekte zurückgegriffen, da sie den Interessenlagen Rechnung trägt.135
III. Die Grundrechtsbindung der DTAG Es stellt sich nun die Frage, ob die DTAG auf Grundlage der aufgezeigten Kriterien der Grundrechtsrechtsbindung unterliegt und so zum Kreis der Adressaten des Gebots der Staatsferne des Rundfunks zu zählen oder mangels Beherrschung durch den Staat aus diesem Kreis auszuschließen ist. 1. Rechtsform- und Aufgabenansatz Die Deutsche Telekom wird in privatrechtsförmiger Organisation als Aktiengesellschaft betrieben. Zudem nimmt die DTAG keine öffentliche Aufgabe wahr, vielmehr ist – wie bereits angesprochen – in Art. 87f Abs. 2 S. 1 aber die Forderung von Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 160. Gemischtwirtschaftliche Unternehmen, S. 64. 133 Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 85; Höfling, in: Sachs, GG, Art. 1 Rn. 104; Schmidt-Aßmann, BB 1990, Beilage Nr. 34, 1 (13); Koppensteiner, NJW 1990, 3105 (3109). Bedenken hat Rüfner, in: HStR IX, § 197 Rn. 82. 134 BVerfGE 128, 226 (247). 135 So auch Jarass, MMR 2009, 223 (226 ff.); Harks, in: Linien der Rechtsprechung des BVerfG, S. 122. 131 So
132 Berger,
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GG das privatwirtschaftliche Handeln der Aktiengesellschaft festgelegt. Damit werden die Post- und Telekommunikationsleistungen nicht mehr als Staatsaufgabe erfüllt (Leistungsverwaltung), sondern als private Wirtschaftsleistung.136 Dieses Privatisierungsgebot in Art. 87f GG wird daher von Teilen des Schrifttums als Herauslösung aus der vollziehenden Gewalt im Sinne des Art. 1 Abs. 3 GG verstanden, womit der DTAG als Nachfolgeunternehmen der Bundespost keine Grundrechtsbindung auferlegt wird.137 Das bisher Gesagte spricht daher gegen eine Grundrechtsbindung der DTAG, wenngleich zu konstatieren ist, dass diese beiden Voraussetzungen nur indizieller Natur sind. 2. Beherrschung Kern der Betrachtung bleibt obgleich der im Schrifttum geäußerten Probleme das Kriterium der Beherrschung, was auch das Bundesverfassungsgericht in der Fraport-Entscheidung noch einmal deutlich gemacht hat. Unter wertender Betrachtung muss mithin entschieden werden, ob eine staatliche Aktivität unter Beteiligung Privater oder eine private Aktivität unter Beteiligung des Staates vorliegt.138 a) Beteiligung Der Blick allein auf die Beteiligung des Staates an der DTAG kann noch keinen beherrschenden Einfluss begründen. Die Beteiligung mit 32 % liegt weit unter dem Mehrheitsbesitz und vermag daher das Unternehmen noch nicht zu einem staatlichen zu machen. b) Faktische Möglichkeiten der Einflussnahme Berücksichtigung müssen jedoch auch die dargestellten faktischen Möglichkeiten der Einflussnahme finden. Mit einem Kapitalbesitz von knapp einem Drittel besitzen die beiden staatlichen Anteilseigner zwar noch keine Mehrheit in der Hauptversammlung, um so beispielsweise allein die Entscheidungen über Bestellung und Abberufung des Aufsichtsrats treffen zu können. Die Geschäftsberichte der Hauptversammlungen der letzten sieben 136 Wieland,
in: Dreier, GG, Art. 87f Rn. 23. in: Dreier, GG, Art. 87f Rn. 23; Ruge, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, Art. 87f Rn. 4; Vesting, in: AK-GG, Art. 87 f Rn. 90; Jarass, MMR 2009, 223 (227). 138 BVerfGE 128, 226 (247). Dazu auch Harks, in: Linien der Rechtsprechung des BVerfG, S. 123. 137 Wieland,
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Jahre zeigen jedoch, dass im Durchschnitt nur 58,7 % der Aktionäre anwesend waren und in keinem der Jahre die Beteiligung 63 % überstiegen hat.139 Der staatliche Anteilseigner war damit in keinem Jahr bei den Beschlüssen der Hauptversammlung auf die anderen Aktionäre angewiesen. Vielmehr waren sämtliche Beschlüsse, die mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen zu treffen waren (§ 133 Abs. 1 AktG), allein von den staatlichen Anteilseignern abhängig. Der Staat hatte stets eine Hauptversammlungsmehrheit. Das bereits erwähnte Szenario der Einflussnahme auf Aufsichtsrat und Vorstand über die Möglichkeit der Beherrschung aller Personalentscheidungen ist daher auch bei der DTAG denkbar. Es kann daher nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden, dass der Staat über diese Personalentscheidungen auch Einfluss auf die Geschäftsführung und damit zum Beispiel auf Programmentscheidungen nehmen kann. Ein Missbrauchspotenzial ist damit gegeben,140 wenngleich aber auch festgestellt werden muss, dass es durch die gesellschaftsrechtlichen Treuepflichten der Aufsichtsrats- und vor allem der Vorstandsmitglieder begrenzt wird. c) § 17 Abs. 1 AktG und Art. 2 Abs. 1 lit. f) der Richtlinie 2004/109/EG Zu diesem Ergebnis wird man auch dann kommen müssen, wenn man entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auf die Regelung des § 17 Abs. 1 AktG abstellt. Auch in diesem Zusammenhang ist anerkannt, dass eine gesicherte Hauptversammlungsmehrheit eine Beherrschung des abhängigen Unternehmens auch bei einer bloßen Minderheitsbeteiligung des staatlichen Anteilseigners begründet.141 Auch nach diesem Kriterium, welches von Art. 2 Abs. 1 lit. f der Richtlinie 2004/109/EG auf gegriffen wird, ist daher von einer Beherrschung der DTAG durch den Staat auszugehen.142 Als Zwischenresümee kann daher festgehalten werden, dass nach diesen Kriterien von einer Grundrechtsbindung der DTAG auszugehen ist. Die DTAG würde damit nach der oben aufgestellten Prämisse auch dem Adressatenkreis des Gebots der Staatsferne des Rundfunks angehören. 139 2007: 57,56 %; 2008: 58,65 %; 2009: 61,16 %; 2010: 58,7 %; 2011: 62,1 %; 2012: 62,3 %; 2013: 50,46 %. Vgl. http://www.telekom.com/investor_relations/haupt versammlung/archiv/120520. 140 Säcker, K&R 2012, 324 (326 f.); a. A. Gersdorf, AfP 2008, 259 (264 f.); Jarass, MMR 2009, 223 (227). 141 Siehe 6. Kapitel C. II. 3. 142 So auch die Bewertung der KEK, Beschluss 319/321, S. 10 ff. – Deluxe Tele vision GmbH.
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d) Art. 87f Abs. 2 S. 1 GG Im Schrifttum143 und in der Rechtsprechung144 wird nun aber unter Bezugnahme auf Art. 87f Abs. 2 S. 1 GG und die dort statuierte Privatisierung die Grundrechtsberechtigung der DTAG erklärt, sodass man nach aktueller Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts145 von einer damit einhergehenden Aufhebung der Grundrechtsbindung ausgehen müsste. Diese Regelung schließe die Beherrschung der DTAG durch den Staat aus. Dabei wird auch auf die bis 2005 anwendbare Regelung des § 3 des Gesetzes über die Errichtung einer Bundesanstalt für Post und Telekommunikation Deutsche Bundespost146 sowie § 32 der Satzung der Bundesanstalt für Post und Telekommunikation Deutsche Bundespost (BaPostSa)147 zurückgegriffen.148 Bis zum Jahr 2005 nahm die Aktionärsrechte die auf Grundlage von Art. 87f Abs. 3 GG gegründete Bundesanstalt für Post und Telekommunikation wahr. Dieser war es aufgrund der genannten Normen mit Ausnahme der dort ausdrücklich normierten Aufgaben nicht gestattet, Einfluss auf das Unternehmen auszuüben, § 3 Abs. 4 Bundesanstalt Post-Gesetz. Konkretisiert wurde dies zudem durch § 2 Abs. 2 BaPostSa, der es der Anstalt untersagte, am operativen Geschäft der Aktiengesellschaften teilzunehmen oder Beherrschungsverträge mit den Aktiengesellschaften abzuschließen. 143 Holznagel, MMR 2011, 300 (302); Barden, Grundrechtsfähigkeit, S. 75 f.; Cannivé, Infrastrukturgewährleistung, S. 151 ff.; Wirth, Grundrechtsberechtigung und -verpflichtung, S. 54 ff.; Lang, NJW 2004, 3601 (3604 f.); Löwer, in: vMünch/Kunig, GG, Art. 10 Rn. 8 ff.; Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 1 III Rn. 97; ders., in: PostG, VerfGdl, Rn. 60; Ruffert, AöR 124 (1999), 237 (270); Windhorst, in: Sachs, GG, Art. 87 f Rn. 28 f.; Jarass, MMR 2009, 223 (227); Gersdorf, AfP 2008, 259 (265 f.); ders., in: vMangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 87f Rn. 67; Möstl, in: Maunz/ Dürig, GG, Art. 87f Rn. 52; Vesting, in: AK-GG, Art. 87f Rn. 90; Masing, in: HStR IV, § 90 Rn. 34 f.; Uepermann, in: vMünch/Kunig, GG, Art. 87f Rn. 17 f.; Zweifel äußern Säcker, K&R 2012, 324 (328); Huber, in: FS Bethge 2009, S. 504 f.; Badura, in: BK, Art. 87f Rn. 24 f. 144 BVerfGE 115, 205 (227 f.); BVerwGE 114, 160 (189). 145 BVerfGE 128, 226 (249 f.). 146 Gesetz über die Errichtung einer Bundesanstalt für Post und Telekommunikation Deutsche Bundespost (Bundesanstalt Post-Gesetz) v. 14.9.1994 (BGBl. I S. 2325), zuletzt geändert durch Art. 15 Abs. 100 des Gesetzes v. 5.2.2009 (BGBl. I S. 160). 147 Satzung der Bundesanstalt für Post und Telekommunikation Deutsche Bundespost (Anlage des Gesetzes über die Errichtung einer Bundesanstalt für Post und Telekommunikation Deutsche Bundespost) v. 14.9.1994 (BGBl. I S. 2325, 2331), zuletzt geändert durch Art. 11 des Gesetzes v. 7.5.2002 (BGBl. I S. 1529). 148 So BVerfGE 115, 205 (213, 227 f.).
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Inzwischen finden diese Regelungen des Bundesanstalt Post-Gesetzes sowie der BAPostSA keine Anwendung mehr, da das Recht zur Ausübung der Aktionärsrechte im Jahr 2005 auf das Bundesministerium der Finanzen übertragen worden ist.149 Für das Bundesfinanzministerium finden sich keine vergleichbaren den Einfluss auf das operative Geschäft begrenzenden Regelungen, sodass als solche lediglich auf Art. 87f GG zurückgegriffen werden kann. Säcker verweist nun aber darauf, dass die durch Art. 87f Abs. 2 S. 1 GG statuierten Grenzen den Bund nicht daran hindern würden, die Ausübung der Konzernherrschaft durch Wahrnehmung seiner gesellschaftsrechtlichen Einflussmöglichkeiten vorzunehmen.150 Dies würde bedeuten, dass die Beherrschung der DTAG nicht ausgeschlossen wäre und es so bei der Grundrechtsbindung bleiben würde. Es ist daher herauszuarbeiten, welche Direktiven Art. 87f Abs. 2 S. 1 GG stellt und wie diese sich auf die Möglichkeit der Einflussnahme des staatlichen Anteilseigners auswirken. aa) Inhalt und Reichweite des Art. 87f Abs. 2 S. 1 GG Art. 87f Abs. 2 S. 1 GG allein begründet noch keine Grundrechtsfähigkeit für die Nachfolgeunternehmen der Deutschen Bundespost. Die Norm beschreibt vielmehr einen „freiheitlichen Ordnungszustand“.151 Die in Art. 87f Abs. 2 S. 1 GG getroffene Qualifizierung der Erbringung der Postdienstleistungen enthält ein verfassungsrechtliches Wettbewerbs- sowie Privatwirtschaftlichkeitsgebot.152 Mit Ersterem wird von Verfassungs wegen eine freie und chancengleiche Wettbewerbsordnung statuiert, das heißt vom System des Verwaltungsmonopols wird Abstand genommen.153 Von Interesse ist hier insbesondere das Privatwirtschaftlichkeitsgebot. Es bewirkt, dass die Dienstleistungen im Bereich der Telekommunikation ausschließlich privatwirtschaftliche Tätigkeiten sind, mithin eine Abkehr von der verwaltungsmäßigen Leistungserbringung.154 Insgesamt wird damit das Post- und Telekommunikationswesen durch die Aufgabenprivatisierung dem Marktprinzip unterworfen.155 Folge des Privatwirtschaftlichkeitsgebots ist eine Veränderung des Unternehmenszwecks. Die Leistungserbringung darf sich nicht mehr an Gemein149 Gesetz zur Reorganisation der Bundesanstalt für Post und Telekommunikation v. 14.9.2005, BGBl. I S. 2746, dazu BT-Drs. 15/5573, S. 17. 150 Säcker, K&R 2012, 324 (326 f.). 151 Möstl, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 87f, Rn. 45. 152 Möstl, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 87f, Rn. 36. 153 Möstl, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 87f, Rn. 36, 38. 154 Windhorst, in: Sachs, GG, Art. 87f, Rn. 22; Möstl, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 87f, Rn. 36. 155 Möstl, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 87f, Rn. 36.
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wohlinteressen oder anderen politischen Sonderinteressen orientieren, sondern ausschließlich an der Erwerbswirtschaftlichkeit und Gewinnerzielung. Die Dienstleistungen erfolgen mithin durch kaufmännisches, wettbewerbsund gewinnorientiertes Handeln mit privatrechtlichen Mitteln.156 Ausgeschlossen ist damit, dass die Organe der Telekommunikationsunternehmen die von Art. 87f Abs. 2 S. 1 GG bezweckte „Trennung von Unternehmensund Staatsaufgaben sowie von unternehmerischer und staatlicher Handlungsrationalität“ zur Disposition stellen.157 Es ist ihnen verboten, in das Unternehmen „kraft Gesetz einen besonderen Gemeinwirtschaftlichkeitsauftrag einzustiften, […] die Unternehmen in der Unternehmenssatzung bzw. im Gesellschaftsvertrag besonderen Gemeinwohlbindungen zu unterwerfen [sowie] […] öffentliche Unternehmen mittels konzernrechtlichen Beherrschungsvertrags (§ 291 Abs. 1 Satz 1 AktG) einer umfassenden staatlichen Leitungsmacht zu unterwerfen“.158 Darüber hinaus wird – wie bereits angedeutet – der in Art. 87 f GG vorgenommenen Trennung von hoheitlicher (Art. 87f Abs. 2 S. 2, Abs. 3 GG) und privatwirtschaftlicher Aufgabe bzw. Tätigkeit (Art. 87f Abs. 2 S. 1 GG) ein für das Unternehmen zu gewährleistender „breiter Autonomiebezirk“ abgeleitet, der einen bestimmenden Einfluss des Bundes auf die Unternehmenspolitik untersage, insbesondere auf das operative und strategische Geschäft.159 Dabei wird auch auf ein vergleichbares Vorgehen für die Deutsche Bahn AG abgestellt, die nach Art. 87e Abs. 3 S. 1 GG „als Wirtschaftsunternehmen in privat-rechtlicher Form geführt“ wird.160 Diese Regelung führe dazu, dass die Unternehmen der AG trotz der Eigentümerschaft des Bundes als „staatsferne Staatsunternehmen“ ausgestaltet seien und als solche weitgehende Autonomie genössen.161 Eine Grundrechtsbindung sei daher ausgeschlossen.162 156 Windhorst, in: Sachs, GG, Art. 87f, Rn. 27 f.; Möstl, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 87f, Rn. 37; Gersdorf, AfP 2008, 259 (265). 157 Möstl, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 87f, Rn. 37. 158 Möstl, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 87f, Rn. 37; Gersdorf, in: vMangoldt/ Klein/Starck, GG, Art. 87f, Rn. 59. 159 Gersdorf, AfP 2008, 259 (263 f., 265 f.); ders., in: vMangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 87f, Rn. 59; Vesting, in: AK-GG, Art. 87f, Rn. 89; Jarass, MMR 2009, 223 (224); Barden, Grundrechtsfähigkeit, S. 87. 160 Gersdorf, in: vMangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 87e, Rn. 54; ders., K&R 2012, 512 (513). 161 Heise, K&R 2012, 1290 (1293, 1294); Gersdorf, in: vMangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 87e, Rn. 52; Kramer, Eisenbahninfrastruktur, S. 67 f.; Hommelhof/SchmidtAßmann, ZHR 160 (1996), 521 (545); Spannowsky, ZHR 160 (1996), 560 (590 f.); Schmidt-Aßmann/Röhl, DÖV 1994, 577 (581). Zur Deutschen Bahn AG siehe auch Teichmann, in: FG Knemeyer 2012, S. 653 ff.
