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German Pages 763 [768] Year 1997
Pfeiffer Rheinische Transitzölle im Mittelalter
Friedrich Pfeiffer
Rheinische Transitzölle im Mittelalter
Akademie Verlag
Dissertation am Fachbereich III der Universität Trier 1. Berichterstatter: Prof. Dr. Franz Irsigler 2. Berichterstatter: Prof. Dr. Hans Hubert Anton Letzte mündliche Prüfung: 11. Juli 1996
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Pfeiffer, Friedrich: Rheinische Transitzölle im Mittelalter / Friedrich Pfeiffer. - Berlin : Akad. Verl., 1997 Zugl.: Trier, Univ., Diss., 1996 ISBN 3-05-003177-8
© Akademie Verlag GmbH, Berlin 1997 Der Akademie Verlag ist ein Unternehmen der R. Oldenbourg-Gruppe. Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier. Alle Rechte, insbesondere die der Übersetzung in andere Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form - durch Photokopie, Mikroverfilmung oder irgendein anderes Verfahren - reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsmaschinen, verwendbare Sprache übertragen oder übersetzt werden. Druck und Bindung: Druckhaus „Thomas Müntzer", Bad Langensalza Printed in the Federal Republic of Germany
Inhalt
Vorwort Einleitung
XIII 1
A.
Das Zollwesen in den Rheinlanden in fränkischer Zeit
9
I.
Bemerkungen zur Quellen- und Forschungslage
9
II.
Das Zollwesen in merowingischer Zeit
12
11.1 11.2
Spätantike Grundlagen und die Frage der Kontinuität zur merowingischen Zeit Grundzüge des merowingischen Zollwesens
12 16
III.
Das Zollwesen in karolingischer Zeit
24
111.1
Zum Verhältnis von Markt- und Transitzoll und zur Frage der Zolltarifierung Die karolingerzeitlichen Zollstätten in den Rheinlanden Diedenhofen (Thionville) Münstereifel und Rommersheim Neuss Trier Die Zollpolitik der fränkischen Herrscher in den Rheinlanden Kapitularien Definition der Zollpflicht Definition rechtmäßiger Zölle Zusammenfassung Zollbefreiungen Zollbefreiungen für Klöster Stablo-Malmedy Prüm Echternach Inden-Kornelimünster Werden Kaiserswerth Zollbefreiungen für Bistümer Trier Fazit der Zollbefreiungen
24 30 30 31 33 37 41 42 42 47 62 67 67 67 70 74 75 76 78 79 79 80
111.2 111.2.1 111.2.2 111.2.3 111.2.4 111.3 111.3.1 111.3.1.1 111.3.1.2 111.3.1.3 111.3.2 111.3.2.1 111.3.2.1.1 111.3.2.1.2 111.3.2.1.3 111.3.2.1.4 111.3.2.1.5 111.3.2.1.6 111.3.2.2 III.3.2.2.1 111.3.2.3
VI
B.
Inhalt
Die Zolltarifierung in den Rheinlanden vom 10. bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts
83
I.
Der Koblenzer Zoll und seine ältesten Tarife
83
1.1 1.2
Der Zoll im 11. und 12. Jahrhundert Überlieferung des ältesten Zolltarifs und diplomatische Beurteilung in der Forschung Inhaltliche Unterschiede zwischen Evangeliarkopie und D H IV, Nr. 487; Hintergründe der Fälschung Der Aufbau des Tarifs Die Tarifrevision von 1195 Der zweite Tarif von 1209 Der dritte Tarif von ca. 1300
83
107 117 128 129 143
Die Flußzolltarifierung in den Rheinlanden bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts
157
1.3 1.4 1.5 1.6 1.7 II. 11.1 11.2
89
Das Transportmittel als Bemessungsgrundlage der Zollerhebung Der Übergang vom Transportmittel zur Ladungsmenge als Prinzip der Zollbemessung Das System der mengenabhängigen Tarifierung Der Übergang vom Faß zum (Zoll-)Fuder als Grundeinheit der Zollbemessung Das Aufkommen des Turnosgroschens als Bemessungsgröße an den rheinischen Flußzöllen
157
C.
Zollstätten in den Rheinlanden bis 1500
187
I. 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6 1.7 1.8 1.9 1.10 1.11 1.12 1.13 1.14 1.15 1.16 1.17
Zollstätten bis 1100 Trier Köln Mainz Schleich Gerresheim Kaiserslautern Lahnstein Boppard Christnach Wasserbillig Remagen Traben Gillenfeld Koblenz/Kapellen/Engers Limburg (Pfalz) Essen Bonn
187 187 191 200 201 202 203 204 205 210 211 211 213 214 214 217 217 218
11.3 11.4 11.5
160 172 175 180
Inhalt
VII
1.18 1.19 1.20 1.21 1.22 1.23 1.24 1.25 1.26 1.27 1.28 1.29 1.30
Zülpich Klotten Kreuznach Esserden/Schmithausen Königsmacher Duisburg Sinzig Siegburg Angeren/Huissen Dortmund Hammerstein/Leutesdorf Aachen Rachtig
221 221 222 223 227 227 234 234 235 238 239 242 243
II.
Zollstätten bis 1200
245
11.1 11.2 11.3 11.4 11.5 11.6 11.7 11.8 11.9 11.10 11.11 11.12 11.13 11.14 11.15 11.16 11.17 11.18 11.19 11.20 11.21 11.22 11.23 11.24 11.25 11.26 11.27 11.28 11.29 11.30
Gondorf Luxemburg Cochem Neuss/Zons Elten Emmerich Rees Wesel Xanten Nimwegen Andernach/Linz St. Vith Stablo Bitburg Herzogenrath Geisenheim Rüdesheim Soest Ockfen Montclair/Merzig Tiel/Kaiserswerth Sierck Karden Rijnwijk/Arnheim/Lobith Eckendorf Rösberg Werne Lünen Bingen Erkelenz-Östrich
245 246 247 248 251 251 253 254 255 256 257 262 263 263 264 265 268 268 269 269 271 273 273 274 276 276 277 277 278 280
VIII
Inhalt
III.
Zollstätten bis 1300
281
111.1 111.2 111.3 111.4 111.5 111.6 111.7 111.8 111.9 111.10 111.11 111.12 111.13 111.14 111.15 III. 16 111.17 111.18 111.19 111.20 111.21 111.22 111.23 111.24 111.25 111.26 111.27 111.28 111.29 111.30 111.31 111.32 111.33 111.34 111.35 111.36 111.37 111.38
Thurandt Diez Saarburg Wittlich St. Goar/Rheinfels Siegen Bacharach Rheinberg Wassenberg (Herrschaft)/Dobach Orsoy/Büderich/Grieth Fürstenberg Kirchberg Sterrenberg Jülich Braubach Oberwesel/Schönburg Kaub Monheim/Zündorf Ahrweiler Trechtingshausen Wipperfürth Venlo Grevenbroich Jüchen Velden/Birkesdorf Lechenich Tholey Wallerfangen Scheit Uerdingen Worringen Kessel Strümp Vordecken Goch Roermond Vlodrop Grevenmacher
281 283 284 284 286 288 288 289 292 293 296 298 298 299 300 300 302 304 305 306 307 308 308 309 309 310 311 311 312 312 312 313 314 314 314 314 315 316
IV.
Zollstätten bis 1500
317
IV.l IV.2 IV.3 IV.4 IV.5
Rheineck Ehrenfels Schokeschair Remich Düsseldorf
317 317 318 320 320
Inhalt
IX
IV.6 IV.7 IV.8 IV.9 IV.10 IV.ll
Griethausen/Beek bei Xanten St. Goarshausen Ruhrort Pfalzel Lülsdorf/Herrschaft Löwenberg Wesseling
321 322 323 325 327 329
D.
Herrscherliche Zollpolitik vom 10. Jahrhundert bis ca. 1325
335
I.
Ottonische und salische Zeit
335
1.1 1.2
Neuerrichtung von Zollstätten und Zollerhöhungen Zollbefreiungen
335 337
II.
Vom Ende der salischen Zeit bis zum Abschluß des staufisch-welfischen Thronstreits
339
11.1 11.2
Neuerrichtung von Zollstätten und Zollerhöhungen Zollbefreiungen
339 350
III.
Friedrich II., Heinrich (VII.) und Konrad IV
360
111.1 111.2 111.3
Fürstenprivilegien und Reichsgesetzgebung Die Zeit des staufischen Endkampfs (1239-1254) Zollbefreiungen
360 376 379
IV.
Vom Rheinischen Bund bis zum Ende des Interregnums
389
IV.l
Der Rheinische Bund (1254-1257)
389
IV.2
Der Wormser Landfrieden von 1269
399
V.
Rudolf von Habsburg
406
VI.
Adolf von Nassau
423
VII. VII.l
Albrecht I. von Habsburg Wahlzusagen
437 437
VII.2
Der >Zollkrieg< von 1301/1302
441
VIII.
Heinrich VII
473
IX. IX.l IX.2
Friedrich der Schöne und Ludwig der Bayer (bis ca. 1325) Wahlzusagen Der Bacharacher Landfrieden von 1317
492 492 509
X
E.
Inhalt
Territoriale Zollpolitik in den Rheinlanden bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts
547
I.
Das Erzstift Trier
547
1.1 1.2 1.3 1.4
Von den Anfängen bis zum Ende des 12. Jahrhunderts Das 13. Jahrhundert Dieter von Nassau (1300-1307) Balduin von Luxemburg (1308-1354). Die Anfänge bis ca. 1325
547 550 556 560
II.
Das Erzstift Köln
567
11.1 11.2 11.3 11.4 11.5 11.6
Von den Anfängen bis Heinrich von Müllenark (f 1238) Konrad von Hochstaden (1238-1261) Engelbert II. von Valkenburg (1261-1274) Siegfried von Westerburg (1274-1297) Wikbold von Holte (1297-1304) Heinrich von Virneburg (1306-1332)
567 573 576 579 605 612
III.
Das Erzstift Mainz
630
111.1 111.2 111.3 111.4
Von den Anfängen bis Gerhard I. (t 1259) Werner von Eppstein (1259-1284) Gerhard II. von Eppstein (1289-1305) Peter von Aspelt (1306-1320)
630 632 636 641
IV.
Die Pfalzgrafschaft
647
IV.l IV.2 IV.3 IV.4
Von den Anfängen bis Otto II. (t 1253) Ludwig II. (1253-1294) Rudolf 1.(1294-1319) Ludwig der Bayer (1314-1329)
647 650 651 654
V.
Die Grafschaft Geldern
657
VI.
D i e Grafschaft Kleve
659
VII.
D i e Grafschaft Katzenelnbogen
666
Ergebnisse
669
Quellen und Literatur
687
Ungedruckte Quellen Gedruckte Quellen Literatur
687 688 697
Register der Orts- und Personennamen
727
Inhalt
XI
Verzeichnis der Karten Karte 1: Karte 2: Karte 3: Karte 4: Karte 5: Karte 6: Karte 7: Karte 8: Karte 9: Karte 10: Kartell: Karte 12: Karte 13: Karte 14:
Herkunft der im ältesten Koblenzer Zolltarif genannten Händler Zölle an Rhein, Mosel und Saar im 11. Jahrhundert Zölle an Rhein, Mosel und Saar im 12. Jahrhundert Zölle an Rhein, Mosel und Saar im 13. Jahrhundert Zölle an Rhein, Mosel und Saar im 14. Jahrhundert Zölle an Rhein, Mosel und Saar im 15. Jahrhundert Zölle an Rhein, Mosel und Saar um 1235 Zölle an Rhein, Mosel und Saar um 1254 Zölle an Rhein, Mosel und Saar um 1269 Zölle an Rhein, Mosel und Saar um 1279 Flußzölle an Mittelrhein und Untermosel bis 1291 Zölle an Rhein, Mosel und Saar um 1305 Zölle an Rhein, Mosel und Saar um 1314 Zölle an Rhein, Mosel und Saar um 1318
105 330 331 332 333 334 375 398 405 413 422 472 508 544
Vorwort
Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 1996 am Fachbereich III der Universität Trier als Dissertation angenommen. Es ist mir eine Freude, an dieser Stelle wenigstens in knapper Form denjenigen danken zu können, die an ihrem Zustandekommen beteiligt waren. Herr Professor Dr. Franz Irsigler hat das Thema angeregt und die Bearbeitung in vielfältiger Weise gefördert. Von seinen umfassenden Kenntnissen, seiner intellektuellen Neugier, seiner Liberalität und seinem Engagement hat die Untersuchung in hohem Maße profitiert. Herr Professor Dr. Hans Hubert Anton, der freundlicherweise das Korreferat übernahm, verdanke ich zu methodischen Grundproblemen wie zu Spezialfragen wertvolle Hinweise und Anregungen, die weit über das übliche Maß hinausreichen. Ein Stipendium am Trierer Graduiertenkolleg >Westeuropa in vergleichender historischer Perspektive< ermöglichte die Bearbeitung großer Teile des Stoffes. Für manche materielle und - ungleich wichtiger - ideelle Hilfe danke ich dem Geschichtlichen Atlas der Rheinlandevollständig< erfaßt. Bei der erdrückenden Fülle des noch unedierten rheinischen Quellenmaterials zum 14. und 15. Jahrhundert mußten bei der Auswahl der Archivbestände klare Schwerpunkte gesetzt werden, nämlich bei denjenigen Urkunden- und Aktenfonds, die in der Literatur unter zollgeschichtlichen Fragestellungen noch nicht systematisch ausgewertet wurden und die auch durch selektive Editionen nicht erschlossen sind. Die Situation ist für die einzelnen Landesherrschaften unterschiedlich: Die Erfassung des Katzenelnbogener Zollmaterials konnte sich dank Demandts hervorragender, den gesamten Untersuchungszeitraum abdeckender Quelleneditionen 11 vollständig auf publiziertes Material stützen. Für die anderen mittelrheinischen Zölle ist die Editionslage weit weniger befriedigend. Die Monographie von Fliedner zu den beiden pfalzgräflichen Rheinzöllen im Untersuchungsraum 12 , Bacharach und Kaub, sowie die Arbeiten von Volk und Struck zu den zwei hier zu erfassenden mainzischen Rheinzöllen Lahnstein und Ehrenfels 13 ließen es jedoch als verzichtbar erscheinen, zusätzlich zu den einschlägigen Regestenwerken 14 die jeweiligen, überdies z. T. verstreuten landesherrlichen Archivbestände in Karlsruhe, München, Wiesbaden und Würzburg selbst noch einmal durchzusehen. Für Kurtrier liegt weder ein heutigen Erfordernissen genügendes Regestenwerk vor15 noch existiert entsprechende Literatur. Eine Sichtung des im Landeshauptarchiv Koblenz vorhandenen kurtrierischen Urkunden- und Aktenmaterials war daher erforderlich. Die für die luxemburgischen und lothringischen Zölle an der Obermosel in Frage kommenden edierten und archivalischen Quellen sind in neueren Untersuchungen von Reichert und Yante 16 umfassend ausgewertet worden. Daß bei vertretbarem Aufwand - die Archivalien verteilen sich u. a. auf die Archive Nancy, Luxemburg und Brüssel erheblich weiterführende Erkenntnisse zu gewinnen wären, konnte daher nicht erwartet werden. Die Fülle der im Kölner Stadtarchiv überlieferten einschlägigen Quellen hat Kuske 17 zumindest in Auszügen erschlossen; die Archivalien über den 1475 bis 1494
11
DEMANDT, R e g . Katz.; DERS., R h e i n z o l l e r b e .
12
FLIEDNER, Rheinzölle. Für das 15. Jahrhundert vgl. insbesondere auch COHN, Government, S. 91 ff.
13
VOLK, O b e r l a h n s t e i n ; STRUCK, E h r e n f e l s .
14 15
REP; REM. Vorhanden sind lediglich die 1861 von Adam Goerz herausgegebenen Regesten (RET), die nur eine Auswahl der von den Erzbischöfen selbst ausgestellten Urkunden verzeichnen.
16
REICHERT, L a n d e s h e r r s c h a f t , bes. S. 143 ff.; YANTE, A c t i v i t é ; DERS., Sierck.
17
KUSKE, Q u e l l e n .
4
Einleitung
bestehenden Kölner Rheinzoll wurden von John 18 systematisch ausgewertet. Die Bestände des für den gesamten niederrheinischen Raum zentralen Düsseldorfer Hauptstaatsarchivs sind im Hinblick auf Zölle teilweise erschlossen worden, nämlich für die kleve-märkischen Flußzölle durch die umfassende Edition von ScholzBabisch 19 sowie für die bergischen Landzölle durch die materialreiche Arbeit von Ilgen20. Dagegen sind vor allem die umfangreichen Landesarchive der Territorien Kurköln und Jülich, zwei der größten spätmittelalterlichen Zollinhaber im Untersuchungsraum, in der Literatur nur unzureichend für die Zollgeschichte herangezogen worden. Das urkundliche Kölner Material ist bis 1410 zwar durch die grundlegende Edition in den Regesten der Kölner Erzbischöfe vollständig ediert 21 , doch ist z. B. das ergiebige (Zoll-)Aktenmaterial des 15. Jahrhunderts fast gänzlich unveröffentlicht, und man hat es in der Literatur - dies gilt auch für die einschlägigen Arbeiten von Droege 22 - allenfalls in Ansätzen ausgewertet. Im Rijksarchief Arnhem wurden, da die urkundlichen Quellen zur Geschichte der geldrischen Flußzölle durch die Editionen von Nijhoff, Sloet, vanDoorninck und Scholz-Babisch23 zumindest auszugsweise erschlossen sind, vor allem die den geldrischen Rheinzoll Lobith betreffenden Akten gesichtet. Nicht weniger wichtig für jede Untersuchung der mittelalterlichen Transitzölle ist eine gründliche Analyse der Zolltarifierung, also die Frage, nach welchem System die Besteuerung des Handels stattfand: Was war die Bemessungsgrundlage der Zollerhebung, welcher Art waren die geforderten Abgaben? Welche räumlichen und zeitlichen Differenzierungen können dabei festgestellt werden? Welche Hintergründe hatten die Veränderungen in der Zolltarifierung, läßt sich z. B. der Wandel vom Transportmittelzoll zum Warenzoll mit Sommerlad als Abkehr vom »Gebührenprinzip« der Zollerhebung zu einer rein fiskalisch orientierten Zollnutzung deuten? Die zentralen, aber keinesfalls einzigen zur Beantwortung dieser Fragen heranzuziehenden Quellen sind Zolltarife. Der prinzipiell hohe Aussagewert dieser Dokumente korrespondiert jedoch durch ihre stark differierenden Überlieferungsformen mit schwierigen Fragen der Quellenkritik, für die eine der klassischen Urkundenlehre vergleichbare Methodik, eine >Zolltariflehrewirtschaftspolitischer< Einsicht der Zollinhaber in die Aus- und Wechselwirkungen ihrer Politik? Welche nicht zum Kreis der Zollbesitzer zählenden Personen und Gruppen versuchten, die Zollverhältnisse zu beeinflussen, welche Zielvorstellungen leiteten sie und wie sollten diese durchgesetzt werden ? Die in den Rheinlanden wirksame Zollpolitik des Königtums, das nicht nur selbst Zölle besaß und daraus sehr erhebliche Einkünfte bezog30, sondern das zugleich auch die zentrale Legitimationsinstanz in allen Zollfragen war, das theoretisch über unbegrenzte Gestaltungsmöglichkeiten verfügte, praktisch aber in einem komplexen Geflecht politischer, verfassungsrechtlicher und wirtschaftlicher Konstellationen und Strukturen agierte, bildet sinnvollerweise den Ausgangspunkt der Analyse, die sich zugleich als ein mit landesgeschichtlichen Methoden erarbeiteter Beitrag 31 zur Reichsgeschichte versteht. Die Perspektive des Königtums bzw. des Gesamtraums allein vermag die politisch relevanten Faktoren der rheinischen Zollgeschichte aber nur teilweise zu erfassen: Nicht das Reichsoberhaupt, sondern die sich formierenden Landesherrschaften gewannen im Verlauf des späteren Mittelalters den größten Anteil an der Abschöpfung des Transithandels. Die herausragende Rolle, die die rheinischen Wahlfürsten, insbesondere die drei Erzbischöfe, in diesem Prozeß einnahmen, ist zu Recht betont worden, ohne daß man freilich die bei näherer Prüfung klar zu Tage tretenden Unterschiede in den Methoden, in der Intensität und nicht zuletzt in der Chronologie der jeweiligen Zollpolitik hinreichend beachtet hätte. Es herrscht in der Forschung Einigkeit darüber, daß die Zölle, insbesondere diejenigen am Rhein, zu den bedeutendsten materiellen Grundlagen der Territorialbildung zählten 32 . Trotz des hohen Stellenwerts, den die Sicherung und Vermehrung der Zolleinkünfte im Rahmen der Territorialpolitik damit fast zwangsläufig erhielt, ist dieser Bereich systematisch bislang kaum untersucht worden. Aus diesen Gründen erscheint es sinnvoll, die Zollpolitik der einzelnen Territorien in chronologischen Längsschnitten zu analysieren, wobei die Fülle des Materials eine Schwerpunktsetzung erforderlich macht: Berücksichtigt werden diejenigen Landesherrschaften des Untersuchungsraums, die bis 1325 Zölle am Rhein erlangten und auf Dauer behaupteten. Zu diesem Zeitpunkt, nach dem Ende des habsburgischwittelsbachischen Thronstreits (1322) und dem Auslaufen des Bacharacher Landfriedens (1324), hatte das Abgabensystem an der Haupthandelsstraße des Reiches im
30 31 32
Grundlegend für die Zeit von der Mitte des 13. bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts ist immer noch TROE, Münze, Teil 2. Schon 1925 betonte AUBIN, Aufgaben, S. 40, daß die geschichtliche Landeskunde der Rheinlande »ein arbeitsteiliges Glied . . . der Gesamtforschung« sei. Vgl. DROEGE, Grundlagen, S. 149 f., und dazu ergänzend DIRLMEIER, Zoll- und Stapelrechte, S. 25. Genaue Angaben sind durch die Quellenlage meist erst für das 15. Jahrhundert möglich, aber schon für die niederrheinische Territorialbildung im 13. Jahrhundert mißt JANSSEN, Territorialbildung, S. 100, insbesondere den Flußzöllen »eine kaum zu überschätzende Rolle« zu.
Einleitung
7
Hinblick auf Besitzstruktur, räumliche Verteilung der einzelnen Hebestellen und Tarifierung in ihren Grundzügen die bis zum E n d e des Mittelalters bestehende Ausformung erhalten. Auch für die königliche Zollpolitik kann hier eine Zäsur festgestellt werden. Die G e n e s e der Transitzölle gehört zu den schwierigsten Problemen der rheinischen Zollgeschichte. Zwar ergibt schon eine oberflächliche Sichtung der Quellen, daß die A n f ä n g e der Zollerhebung im Untersuchungsraum mindestens bis in karolingische Zeit zurückreichen, doch welche Art von Abgaben sich hinter dem umfassenden Quellenbegriff theloneum jeweils verbirgt, bedarf einer sorgsamen Prüfung, bei der alle drei genannten zentralen Themenkomplexe - Einstufung der konkreten Zollstätte, Tarifierung und Zollpolitik - einzubeziehen sind. Besonderes Augenmerk ist einer systematischen, chronologisch differenzierenden Analyse der in Kapitularien und ähnlichen Rechtsquellen erhaltenen Zollbestimmungen zu widmen; denn allzu oft hat man solche Regelungen nur punktuell ausgewertet, aber daraus sehr weitreichende Folgerungen für das fränkische Zollsystem gezogen 33 . Die Zollbefreiungen der fränkischen Herrscher für geistliche Institute in den Rheinlanden bilden einen weiteren Schwerpunkt dieses Kapitels. Zwar gehören solche Privilegien zu den vielzitierten Quellen, doch hat man - dies gilt für die Rheinlande und, soweit ich sehe, auch für die anderen Teile des fränkischen Großreichs - selbst grundlegende Fragen in ihrem Zusammenhang noch nicht für bestimmte R ä u m e untersucht, nämlich wer wann und warum welche Art von Zollbefreiungen erhielt.
33
Als positive Ausnahme in der neueren Literatur hervorzuheben sind die knappen, aber vorsichtig differenzierenden Ausführungen von SIEMS, Handel, S. 456-460.
A.
Das Zollwesen in den Rheinlanden in fränkischer Zeit
I.
Bemerkungen zur Quellen- und Forschungslage
Die Quellen für das Zollwesen der fränkischen Zeit 1 im Untersuchungsraum entstammen fast ausschließlich der herrschaftlichen Sphäre. Die größte Gruppe bilden dabei z. T. nur aus Formelsammlungen und erzählenden Quellen zu erschließende Urkunden über königliche Zollbefreiungen und -Schenkungen für geistliche Institutionen; daneben sind vor allem für die karolingische Zeit eine Reihe von normativen Regelungen des Zollwesens in Form von Konzilsakten, Edikten und Kapitularien erhalten, ferner ein Zolltarifweistum 2 und ein Reichsguturbar3. Lediglich eine in ihrer Echtheit umstrittene >PrivaturkundeVerkehrswegegebühren< ohne genuin fiskalischen Charakter ist freilich nicht haltbar (vgl. dazu insbesondere Teil B dieser Arbeit).
II. Das Zollwesen in merowingischer
Zeit
15
fortbestand und w e l c h e n Wandlungen es in merowingischer Zeit unterworfen war, w e l c h e R o l l e autochthone Kontinuitäten spielten und in w e l c h e m A u s m a ß N e u v e r mittlung stattfand. D i e fränkischen Einfälle und das E n d e der römischen Herrschaft im 5. Jahrhundert 2 0 hatten auf d e n Handelsverkehr der Rheinlande und damit die Möglichkeit, v o n ihm A b g a b e n und Z ö l l e zu erheben, fraglos e i n e n negativen Einfluß 2 1 , doch fehlt eine systematische, auf diese Übergangsphase - und nicht wie üblich auf die h o h e Kaiserzeit bzw. die Merowingerzeit - konzentrierte umfassende Untersuchung der (gallischen) Wirtschaftsverhältnisse 2 2 . D i e von Klaus Petry für Oberlothringen herausgearbeitete tiefe geldwirtschaftliche Zäsur 2 3 , die mit d e m Herrschaftswechsel einherging, deutet aber nicht nur auf veränderte H a n d e l s g e w o h n h e i t e n hin 2 4 , son-
20
21
22
23 24
Vgl. zur vieldiskutierten Frage des Übergangs von der Spätantike zum Frühmittelalter räumlich differenzierend PETRIKOVITS, Kontinuität; in manchen auf dem damaligen archäologischen Kenntnisstand beruhenden Einzelfragen zwar überholt, methodisch aber nach wie vor grundlegend sind die Darlegungen von AUBIN, Maß; DERS., Absterben; vgl. allgemein jetzt mit einer Auswahl der einschlägigen Literatur KAISER, Erbe, S. 47-58, 75 ff., 91 ff. und öfter. Vgl. zu Köln bzw. zum nördlichen Teil des Untersuchungsraumes DOPPELFELD, Kölner Wirtschaft, S. 71 ff.; für Trier und den südlichen Teil siehe ANTON, Trier von der Spätantike, S. 3-21. VERKERK, Tonlieux carolingiens, S. 179 f. u. Anm. 69, hat interessante, aber hochspekulative und methodisch sehr problematische Thesen über den Fortbestand eines spätrömischen Grenzollsystems im holländischen Mündungsgebiet der großen Flüsse bis in fränkische und spätere Zeit aufgestellt. Sie entbehren jeder Quellengrundlage; denn die von Verkerk angeführte Interpretation des römischen Kastells Brittenburg am Rhein als Zollburg unter Kaiser Claudius durch einen spätmittelalterlichen Chronisten wirft zwar ein Schlaglicht auf die Zollverhältnisse zu dessen Zeit, wird aber nicht ernsthaft für die römische Zeit herangezogen werden können. Auch für die von ihm vorgeschlagene Kontinuität eines Zolls in Arnheim vom späten Kaiserreich oder zumindest von spätmerowingischer Zeit bis ins hohe Mittelalter (so VERKERK, Tonlieu royal, S. 191 f.) liegen keine Quellen vor: Ein Zoll in Arnheim ist erstmals 1196/1197 belegt (SLOET, O G Z , Nr. 387), von Zollerhebung vor diesem Datum weiß man nichts. Die von Verkerk angeführten archäologischen Untersuchungen zur Siedlungsentwicklung in Arnheim sagen über die Existenz eines Zolles nicht das Geringste aus - jedenfalls solange sie nicht eindeutig zollspezifische Sachüberreste zutage fördern. - Auch für das Mittelrheingebiet läßt sich eine Kontinuität im Zollwesen nicht nachweisen. Die Ausführungen von STAAB, Gesellschaft, besonders S. 109 f., um eine solche zu belegen, sind Spekulation. Knappe, aber wichtige Bemerkungen zur Wirtschaftssituation im Imperium des 5. Jahrhunderts bei PLEKET, Wirtschaft, S. 105 Anm. 16. Für einen durchaus vitalen spätantiken Handel, geprägt von Kaufleuten des Kaisers, großer Landbesitzer und der Kirche, plädiert WHITTAKER, Trade; eine negative Bewertung der spätantiken wirtschaftlichen Entwicklung verbindet BRIDBURY, Dark Ages, unter Betonung der Landwirtschaft mit einer positiven Einschätzung des Frühmittelalters. Vgl. PETRY, Monetäre Entwicklung, S. 15. Vgl. PETRY, Monetäre Entwicklung, S. 21 ff.
16
A. Das Zollwesen in den Rheinlanden in fränkischer
Zeit
d e m läßt auch starke Brüche im Fiskalwesen des Untersuchungsraums vermuten, die in der bisherigen Forschung mit ihrer hauptsächlichen Blickrichtung nach dem Süden und Westen Galliens zugunsten einer Kontinuitätsthese vielleicht etwas zu gering eingeschätzt wurden 25 . Mangels Sachüberresten, die den Münzen vergleichbar sind, und aufgrund fehlender Schriftquellen lassen sich diese Beobachtungen für die Zölle jedoch nicht konkret belegen. Eines dürfte jedoch feststehen - obgleich dies trotz (oder gerade wegen) seiner grundlegenden Bedeutung für die Beurteilung des Gesamtkomplexes Steuer-Zoll im frühfränkischen Reich nicht selten übersehen wird 2 6 -, daß nämlich mit dem Ende des spätantiken Staatsapparates und seiner Armee, die nach Schätzungen 70% der Steuer- und Zolleinnahmen verbrauchte 27 , zugleich die raison d'être des Abgabensystems nicht mehr gegeben war. Die Existenz von Fiskalinstitutionen römischer Herkunft in merowingischer Zeit darf nicht vergessen lassen, daß, um es mit Hermann Aubin zu sagen, deren »Maß und Bedeutung« in grundsätzlich anderen Dimensionen angesiedelt waren.
II.2
Grundzüge des merowingischen Zollwesens
Erste Nachrichten über Zollerhebung in merowingischer Zeit finden sich in einem Kanon des Konzils von Mäcon, das 581 oder 583 auf Initiative Guntrams, des fränkischen Königs im burgundischen Teilreich, tarn pro causis publicis quam pro necessitatibus pauperum stattfand. Man verbot, daß Juden zu iudices2S über Christen gemacht würden oder man ihnen erlaube, Zöllner zu sein, wodurch - was Gott verabscheue -
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So von KAISER, Steuer und Zoll, S. 4: »In den . . . Grundzügen blieb das römische Steuerund Zollsystem im 6. Jahrhundert in weiten Teilen des Merowingerreiches bestehen.« Kaiser verweist (ebd., Anm. 27) zu Recht darauf, daß Gregor von Tours als Hauptquelle nur wenig über die Verhältnisse im Norden und Osten zu erkennen gibt und man aus dem Schweigen der Quellen nicht zugleich auf einen Verfall des Fiskalwesens in diesem Raum schließen dürfe. Freilich berücksichtigt er die o. g. geldwirtschaftlichen Brüche nicht. So etwa von Kaiser; bezeichnend ist der erste Satz seines einschlägigen Aufsatzes: »Zu den Einrichtungen des spätantiken Staates, welche die merowingischen Könige bei ihrem Herrschaftsantritt in Gallien vorfanden und weiterzuführen bestrebt waren, gehörte auch das gesamte Steuer- und Zollwesen« (KAISER, Steuer und Zoll, S. 1). Anders dagegen WICKHAM, Transition, S. 20: »The army formed the major item of expenditure for the late Roman State . . . The major expense of the State was removed at one blow«. Vgl. PLEKET, Wirtschaft, S. 151; ähnlich für die Zeit Justinians DEMANDT, Spätantike, S. 2 3 8 f. Den Begriff wird man mit Ganshof wohl im weiteren Sinne als »agents de la puissance publique« und nicht als »Richter« zu übersetzen haben; vgl. GANSHOF, A propos du tonlieu sous les Mérovingiens, S. 294 f. und Anm. 10.
II. Das Zollwesen in merowingischer Zeit
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die Christen als deren Untergebene erschienen29. Damit griff man eine Bestimmung des 535 abgehaltenen Konzils von Clermont auf, die bereits verbot, Juden über Christen als iudices zu setzen 30 , und erweiterte sie um ein spezifisches >Berufsverbotöffentliche< Funktionen übrigbleiben, bei denen man ein besonde-
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Wenn das Edikt den Adel »auf einem Höhepunkt seiner Machtentfaltung« zeigt (wie IRSIGLER, Adel, S. 173, gegen SPRANDEL, Adel, S. 62 ff., vertritt), stellt sich die hier nicht zu klärende Frage, warum diese Handelsabgaben die Interessen des Adels so störten, daß er auf eine Wiederherstellung eines Status quo ante drang, oder ob etwa andere Interessengruppen (Kaufleute?) ihre Vorstellungen einbrachten. GANSHOF, Tolwezen onder de Merowingen, S. 21 mit Anm. 83, sieht die Preisgabe einer Reihe von Zollstätten als ein notwendiges Zugeständnis Chlothars an die geistliche und weltliche Aristokratie nach seiner Machtübernahme, vergleichbar mit der Situation Pippins in den ersten Jahren nach 751. c. 10: Iudaei super christianus actionis publicas agere non debeant, MGH Cap. I, Nr. 9; DE CLERCQ, Concilia Galliae, S. 284. c. 17: Vt nullus Iudaeorum qualemcumque militia aut actione puplica super Christianos aut adpetere a principe aut agere presumat. Quod si temptauerit, ab episcopo ciuitatis illius, ubi actionem contra canonum statuta conpetiit, cum omni familia sua baptismi gratia consequatur, DE CLERCQ, Concilia Galliae, S. 280 (vgl. GAUDEMET/BASDEVANT, Conciles II, S. 518). Zum Konzil allgemein vgl. PONTAL, Synoden, S. 181-188.
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A. Das Zollwesen in den Rheinlanden in fränkischer Zeit
res Interesse dieser Personengruppe erwartete. Vorausgesetzt, daß diese Motive zutreffend sind, schließt sich die Frage an, ob hierin grundsätzliche Änderungen in den Organisationsformen des Zollwesens sichtbar werden, etwa im Sinne einer Zurückdrängung von Pachtformen zugunsten einer Erhebung in Eigenregie, oder ob vor allem die Zollpacht von Juden zugunsten anderer Gruppen zurückgedrängt werden sollte. Mangels anderer Quellen können diese hypothetischen Überlegungen nur zur Diskussion gestellt werden. Man kann davon ausgehen, daß wegen des Geltungsanspruchs des Edikts für Austrasien auch der Untersuchungsraum berührt war - konkrete Zollstätten sind dort allerdings erst zu Ende der merowingischen Zeit nachweisbar. Obgleich nämlich durch Gregor von Tours 41 bereits für das Ende des 6. Jahrhunderts Handel auf der Mosel zwischen Metz und Trier mit Salz aus Lothringen belegt ist und auch eine Konzentration merowingischer Münzstätten im Seille-Gebiet an Salzgewinnungsplätzen wie Marsal und Moyenvic auffällt 42 , ist erst für das 9. Jahrhundert auch eine Abschöpfung des Salzhandels durch Zölle nachweisbar43. Dabei ist jedoch - wie oben bemerkt - zu berücksichtigen, daß die meisten Münzstätten als Indikatoren kommerzieller Aktivität nur durch ihre Sachüberreste in Form von Münzfunden und nicht in erster Linie durch Schriftzeugnisse belegt sind, die für Zölle die alleinige Quellengruppe darstellen. Zollstätten im oberlothringischen Raum sind damit für die merowingische Zeit zwar nicht nachgewiesen, aber es besteht zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Erhebung von Abgaben auf den Salzhandel dieses Raumes, der sicher in nördlicher Richtung z. T. auch über die Mosel bzw. Trier abgewikkelt wurde. Zollstätten an der mittleren Maas 44 sind erst am Ende der merowingischen Zeit (744?) aus einem Privileg des letzten merowingischen Königs Childerich III. für die Abtei Stablo-Malmedy bekannt, in dem er dem Kloster Besitzstand und Immunität bestätigte und die Freiheit von Zöllen und Fiskalabgaben im Castrum Dinant und in Huy hinzufügte 45 - in zwei Orten also, die anscheinend für die Versorgung und den Absatz des Ardennenklosters von besonderer Bedeutung waren.
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Gregor von Tours, Libri IV de virtutibus sancti Martini episcopi, hg. von Bruno KRUSCH, MGH SS rer. Mer. 1.2,2. Aufl. Hannover 1959, IV.29, S. 206. Vgl. die Karte >Merowingische Münzstätten im Gebiet des späteren Oberlothringens< bei PETRY, Monetäre Entwicklung, sowie ebd., S. 25 f. In einer Zollbefreiung Ludwigs des Frommen (816 Aug. 19, RII, Nr. 623) für das Kloster Murbach. Vgl. zu deren weiterer Entwicklung bis ins Spätmittelalter FANCHAMPS, Etüde. sed omne emunitati hic ipsum monasteria, qui in Dionante Castro et in Hogio commorari videntur, nullo theloneo ad usus exactare penitus non presumatis, HALKIN/ROLAND, Recueil I, Nr. 16. Der stark verderbte Text mit offenbar sinnverfälschenden Auslassungen verwehrt eine genauere Analyse der Zollbefreiung, zumal hier auch - im Gegensatz zur Immunitätsbestätigung (vgl. dazu GANSHOF, Tolwezen onder de Merowingen, S. 15 f.
II. Das Zollwesen in merowingischer Zeit
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Zölle am Rhein sind für die Merowingerzeit nicht belegt, ebenso fehlen schriftliche 46 Nachrichten über Handel auf diesem Fluß, was wohl nicht nur dem Zufall der Quellenüberlieferung zuzuschreiben ist, sondern auch auf einen vorläufig noch vergleichsweise geringen Stellenwert dieses Verkehrsweges hinweist 47 . Eine deutliche Intensivierung des Rheinhandels läßt sich erst im Verlauf des 8. Jahrhunderts erkennen. Die innere Struktur des (spät-)merowingischen Zollwesens ist dank einer Zollschenkung und der in den Additamenta e codicibus Marculfi überlieferten Mustervorlagen für Zollbefreiungen für die Zeit von der Mitte des 7. bis zur Mitte des 8. Jahrhunderts besser nachvollziehbar als seine räumliche Ausgestaltung, die nur sehr lückenhaft belegt ist. Besonders aufschlußreich ist das Privilegium de omni negotium (sie) betitelte Zollbefreiungsformular zugunsten eines nicht genannten Bischofs, weil man sich offenbar bemühte, zum Schutz des privilegierten Empfängers alle möglichen Eventualitäten der Zollerhebung zu nennen und auszuschließen 48 . Es sind zunächst zwei Gelegenheiten, bei denen die bischöflichen Boten einer Erhebung von Zoll oder anderen Abgaben zugunsten der königlichen Kasse ausgesetzt sein konnten: Wenn sie Handel trieben (mercare) und wenn sie auf Reisen waren (pro reliqua necessitate discurrentes). Sowohl bei Besitzerwechsel einer Ware als auch bei deren Transport wurde also eine telloneum genannte Handelsabgabe 49 erhoben. Als deren typische Erhebungsorte nannte der König civitates und pagi, die man als Or-
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Anm. 60 u. 65) - Formulargebrauch nicht nachweisbar ist. Vgl. auch JOHANEK, Merowingerzeit, S. 223 Anm. 36, mit weiterer Literatur. Für eine Bewertung des Handels im Osten des merowingischen Reichs liegen nach den Ausführungen von Helmut Roth aus archäologischer Sicht die notwendigen Voraussetzungen (Erforschung von Produktionsplätzen, Analyse der Produkte und des Produktionsumfangs, kartographische Darstellung und Interpretation des Verbreitungsbildes) noch nicht vor; vgl. ROTH, Handel, hier S. 191. Aus numismatischer Perspektive erscheint der Rhein als Verkehrsträger von untergeordneter Bedeutung; vgl. PETRY, Monetäre Entwicklung, S. 33, sowie BERGHAUS, Merowingerzeit, S. 209. Vgl. CLAUDE, A s p e k t e , S. 44.
MGH Formulae, S. 111 f.; zum rotaticum und ähnlichen Begriffen vgl. GANSHOF, Tolwezen onder de Merowingen, S. 23, und DAHN, Finanzrecht, S. 371 ff., die beide im wesentlichen ähnliche Erklärungen aus dem Wortstamm (rotaticum = Rädergeld) ableiten. Hier wie auch aus anderen Quellen wird nicht klar, ob darunter Synonyme zum teloneum oder eigenständige, neben dem eigentlichen Zoll erhobene Abgaben zu verstehen sind. Aus dem Jahr 927 ist für Toul ein vectigal quod vulgo vocatur rotaticum neben einem jährlichen und wöchentlichen teloneum bezeugt (MGH D H I, Nr. 16), was auf eine eigenständige Abgabe oder zumindest eine besondere Klasse von Zollabgaben deutet. Der Versuch von ADAM, Zollwesen, S. 41-68, den Bedeutungsinhalt etymologisch zu klären, kann aus den zu Anfang (S. 10 Anm. 9) genannten Gründen nicht überzeugen. 49 Daß sie sich auf kommerzielle Tätigkeit bezieht, geht schon aus dem Titel des Formulars hervor.
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A. Das Zollwesen
in den Rheinlanden
in fränkischer
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ganisationseinheiten der Zollerhebung interpretieren kann 50 , die aber hier vielleicht nur allgemein im Sinne von >Stadt und Land< zu verstehen sind. Zoll wurde vom Warentransport durch Schiffe und Landfahrzeuge (evectio navalis, evectio carralis), Saumtiere und Menschen (saumarii, quod homines ad dorsum portant) gefordert. Schiffszölle waren nach Ausweis einer Urkunde Sigiberts III. aus dem Jahr 652/653, in der er dem Kloster Stablo-Malmedy zwei Flußzölle im Loireraum zu Port-Saint-Pere und Chäteau-Ceaux schenkte 51 , organisatorisch weitgehend an die örtlichen Häfen gebunden. Der König verbot nämlich, daß irgend jemand die Häfen auf sein eigenes Land verlege, und so dem Fiskus die fälligen Zolleinnahmen vorenthalte 52 . Man wird also durchaus auch mit der Möglichkeit zu rechnen haben, daß neben Häfen in königlicher Regie, die durch die homines der Herrschers beaufsichtigt wurden, auch solche in >privater< Hand existierten und dort Abgaben erhoben wurden. Die Koppelung von Hafen und Zoll ist hier jedoch eine technische und keine ideelle, und man wird daraus nicht schließen dürfen, daß der Zoll, der eindeutig als Fiskalabgabe und bedeutender finanzieller Nutzen erscheint, nur eine Art >Gebühr< für die Benutzung von Verkehrseinrichtungen war. Kann man beide Quellen zunächst als typische Beispiele königlicher Verfügungsgewalt über Zölle kennzeichnen und gelten diese im allgemeinen als Fiskalabgaben par excellence, so gibt es über das Hafenverlegungsverbot in Sigiberts Urkunde hinaus weitere Hinweise, daß auch merowingische potentes eigenverantwortlich über Zölle bestimmten. 692/693 vermachte einem Traditionsregest zufolge ein als vir illustris qualifizierter Mann namens Rohing (oder Rauching) dem Friesenmissionar Willibrord die im Kastell Antwerpen gelegene Kirche nebst allem Zubehör sowie
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In diesem Sinne wohl z. B. KAISER, Bischofsherrschaft, S. 87. Teloneum igitur quod ad portum Vetraria super fluviis Taunuco Ittaque et porto ilio qui dicitur Sellis immoque et vogatio super fluvio Ligeris, quod judices vel agentes nostri ad portus ipsos, tarn quod navalis evectio conferebat, aut undique negotiantum commertia in teloneo aut quolibet ripatico ex ipsos portus superius nominatos in fisco nostro solebant recipere, pariter et homines qui in ipsos portus commanent vel eos custodiunt aut ibi aspicere videntur, pro stabilitate regni nostri ad monasteria superius scripta vel monachis ibidem consistentibus nostri muneris largitate concedimus, HALKIN/ROLAND, Recueil I, Nr. 4, mit Lokalisierung der Orte; siehe auch GANSHOF, Tolwezen onder de Merowingen, S. 11 Anm. 36. D i e Zollschenkung ist wohl nicht mit VERHULST, Handel im Merowingerreich, S. 16, von vornherein als Zeichen der geringen Bedeutung dieser Zölle zu werten, die noch 1049 in einer päpstlichen Besitzbestätigung für Stablo-Malmedy genannt werden (HALKIN/ROLAND, Recueil I, Nr. 111); vgl. die differenzierte Einordnung dieser Zölle in den Handel des Loireraums bei JOHANEK, Merowingerzeit, S. 225 ff.
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Et si forte aliqui ex quibuslibet personis portus ipsos superius nominatos pro terris suis propriis transtulerint, quo facilius teloneum ipsum, qui ad fiscum nostrum debuerat pervenire subtraherent, jubemus ut navigia ipsa ad portus ipsos, ubi ante tempora praecendentium regum parentum nostrorum ire consuetudinem habuerant, discurrere debeant, et alibi teloneus neque a vobis neque a junioribus seu successoribus vestris exigatur, HALKIN/ROLAND, Recueil I, Nr. 4.
II. Das Zollwesen in merowingischer
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einem Drittel des dortigen Zolls53 und bestätigte zusammen mit seiner Frau dieses Vermächtnis noch einmal 726, wobei er dem Missionar ausdrücklich die volle Verfügungsgewalt über Kirche, Zubehör und Zoll(-drittel) übertrug 54 . Die verschiedentlich gegen die Echtheit der Vergabe und insbesondere der Zollschenkung vorgebrachten Einwände - Ganshof vermutet eine Interpolation des 11. Jahrhunderts 55 haben sich in der neueren Forschung nicht durchgesetzt56. Läßt man somit das Testament als authentisch gelten, stellt sich die Frage, wie Rohing zu seinem Zolldrittel gekommen war. Schlesinger hat in ihm einen königlichen Amtsträger in Antwerpen gesehen 57 , Fritze hat sich dem angeschlossen und Rohing als örtlichen fränkischen Befehlshaber im Castrum eingeordnet, der - wie andere königliche Amtsträger seiner Zeit - Königsrechte als privaten erblichen Besitz >usurpiert< hatte und die Schenkung auf Initiative Pippins tätigte58. Dagegen entbehrt nach Ganshof diese These selbst wenn keine Interpolation vorläge - jeder sicheren Grundlage 59 . Insgesamt läßt sich also in merowingischer Zeit ein zumindest institutionell voll ausgeprägtes Zollwesen mit markt- und transitbezogenen Abgaben nachweisen, deren Gewichtung aber ebenso wie die konkrete räumliche Ausgestaltung weitgehend im Dunkeln bleiben. Aufgrund der spärlichen Quellen ist ferner nicht zu klären, in welchem Maße - abgesehen von Zollbefreiungen und -Schenkungen - eine direkte Einflußnahme der Teilreichs- bzw. Reichsgewalten auf das Zollwesen anzunehmen ist und welche Rolle demgegenüber eigenverantwortliche Zollerhebung durch nachgeordnete Gewalten< spielte.
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Rohingus vir illustris magnarum opum légitima testamenti confìrmatione delegavit sancto Willibrordo ecclesiam in Antwerpo castello, sito super fluvium Schalda in pago Renensium, cum appendiciis, villis et terciam partem thelonei eiusdem castelli, quod nunc est marca regni, WAMPACH, Grundherrschaft Echternach 1.2, Nr. 1*, mit Diskussion der Überlieferung. Et illud telonium quod ad partem nostram ibidem venerat, hoc est illam terciam partem ad integrum ei concessimus atque donamus, in ea ratione ut ibi thus vel luminaria debeant esse procurata, et presbiteri qui ibidem serviunt pro peccatis nostris Domini misericordiam debeant exorare, et ut ipse suprascriptus domnus Willibrordus ipsam ecclesiam vel quicquid ibidem aspicere videtur seu ipsum theloneum habeat, teneat atque possideat, dandi, commutandi vel quicquid exinde facere voluerit, liberam et fìrmissimam in omnibus habeat potestatem, WAMPACH, Grundherrschaft Echternach 1.2, Nr. 34. GANSHOF, Tolwezen onder de Merowingen, S. 22, bzw. DERS., A propos du tonlieu sous les Mérovingiens, S. 314. Vgl. jeweils ausführlich mit weiterer Literatur FRITZE, Universalis gentium confessio, S. 102 f. A n m . 99 f.; WERNER, A d e l s f a m i l i e n , S. 101 A n m . 301.
57 58 59
Vgl. SCHLESINGER, Städtische Frühformen, S. 307; so noch 1973 DERS., Markt als Frühform, S. 268 Anm. 34. Vgl. FRITZE, Universalis gentium confessio, S. 103 Anm. 101. Vgl. GANSHOF, Tolwezen onder de Merowingen, S. 22 Anm. 89.
III.
Das Zollwesen in karolingischer Zeit
III.l
Zum Verhältnis von Markt- und Transitzoll und zur Frage der Zolltarifierung
Waren für die merowingische Zeit lediglich die Ursprünge und gewisse Grundelemente des Zollwesens zu ermitteln, sind seit karolingischer Zeit zunehmend einzelne Zollplätze und somit auch lokalisierbare Handelsaktivitäten nachweisbar. Wie aber solche Orte in die Raumstruktur des Handels einzuordnen sind, ob sie Markt- oder Transitfunktion oder u. U. beide erfüllten, läßt sich ohne eine genauere Charakterisierung des Zolls selbst häufig kaum entscheiden. Diese ergibt sich nur selten unmittelbar aus den Quellen, da der einschlägige Terminus theloneum zunächst nur >Abgabe auf Handelstätigkeit bedeutet. Für unsere Themenstellung, der Frage nach der Genese und Entwicklung des Transitzollsystems, ist daher entscheidend, wie sich gegebenenfalls die Erhebung von Transitzöllen, d. h. Abgaben auf die räumliche Beförderung von Handelsgütern, an einem konkreten Ort nachweisen läßt. Eine verkehrsgünstige Lage der Zollstätte ist zwar ein notwendiges, aber kein hinreichendes Kriterium, um einen Transitzoll von anderen Abgaben zu trennen. Obgleich in der handelsgeschichtlichen Literatur zum Frühmittelalter häufig von einem Zoll am Fluß auf einen Flußzoll geschlossen wird, berücksichtigt man dabei nicht, daß eine marktbezogene Abgabe von einer guten Verkehrsanbindung kaum weniger profitierte als ein Transitzoll. Ganshof, der die Struktur des fränkischen Zollwesens durch eine Dichotomisierung in Abgaben auf den Transit (»taks op het vervoer van goederen te lande en te water«) und auf den (Markt-)Handel (»taks op het kopen en het verkopen van waren, in hoofdzaak ter markt«) von Waren kennzeichnet, erschließt einen Transitzoll aus der Erwähnung von Transportmitteln (Wagen, Schiff, Saumtier) als Zollbemessungsgrundlage 1 . Bei dieser zunächst so einleuchtenden und scheinbar unproblematischen Zweiteilung wird jedoch nicht berücksichtigt, daß die Quellen in karolingischer Zeit neben offensichtlichen Passierzöllen, die vom Fluß- und Landverkehr mit Vorliebe an Verkehrsknotenpunkten wie Brücken erhoben wurden und hauptsächlicher Gegenstand der einschlägigen Kapitularien waren, auch eine Sorte von Abgaben auf Transportmittel aufführten, die nicht das Passieren, sondern das Erreichen eines (Markt-)Ortes mit Zoll belegten - im Hinblick auf dessen Raumfunktion ein wesentlicher Unterschied. Diese Zollart ist bereits in den Etymologiae Isidors von Sevilla belegt. Nach seiner zu Beginn des 7. Jahrhunderts verfaßten Definition von mercatum und t(h)eloneum - sie schien Hrabanus Maurus zweihundert Jahre später noch treffend genug, um sie unverändert zu übernehmen - wurde der Zoll, der hier eindeutig auf
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Vgl. GANSHOF, Tolwezen onder de Karolingen, S. 8 f.
III. Das Zollwesen in karolingischer Zeit
25
den Marktverkehr bezogen war, als Schiffsabgabe erhoben 2 . Transitbezogene Transportmittelzölle kommen dagegen bei beiden Autoren nicht vor. Auch im urkundlichen Quellenmaterial tritt eine enge Verbindung von Markt und Transportmittelabgabe auf. So bestätigte König Pippin im Jahr 753 dem Kloster St. Denis alle Zölle zur Zeit des Dionysiusmarktes im pagus Paris, und zwar fielen darunter nicht nur, wie es in der Literatur oft vereinfachend heißt, Marktabgaben, sondern auch Zölle, welche die Händler bei der Ankunft am Marktort (advenire) von ihren Schiffen, Wagen und Saumtieren zu entrichten hatten 3 . Derartige marktorientierte Transportmittelabgaben findet man auch in einer Urkunde König Karlmanns für dasselbe Kloster aus dem Jahr 769, worin er St. Denis Zollfreiheit für Schiffe, Wagen und Saumtiere bestätigte, ubicumque in quascumque pagos tarn in civitatis castellis vicus portus pontis puplicis vel reliquis marcados advenerint4.
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Mercatum autem a conmercio nomination. Ibi enim res vendere vel emere solitum est; sicut et teloneum dicitur ubi merces navium, et nautarum emolumenta redduntur. Ibi enim vectigalis exactor sedet pretium rebus inpositurus, et voce a mercatoribus flagitans, Isidor von Sevilla, Etymologiae, XV 2,45, bzw. Hrabanus Maurus, De Universo XIV.18, in: Migne P L 111, S p . 389. Z u r I s i d o r - S t e l l e s i e h e DIESNER, I s i d o r , S. 4 1 f.; CLAUDE, H a n d e l , S. 17.
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omnes telloneos infra Pago Parisiaco ... de omnes necuciantes ... tarn in ipso marcado quam et in ipsa civitate... tarn ibidem quam et aliubi ad negociandum vel necocia plurima exercendum et vina conparandum in portus et per diversa flumina, qui ad ipsa festivitate advenerint; die Abtei ließ dem Grafen ferner ausdrücklich verbieten, ut ab hac die... nec de omnes naciones quascumque, qui ad iam dicto marcado adveniunt, nec per villas eorum nec de navigia nec de portus nec de carra nec de saumas nullo telloneo nec foratico nec rotatico nec pontatico nec portatico nec salutatico nec cispitatico nec mutatico nec ulla exacta nec consuetudines nec illos dinarios quattuor, quod de omnes naciones, qui ibidem ad ipso marcado adveniunt, quem Soanechyldis et Gairefredus comis, ut supra memoravimus, in consuetudine miserunt, ad ipsos necuciantes nec infra ipso pago Parisiago nec in ipsa civitate de ipsa [vice] nec aliubi, qui ad ipsa sancta festivitate adveniunt, nulla exacta nec contrarietate neque vos neque iuniores seu successores vestri exigere nec exactare [n]o[n prjesumatis, MGH D Karol. I, Nr. 6. Dieser Entscheid war aber nicht von dauerhafter Wirkung, denn bereits 759 erging auf Klage des Klosters, daß Graf Gerhard den Zoll infra Parisius ex navibus et pontis volutaticos ac rotaticos, widerrechtlich einbehalten habe, erneut ein entsprechendes Urteil des Hofgerichts (MGH D Karol. I, Nr. 12). Vgl. zur Messe von St. Denis CLAUDE, Aspekte, S. 51 ff. MGH D Karol. I, Nr. 46, bestätigt 775 März 14 von Karl dem Großen mit Erweiterung auf das regnum Italia und ausdrücklicher Erwähnung der Zölle an den Alpenpässen (nullum tolloneum neque exclusaticum neque decimum, MGH D Karol. I, Nr. 93). Unter exclusaticum decimum ist zweifelsohne der ad Clusas, den Pässen, erhobene 10 %-Zoll zu verstehen, der auch im Praeceptum negotiatorum von 828 genannt wird: teloneum [vero], excepto ad opus nostrum inter (so der Druck, sicher besser ist jedoch in, wie andere Hss., da sonst ein Raum zwischen den drei Orten beschrieben wird und die Ausnahme sinnlos wird) Quentowico et Dorestado vel ad Clusas, ubi ad opus nostrum decima exigitur, MGH Formulae S. 315; vgl. dazu GANSHOF, Tolwezen onder de Karolingen, S. 11 f.
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A. Das Zollwesen in den Rheinlanden in fränkischer Zeit
Nicht zuletzt die karolingischen Formulare, die auch bei einer ganzen Reihe von Zollbefreiungen für Klöster im Untersuchungsraum als Vorlage dienten bzw. typische Wendungen festhalten, lassen bei erneuter Lektüre eine einfache Gleichsetzung von Abgaben auf Transportmittel und Transitzöllen problematisch erscheinen. In der Praeceptio de navibus der Formulae imperiales aus der Kanzlei Ludwigs des Frommen wird z. B. einem nichtgenannten Kloster der Zoll für sechs Schiffe erlassen, wenn diese Städte, Häfen oder andere Orte an der Loire anliefen (accessum habere) oder wenn die Beauftragten des Klosters einen Zwischenstop zum Kaufen oder Verkaufen einlegten 5 . Ein ähnliches Privileg stellte Ludwig der Deutsche 858 dem Kloster Lorsch aus, als er ihm Zollfreiheit für ein Schiff auf dem Rhein und insbesondere bei Ankunft im Hafen von Worms verlieh 6 , wo bereits seit 829 ein Zoll belegt ist, der beim Besuch der Stadt von Kaufleuten, Handwerkern und Friesen erhoben wurde 7 . In allen diesen Beispielen, die noch weiter zu vermehren sind 8 , erscheint der Schiffszoll als eine Abgabe, die bei der Ankunft in der Stadt oder dem Hafen eines Ortes zu entrichten war, den man z. T. explizit mit der Absicht aufsuchte, den ört-
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Naves vero sex, quae sive per fluvium Ligeris sive per cetera flumina infra ditionem imperii nostri ob utilitatem et necessitatem ipsius monasterii discurrunt, ad quascunque civitates, castella aut portus vel cetera loca accessum habuerint, nullus ex eis aut hominibus, qui eas praevident, nullum teloneum aut ripaticum aut portaticum aut pontaticum aut salutaticum aut cespitaticum aut cenaticum aut pastionem aut laudaticum aut trabaticum aut pulveraticum aut ullum occursum vel ullum censum aut ullam redibitionem accipere vel exigere audeat... et si aliquas moras in quolibet loco fecerint aut aliquid mercati fuerint aut vendiderint, nihil ab eis prorsus, ut dictum est, exigatur; MGH Formulae S. 301; in dieser Weise (ohne Beschränkung auf sechs Schiffe) wurde z. B. 814 die Befreiung der Abtei StabloMalmedy von den Zöllen an Rhein und Maas verfaßt (HALKIN/ROLAND, Recueil I, Nr. 26).
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liceat... unam navem illorum per Renum fluvium hue illucque discurrere et ad portum Wormatiam civitatem absque ullo theloneo pervenire et necessitates eorum per hanc nostram auetoritatem feliciter peragere, MGH D LdD, Nr. 89; vgl. zu den Häfen und Schiffsländen in diesem Raum in karolingischer Zeit BÜTTNER, Zullestein. ut quanticumque negotiatores vel artifices seu et Frisiones apud Wangionem civitatem advenissent, omne teloneum undecumque fiscus teloneum exigere poterat, Boos, UB Worms I, Nr. 17. Der Text in den spitzen Klammern < > ist eine Interpolation des 10. Jahrhunderts in der nur abschriftlich überlieferten Urkunde Ludwigs, aber bei Boos nicht als solche ausgewiesen. Vgl. die Vorbemerkung zu D O I Nr. 84 (947 Jan. 14). Vgl. z. B. die Bestätigung der Zollfreiheit des Klosters Echternach durch Kaiser Ludwig den Frommen 819 Juli 19: ubicumque naves vel homines praedicti monasterii pervenissent, nullus (sie) teloneum ab eis requirere aut exaetare praesumeret (in der Narratio) und in der Dispositio: praeeipimus atque iubemus, ut ubicumque vel homines ipsius monasterii ob utilitatem et necessitatem fratrum ... advenerint, nullum teloneum requirere aut exaetare faciatis, WAMPACH, Grundherrschaft Echternach 1.2, Nr. 138.
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III. Das Zollwesen in karolingischer Zeit
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liehen Markt zu besuchen. Vergleichbare Zölle wurden wahrscheinlich auch zu Land beim Besuch des Marktortes mit Wagen und Saumtieren erhoben. Obgleich also das Transportmittel die Bemessungsgrundlage für den Zoll war, war dieser im weitesten Sinn auf den Handel vor Ort und nicht auf den Transitverkehr ausgerichtet 9 . Diese Beobachtungen zeigen, daß eine bloße Scheidung des theloneum in Passierund Marktzoll (im Sinne einer Verkaufsabgabe) für die karolingische Zeit nicht angemessen ist. So hat auch Mitterauer unter Berufung auf Saxers wenig rezipierte Arbeit über das Baseler Zollwesen 10 nachdrücklich herausgestrichen, daß theloneum »als eine primär von den Transportmitteln erhobene Abgabe zu betrachten ist, die in gleicher Weise Markteinfuhr wie den Transit belastete«, hingegen der Marktzoll als eine umsatzproportionale Verkaufsabgabe (im Sinne eines Pfundzolls) nicht vor dem 12. Jahrhundert nachweisbar sei11. Hypothetisch formuliert, war die Erfassung des Transitverkehrs durch solche »alten Marktzölle« (Saxer) zunächst nur ein Nebeneffekt, der bei der Weiterfahrt auftrat 12 . Der Übergang zum Transitzoll fand erst dann statt, wenn der Marktbesuch als Anlaß der Zollerhebung in den Hintergrund trat. Bei der Beurteilung dieses Problems wird in der Literatur häufig die grundlegende Tatsache nicht ausreichend berücksichtigt, daß die Organisation der Zölle den Charakteristika des Handels weitgehend entsprechen mußte, um ihn wirksam abschöpfen zu können. Wenn also der Handel im Untersuchungsraum 13 auch in karolingischer Zeit zum erheblichen Teil noch durch Warenabsatz und -einkauf von Ort zu Ort geprägt und großräumiger Transit - nicht zu verwechseln mit Handel über weite Strecken - wohl eher die Ausnahme als die Regel war 14 , entsprach dem ein
9 10
Vgl. allgemein zu den vielfältigen Erscheinungsformen des Marktzolls im Mittelalter als Warenzoll, Verkaufsstandgebühr und Transportmittelabgabe IRSIGLER, Zollpolitik, S. 41. Vgl. SAXER, Zollwesen, bes. S. 19 ff.
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Vgl. MITTERAUER, Zollfreiheit, S. 106 f.
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Gut sichtbar wird dieser Zusammenhang zwischen Markt- und Transitabgabe in der Raffelstetter Zollordnung, wo der Schiffszoll generell marktbezogen war und man beim Transit an die Weiterfahrt zum nächsten Marktzort dachte: Naves vero, que ab occidentalibus partibus, postquam egresse sint silvam Patavicam, et ad Rosdorf vel ubicumque sedere voluerint et mercatum habere, donent pro theloneo semidragmam, id est scoti I; si inferius ire voluerint ad Lintzam, de una navi reddant III semimodios, id est III scafilos de sale ... postea licentiam sedendi et mercandi habeant usque ad silvam Boemicam, ubicunque voluerint, MGH Cap. II, Nr. 253 c. 1. 13 An dieser Stelle kann und soll keine umfassende Betrachtung dieses außerordentlich vielschichtigen und kontrovers diskutierten Problems erfolgen, sondern lediglich auf einige Grundlinien hingewiesen werden, soweit sie für diese Frage relevant erscheinen. Vgl. dazu JOHANEK, Karolingerzeit, der allerdings konkrete Organisationsformen des Güteraustausches vor allem im Hinblick auf die Rolle geistlicher Grundherrschaften behandelt (vgl. bes. S. 48 f.). 14 Vgl. z. B. das Handels- und Zollprivileg Kaiser Lothars I. für das Kloster Fulda: sed liceat Ulis sine alieuius exaetione gratia negotiandi tarn per terram quam etiam navibus huc illucque discurrere, et cum salvationem de loco ad locum ire vel prout necessitas fuerit
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A. Das Zollwesen in den Rheinlanden in fränkischer
Zeit
Zollsystem, das - zumindest nach dem Eindruck der hier exemplarisch angeführten nicht-normativen Quellen - überwiegend auf den Handel am Ort und nicht flächendeckend auf den Warentransit ausgerichtet war, wobei die Zölle - finanzwissenschaftlich gesprochen - an möglichst vielen Anknüpfungspunkten 1 5 (mehrere Lokalitäten, verschiedene Arten von Bemessungsgrundlagen, unterschiedliche Waren) erhoben wurden, um Abgabenvermeidung zu erschweren. Haben sich so also auch bei nachweisbaren Transportmittelabgaben enge Bezüge zum Markthandel herausgestellt, ist es umgekehrt nicht mehr zulässig, ein theloneum mercati einfach als Verkaufsabgabe einzustufen und dabei zu übersehen, daß es im Falle einer Belastung der instrumenta itineris wie Schiffe und Wagen zumindest auch eine potentielle Transitkomponente hatte. Es zeigt sich, daß sich auf unsere Eingangsfrage, wie Transitabgaben konkret zu identifizieren sind, eine griffige Antwort kaum finden läßt, sondern jeder Einzelfall sorgfältig zu prüfen ist, wobei ein besonderes Augenmerk der Existenz von Märkten zu gelten hat. Die Zolltarifierung in fränkischer Zeit läßt sich nur in den Grundzügen bzw. für bestimmte Zollstätten und -räume außerhalb des Untersuchungsgebietes fassen. Abgesehen vom Raffelstetter Zollweistum 16 , das zwischen 903 und 905/906 entstand und Abgabenverhältnisse im bayerisch-österreichischen Donaugebiet regelte, sowie einer kurzen Passage im sog. churrätischen Reichsguturbar 17 aus der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts sind keine Zolltarife überliefert. Das Weistum verzeichnet vor allem markt-, aber auch transitbezogene Transportmittelzölle, die auf Schiffe, Karren, Saumtiere und Traglasten von Menschen erhoben wurden, wobei die Zollabgabe z. T. in Salz, z. T. in Wachs, z. T. aber auch in Geld veranschlagt war. Eine gesonderte Verzollung nach der Menge der Handelsware wurde nur für den Verkauf von Sklaven und Pferden fixiert. Letzteres gilt auch für das Reichsguturbar, das abgesehen davon nur noch einen Karrenzoll vermerkt 18 . Dabei ist allerdings zu berück-
commorari (Hervorhebung des Verf.), M G H D Lo I, Nr. 111, und das oben angeführte Beispiel aus dem karolingischen Zollbefreiungsformular (si aliquas moras in quolibet loco fecerint aut aliquid mercati fuerint aut vendiderint, MGH Formulae, S. 301). Aus Sicht des Händlers hat STEUER, Handel der Wikingerzeit, S. 190, ein entsprechendes Warenabsatzmodell (»Tröpfel-Modell«) vorgestellt. Vgl. auch PITZ, Fernhandel, Sp. 379: »Die Kaufkraft der Verbraucher war noch so gering, daß der Handel der Nachfrage an vielen Orten nachgehen mußte.« 15 Darunter versteht man Stellen im Wirtschaftskreislauf, an denen >staatliche< Abgaben erhoben werden. Vgl. dazu z. B. MUSGRAVE/MUSGRAVE/KULLMER, Finanzen I, S. 187 ff. Obgleich die finanzwissenschaftliche Theorie an modernen Volkswirtschaften entwickelt wurde, bietet sie auch nicht selten für die öffentlichen Finanzern vormoderner Staaten grundlegende Einblicke. 16 MGH Cap. II, Nr. 253. 17 Bündner UB I, S. 382 f. 18 De Ripa Vualahastad redditur de unoquoque carro, qui ibi pergit denarii. VI. De unoquoque mancipio, quod ibi venditur, denarii .II. Similiter et de caballo. Bündner U B I, S. 382 f.
III. Das Zollwesen in karolingischer Zeit
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sichtigen, daß die Raffelstetter Zollordnung zwar eine Reihe von Sonderrechten für Bayern und Slawen festhielt, jedoch kein allgemeiner Tarif für Berufshändler war, die ein nicht näher erläutertes iustum theloneum zu entrichten hatten. Inwiefern bei der regulären Abgabe eine über das Transportmittel hinausgehende Differenzierung des Zollsatzes nach Art und Menge der Ladung vorgenommen wurde, muß offenbleiben. Auch ob man z. B. verschiedene Schiffsgrößen berücksichtigte, ist nicht ganz klar. Der im Weistum verwendete Terminus einer navis legittima, die über eine dreiköpfige Besatzung definiert wurde, scheint aber in diese Richtung zu deuten. Die in der Zollordnung erkennbare Zollstruktur mit dem Hauptgewicht auf einem marktbezogenen Transportmittelzoll - ohne daß der Transit an sich abgabenfrei gewesen wäre - deckt sich, soweit dies nachvollziehbar ist, mit dem Bild der oben zur Frage von Markt- und Transitzoll angeführten Quellen. Vor diesem Hintergrund erscheint es nicht gerechtfertigt, aus den im Praeceptum negotiatorum 19 , einem Privileg Ludwigs des Frommen von 828 für eine bestimmte Gruppe von Kaufleuten 20 , für die Zollstätten Dorestad, Quentowic und die Alpenpässe belegten decima auf einen generellen Mengen- oder gar Wertzoll in fränkischer Zeit zu schließen. Möglicherweise kam die auch sonst belegte Sonderstellung 21 dieser drei Zollstätten bzw. -räume auch in einer besonderen Tarifierung zum Ausdruck.
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MGH Formulae S. 314 f. SCHLESINGER, Markt als Frühform, S. 266 sieht darin nur Aachener Händler, dagegen ist in der Formel lediglich von fideles die Rede, die 828 nach Aachen kamen und königlichen Schutz erbaten, den ihnen Ludwig der Fromme unter gewissen Bedingungen gewährte. Dazu gehörte auch ein jährlicher oder zweijährlicher Besuch der Aachener Pfalz und Abrechnung (?) mit der königlichen Kammer. Nirgendwo ist jedoch von Kaufleuten aus Aachen die Rede, vielmehr kamen sie von außerhalb nach Aachen. Vgl. dazu neben dem Praeceptum negotiatorum die Zollbefreiung für die Straßburger Kirche von 831 Juni 6 (RII, Nr. 890), wo ebenfalls die drei Zölle ausdrücklich von der Abgabenfreiheit ausgenommen wurden. Der 865 (MGH D Lo II, Nr. 24) belegte »Pechzehnt« (decimam, que ex pice in Rymilingas ad opus regis ex teloneo exigebatur) in Rimlingen (östlich von Saargemünd in Lothringen) ist kaum als Markt- oder Transitabgabe einzustufen.
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A. Das Zollwesen in den Rheinlanden in fränkischer
III.2
Zeit
Die karolingerzeitlichen Zollstätten in den Rheinlanden
Welche Zollstätten sind nun im Untersuchungsraum in karolingischer Zeit nachweisbar und wie sind sie in die vorher geschilderten Zusammenhänge einzuordnen ? III.2.1 Diedenhofen (Thionville) Im Jahr 900 bestätigte König Ludwig das Kind auf Initiative der Bischöfe Ratbod (von Trier) und Adalbero (von Augsburg) den Kanonikern der Kathedralkirche Trier die Besitzungen und befreite sowohl ihre Leute als auch die villa Mairy vom Diedenhofener Zoll 22 . Aus dem Wortlaut des Privilegs geht nicht eindeutig hervor, ob es sich nur um einen Zoll handelte, der in Diedenhofen sowohl von den Trierer homines als auch von der villa Mairy erhoben wurde oder ob man auch in Mairy selbst eine solche Abgabe verlangte. Als die Urkunde durch Heinrich III. 1045 bestätigt wurde, hatte man jedenfalls nur den Zoll Diedenhofen im Auge, an dem die Güter der Kanoniker und ihre Leute befreit waren, ob sie nun in Diedenhofen oder Mairy ansässig waren 23 . In welcher Form und bei welcher Gelegenheit der Diedenhofener Zoll zu entrichten war, muß weitgehend offenbleiben. Da für 966 ein macellum am Ort belegt ist24, wäre auch für 900 unter dem t(h)eloneum eine marktbezogene Abgabe vorstellbar; dies erklärt jedoch nicht den in der Zollbefreiung Ludwigs erkennbaren Bezug zur villa Mairy. Denkbar ist daher, daß vom fiscus Diedenhofen aus ein Zoll auf die umliegenden villa-Märkte erhoben wurde 25 und den Leuten des
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Indulsimus quoque eis per peticionem nichilominus supra dictorum presulum (d. h. der vorher erwähnten Bischöfe Ratbod und Adalbero) teloneum de villa illorum vocabulo Matricis et de omni eorum potestate cunctisque hominibus, ne ulterius in Theudonis villa exigatur aut ullo modo solvatur, M G H D LdK, Nr. 2. interdicimus, ne in Uuilla Theodonis theloneum exigatur a bonis fratrum Treuere apostolorum principi servientium vel a suis hominibus aut ibi vel in villa Madriz manentibus, M G H D H III, Nr. 143. 966 Jan. 7, Kaiser Otto bestätigt dem Kloster St. Maximin die von seinem Vater vorgenommene Schenkung einer Kirche zu Diedenhofen: aeclesia in nostro regali fisco Theodonis villa nominato constituta cum integro dotalitio, uno scilicet manso atque omni decimacione tarn macelli et census quam et frugum et peccorum, M G H D O I, Nr. 313. Unter anderem in diesem Sinne ist wohl auch bei vielen Immunitätsprivilegien die Verbindung von Introitus- und Zollerhebungsverbot zu verstehen; vgl. etwa Nr. 29 der Formulae imperiales Ludwigs des Frommen: ut nullus iudex publicus... in ecclesias aut villas seu reliquas possessiones ... ingredi praesumat nec freda aut tributa aut mansiones aut paratas aut teloneum aut fideiussores tollere ... audeat, M G H Formulae, S. 308. Siehe auch IMBART DE LA TOUR, Immunités, S. 81-85. Ob Zollerhebung grundsätzlich zum Zubehör von Fiskalgütern gehörte, muß hier offenbleiben, zumal sie bei Schenkungen keineswegs immer unter den Pertinenzien genannt werden (wie dies MITTERAUER, Zollord-
III. Das Zollwesen in karolingischer Zeit
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Trierer Domkapitels somit eine zweifache Zollbefreiung, einmal beim Güteraustausch im grundherrlichen Verband, wo anderen Quellen zufolge auch Fremde beteiligt waren 26 , zum anderen beim Handel am sicher wichtigeren Fiskalort zuteil werden sollte. Für einen Vorläufer des seit 1315 belegten luxemburgischen Karrengeleitzolls27 finden sich keine Belege, wenngleich die Existenz einer Transitkomponente in der Diedenhofener Abgabe nicht auszuschließen ist. III.2.2 Münstereifel und Rommersheim 861 erlaubte König Lothar II. dem Kloster Prüm aufgrund der nicht geringen Nachteile, die der Abtei aus der Ferne von Markt und Münze erwüchsen (propter mercati et monete longinquitatem non modicum patitur discrimen), diese in Rommersheim einzurichten und verzichtete auf die dortigen Zolleinnahmen zum Nutzen der Brüder 28 . Weitere Nachrichten über einen Markt in Rommersheim und dort erhobene Abgaben fehlen, wie auch die Nutzung des Münzrechts nicht nachweisbar ist29. Der König legte offenbar keinen Wert darauf, die Zollerhebung durch eigenes Personal zu organisieren und somit auch eine gewisse Marktaufsicht durchführen zu können. 898 gewährte König Zwentibold dem Prümer Tochterkloster Münstereifel das Recht, dort Markt zu halten und Münzen zu schlagen, und schenkte ihm zwei Drittel des teloneum ipsius mercati10. Die Erhebung des Zolls und damit auch die Oberaufsicht über den Markt blieben - anders als in Rommersheim - zumindest vorläufig in königlicher Hand 31 . Die nächsten Erwähnungen eines Zolls in Münstereifel liegen
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nung, S. 353, behauptet). Bemerkenswert ist jedoch, daß auch das Capitulare de villis Zöllner zum Personal der königlichen Güter zählte und Abrechnung für die Einkünfte de pontibus vel navibus und de mercatis verlangte (MGH Cap. I, Nr. 32 c. 10 bzw. c. 62); vgl. auch SCHLESINGER, Markt als Frühform, S. 266. Vgl. etwa die Zollbefreiungsbestätigung Karlmanns für St. Denis vom März 769: nec in eorum villas vel agros nec de homines, qui ad foras in eorum villas ad negotiandum vel vino conparandum adveniunt ... in nullo telloneo exigere nec exactare non debeatis, MGH D Karol. I, Nr. 46 (wiederholt von Karl dem Großen 775, MGHDKarol. I, Nr. 93). Vgl. dazu REICHERT, Landesherrschaft, S. 154 f.; für den von YANTE, Activité, S. 143, erwogenen Moselzoll ließen sich keine Indizien finden. in predicto loco mercatum habeant more humano et moneta ad bonos et meros denarios perficiendum fiat et nulla pars publica inde teloneum vel aliquam exactionem exigat, sed in utilitatibus eiusdem sancti loci vel fratrum ibidem deo militantium in fiituro perseveret, MGH D Lo II, Nr. 16. Vgl. zu Rommersheim als Beispiel eines villa-Marktes IRSIGLER, Grundherrschaft, S. 57; NIKOLAY-PANTER, Grundherrschaft, S. 105, 108; zum Münzrecht vgl. PETRY, Prüm; zur Typologie des »villa-Marktes« vgl. ENDEMANN, Markturkunde, S. 182 ff. MGH D Zw, Nr. 26; zum Markt vgl. GUGAT, Münstereifel, S. 40-47; IRSIGLER, Grundherrschaft, S. 57,62, und NIKOLAY-PANTER, Grundherrschaft, S. 112 f. Siehe auch SCHLESINGER, Markt als Frühform, S. 272 Anm. 59.
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A. Das Zollwesen in den Rheinlanden in fränkischer Zeit
erst wieder für den Beginn des 12. Jahrhunderts vor. Sie nahmen zwar auf diese Schenkung Bezug, erwähnten aber keine sonstigen königlichen Rechte mehr. Der Zoll war vielmehr zum Streitobjekt zwischen Münstereifel und seinem Mutterkloster Prüm geworden. Dessen Abt Wolfram hatte den Zoll aufgrund böswilliger Ratschläge (malignae suggestiones) in der Höhe gesenkt und dem Tochterkloster z. T. entzogen; von seinem Nachfolger Poppo wurde er jedoch wieder auf die alte Summe von 6 Pfund (ad pristinam VI librarum summam) gebracht und gänzlich in Münstereifeler Verfügungsgewalt zurückgestellt32. In beiden Fällen erscheint der Zoll explizit als marktbezogene Abgabe, ohne daß damit - wie oben ausgeführt - ein zumindest potentielles Transitelement grundsätzlich auszuschließen wäre. Im Gegensatz zu Rommersheim, dessen Marktfunktion nach der Jahrtausendwende von Prüm übernommen wurde, wo Heinrich II. 1016 das dortige Liebfrauenstift mit einem Jahr- und Wochenmarkt cum omni iure, d. h. auch dem Recht der Abgabenerhebung ausstattete 33 , hat sich der Münstereifeler Markt behauptet; auch konnte Petry dort neuerdings Münzprägung im 11. Jahrhundert wahrscheinlich machen 34 . Aus Sicht der Inhaber trat der Markt gegenüber den Zolleinkünften jedoch völlig in den Hintergrund. So wurde zu Beginn des 12. Jahrhunderts das Marktprivileg Zwentibolds als Schenkung des Ortes Münstereifel und des dortigen Zolls interpretiert 35 , ohne daß dieser auf einen Markt bezogen wurde. Das ist weniger dadurch zu erklären, daß sich die Zollerhebung vom Marktgeschehen gelöst und vielleicht stärker zu einer Transitabgabe entwickelt hätte - eine solche ist bis zum Ende des Mittelalters dort nicht nachweisbar. Vielmehr ordnete man den täglichen oder wöchentlichen Münstereifeler Markt offenbar nicht mehr einer besonderen königlichen Privilegierung zu, wie es vielleicht bei einem Jahrmarkt der Fall gewesen wäre, sondern sah ihn als offenbar selbstverständlichen Bestandteil des locus Münstereifel und den Zoll als örtlichen und nicht sachlichen Bezugspunkt.
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1115 durch den Kölner Erzbischof Friedrich I. bestätigt (LAC. IV, Nr. 616); vgl. die Restitution des Zolls durch Abt Poppo von 1110, wo jedoch die Zollhöhe nicht erwähnt wurde (MRUB I, Nr. 417). Die feste Höhe des Zolls und die Betonung der Verfügungsgewalt läßt an eine Verpachtung denken. M G H D H I I , Nr. 358; vgl. dazu NIKOLAY-PANTER, Grundherrschaft, S. 108, und IRSIGLER, Jahrmärkte und Messen, S. 528. Vgl. PETRY, Prüm, S. 30 ff. 1110 in der Restitution des Prümer Abts Poppo theloneum in Nouo monasterio a rege Lvthariensium Zvindibaldo ss. martyribus Crysanto et Darie pro anime sue remedio libere cum censu et dono traditum, MRUB I, Nr. 417; 1115 in der Besitzbestätigung durch den Kölner Erzbischof Friedrich I.: antiquitus atterminatis ipsius etiam loci thelonium cum dono eius a piissimo rege Centibaldo ipsis antiquitus contraditum est, LAC. IV, Nr. 616.
III. Das Zollwesen in karolingischer Zeit
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III.2.3 Neuss Die Zollverhältnisse in Neuss und am Niederrhein im 9. und 10. Jahrhundert sind durch eine Reihe von Urkunden zugunsten des Klosters Werden bezeugt, deren zeitgenössischer Inhalt nicht in allen Punkten unproblematisch ist36. 877 verlieh Ludwig der Jüngere der Abtei u. a. das Privileg, daß praefati monasterii fratres hominesque ipsorum ab omni vectigalium exquisitione securi in Niusa permaneant37. Was hat man sich unter diesen Neusser Abgaben vorzustellen? Zwar wurde noch in jüngster Zeit darunter ein direkter Vorgänger des seit 1138 38 nachweisbaren Rheinzolls, also ein Transitzoll, gesehen 39 , jedoch geht - von den methodischen Problemen regressiven Vorgehens einmal abgesehen - aus dem Wortlaut der Zollbefreiung von 877 relativ klar hervor, daß hier mehrere Abgaben in erster Linie den Aufenthalt der Werdener homines erfaßten; eine Transitabgabe wurde dagegen nicht genannt 40 .
36 Die erste Urkunde dieser Reihe (MGH D LdJ, Nr. 6, 877 Mai 22) wurde von Kehr (Vorbemerkung zur Urkunde) als verunechtetes Original eingestuft, ohne daß er den Passus über die Zollfreiheit anzweifelte. Dagegen wollte Sickel in seiner Vorbemerkung zu D H I , Nr. 26, nur D H II, Nr. 9, aus dem Jahr 1002 in der Reihe der Werdener Immunitätsprivilegien als »unanfechtbares Original« gelten lassen. Die anderen Diplome (somit auch D LdJ, Nr. 6) seien von diesem Schreiber angefertigt worden und daher könne »von deren Originalität nicht die Rede sein«. Mit der Frage nach der Originalität von D LdJ, Nr. 6, steht und fällt alles, was in den Folgeurkunden zur Werdener Zollfreiheit ausgeführt wird; vgl. hier die einschlägigen Passagen zur Zollfreiheit in den im 11. Jahrhundert nachgezeichneten angeblichen Originalen, die von D LdJ, Nr. 6, abhängen: Prefati monasterii fratres hominesque ipsorum ab omni vectigalium inquisitione vel thelonei securi consistant, MGH D Arn, Nr. 36, 888 Aug. 23; prefati monasterii homines ab omni vectigalium inquisitione vel thelonei securi consistant, MGH D H I , Nr. 26, 931 Febr. 23; prefati monasterii fratres hominesque ipsorum ab omni vectigalium inquisitione vel thelonii securi consistant, MGH D O I, Nr. 5, 936 Dez. 30; preterea monasterii fratres hominesque ipsorum ab omni vectigalium et thelonei inquisitione omnino securi consistant, MGH D O III, Nr. 17, 985 Aug. 8. Das Diplom Zwentibolds (MGH D Zw, Nr. 19, 898 Mai 11) gehört nicht in diese Reihe, sein Text ist unzweifelhaft authentisch. Vgl. zu diesen Fragen auch unten S. 76 ff. 37 MGH D LdJ, Nr. 6. 38 REK II, Nr. 362. 39 » . . . wo 877 schon eine Reichszollstelle bestanden hat, bei der es sich um die nachmalige Rheinzollstelle Neuss der Kurfürsten von Köln gehandelt haben muß«, so HUCK, Neuss I, S. 6. Dagegen will er an anderer Stelle (S. 154) nicht entscheiden, ob damit nur der erst später eindeutig genannte Neusser Rheinzoll oder aber ein Bündel von Zollrechten gemeint war und beruft sich dabei auf DROEGE, Rheinzölle, S. 24. 40 Das castellum Neuss ist als Transitort in fränkischer Zeit vor allem in militärischen Zusammenhängen belegt, in West-Ost-Richtung als Rheinübergang für Feldzüge Karls des Großen und Ludwigs des Frommen nach Sachsen, in Nord-Süd-Richtung bei verschiedenen Vorstößen der Normannen rheinaufwärts; vgl. dazu HUCK, Neuss I, S. 3 ff.;
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A. Das Zollwesen in den Rheinlanden in fränkischer Zeit
Weiteren Aufschluß geben die Diplome, die der Abtei Werden in der Folgezeit zur Ausweitung ihrer Neusser Zollfreiheit auf andere Orte ihres Interessengebiets ausgestellt wurden. So erreichte das Kloster 888 eine allgemeine (?) Zollbefreiung durch König Arnulf 41 und 898 mit einem Privileg König Zwentibolds, ut in omnibus mercatibus, que per Renum
sunt, a theloniis
sint liberi nec aliquid
exigatur,
ubicumque
ad
suas utilitates indigent emere aut vendere42. Es liegt auf der Hand, daß auch oder gerade Neuss unter diese rheinischen Märkte subsumiert wurde und somit der 877 belegte Zoll als marktorientierte Abgabe bzw. als Abgabenbündel einzuordnen ist. Die Urkunde Zwentibolds wirft darüber hinaus ein bezeichnendes Licht auf die Zollverhältnisse am Niederrhein in spätkarolingischer Zeit. Die Zölle, die die Handelsgeschäfte der Abtei, ihren Einkauf zur Bedarfsdeckung und den Verkauf ihrer Produkte, vornehmlich betrafen und um deren Befreiung man daher nachsuchte, wurden im Zusammenhang mit dem Markthandel erhoben. Der Transit als solcher zwischen dem Kloster, seinen Villikationen und den Marktorten war demgegenüber offenbar nicht oder nicht so stark durch Zollabgaben belastet, daß die Fixierung einer entsprechenden Befreiung notwendig erschien. Dies macht deutlich, wie irreführend es sein kann, von einem Zoll an einem (vermeintlich) >idealen< Transitweg wie dem Rhein auf einen Transitzoll zu schließen. Gleichwohl umfaßten aber die Zölle an den rheinischen Marktorten vermutlich auch eine Schiffsabgabe. So befreite Ludwig der Fromme 814 das Doppelkloster Stablo-Malmedy u. a. vom Zoll von ihren Schiffen auf Rhein und Maas, welche Städte, Häfen oder anderen Orte diese auch anliefen und sicherte ferner Abgabenfreiheit zu, wenn die Klosterleute einen Aufenthalt zum Markthandel einlegten43. Auf das Privileg Ludwigs des Deutschen
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STRASSER, Veränderungen des Rheinstroms, S. 162. Ein portus Neuss ist aus der um 1050 verfaßten Vita des Kölner Erzbischofs Heribert für 1021 bezeugt (MGH SS IV, S. 751). Prefati monasterii fratres hominesque ipsorum ab omni vectigalium inquisitione vel thelonei securi consistant, MGH D Arn, Nr. 36; die Urkunde ist nur verunechtet überliefert und in ihrem ursprünglichen Inhalt nur teilweise zu bestimmen, aber der Passus über die Zollfreiheit ist durch das echte D LdJ, Nr. 6, verbürgt, das wahrscheinlich der Kanzlei Arnulfs vorlag; vgl. dazu die Vorbemerkung Kehrs zu D Arn, Nr. 36. Unklar ist demgegenüber die konkrete Ausgestaltung der Befreiung, ob etwa Neuss schon durch die Kanzlei Arnulfs oder erst bei der Anfertigung des angeblichen Originals fortgelassen wurde. MGH D Zw, Nr. 19. Naves vero que dicta flumina (sc. Rhein und Maas) ob utilitatem et necessitatem ipsius congregationis discurrunt, ad quascumque civitates aut portus vel cetera loca accessum habuerint, nullus ex eis aut hominibus qui eas prevident, nullum theloneum, aut ripaticum, aut postaticum aut pontaticum, aut salutaticum, aut cenaticum, aut pastionem, aut trauvaticum, aut ullum occursum vel ullum censum aut ullam redibitionem accipere vel exigere audeat, sed licitum sit eis absque alicujus illicita contrarietate vel detentione per hanc nostram auctoritatem naves et homines qui eas providere debent cum his que deferunt per universum imperium nostrum libere atque secure ire et redire, et si aliquas moras in quali-
III. Das Zollwesen in karolingischer Zeit
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von 858, der dem Kloster Lorsch Zollfreiheit für ein Schiff auf dem Rhein und besonders im Hafen von Worms verlieh, wurde bereits hingewiesen44. Als Idealtypus solcher Marktorte an Flüssen und der entsprechenden Zölle kann man Dorestad südlich von Utrecht an der Gabelung von Rhein und Lek ansehen. Der Handelsplatz gehört zu den meistgenannten Zollstätten in den fränkischen Schriftquellen 45 und ist zudem archäologisch intensiv erforscht worden 46 . Die Quellenlage ist also hier besonders günstig und erlaubt, sich ein Bild von einer wichtigen karolingischen Zollstätte zu machen. Die hohe Bedeutung des Ortes als unternationalen Warenumschlagplatz wird nicht zuletzt dadurch erkennbar, daß dort zwei zeitlich und wohl auch im Erhebungsmodus gleiche Zölle unterschiedlicher Inhaber nachweisbar sind: 777 schenkte Karl der Große dem Bischof von Utrecht u. a. die oberhalb von Dorestad erbaute Kirche Upkirika mit dem ripaticum am Lek und einer Insel bei dieser Kirche im östlichen Teil zwischen Rhein und Lek 47 . Zwei Jahre später bestätigte Karl dem Kloster St. Germain-des-Pres Zollfreiheit in seinen Reichen, wobei er eine Reihe von Zollstätten, darunter Dorstade aufzählte 48 . Daß der König das Kloster indes nicht zu Lasten der Utrechter Kirche vom Dorestader Zoll befreite, sondern hierunter eine eigene, in königlicher Regie erhobene Abgabe zu verstehen ist, ergibt sich aus dem Praeceptum negotiatorum Ludwigs des Frommen von 828, einem Privileg für eine bestimmte Gruppe von Kaufleuten, die nur an drei Orten, nämlich zu Dorestad, Quentowic und an den Alpenpässen, zollpflichtig sein sollten, wo zum Nutzen des Königs Zehnte erhoben wurden 49 . An den zwei auch archäologisch nachweisbaren Handelsniederlassungen in Dorestad, eine unter dem Schutz des Königs am Rhein, die andere unter dem der Utrechter Kirche an der Lek 50 , wurden also auch zwei verschiedene Abgaben erhoben, wobei die Utrechter
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bei loca fecerint, aut aliquid mercati fuerint aut vendiderint, nichil ab eis prorsus, ut dictum est, exigatur, HALKIN/ROLAND, Recueil I, Nr. 26. liceat... unam navem illorum per Renum fluvium huc illucque discurrere et ad portum Wormatiam civitatem absque ullo theloneo pervenire et necessitates eorum per hanc nostram auctoritatem feliciter peragere, MGH D LdD, Nr. 89; siehe oben S. 26. Vgl. zum Typus dieser Handelsorte LEBECQ, Histoire parallèle; IRSIGLER, Messesysteme, S. 3 ff. Vgl. dazu insbesondere VAN ES/VERWERS, Excavations. MGH D Karol. I, Nr. 117. 779 März 27, MGH D Karol. I, Nr. 122. Keineswegs handelte es sich bei den aufgezählten Zöllen (Rouen, Quentowic, Amiens, Maastricht oder Utrecht, Dorestad, Paris, pagus Triganisus in Burgund, Sens) nur um Grenzzölle (»douanes«) wie LEBECQ, Histoire parallèle, S. 415 f., meint. Der Begriff scheint im übrigen dem karolingischen Zollwesen allenfalls für die Zollstationen an der Ostgrenze des Reiches angemessen. MGH Formulae S. 314 f. Vgl. insbesondere das Privileg Ludwigs des Frommen für Utrecht von 815 März 18 (MULLER/BOUMAN, OSU I, Nr. 56) und die Bestätigung Zwentibolds von 896 Juni 24 (MGH D Zw, Nr. 9). Die königliche Protektion läßt sich nicht explizit nachweisen, doch waren die Händler im nördlichen Teil von Dorestad am wichtigeren und größeren
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A. Das Zollwesen in den Rheinlanden in fränkischer
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Kirche seit der Fiskalzehntverleihung Pippins II.51 möglicherweise auch vom königlichen Zoll noch einmal einen 10%-Anteil bezog52. Die in Dorestad erhobenen Abgaben waren - wie schon der 777 verwendete Terminus ripaticum (»Uferzoll«) nahelegt - bei der Ankunft der Schiffe in den Häfen fällig53, deren Dimensionen einem enormen Schiffsaufkommen gerecht werden konnten: Ausgrabungen für den nördlichen (königlichen) Teil Dorestads haben gezeigt, daß die Hafenfront wahrscheinlich 1 km(!) lang und durch senkrecht zum Rheinufer verlaufende, ca. 8 m breite Straßen mit der Siedlung verbunden war54. Durch die Ergebnisse der archäologischen Forschungen in Dorestad hat nicht nur der frühmittelalterliche Ort selbst Gestalt angenommen, es konnten auch Aufschlüsse über dort gehandelte Waren gewonnen und diese teilweise ihrem Ursprungsraum zugewiesen werden. Die zahlreichen Brunnen der Handelssiedlung wurden oftmals durch in die Erde versenkte Tonnen eingefaßt, wobei anscheinend Fässer nach ihrem Gebrauch als Transportbehälter einer sekundären Verwendung zugeführt wurden. Die Dorestader Faßbrunnen bestanden aus Eichenholz, das - wie dendrochonologische Untersuchungen ergaben - zwischen 685 und 835 in Rheinhessen, einem Weinanbaugebiet, geschlagen wurde. Ein guter Teil dieser Behälter dürfte mithin dem Weintransport gedient haben 55 . Auch Keramikgefäße - die Masse der Funde bestanden aus Badorfer oder Pingsdorfer Ware, die im rheinischen Vorgebirge hergestellt wurde - verwendete man zu diesem Zweck; sie waren aber nicht nur Transportbehälter, sondern selbst auch Handelsgut 56 . Mayener Basaltmühlsteine wurden wegen ihrer im Vergleich zu Felsgestein denkbar besten Abriebeigenschaften zum Betrieb von Getreidemühlen weit über die Reichsgrenzen hinaus nach England, an der Nordseeküste entlang nach Hamburg und Jütland, aber auch in die Niederlausitz verhandelt. Welche Intensität dieser Handel hatte, wird daran deutlich, daß jede großflächige Grabung in Jütland Reste von Basaltmühlsteinen hervorbringt.
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Rheinufer rechtlich wohl kaum schlechter gestellt als die Kaufleute unter Utrechter Schutz. Vgl. zu Dorestad zusammenfassend VERHULST, Dorestad, Sp. 1264. Erwähnt in der Bestätigung Pippins d. J. von 753 Mai 23: Ideoque et quod Pippinus rex Francorum ad ipsa causa dei concessit vel ad illo episcopatu, ut omnem decimam de terra seu de mancipia aut de theloneo vel de negotio aut undecumque ad partibus fisci census sperare videbatur, MGH D Karol. I, Nr. 4. So auch VERKERK, Tonlieux carolingiens, hier S. 165 ff. Vgl. die Erweiterung der Privilegien der Dorestader Kaufleute unter Utrechter Schutz auf Deventer und Tiel durch Zwentibold 896 Juni 24: ut, sicut in Dorestadio in terris sancti Martini residentibus vel cum navibus adripantibus aut ibi commanentibus nec teloneum aut coniectum seu mansionaticum aut fredus a ministerialibus nostris exigetur, sie in Dauentra villa et Tiale omnibusque aliis locis in terris et possessionibus eiusdem Traiectensis aecclesie consistentibus vel commanentibus de cetero ab exaetoribus nostris non expetentur (Hervorhebung des Verf.), MGH D Zw, Nr. 9. Vgl. VAN Es, Hafen, S. 401, und Abb. 3, S. 403. Vgl. STEUER, Handel der Wikingerzeit, S. 131-134. Vgl. STEUER, Handel der Wikingerzeit, S. 134 f.
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Dorestad spielte dabei eine wesentliche Rolle als Umschlagplatz, wobei das Material ausschließlich aus der seit der Römerzeit genutzten Lagerstätte im Eifelvorland gewonnen wurde: alle (!) am Handelsort gefundenen Mühlsteinfragmente sind aus Mayener Basalt57. Setzt man Ursprungsort und Fundort dieser Waren in Beziehung, liegt der Schluß nahe, daß sie auf dem Rhein nach Dorestad gebracht wurden, vermutlich durch friesische Händler, deren Handelszentrum Dorestad war58. Diese Zusammenhänge zwischen Handelsplatz, Händlern und Handelsweg werden nicht zuletzt durch das parallele Erscheinen Dorestads, des Friesenhandels und des Rheins als Verkehrsträger in den schriftlichen Quellen seit dem Ende des 8. Jahrhunderts erhärtet 59 . III.2.4 Trier Ein Zoll in der Bischofsstadt wird expressis verbis erstmals im Jahr 902 erwähnt, als er mit der Münze und weiteren Gerechtsamen, die Erzbischof Weomad (762-791) entzogen und zur Bildung einer Grafschaft verwendet worden waren, durch Ludwig das Kind der Trierer Kirche restituiert wurde 60 . Jene Übertragung aus der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts ist nur aus der Restitution von 902 bekannt; es ist also nicht völlig sicher, ob - wie in dieser Urkunde behauptet - der Umfang der zurückgegebenen dem der entzogenen Rechte und Einkünfte entsprach, ob einige fehlten oder auch neu hinzukamen. Gleichwohl gibt es Hinweise auf einen Zoll zu Trier im 8. Jahrhundert. 772 verbriefte Karl der Große der Trierer Kirche die Immunität 61 , eine Maßnahme die, wie Anton herausgearbeitet hat, im Konnex mit der kurz zuvor oder im direkten Zusammenhang damit erfolgten Bildung der Grafschaft im Trierer Land aus den inhaltlichen Substraten des aufgelösten Trierer Bischofsstaates spätmerowingischer Prägung zu sehen ist62. In dieser Immunitätsurkunde, die im traditionellen Zuschnitt einer hochstiftischen Gesamtimmunität gestaltet war63, wurde
57 58 59 60
61 62 63
Vgl. STEUER, Handel der Wikingerzeit, S. 142-146. Vgl. zusammenfassend VERHULST, Frühmittelalterlicher Handel. Vgl. auch VERHULST, Frühmittelalterlicher Handel, S. 388. Vgl. die Petitio: ut Treuerice civitatis monetam, theloneum, censales, tributum atque medemam agrorum cum fìscalibus hominibus, que quondam tempore Wiomadi eiusdem urbis archiepiscopi de episcopatu abstracta et in comitatum conversa fuisse noscuntur, eidem episcopio nostre maiestatis auctoritas restitueret, und die Dispositio: per consensum Wigerici comitis ... monetam scilicet ipsius civitatis, theloneum omneque tributum infra civitatem et extra per omnem comitatum de monasteriis et villis ac vineis, sed et cunctos censales atque fiscales et medemam agrorum de comitatu ad episcopatum cum omni integritate convertimus et de nostro iure ad partem et potestatem sancii Petri reddidimus eiusque dominio, M G H D LdK, Nr. 17. M G H D Karol. I, Nr. 66. Vgl. ANTON, Verfassungsgeschichtliche Kontinuität, S. 17 ff.; DERS., Trier im frühen Mittelalter, S. 185-191; zusammenfassend DERS., Trier von der Spätantike, S. 70 f., 86 f. V g l . KAISER, I m m u n i t ä t s p r i v i l e g i e n , S. 9 ff., 14 f.
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A. Das Zollwesen in den Rheinlanden in fränkischer Zeit
den Amtsträgern jedoch nicht nur, wie in solchen Immunitätsdiplomen üblich, allgemein die Erhebung von Friedensgeldern und anderen genannten Abgaben, darunter auch Zöllen, auf Besitzungen der Kirche untersagt, sondern auch ausdrücklich ante civitatem Trevericam verboten 64 , ein Passus der gegenüber den nicht erhaltenen Vorgängerdiplomen, wie sie in der Petitio zusammengefaßt wurden, neu hinzukam. Andererseits wurde die dort erwähnte Überlassung der freda zum Nutzen der Trierer Kirche 65 nicht in die Dispositio Karls aufgenommen 66 . 816 bestätigte Ludwig der Fromme Erzbischof Hetti von Trier Königsschutz, Immunität und die Abgaben- und speziell auch Zollfreiheit seiner Kirche für ihre jetzigen und zukünftigen Besitzungen und schenkte ihr alles das, was der Fiskus dort erheben konnte 67 . Obgleich in dieser Urkunde ausdrücklich auf die Immunitätsver-
64
Eine Parallele zu dieser Bestimmung liegt im sehr ähnlichen Immunitätsdiplom Karls des Großen für die Metzer Kirche (775 Jan. 22, MGH D Karol. I, Nr. 91) mit dem Verbot der Zollerhebung ad civitatem Mettensem\ vgl. KAISER, Immunitätsprivilegien, S. 16 Anm. 84. Bei dessen Interpretation der Textstelle als »näherer oder weiterer Stadtbereich sowohl intra (sic) als extra muros« ist allerdings nicht nachzuvollziehen, warum sich die Präpositionen ante bzw. ad auf den Bereich infra muros beziehen sollen. Man wird dabei in beiden Fällen eher an eine Abgabe zu denken haben, die auf der Mosel von Marktbesuchern erhoben wurde, die per Schiff reisten, wie z. B. der bei Gregor von Tours erwähnte Trierer Salzhändler (Gregor von Tours, Libri IV de virtutibus sancti Martini episcopi, hg. von Bruno KRUSCH, MGH SS rer. Mer. 1.2, 2. Aufl. Hannover 1959, IV.29, S. 206). Im Metzer Diplom liegt der Fall mit den freda im übrigen genauso. In der Petitio werden sie wie bei Trier der Bischofskirche zuerkannt, in der Dispositio fehlt dies jedoch, dafür kam auch dort die Abgabenbefreiung vor der Stadt hinzu. 65 Die Petitio ist wie der ganze Text verderbt, aber wohl in diesem Sinne zu interpretieren: neque freta vel thelonea exigere aut aliquas paratas facere, sed in eorum privatas audientias agentes ipsius ecclesie unicuique de reputatis condicionibus directum facerent et ab aliis simulque perciperent veritatem et, ubi fldem ipsi agentes aut reliqui homines memorate ecclesie accipiebant, freti ad ipsa loca sanctorum deberent Christo presule proficere; pari modo et si homines eorum pro quolibet excessu cuicumque fredum exsolvebant, fredum qui exinde in publico exsperare potuerant, ad ipsas ecclesias fuisset concessum, MGH D Karol. I, Nr. 66. 66 Precipientes enim [iubemus], ut neque vos neque iuniores seu successores vestri in curtis ipsius ecclesie vel memorato pontifice aut abbatibus suis vel monasteria castella seu et vicos tam ultra quam citra Renum et ultra Ligerem vel ante prefatam civitatem Trevericam aut in pagos parochias monasteria seu castella vicos vel omnibus ecclesiis ad easdem aspicientibus freda vel thelonea exigendo [vel] coniectus aut aliquos paratos faciendo vel qualicumque ingenio aut aliquo detrimento generando penitus ingredere non debeatis, quia volumus, ut, quod a nobis vel antecessores nostros fuit concessum ... perenniter maneant inconvulsa, MGH D Karol. I, Nr. 66. 67 praecipimus atque iubemus, ut nullus iudex publicus uel quislibet ex iudiciaria potestate in monasteria, aeclesias, castella, uicos, loca uel agros seu reliquas possessiones praedictae aecclesiae, quas moderno tempore iuste et legaliter tam ultra quam iuxta Renum uel circa Ligerem in pagis uel territoriis infra dictionem imperii nostri memorata tenet uel possidet
III. Das Zollwesen in karolingischer
Zeit
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leihung Karls des Großen Bezug genommen wurde 68 , fehlt bei sonstiger Textübernahme dessen ausdrückliche Hervorhebung des Bereichs vor der Stadt Trier. Hinzu kam 816 jedoch die positive Übertragung der von den Besitzungen der Trierer Kirche fälligen Fiskalabgaben, im Kontext der in der Befreiung aufgezählten Abgaben waren dabei offenbar auch Zölle gemeint 69 . Wenn man mit Anton davon ausgeht, daß 772 (als Terminus ante quem) die Grafschaft aus vorher bischöflichen Rechten, wie sie 902 aufgezählt wurden, also auch dem Zoll, gebildet wurde, dann fragt man sich, warum und wem in der Immunitätsurkunde von 772 expressis verbis die Zollerhebung vor (oder bei) der Stadt verboten werden sollte, wenn dieses Recht in der civitas zu den wichtigen Einkünften der neu konstituierten Grafschaft gehört hätte. Warum wurde dieser Passus 816, obwohl die Urkunde Karls als Vorlage zur Verfügung stand und auch benutzt wurde, weggelassen? Warum ist in keiner der Quellen von einem Markt die Rede, wo doch der Zoll wahrscheinlich auf diesen bezogen war? Ein Versuch zur Erklärung dieser Widersprüche bewegt sich mangels zusätzlicher Quellen auf unsicherem Boden und kann deshalb nur (als eine von mehreren Möglichkeiten) hypothetisch formuliert werden: Vielleicht erfolgte die Ausstattung der Grafschaft mit den 902 aufgezählten Substraten nicht auf einen Schlag, sondern über Jahre verteilt in mehreren Etappen. Vermutlich 772 wurden Erzbischof Weomad wesentliche Herrschaftsrechte und Einkünfte entzogen und zur Bildung einer Grafschaft verwandt. Der Erzbischof behielt jedoch bis zur Restitution von 902 den - deshalb nicht erwähnten - Markt und vorerst auch den Zoll, der angesichts der Lage des Handelsplatzes in Moselnähe an der
aecclesia uel quae deinceps in iure ipsius sancii loci uoluerit diuina pietas augeri ad causas audiendas uel freda aut tributa aut coniectos aliquos exigendos aut mansiones uel paratas faciendas aut fideiussores tollendos ... ingredi audeat... neque theloneum exigere quem admodum in praecepto domni et genitoris nostri continetur... Et quicquid de praefatis rebus aecclesiae ius fìsci exigere poterai in integrum eidem concessimus aecclesiae scilicet ut perpetuo tempore et ad peragendum dei seruicium augmentum et supplementum fiat, M R U B I, Nr. 50; in der Bestätigung Zwentibolds vom 5. Februar 898 ( M G H D Zw, Nr. 18), die Textelemente aus Ludwigs Urkunde verwendete, wurde lediglich eine allgemeine Abgabenbeschränkung auf sechs Pferde jährlich formuliert, die Erhebung von Fiskalrechten jedoch nicht erwähnt. Die Immunitätsbestätigung Ottos I. (947 Jan. 27, M G H D O I, Nr. 86) ging ebenfalls auf letzteres nicht ein. Dagegen sind die Immunitätsurkunden M G H D O II, Nr. 52 (973 Juli 26) und M G H D O III, Nr. 51 (988 Dez. 28) unmittelbar nach Ludwigs Urkunde verfaßt und enthalten somit auch den Passus über die Verleihung der Fiskalrechte. 68 Heti sanctae Treuerensis aecclesiae archiepiscopus obtulit obtutibus nostris auctoritatem immunitatis domni et genitoris nostri bonae memoriae Karoli piissimi augusti, M R U B I, Nr. 50. 69 Es fehlen gleichwohl direkte Belege für die Umsetzung dieses Rechts.
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A. Das Zollwesen in den Rheinlanden in fränkischer
Zeit
Römerbrücke in unmittelbarer Nachbarschaft zum Hafen 70 sicher auch (marktbezogene) Schiffsabgaben umfaßte. Dem Grafen wurde die Zollerhebung unmittelbar vor der Stadt, also z. B. oberhalb oder unterhalb Triers auf der Mosel verboten, weil sie den Marktverkehr zusätzlich abgeschöpft und die bischöflichen Einkünfte geschmälert hätte. Bis 816 war dieses Verbot keineswegs in Vergessenheit geraten, aber bereits hinfällig geworden, da man dem Grafen mittlerweile auch die Zollrechte in der Stadt übertragen hatte. Die Trierer Kirche wurde im Gegenzug mit einer erweiterten Immunität privilegiert, die nicht nur wie schon 772 dem iudex publicus die Zollerhebung auf trierischem Besitz verbot, sondern Erzbischof Hetti die Einziehung dieser und der anderen Fiskalabgaben in Eigenregie erlaubte, also de facto auch als positive Zollübertragung zu werten ist71. Der Wert dieser Fiskalrechte im Immunitätsgebiet ist zwar im Vergleich mit den 902 restituierten Einkünften nicht zu quantifizieren - gleichwohl erhält die Bestätigung der Immunität durch Ludwig 816 unter diesem Blickwinkel einen Entschädigungsaspekt, der bisher anscheinend unbemerkt blieb, jedoch sehr gut in die immer deutlicher erkennbare Integration der Trierer Kirche in das »Verfassungsystem der Reichskirche unter Karl dem Großen und Ludwig dem Frommen« 72 paßt. Inwieweit der hier skizzierte Erklärungsversuch tragfähig ist, wird die verfassungsgeschichtliche Diskussion zeigen; festzuhalten bleibt - und dies ist für unsere Fragestellung das einzig entscheidende-, daß ein wahrscheinlich marktbezogener Trierer Zoll mit großer Sicherheit für die frühen siebziger Jahre des 8. Jahrhunderts nachweisbar ist. Insgesamt zeigt sich, daß die wenigen bezeugten Zollstätten der fränkischen Zeit im Untersuchungsraum vornehmlich auf die Erfassung des Marktverkehrs ausgerichtet waren und kaum als Transitzölle einzustufen sind, wie sie in den einschlägigen Kapitularien häufig belegt sind. Von deren Existenz kann zwar auch für die Rheinlande ausgegangen werden, eine konkrete Lokalisierung ist jedoch nicht möglich.
70
71 72
Vgl. zur Lage des Trierer (Alt-)Marktes an der Römerbrücke ANTON, Trier im frühen Mittelalter, S. 120 f., 184; LAUFNER, Trierer Markt, bes. S. 12 ff., 44; FLINK, Topographie, S. 222-227, mit Lokalisierung des Hafens. Vgl. zu derartigen Immunitätsprivilegien und ihrer Einordnung IMBART DE LA TOUR, Immunités, S. 83 ff. ANTON, Verfassungsgeschichtliche Kontinuität, S. 21.
III. Das Zollwesen in karolingischer Zeit
III.3
41
Die Zollpolitik der fränkischen Herrscher in den Rheinlanden
Einem vieldiskutierten neuen Handbuch zur deutschen Geschichte ist zu entnehmen, daß den »politisch maßgeblichen Personen« im früheren Mittelalter »die geringste ökonomische Einsicht« fehlte und »noch lange nicht erkannt« wurde, daß Zölle »ein Instrument der Wirtschaftsförderung und -Steuerung« sein konnten 73 . Dagegen ist im folgenden zu zeigen, daß die fränkischen Herrscher in den Rheinlanden sehr wohl eine Zollpolitik 74 betrieben, die diesen Namen verdient. Ein bewußtes Einwirken der Karolinger auf die Abgabenbelastung des Handelsverkehrs wird vor allem in zwei großen Bereichen greifbar: einerseits in den einschlägigen Bestimmungen der Kapitularien und ähnlichen Regelwerken mit allgemeinem Geltungsanspruch 75 , die den zollpflichtigen Warenverkehr definierten und Kriterien für die Rechtmäßigkeit von Zollstätten aufstellten, andererseits in Zollbefreiungen und -Schenkungen zugunsten geistlicher 76 Institutionen und bestimmter Personengruppen 77 .
73
S o FRIED, W e g , S. 7 4 1 .
74 Vgl. dazu Irsiglers umfassende Kennzeichnung mittelalterlicher Zollpolitik: »die Anwendung bzw. Nichtanwendung, die Unterstützung bzw. das Unterlaufen des vielfältigen Katalogs von Instrumentarien zur Steuerung, Förderung oder Hemmung, vor allem aber zur fiskalischen Nutzung des lokalen, regionalen und überregionalen Handelsverkehrs«, IRSIGLER, Zollpolitik, S. 40.
75 Vgl. zu den Zollbestimmungen der Kapitularien SIEMS, Handel, S. 448-468. Die mit den Kapitularien zusammenhängende Problematik hat eine Fülle von Forschungsliteratur zu vielen Teilaspekten hervorgebracht, dabei aber nur relativ wenig zu den zollpolitischen Maßnahmen. Im Rahmen dieser Arbeit kann auf die vielen noch immer sehr kontrovers diskutierten Fragen nicht eingegangen werden. Vgl. GANSHOF, Capitularía (deutsche Ausgabe GANSHOF, Kapitularien); MORDEK, Kapitularien, und jetzt vor allem SIEMS, Handel, S. 431-447, mit einem Überblick über den Forschungsstand und wichtigen methodischen Bemerkungen zur Interpretation dieser Quellen. 76 Lediglich eine Zollbefreiung durch Karl den Großen für einen Weltlichen (fidelis) ist, wie sich aus dem Titel als rex Francorum ergibt, aus der Zeit zwischen 769 und 774 als Formular (MGH Formulae, S. 201 f.) überliefert, das bezeichnenderweise nach dem Vorbild eines Privilegs für eine geistliche Institution abgefaßt wurde. 77 Vgl. auch die noch weiter differenzierte Typologie bei GANSHOF, Tolwezen onder de Karolingen, S. 24-27.
42
A. Das Zollwesen
III.3.1
Kapitularien
III.3.1.1
Definition der Zollpflicht
in den Rheinlanden
in fränkischer
Zeit
Eines der Grundelemente von Zollpolitik ist die Bestimmung dessen, was der Zollerhebung wie unterworfen sein soll. Wenngleich der Zoll wohl hauptsächlich nach dem Transportmittel bemessen war und über die Existenz einer tarifären Differenzierung zollpflichtiger Güter nach Art und Menge, also das »wie«, aus den Quellen der fränkischen Zeit nur wenig bekannt ist, läßt sich schon früh eine Scheidung zollpflichtiger und zollfreier Waren, die Eingrenzung des »was«, erkennen. Bereits im Edikt Chlothars II. aus dem Jahr 614, das, soweit bekannt ist, die erste aller normativen Regelungen des fränkischen Zollwesens darstellt, wird erkennbar, daß nur eine bestimmte Gruppe von Waren der Zollerhebung unterworfen werden sollte. Die zollpflichtigen Güter (species) wurden jedoch nicht konkret bestimmt, sondern man definierte für die einzelnen Teilreiche ein Normjahr der Zollerhebung - für das Untersuchungsgebiet als Teil Austrasiens war dies 575 - , ohne daß man aber Warenart bzw. Zollhöhe näher präzisierte 78 . Für die merowingische Zeit sind weitere vergleichbare Maßnahmen nicht mehr überliefert; erst das frühkarolingische Königtum hat sich wieder ähnlicher Mittel bedient, um seinen zollpolitischen Vorstellungen Ausdruck zu verleihen. Als Pippin 754 oder 755 verbot, von Lebensmitteln und anderen Gütern, die nicht für den Handel bestimmt waren, sowie vom Reisegepäck der Pilger Zoll zu erheben 79 , formulierte er - wenn man das Verbot ins Positive wendet - als erster, was Zoll sein sollte: eine Steuer auf den Handel, also den - nach der Definition Isidors von Sevilla80 - mit Gewinnabsicht betriebenen Güterverkehr. Dieses Prinzip war sicher nicht neu, es ist wahrscheinlich sogar so alt wie die Institution Zoll selbst, aber dennoch ist allein schon die Tatsache der Fixierung im Bereich der Kapitularien bemerkenswert. Ist sie doch möglicherweise ein Indiz für Strukturveränderungen im Güterverkehr, die zwischen offensichtlichen Handelstransporten, z. B. von Luxuswaren, und eindeutig nicht-kommerziellen
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79
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c. 9: De toloneo: ea loca debeat exegi uel de speciebus ipsis, quae praecidentium principum, id est usque transitum bone memorie domnorum parentum nostrorum Gunthramni, Chilperici, Sigiberthi regum est exactum, M G H Cap. I, Nr. 9; DE CLERCQ, Concilia Galliae, S. 284. D i e Jahreszahl ergibt sich aus dem Tod des austrasischen Teilkönigs Sigibert I. c. 4: De theloneis vero sic ordinamus, ut nullus de victualia et carralia, quod absque negotio est, theloneum praehendat; de saumis similiter, ubicumque vadunt. Et de peregrinos similiter constituimus qui propter Deum ad Romam vel alicubi vadunt, ut ipsos per nullam occasionem ad pontes vel ad exclusas aut navigio non deteneatis, nec propter scrippa sua ullo peregrino calumpniam faciatis, nec ullum theloneum eis tollatis, M G H Cap. I, Nr. 13. Negotium autem in causis, negotiatio in commerciis dicitur, ubi aliquid datur ut maiora lucrentur, Isidor von Sevilla, Etymologiae XVIII 15,3. Gewinnstreben als Voraussetzung der Zollerhebung nennt auch Karl der Große in einem Brief an den englischen König Offa v o n Mercia: quosdam fraudolenter negociandi causa se intermiscere, lucra sectantes, non religioni servientes... locis oportunis statuta solvant telonea, M G H Epp. IV, S. 145.
III. Das Zollwesen
in karolingischer
Zeit
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carralia, z. B. dem Einbringen der Ernte, eine konfliktträchtige Grauzone gerade bei den victualia entstehen ließ, in der man vor allem die Fuhren geistlicher Grundherrschaften zu vermuten hat. Denn während noch Dopsch deren Rolle im Wirtschaftsgefüge der karolingischen Zeit eher gering eingestuft hatte 81 , ist in der neueren Forschung der große Anteil dieser Institutionen am Güteraustausch herausgearbeitet worden, für den Untersuchungsraum vor allem am Beispiel der Abtei Prüm 82 . Man hat mit einem erheblichen und im Gefolge des Ausbaus der großen Grundherrschaften wachsenden Anteil solcher Transporte am Gesamtverkehr zu rechnen. Hinzu kam, daß diese im Verlauf des 8. Jahrhunderts zunehmend in Eigenregie statt mit Hilfe königlicher Transportleistungen organisiert wurden 83 und daher mit kommerziellen Fuhren leichter zu verwechseln waren. So kann man Pippins Kapitular als Versuch interpretieren, diesen Wandlungen durch die Formulierung fixer Prinzipien der Zollerhebung mit exemplarischer Konkretisierung (Lebensmittel, Pilger) gerecht zu werden, wobei derartige Regeln jedoch auf den Verkehr geistlicher Grundherrschaften - wie deren immer häufiger explizit erteilte Zollbefreiungen zeigen - nicht hinreichend klar anwendbar waren. Zwar sollte Zoll nur von Handelsware erhoben werden, aber wie sollte ein Zöllner z. B. erkennen, ob ein Transport, der möglicherweise noch dazu von einem klösterlichen negotiatorM begleitet war, mit der Absicht der Gewinnerzielung unternommen wurde oder zur domanialen Eigen Versorgung85? Vergleichbare Abgrenzungsschwierigkeiten traten bei Pilgern auf, die schon durch das für ihre weiten Reisen mitgeführte Gepäck und den kaum zu verifizierenden Bestimmungsort mit Kaufleuten zu verwechseln waren und z. T. ihre Fahrt vielleicht auch durch Handel finanzierten. So sicherte Karl der Große 796 in einem Brief an den englischen König Offa von Mercia zwar den Rompilgern die herkömmliche Zollfreiheit für ihren Reisebedarf (necessaria) zu; wer tatsächlich jedoch in Geschäften, nicht aus religiösen Gründen unterwegs war, und sich unter die Pilger gemischt hatte, um an deren Vergünstigungen teilzuhaben, hatte die festgesetzten Zölle zu entrichten 86 . Unter ähnlichem Vorbehalt - der Passus über die Pilger wird mit similiter an
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Vgl. DOPSCH, Wirtschaftsentwicklung I, S. 287 ff. Vgl. z. B. JOHANEK, Karolingerzeit, S. 12 f., 44-55, und DEVROEY, Réflexions, jeweils mit weiterer Literatur. Vgl. IMBART DE LA TOUR, Immunités, S. 76 f.; allerdings bleibt fraglich, ob diese staatl i c h e s Dienste tatsächlich eine so erhebliche Rolle spielten, wie er annimmt. Vgl. zu den Klosterkaufleuten JOHANEK, Karolingerzeit, S. 60 f. Ähnliche Probleme bei der Verzollung dürften auch bei dem (in seinem Umfang nicht zu unterschätzenden) klösterlichen Warenaustausch aufgetreten sein, der ohne Geldeinsatz auf fremden Märkten abgewickelt wurde. De peregrinis vero, qui propter amore Dei et salute animarum suarum beatorum limina apostolorum adire desiderant, sicut olim, perdonavimus, cum pace sine omni pertubatione ut vadant suo itinere, secum necessaria portantes. Sed probavimus quosdam fraudolenter negociandi causa se intermiscere, lucra sectantes, non religioni servientes. Si taies inter eos
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A. Das Zollwesen in den Rheinlanden in fränkischer Zeit
das Gebot der Zollfreiheit für Nicht-Handelswaren angeschlossen - hatte auch Pippin in seinem bereits erwähnten Kapitular die Belästigung von Pilgern und ihrer scrippa verboten 87 . Bemerkenswerterweise sind dort den Lebensmitteltransporten und Pilgern jeweils typische Verkehrsmittel zugeordnet. Während die victualia offenbar hauptsächlich mit Wagen und Saumtieren befördert wurden, nutzten die Gläubigen anscheinend vielfach das Schiff (navigium)', sie waren aber auch an Brükken - ob bei der Überquerung zu Land oder beim Passieren auf dem Fluß, ist offen und an den Alpenpässen (exclusae)88 mit Zöllnern konfrontiert. Diese sollten durch die hohe Buße von 60 solidi zur Beachtung der Zollfreiheit angehalten werden. Die Androhung derartig hoher Strafen belegt einen erheblichen Stellenwert des Zolls im Reiseverkehr, ist aber auch ein Hinweis darauf, daß man mit beträchtlichen Durchsetzungsschwierigkeiten der Zollbefreiung rechnete, was möglicherweise in einer Ertragsbeteiligung der mit der Zollerhebung beauftragten Personen begründet lag89; denn jede Zollfreiheit ging dann auch zu ihren Lasten. Um einen Anreiz zur Meldung derartiger Verstöße zu schaffen, wurde jedem, der ein Vergehen nachweisen konnte, die Hälfte der Buße als Belohnung versprochen, ohne daß anscheinend die Mitwirkung oder ein Antrag des Geschädigten, der vielleicht aus Angst vor Repressalien nichts unternahm, erforderlich war 90 . Diesem bemerkenswerten Versuch, auch eigentlich von der Zollerhebung selbst nicht direkt Betroffene über eine Prämie zur Durchsetzung der Strafbestimmungen zu gewinnen, war jedoch kein erkennbarer Erfolg beschieden, zumindest wurde er in späteren Zollstrafbestimmungen nicht wieder aufgegriffen 91 . Unter Karl dem Großen wurde die von seinem Vorgänger formulierte Charakterisierung des Zolls als einer Handelssteuer aufgegriffen, jedoch in der exemplarischen
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inveniantur, locis oportunis statuta solvant telonea. Ceteri absoluti vadant in pace, MGH Epp. IV, S. 145. Was unter den statuta telonea genau zu verstehen ist, bleibt unklar. Neben den regulären Abgaben könnten darunter auch erhöhte Strafsätze zu verstehen sein. Nach der gleichen Quelle genossen die negotiatores aus dem Königreich Offas im Herrschaftsgebiet Karls protectio et patrocinium ... iuxta antiquam consuetudinem negotiandi. Wenn damit Zollvorteile verbunden gewesen sein sollten - wie etwa im Praeceptum negotiatorum von 828 - , wäre auch an einen Verlust dieser Vergünstigungen zu denken. JOHANEK, Karolingerzeit, S. 64, nimmt an, daß die englischen Kaufleute den regulären Zoll zahlen mußten, der auch bei Aufdeckung der Zolldefraudation fällig gewesen sei. MGH Cap. I, Nr. 13 c. 4. Vgl. dazu DEPT, Clusas. GANSHOF, Tolwezen onder de Karolingen, S. 23, 47, denkt mit guten Gründen an eine prozentuale Beteilung des Grafen an den Zolleinkünften. Für den Untersuchungsraum ist dies nicht konkret nachweisbar. Et si aliquis hoc fecerit, qualiscumque homo hoc comprobaverit, de LX solidis triginta illi concedimus, et illi alii in sacello regis veniant, MGH Cap. I, Nr. 13 c. 4. Vgl. dazu SICKEL, Zollstrafrecht, S. 506.
III. Das Zollwesen in karolingischer
Zeit
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Konkretisierung zollfreien Warenverkehrs variiert. Im Diedenhofener Capitulare missorum verbot der Kaiser 805 die Zollerhebung bei Transporten von »Haus zu Haus«, zur königlichen Pfalz und zum Heer, die nicht Handelszwecken dienten 92 . Auch in diesen drei Bereichen waren also - will man sich nicht vorschnell mit der oberflächlichen Feststellung von Zollmißbräuchen durch die Adressaten des Kapitulars begnügen - Ähnlichkeiten mit regulärem Handel vorhanden, die einen konfliktregelnden Eingriff des Herrschers erforderten. Bei angeblichen Fahrten zur Pfalz und im Kriegsdienst mußten sich die Zöllner vermutlich ebenso wie bei den Pilgern auf die wahrheitsgemäße Angabe des Bestimmungsortes und -Zweckes verlassen, hatten aber wohl nur wenige Möglichkeiten einer Nachprüfung. Karl war sich auch durchaus darüber im klaren, daß die exemplarische Aufzählung typischer nichtkommerzieller Transporte allenfalls eine Richtlinie für die Zöllner darstellte, den konkreten Streitfall aber nicht lösen konnte. Wurde nämlich bezweifelt, daß ein Transport nicht für den Handel bestimmt war, sollte der Fall auf dem nächsten Hofgerichtstag vor dem Kaiser und seinen missi untersucht werden 93 . Die Tätigkeit eines solchen Gerichts in Zollsachen ist durch die Raffelstetter Zollordnung bekannt, die unter Beteiligung königlicher missi rund 100 Jahre später die Zollvorrechte für die Nicht-Kaufleute des Donauraums fixierte94. Wessen Transporte man im Kapitular Karls des Großen im Auge hatte, ist nur teilweise zu ermitteln. Die meisten der dem fraglichen Personenkreis zugeschriebenen Merkmale trafen auf weltliche Große ebenso zu wie auf Äbte und Bischöfe 95 im Königsdienst: Ihre Transporte gingen von »Haus zu Haus«, waren für den Palast bestimmt oder dienten der Versorgung des Heeres. Man wird domus hier wahrscheinlich in einem weiteren Sinn, vielleicht als >Zentrum eines grundherrschaftlichen
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similiter etiam nec de his qui sine negotiandi causa substantiam suam de una domo sua ad aliam ducunt aut ad palatium aut in exercitum, MGH Cap. I, Nr. 44 c. 13. Die Bestimmung findet sich auch in der Kapitulariensammlung des Ansegis: SCHMITZ, Kapitulariensammlung, S. 577 (Ans. 3,12), mit dem Zusatz teloneum nullatenus ab eis exigatur. Bei Ansegis fehlt der Schlußsatz des Kapitulars (siehe die folgende Anm.). Si quid vero fuerit unde dubitetur, ad proximum placitum nostrum quod cum ipsis missis habituri sumus interrogetur, MGH Cap. I, Nr. 44 c. 13. Diese Zollordnung ist, wie Johanek herausgearbeitet hat, ein Beispiel für das kaum überlieferte missatische Schriftwesen der karolingischen Zeit. Die genuine Funktion einer solchen notitia war es, die allgemeinen Rahmenanweisungen der Kapitularien - wie die des Diedenhofener Kapitulars - zu ergänzen und zu präzisieren; vgl. JOHANEK, Raffelstetter Zollordnung, S. 94. Die Kaufleute, Juden und andere mercatores, zahlten den gewöhnlichen Zoll. Vgl. etwa vor diesem Hintergrund die Bitte des Touler Bischofs Frothar an den Abt Wichard von Inden-Kornelimünster, ihm drei Wagen mit Wein von Bonn in die königliche Pfalz Aachen zukommen zu lassen (ca. 821-842, MGH Epp. V, S. 297). Die Abtei besaß seit 821 ein Zollprivileg Ludwigs des Frommen (LAC. I, Nr. 41), dessen sich der Bischof möglicherweise zur Vermeidung zollmäßiger Friktionen zu bedienen suchte. Daran denkt wohl auch GANSHOF, Tolwezen onder de Karolingen, S. 31 Anm. 87.
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A. Das Zollwesen in den Rheinlanden in fränkischer
Zeit
KomplexesGeschenke< zum König brachten, auch waren sie zum Heeresdienst verpflichtet. Ferner genossen sie anscheinend keine speziellen Zollprivilegien, da sie auf den Schutz durch allgemeinere Zollregeln angewiesen waren. Gleichzeitig war dieser Personenkreis jedoch einflußreich genug, um seine Interessen in kapitularischer Form fixieren zu lassen und eine bevorzugte gerichtliche Behandlung von Zollstreitfällen zu erlangen. Während in der Folgezeit der innergrundherrschaftliche Güterverkehr nicht mehr thematisiert wurde, konnte die Zollfreiheit von Transporten zur Pfalz und in Kriegszeiten auch unter Karls Nachfolger nicht ohne weiteres durchgesetzt werden, wie aus der Wiederholung dieser Bestimmung durch Ludwig den Frommen 818/81996 deutlich wird. In den Capitula de functionibus publicis von 821 taucht auch der militärische Bereich nicht mehr auf, aber ein eigener Abschnitt befaßt sich unter dem Titel De dispensa fidelium nostrorum mit dem Güterverkehr zur Pfalz97. Alle Güter, die zum Eigenverbrauch der dort im Königsdienst stehenden Personen bestimmt waren, sollten - mit welchen Verkehrsmitteln sie auch transportiert wurden - zollfrei bleiben. Wenn sich allerdings herausstellte, daß die Waren nicht zum eigenen Bedarf (non ad suam dispensam nec ad proprios usus), sondern vielmehr für den Handel (venundandi causa) bestimmt waren, war die Nachzahlung des Zolls und eine Buße des Schmugglers nach dem jeweiligen Volksrecht fällig98.
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Capitula legibus addenda c. 17: Et qui ulterius in talibus locis vel de his qui ad palatium seu in hostem pergunt teloneum exactaverit, cum sua lege ipsum teloneum reddat et bannum nostrum id est sexaginta solidos, componat, M G H Cap. I, Nr. 139. Capitulare missorum 819 c. 16: Ut nullus ad palatium vel in hostem pergens vel de palatio vel de hoste rediens tributum, quod trasturas vocant, solvere cogantur, M G H Cap. I, Nr. 141. Diese Bestimmungen finden sich auch in der Kapitulariensammlung des Ansegis: SCHMITZ, Kapitulariensammlung, S. 640 (Ans. 4,29) bzw. 654 (Ans. 4,57). Capitula de functionibus publicis c. 2. De dispensa fidelium nostrorum: sive carris, sive sagmariis, sive friskingis, sive aliis quibuslibet vehiculis, tarn eorum qui nobis assidue in palatio deserviunt, quamque et eorum qui ad palatium eorum dispensam ducunt, nemo in pontibus neque in navibus neque in quibuslibet aliis locis ab eis teloneum exigere praesumat; quod si fecerit, noverit se similiter LX solidorum poena plectendum. Quod si aliquis repertus fuerit, qui ea quae praemissa sunt non ad suam dispensam nec ad proprios usus sed potius venundandi causa ea duxerit, noverit se, sicut superius conpraehensum est, esse damnandum, M G H Cap. I, Nr. 143. Datierung nach GANSHOF, Capitularia, S. 116. Das ergibt sich aus dem Verweis im Text auf ein vorher genanntes Strafmaß: noverit se, sicut superius conpraehensum est, esse damnandum. Damit war offenbar die in c. 1
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Ein möglicher Hintergrund dieses Kapitulars könnte gewesen sein, daß der Güternachfrage am Hof kein befriedigendes Angebot entgegengestand: Denn die Getreuen des Königs waren offenbar darauf angewiesen, ihren Bedarf z. T. aus eigenen >heimatlichen< Ressourcen zu decken; gleichzeitig war dort die Nachfrage anscheinend so groß, daß der Verkauf von Waren, die unter dem Vorwand des Eigenverbrauches zollfrei geblieben waren, ein lohnendes Geschäft sein konnte und deshalb unter Strafe gestellt werden mußte. An der Verhinderung derartiger Zusatzgeschäfte waren neben dem König, dem ein Teil des fälligen Zolls entging, vor allem wohl die 828 im Praeceptum negotiatorum privilegierten Pfalzkaufleute interessiert, die zwar weitgehend Zollfreiheit genossen, aber dafür auch besondere Abgaben zu entrichten hatten" und denen somit an einem zollfreien Schattenhandel im Umfeld des Hofes kaum gelegen sein konnte. Obgleich das Kapitular einige Jahre früher entstand, ist nicht auszuschließen, daß darin auch solche Interessen privilegierter Händler berücksichtigt wurden, nachweisbar ist dies im Einzelnen jedoch nicht. III.3.1.2
Definition rechtmäßiger Zölle
Ein weiteres Grundelement des kapitularisch geregelten Zollwesens war die Definition der legitimen Zollerhebungsorte. In seinem bereits mehrmals genannten Edikt von 614 problematisierte Chlothar II. als erster fränkischer Herrscher die Verteilung der Zollstätten im Raum 100 . Im Zuge der Bestimmung der Palette zollpflichtiger Güter wurde auch für die Rechtmäßigkeit der Zollorte ein Stichjahr definiert - für Austrasien als politische Raumeinheit des Untersuchungsgebietes war dies der Tod Sigiberts I. im Jahr 575 - , ohne daß dieser Normzustand konkret spezifiziert wurde.
genannte Sanktion für falsche Deklaration zur Senkung des Zolls gemeint: Et quisquis huiusmodi iusta telonea solvere declinantem susciperit sive celaverit, id secundum suam legem emendare conpellatur: is tarnen quem celavit debitum teloneum persolvat, MGH Cap. I, Nr. 143. SICKEL, Zollstrafrecht, S. 512, bezieht superius auf die im Satz vorher genannte Königsbuße von 60 solidi für unrechtmäßige Zollerhebung. Tatsächlich ging es aber um Schmuggel, also um ein Vergehen des Zollpflichtigen, auf die sich die in c. 1 genannte Strafe für Zollhinterziehung weitaus schlüssiger anwenden läßt. Es war nicht zu ermitteln, auf welche Bestimmungen der Leges hier Bezug genommen wurde. 99 ut deinceps annis singulis aut post duorum annorum curricula peracta dimidiante mense Maio ad nostrum veniant palatium, atque ad camaram nostram fideliter unusquisque ex suo negotio ac nostro deservire studeat hasque litteras auctoritatis nostre ostendat, MGH Formulae, S. 315. Das Vorzeigen der Urkunde läßt vermuten, daß sie turnusmäßig - gegen >Gebühr< - erneuert werden mußte; vgl. zur camera als Bezeichnung für den königlichen >Schatz< GANSHOF, Praeceptum negotiatorum, S. 111. 100 c. 9: De toloneo: ea loca debeat exegi uel de speciebus ipsis, quae praecidentium principum, id est usque transitum bone memorie domnorum parentum nostrorum Gunthramni, Chilperici, Sigiberthi regum est exactum, MGH Cap. I, Nr. 9; DE CLERCQ, Concilia Galliae, S. 284. Vgl. zur Einordnung des Edikts und möglichen Hintergründen dieser Maßnahmen oben S. 18 f.
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Möglicherweise wurden entsprechende Erkundigungen im Zusammenhang mit der ebenfalls im Edikt versprochenen Abschaffung neuer Steuern 101 bei der vorgesehenen Untersuchung vor Ort eingezogen. Unter den folgenden merowingischen Königen und auch ihren Hausmeiern lassen sich keine Ansätze zu ähnlichen zollpolitischen Maßnahmen erkennen. Erst kurz nach dem Herrschaftsbeginn König Pippins wurden 755 auf dem Konzil zu Ver unter direktem Bezug auf das bereits erwähnte Kapitular von 754/755 durch die gallischen Bischöfe nicht nur das königliche Verbot der Zollerhebung von Pilgern explizit gebilligt und Pippins weitere diesbezügliche Bestimmungen gutgeheißen, sondern auch, und das ist neu, Zollstätten in rechtmäßige und nicht-legitime eingeteilt102. Damit war das Hauptfeld normativer karolingischer Zollpolitik der nächsten 100 Jahre thematisiert. Anders als in einigen späteren Kapitularien gab man noch keine Kriterien für die Legitimität einer Zollstätte an; sei es, weil vielleicht aufgrund früherer Maßnahmen eine konkrete Ortsliste existierte, worauf indes jeder Hinweis fehlt, sei es, weil man glaubte, daß die Maßstäbe bekannt und vor Ort umsetzbar waren. Die mehr oder minder nur zufällige Überlieferung des Raffelstetter Zollweistums warnt jedoch vor allem für die spätere Zeit eindringlich davor, die mögliche Existenz schriftlicher Ausführungsbestimmungen von vornherein zu ignorieren und aus den allgemeinen Wendungen in Kapitularien einen fehlenden Willen zur konkreten Umsetzung zu schließen. Für die Regierungszeit Pippins sind keine weiteren normativen Regelungen des Zollwesens erhalten. Ob Überlieferungslücken oder andere Schwerpunkte seiner politischen Tätigkeit dafür verantwortlich sind, muß offen bleiben. Karl der Große befaßte sich nachweisbar erstmals im März 779 mit der räumlichen Ausprägung von Handelsabgaben, als er die Einforderung bereits früher verbotener Zölle untersagte und die Zollerhebung generell auf die Orte beschränkte, wo sie
101 c. 8: Vt ubicumque census nouus impii addetus est et a populo reclamatur, iuxta inquaesitione misericorditer emendetur, MGH Cap. I, Nr. 9; DE CLERCQ, Concilia Galliae, S. 284. 102 c. 22: De peregrinis qui propter Deum vadunt, ut eis tolloneos non tollant; et de illos alios tolleneos quod vos antea perdonastis, ut sic fìat, ut, ubi legitime non debent esse, donati non sint, MGH Cap. I, Nr. 14. Die Deutung der auf ut sic fìat folgenden Worte ist auch anders möglich. So hat OELSNER, Jahrbücher, S. 251, daraus einen Vorbehalt der Bischöfe interpretiert, die anderen, d. h. nicht die Pilger betreffenden Bestimmungen, nur dort umzusetzen, »wo die Zölle nicht durch regelmäßige Verleihung bereits eingeführt seien«. Nach dieser Interpretation hätten die Bischöfe nur für Pilger eine allgemeine Zollfreiheit akzeptiert; bei Lebensmitteln und anderen Nicht-Handelswaren hätte diese nur für neue Abgaben gelten sollen. Naheliegender scheint aber vor dem Hintergrund der späteren Entwicklung ein Wunsch der Bischöfe, zusätzlich zum pippinidischen Kapitular, das sich ja nur mit der Definition zollpflichtiger und -befreiter Transporte auseinandersetzte, allgemein die Zollpflicht auf die legitimen, d. h. wohl althergebrachten Orte zu beschränken. Wenngleich der Passus also nicht unproblematisch ist, steht durch das ubi außer Frage, daß es um die räumliche Verteilung von Zöllen ging.
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schon antiquo tempore stattgefunden habe 103 . Aus der knappen Bestimmung ist nicht erkennbar, ob sich Karl auf die oben erwähnten Regelungen Pippins oder auf eigene, nicht überlieferte Anweisungen bezog, auch das Legitimitätskriterium der Zollerhebung wurde nicht zeitlich konkretisiert. Zwei Jahre später griff der König auf dem placitum generale in Mantua das Problem erneut auf und verbot, Zölle auf andere Weise - d. h. wohl höher oder anders tarifiert - oder an anderen Orten als nach alter Gewohnheit zu erheben. Bei Zuwiderhandlung war an den Geschädigten die nach dem Volksrecht fällige Buße zu leisten und zusätzlich der Königsbann (d. h. 60 Schilling) an die königlichen missi zu zahlen104, die hier im übrigen erstmals auch als Beauftragte im Zollwesen nachweisbar sind. Ihre konkrete Aufgabe war offenbar zum einen die Ermittlung der loca antiqua legitima und der antiqua consuetudo der Zollerhebung, d. h. die Überprüfung der räumlichen Verteilung der Zollstätten und der inneren Zustände an diesen Orten, zum anderen aber auch schon die Sanktionierung von Verstößen. Nicht zufällig waren die einkommenden Bußen an die missi zu zahlen; vermutlich ist dies ein Hinweis auf deren direkte finanzielle Beteiligung am Erfolg ihrer Tätigkeit, ohne daß zu entscheiden ist, wie hoch ihr Anteil war. Obgleich aus dem Kapitular nicht wie beim Edikt Chlothars von 614 eine zeitliche Präzisierung des >Althergebrachten< direkt erschlossen werden kann, war ein Einsatz der missi ohne konkrete allgemeinverbindliche Richtlinie kaum sinnvoll, es sei denn, man hätte lokal segmentierte, zeitlich differierende Definitionen und die daraus zwangsläufig resultierenden Ungleichmäßigkeiten von vornherein akzeptiert, was angesichts der grundsätzlich in den Kapitularien erkennbaren Versuche zur Homogenisierung der Verwaltung des Reiches wenig wahrscheinlich ist. Möglicherweise hatten die missi die Zollverhältnisse nach einem Stichjahr, etwa dem Herrschaftsantritt Karls, zu bewerten. Vieles bleibt hier offen, zumal der große Bereich der die Kapitularien begleitenden, nach Ganshof 105 erst konstitutiven mündlichen Anweisungen des Königs (verbum regis) inhaltlich nicht mehr faßbar ist. Für die folgenden rund 20 Jahre ist nur ein weiteres Kapitular Karls aus dem Jahr 789 erhalten, das sich mit dem Zollwesen befaßt 106 . Das entsprechende Kapitel enthält jedoch nur die stichwortartigen Agenda de iniustis teloneis, ohne daß den missi
103 c. 18: De toloneis qui iam antea forbanniti fuerunt, nemo tollat nisi tibi antiquo tempore fuerunt, MGH Cap. I, Nr. 20. 104 c. 8: De theloneis, ut nullus aliter teloneum presumat tollere nisi secundum antiquam consuetudinem et aliubi non tollatur nisi ad locis antiquis legitimis, et cui iniuste tollitur, secundum legem componat et insuper bannum nostrum ad missi nostri componat, MGH Cap. I, Nr. 90. Da in den Leges Zölle nicht berührt werden, ist nicht zu ermitteln, an welche Höhe hier gedacht war. Obgleich der Geltungsbereich des Kapitulars (nach GANSHOF, Tolwezen onder de Karolingen, S. 47 Anm. 143) wohl vor allem das Königreich Italien und die Lombardei umfaßte, soll es hier wegen des Rückgriffs auf die Herstaler Regelung von 779 Berücksichtigung finden. 105 Vgl. GANSHOF, Capitularia, S. 16 ff. 106 Duplex legationis edictum, c. 28: De iniustis teloneis, MGH Cap. I, Nr. 23.
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nähere schriftliche Erläuterungen mitgegeben wurden. Es ist nicht bekannt, welchen Umfang und Inhalt die mündlichen Instruktionen hatten, die ihnen vermutlich zusätzlich und ergänzend erteilt wurden, ob etwa die Umsetzung der oben skizzierten Anweisungen von 779 und 781 nachzuprüfen war. Auf jeden Fall kann festgehalten werden, daß die Frage der >unrechten< Zölle im Blickfeld Karls des Großen blieb, wenngleich er sich erst nach 800 intensiver wieder mit diesem Problem beschäftigte. Aus der Kaiserzeit Karls des Großen (800-814) liegen eine Reihe von Kapitularien vor, die z. T. als explizite Anweisungen an die missi versuchten, die Legitimität von Zollstätten neben dem weiterhin nicht konkretisierten alten Herkommen auch anhand weiterer Kriterien einzugrenzen. Die Capitula omnibus cognita facienda, die von Ganshof auf 802/803 datiert werden konnten 107 , stehen am Beginn der Reihe: Zölle sollten nur an den althergebrachten Brücken und von vorbeifahrenden Schiffen nur an den gewohnten Orten erhoben werden; im gleichen Sinne galt dies auch für die Einforderung von rodaticum und pulveraticum. Zuwiderhandlung war mit der Königsbuße zu sühnen 108 . Während sich der erste Teil anscheinend auf Schiffszölle bezog, die z. T. an Brücken erhoben wurden, forderte man die beiden anderen Abgaben - deutet man rodaticum als »Rädergeld« und pulveraticum nach dem Wortstamm pulvis - Staub als eine Art >Straßen(staub)abgabe< - vermutlich zu Land ein109. War bei den bisher angeführten Quellen trotz Hervorhebung des räumlichen Status quo ein Marktbezug der Zölle nicht auszuschließen, so zeigt sich hier eindeutig, daß Transitabgaben das vornehmliche Objekt herrscherlicher Zollpolitik waren, bei denen jede Veränderung des alten Herkommens abgelehnt wurde. Dies zu ermitteln war aber für die Königsboten nicht ganz einfach, wenngleich der Kaiser, wie aus einer recht ungehaltenen Antwort auf die Nachfrage eines nicht genannten missus zu dieser (?) Bestimmung deutlich wird, wenig Verständnis für derartige Schwierigkeiten hatte 110 . Obgleich Karl nämlich unterstellte, daß der Bote seinen mündlichen Instruktionen nicht zugehört oder sie nicht begriffen habe, lag das Problem - wie
107 Vgl. GANSHOF, Capitularía, S. 110. 108 c. 7: Ut nullus homo praesumat teloneum in ullo loco accipere, nisi ubi antiquitus pontes constructi sunt et ubi navigia praecurrunt et antiqua videtur esse consuetudo. Similiter nec rodaticum neque pulveraticum ullus accipere praesumat; quia qui hoc facere temptaverit, bannum dominicum omnimodis componere debet, M G H Cap. I, Nr. 57. 109 Vgl. GANSHOF, Tolwezen onder de Karolingen, S. 49, der das pulveraticum eine A b g a b e auf von Menschen getragene Waren deutet. Weitere Deutungen v. a. der älteren deutschen Literatur verzeichnet ADAM, Zollwesen, S. 59 f. 110 Responsa misso cuidam data, c. 6: In sexto autem capitulo scriptum erat de pontibus antiquis constitutis vel de inlicitis teloneis. Unde praecipimus, ut ubicumque antiqua consuetudo fuit teloneum accipiendi teloneum legittimum accipiant. Nam et hoc antea vobis ore proprio iniunximus et nequaquam intellexistis, M G H Cap. I, Nr. 58. Das Kapitular ist undatiert, aber es scheint sich - bei anderer Numerierung der Kapitel - auf Nr. 57 zu beziehen und wäre somit nach 802/803 anzusetzen.
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weitere >Dienstanweisungen< für die missi zeigen111 - wohl weniger im intellektuellen Unvermögen des Nachfragers als in strukturellen Gegebenheiten des Zollwesens. Im Diedenhofener Capitulare missorum von 805 vereinigte Karl beide Stränge bisher geschilderter kapitularischer Zollpolitik zu einer umfassenden Regelung des Zollwesens. Neben der bereits oben behandelten Definition zollpflichtiger und -freier Transporte versuchte der Kaiser, deutlich um Präzisierung bemüht, den missi durch positive wie auch negative Eingrenzung rechtmäßiger Zölle eindeutige Handlungsrichtlinien zu geben. Alte und rechte Zölle sollten (nur) von Händlern an Brükken, von Schiffen und auf den Märkten erhoben werden. Neue, d. h. unrechte Abgaben, die durch Spannen von Seilen erzwungen oder beim Transit von Schiffen unter Brücken erhoben wurden, sowie ähnliche Zölle, wo man den Reisenden keine (besondere) Hilfe leistete, waren untersagt 112 . Die Adressaten dieser Bestimmungen reagierten jedoch anders als beabsichtigt. Offenbar legten sie die Pflicht zur Zahlung legitimer Abgaben, wie z. B. an Brücken, nun sehr viel weiter aus als zuvor. Denn im Aachener Kapitular von 809 verbot man, die Benutzung von Brücken zur Erhebung von Zöllen zu erzwingen, wenn eine Flußüberquerung auch andernorts gefahrlos möglich war; gleichfalls wurde die Zollerhebung auf freiem Feld, wo weder Brücke noch Furt war, untersagt 113 .
111 Nimwegener Capitulare missorum, März 806, c. 10: De teloneis et cespitaticis, sicut in alia capitula ordinavimus, teneant, id est ubi antiqua consuetudo fuit, ita exigantur, ubi nova fuerint inventa, destruantur, MGH Cap. I, Nr. 46; erstes Aachener Capitulare missorum von 809, c. 19: De pontibus et viis, ut nullus toloneum accipiat, MGH Cap. I, Nr. 62. Zum Sonderfall des Diedenhofener Kapitulars von 805 siehe oben. 112 c. 13: De teloneis placet nobis, ut antiqua et iusta telonea a negotiatoribus exigantur, tarn de pontibus quam et de navigiis seu mercatis; nova vero seu iniusta, ubi vel funes tenduntur, vel cum navibus sub pontibus transitur seu et his similia, in quibus nullum adiutorium iterantibus praestatur, ut non exigantur, MGH Cap. I, Nr. 44. Die Bestimmung findet sich auch in der Kapitulariensammlung des Ansegis: SCHMITZ, Kapitulariensammlung, S. 577 (Ans. 3,12). 113 c. 9: Ut nullus cogatur ad pontem ire ad flumen transeundum propter telonei causam, quando ille in alio loco conpendiosius illud flumen transire potest. Similiter et in piano campo, ubi [sc. necj pons nec treiectus est, ibi omnimodis praecipimus ut teloneum non exigatur, MGH Cap. I, Nr. 61. Die hier in [] gesetzte Ergänzung ist m. E. für das Verständnis des Passus wesentlich; sie findet sich bereits in der von Boretius verarbeiteten Nürnberger Überlieferung der Quelle. In den meisten Hss. der Kapitulariensammlung des Ansegis (SCHMITZ, Kapitulariensammlung, S. 598 f.) ist die Bestimmung (Ans. 3, 54) zwar ebenfalls ohne das nec überliefert, doch hat Schmitz jetzt immerhin insgesamt vier Fassungen ermittelt, die es vor pons einfügen. Vgl. auch die Formulierung im Capitulare missorum (MGH Cap. I, Nr. 141 c. 4) Ludwigs des Frommen von 819: ubi nec aqua nec palus nec pons nec aliquid tale fuerit unde iuste census exigi possit. Die Interpretation der erstgenannten Textstelle durch FRIED, Weg, S. 741 (»Die Frankenkönige verboten gelegentlich, daß auf offenem Feld Brücken errichtet würden, nicht um Flüsse zu überqueren, sondern zu dem einzigen Zweck, Zölle zu erheben und sich zu bereichern«) ist daher
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A. Das Zollwesen in den Rheinlanden in fränkischer Zeit
Auch in seinem vermutlich letzten, kürzlich erst entdeckten Kapitular aus dem Jahr 813 beschäftigte sich Karl der Große mit dem Zollwesen. Ohne ins Detail zu gehen, faßte er in einen Satz noch einmal sein zollpolitisches Programm zusammen: Niemand solle es wagen, anderswo Zoll zu erheben, als dort, wo dies schon von altersher geschehe 114 . Wie Mordek und Schmitz treffend bemerkt haben, machte sich Karl aber keine großen Illusionen über die Befolgung derartiger Anweisungen. Trotz spürbarer Verärgerung über diejenigen, die so viele Jahre Gottes Gebote und seine Erlasse verachtet hätten, gab er jedoch den Kampf nicht auf und befahl seinen missi im Schlußkapitel - möglicherweise zum letzten Mal - Meldung über die Befolgung seiner Kapitularien, die er a multis annis in seinem Reich verschickt habe 115 . Zieht man eine vorläufige Zwischenbilanz der kapitularischen Zollpolitik Pippins und Karls des Großen, manifestiert sich darin eine konsequente Bekämpfung jeglicher Änderung in der inneren Struktur und der räumlichen Ausprägung des Transitzollwesens. Mitunter gewinnt man sogar den Eindruck, als ob insbesondere Karl solche Abgaben grundsätzlich abgelehnt hätte 116 . Der (schriftlich) meist wenig genau als antiqua consuetudo definierte Status quo (ante) sollte mit Hilfe der königlichen missi konserviert werden, deren Schwierigkeiten bei der Umsetzung des Normzustandes man durch zunehmend präzisere, schriftlich fixierte Richtlinien abzuhelfen versuchte, ohne daß sich ein durchgreifender Erfolg einstellte. Demgegenüber sahen die beiden Herrscher offenbar keinen Anlaß zu regelnden Eingriffen auf dem Gebiet der marktbezogenen Zölle, die bezeichnenderweise nur einmal und dort auch als legitime Abgaben auftauchen 117 . Vorschriften nach Art eines nisi ubi antiquitus wurden für Märkte nur erlassen, um zu verhindern, daß noch mehr Handel sonntags
wohl nicht haltbar. Gleiches gilt für die sehr ähnliche Deutung der Passage bei ADAM, Zollwesen, S. 151 f., 225. 114 c. 22: Ut telonea nemo alicubi tollere audeat nisi ubi antiquitus tollebatur, Edition des Kapitulars: MORDEK/SCHMITZ, Kapitularien, S. 414-423, hier S. 419. Vgl. zu Entstehung und I n h a l t e b d . , S. 3 6 6 ff., 3 7 4 - 3 7 8 .
115 c. 40: Illud autem omnibus hominibus precipimus, qui fidelitatem nobis promissam custodire voluerint, isla capitula et his similia omnimodis observare, quisquis gratiam nostram habere voluerit; de istis autem capitulariis atque de aliis omnibus, que a multis annis misimus per regnum nostrum, volumus nunc pleniter per missos nostros scire, quid ex his omnibus factum sit vel quis hec observet, que ibi precepta sunt, vel quis illa condempnat et neglegat, ut sciamus, quid de his agere debeant, qui tarn multis annis dei precepta et decretum nostrum contempserunt, MORDEK/SCHMITZ, Kapitularien, S. 423; vgl. dazu ebd., S. 378; BOSHOF, Ludwig der Fromme, S. 96 f. 116 Vgl. etwa das erste Aachener Capitulare Missorum aus dem Jahr 809 c. 19: De pontibus et viis, ut nullus toloneum accipiat, M G H Cap. I, Nr. 62, das zweifellos kein allgemeines Verbot von >althergebrachten< Transitabgaben durchsetzen sollte, aber gerade in dieser Verkürzung aufschlußreich ist. WAITZ, Verfassungsgeschichte IV, S. 63, hat zu Recht betont, daß an eine generelle Abschaffung solcher Zölle nicht gedacht war. 117 M G H Cap. I, Nr. 44 c. 13.
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stattfand 118 - an eine generelle Beschränkung von Marktorten dachte erst Karl der Kahle 864 im Edictum Pistense, das den Grafen auftrug, die bis zur Zeit Ludwigs des Frommen eingerichteten mercata zu erfassen und die überflüssigen und sine auctoritate errichteten zu beseitigen. Mit dieser Maßnahme wollte er jedoch eine bessere Münzüberwachung durchsetzen; sie erfolgte nicht aus Gründen, die das Zollwesen betrafen 119 . Ludwig der Fromme hat in seinen Kapitularien diese Grundlinien seiner Vorgänger fortgeführt und sich dabei vielleicht am intensivsten von allen fränkischen Herrschern vor und nach ihm um die Verwirklichung einer konsistenten Zollpolitik bemüht. Hatten Pippin und Karl im Bereich der Transitabgaben zwar mehrmals die Rückkehr zur antiqua consuetudo eingefordert, aber offenbar keine Notwendigkeit zu deren expliziter kapitularischer Definition gesehen, so fixierte Ludwig 818/819 in den Capitula legibus addenda die Zustände der Regierungszeit Pippins als Norm: Zoll sollte fortan nur dort erhoben werden, wo es bereits zur Zeit seines Großvaters üblicher Brauch war. Ferner verbot der Kaiser unter indirektem Bezug auf das bereits erwähnte Kapitular von 809, die Benutzung von Brücken zur Zollerhebung verpflichtend zu machen, wenn eine Flußüberquerung auch anders zu bewerkstelligen war. Im Hinblick auf den Schiffsverkehr wurde die Erhebung von Zöllen beim bloßen Transit bzw. Unterfahren von Brücken ohne Berührung des Ufers untersagt, wenn dort kein Kauf und Verkauf von Waren stattfand. Zuwiderhandlungen durch Zollerhebung an verbotenen Orten oder von befreiten Transporten wurden nach den Leges und unter Königsbann geahndet, ferner war der Zoll zurückzuerstatten 120 .
118 So etwa 809 im Aachener Kapitular c. 8: Ut mercatus die dominico in nullo loco habeatur nisi ubi antiquitus fuit et legitime esse debet, M G H Cap. I, Nr. 61. Vgl. dazu SCHLESINGER, Markt als Frühform, S. 266 f. 119 c. 19: Ut melius et commodius haec Providentia de bonis denariis non reieciendis et de monetae falsae denariis custodiri possit, volumus, ut unusquisque comes de comitatu suo omnia mercata inbreviari faciat et sciat nobis dicere, quae mercata tempore avi nostri fuerunt, et quae tempore domni et genitoris nostri esse coeperunt, vel quae illius auctoritate constituta fuerunt, vel quae sine auctoritate illius facta fuerunt, vel quae tempore nostro convenire coeperunt, vel quae in antiquis locis permanent et, si mutata sunt, cuius auctoritate mutata fuerunt. Et ipsum brevem unusquisque comes ad proximum placitum nostrum nobis adportet, ut decernere possimus, quatenus necessaria et utilia et, quae per auctoritatem sunt, maneant, quae vero superflua, interdicantur vel locis suis restituantur. Et mercata die dominico in nullo loco habeantur, sicut in primo libro capitulorum, capitulo CXXXVI habetur, M G H Cap. II, Nr. 273. 120 c. 17: De iniustis teloneis et consuetudinibus. Ut ubi tempore avi nostri domni Pippini consuetudo fuit teloneum dare, ibi et in futurum detur; nam ubi noviter inceptum est, ulterius non agatur. Et ubi necesse non est fluvium aliquem ponte transmeare, vel ubi navis per mediam aquam aut sub pontem ierit et ad ripam non adpropinquaverit neque ibidem aliquid emptum vel venundatum fuerit, ulterius teloneum non detur; et nemo cogat alium ad pontem ire, ubi iuxta pontem aquam transmeare potest. Et qui ulterius in talibus locis vel de
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Dem zeitlichen Legitimitätskriterium eines Zolles wurden so - im Rückgriff auf die Bestimmung von 805 - negativ formulierte, sachliche Merkmale ergänzend zur Seite gestellt. Im kurz darauf erlassenen Capitulare missorum verknüpfte Ludwig beide Legitimitätsstränge, indem er als typisches Beispiel neuer unrechter Gewohnheiten tributa et telonei in media via nannte. Der Kaiser subsumierte darunter alle Arten von Transitabgaben, die nicht an Verkehrshindernissen zu Land (aqua, palus) oder Wasser (obstaculum) und damit als iuste census gefordert wurden, sondern die man schon beim bloßen Unterfahren einer Brücke per Schiff verlangte. Diese Abgaben waren aufzuheben, die alten Zölle ihm zur Kenntnis zu bringen121. Die Forderung nach einer Aufstellung aller den Legitimitätskriterien entsprechenden Transitzölle im Reich - das Kapitular war ausdrücklich als Anweisung für alle missi deklariert 122 - weist auf eine neue Qualität herrscherlicher Zollpolitik hin, da Ludwig nun versuchte, direkten Einblick in die Zollverhältnisse des Reiches zu erhalten, vermutlich um so die Ausführung seiner allgemeinen Anweisungen in Zukunft im Detail nachprüfen zu können. Seinen Vorgängern war zwar nicht weniger an der Umsetzung ihrer zollpolitischen Vorstellungen gelegen gewesen, Pippin und Karl hatten dabei aber keine besondere Initiative entwickelt, um die Ausführung ihrer Anweisungen zu kontrollieren. Gründe dafür zu nennen, ist nicht einfach. Möglicherweise vertrauten sie in dieser Hinsicht etwas mehr ihrer Autorität als Ludwig - ob zu Recht sei dahingestellt. Vielleicht waren sie aber auch an administrativen Problemen weniger interessiert als er123. Der vom Kaiser geforderte, leider nicht überlieferte Bericht
his qui ad palatium seu in hostem pergunt teloneum exactaverit, cum sua lege ipsum teloneum reddat et bannum nostrum id est sexaginta solidos, conponat, M G H Cap. I, Nr. 139. Die Bestimmung findet sich auch in der Kapitulariensammlung des Ansegis: SCHMITZ, Kapitulariensammlung, S. 640 (Ans. 4,29). 121 c. 4: De iniustis occasionibus et consuetudinibus noviter institutis, sicut sunt tributa et telonei in media via, ubi nec aqua nec palus nec pons nec aliquid tale fuerit unde iuste census exigi possit, vel ubi naves subtus pontes transire solent, sive in medio flumine ubi nullum est obstaculum, ut auferantur; antiquae autem ad nostram notitiam deferantur, M G H Cap. I, Nr. 141. Die Bestimmung findet sich auch in der Kapitulariensammlung des Ansegis: SCHMITZ, Kapitulariensammlung, S. 649 (Ans. 4,45). 122 Haec sunt capitula praecipue ad legationem missorum nostrorum ob memoriae causam pertinentia, de quibus videlicet causis ipsi agere debeant. Legatio omnium missorum nostrorum haec est, M G H Cap. I, Nr. 141. 123 Man vergleiche etwa die recht unkonkrete Antwort Karls auf Nachfragen eines missus (Unde praecipimus, ut ubicumque antiqua consuetudo fuit teloneum accipiendi teloneum legittimum accipiant. Nam et hoc antea vobis ore proprio iniunximus et nequaquam intellexistis, M G H Cap. I, Nr. 58) und die detaillierten Ausführungsbestimmungen, die Ludwig in der Admonitio ad omnes regni ordines von 825 (MGH Cap. I, Nr. 150) vorsah. Man würde es sich zu einfach machen, aus dem vergleichsweise großen Interesse Ludwigs an der Umsetzung seiner Anweisungen und der daraus entstehenden, mitunter spürbaren Verärgerung über die Grenzen seiner Macht eine Bestätigung des überholten Bilds vom »schwachen Sohn des großen Karl« zu sehen - ein Punkt, der in der neueren Forschung
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über die antiqua consuetudo zur Zeit seines Großvaters war in dieser Form wohl kaum zu erbringen. Denn da aus der Zeit Pippins schriftliche Aufzeichnungen über einzelne Zölle schwerlich in größerem Umfang vor Ort zur Verfügung standen - im >Hofarchiv< offensichtlich auch nicht - konnte man auf das menschliche Erinnerungsvermögen gestützt vermutlich noch nicht einmal den damaligen Bestand ermitteln, geschweige denn das, was vor über 50 Jahren bereits üblich war. Wohl auch deshalb gab Ludwig, wie schon sein Vater, in Ergänzung zum zeitlichen Kriterium der antiqua consuetudo typische, nach Sachmerkmalen gegliederte Beispiele für occasiones iniustae. Ludwig der Fromme hat als einziger fränkischer König ein Kapitular nahezu vollständig den Zöllen gewidmet. Die Capitula de functionibus publicis von 821124 dokumentieren eindrucksvoll den hohen Stellenwert der Zollpolitik im Rahmen seines Handelns. Sie stellen ein mit bemerkenswerter Fähigkeit zur Synthese früherer Bestimmungen verfaßtes Gesamtkonzept zur Regulierung der Zölle dar. Unter dem schlichten Titel Ubi telonea exigi et ubi non exigi debeant beschäftigte sich das erste Kapitel mit rechtmäßigen und verbotenen Transitzöllen, der Regelung von Marktabgaben sowie mit Zollstrafen. Die Definition erlaubter Zollerhebung wurde wie üblich als Verbot mit Ausnahmen in bestimmten Fällen formuliert. Grundsätzlich erlaubt war die Zollerhebung nur in drei Fällen: auf Märkten, wo communia commertia ge- und verkauft wurden, an Brücken, wo man seit altersher Zoll erhob, sowie bei allen Gelegenheiten, wo zum gemeinen Nutzen Handel stattfand. Ausdrücklich verboten waren hingegen alle Arten von Transit- und sonstigen Zollabgaben, die letzteres Kriterium nicht erfüllten. Das Kapitular zählt dabei offenbar im Bemühen um Vollständigkeit eine ganze Palette von Handelssteuern auf Wasser- und Landverkehr auf: Genannt werden Schiffsabgaben bei mehrtägigem Aufenthalt an Flußufern, regelrechte Transitzölle, die beim Passieren eines Schiffes unter einer Brücke fällig wurden, sowie Zollerhebung in Wäldern, auf Straßen und Feldern 125 . Während also Marktabgaben im weitesten Sinne prinzipiell erlaubt waren, galt dies bei Transitzöllen nur in einem Fall: bei seit altersher bestehenden, an Brücken erhobenen
zu Recht betont wird (vgl. z. B. die Beiträge im Sammelband >Charlemagne's heir< bzw. die zusammenfassende Wertung von BOSHOF, Ludwig der Fromme, S. 255-270, bes. S. 269 f.). Es ist vielmehr zu bedenken, ob Ludwig und seine Vertrauten nicht vielleicht einen klareren Blick für die Zollverhältnisse hatten als Karl und seine Ratgeber. Eine zunehmende Sensibilisierung der fränkischen Führungsschicht für die >Reformdefizite< des Reiches schon gegen Ende von Karls Regierungszeit konstatiert SCHMITZ, Kapitulariengesetzgebung, S. 487. 124 Datierung nach GANSHOF, Capitularía, S. 116. 125 c. 1: ut nullus teloneum exigat nisi in mercatibus ubi communia commertia emuntur ac venundantur, neque in pontibus nisi ubi antiquitus telonea exigebantur, neque in ripis aquarum, ubi tantum naves solent aliquibus noctibus manere, neque in silvis neque in stratis neque in campis neque subter pontem transeuntibus nec alicubi, nisi tantum ubi aliquid emitur aut venditur qualibet causa ad communem usum pertinens, MGH Cap. I, Nr. 143.
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A. Das Zollwesen in den Rheinlanden in fränkischer
Zeit
Zöllen. Hier ist nicht ganz klar, ob auch Brückengelder (pontatica), die beim Überqueren des Bauwerks fällig waren, untersagt wurden, was eher unwahrscheinlich ist, oder ob das Verbot in impliziter Wiederholung der obigen Bestimmung eher auf neuerrichtete Abgaben für das Passieren per Schiff abzielte. Nach Vorschriften zur >gerechten< Preisbildung126 ging Ludwig auf die Regelung der Marktabgaben ein. Während bei den Transitabgaben vor allem ein Schutz vor ungerechtfertigter Zollerhebung bezweckt wurde, stand bei den rechtmäßigen, d. h. in der Regel marktbezogenen Zöllen die Sicherung der Einnahmen im Mittelpunkt des kaiserlichen Interesses. Wer mercata constituía zur Vermeidung der Zollabgaben scheute und außerhalb einkaufte, war zur Nachzahlung des Zolls gezwungen127. Der unter königlichem Schutz stehende reguläre Marktort, wie man diesen Terminus wohl interpretieren kann, war also mit einer Art Bannbezirk ausgestattet, innerhalb dessen jeder Handel abgabenpflichtig war128. Ob dies z. B. aber auch dann galt, wenn - wie oben beschrieben - Schiffe am Ufer anlegten, um Geschäfte zu tätigen, und der Handel nicht im Rahmen eines mercatum constitutum stattfand, ist nicht ganz klar. Denkbar ist jedoch, daß jede im obigen Sinne legitime, im weitesten Sinne marktbezogene Zollerhebung einen definierten Einflußbereich hatte, der allzu offensichtlichen Versuchen, sich der Abgaben zu entledigen, aber dennoch von den Vorteilen zu profitieren, einen Riegel vorschieben sollte. Offenbar in Analogie dazu hatte man bei den Transitabgaben z. B. in Form eines Brückenbenutzungszwanges ähnliches versucht, wobei jedoch in den Kapitularien diesen Zöllen kein >Bannrecht< zugestanden wurde. Interessanterweise erfährt man in dieser Bestimmung ferner, daß offenbar der Käufer die Zollabgabe zu entrichten hatte, was im übrigen nicht automatisch heißt, daß er auch die reale Abgabenlast alleine trug. Wie sich diese auf Käufer und Verkäufer verteilte, hing bei verschiedenen Gütern - in volkswirtschaftliche Termini gefaßt - vom jeweiligen Verhältnis der Nachfrage- und Angebotselastizität ab129. Weiterhin wurde im Kapitular die Zollhinterziehung unter Strafe gestellt: Wer versuchte, die Zahlung von iusta telonea durch Umgehung oder Verheimlichung zu vermeiden, büßte dies secundum suam legem und hatte außerdem den schuldigen
126 c. 1: Et ubi emptor cuiuslibet utitur herba aut lignis aut aliis villaticis commodis, cum eo cuius sunt quibus utitur agat iuxta aestimationem usus, et quod iustum est de tali re illi persolvat, M G H Cap. I, Nr. 143. Vgl. dazu auch SIEMS, Handel, S. 470 ff. 127 c. 1: Quod si aliquis constituía mércala fugiens, ne íeloneum solvere cogatur, et extra praedicta loca aliquid emere voluerit et huiusmodi inventus fuerit, constringatur et debitum telonei persolvere cogatur, M G H Cap. I, Nr. 143. 128 Diese Bestimmung galt nach SCHLESINGER, Markt als Frühform, S. 267, für die Dauer periodischer Märkte und Jahrmärkte, ohne daß ein solcher zeitlicher Bezug aus dem Text hervorgeht - es sei denn, man interpretiert constituía mercata im Sinne einer herrscherlichen Festlegung einer bestimmten Marktdauer. 129 Vgl. zum Konzept der Steuerinzidenz HENRICHSMEYER/GANS/EWERS, Volkswirtschaftsl e h r e , S. 2 0 9 - 2 1 2 .
III. Das Zollwesen in karolingischer Zeit
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Zoll nachzuzahlen 130 . Während die obige Strafbestimmung eher auf Marktabgaben ausgerichtet war, sollten hier offenbar in erster Linie Transitzölle erfaßt und Einnahmeausfälle durch nicht oder falsch deklarierte Ware bzw. das Umfahren der Zollstätte verhindert werden. Hatten sich die beiden letzten Bestimmungen mit den Zollpflichtigen beschäftigt, ging Ludwig daran anschließend noch einmal auf die unrechtmäßige Zollerhebung ein. Ausdrücklich wurde erneut die Zollerhebung an anderen als den am Anfang genannten Orten verboten; wer dies dennoch tat, verstieß gegen herrscherliches Gebot und hatte dementsprechend die Königsbuße von 60 solidi zu leisten131. Die gleiche Summe war auch laut dem zweiten Kapitel fällig, wenn von der dispensa fidelium nostrum auf dem Weg zur Pfalz oder zum Heer Zoll verlangt wurde, obgleich der Transport nicht Handelszwecken diente. Wurden jedoch Handelswaren in betrügerischer Absicht als Eigenbedarf ausgegeben, galt die in Kapitel 1 definierte Strafe für Zollhinterziehung: Buße nach Volksrecht und Nachzahlung des Zolls132. Im dritten Abschnitt des Kapitulars ging Ludwig noch einmal auf die an Brücken erhobenen Zölle ein. Er verbot, von denjenigen Leuten, qui pontes faciunt - seien es Personen aus Immunitäts- oder Fiskalgütern, seien es Freie - , ein pontaticum bei der Benutzung des von ihnen reparierten bzw. erstellten Bauwerks zu erzwingen, sprach also eine spezifische Zollbefreiung für diese Gruppe aus oder - was wahrscheinlicher ist - schärfte die Beachtung eines unmittelbar nachvollziehbaren Gewohnheitsrechts ein. Im Hinblick auf das oben formulierte zollpolitische Dogma der antiqua consuetudo folgt jedoch eine überraschende Bestimmung: Wenn jemand aus eigenen Mitteln, also nicht im Rahmen der öffentlichen Brückenbaupflichtprivaten< Zollerhebung, wobei vor dem Hintergrund der oben angeführten Regeln nicht an regelrechte Transitzölle für den Schiffsverkehr, sondern die üblichen pontatica gedacht war. Hält man sich jedoch vor Augen, daß der Schritt vom Brückengeld zum Transitzoll in der Praxis recht kurz gewesen sein mochte, wird eine höchst aufschlußreiche und anscheinend bisher nicht genügend beachtete 134 Dimension karolingischer Verkehrspolitik angedeutet. Auf diese Zusammenhänge wird noch zurückzukommen sein. Zunächst ist jedoch noch nach einem kurzen Überblick Uber die Grundlinien dieser Verkehrspolitik der weitere Gang von Ludwigs kapitularischer Zollpolitik unter besonderer Berücksichtigung der brückenbaulichen Maßnahmen zu verfolgen. Eine kapitularische Beschäftigung der Karolinger mit der Verkehrsinfrastruktur ihrer Reiche wird erstmals in Italien unter Pippin, dem Sohn Karls des Großen, faßbar. Dieser fixierte für das regnum Langobardorum zwischen 782 und 787 als erster fränkischer Herrscher, aber schon unter programmatischem Rückgriff auf eine antiqua consuetudo, eine allgemeine Brücken- und Wegebaupflicht, von der auch Immunitäten nicht befreit sein sollten135. Möglicherweise hat sich auch Karl der Große in heute verlorenen Kapitularien damit befaßt 136 , vergleichbare Maßnahmen für das Gesamtreich sind jedoch erst in einem 818 oder 819 ergangenen Kapitular Ludwigs des Frommen nachweisbar. Danach hatten seine missi in den einzelnen civitates mit den jeweiligen Bischöfen und Grafen Personen auszuwählen, die für die Ausbesse-
censum exigere praesumat, nisi sicut consuetudo fuit est iustum esse dinoscitur, MGH Cap. I, Nr. 143. 134 Vgl. aber die knappen Bemerkungen von SIEMS, Handel, S. 467. 135 Undatierters und -betiteltes Kapitular Pippins c. 4: Ut de restauratione ecclesiarum vel pontes faciendum aut stratas restaurandum omnino generaliter faciant, sicut antiqua fuit consuetudo, et non anteponatur emunitas nec pro hac re ulla occasio proveniat, MGH Cap. I, Nr. 91; Capitulare Mantuanum secundum generale von 787 c. 7: De pontibus vero vel reliquis similibus operibus que ecclesiastici per iustitiam et antiquam consuetudinem cum reliquo populo facere debent, MGH Cap. I, Nr. 93; vgl. dazu SZABÓ, Antikes Erbe, S. 126 f. Zu dessen Deutung der antiqua consuetudo als einer aus der Spätantike herrührenden Baupflicht vgl. die einschränkenden Bemerkungen bei SIEMS, Handel, S. 462 f. 136 Vgl. das Capitulare missorum Karls des Kahlen von 854, das auf dessen Vater (Ludwig den Frommen) und Großvater (Karl den Großen) Bezug nimmt: c. 4: De pontibus restaurandis, videlicet ut secundum capitularía avi et patris sui, ubi antiquitus fuerunt, reflciantur ab his, qui honores illos tenent, de quibus ante pontes facti vel restaurati fuerunt, MGH Cap. II, Nr. 261. Zu beachten ist, daß von Karl dem Kahlen hier in der dritten Person gesprochen wird (anders nur c. 1). SZABÓ, Antikes Erbe, S. 129 Anm. 21, (ihm folgt implizit ADAM, Zollwesen, S. 148 f.) übersetzt avi et patris sui wohl nicht zutreffend mit »sein Großvater und dessen Vater«, denn suus bezieht sich offenbar auf Karl den Kahlen, sonst müßte dort eius stehen. Im Kapitular ist somit von Pippin dem Jüngeren (t 768) nicht die Rede, auch nicht von dessen Enkel Pippin von Italien (f 810). Der von Szabó und Adam angeführte Bezug des Herausgebers Boretius auf Pippin von Italien ist, wenn ich recht sehe, ein sachlicher und kein genealogischer Verweis.
III. Das Zollwesen in karolingischer Zeit
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rung der Brücken und die Delegierung entsprechender Arbeiten an die dazu Verpflichteten verantwortlich sein sollten137. Aus den Folgejahren sind eine ganze Reihe weiterer Kapitularien Ludwigs erhalten, in denen die Wiederherstellung der pontes publici angemahnt wurde - nach Zahl und Ton der Wiederholungen zu schließen anscheinend jedoch ohne durchgreifenden Erfolg. So kommt in der Admonitio ad omnes regni ordines von 825138, die neben den Münzen auch Zöllen und Brücken je einen ausführlichen Abschnitt widmete, deutlich der Unwillen des Kaisers zum Ausdruck, daß man seine bisherigen Anweisungen - wie in anderen Bereichen auch offenbar nur teilweise umgesetzt hatte. Unter Hinweis auf seine für alle gültigen Bestimmungen in den Kapitularien und seine häufigen admonitiones zu den unrechten Zöllen befahl Ludwig seinen missi zu untersuchen, wer die entsprechenden kaiserlichen Befehle umgesetzt und wer ihre Ausführung vernachlässigt hatte. Die letzteren waren vor den Kaiser zu zitieren, um unverzüglich Rechenschaft über ihre Versäumnisse abzulegen. Wurden sie für schuldig befunden, erhielten sie als abschreckendes Beispiel für andere Nachlässige eine >angemesseneKapitulariengesetzgebung< deutliche Kontinuitäten zu der seines Vaters aufweist und dennoch eigenständigen Reformwillen erkennen läßt147. Aus der Perspektive der kapitularischen Zollpolitik kommt man zu einem ähnlichen Ergebnis: Ludwig hat die programmatischen Grundlinien seiner Vorgänger zweifellos fortgeführt. Wie kein anderer Karolinger hat er sich aber in Verantwortung vor Gott 148 um die Formulierung und Umsetzung eines stimmigen Gesamtkonzeptes bemüht und dabei auch - zumindest auf dem Gebiet der Zoll- und Verkehrspolitik - neue administrative Formen entwickelt. Seine Nachfolger haben - soweit sie überhaupt noch Kapitularien und vergleichbare normative Regelung erlassen haben - dabei nur noch ausnahmsweise eine zollpolitische Programmatik erkennen lassen. Im Juni 854 trafen sich Karl der Kahle und sein Bruder Lothar I. in Attigny. Bei dieser Gelegenheit erließ Karl ein Capitulare missorum, dessen Inhalt, wie ausdrücklich vermerkt wurde, mit Lothar abgesprochen war149. Es liegt somit nahe, daß auch
145 c. 11: De pontibus publicis destructis placuit nobis, ut hi, qui iussionem nostrani in reparandis pontibus contempserunt, volumus ac iubemus, ut omnes homines nostri in nostrani praesentiam veniant rationes reddere, cur nostrani iussionem ausi sunt contempnere; comites autem reddant rationem de eorum pagensibus, cur eos aut non constrinxerunt, ut hoc facerent, aut nobis nuntiare neglexerunt. Similiter et de iniustis theloneis, ubicumque accipiuntur, sciant se exinde nobis rationem reddituros, MGH Cap. II, Nr. 192. 146 Vgl. SCHMITZ, Kapitulariengesetzgebung, S. 514.
147 Vgl. SCHMITZ, Kapitulariengesetzgebung, S. 514 ff.; vgl. jetzt auch den Überblick bei BOSHOF, Ludwig der F r o m m e , S. 108-120.
148 Daß sich der Kaiser für den Erfolg und Mißerfolg seiner Maßnahmen auch im fiskalischen Bereich vor seinem Schöpfer in der Pflicht sah, wird z. B. aus der Formulierung erkennbar, mit der er die umfassende Regelung des Zollwesens in den Capitula de functionibus publicis einleitete: Volumus firmiter omnibus in imperio nostro nobis a Deo conmisso notum fieri, MGH Cap. I, Nr. 143. Siehe auch ANTON, Fürstenspiegel, S. 412 f. 149 Haec memoralia capitula, quae secuntur, dedit missis suis domnus Karolus ... quando apud Attiniacum cum fratre suo Hlothario fuit locutus, ut ilia unusquisque missus in suo missatico per regnum illius exsequi procuret, MGH Cap. II, Nr. 261.
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A. Das Zollwesen in den Rheinlanden in fränkischer
Zeit
Lothar in seinem regnum ein ähnliches Kapitular verkündete, überliefert ist es jedoch nicht. Karl verfügte die Öffnung der Wasserstraßen, die neuerdings geschlossen worden waren, verlangte unter Hinweis auf entsprechende Kapitularien seines Vaters und Großvaters Wiederherstellung der Brücken durch diejenigen, die zu ihrem Bau und Unterhalt verpflichtet waren, und verbot gleichzeitig auch die Zollerhebung an diesen Bauwerken beim bloßen Passieren von Schiffen150. Dieser z. T. explizite Rückgriff auf das Programm Ludwigs des Frommen und Karls des Großen zeigt wieder die typische Verbindung Verkehrs- und zollpolitischer Maßnahmen, macht es aber auch kaum möglich, charakteristische Merkmale in den entsprechenden Bestimmungen Karls des Kahlen zu fassen. Weitere Kapitularien zu diesen Fragen sind von ihm nicht erhalten, obgleich in Westfranken noch am stärksten die Tradition einer Kapitularientätigkeit fortgeführt wurde. Für die Nachfolger Ludwigs des Frommen in Lotharingien und Ostfranken sind - abgesehen vom Sonderfall des Raffelstetter Zollweistums, das 903/906 unter Ludwig dem Kind entstand - eigene Kapitularien, die mit denen der hochkarolingischen Zeit vergleichbar wären, nicht bezeugt 151 . III.3.1.3
Zusammenfassung
Betrachtet man die Ziele und Effekte fränkischer Zoll- und Verkehrspolitik im Zusammenhang, stößt man auf eine Reihe bisher wenig beachteter Wechselwirkungen, die Einblicke in die kaum untersuchte Genese der Transitabgaben erlauben 152 . Dem Ansatz der karolingischen Könige, den Bau und die Instandhaltung der pontes publici über eine zweifellos als Belastung 153 empfundene Dienstpflicht der Anrainer, über ein Aufgebot unter Bann 154 zu gewährleisten, war insgesamt nicht der
150 c. 3: De viis per aquas, videlicet ut, ubi noviter clausae erant, aperirentur, sicut antiquitus fuerunt apertae. - c. 4: De pontibus restaurandis, videlicet ut secundum capitularía avi et patris sui, ubi antiquitus fuerunt, reficiantur ab his, qui honores illos tenent, de quibus ante pontes facti vel restaurati fuerunt. - c. 5: De navibus, quae vadunt sub pontibus, videlicet ut inde teloneum non exigatur, MGH Cap. II, Nr. 261. 151 Vgl. dazu GANSHOF, Capitularía, S. 89 f. 152 Die Literatur von Waitz bis Ganshof sah ihre Hauptaufgabe mehr in (keineswegs gering zu schätzenden) systematisierenden Bestandsaufnahmen (so jetzt auch Adam) als in der Untersuchung der dynamischen Aspekte des Zollwesens, dessen innere Entwicklung zumal im Hinblick auf die schwierige Frage der räumlichen Differenzierung institutioneller und politischer Faktoren im fränkischen Gesamtreich - eine genauere Betrachtung verdiente. 153 Vgl. etwa die in der Lex Chamavorum vorgesehene Strafe, wenn man der Aufforderung zum öffentlichen Brückenbau nicht nachkam: Si quis ad pontem publicum bannitus fuerit et ibi non venerit, solidos 4 in fredo componat, Lex Francorum Chamavorum, MGH LL V, S. 275. 154 Ut pontes publici, qui per bannum fieri solebant, anno praesente in omni loco restaurentur, MGH Cap. I, Nr. 141 c. 17. Die Bestimmung findet sich auch in der Kapitulariensamm-
III. Das Zollwesen in karolingischer Zeit
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gewünschte Erfolg beschieden. Die Gründe dafür sind hier nicht zu erörtern 155 - für unsere Themenstellung ist entscheidend, daß dies über die Probleme mit der Verkehrsinfrastruktur hinaus auch für das Zollwesen von erheblicher Bedeutung war. Man gestattete nämlich - aus verkehrspolitischer Einsicht in die Unzulänglichkeit von Zwangsdiensten - als Anreiz für eine freiwillige und aus eigenen Mitteln durchgeführte Brückenreparatur, daß der freiwillige Baumeister ein neues Brückengeld einrichtete oder daß das alte pontaticum in seine Regie überging. Obgleich dies erstmals 821 in den Capitula de functionibus publicis expressis verbis zugestanden wurde - auf Hinweise in vorhergehenden Kapitularien Karls des Großen und Ludwigs des Frommen wird noch zurückzukommen sein - reichen die Ursprünge dieser Entwicklung weit vor die Zeit Ludwigs des Frommen zurück, was noch in der neueren Literatur übersehen wurde 156 . Als Karlmann 769 dem Kloster St. Denis Zollfreiheit in seinem Reich bestätigte 157 und Karl der Große dieses Privileg 775 fast wortgleich erneuerte 158 , nannten sie bei ihrer Aufzählung möglicher Zollerhebungsorte u. a. auch pontes publici vel reliqui. Bereits zu dieser Zeit gab es neben den Abgaben an den >öffentlichen< Brücken offenbar auch solche an anderen, >privaten< Bauwerken, an deren Einnahmen der Fiskus wohl kaum beteiligt war. Man wird die Anfänge dieser Entwicklung in (spät-)merowingischer Zeit zu suchen haben, als die häufigen inneren Wirren >öffentliche< Baupflichten aufweichten und Tendenzen zu einer E n t staatlichung^ 59 der Verkehrsinfrastruktur und der damit verbundenen Abgaben, wie etwa Brückengeldern, förderten. Auch die Schenkung Rohings von Antwerpen 692/693 bzw. 726, der - ungeachtet dessen, ob er nun im weitesten Sinn königlicher Funktionsträger war oder nicht sein Zolldrittel wie eigenen Besitz vermachte, läßt sich in den Kontext einer derartigen Entwicklung einordnen 160 .
lung des Ansegis: SCHMITZ, Kapitulariensammlung, S. 654 (Ans. 4, 58). Vgl. zu den Organ i s a t i o n s f o r m e n WEISE, B a u f r o n d e n , S. 3 4 3 - 3 5 7 .
155 Vgl. dazu allgemein SZABÖ, Antikes Erbe. 156 Szabös Untersuchung setzt erst mit den Kapitularien ein, die seit Ende des 8. Jahrhunderts Brückenbauten regelten, und zieht Kontinuitäten zur Spätantike, ohne auf die merowingische Zeit einzugehen; vgl. SZABÖ, Antikes Erbe, bes. S. 125 ff. 157 ut in regna deo propitio nostra tarn de navibus, qui per universa flumina ad surrectum seu ad discensum, vel carra atque eorum saumas necnon et homines eorum seu negotiantes, qui per ipsa casa dei sperare videntur, ubicumque in quascumque pagos tarn in civitatis castellis vicus portus pontis puplicis vel reliquis marcados advenerint... in nullo telloneo exigere nec exactere non debeatis, MGH D Karol. I, Nr. 46. 158 MGH D Karol. I, Nr. 93. 159 SZABÖ, Antikes Erbe, S. 135, erkennt solche Tendenzen erst in den Capitula de functionibus publicis von 821 (MGH Cap. I, Nr. 143), übersieht dabei aber die o. g. früheren Belege. 160 Vgl. dazu oben S. 22 f.
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A. Das Zollwesen in den Rheinlanden in fränkischer Zeit
Unter diesem Blickwinkel erscheint die einem jeden, der eigene Mittel zum Brükkenbau aufwendete, gewährte Erlaubnis, ein pontaticum zu erheben, nicht als Neuerung des Jahres 821, sondern als Legalisierung einer Praxis wahrscheinlich aus spätmerowingischer Zeit. Die Einschärfung der Brückenbaupflichten ist möglicherweise sogar ein Indiz dafür, daß man diesen Trend zur >Entstaatlichung< im Verkehrsbereich erkannt hatte und ihm - ohne durchschlagenden Erfolg - gegenzusteuern versuchte. Wenn schon vergleichsweise wenige Brücken nicht mehr allein über >öffentliche< Baumaßnahmen instandgehalten werden konnten, liegt die Annahme nahe, daß es beim Straßenbau kaum besser ausgesehen hat 161 . Hier fehlen zwar direkte Belege, daß das karolingische Königtum aus eigenen Mitteln geleistete Arbeiten, die fehlende >öffentliche< Tätigkeit ersetzten, mit einer Erlaubnis zur Erhebung von Wegegeldern regelrecht prämierte, gleichwohl lassen sich in Kapitularien Karls des Großen und Ludwigs des Frommen Hinweise auf eine Duldung solcher Abgaben finden: Zwar verbot Karl der Große im Diedenhofener Kapitular von 805 neue und unrechte Zölle, wenn sie nur den Transit belasteten und am Erhebungsort nullum adiutorium iterantibus praestatur162; im Aachener Kapitular untersagte Karl 809 die Z o l l e r h e b u n g in piano
campo,
ubi (sc. nec) pons nec treiectus
est163. W e n d e t m a n
diese Verbote aber ins Positive, kann man daraus schließen, daß Abgabenerhebung an Verkehrshindernissen geduldet war, solange für die Reisenden dabei ein positiver Effekt (Verbesserung der Straße, Anlegen eines Knüppeldamms in sumpfigen Gebieten etc.), ein adiutorium, verbunden war und diese Abgaben nicht zu reinen Transitzöllen wurden. Explizit ist diese Politik schließlich in einem Kapitular Ludwigs des Frommen aus dem Jahr 819 formuliert, wo Verkehrshindernisse (aqua, palus, obstaculum) bzw. Maßnahmen zu deren Überwindung (exemplarisch: pons) als legitime Gelegenheiten zur Abgabenerhebung (iuste census exigere) definiert wurden 164 . Wenn man hier den neutralen Begriff census wählte, mit dem in den Capitula de functionibus publicis auch ein >privates< pontaticum umschrieben wurde, dann tat man dies möglicherweise in bewußter Abgrenzung von den >staatlichen< telonea, um eine Klasse >privater< Verkehrsabgaben zu kennzeichnen, die man als Prämierung von Bauten aus eigenen Mitteln einfordern durfte, bei denen der Herrscher gleich-
161 So erklärt auch SZABÓ, Antikes Erbe, S. 129, die Beschränkung karolingischer Verkehrspolitik auf den Brückenbau aus einer Konzentration der wenigen Ressourcen auf die neuralgischen Verkehrsknotenpunkte. Wenn Karl der Große 785 zur Vorbereitung weiterer Expeditionen nach Sachsen auch die Straßen in Ordnung bringen ließ, zeigt dies deutliche Mängel im vorhandenen Verkehrsnetz. Auch wurde bei solchen Gelegenheiten damit gerechnet, keine Brücken zur Flußüberquerung zur Verfügung zu haben, denn das Capitulare de villis (MGH Cap. I, Nr. 32 c. 64) forderte, die Wagen auf der Heerfahrt für diesen Fall zum Schutz der Ladung wasserdicht zu machen. 162 MGH Cap. I, Nr. 44 c. 13. 163 MGH Cap. I, Nr. 61 c. 9. 164 MGH Cap. I, Nr. 141 c. 4.
III. Das Zollwesen in karolingischer
Zeit
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wohl eine Normierungskompetenz beanspruchte 165 . Welchen Anteil derartige Gelder aber an den gesamten Verkehrs- und Handelssteuern hatten, ist nicht zu sagen. Bereits in der Skizzierung der einzelnen Kapitularien ist deutlich geworden, daß Brücken als neuralgische Verkehrsknotenpunkte mit besonderer Vorliebe zur Erhebung der von Karl und Ludwig so vehement abgelehnten Transitzölle genutzt wurden. Wenn die Herrscher ständig drängten, daß thelonea nur an den Brücken erhoben werden sollten, wo dies schon seit altersher der Fall war, hatten sie dabei nicht die pontatica im Auge, sondern die - zusätzlich zu den bereits bestehenden - neu eingerichteten Abgaben, die tatsächlich nur den Transit von Handelswaren belasteten. Nach dem Eindruck, den die Kapitularien vermitteln, wuchs unter dem Vorbild der seit altersher bestehenden Zölle deren Zahl vor allem an Brücken, wo bereits das Spannen eines Seiles die Durchfahrt von Schiffen recht leicht stoppen konnte 166 , dann aber auch an Straßen und im freien Feld 167 sprunghaft an, ohne daß allerdings mangels lokalisierbarer Zollstätten dieser offensichtliche Trend quantifizierbar oder im Raum zu verorten wäre. Bei der Interpretation der Kapitularien, die zu zwei Dritteln nach 800 entstanden, ist natürlich zu berücksichtigen, daß darin auch erhöhtes Normierungsbedürfnis, verstärktes Problembewußtsein und intensivierter Reformwille der Herrscher zum Ausdruck kamen 168 - eindeutig ist aber auch, daß die immer wieder genannten novae consuetudines im Zollwesen nicht allein einem neuerdings von Schmitz betonten 169 schärferen Blick der Könige und der bei der Kapitulariengesetzgebung mitwirkenden fränkischen Führungsschicht auf das Reich entsprangen, sondern durchaus real waren, wie nicht zuletzt ein wachsendes Bedürfnis nach Zollbefreiungen erkennen läßt. Ist die Zunahme von Transitzöllen somit ein Faktum, stellt sich die Frage, wer die Nutznießer dieser Entwicklung waren. Die Antwort muß notgedrungen recht allgemein und teilweise auch spekulativ bleiben, da in den Kapitularien keine bestimmten Gruppen angesprochen werden. In Betracht kommen sicher in erster Linie die Grafen, deren Motiv zur Einrichtung neuer Zölle aus einer proportionalen Beteiligung
165 Die in der Literatur häufig zu findende implizite oder explizite Umschreibung solcher Gelder mit dem modernen Terminus »Verkehrswegegebühr« ist somit bestenfalls unpräzise, eher sogar irreführend. Wird doch damit suggeriert, daß es sich um eine vom Staat erhobene zweckgebundene Abgabe im modernen Sinne handelte, deren Einnahmen direkt dem Straßen- oder Brückenbau zugute kamen. 166 Vgl. das Diedenhofener Kapitular von 805: nova vero seu iniusta (sc. teloneá), ubi vel funes tenduntur, vel cum navibus sub pontibus transitur seu et his similia, MGH Cap. I, Nr. 44 c. 13. 167 Vgl. das Aachener Kapitular von 809: Similiter et in plano campo, ubi (sc. nec) pons nec treiectus est, ibi omnimodis praecipimus ut teloneum non exigatur, MGH Cap. I, Nr. 61 c. 9, und das dort im gleichen Jahr ergangene Capitulare missorum: De pontibus et viis, ut nullus toloneum accipiat, MGH Cap. I, Nr. 62 c. 19. 168 Vgl. dazu neuerdings SCHMITZ, Kapitulariengesetzgebung, S. 515 f. 169 Eine deutliche Sensibilisierung des kollektiven Bewußtseins schon zu Ende von Karls Regierungszeit konstatiert SCHMITZ, Kapitulariengesetzgebung, S. 487.
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A. Das Zollwesen in den Rheinlanden in fränkischer
Zeit
an den Zollgefällen erklärbar wäre170. Ferner konnten die großen königlichen fisci, die nach Ausweis des Capitulare de villis auch über Einnahmen de pontibus vel navibus verfügten 171 , an einer Ausweitung dieser Einkünfte interessiert gewesen sein. Schließlich ist auch an diejenigen - potentes aller Art, etwa auch große geistliche Grundherren wie Bischöfe und Äbte - zu denken, die als Ersatz ihrer Aufwendungen für Verkehrsbauten bereits Abgaben in eigener Regie erhoben und dazu übergingen, diese zu regelrechten Transitzöllen auszubauen 172 . Der insgesamt festzustellende Trend zu neuen Transitzöllen, den man sicher auch als Indiz einer erheblichen Belebung des Binnenhandels zu Wasser und Land interpretieren darf, konfrontierte die karolingischen Herrscher mit einer Dynamik, der mit einem statisch ausgerichteten Programm wie der Einschärfung der antiqua consuetudo nicht beizukommen war. Es ist nicht im einzelnen nachweisbar, wie weit die karolingischen Herrscher dieses Problem erkannten. Zweifelsohne blieb ihnen aber nicht verborgen, daß neue Zollstätten und -erhebungsarten aufkamen, die sich einer direkten zentralen Kontrolle weitgehend entzogen, und daß den Brücken- und anderen Transitabgaben an Verkehrsknotenpunkten und -engpässen dabei eine Schlüsselrolle zufiel. Die zollpolitischen Bemühungen der Könige von Pippin bis Lothar I. um den Erhalt eines wie auch immer definierten Status quo, einer antiqua consuetudo, die Ablehnung aller neuen Transitzölle, sollte wohl auch verhindern, daß ein immer größerer Teil der gesamten Handelssteuern zentraler Kontrolle und herrscherlichem Nutzen entzogen wurde. In größerem Umfang gelang dies offenbar bei den marktbezogenen Abgaben, die insgesamt soweit den Zielvorstellungen entsprachen, daß sie Ludwig der Fromme, wenn man so will, als Idealtypus rechtmäßiger Zölle definierte und den per se nicht legitimen Transitzöllen gegenüberstellte.
170 Vgl. dazu oben S. 44. 171 MGH Cap. I, Nr. 32 c. 62. 172 Ähnlich auch SIEMS, Handel, S. 467.
III. Das Zollwesen
in karolingischer
Zeit
III.3.2
Zollbefreiungen
III.3.2.1
Zollbefreiungen für Klöster
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III.3.2.1.1 Stablo-Malmedy Das bereits kurz angesprochene Privileg des letzten Merowingerkönigs Childerich III. aus dem Jahr 744 (?) zugunsten des Klosters Stablo-Malmedy ist die früheste überlieferte Zollbefreiung für eine geistliche Institution im Raum zwischen Maas und Rhein und zudem erster Nachweis einer Zollerhebung an der Maas zu Dinant und Huy 173 . Es liegt angesichts der nur wenig eigenständigen Position Childerichs III. nahe, daß die Abtei das Privileg nicht bei ihm, dessen Machtlosigkeit Einhard vielleicht etwas übertrieben schildert174, sondern beim Adressaten der Urkunde, dem major domus Karlmann, erwirkt hat. Der Text des nur noch in schlechter kopialer Überlieferung vorhandenen Dokuments, das der Abtei außerdem Besitzstand und Immunität bestätigte, ist besonders im Zollpassus stark verderbt und weist sinnverfälschende Auslassungen auf. Die Auffassung Mayers, daß es sich bei der Zollbefreiung um eine Interpolation des 10. oder 11. Jahrhunderts handelt, ist jedoch nicht zwingend und hat sich in der Literatur nicht durchgesetzt175. Diese Umstände machen es fast unmöglich, die Art der Zollbefreiung eingehender zu analysieren. Immerhin wird jedoch erkennbar, daß sie sich offenbar auf die zwei Maasorte bezog, die für den Güteraustausch des Klosters von besonderer Bedeutung gewesen sein dürften 176 . Entsprechende Diplome Pippins und Karls des Großen für Stablo-Malmedy scheinen nicht existiert zu haben 177 . Der Abtei gelang es jedoch, von Ludwig dem Frommen bereits in dessen ersten Regierungsmonaten ein umfassendes Zollprivileg zu erwirken: Am 1. Oktober 814 befreite der Kaiser Wagen und Saumtiere mit necessitates des Klosters sowie dessen Schiffe, die Rhein und Maas ob utilitatem et necessitatem befuhren, von Zöllen jeder Art und gestattete ausdrücklich Verkehrsfreiheit im ganzen Reich. Ferner untersagte er die Zollerhebung, wenn die Kloster-
173 sed omne emunitati hic ipsum monasteria, qui in Dionante Castro et in Hogio commorari videntur, nullo theloneo ad usus exactare penitus non presumatis, HALKIN/ROLAND, Recueil I, Nr. 16. 174 Einhard, Vita Karoli Magni, c. 1; vgl. zu dieser vieldiskutierten Stelle zusammenfassend GAUERT, Einhard. 175 Vgl. GANSHOF, Tolwezen onder de Merowingen, S. 15 Anm. 60, gegen MAYER, Rezension, S. 349 ff. Siehe dazu auch JOHANEK, Merowingerzeit, S. 223 Anm. 36, und FANCHAMPS, Etüde, S. 207 Anm. 7, jeweils mit weiterer Literatur. Johanek weist zu Recht darauf hin, daß die Klärung dieser Frage einer zukünftigen Edition der Merowingerdiplome überlassen werden muß. 176 Vgl. zu Besitzungen der Abtei in Dinant auch DESPY, Dinant, S. 62 ff. 177 In der Urkunde Ludwigs des Frommen (vgl. die folgende Anmerkung) wird weder auf das Diplom Childerichs III. Bezug genommen noch ein Privileg Karls des Großen erwähnt.
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leute Aufenthalte zum Handeln oder Verkaufen einlegen sollten178. Gerade durch diese umfassende Abgabenbefreiung von Wasser-, Landtransporten und Marktverkehr, die offenbar jede Gelegenheit zur Zollerhebung abdecken sollte, fällt besonders auf, daß die Mosel nicht unter den von den homines des Doppelklosters befahrenen Flüssen genannt wird. Es ist wenig wahrscheinlich, daß von Ludwig damit eine Beschränkung der Zollbefreiung intendiert war179, gleichfalls wird man daraus auch keine völlige Freiheit der Mosel von Zöllen und zollähnlichen Abgaben ableiten können, die eine Nennung des Flusses unnötig gemacht hätte, denn z. B. der Trierer Zoll wurde vermutlich auch als Schiffsabgabe erhoben. Vielmehr nutzte der Güterverkehr der Abtei bis zum Ausgang des Mittelalters diesen Verkehrsweg anscheinend so selten, daß besondere Zollprivilegien dafür nicht erforderlich waren 180 . Während das Privileg des Kaisers auf die Abgabenfreiheit im großräumigen Güter- und Handelsverkehr der Abtei abzielte, setzte das Diplom Ludwigs des Deutschen aus dem Jahr 873181 andere Schwerpunkte: Er bestätigte ausführlich deren Besitzungen, Einkünfte und Zehnten, verlieh als erster Karolinger nachweislich auch die Immunität 182 , untersagte die Erhebung von theloneum rotaticum pontionaticum
178 precipimus, ut nemo fldelium nostrorum nec quilibet exactor judiciarie potestatis de carris vel saginariis ipsius congregationis de quolibet commertio undecumque videlicet fiscus theloneum exigere potest, ut nullo loco theloneum accipere vel exigere présumât. Naves vero que dicta flumina (sc. Rhein und Maas) ob utilitatem et necessitatem ipsius congregationis discurrunt, ad quascumque civitates aut portus vel cetera loca accessum habuerint, nullus ex eis aut hominibus qui eas prevident, nullum theloneum, aut ripaticum, aut postaticum aut pontaticum, aut salutaticum, aut cenaticum, aut pastionem, aut trauvaticum, aut ullum occursum vel ullum censum aut ullam redibitionem accipere vel exigere audeat, sed licitum sit eis absque alicujus illicita contrarietate vel detentione per hanc nostram auctoritatem naves et homines qui eas providere debent cum his que deferunt per universum imperium nostrum libéré atque secure ire et redire, et si aliquas moras in qualibet loca fecerint, aut aliquid mercati fuerint aut vendiderint, nichil ab eis prorsus, ut dictum est, exigatur, HALKIN/ROLAND, Recueil I, Nr. 26. Als Vorlage für die Urkunde dienten offenbar die Formulae Imperiales Nr. 20 und Nr. 24, MGH Formulae S. 300 f. bzw. 303 f. 179 Die Nennung von Flüssen in Zollbefreiungen hat generell wohl nicht einschränkenden, sondern erläuternden Charakter; vgl. auch GANSHOF, Tolwezen onder de Karolingen, S. 32 und Anm. 91. 180 Bis zum Ende des Untersuchungszeitraums konnte für den Moselraum nur ein Zollprivileg für Stablo-Malmedy ausfindig gemacht werden: Der Trierer Erzbischof Johann befreite die Abtei 1478 von den Landzöllen zu Cochem und Wittlich (RET, S. 278). Nach der Urkunde Ludwigs des Deutschen aus dem Jahr 873 (MGH D LdD, Nr. 147) lag der Besitzschwerpunkt des Klosters zu dieser Zeit eindeutig im Ardennen-/Maasraum, Güter supra Renum et supra Mosellam werden zwar erwähnt, aber lediglich pauschal bestätigt. 181 MGH D LdD, Nr. 147. Die dort erwähnten Urkunden Lothars I. und Lothars II. sind nicht erhalten; daher bleibt offen, inwieweit 873 in den Zollbestimmungen Textelemente aus diesen Urkunden übernommen wurden. 182 Vgl. STENGEL, Immunität, S. 47, 282, der auch eine verlorene merowingische Vorlage für Immunität und Zollfreiheit annimmt, was jedoch KEHR, Vorbemerkung zu D LdD,
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und übertrug schließlich alle königlichen Einkünfte in luminaribus basilicem. Obgleich die Zollbefreiung in aliquo loco, also ohne räumliche Beschränkung, galt und somit für sich genommen auf das ganze ostfränkische Reichsgebiet übertragbar gewesen wäre, ging es wohl vornehmlich um den Ausschluß der Zollerhebung auf dem Immunitätsgebiet analog zur Exemtion des Klosterbesitzes vom ordentlichen Gericht und von Kriegslasten. Wie beim Immunitätsprivileg für die Trierer Kirche aus dem Jahr 816 184 ging man aber noch einen Schritt weiter und übertrug die regulär dem Fiskus fälligen Abgaben explizit dem Kloster. Welche realen Konsequenzen dies hatte, ob das Kloster nun daran ging, Zollabgaben zum eigenen Nutzen zu erheben, muß angesichts fehlender Quellen offen bleiben. Es liegt sogar eine gewisse Auffälligkeit darin, die nicht allein durch die Überlieferung zu erklären ist, daß das nächste erhaltene Zollprivileg erst von Lothar III. 1137 für Abt Wibald ausgestellt wurde 185 ; man wird dies aber nur mit größter Vorsicht als Indiz für eine problemlose Beachtung der früheren Befreiungen interpretieren dürfen.
Nr. 147, als nicht wahrscheinlich einschätzt. Stengel (S. 282) nimmt an, daß Stablo keine ludowicische Immunität besessen hat. Für die Urkunden Lothars I. und Lothars II. gilt das in der vorigen Anmerkung Gesagte entsprechend. 183 MGH D LdD, Nr. 147. 184 Et quicquid de praefatis rebus aecclesiae ius fisci exigere poterat in integrum eidem concessimus aecclesiae scilicet ut perpetuo tempore et ad peragendum dei seruicium augmentum et supplementum fîat, MRUB I, Nr. 50. Es ist mangels Quellen kaum zu beurteilen, was infolge derjenigen Privilegien geschah, die lediglich die Zollerhebung auf Immunitätsgebiet untersagten, aber keine explizite Übertragung formulierten. Wurde schon daraus das Recht abgeleitet, die vorher öffentlichem Abgaben in eigener Regie zu erheben, wie IMBART DE LA TOUR, Immunités, S. 83 f., annimmt, oder verschwanden die Zölle? Während im Stabloer Privileg recht klar ist, daß Transitabgaben (pontionaticum, rotaticum bzw. marktbezogene Abgaben mit Transportmittelbemessung) gemeint waren, ist die Art des Zolls und der Zollbefreiung in vielen Immunitätsprivilegien nicht genau zu fassen. Die umfangreiche und kontroverse, vor allem rechts- und verfassungsgeschichtliche Literatur zur Immunität hat sich mit solchen Fragen weniger beschäftigt. Eine eingehende Analyse dieser Problematik wird auch durch das Fehlen einer neueren Gesamtedition der Urkunden Ludwigs des Frommen stark erschwert. Es kann deshalb im folgenden lediglich auf diese Aspekte hingewiesen werden, soweit sie für das Transitzollwesen relevant erscheinen. Die fiskalische Seite der Immunitätsprivilegien verdiente eine eigene Untersuchung. 185 MGH D Lo III, Nr. 119. Es fehlen auch Bestätigungen der beiden Lothare sowie der westfränkischen Könige, d. h. für Gebiete, wo man angesichts der Lage des Klosters am ehesten entsprechende Diplome erwartet hätte.
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III.3.2.1.2 Prüm Vermutlich im Jahr 763 verlieh Pippin dem Kloster Prüm das beneficium, daß die Prümer homines keinen Zoll von Schiffen, Karren und Saumtieren in seinen Reichen schuldig seien, wohin immer sie auch beim Handel zum Nutzen und Unterhalt der Mönche hinkämen - vielmehr sollte das gesparte Zollgeld den »Lichtern dieses heiligen Ortes« zugute kommen 186 . Eine sehr ähnliche zweckbestimmende Formulierung wählte der König auch in seinem Immunitätsprivileg vom 3. August 763, als er dem Kloster die von seinen Leuten und Ländereien fälligen Fiskalabgaben zur Erhebung in Prümer Eigenregie (per manus agentium eorum) überließ; offen ist dabei allerdings, ob darunter auch Zölle fielen 187 . Beide Privilegien hatten u. a. den Zweck, dem Kloster Einkünfte zu verschaffen 188 . Während die Absicht einer Dotation bei der Überlassung der Fiskalabgaben im Immunitätsgebiet auf der Hand liegt, wurde in der Zollurkunde auf den ersten Blick lediglich ein negativ definiertes Recht, die Freiheit von Abgaben, formuliert, wenn der König den gesparten Zoll jetzt und in Zukunft zum Wachstum des Klosters beitragen lassen wollte. Auf den zweiten Blick steckt allerdings mehr dahinter: Über die homines des Klosters wird in der Urkunde gesagt, daß sie ihre Handelstätigkeit (negotiare) pro utilitate vel stipendia monachorum ausübten, d. h. aktiv zum Unterhalt (Stipendium) der Mönche beitrugen 189 . Grundlegende Voraussetzung, um zu den
186 ad monasterium qui dicitur Prumia, quem nos in honorem sancii Salvatoris a novo construximus opere, talem beneficium ibidem visi fuimus concedere, ut ubicumque infra regna nostra homines ipsius monasterii pro utilitate vel stipendia monachorum in quacumque civitate vel porto negotiandi perrexerint, nullo telloneo vel barganatico neque ex navali remigio neque saumariis vel de canali evectione solvere nec reddere debeant... nullo teloneo nec rotatico neque pontatico vel pulveratico seu salutatico nec et cispetatico vel quicquid fìscus noster exinde potuerat sperare eis non requiratis, sed, ut supra diximus, abbati ipsius monasterii nomine Asuario eiusque successoribus ipse teloneus in luminaribus ipsius sancii loci nostris et futuris temporibus proflciat in augmentis, MGH D Karol. I, Nr. 19. Es scheinen hier auch merowingische Formulare als Vorlage gedient zu haben; vgl. MGH Formulae, S. 107,111 f. Wisplinghoffs Datierung der Zollbefreiung auf 775 ist ein offensichtliches Versehen; vgl. WISPLINGHOFF, Prüm, S. 19. 187 ad audiendas altercationes ingredere aut freda de quaslibet causas exigere nec mansiones aut paratas vel fideiussores tollere non praesumatis; sed quicquid exinde aut de servientibus vel ecclesiasticis hominibus, qui sunt infra agros vel fines seu supra terra praedicti monasterii commanentes, fìscus aut de freda aut undecumque potuerat sperare, ex nostra indulgentia pro futura salute in luminaribus ipsius suprascripti monasterii per manus agentium eorum proflciat in perpetuum, MGH D Karol., Nr. 18. Als Vorlage diente ein Formular Marculfs; vgl. MGH Formulae, S. 43 f. 188 Die »Beleuchtung des Klosters« umschrieb wohl bildhaft dessen Gesamteinkünfte. 189 Vgl. zur Verwendung dieses Begriffes auch Pippins Fiskalzehntbestätigung für Utrecht aus dem Jahr 753: omnia decima partem ad ipsa casa dei sancii Martini, quem domnus Bonefacius archiepiscopus custos preesse videtur, concessimus vel confirmamus in lumina-
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Einkünften der Kleriker beitragen zu können, war naturgemäß die Erwirtschaftung von Überschüssen aus dieser Handelstätigkeit, von Gewinnen, was Pippin durch die Gewährung von Zollfreiheit und damit Schaffung eines Kostenvorteils für die Prümer Kaufleute gegenüber nicht privilegierten Gruppen wesentlich erleichterte 190 . In diesem Zusammenhang ist auch die Situation Prüms im Jahr 763 zu berücksichtigen. Das Kloster war 752 von Pippin de facto neu gegründet und zunächst mit Fischereirechten an Mosel und Dhron ausgestattet worden 191 . Zwar war wohl noch Besitz von der ersten Gründung aus dem Jahr 721 durch Vorfahren von Pippins Frau Bertrada vorhanden 192 , aber eine regelrechte Erstausstattung fand doch erst 762 statt 193 . Die Zollbefreiung von 763 erfüllte in dieser Situation einen doppelten Zweck: Zum einen sollten die innergrundherrschaftlichen Transporte von und zu den neuen Besitzungen zollfrei gehalten werden, zum anderen spielte wohl eine Rolle, daß Pippin und seine Frau das Kloster nicht übermäßig üppig beschenkt hatten 194 . Anschlußschenkungen waren zwar erhofft und unter königlichen Schutz gestellt, gleichwohl hat man darauf offenbar nicht warten können oder wollen, sondern bald darauf Prüm durch ein Zollprivileg ermöglicht, auch Einkünfte aus Handelstätigkeit zu erwirtschaften, die Defizite eines eher schmalen Grundbesitzes teilweise ausgleichen mochten. Die gleiche Absicht verfolgte wahrscheinlich die Fiskalabgabenübertragung auf Immunitätsgebiet 195 . Pippin betonte in den beiden Urkunden von 763 keineswegs zufällig seine Rolle als Neugründer des Klosters196; denn auch wenn er den Zweck der Befreiung mit den W o r t e n ipse teloneus
in luminaribus
ipsius sancti loci nostris
et futuris
temporibus
proficiat in augmentis recht fromm umschrieb - ähnlich wie in der Immunitätsurkunde - , formulierte er in der Betonung seiner Gründerrolle ebenfalls einen Verfü-
ribus seu in stipendiis monachorum vel canonicorum, qui ibidem gentiles ad christianitatem convertunt, MGH D Karol. I, Nr. 4. Der Ertragsanteil war also zur Finanzierung der Friesenmission gedacht. 190 Vgl. JOHANEK, Karolingerzeit, S. 48 f., der diesen sehr wichtigen Aspekt in ein instruktives Modell von der Rolle der Grundherrschaft im Güteraustausch des früheren Mittelalters integriert hat. Demgegenüber betont NIKOLAY-PANTER, Grundherrschaft, S. 102 f., 118, im Sinne der herkömmlichen Auffassung über die Funktion von Zollbefreiungen den Aspekt der domanialen Eigenversorgung. 191 MGH D Karol. I, Nr. 3; vgl. dazu WISPLINGHOFF, Prüm, S. 8 f., und ZIELINSKI, Gründung e n , S. 1 0 2 - 1 0 8 .
192 Vgl. WISPLINGHOFF, Prüm, S. 10 A n m . 56.
193 MGH D Karol. I, Nr. 15,16; vgl. WISPLINGHOFF, Prüm, S. 21 f. 194 Vgl. dazu WISPLINGHOFF, Prüm, S. 23 f. 195 Der hauptsächlich auf rechtliche Absicherung zielende Teil des Immunitätsprivilegs soll keineswegs unterschlagen werden, ist aber in diesem Zusammenhang weniger wichtig. 196 monasterium qui dicitur Prumia, quem nos in honorem sancti Salvatoris a novo construximus, MGH D Karol. I, Nr. 18 (wortgleich in Nr. 19). Vgl. auch WISPLINGHOFF, Prüm, bes. S. 9 und Anm. 48.
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gungsanspruch über die Ressourcen seines Hausklosters im Hinblick auf künftige Anforderungen im Reichsdienst 197 . Wie stark das Kloster sein Zollprivileg in den nächsten 130 Jahren genutzt hat, kann nur vermutet werden, aber in welchen Dimensionen die Prümer Grundherrschaft am Güteraustausch der spätkarolingischen Zeit beteiligt war, illustriert eindrucksvoll das bekannte Urbar aus dem Jahr 893198. Man wird gewiß nicht alle dort verzeichneten Fuhren unter Handel einzuordnen haben 199 , für den ja die Absicht der Gewinnerzielung konstitutitv war und ist, sicher wurde ein erheblicher Teil auch zur domanialen Eigenversorgung unternommen. Ebenso klar ist allerdings, daß ein qualitativ wie quantitativ nicht unbedeutender Teil der Transporte in Prümer Regie unter dem Schutz des Zollprivilegs, das ja ausdrücklich den Handel befreite, zum Verkauf bestimmt war. Erinnert sei hier nur an die vielzitierten Notizen im Urbar über den Verkauf von Wein und Salz, das vermutlich aus den drei Salzpfannen des Klosters in Vic-sur Seille200 stammte, durch Prümer Hörige im Caros- und Bidgau auf Anweisung ihrer Herrschaft 201 . Während hier Handel wohl eher als Nebentätigkeit ausgeübt wurde, hat man mit guten Gründen aus den hohen Geldzinsen der in Duisburg ansässigen Friesen 202 gefolgert, daß sie Berufskaufleute waren, die sich nach dem Niedergang Dorestads im Gefolge der ständigen Normannenüberfälle in die Abhängigkeit des Klosters begeben hatten, um dessen Zollfreiheit, den besonderen Schutz und allgemein das grundherrschaftliche Kommunikations-, Verkehrs- und Verkaufsstellennetz für Prümer und eigene Geschäfte zu nutzen 203 .
197 Auf diesen Aspekt hat im Zusammenhang mit Marktprivilegierungen zuletzt IRSIGLER, Grundherrschaft, S. 64, hingewiesen. Daß sich der König auch auf rechtlichem Gebiet einen weitgehenden Einfluß auf das Kloster sichern wollte, wird daran erkennbar, daß sich das Introitusverbot in der Immunitätsurkunde nur auf nicht vom König oder seinen Erben angeordnete Aktionen bezog (nullus iudex publicus absque iussione nostra vel heredum nostrorum ad causas audiendo aut freda undique exigendum quoque tempore non praesumat ingredere, MGH D Karol. I, Nr. 18); vgl. dazu WISPLINGHOFF, Prüm, S. 18 f. 198 Edition und Kommentar SCHWAB, Prümer Urbar. 199 Vgl. zu den Prümer Transportdiensten DEVROEY, Services. 200 Kap. 41 des Urbars; vgl. dazu KUCHENBUCH, Bäuerliche Gesellschaft, S. 293-299. 201 Z. B.: Vinum et sal, si eis precipitur, omnes vendunt, SCHWAB, Prümer Urbar, S. 172 und öfter; vgl. dazu JOHANEK, Karolingerzeit, S. 48, und NIKOLAY-PANTER, Grundherrschaft, S. 103. Zu überlegen wäre, ob diese Anweisungen aufgrund von Preisbeobachtungen erfolgten. 202 Fresones, qui manent in Dusburhg, solvunt ad festivitatem sancti Martini uncias .VIII. semis, adpascha uncias .V. et denarios .XII., SCHWAB, Prümer Urbar, S. 242. 203 Vgl. zur Deutung dieser Stelle JOHANEK, Karolingerzeit, S. 48 f., 62 f.; KUCHENBUCH, Bäuerliche Gesellschaft, S. 302 f.; mit methodischen Zweifeln: SCHWAB, Prümer Urbar, S. 120. Es sei hier ausdrücklich darauf hingewiesen, daß Zollfreiheit nur ein Faktor unter anderen war, denn es standen wohl auch Kaufleute in Diensten von Klöstern, die keine (schriftlich dokumentierte) Zollfreiheit besaßen, wie etwa St. Maximin bei Trier, in des-
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Dem Zollprivileg von 763 folgten entsprechende Urkunden Karls des Großen und Ludwigs des Frommen; die Stücke sind jedoch nicht erhalten. Denn als Lothar I. dem Kloster 844 die pippinidische Zollfreiheit inhaltlich unverändert bestätigte, führte er an, daß ihm Abt Markward Diplome der beiden Herrscher vorgelegt habe 204 . Während das Kloster somit in Lotharingien recht schnell die Anerkennung seiner umfassenden Zollfreiheit erlangte, ist dies für Westfranken erst zwanzig Jahre später nachweisbar, als der ehemalige Abt Eigil von Karl dem Kahlen 864 eine Bestätigung laut vorgelegter Urkunde Ludwigs des Frommen erreichte 205 . Obgleich Prüm auch Besitzungen im ostfränkischen Gebiet hatte 206 , sind entsprechende Urkunden dortiger Herrscher nicht bekannt, während die Klosterbesitzungen in der Bretagne im Zuge einer Restitution von Herzog Salomon 860 unter seinen Schutz gestellt und vom Zoll zu Wasser und Land befreit wurden 207 . Das Kloster besaß seit 763 Immunität und Zollfreiheit, 861 und 898 kamen Marktund Zollverleihungen in Rommersheim und Münstereifel dazu. 919 gelang es Prüm, als Abschluß und Höhepunkt dieser Entwicklung ein Sammelprivileg von Karl dem Einfältigen zu erwirken, das die bisherigen Rechte Prüms absicherte und z. T. sogar erweiterte. Der König bestätigte Schutz und Immunität, verlieh alle Fiskalabgaben auf Immunitätsgebiet, befreite vom Zoll in seinem ganzen Machtbereich, inbesondere auf Märkten und von Schiffsabgaben in Häfen und erneuerte schließlich der Abtei das von seinen Vorgängern verliehene Recht, überall auf Prümer Besitz ex regia auctoritate nach eigenem Ermessen Märkte einzurichten und Münzen zu schlagen208. Während die Bestätigung von Immunität, Fiskalabgaben und Zollfreiheit sich
204 205 206 207 208
sen Dienst sich der legendäre Friese Ibbo stellte (Vita Maximini auctore Lupo, hg. von Bruno KRUSCH, M G H SS rer. Mer. III, Hannover 1896, c. 19, S. 80 f.). M G H D Lo I. Nr. 85; vgl. auch die Vorbemerkung zur Urkunde von Theodor Schieffer. TESSIER, Recueil I, Nr. 272. Vgl. dazu die von Ingo Schwab bearbeitete Karte VII.l des Geschichtlichen Atlas der Rheinlande B e s i t z u n g e n der Abtei Prüm im 9. Jahrhundert^ Köln 1982. M R U B I, Nr. 95; vgl. zu den Prümer Besitzungen in der Bretagne KNICHEL, Fernbesitz Prüm. Quiquid uero ius fìsci de supradictis rebus ad regios usus ministrorumque eius exigere poterai ad luminaria eiusdem ecclesie ac recrationes indigentium sicuti ab eis (Pippin und Karl der Große) est concessum et nos in sempiternum concedimus. De teloneis quoque cunctis etiam occasionalibus exactionibus quemadmodum constat prefinitum a supradictis regibus precipiendo decernimus ne quis exigere présumât ab eorum ministris et missis qui ob diuersas causas ac nécessitâtes discurrunt per loca diuersa sed neque ab ullo de tota familia s. salvatoris in ullo mercato regni nostri portuque nauali uel naulum requiratur uel teloneis sintque semper et ubique ab huiusmodi exactoribus et exactione immunes et securi quocumque locorum ditionis nostrae potuerit peruenire. ... Inter liberales dotationes quas decessores nostri reges loco eidem contulerunt repperitur hoc ab eis esse concessum quatinus si redores eius utile iudicarint mercatum statuant in quocumque potestatis sue loco uoluerint propriique numismatis percussarum monetam ex regia haberent auctoritate
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im Rahmen überlieferter Privilegien bewegte, war die vorgebliche Bestätigung des pauschalen Markt- und Münzrechts de facto eine Neuverleihung, zumindest sind entsprechende Vorgängerdiplome nicht bekannt 209 . III.3.2.1.3 Echternach Verglichen mit der Zahl und räumlichen Vielfalt der Prümer Rechte und Freiheiten erscheint die Ausstattung Echternachs mit Zollprivilegien vergleichsweise mager. Obgleich Pippin dem Kloster 751/768 Immunität verlieh und es in königlichen Schutz stellte, wodurch die Abtei einen Prüm vergleichbaren Status als Reichskloster erhielt210, hat vermutlich erst Karl der Große eine Zollbefreiung ausgestellt, die 819 der Kanzlei Ludwigs des Frommen durch Abt Sigoald vorgelegt wurde, aber nicht erhalten ist. Der Inhalt dieses Deperditums ist aus der Petitio in Ludwigs Bestätigungsurkunde immerhin ansatzweise zu erschließen. Demnach befreite Karl, um die necessitates des Klosters zu unterstützen, dessen Schiffe bzw. homines überall dort, wo sie hinkämen, vom Zoll211. Aus diesem knappen Regest ist nicht erkennbar, ob Karl die Zollbefreiung auf Schiffe beschränkt hatte oder - was sehr viel wahrscheinlicher ist - die Tätigkeiten der Echternacher homines hier stellvertretend für alle Arten klösterlicher Transport- und Handelsaktivität standen, zumal Ludwig seine Bestätigung in diesem Sinne faßte. Dabei waren die Klosterleute im ganzen Reich nicht nur zollfrei, es sollte ihnen zur ungestörten Ausübung ihrer Geschäfte (negotium) auch Schutz und Hilfe zuteil werden 212 .
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licentiam quod et nos si sic abbas necessarium duxerit libenter annuimus et auctoritate nostra roboramus, MRUB I, Nr. 162. PETRY, Prüm, S. 29 f., hat sicher zutreffend bemerkt, daß man die Marktverleihung von 898 zu Münstereifel und die umfassende Privilegierung von 919 kaum als Indikatoren für ein blühendes Prümer Wirtschaftsleben zu sehen hat, das nicht zuletzt durch die Normanneneinfälle von 882 und 892 nachhaltig gestört war, sondern wohl eher als Versuch des Königs, dem Kloster durch Verzicht auf Fiskalregalien weitgehende Einnahmemöglichkeiten zu verschaffen. WAMPACH, Grundherrschaft Echternach 1.2, Nr. 50; bestätigt durch Karlmann 768/769 (Nr. 58), Karl den Großen 771/772 (Nr. 68) und Ludwig den Frommen 817/827 (Nr. 139). detulit nobis quandam auctoritatem domni et genitoris nostri Karoli... in qua continebatur insertum, qualiter praedicto monasterio et congregationi ibidem degenti ad eorum necessitates fulciendas concessisset, ut ubicumque naves vel homines praedicti monasterii pervenissent, nullus (sie) teloneum ab eis requirere aut exaetare praesumeret; et deprecatus est, ut paternum morem sequentes per nostram etiam auctoritatem praedicto monasterio similia concederemus, WAMPACH, Grundherrschaft Echternach 1.2, Nr. 138. Cuius petitioni libenter aurem accomodare placuit, et hoc praeeeptum nostrum erga idem monasterium fieri iussimus, per quod praeeipimus atque iubemus, ut ubicumque vel homines ipsius monasterii ob utilitatem et necessitatem fratrum ibidem consistentium in imperio, Christo propitio, nostro advenerint, nullum teloneum requirere aut exaetare faciatis, etiam
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III.3.2.1.4 Inden-Kornelimünster Anläßlich der feierlichen Weihe im Juli 817 stellte Kaiser Ludwig der Fromme dem kurz zuvor gegründeten Klosters Inden bei Aachen 213 ein umfassendes Immunitätsprivileg aus, das u. a. die Zollerhebung auf den Klosterbesitzungen verbot und ihm alle dort fälligen Fiskalabgaben zum Unterhalt der Armen und zur Versorgung der Mönche überließ, im Februar 821 erhielt das Kloster Zollfreiheit im Reich, die im Gegensatz zur knappen Echternacher Urkunde von 819 - ausführlich beschrieben ist: Abgabenfrei waren Schiffe, Karren und Saumtiere bzw. jede andere Art von Transportmitteln, die in den verschiedenen Geschäften und zur Bedürfnisdeckung des Klosters unterwegs waren, reichsweite Zollfreiheit galt ausdrücklich auch dann, wenn ein Aufenthalt zum Kaufen oder Verkaufen eingelegt wurde 214 . Von der inhaltlichen Ausgestaltung und dem Zeitpunkt der Ausstellung fallen Parallelen zur Prümer Urkunde von 763 auf. Möglicherweise markierte auch die Indener Zollbefreiung den Abschluß des Gründungsprozesses, als eine >kritische Masse< klösterlicher Wirtschaftsaktivität erreicht war und somit eine Abgabenentlastung für den wachsenden innergrundherrschaftlichen Verkehr, aber vielleicht auch zur Konsolidierung eines regelrechten Klosterhandels sinnvoll war. Als eines der wenigen derartigen Privilegien ist die Indener Zollfreiheit auch außerhalb der urkundlichen Überlieferung nachweisbar. Einem undatierten Brief an Bischof Frothar von Toul aus den Jahren 821-840 fügte der Indener Abt Wichard die Abschriften einer Schenkungsurkunde, der Immunität und der Zollbefreiung bei215.
et eis auxilium vel mundoburdo praebatis, quatenus negotium eorum exerceant et per vos salvi et inlesi eant et redeant, WAMPACH, Grundherrschaft Echternach 1.2, Nr. 138. 2 1 3 V g l . z u r G r ü n d u n g s g e s c h i c h t e STENGEL, I m m u n i t ä t s u r k u n d e , S. 3 7 7 - 3 8 1 ; KÜHN, K o r n e -
limünster, S. 404 f., sowie DERS., Reichsabtei, S. 5-9; ZIELINSKI, Gründungen, S. 119 ff. 214 per quod iubemus atque praecipimus ut naues uel carra et sagmarii seu quaelibet alia uehicula ad diuersa negotia ipsius monasterii peragenda et ad necessitates eius subleuandas per uniuersum Imperium nostrum libere discurrant et nullus publicus iudex uel quilibet exactor iudiciariae potestatis aut thelonarius de nauibus aut de omnibus quae supra memorata sunt undecumque uidelicet fiscus theloneum exigere potest ullum theloneum aut ripaticum aut portaticum aut pontaticum aut salutaticum aut rotaticum aut pulueraticum aut cispitaticum aut tranaticum aut ullum occursum uel ullum censum aut ullam redibitionem ab eis requirere aut exactare praesumat sed licitum sit absque alicuius inlicita contrarietate uel detentione per hanc nostram auctoritatem naues carra sagmarios uel caetera uehicula et homines qui haec praeuidere debent cum his quae deferunt per uniuersum Imperium nostrum libere atque secure ire et redire et si aliquas moras in quolibet loco fecerint aut aliquid mercati fuerint aut uendiderint nihil ab eis prorsus ut dictum est exigatur, LAC. I, Nr. 4 1 . 215 Mittimus dignationi vestrae donationem illarum rerum exemplatam; pariter cum ipsa et domni imperatoris exemplationis cartam, quam nostro monasterio de teloneo, ut nusquam in toto suo regno a nobis exigeretur, fecit; emunitatem etiam similiter exemplatam, M G H Epp. V, S. 296 f.
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A. Das Zollwesen in den Rheinlanden in fränkischer
Zeit
Welchen Zweck er damit im einzelnen verfolgte, ist unbekannt, möglicherweise sollten sie als Vorlage für eine Neuausstellung der um 828 verbrannten Touler Privilegien dienen 216 , vielleicht aber auch für Frothar als dem mit der Aufstellung des Indener Besitzes betrauten kaiserlichen missus die Rechtsstellung des Klosters dokumentieren 217 . Es gibt jedoch Hinweise, daß Frothar - obgleich die Gesta der Touler Bischöfe ein Touler Zollprivileg Ludwigs des Frommen und/oder Lothars I. erwähnen 218 - die Indener Zollfreiheit für eigene Transporte nutzen wollte. So bat er Abt Wichard in einem ebenfalls nicht datierten Brief, ihm den Transport von drei Wagen mit Wein von Bonn nach Aachen zu organisieren219, der möglicherweise seinen Weg mosel- und rheinabwärts bis Bonn nahm und dort für den Landtransport umgeladen wurde. Weitere Befreiungen sind - abgesehen von einer Immunitätsurkunde Ottos I., die auch die Zollfreiheit bestätigte 220 - nicht erhalten und wohl auch im Vertrauen auf das Privileg des Gründers nicht erstrebt worden. Diese Zuversicht war nicht unberechtigt. So berief sich das Kloster im Jahr 1155, als es sich über ungerechtfertigte Zollerhebung in Köln bei Kaiser Friedrich I. beschwerte, mit Erfolg auf die umfassende Zollbefreiung Ludwigs des Frommen, wie ein deswegen ergangenes Weistum festhielt 221 . III.3.2.1.5 Werden Das Kloster Werden wurde um 800 durch den friesischen Adligen Liudger gegründet und blieb bis in das letzte Viertel des 9. Jahrhunderts im Besitz seiner Familie. 877 kommendierte Abt Hildigrim, Bischof von Halberstadt, das Kloster an König Ludwig den Jüngeren, der es in seinen Schutz nahm und Werden u. a. Immunität und Zollfreiheit zu Neuss verlieh222. Werden erhielt dadurch den Status eines >ReichsklostersHandelsbeauftragter< im Reich für die Zollerhebung besonders in Quentowic zuständig war: Hic nempe Gervoldus super regni negocia procurator constituitur per multos annos per diversos portus ac civitates exigens tributa atque vectigalia máxime in Quintawic (MGH SS II, S. 291). Der Zoll Quentowic (im heutigen Departement Pas de Calais) ist seit 779 belegt (MGH D Karol. I, Nr. 122). 227 Vgl. STENGEL, Immunität, S. 562 Anm. 5. 228 Die Formulierung der Zollbefreiung für Werden (Bürstadt 877 Mai 22, MGH D LdJ, Nr. 6) fällt in verschiedener Hinsicht aus dem Rahmen der bisher vorgestellten Diplome. Zum einen schon weil eine konkrete Zollstätte genannt wird, zum anderen weil es - anders als in den Urkunden für Inden-Kornelimünster (Trebur 877 März 15, MGH D LdJ, Nr. 5) und Kaiserswerth (Trebur 877 Juni 13, MGH D LdJ, Nr. 7) - keine Berührungspunkte mit Immunitäts- oder Zollbefreiungsdiplomen Ludwigs des Frommen gibt.
78
A. Das Zollwesen in den Rheinlanden in fränkischer Zeit
ginal anerkannt wird, sind die folgenden Werdener Stücke bis zur Jahrtausendwende - ausgenommen Zwentibolds Diplom - lediglich in Nachzeichnungen des 11. Jahrhunderts verunechtet als angebliche Originale überliefert 229 . Zwar ist klar, daß Arnulf 888 nach Vorlage des ludowicischen Diploms ein Privileg austeilte, aber der authentische Inhalt ist nicht genau zu ermitteln. Dem Text nach bestätigte Arnulf Werden die Immunität und die Freiheit von allen Zöllen, ohne daß Neuss hier genannt wurde 230 . Bislang ist der Passus in der Forschung nicht problematisiert worden. Dennoch läßt die Überlieferungslage nicht erkennen, ob bereits Arnulf das Privileg Ludwigs zu einer allgemeinen Zollfreiheit erweitert hat oder erst der Schreiber des I I . Jahrhunderts hier >vergaßBischofsstaat< zu Trier auflöste und dessen Substrate zur Bildung einer Grafschaft verwandte. Das Diplom Karls des Großen von 772 verbriefte der Trierer Kirche die Immunität in >traditionellem< Umfang; keine Rede war dort mehr von erweiterten Herrschaftsrechten des Bischofs, weshalb man davon auszugehen hat, daß die einschneidenden Änderungen kurz vorher oder im Zusammenhang damit ergangen waren 237 . Obgleich Karl die Urkunde als unveränderte Bestätigung entsprechender Diplome seiner Vorgänger ausgab, von denen Pippin mit Namen genannt ist, sind einige bemerkenswerte Abweichungen festzustellen. In der Petitio wird als Inhalt der früheren Privilegien dargelegt, daß man dem
233 ut nullus comes vel iudex publicus aut quilibet superioris aut inferioris ordinis rei publicae procurator ... ingredi praesumat nec freda aut tributa vel mansiones aut paratas vel teloneum aut fideiussores tollere ... Et quicquid de rebus iam fati monasterii fìscus sperare poterai, totum nos pro aeterna remuneratione fratribus eiusdem concedimus monasterii, M G H D LdJ, Nr. 7. 234 Vgl. STENGEL, Immunität, S. 58, 319 f.; zur Rekonstruktion dieser Immunität siehe STENGEL, I m m u n i t ä t s u r k u n d e . 2 3 5 V g l . HAACKE/SAUERMANN, B e n e d i k t i n e r , S. 20.
236 M G H D Arn, Nr. 26. 237 M G H D Karol. I, Nr. 66; vgl. dazu oben S. 3 7 ^ 0 .
80
A. Das Zollwesen in den Rheinlanden in fränkischer
Zeit
Bischof die auf Immunitätsgebiet und allgemein von seinen Leuten fälligen freda übertragen habe. Dies übernahm Karl nicht in den dispositiven Teil der Urkunde. Tatsächlich bestätigt wurde das Verbot der Abgaben- und Zollerhebung auf Immunitätsgebiet, jedoch gegenüber der Petitio räumlich konkretisiert: tarn ultra quam citra Renum et ultra Ligerem vel ante prefatam civitatem Trevericam. Man legte also besonderen Nachdruck auf die Freihaltung der unmittelbaren Umgebung der Stadt und dachte dabei, wie oben vermutet wurde, insbesondere an eine zusätzliche gräfliche Abgabe, die den erzbischöflichen Zoll geschmälert hätte. Gehen diese zugegebenermaßen hypothetischen Überlegungen in die richtige Richtung, war das Immunitätsdiplom im fiskalischen Bereich mehr als eine traditionelle Exemtion; es sicherte die bischöfliche Zollerhebung gegen konkurrierende Gewalten, wobei sich Karl jedoch die (sonstigen) Fiskalabgaben auf Immunitätsgebiet im Unterschied zu Pippin vorbehielt. Gegenüber dieser für eine Zollbefreiung wie für eine Immunität ungewöhnlichen Intention einer Zollertragssicherung des Begünstigten, für die sich im Untersuchungsraum keine weiteren Beispiele finden lassen, nimmt sich die Urkunde Ludwigs des Frommen von 816238 inhaltlich weitgehend konventionell aus. Die Zollfreiheit wurde hier auf das abstrakt eingegrenzte Immunitätsgebiet bezogen, und alle dort fälligen Fiskalabgaben wurden der Trierer Kirche überlassen, eine Kombination von Befreiung und Schenkung, die bereits mehrmals begegnete. Die besondere Hervorhebung des Immunitätsbereiches vor der Stadt Trier wurde nicht in Ludwigs Diplom übernommen, vermutlich weil eine Sicherung des bischöflichen Zolls mittlerweile obsolet geworden war; denn dieser war bereits in der Hand des Grafen und sollte dort noch bis 902 bleiben. Die Zollfreiheit der Trierer Kirche beschränkte sich bis zur Mitte des 10. Jahrhunderts auf ihr Immunitätsgebiet. Weitergehende Ambitionen der Trierer Bischöfe, den Handel ihrer homines im Reich von Abgaben zu entlasten, wie dies ihrem Straßburger Amtsbruder gelang, der 831 ein umfassendes Zoll- und Handelsprivileg erwirken konnte 239 , sind für die fränkische Zeit nicht nachweisbar. III.3.2.3
Fazit der Zollbefreiungen
Aus den hier vorgestellten Zollbefreiungen eine klare zollpolitische Linie der fränkischen Herrscher in den Rheinlanden herauszuarbeiten, ist im Vergleich zur Analyse programmatischer Aussagen in den Kapitularien vergleichsweise schwierig, da man aus den Privilegien zunächst nur die momentane Haltung des Herrschers gegenüber einem bestimmten Kloster oder Bistum im Untersuchungsraum ablesen kann. Gleichwohl werden einige strukturelle Merkmale sichtbar: Für vier große Benediktinerabteien im Ardennen-Eifelraum - Stablo-Malmedy, Prüm, Echternach und Inden-Kornelimünster, allesamt auch karolingische Eigenklöster - konnten bis in die
238 MRUB I, Nr. 50. 239 RII, Nr. 890.
III. Das Zollwesen in karolingischer Zeit
81
Zeit Ludwigs des Frommen relativ gleichförmig ausgestaltete Zollprivilegien nachgewiesen werden, die eine Abgabenfreiheit für die gesamte klösterliche Transportund Handelstätigkeit umfaßten. Zeichnet sich hier schon ab, daß die Karolinger im Untersuchungsraum ihre Hausklöster bei den Zollprivilegien anscheinend bevorzugten, so wird diese Beobachtung durch die Urkunden für Werden und Kaiserswerth bestätigt. In beiden Fällen war offenbar erst der Übergang vom Adelskloster zur Reichsabtei Anlaß und Grund zur Privilegierung. Der Bevorzugung der Reichsabteien entsprach offenbar eine gewisse Indifferenz gegenüber Adels- und Bischofsklöstern. Für keines dieser Institute im Untersuchungsraum 240 , wie etwa die Klöster im Trierer Besitz 241 St. Eucharius, St. Paulin, Pfalzel und Mettlach, ist eine Zollbefreiung aus fränkischer Zeit erhalten. Umgekehrt ist aber auch nicht für jedes Kloster in der Verfügungsgewalt der Könige ein entsprechendes Privileg nachweisbar. Dies gilt etwa für St. Maximin und St. Irminen/Oeren, die spätestens seit 870 sicher als Reichsabteien (in Laienhand) bezeugt sind, aber möglicherweise schon ca. 100 Jahre früher diesen Status besaßen. Im Fall von St. Maximin mag die Zerstörung des Klosterarchivs bei der Einnahme Triers durch die Normannen im April 882 eine entsprechende Urkunde vernichtet haben 242 . Für Kaiserswerth hat eine reichsweite Zollbefreiung in fränkischer Zeit anscheinend nicht existiert. Obschon das Kloster kaum jünger als Echternach war, konnte >nur< eine Immunität nach dem Formular Ludwigs des Frommen erlangt werden, in der Art, wie sie (fast?) alle Klöster der ersten Gruppe zusätzlich zu einer umfassenden Zollfreiheit im Reich besaßen. Die niederrheinische Gründung des hl. Suitbert verfügte wahrscheinlich nicht über die >kritische Masse< an ausgedehntem Grundbesitz, die eine Zollbefreiung zur Bedarfsdeckung erforderlich oder zur Handelsförderung sinnvoll gemacht hätte. Berührungspunkte zu einer immunitätsbezogenen Zollfreiheit weisen auch die Werdener Privilegien Ludwigs des Jüngeren und Arnulfs auf, dagegen war Zwentibolds Befreiung in omnibus mercatibus, que per Renum sunt, eindeutig zur Erleichterung der klösterlichen Handelsaktivität gedacht. Stellt man dem aber die diversa flumina imperii gegenüber, für die Inden-Kornelimünster 821 Zollfreiheit erhielt, wird gut erkennbar, um wieviel kleinräumiger die Werdener Handelstätigkeit am Ende des 9. Jahrhunderts war, selbst wenn man berücksichtigt, daß Standardformulierungen in der Urkunde Ludwigs des Frommen der Abtei bei Aachen möglicherweise einen größeren Aktionsradius zuschrieben, als sie tatsächlich
240 Vgl. den Überblick über die geistlichen Institute des Untersuchungsraums bei WisPLINGHOFF, Benediktinerklöster. 241 Vgl. dazu ANTON, Trier im frühen Mittelalter, S. 183. 242 Vgl. zur Quellenlage für St. Maximin WISPLINGHOFF, S. Maximin, S. 5 f. Wann St. Maximin von der bischöflichen in die königliche Verfügungsgewalt überging, ist umstritten. Der einzig sichere Terminus ante quem für den Status als Königsabtei St. Maximins und St. Irminen/Oerens ist der Vertrag von Meersen 870 (MGH Cap. II, Nr. 251); vgl. zur Diskussion ANTON, Trier im frühen Mittelalter, S. 181 f. mit Anm. 34 u. 35; DERS., Trier von der Spätantike, S. 71, 94 f.
82
A. Das Zollwesen in den Rheinlanden in fränkischer Zeit
hatte. D i e Intention Ludwigs und Zwentibolds bei der Abfassung der U r k u n d e n mag sich dabei kaum unterschieden haben. Damit ist die zollpolitische Kernfrage gestellt: Welche Absichten verfolgten die Könige mit der Ausstellung derartiger Privilegien? Die Literatur hat darauf im R a h m e n der Diskussion um den Anteil geistlicher Grundherrschaften am Wirtschaftsleben der fränkischen Zeit im wesentlichen zwei A n t w o r t e n gegeben: Z u m einen sollten die klösterliche Eigenversorgung erleichtert und die innergrundherrschaftlichen Transporte von Abgabenlasten befreit werden, zum anderen bewertete man Zollfreiheit als Kostenvorteil im Wettbewerb mit nichtprivilegierten Händlern und sah darin die Förderung einer aktiven klösterlichen Handelstätigkeit 2 4 3 . Eine generalisierende Aussage ist aufgrund des begrenzten Materials des Untersuchungsraums kaum angebracht, gleichwohl sei auf einen weiteren Aspekt hingewiesen: Wie bereits bemerkt wurde, haben die Karolinger in den Rheinlanden Zollprivilegien anscheinend nur für Klöster ausgestellt, die sie selbst gegründet oder die sich in den Schutz und damit auch die Verfügungsgewalt der Könige begeben hatten. Die Zollbefreiung diente unter diesem Gesichtspunkt auch dem Zweck, die Leistungsfähigkeit dieser Institutionen im Hinblick auf die Ansprüche des Reichsdienstes zu steigern, sei es durch Entlastung von Abgaben, sei es durch die bewußte Privilegierung von Handelstätigkeit, deren Gewinne dem Kloster und mittelbar auch dem König zugute kamen. Ähnlich wird man die Überlassung der Fiskalabgaben auf Immunitätsgebiet deuten können, wenngleich in beiden Fällen die religiöse Motivation solcher Förderungen keineswegs vernachlässigt werden darf. Dieser Hintergrund mag auch erklären, warum Beschränkungen der Zollfreiheit z. B. auf eine bestimmte Anzahl von Fahrzeugen pro Jahr, wie sie vor allem für westfränkische Institute verfügt wurden 2 4 4 , bei Stablo-Malmedy, Prüm, Echternach und Inden-Kornelimünster wie im gesamten Untersuchungsraum nicht vorkommen. Wie bereits bemerkt, haben die Bischofskirchen in den Rheinlanden - abgesehen vom Trierer Sonderfall, der hauptsächlich im Zusammenhang mit der Neuordnung des Trierer R a u m s durch Karl den Großen interpretiert wurde - keine Zollbefreiungen etwa nach dem Muster der Straßburger Kirche erhalten. Dieses P h ä n o m e n ist mangels Quellen über die G r ü n d e der Nichtprivilegierung kaum zu erklären. Ein Faktor mag gewesen sein, daß möglicherweise der bischöfliche Grundbesitz kompakter und zusammenhängender war als die weitverstreuten Fernbesitzungen der großen Klöster, so daß sich domaniale Transporte der Bischofskirchen weitgehend auf eventuell zollbefreitem Immunitätsland bewegen konnten und das Bedürfnis nach einer reichsweiten Zollbefreiung dementsprechend geringer war. Vielleicht wurde auch aus der Sicht der Herrscher ein weitausgreifender Handel bischöflicher homines, der von einem solchen Privileg profitiert hätte, als Konkurrenz eines zollbefreiten Klosterhandels weniger gern gesehen und deshalb im Regelfall nicht begünstigt. O h n e eine Strukturanalyse der gesamten fränkischen Zollbefreiungen können diese Hypothesen aber nur zur Diskussion gestellt werden.
243 Vgl. JOHANEK, Karolingerzeit, S. 12 f., 44-55. 244 Vgl. GANSHOF, Tolwezen onder de Karolingen, S. 32 f., mit Einzelbelegen.
B.
Die Zolltarifierung in den Rheinlanden vom 10. bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts
I.
Der Koblenzer Zoll und seine ältesten Tarife
1.1
Der Zoll im 11. und 12. Jahrhundert
Ein Koblenzer Zoll ist erstmals 1018 urkundlich nachweisbar, als ihn Kaiser Heinrich II. der erzbischöflichen Kirche zu Trier unter Erzbischof Poppo mit der dortigen curtis, der Abtei, der Münze und allem Zubehör schenkte 1 . Es ist kaum zu klären, ob der Zoll in fränkischer oder frühottonischer Zeit bereits bestand. Bis zum Ende der ottonischen Zeit fehlen Hinweise auf Prägetätigkeit einer Koblenzer Münze, auch ein Markt ist nicht explizit belegt. Klaus Petry schätzt daher die ökonomischen Funktionen von Koblenz bis zum Ende des 10. Jahrhunderts insgesamt eher zurückhaltend ein2. Gleichwohl läßt eine hohe oder geringe Intensität der Münzprägung zwar eventuell Rückschlüsse auf eine ähnliche Entwicklung des Marktverkehrs und seiner Besteuerung zu und vice versa, doch entsprechende Folgerungen auf eine Transitzollerhebung können nur mit großer Vorsicht gezogen werden. So war die Münzstätte in Trier, dessen Markt um die Jahrtausendwende in einer Reihe mit Mainz und Köln 3 erscheint, im 11. Jahrhundert wesentlich aktiver als die Koblenzer 4 . Während am Zusammenfluß von Rhein und Mosel aber einer der frühesten Transitzölle bestand, hat eine vergleichbare Abgabe in der Moselmetropole nicht existiert5. Der Trierer Erzbischof Poppo hat nach der kaiserlichen Schenkung, deren Hintergründe hier nicht zu erörtern sind6, keine 25 Jahre über den Koblenzer Zoll verfügt. Bereits 1042 übertrug er ihn an das neugegründete Trierer Simeonstift 7 . Die Schenkung ist nur in einem angeblichen Original aus der Mitte des 12. Jahrhunderts über-
1
2 3 4 5 6 7
quandam nostri iuris curtem nomine Confluentiam et abbatiam sitas in pago Trichire in comitatu vero Berchdoldi comitis cum theloneo et moneta et cum Omnibus eorum pertinentiis, MGH D H II, Nr. 397; vgl. dazu PAULY, Fiskus Koblenz, S. 7 ff.; FLACH, Herrscheraufenthalte, S. 119 f. Vgl. PETRY, Koblenzer Münze, S. 348 f. MGH D O III, Nr. 364. Vgl. WEILLER, Trier, S. 290-379. Vgl. zum Trierer Zoll unten S. 187-191. Vgl. FLACH, Herrscheraufenthalte, S. 118 ff. MRUB I, Nr. 318.
84
B. Die Zolltarifierung vom 10. bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts
liefert. Wie Erich Wisplinghoff nachgewiesen hat 8 , wurde dabei sehr wahrscheinlich eine echte Vorlage verwendet und anläßlich der internen Simeoner Streitigkeiten um die Einkünfteverteilung zwischen Propst und Kapitel im Interesse des letzteren verunechtet; denn dem Propst wurden aus den Zollgefällen lediglich drei servitia im Gesamtwert von bis zu drei Mark und die Investitur des Zöllners, dem Kapitel jedoch dessen Wahl zugestanden. Nach dem Text erhielt ferner der erzbischöfliche hiconomus an (um?) Maria Geburt (8. September) die halben Zolleinkünfte an einem ganzen und zwei halben Tagen. Die Schenkung des Koblenzer Zolls an das Simeonstift durch Poppo ist durch inhaltlich einwandfreie 9 Bestätigungen der Erzbischöfe Eberhard (1048)10 und Udo (1071)11 gesichert, auch spricht nichts dagegen, daß die Vergabe 1042 stattfand. Wenn demgegenüber in einem unbeglaubigten Originalentwurf für eine Besitzbestätigung zugunsten St. Simeons durch Kaiser Heinrich IV. aus dem Jahr 109812 die Übertragung des Zolls auf Heinrich III. und Konrad II. zurückgeführt wurde, widerlegt dies nicht eine vorherige Weitervergabe durch Erzbischof Poppo. Zum einen könnte ein (absichtliches ?) Versehen vorgelegen haben - immerhin blieb dem Entwurf ja auch die Anerkennung durch die kaiserliche Kanzlei versagt-, zum anderen besteht die Möglichkeit, daß der Kaiser im Sinne des von Julius Ficker umrissenen Grundsatzes des »Eigenthum(s) des Reiches am Reichskirchengute« 13 auch nach der Vergabe von Koblenz an Erzbischof Poppo 1018 noch so weitgehende Rechte am Zoll behielt, daß auch dessen Weitervergabe durch den Trierer Erzbischof an das Simeonstift wieder auf den Herrscher zurückgeführt wurde 14 . Die Art des Zolls, den das Stift 1042 erhielt, ist aus den urkundlichen Quellen des 11. Jahrhunderts zunächst nicht näher zu bestimmen. Zwar nennt das angebliche Original ein theloneum quod a pertranseuntibus nauigio uniuersis et in foro Confluentie soluitur15, also einen Schiffs-
8
Vgl. WISPLINGHOFF, S. Simeon, hier S. 87-90. Die Schreiberhand kommt in Urkunden von 1138-1182 vor. Somit ist die Datierung von GOERZ, MRR I, Nr. 1279, auf das 13. Jahrhundert, die noch bei PETRY, Monetäre Entwicklung, S. 251, zu finden ist, zu korrigieren.
9
Vgl. WISPLINGHOFF, S. S i m e o n , S. 90.
10
qualiter antecessor noster bone memorie Poppo archiepiscopus in loco antiquitus porta martis nuncupato, ubi requiescit corpus b. Simeonis confessoris ecclesiam deo consecrauit cateruulamque canonicorum domino ibidem famulantium collocans sumptibus prediisque proprio labore aut precariis aut uenditionibus acquisitis ditauit. Hoc est teloneum Confluentie et curtis que uocatur Hoyngen, MRUB I, Nr. 328. 11 MRUB I, Nr. 371. Der Text entspricht Nr. 328, siehe die vorherige Anmerkung. 12 teloneum in Confluendo, quod avi et patris mei deo piatite memorie imperatorum imperiali largitione prenominato deo dilecto confessori datum et traditum est et eorum imperiali banno confirmatum, MGH D H IV, Nr. 462. 13 Julius FICKER, Über das Eigenthum des Reiches am Reichskirchengute (Sb. Akad. Wien phil-hist. Kl. 7 2 ) , 1 8 7 2 , S. 5 5 - 1 4 6 , 3 8 1 ^ 5 0 . 14 In diesem Sinn argumentiert THISSEN, Toltarief, S. 184 f. 15 MRUB I, Nr. 318.
I. Der Koblenzer
Zoll und seine ältesten Tarife
85
und Marktzoll - in allen authentischen Urkunden des 11. Jahrhunderts (1048, 1071, 1098) ist jedoch nur ein teloneum Confluentie (bzw. in Confluentia) verzeichnet 16 . Erst der noch zu diskutierende älteste Koblenzer Zolltarif gibt hier weitere Aufschlüsse. Es bleibt die Frage, warum Poppo den Koblenzer Zoll, welcher Art er auch war, aus der Hand gegeben hat. Die Vergabe an das Simeonstift läßt zunächst den Eindruck entstehen, daß der Erzbischof die Möglichkeiten eines Zolls, der an zwei wichtigen Verkehrswegen lag, nicht erkannt hat17. Andererseits ist jedoch über dessen Einkünfteentwicklung um die Mitte des 11. Jahrhunderts nichts bekannt und somit auch kaum einzuschätzen, wieviel Poppo das von ihm (mit-)begründete Stift tatsächlich wert war, ob er vielleicht sogar bewußt ein besonders ertragreiches Objekt zur Grundausstattung von St. Simeon wählte. Aus der Perspektive des Simeonstifts hatte der Zoll jedenfalls eine herausragende Bedeutung; denn in den Besitzbestätigungen steht er regelmäßig an erster Stelle. Die Qualifizierung des Koblenzer theloneum als Schiffs- und Marktzoll im angeblichen Original von 1042 ist nicht authentisch, sondern wurde vermutlich erst bei der Anfertigung des Dokuments um die Mitte des 12. Jahrhunderts vorgenommen. Abgesehen von den Tarifen und der verunechteten Poppourkunde läßt sich eine solche Differenzierung des Koblenzer Zolls zuerst für das Jahr 1138 nachweisen, als der Trierer Erzbischof Albero den Kanonikern des Simeonstifts die Abgabe als theloneum Confluentie ... tarn uniuersaliter de nauibus quam de ipso foro bestätigte, jedoch unter der Einschränkung, daß am Marienfest (8. September) dem erzbischöflichen economus die Hälfte des Zolls für einen ganzen und zwei halbe Tage zustünde 18 . Obgleich das Diplom als bloße Bestätigung formuliert ist, finden sich im Vergleich mit den beiden Bestätigungen von 1048 und 1071 wie auch dem Entwurf von 1098 neue Elemente. Diese bestehen nicht nur in der Scheidung von Schiffs- und Marktabgabe, sondern auch darin, wem der Zoll bestätigt wurde. Wurden noch im 11. Jahrhundert die Urkunden bzw. der Entwurf für das gesamte Stift und die dort Gott dienenden Brüder ausgestellt, bestätigte Albero 1138 expressis verbis den canonici des hl. Simeon den ihnen von seinen Vorgängern geschenkten Zoll, und zwar in seiner Gesamtheit (cum integritate). Geistlichen und weltlichen Personen, die wider besseres Wissen gegen diese Bestätigung verstießen und nach dreimaliger Aufforderung ihre Verfehlung nicht sühnten, wurde die Ungnade Gottes, seiner Apostel Peter und Paul und des hl. Simeon angedroht. 24 hochrangige geistliche und weltliche Personen, darunter der Dompropst, Pfalzgraf Wilhelm und Graf Friedrich von Vianden bezeugten die Urkunde, vom Simeonstift waren es der Dekan und drei
16 17 18
teloneum Confluencie, M R U B I, Nr. 328 (1048); teloneum Confluentie, (1071); teloneum in Confluentia, M G H D H IV, Nr. 462 (1098). So HELLWIG, Moselzoll, S. 70 f. M R U B I, Nr. 502.
ebd., Nr. 371
86
B. Die Zolltariflerung
vom 10. bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts
namentlich genannte Kanoniker 19 . Zwar ist offensichtlich, daß die Kanoniker mit Hilfe dieser erzbischöflichen Urkunde Ansprüche Dritter auf den Koblenzer Zoll abwehren wollten, aber aus welcher Richtung kamen die Zugriffe? Es war offenbar nicht der Erzbischof, der Rechte am Zoll beanspruchte, wenngleich er die Gelegenheit nutzte, die - eher symbolisch als fiskalisch - bedeutenden Anteile seines economus an den Zollgefällen zu fixieren, Albero trat vielmehr als Garant für den ungestörten Besitz auf. Denkbar ist z. B., daß die Koblenzer Stadtgemeinde, der dortige Vogt oder ein sonstiger Amtsträger an den Einkünften der Markt- oder Schiffsabgabe partizipieren wollten. 1155 traten interne Konflikte im Simeonstift offen zu Tage. Es ging dabei um die Anteile des Simeoner Propstes an den Gesamteinkünften der Kirche, von denen er mehr beanspruchte, als die Brüder ihm zugestehen wollten20. Die von beiden Seiten mit der Schlichtung beauftragten päpstlichen Schiedsrichter ließen den Dekan, den magister scolarum und einen Kanoniker unter Eid die jährlichen Einkünfte des Propstes weisen. Neben einer Reihe von grundherrlichen Abgaben gestanden sie ihm vom Zoll drei servitia und die Investitur des Zöllners zu, die jedoch im Einvernehmen mit dem Kapitel zu erfolgen hatte 21 . Während der Erzbischof den Kanonikern 1138 ausdrücklich den Zoll von Schiffen und vom Markt bestätigte, was den Schluß nahelegt, daß Dritte zumindest eine der beiden Komponenten beanspruchten, ist im Schied und der daran anschließenden päpstlichen Besitzbestätigung von 1155 für die Simeoner Kanoniker 22 davon keine Rede mehr. Mit dem Schied von 1155 waren die Konflikte zwischen Propst und Kapitel über die Verteilung der Koblenzer Zolleinkünfte offenbar beigelegt23. 1182 versuchte
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Albertus decanus s. Symeone, Alboldus, Conradus, Kadolus, Willelmus comes palatinus . . . , M R U B I, Nr. 502. Cum igitur inter partes controuersia esset de redditibus ad preposituram pertinentibus, quos prepositus dicebat esse plures, fratres uero pauciores, M R U B I, Nr. 585 - BOSHOF, Reg. Pont. Arch. Trev., S. 182, Nr. 7. Hec autem sunt que coram nobis adiurati per sacramentum preposito assignauerunt: XL solidi infeodati et molendium de Winechra, tota curia de Theyla excepta siligine et IIII seruiciis, de thelonio tria seruicia, habet etiam inuestituram thelonii quam non nisi de consensu fratrum exhibere debet, M R U B I, Nr. 585 - BOSHOF, Reg. Pont. Arch. Trev., S. 182, Nr. 7. Theloneum Confluentie exceptis tribus seruitiis et inuestitura que fieri sine consensu uestro non debet,
23
M R U B I, N r . 5 7 7 - BOSHOF, R e g . P o n t . A r c h . T r e v . , S. 1 8 3 , N r . 8.
