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German Pages 25 [36] Year 1919
A. Marcus & E. Webers Verlag (Dr. jur. Albert Ahn) In Bonn
Deutscher Aufbau Eine Schriftenreihe fiber politische, wirtschaftliche und kulturelle Gegenwartsfragen Herausgegeben von
Professor Dr. Stier-Somlo in Köln Der tragische Ausgang des Weltkrieges für Deutschland beherrscht alle Geister und Gemüter. Die Uebermacht der Feinde, die Unzulänglichkeit des bisherigen politischen Systems, eine große Anzahl von erst durch die spätere geschichtliche Forschung vollständig zu klärenden Ursachen haben das Reich und die Einzelstaaten zerrüttet, politisch und wirtschaftlich umgewälzt. Ungeheure Veränderungen sind vor sich gegangen, weitere stehen bevor. Millionen von deutschen Herzen bangen in schwerer Sorge um die Reichseinheit, den völkischen Zusammenhalt, ja um die bloße Daseinsmöglichkeit der Gemeinschaft wie des einzelnen. Die Seelen von vielen Hunderttausenden sind erschüttert. Noch drohen schwere Schicksalsschläge. Das Leben jedes Staatsangehörigen und des gesellschaftlichen Körpers, das wirtschaftliche und politische Dasein der Nation ist noch keineswegs gesichert. Die Folgen des Zusammenbruchs sind zu drückend und verheerend, die Qual der Stunde zu groß, um die nationale Trauer bereits überwinden zu können. U n d d o c h muß D e u t s c h l a n d , a l s S t a a t und V o l k , l e b e n u n d e s w i r d l e b e n . Unter vollem Verzicht auf die nur von einer geringen Minderheit früher gehegten imperialistischen Hoffnungen, demokratisiert in seiner Verfassung und Verwaltung, in seiner Wirtschaft und seinen gesellschaftlichen Beziehungen, wird Deutschland, nach Wiederkehr geordneter Zustände, eine gleichberechtigte Stellung im Kreise der Kulturnationen einzunehmen trachten, wetteifern in Werken der Wohlfahrt und Gesittung. Es darf keine Zeit versäumt werden, um weiteste Volkskreise zum Bewußtsein der hohen deutschen Sendung, die auf dem Gebiete friedlicher, geistiger und wirtschschaftlicher Entwicklung liegt, zu bringen, sie durch diese Zielsetzung aufzurichten und ihnen die Erlangung der dazu erforderlichen Mittel zu erleichtern. Eine der ersten Voraussetzungen hierzu ist das V e r s t ä n d n i s f ü r d i e g r o ß e n G r u n d f r a g e n und Probleme, die in politischer und wirtschaftlicher Hinsicht vor dem deutschen Volke sich erhoben haben und von deren Ergreifen und Lösung s e i n e Z u k u n f t a b h ä n g t . Auch im Sturme des Weltbrandes und der Revolution darf die Stimme d.er Einsicht, der klaren Sachlichkeit nicht überhört werden. Das Leben mit und in Schlagworten ohne geistige Klarheit ist unwürdig und gefährlich: Hunderttausende lechzen nach einwandfreier Beantwortung der staatlichen und gesellschaftlichen Fragen, die sich vor ihren Augen auftürmen. Sie wünschen, daß sich der gellende Schrei des mißtönigen Interessenwiderstreits, der aus dem Unglück der Waffenniederlage erwuchs, sich zu versöhnend verständiger Aussprache im Staatsinnern und in der Völkergemeinschaft ermäßige. Forts. 3. Umschlagselte
Rheingrenze und Puffer ilaat Eine
volkswirtschaftliche
Betrachtung
Von
Dr. B r u n o K u s k e Profeflo.- der Wirtfchaftsgefchichte an der Handehhochfchule zu Köln
Herausgegeben vom Freiheitsbund der deutfchen Rheinlande
oA
Bonn
1919
A. M a r c u s & E. W e b e r s (Dr. jur. Alb«rt Ahn)
Verlag
Nachdruck verboten. Alle Rechte, befonders dos der Oberfetjung in fremde Sprachen, behält fich der Verlag vor. Copyright by A. Marcus & E. Webers Verlag, Bonn 1919.
Rheingrenze und P u f f e r s t a a t i Schon bei entferntester Erwägung dieser politischen Ziele fühlen wir alle einmütig, daß für uns Verstandeserwägungen zurücktreten hinter der Tatsache, daß es f ü r uns Herzenssache ist, solche Bestrebungen abzuweisen. Daß die Rheinlande unlösbar m i t ? dem großen deutschen Vaterlande verbunden sind, lebt uns so in Fleisch und Blut, daß wir den bloßen Hinweis auf unseie Stammeszugehörigkeit und das uns ausdrücklich zugesicherte Selbstbestimmungsrecht der Völker als hinreichend erachten, um diese Pläne abzutun. Und doch ist es notwendig, auch zu prüfen und zu sagen, auf welchen r e a l e n Grundlagen die Zugehörigkeit der Rheinlande zum ganzen Deutschland beruht, und welche Tragweite eine Trennung des wirtschaftlichen Zusammenhanges zwischen beiden haben muß. Wir müssen uns klar machen, welche wirtschaftlichen und damit welche sozialen und kulturellen Werte auf dem Spiele stehen, welche politischen Gefahren unsere Z u k u n f t bedrohen, wenn eines von beiden, Rheingrenze oder Pufferstaat, Wirklichkeit werden sollten. Es kann nicht genug betont werden, daß das wirtschaftlich blühendste und reichste Land ganz Deutschlands auf dem Spiele steht und der Zerrissenheit oder einer unheilvollen Scheinselbständigkeit preisgegeben werden soll. Rheinland und Westfalen, die Kernstücke des geplanten Pufferstaates, sind ein Gebiet von 47 000 qkm, das rund 9 % des deutschen und 14 % des preußischen Bodens u m f a ß t ; ihr Bevölkerungsanteil — bereits im J a h r e 1910 11 7< Millionen stark — beträgt aber 18 bezw. 29 %. Im einzelnen entfallen hiervon auf das Rheinland, dessen Schicksal uns besonders angeht, mit seinen 27 000 qkm 5 % der deutschen und 8 % der preußischen Fläche, sowie mit 7,125 Millionen 11 % der deutschen und 18 % der preußischen Bevölkerung.
4 Das Urteil über die Bedeutung eines Landes hängt nicht nur von seiner Größe und Volkszahl, sondern vor allem auch von seines Volkes Leistungen, von seiner äußeren Ausstattung und dem Schwünge seiner wirtschaftlichen Entwicklung ab. Ein wichtiger Gradmesser ist hierbei die Betätigung in Industrie, Handel und Verkehr, also in den Wirtschaftszweigen, die mehr als die vom Ausmaß ihres Bodens beschränkte Landwirtschaft imstande sind, ein schnell emporwachsendes Volk zu ernähren und der eigentliche Unterbau seiner Kultur zu sein. Und das von ihnen geschaffene großstädtische Leben ist ganz besonders die Grundlage aller weiteren geistigen Leistungen in Volkswohlfahrt, Wissenschaft und Kunst und mindestens der vorherrschende Träger des Verständnisses für sie. Länder mit starker Industrie- und Handelsentwicklung und vorwärtsstrebenden Großstädten sind die Führer im zivilisatorischen Aufstieg der Menschheit geworden. In dieser Hinsicht beanspruchen Rheinland und Westfalen eine Bedeutung, die über den erheblichen Anteil ihres Bodens und ihrer Volkszahl am deutschen Ganzen noch beträchtlich hinausgeht. Bereits im J a h r e 1907, aus dem uns die letzten umfassenden und zugunsten der Westprovinzen sicher längst veralteten Zahlen vorliegen, gehörten im Rheinland 61 %, in Westfalen 64 % aller arbeitenden Menschen der Industrie, dem Handel und dem Verkehr an, während deren Beteiligung im Reich nur 49, in Preußen nur 48 % betrug; und von 1882 bis 1907 wuchsen die entsprechenden Menschenzahlen ven 2,4 auf 4,6 im Rheinland, von 1,15 auf 2,7 Millionen in Westfalen an. Daraus erklärt es sich auch, daß beide Provinzen unter den größeren deutschen Gebieten im Laufe des letzten Jahrhunderts ständig mit die größten jährlichen Volkszunahmen (von 1,40 ver. 1,44 %) aufzuweisen hatten und hierin nur vom Königreich Sachsen übertroffen, von dem durch die Stadt Berlin in nicht vergleichbarer Weise beeinflußten Brandenburg nur erreicht wurden. Besonders das Rheinland weist eine hervorragende großstädtische Entwicklung auf, die am besten damit gekennzeichnet ist, daß fast 1 / i aller deutschen und genau Vs a ^ e r preußischen Orte mit mehr als 100 000 Einwohnern in seinen Grenzen liegt. Westfalen, bei dem das Einzelhofsystem bis zum heutigen Tage in der Entwicklung der Ortsgrößen nachzuwirken scheint, zeigt wenigstens eine auffallend große Zahl von Mittelstädten und großen stadtähnlichen Landgemeinden.
5 Diese Zahlen beweisen Blüte, Fortschritt und Schwung, und unsere Provinzen haben sie außer ihrer eigenen Auss t a t t u n g und Veranlagung vor allem der Zugehörigkeit zu einem großen und im ganzen vorwärtsstrebenden Lande zu verdanken, mit dem sie in wechselseitigem Austausch von Gütern und Menschen auf das engste verbunden sind. Sie haben ihn namentlich dem Umstände zu verdanken, daß sie dem Reiche und besonders dem preußischen Staate, wie sofort zu zeigen sein wird, außerordentlich viel zu geben haben und daß sie sich innerhalb dieser größeren Verbände erst wahrhaft ausleben können. Es ist mit Bestimmtheit anzunehmen, daß sie das bei der Einverleibung in den Westen oder bei der Abtrennung zu einem vereinzelten Sonderstaat nicht mehr vermögen werden, da sie in diesem Falle entweder auf den Wettbewerb des neuen „Vaterlandes" oder auf einen wesentlich verminderten Bedarf stoßen werden. Der P u f f e r s t a a t kann dazu auch mit einer verstärkten handelspolitischen Gegnerschaft seiner Nachbarn rechnen. Seine Stellung wird in dieser Hinsicht z. B. den wirtschaftlich ähnlich gearteten und scharf mit ihm konkurrierenden Belgien und England gegenüber wesentlich schwächer sein, als wenn das Deutsche Reich mit seinem größeren wirtschaftlichen Gewicht seine Politik f ü h r t . Das gleiche ist für seine Beziehungen zu dem an sich schon weniger als Deutschland verbrauchenden Frankreich anzunehmen, zumal von diesem eine verschärfte Fortsetzung seiner altgewohnten Handelspolitik zu erwarten ist, die sich stets durch rücksichtslosesten nationalen Egoismus gekennzeichnet hat. Dieser dürfte schon durch die Notwendigkeit des „Wiederaufbaues" neue reiche Nahrung erhalten. Deutschland aber kann, so sehr es auf die Erzeugnisse des Pufferstaates angewiesen sein wird, diesem dennoch das Leben durch die Handhabung seiner Zollpolitik erschweren. Ihm bietet sich z. B. in dem Umstand, daß es englische und amerikanische Waren zum Ersatz heranziehen kann, ein Mittel, ihn zu seinem Nachteil gefügig zu machen. Das alles sind allgemeine Tatsachen, die bereits sehr geeignet sind, den bisherigen westdeutschen wirtschaftlichen Aufst eg zu hemmen. Eine eingehendere Betrachtung der wirtschaftlichen Eigenart unserer Provinzen und namentlich des am meisten betroffenen Rheinlandes enthüllt weitere Gefahren. Das Wirtschaftsleben von Rheinland-Westfalen wird vor allem durch seinen gewaltigen Bergbau und seine Metallindustrie charakterisiert.