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Als weitere Vergleichsobjekte werden zudem die Rechnungshöfe herangezogen, deren verfassungsrechtlich garantierter Unabhängigkeitsstatus mit dem der DTAG vergleichbar sei. Da das Bundesverfassungsgericht die Rechnungshöfe nicht dem Kreis der Adressaten des Gebots der Staatsferne des Rundfunks zugeordnet habe, müsse dies auch für die DTAG gelten.163 162
Schließlich wird zur Begründung einer solchen Unternehmensautonomie der DTAG auch auf die Gefährdungslage der gemischtwirtschaftlichen Unternehmen verwiesen.164 Die dem Bund als Aktionär zustehenden Rechte würden damit zum Schutze der Unabhängigkeit der Unternehmen von Verfassungs wegen begrenzt bzw. konkretisiert.165 Zudem führe eine Grundrechtsbindung – beispielsweise an Art. 3 GG – dazu, dass die mit der Postreform angestrebte Flexibilisierung der ehemaligen Monopolunternehmen konterkariert würde.166 bb) Stellungnahme Bei der Frage der Grundrechtsbindung der DTAG handelt es sich mit Sicherheit um einen Grenzfall. Fest steht, dass sich die Frage der Grundrechtsbindung schon dann nicht mehr stellen würde, wenn die BRD oder die KfW – eine gleichbleibende Hauptversammlungsteilnahme vorausgesetzt – einige Anteile verkaufen und damit ihre Hauptversammlungsmehrheit aufgeben würden. Bei der derzeitigen Aktionärsstruktur muss jedoch angenommen werden, dass die DTAG durch die staatlichen Anteilseigner aktienrechtlich beherrscht wird. Auf der anderen Seite scheint die Organisationsund Aufgabenprivatisierung gegen eine Grundrechtsbindung zu sprechen. Allerdings darf die Bedeutung des Art. 87f GG nicht überhöht werden.167 Art. 87f Abs. 2 S. 1 GG gewährt der DTAG nicht mehr, aber auch nicht weniger als eine gegen den Bund gerichtete wehrfähige Rechtsposition168 162 Gersdorf, in: vMangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 87e, Rn. 54; Kramer, Eisenbahninfrastruktur, S. 67 f.; Windhorst, in: Sachs, GG Art. 87e, Rn. 47; Ruge, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, Art. 87e, Rn. 5. 163 Gersdorf, K&R 2012, 512 (513) unter Bezug auf BVerfGE 90, 60 (103). Anders aber noch Gersdorf, Staatsfreiheit, S. 112 f. 164 Windhorst, in: Sachs, GG, Art. 87f, Rn. 28. 165 Möstl, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 87f, Rn. 53; Vesting, in: AK-GG, Art. 87f, Rn. 89; Gersdorf, AfP 2008, 259 (266). Siehe auch die Erklärung der Bundesregierung, dass sie keinen Einfluss auf die DTAG nehmen kann und darf, in: BT-Drs. 16/5308, S. 2 ff. und 16/1067, S. 2. 166 Vesting, in: AK-GG, Art. 87f, Rn. 90; Ossenbühl, DÖV 1971, 513 (520). 167 Badura, in: BK, Art. 87f, Rn. 25; Masing, in: HStR IV, § 90 Rn. 35 Fn. 112. 168 Zur Rechtsnatur der Rechtsposition Möstl, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 87f, Rn. 45 f.
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bei der unternehmerischen Aufgabenerfüllung, die Parallelen zur Garantie des Art. 28 Abs. 2 GG aufweist.169 Die im Schrifttum vorgetragene weite Interpretation des Art. 87f Abs. 2 S. 1 GG, verbunden mit der Zuerkennung eines verfassungsrechtlich gewährleisteten Autonomiebereichs, welcher ausschließt, dass der Staat bestimmenden Einfluss auf die Unternehmensführung erlangt, kann der Norm hingegen nicht entnommen werden. Sie weist lediglich eine Ordnungsfunktion auf.170 Zwar führt das in Art. 87f Abs. 2 S. 1 GG verankerte Marktprinzip zu einer wettbewerblichen Gleichstellung aller Marktteilnehmer, mithin auch der DTAG.171 Daraus kann jedoch nicht zwangsläufig geschlossen werden, dass der DTAG die gleichen (Grund-)Rechte wie den anderen privatrechtlichen Marktteilnehmern zustehen müssten, auch wenn die DTAG unter Umständen weniger flexibel agieren kann. Denn dies allein kann nicht dazu führen, dass die Frage der Grundrechtsbindung oder -berechtigung unabhängig von den Wertungen des Art. 1 Abs. 3 GG erfolgt. Zusammen mit Art. 20 Abs. 2 GG statuiert Art. 1 Abs. 3 GG als „Schlüssel- und Leitnorm“ die elementaren Maßgaben demokratisch rechtsstaatlicher Aufgabenwahrnehmung. Diese liegen der funktionalen Ausgestaltung der Rechtsordnung zugrunde.172 Masing weist daher zu Recht daraufhin, dass die beschriebene Herauslösung aus der vollziehenden Gewalt – so wie es für die DTAG intendiert war – nicht allein deswegen vorgenommen werden kann, weil eine Grundrechtsbindung „unpraktisch“ wäre.173 Insoweit ist auch die Begründung des Gesetzentwurfs zu Art. 87f GG missverständlich.174 Diese verweist darauf, dass sich Eingriffe des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung der Gewährleistung der infrastrukturellen Grundversorgung „an dem privaten Charakter der Tätigkeit und an dem einschlägigen Grundrechtsschutz (insbesondere Art. 12 und 14 GG) auszurichten“ hätten.175 Privatwirtschaftliches Handeln eines (öffentlichen) Unternehmens hat jedoch nicht auch zwangsläufig eine private Freiheitsbetätigung zur Folge. Solange das Unternehmen vom Staat beherrscht wird, bleibt es eben auch ein Instrument des Staates.176 169 Badura,
in: BK, Art. 87f, Rn. 24; Jochum, NVwZ 2005, 779 (781). Staat, S. 151. 171 Gersdorf, AfP 2008, 259 (266); Masing, in: HStR IV, § 90 Rn. 34. 172 Masing, in: HStR IV, § 90 Rn. 34; Dreier, in: ders., GG, Art. 1 III Rn. 27; Storr, Staat, S. 202. 173 Masing, in: HStR IV, § 90 Rn. 34. In diese Richtung auch Badura, in: BK, Art. 87f, Rn. 25. 174 Badura, in: BK, Art. 87f, Rn. 25. 175 BT-Drs. 12/6717, S. 4. 176 Storr, Staat, S. 202. 170 Storr,
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Eine Pauschalisierung mit der Folge, dass man beispielsweise auch Eigengesellschaften die Grundrechtsberechtigung zusprechen müsste, könnte nur dann in Betracht kommen, wenn Art. 87f Abs. 2 S. 1 GG die Bestimmung der Grundrechtsbindung nach Art. 1 Abs. 3 GG modifizieren bzw. eine Ausnahme zu dieser Norm bilden sollte. Dies ist jedoch weder im Wege der Auslegung der Norm noch aus dem Gesetzgebungsverfahren ersichtlich177 und müsste als derart grundlegende Frage auch ausdrücklich vom Verfassungsgeber geregelt werden.178 Denn die unmittelbare Rechtsgeltung der Grundrechte für die gesamte staatliche Gewalt gehört zu den nach Art. 79 Abs. 3 GG unantastbaren Grundsätzen des Grundgesetzes. Ein bloßer Rückgriff auf die Gesetzeshistorie kann eine solche Interpretation daher nicht rechtfertigen. Eine andere Auslegung ergibt sich auch nicht aus einer vermeintlich vergleichbaren Rechtslage mit Art. 87e Abs. 3 S. 1 GG: Hier wird dem Gesetzeswortlaut durch die Mehrheit des Schrifttums eine Anerkennung einer unternehmerischen Selbstbestimmung der Eisenbahnunternehmen des Bundes entnommen. Diese habe zur Folge, dass das Unternehmen mangels Beherrschung durch den staatlichen Eigentümer jedenfalls nicht der Grundrechtsbindung unterliege.179 Zurückzuführen ist diese Ansicht auf die bei der Privatisierung der Deutschen Bundesbahn verfolgten Ziele. Eines war die Umsetzung der Richtlinie 91/440/EWG180.181 Diese statuierte zum einen in Art. 4 die Unabhängigkeit der Eisenbahnunternehmen vom Staat in Bezug auf Leitung, Geschäftsführung und Verwaltung sowie hinsichtlich der verwaltungstechnischen und wirtschaftlichen Kontrolle der internen Rechnungsführung. Zum anderen sah Art. 5 der Richtlinie vor, dass die Unternehmensführung nach den 177 Masing,
in: HStR IV, § 90 Rn. 34 Fn. 112. Staat, S. 203; Sachs, in: ders., GG, Art. 79 Rn. 36; so auch Jochum, NVwZ 2005, 779 (781) für Art. 87e GG. 179 Gersdorf, in: vManoldt/Klein/Starck, GG, Art. 87e, Rn. 54; Windhorst, in: Sachs, GG Art. 87e, Rn. 47; Ruge, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, Art. 87e, Rn. 5; a. A. für die Verkehrsunternehmen Heise, K&R 2012, 1290 (1296). Auf der anderen Seite erachtet man das Unternehmen jedoch nicht als „staatsfern genug“, um grundrechtsberechtigt zu sein (vgl. Kramer, Eisenbahninfrastruktur, S. 69 f.). Wenn man allerdings davon auszugehen hat, dass alle staatliche Gewalt umfassend durch die Grundrechte gebunden ist, die Deutsche Bahn AG entsprechend dem Schrifttum aber nicht dieser staatlichen Gewalt zuzuordnen ist, verwundert es, dass die Aktiengesellschaft mit dem Argument der Staatsnähe vom Kreis der Grundrechtsberechtigten ausgenommen werden soll. Schon dieser Schluss sinnt mithin merkwürdig an, da doch auf ein und denselben Staatseinfluss abgestellt wird. 180 Richtlinie zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft v. 29.6.1991, Abl. 1991, L 237, S. 25. 181 BT-Drs. 12/5015, S. 5. 178 Storr,
C. Gemischtwirtschaftliche Unternehmen und Staatsferne des Rundfunks 301
Grundsätzen erfolgen soll, die für Handelsgesellschaften gelten.182 Mit der Privatisierung der Bahn wollte man mithin die Realisierung der Unabhängigkeit vom Staat sowie die angestrebte Führung nach kaufmännischen Grundsätzen sinnvoll umsetzen, um so die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens zu steigern.183 Für die Deutsche Bahn AG ist daher, und dies hat nun auch das Bundesverfassungsgericht unter Rückgriff auf die Gesetzesmaterialien zu Art. 87e Abs. 3 GG bestätigt, ein Bereich unternehmerischer Selbstbestimmung anerkannt.184 Demgegenüber fehlt es für Art. 87f Abs. 2 S. 1 GG einer solchen Gesetzeshistorie,185 sodass man auch mit Blick auf den unterschiedlichen Wortlaut beider Normen schon an der Annahme eines solchen Autonomiebereichs zweifeln könnte. Aber auch die Wirkungen, die aus der „Unabhängigkeitsklausel“ des Art. 87e Abs. 3 S. 1 GG zu ziehen sind, wenn man weiterhin von einer parallelen Interpretation beider Normen ausgehen wollte, führen nicht zur Aufhebung der Grundrechtsbindung. Denn auch hier wird von der Mehrheit des Schrifttums der Versuch unternommen, durch Art. 87e Abs. 3 S. 1 GG ein „grundrechtsfreies Reservat“ unabhängig von den Beteiligungsverhältnissen zu schaffen,186 das heißt die Bindung einzelner Bereiche der staatlichen Gewalt nach Art. 1 Abs. 3 GG 182 Diese Regelungen bezogen sich nach der Richtlinie allerdings nur auf die Eisenbahnunternehmen. Die europarechtlichen Vorgaben hätten mithin nicht auf die Infrastrukturunternehmen erstreckt werden müssen. Dazu Delbanco, in: Eisenbahnrecht und Bahnreform, S. 26. 183 BT-Drs. 12/5015, S. 7; Kämmerer, Privatisierung, S. 305. 184 BVerfG, Urt. v. 22.11.2011 – 2 BvE 3/08 Rn. 29. Mit Blick auf den zugrunde liegenden Sachverhalt ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zudem nicht in der hier in Frage stehenden Thematik weiterführend. Denn das Gericht hat keinerlei Ausführungen zu den Auswirkungen dieser Unabhängigkeit auf die Grundrechtsposition der Deutschen Bahn AG gemacht. Es hat (lediglich) festgestellt, dass dem Deutschen Bundestag bis auf in den in Art. 87e GG vorgesehenen Fällen keine Beteiligungsrechte an unternehmerischen Einzelentscheidungen der Deutschen Bahn AG zustehen. Das Verhältnis zu Art. 1 III GG wurde jedoch nicht thematisiert. 185 Zwar geht auch die Privatisierung der Telekommunikation auf europarechtliche Impulse zurück. Im Mittelpunkt stand jedoch die Abschaffung der Allein- und Sonderrechte der Mitgliedstaaten im Bereich der Telekommunikation insbesondere im Hinblick auf den Endgerätemarkt (Richtlinie 88/301/EWG über den Wettbewerb auf dem Markt für Telekommunikations-Endgeräte, ABl. 1988, L 131, S. 73) und die Leistungserbringung (Richtlinie 90/388/EWG über den Wettbewerb auf dem Markt für Telekommunikationsdienste, ABl. 1990, L 192, S. 10). Die staatlichen Monopole sollten ihre Privilegien und damit letztlich auch ihre Monopolstellung verlieren, wenngleich die Leistungserbringung durch öffentliche Unternehmen nicht ausgeschlossen wurde (Art. 6 Richtlinie 88/301/EWG). 186 Jochum, NVwZ 2005, 779 (781).
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6. Kap.: Gemischtwirtschaftliche Unternehmen als Rundfunkveranstalter
wird aufgehoben.187 Für die Deutsche Bahn AG ist dieses Vorgehen zudem noch aus dem Gesichtspunkt heraus unschlüssig, dass der Bund bis heute einziger Anteilseigner ist. In jedem anderen Fall würde man von dem klassischen Fall des „Handelns des Staates in Privatrechtsform“, mithin einem bloßen Formenwechsel sprechen, der nichts an der Grundrechtsbindung zu ändern vermag.188 Darüber hinaus kann aber auch im Falle des Art. 87e GG nicht davon ausgegangen werden, dass diese Norm eine Aufhebung der Wertungen des Art. 1 Abs. 3 GG zur Folge hat. Dies hätte – wie bereits gezeigt – zumindest einer ausführlichen Beschäftigung des Gesetzgebers mit dieser verfassungsrechtlichen Problematik bedurft.189 Der durch Art. 87e Abs. 3 S. 1 GG gewährte Bereich unternehmerischer Selbstständigkeit gewährt der Deutschen Bahn AG eine wehrfähige Rechtsposition gegen ihren Eigentümer, den Staat; nicht mehr, aber auch nicht weniger. Davon zu trennen ist aber die Grundrechtsbindung gegenüber Privaten.190 Ebenso bietet sich kein Vergleich mit den Rechnungshöfen an. Zwar genießen die Mitglieder eine verfassungsrechtlich gewährleistete richterliche Unabhängigkeit,191 die sie zu einem politikfreien Gremium machen.192 Darüber hinaus bestehen allerdings keine Zweifel an der Zuordnung der Rechnungshöfe zur Staatsgewalt,193 wenngleich umstritten ist, welcher der drei Gewalten sie angehören.194 Unabhängig von dieser Einordnung sind sie jedoch Adressaten des Gebots der Staatsferne des Rundfunks.195 Zuletzt sollte auch die Gefahr einer Erschwerung der Tätigkeiten der DTAG durch die Bindung an Grundrechte nicht überbewertet werden.196 Die Bindung ermöglicht auch das von Art. 87f Abs. 2 S. 1 GG geforderte 187 Jochum,
NVwZ 2005, 779 (781). BVerfGE 128, 226 (244); oder BVerfGE 45, 63 (78 ff.) für die Stadtwerke Hameln AG, deren Anteile sämtlich der Stadt Hameln gehörten. 189 Jochum, NVwZ 2005, 779 (781); Battis/Kersten, WuW 2005 493 (497); Hammer, DÖV 2011, 761 (765). 190 Jochum, NVwZ 2005, 779 (781). 191 Für den Bundesrechnungshof gemäß Art. 114 II 1 GG. 192 BVerfGE 90, 60 (103). 193 Engels, in: BK, Art. 114 Rn. 312. 194 Zum Meinungsstand Engels, in: BK, Art. 114 Rn. 308 ff.; Schwarz, in: vMangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 114 Rn. 75 ff.; Brockmeyer, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, Art. 114 Rn. 8 f.; Heintzen, in: vMünch/Kunig, GG, Art. 114 Rn. 17. 195 Gersdorf, Staatsfreiheit, S. 112; nunmehr aber anderer Ansicht ders., K&R 2012, 512 (513). 196 v. Arnold, DÖV 1998, 437 (440 f.); Masing, in: HStR IV, § 90 Rn. 35. 188 Zuletzt
C. Gemischtwirtschaftliche Unternehmen und Staatsferne des Rundfunks 303
sinnvolle Wirtschaften am Markt.197 Die Bindung an Art. 3 Abs. 1 GG führt zwar dazu, dass es der DTAG beispielsweise untersagt ist, Vertragspartner mit einer bestimmten religiösen oder weltanschaulichen Ansicht zu bevorzugen. Dieser Konflikt wird aber bei einer gewinnorientierten, privatwirtschaftlichen Leistungserbringung ohnehin selten auftauchen.198 Für die Bestimmung der Grundrechtsbindung der DTAG als Nachfolgeunternehmen der Deutschen Bundespost kann daher nicht die durch Art. 87f Abs. 2 S. 1 GG gewährte Rechtsposition entscheidend sein. Maßgeblich ist das Merkmal der Beherrschung entsprechend des Aktien- und Konzernrechts.199 3. Zwischenresümee Als nach diesen Maßstäben durch den Staat beherrschtes Unternehmen unterliegt die DTAG der Grundrechtsbindung. Sie gehört damit dem Adressatenkreis des Gebots der Staatsferne des Rundfunks an mit der Konsequenz, nicht als Rundfunkveranstalterin tätig werden zu können. Im Falle des Erwerbs der oben angesprochenen Bundesligarechte wäre die Ausstrahlung einer von der DTAG selber produzierten Sendung daher verfassungsrechtlich unzulässig.
