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German Pages 522 Year 2023
Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Band 207
Restructuring Support Agreements Ein taugliches Mittel, das StaRUG-Verfahren zu organisieren?
Von
Markus Baschnagel
Duncker & Humblot · Berlin
MARKUS BASCHNAGEL
Restructuring Support Agreements
Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Herausgegeben von Professor Dr. Holger Fleischer, LL.M., Hamburg Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M., Freiburg Professor Dr. Gerald Spindler, Göttingen
Band 207
Restructuring Support Agreements Ein taugliches Mittel, das StaRUG-Verfahren zu organisieren?
Von
Markus Baschnagel
Duncker & Humblot · Berlin
Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg hat diese Arbeit im Jahr 2022 als Dissertation angenommen.
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ISSN 1614-7626 ISBN 978-3-428-18701-0 (Print) ISBN 978-3-428-58701-8 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
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Meinen Eltern
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau im Sommersemester 2022 als Dissertation angenommen. Für die hervorragende Betreuung dieser Arbeit danke ich meinem Doktorvater Herrn Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M. (Chicago) sehr herzlich. Die Zeit an seinem Institut für Ausländisches und Internationales Privatrecht war überaus lehrreich und spannend und hat mir viel Freude bereitet. Großer Dank gilt auch Herrn Professor Dr. Jan Lieder, LL.M. (Harvard) für die zeitnahe Erstellung des Zweitgutachtens. Herzlich danken möchte ich außerdem Herrn Professor Dr. Georg Bitter, der mich während meiner Studien- und Lehrstuhlzeit an der Universität Mannheim für das Fach Jura sehr begeistert hat. Nicht unerwähnt bleiben darf auch Herr Dr. Michael Fritz. Er hat mich im Referendariat in seiner Kanzlei „Schrade & Partner“ mit vielen Ideen und Anregungen bei der Themensuche sehr unterstützt. Für die Durchsicht des Manuskripts und für wertvolle Anregungen danke ich besonders Herrn Dr. Raphael Hilser und meinem Bruder Matthias Baschnagel. Große Unterstützung habe ich außerdem durch die Studienstiftung des Deutschen Volkes, die Landesgraduiertenförderung Baden-Württemberg und die Wissenschaftliche Gesellschaft Freiburg im Breisgau erhalten. Meiner Freundin Marina Fecke danke ich für ihr offenes Ohr und dafür, dass sie immer wieder für die notwendige Abwechslung zwischen arbeitsreichen Tagen gesorgt hat. Mein größter Dank gilt schließlich meiner Familie und insbesondere meinen Eltern Isolde und Wilfried Baschnagel für ihre stetige und bedingungslose Unterstützung und den ununterbrochenen Rückhalt, den sie mir während meines gesamten Lebenswegs zukommen ließen. Ihnen ist diese Arbeit gewidmet. Freiburg im Breisgau
Markus Baschnagel
Inhaltsübersicht Kapitel 1 Einleitung
35
§ 1 Hinführung zum Thema . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 § 2 Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 § 3 Struktur der mittels RSA organisierten Restrukturierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 § 4 Gang der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 § 5 Methodisches Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 Kapitel 2 Grundlagen § 1 Beispiele für den Einsatz von RSA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. In re Innkeepers USA Trust . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Re Sunbird Business Services Ltd . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. In re Peabody Energy Corporation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Re Noble Group Ltd . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
50 50 50 51 52 53
§ 2 Entwicklungslinien in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 § 3 Der Inhalt von RSA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Bindung der Gläubiger und des Managements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Milestones . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Vorteile für Unterzeichner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Deathtrap-Klausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Gifting-Klausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Vergleiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . G. Fiduciary-Out-Klausel und No-Material-Modification-Klausel . . . . . . . . . . . . . . .
56 56 58 59 60 62 62 63
§ 4 Einordnung von RSA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Warum gibt es RSA? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Gibt es vergleichbare Vereinbarungen in Deutschland? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Wie wirken sich RSA auf die Restrukturierung aus? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
63 64 71 73
§ 5 Vor- und Nachteile von RSA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 A. Nachteile bei Einflussnahme durch Schlüsselgläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 B. Vorteile einer starken Stellung der Schlüsselgläubiger und von Koalitionen zwischen Management und den Schlüsselgläubigern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81
10
Inhaltsübersicht C. Coercive Techniques . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 D. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 Kapitel 3 RSA im historischen, ökonomischen und konzeptionellen Kontext
89
§ 1 Historische, rechtsvergleichende Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 A. Chapter 11-Verfahren in den USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 B. Offenere Einstellung in England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 § 2 Ökonomische Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 A. RSA im Spannungsverhältnis zur Allmende-Tragödie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 B. RSA als Lösung des Anti-Allmende-Problems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 § 3 RSA im Lichte verschiedener Insolvenzrechts-Theorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Progressive Schule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Creditors’-Bargain-Theorie und die „Proceduralists“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Veräußerungsorientierte Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. The Contractualists . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Secured Creditor in Possession? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. New Bargaining Theory . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . G. Restrukturierung als Entdeckungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . H. StaRUG-Verfahren? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
111 111 116 118 119 122 124 126 127
Kapitel 4 RSA im Konflikt zur Verfahrens- und Kompetenzordnung des AktG und des StaRUG
133
§ 1 RSA im Konflikt mit den Vorgaben des Aktienrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. RSA als Beherrschungsvertrag zugunsten der Senior-Gläubiger? . . . . . . . . . . . . B. Unveräußerlichkeit der Leitungsmacht: § 76 AktG i. V. m. § 134 BGB . . . . . . . . C. Zustimmungserfordernis der Hauptversammlung zum RSA? . . . . . . . . . . . . . . . . D. Related Party Transaction? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Unwirksamkeit nach § 187 Abs. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Verletzung der Interessen der Aktionäre? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . G. Mittelbare Grenze: Hauptversammlungsbeschluss zur Anzeige des StaRUG-Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . H. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
133 134 145 155 160 173 174 197 214
§ 2 RSA als Mittel gegen den Forderungshandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Sperrvereinbarung mit Gläubigern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Schuldrechtliche Vinkulierung von Aktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
214 215 225 227
§ 3 RSA im Konflikt mit dem StaRUG-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 A. Bedeutung des Verfahrens und der Abstimmung über den Plan . . . . . . . . . . . . . . 228
Inhaltsübersicht B. C. D. E. F. G. H. I. J. K. L.