6 Der S t e i n k o h l e n b e r g b a u an der Ruhr, Saar und Inde-Wurm fördert jährlich rund 125 Millionen Tonnen, d. i. 70°/ o der gesamten deutschen Erzeugung, und diese Mengen verteilen sich auf die genannten Bezirke mit 106, 16 und 3 Millionen. Dem preußischen Staate würde nach der Abtrennung des Westens in der Hauptsache nur das oberund niederschlesische Gebiet bleiben, von denen das erstere mit seinen 40 bis 45 Millionen Tonnen übrigens noch durch die polnischen Ansprüche gefährdet ist. Der Fiskus selbst ist dazu an der westdeutschen Ausbeute mit rund 30 Millionen Tonnen beteiligt, da er den Saarbergbau zu 99 % beherrscht und neuerdings auch im Ruhrrevier seit Entwicklung seiner großen Schächte im Norden und seit der während des Krieges erfolgten Erwerbung der Riesenzeche Hibernia der größte Unternehmer geworden ist. Auch im Braunkohlenbergbau Deutschlands nimmt besonders das Rheinland eine Stellung von wachsender Bedeutung ein, indem es fast 1 / i der Gesamterzeugung liefert, die ihren Sitz in den sich längs des Vorgebirges parallel zum Rhein bis weit in die Kreise Neuß und Grevenbroich erstreckenden Streifen hat, wo sich auch die größten Braunkohlenunternehmen Deutschlands entwickelt haben, die nur von einem Werke in der Provinz Sachsen an Kapitalkraft übertroffen werden. Der jährliche Wert der in Rheinland-Westfalen gewonnenen Stein- und Braunkohle überstieg schon im Jahre 1912 1 y 2 Milliarde Mark; die Zahl der Arbeiter betrug rund 460 000 gegen 270 000 des übrigen Deutschlands. Ganz parallel liegen die Verhältnisse in der E i s e n industrie. Beide Provinzen gewannen im Jahre 1913 etwa 53 % des deutschen' Roheisens, nämlich 10 von 19 J/ä Millionen Tonnen (Ruhrgebiet: 42% %, Saargebiet 7llla %, westfälisches Siegerland 3 % %). Die entscheidende Bedeutung des ganzen westdeutschen Zollgebietes für unsere wirtschaftliche Zukunft wird noch klarer, wenn man bedenkt, daß außerdem der luxemburgisch-Iothiingische, also außerhalb beider Provinzen gelegene, mit ihnen aber aufs engste durch die gleichen Unternehmungen verbundene Bezirk für sich allein weitere 33,3 % herstellt, so daß also von den Gebieten, deren Verlust uns droht, mehr als 86 % des Roheisens aufgebracht wird. Verdeutlicht wird die Sachlage weiterhin durch den Hinweis darauf, daß die rheinisch-westfälische Eisenindustrie zum großen Teil in ihrer Roheisengewinnung von den Erzlieferungen des lothringisch-luxemburgischen Bezirks nach dem Ruhrgebiet abhängig geworden ist und
7 gerade aus diesem G r u n d e große Z w e i g w e r k e in j e n e m a n legte, deren E r z e u g u n g in den l o t h r i n g i s c h - l u x e m b u r g i s c h e n Zahlen s t e c k t . Besonders die R u h r i n d u s t r i e pflegte a u ß e r d e m vor d e m Kriege einen s e h r wesentlichen Teil ihres E r z b e d a r f e s a u s Spanien und Schweden und anderen Ländern zu d e c k e n ; d a a b e r besonders die beiden e r s t g e n a n n t e n L ä n d e r w ä h r e n d des Krieges in n i c h t zu u n t e r s c h ä t z e n d e m U m f a n g e zu eigener V e r h ü t t u n g ihrer Erze übergegangen sind, so g e w i n n t die A b t r e n n u n g von L o t h r i n g e n - L u x e m b u r g v o m d e u t s c h e n W i r t s c h a f t s g e b i e t eine sehr e r h ö h t e B e d e u t u n g , z u m a l gleichzeitig f ü r die ersten J a h r e k a u m zu e r w a r t e n ist, d a ß diese Ausfälle von n e u erschlossenen überseeischen E r z lagern her w e t t g e m a c h t werden k ö n n e n . Weiter kommt hinzu, d a ß a u c h das n ä c h s t b e d e u t e n d e — oberschlesische — Industriegebiet, das m e h r als 5 % (1 Million T o n n e n ) des Roheisens h e r v o r b r i n g t , unsicher ist. Es ist s e l b s t v e r s t ä n d l i c h , d a ß auch die S t a h l e r z e u g u n g R h e i n l a n d - W e s t f a l e n s die s t ä r k s t e in D e u t s c h l a n d i s t ; ja gerade auf diesem Gebiet ä u ß e r t sich die h o h e Leistungsfähigkeit unserer P r o v i n z e n in der E i s e n i n d u s t r i e g a n z besonders. R u h r - u n d Saargebiet stellten nämlich im J a h r e 1913 von den 18,9 Millionen T o n n e n g a n z D e u t s c h l a n d s mit 12,2 Millionen f a s t 2 / 3 her, u n d diese S t a h l m e n g e w a r u m 3,6 Millionen T o n n e n g r ö ß e r als die des Roheisens, was sich d a r a u s e r k l ä r t , d a ß L o t h r i n g e n - L u x e m b u r g , die n u r m i t 20 % an der d e u t s c h e n S t a h l p r o d u k t i o n beteiligt sind, den beiden Gebieten b e d e u t e n d e R o h e i s e n b e s t ä n d e f ü r die S t a h l g e w i n n u n g lieferten. A u ß e r d e m ist die rheinisch-westfälische Industrie in n e u e r e r Zeit d a z u übergegangen, besonders den hochwertigeren S i e m e n s - M a r t i n s t a h l zu gewinnen, wobei große Mengen Alteisen m i t v e r b r a u c h t w e r d e n . Diese S t a h l s o r t e w u r d e im J a h r e 1913 in unserem Gebiet bereits in gleicher Menge wie der in r o h e r e m V e r f a h r e n erzeugte K o n v e r t e r s t a h l , den Lothringen u n d L u x e m b u r g bevorzugen, a u s g e b r a c h t . Auf dieser gewaltigen S c h w e r i n d u s t r i e b e r u h t ein großartiges und n a h e z u lückenlos a u s g e b a u t e s S y s t e m von W a l z werken, Gießereien, K r a f t - u n d W e r k z e u g m a s c h i n e n f a b r i k e n und von F a b r i k e n und W e r k s t ä t t e n der Kleineisenindustrie, wie es in D e u t s c h l a n d u n d in g a n z E u r o p a nicht wieder zu verzeichnen ist. In d e r M o n t a n - u n d Metallindustrie beider Provinzen sind Milliarden von K a p i t a l i e n angelegt, die sich von Riesenbetrieben wie K r u p p (250 Millionen Mark), der Gelsenkirchener Bergbau-A.-G. (180 Millionen Mark), der D e u t s c h - L u x e m burgischen Bergwerks- u n d H ü t t e n - A . - G . zu B o c h u m (130
8 Millionen Mark) oder dem Phoenix zu Hörde (106 Millionen Mark) bis zum kleinsten handwerksmäßigen Hammer des Märkischen Landes abstufen. Die gesamte Metallindustrie beider Provinzen beschäftigt 750 000 Arbeiter. Neben der Kohlen- und Eisenproduktion hat besonder* die des Zinkes namentlich im Rheinland überragendere Bedeutung; sie ist neben der von Schlesien und Belgien die bedeutendste in Europa. Ihre Unternehmungen beruhen zum Teil auf Kapitalien, deren Größe immerhin an die der mittleren Eisenwerke heranreicht (A.-G. für Bergbau, Blei- und Zinkfabrikation in Stolberg rund 30 Millionen, RheinNassauische Bergwerks- und Hütten-A.-G. 13 Millionen Mark). Die schwere Industrie mit ihren riesigen und mannigfaltigen Anlagen und ihren Arbeiterscharen hat mittelbar und unmittelbar besonders im Rheinland eine sehr bedeutende Hilfsindustrie hervorgerufen, ohne die jene sich kaum-zu ihrer jetzigen Größe entwickeln konnte und die auch durch direkte Leistungen an das übrige Deutschland und an den Weltmarkt sehr wichtig ist. In nicht weniger als 5000 Betrieben mit 100 000 Beschäftigten erfolgt allein in der Rheinprovinz die Verarbeitung der S t e i n e u n d E r d e n , also in einem Umfange, der das gleiche Gewerbe aller anderen preußischen Gebiete übertrifft und in Deutschland nur von der allerdings weniger qualifizierten bayrischen Industrie überragt wird. Die rheinische Basalt- und Traßindustrie ist mit der Hauptversorger des gesamten Wasserbaues an der Nordund Ostseeküste bis hinein in die russischen Buchten und wickelt sich teilweise in sehr großen Unternehmungen ab, von denen z. B. die Basalt-A.-G. in Linz 9 Millionen Mark Kapital und 4000 Arbeiter beschäftigt. Die Rheinisch-Westfälischen Kalkwerke zu Dornap im Bergischen Lande, von der die Schwerindustrie mit einem ihrer wichtigsten Hilfsstoffe beliefert wird, stellen einen Trust von 13,5 Millionen Mark Kapital dar. Eine Weltstellung nimmt die Rheinische Steingutindustrie ein, die ein Viertel der gleichartigen Unternehmungen und ihrer Arbeiter von ganz Deutschland umfaßt; es sei nur an die unter ihnen führende Firma Villeroy & Boch in Mettlach an der Saar erinnert. Die rheinische G l a s i n d u s t r i e vertritt 1 / 8 der gesamtdeutschen. Sie hat in der A.-G. der Gerresheimer Glashüttenwerke die größte Flaschenfabrik Europas entwickelt, und bei weitem der größte Teil des deutschen Spiegelglases wird in rheinischen Fabriken gewalzt.