IV. Resümee Gemischtwirtschaftliche Unternehmen sind dann als Adressaten des Gebots der Staatsferne des Rundfunks anzusehen, wenn sie der Grundrechtsbindung unterliegen. Dies ist dann der Fall, wenn das Unternehmen von seinem staatlichen Anteilseigner beherrscht wird. Davon wird nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ausgegangen, wenn der Staat den mehrheitlichen Besitz der Unternehmensanteile inne hat. Aber auch für den Fall der Minderheitsbeteiligung kann im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung von einer Grundrechtsbindung ausgegangen werden, wenn jene so ausgestaltet ist, dass letztlich eine staatliche Tätigkeit mit privater Beteiligung vorliegt. Zu diesem Zweck können auch die aktienund konzernrechtlichen Regelungen herangezogen werden.
197 v.
Arnold, DÖV 1998, 437 (440 f.). in: HStR IV, § 90 Rn. 35. 199 Badura, in: BK, Art. 87f, Rn. 25. 198 Masing,
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6. Kap.: Gemischtwirtschaftliche Unternehmen als Rundfunkveranstalter
D. Die Wahrung der Staatsferne durch Entherrschungsverträge I. Die „Entherrschungserklärung“ der DTAG Die Rundfunkfähigkeit der DTAG bietet schon seit jeher Konfliktpotenzial.200 Daher hat sie in der Vergangenheit, um eventuellen Konflikten aus dem Weg zu gehen, ihre Fernsehrechte nicht selber wahrgenommen, sondern durch Unternehmen, an denen sie zumindest nicht gesellschaftsrechtlich beteiligt war, namentlich die Premiere AG und die Constantin Sport Medien GmbH.201 Zwar stehen der DTAG damit keine gesellschaftsrechtlich vermittelten Einflussmöglichkeiten auf das operative Geschäft zu, wie zum Beispiel die Entscheidungen über die Programmproduktion oder den -einkauf. Dennoch haben die KEK und die ZAK die Rundfunkfähigkeit der Constantin Sport Medien GmbH aufgrund von Beherrschung durch die DTAG ohne das Hinzutreten weiterer Umstände verneint.202 Ursache waren die besonderen Umstände der vertraglichen Beziehungen zwischen den beiden Unternehmen. Die DTAG und die Constantin Sport Medien GmbH hatten zwei Verträge abgeschlossen: einen Lizenzvertrag sowie einen Einspeisungsvertrag. Auf der Grundlage des Lizenzvertrags wurden der Constantin Sport Medien GmbH die Verwertungsrechte der DTAG eingeräumt. Durch diesen Vertrag oblag die redaktionelle Verantwortung für die Berichterstattung und die Veranstaltung der Sendungen der Constantin Sport Medien GmbH. Die DTAG konnte daher mangels redaktioneller Letztverantwortung und folglich fehlenden Programmeinflusses nicht als Veranstalterin angesehen werden.203 Der Einspeisungsvertrag verpflichtete die Constantin Sport Medien GmbH, das Programm ausschließlich in die Netze der DTAG einzuspeisen und dabei bestimmte Formate und Standards zu berücksichtigen. Auch in diesem Vertrag war die redaktionelle Unabhängigkeit der Constantin Sport Medien GmbH garantiert.204 Für sich betrachtet führten die Verträge daher zu kei200 Siehe nur die Hinweise der KEK, Beschluss 319/321, S. 11 f. – Deluxe Television GmbH; Beschluss 348/30/39, S. 9 f. – Premiere; Beschluss 563, S. 13 – Liga total! 201 Mangels des Erwerbs der Bundesligarechte für die folgenden Jahre und der Einigung mit Sky ist die Zusammenarbeit mit der Constantin Sport Medien GmbH nicht mehr erforderlich. Die DTAG hat bereits die Beendigung der Zusammenarbeit für das Jahr 2013 angekündigt, dazu Heuzeroth, Sky holt Telekom ins BundesligaBoot, Die Welt v. 4.1.2013. 202 KEK, Beschluss 563, S. 14 – Liga total!; ZAK, Pressemitteilung 12/2009, v. 30.6.2009. 203 KEK, Beschluss 563, S. 10 f. – Liga total! 204 KEK, Beschluss 563, S. 12 – Liga total!
D. Die Wahrung der Staatsferne durch Entherrschungsverträge305
nem Einfluss der DATG auf die Programmtätigkeit der Constantin Sport Medien GmbH. Eine andere Sicht der Dinge ergibt sich jedoch durch die Kombination und das Ineinandergreifen der beiden Verträge. Die Constantin Sport Medien GmbH war bei der Programmproduktion auf die Verwertungsrechte der DTAG angewiesen. Ohne diese Rechte war ihre Produktion und damit verbundene Unterhaltung von technischen und personellen Mitteln unrentabel. Sodann war sie bei der Produktion verpflichtet, auf das Basissignal der DTAG zurückzugreifen, sie musste sich mithin an entsprechende Standards halten, was eine zusätzliche Abhängigkeit begründete. Die Einspeisung durfte schließlich auch nur in die DTAG-Netze erfolgen. Die Constantin Sport Medien GmbH geriet dadurch in eine vertragliche Zwangslage: „Sie ist für ihre Programmtätigkeit auf die Verfügbarkeit der Verwertungsrechte, auf den Empfang des Basissignals, auf die Anforderungen aus der ausschließlichen Einspeisung und auf die ihr vorenthaltene Vermarktung durch die DTAG angewiesen.“205 Gerade letzter Punkt führte zu einer nicht unerheblichen Abhängigkeit. Die Constantin Sport Medien GmbH trat lediglich als Vertragsmittlerin auf. Die Vermarktung des Programms, die Festlegung des Preises und die Pflege der Kundenbeziehungen nahm ausschließlich die DTAG wahr. Die Constantin Sport Medien GmbH tauchte für den Kunden nicht offen als Veranstalterin auf. Das Programm „LIGAtotal!“ wurde allein von der DTAG beworben und als ihr eigenes Produkt dargestellt.206 Die KEK und die ZAK haben daher zu Recht angemerkt, dass die Constantin Sport Medien GmbH aufgrund dieser vertraglichen Konstellation im Bereich der Programmproduktion nicht unabhängig von der DTAG sein kann. Auch Säcker statuiert daher nicht ohne Grund, dass die Constantin Sport Medien GmbH es sich nicht leisten könne, politischen Wünschen, Hinweisen und Empfehlungen zu widersprechen. Andernfalls würde sie die Kündigung des Lizenzvertrags und den damit verbundenen wirtschaftlichen Ruin riskieren.207 Zum Schutze des Gebots der Staatsferne des Rundfunks war und ist es daher notwendig, die so bestehende Abhängigkeit der Constantin Sport Medien GmbH im Programmbereich aufzuheben.208 Denn das Gebot der Staatsferne des Rundfunks sucht nicht nur die unmittelbaren, sondern auch die mittelbaren Einflüsse auf das Programm abzuwehren.209 205 KEK,
Beschluss 563, S. 12 f. – Liga total! auch Säcker, K&R 2012, 324 (331), der auch noch zu den finanziellen Aspekten der Vereinbarungen zwischen den beiden Unternehmen Stellung nimmt. 207 Säcker, K&R 2012, 324 (331 f.). 208 KEK, Beschluss 563, S. 14 – Liga total! 209 BVerfGE 121, 30 (53). 206 So
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6. Kap.: Gemischtwirtschaftliche Unternehmen als Rundfunkveranstalter
Dies hat auch das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung zum Hessischen Privatrundfunkgesetz noch einmal betont. Es müssten eben gerade auch die subtilen Mittel indirekter Einwirkung ausgeschlossen werden.210 Dem Staat daher zu gestatten, auf vertraglicher Basis in die Programmfreiheit einer – gesellschaftsrechtlich gesehen – unabhängigen Rundfunkveranstalterin einzugreifen, würde letztlich eine Umgehung des Gebots der Staatsferne des Rundfunks darstellen. Die Constantin Sport Medien GmbH fiel daher auch in den Anwendungsbereich des Gebots der Staatsferne des Rundfunks, solange die vertraglichen Beziehungen mit der DTAG bestanden.211 Um diese Abhängigkeit von der DTAG im Bereich der Programmtätigkeit aufzuheben, hatte die DTAG daher eine Entherrschungserklärung des Inhalts abgegeben, dass „die wesentlichen Programmentscheidungen bei der Constantin Sport Medien GmbH liegen und bleiben“.212 Letzte Zweifel dürften damit allerdings nicht ausgeräumt sein. Eine fundierte Bewertung kann jedoch ohne den „Blick hinter die Kulissen“ nicht gegeben werden. Eine zweifelsfreie Bewertung kann daher nicht gewährleistet werden.213 Allerdings lädt die angewandte Figur der Entherrschungserklärung, die wohl an die aktienrechtlichen Entherrschungsverträge angelehnt ist, dazu ein, die Frage aufzuwerfen, ob die DTAG als Rundfunkveranstalterin auftreten könnte, wenn die staatlichen Anteilseigner mit der DTAG einen solchen Entherrschungsvertrag abschließen würden. Es gilt daher zu prüfen, ob das Gebot der Staatsferne des Rundfunks auch durch einen Entherrschungsvertrag gewahrt werden kann.
II. Staatsferne durch Entherrschungsverträge? Aktienrechtlich hat ein solcher Vertrag, der nicht gesetzlich normiert ist, die Wirkung, dass die Beherrschungsvermutung im Sinne des § 17 Abs. 2 AktG beseitigt wird.214 Rundfunkrechtlich müsste er dazu führen, dass der Einfluss auf den Programmbereich ausgeschlossen wird. Nur in diesem Fall wäre das Gebot der Staatsferne des Rundfunks gewahrt. Interessanterweise ist bereits für das Aktienrecht umstritten, ob ein Ent herrschungsvertrag tatsächlich die Abhängigkeit im Sinne des § 17 Abs. 2 210 BVerfGE
121, 30 (41). auch KEK, Beschluss 563, S. 14 – Liga total! 212 KEK, Beschluss 563, S. 13 – Liga total! 213 Siehe aber Säcker, K&R 2012, 324 (331 f.), der eine Beherrschung annimmt. 214 Krieger, in: HdB GesellschaftsR, § 68 Rn. 61; Pesch, Entherrschungsvertrag, S. 143. 211 So
D. Die Wahrung der Staatsferne durch Entherrschungsverträge307
AktG beseitigen kann bzw. wann die Widerlegung der Vermutung tatsächlich geführt ist.215 In diesem Bereich herrscht eine Rechtsunsicherheit,216 die vor dem Hintergrund der großen Bedeutung des Schutzes der Programmfreiheit schon aus diesem Grund daran zweifeln lässt, ob ein Entherrschungsvertrag geeignet ist, die Unabhängigkeit wieder herzustellen. Dies kann jedoch dahingestellt bleiben, da man bereits aus einem anderen Gesichtspunkt heraus einen Entherrschungsvertrag als ungeeignet zum Schutze der Staatsferne des Rundfunks ansehen muss. Zu diesem Zweck kann erneut auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Hessischen Privatrundfunkgesetz zurückgegriffen werden. Bei der Frage der Begrenzung der Beteiligungsmöglichkeiten der politischen Parteien an Rundfunkveranstaltern – mithin der Bestimmung der Programmbeherrschung – hat das Gericht auf die unterschiedlichen Regelungsziele von Rundfunkrecht und Aktienrecht verwiesen: „Konzernrecht und Ausgestaltung der Rundfunkfreiheit verfolgen unterschiedliche Regelungsziele. Das Konzernrecht regelt die innere Ordnung der Konzerne, Abstimmung der Zuständigkeiten zwischen den für den Konzern handelnden Organen der Mitgliedsunternehmen, konzernbezogene Rechte und Pflichten der Gesellschafter auf den verschiedenen Stufen des Konzerns, notwendigen Schutz der Minderheitsgesellschafter und der Gläubiger des herrschenden, aber auch des abhängigen Konzernunternehmens [...]. Demgegenüber geht es bei der Begrenzung der Einflussmöglichkeiten der Parteien auf den Rundfunk nicht um den Schutz der Mitgesellschafter und der Unternehmensgläubiger oder andere gesellschaftsrechtliche Zwecke. Im Mittelpunkt steht vielmehr die Abwehr einer spezifischen Gefahr, nämlich staatsnaher Einflussnahme auf die inhaltliche Programmgestaltung vermittels der beteiligten Parteien. Diese muss aber nicht erst bei einer umfassenden Beherrschung aller wesentlichen Unternehmensbereiche vorliegen.“217
Gleiches muss auch für die Ziele des Entherrschungsvertrags und der durch das Gebot der Staatsferne des Rundfunks vermittelten „Entherrschung“ der Rundfunkveranstalter gelten. Im Aktienrecht steht der Schutz des abhängigen Unternehmens, seiner Aktionäre und Gläubiger vor einem nachteiligen Eingriff zugunsten des herrschenden Unternehmens im Vordergrund. Maßgeblich kann daher auch nur der aktienrechtliche Abhängigkeitsbegriff sein. Dieser erfasst jedoch nur aktien- oder gesellschaftsrechtlich vermittelte Abhängigkeit, die dazu führt, dass auf die Willensbildung der Gesellschaft Einfluss genommen werden 215 Siehe zum Meinungsstand Pesch, Entherrschungsvertrag, S. 85 ff.; Götz, Ent herrschungsvertrag, S. 8 ff.; Jäger, DStR 1995, 1113 (1115 f.); Bayer, in: MüKo AktG, § 17 Rn. 112. 216 Auf dieses Problem verweist auch Säcker, K&R 2012, 324 (331 f.). 217 BVerfGE 121, 30 (62 f.).