1162 bestätigte Erzbischof Hillin den Kanonikern des Simeonstifts nahezu im Wortlaut von Alberos Urkunde aus dem Jahr 1138 den Zoll (MRUB I, Nr. 634). WISPLINGHOFF, S. Simeon, S. 89, wertet sie als gedankenlose Wiederholung. Diskussionswürdige inhaltliche Eigenständigkeiten, die darauf hinweisen, daß 1162 eine ähnliche Situation wie 1138 vorlag, bestehen nicht. 1179 bestätigte Papst Alexander III. dem Dekan und den Kanonikern des Stifts ihre Besitzungen und Rechte, die jedoch nur zum Teil expressis verbis genannt werden (MRUB II, Nr. 31). U. a. fehlt der Zoll in der Aufzählung.
I. Der Koblenzer Zoll und seine ältesten Tarife
87
jedoch die dortige Stadtgemeinde zur Finanzierung des Mauerbaus eine Beteiligung an den Einnahmen zu erreichen, wobei es - da die Kleriker offenkundig dazu nicht bereit waren - sogar zu gewaltsamen Beeinträchtigungen des Zolls kam 24 . Den Koblenzern gelang es nicht, ihre Ansprüche auf einen Zollanteil bei einem Schiedstag, abgehalten vor dem Trierer Erzbischof Arnold mit der Simeoner Gegenpartei, durchzusetzen; denn die Kleriker konnten den alleinigen und ungestörten Besitz des Zolls tarn in foro quam a transeuntibus nauigio uniuersis et a somariis seit Poppos Schenkung u. a. mit Urkunden aller Trierer Erzbischöfe nachweisen25. Zwar wurden in der durch Arnold vermittelten Sühne zukünftige Übergriffe auf den Zoll mit der Exkommunikation bedroht, aber die Stadt ging dennoch nicht leer aus; denn das Stift zahlte den Bürgern ob facte compositionis memoriam 60 Mark und löste damit de facto durch eine einmalige Zahlung weitere Koblenzer Forderungen ab. In der Schiedsurkunde wurde der Koblenzer Zoll erstmals auch nach einer Saumtierabgabe differenziert. Sie gehörte, wie der älteste Tarif zeigt, zweifelsohne zu den ursprünglichen Bestandteilen des Zolls, wenngleich sie in der angeblichen Schenkungsurkunde nicht genannt ist. Möglicherweise war dem Stift durch den städtischen Zugriff bewußt geworden, daß ihm seine früheren Urkunden nur den Zoll vom Markt und von den Schiffen garantierten - ein Mangel, den man in der Schiedsurkunde behoben wissen wollte. Als Kaiser Heinrich VI. 1195 St. Simeon den Koblenzer Zoll mit allen drei Abgabeformen bestätigte, erneuerte er bei dieser Gelegenheit besonders den Zoll von Saumtieren, der lange Zeit vernachlässigt worden sei26. Dies paßt auf den ersten Blick nicht recht zu dessen Erwähnung 1182; denn gerade nach der erfolgreichen und auch kostspieligen Abwehr der Stadtkoblenzer Ansprüche war eigentlich nicht zu erwarten, daß das Simeonstift in den folgenden dreizehn Jahren einen Teil des Zolls vernachlässigte. Möglicherweise bezog sich der Kaiser auf die Zeit vor 1182, wo sich das Stift vielleicht auf die Erhebung von Markt- und Schiffszoll konzentriert und den
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Gleichwohl besteht kein Zweifel, daß er zu dieser Zeit im Simeoner Besitz war. Die Zollbefreiung für das Kloster Eberbach aus dem Jahr 1185 wurde schließlich einträchtig u. a. von Propst, Dekan und Kantor des Stifts bezeugt (MRUB II, Nr. 71,72). Ulis itaque iniurie sue uerbo inherentibus et uiolentas manus in iura ipsius thelonei tantem initiendibus, MRUB II, Nr. 53. imperiatone maiestatis priuilegio (gemeint wohl der Entwurf von 1098, MGH D H IV, Nr. 462, vielleicht auch das Spurium D H IV, Nr. 487) necnon apostolice sedis (1155, MRUB I, Nr. 585, 577, 588, 586 - BOSHOF, Reg. Pont. Arch. Trev., S. 182 f , Nr. 7-10) omniumque predecessorum nostrorum a tempore venerabilis prefati Popponis archiepiscopi usque ad tempora nostra, MRUB II, Nr. 53. Von den Urkunden der Trierer Erzbischöfe sind nur die o. g. Poppos (1042, MRUB I, Nr. 318), Eberhards (1048, MRUB I, Nr. 328), Udos (1071, MRUB I, Nr. 371), Alberos (1138, MRUB I, Nr. 502) und Hillins (1162, MRUB I, Nr. 634) erhalten. theloneum de summariis diu neglectum et intermissum imperiali auctoritate renouantes et dari precipientes tarn hoc quam illud de nauibus et rebus uenalibus supra nominate ecclesie omni modo confìrmamus, MRUB II, Nr. 142 - RI IV.3, Nr. 472.
88
B. Die Zolltarifierung
vom 10. bis zum Beginn des 14.
Jahrhunderts
Landzoll ruhen gelassen hatte, oder dessen »Vernachlässigung« bedeutete lediglich, daß man - vor oder nach 1182 - nicht den vollen Zollsatz gefordert hatte, zumal Heinrich die Abgabe nun auf eine Höhe von zwei kölnischen oder vier Trierer Denaren pro Saumtier fixierte27. Wie stark das Simeonstift in dieser Zeit auf die Sicherung seiner Zolleinnahmen bedacht war, zeigt nicht zuletzt die Zollbefreiung für das Zisterzienserkloster Eberbach aus dem Jahr 1185. Sie war kein Simeoner Gunstbeweis, sondern wurde erst durch eine Stiftung des ehemaligen Koblenzer Zöllners Wichard und seiner Frau Heiswind ermöglicht. Das Ehepaar übertrug dem Stift einen Weinberg, den es wiederum für zwei Schilling Kölner Denare im Jahr zur Nutznießung erhielt, eine Summe, die nach Angabe Wichards den gewöhnlichen von Eberbach gezahlten Zoll überstieg. Auch die für die Eheleute sehr ungünstigen Pachtmodalitäten deuten darauf hin, wie ungern das Stift diese Zollbefreiung aussprach. Versäumte Wichard nämlich den Zahlungstermin an Allerheiligen oder konnte er nicht die volle Summe aufbringen, verdoppelte sich die Pacht. Zahlte er diese nicht innerhalb einer Woche, fiel der Weinberg entschädigungslos an das Stift. Die Eberbacher Zollfreiheit blieb davon unberührt. Sie galt explizit nur für klostereigene Güter; denn stellte sich heraus, daß der Transport auch fremde Waren enthielt, war die »übliche« Strafe dafür fällig28. Im Hinblick auf die Diskussion der Tarife ist festzuhalten, daß es nach Ausweis der hier diskutierten nicht-tarifären Quellen bis zum Ende des 12. Jahrhunderts immer nur einen Zoll in Koblenz gab, der mitunter zwar nach seiner Schiffs- und Marktkomponente und schließlich auch nach einer Saumtierabgabe differenziert wurde, aber eine Einheit als Rechtstitel darstellte 29 . Keine Hinweise gibt es darauf, daß z. B. der Trierer Erzbischof darüber hinaus eigene Zollrechte in Koblenz ausübte und sich etwa 1042 bei der Weitervergabe des Zolls Teile davon reserviert hätte 30 .
27
28 29
30
Uerum theloneum quod uidelicet mercatores de quolibet summario quatuor leues denarios aut duos colonienses persoluere debuerant diu neglectum fuit et intermissum, M R U B II, Nr. 142. M R U B II, Nr. 71 (Urkunde des Klosters), 72 (Urkunde des Simeonstifts, das Datum »1158« ist ein Druckfehler). Vgl. etwa die Formulierung in der o. g. Eberbacher Urkunde über die Zollfreiheit des Klosters zu Koblenz: ecclesia sancti Symeonis Treueris ad quam ius thelonei ipsius spectat, M R U B II, Nr. 71. Dieser Ansicht ist KöLZER, Zolltarif, S. 304-307.
I. Der Koblenzer
1.2
Zoll und seine ältesten Tarife
89
Überlieferung des ältesten Zolltarifs und diplomatische Beurteilung in der Forschung
Für den Inhalt des ältesten Koblenzer Zolltarifs kommen fünf Textzeugen 31 in Betracht: 1) eine formlose undatierte Niederschrift aus dem 11. Jahrhundert als Nachtrag eines im 9. Jahrhundert angelegten Evangeliars des Koblenzer St. Kastorstifts 32 , 2) ein angebliches Originaldiplom Kaiser Heinrichs IV. vom 5. Juni 1104 (D H I V , Nr. 487)33, 3) ein Nachtrag aus dem letzten Viertel des 12. Jahrhunderts in einer Cicero-Handschrift der Abtei Corvey aus der Mitte des 12. Jahrhunderts 34 , 4) eine beglaubigte Kopie des D H I V , Nr. 487 vom 30. Januar 136935 und 5) eine Kopie des Pseudo-Originals im Einkünfteverzeichnis des Stifts Münstermaifeld aus dem 14. Jahrhundert 36 . Da 3) bis 5) keine eigenständigen Textstränge repräsentieren und für die Rekonstruktion der Zolltarifs nur am Rande in Frage kommen, sind für dessen Datierung und inhaltliche Bewertung die Überlieferung im Evangeliar und im Spurium D H IV, Nr. 487, also die Textzeugen 1) und 2), von entscheidender Bedeutung. Beide Stücke haben seit mehr als 100 Jahren eine z. T. kontroverse Beurteilung erfahren, die im folgenden kurz referiert wird, bevor die gängigen Lehrmeinungen zur Entstehungszeit des Tarifs zu prüfen sind. Karl Lamprecht hat sich 1885/1886 im zweiten Band seines berühmten Opus' >Deutsches Wirtschaftsleben im Mittelalter als einer der Ersten ausführlich mit dem Koblenzer Zolltarif beschäftigt 37 . Er verwertete dabei, wie die meisten Historiker nach ihm, vor allem das angebliche Diplom Heinrichs IV. vom 5. Juni 1104, in dem der Kaiser ein vom Trierer Erzbischof Bruno veranlaßtes Weistum des Koblenzer Zolltarifs bestätigte. Die im Original erhaltene und heute im Trierer Stadtarchiv (Urk. J 1) verwahrte Urkunde, die u. a. durch Editionen im Mittelrheinischen und im Hansischen Urkundenbuch (1860 bzw. 1876)38 bekannt war, galt als echt, bis sie 1952 durch Dietrich von Gladiß in der maßgeblichen MGH-Edition der Urkunden Heinrichs IV. als Fälschung qualifiziert wurde, die nicht lange nach ihrem vorgeblichen
31 32 33 34 35 36 37 38
Vgl. dazu KÖLZER, Zolltarif, S. 294 f., mit Diskussion der Überlieferungsstränge. B A Trier, Ms 421, fol. 9v; vgl. die Neueditionen von LAUFNER, Zolltarif, S. 106 f. (1964), und von GAWLIK, Nachtrag, S. 749 ff. (1978). MGH D H IV, Nr. 487, nach dem angeblichen Original im StA Trier, Urk. J 1. Berlin, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, Ms. lat. fol. 252, fol. 1. L H A K o 215, Nr. 11. L H A K o 144, Nr. 1427, S. 88-89. Vgl. LAMPRECHT, Wirtschafsleben II, S. 298-303. M R U B I, Nr. 409; Hans. U B I, Nr. 5.
90
B. Die Zolltarifierung vom 10. bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts
Ausstellungsjahr 1104 entstanden sei39. Für die wirtschaftsgeschichtliche Forschung hatte dies keine großen Folgen; denn bereits Lamprecht hatte auf einen weiteren Textzeugen des Tarifs in einem Evangeliar des Koblenzer St. Kastorstifts aufmerksam gemacht, den er nach paläographischen Merkmalen auf das Ende des 11. Jahrhunderts datierte 40 . Eine Neuedition dieses Textes erfolgte 1964 durch Richard Laufner, der die Schrift ebenfalls auf das 11. Jahrhundert datierte und seine Entstehung nach inneren Merkmalen auf die Zeit vor 1066 einzugrenzen versuchte 41 . Auch Laufner zog von Gladiß' Datierung des angeblichen Kaiserdiploms D H I V , Nr. 487 nicht in Zweifel, das weiterhin als formale Fälschung vom Beginn des 12. Jahrhunderts galt, dessen Inhalt jedoch durch die zeitlich frühere Abschrift des Zolltarifs im Evangeliar von St. Kastor aus dem 11. Jahrhundert nicht angezweifelt wurde. Diese Situation änderte sich grundlegend 1970, als Georges Despy in einem programmatischen Aufsatz eine Neudatierung beider Tarifexemplare vornahm 42 . Während man bis dahin von zwei unabhängigen Überlieferungssträngen ausgegangen war, versuchte Despy nachzuweisen, daß beide Stücke im Zuge einer einzigen Fälschungsaktion um die Mitte des 12. Jahrhunderts anläßlich interner Auseinandersetzungen im Trierer Simeonstift entstanden seien. Er kam aufgrund eines photographischen Vergleichs beider Texte zu dem Ergebnis, daß die Schreiberhände identisch (oder zumindest sehr ähnlich) seien, wobei der Fälscher bei dem Evangeliarexemplar versucht habe, eine Buchschrift des 11. Jahrhunderts zu imitieren, um eine Vorlage für die Herstellung des Pseudo-Originals zu liefern43. Erst nahezu zwanzig Jahre später hat sich Bert Thissen mit dieser These auseinandergesetzt und sie durch eine - von Despy seinerzeit nicht durchgeführte - detaillierte paläographische Einzelanalyse überzeugend widerlegt. Nach Thissens Ergebnissen gehört die Schrift des Evangeliartarifs eindeutig dem 11. Jahrhundert an, wobei er vorsichtig eine genauere Eingrenzung auf die Zeit vor dem Ende des Jahrhunderts zur Diskussion gestellt hat 44 . Zur weiteren Datierung des Stückes untersuchte Thissen dessen nicht ohne weiteres zu erklärende Überlieferung in einem Evangeliar von St. Kastor. Er kam zu dem Ergebnis, daß der Tarif vermutlich zwischen 1018 und 1042 aufgezeichnet worden sei, als der Trierer Erzbischof noch im Besitz des Koblenzer Zolls war und St. Kastor als erzbischöfliche Eigenkirche in unmittelbarer räumlicher Nähe zur Hebestelle ein geeigneter Ort zur Aufbewahrung einer Tarifaufzeichnung gewesen sein dürfte 45 . Theo Kölzer hat sich 1992 daran an-
39
Vgl. seine Vorbemerkung zu D H IV, Nr. 487.
40
V g l . LAMPRECHT, W i r t s c h a f t s l e b e n II, S. 2 9 9 .
41 42 43 44 45
Vgl. LAUFNER, Zolltarif, S. 103. Vgl. DESPY, Corpus. Vgl. DESPY, Corpus, S. 274 ff. Vgl. THISSEN, Toltarief, S. 192 ff. Vgl. THISSEN, Toltarief, S. 204-207; zu Evangeliaren und ähnlichen liturgischen Texten als Überlieferungsmedien weltlicher Angelegenheiten vgl. S. 197-204.
I. Der Koblenzer
Zoll und seine ältesten Tarife
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schließend vor allem mit Despys Beurteilung von D H I V , Nr. 487 kritisch befaßt 46 . Er konnte nachweisen, daß Despy seine paläographische Datierung des Stückes auf die Mitte des 12. Jahrhunderts tatsächlich nach (vermeintlich sicheren) inneren Kriterien vorgenommen hatte und durch diesen gravierenden methodischen Fehler einem Zirkelschluß unterlegen war. Kölzer hat dagegen die Schreiberhand eindeutig identifizieren und mit den bekannten St. Maximiner Fälschungen vom Beginn des 12. Jahrhunderts in Verbindung bringen können, wodurch er von Gladiß' ursprüngliche Datierung des Pseudo-Originals auf kurz nach 1104 rehabilitiert hat. Auf den Evangeliartext ging Kölzer nur am Rande ein, wobei er sich Thissens Datierung nicht anschließen konnte. Zum einen gehöre die Schrift eher in das letzte Drittel des 11. Jahrhunderts47 - eine Datierung in das erste Drittel hielt er zumindest für problematisch - zum anderen sei für den Gang der Überlieferung nicht unbedingt eine Entstehung vor 1042, dem Zeitpunkt der Vergabe des Zolls an das Simeonstift, erforderlich48. Ungeachtet dessen bestehen aufgrund der paläographischen Merkmale aber wenig Zweifel, daß die Aufzeichnung des Tarifs im Evangeliar von St. Kastor in Koblenz im 11. Jahrhundert stattfand, wobei die Beurteilungen von Kölzer (vermutlich letztes, kaum erstes Drittel) und Thissen (vor dem Ende des 11. Jahrhunderts, vermutlich vor 1042) sich nicht unbedingt gegenseitig ausschließen, wenn der Schreiber sehr lange tätig war. Eine eingehende, hier natürlich nicht zu leistende erneute paläographische Untersuchung des Evangeliars und der Trierer Skriptorien des 11. Jahrhunderts könnte möglicherweise eine konsensfähige genauere Datierung der Schrift erbringen. Thissen hat die Frage aufgeworfen, ob aus der Überlieferung des Tarifs im Evangeliar des St. Kastorstifts in Koblenz, das außer einer gewissen räumlichen Nähe auf den ersten Blick in keiner erkennbaren Beziehung zum Zoll stand, weitere Anhaltspunkte für die Entstehungszeit der Niederschrift zu gewinnen sind. Zunächst hat er unter Hinzuziehung umfassenden Vergleichsmaterials untersucht, aus welchen Gründen man einen Zolltarif gerade in einem Evangeliar aufgezeichnet haben könnte. Thissen ist dabei der Nachweis gelungen, daß liturgische Handschriften häufig zur Fixierung wichtiger >weltlicher< Rechtstitel gebraucht wurden, wobei als >Beglaubigungsmittelöffentliche< Aufbewahrung der Texte fungierte. Auch die Niederschrift des Koblenzer Zolltarifs in einem Evangeliar besaß somit für die Zeit-
46 47
48
Vgl. KÖLZER, Zolltarif. Herr Professor Dr. Kölzer, Bonn, dem an dieser Stelle auch für seine weiterführenden Hinweise herzlich gedankt sei, hatte die Freundlichkeit, diese Einschätzung dem Verfasser gegenüber am 22. September 1994 brieflich noch einmal zu bestätigen. Vgl. KÖLZER, Zolltarif, S. 300 f., 309.
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B. Die Zolltariflerung vom 10. bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts
genossen eine gewisse Beweiskraft 49 . Daran schließt Thissen die Frage an, ob es, abgesehen von der räumlichen Nähe zum Zoll, stichhaltigere Gründe gegeben haben könnte, gerade ein Exemplar des Kastorstifts für die Aufzeichnung des Tarifs zu verwenden. Besondere Beziehungen zwischen St. Kastor in Koblenz und St. Simeon in Trier, Inhaber des Zolls seit der Schenkung von 1042, seien aus den Quellen nicht nachzuweisen 50 , doch hätten solche zwischen dem Trierer Metropoliten und dem Koblenzer Stift existiert, da St. Kastor seit seiner Gründung durch Erzbischof Hetti 836 stets trierische Eigenkirche gewesen sei. Thissen hat daraus gefolgert, daß der Tarif zu einer Zeit aufgezeichnet wurde, als St. Kastor (bzw. das Evangeliar) und der Zoll einen gemeinsamen Eigentümer in Gestalt des Trierer Erzbischofs Poppo hatten, d. h. zwischen 1018 und 104251. Demgegenüber hat Kölzer angemerkt, daß auch nach 1042 noch ein Interesse des Erzbischofs am Zoll bestanden haben könne, da nach Ausweis der angeblichen Kaiserurkunde dessen Koblenzer economus im Herbst an den Einkünften partizipiert habe. Zudem hält er eine von Thissen für möglich gehaltene Datierung der Schrift in das erste Drittel des 11. Jahrhunderts für problematisch52. In der Tat ist Thissens Argumentation zwar ansprechend, jedoch nicht hinreichend zur sicheren Bestimmung von 1042 als Terminus ante quem für die Abfassung des Tarifs. Denn damit wird implizit vorausgesetzt, daß der Zoll nach der Vergabe an das Simeonstift für den Trierer Erzbischof bzw. diejenigen Personen von St. Kastor, die für die Aufzeichnung im Stiftsevangeliar verantwortlich waren, weitgehend belanglos wurde. Dagegen lassen sich jedoch einige, durchaus gewichtige Gründe anführen. Kölzer argumentiert, ohne es näher auszuführen, daß der Erzbischof schon wegen der Beteiligung seines economus am Zoll an der Fixierung eines Zolltarifs interessiert gewesen sei. So klar ist dies aber keineswegs; denn der Anteil des erzbischöflichen Amtsträgers war auf die Hälfte bzw. ein Viertel der Einkünfte des Gesamtzolls an bestimmten Tagen bezogen 53 , ohne daß dabei von Belang war, welcher Kaufmann aus welchem Ort wieviel zu entrichten hatte. Dem economus konnte die Tarifierung egal sein, es sei denn - eine in der Literatur bisher nicht diskutierte Möglichkeit - er hätte an den fraglichen drei Tagen den Zoll selbständig erhoben, etwa um den Fortbestand gewisser erzbischöflicher Rechte zusätzlich zu dokumentieren. Ob er dafür selbst in diesem Fall allerdings eine eigene erzbischöfliche Tarifaufzeichnung benötigte, bleibt fraglich, wenn der Simeoner Zöllner anwesend war und dem economus für die gewünschten Angaben zur Verfügung stand.
49 50 51 52 53
Vgl. THISSEN, Toltarief, S. 197-204. Er weist (S. 206) sicher zu Recht darauf hin, daß gerade St. Kastor als Koblenzer Pfarrkirche besonders gut zur Aufbewahrung geeignet war. Vgl. THISSEN, Toltarief, S. 204. Vgl. THISSEN, Toltarief, S. 206. Vgl. KÖLZER, Zolltarif, S. 309. In festivitate sancte Marie ekonomus episcopi medietatem thelonei habebit per unum diem integrum et duos dimidios, MGH D H IV, Nr. 487.
I. Der Koblenzer
Zoll und seine ältesten Tarife
93
Für den Fortbestand eines erzbischöflichen Interesses an den inneren Verhältnissen des Koblenzer Zolls nach 1042 gibt es jedoch noch einen anderen, sehr viel naheliegenderen Grund, der in der Diskussion bislang erstaunlicherweise keine Rolle spielte. Nicht nur St. Kastor war nämlich Trierer Eigenkirche und somit Verfügungsobjekt der Erzbischöfe, sondern auch St. Simeon! Als Erzbischof Poppo das von ihm gegründete Simeonstift 54 mit dem Zoll ausstattete, behielten er und seine Nachfolger als Eigenkirchenherren maßgeblichen Einfluß auf die inneren und äußeren Verhältnisse des Koblenzer Zolls. Sichtbar wird dies, abgesehen davon, daß sich das Simeonstift von nahezu jedem Trierer Erzbischof den Besitz bestätigen ließ, besonders deutlich im kurz nach 1104 entstandenen angeblichen Diplom Heinrichs IV. Denn als der Fälscher die maßgebliche Rolle für die Aufstellung des Zolltarifs Erzbischof Bruno zuschrieb55, mußte er in gewissen Maße auf die realen Verhältnisse Rücksicht nehmen, falls er nicht die Glaubwürdigkeit des Stückes gefährden wollte56. Wie die Situation im Detail war, läßt sich daraus zwar nicht folgern, aber immerhin dürfte die Behauptung, daß der Trierer Erzbischof den Tarif eines Zolls weisen ließ, der im gleichen Satz ausdrücklich als Simeoner Besitz bestätigt wurde, nicht von vornherein Verdacht erregt haben. Eine solche Praxis ist 1195 sogar zweifelsfrei belegt, als Heinrich VI. dem Simeonstift den Koblenzer Zoll unter Festlegung des Landzolltarifs u. a. auf Bitte Erzbischof Johanns bestätigte 57 und dieser auf kaiserliche Anordnung darüber eine eigene Urkunde ausstellte58. Wenn somit kurz nach 1104 eine erzbischöfliche Einflußnahme auf den Zolltarif offenbar nicht ungewöhnlich war und sie 1195 sogar explizit nachweisbar ist, gibt es keinen zwingenden Grund anzunehmen, der Erzbischof habe sich nach 1042 nicht mehr für den Zolltarif interessiert. Thissens Hypothese, daß der Trierer Erzbischof nach der Vergabe des Koblenzer Zolls kein Motiv mehr hatte, eine Aufzeichnung des Zolltarifs zu veranlassen, läßt sich somit nicht halten. Die Überlieferung des Tarifs im Evangeliar des St. Kastorstifts bietet daher keinen hinreichenden Grund, die Entstehung der Quelle
54 55
56 57 58
Vgl. zur Gründungsgeschichte jetzt HEYEN, Simeon. Nach der A r e n g a bekräftigte Heinrich IV. nur die Bestätigung des Tarifs durch Erzbischof Bruno, den dieser durch vier Koblenzer Schöffen und die erzbischöfliche familia hatte weisen lassen: qualiter Bruno venerabilis ac fldelissimus nobis Treuirorum archiepiscopus anno episcopatus sui tercio nostram imperialem adierit clementiam postulans, ut theloneum Confluentie a domno Poppone archipresule Treuerensi fratribus sancii Symeonis antiquitus traditum - sicut idem venerabilis Brvno archiepiscopus ab eiusdem scabinis loci Berevvicho, Godeberto, Erenberto, Wichardo et universa familia cum fidelitate admonendo, quid a singulorum locorum navibus quidve in eodem loco thelonei antiquo iure solveretur, diligentissime exquisivit, et, ut ita in posterum eternaliter permaneat, sua episcopali auctoritate confìrmavit - nos quoque ob eternam et nostri et sui memoriam utilitati tam presentium quam futurorum prospicientes nostra imperiali auctoritate corroboraremus, M G H D H IV, Nr. 487. So auch KÖLZER, Zolltarif, S. 304 f. M R U B II, Nr. 142 - RI IV.3, Nr. 472. M R U B II, Nr. 143.
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B. Die Zolltarifierung vom 10. bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts
auf »vor 1042« zu datieren 59 . Aus welchen Gründen die Erzbischöfe in die Koblenzer Zollverhältnisse eingriffen, in welchem Maße sie ein den herrscherlichen Rechten vergleichbares >Obereigentum< behielten, ist hier nicht zu erörtern. Letztlich zeigt aber auch die offenbar völlig reibungslose Einziehung des Zolls unter Erzbischof Arnold von Isenburg um die Mitte des 13. Jahrhunderts, wie stark die Position der Metropoliten noch zweihundert Jahre nach der Vergabe war. Welche inhaltlichen Hinweise gibt es auf die Entstehungszeit des Tarifs, die ja lange vor der ersten überlieferten Niederschrift des Textes liegen kann? Laufner sieht einen Anhaltspunkt in der Erwähnung von Juden als Sklavenhändlern, die sich im Exemplar von St. Kastor 60 , nicht jedoch in D H I V , Nr. 487 findet, und schließt daraus, daß die Aufzeichnung des Tarifs im Evangeliar vor 1066 stattgefunden habe 61 . In diesem Jahr bedrohte nach einem Bericht der Gesta Treverorum der Trierer Erzbischof Eberhard die Juden mit der Austreibung, wenn sie sich nicht bis Karsamstag taufen ließen, jedoch sei er selbst an diesem Tag durch jüdischen Schadenszauber gestorben 62 . Laufner nimmt an, daß diese Beschuldigung für die Juden nicht folgenlos geblieben sei. Da man sie aus dem Erzbistum vertrieben habe, hätten sie nicht mehr im Spurium D H IV, Nr. 487 als Sklavenhändler auftauchen können. Zwar spielten Juden tatsächlich schon in karolinigscher Zeit eine besondere Rolle im Sklavenhandel, jedoch ist Laufners Argumentation ansonsten kaum nachvollziehbar und sie wird in der Forschung durchgängig abgelehnt 63 . Denn im Evangeliarexemplar des Tarifs sind zwar jüdische Sklavenhändler verzeichnet, aber es besteht nicht der geringste Hinweis darauf, daß diese ausschließlich oder vornehmlich aus dem Trierischen kamen. Dagegen spricht allein schon der großräumige Aktionskreis des mittelalterlichen Sklavenhandels64, bei dem Menschen aus dem slawischen Raum über Verdun in die arabische Welt verkauft wurden. Selbst wenn also 1066 eine Vertreibung der Trierer Juden stattgefunden haben sollte, was auch durch die Gesta Treverorum keineswegs nachgewiesen ist, und dadurch tatsächlich der Sklavenhandel (früherer) Trierer Juden zum Erliegen kam, was ebenfalls Spekulation ist,
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THISSEN, Toltarief, S. 206, hat schlüssig nachgewiesen, daß die Gültigkeit des Tarifs nicht zuletzt durch die mehr oder minder öffentliche Aufbewahrung des Evangeliars in der Koblenzer Pfarrkirche St. Kastor >beglaubigt< wurde. Daran änderte sich aber mit der Vergabe des Zolls nichts, so daß auch hierin kein Grund für die Annahme von 1042 als Terminus ante quem für die Entstehung der Quelle liegt. Iudeipro unoquoque sclavo empticio debent IIII denarios, GAWLIK, Nachtrag, S. 751. Vgl. LAUFNER, Zolltarif, S. 102 f. MGH SS VIII, S. 182. Vgl. DESPY, Corpus, S. 277 Anm. 2; HESS, Zoll, S. 173 Anm. 12; THISSEN, Toltarief, S. 190 f.; KÖLZER, Zolltarif, S. 297. Lediglich PETRY, Monetäre Entwicklung, S. 151 Anm. 112, ist Laufner ohne Prüfung der Gegenargumente gefolgt. Vgl. dazu unten S. 126 f.
I. Der Koblenzer Zoll und seine ältesten Tarife
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spricht dies nicht gegen einen Transit jüdischer Sklavenhändler anderer Herkunft am Koblenzer Zoll nach 1066. Gleichwohl bleibt auffällig, daß in der Handschrift aus dem 11. Jahrhundert Juden als Sklavenhändler genannt werden und im angeblichen Diplom Heinrichs IV. vom Beginn des 12. Jahrhunderts nicht mehr. Despy möchte diesen Unterschied mit den Judenverfolgungen im Vorfeld des ersten Kreuzzuges 1096 in Verbindung bringen 65 , dagegen hat Thissen auf mögliche Wandlungen in der personellen Struktur der Sklavenhändlerschaft verwiesen und zudem angeführt, daß bereits kurz nach den Verfolgungen gegen Ende des 11. Jahrhunderts wieder Juden in rheinischen Städten nachweisbar seien66. Allerdings ist bei Thissens Argument eines Strukturwandels zu berücksichtigen, daß nach seiner Datierung 67 der Text des Evangeliars (1018-1042) und der des Spuriums (2. Hälfte des 12. Jahrhunderts) rund 150 Jahre auseinanderliegen, ein Zeitraum, in dem gewiß Änderungen stattfanden. Datiert man jedoch das Pseudo-Original nach Kölzers zweifelsfreier Identifizierung des Schreibers auf den Beginn des 12. Jahrhunderts 68 , dann fällt die zur Verfügung stehende Zeitspanne für ein Ende jüdischer Dominanz im Sklavenhandel deutlich geringer aus. Dies zieht wiederum die Frage nach sich, ob ein langfristiger Strukturwandel als Erklärung ausreicht oder ob nicht doch die Pogrome, die von Frankreich über die Rheinlande bis nach Prag - also auch im Transitbereich des Sklavenhandels - nachweisbar sind, dazu führten, daß nach der Jahrhundertwende jüdische Sklavenhändler eher selten waren. Mit einem Terminus ante quem von 1096 ist für die genauere Datierung des Textes im Evangeliar des St. Kastorstifts zwar nicht viel gewonnen. Gleichwohl ist sie nicht ohne Belang, da sie dazu beiträgt, die Abweichungen zu D H I V , Nr. 487 zu erklären. Laufner hat neben den Juden ein weiteres inneres Datierungsargument angeführt: Im Tarif, der zumeist die Kaufleute nach ihren jeweiligen Herkunftsorten aufführt, sind zwischen Händlern aus Lüttich und aus Antwerpen auch solche aus dem regnum Baldewini verzeichnet, deren Zollabgabe ein Widderfell, einen Käse und zwei dena-
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Despys Argumentation soll jedoch seine (falsche) Datierung des Evangeliartextes auf die Mitte des 12. Jahrhunderts stützen: Die Erwähnung von Juden setzte seiner Ansicht nach voraus, daß sie nach den Pogromen von 1096 wieder häufiger den Koblenzer Zoll als Sklavenhändler passierten, was er für die Zeit nach 1125/1130 annahm. Demgegenüber habe der Fälscher von D H IV, Nr. 487 aus seiner historischen Kenntnis über die Verfolgungen in der angeblichen Urkunde von 1104 keine Juden erwähnt (vgl. DESPY, Corpus, S. 277). Vgl. zu den Verfolgungen MERTENS, Juden, S. 47-50; MÖHRING, Judenverfolgungen, S. 98 ff.; HAVERKAMP, Aufbruch, S. 192 f. Vgl. THISSEN, Toltarief, S. 190 f. und Anm. 46, S. 212. Vgl. THISSEN, Toltarief, S. 207 f. Vgl. KÖLZER, Zolltarif, S. 291 f., 298, übereinstimmend mit VON GLADISS, Vorbemerkung zu D H IV, Nr. 487.
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B. Die Zolltarifierung vom 10. bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts
riadae Wein betrug 69 . Bereits als man im 14. Jahrhundert eine Kopie des PseudoOriginals D H I V , Nr. 487 anfertigte (Textzeuge 5) hielt man diese Herkunftsbezeichnung, die offenbar auf ein Gebiet im niederlothringischen Raum hinweist, nicht mehr für selbsterklärend und erläuterte: id est de comitatu Gelrie videlicet Nyedef0. Wie man dazu kam, das Reich Balduins damit im Gebiet von Rhein, Waal und Ijssel zu lokalisieren, ist nicht nachzuvollziehen71; denn beim regnum Baldewini wird man, wie Laufner im Anschluß an Lamprecht vorgeschlagen hat, zuallererst an Flandern zu denken haben, wo seit dem Ausgang des 9. Jahrhunderts bis 1070 fünf Grafen mit Namen Balduin regierten 72 . Laufner ist hier noch einen Schritt weiter gegangen und hat einen zweifelsfreien Bezug auf »Unabhängigkeitsbestrebungen des flandrischen Grafen Balduin V. (1035-1067) gegenüber Heinrich III.« erkennen wollen, wobei er auf die dem regnum vergleichbare Bezeichnungen Flanderns als monarchia in den Jahren 1047 und 1072 verwiesen hat73. Insgesamt läßt sich aus der Erwähnung eines regnum Baldewini für die Entstehung der Quelle ein genauerer Terminus ante quem als ca. 1070 nicht ableiten. Es kann aber auch nicht ausgeschlossen werden, daß der fragliche Begriff bereits vor der Jahrtausendwende entstand, wenngleich Flandern nur zu Beginn, um die Mitte und seit Ende des 10. Jahrhunderts durch Balduine (mit-)regiert wurde. Nach dem Tod Balduins II. (918) vergingen rund vierzig Jahre, ehe wieder ein namensgleicher Graf nachweisbar ist, als nämlich Arnulf I. seinem Sohn Balduin III. 959/960 die
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De regno Baldeuuini venientes debent dare pellem arietis ad opertorium sellae, quod dicitur teutonice hulftuel et unum caseum et duas denariadas vini, GAWLIK, Nachtrag, S. 750. LAUFNER, Zolltarif, S. 107 Anm. 18; GAWLIK, Nachtrag, S. 749. Was mit Nyedei gemeint ist, war bislang nicht zu klären. Möglicherweise handelte es sich um eine »gelehrte Erinnerung« an die Herkunft der Grafen von Geldern aus Flandern (dies erwägt FLINK, Entstehung, S. 61). In der Literatur zum Koblenzer Zolltarif ist dies bislang nicht diskutiert worden. Sowohl LAUFNER, Zolltarif, S. 107 Anm. 18, als auch KÖLZER, Zolltarif, S. 301 Anm. 58, verstehen die Lokalisierung in Geldern anscheinend als sachgemäße Ergänzung. Vgl. LAUFNER, Zolltarif, S. 102; LAMPRECHT, Wirtschaftsleben II, S. 300, wo ohne weitere Diskussion das regnum Baldewini mit Flandern identifiziert wird. Despy hat demgegenüber darauf verwiesen, daß im Tarif nur Orte und Gebiete innerhalb des Römischen Reichs aufgeführt sind. Deshalb scheide die Grafschaft Flandern als ganzes aus; man habe entweder an die Grafschaft Hennegau, wo von 1051 bis 1195 Grafen mit dem Namen Balduin regierten, oder an Reichsflandern zu denken, den im Imperium gelegenen Gebietsteil der Grafen von Flandern (vgl. DESPY, Corpus, S. 278 ff.). Despy favorisiert entsprechend seiner Datierung des Evangeliars und des Pseudo-Originals auf die Mitte des 12. Jahrhunderts die Grafschaft Hennegau. Es ist jedoch kaum nachzuvollziehen, warum ein Zolltarif nur Orte aus dem Reichsgebiet verzeichnet haben sollte, wenn auch Kaufleute von außerhalb den Zoll passierten und auf irgendeine Weise veranschlagt werden mußten. Vgl. LAUFNER, Zolltarif, S. 102.
I. Der Koblenzer
Zoll und seine ältesten Tarife
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Verwaltung einiger Grafschaften im Süden Flanderns übertrug 74 . Von Dauer war dies nicht; denn der Erbe starb bereits 962, ohne jemals ganz Flandern geleitet zu haben, und wurde von seinem Vater überlebt. Erst nach dem Tod Arnulfs II. 988 übernahm erneut ein Balduin (IV.) die Regentschaft, die er bis 1035 ausübte 75 . Wolfgang Heß hat ein spezifisch geldgeschichtliches Datierungsargument in die Diskussion um die Entstehungszeit des Tarifs eingebracht. Da dort keine Differenzierung nach den im 11. Jahrhundert bereits stark im Gewicht schwankenden Pfennigsorten vorgenommen worden sei und zudem am Koblenzer Zoll ein Zwang zur Zahlung in örtlichen Denaren nicht nachweisbar sei, der Koblenzer Tarif von 1209 vielmehr erweise, daß die Kaufleute in heimischer Münze zahlen durften, sei die Aufzeichnung zu einer Zeit erfolgt, als die Pfenniggewichte noch nicht wesentlich divergiert hätten, mithin am Ende des 10. Jahrhunderts. Andererseits reiche der Tarif wegen der darin genannten Orte aber auch kaum »allzuweit vor die Jahrtausendwende« zurück76. Diese auf den ersten Blick ansprechende Argumentation stützt sich auf Prämissen, die nicht undiskutiert bleiben können. Nach Heß gibt es drei mögliche Gründe für die fehlende Differenzierung der Denare im Zolltarif: 1) Der Tarif entstand zu einer Zeit, als die Pfenniggewichte der einzelnen Sorten bereits erheblich differierten (spätestens seit der Jahrtausendwende), doch wurden diese nicht verzeichnet, weil am Zoll ein Währungszwang existierte, d. h. die Leistung der Abgabe war in der vor Ort gültigen Münze vorgeschrieben. 2) Es existierte kein Währungszwang, aber die Höhe der Zollsätze berücksichtigte im Verhältnis die unterschiedlichen Pfennigwerte aus der Heimat der Händler. 3) Zur Entstehungszeit der Quelle gab es noch keine wesentlichen Abweichungen in den Pfenniggewichten, auf die der Redaktor des Tarifs hätte Rücksicht nehmen müssen. Die erste Möglichkeit verwirft Heß, weil es vor dem 14. Jahrhundert keinen Währungszwang an Zollstätten gegeben habe, und verweist dabei auf den zweiten Koblenzer Zolltarif von 1209, wo die nominale Höhe der Zollabgabe danach unterschieden wird, ob die Kaufleute in Kölner oder Trierer bzw. pfündigen Pfennigen zahlten 77 . Die zweite Alternative kann er widerlegen, indem er zeigt, daß die Zollsätze nicht entsprechend den Pfenniggewichten gestaffelt waren 78 . Heß entscheidet
74 75 76 77
78
Vgl. GANSHOF, Flandre, S. 27 f. D i e hier referierten Daten nach GANSHOF, Flandre, S. 125 f. Vgl. HESS, Zoll, S. 188 f. Vgl. HESS, Zoll, S. 188 f. Der Verweis (ebd., Anm. 108) auf eine eigene Arbeit (HESS, Münzwesen, S. 311 f.), mit der er belegen will, daß ein Währungszwang an Zöllen vor dem 14. Jahrhundert »offensichtlich nicht üblich« war, führt jedoch nicht weiter, da dort lediglich wieder der Tarif von 1209 als Nachweis für diese These genannt wird. Vgl. HESS, Zoll, S. 189.
98
B. Die Zolltarifierung vom 10. bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts
sich daher für die dritte Möglichkeit, wobei er implizit voraussetzt, daß divergierende Pfenniggewichte bei fehlendem Währungszwang vermerkt worden wären 79 . Diese für seine Datierung zentrale Prämisse ist jedoch nicht zwingend. Nimmt man als Arbeitshypothese an, daß der älteste Tarif bereits der Periode unterschiedlicher Pfenniggewichte angehörte, so ist deren fehlende Berücksichtigung im Tarif keineswegs nur durch einen am Zoll geltenden Währungszwang erklärbar. Heß übersieht die Möglichkeit, daß man bei der Abfassung des Tarifs eine Normierung der Zollabgaben in lokaler Währung als selbstverständlich voraussetzte und diese daher nicht weiter erläuterte, ohne aber die Begleichung der Zollgelder in der ortsüblichen Sorte vorzuschreiben. Im Fall, daß Kaufleute in heimischer Münze zahlen wollten, konnte der Zöllner die fällige Summe ohne Schwierigkeiten anhand des Gewichtsverhältnisses dieser Sorte zur lokalen Normmünze ausrechnen. Sollte diese zusätzliche Alternative bestehen, kann das Fehlen einer Differerenzierung nach verschiedenen Münzsorten nicht als Datierungsargument herangezogen werden. Ein von Heß nicht vorgenommener Vergleich mit anderen rheinischen Tarifen des 12. und beginnenden 13. Jahrhunderts, der klassischen Periode des regionalen Pfennigs, bringt in dieser Frage weitgehende Klarheit. Es zeigt sich, daß die Koblenzer Quelle von 1209 - aus speziellen, unten noch zu erörternden Gründen 80 - anscheinend der einzige rheinische Zolltarif ist, der die Zahlung der Abgabe nach verschiedenen Münzsorten staffelt. In nahezu allen anderen tarifären Quellen ist der Zollsatz undifferenziert nach »Denaren« oder - synonym dazu - schlicht »Münzen« (nummi) offensichtlich einer einzigen Währung bemessen 81 . So sind beispielsweise in den
79
Vgl. den Gang seiner Argumentation (HESS, Zolltarif, S. 188 f.): . . . (es habe kein Währungszwang vor dem 14. Jahrhundert bestanden). »Gerade für Koblenz bezeugen die beiden Tarife aus dem 13. Jahrhundert, insbesondere der von 1209, daß der Zoll in mehreren Pfennigsorten gezahlt werden konnte . . . Es ist also davon auszugehen, daß zur Geltungszeit des ältesten Tarifs die Geldzahlungen beim Passierzoll nicht in Koblenzer Währung gefordert wurden und den Kaufleuten zumindest die Zahlung in heimischer Münze freigestellt war . . . Wenn aber die in Geld bemessenen Zollsätze keine Rücksicht nahmen auf die Wertunterschiede der Münzen, dann ist die Frage zu stellen, ob nicht ihre Fixierung zu einer Zeit erfolgte, als die Pfenniggewichte noch nicht wesentlich divergierten, d. h. spätestens gegen Ende des 10. Jahrhunderts«.
80 81
Vgl. unten S. 137 ff. Vgl. etwa den Zoll der Trierer in Köln 1149: De sarcina sellae corrigiis post dorsum cuiusque nostrum ad nostra remeantium ligata non nisi duos persolvemus nummos, RUDOLPH/KENTENICH, Quellen, Nr. 4, ferner die Wiederherstellung des alten Mainzer Zollsatzes für die Duisburger Kaufleute durch den Mainzer Erzbischof Arnold 1155: quod ad portum civitatis nostre applicantes secundum ius primitivum et legittimum IIHor nummos ad theloneum de navi deberent persolvere et si forte ibi naves onerarent de uniuscuiusque navis onere unum tantum nummum ad theloneum esse persolvendum. Si autem navim vacuam deferrent, IIHor denarios theloneareo exinde persolverent, UB Duisburg I, Nr. 13, oder das Trierer Stadtrecht von ca. 1190: Insuper vinum ementes et plaustro educentes nummum centurioni dandi sunt, qui nummus temonis dicitur ... Item quicunque
I. Der Koblenzer
Zoll und seine ältesten Tarife
99
Kölner Tarifen für die Kaufleute von der Maas von 1103-120382 wie auch in dem Städteabkommen zwischen Köln und Trier aus dem Jahr 1149 die jeweiligen Zollabgaben lediglich in Denaren ohne weitere Präzisierung der Münzsorte angegeben. Bei den Zeitgenossen bestand offenbar kein Zweifel, daß damit Kölner Münzen gemeint waren und nicht etwa Sorten aus der Heimat der Lütticher, Huyer, Dinanter, Verduner oder Trierer Kaufleute. Andernfalls wäre schon durch die erheblichen Gewichtsunterschiede der jeweiligen Pfennige 83 wohl recht schnell Streit ausgebrochen, ob der Zoll in leichter oder schwerer Münze zu entrichten war. Es werden in diesen Tarifen zwar Streitigkeiten erwähnt; diese betrafen jedoch die nominale Höhe des rechtmäßigen alten ZolIs< - es gibt nicht den geringsten Hinweis darauf, daß strittig war, in welcher Währung man zahlen mußte. Auch der frühestens im letzten Jahrzehnt des 12. Jahrhunderts entstandene Tarif des Utrechter Zolls fixiert die Zollabgaben der auswärtigen Kaufleute, darunter Friesen, Sachsen und Dänen, nicht in der jeweiligen Heimatwährung, sondern die Abgaben sind schlicht in »Denaren« bemessen; gleiches galt bei allgemeinen Mengenzollsätzen, wie etwa dem Weinzoll von 16 denarii pro Faß. Lediglich bei den Strafgeldern ist mit der moneta Tielensis, d. h. den Denaren aus der südöstlich von Utrecht gelegenen Prägestätte, eine andere (?) Münzsorte angegeben 84 .
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84
allecia huc attulerit et pontem transierit, nonaginta allecia sculteto dabit et centurioni de ponte 5 allecia et nummum, qui nummus licencie dicitur. Item si quid aliud navis tulerit, nummum dabit, RUDOLPH/KENTENICH, Quellen, Nr. 1, S. 5 Z. 13-17. Die Beispiele sind weiter vermehrbar. 1103, Zolltarif für die Kaufleute aus Lüttich und Huy in Köln (Hans. U B III, Nr. 601); 1149, Vertrag zwischen Köln und Trier über den Zoll der Trierer in Köln (RUDOLPH/KENTENICH, Quellen, Nr. 4); 1171, Zolltarif für die Kaufleute von Dinant in Köln (Hans. U B I, Nr. 22); 1178/1191, Zolltarif für die Kaufleute von Verdun in Köln (Hans. U B I, Nr. 30); 1203, Zolltarif für die Kaufleute von Dinant in Köln (Hans. U B I, Nr. 6 1 ) . Nach KRUSE, Geldgeschichte, S. 9, hatte der Kölner Pfennig um die Mitte des 12. Jahrhunderts, wie ein Nachwiegen der in der Kölner Münzsammlung erhaltenen Exemplare zeigte, noch das vorgeschriebene Normgewicht von 1,46 g. Der Trierer Denar war dagegen nach WEILLER, Trier, S. 103, nur halb so schwer. Vinum afferentes de quolibet vase sedecim denarios dent, sextus decitnus eis [reddatur]; si decem vasa vel plura habuerint, unius vasis theloneum remittatur eis, quod vulgo vullewin dicitur, si pauciora quam decem, nichil condonetur eis. Si allefcia], ut déférant, ernennt, si majus est theloneum piscis quam vini, pro pisce theloneum solvant. Fresones sai afferentes unum lop salis et unum denarium solvant, [Freso]nes de Osterlant venientes viginti quatuor denarios dent, ita ut quatuor eis reddantur. De Saxonia venientes decem et septem dent denarios, septimus decimus eis refddajtur; es venale afferentes fertonem de quolibet last solvant. Dani cum mercandi causa introierint civitatem, de capite suo singuli, qui magistri dicuntur navium, quatuor denarios dent. Nortmannos ab omnimodo theloneo liberos esse cognoscimus. Quicunque infra terminum hujus thelonei venerit et de hoc convictus fuerit, quod justum theloneum dolose detulerit, tria talenta Tielensis monetae solvat, Hans. U B I,
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B. Die Zolltarifierung vom 10. bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts
Diese Beispiele lassen sich fast beliebig vermehren, besonders instruktiv für die Koblenzer Verhältnisse sind jedoch tarifäre Quellen aus dem Machtbereich der Trierer Erzbischöfe. Im Jahr 1140 vermittelte Erzbischof Albero einen Vergleich zwischen der Trierer Marienabtei und den Einwohnern des bei Mehring an der Mosel gelegenen Schleich über die gegenseitigen Rechte am Ort und beurkundete dabei auch den Tarif des in Schleich erhobenen Zolls von Schiffen und Landfahrzeugen85. Auch hier bestand offenbar kein Anlaß, für die Zollabgabe eine bestimmte Münze vorzuschreiben, man begnügte sich mit einer Taxation nach Pfennigen und Halbpfennigen; denn welche anderen als die Trierer Denare sollten gemeint sein? Als man um 1190 das älteste überlieferte Trierer Stadtrecht aufzeichnete, arbeitete man den Tarif des dortigen Zolls ein. Dabei ist u. a. festgehalten, daß Kaufleute aus Köln, Worms, Speyer, Bingen und von der Mosel einen einheitlichen Satz von acht Denaren pro Schiff zu entrichten hatten 86 . Das unterschiedliche Pfenniggewicht etwa in Köln oder Worms wurde nicht berücksichtigt; denn der Zoll war ohne Zweifel nach Trierer Denaren berechnet. Nicht so eindeutig war die Situation im Jahr 1241, als Erzbischof Theoderich einen Streit zwischen den Städten Trier und Koblenz schlichtete und festlegte, daß an beiden Orten für die jeweils anderen Bürger ein gleicher Zollsatz von acht Trierer Denaren pro Schiff gelten sollte87. Hier war die Angabe der Münzsorte erforderlich, da die beiden Orte zwar einem einzigen Herrschafts-, aber zwei unterschiedlichen Währungsräumen angehörten. In Koblenz hatte sich der Kölner Pfennig de facto weitgehend durchgesetzt, dessen (Norm-)Gewicht in den 1240er Jahren nach wie vor bei 1,46 g lag, während die Trierer Prägungen dieser Zeit im Mittel 0,68 g wogen88.
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88
Nr. 8. Der Tarif ist in einer auf den Namen Heinrichs V. zu 1122 gefälschten Urkunde überliefert. Nach freundlicher Mitteilung von Herrn Prof. Dr. Matthias Thiel, Göttingen, der die Edition der Urkunden Heinrichs V. für die MGH vorbereitet, ist das Stück frühestens im letzten Jahrzehnt des 12. Jahrhunderts entstanden (Brief vom 1. Dez. 1994). Theloneum quod toto anno soluitur in eadem uilla (Sleich) est ecclesie debetur autem de quolibet uase paruo uel magno super terram posito denarius unus de naui quatuor de quadriga quinque de biga duo de equo uel asino obulus, MRUB I, Nr. 514. Item cives Colonienses et Wormacienses et Spirenses et cives de Bingen et habitantes rivum Moselle, quod Ham dicitur, quicquid emant vel vendant, de prora navis 8 den. dabunt, RUDOLPH/KENTENICH, Quellen, Nr. 1, S. 5 Z. 11-13. Cum diffinitum sit a scabinis et civibus Trevirensibus super donatione thelonei civium Confluentinorum apud Trevirim, videlicet, quod de navi onusta sive vacua dari debeant octo denarii Trever. ... nam cum simili ius habeatur tarn Treveri quam Confluentie, idem precipimus Confluentie observari, MRUB III, Nr. 712. Damit hatten die Koblenzer zu Trier den gleichen Satz erreicht, den die Trierer zu Koblenz bereits nach dem dortigen Zolltarif von 1209 (MRUB II, Nr. 242) zu entrichten hatten. Das Gewicht des Kölner Denars ist durch Probedenare bezeugt, die noch Ende des 19. Jahrhunderts im Kölner Stadtarchiv erhalten waren (vgl. KRUSE, Geldgeschichte, S. 8); vgl. zu Trier WEILLER, Trier, S. 104, Nr. 150.
I. Der Koblenzer Zoll und seine ältesten Tarife
101
Insgesamt betrachtet kann man aus einer fehlenden Differenzierung nach Münzsorten im ältesten Koblenzer Zolltarif nicht folgern, daß er zu einer Zeit noch weitgehend einheitlicher Pfenniggewichte abgefaßt wurde. Es entsprach vielmehr gängiger Praxis - wie ein Vergleich mit anderen rheinischen Tarifen seit dem frühen 12. Jahrhundert zeigt - , die Zollsätze in der vor Ort gültigen Normwährung zu fixieren. Darüber bestand bei den Zeitgenossen offensichtlich nie ein Zweifel, wie gerade die zahlreichen Zollstreitigkeiten belegen, die Anlaß zur Aufzeichnung von Tarifen waren: Nicht ein einziges Mal ging es dabei um die Frage, in welcher Münzsorte der Zoll bemessen war. Ein Währungszwang, hier ist Heß zuzustimmen, ist in der Pfennigzeit nicht nachweisbar. Es scheint so selbstverständlich gewesen zu sein, daß die Kaufleute aus verschiedenen Währungsräumen den Zoll auch in ihrer Heimatmünze entrichten konnten, daß explizite Zeugnisse darüber fehlen. Es war nicht notwendig und vor dem Hintergrund der vielen, vielfach schwankenden Sorten auch nicht praktikabel, die unterschiedlichen Wertverhältnisse der jeweiligen Pfennigsorten aus den Herkunftsgebieten der Kaufleute in den Tarif aufzunehmen. Im Gegensatz zu Heß ist also ausdrücklich festzuhalten, daß auch ohne formalen Währungszwang die Zolltarife gerade in der Periode des regionalen Pfennigs generell nur nach einer Münzsorte bemessen waren. Diese diente als Wertmaßstab, woraus sich aber nicht ableiten läßt, daß eine konkrete Zollabgabe in dieser einen Münze geleistet werden mußte: Der Zoll konnte in verschiedenen Sorten gezahlt werden, war aber nur in einer einzigen fixiert. Der Koblenzer Zolltarif von 1209 darf schon aufgrund seiner im Vergleich mit ähnlichen Quellen erkennbaren Ausnahmestellung nicht unbesehen als Beleg für eine generelle Differenzierung von Münzsorten in den Zolltarifen aus der Periode des regionalen Pfennigs herangezogen werden; denn gerade das Gegenteil war der Fall, wie die hier angeführten Beispiele erweisen. Auch eine von Heß offenbar angenommene lokale Koblenzer Tradition währungsmäßig differenzierter Tarife läßt sich nicht nachweisen: Als man nach 1104 an die Fabrikation der angeblichen Kaiserurkunde ging, sah man keine Notwendigkeit, die Zollsätze nach den verschiedenen Pfennigwerten aufzugliedern, obwohl zu dieser Zeit bereits ganz erhebliche Gewichtsschwankungen der im Umlauf befindlichen Sorten vorkamen. Aus der fehlenden Differenzierung der Zollabgaben nach verschiedenen Sorten, dies hat sich herausgestellt, ist der Tarif nicht zu datieren. Gleichwohl geht der von Heß verfolgte Ansatz, bei der Datierung die Gestaltung der Abgabensätze zu prüfen, in die richtige Richtung. Betrachtet man nämlich die innere Struktur des Tarifs insgesamt, ergeben sich in der Literatur bisher nicht diskutierte, deutliche Hinweise auf die Entstehungszeit. Der größte Teil der Zollrolle, wie sie im Evangeliar von St. Kastor überliefert ist, besteht aus einer geographisch geordneten, nach Herkunft der Kaufleute gestaffelten Liste von Schiffsabgaben. Eine Differenzierung des Zolls nach Schiffsgröße bzw. Art oder Menge der transportierten Güter ist nicht erkennbar, mit Ausnahme der am Schluß aufgelisteten allgemeinen Zölle auf Kaufsklaven, Schwerter und Beizvögel. Die Schiffszollsätze können im wesentlichen in zwei Großgruppen unterteilt werden: Kaufleute aus den Orten nördlich und westlich von Köln waren mit Naturalabgaben veranschlagt, während der Zoll für die übrigen Händler durchgängig in
102
B. Die Zolltarifierung vom 10. bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts
Geld bemessen war. Nahezu alle hatten eine als denariada vini bezeichnete Weinabgabe zu entrichten, wobei in der Literatur strittig ist, ob man sie in Wein oder Geld erhob 89 . Man hat seit langem bemerkt, daß die Art der bei der ersten Gruppe als Zoll festgesetzten Güter sehr gut zu bekannten Produkten aus der Heimat der Kaufleute paßt 90 und daraus gefolgert, daß man von den Händlern eine Abgabe in Gestalt ihrer gängigen mitgeführten Waren verlangte. Warum wollte man aber vom größeren Teil der Händler nicht bestimmte Güter, sondern Geld haben ? Lamprecht hat die eigentümliche Veranschlagung der niederländischen Kaufleute einer älteren Zeitstufe zugewiesen und darin Reste eines Tarifs vermutet, der ursprünglich völlig auf Warenabgaben bzw. einer Veranlagung nach dem Transportmittel aufgebaut war, ohne schlüssig zu begründen, warum ein solches System gerade bei Händlern von der Maas und aus dem Rheinmündungsgebiet am längsten Bestand gehabt haben soll 91 . Heß hat die unterschiedlichen Zollarten dadurch erklärt, daß die niederländischen Kaufleute, im Gegensatz zu den anderen Händlern, noch nicht verkauft hatten, wenn sie Koblenz passierten, wobei er unter Verweis auf eine Stelle im Zolltarif von 1209 92 davon ausging, daß nur die Bergfahrt zollpflichtig war. Nach dieser Theorie hätte also Koblenz die Grenze zwischen Waren- bzw. Natural- und Geldzoll bilden müssen. Dies war aber nicht der Fall; denn auch Kölner und Bonner Kaufleute zollten in Geld 93 . Nicht Koblenz, sondern Köln bildet die Grenze, worauf bereits Lamprecht hinwies 94 . Heß schließt eine weitere mögliche Erklärung für die Differenzierung aus, daß nämlich eine Landschaft einen geldwirtschaftlichen Vorsprung gegenüber der anderen gehabt habe, und bezieht sich dabei offenbar auf die Verhältnisse des 11. Jahrhunderts, obgleich er den Tarif selbst in die Zeit um die Jahrtausendwende datiert 95 . Die von Heß überraschenderweise nicht gestellte Frage ist jedoch, ob in der Ausgestaltung beider Räume im Zolltarif vielleicht geldwirtschaftliche Phänomene einer früheren Zeit faßbar werden, als Kaufleute von der Maas, dem Rheinmündungsgebiet und der IJssel in Koblenz nicht (regelmäßig) in Geld zahlen konnten
89
HELLWIG, Moselzoll, S. 93, geht von einer Abgabe in Wein aus. HESS, Zoll, S. 192, nimmt dagegen eine Zahlung von Geld an. 90 Vgl. etwa zu den bekannten Metallwaren der Maaskaufleute die Überblicke von JORIS, H a n d e l , S. 1 8 - 2 2 ; DERS., Metallindustrie, S. 6 8 f.
91 Vgl. LAMPRECHT, Wirtschaftsleben II, S. 303. Gerade die von ihm als Beleg angeführte Abgeschlossenheit der Verkehrssysteme - entsprechend den Münzumlaufzonen - wird durch den Tarif stark relativiert, wenn nicht gar widerlegt, worauf in anderem Zusammenhang HESS, Zoll, S. 187, hingewiesen hat. 92 de nauibus descendentibus nichil datur, MRUB II, Nr. 242. Diese Stelle darf jedoch nicht isoliert gesehen werden, vgl. dazu unten S. 133 f. 93 HESS, Zoll, S. 188, erklärt wenig überzeugend, daß diese Kaufleute (leer?) stromauf fuhren, um einzukaufen. Zumindest Kölner Händler werden auch zum Verkauf, also keineswegs mit unbeladenen Schiffen, in Richtung Oberland gefahren sein. 94
V g l . LAMPRECHT, W i r t s c h a f t s l e b e n II, S. 302.
95 Vgl. HESS, Zoll, S. 187.
I. Der Koblenzer
Zoll und seine ältesten Tarife
103
und man sie deshalb nach ihren >typischen< Handelswaren veranschlagte. Vergleicht man zur Überprüfung dieser Hypothese nun die Münzprägung der im Tarif genannten Orte in nachkarolingischer Zeit mit ihrer Veranschlagung nach Natural- bzw. Geldabgaben, ergeben sich überraschende, bislang in der Literatur nicht bemerkte Parallelen, die im Kartenbild klar hervortreten 96 . In fast allen Orten, deren Kaufleute mit Natural- bzw. Warenabgaben veranschlagt wurden, ist eine nachkarolingische Münzprägung frühestens seit Otto III. (983-1002) nachweisbar97. Gleiches gilt für die Münzstätten dieses Raumes, die im Tarif nicht genannt sind98. Ganz anders sieht es an Plätzen aus, deren Händler mit Geldabgaben zu zollen hatten: Fast überall gab es, besonders in den Bischofsstädten, eine ungebrochene bzw. kaum gestörte Kontinuität zwischen spätkarolingischem und frühottonischem Münzausstoß 99 . Das hier bereits durch die Münzprägung angedeutete Bild zweier unterschiedlicher geldwirtschaftlicher Räume im 10. Jahrhundert ist dank der umfassenden Untersuchung Klaus Petrys für den lothringischen Raum wesentlich vervollständigt worden 100 . Waren zur Zeit Karls des Kahlen im mittleren Maasgebiet mindestens dreizehn Münzstätten aktiv, trat nach seinem Tod im Zusammenhang mit den Normanneneinfällen der 880er Jahre eine schlagartige Veränderung ein; die Münzproduktion kam für mehrere Generationen praktisch zum Erliegen. Gleichzeitig hörten die Münzverluste im späteren Niederlothringen auf. Nach Petry hat man daraus eine »erhebliche Störung in der Geldversorgung dieses Gebietes« zu schließen, »dessen wirtschaftliche Bedingungen wohl nur noch eine sehr reduzierte Geldmenge und damit auch einen Geldumlauf auf niedrigstem Niveau erlaubten« 101 . Obgleich auch
96
Vgl. dazu die Karte von HESS, Zoll, S. 174, die nur die Münzprägung des 11. Jahrhunderts verzeichnet, mit unserer Karte 1, die schon Prägungen Ottos III. berücksichtigt. 97 Die folgenden Belege mit dem nachgewiesenen Beginn der jeweiligen Prägung nach ALBRECHT, Niederlothringen: Dinant (Otto III. - S. 62 f.), Namur (Otto III. - S. 60 f.), Lüttich (Otto III. - S. 38), Antwerpen (1. Hälfte 11. Jahrhundert - S. 64 f.), Zaltbommel (Münzrecht 999 - D O III, Nr. 312), Heerewaarden (keine Prägungen bekannt), Tiel (Otto III. - S. 110), Utrecht (sicher zuweisbare Prägungen seit Anfang des 11. Jahrhunderts - S. 104 f.), Deventer (Otto III. - S. 107), Duisburg (Konrad II. - S. 97), Neuss (Ende 11. Jahrhundert? - S. 91 f.). Lediglich Huy (Prägung schon unter Otto I. - S. 43 f.) bildet eine Ausnahme. 98 Vgl. den Überblick bei ALBRECHT, Niederlothringen, S. 3, und seine Nachweise zu den einzelnen Münzstätten. 99 Deutz (keine Prägungen bekannt), Bonn (Otto III.), Lorch (keine Prägungen bekannt), Bingen (zuletzt unter Konrad dem Roten [t 955]), Worms und Speyer (um 970), Straßburg (starke karolingische Prägung in der Folgezeit kontinuierlich fortgeführt), Konstanz (Otto I.), Zürich (Otto I.?, nach Heß war die Zäsur eher noch kürzer als in Konstanz), Regensburg (?), Würzburg (Otto II.), Trier (Otto I.), Metz (lückenlose Emissionen seit karolingischer Zeit), Toul (Otto I.) - die Einzelnachweise bei HESS, Zoll, S. 178-181 mit Anm. 35-63; vgl. zu Köln und Mainz weiter unten. 100 Vgl. zum folgenden PETRY, Monetäre Entwicklung, S. 84-89. 101 PETRY, Monetäre Entwicklung, S. 88.
104
B. Die Zolltarifierung vom 10. bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts
im Gebiet des späteren Oberlothringen für das 10. Jahrhundert eine deutliche monetäre Zäsur faßbar ist, sah die geldwirtschaftliche Lage dort im Vergleich deutlich besser aus. Neben der kontinuierlichen Prägetätigkeit in Trier, Metz, Toul und Verdun »zeugen vor allem die Münzfunde von einer beachtlichen Kontinuität der Geldversorgung und des Geldumlaufs« 102 . Im ältesten Koblenzer Zolltarif verlief die Grenze zwischen Natural- und Geldzoll unterhalb Kölns103. Auch dieses Kartenbild wird durch die geldwirtschaftliche Entwicklung gestützt. Denn während in Duisburg erst unter Konrad II. (1024-1039) und in Neuss vielleicht seit Ende des 11. Jahrhunderts geprägt wurde, ist in Köln nach den Worten von Heß die »Zäsur nur kurz gewesen zwischen den nicht allzu umfangreichen karolingischen Prägungen und dem kraftvollen Neubeginn bald nach Ottos I. Regierungsantritt«, was auch durch die Münzfunde bestätigt wird104. Eindeutig ist das Bild auch in Mainz, dort »leitete die spätkarolingische Münzreihe ohne Unterbrechung in die ottonische über«; an den übrigen Orten südlich von Koblenz war die Situation vergleichbar 105 . Insgesamt ergeben sich recht klare Linien: Kaufleute, die nach dem ältesten Tarif mit Naturalabgaben zollten, kamen aus Gebieten, wo in nachkarolingischer Zeit ein tiefer geldwirtschaftlichen Einbruch mit einem drastischen Rückgang des Geldumlaufs stattgefunden hatte. Erst unter Otto III. (seit 983) und seinen Nachfolgern kam es zur deutlichen Erholung mit einer Wiederaufnahme der Prägetätigkeit im größeren Rahmen. Es spricht also vieles dafür, daß der Tarif noch vor dieser Phase entstand, als die Kaufleute von der mittleren Maas, dem Rheinmündungsgebiet, der IJssel und dem Niederrhein zwar wieder (?) häufiger Koblenz passierten 106 , aber
102 PETRY, Monetäre Entwicklung, S. 89. 103 Es ist allerdings nicht ganz klar, ob die Wachsabgaben der Duisburger und Neusser mit den Warenzöllen beispielsweise der Maaskaufleute vergleichbar sind. Denn auch bei der grundlegenden Überarbeitung des Tarifs 1209 wurden für die Duisburger Wachsabgaben beibehalten. Nicht nur Mangel an Bargeld bei den Zollpflichtigen, sondern auch das Interesse des Zollherrn an der Versorung mit bestimmten Gütern konnte einen Warenzoll hervorbringen. Während des ganzen Mittelalters wurden an den rheinischen Transitzöllen neben Geld- auch Warenabgaben in kleineren Mengen erhoben, meist Wein, Getreide und Fisch u. ä. zur Versorgung des Zollbetriebs. 104 Vgl. HESS, Zoll, S. 177; PETRY, Monetäre Entwicklung, S. 87 Anm. 16, 88 Anm. 24, jeweils mit Einzelnachweisen und weiterer Literatur. 105 HESS, Zoll, S. 177-181. 106 Metallhandel auf der Maas ist bereits für 983 durch die Schenkung des Jahrmarktzolls zu Visé durch Otto II. an den Bischof von Lüttich belegt: donamus ... anniversarium iam dicti mercati teloneum in villa Viesato ... ex coemptione animalium vel ex omni genere tarn vestium quam ferri et metallorum vel ex reditu navium vel ex omnium commercio vectigalium vel ex iureforali vel districto iudiciali possit provenire, MGH D O II, Nr. 308.
105 Karte 1: Herkunft der im ältesten Koblenzer Zolltarif genannten Händler Veranschlagung Prägebeginn der örtlichen Münzstätten O
Geldzoll, keine Prägung bekannt Geldzoll, Prägung vor Otto III. Geldzoll, Prägung frühestens unter Otto III
Utrecht
Deventer
Naturalzoll, keine Prägung bekannt Naturatoli, Prägung vor Otto III.
Zaltbommel Heerewarden
Naturalzoll, Prägung frühestens unter Otto III.
200km
Antwerpen Entwurf: FRIEDBICH PFEIFFER Kartographie: MICHAEL GRÜN © 1997
Deutz Lüttlch Namur Dinant"
Bonn
Koblenz
Mainz
Würzburg.
Worms Speyer1
Regensburg Straßburg
Konstanz Zürich
106
B. Die Zolltarifierung vom 10. bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts
zumindest auf der Hinfahrt nur über sehr knappe Geldmittel verfügten 107 , weshalb man sie in >typischen< Naturalien und Handwerksprodukten veranschlagte 108 . Wenn sie auf dem Rückweg Wein transportierten, dürften sie aus dem Erlös ihrer Waren über genug Bargeld verfügt haben, um den Weinzoll, die denariada vini, in Geld zu entrichten. Bei Händlern aus Köln, dem Mainzer Raum, dem Oberrhein, der Mosel und den anderen Landschaften war die Erhebung eines Zolls in Waren nicht erforderlich; denn hier hatten z. T. zwar auch spürbare, aber nicht ansatzweise so gravierende Störungen der Geldwirtschaft stattgefunden. Eine Verzollung in Geld war bei Kaufleuten aus diesen Gebieten kein Problem, weshalb kaum ein Anlaß bestand, schwer handhabbare Warenzölle zu verlangen109. Damit läßt sich für die Datierung des ältesten Koblenzer Zolltarifs folgendes zusammenfassen: Die innere Struktur der Quelle mit ihrer räumlichen Differenzierung von Geld- und Naturalzöllen spiegelt in frappierender Deutlichkeit die geldwirtschaftliche Situation vor der Jahrtausendwende. Überliefert ist die Zollrolle jedoch erst in einer Handschrift im Evangeliar von St. Kastor in Koblenz, die paläographisch auf das letzte Drittel des 11. Jahrhunderts zu datieren ist, und im Spurium D H I V , Nr. 487, das zu Beginn des 12. Jahrhunderts entstand. Während jüdische Sklavenhändler vermutlich schon im Urtext erwähnt wurden, ist die Nennung eines regnum Baldewini für die Mitte bzw. das Ende des 10. Jahrhunderts zumindest nicht ausgeschlossen; möglicherweise verwendete man diesen Terminus aber erst bei (einer) der Redaktion(en) des Tarifs im 11. Jahrhundert.
107 Es ist kaum anzunehmen, daß sie ihre Reise ganz ohne Bargeld antraten. Gleichwohl reichte es kaum für die hohen Zollsätze aus, die Kaufleute aus diesen Gebieten zu zahlen hatten. Welchen Geldwert die Warenzölle am Ende des 10. Jahrhunderts darstellten, ist nicht zu ermitteln. Zwei Jahrhunderte später war er beträchtlich: 1195 konnten die niederländischen Händler ihre Warenzölle mit einem ferto (= 36 Denare) und einer denariada vini ablösen (MRUB II, Nr. 142). Vgl. unten S. 129. 108 Die implizite Annahme von KERBER, Wirtschaft, S. 315 f., daß die Versorgung des Koblenzer Markts eine wesentliche Rolle für dieses System spielte, läßt sich nicht erhärten. Zu erklären wäre dann, warum nur ein bestimmter Teil der Händler dieser Veranschlagung unterworfen war. Siehe auch die folgende Anmerkung. 109 Dies erklärt auch die von LAUFNER, Zolltarif, S. 103, aufgeworfene Frage, warum z. B. lothringisches Salz, das gewiß zu den Handelsgütern der Moselkaufleute gehörte, nicht im Tarif verzeichnet ist. Einen Hinweis auf Konflikte in der Bewertung der Warenzölle gibt die Revision des Tarifs 1195 (MRUB II, Nr. 142).
I. Der Koblenzer Zoll und seine ältesten Tarife
1.3
107
Inhaltliche Unterschiede zwischen Evangeliarkopie und D HIV, Nr. 487; Hintergründe der Fälschung
Für die Interpretation des ältesten Koblenzer Zolltarifs ist nicht ohne Bedeutung, daß eine der beiden frühesten Fassungen in einer gefälschten Urkunde überliefert ist. Es erscheint daher angebracht, zunächst einen Überblick über die Varianten beider Texte zu geben und mögliche Hintergründe der Fälschung zu diskutieren, bevor die Tarifangaben im einzelnen untersucht werden. Die Abschrift im Evangeliar verzeichnet fast ausschließlich nach der Herkunft der Kaufleute gestaffelte Schiffsabgaben und nennt daneben nur einen Zoll auf Kaufsklaven, Saumtiere, Schwerter und Beizvögel. Das Pseudo-Original hat die gleichen Einzelbestimmungen mit folgenden Abweichungen: 1) Die Bonner Kaufleute sind hier den Mainzern 110 statt, wie im Evangeliartarif, den Kölnern 111 zugeordnet. Diese hatten nach beiden Kopien als Herbstzuschlag eine Wachstafel und eine denariada Wein zu zahlen, während die Mainzer ganzjährig den Kölner Normalsatz von vier Denaren und einer denariada Wein zu entrichten hatten. Nach D H I V , Nr. 487 sparten die Bonner somit den erhöhten herbstlichen Zollsatz der Kölner. 2) Die Kopie von St. Kastor nennt Juden als Sklavenhändler, dies fehlt im PseudoOriginal 112 . 3) Dort wird eine Abgabe beim Kupferverkauf genannt 113 , die im Evangeliar fehlt. Ferner schließen sich an den eigentlichen Zolltarif in der gefälschten Urkunde den Zöllner betreffende Ausführungen über Abgaben und Pflichten der (Koblenzer) Bäcker und Schuster an; zudem wird eine Beteiligung des erzbischöflichen economus an den Zolleinkünften erwähnt - dies alles fehlt in der Tarifkopie von St. Kastor. Insgesamt wird deutlich, daß beide Tarifkopien auf eine gemeinsame, heute verlorene Vorlage zurückgehen 114 . Wie aber sind die inhaltlichen Unterschiede zu begründen? Ehe man vorschnell Schreibfehler postuliert, gilt es sich zu vergegenwärtigen, daß der Fälscher bei der Anfertigung des angeblichen Kaiserdiploms einen bestimmten Zweck verfolgte. Dies ist nur scheinbar trivial; denn in der Literatur wird mitunter nicht hinreichend berücksichtigt, daß der Rechtsinhalt der angeblichen
110 De Moguntia debent dare Illlor denarios et 1 denariam vini, de Binga et Loricha similiter, de Bunna similiter, MGH D H IV, Nr. 487. 111 De Colonia autem venientes Illlor denarios debent dare et unam denariadam vini. In autumno insuper de singulis navibus unam tabulam cere et unam denariadam vini. Similiter de Bunna, GAWLIK, Nachtrag, S. 750. 112 ludei pro unoquoque sclavo empticio debent IUI denarios, GAWLIK, Nachtrag, S. 751 - de sclavo empticio Illlor denarii, MGH D H IV, Nr. 487. 113 Quicumque cuprum advexerint, de unoquoque centenere debent dare Illlor denarios, MGH D H IV, Nr. 487. 114 Vgl. auch KÖLZER, Zolltarif, S. 294 ff.
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B. Die Zolltarifierung vom 10. bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts
Urkunde zwar weitgehend, aber doch nur bis auf die o. g. Ausnahmen durch die Tarifabschrift im Evangeliar von St. Kastor in Koblenz gedeckt ist. Gerade die Abweichungen des Spuriums sind daher zunächst einmal verdächtig, zumal wenn eine Seite begünstigt bzw. benachteiligt wurde. Eher unproblematisch ist hier die Frage der jüdischen Sklavenhändler. Es ist nicht erkennbar, daß ihre Nichterwähnung jemandem Vor- bzw. Nachteile brachte, vielmehr hatte durch die Judenverfolgungen von 1096 im Vorfeld des ersten Kreuzzuges der Anteil von Juden am Sklavenhandel möglicherweise derart stark abgenommen, daß man bei der Anfertigung des Spuriums eine Anpassung an die Situation der eigenen Zeit für angebracht hielt115. Dieses scheint naheliegender als Kölzers Hypothese, in einer ursprünglicheren Textfassung habe iudei als Randglosse auf einen jüdischen Personenzoll hinweisen sollen, wie er im Tarif von 1209 begegnet 116 . Weniger unverdächtig ist dagegen die andere Zuordnung der Bonner Kaufleute. Sie wurden im Spurium eindeutig begünstigt, ohne daß allerdings zu entscheiden ist, ob dies vom Fälscher beabsichtigt war - in diesem Fall wäre erklären, auf welchem Weg Bonner Händler Einfluß auf die Gestaltung des Spuriums ausüben konnten oder ob er sie irrtümlich inmitten der Gruppe Mainz gleichgestellter Orte plazierte und damit die fast durchgängig von Nord nach Süd fortschreitende Auflistung der Rheinorte im Evangeliartarif 117 durchbrach. Bei der Kupferabgabe ist nicht ganz klar, ob der Fälscher ein bestimmtes Interesse verfolgte. Zunächst fällt die Plazierung auf. Statt sie bei den anderen Handelsgütern wie Sklaven, Schwertern und Beizvögeln aufzuführen, ordnete er sie zwischen die Zollsätze der Kaufleute aus Zürich und Regensburg ein, was möglicherweise als Hinweis auf die Herkunft großer Teile des Kupfers und seiner Händler zu deuten ist118. Daß die Aufnahme dieses neuen Tarifpostens einer der Gründe für die Anfertigung der Fälschung war, ist nicht wahrscheinlich. Nur weil Kupfer oder ein anderes Handelsgut nicht im Tarif enthalten war, ließ man es kaum abgabenfrei passieren. Ob allerdings die Höhe der Abgabe einem schon gewohnheitsmäßig ausgebildeten Satz entsprach oder zugunsten des Zollinhabers bzw. der Händler davon abweichend fixiert wurde, kann nicht mit Sicherheit entschieden werden. Vielleicht spiegelt sich in diesem Zusatz nicht mehr als eine gestiegene Bedeutung des Kupferhandels, die
115 In diesem Sinne offenbar auch HESS, Zoll, S. 193. 116 Vgl. KÖLZER, Zolltarif, S. 296 f. 117 Die einzige Ausnahme im Evangeliartarif ist, daß nach der Nennung von Mainz als Bezugsort die Liste wieder nördlich bei Bingen beginnt und über Lorch, Worms und Speyer in südlicher Richtung weitergeführt wird: Venientes de Moguntia debent dare IHIor denarios et unam denariadam vini. De Binga et de Lorocha similiter. De Wormacia, de Spira similiter, GAWLIK, Nachtrag, S. 750. Dagegen wird Bonn im Spurium zwischen Lorch und Worms plaziert. 118 De Constantia venientes debent dare I siclum, de Zurich similiter. Quicumque cuprum advexerint, de unoquoque centenere debent dare IHIor denarios. De Ratispona venientes debent dare VI denarios et II denarios vini, MGH D H I V , Nr. 487. Vgl. HESS, Zoll, S. 193.
I. Der Koblenzer Zoll und seine ältesten Tarife
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dem Fälscher eine Erweiterung der Tarifposten angebracht erscheinen ließ, ohne daß er damit eine Manipulation vornehmen wollte. A n das Verzeichnis der Schiffsabgaben schließen sich nur im Spurium Bestimmungen über Bäcker und Schuster an, die den marktbezogenen Teil des Zolls betrafen. Ferner wurde ein Zollanteil des erzbischöflichen economus fixiert. Nach dem Pseudo-Original hatten die Koblenzer Bäcker, die Brot verkauften, unabhängig davon, wer sie waren oder woher sie kamen (sie!), dem Zöllner entweder jeden Sonntag ein Brot oder alle zwei Wochen einen Halbpfennig zu geben 119 . Bei den Schustern unterschied man die Abgaben nach ihrer Herkunft. Kamen sie von außerhalb, hatten sie für den Schuhverkauf die Erlaubnis des Zöllners oder seines Beauftragten einzuholen 120 . Die Koblenzer Schuster hingegen waren verpfichtet, dreimal im Jahr zum ungebotenen Ding zusammenzukommen. Ein jeder entrichtete dann dem Zöllner einen Denar, am Gerichtstermin zu St. Martin fünf Denare. Die Koblenzer Schuhmacher hatten Anspruch auf den Zoll ihrer auswärtigen Konkurrenten in der Zeit vom Marienfest bis zu St. Martin, d. h. vom 8. September 1 2 1 bis zum 11. November. Im Gegenzug waren sie verpflichtet, dem Zöllner und den acht senatores ein »gutes« Essen auszurichten, wozu der Zöllner sechs Sester Wein beisteuerte sowie einen Käse, der mit einer Hand zu heben war 122 . Anläßlich des Marienfestes (8. September) stand dem erzbischöflichen economus der halbe Zoll für einen ganzen und zwei halbe Tage zu 123 , wobei hier vermutlich, im Gegensatz zu den vorherigen
119 Pistores ipsius loci, quicumque sint vel undecumque sint, qui ibi panem vendiderint, omni dominica dabunt panem unum theloneario vel ad XIIII dies I obolum, MGH D H I V , Nr. 487. 120 Sutores aliunde venientes non audebunt ibi calceos vendere absque licentia thelonearii vel ipsius ministri, MGH D H IV, Nr. 487. 121 Nach GROTEFEND, Taschenbuch, S. 56 (zu Frauentag), ist in deutschen Urkunden immer der 15. August gemeint, wenn nähere Zusätze fehlen. Unklar ist, ob auch in einem Falsum wie D H I V , Nr. 487, das ohne Beteiligung der kaiserlichen Kanzlei entstand (vgl. die Vorbemerkung zur Urkunde), diese Regel anwendbar ist. Das im Zusammenhang mit dem economus erwähnte Marienfest (s. u.) ist eindeutig Mariä Geburt (vgl. MRUB I, Nr. 318) und zudem der Beginn des später bezeugten Koblenzer Jahrmarkts, der bis zum 11. November dauerte. Es liegt deshalb nahe, den 8. September auch bei den Schustern anzusetzten (so auch KERBER, Wirtschaft, S. 319). 122 Sutores ipsius loci ter conveniunt ad placitum iniussi et unusquisque tunc dabit denarium I et in festivitate saneti Martini V denarios. Dabitur autem eis census sutorum aliunde venientium a festivitate sanete Marie usque ad festivitatem saneti Martini; pro hoc autem dabunt theloneario et VIII senatoribus bonum pastum. Thelonearius autem dabit eis VI sextaria vini et caseum, qui manu una possit levari, MGH D H IV, Nr. 487. 123 In festivitate sanete Marie ekonomus episcopi medietatem thelonei habebit per unum diem integrum et duos dimidios, MGH D H IV, Nr. 487. Auf welche Daten die zwei halben Tage fielen, ist unklar und wird auch in der Literatur, so weit ich sehe, nicht diskutiert. Möglicherweise meinte man den Tag vor (vigilia) und den Tag nach dem Fest (in crastino). Dies entspräche mittelalterlichen Festtagsdatierungen. Es ist im übrigen nur
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B. Die Zolltarifierung vom 10. bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts
Marktbestimmungen, die Gesamtheit der Koblenzer Schiffs-, Saumtier- und Marktabgaben gemeint war. Da nur das Spurium diese Bestimmungen zu Bäckern, Schustern und economus verzeichnet, könnte man die Hintergründe der Fälschung hier suchen. Sehr viel schwieriger als die Identifizierung der kritischen Textpassagen ist es jedoch, die Zusammenhänge konkret zu benennen. Wohl deshalb wurde - nach dem gescheiterten Versuch Despys 1970 - erst wieder 1992, nachdem D H I V , Nr. 487 mittlerweile mehr als vierzig Jahre als Pseudo-Original bekannt war, durch Kölzer eine ausführlich begründete Erklärung angeboten, die es zu prüfen gilt124. Der Passus über den Zollanteil des erzbischöflichen economus ist in ähnlicher Form auch in der angeblichen Zollschenkungsurkunde Erzbischof Poppos von »1042« enthalten 125 , die um die Mitte des 12. Jahrhunderts offenkundig im Interesse der Simeoner Kanoniker angefertigt wurde. Wisplinghoff und zuletzt Kölzer haben diese Bestimmung als echten Bestandteil des verlorenen Originals gewertet 126 . Auch Despy hat diese Ansicht vertreten und darin einen symbolischen Zins gesehen, mit dem der Trierer Erzbischof an seine Rolle als Schenker erinnert habe 127 . Verdächtig erscheinen Kölzer jedoch die Textstellen über Bäcker und Schuster. Er führt an, daß ein Simeoner Besitz des Marktzolls explizit erst in einer Urkunde Erzbischof Alberos aus dem Jahr 1138128 belegt sei, während man dem Stift im 11. Jahrhunderts immer nur allgemein ein theloneum bestätigt habe. Kölzer vermutet, daß das Simeonstift ursprünglich nur den Schiffszoll besessen, erst später - wann und warum läßt er ausdrücklich offen - Anteile an den erzbischöflichen Marktabgaben errungen und zu
schwer vorstellbar, daß an diesen beiden (halben) Tagen z. B. zwischen vor- und nachmittäglichen Zolleinnahmen unterschieden wurde und der economus davon die Hälfte erhielt; er bekam wohl eher ein Viertel der gesamten Tageseinnahmen. A m Ende des 12. Jahrhunderts (MRUB II, Nr. 142) hatte sich ein vereinfachtes Verfahren ausgebildet: Der erzbischöfliche Schultheiß erhielt die halben Zolleinnahmen an den zwei Marienfesten, d. h. wohl Maria Himmelfahrt (15. August) und Maria Geburt (8. September, s. o.). 124 Vgl. KÖLZER, Zolltarif, S. 304 f. Der Erklärungsversuch von DESPY, Corpus, S. 268 f., stützt sich auf eine falsche paläographische Datierung des Pseudo-Originals in die Mitte des 12. Jahrhunderts und ordnet es in die zeitgenössischen Streitigkeiten zwischen Propst und Kapitel von St. Simeon ein, ohne allerdings konkret den Zweck der Fälschung herauszuarbeiten. THISSEN, Toltarief, S. 207 f., der sich in erster Linie mit dem Evangeliar von St. Kastor auseinandersetzt, vermutet, wie nach ihm Kölzer, einen Zusammenhang mit den Zusätzen. KERBER, Wirtschaft, S. 318, hält anscheinend die Zusätze für unverdächtig. Er nimmt an, daß das Simeonstift Schwierigkeiten bei der Durchsetzung seiner Zollrechte hatte und deshalb ein Weistum in Form einer angeblichen Herrscherurkunde erstellen ließ. 125 MRUB I, Nr. 318; vgl. dazu oben S. 83 f. 1 2 6 V g l . WISPLINHOFF, S. S i m e o n , S. 90, b z w . KÖLZER, Z o l l t a r i f , S. 3 0 5 .
127 Vgl. DESPY, Corpus, S. 266 f. 128 MRUB I, Nr. 502.
I. Der Koblenzer
Zoll und seine ältesten Tarife
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deren Absicherung das angebliche Kaiserdiplom angefertigt habe. Er verweist zur Stützung seiner These eines ursprünglich erzbischöflichen Marktzolls auf Interdependenzen zwischen Markt und Münze; letztere war seit 1018 dauerhaft in Trierer Besitz. Die Erzbischöfe hätten den Markt zum Absatz ihrer Münzproduktion unbedingt benötigt und deshalb den Marktzoll nicht aus der Hand gegeben 129 . Zunächst ist bei dieser Theorie unklar, wie sich das Simeonstift vor den Augen der erzbischöflichen Amtsträger in Koblenz anscheinend ohne deren geringsten Widerstand den marktbezogenen Teil des Zolls erst teilweise, dann ganz angeeignet haben soll. Auf einen solchen Vorgang gibt es in den Quellen genausowenig einen Hinweis wie auf unterschiedliche Besitzer von Markt- und Schiffsabgaben. Vielmehr ist bereits oben darauf hingewiesen worden, daß der Koblenzer Zoll trotz gelegentlicher Differenzierung nach verschiedenen Abgabekomponenten seit der kaiserlichen Schenkung 1018 stets als einheitlicher Rechtstitel behandelt wurde130. Hätte sich Poppo bei der Vergabe des Zolls einen Teil davon vorbehalten, hätten seine Nachfolger Eberhard und Udo 1048 bzw. 1071 dies in ihren Bestätigungen 131 zum einen wohl erwähnt und zum anderen - bei zwei Zöllen - eine andere Formulierung als teloneum Confluentie wählen müssen; denn welcher der beiden Zölle wäre sonst darunter zu verstehen gewesen? Gleiches gilt für die unbeglaubigte Empfängerausfertigung auf den Namen Heinrichs IV. aus dem Jahr 1098132. Man konnte die Zollbestätigungen im 11. Jahrhundert nur deshalb so allgemein formulierten, weil kein Zweifel bestand, was mit teloneum Confluentie gemeint und wer sein Besitzer war. Auch aus der Nichterwähnung des Marktzolls im Pseudo-Original wird man kaum schließen dürfen, daß er in erzbischöflicher Hand war. Gerade wenn es, wie Kölzer vermutet, einem im Simeoner Auftrag tätigen Fälscher lediglich um die Abgaben der Schuster und Bäcker ging, ist zu fragen, warum er zwar die Gefälle des erzbischöflichen economus verzeichnete, den erzbischöflichen Marktzoll jedoch nicht erwähnte und damit ohne Not die Glaubwürdigkeit seines Fabrikats schwächte. Völlig offen bleibt hier auch, wie es dem Simeonstift in den folgenden rund 30 Jahren - bis zur zweifellos authentischen Bestätigung des theloneum Confluentie... tarn uniuersaliter de nauibus quam de ipso foro durch Erzbischof Albero 1138 133 - gelungen sein sollte, den ganzen vormals erzbischöflichen Marktzoll zu usurpieren. Ferner ist zu prüfen, ob der Erzbischof als Münzherr tatsächlich auf den marktbezogenen Zollteil angewiesen war. Kölzer argumentiert, daß der Markt benötigt wurde, um mittels eines Währungszwangs134, der für Transaktionen den Gebrauch der lokalen Normmünze vorschrieb, die Koblenzer Münzproduktion in Umlauf zu
129 130 131 132 133 134
Vgl. KÖLZER, Zolltarif, S. 305 ff. Vgl. oben S. 88. M R U B I, Nr. 328 bzw. 371. M G H D H IV, Nr. 462. M R U B I, Nr. 502. Vgl. dazu HESS, Zoll, S. 184.
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B. Die Zolltarifierung
vom 10. bis zum Beginn des 14.
Jahrhunderts
setzen 135 . Unklar ist bei diesem Gedankengang, weshalb für den Absatz der Münzen die Marktgefälle benötigt wurden. Es reichte völlig, wenn der Trierer Erzbischof als Inhaber des Münzrechts (er mußte formal wahrscheinlich nicht einmal Marktherr sein) in Koblenz die Währung für den dortigen Marktverkehr vorschreiben konnte und zu diesem Zweck eine Wechselstelle unterhielt. Auch das Prägemetall konnte dort vereinnahmt werden, ohne daß eine Verfügung über die Marktabgaben notwendig war. Selbst wenn das Simeonstift nicht nur den marktbezogenen Zollteil, sondern auch das Marktrecht selbst besaß, dürfte der Trierer Erzbischof als Simeoner Eigenkirchen- und Koblenzer Stadtherr kaum auf Durchsetzungschwierigkeiten gestoßen sein, zumal durch den Betrieb einer erzbischöflichen Wechselstelle stiftische Interessen nicht erkennbar berührt wurden. Kölzers These, daß die Bestimmungen über Bäcker und Schuster einen vom Simeonstift errungenen Anteil am erzbischöflichen Marktzoll fixieren sollten, ist daher kaum zu halten. Diese Passagen sind damit nicht verdächtiger 136 als andere Zusätze des Pseudo-Originals gegenüber dem Evangeliartarif, wie etwa die Kupferabgabe oder der Zollanteil des economus. Wenn der die Schiffsabgaben betreffende Teil des Spuriums zweifelsfrei und die Zusätze mit einiger Wahrscheinlichkeit authentisch sind, bleibt die Frage, weshalb man sich die Mühe machte, ein Kaiserdiplom anzufertigen. Bereits Despy, der das Spurium auf 1155 datierte, verwies darauf, daß dort nur die Kanoniker des Simeonstifts als Zollinhaber genannt wurden, ohne irgendwelche Rechte des Propstes zu erwähnen, und vermutete einen Zusammenhang mit den bekannten internen Simeoner Auseinandersetzungen über dessen Einkünfte 137 . Durch Kölzers zweifelsfreie paläographische Datierung des Stücks auf den Beginn des 12. Jahrhunderts (zwischen 1104 und 1116)138 hat sich diese Theorie des Entstehungszusammenhangs nicht halten lassen - gleichzeitig steht damit aber fest, daß das Spurium der früheste Beleg für einen Anspruch der Kanoniker auf (abgesehen vom unbestrittenen Anteil des economus) alleinigen Zollbesitz darstellt und nicht erst die Urkunde Erzbischof Alberos von 1138139. Zur Beurteilung dieses Anspruchs ist ein kurzer Rückgriff auf die Entwicklung des Simeonstifts im 11. und 12. Jahrhundert erforderlich. Schon bald nach seiner Gründung setzte eine Trennung des Stiftsvermögens nach Propst- und Kapitelgut ein. 1053 ist sie bereits deutlich faßbar, als ein gewisser Anselm dem Kapitel ein Gut in Leiwen übertrug, um sich und seiner Familie eine Grablege in der Simeonkirche zu stiften; sollte jedoch ein habgieriger Propst oder irgendein Verwandter den
135 Vgl. KÖLZER, Zolltarif, S. 306. 136 Zudem ist das Verhältnis zwischen den Koblenzer Schustern und dem Zöllner im Tarif von 1209 ( M R U B II, Nr. 242) ähnlich geregelt, auch die Abgabe der Handwerker von fünf Denaren zu Martini wird dadurch gedeckt. 137 Vgl. DESPY, Corpus, S. 266 f. 138 Vgl. KÖLZER, Zolltarif, S. 298. 139 M R U B I, Nr. 502; vgl. oben S. 85 f.
I. Der Koblenzer Zoll und seine ältesten Tarife
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Kanonikern das praedium entziehen, fiel es an die Trierer Domkirche 140 . Der Schenker rechnete also mit der Möglichkeit innerstiftischer Verteilungskämpfe und versuchte, ihnen durch diese geschickt formulierte Klausel von vornherein die Basis zu entziehen. Getrennte Gefälle zwischen Propst und Kapitel sind auch für die Folgezeit belegt 141 , zu nachweisbaren Konflikten ist es jedoch nicht gekommen. Die Pröpste Burchard (bezeugt 1075) und Poppo (bezeugt 1075-1097) hatten vielmehr ein ausgesprochen gutes Verhältnis zu den Kanonikern, denen sie mehrere Schenkungen zukommen ließen 142 . Gleichwohl achtete man auch zu dieser Zeit genau auf eine Scheidung des Propstvermögens von dem des Kapitels 143 . Für die folgenden rund vierzig Jahre ist weder das Amt noch die Person eines Simeoner Propstes belegt; seine Funktion wurde offenbar teilweise vom Dekan übernommen, der in den Urkunden dieser Zeit die Interessen des Stifts vertrat 144 . Daß hier kein Überlieferungproblem vorliegt, zeigt eine Urkunde des Jahres 1136, in der Erzbischof Albero einen Streit zwischen dem Bamberger Georgstift und den Simeoner Kanonikern über den Zehnt zu Hönningen schlichtete; denn er trat dort in einer Doppelfunktion als derzeitiger Inhaber der Simeoner Propstei und als Metropolit auf 145 . Offenbar hatten sich also seit der Jahrhundertwende die Trierer Erz-
140 MRUB I, Nr. 341. Vgl. dazu WISPLINHOFF, S. Simeon, S. 86. Bemerkenswert ist, daß der St. Simeoner Propst Gerram die Schenkung mitbezeugte. 141 Vgl. MRUB I, Nr. 375,396,399. 142 Vgl. MRUB I, Nr. 386 (1092 Juni 4: Poppo verbessert eine Schenkung seines Vorgängers Burchard). MRUB I, Nr. 392 (1097 Juli 11: Erzbischof Egilbert bestätigt eine Schenkung Propst Poppos an St. Simeon) ist eine zwischen 1138 und 1182 gefälschte Urkunde, jedoch besteht an der Tatsache der Schenkung nach WISPLINGHOFF, S. Simeon, S. 92, kein Zweifel. HEYEN, Simeon, S. 200-205, unterstützt dies, will sie jedoch Burchard zuschreiben, der Poppo als zusätzlichen Namen geführt habe. Möglicherweise wurde dieses Stück, wie die angebliche Zollschenkungsurkunde zu 1042 (MRUB I, Nr. 318), die vom gleichen Schreiber stammt, im Zuge der Streitigkeiten um die Einkünfte des Propstes 1155 angefertigt, die Schenkung selbst ist jedoch kaum frei erfunden. 143 Vgl. MRUB I, Nr. 399 (undatiert, bestätigt durch Erzbischof Egilbert, also vor 1101 Sept. 3). 144 Erstmals MRUB I, Nr. 396 (undatiert, entstanden zwischen 1085 Juni 16 und 1098, vgl. WISPLINGHOFF, S. Simeon, S. 82 f. Anm. 43). Propst Adelbero, der in dieser Urkunde als einziger für St. Simeon in Frage kommen könnte, dürfte mit dem 1097 (MRUB I, Nr. 391) bezeugten Propst Adalbero von St. Kastor identisch sein. Die weiteren Simeoner Urkunden sind: MRUB I, Nr. 427 (1113), 443 (ca. 1120), 502 (1138), 503 (1138), 508 (1139) und 515 (1140). Die letzte Urkunde, die einen Propst (nämlich Poppo) nennt, ist die spätestens 1101 entstandene Nr. 399 (siehe die vorherige Anm.). 145 quia eo in tempore preposituram in manu proprio tenebamus et precipue secundum episcopalis dignitatis maiestatem qua fungebamur quia potentes eramus, MRUB I, Nr. 489. Diese etwas merkwürdig beschriebene Rolle des Erzbischofs - seine episkopale Würde hätte als Erklärung des Schlichteramtes für die Zeitgenossen zweifelsohne ausgereicht hatte ihren Grund in den verwickelten Besitzverhältnissen. In Hönningen besaßen die
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B. Die Zolltariflerung vom 10. bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts
bischöfe als Eigenkirchenherren, die sie in St. Simeon ja waren, dieses Amt (und seine Einkünfte) reserviert und einen Großteil der propsteilichen Aufgaben dem Dekan überlassen. Die Situation änderte sich grundlegend - abgesehen von der offenbar nur kurzfristigen Amtszeit des Propstes Fulmar in den 1140er Jahren 146 - als mit dem Amtsantritt des Domscholasters Balderich im Jahr 1152 oder 1153 der Propst seine Rechte wieder persönlich wahrnahm 147 . Dies führte innerhalb kurzer Zeit zum Konflikt, da Balderich seine Einkünfte zu niedrig erschienen und er den Kanonikern, die ihm nicht mehr zugestehen wollten, daraufhin die Pfründen kürzte 148 . Wie berechtigt
Simeoner Kanoniker den Hof und (nach dem Schied) 2/3 des Zehnten, aber auch der Propst bezog dort Einkünfte (vgl. MRUB I, Nr. 386). Der Erzbischof war als Inhaber der Propstei deshalb Sachkundiger der dortigen Verhältnisse - ohne selbst durch den Zehntstreit betroffen zu sein - und deshalb als Schiedsrichter prädestiniert. 146 Laut den Besitzbestätigungen Papst Eugens III. von 1152 (MRUB I, Nr. 563 - BOSHOF, Reg. Pont. Arch. Trev., S. 374 f., Nr. 2) und Erzbischof Hillins von 1157 (MRUB I, Nr. 603) hatte das (1138 gegründete) Kloster Himmerod vom (1152 als verstorben genannten) St. Simeoner Propst Fulmar usuaria in silva s. Symeonis erworben. Fulmar ist zu seinen Lebzeiten nicht belegt. 1138-1140 (MRUB I, Nr. 502, 503, 508, 515) erscheint lediglich Dekan Albert in den Quellen, vermutlich war zu dieser Zeit die Propstei nicht besetzt. 1150 werden in einer Schenkungsbestätigung Erzbischof Alberos für das Simeonstift (MRUB I, Nr. 554) weder dessen Propst noch dessen Dekan genannt; der in der Zeugenreihe aufgeführte Bouo prepositus war Propst von St. Kastor in Koblenz (ebd., Nr. 574, 1153; 604, 1157). Balderich wurde 1152 oder 1153 Propst von St. Simeon (siehe die folgende Anm.). Der aus Florennes stammende Kleriker ist bekannt als Verfasser der Gesta Alberonis, einer Vita des Trierer Erzbischofs Albero von Montreuil (vgl. die einleitenden Bemerkungen von Rudolf BUCHNER zur Edition in: Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters. Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe 22, Darmstadt 1973, S. 545 ff.). 147 Die vom magister scolarum Robert geschriebene Schenkungsurkunde Bezelins und seiner Frau Reylenz für St. Simeon von 1152 (MRUB I, Nr. 569) nennt außer Robert namentlich neun der dortigen Kanoniker, aber weder Propst noch Dekan. Balderich ist als prepositus de s. Symeone erstmals 1153 (nach März 9) bezeugt (MRUB I, Nr. 574), während er noch 1152 (MRUB I, Nr. 568) nur als Domscholaster auftritt. Daß er diese Pfründe behalten hat, zeigt seine Bezeichnung 1156 als Baldricus maioris domus scolasticus et s. Symeonis prepositus (MRUB I, Nr. 597). 148 Vgl. die Ausführungen in der Schiedsurkunde: Qualiter controuersiam que inter magistrum Baldericum prepositum ecclesie s. Simeonis et canonicos eiusdem ecclesie uertebatur ... Cum igitur inter partes controuersia esset de redditibus ad preposituram pertinentibus quos prepositus dicebat esse plures fratres uero pauciores similiter etiam de redditibus prebendarum et amministratione earum dicentibus fratribus prepositum in amministratione delinquisse eo quod quedam eis subtraxerat que dare debebat quedam uero culpa prepositi amiserant preposito ecclesie dicente et debita omni se soluisse nec sua culpa eos aliquid amississe addens etiam fratres multa sibi subtraxisse et se per eos expulsanti fore quod canonici inflciebantur, MRUB I, Nr. 585 - BOSHOF, Reg. Pont. Arch. Trev., S. 182, Nr. 7.
I. Der Koblenzer Zoll und seine ältesten Tarife
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Balderichs Klage über eine Schmälerung seiner Einkünfte (und die Gegenklage der Kanoniker) war, läßt sich im einzelnen nur schwer nachvollziehen, da nur der schiedsrichterliche Kompromiß überliefert ist. Daß die lange Vakanz der Propstei deren Einkünfte jedoch tendenziell geschmälert hatte, liegt auf der Hand. Auch auf einen Teil der Koblenzer Zolleinkünfte erhob der Propst Ansprüche; die Schiedsrichter erkannten ihm drei servitia und das Recht zur Investitur des Zöllners zu, die im Konsens mit dem Kapitel zu erfolgen hatte149. Damit hatte Balderich mehr erreicht, als ihm die Kanoniker zugestehen wollten. Deren Position wurde in der auf den Namen Erzbischof Poppos zu 1042 gefälschten Urkunde über die Schenkung des Zolls an das Simeonstift formuliert. Paläographisch kann sie zwischen 1138 und 1182 entstanden sein, inhaltlich erscheint sie durch Passagen über die Zollanteile des Propstes als Versuch, die Entscheidung des Schiedsgerichts im Sinne des Kapitels zu beeinflussen 150 . In diesem Falsum wurde behauptet, daß Poppo den Koblenzer Schiffs- und Marktzoll den Simeoner Kanonikern zur Verbesserung ihrer Pfründen geschenkt habe. Der erzbischöfliche economus erhielt demzufolge die Zolleinkünfte an Mariä Geburt an einem ganzen und zwei halben Tagen, ferner wurden dem Propst drei servitia bis zur Gesamtsumme von drei Mark zugestanden. Ausdrücklich wurde dem Kapitel weiterhin die freie Wahl des Zöllners ohne Beteiligung des Propstes zuerkannt, dem lediglich die Investitur verblieb151. Im Vergleich der Fälschung mit dem Schied wird erkennbar, daß sich die Kanoniker in einigen wichtigen Punkten durchgetzt hatten: die Zolleinkünfte kamen ihren Pfründen zugute, in deren Verteilung sich der Propst künftig nicht mehr einzumischen versprach152, ihr Konsens war bei der Wahl des Zöllners erforderlich und dem Propst standen aus dem Zoll nur drei servitia zu. Einen wichtigen Erfolg erzielte jedoch auch der Propst, indem er verhindern konnte, daß deren Höhe begrenzt wurde. Unklar und in der Literatur nicht untersucht ist allerdings, welche konkrete Form diese servitia hatten, die zu den unbestrittenen propsteilichen Rechten am Zoll gehörten und sich vermutlich bei der beginnenden Aufspaltung zwischen Propst- und
149 M R U B I, Nr. 585 - BOSHOF, Reg. Pont. Arch. Trev., S. 182, Nr. 7. 1 5 0 M R U B I, N r . 318; vgl. d a z u WISPLINGHOFF, S. S i m e o n , S. 8 8 f.
151 fratribus ad seruiendum deo in eodem loco collectis preter alios redditus quos in usum prebendarum eis contulimus theloneum quod a pertranseuntibus nauigio uniuersis et in foro Confluentie soluitur acquirentes et cum omni iure suo Ubere in manu nostra tenentes imperiali concessione integraliter donauimus hoc tantum excepto quod hiconomus episcopi in festo beate natiuitatis domine nostre accipiet medietatem thelonei per unum diem integrem et duos dimidios et exceptis tribus seruitiis inde preposito ipsorum fratrum constitutis que tres marcas transcendere non debent. Uolumus etiam ut predicti fratres in constituendo theloneareo sicut et in aliis sine preposito suo liberam habeant electionem prepositus uero inuestituram, M R U B I, Nr. 318. 152 ipse firmiter promisit quod assignatis a fratribus receptis eis contentus esset nec de amministratione prebendarum ulterius se intromitteret, M R U B I, Nr. 585 - BOSHOF, Reg. Pont. Arch. Trev., S. 182, Nr. 7.
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B. Die Zolltarifierung vom 10. bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts
Kapitelseinkünften seit der Mitte des 11. Jahrhunderts ausformten 1 5 3 . Auch das gefälschte Diplom Heinrichs IV. wäre, wie es Despy getan hat, sehr gut in diese Auseinandersetzungen einzuordnen - stünde mittlerweile nicht paläographisch eindeutig fest, daß es bereits rund vierzig Jahre zuvor entstand. Es bleibt also die Frage, weshalb man sich in den ersten zwei Jahrzehnten des 12. Jahrhunderts die M ü h e machte, ein falsches Kaiserdiplom herzustellen. Bis jetzt hat lediglich Kölzer versucht, gesicherte paläographische Ergebnisse über das Falsum mit dessen inhaltlichen Merkmalen zu einer Erklärung des Entstehungszusammenhangs zu verknüpfen. Dieses Verdienst ist - auch wenn sich die Ergebnisse hier nicht bestätigen ließen - umso mehr hervorzuheben, als man sich in der Literatur bislang meist gescheut hat, entsprechende Deutungen anzubieten. Eine schlüssige A n t w o r t ist auch hier nur schwer zu geben, da mangels anderer Simeoner Quellen aus der mutmaßlichen Entstehungszeit der Fälschung vieles unbeweisbare Hypothese bleiben muß. V o r dem Hintergrund der bisherigen Ausführungen ist denkbar, daß zur Entstehungszeit des Pseudo-Originals eine dem Konflikt von 1155 vergleichbare Situation vorlag. D e n n es fällt auf, daß bei aller Ausführlichkeit des Stückes zwar Anteile des erzbischöflichen economus vermerkt wurden, nicht jedoch Einkünfte des Simeoner Propstes. Möglicherweise versuchten die Kanoniker, einen alleinigen Anspruch auf die Koblenzer Zolleinkünfte durchzusetzen, indem sie eine vorgeblich vollständige Beschreibung des Zolls (summa thelonei) anfertigen ließen, in der die R e c h t e des Propstes daran bewußt nicht erwähnt wurden. Bemerkenswerterweise vertraute man dabei nicht allein auf die Beweiskraft einer kaiserlichen Besitzbestätigung - etwa nach der A r t des Entwurfes aus dem Jahr 1097 - sondern führte das Weistum über den Trierer Erzbischof auf die Koblenzer Schöffen zurück. Letztere hielt man anscheinend für besonders geeignet, um als unbeteiligte Kenner der Zollverhältnisse die Ansprüche der Kanoniker zu untermauern, während der Metropolit als Simeoner Eigenkirchenherr und ursprünglicher Besitzer des Zolls eine unverzichtbare Garantenrolle einnahm. D e r Fälscher füllte vermutlich bei der Anfertigung des Textes möglichst viel des ihm zur Verfügung stehenden Raumes bewußt mit echtem Material. Einerseits erhöhte sich so bei sachkundigen Lesern die Glaubwürdigkeit des angeblichen Diploms, andererseits wurde man dadurch von den kritischen Passagen bzw. d e m Fehlen bestimmter Angaben abgelenkt; denn der Schiffstarif - durch die ältere Überlieferung im Evangeliar nahezu vollständig gedeckt - und die A n g a b e n über Bäcker, Schuster bzw. den economus, die wahrscheinlich ebenfalls authentisch sind, machen zusammen rund drei Viertel des ganzen Textes aus. Im Gegensatz zum Schiffstarif hatte der Fälscher kein schriftliches Verzeichnis der Marktabgaben, das erst für den zweiten Tarif 1209 entstand, zur Verfügung. Ein bewußtes Weglassen
153 Denkbar wäre z. B., daß sie aus den Zolleinnahmen eines bestimmten Zeitraumes bestanden - im Regelfall war die entsprechende Summe wohl höher als die drei Mark, mit denen der Propst nach Ansicht des Kapitels zufrieden sein sollte.
I. Der Koblenzer Zoll und seine ältesten Tarife
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dieser Bestimmungen ist wenig wahrscheinlich, zumindest kann kein Grund dafür ausfindig gemacht werden. Wie bereits bemerkt, ist nach Propst Poppo ( t 1098?) erst wieder in den vierziger Jahren des 12. Jahrhunderts ein Inhaber dieses Amtes nachweisbar, das der Trierer Erzbischof als Eigenkirchenherr lange Zeit in eigener Hand hielt. Andererseits liegen aus dem ersten Drittel des 12. Jahrhunderts nur zwei Urkunden mit Simeoner Bezug vor (1113 bzw. ca. 1120)154. Aufgrund dieser lückenhaften Überlieferung läßt sich nicht entscheiden, ob die Propstei kontinuierlich unbesetzt blieb oder zwischenzeitlich vergeben war. In letzterem Fall wäre als Hintergrund der Fälschung eine ähnliche Situation wie 1153-1155 denkbar: Ein neuer Propst forderte die ihm zustehenden Einkünfte und das Kapitel versuchte, ihm mit Hilfe des angeblichen Kaiserdiploms nachzuweisen, daß vom Zoll, der zweifelsohne ergiebigsten Einnahmequelle des Stifts, zwar der erzbischöfliche economus, sonst jedoch niemand außer den Kanonikern Anteile bezog. Für den Fall, daß die Propstei unbesetzt war, könnte das Falsum angefertigt worden sein, um Ansprüche des Erzbischofs als Inhaber dieses Amtes abzuwehren, ohne (klugerweise ?) dessen genuine Rechte am Zoll in Frage zu stellen. Ein Gebrauch von D H I V , Nr. 487 als Vorurkunde ist erst 1195 nachweisbar, als eine Tarifrevision vorgenommen wurde 155 . Genauere Hinweise auf die Hintergründe der Fälschung zu Beginn des Jahrhunderts sind daraus jedoch nicht zu gewinnen. Möglicherweise ist die lange Zeit der NichtVerwendung sogar ein Zeichen, daß das Falsum bereits kurz nach seiner Anfertigung obsolet geworden war.
1.4
Der Aufbau des Tarifs
Bei der Diskussion um die Entstehungszeit des ältesten Koblenzer Zolltarifs in der Überlieferung der St. Kastor-Handschrift wurde bereits dessen innerer Aufbau grob skizziert und eine Erklärung versucht, warum man die Händler in zwei Großgruppen einteilte, von der die eine mit Geld und die andere mit Warenabgaben veranschlagt war. Hier ist nun zu untersuchen, wie die teils unterschiedliche, teils gleiche Höhe der jeweils pro Schiff angegebenen Zollsätze zustandegekommen sein könnte. Innerhalb derjenigen, die ihren Zoll mit Teilen ihrer Handelswaren zu begleichen hatten, bildeten Kaufleute von der mittleren Maas die größte, im wesentlichen gleich tarifierte Gruppe. Händler aus Dinant, Namur und Huy sowie den dazwischengelegenen Orten waren pro Schiff mit einem einheitlichen Zollsatz von einem Kupfer-
154 MRUB I, Nr. 427, 443. Die undatierte Nr. 399 wurde noch zu Lebzeiten des Propstes P(oppo) vom Simeoner Kustos Adalbero ausgestellt, der sonst nur in Nr. 396 (1085/1098) erwähnt ist, und durch Erzbischof Egilbert (t 1101) bestätigt. 155 Preterea cum mercatores de quibusdam locis uenientes secundum rescripta antecessorum nostrorum quedam in thelonei solutione dare tenentur, MRUB II, Nr. 142.
118
B. Die Zolltariflerung vom 10. bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts
kessel, zwei Becken und zwei denariadae vini veranschlagt156, was in modifizierter Form - an Stelle des Kessels waren zwei Ziegenfelle zu entrichten - auch für die Lütticher galt157. Die Art der erhobenen Abgaben paßt so gut zu den bekannten Produkten der maasländischen Metallindustrie 158 , daß man hier - wie bei den anderen nicht mit Geld veranschlagten Händlern - mit Recht eine Tarifierung nach den gängigen mitgeführten Waren erkannt hat. Dies entsprach weniger einem ursprünglich generell auf Warenabgaben ausgerichteten Zollsystem, der von Lamprecht vermuteten »klassische(n) Form der Zollerhebung für die absolut naturalwirtschafliche Zeit« 159 , sondern spiegelt eher die geldwirtschaftliche Mangelsituation 160 des niederlothringischen Raumes. Dessen Kaufleute dürften vor der Jahrtausendwende zumindest auf der Hinfahrt häufig kaum ausreichend Bargeld für den Zoll zur Verfügung gehabt haben, und man mußte sie daher notgedrungen mit dem veranschlagen, was sie gewöhnlich als Ladung mitführten. Dabei dürfte eine Erhebung der Zollschuld in Waren gerade bei den hochwertigen Gebrauchsgegenständen der maasländischen Metallverarbeitung oft nicht ohne Konflikte abgegangen sein. Der Händler mochte versuchen, beschädigte, weniger gelungene oder kleinere Artikel loszuwerden, der Zöllner suchte demgegenüber vielleicht gerade die wertvolleren Stücke aus dem Sortiment aus. Für beide Seiten war ein Geldzoll, wie ihn z. B. die Händler von Rhein und Mosel zu leisten hatten, wesentlich einfacher zu handhaben. Während die Händler von der Maas ihre Schiffe für die Hinfahrt rheinaufwärts mit den Produkten der heimischen Kupfer- und Messingindustrie beluden, führten sie auf dem Rückweg, wie der auch bei fast allen anderen Kaufleuten aus dem Niederland aufgeführte Weinzoll (denariada vini) belegt, offenbar regelmäßig Wein. Zwar bleibt offen, ob diese Abgabe in Geld oder dem Wert entsprechend als Naturalie erhoben wurde, doch läßt sich nicht plausibel machen, daß sie schon bei der Bergfahrt im Vorgriff auf die Talfahrt zu zahlen war161. Wenn es ein Geldzoll war, wäre
156 De Hoi venientes debent dare de unaquaque nave unum aeneum caldarium et duo bacina et duas denariadas vini. Et de Deinant similiter. Similiter autem de Nama. Et omnes naves de Mosa venientes de his predictis locis et de omnibus interiacentibus idem vectical persolvitur, GAWLIK, Nachtrag, S. 750. 157 De Leodio vero venientes debent dare duas caprinas pelles et duo bacina et duas denariadas vini, GAWLIK, Nachtrag, S. 750. 158 Vgl. dazu JORIS, Metallindustrie, bes. S. 68 f. Es fand sich in der einschlägigen Literatur zum Zolltarif kein Erklärungsversuch, warum Lütticher Kaufleute Ziegenfelle zu zollen hatten; möglicherweise waren dies Produkte aus der Viehzucht des Lütticher Hinterlandes. 159 LAMPRECHT, Wirtschaftsleben II, S. 303.
160 Vgl. dazu oben S. 106. 161 HESS, Zoll, S. 187, behauptet, daß nach dem Tarif von 1209 nur die Bergfahrt zollpflichtig gewesen sei, übersieht aber anderslautende Hinweise in der Quelle. So war für das Maastrichter Servatiusstift die Bergfahrt zu den Stiftsgütern in Güls frei, auf der Rückfahrt waren zwei Kölner Denare zu entrichten, wodurch der Transport, sofern er nach Eid der Schiffsbegleitung nur mit den Gülser Einkünften beladen war, vom sonstigen
I. Der Koblenzer Zoll und seine ältesten Tarife
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nur schwer zu erklären, warum man dann andererseits die umständliche Warenverzollung vornahm, wenn es eine Naturalabgabe war, setzt dies voraus, daß die niederländischen Händler schon auf dem Hinweg Wein transportierten, was wohl auszuschließen ist. Wurde der Weinzoll dagegen auf der Rückfahrt entrichtet, nämlich dann, wenn das Schiff tatsächlich mit Wein beladen war, stellen sich diese Probleme nicht. Dann war es im Prinzip egal, ob der Zöllner ein Quantum Wein oder einen bzw. zwei Denare haben wollte - vielleicht wählte man ja bewußt den doppeldeutigen Terminus der denariada vini, um beide Möglichkeiten in einen Begriff zu fassen. Gleichwohl war auch hier eine Geldabgabe praktikabler, da eine die Weinqualität berücksichtigende Umrechnung auf eine bestimmte Flüssigkeitsmenge entfiel. An die Liste der Zollpflichtigen von der mittleren Maas schlössen sich die Zollsätze der Händler aus dem Scheidegebiet an. Kaufleute aus dem regnum Baldewini, d. h. der Grafschaft Flandern, ebenso die Antwerpener, hatten in Koblenz ein Widderfell zu entrichten, und zwar in der Art, wie man es als Satteldecke gebrauchte und in der Volksprache mit hulftvel bezeichnete. Ferner bestand der Zoll der flandrischen und Antwerpener Händler aus einem Käse und zwei denariadae viniX(a. Flandern und Antwerpen haben vor dem Aufblühen der Tuchindustrie seit dem 11. Jahrhundert demnach vor allem (?) Produkte ihrer Viehwirtschaft vertrieben 163 . Dabei scheint schon in gewissem Maße eine spezialisierte Weiterverarbeitung (vom Widderfell zum hulftvel, bestimmte Käsesorten) stattgefunden zu haben, die einen Fernhandel in den Raum an Mittelrhein und Mosel vielleicht sogar erst lohnend erscheinen ließ. Als Rückfracht diente offenbar Wein. Es schließen sich im Nordosten drei Orte an der Waal an, die zwar relativ nahe beieinander lagen, deren Zoll jedoch nicht gleich war. Kaufleute aus Zaltbommel schuldeten einen Käse und zwei denariadae vini, Händler aus Heerewaarden entrichteten einen guten, d. h. wohl schweren Lachs; kam man aus Tiel und den »dazugehörigen« Orten - welche Kriterien dafür maßgeblich waren, bleibt offen - gab man einen guten Lachs als Ehrengabe sowei zwei denariadae vini164. Die ungleiche Veranschlagung dieser Dreiergruppe ist bemerkenswert. Der Käsezoll der Händler aus Zaltbommel glich dem der entfernteren Antwerpener, während für die Kaufleute
Zoll frei blieb. Dieses Verfahren wäre kaum nötig gewesen, wenn die Talfahrt generell zollfrei war. Vgl. dazu auch S. 136 f. 162 De regno Baldeuuini venientes debent dare pellem arietis ad opertorium sellae, quod dicitur teutonice hulftuel et unum caseum et duas denariadas vini. De Antwerf similiter, G A W L I K , Nachtrag, S. 750. 163 Eine Datierung des Tarifs vor die Jahrtausend wende klärt (z. T.) die von Laufner aufgeworfene Frage, warum keine flandrischen Tuche als Waren auftauchen. 164 De Boumela debent dare unum caseum et duas denariadas vini. De Heriuuerde debent dare unum bonum salmonem. De Tiele et de ómnibus locis conpertinentibus venientes debent dare de unaquaque nave unum bonum salmonem pro honore et duas denariadas vini, G A W L I K , Nachtrag, S. 750. Die Deutung von pro honore als Freiwilligkeit (so K E R B E R , Wirtschaft, S. 316) dürfte den Sinn kaum treffen.
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B. Die Zolltarifierung vom 10. bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts
aus den beiden Nachbarorten Lachse zu den bevorzugten Handelsartikeln gehört zu haben scheinen. Weiter fällt auf, daß bei den Heerewaardener Kaufleuten kein Weinzoll verzeichnet ist - ob ihre Weintransporte zollfrei waren oder ob sie sich nicht am Weinhandel beteiligten, ist jedoch kaum zu entscheiden. Fraglich ist auch, warum man den Zollsalm der Tieler als Ehrengabe (bonus salmo pro honore) bezeichnete. In einem spätmittelalterlichen Zolltarif würde man darin zweifelsohne eine Art Anerkennungsabgabe für die Gewährung einer Zollvergünstigung sehen. Diese Interpretation paßt hier jedoch nur bedingt; denn die Händler aus Heerewaarden zollten die gleiche Abgabe, ohne daß man diese als Ehrengabe bezeichnete. Bei den Utrechter 165 Kaufleuten nahm man erstmals eine jahreszeitliche Staffelung der Zollabgaben vor. Von Ostern bis in den Herbst war ein guter Lachs fällig, vom Herbst bis Ostern verlangte man 120 Heringe als Ehrengabe und zwei denariadae vini166. Da das Wertverhältnis beider Fischarten für die Entstehungszeit des Tarifs nicht bekannt ist167, bleibt die Höhe des Zolls im Jahresverlauf offen: Wir wissen nicht, ob man etwa die Transporte in einem Halbjahr höher belastete oder hier nur den gleichbleibenden Zoll nach den im jeweiligen Halbjahr gängigsten Fischen umrechnete. Gleichfalls bleibt dunkel, warum der Heringszoll im Winter pro honore zu geben war. Für die Kaufleute aus Deventer galt ebenfalls ein saisonal gestaffelter Zoll. In der Fastenzeit waren 120 Heringe zu entrichten, von Ostern bis in den Herbst waren 20 Aale und zwei denariadae vini fällig168. Was sie in der Zeit vom Herbst bis zum Fastenbeginn an Zoll zu zahlen hatten, wurde dagegen nicht verzeichnet. Da auch das zeitgenössische Wertverhältnis von Heringen zu Aalen unbekannt ist, läßt sich, wie beim Zollsatz der Utrechter, nicht ermitteln, ob und wie die Zollhöhe saisonal gestaffelt war bzw. ob sie ein verändertes Warensortiment widerspiegelte. Fraglich bleibt auch, was aus der Nichterwähnung der Zollsätze vom Herbst bis zur Fastenzeit geschlossen werden darf. Waren die Händler aus Deventer im Winter zollfrei, passierten sie in dieser Zeit Koblenz nicht oder galt dann ein anderer, hier nicht genann-
165 In der Literatur wird seit Lamprecht ohne weitere Diskussion von Utrecht ausgegangen. Traiectum ist angesichts der klaren geographischen Gliederung wohl kaum mit Maastricht zu lokalisieren, wie dies in der Edition des Zolltarifs im ELENCHUS I, Nr. 39, ohne Begründung geschieht. 166 De Traiecto venientes de pascha usque in autumnum debent dare unum bonum salmonem. Inde usque in pascha CXX alleces pro honore et duas denariadas vini, GAWLIK, Nachtrag, S. 750. 167 Im Tarif von 1209 konnten 120 Heringe + 1 leichter Denar mit 9 Vi Denaren abgelöst werden (MRUB II, Nr. 242). 168 De Dauantria venientes ab infrante quadragesima usque in pascha debent dare de singulis navibus CXX alleces. Inde usque in autumnum XX anguillas et duas denariadas vini, GAWLIK, Nachtrag, S. 750. Bemerkenswert ist, daß die Fassung des Tarifs in der CiceroHandschrift bei diesem Eintrag den Herbstbeginn auf den Kreuzerhöhungstag (14. September) präzisiert: usque ad festum s. Crucis in autumpno (ebd., Anm. y).
I. Der Koblenzer Zoll und seine ältesten Tarife
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ter Zollsatz? Ähnliche Fragen ergeben sich daraus, daß ein Weinzoll nur für das Sommerhalbjahr aufgeführt ist, während nach den späteren Quellen gerade Herbst und Winter die Spitzenzeiten des Weinhandels waren. Betrachtet man insgesamt die Gruppe der mit Warenzöllen veranschlagten Kaufleute aus dem Niederland, ist kaum zu ermitteln, ob und wie eine Staffelung der Abgabenhöhe nach Herkunft stattfand; denn die der Tarifierung möglicherweise zugrundegelegten Geldwerte der verschiedenen Güter sind nicht bekannt. Es gibt jedoch Anzeichen dafür, daß man sich bei der Abfassung des Tarifs im Prinzip um wertgleiche Warenzölle für die (meisten) niederländischen Kaufleute bemüht hatte: Zum einen war der Weinzoll von zwei denariadae vini für alle gleich 169 , zum anderen fixierte man 1195, bei der Revision des Zolltarifs, für alle Händler aus Orten ultra Mosam bzw. ultra Walesgemunde eine einheitliche Ablösesumme von einem ferto (= 36 Denare) und einer denariada vini Kölner Münze, ob sie nun Metallwaren, Felle oder Lachse schuldig waren 170 . Damit hatten Ende des 12. Jahrhundert zumindest Kaufleute von der Maas, aus Flandern, Antwerpen und dem Rheinmündungsgebiet 171 den gleichen Zollsatz, was vermutlich auch für die nicht explizit genannten
169 Für Händler aus Heerewaarden ist kein Weinzoll verzeichnet. 170 MRUB II, Nr. 142. Welchem Geldwert ein ferto (= Vierteil, Vierdung) Kölner Denare exakt entsprach, ist nicht ganz eindeutig; wohl deshalb wird in der Literatur eine entsprechende Angabe meist vermieden. Nach den gängigen Übersetzungen steht ferto für eine Viertel Mark. Unklar ist jedoch, ob es sich hier um die Rechenmark zu 12 Schilling bzw. 144 Denaren handelt oder, wie HESS, Zoll, S. 193 Anm. 134, implizit annimmt, um die Kölner Gewichtsmark zu 13 Schilling 4 Denaren bzw. 160 Denaren. Da in der Urkunde ferto als Rechen- und nicht als Gewichtseinheit gebraucht wurde, scheint der Bezug auf die Rechenmark wahrscheinlicher; demnach hätte ein ferto für 36 Denare, sonst für 40 Denare gestanden, ferto konnte auch VA Denar bedeuten, doch ist dies mit Sicherheit hier auszuschließen, denn im Urkundentext heißt es, daß auf Bitten der Kaufleute die Ablöse ihrer Abgaben in eine bestimme Summe (Kölner) Denare umgerechet wurde, d. h. ein ferto umfaßte mehrere Münzen. Einen weiteren Beleg für die Verwendung von ferto als Bezeichnung für eine bestimmte Summe (in Höhe einer Viertel Mark) Kölner Denare ist 1177 belegt, als Erzbischof Arnold von Trier die Abtei St. Trond vom Moselzoll Karden gegen eine Abgabe von einem ferto Kölner Denare pro Schiff befreite: de singula navi firtonem tantum Coloniensium denariorum... solvere debeat (PIOT, Cartulaire I, Nr. 96 MRR II, Nr. 401). Auch hier ist durch den Plural eindeutig, daß nicht VA Denar gemeint war. Im Tarif von 1209 (MRUB II, Nr. 242) werden ferto (= VA Mark) und quadrans (= VA Denar) nebeneinander genannt, was die Sachlage endgültig klärt. - Im übrigen war die 1195 für einen Lachs festgesetzte Ablösesumme von drei Schilling Kölner Denare bzw. 47,88 g Silber (Ende 12. Jh., nach LAMPRECHT, Wirtschaftsleben II, S. 408) für einen Lachs nicht zuviel, wie ein von LAMPRECHT (ebd., S. 562) mitgeteilter Preis von fünf Schilling köln. bzw. 82,8 g Silber für einen salmo capitalis zeigt. 171 Ob Händler aus Zaltbommel, die nach dem ältesten Tarif einen Käse schuldig waren, diesen auch mit einem ferto und einer denariada vini ablösten, geht aus dem Text der Urkunde von 1195 nicht hervor. Es ist lediglich allgemein die Rede von der Möglichkeit der Geldablöse für die Händler dieses Raumes.
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B. Die Zolltariflerung vom 10. bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts
Händler aus Deventer galt. Andererseits sind aber nach dem ältesten Tarif innerhalb dieser Gruppe deutliche Unterschiede in der Zollhöhe erkennbar. Hatten z. B. Händler aus Zaltbommel einen Käse und zwei denariadae vini zu entrichten, mußten Antwerpener am Zoll zusätzlich ein Widderfell abgeben; während für Kaufleute aus Heerewaarden ein Lachs als Zoll verzeichnet war, wurde von Personen aus Tiel und zugehörigen Orten darüber hinaus ein Weinzoll von zwei denariadae vini verlangt. Nicht immer sind die Angaben der Zollrolle allerdings eindeutig, so daß teilweise offenbleibt, wie stark 1195 unterschiedliche Warenzölle des ältesten Tarifs 172 bewußt nivelliert wurden. In der Zollrolle folgt die Auflistung der Rheinorte von Nord nach Süd, welche die mit Abstand größte Gruppe bilden. Für Händler aus Duisburg und Neuss betrug der Zoll eine Tafel Wachs und eine denariada vinim. Deutzer Kaufleute hatten dagegen nur einen Denar und eine denariada vini zu zahlen174. Für die Kölner und die ihnen gleichgestellten Bonner war der Zoll wiederum saisonal differenziert. Ganzjährig zollten sie vier Denare und eine denariada vini, im Herbst, d. h. hier wohl während der Jahrmarktzeit (8. September bis 11. November), wurde von ihnen zusätzlich eine Tafel Wachs und eine denariada vini erhoben 175 . Die Deutzer Händler nahmen nicht nur innerhalb dieser niederrheinischen Gruppe eine tarifäre Sonderstellung ein; sie hatten außerdem mit einem Denar und einer denariada vini den günstigsten Zollsatz im ganzen Tarif. Noch geringer war ihr Zoll laut einer Inschrift vom Beginn des 12. Jahrhunderts an der Koblenzer Stadtmauer. Demnach waren die Deutzer zwei Münzen schuldig, wobei ihnen sogar die denariada vini zurückerstattet wurde 176 . De facto betrug die Abgabe damit nur einen Denar 177 . Heß hat den günstigen Zoll der Deutzer mit ihrer im Liber annalium
172 Es geht aus der Urkunde (cum mercatores de quibusdam locis uenientes secundum rescripta antecessorum nostrorum quedam in thelonei solutione daré tenentur, MRUB II, Nr. 142) klar hervor, daß der älteste Zolltarif, vermutlich D H I V , Nr. 487, vorgelegen hatte. 173 De D[ui]sburc venientes debent dare unam tabulam caere et unam denariadam vini. Similiter de Nuissa, GAWLIK, Nachtrag, S. 750. 174 Venientes autem de Duiza debent dare unum denarium et unam denariadam vini, GAWLIK, Nachtrag, S. 750. 175 De Colonia autem venientes IIHor denarios debent dare et unam denariadam vini. In autumno insuper de singulis navibus unam tabulam cere et unam denariadam vini. Similiter de Bunna, GAWLIK, Nachtrag, S. 750. Zum Termin des Jahrmarkts vgl. oben S. 109. 176 KRAUS, Inschriften II, Nr. 454, bietet nur einen fehlerhaften Text, verbesserte Lesung bei HESS, Zoll, S. 191: Arnoldus Genevo + Notum sit ómnibus quod omnes cives de Tuicio hic transeúntes II nu[m]m[os] dabunt et eis denar[iatam] wini redfitjur. Vgl. zur Datierung der Inschrift und zu den beiden Namen MÜLLER, Urkundeninschriften, S. 42 f., mit weiterer Literatur. 177 Nach HESS, Zoll, S. 191 Anm. 120, betrug laut Inschrift der Zoll zwei nummi = zwei Denare, laut Tarif jedoch nur ein Denar. Tatsächlich war es umgekehrt.
I. Der Koblenzer Zoll und seine ältesten Tarife
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iurium, dem zwischen 1215 und 1217 niedergeschriebenen 178 Einkünfteverzeichnis der Trierer Erzbischöfe, verzeichneten Mauerbaupflicht in Koblenz erklärt, wie sie ähnlich auch für die Duisburger fixiert war179. Abgesehen von den ungeklärten Bezügen beider Orte zu Koblenz 180 steht dem vor allem entgegen, daß Deutzer und Duisburger zwar den gleichen Beitrag zum Mauerbau zu leisten hatten, am Zoll jedoch sehr unterschiedlich veranschlagt waren181. Zudem erwähnte man weder im Zolltarif noch (wie in anderen Fällen) in der Inschrift 182 noch im Einkünfteverzeichnis einen Kausalzusammenhang zwischen der Zollabgabe und der Baupflicht. Eine andere nachvollziehbare Erklärung für den geringen Deutzer Zoll steht allerdings nicht zur Verfügung. Die Wachsabgaben der Kaufleute von Neuss bis Bonn sind, wie die Warenzölle der Niederländer, kaum in Geld zu bewerten, was exakte Vergleiche weitgehend verhindert. Es ist nicht einmal hinreichend genau zu ermitteln, wie die Zollsätze innerhalb dieser Gruppe gestaffelt waren. Auf den ersten Blick hatten die Kölner und Bonner den höchsten Zoll; denn sie zahlten allein als Herbstzuschlag schon soviel, wie Neusser oder Duisburger Kaufleute regulär zu entrichten hatten. Diese mußten andererseits ganzjährig Wachsabgaben leisten, was je nach Wert der Wachstafeln auf einen höheren durchschnittlichen Jahreszoll als bei den Kölnern oder Bonnern hinauslaufen konnte. Auch spätere Tarife nennen keinen Anhaltspunkt für den Geldwert der Wachsabgaben, da eine Ablöse in Geld nicht vorgesehen war. Laut Zolltarif von 1209 zollten außer den Duisburgern sogar die gegenüber dem ältesten Tarif neu hinzugekommenen Gerstinger Händler in Wachs183. Die Wachsabgaben der Händler aus dem nördlichen Rheinland können daher nur sehr eingeschränkt mit den Warenzöllen der Niederländer verglichen werden. Zum einen ist ein Rückschluß auf typische Handelsgüter hier wohl kaum möglich, und zum ande-
178 Vgl. zu dieser Datierung gegen ältere Ansätze von Keutgen und Rudolph auf ca. 1 1 8 0 / 1 1 9 0 ü b e r z e u g e n d CORSTEN, J o h a n n I., S. 1 5 5 - 1 6 0 .
179 Vgl. HESS, Zoll, S. 190 f., ohne die Bedenken zu diskutieren, die bereits BEYERLE, Wehrverfassung, S. 51 f., äußerte. 180 Es ist kaum zu erklären, warum die Baupflicht soweit nach Norden ausgegriffen haben sollte; im Süden und Westen reichte sie bis Bingen bzw. Cochem. KERBER, Wirtschaft, S. 317, sieht hier Zusammenhänge des ehemaligen Reichsguts am Rhein. 181 Illi qui de Tuitione et de Turisburg [Duisburg] qui antiquitus pertinebant Confluentiam illi poterunt reuerti si quam patiuntur iniuriam sed ex debito si imperabitur eis debent edificare turrim unam cum clausura interruptionis unius, MRUB II, Nachträge, Nr. 15, S. 415 f. Es ist keineswegs erwiesen, daß der Duisburger Zollsatz besonders günstig war, wie HESS, Zoll, S. 191, meint. 182 Vergleichbare Inschriften für Boppard (KRAUS, Inschriften II, Nr. 449,450) aus dem Anfang des 13. Jahrhunderts, wo als Gegenleistung für Baupflichten der Oberweseler und Niederlahnsteiner Zollfreiheit fixiert war, lassen vermuten, daß man dies gegebenenfalls auch in Koblenz vermerkt hätte. 183 Venientes de Gerstingen album anserem et duas tabulas cere que ponderabunt tria talenta, MRUB II, Nr. 242.
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B. Die Zolltarifierung vom 10. bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts
ren dürfte auch die Funktion der Wachszölle teilweise eine andere gewesen sein. Während sie bei Neusser und Duisburger Händlern möglicherweise noch als Ersatz für Geldzoll zu interpretieren sind, war dies bei den Kölner und Bonner Kaufleuten durch deren bessere geldwirtschaftliche Situation kaum erforderlich, abgesehen davon, daß ein kurzfristiger Herbstzuschlag keine generelle Geldsubstitution beabsichtigten konnte. Vielmehr sah man hier, wie auch bei den Wachszöllen im Tarif von 1209, wohl eine günstige Gelegenheit, sich einen Teil des eigenen Wachsbedarfes von den Zollpflichtigen beschaffen zu lassen184. Kaufleute aus Rheinorten südlich von Koblenz blieben von diesem Zuschlag verschont. Kamen sie aus Mainz, Bingen, Lorch, Worms oder Speyer, zahlten sie ganzjährig vier Denare und eine denariada vini, die Straßburger entrichteten dagegen sechs Denare und zwei denariadae vtm'185. Die Konstanzer und Züricher wurden mit einem siclus veranschlagt, eine Zahlengröße, die nicht eindeutig zu klären ist, aber wohl zehn oder zwölf Denaren entsprach 186 . Als einzige Orte an Donau und Main sind Regensburg bzw. Würzburg genannt, deren Händler den gleichen Zollsatz von sechs Denaren und zwei denariadae vini schuldig waren187. Ganz am Schluß der Ortsliste stehen die drei Bischofsstädte an der Mosel. Trierer Kaufleute hatten vier Denare und zwei denariadae vini zu zahlen; der Zoll für Metzer und Touler betrug jeweils acht Denare und zwei denariadae vinim. Noch in der jüngsten Literatur hat man in der Abstufung der Geldzölle ein relativ einfaches System erkennen wollen. Die Zollhöhe sei von der Entfernung zu Koblenz abhängig gewesen, wer von weiter her gekommen sei, hätte in der Regel einen höheren Zoll gehabt 189 . Diese Interpretation ist, wenn auch nicht ganz falsch, zumindest stark vereinfachend; denn wenn es nur nach der Entfernung von Koblenz gegangen wäre, hätte der Zoll der Metzer Kaufleute deutlich geringer als die Abgabe der Regensburger sein müssen, tatsächlich war es umgekehrt. Bereits Hellwig hat dies 1916 erkannt und danach unterschieden, ob ein Gebiet bezüglich der Zollstätte
184 Auch die großen Klöster und Stifter deckten bekanntlich bis ins späte Mittelalter einen guten Teil ihres Wachsbedarfes über die Abgaben ihrer Wachszinsigen. 185 Venientes de Moguntia debent dare IHIor denarios et unam denariadam vini. De Binga et de Lorocha similiter. De Wormacia, de Spira similiter. Venientes de Strazburc debent dare VI denarios et duas denariadas vini, GAWLIK, Nachtrag, S. 750. 186 De Constantia venientes debent dare unum siclum. Similiter de Zurihc, GAWLIK, Nachtrag, S. 750. Zehn Denare: HESS, Zoll, S. 190; zwölf Denare: LAMPRECHT, Wirtschaftsleben II, S. 3 0 2 Anm. 2. 187 De Ratisbona venientes debent dare VI denarios et duas denariadas vini. Similiter de Werzeburc, GAWLIK, Nachtrag, S. 750. 188 Venientes de Treueris debent dare IIII denarios et duas denariadas vini. De Metis venientes debent VIII denarios et duas denariadas vini. De Tul similiter, GAWLIK, Nachtrag, S. 750 f. 189 So HESS, Zoll, S. 190; KERBER, Wirtschaft, S. 316. Vgl. auch PETRY, Monetäre Entwicklung, S. 152, der unter Berufung auf Heß sogar eine direkte Abhängigkeit zwischen Zollhöhe und Entfernung der Herkunfsorte erkennen will.
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rheinaufwärts, rheinabwärts oder moselaufwärts lag190. Auch damit kann aber die Struktur der Geldzölle nur teilweise erfaßt werden, da schon die Rheinorte unterhalb von Koblenz wegen der Naturalzölle der Neusser und Duisburger nicht in dieses System einzugliedern sind und zudem Würzburg und Regensburg außen vor bleiben. Sinnvoller erscheint es, die Orte gleichveranschlagter Kaufleute in Gruppen zusammenzufassen. Vier verschiedene, teilweise entlang der Flüsse ausgerichtete, teilweise aber auch verschiedene Flußsysteme umfassende >Tarifzonen< werden dann erkennbar: die innere Zone mit einem Grundtarif von vier Denaren und einer bzw. zwei denariadae vini reichte am Rhein von Köln bis Speyer und an der Mosel bis einschließlich Trier. Die zweite Zone, der Zoll betrug hier sechs Denare und zwei denariadae vini, umfaßte am Rhein Straßburg und an Main bzw. Donau Würzburg und Regensburg. Die dritte Zone enthielt die Moselstädte Metz und Toul, deren Kaufleute acht Denare und zwei denariadae vini zu entrichten hatten, während in der vierten und südlichsten Zone Konstanz und Zürich mit einem mutmaßlichen Zoll von zehn oder zwölf Denaren zu finden waren. Eine Staffelung der Zölle nach Entfernung ist nach dieser Aufgliederung am ehesten noch rheinaufwärts zu erkennen, wo sich der Zoll von vier über sechs auf zehn (?) Denare erhöhte. Nur mit erheblichen Abstrichen gilt dies entlang der Mosellinie, da zwischen Metz und Toul trotz deutlich zunehmender Entfernung von Koblenz nicht weiter differenziert wurde. Eine schlüssige Erklärung für das der Abstufung der Geldzölle zugrundeliegende System, in dem offensichtlich nicht allein die Entfernung der Herkunftsorte von Koblenz maßgeblich war, steht gleichwohl nicht zur Verfügung. Unklar bleibt z. B., warum man Straßburg, Würzburg und Regensburg gleich tarifierte oder wie die unterschiedliche Höhe der Weinzölle (eine oder zwei denariadae vini) zustandekam. Vergleicht man unter Zugrundelegung der Umrechnungssätze von 1195 Naturalabgaben und Geldzölle, was in der Literatur bislang nicht geschah, ergibt sich ein überraschendes Bild: Der Abgabensatz der Niederländer war mit 36 Denaren (1 ferto) mindestens dreimal so hoch wie der Zoll der Züricher und Konstanzer, die mit einem siclus, also zehn oder zwölf Denaren, und damit dem höchsten Geldzoll veranschlagt waren; im Vergleich mit den Kölnern und Trierern hatten die Niederländer sogar das Neunfache zu zahlen191. Unter der nicht unwahrscheinlichen Annahme, daß diese Relationen in etwa auf die Zeit um die Jahrtausendwende übertragbar sind, hatte man bei der Aufstellung des Tarifs den Bargeldmangel niederländischer Kaufleute
1 9 0 V g l . HELLWIG, M o s e l z o l l , S. 91 f.
191 Dabei ist noch nicht berücksichtigt, daß deren Zoll auf leichte Koblenzer Denare berechnet war, während die Niederländer ihr ferto in doppelt so schwerer Kölner Münze (ferto et denariada vini Coloniensis monete) zu leisten hatten. Daß man unter den alten Nominalsätzen leichte Koblenzer Denare verstand, zeigt ein Vergleich mit dem Landzoll, der laut ältestem Tarif vier Denare pro Saumtier betrug und 1195 auf quattuor leues denarii aut duo colonienses fixiert wurde. Auch bei der Neugestaltung des Tarifs 1209 wurden die alten Nominalsätze auf leichte Denare bezogen.
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B. Die Zolltarifierung vom 10. bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts
zur Durchsetzung eines relativ hohen (Natural-)Zolls ausgenutzt. Der Geldzollteil der Zollrolle gibt demnach nur das untere Ende der Skala wieder. Daß Schiffszölle in der Höhe mehrerer Schilling zumindest im 12. Jahrhundert durchaus im Rahmen des üblichen waren, illustriert ein Beispiel: 1136 ermäßigte (!) Lothar III. den Magdeburger Kaufleuten den Zoll für verschiedene Elbezölle auf Sätze zwischen 1 Vi und sechs Schilling (jeweils für das größte Schiff)192. Nach dem Schiffszolltarif wurde in Koblenz nur ein einziger Zoll für den Verkehr auf Rhein und Mosel erhoben; eine Trennung der Abgaben scheint man erst Anfang des 14. Jahrhunderts vorgenommen zu haben 193 . Nach dem ältesten Tarif und seinen beiden Nachfolgern war für die Zollveranschlagung nur die Herkunft der Händler von Belang, nicht jedoch auf welchem Fluß sie Koblenz passierten. Der Erhebungsort des Zolls dürfte unmittelbar am Zusammenfluß von Rhein und Mosel gelegen haben, wo beide Flüsse gleichzeitig zu kontrollieren waren. Dies lassen auch die Zollstrafbestimmungen des zweiten Tarifs von 1209 vermuten, die bestimmte Marken an Rhein und Mosel definierten, die nicht überfahren werden durften, ohne der Zollpflicht Genüge getan zu haben 194 . Neben dem Transitzoll auf Schiffe verzeichnet der älteste Koblenzer Zolltarif noch diverse andere Abgaben: Juden zahlten pro Kaufsklave vier Denare, mit dem gleichen Zoll waren auch Saumtiere belegt. Schwertverkäufer hatten das zehnte Schwert abzugeben, und ein Beizvogel war mit vier Denaren veranschlagt 195 . Die schon von Stein196 hervorgehobene Rolle von Juden im frühmittelalterlichen Sklavenhandel ist spätestens seit den Forschungen von Verlinden 197 Gemeingut der Forschung geworden. So waren nach dem spätkarolingerzeitlichen Zollweistum von Raffelstetten (903-905) mancipii Haupthandelsgut jüdischer Kaufleute 198 . Slawen
192 MGH D Lo III, Nr. 92. Ein scheinbar mehr als doppelt so hoher (»13 solidi«) Straßburger Zoll für die Speyerer Kaufleute 1182 existiert nur im Kopfregest der MGH Edition (MGH D F I , Nr. 827). Tatsächlich betrug der Zoll, laut Urkundentext (S. 35 Z. 11), nur ein Zwölftel dieser Summe, nämlich 13 Denare pro Schiff. Der Fehler geht möglicherweise auf ein hier übernommenes Versehen im Regest der Urkunde bei MÜLLER, Urkundeninschriften, S. 67 f., zurück. 193 Vgl. dazu HELLWIG, Moselzoll, S. 72 ff., 79 f. 194 Si quis vero Renum ex ista parte littoris ascendit vltra lapidem qui vocatur zolstein sine licentia theolonarii satisfaciet theolonario. Si quis vero Mosellam sine licentia theolonarii ex ista parte vltra quam ad zabulum ascenderit theolonario satisfaciet. Si quis ex altera parte Reni vel Moselle ascenderit sine licentia theolonarii satisfaciet theolonario, MRUB II, Nr. 242. 195 Iudeipro unoquoque sclavo empticio debent IIII denarios. Similiter de soumario. Venditores gladiorum decimum gladium dare debent. Pro uno accipitre venali IIII denarios, GAWLIK, Nachtrag, S. 751. 196 Vgl. STEIN, Handelsgeschichte, S. 106-111. 197 VERLINDEN, L'esclavage, bes. Bd. I, S. 211-225, S. 222 zum Tarif. 198 Mercatores, id est Iudei et ceteri mercatores, undecunque venerint de ista patria vel de aliis patriis, iustum theloneum solvant tarn de mancipiis quam de aliis rebus, sicut Semper in
I. Der Koblenzer Zoll und seine ältesten Tarife
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aus den ostelbischen Gebieten wurden über Magdeburg, wo 965 vel Iudei vel ceteri ibi manentes negotiatores199 bezeugt sind, in Karawanen an den Rhein, nach Speyer, Worms und Koblenz verbracht. Von dort ging es moselaufwärts Richtung Verdun, das im 10. Jahrhundert ein Zentrum des europäischen Sklavenhandels war 200 . Wie aus einem Bericht Liutprands von Cremona aus dem Jahr 962 hervorgeht, wurden männliche Sklaven von den Verduner Kaufleuten kastriert und mit hohen Gewinnspannen in das muslimische Spanien verkauft 201 . Auch dabei waren vornehmlich jüdische Händler beteiligt, die ausgewiesene Spezialisten für die Kastration der für die iberische Halbinsel bestimmten Sklaven waren 202 . Arabische Quellen vermitteln einen Eindruck, in welchen Größenordnungen der Sklavenhandel betrieben wurde: Allein in der Stadt Córdoba stieg während der Regierungszeit Kalif Abd-alRahmans III. (912-961) die Zahl der sakalibam von 3750 auf 13750 Menschen; am Ende seiner Herrschaft lebten schon in seinem Córdoba benachbarten Palast Madinat-az-Zahra bereits über 3000 sakaliba204. Rechnet man noch die gewiß nicht geringe Zahl derjenigen Sklaven dazu, die die Strapazen eines Marsches quer durch Europa oder die Folgen des >Eingriffs< nicht überlebten, gewinnt man eine Vorstellung von der Bedeutung, die Sklaven für die Zolleinnahmen hatten, wenngleich sicher nur ein Teil des Handels über Koblenz lief. Über den Handel mit Schwertern ist nicht so viel bekannt. Möglicherweise kamen sie schon aus Köln, das seit Beginn des 12. Jahrhunderts im Waffenexport hervortrat 205 . Der hohe Zoll von 10%, der vielleicht einen Hinweis auf die Lukrativität und geringe Preiselastizität des Waffenhandels gibt, wurde im Tarif von 1209 auf ein halbes ferto, d. h. 18 Denare, je 100 Schwerter ermäßigt 206 . Der Handel mit Beizvögeln - vor allem Falken, aber auch Habichten und Sperbern, die zur Jagd auf Haar- und Federwild abgerichtet waren - ist für das Untersuchungsgebiet wenig erforscht. Angesichts der außerordentlichen Beliebtheit der hochentwickelten Beizjagd 207 muß er jedoch einen erheblichen Umfang gehabt haben. Falken wurden im Mittelalter vornehmlich von den ägäischen Inseln, aus Preu-
prioribus temporibus regum fuit, MGH Cap. II, Nr. 253; vgl. dazu VERLINDEN, L'esclavage I, S. 211 f. 199 MGH D O I, Nr. 300. 200 Vgl. dazu VERLINDEN, Traité. 201 Carzimasium autem Greci vocant amputatis virilibus et virga puerum eunuchum, quod Verdunenses mercatores ob inmensum lucrum facere et in Hispaniam ducere soient, Liutprand, Antapodosis VI.6, MGH SS III, S. 338. 202 Vgl. VERLINDEN, L'esclavage II, S. 130.
203 Das arabische Wort für Sklave wurde offenbar wie im Deutschen nach dem nomen gentile der Slawen gebildet. Vgl. VERLINDEN, L'esclavage I, S. 212; II, S. 125 Anm. 110. 204 Die Zahlen nach VERLINDEN, L'esclavage I, S. 214; II, S. 130. 205 Vgl. ENNEN, Kölner Wirtschaft, S. 1 1 4 , 1 3 7 f.
206 MRUB II, Nr. 242. 207 Vgl. LINDNER, Beizjagd.
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B. Die Zolltarifierung vom 10. bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts
ßen sowie aus den nordischen Ländern 208 beschafft. Angesichts der gut bezeugten Handelsbeziehungen der Rheinlande mit dem skandinavischen Raum ist denkbar, daß vor allem Tiere aus diesem Gebiet Koblenz rhein- und moselaufwärts passierten. Als Handelsgut waren Beizvögel - wie aus der gleichen Tarifierung zu schließen ist offenbar ähnlich gewinnträchtig wie Sklaven. Obgleich am Zusammenfluß von Mosel und Rhein das Schiff als Transportmittel des (Fern-)Handels dominierte, wurde ein Teil des Verkehrs auch auf dem Landweg abgewickelt, wie der Zoll auf Saumtiere andeutet. Abgaben auf Wagen werden nicht genannt, auch der Tarif von 1209 nennt neben Saumtieren 209 in erster Linie Karren (bigae) - beides Transportmittel, die am wenigsten Ansprüche an die wohl nicht allzu gute Straßenqualität stellten. Der Landzoll entsprach mit vier Denaren dem normalen Schiffszoll für Kaufleute zwischen Köln, Trier und Speyer, obgleich ein Saumtier sehr viel weniger Handelsware als ein Schiff befördern konnte. Vielleicht hat man darin einen Hinweis auf höherwertige Güter zu sehen, die auf dem Landweg z. B. die Sklavenkaravanen begleiteten. Mengenabhängige Zölle wurden nach Ausweis des ältesten Zolltarifs nur auf besonders wertvolle Güter erhoben. Von den bekannten (spät-)mittalterlichen Massengütern sind nur Wein und Fisch explizit genannt. Sie waren mit den pauschalen Schiffsabgaben der einzelnen Kaufleutegruppen belegt. Gleiches galt wahrscheinlich für andere, nicht erwähnte (mutmaßliche) Haupthandelsgüter wie Getreide und Salz.
1.5
Die Tarifrevision von 1195
Der älteste Koblenzer Zolltarif, der wohl vor der Jahrtausendwende entstand, blieb bis auf wenige Modifikationen rund 200 Jahre unverändert. Bei der Anfertigung des angeblichen Kaiserdiploms zu Beginn des 12. Jahrhunderts arbeitete man nur sehr vorsichtig an die Zeitverhältnisse angepaßte Änderungen ein, indem man den gesunkenen Anteil jüdischer Händler am Sklavenhandel und den verstärkten Kupferhandel berücksichtigte. Ansonsten blieb der Tarif, der wohl nur für die Schiffsabgaben und einige ergänzende Posten (Saumtiere, bestimmte Waren) schriftlich vorlag, unverändert. Erst 1195 wurde die Zollrolle teilweise revidiert, indem auf Initiative der niederländischen Kaufleute, die ihre Warenzölle zunehmend als Belastung empfunden hatten, Ablösegelder fixiert wurden 210 .
208 Vgl. LINDNER, Beizjagd, S. 169 f. 209 De unoquoque sclauo empticio et de quolibet accipitre uenali et de quolibet s..imario .IUI. den. librales, MRUB II, Nr. 242. Statt der abwegigen Lesung screiniario (daher geistert bis in die jüngste Zeit ein Zoll auf »Schreine« durch die Literatur), ergab eine Überprüfung der Lesung am Original (StA Trier Ms 1610c/415, S. 7 Z. 15 f.) s.Amario (sueimario?). Daß hier Saumtiere gemeint waren, geht aus dem Vergleich mit der entsprechenden Stelle des ältesten Tarifs eindeutig hervor. 210 MRUB II, Nr. 142 - RI IV.3, Nr. 472.
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Zoll und seine ältesten
Tarife
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Die Naturalzölle, die man vor der Jahrtausendwende wohl eher als Notlösung mit Rücksicht auf den Bargeldmangel dieser Händler bestimmt hatte, bestanden als Norm also noch bis zum Ende des 12. Jahrhunderts fort, obwohl sich die Münzversorgung des niederlothringischen Raumes seit der Zeit Ottos III. stark verbessert hatte. Spätestens im Verlauf des 12. Jahrhunderts war jeder geldwirtschaftliche Grund für eine Veranschlagung in Warenabgaben hinfällig geworden. Es ist daher zu vermuten, daß die Niederländer schon vor 1195 zunehmend in Geld zollten. Entscheidend war bei der Tarifrevision demnach weniger, daß die Möglichkeit einer Geldablöse garantiert wurde, sondern die Fixierung der Summe, die nun nicht mehr dem Ermessen des Zöllners bzw. dem Verhandlungsgeschick der jeweiligen Kaufleute überlassen war - eine Praxis, die aus deren Sicht kaum zufällig mit dem Terminus vexare beschrieben wurde. Je hochwertiger die als Zoll geforderten Güter waren, deren Größe und Beschaffenheit im Tarif höchstens grob beschrieben wurde, desto stärker dürften sich die Bewertungen von Zöllner und Händler in der Praxis unterschieden haben. Für die Fixierung der Geldablöse zahlten die Niederländer einen hohen Preis: Selbst wenn sie sich bei Zahlung eines ferto und einer denariada vini, d. h. zusammen 37 Denare, grundsätzlich sicher günstiger standen als zuvor, war dies immerhin noch ein Mehrfaches des höchsten tarifierten Geldzolls. Während sich die ursprünglich mit Naturalabgaben veranschlagten Händler zunehmend belastet fühlten, hatten die mit Geldzöllen tarifierten Kaufleute keinen Anlaß zur Klage; denn ihnen kam der Wertverlust des am Zoll gültigen Denars voll zugute. Entsprach gegen Ende des 10. Jahrhunderts ein Denar noch 1-1,4 g Silber211, interpretierte man 1195 die Normwährung des Tarifs als leichte (Koblenzer) Münze 212 , von denen zwei auf einen Kölner Pfennig gingen, also ein Silbergewicht von etwa 0,7 g repräsentierten 213 . Wenngleich solche Durchschnittsgewichte nur mit Vorsicht zur interpretieren sind, ist der Trend unverkennbar: Real waren die Geldzölle im Verlauf der Jahrhunderte deutlich gesunken, vielleicht sogar bis auf die Hälfte ihrer ursprünglichen Höhe.
1.6
Der zweite Tarif von 1209
Obwohl 1195 bereits klar zu Tage getreten war, daß der Tarif in seiner bisherigen Form veraltet war, dauerte es noch weitere vierzehn Jahre, ehe man sich zu einer grundlegenden Überarbeitung entschloß und diese unter dem Siegel von St. Simeon und der Stadt Koblenz schriftlich niederlegte 214 . Bei allen Anpassungen bemühte
211 Vgl. LAMPRECHT, Wirtschaftsleben II, S. 404 f.; Koblenzer Prägungen sind aus dieser Zeit noch nicht bekannt. 212 de quolibet summario quatuor leues denarios aut duos colonienses, M R U B II, Nr. 142. 213 Vgl. HÄVERNICK, Kölner Pfennig, S. 216 f. 214 M R U B II, Nr. 242. D i e s e Edition weist eine Reihe sinnverfälschender Fehler auf; gegebenenfalls wird daher auf die Archivalie (StA Trier Ms 1610c/415, S. 5 - 1 0 ) verwiesen.
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man sich unverkennbar, die bisherige Tarifstruktur der Schiffszölle in den Grundzügen zu erhalten. Weiterhin fand die Veranschlagung nach Herkunft der Kaufleute statt, wobei man sich jedoch von einer Ortsliste trennte und bisweilen unter Verzicht auf frühere Differenzierungen größere Raumeinheiten bildete. Dies war vermutlich schon seit längerem geübte Praxis, wenn Kaufleute den Zoll passierten, deren Heimat nicht im ältesten Tarif genannt war. Bereits 1195 hatte sich die Veranschlagung vom Herkunftsort zum Herkunftsraum gewandelt: Statt die mehr als zehn Orte der alten, noch gültigen Zollrolle aufzuzählen, teilte man die mit Naturalabgaben tarifierten Händler nur noch nach zwei Herkunftsgebieten (ultra Mosam, ultra Walesgemunde) ein215, die auch 1209 wieder nachzuweisen sind. Der Tarif von 1209 hatte eine an seinen Vorgänger angelehnte geographische Ordnung, die allerdings durch Zusätze und Einschübe öfter durchbrochen wurde. Der Raum wurde von Nord nach Süd überwiegend in Diözesen (Köln, Mainz, Trier, Worms, Speyer, Straßburg) gegliedert, wodurch man relativ einfach eine flächendeckende Erfassung der Herkunftsgebiete entlang der Rheinschiene erreichte 216 . Außer nach diesen geistlichen Sprengein wurden Händler nach Landschaften gruppiert (Schwaben, Bayern, Thüringen), mitunter nahm man auch eine Binnendifferenzierung nach Flußabschnitten (Rhein zwischen Neuss und Waalgemünd, Mosel zwischen der Elzmündung, Pfalzel, Konzerbrück und Toul) vor. Politische Raumeinheiten spielten für die Höhe des Zolls keine erkennbare Rolle, lediglich die Reichsangehörigkeit war in manchen Fällen von Belang. Grundsätzlich bieb man 1209 in dem vom ältesten Tarif abgesteckten Raum. Nur nach Süden 217 fand mit der Aufnahme des Gebietes zwischen Zürich und Rom eine größere Erweiterung statt. Dafür fehlte immer noch das Gebiet zwischen Rhein und Weser. Neu ist 1209, daß man eine Reihe von geistlichen Instituten verzeichnete, die offenbar eine Jahresgabe in teilweise beträchtlicher Höhe zur Anerkennung ihrer Zollfreiheit bzw. -Vergünstigung leisteten. So hatte das Kloster Corvey - im übrigen der einzige Hinweis im Tarif auf Handelsbeziehungen zum westfälischen Raum - ein dreijähriges Schwein und einen großen Krug Bier bzw. eine Geldablöse von einem ferto zu leisten, und damit das Vierfache der für die Abtei Deutz vorgesehenen neun
215 MRUB II, Nr. 142. RI IV.3, Nr. 472 übersetzt Mosa irrtümlich mit Mosel statt Maas. 216 Eine Staffelung von Zollabgaben nach Diözesanzugehörigkeit kennt auch der Speyerer Zolltarif (HILGARD, UB Speyer, S. 486-490, hier S. 488), der in einer Handschrift des 14. Jahrhunderts überliefert ist, jedoch nach MASCHKE, Stellung, S. 438, bereits ca. 1265 entstand. Dazu paßt die noch ausschließliche Tarifierung in Denaren. 217 [Omnes de] Zurcha qui vulgariter dicuntur Zulchere [et omnes a Zurcha] usque Romam XII den. librales vel octo den. Colon., Romani vero IX den. librales vel VI den. colon., StA Trier Ms 1610c/415, S. 7 Z. 2-5. MRUB II, Nr. 242 mit zahlreichen Auslassungen und Fehlern: Es fehlen dort die in [ ] gesetzten Textstellen, statt octo ist VI gelesen, der Zoll der Romani ist fälschlich mit IV statt IX den. librales angegeben.
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Denare 218 . Das Kloster Eberbach, das seit 1185 durch eine Stiftung des Zöllners Wichard und seiner Frau Zollfreiheit genoß, fehlt dagegen im Tarif, vielleicht weil die Abtei auch von einer Rekognitionsabgabe befreit war 219 . Eine solche blieb offenbar auch den Aachenern erspart, die als einzige städtische Kaufleute in Koblenz völlig abgabenfrei waren, wobei sie ihr Gut indes symbolträchtig vereignen mußten 220 . Die Nimwegener(?) hatten dem Zöllner einen »königlichen« Ochsenbraten zu entrichten, der so groß zu sein hatte, daß er, wenn er von zwei Männern an einer Stange auf der Schulter getragen wurde, den Boden berührte, oder eine entsprechende, aber in ihrer Höhe nicht fixierte Ablöse in Geld zu zahlen 221 . Wie bei den Leistungen der Klöster ist zu vermuten, daß der Ochse eine Rekognitionsleistung für die Gewährung von Zollfreiheit war, die die Nimwegener wohl als homines regis genossen 222 - als regelmäßige Zollabgabe ist der Ochsenbraten nur schlecht vorstellbar.
218 Die Interpunktion der Tarifedition (... in villa Monachi. Qui sunt de Duze tantum. dant IX. den. colon.) ist willkürlich. Wie eine Überprüfung an der Archivalie ergab, ist der Punkt hinter villa zu setzen. Mit Monachi fängt großgeschrieben eine neue Seite (S. 6) an und, wie der Leerraum auf der vorhergehenden Seite unten zeigt, auch ein deutlich kenntlich gemachter neuer Sinnabschnitt. 1209 meinte man vermutlich die 1020 gegründete Abtei Deutz, die Besitzungen auch an Mittelrhein und Mosel hatte. Vgl. dazu die Karte bei ENNEN, Kölner Wirtschaft, S. 107. Im ältesten Tarif waren dagegen wohl Deutzer Kaufleute aufgeführt, die 1209 nicht mehr gesondert genannt wurden. 219 MRUB II, Nr. 71. 220 Aquenses nichil dabunt sed tantum thelonearium tenendo unum pedem in naui alterum in litore certificabunt quod [quicquid] in sua naue deferant eorum sit tantum, MRUB II, Nr. 242 - StA Trier Ms 1610c/415, S. 7 Z. 6-9. Da ähnliches für St. Servatius bestimmt wurde, scheint es sich um die übliche Form der Vereignung gehandelt zu haben. Der Terminus technicus >Vereignung< wird hier und im folgenden für die an den mittelalterlichen rheinischen Zöllen gebräuchliche eidliche Eigentumsdeklaration verwendet, die an den Zollstätten für die konkrete Umsetzung von Zollvorrechten verlangt wurde. Es sollte damit vermieden werden, daß Zollermäßigungen oder -befreiungen für nicht abgabenreduzierte Waren in Anspruch genommen wurden. Die Aachener mußten also beschwören, daß sie die alleinigen Eigentümer derjenigen Güter waren, für die sie Zollfreiheit geltend machten. 221 De Numago regiam assaturam bubuli (MRUB II, Nr. 242 entstellend: bubumbli) id est magni bouis. Que posita super fustem Collis duorum virorum superposito ex utraque parte dependens terram attingat vel thelonoairo (sie) pro ista assatura cum denariis satisfacient, StA Trier Ms 1610c/415, S. 5 Z. 9-13. Aufgrund der Plazierung zwischen den Kaufleuten ultra Walesgenumde (sie) und denen aus Neuss liegt diese Lokalisierung nahe. Sprachlich ist aber z. B. auch Neumagen an der Mosel möglich. 222 Deren Zollfreiheit wurde zwar erst von Heinrich (VII.) 1230 urkundlich fixiert (SLOET, OGZ, Nr. 536), doch dürfte ihr Ursprung im 12. Jahrhundert liegen, als die staufischen Herrscher systematisch Abgabenfreiheit für die Händler der niederrheinischen Reichsorte (Aachen, Duisburg, Kaiserswerth) durchsetzten (vgl. dazu Teil D.II).
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Hinzu kam 1209 ein Verzeichnis der auf dem Koblenzer Markt erhobenen Abgaben 223 . An Standgeldern erhob man von Zelten einen Vierteldenar pro Markttag, von Tischen und Schrägen den halben Betrag, wobei zwischen dem 1. Oktober und dem 11. November jeweils die doppelten Sätze galten. Für Häute, Flachs, Wolle, Tuche, Salz und Getreide, d. h. Waren, die nicht an solchen Marktständen, aber auch nicht auf der Erde, sondern nach Lamprechts Annahme pro Ladung verkauft wurden 224 , fand der Zollsatz für Tische und Schrägen Anwendung. Bei Handelsgütern, die wie Käse, Eier, Obst und Gemüse auf dem Boden zum Verkauf angeboten wurden, hatte man dem Zöllner eine parvula quantitas entsprechend der Gesamtmenge abzugeben. Von jedem Fahrzeug, das Waren transportierte, war ein leichter Denar pro Rad fällig, wobei dieser Zoll offenbar zusätzlich zu den Standgeldern erhoben wurde. Ferner existierten Stückzölle auf Vieh zwischen einem quadrans bei Schweinen und zwei Kölner Denaren bei Pferden. Der Weinzoll betrug einen Denar pro Faß. Die Abgabe war nicht nur beim Kauf auf dem Koblenzer Markt fällig, sondern auch, wenn der Wein in der näheren Umgebung (Moselweiß, Kapellen, Lützelkoblenz) abgefüllt und erworben wurde. Befreit waren davon nur die Händler aus Koblenz. Analog zur Tarifaufzeichnung im Pseudo-Original »1104« hatten die Koblenzer Schuster dem Zöllner und den Koblenzer Schöffen ein Essen auszurichten, jedoch wurde 1209 nicht erwähnt, daß die Handwerker dafür den Zoll erhielten, der von ihren auswärtigen Kollegen erhoben wurde. Besondere Beachtung verdient die Behandlung von Juden am Zoll. Reichsfremde jüdische Händler waren Christen expressis verbis mit einem Zoll von einem ferto und einem Denar pro Schiff gleichgestellt. Sofern sie Reichsangehörige waren, mußten sie einen Leibzoll von neun pfündigen bzw. sechs Kölner Denaren zahlen, der soweit gefaßt war, daß bereits die Leibesfrucht einer schwangeren Jüdin zollpflichtig war. Aus dem Tarif geht nicht hervor, ob der Personenzoll 225 andere Abgaben ersetzte oder zusätzlich erhoben wurde 226 .
223 Vgl. dazu LAMPRECHT, Wirtschaftsleben II, S. 312-315. 2 2 4 V g l . LAMPRECHT, W i r t s c h a f t s l e b e n II, S. 3 1 3 A n m . 1.
225 Jüdische Sklavenhändler, wie DESPY, Corpus, S. 277, behauptet, lassen sich dem Tarif von 1209 nicht entnehmen, selbst wenn man, wie er (ebd., Anm. 1) vorschlägt, die Interpunktion ändert. Es wird eindeutig nur ein jüdischer Personenzoll erwähnt: Judeus de isto regno dabit .IX. den. librales vel .VI. colon. De vnoquoque sclavo empticio ... .IUI. den. librales, MRUB II, Nr. 242. 226 In einem Privileg Erzbischof Engelberts von Köln aus dem Jahr 1266 wurde den Juden der Personenzoll für ihre Toten erlassen und verfügt, daß sie ansonsten am Zoll den Christen gleichgestellt waren und keine zusätzlichen Abgaben von ihnen gefordert werden sollten (ENNEN, Quellen II, Nr. 495 - REK III.2, Nr. 2369). 1302 befreite Erzbischof Wikbold von Köln die zu Köln wohnenden Juden vom Personenzoll auf Lebende und Tote und stellte sie an den kurkölnischen Zollstätten den Christen gleich (LAC. III, Nr. 24 - REK III.2, Nr. 3906). Beide Quellen deuten darauf hin, daß man Juden nicht selten neben den Leibzöllen auch mit erhöhten Abgaben auf ihre Handelswaren belegte.
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1209 wurde die Transportmitteltarifierung des ältesten Tarifs übernommen und verfeinert. Spielte vorher die Größe des Schiffes und damit auch die Menge der mitgeführten Handelswaren, abgesehen von den gesondert aufgeführten Gütern, keine Rolle, staffelte man den Zoll nun nach verschiedenen Schiffsgrößen. Der normale Zollsatz galt für naves, den halben Zoll verlangte man bei einem kleineren Schiffstyp ohne festes Ruder, einem woleshif, und für einen nachus genannten Einbaum war ein Denar fällig. Auch Flöße werden in diesem Zusammenhang genannt, aber mit Hellwig wird man annehmen können, daß sie in der Regel kaum dem Warentransport dienten. Es dürfte vielmehr in erster Linie ein Zoll auf Holztransporte gewesen sein, der analog zu den Schiffsabgaben nach der Herkunft der Händler gestaffelt war227. Wie im ältesten Tarif wurden nur in geringem Maße einzelne Handelsgüter verzeichnet. Neben die bereits dort genannten Zölle auf Sklaven, Schwerter, Beizvögel und Kupfer traten 1209 lediglich Abgaben auf Blei und Zinn. Es ist allerdings zweifelhaft, ob der Tarif hier vollständig ist. Denn bei den Zollstrafen waren Bestimmungen für den Fall vorgesehen, daß der Zöllner den Angaben der bergfahrenden Schiffer über die Menge der deklarierten Waren keinen Glauben schenkte und zur Prüfung des Sachverhaltes den städtischen preco hinzuzog228. Da für eine Zählung von Sklaven, Vögeln und Schwertern kaum ein Dritter erforderlich war und die Möglichkeit, daß diese Regelung allein für Metalle ausgearbeitet wurde, nur wenig wahrscheinlich ist, wird man vermuten können, daß es für die Zollbemessung generell von Belang war, was und wieviel in den jeweiligen Schiffen transportiert wurde, auch wenn der Tarif hierüber weitgehend schweigt. Es scheint auf den ersten Blick außer Frage zu stehen, daß in Koblenz nur der Handelsverkehr flußaufwärts zollpflichtig war: Der Tarif gab sich als Verzeichnis von Schiffsabgaben bei der Bergfahrt auf Rhein und Mosel aus. An einer Stelle wurde ausdrücklich festgehalten, daß talfahrende Schiffe zollfrei waren, außer wenn sie zu Koblenz auf andere Schiffe Waren umluden oder einen Handel von Schiff zu Schiff betrieben. Schließlich erfaßten die Zollstrafbestimmungen nur die unerlaubte Passage bei der Bergfahrt 229 . In der Zollrolle gibt es jedoch eindeutige Hinweise, daß
227 Vgl. HELLWIG, Moselzoll, S. 94 f. Zu berücksichtigen ist jedoch, daß besonders schwere Lasten (z. B. große Steinsäulen) vermutlich auf Flößen transportiert werden mußten, vgl. ELLMERS, H a n d e l s s c h i f f a h r t , S. 114 f.
228 Si etiam theolonarius nollet credere ascendentibus per naues nisi plura sint in nauibus theloneum persolutura quam referant ascendentes assumet sibi nuntium villici Confluentinorum qui preco ville nuncupatur et cum ilio temptabit naues. Si plura inuenerit theloneum persolutura quam retulerit satisfaciet theloneario et villico, M R U B II, Nr. 242. 229 De nauibus Confluentie Renum uel Musellam ascendentibus... de navibus descendentibus nichil datur sed si infra terminum Confluentini judicii moram facientes aliquam portionem rerum ex nauibus vel in naues vendentes vel ementes vel de naui in nauem vel de nauibus in naues transferentes de quot nauibus vel in quot naues hec fecerint tot thelonea secundum
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auch der Talverkehr nicht frei passieren konnte. So waren die Beauftragen des Servatiusstifts (in Maastricht?) auf der Bergfahrt zollfrei, sie hatten aber bei der Talfahrt zwei Kölner Denare zu entrichten und dabei mit einem Fuß auf dem Schiff und dem anderen am Ufer zu schwören, daß ausschließlich Erträge der stiftischen Güter in Güls (östl. Koblenz an der Mosel) geladen waren. Wenn aber der Verkehr moselund rheinabwärts ohnehin zollfrei gewesen wäre, hätte für eine Vereignung kein Anlaß bestanden. In diesem Fall wäre es ohne Belang gewesen, was und wieviel transportiert wurde. Man hätte die zwei Denare ebensogut bereits bei der Bergfahrt erheben können, ohne eine Eidesleistung über die Herkunft der Ladung fordern zu müssen. Wenn jedoch auch die Talfahrt Abgaben unterworfen war, war es sehr wohl von Bedeutung, ob die Schiffer des Servatiusstifts auf der Rückfahrt tatsächlich nur die Erträge der Gülser Besitzungen mitführten oder ob dem Simeonstift durch den Schmuggel von Handelswaren der reguläre Zoll entging. Im direkten Widerspruch zu einer allgemeinen Zollfreiheit der Talfahrt stehen ferner die Angaben zum Zoll auf Holzflöße, der sicut de nauibus ascendentibus et descendentibus aquam secundum suam mansionem sicut supra dictum est zu erheben war. Nach dieser Stelle war also auch der flußabwärts gerichtete Verkehr einer nach Herkunft 230 gestaffelten Verzollung unterworfen; Holzflöße selbst wurden ohnehin nur talwärts verfrachtet 231 . Weitere Fragen schließen sich an: Vor allem fällt auf, daß im Gegensatz zum ältesten Tarif und zur Regelung von 1195 eine Abgabe auf Wein nicht verzeichnet ist, obgleich er zweifelsohne eines der zeitgenössischen Haupthandelsgüter darstellte. Es ist kein Grund zu erkennen, weshalb man nun auf diese Zollerträge verzichtet haben sollte. Zwar liegen dem Koblenzer Tarif von 1209 vergleichbare Quellen für andere mittelrheinische Zölle dieser Zeit nicht vor, jedoch kann von einer allgemeinen Beschränkung der Zollpflicht auf die Bergfahrt, die Sommerlad als Ausfluß eines bis heute durch die Literatur geisternden »Gebührenprinzips« behauptete 232 , an Rhein, Main und Mosel keine Rede sein. Wie z. B. die expressis verbis stromauf- und -abwärts gültigen Zollbefreiungen zugunsten der Institute Rommersdorf und Altenberg
suas mansiones sicut predictum est dare tenentur... Si quis vero Renum ex ista parte littoris ascendit vltra lapidem qui vocatur zolsteyn sine licentia theolonarii satisfaciet theolonario. Si quis vero Mosellam sine licentia theolonarii ex ista parte vltra quam ad zabulum ascenderit theolonario satisfaciet. Si quis ex altera parte Reni vel Moselle ascenderit sine licentia theolonarii satisfaciet theolonario, M R U B II, Nr. 242. 230 D a ß hier eine Veranschlagung der Zollsätze nach der Zahl der Räume auf dem Schiff gemeint war (so KERBER, Wirtschaft, S. 321 f.), ist schon durch den expliziten Verweis auf die vorangegangenen Bestimmungen (sicut supra dictum est), also auf die Staffelung der Zölle nach Herkunft, nicht haltbar. 231 Vgl. dazu ausführlich HELLWIG, Moselzoll, S. 94 f. 232 Vgl. SOMMERLAD, Rheinzölle, S. 37 f., der die widersprechenden Stellen im Tarif und andere gegenteilige Quellen nicht einmal erwähnt.
I. Der Koblenzer Zoll und seine ältesten Tarife
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von 1209233 bzw. 1215234 zeigen, erhob man Abgaben vom Rhein- und Mainverkehr in beide Richtungen. Explizit ist dies auch bei den unweit Koblenz gelegenen Zöllen Boppard und St. Goar nachweisbar, für die die Abtei Eberbach 1218 bzw. 1219 entsprechende Befreiungen erlangte 235 . Für den niederrheinischen Zoll Neuss ist eine ausdrücklich für Berg- und Talfahrt gültige Zollbefreiung sogar schon aus dem Jahr 1138 überliefert 236 ; am nahegelegenen Kaiserswerther Rheinzoll gültige Privilegien aus der Abfassungszeit des zweiten Koblenzer Tarifs belegen ebenfalls eindeutig die Erhebung von Abgaben von Transporten in beiden Richtungen des Rheinverkehrs 237 . Zollprivilegien für den Moselverkehr bieten das gleiche Bild. Am pfalzgräflichen Zoll Cochem erhielt das Stift Springiersbach 1136 eine für Berg- und Talfahrt gültige Befreiung, die 1143 von Kaiser Konrad III. in dieser Form ausdrücklich bestätigt wurde 238 . Ein Koblenzer Rhein- bzw. Moselzoll, der nur eine Richtung des Handelsverkehrs abschöpfte, wäre somit die absolute Ausnahme in der Abgabenstruktur dieser Flußsysteme um 1200 gewesen. Eine solche Sonderstellung wird durch die anderen beiden Koblenzer Tarife und durch die Revision von 1195 für die frühere wie für die spätere Zeit nicht gestützt. Für die älteste Zollrolle hat sich die Interpretation der denariada vini als einer Weinabgabe bei Talfahrt als wahrscheinlich herausgestellt, auch die Mengenzölle wurden nicht auf die Bergfahrt beschränkt. Der auf ca. 1300 zu datierende dritte Tarif verzeichnet ausdrücklich eine Verzollung des Moselver-
233 ut omnia bona eorum que ducta fuerint per alueum Reni siue Mogi sursum et deorsum in hiis locis ubi nobis et imperio theloneum solet exsolui et precipue apud Werdum libera sint ab omni thelonei solutione, M R U B II, Nr. 243. 234 confirmamus, ut quecunque bona fratres siue etiam monachi ipsius per alueum Rheni et Mogi sursum siue deorsum duxerint, illa libera sint et sine omni theloneo et exactione qualibet ducantur, LAC. II, Nr. 52. 2 3 5 ROSSEL, U B E b e r b a c h , N r . 104 - M R R I I , N r . 1365; ROSSEL, U B E b e r b a c h , N r . 1 1 3 DEMANDT, R e g . K a t z . I, N r . 72.
236 KNIPPING, Ungedruckte Urkunden, S. 209 f. - R E K II, Nr. 362. 237 Vgl. z. B.: fìrmiter inhibentes, ne memorati loci negociatores per alveum Rheni veniendo sursum et descendendo, deinceps ibi aliqua graventur exactione, SLOET, O G Z , Nr. 415 (1206 März 8); siehe auch die oben zitierte Zollbefreiung für Rommersdorf vom 30. Juni 1209, die an Rhein- und Mainzöllen und insbesondere in Kaiserswerth galt ( M R U B II, Nr. 2 4 3 ) . 238 Super hec etiam theloneum in castro meo Cuchemo eis remisi ut quicquid naues eorum deferunt uel afferunt quod utilitatibus uel necessitatibus eorum competat cum omni quiete eant et redeant et a nemine quicquam grauedinis sentiant, M R U B I, Nr. 490; ut naves iam sepedicto monasterio pertinentes et res fratrum vel victualia vehentes nullum in descensu vel ascensu fluminis seu ripe theloneum aut publicam sive privatam pensionem persolvant, M G H D Ko III, Nr. 93.
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B. Die Zolltarifierung vom 10. bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts
kehrs in beiden Richtungen 239 . Mit Hellwig besteht kein Anlaß, eine andere Behandlung des Rheinhandels anzunehmen 240 . Obgleich der ausführliche Quellentext zunächst diesen Eindruck vermittelt, wird in der Tarifurkunde nicht die Gesamtheit der Koblenzer Zollverhältnisse sichtbar. Die inneren Widersprüche sind wohl nur auflösbar, wenn man der Tarifaufzeichnung von 1209 »selektiven Chararakter« 241 zuerkennt. Will man trotzdem ein Gesamtbild des Zolls rekonstruieren, muß vieles hypothetisch bleiben, aber man kann von zwei relativ sicheren Punkten ausgehen. Zum einen war der flußabwärts gerichtete Handelsverkehr kaum in Koblenz als einzigem Transitzoll an Rhein und Mosel abgabenfrei. Zum anderen geht aus den Zollstrafbestimmungen klar hervor, daß bei der Bergfahrt generell eine Staffelung des Zolls nach dem Inhalt der Schiffsladung vorgenommen wurde und nicht allein nach der Herkunft der Händler bzw. den drei Schiffstypen navis, woleshif und nachus. Beides zusammengenommen legt nahe, daß in Koblenz auch beim talfahrenden Verkehr Art und Menge der Fracht für die Zollbemessung von Belang war. Dementsprechend kann die vielzitierte Stelle de nauibus descendentibus nichil datur nicht isoliert als Beleg für eine grundsätzlich abgabenfreie Talfahrt herangezogen werden. Da dieser Passus die Bestimmung über eine Verzollung des Warenumschlags bzw. -handels von Schiff zu Schiff einleitetete, war hier vermutlich der besondere Fall vorgesehen, daß ein leeres Schiff die Zollstätte wie beim Transit frei passierte, jedoch im Koblenzer iudicium Ladung aufnahm. Die bei dieser Gelegenheit erhobene Abgabe lag im Grenzbereich zwischen Transit-, Marktund Hafenzoll und war ungeachtet der Fahrtrichtung nach Herkunft und Schiffsgröße gestaffelt. Ein auf das Transportmittel bezogener Transitzoll wurde dagegen nach Ausweis des Tarifs von 1209 nur bei der Bergfahrt erhoben. Neben der Stelle über die zollfreie Talfahrt und der Betitelung der Abgabenliste mit de nauibus Confluentie Renum uel Musellam ascendentibus ist dies auch daran erkennbar, daß der Zoll der Mainzer und Wormser Kaufleute saisonal in Salzheringen verlangt wurde, also in einer typischerweise stromaufwärts verhandelten Ware 242 .
239 Vgl. LAMPRECHT, Wirtschaftsleben II, S. 321 (Edition ebd.). Zur Datierung siehe unten S. 150 f. 240 Vgl. HELLWIG, Moselzoll, S. 89. 241 Dieses von EWIG, Merowinger, S. 28, in der Beurteilung der Lex Salica scripta verwendete Dictum zur Kennzeichnung einer nur scheinbar umfassend normierenden Rechtsquelle scheint auch hier passend. 242 Zwar ist denkbar, daß die optionale Ablöse mit Geld auf die Talfahrt bezogen war, jedoch ist wahrscheinlicher, daß damit die sicher nicht seltenen Bergfahrten ohne Fisch erfaßt wurden. Die Gründe für eine Naturalabgabe waren zu Beginn des 13. Jahrhunderts andere als vor der Jahrtausendwende, der mutmaßlichen Entstehungszeit des ältesten Tarifs. Nicht mehr Bargeldmangel war ausschlaggebend, sondern der Wunsch nach einer privilegierten und sicher auch preisgünstigen Versorgung des Zollinhabers mit der kaum substituierbaren Fastenspeise.
I. Der Koblenzer Zoll und seine ältesten Tarife
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Daneben wurden Transitabgaben vom Handelsverkehr in beiden Richtungen nach Art und Menge der Ladung erhoben, die, abgesehen von den aus dem ältesten Tarif übernommenen und in zwei Punkten ergänzten Posten, im Tarif von 1209 nicht verzeichnet waren. Die Existenz eines solchen Zolls wird vor allem im Zwang des zollbefreiten Servatiusstifts zur Vereignung seiner Gülser Erträge bei Talfahrt und im Verfahren bei einer mutmaßlich zu niedrigen Deklaration der Ladung sichtbar. Letzteres war zwar nur für die Bergfahrt ausführlich beschrieben, aber in der anderen Richtung galt es wohl, wie durch die Vereignungsprozedur angedeutet wird, analog. Aus diesem Nebeneinander von Abgaben wird auch die eigentümliche Tarifierung der Holzflöße klarer, die der Literatur Rätsel aufgegeben hat. Einerseits stellte Holz ein zollpflichtiges Handelsgut dar, andererseits waren aus Sicht des Tarifredakteurs Flöße Wasserfahrzeugen nicht unähnlich. Da man die Schiffe als solche nur bei Bergfahrt mit Abgaben belegte, Flöße jedoch nur flußabwärts fuhren, entwickelte man eine dritte Abgabenform. Man stellte sie den Waren gleich, die auf berg- wie talfahrenden Schiffen zollpflichtig waren (sicut de nauibus ascendentibus et descendentibus aquam), und veranschlagte die vloze analog zu den Schiffen secundum
suam
mansionem243.
Da der Tarif von 1209 einen erheblichen Teil des Koblenzer Transitzolls allenfalls erahnen läßt, scheint es auf den ersten Blick wenig sinnvoll, die Zollsätze dieses Dokuments denen der ältesten Zollrolle gegenüberzustellen. Es zeigt sich aber bei näherer Prüfung, daß ein Vergleich der jeweiligen Geldzölle 244 wichtige Einblicke in die von der älteren Forschung kaum thematisierte monetäre Seite von Zolltarifierung und -erhebung erlaubt. Bei den Geldabgaben ist zu berücksichtigen, daß sie 1209 durchgängig in zwei Währungen festgesetzt waren, in leichten pfündigen Denaren und in Kölner Münze, wobei der Bezug auf das Pfund vermutlich ausdrücken sollte, daß diese Menge leichter Münze einer (Zähl-?, Gewichts-?)Mark Kölner Denare entsprach, also einem Wertverhältnis von 240 leichten zu 144 oder 160 Kölner Pfennigen bzw. 5:3 oder 3:2. Denn innerhalb dieser Relationen wurden die Zollsätze festgelegt, wenn beide Münzsorten angegeben waren. So hatten z. B. die Händler aus dem Erzbistum Trier circa vel ultra Renum fünf pfündige oder drei Kölner Denare zu entrichten, während Speyerer Kaufleute sechs denarii librales bzw. vier Kölner Pfennige schuldig waren. Je nach Zollpflichtigem wurden jedoch auch andere Wechselkurse zwischen 3:2 und 5:3 angeben, wie bei den Straßburgern, die mit acht pfündigen bzw. fünf Kölner Denaren veranschlagt waren. Die Festlegung eines bestimmten Wechselkurses war
243 Demgegenüber ist wenig wahrscheinlich, daß man hier die Durchbrechung des (angeblichen) Prinzips der zollfreien Talfahrt verschleiern wollte, wie HELLWIG, Moselzoll, S. 88, meint. 244 Ein Vergleich muß sich auf die Geldzölle beschränken, da die Naturalabgaben seit 1195 mit einer einheitlichen Pauschale abgelöst waren, die ursprünglich etwa vorhandene Wertunterschiede einzelner Warenzölle nivellierte.
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B. Die Zolltarifierung vom 10. bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts
offensichtlich ein Mittel der Tarifpolitik; denn es gibt keinen Hinweis, daß unter den denarii librales verschiedengewichte Sorten subsumiert waren. Wie bereits 1195 wurden die Normangaben des alten Tarifs mit leichter Münze gleichgesetzt, was bei den Tarifposten erkennbar wird, deren Nominalhöhe 1209 übernommen wurde. Unverändert blieben z. B. die Abgaben auf Sklaven, Beizvögel und Saumtiere mit jeweils vier Denaren. Bei den Schiffsabgaben ist dabei zu beachten, daß die durchgängig zweiteilige Veranschlagung der Kaufleute im ältesten Tarif mit einem Geldzoll und einer als denariada vini bezeichneten Weinabgabe 1209 zugunsten eines einzigen Zolls aufgegeben wurde. Der Schiffszoll der Straßburger von vorher sechs Denaren und zwei denariadae vini wurde so zu einem Gesamtzoll von acht Pfennigen. Daß die leichte Münze nun jedoch durchgängig als »pfündig« qualifiziert wurde, diente anscheinend zur Begründung eines anderen Wechselkurses zum Kölner Denar. 1195 setzte man zwei leichte Denare einem Kölner Pfennig gleich. Die Straßburger hatten demnach insgesamt acht leichte oder vier Kölner Denare zu zahlen. 1209 wurden sie mit acht pfündigen Denaren veranschlagt, zahlten sie aber in Kölner Münze, hatten sie nun fünf statt vier Kölner Denare zu entrichten, obwohl diese Münze zwischenzeitlich kaum an Wert verloren hatte. Für das Zustandekommen der geänderten Relationen zwischen Normmünze und Kölner Denar stehen im wesentlichen zwei Erklärungen zur Verfügung. Da der Wert des Kölner Pfennigs annähernd gleich geblieben war, ist zum einen möglich, daß das Gewicht der leichten Normwährung durch höherwertige Ausprägung real gestiegen war und das Simeonstift davon als passiver Nutznießer dieser Entwicklung profitierte. Tatsächlich ist jedoch eine Gewichtszunahme bei keiner der beiden Münzsorten feststellbar, die als Normwährung des Zolls in Frage kamen, weil sie am Ort geprägt wurden bzw. anderswo ausgegebene Emissionen des Trierer Erzbischofs, des Koblenzer Münzherrn, waren. Weder die nur vereinzelt aus der Zeit der Trierer Erzbischöfe Albero (1132-1152) und Theoderich II. (1212-1242) nachweisbaren Koblenzer Gepräge noch die in Trier um die Wende zum 13. Jahrhundert hergestellten Münzen wurden zwischen 1195 und 1209 schwerer und rechtfertigten die geänderte Relation zum wertkonstanten Kölner Denar 245 . Wahrscheinlicher ist demnach eine zweite Möglichkeit, daß man nämlich 1209 bei der Neugestaltung des Tarifs dazu überging, den Wechselkurs zum Kölner Denar nach einem fiktiven Sollgewicht statt nach dem Realgewicht festzusetzen, wie man es noch 1195 getan hatte. Die Frage ist, woher man das Sollgewicht entlehnte. Man bezog sich wohl nicht auf andere zeitgenössische Prägungen, die - wie etwa der Speyerer Denar 246 - eine Qualifizierung als »pfündig« rechtfertigten; denn in diesem
245 Z. B. hatte der 1207-1212 in Trier geprägte Typ Weiller Nr. 147 ein Durchschnittsgewicht von 0,71 g und konnte damit wie 1195 als Kölner Halbdenar umlaufen. Auch die nach 1217 bzw. 1218 in Koblenz produzierten Typen Weiller Nr. 152 und 153 lagen mit einem Gewicht zwischen 0,64 und 0,69 g in diesem Rahmen (vgl. WEILLER, Trier, S. 104 f.). 246 Von diesem Gepräge gingen 1196 (LAMPRECHT, Wirtschaftsleben II, S. 437) 266 Denare auf die Kölner Mark, es bestand also ein ca. 5:3 Wechselkurs zum Kölner Pfennig.
I. Der Koblenzer
Zoll und seine ältesten Tarife
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Fall hätte man die Sorte vermutlich nach ihrer Herkunft und nicht nach ihrem Gewicht benannt. Möglicherweise knüpfte man aber an eine Zeit an, als die Koblenzer Normmünze - bei ruhender Koblenzer Münzproduktion waren dies wohl die Trierer Gepräge des erzbischöflichen Münzherrn - noch deutlich schwerer als 1195 oder 1209 war, also an die Prägungen der Vorgänger des damaligen Erzbischofs Johann (1190-1212), unter dem sich das Gewichtsverhältnis zum Kölner Denar von 5:3 auf 2:1 verschlechtert hatte 247 . Da man bei der Überarbeitung des Tarifs wahrscheinlich den Text des zu 1104 gefälschten Kaiserdiploms vorliegen hatte, ist nicht völlig auszuschließen, daß man sich bei der Festsetzung dieses Sollgewichts bewußt auf die Münzverhältnisse zur angeblichen Entstehungszeit des ältesten Tarifs bezog, als die Koblenzer Gepräge in der Tat in einem 3:2 Verhältnis zum Kölner Denar standen 248 . Die real nicht gerechtfertigte Neufestsetzung des Wechselkurses betraf anscheinend nur Kaufleute, die in Kölner Münze zahlten und dadurch im Vergleich zu 1195 einer versteckten Zollerhöhung von 20-33 % ausgesetzt waren. Wer seinen Zoll in der Normwährung des Tarifs entrichtete, blieb dagegen von dieser Manipulation (?) möglicherweise verschont. Zumindest geht aus dem Tarif nicht hervor, daß man die real als Halbdenare zum Kölner Pfennig umlaufenden Gepräge des Trierer Erzbischofs Johann nicht oder nur mit einem Abschlag annahm, weil sie faktisch keine pfündigen Denare waren. Für Zollzahlungen mußte daher die leichte Münze an Beliebtheit gewinnen. Wäre der Koblenzer Zollinhaber auch dortiger Münzherr gewesen, läge eine doppelte Zielsetzung auf der Hand: die Zolleinnahmen zu erhöhen und gleichzeitig gegenüber dem beherrschenden Kölner Denar die Attraktivität der eigenen Sorte zu steigern, ohne diese besser ausprägen zu müssen. Da beide Fiskalinstitutionen jedoch unterschiedliche Besitzer hatten, muß offenbleiben, ob das Simeonstift nur an der versteckten Steigerung seiner Zollerträge interessiert war (gewiß schon ein hinreichender Grund) oder möglicherweise auch der Erzbischof als Inhaber des Koblenzer Münzrechts und Eigenkirchenherr von St. Simeon seinen Einfluß geltend gemacht hatte. Obgleich immer wieder Elemente der ältesten Zollrolle auftauchen, ist unverkennbar, daß man im Tarif von 1209 eine völlige Überarbeitung vornahm. Die Entwicklung bei den Warenabgaben bietet kein einheitliches Bild. Während die Abgabe auf Schwerter gesenkt wurde, behielt man den Zollsatz für Sklaven und Beizvögel bei. Der Zoll auf Kupfer betrug nun ein ferto je 14 Zentner (2 4/7 Denare/Zentner) statt vier Pfennige pro Zentner. Selbst wenn 1209 der Zoll in Kölner Denaren zu entrichten war, was aus dem Tarif nicht hervorgeht, bedeutete dies eine Senkung der
247 Vgl. z. B. den Abfall von Weiller Nr. 142 (Durchschnittsgewicht 0,85 g, geprägt 11831189) über Weiller Nr. 146 (Durchschnittsgewicht 0,72 g, geprägt 1190-1210) auf Weiller Nr. 147 (Durchschnittsgewicht 0,71 g, geprägt 1207-1212). 248 Vgl. dazu WEILLER, Trier, S. 102, und PETRY, Koblenzer Münze, S. 354, der für die Koblenzer Prägungen Erzbischof Brunos »ein Ursprungs- oder Normgewicht von knapp unter einem Gramm« erschließt.
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B. Die Zolltarifierung vom 10. bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts
Abgabe von ca. 4 g auf ca. 3,6 g Silber je Zentner Kupfer 249 . Begnügte man sich mit leichter Münze, war der Zoll mit rund 1,8 g Silber pro Zentner faktisch sogar kaum noch halb so hoch wie früher. Die Änderungen bei den Schiffszollsätzen waren so umfangreich, daß lediglich die Abgaben der Straßburger und Metzer Kaufleute in der nominalen Höhe gleich blieben 250 . Bei anderen Händlergruppen wurde eine Reihe von Umstrukturierungen vorgenommen, was einen exakten Vergleich der nominalen Zollsätze verhindert. So entfiel z. B. bei den Kölner Kaufleuten der herbstliche Wachszuschlag, und man staffelte den Schiffszoll nun nach drei Jahresabschnitten zwischen drei und 9 Vi Kölner Denaren. Wie sich dadurch der durchschnittliche Jahreszoll veränderte, ist nicht zu ermitteln. Für den größten Teil der in beiden Zollrollen verzeichneten Händler bedeutete der Tarif von 1209 jedoch eine deutliche nominale Erhöhung des Transportmittelzolls. Hatten z. B. die Mainzer Händler nach dem ältesten Tarif ganzjährig vier Denare und eine denariada vitti, zusammen also fünf Pfennige je Schiff zu entrichten, galt dieser Zoll 1209 nur noch für die Zeit von Christi Himmelfahrt bis zum 11. November; die andere Hälfte des Jahres waren 120 Heringe und ein leichter Denar, ersatzweise 9 Vi Denare fällig. Der Zoll der Regensburger Händler wurde am stärksten erhöht. Ihre Abgabenlast stieg von acht Denaren auf ein ferto und einen Pfennig, d. h. auf das mehr als Vierfache. Von den Speyerer Kaufleuten verlangte man zwar lediglich sechs denarii librales bzw. vier Kölner Denare statt vier Pfennigen und einer denariada vini, doch auch das bedeutete im Vergleich zum Ende des 12. Jahrhunderts, wenn sie in Kölner Münze zahlten, noch eine Erhöhung des Schiffszolls von 2 Vi auf vier Denare, also um 60%. Kaufleute aus dem Trierer Raum zwischen Pfalzel und Konz hatten nun acht trierische Denare statt zuvor sechs Pfennige (4 Denare + 2 denariadae vini) zu entrichten. Obwohl diese Händler von der Neufestsetzung des Wechselkurses zum Kölner Denar nicht betroffen waren, entsprachen die erhöhten nominalen Zollsätze einer Abgabensteigerung um ein Drittel.
249 Wenig wahrscheinlich ist, daß ferto hier als Gewichtsmaß zu interpretieren ist und man eine Viertel Mark Kupfer je 14 Zentner forderte, denn die im Tarif folgende Abgabe von Viferto je 100 Schwerter war zweifelsohne ein Geldzoll, wie auch die mit ferto tarifierten Schiffsabgaben der Reichsfremden, der Regensburger oder der Maaskaufleute. Schon zur Unterscheidung beider Abgabeformen hätte man bei einem Warenzoll auf Kupfer wohl eine Formulierung wie ferto cupri gewählt. Gleiches gilt für den Zoll von Vi ferto je 10 Zentner Zinn. 250 Metzer Kaufleute werden zwar 1209 nicht mehr erwähnt, ihr Zoll entsprach jedoch wahrscheinlich dem der Händler vom Moselabschnitt zwischen Konz und Toul, die 10 den. libr. bzw. 6 den. col. zu zahlen hatten.
I. Der Koblenzer Zoll und seine ältesten Tarife
141
Insgesamt beinhaltete der Tarif von 1209 gegenüber den Verhältnissen zu Ende des 12. Jahrhunderts für nahezu alle Kaufleutegruppen eine deutliche Erhöhung der Schiffsabgaben, die einerseits durch Steigerung der nominalen Sätze gegenüber dem ältesten Tarif, andererseits durch Fixierung der Abgaben auf eine schwerere Normmünze, den denarius libralis, zustande kam. Betrachtet man die innere Staffelung der Abgabensätze, so ergibt sich folgendes Bild: Am höchsten waren die Zölle der Händler aus Gebieten jenseits der Maas bzw. der Waal, sowie die Abgaben der Regensburger und der Reichsfremden mit jeweils 37 Denaren (1 ferto + 1 Denar). Von der Waalmündung bis nach Koblenz nahm der Zoll tendenziell ab. Hatten Kaufleute aus Regionen nördlich von Neuss ein Lot (10 Denare?) zu entrichten, verlangte man von Händlern aus dem Kölner Erzbistum zwischen drei und 9 Vi und von denen aus dem am Rhein gelegenen Teil der Trierer Diözese drei Kölner Denare. Kaufleute aus dem Bistum Mainz zahlten zwischen drei Kölner und 9 Vi (leichte?) Denare, während Händler aus den südlich anschließenden Bistümern Worms, Speyer und Straßburg wie auch aus Thüringen, Babenberg (Österreich?), Schwaben, Bayern, Basel, Zürich und von dort bis hin nach Rom mit acht Kölner bzw. zwölf pfündigen Denaren veranschlagt waren. Kaufleute aus dem Moselraum zwischen der Elz und Toul hatten zehn denarii librales bzw. sechs Kölner Pfennige zu entrichten, während die Touler selbst und Händler aus Gebieten moselaufwärts bis zur Reichsgrenze mit acht Kölner bzw. zwölf pfündigen Denaren tarifiert waren. Aus diesen Tarifräumen waren die Bischofsstädte Worms, Speyer, Straßburg und Trier mit niedrigeren Sätzen herausgenommen, jedoch wurden die beiden wichtigsten Handelszentren oberhalb und unterhalb von Koblenz, Köln und Mainz, nicht gesondert erwähnt. Ein einheitliches System, das bei der Staffelung der Schiffszölle zugrundegelegt wurde, ist nicht zu erkennen. Zwar stieg bei Händlern aus dem Gebiet zwischen Koblenz und der Waalmündung mit zunehmender Entfernung auch der Zoll, jedoch wurde nahezu das gesamte Reichsgebiet südlich der Zollstätte bis nach Rom einheitlich veranschlagt. Im Gegensatz zur ältesten Zollrolle, die wohl ein mehr oder minder vollständiges Bild des Koblenzer Transitzolls bietet, gibt der zweite Tarif von 1209 nur einen Ausschnitt wieder. Die Gestaltung dieses Textes weist auf einen tiefgreifenden Wandel der Zollverhältnisse am Zusammenfluß von Rhein und Mosel hin. Der Koblenzer Zoll war nach Aussage des ältesten Zolltarifs nahezu ausschließlich auf das Transportmittel bezogen. Flußaufwärts fahrende Schiffe waren mit dem Hauptzoll in Naturalien oder Geld belastet, während der denariada vini genannte Weinzoll wahrscheinlich bei der Talfahrt erhoben wurde. Nur für wenige, besonders hochwertige Handelsgüter waren zusätzliche Abgaben vorgesehen. Daraus entwickelte sich neben dem Transportmittelzoll im Verlauf des 12. Jahrhunderts ein generell bei Bergwie Talfahrt erhobener, nach Art und Umfang der Ladung gestaffelter Mengenzoll, über dessen konkrete Gestalt oder sein Alter aus dem Tarif jedoch nur wenig zu erfahren ist. Bereits in der Eberbacher Zollbefreiung des Jahres 1185 war der Koblenzer Zoll wie selbstverständlich auch eine warenbezogene Abgabe; denn wenn die Mönche fremde Güter unter ihre Ladung mischten, um Zoll zu hinterziehen, war
142
B. Die Zolltariflerung
vom 10. bis zum Beginn des 14.
Jahrhunderts
die »übliche Strafe« vorgesehen 251 . Eines der wichtigsten Zollgüter um 1200 war vermutlich schon der Wein. Wenn er gleichwohl in der Schiffszollrolle von 1209 nicht mehr aufgeführt wurde, wird man daraus schließen können, daß man ihn nun mengenabhängig und damit zweifellos höher veranschlagte, statt wie zuvor eine relativ geringe Pauschalabgabe von einem oder zwei Denaren je Schiff zu fordern. Wahrscheinlich wurden auch andere (Massen-)Güter bereits mit spezifischen Abgaben belegt, wie dies in der Vereignungspflicht für die Transporte des Servatiusstifts bzw. der Aachener andeutungsweise erkennbar ist. Neben dem Zoll auf verschiedene Handelsgüter, der zunehmend an Bedeutung gewann, blieb der ältere Transportmittelzoll als Bergfahrtabgabe bestehen. Flußabwärts wurde dagegen kein Zoll mehr auf Schiffe erhoben, nachdem die bei Talfahrt erhobene Schiffsabgabe der älteren Zeit, die denariada vini, vermutlich durch einen genauer zu differenzierenden Mengenzoll auf Wein abgelöst oder zumindest überlagert worden war. Bei der Abfassung des zweiten Koblenzer Tarifs verfolgte man in erster Linie das Ziel, den Transportmittelzoll unter Konsolidierung bzw. Steigerung der Zollerträge den zeitgenössischen Verhältnissen anzupassen. Zum einen wurden zumindest die wichtigeren Herkunftsorte und -gebiete der Koblenz passierenden Kaufleute flächendeckend unter Zugrundelegung von Bistumssprengeln und Großlandschaften erfaßt. Zum anderen wurden die nominalen Zollsätze durchgängig erhöht und zudem in einer schwereren, wohl nur fiktiven Normmünze, dem denarius libralis, fixiert, um einen höheren Wechselkurs zum Kölner Denar zu begründen. Für Kaufleute, die in solcher Münze zahlten, bedeutete dies eine zusätzliche Steigerung des realen Zolls. Über den Grund, warum man die Tarifüberarbeitung 1209 nicht dazu nutzte, um ein Gesamtverzeichnis aller Zollabgaben einschließlich der jüngeren Mengenzölle auf Wein und andere Massengüter (?) zu erstellen, kann nur spekuliert werden. Das hauptsächliche Augenmerk der Redakteure galt den Schiffsabgaben, vielleicht weil man hier Einnahmeausfälle, die durch die Verschlechterung der Koblenzer Normmünze gegen Ende des 12. Jahrhunderts bedingt waren, am leichtesten nachvollziehen konnte. Demgegenüber entsprach die Ertragsentwicklung bei den jüngeren Mengenzöllen, z. B. auf Wein, wohl eher den Erwartungen der Zollinhaber. Man wird hier davon ausgehen können, daß im Zusammenhang mit dem allgemeinen wirtschaftlichen Aufschwung des 12. Jahrhunderts eine deutliche Zunahme solcher Transporte mit entsprechend positiven Rückwirkungen auf die Zollerträge stattfand. Hinzu kommt, daß man bei dieser Art von Zollabgaben - nach dem, was aus den späteren Jahrhunderten bekannt ist - einen großen Bemessungsspielraum hatte, so daß die Zollhöhe ohne Änderung der nominalen Sätze sehr flexibel gestaltet werden konnte. Im Gegensatz zu den in dieser Hinsicht sehr starren Transportmittelzöllen sahen die
251 ut si quis fratrum Eberbacensium alienam substantiam clam rebus monasterii admiscuerit intentione fraudandi thelonei penam communem que pro tali excessu debetur excipiat, M R U B II, Nr. 72.
I. Der Koblenzer Zoll und seine ältesten Tarife
143
Redakteure 1209 im Bereich der Mengenzölle anscheinend keine Notwendigkeit, die für sie ungünstige Währungsentwicklung durch Zollerhöhungen und Manipulation e n im Bereich der Wechselkurse aufzufangen. Nicht völlig auszuschließen ist auch, daß das Simeonstift nicht mehr alleiniger Zollherr in Koblenz war und die jüngeren Mengenzölle durch den Trierer Erzbischof erhoben wurden. Die frühesten Hinweise auf diesen Zollinhaber liegen jedoch erst aus der Mitte des 13. Jahrhunderts vor.
1.7
Der dritte Tarif von ca. 1300
Wie bei der Beurteilung des ältesten Tarifs ist auch bei der Einschätzung der dritten Koblenzer Zollrolle die äußere Geschichte des Zolls von Belang, jedoch ist im Vergleich zum 11. und 12. Jahrhundert die Quellenlage zum Koblenzer Zoll im 13. Jahrhundert erstaunlicherweise wenig ergiebig. Von einer Zollerhebung des Simeonstifts erfährt man nach der Aufzeichnung des zweiten Tarifs erst wieder aus einer 1234 ergangenen Zollbefreiung zugunsten der Abtei Kornelimünster, die sich beklagt hatte, daß der Koblenzer Zöllner unrechte Abgaben von ihr erpreßte. Das Kloster erreichte nur unter dem Einsatz erheblicher Kosten und Mühen, wie das Simeonstift freimütig eingestand, und nach Vorlage entsprechender allgemeiner Privilegien die Anerkennung einer völligen Zollfreiheit 252 . Zuvor war Kornelimünster nach dem Tarif von 1209 mit einer Jahresgabe (?) von zwei englischen Käsen veranschlagt, die jeweils so schwer zu sein hatten, daß sie gerade noch mit einer Hand zu heben waren 253 . Denkbär ist, daß es über das geforderte Sollgewicht mit dem Zöllner zu Streitigkeiten gekommen war oder daß dieser Schmuggel vermutet hatte. Auf letzteres weist die Bestimmung hin, daß der Klosterbote die Ladung unter Eid zu vereignen hatte, wenn der Verdacht bestand, daß fremde Güter transportiert wurden. Die erheblichen Anstrengungen, die Kornelimünster zur Erlangung dieser Urkunde unternahm, passen zu einer restriktiven Zollbefreiungspolitik des Simeonstifts, wie sie schon aus der ersten überhaupt für Koblenz überlieferten Zollbefreiung zugunsten des Klosters Eberbach aus dem Jahr 1185 erkennbar wird254. Erst eine Stiftung
252 super exactione telonii iniusta, quod teloniarius noster apud Confluentiam ab eisdem extorquere nitebatur, questio nobis mota fuisset, tandem post multas altercationes, labores et expensas hinc inde factas, abbati et conventui ius suum recognoscentes eo, quod privilegia ex eorundem parte nobis exhibita ab omni exactione telonii ipsos penitus eximebant, absolutos eosdem in perpetuum reddimus ab omni telonio nobis ab ipsis apud Confluentiam persolvendo, M R U B III, Nr. 511. Bei den vorgelegten Privilegien handelt es sich vermutlich um die Zollbefreiung Ludwigs des Frommen aus dem Jahr 821 (LAC. I, Nr. 41), mit deren Hilfe das Kloster 1155 seine Zollfreiheit zu Köln behauptete (REK II, Nr. 609). 253 Qui sunt de sancto Cornelio dabunt duos caseos anglicos quorum uterque a viro vix una manu leuari possit, M R U B II, Nr. 242. 254 M R U B II, Nr. 71,72.
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B. Die Zolltarifierung vom 10. bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts
des damaligen Koblenzer Zöllners im Wert von zwei Schilling Kölner Denaren und seine Zusage, daß das Simeonstift dabei einen finanziellen Vorteil erzielte, ermöglichte die Befreiung für die Zisterzienserabtei im Rheingau. Diese Linie läßt sich weiterverfolgen. Auch das Kloster Himmerod erhielt 1236 vom Simeonstift nur nach erheblichen Gegenleistungen, nämlich der Übertragung von Besitzungen in Gransdorf, für Eigengüter eine Befreiung von den Koblenzer Zollabgaben 255 . In Zweifelsfällen über die Herkunft der Ladung war hier ebenfalls ein Reinigungseid vorgesehen. Die Eberbacher Zollfreiheit wurde 1247 bestätigt, als das Simeonstift seinem Koblenzer Zöllner Friedrich den von seinem Vorgänger Wichard zu diesem Zweck gestifteten Weinberg übertrug 256 . Ausdrücklich wurde dabei wie 1185 vermerkt, daß bei Zolldefraudation durch Beimischung fremder Waren die übliche Strafe zu zahlen war. Man fürchtete offenbar in St. Simeon, durch die ohnehin nur ungern verliehenen Zolldispense gleich doppelt übervorteilt zu werden: zum einen, daß der entgangene Zoll, den die befreiten Institute für ihre Transporte regulär gezahlt hätten, die Kompensationszahlungen überstieg, und zum anderen, daß diese Remissionen im größeren Umfang zu Hinterziehungen mißbraucht wurden. Daß diese Sorge keineswegs völlig unbegründet war, illustriert ein Fall aus dem Jahr 1210, als das Generalkapitel der Zisterzienser eine Untersuchung gegen einen Konversen des bergischen Klosters Altenberg einleitete. Man warf dem Mann vor, beim Ledererwerb im Auftrag seiner Abtei auch für Fremde eingekauft und auf diese Weise Zoll hinterzogen zu haben 257 . Im August 1247 ist das Trierer Simeonstift - abgesehen vom dritten Zolltarif zum letzten Mal als Inhaber des Koblenzer Zolls belegt258. Gleichzeitig mehren sich um die Jahrhundertmitte Anzeichen einer Abgabenerhebung in Koblenz durch Erzbischof und Stadtgemeinde, ohne daß eine direkte Besitzübertragung des Zolls nachweisbar ist: 1241 schlichtete Erzbischof Theoderich einen Zollstreit zwischen den Städten Trier und Koblenz259. Er bestätigte den Spruch der Trierer Schöffen, daß die Koblenzer am Trierer Zoll acht Trierer Denare pro Schiff zu zahlen hatten, und verfügte, daß gleiches Zollrecht auch zu Koblenz gelten sollte. Für die Trierer änderte sich damit nichts; denn nach dem Tarif von 1209 waren die Händler aus dem Gebiet zwischen Pfalzel und Konzerbrücke, also aus dem >Großraum< Trier, mit acht Trierer Denaren veranschlagt. Es ist daher zu vermuten, daß die Koblenzer auf Gleichbehandlung in Trier gedrungen und damit den Konflikt ausgelöst hatten. Daß es vornehmlich um den Trierer und nicht den Koblenzer Zoll ging, an dem sich überdies nichts änderte, mag der Grund dafür gewesen sein, daß das Simeonstift in der Urkunde nicht erwähnt wird260. Deutlich wird hier aber auch, daß der Trierer
255 MRUB III, Nr. 569. 256 MRUB III, Nr. 911. 2 5 7 MOSLER, U B A l t e n b e r g I, N r . 6 4 .
258 MRUB III, Nr. 911 (1247 Aug. 25). 259 MRUB III, Nr. 712. 260 So HELLWIG, Moselzoll, S. 132.
1. Der Koblenzer
Zoll und seine ältesten Tarife
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Erzbischof das Recht beanspruchte, in die Abgabenstruktur von Zöllen konfliktregelnd einzugreifen, die anscheinend nicht in seiner unmittelbaren Verfügung standen, jedoch zu seinem Herrschaftsbereich gehörten. Nicht sicher zu entscheiden ist, ob ein allgemein formuliertes päpstliches Mandat vom Januar 1247 auf Koblenz zu beziehen ist, in dem Innozenz IV. Erzbischof Arnold von Isenburg auf eine Beschwerde der Erzbischöfe von Köln und Mainz hin verbot, deren homines mit unrechten Zöllen zu beschweren 261 . Man wird schon aus der Tatsache, daß Kölner und Mainzer gleichermaßen betroffen waren, zu schließen haben, daß die Zollerhebung am Rhein stattfand. Koblenz ist dabei zwar nur eine, aber die wohl wahrscheinlichste von mehreren möglichen Zollstätten 262 , zumindest sind andere Trierer Hebestellen am Rhein um die Mitte des 13. Jahrhunderts nicht bezeugt. Die Gesta Treverorum berichten über einen Zwischenfall am Koblenzer Zoll im Jahr 1252, der zwar angeblich ohne Wissen und Willen des Trierer Erzbischofs Arnold geschah, für den er jedoch verantwortlich gemacht wurde. Als König Wilhelm nämlich mit seinem Gefolge rheinabwärts fuhr, wollte der Koblenzer scultetus, der die Anwesenheit des Herrschers nicht bemerkte, Transitzoll erheben und machte deswegen Anstalten, die Weiterfahrt der Schiffe zu verhindern. Der beleidigte König befahl seinen 600 Begleitern, sich zu bewaffnen, jedoch wurde er von 30 Leuten des Trierer Erzbischofs in die Flucht geschlagen, wobei viele aus dem königlichen Gefolge starben oder verletzt wurden. Erzbischof Arnold bedauerte dies sehr, als er davon erfuhr, wurde jedoch vom päpstlichen Legaten auf Drängen des Königs nach Köln zitiert, wo eine Aussöhnung unter Vermittlung des Kölner Erzbischofs Konrad von Hochstaden zustande kam 263 . Wenngleich die Kampfkraft der Koblenzer gegen eine zwanzigfache Übermacht offensichtlich übertrieben ist, bestehen gegen den geschilderten Ablauf der Ereignisse an sich keine Bedenken. Die Darstellung der Gesta hinsichtlich des bewaffneten Zwischenfalls wird überdies durch ein päpstliches Mandat vom Dezember 1252 bestätigt, in dem der Legat Hugo beauftragt wurde, den Trierer Erzbischof wegen des Vorfalls zur Rechenschaft zu ziehen, ohne daß dabei allerdings etwas von einer Zollerhebung als Anlaß des Kampfes verlautete 264 . Es fällt auf, daß weder 1247, sofern Koblenz gemeint war, noch 1252 das Simeonstift mit der Zollerhebung in Verbindung gebracht wurde, vielmehr galt der Erzbischof als Inhaber des Zolls oder zumindest als Hauptverantwortlicher. Bei den päpstlichen Quellen mag dies noch aus einer mangelnden Vertrautheit mit der lokalen Situation erklärbar sein, zumindest bei den Gesta wird man jedoch eine Kenntnis der Koblenzer Verhältnisse voraussetzen dürfen.
261 M G H Epp. saec. XIII, Bd. II, Nr. 281. 262 D i e Erhebung eines Rheinzolls war z. B. auch in Stolzenfels möglich. Vgl. zu diesem Vorfall HOLBACH, Arnold von Isenburg, S. 49 f. 263 M G H SS XXIV, S. 412. 264 MRR III, Nr. 984.
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B. Die Zolltariflerung vom 10. bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts
Hauptquelle einer erzbischöflichen Zollerhebung in Koblenz sind die Akten des vor der päpstlichen Kurie geführten Prozesses gegen Elekt Heinrich von Finstingen (1260-1286) 265 aus den Jahren 1261/1262 und 1267, die an mehreren Stellen auch den Pontifikat Erzbischof Arnolds (1242-1259) berühren. Einer der durch Papst Urban IV. erstmalig am 22. November 1261 formulierten Hauptvorwürfe gegen Heinrich lautete dabei auf Erhebung eines neuen und deshalb unrechtmäßigen Rheinzolls in Koblenz 266 , bis zu dessen Aufhebung er die Exkommunikaton über Heinrich verhängen ließ 267 . Zwar wurde diese am 8. April 1262 durch Bruder Daniel, den Prior der Trierer Dominikaner, gelöst, nachdem der Elekt die Zollerhebung eingestellt hatte 268 , doch war damit die Angelegenheit noch keineswegs erledigt; denn Heinrich war offensichtlich zu einem dauerhaften Verzicht auf den Zoll nicht bereit. Er bestritt einen Verstoß gegen das - auf dem Laterankonzil von 1123 269 ergangene - Verbot neuer Zölle und behauptete, den Zoll von seinem Vorgänger übernommen zu haben 270 . Über den weiteren Fortgang der Zolluntersuchung, die
265 Vgl. zu den Hintergründen des in seinem Verlauf kaum exakt rekonstruierbaren Prozesses CASPAR, Heinrich II., der auf den Zoll jedoch nur am Rande eingeht; HENN, Heinrich von Finstingen, S. 63-66; sowie insbesondere zu den Auseinandersetzungen um St. Matthias BECKER, Benediktinerabtei, S. 257-261. Die Parteiungen im Trierer Stiftsklerus und im Adel des Moselraums behandelt HOLBACH, Besetzung, S. 16 ff. 266 Ad audentiam nostram pervenit, quod Henricus Treverensis electus, qui pallio non obtento se praesumit in suis literis archiepiscopum nominare, de novo quoddam pedagium seu teloneum in flumine Rheni proprio motu constituit et ligatus excommunicationis sententia, in quam propter hoc incidit, divina officio celebrare... praesumit, HONTHEIM, Historia I, Nr. 507, S. 741. Daß es sich um den Koblenzer Zoll handelt, geht aus den späteren Akten hervor. 267 Dies geht explizit aus dem Mandat des päpstlichen Pönitentiars vom 21. Dezember 1261 an den Prior der Trierer Dominikaner hervor, den Elekten Heinrich nach Aufhebung des Zolls von der Suspension und Exkommunikation zu befreien (HONTHEIM, Historia I, Nr. 508, S. 742), was dieser am 8. April 1262 tat (ebd., Nr. 510, S. 744). Im ersten päpstlichen Untersuchungsmandat vom 22. November 1261 (ebd., Nr. 507, S. 741) an die Bischöfe von Worms und Speyer sowie an den Abt von Rodenkirchen wurde diese Bedingung noch nicht konkret formuliert. Der Papst befahl dort lediglich, die Exkommunikation usque ad satisfactionem condignam öffentlich zu verkünden. Daß diese satisfactio mit der Einstellung des Zolls verbunden sein mußte, steht außer Frage. 268 HONTHEIM, Historia I, Nr. 510, S. 744. Auch der Abschlußbericht der ersten päpstlichen Untersuchungskommission vom 23. Mai 1262 (ebd., Nr. 512, S. 745 f.) erwähnt die Einstellung des Zolls durch Heinrich. 269 c. 16: Si quis Romipetam et peregrinos Apostolorum limina et aliorum sanctorum oratoria visitantes capere seu rebus quas ferent expoliare et mercatores novis teloneorum et pedaticorum exactionibus molestare tentaverit, donec satisfecerit communione careat christiana, MANSI, Collectio21, S. 304. 270 Vgl. die Zusammenfassung von Heinrichs Beschwerde im Mandat des Kardinalpriesters Hugo vom 27. Mai 1262: quod ... in flumine Rheni apud oppidum de Confluentia Trevirensis dioecesis, in quo ipse iurisdictionem spiritualem et temporalem obtinet, percipit
I. Der Koblenzer Zoll und seine ältesten Tarife
147
der Papst am 9. April 1262 vom Hauptverfahren löste und in einem Spezialmandat dem Koblenzer Pleban von St. Maria übertrug 271 , ist für mehrere Jahre nichts näheres bekannt. Der Prozeß vor der päpstlichen Kurie konzentrierte sich zunächst auf die Auseinandersetzungen um die Abtei St. Matthias. Erst Urbans Nachfolger Papst Clemens IV. griff die Anschuldigung einer unrechten Zollerhebung wieder auf. Am 5. Januar 1267 wurde Heinrich in Viterbo zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen befragt. Unter anderem wollte man von ihm wissen, ob er in Koblenz den Zoll erhebe, für den er einst exkommuniziert worden sei, und ob er diesen in einem Jahr für 90 Mark Silber verpachtet habe. Der Trierer antwortete, daß er keinen Zoll, sondern Geleit nehme bzw. genommen habe, gab aber die frühere Verpachtung des Zolls zu272. Ferner legte er eine Verteidigungsschrift vor273, die seine Position ausführlich erläuterte. Wie schon 1262 bestritt der Elekt, den Zoll neu errichtet und damit gegen geltendes Recht verstoßen zu haben. Bei Amtsantritt (1260) habe er die Trierer Kirche gleichsam im Besitz des Zolls (in quasi possessione) vorgefunden, der, so hätten einige ihm versichert, aufgrund weltlicher Privilegien und alter Gewohnheiten rechtmäßig sei. Da andere aber die Legalität des Zolls bestritten hätten, habe er dessen Einstellung angeordnet 274 . Man werfe ihm zu Unrecht vor, in betrügerischer Absicht die Zoll- in eine Geleitgelderhebung umgewandelt und de facto die gleiche Abgabe unter anderem Titel genommen zu haben. Geleit und Zoll seien zu unterscheiden; denn ersteres sei im Jahr kaum mehr als 40 Mark wert, während der Zoll 500, 800, mitunter sogar 1.000 Mark pro Jahr einbringe. Beide Abgaben habe er von seinen Vorgängern übernommen und die Geleitgelderhebung sei ihm nie zur Last gelegt worden 275 . Auch deren Einstellung habe er jedoch angeordnet, als er von dem
interdum pedagium seu teloneum, quod ... praedecessor suus percipere aliquando consuevit, HONTHEIM, Historia I, Nr. 513, S. 746. Diese Position Heinrichs von Finstingen hatte sich die erste päpstliche Untersuchungskommission in ihrem Abschlußbericht vom 23. Mai 1262 zu eigen gemacht: cum non invenissemus eum de novo constituisse teloneum vel pedagium supradictum, et si iuxta consuetudinem sui praedecessoris nomine suo aliquod receptum fuerat, receptionem pedagii seu telonei remiserat, HONTHEIM, Historia I, Nr. 512, S. 745. 271 HONTHEIM, Historia I, Nr. 511, S. 744 f.
272 An percipiatur teloneum in Confluentia, pro quo fuit aliquando excommunicatus? Dixit quod non, sed conductus recipitur ibi. An illud vendiderit uno anno 90 marcas argenti? Respondit quod teloneum vendidit unum tantum annum, HONTHEIM, Historia I, Nr. 533, S. 766. 273 HONTHEIM, Historia I, Nr. 535, S. 767-773. 274 HONTHEIM, Historia I, Nr. 535, S. 769.
275 Ad illud, quod objicitur, quia conductum recepit apud Confluentiam loco telonei et sie mutato in fraudem nomine, idem pereipit nunc ut ante; dicit, quod aliud est conductus, qui vix aliquando valorem XL marcarum transcendit; aliud est teloneum de quo in anno quandoque quingentae, quandoque octingentae, quandoque etiam consueverunt pereipi mille marchae et utrum simul, teloneum scilicet et conductum, praedecessores sui, quifuerunt pro
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B. Die Zolltarifierung vom 10. bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts
Vorwurf erfahren habe. Andere Prälaten - Heinrich meinte offenbar seine Kölner und Mainzer Amtsbrüder - ließe man ungestört Zölle und Geleitgelder am Rhein erheben, die weit eher als die der Trierer Kirche »neu« genannt werden könnten 276 . Die Feinde und Neider sähen einen Splitter im Auge der Trierer Kirche oder glaubten ihn zu sehen, während sie den Balken in ihrem eigenen Auge nicht wahrhaben wollten 277 . Aber auch dieses biblische Gleichnis nützte Heinrich nur wenig. Das Gegengutachten der päpstlichen Kurie 278 ließ die vorgebrachten Einwände nicht gelten. Ein prinzipieller Unterschied zwischen Zoll und Geleit, den der Elekt unter fiskalischer Perspektive zwar verständlich, aber im Hinblick auf die juristische Argumentation der Kurie eher ungeschickt am Ertrag festgemacht hatte, wurde bestritten. Der Name der Abgabe sei genausowenig von Belang wie die Höhe ihrer Einkünfte. Erste Pflicht des Zollherren sei es, die Zollpflichtigen auch zu geleiten279. Wer darüber hinaus Geleit erhebe, verdoppele vielmehr den Zoll. Heinrichs Verweis auf die neuen Rheinzölle der anderen wurde dagegen als falsa pietas abgetan und nicht ernsthaft diskutiert 280 . Am 19. Dezember 1267 kam das Verfahren gegen Heinrich mit einem für ihn denkbar schlechten Ergebnis zum vorläufigen Abschluß: Papst Clemens IV. suspendierte ihn von officium und beneficium und beauftragte bis zur endgültigen Klärung der Vorwürfe den päpstlichen Nuntius Bernhard von Chätenoy mit der Verwaltung des Erzstifts. Die Aufzählung von Heinrichs Vergehen beginnt mit dem Vorwurf der Erhebung eines neuen Zolls, für den er exkommuniziert worden und im Bann
tempore, perceperunt. Ipse vero electus teloneo dimisso conductum quandoque percipit, quia nec de ipso audierat quaestionem referri, HONTHEIM, Historia I, Nr. 535, S. 770. 276 Die Trierer Kirche war keineswegs allein dem Vorwurf unrechtmäßiger Zollerhebung ausgesetzt. Z. B. wurden die Mainzer Erzbischöfe Gerhard und Werner 1252 (GUDENUS, C o d . d i p i . I, N r . 2 6 7 , S. 6 3 6 f. - BÖHMER/WILL, R E M 11.35, N r . 5 1 ) b z w . 1 2 6 4 ( M G H E p p .
277
278 279
280
saec. XIII, Bd. III, Nr. 587) vom Papst wegen neuer Zölle exkommuniziert, allerdings waren die Umstände anders als bei Heinrich von Finstingen, vgl. unten S. 632 f. Nempe inimici et aemuli festucam videntes vel videre credentes in oculo ecclesiae Treverensis, trabem portantes in proprio non sentiunt nec attendunt, HONTHEIM, Historia I, Nr. 535, S. 770. HONTHEIM, Historia I, Nr. 536, S. 773-784, bes. S. 776 ff., 782 f. prima est telonei conditio, quod, qui teloneum recipiunt, debent ob hoc conducere solventes, ut probatur in auth. de mand. princ. cap. oportet. Etiam expressum XXIII quaest. VIII tributum, HONTHEIM, Historia I, Nr. 536, S. 778. Die Verweise ließen sich nicht aufschlüsseln, aber eine vergleichbare Bestimmung enthielt z. B. der Mainzer Reichslandfrieden von 1235: Receptores vero teloneorum... debito modo teneri volumus ... transeuntibus et navigantibus, a quibus telonea accipiunt, pacem, securitatem et conductum ... fideliter procurando, MGH Const. II, Nr. 196 Art. 7. Et falsa pietas, quam habet, quia Trevirensis ecclesia non percipit teloneum, sicut alii, consonai quibusdam Parisiensibus personis, quae bonos cappas clericorum, non eorum absentiam lacrymantur, HONTHEIM, Historia I, Nr. 536, S. 782.
I. Der Koblenzer Zoll und seine ältesten Tarife
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geblieben sei. Ausführlich wird dann auf das bisher nicht diskutierte Trierer Argument eingegangen, den Zoll nicht selbst neu errichtet, sondern vom Vorgänger übernommen zu haben. Nach päpstlicher Ansicht spielte dies für die Rechtmäßigkeit der Abgabe keine Rolle: Eine unerlaubte Erhebung sei auch durch Heinrichs Amtsantritt nicht legalisiert worden. Deswegen sei der Elekt mit der Zollerhebung gleichermaßen im Unrecht, wobei man unterstellte, daß ihm die unerlaubte Zolleinrichtung durch seinen Vorgänger bekannt war281. Als Zwischenbilanz ist aus diesen Quellen vorläufig festzuhalten, daß Arnold von Isenburg (1242-1259) erstmals erzbischöfliche Rheinzoll- und wohl auch Geleitgeldabgaben in Koblenz erheben ließ282. Sein Nachfolger Heinrich von Finstingen hat die Koblenzer Abgabenstruktur 1260 übernommen, wurde jedoch 1261/1262 gezwungen, den Rheinzoll abzustellen, während das Geleitgeld, das ebenfalls den Rheinhandel erfaßte, zunächst noch - bis längstens 1267 - fortbestand. Über eine Zollerhebung auf der Mosel ist den hier referierten Quellen nichts zu entnehmen. Erst 1272 erhielt Heinrich nach einer Einigung mit dem Abt von St. Matthias von Papst Gregor X., der Unsicherheiten um die Trierer Kurstimme bei der nach dem Tod König Richards anstehenden Königswahl vermeiden wollte, das Pallium283, ohne daß ihm aber zumindest explizit ein Zoll wieder erlaubt wurde. Bis zum Ende des Jahrhunderts ist eine erzbischöfliche Abgabenerhebung auf Rhein oder Mosel nicht belegt. Neben dem Erzbischof trat die Stadt Koblenz seit der Jahrhundertmitte als Zollinhaber auf: 1254 schloß sie einen Vertrag mit den dortigen Deutschherren über die Bezahlung und Ausführung der neuen Stadtmauer im Bereich des triangulum von Deutschordensgebäude, Rhein und Mosel. Der Mauerabschnitt, für dessen Kosten die Brüder eine Pauschale zahlten, sollte die Ordensgebäude einschließen, wobei zur Mosel hin nur eine kleine Pforte vorgesehen war. Die Stadt versprach, den von den auswärtigen Besitzungen der Deutschherren eingeführten Wein und dessen Weitertransport nicht mit Zoll zu belegen 284 . Da diese Transporte durch die Errichtung der Mauer nun die Stadttore zu passieren hatten, ist zu vermuten, daß es den Deutschherren hier um die Freiheit von innerstädtischen Torzöllen und Wegegeldern ging. 1259 gestattete Erzbischof Arnold von Trier den Kanonikern der Koblenzer Stifte St. Kastor und St. Florin sowie den Koblenzer Rittern und Bürgern, die Einkünfte
281 Sane quotquot primo succédant novum ponentes pedagium, cum scelus proprium prosequantur, impositores utique sunt censendi... Si ergo, ut dicit, percipiebat novum pedagium predecessor, successor utique, qui scivit et passus est percipi, imposuisse dicendus est verius quam impositum percepisse, MGH Epp. saec. XIII, Bd. III, Nr. 668; HONTHEIM, Historia I, Nr. 537, S. 786. 282 So auch HOLBACH, Arnold von Isenburg, S. 46. 283 Vgl. CASPAR, Heinrich II., S. 54 ff.; HENN, Heinrich von Finstingen, S. 66. 284 nec aliquod thelonium exigemus ab eis de vino quod de fundis ac possessionibus eorum adducunt ad quemcunque locum decreuerint deducendum, CRM II, Nr. 164.
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B. Die Zolltarifierung vom 10. bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts
des Koblenzer Zolls, der ungelt genannt werde, zur Befestigung der Stadt zu verwenden, und sicherte ihnen zu, daß weder er noch seine Nachfolger sich in die Erhebung einmischen würden 285 . Der Zoll wurde zwar nicht näher beschrieben, aber schon aus dem Begriff ungelt geht klar hervor, daß es sich dabei analog zu Trier um eine umsatzproportionale Marktabgabe, eine Akzise, handelte 286 . In beiden Fällen werden Zollrechte des Simeonstifts nicht erwähnt, obgleich nach dem Tarif von 1209 der Saumtierzoll bzw. die marktbezogenen Abgaben direkt berührt waren. Aus den bisherigen Ausführungen gewinnt man zunächst den Eindruck, daß um die Mitte des 13. Jahrhunderts das Simeonstift keine Zollrechte in Koblenz mehr besessen hat. Andererseits nennt jedoch der undatierte dritte Koblenzer Schiffszolltarif 287 , der nach Lamprecht ca. 1300 entstand, das Simeonstift als Besitzer eines Koblenzer Zolls288. Bär und Hellwig versuchten, diese Diskrepanz durch eine Neudatierung des Dokuments auf 1270 bzw. 1260 zu lösen289, übergingen dabei jedoch, daß Lamprechts zeitliche Einstufung nach den im Tarif gängigen Sorten, Hellern bzw. Brabanter Denaren, gut begründet war290. Der Heller ist am Mittelrhein seit dem letzten Drittel des 13. Jahrhunderts belegt; er wurde vor allem seit den 1280er Jahren zunehmend anstelle des Kölner Denars verwendet 291 . Auf eine ähnliche Zeitstufe läßt die Verbreitung des Brabanter Denars in der weiteren Koblenzer Gegend seit dem letzten Viertel des Jahrhunderts schließen292. Berücksichtigt man, daß man die Zollsätze wohl nur in Sorten fixierte, die schon seit einiger Zeit gängig waren, wird Lamprechts Datierung vollständig gestützt: Eine Tarifierung in Hellern und Brabanter Denaren läßt eine Abfassung des Textes vor dem letzten Viertel des 13. Jahrhunderts kaum zu. Der Terminus ante quem läßt sich damit aber nur vage eingrenzen. Beide Sorten kamen noch um die Mitte des 14. Jahrhunderts an Mittelrhein und Mosel vor. Da der Trierer Erzbischof seit 1301/1309 wieder und nun dauerhaft allein als Koblenzer Zollinhaber nachweisbar ist293, muß der Tarif aber vorher entstanden
285 MRUB III, Nr. 1475. 286 Vgl. den Tarif des Trierer Ungelds aus dem Jahr 1248 (RUDOLPH/KENTENICH, Quellen, Nr. 16; tabellarische Übersicht bei LAMPRECHT, Wirtschaftsleben II, S. 315 f.), dessen Einkünfte ebenfalls zur Stadtbefestigung bestimmt waren. 287 LAMPRECHT, Wirtschaftsleben II, S. 321.
288 Notandum, quod in hunc modum hac vice recipitur theloneum sancti Simeonis in Confluentia, LAMPRECHT, Wirtschaftsleben II, S. 321. 289 Vgl. BÄR, Urkunden, S. 155 Anm. 3; HELLWIG, Moselzoll, S. 78. 290 Dies ist im Gegensatz zu HOLBACH, Regierungszeit, S. 50 Anm. 348, festzuhalten. 291 Vgl. dazu die Zusammenstellungen urkundlicher Nachrichten bei LAMPRECHT, Wirtschaftsleben II, S. 433, und HÄVERNICK, Kölner Pfennig, S. 161 f. Siehe auch NICKLIS, Geldgeschichtliche Probleme I, S. 173 f. 292 Vgl. die Belegstellenübersicht bei Lamprecht, Wirtschaftsleben II, S. 430 f.; siehe auch WEISENSTEIN, Münz- und Geldwesen, S. 25. 293 MGH Const. IV, Nr. 128 (1301 Febr. 6); ebd., Nr. 276 (1309 Febr. 6). Daß der Koblenzer Zoll gemeint war, geht aus Nr. 569 (1311 Febr. 3) hervor.
I. Der Koblenzer
Zoll und seine ältesten Tarife
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sein. Prüft man die politische Situation dieses Zeitraums294, spricht vieles dafür, daß das Abgabenverzeichnis im Jahr 1300 im Zuge der Vorbereitungen Erzbischof Dieters von Nassau zur Wiedererrichtung eines erzbischöflichen Rheinzolls aufgezeichnet wurde. Der dritte Koblenzer Zolltarif von ca. 1300 war wie seine Vorgänger geographisch nach Herkunftsorten bzw. -gebieten der Zollpflichtigen strukturiert, wobei die schon 1195 und 1209 erkennbare Tendenz zur Bildung größerer Raumeinheiten unter Verzicht auf frühere Differenzierungen fortgeführt wurde. Unterhalb von Koblenz unterschied man nur noch zwei Räume: nördlich der Waal Holland, Seeland, die entsprechenden Teile von Brabant und Geldern - auch die erstmals tarifierten englischen Kaufleute wurden dazu gerechnet - und südlich der Waal das Erzbistum Köln mit den angrenzenden Territorien. Der Moselraum wurde in die Streckenabschnitte Cochem-Pfalzel-Konzerbrück-Toul neu eingeteilt, wobei man Trier und Metz gesondert veranschlagte. Die Gebiete südlich und östlich von Koblenz wurden über die Diözesansprengel von Mainz, Worms, Speyer, Straßburg, Basel, Regensburg und Würzburg erfaßt. Eine Ausnahme bildeten lediglich die mittelrheinischen Orte der Trierer Diözese, die im Gegensatz zu 1209 einzeln aufgezählt wurden, sowie Nürnberg und Frankfurt, die neu hinzukamen. Im wesentlichen wurde damit im dritten Tarif der gleiche Raum erfaßt wie zu Beginn des 13. Jahrhunderts. Besondere Rekognitionsabgaben von Zollbefreiten sind nur noch für die Nürnberger angeführt. Der erste Kaufmann, der nach (Christi) Himmelfahrt per Schiff nach Koblenz kam, entrichtete ein halbes Pfund Pfeffer - dafür waren die anderen Händler der Reichsstadt ganzjährig zollfrei295. Weder die nach dem Tarif von 1209 völlig abgabenfreien Aachener Kaufleute noch eines der dort mit speziellen Leistungen aufgeführten geistlichen Institute werden im dritten Tarif genannt, ohne daß daraus weitergehende Schlüsse auf das Verschwinden dieser Gruppen aus dem Rhein-Moselverkehr oder auf ihre völlige Zollfreiheit gezogen werden können. Die Zollrolle verzeichnet im Gegensatz zu ihren Vorgängerinnen nur noch einen einfachen Transportmittelzoll, wobei man lediglich zwei Schiffstypen - navis mit bzw. navícula ohne festes Ruder - bei der Zollhöhe differenzierte. Weder Mengenzölle auf die Schiffsladung noch Abgaben auf den Landverkehr oder den Markthandel sind vermerkt. Wie im Tarif von 1209 wurden die Schiffe beim Transit und beim Umschlag in Koblenz verzollt, ohne daß man beide Abgaben noch trennte. Statt dessen führte man bei einigen Kaufleutegruppen den Umschlag, bei anderen den Transit, bei manchen Teile von beiden als zollpflichtig an. Man gewinnt den Eindruck, daß es dem Verfasser des Tarifs vor allem auf die systematische Auflistung
294 Vgl. unten S. 556 f. 295 Vgl. zu den Nürnberger Zollprivilegien VON STROMER, Zollfreiheiten. Die Pfeffergabe des ersten Kaufmanns war typisch für die Nürnberger Rekognitionsleistungen, vgl. ebd., S. 128 ff.; sie ist um die Mitte des 14. Jahrhunderts aber auch in Dortmund als Anerkennungsabgabe der zollbefreiten Aachener Kaufleute belegt (RÜBEL, Dortmunder U B II, Nr. 4 5 6 ) .
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B. Die Zolltarifierung vom 10. bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts
der Herkunftsräume ankam. Die verschiedenen Gelegenheiten der Zollerhebung nannte er dagegen offenbar so, wie sie ihm bei einzelnen Händlergruppen nacheinander in den Sinn kamen. Trotz dieser etwas verwirrenden Systematik besteht kein Zweifel, daß die Zollarten für alle Händler gleich waren und daß z. B. die Schiffsgrößendifferenzierung, die nur bei den Kaufleuten aus dem Niederland aufgeführt war, auch bei den anderen Kaufleuten Anwendung fand. Nach dem Tarif von 1209 war bei Transit (nur) die (unbeladene) Talfahrt zollfrei, während beim Umschlag Schiffe aus beiden Richtungen zollpflichtig waren. Die weitgehende Verschmelzung der Schiffszölle auf Transit und Umschlag zu einer einzigen Transportmittelabgabe führte wahrscheinlich im Laufe des 13. Jahrhunderts dazu, daß auch für unbeladene Schiffe die Talfahrt nicht mehr zollfrei war - zumindest fehlen entsprechende Hinweise im dritten Tarif. Vergleicht man, soweit möglich, die Zollsätze um 1300 mit denen von 1209, fällt zunächst auf, daß überwiegend der Brabanter Pfennig an die Stelle des Kölner Denars trat; lediglich die Abgaben der Moselkaufleute waren in Hellern bzw. in Trierer oder Metzer Denaren fixiert. Der Übergang von der Kölner zur Brabanter Münze brachte es mit sich, daß - bei gleichbleibenden Nominalsätzen - die realen Abgaben zum Ende des Jahrhunderts gegenüber 1209 gesunken waren: Hatte der Kölner Denar unter den Erzbischöfen Dietrich von Heimbach (1208-1212) und Engelbert von Berg (1216-1225) noch um 1,36g bzw. 1,46g gewogen, d.h. 1,22g bzw. 1,31 g Feinsilber enthalten 296 , so war dies ein Qualitätsstandard, dem die Brabanter Pfennige von 1283 mit 1,27 g fein und 1291 mit 1,185 g fein noch in etwa entsprachen; in der Folgezeit bis 1328 sanken sie jedoch rapide auf knapp ein Gramm ab297. Ein großer Teil der Zölle wurde unverändert oder mit nur geringfügigen nominalen Abweichungen aus dem Tarif von 1209 übernommen. Dies galt für die Kaufleute aus den Gebieten nördlich von Köln, vom Mittelrhein, aus den Bistümern Mainz und Straßburg, sowie für die Romani. Auch die Zölle der Moselkaufleute scheinen im wesentlichen gleichgeblieben zu sein298; für die Touler und vermutlich auch die Met-
296 Dies gilt zumindest für das Gewicht der noch im 19. Jahrhundert im Kölner Stadtarchiv vorhandenen (jetzt verlorenen) Probedenare, vgl. KRUSE, Geldgeschichte, S. 8 f., 16. Das Verhältnis zwischen Rauh- und Feingewichten ist mit einigen Unsicherheiten belastet, da systematische Untersuchungen über den Feingehalt der Münzen des Untersuchungsraums nicht vorliegen. Weiller klammert diese Frage in seinem 1988 erschienenen Kompendium über die Trierer Münzen bis 1307 ausdrücklich aus (vgl. WEILLER, Trier, S. 105). Die hier und an anderen Stellen zitierten Angaben zu rauhen und feinen Münzgewichten sollen lediglich Tendenzen verdeutlichen; sie erheben selbstverständlich nicht Anspruch, auf einer umfassenden Sichtung der numismatischen Literatur zu beruhen. 297 Die Gewichte nach LAMPRECHT, Wirtschaftsleben II, S. 439. 298 Nach dem Tarif von 1209 betrug der Moseltarif unterhalb von Pfalzel und oberhalb von Konzerbrück zehn pfündige oder sechs Kölner Denare, nach der Zollrolle von ca. 1300
I. Der Koblenzer Zoll und seine ältesten Tarife
153
zer gingen sie sogar zurück. Die Abgaben der Händler aus dem Speyerer Bistum ermäßigten sich auf drei Viertel 299 , die der Regensburger sogar auf weniger als ein Drittel ihrer früheren Höhe (von 37 auf zwölf Denare). Einzig die Baseler hatten einen nachweislich höheren Zollsatz als zu Beginn des Jahrhunderts. Da die meisten Kaufleute real z. T. deutlich weniger als 1209 für ihre Schiffe zu zahlen hatten, bietet der dritte Koblenzer Zolltarif im Vergleich zu seinem Vorgänger ein diametral entgegengesetztes Bild. Beide Texte weisen zudem einen fundamentalen Unterschied auf: Während die Zollrolle vom Beginn des Jahrhunderts nur einen - und vermutlich noch nicht einmal den wichtigsten - Teil der gesamten Koblenzer Abgaben auf Rhein- und Moselverkehr aufführte, gibt es weder im Tarif von ca. 1300 noch aus anderen Quellen einen Hinweis darauf, daß zu dieser Zeit in Koblenz andere als die notierten Transportmittelzölle erhoben wurden. Menge und Wert der Ladung fanden nur sehr grob in der Differenzierung nach zwei Schiffsgrößen Berücksichtigung, waren aber nicht gänzlich ohne Belang, obgleich ein spezifischer Mengenzoll nicht (mehr) existierte: Wenn eine navicula übermäßig viel geladen hatte, war der Zoll der höheren Schiffsklasse fällig300. Ferner galt die Zollfreiheit der Koblenzer nur für den Fall, daß sie keine fremden Handelswaren geladen hatten. Die nahezu idealtypische, anscheinend >archaische< Transportmitteltarifierung des dritten Koblenzer Zolltarifs ist zunächst verwunderlich, zeigten doch die Vorgängertarife Ansätze zu einer Erhebung von warenbezogenen Mengenzöllen, die - wie oben wahrscheinlich gemacht werden konnte - auch für Massengüter bereits 1209 fest etabliert waren; an der Wende zum 14. Jahrhundert scheinen sie aber wieder verschwunden zu sein. Lamprecht hat diese »auf den ersten Blick unverständliche Thatsache« damit erklärt, daß die Trierer Erzbischöfe in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts den zögernden Übergang des Simeonstifts zur Wert- bzw. Mengenveranschlagung nutzten, um ihrerseits usurpatorisch einen neuen Zoll nach diesem
waren es jeweils 20 Heller. Ein nominal unveränderter Zoll ergibt sich, wenn man - wie dies im dritten Tarif durchgängig geschah - den Kölner durch den Brabanter Pfennig ersetzt und diesen zu 1,1 g bzw. den Heller zu 0,33 g rechnet, was die Verhältnisse um 1300 etwa treffen dürfte. Die Trierer waren zu dieser Zeit mit zwölf Hellern, statt wie zu Beginn des Jahrhunderts mit acht Trierer Denaren veranschlagt. Für einen gleichbleibenden realen Zoll hätten die Pfennige rund 0,5 g wiegen müssen, was durch überlieferte Gepräge (Weiller Nr. 159, Durchschnittsgewicht 0,54 g, und Weiller Nr. 161, zwei Stücke mit 0,37 bzw. 0,44 g) aus der Zeit Erzbischof Boemunds von Warsberg (12891299) in etwa gedeckt ist (vgl. WEILLER, Trier, S. 105, 496-503). Münzen aus dem Pontifikat Dieters von Nassau (1300-1307) sind bislang nicht bekannt. 299 Nämlich von zwölf pfündigen bzw. acht Kölner Denaren (StA Trier Ms 1610c/415, S. 6 f.) auf sechs Brabanter Denare. Die Edition des Tarifs von 1209 (MRUB II, Nr. 242) hat fälschlich zwölf pfündige/sechs Kölner Denare. 300 De parva navicula sine remigio alligato 1 den. Brab., nisi portarent plus de mercimoniis, quam naviculum huius modi valere posset, tunc solveret 3 s. 1 den. ut prius, H E L L W I G , Moselzoll, S. 98 Anm. 4. Diese Bestimmung fehlt in der Edition Lamprechts.
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B. Die Zolltarifierung vom 10. bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts
System zu errichten. Nach Lamprecht bestanden seit der zweiten Jahrhunderthälfte zwei Zölle in Koblenz: die Transportmittelabgabe des Simeonstifts und der erzbischöfliche Mengen- oder Wertzoll, der erst 1310 (sie!) durch Heinrich VII. legalisiert worden sei, dessen Fortbestand Lamprecht aber offenbar auch für die Zeit nach der päpstlichen Aufhebungsverfügung annimmt301. Hellwig ging demgegenüber davon aus, daß die Aufzeichnung des dritten Tarifs nach dem Verzicht des Simeonstifts auf die Stadtkoblenzer Zollgefälle vom Land- und Marktverkehr um 1260 stattfand, um die verbliebenen Zollrechte zu sichern. Heinrich von Finstingen habe kurz darauf das Unvermögen der Kanoniker, von einer Transportmittel- zu einer Wertzolltarifierung zu wechseln, genutzt, um den Koblenzer Flußzoll an sich zu bringen, wobei mit dem Stift vermutlich ein Vergleich getroffen worden sei302. Obgleich beide Erklärungen schlüssige Elemente aufweisen, können sie insgesamt nicht befriedigen: Lamprecht geht von einem erzbischöflichen Zoll in Koblenz für die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts aus, der nicht durch eine einzige urkundliche oder chronikalische Quelle bezeugt ist. Hellwigs Interpretation gründet dagegen auf einer Abfassung des dritten Tarifs um die Jahrhundertmitte, die durch die genannten Münzsorten weitgehend auszuschließen ist. Es scheint daher geboten, noch einmal auf den Zeitraum zwischen 1247 und 1267 zurückzukommen, der offenbar für den Umbruch der Koblenzer Zollverhältnisse von entscheidender Bedeutung war. Relativ klar ist, daß das Simeonstift in den 1250er Jahren Land- und Marktzoll verloren hat. Seit dieser Zeit erhob die Koblenzer Stadtgemeinde dort sehr ähnliche Abgaben, während entsprechendes vom Simeonstift nicht mehr belegt ist. Gleichwohl kann auch nicht ganz ausgeschlossen werden, daß für eine Übergangsphase stiftische und städtische Zölle auf Land- und Marktverkehr in Koblenz nebeneinander existierten. Für den Flußzoll ist man zunächst geneigt, eine ähnliche Entwicklung anzunehmen, wenn nicht der dritte Tarif das Simeonstift als Besitzer nennen würde. Ohne daß hier völlige Klarheit zu erreichen ist, liegt mit Lamprecht der Schluß nahe, daß die Trierer Kanoniker zumindest den transportmittelbezogenen Teil des Koblenzer Zolls bis zum Ende des 13. Jahrhunderts besessen haben. Dagegen scheint sich bereits Erzbischof Arnold um 1250 den Mengenzoll auf den berg- und talfahrenden Rhein- und vermutlich auch Moselverkehr angeeignet zu haben. Zwar ist in den Quellen dieser Zeit immer von einem Rheinzoll die Rede, jedoch gibt auch der dritte Tarif keinen Anhaltspunkt, daß Arnold den Mengenzoll an der Mosel dem Stift beließ. Überdies ist eine organisatorische Trennung von Rhein- und Moselzoll erst seit dem ersten Drittel des 14. Jahrhunderts bezeugt303. Ein Rheinzoll hatte für die benachbarten Erzbischöfe von Köln und Mainz, die sich zuerst beim Papst über Arnold beklagten, naturgemäß eine wesentlich höhere Bedeutung als die Belastung des Moselverkehrs, die deswegen möglicherweise keine gesonderte Beachtung fand.
301 Vgl. LAMPRECHT, Wirtschaftsleben II, S. 304 f. mit A n m . 2.
302 Vgl. HELLWIG, Moselzoll, S. 78 f. 303 Vgl. zu dieser Frage HELLWIG, Moselzoll, S. 79 f.
I. Der Koblenzer
Zoll und seine ältesten Tarife
155
Ob und wie sich Arnold mit dem Simeonstift einigte, ist nicht ganz klar. Einerseits beschwerte es sich 1257 zusammen mit dem Domkapitel und dem Paulinstift gegen Übergriffe des Erzbischofs304, andererseits sind direkte Simeoner Klagen über eine Schädigung seiner Zollrechte nicht bekannt. Dabei ist jedoch zu bedenken, daß der Trierer Erzbischof nicht nur als Landes-, sondern vor allem auch als Eigenkirchenherr des Stifts gegenüber dessen autonomen Besitzrechten eine relativ starke Position hatte. Johann I. (1190-1212) war zudem der letzte Trierer Erzbischof, der St. Simeon den Koblenzer Zoll nachweislich bestätigte 305 . Möglicherweise waren auch die Besitzverhältnisse zwischen Erzbischof und Stift bis zum Ende von Arnolds Pontifikat noch nicht vollständig geklärt; denn es fällt auf, daß sein Nachfolger Heinrich von Finstingen eine erzbischöfliche Zollerhebung in Koblenz zwar wiederholt auf seinen Vorgänger zurückführte, jedoch an einer Stelle angab, er habe bei seinem Amtsantritt (1260) die Trierer Kirche gleichsam (quasi) im Besitz des Koblenzer Zolls vorgefunden 306 - eine wohl bewußt dehnbar gewählte Formulierung, die Rechte anderer weder nannte noch leugnete. Obgleich im Prozeß gegen Heinrich vor der päpstlichen Kurie der Vorwurf, einen neuen Zoll eingerichtet zu haben, offensichtlich instrumentalisiert wurde, um dem Elekten möglichst viele Vergehen anzuhängen, ist ein wahrer Kern nicht auszuschließen. Zuletzt ist zwar auch vom Papst anerkannt worden, daß der Zoll schon unter Arnold bestand, jedoch wäre es merkwürdig, daß einer der ersten Vorwürfe gegen Heinrich auf die Errichtung eines neuen Zolls lautete, wenn der Elekt real nicht mehr als eine bloße Übernahme zu verantworten hatte. Es ist daher gut möglich, daß eine Zollerhöhung durch Heinrich, der den Zoll nachweislich zuerst aus der fiskalischen Perspektive betrachtete 307 , die Aufmerksamkeit seiner Gegner auf die Koblenzer Verhältnisse zog. Wie schon oben bemerkt wurde, trat das Simeonstift im Prozeß nicht mit einer Klage über die Beeinträchtigung seiner Zollrechte hervor, woraus Hellwig auf einen friedlichen Ausgleich mit dem Erzbischof schloß308. Ungetrübt war das Verhältnis St. Simeons zu Heinrich von Finstingen jedoch keineswegs, was auch schon daran erkennbar ist, daß sich dessen Kanoniker im Streit um die Abtei St. Matthias, der schließlich zum nahezu alleinigen Thema des Prozesses wurde, auf die Seite des vom Elekten vertriebenen Abtes stellten309. Welche Rolle der Koblenzer Zoll bei der Parteinahme spielte, muß allerdings offenbleiben. Um sich aus der Exkommunikation zu lösen, stellte Heinrich die Zollerhebung 1261/1262 ein; er hat während seines noch rund vierzehnjährigen Pontifikats offenbar
304 M R U B III, Nr. 1388. 305 M R U B II, Nr. 291. 3 0 6 HONTHEIM, Historia I, Nr. 535, S. 769.
307 Vgl. seine Argumentation über den Unterschied zwischen Zoll und Geleitgeld, den er über den Ertrag (500-1000 Mark gegenüber 40 Mark im Jahr) definierte (HONTHEIM, Historia I, Nr. 535, S. 770). 308 Vgl. HELLWIG, Moselzoll, S. 78 f. 309 Vgl. den Bericht der Gesta Treverorum, MGH SS XXIV, S. 422 ff.
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B. Die Zolltarifierung
vom 10. bis zum Beginn des 14.
Jahrhunderts
keine Versuche zu einer Wiedereinrichtung der Abgabe unternommen. Für das Trierer Erzstift bedeutete dies einen enormen Einnahmeausfall in einer Zeit, als benachbarte Territorien ihre Rheinzölle ausbauen konnten. Auch für das Simeonstift muß diese Situation unbefriedigend gewesen sein: Es hatte sich gewiß nicht aus eigenem Antrieb von den ertragreichen Koblenzer Mengenzöllen auf den Schiffsverkehr auf Rhein und Mosel getrennt, und als sie dem Erzbischof durch den Papst verboten wurden, waren sie auch für das Stift verloren. St. Simeon fehlte offenbar die Möglichkeit, den Status quo ante wiederherzustellen, ohne den Verdacht zu erwecken, mittelbar den erzbischöflichen Interessen zu dienen. Die Kanoniker mußten sich daher mit dem vergleichsweise wenig ergiebigen Transportmittelzoll begnügen, bis auch dieser ihnen unter Dieter von Nassau verloren ging310. Es bleibt offen, ob das Stift kontinuierlich diesen Zollteil erhob oder ob es nach 1262/1267 aus den vom Erzbischof übernommenen Zollbestandteilen nur die Transportmittelabgabe zurückerhielt. Aus Sicht des Erzbischofs wäre es durchaus sinnvoll gewesen, dem Stift bei der Neugestaltung der Koblenzer Zollverhältnisse in der Jahrhundertmitte diesen Teil der Abgabe zu belassen. Unter Verweis auf den Tarif von 1209 und dessen Vorgänger, die beide hauptsächlich Schiffsabgaben verzeichnen und Mengenzölle nur am Rande erwähnen, konnte er auf diese Weise argumentieren, daß das Stift immer nur einen Transportmittelzoll besessen habe, und sich damit den wichtigeren Mengenzoll sichern, ohne daß man ihm direkt nachweisen konnte, die Kanoniker in ihren Rechten verkürzt zu haben. Eine nur teilweise Aneignung des Koblenzer Flußzolls würde auch dazu passen, daß das Simeonstift zwar eher auf Seiten der Gegner Arnolds und Heinrichs zu finden war, jedoch den Prozeß gegen den Elekten nicht zu einer eigenen Klage nutzte. Nicht auszuschließen ist dabei aber auch, daß St. Simeon weitgehend stillhielt, weil es angemessen für den Verlust entschädigt worden war.
310 Vgl. dazu unten S. 556 f.
II.
Die Flußzolltarifierung in den Rheinlanden bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts
II.l
Das Transportmittel als Bemessungsgrundlage der Zollerhebung
Im Gegensatz zu der dichten, für die Tarife gar einzigartigen Koblenzer Überlieferung erlaubt es die Quellenlage für die anderen Transitzölle im Untersuchungsraum nicht, die innere Entwicklung jeweils im einzelnen nachzuzeichnen und zu einem Gesamtbild der Tarifierung in den Rheinlanden zusammenzufügen. Dieses Ziel muß auf anderem Wege erreicht werden: durch die systematische Sichtung der vor allem Zollprivilegien zu entnehmenden indirekten Hinweise und deren Verknüpfung mit den disparaten direkten Tarifangaben. Die Quellenlage für die ottonische Zeit ist eher mager. Zwar sind eine Reihe von Zollbefreiungen überliefert, doch erweisen sich diese inhaltlich oft als wenig ergiebig. Zum Teil sind sie nach karolingischen Vorlagen gestaltet 1 und lassen so kaum Spezifisches des 10. Jahrhunderts erkennen, z. T. sind sie in Immunitätsprivilegien enthalten und dann meist so allgemein formuliert, daß schon die Art des Zolls kaum zu fassen ist, geschweige denn die Tarifierung2; nicht selten kommt auch beides zusammen 3 .
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So bestätigte z. B. Otto II. 974 die Zollfreiheit der Straßburger Kirche (MGH D O II, Nr. 73) im Wortlaut von D LdD, Nr. 148 (die entsprechende Urkunde Ottos I. [D O I, Nr. 162] ist eine neuzeitliche Fälschung, vgl. die Vorbemerkung zu D LdD, Nr. 148). Vgl. Diplom Ottos I. von 947 für das Stift Essen: Precipimus quoque, ut nullus iudex publicus vel quislibet ex iudiciaria potestate in loca predicti monasterii, quae vel nunc possidet vel deinceps que in iure ipsius sancti loci voluerit divina pietas augeri, ad causas audiendas vel freda aut tributa aut coniectos aliquos exigendos aut mansiones vel paratas /atiendas aut fideiussores tollendos aut homines istius ecclesie restringendos nec alias illicitas occasiones requirendas nostris et futuris temporibus ingredi audeat ñeque teloneum neque parafredos vel ea que supra memorata sunt penitus exigere presumat nemoque ad mallum convocandi homines eiusdem ecclesie servos litos vel liberos habeat potestatem, nisi advocatus quem abbatissa eiusdem loci ad hoc opus delegerit, MGH D O I, Nr. 85 (= RhUB II, Nr. 164); vgl. zur vieldiskutierten Echtheit der Urkunde die ausführliche Vorbemerkung von Wisplinghoff zu RhUB II, Nr. 164). So etwa als 948 Otto I. dem Kloster Kornelimünster die von seinen Vorgängern verliehenen Immunitätsprivilegien bestätigte: ut nullus iudex publicus ... ingredi presumat nec freda aut tributa vel mansiones aut paratas aut teloneum ripaticum portaticum pontaticum salutaticum rotaticum pulveraticum trabaticum aut fideiussores tollere aut homines tarn ingenuos quam servos super terram istius monasterii commanentes distringere nec ullas publicas functiones aut redibitiones vel illicitas occasiones requirere, MGH D O I, Nr. 102.