9 Auf der Produktion der meisten dieser Industrien, sowie auf ihrem und dem Bedarf der anderen, allen voran der Textilindustrie, baut sich im Rheinland die bedeutendste chemische I n d u s t r i e Deutschlands auf, die allein in der Rheinprovinz 30 000 Personen beschäftigt. Die Schwefelsäure-Industrie beruht zum größten Teil auf der Röstung der Schwefelkiese und Zinkerze und unterhält daher mannigfache Beziehungen zur Eisen-, Kupfer- und Zinkindustrie. Auf sie und die Ammoniakgewinnung der Kohlenzechen stützt sich eine gewaltige Sodaproduktion und die der übrigen Säuren. Und Schwefelsäure, Kalk, Soda und Kohle sind die hauptsächlichen Grundstoffe des großartigen Oberbaues der chemischen Industrie, unter der die der F a r b e n und S p r e n g s t o f f e die erste Stelle einnehmen, deren große Werke den gesamten Produktionsverlauf von der Gewinnung eigener Kohle und anderer Urstoffe sowie der Säuren und Alkalien an bis zum verfeinertsten Fabrikat hin im eigenen Betriebe vereinigen. So ist Köln der Sitz des deutschen „Ultramarintrustes" (Vereinigte Ultramarinfabriken A.-G.), der sich vor allem auf das alte große Werk von Leverkus in Leverkusen rechts des Rheines unterhalb der Stadt stützt, der zahlreiche aufgekaufte Werke in Deutschland stillgelegt hat und nun die gesamte Herstellung des Ultramarins und seiner näheren Verwandten in Deutschland regelt. Eine ähnliche ausschlaggebende Stellung nimmt Köln in der deutschen Blei- und Zinkweißindustrie ein. Über die Hälfte des Bleiweißes wird in seiner nächsten Umgebung hergestellt, und es ist daher auch der Sitz der Verkaufsstellen der Syndikate dieser Metallweißfarben für das ganze Reich. In der Lithoponfabrikation ist das Rheinland sogar relativ noch überlegener, da hier fast die gesamte Menge dieser wichtigen Farbe in Deutschland gemacht wird. Vor allem ist die Bedeutung der rheinischen Anilinfarbenindustrie im Vergleich zu der des übrigen Deutschland überwältigend und das besonders, wenn man die an der Rheinlinie südlich unserer Provinz liegenden Werke mit in Betracht zieht. Die deutsche Farbengroßindustrie ist seit dem 1. Januar 1916 in einem großen trustartigen Verband zusammengefaßt, der mit Aktienkapital und Reserven und unter Berücksichtigung der Aktienkurse ein Kapital von etwa 1200 Millionen Mark umfaßt, und der für den Kampf auf dem Weltmarkt nach dem Kriege abgeschlossen wurde. Er setzt sich zusammen aus den Farbenfabriken vorm. Friedr. Bayer & Co. in Lever-
10 kusen (90 M'llionen Mark Aktienkapital), den Badischen Anilin- und Sodafabriken in Ludwigshafen (90 Millionen Mark), den Farbwerken vorm. Meister, Lucius und Brüning in Höchst (90), der Akt.-Ges. f ü r Anilin-Fabrikation in T r e p t o w bei Berlin (33), den Chemischen Fabriken Griesheim-Elektron (25), Leopold Cassella & Co. (45), beide in F r a n k f u r t am Main und Weiler-ter Mer in Ürdingen (10). Außerdem wurde von ihm noch ein großes altes U n t e r n e h m e n in Barmen a u f g e k a u f t . Diese Übersicht zeigt, d a ß der S c h w e r p u n k t dieser besonders auch f ü r unsere Geltung auf dem W e l t m a r k t so außerordentlich wichtigen Industrie bei weitem am Rhein liegt und d a ß sie durch Rheingrenze oder P u f f e r s t a a t Deutschland teilweise oder f a s t ganz verloren gehen würde. Es handelt sich hierbei nicht n u r um die P r o d u k t i o n der G r u n d s t o f f e und der Farben, von denen letztere in unserer jährlichen A u s f u h r vor d e m Kriege allein mit300MillionenMark v e r t r e t e n waren, sondern auch um die Erzeugung der allerwichtigsten medizinischen Stoffe (Fieber-, Schlaf- und Diätmittel, Salvarsan usw.), sowie von photographischen und anderen technischen Chemikalien, mit denen Deutschland vom Rheingebiet aus in n u r schwach angefochtenem U m f a n g e die Welt versorgte. Diese chemische Industrie ist zugleich die Mutter einer weit über übliche Größen hinaus ragenden Industrie der künstlichen Düngemittel und vor allem der Sprengstoffe. Die letztere war bisher die leistungsfähigste der ganzen Welt und n a h m besonders mittels ihrer technischen Fortschritte eine f ü h r e n d e internationale Stellung ein, und zwar unter Leitung der Köln-Rottweiler Pulverfabriken in Köln. Zwar werden A b r ü s t u n g und Völkerbund die Wichtigkeit dieses Gewerbes vermutlich z u r ü c k d r ü c k e n . Aber Sprengstoffe für friedliche Zwecke werden infolge der durch den Krieg angeb a h n t e n Erschließung neuer Bodenschätze in allen Erdteilen in gesteigertem U m f a n g e erforderlich sein. Dazu wird die deutsche Sprengstoffindustrie, deren H a u p t f a b r i k e n ebenfalls zum größten Teile in unseren Provinzen liegen, Ersatz in der Herstellung allgemeinerer chemischer Stoffe und besonders auch von Farben suchen. Eine Verständigung hierüber ist mit d e m F a r b e n v e r b a n d bereits a n g e b a h n t , wodurch das Schwergewicht seiner Industrie und d a m i t das der westdeutschen Volkswirtschaft eine weitere große Verstärkung erfahren wird. Die rheinisch-westfälische e l e k t r i s c h e Industrie t r i t t zwar hinter der von Berlin und Süddeutschland zurück, wird von dieser teilweise beherrscht oder h a t , wie das Rheinisch-
11 Westfälische Elektrizitätswerk in Essen, das auf Grund eines Kapitals von 50 Millionen unter Ausnützung der Kokereigase der Kohlenzechen weithin Städte und Werke mit Elektrizität und Gas versorgt, mehr nur provinzielle Bedeutung. Dennoch ist die der elektrischen nahestehende große Kölner Kabelindustrie erheblich an der Gründung und Führung des deutschen Überseekabelwesens beteiligt, was schon daraus hervorgeht, daß die deutschen Kabelgesellschaften ihren Sitz in Köln haben. Die rheinische T e x t i l i n d u s t r i e beansprucht ebenfalls einen sehr bedeutenden Anteil an der gesamtdeutschen. Das gilt namentlich für die Seidenindu&trie des Krefelder Bezirkes und des Wuppertales, die 2 / s der deutschen umfassen. Krefeld allein setzt jährlich 100 Millionen in Seidenwaren ab, hat sich auf dem Weltmarkt hervorragend durchgesetzt und ist hier besonders auch mit seiner Krawattenindustrie tonangebend geworden. Die rheinische Tuchindustrie, die sich vorwiegend an die Aachener Gegend hält, beansprucht Ve der deutschen, und ähnlich verhält sich zu dieser die Leinenindustrie, die allerdings ihren Hauptsitz mehr im östlichen Westfalen hat, wo z. B. Bielefeld die größte deutsche Flachsspinnerei aufweist. Die rheinisch-westfälische Baumwollindustrie drängt sich hingegen näher an den Rhein heran, wo sie sich am linken Ufer mit dem Mittelpunkt in M.-Gladbach, sowie auf dem rechten im Wuppertal und drüben nach der holländischen Grenze zu im Münsterland ausbreitet, das z. B. in Gronau das bedeutendste deutsche Spinnereiunternehmen hervorbrachte. In Rheinland und Westfalen läuft aller deutschen Baumwollspindeln und -Webstühle, die sich in etwa gleicher Zahl auf beide Provinzen verteilen. Auf dieser Textilindustrie erhebt sich die Weltindustrie des Wuppertales, von der die Erzeugnisse der Spinnerei, Weberei und Färberei gemeinsam mit einer bunten Fülle anderer Rohstoffe zu Bändern, Spitzen, Litzen, Besätzen, Posamenten, Knöpfen, Gürteln, Hosenträgern und Kurzwaren verarbeitet werden, ein großartiges Seitenstück zu der eng benachbarten Kleineisenindustrie des bergisch-märkischen Landes. Nach der Zahl der von ihr beschäftigten Personen umfaßt die rheinisch-westfälische Textilindustrie mit etwa 250 000 Köpfen etwa 20 % der deutschen; sie zeichnet sich aber vor der der anderen Gebiete durch ihren harmonischen Aufbau und damit durch die Allseitigkeit ihrer Erzeugung aus. Mit all diesen, meist Minerallen und Fasern gewinnenden oder verarbeitenden Gewerben ist jedoch die Reihe der auch
12 verhältnismäßig im deutschen Ganzen b e d e u t e n d e n Industrien besonders in der R h e i n p r o v i n z bei w e i t e m nicht erschöpft. Das rheinische L e d e r g e w e r b e ist noch h e u t e trotz der Ü b e r h a n d n ä h m e der Quebracho-, Chrom- und Schnellg e r b u n g b e r ü h m t mit seinen lohgaren Sohlledern der Eifel und ihrer Grenzgebiete. Es h a t in der Herstellung v o n C h e v r e a u und Boxcalfleder, sowie von feinen Möbel- u n d Täschnereiledern z. B. in Kirn und Kreuznach W e l t f i r m e n gezeitigt. Es weist in Bonn die größte Lacklederfabrik in Deutschland auf. Aachen ist stets f ü h r e n d gewesen mit seinen Treibriemenfabriken, Mülheim an der R u h r mit seiner Wagen- u n d Geschirrlederindustrie. Gemeinsam mit der ebenfalls sehr erheblichen, besonders in Köln vereinigten G u m m i i n d u s t r i e s t e h t die des Leders in der Rheinprovinz n u r hinter der viel einseitiger gearteten und mehr F e r t i g f a b r i k a t i o n treibenden von Brandenburg-Berlin zurück. Ihr gehört Vio der deutschen zu, die im ganzen r u n d 48 000 Betriebe mit mehr als 200 000 Personen beschäftigt. Von den etwa 20 000 in den rheinischen Leder- und Gummibetrieben tätigen entfallen allein auf die Gerberei 7000. Ganz ähnlich s t e h t die rheinische P a p i e r i n d u s t r i e da. Sie kennzeichnet sich wie die Lederindustrie vor der der übrigen deutschen Gebiete durch ihre Qualitätsleistungen sowohl bei der Herstellung des ersten Fabrikates, als auch in einer außerordentlich vielseitigen und verfeinerten Weiterb e a r b e i t u n g aus, die in etwa 1800 Betrieben mit 25 000 Bes c h ä f t i g t e n erfolgt. Diese Zahlen bedeuten Yio deutschen P a p i e r i n d u s t r i e ; sie werden aber ganz erheblich zugunsten des Rheinlandes durch den viel höheren W e r t seiner Erzeugnisse verschoben und in vielen Sonderzweigen, wie z. B. in T a p e t e n , Briefumschlägen, Schreibwaren, P e r g a m e n t - und öldichten Papieren ist die rheinische Papierindustrie bahnbrechend und f ü h r e n d geworden. Die L e b e n s m i t t e l i n d u s t r i e des Rheinlandes ist an sich schon wegen des gewaltigen Bedarfes des Industriegebietes sehr beträchtlich. Sie h a t aber d a r ü b e r h i n a u s auch Erscheinungen von deutscher und von W e l t m a r k t b e d e u t u n g entwickelt. Es sei n u r an die b e d e u t e n d s t e Schokoladenfabrik der Welt, Gebr. Stollwerck in Köln, oder an die gewaltigen Margarinefabriken des Niederrheins erinnert (z. B. v a n den Bergh in Kleve mit 31 Millionen Mark Kapital u n d 3000 Arbeitern). Die deutsche Schaumweinindustrie hat sich zum wesentlichsten Teile im Rheinland und seinen südlichen Nachbargebieten am Rhein eingerichtet.