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6. Kap.: Gemischtwirtschaftliche Unternehmen als Rundfunkveranstalter
kann, und zwar über personelle Entscheidungen.218 Ausreichend ist hingegen nicht, dass lediglich eine wirtschaftliche Abhängigkeit besteht, beispielsweise aufgrund von schuldrechtlichen Verträgen.219 Der Entherrschungsvertrag ist daher lediglich geeignet, die durch Beherrschung der personellen Entscheidungen entstandenen Einflussmöglichkeiten abzuhelfen und nur dies ist auch in einem solchen Vertrag nachzuweisen.220 Demgegenüber ist der Schutz des Gebots der Staatsferne des Rundfunks viel weiter. Ausgeschlossen werden müssen nicht nur die unmittelbaren staatlichen Einflüsse auf das Programm, sondern eben auch alle mittelbaren, wie beispielsweise auf die Finanzierung des Programms. Dabei ist unerheblich, wie diese Abhängigkeit begründet wird. Dies kann sehr wohl auch durch gesellschaftsrechtliche Einflussmöglichkeiten geschehen. Darüber hinaus sind aber auch alle sonstigen tatsächlichen und nicht nur rechtlichen Einflussmöglichkeiten auf die Programmtätigkeit erfasst, was gerade die Situation von DTAG und der Constantin Sport Medien GmbH zeigt.221 Der Entherrschungsvertrag, der für den Ausschluss der Abhängigkeit gemäß § 17 Abs. 2 AktG entwickelt wurde,222 verfolgt daher nicht diesen umfassenden Schutz des Rundfunkveranstalters, wie ihn das Gebot der Staatsferne des Rundfunks vermittelt. Allein die Herstellung gesellschaftsrechtlicher Unabhängigkeit vom beherrschenden Unternehmen kann nicht ausreichend sein. Dieser Vertrag ist eine aktienrechtliche Figur, die jedoch nicht auf das Gebot übertragen werden kann. Der vermittelte Schutz kann den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht genügen. Es kann daher letztlich dahinstehen, ob der Entherrschungsvertrag schon für das Aktienrecht ungeeignet ist, die Abhängigkeit im Sinne des § 17 Abs. 2 AktG aufzuheben. Es kann festgehalten werden, dass ein solcher Vertrag aufgrund eines divergierenden Regelungsziels nicht das zu gewährleistende Schutzniveau des Gebots der Staatsferne des Rundfunks herzustellen vermag. Die Übertragung der Figur des Entherrschungsvertrags auf das Rundfunkrecht ist daher abzulehnen. Ein Entherrschungsvertrag zwischen der DTAG und den staatlichen Anteilseignern würde daher nicht zur Rundfunkfähigkeit der DTAG führen. 218 Pesch, Entherrschungsvertrag, S. 175 f.; Emmerich, in: ders./Habersack, Konzernrecht, § 17 Rn. 42; Jäger, DStR 1995, 1113 (1114). 219 Bayer, in: MüKo AktG, § 17 Rn. 29; Pesch, Entherrschungsvertrag, S. 9 ff. 220 Jäger, DStR 1995, 1113 (1116); Krieger, in: HdB GesellschaftsR, § 68 Rn. 61; Bayer, in: MüKo AktG, § 17 Rn. 100. 221 BVerfGE 121, 30 (63). 222 Siehe dazu Pesch, Entherrschungsvertrag, S. 1; Jäger, DStR 1995, 1113 (1114).
E. „Staatssponsoring“ von privaten Rundfunkveranstaltern309
E. „Staatssponsoring“ von privaten Rundfunkveranstaltern Einen kurzen Blick lohnt es sich auch noch auf die Zulässigkeit des Staatssponsorings von privaten Rundfunkunternehmen zu werfen. Es geht dabei letztlich um die Grenzen der Finanzierung privater Rundfunkunternehmen durch den Staat und die Frage, wann ein Hoheitsträger durch finanzielle Unterstützung in so starker Weise Einfluss auf das Programm nehmen kann, dass ein Verstoß gegen das Gebot der Staatsferne anzunehmen ist.223 Relevanz kommt dieser Frage beispielsweise im Falle des Rundfunkveranstalters ONECLIMATE.TV zu. Bei diesem Sender handelt es sich um ein Informationsspartenprogramm, das sich mit Themen des Klimawandels beschäftigt.224 Finanzieren möchte sich das Unternehmen durch Fördermittel von Ministerien, Stiftungen und sonstigen Sponsoren. Der Einfluss auf das Programm soll vertraglich ausgeschlossen werden. Die KEK hat aber zu Recht angemerkt, dass trotz dieser vertraglichen Abreden Probleme im Hinblick auf das Gebot der Staatsferne des Rundfunks nicht ausgeschlossen werden können. Da zum Zeitpunkt der Beantragung der Rundfunkzulassung eine Zusage von Fördermitteln seitens der genannten Stellen noch nicht vorlag, ging die KEK auf diesen Aspekt jedoch nicht vertieft ein.225 Es ist daher herauszuarbeiten, welche Grenzen der staatlichen Finanzierung privater Rundfunkveranstalter durch das Gebot gesetzt sind. Dabei fehlt es in diesem Bereich im Gegensatz zur Finanzierung des öffentlichrechtlichen Rundfunks oder der Finanzierung der Presse an Rechtsprechung. Dennoch kann jene Rechtsprechung unter Berücksichtigung der Besonderheiten des jeweiligen Mediums bzw. den Besonderheiten der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zugrunde gelegt werden. Denn die durch das Gebot gewährleistete Unabhängigkeit des privaten Rundfunks kann nicht geringer als beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk sein.
223 Europarechtliche Aspekte insbesondere die Beihilfeproblematik werden bewusst nicht angesprochen. Siehe dazu aber Wieland, Lokalrundfunkfinanzierung, S. 61 ff. Auch der spezielle Fall der Finanzierung der BLM, die in Bayern als Rundfunkveranstalterin auftritt, soll ausgeklammert werden. Dazu Müller-Terpitz, Die Finanzautonomie der BLM, S. 21 ff. und Gersdorf, Staatsfreiheit, S. 212 ff. 224 Dazu KEK, Beschluss 664, S. 2; KEK, 14. Jahresbericht, S. 19. 225 Dazu KEK, Beschluss 664, S. 5 f.
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6. Kap.: Gemischtwirtschaftliche Unternehmen als Rundfunkveranstalter
I. Grenzen der Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk hat das Bundesverfassungsgericht zuletzt im Rundfunkgebührenurteil II Direktiven zur Finanzierung aufgestellt, wobei hier der Schwerpunkt auf dem Verfahren der Rundfunkgebührenfestsetzung lag. Nichtsdestoweniger hat das Gericht gerade bei dieser Festsetzung die Grundsätze der Programmneutralität und der Programmakzessorietät betont.226 Der Staat dürfe über die Rundfunkfinanzierung keinen Einfluss auf das Programm erlangen und so die Möglichkeit bekommen, medienpolitische Zwecke zu verfolgen.227 Es müsse verhindert werden, dass über die Berechnung des Finanzbedarfs die Funktionserfüllung nicht mehr der Gebrauch einer Freiheit sei, sondern der Vollzug eines vorgegebenen Programms. Eine detailgenaue Bestimmung des Funktionsauftrags der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten durch den Gesetzgeber stünde daher im Widerspruch zur Freiheitsgarantie des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG.228
II. Grenzen der Finanzierung der Presse Schließlich kann auch noch auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Subventionierung der Presse abgestellt werden.229 Soweit sich der Staat, ohne verfassungsrechtlich dazu verpflichtet zu sein, zu Förderungsmaßnahmen für die Presse entschließe, verlange Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG, dass jede Einflussnahme auf Inhalt und Gestaltung einzelner Presseerzeugnisse sowie Verzerrungen des publizistischen Wettbewerbs insgesamt vermieden würden.230 Staatliche Förderungen dürften bestimmte Meinungen oder Tendenzen weder begünstigen noch benachteiligen. Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG begründe im Förderungsbereich für den Staat vielmehr eine inhaltliche Neutralitätspflicht, die jede Differenzierung nach Meinungsinhalten verbiete. Ein Verstoß gegen die aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG folgende Neutralitätspflicht liege hingegen nicht schon dann vor, wenn der Staat Förderungsmaßnahmen nicht unterschiedslos auf sämtliche unter die Pressefreiheit fallenden Druckerzeugnisse erstrecke. Der Staat genieße im Bereich der Grundrechtsförderung vielmehr einen weiteren Handlungsspielraum als im Bereich der Grundrechtseinschränkung. Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG verbiete ihm nur, dass er den Inhalt der Meinungen oder die Tendenz von Presseerzeug226 BVerfGE
119, 181 (221). 119, 181 (220 ff.). 228 BVerfGE 119, 181 (222). 229 BVerfGE 80, 124. 230 BVerfGE 80, 124 (133 f.). 227 BVerfGE
E. „Staatssponsoring“ von privaten Rundfunkveranstaltern311
nissen zum Förderungskriterium mache und sich auf diese Weise Einfluss auf den gesellschaftlichen Meinungs- und Willensbildungsprozess verschaffe. Denn dieser habe nach dem Willen des Grundgesetzes im Interesse der personalen Autonomie und des demokratischen Systems staatsfrei zu bleiben. Dagegen sei es ihm nicht von vornherein verwehrt, die Förderung an meinungsneutralen Kriterien auszurichten.231 Auch für die Pressesubventionen gilt daher, dass die Förderung an sich zulässig ist, jedoch die Unabhängigkeit im Inhaltebereich gewahrt werden muss. Es ist stets sicherzustellen, dass der gesellschaftliche Meinungs- und Willensbildungsprozess – soweit nicht erlaubt – frei von staatlichen Einflüssen bleibt. Insoweit bestehen keinerlei Unterschiede zum Rundfunk. Darüber hinaus können jedoch auch die Direktiven zur Vergabe von Fördermitteln fruchtbar gemacht werden. Denn auch im Rundfunkbereich würde eine Orientierung der Vergabe an den Inhalten der Rundfunkunternehmen dazu führen, dass das Verbot der Einflussnahme auf Inhalte und Gestaltung des Programms entsprechend dem Gebot der Staatsferne des Rundfunks umgangen würde. Das heißt auch bei der Vergabe von Mitteln an private Rundfunkunternehmen darf der Staat sich nur an meinungsneutralen Kriterien orientieren.
III. Zusammenfassung Es lässt sich daher festhalten, dass die Subventionierung privater Rundfunkveranstalter durch den Staat an sich nicht unzulässig ist. Eine absolute Grenze besteht jedoch dort, wo die Funktion der Rundfunkfreiheit, der freien und individuellen Meinungsbildung zu dienen, gefährdet wird. Aus diesem Grund darf sich der Staat bereits bei der Vergabe von Fördermitteln nicht an inhaltlichen, sondern nur an meinungsneutralen Kriterien orientieren. Zudem dürfen die Mittel auch nicht zweckgebunden vergeben werden. Das heißt der Einsatz der Fördermittel darf nicht schon von vornherein vertraglich oder gesetzlich festgelegt werden, sodass dem Rundfunkunternehmen keinerlei Einfluss auf die Gestaltung oder die Inhalte des Programms zukommen kann. Darüber hinaus sind auch alle sonstigen unmittelbaren oder mittelbaren Einflüsse auf den Programmbereich unzulässig. Es muss auch hier verhindert werden, dass der Gebrauch einer Freiheit zu einem Vollzug eines vorgegebenen Programms führt.
231 BVerfGE
80, 124 (133 f.).
Zusammenfassung 1. Kapitel: Die Veranstaltung von Rundfunk in Deutschland Die Rundfunkveranstaltung in Deutschland war mit der Gründung der Radio-Stunde-AG im Jahre 1923 zunächst privatrechtlicher Natur. Allein die Ausstrahlung der Hörfunksendungen erfolgte über posteigene Sendeanlagen, das heißt der Staat begrenzte seinen Einfluss auf den sendetechnischen Bereich. Die Verstaatlichung des Rundfunks auch im Programmbereich begann jedoch schon mit dem Ende der Weimarer Republik. Mit der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten wurde der Rundfunk gänzlich verstaatlicht und als Propagandainstrument eingesetzt. Dies betraf zunächst den Hörfunk, später auch das Fernsehen. Mit der Kapitulation des Deutschen Reiches kam auch die Rundfunkveranstaltung zum Erliegen. In den ersten Nachkriegsjahren war der Aufbau einer neuen Rundfunkordnung durch den Einfluss der Besatzungsmächte geprägt. Die Konsequenz aus dem Missbrauch des Rundfunks für parteipolitische Zwecke ziehend, wurde den Deutschen zunächst jede Sendetätigkeit verboten. Der sich anschließende Aufbau einer Rundfunkorganisation war durch eine weitgehende Übereinstimmung mit der Rundfunkorganisation der jeweiligen Besatzungsmacht geprägt. Die Rundfunkanstalten der Westzonen gründeten sodann am 5. August 1950 die ARD, um eine Zusammenarbeit zu ermöglichen. Diese Bestrebungen der Länder veranlassten auch den Bund, seine rundfunkpolitischen Ziele weiter zu forcieren. Nachdem erste Gesetzentwürfe zur Gründung einer Bundesrundfunkanstalt am Widerstand der Länder scheiterten, verfolgte Konrad Adenauer dieses Ziel, indem er am 25. Juli 1960 die Gründung der Deutschland-Fernsehen-GmbH mit der notariellen Beurkundung vollziehen ließ. Die Länder erfuhren von dem Vollzug der Gründung der GmbH erst im Anschluss an die notarielle Beurkundung. Zwar war die Beteiligung der Länder in der Satzung der GmbH vorgesehen, diese lehnten jedoch einen Erwerb von Geschäftsanteilen ab. Daher wurden diese Kapitalanteile schon im August 1960 auf die Bundesrepublik Deutschland übertragen, womit die Deutschland-Fernsehen-GmbH letztlich als „Ein-MannGmbH“ bestand.
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Dieses Vorgehen der Bundesregierung war Gegenstand des ersten Rundfunkurteils, welches das Bundesverfassungsgericht zum Anlass genommen hat, die wesentlichen Grundsätze der Rundfunkordnung und -organisation unmittelbar aus dem Grundgesetz abzuleiten, wozu auch der elementare Grundsatz der Staatsferne des Rundfunks gehört. Die Anstalten der ARD wollten ihre Monopolstellung auf dem deutschen Fernsehmarkt durch die Schaffung eines unter ihrer Verantwortung stehenden zweiten Vollprogramms festigen, weshalb die Intendanten zunächst vereinbarten, entsprechende Vorkehrungen zu treffen. Allerdings entschieden die Ministerpräsidenten der Länder schon kurze Zeit später, dieses zweite Vollprogramm durch eine von der ARD unabhängige Fernsehanstalt ausstrahlen zu lassen. Dazu wurde am 6. Juni 1961 der Staatsvertrag über die Errichtung der Anstalt des öffentlichen Rechts Zweites Deutsches Fernsehen (ZDF) unterzeichnet. Die sich anschließenden siebziger Jahre waren durch Fragen betreffend die finanzielle, technische und organisatorische Weiterentwicklung des Rundfunks in der Bundesrepublik geprägt. Die allgemein schlechte wirtschaftliche Lage führte zur mehrmaligen Erhöhung der Rundfunkgebühr. Zudem bereitete die Frequenzknappheit des terrestrischen Bereichs Probleme. Durch das Umsatzsteuer-Urteil des Bundesverfassungsgerichts wurden auch zehn Jahre nach dem ersten Rundfunkurteil die dort aufgestellten Grundsätze für die Rundfunkordnung bestätigt. Auch in den achtziger Jahren wurde die Rundfunkordnung der Bundesrepublik durch zwei Rundfunkurteile geprägt. Gegenstand eines dieser Verfahren war die Gestattung der Veranstaltung deutschsprachiger Sendungen durch private Rundfunkveranstalter im Saarland. Das Bundesverfassungsgericht erklärte diese private Rundfunkveranstaltung in seiner dritten Rundfunkentscheidung zwar nicht für verfassungswidrig, statuierte für die Einführung jedoch hohe Anforderungen. Das Gericht hatte damit erstmals konkrete Vorgaben für die Zulassung privaten Rundfunks aufgestellt. Durch das Niedersachsen-Urteil wurde mit der Einführung des Begriffs der „Grundversorgung“ und der Übertragung dieser Aufgabe auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ein weiterer Baustein gesetzt. Daneben sind die Ausführungen zu den Grenzen staatlichen Einflusses beim Zugang zum privaten Rundfunk maßgeblich. Der Baden-Württemberg-Beschluss stärkte sodann die Rechte der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten im Rahmen der Grundversorgung und gestand ihnen das Recht zu, auch außerhalb der Grundversorgung mit den privaten Rundfunkveranstaltern zur Wahrung und Stärkung der Rundfunkfreiheit in publizistische Konkurrenz zu treten. Die Ausgestaltung der Rundfunkordnung durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts führte in der Folge zu einer medienpolitischen
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Einigung aller Bundesländer über das Rundfunkwesen Deutschlands. Am 1. Dezember 1987 trat der „Staatsvertrag über die Neuordnung des Rundfunkwesens“ in Kraft. Dieser enthielt vor allem Regelungen für das Nebeneinander von öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk in einer dualen Rundfunkordnung. Kern des 1991 ergangenen Nordrhein-Westfalen-Urteils ist die Anerkennung der Bestands- und Entwicklungsgarantie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Fortentwickelt wurde auch das Gebot der Staatsferne des Rundfunks. Das Urteil legte zudem die Grundlage für die Einzelheiten der Finanzierung des Rundfunks, welche Gegenstand der drei folgenden Rundfunkurteile sein sollten. Diese klärten vor allem Fragen der finanziellen Absicherung sowohl des privaten als auch des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, deren Stellung im dualen System sowie das Verfahren der Gebührenfestsetzung. Mit dem ersten gesamtdeutschen Rundfunkstaatsvertrag von 1991 erlangten die vom Bundesverfassungsgericht in den Rundfunkentscheidungen aufgestellten Grundsätze eine gesetzliche Grundlage, wenngleich diese durch die schon damals bestehende rasche Veränderung des Rundfunkwesens aufgrund des technischen Fortschritts stetiger Anpassung und Veränderung bedurften. Die HPRG-Entscheidung beschäftigte sich mit der Verfassungsmäßigkeit eines absoluten Beteiligungsverbots politischer Parteien an privaten Rundfunkunternehmen, welches das Gericht zwar mit Art. 5 Abs. 1 S. 2 i. V. m. Art. 21 Abs. 1 GG unvereinbar hielt, gleichwohl dem Gesetzgeber gestattete, die Beteiligung insoweit auszuschließen, als die Parteien einen bestimmenden Einfluss erhielten. Mit seinem vorerst letzten Rundfunkurteil hat das Bundesverfassungsgerichts neue Maßstäbe für die Besetzung der Rundfunkgremien statuiert und sehr umfassend die verfassungsrechtlichen Anforderungen an den Anteil staatlicher oder staatsnaher Mitglieder, die Voraussetzungen für die Annahme eines staatlichen Mitglieds, das Auswahl- und Entsendungsverfahren sowie Inkompatibilitätsregelungen und Transparenzvorschriften dargelegt. Die heute meist diskutierte Frage ist der Umgang mit der Konvergenz der Medien. Sie stellt eine Herausforderung für unsere Medienordnung dar, wobei zunehmend bezweifelt wird, ob sie dieser rasanten technischen Entwicklung noch gewachsen ist.