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B. Die Zolltarifierung vom 10. bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts
Für den Untersuchungsraum liegen zwei Zollbefreiungen aus dem Trierer Raum vor, die Rückschlüsse auf das System der Zollbemessung zulassen. Im Jahr 947 befreite Otto I. die familia Erzbischof Ruotberts von Trier vom Zoll an Rhein und Mosel sowie an den übrigen Zollstätten des Reiches, wo immer die Trierer auch mit ihren Fahrzeugen hingelangten 4 . 973 bestätigte Otto II. dem Kloster St. Maximin vor Trier die Privilegien seiner Vorgänger und verbot dabei u. a., von Maximiner Schiffen Zoll zu erheben 5 . In beiden Fällen wurde die Erhebung von Flußzöllen auf das Transportmittel (vehiculum, navis) bezogen; dagegen ist nicht erkennbar, daß die Ladung als Bemessungsgrundlage herangezogen wurde. Ein ähnliches Bild bieten die Urkunden Ottos II. und seines Nachfolgers Ottos III. zugunsten des Lütticher Hochstifts: 983 schenkte Otto II. Bischof Notker den Jahrmarktzoll zu Visé (nordöstlich von Lüttich an der Maas), dessen Ertrag
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Similiter quoque theloneum eiusdem familie dimittimus iuxta Renum et Mosellam fluvios tarn eis quam citra et in omnibus locis regni nostri, ubicumque thelonea exiguntur, quocumque vehiculo pergant, siculi et dimissum in preeeptis regalibus a predecessoribus nostris invenimus, ita ut Semper soluti theloneum a nemine cogantur solvere nec in castellis nec in villis, MGH D O I, Nr. 86. Das Diplom gibt sich als Bestätigung von Immunität und Zollfreiheit laut vorgelegten Urkunden Ludwigs des Frommen (816 Aug. 27, MRUB I, Nr. 50) und anderer Herrscher. Die Zollbefreiung läßt sich in dieser Form jedoch nicht aus Vorgängerurkunden entnehmen; de facto war es demnach eine Neuverleihung oder zumindest eine bedeutende Erweiterung, da die Abgabenfreiheit vordem nur auf das Immunitätsgebiet bezogen war. Bemerkenswerterweise ließen sich die Trierer Erzbischöfe 973 von Otto II. (MGH D O II, Nr. 52) und 988 von Otto III. (MGH D O III, Nr. 51) wieder wörtlich das Immunitätsprivileg Ludwigs des Frommen bestätigen, ohne daß dabei jedoch eine Zollfreiheit der erzbischöflichen familia an Rhein und Mosel erwähnt wurde. - Das Diplom (D O I , Nr. 86) wird von THOMAS, Kaisergleicher König, als Fälschung verdächtigt, die nach 1006 entstanden sei. Wenn dies zutreffen sollte, ist die Passage über die Zollfreiheit an Rhein und Mosel, die in der Serie der Trierer Immunitätsdiplome nur hier auftaucht, zweifellos verdächtig. Die Verwertung als - entsprechend später zu datierende - Nachricht über die Transportmitteltarifierung ist jedoch unproblematisch.
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ut nulla cuiuslibet iuditiariae dignitatis persona in curtibus eorum placitum habere presumat, theloneum a navibus eorum nullus exigat familiaque eorum bannum et fredas nulli nisi abbati persolvat, nulliusque nisi abbatis vel ab eo constitutorum placitum attendai, et in singulis civitatibus imperialibus vel prefectoriis liberam potestatem habeant intrandi et exeundi vendendi et emendi pascendi et adaquandi eique opera imperiali vel comitialia funditus perdonamus, MGH D O II, Nr. 42. Während dieses Diplom unzweifelhaft echt ist, gehören die anderen ottonischen Zollbefreiungen für dieses Kloster zu den berühmten Maximiner Fälschungen. Das scheinbar vorausgehende D O I, Nr. 391 (»970 März 29«) wurde unter Benutzung einer echten Vorlage, u. a. D O II, Nr. 42, im dritten Viertel des 11. Jahrhunderts angefertigt. Gleiches gilt für die auf die Namen Karls des Großen und Ludwigs des Frommen ausgestellten Fälschungen, die eine Maximiner Schiffszollfreiheit enthalten (MGH D Karol. I, Nr. 276; MRUB I, Nr. 54). Vgl. dazu KÖLZER, St. M a x i m i n , S. 72 f., 102 f., 115 f.
/ / . Die Flußzolltarifierung
bis zum Beginn des 14.
Jahrhunderts
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unter anderem ex reditu navium bestand 6 . Zwei Jahre später übertrug Otto III. dem Bischof die verbliebenen königlichen Einkünfte und Rechte der Grafschaft Huy, darunter Münze und Zoll, und dehnte auf sie die bereits bestehende Lütticher Immunität aus. Kein Graf sollte in Maastricht, Huy, Namur, Dinant sowie dem übrigen bischöflichen Besitz Gericht halten und tributa, insbesondere auch Zölle bzw. Abgaben auf den Aufenhalt von Schiffen, erheben dürfen 7 . Kurz darauf (987/988) bestätigte der König der Lütticher Kirche die Fiskalabgaben in Maastricht und nannte dabei insbesondere den Zoll von Schiffen, von der Brücke und vom Markthandel des Ortes 8 . Wie in den Trierer Quellen waren die Flußzölle auf das Transportmittel bezogen; unterschiedliche Abgaben auf Handelswaren (wie in Visé) sind nur im Zusammenhang mit dem eigentlichen Marktverkehr belegt. Da gegenteilige Hinweise nicht vorliegen, wird man, ohne diese wenigen Quellen über Gebühr zu beanspruchen, daher festhalten können, daß sich das System der Zollveranschlagung gegenüber der karolingischen Zeit nicht grundlegend geändert hatte. Das Transportmittel für Handelswaren war die wichtigste Kategorie der Zolltarifierung. Für das 11. Jahrhundert ist die Quellenlage des Untersuchungsraums noch dürftiger als für die ottonische Zeit. Sieht man von den für tarifäre Fragestellungen wenig aussagekräftigen Immunitätsprivilegien mit allgemein gehaltener Zollbefreiung ab9, stehen neben einer Urkunde für das Bistum Metz lediglich die im dritten Viertel des 11. Jahrhunderts in St. Maximin auf die Namen Karls des Großen, Ludwigs des Frommen und Ottos I. gefälschten Stücke 10 zur Verfügung: 1052 bestätigte Kaiser Heinrich III. der Metzer Kirche Immunität und Königsschutz sowie alle Fiskalabgaben auf Immunitätsgebiet, zu denen expressis verbis auch Schiffs- und alle anderen Zölle gezählt wurden 11 . In der angeblichen Urkunde Ottos I. wurde verfügt, daß, wo
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donamus ... anniversarium iam dicti mercati teloneum in villa Viesato totum et ad integrum ... quicquid videlicet ex coemptione animalium vel ex omni genere tarn vestium quam ferri et metallorum vel ex reditu navium vel ex omnium commercio vectigalium vel ex iure forali vel districto iudiciali possit provenire, M G H D O II, Nr. 308. Vgl. dazu ZOLLER, Tonlieu de Visé. ut nullus comes... in loca supradicta (nämlich Maastricht, Huy, Namur, Dinant) residere audeat vel ad causas audiendas autfreda aut tributa aut bannos aut telonea aut redditum de statione navium aut aliquod omnino districtum exigendum, M G H D O III, Nr. 16. in Traiecto quicquid regalis ius fisci exigere poterai in moneta et teloneo tarn in navibus et ponte quam foro et vicis exitibus et reditibus ipsius loci, M G H D O III, Nr. 45. So z. B. die Immunitätsbestätigung Heinrichs II. 1003 für das Stift Essen: neque theloneum sive parafredos in aliquibus eiusdem monasterii locis ab hominibus sui iuris exigere, M G H D H II, Nr. 39a (= R h U B II, Nr. 170). Vgl. dazu KÖLZER, St. Maximin, S. 72 f., 102 f., 115 f. Et quicquid de praefate rebus ecclesie ius nostri exigere poterai, in integrum eidem concessimi ecclesie ... specialiter tarnen de fredis coniectis atque teloneis navali[b]us ceterisque omnibus teloneis et de cunctis ad eandem ecclesiam iure et legaliter pertinentibus ... confirmamus, M G H D H III, Nr. 287.
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B. Die Zolltarifierung vom 10. bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts
immer die Schiffe des Klosters St. Maximin oder dessen homines hingelangten, niemand von ihnen Zoll erheben dürfe 12 . Den gleichen Passus enthielt auch ein angebliches Diplom Ludwigs des Frommen 13 bzw. das Spurium auf Karl den Großen, dort jedoch ohne Erwähnung Maximiner Höriger 14 . Soweit es diese wenigen Texte erkennen lassen, wurde auch im 11. Jahrhundert die Veranschlagung an den Flußzöllen nach dem Transportmittel, dem Schiff, vorgenommen; Hinweise auf eine gesonderte Berücksichtigung der Ladung sind den Quellen nicht zu entnehmen. Als Zwischenbilanz läßt sich mit der durch die geringe Quellendichte gebotenen Zurückhaltung festhalten, daß der älteste Koblenzer Zolltarif nach dem Eindruck, den das auf den Mosel- und Maasraum konzentrierte Material vermittelt, in der Zollbemessung nach dem Transportmittel durchaus repräsentativ zu sein scheint, ohne daß sich allerdings sagen läßt, ob und wieweit die dort erkennbare Abgabenstaffelung nach Herkunft der Kaufleute auch an anderen Zöllen Anwendung fand oder wie es dort um die Verzollung besonders wertvoller Handelswaren bestellt war.
II.2
Der Übergang vom Transportmittel zur Ladungsmenge als Prinzip der Zollbemessung
Das 12. Jahrhundert hat sich bei der Diskussion der Koblenzer Quellen als derjenige Zeitraum herausgestellt, in dem neben den älteren, hauptsächlich an das Transportmittel anknüpfenden Zoll neue, jetzt warenbezogene Mengenzölle traten, die zuerst in der Zollbefreiung für das Kloster Eberbach aus dem Jahr 1185 klar zu fassen sind, aber dort bereits als selbstverständlich vorausgesetzt wurden 15 . Im Untersuchungsraum finden sich erste Hinweise auf diese Art von Transitabgaben für das Jahr 1136, als Pfalzgraf Wilhelm das Stift Springiersbach vom Cochemer Flußzoll befreite. Anders als in seinem sechs Jahre zuvor zugunsten der Trierer Abtei St. EuchariusSt. Matthias ergangenen Zollprivileg, das lediglich auf einen transportmittelbezogenen Cochemer Flußzoll schließen läßt16, wurde hier ausdrücklich festgelegt, daß, was immer die Springiersbacher Schiffe zum Nutzen bzw. Bedarf des Stifts (mosel-)
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Addidimus etiam secundum privilegia antecessorum nostrorum ut, ubicumque naves monachorum deo in predicto loco sub regula sancii Benedicti militantium vel homines eorum pervenerint, nullus ab eis theloneum exigere audeat, MGH D O I, Nr. 391. ut ubicumque naues eorum uel homines peruenissent nullus teloneum ab eis exigere auderet, MRUB I, Nr. 54. ut nullus ... nec theloneum usquam a navibus eorum exigat seu placitum teneat sine iussione et petitione abbatis, MGH D Karol. I, Nr. 276. Vgl. oben S. 141 f. nauale theloneum quod memoratum sanctorum familia de nauium suarum transuectione ante castellum nostre hereditatis quod Kuchema dicitur persoluere deberet rogatu domni Eberhardi eiusdem loci abbatis suorumque fratrum perpetuo donaui, MRUB I, Nr. 469.
II. Die Flußzolltarifierung
bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts
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aufwärts und abwärts transportierten, vom Zoll vor der Burg Cochem frei sein sollte17. Nicht nur die Herkunft des Schiffes, auch die Art der Ladung war also für die Zollbemessung von Belang. Daß in Cochem neben den Transportmittel- bereits ein Mengenzoll getreten war, wird besonders gut in der Bestätigung dieser Zollfreiheit durch König Konrad im Jahr 1143 sichtbar, als man den Rechtsinhalt unter Verwendung der pfalzgräflichen Urkunde neu formulierte: ut naves iam sepedicto monasterio pertinentes et res fratrum vel victualia vehentes nullum in descensu vel ascensu fluminis seu ripe theloneum aut publicam sive privatam pensionem persolvant18. Demnach wurden victualia, unter denen man wohl landwirtschaftliche Erzeugnisse, insbesondere Getreide und Wein, zu verstehen hat, nicht mehr (nur) mittelbar über einen (pauschalen) Schiffszoll erfaßt, sondern sie waren mit gesonderten Abgaben belegt, deren Höhe aller Wahrscheinlichkeit nach von der geladenen Menge des jeweiligen Gutes abhängig war. Inwieweit diese Beobachtungen auch für die anderen im 12. Jahrhundert nachweisbaren Hebestellen an der Mosel Gültigkeit beanspruchen können, ist nur teilweise zu klären. In dem 1140 entstandenen Tarif des zu Schleich (bei Mehring) gelegenen Zolls des Trierer Klosters St. Maria (in ripa) wird ein Zoll von einem Denar de quolibet uase paruo uel magno super terram posito erwähnt, daneben hat man aber auch unterschiedliche Sätze auf Schiffe, Wagen, Karren, Pferde und Esel verzeichnet, ohne daß für deren Ladung bzw. Traglast eigene Abgaben genannt sind19. Soweit es sich aus den knappen, möglicherweise unvollständigen Angaben der Quelle schließen läßt, wird man von einem transportmittelbezogenen Fluß- bzw. Landzoll auszugehen haben, der für den Warenumschlag eine gesonderte Mengenabgabe umfaßte. 1177 kam es am Kardener Moselzoll zu Konflikten, weil der trierische Zöllner von den Transporten der Abtei St. Trond teloneum erhob, was nach deren Behauptung vorher niemals üblich gewesen war. Erzbischof Arnold ließ die Angelegenheit untersuchen und kam zu dem Ergebnis, daß das Kloster de jure nur ein ferto Kölner Denare je Schiff zu zahlen hatte 20 . Die Zollvergünstigung bestand also in der Beschrän-
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Super hec etiam theloneum in castro meo Cuchemo eis remisi ut quicquid naues eorum deferunt uel afferunt quod utilitatibus uel necessitatibus eorum competat cum omni quiete eant et redeant et a nemine quicquam grauedinis sentiant, MRUB I, Nr. 490. 18 MGH D Ko III, Nr. 93. 19 Theloneum quod toto anno soluitur in eadem uilla (Sleich) est ecclesie debetur autem de quolibet uase paruo uel magno super terram posito denarius unus de naui quatuor de quadriga quinque de biga duo de equo uel asino obulus, MRUB I, Nr. 514. 20 Notum igitur facimus presentibus et futuris, quod thelonearius Karodonensis, cum ecclesiam beati Trudonis de jure suo gravere vellet et teloneum, quod numquam solvere consueverat, ab ipsa exigeret, petitione dilectifdii nostri Cuonradi, abbatis S. Maximini, qui de eadem ecclesia assumtus est, veritatem diligenter exquisivimus et quod de singula navi firtonem tantum Coloniensium denariorum eadem ecclesia de iure solvere debeat comperimus, PiOT, Cartulaire I, Nr. 96.
162
B. Die Zolltarifierung vom 10. bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts
kung auf eine konkret fixierte, im Vergleich mit den Koblenzer Sätzen allerdings sehr hohe 2 1 Transportmittelabgabe. Gleichwohl stellte sie insgesamt einen so kleinen bzw. uncharakteristischen Teil des Kardener Flußzolls dar, daß man ihr den lateinischen Terminus technicus teloneum vorenthielt 22 - dieser Begriff war vielmehr für den >eigentlicheneigentlichen< Zoll und dem Geleitgeld eine gesonderte Abgabe erhoben, die »Knappenpfennige«, von denen allerdings nur vermutet werden kann, daß sie Nachfolger älterer Schiffszölle waren 58 . Aus einer Lahnsteiner Zollrechnung von
56
REK III.2, Nr. 3242. Die Urkunde scheint nach ihren äußeren Merkmalen (Siegellöcher, aber keine Besiegelungsspuren) nicht vollzogen worden zu sein. Über den Neusser Salzzoll ist nur wenig bekannt. Vermutlich handelte es sich aber um eine Akzise und nicht eine gesonderte Transitabgabe. Der von HUCK, Neuss 1, S. 130 f., zu 1363 angeführte Beleg bezieht sich offensichtlich auf den allgemeinen Rheinzoll. In der Aufzählung der erzbischöflichen Rechte in Neuss aus dem Jahr 1373 (Mai 27, REK VIII, Nr. 850 = LAC. III, Nr. 742 zu Juli 12) wird ein spezieller Salzzoll nicht erwähnt. 57 non plus racione thelonii tenentur solvere quam duos denarios consuetos de carrata et quatuor denarios de quolibet vase ... Item de qualibet nave, vina huiusmodi ducente, sive magna fuerit sive parva, racione pretheolonii tres denarios et non plus... Item de qualibet nave cerevisia onerata non plus solvent quam tres denarios, sive navis magna fuerit sive parva ... De aliis vero mercimoniis theolonium debentibus, si in dictis vel aliis navibus devexerint, solvent theolonium racionabile secundum quod alii mercatores, ScHOLZBABISCH, Q u e l l e n , N r . 62.
58
Vgl. z. B. die 1266 für Kaub ausgestellte Zollbefreiung des Klosters Eberbach: quatinus dictum abbatem et nuntios sui conventus per vos aut alveum Reni transitum facientes libere et sine theloneo transire permittatis saluis rebus eorum omnibus et personis. Nolumus etiam, ut illi denarii, qui knappenpeninga dicuntur, ab eisdem aliquatenus exigantur, immo volumus, quod omnibus liberi sint et soluti, ROSSEL, UB Eberbäch, Nr. 400. Bei Zollstätten, die wie Kaub im Zeitalter der Mengentarifierung neu entstanden waren, konnte es sich natürlich nicht um lokale Kontinuitäten handeln. Ohne daß ein Nachweis im einzelnen möglich ist, liegt es nahe, daß Grundstrukturen älterer Zölle als Vorbild übernommen wurden. Knappenpfennige sind auch 1265 an den pfalzgräflichen Zöllen Bacharach und Fürstenberg (RPRI, Nr. 772) nachgewiesen. 1325 (VOGT, REM 1.1, Nr. 2674) und 1332 (OTTO, REM 1.2, Nr. 3960) werden sie in Zollbefreiungen für die mainzischen Hebestellen Ehrenfels und Lahnstein genannt; 1332 wurde eine Befreiung
170
B. Die Zolltarifierung vom 10. bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts
September 1333 bis April 1334 59 geht hervor, daß dieser Teil des Zolls weniger als drei Prozent der gesamten Zolleinkünfte ausmachte. Die anscheinend im wechselnden Verkehrsaufkommen begründeten monatlichen Schwankungen beider Erträge folgten dabei zwar dem gleichen Grundmuster, jedoch war der Anteil des Knappengelds nicht konstant. Es wurde demnach wohl als Pauschalabgabe pro Schiffstransport bemessen und nicht als proportionaler Aufschlag auf die Mengenzölle. Die Bezeichnung legt nahe, daß die Einnahmen für das Zollpersonal bestimmt waren. Ob die im 15. Jahrhundert für Boppard 60 und die pfalzgräflichen Zollstätten Bacharach und Kaub 61 nachweisbaren »Rudergelder« Überbleibsel älterer Abgabenstrukturen waren oder ob sie eine jüngere Entwicklung darstellten, ist nicht mit Sicherheit zu entscheiden. Zu Beginn des 14. Jahrhunderts war man sich des unterschiedlichen Alters von Transportmittel- und Mengenzöllen an einer Hebestelle durchaus noch bewußt; denn wohl nicht zufällig waren zwei der drei im Bacharacher Landfrieden von 1317 als alt bezeichneten Zölle bzw. Zollteile Transportmittelabgaben, nämlich der rheinaufwärtige alte Zoll zu St. Goar - der Vergleich mit den bei Bergfahrten erhobenen Koblenzer Schiffsabgaben 62 läßt darauf schließen, daß es sich um einen Transportmittelzoll handelte - und der »alte Schiffszoll« zu Geisenheim 63 .
von Knappenpfennigen in Andernach und Bonn erteilt (REK V, Nr. 65), und 1340 sind solche Abgaben auch am Koblenzer Zoll bezeugt (MÖTSCH, Balduineen, Nr. 1455). Begünstigter war in allen Fällen das Kloster Eberbach. Während das Knappengeld in Lahnstein auch durch die Zollrechnung von 1333/1334 (VOLK, Oberlahnstein, Nr. 3) belegt ist, ist zweifelhaft, daß es an den kurkölnischen Zöllen Andernach und Bonn bestand. Möglicherweise wurde von Eberbach eine gleichförmig gestaltete Empfängerausfertigung vorgelegt und trotz differierender Verhältnisse an diesen Zollstätten, wo ein Vorzoll erhoben wurde, vom Kölner Erzbischof besiegelt. Für den trierischen Zoll Koblenz dürfte ähnliches gelten, da Knappenpfennige dort sonst nicht belegt sind. 59 VOLK, Oberlahnstein, Nr. 3. 60 1420 reversierte Johann von Ayrsburch gegenüber Erzbischof Otto von Trier, als Pfandherr von Boppard, über die Belehnung mit dem vom Reich rührenden Ruderzoll (LHAKo 1 C 10, Nr. 94). 61
V g l . FLIEDNER, R h e i n z ö l l e , S. 71.
62 Vgl. oben S. 136. 63 Dar zu sol man zu Sante Gewere nemen den ufgenden alten zol unde zu Gysenheim den alten schifzol unde zu Bohbarten den alten zol, dez ist siben unde zwentzig Heller, der greve Bertolt (von Katzenelnbogen) werden sol, MGH Const. V, Nr. 421. Diese Zölle sollten fortbestehen, alle anderen Zollstätten zwischen Hördt und Köln wurden aufgehoben und zu einem neuen Mengenzoll von 33 Turnosen pro Fuder Wein vereinigt, der auf bestimmte Hebestellen verteilt wurde (ebd., Nr. 422). Der 27-Heller-Zoll zu Boppard war vermutlich mit dem 1282 von König Rudolf an Graf Eberhard von Katzenelnbogen verpfändeten Zoll (DEMANDT, Reg. Katz. I, Nr. 262) identisch und kein alter Transport-
II. Die Flußzolltarifierung
bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts
171
Der Transportmittelzoll zu St. Goar ist zuerst im Landfrieden von 1317 belegt; denn als die Zollstätte zum ersten Mal in den Quellen begegnet, hatten sich Mengenzölle bereits so fest etabliert, daß sie die älteren Abgaben überlagerten. So befreite 1219 Graf Dieter von Katzenelnbogen die Schiffe des Klosters Eberbach vom Zoll zu St. Goar stromauf- und -abwärts unter der Bedingung, daß sie keine fremden Güter oder Kaufmannswaren transportierten 64 . Neben dem mutmaßlich transportmittelbezogenen Bergfahrtzoll existierte in St. Goar also auch eine bei der Talfahrt erhobene Abgabe, für deren Höhe die Art der Ladung von Belang war65. Geisenheim ist zwar vor 1220 (1206?) zuerst als Hebestelle eines Transportmittelzolls belegt 66 , auf Mengenzölle deuten aber gleichfalls Zollprivilegien für die Klöster Himmerod (um 1220)67, Allerheiligen (um 1260)68 und Marienhausen (1266)69; denn in allen Fällen wurden nicht (nur) die Schiffe, wie dies bei einem reinen Transportmittelzoll zu erwarten war, sondern die klösterlichen bona, d. h. die Ladung, von der Abgabenentrichtung ausgenommen 70 . Allerdings konnten die Rheingrafen den Geisenheimer Zoll offenbar nur im 13. Jahrhundert als eine mit den anderen Flußzöllen am Rhein vergleichbare Abgabe behaupten; im 14. und 15. Jahrhundert bestand - wie schon um 1200 - nur ein wenig bedeutender Transportmittelzoll in Höhe von einem Pfund Pfeffer pro Schiff 1 .
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mittelzoll. Der König erhöhte den Zoll jedoch für weitere Verschreibungen durch die Auflage neuer Zolltitel über diesen Satz (vgl. z. B. DEMANDT, Reg. Katz. I, Nr. 329). DEMANDT, Reg. Katz. I, Nr. 72. Darauf weist auch REICHERT, Finanzpolitik, S. 70, hin. Ab imperio habet (sc. Ringravius Wolframus) in beneficio bannum in Rinchowe super comeciam. Item in eadem comecia habet in Gysenheim libram piperis de qualibet navi ascendendo et descendendo, FABRICIUS, Güterverzeichnisse, S. 6. quod ego bona monachorum de Hemmenrode penitus absoluta dimisi ab omni exactione que solet fieri Gisenheim tibique Cunrado de Abbenheim et cunctis meis fidelibus hoc obseruare districte precipio ita scilicet ut siue Renum descendo siue ascendendo nichil penitus ab eis exigatis, MRUB II, Nachträge, Nr. 7. ut bona sua omnia, que per Reni alveum traducere decreverint per thelonium nostrum Gisenheim, ab omni solutione libera pertranseant liberaliter et solute, MRUB III, Nr. 1511. promittimus bona fide, ut in districtu nostro seu in locis aliis, in quibus posse habemus, nec de vino nec de rebus aliis quibuscunque sanctimonialium earumdem neque theloneum neque exactionem illam, quocunque nomine censeatur, accipiemus, quoad vixerimus, ab eisdem, sed omnes res ipsarum transire per nos dimittemus absque cuiusmodolibet datione thelonei absolute, SAUER, Codex Nassau 1.2, Nr. 768. Das gleichzeitige Indorsai thelonium Gisenheym zeigt, daß das Privileg vornehmlich für diese Zollstätte ausgestellt wurde. Die angebliche Zollbefreiung für das Kloster Johannisberg »1223 Juni 24« (SAUER, Codex Nassau 1.1, Nr. 393) gilt als eine moderne Fälschung, vgl. STRUCK, Geisenheim, S. 158. Vgl. unten S. 265 ff.
172
B. Die Zolltarifierung vom 10. bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts
II.3
Das System der mengenabhängigen Tarifierung
Das tarifäre Quellenmaterial des 13. Jahrhunderts erlaubt erstmalig nähere Einblicke in das System der mengenabhängigen Zollbemessung. Die frühesten einschlägigen Quellen im Untersuchungsraum stammen vom Niederrhein. In zwei inhaltsgleichen Urkunden sicherten 1251 Graf Dietrich IV. von Kleve und sein gleichnamiger Sohn den Lübecker bzw. Hamburger Kaufleuten Geleit durch ihr Gebiet zu und setzten dabei, vorbehaltlich des Vorzolls, den insgesamt zu zahlenden Zoll auf vier Schilling für ein Faß Weißwein fest; für rote Weine galt ein Satz von zwei Schilling pro Faß 72 . Zollabgaben auf andere Handelsgüter werden nicht genannt, was zwei Deutungen zuläßt: Entweder galten die Zollvergünstigungen nur für den Weinhandel und bei anderen Gütern waren die regulären Sätze zu entrichten oder die Weinzölle dienten implizit als (ein) grundlegender (Wert-)Maßstab der Tarifierung. Klarer als in den knappen klevischen Texten ist der Gebrauch exemplarischer Zollsätze 1252 im Braubacher Abgabenverzeichnis erkennbar, das anläßlich der Verleihung des Zolls durch König Wilhelm an Graf Hermann von Henneberg aufgestellt wurde, und das - abgesehen von den Koblenzer Zollrollen - der früheste überlieferte allgemeine Transitzolltarif des Untersuchungsraums ist. Der neue Zoll wurde auf zwei Schilling Kölner Münze pro centena Salz, zwölf Denare pro centena Getreide und sechs Denare pro Faß Wein ä zwei Fuder festgesetzt; von allen anderen üblicherweise zollpflichtigen Waren sollten die Abgaben entsprechend berechnet werden 73 . Die Angabe der Zollsätze auf drei vorherrschende Güter des Rheinhandels - lediglich Fisch vermißt man in dieser Aufzählung - reichte aus, um die gesamte Abgabenstruktur eines Rheinzolls zu bestimmen, da offenbar bereits feste Maßstäbe zur Einordnung weiterer Handelsgüter existierten. Sehr ähnlich war auch der 1282 in Boppard eingerichtete Sonderzoll tarifiert 74 . Zwar liegt auf der Hand, daß bei der Umrechnung der Zollabgaben auf nicht genannte Güter der Wert der explizit tarifierten Waren zugrundegelegt wurde, jedoch scheint es keine direkt proportionale Wertrelation gewesen zu sein. In diesem Fall hätte man kaum die Zollsätze exemplarischer Waren aufgelistet, sondern gleich einen allgemeinen Wertzoll
72
SCHOLZ-BABISCH, Q u e l l e n , N r . 2 8 , 2 9 .
73
telonium in Brubach de consensu principum, qui in sollempni curia nostra apud Franckinfort presentes aderant, liberaliter titulo feodi duximus concedendum, predicto telonio per nos et principes sie taxato: de centena salis duo solidi Coloniensis monete solventur, de centena annone XII denarii, de vase vini duas carratas continente VI denarii Coloniensis monete et secundum predictam estimacionem de aliis aeeipietur, que telonii solucionem requirunt, sic quod ad maiorem solucionem nec predicta nec alia extendentur, SAUER, Codex Nassau 1.1, Nr. 577. de singulis centenis annone sive frumenti fertonem unum, de singulis carratis vini sex denarios, de centenario salis dimidiam marcam de singulis aliis mereibus seu negotiationibus pro rata predictorum, ENNEN, Quellen III, Nr. 216.
74
IL Die Flußzolltarifierung bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts
173
fixiert, wie dies z. B. Kaiser Heinrich VI. 1195 tat, als er die Höhe des holländischen Zolls Geervliet auf 5 % des Warenwertes festlegte 75 . Diese Art der Zollbemessung hat sich im Untersuchungsraum aber nicht durchgesetzt, obgleich am Niederrhein vereinzelt eine Mischform von Wertzoll und warenabhängigem Mengenzoll auftrat. 1293 garantierte der Kölner Erzbischof Siegfried von Westerburg den Dordrechter Händlern sicheres Geleit auf dem Rhein und setzte ihren Zoll fest. Die Abgaben betrugen vier Denare pro Mark bei ghemeyn guet seu rulast, neun Schilling pro centenarium Salz und neun Denare pro Last Bückinge oder frische Heringe; für Faßheringe war der gewohnte Satz fällig76. Ein sehr ähnliches Privileg erreichten die Dordrechter kurz darauf von Graf Dietrich VI. von Kleve, wobei die Sätze anders als in Kurköln für einzelne Zollstätten differenziert waren. In Büderich entsprachen die Abgaben auf »gemeines Gut« und Salz den kurkölnischen Sätzen, für Bückinge bzw. Stapelheringe waren dagegen zwölf Denare pro Last fällig. Mit sechs Denaren pro Mark bei gemeinem Gut, 14 Vi Schilling pro centenarium Salz und 18 Denaren pro Last Bückinge hatten die Dordrechter in Huissen und Nimwegen deutlich höhere Zölle zu entrichten 77 . Auch an den klevischen Zöllen galt für Faßheringe ein nicht näher konkretisierter »üblicher« Zoll. Die strukturellen Gemeinsamkeiten beider Tarife, die jeweils auf Initiative der Kaufleute entstanden, springen sofort ins Auge: ein Mengenzoll auf Salz und Fisch sowie ein Wertzoll zwischen V36 und V24 auf gemeyn guyt. Während eine auf das »Hundert« Salz berechnete Abgabe schon im Braubacher Tarif von 1252 begegnet und auch später an den Rheinzöllen gängig war, finden sich für eine wertabhängige Zollbemessung im Untersuchungsraum bis zum Ausgang des 13. Jahrhunderts keine weiteren Hinweise78. Dagegen können Wertzölle weiter westlich außer in Geervliet und in der Grafschaft Holland 79 z. B. auch am brabantischen Zoll Lith (bei Herzo-
75
Ita tarnen, ut de omni navi transeunte, que vel centum marcas vale[t] vel ultra quantumcunque portaverit, quinque tantum marcas recipiat; si vero infra centum marcas portaverit, de viginti marcis unam, de quadraginta duas, [de] sexaginta vero tres marcas recipiat et sie deineeps usque ad centum, Hans. UB I, Nr. 41.
76
VAN DEN B E R G H , O H Z II, N r . 8 5 4 - R E K I I I . 2 , N r . 3 3 9 4 .
77
SCHOLZ-BABISCH, Quellen, Nr. 49. Bei der hier genannten Weinabgabe (Volumus etiam, quod nostri thelonarii de navibus dictorum opidanorum curialiter vinum reeipiant et in hoc rationalbiliter pertractant eosdem) handelte es sich wohl um Naturaleinkünfte des Zollpersonals, nicht um den regulären Geldzoll auf gehandelten Wein. Auch im 14. Jahrhundert waren Wertzölle eine seltene Ausnahme in den Rheinlanden. 1361 verlieh Karl IV. dem Edelherrn Johann von Gennep einen Maaszoll von drei Turnosen pro Fuder Wein bzw. von Handelswaren im Wert von einem Pfund Turnosen (entspricht einer Abgabe von 1/8O) (LAC. III, Nr. 615 - REK VI, Nr. 1428). 1195 bestimmte Kaiser Heinrich VI. 5 % des Warenwertes als Geervlieter Zollsatz (Hans. UB I, Nr. 41). 1243 setzte Graf Wilhelm von Holland den Zoll der Hamburger und Lübecker Kaufleute zu Geervliet auf 1 % des Erstkaufes fest (Hans. UB I, Nr. 331). Den gleichen Satz hatten 1252 die Soester in der Grafschaft Holland beim Transit von Ost nach West zu entrichten (ebd., Nr. 445).
78
79
174
B. Die Zolltarifierung vom 10. bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts
genbusch) nachgewiesen werden 80 . Es ist daher zu vermuten, daß diese Art der Zollbemessung durch die Dordrechter an den klevischen und kölnischen Rheinzöllen Einzug hielt - und anscheinend auf ihre Güter beschränkt blieb; denn in späteren (allgemeinen) Tarifen findet sich davon nichts. Zwei königliche Zollurkunden aus dem letzten Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts illustrieren die überragende Bedeutung, die der Weinzoll als eine der wichtigsten Einkünftequellen bzw. als offizieller Maßstab für die Höhe aller oder zumindest eines Großteils der anderen Handelswaren gewonnen hatte. 1290 bestätigte König Rudolf Graf Dietrich VI. von Kleve den Büdericher Rheinzoll und fixierte dabei den Weinzoll auf den (angeblich) herkömmlichen Satz von zwei Schilling usualis monete pro Faß; für die anderen Güter galten die - nicht näher spezifizierten - gewohnten Sätze 81 . Drei Jahre später gewährte König Adolf dem Kölner Erzbischof Siegfried von Westerburg einen neuen Rheinzoll zu Bonn in Höhe von zwölf Denaren pro Fuder Wein 82 . Da aus keiner späteren Quelle bekannt ist, daß in Bonn nur Wein zollpflichtig war, ist anzunehmen, daß - wie es offenbar auch in Büderich der Fall war - der Zoll auf Wein exemplarisch fixiert wurde und als Maßstab für die Abgabensätze anderer Handelsgüter diente. Hinweise auf eine derartige Tarifierungspraxis lassen sich dem bereits angesprochenen Duisburger Privileg für den Neusser Zoll aus dem Jahr 1287 entnehmen, deren dortige Abgaben Erzbischof Siegfried auf die alten Sätze von 18 Denaren pro Faß - zweifelsohne war Wein gemeint - sowie 12 Vi Denaren als Vorzoll begrenzte 83 .
80
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1274 erhielten die Dordrechter von Herzog Johann einen speziellen Zolltarif, der neben vielen Mengenzöllen für nicht aufgeführte Waren einen generellen Wertzoll von zwei Kölner Denaren pro Mark fixierte (Hans. UB I, Nr. 732). ita quod de quolibet vase vini transeunte per dictum locum in Büderich per alueum Reni accipiat nomine thelonei, quemadmodum hactenus consueuit accipere, scilicet duos solidos usualis monete, et de aliis rebus ascendentibus et descendibus ibidem recipiat prout hactenus est receptum, ut eo melius mercatores seu negotiatores sub suo securo conductu valeant a periculis malignantium defensare, LAC. II, Nr. 878. Item constituimus eidem principi nostro ... apud oppidum Bunnense novum theloneum titulo pignoris seu ypothece sub hac forma, quod possint recipere et percipere de qualibet carrata vini transeunte in Reno XII denarios usualis monete Coloniensis usque ad XV annos continuos,
83
LAC. II, Nr. 937 - R E K III.2, Nr. 3387.
U B Duisburg I, Nr. 99 - REK III.2, Nr. 3112.
II. Die Flußzolltarifierung bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts
II.4
175
Der Übergang vom Faß zum (Zoll-)Fuder als Grundeinheit der Zollbemessung
Es fällt auf, daß in einigen der genannten Tarife der Weinzollsatz auf das Faß (vas), in anderen auf das Fuder (carrata) bezogen wurde; mitunter - so in Braubach 125284 - sind beide Maßeinheiten nebeneinander genannt. Nach diesem Tarif, der zentralen Quelle für die mittelrheinische Zollbemessung um die Mitte des 13. Jahrhunderts, enthielt das Faß Wein, auf das der Zollsatz von sechs Kölner Denaren berechnet war, zwei F u d e r (de vase vini duas carratas continente).
Gleiches galt 1285 an d e n
Maaszöllen des Herrn von Cuijk für die Dordrechter Händler 85 . Auch am niederrheinischen Zoll Schmithausen wurde noch 1319 und 1324 beim Weinzoll zwischen Faß und Fuder unterschieden, und zwar ebenfalls im Verhältnis von 1:2 86 . Eine einfache Gleichsetzung von Faß und Fuder, wie sie Troe 87 ohne weitere Differenzierung vorgenommen hat, ist demnach nicht möglich. Vielmehr sind zwei unterschiedliche Zeitstufen zu unterscheiden: Im 13. Jahrhundert diente das Faß (vas) als grundlegende Bemessungsgröße für den Weinzoll88. Neben den Tarifen ist dies vor allem den zahlreichen Zollbefreiungen der Zeit zu entnehmen. Soweit diese Privilegien die Transporte der Begünstigten - dies waren meist geistliche Institute - nicht generell freistellten, sondern nur für eine bestimmte jährliche Freimenge galten, wurde diese Freimenge in Faß Wein angegeben 89 . Da im mittelalterlichen Weintransport realiter sehr verschiedene Faß-
84 85
SAUER, Codex Nassau 1.1, Nr. 577. Van wine van den vollen vaten 9 [den.] Coel. ende ... van den voeder wiins een halve gelte wiins, Hans. UB I, Nr. 992. Der Fuderzoll betrug demnach die Hälfte des Faßzolls. 86 duos denarios consuetos de carrata et quatuor denarios de quolibet vase, SCHOLZBABISCH, Quellen, Nr. 62 (1319 Nov. 26). Fünf Jahre später wurden diese Sätze - sie galten als Vergünstigung für die Duisburger Händler - bestätigt und im Hinblick auf die unterschiedlichen Faßgrößen ergänzt, ebd., Nr. 65 (1324 Dez. 2). 87 Vgl. TROE, Münze, S. 131 Anm. 2, S. 134. 88 In der Forschung ist dies kaum beachtet worden. TROE, Münze, S. 125-128, ging im Anschluß an LAMPRECHT, Wirtschaftsleben II, S. 304 ff., von einem direkten Übergang vom Transportmittel- zum Fuderzoll aus. Auch DROEGE, Rheinzölle, S. 36, hat diese These übernommen. Obgleich gerade für den Niederrhein klare Belege für das Faß als Bemessungsgrundlage seit dem Beginn des 13. Jahrhunderts vorliegen, ist dies von SCHOLZBABISCH, Quellen, S. XXXVI, in ihrer (freilich sehr knappen) Darstellung der mittelalterlichen Zolltarifierung im Klevischen nicht berücksichtigt worden. 89 1224, Deutscher Orden, 100 Faß Wein an den geldrischen Flußzöllen (vgl. REKIV, Nr. 305); 1224, Deutscher Orden, 100 Faß Wein oder entsprechende andere Güter an den kölnischen Rheinzöllen (HENNES, UB Deutscher Orden I, Nr. 66 - REK III.l, Nr. 449), bestätigt 1238 (REK III.l, Nr. 908); 1232, Abtei Heisterbach, 100 Faß Wein in Kaiserswerth (SCHMITZ, UB Heisterbach, Nr. 72); 1242, Deutscher Orden, 100 Faß Wein an den klevischen Flußzöllen (SCHOLZ-BABISCH, Quellen, Nr. 25); 1249, Abtei Himmerod, 50
176
B. Die Zolltarifierung vom 10. bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts
großen benutzt wurden, legte man bei der Zollerhebung bzw. bei der Berechnung der Freimenge offensichtlich ein >Einheitsfaß< zugrunde, und zwar war es nach den genannten Quellen zu Braubach und Schmithausen - gleiches galt offenbar an der Maas 90 - das Zwei-Fuder-Faß, der größte im Handel 91 vorkommende Behälter. Seit dem Beginn des 14. Jahrhunderts wurde der Zollsatz durchgängig auf das Fuder, die carrata, bezogen 92 . Dabei ist zu beachten, daß es sich nicht um ein reales Handelsmaß, etwa das Kölner Fuder zu sechs Ohm ä 145,6 Liter, sondern um das
Faß Wein in Kaiserswerth (MGH D W, Nr. 73, 74); 1249, Abtei Heisterbach, 50 Faß Wein in Kaiserswerth (MGH D W, Nr. 92); 1251, Abtei Kamp, 50 Faß Wein bzw. Lebensmittel in Kaiserswerth (MGH D W, Nr. 151); 1257, Abtei Heisterbach, 100 Faß Wein et aliae res ipsorum in Kaiserswerth (SCHMITZ, UB Heisterbach, Nr. 144); 1276, Abtei Kamp, 60 Faß Wein et infra seu res aliae in Schmithausen (SCHOLZ-BABISCH, Quellen, Nr. 41); 1282, Daniel Jude, 100 Faß in Lobith und Zuilichem (SLOET, OGZ, Nr. 1057). Wenn nur Wein explizit befreit wurde, bedeutete dies nicht, daß andere Waren mit dem regulären Zollsatz belastet wurden. Vielmehr diente die Weinfreimenge gegebenenfalls als Maßstab für andere Güter, die nach einem - im einzelnen nicht bekannten Schlüssel auf die abgabenfreie Faßzahl angerechnet wurden. - Es fällt auf, daß keine dieser Zollbefreiungen vom Mittelrhein stammt. Beschränkungen der Freimenge waren an den dortigen Hebestellen offenkundig nicht üblich. Die Zollprivilegien für den Deutschen Orden zeigen den Unterschied deutlich. Vgl. zum Weinhandel des Deutschen Ordens ARNOLD, Weinbau, S. 88-95. Grundlegend für die Bailei Koblenz: VAN EICKELS, Deutschordensballei Koblenz, S. 127-167, wobei allerdings seine auf SOMMERLAD, Rheinzölle, beruhenden Ausführungen über die spätmittelalterlichen Rheinzollstätten vor allem für den Mittelrhein (S. 162 ff.) entsprechend unseren Ergebnissen in Teil C zu modifizieren sind. 90 Vgl. das 1272 erstellte Zollweistum über die Zollabgaben der Venloer am brabantischen Maaszoll Lith: pro thelonio de vase vini integro decem denarios Colonienses... Si vero vas vini integrum non fuit, id est, si duodecim amas non capiat, tunc de qualibet ama persolvitur unus denarius Coloniensis, SLOET, OGZ, Nr. 941. 91 Vgl. zu den sehr unterschiedlichen Faßgrößen MILITZER, Handel und Vertrieb, S. 175 f. Demnach hatten 203 der 242 Fässer, die 1420 in Köln von den Weinrödern vermessen wurden, ein Fassungsvermögen von zwei bis fünf Ohm. Nur ein Faß konnte zwei Fuder, d. h. zwölf Ohm, aufnehmen. 92 Aus der Fülle der Belege für das 14. Jahrhundert: MGH Const. IV, Nr. 276 (Koblenz 1309); MGH Const. IV, Nr. 328 - REKIV, Nr. 477 (Bonn -1309); LAC. III, Nr. 582 (Kaiserswerth - 1358); CRM III.2, Nr. 451 - VIGENER, REM II.l, Nr. 1069 (Mittelrheinische Zollstätten - 1358); Hans. UB IV, Nr. 341 (geldrische Flußzölle - 1370); RTA III, Nr. 44 - REK X, Nr. 1782 (Rheinzölle der vier Kurfürsten - 1399). - Für das 15. Jahrhundert z. B.: SCHOLZ-BABISCH, Quellen, Nr. 209 (Büderich - 1438?); HStAD Hs L V 2, fol. 3-5v (Bonn - ca. 1450); HStAD Kurköln II, Nr. 5232 (Linz/Andernach - ca. 1450); KUSKE, Quellen II, Nr. 660 (Köln - 1475); SCHOLZ-BABISCH, Quellen, Nr. 262 (Lobith - nach 1479); RA Arnheim, Gelderse Rekenkamer, Nr. 809 (Flußzölle von Ehrenfels bis Dendermonde -15./16. Jahrhundert).
II. Die Flußzolltarifierung bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts
177
sog. »Zollfuder« handelte, eine fiktive Maßeinheit, die je nach Zollstätte zwischen zehn und zwölf Ohm (z. T. sogar erheblich mehr) umfassen konnte. Wie dieser eklatante Unterschied zwischen Zoll- und Handelsfuder zustandekam, ist in der Forschung noch nicht zufriedenstellend erklärt worden. So hat Dirlmeier, der sich zuletzt mit der Materie auseinandergesetzt hat, die These aufgestellt, daß spätestens seit der Mitte des 14. Jahrunderts die Identität von Zoll- und Handelsfuder aufgegeben wurde, um bei gleichbleibenden Nominalsätzen die Abgabenbelastung flexibel reduzieren zu können 93 . Daß dieser Aspekt in der Zollfuderbemessung des 14. und 15. Jahrhunderts zentrale Bedeutung hatte, steht außer Frage. Weder Dirlmeier noch andere haben aber berücksichtigt, daß das »Faß« des 13. Jahrhunderts und das »Zollfuder« des 14. Jahrhunderts in etwa das gleiche Volumen bezeichneten. Der Übergang von dem vas zur carrata als Bemessungsgröße des Weinzolls bedeutete - ceteris paribus - vermutlich also keine Änderung der Zollhöhe, sondern stellte im wesentlichen nur einen Wandel der Begrifflichkeit dar. Dieser Prozeß hatte am Mittelrhein bereits eingesetzt, als man für den 1252 neu errichteten Braubacher Rheinzoll ein Abgabenverzeichnis entwarf und den Weinzoll zwar nach herkömmlicher Weise auf das Faß berechnete, es gleichzeitig aber für notwendig hielt, den Faßinhalt mit zwei Fudern näher anzugeben. Drei Jahrzehnte später hatte sich in diesem Raum - am Niederrhein war der Wandel zu Beginn des 14. Jahrhunderts noch im Gang 94 - die Fuderbemessung bereits vollständig durchgesetzt. Bei dem 1282 in Boppard errichteten befristeten Rheinzoll bemaß man die Abgabenhöhe für Weintransporte schon ausschließlich nach der carrata95. Und auch der 1293 neu geschaffene Bonner Zoll wurde auf dieser Grundlage fixiert96. Nach dem bloßen Wortlaut kann zwar in beiden Fällen nicht völlig ausgeschlossen werden, daß hier das Kölner Handelsfuder 97 zu sechs Ohm und nicht das später an diesen Hebestellen nachweisbare Zollfuder zu zwölf bzw. zehn Ohm gemeint war,
93
94
95 96
Vgl. DIRLMEIER, Handelshemmnisse, S. 27 f., eine These von DROEGE, Rheinzölle, S. 37 f., aufgreifend. Troe ist in dem entsprechenden Abschnitt seiner Arbeit (TROE, Münze, S. 129 ff.) nicht auf dieses Problem eingegangen. Unterhalb von Köln wurde der Weinzoll auch am Ende des 13. Jahrhunderts noch nach dem vas bemessen, so etwa 1287 im kölnischen Neuss (UB Duisburg I, Nr. 99 REKIII.2, Nr. 3112) oder 1290 im klevischen Büderich (SCHOLZ-BABISCH, Quellen, Nr. 46). de singulis carratis vini sex denarios, ENNEN, Quellen III, Nr. 216. de qualibet carrata vini transeunte in Reno XII denarios usualis monete Coloniensis, LAC. II, N r . 9 3 7 - R E K III.2, N r . 3 3 8 7 .
97
Nicht nur weil dieser Bopparder Zolltitel im Zusammenhang mit einer Sühne der Stadt Köln mit den Herren von Heppenheft errichtet wurde, sondern vor allem wegen der bekanntermaßen zentralen Bedeutung Kölns für den Weinhandel in den Rheinlanden ist es angebracht, das Kölner Fuder zugrundezulegen. Vgl. aus der Fülle der Literatur zum Kölner Weinhandel insbesondere MILITZER, Kölner Weinhandel; DERS., Handel und Vertrieb; HERBORN/MILITZER, Weinhandel; IRSIGLER, Kölner Wirtschaft, S. 285 ff.; VAN UYTVEN, Bedeutung.
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B. Die Zolltarifierung vom 10. bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts
doch spricht dagegen, daß sich (so weit feststellbar) keiner späteren rheinischen Zollquelle eine Identität von Zoll- und Handelsfuder entnehmen läßt. Wann und wo auch immer die der Zollbemessung zugrundeliegende carrata hinsichtlich ihres Volumens näher präzisiert wurde, war es nicht das Handelsfuder, sondern das für jeden Zoll zwar differierende, aber nur äußerst selten weniger als zehn Ohm enthaltende Zollfuder. Die einzigen Ausnahmen von dieser Regel sind nachzuweisen, wenn Fuder und Faß zusammen in einem Tarif genannt wurden. In diesen Fällen bezeichnete die carrata nicht das Zoll-, sondern das Handelsfuder 98 . 1319 wurde der vergünstigte Zollsatz der Duisburger Händler im niederrheinischen Schmithausen mit vier Denaren pro Faß und zwei Denaren pro Fuder Wein angegeben". Fünf Jahre später wurde dies explizit bestätigt, doch war in der Zwischenzeit offensichtlich Streit über die Bemessung der carrata ausgebrochen, so daß eine Fixierung ihres Volumens erforderlich war: Ein Gefäß (lagena) mit einem Inhalt zwischen sechs und neun Ohm sollten als eine carrata gelten; betrug das Fassungsvermögen mehr als neun Ohm, war der Zoll für zwei Fuder - also ein Faß - zu entrichten 100 . Die Genese des Konfliktes wurde nicht näher erläutert, doch hatten die Duisburger die carrata möglicherweise als Zollfuder interpretiert, während der Zollinhaber, der Herr von Lek, darauf bestand, daß der Satz von zwei Denaren für jedes Handelsfuder zu zahlen war. Im großen und ganzen ist aber die Ablösung des vas durch die carrata als Grundeinheit der Weinzollbemessung ohne nachweisbare Probleme verlaufen. Sollte damit tatsächlich eine Halbierung des Normvolumens von zwei auf ein (Handels-)Fuder einhergegangen sein, wird man daraus schließen können, daß die Zollsätze entsprechend angepaßt wurden. Die wahrscheinlichere Erklärung für die Reibungslosigkeit dieses Vorgangs dürfte aber sein, daß das Zollfuder und nicht das Handelsfuder an die Stelle des vas trat und eine Neutarifierung der Zölle damit überflüssig war. An den während dieser Umbruchsphase neu errichteten Zollstätten - etwa am Bonner Zoll 1293 - mag man zunächst versucht haben, den tarifierten Zollsatz von jedem Handelsfuder zu erheben. Fest steht freilich, daß sich eine solche Bemessung im Verlauf des 14. Jahrhunderts nicht durchsetzen konnte und folglich die Grundeinheit des Weinzolls um die Mitte des 13. Jahrhunderts und im 14. Jahrhundert im wesentlichen gleich war bzw. - nach unserer Einschätzung - gleich geblieben war. Warum ging man aber überhaupt vom vas zur carrata über? In der bisherigen Forschung, die der Zolltarifierung im 13. Jahrhundert nur wenig Aufmerksamkeit gewidmet und diesen Wandel nicht zur Kenntnis genommen hat, ist diese Frage nicht thematisiert worden. Eine mögliche - allerdings nur sehr vorläufige, da nicht auf einer systematischen Auswertung des einschlägigen Quellenmaterials basierende -
98
Vgl. auch die oben angeführten Tarife für Braubach von 1252 bzw. für die Maaszölle des Herrn von Cuijk von 1285.
99 SCHOLZ-BABISCH, Quellen, Nr. 62. 100 SCHOLZ-BABISCH, Quellen, Nr. 65.
II. Die Flußzolltarifierung
bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts
179
Erklärung könnte in einer Verringerung der durchschnittlichen Faßgröße 101 liegen. Zusammen mit der Durchsetzung des Fuders als wichtigster Grundeinheit des Weinfernhandels könnte dies dazu geführt haben, daß man zwar mit der carrata konkrete Größenvorstellungen verband, aber zunehmend Unklarheit darüber herrschte, welches Volumen einem vas zuzuweisen war. Daß seit der Mitte des 13. Jahrhunderts das Faß zunehmend häufiger in Relation zum Fuder gesetzt wurde bzw. daß man das vas über die Anzahl der enthaltenen Ohm definierte, wird man als Zeichen für diesen Wandel deuten können. In diesem Zusammenhang ist eine bereits von Lamprecht herangezogene Quelle höchst aufschlußreich: Der Deutsche Orden genoß seit 1224 an den geldrischen Flußzöllen Abgabenfreiheit für 100 Faß Wein eigenen Wachstums 102 . Rund ein Jahrhundert später war jedoch strittig, wie hoch diese Freimenge in Fuder bemessen war. Graf Reinald I. von Geldern erkannte 1317 schließlich an, daß damals große Weinfässer mit zwölf und mehr Ohm Inhalt in Gebrauch gewesen seien, man heute jedoch deutlich kleinere Fässer benutze, und setzte die Freimenge auf 100 Faß zu je zwölf Ohm Kölner Maß fest 103 . Zwar ist dies, soweit feststellbar, die einzige Quelle, die direkt von einer Verkleinerung der durchschnittlichen Faßgröße im Weinhandel auf dem Rhein spricht, doch wird eine solche Entwicklung indirekt auch von anderen, z. T. bereits angeführten Texten gestützt: Im 13. Jahrhundert rechnete man zumindest in der Zolltarifierung das vas zu zwei Fuder; um die Mitte des 14. Jahrhunderts verfrachtete das Kloster Brauweiler 104 seine Moselweine in durchschnittlich vier Ohm großen Fässern, und 1420 hatten 84 % der in Köln vermessenen Fässer 105 einen Inhalt zwischen zwei und fünf Ohm, während nur eines ein Zwei-Fuder-Faß war. Warum sich im Verlauf des 13. Jahrhunderts anscheinend die Verwendung kleinerer Fässer durchsetzte, kann mit den im Rahmen der vorliegenden Untersuchung erfaßten Zollquellen nicht beantwortet werden, zumal auch die neuesten Überblicksdarstellungen zum mittelalterlichen Weinhandel in den Rheinlanden 106 nicht näher auf diesen Punkt eingehen. Nur eine der möglichen Ursachen sei hier genannt, daß nämlich eine zunehmende Diversifizierung 107 der Weinqualitäten und -Sorten die
101 So schon LAMPRECHT, Wirtschaftsleben II, S. 500, der ferner wohl zutreffend vermutete, daß der jüngere Begriff der lagern, meist für kleinere Fässer, neben den älteren Terminus des vas trat. 102 Vgl. R E K I V , Nr. 305. 103 HENNES, UB Deutscher Orden I, Nr. 405. 104 Vgl. WISPLINGHOFF, Wirtschaftsgeschichte Brauweiler, S. 170, nach Angaben der Klosterkellnereirechnung zu 1350/1351.
105 Vgl. MILITZER, Handel und Vertrieb, S. 175. 106 Zu nennen sind insbesondere MILITZER, Handel und Vertrieb, - er führt, S. 175, lediglich die 1420 in Köln vermessenen Faßgrößen an - sowie VOLK, Weinbau. 107 Dieser komplexe und noch nicht im einzelnen erforschte Prozeß (vgl. dazu VOLK, Weinbau, insbesondere S. 148 ff.) sei hier nur an zwei Beispielen illustriert: Bereits seit dem 12. Jahrhundert unterschied man bei Weißwein zwei qualitativ deutlich getrennte Reb-
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B. Die Zolltarifierung vom 10. bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts
Aufteilung der insgesamt produzierten bzw. gehandelten Weinmenge auf geringere Faßgrößen mit sich brachte. Solche boten zudem den Vorteil, daß sie von den vorhandenen Ladeeinrichtungen leichter bewältigt werden konnten 108 .
II.5
Das Aufkommen des Turnosgroschens als Bemessungsgröße an den rheinischen Flußzöllen
Die letzte hier anzusprechende Entwicklung in der Ausbildung der spätmittelalterlichen Flußzolltarifierung ist der Übergang vom Denar zum Groschen von Tours, dem Turnosen, als Maßeinheit der Zollhöhe. Dieser Wandel war die Folge einer tiefgreifenden Veränderung im rheinischen Geld- und Währungswesen, die sich in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts vollzog109. Der Kölner Denar verlor seine Rolle als wichtigste rheinische Handelsmünze. An seine Stelle traten, von Nordwesten her einströmend, der wertgleiche englische Sterling und insbesondere dessen brabantische Nachprägungen. Von Süden her drang der Heller, eine leichte Münze im Drittelwert des Denars, in das Verbreitungsgebiet des Kölner Pfennigs ein. Im Westen zirkulierte darüber hinaus der französische Turnospfennig - wegen seiner dunklen Farbe, die aus der schwachen Silberlegierung resultierte, nannte man ihn auch »schwarzen Turnos« - neben dem Heller als Geld der untersten Stufe. Von entscheidender Bedeutung für das rheinische Zollwesen wurde aber der seit 1266 in Frankreich als Schilling zum Turnospfennig ausgeprägte Turnosgroschen mit einem Sollgewicht von 4,22 g Silber. Der Turnosgroschen oder Turnose, die erste nördlich der Alpen geprägte Großsilbermünze, bedeutete eine »revolutionäre Erleichterung des Zahlungsverkehrs« (Berghaus) und wurde um die Wende zum 14. Jahrhundert auch in den Rheinlanden zu einer beliebten Handelsmünze.
Sorten (vgl. VOLK, Weinbau, S. 104), nämlich den besseren »frentschen« und den geringer bewerteten »heunischen« Wein (vinum franconinum bzw. vinum hunicum). 1251 handelten Lübecker und Hamburger Kaufleute, wie aus klevischen Zollvergünstigungen erkennbar wird, mit verschiedenen Rotweinen: pro omni thelonio de vase vini 4 solidos ... De vario opere rufo 2 solidos, de albo vero solidos 4 accipiemus, SCHOLZ-BABISCH, Quellen, Nr. 29 (Nr. 28 inhaltsgleich). 108 Der dem Weinhandel vorbehaltene Kölner Schwimmkran war für Fässer bis zu zehn Ohm ausgelegt. Fässer mit zwei Fudern und mehr durfte der Kranmeister nur auf eigenes Risiko bzw. auf das des Kaufmanns ausladen. Für Schäden haftete der Kranmeister. Man entlud solche schweren Fässer mit dem am Ufer festinstallierten Hauskran. Vgl. MILITZER, Handel und Vertrieb, S. 176. 109 Vgl. zum folgenden WEISENSTEIN, Münz- und Geldwesen, S. 25 f.; PETRY, Koblenzer Münze, S. 357, 364 f.; NICKLIS, Geldgeschichtliche Probleme I, Kap. III 6b; KLÜSSENDORF, Währung, S. 84, 170 f.; HESS, Münzwesen, S. 266-279;
Wirtschaftsleben II, S. 423-441.
LAMPRECHT,
II. Die Fluß zolltarifierung bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts
181
D e r Übergang vom D e n a r zum Turnosen als Normmünze der Zolltarifierung läßt sich zeitlich recht genau eingrenzen. Bis gegen E n d e des 13. Jahrhunderts waren die Zollsätze ausnahmslos in Pfennigen fixiert. Noch bei der Errichtung des Bonner Rheinzolls im Jahr 1293 wählte man zur Normierung der Zollhöhe diese Münzsorte 1 1 0 . Zwar war der Turnosgroschen schon vor der Jahrhundertwende in den nördlichen Rheinlanden ein gängiges Zahlungsmittel 1 1 1 , und er war gerade als Zollmünze, wie seit dem Beginn des 14. Jahrhunderts klar erkennbar ist, von hoher Praktikabilität, doch hatte sich der gros tournois anscheinend noch nicht so weit durchgesetzt, d a ß man von der jahrhundertelangen Tradition der Zolltarifierung in D e n a r m ü n z e n abweichen wollte 112 . D e r wahrscheinlich im Jahr 1300 aufgezeichnete dritte Koblenzer Zolltarif 1 1 3 läßt erkennen, daß die Vielfalt der um die Jahrhundertwende gängigen Münzsorten mittlerweile auch auf die Abgabenfestsetzung Einfluß gewonnen hatte. Die Schiffszollsätze wurden vornehmlich in Brabanter Denaren, den Nachfolgern der Kölner Pfennige, angegeben. Händler aus dem Moselgebiet bis einschließlich Toul veranschlagte m a n in Hellermünze, mit A u s n a h m e der Metzer, deren Zoll in denarii Metenses fixiert war. Turnosgroschen wurden dagegen nicht zur Bestimmung der Zollhöhe angegeben, obgleich diese Großsilbermünze im Wert von vier Brabanter D e n a r e n zumindest bei höheren Abgabensätzen - diese betrugen bis zu 37 Brabantiner - ein durchaus geeigneter Maßstab gewesen wäre. Noch im Verlauf des ersten Jahrzehnts des 14. Jahrhunderts setzte sich aber der Turnosgroschen mit bemerkenswerter Geschwindigkeit und großer Vollständigkeit weiträumig als Zollmünze durch. Bis auf vereinzelte Ausnahmen 1 1 4 wurde die Abgab e n h ö h e an allen rheinischen Flußzöllen - soweit entsprechende Nachrichten überliefert sind - in dieser französischen Großsilbermünze normiert, und zwar in Bezug auf die carrata vini als Grundeinheit der Zollbemessung. Die Zahl der Turnosen, die pro (Zoll-)Fuder Wein und von anderen Handelsgütern iuxta proportionem zu entrichten waren, stellte bis zum E n d e des Mittelalters den gleichsam offiziellen Index
1 1 0 LAC. II, N r . 9 3 7 - R E K III.2, N r . 3 3 8 7 .
111 So vorsichtig KLÜSSENDORF, Währung, S. 192. NICKLIS, Geldgeschichtliche Probleme I, S. 171 ff., II, S. 93 Anm. 335, weist dagegen dem Turnosgroschen im letzten Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts eine deutlich größere Bedeutung als »rheinische Großstadtmünze« zu. Nach Nicklis (ebd. I, S. 174 f.) erfolgte die Rezeption des Turnosgroschens am Mittelrhein mit nur geringer zeitlicher Verzögerung. 112 Eine Rolle könnte dabei auch gespielt haben, daß man noch zehn Jahre später mit der Wiederkehr des guten Kölner Denars rechnete, dessen Prägung spätestens seit der Schlacht von Worringen ruhte. Vgl. KLÜSSENDORF, Währung, S. 115, mit Beispielen aus den Kölner Schreinsbüchern zu 1303 und 1304. 113 LAMPRECHT, Wirtschaftsleben II, S. 321.
114 Nur der Geisenheimer Pfefferzoll - ein Sonderfall unter den rheinischen Flußzöllen und der allenfalls kurzeitig um 1322 bestehende Fürstenberger Rheinzoll (vgl. unten S. 266,296) wurden in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts nicht in Turnosen tarifiert.
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B. Die Zolltarifierung vom 10. bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts
für die Höhe eines Flußzolls dar. Nahezu alle Arten von Rechtsgeschäften, die in Beziehung zur Tarifierung des Zolls und zur Verteilung der Einkünfte standen, orientierten sich daran: sei es die Erhöhung eines Zolltitels um eine bestimmte Anzahl Turnosen (pro Zollfuder), sei es die Verschreibung eines Teils der Zolleinkünfte, wobei dem Gläubiger vom Gesamtzoll in Höhe von x Turnosen (pro Zollfuder) die Einnahmen von y Turnosen (pro Zollfuder) zugeteilt wurden. In der gesamten einschlägigen Literatur 115 wird der Beginn der Zollturnosenrechnung auf das erste Regierungsjahr Heinrichs VII. datiert, der seinem Bruder Erzbischof Balduin von Trier am 6. Februar 1309116 einen Rheinzoll von zwei Turnosgroschen de qualibet carrata vini et de aliis mercatibus iuxta consuetam taxacionem verlieh und bereits am 26. September 1309 an den Trierer und den Kölner Metropoliten weitere in Turnosen tarifierte Zölle in Koblenz 117 bzw. Bonn 1 1 8 vergabte. Steht die Etablierung des grossus Turonensis als gängige Zollmünze während der Herrschaft des ersten Luxemburgers außer Frage - alle von Heinrich VII. verliehenen Zolltitel waren in Turnosen bemessen - , so gibt es für die Einführung des Turnosen an den rheinischen Hebestellen doch eine in der Forschung 119 bislang nicht verwertete archivalische Quelle, die nicht nur ein früheres Datum belegt, sondern auch auf andere politisch-administrative Rahmenbedingungen deutet. Es handelt sich um ein lateinisches Regest in einem der Kartulare der Grafen von Jülich. Demnach verlieh König Albrecht 1306 Graf Gerhard von Jülich das Recht, ab dem nächsten 1. August drei Jahre lang sechs Turnosen am Zoll Hammerstein de qualibet carrata vini et aliis rebus descendentibus et ascendentibus proporcionabiliter zu erheben 120 . Die Einführung des Zollturnosen muß gegenüber der bisherigen Forschung also um mindestens zweieinhalb bis drei Jahre vordatiert werden 121 . Wichtiger ist in unse-
115 Vgl. WEISENSTEIN, Münz- und Geldwesen, S. 25 f.; NICKLIS, Geldgeschichtliche Probleme I, S. 176 f.; KLÜSSENDORF, Währung, S. 69; HESS, Münzwesen, S. 272 (mit falscher Quellenangabe). 116 MGH Const. IV, Nr. 276. 117 U Q B VII, Nr. 1271. 118 MGH Const. IV, Nr. 328 - REK IV, Nr. 477. 119 Abgesehen von der o. g. geldgeschichtlichen Literatur gilt dies auch für die Untersuchungen von TROE, Münze, und KRAUS, Jülich. 120 HStAD Jülich-Berg RH 17, fol. lv, Reg. Nr. 25. Der Urkundentext ist nicht überliefert.
121 Die Datierungszeile lautet: anno domini MCCC sexto regni anno VIII. Da Albrecht seine Regierungsjahre entweder nach der Wahl (27. Juli 1298) oder der Krönung (24. August 1298) rechnete (vgl. GROTEFEND, Taschenbuch, S. 114), ist die Urkunde nach dem 25. Dezember 1305, dem Jahresbeginn in der königlichen Kanzlei (vgl. GROTEFEND, ebd., S. 12), und vor dem 24. August 1306 ausgestellt worden. - Die Möglichkeit, daß die als solche nicht in Frage zu stellende Zollverleihung ursprünglich nicht Turnosen, sondern etwa Denare erwähnte und der spätere Verfasser des Regestes (um 1350: SCHLEIDGEN, Kanzleiwesen, S. 103; briefliche Mitteilung von Dr. H. Preuß, HStAD, vom 2. Febr. 1996) eine stillschweigende Anpassung an die ihm geläufige Form solcher Rechtsakte vornahm, kann zwar nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden, doch wird man die
II. Die Flußzolltarifierung
bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts
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rem Zusammenhang jedoch, daß die neue Zollmünze gerade mit dem Herrscher in Verbindung gebracht werden kann, der nicht nur für tiefgreifende Zäsuren 122 in der >politischen< Geschichte der Rheinzölle verantwortlich ist, sondern auch in der Zollverwaltung neue Methoden einführte. Der Habsburger hatte nach der Niederwerfung der rheinischen Wahlfürsten zwei neue Reichszölle am Rhein errichtet, Hammerstein und Ehrenfels. Während über den letzteren aus der Zeit Albrechts keine weiteren Nachrichten vorliegen, lassen Anweisungen des Herrschers auf den Hammersteiner Zoll erkennen, daß dieser - ein Novum in der Geschichte der Reichszölle am Rhein - offenbar von Pächtern 123 in eigener Regie betrieben wurde: 1305 ist in dieser Funktion ein gewisser Tristram bezeugt - er war offensichtlich identisch mit dem Lombarden Johann Tristram de Troja, der 1308 zeitweise Pächter des kölnischen Rheinzolls Bonn war124 - , und 1308 verfügte der Speyerer Bürger Heinrich von Köln 125 pachtweise über den Hammersteiner Zoll. Wie Troe herausgearbeitet hat, haben die neuen Zolladministrationsformen eine auffällige Parallele im Reichsmünzwesen, nämlich in der Verpachtung der Reichsmünze in (Schwäbisch-)Hall126 an eine Florentiner Handelsgesellschaft. Auf Reichsebene hatte Albrecht damit Neuland betreten, als Herzog von Österreich hatte er ein ähnliches System aber schon erfolgreich bei der Wiener Münze127 erprobt. In diese Reformen Albrechts I. im Reichsmünz- und -zollwesen fügt sich zwanglos die Einführung des Turnosgroschens in die Zolltarifierung ein. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß Tristram (bzw. der erste Zollpächter) bei der Errichtung des Hammersteiner Zolls entsprechende Anregungen gegeben hatte. Möglicherweise hatten aber auch der finanz- und verwaltungstechnisch zweifellos versierte Albrecht und seine Berater schon von sich aus im Silbergroschen eine besonders geeignete Zollmünze für die erste seit mehr als einem Jahrhundert neugeschaffene Reichszollstätte am Rhein gesehen.
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126 127
Wahrscheinlichkeit einer solchen klaren Abweichung vom Rechtsinhalt der Vorlage als gering einzustufen haben. Vgl. dazu unten S. 461 f. Vgl. dazu ausführlich TROE, Münze, S. 312-317. REKIV, Nr. 383. Vgl. zur Lombardengesellschaft de Troja REICHERT, Finanzpolitik, S. 138 ff.; IRSIGLER, Juden und Lombarden, S. 133 ff. Daß Tristram zusammen mit anderen Lombarden bereits 1306 im Pfandbesitz des halben Bonner Zolls war, ist sehr wahrscheinlich, geht freilich aus der von beiden Autoren zitierten Quelle (REK IV, Nr. 143) nicht hervor. Zur Rolle der Lombarden in den Rheinlanden im Vergleich mit den westlichen Nachbarlandschaften vgl. jetzt vor allem REICHERT, Lombarden. Er war ein bedeutender Finanzier auch noch unter Heinrich VII. und Ludwig dem Bayern (vgl. TROE, Münze, S. 312 Anm. 3, mit Einzelnachweisen). Am pfälzgräflich-königlichen Zoll Bacharach bezog Heinrich von Köln 1316/1317 Einkünfte aus einem Sonderzoll von sechs Turnosen auf elsässische Waren (MGH Const. V, Nr. 436). Vgl. ausführlich TROE, Münze, S. 85 ff. Vgl. TROE, Münze, S. 86 f.
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B. Die Zolltarifierung vom 10. bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts
Diesem Vorbild ist nicht nur Heinrich VII. gefolgt, der alle von ihm verliehenen Rheinzolltitel in Turnosen tarifierte. Auch die noch in Denaren bemessenen Zollsätze bereits bestehender territorialer Hebestellen am Strom wurden offenbar in kurzer Zeit auf die neue Zollmünze umgestellt. Der 1293 in Höhe von zwölf Denaren fixierte Bonner Zoll ist zu 1314 als »alter Zoll« in Höhe von vier Turnosen (jeweils pro carrata vini) bezeugt 128 . Ein Umrechnungskurs von 3:1 kann auch am Schmithausener Rheinzoll nachgewiesen werden. Zwar wurden dort 1324 noch einmal die in denarii consueti bemessenen Zollsätze der Duisburger Händler bestätigt, aber man fügte hinzu, daß drei dieser Pfennige einem Turnosgroschen entsprechen sollten129. Eine solche Relation begünstigte offenkundig den Zollinhaber gegenüber dem Zollpflichtigen; denn die zu dieser Zeit gängigste Pfennigmünze am Niederrhein, der Brabanter, wurde regelmäßig als Viertelwert 130 des Turnosgroschens gerechnet. Zahlte ein Duisburger vor 1324 für zwei carratae Wein vier gängige (Brabanter) Denare bzw. einen Turnosen, mußte er nun entweder vier schwere Denare oder IV3 Turnosen entrichten 131 . Die 3:1 Relation war freilich keine bloße Willkür der Zollinhaber: Dieser Kurs hatte - für den damals noch vorherrschenden Kölner Denar 132 - noch zu Beginn der 1290er Jahre gegolten. Die Umstellung vom Denar auf den Turnosgroschen im Verhältnis 3:1 zu Beginn des 14. Jahrhunderts bedeutete für die Zollpflichtigen (ceteris paribus!) zwar eine faktische Abgabenerhöhung. Andererseits dürften sie aber in den vorangegangenen beiden Jahrzehnten, als der umlaufende Kölner Pfennig rapide an Wert verlor, von der Münzverschlechterung in ganz erheblichem Maße profitiert haben 133 . Nun wurde der Status quo ante in diesem Bereich wiederhergestellt. Die Übernahme des Turnosgroschen als Zollmünze an den Rheinzöllen unterhalb von Mainz läßt sich demnach nicht nur als »späte Institutionalisierung eines erheblich früher gegebenen Währungszustandes«134 interpretieren, als gleichsam automatische Rezeption einer im Handel
1 2 8 1 2 9 3 : LAC. II, N r . 9 3 7 - R E K III.2, N r . 3 3 8 7 ; 1 3 1 4 : R E K I V , N r . 8 3 5 .
129 SCHOLZ-BABISCH, Quellen, Nr. 65. 130 Vgl. KLÜSSENDORF, Währung, S. 190 f.
131 Ob überhaupt Wahlfreiheit bestand, ist zweifelhaft. Wahrscheinlich muß aus der Angabe des Turnosenkurses eine Koppelung des Zollsatzes an die Groschenmünze gefolgert werden. Wenn in Pfennigen gezahlt wurde, dann zum neuen Kurs. 132 Vgl. KLÜSSENDORF, Währung, S. 116 f.
133 Direkte Quellen über die Bewältigung dieses Problems an den Zöllen liegen nicht vor. Selbst wenn man eine fortlaufende Anpassung der geforderten Summen an die Geldentwertung vorgenommen haben sollte, was bei der bekanntermaßen hohen Rigidität nominal festgelegter Abgabensätze keineswegs selbstverständlich ist, konnte eine solche Angleichung kaum anders als reaktiv erfolgen. Die Dynamik der Entwertung begünstigte zweifellos eher die Zollpflichtigen als die Zollinhaber. 134 NICKLIS, Geldgeschichtliche Probleme I, S. 177.
II. Die Flußzolltarifierung
bis zum Beginn des 14.
Jahrhunderts
185
erfolgten Entwicklung durch die den Handel abschöpfende Fiskalinstitution Zoll; sie ist ebensowenig allein mit der offensichtlichen Praktikabilität des Silbergroschens für die Zolltarifierung zu erklären. So wichtig beide Momente auch waren: Man wird doch dem Interesse der Zollinhaber an einem wertstabilen (Groß-)Nominal zumindest im Hinblick auf die Geschwindigkeit und Vollständigkeit der Umstellung die entscheidende Rolle zuzumessen haben.
C.
Zollstätten in den Rheinlanden bis 1500
Entsprechend dem in der Einleitung skizzierten Programm sollen im folgenden in der gebotenen Knappheit alle bis 1500 nachweisbaren Zollstätten entlang der Flüsse des Untersuchungsraums und alle bis 1300 nachweisbaren Hebestellen im Landesinneren daraufhin untersucht werden, ob bzw. wie lange dort Transitabgaben auf den Handelsverkehr erhoben wurden 1 . Alle anderen Fragen - etwa nach den politischen Hintergründen, nach der Zolltarifierung und nach den Einzelheiten der Besitzgeschichte - kommen nur soweit zur Sprache, wie sie für den Bestand der Hebestelle relevant sind. Diese Probleme werden in der Arbeit an anderer Stelle erörtert. Die Diskussion der einzelnen Zölle erfolgt in chronologischer Reihenfolge der (möglichen) Erstbelege. Bei Zolltiteln, die später verlegt wurden, ist für die Einordnung der erste Erhebungsort maßgeblich.
I.
Zollstätten bis 1100
1.1
Trier
Ein Trierer Zoll bestand wohl schon in frühkarolingischer Zeit, ist jedoch explizit erst 902 genannt. In diesem Jahr restituierte König Ludwig das Kind der Trierer Kirche die ihr unter Bischof Weomad - vermutlich 772 oder kurz zuvor - entzogenen gräflichen Rechte, darunter im fiskalischen Bereich Zoll und Münze 2 . Der Trierer Zoll hatte seinen Platz wahrscheinlich am alten Hafenmarkt in unmittelbarer Nähe der Römerbrücke. Welche Folgen die 958 erfolgte Errichtung des Trierer Hauptmarkts 3 durch Erzbischof Heinrich I. hatte, läßt sich nicht feststellen. Es kann allenfalls vermutet werden, daß bestimmte Teile des Zolls auf den neuen Marktplatz übertragen wurden. Relativ sicher ist allerdings, daß entgegen den Ansichten der
1
2 3
Die in fränkischer Zeit belegten Zollstätten werden in anderen Zusammenhängen diskutiert. Auf die dabei gewonnenen Ergebnisse zur Art der jeweiligen Abgaben wird hier nur kurz verwiesen. MGH D LdK, Nr. 17; vgl. dazu oben S. 37-40. Vgl. dazu umfassend LAUFNER, Trierer Markt, bes. S. 25 ff.
188
C. Zollstätten in den Rheinlanden bis 1500
älteren Literatur offenbar keine vollständige Verlegung des Marktes vom Moselufer vor die Domimmunität stattfand und der Brückenmarkt einen Teil seiner Funktionen bis ins Spätmittelalter behielt 4 . Obwohl kaum bezweifelt werden kann, daß zumindest der Trierer Markthandel seit der fränkischen Zeit kontinuierlich Zollabgaben unterworfen war, liegen entsprechende Quellen erst wieder aus staufischer Zeit vor: eine um die Mitte des 12. Jahrhunderts (1149?) angefertigte Urkundeninschrift an der Westfassade des Doms, die die Zollrechte Kölner Kaufleute in der Moselstadt dokumentierte 5 , sowie das sog. Trierer Stadtrecht von ca. 11906. Vor allem diese Quelle enthält eine Fülle von Einzelinformationen zum Trierer Handelsverkehr und zu seiner Verzollung. Die daraus erkennbare Abgabenstruktur war sehr komplex, da sie auf eine Abschöpfung des Handelsverkehrs an vielen Anknüpfungspunkten ausgerichtet war. Einen großen Teil der Trierer Zölle bildeten Verkaufsabgaben, die z. T. - etwa bei Getreide, Salz oder Honig - nach der gehandelten Menge berechnet waren 7 und z. T. als Umsatzsteuer funktionierten: So war von Heringen, Schmalz oder Tuchen 8 ein »Pfundzoll« fällig, der ein Sechzigstel des Warenwertes betrug 9 . Es wurde jedoch nicht nur der Besitzerwechsel einer Ware besteuert, sondern eine Reihe von Gütern war - zusätzlich zu diesen Verkaufsabgaben oder an ihrer Stelle - bei der Ein- oder Ausfuhr mit Zöllen belegt. Obgleich diese Abgaben nach dem Transportmittel bemessen waren, dienten sie ohne Zweifel nicht der Abschöpfung des Transithandels, sondern waren auf die Erfassung des Marktverkehrs ausgerichtet. Deutlich ist dies am Beispiel der Weinverzollung erkennbar: Bei der Ankunft eines zur Weinausfuhr bestimmten Wagens waren vier (Denar-)Münzen pro Wagen bzw. zwei Denare pro Karre an den Zöllner zu zahlen 10 . Bei der Ausfuhr eines Wagens, der mit in Trier
4
Vgl. dazu FLINK, Topographie, S. 222-227.
5
Zur Textgestalt vgl. jetzt grundlegend FUCHS, Privileg, zur Textrekonstruktion S. 53 ff., zur Datierung S. 57 ff. RUDOLPH/KENTENICH, Quellen, Nr. 1. Vgl. dazu jetzt IRSIGLER, Anmerkungen. Vgl. z. B.: Item qui hic amam mellis vendiderit, 4 den. dabit, RUDOLPH/KENTENICH, Quellen, Nr. 1, S. 4 Z. 39 f. Vgl. z. B.: De quibuscunque finibus linei panni huc delati fuerint ad vendendum, talentinum theloneum solvent, RUDOLPH/KENTENICH, Quellen, Nr. 1, S. 5 Z. 40 f. Der Terminus wird an anderer Stelle erklärt: talentinum theloneum, id est de 20sol. 4 denarios, RUDOLPH/KENTENICH, Quellen, Nr. 1, S. 4 Z. 30 f.; der Name der Abgabe erklärt sich aus dem Bezug des Zollsatzes auf ein Pfund Denare (20 Schilling). Si plaustrum ad educendum vinum advenerit, theloneario vini 4 nummos dabit, si biga, duos denarios, si equus, denarium, si mulus, obulum, si asinus, obulum, R u DOLPH/KENTENICH, Quellen, Nr. 1, S. 4 Z. 22 ff. Die Gleichsetzung von nummus und denarius ergibt sich aus dem 2:1 Verhältnis zwischen Wagen und Karre, das sich auch beim Zoll auf Eisen findet: Si quis curru ferrum adduxerit, 4 den. dabit... si quis biga ferrum adduxerit2 den., ebd., Z. 34 ff.
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10
I. Zollstätten bis 1100
189
gekauftem Wein beladen war, erhob der Zender einen »Deichselpfennig«11, während bei der Einfuhr des neuen Weins per Schiff im September dem Schultheißen je nach Schiffstyp zwischen einem und zwei Sester zustanden 12 . Auch der Weinverkauf selbst war vermutlich nicht abgabenfrei, ohne daß allerdings im Stadtrecht darüber Angaben enthalten sind. Weitere Beispiele für Zölle auf den Landverkehr, die der Erfassung des Markthandels dienten, lassen sich leicht finden 13 , jedoch keine Zölle, die als Transitabgaben eingestuft werden könnten. Ein ähnliches Bild ergibt die Analyse der Trierer Zölle auf den Flußverkehr; auch diese waren eindeutig marktbezogen: Kaufleute aus Köln, Worms, Speyer, Bingen und von der Mosel entrichteten jeweils acht Denare pro Schiff, waren damit jedoch von allen anderen Zollabgaben auf Kauf oder Verkauf befreit. Dagegen zahlten Händler, die Getreide a superioribus partibus per Schiff nach Trier brachten, den Pfundzoll sowie beim Marktverkauf einen Obol je Malter 14 . Die einzige aus dem Stadtrecht nachweisbare Transitabgabe auf den Moselverkehr wurde beim Passieren der Brücke in Höhe von einem Denar pro Schiff als nummus licentie erhoben. Lediglich dann, wenn die Ladung aus Heringen bestand, die zum Verkauf in Trier bestimmt waren, mußten zusätzlich pauschal 90 Fische an den Schultheißen und fünf Stück an den Zender der Brücke abgegeben werden 15 . Ob
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15
Insuper vinum ementes et plaustro educentes nummum centurioni dandi sunt, qui nummus temonis dicitur, RUDOLPH/KENTENICH, Quellen, Nr. 1, S. 3 Z. 24 f. Item a festo s. Paulini (31. August) usque ad festum s. Remigii (1. Oktober) quicquid novi vini huc affertur navigio ab advenis, si navicula non habuerit curva ligna, que curben dicuntur, sextarium unum dabit schulteto, si vero habuerit, duos dabit, RUDOLPH/KENTENICH, Quellen, Nr. 1, S. 2 Z. 21-24. Vgl. etwa die Verzollung von Faßreifen, Heu, Kohlen; RUDOLPH/KENTENICH, Quellen, Nr. 1, S. 6 Z. 16 ff. Item cives Colonienses et Wormacienses et Spirenses et cives de Bingen et habitantes rivum Moselle, quod Ham dicitur, quicquid emant et vendat, de prora navis 8 den. dabunt, RUDOLPH/KENTENICH, Quellen, Nr. 1, S. 5 Z. 11 ff.; Qui maldrum annone in foro vendiderit, si advena est, obulum dabit... Item qui a superioribus partibus navigio annonam huc adduxerit, talentinum theloneum dabunt, ebd., Z. 7-10. Während der Zoll der Kölner und der ihnen gleichgestellten Kaufleute eindeutig eine Ablöse weiterer Verkaufsabgaben darstellte, ist nicht ganz klar, ob dies auch für die Händler aus dem oberen Moselgebiet galt oder ob sie zusätzlich den allgemeinen Verkaufszoll von einem Obol pro Malter zu entrichten hatten. Item quicunque allecia huc attulerit et pontem transierit, nonaginta allecia sculteto dabit et centurioni de ponte 5 allecia et nummum, qui nummus licencie dicitur. Item si quid aliud navis tulerit, nummum dabit, RUDOLPH/KENTENICH, Quellen, Nr. 1, S. 5 Z. 13-17. Da das Schiff beim Passieren der Brücke noch beladen war und Heringe zweifelsohne rhein- und moselaufwärts geführt wurden, ergibt sich ein zusätzlicher, von Flink nicht herangezogenener Beleg für die Lokalisierung des alten Trierer portus südlich der Römerbrücke, vgl. FUNK, Topographie, S. 222 ff. und die Karte nach S. 236.
190
C. Zollstätten in den Rheinlanden bis 1500
weitere Abgaben bei Transporten verlangt wurden, deren Zielort moselaufwärts von Trier lag, läßt sich nicht ermitteln. Die nur fragmentarisch überlieferte Inschrift über die Kölner Zollvorrechte in Trier - sie war möglicherweise das Gegenstück zur bekannten Fixierung der Trierer Abgabensätze in Köln 16 - ergänzt dieses Bild. Soweit aus den erhaltenen Textstükken erkennbar ist, betraf der Zoll den Warenumschlag im Hafen sowie den Kauf und Verkauf; die Existenz von Transitabgaben ist hier ebenfalls nicht zu fassen. Im Jahre 1241 konnten Auseinandersetzungen zwischen Koblenz und Trier unter Vermittlung des Trierer Erzbischofs Theoderich beigelegt werden. Der Metropolit bestätigte einen Spruch der Trierer Schöffen, daß die Koblenzer in der Domstadt von beladenen oder leeren Schiffen acht Trierer Denare schuldig waren bzw. die Hälfte, wenn von Schiff zu Schiff umgeladen wurde. Ferner bestimmte er, daß in beiden Städten gleiches Recht zu gelten hätte 17 . Da besondere Abgabensätze für Koblenzer Händler - etwa aus dem Trierer Stadtrecht - nicht bekannt sind, kann der Grund des Streits nur vermutet werden. Möglicherweise wollten die Koblenzer eine Gleichstellung mit Händlern aus Köln, vom Mittelrhein und vom Ham genannten Moselgebiet 18 erreichen, eine Gruppe, die nach dem Tarif von ca. 1190 bei einem pauschalen Schiffszoll von acht Denaren von weiteren Marktabgaben befreit war. Vielleicht ging es auch um den halbierten Zoll beim Beladen leerer Schiffe. Dagegen besteht kein Grund zu der Annahme, daß sich in Trier ein - weder früher noch später nachweisbarer - Flußtransitzoll ausgebildet hatte 19 . Die Abschöpfung des von und nach Trier kommenden Handels übernahm vielmehr seit 1372 der kurtrierische Moselzoll in Pfalzel20. Einzig die an der Römerbrücke eingeforderten Gelder wurden auf den Durchgangsverkehr auf der Mosel erhoben und sind teilweise noch fast dreihundert Jahre nach der Aufzeichnung des ältesten Stadtrechts belegt21.
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Dies nimmt FUCHS, Privileg, S. 61 f., schlüssig an. MRUB III, Nr. 712. Nach dem Koblenzer Zolltarif von 1209 (MRUB II, Nr. 242) waren die Trierer mit acht Trierer Denaren pro Schiff veranschlagt. Gemeint ist wahrscheinlich das Zeller Hamm, vgl. IRSIGLER, Anmerkungen, S. 37 Anm. 15; siehe zu diesem Terminus auch DOMINICUS, Baldewin, S. 556 Anm. 3; weitere Nachweise aus dem Moselraum bei YANTE, Sierck, S. 358. Bei dem zol, den die Trierer Erzbischöfe seit 1289 meist an Trierer Bürger verpachteten (RET, S. 57, 64, 92, 100 etc.), handelte es sich wahrscheinlich um den Marktzoll; denn Trier wurde bei Aufzählungen der kurtrierischen Flußzölle - etwa 1354 (MGH Const. XI, Nr. 19) - regelmäßig nicht genannt. Vgl. dazu unten S. 325 ff. Erzbischof Johann von Baden beschwerte sich 1476 beim Rat der Stadt Trier: Daz sie eynen sehster wyns heben von jedem schiff under ader by der brücken, das eym scholteß zu Trier von myns gn. herren wegen zugehoret, RUDOLPH/KENTENICH, Quellen, Nr. 162. Vgl. auch die Brückenzollbefreiung für das Kloster Himmerod durch Erzbischof Boemund aus dem Jahr 1290 (MRRIV, Nr. 1760) und die Klageschrift Erzbischof Balduins von
I. Zollstätten bis 1100
191
Ein weiterer Trierer Zoll, der zu den vorgenannten Abgaben in keiner erkennbaren Beziehung stand, wurde bei der Abtei St. Eucharius-St. Matthias südlich der Stadt erhoben. 1038 restituierte Erzbischof Poppo dem Kloster einige Besitzungen, behielt sich aber die Einkünfte des Zolls von dem dort am Tag des heiligen Eucharius (8. Dezember) abgehaltenen Jahrmarkt vor22. Wie schon aus der eindeutigen Quellenterminologie hervorgeht, kommt auch diese noch zu Beginn des 13. Jahrhunderts erwähnte Abgabe 23 nicht als Transitzoll in Frage.
1.2
Köln
Daß in Köln schon seit fränkischer Zeit Abgaben auf den Handel erhoben wurden, ist nicht bekannt, jedoch gut möglich. Ein Fortbestehen der römischen Zollstation 24 (in welcher Form auch immer) ist freilich nicht wahrscheinlich: Zu gravierend waren in der Rheinmetropole die Auswirkungen der mehrmaligen Herrschaftswechsel verwiesen sei nur auf die tiefen Einschnitte im kirchlichen Bereich 25 - , und zu grundlegend hatten sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verändert, als daß man eine fortdauernde Existenz der Abgabenerhebung in Köln annehmen könnte. Nach der Erholung von den Normanneneinfällen am Ende des 9. Jahrhunderts setzte ein Aufschwung ein, der - neben dem zunehmenden politischen Gewicht des Kölner Erzbischofs - im wirtschaftlichen Bereich im Münzwesen zu fassen ist26. Den ersten sicheren Nachweis eines Kölner Zolls liefert das bekannte Handelsprivileg Ottos II. aus dem Jahr 975 für die Magdeburger Kaufleute. Diese sollten, wie zur Zeit seines Vaters (Otto I., 936-962), im ganzen Reich abgabenfrei sein, außer zu Mainz, Köln, Tiel und Bardowick. Auch dort hatte man von ihnen nec plura vel
1351 gegen die Stadt Trier (Punkt 16): Heben sie (die Trierer) sester und zol uf der Mosele uf gande und nider von schiffen, die noch laden, entladen, noch amen zu Triere, RUDOLPH/KENTENICH, Quellen, Nr. 55.
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excepto thelonei lucro de mercato dumtaxat in prefati s. Eucharii inibi constituto natale, M R U B I , Nr. 310. Zur Bedeutung der Restitution vgl. BECKER, Benediktinerabtei, S. 346. IRSIGLER, Anmerkungen, S. 36 f., vermutet, daß dieser Markt in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts durch den Matthiasmarkt abgelöst wurde. Die von Irsigler nicht diskutierten späteren Belege für den Euchariusmarkt (siehe die folgende Anm.) wären dann als nicht mehr zeitgemäße Entlehnungen aus den Vorurkunden zu deuten. Vgl. die Besitzbestätigung Papst Hadrians IV. aus dem Jahr 1155: villam s. Eucharii cum omni iure et possessione et preter teloneum in festo s. Eucharii, quod est episcopi, MRUB I, Nr. 589; 1202 bestätigte Erzbischof Johann die Urkunde von 1038 mit weiteren Restitutionen seiner Vorgänger (MRUB II, Nr. 207). Vgl. dazu DOPPELFELD, Kölner Wirtschaft, S. 67. Nach dem Tod des hl. Severin (um 400) ist erst mit Carentinus (ca. 565) überhaupt wieder ein Bischof in Köln belegt (REKI, Nr. 10,16). Eine längere Unterbrechung der Sukzession muß angenommen werden, vgl. BRÜHL, Studien, S. 43. Vgl. ENNEN, Kölner Wirtschaft, S. 114; ALBRECHT, Niederlothringen, S. 86 f.
192
C. Zollstätten in den Rheinlanden bis 1500
maiora vectigalia zu erheben, als sie es gewohnt waren 27 . Adressaten dieses Privilegs waren für die beiden Rheinmetropolen die dortigen Erzbischöfe; denn 979 übertrug Otto II. dem Bischof von Worms das restliche Drittel von Zoll und Bann in der urbs und der suburbs Worms, so daß er, wie seine Amtsbrüder zu Köln und Mainz, sämtliche Handelsabgaben in seiner Hand vereinigen sollte 28 . Diese Zölle in den rheinischen Bischofsstädten - das Wormer Privileg läßt erkennen, daß es sich um bereits ausdifferenzierte Abgaben handelte - waren vermutlich hauptsächlich auf die Erfassung des Marktverkehrs konzentriert: Köln war um die Jahrtausendwende »einer der bedeutendsten Marktorte des deutschen Reiches mit einem vorbildlichen Marktbrauch« 29 , der neben Mainz, Magdeburg, Dortmund und Trier als Bezugspunkt in den Marktgründungsurkunden Ottos III. genannt ist. Die spezifische Ausgestaltung von Münze, Zoll und Bann bildete dabei einen der wichtigsten Bestandteile des vorbildgebenden Marktrechts 30 . Zwar wird man annehmen können, daß nicht der gesamte Rheinverkehr den Kölner Markt zum Ziel hatte und
27 et ne ab aliquo cogantur vectigalia persolvere urbibus pontibus aquis viis et inviis, nostra imperíali auctoritate penitus interdicimus, his locis exceptis: Mogontia, Colonia, Tiela, Bardonuuihc, et nec plura vel maiora exigantur vectigalia, quam moris illorum erat persolvere, MGH D O II, Nr. 112. 28 ut omnes cuiuscumque negotiationis utilitates, toletis videlicet et bannis, sive ex ipsa urbe vel ex suburbio villeve adiacentis confinio provenientes idem Hildiboldus episcopus suique successores ut reliquarum ecclesiarum Mogontiensis atque Coloniensis presules pleno iure possideant, MGH D O II, Nr. 199. 29 ENNEN, Kölner Wirtschaft, S. 113; vgl. auch ebd. zur Stellung der Kölner Marktrechtsfamilie. 30 Vgl. das Privileg für die Äbtissin von Quedlinburg aus dem Jahr 994: monetis theloneis omnique in mercatorio iure quod antecessorum nostrorum, regum scilicet et imperatorum, industria Coloniae, Magontiae, Magadaburch similibusque nostrae dicionis in locis antea videbatur esse concessum, MGH D O III, Nr. 155; die Urkunde für den Abt von Helmarshausen aus dem Jahr 1000: dedimus potestatem atque licentiam ... habendi et constituendi mercatum, monetam constituendi, theloneum accipiendi ibique totius publice functionis negotium decrevimus colendum. Unde imperiali iubemus potentia ut omnes negó tiato res ceterique mercatum excolentes commorantes euntes et redeuntes talem pacem talemque iustitiam obtineant qualem illi detinent qui Moguntiae, Coloniae et Trutmanniae negotium exercent, talemque bannum persolvant qui ibidem mercatum inquietare vel infringere praesumant, MGH D O III, Nr. 357; und die Marktverleihung zu Wasserbillig für St. Maximin bei Trier aus demselben Jahr: habeat idem mercatum cum moneta et theloneo ac tocius rei publice functione ac dispositione... Quicumque... contradictor et violator in aliqua re exstiterit, sciat se componere nostrum bannum ita sicut ille qui mercato Mogoncie Colonie et Treveris confracto et contaminato dampnatus fuerit, MGH D O III, Nr. 364. Die >typische< Trias von Markt, Münze und Zoll wird bereits in spätkarolingischer Zeit im Diplom Ludwigs des Kindes für den Bischof von Eichstätt aus dem Jahr 908 formuliert: publice negotiationis mercatum constituere et monetam efficere theloneumque, sicut in ceteris mercationum locis mos est, exigere, MGH D LdK, Nr. 58. Zur Problematik der Deutung siehe auch KROESCHELL, Kaufmannsrecht.
I. Zollstätten bis 1100
193
ein Teil die Stadt einfach passierte, jedoch läßt sich die Existenz spezieller Transitabgaben zu dessen Erfassung in ottonischer Zeit nicht belegen. Während nur wenig über die Zollerhebung in Köln im 11. Jahrhundert bekannt ist, geben seit dem Beginn des 12. Jahrhunderts eine Reihe von speziellen, offenbar ermäßigten Tarifen, die Kaufleute von der Maas und der Mosel aushandeln konnten, Einblicke in die Kölner Abgabenstruktur. Das früheste dieser Sonderrechte stammt aus dem Jahr 110331 und ist als Wiederherstellung der verletzten älteren Zollvorrechte der Händler aus Lüttich und Huy gefaßt. Was bereits aus den Quellen der Jahrtausendwende erschlossen werden konnte, wird hier bestätigt: Das Hauptgewicht der Kölner Zollabgaben ruhte auf dem Markthandel 32 . Auch die nach dem Transportmittel gestaffelten Zollsätze, die einen erheblichen Teil der gesamten hier verzeichneten Abgaben darstellten, waren nicht auf den Warentransit, sondern auf den Handel in der Stadt ausgerichtet. Gut sichtbar ist dies 1103 z. B. bei der Schiffsabgabe, die fällig war, si Coloniam merces suas navigio adduxerint - eine ähnliche Formulierung wählte man 1149 im Zollprivileg der Trierer Kaufleute 33 . Im Gegensatz zu Transitzöllen auf den Rheinverkehr wurde hier die Anlieferung von Handelsgütern und nicht ihre Durchfahrt mit Zoll belegt, womit freilich nicht ausgeschlossen ist, daß auch Fahrten über Köln hinaus ohne Besuch des Marktes abgabenpflichtig waren. Entscheidend für die Einordnung des Kölner Zolls ist jedoch, daß er - wie dies auch für Trier festzustellen ist - vorwiegend auf den Handel am Ort abzielte. Die Zollsätze auf Transportmittel des Landverkehrs bieten das gleiche Bild: Auch sie waren im wesentlichen marktbezogene Abgaben. So war z. B. der Kupferzoll von einem ferto bei Kauf und Verkauf pro Karre berechnet, und den allgemeinen Transportmittelzoll von acht Denaren pro Wagen bzw. vier Denaren pro Karre hatten die Maaskaufleute nur dann zu entrichten, si mercatum fecerint. Die einzige Ausnahme bildet eine Bestimmung für den Transit der Händler aus Lüttich und Huy, wenn sie nach Dortmund oder Sachsen zum Einkauf von Kupfer über Köln fuhren. Zollpflichtig war dabei allerdings nur die vorübergehende Lagerung von Waren, die auf dem Rückweg wieder aufgeladen wurden. Trotz der hier erkennbaren Bedeutung Kölns
31
Hans. UB III, Nr. 601. Vgl. dazu WISPLINGHOFF, Friedrich I., S. 103-107. Der von DESPY/BILLEN, Marchands, mit großem Aufwand (aber ohne Verwertung der Ergebnisse von Wisplinghoff) versuchte Nachweis, daß die nicht untadlige Urkunde eine Fälschung aus der Zeit um 1200 sei, kann nicht überzeugen. Zur rechtsgeschichtlichen Deutung vgl. KROESCHELL, Ius, S. 2 8 9 f.; DERS., K a u f m a n n s r e c h t , S. 4 2 8 f.
32
Dies hat bereits DROEGE, Rheinzölle, S. 24 f., in der Abgrenzung von den Transitzöllen der Kölner Erzbischöfe betont. 33 quando cum navibus vinum portantibus sanctam attingimus Coloniam theolenario, quicunque preest thelonio, urnam vini ac quatuor denarios, si quicquam ibi vendiderimus, persolvere debemus. Si autem sine utroque videlicet melis vinique liquore navigio, ut pretaxatum est, sanctam Coloniam pervenerimus, nostra nave quocunque mercimonio honerata, remeantes non plus quam VI denarios persolvimus, RUDOLPH/KENTENICH, Quellen, Nr. 4.
194
C. Zollstätten in den Rheinlanden bis 1500
als Durchgangsort für die Maaskaufleute für den nach Osten gerichteten Handel entsprechende, z. T. modifzierte Bestimmungen finden sich auch in den Zolltarifen von 1171 und 1203 für die Dinanter Kaufleute 34 - existierte nach Ausweis dieser Quellen ein regelrechter Transitzoll allenfalls im Schatten der verschiedenen Abgaben auf den Handel am Ort. Die im Vergleich zu den Transitzöllen an Mittel- und Niederrhein geringe Zahl der für den Kölner Zoll ausgestellten Befreiungen konturiert dieses Bild. 1125 erteilte der Kölner Erzbischof Friedrich I. den Siegburger Kaufleuten Zollfreiheit von Schiffs- und Marktabgaben in der civitas35. 1147 gewährte Arnold I. der Abtei Egmond ein Zollprivileg für den Transit ihrer Güter zu Andernach, Neuss und Köln 36 . 1218 befreite Engelbert I. die Zisterze Eberbach von allen Zollabgaben in Köln zu Wasser und zu Land 37 . 1241 erließ Konrad von Hochstaden den Reeser Bürgern für immer jegliche Zollabgabe in Köln und Neuss38. Demgegenüber sind für den erzstiftischen Rheinzoll Neuss bis 1250 fast dreimal soviel Zollbefreiungen erteilt worden, nämlich an elf verschiedene Begünstigte 39 . Warum in Köln ein den übrigen Rheinzöllen vergleichbarer Transitzoll nicht entstanden ist, obgleich entsprechende Ansätze - die genannten Zollprivilegien zeigen dies - durchaus vorhanden waren 40 , kann an dieser Stelle nicht umfassend diskutiert
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1171: Hans. UB I, Nr. 22; 1203: Hans. UB I, Nr. 61. ut omnes negotiatores in uilla Sigebergensi... Colonie ab omni thelonio sint liberi siue igitur naualis sit negotiatio siue per ciuitatem forensi exerceatur commertio omnibus in prefata uilla commanentibus libera concedatur in perpetuum sine omni theloneo sine cuiuslibet consuetudinis uel exactionis dispendio, LAC. I, Nr. 300 - REK II, Nr. 219. omne thelonium de rebus suis transferendis tarn in Andrinachia et Nuxia quam in Colonia donavimus, KOCH, O H Z I , Nr. 123 - REK II, Nr. 458 (vgl. auch REK III.2, S. 323, zur unbestreitbaren Echtheit der Urkunde). ab omni thelonio, exactione et iure de rebus suis nobis uel officialibus nostris in ciuitate nostra Coloniensi tarn in terris quam in aquis undecumque exhibendis liberos perpetuo dimisimus et absolutos, ENNEN, Quellen II, Nr. 59 - REK III.l, Nr. 202. REK III.l, Nr. 1009. 1138, Marienstift Bedburg (REK II, Nr. 362); 1145, Konrad III., Bürger von Kaiserswerth (MGH D Ko III, Nr. 136); 1147, Kloster Egmond (REK II, Nr. 458); 1169, Stift Meer (REK II, Nr. 934); 1181, Kloster Corvey (REK II, Nr. 1168); 1186, Kloster Liesborn (REK II, Nr. 1266); 1193-1205, Stift Cappenberg (REK II, Nr. 1674); 1225, Kloster Kamp (REK III.l, Nr. 577); 1239, Kloster Altenberg (REK III.l, Nr. 970); 1241, Reeser Bürger (REK III.l, Nr. 1009); 1248, Kölner Bürger (REK III.l, Nr. 1398). - Ein Vergleich mit den für Andernach erteilten Zollprivilegien ist nicht aussagekräftig, da die Hebestelle im fraglichen Zeitraum nicht kontinuierlich bestand (vgl. unten S. 257-260). Wie der aus der Mitte des 14. Jahrhunderts überlieferte, jedoch sicher ältere Verhältnisse widerspiegelnde Tarif des erzbischöflichen Rheinzolls (Hans. UB III, Nr. 545) zeigt, wurde lediglich ein nach Herkunft der Schiffe gestaffelter pauschaler Transportmittelzoll ohne gesonderte Veranschlagung der geladenen Handelswaren erhoben. Diese Abgabe wurde auch von den Zeitgenossen nicht mit anderen Rheinzöllen verglichen; bezeich-
I. Zollstätten bis 1100
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werden. Lediglich die wichtigsten Faktoren seien genannt: Zunächst überragte wohl schon in ottonischer und salischer, erst Recht in späterer Zeit der Kölner Markthandel den die civitas nicht berührenden Transit bei weitem. Es liegt auf der Hand, daß der Schwerpunkt der 979 unter dem Oberbegriff der utilitates negotiationis41 subsumierten, offenbar an mehreren Anknüpfungspunkten ansetzenden Zollabgaben dementsprechend plaziert war. Als weiterer Faktor ist die Durchsetzung des Kölner Stapels zu werten 42 , ein seit ca. 1160 erkennbarer Prozeß, der 1259 in der Anerkennung dieses Rechts durch Erzbischof Konrad abgeschlossen war43. Durch den Niederlagszwang für die meisten Handelswaren war die Fahrt über Köln hinaus nur nach längerer Unterbrechung nötig bzw. möglich, was für die Erhebung eines Transitzolls kaum einen geeigneten Anknüpfungspunkt bot 44 . Zum dritten, und dies ist wohl das entscheidende Moment, spielte die Machtverteilung in der Stadt eine wesentliche Rolle. Zwar behielten die Kölner Erzbischöfe ihre Zollrechte in der Stadt bis zum Ende des Alten Reiches, jedoch unternahmen sie im 12. und 13. Jahrhundert anscheinend keine nachdrücklichen Versuche, diese maßgeblich zu gestalten 45 oder gar im Hinblick auf Transitabgaben auszubauen. In Anbetracht der gegenläufigen, auf den Zwischenhandel ausgerichteten städtischen Interessen wäre eine solche erzbischöfliche Zollpolitik vermutlich auch nur schwer durchzusetzen gewesen46. Spätestens der Ausgang der Schlacht von Worringen 1288 bedeutete für den Erzbischof das faktische Ende nennenswerter zollpolitischer Gestaltungsmöglichkeiten in der Domstadt. Folgerichtig haben die Kölner Metropoliten das erzstiftische Rheinzollsystem ober- und unterhalb Kölns, nicht jedoch in der Stadt selbst, auf- und ausgebaut. Die lange >Rheinfront< des Erzstifts bot genügend potentielle Hebestellen zu einer effizienten Erfassung des Transithandels.
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nenderweise spielte sie in den Auseinandersetzungen König Albrechts mit dem Kölner Erzbischof Wikbold 1300-1302 keine Rolle. MGH D O II, Nr. 199. So schon DROEGE, Rheinzölle, S. 28 f.
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LAC. II, N r . 4 6 9 - R E K I I I . l , N r . 2 0 5 3 ; vgl. d a z u ENNEN, K ö l n e r W i r t s c h a f t , S. 1 4 0 ff.,
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178 f.; zu Stapelrechten insgesamt siehe GÖNNENWEIN, Stapel- und Niederlagsrecht. Mit dieser Entwicklung hängt auch die zeitlich parallele, vermutlich bewußte Vernachlässigung der Kölner Messen zusammen; vgl. ENNEN, Kölner Wirtschaft, S. 140; IRSIGLER, Jahrmärkte und Messen, S. 537 f.; DERS., Messesysteme, S. 25; MILITZER, Kölner Weinhandel, S. 30 f. Zur Zeit des stadtkölnischen Rheinzolls (1475-1494) behalf man sich mit einer Abfertigung der Schiffe beim Verlassen des Hafens; vgl. JOHN, Kölner Rheinzoll, S. 22 f. Ob ein ähnliches Verfahren im 12. und 13. Jahrhundert für einen auf den Stand der Neusser Abgabe ausgebauten erzbischöflichen Rheinzoll praktikabel gewesen wäre, ist fraglich. Eine deutliche Zurückhaltung der Erzbischöfe ist auch in den Zolltarifen des 12. Jahrhunderts erkennbar, besonders etwa im Zollvertrag zwischen Köln und Trier von 1149; vgl. dazu ausführlich STEHKÄMPER, Populus. Schon die für einen Rheinzoll notwendige militärische Sicherung hätte die Stadt kaum unmittelbar vor ihren Toren geduldet.
196
C. Zollstätten in den Rheinlanden bis 1500
Und so hat auch nicht der Erzbischof, sondern die Stadt wiederholt versucht, am Transithandel auf dem Rhein mit einem Zoll zu partizipieren. Zum ersten Mal sind entsprechende Bemühungen Kölns mit dem Bacharacher Landfrieden von 1317 zu fassen 47 . Die Rheinmetropole gehörte zu den wichtigsten Mitgliedern des von König Ludwig, den Erzbischöfen von Mainz und Trier und einer Reihe rheinischer Städte geschlossenen Bundes. Am Landfriedenszoll von insgesamt 33 Turnosen, der zum Ersatz der zwischen Hördt und Köln bis auf wenige Ausnahmen aufgehobenen Rheinzölle errichtet wurde, waren die städtischen Landfriedensteilnehmer mit einem Drittel, also elf Turnosen beteiligt. Davon wurden sechs Turnosen an der in oder bei Köln neuerrichteten Landfriedenszollstätte erhoben. Ein glücklicher Zufall der Überlieferung erlaubt, sich eine Vorstellung von der Höhe der Zolleinkünfte zu machen. Nach einem im Speyerer Stadtarchiv überlieferten Aktenstück erbrachte der Kölner Landfriedenszoll in den drei Jahren und acht Monaten seines Bestehens einen Nettoertrag von über 1.621 Pfund Turnosgroschen, also etwa 1.556 kg Feinsilber 48 . Nach welchem Schlüssel diese Einnahmen auf die einzelnen Städte verteilt wurden, ist nicht bekannt, doch wird man schon aus der Stellung Kölns als Vorort des niederrheinischen Landfriedensbezirks folgern können, daß die Stadt den Löwenanteil erhielt. Dem standen freilich auch erhebliche Kosten gegenüber: Köln trug zusammen mit dem Grafen von Jülich die Hauptlast des Kampfs gegen den Kölner Erzbischof Heinrich von Virneburg, der zunächst zur Teilnahme am Landfrieden genötigt worden war, aber von Anfang 1318 bis Sommer 1320 einen systematisch auf die Schädigung der stadtkölnischen Handelsverbindungen ausgerichteten Krieg führte 49 . Daß die Teilnahme Kölns am Bacharacher Landfrieden in finanzieller Hinsicht lohnenswert war, darf daher trotz der erheblichen Zolleinnahmen bezweifelt werden. An vergleichbaren Unternehmungen hat die Stadt, soweit dies ohne systematische Prüfung feststellbar ist, in der Folgezeit jedenfalls kein besonderes Interesse entwickelt. Erst mehr als vierzig Jahre später sind wieder Versuche Kölns zu einer fiskalischen Partizipation am Transithandel auf dem Rhein faßbar. 1362/136350 bereiteten die
47 48 49 50
MGH Const. V, Nr. 421. Vgl. zum folgenden unten S. 509-545. VOGT, REM 1.1, Nr. 1915. Es handelt sich hier zweifelsohne um den Gesamtertrag und nicht nur um den Speyerer Anteil. Der Turnosgroschen ist zu 4 g Feinsilber gerechnet. Vgl. dazu unten S. 522-525. VON DEN BRINCKEN, Privilegien, S. 257, hat im Anschluß an Leonard ENNEN, Geschichte der Stadt Köln II, Köln 1863, S. 661 f. - ohne die Eberbacher Zollprivilegien zu berücksichtigen - die These vertreten, daß die Zollverleihung vermutlich um 1350, als Karl die Stadt noch reichlich mit Privilegien bedachte, auf keinen Fall jedoch nach 1356 stattgefunden habe. Dagegen sprechen mehrere Gründe. Zunächst ist kaum vorstellbar, daß der Zoll zum Zeitpunkt seiner Aufhebung bereits über sieben Jahre bestanden hat, ohne daß dies den geringsten Niederschlag in den Quellen gefunden hätte. Mit Sicherheit hätte die Zollverleihung zumindest die Aufmerksamkeit der benachbarten Fürsten, Herren und
I. Zollstätten bis 1100
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Stadt und Kaiser Karl IV. die Errichtung eines gemeinsamen Rheinzolls in Köln vor, jedoch scheiterte das Projekt vor oder kurz nach seiner Verwirklichung und führte dadurch zu Auseinandersetzungen zwischen beiden Parteien. Den ersten Hinweis auf die neue Abgabe geben zwei Urkunden Karls IV. vom 17. Januar 1363. In der einen teilte er den Schreibern und Wärtern des Kölner Zolls mit, daß er dem Kloster Eberbach Zollfreiheit für Eigengewächse und alle Güter des eigenen Bedarfs verliehen habe; in der anderen informierte er den Kölner Rat über dieses Privileg51. Die kaiserliche Zollverleihung an Köln ist selbst nicht überliefert, und sie kann auch nur teilweise rekonstruiert werden. Nähere Informationen über den Zoll geben allein zwei Urkunden vom 2. Januar 136452, die das Ende des Streits zwischen der Stadt und dem Kaiser dokumentieren. Demnach hatte Karl IV. der Metropole offenbar während der Sedisvakanz auf dem Kölner Erzstuhl (1362 Sept. 1 bis 1363 Juni 20) einen Zoll verliehen, von dem er einen ständigen Ertragsanteil in Höhe von vier Turnosen beziehen sollte. Der Gebrauch der Turnosentarifierung läßt die nicht näher beschriebene Abgabe als Rheinzoll erkennen, deren Gesamthöhe - wenn man davon ausgeht, daß der kaiserliche Anteil kaum mehr als die Hälfte betragen haben wird - bei mindestens acht Turnosen lag. Im Hinblick auf den zu erwartenden Widerstand des neuen Erzbischofs - Karl IV. selbst hatte noch 1346 Erzbischof Walram und dessen Nachfolgern zugesichert, keinen neuen Rheinzoll zwischen Andernach und Rees zu verleihen 53 - hatte man zwei sich ergänzende Vereinbarungen getroffen: Zum einen sollte die Stadt dem Erzbischof nicht eher huldigen und ihm die Tore öffnen, bis dieser den neuen Zoll bestätigt hatte, und zum anderen sollte der Kaiser die Verleihung der Reichslehen an den Metropoliten von dessen förmlicher Anerkennung der Abgabe abhängig machen 54 . Es ist nicht bekannt, was letztendlich
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Städte, insbesondere natürlich die des Kölner Erzbischofs hervorgerufen. Zum anderen berücksichtigt von den Brincken nicht, daß die die Zollverleihung begleitenden Urkunden eindeutig auf eine Situation während oder kurz nach einer Sedisvakanz Bezug nehmen (Huldigung der Stadt, Belehnung des Erzbischofs mit den Reichslehen). Am wahrscheinlichsten ist daher, daß das Zollprojekt Kölns mit dem Kaiser um die Jahreswende 1362/1363 - am 28. Dezember 1362 bestätigte Karl IV. das Selbstergänzungsrecht des Kölner Schöffenkollegiums (inseriert in LAC. III, Nr. 774) - in Angriff genommen wurde. RIVIII, Nr. 6238, 6239. Die eigentliche Zollbefreiung wurde am 18. Januar 1363 ausge-
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stellt (Nr. 6240). ENNEN, Q u e l l e n IV, Nr. 4 2 8 , 4 2 9 .
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MGH Const. VIII, Nr. 123 - REK V, Nr. 1375. Nach der Erlangung der Kaiserwürde 1355 war Karl IV. anscheinend nicht bereit, diese Zusage gegenüber Walrams Nachfolger Wilhelm von Gennep zu wiederholen: Der Herrscher bestätigte lediglich die erzstiftischen Rheinzölle Andernach, Bonn, Neuss und Rheinberg und gewährte dem Metropoliten das Recht, diese Hebestellen an einen beliebigen Ort zwischen Andernach und Rees zu verlegen (REK VI, Nr. 675). eynen anderen kleynen offenen brief daynne wir (die Stadt Köln) yem (dem Kaiser) in guden truwen geloift hadden, dat wir den ertzebusschof van Coelne nyet hulden en seulden noch un in onse stat laissen, he en hedde zu dem erstem den vurschreven toll gestediget mit
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C. Zollstätten in den Rheinlanden bis 1500
zum Scheitern dieses Vorhabens führte; wir wissen nicht, ob die Zollerhebung tatsächlich für kurze Zeit aufgenommen wurde oder ob Karl die Eberbacher Zollfreiheit im Vorgriff verliehen hatte. Da die Stadt Köln den Kaiser jedoch mit 14.000 kleinen Florentiner Gulden entschädigen und überdies auf die Rückzahlung eines Kredits in Höhe von 2.000 Gulden verzichten mußte, scheint sie selbst vom Zoll Abstand genommen zu haben 55 . Dieser sehr kostspielige Mißerfolg hielt die Stadt mehr als ein Jahrhundert davon ab, nach dem Vorbild der benachbarten Landesherren eine Beteiligung an der Abschöpfung des Transithandels auf dem Rhein anzustreben. Erst 1475, nach Beendigung des Neusser Krieges, der die städtischen Finanzen »bis an die Grenze der Belastbarkeit« 56 beansprucht hatte, unternahm Köln einen neuen und zunächst erfolgreichen Anlauf zur Etablierung eines Rheinzolls. Am 24. Mai 1475 verlieh Kaiser Friedrich III. der Stadt - angeblich aus eigenem Antrieb - zur Entschädigung für ihre Kriegskosten einen Rheinzoll von zwei Gulden und zwei Turnosen von jedem rheinauf- oder rheinabwärts geführten Zollfuder - entsprechend der Höhe des Bonner Zolls - und die Hälfte dieses Zollsatzes von allen Waren, die nach Köln gebracht wurden 57 . Sich und seinen Nachfolgern reservierte der Herrscher einen festen jährlichen Ertragsanteil von 1.500 rheinischen Gulden 58 . Der Zoll, dessen Erhebung am 8. September 1475 einsetzte, hatte von Anfang an mächtige Gegner: Es waren vor allem die rheinischen Kurfürsten 59 von Mainz, Trier und der Pfalz - der Kölner Erzbischof schloß sich ihnen erst 1490 an. Dazu zählten aber auch viele der städtischen Handelspartner Kölns wie etwa Nürnberg und
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56 57 58 59
synen brieve ... ind tzwene cleyne offene brieve ... der eyn innehelt, dat he (der Kaiser) uns in guden truwen geloift hadde, dat he den ertzebusschof van Coelne nummerme beleenen seulde synre leene, die he van dem ryche haidende were, he en hedde zu dem erstem den vurschreven toll geconfirmyert mit synen brieven, ENNEN, Quellen IV, Nr. 428. JANSSEN, Karl IV., geht auf den Zollkonflikt nicht ein. VON DEN BRINCKEN, Privilegien, S. 257, vertritt die These, daß »die Beschwerden der vom Zoll Betroffenen, vor allem der Kaufleute und der Wollweber in einen Aufstand umzuschlagen drohten«; aus den beiden angeführten Quellenstellen (ENNEN, Quellen IV, Nr. 428, 429) geht dies jedoch nicht hervor. Die Entschädigung wird von ihr mit 14.000 Gulden um 2.000 Gulden zu niedrig angegeben. Denn zu der Hauptsumme muß noch der Kredit gerechnet werden, den die Stadt Karl IV. gewährt hatte. Die 2.000 Gulden waren ausbezahlt worden, doch der ursprünglich vorgesehene Tilgungsweg, die Einnahmen der vier kaiserlichen Zollturnosen, entfiel nun, ohne daß eine Alternative vorgesehen wurde. Vielmehr mußte die Stadt die Quittungen des Herrschers über den Erhalt der Kreditsumme zur Kanzellierung ausliefern (ENNEN, Quellen IV, Nr. 429, S. 478 Z. 13-22; ebd., Nr. 429, S. 481 Z. 2-11). IRSIGLER, Kölner Wirtschaft, S. 223. Druck der Verleihungsurkunde: JOHN, Kölner Rheinzoll, S. 59 f.; Regest: KRAUS, Regesten Ks. Friedrichs III., Heft 7, Nr. 479. Vgl. die Urkunde vom 26. September 1475, gedruckt bei JOHN, Kölner Rheinzoll, S. 65 f.; Regest: KRAUS, Regesten Ks. Friedrichs III., Heft 7, Nr. 532. Vgl. zum folgenden JOHN, Kölner Rheinzoll, S. 9-18.
I. Zollstätten
bis 1100
199
Aachen, deren herkömmliche Handelsvergünstigungen am neuen Zoll nicht anerkannt wurden. Gleichwohl60 kam es erst Ende Oktober 1489 zu entscheidenden Gegenmaßnahmen dieser drei Kurfürsten, die schließlich den Rhein ab Koblenz sperrten. Stromaufwärts durften weder Kölner Waren verfrachtet werden noch Kölner Schiffe fahren. Allen rheinabwärts kommenden Transporten wurde verboten, den Kölner Zoll oder den Stapel anzufahren. Die Güter waren in Koblenz auszuladen und hatten Köln auf dem Landweg zu umgehen; erst ab Zons war die Benutzung des Rheins wieder gestattet 61 . Abgesehen von den kaum abzuschätzenden Verlusten des Kölner Aktivhandels waren die Auswirkungen dieser Maßnahmen auf die Zolleinnahmen beträchtlich 62 , zumal als die Zollerhebung vom Juni bis zum 13. Oktober 1490 im Zuge einer letztendlich ergebnislosen Verhandlungsrunde vorübergehend suspendiert wurde. Eine endgültige Einigung konnte erst auf dem Nürnberger Reichstag am 31. Mai 1491 erzielt werden. Gegen Zahlung von 15.000 rheinischen Goldgulden an die Gegenpartei wurde Köln die Erhebung des Zolls noch bis zum 24. Juni 1494 zugestanden 63 . Für die Stadt bedeutete dies kein gutes Geschäft: Der Bruttoertrag des Zolls in dieser Zeit belief sich auf rund 20.000 Gulden, davon gingen die Verwaltungskosten, vor allem aber der kaiserliche Anteil für drei Jahre von 4.500 Gulden ab, so daß die Erhebung des Zolls 1491-1494 im Endeffekt nur dessen Gegnern und dem Kaiser zugute kam. Insgesamt hatte der Rheinzoll der Stadt Köln trotz aller Schwierigkeiten nach Abzug des kaiserlichen Anteils von 28.500 Gulden sowie der 15.000 Gulden immerhin einen Gesamtbruttoertrag von 118.439 Gulden erbracht 64 . Welche Einbußen allerdings die Kölner Bürger in den neunzehn Jahren durch diesen Zoll mittelbar erlitten hatten, läßt sich kaum beurteilen.
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Hintergründe und Verlauf des Zollstreits sind trotz der umfassenden Untersuchung von JOHN, Rheinzoll, noch in manchen Punkten ungeklärt. Genauer wäre z. B. noch zu ermitteln, warum die Gegner des Zolls erst seit 1489/1490 mit Nachdruck dessen Beseitigung betrieben. A m 30. Oktober 1489 wurde dies Herzog Wilhelm von Jülich-Berg von den Erzbischöfen Berthold von Mainz und Johann von Trier sowie von Pfalzgraf Philipp mitgeteilt (KUSKE, Quellen II, Nr. 1160), vgl. dazu JOHN, Kölner Rheinzoll, S. 13 ff. Vgl. die Tabelle der monatlichen Zolleinnahmen bei JOHN, Kölner Rheinzoll, S. 120. Gedruckt bei JOHN, Rheinzoll, S. 71 f. Die Zahlen sind der Tabelle von JOHN, Kölner Rheinzoll, S. 120, entnommen, wobei dessen Albus-Angaben auf Zollgulden (bis Okt. 1487 zu 27 Albus, danach zu 30 Albus) zurückgerechnet wurden. Nach JOHN, Kölner Rheinzoll, S. 25, wurden die verschiedenen rheinischen Gulden (vgl. dazu IRSIGLER, Kölner Wirtschaft, S. 300 f.) wertgleich zum Zollgulden gerechnet.
200
1.3
C. Zollstätten in den Rheinlanden bis 1500
Mainz
Die Quellen für den Mainzer Zoll sind für die ottonische Zeit mit den Kölner Belegen identisch und brauchen deshalb nicht erneut angeführt zu werden 65 . Die Bedeutung von Mainz als Marktort - im engeren Sinne auch als Fernhandelszentrum 66 war in dieser Zeit mit der rheinabwärts gelegenen Bischofsstadt vergleichbar. Während Mainz als Bezugsort von Marktprivilegien häufiger als Köln genannt wurde, war die Kölner Münzproduktion deutlich höher 67 . Auch für Mainz gilt, daß spezielle Transitabgaben nicht nachweisbar sind und - wenn überhaupt vorhanden - in einem Fernhandelszentrum gegenüber Zöllen auf den Warenaustausch deutlich im Hintergrund gestanden haben werden. Aus dem 11. Jahrhundert ist kaum etwas über Mainzer Abgaben auf den Handelsverkehr bekannt, die, wie in Köln, unter der Regie des Ortsbischofs standen. Auch in der Folgezeit sind keine Durchgangszölle auszumachen. Zwar wurde der Mainzer Flußzoll 1121 (?) während der Auseinandersetzungen zwischen Erzbischof Adalbert und Heinrich V.68 als Kampfmittel gegen Kaufleute aus dem Reichsort Duisburg eingesetzt und für diese Händlergruppe deutlich erhöht. Doch 1155 wurde auf Druck Friedrich I. den mit Hilfe eines Weistums festgestellten alten Sätzen 69 wieder Geltung verschafft. Klar ist dabei erkennbar, daß die Schiffszölle - wie in Trier - als Abgaben, die bei der Ankunft im Hafen erhoben wurden, vor allem den Handel von und nach Mainz, nicht jedoch den Transit erfaßten. Der erste nachweisbare Mainzer Passierzoll wurde 1278 im Zuge des Hagenauer Landfriedens eingerichtet 70 . Diese Abgabe überdauerte - anders als der entspre-
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70
Die Ausführungen bei BORCHERS, Untersuchungen, S. 31 ff., über die Existenz eines Mainzer Zolls und seine Besitzer in fränkischer und frühottonischer Zeit sind spekulativ. Daß es sich gar in karolingischer Zeit um einen »Rheinzoll« handelte, wie S. 31 behauptet wird, ist keineswegs »sehr wahrscheinlich«. Daß in Mainz schon um 800 Abgaben erhoben wurden, ist sicher keine abwegige Annahme. Gerade die zweifellos vorhandene Bedeutung der Metropole als Handelsort macht es aber wenig wahrscheinlich, daß der Zoll nicht (im weitesten Sinn) den lokalen Warenaustausch erfaßte, sondern - wie durch den Terminus Rheinzoll zumindest suggeriert wird - auch oder gar vornehmlich den Transitverkehr auf dem Strom. Vgl. IRSIGLER, Jahrmärkte und Messen, S. 526 f. Vgl. dazu ENNEN, Kölner Wirtschaft, S. 116, und die Grafik über die Funde von Münzen aus ottonischer und salischer Zeit in Schweden und Finnland bei HESS, Münzstätten, S. 1 1 4 . Vgl. allgemein BÜTTNER, Erzstift Mainz, S. 19-22. quod ad portum civitatis nostre applicantes secundum ius primitivum et legittimum IIHor nummos ad theloneum de navi deberent persolvere et si forte ibi naves onerarent de uniuscuiusque navis onere unum tantum nummum ad theloneum esse persolvendum. Si autem navim vacuam deferrent, IIHor denarios theloneareo exinde persolverent, UB Duisburg I, Nr. 13. Hoc adiecto quod omnes sive religiosi sive securales in Reno descendentes et ascendentes de rebus suis, secundum quod taxavimus et statuimus communi consilio, apud Maguntiam et
I. Zollstätten bis 1100
201
chende Bopparder Zolltitel - nicht das Ende des Friedens zwei Jahre später. Erst 1325 unter König Ludwig ist die Domstadt wieder als Hebestelle für einen Landfriedenszoll gewählt worden, der wechselweise dort und in Oppenheim erhoben und vom Herrscher für Verschreibungen genutzt wurde 71 . Seitdem haben in Mainz aufgrund von Landfrieden und verschiedenen herrscherlichen Zollverleihungen anscheinend ohne längere Unterbrechung Transitabgaben auf den Flußverkehr bestanden 72 .
1.4
Schleich
Ein Zoll zu Schleich an der Mosel (bei Mehring) ist - abgesehen von einer zu 976 datierten, wohl kurz vor 1140 entstandenen Fälschung73 - erstmals 1030 faßbar, als der Trierer Erzbischof Poppo dem Trierer Kloster St. Maria in ripa die curia Schleich mit allem Zubehör, darunter auch ein theloneum per anni circulum, bestätigte 74 . Näheres über das Abgabenbündel, das unter diesen Rechtstitel gefaßt wurde, erfährt man aus dem 1140 vom Trierer Erzbischof Albero zwischen St. Maria und den Schleicher Einwohnern vermittelten Vergleich über die gegenseitigen Rechte im Ort. Dem Kloster wurde dabei nicht nur erneut der Zoll im ganzen Jahresverlauf zugesprochen; man setzte auch die Zollsätze für jedes auf die Erde gestellte Faß (Wein) sowie auf Schiffe, Landfahrzeuge und Tragetiere fest 75 . Trotz der durch diesen Tarif vergleichsweise reichhaltigen Informationen bleibt die Einordnung des durch spätere Quellen 76 anscheinend nicht mehr belegten Zolls ein Problem. Eine marktbezogene Abgabe ist nicht erkennbar, obwohl sie nicht auszuschließen ist. Ein reiner Transitzoll erklärt jedoch nicht die vor allen anderen
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Bobardiam summam proporcionaliter sue pecunie in subsidium et in defensionem pacis ministrabunt, MGH Const. III, Nr. 157. Vgl. TROE, Münze, S. 229-234. Vgl. GROSS, Register, S. 33 ff. Da die Stadt außerhalb des Untersuchungsraums liegt, ist das Quellenmaterial nicht systematisch auf Mainzer Zolltitel hin durchgesehen worden. bannusque cum terra salica atque theloneo ad curiam pertinent, MRUB I, Nr. 249. Der Schreiber dieser mit einem gefälschten Siegel des Trierer Erzbischofs Theoderich I. versehenen Urkunde ist nach EWALD, Siegelmißbrauch, S. 59, identisch mit dem der AlberoUrkunde von 1140 (MRUB I, Nr. 514). Ob der Fälscher authentische Aufzeichnungen aus der Zeit Theoderichs verwertet haben könnte, ist hier nicht zu klären. Curia in Sleiche cum banno et omnibus appendiciis scilicet XX mansis uineis terra salica theloneo per anni circulum censum de molendinis, MRUB I, Nr. 302. Die Urkunde ist nur in Form eines Transsumptes des Trierer Offizials von 1497 erhalten. Zum Hintergrund vgl. BÖNNEN, Trier, S. 226. Theloneum quod toto anno soluitur in eadem uilla est ecclesie debetur autem de quolibet uase paruo uel magno super terram posito denarius unus de naui quatuor de quadriga quinque de biga duo de equo uel asino obulus, MRUB I, Nr. 514. Die archivalische Überlieferung von St. Maria konnte allerdings nicht geprüft werden.
202
C. Zollstätten in den Rheinlanden bis 1500
Zöllen genannte Faßabgabe. Da zudem Wasser- wie Landfahrzeuge zollpflichtig waren, wurde in Schleich vermutlich der dort zwischen Fluß und Straße wechselnde Verkehr erfaßt 77 .
1.5
Gerresheim
Den ersten Nachweis über Zollerhebung in Gerresheim liefert die Urkunde Ottos II., mit der er dem dortigen Kanonissenstift 977 den Besitz des Zolls bestätigte78. Heinrich II. wiederholte dies 101979. In beiden Texten wird das theloneum in Gerrichesheim nicht näher beschrieben. Auch aus dem Kontext lassen sich keine weiteren Aufschlüsse über die Art der erhobenen Abgaben gewinnen. Weitere Quellen liegen erst zwei Jahrhunderte später wieder vor. Eine 1218 urkundlich dokumentierte Neuordnung der Zollverhältnisse läßt erkennen, daß der Zoll gegen einen festen Zins an den jeweiligen Stiftsschultheiß von Derne vergabt war, der anscheinend dazu neigte, den Kreis der Zollpflichtigen möglichst weit auszulegen80. Weder hier noch in der Besitzbestätigung des Zolls durch König Adolf aus dem Jahr 129281 hielt man es jedoch für nötig, die Art des Zolls näher anzugeben. Erst aus einem Zolltarif aus der Mitte des 14. Jahrhunderts erfährt man, daß es sich um eine marktbezogene Abgabe handelte 82 . Obwohl für das Hochmittelalter ein Gerresheimer Markt nicht explizit belegt ist83, bestand er - wie etwa in Prüm oder Münstereifel vermutlich als stiftischer Nahmarkt, und es besteht kein Anlaß zu der Annahme, daß der Zoll um die Jahrtausendwende nicht im Zusammenhang mit dem Warenaustausch am Ort eingefordert wurde, sondern eine Transitabgabe war.
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82 83
Ein ähnlicher >Umschlagzoll< ist z. B. im niederrheinischen Wesel seit Ende des 12. Jahrhunderts belegt (vgl. unten S. 254). MGH D O II, Nr. 153 (= RhUB II, Nr. 182). MGH D H II, Nr. 415 (= RhUB II, Nr. 183). Die Äbtissin verbot bei der Verpachtung die Erhebung unrechten Zolls und ließ den zollpflichtigen Personenkreis von den Gerresheimer cives bestimmen: Nec accipietur theloneum iniustum et nisi de quibus accipiendum est, quod cottidie coram abbatissa a ciuibus per sententiam diffinitur, LAC. II, Nr. 78. LAC. II, Nr. 928. Die Bestätigung erfolgte durch Inserierung von D O II, Nr. 153 und D H II, Nr. 415; gegen Ende des 13. Jahrhunderts existierten demnach keine weiteren Urkunden. Vgl. WEIDENHAUPT, Gerresheim, S. 6; DERS., Kanonissenstift, S. 105. Der von WEIDENHAUPT, Gerresheim, S. 6, angeführte Erstbeleg für einen Markt datiert von 1 3 4 8 .
I. Zollstätten bis 1100
1.6
203
Kaiserslautern
985 schenkte Otto III. seinem gleichnamigen Vetter (dem Sohn Konrads des Roten) die curtis Kaiserslautern mit Zoll, Markt und Bann 84 . Da entsprechende Quellen nicht vorliegen, bleibt die weitere Entwicklung der - wie man aus der gleichzeitigen Nennung eines mercatum schließen kann - marktbezogenen Abgabe offen. Erst aus dem frühen 13. Jahrhundert liegen wieder Nachrichten über Zollerhebung in bzw. bei Kaiserslautern vor; diese lassen eindeutig auf Transitabgaben schließen: 1216 bestätigte Friedrich II. dem Kloster Wadgassen eine durch seinen Vasallen Reinhard von Kaiserslautern verliehene Zollbefreiung, die explizit für die Durchfahrt klösterlicher Transporte an den Hebestellen im Reichsland Kaiserslautern galt 85 .1227 verlieh Heinrich (VII.) dem Kloster Otterberg liberum passagium per omnes terras nostras und erteilte ihm Zollfreiheit für eigene Güter zu Wasser und zu Land, speziell in Boppard und Kaiserslautern 86 . Im 14. und 15. Jahrhundert waren die meist als Geleitzölle bezeichneten Kaiserslauterer Transitabgaben, die Reinhard von Kaiserslautern 1216 noch in einer Hand vereinigte, auf mehrere Reichslehen aufgeteilt 87 . Ob die seit dem frühen 13. Jahrhundert faßbaren Transitabgaben auf den Landverkehr in irgendeiner institutionellen Kontinuität zum offenkundig marktbezogenen ottonischen theloneum standen, läßt sich auf Basis der vorliegenden Quellen kaum entscheiden.
84 85
86
87
ac teloneum mercatum bannum praescriptae curtis, MGH D O III, Nr. 9. quod tota familia dicti cenobii per omnia loca patrimonii nostri in Lutra, in quibus dictus R. ratione feodi sui telonium accipere consuevit, absque omni thelonio libere debeat transire et res dicti cenobii traducere, MRUB III, Nr. 45 - DOLCH/MÜNCH, UB Kaiserslautern I, Nr. 232. Ungeachtet des eindeutigen Wortlautes erwägt HERRMANN, Handel, S. 341, daß Marktzölle gemeint waren. Insuper quoque donamus eis liberum passagium per omnes terras nostras et concedimus eis ex regali benivolentia ut neque pedagium neque ullum tributum ex suis propriis bonis debeant dare, sive in aqua sive in terra, specialiter apud Bopardiam et apud Lutram et apud omnes terminos ubi nobis aliquid dare solet, HUILLARD-BRÉHOLLES, Historia III, S. 326 DOLCH/MÜNCH, UB Kaiserslautern I, Nr. 297; bestätigt von den Königen Richard 1260 (ebd., Nr. 361), Rudolf 1274 (ebd., Nr. 406), Albrecht 1298 (ebd., Nr. 526) und Karl IV. 1349 (MGH Const. IX, Nr. 223). MGH Const. V, Nr. 645 (1321) - vgl. dazu MGH Const. VIII, Nr. 111 (1346); PÖHLMANN/DOLL, Z w e i b r ü c k e n , N r . 9 5 3 ( 1 3 8 6 ) ; R P R II, N r . 1 2 7 8 ( 1 4 0 1 ) ; R P R II, N r . 3 6 2 1
(1404); RPR II, Nr. 3873 (1405). Vgl. auch die Edition eines Geleitvertrages von 1355 bei CRAECKER-DUSSART, Conduit, S. 374-382. Der Geleitzoll des Ritters von Hoheneck lag vermutlich in Kaiserslautern; vgl. RPR II, Nr. 1278 (1401 Aug. 3). Der Zusammenhang zwischen den Anfang des 13. Jahrhunderts genannten Zöllen und den Geleitabgaben des 14. und 15. Jahrhunderts dürfte enger sein, als HERRMANN, Handel, S. 340 f., dies einschätzt.
204
1.7
C. Zollstätten in den Rheinlanden bis 1500
Lahnstein
In einer undatierten, vermutlich 977 entstandenen Urkunde bestätigte Otto II. der erzbischöflichen Kirche zu Mainz den ihr von Uta, Mutter König Ludwigs des Kindes, geschenkten Hof Oberlahnstein 88 . Ein ähnliches Diplom für den gleichen Empfänger stellte Otto III. 994 über die ebenfalls von Uta stammende curtis Nierstein aus89. In beiden Texten werden ohne nähere Kennzeichnung thelonea in den Pertinenzformeln zu den jeweiligen Besitzungen genannt, ohne daß diese Abgaben näher bestimmt werden. Am wahrscheinlichsten ist für beide Orte eine Abgabe im Zusammenhang mit einem grundherrschaftlichen Nahmarkt, während nur wenig für einen von Borchers zusätzlich vermuteten »Durchgangszoll« spricht90. Nicht den geringsten Hinweis gibt es auf die von ihr offenbar nicht völlig ausgeschlossene Erhebung von Transitabgaben auf den Rheinverkehr. Der Lahnsteiner Rheinzoll 91 hat sich eindeutig nicht aus den ottonischen Zöllen entwickelt. Sein Ursprung liegt in dem 1278 in Boppard vom Hagenauer Landfrieden eingerichteten Zoll92, der 1298 endgültig dem Mainzer Erzbischof Gerhard II. übertragen und nach Lahnstein verlegt wurde 93 . Bereits am 7. Mai 1301 kassierte König Albrecht im Zuge seiner Auseinandersetzungen mit den rheinischen Wahlfürsten jedoch auch den Lahnsteiner Zoll94. Gerhard hat dieses Verbot sicher ignoriert, aber infolge seiner militärischen Niederlage gegen den Herrscher mußte der Metropolit a m 21. M ä r z 1302 die zulle zu Laynsteyn
und waz er unrechter
zulle hat n i e d e r l e g e n .
Als Unterpfand war u. a. die Lahnstein benachbarte Burg Lahneck für die Dauer von fünf Jahren, in denen tatsächlich keine Zollerhebung nachweisbar ist, an königliche Beauftragte auszuliefern 95 . Mit dem Ende dieser Besatzungszeit verschwanden für Gerhards Nachfolger Peter von Aspelt die stärksten faktischen Hindernisse für eine Wiedererrichtung des Rheinzolls. Auch um eine Erneuerung der entsprechenden Rechtstitel bemühte sich der neue Erzbischof: Am 23. Oktober 1307 ließ er sich von Papst Clemens V. die
88 89 90 91 92 93
94 95
cum. omnibus illi rite coherentibus, ecclesiis curtibus edificiis theloneis . . . , MGH D O II, Nr. 150. curtis Nerstein cum omnibus illi rite coherentibus curtilibus edificiis theloneis . . . , MGH D O III, Nr. 156. Vgl. BORCHERS, Untersuchungen, S. 23 f., gemeint ist offenbar ein Landzoll. Vgl. zu den Einzelheiten VOLK, Oberlahnstein, S. XIX-XXII. MGH Const. III, Nr. 157. In diesem Jahr vollzog König Albrecht die schon 1292 (MGH Const. III, Nr. 481) von seinem Vorgänger Adolf der Mainzer Kirche versprochene, aber nicht ausgeführte Übertragung und Verlegung des fridezol genannten Abgabentitels vom Reichsort Boppard in das mainzische Lahnstein (MGH Const. IV, Nr. 12). Alternativ zu Lahnstein war eine Verlegung nach Rüdesheim vorgesehen, die jedoch nie realisiert wurde. Bis zum Ende des Mittelalters hat dort kein Transitzoll bestanden. MGH Const. IV, Nr. 134 - VOGT, REM 1.1, Nr. 692. MGH Const. IV, Nr. 141 - VOGT, REM 1.1, Nr. 719.
1. Zollstätten bis 1100
205
Schenkung des Lahnsteiner Rheinzolls durch die Könige Adolf und Albrecht bestätigen, die letzterer ohne zureichenden Grund wieder rückgängig gemacht habe 96 . Nach dem Tod Albrechts am 1. Mai 1308 bot sich für Peter die Gelegenheit, seinen Lahnsteiner Zollbesitz auch reichsrechtlich wieder anerkennen zu lassen. So zählte die Bestätigung des Lahnsteiner Zolls zu den Wahlversprechen, die der Thronkandidat Heinrich von Luxemburg am 28. Oktober 1308 für den Erzbischof abgab und nach der Krönung am 14. Januar 1309 einlöste97. Wann die Zollerhebung tatsächlich aufgenommen wurde, ist nicht mit Sicherheit zu sagen. Möglicherweise ist der Beginn bereits in die letzten Regierungsmonate Albrechts zu datieren; den ersten zweifelsfreien Nachweis liefert aber eine Quittung vom 20. Juni 1310 über Zahlungen aus dem Zoll 98 . Bis zum Ende des Untersuchungszeitraums wurden in Lahnstein Transitabgaben auf den Rheinhandel erhoben. Ein Lahnzoll hat sich dagegen nicht auf Dauer ausgebildet. Erstmalig nachweisbar ist eine Verzollung des Lahnverkehrs 1333 während der Zeit Erzbischof Balduins von Trier als Provisor des Mainzer Erzstifts. Laut der Zollrechnung dieses Jahres erhob man Rheinzoll im rechtsrheinischen (Ober-)Lahnstein und im gegenüberliegenden (trierischen) Stolzenfels sowie einen Lahnzoll, der vermutlich vor der Lahnmündung bei Niederlahnstein verlangt wurde, wenngleich man ihn unter Stolzenfels verbuchte 99 . Bereits am 30. Januar 1334 vereinigte man jedoch Stolzenfels - das wohl keinen eigenen Zolltitel, sondern einen Teil des Lahnsteiner Zolls darstellte - und Lahnstein wieder zu einem Rheinzoll. Ein gesonderter Lahnzoll ist nur bis zum Ende dieser Zollrechnung im April 1334 nachweisbar. Seine weitere Existenz ist fraglich, zumal nach 1337 Kurmainz und Kurtrier verschiedene Oberhäupter hatten und die Lahn wieder Grenzfluß zwischen beiden Territorien war. Ein Versuch des mainzischen Amtmanns von Lahneck im Jahr 1348 zum Aufbau eines Lahnzolls mußte jedenfalls nach trierischen Protesten aufgeben werden 100 .
1.8
Boppard
Auf die Existenz eines Bopparder Zolls vor der Jahrtausendwende verweist nur eine um die Mitte des 12. Jahrhunderts auf den Namen Ottos III. ausgestellte Fälschung. Demnach schenkte der »Kaiser« 991 den Kanonikern des Wormser Stifts St. Martin die Kirche zu Boppard und den dortigen Zoll, wobei er Rechte des Wormser
96 97
MGH Const. IV, Nr. 1162 - VOGT, REM 1.1, Nr. 1145. Die Wahlzusage: MGH Const. IV, Nr. 259 - VOGT, REM 1.1, Nr. 1224; die Einlösung: MGH Const. IV, Nr. 270 - VOGT, REM 1.1, Nr. 1240.
98
VOGT, R E M 1.1, N r . 1 3 4 1 .
99
VOLK, O b e r l a h n s t e i n , N r . 3; v g l . e b d . , S. X X I V .
1 0 0 OTTO, R E M 1.2, N r . 5 6 8 1 .
206
C. Zollstätten in den Rheinlanden bis 1500
Bischofs wie d e s Propstes daran ausschloß 1 0 1 . O b w o h l mindestens ein zwischen 991 und 993 abgefaßtes echtes D i p l o m bei der Anfertigung des gefälschten Stückes verw e n d e t wurde 1 0 2 , liegen über dessen authentische Bestandteile k a u m gesicherte Erkenntnisse vor. E i n e Verbindung des Wormser Martinstifts z u m Bopparder Zoll ist in anderen Quellen 1 0 3 jedenfalls erst zweihundert Jahre nach d e m D a t u m der angeblichen O t t o - U r k u n d e nachweisbar: 1190 überwies König Heinrich VI. d e n Wormser K a n o n i k e r n als Ersatz für d e n v o n O t t o III. geschenkten, nun aber d e m R e i c h resignierten Zoll zu Boppard eine Jahrrente v o n 16 Wormser Pfund aus d e m Zoll zu Worms 1 0 4 . W ä h r e n d im Spurium behauptet wird, daß die Kanoniker im Besitz des g a n z e n Zolls waren, geht aus d e m Rückkauf eindeutig hervor, daß St. Martin - zumindest g e g e n E n d e des 12. Jahrhunderts - v o m Bopparder Zoll tatsächlich nur e i n e n Teil der E i n k ü n f t e bezog; auch die alleinige Verfügung des Kapitels über diese G e f ä l l e ist nicht bezeugt 1 0 5 . Borchers, die einen ottonischen Zoll in Boppard für wahrscheinlich hält, nimmt an, daß ursprünglich die Wormser Bischofskirche Empfängerin der königlichen Zoll(anteils)schenkung war und daß der dortige Bischof diese E i n k ü n f t e bei der
101 theloneum nostrum in eadem villa in supplementum prebende canonicis prefate ecclesie sancti Martini donavimus. Volumus autem et irrefragabiliter statuimus ne aliquis episcopus seu prepositus aut aliqua alia privata persona aliquid iuris in eodem theloneo Bochbardie habeat, sed prediciti canonici tantum rebus suis rationabiliter ad honorem dei inde provideant, laicam tarnen personam honestam ad exigendum theloneum ibidem, si voluerint, instituant, MGH D O III, Nr. 428. Das Stift erhielt demnach ferner das alleinige Recht zur Einsetzung des Zöllners. Der Konflikt weist starke Ähnlichkeit auf mit den 1155 bezeugten Auseinandersetzungen im Trierer Simeonstift um die Verteilung der Koblenzer Zolleinkünfte (vgl. S. 112-116). 102 Vgl. die Vorbemerkung zu D O III, Nr. 428 und dazu ausführlich BRESSLAU, Worms, insbesondere S. 166 ff. 103 Daß die Zollbefreiungen für die Wormser Bürger von 1074,1112 und 1184 nicht - wie in der Vorbemerkung zum Spurium angenommen wird - gegen Rechte des Martinstifts am Bopparder Zoll sprechen, hat schon BRESSLAU, Worms, S. 166 f., nachgewiesen. Siehe auch BORCHERS, Untersuchungen, S. 24. 104 RI IV.3, Nr. 95; MRR II, Nr. 637. Bestätigt 1196 Juni 10: Boos, UB Worms I, Nr. 99 RI IV.3, Nr. 518. 105 Vgl. zu den genauen Bedingungen des zwischen dem Kaiser, Bischof Konrad von Worms und dem dortigen Martinstift geschlossenen Vertrag BORCHERS, Untersuchungen, S. 24 f. Der Bischof erhielt 16 Pfund aus der vom Reich zurückgekauften Vogtei Dirmstein und hatte dafür dem Martinstift, das seine Bopparder Zollrechte an das Reich resignierte, 16 Pfund auf den Wormser Zoll anzuweisen. Nicht nur aus der vergleichsweise geringen Höhe der Summe, sondern auch aus dem Text dieses Vertrages geht zweifelsfrei hervor, daß das Martinstift nicht im Besitz des gesamten Zolls war: theloneum idem nobis et imperio resignavit, sub eo pacto, ut prefatas XVI libras quas de theloneo percipere consuevit ab episcopo Wormaciensi percipiat de theloneo Wormaciensi, Monumenta Boica 31a, Nr. 230 (zit. nach BORCHERS, Untersuchungen, S. 25 Anm. 1).
I. Zollstätten bis 1100
207
Ausstattung des neugegründeten Martinstifts weitervergabte. Als im 12. Jahrhundert Konflikte zwischen den Kanonikern und ihrem Propst sowie zwischen dem Stift und dem Bischof ausgebrochen seien, habe sich das Kapitel einen Rechtstitel für den Alleinbesitz der Bopparder Zolleinkünfte verschaffen wollen und daher - unter Verwendung echter Schenkungsurkunden zugunsten des Bischofs - die Fälschung auf »Kaiser« Otto III. angefertigt 106 . So plausibel diese Erklärung ist, der sich Heyen kurz darauf angeschlossen hat 107 , so wenig ist durch ein Spurium aus der Mitte des 12. Jahrhunderts ohne sicher zu identifizierende authentische Merkmale die Existenz eines Bopparder Zolls um die Jahrtausendwende bewiesen. Indes wird man die Möglichkeit, daß in dieser Zeit schon ein theloneum bestand und daß es sogar ein Rheinzoll war, keineswegs ausschließen können. Das Beispiel der nahegelegenen Koblenzer curtis, zu der ein seit 1018 urkundlich belegter und nach Ausweis des ältesten Zolltarifs wohl schon vor der Jahrtausendwende bestehender Flußzoll gehörte, zeigt, daß ein mittelrheinischer Königshof um das Jahr 1000 durchaus über eine Transitabgabe verfügen konnte 108 . Als erster sicherer Beleg eines Bopparder Rheinzolls kann erst die Urkunde Heinrichs IV. gelten, in der er 1074 die Bürger von Worms vom teloneum ... quod teutonica lingua interpretatum est zol an den Reichsorten Frankfurt, Boppard, Hammerstein, Dortmund, Goslar und Angeren befreite 109 . Höchst bemerkenswert ist hier die erstmalige Verwendung der volkssprachlichen Bezeichnung zol zur genaueren Klassifizierung von Transitabgaben innerhalb des weiten Bedeutungsfeldes von teloneum110 Zwar ist anzunehmen, daß an manchen der genannten Orte - dies gilt vor allem für bedeutendere (Fern-)Handelsplätze wie Dortmund - zusätzlich, im Einzelfall vielleicht sogar ausschließlich, marktbezogene thelonea erhoben wurden; für die am Rhein gelegenen loca imperii Boppard, Hammerstein und Angeren steht jedoch die Existenz von Flußtransitzöllen außer Frage. Die späteren Quellen lassen daran keinen Zweifel.
106 Vgl. BORCHERS, Untersuchungen, S. 24-27, bes. S. 26. 107 Vgl. HEYEN, Boppard, S. 93. Die jüngsten Stellungnahmen zu D O III, Nr. 428 bei FRIEDMANN, Beziehungen, S. 197-200, und REUTER, St. Martin, S. 29 f. (jeweils ohne nähere Diskussion der Zollfrage). 108 Vgl. unten S. 214 f. 109 Teloneum siquidem quod teutonica lingua interpretatum est zol, quod in omnibus locis regiae potestati assignatis - videlicet Franchenvvurt, Boparten, Hamerstein, Drvtmvnne, Goslarie, Angere - . . . Uvormatienses solvere praetereuntes debiti erant, Uvormatiensibus, ne ulterius solvant zol, remisimus, MGH D H IV, Nr. 267. 110 Vgl. demgegenüber das 1068 von Heinrich IV. für die Halberstädter Kaufleute ausgestellte Privileg, das explizit von Zöllen befreite, die beim Warenaustausch auf königlich >lizenzierten< Märkten erhoben wurden: in quodcumque mercatum nostra vel antecessorum nostrorum auctoritate constitutum vel constituendum negociationis suae causa intravenirent, sine contradictione et districtione iudicum publicorum vel quarumque iuridiciariarum personarum vendendi et emendi vel quolibet modo commutandi sine theloneo perpetuam libertatem habeant et facultatem, MGH D H I V , Nr. 203.
208
C. Zollstätten in den Rheinlanden bis 1500
Der Übergang der Bopparder Reichszollrechte an die benachbarten territorialen Gewalten Ende des 13., Anfang des 14. Jahrhunderts und die politischen Hintergründe kommen an anderer Stelle zur Sprache. Hier sollen lediglich die wichtigsten Stationen für die unterschiedlichen Rechtstitel, soweit diese dauerhaft waren, genannt werden, da in der Literatur infolge der komplizierten Sachlage manches unklar oder unzutreffend dargestellt 111 worden ist: Am 11. November 1282 verpfändete Rudolf von Habsburg den Bopparder Reichszoll für 12.000 Mark Kölner Pfennige an Graf Eberhard von Katzenelnbogen, ohne daß die Zolleinkünfte auf die Pfandsumme angerechnet werden sollten112. Die Einlösung ist niemals erfolgt. Der Zolltitel blieb in der Hand der Dynasten bis zu ihrem Aussterben im Jahr 1479 und ging dann an ihre Erben, die Landgrafen von Hessen über 113 . Die Höhe dieses Zollanteils, d. h. des alten Reichszolls, ist - entgegen Demandts Annahme 114 - durchaus 115 zu ermitteln: Bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts waren es wahrscheinlich 27 Heller (1317 bezeugt) bzw. neun Brabanter Denare (1354 bezeugt) pro Zollfuder 116 . Beide Zollsätze waren bei dem üblichen Nominalkurs von drei Hellern pro Denar identisch. Im 15. Jahrhundert - erstmals belegt ist dies 1415117 - bestand der Katzenelnbogener Zollanteil aus zwei Turnosen, war nominal also bis zu einem Drittel geringer als noch 1354118. Wie es zu dieser Verminderung gekommen war, muß offen bleiben. Seit 1278 wurden in Boppard aufgrund eines zweiten Zolltitels Abgaben erhoben. Dies war der im Zuge des Hagenauer Landfriedens 119 aufgelegte fridezol, der das Ende des Bundes im Jahr 1280 - anders als der zweite Landfriedenszoll in Mainz überdauerte und zunächst in der Verfügung des Königs blieb. Der Mainzer Erzbischof Gerhard II. von Eppstein ließ sich 1292 von dem Thronkandidaten Graf
111 Dies gilt insbesondere für die Darstellung von HEYEN, Boppard, S. 92-99. 1 1 2 DEMANDT, R e g . K a t z . I, Nr. 262.
113 Vgl. dazu DEMANDT, Rheinzollerbe III, S. 425^30. 114 Vgl. DEMANDT, Rheinzollerbe III, S. 427. Er hat anscheinend den Beleg zu 1354 (MGH Const. XI, Nr. 281) nicht gekannt, da dieser auch nicht in seinem Regestenwerk (DEMANDT, Reg. Katz.) verzeichnet ist. 115 Vgl. zum folgenden unten S. 516 f. 116 1317: MGH Const. V, Nr. 421; 1354: MGH Const. XI, Nr. 281. 117 DEMANDT, Reg. Katz. I, Nr. 2768. Vgl. auch DEMANDT, Rheinzollerbe III, S. 428. 118 Bei der Umstellung von der Denar- zur Turnosentarifierung um 1300 wurden nominal drei Denare auf einen Turnosgroschen gerechnet (vgl. oben S. 184). Demnach hätte der Zollsatz in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts bei drei Turnosen gelegen. Andererseits ist auffällig, daß man die Höhe des Bopparder Zollanteils sowohl 1317 als auch 1354 nicht in Turnosgroschen angab. Möglicherweise wurde daher eine schlechterer realer - Kurs zugrundegelegt, etwa das vielfach bezeugte 4:1-Verhältnis zwischen Brabanter Denar und Turnosgroschen (vgl. KLÜSSENDORF, Währung, S. 116 f.). In diesem Fall ergibt sich ein Zollsatz von 2,25 Turnosen. Solange sich nicht ermitteln läßt, welche Relation man bei der Festsetzung des Turnosenzolls anwandte, muß offenbleiben, wie und in welchem Maße der Zollanteil zwischen 1354 und 1415 reduziert wurde. 119 MGH Const. III, Nr. 157.
I. Zollstätten
bis 1100
209
Adolf von Nassau die Übertragung dieses Zolltitels und dessen Verlegung nach Lahnstein versprechen 120 , aber die Durchführung verzögerte sich aus politischen Gründen bis 1298121. 1301 widerrief König Albrecht alle seit 1250 ergangenen Zollverleihungen und damit auch die Überlassung des ehemals Bopparder, jetzt Lahnsteiner Zolls an die Mainzer Kirche122. Gerhard von Eppstein mußte 1302 nach seiner Niederlage gegen König Albrecht eine entsprechende Verzichtserklärung abgeben 123 . Der Herrscher hat den Zolltitel wahrscheinlich wieder in Boppard erheben lassen; jedenfalls verfügte er im folgenden Jahr dort über Zolleinkünfte 124 . Was mit diesem Zoll passierte, als Heinrich VII. 1309 die Maßnahmen Albrechts rückgängig machte und dem Mainzer Erzbischof Peter von Aspelt den Bopparder/Lahnsteiner Zoll restituierte 125 , läßt sich nicht mit Sicherheit ermitteln. Möglicherweise hat der König dessen ungeachtet, d. h. zusätzlich, den Abgabentitel in Boppard weiterbestehen lassen. Weder die Verschreibungen, die Heinrich 1312 und 1313 auf den dortigen Zoll ausstellte126, noch der Umstand, daß er den Zoll 1312 von einer Verpfändung ausnahm 127 , läßt allerdings eine sichere Deutung in dieser Richtung zu. Möglicherweise hatte der Herrscher selbst in Boppard ebenfalls einen neuen befristeten Zolltitel eingerichtet, wie er dies an anderen Rheinzollstätten nachweislich tat 128 . Das Ende dieser (!) königlichen Zollrechte in Boppard hängt eng zusammen mit dem dritten hier zu nennenden Zolltitel. 1312 verpfändete Heinrich VII. das Reichsgut zu Boppard und Oberwesel an Erzbischof Balduin von Trier für 12.000 Pfund Heller, behielt sich jedoch den (Bopparder) Rheinzoll und die Münze vor129. 1314 erhöhte König Ludwig die Pfandsumme um 22.000 Mark auf 26.000 Mark Silber und dehnte die Trierer Pfandschaft explizit auf alle königlichen Münz- und Zollrechte aus. Der Herrscher genehmigte dem Erzbischof ferner einen Rheinzoll in Boppard (oder an einem beliebigen Ort im Trierer Gebiet) in Höhe von vier Turnosen 130 . Wie sich dieser Zoll aus vorhandenen und stillschweigend neuverliehenen Zolltiteln zusammensetzte, ist nicht zu ermitteln. Daß Balduin diese vier Turnosen erst um die Mitte des 14. Jahrhunderts in Boppard erheben ließ, während sie vorher die meiste Zeit am Koblenzer Zoll gelegen
120 M G H Const. III, Nr. 481 - VOGT, REM 1.1, Nr. 268. 121 M G H Const. IV, Nr. 12 - VOGT, REM 1.1, Nr. 534; M G H Const. IV, Nr. 13 - VOGT, REM 1.1, Nr. 547. Der Erstbeleg über die tatsächliche Erhebung des Lahnsteiner Zolls datiert vom 27. Oktober 1300 (VOGT, REM 1.1, Nr. 654). 122 M G H Const. IV, Nr. 134 - VOGT, REM 1.1, Nr. 692. 123 M G H Const. IV, Nr. 141 - VOGT, REM 1.1, Nr. 719. 124 DEMANDT, Reg. Katz. I, Nr. 442. 125 MGH Const. IV, Nr. 270 - VOGT, REM 1.1, Nr. 1240. 126 DEMANDT, Reg. Katz. I, Nr. 522 (1312 Febr. 18); M G H Const. IV, Nr. 907 (1313 Jan. 1). 127 MGH Const. IV, Nr. 833. 128 Vgl. unten S. 486 ff. 129 M G H Const. IV, Nr. 833. 130 M G H Const. V, Nr. 156.
C. Zollstätten in den Rheinlanden bis 1500
210
haben dürften, sei hier nur angemerkt 131 . Entscheidend ist, daß spätestens 1314 alle aus der Zeit Rudolfs von Habsburg und seiner Vorgänger stammenden Bopparder (Reichs-)Zolltitel an benachbarte territoriale Gewalten übergegangen waren. Gleichwohl war der ehemalige Reichszoll für die Herrscher in fiskalischer Hinsicht keineswegs >verlorenLiber Theoderici aeditui< unter den Schenkungen des Erzbischofs genannt 143 , jedoch in abweichender Form zum angeblichen Original von 1003. Deutzer Zollrechte in Remagen, die zumindest in den Fälschungen des 12. Jahrhunderts klar zu fassen sind, bestanden bis 1280. In diesem Jahr tauschte die Abtei die Lehnshoheit über zwei Drittel des Zolls, die Hermann von Hoyne als Erblehen besaß, und das Patronat zu Bürrig mit Graf Adolf von Berg gegen das Patronat zu Remagen ein144. Eine genauere Charakterisierung des Remagener Zolls ist mangels aussagekräftiger Quellen kaum möglich145. Nach dem Liber Theoderici wurde der Zoll im Herbst erhoben. Man könnte daher eine Art Weinsteuer vermuten, die bei der Lese im Herbst fällig war. Denkbar ist aber auch ein - sonst nicht belegter Jahrmarkt in Remagen mit entsprechenden Abgaben. Auch die spätmittelalterliche Überlieferung kann nur bedingt zur Klärung herangezogen werden. Abgesehen von dem im Zuge des Bacharacher Landfriedens 1317 zu Remagen errichteten Zoll146 sind seit den 1370er Jahren nicht näher gekennzeichnete Zölle der Herren von Landskron bzw. des Herzogs von Berg nachgewiesen147. Seit dem ersten Viertel des 15. Jahrhunderts ist ein kurkölnischer Landzoll belegt 148 . Daß die Wurzeln dieser Abgaben allerdings bis in das hohe Mittelalter zurückreichen, ist wenig wahrscheinlich. Der Remagener Landfriedenszoll wurde vom Kölner Erzbischof Heinrich als Einbruch in sein Interessengebiet verstanden. Zwar war der Metropolit seit dem 9. Juli 1317 formal Mitglied des Landfriedens 149 , bereits im Februar 1318 ließ er sich aber von König Friedrich mit der Abstellung der Landfriedenszölle in Köln und Remagen und der Wiederaufrichtung der alten kölnischen Zölle Andernach und Bonn beauf-
143 MGH SS XIV, S. 562. 144 Item duas partes thelonei apud Remagin, quos Hermannus dictus de Hoyne et sui heredes a nobis tenent ac sui progenitores nomine homagii siue vassallagii iure hereditario tenuerunt, damus et transferimus in comitem et eius uxorem, LAC. II, Nr. 741. 145 SOMMERLAD, Rheinzölle, S. 47, hat nicht nur die zu 1003 gefälschte Urkunde als echt verwertet, sondern - offenbar aus der Lage des Ortes - auch ohne weitere Prüfung eine Rheinzollstätte gefolgert. Daß dies haltlose Spekulation ist, braucht nach dem oben Gesagten nicht näher ausgeführt zu werden. Es ist hier nur deshalb angemerkt, weil es ein typisches Beispiel für die methodischen Defizite seiner Arbeit ist. 146 MGH Const. V, Nr. 421 - VOGT, REM 1.1, Nr. 1912; REK IV, Nr. 993. 147 REK VIII, Nr. 289 (1371 Nov. 12); ebd., Nr. 894 (1373 Sept. 1). 148 Vgl. die kurkölnische Rentmeisterrechnung von 1421/1422 (ARCHIV, S. 210); für die
Mitte des Jahrhunderts siehe z. B. FRICK/ZIMMER, Quellen I, Nr. 1041 (1454 Mai 1); H S t A D K u r k ö l n II, N r . 5 2 3 9 , f o l . 2 v ( 1 4 5 7 ? ) .
149 MGH Const. V, Nr. 435 - REK IV, Nr. 996.
I. Zollstätten bis 1100
213
tragen 150 . Während ihm letzteres, wie aus Klagen der Stadt Köln vom August 1320 zu schließen ist151, keine Schwierigkeiten bereitete, hat der Remagener Zoll noch bis 1322 bestanden. Nach dem am 24. September 1321 ergangenen Schiedsspruch zwischen dem Erzbischof und Graf Gerhard von Jülich sollte letzterer seine Turnosen in Remagen aufheben - die er wohl als Vogt des Bacharacher Landfriedens besaß und diese ab dem 24. Juni 1322 am Bonner Zoll unter Schutz und Schirm des Erzbischofs für die restlichen zwei Jahre erheben 152 . Damit endete die kurze Phase eines Remagener Rheinzolls. Zwar war er 1328 noch einmal Gegenstand von Schiedsverfahren zwischen der Stadt Köln und dem Erzbischof 153 bzw. dem Grafen von Holland 154 , dabei ging es aber noch um Konflikte aus der Zeit des Bacharacher Landfriedens; auf konkrete Zollerhebung kann daraus nicht geschlossen werden. Remagen war gegen Ende des 14. Jahrhunderts noch einmal als Reichszoll vorgesehen. 1384 verschrieb König Wenzel uffunsm tzolle zu Remagen eine Leibrente von 300 Gulden an Herzog Wilhelm von Jülich und dessen Frau, die ihm dafür bei der Durchsetzung des Zolls helfen sollten 155 . Der König hat den Zoll, der nicht näher charakterisiert wurde, aber wohl als Rheinzoll geplant war, trotz Jülicher Hilfe offenbar nicht realisieren können. Eine Auszahlung der Leibrente ist nicht bekannt und es fehlt auch jeder weitere Hinweis auf die tatsächliche Erhebung der Abgabe, die nur durch diese Verschreibung bekannt ist. Remagen wurde infolge des Kölner Bistumsstreits im März 1473 noch einmal Rheinzollstätte, als der Bonner Zoll dorthin verlegt wurde 156 . Da dieser im folgenden Monat aber bereits in Linz nachweisbar ist157, hat Erzbischof Ruprecht in Remagen wenn überhaupt - nur kurzzeitig Transitabgaben auf den Rheinverkehr erhoben.
1.12
Traben
Ein Zoll in Traben an der Mosel ist lediglich aus einer angeblichen Urkunde Heinrichs II. von 1007 überliefert, in der er den Brüdern des Aachener Marienstifts u. a. Zoll und Bann zu Traben bestätigte 158 . Der ohne Zweifel gefälschte Text ist nur in einem Privilegienbuch vom Ende des 12. Jahrhunderts überliefert. Zwar wird man annehmen können, daß die Existenz eines Trabener Zolls zu dieser Zeit nicht frei
150 MGH Const. V, Nr. 472. 1 5 1 LAC. III, N r . 1 8 0 - R E K I V , N r . 1 1 9 0 P k t . 8.
Nr. 1 8 7 - R E K I V , Nr. 1 2 6 1 . 153 REK IV, Nr. 1738-1740. 1 5 4 LAC. III, Nr. 2 3 5 . 155 LAC. III, Nr. 886. 156 KUSKE, Quellen II, Nr. 599; DEMANDT, Reg. Katz. II, Nr. 5711. 157 KUSKE, Quellen II, Nr. 599. 158 Quapropter teloneum in Trauena et bannum eis concedo, sicut et ceteri antecessores MGH D H II, Nr. 141 (= RhUB I, Nr. 34).
1 5 2 LAC. III,
mei,
214
C. Zollstätten in den Rheinlanden bis 1500
erfunden wurde. Es ist z. B. gut möglich, daß der Besitz des Marienstifts daran nicht unstrittig war und man sich daher einen älteren Rechtstitel zu verschaffen suchte, nicht zu entscheiden ist jedoch, ob ein Trabener Zoll bereits zur Zeit Heinrichs II. existierte. Die wie so oft nur sehr allgemeine Terminologie der einzigen Quelle und das Fehlen jeder weiteren Überlieferung lassen eine nähere Charakterisierung des Trabener Zolls kaum zu. Zoll und Bann findet man häufig im Zusammenhang mit einem Markt; eine Transitabgabe auf den Moselverkehr ist dadurch zwar nicht ausgeschlossen, aber wenig wahrscheinlich.
1.13
Gillenfeld
1016 verlieh Heinrich II. dem Koblenzer Stift St. Florin einen Markt in Gillenfeld mit Zoll und Münze159. Nach Irsigler handelte es sich - erkennbar an der symbolischen Markteröffnung durch den Verkauf der kaiserlichen mathones - bei dem in der Quelle nicht näher bezeichneten mercatum vermutlich von Anfang an um einen Jahrmarkt 160 . Die Zollerhebung war zweifellos darauf bezogen. Weder über das theloneum noch über den (Jahr-)Markt liegen weitere Quellen vor, auch sind Gillenfelder Münzen bis heute nicht bekannt geworden. Wie bei vielen um 1000 mit Marktprivilegien ausgestatteten Orten bleibt daher die weitere Entwicklung ihrer Fiskaleinrichtungen offen.
1.14
Koblenz/Kapellen/Engers
Der Koblenzer Zoll ist urkundlich erstmals 1018 nachweisbar, als er von Heinrich II. als Zubehör der dortigen curtis an die Trierer Kirche vergabt wurde 161 . Der älteste Koblenzer Zolltarif ist in seiner frühesten Handschrift zwar erst aus dem letzten Drittel des 11. Jahrhunderts überliefert, seine innere Gestalt spiegelt nach unseren Ergebnissen jedoch die geldwirtschaftliche Situation vor der Jahrtausendwende
159 quoddam mercatum a nobis per mathones nostros venditos ceptum et perfectum in villa Gilliuelt dicta in comitatu B[ert]oldi comitis in pago Meineueldensi situm, theloneum et monetam cum omnibus utensilibus per negotiale commertium ad nostras quoque manus imperiales iuste ac iuridicialiter pertinentibus per hanc nostram imperialem paginam in proprium concedimus, MGH D H II, Nr. 352 (= RhUB II, Nr. 208). Vgl. zu diesem Privileg DIEDERICH, St. Florin, S. 38 f.
160 Vgl. IRSIGLER, Jahrmärkte und Messen, S. 528, der mathones als Teil der königlichen Tracht versteht. Die diesbezüglichen Ausführungen von WISPLINGHOFF, Vorbemerkung zu RhUB II, Nr. 208, der matho mit (Ziegel-)Stein übersetzt und an den Verkauf von Tuff- oder Basaltsteinen aus königlichen Steinbrüchen denkt, dürften den Sinn kaum treffen. 161 MGH D H II, Nr. 397.
1. Zollstätten
bis 1100
215
wider162. In Koblenz wurden also bereits in (spät-)ottonischer Zeit Abgaben erhoben. Deren Schwerpunkt lag, wie aus dem Tarif hervorgeht, auf der Erfassung des Transitverkehrs auf Rhein und Mosel. Daneben wurden aber auch Markt- und Landverkehr besteuert 163 . Der Zoll wurde vermutlich 1042 von Erzbischof Poppo zur Ausstattung des neugegründeten Trierer Simeonstifts verwendet 164 . Das Stift verfügte über das theloneum bis um die Mitte des 13. Jahrhunderts, verlor dann aber die land- und marktbezogene Komponente an die Stadt Koblenz und den Warenzoll an den Trierer Erzbischof Arnold von Isenburg. Dessen Nachfolger Heinrich von Finstingen mußte 1262 die Zoll- und bis 1267 auch die Geleitgelderhebung einstellen, während das Simeonstift den Transportmittelzoll behielt oder wiedererlangte. Aus dem letzten Drittel des 13. Jahrhunderts fehlen jegliche urkundlichen oder historiographischen Quellen über einen Koblenzer Transitzoll165. Allein der ca. 1300 abgefaßte dritte Koblenzer Zolltarif 166 , der das Simeonstift im Besitz des Transportmittelzolls an Rhein und Mosel erweist, läßt erkennen, daß die Hebestelle in stark reduzierter Form noch in Betrieb war. Erst der seit 1300 amtierende Erzbischof Dieter von Nassau hat zumindest am Rhein wieder in nennenswertem Umfang Transitabgaben erheben lassen. Der Bestand dieses quasi neugeschaffenen Koblenzer Rheinzolls ist seit Februar 1301 nachweisbar167. Ob Dieter die alte Einheit von Rhein- und Moselzoll übernommen hatte, ist nicht bekannt, da explizite Nachrichten über die Verzollung des Moselhandels nicht vor 1336 einsetzen 168 . Der Rheinzoll war jedoch nicht von Dauer. Nach seiner Niederlage gegen König Albrecht im Herbst 1302 mußte Dieter von Nassau offenbar - eine urkundlich dokumentierte Sühne ist nicht erhalten - die Zollerhebung einstellen 169 . Spätestens jetzt verlor auch das Simeonstift seine letzten Zollrechte, über die alle weiteren Nachrichten fehlen. Die dauerhafte Etablierung des spätmittelalterlichen Koblenzer Zolls erreichte erst Dieters Nachfolger Balduin von Luxemburg. Am 6. Februar 1309 verlieh ihm sein Bruder König Heinrich VII. einen unwiderruflichen Rheinzoll von zwei Turnosen im trierischen Gebiet 170 , den der Metropolit, wie aus einer weiteren Verleihung von vier Turnosen bis zur Erhebung von 40.000 Pfund kleinen Turnosen am
162 163 164 165
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
oben dazu oben dazu
S. 106. ausführlich Kapitel B.I. S. 83 ff. ausführlich und mit Einzelnachweisen oben S. 143-151.
166 LAMPRECHT, Wirtschaftsleben II, S. 321.
167 M G H Const. IV, Nr. 128. 168 Im Nachtrag zur kurtrierischen Hauptrechnung für 1336/1337, editiert bei LAMPRECHT, Wirtschaftsleben III, Nr. 291, S. 421. Vgl. zur weiteren Geschichte des Moselzolls HELLWIG, Moselzoll, S. 79-85. 169 Vgl. unten S. 459 f. 170 M G H Const. IV, Nr. 276.
216
C. Zollstätten in den Rheinlanden bis 1500
26. September 1309 hervorgeht 171 , nach Koblenz gelegt hatte. Balduin gelang es während seiner langen Amtszeit, den Rheinzoll, der in veränderter Form auch während des Bacharacher Landfriedens von 1317 bestand 172 , Zug um Zug auszubauen. Spätestens seit 1344173 wurde der Rheinzoll - der Moselzoll blieb bis zum Ausgang des Mittelalters in Koblenz - ca. 7,5 km stromaufwärts im linksrheinischen Kapellen (heute Stadt Koblenz) gegenüber von Lahnstein erhoben 174 , wobei die jeweilige Bezeichnung des Zolltitels bis 1349175 zwischen Kapellen und Koblenz abwechselte. Die Verlegung scheint jedoch zunächst nicht von Dauer gewesen zu sein, da zwischen 1350176 und 1358177 der Zoll wieder nur unter Koblenz geführt wurde. Erst unter Erzbischof Kuno von Falkenstein ist Kapellen für die nächsten fünfzig Jahre Hebestelle des Rheinzolltitels geworden, und zwar spätestens seit 1362178. Erzbischof Werner von Falkenstein hat die Zollstätte spätestens im Februar 1412179 stromabwärts ins rechtsrheinische Engers verlegt, das Kuno 1371 erobert und mit einer nach ihm benannten Burg (Cunenstein) befestigt hatte 180 . Dort ist der Zoll bis zum Ende des Untersuchungszeitraums geblieben. Bereits 1319 war in Engers kurzzeitig ein Rheinzoll erhoben worden. Erzbischof Balduin erreichte jedoch am 1. Januar 1320, daß Dietrich von Ahrenfels, Herr zu Isenburg, Engelbert von Sayn und Gottfried, ältester Sohn des Grafen von Sayn, den förmlichen Verzicht auf diese im kurtrierischen Geleit neu eingerichtete Zollstätte erklärten 181 . Die Zollerhebung scheint unmittelbar darauf eingestellt worden zu sein. Zumindest liegen weitere Nachrichten über einen Rheinzoll in Engers erst wieder zu Beginn des 15. Jahrhunderts vor.
171 172 173 174
U Q B VII, Nr. 1271. MGH Const. V, Nr. 422 - VOGT, REM 1.1, Nr. 1915; REK IV, Nr. 994. BÄR, Urkunden, S. 169 f. - RET, S. 85. Bereits 1333/1334, in der Zeit Erzbischof Balduins als Provisor des Mainzer Erzstifts, wurde in unmittelbarer Nähe von Kapellen bei Stolzenfels Rheinzoll - vermutlich ein Teil des Lahnsteiner Zolls - erhoben, vgl. oben S. 205. 175 1345 März 17, Koblenz (LHAKo 1 A, Nr. 5248; vgl. BÄR, Urkunden, S. 164 Anm. 3); 1345 April 22, Kapellen (OTTO, REM 1.2, Nr. 5292); 1346 Nov. 25, Koblenz (MGH Const. VIII, Nr. 110); 1347 Mai 18, Koblenz (MGH Const. VIII, Nr. 182); 1347 Juli 6, Koblenz (CRM III.I, Nr. 345); 1347 Aug. 7, Kapellen (CRM III.l, Nr. 346); 1349 Juli 2, Kapellen (LAMPRECHT, Wirtschaftsleben III, Nr. 296). 176 1350 Febr. 16 (RET, S. 87 zu 1349 Febr. 17). 1 7 7 C R M III.2, N r . 4 5 1 - VIGENER, R E M I I . l , N r . 1 0 6 9 .
178 RET, S. 97. 179 RET, S. 136. 180 Vgl. dazu den Bericht der Limburger Chronik (MGH SS Deutsche Chroniken IV. 1, S. 62). 181 CRM III.l, Nr. 101.
I. Zollstätten bis 1100
1.15
217
Limburg (Pfalz)
1035 statteten Konrad II. und seine Frau Gisela das von ihnen gegründete Kloster Limburg mit Besitzungen zu Dürkheim, Wachenheim, Schifferstadt, Grethen, Eichen, Sindlingen, Fauerbach und Sulzbach aus. Obwohl in der Pertinenzformel zu diesen Gütern keine Zölle aufgeführt sind, müssen sie zumindest an einigen Orten existiert haben; denn als der Herrscher anläßlich dieser Schenkung das Recht der dortigen Eigenleute fixierte, genehmigte er dem Abt, verheiratete Personen sint cellerarii frumentarii thelonearii forestarii zu beliebigen Diensten einzuteilen 182 . Allerdings ist weder bekannt, welche Höfe eigenes Zollpersonal besaßen, noch läßt sich die Art der erhobenen Abgaben mit Sicherheit bestimmen. Aus der engen Einbindung der Zöllner in den grundherrschaftlichen Verband wird man vermuten können, daß sie ihre Tätigkeit vornehmlich auf den zugehörigen Nahmärkten ausübten. Diese Handelsplätze standen zwar, da man sie nicht eigens in der Pertinenzformel aufführte, anscheinend unterhalb der Stufe eines mercatum publicum, gleichwohl war die Abgabenerhebung jedoch schon durch spezialisiertes Personal organisiert183. Diese Märkte und auch die mit ihnen verbundenen Zölle gewannen in der Folgezeit erkennbar an Bedeutung: Als Heinrich IV. die Abtei dreißig Jahre später der bischöflichen Kirche zu Speyer schenkte, war die Pertinenzformel der Limburger Besitzungen um Märkte, Zölle und Münzen erweitert worden 184 .
1.16
Essen
1041 verlieh König Heinrich III. dem Reichsstift Essen das Recht, drei Tage vor und drei Tage nach dem Fest der Stiftsheiligen Cosmas und Damian (27. September) einen sechstägigen Jahrmarkt abzuhalten, dessen gesamten Einkünfte, d. h. vor allem der Jahrmarktzoll, dem Stift zufallen sollten185. Im Gegensatz zu anderen Jahr-
182 MGH D Ko II, Nr. 216. 183 Dies verdeutlicht, wie gering vermutlich der Anteil der durch besondere Privilegien nachgewiesenen Märkte an der Gesamtheit der hochmittelalterlichen Handelsplätze aller Typen ist. 184 MGH D H I V , Nr. 165. 185 annuale mercatum sex diebus per singulos annos, videlicet tres ante festivitatem et tres post festivitatem predictorum martyrum Cosme et Damiani, rogante et interveniente Herimanno Coloniensi archiepiscopo in eadem villa Astnide consentiendo concedimus et concedendo consentimus, et quicquid utitilitatis inde provenire poterit, eidem monasterio tradimus ea videlicet ratione, ut negotiatores ceterique homines ad predictum mercatum venientes eundo et redeundo ibique manendo liberam potestatem habeant, omnium hominum occasione procul remota, MGH D H III, Nr. 82 (= RhUB II, Nr. 174). Es ist zu betonen, daß dieses Privileg erstmalig Zollerhebung in Essen bezeugt. Der Immunitätsbestätigung Ottos II. von 973 (MGH D O II, Nr. 49 = RhUB II, Nr. 167) läßt sich - entgegen der These von BETTECKEN, Essen, S. 66 - zumindest nicht direkt die Existenz eines Zolls in Essen ent-
C. Zollstätten in den Rheinlanden bis 1500
218
marktprivilegien, deren Realisierung z. T. ungewiß ist, steht diese für Essen außer Frage. Bis zum Ende des 12. Jahrhunderts bildete sich dort anscheinend ein Spezialmarkt für Tuche aus, der noch im ersten Viertel des 15. Jahrhunderts bezeugt ist 186 . Der dazugehörige Jahrmarktzoll wurde von der Äbtissin an stiftische Ministeriale verlehnt. Ende des 13. Jahrhunderts war er im Besitz der ritterschaftlichen Familie von Altendorf 187 . Daß in Essen im Untersuchungszeitraum auch Transitabgaben auf den Landverkehr erhoben wurden, ist nicht bekannt.
1.17
Bonn
1043 schenkte der Kölner Erzbischof Hermann II. dem Severinstift zu Köln Güter aus Privat- und Kirchenbesitz; zu letzterem gehörten dabei je ein Pfund aus dem Bonner und dem Zülpicher Zoll 188 . Der Bonner Zoll dürfte auf dem dortigen Markt erhoben worden sein, dessen Gründung nach Edith Ennen vermutlich auf Hermann II. (1036-1056) zurückgeht 189 . Ein Transitzoll zur Erfassung des Rheinverkehrs ist erst ca. 200 Jahre später nachweisbar: 1246 befreite Erzbischof Konrad von Hochstaden die Zisterzienserabtei Heisterbach von allen Zollabgaben ante Bunnam bei Berg- und Talfahrt ihrer
186 187
188
189
nehmen. Der Herrscher untersagte nämlich im Zuge des Introitusverbots lediglich, daß der iudex publicus auf Immunitätsgebiet Zoll erhob. Selbst wenn man daraus schließt, daß das Stift damit implizit das Recht der Zollerhebung erhielt - Beispiele für die explizite Übertragung von Fiskalabgaben auf Immunitätsgebiet (vgl. unsere Darlegungen zu den Zollprivilegien in fränkischer Zeit) stellen diese Deutung indes in Frage - , bleibt das Problem, daß hier zweifellos ein Formular Anwendung fand. BETTECKEN, Essen, S. 66, zieht dies zwar in Betracht, doch kann sein Versuch, die Aufnahme des Zollerhebungsverbots als Essener Besonderheit zu deuten, nicht völlig überzeugen. Zu zahlreich sind die von ihm selbst angeführten Gegenbeispiele, die sich noch vermehren ließen. Damit soll keineswegs in Abrede gestellt werden, daß ein Essener (Markt-)Zoll in ottonischer Zeit durchaus bestanden haben könnte, doch als direkter Beleg läßt sich die Immunitätsbestätigung Ottos II. nicht in Anspruch nehmen. Vgl. dazu BETTECKEN, Essen, S. 85 f. So verpfändete Ritter Hermann von Altendorf 1293 an die Äbtissin seine jährlichen Einkünfte in nundinis annualibus de locis sive stationibus mercatorum, institorum et aliorum quarumcunque rerum venditorum ibidem confluentium michi debentur (Westf. UB VII, Nr. 2276). BETTECKEN, Essen, S. 69, spricht in diesem Zusammenhang ungenau von einem Marktzoll. Aus dem Text geht eindeutig hervor, daß jährliche Einkünfte gemeint waren, nicht die Erträge eines täglich oder wöchentlich abgehaltenen Marktes. de thelonio civitatis Ueronae libram I et de Zulpigo iterum de thelonio libram /, RhUB II, Nr. 315. Wisplinghoff erweist in seiner ausfuhrlichen Vorbemerkung gegen die Auffassung der älteren Forschung (REK I, Nr. 810) die Echtheit der Urkunde. Vgl. ENNEN, Bonner Märkte, S. 339.
I. Zollstätten bis 1100
219
Schiffe 190 . Vemutlich handelte es sich dabei um den Zoll, den sich Konrad bei der Privilegierung Bonns zwei Jahre zuvor als theloneum nostrum debitum et consuetum reserviert hatte 191 . Für die Zeit zwischen 1246 und 1282 liegen keine Nachrichten über eine Zollerhebung vor, was im Vergleich zur dichten Quellenlage zum Neusser Rheinzoll eindeutig auf die Nichtexistenz einer entsprechenden Bonner Abgabe schließen läßt. Daß der Bonner Zoll niedergelegt wurde, ist vermutlich auf den Druck des Rheinischen Bundes zurückzuführen, der 1254 zur Wahrung des Friedens und zur Abstellung der während des staufischen Endkampfs vor allem am Mittelrhein zahlreich neu errichteten Zölle gegründet worden war192. Der Sogwirkung dieser vor allem von den Rheinstädten getragenen Bewegung konnte sich Erzbischof Konrad - wie seine Mainzer und Trierer Amtsbrüder, der Pfalzgraf und andere rheinische Zollherren auch - nicht lange entziehen. Mit dem Beitritt zum Bund mußten sie aber die Abstellung ihrer eigenen thelonea itiiusta versprechen, wozu der Bonner Zoll als eigenmächtige Neugründung 193 zweifelsohne zählte. Erst Erzbischof Siegfried von Westerburg, der nach langer Pause wieder den systematischen Ausbau der Kölner Rheinzölle in Angriff nahm, hat den Bonner Zoll reaktiviert. Bereits 1282 - dies ist zugleich der früheste Nachweis für die Wiederinbetriebnahme des Zolls - mußte der Metropolit aber gegenüber König Rudolf auf die iniusta pedagia et theolonia apud Andernacum et Bunnam verzichten194. Auch in der Phase des intensiven Ausbaus der kölnischen Transitzölle 1286/1287 ist der Zoll nicht nachweisbar. Unter dem Druck der finanziellen Belastungen nach der Niederlage von Worringen 1288 scheint Siegfried jedoch zumindest zeitweise einen - neben Andernach - zweiten Rheinzoll oberhalb von Köln erhoben zu haben. 1291 stellte er nämlich eine Verschreibung auf einen sonst nicht bekannten Zoll zu Königswinter aus und sah dabei den Fall vor, daß der Zoll nach Bonn verlegt wurde 195 . Weitere Nachrichten über diesen Abgabentitel liegen allerdings nicht vor.
190 quod naves eorum vina et res alias deferentes ante Bunnam descendentes et ascendentes in perpetuum ab omni theloneo sint immunes, SCHMITZ, UB Heisterbach, Nr. 97 REK III.l, Nr. 1242. Diese von DROEGE, Rheinzölle, S. 29, 31, nicht verwertete Urkunde belegt, daß der Bonner Transitzoll nicht erst unter Erzbischof Siegfried von Westerburg neu angelegt wurde. 191 LAC. II, Nr. 284 (zu 1243 März 18) - REK III.l, Nr. 1131 (1244 März 18). 192 Vgl. unten S. 389 ff. 193 Erzbischof Konrad stand seit 1239 auf päpstlicher Seite im Kampf gegen die Staufer (vgl. ENGELS, Stauferzeit, S. 259 ff.). Eine Zollverleihung durch Friedrich II. oder Konrad IV. hat er mit Sicherheit nicht erhalten. Auch Gegenkönig Heinrich Raspe kommt dafür nicht in Frage: Das Zollprivileg für Heisterbach wurde im April 1246 ausgefertigt, Heinrich aber erst am 22. Mai 1246 gewählt. 194 MGH Const. III, Nr. 333 - REK III.2, Nr. 2947. 195 REK III.2, Nr. 3328. Daß es sich hier um einen Rheinzoll und nicht den seit 1300 nachweisbaren Landzoll (REK III.2, Nr. 3773) handelte, ergibt sich zum einen aus der
220
C. Zollstätten in den Rheinlanden bis 1500
1293 gewährte König Adolf dem Metropoliten titulo pignoris, d. h. unter dem Rechtstitel einer Reichspfandschaft, einen neuen Zoll zu Bonn in H ö h e von 12 D e n a r e n je Fuder Wein für die Dauer von 15 Jahren 1 9 6 . Fünf Jahre später hob König Albrecht diese Frist auf und änderte den Rechtstitel in eine Zollverleihung, indem er den Zoll als dauernden Besitz des Kölner Erzstifts bestätigte 1 9 7 . Die Existenz des 1293/1298 (de iure und de facto) neubegründeten Bonner Zolls war aber noch nicht auf D a u e r gesichert. Albrecht widerrief im Mai 1301 alle seit 1250 erteilten Zollverleihungen 1 9 8 und zwang die Opposition der rheinischen Wahlfürsten militärisch nieder. D e m Kölner Erzbischof Wikbold blieb nach dem Friedensvertrag vom 24. O k t o b e r 1302 nur noch der Neusser Zoll, während die Rheinzölle in Andernach, B o n n und Rheinberg aufgehoben wurden 1 9 9 . Sein Nachfolger Heinrich von Virneburg, der bereits im Mai 1306 das Kloster E b e r b a c h von Rheinzollabgaben zwischen Andernach und Bonn befreite 2 0 0 , also die E r h e b u n g an beiden Zollstätten offenbar eigenmächtig wiederaufgenommen hatte 2 0 1 , erreichte am 25. Dezember 1306 von Papst Clemens V. eine Bestätigung des B o n n e r und des Andernacher Zolls für die Kölner Kirche, wobei der Verzicht Wikbolds von 1302 als erzwungen für ungültig erklärt wurde 2 0 2 . D e r Erzbischof ließ sich den dauernden Schutz beider Hebestellen am 20. September 1308 vom Thronkandidaten Graf Heinrich von Luxemburg zusagen 203 . Erst zwei Jahre später erhielt er aber eine formelle Bestätigung aller drei kölnischen Rheinzölle in Andernach, Bonn und Neuss 2 0 4 , wodurch der bis zum E n d e des Untersuchungszeitraums bestehende Bonner Rheinzoll endgültig reichsrechtlich anerkannt war.
196 197 198 199 200 201 202 203 204
Höhe der 1291 auf den halben Zoll vorgenommenen Verschreibung (300 Mark) und zum anderen aus der Verlegung auf die jeweils andere Rheinseite. LAC. II, Nr. 937 - REK III.2, Nr. 3387. LAC. II, Nr. 995 - REK III.2, Nr. 3604. MGH Const. IV, Nr. 134. MGH Const. IV, Nr. 156 - REK III.2, Nr. 3876. REK IV, Nr. 147. Weitere Belege für den Bonner Zoll liegen für September 1307 (REK IV, Nr. 264) und August 1308 (REK IV, Nr. 337) vor. MGH Const. IV, Nr. 1161 - REK IV, Nr. 212. MGH Const. IV, Nr. 257 - REK IV, Nr. 380. MGH Const. IV, Nr. 412.
I. Zollstätten bis 1100
1.18
221
Zülpich
D e r Zülpicher Zoll ist bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts nur in der Schenkung für St. Severin von 1043 nachweisbar 2 0 5 . Vermutlich handelte es sich in salisch-staufischer Zeit (wie in Bonn) um eine marktbezogene Abgabe. Bis zum E n d e des 14. Jahrhunderts gibt es zudem keine Hinweise auf Transitabgaben in Zülpich. Z w a r beanspruchte der Kölner Erzbischof 1395 in der Aufzählung seiner Zülpicher Gerechtsame gegenüber dem Herzog von Jülich auch Zoll, Wegegeld, Geleit und G e leitgeld 206 , jedoch liegen im Untersuchungszeitraum keine Nachrichten über die tatsächliche Erhebung auch nur einer dieser Abgaben vor 207 . Es handelte sich daher vermutlich um eine formelhafte Aufzählung in dem Bestreben, keine möglichen Rechtstitel auszulassen 208 .
1.19
Klotten
D i e Abtei Brauweiler besaß nach einer angeblichen U r k u n d e Kaiser Heinrichs III. von 1051 in Klotten moneta, mercatum et theloneum209. W a n n die Fälschung angefertigt wurde, ist strittig: Kehr plädierte in der MGH-Edition für die Mitte des 12. Jahrhunderts, Wisplinghoff sieht dies aus paläographischen G r ü n d e n als die untere G r e n z e an und datiert aufgrund bestimmter inhaltlicher Merkmale auf ca. 1263 210 . Klottener Münzen sind nicht bekannt 2 1 1 , auch über einen Markt liegen keine Nachrichten vor. Bis zum E n d e des 13. Jahrhunderts fehlen zudem weitere Hinweise auf eine Zollerhebung in Klotten. 1294 verpfändete König Adolf dem Trierer Erzbischof B o e m u n d Cochem und Klotten mit Münze und Zoll 212 . Zumindest der Zoll ist freilich eindeutig auf Cochem zu beziehen; denn noch 1292 hatte König Adolf d e m Trierer versprochen, die Burg Cochem binnen Jahr und Tag (aus Kölner bzw.
205 RhUB II, Nr. 315. Die Urkunde ist kein frühes Zeugnis für einen Landzoll (so WISPLINGHOFF, Vorbemerkung, S. 333); weitere Belege für den Marktzoll bei FLINK, Zülpich. 206 REK X, Nr. 884. 207 Zülpich wurde weder 1389 (REK IX, Nr. 1756) noch 1396 (REK X, Nr. 1016) in der Liste der kurkölnischen Geleitzollstätten aufgeführt. 208 Ein von FLINK, Zülpich, angegebener kurkölnischer Landzoll, der bis 1794 bestanden habe, ist nach dem von mir geprüften Quellenmaterial nicht mittelalterlichen Ursprungs. 209 MGH D H III, Nr. 273 (= RhUB I, Nr. 91). 210 Vgl. WISPLINGHOFF, Urkundenfälschungen, S. 42 f., 49; von ihm übernommen in der Vorbemerkung zu RhUB I, Nr. 91. 211 Vgl. PETRY, Monetäre Entwicklung, S. 251. 212 MGH Const. III, Nr. 522.
222
C. Zollstätten in den Rheinlanden bis 1500
Katzenelnbogener) Pfandbesitz zurückzuerwerben und dort auch keine unmäßige Zollerhebung von Trierer Untertanen zuzulassen213. Ein Klottener Zoll, und zwar auf den Transitverkehr zu Land, ist erst aus einem 1446 entstandenen Weistum überliefert. Danach standen der Abtei Brauweiler in der Zeit des Bannes, der vom Sonntag nach Remigius (1. Oktober) bis Sonntag nach St. Martin (11. November) dauerte, vier Pfennige von jedem beladenen Wagen zu, der durch das Banngebiet fuhr 214 . Zwar wurden hier mit Sicherheit ältere Rechtszustände beschrieben, jedoch ist kaum zu entscheiden, ob diese auf wenige Wochen beschränkte Abgabe in einer Kontinuität zum marktbezogenen theloneum in der angeblichen Kaiserurkunde stand.
1.20
Kreuznach
Um 1200 wurde eine angebliche Urkunde Heinrichs IV. angefertigt, laut der er 1056 der bischöflichen Kirche zu Speyer die villa Kreuznach mit dem Lehen Graf Eberhards von Nellenburg und allem Zubehör, darunter mercatis theloneis monetis schenkte 215 . Der Text der Fälschung ist - bis auf den Inhalt der angeblichen Schenkung - vollständig nach echten Urkunden Heinrichs IV. geschrieben. Daher ist fraglich, inwieweit die Erwähnung der genannten Rechte den Zustand an der Wende zum 13. Jahrhundert spiegelt und was lediglich formelhaft übernommen wurde. Unwahrscheinlich ist die in der Fälschung genannte Marktzollerhebung in dieser Zeit aber nicht. Das Recht der sponheimschen Stadt Kreuznach von 1248216 verzeichnet einen offensichtlich marktbezogenen Zoll und ein als Verkaufssteuer zur Finanzierung der Stadtbefestigung zusätzlich erhobenes Ungeld. Während letzteres sicher jüngeren Ursprungs war217, kann der Zoll um 1200 durchaus schon bestanden haben. In den dreißiger Jahren des 14. Jahrhunderts diente Kreuznach (neben Kirchberg) als eine der beiden Geleitzollstationen der Grafen von Sponheim(-Kreuznach) auf dem Hunsrück. Die erste Nachricht über die Erhebung eines derartigen Landzolls datiert von 1331, als Erzbischof Balduin von Trier, der zu dieser Zeit auch Provisor des Mainzer Erzstifts war, mit den Grafen Simon und Johann von Sponheim(-Kreuznach) einen Geleitzollvertrag für die Route Mainz-Trier schloß218.
213 MGH Const. III, Nr. 486. Vgl. die Wahlversprechungen Adolfs für den Kölner Erzbischof Siegfried vom 27. April 1292 (MGH Const. III, Nr. 474 - REK III.2, Nr. 3354). 214 GRIMM, Weistümer II, S. 443. 215 MGH D H I V , Nr. 167. Vgl. auch MÖTSCH, Hochstift Speyer. 2 1 6 MÖTSCH, R e g e s t e n S p o n h e i m I, N r . 2 6 §§ 1 4 , 2 1 , 2 4 , 3 1 .
217 Von den zahlreichen Beispielen für neue Ungelder, mit denen um die Mitte des 13. Jahrhunderts der Ausbau der Stadtbefestigung finanziert werden sollte, seien hier nur diejenigen von Trier 1248 (RUDOLPH/KENTENICH, Quellen, Nr. 16) und Koblenz 1259 (MRUB III, Nr. 1475) genannt. 2 1 8 C R M I I I . l , N r . 1 7 7 - OTTO, R E M 1.2, N r . 3 1 4 8 ; MÖTSCH, B a l d u i n e e n , N r . 9 7 0 .
I. Zollstätten bis 1100
223
Außer dessen Erneuerung sieben Jahre später 219 waren keine weiteren Quellen über die Erhebung eines Geleit- bzw. Landzolls in Kreuznach zu ermitteln. Allzu große Bedeutung darf dem freilich beim jetzigen Kenntnisstand nicht beigemessen werden, wie das Beispiel der mainzischen Hebestelle Ockenheim zeigt: Ihr Bestand wäre nämlich ebenfalls nur für 1331 und 1338 nachweisbar, wüßte man nicht aus dem Urbar des Rheingaus von 1390220 und zwei Rheingauer Landschreiberrechnungen 221 von 1441/1442 bzw. 1446/1447, daß dort auch später noch Transitabgaben auf den Landverkehr erhoben wurden.
1.21
Esserden/Schmithausen
Ein Zoll zu Esserden bei Rees ist nur durch eine undatierte, vermutlich 1062 abgefaßte Urkunde Heinrichs IV. bekannt. Demnach schenkte der König die Abgabe mit Willen des Vorbesitzers, eines Herzogs Otto, dem Kölner Erzbischof Anno, der ausdrücklich die freie Verfügung zu Vergabe, Tausch und Verlegung des theloneum erhielt 222 . Wie lange die Kölner Kirche im Besitz des Zolls blieb, ist nicht direkt zu ermitteln. Die Überlieferung der Urkunde im Liber donationum des Utrechter Domstifts vom Ende des 12. Jahrhunderts erlaubt aber den Schluß, daß der Zoll und das nicht erhaltene Original des Diploms in der Zwischenzeit an die Utrechter Kirche übergegangen waren. Der Zoll in Schmithausen am Niederrhein ist deutlich älter als die über ihn vorliegenden zeitgenössischen Schriftquellen. Nach einer Urkunde Heinrichs VI. aus dem Jahr 1193 hatten seine Vorgänger diese Abgabe der Utrechter Kirche verliehen und Bischof Konrad (1076-1099), der offenbar nicht mit dem Erstempfänger identisch war, hatte sie an das Utrechter Marienstift weitervergabt 223 . Die Zollverleihung an das Bistum ist mangels weiterer Quellen nicht genauer datierbar. Dagegen kann die Weitervergabe des Zolls an das Marienstift eingegrenzt werden. 1085 zählte Bischof
2 1 9 OTTO, R E M 1.2, N r . 4 2 8 5 , 4 2 9 1 . 2 2 0 V g l . STRUCK, U r b a r , S. 3 2 .
221 STRUCK, Urbar, S. 57. 222 quoddam theloneum in villa que dicitur Escherde in pago Hatteron et in comitatu Godescalci comitis sita consensu et collaudatione ducis Oddonis, ad cuius ius idem theloneum ante pertinebat, donavimus, ea videlicet ratione ut predictus Anno archiepiscopus suique successores liberam potestatem amodo habeant de prefato teloneo tenendi dandi commutandi vel ad alium locum transferendi, MGH D H IV, Nr. 86 - REK I, Nr. 960. Neueste Edition und diplomatische Beurteilung des Stückes durch Wisplinghoff (RhUB II, Nr. 236). Die folgenden Ausführungen nennen nur die notwendigsten Belege und Zusammenhänge, da der gesamte Komplex Esserden/Schmithausen von mir an anderer Stelle untersucht worden ist (PFEIFFER, Schenkung). 223 dictum theloneum (sc. Smithusen) ecclesie Traiectensi ab antecessoribus nostris indultum et postmodum a quodam Conrado episcopo Traiectensi ecclesie sancte Dei Genitricis, in Traiecto sito, concessum, MULLER/BOUMAN, OSU I, Nr. 524.
224
C. Zollstätten in den Rheinlanden bis 1500
Konrad unter den Gütern, die er vom Utrechter Johannesstift empfangen hatte, ein theloneum in Smithusen auf 224 ; möglichweise hat er die Abgabe wenig später bereits an das Marienstift übertragen. Erstaunlicherweise ist in der Literatur bislang nicht diskutiert worden, ob es sich bei Esserden und Schmithausen um denselben Zolltitel gehandelt haben kann. Die kritische Prüfung 225 der Quellenlage und der (reichs-)politischen Hintergründe ergibt, daß der Zoll bald nach seiner Übertragung an Köln 1062 in Utrechter Besitz überging. Der Vorbesitzer, Herzog Ordulf von Sachsen, fand sich zum Verzicht auf den Zoll bereit, da Anno ihm die Übertragung der Burg Ratzeburg an der sächsischen Ostgrenze durch Heinrich IV. vermittelte 226 . Der Kölner Erzbischof tauschte den Zoll gegen den im Utrechter Besitz befindlichen Ort Overrath, um mit diesem das in der Gründung befindliche Kloster Siegburg auszustatten. Der Utrechter Bischof Wilhelm (1054-1076) verlegte den Zoll in sein eigenes Bistum nach Schmithausen und vergabte ihn an das Stift St. Johannes. Sein Nachfolger Konrad übertrug den Zoll 1085 oder bald danach an das Stift St. Maria. Über die Art des Zolls geben die Quellen (scheinbar) widersprüchliche Hinweise. Während die Zollverlegung von Esserden nach Schmithausen klar auf einen Transitzoll schließen läßt - die zahlreichen mittelalterlichen Zollverlegungen am Niederrhein betrafen fast ausschließlich diese Art 227 von Abgaben - , weist das bekannte Reeser Privileg von 1142 auf einen im Zusammenhang mit dem Marktbetrieb erhobenen Zoll. In dieser Urkunde bestätigte der Kölner Erzbischof Arnold I. eine aus der Zeit der Gräfin Ermentrudis (t 1075)228 stammende Gewohnheit: Die Reeser Kaufleute, die mercandi causa Wesel, Xanten, Emmerich, Elten, Doetinchem und Schmithausen besuchten, blieben frei von allen Abgaben. Gleiches Recht galt für die Händler dieser Orte, wenn sie nach Rees kamen, um dort zu kaufen und verkaufen 229 . Wie Scholz-Babisch richtig bemerkt hat, waren bei den hier genannten Zöllen
224 SCHOLZ-BABISCH, Quellen, Nr. 4. Die Urkunde ist zwar nur als angebliches Original um 1200 im Archivbestand des Johannesstifts überliefert, jedoch besteht kein Anlaß, die Nachricht über die Zollübertragung anzuzweifeln, zumal sie dem Stift keinen erkennbaren Vorteil verschaffte. Vgl. zur Diskussion dieses Stückes die Vorbemerkung bei KOCH, O H Z I , Nr. 89. Der vollständige Text ist bei MULLER/BOUMAN, OSU I, Nr. 245, abgedruckt. 225 Vgl. ausfuhrlich mit allen Nachweisen PFEIFFER, Schenkung. 226 MGH D H IV, Nr. 87. 227 Vgl. z. B. die Übersicht über die klevischen Rheinzölle bei SCHOLZ-BABISCH, Quellen, S. XIX-XXV. 228 REK I, Nr. 1047 Anm. 229 ut mercatores in Ressa manentes, si Wiselam, Xanctum, Embricam, Elthenam, Dvthenkheim, Smithusen mercandi causa venerint, liberi nullo ab eis exacto vel dato theloneo recederent et converso quoque si supra nominatarum villarum mercatores Ressam propter eandem causam venerint, venderent libere et emerent et nullum theloneum darent, ScHOLZBABISCH, Quellen, Nr. 5; vgl. dazu grundlegend VOLLMER, Stadtentstehung; neue Wertungen bei FLINK, Emmerich, S. 11 ff.
I. Zollstätten
bis 1100
225
eindeutig marktbezogene Abgaben gemeint. Im Gegensatz zu Despy, der in den Passagen teloneum si mercandi causa venerint et recederent bzw. teloneum si venderent et emerent eine Differenzierung zwischen Transit- und Marktzöllen erkennen wollte230, bleibt festzuhalten, daß beide Formulierungen dasselbe, nämlich den Markthandel umschrieben. Schmithausen besaß in der Folgezeit jedoch keine erkennbare Bedeutung als Handelsort, ein Marktbetrieb kann nicht nachgewiesen werden 231 . Andererseits ist dort die Erhebung eines Transitzolls dicht belegt, bis die Zollstätte - bedingt durch die Verlagerung des Rheinlaufs - 1318 nach Emmerich verlegt wurde 232 , wo sie bis zum Ende des Untersuchungszeitraums verlieb. Den ersten schriftlichen Nachweis eines Rheinzolls liefert eine auf die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts (ca. 1170?) zu datierende Inschrift 233 , wonach die Neusser Bürger seit der Gründung ihrer Stadt bei Talfahrt in Schmithausen lediglich eine Münze zu entrichten hatten und bei der Bergfahrt völlig zollfrei blieben234. Die erste genau datierbare Befreiung vom Schmithausener Rheinzoll stammt aus dem Jahr 1216, als der Erbpächter des Zolls, Heinrich von Schmithausen, und seine Frau dem Kloster Marienweerd zur Erleichterung ihrer Sünden zollfreie Passage bei dessen proprio negotia zusicherten 235 . Zwar bestätigte die Urkunde von 1142 eine gegenseitige Zollbefreiung des Markthandels, jedoch ist fraglich, ob alle Zölle deswegen automatisch als Marktabgaben einzustufen sind bzw. ob ein Schmithausener Transitzoll damit auszuschließen ist. Vollmer, die den Schmithausener Zoll des 11. Jahrhunderts a priori als Rheinzoll einstufte, hat aus dem Reeser Privileg die zeitgleiche Erhebung von Markt- und Transitabgaben gefolgert 236 ; Scholz-Babisch hat sich dem angeschlossen237. Andererseits hat Vollmer selbst bemerkt, daß Elten, Emmerich und Schmithausen als Marktorte zu dicht beieinander lagen, um auf die Dauer bestehen zu können 238 . Im Gegensatz zu Emmerich und Elten, die beide bereits vor der Jahrtausendwende als vorstädtische Siedlungen faßbar sind und für die daher Marktverkehr im 11. Jahrhundert durchaus wahrscheinlich ist239, kann in Schmithausen - abgesehen
230 231 232 233 234
235
236 237 238 239
Vgl. DESPY, Tarifs, S. 16 Anm. 5. Vgl. dazu VOLLMER, Stadtentstehung, S. 97-103. SCHOLZ-BABISCH, Quellen, Nr. 59; vgl. STRASSER, Rheinlaufverlagerungen, S. 6-11. Vgl. MÜLLER, Urkundeninschriften, S. 70 f. A prima fundacione Nussie cives oppidi illius hoc jus in Smithusen optinuerunt quod descendendo solum nummum, ascendendum nichil in thelonio persolvant, SCHOLZBABISCH, Quellen, Nr. 1. Die Inschrift befindet sich heute in der Pfarrkirche von Kellen. ab omni exactione thelonei in Smithusen, iure haereditario ad nos pertinente, statuentes quod fratres predictae ecclesiae proprio exercentes negotia absolute ibidem Semper transeant, SCHOLZ-BABISCH, Quellen, Nr. 15. Vgl. VOLLMER, Stadtentstehung, S. 11, 99. Vgl. SCHOLZ-BABISCH, Quellen, S. XXIV. Vgl. VOLLMER, Stadtentstehung, S. 94. Vgl. dazu VOLLMER, Stadtentstehung, S. 79-94, mit Diskussion der Einzelnachweise.
226
C. Zollstätten in den Rheinlanden bis 1500
von der summarischen Nennung in der Reeser Urkunde - beides auch später nicht nachgewiesen werden. Der Ort ist bis zum Beginn des 13. Jahrhunderts allein über den Zoll belegt, bei dem es sich schon nach Ausweis des Neusser Privilegs und der Zollbefreiung von 1216 eindeutig um einen Rheinzoll handelte. Schließt man aus der Urkunde von 1142 einen marktbezogenen Zoll in Schmithausen, bleiben nur zwei Möglichkeiten, um zu erklären, daß später nur noch ein Rheinzoll vorhanden war: Entweder ein transit- und ein marktbezogener Zoll bestanden zumindest zeitweise nebeneinander oder der Rheinzoll hatte sich - in welcher Form auch immer - aus der marktbezogenen Abgabe entwickelt. In beiden Fällen muß man annehmen, daß Schmithausen im späten 11. Jahrhundert und noch 1142 erhebliche Bedeutung als Handelsplatz hatte, diese aber seit der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts völlig verschwand 240 . Im klevischen Einkünfteverzeichnis von 1319 sind sogar nur noch neun Hofstätten in Schmithausen verzeichnet241. Wenn auch eine Funktion Schmithausens als Handelsplatz in salischer und frühstaufischer Zeit gänzlich auszuschließen ist, dürfte es wahrscheinlicher sein, daß der Ort in der Urkunde Erzbischof Arnolds von 1142 summarisch unter den anderen niederrheinischen Märkten genannt wurde, daß er tatsächlich aber lediglich eine Transitzollstätte war. Das Utrechter Marienstift hat den Schmithausener Zoll nicht in Eigenregie erhoben, sondern wohl schon im 12. Jahrhundert in Erbpacht an die zur Utrechter Ministerialität zählende Familie von Schmithausen ausgegeben242. Über diese kam der Zoll vor 1228 an die Herren von Lek 243 und 1351 an die Herren von Culemborg 244 . Nicht ganz klar sind die Rechte der Grafen von Kleve am Zoll. Im Stadtprivileg für Kleve von 1242 ist Schmithausen als klevische Zollstätte genannt 245 . Gleiches gilt für das sehr ähnliche Griether Privileg vom März 1255246. Aus der Erbpächterfamilie von Lek trat letztmalig im Mai 1241 Volpert und dann im April 1255 (sein Sohn?) Heinrich als Zollinhaber auf 247 , ohne daß allein aus diesem zeitlichen Nacheinander mit Sicherheit zu folgern ist, daß die Grafen zwischen 1242 und März 1255 den Zoll an Stelle der Pächter erhoben und nicht eigene Abgabentitel über die bestehenden hinaus besaßen.
240 Diese These vertritt STRASSER, Rheinlaufverlagerungen, S. 9. 241 OEDIGER/ILGEN, Einkünfteverzeichnis, Nr. 52.
242 1216 hoben die Pächter bereits ihr Erbrecht hervor, als sie das Kloster Marienweerd ab omni exactione thelonei in Smithusen, iure haereditario ad nos pertinente befreiten (SCHOLZ-BABISCH, Quellen, Nr. 15). Zur 1217 bezeugten Utrechter Ministerialität der Familie Schmithausen vgl. SLOET, OGZ, Nr. 445. 243 244 245 246
SCHOLZ-BABISCH, SCHOLZ-BABISCH, SCHOLZ-BABISCH, SCHOLZ-BABISCH,
Quellen, Quellen, Quellen, Quellen,
Nr. Nr. Nr. Nr.
18. 81. 26. 30.
2 4 7 SCHOLZ-BABISCH, Q u e l l e n , N r . 2 3 , 3 1 .
I. Zollstätten bis 1100
227
Zwar wird noch in klevischen Zollprivilegien von 1340,1348 und 1401 Schmithausen zu den gräflichen Rheinzöllen gezählt248, jedoch diente dabei in allen Fällen das Klever Stadtprivileg von 1242 als Vorlage, die formelhaft übernommen wurde. Eine Anpassung an den jeweils aktuellen Zollbestand, der gerade im Klevischen ständigen Änderungen unterworfen war, hielt man offensichtlich für überflüssig249. Auf den tatsächlichen Betrieb bestimmter Zollstätten lassen sich daher aus diesen Texten keine Schlüsse ziehen250.
1.22
Königsmacher
1065 schenkte Heinrich IV. dem Magdalenenstift zu Verdun den Hof Königsmacher im Moselgau mit allem Zubehör, darunter Markt und Zoll 251 .1221/1222 tauschte das Stift die villa mit dem Trierer Kloster St. Eucharius-St. Matthias - ausdrücklich gehörten wiederum mercatum und theloneum zu den Pertinenzien 252 - gegen dessen Hof Etain. In Königsmacher, dessen Besitz sich die Abtei 1225 durch Papst Honorius III. 253 und 1245 durch Papst Innozenz IV. bestätigen ließ254, sind außer diesem offensichtlich marktbezogenen Zoll keine Transitabgaben, etwa auf den Moselverkehr, bekannt.
1.23
Duisburg
Erzbischof Adalbert von Hamburg-Bremen ließ sich 1065 durch Heinrich IV. zwei bedeutende Reichsgutkomplexe übertragen, als deren Zubehör jeweils auch Zölle genannt wurden. Am 16. Oktober 1065 erhielt der Metropolit den Hof Duisburg mit Münzen, Zöllen und dem ganzen zugehörigen Bezirk255. Drei Tage später erlangte Adalbert vom König die villa Sinzig, wobei hier unter den Pertinenzien zusätzlich
2 4 8 SCHOLZ-BABISCH, Q u e l l e n , N r . 6 8 , 7 5 , 1 7 2 .
249 Ablesbar ist dies auch an der 1242 genannten Zollstätte Orsoy, vgl. unten S. 294. 250 Darauf weist auch SCHOLZ-BABISCH, Quellen, Anra. 2 zu Nr. 68 hin, ohne dies freilich konsequent umzusetzen (vgl. auch ebd., S. XXV, und Anm. 4 zu Nr. 101). 251 curtim Machra ... cum omnibus appenditiis suis, hoc est... mercato teloneo ecclesiis areis, MGH D H I V , Nr. 144. 252 MRUB III, Nr. 169 (1221 Mai), 190 (1222). Vgl. zu diesem Tausch BECKER, Benediktinerabtei, S. 501 ff. 253 Er bestätigte den Tausch, MRUB III, Nr. 244. 254 MRUB III, Nr. 836; ferner existiert ein Originaltranssumpt Karls IV. (1354 Febr. 17) von D H IV, Nr. 144, vgl. die Vorbemerkung zu dieser Urkunde. 255 curtem nostram Tusburch ... cum omnibus appendiciis ... monetis quoque theloneis omnique districtu in proprium dedimus, MGH D H IV, Nr. 172.
228
C. Zollstätten in den Rheinlanden bis 1500
auch Märkte aufgeführt wurden 256 . Es fällt auf, daß in beiden Übertragungen die Fiskalrechte im Plural verzeichnet sind, während beispielsweise die ein halbes Jahr zuvor beurkundete Schenkung von Königsmacher für Markt und Zoll - im Unterschied zu den übrigen Pertinenzien - den Singular verwendete. Sicher kann dies ohne systematischen Vergleich mit anderen Schenkungsurkunden Heinrichs IV. aus dieser Zeit nicht gedeutet werden, aber man wird die Möglichkeit einer gezielten Anpassung an die jeweiligen lokalen Verhältnisse keineswegs a priori ausschließen können. Sowohl im Duisburger als auch im Sinziger Reichsgutbezirk 257 könnten daher außer den namengebenden Hauptorten noch weitere Orte existiert haben, an denen Zölle erhoben wurden. Daß dies vornehmlich marktbezogene Abgaben waren, wird durch die gleichzeitige Nennung von mercata nahegelegt. Keine Indizien gibt es zunächst für die Erhebung von Transitzöllen. Beide Übertragungen sind, wenn sie überhaupt vollzogen wurden, ohne dauerhafte Wirkung geblieben 258 . Bis auf eine noch zu nennende inschriftliche Quelle ist der Duisburger Zoll in salischer und frühstaufischer Zeit nicht weiter belegt. Rund ein Jahrhundert nach der Ersterwähnung läßt sich dort Zollerhebung in Verbindung mit Jahrmärkten fassen. 1173 richtete Friedrich I. für die flandrischen Kaufleuten je zwei vierzehntägige Jahrmärkte in Aachen per terram und in Duisburg per aquam ein und gewährte dabei neben der Zusage sicheren Geleits auf dem Rhein eine Reihe von Vergünstigungen259. Der Kaiser bestimmte u. a., daß nach Ende der Jahrmärkte die flandrischen und alle anderen Kaufleute das Recht hatten, weitere zwei Wochen - vermutlich zur Regelung der während der Messe vereinbarten finanziellen Transaktionen 260 - unbehelligt am Ort zu verbleiben, allerdings war ihnen währenddessen der Tuchverkauf verboten. Nach Ablauf dieser Frist war der freie Verkauf wieder gestattet, wobei dann in Duisburg 261 der gleiche Zoll wie in Köln und die Wiegeabgaben fällig waren 262 .
256 villam unam Sinziche dictam ... cum omnibus appendiciis ... monetis quoque mercatis theloneis omnique districtu, MGH D H I V , Nr. 173. 257 Für Sinzig kann HELBACH, Sinzig, S. 208, wahrscheinlich machen, daß die villa stellvertretend für den gesamten Reichsgutkomplex stand. Bei Duisburg dürfte der Fall ähnlich liegen. 258 Vgl. SCHIEFFER, Reichsgut, S. 45,47; speziell zu Sinzig siehe HELBACH, Sinzig, S. 208. 259 MGH D F I , Nr. 602; vgl. dazu IRSIGLER, Köln und die Staufer, S. 89 ff.; DERS., Jahrmärkte und Messen, S. 530-536. 2 6 0 V g l . IRSIGLER, M e s s e s y s t e m e , S. 17 f.
261 In Aachen waren die Kaufleute seit Barbarossas Jahrmarktprivileg von 1166 (MGH D F I, Nr. 503) per totum annum zollfrei. 262 Finitis singulis quatuordecim diebus Flandrenses et ceteri mercatores postmodum quieti maneant per alios quatuordecim dies nichil de pannis suis vendentes. Deinde vero post illum terminum omnia ¡¡center vendant solventes apud Dusburch tale theloneum, quale solent Colonie persolvere, et precium dent de libra sive trutina, MGH D F I , Nr. 602.
I. Zollstätten bis 1100
229
Während die Flamen das precium de libra sive trutina in der eigentlichen Messezeit vermutlich nicht zahlen mußten 263 , waren sie von der Entrichtung des Jahrmarktzolls offensichtlich nicht befreit. Anders als im Aachener Jahrmarktprivileg Barbarossas von 1166 findet sich darauf 1173 - bei aller Ausführlichkeit des Textes ansonsten - kein Hinweis264. Vielmehr galten in dieser Zeit von den Kölner Sätzen verschiedene, hier jedoch nicht fixierte Abgaben. Da Duisburg als Handelsplatz gefördert werden sollte, dürften die Zollsätze niedriger gelegen haben als in der Domstadt. Zwar hat schon Stein vermute, daß Friedrich I. bereits bestehende Duisburger Jahrmärkte privilegierte265, jedoch wurde auch in neueren Arbeiten nicht versucht, deren Alter genauer zu bestimmen. Eine in der Literatur bislang kaum verwertete undatierte Urkundeninschrift, die nur als Nachzeichnung in einer Duisburger Chronik des 16. Jahrhunderts überliefert ist, stellt möglicherweise den frühesten Beleg für die Existenz Duisburger Jahrmärkte dar und zeigt gleichzeitig deren enge Verbindung mit dem Zoll. Demnach waren die Einwohner der zu Husel - von Milz überzeugend mit Hösel bei Düsseldorf lokalisiert266 - gehörenden Höfe und Wohnstätten vom Duisburger Zoll während des ganzen Jahres preter nundinas celebres befreit, da sie sich zur Befestigung der Stadt verpflichtet hatten. Diese Gnade sei ihnen von Kaiser Heinrich gewährt und vom villicus Christian erneuert worden 267 . Müller, der den Text erstmals intensiv untersucht hat 268 , datiert die Inschrift nach ihren - soweit aus der Nachzeichnung erkennbaren - epigraphischen Merkmalen auf das späte 11. oder frühe 12. Jahrhundert. Eine verlorene Urkunde Heinrichs V. (Kaiser 1111— 1125) hält er dabei angesichts des seit dem ersten Drittel des 12. Jahrhunderts in größeren Baumaßnahmen urkundlich greifbaren Stadtwerdungsprozesses für wahrscheinlicher als ein Diplom Heinrichs IV. (Kaiser 1084-1106)269. Milz plädiert in einer umfassenden Erörterung über die Stadtwerdung Duisburgs mit großer Entschiedenheit für Heinrich V. und setzt den Mauerbau zu 1120/1125270. Es besteht also guter Grund zu der Annahme, daß die Duisburger Jahrmärkte zum Zeitpunkt ihrer Privilegierung durch Barbarossa bereits rund fünfzig Jahre
2 6 3 S o IRSIGLER, M e s s e s y s t e m e , S. 18.
264 Dies ist gegen STEIN, Handelsgeschichte, S. 203, festzuhalten. 265 Vgl. STEIN, Handelsgeschichte, S. 277. 266 Vgl. MILZ, Pfalz und Stadt Duisburg, S. 148 f.; Hösel lag noch innerhalb des Duisburger Forstbezirkes, wie er 1065 (MGH D H I V , Nr. 172) beschrieben wurde. 267 Incole curtium et mansorum attinentium Husel non dant theoloneum Dipsergii per anni circulum preter nundinas celebres obsequuntur enim ad munimen civitatis in muro et vallo. Est quidem eis hec gratia concessa temporibus vero Heinrici imperatoris et Christiani villici renovata, KRAUS, Inschriften II, Nr. 648, der Text nach MÜLLER, Urkundeninschriften, S. 51. 268 KRAUS, Inschriften II, Nr. 648, versucht keine zeitliche Bestimmung. 269 Vgl. MÜLLER, Urkundeninschriften, S. 49 ff. 270 Vgl. MILZ, Pfalz und Stadt Duisburg, S. 149 ff.
230
C. Zollstätten in den Rheinlanden bis 1500
bestanden. Wenn der Textinhalt der Inschrift authentisch überliefert ist, besaßen diese Messen sogar schon in spätsalischer Zeit überregionale Bedeutung als nundinae celebres.
Das inschriftliche Zeugnis für die Zollbefreiung und die Urkunde Friedrichs I. von 1173 lassen eine enge Verbindung von Zoll und Jahrmarkt klar erkennen. Ebenso deutlich wird aus beiden Quellen jedoch, daß auch Abgaben während des ganzen Jahres oder zumindest außerhalb der Messezeit erhoben wurden. Wie sind diese zu charakterisieren ? Auf den ersten Blick erscheint der Duisburger Zoll 1173 als lediglich marktbezogen. Es gilt aber zu berücksichtigen, daß der Kaiser vor allem eine Regelung der Jahrmarktverhältnisse beabsichtigte und daß deshalb nicht e silentio gegen die Existenz von Transitabgaben geschlossen werden kann. Der früheste Hinweis auf die Erhebung eines Rheinzolls liegt indes erst rund ein Jahrzehnt nach dem flandrischen Jahrmarktprivileg vor. 1184 bestätigte Friedrich I. die erstmals 1074 von Heinrich IV. für die Wormser Kaufleute ausgestellte Zollbefreiung und erweiterte die Liste der genannten Reichszölle um Nimwegen und Duisburg271. Nimwegen war eindeutig Hebestelle eines Flußtransitzolls. Gleiches gilt für die anderen aufgelisteten Reichsorte Boppard, Hammerstein und Angeren. Daß der Duisburger Zoll hier eine Sonderstellung einnahm, ist dem Privileg nicht zu entnehmen. Scholz-Babisch272 vertritt hingegen - unter Berufung auf noch zu diskutierende spätere Quellen - die These, daß Transitabgaben auf den Rheinhandel bis zum Ende des 13. Jahrhunderts nur während der Jahrmärkte erhoben wurden. Es gilt daher zu prüfen, ob schon die frühen Belege in dieser Richtung gedeutet werden können, oder ob die Passage auf dem Rhein - wie der Verkauf - schon um 1200 ganzjährig zollpflichtig war. 1202 wurde zwischen dem Kölner Erzbischof Adolf von Altena, der sich in seinen Privilegien verletzt glaubte, und König Otto IV. eine Sühne vermittelt, die u. a. die Aufhebung der Reichszölle zu Duisburg und Kaiserswerth beinhaltete 273 . Bei Kaiserswerth 274 war spätestens 1198 klar hervorgetreten, wie sehr die Kölner Erzbischöfe die (vor) 1174 erfolgte Verlegung des Tieler Zolls an diesen Ort und die Errichtung der zehn Jahre später fertiggestellten Burg als Bedrohung ihrer Interessen empfanden; denn die Rückverlegung des Zolls und die Übergabe der Burg gehörten zu den zentralen Wahlversprechen Ottos IV. für den Kölner Erzbischof
271 conflrmamus, ut cives Vvormatienses in locis imperio pertinentibus nullum theloneum persolvant, nominatim vero in his: Frankinvvrt, Bopardin, Hamirstein, Tramonie, Goslarie, Angere, Numage, Duspurc et in locis reliquis ad imperium spectantibus, MGH D FI, Nr. 853. 272 Vgl. SCHOLZ-BABISCH, Quellen, Anm. 2 zu Nr. 7, mit weiteren Verweisen. 273 Rex theloneum Dusbfurgense] dimittet nec umquam resumet, et dominus legatus similem sententiam proferet cum confirmatione Romani pontificis. Rex et archiepiscopus cum suis familiaribus tractabunt cum effectu, qualiter turrim regiam apud Werthe cum suo theloneo destruant, MGH Const. II, Nr. 24 - REK II, Nr. 1623. 274 Vgl. unten S. 271 ff.
I. Zollstätten
bis 1100
231
Adolf. Der Schied verdeutlicht, daß der Duisburger Zoll den Metropoliten offenkundig gleichermaßen störte. Es ist nicht erkennbar, daß es sich hier um zwei unterschiedliche Arten von Abgaben handelte. Beide Zölle wurden mit demselben einschlägigen Terminus theloneum bezeichnet, worunter im Fall von Kaiserswerth zweifelsohne ganzjährig erhobene Transitabgaben auf den Rheinverkehr zu verstehen sind. Die Quelle gibt keinen Hinweis darauf, daß es dem Kölner Erzbischof im Fall von Duisburg einzig um eine während der insgesamt vierwöchigen Jahrmarktzeit erhobene Abgabe ging. Ebensowenig wie sein Kaiserswerther Pendant wurde der Duisburger Zoll infolge der Sühne auf Dauer eingestellt. 1208 ist er in der Erneuerung der Wormser Zollbefreiung belegt 275 . Vier Jahre später war das theloneum Gegenstand eines von Otto IV. für die stadtkölnischen Händler gewährten Zollprivilegs. Der Kaiser bestätigte ihre völlige Zollfreiheit zu Kaiserswerth, den alten Zollsatz zu Boppard sowie ihr - nicht näher ausgeführtes - Recht zu Duisburg, wie es seit der Zeit Friedrichs I. und Heinrichs VI. gegolten habe. Ferner konnten sich die Kaufleute von dem Vorwurf, fremde Waren als eigene auszugeben, an allen drei Orten per Eineid reinigen und ihre Fahrt ungehindert fortsetzen. Dies galt sowohl während der Jahrmarktzeit als auch außerhalb 276 . Der Duisburger Zoll erscheint hier in einer Reihe mit dem Kaiserswerther und dem Bopparder Transitzoll. Einzig die Zusatzklausel läßt erkennen, daß in Duisburg - in Kaiserswerth und Boppard bestanden um 1200 keine nachweisbaren Messen - die Jahrmarktzeit bei der Zollerhebung eine besondere Rolle spielte. Gleichzeitig impliziert die ausdrücklich gestattete Anwendung des Eineidprinzips extra nundinas aber, daß der Rheinverkehr bei Duisburg außerhalb der Messen generell nicht abgabenfrei war. Scholz-Babisch, die diese Stelle des Kölner Zollprivilegs nicht hinreichend berücksichtigt, gründet ihre Ansicht von einem bis zum Ende des 13. Jahrhunderts nur zur Jahrmarktzeit erhobenen Rheinzoll vor allem auf eine 1273 ausgestellte Urkunde des Herzogs Walram von Limburg. Darin versprach der Fürst den Kölner Bürgern, sie in Duisburg mit eigenen Gütern auf eigenen Schiffen ungehindert und abgabenfrei passieren zu lassen, wobei er sich allein die alte, marethol genannte Abgabe vorbehielt; auch diese war lediglich in hergebrachter Höhe zur entrichten 277 . Zwar
275 U B Duisburg I, Nr. 22. 276 In opido quoque quod dicitur Dusborch iuxta Renum hoc obtineat, quod a tempore imperatorum Frederici et Henrici antecessorum nostrorum ex antiquo iure eiusdem civitatis obtinuit, tali conditione interposita, ut si forte prefati cives vel aliquis prefatorum civium aliorum merces quam suas deferre incusetur, in hiis tribus opidis prenomitatis sola manu iuramento prestito, quod sue sint, liceat affirmare, amota omni moratione et impedimento, si forte quisquam malitiose moliretur eos morari vel impedire sive infra nundinas sive extra, U B Duisburg I, Nr. 24. 277 Cives etiam Colonienses apud Dusburg cum bonis suis, que sub suo periculo in suis navibus ducunt et ducuntur, liberos sine omni impedimento et retardatione transire permitte-
232
C. Zollstätten in den Rheinlanden bis 1500
wird hier deutlich, daß in Duisburg nach der Mitte des 13. Jahrhunderts neben dem (Jahr-)Marktzoll von Schiffen ein gesonderter Rheinzoll existierte 278 , jedoch kann aus dem Privileg nicht geschlossen werden, daß erst Herzog Walram eine permanente Transitabgabe eingerichtet hatte. Was dieser 1273 nämlich als die herkömmlichen Duisburger Zollverhältnisse beschrieb, bezog sich auf den speziellen Status der Kölner an dieser Hebestelle, der keinesfalls unbedenklich verallgemeinert werden darf. Für die Händler der Rheinmetropole war der alte marethol diejenige Zollabgabe, die sie von altersher zu zahlen hatten. Daß dies der allgemeine »alte Zoll« von Duisburg war, darf daraus nicht ohne weiteres gefolgert werden. Vor dem Hintergrund des schon um 1200 nachweisbaren ganzjährigen Transitzolls ist es wahrscheinlicher, daß der Herzog als Duisburger Pfandinhaber den Zoll erhöhte 279 , ohne jedoch grundlegend neue Abgabenstrukturen einzuführen, und dabei bestehende Kölner Vorrechte mißachtete. Den Bürgern war daran gelegen, ihre 1212 und 1257, bei der Bestätigung durch König Richard 280 , nicht näher bezeichneten Rechte in Duisburg konkret zu fixieren, um bei künftigen Auseinandersetzungen nicht allein auf die 1273 kaum noch nachprüfbaren Verhältnisse zur Zeit Friedrich Barbarossas und seines Sohnes pochen zu können. Insgesamt bestehen kaum Zweifel, daß ein ständiger Duisburger Transitzoll bereits gegen Ende des 12. Jahrhunderts existierte. Seine Genese stand vermutlich in engem Zusammenhang mit dem Aufschwung der Duisburger Jahrmärkte im 12. Jahrhundert, die im Barbarossaprivileg von 1173 eine fixierte Ausprägung in Anpassung an das niederrheinische Messesystem erhielten. Während der Marktzeiten wurden nicht nur Abgaben auf den Warenaustausch erhoben, sondern auch auf den Rheinverkehr, und zwar wohl in erster Linie auf Transporte, die nicht den Markt anliefen 281 . Den Schritt zu einem ständigen Transitzoll machte man vermutlich in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts: Die 1145 für die Kaiserswerther ausgestellte Zollbefreiung Konrads III. nennt zwar Angeren, Nimwegen, Utrecht und Neuss als
278
279
280 281
mus, nichil ab eis recipiendo vel requirendo, nisi illud antiquum thelonium quod marethol vocatur dumtaxat, quod ab antiquo ibidem solvi est consuetum, UB Duisburg I, Nr. 81. Das Nebeneinander dieser beiden Abgaben wird auch in der Privilegienbestätigung des (zeitweiligen) Limburger Erben Graf Reinald von Geldern für die Stadt Duisburg deutlich: Item promittimus eisdem civibus, quod ipsos et quemlibet ipsorum cum bonis suis Renum ascendentibus seu descendentibus apud thelonium ante silvam iuxta Dusburg, sive sit in thelonio iusto duabus vicibus anni cuiuslibet, sive per aliquam negligentiam tempore non debito ibi thelonium faciamus, libere et absque aliquo thelonio et impedimento descendere et ascendere permittemus, UB Duisburg I, Nr. 93. Im Landfrieden, den der Kölner Erzbischof, der Herzog von Brabant sowie die Grafen von Kleve und Geldern 1279 auf drei Jahre miteinander schlössen, wurde vereinbart, daß dux Limburgensis thelonium, quod minus iuste apud Dusburg recepii et recipit, omnino deponat (UB Duisburg I, Nr. 92). U B Duisburg I, Nr. 57. Vgl. dazu SCHOLZ-BABISCH, Quellen, Anm. 2 zu Nr. 7.
I. Zollstätten
bis 1100
233
Zollstätten, Duisburg jedoch fehlt282. Als Friedrich I. aber 1184 die Wormser Zollbefreiung von 1074 bestätigte, erweiterte er die Liste der Zölle neben Nimwegen auch um Duisburg 283 . Die Errichtung des Duisburger Rheinzolls fällt damit in die Phase der Intensivierung königlicher Herrschaftsrechte am Niederrhein, die auf dem Gebiet der Transitzölle ihren augenfälligsten Niederschlag in der Verlegung des Tieler Zolls nach Kaiserswerth (vor) 1174 fand. Bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts wurde bei Duisburg, das seit 1248 limburgische284 und seit 1290 klevische285 Reichspfandschaft war und 1312 als Heiratsgut an Berg kam 286 , ein Rheinzoll erhoben. Zwar genehmigte 1324 Kaiser Ludwig dem Duisburger Pfandherrn Graf Adolf von Berg die Verlegung des Rheinzolls nach Düsseldorf 287 , jedoch hat dieser von der Erlaubnis offenbar keinen Gebrauch gemacht. Vielmehr bestätigte ihm der Kaiser 1344 die Erhebung des Zolls zu Duisburg vor dem Wald in bisheriger Weise288, während über einen Düsseldorfer Rheinzoll in der Zwischenzeit keine Nachrichten vorliegen. Duisburg kam 1348 mit dem Zoll wieder an Kleve - Graf Johann hatte sich bereits am 1. September 1347 von Kaiser Ludwig mit diesen Rechten noch vor dem Tod Graf Adolfs von Berg belehnen lassen289 - , jedoch erhob auch Gerhard von Jülich als neuer Graf von Berg 1348 Ansprüche auf den Duisburger Rheinzoll. Weil die Erhebung in Duisburg durch die klevische Inbesitznahme des Ortes nicht mehr möglich war, verlegte Gerhard die Abgabe vor dem 3. September 1348 nach Kaiserswerth290, was ihm Karl IV. am 17. August 1349 nachträglich erlaubte 291 . Da Graf Johann von Kleve, der vom König mit dem Duisburger Zoll schon am 19. Februar 1349 belehnt worden war292, auf seine Rechte keineswegs verzichtete, die Abgabe vielmehr bis 1352 nach Büderich verlegte293, wurde der alte Duisburger Zoll von sechs Turnosen 294 fortan doppelt erhoben.
282 283 284 285
M G H D Ko III, Nr. 136. M G H D F I, Nr. 853. M G H D W, Nr. 29. SCHOLZ-BABISCH, Quellen, Nr. 47. Vgl. zum Übergang des Pfandes an Kleve KASTNER, T e r r i t o r i a l p o l i t i k , S. 6 1 - 6 8 .
286 SCHOLZ-BABISCH, Quellen, Nr. 56.
287 U B Duisburg I, Nr. 215. 288 U B Duisburg I, Nr. 275. Vgl. zu dieser Lokalisierung, die seit 1280 bezeugt ist, SCHOLZBABISCH, Quellen, Anm. 3 zu Nr. 44. 289 U B Duisburg I, Nr. 298. 290 SCHOLZ-BABISCH, Quellen, Nr. 77. Dies geschah erklärtermaßen gegen den Willen seines Vaters, des Markgrafen Wilhelm von Jülich, und seines Onkels, des Kölner Erzbischofs Walram; vgl. LAC. III, Nr. 545. 291 M G H Const. IX, Nr. 524 (nicht im U B Duisburg). 292 M G H Const. IX, Nr. 173 - U B Duisburg I, Nr. 305. 293 SCHOLZ-BABISCH, Quellen, Nr. 84.
294 D i e Höhe des Zolls geht aus der Verlegungserlaubnis Karls IV. vom 17. August 1349 hervor ( M G H Const. IX, Nr. 524).
234
C. Zollstätten in den Rheinlanden bis 1500
Duisburg verlor damit zwar den Rheinzoll, jedoch behielt es bis zum Beginn des 15. Jahrhunderts den Jahrmarktzoll, der spätestens seit 1428 in Orsoy lag295, und den Landzoll, der 1280 erstmalig nachweisbar ist296.
1.24
Sinzig
Zollerhebung in Sinzig ist nach der Ersterwähnung von 1065297 nur sporadisch belegt: Zu Beginn des 13. Jahrhunderts war der Zoll in der Verfügung des Herzogs von Limburg, dessen Sohn Heinrich, Herr von Monschau, dem Ritter Gerhard von Sinzig u. a. sieben Schilling de teloneo in Sinzeka verpfändete 298 . Wie im benachbarten Remagen ist seit Mitte des 15. Jahrhunderts zwar ein Landzoll im Besitz des Erzbischofs von Köln nachweisbar299. Auch im Fall von Sinzig läßt sich aber kaum entscheiden, in welcher Beziehung diese Transitabgabe zu den thelonea des 11. Jahrhunderts steht, die im Zusammenhang mit Märkten aufgeführt wurden und daher wohl kaum als Transitzölle einzustufen sind300.
1.25
Siegburg
1069 nahm Heinrich IV. das vom Kölner Erzbischof Anno kurz zuvor neugegründete Kloster Siegburg in seinen Schutz und bestätigte ihm bei dieser Gelegenheit Markt, Zoll und Münze sowie die Besitzungen301. Friedrich I. erneuerte dies 1174, wobei er - offenkundig war dies auch eine Maßnahme zur Sicherung der Marktzollerträge die Neugründung eines forum sive mercatum publicum im Umkreis von zwei Meilen untersagte 302 . Erste Bemühungen, in Siegburg Transitabgaben zu erheben, sind in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts auszumachen. 1357 verlieh Karl IV. auf Betreiben Graf Gerhards von Berg der Stadt Siegburg das Recht zur Erhebung eines Zolls an den drei Brücken über Sieg und Agger in Höhe von je vier alten Hellern pro Last- bzw.
2 9 5 SCHOLZ-BABISCH, Q u e l l e n , N r . 1 9 9 , 2 0 0 .
296 297 298 299 300
redditus telonii portarum et terrarum Dusburgensium, UB Duisburg I, Nr. 94. MGH D H IV, Nr. 173. MRUB III, Nr. 275. HStAD Kurköln II, Nr. 5239, fol. 2v. Für einen von HELBACH, Sinzig, S. 271, erwogenen Landzoll an der Aachen-Frankfurter Heerstraße gibt es keinen Beleg. 301 mercatum theloneum monetam, MGH D H IV, Nr. 223. Vgl. zur Entwicklung des Siegburger Marktes den Überblick bei FLINK, Stand, S. 179 ff. 302 MGH D F I, Nr. 618.
I. Zollstätten bis 1100
235
Zugpferd 303 . Daß diese Abgaben in Kontinuität zum marktbezogenen theloneum der Abtei aus salischer und staufischer Zeit standen, ist nicht zu erkennen. Gleiches gilt für die Zölle, die Herzog Gerhard von Jülich-Berg 1438 in Siegburg zu etablieren versuchte. Nicht nur der Landverkehr, sondern auch der Handel auf der Sieg wurden mit Abgaben belegt, was heftige Proteste der Stadt Köln hervorrief 304 . Die Rheinmetropole erreichte damit offenbar die Niederlegung der Zölle. Zumindest sind diese in der Folgezeit nicht belegt. Ein halbes Jahrhundert später unternahm Herzog Wilhelm einen neuen Versuch zur Abschöpfung des offenbar nicht unbeträchtlichen Siegverkehrs. Nach dem Bericht der Koelhoffschen Chronik zu 1486 erhielt Wilhelm von Kaiser Friedrich III. als Ersatz für den widerrufenen Lülsdorfer Rheinzoll u. a. einen Flußzoll an der Sieg 305 . Die entsprechende Urkunde Friedrichs III. vom 27. November 1486 erwähnt jedoch keinen Siegzoll, sondern eine Erhöhung des Düsseldorfer Rheinzolls um sechs Turnosen und eine - auch in der Chronik vermeldete - Anhebung bestimmter Landzölle 306 . Daß in der Chronik Düsseldorf und Siegburg lediglich verwechselt worden wären, ist gleichwohl nicht zu erkennen, da sich die entsprechende Textstelle eindeutig auf Siegburg bezieht. Ein Siegzoll dürfte daher um 1486 tatsächlich bestanden haben. Wahrscheinlich hatte der Herzog - ohne nachweisbare kaiserliche Genehmigung - im gleichen Zuge mit der Erhöhung des Düsseldorfer Zolls bzw. der jülichbergischen Landzölle auch einen Siegzoll errichtet, den die Chronik irrtümlich ebenfalls auf die kaiserlichen Zollprivilegien für Jülich-Berg zurückführte. Zu einer Etablierung des Zolls scheint es jedoch nicht gekommen zu sein. Zumindest konnten bis zum Ende des Untersuchungszeitraums keine weiteren Nachrichten über eine Verzollung des Siegverkehrs bei Siegburg ermittelt werden.
1.26
Angeren/Huissen
Ein Zoll zu Angere (Angera, Angeren, Angre), das wohl mit Angeren am Niederrhein südöstlich von Huissen zu lokalisieren ist307, kann erstmalig mit dem Zollprivileg Heinrichs IV. für die Wormser Kaufleute von 1074 nachgewiesen werden 308 . Daß dieser locus imperii als Hebestelle für Transitabgaben diente, dürfte kaum in Frage
303 WISPLINGHOFF, Urkunden Siegburg I, Nr. 393.
304 Vgl. z. B. KUSKE, Quellen I, Nr. 933 (1438 Sept. 3); HStAD Jülich-Berg I, Nr. 509 (1439 Mai 20). 305 so wart eme in ein vergeldung gegeven der zol up eime wasser dat genoempt is die Sege und vluist vur Siburch heraf in den Rin, Koelhoffsche Chronik zu 1486, Chroniken der deutschen Städte XIV, S. 868. Vgl. zu Lülsdorf unten S. 327 f. 3 0 6 LAC. IV, Nr. 4 3 3 . 307 So überzeugend SCHOLZ-BABISCH, Quellen, Anm. 1 zu Nr. 6, gegen ältere Deutungen auf Angermünde, Angermund, Engern u. a. m. 308 MGH D H IV, Nr. 267.
236
C. Zollstätten in den Rheinlanden bis 1500
stehen. Zum einen wurde ausdrücklich die Passage der Wormser an den genannten (und anderen) Reichszollstätten von Abgaben befreit, und man fügte sogar die volkssprachliche Bezeichnung zol zur eindeutigen Kennzeichnung von Transitabgaben in den lateinischen Text ein309. Zum anderen wird dies auch durch die spätere Nicht-Wormser Überlieferung gedeckt: 1145 erteilte Konrad III. den homines et mercatores des Kaiserswerther Reichsstifts Zollfreiheit in Angeren, Nimwegen, Utrecht und Neuss310. Von diesen Orten können zumindest Nimwegen und Neuss eindeutig als Flußtransitzollstätten nachgewiesen werden. Von den sechs im Reeser Zollprivileg von 1142 aufgeführten niederrheinischen Marktzollstätten (Rees, Wesel, Xanten, Emmerich, Elten und Doetinchem) 311 ist dagegen keine genannt. Konrad wollte daher in erster Linie wohl den Transithandel der Kaiserswerther befreien. Selbst ohne Berücksichtigung des Wormser Privilegs kann man Angeren eher als Flußzoll denn als marktbezogene Abgabe einstufen, zumal der Ort als Handelplatz keine erkennbare Bedeutung erlangte. Bezieht man die Urkunde von 1074 und ihre Bestätigungen von 1112 und 1184312 sowie das Fehlen gegenteiliger Nachrichten ein, bleiben keine begründeten Zweifel mehr. Im Verlauf des 13. Jahrhunderts verschwindet das theloneum in Angeren aus der Überlieferung. Nach der Erneuerung der Wormser Zollfreiheit 1208313 ist der Zoll letztmalig in der Einkünftebestätigung Friedrichs II. für das Aachener Marienstift aus dem Jahr 1226 belegt314. Von der dort auf einen imperator Lotharius zurückgeführten Schenkung des Angerener Zolldrittels ist nichts weiteres bekannt 315 .
309 Vgl. dazu oben S. 207. 310 MGH D Ko III, Nr. 136. 3 1 1 SCHOLZ-BABISCH, Q u e l l e n , N r . 5.
312 1112: Boos, U B Worms I, Nr. 61; 1184: MGH D F I , Nr. 853. 313 U B Duisburg I, Nr. 22. 314 MEUTHEN, Aachener Urkunden, Nr. 92. Die seit 1275 von König Rudolf und seinen Nachfolgern Adolf, Albrecht, Heinrich VII., Ludwig und Karl IV. ausgestellten Bestätigungen dieser Urkunde (MUMMENHOFF, Reg. Aachen I, Nr. 315, 494, 569, II, Nr. 71,180, 838; vgl. auch die Vorbemerkung von Meuthen) bieten als Transsumpte des staufischen Diploms keine eigenständigen Nachweise. Zolleinkünfte des Marienstifts zu Angre sind sonst nicht nachweisbar, vgl. NOLDEN, Marienstift, S. 70 (wie Meuthen mit Lokalisierung »an der Anger« südlich Duisburg). 315 Schieffer äußert in seiner Vorbemerkung zu MGH D Lo II, Nr. 43 Zweifel, ob der 1226 vorgenommene Rekurs auf einen Kaiser Lothar zutreffend war. Für diesen Fall favorisiert er (obgleich dieser nicht Kaiser war!) Lothar II. (855-869). Eine Urkunde Lothars I. neben D Lo I, Nr. 136 sei wenig wahrscheinlich und Lothar III. (1125-1137) habe nicht nachweislich für Aachen geurkundet. Dem ist entgegenzuhalten, daß unter Berücksichtigung der Angerener Zollgeschichte - wenn überhaupt - nur Lothar III. in Frage kommt. Wenn dessen Kaisertitel 1226 einer verlorenen Schenkungsurkunde oder einer authentischen Tradition entnommen wurde, hätte die Übertragung des Zollanteils zwischen 1133 und 1137 stattgefunden.
I. Zollstätten bis 1100
237
Sechzehn Jahre nach dem letzten Beleg zu Angeren ist erstmals Zollerhebung im nur ca. 2,5 km flußabwärts gelegenen Huissen nachweisbar, als nämlich 1242 Graf Dietrich IV. von Kleve und sein gleichnamiger ältester Sohn dem Ort Kleve städtische Rechte gaben und den Bürgern Freiheit von den gräflichen Rheinzöllen Orsoy, Schmithausen, Huissen und Nimwegen verliehen 316 . Es sind nicht nur die große räumliche Nähe und das zeitliche Nacheinander, die den Schluß nahelegen, daß Huissen als Flußzoll die Nachfolge Angerens angetreten hatte 317 . Gerade ein Besitzerwechsel vom Reich zu den Grafen von Kleve, wie er für Nimwegen nachweisbar ist, stützt eine solche Annahme. Daß diese Dynasten 1241/1242 schlagartig im Besitz von vier Hebestellen an Niederrhein und Waal nachweisbar sind, dürfte nämlich, wie an anderer Stelle dargelegt wird318, auf eine gezielte politische Maßnahme der staufischen Reichsgewalt zurückzuführen sein. Dabei erhielt Graf Dietrich IV., dem Friedrich II. bereits 1228/1229 den Nimwegener Reichszoll übertragen hatte 319 , neben neuen Zollrechten vermutlich auch den zweiten im unmittelbaren klevischen Einflußbereich gelegenen Reichszoll, Angeren, der aus nicht bekannten Gründen nach Huissen verlegt wurde. Huissen wurde zwar in einer 1266 zwischen Geldern und Kleve geschlossenen Sühne als theloneum novum bezeichnet, doch war damit nicht eine mindestens 24 Jahre zurückliegende Einrichtung des Rheinzolls gemeint, sondern - dies geht aus dem Zusammenhang klar hervor - eine zum Nachteil der geldrischen homines geänderte Zollpraxis320. Bis zum Ende des Untersuchungszeitraums bestand in Huissen ohne nachweisbare Unterbrechungen ein Flußzoll. Offenbar war dies der einzige derartige klevische Zolltitel, der seit der Mitte des 13. Jahrhunderts bis zum Ausgang des Mittelalters immer am selben Ort lag.
316 SCHOLZ-BABISCH, Quellen, Nr. 26.
317 318 319 320
Dies hat bereits ILGEN, Quellen I, S. 170*, erwogen. Vgl. unten S. 661 ff. Vgl. unten S. 661. SCHOLZ-BABISCH, Quellen, Nr. 34. Da offenbar keine Schriftstücke zu dieser Frage zur Verfügung standen, wählte man ein in Zollangelegenheiten eher seltenes Schiedsverfahren: Der Graf von Geldern konnte mit sechs seiner Ritter beschwören, daß seine Leute zu Huissen zollfrei waren, verweigerte er dies jedoch, konnte der Graf von Kleve seinerseits mit sechs milites die Rechtmäßigkeit der Zollerhebung von den Geldrischen zu Huissen nachweisen. Das Ergebnis dieser Aufschwörung ist nicht bekannt.
238
1.27
C. Zollstätten in den Rheinlanden bis 1500
Dortmund
Von der großen Bedeutung des Dortmunder Marktes um die Jahrtausendwende zeugen die Marktgründungsurkunden Ottos III. für Gandersheim (990) und Helmarshausen (1000)321. Sie bestimmten Dortmund - 990 allein, zehn Jahre später neben Mainz und Köln - als Bezugspunkt des neuen Marktrechts, zu dessen wesentlichen Substraten die Erhebung von theloneum gehörte. Neben dieser marktbezogenen Abgabe bildete sich offenbar infolge der günstigen Verkehrslage des Ortes 322 an der Kreuzung zweier bedeutender Straßenzüge, nämlich des in West-Ost-Richtung verlaufenden Hellwegs323 und der aus dem Kölner Raum über Hohensyburg kommenden, nach Norden führenden Straße, bereits in salischer Zeit ein Zoll auf den Dortmund berührenden Transitverkehr aus. Faßbar wird diese Abgabe zuerst im Zollprivileg Heinrichs IV. für die Wormser aus dem Jahr 1074324. Dortmund ist hier zwischen Hammerstein und Goslar unter den loca imperii genannt, die die Händler der mittelrheinischen Bischofsstadt abgabenfrei passieren konnten. Während ein Dortmunder Zoll bis 1208 durch die jeweils in der Liste der Zollstätten modifizierten Privilegienbestätigungen Heinrichs V., Friedrichs I. und Ottos IV. für Worms sicher nachgewiesen ist325, geht die Überlieferungsdichte in der Folgezeit - besonders in Anbetracht der allgemeinen Zunahme schriftlicher Quellen - stark zurück. Im 13. Jahrhundert deutet allein die 1253 belegte Bezeichnung eines Stadttores als porta telonearii auf den möglichen Fortbestand von Abgaben 326 . Zwar wurde 1316 neben Gerichtsbarkeit, Grut und Münze in der Stadt Dortmund auch der dortige, nicht näher bezeichnete Zoll als Zubehör der gleichnamigen Grafschaft genannt 327 ; genaueres über dessen Gestalt erfährt man jedoch erst aus dem sehr ausführlichen, ca. 1330/1340 entstandenen Tarif, der nach Bekunden seines Verfassers die seit altersher üblichen Zollsätze verzeichnete 328 . Demnach bestanden in Dortmund zwei Arten von Abgaben: Zum einen waren beim Markthandel Käufer und Verkäufer mit meist nach dem Transportmittel (Wagen bzw. Karre) gestaffelten Zöllen belegt. Zum anderen - dieser Teil des Zolls findet sich nur in der ausführlicheren Lübecker Überlieferung der Quelle - war der Transit durch Stadt und iudicium zollpflichtig. Der ebenfalls hauptsächlich nach
321 MGH D O III, Nr. 66, 357. 3 2 2 V g l . REIMANN, K ö n i g s h o f , S. 24.
323 Vgl. den Überblick von HOMBERG, Hellweg. 324 MGH D H IV, Nr. 267. 325 1112 Okt. 16 - Boos, UB Worms I, Nr. 61; 1184 Jan. 3 - MGH D F I , Nr. 853; 1208 - U B Duisburg I, Nr. 22. 326 RÜBEL, Dortmunder UB I, Nr. 94. 327 MGH Const. V, Nr. 370. 328 Hec sunt debite observationes thelonii Tremoniensis, sicut antiquitus teneri consuevit, RÜBEL, Dortmunder UB II, Nr. 456.
I. Zollstätten
bis 1100
239
Wagen oder Karren berechnete Durchgangszoll wurde jedoch nicht ganzjährig, sondern nur vom 1. Februar bis zum 1. März sowie vom 24. März bis zum 30. April erhoben. Diese Zeiträume waren bis auf einen Tag (28. Februar statt 1. März) dekkungsgleich mit den Erhebungsterminen des nördlich der Stadt gelegenen, zur Grafschaft Dortmund gehörenden Zolls in Lünen 329 . In beiden Fällen ist den Quellen jedoch nicht zu entnehmen, warum ein Transitzoll gerade in diesen beiden Monaten erhoben wurde. Mit den Dortmunder Jahrmärkten, die im 13. Jahrhundert von Himmelfahrt bis Pfingsten und zwei Wochen nach Michaelis (29. September) stattfanden 330 , waren diese Zeiten jedenfalls nicht deckungsgleich. Ebenso ist nicht zu klären, ob diese zeitliche Begrenzung des Dortmunder Durchgangszolls bereits um 1100 vorhanden war oder ob sie eine Entwicklung der späteren Zeit darstellte.
1.28
Hammerstein/Leutesdorf
Der Hammersteiner Reichszoll ist zuerst im Transitzollprivileg Heinrichs IV. für die Wormser aus dem Jahr 1074 nachweisbar 331 . Seine Klassifizierung als Durchgangszoll für den Rheinhandel ist demzufolge kaum zu bestreiten 332 , zumal auch die spätere Überlieferung nicht auf eine marktbezogene oder auf den Warenumschlag gerichtete Abgabe deutet. Der Rheinzoll bestand bei der Ausstellung der Zollbefreiung vermutlich erst seit kurzer Zeit. Lampert von Hersfeld berichtet nämlich in seinen Annalen zu 1071, daß Heinrich IV. das von früheren Königen niedergelegte castellum Hammerstein unter großem Aufwand wiederherstellen ließ333. Die bald darauf belegte Zollerhebung läßt vermuten, daß eine Funktion der Burg in der Sicherung der Zollstätte bestehen sollte. Bis 1208 ist der Hammersteiner Zoll vor allem durch die Bestätigungen der Wormser Zollfreiheit belegt 334 . Danach liegen für rund 100 Jahre keine Nachrichten vor, was sicher nicht dem Zufall der Quellenüberlieferung, sondern der - aus unbekannten Gründen erfolgten - Einstellung der Zollerhebung zuzuschreiben ist.
329 330 331 332 333
RÜBEL, Dortmunder U B I, Nr. 631 (1347 Sept. 14); vgl. dazu unten S. 277 f. RÜBEL, Dortmunder U B I, Nr. 71. MGH D H IV, Nr. 267. Vgl. oben S. 207. Lampert von Hersfeld, Annales ad 1071, MGH SSrG 38, S. 120. Gemeint war vermutlich die Zerstörung durch Heinrich II. im Jahre 1020, vgl. den ausführlichen Bericht der Quedlingburger Annalen, MGH SS III, S. 85. Vgl. zur großen Bedeutung von Hammerstein in der späten Salierzeit HELBACH, Sinzig, S. 226 ff. Auch die dortige Münzprägung begann unter Heinrich IV., vgl. dazu HÄTZ, Anmerkungen II, S. 450 f.; V, S. 426 ff. 334 B o o s , U B Worms I, Nr. 61 (1112); M G H D F I , Nr. 853 (1184); M G H Const. II, Nr. 7 (1202); U B Duisburg I, Nr. 22 (1208).
240
C. Zollstätten in den Rheinlanden bis 1500
König Albrecht reaktivierte nach der Umstrukturierung der Rheinzölle, die auf die Niederwerfung der rheinischen Wahlfürsten 1301/1302 folgte, bis spätestens 1305 die alte Zollstätte in Hammerstein 335 . Bereits im September 1308 ließ sich der Kölner Erzbischof Heinrich von Virneburg vom luxemburgischen Thronkandidaten Graf Heinrich zusagen, den Zoll aufzuheben und innerhalb des kölnischen Geleitgebietes nicht wieder aufzurichten. Heinrich VII. hat, was keineswegs selbstverständlich war, dieses Versprechen eingehalten. Die Zollerhebung in Hammerstein wurde für die Dauer seiner Regierung eingestellt, doch richtete der König offenbar ersatzweise bis Ende Januar 1309 einen Rheinzoll in Leutesdorf ein. Diese Hebestelle lag nur 2,5 km stromaufwärts von Hammerstein, jedoch außerhalb des kölnischen Geleits in dominio spirituali
et temporali
archiepiscopi
et ecclesie Treverensis336.
O b man den Über-
gang von Hammerstein nach Leutesdorf in formaler Hinsicht als Verlegung charakterisieren kann, ist zweifelhaft; denn auf den Fortbestand des Hammersteiner Zolls an einem anderen Ort gibt es zunächst keinen Hinweis. Vielmehr hatte Heinrich VII. nach der frühesten Quelle vom 29. Januar 1309 den Leutesdorfer Zoll von neuem und zeitlich befristet zur Schuldentilgung eingerichtet und die Erhebung dem Aachener Lombarden Bartholomäus und seiner familia übertragen, also Gläubigern des Königs. Bis zum 19. April 1309 löste der Kölner Erzbischof diesen Zolltitel mit 6.000 Mark Kölner Pagament ab und erhob ihn spätestens seit dem 1. Juni 1309 mit königlicher Erlaubnis an der erzstiftischen Hebestelle Bonn 337 . Am 26. September 1309 setzte der König die Höhe dieser Abgabe auf acht Turnosen fest und befristete sie bis Ostern 13 14338. In Leutesdorf wurde jedoch weiterhin Zoll erhoben. Im September 1310 verschrieb der König der Abtei Fulda 5.000 Pfund Heller auf diesen Zoll, weitere Geldanweisungen folgten 1311 und 13 1 3339. Der Leutesdorfer Zoll war demnach nicht, wie vom Erzbischof offenbar zunächst geplant, ersatzlos nach Bonn verlegt worden, sondern der König richtete dort einen neuen, erst später genauer definierten Zoll ein, während die Leutesdorfer Abgabe - ob in der ursprünglichen oder einer neuen Form, ist unklar - bestehen blieb340.