13 Der n a m h a f t e n Industrie der Westprovinzen m u ß n a t u r g e m ä ß ein hochentwickeltes Bankwesen entsprechen, das mit h u n d e r t e n von Millionen arbeitet, das die G r o ß u n t e r n e h m u n g e n finanziert und ihre laufenden Geschäfte erledigt. Es ist aber bemerkenswert, d a ß besonders in den letzten J a h r e n die rheinischen B a n k e n , die sich bisher mit großer Zähigkeit eine gewisse provinzielle Selbständigkeit gewahrt h a t t e n , schließlich dennoch größtenteils der Macht der auf Berlin konzentrierten G r o ß b a n k e n unterlagen. Besonders mit dem Übergang der Bergisch-Märkischen B a n k in Elberfeld an die Deutsche B a n k leitete sich ein s p a n n e n d e r Prozeß von großen Fusionen ein, deren aufsehenerregendste die des Schaaffhausenschen Bank-Vereins in Köln mit der Diskontogesellschaft im J a h r e 1914 und der Rheinisch-Westfälischen Diskonto-Gesells c h a f t in Aachen mit der Dresdner B a n k im J a h r e 1917 w a r e n . Die B e d e u t u n g der rheinischen Banken h a t sich wieder m e h r auf große Privatfirmen zurückgezogen, deren Einfluß auf das westdeutsche und das g e s a m t d e u t s c h e W i r t s c h a f t s leben besonders auch auf persönlichen Momenten b e r u h t und sich darin v e r r ä t , d a ß ihre U n t e r n e h m e r mit die meisten A u f s i c h t s r a t s m a n d a t e auf sich vereinigen. Ein Kölner Bankier s t e h t in dieser Hinsicht ü b e r h a u p t an erster Stelle im deutschen U n t e r n e h m e r t u m . Es k o m m t noch hinzu, daß in neuerer Zeit die Spitzen der westdeutschen Großindustrie anfangen, besonders die Finanzierungen ohne die Banken vorzunehmen, und d a ß sie diese zu entbehren wissen, da sie hierin stark genug geworden sind. Die B e d e u t u n g des westdeutschen geschäftlichen Zahlungsverkehrs spiegelt sich z. B. auch in der alle anderen überragenden Größe des Kölner Postscheckamtes und darin wider, d a ß sich 20 % des ganzen Reichsbankumsatzes mit Rheinland-Westfalen abwickelt. Eine Parallele hierzu ist die T a t s a c h e , d a ß die rheinisch-westfälischen öffentlichen Sparkassen a m Schlüsse des J a h r e s 1913 nicht weniger als 38 % aller preußischen und 25 % aller deutschen Sparkasseneinlagen zu verzeichnen h a t t e n . Schon dieser kurze Einblick in die wirtschaftlichen Leistungen der Westprovinzen enthüllt, welche Wirkungen ihre Losreißung und ihre Ü b e r f ü h r u n g in einen P u f f e r s t a a t f ü r das deutsche Wirtschaftsleben haben wird. Es w ü r d e sich u m eine unerhörte V e r s t ü m m e l u n g Deutschlands handeln, deren Tragweite noch d a d u r c h vergrößert wird, d a ß zugleich a u c h das zweitwichtigste Gebiet der schweren Industrie — Oberschlesien — b e d r o h t ist. Man will also einem Volke, das mit den Deutsch-Österreichern weiterhin
14 70 Millionen s t a r k bleiben Wörde, die H a u p t g r u n d l a g e n seiner W i r t s c h a f t und K u l t u r e n t w i c k l u n g — Kohlen-, Eisen- und chemische Industrie — bis auf kümmerlichste Reste n e h m e n ! Man will es namentlich in der Eisenindustrie, mit der es bei weitem an erster Stelle in E u r o p a s t a n d , fast zu einem Nichts verurteilen! Es ist klar, daß der Verlust der Westprovinzen den Untergang Deutschlands bedeuten würde. Er w ü r d e das deutsche Volk zur A u s w a n d e r u n g zwingen und den Z u r ü c k bleibenden ein kümmerliches Dasein bereiten, das n u r der d a u e r n d e Nährboden einer inneren Anarchie und einer erschreckenden Unmoral sein k ö n n t e . Und d a nicht a n g e n o m m e n werden kann, d a ß sich ein Volk von 70 Millionen, das sich w ä h r e n d eines ungeheuren Krieges als den anderen Völkern mindestens gleichwertig erwiesen h a t , trotz aller jetzigen Willenlosigkeit und aller A b s t u m p f u n g gegen sein Schicksal jemals aufgeben wird, so m u ß der P u f f e r s t a a t die Kriegsgefahr von Dauer bedeuten. Wie dazu Deutschland und vor allen Dingen Preußen die A b t r e n n u n g finanziell verwinden wollen, ist vollkommen unerfindlich. Ganz abgesehen von der sofort eintretenden Verwüstung ihres Staatskredites und den damit v e r b u n d e n e n Schädigungen ihrer jetzigen Gläubiger, werden sie nicht imstande sein, die vom Kriege geschlagenen W u n d e n ihrer Finanzen zu heilen, geschweige denn Kriegsentschädigungen zu zahlen, noch künftige staatliche Friedensaufgaben zu leisten. Am schwersten würde n a t u r g e m ä ß der preußische S t a a t betroffen werden, mit dem die Westprovinzen volksund staatswirtschaftlich am engsten v e r b u n d e n sind. Es wurde bereits erwähnt, welche großartigen Betriebe der Fiskus in der westdeutschen Montanindustrie, im R u h r gebiet und an der Saar besitzt. Sie werden ergänzt d u r c h das dichteste Eisenbahnnetz, das er innerhalb seines B a h n s y s t e m s unterhält, durch eine erhebliche u n m i t t e l b a r e Beteiligung an der Rhein- und Kanalschiffahrt, durch D o m ä n e n und Forsten und zahlreiche andere U n t e r n e h m u n g e n , deren Verlust seinem Haushalt einen schwer zu überwindenden Schaden bereiten würde. Dieser w ü r d e durch die d a u e r n d e E i n b u ß e an laufenden E i n k ü n f t e n empfindlich v e r m e h r t werden, d a die Westprovinzen dem G e s a m t s t a a t einen E r t r a g an direkten Steuern liefern, der verhältnismäßig höher als ihr Bevölkerungsanteil ist und sich auf 35 % beläuft, gegenüber einer Einwohnerzahl von 29 % . Er selbst wird, wie schon oben e r w ä h n t wurde, durch seine Losreißung ebenfalls schwer betroffen werden. Er
15 kann politisch und wirtschaftlich seiner ganzen Natur nach nur abhängige Interessensphäre oder ein Streitobjekt sein. Lehnt er sich an den Westen an, so fällt seiner Industrie die schwere Aufgabe der Anpassung an ein neues, teilweise mit ihr scharf wettbewerbendes Wirtschaftsgebiet zu. Es ist fraglich, ob sie bei ihrer allgemeinen Schwächung die mehrfache Umstellung — zuerst auf den Krieg, danach auf den Frieden und schließlich auf die Friedensarbeit innerhalb eines anderen Landes mit anderen Absatzbedingungen — in allen ihren Teilen noch leisten kann. Sodann aber ist sicher, daß sie, besonders sofern es sich um Fertigfabrikate z. B. der Metall-, Textil-, chemischen, Leder- oder Papierindustrie handelt, in Frankreich und Belgien auf ganz bedeutende Absatzhindernisse stoßen wird, da diese Länder hierin sich in der Hauptsache selbst genügten. Ob ihr statt dessen der Weltmarkt, auf dem sie nur unter sehr ungünstigen Bedingungen wird auftreten können, Ersatz für den deutschen Markt zu bieten vermag, ist ebenfalls ungewiß. Der Pufferstaat wird also seine wirtschaftlichen Kräfte nicht mehr frei entfalten und nicht gehörig ausnützen können. Seine bisher so schwungvolle Entwicklung muß gelähmt werden. Das wird sich aber vor allem dadurch verstärken, daß dieses Gebilde stets darauf gefaßt sein muß, Kriegsschauplatz zu werden, eine Aussicht, die in seinen Grenzen allen Unternehmungsgeist unterdrücken, und die auch von vornherein seinen Staatskredit vermindern wird. Es liegt auf der Hand, welche Folgen das für sein Volk h a t ; es wird kranken und verelenden wie das deutsche Volk. Dieser Staat wird uns dann an die berüchtigten herrenlosen Grenzstreifen und -länder erinnern, die Neger- und Indianerstaaten zwischeneinander aufrecht zu erhalten pflegen, jene verödeten, der Wildnis, der Verwahrlosung und dem Verbrechen preisgegebenen Gebiete, dazu verurteilt, das ständige Schlachtfeld für die ewigen Fehden der Anlieger zu sein! Aber Europa ist nicht Afrika. Frankreich ist nicht Wadai und Deutschland nicht Kordofan, als daß sie sich eine derartige für benachbarte Kulturstaaten so gänzlich veraltete Politik leisten könnten, die hier unfehlbar zur erneuten endgültigen Entscheidung über das Grenzgebiet drängen müßte! Dieses würde auch selbst endlich stürmisch den Austrag fordern. Aber auch die Bildung der R h e i n g r e n z e wird ähnliche Wirkungen haben, da sie ähnlichen Bedingungen gehorcht.