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2. Kapitel: Das Gebot der Staatsferne des Rundfunks A. Die Herleitung des Gebots der Staatsferne des Rundfunks Es besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass das Gebot der Staatsferne des Rundfunks mit dem Inhalt der Gewährleistung der Programmfreiheit der staatsunabhängigen Medien durch Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG in seiner subjektivabwehrrechtlichen Funktion zu gewährleisten ist. Der Grundsatz der Staatsferne des Rundfunks erschöpft sich jedoch nicht in dieser abwehrrechtlichen Funktion, sondern schließt zugleich aus, dass der Staat selber Rundfunk veranstaltet. Aus diesem Grund werden im Wesentlichen vier weitere Herleitungsstränge für das Gebot der Staatsfreiheit vertreten. Zum einen wird das Demokratieprinzip in den Ausprägungen des Prinzips der Volkssouveränität und des Gebots der Chancengleichheit bei der politischen Mitwirkung zur Deduktion herangezogen. Gerade die Betonung der demokratischen Funktion des Rundfunks als „Rückkoppelungskanal“ im öffentlichen Kommunikationsprozess bei der Herleitung des Gebots der Staatsfreiheit erscheint jedoch zu stark. Die Kommunikationsfreiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG weisen als Bezugspunkte nicht nur die politische Meinungsbildung auf. Vielmehr bedienen sie alle Aspekte der öffentlichen Meinungsbildung. Zudem statuiert das aus dem Demokratieprinzip abgeleitete Gebot der Volkssouveränität die behauptete Trennung von Rundfunk und Staat zum Schutz der freien Willensbildung des Volkes nicht. Vielmehr bestehen in einer Demokratie im Rahmen der Willensbildung Verflechtungen und Verschränkungen zwischen Volk und Staatsorganen. Nur noch vereinzelt wird auf den Grundsatz der Gewaltenteilung verwiesen. Würde man die Aufgabe des Rundfunks allerdings in der Unterstützung der Opposition bei der Regierungskontrolle erblicken, so wie es diese Ansicht befürwortet, liefe dies letztlich auch auf einen „Staatsrundfunk“ hinaus, was das Gebot jedoch gerade zu verhindern sucht. Es ist daher dem vielfaltsbezogenen Ansatz zu folgen. Den Kommunikationsfreiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG ist der Zweck der Herstellung von Meinungsvielfalt zur Ermöglichung umfassender freier öffentlicher und individueller Meinungsbildung gemein. Dem Rundfunk kommt in diesem Prozess als Medium und Faktor der öffentlichen Meinungsbildung eine exponierte Stellung zu. Soll der Rundfunk diesem übergeordneten Zweck dienen, so setzt dies neben der Vermeidung einseitigen Einflusses auf die öffentliche Meinungsbildung infolge der Zusammenballung publizistischer Macht die Staatsferne des Mediums voraus. Das Gebot der Staatsferne des
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Rundfunks ist daher neben der subjektiv-rechtlichen Komponente der Rundfunkfreiheit aus dem Pluralitätsgebot herzuleiten.
B. „Staat“ im Sinne des Gebots der Staatsferne des Rundfunks Wird das Gebot auch aus der subjektiv-rechtlichen Funktion der Rundfunkfreiheit abgeleitet und entfaltet es damit eine gegen den Staat im Sinne des Grundrechts gerichtete Abwehrfunktion, kann auch das Gebot der Staatsferne, das diese Funktion noch verstärkt, nur gegen die Grundrechtsverpflichteten gerichtet sein. Die Bestimmung der Adressaten richtet sich daher nach Art. 1 Abs. 3 GG.
C. Die Ausprägung des Gebots der Staatsferne des Rundfunks I. Der Inhalt des Gebots der Staatsferne des Rundfunks Der Kern des Schutzes des Gebots der Staatsferne des Rundfunks liegt im Verbot staatlicher Dominanz von Vermittlungsinhalten. Das Prinzip findet damit immer dann Anwendung, wenn es um den Einfluss des Staates auf die programmschaffende und meinungsbildende Funktion des Rundfunks geht. Der Grundsatz ist daher programmakzessorischer Natur.
II. Die Reichweite des Gebots der Staatsferne des Rundfunks Die Rechtsprechung zum Gebot der Staatsferne des Rundfunks zeigt, dass die Reichweite des Gebots sowohl sprachlich als auch inhaltlich divergierend interpretiert wird. So verwendet selbst das Bundesverfassungsgericht innerhalb ein und desselben Urteils verschiedene Begrifflichkeiten, die sich zum Teil in widersprüchlicher Weise gegenüberstehen. Die sonstige Rechtsprechung nimmt recht einheitlich eine restriktive Interpretation im Sinne eines Beherrschungs-, Auslieferungs- oder Dominanzverbots vor. Der Eindruck einer antagonistischen Rechtsprechung kann jedoch durch einen Blick auf die wesentlichen Einwirkungsmöglichkeiten des Staates auf den Rundfunk relativiert werden. Für die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks geht das Bundesverfassungsgericht davon aus, dass dem Staat nur ein geringer Einfluss
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bei der Gebührenentscheidung über die begrenzte Anzahl der Abweichungsmöglichkeiten zukommen soll, um der Gefahr, dass der Staat über den „goldenen Zügel“ der Finanzierung Einfluss auf die Programmgestaltung gewinnt, zu verhindern. Im Schrifttum hingegen kann kaum eine einheitliche Ansicht ausgemacht werden, wenngleich, bis auf einige Ausnahmen, die Teilnahme des Staates an der Gebührenfestsetzung an sich nicht in Frage gestellt wird. Die KEF als sachverständiges Gremium muss dabei rundfunkund politikfrei zusammengesetzt sein. Mit dieser Institution ist ein Gremium geschaffen, welches die Spannungslage zwischen Staatsferne und Staatsverantwortung wohl noch am ehesten auflösen kann. Solange die KEF nicht zu einem bloßen Hilfsorgan der Politik ohne jeden Einfluss avanciert, sind die dem Gesetzgeber zugebilligten Einflussmöglichkeiten zu akzeptieren. Weitergehende Rechte der Legislative würden hingegen zu einer Aufweichung der Kompetenzen der KEF sowie des Gebots der Staatsferne des Rundfunks führen. Das Bundesverfassungsgericht hat die Vereinbarkeit des Gebots der Staatsferne des Rundfunks mit einer staatlichen Zuständigkeit für die Vergabe von Übertragungskapazitäten nicht ausdrücklich verneint. Das Schrifttum hingegen erachtet nur eine staatsunabhängige Stelle für zulässig. Berücksichtigt man den vom Bundesverfassungsgericht vertretenen Ausschluss von staatlichen Wertungsspielräumen bei der Vergabeentscheidung, vollzieht die staatliche Stelle nur eine Entscheidung. Der Wille, die staatliche Entscheidungsinstanz ausschließlich zum Vollzugsorgan zu machen, darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich in der Praxis als schwierig erweisen mag, das Vergabeverfahren rechtlich so auszugestalten, dass der staatlichen Stelle keinerlei Wertungs- oder Handlungsspielräume hinsichtlich der Programmgestaltung bei ihrer Entscheidung zukommt. Allein eine Reservekompetenz kann jedoch schon dazu führen, dass sich die Rundfunkund Landesmedienanstalten angepasst verhalten. Die Wahl einer staatsunabhängigen Entscheidungsinstanz ist daher mit dem Gebot der Staatsferne des Rundfunks besser zu vereinbaren. Hinsichtlich der im Lizenzverfahren zu gewährleistenden Staatsferne muss von einem Ausschluss staatlichen Einflusses ausgegangen werden. Zwar hält das Bundesverfassungsgericht in seiner älteren Rechtsprechung eine staatliche Zulassungsbehörde noch mit dem Gebot der Staatsferne vereinbar, die Zulassungsentscheidung steht jedoch in einem so engen Zusammenhang mit der Programmgestaltung, dass ein mittelbarer Einfluss nicht ausgeschlossen werden kann. Die Frage nach dem zulässigen Einfluss des Staates über die Aufsicht des Rundfunks ist selten in der Praxis relevant geworden. Der Staat hat dafür Sorge zu tragen, dass die zur Gewährleistung der Rundfunkfreiheit geschaf-
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fenen Regelungen auch umgesetzt werden. Daher bedarf es der Rechtsaufsicht. Um andererseits aber dem Gebot der Staatsferne Rechnung zu tragen, findet diese Aufsicht wiederum ihre Grenzen in der Programmfreiheit. Die Einhaltung der Normen kann daher im Rahmen der Rechtsaufsicht nur insoweit beanstandet werden, wie der Einfluss auf die Programmgestaltung ausgeschlossen werden kann. Dem haben Aufsichtsmaßstab und -mittel Rechnung zu tragen. Im Übrigen sind die Normen nur auf evidente Verstöße hin zu überprüfen. Für die Haushaltskontrolle gilt, dass den Landesrechnungshöfen jeglicher Einfluss auf die Programmgestaltung versagt werden muss. Diese Beschränkung spiegelt sich im reduzierten Prüfungsumfang sowie der eingeschränkten Prüfungstiefe – reduziert auf eine Evidenzkontrolle – wieder. Für die interne Aufsicht der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gilt sowohl für das Besetzungsverfahren als auch die Zusammensetzung der Rundfunkgremien ein Beherrschungsverbot. Sollen alle unmittelbaren und mittelbaren staatlichen und parteipolitischen Einflüsse von der Rundfunkveranstaltung soweit ferngehalten werden, dass sich aus diesen kein beherrschender Einfluss ergibt, erfordert dies sowohl ein staatsfern ausgestaltetes Besetzungsverfahren als auch eine entsprechende Besetzung sowohl von Rundfunk- bzw. Fernsehrat als auch vom Verwaltungsrat. Allerdings schließt das Gebot eine angemessene Beteiligung des Staates nicht aus, spricht das Bundesverfassungsgericht doch ausdrücklich davon, dass keine strikte Trennung zwischen Rundfunk und Staat existiert. Es wäre daher verfehlt, in diesem Bereich anstatt von einem Gebot der Staatsferne von einem Gebot der Staatsfreiheit zu sprechen. Im Rahmen der Besetzung von Rundfunkgremien kann jedenfalls davon ausgegangen werden, dass die Anzahl staatlicher Vertreter auf eine Quote deutlich unter 50 % begrenzt werden muss. Das Bundesverfassungsgericht statuiert insoweit eine Quote, die ein Drittel der gesetzlichen Mitglieder nicht überschreiten darf. Ebenso wie die Verbindung zwischen unmittelbaren staatlichen Vertretern und den politischen Parteien nicht überbewertet werden darf, kann auch nicht die durch eine föderalistische oder sonstige politisch bedingte Brechung der Staatsmacht angenommene Neutralisierung des staatlichen Einflusses geltend gemacht werden. Denn die Intention des Gebots der Staatsferne des Rundfunks ist, staatlichen Einfluss als solchen zu verhindern bzw. in einem angemessenen Rahmen zu halten. Schließlich muss auch die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers berücksichtigt werden. Maßgeblich ist letztlich „eine wertende Gesamtbeurteilung aller relevanten Aspekte“. Dabei sind die den Staatseinfluss begründenden gegen die den Staatseinfluss neutralisierenden Belange abzuwägen. In diese Abwägung
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sind neben der Zahl der „Staatsvertreter“ und der ihr durch entsprechende Entsendungsverfahren zuzurechnenden, an sich nichtstaatlichen Vertreter die Aufgaben des jeweiligen Organs einzubeziehen. Ausgeschlossen ist nach der Rechtsprechung, dass der Staat sich an der Rundfunkveranstaltung beteiligt und damit unmittelbaren Einfluss auf das Programm bekommen würde. Dem Staat ist es daher nicht nur untersagt, auf staatsunabhängige Rundfunkunternehmen Einfluss zu nehmen, sondern darüber hinaus auch selbst als Veranstalter zu agieren.
D. Resümee Ausgangspunkt für die Bestimmung der Reichweite des Gebots der Staatsferne muss stets die Frage nach der Programmrelevanz des staatlichen Wirkens, mithin dem Grad der Beeinträchtigung der Programmfreiheit sein, denn äußerste Grenze des staatlichen Einflusses ist die Programmfreiheit. Staatliche Einflussnahme auf Auswahl, Inhalt, Gestaltung und Verbreitung des Programms, sei sie mittelbarer oder unmittelbarer Art, ist mit dem Gebot der Staatsferne unvereinbar. In dieser Hinsicht kann damit ein Einflussnahmeverbot angenommen werden. Sind die wirtschaftlichen Belange der Rundfunkanstalten betroffen, ist der Staatseinfluss nicht gänzlich ausgeschlossen. Ihm sind aber weitgehende Grenzen gezogen, um den mittelbaren Einfluss auf die Programmfreiheit zu unterbinden. Ebenso streng wird in der Rechtsprechung die Beteiligung von politischen Parteien am Rundfunk bewertet. Weitergehender Einfluss steht dem Staat nach der Rechtsprechung im Rahmen der Organisation des Rundfunkwesens zu, das heißt im Bereich der Aufsicht der Rundfunkgremien, der Vergabe von Frequenzen sowie der Zulassung. Hier kann man von einem Auslieferungs- und Beherrschungsverbot sprechen. Das Gebot kann folglich nicht eindimensional gedeutet werden, das heißt weder als ein striktes Einflussverbot noch als Beherrschungs- und Dominanzverbot. Die Reichweite ist von der Programmrelevanz abhängig und bietet mit diesem Maßstab eine gewisse Flexibilität.
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3. Kapitel: Das Parlament als Rundfunkveranstalter A. Das Parlament als Adressat des Gebots der Staatsferne des Rundfunks Als Staatsgewalt ist die Legislative zu den Adressaten des Gebots der Staatsferne des Rundfunks zu zählen.
B. Die Vereinbarkeit des Parlamentsfernsehens mit dem Gebot der Staatsferne des Rundfunks I. Art und Umfang des Parlamentsfernsehens Zunächst diente das Fernsehen nur der internen Übertragung von Plenarsitzungen, wird jedoch seit November 2000 auch der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Das Programm kann über das digitale Kabelnetz von Kabel Deutschland im Raum Berlin sowie über Satellit empfangen werden. Inhaltlich erfasste es zunächst neben den Übertragungen von Plenarsitzungen auch Interviews, Reportagen und eigene redaktionell gestaltete Beiträge. Mit der Versagung der Zulassung durch die ZAK hat der Bundestag die Beiträge auf die Übertragung von Plenarsitzungen und öffentlicher Ausschusssitzungen reduziert.
II. Einordnung des Angebots als Rundfunk Unter Rundfunk im Sinne des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG wird gemeinhin die für die Allgemeinheit bestimmte Veranstaltung und Verbreitung von Darbietungen aller Art in Wort, in Ton und in Bild unter Benutzung elektromagnetischer Schwingungen ohne Verbindungsleitung oder längs oder mittels eines Leiters verstanden. Für das Parlamentsfernsehen ist das Merkmal der Darbietung und die damit verbundene Frage der rundfunkspezifischen massenmedialen Wirkung von Interesse. Dabei ist umstritten, ob das Angebot tatsächlich die für den herkömmlichen Rundfunk vom Bundesverfassungsgericht angenommenen Eigenschaften der Breitenwirkung, Aktualität und Suggestivkraft oder lediglich die Eignung der daraus resultierenden Meinungsbildungsrelevanz aufweisen muss. Der Schutz der öffentlichen Meinungsbildung vor einseitiger gesellschaftlicher oder staatlicher Beeinträchtigung ist der Kern des Art. 5 Abs. 1 GG,
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sodass nur ausschließlich zur individuellen und öffentlichen Meinungsbildung geeignete (staatliche) Angebote dem Rundfunkbegriff unterfallen können. Es ist dabei aber ausreichend, dass das Angebot lediglich die Eignung zur Meinungsbildung aufweist. Dies ist ein Aspekt, der auf einfachrechtlicher Ebene zum Tragen kommt und eine Differenzierung hinsichtlich der Intensität der Regulierung rechtfertigt. Neben den offensichtlich redaktionell gestalteten Angeboten wird man auch für Direktübertragungen die Meinungsbildungsrelevanz bejahen können. Für die Meinungsrelevanz eines Angebots ist nicht erst eine Kommentierung des Programms notwendig. Denn in der Entscheidung für eine Sendung liegt stets die Entscheidung gegen eine andere Sendung, womit bereits eine gewisse Tendenz anzunehmen ist. Es ist daher zunächst einmal von dem Vorliegen unzulässigen Staatsrundfunks auszugehen.