335 Vgl. TROE, Münze, S. 168; dort auch S. 165-175 ausführlich zur fiskalischen Bedeutung des Hammersteiner und des Leutesdorfer Zolls für das Reich. 336 Die erste Erwähnung datiert vom 29. Januar 1309 (MGH Const. IV, Nr. 275). 337 Vgl. REK IV, Nr. 448,449,658. 338 MGH Const. IV, Nr. 328 - REK IV, Nr. 477. 339 MGH Const. IV, Nr. 447; zu späteren Verschreibungen durch den König vgl. TROE, Münze, S. 171. 340 Am 19. April 1309 erwähnte der Erzbischof die beabsichtigte Verlegung des Leutesdorfer Zolls in die Kölner Diözese (REK IV, Nr. 448). Seit dem 1. Juni 1309 (REK IV, Nr. 457) stellte er aber für seine Gläubiger, die ihm die Ablösung des Leutesdorfer Zolls finanziert hatten (REK IV, Nr. 449), Verschreibungen, darunter auch die Ablösesumme von 6.000 Mark (REK IV, Nr. 467), auf den »vom König neu eingerichteten Bonner
I. Zollstätten bis 1100
241
Im Zuge des habsburgisch-wittelsbachischen Thronstreits gelang es dem Kölner Erzbischof 1314, nun doch die endgültige Niederlegung des Leutesdorfer Reichszolls durchzusetzen. Der Metropolit ließ sich vom habsburgischen Thronkandidaten bereits am 9. Mai 1314 die Übertragung des Leutesdorfer Zolls auf Lebenszeit versprechen. Heinrich sollte die Abgabe nach Andernach verlegen und sie nach Tilgung noch laufender Verschreibungen vermindern oder ganz niederlegen können 341 . Als die luxemburgisch-wittelsbachische Partei noch vor der Doppelwahl (19./20. Oktober 1314) begann, Verschreibungen auf den Leutesdorfer Zoll auszustellen342, bemächtigte sich der Kölner Erzbischof, ohne eine formelle Erlaubnis abzuwarten, offenbar handstreichartig der Zollstätte, setzte die Einstellung der Abgabenerhebung durch 343 und forderte den Zolltitel in der Folgezeit in Andernach ein. Friedrich der Schöne legalisierte dies nachträglich am 27. November 1314344. König Ludwig hat zwar noch einmal eine Reaktivierung der Zollstätte beabsichtigt, zunächst im Januar 1315 in Udendorf, das von Troe mit Leutesdorf identifziert wird345, dann im März 1316 in Niederleutesdorf 346 . In beiden Fällen sollte Graf Berthold von Katzenelnbogen dort Zolltitel erhalten. Realisiert wurden diese Verschreibungen - es ging offenbar immer um denselben Schuldtitel - aber am pfalzgräflichen Zoll Bacharach 347 . Über das Planungsstadium sind die Zölle anscheinend nicht hinausgekommen. Die tatsächliche Erhebung von Transitabgaben auf den Rheinhandel ist dort nicht zu belegen 348 . Dagegen hat König Friedrich wenige Jahre später zusammen mit dem Kölner Erzbischof Heinrich von Virneburg noch einmal kurzzeitig die alte Zollstätte Hammerstein wieder in Betrieb genommen. Am 13. Oktober 1319 verlieh er den Grafen Johann von Nassau und Simon von Sponheim dort einen auf fünf Jahre befristeten
Zoll« aus, ohne daß ein Bezug zu Leutesdorf erwähnt wurde (vgl. auch REKIV, Nr. 468, 515). Beide Zolltitel waren also im Grunde genommen identisch, die königliche Erlaubnis zur Verlegung des Leutesdorfer Zolls (REK IV, Nr. 447) und die Verleihung eines neuen Zolls in Bonn (REK IV, Nr. 456) waren ein einziger Vorgang. Vgl. auch TROE, Münze, S. 169 ff., besonders S. 170 Anm. 4. 341 MGH Const. V, Nr. 25 - REK IV, Nr. 816. 342 MGH Const. V, Nr. 85 - VOGT, REM 1.1, Nr. 1687 (1314 Okt. 9); MGH Const. V, Nr. 86 - VOGT, R E M 1.1, Nr. 1688 (1314 Okt. 13).
343 Dies geht aus Klagen des Grafen von Jülich (REK IV, Nr. 1004) und des Erzbischofs von Trier (REK IV, Nr. 1067) von 1317 und 1318 hervor, die sich zweifellos auf diese Vorgänge beziehen. 344 MGH Const. V, Nr. 140 - REK IV, Nr. 887. 345 M G H Const. V , Nr. 2 1 1 - DEMANDT, R e g . Katz. I, Nr. 554. V g l . TROE, M ü n z e , S. 173.
346 MGH Const. V, Nr. 354 - DEMANDT, Reg. Katz. I, Nr. 569. 347 MGH Const. V, Nr. 436. Siehe auch TROE, Münze, S. 173 f., dem aber nicht zuzustimmen ist, wenn er aus diesen Verschreibungen folgert, daß die Zollstätte(n) in der Hand König Ludwigs waren. 348 Siehe die vorherige Anm.
242
C. Zollstätten in den Rheinlanden bis 1500
Zolltitel 349 . Aus der Formulierung des Textes geht hervor, daß die beiden Grafen zu dieser Zeit schon über Zolleinkünfte in Hammerstein verfügten. Seit wann dies der Fall war, ist nicht näher zu bestimmen. Allzu lange dürfte die Reaktivierung der Zollstätte indes nicht zurückgelegen haben, da die Zollverleihung die erste Nachricht seit 1309 über die Erhebung eines Rheinzolls in Hammerstein ist350. König Friedrich konnte den Zoll nur wenige Monate nutzen. Heinrich von Virneburg, der wahrscheinlich die militärische Sicherung der Hebestelle gewährleistete, schloß am 15. August 1320 eine Sühne mit der Stadt Köln, die jahrelange Auseinandersetzungen beendete. Der Erzbischof mußte sich dabei u. a. verpflichten, den Zoll Hammerstein niederzulegen. Tatsächlich ist die Erhebung von Transitabgaben in der Folgezeit - sei es auf Betreiben des Königs, sei es unter Verantwortung des Metropoliten - nicht mehr nachweisbar. 1335 verkündete König Ludwig die Errichtung eines neuen Rheinzolls in Hammerstein in Höhe von sechzehn Turnosen 351 . Über das Planungsstadium gelangte diese Abgabe aber offenbar nie hinaus. Im 15. Jahrhundert hat man Hammerstein noch einmal als Hebestelle in Betracht gezogen. 1420 erlaubte König Sigmund Erzbischof Otto von Trier, den Koblenzer Moselzoll in einen Rheinzoll zu Vallendar oder Hammerstein umzuwandeln 352 . Abgesehen von Beschwerden der Stadt Köln über eine kurtrierische Zollerhebung in Oberwesel und Hammerstein aus dem Jahr 1435353 gibt es jedoch keine Hinweise auf eine Umsetzung dieser Erlaubnis. Erst 1616 wurde der Koblenzer Moselzoll nach Hammerstein verlegt354.
1.29
Aachen
Zwar ist es nicht unwahrscheinlich, daß schon in karolingischer Zeit auf dem Markt bei der Aachener Pfalz Abgaben erhoben wurden 355 , jedoch ist ein theloneum erst für die salische Zeit explizit belegt. Vermutlich 1079 stiftete Heinrich IV. im nahege-
349 MGH Const. V, Nr. 554. 350 Die nicht wirksam gewordenen Verschreibungen Graf Engelberts von der Mark über 3.000 Pfund Heller quas in thelonio Hamerstein recepisse debuisset ex parte regis (MGH Const. V, Nr. 26 - REKIV, Nr. 817), die am 9. Mai 1314 geregelt wurden, stammten noch aus der Zeit Albrechts (so auch TROE, Münze, S. 168). Das Fehlen aller weiteren Belege über die Erhebung eines Hammersteiner Rheinzolls unter Heinrich VII., den man außerdem wohl als imperator tituliert hätte, läßt keine andere Möglichkeit offen. 351 CRM III.l, Nr. 208. 352 HELLWIG, Moselzoll, S. 83. 353 KUSKE, Quellen I, Nr. 888; DEMANDT, Reg. Katz. II, Nr. 3694. Der konkrete Hintergrund dieser Beschwerden ist nicht ganz klar. 354 Vgl. HELLWIG, Moselzoll, S. 20. 355 Skeptisch ist allerdings FLACH, Aachen, S. 65.
I. Zollstätten bis 1100
243
legen Kloster Burtscheid eine Memorie in Höhe von zwei Pfund aus dem Aachener Zoll, die Konrad III. 1138 um drei Pfund erhöhte 356 . Daß diese Einkünfte aus marktbezogenen Abgaben stammten, wird durch das bekannte Jahrmarktprivileg Barbarossas von 1166 nahegelegt. Der Kaiser richtete im locus regalis Aachen jährlich zwei Messen ein und befreite alle Kaufleute - zur Zeit der Jahrmärkte wie auch für den Rest des Jahres - von jeglicher Art Zoll auf Kauf und Verkauf 357 . Der Staufer schaffte damit den Aachener Marktzoll faktisch ab. Das heißt freilich nicht, daß der Handel in Aachen seitdem abgabenfrei geblieben wäre. Möglicherweise schon im Zusammenhang mit der Befestigung der Stadt 1171, sicher aber seit der Mitte des 13. Jahrhunderts wurde ein »Ungeld« auf den innerstädtischen Warenhandel erhoben 358 . Die Existenz von Transitzöllen in Aachen ist dagegen weder für das hohe noch das spätere Mittelalter nachweisbar 359 .
1.30
Rachtig
1085 schenkte der Kölner Erzbischof Sigewin der Abtei Deutz seine gesamten Zollrechte am Moselhafen Rachtig, der dem dortigen Klosterhof vorgelagert war, und stiftete sich damit eine Memorie 360 . In späteren Quellen taucht der Zoll nicht mehr auf. Der Liber Theoderici von ca. 1164 führt zwar unter den Anniversarstiftungen auch sechs Schilling von Sigewin auf, nennt jedoch nicht deren Quelle 361 . Möglicherweise ist dies ein Hinweis darauf, daß man die Schenkung des gesamten Zolls auf eine bestimmte Jahrespauschale aus dessen Erträgen beschränkt hatte. Vielleicht hatte einer der Nachfolger Sigewins dem Kloster aber auch ein völlig neues Objekt angewiesen, um daraus die Memorie zu finanzieren. Eine hinreichend genaue Klassifizierung des Rachtiger Zolls kann aus den knappen Angaben der einzigen zur Verfügung stehenden Quelle kaum gewonnen wer-
356 Die verlorene Urkunde Heinrichs IV. ist nur aus dem Diplom Konrads III. bekannt: M G H D Ko III, Nr. 2. 357 omnibus mercatoribus hanc donamus libertatem, ut in his nundinis et per totum annum in hoc regali loco ab omni theloneo sint immunes et liberi et sua commercia vendant et emant, prout ipsi voluerint, MGH D F I , Nr. 503; vgl. dazu IRSIGLER, Messesysteme, S. 15 ff. 358 Vgl. dazu ausführlich FLACH, Aachen, S. 225-229. 359 Ob man den 1242 erstmals belegten Landzoll Dobach (bei Weiden) als zu Aachen gehörigen Passierzoll zu sehen hat (so FLACH, Aachen, S. 229), erscheint zweifelhaft. Vgl. dazu unten S. 293. 360 omne ius thelonei, quod habui de portu Moselle, qui preiacet curti eiusdem sancii Heriberti in vico, qui dicitur Rathocho, RhUB I, Nr. 144 - R E K I , Nr. 1175; vgl. dazu MILZ, Deutz, S. 288. 361 Vgl. dazu MILZ, Deutz, S. 31.
244
C. Zollstätten in den Rheinlanden bis 1500
den. Die Erwähnung von Hafenanlagen 362 als organisatorischem Anknüpfungspunkt der Zollerhebung könnte darauf hindeuten, daß in erster Linie der Warenumschlag bzw. der Wechsel des Verkehrsweges vom Fluß auf das Land und vice versa, weniger aber der Transitverkehr auf der Mosel oder der Handel auf einem - nicht belegten Markt erfaßt wurde. Möglicherweise waren die Verhältnisse in Rachtig denen in Schleich ähnlich363
362 Zwar deutet nach ENNEN, Frühgeschichte, S. 130, der terminus portus stets auf eine Handelssiedlung (emporium) hin, hier ist er, wie schon aus der Lokalisierung in Bezug auf die Deutzer curtis erkennbar ist, jedoch im wörtlichen Sinn zu verstehen. 363 Vgl. dazu oben S. 201 f.
II.
Zollstätten bis 1200
II.l
Gondorf
1122 schenkte Erzbischof Bruno von Trier dem St. Nikolaus-Altar in der Trierer Domkirche den alten Zoll zu Gondorf, mit dem vormals der ohne Erben verstorbene Graf Bertholf von Treis belehnt war 1 . Diese Übertragung war nicht auf die Zolleinkünfte beschränkt, sondern umfaßte auch die Verwaltung der Hebestelle. Dompropst und -kapitel sollten nach Brunos Willen nämlich (gemeinsam) den Zöllner einsetzen. Der teloniarius war verpflichtet, alljährlich zwei erzbischöfliche Geldlehen von insgesamt neun Mark auszuzahlen, aber vorrangig sollten die Domherren ihre hier nicht bezifferte - Summe erhalten. Alle Zolleinkünfte über neun Mark hinaus sollten den fratres zugute kommen. Ein Gondorfer Zoll ist in späteren Quellen nicht mehr belegt. Somit können auch die im Terminus theloneum antiquum implizierten neuen Zollabgaben, die wohl im Besitz des Erzbischofs verblieben, nicht näher charakterisiert werden. Die knappen Angaben der Schenkung lassen eine sichere Bestimmung des Zolls kaum zu. Es könnte sich um einen Transitzoll auf den Moselverkehr gehandelt haben, jedoch ist auch eine Abgabe auf den Warenumschlag wie in Schleich denkbar. Ein marktbezogener Zoll dürfte dagegen weniger wahrscheinlich sein. Eine Differenzierung nach altem und neuem Zoll setzt voraus, daß beide Zeitstufen klar getrennt werden konnten. Dies war bei einem Zoll auf den Transit oder auf den Warenumschlag 2 , den man auf einheitlicher Bemessungsgrundlage im ganzen erhöht hatte oder der eine neue Abgabenkomponente aufwies - z. B. die Tarifierung nach der geladenen Warenmenge und nicht nur pauschal pro Schiff - weit eher gegeben als bei einem marktbezogenen Zoll, der im allgemeinen sehr viel komplexer strukturiert war. Und so ist eine Trennung von theloneum antiquum und theloneum novum zwar häufig bei Transitzöllen zu Wasser und zu Land anzutreffen, jedoch kaum bei Abgaben auf den Markthandel. Auch wären die Gondorfer Zolleinkünfte, die schon für den alten Zolltitel neun Mark im Jahr (zuzüglich Verwaltungskosten) deutlich überstiegen haben müssen, als Ertrag eines Marktes, der keine erkennbare überregionale Bedeutung hatte, vergleichsweise hoch 3 .
1 2
3
thelonevm apud Gundereva antiquum scilicet beneficivm comitis Bertolfi de Trihis, M R U B I, Nr. 448. Beide Abgabenarten weisen oft eine ähnliche (Transportmittel-)Tarifierung auf; vgl. etwa den Koblenzer Zolltarif von 1209 ( M R U B II, Nr. 242) oder den Schied von 1241 über den Zoll zu Trier ( M R U B III, Nr. 712). Neun Mark entsprachen in Trierer Denaren im Jahr 1122 etwa 1037 g (Münz-)Silber (für den am häufigsten überlieferten Typ Weiller Nr. 106 mit 0,8 g (Rauh-)Gewicht, vgl.
246
C. Zollstätten in den Rheinlanden bis 1500
II.2
Luxemburg
Im Jahr 1123 grenzte Graf Wilhelm von Luxemburg die Rechte der Münsterabtei in Luxemburg und des dortigen Stadtvogtes gegeneinander ab. Falls die Abtei einen Jahrmarkt in ihrem Bann gründete, so standen ihr der Zoll und alle anderen Einkünfte zu 4 . Daß die geplante Messegründung realisiert wurde, ist nach Reichert zweifelhaft 5 . Entsprechendes gilt für den Jahrmarktzoll, der keine Transitkomponenten erkennen läßt. Dessen ungeachtet wird man annehmen dürfen, daß der Handel auf dem 1166 bezeugten (ständigen) neuen Markt 6 ebensowenig abgabenfrei war wie auf dem alten forum. Seit der Mitte des 13. Jahrhunderts ist die Erhebung landesherrlicher Transitabgaben in Luxemburg nachweisbar, die offenbar bis zum Ende des Untersuchungszeitraums bestanden: 1256 ist das passagium castri Luccelburg7 erstmalig belegt, das offensichtlich ein Durchgangszoll auf den Landverkehr war. Eng damit verbunden waren die seit 1308 nachweisbaren Geleitgelder (conductum)8. Ferner wurde eine spezielle Abgabe auf die Durchfuhr von Elsässer Wein erhoben, die seit 1341 bezeugt ist; sie gelangte bereits 1346 auf Dauer in den (Pfand-)Besitz der Luxemburger Stadtgemeinde 9 .
WEILLER, Trier, S. 102). Wenn die Kölner Gewichtsmark zu 234 g gemeint war, repräsentierte diese Summe sogar 2,1 kg. Über den Ertrag von Marktabgaben im 12. und 13. Jahrhundert ist nur wenig bekannt. Vgl. zu den Erträgen in der Grafschaft Geldern 1294/1295 MEIHUIZEN, Rekening; Mitte des 14. Jahrhunderts betrugen die Markteinkünfte in Mayen ca. acht Mark (in Trierer Denaren etwa 43 g [Fein-]Silber, vgl. LAMPRECHT, Wirtschaftsleben II, S. 480), BURGARD/MÖTSCH, Rechnung, S. 279.
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Si denique annale mercatum vel forum super bannum ipsius loci stabilitum fuerit, theloneum vel alios reditus mercati vel fori accipient. Si autem in eodem mercato vel foro quisquam proclamaverit aliquid, unde iustitia fieri debeat, si pugna campi id est duelli adiudicata fuerit, in curia abbatis fiet et ipse abbas duas partes, comes vero terciam partem accipiet, UQB I, Nr. 358. Wie aus dem zweiten Teil dieser Textstelle hervorgeht, erhielt der Vogt, der die Marktgerichtsbarkeit ausübte, beim Zweikampf ein Drittel der Gerichtsgefälle. Am Zoll war er offenbar nicht beteiligt. Vgl. dazu REICHERT, Landesherrschaft, S. 134 und Anm. 284, mit Einzelnachweisen. capellam in novo foro de Luceleburch, UQB I, Nr. 479. Die Abtei Clairefontaine bezog daraus 100 Metzer Schilling (UQB I, Nr. 229). Vgl. die Nachweise bei REICHERT, Landesherrschaft, S. 180 f.; zu der im Westen des Reiches besonders engen Verbindung von Landzoll und Geleit vgl. ebd., S. 144. Vgl. REICHERT, Landesherrschaft, S. 154; PAULY, Luxemburg II, S. 25 ff.
II. Zollstätten
II.3
bis 1200
247
Cochem
Im Jahr 1130 erließen Pfalzgraf Wilhelm und seine Frau Adelheid der familia des Trierer Klosters St. Eucharius-St. Matthias das theloneum navale, das vor der Burg Cochem für die Passage der klösterlichen Schiffe zu entrichten war10. Ein ähnliches Privileg Wilhelms erhielt sechs Jahre später das Stift Springiersbach11, das sich diese Freiheit 1143 durch König Konrad III. bestätigen ließ12. Anders als bei den bisher behandelten Zollstätten an der Mosel ist Cochem zweifelsfrei als Flußtransitzoll zu kennzeichnen. Burg und Zoll, die von der Mitte des 12. bis zum Ende des 13. Jahrhunderts zum unmittelbaren Reichsgut zählten 13 , waren nicht nur für die territoriale Entwicklung des Trierer Erzstifts, sondern auch für dessen Handel von hoher Bedeutung. Cochem beherrschte die Moselverbindung zwischen dem westlichen Kern des werdenden Trierer Territoriums und seiner östlichen Koblenzer Exklave und damit auch den Zugang zum Rhein. Wiederholt hat man diese Position zum Nachteil der Händler aus dem Erzstift ausgenutzt. Zwar sind nur zwei Fälle überliefert, doch sind deren strukturelle Gemeinsamkeiten unübersehbar. König Philipp sicherte 1202 den Angehörigen des Erzstifts zu, von ihnen am Cochemer Zoll, den man so erhöht hatte, quod quasi de novo fuerat institutum, nur Abgaben in herkömmlicher Höhe zu fordern 14 . 1292 versprach König Adolf Erzbischof Boemund von Trier, Burg Cochem aus der Hand der (nicht genannten) bisherigen Pfandinhaber zu lösen und dafür zu sorgen, daß man von den trierischen Untertanen dort kein tholonium grave vel immoderatum erhebe 15 . Zwei Jahre später gelang es Boemund, Cochem pfandweise zu erwerben 16 . 1298 wandelte König Albrecht die Pfandschaft in eine Schenkung um17. Der Cochemer Zoll, der hier nicht explizit erwähnt wird, wechselte als Zubehör der Reichsburg ebenfalls den Besitzer. Bis zum Ende des Untersuchungszeitraums haben die Trierer Erzbischöfe in Cochem einen Moselzoll erhoben.
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nauale theloneum quod memoratorum sanctorum familia de nauium suarum transuectione ante castellum nostre hereditatis quod Kuchema dicitur persoluere deberet rogatu domni Eberhardi eiusdem loci abbatis suorumque fratrum perpetuo donaui, M R U B I, Nr. 469. Super hec etiam theloneum in castro meo Cuchemo eis remisi ut quicquid naues eorum deferunt uel afferunt quod utilitatibus uel necessitatibus eorum competat cum omni quiete eant et redeant et a nemine quicquam grauedinis sentiant, M R U B I, Nr. 490. M G H D K o III, Nr. 93. Vgl. dazu TROF., Münze, S. 181 f. M G H Const. II, Nr. 7. M G H Const. III, Nr. 486. M G H Const. III, Nr. 522. M G H Const. IV, Nr. 23; vgl. TROE, Münze, S. 183.
248
C. Zollstätten in den Rheinlanden bis 1500
II.4
Neuss/Zons
Ein Neusser theloneum bestand, wie aus einer Zollbefreiung König Ludwigs des Jüngeren von 877 hervorgeht, bereits in spätkarolingischer Zeit. Allerdings war dies wahrscheinlich kein Rheinzoll, sondern der Schwerpunkt der Abgabenerhebung lag auf der Erfassung des Markthandels 18 . Für die folgenden rund 250 Jahre liegen keine Quellen über einen Neusser Zoll vor. Zwar wird man annehmen können, daß die Zerstörung des castellum Neuss durch die Normannen im Jahr 881 auf die lokalen Wirtschaftsverhältnisse erhebliche Auswirkungen hatte, doch läßt sich deren Ausmaß kaum genauer fassen. Wann man zum geregelten Marktbetrieb zurückkehrte, der die Voraussetzung der Abgabenerhebung war, bleibt offen. Man kann lediglich aufgrund späterer Quellen erschließen, daß vermutlich im Verlauf des 10. Jahrhunderts, spätestens aber bis zur Mitte des 11. Jahrhunderts ein deutlicher Aufschwung des wirtschaftlichen Lebens eingetreten war: Neusser Händler sind im ältesten Koblenzer Zolltarif verzeichnet, der wohl vor der Jahrtausendwende entstand und dessen früheste Handschrift aus dem letzten Drittel des 11. Jahrhunderts überliefert ist, und die um 1050 verfaßte Lebensbeschreibung des Kölner Erzbischofs Heribert berichtet zu 1021 von einem Besuch beim hl. Quirin in Neuss, wobei der Ort als portus gekennzeichnet wird19. Letzteres ist hier nicht wörtlich mit »Hafen« zu übersetzen, sondern gemeint war ohne Zweifel die übertragene Bedeutung »Handelsplatz/Kaufleutesiedlung« 20 . Zwar ist durchaus wahrscheinlich, daß dort auch Abgaben erhoben wurden, jedoch fehlen direkte Belege. Auch ist nicht bekannt, ob Neuss zu dieser Zeit schon zu den Besitzungen des Kölner Metropoliten zählte oder noch Reichsgut war21. Erzbischöfliche Münzprägung ist dort erst unter Bruno II. (1131-1137) nachgewiesen 22 . Unter seinem Nachfolger Arnold I. ist die Erhebung eines kölnischen Rheinzolls erstmalig bezeugt: 1138 befreite der Erzbischof das Schiff des Bedburger Marienstifts vom tributum, das beim Transit vor Neuss fällig war, und erließ ferner den Brüdern
18 19 20 21
22
MGH D LdJ, Nr. 6; vgl. dazu oben S. 33 f. MGH SS IV, S. 751 - REK I, Nr. 682. Vgl. WISPLINGHOFF, Neuss, S. 43, unter Berufung auf ENNEN, Frühgeschichte, S. 130. WISPLINGHOFF, Neuss, S. 41, folgert aus der genannten Textstelle der Heribertvita, daß »Neuss 1021 wahrscheinlich im Kölner Besitz war«. Durchschlagend ist diese Deutung jedoch nicht. Dies gilt auch für seine Überlegungen zum (stufenweisen) Übergang von Neuss an das Erzstift »vielleicht schon zu Ende des 9., spätestens aber wohl um die Mitte des 10. Jahrhunderts«, die er aus dem Umstand ableitet, daß Herrscherbesuche in Neuss erst im 11. Jahrhundert nachweisbar sind (ebd., S. 41 f.). Vgl. ALBRECHT, Niederlothringen, S. 91 f., dort auch zu möglichen früheren Neusser Geprägen.
IL Zollstätten bis 1200
249
und ihren Bediensteten das theloneum, das bei Kauf und Verkauf auf dem Neusser Markt entrichtet werden mußte 23 . In der Folgezeit lassen zahlreiche Exemtionen vom Rheinzoll diesen als einen der bedeutendsten des 12. Jahrhunderts erkennen. Überliefert sind Zollbefreiungen für die Kaiserswerther Kaufleute (1145), die Klöster und Stifter Egmond (1147), Meer (1169), Corvey (1181), Liesborn (1186), Cappenberg und Wesel (1193/1205)24. Demgegenüber trat der Marktzoll im Verlauf des 12. Jahrhunderts deutlich in den Hintergrund. Aus der Zeit nach 1138 ist nur noch eine Zollbefreiung überliefert, die neben dem Rheinzoll auch den marktbezogenen Teil der Neusser Abgaben betraf, nämlich die zugunsten von Meer aus dem Jahr 1169. Auch der Wandel der Begrifflichkeit25 illustriert die überragende Bedeutung, die der Rheinzoll gegenüber dem Marktzoll gewann. Noch 1138 wurde letzterer unter dem einschlägigen Terminus theloneum verstanden. Für die Schiffsabgaben gebrauchte man dagegen den unspezifischen Begriff tributum,26.1169 vereinigte man beide Zolltitel zum theloneum Nussie tarn nauale quam forense21. Der Terminus technicus war also nicht mehr für den Marktzoll reserviert, sondern kennzeichnete schon vorrangig den Rheinzoll. 1186 wurde mit theloneum bereits nur noch diese Abgabe bezeichnet (theloneum Nussiense de conuectura vini vel aliarum rerumJ28, und so hielt man es auch regelmäßig in späteren Texten. Ein Rheinzoll wurde bis 1372 in Neuss erhoben. Im August dieses Jahres verlegte ihn der Kölner Erzbischof Friedrich von Saarwerden stromaufwärts nach Zons 29 , das er mit der Zollburg Friedestrom (oder Fritzstrom) befestigte. Am 20. Dezember 1373 erhob er den Ort zur Stadt, damit die Zonser um so mehr darauf bedacht seien, die Burg zu verteidigen und den Zoll zu schützen30. Hier klingt bereits eines der (nicht im einzelnen zu erörternden) Hauptmotive für die Zollverlegung an: Der Erzbischof sah die Sicherheit der Zollerhebung in der Stadt Neuss gefährdet 31 , deren Bezie-
23
24 25 26 27 28 29 30 31
ut si quae navis eorum per Renum ascendendo vel descendendo ante Niusam transierit, nullum solveret ibi tributum; si vero in eiusdem loci foro frater de ecclesia illa vel serviens aliquis ad opus fratrum aliquid vel venderet vel emeret, nullum prorsus theloneum daret, KNIPPING, Ungedruckte Urkunden, S. 209 f. - REK II, Nr. 362. MGH D Ko III, Nr. 136 (Kaiserswerth); REK II, Nr. 458 (Egmond), 934 (Meer), 1168 (Corvey), 1266 (Liesborn), 1674 (Cappenberg/Wesel). Es können dabei nur diejenigen Quellen verwertet werden, die sich allein auf Neuss beziehen. REK II, Nr. 362. LAC. IV, Nr. 632 - REK II, Nr. 934. ERHARD, Reg. Hist. Westf. II, Nr. 2190 mit Nr. CCCCLXIII - REK II, Nr. 1266. REK VIII, Nr. 716,717. REK VIII, Nr. 935. Dies führte der Erzbischof auch explizit gegenüber der Stadt Neuss als ein Grund für die Zollverlegung an: ind ouch want die vurs. onse toll da (d. h. in Neuss) nyet gevurdert noch beschirmpt enwart (LAU, Quellen Neuss, Nr. 69).
250
C. Zollstätten in den Rheinlanden
bis 1500
hungen zu ihm und seinen Vorgängern bereits seit längerem gespannt waren 32 . Hinzu kam, daß sich der Rheinlauf zunehmend von Neuss entfernte, was zur Folge hatte, dat id dem kouffman suyr ind swar was da zu lenden33. Dies war aber kein neues Problem. Bereits 1255 hatte Erzbischof Konrad von Hochstaden den Neussern erlaubt, eine Insel zu beseitigen, durch die der Rhein von der Stadt abgeleitet zu werden drohte 34 . Die Veränderungen des Stromverlaufs können also kaum den Ausschlag für die Zollverlegung 1372 gegeben haben 35 . Zons ist bis zum Ende des Untersuchungszeitraums Hebestelle des Rheinzolls geblieben. In Neuss wurde neben dem Rheinzoll auch einer der ältesten und bedeutendsten Landzölle der Rheinlande erhoben 36 . Zum ersten Mal ist Neuss im Zusammenhang mit der Erhebung von Transitabgaben zu Land im Zollprivileg des Kölner Erzbischofs Adolf für die Dinanter Kaufleute von 1203 bezeugt: Wenn die Händler, aus dem Rechtsrheinischen kommend, nicht den Weg über Köln wählten, sondern den Rhein bei Neuss überquerten, hatten sie einen Denar pro Wagen und die Hälfte für eine Karre an den Kölner Zöllner zu entrichten, der ihnen im Gegenzug ein Zollzeichen ausstellte 37 . Der Sinn dieser Bestimmung ist nicht einfach zu deuten. Eine mögliche Interpretation ist, daß die Dinanter, die im Harzraum Kupfer für die heimische Metallindustrie einkauften 38 , auf dem Hinweg in Köln angaben, daß sie auf der kürzeren Route über Neuss zurückkehren wollten. Die vom Kölner Zöllner ausgestellte Bescheinigung könnte dann den Dinantern in Neuss Abgabenreduzierung oder gar -befreiung verschafft haben 39 . Die erste direkte Erwähnung eines Landzolls datiert von 1248, als der Kölner Erzbischof Konrad von Hochstaden den Kölner Bürgern Rhein- und Landzollfrei-
32
Vgl. WISPLINGHOFF, Neuss, S. 80 ff.; HANSMANN, Zons, S. 35 ff.
33 34
LAU, Quellen Neuss, Nr. 69. LAU, Quellen Neuss, Nr. 12 - REK III.l, Nr. 1822. Vgl. dazu STRASSER, Veränderungen des Rheinlaufs, bes. S. 29.
35 36
Vgl. WISPLINGHOFF, Neuss, S. 81; HANSMANN, Zons, S. 36. Vgl. dazu ausführlich HUCK, Neuss I, S. 159-174; WISPLINGHOFF, Neuss, S. 636-642;
für die Geschichte des Zolls ab 1445 siehe insbesonder auch LAU, Quellen Neuss, S. 1 4 9 * - 1 5 2 * .
37
38 39
Quod si compendii causa de Goslaria vel undecumque trans Renum venientes per Nussiam transierint, de curru denarium et de carruca obulum dabunt theloneario Coloniensi et ipse eis Signum dabit, Hans. U B I, Nr. 61 - REK II, Nr. 1627. Vgl. dazu JORIS, Metallindustrie, S. 62 f. Daß die genannten Abgaben von einem bzw. einem halben Denar in Neuss an den Kölner(!) Zöllner gezahlt wurden - so WISPLINGHOFF, Neuss, S. 6 3 7 - , ist kaum vorstellbar. D i e Lesart von HUCK, Neuss I, S. 160, daß die Gelder dem »kölnischen Zöllner« (in Neuss) entrichtet wurden, beruht offenbar auf einem Mißverständnis von Wisplinghoffs These. Der thelonearius Coloniensis war eindeutig der Zöllner in der Stadt Köln, nicht im gleichnamigen Erzstift.
IL Zollstätten bis 1200
251
heit in Neuss verlieh40. Der Neusser Landzoll gehörte gegen Ende des 14. Jahrhunderts zu den ertragreichsten Hebestellen zwischen Maas und Rhein. Wie aus den für 1389-1393 überlieferten Rechnungen eines an den kurkölnischen und jülichschen Landzöllen erhobenen Zollaufschlags hervorgeht, waren nur die Einkünfte am erzstiftischen Zoll Königsdorf höher 41 . Der Landzoll ist bis zum Ende des Untersuchungszeitraums in bzw. bei Neuss geblieben. Er gelangte 1455 erst zur Hälfte, dann ab 1469 ganz in den Pfandbesitz der Stadtgemeinde 42 .
11.5
Elten
Der Eltener Zoll ist, wie einige andere Hebestellen am unteren Niederrhein, erstmalig mit der Reeser Zollurkunde von 1142 nachweisbar. Dessen Grundlinie war eine Marktabgabenbefreiung auf Gegenseitigkeit, die nach Angaben der Quelle bereits zur Zeit der Gräfin Ermentrudis (t 1075) galt43. Im Gegensatz zu Schmithausen, wo wahrscheinlich kein Markt-, sondern nur ein Transitzoll bestand, gibt es für das auf der anderen Rheinseite gelegene Elten 44 keine Hinweise auf die Erhebung von Durchgangszöllen. Ob der Ende des 14. und zu Beginn des 15. Jahrhunderts belegte Marktzoll 45 auf die im Reeser Privileg genannte Abgabe zurückgeht oder ob er erst im späteren Mittelalter eingerichtet wurde, ist durch die Überlieferungslücke von rund 250 Jahren nicht sicher zu entscheiden.
11.6
Emmerich
Auch eine Abgabenerhebung im nahegelegenen Emmerich ist zuerst in der Reeser Urkunde von 1142 belegt 46 . Es spricht nichts dagegen, aus dem Inhalt des Textes für Emmerich ein marktbezogenes theloneum zu erschließen, zumal der Ort zu dieser Zeit vermutlich noch nicht am Rhein lag47.
40
46
nullum de eorum bonis apud Nussiam descendendo vel ascendendo per Reni alueum seu per terram nec etiam infra Coloniam aut supra accipiemus theloneum vel accipi permittemus, ENNEN, Quellen II, Nr. 279 - REK III.l, Nr. 1398. REK IX, Nr. 1756; die Rechnungen: HStAD Kurköln II, Nr. 5882. LAU, Quellen Neuss, Nr. 88,97. SCHOLZ-BABISCH, Quellen, Nr. 5; vgl. oben S. 224 f. Vgl. zur Entwicklung des Ortes VOLLMER, Stadtentstehung, S. 91-94. Hans. UB IV, Nr. 827 (1388 Juni 6); RA Arnheim, Hert. Arch., Nr. 242 (Rechnung des geldrischen Landrentmeisters für 1406 Juli 13 - Dez. 5, außerordentliche Einnahme am St. Vitustag (15. Juni) vom (Jahrmarkt-?)ZoIl Elten in Höhe von 20 Gulden); NIJHOFF, Gedenkwaardigheden IV, Nr. 114 (1433 Nov. 1). SCHOLZ-BABISCH, Quellen, Nr. 5; vgl. oben S. 224 f.
47
Vgl. STRASSER, Rheinlaufverlagerungen, S. 9.
41 42 43 44 45
252
C. Zollstätten
in den Rheinlanden
bis 1500
Als im Verlauf der folgenden neun Jahrzehnte eine direkte Flußanbindung erfolgte, nutzten die Grafen von Geldern dies zur Erhebung von Transitabgaben auf den Rheinverkehr. 1233 erhob Graf Otto Emmerich zur Stadt und bestimmte, daß Schiffe, die den Mittwochs- oder Samstagsmarkt besuchten, zollfrei blieben, sofern sie nicht über Emmerich hinaus fuhren 48 . Zumindest an Markttagen war also der Durchgangsverkehr auf dem Rhein mit Zoll belegt. Auch vom Landverkehr wurden Abgaben erhoben; denn wer mit Karren und Wagen nach Emmerich kam und an den beiden Markttagen seine Waren nicht verkaufte, konnte am jeweils folgenden Tag zollfrei abreisen 49 . Hier ist jedoch nicht mit Sicherheit zu entscheiden, ob es sich um einen Transitzoll oder um eine marktbezogene Transportmittelabgabe handelte, wie sie im 12. Jahrhundert z. B. für Trier und Köln bezeugt ist50. Für letzteres spricht, daß ein gesonderter Landzoll, anders als der Flußzoll und die beiden seit dem Ende des 13. Jahrhunderts belegten Jahrmarktzölle, bis zum Ende des Mittelalters nicht nachweisbar ist51. Die Grafen von Geldern haben den marktbezogenen Flußzoll, dessen Besitz sie sich überdies mit dem Emmericher Stiftspropst teilen mußten 52 , nach 1233 nicht zu einer mit anderen niederrheinischen Zöllen vergleichbaren ständigen Transitabgabe auf den Rheinverkehr ausgebaut. Erst seit 1318, als der Schmithausener Zoll dorthin verlegt wurde 53 , bestand in Emmerich bis zum Ende des Untersuchungszeitraums ein Rheinzoll üblicher Art. Zusätzlich lag dort zwischen 1355 und ca. 1359 vorübergehend der Lobither Zoll54.
48
49
50 51
Naves autem ascendendo vel descendendo ibidem applicantes cum mercibus suis, si eadem via revertantur qua venerunt et nullum transitum fecerint, absque teloneo recedant, SLOET, O G Z , Nr. 563. Accendentes illic cum curribus et carrucis Embrice propter forum rerum venalium in quarta feria et sabbato, si tertia feria precedenti venerìnt et feria quarta expediti non fuerint, feria quinta recedant et si feria sexta venerint et sabbato expediti non fuerint, dominica sequenti recedant et nullo onere telonii apud Embricam premantur, quin salvis rebus eorum salvi recedant, SLOET, O G Z , Nr. 563. Vgl. dazu oben S. 188 bzw. 193 f. A b g e s e h e n vom 1388 eingerichteten befristeten Emmericher Stadtzoll, der auf Fluß- und Landverkehr erhoben wurde; vgl. SCHOLZ-BABISCH, Quellen, Nr. 155,156.
52
SCHOLZ-BABISCH, Q u e l l e n , N r . 19.
53
SCHOLZ-BABISCH, Q u e l l e n , N r . 5 9 .
54
SCHOLZ-BABISCH, Q u e l l e n , N r . 8 7 m i t A n m . 1.
II. Zollstätten bis 1200
II.7
253
Rees
Die Urkunde von 114255 weist auch zum ersten Mal für Rees 56 einen Zoll nach, der ganz eindeutig eine marktbezogene Abgabe war57. Von der Bedeutung des Ortes, an dem bereits der Kölner Erzbischof Hermann (1089-1099) Münzen prägen ließ58, zeugt auch die Qualifizierung als emporium in der um die Mitte des 12. Jahrhunderts verfaßten Vita des Paderborner Bischofs Meinwerk59. Ein Transitzoll auf den Rheinverkehr ist dagegen nicht nachweisbar. Mittelbar war der Reeser Marktzoll jedoch Vorläufer eines Rheinzolls; denn 1314 gelang es dem Kölner Erzbischof Heinrich von Virneburg, die Marktzölle zu Rees, Xanten und Rheinberg in einen Rheintransitzoll in Höhe von vier Turnosen in Rheinberg umzuwandeln 60 . Seit 1299 ist ein Landzoll nachweisbar, der in Rees und Haldern erhoben wurde 61 . Lediglich zwischen 1495 und 1500 wurde im mittlerweile klevisch gewordenen Rees vorübergehend ein Transitzoll auf den Rheinverkehr erhoben. Die dortige Stadtgemeinde hatte durch einen Kredit von 660 Gulden an Herzog Johann von Kleve die auf acht Jahre befristete Verlegung des Büdericher Zolls nach Rees erreicht 62 . Da die Erträge an diesem Ort offenbar jedoch geringer als in Büderich waren, entschloß sich Johann - eine entsprechende Klausel räumte ihm dieses Recht ein - bald nach Ablauf der Sperrfrist von vier Jahren zur Rückverlegung der Abgabe 63 .
55 56 57
SCHOLZ-BABISCH, Quellen, Nr. 5; vgl. oben S. 224 f. Vgl. dazu VOLLMER, Stadtentstehung, S. 33-47. si supra nominatarum villarum mercatores Ressam propter eandem causam venerint, venderent libere et emerent et nullum theloneum darent, SCHOLZ-BABISCH, Quellen, Nr. 5; vgl. oben S. 224 f.
58
Vgl. KLÜSSENDORF, R e e s , S. 104 f.; ALBRECHT, Niederlothringen, S. 92 f.
59 60 61
Hg. von Franz TENCKHOFF, MGH SSrG 59, Hannover 1921, c. 139, S. 71; vgl. zur Interpretation dieser Stelle VOLLMER, Stadtentstehung, S. 36 f. MGH Const. V, Nr. 139 - REKIV, Nr. 886. REK III.2, Nr. 3700.
62 63
SCHOLZ-BABISCH, Quellen, Nr. 301. SCHOLZ-BABISCH, Quellen, Nr. 315.
254
C. Zollstätten in den Rheinlanden bis 1500
II.8
Wesel
Das Reeser Privileg von 114264 läßt für Wesel einen marktbezogenen Zoll erschließen. Anknüpfungspunkt der Abgabe war wohl ein Jahrmarkt, der, soweit feststellbar, im klevischen Einkünfteverzeichnis von 1319 erstmals als solcher genannt ist65. Ferner kann bereits für das Ende des 12. Jahrhunderts ein Zoll auf Fluß- und Landverkehr nachgewiesen werden. 1188/1193 beklagte sich das Stift Cappenberg über eine Mißachtung seiner Zollvergünstigungen in Wesel. Graf Dietrich III. von Kleve und sein Bruder Arnold verboten daraufhin die Zollerhebung von den Cappenberger Schiffen und Wagen 66 . Obgleich die Formulierung dieses Mandats durchaus für Transitzölle paßt, fehlen zumindest weitere Hinweise auf die Erhebung eines Rheinzolls im üblichen Sinn: 1300 verschrieb Graf Dietrich VI. von Kleve eine Erbrente von 100 Mark Brabanter Denaren ex theloniis nostris in Wesele que carrintolle et upslach vulgariter appellantur61. Die Weseler Abgaben bestanden demnach aus einem »Karrenzoll«, d. h. einem Transitzoll zu Land, und einem »Aufschlag«, was sich mit den Angaben des klevischen Urbars von 1319 deckt 68 . Allerdings verzeichnet diese Quelle lediglich einen upslag van wijne - eine sonst nicht belegte Einschränkung. Aufgrund des Cappenberger Privilegs und späterer Quellen kann darauf geschlossen werden, daß diese Abgabe beim Wechsel des Transportwegs (Fluß/Land, Land/Fluß) erhoben wurde 69 .
64 65
SCHOLZ-BABISCH, Quellen, Nr. 5; vgl. oben S. 224 f. Vort hevet hi aldar enen toll van enen jaermerket genomet Kaldenmarket, OEDIGER/ILGEN, Einkünfteverzeichnis, Nr. 332. 66 precipimus ut fratres Capenbergenses liberi sint omni tempore et immunes in Wisele ab omni theoloneo et neque de navibus neque de curribus eorum aliquid requiratur, SCHOLZBABISCH, Quellen, Nr. 9. 67 LAC. II, Nr. 1056. 68 Vort hevet hi enen carretol ende een upslag van wijne, die plegen te geldene 120 mr., OEDIGER/ILGEN, Einkünfteverzeichnis, Nr. 332.
69
Die von Scholz-Babisch nicht mitgeteilte Urkunde von 1300 und das Urbar sprechen gegen ihre These (Anm. 1 zu Nr. 110), daß es sich bei dem 1365 (SCHOLZ-BABISCH, Quellen, Nr. 110) vom opslach differenzierten tolle um den 1402 (SCHOLZ-BABISCH, Quellen, Nr. 174) belegten »Abschlag«, d. h. eine Abgabe auf den Warenumschlag auf den Rhein handelte. Wahrscheinlicher ist vielmehr, daß damit der Karrenzoll gemeint war. Damit ist nicht gesagt, daß im 14. Jahrhundert nur der Aufschlag, d. h. das Umladen vom Schiff auf den Wagen zollpflichtig war. - Dagegen spricht die Zollbefreiung für Wesel von 1369, die auch das Beladen von Schiffen freistellte (SCHOLZ-BABISCH, Quellen, Nr. 125). - Vielmehr umfaßte der 1300 und 1365 erwähnte opslach wohl das Umladen in beide Richtungen. Die Differenzierung des 15. Jahrhunderts nach Auf- und Abschlag entsprang vermutlich dem Bedürfnis nach einer präziseren Terminologie, kennzeichnete jedoch keine neue Abgabe.
II. Zollstätten bis 1200
II.9
255
Xanten
Die Erhebung von Zollabgaben in Xanten ist erstmalig in der Reeser Urkunde von 1142 bezeugt, die auf die Zeit der Gräfin Ermentrudis (t 1075) Bezug nahm 70 . Daß Xanten damals schon Marktort war71, läßt sich nicht zuletzt aus den Münzprägungen 72 schließen, die die Kölner Erzbischöfe dort seit der Mitte des 11. Jahrhunderts vornahmen. Es ist also durchaus wahrscheinlich, daß Xanten zu den Orten zählte, mit denen Rees bereits im dritten Viertel des 11. Jahrhunderts Zollbefreiung auf Gegenseitigkeit vereinbart hatte und nicht erst in der Folgezeit in dieses System integriert wurde. Die Erhebung marktbezogener Abgaben in Xanten wird durch die spätere Überlieferung gedeckt. 1237 befreite der Kölner Erzbischof Heinrich von Müllenark die in Xanten Handeltreibenden gegen eine jährliche, von den Xantener Bürgern zu entrichtende Rekognitionszahlung von 16 Schilling Kölner Denaren vom täglichen Zoll auf Schiffe (telonium diurnum navium) sowie von Abgaben auf Vieh und andere res renales. Der Metropolit behielt sich jedoch die thelonea an St. Viktor und St. Thomas (10. Oktober bzw. 21. Dezember) vor73. Neben dem täglichen Markt und seinen Abgaben existierte ferner ein samstags abgehaltener Wochenmarkt, auf dem seit 1237 auch auswärtige Besucher unter besonderem erzbischöflichen Schutz zollfrei handeln konnten 74 . In Xanten war also nicht nur der eigentliche Markthandel, d. h. Kauf und Verkauf, zollpflichtig, sondern die Abgabenerhebung setzte bereits mit der Anlieferung der Waren per Schiff ein. Anders als in Emmerich wurde in Xanten jedoch der Transitverkehr auf dem Rhein anscheinend nicht mit Zoll belegt. Die beiden erzbischöflichen Privilegien beinhalteten dem Wortlaut nach eine Abschaffung des Marktzolls. Doch haben Heinrich oder seine Nachfolger dessen ungeachtet die fiskalische Erfassung des Markthandels wiederaufgenommen bzw. die Erhebungszeit des Zolls über die beiden Festtage hinaus ausgedehnt, da zu 1314 die Existenz eines theloneum forensium in Xanten, der offenbar auch auf dem Xanten besuchenden Schiffsverkehr lastete, eindeutig bezeugt ist. In diesem Jahr wurden die drei marktbezogenen Schiffszölle in Rees, Xanten und Rheinberg in einen Rheinzoll zu Rheinberg umgewandelt 75 . Nur mittelbar war der Xantener Marktzoll demnach Vorläufer eines Rheinzolls.
70 71
SCHOLZ-BABISCH, Quellen, Nr. 5; vgl. oben S. 224 f. Nach KASTNER, Stadterhebung, S. 23 f., dürfte die Marktsiedlung bereits im 10. Jahrhundert bestanden haben.
72
V g l . ALBRECHT, N i e d e r l o t h r i n g e n , S. 9 3 f.; ZEDELIUS, M ü n z p r ä g u n g , S. 4 7 f.
73
FLINK, Emmerich, S. 148 f. - REK III.l, Nr. 868. Vgl. dazu FLINK, Stadtentwicklung Xanten, S. 5 0 f. FLINK, Emmerich, S. 149 - REK III.l, Nr. 869. Die Zollfreiheit der auswärtigen Besucher galt nicht an St. Viktor und St. Thomas. MGH Const. V, Nr. 139 - REK IV, Nr. 886.
74 75
256
C. Zollstätten in den Rheinlanden bis 1500
ILIO
Nimwegen
Der Reichsort Nimwegen ist erstmalig 1145 in der Zollbefreiung Konrads III. zugunsten der Kaiserswerther Kaufleute als Zollstätte bezeugt 76 . Der Zoll an der Waal dürfte erst nach 1112 eingerichtet worden sein; denn in diesem Jahr bestätigte Heinrich V.77 die von Heinrich IV. 107478 an die Wormser verliehene Zollfreiheit, ohne daß Nimwegen in der modifizierten Liste der Reichszollstätten aufgeführt wurde. Dies geschah erst in der Bestätigung des Privilegs durch Friedrich I. 118479. Dazu paßt, daß Nimwegener Münzprägungen erst in staufischer Zeit einsetzten. Zwar sind in Nimwegen seit dem Ende des 13. Jahrhunderts auch ein Landzoll und zwei Jahrmarktzölle nachweisbar 80 . Auch bestand dort spätestens seit 1371 ein Umschlagzoll81, jedoch besteht kein Zweifel, daß es sich bei dem staufischen theloneum um einen Transitzoll auf den Waalverkehr handelte. 1356 verlegte Graf Johann von Kleve, dessen Vorgänger Dietrich IV. wahrscheinlich 1228/1229 in den Besitz des Reichszolls gelangt war82, den Abgabentitel an den Rhein nach Griethausen 83 . Die Zollstätte an der Waal wurde jedoch nicht aufgegeben, sondern sie wurde - wie der Rest des Ortes seit 124784 - geldrisch, da Karl IV. für eine Schuld von 14.000 Goldschilden Herzog Eduard von Geldern am 13. Februar 1357 einen Zoll zu Nimwegen in Höhe von sechs Turnosen verlieh85.
76
precipimus, ut nec in Angera nec in Nouiomago sive in Traiecto aut in Nusia sive in quibuslibet aliis locis ubicunque ipsi negociandi causa venerint, aliquod theloneum ab eis exigatur, MGH D Ko III, Nr. 136. Vgl. grundlegend zur Geschichte des Nimwegener Zolls von den Anfängen bis an die Wende zum 19. Jahrhundert VAN SCHEVICHAVEN, Rijkstol; zur Pfalz siehe THISSEN, Pfalz Nimwegen. Die Nachricht über die Verleihung des Zolls durch Kaiser Heinrich III. an einen Grafen Dietrich von Kleve ist nicht authentisch. Sie beruht auf einer Abschrift einer angeblichen Urkunde Barbarossas (MGH D F I , Nr. 1064), die in der vor 1470 entstandenen Chronik des Wilhelm von Berchem überliefert ist. Ein historischer Kern ist nicht gegeben. Vgl. die Vorbemerkung zur Urkunde. Verworfen hat die Angabe bereits VAN SCHEVICHAVEN, Rijkstol, S. 3 f.
77 78 79 80
B o o s , UB Worms I, Nr. 61. MGH D H IV, Nr. 267. MGH D F I , Nr. 853. Zuerst in der Gesamtrechnung der Grafschaft Geldern für 1294/1295: Item de thelonio carucarum in Novimagio per annum 5 libr. 8 s. Item ibidem in nundinis in festo beati Mychaelis (Sept. 29) 7 libr. 8 s. 3 d. Item ibidem de thelonio nundinarum circa beate Walburgas (Mai 1) 4 libr. 16 s., MEIHUIZEN, Rekening, S. 97. NIJHOFF, Gedenkwaardigheden II, Nr. 181,183,184,196; ebd. III, Nr. 188. Die politischen Umstände, die diesen Zeitansatz wahrscheinlich machen, werden an anderer Stelle diskutiert, vgl. unten S. 661 SCHOLZ-BABISCH, Quellen, Nr. 90. Vgl. zu Griethausen auch unten S. 321 f. Nimwegen war - ohne den Zoll - seit 1247 Reichspfand der Grafen von Geldern (MGH D W, Nr. 1, 34, 62). NIJHOFF, Gedenkwaardigheden II, Nr. 80.
81 82 83 84 85
II. Zollstätten bis 1200
257
1376 erhöhte der Kaiser den Zoll um vier Turnosen, bis aus ihnen 25.000 Gulden eingekommen waren; danach konnten die zusätzlichen Turnosen bis auf Widerruf fortbestehen 86 , der jedoch - zumindest explizit - nie erfolgte. Ferner erhoben die Herren von Schönforst seit 1359 dort erst vier, dann drei Turnosen 87 . In Nimwegen wurden bis zum Ende des Untersuchungszeitraums Transitabgaben auf den Flußverkehr erhoben 88 .
11.11
Andernach/Linz
Den frühesten Nachweis einer Rheinzollerhebung in Andernach liefert ein 1147 vom Kölner Erzbischof Arnold I. ausgestelltes Zollprivileg, das dem Kloster Egmond freie Passage für seine Güter sowohl in Andernach und Neuss als auch in Köln gewährte 89 . Obgleich hieraus eindeutig hervorgeht, daß die Kölner Kirche über den Zoll verfügte, wurde er erst zwanzig Jahre später durch Friedrich I. an Arnolds Nachfolger Reinald von Dassel als Zubehör der dortigen curtís übertragen 90 . Da für den dazwischenliegenden Zeitraum keine Quellen vorliegen, ist nicht sicher zu entscheiden, ob der Zoll unterdessen wieder an das Reich gefallen war oder ob es sich 1167 - soweit es den Zoll betraf - lediglich um eine auf Dauer angelegte Bestätigung bereits bestehesnden Kölner Besitzes am theloneum handelte, was wohl wahrscheinlicher ist91. Man wird die Abgabe in Andernach aufgrund des eindeutig auf die Freistellung des Transits gerichteten Egmonder Zollprivilegs bereits für die Mitte des 12. Jahrhunderts als Transitzoll auf den Rheinverkehr einstufen können, zumal in der Schenkung Barbarossas unter den ausführlich aufgezählten Pertinenzien der Andernacher curtís ein mercatum, das auf einen Marktbezug des Zolls deuten könnte, fehlt. Erhärtet wird die Annahme eines Andernacher Rheinzolls durch die auffällige Gruppierung der Zölle in der Urkunde von 1147, die weder einer geographischen noch einer alphabetischen Ordnung folgte, in Andernach und Neuss einer- und in
86
87
Nr. 7 8 5 . NIJHOFF, Gedenkwaardigheden II, Nr. 92; III, Nr. 32; Hans. UB IV, Nr. 927. Vgl. zu den Schönforster Zollrechten IRSIGLER, Financier, S. 298 f. LAC. III,
88
Vgl. VAN SCHEVICHAVEN, Rijkstol.
89
omne thelonium de rebus suis transferendis tarn in Andrinachia et Nuxia quam in Colonia donavimus, KOCH, O H Z I , Nr. 123 - REK II, Nr. 458. Der innere und äußere Befund erhebt die Echtheit des Stückes nach Knipping über jeden Zweifel, vgl. REK III.2, S. 323. concedimus, largimur, donamus et in perpetuum confìrmamus omne nostrum ius ac dominium et totam nostram curtem in A[nd]ernaco cum hominibus, possessionibus, pratis, silvis, terris cultis et incultis, in moneta, teloneo, placitis, pisfcationibus], molendinis et districtu omnique honore [ac] iust[iti]a eidem curti attinente, MGH D F I, Nr. 532 - REK II, Nr. 900. Vgl. zur lehnrechtlichen Problematik DROEGE, Rheinzölle, S. 27-30.
90
91
258
C. Zollstätten in den Rheinlanden bis 1500
Köln andererseits. Während für die Bischofsstadt aus den weiteren Quellen ein vornehmlich marktbezogener Zoll zu erschließen ist, kann die gut belegte Neusser Abgabe zweifelsfrei als Rheinzoll qualifiziert werden 92 . Vermutlich weil dies auch für den Andernacher Zoll galt, gruppierte man ihn Neuss zu und nicht Köln. Friedrich I. (t 1190) oder Heinrich VI. (1190-1198) müssen Andernach wieder vorübergehend in Besitz genommen haben; denn 1198 restituierte Otto IV. dem Kölner Erzbischof Adolf die curtes Andernach und Eckenhagen, wobei er sich ohne explizit einen Zoll zu erwähnen - auf die Schenkung Friedrichs I. von 1167 bezog93. Da Andernach spätestens seit 1197 schon in erzbischöflicher Verfügung war94, erkannte Otto durch die formelle Restitution diesen Zustand lediglich de iure an, ohne daß damit ein tatsächlicher Besitzerwechsel verbunden war. In der Literatur 95 geht man im allgemeinen davon aus, daß der dortige Rheinzoll das Schicksal Andernachs teilte, jedoch ist der kontinuierliche Bestand der Abgabe in staufischer Zeit und während des Interregnums keineswegs gesichert. Denn nach 1167 liegen erst wieder zu 1234/1235 Nachrichten über Zollerhebung in Andernach vor, worauf eine weitere Quellenlücke bis 1277/1282 folgt. Zur Klärung dieser Problematik empfiehlt sich ein regressives Vorgehen. 1277 ist ein thelonium minutum in Andernach belegt 96 . Diese Bezeichnung impliziert die gleichzeitige Existenz eines »großen Zolls«, ohne daß zu entscheiden ist, ob es sich bereits um den Rheinzoll handelte, der fünf Jahre später Gegenstand einer zwischen König Rudolf und Erzbischof Siegfried geschlossenen concordia war97. Der Metropolit mußte dabei u. a. auf die iniusta pedagia sive theolonia apud Andernacum et Bunnam ac alibi in terris et aquis verzichten; lediglich die hergebrachten Landzölle und das rechtmäßige theolonium - gemeint war offensichtlich der Neusser Rheinzoll - sollten der Kölner Kirche verbleiben. Nun konnte nach mittelalterlichem Sprachgebrauch theloneum iniustum zweierlei bedeuten: die Errichtung einer neuen Zollstätte oder die Erhöhung des Zollsatzes an einer bestehenden Hebestelle. Die Terminologie der Quelle läßt also nicht ohne weiteres erkennen, warum Andernach als unrechter Zoll qualifiziert wurde. Berücksichtigt man jedoch, daß der Ort als Rheinzollstätte nach fast fünf Jahrzehnten erst wieder mit diesem Vertrag von 1282 nachweisbar ist, während der Neusser Rheinzoll im selben Zeitraum dicht belegt ist, bleibt nur eine Möglichkeit offen: daß Siegfried von Westerburg nämlich nicht nur in
92 93 94 95 96 97
Vgl. oben S. 191-195 bzw. S. 248 f. MGH Const. II, Nr. 17 - REK II, Nr. 1550. Vgl. SPAHN, Andernacher Rheinzoll, S. 7, der daraus die Rückgabe des Andernacher Zolls folgert. Vgl. zur kaum eindeutig zu beantwortenden Frage, wann und für wie lange Andernach wieder vom König eingezogen war, HUISKES, Andernach, S. 136 ff. So etwa DROEGE, Rheinzölle; SPAHN, Andernacher Rheinzoll. REK III.2, Nr. 2710. MGH Const. III, Nr. 333 - REK III.2, Nr. 2947.
II. Zollstätten
bis 1200
259
Bonn, wie Erkens meint 98 , sondern auch in Andernach eine neue Hebestelle anlegte bzw. eine ältere nach langer Pause reaktivierte. Wann und warum war die Zollerhebung eingestellt worden? Der Andernacher Zoll ist nach der Schenkung von 1167 erst wieder im November 1234 explizit bezeugt, als Erzbischof Heinrich von Müllenark die Stadt Andernach darüber unterrichtete, daß er Gerhard von Sinzig mit jährlich sechs Mark aus dem dortigen Zoll belehnt habe". Am 27. September 1235 bekundete der Erzbischof erneut die Belehnung und befahl dem Andernacher villicus die Auszahlung 100 . Danach verschwindet der Andernacher Zoll bis 1277/1282 völlig aus den Quellen. Friedrich II. hatte im August 1235 auf dem Höhepunkt seiner Macht den Mainzer Reichslandfrieden erlassen, der u. a. die Abstellung aller seit dem Tod Heinrichs VI. ohne hinreichende reichsrechtliche Legitimation eingerichteten Zölle vorsah101. Schon durch das zeitliche Zusammentreffen liegt es nahe, einen Zusammenhang zwischen dem Landfrieden und der Einstellung der Zollerhebung in Andernach zu vermuten. Wie konnte aber die Andernacher Hebestelle unter die Bestimmungen des Landfriedens fallen, wenn sie bis in die Zeit Konrads III. zurückreichte und 1167 explizit der Kölner Kirche übertragen worden war? Zur Lösung dieses Widerspruchs hat man - deutlicher als dies bisher geschehen ist - zwischen Rechtsnorm und -Wirklichkeit zu unterscheiden. Denn daß die Kölner Kirche in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts einen Andernacher Zolltitel besaß, heißt nicht, daß sie ihn bis 1235 ständig realisieren konnte. Dies verdeutlicht vor allem ein Vergleich mit dem Neusser Rheinzoll: Während Zollprivilegien für sechs verschiedene Begünstigte zwischen 1167 und 1235 für diese Zollstätte die tatsächliche Erhebung von Transitabgaben beweisen, liegt aus demselben Zeitraum keine einzige Befreiung für Andernach vor. Ein Zufall der Überlieferung kann dies - zumal beim gleichen Zollinhaber - nicht sein. Ohne daß die Quellenlage es erlaubt, die Chronologie genauer zu bestimmen, dürfte unter Berücksichtigung aller Umstände folgender Gang der Ereignisse wohl am wahrscheinlichsten sein: Als Andernach am Ende des 12. Jahrhunderts der Kölner Kirche vorübergehend verlorenging, galt dies zweifelsohne auch für die Zollstätte. Zwar war Erzbischof Adolf 1197 bereits wieder im faktischen Besitz Andernachs und ließ es seinem Erzstift 1198 von Otto IV. und 1205 durch Philipp von Schwaben formal restituieren, jedoch gelang es dem Metropoliten anscheinend nicht, auch den Rheinzoll wieder zu errichten. Entsprechende Versuche unternahm von seinen Nachfolgern offenbar erst Heinrich von Müllenark, unter dem 1235 (kaum zufällig) auch der Rheinberger Zoll102 erstmalig nachweisbar ist. Bei entsprechender (strenger) Auslegung fiel Andernach deshalb unter die Zollbestimmungen des Main-
98 99 100 101 102
Vgl. ERKENS, Siegfried von Westerburg, S. 171. M R U B III, Nr. 509 - REK II, Nr. 818. REK III.l, Nr. 840. M G H Const. II, Nr. 196; vgl. dazu unten S. 368 f. Vgl. unten S. 289 f.
260
C. Zollstätten in den Rheinlanden bis 1500
zer Reichslandfriedens, weil die Zollerhebung nach dem Stichdatum, dem Tod Heinrichs VI., (wieder) begonnen worden war, vermutlich zeitgleich mit der Errichtung des Rheinberger Zolls nicht allzulange vor 1235. Obgleich der Erzbischof mit der Barbarossaschenkung einen unstrittigen Rechtstitel auf den Andernacher Zoll besaß, fehlte diesem ein unverzichtbares weiteres Merkmal, um nach den Maßstäben der Zeit als »rechtmäßig« zu gelten, nämlich die tatsächliche unbestrittene Realisierung, die gewerem. Obwohl Erzbischof Siegfried von Westerburg 1282 auf den Andernacher Zoll verzichten mußte, hat er diesen bereits fünf Jahre später reaktiviert 104 . Ihm und seinen Nachfolgern gelang es aber erst zu Beginn des 14. Jahrhunderts, die Zollstätte endgültig reichsrechtlich zu legitimieren105. König Albrecht bestätigte dem Kölner Erzstift 1298 den Andernacher Zoll in perpetuum106, widerrief aber 1301 alle von ihm und seinen Vorgängern seit 1250 erteilten Zollprivilegien107 und damit auch diese Bestätigung. Nach seiner Niederlage gegen den Herrscher im Zollkrieg von 1301/1302 mußte der Kölner Erzbischof Wikbold von Holte harte Sühnebedingungen hinnehmen. Nach der am 24. Oktober 1302 ausgefertigten Friedensurkunde verblieb ihm und seiner Kirche der Andernacher Zoll in alter Höhe 108 . Die Schiedskommission, die die Höhe des herkömmlichen Zollsatzes zu ermitteln hatte, entschied jedoch offenbar auf die vollständige Niederlegung des Zolls. Der nachfolgende Erzbischof Heinrich von Virneburg, der bereits im Frühjahr 1306 die Zollerhebung in Andernach und Bonn eigenmächtig wiederaufgenommen hatte 109 , ließ nämlich von Papst Clemens V. im Dezember 1306 den Verzicht Wikbolds auf diese beiden Zölle für ungültig erklären 110 . Es gibt keinen Hinweis, daß der Andernacher Zoll nach 1302 noch in reduzierter Form weiterbestanden hat.
103 Daß dies alles - bei entsprechendem politischen Willen - kein Hindernis für die Anerkennung des Zolls durch Friedrich II. gewesen wäre, steht außer Frage. 104 LAC. II, Nr. 816 - REK III.2, Nr. 3131; LAC. II, Nr. 828 - REK III.2, Nr. 3149. 105 Der Verlauf dieser Bemühungen und ihre politischen Hintergründe werden an anderer Stelle ausführlich diskutiert. Im folgenden werden nur die Daten für den Bestand des Zolls genannt. 106 Lac. II, Nr. 995 (nicht in MGH Const. IV) - REK III.2, Nr. 3604. 107 MGH Const. IV, Nr. 134. 108 MGH Const. IV, Nr. 156 - REK III.2, Nr. 3876. 109 Am 11. Mai 1306 unterrichtete er seine officiati et thelonearii von Andernach bis Bonn, daß er die Weintransporte der Zisterze Eberbach vom Zoll auf diesem Rheinabschnitt befreit habe (REK IV, Nr. 147). Trotz der vielleicht bewußt nicht klaren Formulierung waren damit offenbar nur die Zölle an den beiden genannten Orten gemeint; denn von der Existenz anderer Hebestellen auf dieser Strecke ist nichts bekannt. 110 MGH Const. IV, Nr. 1161 - REK IV, Nr. 212.
II. Zollstätten bis 1200
261
Die dauerhafte reichsrechtliche Legitimation des Andernacher Zolls erreichte der Erzbischof schließlich am 1. September 1310111. Für die Dauer eines halben Jahrhunderts hatten die Kölner Erzbischöfe keine größeren Probleme mit dem Andernacher Zoll. Seit der Mitte des 14. Jahrhunderts gefährdeten jedoch die zunehmenden Auseinandersetzungen 112 zwischen der Stadt und dem Erzbischof die Sicherheit der Zollerhebung. 1359 bemächtigten sich die Andernacher sogar der Burg und des Zollhauses113. Nach der Sühne vom 22. Oktober 1359, in der die Auslieferung von Burg und Zoll vereinbart wurde, sah Erzbischof Wilhelm von Gennep zunächst anscheinend noch keine Notwendigkeit, einen neuen Ort für die Zollerhebung zu suchen. Als sich die Bürger jedoch sechs Jahre später wiederum in den Besitz der erzbischöflichen Burg und des Zollhauses setzten - abermals mußten sie nach der Sühne vom 22. Dezember 1365 die Gebäude wieder ausliefern 114 - war für seinen Nachfolger die permanente Gefährdung des Zolls durch die Stadtgemeinde nicht mehr zu übersehen. Erzbischof Engelbert von der Mark zog die Konsequenz. Im Sommer 1365 ließ er mit Hochdruck in Linz, ca. 14 km unterhalb von Andernach auf der rechten Rheinseite, eine Burg errichten 115 und verlegte bis Ende des Jahres den Andernacher Zoll in deren Schutz116. Andernach protestierte dagegen am 9. November 1366 bei den Geschworenen des Landfriedens zwischen Rhein und Maas. Obgleich die Bürger drohten, den Andernacher Zoll weiterhin zu erheben 117 , erreichten sie damit nicht die Rückverlegung 118 . Überraschen kann dies nicht; denn erneut hatten sie bewiesen, daß sie den Zoll als Druckmittel gegen den Erzbischof zu verwenden gedachten.
111 112 113 114
MGH Const. IV, Nr. 412 - REK IV, 535. Vgl. dazu HUISKES, Andernach, S. 150-167. REK VI, Nr. 1290. LAC. III, Nr. 663 - REK VII, Nr. 386. Wann die Besetzung stattgefunden hatte, war nicht zu ermitteln. 115 Der Erzbischof ließ sich vom Domkapitel 800 Gulden aus dessen Bonner Zolleinkünften ad usus edificii nostri apud Lyns pro utitilitate ecclesie nostre evidenti iam incepta zur Verfügung stellen. Die Summe war ursprünglich für die Auslösung verpfändeter erzstiftischer Einkünfte vorgesehen (REK VII, Nr. 345; 1365 Juli 31). 116 Daß die Verlegung schon in der zweiten Hälfte des Jahres 1365 stattfand und nicht 1366, wie MEHLISS, Studien, S. 57, angibt, wird durch eine Reihe von Lehngeldern bezeugt, die bereits 1365 aus dem Linzer Zoll bezahlt wurden; vgl. REK VII, Nr. 400-408, 410-412 (nur mit Jahresdatum). 117 PICK, A n d e r n a c h , S. 178 - R E K VII, Nr. 535.
118 Die noch während des ganzen 14. Jahrhunderts erfolgten Belehnungen mit Renten aus dem Andernacher Zoll schrieben lediglich die älteren Rechtstitel fort. Auf reale Zollerhebung in Andernach lassen sie nicht schließen.
262
C. Zollstätten in den Rheinlanden bis 1500
Der vormals Andernacher Zoll blieb in Linz119 - abgesehen von einer vorübergehenden Verlegung nach Königswinter 1424120 - fast 110 Jahre. Erst im Kölner Bistumsstreit erreichte die Stadt Andernach 1473 vom Gubernator des Kölner Erzstifts, Landgraf Hermann von Hessen, die Zusage, den Zoll nach der Eroberung von Linz - diesen Ort hatte Erzbischof Ruprecht in Besitz - (wieder) nach Andernach zu verlegen 121 . Zwei Jahre später konnte Hermann sein Versprechen einlösen. De facto wurde mit der Rückverlegung aber ein neuer Zoll eingerichtet; denn der Landgraf stellte keineswegs die Zollerhebung in Linz ein, sondern erhob dort nun kraft kaiserlichen Privilegs eine Transitabgabe in der Höhe des Bonner Zolls122. Während die Stadt Köln ihren im gleichen Jahr und in gleicher Höhe verliehenen Rheinzoll 1494 wieder abstellen mußte 123 , hat der Kölner Erzbischof den neuen Linzer Zoll ohne größere Schwierigkeiten behaupten können.
11.12
St. Vith
St. Vith in den nördlichen Ardennen ist die am frühesten im linksrheinischen Untersuchungsraum bezeugte Hebestelle eines Landtransitzolls. 1151 befreite Herzog Heinrich II. von Limburg die Fuhrwerke und Saumtiere des Zisterzienserklosters Orval von allen Abgaben in seinem Land, die bei St. Vith und auf dem Weg bis Köln erhoben wurden 124 . Ein Jahrhundert später kamen theloneum et conductum in St. Vith und Besslingen an die Grafschaft Luxemburg 125 . St. Vith war zwar im 13. Jahrhundert luxemburgisches Lehen der Herren von Valkenburg-Monschau, jedoch gehörte der Geleitzoll126, der bei den Grafen verblieb, offenbar nicht dazu 127 .
119 Vgl. zur Geschichte des Linzer Zolls bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts umfassend MEHLISS, Studien, sowie die übersichtliche Zusammenstellung aller Belege bei RITZERFELD, Linz, S. 10. 120 Vgl. dazu DROEGE, Verfassung, S. 128, der annimmt, daß der Erzbischof damit den Weinhandel der Kölner Bürger erfassen wollte, die zahlreiche Lagen zwischen Erpel und Königswinter besaßen. Ihm folgt RITZERFELD, Linz, S. 10. 121 CRM IV, Nr. 335. 122 LAC. IV, S. 477 Anm. 1. Vgl. SPAHN, Andernacher Rheinzoll, S. 14 ff. 123 Vgl. oben S. 199. 124 ut ubicumque transierint per terram meam cum bigis et curribus suis vel equitaturis, scilicet apud Sanctum Vitum usque Coloniam et alibi in transitu et reditu liberi sint et absoluti ab omnibus justiciis et tributis que vulgo nominantur passageis, ERNST/LAVALLEYE, Histoire VI, Nr. 53; vgl. dazu REICHERT, Landesherrschaft, S. 153. 125 U Q B III, Nr. 169 (1254 März 10). 126 Im romanisch beeinflußten Westen des Reiches gebrauchte man häufig conduit bzw. conductus synonym für Geleit- und Transitzoll, vgl. REICHERT, Landesherrschaft, S. 144. Dagegen wurde im Kölner Großraum und an der Rheinschiene relativ konsequent zwischen Geleitgeld und Land- bzw. Flußzoll unterschieden, wenngleich sich auch hier aus dem Blickwinkel des Inhabers die Unterschiede verwischten, vgl. etwa die fiskalische
263
II. Zollstätten bis 1200
Noch Karl IV. untersagte als Graf von Luxemburg 1350 Johann von ValkenburgMonschau die Befestigung des »Marktes« St. Vith, weil dieser luxemburgisches L e h e n sei und daz geleite da durch unsirer
11.13
istm.
Stablo
In seiner ersten Urkunde, die er als Römischer König am 9. März 1152 ausstellte, bestätigte Friedrich I. der Abtei Stablo-Malmedy das von seinen Vorgängern verliehene Recht, in Stablo Münzen zu prägen, Zoll zu erheben und Jahrmärkte abzuhalten 129 . Der zweitägige Jahrmarkt um den 5. Juni fand seit mindestens 1040 statt 130 , und auch Stabloer Münzen aus der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts sind bekannt 131 . Der (Jahrmarkt-)Zoll dürfte daher ähnlich alt sein, wenngleich er konkret erst mit der Barbarossa-Urkunde nachweisbar ist. Vermutlich zählte er zu den Zöllen, die Lothar III. der Abtei 1136 in allgemeiner Form bestätigt hatte 132 . Als Transitzollstätte ist Stablo hingegen nicht nachweisbar133.
11.14
Bitburg
Wie St. Vith ist auch Bitburg seit der Mitte des 12. Jahrhunderts als Geleitzollstätte belegt. 1161 verzichtete Graf Heinrich IV. von Luxemburg-Namur auf die jährliche Zahlung von Wachs und Käse, die bei Bitburg von der Abtei St. Hubert für das Geleit ihrer Weintransporte entrichtet wurde134. Diese Naturalabgaben waren schon weil sie einmal im Jahr geleistet wurden - kaum der reguläre Geleitzoll, sondern stellten vermutlich eine Rekognitionsleistung für eine bereits gewährte Zollbefreiung dar. Bitburger Transitabgaben sind erst wieder 1310 nachweisbar; das
Argumentation des Trierer Erzbischofs 1267 in seinem Verhör vor der päpstlichen Kurie über die Koblenzer Abgaben (HONTHEIM, Historia I, Nr. 535). 127 Vgl. REICHERT, Landesherrschaft, S. 153.
128 MGH Const. X, Nr. 137; vgl. REICHERT, Landesherrschaft, S. 153. 129 Percussuram quoque monete ac theloneum et publicas nundinas in oppido MGH D FI, Nr. 1. 130 Vgl. IRSIGLER, Jahrmärkte und Messen, S. 529.
Stabulensi,
131 Vgl. ALBRECHT, Niederlothringen, S. 74.
132 Quicquid eadem ecclesia acquisivit vel iuste acquiret, scilicet... thelonea pontatica itus vel reditus et omnia prorsus publica et regia vectigalia sicut hactenus tenuit, MGH D Lo III, Nr. 93. 133 Der Ort ist in der entsprechenden Karte bei REICHERT, Landesherrschaft, S. 177, nicht verzeichnet. 134 Sed et ceram et caseos qui apud Pientiriburc pro conductu plaustrorum vinum fratrum advehentium annuatim debebantur, perpetuo ego cum posteris meis in elemonsina ecclesie Sancii Huberti remisi, ROUSSEAU, Actes, Nr. 14.
264
C. Zollstätten in den Rheinlanden bis 1500
Urbar der Grafschaft Luxemburg verzeichnete dabei neben dem conduit auch ein tonnul, der als Marktzoll interpretiert werden kann 135 . Anders als bei den im allgemeinen wesentlich häufiger genannten Flußzöllen wird man die Quellenlücke von rund 150 Jahren im Fall des Bitburger Geleitzolls eher dem Zufall der Überlieferung anzulasten haben, als daraus auf ein Nichtvorhandensein der Abgabe schließen zu müssen.
11.15
Herzogenrath
1161 befreite Herzog Heinrich II. von Limburg die Weine der Abtei St. Trond vom Zoll in Herzogenrath und Gulpen 136 . Zwar ist der Wortlaut der nur auszugsweise überlieferten Urkunde nicht völlig eindeutig, doch besteht nach allen späteren Quellen kein Zweifel, daß an beiden Hebestellen Transitabgaben auf den Landverkehr erhoben wurden: 1187 erließ Herzog Heinrich III. der Abtei Floreffe den Transitzoll für ihre Fuhren in Herzogenrath und an allen anderen limburgischen Landzöllen 137 ; daß das Gulpener theloneum erst 1242 explizit als Landzoll (pedagium) bezeichnet wird138, dürfte allein dem Zufall der Überlieferung zuzuschreiben sein. 1231 beschwerte sich das Maastrichter Servatiusstift bei König Heinrich (VII.), daß Herzog Heinrich IV. von Limburg in Herzogenrath contra iusticiam Zoll von den stiftischen Weintransporten erhoben hätte. Heinrich (VII.) erinnerte den Herzog daran, daß dieser bereits (1222) zu Aachen vor König und Fürsten versprochen hatte, keinen Zoll mehr von den Einkünften des Servatiusstifts zu erheben, und forderte die Beachtung der grundsätzlichen Zollfreiheit von Kircheneinkünften 139 . Der Herzogenrather Transitzoll war nicht nur für die Transporte des Servatiusstifts von und nach Maastricht so wichtig, daß es erhebliche Anstrengungen und wohl auch Kosten in Kauf nahm, um seine Zollfreiheit zu behaupten; diese Hebestelle, gelegen am Wurmübergang, hatte auch für den Handel Flanderns mit dem Kölner Raum
135 LAMPRECHT, Wirtschaftsleben III, Nr. 287 S. 360; vgl. dazu REICHERT, Landesherrschaft, S. 153 f., 582. Das Urbar verzeichnet z. B. den Geleitzoll zu Diedenhofen als conduit und die dortige Marktabgabe als tonneu de la halle, LAMPRECHT, Wirtschaftsleben III, Nr. 287 S. 362. 136 theloneum quod de vino vestro apud Rode et Golepe dabitis, PIOT, Cartulaire I, Nr. 75. Gulpen (außerhalb des Untersuchungsraums) lag am Übergang der nach Flandern führenden Straße über die Geul (vgl. CORSTEN, Erbfolgekrieg, S. 213). 137 vectigal, quod vulgo winagium dicitur, quod exigi solebant praedictae ecclesiae fratres cum vecturis suis per Rode et ubique per terram meam transeúntes in eleemosynam in perpetuum dedi, ERNST/LAVALLEYE, Histoire VI, Nr. 70. 138 concedimus et donamus, quod dictus conventus et sui nuntii cum rebus omnibus et personis in Golopia et Dobagh ab omni iure cuiuslibet telonii, vectigalis et pedagii in perpetuum liberi sint et exempti, MEUTHEN, Aachener Urkunden, Nr. 239. 139 MGH Const. II, Nr. 303. Heinrich IV., der erst seit 1226 das Herzogtum regierte, hatte demnach bereits als Jungherzog über den Zoll verfügt.
II. Zollstätten bis 1200
265
große Bedeutung. 1249 bestimmten Herzog Walram IV. von Limburg, Graf Wilhelm IV. von Jülich und Dietrich, Herr von Valkenburg, die Zollsätze der flandrischen Kaufleute zwischen Köln und Maastricht, nahmen sie in ihren Schutz und versprachen ihnen Ersatz für Schäden, die sie im Geleitbezirk zwischen Rhein und Maas erlitten. Der auf dieser Strecke zu zahlende (Geleit-)Zoll von insgesamt 70 Kölner Denaren pro Faß Wein wurde verteilt auf die Zollstätten Jülich (12 Denare), Herzogenrath (27 Denare), Valkenburg (16 Denare) und Maastricht (15 Denare) erhoben 140 . Herzogenrath, das demnach Mitte des 13. Jahrhunderts mit Abstand die wichtigste Zollstätte zwischen Maas und Rhein war, hat auch in der Folgezeit zu den bedeutendsten Landzöllen dieses Raumes gehört. So verzeichnet das brabantische Lehnsregister aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts nicht weniger als 32 Geldlehen auf den Zoll, die z. T. sogar als Zollanteile gestaltet waren 141 , was in dieser Zeit sonst meist nur für Flußzölle nachweisbar ist. Im letzten Viertel des 14. Jahrhunderts kamen meist mehr als 2000 Mark köln. pro Jahr am Herzogenrather Zoll ein142, von dem aus die limburgischen Hebestellen östlich der Maas verwaltet wurden 143 .
11.16
Geisenheim
Der Geisenheimer Zoll144 ist erstmalig im Lehnsverzeichnis des Reichministerialen Werners II. von Bolanden bezeugt, das am Ende des 12. Jahrhunderts entstand, in Teilen jedoch noch ältere Belehnungen enthält 145 . Letzteres war auch beim Geisenheimer Zoll der Fall. Nach den Angaben der Quelle resignierten die Mainzer Bürger Arnold und sein Bruder Eselweke dem Mainzer Elekten Konrad (1161-1165) u. a. den Zoll Geisenheim und nahmen ihn von Werner zu Lehen 146 . Die Abgabe kam nach Werners Tod über dessen Enkelin Guda an deren Mann, Rheingraf Wolfram. Aus dessen um 1206 erstellten Lehnsverzeichnis geht hervor, daß in Geisenheim Abgaben in Höhe von einem Pfund Pfeffer auf jedes berg- und talfahrende Schiff
140 Hans. U B I, Nr. 371. 141 GALESLOOT, Livre, S. 7, 20, 27, 51, 58 f., 64, 73, 79, 9 9 , 1 0 5 , 1 2 6 , 1 3 5 , 1 8 8 , 1 9 9 , 205, 227230,241, 243, 251, 257,273 f., 277. 1 4 2 V g l . AUGUSTUS, T o l l e n , S. 55.
143 Vgl. AUGUSTUS, Tollen, passim; dort auch Ertragsangaben aus den Herzogenrather Rentmeisterrechnungen von 1389-1417. 144 Vgl. dazu ausführlich STRUCK, Geisenheim, S. 147-159. 145 Vgl. SAUER, Lehnsbücher, S. 57. Vgl. dazu ECKHARDT, Lehnbuch. Teiledition: Mainzer U B II.2, Nr. 6 9 1 . 146 Arnoldus et frater suus de Maguntia, qui cognomibatur Eselweke, resignaverunt omne beneficium suum in Rinekoge Cunrado Moguntino electo, vineas suas in Hadderheim et theloneum in Rudensheim et theloneum in Gisenheim et quicquid amplius ibi in beneficio possidebant. Et hoc a me in beneficio acceperunt, SAUER, Lehnsbücher, S. 21 u. Anm. 120, S. 57; Mainzer UB II.2, Nr. 691, S. 1131.
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C. Zollstätten in den Rheinlanden bis 1500
erhoben wurden, die vom Reich lehnrührig waren. Man wird daher annehmen können, daß auch Werner von Bolanden den Zoll schon als Reichslehen innehatte 147 . Daß dazu neben Zoll- auch Geleitgeld gehörte, ist dagegen nur in Texten enthalten, die als freie Fälschungen des salm-kyrburgischen Archivars Georg Friedrich Schott (t 1823) gelten 148 . Die erste echte - und für die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts auch einzige - Befreiung vom Geisenheimer Zoll ist für die Zisterzienserabtei Himmerod überliefert, die unter Rheingraf Werner (1209-1233 bezeugt) völlige Freiheit von Transitabgaben auf dem Rhein genoß 149 . Aus dem September 1260 ist eine Wittumsverschreibung Rheingraf Siegfrieds I. auf die Zolleinkünfte bekannt 150 . Weitere Zollprivilegien wurden um 1260 für das Oberweseler Kloster Allerheiligen 151 und 1266 zugunsten der Abtei Marienhausen 152 ausgestellt. Danach ist der Zoll erst 1296 wieder bezeugt, als er dem Juden Anselm von Oppenheim zur Tilgung von 300 Mark köln. verpfändet wurde 153 . Die auffällige Quellenlücke zwischen 1266 und 1296 ist schwer zu deuten. Man ist zunächst geneigt, hier, wie bei einer ganzen Reihe anderer mittelrheinischer Zollstätten, die Einstellung der Zollerhebung infolge des Wormser Landfriedens von 1269 zu vermuten, doch spricht dagegen, daß der Geisenheimer Zoll zumindest in seiner transportmittelbezogenen Abgabenkomponente nicht zu denjenigen während des staufischen Endkampfs neu errichteten thelonea iniusta gehörte, deren Beseitigung 1269 gefordert wurde 154 . Man wird daher nicht ausschließen können, daß durch den Zufall der Überlieferung so wenig vom Geisenheimer Zoll im letzten Drittel des 13. Jahrhunderts bekannt ist, zumal der nächste Quellenbeleg nach 1296 erst mit der Urkunde des Bacharacher Landfriedens von 1317 vorliegt.
147 Ab imperio habet (sc. Ringravius Wolframus) in beneficio banum in Rinchowe super comeciam. Item in eadem comecia habet Gysenheim libram piperis de qualibet navi ascendendo et descendendo, FABRICIUS, Güterverzeichnisse, S. 6. 148 Vgl. STRUCK, Geisenheim, S. 158 Anm. 25. 149 MRUB II, Nachträge, Nr. 7. Das angebliche Zollprivileg zugunsten des Klosters Johannisberg (»1223 Juni 24«, SAUER, Codex Nassau 1.1, Nr. 393) ist eine Fälschung Schotts, vgl. STRUCK, Geisenheim, S. 158 Anm. 25. 150 SAUER, Codex Nassau 1.2, Nr. 703 - MRR III, Nr. 1644. 151 MRUB III, Nr. 1511. 152 SAUER, Codex Nassau 1.2, Nr. 768. Die Zollbefreiung ist allgemein gehalten, doch wird der Bezug auf Geisenheim durch das gleichzeitige Indorsat thelonium Gisenheym erkennbar. 153 SAUER, Codex Nassau 1.2, Nr. 1210 - RI VI.2, Nr. 732. Die nicht original erhaltene Urkunde ist mit Sicherheit keine Fälschung Schotts (so STRUCK, Geisenheim, S. 158 Anm. 25), da sie bereits im kurz nach 1438 angelegten Sponheimer Kopialbuch A überliefert ist (vgl. die Nachweise bei MÖTSCH, Regesten Sponheim I, Nr. 173). 154 Vgl. unten S. 399 ff. Denkbar ist allerdings, daß in Geisenheim 1269 Zollerhöhungen rückgängig gemacht werden mußten.
II. Zollstätten
bis
1200
267
Während dieses Landfriedens gehörte Geisenheim neben St. Goar und Boppard zu den wenigen Hebestellen, die zwar von der befristeten Aufhebung aller Rheinzölle zwischen Hördt und Köln ausgenommen waren, die aber in ihrer Höhe teilweise eingeschränkt wurden, nämlich St. Goar auf den ufgenden alten zol, Boppard auf den Satz von 27 Hellern und Geisenheim auf den alten schifzol155. Der rheingräfliche Zoll entsprach damit wahrscheinlich wieder dem im Lehnsverzeichnis von ca. 1206 aufgeführten Transportmittelzoll 156 . Anders als in der Literatur mitunter behauptet war dies im 13. Jahrhundert keineswegs ständig der Fall. Zum einen wäre es nur schwer erklärbar, warum man den Geisenheimer Zoll für die Dauer des Landfriedens auf den »alten Schiffszoll« hätte fixieren sollen, wenn davon zu trennende neue Abgabenkomponenten gar nicht existierten. Zum anderen deutet die Terminologie der für Geisenheim ausgestellten Zollbefreiungen des 13. Jahrhunderts darauf hin, daß auch dort, wie bei den anderen Rheinzöllen, eine nach Art und Menge der Ladung differenzierte Veranschlagung erfolgte 157 . Während der Bacharacher Landfrieden in der Tarifstruktur von Boppard und St. Goar keine dauerhaften Spuren hinterlassen hat, ist den Rheingrafen nach dessen Ende die Aufrichtung von Mengenzöllen nicht wieder gelungen. 1348 belehnte Karl IV. Rheingraf Johann mit dem Geisenheimer Rheinzoll in Höhe von einem Pfund Pfeffer bzw. entsprechendem Geldwert (nach Mainzer Pfefferpreis) je geladenem Schiff 158 . Damit war Geisenheim wohl die einzige Transitabgabe am Rhein, deren Höhe um die Mitte des 14. Jahrhunderts - wie weitere Quellen zeigen auch noch Mitte des 15. Jahrhunderts 159 - (wieder) den Sätzen vom Beginn des 13. Jahrhunderts exakt entsprach. Entsprechend niedrig waren vergleichsweise die Erträge des Geisenheimer Zolls, der z. B. 1342 auf ein Jahr für 200 Pfund Heller (200 kleine Gulden) verpfändet wurde 160 , während etwa die Jahrespacht des Koblenzer Rheinzolls 1345 mit 13.100 kleinen Gulden 161 mehr als das Fünfundsechzigfache betrug. 1510 konnte der Geisenheimer Zoll sogar nur noch für 34 Gulden im Jahr verpachtet werden 162 . Die geringe Höhe der Geisenheimer Abgabe und die Schwierigkeiten der Rheingrafen, die Zollerhebung gegen Behinderungen des Mainzer Erzbischofs kontinuierlich aufrechtzuerhalten und bei den Rheinhändlern durchzusetzen, führten dazu, daß
155 M G H C o n s t . V , Nr. 4 2 1 - VOGT, R E M 1.1, Nr. 1912; R E K IV, Nr. 993. 156 FABRICIUS, G ü t e r v e r z e i c h n i s s e , S. 6.
157 Vgl. oben S. 170 f. 158 MGH Const. VIII, Nr. 614. 1 5 9 V g l . STRUCK, G e i s e n h e i m , S. 152.
160 OTTO, REM 1.2, Nr. 4768. Zum Verhälnis Heller/kleine Gulden vgl. die Angaben einer
Verschreibung auf den Lahnsteiner Zoll 1341:1 kleiner Gulden = 12 Turnosen = 1 Pfund Heller; OTTO, REM 1.2, Nr. 4655. Auch am St. Goarer Zoll wurde 1343 entsprechend gerechnet, vgl. DEMANDT, Reg. Katz. I, Nr. 942. 161 TROE, M ü n z e , S. 145 f. 1 6 2 Vgl. STRUCK, G e i s e n h e i m , S. 153.
268
C. Zollstätten in den Rheinlanden bis 1500
um die Mitte des 15. Jahrhunderts die Existenz des Zolls in Vergessenheit geriet bzw., wie etwa von der Stadt Köln 1454163, von den Zollpflichtigen rundheraus bestritten wurde. Unter erheblichen Anstrengungen gelang es Wild- und Rheingraf Gerhard, dem Zoll zumindest bis zum Ende des Untersuchungszeitraums wieder die notwendige Anerkennung zu verschaffen 164 .
11.17
Rüdesheim
Das Bolandener Lehnsverzeichnis (Ende 12. Jh. bzw. 1161/1165) nennt unter den gleichen Besitzern neben dem Zoll Geisenheim auch ein theloneum in Rudensheim16S. Welcher Art diese Abgabe war, ist nicht erkennbar. Weitere Quellen, die darüber Aufschluß geben könnten, existieren anscheinend nicht. Auch das weitere Schicksal des Zolls muß damit offen bleiben. Rüdesheim war vom Mainzer Erzbischof Gerhard II. von Eppstein 1298 als mögliche Hebestelle des zweiten erzstiftischen Rheinzolltitels vorgesehen 166 , doch ist es zu einer Realisierung dieser Pläne nicht gekommen. Die Rüdesheim zugedachte Funktion wurde ab 1310 vom nahegelegenen Ehrenfels 167 übernommen.
11.18
Soest
Ein Zoll im westfälischen Soest ist ca. 1166 erstmalig belegt, als den Einwohnern der Pfarrei Hoynckhausen die seit alters hergebrachte Freiheit absque omni exactione et redditione tributi quod uulgo toi appellatur auf dem Markt der Stadt bestätigt wurde 168 . Ein Transitzoll ist erst im Einkünfteverzeichnis des kölnischen Marschalls im Herzogtum Westfalen nachweisbar, das zwischen 1306 und 1308 entstand 169 . Wenngleich in dieser Quelle sicher ältere Verhältnisse widergespiegelt werden, muß offen blei-
163 KUSKE, Quellen II, Nr. 137. 164 Vgl. dazu STRUCK, Geisenheim, S. 151 ff. Von den Schwierigkeiten der Zollerhebung im 16. Jahrhundert zeugt eine Aufstellung von 1566. Danach verweigerten von 65 Schiffern, die Geisenheim während der Frankfurter Herbstmesse passierten, 33 die Zollzahlung ganz oder teilweise. Zwei Kölner Händler verlangten die Vorlage kaiserlicher Zollbriefe, ein Schiffer wollte sich gar eher henken lassen, als Zoll zu zahlen. Vgl. dazu ausführlich STRUCK, Geisenheim, S. 153 ff. 165 SAUER, Lehnsbücher, S. 21 u. Anm. 120, S. 57; Mainzer U B II.2, Nr. 691, S. 1131. 166 MGH Const. IV, Nr. 12,13. 167 Vgl. unten S. 317 f. 1 6 8 SEIBERTZ, U B W e s t f a l e n I, N r . 5 8 .
169 theolonium carrucarum, curruum transeuncium, equorum et vaccarum, que venduntur in Susato, Chroniken der deutschen Städte 24, S. CLVI.
II. Zollstätten bis 1200
269
ben, ob in Soest bereits 1166 ein Landzoll bestand, der in der Zollbefreiung z. B. deshalb nicht erwähnt wurde, weil er für die Einwohner von Hoynckhausen nicht von Belang war. Da in Dortmund, der Nachbarstadt am Hellweg, schon gegen Ende des 11. Jahrhunderts Abgaben auf den Transitverkehr erhoben wurden, ist dieser Fall nicht unwahrscheinlich. In der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts ist für Soest die Erhebung von Geleitgeld im Auftrag des Kölner Erzbischofs bezeugt 170 , wobei unklar ist, ob es den 1306/1308 genannten Karrenzoll ersetzt hatte oder neben ihm bestand.
11.19
Ockfen
1168 bestätigte Erzbischof Hillin von Trier anläßlich eines Gütertausches der Trierer Abtei St. Martin alle Rechte und ihre im einzelnen aufgeführten Besitzungen, darunter auch die villa Ockefa cum banno et thelonio et decima salice terrem. Da weitere Quellen über den Zoll nicht vorliegen, kann er kaum sicher bestimmt werden. Wahrscheinlich wurde er in Verbindung mit einem - nicht explizit genannten - grundherrschaftlichen villa-Markt erhoben. Es gibt keinen Hinweis darauf, daß dieser Zoll den Saarverkehr berührte. Völlig auszuschließen ist dieses - siehe das Beispiel Schleich172 - freilich nicht.
11.20
Montclair/Merzig
In einer undatierten Urkunde beendete Erzbischof Arnold von Trier (1169-1183) seinen Streit mit dem Vogt des erzstiftischen Hofes in Merzig, Arnulf von Walcourt 173 , der sich nach Ansicht des Metropoliten nicht so verhalten hatte, wie es einem erzbischöflichen familiaris zukam. Als Arnulf daher bei Arnold um die Erlaubnis zum Bau einer Burg im nahegelegenen trierischen Ort Schive nachsuchte, gestattete der Erzbischof dies nur unter genau festgelegten Bedingungen: Arnulf und seine Erben sollten die Burg als trierisches Lehen und Offenhaus halten, dessen sich das Erzstift gegen seine Feinde beliebig bedienen konnte. Um die Bau- und Unterhaltskosten der Burg zu decken, erhielt Arnulf die Hälfte - statt des vorherigen Drittels - aller von der curia Merzig und dem zugehörigen Tal fälligen Abgaben in Getreide oder Geld. Gleichzeitig scheint der Erzbischof ihm implizit die Erhebung eines Saarzolls gestattet oder diese zumindest geduldet zu haben. Denn zwar war es
170 Vgl. den Geleitgeldtarif von ca. 1360 (SEIBERTZ, UB Westfalen II, Nr. 761) und die Bestallung eines Soester Bürgers zum dortigen Richter, zu dessen Amtspflichten die Erhebung des Geleits gehörte (1382 Nov. 1; REK IX, Nr. 431). 171 MRUB I, Nr. 653. 172 Vgl. oben S. 201 f. 173 Zur Familie vgl. BODSCH, Burg, S. 84 Anm. 139, und die dort angegebene Literatur.
270
C. Zollstätten in den Rheinlanden bis 1500
dem Vogt verboten, von den erzbischöflichen ministeriales und officiales des saaraufwärts gelegenen Hofes, die auf dem Fluß die Burg passierten, Zoll zu erheben, jedoch hatte der Erzbischof anscheinend gegen eine Verzollung des restlichen Saarverkehrs nichts einzuwenden, solange nur seine Bediensteten nicht davon betroffen waren 174 . Ein Saarzoll zu Montclair erscheint erst wieder in den dreißiger und vierziger Jahren des 14. Jahrhunderts 175 . In seinem Lehnrevers vom 13. November 1334 für Erzbischof Balduin von Trier versprach Herzog Rudolf von Lothringen, in Montclair, Wallerfangen et infra keinen Zoll zu erheben oder dies zuzulassen176. Trotz dieser expliziten Zusage ist die Zollstätte nur vorübergehend außer Betrieb gewesen; denn 1346 übertrug Jakob, Herr zu Montclair, dem Trierer Erzbischof Balduin alle Eigentums- und Herrschaftsrechte an Merzig, die er und seine Vorfahren als Trierer Vögte oder sonst dort hatten und gelobte, weder bei Montclair noch anderswo auf der Saar Zoll oder Geleitgeld zu erheben 177 . Es ist wohl kein Zufall, daß hier, wie gegen Ende des 12. Jahrhunderts, in Verbindung mit der Merziger Vogtei ein Saarzoll genannt wurde und daß mit dem Verzicht auf die damit verbundenen Herrschaftsrechte auch der Zoll Montclair abzustellen war 178 . Vielmehr könnte der Flußzoll Zubehör der Merziger Vogtei gewesen sein. Ob die Hebestelle über die Jahrhunderte kontinuierlich in Betrieb war, ist mangels weiterer Quellen nicht zu ermitteln. Relativ sicher ist aber, daß sie nach 1346 nicht mehr lange weiterbestanden hat. Spätestens die Eroberung und Niederlegung der
174 So möchte ich die folgende Bestimmung deuten: Ministeriales autem nostri et officiales scolteti forestarii bubulci piscatores et alii ad cottidianum seruicium nostrum specialiter deputati ab omni exactione liberi erunt et ante idem Castrum nullum a descendentibus uel ascendentibus per Saroam theloneum exigatur nec eis aliqua molestia uel dampnum inferetur, MRUB II, Nr. 61. Vgl. zu dem Konflikt NIKOLAY-PANTER, Terra, S. 72 ff.; BODSCH, Burg, S. 87 ff. Beide Autorinnen gehen auf die Frage der Zollerhebung nicht ein. Zur Verkehrslage Merzigs und zur Bedeutung der Saar als Verkehrsweg siehe ENNEN, Merzig; HERRMANN, Städte, S. 238.
175 Zur Geschichte Montclairs in der Zwischenzeit siehe BODSCH, Burg, S. 88 f. mit Anm. 164, S. 122 f. und öfter. Hervorzuheben ist der gescheiterte Versuch des Trierer Erzbischofs Theoderich II., die Burg 1233 als heimgefallenes Trierer Lehen einzuziehen. Vgl. dazu ausführlich NIKOLAY-PANTER, Terra, S. 75 f.; BODSCH, Burg, S. 122 ff. 176 LHAKo 1 A, Nr. 4820,4821. Vgl. DOMINICUS, Baldewin, S. 313. 177 vort so ensollen wir noch unser erben noch nyman von unsers wegen zu Moncler oder anders uf der Sare obenwendig und nyden keinen zoll noch geleyde nicht heben noch nemen noch keine kaufflude oder andere lude dun lenden oder anders hinderen oder irren uf wassern noch lande in keinerhand wyse, HONTHEIM, Historia II, Nr. 668, S. 159. 178 Da die Urkunde Erzbischof Arnolds als Original im kurtrierischen Archiv überliefert ist, wird man davon ausgehen können, daß sie 1346 vorlag. Zudem weisen dort z. B. die Regelung des Lehnsverhältnisses zu Lothringen und die explizite Erwähnung des Hochgerichts auf die Bestimmungen der älteren Urkunde.
II. Zollstätten bis 1200
271
Burg Montclair durch Erzbischof Balduin 1351 bedeutete das Ende des Zolls, von dem - auch in Trierer Hand - keine weiteren Nachrichten vorliegen179. Über den genauen Erhebungsort liegen mehrdeutige Aussagen vor. Nach dem 1215/1217 abgefaßten Einkünfteverzeichnis des Trierer Erzstifts, dem Liber annalium iurium, stand dem Erzbischof in Merzig u. a. universum theloneum tarn de foro quam de nauibus zu180. Entweder gehörten also zwei Saarzölle zur Merziger curia, was kaum anzunehmen ist, oder es war den Trierer Erzbischöfen zwischenzeitlich gelungen, die Zollerhebung von Montclair ca. 7,5 km saaraufwärts nach Merzig zu verlegen und dabei in eigene Regie zu nehmen. Sollte dies zutreffen, kann der Zoll auf Dauer dort nicht geblieben sein, da Montclair 1334 und 1346 wieder als Hebestelle belegt ist, aber über eine Merziger Transitabgabe bis zum Ende des Untersuchungszeitraums keine weiteren Quellen vorliegen. Am wahrscheinlichsten dürfte daher eine dritte Möglichkeit sein, daß nämlich im Einkünfteverzeichnis der Marktund der Schiffszoll als Rechtstitel unter Merzig geführt waren, die Transitabgabe tatsächlich jedoch bei Montclair erhoben wurde.
11.21
Tiel/Kaiserswerth
Am niederrheinischen Reichsort Kaiserswerth bestand spätestens seit 1174 eine Zollstätte. In diesem Jahr ließ Kaiser Friedrich I. auf Beschwerde der Utrechter Bürger deren Rechte am von Tiel nach Kaiserswerth verlegten Zoll durch ein Weistum der Tieler Schöffen feststellen. Demnach hatten die Utrechter, abgesehen von Maß- und Wiegeabgaben, nur dann Zoll in Tiel zu entrichten, wenn sie per Schiff over wilde haf, d. h. aus überseeischen Gebieten, kamen. Der Herrscher bestätigte diese Beschränkung der Utrechter Schiffsabgaben auf den syethol nun auch für die neue Zollstätte Kaiserswerth 181 . Wann die Verlegung stattgefunden hatte, ist nicht genau zu ermitteln 182 . Zwar reicht die letzte Erwähnung des Tieler Zolls in der Bestätigung des Quedlingburger Handelsprivilegs durch Lothar III. vierzig Jahre zurück183, jedoch erwähnte Friedrich I. in seiner Urkunde ausdrücklich, daß er selbst den Zoll mit Rat seines Hofes nach Kaiserswerth verlegt habe. Kommt somit ein Zeitraum von 1152-1174 in Frage, dürften die 1170er Jahre am wahrscheinlichsten sein; denn die Utrechter werden bald nach der Verlegung auf die Bewahrung ihrer alten Rechte gedrungen haben.
179 Vgl. zum Konflikt zwischen den Herren von Montclair und Balduin ausführlich DoMINICUS, Baldewin, S. 551-560. In der Bestätigung der kurtrierischen Zölle an Rhein, Mosel und Saar von 1354 (MGH Const. XI, Nr. 19) ist Montclair nicht genannt. 180 M R U B II, Nachträge, Nr. 15, S. 394; vgl. zur Datierung CORSTEN, Johann I., S. 155-160. 1 8 1 M G H D F I , N r . 6 2 6 - URKUNDENREGESTEN I, N r . 4 2 2 .
182 Vgl. zu dieser Frage jetzt die Überlegungen von LORENZ, Kaiserswerth, S. 63 f. 183 MGH D Lo III, Nr. 61 (1134 April 25).
272
C. Zollstätten in den Rheinlanden bis 1500
In Tiel, das als Handelsplatz in spätkarolingischer Zeit an die Stelle Dorestads getreten war, ist ein Zoll seit 896 bezeugt 184 . Der Ort gehörte zu den vier Zollstätten, die 975 von der reichsweiten Abgabenfreiheit der Magdeburger Kaufleute ausgenommen waren 185 , und stellte wohl einen der bedeutendsten Marktorte im Westen des Reiches in ottonischer und salischer Zeit dar 186 . Die dortigen Zolleinnahmen müssen einen nicht unwesentlichen Anteil an den Einkünften der Reichsgewalt gehabt haben. Dafür spricht nicht nur die Ausklammerung Tiels aus der Magdeburger Zollfreiheit, sondern auch ein Bericht Alperts von Metz, der die Tieler Verhältnisse gut kannte: Als Graf Dietrich von Westfriesland 1018 den Englandhandel störte, forderten die Tieler Kaufleute von Heinrich II. mit dem Argument Hilfe an, daß sich die kaiserlichen Zolleinnahmen verringern würden, wenn die Engländer nicht mehr nach Tiel gelangen könnten 187 . Die Gründe, warum der Reichszoll vor 1174 nach Kaiserswerth verlegt wurde, sind an anderer Stelle zu erörtern. Wichtig ist, daß der Charakter des Zolls mit der Verlegung deutlich verändert wurde. Zum einen hatte Kaiserswerth nicht im Ansatz eine mit Tiel vergleichbare Stellung als Handelsplatz, womit die in den Utrechter Maß- und Wiegegebühren angedeuteten Abgaben auf den Markthandel völlig zurücktraten, zum anderen lag der neue Zollort zuweit im Landesinneren, um noch als Grenzoll für den Handel mit den partes transmarinae fungieren zu können. Kaiserswerth war vielmehr, wie vor allem die seit 1187 in dichter Folge überlieferten Zollbefreiungen 188 erkennen lassen, ein geradezu idealtypisches theloneum für den Handel auf der wichtigsten Verkehrsachse des mittelalterlichen Reiches, ein Rheinzoll. Noch fast 25 Jahre nach der Verlegung hatten sich die Kölner Erzbischöfe nicht mit dem neuen Zoll in ihrem unmittelbaren Machtbereich abgefunden. Zwar erwirkte Erzbischof Adolf 1198 von Otto IV. die Zusage, den Zoll Kaiserswerth an den alten Ort zurückzuverlegen und die Burg zur Zerstörung auszuhändigen 189 , aber die
184 MGH D Zw, Nr. 9. 185 MGH D O II, Nr. 112. 1 8 6 V g l . STEIN, H a n d e l s g e s c h i c h t e , S. 91 f.
187 Unde mercatores Tielenses ... crebro regem interpellabant, ut pro sua gratia ab his iniuriis defendat. Si id non faciat, neque se causa negotiandi in insulam venire, neque ad se Britannos commeari posse et ideo vectigalia sibi, ut oportebat, plenius provenire non posse, dicebant, Alpertus Mettensis, D e diversitate temporum, bearb. v. Hans VAN RlJ, Amsterdam 1980, 11.20, S. 80. Vgl. zu den politischen Hintergründen BOSHOF, Ottonen- und frühe Salierzeit, S. 36. 188 Vgl. nur bis 1214:1187 Aug. 21 für Cappenberg (MGH D F I , Nr. 963), 1190 März 25 für Köln (LAC. I, Nr. 524), 1190 April 25 für Corvey (ERHARD, Reg. Hist. Westf. II, Nr. 2252), 1200 für Ter Doest (RAMACKERS, Unbekannte Urkunden, S. 622 f.), 1206 März 8 für Zutphen (SLOET, OGZ, Nr. 415), 1208 für Worms (UB Duisburg I, Nr. 22), 1209 Juni 30 für das Stift Rommersdorf (MRUB II, Nr. 243), 1214 März 9 für die Abtei Altenberg (WINKELMANN, Acta Imperii I, Nr. 69a). 189 Ceterum ad commodum Coloniensis ecclesie universum teloneum in Werthen, quod de novo et contra iusticiam ibidem institutum est, penitus auferimus red[ucen]tes secundum
II. Zollstätten bis 1200
273
Umsetzung des Versprechens blieb aus, wie u. a. aus einer 1200 von Otto IV. für das flandrische Kloster Ter Doest ausgestellten Befreiung am Kaiserswerther Zoll hervorgeht 190 . 1202 kam es deswegen zum Streit zwischen König und Erzbischof, bei dem schließlich abermals die Zerstörung der Burg mit dem Zoll vereinbart wurde 191 . Auch diese Absprache hatte - wenn überhaupt - nur kurzen Bestand; denn 1206 befreite der staufische König Philipp die Zutphener vom Zoll Kaiserswerth 192 , wobei Erzbischof Adolf unter den Zeugen war. Von einer Aufhebung der Zollstätte war danach keine Rede mehr; in Kaiserswerth wurde bis zum Ende des Untersuchungszeitraums Rheinzoll erhoben 193 .
11.22
Sierck
In Sierck an der Obermosel bestand spätestens in der Regierungszeit Herzog Matthias' I. von Lothringen (1139-1176) eine Transitabgabe auf den Moselverkehr. In einer undatierten Urkunde bestätigte nämlich Ferry von Bitch das von seinem Vater Matthias I. der Zisterzienserabtei Weiler-Bettnach erteilte Privileg, ohne Zahlung von Abgaben die Mosel vor der Burg Sierck passieren zu können 194 . Die Hebestelle ist bis zum Ende des Untersuchungszeitraums kontinuierlich nachweisbar195.
11.23
Karden
1177 bestätigte der Trierer Erzbischof Arnold der Abtei St. Trond, daß ihr Zollsatz in Karden nicht mehr als ein ferto Kölner Denare, d. h. 36 Pfennige, pro Schiff betrug 196 . Die Urkunde gibt sich als Wiederherstellung alten, durch den trierischen Zöllner verletzten Zollrechts, und so darf man davon ausgehen, daß Karden bereits seit einiger Zeit Zollstätte war, ohne daß dieser Zeitraum indes genauer eingegrenzt
statum pristinum ad locum in quo de iure esse debebit, quod etiam nequaquam aucgmentabitur, MGH Const. II, Nr. 17. 190 RAMACKERS, Unbekannte Urkunden, S. 622 f. 191 Rex et archiepiscopus cum suis familiaribus tractabunt cum effectu, qualiter turrim regiam apud Werthe cum suo theloneo destruant, MGH Const. II, Nr. 24 - REK II, Nr. 1623. 1 9 2 SLOET, O G Z , N r . 4 1 5 .
193 Die verwickelte Geschichte der späteren Reichspfandschaft Kaiserswerth ist hier nicht weiterzuverfolgen. Vgl. dazu ausführlich LORENZ, Kaiserswerth, S. 100-117. 194 DUVERNOY, Catalogue, Nr. 220. Vgl. auch ebd., Nr. 113. 195 Vgl. für das 13. und 14. Jahrhundert die Nachweise bei REICHERT, Landesherrschaft, S. 148 Anm. 362. Für das 15. Jahrhundert siehe YANTE, Activité II, S. 390 ff.; DERS., Wirtschaftsverhältnisse, S. 145 ff. (knapp zusammenfassend) und DERS., Sierck (detaillierte Auswertung der Zollregister). 196 veritatem quod de singula navi firtonem tantum Coloniensium denariorum eadem ecclesia de jure solvere debeat comperimus, PiOT, Cartulaire I, Nr. 96.
274
C. Zollstätten in den Rheinlanden bis 1500
werden könnte. Unter Arnolds Nachfolger Johann I. (1190-1212) hat der Zoll noch bestanden. Er dotierte nach einem Bericht der Gesta Treverorum eine von ihm gestiftete Kapelle u. a. mit jährlichen Einkünften von drei Mark Kölner Denaren aus dem Zoll197. Da spätere Quellen nicht vorliegen, scheint Karden im 13. Jahrhundert als Zollstätte aufgegeben worden zu sein. Nach der Urkunde von 1177, die offenkundig den Verkehr der maasländischen Abtei mit ihren Moselbesitzungen regelte, war Karden ein Transitzoll auf die Moselschiffahrt, dagegen finden sich für einen markt- oder warenumschlagsbezogenen Schiffszoll keine Hinweise. Aus den Rechnungen der trierischen Kellnerei Münstermaifeld ist bekannt, daß in den 1420er Jahren ein thelonium in Karden existierte, dessen Einkünfte zwischen 1 Gulden 8 Albus (1422/23) und 4 Gulden 13 Albus (1427/28) schwankten 198 . Daß dieser Zoll in Kontinuität zur Abgabe um 1200 stand, ist schon deshalb unwahrscheinlich, weil es sicher kein Schiffszoll, sondern ein Land- oder Marktzoll war.
11.24
Rijnwijk/Arnheim/Lobith
Als Graf Gerhard von Geldern 1177 in Utrecht weilte, beschwerten sich die dortigen Kaufleute über verschiedene Behinderungen ihres Handels am geldrischen Zoll 199 Rijnwijk (bei Wageningen). Die Utrechter Händler, die offensichtlich dort Zollvorrechte genossen, erreichten dabei u. a. die Zusage, daß sie bei der Beschuldigung durch den Zöllner, fremde Waren in ihren Schiffen zu führen, d. h. ihre Vergünstigungen zu mißbrauchen, nicht arrestiert werden sollten, sondern sich durch Eid von dieser Beschuldigung reinigen und ihren Transport fortsetzen konnten. Den geldrischen Bediensteten wurde verboten, Brote, Wein und ähnliche kleinere Abgaben von den Utrechtern zu verlangen. Neben diesen Freiheiten für Rijnwijk sicherte der Graf den Händlern seinen Schutz auf dem gesamten geldrischen Streckenabschnitt des Rheins zu200. Angesichts der hier erkennbaren großen Bedeutung des Rijnwijker Zolls für den Utrechter Handel ist es verwunderlich, daß die Hebestelle nur durch diese eine Quelle nachweisbar ist. Die Erklärung liegt wohl in der Verlegung der Zollstätte flußaufwärts nach Arnheim. 1196 beendeten Herzog Heinrich von Lothringen-Brabant und Graf Otto von Geldern ihre Auseinandersetzungen durch einen Friedens-
197 MGH SS XXIV, S. 397 Z. 3 ff. 198 Vgl. LHAKo 1 C, Nr. 6253, S. 8, 68,127; die Geldeinkünfte wurden in Rechengulden (fl. cur.) vermerkt. 199 Die aus dem in der Urkunde erwähnten Mietzwang für Leichterschiffe abgeleitete These von MULLER, Rijnwijk, daß dort kein Zoll, sondern (nur) ein Stapel bestand (danach auch SCHIFFER, Grafen von Geldern, S. 163 f.), ist nicht schlüssig, da sie die Bestimmung über die Eidesleistung nicht hinreichend berücksichtigt. 2 0 0 SLOET, O G Z , N r . 3 4 4 .
II. Zollstätten bis 1200
275
vertrag, bei dem die Behandlung ihrer Kaufleute an den jeweiligen Zöllen eine wichtige Rolle spielte. Es wurde u. a. vereinbart, daß die Brabanter Kaufleute am geldrischen Zoll Arnheim für ihre eigenen Waren Zollfreiheit genießen sollten. Wie 1177 konnten sich die Händler dabei per Eineid von der Anschuldigung reinigen, fremde Güter zu schmuggeln; dem geldrischen Zöllner wurde ausdrücklich jede weitere Maßnahme verboten 201 . Auch in Arnheim ist der Zoll jedoch nicht auf Dauer geblieben. Letztmalig ist er dort sicher 1203 belegt, als Graf Otto dem Stift Bedburg Zollfreiheit für dessen Schiffstransporte eigener Waren zu Arnheim und Zutphen verlieh202. 1220 verkündete König Friedrich II. als Hofgerichtsurteil, daß der Herrscher weder Zoll noch Münze zum Schaden eines Dritten verleihen dürfe. Aufgrund der vielfältigen Klagen gegen Graf Gerhard von Geldern verbot er diesem, Zoll zu Arnheim, Oosterbeek, Lobith oder sonst auf dem Rhein zu erheben, und erklärte im gleichen Zuge eventuelle Verleihungen seiner Vorgänger - der Graf behauptete, die fraglichen Rechte als Reichslehen zu halten - für ungültig203. Obwohl hier drei geldrische Zollstätten genannt wurden, ging es nur um einen einzigen, den Arnheimer Zolltitel, den der Graf schon bald wieder durchsetzen konnte. Im April 1222 ermächtigte Friedrich II. nämlich Gerhard, den Zoll zu Arnheim, den dieser und seine Vorgänger als Reichslehen erhoben hätten, nach Lobith zu verlegen204. Im März 1223 bestätigte Friedrich dies unter der Goldbulle 205 , obgleich er noch im Januar 1223 auf Ersuchen des Utrechter Bischofs das Hofgerichtsurteil von 1220 eingeschärft und dem Grafen verboten hatte, die bischöflichen homines aus Deventer und dem Salland in Lobith mit Zoll zu beschweren 206 . Die Gründe für die Verlegung liegen auf der Hand: An der Spitze des Rheindeltas in Lobith, wo vom Rhein die Waal abzweigte, konnte der Graf den gesamten Verkehr des Stromes erfassen, in Rijnwijk oder Arnheim nur den Handel auf dem Neder-Rijn, mit Ausschluß des Handels auf der IJssel, die bereits oberhalb von Arnheim in Richtung Norden abbog. Obgleich auch der Waalverkehr durch den Lobither Zoll neu belastet wurde, haben offenbar vor allem die Händler des Utrechter Bistums aus Deventer an der Ijssel und dem Salland - Kaufleute aus der Stadt Utrecht genossen nach dem Privileg von 1177 Zollfreiheit auf dem ganzen geldrischen Rhein - ihren Bischof gegen die Zollverlegung mobilisiert. Dies wird bereits durch die Überlieferung des Zollverbots von 1220 im Deventer Kartular angedeutet und im Mandat vom Januar 1223 offensichtlich.
2 0 1 SLOET, O G Z , N r . 3 8 7 . 2 0 2 SLOET, O G Z , N r . 4 0 4 .
2 0 3 M G H Const. II, Nr. 74 - URKUNDENREGESTEN II, Nr. 126.
204 LAC. II, Nr. 100 - R I V , Nr. 1384. 205 LAC. II, Nr. 99 zu 1222, vgl. aber RI V, Nr. 1462. 2 0 6 SLOET, O G Z , N r . 4 7 0 .
276
C. Zollstätten
in den Rheinlanden
bis 1500
In der Folgezeit wurde der Zoll nicht mehr angefochten. Abgesehen von seiner vorübergehenden Erhebung in Emmerich zwischen 1355 und ca. 1359207 lag er bis zum Ende des Untersuchungszeitraums in Lobith. Lediglich Anfang oder Mitte des 14. Jahrhunderts mußte die Lage des Zollhauses den veränderten Stromverhältnissen angepaßt werden, um weiterhin den gesamten Flußverkehr erfassen zu können 208 . Anders als bei der Verlegung zu Beginn des 13. Jahrhunderts handelte es sich hier um eine rein zolltechnische Maßnahme, die nicht die Erschließung neuer Handelsströme zum Ziel hatte.
11.25/26 Eckendorf und Rösberg Im April 1194 nutzten die Aachener Kaufleute den Aufenthalt Kaiser Heinrichs VI. in ihrer Stadt, um sich über Graf Gerhard von Are zu beklagen, der von ihnen Zoll zu Eckendorf erhob. Der Graf wurde vor den Herrscher zitiert, gab die unrechtmäßige Zollerhebung zu und mußte versprechen, weder dort noch an einem anderen Ort oder durch eine andere Person an seiner Stelle von den Aachenern Zoll zu verlangen 209 . Als die Urkunde bereits ausgefertigt war, bemerkte man offenbar, daß man die Erwähnung einer Zollstätte vergessen hatte; denn zwischen Actum und Datum fügte man ein, daß das gräfliche Versprechen auch für den Zoll in Rösberg galt210. Beide Zölle wurden sicher nicht auf Märkten erhoben 211 , sondern erfaßten, wie schon aus dem nur für Transitzölle sinnvollen Verlegungsverbot deutlich wird, den Handelsverkehr der Aachener Kaufleute auf dem Landweg vom und zum Rhein. Eckendorf lag an der bedeutenden Aachen-Frankfurter Heerstraße, Rösberg an deren Abzweigung südöstlich von Düren in Richtung Bonn 212 .
2 0 7 SCHOLZ-BABISCH, Q u e l l e n , N r . 8 7 m i t A n m . 1.
208 Vgl. dazu ausführlich JAPPE ALBERTS, Lobith, S. 20 f. 209 quod fidelis noster Gerardus comes de Are in presentía nostra constitutus ex diligenti ammonitione nostra recognovit et manifeste confessus est theloneum illud in Eckendorf iniuste se occupasse et non rationabiliter possedisse et accepisse, quod scilicet theloneum idem Gerardus in predicto loco a mercatoribus et burgensibus nostris Aquensibus consuevit accipere. Promisit itaque in presentía nostra coram principibus et multis imperii fidelibus quod nec ipse nec aliquis vice vel loco ipsius aliquod de cetero in prenominato loco Eckendorf a mercatoribus et burgensibus nostris accipiet aut requiret hiis, qui prenominati sunt, theloneum, MEUTHEN, Aachener Urkunden, Nr. 4; vgl. Urkundenregesten I, Nr. 560. 210 Similiter per omnia dictum et promissum est de theloneo in Rudensberc, MEUTHEN, Aachener Urkunden, Nr. 4. 211 D i e s erwägt BÄCHTHOLD, Handel, S. 93; dagegen NOTTEBROCK, Heerstraße, S. 277. 212 Vgl. dazu grundlegend NOTTEBROCK, Heerstraße, S. 277, und die Karte S. 283. Eine in Eckendorf in nordöstlicher Richtung nach Muffendorf zum Rhein abzweigende via publica ist bereits 973 belegt ( M G H D O II, Nr. 50).
II. Zollstätten bis 1200
277
Weitere Quellen über die Hebestellen Eckendorf und Rösberg liegen bis zum Ende des 14. Jahrhunderts weder aus der Zeit der Grafen von Are noch ihren Rechtsnachfolgern seit der Hochstadener Schenkung 213 , den Kölner Erzbischöfen, vor. 1396 ist Rösberg als eine der zwölf kurkölnischen Geleitzollstationen genannt 214 , doch handelte es sich anscheinend um eine Neueinrichtung; denn dieser Ort, wie auch Mödrath, fehlte noch in der Liste der Hebestellen in dem 1389 zwischen dem Herzog von Jülich und dem Erzbischof von Köln abgeschlossenen Vertrag zur Erhebung eines Pferdegeldes 215 . Obgleich 1194 von einer generellen Aufhebung der beiden Zollstätten keine Rede war, sondern es um die Durchsetzung der schon vor der Jahrhundertmitte bestehenden und 1166 explizit bestätigten reichsweiten Aachener Zollfreiheit ging216, hatte dies doch möglicherweise denselben Effekt. Zieht man nämlich in Betracht, daß die Aachener wohl die stärkste Gruppe unter den Eckendorf und Rösberg passierenden Kaufleuten stellten, entfiel mit deren Zollfreiheit ein Großteil der Einnahmen. Der Kostenaufwand zum weiteren Unterhalt der Hebestellen mag den Grafen von Are danach zu hoch erschienen sein.
11.27/28 Werne und Lünen 1195 befreite Bischof Hermann von Münster die Leute des Stifts Cappenberg vom Marktzoll in seiner ganzen Diözese, namentlich zu Werne und Lünen 217 . Der Urkundentext nennt zweifelsfrei Zollabgaben, die bei Kauf und Verkauf auf dem forum erhoben wurden. Transitabgaben auf den Lippeverkehr, wie Seeger aus dem sinnverkürzten Regest Erhards schloß 218 , waren es daher mit Sicherheit nicht, auch wenn transportmittelbezogene Abgabenkomponenten durchaus bestanden haben können. Während für Werne bis zum Ende des Untersuchungszeitraums keine Hinweise auf Transitabgaben ermittelt werden konnten, ist ein Lünener Zoll wieder seit der
213 Vgl. dazu BADER, Are. Der Zollverzicht von 1194 wird bei ihr zwar mehrmals genannt (S. 210,256,279,373), aber nicht analysiert. 214 WINKELMANN, Acta Imperii II, Nr. 998 - REK X, Nr. 1016. 215 REK IX, Nr. 1756. 216 MGH D F I , Nr. 502, vgl. auch MEUTHEN, Aachener Urkunden, Nr. 2. Auffällig ist, daß in der Urkunde Heinrichs VI. kein direkter Bezug auf das Privileg hergestellt wird. Offenbar setzte man die Zollfreiheit der Aachener, die bereits 1145 bezeugt ist (MGH D Ko III, Nr. 136), als selbstverständlich voraus. 217 Pervenit ad nos novam pullulasse consuetudinem apud Werne et Lünen, ut ab hominibus Cappenbergensi ecclesie attinentibus vel agros fratrum colentibus, quando veniunt emere et vendere thelonium exigatur ... scire volumus ... mandasse, ut in omni foro per nostram dyocesim presertim apud Werne et Lünen homines, qui sunt de familia fratrum Capenbergensium, vel coloni eorum ab omni thelonei exactione liberi et immunes existant, BOCKHORST/NIKLOWITZ, U B L ü n e n , N r . 2 7 .
218 Vgl. SEEGER, Handel, S. 68, nach ERHARD, Reg. Hist. Westf. II, Nr. 2342.
278
C. Zollstätten in den Rheinlanden bis 1500
Mitte des 14. Jahrhunderts faßbar. Der 1347 nach dem Ankauf des Zolls durch die Stadt Dortmund aufgezeichnete Zolltarif 219 läßt starke Parallelen zur Dortmunder Zollrolle von ca. 1330 erkennen 220 . Auch in Lünen wurden nur rund zwei Monate im Jahr (Febr. 1 bis Febr. 28; März 24 bis April 30)221 Abgaben erhoben, die nach dem Zolltarif eindeutig den Transitverkehr zu Land betrafen 222 . Zwar ist der Verkaufsurkunde zu entnehmen, daß der Lünener Zoll seit längerer Zeit bestand - er gehörte ursprünglich zu den Einkünften des Dortmunder Grafen und war von diesem verpfändet worden, auch waren drei ehemalige Zöllner unter den Zeugen - , jedoch ist die Kontinuität zum Münsteraner theloneum fraglich. Die Stadt Dortmund verfügte noch 1425 über den Zoll223.
11.29
Bingen
In Bingen bestand schon in staufischer Zeit ein ausdifferenziertes Abgabensystem, das in seinen Grundzügen bis zum Ausgang des Mittelalters 224 erhalten blieb. Erste Hinweise auf eine Zollerhebung gibt das gegen Ende des 12. Jahrhunderts verfaßte Lehnsverzeichnis Werners II. von Bolanden, worin als dessen mainzische Lehen u. a. theloneum quoque panis et animalium in Pinguia et iusticiam plaustri Pinguie225 genannt werden. Ob darunter Transitabgaben waren, geht aus dem Text nicht eindeutig hervor. Den Brotzoll wird man ohne weiteres als marktbezogene Abgabe deuten können. Bei dem Viehzoll ist die Einstufung schon problematischer. Vielleicht wurde damit der Viehhandel auf dem Binger Markt besteuert; denkbar ist aber auch ein Durchgangszoll auf den Viehtrieb oder eine Kombination beider Abgabeformen. Unter der iusticia plaustri dürfte dagegen kein Transitzoll zu verstehen sein, sondern, wie aus dem Vergleich mit einer späteren, volkssprachlichen Fassung des Lehnsverzeichnisses erkennbar wird, ein Recht zur Einforderung (einer Warenladung?) bestimmter Naturalien 226 .
2 1 9 RÜBEL, D o r t m u n d e r U B I, N r . 6 3 1 . V g l . BOCKHORST/NIKLOWITZ, U B L ü n e n , N r . 1 6 8 .
220 RÜBEL, Dortmunder UB II, Nr. 456. 221 Dieser Zeitraum deckte sich bis auf einen Tag mit dem des Dortmunder Zolls. Vgl. oben S. 238 f. 222 Vgl. z. B.: Item quilibet equus in vectura, qua vehitur butirum, solvit unum denarium, RÜBEL, Dortmunder UB I, Nr. 631. 223 Hans. UB VI, Nr. 583. 224 Vgl. für das 15. und 16. Jahrhundert REIDEL, Bingen, bes. S. 121-124. 225 SAUER, Lehnsbücher, S. 20; Mainzer UB II.2, Nr. 691, S. 1130. Gegenüber Sauers Datierung 1194/1198 (so auch ACHT, Vorbemerkung zu Mainzer UB II.2, Nr. 691) hält ECKHARDT, Lehnbuch, S. 326, eine Abfassung 1189/1190 für wahrscheinlich. 226 den zol des brodes unde der dyere zu Byngen und daz recht off den foder haves, holzes, stroes, SAUER, Lehnsbücher, S. 56 Anm. 96.
279
II. Zollstätten bis 1200
Fünfzig Jahre später verfügten die Mainzer Erzbischöfe über die unter dem Binger Zolltitel gefaßten verschiedenen Abgaben. 1247 bestätigte Siegfried III. von Eppstein, daß dem Mainzer Domkapitel jährlich 12 Pfund in theloneo, in moneta et in porta Pingen zustanden 227 . Sein zweiter Nachfolger Wildgraf Gerhard erkannte 1253 in zwei Urkunden Gefälle des Mainzer Domkapitels in gleicher Höhe de theloneis Pinguensibus
et moneta bzw. de theloneis et moneta in Pinguia27S
an. G e g e n ü b e r d e m
Lehnsverzeichnis fällt auf, daß 1247 eine an der porta erhobene Abgabe genannt wurde, die man sechs Jahre später offenbar unter den thelonea subsumierte. Weitere Quellen über die Erhebung von Zollabgaben in Bingen liegen erst wieder für das 14. Jahrhundert vor. 1326 ist ein Binger Zollschreiber bezeugt 229 . Drei Jahre später befreite Erzbischof Balduin von Trier als Provisor des Mainzer Erzstifts das Kloster Marienhausen von den Rheinzöllen Mainz, Geisenheim, Bingen, Ehrenfels und Lahnstein 230 . 1342 übertrug der Mainzer Erzbischof Heinrich den Binger Zoll für 300 kleine Gulden, die in zwei Jahresraten fällig waren, an die Binger Juden Abraham von Kreuznach und Salman231. Mithin dürfte der jährliche Ertrag bei ca. 150 kleinen Gulden gelegen haben. 1368 verschrieb Erzbischof Gerlach den Binger Viehzoll auf ein Jahr für 200 Gulden an einen dortigen Bürger 232 . Nach dem 1390 aufgezeichneten Urbar des Mainzer Erzstifts für das Viztumamt Rheingau bestanden in Bingen ein theolonium Reni im Wert von ca. 150 Pfund Heller jährlich und ein theoloneum Gauportin mit einem Ertrag von ca. 50 Pfund Heller 233 . Im 15. Jahrhundert sind im Besitz des Mainzer Domkapitels regelmäßig zwei getrennt verwaltete Binger Zölle belegt234, nämlich ein »Rheinzoll« und ein »Viehzoll«. Letzterer war wohl mit dem Zoll an der Gaupforte identisch, da entweder Rheinund Gaupfortenzoll oder Rhein- und Viehzoll zusammen genannt sind. Die Abgabe hatte zwar ihren Namen wahrscheinlich von den zum überregionalen Binger Viehmarkt 235 getriebenen Herden erhalten, gleichwohl waren auch die Einfuhr von Faßreifen 236 und die Durchfuhr von Wein 237 zollpflichtig. Es handelte sich demnach
2 2 7 B A U R , H e s s . U r k . II, N r . 1 0 5 . BÖHMER/WILL, R E M 11.33, N r . 6 1 5 . 2 2 8 SAUER, C o d e x N a s s a u 1.1, N r . 5 8 9 -
BÖHMER/WILL, R E M 11.35, N r . 5 5 ( 1 2 5 3 M a i 9 ) ;
B A U R , H e s s . U r k . II, N r . 1 2 4 - BÖHMER/WILL, R E M 11.35, N r . 6 0 ( 1 2 5 3 M a i 2 2 ) . 2 2 9 VOGT, R E M 1.1, N r . 2 7 3 9 . 2 3 0 OTTO, R E M 1.2, N r . 3 0 5 9 . 2 3 1 OTTO, R E M 1.2, N r . 4 8 4 5 . 2 3 2 VLGENER, R E M II.2, N r . 2 3 8 1 .
233 Vgl. STRUCK, Urbar, S. 57. 234 Bei REIDEL, Bingen, S. 121 ff., werden die Begriffe nicht erläutert. 235 Vgl. dazu den Fall der Beraubung Frankfurter Viehhändler, die auf dem Weg zum Binger Viehmarkt waren, im Jahr 1468 (DEMANDT, Reg. Katz. II, Nr. 5530, 5531, 5532, 5540).
236 HERRMANN/KNIES, Mainzer Domkapitelsprotokolle I, Nr. 1073 (1474 April 21). 237 HERRMANN/KNIES, Mainzer Domkapitelsprotokolle I, Nr. 1265 (1480 Jan. 11); vgl. dazu auch ebd., Nr. 1163 (1477 Nov.).
280
C. Zollstätten in den Rheinlanden bis 1500
(zumindest z. T.) um eine Transitabgabe auf den Landverkehr, die man wohl als das theloneum animalium vom Ende des 12. Jahrhunderts bzw. als den 1247 an der porta Bingen erhobenen Zoll identifizieren kann. Der Terminus »Rheinzoll« ist einigermaßen rätselhaft. Um eine Transitabgabe auf den Rheinverkehr wie im herkömmlichen mittelalterlichen und modernen Wortsinn kann es sich nicht gehandelt haben; denn dafür fehlt bis auf das oben zitierte Privileg aus dem Jahr 1329 jeder Hinweis238. Die zahlreichen von den Mainzer Erzbischöfen ausgestellten Zollprivilegien nennen - bis auf diese Ausnahme - immer nur Ehrenfels und Lahnstein als Zollstätten unterhalb von Mainz. In keiner Liste der mittelrheinischen Rheinzölle taucht Bingen auf. Vermutlich handelte es sich daher um eine für die Benutzung der bereits 983239 bezeugten Binger Rheinfähre erhobene Abgabe.
11.30
Erkelenz-Östrich
Das vor dem Ende des 12. Jahrhunderts verfaßte Güterverzeichnis des Aachener Marienstifts führt zu Erkelenz-Östrich Einkünfte in Höhe von vier Schilling de theloneo auf 240 . Mit Flink wird man den Zoll mit der in der Rechnung des geldrischen Drosten 1294 als theloneum in die beatorum Symonis et Jude241 bezeichneten Abgabe gleichsetzen können, die offensichtlich im Zusammenhang mit dem Erkelenzer Simon und Judas-Markt am 28. Oktober, dem ältesten und bedeutendsten Markt vor der Stadt, erhoben wurde242. Dagegen sind Transitabgaben in oder bei Erkelenz bis zum Ende des Untersuchungszeitraums nicht bekannt.
238 Es ist freilich nicht auszuschließen, daß Bingen während der kurzen Phase des mainzischen Rheinzollbesitzes um 1250 als Hebestelle genutzt wurde. Vgl. dazu unten S. 630 ff. 239 MGH D O II, Nr. 306. SOMMERLAD, Rheinzölle, S. 31, hat aus diesem naulum an Rhein und Nahe ohne jeden stichhaltigen Beleg einen Rheinzoll erschlossen. Seine völlig haltlose Grundannahme, daß an allen Verkehrshindernissen Rheinzölle erhoben worden seien, hat am Beispiel Bingens ausführlich BORCHERS, Untersuchungen, S. 27-30 widerlegt. 240 MEUTHEN, Aachener Urkunden, Nr. 47. 241 MEIHUIZEN, Rekening, S. 4.
242 Vgl. FLINK, Erkelenz.
III.
Zollstätten bis 1300
III.l
Thurandt
Ein Zoll bei der um 1200 durch den weifischen Pfalzgrafen Heinrich erbauten Burg Thurandt 1 an der Untermosel ist durch dessen Zollbefreiung für die Abtei Himmerod aus dem Jahr 1209 erstmalig belegt, ohne daß aus der Urkunde unmittelbar die Art der Abgabe hervorgeht 2 . Die Feste wurde vom Kölner Erzbischof Engelbert von Berg 1216/1217 erobert und durch einen Turm gesichert3; ein päpstliches Mandat, das der erste wittelsbachische Pfalzgraf Otto 1218 dagegen erwirkte 4 , blieb ohne Erfolg. Erst als Engelberts Nachfolger Heinrich von Müllenark 1230 Ottos Hilfe gegen den Herzog von Limburg benötigte, wurde zumindest die Hauptburg Thurandt wieder pfalzgräflich5. Acht Jahre später - vermutlich während der Vakanz auf dem Kölner Erzstuhl im März/April 12386 - brachte der Pfalzgraf auch den kölnischen Turm durch List in seinen Besitz, löste damit aber eine Fehde mit dem neuen Erzbischof Konrad von Hochstaden aus. Der im Oktober für das Winterhalbjahr 1238/1239 ausgehandelte Waffenstillstand erkannte den Status quo in Thurandt an. Nicht ganz eindeutig ist, ob die allgemein formulierte pfalzgräfliche Zusicherung, die Weintransporte der kölnischen Vasallen und Ministerialen frei passieren zu lassen, auf eine Zollerhebung zu Thurandt deutet oder lediglich den Verzicht auf Beschlagnahme meinte 7 .1243 kam es zu einer Übereinkunft zwischen beiden Parteien, wobei Konrad den Pfalzgrafen wieder mit den am Rhein gelegenen Burgen Stahlberg und Fürstenberg belehnte, die dieser ebenso wie Burg Stahleck als kölnische Lehen halten sollte. Der Kölner verzichtete seinerseits auf alle beanspruchten Rechte an der Burg Thurandt. Allerdings sollte von dieser und den anderen drei Burgen aus kölni-
1
2 3 4 5 6
7
Von der Erbauung Thurandts berichten die Gesta Treverorum (MGH SS XXIV, S. 390). Zu den politisch-militärischen Hintergründen des staufisch-welfischen Thronstreits vgl. GERSTNER, Pfalzgrafschaft, S. 111 f. Siehe zum folgenden auch BODSCH, Burg, S. 131 ff., 237, wo allerdings nicht auf den Zoll eingegangen wird. Remisimus etiam eis theloneum apud Thurun, MRUB II, Nr. 245. REK III.l, Nr. 185. Vgl. dazu LOTHMANN, Engelbert, S. 126-129. MRUB III, Nr. 83 - REK III.l, Nr. 205. MRUB III, Nr. 403 - REK III.l, Nr. 707. Entweder mußte der Erzbischof 1.200 Mark zahlen oder die Burg ausliefern. Aus späteren Quellen geht hervor, daß er letzteres tat. WAITZ, Chron. regia cont. IV, S. 272 - REK III.l, Nr. 887, dort eingereiht zu Januar 1238. Naheliegender ist aber, daß der Pfalzgraf den Tod Erzbischof Heinrichs zu einem Fait accomplit ausnutzte. quod ecclesie Coloniensis vasalli et ministeriales ecclesie Coloniensis vina sua in dominio ducis dicti sita libere percipient et deducent, WINKELMANN, Acta Imperii I, Nr. 658 REK III.l, Nr. 923.
282
C. Zollstätten in den Rheinlanden bis 1500
sehen Untertanen oder Kirchen kein Unrecht zugefügt werden; insbesondere von Zollabgaben waren sie dort zu verschonen 8 . Von Dauer war die Vereinbarung jedoch nicht, da Thurandt eine wichtige Rolle in den Kämpfen der Endphase der staufischen Herrschaft spielte. Nach fast zweijähriger Belagerung durch den Trierer Erzbischof Arnold von Isenburg, der zuletzt auch von seinem Kölner Amtsbruder Konrad von Hochstaden unterstützt wurde, mußte die pfalzgräfliche Besatzung im September 1248 kapitulieren. Die Burg kam zunächst in die Obhut Graf Heinrichs von Luxemburg und wurde dann durch eine Zwischenmauer in eine kölnische und eine trierische Hälfte geteilt9. Dabei blieb es in der Folgezeit, obgleich die Pfalzgrafen noch 1262 gegen Köln und 1273/1276 gegen Trier Ansprüche auf Thurandt erhoben 10 . Während sich die wechselnden Besitzverhältnisse auf der Burg recht gut nachvollziehen lassen, ist man für den Zoll weitgehend auf indirekte Hinweise angewiesen. Abgesehen von der Zeit des kölnischen Besitzes, aus der keine Zollerhebung bekannt ist, scheint aber bei Thurandt in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts eine pfalzgräfliche Zollstelle bestanden zu haben, die vermutlich den Transit auf der Mosel erfaßte. Denn sowohl für das Eifelkloster Himmerod als auch für die zahlreichen Besitzungen der Kölner Klöster und Stifter in diesem Raum war vor allem die zollfreie Passage Thurandts wichtig, kaum jedoch eine sonst nicht belegte marktbezogene Abgabe an der Untermosel. Auch die Terminologie der Kölner Königschronik weist auf einen Transitzoll. Der vierte Fortsetzer der Chronik charakterisierte Thurandt in seinem Bericht zur Inbesitznahme der Burg durch Erzbischof Engelbert als latibulum predonum, dessen Erwerb ad maximum commodum ecclesiarum gewesen sei11. Ähnliche Worte für Thurandt - latibulum predonum et malleus transeuntium - fand auch der fünfte Fortsetzer, um die Eroberung von 1248 zu rechtfertigen 12 . Beides waren möglicherweise nur - aus heutiger Sicht - etwas verklausulierte Umschreibungen für eine nicht als legitim anerkannte Abgabenerhebung; denn die pejorative Gleichsetzung eines unrechtmäßigen Zolls mit Raub war seit frühstaufischer Zeit völlig geläufig13.
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de ipso vero castro Thurun et aliis tribus antedictis nullum dampnum, nulla iniuria irrogabitur nobis, nostris hominibus, prioribus et ecclesiis conventualibus Coloniensis civitatis et diocesis, nec theloneum a nobis et a predictis apud castra omnia predicta reeipient, MRUB III, Nr. 778 - REK III.l, Nr. 1099.
9
R E K I I I . l , N r . 1 4 1 6 , 1 4 2 1 . V g l . DEMANDT, E n d k a m p f , S. 1 3 6 , 1 4 6 .
10
R E K III.2, N r . 2 2 1 3 ; R P R I, N r . 8 9 2 , 9 6 5 . Z u T r i e r s i e h e BODSCH, B u r g , S. 1 3 3 f.
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WAITZ, Chron. regia cont. IV, S. 257. WAITZ, Chron. regia cont. V, S. 294. Dazu nur wenige Beispiele: 1157 verfügte Barbarossa die Aufhebung unrechter Mainzölle, durch die die Händler beraubt würden (nova et inconsueta omnique ratione carentia thelonea per plurima loca a mercatoribus exigerentur eademque occasione frequentibus exspoliarentur mercatores, MGH D F I, Nr. 165 - URKUNDENREGESTEN I, Nr. 350). Nach dem Mainzer Reichslandfrieden von 1235 war der Besitzer eines unrechtmäßigen
III. Zollstätten bis 1300
283
Seitdem Thurandt 1248 kölnisch-trierischer Samtbesitz geworden war, gibt es keinen Hinweis mehr auf einen Moselzoll.
III.2
Diez
1213 verlieh König Friedrich II. Graf Gerhard von Diez einen Zoll zu Diez, den der Herrscher auf zwei Denare Diezer Münze von einem Wagen mit Wein bzw. auf einen Denar pro Scheffel Getreide fixierte 14 . Nicht ganz klar ist, um welche Art Zoll es sich hier handelte. Während der nach dem Transportmittel berechnete Weinzoll eine Transitabgabe auf den Landverkehr gewesen sein dürfte, ist dies bei dem Kornzoll, der eine Bemessung der Ware in kleineren Quantitäten des Detailhandels vorsah, eher unwahrscheinlich; zumindest findet sich eine solche Tarifierung nicht an anderen mittelalterlichen Landzöllen des Untersuchungsraums. Möglicherweise war daher eine kombinierte, unter einen Rechtstitel gefaßte Abgabe auf den Transit- und Marktverkehr gemeint, deren Höhe jeweils exemplarisch für Wein bzw. Getreide festgesetzt wurde. Erst seit der Mitte des 14. Jahrhunderts liegen wieder Nachrichten über einen Diezer Zoll vor, der nun eindeutig als Landzoll einzustufen ist15. Fast ein Jahrhundert später waren die Grafen von Katzenelnbogen in den Besitz der Grafschaft Diez und damit auch des Zolls gelangt. Eine für das Jahr 1445/1446 erhaltene Kellnereirechnung 16 läßt erkennen, daß er an der Diezer Lahnbrücke eingefordert wurde.
(Transit-)Zolls als predo et populator strate publice zu strafen (MGH Const. II, Nr. 196). Rudolf von Habsburg prangerte 1281 unrechte Zölle an, die man besser Räubereien nenne (iniqua thelonia que rapine seu spolia veriori nomine nuncupantur in subversionem pacis et patrie, URKUNDENREGESTEN III, Nr. 236). Und die Gesta Treverorum berichten zum Zollstreit zwischen der Stadt Trier und dem Grafen von Luxemburg zu 1299/1300, daß der Graf in Grevenmacher eine Burg erbaut, sie mit Zöllnern und Räubern (!) besetzt und von dort aus den Moselverkehr ohne Gnade ausgeplündert habe (Comes edificare cepit quoddam Castrum in quadam insula fluminis Moselle iuxta villam dictam Machra, ponens ibi thelonarios et predones, qui indifferenter religiosos et peregrinos, mercatores ac alios quoscumque per alveum Moselle navigantes, timore Dei postposito, sine misericordia spoliabant, MGH SS XXIV, S. 486). 14 indulsimus ei, ut apud Diets theloneum a concessione nostra et nostrorum habeat successorum Romanorum regum et imperatorum, scilicet de plaustro vini dúos denarios sue monete et de modio cuiuslibet biave unum tantum denarium erit accepturus, et hanc non exceda t quantitatem, WINKELMANN, Acta Imperii I, Nr. 118. 15 1353 verbot Karl IV. Graf Gerhard von Diez, von den Bewohner der zu Kurtrier gehörenden Stadt Montabaur zu Diez und Camberg Zoll zu erheben (URKUNDENREGESTEN VI, Nr. 462). 1356 bestätigte der Herrscher ihre Zollfreiheit, besonders auf dem Weg von und nach Mainz, Frankfurt und Friedberg mit ihren gewanden und guten (MGH Const. XI, Nr. 687). 16 DEMANDT, Reg. Katz. III, Nr. 6146.
284
C. Zollstätten in den Rheinlanden bis 1500
Bemerkenswert ist dabei die gesonderte Verbuchung eines Zolls auf Weinwagen, in dem man möglicherweise einen direkten Nachfolger des 1213 verliehenen Abgabentitels zu sehen hat.
111.3
Saarburg
Das 1215/1217 entstandene Einkünfteverzeichnis der Trierer Erzbischöfe, der Liber annalium iurium, vermerkt zu Saarburg die medietas thelonei aque et fori11. Weitere Quellen über den Saarburger Zoll sind zwar erst seit der Mitte des 14. Jahrhunderts überliefert - inzwischen gehörte er ganz zum Trierer Erzstift Hinweise auf eine zwischenzeitliche Einstellung der Zollerhebung gibt es jedoch nicht. 1354 bestätigte Karl IV. Erzbischof Balduin von Trier die Rheinzölle Koblenz und Boppard, den Moselzoll Cochem sowie das thelonium super Saram in Sarburgl%. Die Urkunde läßt keinen Zweifel daran, daß es sich bei Saarburg um einen Transitzoll auf den Saarverkehr handelte. Ebenso wird man das theloneum aque im Einkünfteverzeichnis einstufen können, wobei die Möglichkeit eines Fährzolls oder einer Schiffsabgabe auf den Warenumschlag für diese Zeit freilich nicht völlig auszuschließen ist. Der Ertrag des Saarzolls war in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts durchaus beachtlich. Wie aus einer Pfandverschreibung von 1463 erhellt, rechnete man mit jährlichen Einkünften von mindestens 75 Gulden 19 .
111.4
Wittlich
Auch der Wittlicher Zoll ist erstmalig im Liber annalium iurium belegt, demzufolge dem Trierer Erzbischof zwei Drittel de foro Witlich et de theloneo zustanden 20 . Das restliche Drittel erhielten wahrscheinlich die Herren von Malberg als luxemburgische Vögte von Wittlich21, bis 1280 Erzbischof Heinrich von Finstingen die Vogtei erwerben konnte 22 . Als der Erzbischof Dieter von Nassau 1300 Wittlich Stadtrecht verlieh 23 , behielt er sich explizit eine Reihe von Einkünften vor, darunter eine jähr-
17 18 19 20 21 22 23
M R U B II, Nachträge Nr. 15, S. 396. Der Besitzer der anderen Hälfte wird nicht genannt. LÜDICKE, Sammelprivilegien, S. 397 f. - RI VIII, Nr. 1728. RET, S. 216. M R U B II, Nachträge Nr. 15, S. 421. Vgl. PETRY, Wittlich I, S. 118. M R R I V , Nr. 676; vgl. dazu PETRY, Wittlich I, S. 126 f. Vgl. dazu jetzt REICHERT, Wittlich, mit ausführlicher Diskussion der Genese des Privilegs.
III. Zollstätten bis 1300
285
liehe Abgabe von 12 Denaren pro Marktstand, und verfügte generell: thelonia etiam omnia dicti fori et civitatis ad nos et ad nostros successores perpetuo pertinebunt24. Zwar geht aus dem Urbar und der Urkunde eindeutig hervor, daß in Wittlich Marktabgaben erhoben wurden, deren Einkünfte Dieter sich und seinen Nachfolgern auf Dauer erhalten wollte, unklar ist jedoch, ob auch ein Landzoll zu den thelonia civitatis zählte, da die entsprechenden Passagen in beiden Quellen verschieden gedeutet werden können: Bei den im Liber genannten Einkünften de foro Witlich ist nicht erkennbar, ob hier der Ertrag einer vom theloneum verschiedenen Abgabe auf den Markthandel gemeint war, ob also zwei Zölle existierten, von denen einer ein Landzoll war25, oder ob darunter andere marktbezogene Einkünfte, etwa aus der Marktgerichtsbarkeit, verstanden wurden, zu denen noch ein Wittlicher (Markt-)Zoll kam. Da im Urbar bei Merzig und Saarburg jeweils explizit Markt- und Transitzoll unterschieden werden 26 , scheint die letztere Möglichkeit, daß nämlich in Wittlich zu Beginn des 13. Jahrhunderts - zumindest nach Aussage dieser Quelle - nur ein marktbezogener Zoll existierte, die größere Wahrscheinlichkeit beanspruchen zu können. Auch der Urkunde von 1300 lassen sich direkt nur solche Abgaben entnehmen. Ein in der Literatur aufgrund einer »günstigen Verkehrslage« von Wittlich27 bereits für diese Zeit angenommener Transitzoll28 ist dagegen erst seit 1427 nachweisbar 29 . Verstärkte Bedeutung erhielt er, seit der Trierer Erzbischof Johann 147130 in Wittlich einen bereits 1442 durch König Friedrich verliehenen 31 , aber offenbar nicht realisierten Landzoll von einem Gulden pro Fuder Wein erhob.
24
30
M R R I V , Nr. 3085, der Text ist mit deutscher Übersetzung gedruckt bei PETRY, Wittlich I, S. 141-144. Dies erwägt REICHERT, Wittlich, S. 37 Anm. 52. PETRY, Wittlich I, S. 118, und DERS., Verkehrslage, S. 282, geht ohne weitere Diskussion von einem Transitzoll aus. Merzig: Vniuersum theloneum tarn de foro quam de nauibus est archiepiscopi. Nauim dabit archiepiscopus ad transuehendum homines. inde dantur maldra auene .XV. uel amplius si potest haberr, Saarburg: medietas thelonei aque et fori spectat ad [archijepiscopum, MRUB II, Nachträge, Nr. 15, S. 394 bzw. 396. Vgl. vor allem PETRY, Verkehrslage; DERS., Wittlich I, S. 107-109. Die einschlägigen Belege für eine Etappenfunktion Wittlichs stammen vor allem aus dem Umfeld des erzbischöflichen Hofes. Nur mit Vorsicht wird man daraus auf entsprechend dichten Handelsverkehr schließen dürfen. Selbst wenn ein solcher - nach genauer Prüfung der Überlieferung und sorgfältiger zeitlicher Differenzierung - schon für das 13. und frühe 14. Jahrhundert nachzuweisen wäre, folgt daraus keineswegs zwangsläufig die Existenz eines Transitzolls. So jetzt auch REICHERT, Wittlich, S. 37. 1427 März 25 belehnte Erzbischof Otto Wilhelm von Wilsecker mit Einkünften zu Eyngendorf die ihm dieser bei Ablösung seiner sechs Gulden Manngeld aus dem Zoll Wittlich aufgetragen hatte (RET, S. 157). LHAKo 1 A, Nr. 8531.
31
L H A K o 1 A , Nr. 8094.
25 26
27
28 29
286
C. Zollstätten in den Rheinlanden bis 1500
III.5
St. Goar/Rheinfels
Im Jahr 1219 befreite Graf Dieter IV. von Katzenelnbogen das Zisterzienserkloster Eberbach von allen Zollabgaben zu St. Goar für Schiffe in beiden Fahrtrichtungen sowie für Wagen zu Lande, sofern diese Transporte keine fremden Güter oder Kaufmannswaren enthielten 32 . Während ein St. Goarer Landzoll nur noch einmal in den Quellen auftaucht, nämlich bei der Bestätigung dieser Zollfreiheit im Jahr 125233, war der Transitzoll auf den Rheinverkehr - als solcher ist er bereits 1219 klar erkennbar - eine der Hauptquellen, aus denen die Grafen von Katzenelnbogen den Auf- und Ausbau ihres Territoriums finanzierten, und noch 1479 stellte er für ihre Erben, die Landgrafen von Hessen, einen der wichtigsten Katzenelnbogener Vermögenswerte dar 34 . Fraglich ist jedoch, ob der Rheinzoll bereits in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts kontinuierlich bestanden hat; denn nach 1219 liegen für über 30 Jahre keine Quellen über eine Katzenelnbogener Rheinzollerhebung vor, bis Graf Dieter V. von Katzenelnbogen 1252 dem Kloster Eberbach für den Zoll Rheinfels, benannt nach der 1245 erbauten Burg bei St. Goar 35 , das Zollprivileg seines Vorgängers bestätigte 36 . 1256 wurde Rheinfels (erfolglos) vom Rheinischen Bund belagert, weil der Graf, der ihm seit 1255 angehörte 37 , nach Angabe der Wormser Annalen »den Frieden gegenüber Mainzer Bürgern verletzt hatte« 38 . Da die Abschaffung der thelonea iniusta ein zentraler Bestandteil des vom Rheinischen Bund errichteten Landfriedens war39, hat bereits Demandt angenommen, daß die Belagerung von Rheinfels deren Funktion als Zollburg galt. Demandt zufolge richtete sich die Aktion jedoch nicht gegen den Zoll an sich, den er als »einen der wenigen echten alten rheinaufwärtigen Transportzölle« einstufte, sondern nur gegen übersteigerte Zollforderungen des Grafen 40 . Dies ist jedoch keineswegs sicher; denn schon Demandts Grundannahme, daß die »echten« alten Transitabgaben am Rhein nur als Transportmittelzölle bei Bergfahrt erhoben wurden, ist nicht haltbar - ganz abgesehen davon steht fest, daß
32
DEMANDT, R e g . Katz. I, Nr. 72.
33
DEMANDT, R e g . Katz. I, Nr. 108.
34
35
Vgl. dazu vor allem REICHERT, Finanzpolitik, S. 50-73, ferner den Überblick von DEMANDT, Grafenhaus, S. 69-73, sowie seine große Quellenedition DEMANDT, Rheinzollerbe. Vgl. dazu DEMANDT, Anfänge, S. 35 mit Anm. 155.
36
DEMANDT, R e g . Katz. I, Nr. 108.
37 38
39
MGH Const. II, Nr. 428 VI. Anno 1256 in vigilia omnium sanctorum Diether comes de Catzenelnbogen violavit pacem in civibus Moguntinensibus. Civitates vero obsederunt Castrum suum Rhinfels super Rhenum. Que expeditio constat cives Wormatienenses duo milia marcarum, Annales Wormatienses, MGH SS XVII, S. 59 - DEMANDT, Reg. Katz. I, Nr. 121 mit weiteren Quellenangaben. Vgl. VOLTMER, Rheinischer Bund, S. 119 f.
40
V g l . DEMANDT, A n f ä n g e , S. 35 m i t A n m . 155.
III. Zollstätten bis 1300
287
gerade in St. Goar bereits 1219, als der Zoll zum ersten Mal quellenkundig wird, Berg- und Talfahrt, Schiff und Ladung mit Abgaben belegt waren. Vor diesem Hintergrund halten wir eine andere Genese des Katzenelnbogener Rheinzolls für wahrscheinlicher: Der Rheinzoll bei St. Goar wurde während des Thronstreits (1198-1218) eingerichtet41, konnte aber von Graf Dieter IV. von Katzenelnbogen nach 1219 nicht behauptet werden. Am wahrscheinlichsten dürfte dies dem 1235 verkündeten Mainzer Reichslandfrieden zuzuschreiben sein, der die Niederlegung aller seit dem Tod Heinrichs VI. (1197) errichteten Zölle vorsah, deren Rechtmäßigkeit vom Kaiser nicht anerkannt wurde42. Eine entsprechende kaiserliche Legitimierung des Zolls hat der Graf - anders als der Pfalzgraf für Bacharach 43 anscheinend nicht erlangt. Erst der tatkräftige Graf Dieter V. von Katzenelnbogen hat die wechselvolle politisch-militärische Lage des staufischen Endkampfs am Mittelrhein zur Wiedereinrichtung des Zolls genutzt und vor allem auch zur Sicherung der Hebestelle 1245 die Burg Rheinfels erbaut. Besser als eine bloße Zollerhöhung erklärt wohl eine solche Neuerrichtung, warum der Rheinische Städtebund derart große Anstrengungen 44 zur Ausschaltung von Rheinfels unternahm. In diesem Fall entsprachen die bei Rheinfels erhobenen Abgaben durch ihre Genese genau dem Typus des durch die Wirren des Endkampfs 45 ermöglichten theloneum iniustum, dessen Bekämpfung zu den wichtigsten Zielen des Bundes gehörte. Dem steht nicht entgegen, daß Erzbischof Werner von Mainz und Pfalzgraf Ludwig in ihrem 1264 geschlossenen Landfrieden Graf Dieter V. den Zoll eo iure garantierten, wie ihn dessen Vater erhoben hatte; denn von einer kontinuierlichen oder unbestrittenen Erhebung war keine Rede. Vielmehr zeigt die daran anschließende Bestimmung, daß der Graf nicht gegen den Frieden verstoße, wenn er etwas gegen die ihm feindlich gesonnenen Städte unternähme, daß letztere sich offenbar immer noch nicht mit dem Katzenelnbogener Rheinzoll abgefunden hatten. Auf Dauer blieb ihnen freilich nichts anderes übrig, da man einen vergleichbaren Fehlschlag wie 1256 offenbar nicht noch einmal riskieren wollte. Bis zum Ende des Untersuchungszeitraums wurde bei St. Goar ohne nachweisbare Unterbrechung Rheinzoll erhoben. Weder der Wormser Landfrieden von 1269, der für eine Reihe anderer mittelrheinischer Hebestellen das Ende bedeutete 46 , noch die
41 42
43 44 45 46
Vgl. zur Diskussion der verschiedenen Möglichkeiten unten S. 666 f. MGH Const. II, Nr. 196; vgl. dazu unten S. 368 f. REICHERT, Finanzpolitik, S. 50, erkennt demgegenüber - ohne Problematisierung der Quellenlücke und der späteren Konflikte mit dem Rheinischen Bund - keine Beeinträchtigung durch den Landfrieden. Vgl. unten S. 288 f. Die letztendlich erfolglose monatelange Belagerung kostete nach dem Bericht der Annales Wormatienses allein die Stadt Worms 2.000 Mark (MGH SS XVII, S. 59). Vgl. die umfassende Darstellung von DEMANDT, Endkampf, und VOLTMER, Rheinischer Bund, S. 117-120. Vgl. unten S. 402 ff.
288
C. Zollstätten in den Rheinlanden bis 1500
Zollmaßnahmen König Albrechts von 1301/130247 hatten nachhaltige Auswirkungen auf den Bestand des St. Goarer Rheinzolls. Selbst Graf Wilhelm von Katzenelnbogen, der - anders als der königstreue Graf Eberhard - im Zollkrieg auf der Seite des Mainzer Erzbischofs gestanden hatte 48 , verfügte spätestens seit Herbst 130449 wieder über seinen St. Goarer Zollanteil. Die Existenz des Zolls an sich dürfte ohnehin nie in Gefahr gewesen sein, da auch die königstreuen Mitglieder des Grafenhauses daran beteiligt waren.
III.6
Siegen
Im Jahr 1224 übertrug Graf Heinrich von Nassau die Hälfte von Münze, Zoll und allen Gerechtsamen in der Stadt Siegen Erzbischof Engelbert und der Kölner Kirche 50 . Über den Charakter dieses Zolls, von dem nur wenige Quellen vorliegen, ist kaum etwas bekannt. Nach dem 1306/1308 erstellten Verzeichnis der erzbischöflichen Einkünfte im Herzogtum Westfalen erbrachte der nicht näher charakterisierte halbe Zoll jährlich 4 Mark 4 Schilling und war als Burglehen vergeben 51 . Da man in dieser Quelle Landzölle offenbar explizit als solche kennzeichnete 52 , wurde in Siegen wohl kein Transitzoll erhoben, zumal auch spätere Quellen darauf keine Hinweise geben. Die Abgabe war demnach vermutlich marktbezogen.
III.7
Bacharach
Im März 1225 oder 1226 teilte Pfalzgraf Ludwig seinem Bacharacher >Amtmann< mit, daß er Schiffe und Güter des Klosters Eberbach von Zollabgaben auf dem Rhein befreit habe 53 . Die Anfänge des hier erstmalig nachweisbaren Rheinzolls
47 48 49 50
51
52
53
Vgl. unten S. 461 ff. Vgl. dazu DEMANDT, Anfänge, S. 61 ff. DEMANDT, Reg. Katz. I, Nr. 460,461. quod opidi Sige de nouo constructi Comes Nassowensis in moneta, teloneo et omni iure suo medietatem nobis et ecclesie b. Petri Coloniensis libere contradidit et absolute, LAC. II, Nr. 120 - REK III.l, Nr. 432. Vgl. dazu LOTHMANN, Engelbert, S. 181 f. Item archiepiscopus habet ibidem medietatem thelonii valentem IIII marcas et IIII solidos annuatim, quam medietatem habet Fredericus dictus vamme Schagen miles, dicens, hoc esse feodum suum castrense ibidem, SEIBERTZ, UB Westfalen I, Nr. 484. Vgl. die Angaben zu Soest (thelonium carrucarum, curruum transeuncium, Chroniken der deutschen Städte 24, S. CLVI), Medebach (moneta et theloneum ... theloneum carrucarum et pecorum) und Werl (theoloneum carrucarum), SEIBERTZ, UB Westfalen I, Nr. 484. ROSSEL, U B Eberbach, Nr. 254 (zu 1249) - R P R I, Nr. 215. Goerz ( M R R II, Nr. 2 2 6 2 )
setzt die nur mit Tagesdatum versehene Urkunde aus denselben Gründen in das Jahr 1225; vgl. auch FLIEDNER, Rheinzölle, S. 3, zu 1226 nach RPR.
III. Zollstätten bis 1300
289
reichen kaum sehr viel weiter zurück. Bacharach zählte nämlich zu den Zollstätten, die infolge des im Februar 1234 auf dem Frankfurter Hoftag getroffenen Beschlusses, alle seit dem Tod Friedrichs I. ohne Konsens der Fürsten eingerichteten Zölle aufzuheben 54 , niedergelegt wurden. Pfalzgraf Otto mußte ausdrücklich den Verzicht beschwören, doch bereits im September 1234 beklagte sich Heinrich(VII.), daß sein Vater, Kaiser Friedrich II., den Bacharacher Zoll Otto zu Lehen gegeben hatte 55 . Allenfalls wenige Monate hatte demnach die Zollerhebung in Bacharach geruht. Die Pfalzgrafen haben den Bacharacher Rheinzoll auf Dauer behaupten können. Auch der infolge des Wormser Landfriedens unter Leitung des Mainzer Erzbischofs am 16. Oktober 1269 unternommene Angriff auf Bacharach 56 führte nicht zur (bleibenden) Einstellung des Zolls, auf den Pfalzgraf Ludwig 1273 bereits wieder Verschreibungen ausgestellt hat 57 . Im >Zollkrieg< König Albrechts gegen die rheinischen Wahlfürsten scheint der Bacharacher Zoll nicht aufgehoben worden zu sein. Spätestens seit 1305 wurden dort wieder bis zum Ausgang des Untersuchungszeitraums Abgaben auf den Rheinhandel erhoben 58 , und es gibt keinen Hinweis darauf, daß die Hebestelle zwischenzeitlich stillgelegt worden war.
III.8
Rheinberg
Ein Rheinberger Zoll ist erstmalig mit dem 1235 vom Kölner Erzbischof Heinrich von Müllenark für das Zisterzienserkloster Kamp ausgestellten Zollprivileg nachweisbar, das eine Abgabenfreiheit vom Land- und Rheinzoll zu Rheinberg vorsah59. Die Existenz des Landzolls ist durch die 1253 bestätigte Zollfreiheit des zur Weide getriebenen Viehs Rheinberger Bürger gesichert60. Zusammen mit dem Wegegeld kam er 1290 an die Stadt Rheinberg, wobei die Einnahmen nach dem Willen des Erzbischofs zur Verbesserung der Stadtbefestigung zu verwenden waren 61 .
54
55
iniusta thelonia, que a tempore domni Frederici imperatoris proavi nostri absque consensu et conniventia principum sunt statuta, per sententiam cassamus et precipimus amoveri, MGH Const. II, Nr. 319. Telonium quoque in Baccherah, quod in solempni curia Frankenfort, dictante sententia principum, inhibitum fuerat duci Bavarie et deinde idem dux expresse abjuravit, contra factum nostrum et principum veniens, feodali jure duci contulit memorato, HuiLLARDBRÉHOLLES, Historia IV.2, S. 685 - RPR I, Nr. 373. Vgl. zu den Hintergründen
56
BÖHMER/WILL, R E M 11.36, N r . 2 3 3 .
57 58
59
MRR III, Nr. 2832. RPR I, Nr. 1518. FLIEDNER, Rheinzölle, S. 9, der behauptet, daß der Zoll erst 1313 wieder erwähnt wird, übersieht diesen und zwei weitere Belege: RPR I, Nr. 1555 (1307 Febr. 19), 1587 (1308 Aug. 29). REK III.l, Nr. 823.
60
Vgl. ANDERNACH, Rheinberg, S. 8.
61
REK III.2, Nr. 3297.
FLIEDNER, Rheinzölle, S. 3 ff.
290
C. Zollstätten in den Rheinlanden bis 1500
Die Erhebung von Transitabgaben auf den Rheinverkehr ist dagegen erst wieder zu 1279 belegt, als der Kölner Erzbischof Siegfried von Westerburg im Zuge des niederrheinischen Landfriedens auf die Erhebung von Geleitgeldern (denarius conductus) zu Worringen, Uerdingen und Rheinberg verzichtete, ut merces et alia per alveum Reni descendentia et ascendentia ibidem libere transeant et ducantur62. Entgegen der üblichen Praxis wurde der Geleitpfennig also nicht als Zuschlag auf den regulären Zoll erhoben, sondern bestand an den drei genannten Hebestellen offenbar als einzige Abgabe auf den Rheinverkehr. Daß die Erhebung eines Flußzolls in Rheinberg 44 Jahre lang nicht bezeugt ist, kann man angesichts der Tatsache, daß der kölnische Rheinzoll Neuss zwischen 1235 und 1279 nicht weniger als achtzehnmal belegt ist63, ganz sicher nicht dem Zufall der Quellenüberlieferung zuschreiben. Offenbar war der Rheinberger Zoll in der Zwischenzeit eingestellt worden, ohne daß dies den Quellen direkt zu entnehmen ist. Es spricht jedoch, wie im Fall von Andernach, einiges dafür, darin eine Folge des Mainzer Reichslandfriedens von 1235 zu sehen, in dem Kaiser Friedrich II. die Abstellung aller nach 1197 eingerichteten Zollstätten bestimmte, sofern sie über keine hinreichende reichsrechtliche Legitimation verfügten 64 . Bei Rheinberg war beides der Fall: Der Flußzoll war zweifellos nach dem Stichdatum errichtet worden und hat - dies geht aus den wiederholten Bemühungen der Kölner Erzbischöfe, dem Zoll eine unanfechtbare Legitimation durch den Herrscher zu verschaffen, klar hervor - am Ende des 13. Jahrhunderts nicht die Anerkennung der Reichsgewalt besessen. Schließlich ist folgendes zu bedenken: Wann sonst als auf dem Höhepunkt kaiserlicher Macht nach 1235 und von wem anders als Friedrich II. hätte sich zwischen 1235 und 1279 die Abstellung des Zolls gegen einen Kölner Erzbischof durchsetzen lassen können? Es bleibt also festzuhalten, daß der Rheinberger Zoll bald nach seiner Errichtung 1235, wahrscheinlich infolge des Mainzer Reichslandfriedens, niederlegt werden mußte. Erst Siegfried von Westerburg, der zollpolitisch wohl profilierteste mittelalterliche Kölner Erzbischof 65 , unternahm vor 1279 einen ersten Versuch, in Rheinberg wieder Transitabgaben auf den Rheinhandel zu erheben. Trotz der 1279 bei der Abstellung der Geleitgelder von Erzbischof Siegfried bekundeten Absicht zur Entlastung des Rheinhandels haben er und seine Nachfolger beharrlich und letztendlich erfolgreich versucht, in Rheinberg einen Rheinzoll zu eta-
62 63
64 65
UB Duisburg I, Nr. 92 - REK III.2, Nr. 2812. REK III.l, Nr. 846 (1236 Febr. 17), 970 (1239 Dez.), 1099 (1241 März), 1095 (1243 Nov. 2), 1150 (1244 Juni 28), 1183 (1245 April 26), 1398 (1248 Juni 7), 1669 (1252), 1878 (1256 Jan. 27); Lac. II, Nr. 452 (1258 Juni 28); REK III.l, Nr. 2077 (1259 Nov. 19); REK III.2, Nr. 2252 (1263 April 12), 2261 (1263 Aug. 25), 2319 (1265 März 8), 2337 (1265 Okt. 4), 2438 (1271 April 16), 2464 (1271 Nov. 21), 2543 (1274 April 2). MGH Const. II, Nr. 196; vgl. dazu unten S. 368 f. Vgl. dazu unten S. 579-605.
291
III. Zollstätten bis 1300
blieren, wobei ein bestehender marktbezogener Schiffszoll als Ausgangspunkt gedient haben mag66. Erste Hinweise auf die Erhebung einer Transitabgabe, die auch vom Ertrag her mit anderen Rheinzöllen vergleichbar war, geben die 300 Mark köln., die Walram von Bergheim 1286 in theloneo apud Berke erhielt 67 . Wenngleich diese Abgabe hier nicht näher charakterisiert wurde, läßt schon die Höhe der Summe auf einen Rheinzoll schließen, den Siegfried offenbar eigenmächtig errichtet hatte. 1292 versuchte er erstmalig, dessen reichsrechtliche Legitimation zu erlangen. Adolf von Nassau hielt jedoch als König seine Wahlzusage nicht ein, da er Rheinberg und Andernach nicht wie versprochen explizit anerkannte, sondern seine Bestätig u n g auf die thelonia,
que ipse archiepiscopus
et ecclesia sua habuerunt
et habent
de
iure, einschränkte 68 . Wohl auch deswegen kam es zum Streit zwischen Erzbischof und Herrscher, der 1293 dahingehend beendet wurde, daß Adolf dem Metropoliten zwar 37.500 Mark köln. auf Burg, Stadt und Zoll Kaiserswerth verschrieb und ihm einen neuen Zoll zu Bonn für die Dauer von 15 Jahren verlieh, Siegfried dagegen auf den Rheinberger Zoll verzichten mußte 69 . Sein Nachfolger Wikbold (1297-1304) behielt das Ziel eines Rheinberger Flußzolls im Auge, zu dessen Sicherung bereits Siegfried 1293 mit dem Bau einer turris munitissima ad custodiam Rheni begonnen hatte 70 . Wikbold konnte die Hebestelle indes noch nicht konsolidieren. Zwar gewährte König Albrecht 1298 den Rheinberger Zoll auf Lebenszeit des Erzbischofs71, jedoch widerrief der Herrscher 1301 alle seit 1250 erteilten Zollverleihungen 72 und setzte dies auch militärisch gegen die rheinischen Wahlfürsten durch, so daß Wikbold nach seiner Niederlage im Oktober 1302 u. a. auf den zol und daz geleitte zu Berke verzichten mußte 73 . Während Land- und Marktzoll davon nicht betroffen waren 74 , finden sich keine Hinweise, daß der Rheinzoll weitererhoben 75 oder in der Regierungszeit König Heinrichs VII. (1308-1313) wieder eingerichtet wurde 76 .
66
67 68 69 70 71 72 73 74 75
Dies wird durch die 1314 erfolgte Zusammenlegung der drei thelonia forensia von Rheinberg, Rees und Xanten zu einem Rheinzoll in Rheinberg nahegelegt (vgl. dazu unten). Zumindest bei Xanten ist die Existenz eines marktbezogenen Schiffszolls bekannt (vgl. oben S. 255), wie er am Niederrhein z. B. auch in Emmerich nachweisbar ist (vgl. oben S. 251 f.). ENNEN, Quellen III, Nr. 267 - REK III.2, Nr. 3099. UB Duisburg I, Nr. 125 - REK III.2, Nr. 3362. LAC. II, Nr. 937 - REK III.2, Nr. 3387. Vgl. dazu ERKENS, Siegfried von Westerburg, S. 345 ff. REK III.2, Nr. 3381, 3382. LAC. II, Nr. 995 - REK III.2, Nr. 3604. MGH Const. IV, Nr. 134 - REK III.2, Nr. 3822. MGH Const. IV, Nr. 156 - REK III.2, Nr. 3876. REK III.2, Nr. 3297 bzw. REK IV, Nr. 267,515,570,658. Zwar ließ Erzbischof Heinrich am 25. Dezember 1306 den Verzicht seines Vorgängers auf die Zölle Andernach und Bonn von Papst Clemens V. für ungültig erklären (MGH
292
C. Zollstätten in den Rheinlanden bis 1500
Erst die nach dessen Tod anstehende Königswahl eröffnete Erzbischof Heinrich von Virneburg die Chance, in Rheinberg wieder einen Transitzoll zu erheben. Der Metropolit ließ sich am 9. Mai 1314 für die Wahl seines Kandidaten Friedrich von Österreich die Zusammenlegung der drei thelonia forensia in Rheinberg, Rees und Xanten zu einem dauerhaften Rheinzoll in Rheinberg in Höhe von vier Turnosen versprechen 77 , was der neue König am 27. November 1314 einlöste78. Der Erzbischof scheint jedoch bereits im Vorgriff auf die zu erwartende Genehmigung die Erhebung von Transitabgaben auf den Rheinhandel wiederaufgenommen zu haben, da er am 15. Mai 1314 seinem neuen Rheinberger Amtmann Hermann von Dornick die Einkünfte des Amtes und der Rheinzölle (!) zu Rheinberg übertrug 79 . Bis zum Ende des Untersuchungszeitraums bestand in Rheinberg ein Rheinzoll.
III.9
Wassenberg (Herrschaft)/Dobach
1237 bekundete Gerhard, Herr von Wassenberg, daß er zu seinem und seiner Vorfahren Seelenheil die ministri curruum et vectores bonorum des Roermonder Zisterzienserinnenklosters von allen Transitabgaben in seinem Herrschaftsbereich befreit habe 80 . Fünf Jahre später verlieh er dem Kloster Burtscheid bei Aachen Landzollfreiheit in Gulpen und Dobach und wurde dafür in die Gebetsverbrüderung des Konvents aufgenommen 81 . Die Lage dieser beiden Hebestellen westlich bzw. nordöstlich von Aachen 82 macht es nicht sehr wahrscheinlich, daß sie auch im Zollprivileg von 1237 gemeint waren. Viel eher dürfte die Roermonder Zisterze an einer abgabenfreien Passage in Wassenberg selbst, 15 km südöstlich von Roermond, bzw. im Kernbereich der gleichnamigen Herrschaft interessiert gewesen sein. Explizit ist ein Wassenberger Landzoll, soweit feststellbar, allerdings erst 1389 bezeugt 83 .
76
77 78 79 80 81
82 83
Const. IV, Nr. 1161 - REKIV, Nr. 212). Heinrich unternahm jedoch für Rheinberg (noch) keinen nachweisbaren Versuch einer Wiederherstellung der Zollerhebung. In den Wahlversprechungen Graf Heinrichs von Luxemburg vom 20. September 1308 wurde der Rheinberger Zoll übergangen. Nur der von König Albrecht erzwungene Verzicht auf die Rheinzölle Andernach und Bonn wurde explizit kassiert (MGH Const. IV, Nr. 257 - REK IV, Nr. 380). MGH Const. V, Nr. 25 - REK IV, Nr. 816. MGH Const. V, Nr. 139 - REK IV, Nr. 886. REK IV, Nr. 824. Warum hier der Plural verwendet wurde, ist nicht ersichtlich. SLOET, OGZ, Nr. 598bis. concedimus et donamus, quod dictus conventus et sui nuntii cum rebus omnibus et personis in Golopia et Dobagh ab omni iure cuiuslibet telonii, vectigalis et pedagii in perpetuum liberi sint et exempti, MEUTHEN, Aachener Urkunden, Nr. 239. Zur Lokalisierung von Dobagh mit Dobach zwischen Würselen und Weiden vgl. die ausführliche Vorbemerkung von MEUTHEN, Aachener Urkunden, zu Nr. 239. Vgl. QUICKE, Enquête, S. 398 f.
III. Zollstätten bis 1300
293
Der Landzoll in Dobach war, wie die Bestätigungen der Burtscheider Zollfreiheit zeigen 84 , 1266 im Besitz der Herzöge von Limburg - Gerhard von Wassenberg entstammte einer Seitenlinie dieses Hauses, die 1259 ausstarb 85 - bzw. ihrer Rechtsnachfolger, der Herzöge von Brabant. Aufgrund der Tatsache, daß Dobach im späteren Aachener Reichsterritorium lag, hält Flach eine Errichtung der Hebestelle als Reichszoll - anscheinend datiert er diesen Zeitpunkt ins 12. Jahrhundert oder früher - für naheliegend 86 . Zwingend ist diese Annahme jedoch kaum; denn es fehlt jeder Hinweis, daß der Zoll zu irgendeinem Zeitpunkt als Zubehör des Aachener fiscus bzw. des späteren Aachener Reichsterritoriums angesehen wurde. Die Wahrscheinlichkeit dürfte größer sein, daß der Dobacher Zoll nicht allzu lange vor 1237 errichtet worden war.
111.10
Orsoy/Büderich/Grieth
Ein theloneum in Orsoy ist erstmalig am 14. Mai 1241 bezeugt, als Dietrich, der älteste Sohn Graf Dietrichs IV. von Kleve, die homines des Herzogs von Brabant von allen Abgaben bei der Passage des Zolls Orsoy befreite 87 . Daß dieser Transitzoll den Rhein- und nicht den Landverkehr abschöpfte, geht aus dem im folgenden Jahr ausgestellten Stadtprivileg für Kleve hervor, worin den Kaufleuten dieses Ortes zollfreie Berg- und Talfahrt auf dem Rhein zu Orsoy, Schmithausen, Huissen und Nimwegen gewährt wurde 88 . Der Orsoyer Zoll, der zu dieser Zeit offenbar noch nicht lange existierte 89 , stieß auf den Widerstand der Nachbarn der Grafen von Kleve. Mit den Dynasten von Brabant und Geldern konnten 1241 bzw. 1242 Übereinkünfte erzielt werden, die für die jeweiligen Untertanen Zollfreiheit in Orsoy beinhalteten 90 , doch erzwang der Kölner Erzbischof Konrad von Hochstaden bereits 1243 mit Waffengewalt die Abstellung des Rheinzolls 91 .
84 85 86 87
Aufgeführt bei MEUTHEN, Aachener Urkunden, Vorbemerkung zu Nr. 239. Vgl. CORSTEN, Erbfolgekrieg, S. 213 f. Vgl. FLACH, Aachen, S. 228 f. quod homines illustris domini Henrici ducis Lotharingiae et Brabantiae ... liberos et quitos ab omni thelonio ego et mei successores ante theloneum meum apud Horshoyen eundo et redeundo cum suis rebus, vinis et bonis transire dimettemus et hoc promisi, SCHOLZ-BABISCH, Quellen, Nr. 22.
88
89
Volumus etiam omnes mercatores predicti oppidi nostri per alveum Rheni ascendendo et descendendo in nostris terminis, veluti Orssoy, Smithusen, Huissen, Nymegen a telonio liberari, SCHOLZ-BABISCH, Quellen, Nr. 26. Vgl. zur politischen Situation des staufischen Endkampfs, die eine gezielte Ausstattung der Grafen von Kleve mit Flußzöllen 1241/1242 annehmen läßt, unten S. 661 ff.
90
SCHOLZ-BABISCH, Q u e l l e n , N r . 2 2 , 2 7 .
91
REK III.l, Nr. 1092.
294
C. Zollstätten in den Rheinlanden bis 1500
Wie lange die Zollerhebung eingestellt wurde, ist nicht mit Sicherheit zu sagen. Die 1255 von Graf Dietrich IV. von Kleve und seinem Sohn für Grieth ausgestellte Zollbefreiung nannte Orsoy unter den vier klevischen Hebestellen 92 , doch wurde hier offenbar der entsprechende Passus des Klever Stadtprivilegs von 1242 übernommen. Schlüsse auf die tatsächliche Situation an den klevischen Zöllen können daraus nicht gezogen werden 93 . Spätestens 1272 war der Zoll jedoch wieder in Betrieb. Die in diesem Jahr zwischen den Grafen von Geldern und Kleve geschlossene Sühne enthielt nämlich den Zusatz, daß die geldrischen homines in Orsoy für ihre Eigengüter keinen Zoll zu zahlen hatten 94 . Daß damit die Zollfreiheit von 1242 erneuert wurde, könnte darauf hinweisen, daß der Zoll erst kurz zuvor reaktiviert worden war. Die Erhebung von Transitabgaben auf den Rheinverkehr an diesem Ort blieb jedoch weiterhin umstritten. Im Landfrieden zur Sicherung des Rheinhandels, den der Kölner Erzbischof, der Herzog von Brabant sowie die Grafen von Geldern und Kleve 1279 schlössen, mußte Graf Dietrich VI. auf die Erhebung seines denarius conductus zu Orsoy verzichten 95 . Man hat darunter entweder (nicht ohne Bedenken) 96 das theloneum von 1272 zu verstehen, oder mit der Abstellung des Geleitgeldes wurde auch die Zollerhebung aufgegeben. Denn wie Kastner zutreffend bemerkt hat, gibt es nach 1279 bis zum Anfang des 15. Jahrhunderts keinen konkreten Hinweis darauf, daß in Orsoy noch Transitabgaben auf den Rheinhandel erhoben wurden 97 . Die 1340 für Kranenburg und 1348 für Kleve ausgestellten Zollprivilegien98, die Orsoy unter den vier klevischen Rheinzöllen nennen, verwendeten offensichtlich die Zollbefreiungsformel von 1242 und sind daher nicht als Beleg für die zeitgenössische Zollsituation verwendbar. Zwar hat Graf Johann von Kleve Orsoy wieder als Zollstätte in Betracht gezogen 1347 ließ er sich den Zoll von Kaiser Ludwig erneuern und bestätigen 99 - , von der
92
SCHOLZ-BABISCH, Quellen, Nr. 30.
93
97
Besonders deutlich wird der formelhafte Gebrauch beim 1255 ebenfalls genannten Zoll Schmithausen, der noch in klevischen Zollbefreiungen des 14. Jahrhunderts, die das Klever Stadtprivileg von 1242 als Vorlage verwendeten, zu den gräflichen Rheinzöllen zählte, obgleich dies höchstens in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts für kurze Zeit der Fall gewesen sein kann. Vgl. oben S. 226 f. Adiectum est etiam, quod homines dicti comitis Gelriae de bonis suis quibuscunque apud Ursoye teoloneum nullum dabunt, SCHOLZ-BABISCH, Quellen, Nr. 37. U B Duisburg I, Nr. 92. Dagegen spricht, daß man in der Landfriedensurkunde zwischen theloneum (ungenannter geldrischer Zoll, Duisburg, Schmithausen) und denarius conductus (Worringen, Uerdingen, Rheinberg, Orsoy) begrifflich unterschied und Orsoy in den vorherigen Quellen immer als theloneum firmierte. Vgl. KASTNER, Orsoy, S. 8.
98
SCHOLZ-BABISCH, Q u e l l e n , N r . 6 8 , 7 5 .
99
Thelonium quoque, quod prefati comitis progenitores in villa prefata Orsoye ex grata concessione nostrorum predecessorum Romanorum imperatorum et regum recipere
94 95 96
III. Zollstätten bis 1300
295
Verwirklichung dieses Plans hat er aber Abstand genommen. Für die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts liegen keine Quellen über einen Orsoyer Rheinzoll vor. Während Orsoy nach dem Landfrieden von 1279 nicht mehr als Zollstätte belegt ist100, wurden in Büderich nachweislich seit 1288 Transitabgaben auf den Rheinverkehr erhoben 101 . Es liegt daher nahe, mit Kastner 102 eine von Scholz-Babisch nicht in Betracht gezogene Verlegung des Zolls bzw. seine Wiedererrichtung an einem anderen Ort anzunehmen, auch wenn über diesen Vorgang keine expliziten Nachrichten vorliegen. Graf Dietrich VI. von Kleve hat, wohl in Anbetracht der Schwierigkeiten seiner Vorgänger mit dem Orsoyer Rheinzoll, erfolgreich die reichsrechtliche Anerkennung des Büdericher Zolls betrieben: 1290 bestätigte ihm König Rudolf das theloneum situm in Büderich super alveum Rerti als alten Besitz und setzte den Zollsatz auf zwei Schilling usualis monete pro Faß Wein fest, damit der Graf um so besser die Rheinhändler vor Gefahren schützen könne 103 . Die zahlreichen Quellen über den Büdericher Zoll im 14. Jahrhundert lassen keinen Zweifel an der tatsächlichen Rheinzollerhebung an diesem Ort. In Orsoy wurden erst seit Ende 1419 wieder Transitabgaben auf den Rheinverkehr erhoben, als Herzog Adolf von Kleve den Büdericher Zoll dorthin (zurück-) verlegte 104 . Büderich blieb jedoch weiterhin Rheinzollstätte, wenn auch aufgrund eines anderen Zolltitels, da vielleicht im gleichen Zuge der Griethausener Zoll nach Büderich verlegt wurde 105 , wo man ihn bis zur Übertragung nach Grieth 1472 erhob 106 . Grieth
consueverunt, sibi innovamus, ratificamus et ex nostra imperiali maiestate
confirmamus,
SCHOLZ-BABISCH, Quellen, Nr. 73.
100 Daß 1293 im Zollprivileg für die Dordrechter Händler (SCHOLZ-BABISCH, Quellen, Nr. 49) zwar die Rheinzölle Huissen, Nimwegen und Büderich, nicht jedoch Orsoy genannt sind, ist vor dem Hintergrund der geschilderten Quellensituation kaum anders zu erklären, als daß in Orsoy zu dieser Zeit kein Rheinzoll lag. Demgegenüber ist ScholzBabischs Vermutung (Anm. 1), daß Orsoy fehlte, weil es zu dieser Zeit verpfändet war, wenig wahrscheinlich, zumal in der entsprechenden Urkunde von 1318 (ebd., Nr. 61) kein Zoll erwähnt wird. 101 SCHOLZ-BABISCH, Quellen, Nr. 45.
102 Vgl. KASTNER, Orsoy, S. 8. 103 SCHOLZ-BABISCH, Quellen, Nr. 46. Die Begründung legt nahe, daß hier eine Zollerhöhung verbrämt werden sollte. 104 Vgl. KASTNER, Orsoy, S. 8. Der erste Nachweis bei Scholz-Babisch ist die am 23. Juni 1420 von Herzog Adolf an die Stadt Rees verliehene halbe Freiheit am Zoll, die nu tot Orssoye leegth ind die toe Buederick toe liggen plach (SCHOLZ-BABISCH, Quellen, Nr. 190). 105 Die letzte Nachricht über den Griethausener Zoll datiert vom 24. Juni 1420 (LAC. IV, Nr. 126). Vgl. zu den beiden Verlegungsaktionen das undatierte, vielleicht 1421 entstandene Protokoll der Nimwegener Schöffen über die Verletzung ihrer Vorrechte up die toi toe Griethusen, die nu tot Buederic leeght bzw. (up die toi) to Buederic, die nu(l) toe Orsoy (leegth) (SCHOLZ-BABISCH, Quellen, Nr. 184, mit Erörterung der Datierungsfrage).
296
C. Zollstätten in den Rheinlanden bis 1500
war bereits 1336 als Hebestelle für einen Rheinzoll in Betracht gezogen worden, ohne daß es zur Realisierung dieses Vorhabens gekommen war107. Von 1472 an hatte Grieth diese Funktion aber nur bis 1485 inne, als die klevischen Städte Xanten, Kalkar, Rees und Büderich die Rückverlegung des Abgabentitels nach Büderich erreichten 108 . Von dort kam der Zoll 1495 nach Rees 109 , bereits ab 1500 fungierte aber wieder Büderich als Hebestelle 110 .
III.ll
Fürstenberg
Den ersten Hinweis auf Zollerhebung an der ca. 2,5 km südöstlich von Bacharach auf der linken Rheinseite gelegenen Burg Fürstenberg gibt der Schied zwischen dem Kölner Erzbischof Konrad von Hochstaden und Pfalzgraf Otto aus dem Jahr 1243. Darin wurde Otto von Konrad mit den Burgen Stahlberg, Stahleck und Fürstenberg belehnt, mußte aber im Gegenzug versprechen, von dort, wie von der Moselburg Thurandt aus, keinen Zoll von den Kölnischen zu erheben 111 . Die summarische Formulierung dieser Urkunde läßt zunächst lediglich erkennen, daß eine oder mehrere dieser Burgen als Zollstätten gedient haben müssen. Fürstenberg hat, wie spätere Quellen zeigen, mit einiger Sicherheit dazu gezählt. 1251 setzte Pfalzgraf Otto seine iudices und procuratores in Fürstenberg und Bacharach davon in Kenntnis, daß er den Koblenzer Deutschherren Zollfreiheit für den Transport ihrer Güter rheinauf- und rheinabwärts erteilt habe 112 . Die bis 1265 kontinuierlich belegte Transitabgabe zu Fürstenberg 113 verschwindet danach für 25 Jahre aus der Überlieferung. Wahrscheinlich wurde sie im Zuge des 1269 verkündeten Wormser Landfriedens abgestellt, ohne daß dies direkt nachweisbar ist. Aus der Zeit von 1290 bis 1294 zeugen eine Reihe von Zollbefreiungen 114 von der Wiederaufnahme der Zollerhebung in Fürstenberg; danach liegt wiederum bis zur Zollbefrei-
106 SCHOLZ-BABISCH, Quellen, Nr. 247. Am 25. Juli 1472 begründete Herzog Johann von Kleve die Verlegung mit zunehmenden Zollbetrügereien (ebd., Nr. 249). 107 A m 15. August 1336 erlaubte Kaiser Ludwig Graf Dietrich VII. von Kleve die Verlegung des Rheinzolls Huissen nach Grieth (SCHOLZ-BABISCH, Quellen, Nr. 67). Da jegliche Nachrichten über eine tatsächliche Erhebung in Grieth fehlen, scheint es nicht zur Realisierung der Genehmigung gekommen zu sein. 108 SCHOLZ-BABISCH, Quellen, Nr. 277. 109 SCHOLZ-BABISCH, Quellen, Nr. 301. 1 1 0 SCHOLZ-BABISCH, Q u e l l e n , N r . 3 1 5 , 3 3 7 .
111 112 113 114
MRUB III, Nr. 778 - REK III.l, Nr. 1099. MRUB III, Nr. 1129. MRUB III, Nr. 1455; MGH Const. II, Nr. 442; RPR I, Nr. 771,772. MRR IV, Nr. 1742,2284,2307, 2343.
III. Zollstätten
bis 1300
297
ung für das Kloster Eberbach im Jahr 1317115 eine Quellenlücke vor, aus der man die Einstellung des Zollbetriebs zu folgern hat. Denn es ist wohl bezeichnend, daß sowohl die Zollbefreiung für die Deutschherren in Mergentheim vom Oktober 1296116 als auch der sonst alle Hebestellen der rheinischen Wahlfürsten aufführende Zollprivilegienwiderruf König Albrechts vom Mai 1301 nur den Bacharacher Zoll nennen 117 . Als Rheinzollstätte König Johanns von Böhmen kam Fürstenberg 1320 über das Planungsstadium nicht hinaus118. Im August 1322 wollten Pfalzgräfin Mechthild und ihr Sohn Adolf dort einen Zoll in Höhe von 18 Denaren errichten. Gegen das Versprechen, die Abgabe nicht über diesen Satz zu erhöhen, erlaubte ihnen Erzbischof Balduin von Trier für den Fall, daß sie den Zoll in Fürstenberg nicht behaupten könnten, die Erhebung für die Dauer eines Jahres in Bacharach, das in trierischem Pfandbesitz war119. Zu einem dauerhaften Rheinzoll der Kurpfalz ist Fürstenberg jedoch nicht geworden. Zwar bestätigten die Pfalzgrafen ihre Zollbefreiungen für das Kloster Eberbach noch bis 1343 regelmäßig für Bacharach, Kaub und Fürstenberg 120 , doch scheint dies formelhaften Charakter gehabt zu haben. Die zahlreichen anderen Quellen dieser Zeit bezeugen nur die beiden erstgenannten Orte als pfalzgräfliche Zollstätten. Die hier skizzierte Quellenlage hat Fliedner zu dem Schluß geführt, daß Fürstenberg kein Rheinzoll, sondern allenfalls Hebestelle für eine Geleitabgabe auf den Rheinverkehr gewesen sei. Wahrscheinlich habe es sich um einen Landzoll gehandelt 121 . Für letzteres gibt es jedoch nicht den geringsten Hinweis, da man kaum, wie Fliedner es tut, aus der Nichterwähnung Fürstenbergs in der Liste der 1269 bzw. 1301 aufgehobenen Rheinzölle auf einen Landzoll schließen kann. Auch die geringe Höhe der Abgabe ist kein Argument 122 . Vielmehr geht aus der Zollbefreiung von 1251 eindeutig hervor, daß Fürstenberg als Hebestelle für den Rheinhandel fungierte. Daß dort nur Geleitabgaben verlangt worden wären, kann nicht belegt werden. Relativ klar ist jedoch, daß der Fürstenberger Zoll im letzten Drittel des 13. und ersten Viertel des 14. Jahrhunderts nur wenige Jahre in Betrieb war, bevor man diese Zollstätte völlig zugunsten von Bacharach und Kaub aufgab.
115 König Ludwig der Bayer bestätigte am 19. Juni 1317 dem Kloster Eberbach Zollfreiheit für dessen mit Lebensmitteln beladenen Schiffe zu Kaub, Fürstenberg und Bacharach (RPR I, Nr. 1947). 116 WINKELMANN, Acta Imperii II, Nr. 1077. 117 M G H Const. IV, Nr. 134 - REK III.l, Nr. 3822. 118 M G H Const. V, Nr. 562; vgl. dazu REICHERT, Landesherrschaft, S. 236 f. 119 M G H Const. V, Nr. 667; vgl. zu den Hintergründen REICHERT, Landesherrschaft, S. 237, und FLIEDNER, Rheinzölle, S. 19 ff.
120 RPR I, Nr. 1987,2003, 2399, 2068,4930. 121 Vgl. FLIEDNER, Rheinzölle, S. 114 ff.
122 Nach dem 1317 geschlossenen Bacharacher Landfrieden betrug der alte Bopparder Rheinzoll mit 27 Hellern, d. h. neun Denaren, nur die Hälfte des genannten Fürstenberger Satzes. Vgl. oben S. 208.
298
C. Zollstätten in den Rheinlanden bis 1500
III.12
Kirchberg
1259 erteilten Graf Simon von Sponheim und seine Frau Margarethe den Bürgern des Hunsrückortes Kirchberg einen Freiheitsbrief 123 . Darin wurde u. a. bestimmt, daß Besucher des Jahrmarkts auf den ihnen zugewiesenen Plätzen zu bleiben und beim Weggang einen Trierer Denar pro thelonio zu zahlen hatten. Die Existenz von Transitabgaben auf den Landverkehr ist erst rund acht Jahrzehnte später nachweisbar. Im Geleitvertrag, den 1331 die Grafen Simon II. und Johann II. von Sponheim (-Kreuznach) mit Erzbischof Balduin von Trier zur Sicherung der Straße Mainz-Trier schlössen, war Kirchberg als eine der beiden Sponheimer Geleitzollstationen vorgesehen 124 . Gleiches gilt für die Erneuerung dieser Vereinbarung sieben Jahre später 125 . Ein Vergleich mit ähnlichen Geleitverträgen macht es durchaus wahrscheinlich, daß man in Kirchberg 1331 auf einen bereits vorhandenen Sponheimer Landzoll zurückgriff, doch läßt sich ein direkter Nachweis nicht erbringen. Quellen aus der Zeit nach 1338 waren nicht zu ermitteln, was freilich in Anbetracht der für Landzölle häufig zufälligen Überlieferung (bzw. des noch lückenhaften Kenntnisstandes) nicht gegen die Existenz der Hebestelle sprechen muß126.
111.13
Sterrenberg
Ein Zoll bei der Reichsburg Sterrenberg auf der rechten Rheinseite südöstlich von Boppard ist erstmalig am 30. April 1247 bezeugt, als Reichstruchseß Werner von Bolanden seinen Zöllnern und Amtleuten zu Sterrenberg et in aliis nostris locis verbot, die Brüder des Deutschen Ordens in personis vel rebus molestareni. Aus seiner am 25. November 1249 der Abtei Altenberg erteilten Zollbefreiung geht eindeutig hervor, daß Sterrenberg ein Rheinzoll war128. Das Kloster Eberbach erhielt 1258 von den Brüdern Werner iunior und Philipp von Bolanden ein ähnliches, für Sterrenberg und die anderen Bolandener Rheinzölle gültiges Privileg129 und ließ sich dies 1263 v o n e i n e m Wernherus
de Bolandia
imperialis
aule dapifer
bestätigen130. Weitere
(datierte) Nachrichten über die Zollstätte liegen nicht vor.
123 MRUB III, Nr. 1491 - MÖTSCH, Regesten Sponheim I, Nr. 52. 1 2 4 C R M I I I . l , N r . 1 7 7 - OTTO, R E M 1.2, N r . 3 1 4 8 ; MÖTSCH, B a l d u i n e e n , N r . 9 7 0 . 1 2 5 OTTO, R E M 1.2, N r . 4 2 8 5 , 4 2 9 1 .
126 127 128 129 130
Vgl. auch die Bemerkungen zu Kreuznach oben S. 223. HENNES, UB Deutscher Orden I, Nr. 122. LAC. II, Nr. 354. Regest: MOSLER, UB Altenberg I, Nr. 185. ROSSEL, UB Eberbach, Nr. 335 - SAUER, Codex Nassau 1.2, Nr. 675. ROSSEL, UB Eberbach, Nr. 334, mit falschem Jahr »1258« (vgl. SAUER, Codex Nassau 1.2, Nr. 729). In diese Zeit gehört wohl auch ein undatiertes Mandat eines W. de Bolandia Imperialis aule dapifer, in dem er seinem Zolleinnehmer mitteilte, daß er das Kloster
III. Zollstätten
bis 1300
299
Wann der Sterrenberger Rheinzoll eingerichtet wurde, läßt sich infolge der wechselhaften politisch-militärischen Lage im staufischen Endkampf am Mittelrhein 131 nicht genau angeben. Die umfassende Bestätigung der Altenberger Rheinzollprivilegien durch König Konrad IV. 1245 führt explizit lediglich die Zollstätten Boppard und Kaiserswerth auf 132 , allerdings hatte Werner von Bolanden bereits zwei Jahre zuvor das staufische Lager verlassen133. Es ist daher möglich, daß Konrad den Sterrenberger Zoll 1245 überging, weil er faktisch nicht mehr in seiner Hand war. Wahrscheinlicher ist allerdings, daß Werner erst danach mit der Zollerhebung begonnen hatte. Welche Gründe für die Niederlegung der Abgabe verantwortlich waren, geht aus den Quellen nicht direkt hervor. Am ehesten dürfte dies aber dem Wormser Landfriedens von 1269 zuzuschreiben sein, der auch für eine Reihe anderer mittelrheinischer Transitzölle mit einer ähnlichen Genese wie Sterrenberg das Ende bedeutete 134 .
III.14
Jülich
Der Jülicher Landzoll wird erstmalig in der Geleitzusage erwähnt, die 1249 der Herzog von Limburg, der Graf von Jülich und der Herr von Valkenburg den flandrischen Kaufleuten unter Festsetzung bestimmter Abgaben erteilten 135 . Von den 70 Kölner Denaren pro Faß Wein, die demnach an Zoll und Geleit insgesamt zwischen Köln und Maastricht zu zahlen waren, entfielen zwölf Pfennige auf die gräfliche Zollstätte in Jülich, das dadurch als wichtige Transitstation auf der Handelsroute zwischen Köln und dem Westen erkennbar wird. Obgleich erst 1376 weitere Quellen vorliegen 136 , gibt es keinen Grund, eine zwischenzeitliche Einstellung der Zollerhebung anzunehmen, die in der Folgezeit bis zum Ende des Untersuchungszeitraums bezeugt ist.
131 132 133 134 135 136
Eberbach vom Zoll bei seiner Burg Sterrenberg befreit habe (ROSSEL, U B Eberbach, Nr. 371 - SAUER, Codex Nassau 1.2, Nr. 1218). Vgl. dazu DEMANDT, Endkampf. LAC. II, Nr. 295. Vgl. DEMANDT, Endkampf, S. 123. Vgl. dazu unten S. 402 ff. Hans. U B I, Nr. 371. LAC. III, S. 689 Anm. 1 - H S t A D Jülich Urk., Nr. 338.
300
111.15
C. Zollstätten in den Rheinlanden bis 1500
Braubach
1252 verlieh König Wilhelm Graf Hermann von Henneberg einen Zoll zu Braubach und setzte dessen Tarif fest137. Der Graf hat den Zoll offenbar weiterverlehnt; denn 1261 teilten Gottfried III. von Eppstein und sein gleichnamiger Sohn ihren officiati zu Braubach mit, daß sie die mit eigenen Gewächsen beladenen Schiffe des Koblenzer Deutschordenshauses zollfrei rheinab- und rheinaufwärts passieren lassen sollten138. Eine dauerhafte Existenz war dem Braubacher Rheinzoll jedoch nicht beschieden, der in der Belehnung Gottfrieds III. von Eppstein und seines Sohnes durch Graf Hermann von Henneberg am 13. Juli 1269 letztmalig bezeugt ist139. Anscheinend wurde die Erhebung im Zuge des im April 1269 verkündeten Wormser Landfriedens eingestellt, obgleich der Rheinzoll vor dem Hintergrund der königlichen, mit dem Konsens der Erzbischöfe von Köln und Mainz versehenen Zollverleihung kaum als einer derjenigen thelonea iniusta verstanden werden konnte, deren Abstellung das Ziel des Landfriedens war. 1315/1316, 1325, 1344, 1354 und zuletzt noch 1504 sind Pläne zur Errichtung eines Braubacher Rheinzolls zu fassen 140 , jedoch ist es zu einer Realisierung offenbar in keinem Fall gekommen.
III.16
Oberwesel/Schönburg
Der Oberweseler Rheinzoll kann erstmals in den beiden im August und Dezember 1253 von König Wilhelm für den Deutschen Orden ausgestellten Rheinzollprivilegien nachgewiesen werden 141 . Der Zoll stand, wie andere mittelrheinische Reichszölle zu dieser Zeit, vermutlich unter der Oberverwaltung des Reichsministerialen und Reichshofkämmerers Philipp von Hohenfels 142 , der eine solche procuratio
137 SAUER, Codex Nassau 1.1, Nr. 577. 138 SAUER, Codex Nassau 1.2, Nr. 707. Die 1259 genannten Zolleinkünfte eines Wetzlarer Stifts sind nach dem Wortlaut der Quelle nicht eindeutig auf Braubach zu beziehen; zur Verteilung unter die residierenden Kanoniker gelangten: omnes illi denarii, qui annis singulis de theloneo nostro proveniunt seu etiam, qui de vino nostro in Brubach aut alias, ubicunque vinum nobis creverit, emerserint, MRUB III, Nr. 1476. 139 SAUER, Codex Nassau 1.2, Nr. 796. Der erst 1273 ausgestellte Willebrief Herzog Johanns von Sachsen zur Zollverleihung (ebd., Nr. 842) ist hier nicht verwertbar. Die einschlägige Arbeit von PIETSCH, Eppstein, geht in dem entsprechenden Abschnitt (>Lehen vom Reich und weltlichen HerrenGebühr< zur Finanzierung des Straßen- und Wegenetzes gewesen zu sein.
111.36
Roermond
In Roermond an der Maas wurden, durch die Rechnung des Landes Geldern von 1294/1295 erstmalig zweifelsfrei nachweisbar, spätestens seit 1293 Geleit(zoll)abgaben auf den Maas- und Landverkehr erhoben 239 . Darüber hinaus existierte anscheinend ein besonderer Zoll auf rurabwärts kommende Schiffe240. Seit 1316 ist außer-
234 LAC. II, Nr. 948. 235 HStAD L V 2, fol. 49. 236 Vgl. OEDIGER/ILGEN, Einkünfteverzeichnis. 237 MEIHUIZEN, Rekening, S. 49.
238 SCHLEIDGEN, Kleve-Mark Urkunden 1368-1394, Nr. 148. 239 Computatio Johannis Kamb de pacto conductus terre et aque in Ruremunde a festo beati Petri ad Cathedram anno nonagésimo tertio usque ad antedictum festum Petri ad Cathedram anno nonagésimo quarto, de quo pacto debuit 110 m. veterum brabantinorum, MEIHUIZEN, Rekening, S. 11.
240 Item de theloniis ... Item ibidem (Ruremunde) de quadam navi descendente Ruram Johannis dicti Hollen 1 M, MEIHUIZEN, Rekening, S. 4.
III. Zollstätten bis 1300
315
dem ein regulärer Maaszoll in Roermond nachweisbar; er gehörte neben Lobith zu denjenigen geldrischen Transitzöllen, an denen die Zollfreiheit der geldrischen Stadt Zaltbommel explizit nicht galt241. Die in der Rechnung genannten Geleitzollabgaben waren mit Sicherheit älter. Einer verlorenen Urkunde zufolge, deren Inhalt nur durch ein französisches Regest des 18. Jahrhunderts bekannt ist, befreite ein Graf Otto von Geldern 1226 das Kloster Höcht vom Zoll in Roermond zu Wasser und zu Land 242 . Entweder die Jahreszahl oder der Name des Ausstellers sind fehlerhaft, da ein Graf dieses Namens nur von 1181 bis 1207 (Otto I.) bzw. von 1229 bis 1272 (Otto II.) regierte. Von 1207 bis 1229 war Gerhard IV. Graf von Geldern. Da Graf Otto II. 1253 nachweislich über das Geleit auf der Maas bei Roermond verfügte 243 - ohne daß ein (Geleit-)Zoll explizit belegt ist - und man die Befreiung vom »thol« problemlos auf die in der Rechnung belegten Geleitzölle beziehen kann, darf die Erhebung geldrischer Transitabgaben zu Roermond auf den Fluß- und Landverkehr mindestens seit der Mitte des 13. Jahrhunderts als sehr wahrscheinlich gelten 244 .
111.37
Vlodrop
Der geldrische Drost verzeichnete für das Rechnungsjahr 1294/1295 Einnahmen in Höhe von drei Schilling sechs Denaren brab. apud Vlodorp de ponte245. Abgesehen von diesem offenbar an der Rurbrücke erhobenen Brückengeld haben in Vlodrop, soweit dies zu ermitteln war, bis zum Ausgang des Mittelalters keine weiteren Transitabgaben bestanden.
241 apud Lobede et apud Insulam Dei (nach Nijhoff Roermond und nicht Zutphen) nobis solvent theloneum, sed a solutione nostrorum aliorum theloneorum erunt penitus immunes, NIJHOFF, Gedenkwaardigheden I, Nr. 167 (1316 Okt. 19). Nijhoffs Lokalisierung ergibt sich auch aus der Nachfolgeurkunde von 1327: Voert wil wi, dat onse inseten portere van Zautbomel toi vri varen al onse graesscap dore te lande ende te wather, vyt ghenomen to Lobedde ende to Ruremunde, NIJHOFF, Gedenkwaardigheden I, Nr. 215. 242 »L'an 1226 Otto comte de Gueldre accorde à cette abbaye (Kloster Höcht) le privilège d'exemption de son thol à Ruremonde tant par eau que par terre«, Rijksarchief in Limburg te Hasselt, archief kloster Höcht, Inv. Nr. 1, fol. 23 (zitiert nach VENNER, Grafschaft Geldern, S. 272 Anm. 24). 243 Item dicti burgenses de Ruremunde per alveos Mose omni tempore in conductu nostro, quoadusque extenditur, et alii sine calumpnia cum vinis suis et aliis rebus poterunt asscendere et descendere, SLOET, OGZ, Nr. 749. 244 So auch VENNER, Grafschaft Geldern, S. 272. 245 MEIHUIZEN, Rekening, S. 4.
316
111.38
C. Zollstätten in den Rheinlanden bis 1500
Grevenmacher
Um 1296 errichtete Graf Heinrich VII. von Luxemburg auf einer Moselinsel bei Grevenmacher eine Burg und begann in deren Schutz mit der Erhebung eines Moselzolls 246 . Dies führte 1299 zu heftigen Auseinandersetzungen mit den Trierer Bürgern, die nach Darstellung der Gesta Treverorum vor Grevenmacher zogen und dieses opus dyabolicum zerstörten, wo die luxemburgischen »Zöllner und Räuber« gnadenlos von Geistlichen und Pilgern wie von Kaufleuten Abgaben erpreßt hätten 247 . Obgleich dieser Bericht etwas anderes suggeriert, störten sich die Trierer wohl weniger an der Verzollung der Geistlichkeit oder der Pilger - ein Topos der mittelalterlichen Anti-Zollpropaganda 248 - als vielmehr an der neuen Abgabenbelastung ihres Handels mit dem Obermoselraum. Mit der vollständigen Zerstörung der Zollburg 249 erreichten die Trierer, daß die Zollerhebung in Grevenmacher für ein Jahrhundert eingestellt wurde. Seit 1403 ist in Grevenmacher wieder eine Transitabgabe auf den Moselverkehr belegt 250 . Zoll wurde nach Yante dort nur von Getreide erhoben, das allerdings eines der wichtigsten Handelsgüter dieses Raums war 251 . Dieser Moselzoll hat bis zum Ende des Untersuchungszeitraums bestanden 252 .
246 Die Burg ist am 30. Mai 1296 erstmals bezeugt (UQB VI, Nr. 628). 247 MGH SS XXIV, S. 485 f.; die Einordnung zu 1299 nach UQB VI, Nr. 794; vgl. auch REICHERT, Landesherrschaft, S. 155 f. mit Anm. 401 f. 248 Vgl. etwa das Mandat König Friedrichs des Schönen an den Kölner Erzbischof Heinrich aus dem Jahr 1318 (MGH Const. V, Nr. 472 - REK IV, 1022), das die vom Bacharacher Landfrieden eingerichteten Rheinzölle, da sie auch von der Geistlichkeit erhoben würden, als Verstoß gegen göttliches und menschliches Recht brandmarkte. 249 in manu forti flamma et igne aggressi sunt, nec lapidem super lapidem nec lignutn super lignum reliquerunt, MGH SS XIV, S. 486. 250 Vgl. YANTE, Wirtschaftsverhältnisse, S. 146 f. 251 Vgl. YANTE, Wirtschaftsverhältnisse, S. 147. So war im 15. Jahrhundert auch am lothringischen Moselzoll Sierck, der den Transit aller Handelsgüter abschöpfte, Getreide das hauptsächlich verzollte Produkt (vgl. YANTE, Sierck, S. 130). 252 Die ab 1444 überlieferten Rechnungen sind eingehend analysiert bei YANTE, Activité II, S. 390 ff.; vgl. knapp zusammenfassend DERS., Wirtschaftsverhältnisse, S. 146 ff.
IV.
Zollstätten bis 1500
IV.l
Rheineck
A m 12. November 1302 gestattete König Albrecht Graf Gerhard von Jülich, den ihm laut einer anderen - nicht erhaltenen - U r k u n d e zu Rheineck verliehenen (Rhein-) Zoll, falls er dort Hindernissen begegnen sollte, zu Breisig oder Keyserwintere zu erheben 1 . O b der Graf den Zoll tatsächlich in Rheineck erhoben hat, ist nicht ganz zu klären. Die königliche Verlegungserlaubnis und eine undatierte Klage des Kölner Erzbischofs Wikbold von Holte ( t 1304) über die Okkupation des Rheinecker Turms durch Jülich 2 lassen möglicherweise darauf schließen, daß Gerhard zwar die Realisierung der Zollverleihung in Rheineck vorbereitete, aber aufgrund des erzbischöflichen Widerstands einen weniger umstrittenen Erhebungsort bevorzugte. D a weder Rheineck noch Breisig nachweislich als Jülicher Hebestellen dienten, aber der Graf seit November 1302 im Besitz der Reichsburg Kaiserswerth war 3 , wird man die E r h e b u n g des Zolltitels für diesen Ort anzunehmen haben. Das in der Verlegungserlaubnis genannte Keyserwintere dürfte eine Verschreibung für Kaiserswerth sein 4 .
IV.2
Ehrenfels
Z u den Wahlversprechen, die Graf Heinrich von Luxemburg am 28. O k t o b e r 1308 zugunsten des Mainzer Erzbischofs Peter von Aspelt gab, zählte die Überlassung des theloneum apud Castrum Erenvels, bis der Metropolit daraus die noch ausstehenden Schulden König Albrechts in H ö h e von insgesamt 10.000 Pfund Heller und 3.000 Mark Silber erhoben hatte 5 . Diese U r k u n d e gibt den ersten Nachweis eines Ehrenfelser Zolls 6 , den Albrecht vermutlich zwischen 1302 und 1307 eingerichtet hatte 7 ,
1 2 3 4 5 6
7
REK III.2, Nr. 3884; vgl. KRAUS, Jülich, S. 188. REK III.2, Nr. 3887. REK III.2, Nr. 3883; vgl. KRAUS, Jülich, S. 188. Zum Jülicher Besitz von Kaiserswerth seit dieser Zeit vgl. LORENZ, Kaiserswerth, S. 110 ff.; TROE, Münze, S. 164 ff. Diese Ansicht vertritt offenbar auch KRAUS, Jülich, S. 188. MGH Const. IV, Nr. 259 - VOGT, REM 1.1, Nr. 1224. Vgl. auch TROE, Münze, S. 266 f. In der Literatur - etwa bei KRATZ, Ehrenfels, S. 219 - hat man mitunter den 1275 als Schreiber zu Ehrenfels belegten Berthold einfach zum Ehrenfelser Zollschreiber gemacht und daraus die Existenz der Hebestelle schon im 13. Jahrhundert gefolgert. Berthold war jedoch Landschreiber im Rheingau; vgl. STRUCK, Urbar, S. 31. Die explizite, aber nicht mit Quellen belegte Angabe von SOMMERLAD, Rheinzölle, S. 49, daß der Mainzer Erzbischof Siegfried II. zwischen 1208 und 1220 den Zoll Ehrenfels gründete, ließ sich nicht verifizieren. Gemäß der Sühne vom 21. März 1302, die den Zollkrieg zwischen Albrecht und Erzbischof Gerhard beendete, gehörte Ehrenfels zu den fünf mainzischen Burgen, die für die
318
C. Zollstätten in den Rheinlanden bis 1500
wohl zusammen mit dem Hammersteiner Rheinzoll, dessen Erhebung nach fast hundertjähriger Pause spätestens im August 1305 wieder einsetzte 8 . Am 26. August 1310 erlaubte König Heinrich dem Erzbischof, den Ehrenfelser Zoll nach Empfang der Summe, für die ihm König Albrecht den Zoll verpfändet hatte, noch so lange weiter zu erheben, bis er weitere Gelder eingenommen habe: zum einen die Auslagen auf dem Zug Graf Johanns von Luxemburg nach Böhmen, deren Höhe Peter selbst bestimmen sollte, und zum anderen 5.000 Pfund Heller, die der Erzbischof auf dem Weg Heinrichs zur Krönung in Aachen ausgegeben habe 9 . Der Metropolit konnte also die Summe, für die ihm der Zoll verschrieben war, innerhalb einer weiten Spanne selbst bestimmen und hatte es damit in der Hand, den Zeitpunkt der Rückkehr von Ehrenfels an die Reichsgewalt weit hinauszuschieben. Dies galt um so mehr, als ihm König Ludwig der Bayer vier Jahre später die früheren Verschreibungen bestätigte und die Festsetzung der Höhe explizit dem Gewissen des Erzbischofs überließ 10 . Wie sich zeigte, hatte der Mainzer Erzbischof neben Lahnstein damit den zweiten erzstiftischen Rheinzoll im Untersuchungsgebiet fest etabliert. Auch die vorübergehende, auf sieben Jahre befristete Aufhebung im Zuge des Bacharacher Landfriedens von 1317 hat daran nichts geändert. Seit 132311 ist die Zollerhebung bis zum Ende des Untersuchungszeitraums nachweisbar. Von der hohen Bedeutung dieses Zolls zeugt nicht zuletzt die Tatsache, daß 1358 die nominale Zollhöhe der mittelrheinischen Hebestellen nur noch in Kaub höher war als in Ehrenfels 12 .
IV.3
Schokeschair
Die offenbar kurzzeitige Existenz einer märkischen Transitabgabe auf den Schiffsverkehr am Niederrhein 13 zu Beginn des 14. Jahrhunderts ist nur aus zwei Quellen bekannt, einer 1314/1315 entstandenen Aufstellung von Klagepunkten des Kölner Erzbischofs Heinrich von Virneburg gegen den Grafen Engelbert II. von der Mark (1308-1328) und einem märkischen Urkundenverzeichnis von 1410. Nach Kölner Darstellung hatte Graf Engelbert seit mehreren Jahren Rheinkaufleute zuerst bei Schokeschair, dann beim Bach Elpe ans Ufer gezwungen und von ihnen eine Art Zoll erhoben bzw. sie ihrer Waren beraubt. Da diese Gewalttaten, die einen Schaden von über 6.000 Mark brab. verursacht hätten, zwischen Rheinberg und Neuss und
Dauer von fünf Jahren dem König als Pfand auszuliefern waren (MGH Const. IV, N r . 1 4 1 - VOGT, R E M 1.1, N r . 7 1 9 ) .
8 9 10 11
Vgl. dazu oben S. 239 f. VOGT, REM 1.1, Nr. 1352. MGH Const. V, Nr. 57 - VOGT, REM 1.1, Nr. 1677. MGH Const. V, Nr. 760 - VOGT, REM 1.1, Nr. 2453.
12
V g l . VIGENER, R E M I I . l , N r . 1 0 6 9 .
13
Der Ort ist nicht zu identifzieren.
IV. Zollstätten
bis 1500
319
damit im kölnischen Geleitgebiet geschehen seien, forderte der Erzbischof vom Grafen Schadenersatz und künftige Unterlassung 14 . Obgleich die Zollerhebung hier als märkische Eigenmächtigkeit geschildert wird, besaß der Graf tatsächlich ein herrscherliches Zollprivileg, das ihm die Erhebung von zwei Turnosen am Rhein gestattete. Noch 1410 wurde im märkischen Landesarchiv auf Burg Altena eine entsprechende Urkunde inventarisiert, die heute verloren ist15. Der knappe Verzeichniseintrag nennt lediglich die Höhe des Zolls und den Empfänger des Privilegs, einen Grafen Engelbert, genauer, verschweigt aber das Datum. Der Aussteller wird nur allgemein als keyser bezeichnet. Weitere Hinweise für die Zeitstellung lassen sich aus diesem Titel nicht gewinnen, da er vom Verfasser des Urkundeninventars offenbar ohne Differenzierung der konkreten Herrscherwürde für das jeweilige Reichsoberhaupt verwendet wurde 16 . Trotz dieser Schwierigkeiten läßt sich das Zollprivileg mit einiger Sicherheit Heinrich VII. zuschreiben: Nur dieser Herrscher kommt nämlich in Frage, wenn Engelbert, der seit 1308 amtierte, Empfänger der Urkunde war und 1314/1315 den Zoll bereits einige Jahre erhoben hatte 17 . Die Zollverleihung stellte möglicherweise die 1310 vom König versprochene Entschädigung für die Übertragung märkischer Reichspfandschaften an den Kölner Erzbischof dar 18 . Festzuhalten bleibt, daß der Graf nur kurzzeitig seine Zollrechte am Niederrhein umsetzen konnte und später keine nachweisbaren Versuche mehr unternommen hat, gestützt auf das Zollprivileg, einen märkischen Rheinzoll in diesem Stromabschnitt zu etablieren.
14 15
16 17
18
REK IV, Nr. 903. Item eyn brieff, dar de keyser inne belennt greven Engelberte und synen erven to Schokenscher up den Ryne tho tolle tho hebbene van itlichen voder wyns twe olde tornosen, SCHMIDT, Märkische Urkundenverzeichnisse, S. 205. Erkennbar wird dies z. B. an Verzeichniseinträgen, die eindeutig Urkunden König Albrechts I. meinen; vgl. SCHMIDT, Märkische Urkundenverzeichnisse, S. 202 f. Selbst wenn die Klageschrift etwas später zu datieren wäre, ist es nahezu ausgeschlossen, daß Graf Engelbert die Zollverleihung von einem der beiden Nachfolger Heinrichs VII. erhalten hatte, da der Dynast im habsburgisch-wittelsbachischen Thronstreit mit Heinrich von Virneburg auf Seiten Friedrichs des Schönen stand. Daß der Habsburger dem Grafen ein den Kölner Interessen direkt entgegenstehendes Zollprivileg erteilt hätte, ist aufgrund der allgemeinen politischen Lage dieser Jahre ebenso auszuschließen wie eine Begünstigung durch den Wittelsbacher Ludwig. Vgl. auch unten S. 511 f. Vgl. REK IV, Nr. 537-539.
320
C. Zollstätten in den Rheinlanden bis 1500
IV.4
Remich
Die Erhebung eines theloneum Moselle durch die Grafen von Luxemburg in Remich ist seit 1318 bezeugt. In diesem Jahr gelangte der Zoll, der zuvor an Egid von Rodenmacher verpfändet gewesen war - die Errichtung der Hebestelle lag also schon einige Zeit zurück - , vorübergehend in den Besitz des Trierer Erzbischofs Balduin; 1339 war die Abgabe wieder in luxemburgischer Verfügung 19 . In Remich wurden bis zum Ende des Untersuchungszeitraums Transitabgaben auf den Moselverkehr erhoben 20 .
IV.5
Düsseldorf
1324 ließ sich Graf Adolf von Berg die Verlegung des Duisburger Rheinzolls nach Düsseldorf 21 von König Ludwig genehmigen 22 , jedoch kam es nicht zur Verwirklichung dieses Plans. Vielmehr verlegte Graf Gerhard von Berg den Zoll, der zu dieser Zeit sechs Turnosen betrug, 1348 nach Kaiserswerth23. Erst 1374 wurde Düsseldorf wieder als bergische Rheinzollstätte in Betracht gezogen24 und spätestens 1377 mit Genehmigung Karls IV. unter Bezugnahme auf die ältere Verlegungserlaubnis auch realisiert25. Tatsächlich handelte es sich jedoch nicht um die Verlegung des alten Duisburger Zollteils - denn seit 1368 war Kaiserswerth mit dem gesamten Zoll, also auch den sechs vormals Duisburger Turnosen, an Pfalzgraf Ruprecht II. verpfändet 26 -, sondern um die verschleierte Errichtung eines neuen Zolltitels27, verbunden mit dem Aufbau einer neuen Hebestelle. Der Düsseldorfer Zoll wurde deswegen vor allem vom Kölner Erzbischof Friedrich von Saarwerden, aber auch von der Stadt Köln bekämpft, jedoch konnte der Graf - seit 1380 Herzog - von Berg
19 20 21
22 23 24 25 26
27
Vgl. REICHERT, Landesherrschaft, S. 156. Dahingehend ist YANTE, Wirtschaftsverhältnisse, S. 146, der den Erstbeleg des Remicher Zolls zu 1378 angibt, zu korrigieren. Die seit 1444 überlieferten Zollrechnungen sind ausgewertet bei YANTE, Activité, S. 390 ff.; vgl. knapp zusammenfassend DERS., Wirtschaftsverhältnisse, S. 146 ff. Vgl. dazu die grundlegende und sehr ausführliche Studie von MOSLER, Rheinzoll. Die vorliegenden Ausführungen folgen ihm im wesentlichen und können daher auf das Notwendigste beschränkt werden. U B Duisburg I, Nr. 215. SCHOLZ-BABISCH, Quellen, Nr. 77,80. LAC. III, Nr. 724. Aus der Urkunde geht nicht mit Sicherheit hervor, ob in Düsseldorf bereits Zoll erhoben wurde. LAC. III, Nr. 806. Die Erlaubnis galt bis auf Widerruf, der zumindest explizit nicht nachweisbar ist. LAC. III, Nr. 6 8 4 . Vgl. MOSLER, Rheinzoll, S. 103 f.
IV. Zollstätten bis 1500
321
seinen einzigen Rheinzoll in einer Höhe von 12 Turnosen behaupten, was dem Doppelten des alten Duisburger Zollsatzes entsprach 28 . Nur einmal kann im Untersuchungszeitraum eine Verlegung der Zollstätte nachgewiesen werden: 1490/1491 wich der Düsseldorfer Zöllner wegen der grassierenden Pest - so jedenfalls die offizielle Begründung - stromaufwärts nach Monheim aus 29 , wo bereits zwischen 1425 ein bergischer Rheinzoll gelegen hatte 30 ; im September 1491 lag der Zoll aber wieder in Düsseldorf 31 . Seit 1395 wurde in Düsseldorf ferner eine Abgabe vom Handelsverkehr, der das Stadtgebiet durchquerte, erhoben. Deren Ertrag hatte die Bürgerschaft zum Ausbau und Unterhalt der Straßen und Brücken zu verwenden 32 . Daneben existierte spätestens seit 1477 ein Landzoll des bergischen Landes- und Stadtherrn 33 .
IV.6
Griethausen/Beek bei Xanten
Durch die Verlegung des klevischen Waalzolls Nimwegen, die sich Graf Johann von Kleve bereits 1347 vorsorglich durch Kaiser Ludwig hatte genehmigen lassen 34 , an den Rhein wurde Griethausen 35 , wo seit 1319 eine Fährstelle und ein Karrenzoll belegt sind 36 , 1356 Flußzollstätte 37 . Für die Kaufleute an Neder-Rijn und IJssel, die
28 Vgl. die ausführliche Darstellung der wechselvollen und komplizierten Zollgeschichte Düsseldorfs bei MOSLER, Rheinzoll. 29 HStAD Jülich-Berg I, Nr. 357, fol. 28-32. Anders als in Düsseldorf, das stromabwärts von Neuss lag, wurde im stromaufwärts von Neuss gelegenen Monheim auch der Teil des talfahrenden Rheinhandels erfaßt, der in Neuss auf den Landweg wechselte. Über diese zusätzliche Zollbelastung beschwerten sich vor allem die geldrischen Städte Roermond und Venlo. Herzog Wilhelm von Jülich-Berg antwortete, daß die Zollverlegung nur für die Dauer der Pest Bestand haben sollte. Seine Klage über einen zunehmenden und seine Zölle schädigenden Gebrauch des Neusser Umschlags durch die geldrischen Städte läßt jedoch erkennen, daß auch die Erfassung des über Neuss nach Westen gehenden Handels bei der (von Mosler nicht erwähnten) Verlegung eine Rolle spielte. 30 Vgl. dazu oben S. 304. 31
KUSKE, Quellen II, Nr. 1247.
32 33
Nr. 1009. KUSKE, Quellen II, Nr. 720; MOSLER, Rheinzoll, S. 256; HStAD Jülich-Berg I, Nr. 1392, fol. 19. LAC. I I I ,
34
SCHOLZ-BABISCH, Quellen, Nr. 72.
35
Vgl. dazu grundlegend GORISSEN, Griethausen, der allerdings die Quellenedition von Scholz-Babisch nicht herangezogen hat, so daß in einigen Punkten kleinere Korrekturen notwendig sind.
36
OEDIGER/ILGEN, Einkünfteverzeichnis, Nr. 25.
37 SCHOLZ-BABISCH, Quellen, Nr. 90 (dementsprechend ist GORISSEN, Griethausen, S. 10, zu korrigieren). Das Fehlen jeglicher Nachrichten über einen Griethausener Rheinzoll vor 1356 macht die von SCHOLZ-BABISCH, Quellen, Anm. 4 zu Nr. 101, diskutierte Mög-
322
C. Zollstätten in den Rheinlanden bis 1500
vom Nimwegener Zoll an der Waal vorher nicht erfaßt worden waren, bedeutete dies eine erhebliche Mehrbelastung, jedoch blieben z. B. Arnheimer Proteste 38 ohne erkennbare Wirkung. Zusätzlich zu der früher in Nimwegen erhobenen Abgabe errichtete Graf Johann von Kleve in Griethausen einen neuen, vermutlich sogar höheren Zoll39, der 1363 erstmalig nachweisbar ist40. Der gesamte Zoll wurde 138541 nach Beek bei Xanten übertragen und verblieb dort bis zur Rückverlegung nach Griethausen, wo er seit 1401 wieder bezeugt ist42. Vermutlich im Zuge der Neuorganisation des Büdericher Zolls, der Ende 1419 nach Orsoy verlegt wurde 43 , übertrug man den Griethausener Zoll insgesamt nach Büderich 44 . Seitdem fungierte Griethausen nicht mehr als Rheinzollstätte.
IV.7
St. Goarshausen
Der Plan einer Rheinzollerhebung bei St. Goarshausen ist erstmals 1358 faßbar, als Karl IV. Graf Wilhelm II. von Katzenelnbogen bis zur Ablöse von 2.000 Gulden die Erhebung eines Turnosen zu St. Goar oder St. Goarshausen verlieh45. Die alternative Erhebungsmöglichkeit scheint darauf hinzudeuten, daß der Graf den Aufbau eines zweiten Rheinzolls neben St. Goar geplant hatte, jedoch entschied er sich letztendlich offenbar doch, den Turnosen an seiner althergebrachten Zollstätte zu erheben; denn aus den folgenden Jahren gibt es keine Hinweise auf das gegenüberliegende rechtsrheinische St. Goarshausen als Rheinzollstätte.
38 39
40 41
42 43 44 45
lichkeit eines älteren klevischen Zolls, wie er auch in der Übersicht S. XXI angegeben ist, sehr unwahrscheinlich. 1359 beschwerten sich Abgesandte des Arnheimer Rats in Goch (beim Herzog von Geldern) über die Zölle Lobith und Griethausen (GORISSEN, Griethausen, Nr. 11). 1375 unterschied man in Griethausen zwei Zölle: den alten Nimwegener Zoll und den großen Zoll (SCHOLZ-BABISCH, Quellen, Nr. 138), der anscheinend mit der seit 1363 belegten neuen Abgabe identisch war. Deren höhere Taxierung ist wohl der von SCHOLZBABISCH, Quellen, Anm. 4 zu Nr. 101, gesuchte Grund für die Bezeichnung als »großer« Zoll. SCHOLZ-BABISCH, Quellen, Nr. 101. Dementsprechend ist die Angabe bei GORISSEN, Griethausen, S. 26, (»1365«) zu korrigieren. onsen tolle van Griethusen, die op der Beke leget, SCHOLZ-BABISCH, Quellen, Nr. 149. Zwar ist ein Zoll in Beek bereits 1371 in einer Zollbefreiung nachweisbar, jedoch handelte es sich dabei wohl um den 1366 (GORISSEN, Griethausen, Nr. 38) belegten, von Scholz-Babisch nicht berücksichtigten opslach. Der Griethausener Zoll wurde erst 1385 nach Beek verlegt. GORISSEN, Griethausen, Nr. 160; vgl. zu den Gründen dieser Verlegung ebd., S. 25 f. Vgl. oben S. 295. Der Griethausener Zoll ist letztmalig am 24. Juni 1420 belegt (LAC. IV, Nr. 126); vgl. auch SCHOLZ-BABISCH, Quellen, Nr. 184. DEMANDT, Reg. Katz. I, Nr. 1213; vgl. auch Nr. 1215.
IV. Zollstätten
bis 1500
323
Erst zwanzig Jahre später hatte der Ort für kurze Zeit diese Funktion inne. Am 16. Oktober 1378 beschwerte sich der Trierer Erzbischof Kuno von Falkenstein bei Graf Wilhelm von Katzenelnbogen über dessen neuen Rheinzoll zu St. Goarshausen und verlangte unter Hinweis auf die Trierer Geleithoheit in diesem Gebiet die Einstellung der Zollerhebung sowie die Rückerstattung der bereits erhobenen Zollgelder 46 . Kuno meinte damit die drei Turnosen, die Karl IV. Pfalzgraf Ruprecht d. Ä. für geleistete Dienste auf Widerruf zu Husen obendig sant Gwere über zwar erst am 31. Oktober 1378 offiziell bewilligte 47 , deren Erhebung offenkundig aber schon früher begonnen hatte. Es ist nicht bekannt, ob der dabei nicht erwähnte Graf von Katzenelnbogen, wie der Erzbischof anscheinend aus dessen Landeshoheit in St. Goarshausen automatisch folgerte, am Ertrag dieses Rheinzolls beteiligt war, jedoch wurde die Zollstätte kaum ohne Wilhelms Zustimmung eingerichtet. Am 8. November 1378 mahnte Kuno mit Fristsetzung von acht Tagen beim Grafen erneut die Abstellung des Zolls an 48 und hatte damit offenbar Erfolg; denn weitere Nachrichten über diese Hebestelle liegen nicht vor.
IV.8
Ruhrort
A m 28. April 1371 verlieh Karl IV. auf Widerruf dem Edlen Johann von Moers einen Transitzoll von vier Turnosen je Fuder Wein, die nach Belieben als Rheinzoll auf dem Homberger bzw. (dem stromaufwärts gelegenen) Friemersheimer Werder oder zu Lande in der Herrschaft Moers erhoben werden konnten 49 . Die zweifelsohne durch den höheren zu erwartenden Ertrag bestimmte Wahl Johanns fiel auf einen Rheinzoll, zu dessen Sicherung er eine Zollburg auf dem Friemersheimer Werder errichtete 50 . Diese wurde jedoch bereits kurz darauf vom Kölner Erzbischof Friedrich von Saarwerden zerstört 51 . Da sich Johann und sein Neffe Graf Friedrich von Moers anscheinend außerstande sahen, aus eigenen Kräften in Friemersheim einen Zoll zu unterhalten, übertrugen sie am 11. Mai 1372 gegen einen Erbzins von 50 alten Goldschilden den Homberger Werder an Graf Engelbert von der Mark, der
46 47 48
DEMANDT, Reg. Katz. I, Nr. 1609. WINKELMANN, Acta Imperii II, Nr. 967. DEMANDT, Reg. Katz. I, Nr. 1614.
49
SCHOLZ-BABISCH, Q u e l l e n , N r . 1 2 7 .
50
A m 1. August 1371 gestattete Bovo, Herr von Friemersheim, die Errichtung einer Burg auf dem Werder, da ein Zoll nicht ohne den Schutz einer Befestigung eingerichtet werden könne, SCHOLZ-BABISCH, Quellen, Anm. 3 zu Nr. 127. Der kurkölnische Kriegszug gegen die Zollburg Friemersheim ist in den Schiedsverhandlungen des Erzbischofs mit der Stadt Neuss bzw. dem Grafen von Berg aus dem Jahr 1373 (REK VIII, Nr. 850, 894) erwähnt, fand jedoch offenbar bereits vor dem Vertrag über den Homberger Werder vom 11. Mai 1372 statt.
51
324
C. Zollstätten in den Rheinlanden
bis 1500
dort eine Burganlage errichten sollte52. In deren Schutz sollten die vier Moerser Turnosen und ein nicht näher bezeichneter märkischer Rheinzoll 53 erhoben werden. Am 30. Oktober 1373 gewährte Karl IV. Johann von Moers eine Erhöhung des Zolls um zwei auf sechs Turnosen 54 , worum sich der Edelherr spätestens seit Mai 1372 bemüht hatte 55 . Der Homberger Werder, der anfangs - wie schon sein Name zeigt - mehr linksrheinisch im Moersischen gelegen haben muß, ist im Laufe der Zeit immer mehr an das rechtsrheinische klevische Ufer angewachsen und zum Ort Ruhrort geworden 56 . Seit 1379 erscheint diese Lokalisierung des Zolls in den Quellen 57 . Im selben Jahr machte König Wenzel auf Druck des Kölner Erzbischofs von der schon bei der Zollverleihung 1371 vorgesehenen Möglichkeit des Widerrufs Gebrauch, da Ruhrort im kurkölnischen Geleitgebiet zwischen Andernach und Rees liege58. Ein entsprechendes Mandat ging auch an Graf Engelbert von der Mark 59 . Während sich die Moerser anscheinend dem königlichen Befehl fügen mußten 60 von einem Moerser Zoll in Ruhrort ist zunächst keine Rede m e h r - , hat sich der Graf für seinen Teil nicht darum gekümmert. Sein Zoll war Objekt der märkischen Landesteilung von 138061, und von der tatsächlichen Erhebung zeugt die 1386 von Engelbert für die Weseler ausgestellte Zollbefreiung 62 . Die Grafen und Herren von Moers haben sich spätestens seit 1392 um die Wiedererrichtung ihres Zolls bemüht, sind dabei jedoch auf kleve-märkischen Widerstand gestoßen 63 . Zwar bestätigte 1398
52 53
LAC. III, Nr. 721; der märkische Revers vom 15. Mai ist bei SCHOLZ-BABISCH, Quellen, Nr. 131, gedruckt. Dabei handelte es sich um den halben Büdericher Zoll, der Engelbert infolge der klevemärkischen Erbteilung vom 11. Dezember 1362 (SCHOLZ-BABISCH, Quellen, Nr. 100) zustand. A m 1. April 1386 befreite Graf Engelbert von der Mark die Bürger von Wesel von seinem vormals in Büderich liegenden Zoll, der nun in Ruhrort erhoben werde (SCHOLZBABISCH, Quellen, Nr. 151).
54
SCHOLZ-BABISCH, Q u e l l e n , N r . 1 3 7 .
55
V g l . SCHOLZ-BABISCH, Q u e l l e n , N r . 1 3 2 .
56
V g l . SCHOLZ-BABISCH, Q u e l l e n , A n m . 1 z u N r . 1 2 7 .
57 58
R T A I . N r . 137. R T A I , Nr. 137. Zu den politischen Hintergründen vgl. JANSSEN, Erzbistum Köln, S. 246 f. R T A I, Nr. 138. D a ß der Verlust der Moerser Zollrechte wahrscheinlich auf diesen Widerruf zurückgeht, ist von Scholz-Babisch (vgl. etwa Anm. 1 zu Nr. 127 und Anm. 2 zu Nr. 166) nicht hinreichend berücksichtigt worden.
59 60
61
SCHOLZ-BABISCH, Q u e l l e n , N r . 1 4 4 .
62
SCHOLZ-BABISCH, Q u e l l e n , N r . 1 5 1 .
63
In der Erbteilung zwischen Graf Adolf I. von Kleve und seinem Bruder Dietrich von der Mark vom 24. März 1392 wurde vereinbart, daß letzterer Graf Friedrich von Moers nicht an seinen vier(!) Turnosen hindern sollte (SCHOLZ-BABISCH, Quellen, Nr. 161). A m 20. Juni 1393 bekundete Hermann Cleyne, Richter im Land Dinslaken und Burggraf von
IV. Zollstätten bis 1500
325
König Wenzel die von seinem Vater verliehenen sechs Moerser Turnosen und befahl Graf Adolf II. von Kleve und Dietrich von der Mark, die Zollerhebung nicht zu behindern. Es bleibt jedoch unklar, ob diese Ansprüche durchgesetzt werden konnten, da weder Verschreibungen oder Zollbefreiungen noch andere Hinweise auf eine konkrete Verfügung der Moerser über einen Ruhrorter Zoll vorliegen. Die Grafen von Kleve-Mark haben ihren Zoll zwischen 1405 und 142264 nach Orsoy verlegt. In Ruhrort wurde erst seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wieder ein Transitzoll auf den Rheinverkehr erhoben, und zwar als Nebenstelle des Orsoyer Zolls65.
IV.9
Pfalzel
Am 8. Juli 1372 verlieh Karl IV. dem Trierer Erzbischof Kuno von Falkenstein auf Lebenszeit einen Moselzoll in Höhe von zehn alten Turnosgroschen pro Fuder Wein, die wahlweise an einer oder zwei Hebestellen erhoben werden konnten. Sollte der Zoll zum Zeitpunkt von Kunos Tod verpfändet sein, konnte der Pfandinhaber die Abgabe noch vier Jahre darüber hinaus bestehen lassen66. Der Metropolit entschied sich, den Zoll in Pfalzel bei Trier zu erheben; denn in der kopialen Überlieferung schließt unmittelbar an diese Zollverleihung ein wohl bei dieser Gelegenheit erstellter Zolltarif (Ordinacio theolonii in Palaciolo) an67. Am 11. November 1374 erweiterte der Kaiser dieses Privileg, in dem er die Befristung aufhob. Jedoch sollten die luxemburgischen Untertanen für ihre eigenen Gewächse von dem Zoll befreit sein68. Der neue Moselzoll im unmittelbaren Interessenbereich Triers traf die Handelsaktivitäten der Bürger an empfindlicher Stelle, zumal nun ein Ende der Abgabe
64
65 66 67 68
Schloß, Haus, Zoll und Ward zu Ruhrort, daß er zusammen mit den Wächtern und dem Gesinde Graf Friedrich von Moers, Herrn zu Bar, gehuldigt und feierlich geschworen habe, Ruhrort zu dessen Nutzen zu bewahren, gemäß den vom verstorbenen Grafen Engelbert von der Mark und Jungherrn Dietrich von der Mark ausgestellten Urkunden (SCHLEIDGEN, Kleve-Mark Urkunden 1368-1394, Nr. 303). Fraglich ist, ob daraus auf einen Moerser Zoll geschlossen werden kann. Letztmalig belegt im April 1405 (nicht 1404, wie SCHOLZ-BABISCH, Quellen, S. XXIV, angibt) in einer bei GORISSEN, Griethausen, S. 124, veröffentlichten geldrischen Weintransportrechnung, die Angaben über die zwischen Köln und Arnheim gezahlten Zollsummen enthält. Ein Orsoyer Zoll, der früher in Ruhrort lag, ist erstmals am 13. Mai 1422 (SCHOLZ-BABISCH, Quellen, Nr. 194) bezeugt. Die Verlegung des Ruhrorter Zolls nach Orsoy wurde wahrscheinlich mit der Übertragung des Büdericher Zolls an denselben Ort 1419/1420 vorgenommen; vgl. dazu oben S. 295. Erster Nachweis 1562 (SCHOLZ-BABISCH, Quellen, Nr. 405). Ihre Angabe (S. XXIV) von einem Verbleib eines Orsoyer Nebenzolls in Ruhrort nach 1422 ist so nicht zutreffend. LHAKo 1 C 5, Nr. 334. LHAKo 1 C 5, Nr. 335. In diesem Tarif ist der Weinzoll mit zehn Turnosen angegeben. Der Erzbischof hatte den Zoll also ungeteilt nach Pfalzel gelegt. RTA I, Nr. 3.
326
C. Zollstätten in den Rheinlanden bis 1500
nicht mehr in Sicht war und die Trierer gegenüber den luxemburgischen Händlern offenkundig benachteiligt wurden. Am 9. Mai 1377 brach der schon länger schwelende Konflikt zwischen Stadtgemeinde und Stadtherr offen aus. In vielen Punkten ging es um das grundsätzliche Verhältnis beider Seiten69; zum Anlaß wurde jedoch der Zoll Pfalzel. Die Stadt sah darin einen Verstoß gegen die vertraglich zugesicherte Handelsfreiheit und verwies insbesondere auf die Bevorzugung der luxemburgischen Untertanen 70 . Fünf Wochen lang blieben die Stadttore für den Güter- und Personenverkehr der erzbischöflichen Bediensteten, der Geistlichkeit und der Juden geschlossen. Am 14. Juni 1377 wurde schließlich eine Sühne beurkundet, die keinen Zweifel daran läßt, daß die Bürger ihre Position zumindest in der Zollfrage durchgesetzt hatten. Erzbischof Kuno versprach, den Pfalzeler Zoll - soweit er die Trierer betraf mit sofortiger Wirkung abzustellen und auch nicht anderswo auf Mosel und Saar zu deren Nachteil zu erheben 71 . Diese Einschränkungen sind in der bisherigen Forschung nicht immer hinreichend beachtet worden, die z. T. daraus eine Abstellung des Pfalzeler Zolls gefolgert hat, ohne dessen spätere Existenz zu berücksichtigen 72 . Tatsächlich ging es den Trierern nicht, wie bisweilen angenommen, um die völlige Aufhebung der Zollstätte, sondern um eine Zollbefreiung, die man allerdings nicht nur gnadenhalber besitzen wollte. Ein solches Privileg hätte, wie andere, den Trierern möglicherweise bekannte Fälle zeigen, im Prinzip vom Erzbischof bei fehlendem Wohlverhalten der Stadt jederzeit widerrufen werden können 73 . Vielmehr erklärte Kuno den Pfalzeler Zoll für die Trierer - und nur für diese - als de iure und de
69 70 71
Vgl. dazu HAVERKAMP, Zweyungen; MATHEUS, Trier, S. 93. Vgl. dazu ausführlich HA VERKAMP, Zweyungen, S. 33. Das ist zu wissen, daz wir alsulichen zoll und geleyde, die wir ubermitz laube unsers gnedigen herren des keysers zu Paltzel uf die Mosel gelacht han, abtun sullen und abegedaen syn sal und tun abe mit diesem brieve, als verre die obg. unsere scheffenmeister, scheffen und bürgere gemeynlich unser stat zu Trier antreffent und rurent ane argelist, und sullen wir, unsere nakomen und stift nu fürbaß mee nummer die ader eynche andere zoll ader geleyde uf die Mosel noch uf die Sare, uf lande noch uf wasser gelegen, damit die vurgen. scheffenmeister, scheffen und bürgere gemeynlich unser stat zu Triere besweret oder bekroedt werden, ane geverde, RUDOLPH/KENTENICH, Quellen, Nr. 85.
72
So anscheinend HA VERKAMP, Zweyungen, S. 43: »Trotz seines Rückhaltes beim Kaiser mußte er (der Erzbischof) sich gegenüber der Stadt Trier verpflichten, den Zoll zu Pfalzel aufzuheben«. Unter Berufung darauf jetzt auch BURGARD, Auseinandersetzungen, S. 305: »Außerdem hob er den Zoll zu Pfalzel auf.« Dagegen deutet MATHEUS, Trier, S. 93, den Vorgang zutreffend als Zollbefreiung der Trierer in Pfalzel. So argumentierte der Kölner Erzbischof Friedrich von Saarwerden, ein Neffe Kunos, 1372 im Konflikt mit der Stadt Neuss, daß deren beanspruchte Zollfreiheit kein Recht, sondern eine Gnade sei, die sie sich verdienen müßten (REK VIII, Nr. 880). Nicht nur die Andernacher und Kölner, sondern auch die Neusser Konflikte zwischen Erzbischof und Stadtgemeinde gehörten wohl zu dem von HAVERKAMP, Zweyungen, S. 49 f., skizzierten gemeinsamen Erfahrungshorizont von Kuno und der Stadt Trier.
73
IV. Zollstätten
bis 1500
327
facto nicht existent. Das heißt jedoch nicht, daß andere Händler dort frei passieren konnten. Eine völlige Aufhebung des Zolls hätte auch kaum dem Trierer Interesse entsprochen, konnte ihnen die Sühneregelung doch einen Kostenvorteil gegenüber nicht befreiten Händlern verschaffen. Der Fortbestand des Pfalzeler Zolls ist durch die Nennung in der Zollbefreiung Erzbischof Kunos für das Koblenzer Deutschordenshaus vom 1. November 1381 klar bezeugt 74 . Hätte die Sühne von 1377 tatsächlich eine vollständige Aufhebung des Zolls beinhaltet, so wäre zu fragen, wie Kuno kurz darauf Pfalzel als Zoll wieder reaktivieren konnte, ohne schwere Auseinandersetzungen mit der Stadt zu riskieren. Von solchen Konflikten ist aber nichts bekannt. Bis zum Ende des Untersuchungszeitraums ist die Erhebung des Pfalzeler Moselzolls belegt75.
IV.10
Lülsdorf/Herrschaft Löwenberg
Der Plan, in Lülsdorf (gegenüber von Wesseling auf der rechten Rheinseite) einen neben Düsseldorf - zweiten bergischen Rheinzoll zu errichten, mit dem der Rheinhandel zwischen Köln und dem Oberland erfaßt werden sollte, ist erstmalig 1380 greifbar. In diesem Jahr gestattete König Wenzel Herzog Wilhelm von Berg, die sechs Turnosen, die Wilhelm (angeblich) von Karl IV. zu Kaiserswerth gehabt hatte, nach Lülsdorf oder Düsseldorf zu verlegen76. Der Herzog entschied sich, die sechs Turnosen am bestehenden Düsseldorfer Zoll zu erheben, scheint jedoch das Lülsdorfer Zollprojekt nicht aus den Augen verloren zu haben. Am 18. November 1385 verbündeten sich der Kölner Erzbischof Friedrich von Saarwerden und die Stadt Köln zur Abstellung der neuen bergischen Zölle zu Wasser und zu Land 77 , wobei es, wie ein Entwurf zu diesem Vertrag zeigt78, auch um die Verhinderung eines neuen Zolls zu Lülsdorf ging. Herzog Wilhelm beugte sich am 27. Februar 1386 dem vereinten Druck seiner wichtigsten Nachbarn: Er ermäßigte den Düsseldorfer Zoll um ein Drittel auf 12 Turnosen bzw. seine Landzölle auf die Hälfte und befreite die Kurund Stadtkölner für eigenes Gut völlig von Zollabgaben 79 . Die Herzöge von Berg konzentrierten ihre Bemühungen um einen erhöhten Anteil am Rheinzollaufkommen - abgesehen von dem 1425/1431 gegen Geldern zu Monheim bzw. Zündorf erhobenen Strafzoll 80 - in der Folgezeit vor allem auf die Düsseldorfer Hebestelle 81 .
74 75 76 77 78 79 80
Vgl. VAN EICKELS, Deutschordensballei Koblenz, S. 293. Vgl. z. B. RET, S. 131 (1408), 168 (1437); 232 (1470); L H A K o 1 C, Nr. 457, S. 81-85 (1476). LAC. III, Nr. 849. Wahrscheinlich war dies eine verschleierte Zollverleihung. Vgl. ausführlich MOSLER, Rheinzoll, S. 107 ff. R E K I X , Nr. 1062 - ENNEN, Quellen V, Nr. 336 mit falschem Datum 1385 März 1. REK IX, Nr. 1061. LAC. III, Nr. 901 - REK IX, Nr. 1204; vgl. dazu MOSLER, Rheinzoll, S. 111 f. Vgl. dazu oben S. 304.
328
C. Zollstätten in den Rheinlanden bis 1500
100 Jahre nach dem Scheitern des ersten Lülsdorfer Zollprojekts unternahm Herzog Wilhelm von Jülich-Berg einen zweiten Anlauf zur Etablierung eines zusätzlichen bergischen Rheinzolls. Am 8. Juli 1486 verlieh ihm Kaiser Friedrich gegen eine jährliche Ertragsbeteiligung von 4.000 Gulden einen neuen Rheinzoll zu Lülsdorf in Höhe des kurkölnischen Linzer Zolls, wozu König Maximilian am 23. Juli seine Zustimmung gab82. Der Herzog konnte jedoch den neuen Zoll, auch nachdem er ihn von Lülsdorf an einen unbekannten Ort in der Herrschaft Löwenberg verlegt hatte, nicht gegen den Widerstand von Erzbischof und Stadt Köln etablieren und leistete schließlich auf Bitten des Kaisers Verzicht83. Gleichwohl konnte Wilhelm einen wichtigen Teilerfolg erringen. Am 27. November 1486 verlieh ihm Kaiser Friedrich zum Ersatz für den aufgegebenen Lülsdorfer Rheinzoll je einen neuen Landzoll in Höhe von einem rheinischen Gulden pro Zollfuder Wein in den Herzogtümern Jülich und Berg und gestattete ihm eine Erhöhung des Düsseldorfer Flußzolls um sechs Turnosen 84 . Wenn auch diese Zollverleihung vom Erzbischof oder der Stadt Köln behindert werde - so versprach der Kaiser in einer weiteren Urkunde vom Folgetag - , werde er den Herzog mit einem andern zole auf dem Rein oder mit anderr guter treflicher nutzung versehen85. Eine Einlösung dieser Zusage blieb dem Herrscher jedoch erspart; offenbar war die Entschädigung für den Herzog mit Erzbischof und Stadt abgesprochen.
81 82
83
84
85
Vgl. MOSLER, Rheinzoll, S. 112-129. Vgl. MOSLER, Rheinzoll, S. 257; CLASSEN, Lülsdorf, Sp. 206 f. Das Original der Verleihungsurkunde ist nicht erhalten (siehe die folgende Anm.). Eine Abschrift ist im Archiv des Kölner Domkapitels überliefert (StA Köln, Domstift Urk. alt, Nr. 1311; vgl. CLASSEN, Lülsdorf, Sp. 270 Anm. 59). Die Verleihungsurkunde wurde nach dem Bericht der Koelhoffschen Chronik am 28. November 1486 in Koblenz vor den Augen des Kaisers vernichtet (Koelhoffsche Chronik zu 1486, Chroniken der deutschen Städte XIV, S. 868; vgl. MOSLER, Rheinzoll, S. 1 3 0 ) . LAC. IV, Nr. 4 3 3 . MOSLER, Rheinzoll, S. 257 f.
IV. Zollstätten
IV.ll
bis 1500
329
Wesseling
Am 4. Juni 1398 verlieh König Wenzel Herzog Wilhelm von Jülich-Geldern einen Rheinzoll von sechs Turnosen zu Wesseling (Weeslich)86, wobei der Ertrag einer weiteren Urkunde zufolge zwischen König und Herzog zu teilen war 87 . Zu einer Umsetzung dieses Projekts scheint es jedoch nicht gekommen zu sein. Weder liegen Nachrichten über Wesseling als Rheinzollstätte vor, noch gibt es Hinweise, daß Wenzel Einkünfte aus anderen jülich-geldrischen Zöllen erhielt. Vielmehr gehörte Wesseling zu den von Wenzel verliehenen, aber noch nicht realisierten Rheinzöllen, die von König Ruprecht auf Druck der rheinischen Kurfürsten am 7. Januar 1401 widerrufen wurden 88 . Auch später gelang den Herzögen keine Anerkennung dieser Zollverleihung. Vielmehr erklärte der König am 11. Oktober 1407, daß die Privilegienbestätigung für Herzog Reinald von Jülich-Geldern sich nicht auf die von Wenzel verliehenen und von ihm selbst widerrufenen Zölle erstrecke 89 , wobei Ruprecht offenkundig die Urkunden von 1398 meinte.
86 87 88 89
NIJHOFF, Gedenkwaardigheden III, Nr. 216. LAC III, Anm. zu Nr. 1047 = H S t A D Jülich Urk., Nr. 505. R T A IV, Nr. 206, 207, wodurch das Wahlversprechen vom 20. August 1400 ( R T A III, Nr. 200) eingelöst wurde. R T A IV, Nr. 237. In der Privilegienbestätigung selbst (Nr. 241), die zwar vom 14. November datierte, aber offensichtlich vorher formuliert wurde, war dieser Punkt ausdrücklich offengelassen worden.
330
Karte 2: Zölle an Rhein, Mosel und Saar im 11. Jahrhundert
331 Karte 3: Zölle an Rhein, Mosel und Saar im 12. Jahrhundert
332 Karte 4: Zölle an Rhein, Mosel und Saar im 13. Jahrhundert
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m
J ä ^Sierck
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Montclair V
,
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Flußzoll Umschlagzoll Bestand unsicher Orientierungsort
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1225 1250 1275 1300
333
Karte 5: Zölle an Rhein, Mosel und Saar im 14. Jahrhundert
Wasserbillig ^ " T Trier Remic+i
¿'saarburg ^- J \ Montclair
Sierck Wallerfangen
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Flußzoll
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Umschlagzoll
1325 1350
Bestand unsicher
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1375
Orientierungsort
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1400
334
Karte 6: Zölle an Rhein, Mosel und Saar im 15. Jahrhundert
D.
Herrscherliche Zollpolitik vom 10. Jahrhundert bis ca. 1325
I.
Ottonische und salische Zeit
1.1
Neuerrichtung von Zollstätten und Zollerhöhungen
Wenngleich für die ottonische Zeit die Errichtung neuer Transitzölle im Untersuchungsraum nicht an einzelnen Hebestellen nachweisbar ist, scheint es bereits vor der Mitte des 10. Jahrhunderts zu einer intensiveren Abgabenerfassung des Handels auf Rhein und Mosel gekommen zu sein, die von der Reichsgewalt her ihren Ausgang nahm. 947 bestätigte Otto I. - allerdings in einem neuerdings als nach 1006 entstandene Fälschung verdächtigten Diplom - Erzbischof Ruotbert von Trier die Immunität und erweiterte sie - wenngleich der König dies als Erneuerung älterer Privilegien ausgab - auf die Zollfreiheit der erzbischöflichen familia iuxta Renum et Mosellam fluvios tarn eis quam citra et in omnibus locis regni nostri, ubicumque thelonea exiguntur, quocumque vehiculo pergant1. In den gleichen Raum weist die Privilegienbestätigung Ottos II. für St. Maximin aus dem Jahr 973, in der eine Zollfreiheit der klösterlichen Schiffe in das übliche Immunitätsformular eingefügt wurde 2 . Man wird diese beiden Urkunden gewiß nicht überstrapazieren dürfen, berücksichtigt man jedoch, daß auch Klöster und Bischofskirchen, die bereits in karolingischer Zeit
1
2
MGH D O I, Nr. 86. THOMAS, Kaisergleicher König, hat 1993 die bislang nicht in Frage gestellte Echtheit der Urkunde nachhaltig bestritten und sie als eine unter Verwendung eines echten, zeitgleichen Diploms nach 1006 angefertige Fälschung des Trierer Mönchs Theoderich qualifiziert. Wie tragfähig diese Überlegungen sind, kann hier nicht beurteilt werden (kritisch ANTON, Trier von der Spätantike, S. 87 f. Anm. 208). Anzumerken ist jedoch, daß der von THOMAS, ebd., S. 94, beanstandete Begriff vehiculum entgegen seiner Auffassung nicht nur in D O I, Nr. 86 vorkommt, sondern durchaus auch noch in einer anderen >einschlägigen< Urkunde Ottos des Großen zu finden ist, nämlich in der 953 weitgehend wortgleich bestätigten Zollbefreiung für die Straßburger Bischofskirche (MGH D O I, Nr. 162), die erstmals von Ludwig dem Frommen 831 erteilt (RII, Nr. 890) und 873 durch Ludwig den Deutschen (MGH D LdD, Nr. 148) erneuert worden war. Wenn tatsächlich eine Fälschung vorliegen sollte, könnte ein wesentliches (von THOMAS, ebd., S. 103, nur kurz angedeutetes) Motiv für die Anfertigung in der Zollfreiheit der erzbischöflichen familia liegen, die nur in D O I, Nr. 86 bezeugt ist. In den folgenden Herrscherprivilegien für die Trierer Kirche ist sie nie in dieser oder ähnlicher Form (für den Handel auf Rhein und Mosel) bestätigt worden. MGH D O II, Nr. 42.