16 Hierbei handelt es sich zugleich um eine Zerreißung engster wirtschaftlicher V e r b i n d u n g e n und eines fest gefügten Organismus im einzelnen, der deshalb entstanden ist, weil der Strom als t r e n n e n d e Macht gegenüber dem neuzeitlichen Kulturwillen ohnmächtig, und weil er selbst eine seine Ufer fest v e r k n ü p f e n d e K r a f t geworden ist. Die Querwirkung des S t r o m e s ist aufgehoben und gegenstandslos geworden; d a f ü r h a t sich seine Längswirkung frei und großartig e n t f a l t e t , und deren Ziel ist nicht T r e n n u n g , sondern V e r b i n d u n g ! Diese Feststellung wird durch die wirtschaftlichen T a t sachen überzeugend b e s t ä t i g t . Es wird über den S t r o m hinüber- und herübergewirts c h a f t e t , gleichsam als ob dieser nicht vorhanden wäre oder in einer Form, bei welcher der S t r o m die westöstlichen Beziehungen als Verkehrsweg ü b e r h a u p t begründet oder mindestens wirksam fördert. Das gilt nicht nur f ü r die an sich ja lockeren und gegen Grenzziehung weniger empfindlichen K a p i t a l v e r b i n d u n g e n , sondern auch f ü r den Austausch von F a b r i k a t e n und Rohstoffen und n a m e n t l i c h f ü r so intime V e r b i n d u n g e n , wie sie zwischen verschiedenen Abteilungen der gleichen U n t e r n e h m u n g , die auf beiden Uferseiten verteilt sind, bestehen. Es w u r d e bereits b e r ü h r t , d a ß Berg- und Eisenwerke gleichzeitig Betriebe rechts und links des Rheines u n t e r halten. Sie besitzen Kohlenzechen, Hochöfen, sowie Stahlund Walzwerke im Ruhrgebiet und Eisengruben und Hochöfen in L u x e m b u r g oder Lothringen und tauschen zwischen ihnen Erze, Roheisen und Koks aus. Aus diesen Gründen sind die Ruhr-Eisenwerke zum Erz n a c h dem Süden gegangen und die Eisenwerke an der Saar und in L o t h r i n g e n - L u x e m b u r g zur Kohle n a c h d e m Norden. Diese E n t w i c k l u n g h a t sich nicht in einzelnen Ausnahmefällen vollzogen, sondern ist namentlich f ü r die größten W e r k e auf beiden Seiten, wie z. B. f ü r Gelsenkirchen, Phoenix, D e u t s c h - L u x e m b u r g , Thyssen, Röchling, S t u m m , R o m b a c h e r H ü t t e , de Wendel beinahe die Regel geworden, so d a ß eine große P r o d u k t i o n , H u n d e r t tausende von Arbeitern, sowie Kapitalien von H u n d e r t e n von Millionen von ihrem weiteren ungestörten Verlauf a b h ä n g e n . Mitunter können solche Verbindungen über den Rhein hinweg zwischen den beiden großen Industriegebieten recht vielseitig sein, wie das Beispiel des Lothringer H ü t t e n - und Bergwerkvereins in Nilfingen zeigt, der m i t dem Fassoneisenwerk L. M a n n s t a e d t in Kalk, der Düsseldorfer Eisenund D r a h t i n d u s t r i e in Düsseldorf, der Friedrich-Wilhelms-Hütte
17 in Troisdorf und zwei Kohlenzechen im R u h r g e b i e t verschmolzen ist. Aus ähnlichen Gründen wie die V e r k n ü p f u n g e n der R u h r mit L o t h r i n g e n - L u x e m b u r g - S a a r erfolgte eine so gewaltige Verschmelzung wie die der Gelsenkirchener Bergbau-AktienGesellschaft in Gelsenkirchen mit d e m Aachener H ü t t e n verein R o t h e E r d e in Aachen, d e m zweitgrößten Aktienu n t e r n e h m e n in der deutschen Industrie. Die rechtsrheinische D r a h t - und K a b e l f i r m a Feiten & Guilleaume in Köln-Mülheim b e t r e i b t linksrheinisch ein B r a u n k o h l e n - und Brikettwerk in Liblar und ein Stahlwerk in L u x e m b u r g zu ihrer Versorgung. Die großen zu beiden Seiten des Rheines gelegenen chemischen F a b r i k e n besitzen eine gemeinsame Kohlenzeche im R u h r g e b i e t . Ein zweites wichtiges Verbindungsgebiet quer über den S t r o m entwickelte sich in der Montan- und Eisenindustrie unten am Niederrhein. Dort begann zuerst die Firma Haniel ihren rechtsrheinischen Zechen die linksrheinische Rheinpreußen anzugliedern. Neuerdings haben auch andere große R u h r f i r m e n , wie Phoenix und K r u p p , wichtige Kohleninteressen in dem aussichtsreichen Gebiet zwischen Strom und Grenze b e g r ü n d e t . Stellenweise setzt der A b b a u der beiderseitigen Kohlenflöze sogar unter dem Rhein hinweg in engster technischer Verschmelzung der beiden Ufergebiete ein. Eine b e m e r k e n s w e r t e Verbindung ist m i t dem linken Rheinufer sogar die Prager Eisenindustrie in Wien — das größte U n t e r n e h m e n der österreichischen Schwerindustrie — eingegangen, das die Absicht hat, von seinen bei Issum und Rheinberg a n g e k a u f t e n Kohlenfeldern aus Koks über Rhein u n d Donau nach seinen alpinen Werken u n d über den künftigen Mittellandkanal nach seinen böhmischen Betrieben auszuführen. Ein zweites Motiv zur Vereinigung der beiden Ufer gab am Niederrhein die E i n f u h r ausländischer Erze ab. Sie vera n l a ß t e bekanntlich ü b e r h a u p t den Zug der H ü t t e n w e r k e z u m Rhein und die E n t s t e h u n g einer imposanten Hochofenu n d Stahlwerksindustrie a m Wasser. K r u p p gründete aus diesem G r u n d e die große F r i e d r i c h - A l f r e d - H ü t t e auf der linken Seite in Rheinhausen. Auch sonst ist das nördliche linke Rheinufer jetzt das Ziel zahlreicher industrieller N e u g r ü n d u n g e n , da das rechte Ufer keinen Platz f ü r große Anlagen besonders am Strome selbst m e h r h a t , w ä h r e n d doch das Bestreben nach Vereinf a c h u n g der T r a n s p o r t e , die Flucht vor dem Wagenmangel d e r Eisenbahnen, sowie die Rücksicht auf Verringerung der K u i k e , Rheingrenze und Pufferstaat.
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II Transportkosten ans Wasser drängen. Der Zug zum linken Ufer wird dort zugleich durch billige Bodenpreise und das Entgegenkommen der Gemeinden gefördert. Daher haben sich so wichtige Unternehmen, wie die Metallfarben herstellende Gewerkschaft Sachtleben in Homberg, die rechtsrheinische Zink- und Eisenerze und sogar Erze, die ihr von Magdeburg aus zugeführt werden, verwendet, oder das Stahlwerk Becker in Willich bei Krefeld, das hochwertigen Elektrostahl herstellt, dahin gewendet, obwohl ihr Absatz hauptsächlich mit nach der rechten Rheinseite erfolgt. Eine dritte Anregung zu wechselseitigen Verbindungen gab der Schwerindustrie der Braunkohlenbergbau des Vorgebirges. Das Braunkohlenbrikett drang in steigendem Umfange ins Ruhrgebiet, also selbst ins Reich der Steinkohle ein und machte sich hier dieser gegenüber durch seine vorteilhafteren technischen Eigenschaften und seinen billigen Preis besonders in den Siemens-Martin-Öfen, deren rasche Zunahme im Ruhrgebiet bereits mitgeteilt wurde, unentbehrlich. Die neuen großen Elektrizitätswerke des Braunkohlengebietes fingen an, ihren Strom auch auf das rechte Ufer zu entsenden. Umgekehrt gründete das Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerk in Essen im Braunkohlengebiet die große Zentrale Berggeist, und die rechtsrheinische chemische Industrie richtete hier neue auf der elektrischen Kraft beruhende Stickstoff- und metallurgische Fabriken ein oder erwarb Kohlengruben und Brikettfabriken zu eigener Versorgung. In der Metallindustrie sei hier noch auf die Verschmelzung der großen Waggonfabrik Herbrand in Köln-Ehrenfeld mit den Linke-Hofmann-Werken in Breslau oder auf die Vereinigung von nicht weniger als 7 Akkumulatoren-, Motoren-, Kraftwagen- und ergänzenden Metallwaren-Fabriken in KölnKalk, Ehrenfeld, Lindenthal, Klettenberg, Berlin, Apolda und Erbisdorf in Sachsen zu einem einzigen Unternehmen hingewiesen. Rechts- und linksrheinische Zechen und Eisenwerke sind zu Kohlensyndikat, Stahlwerksverband und anderen Kartellen verbunden und regeln Produktion und Absatz gemeinsam, wie ja überhaupt die Syndikate oft wieder besondere Gesellschaftsunternehmen mit bedeutenden Kapitalien, großem Personal und umfangreichen Verwaltungsgebäuden und -einrichtungen sind und auch für sich erhebliche sachliche und persönliche Werte darstellen. Die Beidseitigkeit der chemischen Industrie ging bereits aus den früheren Ausführungen hervor. Ihre Bedeutung für die Frage der Rheingrenze wird durch die sehr enge Interessen-
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gemeinschaft der beteiligten W e r k e gesteigert. Die einzelnen U n t e r n e h m e n haben sich aber auch f ü r sich in einander ergänzenden und unlösbaren Betrieben auf beiden Ufern eingerichtet. So haben z. B. die Bayer'schen Farbenfabriken schräg gegenüber von Leverkusen bei Worringen große neue Werke im Anschluß an die alten gegründet und Braunkohlenfelder im Kreise Grevenbroich belegt. Die b e r ü h m t e Duisburger K u p f e r h ü t t e in Duisburg liefert Schwefelkiese an rechts- und linksrheinische SchwefelsäureFabriken zur R ö s t u n g und n i m m t sie zurück, u m daraus K u p f e r und Eisen zu gewinnen. In Köln bilden rechts- und linksrheinische chemische Werke ein U n t e r n e h m e n , ebenso wie die b e k a n n t e große F a b r i k R h e n a n i a in Aachen und die chemische Fabrik Hönningen miteinander vereinigt sind. Die deutsche A m m o n i a k Verkaufsvereinigung in Bochum ist eine gemeinsame Organisation zahlreicher beidseitiger Kohlenzechen und chemischer Fabriken. Ähnlich arbeitet auch die elektrische Industrie über den Strom hinweg. Das Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerk sendet z. B. eine S t a r k s t r o m f e r n l e i t u n g von einem K r a f t w e r k bei Düsseldorf nach d e m linksrheinischen Gebiet hinüber. Die Rheinischen Schuckert-Werke in Mannheim betreiben zahlreiche linksrheinische Überlandzentralen in Hessen, der Pfalz und im südlichen Rheinlande. Gleiche und meist sehr bedeutende Kombinationen liegen in der Stein-, Ton-,- Glas- und Sprengstoffindustrie vor. Die rheinische Textilindustrie neigt ihrer zur größtmöglichen Betriebskonzentration drängenden N a t u r nach weniger zu auseinander liegenden Abteilungen. Bei ihr wird die Abhängigkeit v o m anderen Ufer m e h r von Industrieart zu Industrieart u n t e r h a l t e n , im Garn- und F a r b s t o f f b e z u g und in anderem unentbehrlichen Austausch. Sie besitzt aber zahlreiche Verbände, die von den H a u p t o r t e n des Gewerbes oder von den G r o ß s t ä d t e n a m Rhein aus über ihr ganzes Gebiet, ja oft über ganz Deutschland t ä t i g sind. Die Banken haben natürlich das ganze Land gleichmäßig mit ihren Geschäftsstellen überzogen, ebenso wie der W a r e n handel keine Grenze am S t r o m e beim Absatz zieht. Die Organisation des letzteren ist jedoch o f t m a l s auf b e s t i m m t e Orte konzentriert und bedient sich hier großer Lager- und Markteinrichtungen, die auf einen ungestörten, möglichst großen Bezug und V e r t r i e b nach allen Seiten hin abgemessen sind, und die ihre B e d e u t u n g u n d ihren W e r t verlieren würden, 2*