III. Einfachrechtliche Ausgestaltung Auch einfachrechtlich sind die Merkmale des Rundfunkbegriffs im Sinne des § 2 RStV verwirklicht, womit für die Zulassung des Parlamentsfernsehens zur Zeit keine Rechtsgrundlage existiert. Umso mehr gilt es zu prüfen, ob das Verfassungsrecht eine solche Zulassung ermöglicht oder ihr entgegensteht.
IV. Rechtfertigung von Staatsrundfunk als zulässige Öffentlichkeitsarbeit? Ein Ansatz für die Zulässigkeit eines Parlamentsfernsehens wird im Schrifttum in der legislativen Öffentlichkeitsarbeit gesehen, deren Vorliegen zugleich die Merkmale eines verfassungswidrigen Staatsrundfunks ausschließe. So würde man für die von Behörden herausgegeben Druckerzeugnisse auch nicht von unzulässiger „Staatspresse“ sprechen. 1. Begriff der Öffentlichkeitsarbeit Die Öffentlichkeitsarbeit des Parlaments zählt zum entformalisierten bzw. informalen Staatshandeln und umfasst die Unterrichtung der Bevölkerung über vergangene, gegenwärtige sowie bevorstehende Tätigkeiten und Ziele einer staatlichen Stelle. Im Schwerpunkt handelt es sich zumeist um die Selbstdarstellung des Parlaments. Inhaltlich ist die Öffentlichkeitsarbeit auf die Darstellung der parlamentarischen Aktivitäten beschränkt; thematisch auf den Funktionskreis des Parlaments. Die Inhalte des Parlamentsfernse-
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hens tragen dazu bei, dem Bürger die Arbeitsweise des Parlaments zu verdeutlichen und über die parlamentarische Debatte und deren Hintergründe zu informieren. 2. Die Funktion und Legitimation der Öffentlichkeitsarbeit des Parlaments Ihre Legitimation findet die Öffentlichkeitsarbeit vor allem in den in Art. 20 GG verankerten Prinzipien der Demokratie und des sozialen Rechtsstaats. Rechtswissenschaft und Kommunikationswissenschaft sind sich einig, wenn sie die Öffentlichkeitsarbeit des Parlaments nicht nur für verfassungsrechtlich zulässig, sondern auch notwendig halten. 3. Grenzen der Öffentlichkeitsarbeit des Parlaments Über die Frage der Legitimation der Öffentlichkeitsarbeit des Bundestags hinaus sind die Grenzen staatlicher Aufgabenerfüllung zu bestimmen. Diese Grenzen ergeben sich aus der Stellung des Bundestags im gesamtstaatlichen Gefüge. Zwar kommt ihm innerhalb dessen die beschriebene Öffentlichkeitsfunktion zu, der Bundestag steht jedoch bei der Funktionserfüllung in keinem rechtsfreien Raum im Sinne einer unbeschränkten Parlamentssouveränität. Demnach setzt zulässige Öffentlichkeitsarbeit des Staates zum einen die Wahrung der Aufgaben- und Zuständigkeitsordnung des Grundgesetzes im Verhältnis zu den Ländern voraus. Zum anderen muss die Öffentlichkeitsarbeit auch inhaltliche Anforderungen wie das Neutralitätsgebot berücksichtigen. a) Zuständigkeit: Kompetenzordnung des Grundgesetzes Maßgeblich für die Zuständigkeit des Bundestags für ein solches Angebot sind die im ersten Rundfunkurteil aufgestellten Grundsätze zur Kompetenzordnung im Rundfunkbereich. Nach dieser Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts steht die Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenz für die Veranstaltung von Rundfunksendungen allein den Ländern zu. Die Regelungsmaterie „Öffentlichkeitsarbeit des Parlaments mittels Rundfunk“ entzieht sich darüber hinaus nicht der Kompetenzordnung der Art. 30, 70 ff., 83 ff. GG. Sie kann zum einen nicht auf Art. 42 GG gestützt werden, da ein solches Vorgehen die Kontrollfunktion der Norm unterlaufen würde. Zum anderen kommen auch nicht eine Kompetenz kraft Sachzusammenhang oder kraft Natur der Sache in Frage. Ebenso scheidet das amtliche
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Verlautbarungsrecht als Kompetenz aus, da ein solches Angebot nicht redaktionell gestaltet ist und nur bei Eintritt einer konkreten Not- oder Ausnahmesituation begründet wird. Schließlich kann auch keine Aufgabe als Kompetenzgrundlage herangezogen werden. Das Bundesverfassungsgericht hat zwar aus der Aufgabe der Staatsleitung für die Bundesregierung eine Kompetenz für die sogenannte regierungsamtliche Informationstätigkeit begründet. Gegen die Übertragung der Rechtsprechung auf den Fall des Parlamentsfernsehens muss allerdings vorgebracht werden, dass die besonderen Voraussetzungen (Informationsminus oder gesamtstaatliche Verantwortung) für das Parlamentsfernsehen nicht vorliegen. Gleiches gilt für die Aufgabe der Öffentlichkeitsarbeit, wenngleich diese auch eine staatliche Pressetätigkeit gestattet. Gegen eine Übertragung auf den Bereich des Rundfunks ist jedoch auf die nicht unerheblichen Unterschiede zwischen beiden Medien (Organisationsform und mediale Wirkung) hinzuweisen. Eine Kompetenz zur Veranstaltung eines Parlamentsfernsehens durch den Bundestag besteht somit nach aktueller Rechtslage nicht und kann auch nicht qua Bundesgesetz geschaffen werden. Es bedarf einer Änderung des Grundgesetzes, um die Zulässigkeit des Parlamentsfernsehens im Hinblick auf die Kompetenzordnung des Grundgesetzes herzustellen. b) Das Gebot der Neutralität Die Zulässigkeit der Öffentlichkeitsarbeit des Staates würde zudem die Verpflichtung zur Neutralität erfordern. Diese manifestiert sich in der Pflicht zur parteipolitischen, religiös-weltanschaulichen sowie zur Meinungsneutralität. Unabhängig von weiteren möglichen Grenzen hätte dieses Gebot zur Neutralität für das Parlamentsfernsehen eine Reduzierung des Angebots auf die Direktübertragungen zur Folge. c) Verstoß gegen das Gebot der Staatsferne des Rundfunks? Für die Frage, ob das Parlamentsfernsehen einen Verstoß gegen das Gebot der Staatsferne des Rundfunks darstellt, könnte man nun schlicht subsumieren, dass der Bundestag als Staatsgewalt ein Fernsehprogramm anbietet, mithin selbst als Rundfunkveranstalter auftritt und damit die aufgeworfene Frage zu bejahen ist. Andererseits ist das Bundesverfassungsgericht in der HPRG-Entscheidung dazu übergegangen, auch dem Gebot der Staatsferne des Rundfunks eine – wohlgemerkt grundrechtliche – Position gegenüberzustellen, um sodann
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beide zum Ausgleich zu bringen. Dem Bundestag kommt insoweit das Recht zur Öffentlichkeitsarbeit zu, womit bei der Abwägung die Frage im Vordergrund steht, ob das Verbot, den Rundfunk zu Zwecken der Öffentlichkeitsarbeit zu nutzen, eine unangemessene Beeinträchtigung der Aufgabe der Öffentlichkeitsarbeit darstellt, die vor dem Hintergrund des Schutzes des Gebots der Staatsferne des Rundfunks nicht zu rechtfertigen ist. Zwar sind die im Abwägungsprozess zu berücksichtigenden Belange, wie etwa das Bedürfnis des Staates, seine Mediennutzung im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit dem Wandel der Medienlandschaft anzupassen, durchaus nachvollziehbar. Das Parlamentsfernsehen konterkariert allerdings den absolut zu schützenden Kern des Gebots, die Programmfreiheit. Wie gezeigt ist trotz des abgestuften Schutzkonzepts ausgeschlossen, dass ein Staatsorgan als Rundfunkveranstalter installiert wird. Ein Ausgleich im Sinne des Versuchs, sowohl dem Öffentlichkeitsgebot des Bundestags als auch dem Gebot der Staatsferne des Rundfunks gerecht zu werden, ist nicht möglich. Die Friktionen zwischen beiden Geboten müssen hingenommen werden.
C. Resümee Der Veranstaltung eines Parlamentsfernsehens durch den Bundestag fehlt es damit nicht nur an einer Bundeskompetenz. Ein solches Rundfunkangebot würde auch gegen das Neutralitätsgebot – soweit es sich um ein umfassend redaktionell gestaltetes Programm handelt – und im Übrigen gegen das Gebot der Staatsferne des Rundfunks verstoßen. Das Parlamentsfernsehen stellt mithin keine zulässige Form der Öffentlichkeitsarbeit des Parlaments, sondern vielmehr eine unzulässige Rundfunkveranstaltung dar und ist daher mit dem Grundgesetz unvereinbar.
4. Kapitel: Die Angebote der Bundesregierung im Internet A. Die Bundesregierung als Adressatin des Gebots der Staatsferne des Rundfunks Die Bundesregierung ist als Teil der Exekutive Adressatin des Gebots der Staatsferne des Rundfunks. Ebenso ist die den einzelnen Ministern unterstellte hierarchisch gegliederte Verwaltung erfasst. Sie sind zur Ausübung staatlicher Macht berufen und unterliegen daher dem Gebot.
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B. Die Vereinbarkeit der Angebote mit dem Gebot der Staatsferne des Rundfunks Die über das Internet verbreiteten Angebote können nicht ohne Weiteres als Rundfunkangebote im Sinne des Grundgesetzes eingeordnet werden. Daneben sind auch die Strukturen dieses Marktes nicht in allen Belangen mit dem klassischen Rundfunkmarkt vergleichbar, sodass die Übertragung des Gebots, so wie es im klassischen Sinne verstanden wird, rechtfertigungsbedürftig ist.
I. Art und Umfang der Angebote im Internet Das Internet kann in seiner Gesamtheit nicht die Merkmale des Rundfunkbegriffs erfüllen. Es ist kein Medium, sondern lediglich ein Verbreitungsweg für verschiedene Medien. Das Internet stellt eine Plattform für Angebote dar, die für sich gesehen in den Schutzbereich der Kommunikationsfreiheiten des Art. 5 GG fallen können. Die Bundesregierung stellt auf ihrer Website der Öffentlichkeit Pod- bzw. Vodcasts – auch in Form des Livestreamings – zur Verfügung. Des Weiteren betreiben sowohl die Bundesregierung als auch die einzelnen Bundesministerien einen YouTube-Kanal. Ebenso wird die Kommunikationsplattform Twitter von der Bundesregierung genutzt.
II. Die Einordnung der Angebote als Rundfunk 1. Notwendigkeit einer Internetdienstefreiheit? Der Einordnung der genannten Angebote in den Schutzbereich der Rundfunkfreiheit muss die Frage voran gestellt werden, ob diese nicht von einer speziellen – im Schrifttum vorgeschlagenen – „Internetdienstefreiheit“ erfasst sind. Die von Holznagel und Schumacher vorgeschlagene Innovation der Kommunikationsfreiheiten des Art. 5 GG sieht eine eigenständige Internetdienstefreiheit vor, die speziell auf die Besonderheiten der „many-tomany“-Kommunikation im Internet reagieren könne. Dies ist jedoch abzulehnen. Zwar fällt die Differenzierung zwischen Rundfunk, Presse und Film zunehmend schwerer. Gerade das Internet hat zu dieser Entwicklung beigetragen. Diese Probleme hat die Rechtsprechung jedoch schon früh insbesondere hinsichtlich der Interpretation des Rundfunkbegriffs erkannt und seitdem stets betont, dass sich ein allgemeingültiges Verständnis für den Rundfunkbegriff verbiete. Vielmehr sei
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dieser entwicklungsoffen. Eine enge Interpretation des Rundfunkbegriffs mit der Folge der Ausgliederung nicht linearer Angebote dürfte daher nicht notwendig sein. 2. Die Einordnung von Vod- und Podcasts a) Video-on-Demand Die Vod- und Podcasts der Bundesregierung weisen Parallelen zu Fernsehen und Hörfunk auf. Die aus Wort-, Bild- und Tonbeiträgen bestehenden Angebote sind an die Allgemeinheit gerichtet und werden fernmeldetechnisch verbreitet. Probleme werden bei der Abgrenzung von Massen- und Individualkommunikation sowie der massenmedialen Wirkung dieser Angebote gesehen. Zwar ist zu konstatieren, dass die Rezeptionsoptionen in zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht weiter sind als beim Fernsehen oder Hörfunk. Diese Optionen gehen jedoch nicht soweit, dass der Rezipient über das insgesamt zur Verfügung gestellte Angebot bestimmen kann. Für das Video-on-Demand ist daher zunächst festzuhalten, dass es sich nicht um Individual-, sondern um Massenkommunikation handelt. Die Annahme, dem Video-on-Demand müsse mangels massenmedialer Wirkung generell die Rundfunkeigenschaft abgesprochen werden, kann nicht aufrecht erhalten werden. Vielmehr muss im Einzelfall entschieden werden, ob dem Angebot die massenmediale Wirkung eines herkömmlichen Rundfunkangebots zukommen kann, wobei jedoch keine hohen Anforderungen an diese Eignung gestellt werden können. Die exemplarisch untersuchten Angebote der Bundesregierung unterfallen dem Rundfunkbegriff des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG. Keine Zweifel bestehen hinsichtlich der Eigenschaft als Massenkommunikation. Die Angebote sind an einen unbestimmten Nutzerkreis gerichtet, dem keinerlei Möglichkeit zukommt, an die Position des Kommunikators zu treten. Die unter dem Darbietungsmerkmal des verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriffs diskutierte Eignung zur Meinungsrelevanz wird bei den exemplarisch herausgestellten Angeboten nicht zu verneinen sein. Selbst wenn man eine redaktionelle Gestaltung der Angebote für erforderlich hält, weisen zum Beispiel die Videobotschaften der Kanzlerin entsprechende Merkmale auf. Darüber hinaus finden sich bereits Ansätze der Gestaltung eines – wohlgemerkt rundfunkähnlichen – Gesamtprogramms. Im Ergebnis sind daher die Voraussetzungen des verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriffs zu bejahen.
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b) Livestreaming Diese Angebote unterscheiden sich lediglich durch die Übertragungstechnik, stellen aber im Übrigen einen bloßen „Komplementär-Verteilweg“ zum Fernsehen oder Hörfunk dar. 3. Die Einordnung des Youtube-Kanals der Bundesregierung In Bezug auf den YouTube-Kanal der Bundesregierung ist die Eigenschaft als Rundfunkveranstalterin von Interesse, da die Beiträge der Bundesregierung in eine fremde Plattform integriert werden. Es ist allerdings zu konstatieren, dass YouTube nur die Funktion des Ausstrahlens zukommt, wenn man die Plattform mit einem herkömmlichen Rundfunkangebot vergleichen möchte. Die durch den Nutzer der Plattform eingeräumten Rechte betreffen sodann erst die weitere Nutzung, die im Vergleich mit einem herkömmlichen Rundfunkangebot ungewöhnlich weit sind, sie ändern jedoch nicht die Stellung der Bundesregierung als Rundfunkveranstalterin. 4. Die Einordnung von Twitter Twitter kann zwar weder eindeutig der Massen- noch der Individualkommunikation zugeordnet werden, da der Mikroblogging-Dienst Elemente beider Kommunikationsformen enthält. Die Eigenschaften des besonders schnellen Verbreitens einer Nachricht an einen quasi unbestimmten Empfängerkreis sowie die Möglichkeit über Textnachrichten hinaus auch Bilder und Videos versenden zu können, erzeugen jedoch die für den verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriff notwendige potenzielle Meinungsbildungsrelevanz. Twitter ist daher Rundfunk im Sinne des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG.
III. Die Umsetzung des Gebots für Rundfunkangebote im Internet 1. Notwendigkeit der Staatsferne für Rundfunkangebote im Internet Vielfach wird vom Internet als vielfältigem Medium par excellence gesprochen, bei dem die Umsetzung der vom Bundesverfassungsgericht für den Rundfunk aufgestellten Anforderungen nicht als notwendig erachtet wird.