336
D. Herrscherliche Zollpolitik vom 10. Jahrhundert bis ca. 1325
Zollprivilegien genossen, seit der Jahrhundertmitte um deren Erneuerung nachsuchten - zu nennen sind etwa Inden-Kornelimünster 948 und Straßburg 953 3 -, daß Otto I. 966 dem Kölner Kloster St. Pantaleon reichsweite Zollfreiheit verlieh 4 und daß es 975 eine Vergünstigung für die Magdeburger Kaufleute darstellte, nur in Mainz, Köln, Tiel und Bardowick zollpflichtig zu sein5 - was voraussetzt, daß es zwischen diesen großen Handelsplätzen, von denen drei am Rhein lagen, eine ganze Reihe von Zollstätten gab - , dann verdichten sich die Hinweise auf eine insgesamt gestiegene Erfassung von Handel und Verkehr in den Rheinlanden durch Zölle. Zwar ist auch für die ottonische Zeit insgesamt noch ein deutliches Übergewicht von markt- gegenüber transitbezogenen Abgaben anzunehmen, doch weisen vor allem die beiden Befreiungen für Trier und St. Maximin auf eine zunehmende Bedeutung von Flußzöllen hin, bei denen die Erfassung des Markthandels keine bestimmende Rolle mehr spielte. Die erste Hebestelle dieses besonderen Typus von theloneum, des Transitzolls, ist in Koblenz zu lokalisieren. Der Zoll ist seit 1018 urkundlich belegt6; nach Ausweis des ältesten Zolltarifs bestand er vermutlich schon vor der Jahrtausendwende 7 . Es ist sogar nicht unwahrscheinlich, daß diese Hebestelle in den Zollbefreiungen für Trier bzw. St. Maximin gemeint war. Koblenz ist für lange Zeit die einzige sicher nachweisbare Hebestelle für Transitabgaben im Untersuchungsraum. Erst unter Heinrich IV. kann eine deutlich verstärkte fiskalische Nutzbarmachung des Handels, insbesondere auf der Rheinachse, beobachtet werden, zeigt doch sein bekanntes Zollprivileg von 1074 für die Wormser Kaufleute, daß er in Goslar, Frankfurt, Dortmund, Boppard, Hammerstein und Angeren Transitzölle erheben ließ8. Man wird vermuten können, daß der Salier vielleicht auch wegen der im Zuge des Investiturstreits grundsätzlich in Frage gestellten Verfügungsgewalt des Königs über die Reichskirche und ihre Einkünfte - das »Reichsgut in spezieller Verwaltung« 9 - , wodurch die herrscherliche Machtgrundlage erheblich eingeschränkt zu werden drohte 10 , die Aktivierung neuer finanzieller Ressourcen in Form von Transitzöllen forcierte. Auf einen Wandel in der fiskalischen Erfassung des Handelsverkehrs deutet nicht zuletzt die Terminologie der Urkunde hin. Man hielt offenbar eine allgemeine Umschreibung des Abgabentyps mit dem üblichen Begriff t(h)eloneum für erklärungsbedürftig und definierte sie (sinngemäß)
3 4 5 6 7 8
MGH D O I, Nr. 102,162. MGH D O I, Nr. 324 (= RhUB II, Nr. 299). MGH D O II, Nr. 112. MGH D H II, Nr. 397. Vgl. oben S. 106. MGH D H I V , Nr. 267.
9
SCHIEFFER, Reichsgut, S. 51.
10
Vgl. SCHIEFFER, Reichsgut, S. 52, der sogar von einer »geradezu existentiellen Bedrohung des Königtums« spricht.
I. Ottonische und salische Zeit
337
als teloneum quod teutonica lingua interpretatum est zol quod praetereuntes solvuntn. Es wurde also auf den anscheinend präziseren Begriff verwiesen, den die Volkssprache für ein transitbezogenes theloneum bereits ausgebildet hatte.
1.2
Zollbefreiungen
Die Zollbefreiungen des 10. Jahrhunderts sind, soweit sie den Untersuchungsraum betrafen und nicht lediglich Bestätigungen älterer Urkunden waren, bereits genannt worden. Unter den im Vergleich mit der karolingischen Zeit wenigen Urkunden sticht dabei besonders das (möglicherweise gefälschte) Privileg Ottos I. für die Trierer Kirche hervor, das deren familia an Rhein und Mosel sowie im ganzen Reich von Zollabgaben befreite. Es ist nicht nur die einzige vollständige Zollbefreiung, die jemals für eines der drei rheinischen Erzstifter ausgestellt wurde 12 , sie geht auch deutlich über die Abgabenbefreiung des hochstiftischen Immunitätsgebiets hinaus, wie sie Trier seit 772 und 816 verbrieft war13, wenngleich der inhaltliche Umfang des Zoll- und Handelsprivilegs Ludwigs des Frommen von 831 für die Straßburger Kirche, das Otto I. 953 weitgehend wortgleich bestätigte 14 , nicht erreicht wurde. Von den vier großen Reichsklöstern der Rheinlande, denen es schon in fränkischer Zeit gelungen war, reichsweite Zollfreiheit zu erhalten, Stablo-Malmedy, Prüm, Echternach und Inden-Kornelimünster 15 , hat in ottonischer Zeit nur eines, nämlich Inden-Kornelimünster im Jahr 948, um Bestätigung nachgesucht bzw. eine solche erlangen können 16 . Daß die karolingischen Zollbefreiungen im Regelfall noch beachtet wurden, wird man daraus aber nicht mit Sicherheit schließen können. Neben dem Trierer Erzstift sind bis zum Ende des 10. Jahrhunderts nur zwei weitere Institutionen im Untersuchungsraum vom theloneum befreit worden. 966 verlieh Otto I. dem Kölner Kloster St. Pantaleon im Zuge einer Schenkung das Vorrecht,
11
12
13 14 15 16
Teloneum siquidem quod teutonica lingua interpretatum est zol, quod in omnibus locis regiae potestati assignatis - videlicet Franchenvvurt, Boparten, Hamerstein, Drvtmvnne, Goslarie, Angere - Uvormatienses solvere praetereuntes debiti erant, Uvormatiensibus, ne ulterius solvant zol, remisimus, MGH D H IV, Nr. 267. Der Text in den spitzen Klammern ist zweifelsohne nachgetragen worden, fraglich ist nur, ob dies noch vor dem Ende des 11. Jahrhunderts oder erst sehr viel später geschah. Vgl. dazu Dietrich VON GLADiss/Alfred GAWLIK, Einleitung zu MGH D D H I V Teil 3, S. LXII Anm. 194, mit weiterer Literatur. Die 1339 von Ludwig dem Bayern (HONTHEIM, Historiall, Nr.652) und 1346 von Karl IV. (MGH Const. VIII, Nr. 111) verliehenen Zollfreiheiten für die trierischen Untertanen bezogen sich jeweils direkt oder indirekt auf die seit dem Tod Heinrichs VII. neu errichteten Zölle. MGH D Karol. I, Nr. 66; MRUB I, Nr. 50. RII, Nr. 890; MGH D O I , Nr. 162. Vgl. Kap. A.III.3.2.1. Ein Zollprivileg für St. Maximin ist nicht überliefert. MGH D O I, Nr. 102.
338
D. Herrscherliche Zollpolitik vom 10. Jahrhundert bis ca. 1325
daß die klösterlichen homines, die pro necessitate vel utilitate St. Pantaleons im Reich unterwegs waren, niemandem Zoll schuldig seien17. Die Formulierung weist zwar deutliche Anklänge an karolingische Zollprivilegien auf, doch läßt sich nicht entscheiden, ob Otto damit auch einen auf Gewinnerzielung gerichteten klösterlichen Handel fördern wollte, wie dies z. B. von Pippins Privileg für Prüm anzunehmen ist18. St. Pantaleon war zwar als Kloster eine Gründung Erzbischof Bruns von Köln, des 965 gestorbenen Bruders Ottos I., doch wird dies allein kaum den Ausschlag für das Zollprivileg gegeben haben. Weder die von Brun gegründeten Stifter St. Andreas und Groß-St. Martin noch das von ihm in ein Benediktinerinnenkloster umgewandelte Stift Maria im Kapitol 19 haben jedenfalls, soweit bekannt ist, eine solche Vergünstigung erhalten. 973 stellte Otto II. für St. Maximin bei Trier ein umfassendes Privileg aus, das erstmals eine Zollfreiheit der klösterlichen Schiffe fixierte20. Doch soweit man dies aus der Knappheit der Formulierung der Urkunde schließen kann, hatte dieser in die Immunitätsbestätigung eingeflochtene Punkt gegenüber den ausführlich geregelten Fragen der Abt- und Vogtwahl eine eher nachrangige Bedeutung. Im Vergleich mit dem Trierer Privileg von 947 und der Zollbefreiung St. Pantaleons fehlt hier jeder Hinweis darauf, daß eine Handelstätigkeit St. Maximins begünstigt werden sollte. Im 11. Jahrhundert sind Zollbefreiungen noch seltener als vor der Jahrtausendwende, wenn man von den meist wortgleichen Bestätigungen älterer Privilegien absieht und Immunitätsurkunden, in denen die Zollerhebung auf Immunitätsgebiet verboten wurde und die kaum auf Transitabgaben abzielten21, außer Betracht läßt. Um so mehr fällt daher die Wormser Zollbefreiung von 1074 aus dem Rahmen, mit der sich Heinrich IV. für die - in der Narratio ausführlich belobigte - Unterstützung der Bürger in einer für ihn sehr prekären politischen Lage erkenntlich zeigte22. Es war nicht nur seit einem Jahrhundert die erste - und bis in die frühstaufische Zeit auch letzte - für den Untersuchungsraum neu ausgestellte Exemtion, sondern auch die erste Zollbefreiung, die eine Stadtgemeinde am Rhein erhielt.
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MGH D O I, Nr. 324 (= RhUB II, Nr. 299). Vgl. dazu oben, Kap. A.III.3.2.1.2. Vgl. zu diesen Instituten OEDIGER, Erzbistum Köln, S. 171,505 f. theloneum a navibus eorum nullus exigat, MGH D O II, Nr. 42. MGH D O I, Nr. 391 (»970 März 29«) ist nach KÖLZER, St. Maximin, S. 95 ff., 115 f., erst im dritten Viertel des 11. Jahrhunderts angefertigt worden. Vgl. etwa das Privileg Heinrichs II. für Essen von 1003 (MGH D H U , Nr. 39a = RhUB II, Nr. 170). MGH D H IV, Nr. 267.
II.
Vom Ende der salischen Zeit bis zum Abschluß des staufisch-welfischen Thronstreits
II.l
Neuerrichtung von Zollstätten und Zollerhöhungen
Heinrich IV. und seine Nachfolger haben sich im Untersuchungsraum lange Zeit mit den vor 1074 angelegten Zollstätten begnügt. Lediglich Nürnberg wurde in die Zollliste neu aufgenommen, als Heinrich V. 1112 den Wormsern das Zollprivileg seines Vaters bestätigte 1 . Erst seit Konrad III. sind mit Nim wegen (1145)2 und Andernach (1147)3, über das zu dieser Zeit schon der Kölner Erzbischof verfügte, das aber wohl als Reichszoll eingerichtet worden war, wieder neue Reichszollstätten nachweisbar; unter Friedrich I. kamen Kaiserswerth (Verlegung von Tiel [vor] 1174)4 und Duisburg (1184)5 hinzu. Warum die Herrscher rund siebzig Jahre auf die Anlage neuer Transitzölle an der Rheinachse verzichteten, ob z. B. die Erträge zu geringfügig für einen weiteren Ausbau erschienen oder ob gerade das Gegenteil der Fall war, daß die große Höhe der Einkünfte keinen Bedarf an neuen Zöllen aufkommen ließ, muß offen gelassen werden. Weniger Schwierigkeiten bereitet es, die Einrichtung neuer Zollstätten seit der Mitte des 12. Jahrhunderts nachzuvollziehen. Die Anlage des Nimwegener Zolls vor 1145 fällt in die Zeit einer systematischen Stärkung der königlichen Position im niederrheinischen Raum, ein Prozeß, der ansatzweise bereits im Privileg Lothars III. für Duisburg von 1129, vor allem aber in den Begünstigungen für Duisburg und Kaiserswerth durch Konrad III. 1145 faßbar wird6. Dabei ist beim Ausbau Nimwegens die Vorreiterrolle der Zollstätte zu beachten. Sie bestand schon mindestens zehn Jahre, als Barbarossa 1155 die Wiederherstellung der 1047 zerstörten Pfalzgebäude vornehmen ließ, was mitunter als Ausgangspunkt für die Entwicklung Nimwegens herangezogen wird7. Man wird daher annehmen können, daß die Anlage des Transitzolls an der Waal nicht zuletzt in der Absicht erfolgte, die finanzielle Basis für den zweifelsohne kostspieligen Ausbau der königlichen Stellung in diesem Raum zu erweitern. Gleichzeitig war es eine Demonstration, daß man die Abschöpfung des Handelsverkehrs keineswegs den benachbarten Fürsten überlassen wollte, wobei man wohl vor allem den Bischof von Utrecht und den Erzbischof von Köln im Auge
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BOOS, U B Worms I, Nr. 61. MGH D Ko III, Nr. 136. KOCH, O H Z I , Nr. 123 - REK II, Nr. 458.
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M G H D F I , N r . 6 2 6 - URKUNDENREGESTEN I, N r . 4 2 2 .
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MGH D F I , Nr. 853.
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Vgl. dazu DIESTELKAMP, Privilegien, bes. S. 105-110; SCHIEFFER, Reichsgut, S. 47 f.
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Vgl. etwa SCHIEFFER, Reichsgut, S. 47.
340
D. Herrscherliche Zollpolitik vom 10. Jahrhundert bis ca. 1325
hatte 8 . Für die konkrete Wahl des Erhebungsortes dürfte dabei auch eine Rolle gespielt haben, daß am Neder-Rijn bereits ein königlicher Flußzoll in Angeren bei Huissen bestand, während an der Waal keine vergleichbare Zollstätte existierte 9 . Die Verlegung des Tieler Zolls nach Kaiserswerth (vor) 1174 war zweifellos eine der wichtigsten und folgenreichsten zollpolitischen Maßnahmen des 12. Jahrhunderts. Nach gängiger Auffassung war die Anlage des Zolls nach den Privilegien für Aachen (1165/1166) und der Begünstigung des flandrischen Handels in Aachen und Duisburg (1173) Teil einer offensiv gegen die Kölner Vormacht gerichteten Politik Barbarossas am Niederrhein 10 . Stehkämper hat sogar einen regelrechten »Wirtschaftskrieg« zwischen dem Staufer und der Rheinmetropole erkennen wollen. Barbarossa habe den Zoll nicht nur deshalb nach Kaiserswerth gelegt, weil er dort sehr viel höhere Einnahmen als in Tiel erwartete, sondern auch um den Stapel und den Englandhandel Kölns zu treffen und Duisburg als Handelsplatz im Wettbewerb mit der Rheinmetropole zu stärken 11 . Das von Stehkämper entworfene Szenario eines rund zwanzig Jahre währenden permanten Konfliktes zwischen dem Kaiser und der Stadt Köln ist von Irsigler nachdrücklich bestritten worden 12 . Er skizziert ein eher harmonisches Bild zwischen beiden Seiten und betont, daß nicht die wirtschaftliche Ausschaltung Kölns das Ziel Friedrichs I. gewesen sei, sondern eine Stärkung der Reichsorte Aachen und Duisburg durch ihre bessere Integration in ein regionales Fernhandelssystem, und zwar unter bewußter Ausrichtung der Messe- und Münzregelungen auf die wirtschaftlich dominierende - und vom Kaiser in dieser Rolle auch respektierte - Rheinmetropole. Mit der Verlegung des Zolls von Tiel nach Kaiserswerth habe Barbarossa vor allem einen nicht mehr haltbaren Außenposten aufgegeben. Zwar sei der Kölner Handel mit England, den nördlichen Niederlanden und dem Hanseraum in Kaiserswerth stärker abgeschöpft worden als in Tiel, doch könne eine Reduzierung des Handelsvolumens schon deshalb kaum in der Absicht des Staufers gelegen haben, weil dies die Zolleinnahmen erheblich gemindert hätte. So kontrovers die komplexe wirtschaftliche und politische Gesamtsituation z. T. diskutiert wird13, herrscht doch Konsens über ein zentrales Motiv Friedrichs I. für die Zollverlegung, nämlich das fiskalische. Seit der Mitte des 12. Jahrhunderts hatte Tiel
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Dies wird durch die Zollbefreiung Konrads III. für die Kaiserswerther Kaufleute von 1145 deutlich, die neben den Reichszöllen Nimwegen und Angeren auch die bischöfliche Zollstätte Utrecht und das kölnische Neuss umfaßte (MGH Ko III, Nr. 136). Der flußabwärts gelegene Tieler Zoll war kein Flußtransitzoll. Siehe dazu unten. Vgl. ENGELS, Stauferzeit, S. 228 f.
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Vgl. STEHKÄMPER, Barbarossa, S. 387.
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Vgl. IRSIGLER, Köln und die Staufer, bes. S. 90,94,95 Anm. 48 (zu Kaiserswerth). Vgl. IRSIGLER, Köln und die Staufer; STEHKÄMPER, Barbarossa; DIRLMEIER, Barbarossa, S. 514 ff.; FRIED, Wirtschaftspolitik, bes. S. 225 f.; ENGELS, Niederrhein, bes. S. 90 f.; DERS., Stauferzeit, S. 228 f.; STEHKÄMPER, England, bes. S. 225 f.; DIRLMEIER, Hoheitst r ä g e r , S. 7 1 - 8 0 .
II. Bis zum Ende des staufisch-welfischen
Thronstreits
341
an der Waal seine hervorragende Bedeutung als Handelsplatz für den Warenaustausch mit England an Köln verloren 14 . Entsprechend rückläufig dürften die Erträge des Tieler Zolls gewesen sein; denn dieser war - was durchgängig übersehen wird vornehmlich auf den Warenumschlag am Ort ausgerichtet und fungierte dabei als Außenzollstelle für den Handel des Reichsgebiets mit der Insel; er stellte aber offenbar keinen Transitzoll im üblichen Sinn dar 15 . Warum der Kaiser und seine Berater 16 bei der Suche nach Ersatz für die Ertragsausfälle auf Kaiserswerth verfielen, ist gut nachvollziehbar. Köln hatte offensichtlich die Rolle Tiels im Englandhandel übernommen, doch die Verlegung des Zolls in die Rheinmetropole selbst, wo er den Warenumschlag direkt hätte abschöpfen können, kam natürlich nicht in Frage. Die beste Alternative dazu war die Errichtung eines Transitzolls am Rhein möglichst nahe bei Köln, mit dem ein zumindest sehr großer Teil des Warenaustausches mit England erfaßt werden konnte 17 . Die hervorragende Bedeutung des Kaiserswerther Zolls in der Folgezeit läßt keinen Zweifel daran, daß dieses Konzept aufging. Der Erfolg war sogar so groß, daß Barbarossa - was in der Forschung durchweg nicht erkannt wurde - bis 1184 mit Duisburg einen zweiten Transitzoll am Niederrhein aufbaute 18 . Daß der Staufer über die kräftige Abschöpfung hinaus - zu Lasten seiner Zolleinnahmen - eine regelrechte Schädigung des Kölner Handels beabsichtigte, wie Engels und Stehkämper annehmen, ist dagegen nicht erkennbar 19 . Wenn die Kölner Bürger die neuen Zölle schon kaum begrüßt haben dürften, gilt dies in verstärktem Maße, was in der bisherigen Diskussion zu wenig beachtet worden ist, für ihren Metropoliten Philipp von Heinsberg. Zwar fehlen direkte Zeugnisse über seine Reaktion, aber daß er vor dem Hintergrund der staufischen Reichsgutpolitik am Niederrhein schon aus territorialpolitischen Gründen zwei neue Reichszölle als weiteren Eingriff in die unmittelbare Interessensphäre des Kölner Erzstifts interpretierte, wird man wohl annehmen können. Friedrich I. demonstrierte mit beiden Zöllen, insbesondere mit dem nur wenige Stromkilometer unterhalb der kölnischen Hebestelle Neuss angelegten Kaiserswerther Rheinzoll, daß er nicht mehr
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Vgl. STEHKÄMPER, Barbarossa, S. 386 f.; BÄCHTHOLD, Handel, S. 235 ff.
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Vgl. oben S. 271 f.; BÄCHTHOLD, Handel, S. 35 ff., geht offenbar von einem Transitzoll aus und bestreitet daher die Zollverlegung nach Kaiserswerth als Indikator für einen Rückgang des Tieler Handels. Seine scharfsinnigen methodischen Überlegungen zu Transitzollstätten als Handelsorten sind aber gerade bei Tiel nicht anwendbar. consilio curie nostre, MGH D F I , Nr. 626 - URKUNDENREGESTEN I, Nr. 422. So ist wohl auch STEHKÄMPER, Barbarossa, S. 387, zu verstehen. Die Erklärung dafür, daß man nicht Nimwegen als neue Zollstätte wählte, liegt aber kaum in der von ihm vermuteten Beratung des Kaisers durch flandrische Kaufleute, sondern darin, daß in Nimwegen schon spätestens seit 1145 ein Flußzoll lag. Vgl. oben S. 232 f.
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Vgl. ENGELS, Niederrhein, S. 90 f.; STEHKÄMPER, Barbarossa, S. 387 f.
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342
D. Herrscherliche Zollpolitik vom 10. Jahrhundert bis ca. 1325
gewillt war, die einträgliche Abschöpfung des Rheinhandels zwischen Köln und der Spitze des Rheindeltas, wie bisher, allein dem Erzstift zu überlassen. Demgegenüber stand die Genese des Andernacher Rheinzolls unter deutlich anderen Voraussetzungen. Bereits 114720, und damit zwanzig Jahre vor dem offiziellen Übergang des Andernacher fiscus und seines theloneum an das Kölner Erzstift 21 , erhob Erzbischof Arnold I. dort Abgaben auf den Rheinhandel. Er wird dies kaum ohne Konsens des Herrschers getan haben, wenngleich vor 1167 kein erzstiftischer Rechtstitel auf den Zoll bezeugt ist. Die Schenkung des Andernacher Reichsguts 1167 durch Barbarossa an seinen Kanzler Reinald von Dassel bzw. die endgültige Anerkennung des bereits 1147 dort bestehenden kölnischen Rheinzolls zeigen, daß der Kaiser im Süden des Erzstifts eine andere Politik verfolgte als am Niederrhein 22 . Zu berücksichtigen ist aber auch, daß das Königtum mit dem Rheinzoll Hammerstein ca. vier Kilometer nordwestlich von Andernach auf der rechten Rheinseite nach wie vor unübersehbar als Zollherr präsent war, während unterhalb von Köln bis dato die nächsten Reichszölle erst in Angeren bzw. Nimwegen lagen. Heinrich VI. hat in seiner kurzen Regierungszeit zwar keine neuen Zollstätten errichten lassen, aber wie kaum ein anderer Herrscher des 12. und 13. Jahrhunderts hat er die Nutzung der vorhandenen Zölle intensiviert und tatsächliche oder vermeintliche Reichsrechte an Zöllen anderer Inhaber aktiviert. Am 4. April 1190 löste er die Einkünfte des Wormser Martinsstifts in Höhe von jährlich 16 (Wormser) Pfund aus dem Zoll Boppard mit einer entsprechenden Anweisung auf den Wormser Zoll ab 23 . Offenbar im Zuge dieser Neuorganisation hat er den Bopparder Zollsatz merklich gesteigert. Zwar kann diese Maßnahme erst seit 1193 mit der Vergünstigung für Köln, Neuss und andere Städte des Erzstifts, in Boppard nur den alten Zoll zu zahlen 24 , belegt werden, jedoch liegt der Zusammenhang mit der Ablösung der stiftischen Rechte nahe. Es ist wohl auch Heinrich VI. und nicht erst sein Bruder Philipp gewesen, der die Abgaben an den beiden anderen Reichszöllen im Mittelrhein-Moselraum, dem Rheinzoll Hammerstein und dem Moselzoll Cochem, deutlich erhöhte - an der Mosel sogar derart stark, daß man darin 1202, als Philipp die Untertanen des Trierer Erzstifts von beiden Zollerhöhungen befreite, eine faktische Neuerrich-
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23 24
KOCH, O H Z I , Nr. 123 - REK II, Nr. 458. MGH D F I, Nr. 532 - REK II, Nr. 900. Die Schenkung Andernachs ist zudem von den Auseinandersetzungen zwischen dem Erzbischof und dem nach Norden drängenden Pfalzgrafen Konrad von Staufen, die in der Rheinecker Fehde 1164 mit dem Sieg Kölns endeten, nicht zu trennen. Barbarossa hatte offenbar kein Interesse, die Ausdehnungsbestrebungen seines Halbbruders Konrad zu unterstützen. Vgl. ENGELS, Staufer, S. 224; GERSTNER, Pfalzgrafschaft, S. 96 ff. HUISKES, Andernach, S. 102, zieht diesen Aspekt nicht in Betracht. RIIV.3, Nr. 95. Siehe dazu auch BORCHERS, Untersuchungen, S. 25. LAC. I, Nr. 5 3 9 - R E K II, Nr. 1 4 4 9 .
II. Bis zum Ende des staufìsch-welfìschen
Thronstreits
343
tung des Zolls sah25. Von den Flußzöllen unterhalb Kölns liegt für Kaiserswerth ein Hinweis auf eine Zollerhöhung durch Heinrich VI. vor26. Heinrichs VI. hat sich nicht damit begnügt, die Erträge der Reichszölle in den Rheinlanden erheblich zu steigern, sein Augenmerk richtete sich auch auf Zollstätten anderer Inhaber. Dies zeigen die Auseinandersetzungen mit Bischof Balduin von Utrecht um den Zoll des Utrechter Marienstifts im niederrheinischen Schmithausen, an dem der Kaiser offenbar Rechte geltend machte, ihn vielleicht sogar als Reichszoll beanspruchte 27 . Zwar verzichtete er 119328 auf seine quaestio und bestätigte, um künftigen Konflikten vorzubeugen, die (angebliche) Übertragung des Zolls an die Utrechter Kirche durch seine Vorgänger und die Weitervergabe an das Utrechter Marienstift durch Bischof Konrad (1085) - gleichzeitig hatte er damit aber klar den Regalcharakter des Zolls unterstrichen. Auch am Koblenzer Zoll, der dem Trierer Erzbischof Poppo 1018 übertragen und von diesem 1042 an das Trierer Simeonstift weitervergabt worden war, dokumentierte Heinrich VI. 1195 seine Position als oberster Zollherr, als er dem Stift den Zoll bestätigte 29 , eine Revision des dortigen Flußzolltarifs sanktionierte, insbesondere den Landzoll imperiali auctoritate erneuerte 30 , und Erzbischof Johann von Trier dessen Schutz anbefahl 31 . Daß die Doppelwahl von 1198 und der staufisch-welfische Thronstreit der folgenden Jahre nachhaltige Auswirkungen auf das Zollsystem der Rheinlande hatten, kann angesichts der tiefen Zäsur, welche diese Ereignisse für den Verlauf der deutsche Geschichte bedeuteten, kaum überraschen. Daß umgekehrt aber hier zum ersten Mal Zollfragen in der politischen Geschichte des Reiches eine erkennbare Rolle spielten, ist ein weniger offenkundiger, aber für die spätere Entwicklung wichtiger Aspekt, auf den zurückzukommen sein wird. Der Kölner Erzbischof Adolf von Altena 32 war der Kopf der antistaufischen Opposition, die nach dem Tod Heinrichs VI. am 28. September 1197 einen weiteren Stauferkönig zu verhindern suchte und deshalb gegen den bereits am 8. März 1198 in Thüringen gewählten Bruder Heinrichs, Philipp von Schwaben, am 9. Juni in Köln
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26 27
Item ad peticionem quoque ipsorum (der Trierer) theloneum, quod apud Kocheme quasi de novo fuerat institutum, omnino remisimus, servato tarnen iure antiqui thelonei, quod temporibus predecessorum nostrorum dive memorie Romanorum imperatorum illic solebat haberi. Exactionem quoque indebitam apud Hamerstein omnino ipsis in perpetuum remisimus, MGH Const. II, Nr. 7. In diesem Sinne ist wohl das 1198 dem Kölner Erzbischof von Otto IV. gegebene Versprechen zu deuten, den Zoll niemals zu erhöhen (MGH Const. II, Nr. 17). Vgl. auch oben S. 223 f.
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MULLER/BOUMAN, O S U I, N r . 5 2 4 .
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MRUB II, Nr. 141. MRUB II, Nr. 142. Vgl. MRUB II, Nr. 143. Vgl. zu seiner Rolle ausführlich STEHKÄMPER, Adolf von Altena; siehe auch ERKENS, Königswahl, S. 19-40; zusammenfassend JANSSEN, Erzbistum Köln, S. 124 ff.
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D. Herrscherliche Zollpolitik vom 10. Jahrhundert bis ca. 1325
den Weifen Otto von Braunschweig kürte, nachdem es Adolf nicht gelungen war, Herzog Bernhard von Sachsen bzw. Herzog Berthold von Zähringen zu einer Kandidatur zu bewegen. Man hat angenommen, daß es vor allem die Stadt Köln war, die im Verbund mit England schließlich Otto von Braunschweig durchsetzte 33 , der offenkundig kein Favorit des Erzbischofs gewesen war. Andererseits darf bei einer Hervorhebung der Stadt als »Wahlmacher« Ottos aber nicht übersehen werden, in welchem hohen Maße es Adolf gelang, dem Weifen die Erfüllung seiner eigenen Forderungen zur Bedingung der kölnischen Kurstimme zu machen 34 . Unter der Fülle der Zusagen und Garantien, die Otto IV. wohl am Tag seiner Aachener Krönung, dem 12. Juli, zugunsten Adolfs beurkundete 35 und die zweifelsohne die Gegenleistungen für die erzbischöfliche Unterstützung darstellten, bildeten die Regelungen der Zollverhältnisse einen wichtigen Teil. Der König verfügte ad commodum Coloniensis ecclesie die Rückverlegung des de novo et contra iusticiam errichteten Zolls zu Kaiserswerth ad locum in quo de iure esse debebit, verzichtete für sich und seine Nachfolger auf jede Erhöhung dieses Zolls und bestätigte den Kölnern, Soestern und anderen Bürgern erzstiftischer Städte das privilegierte Zollrecht, das sie unter Heinrich VI. erlangt hatten 36 . Ferner restituierte er dem Erzbischof Andernach - allerdings bezeichnenderweise ohne einen Zoll zu erwähnen 37 - , übertrug ihm die Burgen
33 Vgl. STEHKÄMPER, England, bes. S. 236 f. Vgl. dagegen aber die von GROTEN, Köln im 13. Jahrhundert, S. 11 f., angeführten Argumente und sein kritisches Resümee (S. 15) zu den von Stehkämper betonten englischen Interessen der Stadt: »Nüchtern betrachtet besteht kein zwingender Anlaß, die Kölner Englandbeziehungen als den schlechthin dominierenden Faktor der städtischen Außenpolitik zu betrachten«. 34 Dieser Aspekt fehlt bei STEHKÄMPER, Adolf von Altena, S. 82, der das Privileg Ottos IV. vom 12. Juli 1198 (MGH Const. II, Nr. 17 - REK II, Nr. 1550) in diesem Zusammenhang nicht berücksichtigt. ERKENS, Königswahl, S. 27, vertritt die These, daß Philipp von Schwaben zu den gleichen Vergünstigungen bereit gewesen wäre. Die von ihm angeführte Stelle der Kölner Königschronik belegt dies nicht; sie spricht nur davon, daß der Erzbischof den Versprechen des Staufers nicht traute: Constat tarn quod ipse (Philippus) nuncios suos ad archiepiscopum Coloniensem cum precibus transmisit, multa offerens, sed plura promittens, si ad suam electionem animum vellet inclinare. Sed episcopus hoc sibi tutum non credens vel honestum, haec facere penitus recusavit, WAITZ, Chron. regia cont., S. 163 - REK II, Nr. 1539. HUCKER, Otto IV., S. 24 f., hebt den Verzicht Ottos und seiner Brüder auf das Herzogtum Westfalen hervor. In den Zollbestimmungen sieht er - ohne Analyse der oben dargelegten Zusammenhänge - vor allem die Interessen der Stadt, weniger die des Erzbischofs berücksichtigt. Auch JANSSEN, Erzbistum Köln, S. 126, geht nicht weiter auf die Zugeständnisse Ottos für Adolf von Altena ein. 35
MGH Const. II, Nr. 17 - REK II, Nr. 1550. HUCKER, Otto IV., S. 24 f., nimmt an, daß eine vorbereitete Urkunde von Otto nach der Krönung ausgehändigt wurde. 36 Es war keine Zollfreiheit im gesamten Imperium, wie HUCKER, Otto IV., S. 25, angibt. Siehe dazu unten. 37 Die fehlende Nennung des Zolls erscheint zunächst nicht verdächtig, weil Otto die curtís Andernach ausdrücklich mit dem in der Schenkungsurkunde von 1167 (MGH D F I ,
II. Bis zum Ende des staufisch-welfischen
Thronstreits
345
Kaiserswerth und Berenstein, durch deren Erbauung die Kölner Kirche sehr bedrängt worden sei, zur Zerstörung und gelobte, daß weder er noch seine Nachfolger sie wiedererrichten würden. Obgleich seit der Verlegung des Tieler Zolls nach Kaiserswerth schon nahezu 25 Jahre vergangen waren, wird in der Vehemenz, mit der Adolf die Niederlegung von Zoll und Burg Kaiserswerth forderte und sich nicht etwa mit der Anerkennung der Zollfreiheit kölnischer Untertanen begnügte, schlagartig deutlich, daß sich die Kölner Erzbischöfe mit dieser permanenten Störung ihrer Interessen als werdende Zoll- und Landesherren am Niederrhein offenbar nie abgefunden hatten. Die Aufhebung bzw. Rückverlegung des Kaiserswerther Rheinzolls war zweifelsohne eine der zentralen Forderungen, die der Kölner Erzbischof an jeden Thronkandidaten stellte, was einen bislang in der Diskussion von Adolfs Präferenzen für die verschiedenen Anwärter zu wenig berücksichtigten Gesichtspunkt darstellt. Dabei hat sich der Metropolit möglicherweise nur von einem nichtstaufischen 38 König eine zumindest weniger rigorose Reichsgut- bzw. Zollpolitik am Niederrhein erhofft, als sie die Staufer seit der Jahrhundertmitte betrieben hatten. Dagegen war von einem Herrscher in der Tradition Friedrichs I. und Heinrichs VI. mit einiger Sicherheit zu erwarten, daß er die Zollrechte des Reiches und dessen Präsenz im Bereich der Kölner Kirche weiter ausbauen und intensivieren würde. Man kann nur spekulieren, welches Szenario Adolf dabei vor Augen hatte. Möglicherweise befürchtete er nach dem vorübergehenden Entzug von Andernach und Eckenhagen einen Verlust des Neusser Zolls, vielleicht dachte er aber auch, dem Kölner Erzstift drohe in seinem südlichen Teil die Errichtung eines ähnlichen Zolls wie dem in Kaiserswerth 39 . Demgegenüber konnte die Stadt Köln die Existenz des Zolls weit gelassener hinnehmen, da die Zollprivilegien Heinrichs VI. von 1190/1193 ihren Bürgern die Abgabenfreiheit in Kaiserswerth garantierten. Solange diese beachtet wurden, was in den letzten Jahren Heinrichs allerdings nicht immer der Fall gewesen zu sein scheint40, profitierten die Kölner sogar in gewisser Weise vom Kaiserswerther Zoll; denn er bedeutete für ihre nichtprivilegierten Konkurrenten im Rheinhandel, z. B.
38 39
40
Nr. 532 - REK II, Nr. 900) festgelegten Zubehör, also auch dem theloneum, restituierte. Bei näherer Prüfung der Andernacher Zollgeschichte zeigt sich aber, daß der Zoll vermutlich während der vorübergehenden Einziehung Andernachs um 1190 niedergelegt wurde und erst Heinrich von Müllenark einen nicht dauerhaft erfolgreichen Versuch zur Reaktivierung der Hebestelle machte. Erst Siegfried von Westerburg ist im letzten Viertel des 13. Jahrhunderts die Etablierung des Zolls gelungen. Vgl. oben S. 257-261. Vgl. auch GROTEN, Köln im 13. Jahrhundert, S. 12 (ohne nähere Diskussion der Motive). STEHKÄMPER, Adolf von Altena, der den Schlüssel zur Politik des Erzbischofs in der bedrohten Freiheit der fürstlichen Königswahl sieht (S. 77), kommt zur dieser Wertung ohne die m. E. notwendige Analyse möglicher >territorialpolitischer< Motive Adolfs, der eben nicht nur Reichsfürst war, sondern auch als (werdender) Landesherr agierte. Differenzierter urteilt unter Einbeziehung dieses Aspektes JANSSEN, Erzbistum Köln, S. 125. Darauf scheint das Versprechen Ottos IV. hinzudeuten, den Kaiserswerther Zoll nach der Rückverlegung nicht zu erhöhen und die Zollprivilegien der Kölner und Soester zu beachten.
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D. Herrscherliche Zollpolitik vom 10. Jahrhundert bis ca. 1325
die flandrische Kaufleute, einen Kosten- und damit Wettbewerbsnachteil, der den Kölnern kaum unwillkommen war. Die Kaiserswerth betreffenden Zusagen Ottos IV. vom 12. Juli 1198 haben eine verfassungsgeschichtliche Dimension, die einer Hervorhebung bedarf, weil hier Anfänge von Prozessen sichtbar werden, die vor allem zu Beginn des 14. Jahrhunderts einige Bedeutung für die Entwicklung des Rheinzollsystems haben sollten. Zum ersten Mal in der Geschichte der Reichszölle mußte ein König 1198 zur Gewinnung einer Wahlstimme auf Zollrechte des Reiches verzichten und die entsprechenden Interessen eines Wahlfürsten als gleichwertig anerkennen; denn die Aufhebung bzw. Rückverlegung des Kaiserswerther Zolls war keine Gnade, die Otto IV. aus königlicher Machtfülle gewährte, sondern - da die Zollstätte Kaiserswerth nach eigenen Worten Ottos contra iusticiam errichtet worden war - das Recht des Kölner Erzbischofs, dem Geltung verschafft wurde. Damit brach man mit dem bisher nie (offen) in Frage gestellten Prinzip, daß die Anlage und Verlegung von Reichszöllen als klassische Regalrechte allein in der Machtfülle des Herrschers lagen, der zwar gegebenenfalls die Interessen der Zollpflichtigen zu berücksichtigen hatte - wie 1174 bei der Anerkennung der Utrechter Zollfreiheit in Kaiserswerth - , aber keinesfalls der Abstimmung mit konkurrierenden Zollinhabern bedurfte. Otto IV. hat seine weitreichenden Zusagen gegenüber Adolf, der sich seinerseits freilich kaum für ihn engagierte, nur teilweise eingehalten. Zwar konnte der Erzbischof mit einigen Schwierigkeiten - der König wollte die Burg zunächst an Walram von Limburg vergaben - wie vereinbart Berenstein zerstören, aus deren Trümmern der Graf von Jülich seine Burg Nideggen errichtete41, jedoch blieb Kaiserswerth ein ähnliches Schicksal erspart, da der König die Feste nicht aus der Hand gab und auch den Zoll noch 1200 erheben ließ42. Im Herbst 1202 traten die Spannungen zwischen beiden Seiten offen zu Tage, die erst durch einen vom päpstlichen Legaten vermittelten und durch die vier Stände des Erzstifts - Prioren, Adel, Ministerialität und die Kölner Bürgerschaft - garantierten Schied ausgeräumt werden konnten. Dessen Bestimmungen zeigen, daß die Angabe der Kölner Königschronik, der Streit zwischen König und Erzbischof habe seinen Grund in der Verletzung der Zoll- und Münzprivilegien des Kölner Erzstifts gehabt43, durchaus den Kern trifft. Dagegen läßt sich die in der Literatur geäußerte Vermutung, Adolf habe weifische Ansprüche auf das Herzogtum Westfalen gefürchtet 44 , das 1180 aus dem Besitz Heinrichs des Löwen gebildet worden war, zumindest nicht direkt erhärten. Die vier Stände des Erzstifts schworen, Adolf zur Treue gegenüber dem Weifen zu bewegen und dem Erzbischof anderenfalls den Gehorsam aufzukündigen - es sei
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Vgl. KRAUS, Jülich, S. 67. Davon zeugt seine Zollbefreiung für das flandrische Kloster Ter Doest vom 30. Januar 1200 (RAMACKERS, Unbekannte Urkunden, S. 622 f.). Causa autem huius discordie erat scilicet de teloneis et moneta et de iniustis vectigalium exactionibus et de violata pace negociantibus, WAITZ, Chron. regia cont. III, S. 200. Vgl. REK II, Nr. 1622. So jetzt auch HUCKER, Otto IV., S. 40.
II. Bis zum Ende des staufisch-welfischen
Thronstreits
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denn, daß der König die Kölner Kirche verunrechtete. Otto sagte demgegenüber die Stillegung der von Walram von Limburg betriebenen Aachener Münze und die Aufhebung des Duisburger Zolls zu, was durch entsprechende Verbote des päpstlichen Legaten zu garantieren war. Ferner sollten König und Erzbischof mit ihren Beratern aushandeln, wie der königliche Turm bei Kaiserswerth und der zugehörige Zoll zu zerstören waren 45 . Wenngleich schon aus dem Eintreten der erzstiftischen Stände klar hervorgeht, daß es mit der Treue Adolfs zum Weifen nicht zum Besten bestellt war, kann andererseits kein Zweifel darüber bestehen, daß der König seine Zusagen von 1198 systematisch gebrochen hatte. Über Ursache und Wirkung ist kaum letzte Klarheit zu gewinnen. Möglicherweise bewog den König die fehlende aktive Unterstützung durch den Metropoliten, Kaiserswerth nicht auszuliefern - wahrscheinlicher ist jedoch, daß dies nicht allein eine Folge fehlenden erzbischöflichen Wohlverhaltens war, sondern daß der landfremde Otto inzwischen erkannt hatte, wie stark die 1198 vereinbarte ersatzlose Aufgabe des Kaiserswerther Zolls seine Position am Niederrhein schwächen würde, und daß er daher die Einhaltung seiner Versprechungen verzögerte, bis er mit dem Ausbau der Duisburger Hebestelle einen äquivalenten Ersatz für Kaiserswerth geschaffen hatte. Dem Erzbischof mußte diese Politik als Gefährdung eines seiner wichtigsten Wahlziele erscheinen. Zu der im Schied abermals vorgesehenen Auslieferung bzw. Zerstörung der Kaiserswerther Zollburg ist es offenbar ebensowenig gekommen wie zur Aufhebung des Duisburger Rheinzolls. Zwei Jahre später setzte bereits der Abfall der nördlichen Rheinlande vom Weifenkönig ein. Während die Stadt Köln nach wie vor zu Otto hielt und sich erst im November 1206 dem Stauferkönig Philipp ergeben mußte 46 , war Adolf unter Vermittlung des Grafen von Jülich bereits Ende 1204, wie die meisten niederlothringischen Großen, auf die staufische Seite übergewechselt 47 . Otto verlor dabei auch seine Positionen in Duisburg und Kaiserswerth, über die zu dieser Zeit bereits Philipp nachweislich verfügte 48 . Die Zollpolitik des Staufers konnte sich zwar in den wenigen Jahren seiner Regierung kaum entfalten, sie weist jedoch relativ klare Konturen auf. 1202 hatte er, um die Unterstützung des Trierer Erzstifts zu gewinnen, dessen Untertanen von den Zollerhöhungen zu Cochem und Hammerstein befreit; gleichzeitig wurden andererseits Anhänger der weifischen Partei, etwa die stadtkölnischen Händler, durch zusätzliche Abgaben verstärktem Druck an den staufischen Zollstätten ausgesetzt, wie
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MGH Const. II, Nr. 24 - REK II, Nr. 1623. REK III.l, Nr. 24. Vgl. dazu KRAUS, Jülich, S. 68 f. UB Duisburg I, Nr. 21. Die undatierte Urkunde ist offenbar im Zusammenhang mit dem Übertritt des Brabanter Herzogs auf die staufische Seite im November 1204 ausgestellt worden.
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D. Herrscherliche Zollpolitik vom 10. Jahrhundert bis ca. 1325
aus dem 1207 der Stadt Köln von Philipp erteilten Privileg hervorgeht 49 . Davon abgesehen zeigen aber die Zollstreitigkeiten an Mosel, Mittel- und Niederrhein, daß selbst in den Wirren des Thronstreits der Rheinhandel nicht zum Erliegen gekommen ist, zumindest solange der Strom nicht, wie seit dem Frühsommer 1205 als Kampfmaßnahme gegen die Stadt Köln, regelrecht gesperrt wurde 50 . Am Niederrhein hat Philipp eine Schwächung der Reichszölle nicht zugelassen. Es finden sich keine Hinweise, daß der Kölner Erzbischof bei seinem Übertritt auf die staufische Seite irgendwelche Zugeständnisse bezüglich Duisburgs oder Kaiserswerths erhalten hat. Adolf mußte damit zufrieden sein, im wesentlichen den Status quo ante garantiert zu bekommen, konnte von Philipp aber immerhin eine allgemeine Bestätigung der kölnischen Zölle und die ausdrückliche Anerkennung der Übertragung von Andernach und Eckenhagen erreichen 51 . Bei der Verpfändung Duisburgs an Herzog Heinrich von Brabant cum omni integritate iuris et omnibus attinenciis, also vermutlich auch inklusive des nicht explizit genannten Zolls, achtete Philipp darauf, daß er die Kontrolle über das Pfandobjekt behielt. Der König stellte dem Brabanter einen Beauftragten - vermutlich aus Kaiserswerth - zur Seite, der darauf zu achten hatte, daß der Herzog nicht mehr als die vorgesehenen 250 Mark im Jahr aus den Duisburger Erträgen erhielt und eventuelle Überschüsse an die königliche Kasse abführte. Nimwegen, das spätestens seit 1145 einen Transitzoll besaß, löste der König aus dem brabantischen Pfandbesitz und schuf somit einen Ausgleich für die Verschreibung auf Duisburg 52 . Die kurze Zeitspanne, in welcher der am 21. Juni 1208 ermordete Staufer den nördlichen Teil des Untersuchungsraums zollpolitisch gestalten konnte, hat für größere Maßnahmen, etwa die Anlage neuer Zollstätten, nicht ausgereicht. Erkennbar wird aber das erfolgreiche Bemühen, eine Erosion der Reichszölle im niederrheinischen Raum, die Otto IV. zumindest konzediert, wenn auch nicht durchgeführt hatte, aufzuhalten und neue Ansprüche von Kölner Seite gar nicht erst aufkommen zu lassen53.
49
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vniuersa quoque thelonea iniusta et de nouo instituta omnesque indebitas exactiones ubique in imperio nostro ipsis elidimus et amputamus et omnimodis regia auctoritate inhebimus, ENNEN, Quellen II, Nr. 24 - REK III.l, Nr. 28. Die Interpretation von DIESTELKAMP, Privilegien, S. 126, der darin eine allgemeine Erweiterung der Kölner Zollfreiheit nach dem Muster der Privilegien für Aachen und Kaiserswerth sieht, berücksichtigt nicht den konkreten Hintergrund des Thronstreits. Rhenus superius et inferius clauditur, WAITZ, Chron. regia cont. II, S. 175. LAC. II, Nr. 11 - REK II, Nr. 1656. Daß der Andernacher Zoll zu dieser Zeit wohl schon nicht mehr bestand, wird an anderer Stelle dargelegt; vgl. oben S. 257 f. UB Duisburg I, Nr. 21. Der Nimwegener Zoll wurde wie bei Duisburg nicht gesondert erwähnt, gehörte aber wohl zum selbstverständlichen Zubehör des Reichsortes. Zumindest in Bereich der Rheinzölle trifft daher der bekannte Vorwurf der Verschleuderung von Reichsgut nicht zu. Vgl. aber für den Reichsbesitz in den südlichen Rheinlanden ENGELS, Stauferzeit, S. 244.
II. Bis zum Ende des staufisch-welßschen
Thronstreits
349
Nach dem Tod Philipps genoß der Weifenkönig zunächst allgemeine Anerkennung, jedoch kam es schon bald nach seiner Kaiserkrönung im Oktober 1209 zum Zerwürfnis mit dem Papst und dem Abfall der Reichsfürsten, ein Prozeß, der schließlich im September 1211 in der Nürnberger Wahl Friedrichs II. zum Gegenkönig (erneuert in Frankfurt im Dezember 1212) mündete. Spätestens nachdem Otto IV. am 27. Juli 1214 auf englischer Seite die Schlacht von Bouvines gegen Frankreich verloren hatte, war der Thronstreit auch im nördlichen Rheinland, das noch am längsten auf weifischer Seite stand, endgültig zugunsten des Staufers entschieden. Die zweite Regierungsphase Ottos ist vor allem im Hinblick auf seine Zollbefreiungspolitik bemerkenswert, auf die noch zurückzukommen sein wird. Dagegen läßt sich eine Intensivierung der Reichszölle durch Anlage neuer Zollstätten bzw. die Erhöhung vorhandener Abgaben nicht feststellen. Andererseits stand aber wie schon zu Philipps Zeit eine Abschaffung oder Rückverlegung vorhandener Zölle nicht zur Diskussion. Man wird die Bedeutung des Thronstreits auf das Zollsystem des Untersuchungsraums kaum richtig einschätzen, wenn man nach einer Analyse des Kartenbildes lediglich konstatiert, daß sich an der Zahl und der Verteilung der Rheinzölle nichts geändert hat, ohne die tiefgreifenden inneren Wandlungen zu berücksichtigen. Mit dem Tod Heinrichs VI. endete der vor der Mitte des 12. Jahrhunderts unter Konrad III. im Zusammenhang mit der Neuerschließung des nördlichen Rheinlands durch die staufische Königsmacht eingeleitete Auf- und Ausbau königlicher Transitzölle unterhalb der Handelsmetropole Köln, die den wohl verkehrsreichsten Stromabschnitt dieser Zeit erfaßten. Betroffen waren davon insbesondere Stadt und Erzbischof von Köln, letzterer nach unserer Einschätzung deutlich stärker, als man bislang angenommen hat. Obwohl die Haltung Erzbischof Adolfs als treibende antistaufische Kraft 1197/1198 sicher nicht allein aus dieser Zollproblematik hergeleitet werden kann, bildete sie andererseits zweifelsohne ein wichtiges Motiv seines Handelns. Erstmals trat hier im Untersuchungsraum der schon vorher strukturell vorhandene, aber durch das starke Königtum der Staufer unterdrückte Antagonismus königlicher und territorialer Zollpolitik offen zu Tage. Wenngleich sich die Forderungen des Kölners nach Abstellung der Zölle von Kaiserswerth und Duisburg letztendlich nicht durchsetzen ließen, war damit doch erstmals der Anspruch erhoben, daß das Reichszollsystem auf die Belange der werdenden Territorien Rücksicht zu nehmen hatte, was schließlich 1220 im Fürstenprivileg Friedrichs II. in seiner grundsätzlichen Berechtigung anerkannt wurde 54 . Als überaus folgenreich für die Entwicklung des Transitzollsystems am Rhein sollte sich auch die neue, wenngleich erst seit 1273 durchgängig praktizierte Methode erweisen, der sich der Kölner Erzbischof zur Behauptung seiner Interessen als territorialer Zollinhaber gegen die Reichsgewalt bediente, nämlich seine Wahlstimme von der Verbriefung entsprechender Zugeständnisse durch den Thronkandidaten abhängig zu machen.
54 Vgl. unten S. 360-363.
350
D. Herrscherliche
II.2
Zollpolitik
vom 10. Jahrhundert
bis ca. 1325
Zollbefreiungen
Die sich im 12. Jahrhundert intensivierende herrscherliche Durchdringung des niederrheinischen Raums ist nicht zuletzt an den Zollbefreiungen ablesbar, mit denen die Reichsorte Duisburg, Kaiserswerth und Aachen bedacht wurden - vergleichbare Privilegien für andere Empfänger fehlen dagegen. Einer heute verlorenen Inschrift zufolge, die vermutlich auf eine Urkunde Heinrichs V. zurückgeht, waren die zur Duisburger Stadtbefestigung verpflichteten Einwohner von Hösel zum Ausgleich für ihre Dienste vom Duisburger Zoll befreit, außer während der nundinae celebres55. Demnach setzte ein an den Befestigungsarbeiten erkennbarer und durch Zollbefreiung geförderter Ausbau Duisburgs bereits in spätsalischer Zeit ein56; die Vermutung wird dadurch gedeckt, daß die vielzitierte Entscheidung des königlichen Gerichts unter Lothar III., die den Duisburger cives 1129 erlaubte, in dem zur villa gehörenden Forst zum Ausbau ihrer Häuser und zu anderen Zwecken Steine zu brechen 57 , offenkundig eine bereits bestehende rege Bautätigkeit sanktionierte. 1145 gestattete Konrad III. den Duisburgern die Errichtung von Häusern um die Pfalz, den Königshof und den Markt, damit sie auf Hoftagen besser das königliche Gefolge unterbringen konnten 58 , wodurch nach Diestelkamp Duisburg besonders früh und deutlich als der für die Stauferzeit neue Typ der >Pfalzstadt< erscheint59. Nicht die Duisburger, sondern die Kaiserswerther Kaufleute waren es jedoch, die der König kurz darauf in seinen Schutz nahm; er bestätigte ihnen die hergebrachte Zollfreiheit, deren Gültigkeit insbesondere auf Angeren, Nimwegen, Utrecht und Neuss fixiert wurde, und stellte sie insgesamt dem - hier erstmalig belegten - privilegierten Rechtsstatus der Aachener im Reich gleich60. Bemerkenswert ist die explizite Nennung zweier Zölle anderer Zollinhaber, Utrecht als Besitz des dortigen Bischofs und Neuss als kölnische Zollstätte, ohne Differenzierung von den Reichszöllen Angeren und Nimwegen.
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56 57 58
Vgl. MÜLLER, Urkundeninschriften, S. 49 ff.; MILZ, Pfalz und Stadt Duisburg, S. 148 f. (dort auch die Identifizierung des von Müller nicht lokalisierten Husel mit [Ratingen-] Hösel). Nach MILZ, Pfalz und Stadt Duisburg, S. 149, begann der Mauerbau 1120/1125. M G H D Lo III, Nr. 17; vgl. dazu DIESTELKAMP, Privilegien, S. 105 ff., der die Inschrift nicht berücksichtigt, und vor allem MILZ, Pfalz und Stadt Duisburg, S. 149 ff. M G H D K o III, Nr. 135.
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V g l . DIESTELKAMP, P r i v i l e g i e n , S . 1 0 5 .
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homines et mercatores nostros de Werde omnesque ad ecclesiam sancti Swiberti pertinentes . . . consuetudines sive iura ... renovantes atque confirmantes ab omni thelonei exactione liberos et absolutos eosdem per presentís precepti paginam lege in perpetuum valitura effecimus. Decernimus ergo et regia auctoritate precipimus, ut nec in Angera nec in Nouiomago sive in Traiecto aut in Nusia sive in quibuslibet aliis locis ubicunque ipsi negociandi causa venerint, aliquod theloneum ab eis exigatur vel aliqua iniuria aut molestia Ulis inferatur, sed eadem consuetudine eodemque libertatis iure sine alicuius contradictione fruantur, quo homines nostri Aquenses per universum regnum nostrum fruuntur, M G H D Ko III, Nr. 136. Vgl. zum Rechtsstatus der Kaiserswerther DIESTELKAMP, Privilegien, S. 108 f.
II. Bis zum Ende des stauflsch-welfischen
Thronstreits
351
Offenkundig ging es Konrad um mehr als die Förderung der Kaiserswerther: Als erster Herrscher im Untersuchungsraum sprach er nicht nur allgemeine Zollfreiheiten aus, sondern beanspruchte ihre Gültigkeit - und damit auch seine eigene Verfügungsgewalt - explizit für konkrete, nicht im direkten Reichsbesitz befindliche Zollstätten, ohne deren Inhaber auch nur andeutungsweise zu erwähnen. Dem Kölner Erzbischof Arnold und dem Utrechter Bischof Hartbert blieb dabei nur die Funktion, als Zeugen den königlichen Rechtsakt anzuerkennen. Noch ein weiterer Punkt ist bemerkenswert, nämlich die offenbar mit einem verbesserten Rechtsstatus verbundene (in ihren Konsequenzen mitunter nicht genügend beachtete) Gleichstellung der Kaiserswerther mit den Aachener Kaufleuten. Sie impliziert, daß die Aachener bereits 1145, und damit über zwanzig Jahre vor dem entsprechenden Barbarossaprivileg 61 , über bestimmte bzw. bestimmbare Sonderrechte verfügten, von denen anzunehmen ist, daß sie diese in ihrer Eigenschaft als Reichsleute genossen. Unter dieser Voraussetzung kommt der Ausgestaltung der Kaiserswerther Zollfreiheit in Form einer Bestätigung älterer Rechte mehr Glaubwürdigkeit zu, als man entsprechenden Formulierungen, die häufig dazu dienten, das Neuartige zu verschleiern, sonst oft zubilligen kann. Vielmehr wird darin, zumal vor dem Hintergrund des wohl gleichzeitigen Dortmunder Zollprivilegs62, eine bereits vor der Mitte des 12. Jahrhunderts ausgebildete, allgemeine Zollbegünstigung von Kaufleuten aus den niederrheinisch-westfälischen Reichsorten faßbar, die seit Konrad III. schriftlich fixiert wurde. Diese Sonderstellung ist zu deutlich, um zufällig entstanden zu sein. Sie war vermutlich das Ergebnis einer planmäßigen Handelsförderung der Reichsorte, die allerdings nicht mit Sicherheit einem bestimmten Herrscher zuzuweisen ist, da die Vergabe entsprechender schriftlicher Privilegien zunächst noch nicht zum festen Bestandteil dieses >Programms< zählte. Es spricht jedoch einiges dafür, die Anfänge dieser Politik in der Zeit des Investiturstreits zu suchen, als mit der in Frage gestellten Verfügung des Königs über das Reichskirchengut die intensivere Nutzung des eigentlichen Reichsguts erheblich an Bedeutung gewann. Eine Folge dieses Prozesses war nach unserer Vermutung die deutlich gesteigerte fiskalische Abschöpfung des Handels durch Errichtung von Transitzöllen unter Heinrich IV., eine andere könnte in der Handelsförderung der Reichsorte am Niederrhein gelegen haben. Die Vergünstigung mag zunächst darin bestanden haben, daß deren Händler von den
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62
A m 8. Januar 1166 bestätigte Friedrich I. Stift und Stadt Aachen anläßlich der feierlichen Heiligsprechung Karls des Großen dessen wörtlich inseriertes, um 1158 gefälschtes Privileg, sowie alle von diesem (angeblich) verliehenen Rechte und Freiheiten, insbesondere ut omnes cives nostri Aquenses per omne Romanum imperium negotiationes suas ab omni thelonei, pedagii, curadie, vectigalis exactione liberi absque omni impedimento libere exerceant, M G H D F I, Nr. 502. M G H D Ko III, Nr. 134. D i e Existenz dieses Diploms und Barbarossas Nachfolgeurkunde sind nur aus der Bestätigung durch Friedrich II. von 1236 (RÜBEL, Dortmunder U B I, Nr. 74) bekannt.
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D. Herrscherliche Zollpolitik vom 10. Jahrhundert bis ca. 1325
neuen königlichen Rheinzöllen in Boppard, Hammerstein und Angeren befreit waren - was im übrigen gut ohne Privilegienurkunde möglich war - und somit einen erheblichen Kosten- bzw. Wettbewerbsvorteil genossen. Zwar stehen dafür keine direkten Quellen zur Verfügung, jedoch gibt es indirekte Hinweise auf eine zollrechtliche Sonderstellung von Reichskaufleuten schon in spätsalischer Zeit: 1155 ließ der Mainzer Erzbischof Arnold auf Ersuchen Barbarossas das alte Zollrecht der Duisburger Kaufleute in Mainz weisen. Dabei führte er aus, daß die mercatores de Dusburc quodam pago regali vorzeiten friedlich in Mainz gehandelt hätten, doch im Zuge der Auseinandersetzungen zwischen Heinrich V. und Erzbischof Adalbert (1121) nicht aus eigener Schuld, sondern wegen ihres Herrn, des Königs, in Mainz Gewalt erlitten hätten, indem man von ihnen theloneum immoderatum contra ius et praeter solitum verlangte, was bis zum heutigen Tage angedauert habe. Um diesem Unrecht abzuhelfen, ermäßigte Arnold den Zoll wieder auf den alten Satz von vier Münzen pro Schiff63. Es ist zwar nicht zu beweisen, aber durchaus wahrscheinlich, daß Erzbischof Adalbert den König nicht einfach über seine Duisburger Kaufleute schädigen wollte - dazu hätte er leicht den Handelsverkehr der Duisburger in Mainz völlig unterbinden können - , sondern daß der Metropolit demonstrativ eine sich aus ihrer Reichszugehörigkeit abgeleitete Sonderstellung64 am Mainzer Zoll mißachtete bzw. in ihr Gegenteil verkehrte. Es ist nicht völlig zu klären, ob die Duisburger Kaufleute bereits in spätsalischer Zeit Vorteile aus ihrer Reichszugehörigkeit zogen-, doch 1145 hat man darauf anscheinend so stark vertraut, daß man zwar für Kaiserswerth, nicht jedoch für Duisburg, dessen Händler schon im ältesten Koblenzer Zolltarif verzeichnet sind65, ein Zollprivileg als notwendig ansah; denn eine Zurücksetzung der Duisburger war kaum beabsichtigt. Den Zusammenhang zwischen Zollbegünstigung und Reichszugehörigkeit hat Barbarossa 1165 explizit und im Grundsatz feststellen lassen. Aufgrund eines Fürstenspruches erklärte er die Duisburger frei vom bischöflichen Utrechter Zoll, cum ad nos tantummodo et ad solum pertineant
imperium66.
Hier wird bereits ein weiteres zollpolitisches Aktionsfeld des ersten Stauferkaisers sichtbar: Wie kaum ein anderer Herrscher hat Friedrich I. dafür gesorgt, daß die bevorzugte Zollstellung seiner Reichsorte, insbesondere auch der niederrheinischen, nicht nur in der Rechtsnorm der Privilegienurkunden, sondern auch in der Rechts-
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65 66
UB Duisburg I, Nr. 13. Daß die Duisburger einen besonders günstigen Tarif genossen, wird zum einen durch den recht niedrigen Zollsatz von vier Denaren pro Schiff nahegelegt, zum anderen deutet auch die zur Beschreibung der alten Abgabenhöhe verwendete Wortwahl (ius, theloneum solitum) darauf hin. Und zwar wie die Neusser Händler mit einer Abgabe von einer Wachstafel und einer denariada vini (vgl. GAWLIK, Nachtrag, S. 750, bzw. MGH D H IV, Nr. 487). MGH D FI, Nr. 499. Vgl. auch DIRLMEIER, Barbarossa, S. 515.
II. Bis zum Ende des staufisch-welfischen
353
Thronstreits
Wirklichkeit erhalten und verbessert wurde67. So befahl er zwischen 1152 und 1154 dem Utrechter Bischof, die Zollfreiheit der Kaiserswerther Kaufleute zu beachten 68 , veranlaßte 1155 die Wiederherstellung des Duisburger Zollrechts in Mainz69, sorgte im selben Jahr dafür, daß die Zollfreiheit der Reichsabtei Inden-Kornelimünster in Köln Anerkennung fand 70 , und initiierte 1165 den Fürstenspruch über die aus der Reichszugehörigkeit der Duisburger herrührende Zollfreiheit in Utrecht 71 . Barbarossa hat zudem als erster 72 Herrscher ältere Zollbefreiungen nur unter dem Vorbehalt der Gegenseitigkeit, d. h. einer entsprechenden Vergünstigung für die königlichen Kaufleute, anerkannt: 1184 bestätigte er das Wormser Zollprivileg von 1074 bzw. 1112, fügte jedoch die Klausel ein, daß die Händler aus den Reichszollorten, in denen Zollfreiheit galt - Frankfurt, Boppard, Hammerstein, Dortmund, Goslar, Angeren, Nimwegen und Duisburg - , gleiches Recht in Worms genießen sollten, ut hec equa vicissitudo perpetuo inviolata
inter loca imperio permaneat73.
specialiter
pertinentia
et inter
Vvormatienses
Vor dem Hintergrund der Fürsorge, mit der Barbarossa die zollrechtliche Stellung der Reichskaufleute bedachte, wird deutlich, wie selten neue Vergünstigungen an den Reichstransitzöllen des Untersuchungsraums für andere Empfänger waren eine Beobachtung, die im übrigen für seine gesamte Zollpolitik gilt; denn Friedrich beanspruchte grundsätzlich von allen die Entrichtung des Zolls - unter Anspielung auf das Bibelwort, man solle dem Kaiser geben, was des Kaisers ist74. So schuf die
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Dies ist bereits von STEIN, Handelsgeschichte, S. 228, betont worden. Vgl. auch FRIED, Wirtschaftspolitik, S. 234; IRSIGLER, Zollpolitik, S. 42 f. MGH D F I , Nr. 85. UB Duisburg I, Nr. 13. REK II, Nr. 609; URKUNDENREGESTEN I, Nr. 336. Vgl. zum Ablauf dieses Verfahrens STEHKÄMPER, P o p u l u s .
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MGH D F I, Nr. 499. Dies gilt zumindest für den Untersuchungsraum. Generell vorbildgebend für Zollbefreiungen auf Gegenseitigkeit scheinen dabei Stadtgründungen bzw. -Privilegierungen in den werdenden Territorien im Osten und Norden des Reiches gewesen zu sein (vgl. IRSIGLER, Zollpolitik, S. 43 f., mit Beispielen), wobei man aber die im 12. Jahrhundert neuen Zollprivilegien auf Gegenseitigkeit nicht mit den schon in fränkischer Zeit ausgestellten reichsweiten Zollbefreiungen vermengen darf. Dabei ist nicht zu übersehen, daß es gewohnheitsrechtlich ausgebildete Systeme gegenseitiger (Markt-)Zollfreiheit schon früher gegeben hat. Als Beispiel sei für den Untersuchungsraum nur das Privileg für die Reeser Kaufleute von 1142 genannt (SCHOLZ-BABISCH, Quellen, Nr. 5), das eine Praxis des 11. Jahrhunderts bestätigte. MGH D F I, Nr. 853. In der Zollbefreiung für die Bamberger und Amberger Kaufleute des Bischofs von Bamberg: Cum divina et Humana lege receptum atque preceptum sit, ut cui tributum, tributum et cui vectigal, vectigal (Rom. 13,7, vgl. Mt. 22,21), privilegia tarnen paucorum communem omnium legem excedencia non sunt aliis trahenda in exemplum, quibus imperialis munifi-
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D. Herrscherliche Zollpolitik
vom 10. Jahrhundert
bis ca. 1325
1174 durch die Tieler Schöffen festgestellte und vom Kaiser bestätigte Freiheit der Utrechter zu Kaiserswerth kein neues Recht, sondern übertrug deren am früheren Erhebungsort Tiel bestehende Vergünstigung auf die neue Zollstätte75. Als Friedrich I. 1184 die Wormser Zollfreiheit in modifizierter Form bestätigte, wurden zwar mit Nimwegen und Duisburg zwei neue Rheinzölle in die Zolliste aufgenommen, Kaiserswerth jedoch offenbar gezielt weggelassen; zudem fehlte gegenüber dem Diplom Heinrichs V. von 1112 auch die explizite Befreiung für Nürnberg, während die Zollfreiheit der Reichsleute in Worms hinzugefügt wurde76. Für den Kaiserswerther Zoll erging unter Friedrich I. nur eine einzige Befreiung, nämlich 1187 zugunsten des Prämonstratenserstifts Cappenberg77, das, wie schon der bekannte Barbarossakopf zeigt, zum Kaiser in besonderer Beziehung stand. Dieses Diplom ist gleichzeitig die einzige von ihm neuverliehene Zollbefreiung für einen Empfänger im Untersuchungsraum. Im Vergleich mit der Zollpolitik Friedrichs I. hat sein Sohn Heinrich VI. eine regelrechte Kehrtwende vollzogen; denn bereits in seiner ersten für den Untersuchungsraum ausgestellten Zollurkunde gewährte er - im Rahmen einer größeren Privilegierung des Kölner Erzstifts - am 25. März 1190 Köln, Neuss et aliis oppidis que Coloniensis archiepiscopus libere tenet ad manus suas für ihre eigenen Waren die Befreiung von jeglicher Zollzahlung in Kaiserswerth, wobei sich die Bürger von dem Verdacht, fremde, d. h. zollpflichtige Güter zu führen, per Eineid reinigen konnten78. Drei Jahre später erneuerte der Kaiser diese Befreiung und nahm ferner die kölnischen Städte von der Erhöhung des Bopparder Zolles aus79. Innerhalb kurzer Zeit hatte damit der Kölner Handel dank Heinrich VI. einen erheblichen Wettbewerbsvorteil erzielen können; denn an den beiden vermutlich wichtigsten Rheinzöllen ober- und unterhalb der Rheinmetropole war für die Kölner 1193 der jeweilige Status quo ante wiederhergestellt, während die konkurrierenden Händler, soweit sie nicht aus den Reichsorten kamen oder, wie die Wormser, spezielle Privilegien genossen, von der Zollverlegung nach Kaiserswerth und der Bopparder Zollerhöhung in vollem Ausmaß getroffen wurden. Heinrich VI. hat deswegen, soweit dies seine kurze Regierungszeit erkennen läßt, die niederrheinischen Reichsorte keineswegs zollpolitisch vernachlässigt. Am 18. April 1194 sorgte er auf eine Beschwerde Aachener Kaufleute hin für die Durchsetzung ihrer Zollfreiheit an den Landzöllen Graf Gerhards von Are bei Eckendorf
cienca huiusmodi beneficium non prestiterit, MGH D F I, Nr. 396 (1163 März 13). Vgl. zur Zollbefreiungspolitik Barbarossas allgemein FRIED, Wirtschaftspolitik, S. 232 ff. 75
M G H D F I , N r . 6 2 6 - URKUNDENREGESTEN I, Nr. 422.
76 77
MGH D FI, Nr. 853; die Urkunde Heinrichs V.: Boos, UB Worms I, Nr. 61. MGH D F I , Nr. 963. Vgl. auch seine reichsweite Zollbefreiung für den Prämonstratenserorden 1154 Juni 23 (MGH D F I , Nr. 82). ENNEN, Quellen I, Nr. 106 - REK II, Nr. 1351. Zur demonstrativen Gleichsetzung der Stadt Köln mit anderen erzstiftischen Städten vgl. DIESTELKAMP, Privilegien, S. 124. ENNEN, Quellen I, Nr. 108 - R E K II, Nr. 1449.
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II. Bis zum Ende des staufisch-welfischen
Thronstreits
355
und Rösberg 80 , die dieser vermutlich in erster Linie zur Abschöpfung des Aachener Handelsverkehrs zum Rhein errichtet hatte, und bestätigte am folgenden Tag das Privileg Konrads III. von 1145 über die Zollfreiheit der Kaiserswerther zu Angeren, Nimwegen, Utrecht und Neuss81. Eine Politik der Zollbefreiung auf Gegenseitigkeit, wie sie unter Friedrich I. ansatzweise erkennbar ist, hat sein Sohn nicht fortgeführt. Die Zollbefreiungen für Köln von 1190 und 1193 enthielten keine Klausel über die entsprechende Behandlung der Reichsleute an den Zöllen des Erzstifts; auch die Einwohner der neugegründeten brabantischen Stadt Herzogenbusch erhielten 1196 imperiali benignitate, ohne daß für den Zollstatus der kaiserlichen homines Bedingungen gestellt wurden, Freiheit an allen kaiserlichen Rheinzöllen 82 . Die beiden von Heinrich VI. zugunsten geistlicher Institutionen neu ausgestellten Zollprivilegien - Corvey wurde 1190 die Zollfreiheit in Kaiserswerth verbrieft 83 , die Zisterzienserabtei Altenberg erhielt 1195 reichsweite Exemtion zu Wasser und zu Land 84 - lassen eine bestimmte zollpolitische Linie höchstens in Ansätzen erkennen. Es ist allenfalls zu vermuten 85 , daß er die sehr zurückhaltende Politik seines Vaters nicht fortzusetzen gedachte, sondern, wie seine Nachfolger, die Vergabe von Zollprivilegien an bevorzugte Klöster in den Rheinlanden zum ersten Mal seit fränkischer Zeit wieder zu einem systematisch gehandhabten Instrument herrscherlicher Zollpolitik gemacht hätte. Otto IV. hat in der ersten Phase des Thronstreits bis zum Tod König Philipps am 21. Juni 1208 im Untersuchungsraum das zollpolitische Instrument der Zollbefreiung kaum positiv, d. h. in der Gewährung oder Anerkennung von Vorrechten, genutzt. Zwar bestätigte er im Juli 1198 den privilegierten Zollstatus, den Köln, Soest und andere erzstiftische Städte unter Heinrich VI. erlangt hatten, nahm jedoch dabei keine räumliche oder inhaltliche Erweiterung vor86. Dies lag wohl eher am Fehlen entsprechender Forderungen als an einer bewußten Zurückhaltung des Herrschers, machte doch der Weife im gleichen Zuge so weitgehende Zusagen auf anderen Gebieten, daß er auch eine Ausdehnung der Zollfreiheit für die wichtigsten Stützen seines Königtums in den Rheinlanden - Erzbischof und Stadt Köln - wohl nicht verweigert hätte. Abgesehen von diesem Sonderfall kann von einer Zollbefreiungspolitik Ottos in den ersten zehn Jahren seiner Regierung kaum gesprochen werden. Aus
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86
MEUTHEN, Aachener Urkunden, Nr. 4. BÖHMER, Acta Imperii, Nr. 190 - REK II, Nr. 1479. Inseriert in die Bestätigung Karls IV. vom 25. Juli 1349 (MGH Const. IX, Nr. 462). ERHARD, Reg. Hist. Westf. II, Nr. 2252 mit Nr. DU - RI IV.3, Nr. 97. LAC. I, Nr. 546 - RI IV.3, Nr. 475. Vgl. die Arenga der Zollbefreiung für Altenberg: Cum ecclesias dei et loca diuino cultui mancipata benignitatis nostrae fauore clementer respicimus et uiros religiosos in imperio nostro a theloneis aut aliis publicis exactionibus liberos et absolutos constituimus, LAC. I, Nr. 546. MGH Const. II, Nr. 17 - REK II, Nr. 1550.
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D. Herrscherliche Zollpolitik vom 10. Jahrhundert bis ca. 1325
dieser Zeit ist nur ein entsprechendes Privileg des Weifen bekannt, nämlich das im Jahr 1200 zugunsten des flandrischen Klosters Ter Doest für den Kaiserswerther Rheinzoll ausgestellte Diplom 87 . Andere geistliche Institute oder Städte haben von Otto in dieser Phase für die Zollstätten des Untersuchungsraums noch nicht einmal eine Bestätigung älterer Vergünstigungen, geschweige denn deren Erweiterung oder gar eine Neuverleihung erhalten, obwohl diesbezügliche Gesuche vorgelegen haben dürften. Gegenüber dieser restriktiven Linie des Weifenkönigs hat Philipp von Schwaben die Gewährung von Zollprivilegien gezielt als Mittel der Politik eingesetzt. Während Ottos Anhänger, z. B. die Kölner, offenbar systematisch mit höheren Zollsätzen belastet wurden, hat er die staufische Partei ebenso planmäßig mit Zollvergünstigungen gefördert bzw. den Parteiwechsel auf seine Seite mit entsprechenden Privilegien honoriert. 1202 verbündete sich Philipp mit Erzstift und Stadt Trier und befreite dessen Angehörige von den neuen Zöllen zu Cochem und Hammerstein 88 . Im gleichen Jahr konkretisierte er die der Abtei Altenberg von Heinrich VI. 1195 verliehene allgemeine Zollfreiheit zu Wasser und zu Lande auf die Zollstätten am Rhein 89 . Im November 1204, nachdem der Brabanter Herzog auf seine Seite übergewechselt war, erweiterte der Staufer - unter dem Vorbehalt der Abgabenfreiheit der Reichsleute in Brabant - die 1196 von seinem Bruder gewährte Rheinzollfreiheit der Brabanter homines zu Herzogenbusch auf das Reich und schloß auch die Tieler darin mit ein90. 1206 gab der Staufer auf Bitte Graf Ottos von Geldern den Einwohnern seiner Stadt Zutphen Zollfreiheit zu Kaiserswerth, ohne hier allerdings auf die Gleichbehandlung der Reichsleute an geldrischen Zöllen zu bestehen. Selbst die Stadt Köln konnte, nachdem sie im November 1206 der militärischen Übermacht Philipps erlegen war, von diesem ihren zollrechtlichen Status quo ante wiedererlangen. Während in der im Januar 1207 ausgehandelten compositio91 die Stellung der Kölner an den Reichszöllen noch ausgeklammert wurde, erkannte Philipp am 30. April 1207 - in der ersten Urkunde, die Köln überhaupt als Stadtgemeinde erhielt 92 - die 1190/1193 von Heinrich VI. ausgestellten Zollprivilegien an, d. h. Zollfreiheit zu Kaiserswerth bzw. Beschränkung auf den alten Zoll zu Boppard, und erließ den Kölnern darüber hinaus alle (während der vergangenen Auseinandersetz u n g e n a u f g e l e g t e n ) thelonea iniusta et de nouo
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instituta93.
91 92
RAMACKERS, Unbekannte Urkunden, S. 622 f. MGH Const. II, Nr. 7. LAC. II, Nr. 7 - zum Datum: MOSLER, UB Altenberg I, Nr. 49; die Zollbefreiung Heinrichs VI.: LAC. I, Nr. 546 - RI IV.3, Nr. 475. Beide Privilegien sind als Transsumpte Karls IV. von 1349 überliefert. Zur Urkunde Philipps: MGH Const. IX, Nr. 467, zum Diplom Heinrichs VI.: MGH Const. IX, Nr. 462. MGH Const. II, Nr. 11. Vgl. dazu DIESTELKAMP, Privilegien, S. 124 f.
93
ENNEN, Q u e l l e n II, N r . 2 4 -
90
R E K I I I . l , N r . 2 8 ; d i e P r i v i l e g i e n H e i n r i c h s V I . : ENNEN,
Quellen I, Nr. 106,108 - REK II, Nr. 1351,1449.
II. Bis zum Ende des staufisch-welfischen
Thronstreits
357
Otto IV. hat erst nach dem Tod seines staufischen Thronkonkurrenten seine restriktive Zollbefreiungspolitik aufgegeben und derartige Privilegien als Herrschaftsinstrument eingesetzt, was vielleicht auch damit zusammenhängt, daß Philipps Ratgeber in seinen Dienst getreten waren 94 . Den Anfang machte die im Dezember 1208 ausgestellte Bestätigung der Wormser Zollfreiheit an den Reichszöllen, die wie schon in den Vorurkunden - erneut modifiziert, erstmals aber nicht eindeutig erweitert wurde. Zwar waren die Wormser nun auch in Kaiserswerth abgabenfrei, was ihnen Friedrich 1.1184 noch versagt hatte 95 , auch von der Zollfreiheit der jeweiligen Reichsleute in Worms war keine Rede mehr, dafür strich Otto IV. jedoch Nimwegen aus der Zolliste96. Offenbar konnten die Wormser die Zollfreiheit an beiden Flußzöllen nicht erreichen und entschieden sich daher mit Kaiserswerth für den sicher wichtigeren Rheinzoll. Obgleich die Kölner Bürger von Beginn an zu den stärksten Stützen Ottos IV. im Reich zählten, haben sie von ihm erst 1212 ein eigenes Zollprivileg erhalten. Neben der Bestätigung der Kaiserswerther Zollfreiheit enthielt es zwei wichtige Neuerungen: Zum einen wurde ausgehandelt oder zumindest konkretisiert, daß unter dem alten Zoll, den die Kölner seit 1193 in Boppard ausschließlich zu zahlen hatten, 2 Vi Denare pro Schiff unabhängig von dessen Größe zu verstehen waren; zum anderen erkannte der Kaiser ausdrücklich den privilegierten - nicht näher beschriebenen, aber ausdrücklich inner- und außerhalb der Jahrmarktzeit gültigen - Zollstatus der Kölner am Duisburger Zoll an, so wie er seit Friedrich I. und Heinrich VI. üblich gewesen sei97. Die Bedeutung beider Bestimmungen ist keinesfalls gering einzuschätzen, wenngleich sie vorgeblich >nur< eine Bestätigung älterer Rechte waren. Die Fixierung der Bopparder Abgabe auf einen vergleichsweise geringen Transportmittelzoll, der vermutlich sogar deutlich unter dem allgemeinen alten, 1190 erhöhten Zoll lag98, war um so wichtiger, als sich (soweit feststellbar) bereits lange vor der Jahrhundertwende an allen Flußtransitzöllen des Untersuchungsraums, auch in Boppard, die zusätzlich zur Verzollung des Fahrzeuges vorgenommene bzw. diese überlagernde ladungsmengenabhängige Veranschlagung durchgesetzt hatte, wie sie für spätmittelalterliche Tarife üblich war. Wenn die Kölner davon in Boppard ausgenommen wurden, war dies im Hinblick auf die bereits mehrmals angesprochene
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97 98
Vgl. dazu GRUNDMANN, Wahlkönigtum, S. 27 f. MGH D F I, Nr. 853. UB Duisburg I, Nr. 22. Daß Nimwegen zu dieser Zeit schon an den Grafen von Kleve verpfändet war und deshalb in der Liste nicht mehr auftaucht, wie SCHOLZ-BABISCH Anm. 1 zu Nr. 8, annimmt, ist zwar nicht völlig auszuschließen, aber weniger wahrscheinlich als eine Vergabe durch Friedrich II. 1228/1229 (vgl. unten S. 661). UB Duisburg I, Nr. 24. Die Angabe von DIESTELKAMP, Privilegien, S. 126 f., daß Otto die Kölner Zollfreiheit auf Duisburg erweiterte, ist so nicht zutreffend. Dafür sprechen die geringe Höhe des Satzes, seine Unabhängigkeit von der Schiffsgröße und das Fehlen von Mengenzöllen, die sich im gesamten Untersuchungsraum bis zum Ende des 12. Jahrhunderts durchgesetzt hatten.
358
D. Herrscherliche Zollpolitik vom 10. Jahrhundert bis ca. 1325
Konkurrenzsituation im Rheinhandel kaum weniger wert als die vollständige Zollfreiheit in Kaiserswerth. Auch daß Otto in diesem Privileg als erster Herrscher ältere Kölner Vorrechte am Duisburger Zoll anerkannte und - eine Neuerung (tali conditione interposita) - ihre Gültigkeit unabhängig von der Jahrmarktzeit garantierte, stellte für den Zollstatus der Stadt einen wichtigen Fortschritt dar, obwohl man für diese Hebestelle von einer weiteren Konkretisierung der Vergünstigungen absah. Köln hatte damit gegen Ende des weifischen Königtums eine zollrechtlich besonders privilegierte Stellung erlangt, die selbst für den Status geistlicher Institute vorbildgebend wurde: 1214 befreite Otto IV. die Zisterzienserabtei Altenberg von allen Rheinzöllen zu Kaiserswerth und anderswo eo iure libertatis, quod habere consuevit fidelis nostra civitas Colonia". In der zweiten Regierungsphase des Weifen zählten zunehmend auch Klöster und Stifter zu den Empfängern von Zollprivilegien. Bereits 1209 wurde das Prämonstratenserstift Rommersdorf (bei Heimbach/Neuwied) mit Abgabenfreiheit auf Rhein und Main und besonders zu Kaiserswerth begünstigt100, zwei Jahre später erhielt der Johanniterorden, der bereits seit 1158 Zollfreiheit im Reich genoß 101 , eine entsprechende Urkunde von Otto 102 , der 1214 außer den Zisterziensern zu Altenberg 103 auch die Prämonstratenser zu Cappenberg und Wesel, nach dem Vorbild Friedrichs I. und Heinrichs VI., vom Zoll zu Kaiserswerth befreite 104 . Während Otto für Institute im nördlichen Rheinland noch bis zum Mai 1214 Zollprivilegien ausstellte, bemühte man sich im Süden, der sich zuerst von der weifischen Sache löste105, schon im Jahr zuvor beim staufischen Gegenkönig Friedrich II.106 um entsprechende Vergünstigungen. Mit der im Mai 1213 dem Zisterzienserkloster Eberbach im Rheingau verliehenen Rheinzollfreiheit setzten die zahlreichen Zollbefreiungen des Staufers ein. Der erneute Machtwechsel im Kölner Großraum vom Weifen zum Staufer 1215 hatte für den Zollstatus der von Otto IV. Begünstigten unterschiedliche Folgen. Während Friedrich II. die Zollprivilegien für Altenberg und Cappenberg sogar erweiterte 107 , mußte die Stadt Köln, die noch bis zum August 1215 zu Otto gehalten
99 100 101 102 103 104 105 106 107
WINKELMANN, Acta Imperii I, Nr. 69a. MRUB II, Nr. 243. MGH D F I, Nr. 228. WINKELMANN, Acta Imperii I, Nr. 63. WINKELMANN, Acta Imperii I, Nr. 69a; sie genossen seit 1195 (LAC. I, Nr. 546 - RI IV.3, Nr. 475) allgemeine Abgabenfreiheit auf Rhein und Main. WLLMANS, Westf. UB III, Nr. 82. Die Befreiung Friedrichs I.: MGH D F I , Nr. 963; die Bestätigung durch Heinrich VI.: BÖHMER, Acta Imperii, Nr. 187. Vgl. dazu ENGELS, Stauferzeit, S. 243. Vgl. zu dieser Phase seiner Herrschaft jetzt auch BOSHOF, Staufer, S. 5 ff. Die reichsweite Altenberger Zollfreiheit wurde auf Rhein und Main konkretisiert (LAC. II, Nr. 52) und das Cappenberger Privileg explizit auf Boppard erweitert (MRR I, Nr. 1272).
II. Bis zum Ende des staufisch-welfischen
Thronstreits
359
hatte 108 , eine deutliche Minderung ihrer besonderen Vorrechte an den Rheinzöllen hinnehmen. Der Staufer transsumierte im Mai 1216 lediglich die Zollbefreiung Heinrichs VI. aus dem Jahr 1193 und überging damit die Erweiterungen, die Köln 1212 am Bopparder bzw. Duisburger Rheinzoll erreicht hatte 109 . Man wird dies nicht allein dem Einfluß des neuen Erzbischofs Engelbert von Berg zuschreiben dürfen 110 , sondern darin auch eine gezielte (gleichwohl noch moderate) Absage an die Vorrangstellung der Rheinmetropole unter Otto IV. erkennen können. Bis zum Ende der staufischen Zeit hat Köln zwar Bestätigungen, aber keine inhaltlichen Erweiterungen seiner Zollprivilegien mehr erlangen können 111 .
108 Vgl. ENGELS, Stauferzeit, S. 243 f. 109 LAC. II, Nr. 49; ENNEN, Quellen II, Nr. 48 (beide zu 1215); vgl. aber DIESTELKAMP, Privilegien, S. 127 Anm. 127. 110 So DIESTELKAMP, Privilegien, S. 127, mit Verweis auf die damit wiederaufgenommene Passage der erzbischöflichen Oberherrschaft über die Stadt. 111 1224 Jan. 20 durch Heinrich (VII.) (LAC. II, Nr. 159); 1236 durch Friedrich II. (LAC. II, Nr. 205). Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, daß Köln anderweitige, gegen die erzbischöfliche Stadtherrschaft gerichtete Privilegien erhielt; vgl. dazu DIESTELKAMP, Privilegien, S. 127 ff.
III.
Friedrich II., Heinrich (VII.) und Konrad IV.
III.l
Fürstenprivilegien und Reichsgesetzgebung
Das zollpolitische Wirken Friedrichs II. und Heinrichs (VII.) bis zum Beginn des staufischen Endkampfs hat vor allem in zwei Bereichen tiefere Spuren hinterlassen: in der Vergabe von Zollbefreiungen und im Aufbau eines reichsgesetzlichen Instrumentariums zur Steuerung des zunehmend durch Territorialisierung geprägten Transitzollwesens. Demgegenüber haben beide Herrscher in das Reichszollsystem des Untersuchungsraums, also im wesentlichen die Flußzölle, in dieser Phase kaum gestaltend eingegriffen; für die Zölle anderer Inhaber gilt dies jedoch nicht. Die Confoederatio cum principibus ecclesiasticis vom 26. April 12201 ist das erste der beiden allgemeinen Fürstenprivilegien Friedrichs II.2, deren Wertung in der Verfassungsgeschichte einen starken Wandel erfahren hat. Während man in der älteren Forschung seit Böhmer beide Privilegien als grundsätzliche Preisgabe wesentlicher königlicher Hoheitsrechte zugunsten einer dadurch erst konstituierten oder zumindest wesentlich beschleunigten fürstlichen Landeshoheit wertete, hat sich diese Auffassung spätestens mit der grundlegenden Arbeit von Klingelhöfer gewandelt 3 . Man sieht nun die Privilegien vor allem als Spiegel des jeweiligen Machtverhältnisses zwischen König und Fürsten, nicht als dessen tatsächliche Grundlegung nach den Worten von Mitteis haben beide Texte »weniger normativen als symptomatischen Charakter« 4 . In diesem Spannungsverhältnis ist für unsere Fragestellung vor allem die Confoederatio heranzuziehen 5 , die das erklärte Ziel verfolgte, die während der zwei Jahrzehnte des Thronstreits (ex longa perturbatione imperii) zu Lasten des Reichsepiskopats eingerissenen Mißbräuche, namentlich auf dem Gebiet des Zoll- und Münzwesens, abzustellen 6 . Die elf Artikel des Privilegs, das nach herrschender
1
2 3
4 5 6
MGH Const. II, Nr. 73. Für beide Dokumente werden im folgenden die in der Forschung übliche Benennungen gebraucht (vgl. GOEZ, Fürstenprivilegien, Sp. 1358); die abweichenden Bezeichnungen Weilands in der maßgeblichen Edition (MGH Const. II) Privilegium in favorem principum ecclesiasticorum< bzw. >Constitutio in favorem principum< - haben sich nicht durchgesetzt. MGH Const. II, Nr. 304, Nr. 171. Das andere ist das Statutum in favorem principum von 1231/1232. KLINGELHÖFER, Reichsgesetze - dazu SCHRÄDER, Fürstenprivilegien; in ausführlicher Würdigung beider Arbeiten KOLLER, Diskussion; zusammenfassend GOEZ, Fürstenprivilegien. Vgl. jetzt auch BOSHOF, Staufer, S. 3 f. MITTEIS, Staat, S. 352. Vgl. dazu aus rechtsgeschichtlicher Perspektive WADLE, Confoederatio. Igitur quia in eorum gravamina (der geistlichen Fürsten) quedam consuetudines et ut verius dicamus abusiones, ex longa perturbatione imperii, que per gratiam Dei nunc quievit et quiescet, inoleverant in novis theloneis et monetis, que se invicem ex similitudinibus
III. Friedrich II., Heinrich (VII.) und Konrad
IV.
361
Meinung als Preis für die Wahl des minderjährigen Heinrich (VII.) zum König ausgestellt wurde 7 , gingen inhaltlich aber weit darüber hinaus. Sie enthielten neben Bestimmungen zu Zoll und Münze u. a. den Verzicht des Herrschers auf das Spolienrecht, ein Verbot vogteilicher Übergriffe und der Aufnahme von Hörigen der Kirchenfürsten in Reichsstädte, die Verfügungsgewalt der principes ecclesiastici über frei werdende Kirchenlehen, eine Verstärkung des Kirchenbanns durch die Reichsacht, das Verbot der Errichtung von Burgen und Städten auf geistlichem Boden ohne besondere Genehmigung und eine Präzisierung der königlichen Regaliennutzung an Hoftagen in Bischofsstädten 8 . Auch die in Artikel 2 enthaltenen Einzelbestimmungen zu Zoll und Münze waren sehr viel weitreichender, als das in der Arenga formulierte Programm der Bekämpfung von consuetudines, et ut verius dicamus abusiones zunächst vermuten läßt. Zum einen versprach der König, neue Zölle und Münzstätten in den Gebieten der geistlichen Fürsten künftig nur mit deren Zustimmung zu errichten, zum anderen garantierte er den Bestand und Schutz ihrer antiqua thelonea et iura monetarum9. Was bedeutete der Artikel 2 der Confoederatio für die Transitzölle im Untersuchungsraum, in dem die werdenden Territorien der drei wichtigsten geistlichen Reichsfürsten, der Erzbischöfe von Köln, Mainz und Trier, lagen? Man wird kaum fehlgehen, wenn man die in der Arenga des Privilegs erwähnten abusiones im Bereich von Zoll und Münze auch, wenn nicht sogar in erster Linie, auf die Rheinlande bezieht, die, wie oben dargelegt wurde, während des Thronstreits in starkem Maße Schauplatz von Zollauseinandersetzungen waren. Es sei hier nur an die Zollpolitik Ottos IV., der seine Zusagen über die Rückverlegung des Kaiserswerther Zolls nicht nur brach, sondern zusätzlich den Duisburger Zoll ausbaute, und an die staufischen Strafzölle gegen die Stadt Köln erinnert 10 . Diese Neuerungen auf dem Gebiet des Zollwesens, obgleich direkt oder indirekt durch den Thronstreit verursacht, wurden mit dessen Ende nicht - oder allenfalls auf dem Privilegienweg für wenige Begünstigte wie die Stadt Köln11 - zurückgenommen und waren offenbar im Begriff, sich
ymaginum destruere consueverant, in guerris advocatorum et aliis malis, quorum non est numerus, statutis quibusdam eisdem abusionibus obviavimus, M G H Const. II, Nr. 73. 7
V g l . KLINGELHÖFER, R e i c h s g e s e t z e , S. 2 1 2 .
8 9
Vgl. dazu ausführlich KLINGELHÖFER, Reichsgesetze, S. 5-59. Item nova thelonea et novas monetas in ipsorum territoriis sive iurisdictionibus eis inconsultis seu nolentibus non statuemus de cetero, sed antiqua thelonea et iura monetarum, eorum ecclesiis concessa, inconvulsa et firma conservabimus et tuebimur, nec ipsi ea infringemus nec ab aliis ledi permittemus modis aliquibus, utpote monete turbari et vilificari solent similitudinibus ymagium, quod penitus prohibemus, M G H Const. II, Nr. 73. D i e A n n a h m e von WADLE, Confoederatio, S. 208, daß unter den Mißbräuchen in erster Linie königliche Zollbefreiungen zu Lasten geistlicher Zollinhaber zu verstehen seien, sind spekulativ, da sie sich nicht auf eine Analyse der Zollverhältnisse während des Thronstreits stützen können, dessen tiefe Zäsurwirkung im übrigen von Wadle kaum berücksichtigt wird. ENNEN, Quellen II, Nr. 24 - REK III.l, Nr. 28.
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362
D. Herrscherliche Zollpolitik vom 10. Jahrhundert bis ca. 1325
zu consuetudines zu verfestigen. Dies erklärt zwar, warum die gravamina des Reichsepiskopats mit den thelonea nova beginnen, aber nicht die Ausgestaltung der Einzelbestimmungen der Confoederatio. Denn obgleich man nun Maßnahmen zur Abschaffung dieser Mißbräuche erwarten könnte, findet sich dort überraschenderweise kein Verzicht Friedrichs II. auf diese Neuerungen - etwa über die Definition eines >Normaljahres< der Zollerhebung, wie sie 1235 im Mainzer Reichslandfrieden vorgenommen wurde - , sondern der König sagte zu, daß er künftig Veränderungen in den Gebieten der Kirchenfürsten von deren Zustimmung abhängig machen werde. Trotz aller Klagen über abusiones legten die principes ecclesiastici beim Aushandeln dieses Artikels mit Friedrich II. demnach größeren Wert auf ein künftiges Mitbestimmungsrecht als auf die Fixierung konkreter Maßnahmen zur Abstellung der beanstandeten Probleme 12 . Beides konnten oder wollten (?) sie offenbar nicht erreichen. In gewisser Weise - ein in der Literatur bislang nicht diskutierter Aspekt - war der Artikel 2 somit nicht nur eine Bestandsgarantie für die territorialen thelonea, sondern auch für das im Thronstreit wohl nicht nur im Untersuchungsraum deutlich intensivierte Reichszollsystem, was wiederum für den Staufer von hohem Wert sein mußte. Die von den Kirchenfürsten in der Confoederatio durchgesetzte Bestandsgarantie für ihre antiqua thelonea könnte zwar zunächst den Verdacht wecken, daß sie damit Usurpationen des Thronstreits abgesichert wissen wollten - diese für andere Gebiete des Reiches möglicherweise zutreffende Annahme läßt sich jedoch für den Untersuchungsraum nicht erhärten: Keiner der dort herrschenden principes ecclesiastici hat seinen Zollbesitz währenddessen nachweisbar erheblich erweitern können. Es ist bereits darauf hingewiesen worden, daß im Privileg Ottos IV. für die Kölner Kirche vom Juli 1198 die erste urkundlich dokumentierte Einschränkung königlicher Zollpolitik am Niederrhein vorgenommen wurde, indem die Rückverlegung des de novo et contra iustitiam errichteten Kaiserswerther Zolls nach Tiel zugesagt und gleichzeitig auf dessen Erhöhung für alle Zukunft verzichtet wurde. Die Wurzeln des hier erstmals offen zu Tage tretenden Antagonismus zwischen königlichen und territorialen Zollinteressen, der sich vorerst nur an einer besonders wichtigen Zollstätte kristallisierte, lagen in einer seit der Mitte des 12. Jahrhunderts straff betriebenen staufischen Zollpolitik. Spätestens die Ereignisse des Thronstreits mußten den Beteiligten, allen voran den Kölner Erzbischöfen 13 , bewußt machen, daß ein Interessengegensatz nicht nur bei bestimmten Zollstätten, sondern auch strukturell bestehen konnte. Und genau auf das grundsätzliche Verhältnis zwischen Reichsgewalt und
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13
Dies ist gegenüber SCHRÄDER, Fürstenprivilegien, festzuhalten, der die Grundlinie des Privilegs in der Abstellung von durch die staufische Reichsgut- und Hausmachtpolitik verursachten Mißbräuchen sieht. Auch die Magdeburger Metropoliten hatten offenbar negative Erfahrungen mit der königlichen Zollpolitik gemacht; denn Erzbischof Albrecht II. ließ sich 1208 (MGH Const. II, Nr. 26) von Otto IV. die Zusage geben, keine neuen Münz- oder Zollstätten auf erzstiftischem Gebiet zu errichten (vgl. KLINGELHÖFER, Reichsgesetze, S. 26).
III. Friedrich IL, Heinrich (VII.) und Konrad IV.
363
Kirchenfürsten und nicht auf die Abstellung konkreter Mißbräuche zielte Artikel 2 der Confoederatio ab, wenn Friedrich II. versprach, die Einrichtung neuer Zölle und Münzstätten in den Gebieten der principes ecclesiastici künftig von deren Zustimmung abhängig zu machen. Nur wenige Tage nach der Ausstellung der Confoederatio wurden auf dem Frankfurter Hoftag die Auseinandersetzungen zwischen dem Grafen von Geldern und dem Bischof von Utrecht um den Lobither Zoll durch ein Hofgerichtsurteil entschieden 14 . Hierbei ist weniger von Belang, daß dieser Fall bei der Abfassung des Privilegs bereits im Hintergrund gestanden haben dürfte 15 - wenn er nicht existiert hätte, wäre Artikel 2 wohl kaum anders gestaltet worden - , sondern daß er zum einen wichtige Aufschlüsse über die zollpolitischen Kräfteverhältnisse am Niederrhein ermöglicht und zum anderen der bisherigen Diskussion um das Spannungsverhältnis zwischen König und Kirchenfürst eine neue, für die folgende Entwicklung der Transitzölle in den Rheinlanden grundlegende Dimension hinzufügt, nämlich die als Zollinhaber zu König und Kirchenfürst hinzutretenden weltlichen Gewalten. Graf Gerhard von Geldern hatte vor 1220 den Arnheimer Zoll nach Lobith an die Spitze des Rheindeltas gelegt, offenkundig um den gesamten Rheinverkehr abzuschöpfen, bevor er sich auf Neder-Rijn, Waal und IJssel verteilte 16 . Dagegen mobilisierten, wie aus späteren Quellen deutlich wird, vor allem die dadurch neu erfaßten Händler aus dem Salland und dem IJsselort Deventer den Utrechter Bischof Otto, und auch der Kölner Erzbischof Engelbert, die beherrschende politische Autorität dieses Raums 17 , stand zunächst auf ihrer Seite18. Diese Gruppe gab sich nicht mit einer Rückverlegung zufrieden, sondern forderte die völlige Abstellung des Zolls, während sich der Graf auf dessen Reichslehnbarkeit berief und damit offenbar die Rechtmäßigkeit der Abgabe unabhängig von ihrem jeweiligen Erhebungsort reklamierte. Am 30. April 1220 verkündete Friedrich II. das Hofgerichtsurteil, daß er kein Zoll- oder Münzrecht zum Nachteil eines Dritten verleihen könne. Da er wegen Zoll und Münze des Grafen, die dieser behaupte vom Reich zu haben, schwerwiegende Klagen gehört habe, könne er eine entsprechende warandia des Grafen nicht anerkennen. Der Staufer verbot ihm die Zollerhebung zu Arnheim, Oosterbeeke, Lobith oder einem anderen Ort am Rhein ungeachtet etwaiger Privilegien19 und beauftragte
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19
MGH Const. II, Nr. 74, 75. Dies betont KLINGELHÖFER, Reichsgesetze, S. 24, wohl etwas zu stark. Vgl. oben S. 274 f.; siehe zu diesem Konflikt auch SCHIFFER, Grafen von Geldern, S. 315 ff. Vgl. ENGELS, Stauferzeit, S. 247 ff. Nach SCHIFFER, Grafen von Geldern, S. 335, vertrat Engelbert schon zu diesem Zeitpunkt die geldrischen Interessen. Warum der Erzbischof dann seinen Einfluß bei Hofe gegen Geldern einsetzte, wird von Schiffer allerdings nicht diskutiert. M G H Const. II, Nr. 74 - URKUNDENREGESTEN II., Nr. 126. SCHIFFER, Grafen v o n Gel-
dern, S. 315, weist darauf hin, daß Friedrich II. sich in der Zollverlegungserlaubnis vom April 1222 (LAC. II, Nr. 100 - REK III.l, Nr. 350) ausdrücklich auf eine entsprechende,
364
D. Herrscherliche Zollpolitik vom 10. Jahrhundert bis ca. 1325
in einer zweiten Urkunde den Kölner Erzbischof Engelbert mit der Ausführung des Urteils 20 . Bereits zwei Jahre später war der Metropolit jedoch auf die Gegenseite gewechselt und machte den Weg zu einer kaiserlichen Genehmigung der Zollverlegung von Arnheim nach Lobith frei, die im April 1222 de consilio principum nostrorum et specialiter de consilio dilecti principis nostri venerabilis Coloniensis archiepiscopi erfolgte und damit die maßgebliche Rolle Engelberts deutlich genug hervorhob 21 . Die Interessen des Utrechter Bischofs bzw. der Deventer und Salländer wurden dabei wortlos übergangen. Zwar konnten diese im Januar 1223 noch ein Mandat Friedrichs II. an Graf Gerhard von Geldern erreichen, wodurch das Frankfurter Hofgerichtsurteil von 1220 eingeschärft wurde 22 , weil dem in Italien weilenden Kaiser anscheinend seine Verlegungserlaubnis vom April 1222 nicht mehr bewußt war - dies war beim Grafen jedoch mit Sicherheit anders, der das Verbot offenkundig ignorierte und es zum Anlaß nahm, die Zollverlegung reichsrechtlich unanfechtbar abzusichern. Im März 1223 ließ er sich die Verlegungserlaubnis von Friedrich II. unter Besiegelung mit der Goldbulle erneuern 23 , 1224 erreichte er von Heinrich (VII.) eine u. a. von den Erzbischöfen von Mainz, Köln und Trier, dem Pfalzgrafen bei Rhein und dem Landgrafen von Thüringen bezeugte Bestätigung der kaiserlichen Verlegungserlaubnis 24 , dann erwirkte er die Willebriefe der maßgeblichen Reichsfürsten 25 und erlangte im Oktober 1226 vom Kaiser abermals ein mit der Goldbulle versehenes Privileg über die Zollverlegung von Arnheim nach Lobith 26 . Das in den Auseinandersetzungen um den Lobither Zoll ergangene Hofgerichtsurteil über die Nichtigkeit einer herrscherlichen Zollverleihung zu Lasten Dritter verdient besondere Aufmerksamkeit, weil es auf demselben Frankfurter Hoftag zustandekam und, wie man wohl ohne weiteres annehmen kann, von den gleichen Interessen der geistlichen Fürsten geprägt war wie die Confoederatio. Wenn deren Zollinteressen damit durch das Urteil ergänzt oder zumindest illustriert werden, ging es den Kirchenfürsten nicht allein, wie dies in der Confoederatio offensichtlich ist,
20
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vor seiner Kaiserkrönung ausgestellte Urkunde berief (sicut in priuilegio sibi a nostra regia maiestate concesso plenius continetur) und auch das Hofgerichtsurteil von der Existenz früherer Privilegien spricht. MGH Const. II, Nr. 75 - URKUNDENREGESTEN II., Nr. 127. Dies zeigt deutlich, daß Engelbert zu dieser Zeit nicht, wie ENGELS, Stauferzeit, S. 252, annimmt, die geldrische Sache vertreten haben kann; denn gegen Kölner Widerstand wäre das Urteil wohl kaum zustande gekommen. LAC. II, Nr. 100 - REK III.l, Nr. 350. Diese wird von SCHIFFER, Grafen von Geldern, S. 316 ff., wohl etwas zu gering eingeschätzt.
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SLOET, O G Z , N r . 4 7 0 - URKUNDENREGESTEN II, N r . 1 6 5 .
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LAC. II, Nr. 99 (zu 1222) - URKUNDENREGESTEN II, Nr. 172. Die Urkunde wurde wohl unter der Mitwirkung von Engelberts Notar Peregrinus verfaßt (ebd. Anm.).
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LAC. II, N r . 1 1 8 - URKUNDENREGESTEN II, N r . 1 9 1 .
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LAC. II, N r . 1 0 1 - URKUNDENREGESTEN II, N r . 1 9 1 A n m .
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SLOET, O G Z , N r . 4 9 8 .
III. Friedrich II., Heinrich (VII.) und Konrad IV.
365
um die Verhinderung ungewollter neuer Reichszölle und um eine Bestandsgarantie eigener Rechte, sondern sie versuchten darüber hinaus, direkten Einfluß auf bestehende Zollstätten weltlicher Inhaber zu erlangen, indem die Rechtmäßigkeit bzw. die Anerkennung solcher Hebestellen durch das Reichsoberhaupt davon abhängig gemacht wurde, ob sie Interessen Dritter - die Kirchenfürsten meinten selbstverständlich ihre eigenen - beeinträchtigten. Mag man auch einwenden, daß Lobith der einzige (in den Rheinlanden) bekannte Anwendungsfall und daher nur bedingt aussagekräftig ist, so gilt es doch zu berücksichtigen, daß die Grafen von Geldern zu dieser Zeit die einzigen nichtgeistlichen Rheinzollinhaber unterhalb des Katzenelnbogener Zolls St. Goar waren und im gesamten Untersuchungsraum außerdem nur noch die Rheingrafen in Geisenheim als weltliche Zollherren am Rhein existierten, wobei die beiden mittelrheinischen Zollstätten (noch) keine erkennbaren Widerstände hervorriefen. Zwar konnte Graf Gerhard von Geldern dem Lobither Zoll letztendlich eine über alle Zweifel erhabene reichsrechtliche Anerkennung verschaffen - als deren neuer Bestandteil tritt jedoch erstmalig in der Geschichte der Rheinzölle die Mitwirkung einer bestimmte Gruppe von Reichsfürsten hinzu. Zudem ist die beherrschende Rolle des Kölner Erzbischofs Engelbert erkennbar, der zuerst mit seinem Utrechter Suffraganbischof gegen den Grafen agierte, dann aber mit diesem den Zoll durchsetzte, ohne Rücksicht auf die nach wie vor bestehenden, durch die Zollverlegung verursachten Friktionen. Zu dieser Zeit bestimmte Engelbert die kaiserliche Zollpolitik am Niederrhein 27 , und es ist zweifelhaft, ob der Graf seinen Zoll gegen den anhaltenden Widerstand des Kölners, der auch Reichsverweser war, auf Dauer hätte behaupten können 28 . Ein eigenständiges Konzept des Kaisers zur Gestaltung der Zollverhältnisse am Rhein ist bis zum 1235 verkündeten Mainzer Reichslandfrieden nicht faßbar. Weder hat Friedrich II. Reichszölle neu errichtet oder ihre Nutzung nachweisbar intensiviert, noch hat er im Untersuchungsraum - bis auf ein 1213 ausgestelltes Privileg für Graf Gerhard von Diez über einen Wein- und Getreidezoll zu Diez 29 , das eher den Ausnahmecharakter erkennen läßt - Zollstätten an andere Inhaber verliehen. Anders als dies die ältere Forschung mitunter getan hat, wird man das geringe Gewicht der rheinischen Zölle in der Gesamtpolitik Friedrichs II. aber kaum maßgeblich auf die Beschränkungen der Confoederatio zurückführen können; denn in anderen Bereichen, etwa der staufischen Städtegründungspolitik im Südwesten,
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29
Ob der Metropolit auch maßgeblichen Einfluß auf die herrscherlichen Zollbefreiungen besaß, muß hier offen bleiben. Daß der Dynast 1226 nach dem Tod Engelberts (1225) abermals eine zweifellos kostspielige kaiserliche Goldbulle über die Zollverlegung erwarb, obgleich er eine solche schon 1224 erlangt hatte, ist bezeichnend für den überragenden zollpolitischen Einfluß des Metropoliten über sein Erzstift hinaus (vgl. auch unten S. 570 ff.). WINKELMANN, Acta Imperii I, Nr. 118.
366
D. Herrscherliche
Zollpolitik
vom 10. Jahrhundert
bis ca. 1325
waren sie ohne nachhaltige Auswirkungen, obgleich immer wieder Interessen von Kirchenfürsten berührt waren 30 . Im Gegensatz zu Friedrich II. hat sein 1229 mündig gewordener Sohn Heinrich (VII.) nach dem Vorbild von Großvater und Urgroßvater zumindest den Versuch zu einem Ausbau der Reichszölle unternommen, wenngleich er damit auch auf diesem Feld seiner Politik wenig glücklich agierte. Das zweite große Fürstenprivileg der Stauferzeit, das auf dem Wormser Reichstag 1231 von Heinrich (VII.) ausgestellte und im folgenden Jahr durch Friedrich II. in modifizierter Form bestätigte Statutum in favorem principum 31 , läßt davon allerdings noch nichts erkennen. Unter den 23 Artikeln 32 , die nach gängiger Wertung das Scheitern von Heinrichs fürstenfeindlicher Politik dokumentierten und die vor allem einer Benachteiligung der principes durch den Ausbau der Reichsstädte entgegenwirken sollten, war keiner, der Zollfragen behandelte. Während etwa das Verbot königlicher zum Nachteil landesherrlicher Münzprägung starke Anklänge an die Confoederatio aufweist 33 , fehlen die dort zum Zoll enthaltenen Bestimmungen in beiden Fassungen des Statutum. Zumindest in diesem Bereich hatte Heinrich (VII.) den Widerstand der Fürsten anscheinend noch nicht herausgefordert. Dies änderte sich - vielleicht nicht zuletzt wegen der anderweitigen Beschränkungen des Statutum - in den folgenden Jahren. Auch hier wurden aber die engen Grenzen seiner Möglichkeiten bald deutlich. Heinrich verbot im Landfrieden, der auf dem Frankfurter Hoftag im Februar 1234 verkündet wurde, thelonea iniusta, d. h. Abgaben, die seit dem Tod Friedrichs I. (1190) ohne Zustimmung oder Duldung der Fürsten aufgelegt worden seien, und versprach, als erstes die von ihm selbst neu errichteten Zölle zu entfernen. Widerstand war notfalls mit Gewalt zu brechen, wozu die geistlichen und weltlichen Fürsten dem König ihre Hilfe in die Hand versprachen 34 . Für den Untersuchungsraum läßt sich zwar nicht nachweisen, daß Heinrich neue Hebestellen aufgelegt hatte, jedoch heißt dies - abgesehen vom Überlieferungsproblem - nicht, daß er seine zollpolitischen Aktivitäten auf andere Regionen beschränkt hätte; denn mit den königlichen thelonea noviter instituto konnten nach der damaligen Begrifflichkeit genauso gut Zollerhöhungen wie neue Zollstätten
30 31 32 33
Vgl. KIRN, Verdienste, S. 206 ff. M G H Const. II, Nr. 304 (Heinrich), 171 (Friedrich II.). Vgl. dazu ausführlich KLINGELHÖFER, Reichsgesetze, S. 67-96. Statutum Art. 17: Item nullam novam monetam in terra alicuius principis cudi faciemus, per quam moneta principis deterioretur, M G H Const. II, Nr. 304 (fast gleichlautend bestätigt von Friedrich II. ebda., Nr. 171); Confoederatio Art. 2: Item nova thelonea et novas monetas in ipsorum territoriis sive iurisdictionibus eis inconsultis seu nolentibus non statuemus de cetera, sed antiqua thelonea et iura monetarum, eorum ecclesiis concessa, inconvulsa et firma conservabimus et tuebimur, nec ipsi ea infringemus nec ab aliis ledi permittemus modis aliquibus, utpote monete turbari et viliflcari solent similitudinibus ymagium, quod penitus prohibemus, M G H Const. II, Nr. 73.
34
M G H C o n s t . II, Nr. 3 1 9 - URKUNDENREGESTEN II, Nr. 3 5 8 .
III. Friedrich II., Heinrich (VII.) und Konrad IV.
367
gemeint sein. Man geht vielleicht nicht einmal zu weit, wenn man aus der im September 1233 ausgestellten Verschreibung Heinrichs über 200 Mark jährlich an Heinrich von Löwen auf die Zolleinkünfte von Kaiserswerth 35 , der ersten dieser Art, einen Hinweis auf die Erhöhung dieses wichtigsten Reichszolls am Niederrhein entnimmt. Zumindest wußte der König um den fiskalischen Wert dieser Hebestelle, über dessen Erträge er, wie aus einer entsprechenden Klausel deutlich wird, nur vorbehaltlich der väterlichen Zustimmung verfügen konnte. Wenngleich die Zollpolitik Heinrichs (VII.) mit dem Landfrieden in ihre Schranken gewiesen wurde und die Fürsten nun sogar ein allgemeines Konsensrecht für die Legitimität aller nach 1190 errichteten Zölle beanspruchten, darf nicht übersehen werden, daß der König selbst das Zollverbot gezielt zur Schwächung seiner Gegner instrumentalisieren wollte und auch konnte. Schon das förmliche Hilfsversprechen der Fürsten läßt dies klar erkennen; denn zur Revision der eigenen Zollmaßnahmen bestand er zweifelsohne nicht auf Unterstützung ad reprimendam transgressorum proterviam et ad iusta iudicia prosequanda. Gemeint war vielmehr Herzog Otto von Bayern, der auf dem Frankfurter Hoftag die Abschaffung des Bacharacher Zolls ausdrücklich beschwören mußte, jedoch damit von Friedrich II. wieder belehnt wurde, wie Heinrich (VII.) gegenüber den Fürsten im September 1234 beklagte 36 . Daß Heinrich (VII.) auch andere seiner Gegner in Frankfurt zur Niederlegung von Zöllen veranlaßte, ist nicht bekannt, aber möglich. Der Landfrieden vom Februar 1234 enthielt mit dem Verbot aller seit 1190 absque consensu et conniventia principum eingerichteten Zölle eine Bestimmung, die für die weitere Entwicklung des Transitzollwesens in den Rheinlanden im 13. Jahrhundert von erheblicher Bedeutung werden sollte. Zum ersten Mal seit den Kapitularien Ludwigs des Frommen und noch vor dem bekannten Passus des Mainzer Reichslandfriedens wurden hier wieder konkrete Kriterien für die Legitimität der vorhandenen Zölle definiert - nämlich ihre Existenz vor 1190 oder ihre fürstliche Anerkennung und gleichzeitig wurde die Abschaffung aller Abgaben verfügt, die nicht wenigstens eine dieser Anforderungen erfüllten. Die Wahl des Stichjahres mußte im Hinblick auf die Rheinzölle des Untersuchungsraums nicht zuletzt für die Hebestellen des Reiches von Nachteil sein. Nicht nur die Erhöhungen und Veränderungen im Verlauf des Thronstreits, sondern auch die intensivierte Zollnutzung unter Heinrich VI. wurden so wenigstens formal vom Wohlwollen der Fürsten abhängig gemacht. Es muß allerdings dahingestellt bleiben, ob überhaupt eine reichsweite Revision des Zollwesens geplant war. Der auf dem Hoftag mit dieser Regelung explizit für den Bacharacher Zoll erzwungene Verzicht Herzog Ottos zeigt, daß zumindest der König einen konkreten Einzelfall im Auge hatte; gleiches mag für die Fürsten gelten. Daß
35
R I V, Nr. 4295.
36
Telonium quoque in Baccherah, quod in solempni curia Frankenfort, dictante sententia principum, inhibitum fuerat duci Bavarie et deinde idem dux expresse abjuravit, contra factum nostrum et principum veniens, feodali jure duci contulit memorato, HuiLLARDBRÉHOLLES, H i s t o r i a IV.2, S. 685 - R P R I, N r . 373.
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D. Herrscherliche Zollpolitik vom 10. Jahrhundert bis ca. 1325
Bacharach der einzige Zoll blieb, für den der Frankfurter Landfrieden nachweisbare Folgen hatte, ist vielleicht aber auch durch die im September 1234 offen aus- und bald zusammengebrochene Empörung Heinrichs (VII.) gegen seinen Vater bedingt, der im Frühjahr 1235 zum ersten Mal seit vielen Jahren wieder nach Deutschland kam, seinen Sohn absetzte und eine Neuordnung der Verhältnisse im Reich vornahm. Ihren Abschluß fand diese Umgestaltung im Mainzer Reichslandfrieden 37 , den Friedrich II. am 15. August 1235 verkündete. Zwar war das Regelwerk nach den Worten des Kaisers mit Rat und Zustimmung der geistlichen und weltlichen Fürsten zustandegekommen, im ganzen brachte der Staufer darin jedoch seine herrscherlichen Rechte stark zur Geltung. Dies gilt insbesondere auf dem Gebiet der Transitzölle, wo der Kaiser den Frankfurter Landfrieden vom Vorjahr aufgriff, aber - ohne den Fürstenprivilegien von 1220 und 1231/1232 zuwider zu handeln - völlig andere Schwerpunkte setzte und das Abgabensystem im ersten umfassenden Regelwerk seit den Capitula de functionibus publicis Ludwigs des Frommen von 82138 normierte. So wie es der programmatische Einleitungssatz gegen die Usurpatoren königlicher Hoheitsrechte schon ankündigte 39 , bedeuteten die Einzelbestimmungen eine Kehrtwende in der Zollpolitik der letzten fünfzehn Jahre: Friedrich II. verfügte die Aufhebung aller seit dem Tod Heinrichs VI. (1197) von wem und wo auch immer eingerichteten Zollstätten zu Wasser und zu Lande, außer wenn der Zollinhaber vor dem Kaiser den - wohl bewußt nicht näher präzisierten und damit dem herrscherlichen Ermessen anheimgestellten - rechtmäßigen Besitz nachweisen könne, und befahl die Abstellung aller Zollerhöhungen. Die angedrohte Sanktion war drastisch. Wer überführt wurde, daß er Zoll höher oder anderswo als erlaubt erhoben hatte, war als Straßenräuber zu bestrafen 40 . Analoge Regelungen galten für neue Münzstätten 41 .
37
38 39
40
41
M G H Const. II, Nr. 196. Vgl. dazu aus der Fülle der Literatur vor allem MITTEIS, Reichslandfrieden; KLINGELHÖFER, Reichsgesetze, S. 97-112; ANGERMEIER, Königtum, S. 29-33; DERS., Landfriedenspolitik; zum Verhältnis der deutschen und der lateinischen Fassung des Landfriedens vgl. BUSCHMANN, Textproblem. M G H Cap. I, Nr. 143. Cum aliena invito domino non sine iuris iniuria contractentur, eo durius quis furti et falsitatis arguitur, quo presumptuosius aliquid sibi de rei publice proventibus usurpavit, M G H Const. II, Nr. 196 Art. 7. Ideoque statuimus, ut omnia telonea tarn in terris quam in aquis post mortem dive memorie patris nostri imperatoris Heinrici, a quocumque et ubicumque instituía fuerint, removeantur omnino, nisi is qui habet coram imperatore probet, ut iustum est, se teloneum de iure tenere. Item precipimus, omnium teloneorum superadiectionem removeri et omnino cessare, et in statu pristine institutionis debite permanere. Si quos autem huius nostre sanctionis violator exstiterit aut aliquid ultra debitum et statutum extorserit vel usurpaverit in loco indebito, coram suo iudice de his legitime convictus, tanquam predo et populator strate publice puniatur, M G H Const. II, Nr. 196 Art. 7. M G H Const. II, Nr. 196 Art. 11.
III. Friedrich II., Heinrich (VII.) und Konrad
IV.
369
Von fürstlicher Mitbestimmung oder von der Abschaffung königlicher Zölle wie im Frankfurter Landfrieden war hier keine Rede, ganz im Gegenteil. Der Kaiser war die einzige Instanz, die über die Rechtmäßigkeit neuer Zollstätten und Erhebungsmodi entschied. Die Zölle des Reiches waren dabei in doppelter Hinsicht bevorzugt; denn zum einen deckte das von 1190 auf 1197 verschobene Normaljahr nun auf jeden Fall die zollpolitischen Maßnahmen Heinrichs VI. ab, und zum anderen hatte es der Herrscher selbstredend in der Hand, seine eigenen Zölle als regelkonform anzuerkennen. Gegenüber 1234 wurde gewissermaßen die Beweislast umgekehrt: Nicht die fürstliche Duldung neuer Reichs- und anderer Zölle mußte erwiesen werden, sondern allein vom Reichsoberhaupt hing die Anerkennung ab, gleichsam als ob dieses unabhängiger Richter und nicht selbst Partei gewesen wäre und als ob die früher in der Confoederatio formulierten Interessengegensätze zwischen königlicher und fürstlicher Zollpolitik nicht existierten. Friedrich II. hatte nicht die Absicht, es bei einer einmaligen Revision aller Transitzölle zu Wasser und zu Lande zu belassen, sondern er traf darüber hinaus Vorkehrungen, um das territoriale Zollsystem unter seiner straffen Kontrolle zu halten. Einerseits waren Zollerhöhungen prinzipiell verboten und nachweisbare Verstöße zogen ein Verfahren coram suo iudice nach sich, wobei zu beachten ist, daß in den Artikeln 28 und 29 erstmals ein ständiger Reichshofrichter nach sizilianischem Vorbild institutionalisiert wurde 42 . Zum anderen legte der Kaiser den als rechtmäßig anerkannten Zollinhabern eine Reihe von Pflichten auf, deren fortgesetzte vor ihm nachgewiesene Verletzung den Verlust des Zolls an den Lehnsherrn zur Folge hatte - dies war wegen der Regalität der Zölle (im Regelfall) niemand anderes als der Herrscher selbst. Wer Fluß- oder Landzölle erhob, war zur Instandhaltung von Brükken und Straßen verpflichtet und er hatte denjenigen, die ihm Zoll entrichtet hatten, Frieden, Sicherheit und Geleit innerhalb seines Gebiets zu gewährleisten43. Selbst im Fall einer Fehde war den Zoll- oder Geleitinhabern die Schädigung von Reisenden in jedem Fall verboten; auf Verstöße stand die Bestrafung als Straßenräuber 44 . Mit den Zollbestimmungen des Mainzer Reichslandfriedens schuf sich der Kaiser ein Instrumentarium, das ihm weitgehenden Einfluß auf das Transitzollsystem im
42 43
44
Vgl. aber KLINGELHÓFER, Reichsgesetze, S. 108 ff.; MITTEIS, Reichslandfrieden, S. 408 ff. Receptores vero teloneorum tam in terris quam in aquis debito modo teneri volumus ad reparationem poncium et stratarum, transeuntibus et navigantibus, a quibus telonea accipiunt, pacem, securitatem et conductum, ita quod nichil amittant, quatenus durât districtus eorum, prout melius possunt fideliter procurando. Quicumque vero tercio legitime convictus fuerit coram nobis, statutum hoc non servasse, teloneum domino vacet a quo illud tenet, M G H Const. II, Nr. 196 Art. 7. Si bellum vel verra fuerit inter aliquos, quorum alter vel uterque in strata teloneum habet vel conductum, neuter illorum nec quilibet alius in odium vel culpam illius, ad quem ius telonei pertinet vel conductus, quicquam transeuntibus rapiat, ut transeúntes per stratam securitate gaudeant et quiete. Qui contra hoc fecerit, tanquam predo publicus puniatur, M G H Const. II, Nr. 196 Art. 9.
370
D. Herrscherliche Zollpolitik vom 10. Jahrhundert bis ca. 1325
Reich und damit auf eine der wichtigsten zeitgenössischen Geldquellen ermöglichte, deren offenkundig dynamische Entwicklung für die Zukunft eine noch höhere Bedeutung erwarten ließ. Marktbezogene Abgaben blieben demgegenüber ausgespart; ihr Stellenwert hatte insgesamt abgenommen. Wichtiger waren die städtischen Ungelder geworden, deren prinzipielles Verbot in Artikel 8 die Entwicklung allerdings nicht mehr aufhalten konnte. In der verfassungsgeschichtlichen Forschung hat man den Mainzer Reichslandfrieden als Regelwerk häufig diskutiert, jedoch die Frage nach seinen konkreten Auswirkungen im wesentlichen offen gelassen bzw. nicht gestellt45. In den Arbeiten von Sommerlad und Troe werden diese und andere reichsgesetzlich verankerte Zollnormen zwar berührt, aber eine nachhaltige Wirkung will man ihnen insgesamt nicht zuerkennen, ohne allerdings dieses Urteil auf eine detaillierte Analyse stützen zu können 46 . Die landesgeschichtliche Forschung hat sich damit ebenfalls bislang nicht auseinandergesetzt, doch zeigt eine systematische Prüfung des Quellenmaterials, daß der Landfrieden gerade für die Zollentwicklung in den Rheinlanden von einiger Bedeutung war, obgleich für den Untersuchungsraum keine direkten Nachrichten darüber vorliegen. Zunächst gilt es in Erinnerung zu rufen, daß keine Abschaffung aller seit 1197 >eigenmächtig< errichteten Zollstätten verfügt worden war, wie dies mitunter in der Literatur verkürzt dargestellt wird. Es waren vielmehr diejenigen Hebestellen zu beseitigen, denen 1235 die reichsrechtliche Anerkennung vor dem Kaiser versagt blieb. Die Frage muß daher lauten, ob es nach 1197 eingerichtete Rheinzollstätten gab, die trotz (vermutlich) fehlender reichsrechtlicher Legitimation nach Inkrafttreten des Mainzer Reichslandfriedens fortbestanden, bzw. von welchen Hebestellen anzunehmen ist, daß sie in dessen Folge kassiert wurden. Dagegen ist es nicht möglich zu überprüfen, inwieweit die im Landfrieden verfügte Senkung der Zollsätze auf ihre alte Höhe durchgeführt wurde. Die Quellenlage erlaubt es nicht einmal, die tatsächliche Höhe der einzelnen Abgaben überhaupt zu
45
46
KLINGELHÖFER, Reichsgesetze, S. 138-149, konzentriert sich, entsprechend seiner Fragestellung, in seinem Zölle und Münzen behandelnden Abschnitt über die >Wirkung der Gesetze< auf die Nachwirkungen der Normen als solche und nicht auf deren konkrete Folgen. Auch MITTEIS, Reichslandfrieden, S. 416, sieht die im Landfrieden versuchte Revindikation der Reichsrechte »zunächst auf rein ideellem Gebiete« und nicht in konkreten Maßnahmen. Vgl. SOMMERLAD, Rheinzölle, S. 144: »Der für alle weiteren Reichslandfrieden massgebend gebliebene Reichslandfrieden Friedrichs II. vom Jahre 1235 zu Mainz . . . konnte doch im Hinblick auf das 1220 den geistlichen Fürsten gemachte Versprechen, sie in ihren alten Zoll- und Münzrechten kräftig schützen zu wollen, nicht gerade eben grosse nachhaltige Bedeutung besitzen«; vgl. auch TROE, Münze, S. 235 ff. Noch die 1971 erschienene Arbeit von WADLE, Confoederatio, S. 223, urteilt ähnlich: »Im Mainzer Landfriedensgesetz Friedrichs II. (1235) wurde die Zoll- und Münzhoheit des Königs zwar wieder stärker betont, doch konnten die königlichen Befugnisse in der Folgezeit nicht mehr neu belebt werden.«
III. Friedrich II., Heinrich (VII.) und Konrad IV.
371
konkretisieren, geschweige denn Veränderungen im einzelnen nachzuvollziehen. Es bleibt daher offen, wo Zollerhöhungen zurückgenommen wurden, bzw. welche Unterschiede diesbezüglich zwischen den Rheinzöllen des Reiches und denen anderer Inhaber möglicherweise bestanden haben. Der südlichste Flußzoll im Untersuchungsraum, die von den Rheingrafen zu Geisenheim erhobene Schiffsabgabe, zählte mit einiger Sicherheit nicht zu den Zöllen, deren Bestand vom Landfrieden in Frage gestellt wurde. Die Abgabe ist schon zu 1161/1165 belegt; sie war spätestens zu Beginn des 13. Jahrhunderts ein Reichslehen der Rheingrafen. Es ist daher eher dem Zufall der Überlieferung als den Auswirkungen des Landfriedens zuzuschreiben, daß Geisenheim zwischen 1223 und 1260 nicht belegt ist, zumal keine Hinweise auf eine Neu- oder Wiedererrichtung der Hebestelle vorliegen 47 . Der seit 1225/1226 belegte pfalzgräfliche Zoll zu Bacharach 48 ist wohl erst nach dem Stichjahr 1197 errichtet worden. Auf dem Frankfurter Hoftag im Februar 1234 setzte Heinrich (VII.) die Abstellung durch, doch machte dies sein Vater Friedrich II. noch vor dem September 1234 rückgängig und belehnte Pfalzgraf Otto mit dem Zoll, wodurch die Hebestelle die vom Landfrieden geforderte herrscherliche Anerkennung unbestreitbar besaß. Der St. Goarer Rheinzoll49, den die Grafen von Katzenelnbogen spätestens 1219 erhoben, ist - anders als Geisenheim und Bacharach - im 13. Jahrhundert nicht als Reichslehen erkennbar oder auf sonstige Weise nachweisbar reichsrechtlich beglaubigt worden; auch ist die Hebestelle zwischen 1219 und 1252 nicht belegt. Die 1245 errichtete Burg Rheinfels bei St. Goar wurde 1256 vom Rheinischen Friedensbund, zu dessen Hauptzielen die Bekämpfung der im staufischen Endkampf entstandenen neuen Zölle gehörte, monatelang erfolglos belagert. Wenngleich ein direkter Nachweis nicht möglich ist, weisen diese Indizien insgesamt darauf hin, daß der Rheinzoll in St. Goar als Folge des Frankfurter oder des Mainzer Landfriedens abgestellt wurde und ein Jahrzehnt später vom tatkräftigen Graf Dieter V. von Katzenelnbogen unter dem Schutz der neuen Burg Rheinfels wiedererrichtet werden konnte. Wenngleich über die Konformität der jeweiligen Abgabensätze keine Nachrichten vorliegen, war der bloße Bestand der rheinabwärts auf St. Goar folgenden Hebestellen zweifellos nicht von den Bestimmungen des Mainzer Reichslandfriedens berührt: Boppard 50 war bereits in salischer Zeit Rheinzoll des Reiches, und die Koblenzer Hebestelle 51 des Trierer Simeonstifts reichte vermutlich sogar bis vor die Jahrtausendwende zurück. Ob der 1208 letztmalig für fast 100 Jahre belegte Reichszoll Hammerstein 52 zur Zeit des Landfriedens noch bestand, ist nicht zu ermitteln - auf
47 48 49 50 51 52
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
oben oben oben oben oben oben
S. S. S. S. S. S.
265 288 286 205 214 239
f. f. f. und unten S. 666 f. ff. f. f.
372
D. Herrscherliche Zollpolitik vom 10. Jahrhundert bis ca. 1325
jeden Fall stammte der Zoll noch aus salischer Zeit. Die in nördlicher Richtung anschließende Hebestelle der Kölner Erzbischöfe in Neuss 53 existierte bereits über fünfzig Jahre vor dem Stichjahr, auch die Reichszölle Kaiserswerth 54 und Duisburg 55 stammten aus Barbarossas Regierungszeit. Der Andernacher Zoll 56 der Kölner Metropoliten scheint dagegen in seinem Bestand von den Bestimmungen des Reichslandfriedens berührt worden zu sein. Denn obgleich eine Hebestelle schon um die Mitte des 12. Jahrhunderts existierte und diese 1167 durch Barbarossa der Kölner Kirche zusammen mit dem Andernacher Reichsgut übertragen wurde, ist die Zollerhebung vermutlich noch vor dem Beginn des staufisch-welfischen Thronstreits für längere Zeit eingestellt worden. Erst zu 1234/1235 ist ein Andernacher Zoll kurzzeitig nachweisbar, um danach für über vierzig Jahre aus den Quellen zu verschwinden, bis er 1282 Gegenstand von Auseinandersetzungen zwischen Erzbischof Siegfried von Westerburg und König Rudolf wurde. Der Herrscher setzte dabei den Verzicht des Metropoliten auf den Andernacher Zoll durch und qualifizierte die Abgabe als theloneum iniustum, was keinen Zweifel daran läßt, daß sie aus der Sicht des Habsburgers nicht hinreichend legitimiert war, obwohl ihre Wurzeln bis in die Zeit Barbarossas zurückreichten. Die dauerhafte reichsrechtliche Anerkennung der Zollstätte ist den Kölner Erzbischöfen erst unter Heinrich VII. gelungen. Das Fehlen jeglicher Quellen in den Jahrzehnten vor und nach 1235 und die Schwierigkeiten, die die Metropoliten bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts mit der Durchsetzung des Zolls beim König hatten, legen den Schluß nahe, daß Erzbischof Heinrich von Müllenark die älteren, aber längere Zeit nicht realisierten Rechte seiner Kirche auf Rheinzollerhebung in Andernach (vor) 1234 reaktivierte, Friedrich II. dem jedoch 1235 die herrscherliche Legitimation verweigerte und die Abstellung des Zolls durchsetzte. Wie in den anderen Fällen ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Landfrieden und dem Verschwinden des Zolls aus den Quellen zwar nicht direkt zu beweisen, aber wohl um einiges wahrscheinlicher als alle anderen Möglichkeiten. Ähnliche Probleme hatte Erzbischof Heinrich mit dem Flußzoll, den er in Rheinberg 57 spätestens seit Januar 1235 erhob, also sieben Monate vor der Verabschiedung des Mainzer Reichslandfriedens. Der Zoll war vermutlich nicht lange zuvor im Zuge einer Neuorganisation des kölnischen Rheinzollsystems errichtet worden; denn es ist kaum ein Zufall, daß auch der Andernacher Zoll in dieser Zeit nach langer Pause wieder in den Quellen auftaucht. Auch den Rheinberger Flußzoll konnte der Metropolit nicht behaupten. Während der dortige, ebenfalls 1235 erstmals belegte Landzoll offenbar fortbestanden hat, ist die Erhebung von Transitabgaben auf den Rheinhandel erst wieder 1279 nachweisbar, zunächst in Form von Geleitabgaben (denarius
53 54 55 56 57
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
oben oben oben oben oben
S. S. S. S. S.
248 f. 271 ff. 232 f. 257-260. 289 f.
UL Friedrich II., Heinrich (VII.) und Konrad IV.
373
conductus), seit 1286 auch als Zoll (theloneum), den Erzbischof Siegfried eigenmächtig (wieder) errichtet hatte. Die reichsrechtliche Anerkennung blieb dem Rheinberger Zoll im 13. Jahrhundert noch versagt; sie gelang erst Erzbischof Wikbold 1314. Die wohl naheliegendste Erklärung für das Verschwinden des Rheinberger Zolls aus der Überlieferung liegt in seiner mutmaßlichen Abstellung infolge des Mainzer Reichslandfriedens, was jedoch - wie bei Andernach - nicht direkt zu beweisen ist. Bereits wenige Jahre später gab es für lange Zeit keinen Herrscher mehr, der in der Lage war, die Abstellung eines Rheinzolls gegen einen Kölner Erzbischof durchzusetzen, und auch ein benachbarter Landesherr wie der Graf von Kleve, dessen Gegnerschaft zum Rheinberger Zoll am Ende des Jahrhunderts bekannt ist, hätte die Niederlegung der Zollstätte kaum erzwingen können, ohne daß dies Spuren in den zeitgenössischen Quellen hinterlassen hätte. Weiter stromabwärts lagen im Untersuchungsraum nur noch Hebestellen, die den Kriterien des Landfriedens eindeutig genügten. Der Schmithausener Rheinzoll des Utrechter Marienstifts existierte bereits in salischer Zeit und war dem Stift 1193 von Heinrich VI. explizit bestätigt worden58. Die neue Zollstätte Lobith war nach 1222 durch eine Reihe kaiserlicher Privilegien und fürstlicher Willebriefe reichsrechtlich einwandfrei abgesichert59. In Nimwegen an der Waal 60 und in Angeren am NederRijn61 lagen Hebestellen, die bereits im 12. bzw. 11. Jahrhundert bestanden und als Reichszölle ohnehin kaum zur Disposition standen. Mangels entsprechender Quellen bleibt offen, inwieweit die Rücknahme der nach 1197 erfolgten Zollerhöhungen durchgeführt wurde. Davon abgesehen zeigt unser Überblick über die am Rhein liegenden Transitzölle des Untersuchungsraums, daß der Mainzer Reichslandfrieden hier durchaus erhebliche und in der Forschung bislang nicht erkannte Auswirkungen hatte. Für immerhin drei Zollstätten, St. Goar, Andernach und Rheinberg, bedeutete der Landfrieden wahrscheinlich das (vorläufige) Ende, was bei einer Gesamtzahl von 13-15 Hebestellen (je nach dem, ob man Hammerstein und Angeren mitrechnet) nicht wenig ist. Daß sich an allen drei Orten letztendlich doch Rheinzölle etablieren konnten, liegt in der bekannten politischen Entwicklung des Reiches seit der Mitte des 13. Jahrhunderts begründet, die den Landesherren, insbesondere den Wahlfürsten, langfristig sehr viel bessere Möglichkeiten zum Zollerwerb bot, als dem Königtum Mittel zu Verfügung standen, dies nach eigenen Vorstellungen und Interessen zu steuern oder gar zu verhindern. Weder in den Zollbestimmungen der Confoederatio62 noch in den Regelungen des Frankfurter und des Mainzer Landfriedens lassen sich wirtschaftspolitische
58
MULLER/BOUMAN, O S U I, Nr. 524.
59
Vgl. oben S. 2 7 4 f.
60
Vgl. oben S. 2 5 6 f.
61
E i n Zoll in A n g e r e n ist 1226 zuletzt nachgewiesen, was wohl durch die Verlegung nach
62
Dies ist gegen die T h e s e von KOLLER, Diskussion, S. 39, festzuhalten, der - ohne dies
Huissen zu erklären ist. Vgl. oben S. 2 3 5 ff. näher auszuführen - den A n l a ß für die A u f n a h m e der Zollregelungen in A r t . 2 der Con-
374
D. Herrscherliche Zollpolitik vom 10. Jahrhundert bis ca. 1325
Motive, etwa die Absicht zur Entlastung des Handelsverkehrs, erkennen. Zwar kann man daraus nicht schließen, daß den Beteiligten die Kenntnis über die tendenziell nachteilige Wirkung von Zöllen auf den Handel gefehlt hätte - schon die bewußte Förderung bestimmter Gruppen durch Gewährung von Zollbefreiungen zeigt das Gegenteil - , aber im Vordergrund stand die Konkurrenz zwischen dem Kaiser und den werdenden Landesherrschaften um Zölle als wichtigen fiskalischen Ressourcen für Herrschaftsbildung und -ausübung, wobei den Transitabgaben am Rhein, der Haupthandelsstraße des Reiches, eine besondere Bedeutung zukam 63 .
63
foederatio eher in wirtschaftlichen Problemen als (wie Klingelhöfer und Schräder) in machtpolitischen Fragen vermutet. Mangels systematischer Untersuchungen für andere Landschaften muß offen bleiben, inwieweit die Zollregelungen des Landfriedens dort wirksam wurden.
375 Karte 7: Zölle an Rhein, Mosel und Saar um 1235
9
Flußzoll
•
Umschlagzoll
(•)
Orientierungsort
St. Goar
Infolge des Mainzer Reichslandfriedens aufgehoben
376
D. Herrscherliche Zollpolitik vom 10. Jahrhundert bis ca. 1325
III.2
Die Zeit des staufischen Endkampfs (1239-1254)
Nur wenige Jahre nach dem Mainzer Reichslandfrieden begann 1239 die letzte Phase der staufischen Herrschaft in den Rheinlanden, eine Zeit oft militärisch ausgetragener Auseinandersetzungen um die Macht im Reich und insbesondere auch am Rhein 64 . Die Voraussetzungen für eine straffe, langfristig planende herrscherliche Zollpolitik waren denkbar schlecht, zumal der Kaiser in Italien ganz in Anspruch genommen war und sein in Deutschland unter der Reichsverweserschaft des Mainzer Erzbischofs Siegfried von Eppstein (bis 1241) und des Thüringer Landgrafen Heinrich Raspe (1241-1244) regierender Sohn Konrad IV. (* 1228) erst Mitte der vierziger Jahre in ein Alter kam, das eigenständiges Handeln annehmen läßt. In dieser Phase sind im gesamten Untersuchungsraum erhebliche Veränderungen in Zahl und Besitzstruktur der Flußzölle feststellbar. Eine der frühesten und gravierendsten, aber in der Forschung bislang kaum beachteten Umschichtungen ist im Gebiet des unteren Niederrheins zu konstatieren: Die Grafen von Kleve, die zuvor lediglich im Besitz des Nimwegener Reichszolls nachweisbar sind, traten 1241/1242 mit zusätzlichen Hebestellen in Orsoy, Huissen und Schmithausen schlagartig an die Spitze der rheinischen Zollinhaber 65 . Wenngleich keine Nachrichten darüber vorliegen, wie Graf Dietrich IV. zu den Zöllen gekommen ist, spricht einiges für eine gezielte zollpolitische Aktion der Staufer, die den Klever Dynasten am unteren Niederrhein als Gegengewicht zu dem Kölner Erzbischof Konrad von Hochstaden, einem der profiliertesten Köpfe 66 der stauferfeindlichen Kräfte in den Rheinlanden, aufbauen sollte. Dies wird nicht zuletzt aus der Reaktion des Metropoliten deutlich: 1243 unternahm er einen Kriegszug gegen das seinem Herrschaftsbereich nächstgelegene Orsoy und erzwang mit Waffengewalt die Abstellung des Zolls67. Was von Konrad IV. und seinen Beratern vielleicht nur als vorübergehende, kriegsbedingte Maßnahme gegen den Kölner Erzbischof gedacht war - das Fehlen jeglicher Dokumente könnte in diese Richtung deuten - , hat sich durch das Ende der staufischen Herrschaft in den nördlichen Rheinlanden 1247/1248 teilweise auf Dauer verfestigt. Zwar verpfändete Gegenkönig Wilhelm von Holland das Nimwegener Reichsgut 1247 an Graf Otto von Geldern 68 , doch es gelang offenbar dem Klever, der rechtzeitig zur antistaufischen Partei gewechselt war69, sich im Besitz des dortigen Zolls zu behaupten; auch über den Huissener Zoll hat er in der Folgezeit verfügt. Hier ist allerdings auffällig, daß keine Urkunden Wilhelms von Holland bzw. seiner
64 65 66 67 68 69
Vgl. dazu ENGELS, Stauferzeit, S. 259-266; für das Mittelrheingebiet grundlegend DEMANDT, Endkampf. Vgl. zum folgenden S. 661 ff. Vgl. zu seiner Rolle während des staufischen Endkampfs zusammenfassend ENGELS, Stauferzeit, S. 259 ff. REK III.l, Nr. 1092. M G H D W , Nr. 1,34,62. Vgl. KASTNER, Territorialpolitik, S. 13 f.
III Friedrich II., Heinrich (VII.) und Konrad IV.
377
Nachfolger überliefert sind, die den klevischen Besitz bestätigten; solche sind erst von Ludwig dem Bayern bekannt 70 . Möglicherweise ist die Genese des seit 1243 nachweisbaren, ebenfalls ohne schriftliche Privilegierung entstandenen pfalzgräflichen Rheinzolls Fürstenberg ähnlich wie bei den klevischen Rheinzöllen zu erklären. Pfalzgraf Otto trat 1241 von der päpstlichen zur staufischen Partei über und war bis zu seinem Tod im November 1253 eine ihrer wichtigsten Stützen am Mittelrhein 71 . Denkbar ist z. B., daß der Wittelsbacher für die Dauer des zweifelsohne sehr kostspieligen Kriegs, bei dem seine (Zoll-) Burgen an Rhein und Mosel von hoher militärischer Bedeutung waren, mit einem zusätzlichen Rheinzoll ausgestattet wurde. Daß diese Hebestelle de facto längerfristig (wenngleich nicht auf Dauer) bestehen sollte, war von der Reichsgewalt vielleicht gar nicht beabsichtigt, was das Fehlen einer Zollverleihungsurkunde erklären könnte 72 . Eine völlig eigenmächtige Errichtung der Hebestelle durch Pfalzgraf Otto ist zwar nicht völlig auszuschließen, aber unter Berücksichtigung der politischen Gesamtlage am Mittelrhein wohl weniger wahrscheinlich, als im allgemeinen oft angenommen wird73. Auch die Mitglieder des antistaufischen Lagers haben - vornehmlich am Mittelrhein - neue Rheinzölle aufgelegt und ältere wiedererrichtet oder erhöht, sei es zur Finanzierung ihrer Kriegsanstrengungen, sei es in der territorialpolitischen Ausnutzung der bestehenden Unsicherheiten im Reich. Den Anfang machten dabei der Mainzer Erzbischof Siegfried III. von Eppstein, der seit 1244 als erster Mainzer Metropolit seit Ende des 12. Jahrhunderts wieder im Besitz von (nicht lokalisierbaren) Rheinzöllen auftrat 74 , und der Kölner Erzbischof Konrad von Hochstaden, der vielleicht schon seit März 1244, spätestens aber seit April 1246 in Bonn Transitabgaben auf den Rheinverkehr erheben ließ75. Auch der Trierer Erzbischof Arnold von Isenburg verstärkte in dieser Zeit seine fiskalischen Ressourcen, indem er dem
70
SCHOLZ-BABISCH, Quellen, Nr. 66,67 (Huissen), 71 (Nimwegen).
71
Vgl. dazu ENGELS, Stauferzeit, S. 2 5 9 - 2 6 2 , 2 6 5 ; DEMANDT, Endkampf.
72
Allerdings wird man das Maß an Schriftlichkeit bzw. die Überlieferungslage generell nicht überschätzen dürfen. Daß Friedrich II. 1234 Pfalzgraf Otto mit dem Bacharacher Zoll belehnt hatte, ist nur durch den Beschwerdebrief Heinrichs (VII.) an den Hildesheimer Bischof bekannt ( R P R I , Nr. 373). Auch der nach Eroberung von Mainz-Kastel durch die staufische Partei im August 1243 von Konrad IV. zum Befehlshaber eingesetzte Wirich von Dhaun errichtete wohl nicht völlig eigenmächtig einen (Rhein-)Zoll, wenngleich es kaum im Sinn des Königs gewesen sein kann, daß auch die (reichstreuen) Städte, wie die Wormser Annalen ( M G H SS XVII, S. 48) beklagen, mit schweren Abgaben belastet wurden. Der später nicht mehr bezeugte Zoll ist möglicherweise nach der Auslieferung der Festung durch Wirichs Nachfolger Marquard von Echzell an den Mainzer Erzbischof Siegfried III. von Eppstein im Dezember 1244 niedergelegt worden. Vgl. zu den Auseinandersetzungen um Mainz-Kastel DEMANDT, Endkampf, S. 125,127 f. Vgl. unten S. 630 ff. Vgl. oben S. 218 f.
73
74 75
378
D. Herrscherliche
Zollpolitik
vom 10. Jahrhundert bis ca. 1325
Simeonstift den Koblenzer Zoll entzog und diesen wohl gleichzeitig auch erhöhte. Jedenfalls erwirkten seine rheinischen Amtsbrüder im Januar 1247 ein auf Koblenz zu beziehendes Mandat Papst Innozenz' IV., das dem Trierer die Belastung von Kölner und Mainzer Untertanen mit unrechten Zöllen untersagte76. Der Reichstruchseß Werner von Bolanden, der bereits Anfang 1243 die königliche Partei verlassen hatte 77 , erhob nachweisbar ab April 1247 Rheinzoll unter dem Schutz der Reichsburg Sterrenberg78. Spätestens im Juli 1252 bestand auch der vermutlich 1235 im Zuge des Mainzer Reichslandfriedens aufgehobene Zoll Graf Dieters von Katzenelnbogen zu St. Goar wieder, neu gesichert durch die 1245 errichtete Zollburg Rheinfels. Seit 1253 zählte der vorher nicht als Hebestelle belegte Reichsort Oberwesel zu den Zollstätten des Gegenkönigs Wilhelm von Holland; vermutlich lag die Abgabenerhebung in Händen des bis Anfang 1252 staufertreuen Philipp von Hohenfels, der 1249 als Prokurator der mittelrheinischen Reichsrheinzölle einschlägige Erfahrungen gesammelt hatte79. Von den neuen Zollstätten liegen keine schriftlichen Quellen über den Zeitpunkt und die Umstände ihrer Errichtung vor, so daß nicht sicher zu entscheiden ist, ob sie eigenmächtig angelegt bzw. erhöht wurden, wie dies für die erzbischöflichen Zölle anzunehmen ist, oder ob sie durch entsprechende (nichtschriftliche) Anweisungen, Genehmigungen bzw. Verleihungen der Gegenkönige Heinrich Raspe und Wilhelm von Holland legitimiert waren, was bei den Hebestellen an den Reichsorten Sterrenberg und Oberwesel 80 , vielleicht auch beim Katzenelnbogener Zoll St. Goar 81 vermutet werden kann. Klar liegt der Fall dagegen beim Rheinzoll Braubach, den (Gegen-)König Wilhelm auf dem Frankfurter Hoftag im Juli 1252 an seinen Parteigänger und Schwager82 Graf Hermann von Henneberg verlieh, wobei der Tarif der neuen Abgabe durch den König und die Fürsten - in erster Linie die Erzbischöfe von Köln und Mainz, die die Verleihungsurkunde bezeugten - festgesetzt wurde83. Obgleich die Rheinzölle zu Kaub und Trechtingshausen erst 1257 bzw. 1260 nachweisbar sind, fällt ihre Entstehung wohl eher in die Zeit des staufischen Endkampfs als in das für die Errichtung neuer Zollstätten ungünstige politische Klima der Zeit des Rheinischen Bundes (1254-1256/1257) und der folgenden Jahre. Aller-
76 77 78 79 80 81
82 83
REK III.l, Nr. 1305. Vgl. oben S. 145. Vgl. DEMANDT, Endkampf, S. 123. HENNES, U B Deutscher Orden I, Nr. 122. Vgl. oben S. 300 f. Es ist allerdings nicht ganz auszuschließen, daß diese Zölle errichtet worden waren, als ihre Inhaber noch auf staufischer Seite standen. Graf Dieter V. von Katzenelnbogen war 1249 zu Wilhelm von Holland übergegangen (vgl. DEMANDT, Anfänge, S. 34 f.) und seine im Juli 1252 zugunsten von Eberbach ausgestellte Zollbefreiung für (St. Goar) Rheinfels (DEMANDT, Reg. Katz. I, Nr. 108) wurde u. a. vom Mainzer und vom Trierer Erzbischof bezeugt. Vgl. DEMANDT, Endkampf, S. 148. SAUER, Codex Nassau 1.1, Nr. 577.
III. Friedrich II., Heinrich (VII.) und Konrad IV.
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dings ist nicht zu entscheiden, ob die Reichsministerialen Philipp von Falkenstein und Philipp von Hohenfels, unter deren Leitung die Abgaben in Kaub bzw. Trechtingshausen erhoben wurden, diese Aufgabe noch als staufische Parteigänger, zu deren hervorragendsten Vertretern sie bis 1252 zählten 84 , oder erst unter König Wilhelm übernommen haben. Unabhängig von der Legitimationsgrundlage der zwischen 1241 und 1254 entstandenen Zölle sind die beträchtlichen Folgen des staufischen Endkampfs auf die Struktur des Abgabensystems am Rhein unübersehbar. Die Zahl der Rheinzollstätten unterhalb von Mainz stieg gegenüber der oben skizzierten Situation nach dem Mainzer Reichslandfrieden von 11 auf ca. 20; dabei lagen allein sieben der neun neu hinzugekommenen Hebestellen in dem kurzen Rheinabschnitt zwischen Nahe- und Moselmündung. Auch die trierischen Zollerhöhungen in Koblenz und die nicht mit bestimmten Orten sicher zu identifizierenden neuen mainzischen Rheinzölle (Bingen?, Lahnstein?) wirkten auf diesen Raum. Zwar ging der Rheinhandel trotz aller kriegerischen Auseinandersetzungen, obwohl oder vielleicht auch gerade weil keine Seite den Strom allein beherrschte, offensichtlich weiter. Neue Hebestellen und die wie im staufisch-welfischen Thronstreit zu beobachtenden Strafzölle 85 wären sonst sinnlos gewesen, aber es war klar, daß die vor allem auf dem mittelrheinischen Transithandel lastende Abgabenvermehrung nicht in diesem Maße weitergehen konnte.
III.3
Zollbefreiungen
Friedrich II. hat den Hauptteil seiner für rheinische Empfänger überlieferten Zollbefreiungen in den ersten Jahren seiner Regierung ausgestellt. In der Gruppe der geistlichen Institute hat er dabei Niederlassungen der Zisterzienser 86 offenbar vorrangig, wenn auch nicht vollständig und ausschließlich bedacht: 1213 befreite er das Kloster
84 85
86
Vgl. DEMANDT, Endkampf, S. 153 f., 157, 160 f.; noch im Sommer 1252 verteidigte Philipp von Falkenstein erfolgreich Kaub gegen Wilhelm von Holland, (vgl. ebd., S. 160 f.). Als die bislang staufisch gesinnte Stadt Köln im Oktober 1247 zum Gegenkönig Wilhelm von Holland überging, ließ sie sich von ihm u. a. zusichern, die auf ihr lastenden thelonea iniusta unverzüglich aufzuheben (MGH D W , Nr. 2). Ähnliche Zusagen erhielt die Reichsstadt Duisburg von Wilhelm im Mai 1248 (MGH D W, Nr. 30). Hier waren die Beschwerungen durch unrechte Zölle sogar der Anlaß für die erste urkundliche Fixierung der mindestens bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts zurückreichenden Zollfreiheit. Man wird annehmen können, daß an den staufischen Zollstätten ähnliche fiskalische Repressalien auf den Handel der Gegenseite ausgeübt wurden. Zu den Bemühungen der rheinischen Niederlassungen dieses Ordens um Zollprivilegien SCHULZ, Fernhandel, passim. Siehe jetzt auch DERS., Reichspolitik, passim.
380
D. Herrscherliche Zollpolitik vom 10. Jahrhundert bis ca. 1325
Eberbach im Rheingau von allen Rheinzöllen 87 und 1215 die niederrheinische Abtei Kamp vom Reichszoll zu Kaiserswerth 88 . Im gleichen Jahr bestätigte der König die Abgabenfreiheit der bergischen Zisterze Altenberg auf Rhein und Main 89 und erließ 1217 dem Kloster Heisterbach den Zoll für dessen Schiff (offenbar besaß es nur dieses eine) in Kaiserswerth, so oft es den Zoll passierte 90 . Dagegen haben die Staufer für das Eifelkloster Himmerod, aus dem 1189 der Kölner Erzbischof Philipp von Heinsberg Mönche zur Klostergründung nach Heisterbach berufen hatte 91 , aus unbekannten Gründen keine Zollprivilegien erteilt, obgleich z. B. die 1218 vom Brabanter Herzog für Antwerpen und sein gesamtes Land ausgestellte Abgabenbefreiung 92 auf einen durchaus beträchtlichen und großräumig organisierten Warenverkehr Himmerods in dieser Zeit schließen läßt 93 . Friedrichs Zollprivilegien für geistliche Institute kamen auch anderen Kongregationen zugute: 1215 erweiterte er die seit Barbarossa nur für Kaiserswerth gültige Abgabenfreiheit der Prämonstratenser in Cappenberg und Wesel auf Boppard und alle anderen Rheinzölle 94 . Im folgenden Jahr bestätigte er dem cenobium Wadgassen, das zum gleichen Orden gehörte, die Zollfreiheit in Kaiserslautern, einem der wenigen Reichslandzölle des Untersuchungsraums 95 .1220 befreite der Herrscher das Xantener Viktorstift vom Kaiserswerther Zoll 96 und verlieh den Reichsstiftern St. Maria in Aachen und St. Servatius in Maastricht, offenbar auf Betreiben des gemeinsamen Propstes Otto, reichsweite Zollfreiheit zu Wasser und Land 97 . Friedrich II. hat wie sein Vater und Großvater die zollprivilegierte Stellung Aachens in Rechtsnorm und -Wirklichkeit gefördert. Nachdem die Reichsstadt im Juli 1215 auf seine Seite übergewechselt war und ihm so die nochmalige Krönung mit den echten Insignien ermöglicht hatte, bestätigte der Staufer ihre Privilegien, darunter die von Barbarossa 1166 erstmalig urkundlich fixierte, gewohnheitsrechtlich aber ältere Zollfreiheit der Aachener im Reich 98 . Diese Erneuerung war um so notwen-
87
88 89
ROSSEL, UB Eberbach, Nr. 79; bestätigt am 9. Oktober 1214 (ebd., Nr. 80 zu 1213) und speziell für Boppard und alle anderen Reichszölle am Rhein modifiziert am 27. März 1218 (ebd., Nr. 104 - MRR II, Nr. 1365). LAC. II, Nr. 48. LAC. II, Nr. 52.
90
SCHMITZ, U B H e i s t e r b a c h , Nr. 37.
91 92 93
REK II, Nr. 1333. MRUB III, Nr. 93. Siehe auch die Zusammenstellung der Himmeroder Zollprivilegien bei BENDER, Zisterzienser, S. 329 f. MRR II, Nr. 1272. MRUB III, Nr. 45. R I V . N r . 1124. MEUTHEN, Aachener Urkunden, Nr. 70; RI V, Nr. 1257. MEUTHEN, Aachener Urkunden, Nr. 5. Vgl. zur Bedeutung dieses ersten Herrscherprivilegs, das die Aachener Bürgerschaft und nicht das Marienstift erhielt DIESTELKAMP, Privilegien, S. 119 f.
94 95 96 97 98
III. Friedrich II., Heinrich (VII.) und Konrad IV.
381
diger, als die traditionell bevorzugte Stellung der Aachener gerade an den für sie besonders wichtigen territorialen Zöllen im Nordwesten des Reiches, wohl auch als Folge des Thronstreits, nicht mehr durchgängig anerkannt war und wieder neu durchgesetzt werden mußte". Denn im März 1216 erwirkten die Bürger der Krönungsstadt eine Ermahnung des im elsässischen Hagenau weilenden Königs an die principes et magnates inferiores provincie, die Aachener Privilegien, insbesondere die reichsweit gültige Zollfreiheit, zu beachten 100 . Auch das Maastrichter Servatiusstift hatte Schwierigkeiten, das kaiserliche Zollprivileg von 1220 durchzusetzen, und zwar gegenüber dem Herzog von Limburg, der auch zu den Adressaten der die Aachener Privilegien betreffenden Rüge gezählt haben dürfte. Nachdem sich das Stift auf dem Aachener Krönungshoftag im Mai 1222 offenbar gerade über diesen Fürsten beklagte, mußte er vor König Heinrich (VII.) und den versammelten Fürsten versprechen, die Abgabenfreiheit der stiftischen Einkünfte in Zukunft anzuerkennen. Auf Dauer hat er sich daran allerdings nicht gehalten; denn 1231 wurde er von Heinrich auf Beschwerde des Stifts an seine Zusagen erinnert 101 . Der gesamte Vorgang ist nur aus diesem Mandat bekannt. Das herzogliche Versprechen war 1222 offenbar nicht schriftlich fixiert worden, sondern man hatte zunächst auf einer mündlichen Zusicherung des Limburgers vor den hochgestellten Zeugen vertraut und erst in einem weiteren Schritt ein Schriftstück erwirkt. Öfter als es nach den überlieferten Schriftquellen zu fassen ist, mag es deshalb vorgekommen sein, daß urkundlich bezeugte Zollbefreiungen des Herrschers nicht ohne weiteres durchsetzt werden konnten und auf späteren Hoftagen mündlich eingeschärft wurden. Von den Reichsorten des Untersuchungsraums hat der Staufer neben Aachen nur noch Dortmund Zollvergünstigungen verliehen. 1220 bestätigte er den Bürgern ihre von Konrad und Friedrich I. gewährten (nicht erhaltenen) Privilegien und erneuerte dabei die als antiqua iura qualifizierte reichsweite Zoll- und Abgabenfreiheit per mare sive per terramW2. Dagegen hat Friedrich II. den Kaiserswerther Bürgern zwar 1219 das Recht zur Wahl eines Zwölfmännergremiums zugesichert, das die dort getätigten Geschäfte bezeugen sollte, und der Gemeinde 1220 das Wahlrecht für den magister fori bestätigt 103 , aber die noch 1194 durch Heinrich VI. bestätigte Zollfreiheit 104 hat er nicht erneuert. Da angesichts der beiden anderen Privilegien kaum vorstellbar ist, daß der König dies bewußt verweigerte, scheinen die Kaiserswerther von sich aus keine Notwendigkeit dafür gesehen zu haben. Offenbar hatten sie weniger Probleme mit der Anerkennung ihrer Vorrangstellung an fremden Zollstätten als
99 100 101 102 103 104
Zumindest in Koblenz war ihr Status nach dem zweiten Koblenzer Zolltarif von 1209 ( M R U B II, Nr. 242) anerkannt. MEUTHEN, Aachener Urkunden, Nr. 6. MGH Const. II, Nr. 303. RÜBEL, Dortmunder U B I, Nr. 74; vgl. auch MGH D Ko III, Nr. *134. Vgl. zu beiden Privilegien DIESTELKAMP, Privilegien, S. 111 f. BÖHMER, Acta Imperii, Nr. 190.
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D. Herrscherliche Zollpolitik vom 10. Jahrhundert bis ca. 1325
die Aachener, was vielleicht - beweisbar ist dies nicht - damit zusammenhängt, daß in Kaiserswerth, anders als in Aachen, selbst ein bedeutender Transitzoll lag. Wer Kaiserswerther Kaufleute an seinen Zöllen benachteiligte, mußte möglicherweise damit rechnen, daß seine eigenen Händler im rheinbeherrschenden Kaiserswerth Probleme bekamen 105 . Die Aachener konnten dagegen allein auf die königliche Autorität vertrauen. Wenn diese Überlegungen zutreffend sind, waren die Händler aus Duisburg, das ebenfalls einen Rheinzoll besaß, in einer ähnlichen Stellung wie die Kaiserswerther Kaufleute. Ob dies allerdings eine hinreichende Erklärung für das Fehlen einer urkundlichen Zollbefreiung Friedrichs II. ist, muß dahingestellt bleiben, da der Reichsort von diesem Herrscher und von seinen Söhnen anscheinend gar keine Privilegien erhalten hat und überdies auch ein älteres Zollprivileg, das man zur Bestätigung hätte vorlegen können, wohl nicht existierte. Daß die Duisburger trotzdem noch in spätstaufischer Zeit eine zollrechtliche Sonderstellung besaßen, zeigt aber eindeutig das entsprechende Privileg Wilhelms von Holland aus dem Jahr 1248106. Es ist bereits darauf hingewiesen worden, daß Friedrich II. den für eine NichtReichsstadt besonders günstigen Zollstatus, den die Händler der Stadt Köln unter Otto IV. seit 1212 genossen, 1216 nicht bestätigt hat. Wie 1207 sein Onkel Philipp erkannte er lediglich die von Heinrich VI. für die Zollstätten Kaiserswerth und Boppard verliehenen Vergünstigungen an und überging damit bewußt eine Erwähnung Kölner Vorrechte in Duisburg, obgleich diese - zumindest nach Angaben der weifischen Urkunde - bereits unter Barbarossa und seinem Sohn bestanden hatten 107 . Trotz dieses Rückschlags waren die Kaufleute der Rheinmetropole damit aber vergleichsweise nicht schlecht gestellt. Den Utrechtern hat Friedrich II. 1220 ihre 1174 anläßlich der Verlegung des Tieler Zolls festgestellte Kaiserswerther Zollvergünstigung bestätigt 108 , aber die Wormser Händler haben von ihm keine Urkunde über ihre bis 1074 zurückreichende und noch 1208 durch Otto IV. modifizierte Abgabenfreiheit an den Reichszollstätten erhalten. In den dreißig Jahren nach seiner Kaiserkrönung (1220) hat der Staufer keine materiell neuen Zollbefreiungen für rheinische Empfänger mehr vergeben. Bei seinem letzten Aufenthalt in Deutschland 1235/1236 bestätigte er lediglich die von ihm selbst erteilten Privilegien für Altenberg, Köln und Dortmund 109 . Von Friedrichs in Deutschland regierenden Söhnen hat Heinrich (VII.) für den Untersuchungsraum deutlich mehr Vergünstigungen ausgestellt als sein jüngerer Bruder Konrad. Er folgte dabei nicht nur den vom Vater vorgezeichneten Linien -
105 Auch wenn die Bürgerschaft offiziell keinen Einfluß auf die Zollerhebung hatte, bestanden mit Sicherheit informelle Beziehungen zwischen Kaiserswerther Händlern und dem dortigen Zollpersonal. 106 MGH D W, Nr. 30. 107 Vgl. oben S. 357. 1 0 8 SLOET, O G Z , N r . 4 6 0 .
109 LAC. II, Nr. 200 (Altenberg), 205 (Köln); RÜBEL, Dortmunder UB I, Nr. 74 (Dortmund).
III. Friedrich II., Heinrich (VII.) und Konrad IV.
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der größere Teil seiner Zollurkunden waren Bestätigungen väterlicher Privilegien 1 1 0 -, sondern Heinrich (VII.) läßt dort, wo er neue Vergünstigungen ausstellte, auch eigene, in der Forschung unbeachtet gebliebene Charakteristika erkennen. Sie ähneln mehr der Zollpolitik seines Groß- und Urgroßvaters als der des Vaters, was ja bereits bei dem versuchten Ausbau der Reichszölle zu beobachten war111. Dies gilt vor allem in der zollpolitischen Förderung der Reichsorte des Untersuchungsraums. Die Zollpolitik Heinrichs (VII.) gegenüber geistlichen Institutionen unterschied sich dagegen nicht nennenswert von der seines Vaters 112 . 1226 befreite Heinrich (VII.) die Dürener gleich den Aachenern von allen Zollabgaben im Reich zu Wasser und zu Land 113 . Vier Jahre später erhielten auf ihre Bitte hin die Nimwegener Bürger alle Rechte Aachens und anderer Reichsstädte, insbesondere auch reichsweite Transitzollfreiheit sive per terram sive per aquamn4. Die Verweise auf Aachen bilden eine auffällige Parallele zum Privileg Konrads III. von 1145, mit dem er die Kaiserswerther Händler vom Zoll in Angeren, Nimwegen, Utrecht und Neuss befreite und sie in Gewohnheit, Freiheit und Recht den Aachenern gleichstellte115. Die Anführung Aachens diente sowohl bei Konrad als auch bei Heinrich wohl nicht allein zur exemplarischen Charakterisierung eines bestimmten privilegierten Zollstatus, sondern vor allem auch einer bewußten Zuordnung der begünstigten Städte in ihrer Eigenschaft als Reichsorte zur ersten aller civitates imperii, der Krönungsstadt Aachen. Anders als die bloßen Zollfreiheitsbestätigungen Friedrichs II. für Aachen und Dortmund formulierten die Privilegien Heinrichs (VII.) für Düren und Nimwegen - ganz auf der Linie der frühstaufischen Zollpolitik - einen generellen Anspruch des Herrschers auf den abgabenfreien Handel der rheinischen Reichsorte als solche. Dieser aus der Reichszugehörigkeit abgeleitete Anspruch auf Zollfreiheit wurde zwar gegebenenfalls durch zusätzliche Einzelprivilegien abge-
110 Heinrich (VII.) bestätigte die Zollprivilegien Friedrichs II. für das Viktorstift Xanten (1221, R I V , Nr. 3857), die Stadt Köln (1224, LAC. II, Nr. 111), die Zisterzen Eberbach (1225, MRR II, Nr. 1720), Altenberg (1225, LAC. II, Nr. 124), Kamp (1225, LAC. II, S. 68) und - allerdings modifziert auf die Freiheit von 100 Faß - Heisterbach (1232, SCHMITZ, UB Heisterbach, Nr. 72). 111 Vgl. oben S. 366. 112 Neue Vergünstigungen erhielten die Zisterze Otterberg (1227, HUILLARD-BREHOLLES, Historia III, S. 325 f. - DOLCH/MÜNCH, Urkunden Otterberg, Nr. 89) und das Kloster Brumbach (1233, MRR II, Nr. 2051). Daneben hat er vor allem (aber nicht nur) die Befreiungen seines Vaters für rheinische Zisterzen bestätigt. 113 KAEMMERER, UB Düren 1.1, Nr. 26. Das Privileg ist, wie seine Nachfolgeurkunden, nur in Regesten des 16. Jahrhunderts überliefert. 1 1 4 SLOET, O G Z , N r . 5 3 6 .
115 sed eadem consuetudine eodemque libertatis iure sine alicuius contradictione fruantur, quo homines nostri Aquenses per universum regnum nostrum fruuntur, MGH D Ko III, Nr. 136.
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D. Herrscherliche
Zollpolitik
vom 10. Jahrhundert
bis ca. 1325
sichert, bestand aber nichtsdestoweniger im Grundsatz 116 . Eine solche Systematik der zollpolitischen Förderung lag nicht allein im Interesse des Herrschers als Stadtherr, sondern nutzte auch und vor allem den jeweiligen Händlern. Denn gerade wenn ihre zollrechtliche Stellung prinzipiell aus ihrer Reichszugehörigkeit begründet wurde, war sie damit sehr viel besser garantiert, als dies allein unter Berufung auf ein >beliebiges< Herrscherprivileg möglich sein konnte. Daß die Begünstigten nicht nur von sich aus initiativ wurden, wie dies bei solchen Privilegien natürlich fast immer anzunehmen ist, sondern gerade auf eine Verbriefung dieser Zusammenhänge Wert legten, ist bei Nimwegen eindeutig nachweisbar117, mag aber auch schon im konradinischen Privileg für Kaiserswerth der Fall gewesen sein. Konrad IV. hat in seinen Regierungsjahren nur wenige den Untersuchungsraum betreffende Zollprivilegien ausgestellt oder bestätigt, was sicher auch durch die kriegerischen Wirren dieser Zeit bedingt war 118 .1245 erneuerte er der bergischen Zisterzienserabtei Altenberg, die Kopien der Urkunden über den Kaiserswerther Burggrafen als vicinus partibus Coloniensibus eingereicht hatte, ihre seit Heinrich VI. erlangten Zollvergünstigungen in einem Sammelprivileg119. Im März 1251 bestätigte er dem Kloster Eberbach die Zollfreiheit in Boppard und an den anderen Rheinzöllen des Reiches, was insofern bemerkenswert ist, als sich die Zisterze fast genau zwei Jahre zuvor bereits vom Gegenkönig Wilhelm von Holland bei dessen Aufenthalt im Kloster ein entsprechendes Privileg hatte ausstellen lassen120. Der Anlaß war zweifellos die Einnahme Boppards durch Wilhelm im Frühjahr 1249 gewesen. Er hatte sich dort allerdings nur wenige Monate halten können, bevor die Stadt wieder an die
116 D i e s wird dadurch gestützt, daß die Nimwegener nach dem Koblenzer Zolltarif von 1209 ( M R U B II, Nr. 242) bereits vor ihrer Privilegierung von 1230 zollbegünstigt waren; denn sie waren mit einem »königlichen« Ochsenbraten bzw. einer entsprechenden Geldablöse veranschlagt, was kaum den regulären Zoll, sondern wohl eine Rekognitionsabgabe darstellte. 117 quod fideles nostri cives de Noviomagio ad nostram accedentes praesentiam, a nobis humiliter supplicarunt, quod talia iura et libertates, quemadmodum Aquisgranum ac aliae nostrae civitates et imperíi a progenitoribus nostris regibus et imperatoribus sunt privilegiatae, ipsis et civitati eorum indulgere et concedere dignaremur... Nos vero ... omnia iura et libertates et ut absque qualibet exactione thelonii libere cum bonis eorum sive per terram sive per aquam transeant per totum regnum nostrum praenotatis civibus perpetuo concedentes et indulgentes, SLOET, O G Z , Nr. 536. 118 Symptomatisch ist auch, daß Anhänger beider Parteien, die mittelrheinische Zölle verwalteten, dafür mehr oder minder eigenverantwortlich Zollprivilegien ausstellten, so etwa der staufisch gesinnte Hofkämmerer Philipp von Hohenfels im Mai 1249 für das Koblenzer Deutschherrenhaus ( M R U B III, Nr. 1005), wobei er sich auf ein (nicht überliefertes) Privileg Friedrichs II. berief, oder der antistaufische Werner von Bolanden im November desselben Jahres zugunsten der Abtei Altenberg (LAC. II, Nr. 354). Nr. 2 9 5 . 120 M G H D W, Nr. 85. 1 1 9 LAC. II,
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Staufer fiel 121 und für Eberbach wieder ein neues Zollprivileg Konrads IV. erforderlich wurde. Ausgezahlt haben sich die fast zweijährigen Bemühungen der Zisterze allerdings kaum; denn bereits im September 1251 kam Boppard endgültig an Wilhelm von Holland 122 . Konrad IV. hat die Gewährung neuer Zollprivilegien gezielt zur Gewinnung neuer und zur Belohnung vorhandener Anhänger eingesetzt. Im Februar 1242 befreite er die Mainzer Bürger unter Hinweis auf eine Gnade seines Vaters von allen Reichszöllen zu Wasser und Land, allerdings nur auf Lebenszeit ihres Erzbischofs Siegfried und so lange sie sich in Diensten des Reiches wohl verhielten 123 . Ohne daß die Bedeutung dieser Klausel dabei einzuschätzen ist, erfüllte sie aus der Sicht Konrads den gewünschten Zweck. Die Stadt folgte ihrem Metropoliten nicht auf die antistaufische Seite, sondern öffnete dem König die Tore 124 . Erst im November 1244 gelang es Siegfried von Eppstein, Mainz durch weitreichende Zugeständnisse auf seine Seite zu ziehen 125 . Wenige Monate nach der Erteilung des Mainzer Zollprivilegs befreite der Staufer im Juli 1242 die Wormser Bürger als Dank für bisherige und zur Gewinnung neuer militärischer Unterstützung vom Rheinzoll Oppenheim 126 . Um Lübeck bei der staufischen Partei zu halten - der Papst hatte der Stadt im Juli 1246 unter Androhung geistlicher Strafen die Anerkennung des Gegenkönigs Heinrich Raspe befohlen 127 - erteilte der König im September 1246 pro merito fldei et devotionis eorum eine auf vier Jahre befristete Zollbefreiung für Kaiserswerth 128 . Nicht einmal für diese eng begrenzte Zeitspanne konnten die Lübecker aber die Vergünstigung nutzen; denn schon Mitte Dezember 1248 fiel die Zollburg an Wilhelm von Holland 129 , der seinerseits offenbar keine entsprechende Zollbefreiung erteilt hat. Der frühe Tod des thüringischen Landgrafen Heinrich Raspe im Februar 1247, der von der päpstlichen Partei im Mai 1246 zum Gegenkönig erhoben worden war, verhinderte, daß er zollpolitisch im Untersuchungsraum tätig werden konnte. Dies gelang erst seinem im Oktober 1247 gewählten Nachfolger, Graf Wilhelm von Holland. Zu den ersten Begünstigten zählte die Stadt Köln, die bis dahin dem antistaufischen Kurs ihres Erzbischofs Konrad von Hochstaden zwar nicht gefolgt war, aber die Staufer auch nicht aktiv unterstützt hatte. Mußte die Wahl des Königs am 3. Oktober 1247 noch in Worringen stattfinden, weil die Stadt ihre Tore nicht geöffnet hatte, erlangte sie bereits am 9. Oktober in Zusammenarbeit mit ihrem Metro-
121 Vgl. DEMANDT, Endkampf, S. 146. 122 Vgl. DEMANDT, Endkampf, S. 159. 1 2 3 BÖHMER/WILL, R E M 11.33, N r . 4 0 6 .
124 Vgl. DEMANDT, Endkampf, S. 119. 1 2 5 BÖHMER/WILL, R E M 11.33, N r . 5 0 3 .
126 127 128 129
RI V, Nr. 4469. Lübecker U B I , Nr. 113. Lübecker U B I, Nr. 127 (zu 1247); vgl. RI V, Nr. 4518. Vgl. MGH D W, Nr. 65,65bis, und LORENZ, Kaiserswerth, S. 92 f.
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politen ein umfassendes Privileg vom König, der dringend auf die Unterstützung der Rheinmetropole angewiesen war, wenn er sich gegen die Staufer durchsetzen wollte130. Ob man deshalb die Zugeständnisse Wilhelms, der u. a. versprach, nur mit einer Leibwache in die Stadt zu kommen, mit Stehkämper als »geradezu entwürdigend« kennzeichnen kann 131 , sei dahingestellt. Fest steht jedoch, daß die Stadt Köln die Situation zu einer Verbesserung ihres Zollstatus nutzte, was ihr zuletzt, allerdings nur vorübergehend, unter Otto IV. gelungen war. Angeblich aus freien Stücken eine Formulierung, die eher das genaue Gegenteil vermuten läßt - befreite Wilhelm die Kölner von den Zöllen Boppard und Kaiserswerth und versprach, sie schnellstmöglich von iniusta Ihelonea zu entlasten. Unter diesen Abgaben hat man hier wohl als Kampfmittel eingesetzte Strafzölle der antistaufischen Partei zu verstehen, denen die Kölner Händler bislang durch die (wenngleich zurückhaltende) Parteinahme ihrer Stadt für die Staufer ausgesetzt waren. Eine Erweiterung der bisherigen Kölner Zollvorrechte erfolgte damit in Boppard, dem wichtigsten mittelrheinischen Reichszoll. Nun waren sie dort wie in Kaiserswerth zollfrei, während sie unter den Staufern seit 1193 noch den »alten« Zoll zu entrichten hatten, und obwohl selbst unter Otto IV. nur die konkrete Fixierung auf 2 Vi Denare pro Schiff gelungen war132. Andererseits haben die Kölner vom Holländer keine Anerkennung ihrer Vergünstigungen in Duisburg erreichen können. Erst von König Richard erwirkten sie dies 1257 durch eine Erneuerung des weifischen Zollprivilegs von 1212133. Zunächst war das Zollprivileg des Gegenkönigs aber nicht mehr als ein Wechsel auf die Zukunft; denn im Oktober 1247 war noch kein einziger Reichszoll am Rhein unter Wilhelms Kontrolle. Erst Ende April 1248 verfügte er über Duisburg. Kaiserswerth trotzte noch der Belagerung 134 und wechselte erst sechs Monate später unter weitreichenden Zugeständnissen Wilhelms für Burggraf Gernand die Seiten135. Bop-
130 MGH D W, Nr. 2. Obgleich die Stadt Köln die Empfängerin der Urkunde war, und diese nur in ihrem Stadtarchiv überliefert ist, zählte auch der Erzbischof zu den Begünstigten, insbesondere mit der Zusage, keine neuen Burgen im Kölner Erzstift zu errichten oder zu dulden. 131 STEHKÄMPER, Absicherung, S. 357. Dieser Wertung folgen DIESTELKAMP, Privilegien, S. 129; GROTEN, Köln im 13. Jahrhundert, S. 117. Zu König Wilhelms Politik gegenüber den (rheinischen) Städten vgl. insbesondere auch ENGEL, Königtum und Städtebürgertum. 132 Vgl. oben S. 357 f. 133 UB Duisburg I, Nr. 57. 134 Die Verpfändung Duisburgs an den Herzog von Limburg am 29. April 1248 (MGH D W, Nr. 29) ist wie die folgenden beiden Urkunden vom 1. Mai (ebd., Nr. 30, 31) in castris apud Werden ausgestellt. 135 MGH D W, Nr. 71. Burggraf Gernand wurde auf Lebenszeit in seinem Amt bestätigt und erhielt für Auslagen während der Belagerung der Burg und nach ihrer Übergabe (zwischen dem 11. und 14. Dezember 1248, vgl. MGH D W, Nr. 65, 65bis) Verschreibungen in einer Gesamthöhe von über 2.000 Mark köln. auf die Einkünfte von Kaiserswerth.
III. Friedrich II., Heinrich (VII.) und Konrad IV.
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pard konnte zwar im Februar 1249 vom Holländer erobert werden, aber bereits im Mai hatten dort die Staufer wieder das Sagen; erst im September 1251 nahm Wilhelm den Reichsort endgültig in Besitz136. Im Unterschied zu Köln konnte die Stadt Mainz König Wilhelm keine bis in das 12. Jahrhundert zurückreichenden königlichen Zollprivilegien vorlegen. Sie besaß lediglich die Befreiung Konrads IV. von 1242, die nach dem Übergang der Stadt zur päpstlichen Partei im November 1244 wertlos geworden war. Im August 1250 gelang es den Mainzern jedoch, von König Wilhelm ein umfassenden Privileg zu erwirken, das neben anderen Vorrechten die Freiheit an allen Fluß- und Landzöllen des Reiches enthielt, und zwar - anders als in der staufischen Zollbefreiung - unbefristet und ohne Klauseln137. Mainz hatte damit fast drei Jahre länger als Köln auf ein Privileg Wilhelms warten müssen, obwohl oder gerade weil die mittelrheinische Bischofsstadt schon Jahre vor dessen Wahl auf päpstlicher Seite stand, aber dafür war ihre Zollbefreiung sehr viel umfassender als die der Kölner, was die Verzögerung bald wettgemacht haben dürfte. Der Handel anderer rheinischer Städte ist von Wilhelm nicht mit inhaltlich neuen Zollprivilegien begünstigt worden. Auch die Reichsorte hat er nicht besonders gefördert. Seine Urkunden für Duisburg und Aachen zeigen vielmehr in erster Linie das Bemühen der Empfänger, beim Parteiwechsel den in staufischer Zeit erlangten Zollstatus auch unter dem neuen König zu behaupten 138 . Von den geistlichen Instituten des Untersuchungsraums haben zwischen Januar 1249 und Juni 1251 die Zisterzen Himmerod, Heisterbach und Kamp von König Wilhelm eine jeweils auf 50 Faß Wein - wie man annehmen kann, pro Jahr - beschränkte Zollfreiheit für Kaiserswerth erhalten 139 . Die unübliche Restriktion der Freimenge, die bei Kamp sogar bewußt ältere Vorrechte ignorierte 140 , ist vielleicht dadurch zu erklären, daß der König Rücksicht auf den dortigen Burggrafen Gernand nehmen mußte. Dieser besaß seit Januar 1249 Verschreibungen von über 2.000 Mark köln. auf Kaiserswerth 141 ; jede Zollbefreiung verzögerte die Tilgung und bedeutete für ihn einen Zinsverlust. Dagegen enthielt die im April 1249 ausgestellte Bestätigung der Eberbacher Zollprivilegien für Boppard und andere - entsprechend den Interessen der Abtei vor allem mittelrheinische - Rheinzölle keine Mengenbeschränkung142. Gleiches gilt für das Zollprivileg, das der Deutsche Orden im August 1253
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Vgl. DEMANDT, Endkampf, S. 146,158 f. MGH D W, Nr. 133. M G H D W, Nr. 30; MEUTHEN, Aachener Urkunden, Nr. 10. M G H D W, Nr. 7 3 , 7 4 (Himmerod), 116 (Heisterbach), 151 (Kamp). Die vollständige Zollbefreiung der Abtei durch Friedrich II. (LAC. II, Nr. 48) lag, wie die Anklänge in Wilhelms Urkunde zeigen, offenbar vor. Vgl. Vorbemerkung zu M G H D W, Nr. 151. 141 M G H D W , Nr. 71. 142 M G H D W, Nr. 85. Die zahlreichen Eberbacher Zollprivilegien reichen bis Mitte des 13. Jahrhunderts räumlich nicht über Köln hinaus. Erst 1273 erhielt das Kloster Abgabenfreiheit in Kaiserswerth (ROSSEL, U B Eberbach, Nr. 429), ohne sich aber in der Fol-
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D. Herrscherliche Zollpolitik vom 10. Jahrhundert bis ca. 1325
erhielt 143 . Zwar galt es außer in Boppard und Oberwesel auch in Kaiserswerth, aber zu diesem Zeitpunkt dürften die Ansprüche Gernands auf die Kaiserswerther Zolleinnahmen mit einiger Sicherheit getilgt gewesen sein144. König Wilhelm war der letzte Herrscher, unter dem sich der Kreis der Zollbegünstigten, wie er sich seit der Stauferzeit herausgebildet hatte, noch einmal deutlich erweiterte. Die Zollprivilegien seiner Nachfolger waren ganz überwiegend sachlich unveränderte Bestätigungen älterer Vorrechte, und nur in Einzelfällen wurden dabei noch Erweiterungen vorgenommen. Als Mittel der herrscherlichen Zollpolitik hatte die Vergabe von Zollbefreiungen damit weitgehend ausgedient.
gezeit etwa an den rheinabwärts gelegenen klevischen oder geldrischen Zöllen um Privilegien zu bemühen. 143 WINKELMANN, Acta Imperii I, Nr. 548. 144 A m Neusser Zoll, dem Kaiserswerth mit Sicherheit gleichwertig war, rechnete man 1255 mit einem Jahresertrag von ca. 800 Mark (vgl. REK III.l, Nr. 1878). Es ist daher durchaus wahrscheinlich, daß am 19. Juni 1251, als das Kamper Privileg ausgestellt wurde, noch Ansprüche Gernands bestanden, im August 1253 aber nicht mehr.
IV.
Vom Rheinischen Bund bis zum Ende des Interregnums
IV.l
Der Rheinische Bund (1254-1257)
Versuche zu einer Eindämmung der durch den staufischen Endkampf ermöglichten bzw. verursachten starken Vermehrung der Rheinzölle werden seit dem Sommer 1253 quellenmäßig faßbar, haben aber vielleicht schon länger bestanden. Abhilfe versprach man sich zunächst von König Wilhelm, dessen Durchsetzungskraft jedoch offenbar nicht ausreichte, um nachhaltig gegenzusteuern. Zwar ließ er in Hofgerichtsurteilen die Regalität des Zollwesens einschärfen - neue Zölle waren nur dann rechtmäßig, wenn sie durch eine besondere Zollverleihung der Reichsgewalt legitimiert waren; die Erhebung ungewöhnlicher und unrechtmäßiger Abgaben wurde untersagt 1 , aber schon die Tatsache, daß mehrere derartige Urteile ergingen, zeigt deren geringe Wirkung. Wenn der König am 21. August 1253 von Leiden aus unter Androhung schwerer Ungnade - nach eigenen Worten - zum wiederholten Mal die Beachtung dieser sententiae befahl, hatte er anscheinend keinen größeren Erfolg als zuvor und zeigte damit eher seine Machtlosigkeit2. Dieses Mandat, die einzige dazu erhaltene Quelle, nennt weder die Herkunft noch den Stand derjenigen, die die Hofgerichtsurteile erwirkt hatten. Allenfalls die Überlieferung im Archiv des Magdeburger Erzbischofs 3 mag einen Hinweis geben, läßt aber nicht einmal entscheiden, ob dieser das Mandat als Kläger, Beklagter oder Urteilsfinder erhalten hatte. Die folgenden Ereignisse lassen aber keinen Zweifel daran, daß vor allem auch vom Mittelrhein Klagen kamen, deren sachliche Berechtigung im einzelnen nachgewiesen werden kann. Dort, wo der staufische Endkampf im Reich am längsten und heftigsten getobt hatte, wo die Zollbelastung besonders stark gestiegen war, die sententiae des fernen Königs4 aber offenbar wirkungslos verhallten, konstituierte sich im Frühsommer
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Cum pluries coram nobis sententiatum exstiterit et comuniter approbatum, ut nulli liceat nova theolonia nisi de manu imperii et licentia speciali ponere nec inconsueta et iniusta eciam extorquere, nos cupientes predictas sententias utpote rite latas ab omnibus inviolabiliter observari, presenti edicto iterato districtius inhibemus, ne quis nova thelonia ponera audeat nec inconsueta et iniusta theolonia eciam a quoquam aliquatenus extorquere, M G H Const. II, Nr. 367. M G H Const. II, Nr. 367. Vgl. die Vorbemerkung zu M G H Const. II, Nr. 367, sowie die Uberlieferungsnachweise z u URKUNDENREGESTEN II, N r . 5 1 4 .
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Vgl. den Stimmungsbericht der Wormser Bischofschronik: Inter hec in tota Teutonia magna fuit tremor et pertubatio, ex quo Romanorum rex nullus erat, quia rex Wilhelmus
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1254 um Worms und Mainz der Rheinische Friedensbund. Bis Juli gehörten ihm bereits Oppenheim, Bingen, Boppard, Oberwesel, Frankfurt, Gelnhausen, Friedberg und Wetzlar, aber auch - wenn nicht von Anfang an, dann doch als erster Fürst - der Mainzer Erzbischof Gerhard cum multis nobilibus an5. Das Progamm des Bundes war von diesen Erfahrungen geprägt. Man verband sich - nach Ansicht Buschmanns in gezielter Anknüpfung an den Mainzer Reichslandfrieden von 12356 - eidlich auf zehn Jahre zur Friedens- und Rechtswahrung (propter culturam pacis et iustitie observationem), und dies bedeutete in einem ersten Schritt die Abschaffung aller von den Bundesmitgliedern erhobenen thelonea iniusta zu Wasser und zu Land 7 . Eine Definition dieses Begriffes erfolgte nicht. Sie war aber auch nicht erforderlich; denn es konnte kein Zweifel daran bestehen, daß darunter die während der letzten Jahre vor allem am Mittelrhein neu errichteten bzw. erhöhten Zölle zu verstehen waren 8 . Obgleich Städte und Herren dies gleichermaßen zusagten, betraf der Verzicht vor allem die adligen Mitglieder des Bundes und entsprach der Interessenlage der handeltreibenden Städte. Nicht zufällig war es auch der wohl im Fernhandel reich gewordene Mainzer Bürger Arnold Walpot, von dem nach Angabe Alberts von Stade die Initiative für den Zusammenschluß ausging9. Zweifellos ist die religiöse Dimension der Friedenswahrung 10 nicht zu unterschätzen, aber es waren eben auch handfeste wirtschaftliche Interessen, die für das Zustandekommen des Bundes verantwortlich waren. Im Hinblick auf die Transitzölle ging es nicht allein um die Abstellung von Zollmißbräuchen auf Gegenseitigkeit, was an sich schon bemerkenswert wäre, sondern man beabsichtigte offenbar eine grundsätzliche Bereinigung der während der letzten Jahre eingetretenen Umwälzungen. Die Revision konnte sich nicht auf die Zölle des
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mortuo Conrado rege (1254 Mai 21) in regno se statuit, propter quod regnum defuit in multis, de quo multum dicendum esset, Boos, Chronicon Wormatiense, S. 186. Vgl. zur Genese des Bundes jetzt vor allem VOLTMER, Rheinischer Bund, S. 127 ff., und das chronologische Mitgliederverzeichnis ebd., S. 14-19. Der auf einem Vortrag von 1983 beruhende, aber erst 1987 gedruckte Aufsatz von BUSCHMANN, Rheinischer Bund, hat Voltmers grundlegende, 1986 erschienene Arbeit offenbar nicht mehr berücksichtigen können. Vgl. BUSCHMANN, Rheinischer Bund, S. 198 ff. MGH Const. II, Nr. 428 I. Vgl. zur Quellenkritik dieses Stückes VOLTMER, Rheinischer Bund, S. 125 f. Dies erklärt auch, warum Zollfragen im ansonsten zentralen Quellenstück zur Geschichte des Bundes, der sog. Aktensammlung, erstaunlich wenig Raum einnehmen. Im Unterschied zu den Verfahrens- und Organisationsfragen bestand hier kein Regelungsbedarf. Konkrete Aktionen, wie etwa Kriegszüge gegen Zollburgen, wurden wohl nicht schriftlich vereinbart. Sie sind deshalb nur ex post nachweisbar. - BUSCHMANN, Rheinischer Bund, S. 202, weist zutreffend darauf hin, daß der Rheinische Bund die Zollbestimmungen des Mainzer Reichslandfriedens voraussetzte. MGH SS XVI, S. 373. Vgl. RIECKENBERG, Arnold Walpot, S. 229 f. Vgl. dazu eingehend VOLTMER, Rheinischer Bund, S. 128 f.
IV. Vom Rheinischen Bund bis zum Ende des Interregnums
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Mainzer Erzbischofs und seines Adelsanhangs beschränken, sondern allenfalls mit ihnen beginnen. Wenngleich durch die Eigentümlichkeit der Quellenüberlieferung zum Rheinischen Bund weitgehend offen bleiben muß, in welcher Form darüber Beschlüsse gefaßt wurden, wird aus dem Gang der Ereignisse eine Doppelstrategie zu Friedenswahrung und Zollrevision, beides untrennbar miteinander verknüpft, klar erkennbar: Wer dem Bund nicht freiwillig beitrat und dabei auch seine thelonea iniusta aufgab, sollte mit Gewalt zur Anerkennung des Friedens und zur Niederlegung seiner Zölle gezwungen werden. Nach dem Vorbild seines Mainzer Amtsbruders, der in der Tat erst 1264 wieder als Zollinhaber nachweisbar ist, entschied sich bis zum Herbst 1254 auch der Kölner Erzbischof Konrad von Hochstaden 11 , es nicht auf eine Kraftprobe ankommen zu lassen, und trat bei, obwohl er dadurch offenbar den rund zehn Jahre zuvor errichteten Bonner Zoll einbüßte 12 . Widerstand kam dagegen nach dem Bericht der Wormser Stadtannalen vor allem vom Adel um die Reichsministerialenfamilie Bolanden-Hohenfels-Falkenstein, was kaum verwundern kann, zählte sie doch zu den Hauptnutznießern der Zollentwicklung am Mittelrhein. Unter Führung der Stadt Mainz eroberte der Bund im September 1254 die von Werner von Bolanden in Ingelheim errichtete Burg, de quo multos graverat, d. h. wohl Zoll erhoben hatte, und zerstörte sie bis auf die Grundmauern. Werner versammelte daraufhin seine amici, und es wäre wohl zu einem Waffengang mit den Städten gekommen, die sich bereits dazu rüsteten, wenn nicht unter Vermittlung des Mainzer Erzbischofs, des Wildgrafen und anderer Adliger ein Ausgleich gelungen wäre. Die Bedingung dafür hat offenbar der Bund diktiert; denn neben Werner von Bolanden mußten auch der Graf von Eberstein, Philipp von Hohenfels, Philipp von Falkenstein und der Herr von Eppstein alle Zölle auf dem Lande und zu Wasser totaliter et de plane niederlegen 13 . Wie groß dieser durch den folgenden Beitritt 14 der Adligen abgesicherte Sieg des Friedensbundes war, kann man erst dann ermessen, wenn man berücksichtigt, daß damit neben Ingelheim die Rheinzölle Braubach (Eppstein), Boppard (Hohenfels), Sterrenberg (Hohenfels/Bolanden), Oberwesel (Hohenfels), Kaub (Falkenstein), Trechtingshausen (Hohenfels), Nakkenheim (Hohenfels), Falkenau (Falkenstein) und vielleicht auch Geisenheim (Falkenstein) erfaßt waren, soweit die Zölle und ihre Besitzer aus den größtenteils späteren Quellen zu erschließen sind15. Da innerhalb des folgenden Jahres auch
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Vgl. VOLTMER, Rheinischer Bund, S. 16. Vgl. oben S. 218 f. Annales Wormatienses, MGH SS XVII, S. 57. Lediglich der Eppsteiner ist nicht im Mitgliederverzeichnis vom Herbst 1255 aufgelistet, vgl. VOLTMER, Rheinischer Bund, S. 17 f. Vgl. zu Nachem/Nacheim, das wohl mit Nackenheim auf der linken Rheinseite oberhalb von Mainz zu identifizieren ist, die Rheinzollbefreiung Philipps von Hohenfels für Eberbach von 1261 (ROSSEL, UB Eberbach, Nr. 356). Falkenau (oberhalb von Germersheim) ist fünf Jahre später in einem ebenfalls für Eberbach ausgestellten Rheinzollprivileg Philipps von Falkenstein belegt (ebd., Nr. 400). Beide Hebestellen sind nur durch jeweils
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Erzbischof Arnold von Trier, Pfalzgraf Ludwig und Graf Dieter von Katzenelnbogen beitraten 16 , war im Herbst 1255 der gesamte Rhein zwischen Köln und Mainz zumindest de iure unter Kontrolle des Rheinischen Bundes. Eine vergleichbare Erfassung des Niederrheins hat dagegen nicht stattgefunden; weder die Grafen von Kleve und Geldern noch ihre Städte sind unter den Mitgliedern nachweisbar. Die zollpolitischen Maßnahmen am Rhein zählten schon für die Zeitgenossen zu den wichtigsten Erfolgen des Friedensbundes. So vermerkte, in zutreffender Erkenntnis von Ursache und Wirkung, Hermann von Altaich: thelonea eiusdem fluminis que a pluribus fuerant agravata removenf1, und der Verfasser der Wormser Bischofschronik erhöhte dies sogar zu einer völligen Niederlegung aller Rheinzölle: in subsidium predicte pacis omne telonium in Rheno depositum18, was zwar mit Sicherheit weder stattgefunden hat noch beabsichtigt war, aber das große Ausmaß des Eingreifens verdeutlicht. Und König Wilhelm, der den Bund im März 1255 bestätigte und in seinen Schutz nahm, pries den durch die göttliche Gnade ad deponenda inconsueta et iniusta thelonia super Renum zustandegekommenen allgemeinen Frieden als nützliches und heiliges Werk 19 . Seine eigenen sententiae gegen unrechte Zölle vom Sommer 1253 erwähnte er dabei nicht; denn zu offensichtlich war dem Bund innerhalb weniger Monate gelungen, was der Herrscher nicht hatte durchsetzen können. Unverkennbar versuchte der König aber entscheidenden Einfluß auf die Aktionen der Verbündeten zu gewinnen. Er verfügte, daß Klagen über Friedensbrecher zunächst vor ihn bzw. seinen Hofrichter 20 zu bringen waren und die Städte und anderen Bundesmitglieder erst dann de nostro vel nostri iudiciarii consilio assensu pariter et favore gegen den violator pacis vorgehen sollten. Mit der Einsetzung des Hofrichters knüpfte Wilhelm an das 1235 durch Friedrich II. im Mainzer Reichslandfrieden geschaffene Amt an - damit erschöpften sich aber auch schon die Gemeinsamkeiten mit dessen zwanzig Jahre zuvor gegen thelonea iniusta getroffenen Maßnahmen. War der Stauferkaiser die einzige Instanz in der Bewertung eines Zolls als rechtmäßig oder unrechtmäßig und konnte er seinen Entscheidungen - siehe Andernach, Rheinberg und St. Goar - ohne erkennbare Schwierigkeiten Geltung verschaffen, so mußte der Holländer nach dem Scheitern seiner zaghaften Versuche, sich als oberster Zollherr zu etablieren, anerkennen, daß diese Position im Frühjahr 1255 vom Rheinischen Bund unter Führung der Städte ausgefüllt wurde, und ihm selbst und seinem Beauftragten allenfalls beratende Einwirkung möglich war.
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eine Quelle nachgewiesen, waren aber zweifellos Rheinzölle. Daß sie während des staufischen Endkampfs errichtet wurden, ist zumindest wahrscheinlich. Siehe zu den anderen Zollstätten und ihren Inhabern oben S. 377 ff., unten S. 402 ff. Vgl. VOLTMER, Rheinischer Bund, S. 17 f. MGH SS XVII, S. 397. B o o s , Chronicon Wormatiense, S. 186. MGH Const. II, Nr. 371. Dazu bestellte er wenig später Graf Adolf von Waldeck (MGH Const. II, Nr. 372).
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Was seinen Einfluß auf die Transitzölle des Untersuchungsraums, vornehmlich auf die Flußzölle am Mittelrhein, anbelangte, war der Rheinische Bund im Herbst 1255 auf dem Höhepunkt seiner Macht. Fast alle kirchlichen und hochadligen Rheinzollinhaber waren dem Frieden beigetreten, und auch die vom reichsministerialischen Niederadel beherrschten Hebestellen auf Reichsgut, darunter gleichermaßen ältere Reichszölle wie Boppard und jüngere Zollstätten wie Oberwesel oder Sterrenberg, waren unter Kontrolle bzw. ganz aufgehoben. Bei den in vielen Bereichen divergierenden Interessen zwischen den im Bund zusammengeschlossenen Herren und Städten konnten Spannungen nicht lange ausbleiben; bereits Ende Juni 1255 machten sie einen regelrechten Waffenstillstand erforderlich. Anders als man aufgrund der vorangegangenen Ereignisse zunächst vermuten könnte, waren es aber in erster Linie nicht Zollfragen, die den Streit verursachten - hier scheint noch weitgehend Konsens geherrscht zu haben sondern strukturelle Probleme in den Beziehungen der Städte zu ihrem adlig beherrschtem ländlichen Umfeld 21 . Erst 1256 standen Zollprobleme nachweislich wieder auf der Tagesordnung. Die politische Lage hatte sich gegenüber dem Vorjahr stark und kaum zugunsten des Bundes geändert. König Wilhelm, der noch im November 1255 erfolgreich zwischen adligen und städtischen Bundesmitgliedern vermittelt hatte, war am 28. Januar 1256 im Kampf gegen die Friesen gefallen. Bereits am 16. Januar waren der Mainzer Erzbischof Gerhard und der Reichshofrichter Graf Adolf von Waldeck in Gefangenschaft des Braunschweiger Herzogs geraten. Mit dem Erzbischof fiel ein wichtiges Bundesmitglied aus, das eine anerkannte Führungsfunktion für den Adel am Mittelrhein gehabt hatte 22 . Gleichzeitig konnte der Graf von Waldeck, der während der Thronvakanz ein Stück königlicher Autorität hätte verkörpern können, nicht mehr ausgleichend wirken. Als erster der Rheinzollinhaber scherte Graf Dieter von Katzenelnbogen aus dem Bund aus und verletzte am 31. Oktober 1256 den Landfrieden gegenüber den Mainzer Bürgern, wie es in den Wormser Stadtannalen heißt 23 . Er wurde daraufhin in seiner Burg Rheinfels von einem Aufgebot von angeblich 26 Städten ein Jahr und 14 Wochen belagert, allerdings ohne Erfolg 24 . Rheinfels war 1245 als Zollburg zum Schutz des St. Goarer Rheinzolls errichtet worden. Die Militäraktion dürfte daher der Hebestelle gegolten haben, die der Graf anscheinend in
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Vgl. VOLTMER, Rheinischer Bund, S. 130 f. Die Konfliktfelder waren etwa das Pfahlbürgertum und das Verhalten der Städte gegenüber der Landbevölkerung adliger Herren. Graf Emicho von Leiningen, der Ende September 1255 Mainzer und Wormser Gesandte gefangennahm (vgl. ebd., S. 17), die auf dem Weg zum Wormser Bundestag waren, zählte nicht zu dem Personenkreis, der von den Zollmaßnahmen nachweislich betroffen war.
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Vgl. GERLICH, Interregnum, S. 60 ff.
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DEMANDT, Reg. Katz. I, Nr. 121.
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Ausnutzung der im Januar 1256 entstandenen Lage reaktiviert hatte 25 . Die nicht genauer zu fassende Schädigung der Mainzer war allenfalls der letzte Anlaß, kaum jedoch die alleinige Ursache für eine derart aufwendige Belagerung, die allein die Stadt Worms 2.000 Mark kostete. Wahrscheinlicher ist, daß der Bund ein Exempel statuieren wollte, um andere (vormalige) Zollinhaber von der Nachahmung abzuhalten. Genauso erfolglos und mit 3.000 Mark Silber für Worms noch teurer war die Belagerung der badischen (Zoll-?)Burg 26 Selz am Oberrhein. Aufschlußreich ist hier vor allem, daß die früheren Bundesmitglieder Philipp von Hohenfels und Philipp von Falkenstein bereits auf der Gegenseite standen und Worms sich am 28. September 1257 für 300 Mark köln. der auf zwei Jahre befristeten Hilfe Graf Emichos von Leiningen versichern mußte 27 , der 1255 noch zu den Gegnern des Bundes gehört hatte. Von den Bundesgenossen war selbst für eines der Gründungsmitglieder offenbar keine Hilfe mehr zu erwarten. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hatte der Bund de facto aufgehört zu bestehen. So groß die zollpolitischen Erfolge des Rheinischen Bundes zunächst gewesen waren - die geringe Zeit seines Bestehens reichte nicht aus, um die Zollstruktur am R h e i n d a u e r h a f t zu p r ä g e n ; omnia
redierunt
in pristinum
malum
statum,
wie H e r -
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mann von Altaich resigniert bilanzierte . Allerdings gilt es zu differenzieren: Während vor allem die Familie Bolanden-Hohenfels-Falkenstein das Auseinanderbrechen der Anti-Zollfront sogleich nutzte, um den 1254 erzwungenen Verzicht rückgängig zu machen, möglicherweise sogar neue Hebestellen am Rhein anlegte, während der Trierer Erzbischof Arnold von Isenburg im Frühjahr 1257 wegen neuer Zölle exkommuniziert war29, hat der Kölner Erzbischof Konrad von Hochstaden den Bonner Zoll anscheinend nicht wiedererrichtet, und auch sein Mainzer Amtsbruder Gerhard hat keine nachweisbaren Bemühungen zur Reaktivierung früherer Zölle unternommen 30 .
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Vielleicht bezogen sich die auf dem Würzburger Bundestag (MGH Const. II, Nr. 428 XI § 4) am 15. August 1256 vereinbarten Rüstungsmaßnahmen auf den Katzenelnbogener. Daß Selz eine Zollstätte war - so VOLTMER, Rheinischer Bund, S. 135 - ist zwar möglich, läßt sich jedoch nicht unmittelbar belegen. Annales Wormatienses, MGH SS XVII, S. 59. MGH SS XVII, S. 394. Dies wurde zumindest 1263 von der Partei Richards von Cornwall behauptet, um bei der Doppelwahl von 1257 die Nichtigkeit der Trierer Kurstimme für Alfons von Kastilien zu erweisen. Das Argument findet sich in dem Entwurf für die Bulle Qui caelum Papst Urbans IV., in der die Standpunkte beider Parteien ausführlich referiert wurden: a solo nominato Treverensi, qui propter nova pedagia, que in terra sua imposuit, erat tunc excommunicatione ligatus, MGH Const. II, Nr. 405, S. 527. Vgl. unten S. 632 f.
IV. Vom Rheinischen Bund bis zum Ende des
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In dieser Situation hätte ein steuernder Eingriff des Königs vielleicht noch einiges von dem retten können, was der Bund erreicht hatte. Aber Richard von Cornwall, der als einziger der beiden 1257 gewählten Könige immerhin einige Zeit im Reich verbrachte, hat erst in der Endphase seiner Herrschaft gestaltenden Einfluß auf das Rheinzollsystem zu nehmen versucht; Alfons von Kastilien ist anscheinend in diesem Bereich gar nicht tätig geworden. In gewisser Weise trug der Engländer sogar zu einer Verschärfung der zollpolitischen Lage am Mittelrhein bei; denn er übertrug 1259 Boppard und Oberwesel mit Zubehör, also auch den Zöllen, an Philipp von Hohenfels, von dem zu allerletzt zu erwarten war, daß er die zollpolitische Linie des Rheinischen Bundes weiterführen würde. Dies klingt wohl mit an, wenn die Wormser Bischofschronik kritisiert, daß der Hohenfelser seine Position vornehmlich zu eigenen Zwecken genutzt habe 31 . Läßt sich dessen Zollerhebung in Boppard und Oberwesel noch direkt auf Einsetzung durch den König zurückführen, die den Amtscharakter zumindest formal wahrte, so ist der rechtliche Status der an mittelrheinischen (Reichs-)Burgen von Reichsministerialen erhobenen Transitabgaben kaum scharf zu fassen. Neben den als eigenmächtige Vergünstigungen ohne nachweisbaren königlichen Auftrag erteilten Zollbefreiungen, die von denen der fürstlichen oder gräflichen Landesherren nicht zu unterscheiden sind, zeigen aber Erbteilungen 32 , daß man diese Rheinzölle als Familienbesitz und nicht als eine Form von Amtsgut betrachtete. Am Niederrhein ist die Entwicklung des Zollsystems aus strukturellen Gründen deutlich anders verlaufen. Zwar hatte König Richard 1257 Burggraf Gernand von Kaiserswerth auf Lebenszeit im Amt bestätigt33, doch sind bei ihm besondere Verselbständigungstendenzen nicht feststellbar. Eigene Zollurkunden hat er nicht ausgestellt, auch liegen Klagen über seine Tätigkeit nicht vor. Den Reichsministerialen in diesem Raum fehlte eine der offenbar notwendigen Voraussetzungen, die der Spitzengruppe ihrer mittelrheinischen Standesgenossen eine weitgehend in Eigenregie gestaltete Zollerhebung erst ermöglichte, nämlich eine >eigene< Reichsburg am Rhein. Die Kette der Reichs(ministerialen)burgen endete mit Sinzig/Landskron und Hammerstein am südlichen Rand des Kölner Erzstifts, dessen Präsenz vermutlich verhinderte, daß die dortigen Ministerialen eine Rheinzollerhebung auch nur versuchten. Unterhalb Kölns waren dagegen als Folge der frühstaufischen Zollpolitik alle Reichsorte - Kaiserswerth, Duisburg, Angeren/Huissen und Nimwegen - zugleich auch Flußzollstätten, die überdies bis auf Kaiserswerth in der Hand der
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Post hoc rediit Richardus rex ad Angliam committens Philippo corniti de Falckenstein die (sic!) Wederawe et Alsaciam domino episcopo Wernhero Argentinensi plus ex favore quam ex iusticia; similiter et Philippo de Hoenfels Bobardiam et Wesaliam cum suis attinentiis; qui omnia ad suam redegerunt utilitatem et nullibi pax inventa est, B o o s , Chronicon Wormatiense, S. 187. Vgl. z. B. ROSSEL, U B Eberbach, Nr. 335; SAUER, Codex Nassau 1.2, Nr. 889. WiNKELMANN, Acta Imperii I, Nr. 557.
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Zollpolitik
vom 10. Jahrhundert
bis ca. 1325
benachbarten Dynasten waren. Am Niederrhein war um 1250 das Potential für weitere Rheinzölle auf Reichsgut schon lange ausgeschöpft. Wenngleich die zollpolitischen Maßnahmen des Rheinischen Bundes nur vorübergehend auf den Bestand konkreter Hebestellen Auswirkungen hatten, dürfen die ideellen Nachwirkungen deswegen nicht unterschätzt werden. Zum ersten Mal war vor aller Augen machtvoll demonstriert worden, daß nicht nur der König, wie im Mainzer Reichslandfrieden von 1235, unter Berufung auf die Regalität aller Zölle wirksam gegen thelonea iniusta vorgehen konnte, sondern daß auch die Städte, zu deren Lasten eine unkontrollierte Abgabenvermehrung in erster Linie ging, ihre Interessen direkt durchsetzen konnten. Obgleich sie vorerst noch ungelöst blieb, war die politische Sprengkraft der Zollfrage nun nicht mehr zu übersehen. Den gewachsenen Behauptungswillen dieser Gruppe bekam der Graf von Katzenelnbogen zu spüren. Zwar hatte er 1256/1257 die Belagerung seiner Zollburg Rheinfels überstanden, aber noch 1264 war der Widerstand der nicht im einzelnen bekannten Städte gegen den Zoll so stark, daß man mit offenen Feindseligkeiten rechnete 34 . Die vom Rheinischen Bund hinterlassene Lücke konnte im folgenden Jahrzehnt im Bereich der Friedenssicherung durch regionale Landfrieden teilweise ausgefüllt werden. Diese schufen jedoch auf dem Gebiet des Zollwesens keinen annähernd gleichwertigen Ersatz. Sofern dort Regelungen vorgenommen wurden, liefen sie im wesentlichen auf eine Bewahrung des Status quo hinaus. 1259 wurde auf Initiative des Kölner Erzbischofs Konrad von Hochstaden von allen wichtigeren Dynasten des niederrheinischen Raums und der Stadt Köln ein Landfrieden zur Sicherung des Handels zu Land und zu Wasser beschworen. Alle Wege sollten in den jeweiligen Territorien offen und sicher für die Durchreisenden sein, dummodo in locis ad hoc constitutis mercatores debita et iusta solvant thelonea seu vectigalia vel pedagia seu quocunque vocabulo alio talia nuncupentur2,5. Auch im niederrheinischen Raum hatte man also thelonea iniusta als Problem erkannt, aber Träger und Interessenlage dieses Landfriedens unterschieden sich deutlich von denen des Rheinischen Bundes. Denn nicht, um es verkürzt zu sagen, die handeltreibenden Städte, sondern die landesherrlichen Zollinhaber dominierten den Landfrieden von 1259. Die Befriedung der Straßen und Flüsse diente weniger, sieht man einmal von der Stadt Köln ab, den eigenen Handelsinteressen der Verbündeten, sondern in erster Linie der Konsolidierung ihrer Transitzolleinnahmen. Dabei war die Beschränkung auf thelonea iusta - deren Entrichtung dann aber auch zur Bedingung für den Schutz durch den Frieden gemacht wurde - im kollektiven Interesse der Zollinhaber. Wenn nämlich einer von ihnen den Transithandel stärker als üblich abschöpfte, profitierte er zwar selbst davon, schadete aber mit den dadurch verursachten Effekten - Rückgang des Han-
34
35
Dies geht aus dem Landfrieden hervor, den der Mainzer Erzbischof und der Pfalzgraf in diesem Jahr schlössen: Comes etiam Ditherus suum thelonium accipiet aput Sanctum Gowarum eo iure, sicut pater suus dinoscitur accepisse. Preterea non peccabit in pacem, si fecerit aliquid contra civitates illas que sibi inimice existunt, M G H Const. II, Nr. 442. M G H Const. II, Nr. 441 - REK III.l, Nr. 2075.
IV. Vom Rheinischen Bund bis zum Ende des Interregnums
397
delsvolumens oder gar Verlagerung von Handelsströmen - tendenziell den benachbarten Zollherren. Es ist wohl kein Zufall, daß bei den Verkehrswegen die Straßen zuerst genannt wurden: Die hier skizzierten Wechselwirkungen traten im Landverkehr, dem gerade im niederrheinischen Raum eine ganze Reihe alternativer Routen zur Verfügung standen, grundsätzlich stärker hervor als etwa im Mittelrheintal zwischen Bingen und Koblenz, das selbst bei starker Zollbelastung ein kaum zu umgehendes Nadelöhr darstellte. Im ehemaligen Kernraum des Rheinischen Bundes, im Gebiet an Mittelrhein, Main und Wetterau, kam es erst deutlich später als am Niederrhein zu Landfriedensbündnissen, die auch zollpolitische Regelungen enthielten. 1264 vereinbarten der Mainzer Erzbischof Werner von Eppstein und Pfalzgraf Ludwig einen Landfrieden für die Dauer von zwei Jahren für das Gebiet der Pfalz und des Mainzer Erzstifts von der Lahn bis zum Neckar 36 . Die pfalzgräflichen Zölle in Bacharach und Fürstenberg sowie der Katzenelnbogener Zoll zu St. Goar wurden dabei explizit anerkannt, aber eine dem niederrheinischen Landfrieden vergleichbare generelle Selbstverpflichtung der Vertragspartner auf thelonea iusta war ebensowenig vorgesehen wie Aktionen gegen unrechtmäßige Zölle Dritter. Im Jahr darauf schlössen der Mainzer Erzbischof, die Edlen Gottfried von Eppstein d. Ä., Graf Heinrich von Weilnau, Reinhard von Hanau, Philipp von Falkenstein und seine Söhne Philipp und Werner, Gerhard von Eppstein d. J. und die wetterauischen Reichsstädte Frankfurt, Friedberg, Wetzlar und Gelnhausen einen dreijährigen Landfrieden für das Gebiet zwischen Rhein, Lahn und Main, dem auch Graf Dieter von Katzenelnbogen beitrat 37 . Obgleich damit eine ganze Reihe von Zollinhabern versammelt war, sparte man Zollfragen aus, vielleicht auch, weil hier kein Konsens zu erhoffen war, und konzentrierte sich allein auf die Ausarbeitung detaillierter Mechanismen zur Friedenswahrung. Zu deren Finanzierung griff man zu einem hier erstmalig in den Rheinlanden nachweisbaren Instrument, nämlich der Erhebung von Landfriedenszöllen. Eine wirksame Friedenssicherung hatte offenbar Priorität vor der Vermeidung neuer Abgaben. Daraus darf jedoch keinesfalls geschlossen werden, daß das Zollproblem nicht mehr bestanden hätte. Allenfalls hatte sich der Zuwachs neuer Zölle, der die Programmatik des Rheinischen Bundes so stark beeinflußt hatte, verlangsamt. Insgesamt war die Zahl der Hebestellen am Mittelrhein gerade in dieser Zeit so hoch wie niemals später.
36 37
MGH Const. II, Nr. 442. MGH Const. II, Nr. 444.
398 Karte 8: Zölle an Rhein, Mosel und Saar um 1254
IV. Vom Rheinischen Bund bis zum Ende des Interregnums
IV.2
399
Der Wormser Landfrieden von 1269
Daß selbst der mehr als zehnjährige zollpolitische Stillstand seit dem Ende des Rheinischen Bundes keineswegs zu einer allgemeinen Akzeptanz dieser Zollstruktur geführt hatte, wurde mit dem Wormser Reichstag vom April 1269 schlagartig deutlich. Dort beschloß man unter Beteiligung König Richards, der sich hier zum ersten Mal in seiner Regierungszeit nachweislich mit diesen Fragen befaßte, einen Landfrieden zur umfassenden Regulierung des Zollwesens. Ein urkundlicher Text ist zwar nicht überliefert, aber die wesentlichen Bestimmungen können durch Urkunden des Königs für Worms und Straßburg, die sich auf den Landfrieden beziehen, sowie aus Angaben der Annales Wormatienses 38 und des englischen Chronisten Thomas Wikes 39 erschlossen werden. Nach den Wormser Annalen wurde die Niederlegung aller thelonea iniusta in jeder Form - Flußzölle, insbesondere am Rhein, Landzölle, aber auch städtische Ungelder - beschlossen. Thomas interessierte sich dagegen allein für die Frage der Rheinzölle, einer Art von Abgabe, die ihm als Engländer offensichtlich völlig fremd war. Mit einer gewissen Fassungslosigkeit beschreibt er seinen Lesern die furiosa insania der Deutschen, die mit Hilfe ihrer uneinnehmbaren Zollburgen am Rhein untragbare Zollabgaben erzwangen, bis sich auf Initiative König Richards die vom Handel lebenden Städte am Rhein mit den potentiores regni im Wormser Landfrieden zur Niederlegung dieser Zölle verbanden. Nur die hergebrachten Reichszölle zu Boppard und Kaiserswerth habe man davon ausgenommen. Jedem, der sich dem widersetzte, sei mit der Schleifung seiner Burgen und Verwüstung seines Besitzes usque ad exterminium depopulationis extreme crudelissime gedroht worden. Einzelne Teilnehmer des Reichstages sind durch die Annalen überliefert. Demnach stellten diejenigen, die als Rheinzollinhaber nachgewiesen sind oder zumindest in Frage kommen, einen erheblichen Teil der Anwesenden: die Erzbischöfe Werner von Mainz und Heinrich von Trier 40 , Pfalzgraf Ludwig, die Grafen Dieter und Eberhard von Katzenelnbogen, Philipp von Hohenfels und seine Söhne Philipp und Dietrich, Philipp von Falkenstein und seine Söhne Philipp und Werner sowie die Brüder Philipp und Werner von Bolanden 41 . Dagegen werden in dieser Quelle städtische Teilnehmer weder allgemein noch konkret genannt.
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39 40 41
Et (sc. Richardus rex) procuravit, quod pax generalis, que diu subtracta fuerat, ab omnibus nobilibus et magnatibus iuraretur, deponendo omnia iniusta telonio, tarn in terris quam in aquis, in civitatibus ungelta, pedagia que in Rheno et in stratis sine misericordia ab omnibus sua mercimonio deferentibus exigebantur et extorquebantur, Annales Wormatienses, M G H SS XVII, S. 68. M G H SS XXVII, S. 498. Allerdings hatte Heinrich von Finstingen den Koblenzer Zoll schon vorher auf päpstliche Anweisung abstellen müssen. Vgl. oben S. 155 f. Annales Wormatienses, M G H SS XVII, S. 68.
400
D. Herrscherliche Zollpolitik vom 10. Jahrhundert bis ca. 1325
Zwei Urkunden König Richards sind erhalten, die auf den Wormser Reichstag Bezug nehmen. Am 20. April 1269 bekundete er, daß die Stadt Worms pro rei publice bono et generali pace feierlich auf das neue Ungeld verzichtet habe, daß durch die Verkleinerung der Maße für Wein und Getreide entstanden sei42. Und tatsächlich wurde am 5. Mai 1269, wie die Wormser Annalen berichten, das alte Maß wieder in Kraft gesetzt 43 . Eine Woche danach befahl der König den Straßburgern, in ihrer Stadt nach dem Beispiel vieler Fürsten, Herren und Städte den allgemeinen Frieden zu beschwören, um nicht von ihm ausgeschlossen zu werden, und innerhalb von acht Tagen alle ungewohnten und unrechten Transitzölle, Geleit- und Ungelder abzustellen und künftig ihre Erhebung von den Durchreisenden nicht zuzulassen44. Als Zwischenbilanz läßt sich also festhalten, daß auf dem Wormser Reichstag im April 1269 die Niederlegung von thelonea iniusta beschlossen und in einem Landfrieden beschworen wurde. Damit war, wie die Wormser Annalen berichten und aus der Abstellung des neuen Ungelds deutlich wird, jede Art von Handelsabgaben gemeint. Schwerpunktmäßig ging es jedoch bei den Beratungen in Worms um die Transitabgaben am Rhein, die einen sehr viel größeren Personenkreis betrafen und schon allein deswegen deutlich mehr politische Sprengkraft besaßen, als städtische Ungelder je haben konnten. Eine präzise Definition, welche Zölle als unrechtmäßig galten, findet sich in keiner der Quellen. Es kann aber kaum bezweifelt werden, daß man darunter grundsätzlich dasselbe verstand wie schon im Rheinischen Bund, nämlich die in den Wirren des staufischen Endkampfs mit seinen tiefgreifenden Wirkungen auf das mittelrheinische Zollsystem neu eingerichteten Hebestellen bzw. die Erhöhungen älterer Zölle, aber auch die seit dieser Zeit eingetretenen Veränderungen in der Abgabenstruktur der Städte. Auf dieser Basis sind die Angaben bei Thomas Wikes bzw. dessen Interpretation in der Literatur in einigen Punkten zu prüfen. Anders als man aus den hier nicht ganz klaren Angaben des Engländers vielleicht schließen kann, ist auf dem Wormser Reichstag zweifelsohne nicht, wie mitunter behauptet wird, die generelle Abschaffung aller Rheinzölle mit Ausnahme von Boppard und Kaiserswerth beschlossen worden45. Vielmehr geht sowohl aus den Wormser Annalen (deponendo omnia iniusta telonia ... pedagia ... in Rheno) als auch aus dem königlichen Mandat an die Straßburger (thelonia ... que inconsueta et iniusta existunt, penitus deponatis) eindeutig hervor, daß es nur die unrechten, weil >neuen< Transitabgaben waren, die niedergelegt werden sollten. Eine Abschaffung aller Rheinzölle, die nicht dem Reich unterstanden, d. h. in letzter Konsequenz ein Versuch Richards, alle außer der Reichsgewalt von der fiskalischen Partizipation am Rheinhandel auszuschließen, ist weder durch die Quellen gedeckt, noch dürfte dies
42 43 44 45
MGH Const. II, Nr. 390. Annales Wormatienses, MGH SS XVII, S. 68. MGH Const. II, Nr. 391. So GERLICH, Interregnum, S. 117, nach DENHOLM-YOUNG, Richard of Cornwall, S. 140. Auch FLIEDNER, Rheinzölle, S. 7, hat Wikes bzw. das entsprechende Regest (RI V, Nr. 5455a) in diesem Sinne verstanden.
IV. Vom Rheinischen Bund bis zum Ende des Interregnums
401
im Rahmen des Möglichen, vielleicht nicht einmal im Bereich des Denkbaren gelegen haben. Beide chronikalischen Quellen berichten übereinstimmend, daß König Richard maßgeblich am Zustandekommen des Landfriedens beteiligt war. Nur bei Thomas Wikes finden sich jedoch Angaben über die Motive des Herrschers. Demnach erkannte Richard, daß die Rheinzölle zu einer Verteuerung der Handelswaren führten und sorgte, quod vili precio venderentur, für eine Niederlegung der Hebestellen, wobei er vor allem auf die Unterstützung der cives vicinarum urbium, qui de mercimoniis vivere consueverant, zählen konnte. Nach der Abstellung der Zölle habe in ganz Deutschland große Freude über die Befreiung von diesem lang erduldeten Joch geherrscht, und alle Waren seien billiger geworden. An diesem Bericht ist zwar auffällig, aber nicht unbedingt außergewöhnlich, daß der Chronist klar den Einfluß der Abgabenbelastung auf den Endverkaufspreis formulierte - dies dürfte für die Zeitgenossen ebenso klar gewesen sein, wie es für die meisten modernen Menschen ist. Bemerkenswert ist vielmehr, daß Thomas das Handeln Richards daraus erklärte. Es ist dies der erste Hinweis, den es auf eine genuin wirtschaftspolitische Zielsetzung in den zollregulierenden Eingriffen eines Königs in den Rheinlanden gibt, während frühere Maßnahmen gegen neue Zölle allein aus deren friedensstörender Unrechtmäßigkeit ohne Thematisierung ihrer eventuell nachteiligen volkswirtschaftlichem Folgen, wie etwa einer allgemeinen Erhöhung der Endverbrauchspreise, begründet wurden. Für Thomas Wikes waren dagegen die Rheinzölle angesichts der offenkundig schädlichen ökonomischen Auswirkungen keine Frage von Recht oder Unrecht, sondern schlichtweg eine deutsche Krankheit, die Richard als englischer Arzt kurierte. Wie genau der Chronist damit tatsächlich die königliche Auffassung wiedergab, welche Rolle das Richard zugeschriebene Ziel einer allgemeinen Kostenentlastung des Handels zum Nutzen der Endverbraucher spielte, läßt sich mangels eines entsprechenden Selbstzeugnisses des Herrschers kaum entscheiden. Daß noch weitere Beweggründe mitspielten, läßt sich nicht nur wegen der komplexen Problematik der Materie vermuten; denn das Grundproblem bestand schon bei Richards früheren Besuchen am Rhein, ohne daß er eingegriffen hätte. Andererseits gibt es aber auch keinen Grund, die ökonomische Argumentationslinie ganz als freie Erfindung des Chronisten zu werten. König Richard mag den Wormser Landfrieden initiiert und, wenn man Thomas Wikes glauben darf, dabei sogar makroökonomische Ziele verfolgt haben - zustandegekommen wäre der Frieden wohl kaum ohne oder gar gegen den Mainzer Erzbischof Werner von Eppstein, die zu dieser Zeit wohl wichtigste politische Persönlichkeit des mittelrheinischen Raums 46 . Vermutlich wird man dem Metropoliten sogar einen mindestens ebenso großen Einfluß bei der Aufnahme der Zollbestim-
46
Vgl. GERLICH, Interregnum, S. 123; SANTE, Werner von Eppstein.
402
D. Herrscherliche Zollpolitik vom 10. Jahrhundert bis ca. 1325
mungen zuerkennen müssen, da es deutliche Hinweise gibt, daß er schon seit mehreren Jahren eine grundlegende Umgestaltung der Rheinzollstruktur vorbereitete 47 . Die Exekution des Landfriedens stand jedenfalls ganz unter Mainzer Führung. Bereits der Verzicht der Wormser auf die Erhöhung des Ungeldes wurde am 20. April 1269 nicht nur vom König, sondern auch vom Mainzer Metropoliten verkündet 48 . Dessen schon hier erkennbarer Einfluß wurde institutionalisiert, als ihn Richard vor der Abreise nach England mit der Landfriedensexekution beauftragte 49 . Im engen Zusammenspiel mit den Städten seines Einflußbereichs 50 - eine Konstellation, die stark an den Rheinischen Bund erinnert, wenngleich nun eindeutig der Erzbischof dominierte - ging Werner als sancte pacis propagator51 an die gewaltsame Umsetzung des Zollverbots. Im Oktober 1269 wandte er sich zunächst mit einem großen Aufgebot an Kriegsschiffen und berittenen Truppen gegen Bacharach, um Übertreter des Landfriedens zu strafen, wie es in Zorns Wormser Chronik heißt 52 . Der Kriegszug richtete sich wohl gegen den dortigen oder den Fürstenberger Rheinzoll. Pfalzgraf Ludwig hatte zwar den Landfrieden auf dem Reichstag beschworen 53 , aber das Zollverbot anscheinend nicht - oder zumindest nicht im erzbischöflichen Sinn - befolgt. Im Frühsommer des folgenden Jahres zerstörte Werner von Eppstein nach Angaben der Annales Wormatienses mit Hilfe des Speyerer Bischofs Heinrich, dessen Bruders, des Grafen Emicho von Leiningen, sowie der Stadt Worms zunächst die Burg Eschesheim, wo möglicherweise ein Zoll lag. Rheinaufwärts vorrückend legte er dann die Rheinzollstätten Germersheim und Udenheim nieder, die im Besitz der Herren von Thann bzw. der Grafen von Zweibrücken waren, und verfuhr ebenso mit dem wittelsbachischen Neckarzoll in Neckarhausen 54 . Et sie de civitate Argentinensi usque in Coloniam omnia telonia deposita sunt, berichten die Wormser Annalen als Ergebnis der Landfriedensexekution 55 . Man hat bislang nicht versucht, diese lapidare Erfolgsbilanz, soweit man sie nicht wie Sommerlad übergangen hat 56 , systematisch nachzuprüfen. Untersucht man aber nun, um eine fundierte Analysebasis zu gewinnen, für den im Untersuchungsraum gelegenen Stromabschnitt, den Rhein unterhalb von Mainz, Zollstätte für Zollstätte auf mögli-
47 48 49 50
51
Vgl. unten S. 632 ff. MGH Const. II, Nr. 389 bzw. 390. RI V, Nr. 5467. Vgl. zur Wormser Beteiligung Annales Wormatienses, MGH SS XVII, S. 68; ferner die Aufgebotsschreiben des Erzbischofs vom 8. August 1269 an Koblenz (CRM II, Nr. 234 MRR III, Nr. 2457) und Oppenheim (MGH Const. II, Nr. 446), die jeweils ein Kriegsschiff bereithalten sollten. Annales Wormatienses, MGH SS XVII, S. 68.
52
BÖHMER/WILL, R E M 11.36, N r . 2 3 3 .
53 54 55 56
Vgl. Annales Wormatienses, MGH SS XVII, S. 68. Vgl. Annales Wormatienses, MGH SS XVII, S. 68. Annales Wormatienses, MGH SS XVII, S. 68. Vgl. SOMMERLAD, Rheinzölle, S. 145,155.
TV. Vom Rheinischen Bund bis zum Ende des Interregnums
403
che Auswirkungen des Landfriedens von 1269, ergibt sich folgendes Bild: Der rheingräfliche Zoll Geisenheim ist bis 1266 und danach erst wieder 1296 quellenmäßig zu fassen 57 . Bei Trechtingshausen ist nur noch einmal (1282) ein wohl nur kurzzeitig bestehender und durch Rudolf von Habsburg niedergelegter Rheinzoll nachweisbar 58 . Über Fürstenberg liegen erst wieder zu 1290 Hinweise auf Zollerhebung vor59. Dagegen bestand in Bacharach, das Zorn vielleicht mit Fürstenberg verwechselt hat, bereits spätestens 1273 wieder ein Rheinzoll60. Der Falkensteiner Zoll Kaub verschwindet aus der Überlieferung. Erst unter Heinrich VII. haben die Pfalzgrafen dort wieder einen Rheinzoll errichtet 61 . Eine Hebestelle in Oberwesel ist 1266 zum letzten Mal belegt; 1280 bestehende Pläne zu ihrer Wiedererrichtung wurden nicht realisiert62. Dagegen überstanden die Grafen von Katzenelnbogen, die bereits frühere Zollverbote gemeistert hatten, den Wormser Landfrieden offenbar unbeschadet. Ihr Zoll Rheinfels/St. Goar kann schon 1271 wieder nachgewiesen werden 63 . Nichts deutet aber darauf hin, daß in Sterrenberg oder Braubach nach 1269 noch Rheinzoll erhoben wurde. Da Boppard als Hebestelle auch bei weitester Auslegung nicht unter den Landfrieden fiel - nach Thomas Wikes war dieser Zoll sogar ausdrücklich davon ausgenommen-, spricht sein aus den Quellen erkennbarer kontinuierlicher Fortbestand nicht gegen eine Umsetzung der Wormser Zollbestimmungen. Ein Zoll des Erzbischofs von Trier in Koblenz hat zwar nach dem Wormser Landfrieden erst um 1300 wieder bestanden, doch ist dies in erster Linie auf die vom Papst im Prozeß gegen den Elekten Heinrich von Finstingen 1262 durchgesetzte Niederlegung der erzbischöflichen Abgabe zurückzuführen 64 . Der Landfrieden mag aber den Trierer von der Wiedererrichtung abgehalten haben; in Koblenz lag in der Folgezeit nur noch der Schiffszoll des Trierer Simeonstifts. Zwischen Koblenz und Köln wurden während des Interregnums offenbar keine Rheinzölle erhoben: Der kölnische Rheinzoll Andernach war vermutlich schon im Zuge des Mainzer Reichslandfriedens von 1235 abgestellt worden 65 ; die Bonner Zollstätte ist 1246 zuletzt nachweisbar. Wahrscheinlich hatte sie Erzbischof Konrad 1254 bei seinem Beitritt zum Rheinischen Bund aufgeben müssen und zum Ausgleich die Zollnutzung am Niederrhein intensiviert66. Der Reichszoll Hammerstein dürfte dagegen um die Mitte des 13. Jahrhun-
57 58 59 60 61 62 63 64 65 66
Vgl. oben S. 265 f. Vgl. oben S. 306 f. Vgl. oben S. 296 f. Vgl. oben S. 288 f. Vgl. oben S. 302 f. Vgl. oben S. 300 f. DEMANDT, Reg. Katz. I, Nr. 181. Vgl. oben S. 155 f. Vgl. oben S. 372. Vgl. unten S. 574.
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D. Herrscherliche Zollpolitik vom 10. Jahrhundert bis ca. 1325
derts schon längere Zeit nicht mehr bestanden haben. Er verschwindet nach 1208 für rund ein Jahrhundert aus den Quellen 67 . Als Fazit ist festzuhalten: Von den mittelrheinischen Zollstätten, deren Existenz durch den Wormser Landfrieden in Frage gestellt wurde, weil sie vermutlich als thelonea iniusta galten, hat offenbar nur der Rheinzoll der Grafen von Katzenelnbogen in St. Goar/Rheinfels, der von städtischer Seite noch 1264 bekämpft wurde, fortbestanden. In Fürstenberg und Kaub wurden jahrzehntelang keine Abgaben auf den Rheinverkehr erhoben, in Braubach und Sterrenberg, Oberwesel und Trechtingshausen fand die Rheinzollerhebung trotz vereinzelter späterer Reaktivierungsversuche sogar ein dauerhaftes Ende. Zu Beginn der 1270er Jahre wurde zwischen Mainz und Köln somit nur noch an drei Orten nachweislich Rheinzoll erhoben, nämlich in Bacharach, St. Goar und Boppard 68 . Ob dort auch die Zollerhöhungen der vorangegangenen Jahre rückgängig gemacht wurden, ist nicht zu entscheiden, angesichts der insgesamt konsequenten Umsetzung des Wormser Landfriedens aber durchaus wahrscheinlich. Klare Verlierer dieser radikalen Umstrukturierung des mittelrheinischen Zollsystems waren die Mitglieder der Reichsministerialensippe Bolanden-Hohenfels-Falkenstein und die mit ihnen verwandten Herren von Eppstein. Sie wurden nach dem ersten gescheiterten Versuch des Rheinischen Bundes erneut und diesmal auf Dauer von der fiskalischen Abschöpfung des Rheinhandels ausgeschlossen. Der Pfalzgraf konnte seine Stellung als Zollherr am Rhein dagegen unter Einbußen behaupten. Der Wormser Landfrieden war damit ein entscheidender, aber in der Forschung nicht als solcher erkannter Wegbereiter für das spätmittelalterliche Quasi-Zollmonopol der rheinischen Wahlfürsten zwischen Mainz und Köln, das im Grunde genommen nur von den Grafen von Katzenelnbogen in St. Goar durchbrochen wurde 69 .
67 68 69
Vgl. oben S. 239. Hinzu kam allenfalls noch der Zoll Geisenheim, vgl. oben S. 266. Der rheingräfliche Zoll Geisenheim verlor spätestens zu Beginn des 14. Jahrhunderts stark an Bedeutung, vgl. oben S. 267 f.
Karte 9: Zölle an Rhein, Mosel und Saar um 1269 100 km
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Entwurf: FRIEDRICH PFEIFFER Kartographie: MARTIN LUTZ © 1997
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Saarburg Umschlagzoll Sierck
Orientierungsort
V.
Rudolf von Habsburg
In der fünfzehnjährigen Regierungszeit Richards von Cornwall war das Königtum auf einem Tiefpunkt seines zollpolitischen Einflusses in den Rheinlanden angelangt. Zwar hatte der Engländer 1269 Initiative bei der Aufrichtung des die rheinische Zollstruktur nachhaltig verändernden Wormser Landfriedens gezeigt, aber es ist bezeichnend, daß die Art und Weise der politischen Umsetzung nicht vom Herrscher, sondern vom Mainzer Erzbischof als mächtigstem Fürsten des mittelrheinischen Raums gestaltet wurde, eher notdürftig kaschiert durch die Übernahme der königlichen Statthalterschaft, während Richard nach England zurückkehrte und Reichsboden bis zu seinem Tod im April 1272 nicht mehr betreten sollte. Die Wahl Rudolfs von Habsburg am 1. Oktober 1273 markiert nach konventioneller Periodisierung das Ende des sog. Interregnums. So fraglich dessen Zäsurcharakter nach neuerer Forschung etwa für die Entwicklung des Reichsguts ist1 - im Hinblick auf die Zollpolitik des Königtums ist der Einschnitt unverkennbar. Ein erheblicher Teil der Tätigkeit König Rudolfs von Habsburg in den Rheinlanden war von Zollfragen bestimmt, die zugleich in enger Verbindung mit zwei bekannten Schwerpunkten seiner Politik standen, der Landfriedensgesetzgebung und der Revindikation von Reichsgut 2 . Als eine seiner ersten Maßnahmen erneuerte er den allgemeinen Landfrieden und erklärte nach dem Bericht der sächsischen Weltchronik mit Willen der Fürsten die Niederlegung aller seit Friedrich II. errichteten unrechten Zölle, insbesondere am Rhein 3 . Die fehlende urkundliche Überlieferung dieser Verfügung, die sich möglicherweise an den Mainzer Reichslandfrieden von 1235 anlehnte, erschwert eine genauere Analyse, doch dürfte es sich, zumindest was die Rheinzölle betraf, mehr um eine von den rheinischen Wahlfürsten intendierte (Selbst-)Verpflichtung des Herrschers auf eine restriktive zollpolitische Linie als um die Abstellung bestimmter Rheinzollstätten bzw. eine Senkung der Zollsätze gehandelt haben. Nur wenige Jahre zuvor hatte der Wormser Landfrieden zu einer erheblichen Reduzierung solcher Abgaben geführt, so daß es vor allem um die Sicherung dieser Erfolge ging. Überdies fehlen sowohl direkte als auch indirekte Hinweise auf Aktionen gegen bestimmte Zölle am Strom4. Dagegen hat Rudolf das allgemeine Verbot - ein sol-
1 2
3 4
Vgl. jetzt HELBACH, Reichsgut, S. 185 f. Vgl. REDLICH, Rudolf von Habsburg, S. 207 f., 432 f. und öfter; insbesondere zur Landfriedenspolitik in den Rheinlanden siehe GERLICH, Landfriedenspolitik, S. 13 f., 56-79; zur Reichsgutpolitik Rudolfs am Niederrhein vgl. HELBACH, Reichsgut, S. 187-208. Eine Gesamtperspektive bietet ERKENS, Tradition, insbesondere S. 39-43. RI VI.l, Nr. 11. Vgl. MGH Const. III, Nr. 20. Allein der im Juli 1274 unternommene Kriegszug Rudolfs gegen das badische Selz könnte gegen einen dortigen Rheinzoll unternommen worden sein. Vgl. REDLICH,
V. Rudolf von Habsburg
407
ches war es zweifellos, obwohl die Weltchronik nur die Rheinzölle nennt - an seinen eigenen Zollstätten nachweislich umgesetzt 5 . Im gleichen Zug verstanden es die Erzbischöfe von Köln und Mainz, ihre eigenen Zollinteressen zu sichern. Der König legitimierte den bereits bestehenden, aber etwas fragwürdigen Besitz des Kölner Metropoliten Engelbert von Valkenburg an Burg und Zoll Kaiserswerth, allerdings auf dessen Lebenszeit begrenzt 6 ; Werner von Eppstein erhielt den Bopparder Zoll als Pfand bis zur Zahlung der versprochenen 2.000 Mark Silber7. Schneller als erwartet 8 brachte der Tod Engelberts im folgenden Jahr eine ernsthafte Probe für die Revindikationspolitik des Habsburgers. Das Kölner Domkapitel, das Kaiserswerth wahrscheinlich während der Sedisvakanz 9 besetzt hatte 10 , war nicht zur Herausgabe der Burg bereit, obgleich Rudolf im September 1275 sogar Papst Gregor X. einschaltete 11 , der sicher auch aus eigenem Interesse aktiv wurde, da der König ihm offenbar gezielt Kaiserswerther Zolleinkünfte verpfändet hatte 12 . Erst im Januar 1276 löste ein ausgeklügelter Kompromiß zwischen dem Habsburger und dem neuen Erzbischof Siegfried die verfahrene Situation 13 . Der König bestellte den Schwager des Westerburgers, Graf Heinrich von Solms, zum Kaiserswerther Burggrafen und räumte dem Erzbischof auf dessen Lebenszeit ein Konsensrecht bei einer Neubesetzung des Amtes und bei eventuellen Verpfändungen ein. Ferner war die
Rudolf von Habsburg, S. 512 f., dessen dezidierte Angaben allerdings nicht durch Quellen zu verifizieren waren. 5
6 7 8 9
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12 13
URKUNDENREGESTEN III, Nr. 17, 18; vgl. REDLICH, Rudolf von Habsburg, S. 432 f.;
inwieweit die nur als Formulare überlieferten Mandate gegen fremde Zölle für die Rheinlande ausgestellt wurden (URKUNDENREGESTEN III, Nr. 6, 36), ist nicht zu entscheiden. Zumindest sind aus den rheinischen Archiven keine entsprechenden Exemplare bekannt. LAC. II, Nr. 636 - REK III.2, Nr. 2525; vgl. unten S. 578 f. RI VI.l, Nr. 12. Der Valkenburger war vermutlich ca. 1220 geboren, vgl. Erich WLSPLINGHOFF, Engelbert II. von Valkenburg, Erzbischof von Köln (seit 1261), in: NDB IV, S. 509. Engelbert starb am 20. Oktober 1274. Siegfried von Westerburg wurde zwar schon am 15. November in zwiespältiger Wahl gewählt, aber von Papst Gregor X. erst am 3. April 1275 konsekriert. Vgl. ERKENS, Siegfried von Westerburg, S. 57-60. Vgl. ERKENS, Siegfried von Westerburg, S. 150 f.; die Bemerkung des Papstes, daß dies während der Thronvakanz geschehen sei (statu imperii fluctuante, REK III.2, Nr. 2623), beruht offensichtlich auf der Verwechslung mit der Sedisvakanz auf dem Kölner Erzstuhl; denn während der Thronvakanz lebte noch Erzbischof Engelbert und das Domkapitel hatte kaum Zugriff auf die Burg. Am 13. September 1275 forderte er den Erzbischof auf, das Domkapitel zur Herausgabe von Kaiserswerth zu bewegen (REK III.2, Nr. 2623); ein entsprechendes (undatiertes) Mandat Gregors X. an die Kanoniker erging wohl gleichzeitig (vgl. ebd.). MGH Const. III, Nr. 104 Art. 2. MGH Const. III, Nr. 104 - REK III.2, Nr. 2463; vgl. zur Einordnung in die politische Situation ERKENS, Siegfried von Westerburg, S. 154 f.
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D. Herrscherliche
Zollpolitik
vom 10. Jahrhundert bis ca. 1325
Burg bis zu Siegfrieds Tod kölnisches Offenhaus und sollte auch danach nicht an Feinde des Erzstifts vergeben werden. Dagegen behielt sich Rudolf die Kaiserswerther Einkünfte, d. h. inbesondere die Rheinzollerträge, ausdrücklich vor. Deren Verwaltung sollte ein vom Papst als Pfandinhaber bzw. ein von ihm selbst einzusetzender scriptor übernehmen. Siegfried verzichtete für sich und das Domkapitel auf alle Schulden Rudolfs bei der Kölner Kirche sowie auf die Erstattung der dem ehemaligen Burggrafen Gernand wegen Kaiserswerth gezahlten Gelder 14 . Die Ausgestaltung der Vereinbarung läßt eine klare Linie erkennen: Zwar gestand der Habsburger dem Kölner Erzbischof gewissermaßen die territorialpolitische Verwendung von Kaiserswerth zu, die für das Reich ohnehin nur noch von untergeordneter Bedeutung war; Rudolf achtete aber sorgsam darauf, die um so wichtigere fiskalische Nutzung durch eigene (bzw. päpstliche) Vertrauenspersonen zu sichern und eventuelle Ansprüche des Erzstifts auf den Zoll, die aus königlichen Schulden bzw. aus für Kaiserswerth aufgewendeten Zahlungen abgeleitet werden konnten, so weit wie möglich auszuschließen. Wie sich zeigen sollte, hielt dieses fragile Gleichgewicht allerdings nur solange, wie es vom Erzbischof respektiert wurde. Rudolf von Habsburg hat die ersten Ansätze zu einer auf Landfriedenswahrung gestützten Zollpolitik in den Rheinlanden nach 1273 wegen der Auseinandersetzungen mit dem Böhmenkönig Ottokar II. zunächst nicht weiterführen können; daß er den Rhein als wirtschaftliches und durch die vier wichtigsten Wahlfürsten auch verfassungsrechtliches Machtzentrum des Reiches nicht aus den Augen verloren hatte, wurde seit dem Sommer 1277 deutlich. Rudolf wußte zu verhindern, daß eine vom Mainzer Erzbischof Werner von Eppstein ausgehende Initiative zu einem von den drei geistlichen Wahlfürsten dominierten Regionallandfrieden führte, wobei offenbar Gerüchte über eine Verschwörung gegen den Habsburger eine Rolle spielten15. Ohne daß der König selbst direkt in Erscheinung treten mußte, schlössen seine Parteigänger, Pfalzgraf Ludwig sowie die Grafen Albert von Hohenberg, Eberhard von Katzenelnbogen und Friedrich von Leiningen mit 17 Städten von Basel bis Boppard, am 24. Juni 1278 im elsässischen Hagenau einen zweijährigen Landfrieden 16 . Man verband sich gegen alle Friedensbrecher, insbesondere zu gemeinsamen Maßnahmen contra
omnes,
qui thelonia
inconsueta
et iniusta
super
alveum
Reni
recipere
volunt.
Zur Finanzierung des Landfriedens - hier griff man offensichtlich auf ein schon 1265 erprobtes Verfahren zurück - wurden zwei nach gemeinsamen Beratungen tarifierte Rheinzölle in Mainz bzw. Boppard eingerichtet, die von Geistlichen wie Weltlichen zu entrichten waren. Wem der Hagenauer Bund nutzte, zeigt schon die große Zahl der beteiligten Städte, unter ihnen eine ganze Reihe, die ihre Handelsinteressen schon im Rheinischen Bund und im Wormser Landfrieden besonders aktiv vertreten hatten. Gegen wen der Landfrieden gerichtet war, ist allerdings nicht auf den ersten
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Vgl. zu den Aufwendungen Engelberts von Valkenburg REK III.2, Nr. 2463, 2464 und unten S. 578. Vgl. GERLICH, Landfriedenspolitik, S. 59 ff.; REDLICH, Rudolf von Habsburg, S. 434 f. M G H Const. III, Nr. 157; vgl. dazu ausführlich GERLICH, Landfriedenspolitik, S. 61 ff.
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Blick zu erkennen. Von den rheinischen Erzbischöfen, die aufgrund der politischen Gesamtlage zunächst am ehesten in Frage kämen, hat in dieser Zeit nur der Kölner deutliche Anstrengungen zum Ausbau seiner Rheinzölle unternommen, wobei allerdings, wie die spätere Entwicklung zeigt, Andernach und Bonn schon zu weit nördlich lagen, um durch den Bund erfaßt zu werden. Die Metropoliten von Mainz und Trier entfalteten keine nachweisbaren Aktivitäten, was ganz auf der Linie ihrer bisherigen Zollpolitik lag. Wenngleich der Hagenauer Landfrieden als solcher dem König in der politischen Situation von 1277/1278 zur Kontrolle der rheinischen Erzbischöfe, insbesondere des Mainzers, diente, läßt sich die zollpolitische Stoßrichtung des Bundes aus diesem Dualismus nicht hinreichend erklären; denn weder mainzische noch trierische Rheinzölle waren ein Problem. Ein solches scheint man vielmehr woanders gesehen zu haben. Da nämlich im April 1278 Dietrich von Hohenfels als Inhaber eines Rheinzolls auftrat 17 und 1280 bei den Gemeinern der Schönburg (bei Oberwesel) konkrete Pläne zur Errichtung eines Rheinzolls bestanden 18 , ist durchaus wahrscheinlich, daß vor allem aus der Reichsministerialität - bzw. den Adelskreisen, die durch den Wormser Landfrieden von der Rheinzollerhebung ausgeschlossen worden waren - kommende Versuche, wieder an der fiskalischen Abschöpfung des Rheinhandels zu partizipieren, frühzeitig verhindert werden sollten. Daß es im Unterschied zu 1269 weniger um die Abstellung als um die Verhinderung neuer Zölle ging, daß der Hagenauer Landfrieden eher Prävention als Revision bezweckte, wurde zudem in der oben zitierten Bündnisurkunde klar formuliert: Der Bund richtete sich gegen alle, die unrechte Rheinzölle erheben wollten. Die Wirksamkeit der Abschreckung läßt sich naturgemäß nur negativ nachweisen. Zumindest dem Hohenfelser gelang die Wiederetablierung als Rheinzollinhaber nicht. Seine Zollburg Reichenstein wurde 1282 durch König Rudolf zerstört 19 . Auch die Schönburger Zollpläne wurden nicht realisiert20. Wenn der Hagenauer Landfrieden damit in erster Linie die >Verlierer< des Wormser Landfriedens von einer Wiederetablierung als Rheinzollinhaber abhalten sollte, erscheint die Rolle des Mainzer Erzbischofs in einem besonderen Licht. Gerade er war es ja gewesen, der 1269/1270 im Verbund mit den Städten seines Einflußbereichs massiv und nachhaltig die Rheinzollstruktur oberhalb von Koblenz verändert hatte. Die Mainzer Initiative im Sommer 1277 mußte den König daher - über die generelle
IV, Nr. 5 1 0 .
17
MRR
18
ROSSEL, U B E b e r b a c h , N r . 4 6 7 .
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RI VI.l, Nr. 1696a. Die leider nur schlecht überlieferte Falkensteiner Erbteilung von 1275 (SAUER, Codex Nassau 1.2, Nr. 889) läßt erkennen, daß Pläne zu einer Wiedererrichtung des Kauber Zolls bestanden, doch sind sie nicht realisiert worden. Kaub wurde, ohne daß ein Zoll dort bezeugt ist, 1277 an Pfalzgraf Ludwig verkauft (SAUER, Codex Nassau 1.2, Nr. 921). Ob der Fürst Kaub auch in der Absicht erwarb, den Rheinzoll zu reaktivieren, und durch die Einbindung in den Hagenauer Landfrieden daran gehindert wurde, ist nicht zu entscheiden. Vgl. dazu auch oben S. 302 f., unten S. 651.
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Brisanz, die Landfriedensabkommen unter Beteiligung der Wahlfürsten ohnehin schon hatten 21 - konkret befürchten lassen, daß Werner von Eppstein seine Stellung als beherrschende (zoll-)politische Ordnungsmacht an Mittel- und Oberrhein erneuerte, und zwar in einem Bereich, in dem er sich der Unterstützung der Städte, unabhängig von deren herrschaftlicher Zugehörigkeit, sicher sein konnte. Wesentliche Unterschiede zwischen dem, was der Mainzer anregte, und dem Programm des Hagenauer Landfriedens dürften kaum bestanden haben. Der entscheidende zollpolitische Erfolg aus königlicher Sicht lag vielmehr darin, zum ersten Mal seit dem Ende der Staufer überhaupt eine Regulierung der Zölle an Mittel- und Oberrhein ohne den Erzbischof zustande gebracht zu haben - ein Aspekt, der in der Literatur bislang wohl zu wenig berücksichtigt wurde 22 . Daß man beide Landfriedenszölle mit Mainz und Boppard an den (unteren) Mittelrhein legte, war sicher in erster Linie durch den zu erwartenden Zollertrag bestimmt und grenzte zugleich das Aktionsfeld des Landfriedens näher ein; bei der Wahl der Zollstätten dürfte aber zumindest die Abgabenerhebung in Mainz auch symbolischen Charakter gehabt haben. Sinnfälliger als mit einem Zoll in der Bischofsstadt konnte, zumal vor dem Hintergrund der vorangegangenen Jahrzehnte, ein vom Mainzer Erzstift unabhängiger zollpolitischer Ordnungsanspruch des Königs nicht demonstriert werden. Nicht zuletzt kam der Zoll auch den Emanzipationsbestrebungen der Mainzer Bürger gegenüber ihrem Stadtherrn entgegen 23 . Boppard mit dem Reichszoll hatte der Habsburger schon im Januar 1278 dem in Wien anwesenden Grafen Wilhelm IV. von Jülich verpfändet, einer seiner wichtigsten Stützen im niederrheinischen Raum 24 . Auch dies war ein klares Signal zur Behauptung der königlichen Position in den Rheinlanden, und zwar sowohl an den Kölner, dessen härtester Gegner Wilhelm war, wie auch an den Mainzer Erzbischof, der 1273 noch selbst den Bopparder Zoll als Pfand erhalten hatte. Die vom Mittel- und Oberrhein ausgehenden Landfriedensinitiativen von 1277/1278 blieben nicht ohne Wirkung auf den niederrheinischen Raum. Am 28. August 1279 schloß Siegfried von Westerburg mit Herzog Johann I. von Brabant sowie den Grafen Reinald I. von Geldern und Dietrich VI. von Kleve einen bis zum 24. Juni 1283 gültigen Landfriedensbund zur Sicherung von Handel und Verkehr im
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Vgl. GERLICH, Landfriedenspolitik, S. 59. Obgleich etwa GERLICH, Landfriedenspolitik, S. 59 ff., durchaus die zollpolitische Tradition des Mainzer Erzbischofs erkennt und die Programmatik des Hagenauer Landfriedens eindeutig zollpolitischer Natur war, sieht er in der Zollpolitik lediglich einen Ausgangspunkt für die Motivierung des Bundes. Für entscheidend hält er vielmehr dessen materielle Rechtsgrundlage: Reichsrecht statt territorialgebundener consuetudo (S. 63). Vgl. GERLICH, Landfriedenspolitik, S. 62. MGH Const. III, Nr. 181; vgl. KRAUS, Jülich, S. 137, und ERKENS, Siegfried von Westerburg, S. 162. Die Realisierung der Verpfändung ist fraglich, da Wilhelm bereits am 16. März in Aachen fiel (vgl. zu den Hintergründen KRAUS, Jülich, S. 137-148) und seine Grafschaft in eine schwere Krise geriet, von der sie sich erst nach Jahren erholte.
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Gebiet zwischen Rhein und Dender 25 . Raub und Schädigungen jeder Art zu Wasser und zu Land sowie Falschmünzerei sollten zuerst vom nächstgelegenen Bündnispartner, auf dessen Anforderung hin auch in gemeinsamen Aktionen bekämpft werden. Die Kaufleute sollten auf Rhein und Maas und den seit altersher üblichen Straßen und Wegen verkehren. Zur größeren Beachtung des Landfriedens und zum Vorteil der Händler verzichtete der Kölner Erzbischof auf seine Geleitabgaben zu Worringen, Uerdingen und Rheinberg, der Graf von Kleve gleichermaßen auf seinen denarius conductus zu Orsoy, und der Graf von Geldern sollte sich mit seinem theloneum iustum (in Lobith) begnügen. Gemeinsam verlangten die vier Vertragspartner vom Herzog (Walram IV.) von Limburg, seinen unrechten Duisburger Zoll gänzlich niederzulegen. Heinrich von Lek sollte am Zoll Schmithausen nicht mehr erheben, als ihm rechtmäßig zustünde. Geistliche und weltliche Landesherren, Edle, Städte und >Stadtrechtsorte< (aliqua civitas aut bona villa)26 zwischen Rhein und Dender wurden zum Beitritt aufgefordert. Die Aufnahme neuer Mitglieder erforderte allerdings die Einstimmigkeit der vier Verbündeten; insbesondere Köln und Aachen sollten erst nach einer Aussöhnung mit den Grafen beitreten können. Alle Vereinbarungen galten vorbehaltlich der Rechte des Reiches, quod speramus per huiusmodi ordinationem debere recipere incrementum, commodum et honorem. Als Verkünder des Landfriedens waren die beiden Fürsten offensichtlich seine Initiatoren, während den Grafen, wie Erkens treffend bemerkt hat, eher die Rolle von Juniorpartnern zukam 27 . Die vielschichtige Interessenlage der Verbündeten kann hier nur grob umrissen werden 28 . Zunächst war allen Beteiligten nach den kriegerischen Auseinandersetzungen des vorangegangenen Jahres um die Grafschaft Jülich29 an einer förmlichen Wiederaufrichtung des Friedens am Niederrhein gelegen. Der Erzbischof und der Brabanter konnten ihre aus dem kölnisch-rheinischen bzw. niederlothringischen Dukat hergeleiteten Ansprüche auf territorialübergreifende Friedenswahrung und die darin enthaltenen Herrschaftsrechte beleben. Die Grafen waren daran interessiert, die Position ihrer Länder in diesem flächenhaft beschriebenen, landrechtlich strukturierten Großraum anerkannt zu wissen. Das alles erklärt aber nicht einmal die Aufnahme der Zollbestimmungen hinreichend, ganz abgesehen von ihrer konkreten Ausgestaltung. Zwei Bereiche lassen sich deutlich voneinander abgrenzen. Neben der Selbstverpflichtung der Bündnispartner auf Reduzierung bzw. Abschaffung bestimmter Zölle stand die Forderung an namentlich genannte, am Landfrieden nicht
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UB Duisburg I, Nr. 92 - REK III.2, Nr. 2812. ERKENS, Siegfried von Westerburg, S. 121, übersetzt bona villa mit »Dorf«, was kaum dem Sinn entspricht. Vielmehr dürfte dieser in den Rheinlanden sonst nicht übliche Begriff nach der romanischen Stadtbezeichnung bonne ville gebildet sein. Vgl. ERKENS, Siegfried von Westerburg, S. 121 f.; ähnlich bereits KASTNER, Territorialpolitik, S. 53 f. Vgl. GERLICH, Landfriedenspolitik, S. 65; ERKENS, Siegfried von Westerburg, S. 121 f. Vgl. dazu KRAUS, Jülich, S. 149-154; ERKENS, Siegfried von Westerburg, S. 104 ff.
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beteiligte Rheinzollinhaber, ihre Abgabenerhöhungen rückgängig zu machen. Sanktionen wurden zwar nicht direkt angedroht, konnten jedoch aus dem gegenseitigen Hilfsversprechen gegen alle Schädiger von Handel und Verkehr abgeleitet werden. Der Umfang der Maßnahmen war insgesamt durchaus beachtlich. Offensichtlich sollte am Niederrhein in Zahl und Verteilung der Flußzölle der Status quo ante von ca. 1240 wiederhergestellt werden. Daß der Kölner Erzbischof dabei die größten Opfer brachte, war sachlich gerechtfertigt; denn alle drei Geleitgelder, die sich von regulären Rheinzöllen kaum allzu stark unterschieden haben dürften 30 , waren von ihm selbst aufgelegt worden. Die Verzichtleistung ist deshalb nicht weniger bemerkenswert, zumal sie ein klarer Bruch in seiner während der gesamten Amtszeit verfolgten zollpolitischen Grundlinie einer energischen Erweiterung des erzstiftischen Zollbesitzes war31. Diese trotz ihrer vorgeblichen Motivation (ad maiorem pacis observantiam et mercatorum favorem) keineswegs selbstverständliche, jedoch in der Literatur kaum diskutierte Konzessionsbereitschaft des Westerburgers ist allein aus den niederrheinischen Verhältnissen nicht zu erklären. Siegfried dürfte nämlich die Entwicklung an Mittel- und Oberrhein, die in den Hagenauer Landfrieden gemündet hatte, als Warnsignal verstanden haben. Eine entsprechende Konstellation, wie sie Werner von Eppstein hinnehmen mußte, konnte Siegfried schon deshalb kaum wünschen, weil er durch einen forcierten Zollausbau sehr viel angreifbarer war als sein Mainzer Amtsbruder, der zwar als zollpolitische Ordnungsmacht neutralisiert wurde, aber keinen nennenswerten eigenen Zollbesitz am Rhein hatte. Und es verdichteten sich die Anzeichen, daß der König, zu dem sich Siegfrieds Verhältnis seit Ende 1277 deutlich verschlechtert hatte 32 , auch in den nördlichen Rheinlanden tätig werden wollte. Zwar fehlte dem Herrscher nach dem Tod Graf Wihelms IV. von Jülich am 16. März 127833 eine seiner wichtigsten Stützen am Niederrhein - das gewaltsame Ende des Jülichers kam dem Westerburger so gelegen, daß man kolportierte, er habe seine Hand dabei im Spiel gehabt 34 . Dafür veranlaßte Rudolf nun aber den Herzog von Brabant zum Eingreifen in die Auseinandersetzungen um die vom Erzbischof besetzte Grafschaft Jülich35 und
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Dies ist anzunehmen, weil sie nicht neben regulären Rheinzöllen erhoben wurden, sondern diese ersetzten. Vgl. unten S. 582 f. Vgl. ERKENS, Siegfried von Westerburg, S. 160 ff. Der Graf wurde in Aachen erschlagen, als er für Rudolf eine Sondersteuer zur Finanzierung des Kriegs gegen den Böhmenkönig erheben sollte. Vgl. KRAUS, Jülich, S. 137-149, der die bis in die jüngere Literatur anzutreffende Annahme überzeugend widerlegt, daß der Graf die Stadt im Handstreich erobern wollte. Vgl. KRAUS, Jülich, S. 149; ERKENS, Siegfried von Westerburg, S. 104 f. Vgl. zu den möglichen Hintergründen ausführlich KRAUS, Jülich, S. 153 f.; ERKENS, Siegfried von Westerburg, S. 119, hält dagegen einen Auftrag des Königs für unwahrscheinlich, ohne aber die entsprechenden chronikalischen Nachrichten zu diskutieren.