20 wenn man bei ihren Orten eine neue Landesgrenze ziehen würde. Besonders bei den Massengütern s t ü t z t sich dieser Handel auf die Rheinplätze, da die W a r e auf dem Strom k o m m t und geht oder am Orte ihren g r ö ß t e n Verbrauch findet, oder da die G r o ß s t ä d t e ü b e r h a u p t n u r i m s t a n d e sind, genügend große und geeignete Einrichtungen zu treffen. So ist Köln der größte V i e h m a r k t von W e s t d e u t s c h l a n d geworden, der weithin die Provinz mit Schlacht- und Zuchtvieh versorgt. Ähnlich arbeitet N e u ß von seinem M a r k t e aus. Die rheinisch-westfälische Getreide- und Mehlversorgung s t ü t z t sich auf die großen H a f e n m ü h l e n u n d Lagerhäuser von Duisburg, Düsseldorf, Neuß oder Köln und findet ihre Parallelen f ü r das süddeutsche Rheingebiet in Mannheim und Ludwigshafen. Köln ist Lagerplatz f ü r Spiritus, der von seinen T a n k s a m Rhein aus nach beiden Ufern hin an den größten Teil der P r o v i n z verteilt wird. Der gewaltige Duisburger Holzhandel s t e h t in vielseitigem G e s c h ä f t s v e r k e h r n a c h allen Richtungen. Ähnlich ist die Vertriebsorganisation der großen Untern e h m e n des Kleinhandels geschaffen. Die westdeutschen W a r e n h ä u s e r oder Kaffeegroßröstereien und anderen Lebensm i t t e l g e s c h ä f t e halten selbstverständlich bei der Ausgestaltung ihrer Zweigstellen keine Rheinlinie inne, sondern verbreiten sie zu H u n d e r t e n nach beiden Seiten hin. Ohne Rücksicht auf eine etwaige Abgrenzung durch den S t r o m , sondern vielmehr aus anderen Gesichtspunkten haben sich auch die R h e i n s t ä d t e und deren Verkehrseinrichtungen, wie B a h n h ö f e und Häfen, entwickelt. Die S t a d t v e r w a l t u n g e n versuchen ihr Gebiet nach bes t i m m t e n Plänen ausbauen zu lassen, in denen der Strom und seine Ufer eine einschneidende, aber v e r b i n d e n d e Rolle spielen. Sie erstreben dabei f ü r die einzelnen Uferteile eine gewisse Spezialisation, die von der Beschaffenheit und allgemeinen Lage des Ufers, dem U m f a n g und der Art seiner bereits vorh a n d e n e n Bebauung, der F ü h r u n g von Eisenbahnlinien und S t r a ß e n , von Bodenpreisen usw. abhängig ist. Da das der S t a d t gegenüber liegende Ufer in der Regel freier und von einem billigen unerschlossenen Hinterland umgeben ist, so wird dorthin der Industriehafen verlegt und d a m i t zugleich eine U m g r u p p i e r u n g der alten, sowie eine b e s t i m m t e Vereinigung der neu h i n z u k o m m e n d e n Industrie a n g e b a h n t . Der Handelsverkehr wird auf ein anderes Hafenbecken konzentriert und womöglich hier ebenfalls spezialisiert. Man t r e n n t örtlich die öffentlich b e w i r t s c h a f t e t e n Umschlagsund Lagerplätze und Speicher von den p r i v a t e n . So entsteht eine o f t beidseitige Organisation, die n u r als Ganzes in ein-
21 neitlicher Verwaltung benutzbar und lebensfähig ist, und deren Zerschneidung alle Beteiligten aufs schwerste schädigen und lähmen würde. Solche mehr oder weniger ausgeprägte beidseitige Hafenorganisationen haben sich in Straßburg-Kehl, MannheimLudwigshafen, Mainz-Kastel -Amöneberg - Kostheim - Gustavsburg, Köln-Deutz-Mülheim, Düsseldorf-Heerdt (im weiteren Sinne mit Neuß) sowie in Duisburg-Ruhrort-Homberg-Rheinhausen herausgebildet. Ihnen entsprechen meist große besondere Bahnanlagen und Güterbahnhöfe, deren Einrichtung verwandten Gesichtspunkten entspringt, und die ihnen auch absichtlich angepaßt werden, ?o daß also die Eisenbahnverwaltung in die Abhängigkeitsverhältnisse des Stadtentwicklungs- und des Hafensystems mit hineingezogen wird. Die Eisenbahn pflegt aber auch selbständig und ohne Verbindung mit diesen Faktoren ähnliche Verkehrssysteme beidseitig einzurichten, bei denen die Spezialbahnhöfe und -anlagen einander über den Strom hinweg zu ergänzen haben und voneinander nicht zu trennen sind, wenn sie benutzbar bleiben und ihren Sinn behalten sollen. Die über den Strom hinweg liegenden Städte pflegen in der Regel aus ungleichen Teilen zu bestehen. Der kleinere von ihnen wurde vom größeren einverleibt und verzichtete damit auf eine selbständige harmonische Weiterentwicklung. Er wurde abhängig von der Versorgung durch den größeren Teil und von seiner Finanzkraft, die allein zur Erschließung des kleineren überrheinischen Nachbarn imstande war und ihr einseitige Bahnen im Dienste des großen Ganzen wies. Eine Rheingrenze würde auch besonders die kleinere nun völlig fehlgeleitete und mit großen Aufgaben belastete Gemeinde in größtem Maße beeinträchtigen und sie lebensunfähig machen. Es sei hier nur auf Deutz oder Oberkassel-Heerdt gegenüber Düsseldorf hingewiesen. Städte, Häfen und Bahnhöfe sind am Rhein von der dauernden ungehemmten Verbindung der Ufer abhängig, und auf sie berechnet, wenn sie nicht zurückgehen und vereinsamen wollen. Das gleiche gilt vom Strome selbst, der in den letzten Jahrzehnten in ungeahntem Umfange an Verkehrsbedeutung gewachsen ist und mehr als je das feste Band zwischen rechts und links wurde. Seit den 30er Jahren ist der Strom durch gewaltige Regulierungen mit einem Aufwand von etwa 400 Millionen Mark, von denen ein Viertel der preußische Staat aufbrachte,
22 bedeutend leistungsfähiger g e m a c h t w o r d e n . Seine Verbesserung wird in Preußen durch eine einheitliche S t r o m b a u v e r w a l t u n g und die Rheinschiffahrtskommission, an deren Stelle jetzt der Wasserstraßenbeirat g e t r e t e n ist, ständig weiter gefördert, der sich aus den Vertretern aller an der B e f a h r u n g des Stromes Interessierten z u s a m m e n s e t z t . Es ist sehr fraglich, ob dieses W e r k nach T r e n n u n g der Ufer erfolgreich fortgesetzt werden k a n n . Welche Nachteile es hat, wenn am Rhein zwei S t a a t e n einander gegenüber liegen, zeigt das Beispiel Badens und Elsaß-Lothringens, deren Meinungsverschiedenheiten bisher die Ausgestaltung des Oberrheines zu einem zuverlässig brauchbaren Wasserwege sehr g e h e m m t h a b e n . Es ist anzunehmen, daß sich dieser Z u s t a n d bei der ganzen Art der französischen Wirtschaftspolitik auf den ganzen S t r o m ausdehnen und dabei verschlimmern wird. Welche Leistungen und W e r t e hier auf dem Spiele stehen, geht daraus hervor, daß in den deutschen Rheinhäfen im J a h r e 1912 über 6 6 7 4 Millionen Tonnen umgeschlagen wurden, die sich auf die wichtigsten H a f e n s y s t e m e wie folgt verteilen: Straßburg-Kehl 2,8 Millionen Karlsruhe 1,3 ,, M a n n h e i m - R h e i n a u - L u d w i g s h a f e n . . . . 9,6 ,, M a i n z - K a s t e l - A m ö n e b u r g - G u s t a v s b u r g . . 2,7 ,, Köln-Deutz-Mülheim (Rhein) l,9j Neuß 0,75 „ Düsseldorf-Heerdt 1,5 ,, Duisburg-Ruhrort-Rheinhausen-HombergAlsum-Schwelgern-Walsum . . . . 34,0 ,, Den größten Anteil beanspruchte von dieser Güterbewegung der Kohlenversand mit 21,5 Millionen Tonnen, von denen Iß 3 /* allein über die D u i s b u r g - R u h r o r t e r Becken gingen. Die deutsche R h e i n g ü t e r f l o t t e bestand im J a h r e 1914 aus r u n d 560 Schleppdampfern m i t 270 000 P f e r d e s t ä r k e n und 3500 Kähnen mit 2,5 Millionen Tonnen Ladefähigkeit. Ihre Leistungsfähigkeit verdeutlicht sich, wenn m a n sie mit der an Schiffszahl größeren holländischen Flotte vergleicht, die 580 Schlepper m i t 150 000 PS. und 7000 K ä h n e mit 3,5 Millionen Tonnen aufwies. W ä h r e n d also die Durchschnittsk r a f t eines holländischen Schleppers 260 P S . betrug, stand die eines deutschen auf r u n d 500; die Ladefähigkeit eines holländischen K a h n e s belief sich auf 420 T o n n e n , die eines deutschen aber auf 720! Diese Flotte liegt in der H a n d einer mannigfaltigen Fülle von U n t e r n e h m e n , die sich von Großbetrieben mit mehr als
23 50 Dampfern und mehr als 100 Kähnen bis zum kleinen Partikulierschiffer abstufen, der seinen Kahn selbst fährt. Die vom preußischen Fiskus beherrschte Gruppe umfaßt z. B. rund 60 Güterboote und Schlepper mit 28 000 P S . und 140 K ä h n e mit 135 000 Tonnen Ladefähigkeit, die des badischen Fiskus rund 75 Dampfer mit 28 000 P S . und 160 Kähne mit 173 000 Tonnen Ladefähigkeit. Ein Privatunternehmen wie das der Firma Matthias Stinnes besitzt eine Flotte von 80 Kähnen mit 80 000 Tonnen und etwa 30 Schlepper. Der Kohlenversand ist bekanntlich vom Kohlensyndikat in Form des Kohlenkontors in Mülheim-Ruhr organisiert worden, einer Handels- und Reederei-Gesellschaft mit 31,5 Mill. Mark Kapital, die von 45 Kohlen- und Schiffahrtsfirmen gebildet wird. Diese ist von den weittragendsten Folgen für die neuere Entwicklung der Rheinschiffahrt geworden, insofern, als sie die Verschmelzung zahlreicher großer Reedereien mit bergbau- und eisenindustriellen Firmen, die Bildung der sog. Zechenreedereien, verursachte, deren Zahl auf etwa 20 gestiegen ist, und von denen die 6 bedeutendsten allein mit 9 Millionen Tonnen an dem Gesamtversand des Kontors von 21 Millionen Tonnen beteiligt sind. Es ist überhaupt bemerkenswert, daß sich der Sitz der meisten großen Firmen in der Rheinschiffahrt auf dem rechten Ufer befindet, auf dem auch wegen des Hinterlandes das Schwergewicht des Hafenverkehrs liegt. An der Spitze stehen bei weitem Duisburg-Ruhrort und Mannheim an den Eingangspforten des Ruhrgebiets und Süddeutschlands. Nur der Rheinseeverkehr, der allerdings in seinen Leistungen erheblich hinter den Binnenverkehr zurücktritt, macht davon teilweise eine Ausnahme, d a er sich zur Hälfte in Köln vollzieht, und zwar hier infolge der Natur seiner Güter auf der linken, d. i. der eigentlichen Stadt- und Handelsseite. Hier befindet sich auch die bedeutendste ihn betreibende binnenländische Firma, die vom preußischen S t a a t beherrschte Rhein- und Seeschiffahrts-Gesellschaft. Dieser Verkehr wickelt sich aber in der Hauptsache — zu 70 % — mit dem jenseitigen Deutschland ab, und zwar besonders mit Hamburg und den Ostseehäfen. Er ist auch Gegenstand eines besonderen Dienstes, den große Bremer und Hamburger Reedereien, wie die Hamburg-Amerika-Linie, die Gesellschaften Argo und Neptun und auch kleinere Seefirmen, darunter die Svea in Stockholm eingerichtet haben, für den sie zum Teil in Köln Vertreterfirmen besitzen.