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Nach einem Blick auf die strukturellen Gegebenheiten des klassischen Rundfunks, des Internets sowie der Situation der Presse ist auch zu konstatieren, dass trotz vielfaltsmindernder Aspekte momentan die strukturelle und inhaltliche Vielfalt des Internets stärker ist als beim herkömmlichen Rundfunk. Allerdings zeichnen sich bereits jetzt Konzentrationstendenzen dahingehend ab, dass die Meinungsbildung auch im Internet von den klassischen Medien dominiert wird, wenngleich dies noch nicht zu einer bedenklichen Aufweichung der Vielfalt führt. Die Strukturen des Internets führen jedoch dazu, dass ein – um es mit vielleicht zu drastischen Worten auszudrücken – Machtmissbrauch potenziell möglich ist. Unter dem Gesichtspunkt der Vielfalt der Angebote weist das Internet deutlich mehr Ähnlichkeiten zum Presse- als zum Rundfunkmarkt auf. Diese Ähnlichkeit sowie die Wertigkeit, die das Bundesverfassungsgericht dem Aspekt der Vielfalt zumisst, muss folglich auch bei der Bewertung der Notwendigkeit einer Regulierung von Rundfunkangeboten sowie der Frage der Notwendigkeit des Gebots berücksichtigt werden. Trotz des vielfältigen Angebots auf dem Pressemarkt besteht gleichsam dem Rundfunk ein Gebot der Staatsferne der Presse. So schließt das Gebot aus, dass der Staat unmittelbar oder mittelbar Presseunternehmen beherrscht, die nicht lediglich Informationspflichten öffentlicher Stellen erfüllen. Das heißt, selbst für das vielfältige Medium Presse kann ein staatliches Betätigungsverbot bestehen, sodass die Vielfältigkeit eines Mediums allein nicht dazu führt, dem Staat eine freie Betätigung auf diesem Markt zu gestatten. Es ist daher auch für Rundfunkangebote im Internet nicht von der Geltung des Gebots der Staatsferne an sich abzusehen. 2. Die Umsetzung des Gebots der Staatsferne des Rundfunks Die bloße Geltung des Gebots für Angebote im Internet erlaubt jedoch noch keine Aussage über dessen Reichweite. Auch hier müssen die speziellen Strukturen des Internets berücksichtigt und das Gebot der Staatsferne des Rundfunks fortentwickelt werden. Gleichzeitig darf nicht aus den Augen verloren werden, dass die heutige Medienlandschaft einer viel stärkeren Dynamik unterliegt, als dies noch vor 30 Jahren der Fall war. Die Bestimmung der Reichweite des Gebots muss daher auch Raum für weitere heute noch nicht absehbare Entwicklungen lassen.
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a) Ansatz im Schrifttum Der von Jensen vertretene Ansatz sieht vor, das Gebot wie beim klassischen Rundfunk umzusetzen. Das heißt die Regierung, aber auch jeder andere Hoheitsträger, unterliegt einem weitgehenden Betätigungsverbot. Ein Verstoß gegen das Gebot der Staatsferne des Rundfunks stellt damit die Verbreitung aller Angebote dar, die als Rundfunk im Sinne des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG einzuordnen sind. b) Eigener Ansatz Vor dem Hintergrund, dass das Bundesverfassungsgericht die Notwendigkeit des Gebots der Staatsferne des Rundfunks neben der Rolle des Mediums für die freie und öffentliche Willens- und Meinungsbildung auch an tatsächlichen Gegebenheiten des Rundfunks festmacht, überzeugt eine schlichte Übertragung der Reichweite des Gebots auf die Angebote im Internet nicht. Aufgrund der vergleichbaren Strukturen zur Presse ist eine Übertragung des Gebots der Staatsferne der Presse auf Rundfunkangebote im Internet zu befürworten. Die Rundfunktätigkeit muss daher den Aufgabenbezug wahren, sich auf eine subsidiäre Rolle beschränken, nicht hingegen auf eine redaktionelle Gestaltung verzichten. Damit bedarf es auch für ein Vodcast der Eröffnung einer Aufgabe, wobei auch zu konstatieren ist, dass es sich zumeist um Selbstdarstellung des entsprechenden Hoheitsträgers handeln und dem staatlichen Beitrag regelmäßig auch im thematischen Zusammenhang nur eine untergeordnete Rollen zukommen wird. c) Weitere verfassungsrechtliche Grenzen? Das Gebot der Staatsferne des Rundfunks wird für den Internetmarkt somit deutlich aufgeweicht, indem schon die Tätigkeit an sich erlaubt und so das absolute Funktionsverbot aufgehoben wird. Zu bedenken ist allerdings, dass ein Staatsorgan programmgestaltend tätig werden darf. Werden die materiellen Grenzen des Gebots überschritten, so ist dies sogleich mit einem Eingriff in dem für den klassischen Rundfunk äußerst sensiblen Bereich der Programmgestaltung verbunden. Es liegt daher der Gedanke nicht fern, auch für Rundfunkangebote von Hoheitsträgern im Internet eine Pflicht zu konstruieren, durch die das Vorliegen der materiell-rechtlichen Voraussetzungen offengelegt werden muss. Eine Begründungspflicht für die staatliche Internettätigkeit könnte dafür Sorge tragen, dass die Transparenz staatlichen Handelns hergestellt wird.
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Allein die Sinnhaftigkeit der Regelung macht sie jedoch noch nicht verfassungsrechtlich geboten. Die Annahme einer solchen Verpflichtung ist schwierig, weil der Gesetzgeber kein Vollzugsorgan der Verfassung ist. Bei der Erfüllung der materiellen Wertentscheidungen der Verfassung zugunsten bestimmter Ziele und Grundsätze steht ihm ein eigener und vor allem weiter Handlungsspielraum zu. Die Normierung einer Begründungspflicht wäre daher nur dann geboten, wenn andernfalls diese Funktionsfähigkeit nicht mehr sichergestellt werden könnte. Die Transparenz im Rahmen des Meinungsbildungsprozesses herzustellen und damit das Demokratieprinzip zu wahren, kann jedoch nicht nur durch eine Begründungspflicht erreicht werden. Aus der Verfassung ergibt sich daher keine zwingende Normierung.
C. Resümee Das Gebot der Staatsferne des Rundfunks findet damit auf Rundfunkangebote der Regierung im Internet Anwendung, wobei diese Ausführungen für alle Staatsorgane als Adressaten des Gebots gelten. Allerdings entspricht die Reichweite des Gebots, so wie sie beim klassischen Rundfunk verstanden wird, nicht in Gänze den Realitäten des Internets. Aus diesem Grund ist die Reichweite in der Weise anzupassen, dass sie sich diesbezüglich am Gebot der Staatsferne der Presse orientiert. Eine darüber hinaus gehende Begründung bzw. Darlegung dieser Vorgaben für staatliche Rundfunkangebote im Internet ist zwar verfassungsrechtlich zulässig, aber nicht geboten und fällt so in den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers.
5. Kapitel: Die Rundfunkbeteiligung politischer Parteien Im Sinne des Gebots der Staatsferne des Rundfunks sind politische Parteien nicht dem staatlichen Bereich und damit auch nicht dem Adressatenkreis des Gebots zuzuordnen. Schon der Status der politischen Parteien spricht gegen ihre Adressatenstellung. Das Grundgesetz geht von einem gesellschaftlichen Charakter der Parteien aus, was sich bereits der Entstehungsgeschichte entnehmen lässt. Zudem ist zu bedenken, dass Parteien Vereinigungen von gleichgesinnten Bürgern sind und daher gesellschaftlichen Gruppen ähneln. Sie werden aus der Gesellschaft heraus gebildet. Wenngleich der Einfluss anderer gesellschaftlicher Gruppen zur Willensbildung des Staates auch wesentlich geringer ausgeprägt ist als bei den Parteien, muss dieser als Konsequenz der Entscheidung des Grundgesetzes für eine parlamentarisch-repräsentative Demokratie und der damit verbundenen zentralen Rolle der politischen
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Parteien hingenommen werden. Berücksichtigung muss zudem der Grundsatz der Staatsfreiheit der Parteien finden. Die Parteien müssen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vom Staat unabhängig, das heißt staatsfrei sein. Fragen wirft die Annahme einer Adressatenstellung der Parteien auch vor dem Hintergrund einer anderen Vorgehensweise bei der Pressefreiheit auf. Der Grundsatz der Staatsferne der Presse wird im Gegensatz zum Rundfunk nicht auf die Parteien erstreckt. Im Bereich der Presse gelten die Parteien ganz unstreitig als gesellschaftliche Kommunikatoren. Als Ausdruck des medienübergreifenden Grundsatzes der Staatsfreiheit der Medien liegt eine differenzierende Auslegung der Adressatenstellungen beider Grundsätze jedoch fern. Den „Staat“ im Sinne des Gebots der Staatsferne der Presse anders zu verstehen als beim Gebot der Staatsferne des Rundfunks, wäre nicht nachvollziehbar.
6. Kapitel: Das gemischtwirtschaftliche Unternehmen als Rundfunkveranstalter unter besonderer Berücksichtigung der Deutschen Telekom AG A. Aktueller Anlass Die Deutsche Telekom AG (DTAG), an der die Bundesrepublik Deutschland zu ca. 30 % beteiligt ist, hat im Sommer 2012 um die Fernsehrechte der Bundesliga geboten. In der Öffentlichkeit hat dieses Vorgehen eine breite Diskussion um die Lizenzfähigkeit der Aktiengesellschaft hervorgerufen, insbesondere über die Frage, ob die Telekom als „Staatsunternehmen“ überhaupt eine solche privatwirtschaftliche Tätigkeit wahrnehmen darf.
B. Begriffserläuterung Unter dem Begriff des gemischtwirtschaftlichen Unternehmens werden solche Unternehmen zusammengefasst, an denen neben der öffentlichen Hand auch Private beteiligt sind, das heißt es handelt sich dabei um Kapitalgesellschaften, deren Kapitalanteile von staatlichen Einheiten und Privaten gehalten werden. Bei Letzteren kann es sich sowohl um Privatpersonen als auch um juristische Personen des Privatrechts handeln. Gemischtwirtschaftliche Unternehmen agieren in allen Wirtschaftsbereichen, vor allem in der Daseinsvorsorge, aber auch wie die DTAG im Medienbereich.
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C. Gemischtwirtschaftliche Unternehmen als Adressaten des Gebots der Staatsferne des Rundfunks Entsprechend der oben aufgestellten Grundsätze sind gemischtwirtschaftliche Unternehmen dann als Adressaten des Gebots der Staatsferne des Rundfunks anzusehen, wenn sie der Grundrechtsbindung unterliegen.
I. Das Verhältnis von Adressatenstellung und Grundrechtsfähigkeit Für den Fall der DTAG hat nicht nur die Frage nach deren Grundrechtsfähigkeit Anlass zu Diskussionen gegeben. Darüber hinaus besteht auch Unklarheit darüber, in welchem Verhältnis Grundrechtsfähigkeit und Adressatenstellung zueinander stehen. Es bedarf daher einer Klärung, ob die Grund rechtsfähigkeit zwingend zum Ausschluss aus dem Adressatenkreis des Gebots führt. Im Schrifttum haben sich diesbezüglich zwei Ansichten gebildet. Gersdorf geht von einer Alternativität zwischen Grundrechtsfähigkeit und Adressatenstellung aus. Juristische Personen des Privatrechts, die grundrechtlichen Schutz genössen, könnten nicht dem Anwendungsbereich des Grundsatzes der Staatsfreiheit des Rundfunks unterfallen. Die Grundrechtsfähigkeit habe zur Folge, dass sie sich auch auf Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG berufen könnten und ihnen so der Schutz des Grundrechts umfassend zustehe. Säcker hingegen vertritt die Ansicht, dass aus der Grundrechtsfähigkeit nicht zwingend die Rundfunkfähigkeit folge und aus der Grundrechtsunfähigkeit auch nicht die Rundfunkunfähigkeit. Die Grundrechtsfähigkeit allein sichere noch nicht die Staatsfreiheit. Das Bundesverfassungsgericht nimmt eine funktionale Betrachtungsweise vor, nach der maßgeblich ist, ob eine Person handele, die staatlich-politische Entscheidungsmacht inne habe oder im Wettbewerb um ein hierauf gerichtetes öffentliches Amt oder Mandat stehe und insoweit in besonderer Weise auf die Zustimmung einer breiteren Öffentlichkeit verwiesen sei. Die Staatsferne des Rundfunks ist zur Verwirklichung der freien Meinungsbildung anzustreben. Im Mittelpunkt steht daher die Sicherung des freien Meinungsbildungsprozesses. Insoweit besteht kein Unterschied zur Rundfunkfreiheit, denn diese dient der freien, individuellen und öffentlichen Meinungsbildung. Rundfunkfreiheit und das Gebot der Staatsferne des Rundfunks zielen damit in dieselbe Richtung. Dass das Gebot der Staatsferne des Rundfunks den Prozess der Meinungsbildung in personeller Hinsicht
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stärker zu schützen sucht, drängt sich hingegen nicht auf. Wie bereits gezeigt, spricht gegen eine solche Annahme auch die Herleitung des Gebots. Darüber hinaus bestätigt auch ein Vergleich der Bestimmung des Adressatenkreises im Übrigen die Alternativität von Grundrechtsfähigkeit und Zugehörigkeit zum Adressatenkreis. So wird bei der Verneinung der Adressatenstellung u. a. von Kirchen und Hochschulen auch auf deren Grundrechtsfähigkeit abgestellt. Anlass, bei den gemischtwirtschaftlichen Unternehmen anders vorzugehen, besteht daher nicht. Es ist daher letztlich nicht ersichtlich, dass Grundrechtsfähigkeit und Adressatenstellung parallel zueinander existieren können. Das Gebot der Staatsferne des Rundfunks findet dann auf gemischtwirtschaftliche Unternehmen Anwendung, wenn sie grundrechtsgebunden sind.
II. Die Grundrechtsbindung gemischtwirtschaftlicher Unternehmen Maßgeblich für die Grundrechtsbindung juristischer Personen ist Art. 1 Abs. 3 GG. Die Grundrechte binden mithin vollziehende Gewalt, Gesetzgebung und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht. Sie binden die staatliche Gewalt nicht nur für bestimmte Bereiche, Funktionen oder Handlungsformen staatlicher Aufgabenwahrnehmung, sondern umfassend und insgesamt. Die Grundrechtsbindung betrifft – so das Bundesverfassungsgericht – auch gemischtwirtschaftliche Unternehmen, wenn diese von der öffentlichen Hand beherrscht werden. Dies sei in der Regel dann der Fall, wenn mehr als die Hälfte der Anteile im Eigentum der öffentlichen Hand stünden. Insoweit könne grundsätzlich an entsprechende zivilrechtliche Wertungen angeknüpft werden, etwa §§ 16, 17 AktG oder Art. 2 Abs. 1 lit. f) der Transparenzrichtlinie 2004/109/EG. Maßgeblich seien in erster Linie aber nicht die konkreten Einwirkungsbefugnisse hinsichtlich der Geschäftsführung, sondern die Gesamtverantwortung für das jeweilige Unternehmen. Vertreten werden zudem ein aufgabenbezogener sowie ein an die Rechtsform anknüpfender Ansatz. Schwächen weisen alle Ansätze zur Bestimmung der Grundrechtsbindung auf. Die Rechtsform allein kann der Gefahr einer „Flucht ins Privatrecht“ nicht angemessen begegnen. Allenfalls kann ihr daher eine indizielle Bedeutung zukommen. Auch der Aufgabenansatz kann nicht in Gänze überzeugen. Vor allem zeigen sich Probleme in der Konkretisierung des Begriffs der öffentlichen Aufgabe. Die Schwächen des Beherrschungsansatzes wurzeln vor allem in der Komplexität der zu untersuchenden Prozesse.
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Aufgrund der Unsicherheiten und Schwächen, die die aufgezeigten Kriterien mit sich bringen, wird auf eine wertende Gesamtschau der verschiedenen Aspekte zurückgegriffen.