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Karte 10: Zölle an Rhein, Mosel und Saar um 1279
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intensivierte seine Verbindungen zu Graf Dietrich VI. von Kleve, den er am 24. Mai 1279 zu seinem Rat ernannte und dem er Hilfe gegen jedermann versprach 36 . Selbst als der Habsburger sein nach dem Tod des Jülichers angekündigtes persönliches Erscheinen zunächst nicht wahr machte, dürfte sich aus Sicht des Erzbischofs die Lage nicht wesentlich entspannt haben. Er mußte durchaus befürchten, daß der König einen programmatisch ähnlich wie den Hagenauer Bund gestalteten Landfrieden niederrheinischer Herren, den strukturbedingten Gegnern des Kölner Erzstifts, zustandebrachte und - ganz abgesehen von einer Ausnutzung territorialpolitischer Spannungen - das weithin konsensfähige zollpolitische Instrumentarium der Reichsgewalt gegen ihn einsetzte. Aus einer solchen >Bedrohungslage< ist erst nachvollziehbar, warum dem Westerburger so viel daran gelegen war, mit seinen potentiellen Gegnern einen Landfrieden - den ersten in diesem Raum seit 1259 aufzurichten 37 . Der Erzbischof mußte dabei alles aufgeben, was er in den letzten Jahren am Niederrhein an neuen (Geleit-)Zollstätten aufgebaut hatte. Immerhin erneuerte er aber die zollpolitische Ordnungsfunktion des ducatus Coloniensis bis nach Lobith an die Spitze des Rheindeltas, wo zuletzt sein großer Vorgänger Engelbert I. in den 1220er Jahren Zollpolitik betrieben hatte 38 . Über diese politischen Hintergründe der Genese ist jedoch nicht zu vernachlässigen, daß der Landfrieden als solcher ein bemerkenswertes Gesamtkonzept zur Förderung der Wirtschaftsbeziehungen zwischen den nördlichen Rheinlanden und dem brabantischen Raum erkennen läßt. Flankiert von münzpolitischen Maßnahmen wurden Handel und Verkehr großräumig gesichert, und zugleich wurde die Transitabgabenbelastung erheblich gesenkt. Auf wen diese Vorstellungen zurückgehen, geht aus dem Text zwar nicht direkt hervor, aber ihr Ursprung dürfte vor allem im Umfeld des Brabanter Herzogs zu suchen sein. Johann I. hatte nicht nur die stärkste Position unter den Verbündeten - als einziger Zollinhaber im Landfriedensgebiet hatte er keine fiskalischen Einbußen hinzunehmen - , er verstand es auch sonst, die Interessen seiner Händler aktiv zu vertreten. Dies galt im einzelnen 39 wie in den Grundlinien seiner Politik; bezeichnenderweise bewegte sich die Expansion des Herzogtums nach Osten entlang der Handelswege der brabantischen Kaufleute zum Rhein 40 .
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D i e Urkunde ist gedruckt bei REDLICH, Rudolf von Habsburg, S. 759; vgl. dazu KASTNER, Territorialpolitik, S. 59 f. Tendenziell hat dies bereits GERLICH, Landfriedenspolitik, S. 65 f., erkannt: »Es sind die großen Fürsten des niederrheinisch-niederlothringischen Raumes, die sich . . . zusammenfanden, um dem Königtum keinen Ansatz zu Impulsen zu bieten, wie sie in den Regionen an Mittel- und Oberrhein noch lange wirksam waren.« Vgl. unten S. 571 f. So noch drei Wochen vor dem Abschluß des Landfriedens gegenüber dem Grafen von Kleve (SLOET, OGZ, Nr. 1003). Vgl. ERKENS, Siegfried von Westerburg, S. 122.
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Bei der Verkündung des Landfriedens zwischen Rhein und Dender hatte man die Rechte des Reiches in allen Punkten ausgenommen, ein Vorbehalt, über dessen weitgehend formalen Charakter man sich in der Forschung einig ist41. Aus Sicht der Bündnispartner mag dies so gewesen sein, aber wie sich bald zeigte, war der König nicht bereit, seine zollpolitischen Rechte zugunsten des Kölner Erzstifts als der wichtigsten Macht dieser »königsoffenen« Landschaft 42 zurückzustellen. Dies galt sowohl für regulierende Eingriffe in die rheinische Zollstruktur, legitimiert durch die zentrale königliche Aufgabe der Friedenswahrung, als auch für die Rückgewinnung des vom Kölner Erzbischof zumindest in Teilen usurpierten Reichszolls Kaiserswerth. In einem vermutlich in der ersten Hälfte des Jahres 1281 entstandenen und an rheinische Große und Städte gerichteten, nur als Formular überlieferten Schreiben kündigte der König sein Eingreifen in diesem Raum an; denn ständig werde am Rhein der Landfrieden verletzt, dem Land Schaden zugefügt und die königliche Ehre schwer geschädigt43. Wie sich aus seinen weiteren Ausführungen ergibt, meinte Rudolf damit insbesondere die Erhebung von iniqua thelonia que rapine seu spolia veriori nomine nuncupantur in subversionem pacis et patrie et transeuntium dispendium. Er forderte den (nicht genannten) Adressaten bei dessen Treue und dem zu Köln auf den Landfrieden geleisteten Eid 44 auf, zusammen mit den Städten und übrigen Getreuen des Reiches jede Unterstützung zu gewähren, um diese Zustände abzustellen. In Kürze werde er selbst an den Rhein kommen und sich persönlich um den Frieden kümmern. Der König mußte dabei keinen Namen nennen; denn es konnten keine Zweifel darüber bestehen, daß Siegfried von Westerburg gemeint war. Die zunehmenden Spannungen zwischen König und Erzbischof und dessen weitgehend wirkungslose Versuche, durch Bündnisse mit dem Trierer Erzbischof Heinrich von Finstingen und Herzog Heinrich von Bayern ein Gegengewicht zum Habsburger aufzubauen, brauchen hier nicht weiter verfolgt zu werden 45 . Entscheidend wurde vielmehr, daß es dem König 1281/1282 gelang, nahezu alle Großen der Rheinlande und Westfalens - den Herzog von Lothringen, den Landgrafen von Hessen, die Grafen von Holland, Geldern, Kleve, Luxemburg, Berg, Looz und Jülich, die
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Vgl. GERLICH, Landfriedenspolitik, S. 66; ERKENS, Siegfried von Westerburg, S. 122. Vgl. zu den Kategorien »königsnahe« bzw. »königsoffene« Landschaft MORAW, Franken, bes. S. 124 ff. (dort auch zur Einordnung des Niederrheins) und DERS., Landesgeschichte, S. 184; ausführlich SCHUBERT, König und Reich, S. 66-83 (zum Niederrhein S. 72 ff.). URKUNDENREGESTEN III, Nr. 236. Nicht berücksichtigt ist in dieser Edition das im Stadtarchiv Speyer erhaltene undatierte Exemplar (MGH Const. IV, Nr. 133, das dort allerdings auf Albrecht I. bezogen wird). Rudolf meinte damit offenbar den Landfrieden, den er in den ersten Tagen seiner Regierung zusammen mit den Wahlfürsten gegen unrechte Rheinzölle errichtet hatte (RI VI.l, Nr. 11,118; vgl. REDLICH, Rudolf von Habsburg, S. 433). Nur darauf kann sich die Eidesleistung in Köln beziehen. Vgl. dazu ERKENS, Siegfried von Westerburg, S. 166 f.
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Edelherren von Heinsberg, Valkenburg, Westerburg-Runkel 46 , Hanau und Greifenstein, die Bischöfe von Osnabrück und Paderborn, die Grafen von der Mark, von Waldeck und von Eberstein, die Herren von der Lippe, von Itter und Bischofshausen und noch eine ganze Reihe anderer, namentlich nicht genannter Helfer - gegen den Kölner Erzbischof aufzubieten und damit dessen wohl schlimmsten >cauchemar des coalitions< Wirklichkeit werden zu lassen47. Die Teilnahme der Grafen von Kleve und Geldern zeigt überdies, daß der niederrheinische Landfrieden von 1279 bereits zerbrochen war, allein Herzog Johann I. von Brabant stellte sich nicht gegen seinen früheren Kölner Bündnispartner. Auch die Stadt Köln, zu der Siegfried bis weit in die achtziger Jahre ein unproblematisches Verhältnis pflegte 48 , ließ sich nicht gegen den Erzbischof einspannen, was wohl nicht zuletzt damit zu erklären ist, daß ihre Händler von den neuen Zöllen weitgehend verschont geblieben waren 49 . Auf diese Weise fast vollständig eingekreist und zudem durch ein königliches Heer bedroht, das im April 1282 am Oberrhein aufgestellt wurde 50 , mußte sich Siegfried zu einer Sühne mit Rudolf verständigen, die durch den Mainzer Erzbischof Werner von Eppstein, den Baseler Bischof Heinrich von Isny und mehrere Kölner Prälaten ausgehandelt und am 26. Juli 1282 beurkundet wurde 51 . Der Kölner Erzbischof hatte die Burg Kaiserswerth mit allem Zubehör herauszugeben; die unrechten Land- und Flußzölle, insbesondere bei Andernach und Bonn, waren vollständig abzustellen. Über die Rückzahlung der dort erhobenen Zollabgaben sollte eine Kommission unter Leitung Bischof Heinrichs von Basel und Graf Eberhards von Katzenelnbogen entscheiden. Die rechtmäßigen Landzölle und der (Fluß-)Zoll, den die Kölner Kirche seit altersher zu Recht besaß - gemeint war der Neusser Rheinzoll-, sollte der Erzbischof aber auch in Zukunft erheben dürfen. Die weiteren Punkte betrafen die Verpflichtung des Kölners zur Aussöhnung mit den oben aufgeführten königlichen Helfern, die Vogtei Essen, über die ein Schiedsgremium zu entscheiden hatte, die Auslieferung aller gegenseitig ausgestellten Urkunden und die Festlegung eines Verfahrens, wie Siegfried dem König persönlich Buße zu leisten hatte 52 . Bereits am folgenden Tag entschieden Bischof Heinrich und Graf Eberhard, die mehrere Mainzer Bürger zur Entscheidungsfindung hinzugezogen hatten, daß der Kölner Erzbischof die in Andernach und Bonn erhobenen Zollgelder nicht zurückzahlen müsse53. Der König bekundete, daß er den Metropoliten wieder in Gnaden
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Ein Vetter des Erzbischofs, vgl. ERKENS, Siegfried von Westerburg, S. 168 Anm. 125. Zur Liste der königlichen Helfer vgl. die Sühne vom 26. Juli 1282, MGH Const. III, Nr. 333.
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Vgl. ERKENS, Siegfried von Westerburg, S. 65-70.
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Vgl. dazu unten S. 585. Vgl. ERKENS, Siegfried von Westerburg, S. 167. MGH Const. III, Nr. 333 - REK III.2, Nr. 2947. Vgl. dazu im einzelnen ERKENS, Siegfried von Westerburg, S. 169 ff. ENNEN, Quellen III, Nr. 223 - REK III.2, Nr. 2948.
V. Rudolf von Habsburg
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aufgenommen habe und ihn mit seiner Kirche in allen Rechten, Freiheiten und Ehren schützen wolle54. Für Rudolf war der in Oppenheim erreichte Ausgleich ein wichtiger Schritt beim Aufbau der habsburgischen Hausmacht; denn Siegfried gab am 27. Juli als erster der Wahlfürsten seinen Willebrief zur Belehnung der Königssöhne mit einem beliebigen Fürstentum 55 . Die Sühne war aber auch in mehrfacher Hinsicht ein bedeutender zollpolitischer Erfolg des Habsburgers. Die Wiedergewinnung von Kaiserswerth, für die der König eigens Sentenzen des Hofgerichts erwirkt hatte, um selbst kölnische Lehnsleute gegen den Erzbischof einsetzen zu können 56 , signalisierte nicht nur eindrucksvoll, daß derartige Usurpationen nicht geduldet wurden 57 . Sie war vor allem auch von erheblichem Nutzen für die Reichsfinanzen. Der Erzbischof, dem nach der Vereinbarung von 1276 lediglich Offenhausrechte an der Burg und eine Jahresrente von 300 Mark aus dem Zoll zustanden 58 , hatte sich offenbar seit 1279/1280 die Einkünfte der Burg und des (ganzen?) Rheinzolls angeeignet bzw. diesen mit eigenen Verschreibungen belastet 59 . Nun entfiel die Jahresrente, und mit der Auslieferung der Burg endete auch die Möglichkeit des Erzbischofs, auf die Zolleinkünfte zuzugreifen. Rudolf sicherte dies ab, indem er in der Folgezeit mit den Grafen von Sayn bzw. Sponheim(-Starkenburg) nur verläßliche Parteigänger als königliche Burggrafen einsetzte, die einerseits stark genug waren, um nicht in Abhängigkeit des Erzbischofs zu geraten, andererseits am Niederrhein aber selbst keine territorialen Interessen hatten 60 . Ein mindestens ebenso wichtiger Erfolg des Königs war die erzwungene Abstellung der Rheinzölle in Andernach und Bonn; denn es ging dabei um mehr als um die Niederlegung zweier beliebiger illegitimer Hebestellen am Rhein. Beide Zölle wur-
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MGH Const. III, Nr. 334 - REK III.2, Nr. 2949. MGH Const. III, Nr. 340 - REK III.2, Nr. 2950. Gemeint waren die revindizierten österreichischen Herzogtümer. Auffällig ist allerdings, daß der Kölner Willebrief explizit nicht für die Erbfolge im Reich galt. Vgl. ERKENS, Siegfried von Westerburg, S. 172 f.
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URKUNDENREGESTEN III, N r . 3 7 7 .
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Vgl. zum Widerhall in der zeitgenössischen Chronistik REK III.2, Nr. 2947. MGH Const. III, Nr. 104 - REK III.2, Nr. 2643. Am 1. April 1279 versprach er Graf Adolf von Berg die termingerechte Auszahlung eines Rentenlehens von 100 Mark aus Burg und Zoll (LAC. II, Nr. 712 - REK III.2, Nr. 2792). Während dies noch - sollte es sich um ein kölnisches Lehen gehandelt haben und nicht, was wahrscheinlicher ist, um ein Reichslehen des Grafen, dessen Auszahlung Siegfried verhindert hatte - durch Siegfrieds eigene Einkünfte gedeckt sein konnte, war die am 22. August 1280 für einen Neusser Bürger ausgestelle Verschreibung von 250 Mark auf ein Drittel von Zoll und Vorzoll (REK III.2, Nr. 2855) mit einiger Sicherheit nicht zulässig. Denn nach dem Vertrag von 1276 konnte der Erzbischof nur über den Zoll verfügen, wenn ihm seine Jahresrente von 300 Mark nicht pünktlich am 11. November ausgezahlt wurde, das aber auch nur so lange, bis der Rückstand getilgt war. Vgl. TROE, Münze, S. 163, mit Einzelnachweisen; zur Bewertung vgl. HELBACH, Reichsgut, S. 2 0 7 f.
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den zwar nördlich des im Hagenauer Landfrieden von 1278 erfaßten Stromabschnitts erhoben - durch ihre Lage zwischen den beiden wichtigsten rheinischen Handelsmetropolen Köln und Mainz gehörten sie aber zum selben Wirtschaftsraum wie große Teile des Landfriedensgebiets. Um so stärker mußten deshalb die Unterschiede in der Zollstruktur hervortreten. Während von Basel bis Boppard ein dem königlichen Einfluß unterworfener Landfrieden neue Zölle verhinderte, markierte der neue kölnische Zoll in Andernach schon durch seine bloße Existenz geradezu symbolisch den Beginn eines Stromabschnitts, an dem die Zollregeln des Königs offensichtlich nichts mehr galten. Hinzu kam, daß beide Hebestellen, jede für sich, schon früher als thelonea iniusta niedergelegt worden waren 61 und man ihre Reaktivierung durch den Kölner Erzbischof daher möglicherweise als besonders eklatanten Friedensverstoß interpretierte. Indem Rudolf die Abstellung der Zölle erzwang und das Kölner Erzstift auf einen einzigen Rheinzoll - in Neuss - beschränkte, war er der erste Herrscher seit Friedrich II., der wieder seine zollpolitischen Vorstellungen gegenüber einem Kölner Erzbischof durchsetzen konnte, wenngleich ihm dies bei weitem nicht so einfach wie dem Staufer gelang. Daß niederrheinische Hebestellen nicht im Oppenheimer Vertrag erwähnt wurden, war keine bewußte Beschränkung des Königs, sondern ergab sich allein daraus, daß der Westerburger die in diesem Raum neu errichteten Rheinzollabgaben schon im Landfrieden von 1279 hatte abstellen müssen. Da der König die zollpolitische Herausforderung durch den Kölner Erzbischof insgesamt auf ganzer Linie gemeistert hatte, konnte er sich im einzelnen Großzügigkeit leisten 62 . Rudolf verzichtete stillschweigend auf Erstattung der Einkünfte, die ihm in Kaiserswerth durch die Usurpationen des Erzbischofs verlorengegangen waren, und auch der Spruch der von den königlichen Beratern geleiteten Kommission, die Siegfried von der Rückzahlung der in Andernach und Bonn eingenommenen Zollgelder enthob, war mit Sicherheit nach Wunsch des Herrschers ausgefallen. Die gegen den Erzbischof gesammelten Truppen verwendete der König, um die von den Hohenfelsern offenbar seit einiger Zeit wieder als Zollburg genutzte Feste Reichenstein bei Trechtingshausen und deren Nebenburg Sooneck niederzulegen 63 . Das Eingreifen des Königs in den rheinischen Raum wurde 1281/1282 durch die etappenweise Errichtung gleichförmiger Landfrieden nach dem Vorbild des Reichslandfriedens von 1235 flankiert, auf dem vermutlich schon der erste, vor allem gegen unrechtmäßige Rheinzölle gerichtete Landfrieden Rudolfs vom Oktober 1273 basiert hatte 64 . Fast gleichlautend mit dem in Nürnberg am 25. Juli 1281 für Franken erlas-
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Andernach wurde vermutlich infolge des Mainzer Reichslandfriedens abgestellt, Bonn wohl, als Erzbischof Konrad dem Rheinischen Bund beitrat; vgl. oben S. 372 bzw. 391. Zu berücksichtigen ist dabei allerdings auch, daß der König den Kölner Willebrief benötigte. RI VI.l, Nr. 1695,1696. Vgl. REDLICH, Rudolf von Habsburg, S. 442; WITTE, Herrschaft, S. 89 f. Vgl. oben S. 406.
V. Rudolf von Habsburg
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senen Regelwerk wurde in Mainz am 14. Dezember 1281 der Landfrieden für die Rheinlande verkündet 65 . Es gelang dem König zunächst nur, den Mainzer Erzbischof Werner von Eppstein auf den Landfrieden zu verpflichten. Erst am 25. September 1282 leisteten in Boppard auch die Erzbischöfe von Köln und Trier sowie der Pfalzgraf und viele andere Große ihre Eide. Damit reichte die Kette der für Rudolfs Friedenswahrung charakteristischen regionalen Landfrieden, mit denen er seine Position gegenüber den landschaftlichen Kräften, vor allem den rheinischen Erzbischöfen, strukturell festigen und die Neuordnung der Machtverhältnisse absichern wollte, lückenlos vom Hoch- bis zum Niederrhein66. Vor dem Hintergrund der vorangegangenen Ereignisse lag in der flächendeckenden Erfassung des Rheingebiets ein unmißverständlicher zollpolitischer Regelungsanspruch des Königs. Dieser Anspruch wurde noch dadurch verstärkt, daß als Vorlage für alle Einzellandfrieden der Reichslandfrieden von 1235 diente, der die Regulierung des Zollwesens ganz auf den Herrscher ausrichtete. Wenn dabei der staufische Landfrieden (in seiner deutschen Fassung) wörtlich übernommen wurde, zeigt das zwar, daß man ihn als Gesetzeswerk erneuern wollte; daß deshalb aber auch alle darin enthaltenen Einzelmaßnahmen umgesetzt werden sollten, ist zumindest im Bereich der Zölle sehr fraglich. So kann etwa die 1235 vorgesehene Prüfung aller seit dem Tod Heinrichs VI. 1197 eingerichteten Zollstätten auf ihre Rechtmäßigkeit 1281/1282 kaum noch durchführbar gewesen sein. Erst der auf dem Würzburger Hoftag 1287 verabschiedete Landfrieden67, der erste in der Zeit Rudolfs von Habsburg, worin in Ablösung der regionalen Satzungen der reichsweite Geltungsanspruch der staufischen Zeit wiederaufgenommen wurde, paßte die Einzelartikel den geänderten Verhältnissen dahingehend an, daß der Tod Friedrichs II. zum Stichdatum für die Zulässigkeit von Zöllen wurde. Eine grundlegende Neufestsetzung war dies nicht, vielmehr wurde damit ein Maßstab fixiert, der implizit schon bei den vorangegangenen Regelungen gegen thelonea iniusta angelegt worden war, ohne daß man sich dies allzu schematisch vorstellen darf. Insgesamt betrachtet kann die Zollpolitik König Rudolfs in den Rheinlanden durchaus als erfolgreich gelten. Die direkte königliche Verfügung über die Reichszölle am Rhein, die seinem Vorgänger so weit entglitten war, daß Kaiserswerth schon auf schleichendem Weg verlorenzugehen drohte, hat er unanfechtbar wiederherstellen können. Daß Rudolf am Ende seiner Regierung schließlich auch diesen Zoll verpfändete 68 , wie schon Boppard 128269 und Duisburg 1288/129070, steht dazu
65
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MGH Const. III, Nr. 279, 280. Gleiches hatte der König wahrscheinlich bei den zwischenzeitlich in Konstanz, Zürich und Straßburg abgehaltenen Hoftagen getan (vgl. GERLICH, Landfriedenspolitik, S. 70). Vgl. die zusammenfassende Wertung bei GERLICH, Landfriedenspolitik, S. 84 f. MGH Const. III, Nr. 390. RI VI.l, Nr. 2475. DEMANDT, Reg. Katz. I, Nr. 262.
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nach dem differenzierten Bild, das die neuere Reichsgutforschung für die Rheinlande in dieser Zeit gezeichnet hat 71 , weit weniger im Widerspruch, als man zunächst annehmen könnte. Ohne die komplexe Diskussion aufzurollen, sei hier nur auf zwei Grundaspekte verwiesen, daß nämlich die mit einem Pfandgeschäft verbundenen politischen Vorteile für den König sehr viel höher sein konnten als die direkte eigene Nutzung, und daß Verpfändungen, die sich im nachhinein als dauerhaft herausstellten, dies keineswegs von Anfang an waren 72 . Unabhängig von der Bewertung der Pfandsetzungen ist unstrittig, daß auf Rudolf die Anfänge einer der wichtigsten Innovationen in der fiskalischen Nutzung des Rheinhandels durch das spätmittelalterliche Königtum zurückgehen, nämlich das System der Zollzuschläge. Hierbei wurde ein vorhandener Zoll zur Tilgung eines bestimmten Betrages oder auch für eine festgelegte Zeitspanne erhöht 73 . Dieses Verfahren war aber letztlich nur möglich, weil der Habsburger die Zollhoheit des Königs, die während des Interregnums zugunsten regionaler Gewalten mit hegemonialem Führungsanspruch, wie etwa des Mainzer oder des Kölner Erzbischofs, stark erodiert war, vor allem über die Erneuerung des Mainzer Reichslandfriedens von 1235 wieder durchgesetzt hatte 74 . Natürlich hing es entscheidend von der räumlichen Präsenz des Königtums ab, wie dem im einzelnen Geltung zu verschaffen war. Gleichwohl mußte etwa der Kölner Erzbischof, der 1287 mit der zweifellos nicht legitimen Wiedererhebung des Andernacher Zolls begann 75 , praktisch jederzeit damit rechnen, deswegen mit dem Königtum in Konflikt zu geraten bzw. diesem sonst nicht vorhandene Eingriffsmöglichkeiten zu eröffnen. Bezeichnend dafür ist sein Versuch, dem Zoll durch Adolf von Nassau eine zweifelsfreie Legitimation zu verschaffen.
70 71 72
73 74
Duisburg wechselte allerdings nur den Pfandinhaber vom Herzog von Limburg bzw. Grafen von Geldern zum Grafen von Kleve (vgl. HELBACH, Reichsgut, S. 207). Vgl. HELBACH, Reichsgut, passim. Selbst bei dem 1282 für die sehr hohe Summe von 12.000 Mark an den Grafen von Katzenelnbogen verpfändeten Bopparder Zoll (DEMANDT, Reg. Katz. I, Nr. 262) wurde bei einer Verschreibung, die der Graf 1288 darauf austeilte (DEMANDT, Reg. Katz. I, Nr. 304), der Fall der Wiedereinlösung vorgesehen. ENNEN, Quellen III, Nr. 216. TROE, Münze, S. 178 f., und nach ihm HEYEN, Boppard, S. 97, übersehen den Zuschlagcharakter. Daß der Raum an Rhein und Maas zollpolitisch insgesamt wieder deutlich stärker unter dem Einfluß des Königs stand, zeigen z. B. auch 1290 die Belehnung des Grafen von Kleve mit dem Büdericher Zoll und das auf dem Erfurter Hoftag mit Bezug auf die Lütticher Verhältnisse ergangene Hofgerichtsurteil, quod nullum telonium, pedagium seu vectigal in regno nostro, nisi de nostra vel eius qui Romanum pro tempore regeret imperium prodiret plena licencia et consensu esset exigendum (MGH Const. III, Nr. 422 URKUNDENREGESTEN III, N r . 5 7 7 ) .
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Zu diesem Schritt entschloß sich der Erzbischof erst, als er dringend Mittel zur Finanzierung seines Engagements im Limburger Erbfolgestreit benötigte, vgl. unten S. 587 ff.
V. Rudolf von
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Habsburg
Im Vergleich zu den deutlich hervortretenden machtpolitischen Aspekten in der rheinischen Zollpolitik des Habsburgers tut man sich schwer, wirtschaftspolitische Zielsetzungen zu erkennen, wie sie bei Richard von Cornwall andeutungsweise zu fassen sind76. Wenn Rudolf schädliche Auswirkungen unrechter Zölle auf das »gemeine Land« und insbesondere den Transitverkehr beklagte, meinte er offenbar nicht unerwünschte ökonomische Effekte. Vielmehr sah er darin vor allem einen Verstoß gegen den gerade von ihm als König zu wahrenden Frieden, einen Angriff auf seine herrscherliche Stellung77. Das Konzept dieses Friedens war grundsätzlich auf die Konservierung des Status quo der Zollerhebung angelegt. Andererseits wurde die Erhebung neuer Transitabgaben durchaus gerechtfertigt, wenn dem ein unmittelbarer Nutzen für das umliegende Land gegenübergestellt werden konnte, wie bei den Landfriedenszöllen von 127878. Der 1282 in Boppard eingerichtete Zollaufschlag zur Bezahlung der Sühne zwischen Köln und den Herren von Heppenheft läßt sich ebenfalls darin einordnen. Da die Fehde zum schweren Schaden für das Land geworden war und dieses durch den Frieden erheblich profitierte, entschied der König, daß die zur Bewahrung des Friedens notwendige Sühnesumme teilweise de bonis totius terrae aufzubringen war79. Allerdings ist nicht zu übersehen, daß hier schon die Grenzen von einer zweckgerichteten zu einer fiskalischen Rechtfertigung fließend waren, bei der die Erträge eines neuen Zolls dem König insgesamt zur Erfüllung seiner Aufgaben verhelfen sollten. Eine ähnlich mehrdeutige Auffassung ist erkennbar, als er 1290 dem Grafen von Kleve den Büdericher Zoll bestätigte und wohlmöglich auch erhöhte, ut eo melius mercatores seu negociatores sub suo securo conductu valeant a periculis malignantium defensare80. Daß die Zollpolitik Rudolfs von Habsburg in den Rheinlanden bestimmte volkswirtschaftliche Ziele verfolgte, wie sie bei seinem englischen Vorgänger zu fassen sind, daß etwa neue Transitabgaben vermieden werden sollten, um auf das Preisniveau für Handelswaren einzuwirken, ist dagegen weder nachzuweisen noch zu vermuten.
76
V g l . oben S. 401.
77
V g l . insbesondere URKUNDENREGESTEN III, Nr. 236 (dazu oben S. 415), ähnlich auch
78
V g l . etwa den im Hagenauer Landfrieden eingeforderten Beitrag des Landes:
Nr. 17,18, 36. Hoc
adiecto quod omnes sive religiosi sive securales in Reno descendentes et ascendentes de rebus suis, secundum quod taxavimus et statuimus communi Bobardiam ministrabunt,
summam proporcionaliter ut eo potencialiter
Consilio, apud Maguntiam
sue pecunie in subsidium
et liberaliter ipsos in corpore
et in defensionem
et rebus ac pacem
et
pacis
predictam
defensare valeamus, M G H Const. II, Nr. 157. 79
ENNEN, Quellen III, Nr. 216. Diese Begründung wurde so zwar nicht direkt formuliert, aber die Argumentationslinie ist unverkennbar.
80
SCHOLZ-BABISCH, Quellen, Nr. 46.
422 Karte 11: Flußzölle an Mittelrhein und Untermosel bis 1291 Belegzeitraum Hammerstein
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vor 1200
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1200- 1240
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1241 - 1269
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Andernach
1270-1291 möglicher Rheinzoll um 1250
Koblenz®;
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PHE//V ©Thurandt B o p p a r d ^ Sterrenberg
Oberwesel © Bacharach Fürstenberg ©
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Geisenheim Ingelheim Bingen
Entwurf: FRIEDRICH PFEIFFER
Kartographie: MARTIN LUTZ © 1997
VI.
Adolf von Nassau
Das Königtum des Grafen Adolf von Nassau1 (1292-1298) hatte für die Zollentwicklung in den Rheinlanden eine sehr viel höhere Bedeutung, als es seine nur sechsjährige Herrschaftsdauer zunächst erwarten läßt. Die ersten beiden Jahre waren dabei entscheidend. Sie zeigen, daß am Ende des 13. Jahrhunderts selbst ein Herrscher, dessen Machtmittel allgemein eher gering eingeschätzt werden und der zudem sehr weitreichende Wahlzusagen leisten mußte, erhebliche zollpolitische Gestaltungsmöglichkeiten besaß. Der Graf scheint zunächst nur der Kandidat des Kölner Erzbischofs Siegfried von Westerburg gewesen zu sein, der ihn ganz offensichtlich dazu benutzen wollte, sein nach der verlorenen Schlacht von Worringen (1288) stark geschwächtes Erzstift zu sanieren und eine neue Phase territorialer Expansion einzuleiten2. In Andernach ließ sich der Metropolit, der offenbar erst kurz zuvor in Verhandlungen mit dem Grafen eingetreten war, am 27. April 1292, also nur wenige Tage vor der für den 2. Mai 1292 angesetzten Kur, in einem eilig zusammengestellten Dokument umfangreiche Wahlzusagen verbriefen3. Diese waren in ihrer Gesamtheit wie in einzelnen Punkten so weitreichend, daß man sie als »Zumutungen« charakterisiert und in ihnen den »Geist ungehemmter politischer Erpressung« gesehen hat4. In der Tat waren auch die Zusagen, die Adolf im Bereich der Zölle abverlangt wurden - vorsichtig gesagt - sehr erheblich, und zwar bei den Reichszöllen ebenso wie bei den erzstiftischen thelonea. Da das Reich nicht gedeihen könne, wenn es nicht zuvor die Kölner Kirche wieder emporgehoben habe, so versprach Adolf, werde er für die Dauer seiner Königsherrschaft dem Erzbischof und seinen Nachfolgern die von den bisherigen Inhabern ausgelösten Burgen Cochem, Kaiserswerth, Landskron, Sinzig, Duisburg und Dortmund mit allen Rechten, Einkünften und Zöllen übertragen und davon nichts für sich selbst fordern, vorbehaltlich allein der freien Nutzung gegen seine und des Reiches Feinde. Der Erzbischof verlangte vom Thronkandidaten also nichts weniger, als den gesamten Ertrag der wichtigsten niederrheinischen Reichsgutkomplexe, darunter der Rheinzölle Kaiserswerth und Duisburg sowie des Cochemer Moselzolls, für die gesamte Dauer seiner Königsherrschaft preiszugeben. Denn da es sich nicht um eine Pfandschaft handelte, konnte Adolf diesen Zustand nicht durch Wiedereinlösung ändern. Selbst die indirekte Nutzung der Reichszollstätten durch Errichtung
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4
Vgl. dazu jetzt umfassend GERLICH, Adolf von Nassau. Vgl. dazu und zum folgenden ausführlich ERKENS, Siegfried von Westerburg, S. 316-328. MGH Const. III, Nr. 474 - REK III.2, Nr. 3354. Am 7. November 1291 setzte der Mainzer Erzbischof den Wahltermin auf den 2. Mai 1292 fest, einen Monat später bestimmte Pfalzgraf Ludwig den 30. April 1292 als Wahltag; tatsächlich wurde Adolf dann am 5. Mai 1292 gekürt, dem vom Erzbischof neu bestimmten Termin (vgl. dazu GERLICH, Adolf von Nassau, S. 22 f., 34 f.; ERKENS, Siegfried von Westerburg, S. 314 f., 329). Vgl. GERLICH, Adolf von Nassau, S. 43 f.; PATZE, Gerhard II., S. 100.
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D. Herrscherliche Zollpolitik vom 10. Jahrhundert bis ca. 1325
neuer königlicher Abgabentitel, etwa in Form der von Rudolf erstmalig verwendeten Zollaufschläge, wollte der Erzbischof möglicherweise verhindern. Explizit verzichtete Adolf auf diese Möglichkeit zwar nicht, doch ergibt sich dies wohl aus der Klausel, die dem Herrscher allein die militärische Verwendung der Reichsburgen sicherte 5 . Der Verzicht auf künftige Einnahmen wog um so schwerer, als Adolf erhebliche Summen aufzubringen hatte, um die Reichsgüter für den Erzbischof verfügbar zu machen - allein für die noch unter Rudolf 1290/1291 verpfändeten Besitzungen Kaiserswerth und Duisburg waren dies nach späteren Quellen 7.000 Mark köln. Schließlich sollte der Metropolit für angebliche Unkosten im Dienst des Reiches noch 25.000 Mark Silber erhalten. Es ist bezeichnend, daß als Sicherheit dafür eine Reihe nassauischer Burgen sowie die persönliche Einlagerverpflichtung des Grafen dienen sollten; denn Reichsgut, das nicht ohnehin schon an Köln vergeben war, stand in den nördlichen Rheinlanden praktisch nicht mehr zur Verfügung. Adolf versprach ferner die Bestätigung der kölnischen Zölle in Andernach und Rheinberg und verzichtete auf die ihm vom Erzbischof - in unbekannter Höhe als Ersatz für die Verluste des Grafen aus der Schlacht von Worringen 6 - auf den Andernacher Zoll angewiesene Verschreibung. Wenn damit die 1282 geschlossene Oppenheimer Sühne zwischen Siegfried von Westerburg und König Rudolf zumindest größtenteils revidiert wurde, war dies für Adolf zwar - von seinen früheren Pfandrechten als Graf einmal abgesehen - keine finanzielle Einbuße, aber ein spürbarer Prestigeverlust. Sein Vorgänger hatte unter erheblichem Aufwand die königliche Zollhoheit im Kölner Raum etabliert, die nun geradezu in ihr Gegenteil verkehrt wurde, wenn damit die nach gängigem Verständnis unrechtmäßigen oder zumindest zweifelhaften Rheinzölle in Andernach und Rheinberg durchgesetzt werden sollten. Auffällig ist, daß dem Thronprätendenten entsprechende Zusagen für den ebenfalls von Rudolf niedergelegten Bonner Zoll bzw. für die wie Rheinberg im niederrheinischen Landfrieden von 1279 aufgegebenen Hebestellen in Uerdingen und Worringen nicht abverlangt wurden. Freilich wird man darin bei einer Wahlkapitulation, die lediglich erzbischöfliche Interessen widerspiegelt, kaum entsprechende Vorbehalte des Nassauers vermuten können. Eher dürfte Siegfried hier von sich aus Zurückhaltung geübt haben, um seine Nachbarn, denen der Kölner Machtzuwachs auf Kosten des Königs ohnehin kaum willkommen sein konnte, nicht allzusehr herauszufordern. Die Unterstützung der beiden anderen rheinischen Erzbischöfe erlangte der Nassauer mit sehr viel moderateren Zugeständnissen, die im Unterschied zu Köln auch
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Nec aliquid occasione dictorum castrorum et munitionum, reddituum seu proventuum eorundem ab eisdem archiepiscopo et suis successoribus et ecclesia Coloniensi, quoad vixerimus, requiremus, sed ipsos redditus, theolonia et proventus eidem libere et absolute concedemus temporibus regni nostri pro custodia ac conservatione eorundem, nobis contra nostros et imperii inimicos libero introitu et exitu, si necesse fuerit, in eisdem castris et munitionibus tantummodo reservatis, MGH Const. Ill, Nr. 474. Vgl. dazu ERKENS, Siegfried von Westerburg, S. 328 f.
VI. Adolf von Nassau
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erst nach der Wahl (5. Mai 1292) verbrieft wurden, obgleich sie zweifelsohne schon vorher vereinbart worden waren. Dem Mainzer Erzbischof Gerhard von Eppstein verdankte der Nassauer zwar nicht die Initiative zu seiner Thronkandidatur, aber die Durchsetzung seiner Wahl 7 . Am 1. Juli 1292 versprach ihm der König, außer dem Ersatz der Wahlkosten, der Übernahme aller Mainzer Schulden bei der Römischen Kurie und anderen Vergünstigungen, den Bopparder fridezol, in den er den Erzbischof mit sofortiger Wirkung einsetzte, der Mainzer Kirche zu dauerndem Besitz zu übertragen und die Verlegung nach Lahnstein, dessen Vogtei der Metropolit auf Lebenszeit erhielt, nach Kräften zu ermöglichen8. Dieser Zolltitel - der Name deutet es schon an - war 1278 vom Hagenauer Landfrieden 9 neben dem bestehenden Bopparder Reichszoll errichtet worden und hatte, anders als die zweite Landfriedenszollstätte Mainz, das Ende des Landfriedens 1280 überdauert. Während der alte Bopparder Zoll seit 1282 an Graf Eberhard von Katzenelnbogen verpfändet war10, hatte sich der fridezol faktisch zu einem neuen Reichszoll entwickelt. Bereits während der Thronvakanz hatte der Mainzer Erzbischof Interesse an diesem Zoll erkennen lassen. Nach dem Vertrag, den er mit Graf Eberhard von Katzenelnbogen im August 1291 abgeschlossen hatte, sollte der Graf den alten Bopparder Zoll behalten, aber die neue Abgabe war zwischen ihnen beiden gleich zu teilen11. König Adolf gab nun also unter Übergehung der Katzenelnbogener Ansprüche den ganzen früheren Landfriedenszoll an das Erzstift, ohne daß wenigstens eine vage Option für die Rückkehr dieses einzigen nördlich von Mainz noch für den König verfügbaren Rheinzolls an das Reich verblieb. Was der Kölner Erzbischof für Kaiserswerth nur als langfristige Perspektive geplant hatte, die Eingliederung in die erzstiftischen Zölle, schien sein Mainzer Amtsbruder in einem Schritt zu erreichen 12 . Gegenüber den von Köln und Mainz abverlangten Vergünstigungen nehmen sich die am 14. Mai gegebenen und am 7. Juli 1292 wiederholten Zusagen 13 Adolfs von Nassau für den Trierer Erzbischof Boemund von Warsberg gerade auch im Bereich der Zölle unverkennbar bescheidener aus. Der König versprach, die Burg Cochem bis zum 6. Mai 1293 aus der Hand ihrer bisherigen Inhaber zu lösen, sie durch einen eigenen Amtmann so zu verwalten, daß den erzstiftischen Untertanen daraus keine Nachteile entständen, und insbesondere die Erhebung von tholonium grave vel
I
8 9 10 II 12 13
Vgl. ERKENS, Siegfried von Westerburg, S. 328 ff.; GERUCH, Adolf von Nassau, S. 33 ff.; vom Kölner Erzbischof, der vielleicht erkrankt war, ist nicht einmal die Anwesenheit beim Wahlakt bezeugt. MGH Const. III, Nr. 481 - VOGT, REM 1.1, Nr. 268. Vgl. dazu GERLICH, Adolf von Nassau, S. 41 f.; PATZE, Gerhard II., S. 101 ff. MGH Const. III, Nr. 157. DEMANDT, Reg. Katz. I, Nr. 262. DEMANDT, Reg. Katz. I, Nr. 329. Vgl. dazu auch unten S. 637. RI VI.2, Nr. 18 (1292 Mai 13); MGH Const. III. Nr. 486 - RI VI.2, Nr. 46 (1292 Juli 7).
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D. Herrscherliche Zollpolitik vom 10. Jahrhundert bis ca. 1325
immoderatum nicht zu erlauben. Adolf sagte ferner zu, die Anfechtung von seit dreißig Jahren bestehenden Rechts- und Besitztiteln vor seinem Gericht nicht zuzulassen, die an das Erzstift von den Nassauer Grafen verpfändete Vogtei über Koblenz zu seinen Lebzeiten nicht einzulösen, über vom Erzbischof Gebannte auf Verlangen nach Jahr und Tag die Acht zu verhängen sowie alle Kirchen und Geistlichen der Diözese zu schützen. Schließlich bestätigte er summarisch alle Privilegien der Trierer Kirche. Geldzusagen erhielt der Trierer für seine noch zu beziffernden Wahl- und Krönungskosten 14 und über 2.000 Mark köln. für die erzbischöflichen Räte 15 . Als Pfand sollte für beides die Burg Kobern dienen. Abgesehen von den Geldversprechen verbriefte Adolf dem Trierer, dessen nachgeordnete Position unter den drei rheinischen Erzbischöfen hier zu Tage tritt, damit kaum mehr als Bestandsgarantien. Seinen Zollbesitz konnte Boemund durch den Einsatz seiner Kurstimme nicht ausbauen. Das Versprechen, die Trierer in Cochem nur mit den üblichen Zollforderungen zu belasten, entsprach dem, was König Philipp bereits 1202 gewährte hatte 16 . Zollfreiheit hat Boemund für seine Untertanen offenbar nicht erreichen können. Allein die Zusage über die Einlösung Cochems an das Reich vermochte er zu erlangen, vielleicht schon in der Hoffnung, selbst Pfandrechte an dieser für die territoriale Position des Trierer Erzstifts überaus wichtigen Reichsburg erwerben zu können. Die Verpfändung von 1294 deutete sich hier aber allenfalls erst an17. Pfalzgraf Ludwig II. als vierter der rheinischen Wahlfürsten hatte am längsten eine Thronkandidatur des Habsburgers Albrecht favorisiert, die Wahl Adolfs aber schließlich akzeptiert. Zoll- oder territorialpolitische Vorteile wie die drei Erzbischöfe konnte er so zwar nicht erlangen, immerhin aber nicht unbedeutende finanzielle Zusagen. Der Nassauer versprach ihm den Ersatz seiner Wahlkosten in Höhe von 3.000 Kölner Mark Silber, indem er die Hälfte der noch ausstehenden Mitgift von 6.000 Mark für Ludwigs Tochter Mechthild für Herzog Otto von Braunschweig übernahm, der dafür Lübeck oder Goslar bis zu einem jährlichen Ertrag von 300 Mark als Pfand erhalten sollte18. Als der König dem Trierer Erzbischof die Zusage gab, das Cochemer Reichsgut binnen Jahresfrist einzulösen und künftig durch einen Reichsamtmann verwalten zu lassen, überging er die Ansprüche Siegfrieds von Westerburg, dem er ja zweieinhalb Wochen zuvor noch versprochen hatte, Cochem auszulösen und der Kölner Kirche auf seine (des Königs) Lebenszeit zu überlassen. Wie sich bald zeigte, war dies kein Versehen, sondern ein erster konkreter Hinweis, daß der mit den Verhältnissen in den Rheinlanden unzweifelhaft gut vertraute vormalige Graf keineswegs bereit war,
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RI VI.2, Nr. 19, erneuert am 7. Juli 1292 (RI VI.2, Nr. 47). RI VI.2, Nr. 20, erneuert am 7. Juli 1292 (RI VI.2, Nr. 48). MGH Const. II, Nr. 7; vgl. auch oben S. 347. Vgl. unten S. 434. RI VI.2, Nr. 22 Vgl. zur seiner Haltung im Vorfeld der Wahl GERLICH, Adolf von Nassau, S. 28 ff., 34.
VI. Adolf von Nassau
All
sich mit dem geringen Handlungsspielraum abzufinden, den ihm seine Wähler, insbesondere der Kölner Erzbischof, zugemessen hatten. Der Zeitpunkt, seit dem Adolf von Nassau dazu entschlossen war, ist noch jüngst in die Phase nach der Aachener Krönung (24. Juni 1292) verlegt worden 19 , doch hat bereits 1952 Demandt, ohne daß dies später beachtet wurde, auf eine Auffälligkeit in den Andernacher Zusagen des Grafen hingewiesen, die diese These in Frage stellt20. Er wies bei der Diskussion der Rolle Graf Eberhards I. von Katzenelnbogen auf die in ihrer Bedeutung nicht richtig erkannte Erwähnung der Katzenelnbogener Burgen Rheinfels und Braubach als Teile der Sicherheit für die dem Kölner Erzbischof in Andernach zugesagten 25.000 Mark hin. Demandts Ansicht nach hätte der Graf die beiden Burgen ohne ernsthafte Gefährdung seiner mittelrheinischen Position - nicht zuletzt die Katzenelnbogener Rheinzölle zu St. Goar und Boppard wären dann ohne Deckung gewesen - nicht einmal vorübergehend aus der Hand geben können. Der Einsatz von Braubach und Rheinfels, den beiden einzigen Besitzungen, über die weder Adolf noch seine aus dem Hause Limburg stammende Frau verfügen konnten, sei deshalb ein politisches Manöver gewesen. Falls dies zutrifft - und Demandt liefert dafür stichhaltige Gründe - , muß man in Betracht ziehen, daß auch andere Zusagen Adolfs bereits mit dem inneren Vorbehalt gegeben wurden, sie später nur so weit einzuhalten, wie dies opportun erschien. Wie Erkens zutreffend bemerkt hat, blieb Adolf von Nassau, wenn er sein Königtum verwirklichen wollte, gar keine andere Möglichkeit, als auf die eine oder andere Weise eine Revision der Zugeständnisse zu erreichen, die ihm Siegfried von Westerburg in Andernach diktiert hatte 21 . Um sich vom Erzbischof zu lösen, wählte der König den naheliegenden Weg und knüpfte seit Ende Juni 1292 - entgegen seinen Andernacher Zusagen - Beziehungen zu Siegfrieds Hauptgegner, dem Sieger der Schlacht von Worringen, Herzog Johann I. von Brabant 22 . Am 1. September 1292 erteilte Adolf ihm eine umfassende Privilegienbestätigung und erneuerte dabei auch die 1196 durch Heinrich VI. verliehene Freiheit der Herzogenbuscher an den Rheinzöllen des Reichs 23 - dies möglicherweise auch als gezielte Spitze gegen den Erzbischof, da dieser als (vorgesehener) Besitzer von Kaiserswerth und Duisburg nun Vergünstigungen für Brabanter Untertanen anerkennen sollte.
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So GERLICH, Adolf von Nassau, S. 38 ff.; diese Auffassung vertritt auch ERKENS, Siegfried von Westerburg, S. 331 ff., offenbar unter dem Eindruck der am 29. Mai 1292 (REK III.2, Nr. 3357) von Adolf explizit anerkannten Gültigkeit der Andernacher Versprechungen, obgleich auch Erkens nicht übersieht, daß schon die Cochem betreffende Zusage für den Trierer Erzbischof vom 14. Mai eine Abweichung bedeutete. Vgl. DEMANDT, Anfänge, S. 49. Vgl. ERKENS, Siegfried von Westerburg, S. 333. Vgl. dazu mit Einzelnachweisen GERLICH, Adolf von Nassau, S. 38 f. RIVI.2, Nr. 76; zum Privileg Heinrichs VI. vgl. das Transsumpt Karls IV. von 1349 (MGH Const. IX, Nr. 462).
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Wie rasch sich die Stellung des Königs in den Sommermonaten gefestigt hatte, zeigte sich am 13. September 1292, als Adolf seine dem Kölner Erzbischof im April 1292 gegebenen Andernacher Zusagen nur in stark modifizierter Form bestätigte 24 . Siegfried von Westerburg erhielt zwar immer noch größere Vergünstigungen als seine Mitwahlfürsten, mußte aber in vielen Punkten deutliche Abstriche gegenüber seinen ursprünglichen Forderungen hinnehmen, insbesondere auch im Bereich der Zölle 25 . Der geänderte Status des Reichsguts war die wohl wichtigste Modifikation. Anstatt dem Kölner die Besitzungen ausgelöst und zur freien Nutzung der Einkünfte auf Lebenszeit zu überlassen, wurden sie nun in eine Pfandschaft über 25.000 Mark köln. mit genau definierten und getrennt ablösbaren Einzelwerten umgewandelt; die zusätzliche Zahlung von 25.000 Mark Silber entfiel ersatzlos26. Aufschlußreich ist dabei die unterschiedliche Behandlung der einzelnen Reichsgüter und ihrer (Zoll-) Einkünfte: Cochem wurde mit 2.000 Mark veranschlagt, aber vorbehaltlich weiterer 2.000 Mark, die der Katzenelnbogener Graf Eberhard darauf vom König zwischenzeitlich erhalten hatte, so daß dem Erzbischof damit nur die Hälfte von Cochem als Pfand zustand, während der andere Teil vom Grafen, einem engen königlichen Vertrauten 27 , besetzt gehalten wurde. Die Duisburger Pfandschaft wurde mit 2.000 Mark angesetzt, allerdings hier, wie bei Cochem und allen anderen Reichsgütern außer Kaiserswerth, ohne Anrechnung der Einkünfte auf die Pfandsumme, quia vix sufficiunt ad custodiam, conservationem et expensas. Kaiserswerth sollte für 18.000 Mark kölnisches Pfand sein, zuvor war der Graf von Sponheim mit 5.000 Mark abzulösen. Kam noch während des königlichen Aufenthalts in Köln ein Ausgleich zwischen Stadt und Erzbischof zustande, sollte diese Summe aus der dem Erzbischof von den Bürgern zu zahlenden Buße genommen werden. Gelang die Sühne nicht (was in der Tat der Fall war), hatte Siegfried von Westerburg 2.000 Mark und der König den Rest bis zum 2. Februar 1293 aufzubringen. Die 5.000 bzw. 2.000 Mark waren auf die Pfandsumme aufzuschlagen, und zwar in der Form, daß nach ihrer Rückzahlung die Anrechnung der Einnahmen, aus denen der Erzbischof alle Ausgaben zu bestreiten hatte 28 , auf die verbleibenden 18.000 Mark erfolgte.
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UB Duisburg I, Nr. 125 - REK III.2, Nr. 3362. Einen Vergleich beider Texte erleichtert die Synopse bei ERKENS, Siegfried von Westerburg, S. 408-420. Vgl. zu den Modifikationen ERKENS, Siegfried von Westerburg, S. 336-340. Der gleiche Nennwert der Summen darf nicht darüber hinwegtäuschen. Ferner ist zu beachten, daß nun die Zählmark zu 144 Denaren und nicht die Prägemark zu 160 Denaren oder gar die Gewichtsmark ä 234 g gemeint war. Allein die erste Differenz bedeutete bei gleichbleibendem Nominal eine reale Minderung der Gesamtsumme um 10%. Vgl. zum Verhältnis zwischen Graf und König DEMANDT, Anfänge, S. 49-57. durante ... obligatione ... archiepiscopus de receptis redditibus et proventibus eiusdem castri nichil computabit in sortem, sed pro expensis faciendis retinebit, et si quid forsan superesse contigerit in redditibus eisdem, hoc sibi et ecclesie sue Coloniensi donamus, UB Duisburg I, Nr. 125. Die Aufnahme dieser Klausel legte, da sich Adolf gleichzeitig die freie Benutzung aller Burgen in seinem und des Reiches Interesse ausdrücklich vorbe-
VI. Adolf von Nassau
429
Wurde so der Zugriff Siegfrieds auf das niederrheinische Reichsgut erheblich reduziert, zeigte sich der König auch nicht mehr bereit, die geforderten Bestandsgarantien für die kölnischen Rheinzölle in Andernach und Rheinberg zu erneuern und sie damit zu legitimieren. Stattdessen bestätigte der Nassauer nur allgemein thelonia, die die Kölner Kirche de iure besaß 29 , was gerade für diese beiden Hebestellen nicht zutraf oder wenigstens sehr fraglich war. Auch wollte er nur solche Zollprivilegien bestätigen, die Siegfried von früheren Herrschern selbst für sein Erzstift erworben hatte, während Adolf zuvor noch die Erneuerung aller entsprechenden Urkunden der Kölner Kirche zugesagt hatte. Diese Differenzierung betraf vor allem den Andernacher Zoll, der in der Schenkung Friedrichs I. von 1167 genannt wurde, von dem die Erzbischöfe aufgrund des nicht kontinuierlichen Bestands der Hebestelle spätere Bestätigungen aber nicht besaßen 30 . Mit der gezielten Einschränkung der Privilegien auf Siegfrieds Episkopat wurde die Zusage de facto wertlos, wobei dem König offensichtlich bekannt war, daß gerade Rudolf von Habsburg, der als einziger in Frage kam, den Erzbischof nicht mit Zollprivilegien begünstigt hatte 31 . Eine Erweiterung des legitimen Kölner Zollbestands war aus der modifizierten Fassung von Adolfs Zusagen jedenfalls nicht mehr zu begründen. Obgleich der König seine Verpflichtungen gegenüber Siegfried von Westerburg deutlich reduziert hatte, ging ihm dies offenbar noch nicht weit genug. Bereits am 22. September 1292 traf er eine Vereinbarung mit Herzog Johann von Brabant, die zwar - anders als mitunter behauptet - den erst kurz zuvor mit dem Erzbischof geschlossenen Vertrag nicht direkt brach, faktisch aber zweifellos hinfällig machen sollte. Für ein bis zum 6. Januar 1293 zu zahlendes Darlehen von 16.000 Mark köln. pro liberatione munitionum et bonorum imperii verpfändete ihm der König den Zoll Kaiserswerth mit den übrigen Gefällen der Burg, wobei die Einnahmen bis auf eine jährliche Kostenpauschale von 500 Mark die Pfandsumme verminderten. Zur schnelleren Tilgung des Kredits erhielt der Herzog ferner alle Reichseinkünfte in Aachen, Sinzig, Dortmund und Duisburg sowie im Gebiet zwischen der Mosel und der See, die der König zur Zeit in Besitz hatte oder die sich der Herzog iustis modis ac titulis beschaffen konnte. In Kaiserswerth sollte für die Dauer der Pfandschaft ein Adliger
29 30 31
hielt, den vorrangigen Zugriff des Königs auf die Kaiserswerther Ressourcen fest. Nur eventuelle Überschüsse - die durch den ertragreichen Zoll freilich in beträchtlicher Höhe anfielen - erhielt der Erzbischof. Entsprechende Klauseln, die den König nur auf »rechtmäßige« erzbischöfliche Ansprüche verpflichteten, wurden durchgängig eingefügt. Vgl. oben S. 257-260. Im Oppenheimer Vertrag vom 26. Juli 1282 (MGH Const. III, Nr. 333 - REKIII.2, Nr. 2947) hatte der König lediglich die rechtmäßigen Landzölle und den legitimen Flußzoll (Neuss) des Erzstifts anerkannt.
430
D. Herrscherliche Zollpolitik vom 10. Jahrhundert bis ca. 1325
aus dem Umkreis Adolfs als königlicher officiatus die Verwaltung des Reichsguts übernehmen und dafür sorgen, daß der Herzog die zugesagten Einkünfte erhielt 32 . Ob Johann von Brabant das erforderliche Kapital nicht aufbringen konnte, ob er z. B. später erkannte, daß die Auslösung von Kaiserswerth dem Kölner Erzbischof immerhin finanziell zugute gekommen wäre, der dann zumindest einen Teil seiner vom König zugesagten Gelder erhalten hätte, und deshalb vom Vertrag zurücktrat oder ob es der König war, der Köln und Brabant gegeneinander ausspielen, aber letztlich keinen zum Zuge kommen lassen wollte, ist nicht zu klären - zustandegekommen ist die brabantische Pfandschaft jedenfalls nicht. Andererseits gelang es auch Siegfried von Westerburg nicht, sich in den Besitz der ihm verschriebenen Reichsgüter zu bringen, zumal der König im Oktober 1292 in wohl nur formaler Befolgung des Vertrags vom 13. September wiederholt entsprechende Mandate an die Amtsträger in Dortmund, Duisburg und Sinzig erließ 33 . Denn daß dem Nassauer an einer kölnischen Inbesitznahme tatsächlich wenig gelegen war, zeigte am 18. November 1292 die Bestallung des Brabanters zum advocatus provincialis zwischen Mosel, Rhein und Nordsee und östlich des Rheins für ein nicht näher bezeichnetes Gebiet nach Westfalen hin mit der Aufgabe, alle Belange des am 2. Oktober 1292 für zehn Jahre erneuerten Landfriedens an Stelle des Königs wahrzunehmen 34 . Damit waren zumindest »latente Befugnisse« über das Reichsgut dieses Raums verbunden 35 , der überdies die Kölner Dukate beiderseits des Rheins zu
32
UB Duisburg I, Nr. 126. Einen Vertragsbruch behaupten etwa Knipping (REK III.2, Anm. zu Nr. 3362) und ERKENS, Siegfried von Westerburg, S. 340, doch hatte Adolf nach dem Vertrag vom 13. September 1292 bis zum 15. Februar 1293 Zeit, seine Verpflichtungen zu erfüllen, d. h. dem Erzbischof Kaiserswerth zu übertragen oder (selbst mit Brabanter Hilfe) die Pfandschaft abzulösen. Auffallend ist die Differenz von 7.000 Mark zwischen der Darlehenssumme von 16.000 Mark und den insgesamt auf Kaiserswerth lastenden Verschreibungen in Höhe von 23.000 Mark (18.000 Mark Kölner + 5.000 Mark Sponheimer Pfandrechte). Wie diese Lücke geschlossen werden sollte, ist unklar.
33
R E K III.2, Nr. 3363-3369. Die nur formale Einhaltung des Vertrages nimmt GERLICH,
Adolf von Nassau, S. 39, an. Dagegen will ERKENS, Siegfried von Westerburg, S. 340 ff., in den sich abwechselnden Urkunden für den Herzog bzw. den Erzbischof eine tatsächliche Schaukelpolitik des Königs zwischen beiden Fürsten erkennen, greift damit aber wohl zu kurz. Für Gerlichs These spricht auch, daß Adolf seine am 25. Oktober 1292 erneuerten Mandate (ebd., Nr. 3368, 3369) durch einen besonders beglaubigten Boten aus dem Ritterstand übersandte, was vielleicht darauf schließen läßt, daß dieser mündliche Anweisungen des Königs für die Adressaten hatte, die dem Wortlaut des Schreibens, von dem auch der Erzbischof Ausfertigungen erhielt, widersprachen. Denn wenn der Bote den Übergabebefehl an Siegfried von Westerburg bekräftigt hätte, ist zu fragen, warum die Amtsträger dann diesen Anweisungen entgegen dem ausdrücklichen Willen des Königs nicht nachkamen. 34 MGH Const. III, Nr. 494. Der Landfrieden nach der Würzburger Fassung von 1287 (ebd., Nr. 390): MGH Const. III, Nr. 488. Vgl. ERKENS, Siegfried von Westerburg, S. 342 f. 35
So HELBACH, Reichsgut, S. 208.
VI. Adolf von Nassau
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großen Teilen umfaßte, wenn nicht gar einschloß. Wenngleich es auch den Machtverhältnissen nach Worringen Rechnung trug, war die Betrauung des Brabanters mit der Wahrung des Landfriedens im ureigenen Kölner Interessengebiet ein klarer A f f r o n t gegen den Erzbischof und zweifellos ein gutes Mittel, ihm den Zugriff auf die Reichsgüter zu verwehren. Auch gegenüber der Stadt Köln, mit der Siegfried seit der Schlacht von Worringen verfeindet war, verfolgte A d o l f seit dem Herbst 1292 eine gegen die Interessen des Erzbischofs gerichtete Linie. Hatte der Nassauer dem Metropoliten am 27. April vor der Wahl noch bedingungslose Unterstützung zusagen müssen und ihm noch am 13. September H i l f e bei der Verfolgung seiner Rechtsansprüche gegen die Bürger verbrieft 36 , also immerhin bedingten Beistand in Aussicht gestellt, stand der König spätestens am 11. Oktober 1292 offen auf stadtkölnischer Seite 37 . A d o l f von Nassau bestätigte den Bürgern alle Privilegien, insbesondere diejenigen Rudolfs von Habsburg von 1273/1274 über das Ius de non evocando und die Akzise 38 . Er nahm die Kölner, die den Landfrieden beschworen und sich bereit erklärt hätten, jedem Kläger vor ihm zu Recht zu stehen, in seinen Frieden auf. Sie und ihre Gegner - d. h. vor allem der Erzbischof - sollten von allen Gewalttaten absehen und in den Schranken des Rechts bleiben 39 . Im gleichen Kontext 4 0 ist auch eine vom Bruder des Königs, dem späteren Trierer Erzbischof Dieter von Nassau41, am selben Tag ausgestellte Urkunde zu sehen, die von erheblicher zollpolitischer Bedeutung war. Dieter bekundete darin die H ö h e der Abgaben, die von den Kölnern nach seinen auf Befehl des Königs eingezogenen Erkundigungen am (erzbischöflichen) Zoll in Neuss zu entrichten waren, nämlich einen erniedrigten Satz für eigene Güter in eigenen Schiffen und die herkömmliche Taxe für andere Waren 42 . Die Initiative zu diesem Zollweistum ging offensichtlich von den Kölner Bürgern aus, die damit ihren früheren, aber vom Erzbischof seit der Schlacht von Worringen mit Sicherheit nicht mehr anerkannten begünstigten Status am Neusser Zoll mit H i l f e des Königs wiederherstellen wollten. Welche Absichten der König dabei verfolgte, als er daraufhin tätig wurde, ist relativ klar erkennbar. Mit dem direkten Eingriff in die Neusser Zollverhältnisse demonstrierte A d o l f eine aus der königlichen Zollhoheit abgeleitete, die landesherrlichen Zollrechte übergreifende Regelungskompetenz, die bis zu den konkreten Abgabensätzen einzelner Kaufleutegruppen reichte und ungeachtet der Tatsache, daß die Hebestelle seit mehr
36 37
Vgl. die Gegenüberstellung bei ERKENS, Siegfried von Westerburg, S. 411 f. Vgl. dazu ERKENS, Siegfried von Westerburg, S. 341.
38 39 40
RI VI.2, Nr. 101. RI VI.2, Nr. 102. ERKENS, Siegfried von Westerburg, S. 341, hat dies anscheinend übersehen, da er die Urkunde nicht erwähnt.
41 42
Vgl. zu ihm HOLBACH, Dieter von Nassau. ENNEN, Quellen III, Nr. 371 (fälschlich zu Aug. 22) - R I VI.2, Nr. 104 (mit Korrektur des
Datums).
432
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als 150 Jahren in unangefochtenem Besitz der Kölner Erzbischöfe war, ausgeübt werden konnte. Siegfried von Westerburg blieb als Zollinhaber offenbar absichtlich unerwähnt, um seine Mitwirkung als irrelevant zu kennzeichnen. Mit diesem zunächst eher unscheinbar wirkenden und deshalb auch in der einschlägigen Literatur meist übersehenen Zollweistum hatte der Nassauer also nicht nur ein weiteres Mal die Stadt Köln (oder den Herzog von Brabant) gegen den Erzbischof ausgespielt, um dessen Druck zur Erfüllung der Wahlzusagen zu vermindern, sondern auch den noch im Hintergrund stehenden Zollansprüchen des Westerburgers die weitgehenden Eingriffsmöglichkeiten der königlichen Zollhoheit demonstriert. In dieser Situation waren neue Differenzen zwischen Erzbischof und König unvermeidlich, die schließlich am 28. Mai 1293 durch eine vollständige Neuregelung der beiderseitigen Verpflichtungen ausgeräumt werden sollten 43 . Adolf von Nassau erkannte gegenüber Siegfried von Westerburg eine aus den Wahl- und Krönungskosten resultierende Gesamtschuld von 37.500 Mark köln. an. Dafür verpfändete er dem Erzbischof die Burg Kaiserswerth mit Stadt, Zoll, Gerichten und sonstigem Zubehör und gewährte ihm einen neuen Rheinzoll in Bonn in Höhe von zwölf Denaren je Fuder Wein, beides für die Dauer von fünfzehn Jahren, nach deren Ablauf Kaiserswerth an das Reich zurückfallen und der Bonner Zoll enden sollte. Die Zollstätten Andernach und Neuss wurden nicht erwähnt; der Rheinberger Zoll war sofort einzustellen. In der Pfandsumme enthalten waren 6.000 Mark Ablöse für den vorherigen Kaiserswerther Pfandinhaber Graf Johann von Sponheim-Starkenburg sowie 2.000 Mark, mit denen der Westerburger die verpfändete Burg Cochem für das Reich zurückkaufen sollte. Alle früheren Urkunden und Abmachungen verloren ihre Gültigkeit und waren dem König zurückzugeben. Bei Verletzung dieses Vertrages durch den Erzbischof hatte der König das Recht, die kölnischen Mensalgüter und -einkünfte zu beschlagnahmen. Zwei Tage später vereinbarten in Anwesenheit Adolfs der Erzbischof und Graf Johann die Übergabemodalitäten für Kaiserswerth, das nach der in zwei Raten bis Weihnachten zu erfolgenden Zahlung der 6.000 Mark auszuliefern war 44 . Die Vorteile dieser Neuregelung lagen größtenteils auf Seiten des Königs, obgleich die dem Erzbischof verschriebene Pfandsumme so hoch war wie nie zuvor. Alle kölnischen Ansprüche auf Reichsgut waren allein auf Kaiserswerth konzentriert. Die für den königlichen Parteigänger Graf Eberhard von Katzenelnbogen auf Cochem angewiesene Summe hatte der Erzbischof sogar für den König auszulösen. Weiterhin war die Dauer der Pfandschaft nur an den vorgegebenen Zeitraum von fünfzehn Jahren gebunden. Ob und wie der Kölner in dieser Zeit die Pfandsumme aus den Kaiserswerther und Bonner Einkünften erlösen konnte, blieb ihm über-
43 44
LAC. II, Nr. 937 - R E K III.2, Nr. 3387; vgl. zum folgenden ERKENS, Siegfried v o n Westerburg, S. 345 ff. LAC. II, Nr. 939 - R E K III.2, Nr. 3389.
VI. Adolf von Nassau
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lassen45. Im gewissen Sinne waren die 37.500 Mark daher eine fiktive Summe ohne weiteren Belang für den Verlauf der Pfandschaft. Mit der Verleihung des neuen Bonner Zolls griff der Nassauer ein von seinem habsburgischen Vorgänger erstmals erprobtes, zukunftsweisendes Finanzierungsinstrument auf 46 , das nun allerdings nicht mehr an einen Reichszoll gebunden, dadurch praktisch universell einsetzbar und auch auf sehr viel höhere Beträge ausgerichtet war. Adolf erweiterte damit sich und seinen Nachfolgern den Zugriff auf das enorme fiskalische Potential des Rheinhandels in einem Maße, das über die bisherige, auf seine eigenen Rheinzölle beschränkte Partizipation des Herrschers auf der Haupthandelsstraße des Reiches weit hinausging - allerdings auch mit der Folge, daß die Belastung des Handels deutlich anstieg. Den Vorwurf des Fiskalismus kann man dem Nassauer - anders als manchen späteren Herrschern - gleichwohl kaum machen, verlangte er doch vom Erzbischof die Niederlegung des Rheinberger Zolls, womit er für einen gewissen Ausgleich sorgte. Entgegen dem, was noch in der neuesten Literatur mit Berufung auf die ältere Arbeit von Schrohe behauptet wird47, ist Kaiserswerth mit einiger Sicherheit in den Besitz Siegfrieds gelangt. Es fehlen nicht nur Indizien dafür, daß die Vereinbarung vom Frühjahr 1293 nicht umgesetzt wurde, die Inbesitznahme ist sogar ausdrücklich bezeugt: Beschwerte sich doch der Graf von Sponheim um 1300, daß ihm die Abholung von Gegenständen verwehrt worden sei, die er bei der Übergabe der Burg zurückgelassen habe. Siegfrieds Nachfolger Wikbold von Holte lehnte die Verantwortung dafür deshalb ab, weil dies, wenn überhaupt, unter seinem Vorgänger geschehen sein müsse48. Auch die anderen Bedingungen der Abmachung wurden offenbar eingehalten. Der neue Bonner Zoll ist aus einer königlichen Befreiung des Klosters Eberbach vom Januar 1294 nachgewiesen49, während in Rheinberg unter Siegfried von Westerburg kein Rheinzoll belegt ist. Somit bleibt festzuhalten, daß der Kölner Ende Mai 1293 zwar (auch) zollpolitisch nicht annähernd das erreicht hatte, was ihm dreizehn Monate zuvor in Andernach
45
46
Der hier zugrundegelegte durchschnittliche jährliche Gesamtertrag von 2.500 Mark scheint im oberen Bereich des Möglichen, also eher zu Ungunsten des Erzbischofs, angesiedelt worden zu sein - beweisbar ist dies jedoch nicht, da genaue Ertragswerte aus dieser Zeit nicht bekannt sind. Vgl. oben S. 420.
47
S o ERKENS, S i e g f r i e d v o n W e s t e r b u r g , S. 3 4 6 f.; LORENZ, K a i s e r s w e r t h , S. 108; GERLICH,
Adolf von Nassau, S. 44, die alle die schon von TROE, Münze, S. 164 Anm. 1, angeführte Klageschrift des Sponheimers nicht berücksichtigen. Die Wahlversprechen Albrechts von Habsburg für Erzbischof Wikbold vom 28. August 1298 (MGH Const. IV, Nr. 24 REK III.2, Nr. 3601) veränderten die Modalitäten der Pfandschaft, belegen aber keineswegs, daß Kaiserswerth erst damit in kölnischen Besitz überging. Vgl. unten S. 437 f. 48
R E K III.2, N r . 3 7 6 5 .
49
ROSSEL, U B E b e r b a c h , N r . 5 3 3 - u n g e n a u : R E K III.2, N r . 3 4 0 5 .
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verbrieft worden war, er jedoch vom König immerhin noch deutliche finanzielle Vorteile erlangen konnte. Wieweit hat Adolf seine gegenüber den anderen rheinischen Erzbischöfen eingegangenen Zollverpflichtungen eingehalten? Zur selben Zeit, als der König den Herzog von Brabant und die Stadt Köln gegen den Westerburger ausspielte, war sein Verhältnis zum Mainzer Erzbischof Gerhard von Eppstein, wie eine Reihe königlicher Vergünstigungen zeigt, offenbar recht gut50. Dennoch war der Nassauer nicht bereit, den Bopparder fridezol dem Mainzer Erzstift zu überlassen. Weder scheint er den Erzbischof, wie noch im Juli 1292 zugesagt, sofort in die Erhebung der Abgabe eingesetzt zu haben, noch vollzog er, dies steht außer Frage, die Verlegung nach Lahnstein 51 . Zu offenen Konflikten und Neuverhandlungen zwischen König und Erzbischof, der - das Beispiel seines Kölner Amtsbruders vor Augen - sich mit einer Teilrealisierung seiner ursprünglichen Forderungen begnügte, ist es gleichwohl nicht gekommen Die einzige Zollforderung des Trierer Erzbischofs Boemund von Warsberg an Adolf von Nassau war der Rückerwerb Cochems für das Reich binnen Jahr und Tag gewesen. Der König kam dem immerhin verspätet nach und verpflichtete den Kölner Erzbischof am 28. Mai 1293 zur Auslösung der Moselburg. Im folgenden Jahr war sie tatsächlich wieder in Reichsbesitz, bis der Herrscher im Juli 1294 die Burgen Cochem und Klotten mit dem (Cochemer) Zoll an den Trierer für insgesamt 6.553 Mark köln., 2.000 Mark für zugesagte Kriegsdienste, 4.553 Mark als Ersatz für Boemunds Auslagen bei Wahl und Krönung Adolfs, zur Ewigsatzung verpfändete 52 . Damit war Boemund der einzige der rheinischen Erzbischöfe, bei dem der König seine - allerdings deutlich bescheideneren - verbrieften Wahlzusagen einhielt. Adolf von Nassau hat, anders als sein Vorgänger, Landfrieden kaum als Instrument der Zollpolitik eingesetzt. Am 2. Oktober 1292 erneuerte er in Köln den Landfrieden in der Würzburger Fassung von 1287 für die Dauer von zehn Jahren und ließ ihn von den Anwesenden beschwören 53 . Die Ernennung des Brabanter Herzogs zum friedenswahrenden Landvogt in den nördlichen Rheinlanden und Teilen Westfalens
50 51
Vgl. dazu GERLICH, Adolf von Nassau, S. 42 ff. Dies geht aus der Wahlkapitulation Albrechts I. von 1298 klar hervor (nos collationem dicti thelonei ratam et firmam tenentes, idem theloneum in Loynsteyn transferimus ibidem perhenni tempore colligendum, MGH Const. IV, Nr. 12 - VOGT, REM 1.1, Nr. 534), wenngleich sich Erzbischof Gerhard seit Januar 1298, als er bereits in offener Opposition zu Adolf stand, offenbar des Bopparder Zolls bemächtigt hatte (VOGT, REM 1.1, Nr. 513). - Fraglich ist, ob die allgemein gehaltene Rheinzollbefreiung des Erzbischofs für den Mainzer Klerus von 1294 (VOGT, REM 1.1, Nr. 343) auf den Bopparder fridezol bezogen werden kann. 52 HONTHEIM, Historia I, Nr. 547; MGH Const. III, Nr. 522. 53 MGH Const. III, Nr. 488.
VI. Adolf von Nassau
435
am 18. November 129254 bezweckte zweifellos eine Schwächung des Kölner Erzbischofs, aber ob damit über die Friedensartikel gegen thelonea iniusta gezielter Druck auf die »unrechtmäßigen« kölnischen Rheinzölle in Andernach und Rheinberg ausgeübt werden sollte, muß dahin gestellt bleiben, da regelrechte Landfriedensexekutionen gegen Siegfried von Westerburg nicht vorgenommen wurden. Die Zollpolitik Adolfs von Nassau in den Rheinlanden war insgesamt von dem erfolgreichen Bemühen gekennzeichnet, sich den Verpflichtungen gegenüber seinen Förderern und Wählern so weit zu entledigen, wie es erforderlich schien, um den notwendigen Handlungsspielraum als Herrscher zu gewinnen und zu erhalten. Noch zum Zeitpunkt der Wahl sah es ganz danach aus, daß der Nassauer, dem vor allem von Kölner Seite im Versuch, die Ergebnisse von Worringen auf Kosten des Königtums umzukehren, kaum erfüllbare Zusagen abverlangt worden waren, nicht in der Lage sein würde, die königlichen Rechte an Mittel- und Niederrhein zu bewahren. Die Verfügungsgewalt über die beiden wichtigsten Reichszölle am Rhein in Kaiserswerth und Boppard schien für lange Zeit oder gar für immer verloren zu gehen. Fast fast alle bedeutenderen Reichsgüter im nördlichen Rheinland und Teilen Westfalens drohten in das Kölner Erzstift eingegliedert zu werden. Unrechtmäßige Rheinzölle in Andernach und Rheinberg sollten legitimiert werden. Darüber hinaus würden immense finanzielle Leistungen auf den ohnehin nicht sehr reichen Hausgütern des Herrschers lasten. Doch in weniger als einem Jahr baute der König seine Stellung in einem Maße aus, die zeigt, wie trügerisch es sein kann, allein aus Wahlkapitulationen ein >starkes< oder >schwaches< Königtum abzuleiten. Kaiserswerth war zwar für längere Zeit verpfändet, aber die Gestaltung der Pfandschaft als Totsatzung sicherte den Rückfall des Zolls an das Reich. Der Bopparder Landfriedenszoll wurde dagegen gar nicht erst aus der Hand gegeben, Cochem wurde zurückgewonnen. Die königliche Zollhoheit, die von der Aufbauarbeit des Vorgängers profitieren konnte, war unmißverständlich durch die Niederlegung des Rheinberger und die Neuanlage des Bonner Zolls konsolidiert und wurde flankiert durch die Errichtung eines Landfriedens, dessen Zollbestimmungen die Regalität des Zollwesens einschärften. Daß dem Nassauer streng genommen das meiste davon nur durch die bewußte, wahrscheinlich sogar von vornherein geplante Nichteinhaltung seiner verbrieften Zusagen gelang, hat seinem Bild in der Geschichte lange geschadet. Wenn man schon die Maßstäbe modernen Vertragsrechts anwenden will, darf man freilich nicht übersehen, daß vor allem die durch Siegfried von Westerburg in Andernach diktierten Vergünstigungen gerade auch auf dem Gebiet der Zölle schon an das heranreichten, was man heute als sittenwidrig einstufen würde. Die Zollmaßnahmen Adolfs von Nassau waren in erster Linie auf die Stärkung seines Königtums ausgerichtet; >volkswirtschaftliche< Zielsetzungen lassen sich ebensowenig wie bei seinem habsburgischen Vorgänger erkennen. Wenn Rudolf im Rahmen seiner Landfriedenspolitik die negativen Auswirkungen neuer Zölle pro-
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MGH Const. III, Nr. 494.
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blematisierte und z. T. propagandistisch verwertete, beim Nassauer ähnliches aber nicht festzustellen ist, will dies bei dessen kurzer Regierungszeit, der Konzentration auf das Kölner Erzstift und dem eher nachrangigen Einsatz von Landfrieden als Instrument der Zollpolitik über Adolfs Kenntnis solcher Effekte nicht viel besagen. Zudem waren neue Zölle zu Beginn der 1290er Jahre offenbar weniger ein generelles Problem als noch im ersten Jahrzehnt des habsburgischen Königtums. Entsprechend geringer war die Notwendigkeit grundsätzlicher Maßnahmen des Königs.
VII.
Albrecht I. von Habsburg
VII.1
Wahlzusagen
Am 27. Juli 1298 wurde Albrecht von Habsburg, der sich schon 1292 vergeblich um den Thron bemüht und diesen nun in der Schlacht von Göllheim (2. Juli 1298) gegen den von den Wahlfürsten abgesetzten Adolf von Nassau erkämpft hatte, zum König gewählt1. Wie sein Vorgänger mußte er die Stimmen der rheinischen Erzbischöfe 2 durch eine Reihe von urkundlich dokumentierten Zugeständnissen erkaufen, bei denen abermals Zollfragen erhebliches Gewicht hatten. Gleichwohl war Albrecht durch seine Hausmacht, als Sieger von Göllheim und nicht zuletzt mangels personeller Alternative in einer deutlich stärkeren Ausgangsposition als Adolf von Nassau 1292. Für den Kölner Erzbischof Wikbold von Holte stellte der Habsburger bei seinem Aufenthalt in Köln Ende August 1298 gleich eine ganze Reihe von Urkunden zur Sicherung und Erweiterung des kölnischen Zollbestands aus. Albrecht bestätigte Erzbischof Wikbold und der Kölner Kirche die Zölle Andernach, Bonn und Neuss in perpetuum sowie die von seinen Vorgängern verliehenen Privilegien. Darüber hinaus gestattete er die Erhebung des Rheinberger Zolls, den Erzbischof Siegfried von den früheren Königen erhalten habe, auf Wikbolds Lebenszeit 3 . Albrecht übertrug Wikbold ferner für die Lebenszeit von ihnen beiden die (angeblich) für 36.000 Mark Sterling an Erzbischof Siegfried verpfändete Burg Kaiserswerth mit dem Zoll, wobei alle Einnahmen für künftige Dienste Wikbolds und zur Mehrung seiner Lehen dienen sollten und nicht auf die Pfandsumme anzurechnen waren; erst Albrechts Nachfolger sollte die Möglichkeit haben, Kaiserswerth vom künftigen Erzbischof für diese Summe wieder einzulösen4. Da die Burg z. Zt. noch vom (Rheingauer) Viztum Ludwig von Sonnenberg, einem Anhänger Adolfs von Nassau5, besetzt war, gelobte
1
2 3 4 5
Albrecht war bereits am 23. Juni 1298 nach der Absetzung Adolfs von Nassau - in wohl zweifelhafter Form - in Mainz zum Gegenkönig erhoben worden. Nach dem Tod seines Widersachers legte Albrecht den Titel als rex electus nieder und ließ sich noch einmal einhellig und rechtsgültig in Frankfurt wählen. Vgl. HESSEL, Albrecht I., S. 55 f., 61 ff. Pfalzgraf Rudolf hatte auf der Seite seines Schwiegervaters Adolf gekämpft, vgl. GERUCH, Adolf von Nassau, S. 75. LAC. II, Nr. 995 - REK III.2, Nr. 3604. MGH Const. IV, Nr. 24 - REK III.2, Nr. 3601. Bereits in der nicht zustandegekommenen Verpfändung von Kaiserswerth an Brabant (1292 Sept. 22, UB Duisburg I, Nr. 126) hatte König Adolf als Kaiserswerther Burggrafen u. a. Ludwig vorgesehen. Wann Kaiserswerth, das zwischenzeitlich in kölnischen Besitz übergegangen war, vom Viztum besetzt wurde, ist nicht bekannt. Vielleicht geschah dies während der Sedisvakanz nach dem Tod Siegfrieds von Westerburg, oder nachdem Wikbold zum Gegner Adolfs von Nassau geworden war.
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der König, sie bis zum 11. November zu befreien und dem Erzbischof zu übergeben oder bis zur Übergabe in Frankfurt Einlager zu halten 6 . Zugunsten des Mainzer Erzbischofs Gerhard II. von Eppstein vollzog Albrecht zunächst, vielleicht noch als Gegenkönig vor der Schlacht von Göllheim, die bereits durch Adolf von Nassau zugesagte, aber nicht vollzogene Übertragung des Bopparder Friedenszolls nach Lahnstein. Ferner gewährte er dem Mainzer am 28. Juli 1298 einen neuen Zoll in gleicher Höhe, der nach Belieben in Lahnstein oder Rüdesheim erhoben und auch nachträglich zwischen beiden Orten verlegt werden konnte 7 . Der Trierer Erzbischof Boemund von Warsberg besaß seit 1294 die Burg Cochem mit allem Zubehör, d. h. auch dem Moselzoll, für insgesamt 6.553 Mark guter Kölner Denare als Reichspfand 8 . D a angesichts der (hier nicht genannten) Höhe der Pfandsumme keine Hoffnung auf Wiedereinlösung bestehe, wandelte Albrecht diese Pfandschaft in eine unwiderrufliche Schenkung um. Die Trierer Erzbischöfe sollten Cochem als Erbburggrafen besitzen, doch der König konnte mit ihrem Einvernehmen die Burg als Offenhaus nutzen 9 . Die Albrecht von Habsburg bei seiner Wahl von den drei rheinischen Erzbischöfen im Bereich der Zölle abverlangten Zusagen, die im wesentlichen die Ausgangslage für die Zollpolitik des Königs am Rhein bestimmten, sind vor allem nach zwei Kriterien zu bewerten: zum einem im Vergleich mit den Wahlversprechen seines Vorgängers, zum anderen mit der Zollsituation, wie sie der Nassauer 1298 hinter-
6
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8 9
LAC. II, Nr. 998 - REK III.2, Nr. 3602. Als Bürgen setzte er dazu Erzbischof Gerhard von Mainz, Bischof Konrad von Straßburg, Pfalzgraf Rudolf, Markgraf Otto von Brandenburg, dessen Sohn Hermann und Herzog Albrecht von Sachsen. - Innerhalb des folgenden Monats war die Übergabe noch nicht erfolgt. Am 23. September 1298 bevollmächtigte der König den Kölner Erzbischof, da Ludwig und seine Genossen durch Fürstenspruch geächtet worden seien, durch Sperrung der Lebensmittelzufuhr, Verlegung des Zolls und auf jede erforderliche Weise zur Übergabe der Burg zu zwingen (REK III.2, Nr. 3620). Den Grafen von Geldern, Kleve, Jülich, Berg und Mark sowie den Bürgern von Köln und Duisburg befahl Albrecht, die gewaltsamen Besetzer der Burg nicht durch Zufuhr von Lebenmitteln und Zahlung des Zolls zu unterstützen und Wikbold bei deren Vertreibung zu helfen (MGH Const. IV, Nr. 29 - REK III.2, Nr. 3621). Spätestens am 29. Juni 1299 war die Burg in Händen des Erzbischofs (REK III.2, Nr. 3661). MGH Const. IV, Nr. 12 - VOGT, REM 1.1, Nr. 534. In der Urkunde wurden Zollverlegung und Zollneuverleihung zusammengefaßt. Daß der Habsburger zwischen dem 23. Juni und dem 27. Juli zunächst nur die Verlegung vorgenommen hatte, geht aus den entsprechenden Willebriefen Markgraf Ottos von Brandenburg und Herzog Albrechts von Sachsen hervor (VOGT, REM 1.1, Nr. 527). Die Urkunde selbst ist nicht erhalten. Auch der neue Zoll wurde in Lahnstein erhoben, vgl. MGH Const. IV, Nr. 141. MGH Const. III, Nr. 522. MGH Const. IV, Nr. 23. Mit dieser Urkunde vom 25. August 1298 erneuerte Albrecht nach der Krönung unter dem Majestätssiegel, was er bereits am 29. Juli mit dem Siegel des Herzogs von Österreich versprochen hatte (MRR IV, Nr. 2768).
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lassen hatte - ein Aspekt, den Albrechts Biograph Hessel wohl nicht hinreichend berücksichtigt hat 10 . Kaiserswerth hatte Adolf von Nassau im April 1292 auf seine Lebenszeit dem Kölner Erzbischof Siegfried von Westerburg zur Nutzung überlassen sollen. Im September 1292 wurde daraus eine Pfandschaft über 5.000 bzw. 2.000 Mark, nach deren Ablösung die restliche Pfandsumme von 18.000 Mark durch die laufenden Einnahmen zu tilgen war, und im Mai 1293 wurde schließlich die Pfanddauer auf fünfzehn Jahre festgesetzt, nach deren Ablauf Kaiserswerth an das Reich zurückfallen sollte. Die auf Kaiserswerth und dem für die gleiche Zeit gewährten neuen Bonner Zoll zusammen lastende Pfandsumme von 37.500 Mark köln. war in gewissem Sinne nur fiktiv, da nach Ablauf der Frist keine weiteren Ansprüche des Erzbischofs mehr bestanden 11 . Im Sommer 1298 war deshalb mit der entschädigungslosen Rückkehr von Kaiserswerth an das Reich im Jahr 1308 zu rechnen. Als Albrecht nun eine aus der Zeit Erzbischof Siegfrieds rührende Pfandschaft von 36.000 Mark Sterling auf Burg und Zoll Kaiserswerth anerkannte, machte er ein Zugeständnis, das nach Ausweis der urkundlich belegten Verpflichtungen nicht notwendig gewesen wäre; in dieser Höhe hätte die Pfandsumme schon deshalb nicht angesetzt werden dürfen, weil die Rheinzölle Kaiserswerth und Bonn in den vorangegangen sechs Jahren zusammen sicher erheblich mehr als den nominalen Differenzbetrag von 1.500 Mark 12 erbracht hatten. Der fundamentale Unterschied zu 1293 bestand jedoch darin, daß jetzt die Einkünfte nicht mehr auf die Pfandsumme angerechnet wurden und eine Einlösung erst nach dem Tod Albrechts und Wikbolds möglich war. Die Position des Reiches in Kaiserswerth war damit noch ungünstiger als bei den schon sehr weitreichenden Andernacher Zusagen Adolfs von Nassau vom Frühjahr 1292. Bei dem anderen Reichszoll am Rhein, über den Albrecht verfügte, dem Bopparder fridezol, war die Situation weniger eindeutig. Indem er den Zoll an Gerhard von Eppstein übertrug und die schon von Adolf versprochene Verlegung nach Lahnstein vollzog, bestätigte der König de iure nur eine der Wahlzusagen seines Vorgängers. De facto wurde Albrecht aber die Vergabe des letzten unverpfändeten Reichszolls am Rhein abverlangt, wenngleich sich der Mainzer Erzbischof den Zoll schon im Januar 1298 eigenmächtig 13 angeeignet hatte. Daß der Habsburger den Trierer Rechtstitel auf Burg und Zoll Cochem von einer Pfandschaft in eine Schenkung umwandelte, bedeutete für den Trierer Erzbischof
10 11 12
Vgl. HESSEL, Albrecht I., S. 63 ff. Vgl. dazu im einzelnen oben S. 423 f., 428,432 f. Der gute Kölner Denar und der englische Sterling waren weitgehend gleichwertig; vgl.
13
VOGT, REM 1.1, Nr. 513. Der offene Konflikt zwischen König und Erzbischof seit Sommer 1297 (vgl. dazu GERLICH, Adolf von Nassau, S. 61 ff.) und die Tatsache, daß Gerhard von Eppstein erst jetzt über den Zoll verfügte, macht es unwahrscheinlich, daß Adolf von Nassau seine den Zoll betreffenden Wahlzusagen von 1292 nun doch realisiert hatte, zumal auch die Verlegung nach Lahnstein nicht vollzogen worden war.
LAMPRECHT, Wirtschaftsleben II, S. 426 f.
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D. Herrscherliche
Zollpolitik
vom 10. Jahrhundert bis ca. 1325
zweifellos einen großen territorialen Gewinn, da Cochem die Brücke zwischen dem Trierer und dem Koblenzer Besitzschwerpunkt des Erzstifts bildete; der Verlust für das Reich war demgegenüber eher gering. Die Pfandsumme stand in der Tat zu den Einkünften in keinem Verhältnis. Schon Adolf von Nassau hatte 1292 hervorgehoben, daß die Cochemer Erträge kaum die laufenden Kosten und notwendigen Auslagen deckten 14 . Im Vergleich mit den Rheinzöllen in Boppard oder Kaiserswerth daran lassen spätere Quellen keinen Zweifel - war der Cochemer Moselzoll in fiskalischer Hinsicht wenig bedeutend 15 . Die beträchtliche Pfandhöhe ist somit eher aus dem territorialpolitischen Wert des Cochemer Reichsgutkomplexes für den Trierer Metropoliten als, wie am Rhein, aus der Ertragskraft des Flußzolls zu erklären. Zudem sicherte sich Albrecht mit der Offenhausklausel auch weiterhin die militärische Nutzung der Burg bzw. die Kontrolle des Moselverkehrs mit Hilfe des Zolls. Auch blieben die Cochemer Burgmannen grundsätzlich dem König verpflichtet 16 , obgleich sie dem Kommando des jeweiligen Trierer Erzbischofs in seiner Funktion als Erbburggraf unterstanden. Die Erzbischöfe von Köln und Mainz verlangten von Albrecht über die Bestätigung und Erweiterung ihrer Pfand- bzw. Eigentumsrechte an (vormaligen) Reichszöllen hinaus teils offen, teils verdeckt auch neue Vergünstigungen für ihre territorialen Zölle. Eine offene Verleihung war der neue Rheinzoll in Lahnstein oder Rüdesheim an Gerhard von Eppstein; ältere Rechte bzw. Ansprüche lagen hier nicht vor. Dagegen bestand Wikbold von Holte darauf, daß Albrecht ihm die kölnischen Rheinzölle in Verschleierung ihrer tatsächlichen Genese als hergebrachte Rechte des Erzstifts bzw. als (rechtmäßige) Erwerbungen Siegfrieds von Westerburg bestätigte. Lediglich der Neusser Rheinzoll war unstrittig; der Andernacher Hebestelle hatte Wikbolds Vorgänger sowohl unter Rudolf von Habsburg als auch unter Adolf von Nassau trotz mehrerer Anläufe keine reichsrechtliche Anerkennung verschaffen können, obgleich die Zollstätte nach ihrer von Rudolf 1282 erzwungenen Abstellung spätestens seit 1287 wieder bestanden haben dürfte17. Mit der hier von Albrecht verlangten pauschalen Bestätigung aller kölnischen Zollprivilegien wollte der Erzbischof, wie sein Vorgänger sechs Jahre zuvor18, vor allem die Absicherung des Andernacher Zolls erreichen. Die Erneuerung der Barbarossaschenkung von 1167 sollte dieser Hebestelle einen unstrittigen Rechtstitel verschaffen, den sie aufgrund ihres nur zeitweiligen Bestands nicht besaß. Auf den Rheinberger Zoll, der hier als Besitz Siegfrieds von Westerburg bezeichnet wurde, hatte dieser tatsächlich 1293 explizit verzichten müssen. Von allen vier kölnischen Hebestellen war die Legitimation dieses Zolls am fraglichsten, was darin zum Ausdruck kam, daß Albrecht
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U B Duisburg I, Nr. 125 - REK III.2, Nr. 3362. Vgl. unten S. 554. Erst 1316 dehnte Ludwig der Bayer die Trierer Rechte auf die Burgleute aus ( M G H Const. V, Nr. 349). REK III.2, Nr. 3131, 3149. Vgl. oben S. 429.
VII. Albrecht I. von Habsburg
441
Rheinberg nur auf Lebenszeit Wikbolds bestätigte. Am geschicktesten war jedoch die Einordnung des Bonner Zolls in die Reihe derjenigen Rheinzölle, die der Habsburger dem Erzstift als dauerhaften Besitz bestätigte; denn damit wurde stillschweigend die 1308 auslaufende Befristung dieser Abgabe und ihr rechtlicher Charakter als Reichspfandschaft übergangen. Die Wahlkapitulationen Albrechts von Habsburg für die rheinischen Erzbischöfe zeigen kein eindeutiges Bild. Insgesamt mußte er Reichsgut in sehr viel geringerem Maße als sein Vorgänger in der gleichen Situation vergeben. So erhielt der Kölner Erzbischof 1298 neben Kaiserswerth >nur< das Sinziger Reichsgut und das Dortmunder Schultheißenamt mit den drei Reichshöfen Westhofen, Elmenhorst und Brakel, wobei sich Albrecht aber vorbehielt, von den Dortmunder Bürgern und Juden nach eigenem Ermessen zusätzliche Abgaben und Leistungen zu fordern 19 . Was aber speziell die Zölle anbelangt, wurden die zähen Bemühungen Adolfs von Nassau um eine Sicherung von Kaiserswerth und Boppard als Rheinzölle des Reiches und seine restriktive Zollbestätigungspolitik gegenüber dem Kölner Erzstift teilweise, so schien es jedenfalls zunächst, zunichte gemacht. Die Zollvergünstigungen für die Mainzer Kirche stellten abermals eine qualitative Steigerung in der Entwicklung der Wahlkapitulationen seit Rudolf von Habsburg dar. 1292 hatte Gerhard von Eppstein als erster Wahlfürst den vollständigen, durch keine Pfandrechte mehr reduzierten Übergang eines Reichszolls, des Bopparder Friedenszolls, in den Besitz seines Erzstifts verlangt. Sechs Jahre später knüpfte er seine Wahlstimme an die Verleihung eines neuen Rheinzolls, was ebenfalls ohne Vorbild war und sich von der Berufung seines Kölner Amtsbruders auf hergebrachte Rechte, die zumindest als Ansprüche bereits vorhanden waren, grundlegend unterschied. Über den Einzelfall hinaus war dieses Verfahren von grundsätzlicher Bedeutung, weil es den Wahlfürsten die Möglichkeit bot, ihren Zollbesitz nicht nur, wie es die Kölner Erzbischöfe taten, gegen viele Widerstände eigenmächtig aufzubauen und dann mühsam nachträglich zu legitimieren, sondern ihre besondere Stellung in der Reichsverfassung weitgehend reibungslos zu einem strukturellen Übergewicht in der Gruppe der Rheinzollinhaber auszubauen.
VII.2
Der >Zollkrieg< von 1301/1302
Anders als sein Vorgänger hat Albrecht I. seine Wahlzusagen offenbar eingehalten und weder stillschweigend ignoriert noch offiziell revidiert; bis Ende 1299 war das Verhältnis zu seinen Wählern ohne nachweisbare Konflikte. Auf dem Nürnberger Hoftag erneuerte er im November 1298 mit gunst und mit rat der erbern Herren der churfursten den allgemeinen Landfrieden in der Würzburger Fassung von 1287, wobei die schon von Adolf 1292 wörtlich übernommenen Zollbestimmungen, darunter
19
MGH Const. IV, Nr. 24 - REK III.2, Nr. 3601.
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D. Herrscherliche Zollpolitik vom 10. Jahrhundert bis ca. 1325
das Verbot aller seit dem Tod Friedrichs II. unrechtmäßig eingerichteten Abgaben, unverändert wiederholt wurden20. Die späteren Ereignisse dürfen nicht den Blick dafür verstellen, daß Ende 1298 wohl kaum mit einer konkreten Umsetzung dieser Zollbestimmungen, zumal auf Kosten der Wahlfürsten, gerechnet wurde. Sowohl der Würzburger Landfrieden als auch seine beiden Erneuerungen von 1291 und 129221 waren diesbezüglich (am Rhein) folgenlos geblieben, und das Verhalten des Königs gab den Zeitgenossen keinen Anlaß, in dieser Hinsicht anderes zu erwarten. Erste Auseinandersetzungen zwischen dem König und seinen rheinischen Wählern bahnten sich im Dezember 1299 an. Der Konflikt entzündete sich am Bündnis des Habsburgers mit dem französischen König Philipp dem Schönen, das bei einem persönlichen Treffen beider Herrscher in Quatrevaux bei Toul geschlossen wurde22. Die Anerkennung französischer Okkupationen (?) an der Westgrenze des Reiches in Verbindung mit der Verheiratung von Albrechts ältestem Sohn Rudolf mit Philipps Schwester Bianca weckte die Befürchtung, daß Albrecht mit französischer Rückendeckung eine habsburgische Erbmonarchie in Deutschland begründen wollte, was natürlich die Stellung der Wahlfürsten in der Reichsverfassung grundlegend geschwächt hätte. In der Tat kann an einem solchen Plan des Habsburgers kein Zweifel bestehen, wenngleich Gerüchte, daß die französische Hilfe unter Preisgabe erheblicher Gebiete im Westen des Reiches erkauft werden sollte - neben dem Arelat sollte angeblich sogar das gesamte linke Rheinland an Frankreich abgetreten werden kaum der Wahrheit entsprochen haben können 23 . Widerstand kam unter Führung des Kölners in erster Linie von den rheinischen Erzbischöfen, die von den Bischöfen an der westlichen Reichsgrenze in Lüttich, Cambrai und Toul unterstützt wurden. Wikbold von Köln, der auch seinen todkranken Trierer Amtsbruder Boemund von Warsberg vertrat, und Gerhard von Mainz versagten ihre Willebriefe zum Vertrag mit Frankreich und protestierten förmlich gegen die, wie sie es darstellten, Zerstükkelung des Reiches und Entfremdung von Reichsgut 24 . Der offene Bruch blieb zunächst noch aus. Albrecht und Philipp einigten sich, daß für die Heiratsabsprache zunächst die Willebriefe von drei Wahlfürsten (Pfalz, Sach-
20
21 22 23
24
MGH Const. IV, Nr. 33. Die Modifikationen (c. 13-15) betrafen die Definition von Pfahlbürgern, die Aufnahme fremder Eigenleute in Städte und die Rechtsstellung der Freistädte. 1287: MGH Const. III, Nr. 390; 1291: ebd., Nr. 459; 1292: MGH Const. IV, Nr. 488. Die komplexen Zusammenhänge können hier nur verkürzt wiedergegeben werden. Vgl. zum folgenden ausführlich HESSEL, Albrecht I., S. 82 ff. Vgl. HESSEL, Albrecht I., S. 83, der auf die mutmaßliche Entstehung dieser Gerüchte im Umfeld der opponierenden rheinischen Erzbischöfe verweist. Siehe auch GRUNDMANN, Wahlkönigtum, S. 131; TRAUTZ, England, S. 179 f. THOMAS, Geschichte, S. 113 f., vertritt die Ansicht, daß die Ergebnisse der Verhandlungen vor allem vom Kölner Erzbischof »ungeheuer aufgebauscht« worden seien. MGH Const. IV, Nr. 80 - REK III.2, Nr. 3710. Vgl. zum Trierer Erzbischof REK III.2, Nr. 3703.
VII. Albrecht I. von Habsburg
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sen, Brandenburg) genügen sollten25. Die latent vorhandenen Spannungen zwischen dem König und den rheinischen Erzbischöfen verschärften sich jedoch, als Albrecht versuchte, die Grafschaft Holland nach dem Tod des Grafen Johann (10. November 1299) gegen den Widerstand des faktischen Nachfolgers, des Hennegauer Grafen Johann von Avesnes, als erledigtes Reichslehen einzuziehen. Damit hätten die bereits den Hochrhein beherrschenden Habsburger nun auch die Rheinmündung kontrolliert 26 . Wortführer der Opposition war der Kölner Metropolit Wikbold von Holte 27 . Dessen Neutralisierung nahm der König seit Januar 1300 nach dem bewährten Muster seiner beiden Vorgänger in Angriff, indem er nämlich gezielt Verbindungen zu den territorialen Gegnern der Kölner Kirche am Niederrhein - Kleve, Jülich, Berg und Mark - knüpfte 28 . Die zusätzlich vom Klever Grafen angeregte Einsetzung eines Reichsvogts am Niederrhein zur Kontrolle des Kölner Erzbischofs 29 wurde vorläufig jedoch nicht realisiert. Der Habsburger glaubte offenbar, sich die Unterstützung des Metropoliten bei der Gewinnung Hollands bereits so schon gesichert zu haben und auf weitere Maßnahmen verzichten zu können. Als Albrecht im Juli zu Verhandlungen mit Johann von Avesnes an den Niederrhein kam, zeigte sich allerdings bald die schwache Stellung des Königs, der hier nur auf den mit ihm verschwägerten Grafen von Kleve sicher zählen konnte 30 . Vom ursprünglich vorgesehenen Tagungsort Nimwegen mußte er sich unter dem Eindruck eines hennegauischen Truppenaufmarsches in das klevische Kranenburg zurückziehen und die Verhandlungen dem Kölner Erzbischof sowie Herzog Johann II. von Brabant überlassen 31 . Man vereinbarte einen Waffenstillstand und die Einsetzung eines Schiedsgerichts32. Mehr konnte der König, der ohne Rückendeckung durch eigene Truppen in einer deutlich schwächeren Position als sein Gegner war, nicht erreichen, zumal neben dem Herzog, der sich im Juli offen auf die Seite des Grafen von Hennegau gestellt hatte 33 , auch Wikbold bei den Verhandlungen mehr dessen Interessen als diejenigen des Habsburgers vertreten haben dürfte: An demselben Tag, an dem das Schiedsgericht eingesetzt wurde, dem 17. August 1300, versprach
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30 31 32 33
Vgl. HESSEL, Albrecht I., S. 85. Vgl. bereits SCHULTE, Handel I, S. 204. Vgl. zu Hintergründen und Verlauf HESSEL, Albrecht I., S. 87-92. Vgl. HESSEL, Albrecht I., S. 90 ff.; KASTNER, Territorialpolitik, S. 83 f.; KRAUS, Jülich, S. 180 ff., mit Einzelnachweisen. Der Zusammenhang ergibt sich nicht nur aus der Gesamtlage, sondern wird in der entsprechenden Quelle (REK III.2, Nr. 3736), einem Schreiben Albrechts, das wahrscheinlich an den Grafen von Kleve gerichtet war, klar formuliert. Siehe auch die vorherige Anmerkung. Bereits am 16. April 1300 war Graf Gerhard von Jülich für dieses Amt vorgesehen (KREMER/LAMEY, Akademische Beiträge III, Nr. 218) - ob auf Vorschlag Kleves, ist nicht bekannt. Vgl. dazu KASTNER, Territorialpolitik, S. 84 f. REK III.2, Nr. 3748. MGH Const. IV, Nr. 54 - REK III.2, Nr. 3751. Vgl. HESSEL, Albrecht I., S. 92.
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Johann von Avesnes dem Metropoliten 3.500 Pfund kleine Turnosen, und schon drei Tage zuvor hatten Wikbold und Herzog Johann ein förmliches Bündnis geschlossen, das vor dem Hintergrund der politischen Lage als Unterstützung der hennegauischen Ansprüche auf Holland zu deuten ist34. Die Parteinahme der beiden wichtigsten Großen am Niederrhein 35 gegen den König brachte diesen in eine kritische Lage. Es kursierte sogar das Gerücht, Wikbold habe mit falschen Hilfszusagen den Habsburger ohne eigene Truppen zu den Verhandlungen an den Niederrhein gelockt, um einen Mordanschlag auf ihn zu ermöglichen36. Die hier skizzierten Ereignisse führten Albrecht vor Augen, daß an die Gewinnung der Rheinmündung oder gar an ein habsburgisches Erbreich so lange kaum zu denken war, wie der latente Widerstand der rheinischen Erzbischöfe seinen Handlungsspielraum in derart hohem Maße einengte. Unmittelbar nach Ende der Verhandlungen griff er die Pläne vom Frühjahr auf und bestellte Graf Gerhard von Jülich zum advocatus provincialis am Niederrhein 37 . Dieser Schritt war offenkundig gegen den Kölner Erzbischof gerichtet, zumal der Jülicher in den Ländern der benachbarten Dynasten von Kleve und Berg seine Amtsbefugnisse, d. h. die Wahrung und Durchsetzung des allgemeinen Landfriedens in Stellvertretung des Königs, explizit nicht ausüben sollte38. Daß Albrecht damit mehr als eine demonstrative Warnung an den Erzbischof bezweckte und schon zu weitergehenden Aktionen entschlossen war, lassen seine erheblichen Aufwendungen erkennen. Dem von ihm selbst zum Ritter geschlagenen Grafen Wilhelm von Berg versprach er zur gleichen Zeit 1.000 Mark Silber für Auslagen im Dienste von König und Reich 39 ; bereits im April hatte der Graf von Kleve 2.000 Mark erhalten 40 . Die weiteren, hier nicht im einzelnen zu verfolgenden Maßnahmen des Königs blieben keineswegs auf den Umkreis des Kölner Erzstifts beschränkt 41 , sondern
34
R E K III.2, N r . 3 7 5 0 , 3 7 5 2 . V g l . HESSEL, A l b r e c h t I., S. 9 1 f.
35
Wie KRAUS, Jülich, S. 183, herausgestellt hat, teilten sich bis Sommer 1300 die niederrheinisch-niederländischen Großen in zwei Lager: die Gegner einer Stärkung der königlichen Macht in diesem Raum, der Graf von Geldern, der Herzog von Brabant und der Kölner Erzbischof, unterstützten mehr oder minder offen die Ansprüche Johanns von Avesnes auf Holland. Auf Seiten Albrechts standen die Dynasten von Kleve, Jülich, Berg und Mark. REK III.2, Nr. 3748; vgl. HESSEL, Albrecht I , S. 92. Bereits am 16. April 1300 versprach Graf Gerhard den Grafen von Kleve und Berg, in ihren Ländern nicht als Landvogt zu amtieren (KREMER/LAMEY, Akademische Beiträge III, Nr. 218). Die Bestallung scheint aber erst im Spätsommer erfolgt zu sein; vgl. MGH Const. IV, Nr. 122 (Berg); KASTNER, Territorialpolitik, Beilage Nr. 8, S. 178 (Kleve). Beide Urkunden sind vom 2. September 1300. Dies war von Beginn an vorgesehen, siehe die vorherige Anmerkung. LAC. II, Nr. 1059. Vgl. KASTNER, Territorialpolitik, S. 83. Vgl. auch den Bündnisvertrag Albrechts mit dem Bischof Hugo von Lüttich vom 19. Dezember 1300 (MGH Const. IV, Nr. 127).
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VII. Albrecht I. von Habsburg
445
galten vor allem seinem zweiten Hauptgegner, dem Mainzer Erzbischof Gerhard von Eppstein. So ernannte Albrecht dessen erklärten Widersacher Ulrich von Hanau zum Landvogt in der Wetterau, unterstellte ihm im Oktober 1300 die Reichsstädte Oppenheim, Boppard, Oberwesel, Frankfurt, Friedberg, Wetzlar und Gelnhausen 42 und gab ihm zwei Monate später eine Generalvollmacht 43 zur Anwerbung von Helfern. Immer deutlicher zeichnete sich ab, daß es nicht mehr, wie noch etwa bei Rudolf von Habsburg, um die Behauptung königlicher Macht gegenüber einem allzu selbständig agierenden Kölner oder Mainzer Erzbischof ging, sondern daß eine grundlegende Auseinandersetzung zwischen dem König und den sich seinen Plänen widersetzenden rheinischen Wahlfürsten bevorstand. Die Absichten des Habsburgers sind in dieser Phase noch nicht genau zu fassen - seine Gegner befürchteten jedenfalls eine existentielle Gefährdung ihrer Position: Nachdem die drei Erzbischöfe Ende September auch Pfalzgraf Rudolf auf ihre Seite gezogen hatten, schlössen die vier rheinischen Wahlfürsten am 14. Oktober 1300 im mittelrheinischen Heimbach ein förmliches Bündnis zur Verteidigung ihrer Rechte und ihres Besitzstandes. Während die Ausfertigungen von Mainz, Pfalz und wohl auch Köln44 keinen bestimmten Gegner nennen, war die Urkunde des neuen Trierer Erzbischofs Dieter von Nassau 45 der als Bruder des in Göllheim gefallenen Königs überdies noch aus familiären Gründen Gegner des Habsburgers war - explizit gegen Albrecht gerichtet. Schon dessen Apostrophierung als dux Austrie qui nunc rex dicitur Teutonie in der Trierer Urkunde läßt erkennen, daß die Fürsten Albrecht das Schicksal seines Vorgängers bereiten und ihn absetzen wollten, bevor sich die durch die Verbindung mit Frankreich und den Griff nach Holland in Bewegung geratenen Machtverhältnisse im Westen des Reiches weiter zu ihren Ungunsten verschoben. Daß aber die Fürsten bereits zu diesem Zeitpunkt konkret um ihre Zölle fürchteten - dies muß hervorgehoben werden - , ist weder dem Wortlaut der Bündnisurkunden zu entnehmen, noch legt die Entwicklung des Konfliktes bzw. das Verhalten Albrechts bis zum September/Oktober 1300 eine solche Vermutung nahe 46 . Erst am Beginn des folgenden Jahres rückten die Rheinzölle in den Vordergrund der Auseinandersetzungen. Am 6. Februar 1301 bestätigte Albrecht summarisch die
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46
MGH Const. IV, Nr. 124; vgl. dazu HESSEL, Albrecht I., S. 94. MGH Const. IV, Nr. 125. Eine Generalvollmacht erhielt im Februar 1301 auch der Landvogt des Speyergaus, Graf Friedrich von Leiningen (ebd., Nr. 126). Pfalz: LAC. III, Nr. 1063; gleichlautend die des Mainzers: VOGT, REM 1.1, Nr. 650. Die Kölner Ausfertigung ist nicht erhalten. M G H Const. IV, Nr. 1188 -
R E K III.2, N r . 3 7 5 8 ; v g l . HESSEL, A l b r e c h t I., S . 9 3 f.; z u
Dieters Rolle vgl. HOLBACH, Dieter von Nassau, S. 73 ff. Anders DIRLMEIER, Hoheitsträger, S. 143, der annimmt, die Fürsten hätten aufgrund des Nürnberger Landfriedens von 1298 und der bisherigen Zollpolitik des Königs vor allem um ihre Rheinzölle gefürchtet. Auf diese These wird bei der Diskussion um die Motive Albrechts bei der Führung des Zollkrieges zurückzukommen sein.
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Privilegien der Kölner Bürger und verbot, diese in Lahnstein, Koblenz, Andernach, Bonn, Neuss und Rheinberg oder an anderen Orten, wo zu seinem und des Reiches Nachteil neue Zölle errichtet worden seien, mit Zoll zu belasten. Ferner erlaubte er den Kölnern, sich gegebenenfalls an den Inhabern solcher Zölle schadlos zu halten, und sicherte ihnen dafür seinen Beistand zu47. Zwar wurden keine bestimmten Zollinhaber namhaft gemacht, doch zeigt die Liste der Hebestellen, gegen wen sich das Privileg Albrechts richtete: Allein an den vollständig und ausschließlich genannten Rheinzöllen der drei rheinischen Erzbischöfe 48 sollte die Zollfreiheit der Kölner durchgesetzt werden. Die Hebestellen der Grafen von Katzenelnbogen, Kleve, Geldern und selbst die des Pfalzgrafen fehlten dagegen. Letzteres ist vielleicht ein Zeichen dafür, daß Albrecht die Front der Wahlfürsten und ihrer Anhänger, zu denen unter den Rheinzollinhabern die Grafen von Geldern und die ältere Linie der Grafen von Katzenelnbogen 49 gehörten, durch eine Isolierung der Metropoliten aufbrechen wollte; denn daß die Kölner eine explizite Befreiung auch von den anderen Rheinzöllen begrüßt hätten, liegt auf der Hand. Mit dem Kölner Privileg unternahm Albrecht noch keinen grundsätzlichen Angriff auf den Zollbestand der Wahlfürsten. Formal sollte lediglich den speziellen freilich aus älteren Privilegien nur teilweise zu begründenden - Kölner Zollvorrechten Geltung verschafft werden, doch setzte der König durch die betonte Unterstützung der wichtigsten Handelsstadt am Rhein ein klares Signal für eine neue zollpolitische Linie in diesem Raum, die den wirtschaftlichen Interessen der Bürger explizit Vorrang gegenüber den fiskalischen der Fürsten einräumte. Bereits drei Monate später ließ der Habsburger erkennen, daß das Schutzversprechen für Köln erst der Auftakt zu seinem Versuch gewesen war, das seit Jahrzehnten auf der Tagesordnung stehende Dauerthema neuer bzw. unrechtmäßiger Zölle im Kampf gegen die rheinischen Wahlfürsten zu instrumentalisieren und sie auf diese Weise im Kern ihrer finanziellen Basis zu treffen. Am 7. Mai 1301 unterrichtete Albrecht die Städte Köln, Mainz, Trier, Worms, Speyer, Straßburg, Basel und Konstanz von seinen Maßnahmen: Um den Räubereien der Erzbischöfe von Köln, Mainz und Trier und einiger Fürsten und Herren zu begegnen, die bestehende Zölle erhöht bzw. neu eingerichtet hätten und so in Bacharach, Lahnstein, Koblenz, Andernach, Bonn, Neuss, Rheinberg und Schmithausen contra iusticiam Transitabgaben erzwängen, widerrufe er hiermit alle von seinen Vorgängern und ihm selbst ergangenen Zollverleihungen und verbiete die Erhebung der darauf beruhenden Zölle an den genannten oder anderen Orten. Nur diejenigen Zölle, die durch Friedrich II. verliehen oder anerkannt worden seien, sollten Bestand haben. Der König ermächtigte die Städte und ihre Helfer, pro tranquillitate et paciftco statu Romani imperii einen all-
gemeinen Landfrieden zu errichten und sich der Erhebung solcher Zölle zu wider-
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MGH Const. IV, Nr. 128. Lahnstein war mainzisch, Koblenz trierisch, die übrigen Zölle waren kölnisch. Vgl. zu deren unterschiedlichen Parteinahmen DEMANDT, Anfänge, S. 61 ff.
VII. Albrecht I. von Habsburg
447
setzen. Von der Zollaufhebung sollten die Bürger die Erzbischöfe und deren Domkapitel öffentlich in Kenntnis setzen 50 . Innerhalb weniger Monate war es damit dem König gelungen, alle rheinischen Bischofsstädte zu einer Antizollkoalition zusammenzuführen 51 . Sie wurde durch die dem Wetterauer Landvogt Ulrich von Hanau unterstellten Reichsstädte 52 Oppenheim, Boppard, Oberwesel, Frankfurt, Friedberg, Wetzlar und Gelnhausen sowie am Niederrhein durch die Grafen und Edelherren von Kleve, Jülich, Berg, Mark, Valkenburg und Cuijk 53 zu einer fast lückenlosen Erfassung des gesamten Stromgebiets gefügt. Von besonderer Bedeutung war dabei, daß Albrecht auch alle drei erzbischöflichen Domstädte gegen ihre Stadtherren auf seine Seite ziehen konnte. Offensichtlich hatten es die Metropoliten versäumt, ihre Bürger durch entsprechende Zollbefreiungen wenn schon nicht für ihre Interessen zu gewinnen, so doch zumindest in der Zollfrage zu neutralisieren 54 . Wie schon in der Kölner Zollbefreiung waren die (jetzt namhaft gemachten) Erzbischöfe die Hauptbetroffenen des Mandats. Daneben zeigt die Ergänzung der Zollliste um Bacharach und Schmithausen, daß Albrecht nun auch den Pfalzgrafen bzw. den Grafen von Geldern 55 , also seine rheinischen Opponenten insgesamt, treffen
50
M G H Const. IV, Nr. 134 - URKUNDENREGESTEN IV, Nr. 286.
51
Dies ergibt sich zum einen aus der Adressatenliste des Mandats. Darüber hinaus sind Einzelbündnisse Albrechts mit Worms und Speyer vom Mai 1301 überliefert (MGH Const. IV, Nr. 133); seit April waren Straßburg und Basel, die dortigen Bischöfe und die elsässischen Landgrafen dem König im oberrheinischen Landfrieden (MGH Const. IV., Nr. 129) förmlich verbunden. Im Dezember 1301 trat auch Koblenz durch einen Bund mit Boppard und Oberwesel auf die Seite des Königs (MGH Const. IV, Nr. 136). Vgl. dazu und zu weiteren Maßnahmen des Königs HESSEL, Albrecht I., S. 97,102 Anm. 80 f. MGH Const. IV, Nr. 124. Vgl. auch KRISSL, Albrecht I., S. 184 ff. Vgl. MGH Const. IV, Nr. 135. Die Intensität der Parteinahme war allerdings recht unterschiedlich. Während Köln, wie schon die Zollbefreiung vom Februar 1301 zeigt, zu den aktivsten Parteigängern Albrechts gehörte, und auch Mainz gegen den Erzbischof Position bezog (vgl. GERLICH, Albrecht I., S. 31 mit Anm. 29), ist die Haltung Triers nicht klar faßbar, bedingt wohl auch durch innerstädtische Auseinandersetzungen (vgl. unten S. 558). Daß die Zollfrage keineswegs das alleinige Konfliktfeld zwischen den Städten und ihren erzbischöflichen Stadtherren war, steht außer Frage. Der Schmithausener Zoll war vom Utrechter Marienstift an die Herren von Lek zu Erbpacht ausgegeben, die um 1300 in enger Verbindung zu den geldrischen Dynasten stan-
52 53 54
55
den (vgl. U B Duisburg I, Nr. 93; NIJHOFF, G e d e n k w a a r d i g h e d e n I, Nr. 80; SCHOLZ-
BABISCH, Quellen, Nr. 59). Aus Sicht des Königs war das Verbot dieser Hebestelle wohl nicht mehr als eine Verlegenheitslösung, da der eigentliche geldrische Rheinzoll Lobith durch mehrere Goldbullen Friedrichs II. aus den 1220er Jahren bestätigt worden war und damit selbst bei weitester Auslegung nicht unter das Zollverbot fiel. Zwar galt dies ebenso für Schmithausen - 1193 hatte Heinrich VI. den aus dem 11. Jahrhundert stammenden Zoll bestätigt (MULLER/BOUMAN, OSUI, Nr. 524) - , doch ist eine Urkunde
448
D. Herrscherliche
Zollpolitik
vom 10. Jahrhundert bis ca. 1325
wollte. Die Radikalität seines Vorgehens ließ keinen Zweifel daran, daß der Habsburger über die Zölle eine grundlegende Revision der Machtverhältnisse am Rhein und im Reich anstrebte und dazu die königliche Zollhoheit viel weiter ausschöpfte, als es irgendeiner seiner Vorgänger seit dem Mainzer Reichslandfrieden von 1235 getan hatte. Indirekt nahm Albrecht auch auf diese große staufische Zollrevision Bezug; denn anders als fast in der gesamten Literatur behauptet wird, setzte er für das Verbot nicht den Tod Friedrichs II. als Stichjahr - dies galt implizit allein für den Widerruf der Zollverleihungen. Albrecht erlaubte auch keineswegs den Fortbestand aller vor 1250 - rechtmäßig oder nicht - errichteten Zölle, wie dies noch im Nürnberger Landfrieden vom Dezember 1298 bestimmt worden war (daz alle die zolle, die seit keiser Fridrichez zit uf gesetzet sint... gar ab sein)56. Nach dem Wortlaut des Mandats vom Mai 1301 sollten vielmehr nur diejenigen Abgaben bestehen bleiben, die der Stauferkaiser seinerseits anerkannt hatte (per dive memorie Fridericum victoriosum imperatorem fuerunt data, concessa et ordinata)51. Dieser Unterschied hatte, soweit dies erkennbar ist, nur für die kölnischen Rheinzölle eine Bedeutung und wurde daher wohl gezielt für deren Erfassung vorgenommen. Es sei hier noch einmal daran erinnert, daß von den vier im Mandat vom 7. Mai 1301 genannten erzstiftischen Zollstätten Andernach, Bonn, Neuss und Rheinberg lediglich Neuss in der Zeit des Staufers unbestritten und vom Mainzer Reichslandfrieden nicht betroffen war58. Dagegen konnte Erzbischof Heinrich von Müllenark den Andernacher Rheinzoll, den er nach ca. vierzigjähriger Pause gegen 1234 reaktiviert hatte, ebensowenig behaupten wie den zur gleichen Zeit in Rheinberg neu errichteten Rheinzoll: Beide Hebestellen mußten vermutlich als Folge des Reichslandfriedens, der die Anerkennung solcher nach dem Tod Heinrichs VI. errichteten Abgaben in das Ermessen des Kaisers stellte, niedergelegt werden 59 . Der Bonner Rheinzoll war durch Konrad von Hochstaden Mitte der 1240er Jahren eingerichtet worden, also zu einer Zeit, als der Erzbischof bereits auf päpstlicher Seite gegen den Stauferkaiser stand. Friedrich II. hatte die Hebestelle daher mit Sicherheit nicht legitimiert. Vermutlich infolge seines Beitritts zum Rheinischen Bund von 1254 mußte Konrad auf den Zoll verzichten60. Erst Siegfried von Westerburg hatte versucht, alle vier Orte als Rheinzollstätten zu etablieren, aber alle Privilegien, die er oder seine Nachfolger erwirkt hatten, wurden nun ja für ungültig erklärt. Wenn unsere Annahme zutrifft, daß man den Fortbestand der vor 1250 errichteten Zölle vor
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Friedrichs II. nicht überliefert. Vielleicht hatte auch die mit Albrecht verbündete Stadt Köln die Chance ergriffen, ein vollständiges Verbot des Zolls durchzusetzen, statt sich mit einer Rücknahme der vor 1279 erfolgten Zollerhöhung (vgl. den niederrheinischen Landfrieden: U B Duisburg I, Nr. 92) zu begnügen. Vgl. M G H Const. IV, Nr. 33 Art. 19. Vgl. M G H Const. IV, Nr. 134. Vgl. oben S. 372. Vgl. oben S. 372 f. Vgl. oben S. 391.
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allem deshalb an die Anerkennung durch Friedrich II. knüpfte, um das Zollverbot speziell im Hinblick auf die komplexe Genese der kölnischen Rheinzölle >wasserdicht< zu machen, setzte dies recht genaue Kenntnisse über die Entwicklung des erzstiftischen Zollsystems voraus - ein Detailwissen, das man unter den Anhängern des Königs wohl am ehesten bei der städtischen Führungsschicht Kölns vermuten darf. Es ist daher naheliegend, deren direkte Mitwirkung bei der Abfassung des Zollverbots anzunehmen. So wichtig das Kölner Privileg vom Februar als Signal für eine neue zollpolitische Linie des Herrschers gewesen war, hatte es doch das entscheidende Manko, daß den Zöllen der geistlichen Wahlfürsten nur auf dem Umweg über eine (z. T. vorgebliche) Verletzung der städtischen Privilegien beizukommen war, und auch dann nur mit Wirkung auf die spezifischen stadtkölnischen Zollvorrechte. Die Hebestellen an sich konnten den Fürsten so nicht bestritten werden; denn zumindest die genannten kölnischen und mainzischen Rheinzollstätten - für eigenmächtige Zollerhöhungen traf dies natürlich nicht zu - galten durch die Bestätigungen bzw. Verleihungen, die Albrecht selbst noch im Sommer 1298 als einhellig gewählter, gesalbter und gekrönter König ausgestellt hatte, nach den Anschauungen der Zeit zweifellos als rechtmäßig61. Die Zollbestimmungen des Nürnberger Landfriedens von 1298 standen dem ebenfalls nicht entgegen: die nach dem dort festgelegten Stichjahr (1250) errichteten Zölle galten, wie im vorbildgebenden Mainzer Reichslandfrieden, nur dann als unrechtmäßig, wenn ihnen die Anerkennung durch den König fehlte 62 - eine sehr wichtige, aber oft übersehene Einschränkung. Folgerichtig mußte Albrecht daher seine eigenen Zollverleihungen und -bestätigungen bzw. diejenigen seiner Vorgänger widerrufen, um den rheinischen Fürsten ihre Zölle und damit eine ihrer wichtigsten finanziellen Ressourcen zu nehmen. Dabei verwendete er erhebliche Mühe darauf, diese theoretisch zwar aus der königlichen Zollhoheit abzuleitende, aber so zuvor nie praktizierte Maßnahme rechtlich möglichst breit zu fundieren. Das spezielle Verbot bestimmter Rheinzölle vom 7. Mai 1301 war damit begründet worden, daß diese erhöht oder neu eingerichtet und deshalb contra iusticiam seien, wobei jedoch nicht berücksichtigt wurde, daß der Vorwurf einer illegitimen Neuerrichtung bei den auf königliche Zollverleihung zurückführbaren Hebestellen gar nicht greifen konnte und daß Zollerhöhungen allein kaum einen hinreichenden Grund für eine derart radikale und neue Maßnahme darstellten. Die nur zwei Tage später ergangene, aber deutlich modifizierte Wiederholung des Mandats zeigt, daß der König und seine Ratgeber dieses Defizit erkannt hatten und zu beseitigen ver-
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Nur der nach fast vierzigjähriger Pause wieder aktivierte Koblenzer Rheinzoll des Trierer Erzbischofs war nicht durch eine explizite Bestätigung Albrechts gedeckt. Wir setzen und gebien, daz alle die zolle, die seit keiser Fridrichez zit uf gesetzet sint uf wazzer oder uf lande, von swenn si gesetzet sint, daz die gar ab sein; ez ensi denn, daz er bereden muge vor dem riche, daz er in ze reht haben sule, M G H Const. IV, Nr. 33 Art. 19; vgl. die entsprechende Klausel des Mainzer Reichslandfriedens: nisi is qui habet coram imperatore probet, ut iustum est, se teloneum de iure tenere, M G H Const. II, Nr. 196 Art. 7.
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D. Herrscherliche Zollpolitik vom 10. Jahrhundert bis ca. 1325
suchten 63 . Albrecht erweiterte seine Verfügung dahingehend, daß er die Zölle seines klevischen Parteigängers explizit vom allgemeinen Zollverbot ausnahm. Darüber hinaus präzisierte bzw. modifizierte er seine Motive für die Aufhebung speziell der erzbischöflichen Zölle: Interpretierte die Arenga vom 7. Mai die (vorgeblichen) Zollerhöhungen und -errichtungen der Erzbischöfe als bewußte Mißachtung bestehender allgemeiner Verbote 64 , wurde nun - offenbar mit Blick auf die früheren Zollverleihungen - an die besondere Verpflichtung erinnert 65 , sich solcher Vergünstigungen würdig zu erweisen. Gerade dies, so der Tenor der königlichen Begründung für die Aufhebung der Zölle, hätten die Erzbischöfe nicht getan. Stattdessen kämen immer mehr Klagen aus dem Volk über Vielzahl, Unmäßigkeit und Untragbarkeit der erzbischöflichen Zölle, deren Verleihung die Metropoliten überdies in nicht wenigen Fällen erpreßt hätten. Selbst das, was sie vielleicht aus Gnade oder Recht besäßen, hätten sie durch Mißbrauch und Übersteigerung verwirkt. Indem Albrecht hier die Gültigkeit einer königlichen Zollverleihung als - neben dem alten Herkommen - konstituierendes Element für die Legitimität eines Zolls an die Freiwilligkeit der Vergabe durch den Herrscher knüpfte und eine solche gerade bei den Erzbischöfen bestritt, thematisierte er ein Kernproblem der spätmittelalterlichen Zollentwicklung am Rhein, das durch die Eigenart des Reiches als Wahlkönigtum mit einem festgelegten Wählerkreis entstanden war: die dem König für seine Wahl vor allem durch die rheinischen Erzbischöfe abverlangten Zollprivilegien. Obgleich erstmals bei der Wahl Adolfs von Nassau dieser Zusammenhang in voller Deutlichkeit hervorgetreten war, ist er bereits von Albrecht und seinen Parteigängern als strukturelles Problem klar erkannt worden. So beklagte der Graf von Kleve, der, wie die Stadt Köln, gegenüber Papst Bonifatius VIII. das Vorgehen Albrechts rechtfertigte, daß die rheinischen Erzbischöfe bei der Königswahl mehr den eigenen als den gemeinen Nutzen im Auge hätten und zum Schaden des ganzen Volkes die Verleihung neuer Zölle verlangten 66 .
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KASTNER, Territorialpolitik, Beilage Nr. 9, S. 179 f. - URKUNDENREGESTEN IV, Nr. 287;
die von Kastner 1972 erstmals edierte Urkunde ist weder in den Constitutiones noch in einschlägigen Regestenwerken für die Kölner bzw. Mainzer Erzbischöfe verzeichnet und blieb daher bei Hessel und Dirlmeier unberücksichtigt. Avaricie cecitas et dampnande ambicionis improbitas aliquorum animos occupantes, eos in illam temeritatem impellunt, ut que sibi a iure interdicat noverint, exquisitis fraudibus usurpare conentur, MGH Const. IV, Nr. 134. Expedit, decet et congruit illos specialibus preueniri prerogatiuis, commodis et honoribus, quos flxa et comprobata fidei et constancie puritas reddit pre ceteris commendabiles atque dignos, KASTNER, Territorialpolitik, Beilage Nr. 9, S. 179. MGH Const. IV, Nr. 130 - REK III.2, Nr. 3816. Vgl. dazu THOMAS, Reich, S. 22 (dort auch zur zeitgenössischen Beurteilung der Wahlfürsten), 33. In der Klage der Stadt Köln (MGH Const. IV, Nr. 131) fehlt dieser Punkt.
VII. Albrecht /. von Habsburg
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Sollte die Unrechtmäßigkeit der Zölle zum einen über die Ungültigkeit der entsprechenden Privilegien nachgewiesen werden 67 , wurden die erzbischöflichen Abgaben darüber hinaus auch ganz >traditionell< als Landfriedensbruch dargestellt, um das königliche Vorgehen als Wahrung von Frieden und Recht, pro tranquillitate et pacifico statu imperii, zu legitimieren. In seiner Klage über die rheinischen Erzbischöfe legte der Graf von Kleve dem Papst dar, daß Albrecht zur Befriedung Deutschlands mit Fürsten, Grafen, Herren und Städten des Reiches einen allgemeinen Landfrieden gegen unrechte Zölle und Räubereien errichtet habe, der von allen einmütig beschworen worden sei. Die Erzbischöfe von Köln, Mainz und Trier hätten aber trotz mehrfacher Aufforderung diesen Frieden nicht beachtet, sondern plures rapinae et theolonia inconsueta, indebita et inportabilia zu Wasser und zu Lande zum Schaden des ganzen Volkes eingefordert. Unwillig dem Frieden beizustehen und ungehorsam gegen den von ihnen selbst gewählten König hätten sie mit der Zollerhebung vielen Laien ein schlechtes Vorbild gegeben, so daß der Handel durch die Vielzahl der Zölle und die Unsicherheit der Wege fast völlig zum Erliegen gekommen sei 68 . In ähnlichem Tenor war die Klage der Stadt Köln gehalten, doch wurde dort behauptet, daß die Erzbischöfe im Zuge des Nürnberger Landfriedens dem König explizit die Abstellung aller ihrer seit dem Tod Friedrichs II. eingerichteten bzw. erhöhten Zölle eidlich zugesagt, das Versprechen jedoch mit verderblichen Folgen für den Handel nicht eingehalten hätten. Da der König dies um Christi und der Klagen des Volkes willen nicht länger dulden könne, sei er zur Abstellung der neuen Zölle gezwungen, gegen die Erzbischöfe vorzugehen 69 . Beide Klageschriften versuchten geschickt, den Eindruck zu erwecken, daß die Aufhebung der Rheinzölle im Mai 1301 lediglich eine Umsetzung des von den Erzbischöfen bewußt mißachteten Nürnberger Landfriedens vom November 1298 war 70 . Doch der Wahrheitsgehalt dieser Darstellung - ganz abgesehen von den sich gegenseitig ausschließenden Versionen über die Beteiligung der Metropoliten am Landfrieden - ist mehr als fraglich. Denn es ist kaum vorstellbar, daß Albrecht bereits in Nürnberg explizit die Abstellung von Zöllen gefordert haben sollte, die er - was in beiden Klagen bezeichnenderweise übergangen wurde - selbst erst wenige Monate zuvor bestätigt bzw. verliehen hatte 71 , ohne daß dies die geringsten Spuren in den Quellen über den Hoftag hinterlassen hätte. Denen ist vielmehr ein weitgehend
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Dieses Vorgehen war bislang im Bereich der Zölle ohne Vorbild, aber wegen des möglichen Vorwurfs der Verletzung kirchlicher Gerechtsame durchaus geboten. GERLICH, Albrecht I., S. 41, weist auf dieses Problem im Zusammenhang mit den Revindikationsforderungen des Königs an die Erzbischöfe hin. Bei einem Entzug von Zollrechten dürfte es gleichermaßen bestanden haben. 68 MGH Const. IV, Nr. 130 - REK III.2, Nr. 3816. 69 MGH Const. IV, Nr. 131 - REK III.2, Nr. 3815. 70 Auch der Graf von Kleve bezog seine Darstellung zweifellos auf den Nürnberger Landfrieden, wenngleich er ihn nicht direkt erwähnte. 71 So schon HESSEL, Albrecht I., S. 96.
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unbelastetes Verhältnis zwischen dem König und den Wahlfürsten zu entnehmen. Und auch wenn sich die am 10. Mai 1301 ergangene Aufforderung des Königs an die Ostfriesen, seine niederrheinischen Parteigänger bei der Friedenswahrung zu unterstützen, ebenfalls auf den in Nürnberg erlassenen und nun erneuerten Landfrieden bezog72, sagt dies nichts darüber aus, ob in Nürnberg gerade die Abstellung der erzbischöflichen Rheinzölle gefordert worden war. Die Parteigänger des Königs versuchten also, aus der Tatsache, daß in Nürnberg über den mit gunst und mit rat der erbern herren der churfursten erneuerten Landfrieden mittelbar auch das darin enthaltene allgemeine Verbot aller seit dem Tod Friedrichs II. unrechtmäßig errichteten Zölle bekräftigt worden war, eine spezielle Verpflichtung für die geistlichen Wahlfürsten zu konstruieren und den Zollkonflikt vom Frühjahr 1301 in den Dezember 1298 zurückzudatieren. Ein Teil der Forschung hat diese Version trotz einer durchaus erkannten apologetischen Gesamttendenz mehr oder minder übernommen 73 . Als der König im Mai 1301 sein Zollverbot verkündete - es ist fast überflüssig zu sagen, daß es von den Fürsten nicht beachtet wurde - , hatten die militärischen Auseinandersetzungen bereits begonnen 74 . Albrecht gelang es dabei, seine Gegner, die eine Vereinigung ihrer Kräfte nicht zustande brachten, Zug um Zug niederzuwerfen. Zunächst wandte er sich gegen Pfalzgraf Rudolf und zwang ihn bereits im Juli 1301 zum Frieden, dann gegen den Mainzer Erzbischof Gerhard von Eppstein. Obwohl der Metropolit Ende September mit Bingen eine der wichtigsten mainzischen Positionen im Rheintal verloren hatte, entschloß er sich erst im März 1302 zur Aufgabe. Der Kölner Erzbischof Wikbold von Holte, der seit dem Sommer 1301 von den benachbarten Dynasten und der Stadt Köln unter Druck gesetzt wurde, verständigte sich Ende Oktober 1302 mit Albrecht, ohne daß es zur Schlacht mit dessen bei Köln lagerndem Heer gekommen war. Über die Auseinandersetzung mit dem Trierer Erzbischof Dieter von Nassau ist wenig bekannt, doch wurde bis Anfang November 1302 ein Ausgleich erreicht, der - in gewisser Weise bezeichnend für das geringe politische Gewicht des Moselerzstifts - nicht urkundlich fixiert wurde. Überblickt man die Friedensschlüsse der vier Wahlfürsten mit dem König, kam Pfalzgraf Rudolf, nicht nur was Zollfragen betraf, relativ glimpflich davon 75 . Zwar mußte er das den Wittelsbachern 1268 zugefallene »konradinische Erbe« herausgeben, aus staufischem Hausgut und Reichsgut bestehende Besitzkomplexe in Ostfran-
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MGH Const. IV, Nr. 135. Vgl. z. B. TROE, Münze, S. 244 Anm. 2: »Schon auf dem Reichstage zu Nürnberg hatte König Albrecht von den vier rheinischen Kurfürsten die Abschaffung aller der von ihnen oder ihren Vorgängern seit Friedrichs II. Tode ohne Berechtigung neu eingeführten oder erhöhten Zölle gefordert. Die Kurfürsten hatten zwar die Abstellung der Zölle versprochen, dem Befehl des Königs aber keine Folge geleistet.«
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Vgl. zum folgenden HESSEL, Albrecht I., S. 98-105; GERLICH, Albrecht I., S. 32 ff. und
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M G H Const. IV, Nr. 137-139; R P R I , GERLICH, Albrecht I., S. 28 f., 52 ff.
öfter. Nr. 1468. Vgl. HESSEL, Albrecht I.,
S.99F.;
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ken 76 , deren Besitz ihm die drei Erzbischöfe beim Heimbacher Bund vom Oktober 1300 explizit bestätigt hatten; zwar mußte er seinen Bruder Ludwig, den späteren Kaiser, auf Druck Albrechts an der Regierung beteiligen und den weiteren Feldzug des Königs mit eigenen Truppen unterstützen, doch erhielt der Pfalzgraf im Gegenzug 10.000 Mark Silber Augsburger Gewichts, die der König binnen eines Jahres zu zahlen versprach. Der pfalzgräfliche Rheinzoll in Bacharach, den der König noch am 7. Mai 1301 explizit verboten hatte, wurde in den nur z. T. urkundlich fixierten bzw. überlieferten Friedensbedingungen nicht erwähnt. Offenbar gestattete bzw. duldete Albrecht die weitere Erhebung 77 , was neben dem offenkundigen politischen Motiv, den Pfalzgrafen gegen seine rheinischen Mitwahlfürsten einzusetzen, auch sachlich zu begründen war. Herzog Otto von Bayern war 1234 durch Friedrich II. mit dem Bacharacher Zoll belehnt worden 78 . Die Hebestelle selbst war - abgesehen von eigenmächtigen Erhöhungen - demnach nicht unter das Zollverbot vom Mai 1301 gefallen, das ausdrücklich alle vom Stauferkaiser anerkannten Zölle ausgenommen hatte. Der Mainzer Erzbischof Gerhard von Eppstein mußte am 21. März 1302 in Speyer einen sehr viel ungünstigeren Frieden mit dem König schließen79. Zunächst wurde der Metropolit zur bedingungslosen Hilfe gegen jeden Angreifer auf König und Reich verpflichtet, während ihm selbst nur Beistand zur Durchsetzung seiner Rechte zugesagt wurde. Schon der zweite Vertragspunkt der Sühne betraf den mainzischen Zollbesitz: Gerhard mußte auf die Zölle in Lahnstein, d. h. den kurz zuvor von Boppard dorthin verlegten fridezol und den von Albrecht 1298 zusätzlich in gleicher Höhe gewährten neuen Zoll, sowie auf alle unrechten Zölle verzichten. Die entsprechenden Privilegien Adolfs von Nassau und Albrechts 80 waren auszuhändigen bzw. als ungültig zu betrachten. Zwar behielt der Erzbischof Ungeld und Judensteuer von Frankfurt, doch blieb Seligenstadt in königlichem Besitz, bis Gerhard darauf einen Rechtsanspruch nachweisen konnte. Als Sicherheit für die Einhaltung dieser Bestimmungen, materiell also in erster Linie des Zollverzichts, mußte der Metropolit Stadt und Burg Bingen sowie (die Schlösser) Ehrenfels, Scharfenstein und Lahnstein für die Dauer von fünf Jahren an Gottfried von Brauneck übergeben, der sie mit
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Vgl. dazu GERLICH, Albrecht I., S. 28 Anm. 17, mit weiterer Literatur. Sie ist zuerst im Mai 1305 wieder bezeugt (RPR I, Nr. 1518). Diese Quelle und zwei weitere Belege von 1307 (ebd., Nr. 1555) und 1308 (DEMANDT, Reg. Katz. I, Nr. 485) wurden von FLIEDNER, Rheinzölle, S. 9, übersehen (ihm folgt TROE, Münze, S. 246), so daß seine These, daß der Zoll erst in der Zeit Ludwigs des Bayern erhoben wurde, nicht zutreffend ist. - Eine eigenmächtige Neuerrichtung des Zolls ist wenig wahrscheinlich, zumal keine späteren Versuche der Pfalzgrafen nachweisbar sind, dies nachträglich zu legitimieren. Vgl. oben S. 367.
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M G H C o n s t . I V , N r . 1 4 1 - VOGT, R E M 1.1, N r . 7 1 9 ; URKUNDENREGESTEN I V , N r . 3 0 1 .
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Vgl. dazu HESSEL, Albrecht I., S. 103; GERLICH, Albrecht I., S. 30 f., MGH Const. III, Nr. 481; IV, Nr. 12.
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eigenem Personal, aber auf Kosten des Erzstifts verwalten sollte. Die weiteren Punkte der Sühne hatten dazu nur ergänzende Bedeutung; sie betrafen vor allem die Einsetzung der beiderseitigen Helfer in den Status quo ante. Die Speyerer Sühne bedeutete einen schweren Schlag für die mainzische Zollstellung am Rhein. Der König entzog dem Erzstift die beiden einzigen, erst kurz zuvor erworbenen Rheinzolltitel und verhinderte gleichzeitig durch die Sequesterverwaltung der mainzischen Festen im Mittelrheintal, daß der Erzbischof unter dem Schutz einer Zollburg eigenmächtig Abgaben erheben konnte: Mit Ehrenfels und Bingen kontrollierte der König das Nahemündungsgebiet, mit Lahnstein die mainzische Exklave an der Lahnmündung einschließlich der nahegelegenen Burg Lahneck, die damit als Zollburg nicht in Frage kam, auch wenn man sie entgegen früheren Plänen dem Erzbischof belassen hatte. Einen ähnlich harten Frieden zur Beendigung seines Streits mit dem König umbe des riches gut, umbe zolle unde umbe alle ander sache m u ß t e d e r K ö l n e r E r z b i s c h o f
Wikbold von Holte am 24. Oktober 1302 schließen81. Er hatte alles beschlagnahmte Reichsgut auszuliefern, das man in Erfahrung bringen konnte. Neuerungen an Zoll und Geleit in Andernach waren abzustellen, wobei eine vom König aus den Grafen von Kleve, Jülich, Mark und Katzenelnbogen sowie dem Herrn von Cuijk, d. h. aus seinen Anhängern, zu bildende Dreierkommission (sie) in den Rheinstädten zwischen Basel und Neuss die herkömmliche Abgabenhöhe ermitteln sollte. Die Zölle und Geleite zu Bonn und Rheinberg waren vollständig niederzulegen, in Neuss eventuelle Zollerhöhungen zurückzunehmen. Die Dreierkommission sollte untersuchen, ob der Erzbischof noch an anderen Orten unrechte Zoll- oder Geleitabgaben erhob, die dann ebenfalls abzustellen waren. Wikbold mußte alle Zollurkunden Adolfs von Nassau und Albrechts ausliefern bzw. ihre Ungültigkeit garantieren. Zur Sicherheit dafür, daß Wikbold die Zölle nicht ohne königliche Genehmigung wieder auflegte, hatte er die Burgen Aspel, Rheinberg, Liedberg und Neuhochstaden an den Kölner Domherren Ludolf von Dyck zu übergeben. Der Kleriker sollte sie für die Dauer von fünf Jahren im Namen des Königs - der diese Frist vier Tage später auf drei Jahre ermäßigte 82 - verwalten und sie diesem bei Verstößen des Erzbischofs gegen die Sühne ausliefern. Für den gleichen Zeitraum sollten 20 Herren und 100 Ritter oder Edelknechte geloben, dem Erzbischof, falls dieser die Zölle wieder erheben sollte, nicht gegen den König beizustehen. Die Bürger von Andernach, Bonn, Neuss und Rheinberg sollten urkundlich versprechen, daß sie eine Verletzung der Zollbestimmungen an ihren Orten nicht zulassen würden. Die Kölner Bürger sollten an allen erzstiftischen Fluß- und Landzöllen frei sein. Wikbold hatte alle ihre Privilegien und guten Gewohnheiten zu bestätigen 83 . Die nicht Zollfragen betreffenden Punkte der
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MGH Const. IV, Nr. 156, 157 - REK III.2, Nr. 3876, 3877. Vgl. HESSEL, Albrecht I., S. 1 0 5 f.; GERLICH, A l b r e c h t I., S. 3 9 ff.
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MGH Const. IV, Nr. 161. Noch am gleichen Tag bestätigte Wikbold der Stadt Köln summarisch ihre Privilegien und die Freiheit an allen erzstiftischen Fluß- und Landzöllen. Das Domkapitel sowie die
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Sühne nahmen deutlich geringeren Raum ein. Es wurden Kommissionen für eine Reihe zwischen dem Erzbischof und dem König strittiger Rechte bestimmt und Regelungen über die Freilassung der Gefangenen und über die Wiedereinsetzung der jeweiligen Helfer in ihren früheren Besitz getroffen. Die während des Kriegs zerstörten Burgen des Erzstifts durften nur mit königlicher Zustimmung wiederaufgebaut werden. In Rolandseck sollte der Erzbischof künftig gar keine Burg mehr errichten, und Wikbold hatte dem König gegen jedermann, insbesondere gegen den Grafen von Hennegau, Waffenhilfe zu leisten. Die Zollregelungen und deren Absicherung gegen eigenmächtige Revisionen standen ganz im Zentrum der Sühne. Dies kann nicht verwundern; denn der Kölner Erzbischof besaß zu dieser Zeit mehr Rheinzollstätten als die anderen rheinischen Wahlfürsten zusammen 84 , und auch sein Vorgänger Siegfried von Westerburg war deswegen im letzten Vierteljahrhundert schon mehrmals in Konflikt mit dem Königtum geraten. Die komplizierte Genese der kölnischen Zölle erlaubte Albrecht keine Radikallösung, wie er sie gegenüber dem Mainzer Erzbischof durchgesetzt hatte, nämlich den Entzug aller Rheinzölle. Immerhin reichten zwei der Hebestellen, Andernach und Neuss, bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts zurück, ein Faktum, das Albrecht nicht einfach übergehen konnte. Die Existenz des seit rund 175 Jahren kontinuierlich erhobenen Neusser Zolls hatte in allen Zollstreitigkeiten der Erzbischöfe mit ihren territorialen Nachbarn, der Stadt Köln oder den Königen nie in Frage gestanden. Dies mußte auch der Habsburger anerkennen, wenn er nicht entgegen seiner sonstigen, auf Rechts- und Schiedsverfahren ausgerichteten Linie der Interessenwahrung und -durchsetzung Wikbold von Holte offensichtliches Unrecht zufügen wollte85. Die Rückführung des Zollsatzes auf die frühere Höhe, über deren Fixierung keine weiteren Regelungen getroffen wurden, konnte daher auch als angemessene Demonstration einer das alte Recht des Erzbischofs wahrenden königlichen Zollhoheit gelten. Beim Andernacher Zoll86 war die Rechtslage komplizierter: Barbarossa hatte die 1147 in erzbischöflichem Besitz befindliche Abgabe zusammen mit der curtís Andernach 1167 formell dem Erzstift übertragen, jedoch hatten er oder sein Sohn die
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städtischen Stifter und Klöster besiegelten die Urkunde (MGH Const. IV, Nr. 158 REK III.2, Nr. 3878). Rechnet man die einzelnen Zolltitel (Mainz zwei in Lahnstein, Pfalz und Trier je einen in Bacharach bzw. Koblenz), besaß Köln (ohne Kaiserswerth) genauso viele Zölle wie die Gesamtheit der anderen Fürsten. GERLICH, Albrecht I., S. 40, will mit Blick auf die Kölner Sühne sogar eine Absicht Albrechts erkennen, seine Ziele »unter peinlicher Wahrung von begründeten Ansprüchen aller Beteiligten zu erreichen«, doch geht er damit, nicht nur was die Zollregelungen betrifft, wohl etwas zu weit. Zwar strebte der König sicher keine Gewaltlösung an, doch wahrte er in erster Linie seine eigenen Ansprüche und formulierte sogar neue, wie den auf die Kölner Burggrafschaft. Vgl. oben S. 257-260.
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Schenkung um 1190 rückgängig gemacht und dabei anscheinend auch den Zoll stillgelegt. Andernach selbst war wenig später wieder in der Hand des Kölner Erzbischofs, doch ist der wohl nicht lange zuvor reaktivierte Zoll erst 1234/1235 für kurze Zeit wieder nachweisbar, bis er vermutlich infolge des Mainzer Reichslandfriedens von 1235 niedergelegt werden mußte. Erst unter Siegfried von Westerburg ist die Zollerhebung um 1280 wiederaufgenommen worden, ohne daß Rudolf von Habsburg oder Adolf von Nassau dies anerkannt hatten, und auch Albrechts eigene Bestätigung von 1298 war durch den Privilegienwiderruf vom Mai 1301 ungültig geworden. Vor diesem Hintergrund war es ein sehr geschickter Schritt des Königs, nach dem Vorbild seines Vaters eine Untersuchungskommission zur Feststellung der herkömmlichen Rechte des Erzbischofs einzusetzen87. Damit erweckte der Habsburger den Eindruck eines fairen Verfahrens, wahrte aber maßgeblichen Einfluß auf das Ergebnis, indem er das Gremium lediglich mit eigenen Leuten besetzte, die zweifellos nach seinen Vorgaben urteilten. Die nicht urkundlich erhaltene, aber aus anderen Quellen zu erschließende Entscheidung der Kommission zeigt, daß Albrecht sich in Bezug auf Andernach vermutlich nur nach außen hin konzessionsbereiter gab als seine Vorgänger: Statt nur Erhöhungen zurückzunehmen, mußte der Erzbischof nämlich die Abgabenerhebung vollständig einstellen88. Die Abstellung der kölnischen Rheinzölle in Rheinberg und Bonn setzte der König ohne weitere Umschweife durch. Die Abgabe im Norden des Erzstifts 89 war nach ersten, vermutlich durch Auswirkungen des Mainzer Reichslandfriedens 1235 beendeten Ansätzen durch Siegfried von Westerburg Ende der 1270er Jahre wiedererrichtet worden, aber zu seiner Zeit stets strittig geblieben. Gemäß dem Vertrag mit König Adolf von 1293 mußte Siegfried sogar auf die Zollerhebung förmlich verzichten. Erst Albrecht selbst hatte 1298 die Zollerhebung in Rheinberg auf Lebenszeit Wikbolds bewilligt. Ein Bonner Zoll 90 hatte zwar kurzzeitig während des staufischen Endkampfs bestanden. Die jetzige Erhebung gründete aber auf der 1293 durch Adolf von Nassau in Form einer auf fünfzehn Jahre befristeten Reichspfandschaft gewährten Zollverleihung, die Albrecht perpetuiert hatte. Durch den Zollwiderruf vom Vorjahr verfügte der Erzbischof an beiden Hebestellen weder über spezielle Rechtstitel noch konnte er gegenüber dem König, wie im Fall von Neuss, eine jahrhundertelange unbestrittene Existenz ins Feld führen.
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Rudolf von Habsburg hatte in seiner Sühne mit Erzbischof Siegfried von Westerburg 1282 eine Dreierkommission eingesetzt, um die Rückzahlung der in Andernach erhobenen Zollgelder prüfen zu lassen (REK III.2, Nr. 2947). Bereits einen Tag später war der Entscheid zugunsten des Metropoliten ausgefallen (ebd., Nr. 2948). Vgl. die Darstellung in der päpstlichen Erlaubnis zur Wiedererhebung vom 25. Dezember 1306 (MGH Const. IV, Nr. 1161). Erst seit Mai 1306 (REK IV, Nr. 147), offenbar eigenmächtig durch Wikbolds Nachfolger Heinrich von Virneburg errichtet, ist der Zoll wieder nachweisbar. Vgl. oben S. 289 ff. Vgl. oben S. 218 ff.
VII. Albrecht I. von Habsburg
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Die Auslösung des durch Adolf bis 1308 und durch Albrecht auf seine und Wikbolds Lebenszeit für 36.000 Mark Sterling an Köln verpfändeten Kaiserswerther Reichszolls wurde in der Sühneurkunde vom 24. Oktober nicht direkt erwähnt und etwas später geregelt. A m 12. November 1302 befahl der König dem Kölner Domkanoniker Ludolf von Dyck die Auslieferung der Burg an den Landvogt Graf Gerhard von Jülich gegen die Zahlung von 12.000 Mark Kölner Pagament oder die Leistung entsprechender Sicherheiten, wodurch die jahrzehntelange Jülicher Pfandschaft begründet wurde 91 . Wie die neue Pfandsumme zustandekam, wurde dabei nicht angegeben; dies wird auch in der neueren Literatur nicht hinterfragt 92 , doch entsprach der Betrag unter Berücksichtigung des realen Münzwertes kaum zufällig mehr oder minder 93 genau den 6.000 Mark gängiger Kölner Währung, die Wikbolds Vorgänger Siegfried von Westerburg 1293 seinerseits zur Auslösung von Kaiserswerth Graf Johann von Sponheim-Starkenburg gezahlt hatte 94 .
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REK III.2, Nr. 3883. Vgl. TROE, Münze, S. 164 ff.; LORENZ, Kaiserswerth, S. 110 f.; daß die Summe in Pagament berechnet war, geht aus dem Regest nicht hervor, ergibt sich aber aus einer Notiz in den Jülicher Archivalien (HStAD Jülich-Berg RH 17, fol. 1, Reg. Nr. 3). 92 Vgl. LORENZ, Kaiserswerth, S. 110; TROE, Münze, S. 164 ff.; beide Autoren erwähnen überdies nicht, daß es Wikbold war, der diese Summe erhalten haben dürfte - außer man nimmt an, daß Albrecht Kaiserswerth ohne jegliche Entschädigung einzog, was jedoch ein besonders krasser Verstoß gegen seine sonst in den Sühnen mit seinen Gegnern erkennbare Linie der zumindest formalen Rechtswahrung wäre und damit unwahrscheinlich ist. 93 Eine exakter Wertvergleich der 12.000 Mark Kölner Pagament von 1302 mit den 6.000 Mark usualis monetae Coloniensis tune currentis von 1293 birgt einige Unsicherheiten, weil in beiden Fällen keine Relationen zu anderen Münzen angegeben wurden, die Kölner Währung aber in dieser Zeit rapide an Wert verlor. Wenn man bei den Sühneverhandlungen ein Verhältnis von 2:1 angesetzt haben sollte, ist dies aus anderen Quellen nachvollziehbar. (Vgl. zu diesem Problemkreis KLÜSSENDORF, Währung, S. 113-118). 94 LAC. II, Nr. 939 - REK III.2, Nr. 3389. Denkbar ist aber auch, daß man von der Fortdauer der Pfandschaft ausging, wie sie am 28. Mai 1293 zwischen Siegfried und Adolf von Nassau vereinbart worden war (LAC. II, Nr. 937 - REK III.2, Nr. 3387). Diese war nicht von Albrechts Widerruf aller Zollprivilegien (omnes donaciones, concessiones tradiciones, imposiciones, augmentaciones, ordinaciones theloneorum) betroffen, galt also zumindest formal noch. Anders liegt der Fall bei der Neuregelung der Pfandschaft von 1298 (MGH Const. IV, Nr. 24). Dieser Rechtsakt mit Festsetzung der Pfandsumme auf 36.000 Mark Sterling war nämlich als königlicher Gunsterweis gestaltet (comittimus; concedimus ac deliberamus; vgl. demgegenüber 1293: obligamus ... titulo pignoris seu ypothece); die Zolleinkünfte waren nicht auf die Pfandsumme anzurechnen, sondern wurden von Albrecht als Lehen an den Erzbischof vergabt (in augmentum feodi sui... ex liberalitate regia dono damus). - Nimmt man an, daß die Pfandschaft von 1293 fortbestand, erhebt sich die Frage, wie man 1302 auf die Ablösesumme von 12.000 Mark Pagament kam: Adolf von Nassau und Siegfried von Westerburg hatten 1293 vereinbart, daß die Pfandsumme von 37.500 Mark guter Kölner Denare ab dem 24. Juni 1293 aus den
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Albrecht nahm dem Kölner Erzstift, das sich von den Folgen der vierzehn Jahre zuvor verlorenen Schlacht von Worringen noch keineswegs erholt hatte, mit dem Entzug von vier seiner fünf Zölle gezielt einen zweifellos sehr bedeutenden, wenn nicht gar den wichtigsten Teil 95 der finanziellen Ressourcen und damit auch der politischen Macht. Die Auslösesumme für Kaiserswerth konnte dies allenfalls kurzfristig ausgleichen. Wie stark der König deshalb mit eigenmächtiger Wiedererrichtung der Zölle rechnete - zumal auch vor dem Hintergrund der unermüdlichen Versuche Siegfrieds von Westerburg zur Erweiterung des kölnischen Zollbestands-, zeigen die enormen Sicherheitsleistungen, die dem Erzbischof abverlangt wurden. Wenn sich 20 Herren und 100 Ritterbürtige verpflichten mußten, dem Erzbischof
Kaiserswerther Zolleinnahmen und dem neuen Bonner Zoll innerhalb von fünfzehn Jahren getilgt werden sollte. Dies entsprach einem kalkulierten gemeinsamen Jahresertrag von 2.500 Mark bzw. genau, was kaum ein Zufall ist, 1.000 Denaren pro Tag, wenn man das Rechnungsjahr zu 360 Tagen ansetzte. Folgende Rechnung ist nun möglich: Um den aktuellen Wert der Pfandschaft zu berechnen, zog man von den 37.500 Mark zunächst die darin enthaltenen 2.000 Mark ab, mit denen seinerzeit Cochem durch den Erzbischof auszulösen war, und dann die sich bei einem angenommenen Jahresertrag von 2.500 Mark für den Zeitraum vom 24. Juni 1293 bis zum 24. Oktober 1302 auf 23.333 Mark 4 Schilling summierenden nominellen Einkünfte. So ergaben sich als Rest 12.166 Mark 8 Schilling. Selbst die 166 Mark 8 Schilling Differenz zur neuen Pfandsumme von (nominal) 12.000 Mark gehen genau auf, wenn man beim laufenden zehnten Jahr die 24 Tage des Oktobers doppelt veranschlagt hatte, was durch den im Herbst sehr viel höheren Zollertrag durchaus zu begründen war. - Sollte man auf diese Weise gerechnet haben, wurde Wikbold allerdings stark benachteiligt. Zum einen wegen des postulierten Abzugs der Cochemer Pfandsumme, zum anderen aber vor allem durch den zwischenzeitlich rapide verschlechterten MUnzwert. 1293 war die Pfandsumme nämlich in guten Kölner Denaren fixiert worden (XXXVII milia marcarum et D marcae Coloniensium denariorum bonorum et legalium), von denen zu dieser Zeit drei auf einen Tumosgroschen gingen (vgl. KLÜSSENDORF, Währung, S. 117); der Graf von Jülich zahlte dagegen 12.000 Mark, aber nicht in schweren alten Denaren, sondern in umlaufenden leichteren Sorten, dem sog. Kölner Pagament (XII milia marcarum Coloniensis pagamenti), das zu dieser Zeit sieben Denare pro Tumosgroschen galt (Vgl. z. B. REK III.2, Nr. 3778). Diese 12.000 Mark, die in guten Denaren 4.000 Mark (2.400 Pfund) Turnosen entsprochen hätten, repräsentierten tatsächlich also nur rund 1.714 Mark 3 Vi Schilling (1.028 Pfund 11 Vi Schilling) Turnosen. Das bedeutet, daß die Kaiserswerther Pfandschaft nominal zum Restwert, real, d. h. in wertstabilen Turnosen gerechnet, aber nur mit rund 43 % abgelöst worden wäre. - Wenn man bei den Verhandlungen über die Auslieferung von Kaiserswerth derart vorgegangen sein sollte, wirft dies ein bezeichnendes Licht auf Albrecht, der, wie im Fall der für den Andernacher Zoll eingesetzten Kommission, zwar formal die Rechte des Erzbischofs berücksichtigte, in Wirklicheit jedoch das Ergebnis solcher Verfahren nach politischen Zielvorstellungen manipulierte. 95 Zu Beginn des 15. Jahrhunderts kamen rund 60% der gesamten erzstiftischen Einkünfte an den Rheinzöllen ein; vgl. DROEGE, Grundlagen, S. 149 mit Anm. 13.
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nicht beizustehen, sollte dieser ohne Erlaubnis des Königs wieder mit der Zollerhebung beginnen, enthielt dies sogar eine kaum verhüllte Kriegsdrohung Albrechts. Andererseits war damit freilich auch die Möglichkeit angedeutet, daß der König die Zollerhebung wieder gestatten konnte, und in der Tat stellte er dies dem Erzbischof sogar konkret in Aussicht. Am gleichen Tag, als die Sühne beurkundet wurde und Wikbold auf Veranlassung des Königs die Zollfreiheit der Kölner Bürger verbriefte 96 , erklärte der Habsburger 97 , daß sich diese Freiheit nicht auf neue Zölle erstrecken solle, die er oder seine Nachfolger dem Erzbischof verleihen würden. Tatsache ist allerdings, daß Albrecht zwar wenig später die Dauer der Sequesterverwaltung von fünf auf drei Jahre reduzierte 98 , einen Zoll aber nicht verliehen hat. Über die Gründe kann nur spekuliert werden, doch ist z. B. denkbar, daß politischer Druck der Stadt Köln dem entgegenstand oder der König gar nicht die Absicht hatte, dem unter so erheblichem Aufwand schwer geschwächten Erzstift sogleich wieder neue Finanzquellen zu erschließen; denn Wikbold dürfte sich um so eher den königlichen Wünschen gefügt haben, wenn er noch auf Zollprivilegien hoffen konnte. Verfügte er erst darüber, wuchs tendenziell seine politische Unabhängigkeit vom König. Über den offenbar formlosen, jedenfalls nicht urkundlich überlieferten Friedensschluß des Trierer Erzbischofs Dieter von Nassau mit König Albrecht ist kaum mehr bekannt, als daß er vor Anfang November 1302 zustande gekommen sein muß. Ein Bestandteil der Sühne kann jedoch mit einiger Sicherheit ermittelt werden, nämlich die Abstellung des Koblenzer Rheinzolls99, was in Anbetracht seiner Entwicklung 100 durchaus erwartet werden mußte: Die Hebestelle war 1018 zusammen mit dem Koblenzer Reichsgut an das Erzstift gekommen und 1042 von Erzbischof Poppo zur Ausstattung des neu gegründeten Trierer Simeonstifts verwendet worden, bis sie um die Mitte des 13. Jahrhunderts wenigstens teilweise wieder in die direkte Verfügung des Erzbischofs Arnold von Isenburg gelangte. Dessen Nachfolger Heinrich von Finstingen verlor den Zoll in den 1260er Jahren durch seinen Prozeß vor der päpstlichen Kurie. In den folgenden Jahrzehnten bestand in Koblenz lediglich ein wenig bedeutender, sich noch (bzw. wieder) im Besitz des Simeonstifts befindlicher Transportmittelzoll auf Rhein- und Moselverkehr, dessen Existenz nur aus einem um 1300 entstandenen Tarif bekannt ist. Von einer mit anderen Rheinzöllen vergleichbaren Abgabe des Trierer Erzbischofs in Koblenz zeugen erstmals die Mandate Albrechts vom Februar und Mai 1301; der Neubeginn dürfte deshalb nicht allzu lange zurück-
96
MGH Const. IV, Nr. 158 - REK III.2, Nr. 3878, zur königlichen Initiative vgl. die folgende Anm. 97 MGH Const. IV, Nr. 159 - REK III.2, Nr. 3879. 98 MGH Const. IV, Nr. 161 - REK III.2, Nr. 3881. 99 Über einen Koblenzer Moselzoll liegen aus dieser Zeit keine Quellen vor. Es bleibt offen, ob 1301/1302 nur ein Rheinzoll existierte oder ob der Moselzoll von der Sühne nicht betroffen war. 100 Vgl. oben S. 214 f.
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gelegen haben. Sehr wahrscheinlich ging er sogar auf Dieter von Nassau selbst zurück, der am 18. Januar 1300 als Feind Albrechts, dessen Königtum er nicht anerkannte, vom Papst zum Erzbischof ernannt worden war und der erhebliche Geldmittel für die zum Kampf gegen den Habsburger angeworbenen Lehnsleute benötigte 101 . Somit besaß der Metropolit zwar alte Rechtstitel auf einen Koblenzer Zoll, doch waren diese durch die rund vierzig Jahre, in denen kein erzbischöflicher Rheinzoll im üblichen Sinn erhoben worden war, praktisch wertlos geworden. Der König konnte ihn allein schon aufgrund des Nürnberger Landfriedens von 1298 als unrechtmäßige neue Abgabe verbieten, ohne seinen Zollprivilegienwiderruf bemühen zu müssen. Cochem mit dem Moselzoll scheint Albrecht dem Erzbischof dagegen nicht entzogen zu haben; weder gleichzeitige noch spätere Quellen weisen darauf hin. Doch zeugt dies weniger von einer gezielten Schonung Dieters, zu der Albrecht kaum Grund hatte, als von der desolaten Lage des Erzbischofs, der ihm ohnehin kaum noch gefährlich werden konnte und schon erhebliche Schwierigkeiten hatte, seine Stadtherrschaft in Trier und Koblenz, den beiden wichtigsten Städten des Erzstifts, zu behaupten 102 . Der Habsburger konnte sich damit begnügen, dem Erzbischof durch den Entzug des einzigen trierischen Rheinzolls die fiskalisch wohl bedeutendste Einzelgeldquelle zu nehmen, und wußte ihn im übrigen mit den Problemen des Erzstifts gebunden 103 . Was nach dem Sieg des Königs mit Schmithausen geschah, dem einzigen Rheinzoll aus dem Zollverbot, der nicht einem der vier rheinischen Wahlfürsten gehört hatte, ist nicht bekannt. Da die Hebestelle aber kontinuierlich seit dem 11. Jahrhundert bestand, dürfte der König kaum ihre Niederlegung, allenfalls die Rücknahme von Zollerhöhungen verlangt haben. Jedenfalls ist der Zoll 1318 bei seiner Verlegung ins geldrische Emmerich wieder nachweisbar, ohne daß es Indizien für eine zwischenzeitliche Abstellung gibt104. Am Ende seiner Auseinandersetzung mit den rheinischen Wahlfürsten hatte König Albrecht die Besitzstruktur der Rheinzölle tiefgreifend umgestaltet. Waren die drei Erzbischöfe an der Jahrhundertwende mit acht Zöllen bzw. Zolltiteln 105 noch die beherrschende Zollmacht am Rhein, besaß jetzt nur noch der Kölner Erzbischof einen Zoll in Neuss. Seine Amtsbrüder in Mainz und Trier, die sich erst kurz zuvor als Rheinzollinhaber etabliert hatten, wurden von der fiskalischen Partizipation an der wichtigsten Handelsstraße des Reiches gar völlig ausgeschaltet. Dagegen ließ der König die Rheinzölle der Grafen unangetastet, auch wenn sie nicht, wie die klevi-
101 Vgl. dazu HOLBACH, Dieter von Nassau, S. 73 ff. 102 Vgl. zum Verhältnis des Erzbischofs zu beiden Städten HOLBACH, Dieter von Nassau, S. 80-84. 103 Vgl. dazu HOLBACH, Dieter von Nassau, bes. S. 80 ff.; PAULY, Bischöfe, S. 107 ff.; GERLICH, Albrecht I., S. 44 ff. 104 Vgl. oben S. 223 ff. 105 Erzstift Mainz: zwei Zölle in Lahnstein; Erzstift Trier: einen Zoll in Koblenz; Erzstift Köln: je einen Zoll in Andernach, Bonn, Neuss, Rheinberg und Kaiserswerth.
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sehen Abgaben, explizit vom Zollverbot ausgenommen worden waren. So bestanden die Katzenelnbogener Zölle in Boppard und St. Goar ohne nachweisbare Unterbrechung, und selbst der geldrische Rheinzoll in Lobith wurde offenbar nicht angetastet, obgleich sein Inhaber auf seiten der Erzbischöfe gestanden hatte; gleiches gilt für den pfalzgräflichen Zoll Bacharach. Mit dem Grafen von Jülich, der an Stelle des Kölner Erzbischofs Pfandinhaber von Kaiserswerth wurde und einen neuen Rheinzoll in Rheineck erhielt 106 , erweiterte der Habsburger sogar den Kreis der Rheinzollinhaber um einen weiteren der rheinischen Grafen. Ferner nutzte Albrecht seine starke Position nach der Niederwerfung der Wahlfürsten, um als erster Herrscher seit einem Jahrhundert den Zollbesitz des Reiches am Rhein auszubauen, und zwar über rein fiskalische Zwecke hinaus mit erkennbarer Tendenz zur neu intensivierten Raumerfassung. Bis spätestens August 1305, vermutlich jedoch schon früher, nahm der Habsburger den fast seit einem Jahrhundert ruhenden Hammersteiner Rheinzoll wieder in Betrieb und nutzte ihn zur Anweisung erheblicher Geldsummen 107 . Einen weiteren Rheinzoll errichtete Albrecht in Ehrenfels, vermutlich zwischen 1302 und 1307, als die gleichnamige mainzische Burg unter königlicher Sequesterverwaltung stand108. In der Literatur hat man die Zollmaßnahmen des Königs meist dahingehend verkürzt, daß die Abstellung von Zöllen allein zu Lasten seiner Gegner gegangen sei, während Albrecht seine Anhänger geschont bzw. mit neuen Zöllen begünstigt habe 109 . Doch dieses >Freund-Feindnatürliche< Gegner insbesondere der beiden mächtigen Erzbischöfe von Köln und Mainz nachhaltig zu stärken. Die Neuanlage eigener Zölle in Hammerstein, an der Schnittstelle des kölnischen und trierischen Einflußbereichs, und Ehrenfels, inmitten des mainzischen Rheingaus, ermöglichte dem Herrscher darüber hinaus eine direkte Kontrolle der rheinischen Metropoliten. Die Eingriffe des Königs in die Struktur der Rheinzölle offenbaren damit nicht, wie Gerlich110 erkennen will, »opportunistische Tagespolitik«, sondern waren Teil eines in der Literatur bislang nicht thematisierten, doch wie wir meinen klar faßbaren Gesamtkonzepts. Dessen Ziel war es, die Machtposition der beiden großen rheinischen Erzstifter, die sich seit (mindestens) dreißig Jahren immer wieder als Opponenten einer auf grundlegende Stärkung der Königsmacht gerichteten Politik erwiesen hatten, langfristig erheblich zu verringern, etwa
106 REK III.2, Nr. 3884. Der Zoll wurde aber vermutlich in Kaiserswerth erhoben, vgl. oben S. 317. 107 Vgl. TROE, Münze, S. 167 f., mit Einzelnachweisen. 108 Vgl. oben S. 317 f. 109 Vgl. stellvertretend GERLICH, Albrecht I., S. 87. 110 So GERLICH, Albrecht I., S. 82.
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auf die bescheidenen Wirkungsmöglichkeiten des Trierer Erzstifts. Daß diese Entwicklung nicht eintrat, ist kein Indiz für das Fehlen eines solchen Plans111, sondern wesentlich darauf zurückzuführen, daß die nach der Ermordung Albrechts 1308 anstehende Königswahl den Erzbischöfen die unerwartete Chance eröffnete, die Maßnahmen des Habsburgers größtenteils rückgängig zu machen, bevor sie ihre Wirkung voll entfaltet hatten. Eine zentrale und in der Forschung kontrovers diskutierte Frage bei der Beurteilung von Albrechts zollpolitischen Maßnahmen am Rhein ist bislang nicht erörtert worden, nämlich in welchem Maße der Herrscher dabei von wirtschaftlichen Motiven geleitet war. Zwar hatte schon Schulte in seiner 1900 erschienenen großen Darstellung des westdeutschen Handels mit Italien die Auseinandersetzungen von 1301/1302 in Zusammenhang mit den Bemühungen Albrechts um die Grafschaft Holland gebracht und darin insgesamt ein von den Alpenpässen bis zur Rheinmündung reichendes handelspolitisches Interesse des Habsburgers erkennen wollen, doch blieben seine - allerdings auch kaum mehr als angedeuteten - Überlegungen weitgehend unbeachtet oder wurden pauschal abgelehnt112. Es bildete sich in der Forschung vielmehr ein Konsens heraus, daß wirtschaftliche Zielsetzungen keine Rolle gespielt hätten. Hessel (1931), Troe (1937) und auch noch Gerlich (1969) haben die Zollmaßnahmen Albrechts als eine einseitige, von aktuellen machtpolitischen Erwägungen diktierte Kampfmaßnahme gegen die Wahlfürsten interpretiert, mit der der König keine handels- oder verkehrspolitischen Ziele verfolgt habe 113 . Seine Eingriffe in die Zollstruktur hätten nur für die Besitzer, kaum jedoch für den Handel eine Änderung bewirkt114, da anstelle der niederlegten Zölle neue entstanden seien. Den methodischen Ansatz dieser Forschungsrichtung, von den tatsächlichen Auswirkungen der albertinischen Zollpolitik auf ihre Ziele zu schließen, hat Dirlmeier 1966 grundsätzlich in Frage gestellt. Der auch von ihm konstatierte teilweise Mißerfolg des Königs zeige eher den engen Handlungsrahmen eines Herrschers um 1300, lasse jedoch keine Schlüsse auf das generelle Fehlen wirtschaftspolitischer
111 So HELBACH, Reichsgut, S. 210: »Eine Neuordnung des Zollwesens aber war sicherlich weder möglich noch beabsichtigt«. 112 Vgl. SCHULTE, Handel I, S. 203 f.; vgl. zur Rezeption DIRLMEIER, Hoheitsträger, S. 142. 113 Vgl. HESSEL, Albrecht I., S. 107: »Die Aufhebung der Rheinzölle betrachtete er (Albrecht) jedenfalls als bloße Kriegsmaßnahme, die ihren Zweck erfüllt hatte, nachdem die Gegner gedemütigt waren«. TROE, Münze, S. 244: »Jedoch haben handels- und verkehrspolitische Gesichtspunkte bei dieser Entscheidung keine wesentliche Rolle gespielt. Der Schritt des Königs stellt vielmehr eine ausgesprochene Kampfmaßnahme dar, die in erster Linie von machtpolitischen Erwägungen diktiert war«. GERLICH, Albrecht I., S. 87: »Sie (die Zollreduzierungen) waren weniger in der Absicht verfügt worden, die Kaufleute in den Städten zu begünstigen, als die ohnehin miserable Finanzlage der Erzstifte völlig zu zerrütten.« 114 Vgl. TROE, Münze, S. 244; ähnlich suggieren HESSEL, Albrecht I., S. 107, und GERLICH, Albrecht I., S. 87, daß die Abgabenbelastung im wesentlichen unverändert blieb.
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Interessen zu115. Ansätze und Versuche zu wirtschaftspolitischem Handeln des Königs dürften trotz fehlender Konsequenz in der Durchführung nicht unbeachtet bleiben 116 . Dirlmeier versucht, durch eine Gesamtanalyse der albertinischen Zoll- und Stapelpolitik in seinen Hauslanden und dem Reich seit 1281 nachzuweisen, daß der Habsburger eine auf der Förderungswürdigkeit des Handelsverkehrs beruhende, im Hinblick auf die zollpolitische Grundhaltung insbesondere im Landfrieden von 1298 erkennbare Gesamtkonzeption besaß, die er 1301/1302 im Rahmen des Möglichen umgesetzt habe 117 . Eine Auseinandersetzung mit den sorgfältig argumentierenden Ausführungen Dirlmeiers ist bislang nicht einmal ansatzweise erfolgt, selbst in neueren Arbeiten wird allenfalls kurz auf sie verwiesen118. Welcher dieser beiden offensichtlich nicht miteinander zu vereinbarenden Interpretationen der Vorzug zu geben ist, bzw. ob nicht eine von beiden abweichende Auffassung zu vertreten sein wird, kann ohne eine genauere Prüfung der zentralen Einzelargumente kaum entschieden werden. Geht man diesen nach, zeigt sich freilich, daß sie in erheblichem Maße auf Voraussetzungen basieren, die im Verlauf der bisherigen Untersuchung zumindest sehr in Frage gestellt, wenn nicht gar widerlegt worden sind. Das betrifft zunächst die Einschätzung der konkreten Auswirkungen, die Albrechts Eingriff in die Rheinzollstruktur hatte. Hessel und die ihm folgenden Autoren haben eine handelspolitische Zielsetzung des Königs nicht zuletzt deswegen negiert, weil die Änderungen lediglich die Zollbesitzer getroffen, den Handel aber nicht spürbar entlastet hätten. Tatsächlich hält die auch von Dirlmeier nicht bezweifelte These einer im wesentlichen unveränderten Abgabenbelastung einer Nachprüfung kaum stand 119 . An der Wende zum 14. Jahrhundert existierten zwischen Mainz und der Spitze des Rheindeltas mit Lobith sechzehn Zölle (bei zwei Zöllen in Lahnstein), fünf Jahre später waren es höchstens vierzehn, und zwar einschließlich aller neu verliehenen bzw. geschaffenen Abgabentitel. Die Nettoentlastung des Rheinhandels kam vollständig dem Stromabschnitt zwischen den beiden wichtigsten rheinischen Handelsstädten Mainz und Köln zugute120, wo inzwischen sieben statt zuvor neun Transitzölle bestanden. Unterhalb von Boppard mußte 1305 ein Handelsschiff bis Köln sogar nur noch eine einzige Zollstätte, Hammerstein, anlaufen, während auf dersel-
115 Vgl. DIRLMEIER, Hoheitsträger, S. 136 f. 116 Vgl. DIRLMEIER, Hoheitsträger, S. 139.
117 Vgl. DIRLMEIER, Hoheitsträger, S. 135-148. 118 So im 1990 erschienenen Aufsatz von KRISSL, Albrecht I., S. 186 Anm. 81; die 1994 veröffentlichte Arbeit von HELBACH, Reichsgut, S. 210 ff., geht nicht auf Dirlmeier ein, sondern folgt ganz der Linie Troes. 119 Vgl. zum folgenden die Karten 4 und 12. 120 Bei dieser Rechnung ist berücksichtigt, daß der neue Zoll des Grafen von Jülich vermutlich nach Kaiserswerth gelegt wurde. Es wird ferner angenommen, daß Albrecht den zuvor in Lahnstein liegenden Bopparder fridezol wieder nach Boppard zurückverlegte (vgl. oben S. 209).
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ben Strecke 1300 fünfmal Zollabgaben 121 eingefordert worden waren! Ob dies eine gezielte handelspolitische Maßnahme Albrechts war oder ein Nebeneffekt der Umstrukturierung - vier der fünf aufgehobenen erzbischöflichen Zölle lagen zwischen Mainz und Köln - soll vorerst dahingestellt bleiben, doch kann trotz vielzitierter gegenteiliger Klagen in der zeitgenössischen Chronistik122 kaum die Rede davon sein, daß der Handel de facto nicht von den Maßnahmen Albrechts profitiert hätte. Auch die Argumentation Dirlmeiers beruht in erheblichem Maße auf fraglichen Prämissen. So muß die Interpretation des Nürnberger Landfriedens von 1298123, die von wesentlicher Bedeutung für seine Beurteilung von Albrechts Zollpolitik ist, angesichts der bisherigen Ergebnisse in Zweifel gezogen werden. Dirlmeier kennzeichnet den Landfrieden als »Regierungsprogramm« Albrechts, »nach dem die anstehenden Probleme gelöst werden konnten«. Er begründet diese doch sehr weitreichende These freilich allein mit der Erweiterung des Textes um einige Zusätze gegenüber der Würzburger Urfassung von 1287. Zwar wurden die Zollbestimmungen unverändert übernommen, doch unterstellt Dirlmeier, daß der Habsburger sie »offenbar als ernste Verpflichtung« erneuert habe124. Einen konkreten Nachweis hierfür bleibt Dirlmeier ebenso schuldig, wie für die Behauptung, daß der König diese Regelungen »als Rechtsgrundlage seines Vorgehens schon vor 1302« benutzt habe. Dirlmeiers Ansicht, daß die Zollinhaber am Rhein, insbesondere die Erzbischöfe, das Zollverbot des Landfriedens mißachtet hätten und Albrecht vorerst die Möglichkeit oder auch das Interesse zu einem energischen Vorgehen gefehlt habe, geht auf Troe zurück, der seinerseits die an den Papst gerichteten propagandistischen Darstellungen der königlichen Partei unkritisch übernommen hat. Deren Ziel war es, den Zollkonflikt von 1301 auf den Nürnberger Landfrieden zurückzudatieren, um die Erzbischöfe als langjährige Landfriedensbrecher ins Unrecht zu setzen 125 . Es bleibt aber festzuhalten, daß es keine Anzeichen dafür gibt, daß Albrecht bereits bei der Verabschiedung des Nürnberger Landfriedens Pläne zur konkreten Umsetzung der Zollbestimmungen hatte - schon gar nicht in der Form, wie er sie 1301/1302 durchführte. Gleichfalls unbewiesen bleibt die These, daß der König diesen Regelungen schon vor seiner Auseinandersetzung mit den Wahlfürsten konkret Geltung verschafft habe; auch die von Dirlmeier angeführten Beispiele für die königliche Zollpolitik in dieser Phase lassen dies nicht erkennen: Wenn Albrecht 1299 den Landweg von den Alpenpässen zu den Champagnemessen und nach Flandern mit besonderen Geleitzusagen sicherte und seinen Verzicht auf zusätzliche Geleitabgaben mit den Normen des Nürnberger Landfriedens begründete 126 , bezog er sich
121 122 123 124 125
Bei zwei Zolltiteln in Lahnstein. Vgl. HESSEL, S. 107, mit Verweis auf die Colmarer Annalen ( M G H SS XVII, S. 228). M G H Const. IV, Nr. 33. Vgl. DIRLMEIER, Hoheitsträger, S. 139 f. Vgl. DIRLMEIER, Hoheitsträger, S. 140 f., mit Berufung auf TROE, Münze, S. 244. Zur propagandistischen Instrumentalisierung des Landfriedens vgl. oben S. 451 f. 126 SCHULTE, Handel II, Nr. 1; vgl. DIRLMEIER, Hoheitsträger, S. 141.
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damit auf die Verpflichtung des Zollinhabers zur Geleiterteilung 127 . Das hatte jedoch mit der in Nürnberg ebenfalls geforderten Niederlegung unrechtmäßiger neuer Zölle nur so viel zu tun, als beide Einzelbestimmungen Teil der umfassenden Zoll- und Geleitregeln des Landfriedens waren. Auch die Inschutznahme Lübecks gegen neue Zollforderungen benachbarter Territorien 1299/1300 läßt die von Dirlmeier angenommene Verbindung zum Nürnberger Landfrieden von 1298 kaum erkennen 128 . Der König verbot eine Verletzung der spezifischen Lübecker Zollprivilegien 129 , untersagte aber nicht - ein fundamentaler Unterschied - die Erhebung der entsprechenden Abgaben schlechthin, etwa weil sie gegen das allgemeine Zollverbot des Landfriedens verstoßen hätten. Zudem waren durchaus konkrete Interessen des Herrschers berührt; Lübeck war Reichsstadt und zahlte ihm regelmäßig erhebliche Steuern. Ohne daß Albrechts auch anderweitig faßbares Engagement zugunsten der Handelsverbindungen der norddeutschen Stadt130 allein auf den fiskalischen Aspekt einzuengen ist, darf doch der direkte Nutzen nicht übersehen werden, den ein florierender Lübecker Handel für den König hatte. Ein selbstloses Eintreten Albrechts für die Zollgrundsätze des Landfriedens ist damit ebensowenig nachzuweisen wie bei seiner Geleitzusicherung für den Italienhandel, auf deren territorialpolitische und fiskalische Komponente Dirlmeier selbst hinweist. Seine Zwischenbilanz, »daß der König tatsächlich gleich nach 1298 die Grundsätze des Landfriedens für das Zollwesen in einem weiten Raum unterstützte und die übergeordnete Zuständigkeit des Königs verkehrsfreundlich eingesetzt wurde«131, muß daher mit wesentlichen Einschränkungen versehen werden. Abgesehen davon ist sich auch Dirlmeier bewußt, daß die von ihm konstatierte zollpolitische Grundausrichtung des Königs seine Maßnahmen am Rhein nicht hinreichend erklärt. Um zu prüfen, inwieweit eine Verpflichtung aus dem Landfrieden dabei eine Rolle gespielt habe, stellt Dirlmeier vier Kriterien auf: den von Albrecht selbst erhobenen Anspruch, die zeitgenössische Beurteilung seines Vorgehens, die Berücksichtigung der Zölle in den Friedensschlüssen mit den Fürsten und schließlich Albrechts spätere Haltung zu Zollfragen. Dirlmeier sieht mit Hessel den politischen Grund des Konfliktes zwischen dem König und den rheinischen Wahlfürsten in der Annäherung Albrechts an Frankreich. Er versucht aber darüber hinaus, einen wirtschaftlichen Gegensatz zwischen beiden Parteien herauszuarbeiten, der in dem Moment aufgetreten sei, als sich der Habsburger um den Erwerb der Grafschaft Holland bemüht habe. Die Grundthese von Schulte aufgreifend argumentiert Dirlmeier, daß
127 Vgl. M G H Const. IV, Nr. 33 Art. 20. 1 2 8 V g l . DIRLMEIER, H o h e i t s t r ä g e r , S. 142.
129 quod ipsi... grauentur exactionibus inconsuetis et theloneis minus iustis contra tenorem privilegiorum ipsorum civium, Lübecker U B I, Nr. 689 (1299 Jan. 23); quod vos contra libertatem et graciam ipsis factam et concessam a vestris progenitoribus, eis in receptione theloneorum iniuriam et grauem violenciam inferatis, ebd., Nr. 717 (1300 Jan. 19). 130 Vgl. dazu HESSEL, Albrecht I., S. 147. 1 3 1 DIRLMEIER, H o h e i t s t r ä g e r , S. 142.
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der König, der über die habsburgischen Besitzungen in den Vorderen Landen bereits den Hochrhein kontrollierte, mit der von Holland beherrschten Rheinmündung in den Besitz von Anfangs- und Endpunkt der wichtigsten Handelsstraße des Reiches gekommen wäre132. Daraus sei ein starkes direktes »landesherrliches« Interesse Albrechts erwachsen, den dazwischenliegenden, in weiten Teilen von den Zöllen der Wahlfürsten beherrschten Stromabschnitt nach verkehrsfördernden Grundsätzen neu zu regulieren. Die Elektoren, denen die wiederholten Maßnahmen des Königs gegen eigenmächtige Zölle bekannt gewesen sein müßten, hätten diesen Plan erkannt und sich deshalb zum Schutz ihrer Zölle im Herbst 1300 zusammengeschlossen. Diese These hätte dann - und nur dann - zweifellos einiges für sich, wenn Albrecht 1300 tatsächlich in den Besitz von Holland gelangt wäre und von einem Anstieg des Rheinverkehrs direkt profitiert hätte. Daß aber allein schon das Bemühen des Königs um Holland konkrete handelsfördernde Maßnahmen induziert haben soll, ist nicht nachzuvollziehen. Solche konnten für ihn nämlich erst dann nutzbringend sein, wenn die Rheinmündung tatsächlich habsburgisch war. So lange dies nicht der Fall war, kamen sie sogar seinem Feind zugute, nämlich dem Hennegauer Grafen Johann von Avesnes als dem faktischen Besitzer von Holland. Dirlmeier nimmt an, daß sich die Fürsten vor allem zur Sicherung ihrer Zölle zusammenschlössen. Dies ist zwar nicht auszuschließen, aber auch nicht hinreichend wahrscheinlich zu machen. Weder gab ihnen die bisherige Zollpolitik Albrechts im Reich oder gar am Rhein dazu einen Anlaß - die gegenteilige Auffassung Dirlmeiers ist nach der Prüfung seiner entsprechenden Darlegungen nicht haltbar - , noch konnten sie erwarten, daß der König sich aus einem konkreten handelspolitischen Eigeninteresse direkt gegen ihre Rheinzölle wenden würde. Daß der im Sommer 1300 nicht zuletzt durch das Doppelspiel des Kölner Erzbischofs gescheiterte Anlauf Albrechts zur Gewinnung von Holland erheblich zum Bruch mit den rheinischen Wahlfürsten beitrug, ist bereits erwähnt worden 133 , doch stand dies in keinem erkennbaren ursächlichen Zusammenhang mit verkehrsfördernden Plänen des Königs. Dirlmeier stützt seine Grundthese von der kausalen Bedeutung der Rheinzölle für die Auseinandersetzung des Königs mit den Elektoren ferner auf die Angabe der steirischen Reimchronik Ottokars, daß Albrecht Städte und Wahlfürsten zu Beratungen über das Zollproblem geladen habe, bevor er gegen letztere vorgegangen sei 134 . Eine nähere Prüfung der entsprechenden Textstelle und der vorangehenden Passagen zeigt jedoch, daß gerade aufgrund dieser Quelle der gegenteilige Schluß, daß Albrecht die Zollfrage aus politischen Gründen in den Vordergrund stellte, eindeutig näher liegt. Bevor er auf die nicht zustandegekommene Beratung eingeht, die Dirlmeier und Hessel anführen, berichtet Ottokar nämlich detailliert, wie der
132 Vgl. DIRLMEIER, Hoheitsträger, S. 142 f.; SCHULTE, H a n d e l I, S. 204.
133 Vgl. auch oben S. 445. 134 Vgl. DIRLMEIER, Hoheitsträger, S. 143, nach HESSEL, Albrecht I., S. 97.
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Habsburger die Städtekoalition135 zusammen gebracht habe: In Reaktion auf den Fürstenbund ließ der König demnach den schwäbischen, rheinischen, fränkischen und elsässischen Städten mitteilen, daß er sich nun ihrer schon früher häufig geäußerten Klagen über unrechte Zölle annehmen wolle. Die Städte beschwerten sich daraufhin (mündlich) vor allem über die Zölle der kurfursten. Albrecht ließ dies schriftlich zusammenstellen, übersandte die Klagen an die Beschuldigten und lud sie zur Rechtfertigung an seinen Hof. Da die Fürsten jedoch nicht erschienen (Ottokar schildert hier ausführlich den formalen Ablauf des Hofgerichtsverfahrens), urteilte der König schließlich auf Klage der Städte gegen die Erzbischöfe und den Pfalzgrafen und verbot ihnen die Erhebung aller seit dem Tod Friedrichs II. errichteten Zölle 136 . Nach Ottokar waren also nicht die Zölle Ursache des Konfliktes mit den Fürsten, sondern erst die Verschärfung der Auseinandersetzungen ließ den König die Zollfrage aufgreifen. Als Albrecht durch die Koalition der Elektoren in Bedrängnis geriet und nach Bundesgenossen suchen mußte, war er bereit, sich der ihm keineswegs neuen Klagen der Städte über Zollbeschwerungen anzunehmen, um eine Handhabe gegen die drei rheinischen Erzbischöfe und den Pfalzgrafen zu gewinnen. Auch die Colmarer Chronik137 hebt das bewußte Kalkül Albrechts hervor, der erst dann vom Mainzer und Kölner Erzbischof die Abstellung ihrer Rheinzölle gefordert habe, als er seine Stellung am Rhein genügend gefestigt glaubte: cum regi visum fuisset, quod Rhenum potenter teneret, et se confirmatum crederet. Dirlmeiers Ansicht, daß der Chronist damit die Zeitspanne zwischen dem Nürnberger Landfrieden und dem Eingreifen des Königs ausdrücken wollte, läßt sich nicht erhärten. Die Chronik geht zwar auf den Nürnberger Hoftag ein, berichtet in diesem Zusammenhang aber nicht von der Verkündung des Landfriedens, sondern lediglich von der Krönung der Königin, den von den Wahlfürsten versehenen Hofämtern und dem prächtigen Auftritt des Königs von Böhmen 138 . Das Mandat Albrechts zur Abstellung der Rheinzölle wird nicht mit Landfriedensnormen in Verbindung gebracht, sondern im Anschluß an seine Bemühungen um die Grafschaft Holland und seinen gescheiterten Zug an den Niederrhein im Sommer 1300 geschildert. Dirlmeier hat nicht berücksichtigt, daß sich der fragliche Passus in der Chronik nicht auf einen Landfrieden beziehen kann, der zuvor gar nicht erwähnt wird; diese Stelle paßt aber sehr wohl zu Albrechts Situation nach der Rückkehr von Nimwegen, als der König entlang des Stroms systematisch Verbündete gegen die Erzbischöfe von Köln und Mainz anwarb139. Nachdem diese Phase so weit abgeschlossen war, daß der König seine Position am Rhein hinreichend stark einschätzte, so ist die Colmarer Chronik wohl zu verstehen, konnte er gegen die beiden mächtigsten rheinischen Fürsten vorgehen.
135 136 137 138 139
MGH Dt. Chroniken V.2, V. 76897-77028. MGH Dt. Chroniken V.2, V. 76954-77028. Chronicon Colmariense, MGH SS XVII, S. 268. Vgl. Chronicon Colmariense, MGH SS XVII, S. 267. Vgl. oben S. 444 f.
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Dirlmeier vertritt die Auffassung, daß sich Albrecht bei jeder Gelegenheit auf den Landfrieden als Rechtsgrundlage und direkten Anlaß seines Eingreifens berufen habe 140 . Eine Prüfung der entsprechenden Urkunden zeigt jedoch, daß dies zumindest in der behaupteten Form und Regelmäßigkeit nicht zutreffend ist. Weder sein Mandat zur Beachtung der Kölner Zollfreiheit vom 6. Februar 1301141, mit dem erstmals die Zölle als Streitpunkt zwischen König und Erzbischöfen erkennbar sind, noch der Widerruf aller Zollverleihungen vom 7. Mai142 noch die zwei Tage später verfügte Exemtion 143 der klevischen Zölle davon nahmen auf den Nürnberger Landfrieden direkten Bezug. Die Kölner Urkunde enthält nicht einmal das Wort pax. Zwar ist nicht zu bestreiten, daß Albrecht sein Vorgehen gegen die Fürsten auch damit rechtfertigte, daß ihre Zölle den Frieden störten - das war ein seit Jahrzehnten gängiges Standardargument und zugleich die traditionelle Legitimation königlicher Politik 144 -, doch gibt dies über die tatsächliche Ursache des Konfliktes, wie oben dargelegt wurde, nur sehr bedingt Aufschluß. Die weiteren Ausführungen Dirlmeiers stimmen entweder mit unseren Ergebnissen überein und sind daher nicht näher zu prüfen 145 , oder sie sind für die Beurteilung der Auseinandersetzungen von 1301/1302 weniger relevant. Wie ist nun aber die Motivation Albrechts bei seinem Vorgehen gegen die rheinischen Wahlfürsten insgesamt zu beurteilen ? Eine genaue Prüfung des Quellenmaterials gibt keinen Hinweis darauf, daß der Habsburger schon zu Beginn seiner Regierung ein zollpolitisches Vorgehen gegen die Elektoren am Rhein plante. Wenngleich Dirlmeiers These, daß Albrechts Politik neben fiskalischen und territorialpolitischen Zielvorstellungen auch die Interessen von Handel und Verkehr berücksichtigte, im allgemeinen durchaus plausibel ist, so kann er doch nicht nachweisen, daß die Rheinzölle von kausaler Bedeutung für den Konflikt waren. Die Ursachen sind vielmehr in den bereits angedeutenden, seit Ende 1299 immer deutlicher faßbaren (verfassungs-) politischen Interessendivergenzen zwischen dem König und den rheinischen Wahlfürsten zu suchen. Im September und Oktober 1300 war noch nicht abzusehen, daß nur wenige Monate später die Zölle im Vordergrund der Auseinandersetzungen stehen sollten.
140 Vgl. DIRLMEIER, Hoheitsträger, S. 143 f.
141 142 143 144 145
MGH Const. IV, Nr. 128. MGH Const. IV, Nr. 134. KASTNER, Territorialpolitik, Beilage Nr. 9, S. 179 f. Vgl. dazu auch ANGERMEIER, Landfriedenspolitik, S. 183. Dies gilt etwa für die sorgfältige und ausführliche Regelung der Zollfragen in den Friedensschlüssen Albrechts mit den Erzbischöfen als starkes Argument Dirlmeiers gegen Hessels Einschätzung, daß der König die Zölle nur als rein taktische Kampfmaßnahme für die Dauer des Kriegs in den Vordergrund stellte, die nach seinem Sieg ihren Zweck erfüllt habe. Vgl. DIRLMEIER, Hoheitsträger, S. 145 f.; HESSEL, Albrecht I., S. 107.
VII. Albrecht I. von Habsburg
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Albrecht sammelte zunächst Anhänger unter den bedeutenden niederrheinischen Grafen gegen den Kölner Erzbischof, bestimmte einen von ihnen zum Landvogt und warb die anderen mit erheblichen Geldzahlungen an. Weiter rheinaufwärts konnte der König auf bestehende Landvogteien in der Wetterau, im Speyergau und im Elsaß zurückgreifen und - entsprechend der größeren Königsnähe dieser Landschaften - in sehr viel stärkerem Maße als am Niederrhein direkte Ressourcen des Reiches mobilisieren. Nicht minder wichtig war es, daß Albrecht spätestens zwischen Februar und Mai 1301 alle rheinischen Bischofsstädte zur aktiven Unterstützung seiner Sache gewinnen konnte, und zwar ganz offensichtlich mit Hilfe der erst jetzt aufgegriffenen Zollfrage. Daß die Städte durch ihre Handelsinteressen an einer (Rhein-)Zollreduzierung interessiert waren - zumal wenn diese vor allem zu Lasten der Erzbischöfe ging, denen die meisten Zölle an Mittel- und Niederrhein gehörten - , bedarf keiner weiteren Erklärung. Emanzipationsbestrebungen vom (erz-)bischöflichen Stadtherren mögen als Motiv der städtischen Parteinahme für den König hinzugekommen sein. Wie lange zu dieser Zeit bereits Kontakte zwischen beiden Seiten bestanden, muß weitgehend offen bleiben, weil das genau datierbare, d. h. vor allem das urkundliche Quellenmaterial offenbar erst in einer relativ späten Phase dieser Verbindung einsetzt. Jedenfalls gehörten die Stadt Köln und die oberrheinischen Städte zu den frühesten Verbündeten Albrechts. Ein weiterer, in der Forschung bislang nicht hinreichend beachteter Aspekt kommt hinzu: Auch Albrechts Pläne für eine Erbmonarchie dürften den Städten gerade im Hinblick auf die Zollfrage nicht unwillkommen gewesen sein. Bei den Königswahlen von 1292 und 1298 hatten die rheinischen Erzbischöfe ihre Kurwürde zur gezielten Erweiterung ihres Zollbestands eingesetzt. Daß sich diese Tendenz bei künftigen Wahlen eher noch verstärken würde, war abzusehen, zumal die Herrscher dem schon deshalb nur wenig Widerstand entgegensetzen konnten, weil sie daran interessiert sein mußten, direkte Zahlungen barer Gelder oder sonstige Zusagen, die ihre eigenen Ressourcen belasteten, in Grenzen zu halten. Aus Sicht der Städte war die Nachgiebigkeit in Zollfragen eine Einigung zu ihren Lasten; denn es waren vor allem ihre Bürger als Händler und Konsumenten, die von der erhöhten Abgabenbelastung betroffen waren. Ein erbliches Königtum bot dagegen die Aussicht, die Dynamik dieser aus der Perspektive der Städte verhängnisvollen Entwicklung zumindest erheblich zu verlangsamen. Aus der Perspektive des Königs war die Instrumentalisierung der Zollfrage gegen die Elektoren ein geradezu idealer Schachzug: Zum einen konnte er so die Städte als Bundesgenossen gewinnen, und zwar durch deren Eigeninteresse anscheinend auch ohne die erheblichen Mittel, die für die Anwerbung der Dynasten erforderlich waren; zum anderen traf er seine Gegner im Kern ihrer finanziellen Ressourcen, und damit an besonders empfindlicher Stelle. Schließlich bedeutete es - zumal gegenüber den Wahlfürsten - eine erhebliche Erweiterung seiner herrscherlichen Macht im allgemeinen und seines zollpolitischen Handlungsspielraums im besonderen, wenn er die Zollhoheit des Königs nicht nur positiv, d. h. durch Verleihung und Bestätigung von Rechten ausübte, sondern auch in doppelter Hinsicht als Sanktionsinstrument
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D. Herrscherliche
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vom 10. Jahrhundert
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einsetzte: zunächst in der herkömmlichen Weise mit der Bekämpfung eigenmächtiger Zölle nach den Normen des Landfriedens, wie sie schon sein Vater gegenüber dem Kölner Erzbischof Siegfried von Westerburg praktiziert hatte, dann aber vor allem mit dem im Bereich der Rheinzölle zuvor nie durchgeführten Widerruf von Zollprivilegien wegen angeblichen Mißbrauchs. Wie gezielt Albrecht diese Möglichkeiten nutzte, ist dargelegt worden. A m Ende seiner Auseinandersetzungen mit den Fürsten hatte er die Besitzstruktur der Rheinzölle tiefgreifend umgestaltet. Bei Reduzierung der erzbischöflichen Zölle auf ein Minimum - nur dem Kölner blieb sein Zoll in Neuss - schonte der König die Hebestellen der weltlichen Rheinzollinhaber, erweiterte sogar ihren Kreis. Er tat dies offenbar in der Absicht, die Erzbischöfe durch den Entzug wichtiger finanzieller Ressourcen bei gleichzeitiger Stärkung ihrer territorialpolitischen Gegner langfristig zu schwächen und durch eigene neue Rheinzölle, die strategisch plaziert wurden, die Kontrolle der wichtigsten Handelsstraße des Reiches mit ihrer fiskalischen Abschöpfung zu verbinden. Diese Umstrukturierung bedeutete für den Rheinhandel, was in der Literatur meist ohne nähere Prüfung geleugnet worden ist, eine deutliche Abgabenentlastung, besonders auf dem Stromabschnitt zwischen Mainz und Köln. Inwieweit dies auf konkrete handelspolitische Forderungen der städtischen Bündnispartner Albrechts, etwa Kölns, zurückzuführen ist oder ein Nebeneffekt der Umstrukturierung war, kann mangels entsprechender Quellen über den Entscheidungsprozeß kaum ermittelt werden. Eine Beurteilung dieses Problems ex eventu bleibt aber weitgehend Spekulation. Man kann zwar annehmen, daß es den Städten lieber gewesen wäre, wenn der König keine neuen Zölle errichtet hätte, doch weiß man nicht, wie konkret überhaupt die zollpolitischen Vorstellungen beider Seiten zu Beginn des Konfliktes waren, ob und gegebenenfalls welche Zusagen Albrecht für die Zollstruktur nach dem Sieg über die Fürsten gemacht hatte und ob er eventuell davon abwich. Allein aus der Errichtung dieser Zölle zu schließen, der König habe in seiner Zollpolitik auf seine städtischen Bundesgenossen nur solange wie notwendig Rücksicht genommen, ihnen gar falsche Hoffnungen auf einen durch Zölle weitgehend ungehinderten Rheinhandel gemacht, ist jedenfalls nicht möglich 146 . Angesichts der klar hervortretenden Instrumentalisierung der Rheinzollfrage im politischen Kampf gegen die rheinischen Wahlfürsten fällt es schwer, in Albrechts Zollpolitik genuin handelspolitische Motive zu erkennen. Das heißt nicht, daß dem Habsburger die wirtschaftlichen Auswirkungen von Zöllen unbekannt oder gleichgültig waren - Dirlmeier hat durchaus einleuchtende Gegenbeispiele dafür gebracht - , doch ist der Primat einer auf Stärkung bzw. Etablierung eines habsburgischen Königtums ausgerichteten Strategie unverkennbar. Eventuelle positive Auswirkungen der Umstrukturierung auf den Handel mag Albrecht schon deshalb begrüßt haben, weil er durch die neuen Reichszölle selbst nun verstärkt davon profitierte. Aber die These ist wohl nicht zu gewagt, daß er, wenn es ihm im Rahmen
146 So TROE, Münze, S. 246; dagegen DIRLMEIER, Hoheitsträger, S. 144 ff.
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seiner Ziele notwendig erschienen wäre, eine Steigerung der Abgabenbelastung ohne weiteres in Kauf genommen hätte. Bereits gegen Ende von Albrechts Regierungszeit, als der Habsburger mit böhmischen Angelegenheiten gebunden war und die Rheinlande weitgehend sich selbst überlassen mußte 147 , versuchten die Nachfolger der besiegten Erzbischöfe von Köln und Mainz, die kurz hintereinander Anfang 1305 bzw. Ende 1306 ihre Ämter angetreten hatten 148 , die vor allem zu Lasten ihrer Erzstifter vollzogene Umgestaltung der Rheinzollstruktur zu revidieren. Es verhält sich keineswegs so, daß die Verträge mit den Vorgängern für den König nun wertlos gewesen wären, wie Gerlich glaubhaft machen will149; denn personengebunden und dadurch mit dem Tod eines der Vertragschließenden hinfällig waren darin allenfalls einige wenige Punkte, etwa die Verpflichtung zur Hilfeleistung. Die Zollmaßnahmen gründeten aber auf den am 7. Mai 1301 verkündeten Widerruf aller seit Friedrich II. erteilten Zollprivilegien, der in keiner Weise an die Lebenszeit des Königs oder der betroffenen Fürsten geknüpft war. Ob nun einer der Erzbischöfe oder gar der König starb - die Zölle blieben solange verboten, bis ihre Erhebung wieder explizit erlaubt wurde. Die hartnäkkigen Bemühungen der Erzbischöfe von Mainz und Köln zwischen 1306 und 1310 um neue Rechtstitel bzw. um die Bestätigung früherer Verleihungen zeigen dies in aller Deutlichkeit. Der Habsburger war dazu offenbar nicht bereit - was im übrigen ein weiterer Beleg dafür ist, daß er zollpolitisch nicht bloß kurzfristig dachte, sondern das Ergebnis der Umstrukturierung bewahrt wissen wollte - , und so wandten sich die Metropoliten an den Papst. Der Kölner Erzbischof Heinrich von Virneburg, der bereits im Mai 1306 in Andernach und Bonn wieder Abgaben auf den Rheinhandel erheben ließ150, erlangte am 25. Dezember 1306 von Clemens V. die Erlaubnis, die beiden Rheinzölle auctoritate propria wie früher zu erheben. Den Verzicht Erzbischof Wikbolds erklärte der Papst für unwirksam, weil von Albrecht gewaltsam erzwungen151. Der Mainzer Erzbischof Peter von Aspelt erhielt eine vergleichbare Genehmigung für den Lahnsteiner Rheinzoll am 23. Oktober 1307152, doch ob er sie, wie sein Kölner Amtsbruder, auch umgesetzt hat, läßt sich nicht nachweisen. Die päpstlichen Bewilligungen dürfen nicht überbewertet werden. Reichsrechtlich waren sie ohne Belang153, sie mochten den Erzbischöfen politische Rückendeckung geben und ein Vorgehen des Königs gegen sie erschweren. Es ist keineswegs unwahrscheinlich, daß Albrecht, wenn er an den Rhein zurückgekehrt wäre, seinen früheren Maßnahmen wieder Geltung verschafft hätte.
147 148 149 150 151
Vgl. dazu HESSEL, Albrecht I., S. 134 ff. Vgl. GERLICH, Albrecht I, S. 78 f. Anm. 240,242. Vgl. GERLICH, Albrecht I., S. 78 f. R E K IV, Nr. 147. MGH Const. IV, Nr. 1161 - REK IV, Nr. 212.
1 5 2 M G H C o n s t . I V , N r . 1 1 6 2 - VOGT, R E M 1.1, N r . 1 1 4 5 .
153 Vgl. GERLICH, Albrecht I., S. 88 Anm. 20.
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Entwurf: FRIEDRICH PFEIFFER Kartographie: MARTIN LUTZ © 1997
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Vili. Heinrich VII. Die nach der Ermordung König Albrechts (t 1. Mai 1308) anstehende Königswahl eröffnete den drei neuen rheinischen Erzbischöfen - sie hatten zwischen 1305 und 1308 ihre Ämter angetreten 1 - unerwartet schnell die Chance, seine zu Lasten ihrer Vorgänger vorgenommenen Eingriffe in die rheinische Zollstruktur wenigstens teilweise wieder rückgängig zu machen. Wie weit die verschiedenen Thronkandidaten im einzelnen mit entsprechenden Forderungen konfrontiert wurden und welches Gewicht die Zollfrage schließlich bei der Entscheidung der rheinischen Elektoren für Graf Heinrich von Luxemburg bzw. gegen die anderen Bewerber hatte 2 , entzieht sich mangels Quellen über konkrete Verhandlungsinhalte weitgehend unserer Kenntnis. Nimmt man dessen Wahlzusagen als Maßstab, dürfte dieses Problem keine unerhebliche Rolle gespielt haben. Am 20. September 1308 verbriefte Graf Heinrich dem Kölner Erzbischof Heinrich von Virneburg für dessen Wahl- und Krönungskosten, zum Ersatz der durch König Albrecht der Kölner Kirche zugefügten Schäden und als Ausgleich für die Aufwendungen von vielen tausend Mark durch den Erzbischof und seine beiden Vorgänger im Dienste des Reiches eine Reihe von Zusicherungen, die in noch größerem Umfang als 1292 und 1298 Zollfragen betrafen 3 . Graf Heinrich versprach, dem Erzbischof die Burg Kaiserswerth, die Städte Dortmund, Duisburg und Sinzig, die Höfe Westhofen, Elmenhorst und Brakel, die Dortmunder Juden sowie die Essener Vogtei durch Auslösung der Pfandsummen oder auf anderem Weg zu verschaffen. Diese Güter - die Rheinzölle Kaiserswerth und Duisburg wurden nicht gesondert erwähnt, waren offenbar aber mitinbegriffen sollten der Metropolit und seine Nachfolger bis zur vollständigen Zahlung von 100.000 Mark reinen Silbers als Reichslehen besitzen. Außerdem sollte der Erzbischof die Stadt Düren, die Vogtei und das Schultheißenamt in Aachen, sowie die Reichsgüter Boppard und Oberwesel mit Ausnahme des Bopparder Zolls auf seine Lebenszeit erhalten. Reichslehen aller Art sollte Heinrich von Virneburg erwerben und behalten dürfen. Der Hammersteiner Reichszoll war aufzuheben und an keinem anderen Ort innerhalb des kölnischen Geleits und Herzogtums wieder einzurichten. Der Luxemburger versprach ferner, dem Erzbischof alle früheren Königsprivilegien seiner Kirche zu erneuern und ihn im Besitz der Rhein- und Landzölle Andernach,
1 2
Vgl. GERLICH, Albrecht I, S. 78 f. Anm. 2 4 0 , 2 4 2 . Die Königswahl von 1308 ist in der Forschung viel diskutiert worden, vor allem im Hinblick auf die Kandidatur Karls von Valois, des Bruders des französischen Königs, und auf die Rolle des Trierer Erzbischofs Balduin bei der schließlich zugunsten seines Bruders Heinrich ausgefallenen Wahlentscheidung. Vgl. dazu aus der Fülle der neueren Literatur nur THOMAS, Geschichte, S. 131-135; DIETMAR, Heinrich VII., S. 45 f.; SCHUBERT, Kurfürsten, S. 104-107. Zur finanziellen Seite siehe REICHERT, Bischofsmitra, S. 73 f., 83 f.
3
M G H Const. IV, Nr. 257 - R E K IV, Nr. 380.
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Bonn und Neuss zu bewahren und zu schützen. Der von König Albrecht erzwungene Verzicht Erzbischof Wikbolds auf die Zölle Andernach und Bonn sollte ungültig sein, die entsprechenden Urkunden kassiert werden. Für die durch den Habsburger zugefügten Schäden versprach der Graf die Zahlung von 45.000 Pfund Turnospfennigen, ferner 5.000 Pfund für Unkosten des Erzbischofs bei der Königswahl und 6.000 Pfund für dessen consiliario. Die hier nur auszugsweise referierten Wahlversprechen weisen im Bemühen des Erzbischofs, alleiniger Besitzer nahezu des gesamten rheinischen und westfälischen Reichsguts zu werden, deutliche Parallelen zu entsprechenden Versuchen Siegfrieds von Westerburg im Jahr 1292 auf 5 . Das schon mit der ungewöhnlichen Lokalisierung iuxta Nussiam als dem kölnischen Einflußbereich zugehörig beanspruchte Kaiserswerth stand bezeichnenderweise an erster Stelle der dem Thronkandidaten abverlangten Zusagen. Der Erzbischof mußte alles daran setzen, die 1302 an seinen wichtigsten territorialen Konkurrenten, den Grafen von Jülich, verpfändete Reichsburg wieder unter seine Kontrolle zu bringen. Daß der künftige König diese Zusage nicht ohne weiteres einlösen konnte, war allerdings offensichtlich. Selbst wenn er die Pfandsumme von 12.000 Mark Kölner Pagament aufbringen würde, mußte mit dem Widerstand des Jülichers gerechnet werden, der auf Kaiserswerth auch deshalb kaum verzichten konnte, weil er dort den ihm von Albrecht 1302 neu verliehenen Rheinzoll erhob 6 . So weitreichend die Wahlzusagen Graf Heinrichs von Luxemburg im Bereich des Reichsguts auch waren, die Frage der kölnischen Rheinzölle zeigt, daß der Kölner Metropolit im Bemühen, die Zollrevision Albrechts rückgängig zu machen, nur teilweise erfolgreich war. Zwar versprach der künftige König, den Erzbischof im Besitz der Rhein- und Landzölle Andernach, Bonn und Neuss zu bewahren und zu verteidigen (conservare et defendere), doch galt dies offensichtlich nicht für den Rheinberger Zoll, der unerwähnt blieb. Der Thronkandidat ging materiell nicht über das hinaus, was der Metropolit schon im Dezember 1306 vom Papst erreicht hatte 7 . Zwar erkannte er diese drei Zölle explizit an - und damit auch die vom Erzbischof eigenmächtig schon im Mai 1306 offenbar wieder aufgenommene Zollerhebung in Andernach und Bonn - , vermied aber in auffälliger Weise, eine direkte Bestätigung (confirmare) zu versprechen 8 . Eine solche erfolgte erst zwei Jahre später. Über die Gründe, warum sich Graf Heinrich nicht zur Anerkennung des Rheinberger Zolls bereit fand - daß sie vom Erzbischof erstrebt wurde, darf wohl voraus-
4
5 6 7 8
Das auch sonst schon teilweise ungenaue Regest Kiskys (REKIV, Nr. 380) ist hier fehlerhaft, da er die Summen in Mark statt in Pfund und damit um Vs bis V3 (je nachdem, ob man die Mark zu 144 oder zu 160 Münzen rechnet) zu niedrig angibt. Vgl. oben S. 423 f. Vgl. oben S. 317. MGH Const. IV, Nr. 1161 - REK IV, Nr. 212. Das anderslautende Regest Kiskys (REK IV, Nr. 380) ist nicht zutreffend.
Vili. Heinrich VII.
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gesetzt werden 9 -, liegen keine direkten Quellen vor. Zwar konnte sich der Graf darauf berufen, daß auch Albrecht 1298 den Zoll nur auf Lebenszeit Wikbolds verliehen hatte und daß die Erhebung auch ohne den Verzicht bald darauf ausgelaufen wäre, doch könnte - abgesehen von diesem eher formalen Grund - auch ein Zusammenhang mit der zugesagten Niederlegung des Hammersteiner Reichszolls bestanden haben: Beides wollte der künftige König möglicherweise nicht zugestehen, und der zu einer Wahl gezwungene Erzbischof bewertete die durch die Entfernung des neuen Reichszolls intendierte Wiederherstellung des kölnischen Zollmonopols zwischen Andernach und Neuss höher als den fiskalischen Wert des Rheinberger Zolls. Etwas mehr als einen Monat später, am 28. Oktober 1308, verbriefte der Thronkandidat dem Mainzer Erzbischof Peter von Aspelt vergleichbar umfangreiche Wahlzusagen, die in zwei Punkten die mainzischen Rheinzölle 10 betrafen: Heinrich erkannte den Zoll in Lahnstein, der bekanntermaßen durch frühere Könige mit vollem Recht eingerichtet und der Mainzer Kirche übertragen worden sei, ausdrücklich an (laudamus) und versprach, ihn dem Erzbischof zu bestätigen und zu erneuern. Ferner sollte der Erzbischof den (hier erstmals erwähnten) Zoll Ehrenfels zur Tilgung noch ausstehender Schulden König Albrechts erhalten. Diese beliefen sich auf 10.000 Pfund Heller, die er dem Metropoliten für dessen Dienste auf dem Zug nach Böhmen versprochen habe 11 , 2.000 Mark Silber aufgrund einer besonderen (nicht näher bezeichneten) Schuldurkunde sowie 1.000 Mark, die Albrecht dem Mainzer Erzstift während der letzten Sedisvakanz am Frankfurter Ungeld und an den Abgaben der dortigen Juden vorenthalten habe. Damit der Erzbischof dem Reich besser dienen könne, versprach der Graf nach Billigkeit Ersatz für den 100.000 Mark Silber offenkundig übersteigenden Schaden zu leisten, den Albrecht dem Mainzer Erzstift durch seine Gewalttaten zugefügt habe. Ferner sagte der Luxemburger die unverzügliche Zahlung aller Wahl- und Krönungskosten und die Übernahme von erzbischöflichen Schulden bei der päpstlichen Kurie in Höhe von 3.000 Mark Silber zu. Im Bereich der Rheinzölle hatte Peter von Aspelt vom Thronkandidaten damit über die vollständige Revision der Speyerer Sühne von 1302 hinaus sogar eine Erweiterung des Zollbestands erreicht. Zwar könnte man wegen der Verwendung des Singulars (theloneum in Loynstein) zunächst vermuten, daß der Graf von Luxemburg von den zwei Zöllen (di zulle zu Laynsteyn), deren Aufhebung Albrecht erzwungen hatte, nur einen, den 1292 von König Adolf verliehenen, anerkannte und den zweiten, sechs Jahre später von Albrecht zusätzlich gewährten Rheinzolltitel bewußt
9 10 11
Vgl. dazu auch unten S. 614 f. MGH Const. IV, Nr. 259 - VOGT, REM 1.1, Nr. 1224. Vgl. zur Entwicklung des Mainzer Erzstifts in seinem Episkopat GERLICH, Peter von Aspelt. Zwischen Juli und Oktober 1307 nahm der Erzbischof am Zug Albrechts nach Thüringen und Böhmen teil, vgl. VOGT, REM 1.1, Nr. 1129. Die hier erstmals bezeugte Verschreibung dürfte aus dieser Zeit stammen.
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überging. Heinrich bestätigte jedoch im Januar 1309 als König durch Transsumierung der Urkunde Albrechts vom 1. September 1298 eindeutig beide Zölle 12 . Abgesehen von dem eher unwahrscheinlichen Fall, daß Heinrich von Luxemburg im Oktober 1308 nur einen, drei Monate später aber beide Lahnsteiner Zolltitel erneuerte, also über seine vor der Wahl zugesagten Vergünstigungen für die Mainzer Kirche noch hinausging, wird man annehmen müssen, daß mit dem theloneum in Loynstein die Hebestelle und nicht die einzelnen Zolltitel gemeint waren. Mit Ehrenfels erhielt das Mainzer Erzstift eine zweite Rheinzollstätte bzw. einen dritten Zolltitel, der allerdings auf einen absehbaren Zeitraum befristet war: Bei einer aus den Einkünften zu tilgenden Verschreibungssumme von insgesamt ca. 6.333 Mark Silber13 war mit dem Rückfall des Zolls an den König in einigen Jahren zu rechnen 14 . Daß Ehrenfels schließlich dauerhaft mainzisch bleiben sollte, dürfte vom Erzbischof von Beginn an intendiert worden sein, war aber im Oktober 1308 noch keineswegs vorbestimmt. Der Trierer Erzbischof Balduin von Luxemburg, der erst im März 1308 das Erzstift übernommen hatte, war ein jüngerer Bruder Graf Heinrichs und zusammen mit dem Mainzer Erzbischof Peter von Aspelt der Promotor der luxemburgischen Thronkandidatur, doch war diese enge Verbindung für das Trierer Erzstift weniger von Vorteil, als man zunächst erwarten könnte. Schriftliche Wahlzusagen sind jedenfalls nicht bekannt, und ob detaillierte mündliche Vereinbarungen getroffen wurden, wie Dominicus vermutet 15 , läßt sich kaum entscheiden. Ohne daß hier ein künstlicher Gegensatz zwischen den beiden Luxemburgern konstruiert werden soll, ist doch zu beachten, daß Balduin in einer schwächeren Position war als seine Kölner und Mainzer Amtsbrüder. Daß sich der Trierer Erzbischof von einem luxemburgischen Königtum neben der besonderen Würde für die gemeinsame Dynastie auch konkrete Vorteile für das Moselerzstift versprach, liegt auf der Hand. Gerade dieses Eigeninteresse machte indes die Trierer Kurstimme für Heinrich selbst ohne besondere Wahlzusagen relativ sicher. Überdies hatte der Graf seinem erzbischöflichen Bruder zwischen März und November 1308 bereits mindestens 40.000 Pfund Turnospfennige
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13 14
15
MGH Const. IV, Nr. 270 - VOGT, REM 1.1, Nr. 1240. Die Urkunde Albrechts (MGH Const. IV, Nr. 13 - VOGT, REM 1.1, Nr. 547) enthielt die Übertragung des Bopparder Friedenszolls nach Lahnstein und die Neuverleihung eines in Lahnstein oder Rüdesheim zu erhebenden Zolls in gleicher Höhe. 1 Pfund Heller ist hier mit V3 Mark Silber angesetzt; vgl. LAMPRECHT, Wirtschaftsleben II, S. 432; WEISENSTEIN, Münz- und Geldwesen, S. 309. Präzisere Angaben sind kaum möglich, da weder der Jahresertrag des Ehrenfelser Zolls noch seine nominale Höhe bekannt sind. Am Lahnsteiner Zoll kamen 1315/1316 rund 3.358 Pfund Heller, also mehr als 1.000 Mark Silber ein (VOLK, Oberlahnstein, Nr. 1; siehe auch die vorherige Anmerkung). DOMINICUS, Baldewin, S. 67. Die Angabe von THOMAS, Geschichte, S. 134, von einer umfassenden Privilegienbestätigung für Balduin war nicht zu verifizieren.
Vili.
Heinrich VII.
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geliehen 16 . Balduin war also auch in finanzieller Hinsicht kaum in der Position, besondere Forderungen an seine Wahlstimme zu knüpfen - ein Aspekt, der unter dem Eindruck der späteren Vergünstigungen Heinrichs VII. für seinen Bruder oft übersehen wird. Als gekrönter König hat Heinrich VII. im Unterschied zu seinen beiden Vorgängern keine systematische Revision seiner Zusagen im Bereich der Rheinzölle betrieben. Gleichwohl hat er die erzbischöflichen Forderungen 17 keineswegs automatisch vollzogen, sondern die königliche Zollhoheit sehr gezielt in den Dienst seiner Reichsund Hausmachtpolitik gestellt. Gegenüber dem Kölner Erzbischof Heinrich von Virneburg konnte und wollte der Luxemburger die insgesamt kaum erfüllbaren Wahlversprechen weder sofort noch in allen Punkten verwirklichen18, ohne es allerdings, wie Adolf von Nassau 1292/1293, auf eine Konfrontation anzulegen. Am leichtesten konnte Heinrich VII. die geforderte Niederlegung des Hammersteiner Zolls vollziehen; denn er fand nur 2,5 km stromaufwärts mit dem trierischen Leutesdorf eine neue Hebestelle, die außerhalb des kölnischen Geleitgebiets lag und doch mit Hammerstein identische >Standortvorteile< aufwies. Bis Ende Januar 1309 richtete der König dort einen neuen Rheinzoll zur Tilgung seiner Schulden bei Aachener Lombarden ein und übertrug ihnen die Erhebung 19 . Damit hatte Heinrich VII. seine Wahlzusage formal zwar korrekt, aber kaum im Sinne des Erzbischofs eingehalten. Unmittelbar darauf brachte Heinrich von Virneburg nämlich 6.000 Mark Kölner Pagament auf, um den Leutesdorfer Zoll von den lombardischen Pfandinhabern auszulösen und nach Bonn zu verlegen 20 . Der König war freilich auch jetzt nicht gewillt, aus Rücksicht auf den Kölner Metropoliten diese strategisch ungemein günstig gelegene Zollstätte aufzugeben. Er gestattete dem Erzbischof zwar die Verlegung des angekauften Zolls nach Bonn, doch wandelte er diese in eine Zollverleihung um. Heinrich VII. schuf für den
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Vgl. dazu REICHERT, Landesherrschaft, S. 228 ff. Die Bedingungen, die Pfalzgraf Rudolf möglicherweise an seine Kurstimme knüpfte, sind nicht bekannt. Die wenigen Ausnahmen: A m 7. Februar 1309 erlaubte er dem Erzbischof die Einlösung von Reichsgut und sicherte ihm Beistand zu ( M G H Const. IV, Nr. 279 - REK IV, Nr. 432). A m gleichen Tag übertrug Heinrich VII. ihm das Recht der Ersten Bitte in seiner Diözese ( M G H Const. IV, Nr. 280 - REK IV, Nr. 433). Vgl. M G H Const. IV, Nr. 275. Zwar wurde Hammerstein als Hebestelle de facto durch Leutesdorf abgelöst, doch beruhte der Zoll an dieser Zollstätte auf einem neu geschaffenen und befristeten Zolltitel, so daß nur unter diesem Vorbehalt von einer Verlegung des Hammersteiner Zolls nach Leutesdorf gesprochen werden kann. Vgl. oben S. 240. Vgl. REK IV, Nr. 448, 449, 658. Das Recht zum Ankauf von Reichsgütern und -einkünften, die mittel- oder unmittelbar vom Reich abhingen, hatte ihm der König am 7. Februar 1309 gemäß seiner Wahlzusage verbrieft (MGH Const. IV, Nr. 279 - REK IV, Nr. 432).
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Metropoliten also einen neuen Zolltitel, um in Leutesdorf weiterhin Abgaben erheben zu können. Sehr viel langwieriger gestaltete sich die Anerkennung der kölnischen Rheinzölle Andernach, Bonn und Neuss. Schon die eigentümliche Formulierung in der Wahlzusage (conservare et defendere statt des zu erwartenden confirmare et innovare) hatte Vorbehalte des Grafen von Luxemburg erkennen lassen, und tatsächlich bestätigte Heinrich VII. wenige Tage nach der Krönung zwar die mainzischen Rheinzölle und verlieh dem Trierer Erzstift einen neuen Rheinzoll, zögerte aber mit einer formellen Anerkennung der kölnischen Rheinzölle. Wie in den vergangenen Jahren dürften in den Verhandlungen, die zwischen dem königlichen Kanzler Abt Heinrich von Villers und dem Kölner Domdekan Ernst geführt wurden, vor allem die kölnischen Rechtstitel auf die Rheinzölle Andernach und Bonn strittig gewesen sein. Der Erzbischof erhielt Ende September 1309 zwar neben der Verbriefung des neuen Bonner (ehemaligen Leutesdorfer) Zolls21 die Zusage des Königs, das Verhandlungsergebnis anzuerkennen 22 , doch war dessen konkreter Gehalt anscheinend noch weitgehend offen. Erst mehr als eineinhalb Jahre nach der Krönung, am 1. September 1310, bestätigte und erneuerte Heinrich VII. Erzbischof Heinrich die drei Zölle und erklärte die von Albrecht erwirkte Verzichtleistung für ungültig, zumal schon Papst Clemens V. die Zollerhebung erlaubt habe 23 . Obgleich der König damit schließlich die Forderungen des Metropoliten inhaltlich erfüllte, vermied er auffallend alles, was als Schmälerung der königlichen Zollhoheit ausgelegt werden konnte. Wenngleich Heinrich VII. frühere Zollprivilegien des Erzstifts erwähnte, wollte er die Bestätigung der drei Zölle offenbar nicht als Realisierung bestehender kölnischer Zollrechte, sondern als speziellen Gnadenerweis (gratia specialis) verstanden wissen. Der König betonte seine herrscherliche Verantwortung für honor et status des Kölner Erzstifts, die es durch subsidia et munimenta regia zu erhalten gelte. Mit ähnlicher Begründung widerrief Heinrich VII. den Zollverzicht Erzbischof Wikbolds. Er verwies auf den daraus entstehenden Schaden für das Erzstift, ohne sich nun, wie noch vor der Wahl, die erzbischöfliche Version zu eigen zu machen, daß dies unter Zwang erfolgt und deshalb ohnehin ungültig sei24. Zwar erwähnte der König die Aufhebung des Verzichts durch Clemens V. im Dezember 1306, doch erst im Anschluß an seine eigene Bestätigung der Zölle. Heinrich VII. stellte die päpstliche Zollerhebungserlaubnis als zusätzliches Motiv seines Handelns dar, war aber keineswegs bereit, ihr reichsrechtlich bindende Wirkung zuzumessen. Der König konnte nicht anerkennen, daß die Zollmaßnahmen seines Vorgängers durch den Eingriff der auctoritas apostólica nicht mehr galten; denn dies hätte dem Papst zu Lasten der königlichen Zoll-
21 MGH Const. IV, Nr. 328 - REKIV, Nr. 477. 22 MGH Const. IV, Nr. 327 - REK IV, Nr. 476. 23 MGH Const. IV, Nr. 412 - REK IV, Nr. 535. 24
metu ad hoc ut dicitur inductus, per eundem regem fecisse dicitur, M G H Const. IV,
Nr. 412.
Vili.
Heinrich VII.
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hoheit einen dominierenden Einfluß auf die Gestaltung der Zollverhältnisse im Reich eingeräumt. Nur mit sehr erheblichen Abstrichen und - bezeichnenderweise - mit zumeist ebenso langer Verzögerung wie in der Zollfrage hat der König die Kölner Ansprüche auf das niederrheinische und westfälische Reichsgut unterstützt. In diesem Bereich hat er seine Wahlzusagen an den Kölner Erzbischof in mehreren Punkten eindeutig nicht eingehalten. Statt dem Metropoliten die fraglichen Reichsgüter mit eigenen Mitteln zu verschaffen, ist Heinrich VII., wenn überhaupt, nur soweit tätig geworden, wie es keine Kosten verursachte. Weder Kaiserswerth und Duisburg mit den dortigen Rheinzöllen noch Boppard, Oberwesel, Düren, Sinzig oder die Aachener Reichsämter hat der König von ihren bisherigen Pfandinhabern ausgelöst; daß er auf andere Weise für einen Übergang dieser Güter an die Kölner Kirche wirkte, ist nicht nachweisbar. Das dem Metropoliten zugesagte Recht, bei den Reichsstiftern in Aachen, Maastricht, Lüttich und Kaiserswerth je einmal die Propstei zu besetzen, wurde zwar schon am 7. Februar 1309, aber nur mit deutlichen Einschränkungen gewährt: Die Lütticher Pfründe wurde übergangen, und statt der Propsteien gestand Heinrich VII. dem Erzbischof lediglich die jeweils einmalige Besetzung einfacher Kanonikate zu25. Erst mehr als eineinhalb Jahre später, wiederum mit unübersehbaren Modifikationen zu Lasten Heinrichs von Virneburg, griff der König weitere seiner vor der Wahl gemachten Zusagen auf. Zwar erlaubte er dem Erzbischof am 2. September 1310 die Auslösung des Dortmunder Reichsguts von Graf Engelbert von der Mark gegen Erstattung der Pfandsumme 26 , doch hatte er ursprünglich zugesagt, dafür selbst und vor allem auf eigene Kosten zu sorgen. Immerhin befahl Heinrich VII. dem Grafen am gleichen Tag, die Dortmunder Reichsgüter gegen Rückzahlung des Pfandbetrages an den Erzbischof zu übergeben 27 . Auch den zu Unrecht als Reichsgut verpfändeten Hof Brakel, Eigentum der Kölner Kirche, sollte Engelbert ausliefern 28 . Zwar erhielt der Kölner Erzbischof die Essener Vogtei29, mußte aber die als kölnisches Allod beanspruchte Burg Zeltingen selbst für 3.550 Mark von Graf Georg von Veldenz auslösen, obgleich Heinrich VII. deren Restitution auf eigene Kosten und Mühen explizit versprochen hatte 30 .
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REKIV, Nr. 434, wiederholt am 28. September 1309 (MGH Const. IV, Nr. 330 REK IV, Nr. 479). Kiskys Regest der Wahlzusage (REK IV, Nr. 380) übersetzt Traiectum eindeutig unzutreffend mit Utrecht; denn in den beiden Urkunden von 1309 wird das fragliche Institut als Maastrichter Servatiusstift präzisiert. REK IV, Nr. 537. REK IV, Nr. 538. REK IV, Nr. 539. Der König versprach, ihn dafür aus anderen Reichsgütern zu entschädigen. Vielleicht erhielt Graf Engelbert in diesem Zusammenhang den Rheinzoll Schokeschair, vgl. oben S. 318 f. REK IV, Nr. 540, 549. REK IV, Nr. 550. Bereits in der Urkunde vom 26. September 1309, die den zwischenzeitlichen Stand der Verhandlungen dokumentierte (MGH Const. IV, Nr. 327 - REK IV,
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Es ist zweifellos kein Zufall, daß die formelle Bestätigung der kölnischen Rheinzölle, die Regelungen über die westfälischen Reichsgüter und der Einlösevertrag für Zeltingen gleichzeitig, aber erst Anfang September 1310 auf dem Speyerer Hoftag zustande kamen. Daß sachliche Schwierigkeiten für die Verzögerung verantwortlich waren, ist wenig wahrscheinlich und erklärt überdies nicht das zeitliche Zusammentreffen. Zum einen waren die tatsächlichen Verhältnisse - dies gilt für die Rheinzölle und mehr noch für die anderen Fragen - selbst aus heutiger Sicht keineswegs so unübersichtlich, daß sie derart lange (ununterbrochene?) Verhandlungen erfordert hätten; zum anderen waren die schließlich getroffenen Regelungen vergleichsweise einfach gehalten und lassen nicht erkennen, daß zwischenzeitlich etwa besondere, eine derartige Verzögerung rechtfertigende Probleme aufgetreten waren. Wenn die Gründe somit im politischen Bereich zu suchen sind, ist es im Rahmen unserer auf die Zölle begrenzten Fragestellung kaum möglich, diese exakt zu benennen und zu gewichten, zumal in der Literatur die Einhaltung der Wahlzusagen durch Heinrich VII. bislang nicht systematisch untersucht worden ist. Der große zeitliche Verzug ist anscheinend nicht aufgefallen, zumindest aber unerklärt geblieben 31 . Auf die möglichen Zusammenhänge mit der böhmischen Frage und den Vorbereitungen zum Romzug, den beiden wichtigsten Aktionsfeldern der Reichspolitik in den Jahren 1309 und 131032, sei hier deshalb nur hingewiesen, ohne sie näher erörtern zu können. Seine vor der Wahl gegenüber Heinrich von Virneburg eingegangenen finanziellen Zusagen hat der Luxemburger zumindest teilweise erfüllt, und zwar auf eine, wie noch auszuführen sein wird, charakteristische Weise. Am 26. September 1309 verlieh er dem Erzbischof, der bei seiner Königserhebung größere Ausgaben pro utilitate rei publice gemacht habe, den neulich (nuper) nach der Krönung mit königlicher Erlaubnis in Bonn eingerichteten Zoll, setzte dessen Höhe auf acht Turnosen pro Fuder Wein fest und befristete die Erhebung bis Ostern 131433. Obgleich die Urkunde darauf keinen direkten Hinweis gibt, war der Zoll nicht allein zur Abgeltung der kölnischen Wahl- und Krönungskosten bestimmt; denn er enthielt den vom Erzbischof angekauften und vormals in Leutesdorf erhobenen Zolltitel, den Hein-
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32 33
Nr. 476), versprach der König nur noch, Zeltingen dem Kölner Erzbischof zu verschaffen (restituemus et restitui procurabimus), bezeichnenderweise ohne den im Vorjahr noch zugesagten Einsatz eigener Mittel zu erwähnen. HELBACH, Reichsgut, S. 212, weist nur kurz auf die Tatsache der letztendlich vergeblichen Bemühungen des Kölner Erzbischofs um das niederrheinisch-westfälische Reichsgut hin. Die Darstellungen von THOMAS, Geschichte, und DIETMAR, Heinrich VII., gehen auf diese Fragen nicht ein. Vgl. THOMAS, Geschichte, S. 136 ff.; GRUNDMANN, Wahlkönigtum, S. 145 ff. Zur Finanzierung beider Unternehmen siehe ausführlich REICHERT, Bischofsmitra. MGH Const. IV, Nr. 328. Kisky (REK IV, Nr. 477) übersetzt circa creationem wohl zu eng mit »bei der Wahl«; denn vermutlich gebrauchte der König creatio als Oberbegriff für Wahl (electio) und Krönung (coronatio).
Vili. Heinrich VII.
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rieh VII. im Januar 1309 ad tempus dort eingerichtet hatte 34 . Abgabenhöhe und Länge der Erhebungsfrist dieses vormaligen Leutesdorfer Zolls sind unbekannt. Deswegen läßt sich nicht ermitteln, wie der König die Modalitäten dieses spätestens seit Juni 1309 in Bonn liegenden Abgabentitels bei der urkundlichen Fixierung im September 1309 änderte, um damit die finanziellen Forderungen des Erzbischofs zu befriedigen. Eine Erhöhung des Zollsatzes ist ebenso gut möglich wie eine Fristverlängerung oder eine Kombination beider Maßnahmen. Welche Summe auf diese Weise aufgebracht werden sollte, ist nur grob zu schätzen35. Ursprünglich zugesagt war die Zahlung von insgesamt 56.000 Pfund Turnospfennigen 36 . Wahrscheinlich war aber der König im September 1309 nur noch zur Begleichung einer deutlich niedrigeren Summe bereit und fixierte den Zoll entsprechend. Zumindest war keine Rede mehr von einer Entschädigung für die Verluste, die König Albrecht der Kölner Kirche angeblich in Höhe von 45.000 Pfund zugefügt hatte. Offenbar war Heinrich VII. - wie bei der Beurteilung der Zollrevision Albrechts - nicht mehr bereit, die negative kölnische Bewertung seines habsburgischen Vorgängers vorbehaltlos zu übernehmen, insbesondere natürlich dann, wenn daraus für ihn derart hohe finanzielle Verpflichtungen abgeleitet wurden. Wenn er dem Kölner Erzbischof gleichwohl durch die großzügige Ausgestaltung der Bonner Zollverleihung ermöglichte, bis zu vier Fünftel 37 der ingesamt zugesagten Gelder einzunehmen, also ein Mehrfaches der reinen Wahl- und Krönungskosten 38 , dann war er dazu wohl nur deshalb bereit, weil er die Kosten auf den Rheinhandel Uberwälzen konnte und seine eigenen Ressourcen nicht heranziehen mußte. Heinrich VII. hat die dem Mainzer Erzbischof Peter von Aspelt gegebenen Zollversprechen nach der Krönung (6. Januar 1309) in zwei Schritten vollzogen. Bereits am 14. Januar 1309 bestätigte und erneuerte er durch Transsumierung die Urkunde Albrechts vom 1. September 1298 über die Verlegung des Bopparder Friedenszolls nach Lahnstein und die Verleihung eines zweiten Zolls in gleicher Höhe 39 . Dagegen hat der König die zugesagte Übertragung des Ehrenfelser Zolls fast ebensolange verzögert wie die Anerkennung der kölnischen Rheinzölle. Erst am 26. August 1310 überließ Heinrich VII. dem Erzbischof zum Entgelt für die Unterstützung beim
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Vgl. oben S. 240. Vgl. unten S. 616 f. MGH Const. IV, Nr. 257 - REKIV, Nr. 380. Vgl. unten S. 616 f. In der Wahlzusage (MGH Const. IV, Nr. 257 - REK IV, Nr. 380) wurden die Wahl- und Krönungskosten auf insgesamt 11.000 Pfund kleine Turnosen beziffert. MGH Const. IV, Nr. 270 - VOGT, REM 1.1, Nr. 1240; die Urkunde Albrechts: MGH Const. IV, Nr. 13. Die Angabe von VOLK, Oberlahnstein, S. XXII, daß die Bestätigung nur auf Zeit erfolgte, ist nicht zutreffend. Der Habsburger - und damit auch Heinrich VII. - bestätigte die Zollerhebung vielmehr perenni tempore (für den ehemaligen Friedenszoll) bzw. perpetuis temporibus (für den zweiten Zolltitel in gleicher Höhe).
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geplanten Böhmenzug seines Sohnes, des Grafen Johann von Luxemburg, den Ehrenfelser Rheinzoll. Nach Empfang der Summe, für die König Albrecht den Zoll an die Mainzer Kirche verpfändet habe, sollte ihn der Erzbischof solange weiter erheben können, bis er daraus seine Auslagen für die Heerfahrt - die Höhe der Summe konnte Peter von Aspelt selbst festsetzen - sowie 5.000 Pfund Heller Krönungskosten eingenommen habe 40 . Wenn diese Verschreibung den Eindruck zu erwecken versuchte, daß der Zoll bereits seit der Zeit Albrechts in der Hand des Erzbischofs war, wurden die tatsächlichen Besitzverhältnisse damit vermutlich bewußt verschleiert. Sowohl die Wahlzusage des Grafen von Luxemburg, die keine Pfandrechte Peters von Aspelt an Ehrenfels erwähnt, sondern vielmehr die Übertragung des Zolls für noch unbeglichene Schulden Albrechts in Aussicht stellt, als auch das Fehlen von Nachweisen einer tatsächlichen Verfügung des Erzbischofs über die Zolleinkünfte vor dieser Zeit legen den Schluß nahe, daß die Hebestelle erst mit dieser Urkunde mainzisch wurde. Es ist daher wohl kein Zufall, sondern sehr bezeichnend, daß unmittelbar danach, am 9. September 1310, die erste Verschreibung des Erzbischofs auf den Ehrenfelser Zoll überliefert ist41. Die Motive Heinrichs VII. für die verspätete Verpfändung von Ehrenfels an den Mainzer sind klarer zu fassen als diejenigen für die verzögerte Anerkennung der kölnischen Rheinzölle. Der zunächst vielleicht noch ohne besonderen Zweck als Faustpfand zurückgehaltene Zoll diente dem König anscheinend als ein Mittel, um die zur Gewinnung der böhmischen Krone für die Luxemburger besonders wichtige Unterstützung Peters von Aspelt zu sichern. Dessen in der Narratio genannte militärische Hilfe war im Spätsommer 1310, als Heinrich VII. unmittelbar vor dem Aufbruch nach Rom kaum Truppen für das böhmische Unternehmen seines Sohnes Graf Johann von Luxemburg aufbieten konnte 42 , zweifellos von hoher Bedeutung. Kaum weniger ins Gewicht dürfte jedoch die politische Unterstützung des Erzbischofs gefallen sein, der als ehemaliger Kanzler König Wenzels II. zweifellos noch einigen Einfluß in Böhmen besaß 43 . Neben der Tatsache, daß die Ehrenfelser Urkunde die erste in einer Reihe von Vergünstigungen war, die der König auf dem Speyerer Hoftag für Peter von Aspelt ausstellte44, zeigt auch die dem Erzbischof eingeräumte Möglichkeit, die Kosten seiner Hilfe einseitig festzusetzen und damit die Dauer der Pfandschaft in weitem Rahmen selbst zu bestimmen, daß es bei der Verpfändung von Ehrenfels um mehr als nur um die gesicherte Finanzierung mainzischer Truppen gingIm Unterschied zu Köln und Mainz sind schriftliche Wahlversprechen des Grafen von Luxemburg für seinen jüngeren Bruder Erzbischof Balduin von Trier nicht über-
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VOGT, REM 1.1, Nr. 1352. VOGT, REM 1.1, Nr. 1366. Vgl. THOMAS, Geschichte, S. 137. Vgl. dazu z. B. VOGT, REM 1.1, Nr. 1348,1350. Vgl. VOGT, REM 1.1, Nr. 1357-1360,1364.
Vili. Heinrich VII.
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liefert und vermutlich auch gar nicht ausgestellt worden; von konkreten mündlichen Abreden ist ebenfalls nichts bekannt. Inwieweit solche existierten, ist zudem fraglich. Zwar stellte Heinrich VII. im Monat nach seiner Aachener Krönung vom 6. Januar 1309 mehrere Urkunden für Balduin aus45, doch nicht auf einmal, was auf den Vollzug früherer Absprachen hätte deuten können, sondern auf den ganzen Zeitraum verteilt, was sehr viel eher auf zwischenzeitliche Verhandlungen schließen läßt. Nach der Verleihung der Regalien am 16. Januar 1309 46 erneuerte Heinrich VII. am folgenden Tag seinem Bruder zunächst das inserierte Diplom Albrechts vom 25. August 1298, mit dem dieser die Cochemer Pfandschaft, darunter den Moselzoll, in eine donatio umgewandelt hatte 47 . Eine Woche später verschrieb der König 394 Mark Kölner Pagament, die Balduin für ihn bei der Krönung in Aachen und bei dem Aufenthalt in Köln ausgelegt hatte, auf die Bopparder und Oberweseler Judensteuern 48 . Die erste Urkunde mit zollpolitischer Bedeutung stellte der König am 29. Januar 1309 aus; sie stand in engem Zusammenhang mit der dem Kölner Erzbischof Heinrich von Virneburg gegebenen Zusage, den Hammersteiner Rheinzoll aufzuheben und nicht innerhalb des kölnischen Geleits wieder einzurichten. Heinrich VII. sicherte Balduin für eine Reihe von Bürgschaften, zum Ersatz seiner Krönungskosten und für den Schutz des neuerrichteten Reichszolls Leutesdorf völlige Schadloshaltung zu; sollte sich dabei die Zahlung der schuldigen Gelder verzögern, hatte der Erzbischof das Recht, Reichseinkünfte jeder Art zu beschlagnahmen. Die von Balduin in brüderlicher Liebe bewilligte befristete Errichtung des Zolls in Leutesdorf, das in dominio spirituali et temporali archiepiscopi et ecclesie Treverensis liege, solle ihm und seiner Kirche nicht zum Nachteil gereichen oder als Exempel herangezogen werden 49 . Im Gegensatz zu den vorangegangenen, vornehmlich auf Besitzstandswahrung zielenden Diplomen, stellen die beiden letzten Urkunden dieser Reihe inhaltlich neue Vergünstigungen des Königs für seinen bischöflichen Bruder dar. A m 5. Februar 1309 übertrug er ihm das gerade für die Personalpolitik geistlicher Fürstentümer sehr wichtige Recht der ersten Bitte in der Diözese Trier50; am folgenden Tag verlieh er ihm ein Privileg, das in seiner Bedeutung noch höher einzuschätzen ist, als es die bisherige Forschung schon getan hat. Wortreich begründet mit dem schlechten Zustand des Trierer Erzstifts, den Balduin bei seinem Amtsantritt vorgefunden habe, seinen erheblichen Auslagen bei der Königserhebung und im Dienste des Reiches, der fehlenden Möglichkeit, dem Reich mit den geringen und verfremdeten Einkünften seines Stifts, die nicht einmal zum Unterhalt der trierischen Burgen ausreichten, würdig zu dienen, auch weil ohne das vom Erzbischof gewährleistete
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Ausführlich verzeichnet bei DOMINICUS, Baldewin, S. 70 ff.
46
HONTHEIM, Historia II, Nr. 503, S. 37.
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MGH Const. IV, Nr. 274; die Urkunde Albrechts: ebd., Nr. 23. CRM III.l, Nr. 39 mit falschem Jahr 1310. MGH Const. IV, Nr. 275. UQB VII, Nr. 1240, nicht in den MGH Const.
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sichere Geleit viele Kaufleute beraubt würden, verlieh ihm Heinrich VII. einen dauerhaften Rheinzoll von zwei Turnosen in dominio, districtu, iurisdictione et conductu der Trierer Kirche51. Die bisher nicht erkannte Bedeutung dieses Privilegs52 liegt darin, daß es das Fundament für den spätmittelalterlichen Rheinzollbesitz des Trierer Erzstifts legte. In Koblenz, wo diese zwei Turnosen spätestens Ende September 1309 erhoben wurden 53 , erhöhten sie nämlich nicht etwa einen bestehenden Zoll; vielmehr begründeten sie ihn erst, da die vermutlich 1300 durch Balduins Vorgänger Dieter von Nassau nach fast vierzigjähriger Erhebungspause reaktivierte Zollstätte nach dessen Niederlage gegen Albrecht Ende 1302 wieder aufgegeben werden mußte 54 . Die grundlegende Bedeutung dieser Zollverleihung für das Trierer Erzstift ist dem König und natürlich auch seinem Bruder mit Sicherheit bewußt gewesen, wie nicht zuletzt die ungewöhnlich ausführliche und differenzierte Begründung erkennen läßt, die dem dispositiven Teil der Urkunde vorangeht. Die angeführten Motive können dabei ohne weiteres Glaubwürdigkeit beanspruchen. Im Kern beabsichtigte der König, dies wurde explizit ausgesprochen 55 , die Konsolidierung des Moselerzstifts im Hinblick auf künftige Anforderungen im Reichsdienst. Hinzu kamen die nicht erwähnten, aber zweifellos im Hintergrund stehenden Interessen der Grafschaft Luxemburg. Aus deren Einkünften hatte Heinrich VII. nämlich noch als Graf seinem Bruder gleich nach dessen Amtsantritt sehr erhebliche Mittel zur Verfügung gestellt56, was bezeichnend für die schlechte, freilich hier sicher übertrieben desolat geschilderte Finanzlage des Erzstifts ist. Der König konnte von Balduin weder tatkräftige Hilfe für seine reichspolitischen Ziele 57 - ob der Romzug bereits eine konkrete Rolle spielte, sei dahingestellt - noch eine baldige Tilgung des Kredits erwarten, solange die Ressourcen des Trierer Erzstifts nicht grundlegend verbessert wurden. Von der Ertragskraft wie von der sofortigen Verfügbarkeit hoher Bargeldsummen her bot sich dazu ein Rheinzoll wie kein zweites Mittel an. Noch deutlicher ist dieses Kalkül zu fassen, als sich für Heinrich VII. im Spätsommer 1309 die Möglichkeit eröffnete, das reiche Böhmen für sein Haus zu gewin-
51 52
53 54 55
MGH Const. IV, Nr. 276. In anderer Hinsicht ist die Bedeutung des Privilegs geringer, als bislang in der Forschung angenommen wurde. Es ist nämlich nicht der Erstbeleg für die Verwendung des Zollturnosen am Rhein; vgl. oben S. 182 f. UQB VII, Nr. 1271. Vgl. oben S. 214 f. considerantes grata obsequia nobis impensa imperio et reipublice utiliora in posterum impendenda, MGH Const. IV, Nr. 276.
56
V g l . REICHERT, B i s c h o f s m i t r a , S. 7 0 ff.; DERS., L a n d e s h e r r s c h a f t , S. 2 2 8 f.
57
Auch dies wurde klar bezeichnet: non possit (sc. Balduin) iuxta status sui decenciam nobis subvenire, cum dicti redditus minime hiis temporibus sufficiant ad retencionem, custodiam et reparacionem castrorum ad sepedictum archiepiscopatum spectantium, MGH Const. IV, Nr. 276.
Vili. Heinrich VII.
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nen 58 . Für die militärische Inbesitznahme des Königreichs waren erhebliche liquide Mittel erforderlich. Allein aus Reichseinkünften, etwa den verbliebenen Rheinzöllen in Ehrenfels und Leutesdorf, waren diese offenbar nicht zu beschaffen. Luxemburgische Gelder waren aber noch in den weitgehend ungetilgten Krediten für das Trierer Erzstift gebunden. Diese beliefen sich auf mindestens 40.000 Pfund kleine Turnosen 59 , d. h. auf etwa das achtfache der jährlichen monetären Einkünfte, die das Kammergut der Grafschaft Luxemburg in dieser Zeit erbrachte 60 . In dieser Situation griff Heinrich VII. zu dem seit Februar erprobten Finanzierungsinstrument, der verstärkten Abschöpfung des Rheinhandels. A m 26. September 1309 verlieh er Balduin von Trier über den bestehenden Koblenzer Zoll von zwei Turnosen hinaus einen weiteren Zoll von vier Turnosen. Dieser sollte ab dem 1. Mai 1310 so lange erhoben werden, bis der Erzbischof daraus 40.000 Pfund kleine Turnosen an Graf Johann von Luxemburg zurückgezahlt habe 61 . Schon am 20. April 1310 quittierte der König als Vormund seines Sohnes, aus den Koblenzer Zolleinnahmen 3.333 Mark 6 Schilling 8 Denare boni pagamenti, d. h. etwa 8.000 Pfund kleine Turnosen oder 7.000 Pfund Heller, in Abschlag auf diese Summe erhalten zu haben 62 . Balduin hatte
58
Vgl. REICHERT, B i s c h o f s m i t r a , S. 79 f.; DERS., L a n d e s h e r r s c h a f t , S. 230; zu d e n E i n k ü n f -
ten Böhmens ebd., S. 294 ff. 59
60
Vgl. REICHERT, L a n d e s h e r r s c h a f t , S. 228 f.
Vgl. dazu REICHERT, Landesherrschaft, S. 83 f., 92. DERS., Bischofsmitra, S. 80 ff., macht wahrscheinlich, daß die Liquidität Heinrichs VII. nicht aus einer Thesaurierung der regulären Einkünfte der Grafschaft resultierte, sondern aus Soldzahlungen der Stadt Metz im Jahr 1307. 61 UQB VII, Nr. 1271. 62 UQB VII, Nr. 1292. Der Mark, d. h. 144 Denaren, entsprachen nach Angabe der Urkunde 36 Turnosgroschen. Bei den Denaren boni pagamenti handelte es sich demnach um Brabanter Denare, von denen vier auf einen Turnosgroschen gingen (vgl. etwa SCHLEIDGEN, Kleve-Mark Urkunden 1223-1368, Nr. 139; KLÜSSENDORF, Währung, S. 189 f.). Ein Brabanter Denar entsprach vier Turnospfennigen (vgl. SCHLEIDGEN, ebd.). Das daraus zu berechnende Verhältnis von 1:16 zwischen Turnosgroschen und -pfennig ist z. B. 1306 explizit belegt (LAMPRECHT, Wirtschaftsleben II, S. 432). Der Wertansatz von 14 Heller/Turnosgroschen ist zu 1314 bezeugt (MGH Const. V, Nr. 110). REICHERT, Bischofsmitra, S. 77 f., geht (unter Berufung auf DERS., Landesherrschaft, S. 78) von einem Wertverhältnis von 1:14 zwischen Turnosgroschen und -pfennig aus, da dieses im Luxemburger Urbar häufiger bezeugt sei als die Relation 1:16. Er führt aber in DERS., Landesherrschaft, S. 76 Anm. 67, aus, daß der Turnosgroschen zwischen 1308 und 1313/1316 im Erzstift Trier und in den Ardennen zu 16 Turnospfennigen gerechnet wurde. Die von ihm für das Erzstift angeführte Belegstelle, das Chronicon monetarium Trevirense, S. 1167, verzeichnet jedoch für die Jahre von 1313-1316 eine Relation von 1:14. - Welches Wertverhältnis anzusetzen ist, dürfte angesichts dieser widersprüchlichen Quellenaussagen mit Sicherheit kaum zu entscheiden sein. Rechnet man 14 Turnospfennige auf den Groschen, entsprechen die 3.333 Mark 6 Schilling 8 Denare einer Summe von ca. 7.000 Pfund kleinen Turnosen.
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also mit der Erhebung des neuen Zolls, vermutlich auf Wunsch seines Bruders, schon früher begonnen. In dem Betrag sind wohl auch andere Einkünfte des Erzstifts enthalten, doch haben die Zolleinnahmen sicher den Löwenanteil der Gesamtsumme erbracht 63 . Die Zollverleihungen an die Trierer Kirche sind nur ein Beispiel für eine Zollpolitik Heinrichs VII., die vor allem an fiskalischen Zielsetzungen ausgerichtet war. In weit größerem Ausmaß als seine Vorgänger hat er zur Deckung seines - durch den Böhmenzug und die Romfahrt außerordentlich hohen - Finanzbedarfes auf die Errichtung neuer Rheinzolltitel zurückgegriffen. Als erster Herrscher praktizierte Heinrich VII. dabei systematisch die Vergabe zeitlich oder zur Tilgung einer bestimmten Summe befristeter Zollaufschläge an bestehenden Territorial- und wohl auch Reichszöllen 64 . Die Zollverleihungen an die Erzbischöfe von Trier und Köln vom 26. September 1309, d. h. die zur Tilgung der 40.000 Pfund Heller zweckgebun-
63 Wie hoch dieser Anteil war, hängt davon ab, wie man die Verteilung der Einnahmen über das Jahr und den Ertragswert eines Zollturnosen ansetzt, und wann mit der Erhebung der vier Turnosen begonnen wurde. Daß Balduin auch die Einkünfte der beiden anderen Turnosen heranzog, ist anzunehmen. - TROE, Münze, S. 143, hat aus der Tilgung der Restschuld von 28.000 Pfund Heller zwischen dem 20. April 1310 und dem 30. Januar 1314 unter der Voraussetzung, daß alle sechs Turnosen dazu verwendet wurden, Einkünfte von rund 1250 Pfund Heller pro Turnose und Jahr errechnet. Troe hat diese Zahl sicher zurecht als unwahrscheinlich hoch verworfen und gefolgert, daß Balduin auf andere Quellen zur Tilgung des Kredits zurückgegriffen hat. Andererseits hat er nicht in Betracht gezogen, daß die Schuldsumme tatsächlich wohl nur teilweise zurückgezahlt wurde; vgl. dazu unten S. 493 f. - Aus dem Kölner Landfriedenszoll in Höhe von sechs Turnosen läßt sich zwischen 1317 und 1320 ein jährlicher Durchschnittsertrag von 1.100 Pfund Heller pro Zollturnose errechnen (vgl. TROE, Münze, S. 140). Zwischem dem 26. September 1309 und dem 20. April 1310 dürften rund drei Viertel des gesamten Jahresaufkommens erfaßt worden sein (vgl. die aus den Lahnsteiner Angaben von 1315/1316 zusammengestellte Übersicht bei TROE, Münze, S. 451). Beim Kölner Ertragswert und der Lahnsteiner Jahresverteilung hätten die vier Koblenzer Turnosen also rund 3.300 Pfund Heller erbracht. Unter denselben Annahmen kommt man für den Ertrag der zwei anderen Koblenzer Turnosen zwischen dem 6. Februar 1309 und dem 20. April 1310 auf rund 2.400 Pfund Heller, also eine Gesamtsumme von 5.700 Pfund Heller und einen Anteil von mehr als 81 %. - Dreißig Jahre später wurde der Wert eines Koblenzer Zollturnosen mit 1.000 Pfund Heller (bei 20 Heller/Turnose) angesetzt (vgl. TROE, Münze, S. 144). Der Heller hatte zu dieser Zeit aber nur noch 70% seines früheren Wertes. In alten Hellern betrug der Jahresertrag demnach rund 700 Pfund Heller pro Turnose. Setzt man diese Zahl an, erbrachte der Koblenzer Zoll 1309/1310 rund 3.640 Pfund Heller, was etwas mehr als die Hälfte der gesamten Quittungssumme wäre. Allerdings war der Gesamtzoll zu dieser Zeit schon um ein Mehrfaches höher (1345 betrug er 15 Turnosen, vgl. TROE, Münze, S. 145), so daß die Rabattpraxis (vgl. DIRLMEIER, Zoll- und Stapelrechte, S. 28 f.) hier stärker gegriffen haben wird als bei einem niedrigeren Zoll. 64 Vgl. grundlegend TROE, Münze, S. 261-295.
Vili
Heinrich VII.
487
denen vier Koblenzer Turnosen 65 und der auf acht Turnosen fixierte, bis Ostern 1314 befristete Bonner Zoll66, sind bereits zur Sprache gekommen. Sie sollten nicht die einzigen bleiben. Rheinpfalzgraf Rudolf erhielt vermutlich in der ersten Hälfte des Jahres 1311 sechs Turnosen am Zoll Kaub, deren Erhebungsdauer der König im Januar 1312 auf insgesamt drei Jahre festsetzte. Die Einnahmen waren zur Tilgung der in ihrer Höhe nicht bezifferten Wahl- und Krönungskosten des Fürsten zu verwenden. Standen nach Ablauf der Erhebungsfrist noch Teilbeträge aus, konnte Rudolf den Zoll noch entsprechend länger erheben, stellte sich aber heraus, daß er Überschüsse erzielt hatte, mußte er sie nach Wunsch des Königs durch Geldzahlungen oder Kriegsdienst abgelten 67 . Auch an den Reichszöllen hat Heinrich VII. wahrscheinlich solche Zuschläge aufgelegt, doch kann dies wegen der im Vergleich zu den Rheinzöllen der Wahlfürsten ungünstigeren Quellenlage nur bruchstückhaft rekonstruiert werden. Vor dem 22. Januar 1311 verschrieb er Graf Johann von Sponheim 2.000 Pfund Heller auf einen ab dem 24. Juni 1311 - wie zu vermuten, aber nicht sicher nachzuweisen ist zusätzlich zu erhebenden Turnosgroschen am Zoll Leutesdorf. Graf Gerhard von Jülich, der vom König ebenfalls eine Verschreibung auf den Zoll erhalten hatte, und zwar anscheinend auf den regulären Teil, versprach auf Vermittlung des Kölner Erzbischofs 68 , Graf Johann in diesem Anspruch nach Kräften zu schützen69. Auch am Bopparder Zoll, dessen seit 1282 bestehende Verpfändung an die jüngere Linie der Grafen von Katzenelnbogen der König am 22. November 1309 bestätigte 70 ,
65 66 67 68
69
70
UQB VII, Nr. 1271. MGH Const. IV, Nr. 328 - REK IV, Nr. 477. MGH Const. IV, Nr. 731. Wie MÖTSCH, Regesten Sponheim I, Nr. 295 Anm. 1, wohl zutreffend erkannt hat, setzte sich der Kölner Erzbischof für den Sponheimer beim Grafen von Jülich ein, nicht beim König für den Jülicher, wie Kisky (REK IV, Nr. 593) diese Stelle interpretiert hat. Heinricus rex Romanorum Iohanni comiti de Spaynheym dederit et deputaverit duo milia librarum Hallensium in uno grosso Turonense recipiendas et tollendas in suo teolonio apud Ludestorp ... usque plenam recepcionem dictorum denariorum, MGH Const. IV, Nr. 1217 - REK IV, Nr. 593. Diese Wiedergabe der nicht erhaltenen Originalverschreibung läßt zwar nicht mit Sicherheit bestimmen, ob der Zollturnose zusätzlich gewährt und nicht auf den regulären Teil des Zolls bezogen wurde, doch fällt auf, daß der Graf von Jülich zur Kennzeichnung seiner eigenen Verschreibung ein anderes Verb wählte: nos rex pro aliqua summa posuerit in dicto teloneo recipiendum (Hervorhebung d. Vf.). Anders als das nicht eindeutige deputare (anweisen), weist ponere (einsetzen) klar auf die Abtretung eines bestehenden Rechtes hin, hier also des vorhandenen Zollteils, während dare (geben) eher auf die Schaffung eines neuen Rechtstitels deutet. Wenn der Graf von Jülich somit beide Begriffe sehr wahrscheinlich nicht synonym gebrauchte, wird man daraus auf eine unterschiedliche Rechtsform der Verschreibung schließen können. Vgl. anders TROE, Münze, S. 317, der ohne weitere Prüfung für Sponheim die Verleihung eines neuen Turnosen annimmt und ähnliches für Jülich vermutet. DEMANDT, Reg. Katz. I, Nr. 498.