24 Die Rheinseeflotte umfaßte im J a h r e 1913 immerhin 62 Dampfer mit 56 000 Tonnen Ladefähigkeit, wozu noch 86 Leichter kamen, und er bewältigte im J a h r e 1912 rund 500 000 Tonnen. Für den Kölner Seeverkehr ist dabei charakteristisch, daß dieser mehr als der der anderen Rheinhäfen zugleich den Umschlag mit London betrieb, der 25 % des ganzen betrug. Der Personenverkehr, der von etwa 100 Dampfern betrieben wird, ist in seiner Organisation ebenfalls auf beide Ufer eingestellt. Seine wichtigsten Unternehmen, die Preußischrheinische Dampfschiffahrts-Gesellschaft in Köln und die Dampfschiffahrts-Gesellschaft für den Mittel- und Niederrhein in Düsseldorf, betreiben ihn seit Jahrzehnten in engster Interessengemeinschaft mit gemeinsamen Fahrplänen, Anlegeund Geschäftsstellen, so d a ß sie dem Fernstehenden als eine einzige Firma, die sog. „Köln-Düsseldorfer Gesellschaft" erscheinen. Ebenso betätigen sich die Verbände der Schiffahrt zu gemeinsamem Betrieb oder gemeinsamer Interessenvertretung, und zusammengesetzt aus Mitgliedern von beiden Ufern, unbeirrt über diese hinweg. Hierzu gehört neuerdings auch eine Schiffskreditbank, die in Duisburg von Banken und Reedereien mit 7 Mill. Mk. Kapital gegründet wurde in der Absicht, Pfandbriefe auszugeben, um mit deren Ertrag die Weiterentwicklung der in vollem Aufschwung begriffenen deutschen Rheinflotte zu fördern und den zurückgegangenen rheinischen Schiffsbau zu beleben. Ein undurchdringliches Geflecht von Wirtschaftsbeziehungen verbindet demnach die beiden Rheinufer. Es verdichtet sich noch ganz beträchtlich durch die tausendfachen Verbindungen des Güteraustausches, wie er vor allem auch über die zahlreichen, die Ufer fest aneinander schmiedenden Brücken durch Eisenbahnen und andere Verkehrsmittel in unkontrollierbarem, aber enormem Umfange vermittelt wird. Diese wirtschaftliche Einheit wird man nicht ungestraft auseinanderreißen können. Man kann nicht mehr eine Landesgrenze einen Strom entlang mitten durch stärkste Beziehungen hindurchlegen, durch kraftvolle neue Entwicklungstendenzen hindurch, zwischen Bergwerke, Hochöfen, Stahlwerke und andere Fabriken und unter rücksichtsloser Zerschneidung von kunstvollen Stadt- und Hafensystemen. Der Idee der Rheingrenze liegt der gleiche veraltete Grundsatz wie der des Pufferstaates zugrunde, nämlich allein der der militärischen Sicherung und der befestigten Grenzlinie.
25 Diese mag in West- und Mitteleuropa im Anschluß an Gebirge und andere von der Kulturentwicklung weniger beherrschte Strecken noch angebracht sein! Der belebteste Strom der Welt aber ist nicht dazu geeignet 1 Wird er die Grenze, so wird das wirtschaftlich und politisch in vollständig gleicher Weise auf das betroffene Gebiet und weiterhin auf die beteiligten Staaten wie der Pufferstaat wirken. Das rheinische Leben wird davon zerstört werden. Seine Fabriken werden darnieder liegen, seine Häfen vereinsamen, seine Städte verkümmern. Man denke nur daran, wie z. B. angesichts der Militärgrenze die am rechten Ufer dicht aneinander gereihten großen Berg- und Eisenwerke, Maschinen- und chemischen Fabriken und Großmühlen weiterleben wollen! Oder wie auf dem linken z. B. Wirtschaftszweige wie die Krefelder Seidenindustrie oder der Weinbau des Rheingaues und des Mosellandes gegenüber einem übermächtigen Wettbewerb der gleichen französischen Zweige weitergedeihen werden, oder welchen Sinn dann noch die großen belgischen, holländischen oder amerikanischen Industrieunternehmungen haben sollen, die wie z. B. die Spiegelglas- und Margarinewerke oder die großen Maschinen- und Garnfabriken der HarvesterGesellschaft zum Teil zur Vermeidung der hohen deutschen Zölle auf deutschem Boden zwischen Strom und Grenze mit bedeutendem Kapital gegründet wurden! Rheingrenze und Pufferstaat müssen von uns also auch aus den nüchternsten Erwägungen heraus abgelehnt werden. Wir müssen auch von der Wirtschaft aus gegen sie auf das schärfste Verwahrung einlegen und f ü r ihre zukünftigen Folgen jede Verantwortung ablehnen, nicht nur um des deutschen Volkes, sondern zugleich um der Menschheit willen!
A. Marcus & E. Webers Verla? (Dr. jur. Albert Ahn) In Bonn Vom Verfasser der vorliegenden Schrift erschien:
Die städtischen Handels- und Verkehrsarbeiter und die Anfänge städtischer Sozialpolitik In Köln bis zum Ende des 18. Jahrhunderts (Kölner Studien zum Staats- und Wirtschattsieben VIII) Preis Mk. 3 , - , mit Teuerungszuschlag Mk. 3,65
Aus den Besprechungen: Kuske hat es verstanden, ein anschauliches Bild der unteren Schichten des mittelalterlichen Handels- und Gewetbelebens der größten deutschen Handels- und Gewerbestadt des Mittelalters zu zeichnen, das heutzutage um so mehr Beachtung verdient, als gerade wieder die Frage des einheitlichen, systematischen Konsumentenschutzes in den Vordergrund des Interesses tritt. ( S c h m o l l e r s J a h r b u c h 39, 4.) Die vorliegende Untersuchung gewährt nicht nur ein anschauliches Bild von der Tätigkeit, wirtschaftlichen und sozialen Lage der zahlreichen Kategorien von Handels- und Verkehrsarbeitern im Dienste der Stadt Köln vom späteren Mittelalter bis in die neuere Zeit, sondern sie ist auch als bemerkenswerter Beitrag zur mittelalterlichen, kommunalen Finanzgebarung, zumal in der Erhebung mannigfacher indirekter Abgaben anzusehen. Dazu gibt sie eine übersichtliche Schilderung von der damaligen Bedeutung Kölns als Stapelplatz. (K a r t e i l r u n d s c h a u , D ü s s e l d o r f 1919.)
Erziehung zu sozialer Kultur Von Dr. Heinz Potthoff Preis Mk. 1,80, mit Teuerungszuschlag Mk. 2,20 Dafl g e r a d e die Sozialpolitik er d e n K r i e g als E r z i e h e r w e r t e n , w i r d n i e m a n d w u n d e r n . D i e S t ä r k e D e u t s c h l a n d s r u h t auf s e i n e r E i n h e i t u n d die d e u t s c h e Z u k u n f t ist g e s i c h e r t , w e n n es g e l i n g t , alle E i n z e l f ä l l e z u e i n h e i t l i c h e r G e s a m t l e i s t u n g zu vere i n i g e n . W i r b r a u c h e n e i n e b e d Utende S t e l g e r u n g u n s e r e r sozidien Kultur. P o t t h o f f , d e r u n s allen kein F r e m d e r ist, weist d a s l i b e i z e u g e n d n a c h u n d b e t o n t d i e Pflicht d e s S t a a t s g e f ü h l s , d e r D i e n s t - u n d Z a h l p f l i c h t , d e s SHtiichselns g e g e n d e n Staat einerseits, w i e d e n wi t s c h a f l l i c h e n W e r t des M e n s c h e n l e b e n s f n r d i e A l l g e m e i n h e i t a n d e r s e i t s . In dieser B e t r a c h t u n g ü b e r das T h e m a M e n s c h e n ö K o n o m i e , auf d a s die Volkswirtschaftsl e h r e r Immer d r i n g l i c h e r v e r w e i s e n , f i n d e t er b e s o n d e r s w a r m e T ö n e u n d treff lche Worte. U n s e r h ö c h s t e r w i r t s c h a f t l i c h e r W e r t , in g e w i s s e m S i n n e der e i n z i g e , ist d e r M e n s c h . W e r sich auf d i e s e n S t a n d p u n k t stellt, k a n n a n der B i l d u n g s f r a g e n i c h t v o r ü b e r g e h e n . Potthoff b e h a n d e l t sie In e i n e m A u i s a t z , der d u r c h a u s r i c h t i g e O e d a n k e n e n t h ä l t , d i e g a n z e O r ö ß e d< s P r o b l e m s in seiner B e z i e h u n g zu sozialer K u l t u r freilich n i c h t völlig erfaßt. — D i e S c h r i f t sei b e s t e n s e i n p l o h l e n . (Neue Bahnen.) Ein a u s g e z e i c h n e t e s , In vielem auch für u n s S c h w e i z e r l e s e n s w e r t e s B u c h , das Im I n t e r e s s e d e r B ü r g e r u n d d e s S t a a t e s e i n e n o c h weit s t ä r k e r e B e t o n u n g d e s Sozialen u n d Z r t ü l l u a g d e r sozialen F o r d e r u n g e n nach d e m K r i e g e v e r l a n g e n . (National - Z e i t u n g , Basel) W i e diese dringenden kulturpolitischen Forderungen erreicht werden können, bietet der Verfasser In d e r Schrift a n ; sein Verdienst Ist es, als der erste auf die Rechte a d Forderungen des Volkes h i n g e w i e s e n z u haben nach den geleisteten Anstrengungen hl d e m g e g e n w ä r t i g e n Ringen. D e n e n soziale und kulturelle Fragen Ihrer Volksgenossen w i d Mitbürger am Herze t l i e g e n , k a n n d i e Schrift n u r wärmstens empfohlen w e r d e n . (R e I c h s p o s t.)
A. Marcus & E. Webers Verlag (Or. jur. Albert Ahn) In Bonn Soeben
erschien:
Republik oder Monarchie im neuen Deutschland von
Dr. Fritz Stler-Somlo Professor des öffentlichen Rechts Preis Mk. 2,40, mit Teucrungszuschlag Mk. 2,OK
Ob im Deutschen Reiche und seinen Einzelstaaten der durch die Revolution ausgerufenen Republik oder in irgend einer Form der Monarchie als Staatsform die Zukunft gehört, ist hier in der Schrift des Staatsrechtslehrers an der neuen Universität Köln, Professor Dr. Stier-Somlo, zum ersten Male mit allen Mitteln der wissenschaftlichen Politik, in gemeinverständlicher klargegliederter Weise untersucht und beantwortet worden. Es sind dabei alle Vor- und Nachteile erörtert und das ganze Problem sowohl entwicklungsgeschichtlich als auch vom Standpunkte der Gegenwart und Zukunft behandelt worden. Die Zahl derjenigen Deutschen, die in dieser großen politischen Frage unsicher und tastend sind, dürfte sehr grofl sein. Es hat eben bisher an einer Schrift gefehlt, die, unter Beherrschung aller in Betracht kommenden Gesichtspunkte, mit unbedingter Sachlichkeit Aufklärung gebracht hätte. Aber auch die Anhänger der einen oder anderen Staatsform werden ihre Ansichten nachprüfen und entweder eine Bestätigung ihrer Auffassung und ihres politischen Strebens finden oder aber Gelegenheit haben, sich mit den entgegenstehenden Gründen auseinanderzusetzen. Jeder Deutsche, der wünscht, daß die Entscheidung über Republik oder Monarchie nicht nach unbestimmten Gefühlen, sondern nach objektiven Erwägungen getroffen wird, muß nach der vorliegenden glänzend geschriebenen Darlegung greifen.
A. Marcus & E. Webers Verlag (Dr. jur. Albert Ahn) In Bonn Soeben gelangte zur Ausgabe:
Von der Revolution zur Nationalversammlung Die Frage der rheinischwestfälischen Republik von
Hochschulprofessor Dr. Paul Moldenhauer Mitglied der preußischen Nationalversammlung
Preis 90 Pfg., mit Teuerungszuschlag Mk. 1,
Der Verfasser, der als Mitglied der Deutschen Volkspartei für den Wahlkreis Köln-Aachen zur Preußischen verfassunggebenden Landesversammlung gewählt worden ist, sieht in der Revolution nicht den siegreichen Durchbruch einer großen Idee, sondern die aus der Überreizung der Nerven zu erklärende Vorwegnahme künftiger Entwicklung, einen unermeßlichen Schaden, der dem deutschen Volke zugefügt worden ist, und zwar durch die Schuld der Sozialdemokratie. Er erblickt die erste Aufgabe der Nationalversammlung in der Schaffung von Ordnung. Dazu gehört die Beseitigung der vielen Nebenregierungen, insbesondere der Arbeiter- und Soldatenräte. Der Verfasser weist warnend auf das Beispiel der Französischen Revolution, die innerhalb von 9 Jahren Frankreich in das größte Elend gestürzt hat. Notwendig sei ferner, daß möglichst schnell alle Kriegsgesetze abgebaut werden, die heute noch das Gewerbe und den Handel in enge Fesseln schlagen. Eine Lösung der Frage der rheinischwestfälischen Republik hält der Verfasser nur möglich im Zusammenhang mit der Reichsverfassung. Sie können nur für die Rheinlande, für Preußen und Deutschland befriedigend gelöst werden, wenn alle Beteiligten einträchtig zusammenarbeiten und alle Nebenabsichten zurückstellen.