III. Die Grundrechtsbindung der DTAG 1. Rechtsform- und Aufgabenansatz Die Deutsche Telekom wird in privatrechtsförmiger Organisation als Aktiengesellschaft betrieben. Zudem nimmt die DTAG keine öffentliche Aufgabe wahr, vielmehr ist in Art. 87f Abs. 2 S. 1 GG das privatwirtschaftliche Handeln der Aktiengesellschaft festgelegt. Dieses Privatisierungsgebot wird daher in Teilen des Schrifttums als Herauslösung aus der vollziehenden Gewalt im Sinne des Art. 1 Abs. 3 GG verstanden, womit der DTAG als Nachfolgeunternehmen der Bundespost keine Grundrechtsbindung auferlegt wird. 2. Beherrschung Der Blick allein auf die Beteiligung des Staates an der DTAG kann noch keinen beherrschenden Einfluss begründen. Die Beteiligung mit 31,98 % liegt weit unter dem Mehrheitsbesitz und vermag daher das Unternehmen noch nicht zu einem staatlichen machen. Berücksichtigung müssen jedoch auch die faktischen Möglichkeiten der Einflussnahme finden. Mit einem Kapitalbesitz von knapp einem Drittel besitzen die beiden staatlichen Anteilseigner zwar noch keine Mehrheit in der Hauptversammlung. Die Geschäftsberichte der Hauptversammlungen der letzten sieben Jahre zeigen jedoch, dass der staatliche Anteilseigner in keinem Jahr bei den Beschlüssen der Hauptversammlung auf die anderen Aktionäre angewiesen war. Vielmehr waren sämtliche Beschlüsse, die mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen zu treffen waren, allein von den staatlichen Anteilseignern abhängig, da der Staat stets eine Hauptversammlungsmehrheit hatte. Nach aktienrechtlichen Kriterien wird die DTAG daher vom Staat beherrscht. Die DTAG würde damit auch dem Adressatenkreis des Gebots der Staatsferne des Rundfunks angehören. Im Schrifttum und in der Rechtsprechung wird nun aber unter Bezugnahme auf Art. 87f Abs. 2 S. 1 GG und die dort statuierte Privatisierung die Grundrechtsberechtigung der DTAG und die damit einhergehende Aufhebung der Grundrechtsbindung erklärt. Allerdings darf die Bedeutung des Art. 87f GG nicht überhöht werden. Art. 87f Abs. 2 S. 1 GG gewährt der DTAG nicht mehr, aber auch nicht
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weniger als eine gegen den Bund gerichtete wehrfähige Rechtsposition bei der unternehmerischen Aufgabenerfüllung. Die vorgetragene weite Interpretation der Norm, verbunden mit der Zuerkennung eines verfassungsrechtlich gewährleisteten Autonomiebereichs, welcher ausschließt, dass der Staat bestimmenden Einfluss auf die Unternehmensführung erlangt, kann der Norm nicht entnommen werden. Sie weist lediglich eine Ordnungsfunktion auf. Zudem kann Art. 87f GG nicht ohne Weiteres dazu führen, dass die Frage der Grundrechtsbindung oder -berechtigung unabhängig von den Wertungen des Art. 1 Abs. 3 GG erfolgt. Zusammen mit Art. 20 Abs. 2 GG statuiert Art. 1 Abs. 3 GG als „Schlüssel- und Leitnorm“ die elementaren Maßgaben demokratisch rechtsstaatlicher Aufgabenwahrnehmung. Eine Pauschalisierung mit der Folge, dass man beispielsweise auch Eigengesellschaften die Grundrechtsberechtigung zusprechen müsste, könnte nur dann in Betracht kommen, wenn Art. 87f Abs. 2 S. 1 GG die Bestimmung der Grundrechtsbindung nach Art. 1 Abs. 3 GG modifizieren bzw. eine Ausnahme zu dieser Norm bilden sollte. Dies ist jedoch weder im Wege der Auslegung der Norm noch aus dem Gesetzgebungsverfahren ersichtlich und müsste als derart grundlegende Frage auch ausdrücklich vom Verfassungsgeber geregelt werden. Für die Bestimmung der Grundrechtsbindung der DTAG als Nachfolgeunternehmen der Deutschen Bundespost kann daher nicht die durch Art. 87f Abs. 2 S. 1 GG gewährte Rechtsposition entscheidend sein. Maßgeblich ist das Merkmal der Beherrschung entsprechend des Aktien- und Konzernrechts. Als nach diesen Maßstäben durch den Staat beherrschtes Unternehmen unterliegt die DTAG der Grundrechtsbindung. Sie gehört damit dem Adressatenkreis des Gebots der Staatsferne des Rundfunks an, mit der Konsequenz, nicht als Rundfunkveranstalterin tätig werden zu können.
IV. Resümee Gemischtwirtschaftliche Unternehmen sind dann als Adressaten des Gebots der Staatsferne des Rundfunks anzusehen, wenn sie der Grundrechtsbindung unterliegen. Dies ist dann der Fall, wenn das Unternehmen von seinem staatlichen Anteilseigner beherrscht wird. Davon wird nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ausgegangen, wenn der Staat den mehrheitlichen Besitz der Unternehmensanteile inne hat. Aber auch für den Fall der Minderheitsbeteiligung kann im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung von einer Grundrechtsbindung ausgegangen werden, wenn jene so ausgestaltet ist, dass letztlich eine staatliche Tätigkeit
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mit privater Beteiligung vorliegt. Zu diesem Zweck können auch die aktienund konzernrechtlichen Regelungen herangezogen werden.
D. Die Wahrung der Staatsferne durch Entherrschungsverträge Der Abschluss eines aktienrechtlichen Entherrschungsvertrags zwischen dem gesellschaftsrechtlich beherrschten Unternehmen und einem staatlichen Anteilseigner kann die nötige Staatsferne des Rundfunkveranstalters nicht herstellen, da der Entherrschungsvertrag nicht den Anforderungen des Gebots an das Niveau der zu gewährleistenden Staatsferne entspricht.
E. „Staatssponsoring“ von privaten Rundfunkveranstaltern Dem Staat ist es grundsätzlich gestattet, an private Rundfunkveranstalter Fördermittel zu vergeben. Dabei darf die Vergabe nicht an Meinungsinhalten, sondern lediglich an meinungsneutralen Kriterien orientiert sein. Zudem dürfen die Mittel nicht zweckgebunden vergeben werden, denn die Ausübung der Rundfunkfreiheit darf nicht zu einem Vollzug eines vorgegebenen Programms führen.
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Sachwortverzeichnis Adenauer, Konrad 35 Adressat des Gebots der Staatsferne 83 –– Bundesregierung 198 –– Bundestag 140 –– Deutsche Telekom AG 292 –– Gemeinden 276 –– Gemischtwirtschaftliche Unternehmen 272 –– Hochschulen 276 –– Kirchen 276 –– Politische Parteien 255 –– Verhältnis zur Grundrechtsfähigkeit 272 ARD 33 Aufgabenverteilung zwischen Staat und Gesellschaft 182 Aufsichtsgremien 109 –– Landesmedienanstalten 124 –– Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten 110 Ausgestaltungsauftrag 53, 65, 180 Ausprägung des Gebots der Staatsferne 84 Außenpluralismus 46 AVMD-Richtlinie 153 Bausch, Hans 28 Bayerischer Rundfunk (BR) 32 Bedarfsanmeldung 62 Begründungspflicht für Rundfunkangebote –– Gebotenheit 251 –– Internetangebote 247 –– Verfassungsrechtliche Grundlage 248 –– Zulässigkeit 250 Beihilfekompromiss 68
Berlusconi, Silvio 21 Besatzungsmächte 30 Bestands- und Entwicklungsgarantie 56 Bildungssendungen 58 Binnenpluralismus 46 Bredow, Hans 25, 33 Brender, Nikolaus 22 British Broadcasting Corporation (BBC) 31 Brunn, Anke 22 Clay, Lucius D. 30 Constantin Sport Medien GmbH 270, 304 Demokratieprinzip 74, 75, 157 Deutsche Demokratische Republik 30, 55 Deutsche Reichspost 26 Deutsche Telekom AG 269 Deutscher Bundestag 140 Deutscher Demokratischer Rundfunk 30 Deutschland-Fernsehen-GmbH 34 Diekmann, Kai 22 Dienende Funktion 80 Direktübertragungen 189 Drahtfunk im amerikanischen Sektor (DIAS) 33 Drahtloser Dienst AG (DRADAG) 26 Drei-Länder-Anstalt 44 Duale Rundfunkordnung 55 Einkauf-Aktuell-Urteil 281 Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers 123, 180 Erstes Rundfunkurteil 36
376 Sachwortverzeichnis Fernsehrat 110 FRAG-Urteil 45 Fraport-Urteil 279 Frequenzknappheit 43 Fußballbundesliga 269 Gebot der Chancengleichheit 75 Gebot der Gruppenferne des Rundfunks 43, 275 Gebot der Neutralität 175, 241 Gebot der Staatsferne 40, 43 –– Adressat 83, 140, 198, 255, 272 –– Erlaubnisverfahren 50 –– Herleitung 71 –– Inhalt 84 –– Internet 199, 226 –– Öffentlichkeitsarbeit 193 –– Parlamentsfernsehen 177 –– Reichweite 86 –– Staatssponsoring 309 Gebot der Staatsferne der Presse 238 Gebot des länderfreundlichen Verhaltens 37 Gebot zu bundesfreundlichem Verhalten 38 Gemischtwirtschaftliches Unternehmen –– Begriff 271 –– Deutsche Telekom AG 271 Gesellschaft Radio-Stunde-AG 25 Gesetzgebungskompetenz 38 Gleichschaltungsgesetze 29 Goebbels, Josef 28 Greene, Hugh Carleton 33 Grundrechtsbindung 278 –– Aktienrecht 284 –– Beherrschungsansatz 283 –– Deutsche Telekom AG 292 –– Einkauf-Aktuell-Urteil 281 –– Fraport-Urteil 279 –– Privatisierung 295 –– Rechtsform 289 Grundrechtsschutz, prozeduraler 62, 245
Grundsatz der Gewaltenteilung 72 Grundversorgung 57 Hartelt, Horst-Werner 22 Hessen-3-Beschluss 59 Hessischer Rundfunk (HR) 32 Hessisches Privatrundfunkgesetz 67 HPRG-Entscheidung 255 Individualkommunikation 205 Inhalt des Gebots der Staatsferne 84 –– Dominanzverbot 85 –– Programmakzessorität 85 –– Programmfreiheit 84 Internetdienstefreiheit 202 KEF 41, 62 KEK 69, 141, 304, 309 Kommission für den Ausbau des technischen Kommunikationssystems (KtK) 43 Kommunikationsordnung 186 Kompetenzordnung 160 –– Aufgabe der Staatsleitung 168 –– Ausnahmen 161 –– Kompetenz kraft Natur der Sache 166 –– Kompetenz kraft Sachzusammenhangs 165 –– Verhandlungsöffentlichkeit des Bundestags 161 –– Verlautbarungsrecht 167 Konvergenz der Medien 68 Konzentrationsprozesse 227 Livestreaming 218 Marktzutrittsschranken 230 Massenkommunikation 205 Medienkonzentrationsrecht 69 Medienlandschaft 189 Medium und Faktor 186 Meinungsbildung 48
Sachwortverzeichnis377 –– Direktübertragungen 194 –– Freie öffentliche 39 –– Staatsfreie 185 –– Twitter 225 Meinungsfreiheit 204 Meinungsrelevanz –– Gesamtprogramm 216 –– Medien 210 –– Rezeptionsoptionen 214 –– Zeitgleicher Empfang 212 Missbrauchspotenzial 231 Modellinkonsistenz 57 Nationalsozialismus 28 Niedersachsen-Urteil 48 Norddeutscher Rundfunk (NDR) 31 Nordrhein-Westfalen-Urteil 56 Nordwestdeutscher Rundfunk (NWDR) 31 Öffentlichkeit des Bundestags 191 Öffentlichkeitsarbeit 154, 170, 243 –– Aufgedrängte 192 –– Bundestag 179 –– Erscheinungsformen 155 –– Funktion 157 –– Grenzen 159 –– Internet 192 –– Kompetenz 160 –– Neutralitätsgebot 159 –– Staatsleitung 168 –– Wahlwerbung 175 Öffentlich-rechtliche Trägerschaft des Rundfunks 44 Öffentlich-rechtlicher Rundfunk –– Bestands- und Entwicklungsgarantie 56 –– Finanzierung 60 –– Grundversorgung 50 –– Juristische Person des öffentlichen Rechts 39
Parlamentsfernsehen 141 –– Direktübertragungen 148, 194 –– Erscheinungsformen 142 –– Kompetenz 160 –– Meinungsbildungsrelevanz 145 –– Öffentlichkeitsarbeit 154 –– Rundfunk 144 Parlamentsvorbehalt 134 Phoenix 187 Politische Parteien 67 –– Gesellschaftliche Verankerung 262 –– Grundsatz der Staatsfreiheit 263 –– Öffentlichkeitsarbeit 264 –– Pressefreiheit 265 –– Status 261 Presseähnliche Angebote 68 Pressefreiheit 202, 235, 265 Pressemarkt 232 Prinzip der Dezentralisierung 31 Prinzip der Volkssouveränität 74 Privatisierung der Deutschen Telekom AG 295 Privatrechtlicher Rundfunk 25, 46 –– Programmvielfalt 57 –– Zulassung 57 Programmakzessorietät 61 Programmaufsicht 27 Programmneutralität 61 Propagandaministerium 28 Radio Bremen (RB) 32 Rau, Johannes 22 Rechtsaufsicht 103 Redaktionelle Gestaltung 216 Reichsinnenministerium 26 Reichskulturkammergesetz 29 Reichsrundfunkgesellschaft mbH 26 Reichweite des Gebots der Staatsferne 86 –– Aufsicht der Landesmedienanstalten 124 –– Auslieferungsverbot 87
378 Sachwortverzeichnis –– Beherrschungsverbot 86 –– Einflussverbot 87 –– Einmischungsverbot 86 –– Finanzierung 65, 94 –– Finanzkontrolle 107 –– Frequenzoberverwaltung 58, 97 –– Instrumentalisierungsverbot 90 –– Interne Aufsicht 109 –– Parlamentsvorbehalt 134 –– Rundfunklizenzverfahren 101 –– Staatliche Rundfunkveranstaltung 134 –– Staatsaufsicht 103 –– Trennungsgebot 89 Richtlinien für den Nachrichten- und Vortragsdienst 26 Rundfunk –– Breitenwirkung, Aktualität und Suggestivkraft 65 –– Massenmedium 42 –– Meinungsbildung 48 –– Rückkoppelungskanal 79 –– Sondersituation 39, 43, 49, 65 Rundfunk im amerikanischen Sektor (RIAS) 33 Rundfunkauftrag 63, 65, 68 Rundfunkbegriff –– Angebote im Internet 201 –– Dynamische Offenheit 209 –– Einfachrechtlicher 151 –– Entwicklungsoffener 54 –– Livestreaming 218 –– Twitter 222 –– Verfassungsrechtlicher 144 –– Video-on-Demand 205 –– YouTube-Kanal 219 Rundfunkbeitrag 69 Rundfunkfinanzierung –– Beihilfekompromiss 68 –– Funktionsgerechte 60 –– Rundfunkbeitrag 69 Rundfunkfreiheit 39, 45 –– Dienende Funktion 80
–– Meinungsvielfalt 81 –– Objektiv-rechtliche Komponente 63 –– Subjektiv-abwehrrechtliche Funktion 71 Rundfunkgebühr 41 –– Festsetzung 62, 64 –– Gebührenhöhe 66 –– Rundfunkbeitrag 69 Rundfunkgebührenurteil I 60 Rundfunkgebührenurteil II 64 Rundfunkgremien –– Aufgaben und Befugnisse 110 –– Entsendungsverfahren 116, 127 –– Föderalistische Brechung 119 –– Rundfunkrat 110 –– Staatliche Vertreter 118 –– Verwaltungsrat 112 –– Zusammensetzung 113 Rundfunkordnung 30 –– Außen- und Binnenpluralismus 46 –– Deutschland-Fernsehen-GmbH 34 –– Erste Rundfunkordnung 27 –– Nachkriegsjahre 30 –– Nationalsozialismus 28 –– Rundfunkgebühr 41 –– Weimarer Republik 25 –– Wiedervereinigung 55 Rundfunkorganisation 45 Rundfunkrat 110 Rundfunkstaatsvertrag 55 Rundfunkurteile –– Deutschland-Fernsehen-GmbH 36 –– FRAG-Urteil 45 –– Hessen-3-Beschluss 59 –– HPRG-Urteil 67, 255 –– Niedersachsen-Urteil 48 –– Nordrhein-Westfalen-Urteil 56 –– Rundfunkgebührenurteil I 60 –– Rundfunkgebührenurteil II 64 –– ZDF-Staatsvertrag 67, 114 –– Zweites Rundfunkurteil 42
Sachwortverzeichnis379 Rundfunkveranstalter –– Bundesregierung 198, 220 –– Bundestag 140 –– Deutsche Telekom AG 269 –– Gemischtwirtschaftliche Unternehmen 269 –– Politische Parteien 254 Saarländischer Rundfunk 32 Seibert, Steffen 224 Sender Freies Berlin (SFB) 33 Söder, Markus 22 Sondersituation 39, 49 Sowjetische Besatzungszone 30 Sozialstaatsprinzip 78 Staatlichen Einwirkungsmöglichkeiten 94 Staatsaufsicht 46, 103 Staatsrundfunk 134, 151, 154, 195 Staatssponsoring 309 Staatsvertrag über die Neuordnung des Rundfunkwesens 54 Strepp, Hans Michael 22 Süddeutscher Rundfunk (SDR) 32 Südwestdeutscher Rundfunk (SWF) 32 Südwestfunk 33 Twitter 222 Universitäten 83
Verhältnis von Staat und Gesellschaft 182 Verhandlungsöffentlichkeit des Bundestags 161 Verwaltungsrat 112 Vielfalt 49 Vielfaltsgebot 76 Vod- und Podcasts –– Bundeskanzlerin 204, 218 Volksempfänger 29 Wahlwerbung 175 Weimarer Republik 25 Werbung 50 Westdeutschen Rundfunk Köln (WDR) 31 Wiedervereinigung 55 Wiedervereinigungssender 34 Willensbildung des Volkes 184 Wirkung des Rundfunks 208 Wulff, Christian 22 Youtube-Kanal 219 ZAK 141, 304 ZDF 40 ZDF-Staatsvertrag –– Verfassungsmäßigkeit 67, 114 Zugangsregelungen 46