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scheint der König später zumindest einen befristeten Zollaufschlag eingerichtet zu haben; jedenfalls ist dies wahrscheinlicher als eine Verfügung über die regulären Einnahmen: Wohl für seine Dienste beim Romzug erhielt Anfang 1312 Graf Dieter VI. von Katzenelnbogen, der als Angehöriger der älteren Linie keine eigenen Rechte an Boppard hatte, eine im einzelnen nicht bekannte Anweisung auf den Zoll71. Ein Jahr später ließ Heinrich VII. die Anwerbung von Soldrittern aus dem Bopparder Zoll bezahlen, vielleicht aus dem für Dieter VI. eingerichteten, zwischenzeitlich aber freigewordenen Zollaufschlag72. Für die anderen, ebenfalls verpfändeten Reichszölle Ehrenfels, Kaiserswerth73, Duisburg und Nimwegen gibt es keine (sicheren) Hinweise, daß Heinrich VII. dort Zuschläge errichtete, was aufgrund der gerade für diese Hebestellen z. T. sehr lückenhaften Quellenlage allerdings nicht allzuviel besagen will. Mit dem Zuschlagsystem etablierte Heinrich VII. ein bereits seit Rudolf von Habsburg vereinzelt gebrauchtes Verfahren 74 , das für die Reichsfinanzen des 14. Jahrhunderts von ganz erheblicher Bedeutung werden sollte75. Es erlaubte dem Herrscher eine fiskalische Abschöpfung des Rheinhandels, obwohl die bestehenden Reichszollstätten verpfändet waren und die von Albrecht erstmals seit staufischer Zeit wieder praktizierte Errichtung neuer Hebestellen mangels direkt verfügbaren, für einen Zoll geeigneten Reichsguts am Rhein - zumal gegen die Interessen der benachbarten Territorialherren - kaum noch möglich war. Bezeichnend hierfür ist, daß Heinrich VII. die vom Kölner Erzbischof durchgesetzte Abstellung des Hammersteiner Reichszolls nur mit einer neuen Hebestelle im trierischen Leutesdorf auffangen konnte, die unter dem Schutz seines bischöflichen Bruders stand. Für den
71
V g l . DEMANDT, R e g . Katz. I, Nr. 522.
72
MGH Const. IV, Nr. 907. Die später nicht mehr nachweisbaren Rechte Dieters am Zoll waren möglicherweise schon mit dem am 19. Juli 1312 in Rom ausgestellten Stadtprivileg des Kaisers (DEMANDT, Reg. Katz. I, Nr. 529) für Katzenelnbogen und Bieberau abgelöst worden, das dem Grafen u. a. das Recht zugestand, an beiden Orten je 12 Juden zu halten. Durch diese Reichspfandschaft(!) im Wert von 1.200 Pfund Hellern sollten alle anderen (Schuld-)Urkunden des Kaisers aufgehoben sein. Anscheinend war auch die Zollverschreibung unter diesen wohl vernichteten, jedenfalls nicht erhaltenen Diplomen. Nach einem lateinischen Regest im Kartular der Grafen von Jülich aus der Mitte des 14. Jahrhunderts (HStAD Jülich-Berg RH 17, fol. 1, Reg. Nr. 4) verpfändete Heinrich VII. 1309 Burg und Zoll Kaiserswerth an Graf Johann von Sponheim für 3.000 Pfund Heller, doch Graf Gerhard von Jülich erwarb diesen Anspruch von Johann: Henricus Romanorum rex obligavit Castrum in Werde et theoloneum ibidem Johanni comiti de Spanheim pro III milibus librarum Hallensium, quod Gerardis comes Juliacensis ab eodem Johanne redemit anno domini MCCC IX, regni anno primo. Die genaueren Umstände dieser Verpfändung - vielleicht handelte es sich auch nur um eine Verschreibung der Summe auf einen Zollzuschlag - sind nicht zu ermitteln; jedenfalls sind Sponheimer Rechte an Kaiserswerth später nicht nachweisbar.
73
74 75
Vgl. oben S. 420 und TROE, Münze, S. 262 ff. Vgl. dazu ausführlich TROE, Münze, S. 264-295.
Vili.
Heinrich VII.
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Herrscher war daher das Zuschlagsystem ein geradezu idealer Ausweg. Ein weiterer Vorteil dieses Verfahrens war, daß es nur eine minimale eigene Infrastruktur erforderte, weil es auf die bestehenden territorialen Zollverwaltungen zurückgriff. Der Rheinhandel konnte dieses System allerdings kaum begrüßen, hatte er doch auf diese Weise die Verdrängung des Herrschers aus den herkömmlichen finanziellen Ressourcen der Reichsgewalt aufzufangen: Mindestens 22 Zollturnosen sind durch Heinrich VII. neu verliehen worden und haben gleichzeitig bestanden, und zwar fast alle auf dem unter Albrecht noch entlasteten Stromabschnitt zwischen Köln und Mainz76. Dabei hatte gerade dort die Belastung des Transitverkehrs ohnehin schon stark zugenommen, da unter Beibehaltung der von Albrecht neu errichteten Zölle Hammerstein - bzw. von dessen Ersatz in Leutesdorf - und Ehrenfels die von dem Habsburger niedergelegten Hebestellen Lahnstein, Andernach und Bonn reaktiviert worden waren. Selbst wenn man nur die regulären Zölle berücksichtigt, war die Abgabenlast zwischen Köln und Mainz 1311 deutlich höher als vor der Zollumstruktierung Albrechts; rechnet man die von Heinrich VII. aufgelegten befristeten Turnosen hinzu, war die Besteuerung des Rheinhandels stärker, als sie in den vorangegangenen vier Jahrzehnten je gewesen war. Wahrscheinlich mußte für ein Fuder Wein, das vom Rheingau nach Köln verschifft wurde, durch die größere Höhe der einzelnen Zollsätze faktisch sogar mehr Zoll gezahlt werden als um 1260, als die Zahl der Hebestellen am Mittelrhein ihr historisches Maximum erreicht hatte 77 . Überblickt man die zollpolitischen Maßnahmen Heinrichs VII., zeigt sich erneut, daß eine automatische Einlösung der Wahlzusagen um 1300 noch nicht vorausgesetzt werden darf, obgleich in der Literatur häufig so verfahren wird. Besonders deutlich
76 77
Unterhalb von Köln ist lediglich der von Heinrich an Graf Engelbert II. von der Mark verliehene Rheinzoll von zwei Turnosen bei Schokeschair bezeugt. Vgl. oben S. 318 f. Genaue Zahlen über die Zollhöhe, die hier (fiktiv) auf Turnosen umgerechnet wird, sind aus dieser Zeit nur von einzelnen Hebestellen bekannt: Der Braubacher Zoll wurde 1252 auf sechs gute Kölner Denare, also zwei Turnosen, pro Faß (= Zollfuder) Wein fixiert (SAUER, Codex Nassau 1.1, Nr. 577). Gleiches gilt für den Bopparder Sonderzoll von 1282 (ENNEN, Quellen III, Nr. 216). 1293 errichtete König Adolf einen befristeten Zoll in Bonn in Höhe von zwölf Denaren, d. h. vier Turnosen (LAC. II, Nr. 937 - REK III.2, Nr. 3387). Der katzenelnbogische Zollanteil in Boppard, der wohl identisch mit dem alten Reichszoll war, betrug 27 Heller bzw. neun Brabanter Denare, nach gängiger Umrechnung drei Turnosen (vgl. unten S. 516). Zur Vergleichbarkeit der Abgabensätze siehe oben S. 175 ff. - Rechnet man für 1260 den Braubacher Zoll zu zwei Turnosen und die zusätzlich zu 1311 bezeugten mittelrheinischen Zölle Trechtingshausen, Fürstenberg, Oberwesel und Sterrenberg überschlägig zu je vier Turnosen, geht man ferner davon aus, daß die anderen Zölle 1311 mindestens ebenso hoch waren wie um 1260, und bringt man schließlich die 1260 nicht bestehenden Zölle Bonn und Andernach mit je zwei Turnosen in Abzug, dann kommt man insgesamt auf ein Plus von 14 Turnosen über dem (hier als konstant postulierten) regulären Gesamtzoll. Selbst unter diesen sehr vorsichtigen Annahmen war die zusätzliche Abgabenlast unter Heinrich VII. mit mindestens 20 gleichzeitig bestehenden Turnosen-Zuschlägen deutlich höher.
490
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wird dies, wenn man die überzogenen Forderungen des Kölner Erzbischofs auf das niederrheinisch-westfälische Reichsgut mit dem Wenigen vergleicht, was letztlich realisiert wurde. Gleiches gilt für die oft in enormer Höhe verlangten Geldbeträge, die allenfalls in deutlich reduziertem Umfang tatsächlich gezahlt wurden. Im Bereich der Rheinzölle, wo in erster Linie die Erzbischöfe von Köln und Mainz eine Revision der durch Albrecht zu ihren Lasten vorgenommenen Umstrukturierung anstrebten, hat Heinrich VII. zwar die gegebenen Zusagen eingehalten, aber mit z. T. erheblicher, dem politischen Kalkül entspringender Verzögerung. Der gezielte Einsatz der Urkundenvergabe im Rahmen seiner aktuellen Ziele, der Gewinnung Böhmens bzw. des Romzugs, ist durch das zeitliche Zusammentreffen Ende August/Anfang September 1310 zwar nicht immer direkt nachweisbar, aber doch naheliegend. Unter Heinrich VII. sind die rheinischen Wahlfürsten wieder zu der beherrschenden Zollmacht am Mittelrhein geworden. Erhob von dieser Gruppe nach dem Sieg des Habsburgers auf dem Stromabschnitt zwischen Köln und Mainz - am Niederrhein verblieb dem Kölner Erzbischof der Neusser Zoll - nur der Pfalzgraf einen Rheinzoll in Bacharach, traten nun wieder die drei Erzbischöfe mit legitimen eigenen Hebestellen in Andernach und Bonn (Köln), Koblenz (Trier) und Lahnstein (Mainz) 78 in den Kreis der mittelrheinischen Zollinhaber. Dies war weniger das Ergebnis einer gezielten, auf lange Sicht planenden Umstrukturierung, wie sie Albrecht mit umgekehrten Vorzeichen betrieben hatte, als vielmehr die Folge einer Politik, die sich sehr viel stärker auf die Wahlfürsten stützte, als es die meist im gespannten Verhältnis zu ihren rheinischen Wählern stehenden drei Vorgänger Heinrichs VII. getan hatten bzw. tun konnten. Es besteht ein klarer Zusammenhang zwischen dem Maß, in dem der König die Wahlfürsten für seine Reichs- und Hausmachtpolitik in Anspruch nahm, und der Bestätigung bzw. Erweiterung ihres Zollbesitzes. Die Zollpolitik des ersten Luxemburgers auf dem Thron war ganz auf die fiskalische Nutzung des Rheinhandels orientiert. Besondere Rücksichtnahme auf dessen Belastbarkeit ist nicht erkennbar. Dieser zunächst so eindeutig scheinende Befund ist aber in seiner Bedingtheit zu relativieren, spiegelt sich darin doch die finanzielle Ausnahmesituation eines Königs, der als erster Herrscher seit fast einem Jahrhundert wieder die Kaiserkrönung in Rom durchsetzen konnte. Die dazu notwendigen hohen, zum erheblichen Teil über Zollzuschläge finanzierten Aufwendungen konnten angesichts der enormen, in Reichsitalien zu erschließenden Finanzquellen 79 , hinter denen selbst die Ertragskraft der Rheinzölle deutlich zurücktrat, als lohnende Investition gelten, doch verhinderte der Tod des Kaisers am 24. August 1313, daß diese sich auszahlen konnte. Wie seine weitere Zollpolitik ausgesehen hätte, kann nur vermutet werden. Die Annahme ist aber nicht abwegig, daß die reichen italieni-
78 79
Hinzu kam der Ehrenfelser Zoll als Reichspfand des Mainzer Erzbischofs. Skizziert bei THOMAS, Geschichte, S. 139. Demnach wurde 1311 - vermutlich zu optimistisch - allein die Jahressteuer der rund 50 lombardischen Städte auf ca. 300.000 Gulden veranschlagt.
Vili.
Heinrich VII.
491
sehen Ressourcen Heinrich VII. nach Konsolidierung seiner Herrschaft südlich der Alpen und erfolgreicher Rückkehr nach Deutschland ermöglicht hätten, die Zollzuschläge weitgehend auslaufen zu lassen; denn rund 90 % aller von ihm neu errichteten Zölle waren ja befristet, ihr Ende war im folgenden Jahr zu erwarten80. Ob der Luxemburger dann auch eine Neuordnung der regulären Rheinzölle vorgenommen hätte, wie es sein Vorgänger getan hatte und sein Nachfolger zumindest vorübergehend versuchte, bleibt allerdings offen. So aber bot die anstehende Königswahl, die vierte innerhalb von 22 Jahren, den Wahlfürsten nach kurzer Zeit abermals die Möglichkeit, ihre Zollposition am Rhein zu verbessern.
80
Der neue Bonner Zoll von acht Turnosen endete Ostern 1314, die sechs Turnosen des Pfalzgrafen in Kaub waren bis zum 24. Juni 1314 befristet, der luxemburgische Kredit von 40.000 Pfund kleiner Turnosen, zu dessen Tilgung Heinrich VII. seinen Bruder Balduin vier Turnosen in Koblenz verliehen hatte, war am 30. Januar 1314 getilgt (HONTHEIM, Historia II, Nr. 611).
IX.
Friedrich der Schöne und Ludwig der Bayer (bis ca. 1325)
IX.l
Wahlzusagen
Mehr als ein Jahr nach dem Tod Heinrichs VII. dauerten die Verhandlungen unter den Wahlfürsten über einen neuen Herrscher noch an1. Eine Reihe von Bewerbern stand zur Verfügung, darunter mit dem Sohn des französischen Königs, wie schon 1308, ein Kapetinger; echte Chancen hatten schließlich aber nur zwei Kandidaten. Während die Habsburger mit Hilfe des Kölner Erzbischofs Heinrich von Virneburg und des Pfalzgrafen Rudolf wieder nach dem Thron für einen der ihren strebten, nämlich Herzog Friedrich von Österreich, den ältesten noch lebenden Sohn Albrechts, wurde von der luxemburgischen Partei zunächst der Kaisersohn König Johann von Böhmen favorisiert. Obwohl dieser selbst über eine Kurstimme verfügte und von seinem Onkel Balduin von Trier sowie dem Mainzer Erzbischof Peter von Aspelt unterstützt wurde, hielt man seine Kandidatur bald nicht mehr für durchsetzbar. Gleichwohl war diese Gruppe nicht bereit, Friedrich von Österreich zu wählen; denn von einem habsburgischen König war zu befürchten, daß er die noch nicht gefestigte Stellung Johanns in Böhmen gefährden würde. In dieser Situation präsentierte man als Kompromißkandidaten 2 Herzog Ludwig von Bayern, den Bruder Pfalzgraf Rudolfs. Die habsburgische Partei glaubte jedoch, Herzog Friedrich auch ohne die Erzbischöfe von Mainz und Trier durchsetzen zu können und wählte ihn am 19. Oktober 1314 zum König; in Reaktion darauf kürte die andere Seite am folgenden Tag Ludwig. Durch diese Doppelwahl hatte das Reich bis zur Entscheidungsschlacht von Mühldorf am 28. September 1322, die Ludwig dem Bayern faktisch die alleinige Herrschaft brachte, zwei Oberhäupter, die Zollpolitik am Rhein betrieben 3 . Alle drei Kandidaten hatten ihren rheinischen Parteigängern vor den Wahlen vom Oktober 1314 umfangreiche und meist auch zollpolitisch bedeutsame Zusagen
1
Vgl. zum folgenden GRUNDMANN, Wahlkönigtum, S. 163 f.; HOMANN, Kurkolleg, S. 6 6 125; SCHUBERT, Kurfürsten, S. 107-111; THOMAS, Geschichte, S. 153-157; vgl. aber jetzt
davon teilweise abweichend DERS., Ludwig der Bayer, S. 43-54. 2
Vgl. SCHUBERT, Kurfürsten, S. 109.
3
1325 hatten Ludwig und Friedrich zwar eine gleichberechtigte Teilung der Königsherrschaft vereinbart, doch hat der Habsburger in den fünf bis zu seinem Tod verbleibenden Jahren keinen nennenswerten Einfluß außerhalb Österreichs mehr ausgeübt (vgl. HOMANN, Kurkolleg, S. 226 ff., 261 ff.). Im Hinblick auf die Reichs- bzw. Zollpolitik der beiden Könige in den Rheinlanden stellt die Schlacht von Mühldorf, die mit dem Sieg Ludwigs und der Gefangennahme Friedrichs endete, die entscheidende Zäsur dar.
IX. Friedrich der Schöne und Ludwig der Bayer (bis ca. 1325)
493
gemacht 4 . Verhandlungen im Zusammenhang mit einer Thronkandidatur sind am frühesten zwischen König Johann von Böhmen, Graf von Luxemburg, und seinem Onkel Balduin, Erzbischof von Trier, faßbar. Der Metropolit verlangte von seinem Neffen zunächst Besitzstandsgarantien: Am 27. Dezember 1313 erklärte Johann seinen Konsens mit der Verleihung der zwei (Koblenzer) Zollturnosen durch Heinrich VII. 13095; in einer zweiten Urkunde bekundete der junge Böhmenkönig sein Einverständnis mit der Übertragung Cochems an das Trierer Erzstift, mit dem Stadtrecht für fünf genannte trierische Orte sowie mit dem Recht des Erzbischofs, überall in seiner Diözese Münzen zu prägen 6 . Nicht nur in zeitlichem, sondern wohl auch in sachlichem Zusammenhang mit Johanns Kandidatur ist ferner die gut einen Monat später, am 30. Januar 1314, in Trier ausgestellte Generalquittung zu sehen, mit der Johann die Tilgung aller Schulden Balduins gegenüber der Grafschaft Luxemburg und die Rückgabe der entsprechenden Schulddokumente bestätigte 7 . Die hier nicht bezifferten Verpflichtungen des Erzbischofs beliefen sich auf mindestens 40.000 Pfund kleine Turnosen 8 (16.666 2/3 Mark) 9 , doch kann durch vier Quittungen, die Heinrich VII. bzw. Johann zwischen April 1310 und Februar 1311 ausstellten10, lediglich die Zahlung von insgesamt 6.666 Mark (16.000 Pfund) nachgewiesen werden. Wieviel von den restlichen 10.000 Mark (24.000 Pfund) in den folgenden drei Jahren von Balduin tatsächlich noch getilgt wurde, läßt sich nicht ermitteln. Es ist aber angesichts seiner Aufwendungen in
4
5 6
Wahlversprechen ohne Bezug auf Zölle bleiben hier unberücksichtigt, wie das Bacharacher Wahlbündnis vom 21. Dezember 1313, demzufolge der Mainzer Erzbischof entweder Pfalzgraf Rudolf oder dessen Bruder Herzog Ludwig zum König wählen und dafür u. a. Pfandbesitz im Wert von 10.000 Mark Silber auf Reichs- oder Eigengut erhalten sollte (MGH Const. V, Nr. 13 - VOGT, REM 1.1, Nr. 1625). Vorerst blieb diese Vereinbarung ohne Wirkung, da Peter von Aspelt zunächst mit Balduin von Trier Johann von Böhmen unterstützte, bis er seit Sommer 1314 mit den beiden Luxemburgern die Kandidatur Ludwigs betrieb. MGH Const. V, Nr. 15. MGH Const. V, Nr. 14.
7 8
HONTHEIM, Historia II, Nr. 611, S. 88. Vgl. REICHERT, Landesherrschaft, S. 228 ff.
9
Bei der Umrechnung von kleinen Turnosen in Mark ist ein Wertverhältnis zwischen Turnosgroschen und Pfennig von 1:16 sowie die - in den ersten drei Quittungen (UQB VII, Nr. 1292,1345,1349) explizit bezeugte - Relation von 36 Turnosgroschen pro Mark zugrundegelegt (vgl. dazu oben S. 485 und Anm. 62). REICHERT, Bischofsmitra, S. 77 f., geht von einem Kurs von 1:14 zwischen Turnosgroschen und -pfennig aus. Bei dieser Rechnung entsprach die gesamte Schuld 19.047,62 Mark, durch Quittungen nachgewiesen ist die Zahlung von 6.666 Mark bzw. 14.000 Pfund Turnospfennigen. Demnach bliebe eine Restsumme von 12.381,62 Mark oder 26.000 Pfund Turnospfennigen. UQB VII, Nr. 1292 (3.333 Mark 6 Schilling 8 Denare), 1345 (1.500 Mark), 1349 (1.000 Mark), 1356 (833 Mark).
10
494
D. Herrscherliche
Zollpolitik
vom 10. Jahrhundert bis ca. 1325
Italien 11 und den noch im Frühjahr und Sommer 1313 vorgenommenen Truppenwerbungen in Deutschland 12 kaum anzunehmen, daß der Metropolit größere Summen zur Rückzahlung seiner Schulden an Luxemburg zur Verfügung hatte. Vielmehr zeugt der Kredit von 2.000 Gulden, den er im April 1313 bei Mailänder Finanziers aufnahm, von einer geringen Liquidität Balduins13. Bereits Troe hat darauf hingewiesen, daß die Rückzahlung der 40.000 Pfund kleinen Turnosen innerhalb von weniger als vier Jahren nur bei einem vergleichsweise sehr hohen Zollertrag in Koblenz möglich gewesen wäre und hat daraus geschlossen, daß Balduin auch andere Einkünfte des Erzstifts zur Tilgung herangezogen hat 14 . Troe hat aber offengelassen, welche Gefälle dies gewesen sein sollen. Vor diesem, auch in der neueren Forschung 15 bislang nicht hinreichend einbezogenen Hintergrund der erzstiftischen Finanzlage ist eine vollständige Rückzahlung der Summe als unwahrscheinlich, wenn nicht gar als unmöglich zu bewerten. Vielmehr dürfte Johann mit der Generalquittung auf einen erheblichen Teil, vielleicht sogar auf mehr als die Hälfte der Außenstände Balduins verzichtet haben. Erhärtet wird diese Annahme noch durch die zwei unmittelbar darauf folgenden Urkunden Johanns zugunsten seines Onkels. Sie zeigen, wie der Erzbischof seine Position als wichtigste Stütze von Johanns Thronkandidatur ausnutzte, um bestimmte luxemburgische Rechtstitel für das Trierer Erzstift zu erwerben: Am 2. Februar 1314 trat der Böhmenkönig alle Ansprüche als Graf von Luxemburg auf die Grafschaft Hennegau an Balduin und das Trierer Erzstift ab, sagte Beistand bei deren Durchsetzung zu und versprach, ihm als Römischer König auch alle Ansprüche des Reiches daran zu überlassen 16 . Am gleichen Tag verzichtete er unter formeller Übertragung aller Rechtstitel auf die luxemburgischen Rechte an der Burg Malberg, an Stadt und Vogtei Wittlich und an weiteren Gütern 17 . Johann von Böhmen und sein Onkel Balduin haben nachweislich versucht, die Kurstimme des habsburgisch gesinnten Pfalzgrafen Rudolf mit schriftlichen Versprechungen zu gewinnen, die jedoch nicht erhalten sind18. Ob diese auch Zollfragen
11
12
Die finanzielle Unterstützung Balduins für seinen Bruder wird sowohl in den Gesta Baldewini als auch im Prooemium der Balduineen betont und ist nicht zuletzt auch in der bekannten Bilderchronik des Erzbischofs über die Romfahrt Heinrichs VII. in einer eigenen Tafel hervorgehoben. Vgl. REICHERT, Bischofsmitra, S. 63 ff. (mit Einzelnachweisen). Vgl. dazu detailliert DOMINICUS, Baldewin, S. 102-127.
13
Vgl. DOMINICUS, Baldewin, S. 125 f. A n m . 4.
14 15
16
Vgl. TROE, Münze, S. 143. Ihm folgt REICHERT, Landesherrschaft, S. 230. REICHERT, Bischofsmitra, S. 77 f.; DERS., Landesherrschaft, S. 230; MÖTSCH, Schriftgutverwaltung, S. 253, nehmen ohne Diskussion dieser Problematik eine vollständige Tilgung des Kredits an. M G H Const. V, Nr. 19.
17
HONTHEIM, Historia II, Nr. 612, S. 89.
18
Herzog Ludwig von Bayern versprach Johann am 20. September 1314 ( M G H Const. V, Nr. 67) u. a., seinen Bruder Rudolf zur vollständigen Rückgabe aller entsprechenden
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berührten, bleibt damit offen. Es kann zwar als sicher gelten, daß auch dem Mainzer Erzbischof Peter von Aspelt für seine Kurstimme Zusagen gemacht wurden, doch sind schriftliche Abmachungen oder wenigstens Hinweise darauf nicht bekannt. Auch hier ist daher nicht zu ermitteln, inwieweit Johann zollpolitische Verpflichtungen eingegangen war. Einen Sonderfall unter den bisher behandelten, zollpolitisch relevanten Zusagen von Thronkandidaten stellen die Abkommen Johanns von Böhmen mit rheinischen Großen und Herren dar. Denn dies waren keine der üblichen Versprechungen für die wahlberechtigten Fürsten, sondern Soldverträge über einen Gesamtbetrag von mindestens 10.000 Mark bzw. 18.000 Pfund Heller 19 , mit denen der Böhmenkönig seiner Kandidatur gegen den auf habsburgischer Seite stehenden Erzbischof Heinrich von Virneburg militärischen Nachdruck verleihen wollte20. Die wichtigsten Anwerbungen nahm Johann unter dessen territorialen Gegnern, den Grafen von Berg und Jülich, vor. Am 1. Februar 1314 versprach er Graf Adolf von Berg, der ihm Unterstützung tota sua potentia bis zur einmütigen Anerkennung des luxemburgischen Königtums zugesagt habe, die Zahlung von 5.000 Mark, von denen er 2.250 Mark auf Einkünfte Graf Gerhards von Jülich - vielleicht waren dessen Pfandrechte am Leutesdorfer Rheinzoll gemeint 21 - angewiesen habe. Die restliche Summe sollte innerhalb eines halben Jahres nach der Krönung gezahlt oder auf einen beliebigen Rheinzoll verschrieben werden. Dieser Abgabentitel solle dort liegen, wo ihn Adolf am besten verteidigen könne und wo es ihm, Johann, und Erzbischof Balduin von Trier am geeignetsten erscheine. Johann sicherte ferner zu, alle Reichslehen sowie die Pfandschaft über das Duisburger Reichsgut zu bestätigen und die zwei dazugehörigen, je vierwöchigen thelonea forensia zu einem Zoll zu vereinigen, der auf zwölf Wochen verlängert werden und jährlich am 1. Oktober beginnen sollte22. Der Böhmenkönig finanzierte die bergische Unterstützung also in erheblichem Maße durch das Versprechen künftiger Zollverleihungen; denn weniger als die
19
Urkunden zu veranlassen. Sie sind anscheinend vernichtet worden, da sie weder im pfalzgräflichen noch im luxemburgischen oder trierischen Archiv überliefert sind. Vgl. die Zusammenstellung bei REICHERT, Landesherrschaft, S. 231 f. Anm. 252 und S. 392 f. Tab. 23 Nr. 13-22 mit Einzelnachweisen, ausführlich verzeichnet bei DOMINICUS, Baldewin, S. 141 Anm. 1.
20
Vgl. SCHUBERT, Kurfürsten, S. 107 f.
21
Die Angabe von REICHERT, Landesherrschaft, S. 232 Anm. 252, daß Johann die Zahlung dieser Summe an den Jülicher versprach, weil dieser Gläubiger Adolfs gewesen sei, trifft den Sinn nicht exakt. Es heißt in der Quelle: De quibus (sc. 5.000 Mark) duo milia marcarum ducentas et quinquaginta marcas sibi (Adolf) apud spectabilum virum Gerardum comitem Iuliacensem ... deputavimus et ipsum de solucione dicte pecunie iam certum fecimus et securum (MGH Const. V, Nr. 18). Gerhard hatte also bereits vorher die Zahlung der Summe übernommen und war dafür seinerseits von Johann mit entsprechenden Sicherheiten versehen worden. MGH Const. V, Nr. 18. Graf Adolf hatte Duisburg 1312 als Mitgift seiner Frau Agnes von Kleve erhalten; vgl. KASTNER, Territorialpolitik, S. 110.
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D. Herrscherliche
Zollpolitik
vom 10. Jahrhundert bis ca. 1325
Hälfte der Summe, 2.250 Mark, erhielt Adolf schon vor der Wahl über den damit gleichfalls als luxemburgischer Parteigänger erkennbaren Grafen von Jülich. Die Anweisung der Restsumme in aliquo theloneo Reni zeigt, wie fest die kurze Regierungszeit Heinrichs VII. das System befristeter Zollzuschläge bereits etabliert hatte, und wie groß gleichzeitig das Vertrauen des Grafen von Berg gewesen sein muß, auf diese Weise schnell in den Besitz des übrigen Geldes zu gelangen. Für Johann war ein solches Verfahren natürlich sehr vorteilhaft, ersparte es ihm doch, Ressourcen seines Hausguts einzusetzen. Auch die Anwerbung Ottos von Cuijk für 2.000 Pfund (Heller?) wurde vermutlich über eine derartige Zollanweisung finanziert 23 . Welche Vereinbarungen mit dem Grafen von Jülich getroffen worden waren, ist im einzelnen nicht bekannt. Der geschickte Einsatz der Zollhoheit des Römischen Königs für spezifisch luxemburgische Interessen und die Abwälzung eigener Aufwendungen auf den Rheinhandel weisen starke Ähnlichkeit zu den Vorgängen von 1309 auf, als Heinrich VII. seinem Bruder Balduin vier Zollturnosen verlieh, um ihm die Rückzahlung eines Kredites von 40.000 Pfund an die Grafschaft Luxemburg zu ermöglichen24. Daß man nun erneut zu diesem Mittel griff, dürfte eher dem Trierer Erzbischof als dem 1309 gerade erst dreizehnjährigen Johann zuzuschreiben sein, zumal Balduin, wie die von ihm beanspruchte Mitwirkung beim Erhebungsort des an den Grafen von Berg zu verleihenden Zolls zeigt, auf die künftige Zollpolitik seines Neffen maßgeblichen Einfluß nehmen wollte. Da die Kandidatur Johanns im Sommer 1314 zurückgezogen wurde, muß offen bleiben, inwieweit der junge Luxemburger als Römischer König eine eigenständige zollpolitische Linie unabhängig von den Wünschen seines Onkels entwickelt hätte. Von den Parteigängern der Habsburger hat sich vor allem der Kölner Erzbischof Heinrich von Virneburg seine Wahlstimme hoch vergüten lassen25; die Sicherung und Erweiterung des kölnischen Rheinzollbestands war dabei, wie bei den vorangegangenen Wahlen, von zentraler Bedeutung. Bezeichnenderweise ganz am Anfang der hier nur auszugsweise zu referierenden Zusagen, die Herzog Leopold von Österreich im Namen seines Bruders Friedrich am 9. Mai 1314 beurkundete 26 , stand die Bestätigung der thelonea antiqua in Andernach, Bonn und Neuss. Darüber hinaus wurde dem Virneburger eine Erweiterung seines Zollbesitzes versprochen: An Stelle der drei Marktzölle Rheinberg, Rees und Xanten sollte er einen Rheinzoll in Höhe von vier Turnosen in Rheinberg erhalten, wie ihn seine Vorgänger Wikbold und Sieg-
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26
Vgl. REICHERT, Landesherrschaft, S. 232 Anm. 252. Vgl. oben S. 485. Bereits am 28. April 1314 versprach Pfalzgraf Rudolf seine Kurstimme für Herzog Friedrich oder seinen Bruder Leopold (MGH Const. V, Nr. 23). Daß er im Gegenzug dafür konkrete Versprechungen der Habsburger erhielt, ist nachweisbar ( R E K I V , Nr. 823), doch ist über ihren Inhalt nichts bekannt. M G H Const. V, Nr. 25 - REK IV, Nr. 816.
IX. Friedrich der Schöne und Ludwig der Bayer (bis ca. 1325)
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fried erhoben hätten. Ohne Einwilligung des Metropoliten war in dessen Gebiet vom künftigen König weder ein Rhein- noch ein Landzoll neu einzurichten. Den neuen Bonner Zoll von acht Turnosen - er war de iure am vorangegangenen Osterfest (7. April 1314) ausgelaufen 27 - und den Leutesdorfer Zoll sollte der Erzbischof auf Lebenszeit erhalten. Letzteren konnte Heinrich nach Andernach verlegen, herabsetzen oder ganz aufheben, wenn der Markgraf von Brandenburg und Herzog Rudolf von Sachsen die ihnen darauf verschriebenen Schuldsummen erhalten hätten. In einer weiteren Urkunde vom gleichen Tag verbriefte Leopold dem Kölner Erzbischof die Modalitäten der finanziellen Transferleistungen 28 . Dem Kirchenfürsten wurde unter Eid und weitgehenden Sicherheiten die Zahlung von 40.000 Mark Silber für sich und 2.000 Mark für seine Räte zugesagt, und zwar waren vor der Wahl mindestens 30.000 Mark Silber fällig; andernfalls war der Erzbischof nicht mehr an seine Wahlzusage gebunden und Leopold sollte als meineidig gelten. In einer dritten Urkunde wurden schließlich die Belohnungen für die erzbischöflichen adiutores fixiert, eine Reihe niederländischer und nieder- bzw. mittelrheinischer Adliger. Zölle waren davon aber nicht betroffen. Eine Einzelanalyse der jeweiligen Zusagen - meist waren es Erhöhungen von Reichspfandschaften und Hilfszusagen - kann daher unterbleiben 29 . Der Thronkandidat versprach Heinrich von Virneburg damit gleich drei wichtige Erweiterungen des kölnischen Zollbestands. Zwei dieser Vergünstigungen, die Zusammenfassung der drei niederrheinischen Marktzölle zu einem neuen Rheinzoll in Rheinberg und die auf Lebenszeit des Erzbischofs verlängerte Erhebungsfrist des Bonner Achtturnosenzolls, belasteten zwar den Rheinhandel, konnten vom Habsburger aber ohne Schmälerung von Reichseinkünften gewährt werden. Dies war bei der Überlassung des Leutesdorfer Zolls eindeutig nicht der Fall; denn damit gab er den letzten (sieht man von den möglicherweise noch bestehenden Bopparder Zuschlägen ab), zwar mit Verschreibungen belasteten, aber noch der direkten Verfügung des Königs unterstehenden Reichszoll am Rhein aus der Hand. Als allzu groß muß dieser Verlust allerdings nicht beurteilt werden: Heinrich VII. hatte vorexerziert, wie ein König mehr noch als durch eigene Zölle über Zollzuschläge an der Ertragskraft des Rheinhandels partizipieren konnte. Kölner Ansprüche auf das niederrheinisch-westfälische Reichsgut mußte der Habsburger nicht verbriefen. Kaiserswerth fehlte erstmals seit mehr als vierzig Jahren in den Wahlzusagen eines vom Kölner Erzbischof unterstützten Thronkandidaten. Dies dürfte eher auf die Einsicht des Erzbischofs in die von ihm selbst als kaum
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Vgl. die Zollverleihung Heinrichs VII. vom 26. September 1309 (MGH Const. IV, Nr. 328 - REK IV, Nr. 477) MGH Const. V, Nr. 27 - REK IV, Nr. 818. MGH Const. V, Nr. 26 - REK IV, Nr. 817. Nur bei der zugesagten Verpfändung Landaus für 2.000 Mark Silber an die Grafen von Sponheim bzw. Nassau handelte es sich anscheinend nicht um eine bereits bestehende Pfandschaft (vgl. MÖTSCH, Trier, S. 365).
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möglich erfahrene Realisierbarkeit solcher Forderungen als auf Vorbehalte des Thronkandidaten zurückzuführen sein. Die vom Erzbischof verlangten Gelder gehören zweifellos zu den auffälligsten Elementen der habsburgischen Wahlzusagen. Der Betrag war nicht nur fast so hoch wie die Summe aller von früheren Thronkandidaten und Königen für die kölnische Kurstimme seit 1292 versprochenen Zahlungen 30 , er wurde auch zu ca. drei Vierteln im voraus verlangt - eine die Finanzkraft der Habsburger zwar stark beanspruchende, aber begreifliche Forderung des Virneburgers, waren doch die Zahlungsversprechen früherer Thronkandidaten (soweit bekannt) nur sehr unvollständig eingehalten worden. Herzog Ludwig von Bayern, der als Thronkandidat an die Stelle Johanns von Böhmen getreten war, beurkundete im Spätsommer 1314 seine Wahlversprechen. Die Zusagen, die er am 12. September dem Mainzer Erzbischof Peter von Aspelt gab, bedeuteten für das Erzstift erhebliche territoriale Zugewinne an der Bergstraße, die zu Lasten des pfalzgräflichen Hausguts gingen; auch sollten 10.000 Mark Silber für Wahlkosten des Erzbischofs gezahlt werden 31 . Auf dem Gebiet der Zölle deckten sich Ludwigs Zusicherungen dagegen weitgehend mit denen Heinrichs VII. sechs Jahre zuvor. Ludwig versprach, den Lahnsteiner Zoll zu bestätigen und dem Erzbischof den Ehrenfelser Zoll solange zu überlassen, bis er daraus die von Heinrich VII. und Albrecht verschriebenen Summen, ferner 3.000 Mark für den unter Heinrich begonnenen Zug nach Italien sowie seine Auslagen in Böhmen eingenommen habe. Die Bemessung des Gesamtbetrages überließ der Herzog, wie schon Heinrich VII., dem Gewissen Peters von Aspelt 32 . Am 20. September 1314 beurkundete Herzog Ludwig seine umfangreichen Wahlversprechen für den Trierer Erzbischof Balduin 33 , die auch wichtige zollpolitische Neuerungen enthielten. Der Wittelsbacher versprach u. a.34, die (seit 1312 beste-
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32 33 34
42.000 Mark Silber entsprachen 9.828 kg. Frühere Zusagen beliefen sich (der Silberwert ist nicht immer exakt zu berechnen) auf zusammen rund 10.490 kg: 1292 April 27 (REKIII.2, Nr. 3354) - 25.000 Mark Silber (5.850 kg), 1298 Aug. 28 (REKIII.2, Nr. 3602) - 8.000 Mark (ä 160 Denare) Sterling (ca. 1.280 kg), 1308 Sept. 20 (REKIV, Nr. 257) - 56.000 Pfund kleine Turnosen (ca. 3.360 kg). Der Rechnung sind folgende Werte zugrundegelegt: 234 g/Mark, 1 g/Sterling, 4 g/Turnosgroschen zu 16 Turnospfennigen. MGH Const. V, Nr. 58 - VOGT, REM 1.1, Nr. 1678. Bereits am 21. Dezember 1313 hatte der Erzbischof (bzw. seine Räte), der zwischenzeitlich die Kandidatur Johanns von Böhmen unterstützte, seine Kurstimme einem der beiden wittelsbachischen Brüder, Pfalzgraf Rudolf oder Herzog Ludwig, versprochen (VOGT, REM 1.1, Nr. 1625) und dafür die nun wieder aufgegriffenen territorialpolitischen und finanziellen Zusagen erhalten. MGH Const. V, Nr. 57 - VOGT, REM 1.1, Nr. 1677. Vgl. oben S. 475. MGH Const. V, Nr. 63-66. MGH Const. V, Nr. 63.
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henden) 35 erzbischöflichen Pfandrechte an Boppard und Oberwesel zu bestätigen, ihren Umfang in festgelegtem Ausmaß zu erweitern und Balduin zum Ersatz seiner Kosten bei der Königserhebung Ludwigs 22.000 Mark Silber zu zahlen oder die Pfandsumme entsprechend von 12.000 Pfund Heller (4.000 Mark) auf 26.000 Mark reinen Silbers zu erhöhen. In Boppard oder im Trierer districtus sollte Balduin einen Rheinzoll von vier Turnosen erheben dürfen. Von den vier in Koblenz bestehenden befristeten Turnosen sollten zwei perpetuiert werden, bei zwei weiteren war die Erhebung auf Lebenszeit Balduins zu gestatten, so daß der Erzbischof einschließlich der beiden bereits existierenden unbefristeten Turnosen dort zusammen nun vier dauerhafte und zwei befristete Turnosen erheben sollte. Der Herzog sagte ferner zu, ohne Einwilligung des Erzbischofs keine neuen Fluß- oder Landzölle im trierischen Gebiet, insbesondere (entlang des Rheins) von Oberwesel bis einschließlich Hammerstein, zu errichten oder dort die Erhebung »neuer« Zölle zu gestatten; als Stichdatum sollte der Tod Rudolfs von Habsburg (1291 Juli 15) gelten. Der Trierer Erzbischof sollte ferner 10.000 Mark Silber zum Ersatz seiner Wahlkosten erhalten 36 eine Summe, die kaum zufällig genauso hoch war wie bei den Zusagen für den Mainzer Metropoliten. Anders als sein Mainzer, doch ebenso wie sein Kölner Amtsbruder - die Ähnlichkeit der Zollforderungen ist unverkennbar - begnügte sich Balduin also nicht mit der Anerkennung des vorhandenen Zollbestands, sondern setzte seine Kurstimme zu dessen gezielter Erweiterung ein und versuchte sich darüber hinaus wesentlichen Einfluß auf die Zollpolitik des künftigen Königs zu verschaffen, soweit diese eigene Interessen betraf. Die für die territoriale Entwicklung des Trierer Kurstaates zweifellos wichtigsten Zusagen wurden dem Wittelsbacher in Bezug auf das Bopparder Reichsgut abverlangt, dessen Rückgewinnung für das Reich durch die Vervielfachung der überdies nur auf einmal ablösbaren Pfandsumme stark erschwert wurde. Eine entscheidende Verbesserung der fiskalischen Ressourcen seines Erzstifts erreichte Balduin mit dem zugesagten Konsens des künftigen Königs zur Erhebung eines Bopparder Rheinzolls in Höhe von vier Turnosen, wurde damit doch die zweite trierische Rheinzollstätte des Spätmittelalters begründet 37 . Wie sich dieser Zoll aus bestehenden Reichsgerechtsamen - vor allem ist hier an die Zollzuschläge Heinrichs VII. zu denken, da der reguläre Reichszoll bereits seit 1282 an Katzenelnbogen verpfändet war 38 - und stillschweigend neu gewährten Zollrechten zusammensetzte, ist nicht aufzuschlüsseln; es wurde offenbar bewußt unklar gelassen. Fest steht je-
35 36 37
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MGH Const. IV, Nr. 833. MGH Const. V, Nr. 65. Daß Balduin diese vier Turnosen erst ab 1349 regelmäßig in Boppard erheben ließ (statt in Koblenz), sei hier nur angemerkt, spielt aber für die Beurteilung nur eine geringe Rolle. Das Recht des Trierer Erzstifts auf Zollerhebung in Boppard war dabei nie gefährdet, auch wenn dort lange Zeit nur die Grafen von Katzenelnbogen ihren Zoll erhoben haben dürften. Vgl. auch unten S. 563 f. Vgl. unten S. 668.
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doch, daß Balduin alle Einkünfte der Pfandschaft, Zölle wurden explizit dazu gezählt, zufließen sollten und nicht auf die Pfandsumme anzurechnen waren. Was dem Reich in Boppard noch an Zollrechten zustand, ging damit an Trier - eine deutliche Analogie zu den Versprechen des Habsburgers für den Kölner Erzbischof, hatte der österreichische Herzog diesem doch die Überlassung des Leutesdorfer Reichszolls versprechen müssen. Auch weitere Zusagen des Wittelsbachers für Trier weisen Parallelen zu den habsburgischen Zusagen an Köln auf. Beim Koblenzer wie beim Bonner Zoll wurde von den Thronkandidaten verlangt, zeit- bzw. zweckgebundene Zollzuschläge, deren Erhebungsfrist eigentlich schon abgelaufen war39, mindestens auf Lebenszeit der Erzbischöfe zu verlängern oder sogar gleich in eine dauerhafte Zollerhöhung umzuwandeln. Der ursprüngliche Zweck der Zollzuschläge, Finanzierungsinstrument des Königs für dringende, große Barsummen umfassende Verpflichtungen zu sein, wurde damit ausgehöhlt. Das hohe, durch den Romzug und die Gewinnung Böhmens zunächst nur eine Ausnahmesituation 40 im Geldbedarf des Königs widerspiegelnde Abgabenniveau aus der Zeit Heinrichs VII. wurde verfestigt, ohne daß seine beiden Nachfolger aber daran partizipierten. Wollten sie eigene Ausgaben aus der Ertragskraft der Rheinzölle bestreiten, mußten sie abermals Zuschläge errichten und eine weitere Erhöhung der bereits in den vorangegangenen fünf Jahren stark angestiegenen Belastung des Rheinhandels in Kauf nehmen. Wie sein habsburgischer Konkurrent dem Kölner Erzbischof mußte auch Ludwig von Bayern dem Trierer Erzbischof einen Konsensvorbehalt bei Zollverleihungen in dessen Gebiet zugestehen und damit maßgeblichen Einfluß auf seine künftige Zollpolitik einräumen. Die Metropoliten wollten offenbar verhindern, daß der König, wie es Albrecht getan hatte, eventuell ihre Gegner über die Vergabe von (Rhein-) Zollrechten gezielt stärkte oder daß er selbst in den Räumen, die sie für die Durchbildung ihrer eigenen Territorialhoheit beanspruchten, durch neue Reichszölle eingriff. Wie sehr solche Eingriffe gefürchtet wurden, zeigt das Bemühen beider Kirchenfürsten, den von Albrecht an der Schnittstelle der kölnischen und trierischen Interessensphären in Hammerstein errichteten und von Heinrich VII. ersatzweise im nahen Leutesdorf aufgelegten Reichszoll ihrer Kontrolle zu unterwerfen. Verlangte der Kölner vom habsburgischen Thronkandidaten direkt die Überlassung der Abgabe mit der Option sie abzustellen, versuchte der Trierer zumindest ihren Fortbestand zu beeinflussen. Wenn er nämlich von Ludwig die Zusage erhielt, die Anerkennung aller seit 1291 eingerichteten Zollstätten insbesondere für den Stromabschnitt von Oberwesel bis einschließlich Hammerstein von seinem Konsens abhängig zu machen, zielte dies eindeutig auf den Leutesdorfer Zoll bzw. dessen Vorgänger in Hammerstein.
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Die acht Bonner Turnosen hatten Ostern 1314 de iure geendet, die vier Koblenzer Turnosen bereits Ende Januar 1314, nämlich nach der (vorgeblichen) Tilgung des Kredits von 40.000 Pfund kleiner Turnosen, zu dessen Rückzahlung sie bewilligt worden waren. Vgl. oben S. 490 f.
IX. Friedrich der Schöne und Ludwig der Bayer (bis ca. 1325)
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Gleichwohl ist kaum anzunehmen, daß der Wittelsbacher die Abstellung dieses Zolls in Aussicht stellte. Schon wenig später warb nämlich in seinem Auftrag der Mainzer Erzbischof Helfer an 41 , deren Sold nach der Aachener Krönung aus den Leutesdorfer Zolleinkünften gezahlt werden sollte. Am 9. Oktober 1314 verpflichtete sich Eberhard Schenk von Erbach zum einjährigen Dienst mit zehn dextrarii für 1.000 Pfund Heller 42 . Vier Tage später gewann der Erzbischof Abt Eberhard von Fulda dazu, für 3.000 Mark Silber Ludwig mit 100 Helmen bei der Erlangung des Römischen Reiches beizustehen und ihn ein Jahr lang mit Rat und Tat zu unterstützen 43 . In beiden Fällen waren die Gelder binnen zweier Monate nach der Krönung auf den Leutesdorfer Zoll anzuweisen. Schließlich verschrieb Ludwig selbst Ende Oktober 1314 dem Markgrafen Waldemar von Brandenburg 12.000 Mark auf den Zoll 44 , wobei ein Teil der Summe der Preis für dessen Kurstimme, der Rest die Anerkennung bereits von Heinrich VII. ausgestellter Anweisungen auf die Leutesdorfer Zolleinkünfte gewesen sein dürfte 45 . Ludwigs Helfer konnten diese Verschreibungen wahrscheinlich jedoch nicht einlösen; denn bereits vor dem 27. November 1314 verlegte der Kölner Erzbischof Heinrich von Virneburg den Zoll nach Andernach 46 , so wie es ihm Herzog Friedrich bei seinen Wahlversprechen im Mai in Aussicht gestellt hatte. Im Unterschied zu 1309 konnte der Kölner Erzbischof 1314 die Einstellung der Zollerhebung in Leutesdorf durchsetzen, obgleich Ludwig der Bayer noch bis 1316 vereinzelte, allenfalls kurzfristig erfolgreiche Versuche unternahm, den Zoll wieder zu etablieren 47 . Als sich bald nach der Doppelwahl vom 19./20. Oktober 1314 abzeichnete, daß der Leutesdorfer Zoll von seinen Parteigängern nicht zu halten war, erwies es sich für Ludwig als wichtiger Vorteil, daß er als Pfalzgraf unter Mißachtung der gleichermaßen bestehenden Besitzrechte 48 seines Bruders Rudolf und dessen Frau Mechthild über die Rheinzölle seines Hauses verfügte. Schon zu Beginn seiner Herrschaft hat er an Stelle des Leutesdorfer Zolls vor allem den pfalzgräflichen Rheinzoll Bacharach ausgiebig zur Befriedigung seiner Wähler und zur Finanzierung seiner Kriegs-
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46 47 48
Ludwig hatte ihn dazu am 23. September 1314 bevollmächtigt (VOGT, REM 1.1, Nr. 1686). MGH Const. V, Nr. 85 - VOGT, REM 1.1, Nr. 1687. MGH Const. V, Nr. 86 - VOGT, REM 1.1, Nr. 1688; von Ludwig am 18. Oktober bestätigt (MGH Const. V, Nr. 87). Vgl. MGH Const. V, Nr. 111. Vgl. MGH Const. IV, Nr. 275. Auch in den Zusagen des Habsburgers für den Kölner Erzbischof vom 9. Mai 1314 (MGH Const. V, Nr. 25) wurden brandenburgische Ansprüche auf den Zoll erwähnt. Die Angabe von SCHUBERT, Kurfürsten, S. 109, die 12.000 Mark seien der Preis für die Kurstimme Waldemars gewesen, ist daher zu modifzieren. Die Höhe seiner bereits bestehenden Verschreibungen auf Leutesdorf ist nicht bekannt. Vgl. MGH Const. V, Nr. 140 - REK IV, Nr. 887. Vgl. oben S. 240 ff. Vgl. dazu FLIEDNER, Rheinzölle, S. 15 ff.; TROE, Münze, S. 252 f.
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D. Herrscherliche Zollpolitik vom 10. Jahrhundert bis ca. 1325
züge herangezogen 49 . Bei den seit dem 24. Oktober 1314 vorgenommenen Verpfändungen an den Mainzer Erzbischof Peter von Aspelt waren Bacharacher Zolleinkünfte noch lediglich als Sicherheit für eventuelle Fehlbeträge vorgesehen, wenn die eigentlichen Pfandgüter nicht den vereinbarten zehnprozentigen Jahreszins erbrächten50. Unmittelbar darauf begann Ludwig bereits mit der Verschreibung fester Zollanteile zur Tilgung seiner Verpflichtungen. Am 26. Oktober 1314 bekannte der Wittelsbacher gegenüber Johann von Böhmen eine Schuld von 18.000 Pfund Heller; seine Verbindlichkeiten gegenüber Erzbischof Balduin von Trier bezifferte Ludwig auf 6.000 Pfund Heller. Zur Tilgung dieser Gelder verschrieb er den beiden Luxemburgern vier der sechs Turnosen am alten Zoll Bacharach. Balduin sollte ferner für die Begleitung Ludwigs zur Krönung nach Aachen für jeden Tag, um den sich die Reise durch ungewöhnliche Verzögerungen oder Abweichungen von der Wegstrecke verlängerte, 1.000 Pfund Heller aus den Zolleinnahmen erhalten51. Aus der am 17. Dezember 1314 ausgefertigten Bestätigung dieser Verschreibungen ergibt sich, daß der Trierer für sechs zusätzliche Tage entschädigt wurde; denn die Gesamtsumme belief sich nun auf 30.000 Pfund Heller, 18.000 Pfund für Johann und 12.000 Pfund für seinen Onkel 52 . Demgegenüber dürfte es für den habsburgischen König Friedrich den Schönen deutlich schwieriger gewesen sein, die Dienste seiner niederrheinischen Parteigänger zu entgelten, da er keinen der zur Aufbringung hoher Geldsummen besonders geeigneten Rheinzölle in Besitz hatte. Die Habsburgerdynastie besaß an Mittel- und Niederrhein keine Hebestellen, und den Leutesdorfer Reichszoll hatte Friedrich dem Kölner Erzbischof überlassen müssen. Heinrich von Virneburg scheint unter Berufung auf sein Konsensrecht auch die Auflage von Zollzuschlägen, die für den Habsburger einen zumindest teilweisen Ersatz geschaffen hätten, verhindert zu haben. Es ist bezeichnend für die Situation Friedrichs, daß die umfangreichen finanziellen Zusagen, die er am 16. November 1314 noch als rex electus dem Grafen Reinald von Geldern machte - sie erinnern wie die Vereinbarungen Johanns von Böhmen mit dem Grafen von Berg 53 in ihrer Gestaltung an Wahlversprechen von Thronkandidaten für die Wahlfürsten-, nicht durch Zollanweisungen abgedeckt wurden. Der Kölner Erzbischof mußte für 8.000 Mark Silber die Burg Aspel und die Städte Rees und Xanten als Sicherheit stellen54; von der Alternative, z. B. den geldrischen Rheinzoll Lobith entsprechend zu erhöhen, hat Friedrich keinen Gebrauch gemacht bzw. machen können.
49 50 51 52 53 54
Vgl. dazu ausführlich TROE, Münze, S. 275-284. MGH Const. V, Nr. 107,108 - VOGT, REM 1.1, Nr. 1697,1700. MGH Const. V, Nr. 110. Vgl. zu den Pfandrechten Johanns von Böhmen am Bacharacher Zoll detailliert REICHERT, Landesherrschaft, S. 233-245. MGH Const. V, Nr. 166. Vgl. oben S. 495. MGH Const. V, Nr. 117 - REK IV, Nr. 879.
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Die nur wenig später von Ludwig dem Bayern im gleichen Raum vorgenommenen Anwerbungen verdeutlichen noch den Unterschied in der Zollpolitik beider Herrscher. Am 26. November 1314 versprach Ludwig Graf Wilhelm von Holland und dessen Bruder Johann die Anweisung von insgesamt 52.000 Pfund kleinen Turnosen in aliquo theloneo supra Renum, aus dessen Einkünften zusätzlich Graf Gerhard von Jülich die ihm für seine Dienste vom König verschriebenen Summen einnehmen sollte. Der Erhebungsort dieses Zolls war vom Trierer Erzbischof Balduin und dem Grafen von Jülich zu bestimmen 55 . Die gleiche Abgabe war wohl gemeint, als Ludwig am 5. Dezember 1314 Graf Adolf von Berg für geleistete und künftige Dienste 11.000 Mark brab. anwies, und zwar in theloneo nostro supra Renum, quod in terra sua vel alibi duxerit faciendum. Auch hier wurde bestimmt, daß aus den Zolleinkünften die anderen Gläubiger des Königs, also die Grafen von Holland und Jülich, ihre Verschreibungen proportionaliter, d. h. entsprechend der Höhe der jeweils geschuldeten Summen, erhalten sollten56. Der Habsburger mußte den Grafen von Geldern wohl aus Einkünften seiner Stammlande bezahlen, da unverpfändetes Reichsgut am Niederrhein schon lange nicht mehr verfügbar war. Dagegen konnte der Wittelsbacher mit Hilfe von Zollverschreibungen gleich drei der wichtigsten niederrheinischen Großen in seine Dienste nehmen 57 und sogar einzelnen Dynasten, wie den Grafen von Holland, deutlich höhere Summen zusagen, als Friedrich offenbar für Geldern aufbringen konnte 58 . Das Geld verschrieb Ludwig dabei nicht mehr, wie noch einen Monat zuvor, zu Lasten einer bestehenden Abgabe, sondern - die von Heinrich VII. etablierte Praxis hier erstmals nachweisbar 59 aufgreifend - auf einen neu zu errichtenden Rheinzoll-
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58
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MGH Const. V, Nr. 133; vgl. auch ebd., Nr. 134. LAC. III, Nr. 145.
Auch Graf Dietrich VII. von Kleve stand auf der Seite des Wittelsbachers, während der Habsburger neben dem Grafen von Geldern nur den Grafen von der Mark sowie die Bischöfe von Lüttich und Münster zu seinen Parteigängern zählen konnte (vgl. KASTNER, Territorialpolitik, S. 122 ff.). Bei den weltlichen Großen des Niederrheins ist damit eine klare Präferenz für Ludwig den Bayern erkennbar. Dem Grafen von Geldern wurden bare Zahlungen von insgesamt 11.000 Mark Silber zugesagt, den holländischen Dynasten 52.000 Pfund Turnospfennige, d. h. etwa 13.333 V3 Mark Silber (bei 16 Turnospfennigen pro Groschen zu 4 g Feinsilber). Die dem Grafen von Berg verschriebenen 11.000 Mark brab. entsprachen beim angegebenen Satz von drei Heller/Denar und drei Pfund Heller je Silbermark 6.600 Mark Silber. Die aus der Zollrechnung von 1316/1317 abgeleitete Annahme Troes (Münze, S. 278), daß Ludwig bei der Verschreibung der vier Bacharacher Turnosen an die beiden Luxemburger den Zoll um den gleichen Satz erhöhte, ist kaum zwingend. Bereits im Sommer 1313 ist von einem alten Bacharacher Zoll die Rede (vgl. TROE, Münze, S. 252 f.; FLIEDNER, Rheinzölle, S. 16), ein neuer Zollteil hat zu dieser Zeit also bereits bestanden. Der erste sicher nachweisbare Zollaufschlag Ludwigs des Bayern umfaßte einen zur Tilgung von 300 Mark Silber verliehenen halben Turnosen und datiert vom 15. Dezember 1314 (MGH Const. V, Nr. 175).
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titel. Ludwig konnte auf diese Weise nicht nur größere Mittel als Friedrich der Schöne aufbringen oder zumindest zusagen - denn wieviel davon tatsächlich gezahlt wurde, bleibt meist offen - , sondern auch die Finanzierung ohne weitere Einbußen seiner eigenen Einkünfte direkt auf den Rheinhandel abwälzen. In fiskalischer Hinsicht war die wittelsbachische Zollpolitik der habsburgischen zweifellos weit überlegen. Aufgrund der politisch unsicheren Situation nach der Doppelwahl waren beide Könige noch längere Zeit auf die Unterstützung ihrer rheinischen Wähler angewiesen. Anders als ihre Vorgänger konnten sie damit von ihren Wahlversprechen kaum mehr abrücken, was gerade auch im Bereich der Zölle klar erkennbar ist. Schon zwei Tage nach seiner Krönung in Bonn, also am 27. November 1314, setzte Friedrich der Schöne in zwei Urkunden seine im Mai dem Kölner Erzbischof Heinrich von Virneburg gegebenen zollpolitischen Versprechen um. Zunächst bestätigte er dem Metropoliten die Zölle Andernach, Bonn und Neuss, weil sie Heinrich, dessen Vorgängern und dem Kölner Erzstift von früheren Herrschern verliehen und vom apostolischen Stuhl bestätigt worden seien. Als zusätzliche Gunst - tatsächlich war dieser Punkt in den Wahlversprechen nicht enthalten - erlaubte ihm der König, eine oder zwei dieser Hebestellen an einen beliebigen Ort innerhalb des kölnischen Geleites zu verlegen. Die drei zu bestimmten Zeiten im Jahr erhobenen Marktzölle in Rees, Xanten und Rheinberg, durch deren Vielzahl, Uneinheitlichkeit und unrechtmäßige Erhebung über die vorgesehene Zeit hinaus die Rheinkaufleute sehr geschädigt worden seien, vereinigte der Habsburger zu einem einzigen Zolltitel bzw. auf eine Hebestelle. Er hob die bestehenden Abgaben mit Konsens des Erzbischofs vollständig auf und verlieh ihm stattdessen einen einzigen Rheinzoll in Höhe von vier Turnosen in Rheinberg, wie ihn auch dessen Vorgänger Siegfried (von Westerburg) und Wikbold (von Holte) erhoben hätten60. In einer zweiten Urkunde vom gleichen Tag verlängerte Friedrich die Frist der von Heinrich VII. für eine bestimmte Zeit (nämlich bis Ostern 1314) verliehenen acht Turnosen am Zoll Bonn auf die Lebenszeit des Erzbischofs. Ferner verlieh er diesem zum Ersatz der unerwartet entstandenen, außerordentlich hohen Krönungskosten den von Heinrich VII. für die Dauer seines (des Kaisers) Lebens zunächst in Hammerstein, dann in Leutesdorf errichteten und nun nach Andernach verlegten Zoll in Höhe von zehn Turnosen. Diese Abgabe war jedoch im Laufe der Zeit nach dem Ermessen des Erzbischofs zur Entlastung des Handels entweder ganz niederzulegen oder auf eine für die Kaufleute erträgliche Höhe zu vermindern. Wenn dies geschehen war, sollte der Zoll zur Erleichterung des Rheinhandels nicht wiedererrichtet werden, insbesondere nicht im Geleit des Kölner Erzbischofs 61 .
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MGH Const. V, Nr. 139 - REK IV, Nr. 886. MGH Const. V, Nr. 140 - REK IV, Nr. 887.
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Insgesamt hielt Friedrich der Schöne damit seine im Frühjahr abgegebenen Versprechungen nahezu vollständig ein. Gleichwohl sind einige Modifikationen zu erkennen. Sehr auffällig für derartige Privilegien ist die in beiden Urkunden betonte Sorge des Königs um die Entlastung des Rheinhandels, eine programmatische Dimension seines zollpolitischen Handelns, der bei näherer Prüfung durchaus einige Glaubwürdigkeit zugemessen werden kann. Denn der Kölner Erzbischof konnte zwar die Wiedererrichtung des Rheinberger Flußzolls durchsetzen, doch mußte er dafür - was kaum auf eigenen Wunsch, sondern auf Druck des Habsburgers geschah - auf drei seiner niederrheinischen Marktzölle verzichten und sich darüber hinaus vom König noch relativ deutlich unrechtmäßige Zollerhebung vorwerfen lassen. Heinrich von Virneburg hatte anscheinend versucht, diese zu bestimmten Zeiten wahrscheinlich auch den Transitverkehr auf dem Rhein erfassenden Abgaben durch Ausdehnung der Erhebungsdauer einem regulären ständigen Rheinzoll anzugleichen. Wäre es dem Herrscher nur um eine Begründung für die Wiedererrichtung des Rheinberger Zolls gegangen, so hätte er bloß auf die Existenz einer solchen Abgabe unter den Erzbischöfen Wikbold und Siegfried, also auf das (vorgebliche) >alte Herkommens verweisen müssen. Mit der Aufhebung der drei thelonea forensia wollte Friedrich offenbar im Interesse des Handels eine gewisse Kompensation für die vom Erzbischof als Preis für seine Kurstimme durchgesetzte Reaktivierung des Rheinzolls in Rheinberg schaffen, auch wenn sich Heinrich von Virneburg dabei natürlich immer noch fiskalische Vorteile ausrechnete. Der Eindruck einer die Belastbarkeit des Rheinhandels berücksichtigenden Zollpolitik des Habsburgers verstärkt sich, wenn man den die Übertragung des Leutesdorfer Zolls betreffenden Passus der zweiten Urkunde hinzunimmt. Der Habsburger hat hier nicht nur, wie beim Rheinberger Zoll, seine vor der Wahl zusagten Maßnahmen in einen programmatischen Kontext gekleidet, sondern auch eine zwar nur geringe, aber aufschlußreiche inhaltliche Modifizierung vorgenommen: Im Mai 1314 war in knappen Worten vereinbart worden, daß der Erzbischof den Leutesdorfer Reichszoll auf Lebenszeit mit der Befugnis erhalten sollte, ihn nach Andernach zu verlegen und nach der Tilgung bestimmter noch darauf lastender Verschreibungen Heinrichs VII. ganz abzustellen. Nach seiner Krönung überließ Friedrich dem Erzbischof den Leutesdorfer Zoll und billigte nachträglich dessen Verlegung nach Andernach. Neu war aber zum einen die Fixierung der Zollhöhe auf zehn Turnosen und zum anderen, daß bei der Überlassung der Abgabe ihre spätere Niederlegung oder wenigstens Verminderung auf ein für die Kaufleute erträgliches Maß zur Bedingung gemacht wurde 62 . Wenngleich auch hier die Ausführung dem Ermessen des Erzbischofs anheim gestellt blieb, der faktische Unterschied zwischen der Option vom Mai und der Verpflichtung vom
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theolonium ... eidem similiter concedimus ... Sic tamen quod successu temporis pro utilitate rei publice et mercatorum ac negociatorum relevacione et conmodo ipsum theolonium aut omnino deponat vel in parte diminuat et moderetur ad tempus sibi conveniens, quod sit mercatoribus tollerabile et consonum rationi, MGH Const. V, Nr. 140.
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November also eher gering war, wurde der Eindruck vermittelt, daß der König in näherer Zukunft wenigstens eine Senkung der Abgabe erwartete. Ein Konsensrecht des Metropoliten bei der Errichtung neuer Zölle innerhalb des kölnischen Geleitgebiets hat der Habsburger nach der Krönung nicht direkt anerkannt. Zwar verbot er die Errichtung zusätzlicher Abgaben im erzbischöflichen Geleitbezirk, doch begründete er dies nicht mit den Rechten des Erzbischofs auf die Wahrung seines Zollmonopols, sondern mit dem Nutzen für den Rheinhandel: ut mercatorum descensus in Reno existat liberior et ascensus. Statt dem Metropoliten also die gewünschte Mitsprache an der künftigen Zollpolitik einzuräumen und dessen zoll- und territorialpolitische Interessen als Maßstab zu übernehmen, stellte Friedrich seine Verpflichtung zur Wahrung des Gemeinwohls, konkretisiert in einer Abgabenentlastung des Rheinhandels, in den Vordergrund. Insgesamt betrachtet hatten die gegenüber den Wahlzusagen vorgenommenen Änderungen im Bereich der Zölle vor allem den Zweck, die Vergünstigungen für die Kölner Kirche in eine künftige herrscherliche Zollpolitik einzuordnen, die programmatisch auf die Entlastung des Rheinhandels ausgerichtet war. Dabei ist die Vermutung nicht ganz abwegig, daß Friedrich - vielleicht in der Hoffnung, dadurch die Unterstützung der rheinischen Städte zu gewinnen - damit bewußt der fiskalisch orientierten wittelsbachisch-luxemburgischen Zollpolitik eine habsburgische Linie entgegensetzen wollte, die stärker die Interessenlage des Handels akzentuierte. Das Fehlen eigener Rheinzölle machte es Friedrich allerdings auch relativ leicht, eine solche Programmatik zu verkünden. Nur wenig später, in den ersten Dezembertagen des Jahres 1314 während des Aufenthalts in Köln, realisierte Ludwig der Bayer seine Wahlversprechen im Bereich der Zölle 63 . Anders als sein habsburgischer Konkurrent hat er dabei nicht einmal ansatzweise Modifikationen zu Lasten seiner Wähler vorgenommen; der Text wurde sogar (mutatis mutandis) zumeist wörtlich wiederholt. So bestätigte er am 2. Dezember dem Mainzer Erzbischof Peter von Aspelt 64 Wort für Wort die Zusagen vom 12. September und erneuerte ihm damit auch den Besitz des Lahnsteiner Zolls 65 sowie die fortdauernden mainzischen Pfandrechte am Ehrenfelser theloneum.
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64 65
Von den Privilegien für den Mainzer (MGH Const. V, Nr. 141-153) und den Trierer Erzbischof (ebd., Nr. 154-164) werden hier nur die genannt, die sich auf Zölle im Untersuchungsraum beziehen. MGH Const. V, Nr. 142 - VOGT, REM 1.1, Nr. 1708. In einem weiteren zeitgleichen Diplom (MGH Const. V, Nr. 144 - VOGT, REM 1.1, Nr. 1710) bestätigte Ludwig den Lahnsteiner Zoll noch einmal gesondert, und zwar durch Transsumierung der Urkunde Heinrichs VII. vom 14. Januar 1309, die ihrerseits die Zollverleihung Albrechts vom 1. September 1298 bestätigte. Die dort verbriefte Möglichkeit, einen der Lahnsteiner Zolltitel nach Rüdesheim zu verlegen, dürfte der Grund für diese Extraausfertigung gewesen sein.
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Am selben Tag erneuerte der Wittelsbacher dem Trierer Erzbischof Balduin von Luxemburg die Pfandschaft von Boppard und Oberwesel mit der Erlaubnis, in Boppard einen Rheinzoll von vier Turnosen zu erheben 66 . Auch hierbei wurde der Text der Wahlzusage fast unverändert übernommen. Am 3. Dezember stellte Ludwig der Bayer dem Trierer ein Sammelprivileg aus, das u. a. (in Punkt 1 bzw. 6) die noch ausstehenden Zollfragen regelte 67 . Um die Balduin im Dienste des Reiches noch kürzlich entstandenen immensen Kosten einigermaßen zu entgelten (aliqualiter relevare), gewährte ihm der Wittelsbacher über die vier Turnosen, die der Erzbischof aufgrund früherer Zollverleihungen bereits auf Dauer als Zoll in Koblenz erhebe, weitere zwei Turnosen auf dessen Lebenszeit. Da es seine herrscherliche Pflicht sei, Belastungen (res onerosae) abzuwenden, versprach Ludwig, ohne Balduins Willen keinen neuen Zoll, der unter Rudolf von Habsburg nicht bestanden habe, zu Wasser oder zu Land einzurichten oder zu dulden, insbesondere nicht im Gebiet von Oberwesel bis einschließlich Hammerstein. Mit der Erwähnung von vier bereits bestehenden unbefristeten Koblenzer Zollturnosen bezog sich Ludwig auf seine am gleichen Tag ausgestellte Urkunde, worin er den von Heinrich VII. auf Dauer verliehenen zwei Zollturnosen zwei weitere, zu gleichem Recht zu erhebende Turnosen beifügte 68 . De facto hatte Ludwig damit seine den Koblenzer Zoll betreffenden Zusagen erfüllt, nämlich daß Balduin dort vier dauerhafte und zwei auf seine Lebenszeit befristete Turnosen besitzen sollte. Der König wandelte dafür jedoch nicht die bereits bestehenden befristeten Turnosen entsprechend um, wie dies ursprünglich vorgesehen war, sondern verlieh sie jeweils neu. Dies war im Interesse des Erzbischofs und geschah daher wohl auf dessen Wunsch, weil die von Heinrich VII. verliehenen befristeten vier Turnosen bereits mit der Tilgung der Schulden Balduins bei der Grafschaft Luxemburg Ende Januar 1314 de iure ausgelaufen waren, also strenggenommen nicht mehr als Anknüpfungspunkt dienen konnten. Warum Ludwig die ansonsten wortgleich übernommene Bestätigung eines trierischen Konsensrechtes bei neuen Zöllen nun mit einer Begründung versah, einer merkwürdig unklar formulierten Pflicht zur Abwendung von Belastungen, ist dagegen weniger deutlich. Möglicherweise hat man hierin eine erste Reaktion auf die eine Entlastung des Handels propagierende Zollpolitik Friedrichs des Schönen zu sehen 69 , deren Programmatik Ludwig nicht völlig übergehen konnte, ohne in den durchaus nicht ganz unberechtigten - Verdacht zu geraten, Zölle vor allem als Objekte fiskalischer Nutzung zu sehen und dabei die Belastbarkeit des Rheinhandels zu ignorieren.
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MGH Const. V, Nr. 156. MGH Const. V, Nr. 159. Dies war das zweite Sammelprivileg für Balduin; das erste vom 2. Dezember 1314 (MGH Const. V, Nr. 154) berührte keine Zollfragen. MGH Const. V, Nr. 160. Dies setzt voraus, daß sich die wittelsbachische Partei in Köln über die einige Tage zuvor vom Habsburger für den Kölner Erzbischof in Bonn ausgestellten Privilegien informiert hatte, eine wohl naheliegende Annahme.
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Karte 13: Zölle an Rhein, Mosel und Saar um 1314
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IX.2
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Der Bacharacher Landfrieden von 1317
Nach den Auseinandersetzungen Albrechts mit den rheinischen Wahlfürsten 1301/1302 und während der Regierungszeit Heinrichs VII. hatten Landfrieden als Mittel herrscherlicher bzw. territorienübergreifender (Rhein-)Zollpolitik keine nennenswerte Rolle gespielt70. Dagegen gibt es schon für die ersten Monate des habsburgisch-wittelsbachischen Thronstreits klare Anzeichen, daß Ludwig und seine Anhänger die Aufrichtung eines Landfriedens beabsichtigten, der mit erheblichen Eingriffen in die Rheinzollstruktur verbunden sein sollte. Am 10. Januar 1315 forderte der Wittelsbacher die Stadt Straßburg zur Beschickung eines zum 15. Januar in Worms ausgeschriebenen Städtetages auf, ut pacem patrie et tranquillitatem per districtus imperii transeuntibus prepararemus11. Über konkrete Ergebnisse eines solchen Treffens ist nichts bekannt, doch rechnete Ludwig auch danach noch mit dem baldigen Zustandekommen eines Landfriedens. Am 21. Januar 1315 bekannte er gegenüber Graf Berthold III. von Katzenelnbogen für geleistete Dienste eine Schuld von 1.200 Mark Silber und versprach, die Summe bis Ostern auf zwei Turnosen von rheinabwärts geführten Waren am Zoll Bacharach oder, wenn dieser Zoll ob communem pacem eingestellt oder verlegt werde, auf einen Zollturnosen an der königlichen Hebestelle Udendorf (bei Leutesdorf?) 72 anzuweisen. Für den Fall, daß beide Zollstätten nicht Bestand haben sollten, verlieh ihm der König einen Zoll von zwei Turnosen in Braubach, den Berthold bis zur vollständigen Erhebung der Schuld und aller Ausgaben im Dienste des Reiches besitzen sollte. Solange der Bacharacher Zoll aber noch bestand, sollte der Graf nicht von den Zolleinnahmen ausgeschlossen werden 73 . Der in Ludwigs Einladungsschreiben an Straßburg hervorgehobene Nutzen des geplanten Friedens für die Durchreisenden sollte also nicht nur in einem üblicherweise bei solchen Gelegenheiten fixierten besonderen Schutz bestehen, sondern anscheinend auch über eine Umstrukturierung mittelrheinischer Zölle gefördert werden. Daß dabei insgesamt eine - wenn auch vorerst nicht näher zu fassende Reduzierung der Abgabenlast erreicht werden sollte, könnte schon deshalb angenommen werden, weil dies der zollpolitischen Programmatik nahezu aller bisher behandelten Landfrieden entsprach und weil auch der später zustandegekommene Friedensbund dieses Ziel verfolgte. Weitestgehend erhärten läßt sich diese Annahme aber vor allem aus der Verschreibung für den Grafen von Katzenelnbogen, in der
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73
Zur geringen Bedeutung des Landfriedens während der Herrschaft des ersten Luxemburgers vgl. ANGERMEIER, Königtum, S. 96 ff. MGH Const. V, Nr. 201. Die von TROE, Münze, S. 173, bei Leutesdorf lokalisierte Hebestelle ist anderweitig nicht nachweisbar. Vermutlich ist dieser Zoll zu den erfolglosen Versuchen Ludwigs des Bayern zu zählen, in oder bei Leutesdorf wieder einen Reichszoll zu etablieren. Vgl. dazu oben S. 240 f. MGH Const. V, Nr. 211 - DEMANDT, Reg. Katz. I, Nr. 554.
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von einer Senkung der verfügbaren Zollanteile als Folge des Landfriedens ausgegangen wurde. Der Dynast sollte möglichst lange im Besitz der zwei Bacharacher Turnosen bleiben, nach dem Inkrafttreten des Landfriedens und der Aufhebung dieser Zollstätte ersatzweise aber nur noch einen Turnosen in Udendorf erhalten 74 . Obgleich im Januar 1315 also durchaus schon konkrete Pläne für eine Reorganisation der mittelrheinischen Zölle durch einen Landfrieden bestanden, gelang eine Realisierung zunächst nicht, das Vorhaben wurde zurückgestellt75. Die Gründe dafür sind nicht im einzelnen bekannt, doch dürften sie am ehesten in der allgemein schwierigen politischen Lage des Wittelsbachers zu suchen sein, der in der Folgezeit zumeist in Oberdeutschland gebunden war76. Erst fast zwei Jahre später griff Ludwig den Plan eines rheinischen Landfriedens nachweislich wieder auf. Am 12. Dezember 1316 beurkundete er, daß der Mainzer Erzbischof Peter von Aspelt causa melioris status communis
et generalis pacis necnon ob nostram
et imperii reverenciam
für eine
bestimmte Zeit auf die Erhebung seiner Rheinzölle verzichtet habe, doch solle der Metropolit aus dem vom König bei Köln neu zu errichtenden Rheinzoll entsprechend entschädigt werden. Sollte dort nicht genug einkommen, konnte der Erzbischof seine Zölle wieder zu früherem Recht erheben, damit er keinen Nachteil leide77. Wie bei Ludwigs Verschreibung an Berthold von Katzenelnbogen waren es wiederum mittelrheinische landesherrliche Zölle, nämlich die beiden mainzischen in Ehrenfels und Lahnstein, die im Interesse des Friedens aufgehoben werden sollten. Auch hier sollte stattdessen weiter nördlich ein Reichszoll eingerichtet werden. Dessen geplanter Erhebungsort prope Coloniam läßt zugleich schon die spätere Beteiligung der Stadt Köln an diesen erneut nur in Bruchstücken faßbaren Umstrukturierungsplänen erkennen. Vorerst blieb jedoch auch dieser Anlauf stecken. Vergleichbare Verzichtserklärungen anderer Rheinzollinhaber, etwa Balduins von Trier, sind nicht überliefert und wurden anscheinend auch nicht eingefordert. Dagegen griff nun der Habsburger am Oberlauf des Stroms eine Landfriedensinitiative auf, die möglicherweise von den als späteren Teilnehmern explizit genannten Kaufleuten ausgegangen war. Über den exakten Zeitpunkt der Errichtung und den genauen Inhalt des Landfriedens ist nichts näheres bekannt, da eine Gründungs-
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Welche Rolle einem Braubacher Rheinzoll dabei zugedacht war, ist nicht klar zu erkennen, da der Text der Urkunde durch einen Moderschaden nur teilweise erhalten ist. Dafür ist bezeichnend, daß Ludwig in der Wiederholung der bis dato offenbar noch nicht realisierten Verschreibung am 10. März 1316 (MGH Const. V, Nr. 354 - DEMANDT, Reg. Katz. I, Nr. 569) eine Aufhebung des Bacharacher Zolls im Zuge eines Landfriedens nicht mehr erwähnte. Vgl. dazu THOMAS, Ludwig der Bayer, S. 69 ff. Straßburg suchte die Wahrung seiner zollpolitischen Interessen beim Habsburger. Am 25. Februar 1315 (MGH Const. V, Nr. 213) versprach Friedrich die Rückerstattung des von den Handelswaren ihrer Bürger zu Selz erhobenen Rheinzolls. MGH Const. V, Nr. 385 - VOGT, REM 1.1, Nr. 1874.
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urkunde nicht überliefert ist, doch hat der Bund zweifellos von Frühjahr bis Ende 1317 bestanden und konnte als Ansatzpunkt für ein zollpolitisches Wirken des Habsburgers am (Ober-)Rhein dienen. Am 10. März 1317 vermittelte Friedrich zusammen mit dem Bischof von Straßburg einen Ausgleich zwischen den neunzehn vom Land und den Kaufleuten Deputierten einerseits und den Markgrafen Rudolf d. Ä. und Friedrich von Baden andererseits, wonach letztere in ihren Gebieten bis Weihnachten zu Wasser oder zu Land kein zol von nymanne nemen sollten. Ersatzweise war jedem der beiden Fürsten in diesem Zeitraum zu geleite und nut zu zolle ein Schilling (Straßburger?) Pfennige für jedes rheinabwärts verfrachtete Fuder Wein und die entsprechende Summe von anderen Handelswaren zu entrichten, wobei die Straßburger nur die Hälfte zahlen und die Hagenauer abgabenfrei bleiben sollten. Von rheinaufwärts fahrenden Schiffen mit einer Last von (mindestens?) einem hundert Salz war lediglich an Rudolf d. Ä. das althergebrachte Geleitgeld zu zahlen. Im Gegenzug hatten die Markgrafen Hilfe bei Beraubung zu leisten; verweigerten sie diese, konnten sie und ihre Untertanen von den Landfriedensverbündeten angegriffen werden 78 . Dieser Ausgleich zwischen den Handelsinteressen elsässischer Städte und den fiskalischen Bedürfnissen der Markgrafen von Baden ist höchstens ansatzweise mit der bald darauf von Ludwig und seinen Anhängern am Mittelrhein verwirklichten tiefgreifenden Umstrukturierung der Rheinzölle vergleichbar. Ein Zusammenhang mit dem Bacharacher Landfrieden scheint damit nicht gegeben. Man wird jedoch die vom Oberrhein ausgehende Signalwirkung auf die nördlich anschließenden Gebiete nicht zu gering einschätzen dürfen. Denn nach den Aktionen Rudolfs und Albrechts 1278/1281 und 1301/1302 war es fast schon eine habsburgische Tradition, von oberrheinischen Landfriedensgebieten ausgehend zollpolitisch in die Verhältnisse am Mittelrhein und im Kölner Raum einzugreifen. Entsprechende, freilich nicht direkt nachweisbare Befürchtungen in Ludwigs Partei dürften sich verstärkt haben, als der Kölner Erzbischof Heinrich von Virneburg im Herbst 1316 nach langem Aufenthalt am Hof König Friedrichs wieder in sein Erzstift zurückkehrte 79 und damit die habsburgische Position auch unterhalb des von den wittelsbachischen Anhängern kontrollierten mittelrheinischen Stromabschnitts eine deutliche Stärkung erfuhr. Erste, im weiteren Sinne als Reaktion gegen eine drohende habsburgische Umklammerung zu wertende Maßnahmen traf Ludwig im Mai 1317 in Westfalen. Er entzog dem auf der Seite Heinrichs von Virneburg stehenden Grafen Engelbert II. von der Mark wegen Ungehorsams alle Reichslehen und Reichspfandschaften 80 und ernannte Graf Dietrich VII. von Kleve zum Reichslandvogt. Der niederrheinische Dynast wurde beauftragt, die Güter und Rechte des Reiches zwischen Rhein und
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MGH Const. V, Nr. 398. Auf die in gängigen Darstellungen meist nicht beachtete Wirkung dieser Rückkehr weist THOMAS, Ludwig der Bayer, S. 83 f., hin, allerdings ohne auf den oberrheinischen Landfrieden einzugehen. MGH Const. V, Nr. 407.
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Weser zu verteidigen und die pax generalis zu gewährleisten81. Das war zum einen natürlich ein Schlag gegen den Grafen von der Mark, zum anderen aber auch ein direkter Affront gegen den Kölner Erzbischof, der als Herzog von Westfalen die Landfriedenshoheit beanspruchte und zudem von König Friedrich noch im August 1316 feierlich mit der Grafschaft Dortmund belehnt worden war82. Einen Monat nach den westfälischen Aktionen erfolgte bei einem persönlichen Treffen Ludwigs und seiner wichtigsten Parteigänger in Bacharach die Regelung der rheinischen Verhältnisse. Drei Tage nachdem der Wittelsbacher, die Erzbischöfe Peter von Mainz und Balduin von Trier sowie König Johann von Böhmen ein Offensivbündnis gegen Friedrich den Schönen geschlossen hatten 83 , errichteten sie am 22. Juni 1317 zusammen mit den Städten Köln, Mainz, Worms, Speyer, Aachen, Oppenheim, Frankfurt, Friedberg, Gelnhausen und Wetzlar einen siebenjährigen Landfrieden, daz die koflute unde anderz ein ieglicher mugent wandeln fridelichen84. Die seit längerem bestehenden Pläne zu einer Umstrukturierung der mittelrheinischen Zölle wurden darin nach einem klaren Gesamtkonzept realisiert: Im Landfriedensgebiet, das von Hördt (südlich von Germersheim) bis Köln reichte 85 , waren alle Zölle zu Wasser und zu Land abzustellen. Davon ausgenommen waren die alten Geleitzölle auf dem Land, deren Inhaber jedoch ausdrücklich an ihre Pflicht zum Schutz der Kaufleute erinnert wurden. Von Köln bis Antwerpen waren die (nicht näher definierten) neuen Zölle aufzuheben, die alten Abgaben konnten dagegen weiter genommen werden. Abgesehen vom alten uf genden Zoll zu St. Goar, dem alten Schiffszoll zu Geisenheim sowie dem alten Bopparder Zoll von 27 Hellern, der Graf Berthold (III. von Katzenelnbogen) zustand, sollte im Landfriedensgebiet nur noch ein gemeinsamer Zoll(-titel) der Verbündeten bestehen, den friden zu beschirmen unde zu behelfenne. Diese Abgabe wurde tarifiert auf 33 Turnosen pro Fuder Wein, 18 Schilling (Turnos-)Groschen 86 pro hundert (100 Malter) Korn oder Weizen und 30 Schilling (Turnos-)Groschen pro hundert (100 Hüte) Salz. Alle anderen Handelsgüter waren ihrem Wert entsprechend zu veranschlagen. Den Zöllnern wurde untersagt, die Kaufleute höher zu belasten oder sie zu leidigen. Die Einnahmen des
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86
Vgl. KASTNER, Territorialpolitik, S. 124 f. MGH Const. V, Nr. 370 - REK IV, Nr. 951. MGH Const. V, Nr. 412-417; vgl. dazu HOMANN, Kurkolleg, S. 142 f. MGH Const. V, Nr. 421 - VOGT, REM 1.1, Nr. 1912; REK IV, Nr. 993. Trotz der unzweifelhaft gegebenen Frontstellung des Landfriedens gegen den Kölner Erzbischof sollte die weite Ausdehnung des Landfriedensgebietes nach Süden, mit der Ludwig wohl gegen den oberrheinischen Landfrieden des Habsburgers Position bezog, keinesfalls übersehen werden. Auch die Sonderregelungen für den mittelrheinischen Landfriedensbezirk um Mainz, Worms, Speyer und Oppenheim sind dabei zu berücksichtigen. Der Kern der hier allein zu diskutierenden zollpolitischen Bemühungen lag andererseits aber zweifellos unterhalb von Mainz. Zur synomymen Bezeichnung des grossus Turonensis als Turnose bzw. Groschen vgl. MGH Const. V, Nr. 422.
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Zolls sollten zu zwei Dritteln an den König und die Fürsten und zu einem Drittel an die Städte gehen. Für den Fall, daß der Kölner Erzbischof sich zur Teilnahme entschloß, standen ihm von dem königlich-fürstlichen Anteil von 22 Turnosen sechs Turnosen zu; verweigerte er den Beitritt, sollte er zur Abstellung seiner Zölle und zur Einhaltung des Friedens veranlaßt werden. Wer dem Landfrieden beitreten wollte, konnte nach gemeinsamen Beratungen aufgenommen werden. Wenn jemand im Landfriedensgebiet einen neuen Fluß- oder Landzoll errichtete, sollte die Abgabe vom König und den Fürsten mit Hilfe von Herren und Städten abgestellt werden. Die weiteren Bestimmungen des Landfriedens regelten vor allem organisatorische Fragen 87 . Hervorzuheben ist dabei die Einteilung der Städte in drei Gruppen, eine niederrheinische unter der Führung Kölns, eine wetterauische und eine mittelrheinische, denen jeweils ein Landvogt (hobtman) zugeordnet wurde. Am Niederrhein und in der Wetterau sollten Landvogt, Städte und lantherrenss den Landfrieden nach ihrer vormals geübten Gewohnheit halten; für die mittelrheinische Gruppe Mainz, Worms, Speyer und Oppenheim wurde ein besonderes Gremium zur Regelung anstehender Probleme geschaffen. Ein Truppenkontingent wurde nur für den niederrheinischen Teil festgesetzt: Jeder der Bundesgenossen sollte - und dies ist bezeichnend für die Ausrichtung des Landfriedens gegen den Kölner Metropoliten - so viele Männer aufbieten wie in der Schlacht von Worringen, die 1288 mit einer katastrophalen Niederlage des Kölner Erzbischofs Siegfried von Westerburg geendet hatte. Einen Tag später setzte König Ludwig zusammen mit den Erzbischöfen von Mainz und Trier sowie König Johann von Böhmen die Hebestellen des Landfriedenszolls fest: Von den 22 königlich-fürstlichen Turnosen sollten sieben in Koblenz und neun in Remagen erhoben werden. Wenn der Kölner Erzbischof dem Frieden beitrat, konnte er die ihm zugestandenen sechs Turnosen je zur Hälfte in Bonn und Andernach einnehmen, verweigerte er die Teilnahme, sollte Ludwig außerdem noch je drei Turnosen in Koblenz und Remagen erhalten. Unabhängig davon verteilte sich der städtische Anteil von elf Turnosen auf fünf in Koblenz und sechs in Köln89.
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V g l . d a z u SCHWALM, L a n d f r i e d e n , S. 14 f.; ANGERMEIER, K ö n i g t u m , S. 1 2 7 f.
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Vgl. dazu auch GERLICH, Peter von Aspelt, S. 284 f. MGH Const. V, Nr. 422 - VOGT, REM 1.1, Nr. 1915; REKIV, Nr. 994. In beiden Regestenwerken und bei TROE, Münze, S. 223, wird falsch übersetzt, daß König Johann bei Nichtbeteiligung des Kölner Erzbischofs dessen sechs Turnosen erhalten sollte. Dies ist dem Urkundentext nicht zu entnehmen, vielmehr sprach Ludwig als Aussteller des Diploms eindeutig von sich selbst, wenn er sagte: Wil er (sc. der Kölner Erzbischof) aber den fryden nit haben mit uns, so sollen wir der kung der selbe sehse turnose nemen, dry zu Kobelentze unde dry zu Rinmagen (MGH Const. V, Nr. 422). Offenbar sollte vermieden werden, daß unter dem wir die Gesamtheit der Landfriedensverbündeten verstanden werden konnte. Zutreffend ist dagegen die Interpretation von THOMAS, Ludwig der Bayer, S. 84. - Selbst wenn man die (richtige?) Lesart Ennens aus dem im Kölner Stadtarchiv überlieferten, fast wortgleichen Exemplar (ENNEN, Quellen IV, Nr. 42 mit
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Der Landfrieden, dem sich am gleichen Tag in Bacharach bereits Graf Johann von Sponheim angeschlossen hatte, zeigte vor allem am Niederrhein große Anziehungskraft, wo bald darauf mit den Grafen von Jülich, Kleve, Berg und dem Junggrafen von Geldern die mächtigsten Dynasten dieses Raumes beitraten 90 . Auch Duisburg schloß sich dem Bund an, und die in der stadtkölnischen Kanzlei angefertigten Übersetzungen der Landfriedensurkunde ins Niederrheinische und Niederländische sowie ihre Überlieferung in Osnabrück zeigen, daß von Köln als Hauptort des niederrheinischen Landfriedensbezirks aus eine weitere Ausdehnung nach Niederdeutschland geplant war91. In dieser Situation, in der nahezu alle umliegenden Landesherren für Ludwig Position bezogen hatten, entschied sich der Kölner Erzbischof Heinrich von Virneburg (zunächst) gegen das Risiko einer Konfrontation mit der offensichtlich überlegenen Partei des Wittelsbachers und trat am 9. Juli 1317 dem Landfrieden bei. Er tat dies allerdings mit einem wesentlichen, wie sich später zeigen sollte, auch für die Zölle anwendbaren Vorbehalt, daß er nämlich weiterhin den von ihm gewählten König mit aller Macht unterstützen könne, ohne damit gegen den Landfrieden zu verstoßen 92 . Der Metropolit vermied dabei alles, was als Anerkennung des wittelsbachischen Königtums ausgelegt werden konnte. Wurde der Bacharacher Zusammenschluß in den anderen Beitrittsurkunden als ein Gemeinschaftswerk König Ludwigs mit Fürsten, Herren und Städten bezeichnet, charakterisierte der Erzbischof den Bund als einen allein von den Städten zum Schutz der Kaufleute errichteten Frieden. Ungeachtet dessen erkannte Heinrich von Virneburg mit seinem Beitritt die Zollbestimmungen des Landfriedens an und mußte - jedenfalls de iure - auf den größten
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falsch aufgelöstem Tagesdatum) heranzieht (so suln wir den kunig der selben sechser turnos nemen) kann man den König durch das vorangestellte Subjekt des Satzes (»wir«) keinesfalls auf den Böhmenherrscher beziehen. - Die Aufteilung des Zolls war schon bei der Verabschiedung des Landfriedens größtenteils geregelt. Noch am gleichen Tag, dem 22. Juni 1317, versprach Erzbischof Balduin von Trier, den städtischen Zollteil in Koblenz in Höhe von fünf Turnosen zu schützen (ENNEN, Quellen IV, Nr. 36, mit falsch aufgelöstem Tagesdatum »Juni 16«). Die im Kölner Stadtarchiv überlieferten Beitrittsurkunden: MGH Const. V, Nr. 427^34. Vgl. dazu SCHWALM, Landfrieden, S. 18 ff. Die Teilnahme Graf Dietrichs von Kleve und Graf Gerhards von Jülich, deren Beitrittsurkunden nicht erhalten sind, steht außer Frage, vgl. KASTNER, Territorialpolitik, S. 126 f., bzw. KRAUS, Jülich, S. 214 ff. Bereits am 22. Juni 1317 hatte König Ludwig Graf Dietrich von Moers den Wildbann und das Wegegeld seiner Herrschaft als klevisches Lehen bestätigt (MGH Const. V, Nr. 420). Auch von ihm ist kein formeller Beitritt überliefert, doch steht seine faktische Parteinahme außer Frage. Vgl. SCHWALM, Landfrieden, S. 19 f. MGH Const. V, Nr. 435 - REK IV, Nr. 996.
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Teil seiner Rheinzölle verzichten, nämlich in Bonn auf mindestens 12 Zollturnosen 93 , in Andernach auf den bestehenden, in seiner Höhe nicht bekannten Zoll sowie auf den dort liegenden ehemaligen Leutesdorfer Zoll von 10 Turnosen und schließlich in Rheinberg auf die 1314 von König Friedrich bewilligten vier Zollturnosen 94 . Daß diese Abgabe nämlich als neuer und deshalb abzustellender Zoll interpretiert wurde, kann kaum bezweifelt werden. Lediglich der Neusser Rheinzoll dürfte weitgehend unverändert geblieben sein. Insgesamt gingen dem Erzbischof mehr als 26 Zollturnosen am Rhein verloren, denen nur die je drei im Landfrieden vorgesehenen Turnosen in Andernach und Bonn gegenüberstanden - also ein Nettoverlust von über 20 Turnosen und damit sicher von weit mehr als der Hälfte aller erzstiftischen Rheinzolleinkünfte 95 . Auch andere Inhaber von Rheinzöllen oberhalb von Köln, in erster Linie die Gründungsmitglieder des Landfriedens, akzeptierten Einbußen; daß diese im Verhältnis allerdings geringer gewesen sein dürften als die des Kölner Erzbischofs, ist ein Punkt, auf den noch zurückzukommen sein wird. Am Mittelrhein verfügte König Ludwig mit dem Bacharacher Zoll, wo zu dieser Zeit (unter Hinzuzählung der von ihm verschriebenen Aufschläge) 16 oder 17 Turnosen und ein Sonderzoll von sechs Turnosen auf elsässische Waren lagen96, wohl mit Abstand über die meisten Zollturnosen. Ob auch der zweite pfalzgräfliche Rheinzoll in Kaub mit mindestens sechs Turnosen 97 dazu gezählt werden kann, ist fraglich. Trotz des wenige Monate zuvor erfolgten förmlichen Verzichts seines Bruders Rudolf auf Bayern und die Rheinpfalz 98 ist die Hebestelle anscheinend nicht in Ludwigs Besitz gelangt. Möglicherweise konnte sich sein mit ihm verfeindeter Schwager Graf Gerlach von Nassau, der Bruder von Rudolfs Frau Mechthild, dort noch mehrere Jahre behaupten 99 . Zum Ersatz bezog der Wittelsbacher lediglich Einkünfte aus den neun Remagener Turnosen, die er sich allerdings noch mit Johann von Böhmen teilen mußte. Ob dessen
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96 97
98 99
Im Juni 1314 verschrieb der Erzbischof vier Turnosen von seinem alten Bonner Zoll (REK IV, Nr. 835); der neue Zoll betrug acht Turnosen (vgl. R E K I V , Nr. 816,887). Vgl. zu Andernach und Rheinberg die Urkunden König Friedrichs vom 27. November 1314 (REK IV, Nr. 886, 887). Eine genauere Einschätzung ist nicht möglich, da die Höhe des Neusser Zolls zu dieser Zeit nicht bekannt ist. Seit der Mitte des 15. Jahrhunderts betrug er (in Zons) 1 Gulden 2 Albus/Zollfuder ( R A Arnheim, Gelderse Rekenkamer, Nr. 809 (ca. 1450); H S t A D Kurköln II, Nr. 5242, fol. 7 (1484), also ca. 19 Turnosen [vgl. dazu H S t A D Kurköln II, Nr. 5238]). Zu Beginn des 14. Jahrhunderts war er mit Sicherheit deutlich niedriger. M G H Const. V, Nr. 436; vgl. dazu TROE, Münze, S. 277-282. Diese waren noch von Heinrich VII. bis zum 24. Juni 1314 zusätzlich zu einem dort offenbar bereits bestehenden Zoll bewilligt worden (MGH Const. IV, Nr. 731) und dürften auch in der Folgezeit bestanden haben. Vgl. dazu THOMAS, Ludwig der Bayer, S. 82 f. So TROE, Münze, S. 286 f. Zwar bestätigte Ludwig am 19. Juni 1317 die Zollfreiheit des Klosters Eberbach zu Kaub, Bacharach und Fürstenberg (ROSSEL, U B Eberbach, Nr. 736 - RPR I, Nr. 1947), doch beweist dies nicht unbedingt die tatsächliche Verfügung.
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Ansprüche der >Preis< für seine Mitwirkung am Landfrieden waren oder auch aus dessen Pfandrechten am Bacharacher Zoll rührten, läßt sich dabei nicht entscheiden 100 . Auch der Trierer Erzbischof Balduin von Luxemburg gab durch seine Teilnahme am Landfrieden einen erheblichen Teil seines erst wenige Jahre zuvor aufgebauten Zollbesitzes von zehn Turnosen, vier in Boppard und sechs in Koblenz, auf: Vom Landfriedenszoll erhielt der Metropolit anscheinend vier der sieben königlich-fürstlichen Turnosen in Koblenz, während dem Mainzer Erzbischof Peter von Aspelt dort drei Turnosen zustanden 101 . Wie hoch dessen Einbußen waren, läßt sich nicht bestimmen, da für diese Zeit weder die Höhe des Lahnsteiner noch die des Ehrenfelser Zolls bekannt ist. Es ist auffallend, daß im Landfrieden die sonstigen Inhaber von Rheinzöllen zwischen Köln und Mainz geschont wurden. Dem Grafen Berthold III. von Katzenelnbogen, der aktiver Parteigänger Ludwigs war102, wurde »der alte Bopparder Zoll von 27 Hellern« belassen; dieser Zoll war wohl identisch mit dem 1282 an seinen Vater Graf Eberhard I., den Begründer der jüngeren Linie, verpfändeten Reichszoll103. Der Landfrieden dürfte nicht einmal eine geringe Senkung des Zollsatzes bewirkt haben; denn die 27 Heller entsprachen - was fast durchgängig übersehen wird, weil man ohne Grund von einem Schiffs- statt einem Warenzoll ausgeht - bei dem üblichen Kurs von drei Heller/Denar exakt den neun Brabanter Pfennigen, die 1354104 als Katzenelnbogener Zoll(-anteil) in Boppard bezeugt sind. St. Goar, der andere Katzenelnbogener Rheinzoll, den die auf wittelsbachischer Seite stehende jüngere Linie (Berthold III., Eberhard II.) und die habsburgisch gesonnene ältere Linie105 der Grafen gemeinsam besaßen, wurde auf den alten Bergfahrtzoll beschränkt und damit kaum zufällig auf den Teil, an dem die jüngere Linie Rechte hatte 106 . Dagegen
100 Vgl. zu den Remagener Zolleinkünften König Johanns REICHERT, Landesherrschaft, S. 235, der bei seiner Annahme, daß Johann von der Zollaufhebung nicht unmittelbar betroffen gewesen sei, dessen Bacharacher Pfandrechte unberücksichtigt läßt. 101 Vgl. VOGT, REM 1.1, Nr. 1965. Aus dem Mainzer Anteil von drei Turnosen an den insgesamt sieben königlich-fürstlichen Turnosen in Koblenz ergibt sich der Trierer Anteil. Vgl. TROE, Münze, S. 223. 102 Vgl. z. B. DEMANDT, Reg. Katz. I, Nr. 5 5 4 , 5 6 9 , 5 8 0 .
103 Vgl. unten S. 668. 104 M G H Const. XI, Nr. 281 (nicht in DEMANDT, Reg. Katz.!). 105 Graf Dieter VI. von Katzenelnbogen aus der älteren Linie hatte sich für die Wahl Friedrichs des Schönen eingesetzt, war aber am 11. Mai 1315 auf dem vom Habsburger abgehaltenen Baseler Hoftag im Turnier getötet worden (DEMANDT, Reg. Katz. I, Nr. 556). Über die politische Haltung seines ihm nachfolgenden Bruders Wilhelm I. liegen keine direkten Hinweise vor. 106 Die genauen Besitzverhältnisse sind nicht ganz klar. Die Witwe Graf Dieters VI. (siehe zu ihm die vorige Anm.), Katharina von Kleve, hatte am 11. November 1316 das Kloster Eberbach für seine rheinaufwärts fahrenden Schiffe von ihrem Teil des Zolls zu St. Goar befreit (DEMANDT, Reg. Katz. I, Nr. 576 mit Anm.). Ein Jahr später, also nach
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fiel der Talfahrtzoll, den offenbar die ältere Linie allein besaß, unter das Zollverbot des Landfriedens. Gleiches gilt für den neuen Bergfahrtzoll, von dem nicht bekannt ist, wie die Einkünfte auf die beiden Linien verteilt wurden 107 . Entgegen der in der Literatur oft geäußerten Behauptung war der Fortbestand des alten Teils des rheinaufwärtigen St. Goarer Zolls daher wahrscheinlich durch die politische Lage des Thronstreits bedingt und kann nicht als Beleg für allgemein vormals nur bei Bergfahrt erhobene Rheinzölle herangezogen werden. Da sich die vom Landfrieden verursachten Zollverluste Graf Bertholds - sofern sie überhaupt entstanden - in engen Grenzen hielten, war es vertretbar und keine Benachteiligung, daß er nicht an dem neu errichteten Landfriedenszoll beteiligt wurde 108 . Eine Beurteilung der Verhältnisse am Geisenheimer Zoll ist vergleichsweise schwierig. Zwar geht aus der Formulierung der Landfriedensurkunde klar hervor, daß ein Teil der Geisenheimer Abgabe niedergelegt wurde und nur der alte schifzol fortbestehen sollte, doch kann das Ausmaß dieses Eingriffs durch die Lückenhaftigkeit zuverlässiger Quellen - ein großer Teil des gesamten Materials über den Geisenheimer Zoll steht zumindest in dem Verdacht, freie Fälschung des 18. Jahrhunderts zu sein 109 - kaum abgeschätzt werden. Über die politische Haltung des Rheingrafen Siegfried im Thronstreit läßt sich immerhin soviel sagen, daß er 1320 von Ludwig die lehnsherrliche Erlaubnis zur Bewittumung seiner Schwiegertochter
Inkrafttreten des Landfriedens, verfügte Junker Eberhard II. aus der jüngeren Linie über einen Teil des rheinaufwärtigen Zolls (DEMANDT, Reg. Katz. I, Nr. 582). Am 1. April 1318 ging dieser Zollteil an seinen Onkel Graf Berthold III. bis zur Zahlung von 300 Mark über (DEMANDT, Reg. Katz. I, Nr. 588). Am 7. November 1318 verfügte Eberhard nachweislich wieder über die St. Goarer Zolleinkünfte (DEMANDT, Reg. Katz. I, Nr. 593). Erst mit der Belehnung Graf Wilhelms I. mit dem rheinaufwärtigen Zoll durch Kaiser Ludwig 1326 (DEMANDT, Reg. Katz. I, Nr. 665) ist wieder ein Mitglied der älteren Linie im Besitz von St. Goarer Zolleinkünften nachweisbar. 107 Eine genauere Definition des alten uf genden Zolls wurde in der Landfriedensurkunde nicht vorgenommen. Vielleicht verstand man darunter den Teil, der bei der Katzenelnbogener Erbteilung (um 1260) an die jüngere Linie gefallen war, und unter dem neuen Zoll die von der älteren Linie seit dem vorgenommenen Erhöhungen der Abgabensätze von stromaufwärts fahrenden Schiffen. Letzte Klarheit in den verwickelten Besitzverhältnissen ist kaum zu erzielen. 108 Allerdings verzögerte sich, wie im übrigen auch bei den Erzbischöfen von Mainz und Trier, für die Dauer des Bundes die Tilgung seiner Verschreibungen auf die Bacharacher Zollturnosen. - Graf Berthold sollte laut Urkunde Ludwigs vom 21. Januar 1315 (MGH Const. V, Nr. 211 - DEMANDT, Reg. Katz. I, Nr. 554) 1.200 Mark Silber auf zwei Bacharacher Turnosen erhalten. Bis zum 24. Juni 1317, dem offiziellen Ende des Zolls, waren ihm davon 333 Pfund Heller, also etwa 111 Mark ausbezahlt worden (MGH Const. V, Nr. 436). Vgl. dazu und zu den Pfandrechten der Metropoliten TROE, Münze, S. 2 7 7 ff. 109 Vgl. STRUCK, G e i s e n h e i m , S. 148.
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auf den Geisenheimer Zoll erhielt110, das Verhältnis zum Wittelsbacher zu dieser Zeit also problemlos war. Da Siegfried zwei Jahre zuvor aus dem Mainzer Teil des Landfriedenszolls eine erhebliche Summe (377 Pfund Heller) erhalten hatte 111 und gegenteilige Hinweise nicht vorliegen, wird man ihn schon für den Sommer 1317 zur wittelsbachischen Partei zählen dürfen. Wie Graf Berthold von Katzenelnbogen wurde der Rheingraf nicht mit einem Anteil aus dem Landfriedenszoll entschädigt, seine Einbußen dürften sich aber ebenfalls in engen Grenzen gehalten haben. Die Ausnahmen vom allgemeinen Zollverbot sind damit in erster Linie politisch zu erklären. Sie wurden von den Gründungsmitgliedern des Landfriedens aber wohl auch deshalb vorgenommen, um nicht noch mehr Teilhaber am Landfriedenszoll aufnehmen zu müssen. Als doppelte Gewinner des Bacharacher Landfriedens können im Hinblick auf die Zollregelungen die beteiligten Städte gelten. Kannten sie vor dem Landfrieden Rheinzölle nur aus der Perspektive des Zollpflichtigen, partizipierten sie nun (als Gruppe) mit gleich elf Zollturnosen, verteilt auf Köln und Koblenz, an der Abschöpfung des Rheinhandels. Eine in der Speyerer Überlieferung erhaltene Abrechnung der sechs städtischen Turnosen in Köln für 1317-1321 erlaubt sogar, den Ertrag relativ genau zu beziffern. Unter der Voraussetzung, daß die Einkünfte der fünf städtischen Turnosen am Koblenzer Zoll im Verhältnis etwa gleich hoch waren, bezogen die Städte nach Abzug der Kosten durchschnittlich etwa 12.000 Pfund Heller im Jahr aus ihrem Drittel des Landfriedenszolls 112 . Ferner profitierten ihre Kaufleute von einer erheblichen Senkung der Zollbelastung auf dem Rhein, insbesondere zwischen Köln und Mainz. Das Ausmaß der nominalen Zollreduzierung auf diesem Streckenabschnitt ist nicht exakt zu fassen, doch dürfte sie (vorsichtig geschätzt) bei etwa 40-50 % gelegen haben 113 . Der Kölner Erzbischof verzichtete auf über 22 Zollturnosen, der Trierer auf zehn, der Mainzer auf sieben oder acht114, der König auf 16 oder 17, wenn man Kaub mitrechnet, sogar
110 SAUER, Codex Nassau 1.3, Nr. 1691. 111 VOGT, R E M 1.1, Nr. 1965.
112 VOGT, REM 1.1, Nr. 1915; vgl. dazu TROE, Münze, S. 226. Es liegen keine Nachrichten darüber vor, wie die Städte die Einkünfte untereinander aufteilten. Daß die Stadt Köln als Hauptort des niederrheinischen Landfriedensbezirks einen großen Teil der Einnahmen erhielt, kann vorausgesetzt werden. 113 Die Angabe von THOMAS, Ludwig der Bayer, S. 84, daß vom Landfrieden zwischen Hördt und Köln etwa 30 Zollstätten betroffen gewesen seien, ist nicht zutreffend. D i e Zahl geht offenbar auf Sommerlads Arbeit bzw. die darauf beruhende Zollkarte im Geschichtlichen Handatlas der Rheinprovinz zurück und vermittelt ein völlig falsches Bild. Vgl. dagegen unsere Karten 13 und 14 zu 1314 bzw. 1318. 114 Unter der Voraussetzung, daß der Mainzer Erzbischof genauso wie sein Trierer Amtsbruder mit 40 % seines früheren Rheinzollbesitzes aus dem Landfriedenszoll entschädigt wurde, läßt sich aus den drei Landfriedensturnosen ein auf Lahnstein und Ehrenfels zu verteilender Gesamtzoll von IVz Turnosen hochrechnen, was eher die untere Grenze darstellen dürfte.
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auf mindestens 22 Turnosen. Insgesamt gaben der Herrscher und die Fürsten also mindestens 55, möglicherweise sogar 62 Zoll turnosen auf. Hinzu kamen Abgabensenkungen in St. Goar und Geisenheim und die Niederlegung des in seiner Höhe nicht zu beziffernden Andernacher Zolls. Dem standen nur die 33 Turnosen des Landfriedenszolls gegenüber. Sie verteilten sich auf fünf Hebestellen zwischen Koblenz und Köln, nämlich Koblenz, Andernach, Remagen, Bonn und Köln, während Ehrenfels, Bacharach, Kaub(?) und Lahnstein, alle zwischen Nahe- und Moselmündung gelegen, für die Dauer des Landfriedens ganz wegfielen. Bei einer deutlichen Gesamtentlastung des Rheinhandels zwischen Köln und Mainz wurde zugleich der Schwerpunkt der Zollabschöpfung offenbar gezielt nach Norden verlagert. In der Literatur ist die Überlegung geäußert worden, daß die große Hungersnot, die weite Teile Europas zwischen 1315 und 1317 heimsuchte und sogar die kriegerischen Auseinandersetzungen in dieser Phase des habsburgisch-wittelsbachischen Thronstreits erheblich behinderte, ein Grund für die Zollsenkungen des Landfriedens gewesen sei, weil man durch eine Kostenentlastung des Handels die Lebensmittelpreise habe senken wollen115. So naheliegend ein solches Handeln vielleicht für moderne Wirtschaftspolitik wäre, so fraglich ist es, ob die am Landfrieden von 1317 teilnehmenden Zollinhaber ähnliche Überlegungen angestellt haben. In der Landfriedensurkunde findet sich darauf kein konkreter Hinweis. Als Motivation für den Abschluß des Bundes wird lediglich allgemein auf den Nutzen für Stadt und Land verwiesen: daz die koflute unde anderz ein ieglicher mugent wandeln fridelichen.
Daß
zur gleichen Zeit gerade auch im Westen des Reiches Tausende verhungerten - eine den Entscheidungsträgern zweifellos bekannte Tatsache 116 - , ist weder diesem noch anderen zeitgenössischen Texten zu entnehmen, die (Rhein-)Zölle zum Gegenstand hatten. Selbst wenn man voraussetzt, daß dem König und den Fürsten eine tendenziell preissteigernde Wirkung von Transitzöllen bewußt war, bleibt offen, wie sie diesen Umstand bewerteten, und ob sie ihren Rheinzöllen tatsächlich einen so großen Anteil an der Lebensmittelteuerung beimaßen, daß sie in einer Abgabenentlastung des Handels ein adäquates Mittel zur Senkung der Getreidepreise sahen. Aus heutiger Sicht war es das jedenfalls kaum. Das auf ein Mehrfaches erhöhte Getreidepreisniveau ist vor allem auf eine Mangelsituation zurückzuführen, die durch mehrere witterungsbedingte Mißernten verursacht worden war117. Auch die Tarifierung des Landfriedenszolls, bei dem 100 Malter Korn mit 18 Schilling Turnosen, d. h. dem ca. 6,5-fachen des Zollfuders Wein ä 33 Turnosen, veranschlagt wurden, läßt nicht
115 So ist GERLICH, Peter von Aspelt, S. 286 Anm. 131, wohl zu verstehen; vgl. zur Hungersnot vor allem LUCAS, Famine. Zu den Auswirkungen auf die Kampfhandlungen vgl. HOMANN, Kurkolleg, S. 140 f.; THOMAS, Ludwig der Bayer, S. 60-63. 116 Dafür spricht die durchgängige Erwähnung in den zeitgenössischen Chroniken. König Ludwig erließ nach der Mißernte von 1317 zusammen mit seinem Neffen, Heinrich von Niederbayern, sowie den Bischöfen und Herren des Landes Bayern ein einjähriges Brauund Mälzverbot (vgl. THOMAS, Ludwig der Bayer, S. 61). 117 Vgl. LUCAS, Famine, passim.
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erkennen, daß eine besondere Abgabenentlastung für Getreide beabsichtigt war. Ein Bemessungsverhältnis von 1:6 (Zollfuder Wein/100 Malter Getreide) wurde an den Rheinzöllen seit der Mitte des 13. Jahrhunderts durchgängig gehandhabt 118 , so auch noch im Juni 1314, also vor Ausbruch der Hungersnot, am kölnischen Zoll Bonn 119 . Mag der Bacharacher Landfrieden von König Ludwig und den drei beteiligten Wahlfürsten vor allem aus politischen Gründen errichtet worden sein - als Hauptinitiatoren der zollsenkenden Maßnahmen können jedenfalls die beteiligten Städte gelten 120 , die gleichzeitig zu den wichtigsten Handelszentren der Rheinlande zählten. Denn ihre Kaufleute waren an erster Stelle der enormen Steigerung der Abgabenbelastung ausgesetzt, die im vorangegangenen Jahrzehnt entlang des Rheins zwischen Köln und Mainz stattgefunden hatte. So betrugen allein die seit dem Regierungsantritt Heinrichs VII. nachweisbaren Zollerhöhungen - die von Albrecht I. abgestellten und von seinem luxemburgischen Nachfolger wieder verliehenen Zölle sind noch hinzuzurechnen - in Bonn acht, in Andernach zehn 121 , in Koblenz sechs122, in Boppard vier123, in Kaub sechs124, und in Bacharach zehn Turnosen 125 , insgesamt also 44 Turnosen. Auch die Zollsätze an anderen Hebestellen wurden in dieser Zeit eher höher als niedriger, doch liegen darüber keine konkreten Nachrichten vor. Sehr viel eher als die Hungersnot dürfte daher die hier skizzierte Abgabenvermehrung den Druck der Städte auf eine wenigstens die sieben Jahre des Landfriedens andauernde Zollreform verursacht haben. Daß es den Beteiligten nicht um eine dauerhafte Neuordnung des rheinischen Zollwesens nach dem Vorbild Albrechts ging bzw. daß eine solche von den Städten nicht durchsetzbar war, daß man vielmehr nach Ablauf der Friedensdauer wieder zu den alten Verhältnissen zurückzukehren plante, ist kaum zu bezweifeln. Weitgehend unklar ließ man, inwieweit ein Eingriff in die Zollverhältnisse des Niederrheins erfolgen sollte. Nach den Bestimmungen des Landfriedens waren zwischen Köln und Antwerpen alle »neuen« Zölle abzustellen; den alten Abgaben wurde ausdrücklich der Fortbestand zugesagt, ohne daß man aber die Kriterien zur Unterscheidung beider Zollarten angab. Vielleicht galt der Tod Rudolfs von Habsburg, wie in den Wahlzusagen Ludwigs für Balduin von Trier 126 , als Stichdatum, doch ist dies keineswegs sicher. Nur der kölnische Rheinzoll in Rheinberg fiel eindeutig
118 1252 in Braubach (SAUER, Codex Nassau 1.1, Nr. 577) und 1282 in Boppard (ENNEN, Quellen III, Nr. 216). 119 R E K IV, Nr. 835. 120 So schon FUEDNER, Rheinzölle, S. 18 f. 121 Vgl. zu Bonn und Andernach REK IV, Nr. 887. 122 U Q B VII, Nr. 1271; MGH Const. V, Nr. 63; MGH Const. V, Nr. 160. 123 M G H Const. V, Nr. 156. 124 M G H Const. IV, Nr. 731. 125 Der alte Zoll betrug 1314 (MGH Const. V, Nr. 110) sechs Turnosen, 1317 lagen dort 16 oder 17 Turnosen (vgl. TROE, Münze, S. 278 ff.). 126 M G H Const. V, Nr. 159 (für das trierische Gebiet).
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unter das Verbot, da der Rechtstitel der Abgabe erst 1314 von König Friedrich geschaffen worden war 127 und von der wittelsbachischen Partei mit Sicherheit nicht anerkannt wurde. Die anderen zu dieser Zeit bestehenden niederrheinischen Transitzölle des Kölner Erzbischofs (Neuss), der Grafen von Jülich (Kaiserswerth), Berg (Duisburg), Kleve (Büderich, Huissen, Nimwegen) und Geldern (Lobith) sowie des Herren von Lek (Schmithausen) gingen als Hebestellen - für die Höhe der Zollsätze läßt sich dies nicht nachvollziehen - mindestens in die Zeit Rudolfs von Habsburg zurück; sie konnten also nach diesem Kriterium als alte Zölle gelten. Man gewinnt den Eindruck, daß am Niederrhein in erster Linie der erst kürzlich erworbene Rheinberger Zoll des Kölner Erzbischofs Ziel des Zollverbots war, während die benachbarten Dynasten dieses Raumes vom Landfrieden keine Einbußen ihrer Flußzölle zu erwarten hatten, sieht man davon ab, daß eventuelle Zollerhöhungen zumindest der Norm nach rückgängig zu machen waren. Freilich gibt es weder Hinweise auf eine tatsächliche Abstellung des Rheinberger Zolls noch auf eine Senkung der Zollsätze am Niederrhein. Das Ausgreifen des Bacharacher Landfriedens nach Nordwesten ist indes nicht nur als zusätzliches Druckmittel gegen den Kölner Metropoliten zu sehen. Mit dem Verbot aller neuen Zölle im Gebiet von niderthalb Kolne bitze Antwerf ging man weit über dessen Machtbereich nach Westen hinaus. Offenbar unter dem Einfluß der Stadt Köln, vielleicht auch Aachens, bekundete man einen zollpolitischen Regelungsanspruch für die neben dem Rhein wohl wichtigste Handelsroute im Westen des Reiches, die Straße Köln-Antwerpen, auf der ein großer Teil des Warenaustausches mit Flandern und Brabant abgewickelt wurde 128 . Eine nachweisbare Wirkung auf die Zölle in diesem Raum hat der Landfrieden allerdings nicht entfaltet. Der unter so offensichtlichem Druck erfolgte Beitritt Heinrichs von Virneburg war, wie sich kaum überraschend bald zeigte, keine tragfähige Basis für die Einbindung des Kölner Metropoliten in den Bacharacher Landfrieden. Die Gründe dafür hat man weniger in reichspolitischen Gegensätzen zu suchen, weil Heinrich - im Gegensatz zu dem von der wittelsbachischen Partei dominierten Landfriedensbund - nach wie vor den habsburgischen König unterstützte 129 , als vielmehr in den zahlreichen territorialen Konflikten, die zwischen dem Erzbischof und seinen niederrheinischen
127 MGH Const. V, Nr. 139. 128 Vgl. aus der Fülle der Literatur nur die grundlegende Arbeit von HOUTTE, Handelsbeziehungen; auf die Handelswege geht am Rande auch ein HIRSCHFELDER, Handelsbeziehungen, S. 299 ff.; zum Jülicher Territorium als einem der wichtigsten Transitgebiete westlich von Köln vgl. HERBORN, Handel; zu den Landverbindungen Kölns mit den Niederlanden siehe BRUNSAVECZERKA, Handelsstraßen, S. 487-514 mit den Karten Nr. 16,17,23c, 24. 129 In diesem Sinne ist wohl SCHWALM, Landfrieden, S. 20 f., zu verstehen.
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Nachbarn schwelten130. Daß beide Seiten seit Juli 1317 im Landfrieden vereinigt waren, erleichterte allenfalls vorübergehend den friedlichen Ausgleich der Interessengegensätze 131 . Längerfristig hatte es zur Folge, daß der ohnehin heterogene Landfriedensbund mit weiteren Spannungen belastet wurde. In den Vordergrund des Konfliktes, der sich seit der Jahreswende 1317/1318 deutlich abzeichnete 132 , trat aber der Widerstand des Erzbischofs gegen die ihm abverlangten Zolleinbußen. Wie die anderen Landfriedensmitglieder war der Kölner zwar durch Anteile an dem neu errichteten Landfriedenszoll entschädigt worden, doch mit einer sehr viel geringeren Quote als z. B. sein Trierer Amtsbruder Balduin von Luxemburg. Heinrich von Virneburg mußte oberhalb von Köln über 22 Zollturnosen am Rhein niederlegen (jeweils mehr als zehn Turnosen in Andernach und zwölf in Bonn) und erhielt je drei Turnosen in Bonn und Andernach. Balduin von Trier verzichtete auf zehn Turnosen (sechs in Koblenz und vier in Boppard) und wurde mit vier Turnosen in Koblenz abgefunden. Die Kölner Entschädigungsquote betrug damit weniger als ca. 27%, während die Trierer bei immerhin 40 % lag - oder anders ausgedrückt: Bei Anwendung der Trierer Quote hätte der Anteil Heinrichs von Virneburg am Landfriedenszoll um die Hälfte höher gelegen, nämlich bei neun statt nur sechs Turnosen. In welchem Verhältnis sich der Rheinzollbesitz König Ludwigs durch den Landfrieden verringerte, ist nicht exakt zu bestimmen, doch dürfte seine Quote eher der Trierer als der Kölner angenähert gewesen sein133. Diese offensichtliche Benachteiligung bei der Aufteilung des Landfriedenszolls, die Errichtung von gleich zwei neuen und vom ihm nicht zu kontrollierenden Zöllen
130 Der am 29. Oktober 1317 verkündete Schiedsspruch zwischen der kölnisch-märkischen und der jülich-klevischen Partei (LAC. III, Nr. 163 - REKIV, Nr. 1004) umfaßt nicht weniger als 121 Punkte, wobei in vielen Fällen keine endgültige Regelung zustande kam. Vgl. KRAUS, Jülich, S. 216 ff., und KASTNER, Territorialpolitik, S. 127 ff. 131 Siehe die vorherige Anmerkung. 132 Vgl. REK IV, Nr. 1014,1015. Trotz häufiger Erwähnung in der Literatur ist der Konflikt in seiner Gesamtheit bislang nicht näher untersucht worden. 133 Die Höhe der Quote hängt zum einen davon ab, ob man den Kauber Rheinzoll (mindestens sechs Turnosen) hinzurechnet, zum anderen, wie sich die neun Landfriedensturnosen in Remagen auf König Ludwig und König Johann von Böhmen verteilten. Zählt man nur den Bacharacher Zoll von 16 oder 17 Turnosen zum Zollbestand des Wittelsbachers und nimmt man an, daß er in Remagen sieben Turnosen bezog (es dürften kaum weniger gewesen sein), ergibt sich eine Quote von ca. 41-43%; zählt man Kaub hinzu, obgleich Ludwig darüber de facto nicht verfügt haben dürfte, und veranschlagt seinen Remagener Anteil auf sechs Turnosen, kommt man auf ca. 27%. Nur wenn man also für den König den ungünstigsten und für den Kölner Erzbischof den günstigsten Fall annimmt - der Verlust von 22 Turnosen stellte ja nur die Untergrenze dar - , wurden beide etwa in gleichem Maße aus dem neuen Landfriedenszoll entschädigt. Berücksichtigt man noch, daß Heinrich von Virneburg (wenigstens der Norm nach) auf die vier Rheinberger Turnosen verzichten mußte, sinkt seine Quote sogar auf nur ca. 23%. Vergleichbare Berechnungen für den mainzischen Zollbesitz sind nicht möglich.
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(Köln und Remagen) innerhalb eines Gebiets, in dem er ein Zollmonopol beanspruchte, und nicht zuletzt die Ertragsausfälle, die sich nach einem halben Jahr des Bacharacher Zollsystems vielleicht höher als befürchtet herausgestellt hatten, dürften zu den Hauptgründen gezählt haben, die den Kölner Erzbischof im Bereich der Rheinzölle die offene Konfrontation mit dem Bacharacher Landfrieden suchen ließen. Da Heinrich von Virneburg formal noch Mitglied des Bundes war und von sich aus nicht tätig werden konnte, ohne offenkundigen Landfriedensbruch zu begehen, mobilisierte er König Friedrich, dessen Unterstützung er sich bei seinem Beitritt am 9. Juli 1317 ja ausdrücklich vorbehalten hatte 134 . Der Habsburger, der bislang auf die Umstrukturierung der Rheinzölle unter der Ägide seines wittelsbachischen Konkurrenten nicht reagiert hatte, richtete am 10. Februar 1318 ein Mandat an den Erzbischof, das ganz offensichtlich nach dessen Wünschen gestaltet war135. Er habe vernommen, so Friedrich, daß sich gewisse Städte in den Rheinlanden vorgeblich zum Schutz des Friedens zusammengeschlossen und unter dem Vorwand, den Frieden dadurch besser verteidigen zu können, neue Zölle in Koblenz, Remagen und Köln eingerichtet hätten, die wider menschliches und göttliches Recht nicht nur von Weltlichen, sondern auch von Geistlichen erhoben würden. Obgleich allein schon dies zweifellos eine Mißachtung des Heiligen Römischen Reiches und seiner eigenen königlichen Majestät darstelle, hätten die Städte darüber hinaus den Erzbischof zur Abstellung der Zölle in Andernach und Bonn gezwungen, die Heinrich aufgrund seiner und der Kölner Kirche Verdienste durch königliche Ermächtigung besitze, und ihn zum Beitritt in ihre nur zum Schein dem Frieden dienende Verschwörung genötigt. Da er, der König, diesen Verletzungen seiner königlichen Majestät nicht persönlich entgegentreten könne, beauftrage er hiermit den Erzbischof als mächtigste Säule des Reiches, mit Hilfe der Reichsgetreuen diese neuen Zölle aufzuheben und die hergebrachten kölnischen Zölle wieder einzurichten. Wer dagegen Widerstand leiste, solle als Majestätsverbrecher behandelt werden (d. h. ihm drohte Tod und Vermögenseinzug). Alle dahingehenden Maßnahmen des Erzbischofs werde er bestätigen. Heinrich von Virneburg hatte sich damit ein königliches Mandat verschafft, das ihn mit sehr weitgehenden Vollmachten austattete, ihm in der Anwendung großen Spielraum ließ und den Gegnern schwerste Strafen androhte. Der habsburgische König, der recht deutlich sein Unvermögen zu eigenen Maßnahmen eingestehen mußte, dürfte kaum gezögert haben, Heinrich von Virneburg die gewünschte Unterstützung wenigstens in dieser Form zu gewähren. Nicht nur waren die Interessen seines wichtigsten Parteigängers am Rhein betroffen, auch seine eigene zollpolitische
134 dat wir die eyndreichtegeit inde de satzunge des lantfrieden ... seven jair zu durene hayn geloift in goden truwen inde siggereit in eystat zu haldene, zu beschirmene na unser maigt. Beheltenisse uns dat wir deme koninge, den wir gekoren hayn, helpen mögen mit al unser maigt inde dat wir damede weder den lantvriede neit in missedun, M G H Const. V, Nr. 435 - R E K IV, Nr. 996. 135 M G H Const. V, Nr. 472 - REK IV, Nr. 1022.
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Stellung als König war direkt berührt. Wenn Friedrich seinen Gegnern die Verfolgung als Majestätsverbrecher androhte, sollte damit zweifellos den erzbischöflichen Aktionen erhöhte Autorität verschafft werden 136 , doch abgesehen von diesem eher funktionalen Aspekt hatte der Habsburger (subjektiv) durchaus berechtigten Grund, die Zollumstrukturierung des Bacharacher Landfriedens als Angriff auf seine maiestas zu interpretieren. Denn waren seine Zollverleihungen und -Verlegungen zugunsten des Kölner Erzbischofs in den ersten Jahren des Thronstreits von der Gegenseite zumindest de facto akzeptiert worden, griffen der Wittelsbacher und seine Anhänger nun mit Hilfe des Landfriedens aktiv in den Bereich des als habsburgische Interessensphäre beanspruchten Zollraums 137 ein und, so konnte es Friedrich immerhin deuten, forderten ihn damit zu Gegenmaßnahmen heraus. In erster Linie spiegelt das Zollmandat sicher die kölnische Interessenlage; es ist aber in seiner spezifischen Ausgestaltung auch als Versuch des Habsburgers zu einer wenigstens formalen Behauptung seines zollpolitischen Einflusses am Rhein zu sehen. Besonders ausdauernd hat er dieses Ziel allerdings nicht verfolgt; der Erzbischof blieb weitgehend auf sich gestellt. Heinrich von Virneburg hat sich in der Folgezeit nicht explizit auf dieses Mandat berufen, aber aus seinem Verhalten kann man schließen, daß er darin - durchaus nicht grundlos - einen Freibrief zur gewaltsamen Verfolgung seiner (Zoll-)Interessen gesehen hat. Eine erste direkte Nachricht 138 von offenen Auseinandersetzungen, die anscheinend bereits einige Zeit vorher begonnen hatten, gibt die Klage, die der Kölner Bürger Johann von Bayen am 2. April 1318 im Namen des Grafen von Jülich und der Stadt Köln auf dem Treffen der im Landfrieden zusammengeschlossenen mittelrheinischen und wetterauischen Städte in Oppenheim gegen den Erzbischof von Köln wegen Landfriedensbruchs mit der Bitte um Hilfe erhob 139 . Obwohl sich der Metropolit mit seinem Beitritt zum Landfrieden zum Schutz des Handels verpflichtet habe, verliere der Kaufmann im Kölner Erzstift Hab und Gut unde wirf gezollit unde gevangen unde beroubet. Auch der Erzbischof von Trier habe sie (die Adressaten) schon öffentlich um Unterstützung gemäß den in Bacharach vereinbarten Bestimmungen ersucht. Wenn die oberen stede die geforderte Hilfe gegen den Landfriedensbruch verweigern sollten, der den Trierer Erzbischof durch die Lähmung des
136 Vgl. zum Einsatz der Lex Julia (crimen laesae maiestatis) als königliches Herrschaftsmittel im Spätmittelalter SCHUBERT, König und Reich, S. 139-146. Dieses Zollmandat bietet ein weiteres Anwendungsbeispiel. Da Ludwig 1317 die Anhänger Friedrichs als Majestätsverbrecher hatte verurteilen lassen (vgl. SCHUBERT, König und Reich, S. 141), hat man das Mandat an den Kölner Erzbischof vielleicht auch als Reaktion darauf zu verstehen. 137 Vgl. dazu vor allem das Privileg Friedrichs für den Kölner Erzbischof vom 27. November 1314 (MGH Const. V, Nr. 140 - REKIV, Nr. 887); siehe auch oben S. 505 f. 138 Die im Februar und März 1318 nachweisbaren Maßnahmen des Kölner Erzbischofs (REK IV, Nr. 1024, 1025, 1027) lassen lediglich Vorbereitungen auf den Konflikt erkennen, obgleich zu dieser Zeit vermutlich bereits direkte Aktionen stattfanden. 139 MGH Const. V, Nr. 488 - REK IV, Nr. 1036.
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Verkehrs jährlich 20.000 Pfund Geld koste, werde dieser ihnen die Zolleinkünfte in Koblenz sperren. Die Stadt Köln, so betonte Johann von Bayen, die ihren Verpflichtungen bekanntermaßen nachgekommen sei, wolle davon aber keinen Schaden erleiden. Über die von den Adressaten beklagte eigenmächtige Verwendung Kölner Zolleinkünfte werde sich die Stadt Köln auf der nächsten Städteversammlung rechtfertigen. Da der Graf von Holland als landvoyt von Niderlant, der Graf von Jülich und die Stadt Köln sie schon wiederholt um Hilfe gegen das Kölner Erzstift ersucht, aber keine endgültige Antwort erhalten hätten, sei dies die letzte Aufforderung. Konkreter Hintergrund dieser Hilfeersuchen der niederrheinischen Landfriedensverbündeten und des Trierer Erzbischofs war die von ihnen seit Ende Februar/Anfang März durchgeführte Belagerung der kölnischen Feste Brühl 140 . Von ihr aus hatte Heinrich von Virneburg anscheinend systematisch - der formelhafte Vorwurf des Landfriedensbruchs läßt dies nur andeutungsweise erkennen - vor allem den Handelsverkehr der Stadt Köln gestört. Der Vorwurf der übermäßigen Zollerhebung weist darauf hin, daß der Metropolit, wie nach dem Mandat Friedrichs zu erwarten war und aus späteren Quellen direkt hervorgeht, auch die vom Landfrieden veranlaßten Reduzierungen seiner Zölle Andernach und Bonn rückgängig gemacht hatte. Freilich war der fiskalische Aspekt zunächst deutlich untergeordnet. Priorität hatte die Schädigung, nicht die Abschöpfung des Handels von und nach Köln. Von den Auswirkungen zeugt die (zweifellos übertriebene) Klage Balduins von Trier über Verluste durch einen Rückgang des Verkehrs im Kölner Erzstift, womit nach Lage der Dinge in erster Linie eine Verminderung seiner Koblenzer Zolleinkünfte gemeint gewesen sein dürfte. Direkte Aktionen gegen die Hebestellen des Landfriedens in Koblenz, Remagen und Köln, wozu ihn das Zollmandat Friedrichs ebenfalls ermächtigte, scheint Heinrich von Virneburg nicht unternommen zu haben; es hätte seine Möglichkeiten wohl auch überfordert. Etwas undurchsichtig ist die Reaktion der Städte in den beiden südlichen Landfriedensbezirken auf das wiederholte Hilfegesuch vom Niederrhein. Obgleich ihre Handels- und Zollinteressen durch den Kölner Erzbischof ebenfalls beeinträchtigt wurden - darauf verwies auch Johann von Bayen 141 - , versuchten die Städte offenbar in der Hoffnung, daß sich das Problem in der Zwischenzeit ohne ihr Zutun lösen würde, durch hinhaltende Antworten Zeit zu gewinnen. Die Stadt Köln veranlaßte das wiederum, die eigentlich den anderen Kommunen abzuliefernden Zolleinnahmen eigenmächtig zur Finanzierung der Fehde mit dem Kölner Erzstift heranzuziehen. Auf die in Mainz aufbewahrten Erträge des städtischen Anteils am Koblenzer Zoll hatte Köln dagegen keinen Zugriff, weshalb Balduin von Trier als Besitzer des anderen Zollteils und Koblenzer Stadtherr mit der Sperrung der Einnahmen drohte.
140 Vgl. REK IV, Nr. 1034 mit einer ausführlichen Zusammenstellung der historiographischen Quellen und Erörterung der Chronologie. 141 dar by daz der landfride swerliche wirt gebrochen und ist ubel unde böslichen, dar by uch uwer ere und irre unde des landis nutz under gedayn wirt unde verdrucket, MGH Const. V, Nr. 488.
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Wenn Köln ausdrücklich erklärte, dabei keinen Schaden erleiden zu wollen, weil es seinen Verpflichtungen nachgekommen sei, wird man dies als Ankündigung zu verstehen haben, sich gegebenenfalls am Zoll in der eigenen Stadt auf Kosten der säumigen Verbündeten an Mittelrhein und Main schadlos zu halten. Zwar ist die geforderte tatkräftige militärische Unterstützung anscheinend weiterhin ausgeblieben; es fehlt aber jeder Hinweis auf die Durchführung der von Balduin angedrohten Sanktionen. Vermutlich wurde ein für beide Seiten akzeptabler Modus gefunden, etwa in der Art, daß die Kölner Zolleinkünfte für eine bestimmte Zeit ganz der Verfügung der niederrheinischen Gruppe überlassen wurden und diese im Gegenzug nicht mehr auf der Entsendung von Truppen bestand. Genaueres ist allerdings nicht bekannt. Bei der Belagerung von Brühl im Frühjahr 1318 konnten die niederrheinischen Landfriedensverbündeten zumindest einen Teilerfolg erzielen. Zwar gelang auch nach mehreren Monaten nicht die Eroberung der Feste, doch war der Druck immerhin so groß, daß sich Heinrich von Virneburg zum Einlenken entschloß. Am 17. Juni 1318 akzeptierte er seine Amtsbrüder von Trier und Mainz sowie den Deutschordenshochmeister Karl als Schiedsrichter für einen bis zum kommenden Weihnachtsfest zu fällenden Schiedsspruch und lieferte Brühl innerhalb der nächsten beiden Tage als Sicherheit an Balduin aus142. Daß die Erzbischöfe von Mainz und Trier - obgleich sie als Begründer des Landfriedens eigentlich Partei waren - zwischen Heinrich und der Stadt Köln bzw. dem Grafen von Jülich vermitteln konnten, läßt aufhorchen. Es war, wie sich bald herausstellte, erstes Zeichen einer Annäherung zwischen den drei rheinischen Erzbischöfen, die für die weitere Entwicklung des Landfriedens und seines Zollsystems von erheblicher Bedeutung werden sollte, ganz absehen von den Folgen für den Thronstreit in den Rheinlanden. Daher ist es schon bezeichnend, daß der Kölner und der Trierer Metropolit zur Beilegung der beiderseitigen Differenzen ihren Mainzer Amtsbruder bestellten. Peter von Aspelt entschied am 22. August 1318, daß alle Feindseligkeiten auf Dauer aufhören sollten und Heinrich von Virneburg für den Balduin am Leutesdorfer Zoll zugefügten Schaden - gemeint war wohl die von Heinrich 1314 durchgesetzte Abstellung der auf trierischem Gebiet gelegenen Hebestelle - 200 Pfund Turnosgroschen in acht Jahresraten zu zahlen habe 143 . Alle anderen zwischenzeitlich geschehenen Auseinandersetzungen erwähnte der Mainzer Erzbischof mit keinem Wort, offenbar sollten sie auf sich beruhen. Obgleich die Entschädigungssumme durchaus beachtlich war, zeigt schon die lange Zahlungsfrist, mehr aber noch der Verzicht auf alle weiteren Ansprüche, daß Balduin dem Kölner Metropoliten weit entgegen gekommen sein dürfte. Daß es später doch wieder zu Auseinandersetzungen kam, ist zweifellos nicht mangelnder Trierer Konzessionsbereitschaft zuzuschreiben. Der Ausgleich zwischen den Erzbischöfen von Köln und Trier war jedoch nur Auftakt und Vorbedingung einer sehr viel wichtigeren Über-
142 REK IV, Nr. 1048-1055. 143 REK IV, Nr. 1067.
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einkunft, die von den drei Metropoliten am 23. August 1318 in Koblenz erzielt wurde: Sie schlössen nämlich ein Bündnis, das jedem von ihnen die Unterstützung des von ihm gewählten Königs freistellte, sofern sich dies nicht gegen einen der Vertragspartner richtete. Wenn sich einer der beiden Herrscher im Thronstreit endgültig durchsetzte, sollte(n) sein(e) Wähler nach Kräften dafür sorgen, daß der Besitzstand der oder des anderen Kirchenfürsten erhalten blieb. Der Landfrieden war dadurch nicht aufgehoben. Vielmehr bestätigten die drei Erzbischöfe ausdrücklich seine Fortdauer und trafen Regelungen für den Austrag von Streitigkeiten zwischen ihren Anhängern und Untertanen 144 . Die hier nur in ihrer zollpolitischen Bedeutung zu skizzierenden Konsequenzen des vieldiskutierten Koblenzer Bündnisses145 sind relativ klar zu fassen: Die drei Erzbischöfe nahmen davon Abstand, den Thronstreit in den Rheinlanden auszutragen, wo er zu einer Gefährdung ihrer Erzstifter werden konnte 146 . Vielleicht stand dabei sogar, wie Thomas vermutet, im Hintergrund eine gewisse Sorge um den Handel, an dem alle drei Partner über ihre Zölle fiskalisch partizipierten 147 . Eine weitere Erkenntnis mag eine Rolle gespielt haben: Durch die gegenseitige Besitzstandsgarantie wurde es beiden Königen erheblich erschwert, die drei Kirchenfürsten zollpolitisch gegeneinander auszuspielen, wie dies Ludwig im Bacharacher Landfrieden und Friedrich mit dem Zollmandat vom Februar 1318 zumindest versucht hatten. Für den noch schwelenden Zollstreit am Niederrhein blieb der Bund ebenfalls nicht ohne Folgen, da sich Balduin von Trier 148 damit zunächst aus dem komplexen Streit Heinrichs von Virneburg mit der Stadt Köln und den niederrheinischen Dynasten zurückzog, was für den Kölner Erzbischof eine nicht zu unterschätzende Entlastung seiner Südflanke bedeutet haben dürfte. Am 24. Dezember 1318 fällten Balduin und sein Mainzer Amtsbruder den bei der Übergabe Brühls vorgesehenen Schiedsspruch, doch gelang es ihnen nicht, eine Regelung der Zollfragen herbeizuführen. Dieser besonders zwischen der Stadt und dem Erzbischof strittige Punkt 149 blieb vorerst ausgeklammert 150 . Immerhin entspannte
144 MGH Const.V, Nr. 502, 503 - VOGT, REM 1.1, Nr. 2041; Kiskys Regest (REKIV, Nr. 1069) übergeht den zweifellos wesentlichen Punkt, daß die Gelübde und Briefe über den Landfrieden ihre Gültigkeit behalten sollten. 145 Vgl. dazu GERLICH, Peter von Aspelt, S. 287 Anm. 135, mit weiterer Literatur und HOMANN, Kurkolleg, S. 147 f., 161.
146 GERUCH, Peter von Aspelt, S. 287 Anm. 135, weist sicher zurecht darauf hin, daß der Koblenzer Vertrag dazu beitrug, daß sich der Kampf der Gegenkönige noch stärker als bisher auf Süddeutschland konzentrierte. 147 Vgl. THOMAS, Ludwig der Bayer, S. 88. 148 Der Mainzer Erzbischof Peter von Aspelt hatte sich aus dem Streit weitgehend herausgehalten. 149 Vor allem die wiederholten Appellationen, mit denen sich der stadtkölnische Klerus gegen die Bannung durch den Erzbischof an den Papst wandte, nennen als Grund des Konfliktes zwischen Stadt und Metropolit an erster Stelle die erzbischöflichen Rheinzölle, so z. B. am 8. Juni 1319 (REK IV, Nr. 1114): pretextu exactionum, que theolonia in
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sich vorübergehend das beiderseitige Verhältnis. So sicherte am 4. Juli 1319 Heinrich von Virneburg unter Stellung von Bürgen für rheinabwärts von Koblenz kommende Schiffe Schutz und Geleit von Remagen bis Köln zu, vorbehaltlich einer Zollabgabe von drei Turnosen in Bonn 151 , wobei die Überlieferung der nicht adressierten Urkunde im Kölner Stadtarchiv 152 zeigt, daß sich die Zusage vor allem auf die dortigen Bürger bezog. Von Dauer war dieser Zustand jedoch nicht. Zu Beginn des Jahres 1320 brachen wieder offene Kämpfe aus, da der Erzbischof den Schied nicht beachtete und anscheinend Versuche zur gewaltsamen Aneignung der unter der Trierer Obhut stehenden Feste Brühl unternahm. Dies hatte zur Folge, daß Balduin, trotz seines seit dem Sommer 1318 erkennbaren Wunsches, sich aus den niederrheinischen Verwicklungen zurückzuziehen, mit der Stadt Köln am 12. Februar 1320 ein förmliches Bündnis gegen Heinrich schloß153. Die nach wie vor ungelösten Zollprobleme dürften keine unwesentliche Rolle beim Wiederaufflammen der Auseinandersetzungen gespielt haben, zumal die Ausgestaltung des kölnischen Geleitbriefs vom Juli 1319 eine allenfalls sehr vorläufige Einigung erkennen läßt: Zwar fixierte der Erzbischof den Bonner Zoll - gemäß den Landfriedenssatzungen - auf drei Turnosen, doch traf er auffälligerweise keine entsprechenden Bestimmungen für die Andernacher Abgabe. Da die Schiffe auf dem Weg von Koblenz nach Remagen auf jeden Fall aber diesen Rheinzoll passieren mußten, wird man annehmen können, daß man für die Behandlung der Kölner in Andernach wenigstens eine informelle, vielleicht zeitlich befristete Absprache getroffen hatte. Über deren Inhalt ist nichts bekannt, jedoch steht fest, daß sie nicht durch den Geleitbrief gedeckt war. Bezeichnenderweise erstreckte sich das Schutzversprechen des Erzbischofs nach Süden nicht über Remagen hinaus, obgleich er sonst bis zur Nettemündung (oberhalb von Andernach) die Geleithoheit beanspruchte. Abgesehen von der noch zu besprechenden Wiedererrichtung des Hammersteiner Zolls mag der Konflikt deshalb auch wegen der Behandlung der Kölner Bürger am Andernacher Zoll wieder ausgebrochen sein. Da das Bündnis der Stadt Köln mit Erzbischof Balduin von Trier im Februar 1320 offenbar noch nicht ausreichte, um Heinrich von Virneburg zum Frieden zu veranlassen, schloß sie am 2. Juni 1320 einen (erneuten) Hilfsvertrag mit Graf Gerhard von
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Ulis partibus nuncupantur et que pro parte dicti archiepisopi fuerunt ibidem occasione mercationum et aliarum rerum, que descendunt per flumen Reni. Dan uz nemen wir (sc. die Schiedsrichter) rouf und brant, di in offintlicher vientscaf gesceen siint von beiden syten, und ouch die Riinsce zulle, MGH Const. V, Nr. 519 REK IV, Nr. 1082. MGH Const. V, Nr. 552 - REK IV, Nr. 1118. Die allgemeine Form ohne Nennung des Begünstigten wurde vielleicht gewählt, weil auf der Stadt und ihrem Klerus immer noch die vom Erzbischof im Vorjahr verhängte Exkommunikation bzw. das Interdikt lasteten. Vgl. REK IV, Nr. 1031,1035 und öfter (z. B. 1114). REK IV, Nr. 1164; vgl. auch ebd., Nr. 1153,1158.
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Jülich, und zwar exakt für die restliche Dauer des Bacharacher Landfriedens bis zum 24. Juni 1324. Bemerkenswert ist an diesem Pakt vor allem, daß die Stadt dem Dynasten für die Dauer der Fehde - und nur solange - die Erhebung eines Rheinzolls in Höhe von drei Tumosen zwischen Köln und Bonn gestattete 154 . Zur Errichtung dieses Zolls ist es wohl nicht gekommen; denn nur wenige Tag nach dem Inkrafttreten des Bundes (24. Juni) lenkte der Kölner Erzbischof ein und akzeptierte am 6. Juli sogar den Grafen als Schiedsrichter155. Am 15. August 1320 verkündete Gerhard von Jülich die detaillierten Bedingungen für die Sühne zwischen Stadt und Erzbischof 156 . Wenn damit die Auseinandersetzungen schließlich beendet werden konnten, dann wohl nicht zuletzt deshalb, weil hier erstmals die seit dem Schied vom Weihnachtsabend 1318 offengelassene Zollfrage geregelt worden war: Der Erzbischof sollte auf dem Rhein zwischen Köln und der Nettemündung nur in Bonn und Andernach Zoll erheben, und zwar nicht mehr als zusammen 14 Turnosen. Alle anderen Hebestellen, insbesondere den Rheinzoll in Hammerstein, hatte er niederzulegen. Heinrich sollte die Einhaltung des Bacharacher Landfriedens für die restliche Laufzeit beschwören. Als Sicherheit dafür erhielt die Stadt Köln u. a. Burg und Stadt Brühl. Zur Tilgung seiner Schulden bei Kölner Bürgern sollte der Erzbischof drei Turnosen am Zoll Bonn und einen Turnosen am Zoll Andernach anweisen. Obwohl in der Sühne die Gültigkeit des Bacharacher Landfriedens explizit bekräftigt wurde, galt dies gerade für dessen Zollbestimmungen nicht. Danach hätten dem Erzbischof insgesamt nur sechs Turnosen oberhalb von Köln zugestanden, nun waren es vierzehn, also mehr als das Doppelte. Obgleich die Bedingungen des Friedens sonst eher zu Lasten des Metropoliten gehalten waren, hatte sich sein hartnäkkiger Widerstand damit immerhin teilweise ausgezahlt. Eine vollständige Revision gelang ihm aber nicht; denn vor Inkrafttreten des Landfriedens hatte er auf diesem Stromabschnitt mehr als 22 Turnosen erhoben. Der Hammersteiner Zoll kann im Sommer 1320 noch nicht allzu lange (wieder) bestanden haben. Zum ersten Mal ist er nach mehr als zehnjähriger Erhebungspause 1319 nachweisbar. Am 13. Oktober dieses Jahres überließ König Friedrich die Abgabe den Grafen Johann von Nassau und Simon von Sponheim(-Kreuznach) für die Dauer von insgesamt fünf Jahren, gerechnet von dem - unbekannten, aber wohl kaum sehr lange zurückliegenden - Zeitpunkt, an dem sie mit der Erhebung begonnen hätten 157 . Diese Urkunde erwähnt keine kölnischen Besitzrechte an Hammerstein, aber in der Sühne vom August 1320 wurde nur der Erzbischof als Verfügungsberechtigter über den Zoll genannt. Wie beide Angaben miteinander vereinbar sind, ist nicht völlig zu klären. Möglicherweise besaßen die Grafen nur bestimmte Zollanteile in Hammerstein, während dem Erzbischof der Hauptteil (?) der Einkünfte
154 ENNEN, Quellen IV, Nr. 78 (mit falschem Datum) - REKIV, Nr. 1179. 1 5 5 R E K IV, Nr. 1 1 8 2 . 1 5 6 LAC. III, Nr. 1 8 0 - REK IV, Nr. 1190. 157 MGH Const. V, Nr. 554. (Nicht verzeichnet bei MÖTSCH, Regesten Sponheim). Die Identifizierung Simons nach MÖTSCH, Grafschaften Sponheim, S. 6,21.
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zustand und er - dies ist sicher - den äußeren Schutz der Hebestelle zu gewährleisten hatte. Auch über die der Erhebung zugrundeliegenden Zolltitel machen die Quellen keine eindeutigen Angaben. Denkbar ist, daß der Erzbischof seine vorhandenen, vormals nur in Andernach und Bonn erhobenen Zollturnosen auch auf Hammerstein verteilt hatte und die beiden Dynasten dort einen von Friedrich verliehenen, befristeten Reichszuschlag erhoben. Mit dem Schied vom August 1320 waren die auch zollpolitisch bedingten Konflikte zwischen Erzbischof und Stadt Köln, die die Tätigkeit des Bachacharer Landfriedens in den vorangegangenen zweieinhalb Jahren geprägt hatten, durch einen für beide Seiten akzeptablen Kompromiß beigelegt worden, der aber mit den 1317 aufgestellten Zollregelungen kaum mehr in Beziehung stand. König Ludwig und sein habsburgischer Thronkonkurrent hatten dabei, sieht man von dem Zollmandat Friedrichs ab, weder an den Auseinandersetzungen noch am Zustandekommen des Ausgleichs nennenswerten Anteil, obgleich die Frage der erzstiftischen Zölle die von beiden Herrschern am Rhein beanspruchte Zollhoheit im Kern berührte. Eine Erklärung für diese Passivität liegt zum einen sicher darin, daß beide Könige in dem sich vor allem auf den Süden Deutschlands konzentrierenden Thronkampf gebunden waren. Zum anderen dürften sie ein Eingreifen in die niederrheinischen Verhältnisse für kaum lohnenswert gehalten haben, weil ihr Handlungsspielraum durch das auf gegenseitige Bestandsgarantien gegründete Neutralitätsbündnis der drei rheinischen Erzbischöfe vom August 1318 ohnehin erheblich eingeschränkt war158. Aber auch bei den anderen Mitgliedern des Bachacharer Landfriedens war die Neigung zum Engagement in den Auseinandersetzungen mit dem Kölner Erzbischof um so geringer, je weiter sie vom Schauplatz entfernt waren. Erzbischof Balduin von Trier, der 1317 den Grafen von Jülich bei der Verteidigung von Zülpich gegen Heinrich von Virneburg militärisch unterstützt 159 und im Frühjahr 1318 energisch um Hilfe der mittelrheinischen und wetterauischen Städte bei der Belagerung Brühls nachgesucht hatte, zeigte spätestens im August 1318 deutliches Interesse, sich aus dem Konflikt zurückzuziehen. Zwar mußte er zu Beginn des Jahres 1320 noch einmal gegen seinen Kölner Amtsbruder in einem Defensivbündnis mit der Stadt Köln Stellung beziehen, doch hat Balduin dabei keine nennenswerten Aktivitäten entfaltet. Bezeichnenderweise wurde der Trierer Erzbischof in der Sühne vom August 1320 mit keinem Wort erwähnt. Der Mainzer Erzbischof Peter von Aspelt ist im Rahmen dieses Konfliktes lediglich im Sommer und Winter 1318 und nur als Schiedsrichter tätig geworden. Militärisch hat er anscheinend nicht eingegriffen. Die mittelrheinisch-wetterauischen Städte, die den Landfrieden 1317 mitbegründet hatten, zeigten schon im folgenden Jahr keine Neigung, sich in der Fehde mit
158 Auch die Sühne vom August 1320 enthielt eine Klausel, daß jede Partei ihren König unterstützen könne, doch dessen Anwesenheit am Niederrhein nicht zum Anlaß von Feindseligkeiten nehmen dürfe, sondern vielmehr die andere Seite nach Kräften schirmen solle (REK IV, Nr. 1190 Art. 13). 159 Vgl. KRAUS, Jülich, S. 214.
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dem Kölner Erzbischof zu engagieren, obgleich ihre eigenen Handelsinteressen berührt gewesen sein dürften. Offensichtlich zog sich die südliche Städtegruppe in der Folgezeit noch stärker aus den Angelegenheiten des Landfriedens zurück, der als Organisationseinheit zur Friedenswahrung immer mehr an Bedeutung verlor. Klares Zeichen dafür sind die Sonderbündnisse, die die Stadt Köln 1320 mit dem Trierer Erzbischof bzw. dem Grafen von Jülich abschloß, weil die 1317 in Bacharach vereinbarten Maßnahmen zur gegenseitigen Hilfe gegen Landfriedensbrecher offenbar keine praktikable Handlungsgrundlage mehr boten. Gleichwohl behielt der Bacharacher Landfrieden zumindest am Niederrhein eine gewisse Bedeutung als Norm, auf deren Einhaltung für die volle Restlaufzeit Heinrich von Virneburg im Schied vom August 1320 explizit verpflichtet wurde. Allerdings wurde diese Norm in weiten Bereichen, so auch bei den erzstiftischen Rheinzöllen oberhalb Kölns, ganz neu definiert. In der Entwicklung des Bacharacher Landfriedens bedeutete der Tod des Mainzer Erzbischofs Peter von Aspelt Anfang Juni 1320 eine Zäsur 160 . Mit ihm ging ein wichtiges Bindeglied zwischen den ohnehin anscheinend nur noch lose verbundenen nördlichen und südlichen Gruppen der Landfriedensmitglieder verloren 161 . Diese Entwicklung wäre vielleicht noch aufzuhalten gewesen, wenn der Trierer Erzbischof Balduin den Mainzer Erzstuhl in Personalunion mitübernommen hätte, wie es dem Wunsch des Mainzer Domkapitels entsprach; so aber verschärfte sich die Trennung, als es der habsburgischen Partei im Sommer 1321 gelang, Matthias von Bucheck beim Papst als neuen Metropoliten durchzusetzen. Man hat es als Leistung Balduins gewertet, daß der neue Erzbischof kein aktiver Gegner König Ludwigs wurde und sich weitgehend neutral verhielt162. Andererseits ist aber auch nicht zu übersehen, daß Matthias bald nach seinem Einzug in Mainz den Einflußbereich seines Erzstifts in durchaus habsburgischem Sinne ordnete und sich nicht zu einer Anerkennung des Bacharacher Landfriedens bereit fand, diesem vielmehr einen neuen, wenn auch nur kurzfristigen Bund 163 entgegensetzte: Am 3. April 1322 schlössen Matthias von Bucheck und die Städte Mainz, Straßburg, Worms, Speyer und Oppenheim einen einjährigen Landfrieden von der Leberau oberhalb Straßburgs bis Bingen entlang
160 Vgl. zum folgenden THOMAS, Ludwig der Bayer, S. 92-101; HOMANN, Kurkolleg, S. 154 f.; SCHROHE, Kampf, S. 164 ff. ANGERMEIER, Königtum, S. 130, hält sogar für möglich, daß Peter von Aspelt der wichtigste Anhänger des Bacharacher Landfriedens gewesen sei. Zumindest bei den Auseinandersetzungen mit Heinrich von Virneburg, die (soweit bekannt) den Haupteil der Landfriedenstätigkeit ausmachten, trifft dieses Urteil nicht zu. 161 Daß sich König Ludwig im Oktober 1320 (erfolglos) um die Einbindung der Stadt Straßburg in einen (den Bacharacher?) Landfrieden bemühte (vgl. SCHWALM, Landfrieden, S. 57), hat man vielleicht als Versuch zu deuten, dem entgegenzusteuern. 162 Vgl. HOMANN, Kurkolleg, S. 156 f.; DEBUS, Administrator, S. 414. 163 Dies hebt THOMAS, Ludwig der Bayer, S. 99, hervor.
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des Rheins und drei Meilen landeinwärts164. Innerhalb dieses Gebiets waren alle unrechten Fluß- und Landzölle niederzulegen, mit Ausnahme der zu Land erhobenen Geleitgelder des Bischofs von Speyer, der Markgrafen von Baden und der Grafen von Nassau. Auch die alten Rheinzölle sollten fortbestehen. Gewalttaten sollten gemeinsam abgewehrt werden, wozu detaillierte Verfahrensregelungen getroffen wurden. Ausgenommen von der Verpflichtung zur gegenseitigen Hilfe waren Schäden, die als Folge des Thronstreits entstanden. Der Landfrieden sollte seine Mitglieder nicht auf einen bestimmten Herrscher verpflichteten. Im Interesse des Friedens, d. h. zur Finanzierung des Bundes, richtete man zu Oppenheim einen Geleitzoll für den Rhein- und den Landverkehr ein. Den Tarif des Flußzolls setzte man auf 30 Schilling Heller je Fuder Wein, zwei Pfund Heller je »Hundert« (Malter) Korn oder Weizen und vier Pfund Heller pro »Hundert« (Hüte) Salz fest. Andere Feldfrüchte oder Handelsgüter waren je nach (Wert-)Verhältnis zu veranschlagen. Der Landzoll betrug drei Schilling Heller pro Zugpferd; Ballen, die per Schiff herabkamen (und auf dem Landweg weitergeführt wurden), waren auf zehn Schilling Heller pro Lastkarren tarifiert 165 . Obgleich der Landfrieden im Thronstreit nach außen hin Neutralität bekundete, war es bezeichnenderweise König Friedrich und nicht der Wittelsbacher, von dem sich die Verbündeten am 13. Juni 1322 den Oppenheimer Landfriedenszoll genehmigen ließen166. Im Sommer 1322 sah für den Habsburger die allgemeine politisch-militärische Lage »mehr als erfolgversprechend« aus167; er hatte seinen Einflußbereich am Mittelrhein - auch in der beanspruchten Zollhoheit - weiter als je zuvor ausgedehnt, am Niederrhein nahm er Kontakte zu dem bisher auf Ludwigs Seite stehenden Grafen von Jülich auf, und er versprach sogar Heinrich von Virneburg, ihm die Jülicher Pfandschaften Kaiserswerth, Düren und Sinzig zu verschaffen 168 . Doch alle diese hoffnungsvollen Ansätze waren mit einem Schlag hinfällig geworden, als Friedrich am 28. September 1322 die Entscheidungsschlacht von Mühldorf verlor und von seinem Gegner gefangengenommen wurde. Bis zur Wahl Karls IV. als Gegenkönig im Jahr 1346 war es allein Ludwig, der nun Zollpolitik am Rhein betrieb.
164 Vgl. SCHWALM, Landfrieden, S. 56 ff.; TROE, Münze, S. 227 f.; ANGERMEIER, Königtum, S. 1 3 0 f. 165 MGH Const. V, Nr. 649 - VOGT, REM 1.1, Nr. 2319. Die ungewöhnliche Veranschlagung von per Schiff transportierten und in Ballen verpackten Waren nach Lastkarren dürfte eher durch den Wechsel des Transportweges vom Wasser auf das Land zu erklären sein, als (so TROE, Münze, S. 228 Anm. 5) durch eine generelle Tarifierung solcher Schiffsladungen nach einem Landtransportmittel. 166 MGH Const. V, Nr. 661 - VOGT, REM 1.1, Nr. 2332. 167 THOMAS, Ludwig der Bayer, S. 101 f. 168 A m 17. Juni 1322 versprach König Friedrich dem Kölner Erzbischof, sich nicht eher mit Graf Gerhard von Jülich zu einigen, bis der Jülicher Kaiserswerth, Düren und Sinzig herausgegeben habe. Heinrich von Virneburg solle diese Güter dann als Pfand für die Schulden des Königs erhalten (MGH Const. V, Nr. 662 - REK IV, Nr. 1304).
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Nach seinem Sieg hat der Wittelsbacher keine Versuche zur Neubelebung des Bacharacher Landfriedens unternommen; vielmehr erkannte er den mittelrheinischen Landfrieden vom April 1322 an und beteiligte sich in den folgenden Jahren regelmäßig an dessen Erneuerung. Der auf dem Nürnberger Hoftag 1323 später von Ludwig verkündete Reichslandfrieden 169 verfolgte mit dem Verbot aller seit dem Tod Heinrichs VII. errichteten Zölle ein ganz anderes, eher an die Landfriedensgesetzgebung Rudolfs von Habsburg erinnerndes zollpolitisches Konzept, das aber hier nicht mehr zu erörtern ist. In der Literatur wird die Wirksamkeit der im Bacharacher Landfrieden enthaltenen Zollregelungen als gering eingestuft. Sie seien allenfalls ganz zu Anfang beachtet worden; selbst die Gründungsmitglieder des Bundes hätten die Bestimmungen bald ignoriert 170 . Eine systematische Nachprüfung dieser These anhand der einzelnen Zölle zeigt allerdings, daß hier Ergänzungen und Korrekturen anzubringen sind, welche die Basis für das vorwiegend negative Gesamturteil über die Zollpolitik des Landfriedens zumindest teilweise in Frage stellen. Darüber hinaus wird man bei der Bewertung des >Erfolgs< nicht allein - nach den Kriterien moderner Staatlichkeit die möglichst vollständige Erfüllung der vorgegebenen Norm als Maßstab anlegen dürfen. Stärker als dies bisher geschehen ist, sind die strukturellen Rahmenbedingungen des Bacharacher Landfriedens zu berücksichtigen, die seine Wirksamkeit gerade auch im zollpolitischen Bereich zweifellos eher hinderten als förderten; nicht zuletzt erscheint auch eine genauere zeitliche Differenzierung angebracht. Auf diese Punkte wird zurückzukommen sein, nachdem zunächst - nach Möglichkeit - geklärt ist, wo und wie lange die Zollbestimmungen des Landfriedens wirksam waren. Allerdings erlaubt es die Quellenlage generell nicht, die Beachtung der Regelungen positiv nachzuweisen. In den meisten Fällen muß man sich damit begnügen, das Fehlen gegenteiliger Hinweise zu vermerken. Nur wenn solche vorliegen und eine klare Falsifizierung ermöglichen, bewegt man sich auf festerem Boden. Die Gründungsmitglieder des Landfriedens hatten 1317 drei Zölle zwischen Köln und Hördt vom allgemeinen Zollverbot ausgenommen, ihre Erhebung aber zugleich eingeschränkt: In Geisenheim sollte nur der alte Schiffszoll fortbestehen, in St. Goar
169 MGH Const. V, Nr. 735. 170 SCHWALM, Landfrieden, ist 1889 auf dieses Problem nicht eingegangen, ebensowenig die 1981 erschienene Arbeit von ROTTHOFF, Politische Rolle. Die differenzierte Analyse Troes 1937 (DERS., Münze, S. 258 ff.) hat 1966 ANGERMEIER, Königtum, S. 127, auf die (nach Troes Ausführungen sachlich nicht gerechtfertigte) Feststellung verkürzt, daß die Erzbischöfe von Mainz und Trier sowie König Ludwig 1318 bereits wieder ihre alten Zölle erhoben hätten. Angermeier hat die Zollbestimmungen deshalb als »Scheinerfolg« gewertet, ähnlich urteilt auch die zeitgleich erschienene Arbeit von DIRLMEIER, Hoheitsträger, S. 150. Noch GERLICH, Peter von Aspelt, S. 286, ist 1984 zu der Ansicht gelangt, »daß sich die Kurfürsten . . . ebensowenig wie die anderen Territorialherren an den Befehl zur Zollaufhebung im Bacharacher Landfrieden hielten«.
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lediglich der alte Bergfahrtzoll und in Boppard allein der Zoll Graf Bertholds von Katzenelnbogen von (nicht mehr als) 27 Hellern. Für die beiden erstgenannten Hebestellen bestehen keine Hinweise auf regelwidrige Abgaben, z. B. auf einen Warenzoll in Geisenheim bzw. eine auch bei Talfahrt erhobene Abgabe in St. Goar 171 ; der Geisenheimer Zoll ist sogar noch 1348 explizit als Schiffszoll bezeugt 172 . Bei Boppard sind zwei Zolltitel zu trennen, die im Landfrieden unterschiedlich normiert wurden: zum einen die vier Erzbischof Balduin von Trier 1314 verliehenen Zollturnosen, die eindeutig unter das Zollverbot fielen, die aber zu Beginn des Landfriedens möglicherweise gar nicht in Boppard, sondern in Koblenz lagen173, und zum anderen der Zoll Graf Bertholds III. von Katzenelnbogen. Zwischen 1317 und 1324 ist die Erhebung der vier Zollturnosen in Boppard - gleiches gilt für Koblenz - und damit eine Mißachtung der Zollbestimmungen durch Balduin, immerhin Gründungsmitglied des Landfriedens, nicht nachweisbar. In der gleichen Zeit ist die Katzenelnbogener Abgabe in Boppard durchgängig belegt174. Ein eigenmächtiger Verstoß gegen die vorgeschriebene Zollhöhe ist dort nicht erkennbar. Allerdings verlieh König Ludwig, obwohl der Landfrieden neue Zölle ausdrücklich untersagte, 1321 den Grafen Gottfried von Sayn und Johann III. von Katzenelnbogen einen Zollturnosen in Boppard, um daraus 12.000 Mark Silber zu erheben 175 . Beide mainzischen Zölle, Ehrenfels und Lahnstein, fielen unter das Zollverbot des Bacharacher Landfriedens. Ihre Erhebung ist zwar schon vor dessen Ende (24. Juni 1324) wieder nachweisbar, doch ist dies - wie im Fall von Boppard - nicht der Eigenmächtigkeit des Erzbischofs zuzuschreiben, sondern auf entsprechende Eingriffe König Ludwigs zurückzuführen, dessen Finanzbedarf - im Gegensatz zu seinen Zolleinnahmen - offenkundig nicht geringer geworden war: Am 7. November 1318 erklärte der Mainzer Erzbischof Peter von Aspelt, daß er an dem zeitlich befristeten Rheinzoll, den Ludwig in Lahnstein einzurichten plane, keine Rechte beanspruche; er behielt sich aber die dortigen mainzischen Zollrechte vor176. Einen Tag später
171 In den beiden aus der Zeit des Landfriedens über den Geisenheimer Zoll überlieferten Urkunden von 1320 (SAUER, Codex Nassau 1.3, Nr. 1691) und 1323 (ebd., Nr. 1760) wird die Abgabe nicht näher spezifiert. Bei St. Goar ist vom November 1317 eine Verfügung über einen Zoll auf bergfahrende Schiffe bekannt (DEMANDT, Reg. Katz. I, Nr. 582), zwei Quellen von 1318 (DEMANDT, Reg. Katz. I, Nr. 588, 593) kennzeichnen die Abgabe nicht näher. Zwei jeweils für die Zölle St. Goar und Boppard ausgestellten Privilegien für Eberbach von 1319 bzw. 1321 (DEMANDT, Reg. Katz. I, Nr. 604, 624) befreiten zwar ausdrücklich vom Zoll auf Berg- und Talfahrt, doch ist es keineswegs zwingend, den rheinabwärtigen Zoll auf St. Goar zu beziehen. Genauso gut kann der Bopparder Zoll gemeint gewesen sein, der ja beide Richtungen des Rheinverkehrs erfaßte. 172 MGH Const. VIII, Nr. 614. Vgl. zur Art der Zolltarifierung in Geisenheim im 13. und 14. Jahrhundert oben S. 265 ff. 173 Vgl. unten S. 563 f. 174 Vgl. DEMANDT, Reg. Katz. I, Nr. 604,606, 624,628. 175 DEMANDT, Reg. Katz. I, Nr. 628.
176 MGH Const. V, Nr. 512 - VOGT, REM 1.1, Nr. 2064.
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bekundete Ludwig seinerseits den Verzicht, aus der geplanten Zolleinrichtung wie auch immer geartete Besitzansprüche abzuleiten, überging allerdings die mainzischen Rheinzollrechte 177 . Innerhalb des folgenden Monats errichtete Ludwig den Zoll. Am 9. Dezember 1318 versprach Peter von Aspelt erneut, keine Ansprüche darauf zu erheben, auch hier aber wieder unter Vorbehalt seiner eigenen Zollrechte 178 . Die Existenz des befristeten königlichen Zolls in Lahnstein, von dem weder Dauer noch Höhe bekannt sind, steht außer Frage179. Man hat ferner aus dem Vorbehalt der mainzischen Zollrechte gefolgert, daß bereits im Herbst 1318 auch Peter von Aspelt in Lahnstein das Zollverbot des Landfriedens nicht mehr respektiert habe 180 . Tatsächlich ist dieser Schluß weder zwingend noch wahrscheinlich. Wie bereits Troe einräumen mußte 181 , gibt es abgesehen von diesen beiden Erklärungen des Erzbischofs nämlich keinen Hinweis darauf, daß die Erhebung eines mainzischen Rheinzolls in Lahnstein zu dieser Zeit aufgenommen wurde. Erst die Zollbefreiung des neuen Erzbischofs Matthias von Bucheck für das Zisterzienserkloster Eberbach vom Dezember 1325, also lange nach Ablauf des Landfriedens, bezeugt wieder den Lahnsteiner Zoll 182 . Ferner ist der Vorbehalt selbst, anders als dies bislang gedeutet worden ist, eher Anzeichen dafür, daß im Herbst 1318 kein mainzischer Rheinzoll in Lahnstein existierte. Gerade wenn Peter von Aspelt dort zu dieser Zeit keine eigenen Zollrechte ausübte, mußte er besonders darauf bedacht sein, daß ein neuer königlicher Zoll, selbst wenn er nur befristet war, bis zum Ablauf des Landfriedens nicht den herkömmlichen, aber ruhenden erzstiftischen Abgabentitel verdrängte. Wenn andererseits der königliche Zoll lediglich neben einen faktisch, d. h. nicht allein als Rechtstitel bestehenden mainzischen Zoll trat, was aus der Formulierung des Vorbehalts keineswegs hervorgeht183, war diese Gefahr erheblich geringer. Ein vorsichtiger Erzbischof mag freilich auch dann einen entsprechenden Vorbehalt bekundet haben.
177 MGH Const. V, Nr. 513. 178 HONTHEIM, Historia II, Nr. 622 - VOGT, REM 1.1, Nr. 2070. 179 Die einzige bekannte Verfügung über diesen Zoll nahm Ludwigs Hofkanzler Hermann von Lichtenberg am 2. Januar 1319 vor. Er wies dem Koblenzer Deutschordenshaus die Tilgung eines Darlehns von vier Pfund Turnosgroschen auf die ersten Lahnsteiner Zolleinkünfte an (HENNES, UB Deutscher Orden I, Nr. 416). 180 Vgl. TROE, Münze, S. 258 (danach auch ANGERMEIER, Landfrieden, S. 127); GERLICH, Peter von Aspelt, S. 286 Anm. 133. 181 Vgl. TROE, Münze, S. 258 Anm. 7. 1 8 2 ROSSEL, U B E b e r b a c h , N r . 8 2 2 - VOGT, R E M 1.1, N r . 2 6 7 4 .
183 TROE, Münze, S. 258, und GERLICH, Peter von Aspelt, S. 286 Anm. 133, übersehen, daß die beiden Klauseln lediglich von einem Rechtstitel, nicht bzw. nur in der Vergangenheitsform von der tatsächlichen Erhebung sprechen: Iure thelonei nostri antiqui in Loinstein nobis et ecclesie nostre Moguntine Semper salvo (1318 Nov. 7 - MGH Const. V, Nr. 512); salvo tarnen nobis et ecclesie nostre predicte antiquo telonio nostro, quod ibidem habere consuevimus et levare (1318 Dez. 9 - HONTHEIM, Historia II, Nr. 622).
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Auch der Ehrenfelser Zoll wurde schon vor dem Ende des Landfriedens wieder in Betrieb genommen. Am 20. Juli 1323 verlieh König Ludwig Erzbischof Matthias zur Abtragung von 8.000 Mark lötigen Silbers einen Zoll von vier Turnosen zu Ehrenfels, der am 11. November 1323 beginnen sollte184. Erst nach dieser Verleihung setzten Verfügungen dieses Metropoliten über Rheinzolleinkünfte ein185. Es fehlen Hinweise darauf, daß Matthias von Bucheck oder sein 1320 verstorbener Vorgänger Peter von Aspelt bereits vorher mit der Erhebung von Transitabgaben in Ehrenfels wieder begonnen hatten. Die pfalzgräflichen Zölle Bacharach, Kaub und - wenn dort 1317 tatsächlich ein Zoll gelegen hat - auch Fürstenberg zählten zu den mittelrheinischen Transitzöllen, die für die Dauer des Landfriedens, d. h. bis zum 24. Juni 1324, einzustellen waren. Durch einen glücklichen Zufall der Überlieferung, eine zum offiziellen Beginn des Zollverbots am 24. Juni 1317 abgeschlossene Zollabrechnung, läßt sich die fristgerechte Einstellung des Bacharacher Zolls beweisen186. Es ist auffällig, daß Ludwig im Herbst 1318, als er sich den Landfriedensbestimmungen zuwider ob ingentem necessitatemw zur Errichtung eines befristeten neuen Rheinzolls entschloß, dafür das mainzische Lahnstein und nicht Bacharach wählte. Über die Gründe liegen keine direkten Nachrichten vor. Vielleicht wird man dahinter den Einfluß Erzbischof Balduins von Trier vermuten können, der Bacharach in Pfandbesitz hatte. Seit Beginn des Jahres 1320 zeichnete sich klar ab, daß das Zollverbot des Bacharacher Landfriedens an dessen Gründungsort keinen Bestand mehr haben sollte. Am 22. Februar 1320 bekundete Ludwig, König Johann von Böhmen 35.000 Mark Silber (bzw. 105.000 Pfund Heller) zu schulden, der dafür Fürstenberg oder Kaub als Pfand erhalten sollte. Da beide Burgen jedoch nicht zur Verfügung standen - sie wurden von der Pfalzgräfin Mechthild und ihren Anhängern besetzt - sollte Johann ad instantes preces Ludwigs für die Zwischenzeit von Erzbischof Balduin von Trier in die Hälfte seiner u. a. Bacharach umfassenden Pfandschaft aufgenommen werden. Ausgenommen wurden die Rheinzolleinkünfte, die, wie das Recht, den Amtmann einzusetzen, allein dem Erzbischof verblieben. Der Böhmenkönig erhielt in Bacharach einen neuen eigenen Zoll von sieben Turnosen, der später gegebenenfalls nach Fürstenberg oder Kaub verlegt werden sollte188. Zwei Tage später modifizierte der Wittelsbacher die Modalitäten zu Balduins Gunsten. Als Entschädigung für die Aufnahme Johanns in die Pfandschaft sollte der Erzbischof entweder die Burg Fürstenberg mit Diebach und den noch unverpfändeten Teil von Rheinböllen oder die Burg Kaub erhalten. Ob Johann dann eine der beiden Festen erhielt, blieb ganz dem Ermessen seines Onkels überlassen. Ludwig
1 8 4 M G H C o n s t . V , N r . 7 6 0 - VOGT, R E M 1.1, N r . 2 4 5 3 . 1 8 5 V g l . VOGT, R E M 1.1, N r . 2 4 7 2 .
186 M G H Const. V, Nr. 436. 187 HONTHEIM, Historia II, Nr. 622. 188 M G H Const. V, Nr. 562. Vgl. zum folgenden REICHERT, Landesherrschaft, S. 236 f.
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versprach ferner, die Pfandrechte des Böhmenkönigs und dessen Zoll nicht ohne ausdrückliche Zustimmung Balduins zu vermehren 189 . Am 26. August 1322 erkannte schließlich auch Pfalzgräfin Mechthild die Pfandrechte der beiden Luxemburger an den mittelrheinischen Besitzungen der Pfalz an, wofür ihr Balduin und Johann den ungestörten Besitz von Fürstenberg zusicherten. Nach dieser Urkunde stand Erzbischof Balduin für eine Schuld von 30.000 Pfund Heller in Bacharach die Erhebung eines (bis zum 24. Juni 1323) bzw. zweier Turnosen zu, während König Johann von Böhmen 20.000 Pfund Heller aus vier Turnosen einnehmen sollte. Die Pfalzgräfin versprach ihrerseits, in Fürstenberg keinen höheren Zoll als 18 Pfennige (bzw. 54 Heller) zu verlangen190. Es fällt auf, daß die hier genannten Zollanteile bzw. Pfandsummen Balduins und seines Neffen scheinbar nicht mit der Verschreibung vom Februar 1320 vereinbar sind191. Die Erklärung dürfte darin liegen, daß Mechthild lediglich die verpfändeten Teile des pfalzgräflichen Rheinzolls in Bacharach und die darauf lastenden Gelder erwähnte, nicht jedoch die von König Ludwig zwischenzeitlich dort neu angelegten Reichszuschläge. Wenn Balduin und Johann laut dieser Urkunde zusammen sechs Turnosen in Bacharach besaßen, war damit lediglich die Verpfändung pfalzgräflicher Zollanteile in Bacharach von 1314/1316 gemeint192. Was beide Fürsten von König Ludwig außerdem dort noch an neuen Zollturnosen erhalten hatten, konnte von der Pfalzgräfin nicht garantiert werden, weil sie daran gar keine Rechte hatte. Man wird deshalb aus dieser Urkunde auch nicht schließen müssen, daß Johann von Böhmen von den sieben Turnosen zwischenzeitlich nur vier realisieren konnte 193 . Anfang Oktober 1322, kurz nach dem Sieg von Mühldorf, bezifferte König Ludwig seine Verpflichtungen gegenüber dem Böhmenkönig auf insgesamt 114.000 Pfund Heller. Diese Summe sollte Johann aus vier Turnosen in Bacharach einnehmen, wobei er für die Dauer der Tilgung vier weitere Zollturnosen erhielt. Deren Erträge waren nicht auf die Hauptsumme anzurechnen, sondern standen Johann allein für die Burghut bzw. für seine in Mühldorf geleisteten Dienste zu194. Die Gesamtzahl der böhmischen Turnosen erhöhte sich damit um einen von sieben auf acht, doch hatte er nun (fast) die Hälfte aller Zolleinkünfte zur freien Verfügung, statt sie wie vorher ganz für die Abtragung der Schulden Ludwigs verwenden zu müssen. Über die Entwicklung des anderen pfalzgräflichen Rheinzolls in Kaub während des Landfriedens liegen weniger gesicherte Nachrichten vor. Die Hebestelle fiel
189 MGH Const. V, Nr. 563.1320 war Schaltjahr, das Datum ist daher auf den 24. Februar zu korrigieren. 190 MGH Const. V, Nr. 667. 191 Den Widerspruch bemerkt auch REICHERT, Landesherrschaft, S. 237 Anm. 283, löst ihn jedoch nicht, weil er die unterschiedlichen Rechtstitel der Bacharacher Zolleinkünfte Johanns nicht berücksichtigt. 192 MGH Const. V, Nr. 166, 351. 193 S o REICHERT, Landesherrschaft, S. 236.
194 MGH Const. V, Nr. 679.
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unter das Zollverbot und ist tatsächlich in den ersten zweieinhalb Jahren nach Inkrafttreten des Landfriedens nicht bezeugt. Da die Burg und damit auch der Zoll während dieser Zeit vermutlich nicht im Besitz König Ludwigs, sondern seines mit ihm verfeindeten Schwagers Graf Gerlach von Nassau waren, kann man nicht ohne weiteres von einer Beachtung des Zollverbots ausgehen. Dennoch ist auffällig, daß vor der beiderseitigen Aussöhnung, bei der Ludwig am 8. März 1320 Gerlach u. a. 6.000 Pfund Heller auf zwei Turnosen in Kaub verschrieb195, die Zollerhebung nicht belegt ist. Möglicherweise hatte Gerlach die Zollaufhebung des Landfriedens zuvor respektiert, um zu verhindern, daß Ludwig die Landfriedensverbündeten gegen ihn mobilisierte, die sonst kaum Anlaß hatten, den Wittelsbacher gegen seinen nassauischen Schwager zu unterstützen. Daß allein die nassauischen Turnosen für die Wiedererrichtung des Kauber Zolls verantwortlich waren, ist allerdings nicht zutreffend, da Kaub ja schon im vorangegangenen Monat als Erhebungsort für die sieben Turnosen König Johanns von Böhmen im Gespräch gewesen war. Spätestens in den letzten Monaten des Bacharacher Landfriedens hat Ludwig den Kauber Zoll in großem Umfang als Anweisungsobjekt herangezogen. Am 31. März 1324 verschrieb der König drei Frankfurter Bürgern für eine Schuld von 1.200 Pfund Heller drei Turnosen in theloneo suo in Cubam, am 17. April wies er Gerlach von Nassau zur Tilgung von rund 4.000 Pfund Heller dort vier Turnosen an197, und am 19. Juni setzte Ludwig seinen Kanzler Hermann von Lichtenberg und dessen Bruder für 4.000 Pfund Heller in sechs Turnosen ein198. Insgesamt lagen in Kaub zu dieser Zeit also mindestens dreizehn Turnosen. Hinzu kamen noch die Teile des Zolls, über die Ludwigs Neffe Pfalzgraf Adolf bereits im August 1323 verfügte 199 . Daß dies dem Bacharacher Landfrieden widersprach, spielte im letzten Jahr seiner Laufzeit offenbar keine Rolle mehr. Bleibt somit festzuhalten, daß Ludwig Anfang 1320 Bacharach und Kaub als Zollstellen wieder in Betrieb genommen hat, so läßt sich das gleiche für den Fürstenberger Zoll nicht sagen. Abgesehen von der Vereinbarung zwischen Pfalzgräfin Mechthild und Erzbischof Balduin von Trier bzw. Johann von Böhmen ist ein Fürstenberger Rheinzoll - im Gegensatz zu Bacharach und Kaub - lediglich in den Zollbefreiungen für das Kloster Eberbach nachweisbar200. Ob sich die Pfalzgräfin (spätestens) seit August 1322 durch die Erhebung eines Rheinzolls in Fürstenberg mit ausdrücklicher Duldung Balduins und wohl kaum gegen den Willen Ludwigs über das Zollverbot des Landfriedens hinwegsetzte, ist daher nicht sicher zu entscheiden.
195 196 197 198 199 200
MGH Const. V, Nr. 565. MGH Const. V, Nr. 885. MGH Const. V, Nr. 886. SAUER, Codex Nassau 1.3, Nr. 1797 (siehe zum Datum TROE, Münze, S. 287 f. Anm. 6). ROSSEL, UB Eberbach, Nr. 795 - RPR I, Nr. 2003. Vgl. TROE, Münze, S. 223.
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Die Verbündeten des Bacharacher Landfriedens hatten 1317 einen Landfriedenszoll von 33 Zollturnosen festgesetzt, die in Koblenz, Remagen und Köln erhoben werden sollten. Nur vom Kölner Zoll sind der Zeitpunkt seines Beginns und auch der seines vermutlichen Endes bekannt. In einer Aufzeichnung, die dem Speyerer Exemplar der Bacharacher Landfriedensurkunde beiliegt, ist vermerkt, daß die Abgabenerhebung in Köln am 4. Juli 1317 einsetzte (inchoavit) und in den ersten drei Jahren einen Nettoertrag von 1.400 Pfund 14 Schilling 5 Turnosgroschen erbrachte. Für die Zeit vom 7. Juli 1320 bis zum 9. März 1321 wurden die Einnahmen mit 221 Pfund 18 Schilling 4 Groschen angegeben 201 . Weiterführende Notizen liegen nicht vor, auch ist der Zoll in anderen Quellen nach diesem Datum nicht mehr belegt. So bietet das Ende der Zollerhebung wohl die wahrscheinlichste Erklärung für den auffälligen Einschnitt am 9. März 1321, zumal sich mit dem Tod des Mainzer Erzbischofs Peter von Aspelt im Juni 1320 die politische Lage am Rhein deutlich zu Ungunsten des Bacharacher Landfriedens geändert hatte. Die von Troe in Betracht gezogene Möglichkeit, daß zu diesem Zeitpunkt das Zollpersonal gewechselt hatte 202 , wäre bei einer original erhaltenen Zollabrechnung in Betracht zu ziehen. Dagegen spricht jedoch der Charakter der Notiz, die offenbar nur einen im nachhinein angefertigten Extrakt darstellt, während die zugrundeliegenden Originale nicht mehr erhalten sind. Weitere Anhaltspunkte für das Ende des Kölner und auch des Koblenzer Zolls, deren Einkünfte den Städten (in Köln ganz, in Koblenz teilweise) zugute kamen, ergeben sich aus dem im April 1322 als Konkurrenz zum Bacharacher Bund errichteten mittelrheinischen Landfrieden 203 . Mainz, Worms, Speyer und Oppenheim, die zu den Gründungsmitgliedern des Bacharacher Landfriedens gezählt hatten, dürften diesen Bund nämlich mit dem neuen, auf habsburgischer Seite stehenden Mainzer Erzbischof Matthias von Bucheck kaum geschlossen haben, wenn sie damit noch den Verlust ihrer Zollanteile in Köln und Koblenz riskiert hätten. Zu dieser Zeit können daher die Zölle, jedenfalls in der 1317 vereinbarten Form, nicht mehr bestanden haben. Während die Kölner Zollstätte ganz niedergelegt wurde, hat in Koblenz wieder allein der Trierer Erzbischof Transitabgaben erhoben. Der Remagener Landfriedenszoll, dessen Einkünfte sich König Ludwig und Johann von Böhmen in nicht bekanntem Verhältnis mit dem niederrheinischen Landfriedensvogt teilten, dem dort ein oder zwei Turnosen zustanden 204 , dürfte ebenfalls
2 0 1 VOGT, R E M 1.1, Nr. 1915.
202 Vgl. TROE, Münze, S. 226, der offenläßt, ob das Ende des Zolls oder ein Wechsel des Personals der Grund war. 203 MGH Const. V, Nr. 649 - VOGT, REM 1.1, Nr. 2319. 204 Außer den beiden Königen sind Graf Gerhard von Jülich und Graf Wilhelm von Holland, sein Vorgänger als Landvogt, im Besitz von Remagener Zolleinkünften belegt. Der Jülicher besaß einen, der Holländer sogar zwei Turnosen. Hintergründe und Chronologie des Streits, den Wilhelm noch 1328 mit der Stadt Köln wegen der entzogenen Remagener
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bald nach dem offiziellen Inkrafttreten des Landfriedens (24. Juni 1317) errichtet worden sein. Die Erhebung von Zollabgaben ist bis zum Sommer 1322 bezeugt. Am 24. September 1321 erging ein Schiedsspruch im Streit zwischen dem Kölner Erzbischof Heinrich von Virneburg und Graf Gerhard von Jülich. Darin war vorgesehen, daß der Graf seinen Turnosen in Remagen, den er offenbar in seiner Funktion als niederrheinischer Landvogt des Bacharacher Bundes besaß, ab dem 24. Juni 1322 am kölnischen Zoll Bonn für zwei Jahre, d. h. für die restliche Laufzeit des Landfriedens, erheben sollte 205 . Verfügungen König Ludwigs über seinen Zollanteil sind nicht bekannt; König Johann von Böhmen bezog noch im Spätsommer 1320 Einkünfte aus Remagen 206 . Es ist demnach nicht zu erkennen, daß die Turnosen der beiden Könige das mutmaßliche Ende des Kölner Zolls Anfang März 1321 überdauerten. Möglicherweise hat lediglich der Graf von Jülich seinen Zollanteil bis zum 24. Juni 1322 in Remagen halten können, weil er mit dem Kölner Erzbischof, dem offensichtlich an der Entfernung der Hebestelle gelegen war, zu einer gütlichen Einigung gelangte. Der dritte Zoll des Bacharacher Landfriedens lag in Koblenz. Von den insgesamt zwölf Zollturnosen gehörten fünf den städtischen Mitgliedern des Bundes, drei standen dem Mainzer Erzbischof zu und die Einkünfte der restlichen vier Turnosen erhielt der Trierer Erzbischof. Wie lange in dieser Form in Koblenz Transitabgaben auf den Rheinverkehr erhoben wurden, läßt sich nicht mit Sicherheit ermitteln. Zum letzten Mal ist der städtische Anteil im Frühjahr 1318 belegt, als Erzbischof Balduin von Trier mit dessen Sperrung drohte, falls die mittelrheinischen und wetterauischen Städte die angeforderte Hilfe gegen den Kölner Erzbischof verweigern sollten 207 . Einkünfte des Mainzer Metropoliten, die den Fortbestand des Landfriedenszolls sicher bezeugen, sind bis zum Herbst 1318 durch das erzbischöfliche Kassenjournal nachweisbar208. Schlüsse auf den Bestand des Zolls in späterer Zeit können aus dieser Quelle jedoch nicht gezogen werden, da das Einnahmen- und Ausgabenverzeichnis nur für die Zeit bis Mitte Januar 1319 erhalten ist209. Spätestens bei der Errichtung des mittelrheinischen Landfriedens im April 1322 kann, wie oben ausgeführt, der 1317 errichtete Landfriedenszoll am Zusammenfluß von Rhein und Mosel nicht mehr bestanden haben. Die Zollkonflikte des Kölner Erzbischofs Heinrich von Virneburg sind bereits detailliert erörtert worden, ein kurzes Resümee kann daher genügen: Mit den ihm im Bacharacher Landfrieden zugestandenen sechs Zollturnosen, drei in Andernach, drei in Bonn, hat sich der Metropolit nur vorübergehend begnügt. Spätestens nachdem er im Februar 1318 ein förmliches Mandat König Friedrichs zur Wiedererrichtung der
Zollanteile auszutragen hatte - erst daraus erfährt man von ihrer Existenz - , sind aus den Quellen nicht deutlich zu erkennen. Vgl. REK IV, Nr. 1738,1739,1759. 205 LAC. III, Nr. 187 - REK IV, Nr. 1261. 206 MÖTSCH, Balduineen, Nr. 527; vgl. REICHERT, Landesherrschaft, S. 235 f. 207 MGH Const. V, Nr. 488 - REK IV, Nr. 1036. 2 0 8 VOGT, R E M 1.1, N r . 1 9 2 5 , 1 9 6 5 , 2 0 5 6 .
209 Vgl. VOGT, REM 1.1, Nr. 2066.
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herkömmlichen kölnischen Zölle erlangt hatte, dürfte Heinrich die Normierung des Landfriedens an beiden Zöllen ignoriert haben. Nicht zuletzt dadurch geriet er in heftigen Konflikt mit der Stadt Köln und ihrem Verbündeten, dem Grafen von Jülich. In dem Schied, der nach langen Streitigkeiten im August 1320 vermittelt werden konnte, wurden dem Virneburger insgesamt 14 Zollturnosen, verteilt auf Bonn und Andernach, zugestanden, also deutlich mehr als ursprünglich vorgesehen. Der Erzbischof hatte ferner den Hammersteiner Zoll abzustellen, der im Herbst 1319 durch Verschreibungen König Friedrichs erstmals nach der Niederlegung von 1308/1309 belegt ist. Heinrich von Virneburg ist dem nachgekommen, doch warf ihm die Stadt Köln 1328 vor, zwischen 1320 und 1324 in Bonn drei Turnosen mehr als die insgesamt erlaubten 14 Turnosen erhoben zu haben 210 . Der Erzbischof gestand zu, in Remagen einen Zoll errichtet zu haben, behauptete aber, deswegen schon mit der Stadt ausgesöhnt zu sein211. Beides ist hier zum ersten Mal erwähnt, so daß es kaum möglich ist, den genauen Sachverhalt zu ermitteln. Zwar ist denkbar, daß es sich dabei um jene drei Turnosen handelte, die der Graf von Jülich laut seinem Bündnis mit der Stadt Köln vom Juni 1320 zwischen Köln und Bonn für die Dauer des Konfliktes mit dem Erzbischof erheben sollte212, doch bleibt dann offen, wie Heinrich diesen nicht (nachweisbar) realisierten Zolltitel für sich beanspruchen konnte. Im Bacharacher Landfrieden war 1317 bestimmt worden, daß alle neuen Zölle unterhalb Kölns bis Antwerpen einzustellen waren. Worin sich alte und neue Zölle unterschieden, wurde nicht definiert, aber daß der erst 1314 von König Friedrich durch die Zusammenlegung der Marktzölle in Rheinberg, Rees und Xanten geschaffene kölnische Rheinzoll in Rheinberg zu den verbotenen neuen Abgaben gezählt wurde, ist kaum zu bezweifeln 213 . Ob der Erzbischof deshalb den Zoll bei seinem Beitritt zum Landfrieden am 9. Juli 1317 abgestellt hat, ist allerdings mehr als fraglich. Zwar ist die Erhebung der Abgabe nach 1314 erst wieder im Dezember 1321 belegt214; auch ist sie nicht zum Streitpunkt zwischen dem Erzbischof und der Stadt Köln geworden, doch dürfte der Grund weniger im regelgemäßen Verhalten Heinrichs, d. h. in der Abstellung des Zolls, als vielmehr in der Konzentration des (Zoll-)Konfliktes auf den südlichen Teil des Erzstifts zu suchen sein. So nennt das Zollmandat König Friedrichs vom Februar 1318 nur Andernach und Bonn als die vom Bacharacher Landfrieden betroffenen erzbischöflichen Zollstellen und läßt bezeichnenderweise - die niederrheinischen Hebestellen Neuss und Rheinberg unerwähnt. Und schließlich beschränkte die Sühne vom August 1320 den erzbischöflichen Zollbesitz nur zwischen Köln und der Nette oberhalb von Andernach, traf aber keine Regelungen für den Stromabschnitt unterhalb der Rheinmetropole.
210 211 212 213 214
R E K IV, Nr. 1738. R E K IV, Nr. 1739.
ENNEN, Quellen IV, Nr. 78 (mit falschem Datum) - REK IV, Nr. 1179. Vgl. auch oben S. 515, 520 f. LAC. III, Nr. 188 - R E K IV, Nr. 1274.
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Zollpolitik
vom 10. Jahrhundert bis ca. 1325
Von einer Tätigkeit oder Wirksamkeit des Bacharacher Landfriedens über das Kölner Erzstift nach Norden oder Westen hinaus liegen keine Zeugnisse vor, obwohl man 1317 einen bis nach Antwerpen ausgreifenden Geltungsanspruch erhoben hatte. Gleiches gilt für die Transitzölle zu Land innerhalb des Friedensgebiets von Köln bis Hördt, von denen nur die alten Geleitzölle fortbestehen sollten. Von einer Niederlegung bestimmter Landzölle infolge des Landfriedens ist nichts bekannt. Die hier skizzierte, offenkundig durchaus unterschiedliche Entwicklung, die die einzelnen Rheinzölle des Untersuchungsraums während der Laufzeit des Bacharacher Landfriedens nahmen, erfordert - und dies ist vor dem Hintergrund der allzu stark vereinfachenden gängigen Forschungsmeinung215 kein triviales Postulat - ein differenziertes Fazit, wenn man zu einer sachgerechteren Bewertung des Friedensbundes und seiner zollpolitischen Erfolge und Fehlschläge gelangen will. A m nachhaltigsten und zweifellos auch am längsten haben Zollregelungen des Landfriedens im südlichen Teil des Kölner Erzstifts, zwischen der Rheinmetropole und Andernach gewirkt. Zwar entsprach es nicht den Normen, die bei der Gründung des Bundes 1317 aufgestellt worden waren, wenn man dem Kölner Erzbischof 1320 in diesem Raum schließlich 14 Zollturnosen statt der ursprünglich vorgesehenen sechs Turnosen zugestand; auch hat Heinrich von Virneburg zeitweise wohl drei Turnosen mehr erhoben 216 . Aber selbst dann noch hatten die niederrheinischen Landfriedensverbündeten, allen voran die Stadt Köln, im Vergleich zur Situation unmittelbar vor dem Landfrieden eine Reduzierung der Zollbelastung um mehr als fünf Turnosen auf diesem - für den Handel mit dem mittelrheinisch-moselländischen Raum besonders wichtigen - Stromabschnitt erreicht217. Der Wert dieser Regelung ist um so höher zu veranschlagen, als sie in einer Zeit zustandekam, in der bei den weiter stromaufwärts liegenden Rheinzöllen die in Bacharach vereinbarten Normen zunehmend durchbrochen, wenn auch nie offiziell außer Kraft gesetzt wurden. Entgegen der gängigen Forschungsmeinung ist hervorzuheben, daß nicht Eigenmächtigkeiten der territorialen Zollinhaber, sondern in erster Linie die Zollpolitik König Ludwigs wieder zu einer deutlichen Erhöhung des Abgabenniveaus im Mittelrheintal führte. Erstes klares Anzeichen dafür, daß es für den Wittelsbacher immer schwieriger wurde, die finanziellen Belastungen des Thronkampfs unter der Einschränkung der durch den Landfrieden deutlich reduzierten Rheinzolleinkünfte 218 zu tragen, war die Errichtung eines befristeten Zolls in Lahnstein Ende 1318, der bezeichnenderweise bei der Belagerung von Wiesbaden
215 Vgl. oben S. 533. 216 Vgl. REK IV, Nr. 1738, 1739, 1741. Ob er dies allerdings, wie die Stadt Köln 1328 behauptete, durchgängig zwischen 1320 und 1324 getan hatte, ist nicht nachprüfbar. 217 Vor dem Landfrieden lagen in Bonn und Andernach (ohne den alten dort liegenden Zoll) zusammen mindesten 22 Zollturnosen (vgl. REK IV, Nr. 887). 218 Vgl. dazu oben S. 522.
IX. Friedrich der Schöne und Ludwig der Bayer (bis ca. 1325)
543
zwischen dem Mainzer Erzbischof und Ludwig vereinbart wurde 219 . Wurde dieser Zoll noch als dringende Notwendigkeit gerechtfertigt und damit als Ausnahme qualifiziert, die man offensichtlich nicht als Zeichen für ein generelles Ende der Zollregelungen des Landfriedens verstanden wissen wollte, verzichtete König Ludwig bereits ein Jahr später auf solche Begründungen, als er im Februar 1320 König Johann von Böhmen sieben Turnosen in Bacharach und wenig später Graf Gerlach von Nassau zwei Turnosen in Kaub verlieh220. Obgleich sich der Wittelsbacher damit eindeutig über das Zollverbot von 1317 hinwegsetzte, gibt es - obwohl man es in der Literatur bislang immer wie selbstverständlich vorausgesetzt hat 221 - keine Hinweise darauf, daß die mittelrheinischen Zollinhaber ihrerseits nun keine Rücksicht mehr auf den Landfrieden genommen hätten. Mag dies im einzelnen auch nur ein überlieferungsbedingter Zufall sein - für das Gesamtbild reicht eine solche Erklärung kaum aus. Bei allen Unsicherheiten der Quellenlage wird man daher zumindest tendenziell den Bacharacher Zollnormen eine gewisse Wirksamkeit auch nach 1320 nicht absprechen können. Selbst der Wechsel auf dem Mainzer Erzstuhl zu einem habsburgerfreundlichen Metropoliten führte anscheinend nicht zur Ignorierung dieser Regeln; dies geschah erst bei der Verleihung von vier Turnosen am Zoll Ehrenfels durch König Ludwig im Juli 1323222. Der prohibitive Teil des Bacharacher Landfriedens dürfte damit im oberen Kölner Erzstift, aber wohl auch im Mittelrheintal und noch darüber hinaus 223 länger von Bedeutung gewesen sein als die drei Landfriedenszölle, die 1317 konstituiert worden waren. Die Kölner Hebestelle scheint im März 1321 den Betrieb eingestellt zu haben; länger hat der Koblenzer Landfriedenszoll, an dem wie in Köln die städtischen Mitglieder des Landfriedens partizipierten, vermutlich auch nicht bestanden. Die Remagener Hebestelle ist dagegen zumindest in Teilen, nämlich in denen des Landfriedensvogts Graf Gerhard von Jülich, noch bis Juni 1322 belegt.
219 220 221 222 223
in castris ante Wysebaden, VOGT, REM 1.1, Nr. 2064. MGH Const. V, Nr. 562,565. Vgl. z. B. TROE, Münze, S. 258. MGH Const. V, Nr. 760 - VOGT, REM 1.1, Nr. 2453. Daß der Anfang April 1322 gegründete mittelrheinische Bund sich wenig später bei König Friedrich um eine formelle Genehmigung des eigenen Landfriedenszolls in Oppenheim bemühte (MGH Const. V, Nr. 661), deutet ebenfalls in diese Richtung. Die neue Hebestelle lag nämlich noch innerhalb des vom Bacharacher Landfrieden beanspruchten Geltungsbereiches (dieser reichte nach Süden bis Hördt oberhalb von Speyer), und man fürchtete offenbar noch im Sommer 1322 deswegen Schwierigkeiten, die eine Rückversicherung beim habsburgischen König ratsam erscheinen ließen.
544
Karte 14: Zölle an Rhein, Mosel und Saar um 1318 100 km
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Entwurf: FRIEDRICH PFEIFFER Kartographie: MARTIN LUTZ © 1997
Wesel Büderich ^ f r Rheinberg 9 Duisburg
W Kaiserswerth Neuss A I
Remagen &
Andernach Koblenz
Cochem
Bpßpard @ \ St. Goar
# Geisenheim Mainz
s y Trier
Flußzoll
# Saarburg Umschlagzoll Sierck
Orientierungsort
IX. Friedrich der Schöne und Ludwig der Bayer (bis ca. 1325)
545
Angesichts der nachweisbar hohen fiskalischen Bedeutung 224 dieser Zölle für die im Landfrieden zusammengeschlossenen Städte ist es auffällig, daß über das Ende der Abgabenerhebung, die genaueren Umstände, vor allem aber die Gründe relativ wenig überliefert ist. So liegen z. B. keine Hinweise darauf vor, wer die Einstellung der Landfriedenszölle initiierte. Man kann zwar annehmen, daß die schon 1318 erkennbaren Spannungen Kölns mit den Städten am Mittelrhein und in der Wetterau dabei eine erhebliche Rolle spielten, doch läßt sich dieser Konflikt nicht näher fassen, und auch der Einfluß König Ludwigs und der Fürsten bleibt unbestimmt. Eines ist jedoch klar erkennbar: Die Beteiligten haben die Zollregelungen des Bacharacher Landfriedens nicht als Modell für künftige Eingriffe in die Struktur der Rheinzölle zwischen Mainz und Köln gesehen. Bis zum Ausgang des Mittelalters ist die Verwirklichung eines selbst nur ansatzweise vergleichbaren Konzepts mit seinem großräumigen, von Speyer bis Antwerpen reichenden Geltungsanspruch, mit der Beteiligung der wichtigsten Handelsstädte entlang des Stroms an der fiskalischen Abschöpfung des Rheinhandels bei gleichzeitig deutlich gesenktem Abgabenniveau, mit der in den Landfriedenszöllen versuchten Verschränkung der Interessen der mittelrheinisch-wetterauischen Städte mit denen Kölns bzw. des Niederrheins - um nur einige der zollpolitisch wichtigsten Merkmale zu nennen - nicht mehr versucht worden.
224 Die für den Kölner Zoll erhaltene Aufstellung der Einnahmen zwischen Juli 1317 und März 1321 (VOGT, REM 1.1, Nr. 1915) läßt auf einen Jahresertrag pro Zollturnosen von ca. 1.100 Pfund Heller (vgl. TROE, Münze, S. 140) schließen. Bei elf städtischen Turnosen ergibt dies eine Gesamtsumme von über 12.000 Pfund Heller im Jahr. Selbst wenn der Ertragswert der Koblenzer Zollturnosen etwas geringer gewesen sein sollte, ändert dies nichts an den Dimensionen.
E.
Territoriale Zollpolitik in den Rheinlanden bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts
I.
Das Erzstift Trier
LI
Von den Anfängen bis zum Ende des 12. Jahrhunderts
Im Untersuchungsraum sind die Trierer Erzbischöfe die ersten neben den Königen nachweisbaren Zollinhaber - eine Trennung, die freilich nicht allzu scharf vorzunehmen ist, war doch Reichskirchengut bis zum Investiturstreit kaum etwas anderes als »Reichsgut in spezieller Verwaltung« 1 . Bei der ersten bekannten Hebestelle, dem Zoll in ihrer Bischofsstadt, über den sie bis zum Ende des 8. Jahrhunderts und wieder seit 902 verfügten, handelte es sich nach unseren Ergebnissen um eine vornehmlich marktbezogene Abgabe, die bis zum Ende des Untersuchungszeitraums nicht zu einem Transitzoll umgestaltet wurde 2 . Neben dem Zoll in der Stadt Trier haben die Metropoliten seit der karolingischen Zeit - Ludwig der Fromme hatte dem Erzstift 816 explizit alle Fiskalabgaben auf Trierer Immunitätsgebiet verliehen 3 - sicher noch weitere Zölle besessen, von denen allerdings weder Ort noch Art der Erhebung bekannt sind. Zwar könnte man zumindest von den Trierer Erzbischöfen in ottonischer Zeit, die in wirtschaftlichen Fragen sehr aktiv waren, wie etwa Ruotbert (931-956), der 947 ein königliches Zollprivileg für den Handel seiner familia auf Rhein und Mosel erlangte 4 , oder wie sein Nachfolger Heinrich I. (956-964), der 958 den Trierer Hauptmarkt begründete 5 , annehmen, daß sie auch das Zollsystem des Erzstifts aktiv gestaltet haben, doch fehlen konkrete Nachrichten darüber. Erst nach der Jahrtausendwende verdichten sich die Quellen mit dem Pontifikat Erzbischof Poppos von Babenberg (1016-1047). 1018 übertrug ihm Kaiser Heinrich II. die curtís Koblenz mit theloneum et moneta und allem Zubehör 6 . Der Metropolit erhielt damit, wie aus dem ältesten Koblenzer Zolltarif hervorgeht 7 , die früheste zweifelsfrei als solche nachweisbare Transitabgabe des Untersuchungsraums.
1
Vgl. SCHIEFFER, Reichsgut, S. 51.
2 3
Vgl. oben S. 187-191. MRUB I, Nr. 50, bestätigt durch Otto II. 973 (MGH D O II, Nr. 52) und Otto III. 988 (MGH D O III, Nr. 51). MGH D O I, Nr. 86. Zur Frage der Echtheit der Urkunde vgl. oben S. 335 mit Anm. 1. Vgl. dazu umfassend LAUFNER, Trierer Markt, bes. S. 25 ff. MGH D H II, Nr. 397. Vgl. oben S. 106.
4 5 6 7
548
E. Territoriale Zollpolitik bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts
Zwar ergibt sich schon aus der expliziten Nennung in der Pertinenz, daß der Zoll ein wichtiger Bestandteil der Koblenzer Güter war; da jedoch keine Hinweise auf dessen Stellenwert für den Kaiser bzw. den Begünstigten bekannt sind, kann man über die Relevanz zollpolitischer Motive, die bei der Übertragung möglicherweise eine Rolle spielten, allenfalls spekulieren. Ähnliche Interpretationsschwierigkeiten wirft die Frage auf, warum Poppo den Zoll 1042 zur Ausstattung des von ihm gegründeten Trierer Simeonstifts verwendete 8 . Die Vermutung Hellwigs, daß der Erzbischof das Potential einer Hebestelle am Zusammenfluß von Rhein und Mosel nicht erkannte 9 , kann nicht überzeugen. Genauso gut ist nämlich möglich, daß der Metropolit gezielt ein besonders ertragreiches Objekt zur Förderung von St. Simeon auswählte. Es darf nämlich nicht übersehen werden, daß das Stift erzbischöfliche Eigenkirche war, und die Metropoliten daher weitgehende Verfügungsgewalt über dessen Güter und Einkünfte behielten, insbesondere natürlich über die von ihnen selbst stammenden Gerechtsame. Selbst wenn also Poppo den Zoll im vollen Bewußtsein seines Wertes vergabte - und man darf annehmen, daß er darüber zwischen 1018 und 1042 eine Vorstellung gewonnen hatte - ging ihm damit als Eigenkirchenherr nichts >verlorenzeitgemäßen< Transitzolls an der Mosel sichtbar - ein Versuch, der in größerem Rahmen anscheinend von einer verschärften erzbischöflichen Politik gegenüber herkömmlicherweise zollbegünstigten Instituten begleitet wurde. Daß nämlich der Kardener Zöllner St. Trond nicht aus eigenem Antrieb verunrechtete, wird durch einen 1179 zwischen Erzbischof Arnold und der Abtei Echternach geschlossenen, kaum gleichgewichtig zu nennenden Vertrag nahegelegt 16 . Demnach verzichtete Echternach, das für die Zollbegünstigung seiner zum täglichen Dienst verpflichteten Ministerialen bislang einen Ochsen bzw. eine halbe Mark, d. h. sechs Schilling, im Jahr zahlte, auf alle Rechte in Gipperath mit Einkünften im geschätzten Wert von insgesamt acht Schilling acht Denaren, ut de cetero predicta ecclesia cum ministerialibus suis ... cottidianis nullam a Treverensibus theloneariis iniuriam vel inquietatem sustineat. D a s Kloster h a t t e also f ü r die
Aufrechterhaltung des ius thelonei faktisch erheblich mehr als zuvor zu zahlen.
13
14 15 16
Als einer der frühesten Hinweise gilt die Belehnung Gerhards von Sinzig mit einem geldrischen Mannlehen von acht Mark aus den Zollgefällen zu Lobith 1230 (LAC. II, Nr. 167 und dazu S. 87 A n m . 1). PIOT, Cartulaire I, Nr. 96. Vgl. oben S. 161 f. WAMPACH, Grundherrschaft Echternach 1.2, Nr. 213. Echternach verzichtete ferner gegen den Erlaß des servitium quarti anni seiner Kirche in Kröv auf sämtliche Rechte in Oefflingen.
550
E. Territoriale Zollpolitik bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts
Demgegenüber hat Arnold Wert darauf gelegt, daß seine eigenen homines nicht mit zusätzlichen Transitabgaben belastet wurden. In der undatierten Vereinbarung, die seinen Streit mit dem Vogt der Trierer curia in Merzig, Arnulf von Walcourt, beendete, räumte ihm der Erzbischof zwar implizit das Recht ein, bei der Burg 5c/»ve/Montclair, deren Bau er (nachträglich) gestattete, einen Saarzoll zu erheben, er bestand aber auf der Zollfreiheit der Trierer ministeriales et offlciales, die im täglichen Dienst die Hebestelle passierten 17 . Wie die Abgabe in Gondorf hat jedoch auch der Zoll in Karden, der nur noch einmal um 1200 belegt ist und danach aus der Überlieferung verschwindet, nicht auf Dauer existiert. Was die Trierer Erzbischöfe daran hinderte, eine Zollposition in diesem Raum aufzubauen, ist den Quellen nicht direkt zu entnehmen. In dieser Zeit des inneren Landesausbaus, wie er im Moselraum z. B. vom Zisterzienserkloster Himmerod getragen wurde, kann dies kaum daran gelegen haben, daß ein zu geringes Verkehrsaufkommen die Zollerhebung unrentabel machte. Viel eher unterband die Präsenz anderer Mächte - zu nennen sind insbesondere der Pfalzgraf, ferner der Kölner Erzbischof und schließlich auch der König - weitergehende Trierer Ambitionen an der mittleren und unteren Mosel18. Bezeichnenderweise führt auch das erzstiftische Urbar vom Beginn des 13. Jahrhunderts 19 , der Liber annalium iurium, keine trierischen Transitzollrechte in diesem Raum mehr auf. Solche bestanden in dieser Zeit lediglich an der Saar, in Merzig/Montclair und in Saarburg.
1.2
Das 13. Jahrhundert
Im 13. Jahrhundert hat erst Arnold von Isenburg 20 (1242-1259) wieder nachweisbare Versuche zur Intensivierung der erzstiftischen Zollrechte unternommen, und zwar dort, wo es den höchsten Ertrag versprach: in Koblenz. Ohne daß nachvollziehbar wäre, wie es ihm gelungen ist, offene Beschwerden zu vermeiden, was trotz seiner Stellung als Eigenkirchenherr nicht ganz einfach gewesen sein dürfte, hat er dem Trierer Simeonstift den Koblenzer Zoll über 200 Jahre nach der Vergabe durch Erzbischof Poppo - zumindest größtenteils - entzogen und im gleichen Zuge anscheinend auch deutlich erhöht. Seine Kölner und Mainzer Amtsbrüder erwirkten 1247 sogar ein Mandat des Papstes, das Arnold die Erhebung unrechter Zölle von
17
18
19 20
MRUB II, Nr. 61. Der Saarzoll gehörte vermutlich zu den erzbischöflichen Rechtstiteln, die an der Merziger curia hafteten und an deren Einkünften der Vogt zur Hälfte beteiligt war. Vgl. oben S. 269 ff. Vgl. ENGELS, Stauferzeit, S. 223: »Beide Gewalten (sc. der Pfalzgraf und der Trierer Erzbischof) blockierten sich (sc. im unteren Moseltal) gegenseitig bis in das ausgehende 12. Jahrhundert«. MRUB II, Nachträge, Nr. 15. Vgl. zu ihm HOLBACH, Arnold von Isenburg.
I. Das Erzstift Trier
551
ihren Untertanen untersagte und das wohl auf Koblenz zu beziehen ist21. Ein weiteres Indiz für die straff fiskalisch orientierte zollpolitische Linie des Trierers gibt ein Zwischenfall mit König Wilhelm aus dem Jahr 1252. Als dieser unerkannt mit seinem Gefolge Koblenz passierte und den dort geforderten Zoll verweigerte, kam es zu einem Handgemenge mit Toten und Verletzten, bei dem sich die Koblenzer trotz angeblich zwanzigfacher - Unterlegenheit sogar durchsetzen konnten 22 . Man war am Koblenzer Zoll offenbar bereit und in der Lage, die geforderten Abgaben notfalls mit Gewalt einzufordern. Allenfalls vorübergehend, in der Phase des Rheinischen Bundes 1254-1256/1257, mußte sich Arnold zu einem Verzicht auf die neugewonnenen Zolleinkünfte in Koblenz verstehen. Bereits in der Endphase des Bundes scheint der Erzbischof seine früheren zollpolitischen Anstrengungen wieder aufgenommen zu haben. Zumindest behauptete die Partei Richards von Cornwall die Ungültigkeit der Trierer Kurstimme bei der Wahl Alfons' von Kastilien am 1. April 1257, da der Erzbischof propter nova pedagia, que in terra sua imposuit, exkommuniziert gewesen sei 23 . Eine
gewisse Glaubwürdigkeit wird man diesem Vorwurf vor dem Hintergrund der aus den früheren Jahren bezeugten Zollpolitik Arnolds kaum absprechen können. Heinrich von Finstingen (1260-1286), der dem Isenburger auf dem Trierer Erzstuhl folgte, gelang es nicht, die von seinem Vorgänger aufgebaute Zollstellung zu behaupten. Bereits zu Beginn seiner Regierung verwickelte er sich in einen langwierigen Prozeß vor der päpstlichen Kurie, der ihn den Koblenzer Zoll kostete, da es seine Gegner verstanden, die Abgabe als unrechtmäßig darzustellen. Vergeblich berief sich der Metropolit darauf, den Zoll nicht selbst eingerichtet, sondern bei Amtsantritt vorgefunden zu haben. Die vorläufige Abstellung des Zolls, die Heinrich 1262 vornahm, um sich von der deswegen verhängten Exkommunikation zu lösen, wurde zu einer endgültigen. Zwar verblieb dem Trierer Simeonstift bis ca. 1300 ein Transportmittelzoll, aber nachweisbaren Einfluß hat der Erzbischof darauf in den folgenden Jahrzehnten nicht mehr ausgeübt 24 . Für das Trierer Erzstift bedeutete dies einen enormen Einnahmeausfall: Nimmt man einen Jahresertrag von 500 Mark an, eine Summe, die Heinrich 1267 als untere Grenze der üblichen Zolleinkünfte angab 25 , und geht man davon aus, daß die Kölner Zählmark zu 144 Denaren zu ca. 1,4 g
21 22 23 24 25
Vgl. oben S. 145. MGH SS XXIV, S. 412; vgl. auch HOLBACH, Arnold von Isenburg, S. 46,49 f. MGH Const. II, Nr. 405, S. 527. Vgl. oben S. 155 f. teloneum de quo in anno quandoque quingentae, quandoque octingentae, quandoque etiam consueverunt percipi mitte marchae, HONTHEIM, Historia I, Nr. 535, S. 770. Zwar erklärte der Erzbischof im Verhör vom 5. Januar 1267, den Koblenzer Zoll in einem Jahr für 90 Mark verpachtet zu haben (HONTHEIM, Historia I, Nr. 533, S. 766), doch betraf diese Verpachtung entweder nicht den ganzen Zoll oder sie umfaßte kein ganzes Jahr. Daß jährliche Koblenzer Zolleinkünfte von 500 Mark und mehr nicht unrealistisch waren, zeigt ein Vergleich mit dem Neusser Zoll, an dem zwischen 800 und 1200 Mark ein-
552
E. Territoriale Zollpolitik
bis zum Beginn des 14.
Jahrhunderts
Silber gemeint war, entsprach diese Summe rund 100 kg Silber im Jahr bzw. 3,8 Tonnen des Edelmetalls für die Zeit von 1262 bis 1300. In der Amtszeit seines Nachfolgers Boemund von Warsberg (1289-1299)26 änderte sich an der Koblenzer Situation vermutlich noch nichts. Während seine Amtsbrüder in Köln und Mainz, Siegfried von Westerburg und Gerhard von Eppstein, ihre Kurstimme bei der Wahl Adolfs von Nassau zum Römischen König gezielt, z. T. sogar massiv zum Ausbau ihrer Rheinzölle einsetzten 27 , hat Boemund, dessen Einfluß sehr viel geringer war, vom neuen Herrscher keine vergleichbaren Vergünstigungen erhalten. Abgesehen von allgemeinen Besitzstandsgarantien, die keinen besonderen Bezug auf den eher bescheidenen Zollbesitz des Trierer Erzstifts erkennen lassen, berührten die Versprechen des neuen Königs nur in einem Punkt Zollfragen. Adolf versprach dem Trierer Erzbischof, die Reichsburg Cochem binnen eines Jahres von den bisherigen Pfandinhabern auszulösen und am dortigen (Mosel-)Zoll keine übermäßige Belastung trierischer Untertanen zuzulassen28. Daß Adolf von Nassau damit eine ähnliche Zusage wie König Philipp 1202 abverlangt wurde 29 , unterstreicht die Schlüsselstellung, die der Cochemer Moselzoll auch am Ende des Jahrhunderts für die Kontrolle und die fiskalische Abschöpfung des Handels im Trierer Erzstift hatte, mußte doch der gesamte Verkehr zwischen dessen beiden Zentren Trier und Koblenz, sofern er nicht auf der Straße über Wittlich abgewickelt wurde, dort passieren. Boemund von Warsberg gelang eine geschickte Lösung dieses strukturellen Problems. Die innerhalb weniger Jahre erreichte dauerhafte Eingliederung des Cochemer Reichsgutkomplexes in das werdende Trierer Territorium war der wohl größte Erfolg seiner Amtszeit und einer der wichtigsten territorialen Zugewinne des spätmittelalterlichen >Kurstaats< überhaupt 30 . Es ist nicht sicher, ob der Trierer Metropolit schon 1292 weitergehende Pläne mit Cochem hatte, aber zunächst nur ein
26
27 28 29 30
kamen: 1236 wies der Kölner Erzbischof Heinrich von Müllenark 3000 Mark köln. über fünf Jahre bzw. 600 Mark köln. pro Jahr auf seinen halben Zoll zu Neuss an (REK III.l, Nr. 846); 1256 verschrieb Erzbischof Konrad von Hochstaden 100 Mark pro Jahr auf den achten Teil seiner Neusser Zollgefälle (REK III.l, Nr. 1878). Zwischen April 1286 und Februar 1289 war der Trierer Erzstuhl unbesetzt, da Boemund sowohl bei der ersten Wahl im Sommer 1286 als auch bei ihrer Wiederholung im folgenden Jahr zwar eine Mehrheit der Stimmen erhalten, aber auch die Minderheit eigene Kandidaten gewählt hatte. Erst als für Gerhard von Eppstein, den Minderheitskandidaten von 1287, der Mainzer Erzstuhl frei wurde, wurde Boemund im Februar 1289 durch Papst Nikolaus IV. bestätigt und erhielt am 21. März das Pallium. Vgl. dazu ausführlich HOLBACH, Besetzung, S. 18-22. Vgl. dazu ausführlich oben S. 423-426. M G H Const. III, Nr. 486; vgl. oben S. 425 f. (auch zu weiteren Wahlversprechen). Vgl. oben S. 347. Vgl. knapp LAUFNER, Ausbildung, S. 138 f.
I. Das Erzstift
Trier
553
Schutzversprechen erreichen zu können glaubte31, weil Adolf von Nassau das Moselgut schon dem Kölner Erzbischof versprochen hatte32. Zwei Jahre später war es jedenfalls weder Siegfried von Westerburg noch der zwischenzeitliche Pfandinhaber Graf Eberhard von Katzenelnbogen 33 , sondern Boemund, der sich an der mittleren Mosel durchsetzte. Am 22. Juli 1294 verpfändete ihm König Adolf für Wahl- und Krönungskosten sowie für Ausgaben im Dienst des Reiches von insgesamt 4.543 Mark köln. die Burgen Cochem und Klotten mit dem (Cochemer) Zoll, der Jurisdiktion und mit allem Zubehör 34 . Am folgenden Tag erhöhte der Herrscher die Pfandsumme um 2.000 Mark, die Boemund für sechsmonatige Kriegsdienste mit 50 Rittern erhalten sollte 35 , ohne daß die Einkünfte des Pfandes auf die Hauptschuld anzurechnen waren. Zwar beabsichtigte Adolf - dies zeigen schon die ausführlich geregelten Rückgabemodalitäten - mit der Pfandsetzung wohl kaum schon die dauerhafte Aufgabe dieser wichtigen Reichspositionen an der mittleren Mosel, doch war die Pfandsumme im Verhältnis zu den Einkünften zweifellos sehr hoch, und Boemund versuchte durch Kumulierung der königlichen Schulden auf Cochem offensichtlich die Einlösung zu erschweren, die erst nach vollständiger Tilgung der Summe fällig war. Der Erfolg dieser zielstrebigen Politik zeigte sich vier Jahre später. Offenbar in Erfüllung eines Wahlversprechens wandelte der neue König Albrecht von Habsburg am 25. August 1298 die Cochemer Pfandschaft in ein unwiderrufliches Reichslehen Boemunds und seiner Nachfolger um, da angesichts der Höhe der Summe kaum Hoffnung auf Wiedereinlösung bestehe. Der Habsburger meinte damit offenbar weniger die absolute Höhe der Pfandsumme als vielmehr das Mißverhältnis zu den laufenden Einnahmen, die nach einer vielleicht etwas übertriebenen Bemerkung König Adolfs aus dem Jahr 1292 kaum die laufenden Ausgaben deckten 36 . Bei fiskalisch sehr ergiebigen Pfandobjekten, wie etwa Burg und Zoll Kaiserswerth, war es für den Herrscher (abgesehen von den politischen Schwierigkeiten) durchaus möglich, einen Wechsel des Pfandinhabers durch Neuverpfändung an einen Dritten in Gang zu setzen, auch wenn dieser keine besonderen territorialen Ambitionen hatte, sondern lediglich ein Investitionsobjekt suchte. Ein solches Vorgehen war aber sehr viel schwieriger und konfliktreicher, wenn die Pfandhöhe in erster Linie nach dem territorialpolitischen Wert für den derzeitigen Inhaber bemessen war und in keinem realistischen Verhältnis zu den laufenden Einnahmen stand. Dann nämlich mußte jemand gefunden werden, der aus den gleichen Gründen ein ähnlich hohes Interesse am Pfandobjekt hatte37.
31 32 33 34 35 36 37
Als Pfand für die Zahlungsversprechen Adolfs war 1292 die Burg Kobern an der unteren Mosel vorgesehen (RI VI.2, Nr. 1 9 , 2 0 , 4 7 , 4 8 ) . Vgl. zu den Bemühungen Siegfrieds von Westerburg um Cochem S. 4 2 3 , 4 2 6 , 4 2 8 , 4 3 2 . Vgl. oben S. 428. HONTHEIM, Historia I, Nr. 574 - M R R I V , Nr. 2310. M G H Const. III, Nr. 522. U B Duisburg I, Nr. 125 - REK III.2, Nr. 3362. D i e komplexen Zusammenhänge solcher Pfandgeschäfte sind hier stark vereinfacht dargestellt; vgl. dazu grundlegend LANDWEHR, Verpfändung.
554
E. Territoriale Zollpolitik bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts
Die Cochemer Pfandschaft zählte zweifellos zur letzteren Kategorie, da der Cochemer Moselzoll, obgleich er wohl den größten Teil der baren Geldeinkünfte der Pfandschaft eingebracht haben dürfte, im Vergleich mit anderen Flußzöllen wenig ertragreich war38. Entsprechend gering wird man ein spezifisch fiskalisch-zollpolitisches Interesse Boemunds an Cochem zu veranschlagen haben. Territorialpolitische Motive standen zweifellos im Vordergrund, wenngleich der Erzbischof auf die Mitverpfändung des Moselzolls ausdrücklichen Wert legte und im Hintergrund, aber wohl an eher nachgeordneter Stelle, auch den ungehinderten Handel seiner Untertanen im Auge gehabt haben mag. Die Umwandlung der Cochemer Pfandschaft in ein erbliches Reichslehen war zwar eine wichtige Vergünstigung, die Boemund von Albrecht erhielt, doch ist andererseits nicht zu übersehen, daß der Trierer Erzbischof, wie schon sechs Jahre zuvor, auch bei der Königswahl von 1298 zollpolitisch deutlich weniger vom Thronkandidaten fordern konnte als die beiden anderen rheinischen Erzbischöfe 39 . So hat Boemund als einziger der drei Metropoliten keine Verleihung von Rheinzollrechten erhalten; ob er sich darum bemüht hat, ob er etwa eine Reaktivierung des Koblenzer Zolls erreichen wollte, ist nicht bekannt. In Anbetracht der Schwierigkeiten, die seine Amtsbrüder in Köln und Mainz 1292 mit der Realisierung der königlichen Wahlversprechen gerade auch im Bereich der Zölle gehabt hatten, ist jedoch durchaus wahrscheinlich, daß der Trierer Metropolit seine Forderungen bewußt auf ein Ziel beschränkte, nämlich die Sicherung der territorialpolitisch so wichtigen und noch kaum gefestigten Cochemer Position. Nur wenige Monate später eskalierten 1299 die Spannungen zwischen Graf Heinrich VII. von Luxemburg, dem späteren Kaiser, und der Stadt Trier zu einer schweren Fehde. Ursache des Konfliktes war die Zollstätte, die der Graf um 1296 auf einer Moselinsel bei Grevenmacher errichtet und befestigt hatte 40 . Die Gesta Treverorum,
38
Ertragsangaben für die trierischen Moselzölle liegen vereinzelt ab der Mitte des 14. Jahrhunderts und etwas dichter ab dem Beginn des 15. Jahrhunderts vor. Bei allen (hier nicht zu diskutierenden) Schwierigkeiten in Bezug auf Münzwert, nominale Zollhöhe, tatsächliche Zollbemessung, Modalitäten der Pachtverträge, Verkehrsaufkommen etc. illustrieren sie doch das Ertragsverhältnis zwischen Cochem und Koblenz: 1354 betrug die Jahrespacht des Cochemer Zolls 10 Pfund Turnosgroschen (LHAKo 1 C 7, Nr. 243), zwischen 1401 und 1415 waren es 350 Gulden (RET, S. 127, 133, 137, 140). Die Pachtsummen für den Koblenzer Moselzoll betrugen in den späten 1330er Jahren 40 Pfund Turnosen, lagen um 1345 aber schon bei 59 Pfund Turnosen und waren 15 Jahre später bereits doppelt so hoch (vgl. HELLWIG, Moselzoll, S. 127 f.). - Für den Koblenzer Rheinzoll wurde 1345 eine Pachtsumme von 655 Pfund Turnosgroschen vereinbart (LHAKo 1 A, Nr. 5248). Selbst wenn man in Betracht zieht, daß in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts die Zollhöhe am Rhein sehr viel stärker gestiegen sein dürfte als an der Mosel, ändert dies nichts grundlegendes am Verhältnis der Zolleinkünfte.
39 40
Vgl. dazu oben S. 441. La maison de Macre ist in einer Urkunde vom 30. Mai 1296 (UQB VI, Nr. 628) erstmals genannt; ungefähr zur selben Zeit dürfte auch die Zollerhebung begonnen haben, da die
I. Das Erzstift Trier
555
einzige Quelle über den Streit, berichten, daß Heinrich dort »Zöllner und Räuber« eingesetzt hätte, die von Geistlichen und Pilgern, d. h. herkömmlich zollfreien Personengruppen 41 , wie von Kaufleuten ohne Gnade Zoll erpreßt hätten. Die Trierer, unwillig dieses Unrecht länger hinzunehmen, hätten die noch im Bau befindliche Burg mit bewaffneter Macht, aber ohne Blutvergießen, vollständig zerstört, so daß kein Stein auf dem anderen geblieben sei 42 . Tatsächlich mag eine kompromißlose Verzollung der Trierer Geistlichkeit, die zweifellos einen beträchtlichen Güterverkehr mit ihren umfangreichen Besitzungen im Westen unterhielt, zu einer Verschärfung des Konfliktes beigetragen haben. Außer Frage steht aber, daß gerade auch die städtischen Kaufleute nicht bereit waren, die Belastung ihres zuvor weitgehend abgabenfreien Moselhandels 43 mit dem oberlothringischen Raum hinzunehmen. Graf Heinrich reagierte mit einem Kriegszug in das Trierer Land, hat aber den Zoll nicht wiedererrichtet. Erst Ende der 1330er Jahre trat an dessen Stelle der Wasserbilliger Zoll 44 . Die am 2. April 1302 geschlossene Sühne erwähnt die Zollfrage nicht direkt, aber die Trierer erreichten - neben dem stillschweigenden bzw. nicht schriftlich fixierten Verzicht Heinrichs auf den Moselzoll - die Zusage sicheren
41
42 43
44
Funktion der Feste als Zollburg durch die Gesta Treverorum (MGH SS XXIV, S. 486) eindeutig bezeugt ist. Siehe zu der Fehde UQB VI, Nr. 794, und REICHERT, Landesherrschaft, S. 155 f. Bereits 1286 hatte sich sein Vater, Graf Heinrich VI., durch Angriffe auf Geistliche der Trierer Kirchen und durch Beschlagnahme ihrer Güter auf der Straße und der Mosel die Exkommunikation bzw. die Verhängung des Interdikts durch Erzbischof Heinrich von Finstingen zugezogen, der aus diesem Anlaß sogar den Zwanzigsten, d. h. eine Sondersteuer, von den Kirchen seiner Diözese forderte. REICHERT, Landesherrschaft, S. 155, vertritt die Ansicht, daß der Konflikt aus dem Versuch des Grafen resultierte, das Geleit im Südosten der Grafschaft zu gewinnen und - so ist Reichert wohl zu interpretieren - in Verbindung damit Transitabgaben erhob, deren Zahlung der Trierer Klerus verweigerte. Der Schluß auf Geleitgelder ist jedoch nicht zwingend. Direkte Hinweise fehlen im Gegensatz nicht nur zu 1299, sondern auch zu einer Reihe von anderen Fällen, wo man nie versäumte, gerade (Geleit-)Zollerhebung von Geistlichen besonders zu brandmarken (vgl. z. B. das Zollmandat König Friedrichs von 1318, oben S. 523). Das Fehlen entsprechender Vorwürfe ist daher zumindest auffällig. Ein denkbarer anderer Grund könnte ein Versuch Heinrichs VI. gewesen sein, die Besitzungen des Trierer Klerus in der Grafschaft zu besteuern. Ähnliches ist jedenfalls zu 1339/1340 und 1375/1376 - hier sogar wieder mit den gleichen Folgen für den Landesherrn Wenzel, nämlich Exkommunikation und Interdikt (vgl. dazu REICHERT, Landesherrschaft, S. 129 ff., mit Einzelnachweisen) - zu belegen. MGH SS XXIV, S. 486. Zwischen Metz und Trier war der Transitverkehr auf der Mosel zuvor lediglich in der lothringischen Geleitzollstätte Sierck abgabenpflichtig. Vgl. auch REICHERT, Landesherrschaft, S. 147 f. mit Anm. 362. Vgl. REICHERT, Landesherrschaft, S. 156,606, mit Einzelnachweisen.
556
E. Territoriale Zollpolitik bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts
Geleits in der Grafschaft zu Wasser und zu Lande 45 . Über die Rolle Boemunds in der Fehde geben die Gesta keinen Aufschluß. Bis zu seinem Tod Anfang Dezember 1299 hat er sich aus dem Konflikt anscheinend herausgehalten.
1.3
Dieter von Nassau (1300-1307)
Kaum einen Monat später, am 18. Januar 1300, ernannte Papst Bonifatius VIII. den Dominikaner Dieter von Nassau zum Trierer Erzbischof, den Bruder des 1298 im Kampf mit Albrecht von Habsburg gefallenen Königs Adolf von Nassau 46 . Dieter übernahm den Trierer Erzstuhl in der Absicht - daran läßt sein Verhalten keinen Zweifel - , seinen Bruder zu rächen. Für die erzbischöfliche Zollpolitik gewann dies insofern erhebliche Bedeutung, als er sogleich, offenbar zur Finanzierung der bald einsetzenden Anwerbungen von Lehnsleuten gegen den »österreichischen Herzog (Albrecht), der jetzt König von Deutschland genannt wird« 47 , den Koblenzer Zoll reaktivierte 48 , nachdem dort fast vier Jahrzehnte nur eine unbedeutende, jedenfalls nicht mit anderen Zöllen am Rhein zu vergleichende Transportmittelabgabe des
45
UQB VI, Nr. 869. LAUFNER, Bündnisverträge, S. 110, hat behauptet, daß darin die Zollfreiheit der Trierer in der Grafschaft bei Ein- und Ausfuhr enthalten war. Dies geht jedoch aus dem Text, und zwar sowohl dem französischen Original als auch der von Laufner verwendeten deutschen Übertragung des 16. Jahrhunderts nicht hervor; denn die Zusicherung von Freizügigkeit im Handelsverkehr implizierte keineswegs automatisch auch Abgabenfreiheit. Siehe die Richtigstellung bei REICHERT, Landesherrschaft, S. 156 Anm. 402. 46 Vgl. HOLBACH, Besetzung, S. 22 ff.; DERS., Dieter von Nassau, S. 71 ff. 47 Vgl. die Zusammenstellung der Verträge und ihre Bewertung bei HOLBACH, Dieter von Nassau, S. 74. 48 Vgl. oben S. 215. Noch bevor (?) bekannt wurde, daß sich der Papst am 4. Januar 1300 bei einer Vakanz die Ernennung des neuen Trierer Erzbischofs vorbehalten hatte, wählte das Trierer Domkapitel am 26. Januar 1300 den Archidiakon und Kölner Dompropst (und späteren Kölner Erzbischof) Heinrich von Virneburg zum Erzbischof, dem daraufhin ein größerer Teil des Erzstifts Gehorsam leistete. Von den Schwierigkeiten Dieters, seine Ansprüche durchzusetzen, zeugt die Aufforderung des Papstes vom Mai 1300 an Heinrich, bei Strafe von Exkommunkation und Pfründenentzug jede Amtstätigkeit einzustellen (vgl. HOLBACH, Dieter von Nassau, S. 72). - Es kann nicht völlig ausgeschlossen werden, daß die Wiedererrichtung des 1301 erstmals wieder bezeugten Koblenzer Zolls auf diese Tätigkeit Heinrichs von Virneburg in der ersten Hälfte des Vorjahres zurückgeht. Wahrscheinlicher dürfte jedoch ein Zusammenhang mit den Anwerbungen gegen Albrecht von Habsburg sein, zumal Dieter bereits 1292 im Auftrag seines königlichen Bruders ein Weistum über die Rechte der Kölner Bürger am Neusser Rheinzoll hatte erstellen lassen (ENNEN, Quellen III, Nr. 371 - RI VI.2, Nr. 104; vgl. dazu oben S. 431). Dieter war mit den Zollverhältnissen am Rhein also durchaus vertraut.
I. Das Erzstift
Trier
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Trierer Simeonstifts bestanden hatte 49 . In welcher Form dies geschah, wie hoch die Abgabe tarifiert war, ob sie in der früheren Einheit von Rhein- und Moselzoll wiederhergestellt wurde oder ob man zunächst nur den explizit bezeugten Rheinzoll errichtete, ist dabei nicht im einzelnen nachvollziehbar50. Die Hintergründe des Kampfs König Albrechts mit den rheinischen Wahlfürsten, ihre sukzessive Niederlage 1301/1302 und - soweit bekannt - die Bedingungen ihrer Unterwerfung werden an anderer Stelle ausführlich behandelt 51 . Hier sind nur die Trierer Spezifika zu skizzieren: Als letzter der Fürsten mußte sich Dieter von Nassau bis Anfang November 1302 zum Frieden mit dem Habsburger bereitfinden und diesen als König anerkennen 52 . Über die Einzelheiten der Sühne ist nur wenig bekannt, da sie nicht urkundlich überliefert ist und möglicherweise gar nicht schriftlich fixiert wurde. Ein Punkt war darin jedoch zweifellos enthalten, nämlich die Abstellung des Koblenzer Zolls. Zwar waren wohl schon vor der Jahrtausendwende Transitabgaben am Zusammenfluß von Rhein und Mosel erhoben worden, doch obgleich er sehr viel älter war als der Neusser Rheinzoll, der dem Kölner Erzbischof Wikbold von Holte in seiner Sühne mit dem König explizit belassen wurde 53 , hatte der Koblenzer Zoll in den vorangegangenen Jahrzehnten nur in rudimentärer Form bestanden. Unabhängig davon, wie Dieter von Nassau den Zoll bei seinem Amtsantritt reorganisiert hatte, dürfte Koblenz daher als neuer, sogar eigenmächtig errichteter und deshalb >illegaler< Zoll gegolten haben, der niederzulegen war. Anders als unter Heinrich von Finstingen in den 1260er Jahren ist es auch dem Trierer Simeonstift nicht mehr gelungen, seine Rechte zu behaupten. Das von seinem Vorgänger erworbene Cochemer Reichsgut und den dortigen Moselzoll mußte Dieter dagegen anscheinend nicht ausliefern. Den Ausfall der Koblenzer Zolleinnahmen konnte das jedoch nicht ausgleichen. Mittelbare Folge davon war, daß der Erzbischof, um die durch den Krieg von 1301/1302, die Erwerbspolitik 54 und die Konflikte mit der Koblenzer Stadtgemeinde 55 auf das äußerste angespannten Finanzen 56 des Erzstifts zu konsolidieren, seine fiskalisch nutzbaren Rechte gegenüber den Trierer Stiftern und Klöstern zunehmend schärfer einforderte 57 . Daß er
49
50 51 52 53 54 55 56 57
In diesem Zusammenhang, um sich einen Überblick über die bisherigen Zollverhältnisse zu verschaffen, dürfte auch der dritte Koblenzer Zolltarif (LAMPRECHT, Wirtschaftsleben II, S. 321) entstanden sein, der zum letzten Mal das Simeonstift als Inhaber der Abgabe nennt. Vgl. zu diesen Fragen oben S. 215. Es ist anzunehmen, daß man sich bei Tarifierung und nominaler H ö h e an benachbarten Rheinzöllen orientierte. Vgl. oben S. 442-460. Vgl. zum folgenden auch oben S. 459 f. Vgl. oben S. 455. Vgl. dazu HOLBACH, Dieter von Nassau, S. 76 ff. Vgl. dazu HOLBACH, Dieter von Nassau, S. 82 ff. Vgl. zur finanziellen Situation Dieters nach 1302 HOLBACH, Dieter von Nassau, S. 78 ff. Vgl. dazu HOLBACH, Dieter von Nassau, S. 86 ff.
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E. Territoriale Zollpolitik
bis zum Beginn des 14.
Jahrhunderts
dabei mit allen Mitteln vorging und selbst vor Beschlagnahme und Gewaltanwendung nicht zurückschreckte, brachte ihm schließlich einen Prozeß vor der päpstlichen Kurie ein, der erst mit seinem Tod endete. Über Dieters zollpolitisches Verhältnis zu seinen Untertanen ist wenig bekannt. Hatte sich sein Vorgänger Boemund noch 1292 erfolgreich bei König Adolf gegen eine drückende Zollbelastung der erzstiftischen Händler in Cochem eingesetzt allerdings ist nicht bekannt, wie er selbst dort ab 1294 verfuhr - , liegen vergleichbare Nachrichten aus der Amtszeit Dieters nicht vor; auch Zollbefreiungen sind von ihm nicht überliefert. Wie Boemund hat sich auch sein Nachfolger im Zollstreit Triers mit Graf Heinrich VII. von Luxemburg nicht exponiert. Umgekehrt ist die Haltung der Stadt bzw. der verschiedenen innerstädtischen Führungsgruppen während der Auseinandersetzungen des Erzbischofs mit König Albrecht nicht eindeutig 58 . Das Mandat vom 7. Mai 1301, mit dem der Habsburger alle Zollverleihungen seit Friedrich II. aufhob und namentlich die Zölle der drei Erzbischöfe als unrechtmäßig verbot, nennt alle Bischofsstädte entlang des Rheins sowie Trier als Adressaten 59 , und Ottokars (nicht immer zuverlässige) Reimchronik spricht von Kölner und Trierer Kriegshilfe für Albrecht 60 . Im Gegensatz zur Stadt Köln, die eindeutig auf Seiten des Königs gestanden hatte und dafür sorgte, daß dieser ihre Interessen in seiner Sühne mit Wikbold von Holte explizit berücksichtigte, ist aber nicht bekannt, ob in den Frieden Dieters mit dem König auch die Stadt Trier einbezogen wurde. Die Haltung der zweiten großen - und im Hinblick auf die Hebestelle des neuen Zolls und den Schauplatz der Auseinandersetzungen zwischen König und Fürsten sogar wichtigeren - Stadt des Erzstifts, Koblenz, ist dagegen klar zu fassen. Im Dezember 1301 schloß sie ein Bündnis mit den Reichsstädten Boppard und Oberwesel, das Albrecht formell ratifizierte 61 . Wenige Monate später, im März 1302, bestätigte der König den Koblenzern eine Stadtverfassung 62 . Zwar kam im September des folgenden Jahres ein Ausgleich zwischen Erzbischof und Stadtgemeinde zustande, doch bereits im Frühjahr 1304 vermochte der Metropolit seine stadtherrlichen Ansprüche nur durch einen mit großem Aufwand geführten Kriegszug zu behaupten. Daß 1301/1302 Interessengegensätze zwischen dem Erzbischof und den Stadtgemeinden von Trier und Koblenz bzw. den verschiedenen innerstädtischen Führungsgruppen verstärkt zu Tage traten, lag wohl vor allem an der bedrängten Lage Dieters von Nassau. Daß die spezifisch zollpolitischen Fragen des Konfliktes zwischen Albrecht und den rheinischen Wahlfürsten eine ausschlaggebende Rolle spielten, wie dies bei Köln der Fall gewesen sein mag, ist dagegen weniger wahrscheinlich. In der Literatur gilt die knapp achtjährige Amtszeit des einzigen Trierer Erzbischofs aus dem nassauischen Haus als glücklos. Auch die um differenzierte Beur-
58 59 60 61 62
Vgl. HOLBACH, Dieter von Nassau, S. 80 f. M G H Const. IV, Nr. 134. M G H Dt. Chroniken V.2, V. 78.986 ff. M G H Const. IV, Nr. 136. Vgl. dazu HOLBACH, Dieter von Nassau, S. 83 f.
I. Das Erzstift
Trier
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teilung bemühte neuere Studie Holbachs kommt im wesentlichen zu diesem Ergebnis, wenngleich sie die Gründe nicht in persönlicher Unfähigkeit, sondern in erster Linie in den sehr ungünstigen politischen Rahmenbedingungen von Dieters Herrschaft sieht63. Seine Zollpolitik ist dafür eines der besten Beispiele. Dieter von Nassau verfügte offenbar über einen klaren Blick für die fiskalischen Möglichkeiten einer Transitabgabe in Koblenz, den zwar auch seine beiden Vorgängern gehabt haben mögen - doch allein Dieter besaß darüber hinaus die notwendige Entschlossenheit zur Errichtung des Zolls. Im Hinblick auf die letztendliche Erfolglosigkeit dieses Zollprojekts mag man Boemund von Warsberg und Heinrich von Finstingen, die auf eine Reaktivierung des Zolls verzichtet hatten, eine realistischere Einschätzung ihrer Handlungspielräume zuerkennen. Nimmt man aber als Maßstab die Hartnäckigkeit und Konfliktbereitschaft, mit der die Kölner Erzbischöfe Engelbert von Valkenburg und Siegfried von Westerburg im gleichen Zeitraum ihren Zollbestand erweiterten, haben die beiden Trierer Metropoliten vielleicht etwas zu wenig Risikobereitschaft gezeigt. Die Ausgangsposition Dieters von Nassau beim Versuch, den Koblenzer Zoll wieder zu einer der zentralen Einnahmequellen des Erzstifts zu machen, war nicht nur wegen fehlender >Vorarbeitenlegalem< Weg zu erreichen. Diese Chance konnte sich nach Dieters Einschätzung nur dann bieten, wenn ein anderer König an Stelle des Habsburgers gewählt worden war. Unter zollpolitischen Aspekten war es daher folgerichtig, daß sich der Erzbischof der Opposition seiner rheinischen Mitwahlfürsten anschloß. Dieters Amtsbrüder in Köln und Mainz, Wikbold von Holte und Peter von Aspelt, haben sich 1306/1307 bei Papst Clemens V. erfolgreich um die Aufhebung der ihren Vorgängern abgerungenen Zollverzichtserklärungen bemüht 65 . Es liegt eine gewisse Tragik darin, daß dem Trierer Erzbischof selbst dieser Weg zur Wiedererlangung des Koblenzer Zolls verschlossen blieb. Denn zur gleichen Zeit lief gegen den Erzbischof ein Prozeß vor der päpstlichen Kurie wegen Bedrückung Trierer Klöster und Stifter, den Dieter von Nassau glaubte ignorieren zu können, bis er darüber am 23. November 1307 verstarb 66 .
63 64
65 66
Vgl. HOLBACH, Dieter von Nassau, S. 89 f. Daß sich der mit einer sicher schwächeren Hausmacht als Heinrich VII. ausgestattete König aus dem nassauischen Grafenhaus noch stärker auf Dieter als Trierer Erzbischof gestützt hätte, ist eine wohl naheliegende Annahme. M G H Const. IV, Nr. 1161 - REK IV, Nr. 212 (1306 Dez. 25 für Köln); MGH Const. IV, 1162 - VOGT, REM 1.1, Nr. 1145 (1307 Okt. 23 für Mainz). Vgl. HOLBACH, Dieter von Nassau, S. 86 ff.
560
E. Territoriale Zollpolitik bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts
1.4
Balduin von Luxemburg (1308-1354). Die Anfänge bis ca. 1325
Balduin von Luxemburg übernahm 1308 ein Erzstift, dessen Finanzen durch das glücklose Agieren Dieters von Nassau in desolater Verfassung waren. Daran kann bei allen Übertreibungen der zeitgenössischen Quellen, insbesondere der Gesta Baldewini, die Balduins Leistung mit dem Versagen des Vorgängers konfrontieren, kein Zweifel bestehen 67 . Wie schlecht die Trierer Finanzlage war, zeigt der >Startkredit< von 40.000 Pfund Turnospfennigen, den Graf Heinrich VII. seinem Bruder gleich zu Beginn von dessen Episkopat zur Verfügung stellen mußte 68 . Es ist nicht bekannt, für welchen Zeitraum die Tilgung dieser hohen Summe projektiert war und vor allem nicht, aus welchen Geldquellen Balduin die Rückzahlungen leisten sollte; denn aus den monetären Einkünften des Erzstifts dürften 1308 kaum nennenswerte Überschüsse zu erwirtschaften gewesen sein. Sollten vor diesem Hintergrund bereits im Frühjahr 1308 Pläne der Luxemburger bestanden haben, die Trierer Einnahmen durch Neuanlage von Zöllen entscheidend zu verbessern und sich deswegen an König Albrecht zu wenden, blieb es dem jungen Erzbischof erspart, sich mit dessen zollpolitischen Vorstellungen auseinandersetzen zu müssen: Bevor Balduin in das Trierer Erzstift einzog, war der Habsburger am 1. Mai 1308 ermordet worden 69 , und bereits am 27. November wählten der neue Trierer Erzbischof und die anderen wahlberechtigten Fürsten Heinrich VII. zum Römischen König 70 . Zusammen mit dem Mainzer Erzbischof Peter von Aspelt hatte Balduin von Luxemburg die Wahl seines Bruders betrieben. Daß er dabei zuvor allerdings - wie die beiden anderen rheinischen Metropoliten - detaillierte Wahlversprechen des Thronkandidaten ausgehandelt hatte, ist nicht bekannt, vielleicht sogar eher unwahrscheinlich71. Gleichwohl war der neue König in doppelter Hinsicht an einer Verbesserung der trierischen Finanzen interessiert: zum einen, weil er nur so wirksame Unterstützung durch seinen Bruder auf reichspolitischer Ebene erwarten konnte, zum anderen natürlich auch, um im Interesse der Grafschaft Luxemburg die Rückzahlung des Kredits zu beschleunigen, wenn nicht überhaupt erst zu ermöglichen. Diese Konstellation ermöglichte es Balduin, zum erfolgreichen Wiederbegründer des Koblenzer Zolls zu werden und sich damit bleibende Verdienste um die Finanzen des Moselerzstifts bis zum Ende des Alten Reiches zu sichern. Die übliche Hervorhebung von Balduins Rolle bei der Formierung des Trierer >Kurstaates< ist gerade auf dem Gebiet des Zollwesens zweifellos gerechtfertigt. Am 6. Februar 1309 verlieh ihm Heinrich VII. unter wortreicher Darlegung des zerrütteten Zustandes
67 68 69 70 71
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
HOLBACH, Dieter von Nassau, S. 69,89. REICHERT, Bischofsmitra, S. 70 ff.; DERS., Landesherrschaft, S. 228 ff. zur Chronologie DOMINICUS, Baldewin, S. 54 f. auch oben S. 473. oben S. 476.
1. Das Erzstift
Trier
561
des Trierer Erzstifts einen Rheinzoll von zwei Turnosen in dominio, districtu, iurisdictione et conductu ipsius archiepiscopi et ecclesie Treverensis, da ohne das von Balduin gewährleistete sichere Geleit die Kaufleute beraubt würden 72 . Bereits am 26. September 1309 erhielt Balduin weitere vier Turnosen in districtu suo et dominio per Reni alveum in Confluencia, deren Einnahmen zur Rückzahlung der 40.000 Pfund Turnospfennige an die Grafschaft Luxemburg zu verwenden waren 73 . Mit diesem befristeten und zweckgebundenen Zoll wurde die Tilgung des Kredits in finanztechnisch überaus geschickter, aber wohl auch nach mittelalterlichen Maßstäben kaum ganz einwandfreier Weise auf den Rheinhandel abgewälzt74. Die Erhebung der Abgabe sollte am 1. Mai 1310 beginnen, doch hatte Balduin schon bis zum 20. April 1310 ein Fünftel der gesamten Tilgung an Heinrich VII. als Vormund seines Sohnes, des Grafen Johann von Luxemburg, geleistet75. Offenbar hatte der Erzbischof den Termin vorgezogen; vermutlich geschah dies sogar auf Wunsch seines Bruders zur schnelleren Aufbringung der für den Erwerb Böhmens dringend benötigten Gelder 76 . Zwar geht aus dieser zweiten Zollverleihung hervor, daß Balduin die zwei Turnosen vom Februar 1309 nach Koblenz gelegt hatte und auch den befristeten Zoll dort erheben wollte, doch scheint im September 1309 noch ein anderer - nicht bekannter - Erhebungsort am Rhein im Gespräch gewesen zu sein, da bei der Festsetzung der Zahlungsmodalitäten ausdrücklich eine Sonderregelung für den Fall einer Zollverlegung getroffen wurde. Berücksichtigt man ferner, daß im ersten Zollprivileg die Hebestelle am Zusammenfluß von Rhein und Mosel nicht einmal als Option erwähnt wurde, gewinnt man den Eindruck, daß Koblenz für den Erzbischof zunächst nur eine Zwischenlösung darstellte, die sich dann als eine endgültige verfestigte. Unübersehbar ist in beiden Zollprivilegien, welchen Wert Balduin darauf legte, das im Aufbau befindliche trierische Rheinzollsystem innerhalb seines Herrschaftsgebiets ganz nach eigenen Vorstellungen organisieren zu können, ohne dafür neue Genehmigungen des Königs als oberstem Zollherren erlangen zu müssen. Nur mit erkennbarem Widerstreben und unter expliziter Zusicherung, daraus keinen Präzedenzfall zum Nachteil des Erzstifts abzuleiten, hat der Erzbischof seinem königlichen Bruder Ende Januar 1309 die Erhebung eines befristeten Reichszolls im trierischen Leutesdorf gestattet 77 . Die 1314 nach dem Tod Heinrichs VII. anstehende Königswahl nutzte Balduin zu einer bedeutenden Erweiterung der Zollrechte seines Erzstifts 78 . Zum einen konnte
72 73 74 75 76 77 78
M G H Const. IV, Nr. 276; vgl. oben S. 483 f. U Q B VII, Nr. 1271; vgl. zum folgenden oben S. 485 f. Dies ist gegenüber der doch etwas zu positiven Bewertung bei REICHERT, Bischofsmitra, S. 78, festzuhalten. U Q B VII, Nr. 1292. Vgl. auch REICHERT, Landesherrschaft, S. 230. M G H Const. IV, Nr. 275. Vgl. oben S. 493 f., 498 ff.
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E. Territoriale Zollpolitik
bis zum Beginn des 14.
Jahrhunderts
Balduin dabei als erster Trierer Erzbischof soviel aushandeln wie seine Amtsbrüder von Köln und Mainz. Darüber hinaus war er der einzige rheinische Wahlfürst, dem es nachweislich gelang, aus der schließlich zurückgezogenen Thronkandidatur seines Neffen Johann von Böhmen bleibende zollpolitische Vorteile zu ziehen. Im Zuge einer ganzen Reihe von Vergünstigungen, die unverkennbar im Zusammenhang mit seiner Kandidatur standen 79 , erteilte der Böhmenkönig seinem Onkel am 30. Januar 1314 eine Generalquittung über die Tilgung aller Schulden des Erzstifts gegenüber der Grafschaft Luxemburg, d. h. auch der 1308 geliehenen 40.000 Pfund Turnospfennige 80 . Faktisch war dies ein Schuldenerlaß, den Balduin offenbar als Bedingung seiner Kurstimme durchgesetzt hatte: nur 16.000 Pfund Turnospfennige sind nachweislich an Luxemburg zurückgeflossen; daß vom Rest nennenswerte Summen getilgt wurden, ist wenig wahrscheinlich81. Mit dieser Quittung waren nach den Modalitäten der Zollverleihung vom September 1309 zwar auch die vier zweckgebundenen Koblenzer Zollturnosen de iure erledigt, doch hat der Erzbischof deswegen in den folgenden Monaten der Thronvakanz auf ihre Erhebung selbstverständlich nicht verzichtet. Wie die Wahlzusagen des wittelsbachischen Thronkandidaten Ludwig von Bayern zeigen, bemühte sich Balduin vielmehr erfolgreich um neue Rechtstitel, um nicht zwei Drittel seiner Koblenzer Zolleinkünfte einzubüßen. Es gelang ihm, zwei der vier ursprünglich befristeten Turnosen in einen dauerhaften Zoll umzuwandeln und zwei weitere auf seine Lebenszeit zu erhalten, wobei Balduin darauf achtete, daß ihm König Ludwig die Koblenzer Turnosen in der vereinbarten Form, d. h. vier auf Dauer und zwei auf Lebenszeit, formell neu verlieh82. Über die durch neue Rechtstitel erreichte Bestandssicherung des Koblenzer Zolls hinaus erreichte der Trierer Erzbischof im Zusammenhang mit der Königswahl von 1314 die bereits angedeutete erhebliche Erweiterung seines Rheinzollbestands. Noch von seinem Bruder Heinrich VII. war Balduin 1312 das Reichsgut in Boppard und Oberwesel verpfändet worden, jedoch unter expliziter Ausnahme des Bopparder Rheinzolls83. Zwei Jahre später verschaffte sich der Erzbischof von Ludwig dem Bayern nicht nur die Erhöhung der Pfandsumme um ein Vielfaches (von 12.000 Pfund Heller auf 26.000 Mark Silber bzw. 78.000 Pfund Heller), sondern erhielt zusätzlich dessen Genehmigung, in Boppard oder anderswo im Trierer Herrschaftsgebiet - ohne Einschränkung der Erhebungsdauer - einen Rheinzoll von vier Turnosen zu erheben 84 . Inwieweit dieser Zolltitel auf noch vorhandene königliche Zollrechte zurückging oder eine Neuschöpfung darstellte, ist im einzelnen nicht zu
79 80 81 82 83 84
Vgl. oben S. 493 f. HONTHEIM, Historia II, Nr. 611. Vgl. oben S. 493 f. M G H Const. V, Nr. 63 (Wahlzusage), 159, 160 (Einlösung der Wahlzusage); vgl. oben S. 498 f., 507. M G H Const. IV, Nr. 833. M G H Const. V, Nr. 63 (Wahlzusage), 156 (Einlösung der Wahlzusage).
I. Das Erzstift Trier
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klären 85 , konnte aber aus Sicht des Trierer Erzbischofs von untergeordneter Bedeutung sein. Entscheidend für Balduin war, daß er seinen Zollbesitz damit nominal um exakt zwei Drittel erhöhen konnte, nämlich von sechs auf insgesamt zehn Turnosen, und gleichzeitig durch den expliziten Verzicht Ludwigs auf alle fiskalisch nutzbaren Herrschaftsrechte vor zukünftigen Eingriffen des Herrschers weitgehend abgesichert war. Nur die Grafen von Katzenelnbogen, seit 1282 Pfandinhaber des alten Reichszolls in Boppard, waren für Balduin dort zollpolitisch noch Konkurrenten. Die Grafen gerieten schon mit der Verpfändung von 1312, spätestens aber 1314 in eine deutlich schlechtere Position. Eine systematische (gleichwohl nicht vollständige) Prüfung des Quellenmaterials legt den bisher in der Literatur offenbar nicht gezogenen Schluß nahe, daß der Trierer Erzbischof die vier Turnosen nicht in Boppard, sondern bis in die letzten Jahre seiner Regierung, von vorübergehenden Phasen vielleicht einmal abgesehen, in Koblenz erhoben hat, wozu er nach der Verleihung von 1314 ja auch ausdrücklich berechtigt war. Bei einer sonst durchaus guten Quellenlage dürfte es nämlich kein überlieferungsbedingter Zufall 86 sein, daß Balduin, soweit feststellbar, erst 35 Jahre nach der Zollverleihung tatsächlich über einen Zoll in Boppard verfügte. Zwar erhielt der Metropolit am 7. Januar 1331 bis zur Rückzahlung von 1.000 Pfund Heller pfandweise den halben Bopparder Zollanteil Graf Johanns III. von Katzenelnbogen87, doch scheint schon kurz darauf die Auslösung erfolgt zu sein. Es findet sich jedenfalls kein Hinweis darauf, daß der Metropolit über diesen Zollteil verfügte, etwa daß er, wie vereinbart, die jährlich an Martini fälligen Katzenelnbogener Lehngelder aus den Zolleinkünften bestritten hätte 88 . Die beiden in den Zollpassagen im wesentlichen gleichlautenden Sammelprivilegien Kaiser Ludwigs für das Trierer Erzstift von 1332 bzw. 1339 erwähnen das theloneum bzw. die thelonea super alveum Reni in Confluencia et alibi, führen aber den
85 86
Vgl. auch oben S. 499 f. Der Katzenelnbogener Zoll ist im gleichen Zeitraum (1315-1349) vierzehnmal belegt: DEMANDT, R e g . Katz. I, Nr. 564, 571, 579, 604, 606, 6 2 4 , 628, 743, 7 5 5 , 865, 894, 929, 952,
962. 87
DEMANDT, R e g . Katz. I, Nr. 755.
88
Graf Johann III. gehörte zwar der jüngeren Linie des Grafenhauses an, aber möglicherweise ist wenig später die Pfandschaft auf den St. Goarer Zoll der älteren Linie übertragen worden: Am 1. Oktober 1331 bekundete Graf Wilhelm I. von Katzenelnbogen, daß Balduin für ihn 1.000 Pfund Heller Mitgift (von insgesamt 2.000 Pfund) für Wilhelms Schwiegersohn Graf Walram von Sponheim übernommen habe und daß er dem Metropoliten zur Abzahlung der zweiten 1.000 Pfund erlaubt habe, außer den bisher schon verschriebenen zwei Turnosen in St. Goar einen dritten zu erheben (DEMANDT, Reg. Katz. I, Nr. 767). Im Gegensatz zu der Bopparder Verpfändung vom Januar ist die Zahlung von Zollgeldern aus St. Goar an Balduin nachweisbar (vgl. DEMANDT, Reg. Katz. I, Nr. 822). Die Annahme von REICHERT, Finanzpolitik, S. 53, daß die Bopparder Pfandschaft von 1331 zu einer dauerhaften Verminderung der Katzenelnbogener Zolleinkünfte führte, kann daher nicht verifiziert werden.