A. Marcus & E. Webers Verlag (Dr. jur. Albert Ahn) In Bonn
Deutsche Gedenktage Reden von
Prof. Dr. Chr. Eckert Geh. Regierungsrat Studiendlrektor der Kolner Hochschulen CInhalt: Die Rheinlande unter preußischer Herrschaft. — Deutschlands Erweckung. — Auslandsdeutschtum. — Der Kaiser im Krieg. — Deutsche Kriegsfinanzen. Gegenwartsaufgaben und Zukunftshoffnungen. Preis gebunden Mk. 2,90, mit Teuerungszuschlag Mk. 3,20 Auszüge aus Besprechungen: Die an deutschen Gedenktagen gehaltenen Reden Prof. Eckerts decken sich mit den Anschauungen wohl al er warmherzigen Patrioten, ihre Lesung wird den Deutschen daheim wie an der Krönt eine innere Freude und einen geistigen Genuß bereiten. (Kölnische Volkszeitung.) Wie immer bei den Arbeiten Eckerts, handelt es sich hierbei um formvollendete Darstellung, die den geschulten Wirtschaftspolitiker verrät. Die Verbreitung des Büchleins namentlich in Kreisen der Schulen dürfte angebracht erscheinen. (Norddeutsche Allgem. Zeitung.) Die Ganzes, rungen, Erlebnis
Reden bilden in dieser Zusammenfassung ein geschlossenes eine Art Kompendium der Stimmen, Anschauungen und Fordedie sich für einen denkenden Menschen aus dem elementaren des Krieges ergeben. (Kölner Tageblatt.)
Das Buch durchzieht der Glaube an Deutschlands Zukunft, aber die wachsende Erkenntnis zugleich, daß Deutschland nach dem Krieg nicht mehr wie vordem werden könne und daß Opfer und Anstrengungen auch weiterhin notwendig sind, damit unseren Nachfahren gleich Schreckliches erspart bleibt und sie einer besseren Zukunft entgegensehen dürfen. Es enthält Gedanken eines ernsten Vaterlandsfreundes mit ausgeprägtem Sinn für die lebendigen Forderungen seiner Zeit. ( K r e f e l d e r Zeitung.) Die Reden sind eine Lektüre für alle Patrioten, die sich über brennende Fragen der Gegenwart unterrichten und die eigenen Anschauungen überprüfen wollen. Sie eignen sich auch für die Schützengräben und lehren die draußen Kämpfenden, daß die Heimat ihrer stets gedenkt und ihnen hilft durchzuhalten bis zum guten Ende. Viele, die die Kriegsereignisse aufmerksam beobachten, werden den vorgetragen n Anschauungen zustimmen, können in ihnen eine Bestätigung des eigenen Wollens und Ansporn zu neuen Leistungen finden. (Mainzer Journal.)
A. Marcus &. E. Webers Verlag (Dr. jur. Albert Ahn) In Bonn Soeben erschien:
Frauendienstpflicht Von Dr. Käthe Schumacher Preis Mk. 1,80, mit Teuerungszuschlag Mk. 2, Die körperliche, geistige und hausliche Schulung der deutschen Frau hat sich im Weltkriege als Staatsnotwendigkeit erwiesen. Für den Pflichtzwang dazu, zur Ausbildung in den Grundlagen von Kochen und Haushalten, von Kinder- und Krankenpflege, hat man das Wort „Frauendienstpflicht" geprägt.. . Beachtenswert erscheint die am Schluß des Heftchens gegebene Anregung, die durch den Abbau der Kriegsindustrie plötzlich brotlos werdenden weiblichen Jugendlichen, die nach Hunderttausenden zählen und an enorme Lohn- und Arbeitsbedingungen gewöhnt sind, der nach Arbeitskräften schreienden Landwirtschait zuzuführen. Die schwere soziale Gefahr, die die Uebergangswirtschaft für diesen Teil der weiblichen Jugend mit sich bringt, könnte hier durch eine praktische Verwirklichung des Frauendienstgedankens zum Wohle des Volksganzen behoben werden. (Leipziger A l l g e m e i n e Zeitung.) Die Frauendienstpflicht als Staatsnotwendigkeit weiß Dr. Käthe Schirmacher sehr eindringlich klarzumachen. In temperamentvoller, doch sachlicher Weise fordert die Verfasserin u a. vor allem die Körper- und Charakterbildung, die Erziehung zur Haltung. Um den mannigfachen Aufgaben nach dem Kriege gewachsen zu sein, muß die Hausfrau ihr Fach können. Die Verfasserin zeigt die vielen Lücken in der Ausbildung der künftigen Mütter und Hausfrauen, in der praktischen Arbeit wie im sozialen Verständnis. Der Staat könne unter dem schweren wirtschaftlichen Druck nur hohe Mutterleistungen fordern, wenn er durch den staatlichen Aufwand des Frauendienstjahres die Kräfte schafft, um die Hemmungen zu überwinden. (Leipziger Tageblatt.)
Frauen und Weltpolitik Von L. Nleßen-Deiters in Bonn Preis 60 Pfg., mit Teuerungszuschlag 75 Pfg. . . . Die bekannte Schriftstellerin stellt in diesem Vortrage die gut motivierte Forderung, daß es Aufgabe der deutschen Frauen sei, sich selbst und die ganze heranwachsende Generation zielbewußt zum Verständnis deutscher Weltpolitik zu erziehen. Hier bietet sich der Frauenwelt die Möglichkeit eines unmittelbaren und starken Einflusses auf das politische Leben der Nation . . . (W e s e r - Z e i t u n g.) . . . L. Nießen-Deiters' Ausführungen sind voller Neugedanken, die in der Flut der Kriegsschriften gar nicht übersehen werden können und mit Spannung bis zu Ende gelesen werden . . . (Schlesische Volkszeitung.) . . . Die bekannte Verfasserin richtet in diesem Buche einen Appell an die deutschen Frauer, und bittet sie, die volle Bedeutung der Stunde, die unserem Volke geschlagen hat, zu erfassen und die Richtlinien der Zukunftsarbeit danach einzustellen . . . (Freisinnige Zeitung.)
Die hiermit eröffnete zwanglose Schriftenreihe will in diesem Sinne an „Deutschlands Aufbau" mithelfen. In kurzen Heften sollen von Sachverständigen gerade jetzt brennende polltische, wirtschaftliche und kulturelle Probleme behandelt werden. Sie sollen objektiv im höchsten Sinne sein, sich von jeder Parteipolitik fernhalten. Die Verfasser der einzelnen Schriften sind lediglich mit Rücksicht auf ihre Eignung und Sachkunde gewählt worden.
Es befinden sich in Vorbereitung und werden in Kflrze erscheinen:
Die Rheinlande und ihre wirtschaftliche Zukunft von
Professor Dr. L. von Wiese, Köln Preis etwa Mk. 2,40
Der Unternehmer im neuen Deutschland von
Professor Dr. Moldenhauer, Köln Preis etwa Mk. 2,40 Unter der Presse befindet sich:
Die Demokratie Ihre politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung von
Professor Dr. Fritz Stier-Somlo Umfang etwa 350 Seiten Das auf der Höhe der jüngsten Entwicklung stehende Buch wird die eingehendste und übersichtlichste Darstellung aller Gegenwartsprobleme der größten öffentlichen Bewegung unserer Tage bieten. Vorausbestellungen auf die hier angezeigten Schriften werden schon jetzt von allen Buchhandlungen und von A. M a r c u s & E. W e b e r s V e r l a g in B o n n , Dechenstraße 8, entgegengenommen. Kürzlich erschien:
Zusammenbruch und Wiederaufbau der deutschen Volkswirtschalt R e d e , gehalten von
Dr. Georg Solmssen Preis 20 Pfg.
A. Marcus & E. Webers Verlag (Dr. jur. Albert Ahn) in Bonn
Grund- und Zukunftsfragen deutscher Politik Von Dr. Fritz Stier-Somlo Professor d e s l W e n t l i c b e n Rechts
Preis: geheftet M. 6,—; mit Teueruiigszuschlag 6,60 M., gebunden M. 7,20, mit Teuerungszuschlag 7,90 M.
Auszüge aus Besprechungen: . . . Zur Gewinnung eines sachgemäßen Urteils über die wahrhaft unendliche Fülle der Probleme des Staatslebens erweist uns das vorliegende Werk Stier-Somlos, eines dtr fruchtbarsten und berufensten Schriftsteller auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts, die wertvollsten Dienste. Wie in einem Brennpunkte werden die tausendfach zerstreuten Strahlen politischen Geistes mit voller Meisterschaft vereinigt. . . . Es gibt wohl kein einziges wichtiges Problem des Staats- und Gesellschaftslebens, das der Verfasser nicht in klarer, äußerst anregender, gewinnbringender Weise kritisch erörterte. Aller und jeder extreme Radikalismus ist ihm in seinen besonnenen Ausführungen fremd, seine sämtlichen Vorschläge zur Politisierung des deutschen Volkes und zu seinem staatlichen Neuaufbau atmen durchaus den Geist wahrhaft staatsmännischer Mäßigung und abgeklärter Reife. . . . Die schöne, wahrhaft edle und klare Sprache macht die Darstellung für jeden gebildeten Deutschen zu einer fast unerschöpflichen Quelle reinen, lauteren Genusses, nicht so sehr für den Fachmann, den Juristen und zünftigen Verwaltungsbeamten, für den allgemein gebildeten deutschen Staatsbürger ist das Buch in erster Linie geschrieben. (Landrichter Dr. jur. et phil. B o v e n s i e p e n , Kiel.) . . . In einer Zeit, wo sich die Gedanken aller Gebildeten in einer bisher kaum beobachteten Weise sowohl mit den Zielen und Methoden der auswärtigen Politik, sowie mit den nach dem Kriege der Erledigung harrenden Fragen der inneren und der Finanzpolitik beschäftigen, mußte es als eine Lücke in dem Schrifttum empfunden werden, daß es an einem handlichen, einheitlich geschriebenen Buche fehlte, das einen annähernd vollständigen Ueberblick über die bedeutsamsten Verfassungs- und Verwaltungsangelegenheiten, sowie über die wichtigsten Fragen der hohen Politik gegeben hätte. Diese Lücke ist das vorliegende Buch auszufüllen geeignet. . . ( D i e P o s t , Berlin.) . . . Es sei auf das wertvolle Buch Stier-Somlos verwiesen, der auch diese Frage in klarer Darstellung ziemlich erschöpfend beantwortet, und dadurch zugleich die Bedeutung der Politik und die N o t w e n d i g k e i t d e r P o l i t i s i e r u n g nachweist. ( R h e i n . - W e s t f ä l . Z e i t u n g , Essen-Ruhr.) Druck der Kölner Verlags-Anstalt und Druckerei, A.-O.