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E. Territoriale Zollpolitik bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts
Bopparder Zolltitel nicht gesondert auf 89 . Erst von Karl IV. ließ sich der Erzbischof 1346 bei der nochmaligen Erhöhung der Bopparder Pfandsumme auf 30.000 Mark Silber den Zoll von vier Turnosen in Bopardia vel eciam alibi super alveutn Retii als Rechtstitel explizit bestätigen 90 , und auch in dem alle trierischen Flußzölle an Rhein, Mosel und Saar aufzählenden Zollprivileg Karls IV. von 1354 ist Boppard (neben Koblenz) unter den Rheinzöllen genannt 91 . Den ersten sicheren Nachweis, daß in Boppard ein trierischer Rheinzoll erhoben wurde, bietet ein Eintrag im Kassenjournal des Trierer Siegelamtes zum 2. Juli 1349 über die Ausstellung eines an die Zöllner in Bacharach, Boppard und (Koblenz-)Kapellen gerichteten Zollfreibriefs für die Wein- und Getreidefuhren der Burgmannschaft der Schönburg (bei Oberwesel) 92 . Seit dieser Zeit, vor allem nach 1354 unter Balduins Nachfolger Boemund II. von Saarbrücken, ist ein trierischer Rheinzoll in Boppard dicht belegt 93 . Noch 1314 hat der Trierer Metropolit an einem dritten Rheinzoll Einkünfte erlangt, und zwar an der pfalzgräflichen Hebestelle Bacharach 94 . Bereits vor seiner Krönung bekannte Ludwig der Bayer am 26. Oktober 1314, König Johann von Böhmen 18.000 Pfund Heller und dessen Onkel Balduin 6.000 Pfund zu schulden. Zur Tilgung dieser Summen verschrieb er den beiden Luxemburgern vier der sechs Turnosen am alten Bacharacher Zoll 95 . Bis zum 17. Dezember 1314, als Ludwig diese Verschreibung bestätigte, hatten sich seine Verpflichtungen gegenüber dem Erzbischof auf 12.000 Pfund verdoppelt 96 ; am 10. März 1316 schuldete der König dem Metropoliten bereits 40.300 Pfund Heller, dem Böhmenkönig aber nach wie vor 18.000 Pfund 97 . Als Hauptgläubiger erhielt der Trierer nun viereinhalb Turnosen in Bacharach, von denen er zwischen dem 15. April 1316 und dem 17. Mai 1317 fast 2.000 Pfund Heller einnahm 98 . Der am 24. Juni 1317 beginnende, für die Dauer von
89
90 91
Vgl. LÜDICKE, Sammelprivilegien, S. 356; die Urkunde von 1332 ist gedruckt bei HONTHEIM, Historia II, Nr. 642 (theloneum), diejenige von 1339, die nach Lüdicke thelonea bestätigte, ist ungedruckt. Zu den Anlässen der Privilegienausstellung vgl. LÜDICKE, ebd., S. 390. MGH Const. VIII, Nr. 117. Gedruckt: LÜDICKE, Sammelprivilegien, S. 397 f.; Regest: MGH Const. XI, Nr. 19.
92
LAMPRECHT, Wirtschaftsleben III, Nr. 296, S. 482 f.
93
Vgl. nur aus dem Jahr 1354: MGH Const. XI, Nr. 19, 36, 85; MOSLER, UB Altenberg I, Nr. 789 (bezeichnenderweise das erste von einem Trierer Erzbischof für eine der großen Zisterzen [Altenberg] explizit auch für Boppard ausgestellte Zollprivileg; noch die Zollbefreiung für Eberbach von 1340 [MÖTSCH, Balduineen, Nr. 1455] erwähnt lediglich den Koblenzer Zoll); LHAKo 1 A, Nr. 5809; SAUER, Codex Nassau 1.3, Nr. 2734. Vgl. auch oben S. 502. MGH Const. V, Nr. 110. MGH Const. V, Nr. 166. MGH Const. V, Nr. 351. MGH Const. V, Nr. 436; vgl. REICHERT, Landesherrschaft, S. 234; TROE, Münze, S. 277 f.; es ist nicht bekannt, ob König Johann entsprechend seiner Schuldsumme von Balduin an den Zolleinkünften beteiligt wurde.
94 95 96 97 98
I. Das Erzstift
Trier
565
sieben Jahren projektierte Bacharacher Landfrieden beendete vorerst die Bacharacher Pfandrechte Balduins, dem nun lediglich aus dem Landfriedenszoll vier Turnosen zustanden". Spätestens mit der Erneuerung und Modifizierung der Pfandschaft im Februar 1320 war diese Phase jedoch vorbei. Balduin war nun ausdrücklich der alleinige Inhaber des verpfändeten Zollteils, während sein Neffe einen neuen Zoll von sieben Turnosen erhielt100, der 1322 auf acht Turnosen erhöht wurde 101 . Die spätere Entwicklung der jeweiligen Pfandrechte der beiden Luxemburger am Bacharacher Zoll sowie die eine gesonderte Abhandlung rechtfertigende Zollpolitik Balduins in den mehr als drei Jahrzehnten bis 1354 können nicht weiterverfolgt werden 102 . Es sei hier nur darauf hingewiesen, daß es Balduin nicht gelang, seinen Nachfolgern einen dritten trierischen Rheinzoll in Bacharach zu hinterlassen. Nach dem Vertrag, den der Erzbischof und Johann von Böhmen 1342 mit den Pfalzgrafen Ruprecht I. und Ruprecht (II.) d. J. schlössen, endeten die Pfandrechte der beiden Luxemburger am Zoll jeweils mit ihrem Tod 103 , d. h. spätestens mit dem Balduins 1354. In der Tat hat sein Nachfolger Boemund II. nicht mehr über Bacharacher Zolleinkünfte verfügt. Im Unterschied zu Boppard und Koblenz, anders auch als bei Johann von Böhmen 104 , waren die Zollrechte Balduins in Bacharach nicht durch königliche Verleihung begründet und standen nicht zur freien Verfügung ihres Inhabers, sondern sie waren zur Tilgung der Schulden König Ludwigs bestimmt. Wieviel von der schnell anwachsenden Gesamtsumme der Erzbischof tatsächlich im Dienst des Wittelsbachers ausgelegt hatte und welcher Teil als bloßer Gunsterweis des Herrschers zu gelten hat, ist eine hochinteressante, aber im einzelnen kaum zu beantwortende Frage: Daß Balduins Pfandrechte an den vier bzw. viereinhalb Bacharacher Turnosen - um es vorsichtig auszudrücken - nicht vollständig durch Vorleistungen des Metropoliten gedeckt waren und damit als auch Preis für seine politische Unterstützung Ludwigs anzusehen sind, dürfte kaum zu bezweifeln sein. Es ist bereits darauf hingewiesen worden, daß der Trierer Erzbischof von Beginn an darauf bedacht war, den Erhebungsort seiner Zölle innerhalb des trierischen
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Vgl. oben S. 516. M G H Const. V, Nr. 562, 563. Vgl. oben S. 536 f. M G H Const. V, Nr. 679. Vgl. zu den Verfügungen Johanns von Böhmen über die Bacharacher Zolleinkünfte ausführlich REICHERT, Landesherrschaft, S. 243-248. 103 R P R I , Nr. 2486; vgl. REICHERT, Landesherrschaft, S. 243 f. 104 Nach der Vereinbarung von 1322 (MGH Const. V, Nr. 679) mußte Johann nur die Hälfte seiner acht Bacharacher Turnosen für den Schuldendienst verwenden und hatte den Rest, bis auf die vergleichsweise eher geringen Ausgaben zur Burghut, zur freien Verfügung. Gleichwohl hat der Böhmenkönig z. T. offenbar auch die zur Tilgung bestimmten Turnosen mit eigenen Verschreibungen belastet, was zumindest dem Geist des Vertrages zuwiderlief.
566
E. Territoriale Zollpolitik
bis zum Beginn des 14.
Jahrhunderts
Herrschafts- und Geleitgebietes 105 nach eigenem Ermessen wählen zu können. Die Wahl von 1314 nutzte er darüber hinaus, um sich von König Ludwig für einen bestimmten Abschnitt des Rheins, nämlich von Oberwesel bis einschließlich Hammerstein, zwar kein völliges Zollmonopol, aber ein Konsensrecht bei der königlichen Anerkennung aller seit 1291 neu errichteten Zölle zusichern zu lassen 106 . Es ist zweifelhaft, ob der Herrscher für jeden der zahlreichen Zolltitel, die er während der Amtszeit Balduins innerhalb des fraglichen Stromabschnitts an bestehenden Zollstätten neu einrichtete, dessen Konsens einholte. In dem einzigen Fall aber, wo dort eine ganz neue, anscheinend nicht auf königlicher Privilegierung beruhende Hebestelle am Rhein aufgelegt wurde, ist der Erzbischof unverzüglich dagegen vorgegangen. Am 1. Januar 1320 erklärten Dietrich von Ahrenfels, Herr von Isenburg, Engelbert von Sayn und Gottfried, Erstgeborener des Grafen von Sayn, daß sie keinen wie auch immer gearteten Rechtstitel für den von ihnen und ihren consortes zu Engers im Geleit des Trierer Erzbischofs neu errichteten Zoll beanspruchen könnten und versprachen für sich und ihre Teilhaber, die Zollerhebung nach einem entsprechenden Mandat des Metropoliten sofort einzustellen 107 . Zu mehr als zu einer vorläufigen Duldung der Zollerhebung war Balduin nicht bereit, doch selbst dazu offenbar nur kurze Zeit. Da die Abgabe später nicht mehr nachweisbar ist, hat er sich offenbar recht schnell entschlossen, ihre Abstellung durchzusetzen. Daß Balduin dabei nicht den Bacharacher Landfrieden einschaltete, gegen dessen Zollverbot die Abgabe ebenfalls verstoßen hatte, belegt zum einen die Machtposition des Trierers, zum anderen aber wohl auch das Bemühen, seine hoheitlichen Geleitrechte am Rhein nicht durch die Intervention benachbarter Territorialgewalten aufzuweichen.
105 Die Ausdehnung des trierischen Geleits entlang von Rhein und Mosel hat sich Balduin erst durch Karl IV. 1346 (MGH Const. VIII, Nr. 110) konkret bestätigen lassen. Danach erstreckte es sich an der Mosel von der Einmündung des Dilmerbachs bei Remich bis zur Rheinmündung und am Rhein von Duberbach zwischen Brey und Rhens bis zur Nette bei Andernach. 106 M G H Const. V, Nr. 63 (Wahlzusage), 159 (Einlösung). 107 CRM III.l, Nr. 101. Der Fall wird bei DOMINICUS, Baldewin, (und daher wohl auch in der einschlägigen Literatur) nicht diskutiert.
II.
Das Erzstift Köln
II.l
Von den Anfängen bis Heinrich von Müllenark (f 1238)
Obwohl die Kölner Metropoliten anscheinend nicht wie ihre Trierer Amtsbrüder 1 über ein Privileg aus karolingischer Zeit verfügten, das ihnen alle Fiskalabgaben auf Immunitätsgebiet überließ, haben sie wohl mehr als die wenigen namentlich bekannten Zölle besessen. Der älteste Zoll der Kölner Erzbischöfe ist seit dem letzten Viertel des 10. Jahrhunderts in ihrer Bischofsstadt nachweisbar, wobei es sich allerdings um ein in erster Linie marktbezogenes Abgabenbündel handelte, das für eine Analyse der kölnischen Transitzollpolitik nur am Rande in Frage kommt 2 . Auch die im 11. Jahrhundert belegten erzbischöflichen Zollrechte in Remagen, Bonn und Zülpich 3 dienten kaum der Erfassung des Durchgangsverkehrs, während das 1085 von Erzbischof Sigewin an die Abtei Deutz vergabte theloneum de portu Moselle in Rachtig mangels weiterer Quellen nicht näher zu klassifizieren ist4. Der erste kölnische Rheinzoll ist in der Zeit Annos II. nachweisbar. 1062 übertrug ihm Heinrich IV. den Zoll Esserden angeblich - die Urkunde ist möglicherweise Ende des 12. Jahrhunderts entsprechend interpoliert worden - mit der freien Verfügung zu Tausch, Vergabe und Verlegung 5 . Warum sich Anno um den Erwerb des Zolls bemühte, die Abgabe aber bald darauf in die Hand des Utrechter Bischofs gelangte und nach Schmithausen verlegt wurde, ist mit völliger Sicherheit kaum zu beantworten. Es spricht jedoch manches dafür, eine Art Dreiecksgeschäft zu vermuten, das im Zusammenhang mit der zwischen 1060 und 1065 erfolgten Gründung des Klosters Siegburg durch Anno stand. Die noch zu Lebzeiten Annos (t 1075) entstandene erste Fassung der Gründungsurkunde wie auch deren drei spätere Ausgaben nennen in der Liste der Besitzungen, mit denen Anno das Michaelskloster ausstattete, den Ort Overath, den der Metropolit vom Utrechter Bischof (Wilhelm) ertauscht habe 6 . Was von Kölner Seite als Tauschobjekt diente, ist dort nicht vermerkt, aber man könnte sich durchaus vorstellen, daß es der Zoll Esserden war, der vielleicht sogar nur zu diesem Zweck von Anno auf Wunsch des Utrechters erworben wurde. Waren doch Overath und Esserden die beiden einzigen Besitzrechte, von
1 2 3 4 5
6
MRUB I, Nr. 50; vgl. oben S. 547. Vgl. oben S. 191-195. Vgl. oben S. 211 f., 218,221. RhUB I, Nr. 144 - REK I, Nr. 1175; vgl. oben S. 243 f. MGH D H IV, Nr. 86 - REK I, Nr. 960. Die neueste Edition des Stückes: RhUB II, Nr. 236. Vgl. zum folgenden im einzelnen PFEIFFER, Schenkung, und zusammenfassend oben S. 223 f. Achera, quod ab episcopo Traiectensi per concambium sumpsimus, WLSPLLNGHOFF, Urkunden Siegburg I, Nr. 8 - REK I, Nr. 1060. Die späteren Fassungen: WISPLINGHOFF, Urkunden Siegburg I, Nr. 11,12,13.
568
E. Territoriale Zollpolitik bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts
denen bekannt oder zu erschließen ist, daß sie zu dieser Zeit zwischen Utrecht und Köln wechselten 7 . Dem Vorbesitzer des Zolls, Herzog Ordulf von Sachsen, vermittelte Anno als Gegenleistung die Übertragung 8 der Burg Ratzeburg an der sächsischen Ostgrenze durch Heinrich IV. Auffallend ist, daß der Metropolit nicht selbst die Gelegenheit zum Aufbau einer Zollposition am Niederrhein nutzte; die angemessene Ausstattung des Klosters Siegburg hatte offenkundig Priorität. Der Neusser Rheinzoll, mit dem die Kölner Erzbischöfe spätestens seit 1138 den Rheinhandel auf dem wohl verkehrsreichsten Stromabschnitt dieser Zeit abschöpften 9 , kann nicht mit Sicherheit auf eine königliche Verleihung bzw. die Übernahme königlicher Zollrechte zurückgeführt werden. Wie an anderer Stelle ausgeführt wird, war der spätkarolingische Reichszoll in Neuss aller Wahrscheinlichkeit nach kein Passierzoll, der den Rheinverkehr besteuerte, sondern vornehmlich auf die Erfassung des Markthandels ausgerichtet 10 . Eine eigenmächtige Errichtung oder gar usurpatorische Aneignung des Rheinzolls durch die Metropoliten ist aber weder nachweisbar noch zu vermuten. Vielmehr war gerade Neuss der einzige kölnische Rheinzoll, dessen Berechtigung den Erzbischöfen in den zahlreichen Zollkonflikten des 13. und beginnenden 14. Jahrhunderts niemals bestritten wurde. Bereits 1147 bestand ein zweiter kölnischer Rheinzoll in Andernach, der zwar auch nicht auf eine herrscherliche Zollverleihungsurkunde zurückzuführen ist, aber von Erzbischof Arnold I. kaum gegen den Willen des Königs am Reichsort Andernach erhoben wurde 11 . Auch die Lage der zweiten Hebestelle war vom Erzbischof offensichtlich sehr gezielt gewählt worden. Zum einen mußte der Rheinhandel zwischen Köln und dem mittelrheinischen Raum die Hebestelle passieren; zum anderen wurde der Teil des Handelsverkehrs erfaßt, der die Rheinmetropole nicht berührte, sondern die Landverbindung der Aachen-Frankfurter Heerstraße benutzte, die bei Sinzig, nördlich von Andernach, auf den Rhein traf 12 . Ungeachtet der Frage, ob die Errichtung beider Zollstätten mit, gegen oder ohne den Herrscher erfolgte, hatte Erzbischof Arnold I.13 damit in weniger als einem
7
8 9 10 11 12 13
Vgl. zu den Beziehungen Annos zum Utrechter Bischof Wilhelm JENAL, Anno, S. 34 ff., der allerdings ungenau von einem Kauf Overaths spricht (S. 36), dagegen übersetzt Oediger (REK I, Nr. 1060) concambium zutreffend mit Tausch. MGH D H IV, Nr. 87; vgl. dazu PFEIFFER, Schenkung, S. 48 f. REK II, Nr. 362; vgl. oben S. 248 f. Vgl. Kap. A.III.2.3. KOCH, O H Z I , Nr. 123 - REK II, Nr. 458. Vgl. oben S. 257 f. Vgl. die Karte bei NOTTEBROCK, Heerstraße, S. 283. Es ist allerdings nicht auszuschließen, daß zumindest der Neusser Rheinzoll nicht auf Arnold I., sondern noch auf seine Vorgänger Bruno II. (1131-1137) oder Friedrich I. (1100-1131) zurückgeht. Für Bruno spricht, daß von ihm die erste erzbischöfliche Münzprägung in Neuss nachweisbar ist (vgl. HÄVERNICK, Münzen, S. 177). Friedrich I. gilt als der erste Kölner Erzbischof, der eine planmäßige Territorialpolitik betrieb (vgl. WISPLINGHOFF, Friedrich I.). RITZERFELD, Kölner Erzstift, S. 278 ff., dessen Analyseschwerpunkt auf der Verwaltungsorganisation und den wirtschaftlichen Grundlagen des
IL Das Erzstift Köln
569
Jahrzehnt einen Rheinzollbestand aufgebaut, der für einen Reichsfürsten einzigartig war. Außer dem Kölner Metropoliten, dem Utrechter Marienstift (Schmithausen) und dem Trierer Simeonstift (Koblenz) schöpfte um 1150 nämlich nur noch das Königtum (Boppard, Hammerstein, Angeren, Nimwegen) den Rheinhandel mit Transizöllen ab14. Weder die Erzbischöfe von Mainz und Trier, noch der Pfalzgraf noch andere weltliche Grafen oder Herren verfügten in dieser Zeit über Rheinzölle. Den Nachfolgern Arnolds I. mußte es zunächst darauf ankommen, diese Position zu konsolidieren, bevor an ihren Ausbau zu denken war. In erster Linie galt dies für den Andernacher Zoll, dessen Status als kölnische Hebestelle, so schien es, 1167 durch die Übertragung der Andernacher curtís mit Münze und Zoll an Erzbischof Reinald auf Dauer gesichert wurde 15 . Bis zum Ende des Jahrhunderts haben die Kölner Metropoliten keine erkennbaren Versuche zur Etablierung eines weiteren Rheinzolls gemacht. Es ist allerdings auch fraglich, ob dies zumindest am Niederrhein in einer Zeit erfolgversprechend gewesen wäre, in der die Staufer ihre Zollposition mit Nimwegen (1145), Kaiserswerth (1174) und Duisburg (1184) so stark ausbauten. Wie wenig gefestigt der kölnische Zollbesitz in Andernach trotz der Schenkung von 1167 war, wurde gegen Ende des 12. Jahrhunderts deutlich. Seit der Mitte der 1180er Jahre hatte sich das Verhältnis zwischen Philipp von Heinsberg und Friedrich I. zunehmend verschlechtert 16 . Um 1190, vielleicht auf dem Nürnberger Reichstag 1188, wurde die Schenkung von 1167 rückgängig gemacht, ohne daß jedoch die genauen Umstände bekannt sind. Zwar verfügte Erzbischof Adolf von Altena bereits 1197 wieder über den Ort, aber der Zoll, was in der Literatur durchgängig übersehen wird, war den vorangegangenen Streitigkeiten offenbar zum Opfer gefallen; für mehrere Jahrzehnte verschwindet er aus den Quellen 17 . Weder die formelle Restitution Andernachs durch Otto IV. 119818 noch die Bestätigung der dortigen kölnischen Besitzrechte durch Philipp von Schwaben sieben Jahre später 19 führten zur Wiederinbetriebnahme des Rheinzolls. Beide Herrscher beriefen sich zwar explizit auf die Übertragung von 1167, die auch den Andernacher Zoll beinhaltete; gleichwohl haben die Kölner Metropoliten diesen Rechtstitel nicht umsetzen können. Die Haltung des Kölner Erzbischofs Adolf von Altena im staufisch-welfischen Thronstreit ist nicht von der Zollsituation im Kölner Raum am Ende des 12. Jahr-
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Kölner Erzstifts im 12. Jahrhundert liegt, geht auf die - allerdings auch kaum zu beantwortende Frage - nach der Genese der kölnischen Rheinzölle nicht ein. Vgl. Karte 3. MGH D F I, Nr. 532 - REK II, Nr. 900. Vgl. zu den Hintergründen auführlich ENGELS, Stauferzeit, S. 231-236. Vgl. oben S. 257 f. MGH Const. II, Nr. 17 - REK II, Nr. 1550. LAC. II, Nr. 11 - REK II, Nr. 1656.
570
E. Territoriale Zollpolitik
bis zum Beginn des 14.
Jahrhunderts
hunderts zu trennen 20 . Sein vorrangiges zollpolitisches Ziel war die Entfernung des Kaiserswerther Reichszolls, der seit 1174 nur wenige Stromkilometer unterhalb des kölnischen Rheinzolls in Neuss den Handel am Niederrhein beherrschte. Entsprechende Zusagen ließ sich Adolf vom weifischen König Otto IV. im Juli 1198 verbriefen 21 , aber der Erzbischof konnte die Rückverlegung der Kaiserswerther Hebestelle de facto nicht durchsetzen, da Otto darauf offenbar nicht oder erst dann verzichten wollte, wenn er den Duisburger Rheinzoll zu einem gleichwertigen Ersatz ausgebaut hatte. Obgleich der Weifenkönig in seinem 1202 mit Adolf geschlossenen Schied ausdrücklich die Abschaffung des Kaiserswerther und nun auch des Duisburger Zolls versprach 22 , hat er beides nicht (auf Dauer) eingehalten. Als Adolf Ende 1204 wohl auch deswegen zum staufischen König Philipp überwechselte, hatte er sein wichtigstes zollpolitisches Ziel nicht erreicht. In Kaiserswerth bestand nach wie vor ein Rheinzoll, über den der Staufer offenbar nicht mit sich verhandeln ließ; denn er bestätigte im Januar 1205 der Kölner Kirche zwar pauschal Münzen, Zölle und Jahrmärkte 23 , von der Rückverlegung des Kaiserswerther oder der Abschaffung des Duisburger Zolls fand sich jedoch in diesem Privileg kein Wort. Im Rückblick betrachtet hat der Metropolit für sein Erzstift jedoch zumindest eines erreicht, nämlich das Königtum am Niederrhein als Zollinhaber wenngleich nicht auszuschalten, so doch immerhin in die Defensive zu drängen. Nach der Absetzung Adolfs von Altena 1205, der noch bis 1215 letztendlich erfolglos gegen Bruno von Sayn und Dietrich von Heimbach kämpfte, trat erst mit der herausragenden Persönlichkeit Engelberts von Berg (1216-1225)24 eine Konsolidierungsphase im Erzstift ein25, die wieder zollpolitische Handlungsspielräume eröffnen konnte. Zur bekanntermaßen starken Kölner Machtposition unter Engelbert scheint zunächst nicht zu passen, daß aus seinem Episkopat weder die Anlage neuer noch die intensivierte Nutzung bestehender Zölle überliefert ist. Bei näherem Hinsehen ist dies freilich nur ein scheinbarer Widerspruch. Denn so wie Engelberts territorialpolitisches Handeln vor allem im Zeichen der Machtentfaltung des die rheinischen und westfälischen Adelsherrschaften überwölbenden Kölner Doppelherzogtums stand 26 und seine führende Rolle in der Reichspolitik in der Reichsverweserschaft (seit 1220) ihren Ausdruck fand, so würde man auch sein zollpolitisches Wirken kaum richtig einschätzen können, wenn man es nur bei den erzstiftischen Zöllen suchte. Engelbert agierte weniger in den Kerngebieten des Erzstifts als vielmehr in den Randbereichen einer räumlich weiter als je zuvor definierten zollpolitischen
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25
Vgl. zum folgenden oben S. 343 ff. M G H Const. II, Nr. 17 - REK II, Nr. 1550. M G H Const. II, Nr. 24 - REK II, Nr. 1623. LAC. II, Nr. 1 1 - R E K II, Nr. 1 6 5 6 . Vgl. zu seinem Episkopat jetzt LOTHMANN, Engelbert, der auf die Zollpolitik des Erzbischofs allerdings nicht eingeht; JANSSEN, Erzbistum Köln, S. 134-144. Vgl. ENGELS, Stauferzeit, S. 242 ff.; JANSSEN, Erzbistum Köln, S. 137 f.
26
V g l . ENGELS, S t a u f e r z e i t , S. 2 4 7 - 2 5 4 .
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24
II. Das Erzstift Köln
571
Interessensphäre. Nicht die eigenen Zölle wurden ausgebaut, sondern diejenigen fremder Inhaber kölnischer Kontrolle unterworfen. Schon am Beginn seiner Regierung bemächtigte er sich 1216/1217 der pfalzgräflichen Burg Thurandt an der unteren Mosel, wo spätestens seit 1209 ein Flußzoll bestand, sicherte die Anlage durch einen neuen Turm und konnte sie behaupten, obwohl der Papst für den Pfalzgrafen intervenierte 27 . Die vierte Fortsetzung der Kölner Königschronik stellt - ohne den Moselzoll direkt zu erwähnen - die Einnahme Thurandts in den Kontext von Engelberts Bemühungen zur Sicherung des Landfriedens 28 . Dies schließt aber keineswegs aus, daß der Erzbischof die Burg auch deshalb in Besitz nahm, um eine Zollstätte zu entfernen, die den Verkehr der niederrheinischen Klöster und Stifter mit ihren Besitzungen an der Mittel- und Untermosel 29 erheblich belastet haben dürfte. Fiskalische Motive haben dagegen keine erkennbare Rolle bei der Eroberung Thurandts gespielt. Es gibt kein Indiz dafür, daß der Erzbischof den Moselzoll später selbst betrieben hat. Nur wenig später engagierte sich Engelbert im Nordwesten des kölnischen Einflußbereichs beim Streit um den Lobither Zoll. Der Graf von Geldern hatte die Hebestelle vor 1220 von Arnheim nach Lobith an die Spitze des Rheindeltas verlegt und damit vor allem den über die IJssel gehenden Handel der Deventerer und Salländer getroffen, der vom Arnheimer Zoll nicht erfaßt worden war30. Diese mobilisierten den Utrechter Bischof Otto II., der aber wohl kaum allzuviel erreicht hätte, wenn sich nicht Engelbert eingeschaltet hätte. Der Erzbischof ergriff die Gelegenheit, seinen Einfluß am unteren Niederrhein zu erhöhen, in einem Raum, der unter Engelberts Vorgängern »von der kölnischen Herzogsgewalt nie recht erfaßt worden war, obwohl er zum Herzogtum gezählt wurde«31. Auf dem gleichen Frankfurter Hoftag im April 1220, auf dem Friedrich II. die Confoederatio mit den kirchlichen Reichsfürsten schloß, erwirkten die Gegner Lobiths ein vollständiges Verbot des Zolls32. Engelbert ließ sich vom König in einem gesonderten Mandat mit der Ausführung dieses Verbots beauftragen, um gegebenenfalls eine Handhabe zur Intervention zu haben 33 . Dazu kam es jedoch nicht bzw. nicht im Utrechter Sinn.
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29 30 31
Vgl. oben S. 281; zum Verlauf des Konflikts: LOTHMANN, Engelbert, S. 126-129. Inter cetera eciam eius laudabilia gesta et pacem firmissimam elaboravit. Castrum Turunh super Mosellam situm, latibulum predonum, ad maximum commodum ecclesiarum et patrie comparavit et ecclesie Coloniensi reliquit possidendum, WAITZ, Chron. regia cont. IV, S. 256 f. - REK III.l, Nr. 185. Vgl. WISPLINGHOFF, Fernbesitz, passim, und seine Karte (S. 63) mit dem Stand um 1220. Vgl. oben S. 363 f. und die Karten 3 und 4. ENGELS, Stauferzeit, S. 249. Im selben Jahr zwang Engelbert den Grafen von Kleve zur Anerkennung der kölnischen Landfriedenshoheit (vgl. ebda).
32
M G H C o n s t . II, N r . 7 4 - URKUNDENREGESTEN II, N r . 1 2 6 .
33
MGH Const. II, Nr. 75 - URKUNDENREGESTEN II, Nr. 127. Die Rolle Engelberts ist freilich in dieser frühen Phase nicht eindeutig. SCHIFFER, Grafen von Geldern, S. 335, vertritt die Ansicht, daß der Erzbischof dabei seinen Einfluß zugunsten Gelderns ausübte. Wenn
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E. Territoriale Zollpolitik bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts
Bereits zwei Jahre später unterstützte der Kölner in der Fehde zwischen Geldern und Utrecht seinen gräflichen Vetter 34 und verschaffte diesem die kaiserliche Erlaubnis zur Zollverlegung nach Lobith in archiepiscopatu Coloniensi{\), wobei Friedrich II. die maßgebliche Rolle des Erzbischofs beim Zustandekommen des Privilegs hervorhob 35 . Der Utrechter Bischof und seine Untertanen in Deventer bzw. im Salland erwirkten zwar im Januar 122336 von Friedrich II. noch einmal die Bekräftigung des Frankfurter Zollverbots von 1220, jedoch blieb dies bezeichnenderweise wirkungslos. So gut sich die Vorgänge um den Lobither Zoll in Engelberts Politik einer Durchsetzung des ducatus Coloniensis einfügen lassen, so schwer ist es, dabei über machtpolitische Aspekte hinaus eine wirtschaftspolitische Dimension im Handeln des Erzbischofs zu fassen. Weder ist zu erkennen, daß er 1220 den Rheinhandel von neuen Belastungen freihalten wollte, noch läßt sich ausmachen, daß dabei Ertragsüberlegungen im Hinblick auf seine eigenen Rheinzölle ein Rolle spielten. Daß die speziellen Interessen der IJsselhändler nicht von Belang waren, ist sogar offensichtlich. Auf Reichsebene sind zollpolitische Maßnahmen Engelberts nicht eindeutig bestimmbar. Klingelhöfer hat wegen der zeitlichen Nähe der Confoederatio zum Lobither Fall vermutet, daß die Zollbestimmungen dieses Fürstenprivilegs vor allem Kölner und Utrechter Interessen widerspiegeln37. In der Tat wird man schon aus der starken Kölner Position im Reich, die nach dem Frankfurter Hoftag in der Übertragung der Reichsverweserschaft zum Ausdruck kam, folgern können, daß Engelbert am Zustandekommen des Fürstenprivilegs maßgeblich beteiligt war. Mit dem vorhandenen Quellenmaterial ist es gleichwohl kaum möglich, seinen Einfluß als entscheidend für das Zustandekommen der Zollbestimmungen zu qualifizieren, obwohl gerade der königliche Verzicht auf Errichtung neuer Zölle gegen den Willen der Kirchenfürsten sehr gut in die Kölner Situation paßt. Wie schon angedeutet wurde, hat Engelbert bei den Zöllen des eigenen Erzstifts kaum Spuren hinterlassen, wobei freilich sein relativ kurzer Episkopat in Betracht zu ziehen ist. Erst unter seinem Nachfolger Heinrich von Müllenark (1225-1238) ist mit dem 1235 erstmals belegten Rheinberger Rhein- und Landzoll und der spätestens 1234 erfolgten Reaktivierung des Andernacher Rheinzolls eine quantitative Erweiterung des erzbischöflichen Transitzollbestands nachweisbar. Beide Flußzollstätten mußten allerdings vermutlich bald darauf im Zuge des Mainzer Reichslandfriedens
Engelbert aber schon 1220 (insgeheim ?) den Grafen gegen Utrecht unterstützte, dann ist zu fragen, warum er nicht das Hofgerichtsurteil überhaupt verhindert hatte. LOTHMANN, Engelbert, diskutiert bei der Referierung des Konfliktes (S. 89 ff., 276 ff.) dieses Problem nicht weiter, teilt aber offenbar die Ansicht Schiffers. 34
V g l . ENGELS, S t a u f e r z e i t , S. 2 5 2 .
35
LAC. II, Nr. 100 - REK III.l, Nr. 350; vgl. oben S. 363 f.
36
SLOET, O G Z , N r . 4 7 0 .
37
V g l . KLINGELHÖFER, R e i c h s g e s e t z e , S. 2 4 f.
II. Das Erzstift Köln
573
abgestellt werden 38 . Obwohl sich Heinrich zumindest für Andernach auf einen älteren Rechtstitel, die Barbarossaschenkung von 116739, berufen konnte, sah er sich anscheinend nicht in der Lage, den Zoll gegen den Willen des Kaisers durchzusetzen, der sich damals in Deutschland auf dem Höhepunkt seiner Macht befand. Um so weniger konnte dem Metropoliten dies beim Rheinberger Zoll gelingen, der nicht vergleichbar legitimiert war. Während nicht bekannt ist, ob die Abstellung des Andernacher Zolls auf Interventionen benachbarter Landesherren zurückging, ist aufgrund der Lage Rheinbergs als kölnischer Exklave im Klevischen und dem vom Ende des Jahrhunderts belegten Widerstand der Grafen von Kleve gegen einen Rheinberger Rheinzoll vorstellbar, wenn auch nicht zu beweisen, daß Graf Dietrich IV. von Kleve Hauptgegner der Hebestelle war und beim Kaiser auf ihre Niederlegung hinwirkte. Daß die Zollpolitik Heinrichs von Müllenark, mit der er offensichtlich einen Ausweg aus der verzweifelten Finanzlage des Erzstifts suchte40, letztendlich nicht zum angestrebten Ziel führte, darf nicht den Blick dafür verstellen, daß er der erste Erzbischof seit Arnold I. (1137-1151) war, der wieder auf eine systematisch Erfassung des Rheinhandels im Norden und Süden des Erzstifts hinarbeitete.
II.2
Konrad von Hochstaden (1238-1261)
Anders als sein diesbezüglich wenig erfolgreicher Vorgänger hat Konrad von Hochstaden, der Heinrich auf dem Kölner Erzstuhl folgte, die kölnischen Transitzölle zumindest teilweise - auch mit langfristigem Erfolg ausgebaut. Bei Konrads Amtsantritt 1238 verfügte das Kölner Erzstift nur über einen einzigen Rheinzoll, der in Neuss die Handelsströme zwischen Köln und dem Nordwesten abschöpfte. Der Rheinberger Flußzoll hatte im wesentlichen die gleiche Funktion erfüllt. Dagegen fehlte nach dem Wegfall des Andernacher Zolls eine vergleichbare Position im Süden des Erzstifts, um am zunehmend wichtiger werdenden Warenaustausch zwischen Köln und den südlichen Rheinlanden - erinnert sei hier nur an den zur gleichen Zeit stattfindenden Aufbau der Messesysteme am oberen Mittelrhein und im WetterauMaingebiet 41 - zu partizipieren.
38
39 40 41
Vgl. oben S. 372 f.; zur Amtszeit Heinrichs siehe auch MATSCHA, Heinrich I., zu den Zöllen dort insbesondere S. 391 ff. Matscha stützt sich weitgehend auf den knappen Überblick von DROEGE, Rheinzölle. Auswirkungen des Mainzer Reichslandfriedens auf die kölnischen Rheinzölle werden von beiden Autoren nicht diskutiert. Unbeachtet bleiben in Matschas sonst sehr detailreicher Arbeit (vgl. die Rezension von Heribert MÜLLER, RhVjbll. 59, 1995, S. 370 ff.) die Bemühungen Erzbischof Heinrichs zum Ausbau der kölnischen Rheinzölle. MGH D F I, Nr. 532 - REK II, Nr. 900. Vgl. dazu ausführlich WERNER, Prälatenschulden, S. 531-540. Vgl. IRSIGLER, Jahrmärkte und Messen, S. 538-543; DERS., Messesysteme, S. 21 f.
574
E. Territoriale Zollpolitik bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts
Offenbar als Ersatz für Andernach errichtete Konrad vor 1244/1246 eigenmächtig42 den Bonner Rheinzoll43, konnte aber die Hebestelle nicht behaupten, die bis 1282 nicht mehr nachweisbar ist. Vermutlich erfolgte ihre Niederlegung im Zuge des Rheinischen Städtebundes von 1254, dessen Dynamik sich Erzbischof Konrad - wie nahezu alle anderen Zollinhaber am Rhein - nicht lange entziehen konnte. Auch er trat mit dem Versprechen bei, seine thelonea iniusta - wozu der Bonner Rheinzoll aufgrund seiner Genese zweifelsohne zu zählen war - abzustellen, und hat diese Zusage anscheinend auch eingehalten 44 . Stattdessen hat Konrad die Zollnutzung vor allem am Niederrhein intensiviert, in einem Raum, dessen wirtschaftliche Dynamik, wie sie etwa in den zahlreichen Städteprivilegien dieser Zeit erkennbar wird45, hohe Erträge in der Abschöpfung des Transithandels versprach, wo aber auch weniger Widerstände als im Gebiet oberhalb Kölns zu erwarten waren, das stärker dem Einfluß des Rheinischen Bundes ausgesetzt war. Als Konrad im Januar 1255 die Stadt Neuss privilegierte, sicherte er ihr Freiheit von allen zukünftig neu angelegten Zöllen im Erzstift zu46. Drei Jahre später gab der Metropolit dem Neusser Stift St. Quirin die gleiche Zusage und befreite es insbesondere von dem neuen Landzoll, den er der Stadt Neuss auf Zeit gewährt hatte 47 . Der Erzbischof hat neue Zölle, die abgesehen von Neuss nicht im einzelnen lokalisierbar sind, nicht nur zur Kompensation des niedergelegten Bonner Zolls errichtet. Vielmehr beschleunigte er den bereits im Gang befindlichen Ausbau der kölnischen Transitzölle mit räumlicher Schwerpunktsetzung auf den Niederrhein. Bereits im April 1252 wurde Konrad in einem Schied dazu verpflichtet, von den Kölner Bürgern weder in Neuss, wo sie seit 1248 Zollfreiheit besaßen 48 , noch an anderen bestehenden oder künftigen Zollstätten gegen ihre Privilegien unrechtmäßige Abgaben zu erheben 49 . Daß die Zollstreitigkeiten zwischen Stadt und Erzbischof andauerten - im Großen Schied von 1258 klagten die Kölner erneut, daß Konrad von Hochstaden von ihnen thelonia indebita erheben lasse50 - , war wohl weniger eine gezielte Miß-
42
43 44 45 46 47 48 49 50
Der Bonner Zoll bestand spätestens im April 1246 (SCHMITZ, UB Heisterbach, Nr. 97 REK III.l, Nr. 1242), also noch vor der Wahl Heinrich Raspes zum Gegenkönig durch die antistaufische Partei am 22. Mai 1246. Man kann allerdings nicht ausschließen, daß die Bewilligung des Bonner Zolls ein Preis für die Kölner Kurstimme war und Konrad bereits im Vorgriff auf die zu erwartende Zollverleihung mit der Zollerhebung begonnen hatte; denn ähnlich verfuhr sein Nachfolger Wikbold. Vgl. oben S. 218 f. Vgl. oben S. 389 ff.; zum Beitritt Konrads siehe VOLTMER, Rheinischer Bund, S. 16. Vgl. aus der Fülle der Literatur stellvertretend FLINK, Stadtentwicklung, bes. S. 167 ff. LAC. II, Nr. 408 - REK III.l, Nr. 1822. LAU, Neuss, Nr. 11 - REK III.l, Nr. 2005. ENNEN, Quellen II, Nr. 279 - REK III.l, Nr. 1398. ENNEN, Quellen II, Nr. 306 - REK III.l, Nr. 1669. ENNEN, Quellen II, Nr. 384.
575
II. Das Erzstift Köln
achtung der städtischen Privilegien - denn die Neusser Zollfreiheit der Bürger wurde durchaus beachtet 51 sondern eher die Folge einer sich durch Konrads Zollpolitik verändernden und verdichtenden Transitabgabenstruktur des Erzstifts. Dies ist keineswegs nur ex post zu erschließen; bereits die Zeitgenossen haben den nur z. T. aus den genannten urkundlichen Quellen nachvollziehbaren Ausbau des Zollsystems als wesentlichen Bestandteil der erzbischöflichen Politik verstanden. So vermerkt der anonyme Autor eines kölnischen Bischofskatalogs in seiner knappen und kritischen K e n n z e i c h n u n g v o n K o n r a d s E p i s k o p a t : Hic plura aquis et in terris ubicunque posuit52.
theolonia
iniusta et pedagia
in
Offenbar erst nachdem Konrad von Hochstaden den Ausbau seiner eigenen Zölle abgeschlossen hatte, initiierte er im November 1259 einen Landfrieden, in dem sich mit den Dynasten von Geldern, Kleve, Jülich, Berg und Sayn sowie dem Bischof von Utrecht fast alle Landesherren bzw. Zollinhaber der nördlichen Rheinlande sowie einige nicht genannte Städte unter Führung Kölns zur Öffnung der Handelswege und Beschränkung der Transitabgaben auf thelonea debita et iusta zusammenfanden 53 . Es steht außer Frage, daß der Erzbischof alle Erweiterungen des kölnischen Zollbestands dieser Kategorie zuordnete, obgleich sie nach herkömmlichem Verständnis gerade nicht dazu zählten. Konrad wollte offenbar den Vorsprung, den das Erzstift im Ausbau des niederrheinischen Transitabgabensystems gewonnen hatte, durch die Festschreibung des Status quo absichern. Die anderen Landfriedensmitglieder haben dies kaum übersehen, aber in Anbetracht der offensichtlichen Vorteile des Bundes für die Belebung des Handels, von dem sie alle als Zollinhaber bzw. als Kaufleute profitierten, in Kauf genommen, zumal ja auch durch die Einbindung des Kölner Erzbischofs dessen weiterer Zollausbau stark gebremst bzw. gemeinsamer Kontrolle unterworfen wurde. Was dies bedeuten konnte, mußte Konrads Nachfolger Engelbert von Valkenburg erfahren. Wie schon sein Vorgänger Adolf von Altena, allerdings mit größerem Erfolg als dieser, versuchte Konrad von Hochstaden die Etablierung fremder Zollinhaber in seinem niederrheinischen Einflußbereich zu verhindern. Noch in die Anfangsphase seines Episkopats fiel 1243 der Kriegszug gegen den kurz zuvor errichteten klevischen Rheinzoll in Orsoy. Konrad erzwang dessen Abstellung und erwarb die ca. 6 km östlich von Orsoy auf der rechten Rheinseite gelegene Burg Holten, um weitere Versuche des Grafen, sich oberhalb des kölnischen Rheinberg als Rheinzollinhaber festzusetzen, bereits im Ansatz unterbinden zu können 54 . Wenn unsere Vermutung zutrifft, daß der 1241/1242 stark erweiterte klevische Flußzollbesitz eine gezielte Maßnahme der Reichsgewalt war, um die Position Graf Dietrichs IV. gegen den
51 52
Der entsprechende Punkt des Großen Schieds betraf lediglich Verfahrensfragen. Vgl. auch KLINKENBERG, Interpretation, S. 121 ff. MGH SS XXIV, S. 353. Vgl. zur Quelle WATTENBACH/SCHMALE, Geschichtsquellen I,
53 54
MGH Const. II, Nr. 441 - REK III.l, Nr. 2075; vgl. oben S. 396 f. WAITZ, Chron. regia cont.V, S. 285 - REK III.l, Nr. 1092,1093.
S. 3 6 1 - 3 6 4 .
576
E. Territoriale Zollpolitik
bis zum Beginn des 14.
Jahrhunderts
Kölner Erzbischof als einen der profiliertesten Staufergegner in den Rheinlanden zu stärken 55 , verschärften daneben auch reichspolitische Gegensätze die ohnehin starken territorialpolitischen Konflikte zwischen Kleve und dem Erzstift 56 .
II.3
Engelbert II. von Valkenburg (1261-1274)
Die Amtszeit Engelberts von Valkenburg war geprägt von ständigen Auseinandersetzungen mit der Stadt Köln um die Herrschaft in der Rheinmetropole 57 . Eine ganze Serie von Schiedsurkunden, die hier in ihrer verfassungsrechtlichen Bedeutung nicht im einzelnen zu analysieren sind, berühren dabei neben einer Fülle von Detailkonflikten auch immer wieder die Verletzung der stadtkölnischen Zollvorrechte durch den Erzbischof. Die Stadt bestand in diesem Punkt zunächst nur auf der Einhaltung des Großen Schieds von 1258, d. h. Anerkennung ihrer Zollfreiheit in Neuss und keine Bedrückung mit thelonia indebita58. Als Engelbert entsprechende Zusagen aber zum wiederholten Mal nicht einhielt, erreichten die Kölner mit dem Schied vom 16. Dezember 1263, daß ihnen vollständige Zollfreiheit an den erzstiftischen Flußund Landzöllen zugesprochen wurde 59 . Allerdings gelang es den Bürgern nicht, diese Freiheit tatsächlich zu realisieren. Die immer wieder vorgebrachten städtischen Klagen bzw. ständig erneuerten Vereinbarungen zeigen vielmehr, daß der Erzbischof keine Anstalten unternahm, seinen Versprechungen Geltung zu verschaffen 60 . Es waren kaum mehr als Lippenbekenntnisse. Engelbert von Valkenburg nahm den von seinem Vorgänger unterbrochenen Ausbau der erzstiftischen Transitzölle wieder auf, traf dabei jedoch, anders als Konrad von Hochstaden, 1267 auf entschiedenen Widerstand der benachbarten Grafen von Geldern und Berg, vor allem aber Wilhelms IV. von Jülich und der Stadt Köln, die dies als Verletzung des Landfriedens von 1259 werteten 61 . Ein von dieser Gruppe initiiertes Schiedsverfahren scheiterte daran, daß Engelbert den - für ihn zweifellos ungünstigen - Schiedsspruch nicht anerkennen wollte. Vielmehr sagte er dem Grafen von Jülich die Fehde an und fiel in dessen Land ein. Der Erzbischof geriet aber bald in Gefangenschaft Wilhems IV., aus der er sich erst nach dreieinhalb Jahren auslösen konnte 62 . Es ist unverkennbar, daß die Zollfrage kaum der Grund - wie in einer auf
55 56 57 58 59 60 61 62
Vgl. oben S. 376, unten S. 661 ff. Vgl. zum kölnisch-klevischen Verhältnis in der Zeit Konrads von Hochstaden KASTNER, Territorialpolitik, S. 18-24. Vgl. dazu STEHKÄMPER, Absicherung, S. 367-372; JANSSEN, Erzbistum Köln, S. 175 f. Vgl. die Schiedsurkunden vom 16. Juni 1262 (REK III.2, Nr. 2210) und 25. August 1263 (ebd., Nr. 2261). LAC. II, Nr. 537 - REK III.2, Nr. 2276. Vgl. u. a. REK III.2, Nr. 2300, 2319, 2320,2438. ENNEN, Quellen II, Nr. 499 - REK III.2, Nr. 2389. Vgl. KRAUS, Jülich, S. 122 ff. Vgl. zu diesen Ereignissen ausführlich KRAUS, Jülich, S. 122-127.
IL Das Erzstift
Köln
577
Jülicher Druck zustandegekommenen Erklärung des Kölner Klerus behauptet wurde 63 , die die Gefangennahme Engelberts nachträglich rechtfertigen sollte-, sondern allenfalls der Anlaß für die Auseinandersetzungen war. Aber selbst wenn der Landfrieden nach acht Jahren, in denen keine nachweisbaren Aktivitäten stattfanden, offenbar aus politischen Gründen noch einmal reaktiviert wurde - die dem Erzbischof vorgeworfenen Veränderungen in der erzstiftischen Zollstruktur waren mit Sicherheit nicht frei erfunden. Zwar lassen sich neue Zollstätten im einzelnen nicht nachweisen, aber die dem Erzbischof zur Last gelegten thelonea inconsueta konnten sich genauso gut auf Zollerhöhungen an bestehenden Hebestellen beziehen. Die straff fiskalische Ausrichtung der erzbischöflichen Zollpolitik bekamen nicht nur die Kölner Bürger zu spüren, deren Zollvorrechte an den erzstiftischen Zöllen offenbar systematisch ignoriert wurden, auch die herkömmlich zollbefreiten oder zumindest -begünstigten geistlichen Institute des Raums wurden unter Engelbert an den kölnischen Zöllen deutlich schlechter behandelt. So rechtfertigte das Prämonstratenserstift Rommersdorf 1270 seine Schuldenlast damit, daß es in den vorangegangenen acht Jahren mit >ungebührlichen< Abgaben in einer Gesamthöhe von 1.456 Mark belastet worden sei. Die an den Zöllen Erzbischof Engelberts insgesamt gezahlten 800 Mark stellen in dieser Liste den größten Einzelposten dar 64 . Obgleich der Betrag sehr hoch erscheint, ist er durchaus nicht unglaubwürdig, wenn Abgabenbefreiung verweigert worden war 6S und man die regulären oder sogar die erhöhten Sätze gefordert hatte. Es ist daher kein Zufall der Überlieferung, sondern ein Zeichen der zollpolitischen Grundlinie Engelberts von Valkenburg, wenn aus seinem Episkopat keine einzige Zollbefreiung erhalten ist - abgesehen von dem, was ihm die Kölner Bürger zwar als Zusage abringen, aber realiter nicht durchsetzen konnten. Im April 1271 wurde der Metropolit aus der Jülicher Haft entlassen 66 . Während die Bedingungen, die der Graf stellte, nicht im einzelnen bekannt sind, ist die von Wilhelm IV. besiegelte Sühne Engelberts mit der Stadt Köln erhalten 67 . Inhaltlich entsprachen die darin zugesicherten Zollvergünstigungen dem, was in den Schiedsverfahren der 1260er Jahre festgehalten worden war. Engelbert versprach den Bürgern Transitzollfreiheit zu Wasser und zu Land für ihre eigenen Handelswaren, die am Neusser Zoll lediglich durch Eidesleistung vereignet werden mußten. Zwar versicherte der Erzbischof ausdrücklich seinen guten Willen, jedoch war das Vertrauen der Kölner in den Wert seiner Zusagen verständlicherweise nicht sehr groß. Sie verschafften sich zusätzlich ein Beistandsversprechen König Richards für den Fall, daß der Erzbischof eidbrüchig werden und den Landfrieden durch Erhebung unrecht-
63
ENNEN, Q u e l l e n II, N r . 4 9 9 - R E K III.2, N r . 2 3 8 9 .
64
M R R III, N r . 2 5 3 5 .
65
Zwar ist eine Zollbefreiung des Stiftes speziell für die kölnischen Zölle nicht erhalten, jedoch will dies über gewohnheitsrechtliche Verfahren wenig besagen.
66
V g l . KRAUS, J ü l i c h , S . 1 2 6 f.
67
LAC. II, N r . 6 0 7 - R E K III.2, N r . 2 4 3 8 .
578
E. Territoriale Zollpolitik
bis zum Beginn des 14.
Jahrhunderts
mäßiger Land- oder Flußzölle verletzen sollte68. Ein Eingreifen des Königs wurde in diesen letzten Jahren Engelberts nicht mehr nötig. Offenbar war dem Erzbischof trotz päpstlicher Rückendeckung 69 das Risiko zu groß, durch eine Wiederaufnahme seiner früheren Zollpolitik, d. h. die Anlage neuer bzw. Erhöhung bestehender Zölle, noch einmal Auseinandersetzungen mit ungewissem Erfolg hervorzurufen. Da diese Beschränkungen nennenswerte Eingriffe in das erzstiftische Zollsystem weitgehend verhinderten, blieb dem Metropoliten nur eine Alternative, um seine Zollerträge zu steigern, nämlich der Erwerb bestehender Zölle. Dieser Weg war deutlich konfliktärmer, da ein bloßer Besitzerwechsel im Prinzip keine Auswirkungen auf das Raumgefüge der Zölle und die Abgabenbelastung des Handels hatte und daher von den benachbarten Dynasten wie auch von der Stadt Köln weit eher als die Neuanlage von Zöllen geduldet werden konnte 70 . Dieses Verfahren erforderte indes hohe Investitionen für den Ankauf eines entsprechenden Objekts. Das Augenmerk des Erzbischofs richtete sich auf einen Zoll, der wie kein anderer gleichermaßen fiskalischen und territorialpolitischen Gewinn für das Kölner Erzstift versprach, den Rheinzoll des Reiches in Kaiserswerth. Die formale Qualifizierung als Reichszoll ist dabei durch die Realität der Reichsgutverwaltung des Interregnums zu relativieren; denn es war nicht der Kronträger, um den sich der Erzbischof bemühte, sondern der 1257 von König Richard auf Lebenszeit im Amt bestätigte 71 Burggraf Gernand aus der ehemals staufischen Reichsministerialität. Im August 1271 wurde Gernand Lehnsmann Engelberts und machte die Burg Kaiserswerth zum kölnischen Offenhaus. Bei einem Thronwechsel sollten der Burggraf und seine Diener einen neuen Herrscher nur nach Maßgabe des Erzbischofs anerkennen 72 . Bereits Ende November 1271 hatte der Erzbischof die Burg und damit auch den Zoll in seiner Verfügung, nachdem er Forderungen Gernands in Höhe von 1.600 Mark beglichen und ihn mit einer Rente von 300 Mark belehnt hatte, die vermutlich als Ablöse für die Amtseinkünfte des Burggrafen zu verstehen ist73. Als der neue König Rudolf von Habsburg am 26. Oktober 1273, drei Tage nach der Krönung, Engelbert auf dessen
68 69
70 71
72 73
LAC. II, Nr. 611 - REK III.2, Nr. 2442. Engelbert ließ sich am 6. September 1272 durch Papst Gregor X. von den gegenüber dem Grafen von Jülich und seinen Genossen eingegangenen Verpflichtungen befreien (REK III.2, Nr. 2489). Eine andere Frage ist, ob der mit dem Erwerb eines Zolls verbundene Machtzuwachs des Erzbischofs den Nachbarn willkommen war. WINKELMANN, Acta Imperii I, Nr. 557 - REK III.l, Nr. 1951. Gernand erhielt dabei aber nicht die gesamten Zolleinkünfte (so das Regest Knippings), sondern die thelonii pensiones eo honore, quod pater suus et ipse ab antecessoribus nostris imperatoribus et regibus illustribus idem Castrum et officium hactenus tenuerunt, d. h. die Bezüge, die üblicherweise zum A m t des Burggrafen gehörten. REK III.2, Nr. 2454,2455. LAC. II, Nr. 621 - REK III.2, Nr. 2463; REK III.2, Nr. 2464. Durch die Lehnrente »kaufte« Engelbert Burg (und Zoll) los, so jedenfalls nach Interpretation seines Nachfolgers Siegfried von Westerburg (REK III.2, Nr. 3027).
II. Das Erzstift Köln
579
Lebenszeit Burg und Zoll Kaiserswerth überließ 74 und damit den durchaus nicht einwandfreien kölnischen Besitz reichsrechtlich legitimierte, war dies der zweifellos größte zollpolitische Erfolg der ansonsten wenig glücklichen Amtszeit Engelberts und zugleich ihr krönender Abschluß. D e r Erzbischof starb fast genau ein Jahr später.
II.4
Siegfried von Westerburg (1274-1297)
Sein Nachfolger Siegfried von Westerburg kann trotz aller Rückschläge - Folgen ständiger Konflikte mit seinen Nachbarn und dem Königtum - als der eigentliche Begründer der spätmittelalterlichen kölnischen Rheinzölle gelten 7 5 . Zu einer ersten zollpolitischen Machtprobe zwischen dem Erzbischof und König Rudolf kam es in der Frage des Kaiserswerther Reichszolls 76 . Mit dem Tod Engelberts von Valkenburg hatten die kölnischen Besitzrechte an Kaiserswerth geendet, doch das Domkapitel, das den Erwerb mitfinanziert hatte 7 7 , ließ zur Sicherung seiner Ansprüche die Burg offenbar während der Sedisvakanz auf dem Kölner Erzstuhl (21. O k t o b e r 14. November 1274) besetzen und verweigerte trotz wiederholter Aufforderung durch den König, der anbot, entsprechende Bürgschaften zu leisten, noch im Spätsommer 1275 die Herausgabe der Feste. So stellte es jedenfalls Papst Gregor X . am 13. September 1275 dar, als er dem Erzbischof befahl, sein Kapitel zur Auslieferung von Kaiserswerth zu veranlassen, damit König Rudolf nicht gewaltsame Maßnahmen ergreifen müsse 78 . Abgesehen von einem entsprechenden undatierten und wohl gleichzeitigen Mandat des Papstes an das Domkapitel 7 9 stehen keine weiteren direkten Quellen zur Verfügung 8 0 , und so bleibt man zur Rekonstruktion dieser Vorgänge ganz auf die offensichtlich die königliche Position referierenden Darlegungen
74 75 76 77
78 79 80
LAC. II, Nr. 636 - R E K III.2, Nr. 2525. Es liegt auf der Hand, daß dies zu den Wahlversprechen des Habsburgers gehörte. Seine Amtszeit ist eingehend erforscht durch ERKENS, Siegfried von Westerburg. Vgl. dazu auch oben S. 407 f. Vgl. dazu R E K III.2, Nr. 2464, 2864, 3027, und LORENZ, Kaiserswerth, S. 100. Die Annahme, daß die Ansprüche des Domkapitels aus Zahlungversprechen des Königs rührten (vgl. REDLICH, Rudolf von Habsburg, S. 254) bzw. aus den Kosten für die Inbesitznahme (so ERKENS, Siegfried von Westerburg, S. 150) sind demgegenüber wenig wahrscheinlich. R E K 1112, Nr. 2623. Vgl. R E K III.2, Nr. 2623. Während der Besetzung der Burg scheinen Zollvergünstigungen des Deutschen Ordens mißachtet worden zu sein: Am 6. November 1275 befahl der Abt des Trierer Klosters St. Martin als päpstlicher subdelegierter Konservator der Deutschordensprivilegien dem Erzpriester von Kaiserswerth, daß dieser Gottfried von Friesheim und Winand von Lüneburg, die von den Weinen der Deutschordenshäuser Koblenz und Ramersdorf Zoll erpreßt hätten, zur Rückerstattung anhalte und sie gegebenenfalls nach Trier vorlade (HENNES, UB Deutscher Orden I, Nr. 244 - M R R I V , Nr. 227).
580
E. Territoriale Zollpolitik bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts
Gregors X. angewiesen. Der Papst intervenierte im übrigen durchaus im eigenen Interesse. Rudolf hatte ihm, wie aus späteren Quellen bekannt ist, zur Begleichung seiner Schulden Kaiserswerther Einkünfte verschrieben 81 , offensichtlich mit dem Kalkül, auf diese Weise das Engagement des Papstes bei der Revindikation der Reichsburg zu fördern. Undurchsichtig ist die Rolle Siegfrieds von Westerburg. Denn so unbeteiligt, wie es der Papst darstellte und auch glauben mochte, dürfte der Erzbischof an der gerade wenn der König tatsächlich Sicherheiten angeboten haben sollte - doch auffallend hartnäckigen Weigerung des Domkapitels zur Herausgabe von Kaiserswerth kaum gewesen sein 82 . Wenngleich sich nicht beweisen läßt, daß der Erzbischof für den Widerstand des Kapitels direkt verantwortlich war, so nutzte er seinen Einfluß zumindest nicht im Sinne von Papst und König. Siegfried verschaffte sich nämlich, ohne daß die Übergabemodalitäten bekannt sind, selbst bis Ende Januar 1276 Zugriff auf die Burg und trat dem König als Verhandlungspartner entgegen. Die Vereinbarung, die Rudolf von Habsburg und Siegfried von Westerburg am 29. Januar 1276 in Bezug auf Kaiserswerth schlössen, erwähnt die Ansprüche des Domkapitels, mit denen ja immerhin die rund einjährige Besetzung der wichtigsten Reichsburg und des vielleicht ertragreichsten Zolls am Niederrhein gerechtfertigt worden war, nur am Rand; in aller Ausführlichkeit grenzt sie dagegen die Interessen des Königs und des Erzbischofs an Burg und Zoll ab83. Die Regelung hatte grundsätzlich nur für die Lebenszeit Siegfrieds Bestand und solange dieser nicht gegen fidelitas et utilitas von König und Reich handelte. Zum königlichen Burggrafen mit den üblichen Bezügen bestellte Rudolf auf Bitten Siegfrieds dessen Schwager Graf Heinrich von Solms; dessen Nachfolger war vom Erzbischof und (dem königlichen Ratgeber) Bischof Heinrich von Basel gemeinsam zu bestimmen. Dagegen behielt sich der König die Verwendung der Kaiserswerther Gefälle, d. h. in erster Linie der Zollerträge, ausdrücklich vor. Ihre Erhebung sollte entweder ein vom Papst, dem Rudolf nach eigenen Angaben bereits zuvor Kaiserswerther Einkünfte verschrieben hatte, oder ein
81
82
83
Dies geht aus der Vereinbarung zwischen dem König und Rudolf vom 29. Januar 1276 hervor: sanctissimus pater summus pontifex, cui iam dicti castri redditus obligavimus, MGH Const. III, Nr. 104; daß der Papst allerdings Inhaber der Einkünfte war, wie im Regest Knippings übersetzt wird (REK III.2, Nr. 2643), also der gesamten Gefälle, läßt sich der Formulierung nicht entnehmen. Dieser Aspekt wird von ERKENS, Siegfried von Westerburg, S. 150 f., wohl zu wenig berücksichtigt; klarer hat dies schon REDLICH, Rudolf von Habsburg, S. 254, erkannt. Andererseits kann es durchaus sein, daß das Domkapitel zunächst ein reserviertes Verhältnis zu Siegfried hatte. Mit großer Mehrheit hatte sich nämlich der Wahlausschuß im November 1274 für den Propst von Mariengraden, Konrad, Bruder Graf Adolfs von Berg, entschieden und nur der Dompropst Peter von Vianden hatte für Siegfried votiert. Der Papst, der sich schon zuvor die Besetzung des Erzstuhls reserviert hatte, erklärte die Wahl für ungültig und konsekrierte am 3. April 1275 Siegfried von Westerburg (vgl. ERKENS, Siegfried von Westerburg, S. 55-62). MGH Const. III, Nr. 104 - REK III.2, Nr. 2643.
IL Das Erzstift Köln
581
vom König selbst einzusetzender scriptor vornehmen. Siegfried verzichtete für sich und das Domkapitel auf die Erfüllung aller finanziellen Zusagen, die Rudolf gegenüber Engelbert von Valkenburg und der Kölner Kirche eingegangen war, ferner auf die Erstattung der dem ehemaligen Burggrafen Gernand gegebenen Summe sowie der diesem und seinen Erben zu zahlenden Rente. Alle älteren, rechtlich z. T. fragwürdigen finanziellen Ansprüche von Erzbischof und Domkapitel auf Kaiserswerth wurden damit formell hinfällig. Rudolf wollte offensichtlich ausschließen, daß sie in Zukunft noch einmal als Vorwand für eine Inbesitznahme der Reichsburg dienen konnten, doch sollte Siegfried auf Lebenszeit, solange Gernand nicht auf seine (ihm von Engelbert verschriebene) Rente verzichtete, jährlich die entsprechende Summe von 300 Mark zu Martini erhalten. Bei nicht fristgerechter Zahlung hatte der für den Zoll verantwortliche königliche officiatus - beginnend mit dem folgenden Tag solange die Zolleinkünfte für den Erzbischof einzunehmen, bis daraus die 300 Mark eingekommen waren. Wenngleich es mit dieser Regelung nicht gelang, den (früheren) fiskalischen Nutzen von Kaiserswerth für das Erzstift zu erhalten, bewahrte Siegfried weitgehenden Einfluß auf die Burg und konnte damit einen erheblichen territorialpolitischen Zugewinn im nördlichen Teil des Erzstifts sichern. Mit dem Grafen von Solms wurde eine Vertrauensperson Siegfrieds Burggraf, die Feste wurde zum kölnischen Offenhaus erklärt, konnte also militärisch genutzt werden wie eine Landesburg des Erzstifts, und eine Verpfändung sollte nur nach Rat des Metropoliten vorgenommen werden. Es ist bezeichnend für die tatkräftige Persönlichkeit Siegfrieds von Westerburg und seinen rastlosen territorial- bzw. zollpolitischen Ehrgeiz, daß er sich mit dem im Januar 1276 Erreichten nicht zufriedengab. Immerhin hatte sein Vorgänger ja unter erheblichen, jetzt mit der Rente von 300 Mark nur teilweise abgegoltenen Aufwendungen, Burg und Zoll Kaiserswerth für die Kölner Kirche erworben, aber Engelberts früher Tod dürfte eine >Amortisierung< dieser Gelder verhindert haben. Trotz der durchaus beachtlichen Offenhausrechte an Kaiserswerth mochte dem Erzbischof deshalb gerade ein Verzicht auf die Zolleinkünfte als nicht hinnehmbar erschienen sein - ungeachtet der Tatsache, daß er streng genommen keine Rechtsansprüche darauf hatte. Die Verfügungsmöglichkeiten, die ihm der Vertrag vom Januar 1276 über die Burg einräumte, hat der Erzbischof jedenfalls bald dazu genutzt, um seinen Einfluß auf den Zoll auszudehnen. Als Siegfried von Westerburg und Graf Adolf von Berg am 1. April 1279 ihre bisherigen Streitigkeiten beendeten, vereinbarten sie u. a., daß, solange Kaiserswerth in Händen des Erzbischofs sei, dieser Adolfs Lehnrente von 100 Mark aus den Einkünften von Burg und Zoll zu den festgelegten Terminen auszahlen solle84. Da der gleichen Urkunde zufolge der Graf auch seine kölnischen Lehen erhalten sollte, hat man angenommen, daß diese 100 Mark dazuzählten, daß Erzbischof Siegfried also bereits seine Vasallen aus dem Kaiserswerther
84
LAC. II, N r . 7 1 2 - R E K III.2, N r . 2 7 9 2 .
582
E. Territoriale
Zollpolitik
bis zum Beginn des 14.
Jahrhunderts
Zoll entlohnt hatte 85 . Zwingend ist diese Annahme jedoch nicht; wahrscheinlicher dürfte sein, daß der Erzbischof während der bergischen Fehde die Auszahlung eines vom Reich rührenden Lehens an seinen Gegner verhindert hatte 86 . Siegfried galt jedenfalls im Frühjahr 1279 als faktischer Inhaber von Kaiserswerth mit weitgehendem Einfluß auf die Verwendung der Zolleinnahmen. Hatte der Erzbischof schon mit der Sperrung des bergischen Rentenlehens eindeutig gegen den Vertrag von 1276 verstoßen 87 , begann er nun damit, die Einnahmen des Zolls eigenmächtig für die Zwecke der Kölner Kirche zu verwenden: Am 22. August 1280 verschrieb Siegfried dem Neusser Bürger Hermann von Kothusen 250 Mark köln. auf den dritten Teil von Zoll und Vorzoll zu Kaiserswerth, doch sollten andere - offenbar ältere - Gläubiger des Erzbischofs daraus zuvor 107 Mark erheben 88 . Mit diesen Verschreibungen auf die Kaiserswerther Zolleinkünfte ging Siegfried von Westerburg, das war ihm zweifellos bewußt, das Risiko einer harten Konfrontation mit Rudolf von Habsburg ein, die auf Dauer kaum zu vermeiden war. Wenn sich der Erzbischof trotzdem dazu entschloß, war dies weniger ein plumper Versuch, sich durch die Kraft des Faktischen das anzueignen, was ihm 1276 verwehrt worden war, als die Folge eines durch expansive Territorialpolitik beiderseits des Rheins 89 hervorgerufenen Finanzbedarfs, der mit den bestehenden fiskalischen Ressourcen des Erzstifts schon lange nicht mehr zu decken war. In weitaus höherem Maße als nahezu alle seiner mittelalterlichen Vorgänger und Nachfolger auf dem Kölner Erzstuhl - von seinen gleichzeitig amtierenden Amtsbrüdern in Mainz und Trier oder
85
So LORENZ, Kaiserswerth, S. 102, und wohl auch ERKENS, Siegfried von Westerburg, S. 115. 86 Wenngleich durch das Fehlen sowohl einer königlichen als auch einer erzbischöflichen Urkunde über das Rentenlehen ein zweifelsfreier Schluß nicht möglich ist, spricht einiges gegen ein kölnisches Lehen: Zunächst fällt auf, daß in der Sühne die Passage über das feudum centum marcarum aus Kaiserswerth nicht an die Textstelle über die vereinbarte Belehnung des Grafen mit seinen vom Kölner Erzstift abhängigen Gütern anschließt, sondern beide Stellen durch das gegenseitig beschworene Beistandsversprechen getrennt sind. Allein aus dem Textzusammenhang ergibt sich damit nicht, daß auch das Rentenlehen kölnisch war, ebenfalls geht daraus nicht hervor, daß der Graf mit den 100 Mark (neu) belehnt wurde. Siegfried versprach lediglich, und das nur für die Dauer seiner faktischen Verfügung über Kaiserswerth, die fristgemäße Auszahlung des Geldes zu gewährleisten (assignabit et assignari faciet). Von einem Belehnungsakt (infeodare) durch den Erzbischof ist dagegen im Zusammenhang mit Kaiserswerth keine Rede; dies wäre jedoch zu erwarten, wenn auch die 100 Mark ein kölnisches Lehen waren und man es schon für nötig hielt, sie neben den anderen Lehen des Grafen gesondert zu erwähnen. 87 Der König hatte sich ausdrücklich vorbehalten, die Einkünfte nach eigenem Ermessen zu verwenden: scriptorem... et cui voluerimus assignet, 88 89
in eodem ponemus Castro, qui redditus M G H Const. III, Nr. 104.
nostros
R E K III.2, Nr. 2855. Vgl. dazu grundlegend ERKENS, Siegfried von Westerburg, S. 7 3 - 1 2 6 .
in eodem
colliget
II. Das Erzstift
Köln
583
anderen rheinischen Landesherren ganz zu schweigen - hat Siegfried versucht, seine monetären Einkünfte durch die Errichtung neuer Transitzölle, vor allem entlang des Rheins, zu steigern. Die Vehemenz seiner Zollpolitik - die Betroffenen dürften es eher als rücksichtslosen Fiskalismus gesehen haben - ist dabei wohl unübertroffen: In keiner Phase der mittelalterlichen Geschichte hat je ein einzelner Zollinhaber binnen so weniger Jahre mehr Zölle am Rhein errichtet als Siegfried von Westerburg. Besaß das Kölner Erzstift bei seinem Amtsantritt, abgesehen von Kaiserswerth, lediglich den Neusser Rheinzoll, so überzog der Westerburger bis 1279 den Niederrhein mit einer Kette neuer Geleitzölle in Worringen, Uerdingen und Rheinberg 90 und ließ oberhalb Kölns spätestens 1282 in Bonn und Andernach Transitabgaben auf den Rhein verkehr erheben 91 . Außer Worringen und Uerdingen, die als Zollstätten keine bekannten Vorläufer hatten, reaktivierte Siegfried damit offenbar gezielt alle Hebestellen, die seine Vorgänger jemals am Rhein betrieben hatten, wo die Zollerhebung aber seit Jahrzehnten eingestellt worden war92. Mit der Anlage so vieler neuer Rheinzölle griff Siegfried viel zu tief in die empfindlichen Handels- und Machtstrukturen des Raums ein, um nicht auf Widerstand zu stoßen. Seine Nachbarn konnten den Ausbau der Zölle weder im Interesse ihrer Händler noch wegen der tendenziell nachteiligen Wirkungen für ihre eigenen Transitzolleinnahmen 93 unwidersprochen hinnehmen. Überdies mußten sie befürchten, daß das Erzstift eine Finanzkraft erlangte, die ihrer eigenen weit überlegen war, und daß die kölnische Territorialpolitik mit Hilfe dieser Ressourcen sogar noch weiter forciert werden würde. Ein erstes deutliches Indiz für den politischen Druck, der auf Siegfried wegen seiner Zollpolitik ausgeübt wurde, ist der Landfrieden, den er am 28. August 1279 mit Herzog Johann I. von Brabant unter Beteiligung der Grafen Reinald I. von Geldern und Dietrich VI. von Kleve für das Gebiet zwischen Rhein und Dender schloß94. Nach außen hin war der Kölner dabei in einer durchaus starken Position: Er konsti-
90 91 92
93
94
U B Duisburg I, Nr. 92 - REK III.2, Nr. 2812. M G H Const. III, Nr. 333 - REK III.2, Nr. 2947. Andernach und Rheinberg mußte Erzbischof Heinrich von Müllenark vermutlich infolge des Mainzer Reichslandfriedens von 1235 abstellen (vgl. oben S. 372 f.); den Bonner Zoll hatte Konrad von Hochstaden während des staufischen Endkampfs am Rhein Mitte der 1240er Jahre errichtet, aber wohl auf Druck des Rheinischen Bundes von 1254 wieder aufgeben müssen (oben S. 391). Es ist für diese und auch die spätere Zeit kaum möglich, die Effekte neuer auf die bestehenden Zölle im einzelnen abzuschätzen, doch steht außer Frage, daß sie zumindest tendenziell negativ waren, zum einen, weil neue Zölle an bestimmten Verkehrswegen das Ausweichen des Handelsverkehrs auf andere Routen förderten, zum anderen, weil die Händler unter Hinweis auf ihre durch die neuen Zölle verschlechterte Kostensituation an den benachbarten Hebestellen höhere Rabatte durchsetzen konnten. U B Duisburg I, Nr. 92 - REK III.2, Nr. 2812. Einzelbestimmungen und (reichs-)politische Hintergründe dieses Landfriedens werden an anderer Stelle ausführlich erörtert (vgl. oben S. 410 ff.).
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E. Territoriale Zollpolitik bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts
tuierte zusammen mit dem Herzog einen großräumigen, an ihre jeweiligen Dukate angelehnten, die darin eingeschlossenen territorialen Gewalten überwölbenden Friedensraum zur Sicherung von Handel und Verkehr. Die Zollbestimmungen zeigen aber ein anderes Bild: Dietrich VI. sollte seinen Geleitzoll in Orsoy aufgeben; Reinald I. sollte sich mit seinem rechtmäßigen Zoll - gemeint war Lobith - begnügen. Alle vier Verbündeten wollten dafür sorgen, daß der Herzog (Walram IV.) von Limburg den unrechtmäßigen Duisburger Zoll gänzlich niederlegte; Heinrich von Lek sollte in Schmithausen nicht mehr Zoll erheben, als ihm de iure zustand. Die meisten Zölle hatte aber Siegfried von Westerburg abzustellen: Ad maiorem pacis observantiam et mercatorum favorem, so gab der Erzbischof an, wolle er auf seine Geleitzölle in Worringen, Uerdingen und Rheinberg verzichten, damit der Rheinhandel dort (abgaben-)frei passieren könne. Mit diesen Zollregelungen versuchte man wahrscheinlich, in Zahl, Verteilung und Höhe der Zölle am Niederrhein den Zustand nach dem Mainzer Reichslandfrieden von 1235 wiederherzustellen 95 . Die Abstellung der offenbar erst kurz zuvor errichteten, hier zumindest erstmals belegten drei kölnischen Geleitzölle war damit sachlich gerechtfertigt. Als politisches Faktum bleibt gleichwohl festzuhalten, daß Siegfried von Westerburg seine gesamten Eingriffe in die Zollstruktur des Niederrheins - nicht als einziger, doch bezeichnenderweise allen voran - rückgängig zu machen hatte. Wie an anderer Stelle dargelegt wird 96 , dürfte für seine Konzessionsbereitschaft vor allem die (reichs-)politische Gesamtlage ausschlaggebend gewesen sein, weniger die vorgebliche Absicht zur Erleichterung des Rheinhandels, in dem er sonst, daran läßt seine Zollpolitik insgesamt keinen Zweifel, in erster Linie ein besonders geeignetes Objekt der fiskalischen Nutzung gesehen hat. Vermutlich gleichzeitig mit der Errichtung der niederrheinischen Geleitgelder hatte Siegfried von Westerburg die alte Zollposition des Erzstifts oberhalb Kölns in Bonn und Andernach wieder neu aufgebaut. Nach der im niederrheinischen Landfrieden vereinbarten Abstellung aller Geleitzölle unterhalb der Rheinmetropole rückten jene zwei Rheinzölle in das Blickfeld seiner Gegner. Zu diesen zählte neben den umliegenden Dynasten vor allem König Rudolf, der nicht nur in den beiden ohne jegliche reichsrechtliche Legitimation errichteten Zollstätten eine eklatante Mißachtung seiner herrscherlichen Zollhoheit und eine Verletzung des Reichslandfriedens sehen konnte, sondern auch wegen Siegfrieds Usurpationen in Kaiserswerth allen Grund zur Intervention hatte. 1281 kündigte der Habsburger sein Eingreifen konkret an 97 . Wieviele Feinde sich Siegfried von Westerburg durch seine Territorial- aber wohl auch Zollpolitik in den vergangenen Jahren gemacht hatte, wurde schnell deutlich: Dem König, der am Oberrhein selbst ein Heer aufstellte, gelang es 1281/1282 unter
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Vgl. die Karten 7 und 10. Vgl. oben S. 412, 414. Vgl. zum folgenden ausführlich S. 415 ff., zu den Spannungen zwischen Siegfried und dem König siehe auch ERKENS, Siegfried von Westerburg, S. 160-164.
II. Das Erzstift
Köln
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Berufung auf den allgemeinen Landfrieden ohne größere Schwierigkeiten, bis auf wenige Ausnahmen nahezu alle wichtigen Großen der Rheinlande und Westfalens gegen den Metropoliten zu mobilisieren: Mit den Grafen von Geldern und Kleve standen sogar zwei der niederrheinischen Landfriedensverbündeten Siegfrieds auf Seiten des Königs. Lediglich Herzog Johann I. von Brabant und die Stadt Köln stellten sich nicht gegen den Erzbischof. Die Neutralität der Rheinmetropole überrascht zunächst, könnte man doch erwarten, daß die Zollpolitik Siegfrieds Kölner Handelsinteressen im Kern berührte und die Stadt daher unter den Gegnern des Erzbischofs zu finden wäre. Wenn Köln - anders als bei vergleichbaren Konflikten, die Siegfrieds Vorgänger Engelbert von Valkenburg bzw. sein Nachfolger Wikbold von Holte mit ihren Nachbarn bzw. der Reichsgewalt auszutragen hatten - 1282 nicht gegen Siegfried von Westerburg Position bezog, kann dies nicht allein aus dem bis kurz vor der Schlacht von Worringen generell ungewöhnlich entspannten Verhältnis zwischen Erzbischof und Stadt erklärt werden 98 . Man wird vielmehr annehmen können, daß die Kölner die neuen Rheinzölle vor allem deshalb offenbar widerspruchslos akzeptierten, weil ihr Handel damit nicht belastet wurde. Siegfried hat zwar kein besonderes Zollprivileg für die Händler seiner Domstadt ausgestellt, doch sorgte er offenkundig dafür, daß die unter seinem Vorgänger Engelbert vereinbarte Zollfreiheit der Kölner an den erzstiftischen Zöllen beachtet wurde". In diesem Fall gewannen die städtischen Kaufleute sogar einen erheblichen Wettbewerbsvorteil, weil sie im Unterschied zu ihren Konkurrenten nicht von den neuen Abgaben betroffen waren und ihre Waren deshalb günstiger anbieten konnten. Trotz der Neutralität Kölns und des Herzogs von Brabant war König Rudolf durch sein eigenes Heer und das Aufgebot rheinischer und westfälischer Großer an Machtmitteln so deutlich überlegen, daß Siegfried von Westerburg militärischen Widerstand für aussichtslos hielt. Er mußte sich zu einem friedlichen Ausgleich bereit finden, der unter Vermittlung des Mainzer Erzbischofs Werner von Eppstein, des Baseler Bischofs Heinrich von Isny und fünf Kölner Prälaten zustandekam und am 26. Juli 1282 in Oppenheim beurkundet wurde 100 . Die Burg Kaiserswerth mit allen Rechten und Pertinenzien, so wie sie Siegfried von Westerburg besaß - also einschließlich der usurpierten Zolleinkünfte - , war dem König bis zum 5. August auszuliefern. Der Erzbischof hatte die unrechtmäßigen Land- und Flußzölle (pedagia sive theolonia) bei Andernach, Bonn und anderswo zu Wasser und zu Land vollstän-
98 99
Vgl. ERKENS, Siegfried von Westerburg, S. 65-70, 225 ff. Ähnlich auch ERKENS, Siegfried von Westerburg, S. 68, der jedoch auf einen Zusammenhang mit der Kölner Neutralität beim Konflikt Siegfrieds mit Rudolf von Habsburg nicht eingeht. 100 M G H Const. III, Nr. 333 - REK III.2, Nr. 2947 (das Regest Knippings klärt ausführlich die z. T. widersprüchlichen Angaben der erzählenden Quellen). Vgl. zu den Umständen und weiteren Bedingungen der Sühne, bei der Siegfried von Westerburg nicht persönlich anwesend war (er traf erst im September mit dem König zusammen) ERKENS, Siegfried von Westerburg, S. 170 ff.
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E. Territoriale Zollpolitik bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts
dig niederzulegen. Die rechtmäßigen Landzölle (pedagia iusta) bzw. der Flußzoll (theolonium), den die Kölner Kirche seit altersher rite besaß, sollten auch in Zukunft erhoben werden können. Eine Kommission unter der Leitung des Baseler Bischofs und Graf Eberhards von Katzenelnbogen sollte über die Rückerstattung der an den unrechtmäßigen Zöllen erhobenen Gelder entscheiden; sie sprach Siegfried von allen Entschädigungszahlungen bereits am folgenden Tag frei 101 . Auch die in Kaiserswerth seit 1286 usurpierten Einkünfte mußte Siegfried offenbar nicht erstatten; aus dem Fehlen einer entsprechenden Verpflichtung in der Sühne kann man wohl auf den stillschweigenden Verzicht des Königs schließen. Die weiteren Bestimmungen betrafen die von einem Schiedsgremium zu lösende Frage der Essener Vogtei 102 und die von Siegfried - er hatte die Verhandlungen durch Gesandte führen lassen - bei seinem persönlichen Erscheinen vor dem König zu leistende Buße. Schließlich sollten alle Urkunden mit gegenseitigen Verpflichtungen zwischen Rudolf und Siegfried bzw. dessen Vorgänger Engelbert ausgetauscht werden, d. h. auch die im Oktober 1273 von Rudolf gewährte Überlassung von Kaiserswerth auf Lebenszeit Engelberts und der Vertrag vom Januar 1276 über die gegenseitigen Rechte an der Reichsburg. Die Sühnebedingungen diktierten Siegfried die vollständige Revision seiner expansiven Zollpolitik der vorangegangenen Jahre, wenngleich Rudolf ihn immerhin nicht zur Rückerstattung der in Kaiserswerth, Andernach und Bonn unberechtigt erhobenen Rheinzollabgaben zwang. Dem Erzbischof verblieb, das wurde explizit festgehalten, nur ein Rheinzoll, nämlich der in Neuss, den seine Vorgänger schon seit frühstaufischer Zeit unangefochten besessen hatten. Die Erhebung weiterer Abgaben, die den Transitverkehr auf dem Rhein erfaßten - sie werden in der Sühne zur Unterscheidung von den Landzöllen (pedagia) mit theolonia bezeichnet - war Siegfried damit ausdrücklich verboten. Wenn dabei nur Andernach und Bonn explizit als niederzulegende Zollstätten genannt wurden, bedeutete dies keine Begrenzung des Zollverbots auf den Rhein oberhalb Kölns, sondern ist allein dem Umstand zuzuschreiben, daß der Erzbischof auf die niederrheinischen Geleitzölle in Worringen, Uerdingen und Rheinberg schon im Landfrieden von 1279 verzichtet hatte 103 . Daß Landzölle in der Sühne ausdrücklich mitberücksichtigt wurden, zeigt im übrigen, daß Siegfried neben dem Rheinverkehr auch die durch das Kölner Erzstift führenden Landrouten verstärkt fiskalisch erfaßt hatte. Wo dies geschehen war, ist allerdings nicht bekannt 104 .
1 0 1 ENNEN, Q u e l l e n III, N r . 2 2 3 - R E K III.2, N r . 2 9 4 8 .
102 Vgl. dazu ERKENS, Siegfried von Westerburg, S. 145-151. 103 Daß der von SCHROHE, Bestrebungen I, S. 33, und ihm folgend von REDLICH, Rudolf von Habsburg, S. 518, behauptete kölnische Zoll in Cochem jeder Grundlage entbehrt, hat KNIPPING, R E K III.2, N r . 2 9 4 7 A n m . , a u s f ü h r l i c h d a r g e l e g t .
104 Ebenfalls bleibt offen, ob Siegfried auch neue Hebestellen eingerichtet oder lediglich bestehende Landzölle - solche sind vor 1282 in Neuss und Rheinberg belegt - erhöht hatte. Daß in Andernach und Bonn neben den Rheinzöllen auch (sonst nicht belegte) Transitabgaben auf den Landverkehr erhoben wurden, wie in der Literatur oft behauptet
II. Das Erzstift Köln
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Die eindeutigen Zollverbote der Oppenheimer Sühne änderten jedoch nichts an der Ursache der erzbischöflichen Zollpolitik, dem nach wie vor hohen und durch den heraufziehenden Limburger Erbfolgestreit 105 noch rapide ansteigenden Finanzbedarf des Kölner Erzstifts. Seit Mitte der 1280er Jahre begann der Erzbischof daher wieder mit einer intensiveren Abschöpfung des Transithandels zu Wasser und zu Land. Den ersten Hinweis in diese Richtung gibt Siegfrieds Rheinzollbefreiung für die Deutschordenskommenden Koblenz und Ramersdorf vom 12. November 1285106. Am 7. September 1286 trug ihm Walram (II.), Herr von Bergheim, die Burg Bergheim samt Mühle und suburbium gegen Zahlung von 300 Mark köln. aus dem theloneum apud Berke zu Lehen auf; beide Seiten versprachen sich dabei Hilfe gegen jedermann 107 . Daß es sich bei diesem Zoll um eine Transitabgabe auf den Rheinverkehr handelte, die Siegfried ungeachtet der Sühne von 1282 errichtet hatte, und nicht um den in Rheinberg ebenfalls belegten Markt- oder Landzoll 108 , ist nicht mit völliger Sicherheit nachzuweisen. Aber schon die Höhe der offensichtlich bar gezahlten Summe, die Siegfried von Westerburg zur Anwerbung dieses wichtigen Bündnispartners - Walram gehörte zur Jülicher Nebenlinie der Herren von Bergheim - aus den Zolleinkünften aufbringen konnte, läßt dies vermuten 109 . Die Wahrscheinlichkeit, daß Siegfried in Rheinberg einen Flußzoll neu angelegt hatte, erhöht sich noch, wenn man seine Zollpolitik in den folgenden Monaten verfolgt: Am 5. Februar 1287 verfügte er, daß die Duisburger Kaufleute, die sich über eine höhere Belastung am Neusser Rheinzoll beklagt hatten, nicht mehr als einen konkret fixierten alten Satz, das iustum theloneum, zu zahlen hatten 110 . Andere Kaufleute, dies ist der Urkunde im Umkehrschluß zu entnehmen, blieben von der Zollerhöhung offenbar nicht verschont. Spätestens zu dieser Zeit muß auch der Andernacher Rheinzoll reaktiviert worden sein, aus dessen Einkünften Siegfried am 26. März 1287 150 Mark ausbezahlte 111 .
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107 108 109
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wird, geht aus der offensichtlich alle erzstiftischen Zölle zusammenfassenden Formulierung der Sühne (iniusta pedagia sive theolonia apud Andernacum et Bunnam ac alibi in terris et aquis) nicht hervor. Vgl. dazu grundlegend ERKENS, Siegfried von Westerburg, S. 180-235. REK III.2, Nr. 3079. Dieses mit der Erteilung von Geleit verbundene Privileg war bis Ostern 1287 gültig (so VAN EICKELS, Deutschordensballei Koblenz, S. 288, in Modifikation von Knippings Regest »zwei Jahre«). ENNEN, Quellen III, Nr. 267 - REK III.2, Nr. 3099. Vgl. oben S. 289. Vgl. zu der Bedeutung dieses Lehnsauftrags ERKENS, Siegfried von Westerburg, S. 213, (ebd., S. 117 ff., zu früheren Beziehungen); Walram kämpfte 1288 in der Schlacht von Worringen auf der Seite des Erzbischofs gegen seinen Jülicher Verwandten Graf Walram (vgl. KRAUS, Jülich, S. 163 Anm. 1014). U B Duisburg I, Nr. 99 - REK III.2, Nr. 3112. Vgl. auch ERKENS, Siegfried von Westerburg, S. 229 Anm. 240. Am 26. März 1287 (LAC. II, Nr. 816 - REKIII.2, Nr. 3131) trug Ritter Heinrich von Daun für 150 Mark, die er aus dem Andernacher Zoll (theloneum Andernacense) emp-
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E. Territoriale Zollpolitik bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts
Das detaillierte Zollabkommen mit der Stadt Köln vom 12. Juli 1287 erlaubt recht genaue Aufschlüsse über die Motive und Methoden der erzbischöflichen Zollpolitik in der letzten Phase des limburgischen Erbfolgestreits 112 . Siegfried befreite die Kölner für seine Lebenszeit von allen Fluß- und Landzöllen, die er errichtet habe oder noch errichten werde, weil ihn seine Feinde zu untragbaren Ausgaben zwängen (ad propulsandam
violentiam
adversariorum
nostrorum,
qui nos ad intolerabiles
expensas
compulerunt), sowie (ebenfalls auf Lebenszeit) vom Andernacher Zoll113. Um diese Hebestellen abgabenfrei passieren zu können, hatten die Kölner ein Zollzeichen vorzulegen, das ihr Eigentum an den Handelsgütern bewies, und das von einem aus zwei Vertrauten des Erzbischofs und den zwei amtierenden Kölner Bürgermeistern bestehenden Gremium auszustellen war. Als Zeichen seines guten Willens versprach der Erzbischof, daß er nach der Beendigung des Kriegs mit Herzog Johann von Brabant und dessen Helfern den pro necessitate et defensione ecclesie nostre errichteten Landzoll bei Köln - er wird in der Literatur zumeist in Worringen lokalisiert114 vollständig niederlegen werde. Schließlich sicherten sich Erzbischof und Stadt gegenseitig zu, die jeweiligen Rechte und Freiheiten zu achten und nichts zum Nachteil der anderen Seite zu unternehmen. Was den vorangegangenen Quellen bereits indirekt zu entnehmen war, steht spätestens mit diesem Bündnisvertrag außer Frage: Wie Siegfried von Westerburg offen zugab, finanzierte er den Krieg mit Brabant vor allem durch eine systematisch verstärkte fiskalische Nutzung des Transithandels zu Wasser und zu Land. Eine durchgängige Abgabenerhöhung an den bestehenden Hebestellen - sie ist konkret nur in der Zollfixierung für die Duisburger Kaufleute in Neuss zu fassen, erstreckte sich aber mit Sicherheit auch auf die anderen Hebestellen des Erzstifts - reichte dabei offensichtlich nicht aus, um die benötigten Mittel aufzubringen. Mit klarem Blick für
fangen hatte, seine Burg Saxler (bei Daun) mit den Fischteichen Erzbischof Siegfried zu erblichem Lehen auf. Es gibt keinen Hinweis darauf, daß damit nicht der Rheinzoll gemeint war. Wie im Fall von Rheinberg gilt auch hier, daß andere Zollformen (Marktoder Landzoll) kaum die Barauszahlung einer vergleichbar hohen Summe ermöglicht hätten. Daß der Metropolit diese durchaus erhebliche Summe in der Endphase des Limburger Konfliktes ohne einen besonderen Zweck ausgab (so ERKENS, Siegfried von Westerburg, S. 208), erscheint trotz der Lage der Burg südlich des vom Erbfolgestreit direkt berührten Raumes durchaus fraglich. 112 ENNEN, Quellen III, Nr. 285 (LAC. II, Nr. 828 ist gekürzt) - REK III.2, Nr. 3149. 113 Wenn der Andernacher Zoll vom Erzbischof hinter den neu errichteten Abgaben gesondert aufgeführt wurde, beweist das nicht seinen kontinuierlichen Bestand in den vorangegangenen Jahren seit 1282 oder gar in den Jahrzehnten seit 1235, sondern reflektiert den auch später erkennbaren Anspruch, den Andernacher Zoll, der ja im Barbarossadiplom über die Schenkung Andernachs von 1167 explizit genannt wird, ähnlich wie Neuss als althergebrachten Rheinzoll des Kölner Erzstifts zu reklamieren, obwohl er dies durch die langen Phasen der Unterbrechung (ca. 1190-1234,1236 - ca. 1280) nicht war. 114 So ERKENS, Siegfried von Westerburg, S. 229; STEHKÄMPER, Köln, S. 339 f. Soweit dies feststellbar ist, gibt es jedoch keine direkten Hinweise, daß der Zoll dort lag.
II. Das Erzstift
Köln
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eine möglichst effiziente Erfassung der auf Köln ausgerichteten Handelswege der nördlichen Rheinlande errichtete bzw. reaktivierte Siegfried oberhalb und unterhalb der Stadt je einen neuen Rheinzoll, in Andernach und in Rheinberg, und versuchte offensichtlich auch, die Kölner Landverbindungen nach Westen, mit dem niederländischen Raum, einer verstärkten fiskalischen Nutzung zu unterwerfen. Der im Bündnisvertrag erwähnte Landzoll iuxta Coloniam war daher wohl nicht die einzige neue Hebestelle im linksrheinischen Vorland der Handelsmetropole. Die Kölner Händler waren davon direkt nicht betroffen. So gibt es keine Indizien dafür, daß der Erzbischof von seiner bisherigen Politik abgewichen war und die Abgabenfreiheit der Kölner an seinen Hebestellen nicht mehr respektierte. Schon der rapide Ausbau der erzstiftischen Transitzölle bewirkte freilich eine Zunahme der möglichen Reibungspunkte und dürfte vermehrte Friktionen zur Folge gehabt haben, so daß eine explizite Erneuerung der Kölner Zollfreiheit an allen neuen Zöllen notwendig wurde. Auffallend detailliert - die entsprechenden Passagen nehmen ungefähr die Hälfte des gesamten Textes ein - wurden die verfahrenstechnischen Voraussetzungen zur Anerkennung der Abgabenfreiheit geregelt. Das von einem hochkarätig besetzten Vierergremium nach der Vereignung des geplanten Transportes ausgestellte Zollzeichen (intersignum) diente dabei der Rechtssicherheit und vereinfachten Abfertigung an den einzelnen Hebestellen. Aus Sicht des Erzbischofs sollte es insbesondere die mißbräuchliche Deklarierung anderer Waren als zollbefreites Eigentum von Kölnern verhindern, die um so lohnender wurde, je mehr die Abgabensätze stiegen115. In der Stadt Köln dürfte man die Zollpolitik des Westerburgers mit gemischten Gefühlen verfolgt haben 116 . Die Zollfreiheit im Erzstift verstärkte zwar den Kostenbzw. Wettbewerbsvorteil der eigenen Händler gegenüber den Kaufleuten, die der gesteigerten Zollbelastung voll ausgesetzt waren, doch angesichts der lebenswichtigen Bedeutung des - auch von Nicht-Kölnern getragenen - Handels für die Rheinmetropole hat man die Knüpfung eines immer engermaschigen Netzes neuer bzw. erhöhter Transitzölle im Norden, Süden und Westen der Stadt zweifellos mit einigem Unbehagen zur Kenntnis genommen. Insbesondere der neue Landzoll in Worrin-
115 Vergleichbare Vorkehrungen traf der Erzbischof bei der Fixierung der von den Duisburger Händlern am Neusser Rheinzoll zu leistenden Abgaben ( U B Duisburg I, Nr. 99 REK III.2, Nr. 3112). Bei Verdacht der unredlichen Verzollung konnte sich ein Kaufmann noch auf dem Schiff mit Eidesleistung reinigen, doch sollten sich seine Angaben als falsch herausstellen, war er dafür »nach altem Herkommen« durch den Duisburger Magistrat zu bestrafen. Daraus ergibt sich, daß man - wenn auch nicht wie bei den Kölnern im Vorfeld, so doch im nachhinein - die Herkunft von Handelswaren, für die Zollvergünstigung in Anspruch genommen wurde, zumindest in Zweifelsfällen genau nachprüfte. 116 Vgl. dazu ERKENS, Siegfried von Westerburg, S. 229; STEHKÄMPER, Köln, S. 315-319. Beide Autoren ziehen freilich die möglichen Wettbewerbsvorteile für die Kölner Händler nicht hinreichend in Betracht.
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E. Territoriale Zollpolitik
bis zum Beginn des 14.
Jahrhunderts
gen(?) hat den Kölnern offenbar »überhaupt zu nahe gelegen«117, so daß sie die wenn schon nicht sofortige, so doch baldige - Aufhebung der Zollstätte durchsetzten. Nicht zuletzt dürfte man in Köln vor dem Hintergrund der früheren Zollkonflikte mit Konrad von Hochstaden und Engelbert von Valkenburg befürchtet haben, daß künftige Erzbischöfe, wenn nicht gar ein siegreicher Siegfried von Westerburg selbst, auf Dauer die erheblichen fiskalischen Möglichkeiten nutzen wollten, die eine Abschöpfung des Kölner Eigenhandels bot. Die vernichtende Niederlage in der Schlacht von Worringen am 5. Juni 1288 verschlechterte - gleich, ob man das Datum als »Markstein oder Wendepunkt« bewertet - tiefgreifend die Rahmenbedingungen 118 jeden politischen Handelns für den Kölner Erzbischof: Statt einer dauerhaften Hegemonie des Kölner Erzstifts in den nördlichen Rheinlanden und in Westfalen, die bei einem anderen Ausgang der Schlacht durchaus möglich gewesen wäre, erstarkten auf beiden Seiten des Rheins die schärfsten Konkurrenten der kölnischen Territorialbildung und behaupteten endgültig ihre eigenständige Position neben und nicht unter dem Erzbischof. Köln wurde de facto freie Stadt und war in der Folgezeit in einer deutlich besseren Position, um seine politischen und wirtschaftlichen Interessen gegenüber dem jeweiligen Metropoliten zu behaupten. Daß von dem veränderten Machtgefüge in den Rheinlanden auch der zollpolitische Handlungsspielraum Siegfrieds von Westerburg und seiner Nachfolger betroffen war, kann nicht überraschen. So ist unverkennbar, daß die Möglichkeiten für eine kraftvolle und weitgehend autonome Gestaltung des erzstiftischen Transitzollsystems, wie sie der Erzbischof um 1280 und in den letzten beiden Jahren vor Worringen eindrucksvoll demonstriert hatte, nach 1288 deutlich reduziert waren. Eine ähnlich schnelle Erweiterung des Zollbestands - sie ist unter den rheinischen Landesherren ohne Beispiel und allenfalls mit dem System befristeter Zollzuschläge durch Heinrich VII. und Ludwig den Bayern vergleichbar - hat seit dieser Zeit kein Kölner Erzbischof mehr in Angriff nehmen können. Die konkreten Auswirkungen der Worringer Niederlage auf die Transitzölle des Kölner Erzstifts sind nur ansatzweise zu bestimmen. Die Friedensverträge Siegfrieds mit der Stadt Köln und seinen niederrheinischen Nachbarn 119 enthielten - im Unterschied zur Sühne mit Rudolf von Habsburg 1282 - keine Reglementierung erzstiftischer Zölle. Man wird daraus jedoch nicht unbedingt folgern können, daß die Sieger von 1288 den Zollbestand des Erzbischofs völlig unangetastet ließen, zumal Siegfried
117 ERKENS, Siegfried von Westerburg, S. 229. 118 Zu den Auswirkungen der Schlacht auf die politische Landschaft der Rheinlande sind im Jubiläumsjahr 1988 eine Fülle von Beiträgen erschienen (eine kritische Übersicht bietet DROEGE, Anmerkungen), die die Analyse von ERKENS, Siegfried von Westerburg, S. 254-259, 371-386, ergänzen und weiterführen, vgl. insbesondere den Aufsatzband JANSSEN/STEHKÄMPER, Worringen. - Zur im Text zitierten Alternative siehe JANSSEN, Markstein. 119 Vgl. dazu ausführlich ERKENS, Siegfried von Westerburg, S. 243-254.
IL Das Erzstift
Köln
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von Westerburg nach seiner Gefangennahme auf dem Schlachtfeld dreizehn Monate in bergischer Haft blieb und das Erzstift in dieser Zeit fremden Eingriffen weitgehend schutzlos ausgesetzt war120. Jedenfalls erreichte die Stadt Köln offenbar ohne weitere Schwierigkeiten die 1287 vereinbarte Abstellung des Landzolls in Worringen (?); nachweisbare Versuche zur Reaktivierung dieser Hebestelle - auch das ist bezeichnend für die gewandelten Machtverhältnisse - haben Siegfried von Westerburg und seine mittelalterlichen Nachfolger nicht mehr unternommen. Inwiefern die kölnischen Rheinzölle betroffen waren, kann nicht in allen Fällen mit Sicherheit festgestellt werden. Die Existenz des seit frühstaufischer Zeit bestehenden Rheinzolls in Neuss, aber auch der Betrieb der erst kurz zuvor reaktivierten Andernacher Hebestelle ist durch Verschreibungen bald nach 1288 eindeutig gesichert 121 . Vom Rheinberger Flußzoll liegen vergleichbare Zeugnisse zwar nicht vor122, doch gibt es andererseits keine Indizien für eine Einstellung der Zollerhebung. Es dürfte aber relativ wahrscheinlich sein, daß der Erzbischof zumindest einen Teil seiner kurz vor Worringen vorgenommenen Zollerhöhungen - etwa in Neuss - wieder zurücknehmen mußte, zumal sie ausdrücklich der Kriegsfinanzierung gedient hatten; doch ist ein Nachweis im einzelnen nicht möglich. Durch die finanziellen Belastungen 123 infolge der Niederlage waren die Einnahmen der kölnischen Transitzölle für Siegfried von Westerburg nach 1288 nicht weniger wichtig als vorher zur Territorialbildung im allgemeinen und Kriegsfinanzierung im besonderen. Politisch und militärisch geschwächt, wenn auch von seinen Gegnern nicht der Zölle beraubt, mußte der Erzbischof nun aber sehr viel vorsichtiger agieren und einen neuen, durch seine Zollpolitik hervorgerufenen Konflikt unter allen Um-
120 Vgl. ERKENS, Siegfried von Westerburg, S. 241 ff. 1 2 1 N e u s s : R E K III.2, Nr. 3 2 2 4 , 3 2 2 5 , 3 2 4 2 , 3 3 3 6 . D e r F o r t b e s t a n d d e s A n d e r n a c h e r
Zolls
ergibt sich daraus, daß 1292 der Thronkandidat Adolf von Nassau auf seine Pfandrechte am Andernacher Zoll verzichtete ( M G H Const. III, Nr. 474 - REK III.2, Nr. 3354). D i e s e stellten offenbar eine Entschädigung für seine in der Schlacht von Worringen an der Seite des Erzbischofs erlittenen Verluste dar. 122 D i e einzige Quelle über einen Rheinberger Zoll vor 1292 deutet nicht auf einen Flußtransitzoll: A m 19. August 1290 verlieh Erzbischof Siegfried der Stadt Rheinberg theloneum nostrum, quod in oppido Berke hactenus recepimus et recipere consuevimus, et nihilominus aliud theloneum, quod ad emendationem viarum ex concessione nostra tenetis et habetis (zit. nach ANDERNACH, Rheinberg, S. 7 - REK III.2, Nr. 3297). In dem erstgenannten Zoll wird man durch seine Lokalisierung in der Stadt (statt der bei Rheinzöllen häufigen Angabe apud) und der Zweckbestimmung für den Mauerbau eine Akzise oder einen Marktzoll anzunehmen haben. Zudem ist die vollständige Überlassung des zweifellos erheblich ertragreicheren Rheinzolls an sich unwahrscheinlich und wäre in den Rheinlanden ohne Beispiel. D i e zweite in der Quelle genannte Abgabe stellte offenbar einen Wegezoll dar. 123 Vgl. dazu ERKENS, Siegfried von Westerburg, S. 243 ff., 256 f. D e n größten Einzelposten stellten die 12.000 Mark köln. dar, die der Erzbischof an Graf Adolf von Berg zahlen m u ß t e ( L A C . II, N r . 8 6 5 - R E K III.2, N r . 3 2 0 8 ) .
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E. Territoriale Zollpolitik
bis zum Beginn des 14.
Jahrhunderts
ständen vermeiden. Dies betraf das Verhältnis zur Stadt Köln und zu den rheinischen Landesherren, galt aber nicht zuletzt auch für die Beziehungen zum Reichsoberhaupt. Dessen Eingreifen konnte durch das veränderte Machtgefüge deutlich folgenreicher als 1282 ausfallen und war schon deshalb möglich, weil sich der Erzbischof nach wie vor über Bestimmungen der Oppenheimer Sühne, etwa die Beschränkung auf einen einzigen Rheinzoll, hinwegsetzte. Gleichwohl scheint der Erzbischof unter dem Druck seiner prekären Finanzlage vorübergehend einen zweiten Rheinzoll oberhalb Kölns errichtet zu haben. Am 24. Juni 1291 verschrieb er Burggraf Heinrich von Drachenfels für ein Darlehen von 300 Mark den halben Zoll zu Königswinter bzw., wenn der Zoll dorthin verlegt werden sollte, in Bonn. Reichten die bis zum 20. Februar 1292 anfallenden Einkünfte nicht zur vollständigen Tilgung der Summe aus, sollte Heinrich für den Rest den erzbischöflichen Hof Unkel als Pfand erhalten 124 . Die Art des Zolls wird in der Verschreibung, der einzigen vorliegenden Quelle, nicht näher bezeichnet, doch sprechen zwei gewichtige Argumente für einen Rheinzoll: Zum einen lag schon der Zollertrag - innerhalb von acht Monaten erhoffte man sich offenbar Gesamteinkünfte von bis zu 600 Mark - so hoch, daß weder ein Landzoll noch eine marktbezogene Abgabe bzw. Akzise in Frage kommen. Zum anderen war die in Aussicht genommene Verlegung der Hebestelle nach Bonn, d. h. etwa 10 km stromabwärts auf die andere Rheinseite, nur sinnvoll bei einer Transitabgabe, die den Rheinhandel abschöpfte, da nur in diesem Fall das Verkehrsaufkommen und damit der zu erwartende Zollertrag im wesentlichen unverändert blieben 125 . Ob der Erzbischof den Rheinzoll in Königswinter von Anfang an nur als vorübergehende Einrichtung geplant hatte, worauf vielleicht der in der Verschreibung genannte Endtermin deutet, oder ob er sich aus anderen Gründen, etwa Beschwerden Kölns oder des Grafen von Berg als rechtsrheinischem Nachbarn des Erzstifts, zur Niederlegung der Hebestelle entschloß, ist nicht zu ermitteln. Weder ist der Zoll in der Folgezeit in Königswinter nachweisbar noch hat offenbar die Verlegung nach Bonn stattgefunden; denn in diesem Fall hätte sich der Erzbischof mit einiger Sicherheit bei den im folgenden noch zu besprechenden Wahlzusagen des Thronkandidaten Graf Adolf von Nassau um eine reichsrechtliche Legitimation der Hebestelle bemüht. In der Königswahl, die nach dem Tod Rudolfs von Habsburg (t 15. Juli 1291) anstand, hat Siegfried von Westerburg ganz offensichtlich die große Chance gesehen,
124 REK III.2, Nr. 3338. 125 Auch eine weitere Prüfung schließt die Möglichkeit anderer Zollarten weitestgehend aus: Die Verlegung eines Landzolls auf die andere Rheinseite hätte angesichts der Verkehrsbarriere, die der Strom für den Landverkehr darstellte, ganz andere Handelswege erfaßt. Ein solcher Vorgang wäre zudem, im Gegensatz zu den nicht seltenen Verlegungen von Rheinzöllen, ohne Beispiel. Die Verlagerung eines Marktzolls bzw. einer Akzise hätte eine Verlegung des Marktes impliziert. Warum aber ein Handelsplatz von Königswinter nach Bonn verlegt werden sollte, ist nicht im mindesten zu erkennen.
II Das Erzstift Köln
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mit Hilfe eines seinem Einfluß unterstehenden Kronträgers die Ergebnisse der Schlacht von Worringen zu revidieren126. Wer zu den Wunschkandidaten Siegfrieds beim Tod des Königs zählte, ist nicht bekannt. Außer Frage steht aber, daß Rudolfs Sohn Albrecht, dessen Nachfolge der alte König noch im Frühjahr 1291 erfolglos zu sichern versucht hatte, nicht darunter war. Schon auf dem Würzburger Hoftag 1287 hatte der Erzbischof Rudolfs Pläne durchkreuzt, die Nachfolge im Reich einem seiner Söhne zu sichern127. Welche Motive für Siegfrieds Haltung ausschlaggebend waren, die Sorge um den Wahlcharakter des Römischen Königtums und die Stellung der Wahlfürsten in der Reichsverfassung im allgemeinen oder doch eher die von den Erfahrungen des Konfliktes von 1282 geprägte Ablehnung eines starken Königtums als Störfaktor der kölnischen Territorialbildung im besonderen, soll hier dahingestellt bleiben 128 ; daß der Kölner in seiner prekären Lage nach der Niederlage von 1288 noch weniger als im Jahr zuvor an einer habsburgischen Erbfolge interessiert sein konnte, ist offenkundig 129 . Anfang 1292 war jedoch Albrecht von Habsburg der einzige Thronkandidat, und obgleich ihn unter den rheinischen Wahlfürsten nur Pfalzgraf Ludwig nachhaltig unterstützte, konnte durchaus damit gerechnet werden, daß die für den 30. April bzw. den 2. Mai 1292 angesetzte Wahl zugunsten des Habsburgers ausfallen würde 130 . Nur wenige Tage vorher entschloß sich der Kölner Erzbischof, einen eigenen Kandidaten zu präsentieren, wobei er die Möglichkeit einer Doppelwahl mit allen ihren nachteiligen Folgen für das Reich bewußt in Kauf nahm 131 . Am 27. April 1292 ließ er sich in Andernach von Graf Adolf von Nassau in einer offensichtlich unter Zeitdruck angefertigten Urkunde umfangreiche und in der Geschichte des spätmittelalterlichen Wahlkönigtums unerreicht gebliebene Wahlzusagen verbriefen, die praktisch ein vollständiges Diktat seiner Forderungen an den Thronkandidaten darstellten 132 . Adolf von Nassau dürfte allerdings schon zu diesem Zeitpunkt kaum
126 Vgl. zum folgenden oben S. 423 f. und ERKENS, Siegfried von Westerburg, S. 316-328. 127 Vgl. zu Siegfrieds Rolle beim Scheitern dieser Pläne ERKENS, Siegfried von Westerburg, S. 2 6 9 - 2 7 4 .
128 Vgl. dazu vor allem die Überlegungen von ERKENS, Siegfried von Westerburg, S. 290 f. 129 Die von SCHROHE, Bestrebungen I, S. 77, und nach ihm von KNIPPING, REKIII.2, Nr. 3354 Anm., geäußerte Vermutung, daß Siegfried von Westerburg im Frühjahr 1292 durch Boten mit Albrecht verhandelte, wird von ERKENS, Siegfried von Westerburg, S. 315 Anm. 126, skeptisch beurteilt, aber nicht völlig verworfen. Unbestreitbar ist allerdings, daß der Kölner von Albrecht nicht annähernd so umfangreiche Wahlzusagen erhalten haben dürfte wie später von Adolf. 130 Vgl. ERKENS, Siegfried von Westerburg, S. 316. 131 Dies geht z. B. aus Punkt 2 der Wahlzusage (siehe die folgende Anmerkung) hervor, in der sich Adolf verpflichtete, auch bei einer zwiespältigen Wahl an seinem durch den Kölner Erzbischof erlangten Königtum festzuhalten. 132 MGH Const. III, Nr. 474 - REK III.2, Nr. 3354. Vgl. zu den Zollfragen betreffenden Teilen oben S. 423 f.; (weitere) Einzelbestimmungen und der Gesamtkontext werden ausführlich besprochen bei ERKENS, Siegfried von Westerburg, S. 317-327.
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die Absicht gehabt haben, den Wünschen des Erzbischofs später in allen Punkten nachzukommen 133 . Im Forderungskatalog Siegfrieds von Westerburg sind für unsere Fragestellung nach seiner Zollpolitik zwei Komplexe hervorzuheben: die Ansprüche auf das Reichsgut seiner Interessensphäre und die Forderung einer reichsrechtlichen Legitimierung bestimmter kölnischer Zölle. Der Kölner Erzbischof verlangte auf Lebenszeit des künftigen Herrschers den Besitz von Cochem, Kaiserswerth, Landskron, Sinzig, Duisburg und Dortmund mit allen Einkünften, also großer Teile des niederrheinisch-westfälischen Reichsguts, wobei der König die Güter von ihren bisherigen Pfandinhabern auszulösen hatte 134 . Neben den damit für das Erzstift verbundenen erheblichen territorialen Zugewinnen dürfte der Erzbischof vor allem die fiskalischen Ressourcen des Kaiserswerther Rheinzolls im Auge gehabt haben, dessen Ertragskraft er aus den Jahren der eigenen Nutzung um 1280 genau kannte. Ob Siegfried Ende April 1292 wirklich damit gerechnet hat, daß ihm der neue König, dessen eher geringe >Hausmacht< dem Erzbischof sicher bekannt war, gegen den zu erwartenden Widerstand der bisherigen Inhaber Zugriff auf alle Reichsgüter verschaffen konnte, muß dahingestellt bleiben; daß für den Kirchenfürsten unter allen genannten Besitzungen Burg und Zoll Kaiserswerth den höchsten Wert hatten, stellte sich im folgenden Jahr heraus. In Bezug auf die erzstiftischen Zölle versprach Adolf von Nassau, die Zölle Andernach und Rheinberg zu bestätigen und die (entsprechenden) von Kaisern und Königen ausgestellten Privilegien zu erneuern. Der zweite Teil der Zusage dürfte sich in erster Linie auf den Andernacher Zoll bezogen haben 135 . Denn das dortige theloneum war zwar in der Barbarossaschenkung von 1167 enthalten, mit der das Andernacher Reichsgut an die Kölner Kirche kam136, konnte aber von den Metropoliten gegen Ende des 12. Jahrhunderts nicht behauptet werden. Dies hatte zur Folge, daß die Wiederinbetriebnahme der Zollstätte durch Siegfried von Westerburg nach jahrzehntelanger Pause der Errichtung eines neuen, d. h. nach geltendem Recht ohne spezielle Privilegierung durch den Herrscher verbotenen Zolls gleichkam und Rudolf von Habsburg 1282 ohne weiteres die Niederlegung der Hebestelle durchsetzen konnte. Der Erzbischof versuchte daher - neben der expliziten Bestätigung des Zolls durch Adolf - durch eine formelle Erneuerung derjenigen Urkunden, die ein hohes Alter der kölnischen Rechtstitel am Andernacher Zoll belegten, d. h. vor allem des Barbarossadiploms von 1167, den Bestand des südlichsten erzstiftischen Rheinzolls zusätzlich abzusichern.
133 Vgl. oben S. 426 f. 134 In diesem Zusammenhang ist ferner zu berücksichtigen, daß Siegfried die Vogtei des Reichsstifts Essen und die Reichshöfe Westhofen, Brakel und Elmenhorst als kölnischen Besitz beanspruchte und sich die Restituierung zusagen ließ (MGH Const. III, Nr. 474 Art. 5 - REK III.2, Nr. 3354). 135 Vgl. auch oben S. 429. 136 MGH D F I, Nr. 532 - REK II, Nr. 900; vgl. oben S. 257 f.
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Der Rheinberger Flußzoll war weder durch altes Herkommen noch durch ein spezielles Herrscherprivileg legitimiert; die Bestätigung durch Adolf von Nassau sollte dem abhelfen. Entsprechende Garantien des neuen Königs für den Neusser Rheinzoll hielt Siegfried offenkundig nicht für nötig, was leicht nachvollziehbar ist: Dieser war der einzige unter den kölnischen Rheinzöllen, dessen Legitimität selbst in den schärfsten zollpolitischen Konflikten nie bestritten worden ist; denn diese Hebestelle dürfte seit 1138 ohne Unterbrechung bestanden haben 137 . Bemerkenswerterweise hat der Erzbischof die Legitimierung eines weiteren Rheinzolls oberhalb von Köln nicht versucht, obgleich er noch im Jahr zuvor in Königswinter bzw. Bonn Transitabgaben auf den Rheinverkehr erheben ließ. Abgesehen von Rheinberg, wo Siegfried mit dem Zoll an Traditionen aus spätstaufischer Zeit anknüpfen konnte, und das daher als Sonderfall zu betrachten ist, hat er zudem keine Versuche gemacht, eine der im niederrheinischen Landfrieden von 1279 kassierten Geleitzollstätten mit königlicher Rückendeckung zu reaktivieren. Wenn in Anbetracht der sonstigen Zusagen vom 27. April 1292 weitgehend auszuschließen ist, daß entsprechende Wünsche des Metropoliten vorlagen, deren Erfüllung der Thronkandidat verweigerte, wenn der Kölner also von sich aus keine derartigen Forderungen stellte, dann ist zu überlegen, warum Siegfried gerade im Bereich der erzstiftischen Rheinzölle eine gewisse Zurückhaltung zeigte. Direkte Hinweise auf seine Motive fehlen, aber man wird vor allem zwei Faktoren in Betracht ziehen können: Bevor die vielen auf eine Stärkung des Kölner Erzstifts abzielenden Zusagen Adolfs von Nassau, etwa auch sein Versprechen, für die Auslieferung der verpfändeten kölnischen Burgen Lechenich, Wied, Waldenburg, Rodenberg und Aspel zu sorgen 138 , nicht zu einem wesentlichen Teil umgesetzt waren, befand sich der Metropolit gegenüber seinen Nachbarn nach wie vor in einer relativ schwachen Position. Er konnte es kaum wagen, den kölnischen Zollbesitz über den Stand hinaus zu erweitern, der nach Worringen noch akzeptiert wurde, weil er damit eine Konfrontation riskierte hätte; das Verhältnis zur Stadt Köln war ohnehin noch sehr gespannt. Ein zweiter Aspekt kommt hinzu: Zwar war die finanzielle Lage des Erzbischofs im Frühjahr 1292 immer noch prekär, aber, so schien es, nicht mehr lange; denn der Nassauer versprach u. a. die Zahlung von 25.000 Mark Silber bei weitreichenden Sicherheitsleistungen - eine Summe, mit der Siegfried wohl saniert gewesen wäre. Es ist daher denkbar, daß der Erzbischof Pläne zur Verbesserung seiner Einnahmen durch die - erfahrungsgemäß nicht immer ohne Konflikte durch-
137 Vgl. oben S. 248 f. 138 MGH Const. III, Nr. 474 Art. 4 - REK III.2, Nr. 3354. In diesen Zusammenhang gehören auch die Zusagen, den Erzbischof im Besitz von Wassenberg und Liedberg zu schützen (ebd., Art. 5) und ihm regali potentia beizustehen, wenn er sich zum Wiederaufbau der während seiner Gefangenschaft zerstörten Burgen Worringen, Isenberg, Werl, Menden, Raffenberg, Volmarstein und Hallenberg entschließen sollte (ebd., Art. 7).
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führbare - Ausweitung seines Zollbestands zurückstellte, weil er mit diesen königlichen Geldern rechnete. Hatte er erst mit Hilfe des Königs die Folgen der Niederlage überwunden, konnte auch der Ausbau der Zölle wieder aufgenommen werden. Als erster Kölner Erzbischof, anscheinend sogar als erster rheinischer Wahlfürst überhaupt, hat Siegfried von Westerburg seine Kurstimme an die reichsrechtliche Legitimierung bestimmter Zollstätten geknüpft. Zum einen war dies sicher eine indirekte Folge der durch Rudolf von Habsburg - am Rhein gerade auch gegen den Kölner Erzbischof - wieder durchgesetzten Zollhoheit des Römischen Königs 139 . Bei Zollstätten, denen die Legitimität durch das »alte Herkommen« oder eine förmliche Anerkennung durch den Herrscher fehlte, war damit zu rechnen, daß sie Anlaß und Gegenstand unwillkommener königlicher Eingriffe werden konnten. Zum anderen ist dies bezeichnend für eine deutlich geschwächte Machtposition des Kölner Erzstifts nach der Schlacht von Worringen; denn zweifellos wollte Siegfried von Westerburg die von ihm neu errichteten bzw. reaktivierten Rheinzölle in Andernach und Rheinberg nicht nur vor zollpolitischen Aktionen des neuen Königs schützen. Die im Vergleich zum Habsburger deutlich schwächere Machtgrundlage Adolfs von Nassau, wozu die ihm von Siegfried abverlangten Zusagen ihren Teil beitrugen, machte eine Wiederholung der Situation von 1282 eher unwahrscheinlich. Mit der formellen Bestätigung der Zölle durch den König wollte sich Siegfried vielmehr wohl auch gegen mögliche Eingriffe seiner Nachbarn in das Zollsystem des Erzstifts absichern. Solche hatte nicht nur sein Vorgänger Engelbert von Valkenburg zu spüren bekommen 140 , er selbst hatte ja im niederrheinischen Landfrieden von 1279 auf eine Reihe von (Geleit-)Zöllen verzichten müssen. Adolf von Nassau, der zunächst allein der Kandidat des Kölner Erzbischofs gewesen war, erlangte in den folgenden Tagen unter deutlich moderateren Zugeständnissen auch die Kurstimmen der anderen Wahlfürsten und wurde am 5. Mai 1292 in Frankfurt zum Römischen König gewählt. Siegfried von Westerburg, vielleicht durch Krankheit verhindert, nahm am Wahlakt nicht persönlich teil. Um so mehr trat der Mainzer Erzbischof Gerhard von Eppstein dabei in den Vordergrund141; die Wahlanzeige nennt ihn sogar als einzigen Wähler des Königs142. Nicht ganz klar ist, welche Auswirkungen die Umstände der Wahl und die Übereinkünfte des Nassauers mit
139 Vgl. auch oben S. 420. 140 Siegfried, zu dieser Zeit Mainzer Dompropst, war in der Zollfehde von 1267 (vgl. oben S. 576 f.) zusammen mit Engelbert von Valkenburg in Jülicher Gefangenschaft geraten (REK III.2, Nr. 2387). 141 Vgl. ERKENS, Siegfried von Westerburg, S. 328 ff. 142 MGH Const. III, Nr. 475 - RI VI.2, Nr. 12. Vgl. dazu GERLICH, Adolf von Nassau, S. 34 f.
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den anderen Wahlfürsten auf das Verhältnis zu seinem Kölner Promotor hatten. Erkens nimmt noch mindestens bis zur Krönung Adolfs in Aachen, die Siegfried am 24. Juni 1292 vornahm, eine unvermindert starke Position des Westerburgers an und stützt sich dabei vor allem auf die am 29. Mai 1292 vom Nassauer in allgemeiner Form verbriefte Anerkennung der Andernacher Wahlzusagen 143 . Zwingend ist diese Interpretation jedoch nicht. Genauso gut möglich, wenn nicht gar wahrscheinlicher ist nämlich, daß Siegfried nicht aus einer Position der Stärke heraus auf eine Erneuerung der Zusagen drängte, sondern weil er im Hinblick auf die zwischenzeitlich sehr breite Unterstützung Adolfs im Gremium der Wahlfürsten - davon zeugen dessen im Mai ausgestellten Vergünstigungen 144 - um die Realisierung seiner weitreichenden Forderungen fürchtete. Ein Politiker von der Erfahrung Siegfrieds von Westerburg dürfte nicht übersehen haben, daß sich Adolf in der jetzigen Situation mit der Unterstützung oder zumindest Duldung aller Wahlfürsten kaum auf Zusagen im Andernacher Ausmaß eingelassen hätte. Und tatsächlich gab es zu dieser Zeit bereits einen ersten, zunächst noch vereinzelten Hinweis, daß der König nicht in allen Punkten auf die Interessen des Kölner Erzbischofs Rücksicht nehmen konnte oder wollte. Obwohl das Cochemer Reichsgut den Andernacher Wahlzusagen zufolge an Köln kommen sollte, versprach Adolf dem Trierer Erzbischof Boemund von Warsberg am 14. Mai 1292, Cochem innerhalb eines Jahres nach der Wahl von den bisherigen Inhabern auszulösen und durch einen Reichsamtmann verwalten zu lassen145. Er überging also in diesem Punkt eindeutig die bestehenden Verpflichtungen gegenüber der Kölner Kirche. Eine direkte Reaktion des Westerburgers darauf ist nicht bekannt, doch dürfte ihn dies mit dazu veranlaßt haben, sich vom König gut zwei Wochen später die formelle Gültigkeit der Andernacher Zusagen bestätigen zu lassen. Die nach der Krönung folgenden Monate zeigten bald, daß Adolf von Nassau, obgleich er seinen Einlagerverpflichtungen in Bonn nachkam, systematisch seine Bindungen an den Kölner Erzbischof lockern wollte und der Bruch seiner Cochem betreffenden Wahlzusagen nur der Auftakt dieser Bestrebungen gewesen war146. Gleichzeitig wurde dabei deutlich - was die hervorgehobene Stellung des Kölner Metropoliten in der Reichsverfassung als einer der wichtigsten Königswähler und Koronator kurzfristig überdeckt hatte - , wie schwach die Position Siegfrieds von Westerburg in den Rheinlanden in Wirklichkeit war. Er konnte nicht verhindern, daß sich Adolf von Nassau entgegen den Andernacher Zusagen Herzog Johann von Brabant, einem der ärgsten
143 Adolf sicherte Erzbischof Siegfried, der ihn primo et principaliter zum König erhoben habe insbesondere zu, binnen acht Tagen nach der Krönung ungemahnt zum Einlager nach Neuss oder Bonn zu kommen. Die Gültigkeit der vorangegangenen Vereinbarung, d. h. der Andernacher Zusagen vom 27. April 1292, bleibe davon unberührt ( M G H Const. III, Nr. 479 - REK III.2, Nr. 3357). 144 Vgl. RI VI.2, Nr. 1 4 , 1 6 - 2 2 . Siehe auch oben S. 424 ff. 145 RI VI.2, Nr. 18; vgl. auch oben S. 425 f. 146 Vgl. oben S. 426 ff.
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Feinde Siegfrieds, annäherte 147 und auch sonst keine Anstalten zur Erfüllung der Wahlversprechen machte 148 . Der Erzbischof mußte schließlich die vom König intendierte völlige Neuregelung des beiderseitigen Verhältnisses akzeptieren. Die am 13. September 1292 getroffenen Vereinbarungen zeigen, daß sich die Gewichte gegenüber den Andernacher Wahlzusagen erheblich zuungunsten des Kölners verschoben hatten 149 . Die Zahlung der 25.000 Mark Silber entfiel ersatzlos; damit war die vom Erzbischof auf Kosten des nassauischen Hausguts erstrebte Sanierung der erzstiftischen Finanzen gescheitert. Seine Ansprüche auf große Teile des niederrheinisch-westfälischen Reichsguts konnte Siegfried nur in deutlich reduzierter Form behaupten. Statt daß ihm die Güter und deren Einkünfte auf Lebenszeit des Königs frei von Ansprüchen der Vorbesitzer zur uneingeschränkten Nutzung überlassen wurden, sollte sie der Erzbischof nun als Pfandschaften für jeweils im einzelnen konkret bezifferte Pfandsummen erhalten. Wer die Ablösung der bestehenden Pfandrechte zu übernehmen hatte, blieb mit Ausnahme von Kaiserswerth offen. Die entsprechende explizite Verpflichtung des Königs aus den Andernacher Wahlzusagen wurde jedenfalls - und dies ist wohl bezeichnend - nicht übernommen. Lassen schon die nur bei Kaiserswerth konkretisierten Auslöseregelungen darauf schließen, daß Siegfried von Westerburg unter allen Reichsgütern besonders an der niederrheinischen Reichsburg mit ihrem Zoll interessiert war150, wird deren Stellenwert vollends aus der Höhe der Pfandsumme deutlich: Sie wurde mit 18.000 Mark angesetzt, betrug also fast drei Viertel (72%) der für alle Reichsgüter zusammen veranschlagten 25.000 Mark guter Kölner Denare. Hoffnungen auf den dauerhaften Erwerb von Burg und Zoll für die Kölner Kirche konnte Siegfried sich nach der neuen Vereinbarung nur noch sehr bedingt machen. Der Erzbischof und seine Nachfolger sollten Kaiserswerth nämlich nur solange unbefristet und ohne Anrechnung der Einkünfte auf die Pfandsumme besitzen, wie der jeweilige König die 5.000 bzw. 2.000 Mark, die der Metropolit zur Auslösung der Burg aufbringen sollte151, nicht ablöste. Danach waren die Kaiserswerther (Zoll-)Gefälle auf die Restsumme von
147 Vgl. dazu ERKENS, Siegfried von Westerburg, S. 332 f.; GERUCH, Adolf von Nassau, S. 3 8 f. 148 Auch die im Andernacher Vertrag als Sicherheiten vorgesehenen nassauischen Burgen wurden dem Kölner nicht übereignet, vgl. ERKENS, Siegfried von Westerburg, S. 331 f. Anm. 212. 149 UB Duisburg I, Nr. 125 - REK III.2, Nr. 3362. 150 Nur dort konnte auch eine Übernahme der Pfandschaft realistisch sein, weil der derzeitige Inhaber, Graf Johann von Sponheim, keine eigenen territorialen Interessen am Niederrhein verfolgte. 151 Die Höhe der Summe war abhängig davon, ob der König eine Sühne zwischen der Stadt Köln und dem Erzbischof vermitteln konnte. Wenn Adolf von Nassau dies gelang, sollte Siegfried 5.000 Mark aus der von den Kölnern zu zahlenden Buße aufbringen, andernfalls hatte der Erzbischof nur 2.000 Mark beizusteuern und der König mußte die restlichen 3.000 Mark übernehmen.
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18.000 Mark anzurechnen, bis nach deren Tilgung Kaiserswerth an das Reich zurückfiel. Im Bereich der genuin kölnischen Zölle bedeutete die modifizierte Vereinbarung vom 13. September 1292 einen schweren Rückschlag für Siegfried von Westerburg. Der neue König verweigerte die früher zugesagte explizite reichsrechtliche Anerkennung der erzstiftischen Rheinzölle in Andernach und Rheinberg. Vielmehr war er nur noch zu einer Bestätigung derjenigen Zölle bereit, die der Erzbischof und seine Kirche de iure besaßen, was gerade bei diesen beiden Hebestellen eben nicht der Fall war152. Eine allgemeine (Zoll-)Privilegienbestätigung, mit der auch der Andernacher Zolltitel erneuert worden wäre, konnte der Erzbischof ebenfalls nicht mehr erreichen: Adolf von Nassau versprach lediglich eine Bestätigung der Privilegien, die Siegfried selbst für das Kölner Erzstift erwirkt hatte. Zumindest zollpolitisch war dies eine offenkundig wertlose Zusage; denn daß Rudolf von Habsburg, der als einziger Herrscher in Frage kam, dem Kölner keine Zollvergünstigungen erteilt hatte, konnte angesichts der meist gespannten beiderseitigen Beziehungen kein Geheimnis sein. Sollte Siegfried von Westerburg geglaubt haben, Adolf von Nassau würde nun seine Verpflichtungen zumindest in dieser reduzierten Form einlösen und von seiner antikölnischen Linie, etwa der Verbindung mit dem Herzog von Brabant, wieder abweichen, mußte er bereits wenige Tage später erkennen, daß dem König die gegenüber den Andernacher Zusagen vom 27. April 1292 durchgesetzten Modifikationen keineswegs ausreichten. Adolf von Nassau wollte offensichtlich auch künftig indirekten Druck auf den Erzbischof ausüben, um noch weitergehende Änderungen durchzusetzen. So traf der Herrscher bereits am 22. September 1292 eine Vereinbarung mit Herzog Johann von Brabant, die - ohne direkten Vertragsbruch - den Kern dessen berührte, was der Erzbischof neun Tage zuvor noch erreicht zu haben geglaubt hatte, nämlich die Verpfändung Kaiserswerths an das Kölner Erzstift 153 . Adolf von Nassau verpfändete dem Herzog für ein bis zum 6. Januar 1293 zu zahlendes Darlehen von 16.000 Mark köln. den Kaiserswerther Zoll mit den übrigen Einkünften der Burg. Im Unterschied zu der Vereinbarung mit Siegfried waren die Erträge bis auf eine Kostenpauschale auf die Pfandsumme anzurechnen. Zur schnelleren Tilgung des Kredits verschrieb der König dem Brabanter ferner - auch dies eine deutliche Spitze gegen den Erzbischof, aber kein direkter Vertragsbruch alle Reichseinkünfte in Aachen, Sinzig, Dortmund und Duisburg, soweit sie sich der Herzog auf rechtmäßigem Weg (iustis modis ac titulis) verschaffen konnte. Siegfried von Westerburg hatte also damit zu rechnen, daß sich einer seiner größten Gegner wichtige Stücke des niederrheinischen und westfälischen Reichsguts aneignete und mit Hilfe des Königs in den zumindest vorübergehenden Besitz des Kaiserswerther Zolls gelangte, bevor er selbst die notwendigen Geldmittel verfügbar hatte, um seine
152 Vgl. auch oben S. 429. 153 U B Duisburg I, Nr. 126; vgl. dazu auch oben S. 429 f.
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eigenen Ansprüche aus der Vereinbarung vom 13. September zu realisieren. W a r u m die Brabanter Pfandschaft nicht zustandekam, ist nicht im einzelnen zu klären und hier auch nicht zu erörtern. Entscheidend ist vielmehr, daß der König, der doch ursprünglich ganz die kölnischen Interessen vertreten sollte, den Erzbischof durch ein geschicktes Wechselspiel mit dessen territorialen Gegnern unter Druck setzen konnte, ohne daß dieser in seiner geschwächten Machtposition zu Gegenaktionen fähig war 154 . W ä h r e n d es Siegfried von Westerburg im Spätsommer und Herbst 1292 nicht gelang, seine Verschreibungen auf die Reichsgüter durchzusetzen 1 5 5 , k n ü p f t e Adolf von Nassau - wiederum unter Übergehung früherer Zusagen - Verbindungen zum zweiten Hauptgegner des Erzbischofs, der Stadt Köln. D e r König bestätigte ihr am 11. O k t o b e r 1292 alle Privilegien und nahm sie in seinen Frieden auf. Die Kölner und ihre Gegner - gemeint war offensichtlich der Erzbischof - sollten keine Gewalt anwenden und den Rechtsweg beschreiten 1 5 6 . D e r Metropolit konnte also seine A n sprüche gegen die Domstadt nur über den König weiterverfolgen, wenn er sich nicht ins Unrecht setzen wollte. Siegfrieds Versuche, die erzbischöfliche Stadtherrschaft in Köln mit Hilfe des Königs (wieder-)herzustellen, waren damit unübersehbar gescheitert. D a r ü b e r hinaus mußte der Metropolit erkennen, daß Adolf von Nassau den Kölnern nicht nur Rechtstitel erneuerte und allgemeine Schutzzusagen gab, sondern auch bereit war, ihre Rechtsposition gegen das Erzstift konkret zu unterstützen. A m gleichen Tag erklärte nämlich Adolfs Bruder Dieter von Nassau, daß er auf königlichen Befehl die von den Kölnern in Neuss zu entrichtenden A b g a b e n habe feststellen lassen: 19Vi D e n a r e (pro F a ß ? ) für Eigengüter in Kölner Schiffen sowie zwei D e n a r e für jeden mitfahrenden Bürger und den herkömmlichen (consuetum) Satz für f r e m d e G ü t e r in fremden Schiffen 157 . Die Kölner versuchten mit Rückendeckung des
154 Die Lage wäre für den Erzbischof sicher noch sehr viel kritischer gewesen, wenn er nicht bereits seit einiger Zeit mit Graf Walram von Jülich zu einem Ausgleich gekommen wäre. Vgl. dazu auch ERKENS, Siegfried von Westerburg, S. 296 ff.; KRAUS, Jülich, S. 171. Das Verhältnis war sogar so gut, daß Walrams Interessen in den Andernacher Zusagen bedacht wurden; allerdings löste Adolf von Nassau auch diese Vereinbarungen nicht ein. 155 Vgl. oben S. 430. 156 RI VI.2, Nr. 101, 102. Vgl. zur Bewertung dieser Urkunden ERKENS, Siegfried von Westerburg, S. 341. 157 ENNEN, Quellen III, Nr. 371 (fälschlich zu Aug. 22) - RI VI.2, Nr. 104 (mit Korrektur des Datums). Die Bemessungsgrundlage für den ermäßigten Zollsatz (Schiff oder Faß) wurde nicht angegeben, doch dürfte es sich eher um einen Warenzoll mit der Grundeinheit Faß gehandelt haben als um einen pauschal auf das Transportmittel bezogenen Satz. Dafür spricht nicht nur, daß eine warenabhängige Verzollung am Niederrhein seit langem gängig war und daher als selbstverständlich vorausgesetzt werden konnte, auch die in Siegfrieds Episkopat fixierten vergünstigten Sätze für die Duisburger (1287 - REKIII.2, Nr. 3112) und Dordrechter Händler (1293 - REK III.2, Nr. 3394) waren nach Warenart und/oder -wert bemessen.
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Reichsoberhaupts offenbar, in Neuss wieder ihren früheren vergünstigten, aber seit Worringen von den erzbischöflichen Zöllnern sicher nicht mehr respektierten Zollsatz durchzusetzen. Vielleicht waren sie zwischenzeitlich sogar, darauf könnte die ausdrückliche Erwähnung eines theloneum consuetum hindeuten, mit besonderen Strafzöllen belegt worden. A u s der Sicht des Erzbischofs war dieses Weistum nicht nur deshalb ein Affront, weil es seine Gegner begünstigte: Derselbe König, der noch am 13. September konkrete Garantien für die erzstiftischen Zölle verweigert hatte, griff nun als erster Herrscher seit Konrad III. 1145 158 in die Verhältnisse des ältesten und zweifelsfrei rechtmäßigen kölnischen Rheinzolls ein, ohne die erzbischöflichen R e c h t e zu erwähnen oder gar zu berücksichtigen. A d o l f v o n Nassau hatte nach der Vereinbarung v o m 13. September 1292 bis zum 15. Februar des folgenden Jahres Zeit, seine Verpflichtungen gegenüber Siegfried v o n Westerburg zu erfüllen. D e r König ist dem, was nach seiner bisherigen Politik kaum überraschen kann, abermals nicht nachgekommen. Vielmehr verstärkte er den Druck auf den Kölner Erzbischof, indem er den Herzog von Brabant am 18. N o v e m b e r 1292 zum königlichen Beauftragten und allgemeinen Stellvertreter für die Wahrung des am 2. Oktober in Köln erneuerten Landfriedens in den nördlichen Rheinlanden bestellte 1 5 9 . Wenngleich Johann in dieser Stellung anscheinend nicht konkret g e g e n den Erzbischof tätig geworden ist 160 , mußte dieser doch nun mit Eingriffen eines mit königlicher Autorität ausgestatteten Gegners in ureigenes kölnisches Interessengebiet rechnen. D a der Landfrieden neue Zölle als Friedensverstöße kriminalisierte 161 , war er von besonderer Bedeutung gerade für die erzbischöfliche Zollpolitik: W e n n Siegfried nämlich ungeachtet dessen, daß der König eine reichsrechtliche Legitimation verweigert hatte, den Andernacher und Rheinberger Zoll weiterhin erhob oder wenn sich der Erzbischof über die Zollvorrechte der Kölner Kaufleute in Neuss hinwegsetzte, war es keineswegs ausgeschlossen, daß der Brabanter dies zum Anlaß für eine Landfriedensaktion nahm. D i e Situation des Erzbischofs war an der Jahreswende 1292/1293 ganz anders, als er im Frühjahr erhofft hatte. Adolf von Nassau hatte, statt ihm über die Folgen von
158 MGH D Ko III, Nr. 136; vgl. auch oben S. 350 f. 159 Bestallung zum Landvogt: MGH Const. III, Nr. 494 - REKIII.2, Nr. 3371. Der Amtsbereich wurde umschrieben als das Gebiet zwischen der Mosel und dem Meer und vom Rhein nach Westfalen hin; vgl. dazu ERKENS, Siegfried von Westerburg, S. 342 f. - Erneuerung des Landfriedens: MGH Const. III, Nr. 488. 160 Es ist nicht ganz klar, wie die Niederlegung der Burg Forst, mit der Adolf von Nassau den Brabanter bereits am 11. Oktober 1292 betraut hatte (RI VI.2, Nr. 103), hier einzuordnen ist. Vgl. auch REK IV, Nr. 803-805. 161 Adolf von Nassau erneuerte den Landfrieden in der auf dem Würzburger Hoftag 1287 (MGH Const. III, Nr. 390) durch Rudolf von Habsburg verkündeten Form, d. h. neue Zölle und Geleite waren verboten (Art. 17) und alle seit dem Tod Friedrichs II. ohne Genehmigung des Reiches errichteten Zollstätten waren abzustellen (Art. 18). Vgl. auch oben S. 418 f.
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Worringen hinwegzuhelfen, gezielt die Position Herzog Johanns von Brabant und der Stadt Köln, der beiden wichtigsten Gegner Siegfrieds, gestärkt. Mit Hilfe der ihnen vom König an die H a n d gegebenen Rechtsmittel konnten sie jeden Versuch des Metropoliten zu einer Revision der nach Worringen entstandenen Machtverhältnisse als Angriff auf den königlichen Frieden abwehren; es war ihnen sogar möglich, von sich aus gegen den Erzbischof vorzugehen. Nicht zuletzt drohte aus der Sicht Siegfrieds bis zum 6. Januar 1293 immer noch die Realisierung der brabantischen Pfandschaft in Kaiserswerth. Wie konkret über die latente D r o h u n g hinaus die G e f a h r eines Eingriffs in das kölnische Zollsystem tatsächlich war, läßt sich nur schwer abschätzen. A u ß e r Frage steht aber, daß Adolf von Nassau, um eine noch weitere Reduzierung seiner im Zusammenhang mit der Wahl zugesagten Leistungen an den Kölner durchsetzen zu können, dessen Handlungsspielraum gezielt einschränken wollte. Für eine Schaukelpolitik, die zwischenzeitlich den Erzbischof gegen den Herzog ausspielte, finden sich hingegen keine stichhaltigen Belege 1 6 2 . A m 28. Mai 1293 regelten Adolf von Nassau und Siegfried von Westerburg schließlich ihre gegenseitigen Verpflichtungen von Grund auf neu. Alle früheren Verträge, d. h. insbesondere die U r k u n d e n vom 27. April und 13. September 1292, verloren ihre Gültigkeit und waren dem König zurückzugeben 1 6 3 . D e r Herrscher verpfändete dem Erzbischof für 37.500 Mark köln. die Burg Kaiserswerth mit dem Zoll und allem Zubehör und verlieh ihm einen neuen Rheinzoll in Bonn titulo pignoris in H ö h e von zwölf Denaren/Fuder Wein. Die Pfandschaft wie auch dieser Zoll sollten fünfzehn Jahre Bestand haben. Danach galt die Pfandsumme als getilgt, Kaiserswerth fiel an das Reich zurück und der Bonner Zoll war niederzulegen. D e r Status des Andernacher und des Neusser Zolls wurde nicht berührt, jedoch vereinb a r t e man, daß Siegfried in Z u k u n f t keinen Zoll mehr in Rheinberg erheben sollte. Was der Erzbischof an Rechten auf die westfälischen Reichshöfe Westhofen, Elmenhorst und Brakel nachweisen konnte, versprach ihm der König zu überlassen;
162 ERKENS, Siegfried von Westerburg, S. 344, vertritt die Ansicht, daß Adolf von Nassau in einer Schaukelpolitik nach der Ernennung des Brabanters zum niederrheinischen Landvogt den Kölner Erzbischof zum Wahrer des Landfriedens in Westfalen bestellt habe. Eine ausführliche Diskussion dieser These kann hier nicht erfolgen. Es sei nur darauf hingewiesen, daß sich aus der tatsächlichen Ausübung einer Landfriedenshoheit durch den Erzbischof nicht ergibt, daß er dies aufgrund einer formellen Bestallung durch den König tat. Eine solche ist - im Gegensatz zur These von Erkens - zumindest vor der Einigung vom 28. Mai 1293 unwahrscheinlich. Entgegen den Ausführungen von ERKENS, Siegfried von Westerburg, S. 341 ff., hat der König im Herbst 1292 in allenfalls formaler Befolgung seiner Zusagen für Siegfried geurkundet (vgl. auch oben S. 430). Nicht vom Herzog, sondern vom Erzbischof mußte sich Adolf von Nassau emanzipieren, wenn er sein Königtum verwirklichen wollte. 163 LAC. II, Nr. 937 - REK III.2, Nr. 3387. Daß die Auslieferung der Diplome tatsächlich stattfand, zeigt sich darin, daß sie offenbar nur im erzbischöflichen Kopiar erhalten sind (vgl. dazu die Anm. in REK III.2, Nr. 3354, 3357, 3362). Der Vertrag vom 23. Mai 1293 ist dagegen als Original im kölnischen Archiv überliefert.
II. Das Erzstift Köln
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kölnische Pfandrechte an weiteren Reichsgütern wurden nicht mehr erwähnt. In der Pfandsumme von 37.500 Mark enthalten waren 6.000 Mark, mit denen Siegfried Kaiserswerth vom Grafen Johann von Sponheim auszulösen hatte. Ferner mußte der Metropolit 2.000 Mark zum Rückkauf Cochems beisteuern und dieses Reichsgut mit allem Zubehör dem König Uber et absolutus überstellen. Beide Parteien sicherten sich unter Eid gegenseitige Hilfe zu; bei Verletzung des Vertrages durch den Erzbischof hatte der König das Recht, sich an den Gütern und Einkünften des Kölner Erzstifts schadlos zu halten. Entsprechende Möglichkeiten wurden dem Erzbischof nicht eingeräumt. Vergleicht man diese Bestimmungen mit den Zusagen, die Siegfried dem Nassauer in Andernach abgenötigt hatte, bzw. mit deren Revision im September 1292, ist der Erfolg der königlichen Politik offenkundig 164 . Zweifellos war der Versuch des Erzbischofs im wesentlichen gescheitert, mit Hilfe eines ihm verpflichteten Reichsoberhaupts die 1288 verschobenen territorialen Machtverhältnisse in den Rheinlanden und Westfalen wieder zugunsten des Kölner Erzstifts zu revidieren 165 . Andererseits - und dies ist gegenüber Erkens' doch wohl zu negativer Bewertung der Vereinbarung festzuhalten 166 - hat Siegfried von Westerburg, insbesondere auch im Vergleich mit den anderen rheinischen Wahlfürsten, immer noch erhebliche Vergünstigungen durchsetzen können; daß überhaupt eine endgültige Regelung zustandekam, ist zweifellos der Hartnäckigkeit des Metropoliten zuzuschreiben. Einen zentralen Erfolg konnte er nämlich verbuchen: die Kaiserswerther Pfandschaft 167 . Zwar mußte Siegfried dafür, rechnet man die Cochemer Pfandsumme hinzu, de facto 8.000 Mark aufbringen, aber daß er in fünfzehn Jahren aus den Einkünften des Kaiserswerther Zolls deutlich mehr als diese Summe erwarten konnte, daß das Geld also schon unter rein finanziellen Aspekten - von der territorialen Bedeutung der Burg ganz abgesehen - gut >investiert< war, ist kaum zu bezweifeln. Selbst wenn man die Wahl- und Krönungskosten des Westerburgers, mit denen die Pfandsumme u. a. begründet wurde, noch hinzuzählt168, ändert sich daran nichts entscheidendes. Zwar
164 Vgl. auch oben S. 432 f. 165 Bezeichnenderweise wurde aus den beiden früheren Urkunden die Zusage Adolfs, den Erzbischof bei der Wiedererlangung der verpfändeten bzw. dem Wiederaufbau der zerstörten kölnischen Burgen zu unterstützen, nicht übernommen. 166 Vgl. ERKENS, Siegfried von Westerburg, S. 344 ff. 167 Am 30. Mai 1293 wurden zwischen König Adolf, Erzbischof Siegfried und Graf Johann von Sponheim die Übergabebedingungen für Kaiserswerth geregelt (LAC. II, Nr. 938 REK III.2, Nr. 3389). Entgegen der noch bis in die neueste Literatur vertretenen These, daß Siegfried nicht in den Besitz gelangte, ist der Übergang der Burg eindeutig nachweisbar (vgl. oben S. 433 und 437 f.). 168 Siegfried hatte an der Wahl in Frankfurt nicht einmal persönlich teilgenommen; realistisch (aber immer noch höher als die tatsächlichen Ausgaben) dürften die 3.000 Mark Silber sein, die Pfalzgraf Ludwig erhalten sollte (RI VI.2, Nr. 22). Gegenüber Erzbischof Boemund von Trier erkannte Adolf 1294 Kosten bei Wahl, Krönung und anderen
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E. Territoriale Zollpolitik
bis zum Beginn des 14.
Jahrhunderts
mußte Siegfried den Rheinberger Zoll niederlegen - und es gibt keine Hinweise, daß er dies nicht tat - , aber zumindest für die nächsten anderthalb Jahrzehnte bot der neue Bonner Rheinzoll dafür einen gewissen fiskalischen Ausgleich169. Die anderen erzbischöflichen Flußzölle, Andernach und Neuss, erhielten keine explizite Anerkennung durch den König, wurden allerdings auch nicht verboten. Es blieb damit Siegfried von Westerburg überlassen, wie er diese Abgaben behaupten konnte. In den letzten vier Lebens- und Amtsjahren des Metropoliten sind keine nennenswerten Änderungen im kölnischen Zollbestand oder sonstige herausragende zollpolitische Ereignisse mehr erkennbar. Auch die territorialpolitischen Aktivitäten des Westerburgers in den Rheinlanden kamen weitgehend zum Erliegen 170 . Einmal mehr wird hier erkennbar, daß Siegfrieds Zollpolitik - gerade auch in ihrer jeweiligen Intensität - nicht von seiner Territorialpolitik zu trennen ist. Eine von Siegfrieds letzten zollpolitischen Maßnahmen war der Schutz- und Geleitbrief, den er den Dordrechter Händlern in Erfüllung ihrer schon seit längerem geäußerten Bitten am 18. August 1293 erteilte, worin er für einige Waren(-gruppen) die Zollabgaben festsetzte: Für ghemeyn guet seu rulast waren vier Denare von der Mark, d. h. ein Wertzoll von V36, vom centenarium Salz neun Schilling, von jeder Last Bückinge oder geschütteter Heringe neun Denare und von Heringen in Fässern und Tonnen der gewöhnliche Zoll zu zahlen171. Bestimmte Zollstätten wurden dabei - im Gegensatz zu einem sehr ähnlichen Geleitbrief, den die Dordrechter wenige Tage später vom klevischen Grafen erwirkten 172 - nicht angegeben, was zunächst zwei Deutungen zuläßt: Entweder hatten die Dordrechter an jedem der erzbischöflichen Rheinzölle die fixierten Abgaben zu entrichten, oder es handelte sich um einmal zu entrichtende Pauschalsätze, die die Abgaben an allen kölnischen Hebestellen einschlössen. Ohne daß völlige Sicherheit zu erzielen ist, wird man beim Vergleich der jeweiligen Abgabensätze in beiden Geleitbriefen die letztere Möglichkeit als weniger wahrscheinlich einzustufen haben. Allein schon an der klevischen Hebestelle Büderich hatten die Dordrechter mindestens soviel zu zahlen, wie in Siegfrieds Urkunde bestimmt wurde. Hinzu kamen noch die genau spezifizierten Abgaben an einem der beiden anderen klevischen Flußzölle in Huissen (Neder-Rijn-Route) oder in Nimwe-
Reichsdiensten von insgesamt 4.453 Mark guter Denare an (HONTHEIM, Historia I, Nr. 574). 169 Zumindest die nominale Höhe beider Zölle - über die Erträge liegen aus dieser Zeit keine Belege vor - dürften in etwa gleich gewesen sein. Der neue Bonner Zoll betrug zwölf Kölner Denare, d. h. vier Turnosen, pro Fuder Wein (vgl. zu diesem Kurs die Belege bei KEUSSEN, Münzgeschichtliches, S. 54; KLÜSSENDORF, Währung, S. 116 f.). Der Rheinberger Zoll wurde 1314 mit ausdrücklichem Bezug auf die Zeit Siegfrieds von Westerburg auf vier Turnosen fixiert ( M G H Const. V, Nr. 139 - R E K I V , Nr. 886). 170 Vgl. zur Verlagerung von Siegfrieds Aktivitäten nach Westfalen ERKENS, Siegfried von W e s t e r b u r g , S. 3 5 0 - 3 6 0 .
171 VAN DEN BERGH, O H Z II, Nr. 854 - REK III.2, Nr. 3394. 1 7 2 SCHOLZ-BABISCH, Q u e l l e n , N r . 4 9 .
II. Das Erzsüft Köln
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gen (Waal-Route). Ein Händler, der die Grafschaft durchquerte, hatte für »gemeines Gut« insgesamt zehn Denare pro Mark Warenwert und für das centenarium Salz 23 Vi Schilling, also ca. das 2,5-2,6-fache der Kölner Sätze, zu entrichten. Wenn im kölnischen Geleitbrief daher vermutlich Abgabensätze für eine Hebestelle verzeichnet waren, aber man es trotzdem nicht für notwendig erachtete, dies explizit zu erwähnen, liegt die Erklärung vielleicht in der Struktur des Dordrechter Rheinhandels. Dessen Endpunkt könnte für Fisch und Salz und wohl auch rulast in den meisten Fällen aufgrund des städtischen Stapels nämlich Köln gewesen sein. Dies vorausgesetzt, passierten die Niederländer von Norden kommend ohnehin nur einen erzstiftischen Rheinzoll, und zwar Neuss, so daß eine nähere Zuordnung als unnötig erscheinen konnte 173 . Insgesamt betrachtet war das zollpolitische Wirken Siegfrieds von Westerburg zweifellos erheblich erfolgreicher als sein in Worringen gescheiterter Versuch, dem Kölner Erzstift die Vorherrschaft in den Rheinlanden und in Westfalen zu verschaffen. Zu Beginn seiner Amtszeit verfügte er nur über einen einzigen Rheinzoll, den Neusser, am Ende hatte er eine zusätzliche Hebestelle in Andernach etabliert und besaß noch für mehr als zehn Jahre zwei weitere Zollstätten an der wichtigsten Verkehrsader des Reiches in Bonn und Kaiserswerth. Vergleichbares ist wohl keinem mittelalterlichen Rheinzollinhaber gelungen, sieht man einmal von den Zöllen ab, die von den Römischen Königen seit Heinrich VII. neu errichtet wurden. Freilich war ihnen dies als Inhaber der Zollhoheit auch sehr viel leichter möglich. Unter allen zeitgenössischen Landesherren entlang des Rheins hat wohl Siegfried von Westerburg am klarsten das fiskalische Potential von Transitabgaben erkannt und es auch am konsequentesten genutzt.
II.5
Wikbold von Holte (1297-1304)
Siegfrieds Nachfolger Wikbold von Holte fand bei seinem Amtsantritt also eine durchaus günstige zollpolitische Ausgangsbasis vor, deren Konsolidierung und Erweiterung ihm bereits im Sommer 1298 bei der nach der Absetzung Adolfs von Nassau anstehenden Königswahl Albrechts von Habsburg zu gelingen schien. Die Zusagen, die der Erzbischof im Bereich der Zölle für seine Kurstimme aushandeln konnte, konzentrierten sich dabei wie 1292/1293 auf zwei Schwerpunkte: eine möglichst umfassende reichsrechtliche Legitimierung der erzstiftischen Rheinzölle und die Stärkung der kölnischen Position in Kaiserswerth174. Am 28. August 1298 bestä-
173 Der Kaiserswerther Rheinzoll war zwar de facto in kölnischer Hand, aber als Reichspfand, in dessen innere Rechtsverhältnisse - und eine Zollvergünstigung zählte zweifellos dazu - der Pfandinhaber ohne Zustimmung des Königs nicht eingreifen konnte. Ähnlich lag der Fall beim Duisburger Rheinzoll, der im Pfandbesitz des Grafen von Kleve war und in dessen Geleitbrief für die Dordrechter ebenfalls nicht genannt ist. 174 Vgl. zum folgenden auch oben S. 437 ff.
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tigte Albrecht dem Metropoliten und seiner Kirche die Zölle Andernach, Bonn und Neuss als dauerhaften Besitz und gestattete ihm ferner für seine (Wikbolds) Lebenszeit die Erhebung des Rheinberger Zolls, den Erzbischof Siegfried unter früheren Königen besessen habe. Alle früheren Privilegien wurden erneuert und sollten ihre Gültigkeit behalten. Die bis auf den Böhmenkönig vollständig anwesenden Wahlfürsten erklärten ihre Zustimmung und besiegelten die U r k u n d e mit 175 . A m gleichen Tag übertrug ihm der König die Burg Kaiserswerth, die (angeblich) für 36.000 Mark Sterling an Erzbischof Siegfried verpfändet gewesen sei, mit dem Zoll, den Herrschaftsrechten (dominium) und allem Zubehör. Die Einkünfte sollte Wikbold zur V e r m e h r u n g seiner Reichslehen erhalten, sie waren nicht auf die Pfandsumme anzurechnen; erst nach dem Tod des Königs und dem des Erzbischofs sollte Kaiserswerth wieder für 36.000 Mark ausgelöst werden können. Simili modo erhielt der Metropolit die Stadt Sinzig, ferner in Dortmund das Schultheißenamt und den Judenschutz und schließlich die H ö f e Westhofen, Elmenhorst und Brakel, wobei sich der König vorbehielt, von den Dortmunder Bürgern und Juden nach Belieben servicia et subsidia zu fordern 1 7 6 . In einer weiteren U r k u n d e vom gleichen Tag versprach der Habsburger Erzbischof Wikbold für seine bei der Krönung in Aachen (am 24. August 1298) durch das Gefolge von Edlen und Rittern geleisteten Dienste und Kosten die Zahlung von 8.000 Mark (zu 160 Denaren) Sterling, verteilt auf drei Termine bis zum 24. Juni 1299. Beim vorzeitigen Tod des Königs konnte der Metropolit die Summe aus den Zöllen Kaiserswerth oder Rheinberg erheben 1 7 7 . Die zollpolitischen Ziele, die Wikbold mit dem Einsatz seiner Kurstimme zu erreichen suchte, sind klar erkennbar: Alle Rheinzölle, die unter Siegfried von Westerburg bestanden hatten, aber vom jeweiligen Herrscher nie offiziell anerkannt worden waren 1 7 8 , sollten eine unanfechtbare reichsrechtliche Legitimation erhalten 1 7 9 , um sie f ü r die Kölner Kirche auf D a u e r zu sichern. D e m Erzbischof gelangen dabei über den faktischen Bestandserhalt hinaus bedeutende Erweiterungen im Rheinzollsystem des Kölner Erzstifts. Der Bonner Rheinzoll, der laut der Vereinbarung von 1293 auf fünfzehn Jahre befristet war und rechtlich den Charakter einer Reichspfandschaft hatte, wurde von Albrecht zusammen mit den anderen kölnischen Rheinzöllen erneuert und in perpetuum bestätigt. Stillschweigend wurde also die Befristung des Zolltitels aufgehoben und sein Rechtsstatus von einer Pfandschaft in ein dauerhaftes Regalrecht des Erzstifts geändert. D e r neue Bonner Rheinzoll erhielt damit formal die gleiche rechtliche Qualität wie die althergebrachte Neusser A b g a b e und wurde dem Zollbesitz des Erzstifts bleibend einverleibt. Dies konnte
175 176 177 178
LAC. II, Nr. 995 - REK III.2, Nr. 3604. MGH Const. IV, Nr. 24 - REK III.2, Nr. 3601. LAC. II, Nr. 994 - REK III.2, Nr. 3603. Bis auf die indirekte Bestätigung des Neusser Zolls durch Rudolf von Habsburg 1282; vgl. oben S. 586. 179 Dies zeigt auch die Mitbesiegelung der Zollbestätigung durch die Wahlfürsten.
II. Das Erzstift
Köln
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der Metropolit im Sommer 1298 vor den bald ausbrechenden Auseinandersetzungen mit dem Herrscher jedenfalls noch glauben. Von kaum geringerem Wert war die Verleihung eines Rheinberger Zolls auf Lebenszeit Wikbolds. Daß der Zoll, wie Albrechts Urkunde behauptet, bereits unter Siegfried von Westerburg aufgrund früherer königlicher Verleihungen bestanden habe 180 , verdreht den wirklichen Sachverhalt. Vielmehr hatte Wikbolds Vorgänger 1293 bei der Einigung mit Adolf von Nassau explizit auf diese Hebestelle verzichten müssen; da Siegfried sich daran offenbar auch gehalten hat, war in Rheinberg im Sommer 1298 seit mehr als fünf Jahren kein Rheinzoll mehr erhoben worden. Eine Kontinuität eines Rheinberger Zolls, wie sie in Albrechts Verleihung suggeriert wurde, bestand also weder de iure, als Rechtstitel, noch de facto. Die Pläne zur Wiedererrichtung des Rheinberger Flußzolls stießen zunächst auf den Widerstand Graf Dietrichs VI. von Kleve, der sich auf eine (vielleicht zuvor gegebene) Zusage Wikbolds berief, dort keinen Zoll einzurichten. Dem Erzbischof gelang es, einen Konflikt in dieser Frage zu vermeiden. Am 29. Juni 1299 belehnte Wikbold den Sohn des Grafen mit einer Jahresrente von 400 Mark brab. aus dem halben Neusser Zoll, und der Dynast verzichtete auf die Einlösung der promissiom. Seinen vielleicht größten zollpolitischen Erfolg erzielte Wikbold von Holte im Fall von Kaiserswerth. Nach den Bedingungen der Verpfändung von 1293 hätte die kölnische Pfandherrschaft zusammen mit dem Bonner Zoll 1308 auf jeden Fall geendet. Es war ohne Belang, wieviel die Kölner Erzbischöfe in den fünfzehn Jahren von der aus den Einkünften beider Zölle zu tilgenden nominellen Pfandsumme von 37.500 Mark köln. tatsächlich erhoben hatten. Wikbold gelang es nun, die Pfandsumme allein für Kaiserswerth auf 36.000 Mark Sterling zu fixieren und, wichtiger noch, die Totsatzung in eine Ewigsatzung umzuwandeln. Zudem war die Ablösung dieser sehr hohen Summe erst nach dem Tod beider Vertragspartner überhaupt möglich. Der Erzbischof konnte also damit rechnen, für die eigene Amtszeit mit Kaiserswerth einen fünften Rheinzoll zur Verfügung zu haben. Um die Pfandschaft antreten zu können, benötigte Wikbold allerdings die weitere Unterstützung des Habsburgers. Die Kaiserswerther Burg wurde zu dieser Zeit noch
180 theolonium in Berka, quod bone memorie Syfridus... a predecessoribus nostris dinoscitur habuisse, tenuisse et possedisse, LAC. II, Nr. 995. 181 LAC. II, Nr. 1026 - REK III.2, Nr. 3661. Wann der Erzbischof dieses Versprechen abgegeben hatte, geht aus der Urkunde nicht hervor. An der Existenz einer entsprechenden Zusage dürfte jedoch kein Zweifel bestehen, wenngleich Wikbold sie nur als klevische Behauptung referierte und nicht ausdrücklich anerkannte. Denkbar ist, daß der Graf bei Amtsantritt des Erzbischofs bzw. vor der Königswahl von 1298 den Verzicht auf einen Rheinberger Zoll verlangt hatte und Wikbold sich nach der königlichen Zollverleihung nicht mehr daran gebunden sah. Möglich ist aber auch, daß der Klever, als der Erzbischof seit dem Spätsommer 1298 seine Hilfe bei der Inbesitznahme von Kaiserswerth benötigte (vgl. KASTNER, Territorialpolitik, S. 81), dessen Zusage erhalten hatte, die Zollverleihung vom 28. August 1298 nicht zu realisieren.
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von Anhängern Adolfs von Nassau besetzt gehalten, die sie während der Sedisvakanz auf dem Kölner Erzstuhl nach dem Tod Siegfrieds von Westerburg (7. April 1297) oder wenige Monate später, nach dem offenen Ausbruch des Konfliktes zwischen Adolf von Nassau und den rheinischen Erzbischöfen, in Besitz genommen haben dürften 182 . Mit Hilfe des Grafen von Kleve gelang es Wikbold bis Ende Juni 1299, seine Ansprüche auf Kaiserswerth durchzusetzen 183 . Schon nach nur zwei Jahren Amtszeit konnte der Kölner Erzbischof damit eine beeindruckende zollpolitische Bilanz vorweisen, die um so mehr zählt, weil er seine Ziele erreicht hatte, ohne darüber, wie seine beiden Vorgänger, mit dem König oder den Nachbarn in Konflikt zu geraten. Nicht im mindesten war abzusehen, daß Wikbold nur zweieinhalb Jahre später durch seine Niederlage gegen Albrecht von Habsburg einen schweren Rückschlag zu verkraften hatte, der das Kölner Erzstift in seiner Zollentwicklung um Jahrzehnte zurückzuwerfen schien. Die Hintergründe und der Verlauf der Auseinandersetzungen, die sich seit Ende 1299 zwischen dem habsburgischen König und den rheinischen Wahlfürsten anbahnten, im Oktober 1300 offen ausbrachen und zwei Jahre später zur Unterwerfung Wikbolds von Holte führten, werden an anderer Stelle im Gesamtzusammenhang diskutiert 184 . Es zeigt sich dabei, daß der Kölner Erzbischof in verschiedener Hinsicht eine zentrale Rolle in diesem Konflikt spielte, der vom König als Zollkrieg geführt wurde, für dessen Genese aber keineswegs zollpolitische Gegensätze ausschlaggebend waren, sondern (verkürzt gesagt) der Versuch Albrechts, gegen den Widerstand der rheinischen Wahlfürsten mit französischer Hilfe eine Erbmonarchie durchzusetzen und die Habsburger in der Grafschaft Holland am Rheinmündungsgebiet zu etablieren. Erst zu Beginn des Jahres 1301 rückten die Zölle der rheinischen Fürsten in den Vordergrund der Auseinandersetzungen, und zwar vor allem wohl auf Initiative der von Köln geführten Städte entlang des Stroms. Um sie gegen die Fürsten auf seine Seite zu ziehen, war Albrecht nämlich bereit, sich ihrer seit längerem geäußerten Beschwerden über eine zu hohe Zollbelastung ihres Rheinhandels anzunehmen, zumal als er erkannte, daß seine Gegner damit im Kern ihrer finanziellen Ressourcen getroffen werden konnten 185 . Am 6. Februar 1301 verbot der König, von den Kölnern gegen ihre Privilegien in Lahnstein, Koblenz, Andernach, Bonn, Neuss und Rheinberg Zoll zu erheben und ermächtigte die Bürger, sich an den Zollinhabern mit seiner Unterstützung gegebenenfalls schadlos zu halten 186 . Mit diesem Mandat erhielten die Auseinandersetzungen zwischen dem König und den rheinischen Fürsten einen spezifisch zollpolitischen Charakter. Eine wesentliche Rolle spielte dabei ein offensichtlich besonders zwischen Wikbold von Holte und der Stadt Köln bestehender Interessengegensatz; denn vier der genannten und der Rheinmetropole nächst-
182 183 184 185 186
Vgl. auch oben S. 437. Vgl. REK III.2, Nr. 3661. Vgl. oben S. 442-460. Vgl. oben S. 466 ff. MGH Const. IV, Nr. 128 - REK III.2, Nr. 3794.
II. Das Erzstift Köln
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gelegenen Zollstätten (Andernach, Bonn, Neuss und Rheinberg) gehörten dem Kölner Erzstift. Obgleich hier erstmals nicht im einzelnen zu fassende Zollstreitigkeiten zwischen Erzbischof und Stadt Köln nachweisbar sind, dürften die Anfänge bis in den Sommer 1298 zurückreichen. Im Hinblick auf seine sonst eher auf Ausgleich gerichtete Politik ist zwar nicht anzunehmen, daß Wikbold die Kölner Händler nach seinem Amtsantritt gezielt höher verzollen ließ, doch hat er vermutlich grundsätzlich die Ansicht vertreten, daß frühere Zollvergünstigungen durch seine 1298 neu erlangten königlichen Zollprivilegien (zumindest teilweise) außer Kraft gesetzt wurden 187 . Vor diesem Hintergrund ist wohl die öffentliche Aufforderung der Stadt vom 9. Mai 1300 an die Kölner Prälaten zu verstehen, Wikbold zur Beachtung der städtischen Privilegien anzuhalten 188 . Es dürfte nicht zuletzt diese rigide, wenngleich formal vertretbare Haltung des Erzbischofs gewesen sein, die zur folgenreichen Parteinahme der Kölner für den König führte 189 . Wikbold ist davon - trotz der genannten Beschwerde möglicherweise überrascht worden, da er sich noch am 3. Februar 1301 in der Stadt aufhielt 190 . Im nachhinein betrachtet machte der Metropolit daher einen gewichtigen politischen Fehler, den Siegfried von Westerburg sorgfältig vermieden hatte, nämlich die Bedürfnisse des städtischen Handels beim Ausbau der erzstiftischen Zölle nicht hinreichend zu berücksichtigen. Statt den Kölner Kaufleuten durch großzügige Gewährung bzw. Anerkennung von Zollvorrechten Wettbewerbsvorteile gegenüber nicht privilegierten Händlern zu sichern und so die Interessen der Rheinmetropole
187 Daß der Erzbischof dies als Grundhaltung vertrat, wird durch weitere Beispiele erhärtet: Als Graf Johann von Sponheim-Starkenburg (vor dem 1. Dezember 1300) klagte, daß er neuerdings für seine Eigengewächse an den kölnischen Hebestellen Zoll zahlen müsse, antwortete der Erzbischof, daß die Römischen Könige und Kaiser, von denen die Zölle verliehen seien, den Grafen nicht von deren Zahlung ausgenommen hätten und größere Herren als jener sie entrichten müßten (REK III.2, Nr. 3765). Selbst die Sühne Albrechts mit Wikbold am 24. Oktober 1302 sah zwar die vollständige Zollfreiheit der Kölner Bürger an allen erzstiftischen Fluß- und Landzöllen vor, doch galt sie - offenkundig auf Wunsch Wikbolds - explizit nicht für jene Zölle, die ihm Albrecht oder seine Nachfolger später verleihen sollten (die Sühne: MGH Const. IV, Nr. 157 Art. 4 - REK III.2, Nr. 3876 Art. 15; der Vorbehalt: MGH Const. IV, Nr. 159 - REK III.2, Nr. 3879). 188 REK III.2, Nr. 3728. Bei dieser Gelegenheit wurde der Schied von 1252 (REK III.l, Nr. 1669) verlesen und in lingwa materna erläutert. Der damalige Erzbischof Konrad von Hochstaden wurde darin u. a. zur Beachtung der stadtkölnischen Zollprivilegien verpflichtet. 189 Der Einfluß der Stadt Köln dürfte erheblich gewesen sein. So war das Zollverbot Albrechts vom 7. Mai 1301 (MGH Const. IV, Nr. 134 - URKUNDENREGESTEN IV, Nr. 286) anscheinend speziell auf die komplexe Genese der kölnischen Rheinzölle zugeschnitten, was ein Detailwissen voraussetzt, daß am ehesten in der Domstadt vorhanden war. Vgl. oben S. 447 ff. 190 REK III.2, Nr. 3792.
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E. Territoriale Zollpolitik
bis zum Beginn des 14.
Jahrhunderts
mit denen des Erzstifts zu verknüpfen, hat Wikbold den Kölnern keine Sonderstellung einräumen wollen und damit fast unvermeidlich ihre zweifellos latent vorhandene Gegnerschaft zur erzbischöflichen Zollpolitik gefördert. Wikbold war ein enger Vertrauter 191 Siegfrieds, Unkenntnis der Zusammenhänge kann also nicht der Grund für diese Haltung gewesen sein. Man wird vielmehr einen bewußten Bruch Wikbolds mit der vor 1288 vertretenen Linie seines Vorgängers anzunehmen haben. Mögliche Beweggründe sind durchaus nachvollziehbar: Immerhin hatte ja die in Zollfragen erkennbare Kompromißbereitschaft des Westerburgers gegenüber der Stadt Köln diese nicht daran gehindert, in Worringen auf der Seite seiner Feinde zu kämpfen. Wikbold mag deshalb, zumal weil er das Recht auf seiner Seite glaubte, zu der Auffassung gelangt sein, daß die unsicheren politischen Vorteile einer Rücksichtnahme auf Köln die damit verbundenen fiskalischen Einbußen nicht aufwiegen würden. Der Verlauf der militärischen Auseinandersetzungen zwischen Albrecht und den rheinischen Fürsten, die keine Anzeichen zeigten, das Zollverbot zu beachten, ist nicht weiter zu verfolgen. Es sei hier nur vermerkt, daß Wikbold von Holte seinen Widerstand erst aufgab, als Albrecht mit einem den kölnischen Kräften offenbar weit überlegenen Heer im Frühherbst bis Köln vorstieß und mehrere Wochen das Erzstift verwüstete 192 . Am 24. Oktober 1302 wurde die Sühne geschlossen193, die den bis dahin tiefsten Einschnitt in den Zollbestand des Erzstifts zur Folge hatte: Der Neusser Zoll war auf den herkömmlichen Satz zu reduzieren. Die Andernacher Abgabe sollte nach den Friedensbedingungen zwar ebenfalls lediglich reduziert werden; de facto setzte der König aber ihre vollständige Abstellung durch. Die Hebestellen Bonn und Rheinberg waren niederzulegen. Für Kaiserswerth traf man eine in die Friedensurkunde nicht aufgenommene Sonderregelung, von der ein Diplom nicht überliefert ist, die aber z. T. rekonstruiert werden kann. Wikbold wurde gezwungen, seine Pfandrechte mit 12.000 Mark Kölner Pagament durch Graf Gerhard von Jülich ablösen zu lassen194. Die Summe entsprach zwar dem Betrag, mit dem Siegfried von Westerburg Kaiserswerth 1293 vom damaligen Pfandinhaber Graf Johann von Sponheim-Starkenburg ausgelöst hatte, war aber nach den formal noch gültigen Verpfändungsbedingungen, die Siegfried und Adolf von Nassau ausgehandelt hatten, bei weitem zu niedrig angesetzt195. Die Handelsinteressen der Kölner Bürger wurden in der Sühne explizit berücksichtigt. Sie sollten an den erzstiftischen Fluß- und Landzöllen Abgabenfreiheit genießen, was ihnen Wikbold in einer gesonderten, vom Domkapitel und den Kölner Klöstern und Stiftern mitbesiegelten Urkunde am gleichen Tag bestätigte 196 . Wie der
191 192 193 194 195 196
Vgl. ERKENS, Siegfried von Westerburg, S. 98 mit Anm. 127. REK III.2, Nr. 3872 mit der Zusammenstellung der chronikalischen Nachrichten. M G H Const. IV, Nr. 412 - REK III.2, Nr. 3876; vgl. zum folgenden auch oben S. 454 f. REK III.2, Nr. 3883, 3384. Vgl. oben S. 457 f. M G H Const. IV, Nr. 158 - REK III.2, Nr. 3878.
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König in einem weiteren Diplom erklärte, galt diese Freiheit jedoch nicht für Zölle, die der Erzbischof in Zukunft von ihm oder seinen Nachfolgern erlangen würde 197 . Die Härte der Sühnebedingungen, die Wikbold von Holte akzeptieren mußte, wird gerade im Bereich der Zölle deutlich. Einschließlich der Kaiserswerther Hebestelle mußte er auf vier seiner fünf Rheinzölle verzichten. Nur der Neusser Zoll verblieb ihm. Dort hatte der Erzbischof lediglich seine eigenen Zollerhöhungen rückgängig zu machen. Da solche in anderen Quellen nicht nachweisbar sind und die Steigerung bestehender Abgabensätze sonst kein Merkmal von Wikbolds Zollpolitik war, handelte es sich möglicherweise um eine Klausel, die keine realen Konsequenzen hatte. Hoffnungen auf neue Zollprivilegien, die Albrecht dem Erzbischof offenkundig machte, als er die stadtkölnische Zollfreiheit nicht auf künftige Abgaben des Erzstifts ausgedehnt wissen wollte, erfüllten sich nicht mehr. Bis zum baldigen Ende seines Episkopats (28. März 1304) verfügte Wikbold von Holte nur über den einen Rheinzoll, den schon die Kölner Erzbischöfe im Jahrhundert zuvor besessen hatten. Zwar war er damit der einzige rheinische Metropolit, der überhaupt noch Transitabgaben auf den Rheinhandel erheben konnte - seine Amtsbrüder in Mainz und Trier hatten ihre Rheinzölle ganz eingebüßt 198 - , doch war das nur ein schwacher Trost. Der Kölner mußte nämlich hinnehmen, daß Albrecht im Zuge einer großangelegten Revision der rheinischen Zollstruktur gezielt die benachbarten Dynasten, wie Geldern und Kleve, als territoriale Konkurrenten des Kölner Erzstifts in ihrem Zollbestand beließ und sogar mit neuen Zolltiteln versah: Graf Gerhard von Jülich wurde Pfandinhaber von Kaiserswerth und erhielt noch im Herbst 1302 einen weiteren Rheinzoll, als dessen Erhebungsort zeitweise sogar das von Wikbold als kölnisches Allod beanspruchte Rheineck vorgesehen war199. Gleichzeitig verstärkte Albrecht die Zollstellung des Reiches im Einflußbereich des Erzstifts, indem er nach fast einhundertjähriger Pause in Hammerstein - wenige Kilometer unterhalb des kölnischen Andernach auf der rechten Stromseite - wieder Rheinzoll erheben ließ200. Damit hatte der Habsburger systematisch die Zollmacht des Kölner Erzstifts zerschlagen, das noch im Jahr 1300 mit fünf Hebestellen den Rheinhandel von Andernach bis Rheinberg nahezu exklusiv fiskalisch genutzt hatte. Eine vergleichbar dominierende Stellung konnten die Kölner Erzbischöfe auch nach dem Wiederaufbau des kölnischen Rheinzollsystems nie wieder erlangen. Dies gilt es als eine der wichtigsten langfristigen Folgen des in seinen strukturellen Auswirkungen durchgängig unterschätzten Zollkriegs von 1301/1302 festzuhalten.
197 MGH Const. IV, Nr. 159 - REK III.2, Nr. 3879. 198 Vgl. oben S. 460. 199 REK III.2, Nr. 3884; zu den Ansprüchen des Erzbischofs auf Rheineck siehe z. B. REK III.2, Nr. 3768, 3792. Der Graf hat den Zolltitel wohl in Kaiserswerth realisiert, vgl. oben S. 317. 200 Vgl. oben S. 461.
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E. Territoriale Zollpolitik
II.6
bis zum Beginn des 14.
Jahrhunderts
Heinrich von Virneburg (1306-1332)
Wikbolds Nachfolger, der Kölner Dompropst Heinrich von Virneburg 201 , übernahm ein Erzstift, das nach der Niederlage von Worringen durch den verlorenen Krieg gegen Albrecht von Habsburg auf einem weiteren Tiefpunkt seiner territorialen Machtstellung stand. Die zollpolitische Ausgangslage war beim Tod Wikbolds im März 1304 sogar deutlich schlechter als ein Vierteljahrhundert zuvor; denn dem unterlegenen Siegfried von Westerburg hatte man 1288 seine damals bestehenden Rheinzölle in Andernach, Neuss und wohl auch Rheinberg belassen202. Die finanzielle Situation des Erzstifts dürfte infolge des Krieges von 1301/1302 ohnehin schon kritisch gewesen sein. Verschärft wurde sie noch dadurch, daß Heinrich im Zuge seiner Bestallung der päpstlichen Kurie erhebliche Servitien zu zahlen hatte - direkt bezeugt sind 2.000 Mark Silber (= 10.000 Gulden) - und dafür einen Kredit von 6.000 Gulden bei einem Konsortium lombardischer Geldhändler aufnehmen mußte 203 . Nicht nur unter dem Druck dieser Verpflichtungen, sondern auch weil eine nachhaltige Verbesserung der fiskalischen Ressourcen die grundlegende Voraussetzung für eine Konsolidierung und erst recht für ein Wiedererstarken der kölnischen Machtposition war, konnte sich Heinrich nicht mit dem einen Rheinzoll begnügen, der seinem Vorgänger belassen worden war. Bald nach seiner Ernennung (22. Januar 1306) durch Papst Clemens V. reaktivierte Heinrich von Virneburg unter Übergehung der Sühne von 1302 die beiden südlichen kölnischen Rheinzölle in Andernach und Bonn, wie aus einer am 11. Mai 1306 beurkundeten Zollbefreiung für das Kloster Eberbach hervorgeht 204 . Sollte der Erzbischof geglaubt haben, daß Albrecht die eigenmächtige Wiedererrichtung im nachhinein legalisieren würde, so stellte sich diese Hoffnung bald als Illusion heraus. Zwar konzedierte ihm der König am 4. Juni 1306 den Wiederaufbau der Burgen Lechenich, Rodenberg und Dorsten 205 ; zu zollpolitischen Zugeständnissen gegenüber dem Kölner Metropoliten war der Habsburger - wie im Fall des neuen Mainzer Erzbischofs Peter von Aspelt - jedoch offenkundig nicht bereit.
201 Vgl. zu seiner Amtszeit SCHWAMBORN, Heinrich II.; KREUTZKAMPF, Territoritalpolitik. D i e Wahlstimmen des Domkapitels hatten sich im Mai 1304 auf drei Kandidaten verteilt. Heinrich von Virneburg, der die wenigsten Stimmen erhalten hatte, erhielt erst Anfang 1306 die Bestätigung von Papst Clemens V. (vgl. dazu SCHWAMBORN, Heinrich II., S. 8 f.). - Heinrich war am 26. Januar 1300 bereits zum Trierer Erzbischof gewählt worden und kontrollierte danach angeblich größere Teile des Erzstifts. Jedoch konnte er sich gegen den vom Papst zum Metropoliten ernannten Dieter von Nassau nicht durchsetzen. Vgl. zusammenfassend HOLBACH, Besetzung, S. 22 ff. 202 203 204 205
Vgl. oben S. 590 f. D i e Servitien: REK IV, Nr. 138; der Kredit: REK IV, Nr. 142,143. REK IV, Nr. 147. LAC. III, Nr. 41 - REK IV, Nr. 157; die Regalienverleihung: LAC. III, Nr. 43 - REK IV, Nr. 164.
II. Das Erzstift Köln
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Heinrich von Virneburg konnte seinerseits nicht auf die beiden Zölle verzichten. Zwar riskierte er mit deren Wiedererrichtung einen Konflikt mit dem Herrscher, doch gelang es dem Erzbischof, die reichsrechtlich irrelevante, aber politisch wichtige Unterstützung des Papstes206 in dieser Frage zu gewinnen. Am 25. Dezember 1306 gestattete Clemens V. auctoritate apostolica dem Erzbischof, die von Albrecht und früheren Königen verliehenen Rheinzölle Bonn und Andernach auctoritate proprio, also auch ohne königliche Ermächtigung, zu erheben, ungeachtet der Wikbold von Holte von Albrecht gewaltsam (per vim et metum) abgenötigten Verzichtleistung207. Anders als sein Mainzer Amtsbruder Peter von Aspelt, der im Oktober 1307 eine ähnliche Genehmigung des Papstes erhielt 208 , diese aber möglicherweise nicht in die Tat umsetzte, hat Heinrich von Virneburg, gestützt auf die päpstliche Erlaubnis und mit dem schon fast traditionellen zollpolitischen >Schneid< der Kölner Erzbischöfe, die Zollerhebung in Bonn und Andernach noch zu Lebzeiten Albrechts nachweisbar durchgesetzt 209 . Allerdings ist fraglich, ob der Kölner die Zölle gegen den Willen des Habsburgers noch hätte behaupten können, wenn dieser nicht in Thüringen, Meißen und Böhmen gebunden gewesen wäre. Spätestens bei der Rückkehr des Königs in den Westen des Reiches hätte Albrecht die Zollfrage regeln müssen, drohten doch sonst die Erfolge von 1301/1302 hinfällig zu werden. In diesem Schwebezustand dürfte dem Metropoliten die Ermordung des Herrschers am 1. Mai 1308, so darf man wohl annehmen, nicht ungelegen gekommen sein. Denn damit war zum einen die Gefahr einer erneuten königlichen Intervention in den Rheinlanden vorerst gebannt, und zum anderen eröffnete die nun anstehende Königswahl die Chance, vom neuen Herrscher eine zumindest teilweise Wiederherstellung der kölnischen Zollposition zu erlangen. Am 20. September 1308 ließ sich der Erzbischof vom Thronkandidaten Graf Heinrich von Luxemburg umfangreiche Wahlzusagen verbriefen 210 . Der Graf versprach, dem Erzbischof die Reichsgüter Kaiserswerth, Dortmund, Duisburg und Sinzig, die Höfe Westhofen, Elmenhorst und Brakel, die Juden in Dortmund sowie die Vogtei des Reichstifts Essen entweder durch Rückkauf der Pfandschaften oder auf jedem möglichen anderen Weg zu verschaffen. Der Metropolit und seine Nachfolger sollten die Güter dann bis zur Auslösung mit 100.000 Mark reinen Silbers besitzen. Auf Lebenszeit sollte Heinrich von Virneburg darüber hinaus die Stadt Düren, die Reichsvogtei Aachen und die Reichsgüter Boppard und Oberwesel mit allen Einkünften, jedoch mit Ausnahme
206 Für die Haltung des Papstes dürfte auch dessen Interesse an einer schnellen Begleichung der kölnischen Servitienschulden eine Rolle gespielt haben. 207 MGH Const. IV, Nr. 1161 - REK IV, Nr. 212. 2 0 8 M G H C o n s t . I V , N r . 1 1 6 2 - V O G T , R E M 1.1, N r . 1 1 4 5 .
209 Dies bezeugt eine Verschreibung auf den Bonner Zoll vom 11. September 1307 (REK IV, Nr. 264). Auch der Andernacher Zoll dürfte zu dieser Zeit bereits bestanden zu haben, doch ist seine Erhebung erst während der Thronvakanz nach dem Tod Albrechts (REK IV, Nr. 337,375) direkt nachweisbar. 210 MGH Const. IV, Nr. 257 - REK IV, Nr. 380. Vgl. dazu auch oben S. 473 ff.
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E. Territoriale Zollpolitik bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts
des Bopparder Zolls, erhalten. Ein Neffe des Erzbischofs, Graf Ruprecht von Virneburg, sollte durch den Trierer Metropoliten Balduin zum Amtmann auf Lebenszeit in Cochem, Münstermaifeld und Mayen ernannt werden. Der Luxemburger sicherte ferner zu, den Kölner Erzbischof und dessen Nachfolger im Besitz der Rhein- und Landzölle in Andernach, Bonn und Neuss zu erhalten und zu verteidigen und die von Albrecht erzwungene Verzichtleistung zu kassieren. Der Reichszoll in Hammerstein sollte vollständig niedergelegt und nicht innerhalb des kölnischen Geleits oder Herzogtums wiedererrichtet werden. Die vom Erzbischof erreichten zollpolitischen Zusagen des Grafen lassen sich in drei Gruppen gliedern: die Verpfändung von Reichsgut, die Anerkennung der kölnischen Zölle sowie - ein neues Element gegenüber den Wahlzusagen von 1298 und 1292 - die Entfernung des Hammersteiner Zolls aus dem kölnischen Geleitgebiet. Es ist fraglich, ob Heinrich von Virneburg tatsächlich damit rechnete, alle Reichsgüter in Besitz nehmen zu können. Vielmehr dürfte er sich bewußt gewesen sein, daß er Maximalforderungen aufstellte, die der Luxemburger kaum in allen Punkten erfüllen konnte. Unverkennbar ist jedoch, daß die Burg und der nicht explizit genannte, aber zweifellos mitinbegriffene Rheinzoll Kaiserswerth abermals im Zentrum des erzbischöflichen Erwerbsinteresses standen. Heinrich von Virneburg hatte dafür neben den fiskalischen vor allem territorialpolitische Gründe, die möglicherweise noch stärker waren als bei seinen Vorgängern. Der derzeitige Pfandinhaber Graf Gerhard von Jülich konnte dem Erzstift nämlich als territorialer Konkurrent sehr viel gefährlicher werden als der Besitzer von 1292, Graf Johann von Sponheim-Starkenburg, der durch die große räumliche Entfernung zu seinem Hausgut im Mosel-Hunsrückgebiet mit der Reichsburg keine eigenen territorialen Interessen am Niederrhein verfolgen konnte. Warum sich der Erzbischof auch die Übertragung des an Kleve verpfändeten Duisburger Reichsguts versprechen ließ, ist unklar; denn sein Verhältnis zu Graf Otto war so gut, daß der Virneburger die Bestätigung der klevischen Reichslehen sogar in den Forderungskatalog derselben Urkunde aufnehmen ließ211. Die Wahlzusagen Graf Heinrichs im Bereich der kölnischen Zölle bieten zwei nicht völlig zu klärende Auffälligkeiten: Der Rheinberger Zoll wurde nicht erwähnt, und statt einer formellen Bestätigung oder Neuverleihung der Zölle in Andernach, Bonn und Neuss, wie sie Wikbold von Holte 1298 von Albrecht erreicht hatte (stabilimus,
donamus
et innovamus
ac in perpetuum
confirmamus)212,
versprach der
Luxemburger (nur?) den Schutz ihres tatsächlichen Bestands (promittimus ... conservare et defendere perpetuo), nicht aber eine Erneuerung der Rechtstitel. Die kaum mit letzter Sicherheit zu beantwortende Frage ist nun, ob sich der Luxemburger geweigert hatte, weitergehende Forderungen des Erzbischofs zu erfüllen oder ob
211 Die Erklärung von KASTNER, Territorialpolitik, S. 100, daß der Erzbischof »insgeheim« den Erwerb von Duisburg betrieben habe, kann nicht ganz befriedigen, da sie voraussetzt, daß Graf Otto zwar für die Aufnahme seiner eigenen Interessen in den Text sorgte, aber diesen Teil der Wahlzusagen nicht kannte. 212 LAC. II, Nr. 995 - REK III.2, Nr. 3604.
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II. Das Erzstift Köln
dieser von sich aus darauf verzichtet hatte. Für beides lassen sich gewichtige Gründe anführen. So wäre nur schwer erklärbar, warum der sonst in zollpolitischen Fragen sehr konsequente Erzbischof die möglicherweise lange Zeit nicht wiederkehrende 213 Chance einer Königswahl ungenutzt gelassen haben sollte, um nicht auch die Rheinberger Hebestelle offiziell zu reaktivieren. Es sei denn, man nimmt z. B. an, daß eine nicht erhaltene Übereinkunft des Metropoliten mit den Grafen von Kleve existierte, deren Widerstand gegen diesen Zoll wenige Jahre zuvor faßbar war. Beim eigentümlichen Schutzversprechen des künftigen Königs für die drei kölnischen Zölle ist es zwar denkbar, daß der Erzbischof nach den schlechten Erfahrungen, die sein Vorgänger mit der Beständigkeit königlicher Zollbestätigungen gemacht hatte, weniger Wert auf neue Rechtstitel legte und sich allein auf die inhaltliche Wiederholung der päpstlichen Genehmigung bzw. die Nichtigkeitserklärung von Wikbolds Zollverzicht verließ. Sehr wahrscheinlich ist diese Möglichkeit allerdings schon allein deshalb nicht, weil sich Heinrich von Virneburg gleichzeitig die Zusage einer generellen Erneuerung aller königlichen Privilegien und ihrer Durchsetzung in der Kölner Diözese verbriefen ließ214. Obwohl der große Umfang der Wahlversprechen zunächst dagegen zu sprechen scheint, hat sich der Virneburger in der Frage der kölnischen Rheinzölle daher wohl nicht vollständig gegenüber dem Thronkandidaten durchsetzen können. Die vom Grafen versprochene Entfernung des Hammersteiner Zolls aus dem kölnischen Geleitgebiet steht dazu nicht unbedingt im Widerspruch, sondern war möglicherweise sogar der Grund, daß Heinrich von Virneburg für dieses Zugeständnis Abstriche bei anderen Punkten machen mußte. Sollte dies zutreffen, ist durchaus nachvollziehbar, warum der Erzbischof vorrangig die Entfernung dieses Zolls betrieb und dafür vielleicht auf den Rheinberger Zoll verzichtete. In unmittelbarer Nähe von Andernach an der Schnittstelle des kölnischen und trierischen Einflußbereiches demonstrierte der von Albrecht im Zuge der Umstrukturierung der Rheinzölle errichtete Hammersteiner Zoll augenfällig den zollpolitischen Sieg des Habsburgers über die Wahlfürsten. Es war darüber hinaus die erste Zollstätte seit Barbarossas Zeiten, die ein Römischer König innerhalb des ureigenen Interessengebiets der Kölner Erzbischöfe errichtet hatte. Schon die entfernte Möglichkeit, daß Hammerstein ein ähnlicher >Stachel im Fleisch< des Erzstifts werden könnte wie Kaiserswerth seit 1174, mußte Heinrich von Virneburg daher auf die Entfernung der Hebestelle dringen lassen, bevor sie fest etabliert war oder in die Hände seiner Gegner geriet. Wenn der Luxemburger versprach, den Hammersteiner Zoll weder dort noch anderswo infra terminos conductus
et ducatus ecclesie Coloniensis
wiederzuer-
213 Heinrich von Virneburg (* 1244 oder 1246) war zu dieser Zeit schon Anfang sechzig (vgl. SCHWAMBORN, Heinrich II., S. 9) und damit mehr als dreißig Jahre älter als Graf Heinrich von Luxemburg (*1278 oder 1279, vgl. DIETMAR, Heinrich VII., S. 44). Der Erzbischof konnte also nicht damit rechnen, den Luxemburger zu überleben. Tatsächlich starb der Metropolit (t 1332) aber erst neunzehn Jahre nach Heinrich VII. (t 1313). 214 MGH Const. IV, Nr. 257 Art. 8 - REKIV, Nr. 380 Art. 6.
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E. Territoriale Zollpolitik
bis zum Beginn des 14.
Jahrhunderts
richten, unterstreicht dies die vorrangig territorialpolitische Motivierung der erzbischöflichen Forderung. Demgegenüber ist nicht erkennbar, daß der Metropolit die Hebestelle wegen möglicherweise vorhandener ertragsmindernder Effekte auf seine eigenen Rheinzölle oder gar zur handelspolitisch begründeten allgemeinen Entlastung des Rheinhandels entfernt wissen wollte. Trotz der genannten Abstriche beinhalteten die vom Erzbischof erreichten Zusagen eine weitgehende Revision der zollpolitischen Eingriffe Albrechts zu Lasten des Kölner Erzstifts. Abermals wurde freilich bald deutlich, daß sich zu dieser Zeit ein neuer König nur sehr bedingt an seine vor der Wahl gegebenen Zusagen gebunden fühlte. Zwar legte Heinrich VII. den Hammersteiner Zoll noch im Winter 1308/1309 nieder, errichtete ersatzweise jedoch im trierischen Leutesdorf, also fast in Sichtweite, einen neuen, zunächst befristeten Zoll zur Tilgung seiner Schulden bei Aachener Lombarden 215 . Daß der König damit seine Zusagen formal korrekt, aber gegen die Intentionen Heinrichs von Virneburg erfüllt hatte, wird aus dessen Reaktion deutlich: Mit 6.000 Mark Kölner Pagament, die er selbst nur durch einen neuen Kredit aufbringen konnte 216 , löste der Metropolit die Verpflichtungen des Luxemburgers ab, zu deren Begleichung der Zoll errichtet worden war, kaufte also gewissermaßen den Leutesdorfer Zolltitel an. Heinrich von Virneburg erwirkte zwar die königliche Erlaubnis, die Abgabe nach Bonn zu verlegen, aber auch der erneute Versuch zur Entfernung des Reichszolls am Südrand des Erzstifts scheiterte am Herrscher, der zum Verzicht auf diese Hebestelle nicht bereit war. In einem geschickten Manöver gestaltete Heinrich VII. nämlich den Ankauf des Zolls zu einer Verleihung um, d. h. er schuf zugunsten des Erzbischofs einen neuen Zolltitel in Bonn, um die Leutesdorfer Hebestelle nicht aufgeben zu müssen217. Am 26. September 1309 setzte der König diesen Bonner Zoll auf acht Turnosen fest und befristete die Erhebung bis zum Osterfest 1314218. Die ursprüngliche Höhe des Leutesdorfer Zolltitels ist nicht bekannt, doch konnte der Erzbischof mit diesem vergleichsweise hohen neuen Zoll ein Mehrfaches der 6.000 Mark Pagament, d. h. 432 Pfund Turnosgroschen 219 , erzielen, die er zum Erwerb aufgebracht hatte. Diese Summe kam wahrscheinlich schon im ersten Jahr wieder ein220. Dem steht allerdings
215 216 217 218 219
Vgl. oben S. 240. REK IV, Nr. 449. Vgl. oben S. 240 mit Einzelnachweisen. M G H Const. IV, Nr. 328 - REK IV, Nr. 477. Vgl. oben S. 480 f. 25 Pagamentsdenare entsprachen Mitte August 1309 drei Turnosgroschen (vgl. REK IV, Nr. 468). 220 Der vom Bacharacher Landfrieden in Köln errichtete Zoll in Höhe von sechs Zollturnosen brachte zwischen 1317 und 1320 insgesamt etwas mehr als 1.400 Pfund Turnosgroschen ein (vgl. VOGT, REM 1.1, Nr. 1915), d. h. ca. 77 Pfund 16 Schilling Turnosgroschen pro Zollturnose und Jahr. Setzt man diesen (zweifellos hohen Ertragswert) für den Bonner Zoll an, dann kamen dort netto pro Jahr bei acht Zolltumosen 622 Pfund 8
IL Das Erzstift Köln
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gegenüber, daß Heinrich VII. mit der Zollverleihung vermutlich auch seine vor der Wahl eingegangenen finanziellen Zusagen in Höhe von insgesamt 3.500 Pfund Turnosgroschen 221 , über deren Begleichung keine Nachrichten vorliegen, abgegolten wissen wollte. Dann sah die Rechnung für den Erzbischof weniger günstig aus: Selbst wenn man den Zollertrag hoch ansetzt, kamen bis 1314 kaum mehr als 3.112 Pfund Turnosen ein 222 . Höchstens zu knapp vier Fünfteln konnte Heinrich von Virneburg also seine gesamten Ansprüche (3.500 Pfund Turnosgroschen Wahlzusagen + 432 Pfund Turnosgroschen Ankaufsumme) verwirklichen. Seine Maximalforderungen auf den größten Teil des rheinisch-westfälischen Reichsguts hat der Erzbischof in nur sehr geringem Maße durchsetzen können, da Heinrich VII. - entgegen seinen noch am 26. September 1309 erneuerten Zusagen 223 - nur dann zu Interventionen bereit war, wenn er dafür keine eigenen Mittel aufwenden mußte 224 . So hat der König keine Anstalten gemacht, um dem Kölner Erzbischof Kaiserswerth zu verschaffen, und aus eigener Kraft konnte Heinrich von Virneburg die Jülicher Pfandschaft nicht ablösen. Heinrich VII. hatte den Metropoliten zwar, wie vor der Wahl versprochen, im Februar 1309 zum Erwerb von Pfandschaften ermächtigt 225 , und der Erzbischof wäre wohl auch in der Lage gewesen, die Pfandsumme von 12.000 Mark Kölner Pagament aufzubringen 226 . Doch angesichts
221
222
223 224 225 226
Schilling ein. Selbst wenn ein Bonner Zollturnose nur die halbe Ertragskraft gehabt haben sollte, war die Ankaufsumme schon nach eineinhalb Jahren >armortisiertKriegsfolgen< von 1302. Die von Heinrich geforderte Überlassung des Zolls dürfte demnach keine primär fiskalischen Gründe gehabt haben. Es kam dem Erzbischof vermutlich vor allem darauf an, endlich selbst die schon von Heinrich VII. versprochene, de facto gleich zweimal umgangene Niederlegung der neuen Reichszollstätte am Südrand des unmittelbaren kölnischen Interessenbereiches durchsetzen zu können. Heinrich von Virneburg versuchte darüber hinaus, weitgehenden Einfluß auf die Zollpolitik des künftigen Herrschers zu erlangen, indem er sich einen Konsensvorbehalt bei der Errichtung neuer Zölle innerhalb des kölnischen Geleitgebiets zusichern ließ. Territorialpolitische Motive des Erzbischofs dürften dabei im Vordergrund gestanden haben. Im Gefolge der Niederlagen des Kölner Erzstifts von 1288 und 1302 waren dessen territoriale Konkurrenten ohnehin schon deutlich erstarkt. Wenn sie nun auch noch mit Hilfe des Königs in den Besitz von Rheinzöllen gelangten, so hat es Heinrich von Virneburg offenbar weitblickend erkannt, konnte eine Konstellation entstehen, in der dem Erzstift selbst die jetzt wiedergewonnenen eigenen fiskalischen Ressourcen nicht mehr ausreichen würden, um sich gegenüber seinen feindlichen Nachbarn zu behaupten. Zwar lagen im Frühjahr 1314 zwischen dem trierischen Zoll Koblenz und der klevischen Hebestelle Büderich außer den vier kölnischen Rheinzöllen lediglich die (vormaligen) Reichszölle Leutesdorf, Kaiserswerth und Duisburg, doch zeichnete sich ab, daß die niederrheinischen Dynasten immer stärker auf eine Partizipierung am ertragreichen Rheinverkehr im näheren und weiteren Umfeld der Handelsmetropole Köln strebten: Der Graf von Jülich war schon 1302 in den Besitz von Kaiserswerth gelangt und hatte 1311 zudem Verschreibungen auf den Leutesdorfer Zoll erhalten, die sich vielleicht die luxemburgische Wahlpartei im Februar 1314 für die Anwerbung von Helfern zu Nutze machte 243 . Der Graf von Berg verfügte seit 1312 über den zur Duisburger Reichspfandschaft gehörenden Rheinzoll und erhielt bereits im Februar 1314 vom damaligen Thronkandidaten König Johann von Böhmen das Versprechen, die Dauer der dortigen saisonalen Marktzölle zu verlängern. Ferner wurden ihm 2.750 Mark auf einen neu einzurichtenden Rheinzoll angewiesen, der nach Lage der Dinge innerhalb des kölnischen Geleits liegen würde 244 . Auch der Graf von der Mark unternahm zu dieser Zeit nicht ganz klar lokalisierbare Versuche zur Abschöpfung des Handels am niederrheinischen Abschnitt des Stroms. Heinrich von Virneburg klagte nämlich um 1314/1315, daß Graf Engelbert seit mehreren Jahren Rheinkaufleute zwischen Rheinberg und Neuss innerhalb des kölnischen Herzogtums, wo sie unter seinem Geleit stünden, zum Anlanden gezwungen, von ihnen eine Art Zoll erhoben oder sie beraubt habe, und forderte ihn auf, den Händlern ihren auf über 6.000 Mark brab.
242 Vgl. oben S. 505 f. 243 Vgl. oben S. 495 f. 244 MGH Const. V, Nr. 18.
II. Das Erzstift Köln
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geschätzten Schaden zu ersetzen 245 . Es ist zwar nichts darüber bekannt, daß Engelbert die verlangten Zahlungen leistete, aber es gelang dem Erzbischof zumindest, die Etablierung einer märkischen Hebestelle zu verhindern. Erst z. Zt. von Heinrichs Nachfolger Friedrich von Saarwerden konnten die Märker in diesem Stromabschnitt mit Ruhrort 1371 einen Rheinzoll durchsetzen 246 . Schließlich war von den Grafen von Geldern und Kleve, die - im Unterschied zu den Dynasten von Jülich, Berg und Mark - schon seit ca. 1200 über Rheinzölle verfügten, ebenfalls zu erwarten, daß sie ihren Zollbestand weiter auszubauen versuchen würden. Zwei Tage nachdem ihn Heinrich von Virneburg als richtiger Konsekrator, aber mit den falschen Reichsinsignien und mit Bonn auch am falschen Ort zum Römischen König gekrönt hatte, löste Friedrich von Österreich in zwei Urkunden die Wahlzusagen vom Frühjahr ein247. Zwar nutzte er die Gelegenheit, eine die Belastbarkeit des Rheinhandels wieder stärker berücksichtigende herrscherliche Zollpolitik zu propagieren, wie sie unter Heinrich VII. zugunsten fiskalischer Interessen stark zurückgetreten war, doch erfüllte Friedrich - mit einigen Modifikationen - weitestgehend die dem Erzbischof gemachten Versprechen. Wie gefordert erhielt Heinrich von Virneburg eine förmliche Erneuerung und Bestätigung der Zölle Andernach, Bonn und Neuss sowie die gegenüber den Vereinbarungen vom Mai neue Erlaubnis, zwei dieser Zollstätten innerhalb des kölnischen Geleitgebiets frei verlegen zu können248. Diese zusätzliche Vergünstigung hatte der Erzbischof vielleicht unter dem Eindruck einer ähnlichen Verlegungsgenehmigung zugunsten des Grafen von Geldern verlangt249. Die drei Marktzölle in Xanten, Rees und Rheinberg wurden gemäß den Zusagen an letzterem Ort zu einem Rheinzoll in Höhe von vier Turnosen vereinigt, wobei Friedrich dies wortreich als Maßnahme zur Entlastung des Rheinhandels begründete 250 . Mit der zweiten Urkunde erhielt der Virneburger den Bonner Achtturnosenzoll auf Lebenszeit und darüber hinaus den Zehnturnosenzoll, der zunächst in Hammerstein gelegen habe, von Heinrich VII. in Leutesdorf errichtet und nun nach Andernach verlegt worden sei. Dem Erzbischof wurde zur Auflage gemacht, diese Abgabe nach eigenem Ermessen im Laufe der Zeit zum gemeinen Nutzen und zur Entlastung der Händler entweder ganz aufzuheben oder zu vermindern. Wenn dies geschehen sei, so bekundete der König, wolle er im Interesse des Rheinhandels innerhalb des kölnischen Geleitgebiets keinen neuen Zoll errichteten251.
245 246 247 248 249
REK IV, Nr. 903; vgl. auch oben S. 318 f. Vgl. oben S. 323 ff. Vgl. zum folgenden oben S. 504 ff. MGH Const. V, Nr. 139 - REK IV, Nr. 886. MGH Const. V, Nr. 117 - REK IV, Nr. 879. Da der Erzbischof in der Urkunde Sicherheitsleistungen für den Habsburger übernahm, hatte er zweifellos Kenntnis von der Graf Reinald gewährten Erlaubnis, seine Lobither Zolltitel ad alia loca infra terram suam zu verlegen. 250 MGH Const. V, Nr. 139 - REK IV, Nr. 886. 251 MGH Const. V, Nr. 140 - REK IV, Nr. 887.
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E. Territoriale Zollpolitik
bis zum Beginn des 14.
Jahrhunderts
Friedrich stilisierte seine Zollvergünstigungen für den Erzbischof als Maßnahmen zur Entlastung des Handelsverkehrs auf dem Rhein - mit Ausnahme der Verlängerung des Bonner Zolls, die mit erzbischöflichen Ausgaben im Reichsdienst begründet wurde. Dabei verschärfte er gegenüber den Wahlzusagen zum einen die dem Erzbischof eingeräumte Option einer Minderung bzw. Niederlegung des LeutesdorfAndernacher Zolls zu einer Verpflichtung und überging zum anderen das dem Erzbischof versprochene Konsensrecht bei künftigen Zollverleihungen. Der Metropolit hat diese Modifikationen zu seinen Lasten hingenommen, weil er wohl ganz pragmatisch erkannte, daß seine Forderungen - Überlassung des Leutesdorfer Zolls bzw. der Verzicht des Königs auf Zölle im kölnischen Geleitgebiet - unter neuer Akzentuierung, aber faktisch doch ohne größere Einschränkungen erfüllt wurden. Heinrich von Virneburg konnte in diesen Fragen recht gelassen sein, weil er in den Hauptzielen seiner Zollpolitik bereits vollendete Tatsachen geschaffen hatte, ohne die erst nach der Krönung möglichen formellen Genehmigungen des neuen Herrschers abzuwarten: Den Bonner Achtturnosenzoll dürfte er nach dem formellen Ende der Erhebungsfrist (7. April 1314) im Vorgriff auf die vom König zu verleihende Verlängerung gar nicht erst eingestellt haben 252 . In Rheinberg begann der Erzbischof unmittelbar nach den habsburgischen Wahlzusagen mit der Erhebung des Rheinzolls253. Und als noch vor der auf den 19. Oktober 1314 angesetzten Königswahl Verschreibungen (im Namen) Ludwigs auf die Leutesdorfer Abgabe einsetzten 254 und Heinrich von Virneburg annehmen mußte, daß eine Entfernung des Zolls sehr viel schwieriger, wenn nicht gar aussichtslos sein würde, wenn sich die Gegenseite dort erst einmal festgesetzt hätte, bemächtigte er sich in einem Handstreich der Hebestelle und verlegte sie nach Andernach 255 .
252 A m 28. Juni 1314 verschrieb der Erzbischof einer Gruppe von drei Lombarden vier Turnosen am alten Bonner Zoll ( R E K I V , Nr. 835). Dort lag also auch ein neuer Zoll, bei dem es sich zweifellos um den Achtturnosenzoll handelte. Vgl. zur Unterscheidung beider Zolltitel z. B. die Verschreibung vom 10. August 1313 (REK IV, Nr. 774). 253 REK IV, Nr. 824 (1314 Mai 15). Daß in dieser (nur in einem alten Repertorium überlieferten Ernennung) Hermanns von Dornick zum Rheinberger Amtmann Rheinzö//e erwähnt werden, ist vielleicht durch die Zusammenfassung dreier (Markt-)Zolltitel oder gleichzeitig erhobene Geleitgelder zu erklären. Mehrere getrennte Rheinzölle im üblichen Sinn haben in Rheinberg gewiß nicht bestanden. 254 M G H Const. V, Nr. 85 - VOGT, REM 1.1, Nr. 1687 (1314 Okt. 9); M G H Const. V, Nr. 86 - VOGT, R E M 1.1, Nr. 1688 (1314 Okt. 13); M G H Const. V, Nr. 87 (1314 Okt. 18).
255 Vgl. auch die 1317 beurkundeten, aber wahrscheinlich auf diesen Vorfall zurückgehenden Klagen Graf Gerhards von Jülich über eine gewaltsame Entfernung aus dem Leutesdorfer Zoll (LAC. III, Nr. 163 - REK IV, Nr. 1004). Gleiches gilt für die Entschädigung von 200 Pfund Turnosgroschen, die Heinrich nach einer Vereinbarung von 1318 dem Trierer Erzbischof Balduin für dessen am Leutesdorfer Zoll erlittene Schäden zu zahlen hatte (REK IV, Nr. 1067). Vermutlich hatte der Kölner Metropolit die Zollanlagen in Leutesdorf zerstört.
II. Das Erzstift
Köln
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In der Folgezeit konzentrierten sich die Auseinandersetzungen zwischen beiden Königen auf Süddeutschland. Heinrich von Virneburg unterstützte den von ihm gekrönten Herrscher dabei mit beachtlichem Einsatz256. Mehr als anderthalb Jahre, von der Jahreswende 1314/1315 bis zum Sommer 1316, hielt er sich im Lager des Habsburgers auf, während im Kölner Erzstift sein Neffe Heinrich als sein Stellvertreter agierte 257 , ohne daß es in den Rheinlanden zu nennenswerten Konflikten kam; auch eine Zollpolitik des Metropoliten oder seines Vertreters ist in dieser Phase nicht faßbar. Die Rückkehr Heinrichs von Virneburg in das Erzstift dürfte dazu beigetragen haben, daß seit Ende 1316 König Ludwig und seine rheinischen Anhänger, d. h. vor allem die Erzbischöfe von Mainz und Trier und die Stadt Köln sowie, bis auf den Grafen von der Mark, fast alle dem Erzstift benachbarten Dynasten, ihre früheren Pläne zu Errichtung eines Landfriedens aufgriffen, der den Kölner Metropoliten als wichtigsten habsburgischen Außenposten in den Rheinlanden zum Parteiwechsel zwingen oder wenigstens neutralisieren sollte. Der Landfrieden wurde offenbar von Anfang an mit einer starken zollregulierenden Komponente geplant; bereits die frühesten Hinweise lassen erkennen, daß bestehende Hebestellen am Rhein niedergelegt und an ihre Stelle Landfriedenszölle treten sollten258. Obgleich der Kölner Erzbischof als derjenige Landesherr, dessen Rheinzollbestand durch Neuverleihungen und Übertragungen in den vorangegangenen Jahren am stärksten erweitert worden war259, davon in besonderem Maße betroffen sein mußte, wäre es verfehlt, die Aufnahme von Zollreglementierungen nur als eine speziell antikölnische Maßnahme zu erklären. Da Heinrich VII. und Ludwig der Bayer in den vergangenen Jahren ihre Ausgaben sehr stark über neue Rheinzölle finanziert hatten, war auch ohne die kölnischen Zölle eine ganz erhebliche Mehrbelastung des Rheinhandels entstanden 260 . Reformbedarf war also ohnehin gegeben.
256 Wie hoch die materielle bzw. militärische Hilfe konkret war, ist nicht bekannt, doch war sie immerhin so beträchtlich, daß König Friedrich ihn bei der Belagerung von Esslingen am 11. August 1316 wegen seiner unablässigen Bemühungen um König und Reich mit der Grafschaft Dortmund belehnte (MGH Const. V, Nr. 370 - REK IV, Nr. 951). 257 REK IV, Nr. 904. 258 Vgl. oben S. 509 f. 259 A n neuen Zöllen hatte er 1309 acht Turnosen in Bonn und 1314 vier Turnosen in Rheinberg erhalten (REK IV, Nr. 477, 886), also zwei Turnosen mehr als der Trierer Erzbischof Balduin von Luxemburg (1309 sechs Turnosen in Koblenz, 1314 vier Turnosen in Boppard - U Q B VII, Nr. 1271 bzw. MGH Const. IV, Nr. 156). Erhöhungen der mainzischen Zölle sind aus dieser Zeit nicht bekannt. Bei den pfalzgräflichen Zöllen Bacharach und Kaub kann man in diesem Zusammenhang nur die Erhöhungen zählen, die in die Zeit vor den Regierungsantritt Ludwigs des Bayern fallen, nämlich die sechs 1312 nachweisbaren Turnosen in Kaub (MGH Const. IV, Nr. 731) und ein nicht bestimmbarer, 1313 belegter neuer Zolltitel in Bacharach (vgl. R P R I , Nr. 1712). - Ferner hat man zu berücksichtigen, daß Heinrich von Virneburg 1314 in den Besitz des Leutesdorfer Zolls von zehn Turnosen gelangt war (REK IV, Nr. 887). 260 Vgl. dazu auch oben S. 520.
626
E. Territoriale Zollpolitik bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts
Am 22. Juni 1317 errichteten König Ludwig, die Erzbischöfe Peter von Mainz und Balduin von Trier mit den Städten Köln, Mainz, Worms, Speyer, Aachen, Oppenheim, Frankfurt, Friedberg, Gelnhausen und Wetzlar einen Landfrieden für die Dauer von sieben Jahren 261 . Alle Zölle von Hördt oberhalb Speyer bis Köln wurden aufgehoben, also auch die kölnischen Hebestellen in Andernach und Bonn, alle neuen Zölle von Köln bis Antwerpen verboten, was die Rheinberger Zollstätte und eventuelle Erhöhungen in Neuss betraf. Ersatzweise errichtete man einen auf Köln, Remagen und Koblenz verteilten Rheinzoll von 33 Turnosen, von dem zwei Drittel dem König und den Fürsten und der Rest den Städten zustehen sollte. Wenn Heinrich von Virneburg dem Landfrieden beitrat, erhielt er sechs Turnosen aus dem königlich-fürstlichen Anteil, die er je zur Hälfte in Andernach und Bonn erheben konnte 262 , verweigerte er die Teilnahme, wollten die Verbündeten ihn trotzdem zur Abstellung seiner Zölle und zur Einhaltung des Friedens zwingen. Die niederrheinischen Mitglieder sollten dazu bezeichnenderweise jeweils das Truppenkontingent stellen, mit dem sie 1288 in die Schlacht von Worringen gezogen waren. Als in den folgenden Wochen fast alle Dynasten im Umkreis des Kölner Erzstifts dem Landfrieden formell beitraten oder zumindest keine Zweifel an seiner Unterstützung ließen, wurde die Lage Heinrichs unhaltbar 263 . Angesichts seiner beschränkten Machtmittel konnte er sich vorerst nicht auf einen militärischen Konflikt einlassen, der nicht auszuschließen war, wenn er das Zollverbot ignorierte 264 . Mußte er die Zollbestimmungen aber ohnehin (weitgehend) beachten, war es nur folgerichtig und von den Landfriedensgründern zweifellos genauso kalkuliert, daß er am 9. Juli 1317 beitrat 265 , um mit den ihm eingeräumten sechs Turnosen vom Landfriedenszoll wenigstens einen geringen Teil seiner bisherigen Zolleinkünfte zu behalten. Ein nicht unwesentliches Zugeständnis dürfte dabei gewesen sein, daß man ihm die Erhebung seines Zollanteils an den eigenen Hebestellen in Andernach und Bonn gestattete. Heinrich von Virneburg verknüpfte - offenbar mit Duldung der anderen Verbün-
261 MGH Const. V, Nr. 421 - VOGT, REM 1.1, Nr. 1912; REK IV, Nr. 993. Vgl. dazu ausführlich oben S. 512 ff. 262 Die Aufteilung des Zolls auf die verschiedenen Hebestellen und die jeweiligen Anteile der Verbündeten wurden am folgenden Tag bestimmt (MGH Const. V, Nr. 422 - VOGT, REM 1.1, Nr. 1915; REK IV, Nr. 994). 263 Vgl. oben S. 514. 264 Möglicherweise hat der Erzbischof vor(?) seinem Beitritt zunächst versucht, in Andernach und Bonn mehr als die erlaubten Turnosen zu erheben, wurde aber daran durch Graf Gerhard von Jülich gehindert. Ende Oktober 1317 klagte der Erzbischof, dat der greue van Guyige binnen diesen vrieden em ind sime gestigte geworuen haue zinterfenisse mit aergelisten an sinen tollen zu Andernagge ind zu Bunne. Nach Ansicht der Schiedsrichter war das Vorgehen des Grafen gerechtfertigt, wenn es umb gemeynen noet ind nutz des lantz ind umb des lantz beste, d. h. in Umsetzung der Landfriedensbestimmungen, und nicht zur Schädigung des Erzbischofs geschehen sei (LAC. III, Nr. 163 - REK IV, Nr. 1004 Art. 7). 265 MGH Const. V, Nr. 435 - REK IV, Nr. 996.
II. Das Erzstift Köln
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deten - seinen Beitritt jedoch mit dem wichtigen und, wie sich später zeigte, auch zollpolitisch anwendbaren Vorbehalt, daß er weiterhin den von ihm gewählten König nach Kräften unterstützen könne, ohne damit den Landfrieden zu brechen. Die Zollbestimmungen hatten für ihn den Nettoverlust von 20 Rheinzollturnosen zur Folge, was mehr als die Hälfte des gesamten kölnischen Zollbestands ausgemacht haben dürfte 266 . Zwar mußten selbst die Gründungsmitglieder des Landfriedens, vor allem König Ludwig, erhebliche Einbußen ihrer Zollrechte hinnehmen, doch sind sie dafür am Landfriedenszoll relativ höher als der Kölner Metropolit beteiligt worden. Betrug die Entschädigungsquote beim Trierer Erzbischof Balduin von Luxemburg 40%, lag sie bei Heinrich von Virneburg unter 27%, was diesem kaum verborgen geblieben ist267. Die Verteilung der Landfriedenshebestellen konnte der Kölner Erzbischof gleichfalls als Affront betrachten. Denn das von den Zollbestimmungen erfaßte Gebiet reichte zwar bis an den Oberrhein, doch legte man zwei der drei Zollstätten, Remagen und Köln, in das kölnische Geleitgebiet. Heinrich von Virneburg konnte das, kaum ganz unzutreffend, als demonstrative Mißachtung seines Anspruchs auf alleinige Zollerhebung 268 in diesem Raum interpretieren 269 . Der unter massiven Drohungen erzwungene Beitritt und die bei näherer Prüfung deutlich zu Tage tretende Benachteiligung bei der Aufteilung des Landfriedenszolls konnten keine tragfähige Grundlage für eine dauerhafte Einbindung des Kölner Erzbischofs in das Landfriedenssystem sein, zumal dieses am Niederrhein von seinen langjährigen territorialen Gegnern, den niederrheinischen Dynasten und der Stadt Köln, dominiert wurde. Um die Jahreswende 1317/1318 entschloß sich Heinrich von Virneburg zur Kraftprobe mit dem Landfrieden, die er ein halbes Jahr zuvor noch vermieden hatte 270 . Das Konfliktfeld lag erwartungsgemäß hauptsächlich dort, wo der Bacharacher Bund am stärksten zu Lasten des Kölner Erzstifts eingegriffen hatte, nämlich bei den erzbischöflichen Rheinzöllen. Der Metropolit wandte sich an König Friedrich, der bislang noch nicht auf den von der Gegenseite initiierten und getragenen Landfrieden reagiert hatte, und wurde von ihm wunschgemäß im Februar 1318 beauftragt, die
266 Vgl. oben S. 514 f. 267 Vgl. oben S. 522. 268 Lediglich die seit staufischer Zeit bestehenden Reichszölle Kaiserswerth und Duisburg wurden vom Erzbischof nicht (mehr) als Verletzung seines Zollmonopols gesehen. 269 Dieser Aspekt kommt auch deutlich in dem Brief vom Frühjahr 1319 oder 1320 zum Ausdruck, in dem der Erzbischof die Stadt Osnabrück von der Handelssperre unterrichtete, die er gegen die Landfriedensverbündeten verhängt habe, weil sie neue und ungerechte Zölle bei Köln und Remagen innerhalb seines Geleitgebietes (dominium et conductus) errichtet, die erzbischöflichen Zölle herabgesetzt und einige seiner Burgen erobert hätten (REK IV, Nr. 1108). 270 Da die (zollpolitischen) Konflikte des Erzbischofs mit dem Landfrieden an anderer Stelle ausführlich behandelt werden (vgl. oben S. 522-530), können die folgenden Ausführungen entsprechend kürzer und ohne erneute Einzelnachweise gefaßt werden.
628
E. Territoriale Zollpolitik bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts
Landfriedenszölle aufzuheben, die hergebrachten kölnischen Zölle wiederzuerrichten und alle Widerständler als Majestätsverbrecher zu verfolgen. Gestützt auf dieses Mandat 271 , wenngleich ohne sich direkt darauf zu berufen, ließ der Erzbischof von seiner Feste Brühl aus systematisch den Handelsverkehr von und nach Köln schädigen 272 , obgleich dies auch zu Lasten seiner wiederhergestellten Rheinzölle Andernach und Bonn ging. Nachweisbare Aktionen gegen die Landfriedenshebestellen hat der Metropolit nicht unternommen; die Machtmittel dürften ihm dazu gefehlt haben. Die niederrheinischen Landfriedensverbündeten unter Führung Kölns und des Grafen von Jülich belagerten Brühl daraufhin mehrere Monate. Die Eroberung gelang nicht, wohl mitbedingt durch die mangelnde Unterstützung seitens der mittelrheinischen Bundesmitglieder. Andererseits beurteilte der Erzbischof die militärische Lage so ungünstig, daß er im Juni 1318 einlenkte. Brühl wurde an den Trierer Erzbischof Balduin von Luxemburg übergeben, der zusammen mit dem Mainzer Erzbischof Peter von Aspelt bis Weihnachten 1318 einen Schiedsspruch über die Landfriedensbrüche Heinrichs von Virneburg fällen sollte. Der Spruch wurde fristgemäß am 24. Dezember 1318 abgegeben, doch hatte er das entscheidende Manko, daß die Regelung der Zollfragen, des vor allem zwischen dem Erzbischof und der Stadt Köln strittigen Konfliktfelds, ganz ausgeklammert wurde. Als im Laufe des folgenden Jahres trotz der im Sommer 1319 vorübergehend entspannten Lage eine Einigung über diesen Punkt nicht gelang und König Friedrich bis Herbst unter Mitwirkung Heinrichs die 1308 niedergelegte Hammersteiner Zollstätte reaktivierte, brachen Anfang 1320 wieder offene Auseinandersetzungen aus. Sie dauerten an, bis Graf Gerhard von Jülich am 15. August 1320 eine detaillierte Sühne zwischen Heinrich von Virneburg und der Stadt aushandeln konnte, die schließlich auch das Zollproblem regelte: Zwischen Andernach und Köln sollte der Erzbischof zusammen nicht mehr als vierzehn Turnosen erheben, und zwar allein an den Hebestellen Andernach und Bonn; den Hammersteiner Zoll sollte er niederlegen 273 . Mit dieser Einigung war für die Restlaufzeit des Landfriedens bis zum 24. Juni 1324 ein relativ gleichgewichtiger und deshalb im wesentlichen auch dauerhafter Kompromiß erzielt worden 274 . Heinrich von Virneburg konnte dank seines hartnäckigen Widerstands
271 Mit dem Mandat wollte der Virneburger offenbar den bei seinem Beitritt geäußerten Vorbehalt, den Habsburger mit aller Macht ohne Bruch des Landfriedens unterstützen zu können, formal wirksam werden lassen. Daß die Landfriedensverbündeten dies nicht anerkennen würden, war dem Erzbischof zweifellos bewußt. 272 Aus einer späteren Phase des Konflikts (Frühjahr 1319 oder 1320) ist bekannt, daß der Erzbischof einen regelrechten Handelsboykott gegen die Landfriedensverbündeten verhängt hatte. Wer ihn als Neutraler durchbrach, riskierte, seiner Waren beraubt zu werden (vgl. REK IV, Nr. 1108). 273 REK IV, Nr. 1190. 274 Zwar war noch 1328 strittig, ob der Erzbischof zwischen 1320 und 1324 tatsächlich drei Turnosen mehr als erlaubt erhoben hatte, doch wurde auch von ihm die Begrenzung auf 14 Turnosen prinzipiell anerkannt. Vgl. REK IV, Nr. 1738,1739,1741.
II. Das Erzstift
Köln
629
nun sogar im Einvernehmen mit seinen Nachbarn mehr als das Doppelte der ursprünglich vorgesehenen sechs Turnosen erheben, während die Stadt Köln, die für ihre Kaufleute an den nach 1302 errichteten erzstiftischen Zöllen keine Abgabenfreiheit beanspruchen konnte 275 , immerhin eine Reduzierung der Zollbelastung ihres Handels mit dem mittelrheinischen Raum um gut ein Drittel (von mehr als 22 auf 14 Turnosen) erzielte276. Die nördlich von Köln gelegenen erzstiftischen Rheinzölle wurden im Schied nicht behandelt. Da es aber auch später keine erkennbaren Widerstände gegen den Rheinberger Zoll gab, wurde dessen Existenz offenbar akzeptiert. Bei den Wahlverhandlungen mit den Habsburgern im Frühjahr 1314 hatte der Erzbischof keine nachweisbaren Versuche unternommen, in den Besitz von Kaiserswerth und anderer verpfändeter niederrheinischer Reichsgüter zu gelangen. Aufgegeben hatte er dieses Vorhaben aber nur vorläufig. Im Frühsommer 1322 sah Heinrich von Virneburg offenbar seine Chance gekommen, als der bis dahin auf wittelsbachischer Seite stehende Graf Gerhard von Jülich und König Friedrich, dessen Sieg im Thronstreit sich deutlich abzuzeichnen schien, in Kontakt traten 277 . Der Habsburger versprach dem Erzbischof, sich nicht eher mit dem Dynasten zu einigen, bis dieser Kaiserswerth, Düren und Sinzig ausgeliefert habe. Der Metropolit sollte diese Besitzungen vom König dann als Pfand erhalten 278 . Die Niederlage des Habsburgers bei Mühldorf am 28. September 1322 zerschlug jedoch diese Pläne 279 . Davon abgesehen hatte der Virneburger aber zehn Jahre vor seinem Tod (t 1332) das erreicht, woran Wikbold von Holte gescheitert war, nämlich dem Kölner Erzstift die vier Rheinzölle in Andernach, Bonn, Neuss und Rheinberg zu verschaffen und auf Dauer zu behaupten. Heinrich von Virneburg hat damit das >zollpolitische Vermächtnis< Siegfrieds von Westerburg weitgehend erfüllt. Aber erst Erzbischof Dietrich von Moers ist dies im 15. Jahrhundert mit dem endgültigen Erwerb von Kaiserswerth vollständig gelungen.
275 Vgl. REK III.2, Nr. 3879. 276 Eine präzise Berechnung ist nicht durchführbar, da nicht bekannt ist, wie hoch der Zollsatz der stadtkölnischen Händler in Andernach und Bonn zwischen 1314 und 1317 war. 277 KRAUS, Jülich, S. 222 f., nimmt an, daß der Habsburger an den Grafen herangetreten war, dieser jedoch kein Interesse gezeigt habe und bei der wittelsbachischen Sache verblieben sei. Kraus berücksichtigt nicht hinreichend, daß Graf Gerhard möglicherweise den Parteiwechsel vorbereitete, als sich der Thronstreit zugunsten Friedrichs zu entscheiden schien. 278 M G H Const. V, Nr. 662 - REK IV, Nr. 1304. 279 Vgl. oben S. 532.
III.
Das Erzstift Mainz
III.l
Von den Anfängen bis Gerhard I. (f 1259)
Eine Transitzollpolitik der Mainzer Erzbischöfe 1 ist bis zum Ende des 12. Jahrhunderts >mangels Masse< nicht zu fassen. Obwohl sie schon in ottonischer Zeit thelonea besaßen 2 , sind Passierzölle darunter weder allgemein noch als konkrete Hebestellen nachweisbar. Beim 975 erstmals erwähnten Zoll in der Bischofsstadt Mainz 3 dürfte es sich, wie in Köln und Trier4, um ein in erster Linie marktbezogenes Abgabenbündel gehandelt haben, und auch unter den 977 (?) als Pertinenzien der curtis (Ober-)Lahnstein aufgeführten thelonea war mit einiger Sicherheit kein Rheinzoll 5 . In Bingen sind zu 983 Fährrechte auf Rhein und Nahe bezeugt. Der Ort war Mittelpunkt eines Bannbezirks, der sich linksrheinisch von der Selzmündung bis Heimbach und rechtsrheinisch von der Mündung des Elsterbachs bei Winkel bis Kaub erstreckte, und an den eine banpennic genannte Abgabe geknüpft war. Schließlich besaßen die Mainzer Erzbischöfe laut der bekannten Besitzbestätigung von 983 in Bingen auch das Münzrecht und die Existenz eines Marktes kann wohl daraus gefolgert werden 6 . Daß dort jedoch ein Rheinzoll bestanden haben sollte, wie im Anschluß an Sommerlad gelegentlich behauptet wird, läßt sich weder der Urkunde von 983 noch späteren Quellen entnehmen 7 . Erst die Zollprivilegien der Erzbischöfe Konrad von Wittelsbach und Siegfried II. von Eppstein für die Zisterzienserabtei Altenberg von 1195 und 1203 zeigen, daß im Mainzer Erzstift Transitabgaben auf den Fluß- und Landverkehr bestanden, ohne daß im Untersuchungsraum bestimmte Zollstätten namhaft zu machen sind8. Da diese beiden Quellen ganz vereinzelt dastehen und für mehrere Jahrzehnte weitere einschlägige Belege fehlen, ist ein erster Ansatz zum Aufbau eines mainzischen
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D i e folgenden Ausführungen berücksichtigen - mit gelegentlichen Seitenblicken auf die Gebiete am oberen Mittelrhein - nur die im Untersuchungsraum gelegenen Teile des Mainzer Erzstifts, d. h. im Rheingau, an der unteren Nahe, im Umland der Stadt Mainz und im Mittelrheintal. Vgl. den knappen Überblick bei GERUCH, Peter von Aspelt, S. 255 ff., mit Verweisen auf die einschlägige Literatur. M G H D O II, Nr. 95. M G H D O II, Nr. 112. Vgl. oben S. 191 ff. und S. 187 f. M G H D O II, Nr. 150; vgl. oben S. 204; gleiches gilt für die als Pertinenzien der curtis Nierstein genannten Zölle ( M G H D O III, Nr. 156). M G H D O II, Nr. 306. Vgl. auch oben S. 278 ff. Mainzer U B II.2, Nr. 625; MOSLER, U B Altenberg I, Nr. 52.
III.
Das Erzstift
Mainz
631
Transitzollsystems aus nicht näher zu fassenden Gründen offenbar erfolglos geblieben 9 . Eine deutliche Intensivierung der mainzischen Zollnutzung kann erst seit Mitte der 1240er Jahre und damit kaum zufällig während des staufischen Endkampfs beobachtet werden, den Erzbischof Siegfried III. von Eppstein im Mittelrhein-Maingebiet als der profilierteste Gegner der Staufer führte 10 . Eine Reihe von Zollbefreiungen, die er und seine Nachfolger Christian II. und Gerhard I. zwischen 1244 und 1253 ausstellten, zeugen davon, daß die Mainzer Metropoliten um die Jahrhundertmitte Fluß- und insbesondere auch Rheinzölle erheben ließen. Obgleich in diesen Urkunden keine einzelnen Zollstätten genannt sind, hat man sie wegen ihrer Empfänger, der Stadt Mainz11, den Koblenzer Deutschherren 12 bzw. der Eifelzisterze Himmerod 13 , vor allem am Mittelrhein zwischen Mainz und Koblenz zu suchen: Läßt schon die geographische Lage der Ordensniederlassungen darauf schließen, so zeigt vor allem auch der Vergleich mit den von anderen Zollinhabern um die Mitte des 13. Jahrhunderts erlangten Befreiungen, daß die Transporte beider Institute vorwiegend auf diesem Stromabschnitt verkehrten 14 . Wenn man nun die mainzische Besitzlage in diesem Raum überprüft und dabei berücksichtigt, daß während des staufischen Endkampfs die militärische Absicherung der Zollerhebung durch eine Burg unbedingt erforderlich war - und in diesem Raum auch regelmäßig nachzuweisen ist - , kommen als Hebeorte mainzischer Rheinzölle neben der Bischofsstadt selbst nur das Rheinknie um Ehrenfels-Rüdesheim-Bingen sowie der nördliche Außenposten des Erzstifts in Lahnstein, dessen Burg Lahneck 1245 erstmalig belegt ist, in Frage 15 . Die Formulierungen der Mainzer Rhein-
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Ein Zusammenhang mit dem von 1200-1208 andauernden Schisma auf dem Mainzer Erzstuhl zwischen Siegfried II. und dem Wormser Bischof Lupoid von Scheinfeld (vgl. dazu SANTE, Siegfried II., S. 2 ff.; GERLICH, Thronstreit, S. 291 ff. u. ö.) ist gut möglich, aber nicht im einzelnen nachweisbar. Vgl. zu ihm SANTE, Siegfried III.
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BÖHMER/WILL, R E M 11.33, N r . 5 0 4 .
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SAUER, Codex Nassau 1.1, Nr. 514 (1245 Jan. 16); 551 (1249 Okt. 15); 590 (1253 Sept. 1). MRUB III, Nr. 1036 (1250 Jan. 23). Die Koblenzer Deutschherren erhielten in dieser Zeit außer im Mainzischen Abgabenfreiheit an den mittelrheinischen Reichszöllen (1249, MRUB III, Nr. 1005), in Bacharach und Fürstenberg (1251, MRUB III, Nr. 1129), in Boppard, Oberwesel und Trechtingsh a u s e n ( 1 2 6 0 , M R R III, N r . 1 6 2 1 ) , in St. G o a r ( 1 2 6 1 , DEMANDT, R e g . K a t z . I, N r . 1 4 3 )
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und in Braubach (1261, MRR III, Nr. 1689). - Himmerod erhielt - abgesehen vom niederrheinischen und niederländischen Raum, der für mainzische Rheinzölle auscheidet - Zollprivilegien für Thurandt an der Mosel (1209, MRUB II, Nr. 245), Koblenz (1236, MRUB III, Nr. 569), die Pfalzgrafschaft (1249, MRUB III, Nr. 1008), Bacharach und Fürstenberg (1265, RPR I, Nr. 772) und die Reichszölle an Rhein und Mosel (1275, UQB IV, Nr. 3 6 0 ) . Vgl. die von Brigitte UBBELOHDE-DOERING bearbeitete Burgenkarte des Geschichtlichen Atlas von Hessen.
632
E. Territoriale Zollpolitik
bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts
Zollprivilegien deuten möglicherweise darauf hin, daß die Erzbischöfe über mehr als eine Zollstätte verfügten 16 ; welche von den potentiellen Hebestellen dazu zählten, muß jedoch offen bleiben 17 . 1252 wurde Erzbischof Gerhard I. vom Papst wegen der Erpressung neuer Zölle exkommuniziert und ein Jahr später wieder vom Bann gelöst18. Welche Zölle damit gemeint waren, wurde dabei nicht angegeben, aber ein Zusammenhang mit den offenbar neuen mainzischen Rheinzöllen liegt auf der Hand. Der alleinige Grund müssen sie freilich nicht gewesen sein. Im Rheinischen Bund, der sich im Frühjahr 1254 auf Initiative von Mainz, Worms und Oppenheim zur Wahrung des Friedens und Niederlegung unrechter Zölle konstituiert hatte und vor allem von den Städten im Mittelrhein-Maingebiet getragen wurde, ist der Mainzer Metropolit als erstes fürstliches Mitglied nachweisbar 19 . Anders als viele seiner Standesgenossen, die mehr oder minder aus taktischen Gründen dem Bund beitraten, scheint Gerhard die von städtischen Handelsinteressen geprägte Programmatik durchaus mitgetragen zu haben. Zumindest gibt es bis zum Anfang des Jahres 1256, als er in Gefangenschaft des Herzogs von Braunschweig geriet und damit als Akteur faktisch ausschied, keine Hinweise auf zollpolitische Konflikte zwischen dem Metropoliten und den übrigen Bundesmitgliedern. Vielmehr trat er bei solchen Gelegenheiten als Vermittler zwischen Adel und Städten auf 20 . Die mainzischen Zölle hat Gerhard ganz abgestellt oder sie wenigstens stark eingeschränkt. Anders ist das Fehlen aller einschlägigen Belege im Jahrzehnt nach der Gründung des Bundes kaum zu deuten.
III.2
Werner von Eppstein (1259-1284)
Erst fünf Jahre nach seinem Amtsantritt begann Gerhards Nachfolger Werner von Eppstein 21 1264 mit einem ungewöhnlichen und zunächst schwer zu deutenden Schritt sein zollpolitisches Wirken. Anscheinend aus eigenem Antrieb gestand er Papst Urban IV., daß er bei gewissen mainzischen Burgen einige Jahre lang wie seine Vorgänger Zölle erhoben habe, bis er gemerkt habe, daß durch diese Abgaben den
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Die Mandate waren adressiert: (universis) officiatis suis super Renum constitutis. Danach gab es also mehrere Amtleute, die mit der Zollerhebung betraut waren. Formelhafter Gebrauch bzw. Einfluß des Empfängers - in allen im Volltext edierten Stücken sind es die Koblenzer Deutschherren - ist freilich nicht auszuschließen. Das zu 1247 und 1253 belegte Binger theloneum (BÖHMER/WILL, REM 11.33, Nr. 615; ebd., 11.35, Nr. 55,60), an dessen Einkünften das Mainzer Domkapitel beteiligt war, kann nicht schlüssig als Rheinzoll erwiesen werden. Vgl. oben S. 279.
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GUDENUS, C o d . d i p l . I, N r . 2 6 7 , S. 6 3 6 f. - BÖHMER/WILL, R E M 11.35, N r . 5 1 ; v g l . N r . 5 2 .
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Vgl. oben S. 389 f.
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BÖHMER/WILL, R E M 11.35, N r . 1 2 0 .
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Vgl. zu seiner Amtszeit SANTE, Werner von Eppstein.
III. Das Erzstift Mainz
633
umliegenden Gebieten großer Schaden entstanden sei. Im Zweifel, ob diese Zölle als neu eingerichtet zu gelten hätten und damit gegen kanonisches Recht verstießen, habe er sie niedergelegt. A m 15. März 1264 erklärte der Papst die Gültigkeit der inzwischen vorgenommenen Amtshandlungen Werners und beauftragte den Mainzer Dekan und päpstlichen Kapellan Ludwig, den Erzbischof von den aus der Erhebung neuer Zölle folgenden Exkommunikationssentenzen zu lösen22. In einem zweiten Schreiben erhielt der Dekan ferner die Anweisung, diese vom jeweiligen Papst dreimal jährlich erlassenen Sentenzen nach eigenem Ermessen in der Mainzer Kirchenprovinz, wo viele neue Zölle zum Schaden der Durchreisenden eingerichtet worden seien, zu verkünden 23 . D i e Selbstanzeige des Erzbischofs erfolgte kaum in der angegebenen Absicht, sein Gewissen zu beruhigen; denn zumindest nach dem, was sich ermitteln läßt, hatte unter den Fürsten und Herren am Mittelrhein gerade Werner den geringsten Anlaß, kanonische Strafen wegen unrechtmäßiger Zollerhebung zu fürchten. Über mainzische Transitzölle ist in dieser Zeit nämlich so gut wie nichts bekannt. Wenn sie überhaupt bestanden, war ihre Nutzung auf so geringem Niveau, daß sie seit 1253 in keiner Zollbefreiung, keiner Verschreibung, keiner Klage Dritter Spuren in den Quellen hinterlassen haben. Man gewinnt daher, zumal vor dem Hintergrund des zweiten Mandats, den Eindruck, daß der Eppsteiner vor allem die Transitzölle anderer Zollinhaber im Visier hatte und dafür päpstliche Rückendeckung suchte. Einen weiteren Hinweis auf derartige Pläne gibt der zweijährige Landfrieden, den der Erzbischof und Pfalzgraf Ludwig II. im Juni 1264 schlössen24. Denn wenn dort neben der pfalzgräflichen Zollerhebung in Bacharach und Fürstenberg nur der Katzenelnbogener Rheinzoll in St. Goar ausdrücklich garantiert wurde, waren die zahlreichen anderen Hebestellen dieses Raums damit offenbar vom Landfrieden ausgenommen. D i e zunächst nur schemenhaft erkennbaren Absichten Werners zu einer Umstrukturierung des mittelrheinischen Zollsystems sind vorerst nicht umgesetzt worden, aber ein Anspruch des Erzbischofs auf eine A r t Oberzollhoheit in seinem Einflußbereich kristallisierte sich in den folgenden Jahren immer deutlicher heraus. A l s Werner 1265 mit einer Reihe von Adligen der Wetterau und den Städten Frankfurt, Friedberg, Wetzlar und Gelnhausen einen dreijährigen Landfrieden für die Gebiete zwischen Rhein, Lahn und Main schloß, setzte er den zu dessen Finanzierung vorgesehenen Landfriedenszoll de communi consensu et consilio aller Verbündeten fest, hob dabei bezeichnenderweise aber seine Stellung als dominus dyocesanus et dominus terre hervor 25 . Im Herbst 1268 unternahm der Metropolit einen neuen und, wie sich zeigen sollte, sehr erfolgreichen Anlauf zur Reorganisation der Rheinzölle oberhalb von Koblenz. Nach dem gleichen Muster wie vier Jahre zuvor gegenüber Urban IV., aber ohne
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MGH MGH MGH MGH
Epp. saec. XIII, Bd. III, Nr. 587. Epp. saec. XIII, Bd. III, Nr. 588. Const. II, Nr. 442; vgl. zur politischen Situation GERLICH, Interregnum, S. 101 ff. Const. II, Nr. 444.
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E. Territoriale Zollpolitik bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts
dies zu erwähnen, bekannte er nun Papst Clemens IV. seine Sorge, durch möglicherweise unrechte Rheinzölle der Exkommunikation verfallen zu sein. Er glaube dies zwar nicht, habe aber vorsorglich die Erhebung eingestellt, schon um darin den vielen anderen Inhabern solcher Zölle voranzugehen. Werner erhielt ohne Schwierigkeiten die erbetene Lösung vom Bann, wobei offengelassen wurde, ob die mainzischen Rheinzölle überhaupt eine exactio indebita gewesen waren 26 . Sehr viel klarer als bei der ersten Selbstanzeige Werners ist hier erkennbar, daß ihn nicht ein Gewissenskonflikt um den Status der eigenen Rheinzölle zu diesem Schritt veranlaßt haben kann. Nicht nur wäre dies schlecht damit vereinbar, daß Werner schon 1264 die Schädlichkeit neuer Zölle im allgemeinen und für sein Seelenheil im besonderen erkannt haben wollte. Vor allem ist aus anderen Quellen abermals nicht nachweisbar, daß der Erzbischof tatsächlich Rheinzölle erhoben hatte. Er nahm vielmehr seine angeblichen Zweifel über die Rechtmäßigkeit der in Wirklichkeit wohl gar nicht existierenden eigenen Zölle zum Vorwand, um auf die vielen anderen, unzweifelhaft illegitimen Rheinzölle aufmerksam zu machen. Vermutlich sollte der Papst auf künftige Aktionen des Erzbischofs eingestimmt werden, wenn die anderen Zollinhaber dem vorbildlichen Mainzer Beispiel nicht freiwillig folgen sollten. Der im April 1269 auf dem Wormser Reichstag beschworene Landfrieden 27 , der eine Niederlegung aller Arten von thelonea iniusta beinhaltete, bot Werner von Eppstein das geeignete Mittel zur Umsetzung seiner zollpolitischen Ordnungsvorstellungen. Chronikalische Quellen schreiben die Initiative für die Aufrichtung des Friedens König Richard zu, aber schon der Anteil des Mainzers am Zustandekommen dürfte erheblich gewesen sein. In der Ausführung war der Metropolit als sancte pacis propagator in königlicher Stellvertretung auf jeden Fall der überragende Führer einer Koalition mittelrheinischer Städte und Herren 28 . Wie weitgreifend Werners zollpolitisches Konzept war, wird in den Folgen deutlich, die sein oft gewaltsamer Eingriff in der Raumstruktur der Transitzölle an Mittel- und Oberrhein hinterließ. Er beabsichtigte nämlich anscheinend nicht weniger, als die während der letzten 25 Jahre - bis auf die kurze Phase des Rheinischen Bundes - weitgehend ungebremste Zunahme der Transitabgaben entlang des Rheins rückgängig zu machen. Zumindest für den im Untersuchungsraum gelegenen Stromabschnitt zwischen Mainz und
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27 28
Der Inhalt der erzbischöflichen Selbstanzeige wird in dem Schreiben referiert, mit dem Clemens IV. am 23. Oktober 1268 den Prior der Mainzer Dominikaner mit der Lösung Werners von eventuellen Kirchenstrafen beauftragte (BÖHMER/WILL, REM 11.36, Nr. 210) sowie in der entsprechenden Urkunde des Priors vom 10. Februar 1269 (ebd., Nr. 2 2 2 ) . Vgl. zum folgenden oben S. 399-404. Bezeugt ist u. a. die Teilnahme von Worms, Oppenheim und Koblenz, Graf Emichos von Leiningen und von dessen Bruder, Bischof Heinrich von Speyer.
635
III. Das Erzstift Mainz
Koblenz, an dem die meisten Zölle hinzugekommen waren, ist ihm dies im wesentlichen zweifellos gelungen29. Welche Motive den Erzbischof dabei leiteten, ist nur näherungsweise zu bestimmen. Zumindest aber kann Zollkonkurrenz, d. h. die Ausschaltung benachbarter Zollinhaber zum Nutzen der eigenen Abgaben, nicht im Vordergrund gestanden haben. Denn der Zollbestand der Mainzer Kirche am Rhein war traditionell gering. Der von Siegfried III. begonnene und Gerhard I. fortgeführte Aufbau ist von letzterem selbst bald wieder eingestellt worden. Sein Nachfolger Werner hat sich mit dem wenigen, was an Transitabgaben allenfalls vorhanden war, auch nach 1269 begnügt, als ihm eine Erweiterung seiner Zollbasis ohne größere Widerstände möglich gewesen wäre. Kein Zufall der Überlieferung, sondern bezeichnend für diese Politik ist es, wenn in seiner Amtszeit keine mainzische Zollstätte im Untersuchungsraum konkret belegt ist30. Daher scheint die gegenüber den Päpsten geäußerte Ablehnung neuer T r a n s i t a b g a b e n als detrimentum
transeuntium
et scandalum
plurimorum
durchaus
den Kern seiner Grundeinstellung zu treffen, wenngleich die Selbstanzeigen als solche gewiß taktische Hintergründe hatten. Programmatisch standen sich Werner und König Richard auf dem Wormser Reichstag damit zweifellos nahe, aber während es beim Kronträger Hinweise auf eine >volkswirtschaftlich< fundierte Ablehnung von Transitabgaben gibt, läßt sich gleiches für den Erzbischof nicht nachweisen. Offensichtlich ist dagegen, daß der Metropolit die Zollbestimmungen des Wormser Landfriedens zur systematischen Stärkung der mainzischen Vorrangstellung nutzte. Selbst Familieninteressen scheint Werner dem untergeordnet zu haben, da auch der Braubacher Zoll, den sein Verwandter Gottfried von Eppstein als Lehen Graf Hermanns von Henneberg besaß, der Reorganisation der Rheinzölle 1269/1270 zum Opfer fiel 31 . Ohne daß er selbst über nennenswerten Zollbesitz verfügte, war um 1270 der Einfluß des Mainzer Erzbischofs auf die von ihm radikal veränderte Zollstruktur an Mittel- und Oberrhein so groß wie nie zuvor. Werner von Eppstein ist es allerdings nicht gelungen, diese Position unter Rudolf von Habsburg zu behaupten. Der Habsburger hatte selbst konkrete zollpolitische Zielvorstellungen, und er hatte im Unterschied zu Richard von Cornwall auch die Möglichkeit, diese durchzusetzen. Daß das Mainzer Erzstift in der Funktion einer weitgehend eigenständig agierenden großräumigen Ordnungsmacht verblieb, war aus Sicht des Herrschers weder nötig noch wünschenswert 32 . Als Werner von Eppstein im Sommer 1277 die Errichtung eines Landfriedens in Angriff nahm, weil anscheinend einige derjenigen Adligen, die 1269/1270 ihre Zölle verloren hatten, Anstalten zu deren Wiedererrichtung unternahmen, sorgte Rudolf
29 30 31 32
Vgl. oben S. 402 ff. Mit Ausnahme von Bingen, wo aber allenfalls vorübergehend ein Rheinzoll im üblichen Sinn lag. Vgl. oben S. 278 f. Vgl. oben S. 404. Vgl. zum folgenden oben S. 408 f.
636
E. Territoriale Zollpolitik
bis zum Beginn des 14.
Jahrhunderts
wohl auch unter dem Eindruck von Gerüchten über eine Verschwörung der drei rheinischen Erzbischöfe mit seinem Feind Ottokar von Böhmen dafür, daß die Mainzer Initiative nicht weitergeführt wurde 33 . Statt dessen schlössen am 24. Juni 1278 seine eigenen Anhänger, darunter Pfalzgraf Ludwig II., Graf Eberhard I. von Katzenelnbogen und 17 Städte von Basel bis Boppard, einen zweijährigen Landfrieden gegen alle Besitzer unrechtmäßiger Transitabgaben am Strom und richteten zu dessen Finanzierung Rheinzölle in Mainz und Boppard ein34. Die Vorgeschichte des Landfriedens und nicht zuletzt der Umstand, daß man ohne seine Mitwirkung einen Zoll gerade in seine Bischofsstadt legte, war ein deutliches Signal für Werner von Eppstein, daß der Habsburger nicht bereit war, ihm eine zentrale Rolle in der mittelrheinischen Zollpolitik zuzugestehen. Der Erzbischof hat sich damit abgefunden und bis zu seinem Tod 1284 keine erkennbaren Versuche mehr unternommen, Einfluß auf die Rheinzölle seiner Nachbarn zu nehmen. Ganz im Gegensatz zu seinem Kölner Amtsbruder und Verwandten Siegfried von Westerburg hat Werner von Eppstein weder versucht, den mainzischen Zollbestand eigenmächtig zu erweitern, noch hat er sich annähernd so hartnäckig um den Erwerb von Boppard bemüht 35 wie der Kölner Erzbischof um den von Kaiserswerth, obwohl der mittelrheinische Reichszoll sicher kaum weniger bedeutend war als der niederrheinische. Da Werner von Eppstein ansonsten aber ein durchaus zielstrebiger und zupackender Territorialpolitiker war 36 , wird man das auffällige Fehlen einer aktiven, auf die Ressourcenerweiterung des Mainzer Erzstifts gerichteten Zollpolitik wohl am ehesten mit einer reservierten Grundeinstellung gegenüber (Rhein-)Zöllen zu erklären haben.
III.3
Gerhard II. von Eppstein (1289-1305)
Sein Nachfolger, der Baseler Bischof Heinrich von Isny, hat in seiner kurzen Amtszeit (1286-1288), die im Zeichen der Landfriedenswahrung in Meißen und Thüringen stand 37 , keine zollpolitischen Spuren in den Rheinlanden hinterlassen. Erst unter Werners Vetter Gerhard II. von Eppstein 38 begann der schnelle, wenngleich nicht ohne Brüche verlaufende Aufstieg des Mainzer Erzstifts zu einer bedeutenden Zollmacht am Mittelrhein. Anders als sein Kölner Amtsbruder konnte Gerhard dabei
33 34 35
36 37 38
Vgl. REDLICH, Rudolf von Habsburg, S. 434. M G H Const. III, Nr. 157. Zwar ließ sich Werner 1273 von König Rudolf wenige Tage nach dessen Krönung 2.000 Mark Silber auf den Bopparder Zoll verschreiben (RI VI.l, Nr. 12), doch dürfte dahinter vor allem der Wunsch nach möglichst schneller Verfügbarkeit der Summe gestanden haben. Versuche des Eppsteiners, diese Pfandschaft auszubauen, sind nicht erkennbar. Vgl. dazu SANTE, Werner von Eppstein, S. 12-20. Vgl. dazu knapp REDLICH, Rudolf von Habsburg, S. 447 f. Vgl. zu seinem Episkopat für die Zeit König Adolfs PATZE, Gerhard II.; GERLICH, Adolf von Nassau, und für die Zeit König Albrechts GERLICH, Albrecht I.
III. Das Erzstift Mainz
637
nicht auf einen festen Rheinzollbestand zurückgreifen, sondern mußte praktisch bei Null anfangen. Sein erster Ansatzpunkt wurde Boppard. Der dortige alte Reichszoll war seit 1282 für 12.000 Mark Kölner Denare Reichspfand der jüngeren Linie des Katzenelnbogener Grafenhauses 39 und stand damit nicht zur Verfügung. Zusätzlich lag in Boppard aber noch ein zweiter Zolltitel, nämlich der 1278 im Zuge des Hagenauer Landfriedens errichtete Zoll40, der das Auslaufen des Bundes 1280 überdauert hatte und in der Hand des Königs war. Auf diesen Abgabentitel richtete sich das Augenmerk des Erzbischofs, aber auch das Graf Eberhards I. von Katzenelnbogen, der damit seine Bopparder Zollstellung weiter ausbauen wollte. Die Streitigkeiten, die nach dem Tod König Rudolfs (15. Juli 1291) zwischen beiden Seiten über die Aufteilung wichtiger mittelrheinischer Reichsgüter ausbrachen, wurden im Wieder Vertrag vom 20. August 1291 beigelegt41. Dort wurde u. a. bestimmt, daß der Graf die Stadt Boppard und den alten Reichszoll behalten sollte, während der neue Zoll zwischen ihnen zu teilen wäre. Den Vertragspartnern war natürlich bewußt, was in der Literatur mitunter übersehen wird, daß diese Absprache allenfalls während der Thronvakanz Bestand haben konnte. Gleichwohl wurde damit eine Situation geschaffen, von der auch der neue Herrscher zunächst auszugehen hatte, sofern Graf Eberhard und der Erzbischof geschlossen auftraten. Daß Gerhard von Eppstein schon von Zeitgenossen (nicht unbedingt wohlwollend) zurecht »der Fuchs von Mainz« genannt wurde, zeigte sich auch an der Bopparder Frage. Graf Adolf von Nassau war Ende April 1292 zunächst allein als Thronkandidat des Kölner Erzbischofs Siegfried von Westerburg aufgetreten. Es war aber der Mainzer Erzbischof, der nur wenig später bei der Königswahl den Grafen durchsetzte und ihn sich damit verpflichtete. Am 1. Juli 1292 verbriefte ihm Adolf eine Reihe wichtiger Vergünstigungen, die man als Preis der Mainzer Kurstimme zu werten hat 42 . Gerhard sollte (u. a.) den Bopparder fridezol, in den er mit unmittelbarer Wirkung eingesetzt wurde, als dauernden Besitz seiner Kirche erhalten. Der König versprach, sich bei den Reichsfürsten nach Kräften für eine Verlegung der Abgabe nach Lahnstein zu verwenden, wo der Erzbischof auf Lebenszeit das Vogteirecht erhalten sollte. Die im Wieder Vertrag faßbaren Katzenelnbogener Ansprüche auf den Landfriedenszoll wurden weder hier noch später berücksichtigt, auch gibt es keinen Hinweis darauf, daß nur ein Teil der Abgabe an Mainz gehen sollte. Gerhard von Eppstein hatte seine Stellung als Wahlfürst ganz offensichtlich ausgenutzt, um den Grafen >auszubootenportus< de Dinant aux IXe et Xe siècles, in: Miscellanea Mediaevalia in memoriam Jan Frederik Niermeyer, Groningen 1967, S. 61-69 Despy, Tarifs - Georges Despy, Les tarifs de tonlieux, Turnhout 1976 (Typologie des sources du moyen âge occidental 19) Despy/Billen, Marchands - Georges Despy/Claire Billen, Les marchands mosans aux foires de Cologne pendant le Xlle siècle, in: Recherches sur l'histoire des finances publiques en Belgique, Bd. 3, Brüssel 1974 (Acta Historica Bruxellensia 3), S. 31-61 Devroey, Réflexions - Jean-Pierre Devroey, Réflexions sur l'économie des premiers temps carolingiens (768-877): Grand domaines et action politique entre Seine et Rhin, in: Francia 13,1985, S. 475-488 Devroey, Services - Jean-Pierre Devroey, Les services de transport de l'abbaye de Prüm au IXe siècle, in: Revue du Nord 61,1979, S. 543-569 Diederich, St. Florin - Anton [Toni] Diederich, Das Stift St. Florin zu Koblenz, Göttingen 1967 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 16. Studien zur Germania Sacra 6) Diesner, Isidor - Hans-Joachim Diesner, Isidor von Sevilla und das westgotische Spanien,
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Quellen und Literatur
(VuF 14), S. 127-147 Laufner, Bündnisverträge - Richard Laufner, Triers Bündnis- und Schirmverträge mit den Fürsten von Luxemburg und Lothringen vom 13. bis zum ausgehenden 16. Jahrhundert. Ein Beitrag zur Geschichte der Beziehungen der Stadt zu ihren westlichen Nachbarn, in: RhVjbll 19,1954, S. 104-118 Laufner, Trierer Markt - Richard Laufner, Geschichte des mittelalterlichen Trierer Marktes bis ins 11. Jahrhundert, in: Ders./Hans Eichler, Hauptmarkt und Marktkreuz zu Trier. Eine kunst-, rechts- und wirtschaftsgeschichtliche Untersuchung, Trier 1958, S. 1-74 Laufner, Zolltarif - Richard Laufner, Der älteste Koblenzer Zolltarif (Mitte 11. Jahrhundert), in: Landeskundliche Vierteljahrsblätter 10,1964, S. 101-107 Lebecq, Histoire parallèle - Stéphane Lebecq, Pour une histoire parallèle de Quentovic et Dorestad, in: Villes et campagnes au moyen âge. Mélanges Georges Despy, hg. von JeanMarie Duvosquel und Alain Dierkens, Lüttich 1991, S. 415-428 Lebecq, Marchands - Stéphane Lebecq, Marchands et navigateurs frisons du haut moyen âge, 2 Bde., Lille 1983 Lindner, Beizjagd - K. Lindner, Art. »Beizjagd«, in: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, hg. von Johannes Hoops, 2. Aufl. Berlin/New York 1976, S. 163-171 Lorenz, Kaiserswerth - Sönke Lorenz, Kaiserswerth im Mittelalter. Genese, Struktur und Organisation königlicher Herrschaft am Niederrhein, Düsseldorf 1993 (Studia humaniora 23) Lothmann, Engelbert - Josef Lothmann, Erzbischof Engelbert I. von Köln (1216-1225). Graf von Berg, Erzbischof und Herzog, Reichsverweser, Köln 1993 (Veröffentlichungen des Kölnischen Geschichtsvereins 38) Lucas, Election - Henry S. Lucas, The Low Countries and the disputed imperial election of 1314, in: Spéculum 21,1946, S. 72-114 Lucas, Famine - Henry S. Lucas, The great european famine of 1315, 1316, and 1317, in: Spéculum 5,1930, S. 343-377 Mackes, Kessel - Karl L. Mackes, Die Grafen von Kessel und die Entstehung des Amtes Brüggen, in: Heimatbuch des Kreises Viersen 1979, S. 87-109 Maschke, Stellung - Erich Maschke, Die Stellung der Reichsstadt Speyer in der mittelalterlichen Wirtschaft Deutschlands, in: VSWG 54,1967, S. 435-455 Matheus, Rieslinganbaugebiet - Michael Matheus, Die Mosel - ältestes Rieslinganbaugebiet Deutschlands?, in: Landeskundliche Vierteljahrsblätter 26,1980, S. 161-173 Matheus, Trier - Michael Matheus, Trier am Ende des Mittelalters. Studien zur Sozial-, Wirtschafts- und Verfassungsgeschichte der Stadt Trier vom 14. bis 16. Jahrhundert, Trier 1984 (THF 5) Matscha, Heinrich I. - Michael Matscha, Heinrich I. von Müllenark. Erzbischof von Köln (1225-1238), Siegburg 1992 (Studien zur Kölner Kirchengeschichte 25) Mayer, Kaufmannschaft und Markt - Ernst Mayer, Zoll, Kaufmannschaft und Markt zwischen Rhein und Loire bis in das 13. Jahrhundert, in: Germanistische Abhandlungen zum 70. Geburtstag Konrad von Maurers, Göttingen 1893, S. 375-488 Mayer, Kreuzzüge - Hans Eberhard Mayer, Geschichte der Kreuzzüge, 7. Aufl. Stuttgart 1989 (Urban-Taschenbücher 86) Mayer, Rezension - Theodor Mayer, Rezension von >Städtewesen und Bürgertum. Gedächtnisschrift für Fritz Rörig, hg. von A. von Brandt und W. Koppe, Lübeck 1953