11
Mehrheitserfordernis im StaRUG-Verfahren als Hürde? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auswahl der Planbetroffenen und Gruppenbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kompetenzübergriff auf die Versammlung der Planbetroffenen? . . . . . . . . . . . . . Übergehung des Restrukturierungsbeauftragten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Umgehung des „Debtor-in-Possession“-Prinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nichtigkeit wegen Stimmbindung zugunsten der Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . Unzulässigkeit einer verfrühten (verbindlichen) Planannahme? . . . . . . . . . . . . . . Entfallen der Stimmbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Planversagung wegen Fehlinformationen bei Beitritt zum RSA? . . . . . . . . . . . . . Verhandlungen als immanente Voraussetzung des StaRUG-Verfahrens . . . . . . . . Pflichten der Geschäftsleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
231 243 250 258 262 263 267 271 275 276 288
§ 4 RSA im Konflikt mit bestehenden Finanzierungsverträgen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Drohender Eingriff in Absonderungsrechte als Grund für vertragliche Absicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Bad Boy Agreement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Intercreditor Agreements (Verträge zwischen Gläubigern) . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Verträge zwischen den Anteilsinhabern und den Senior-Gläubigern . . . . . . . . . . . E. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
315 316 319 321 339 341
Kapitel 5 RSA im Konflikt mit Verteilungsregeln, Sondervorteilen und Begünstigungen 342 § 1 Gleichbehandlungsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Zweck des Gleichbehandlungsgrundsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Gleichbehandlungsgrundsatz innerhalb einer Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Gruppengleichbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
343 343 350 363
§ 2 Absolute Vorrangregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 A. „Vertikales gifting“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 B. Übervorteilung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 § 3 Verbot von Sondervorteilen nach § 10 Abs. 3 StaRUG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Sonderabkommen zwischen Schuldnerin und einzelnen Planbetroffenen . . . . . . . B. Sonderabkommen zwischen Gläubigern? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Sonderabkommen mit dem Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
394 395 406 408 408
§ 4 Unlautere Herbeiführung der Planannahme (Begünstigung und Stimmenkauf) . . . . . A. Fallgruppen des § 63 Abs. 4 StaRUG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Begünstigung durch die Schuldnerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Begünstigung durch Planbetroffene (gifting) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
408 409 409 410 413 414
12
Inhaltsübersicht
§ 5 Weitere Grenzen in Zusammenhang mit „Fees“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Pflichtverletzung der Geschäftsleitung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Financial Assistance nach § 71a Abs. 1 AktG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Ist die Übernahme der Gebühren durch die Schuldnerin sittenwidrig? . . . . . . . . . D. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
414 414 415 415 416
§ 6 Side-Deals mit dem Management? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Beispiele in den USA und England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Spezielle Regelungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Organschaftliche Treuepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
416 417 420 422 434
§ 7 Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434 Kapitel 6 Position der Schlüsselgläubiger
435
§ 1 Berücksichtigung einer möglichen Subordination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Beachtung des insolvenzrechtlichen Nachrangs im StaRUG-Verfahren . . . . . . . . B. Ausdehnung des Anwendungsbereichs des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO . . . . . . . . . . . . C. Zweckorientierte Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Tatbestandsbezogene Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Sanierungsprivileg nach § 39 Abs. 4 Satz 2 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
435 435 437 438 444 448
§ 2 Stimmverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Kasuistisches Stimmverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Stimmverbot für nahestehende Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
452 452 454 454
§ 3 Treuepflichtverletzung der Schlüsselgläubiger als Grund für die Versagung der Planbestätigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Dogmatische Grundlagen einer Treuepflicht der Schlüsselgläubiger . . . . . . . . . . B. Ablehnung von Gegenansichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Notwendigkeit und Vorteile der Treuepflichtkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Beispiele zum Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Geltendmachung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
454 455 461 462 463 466 467
§ 4 Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 467
Inhaltsübersicht
13
Kapitel 7 Thesenförmige Zusammenfassung und Ergebnis
468
Thesenförmige Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 468 Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 479
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 480 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 519
Inhaltsverzeichnis Kapitel 1 Einleitung
35
§ 1 Hinführung zum Thema . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 § 2 Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 § 3 Struktur der mittels RSA organisierten Restrukturierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 § 4 Gang der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 § 5 Methodisches Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
Kapitel 2 Grundlagen
50
§ 1 Beispiele für den Einsatz von RSA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 A. In re Innkeepers USA Trust . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 B. Re Sunbird Business Services Ltd . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 C. In re Peabody Energy Corporation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 D. Re Noble Group Ltd . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 § 2 Entwicklungslinien in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 § 3 Der Inhalt von RSA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 A. Bindung der Gläubiger und des Managements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 B. Milestones . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 C. Vorteile für Unterzeichner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 D. Deathtrap-Klausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 E. Gifting-Klausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 F. Vergleiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 G. Fiduciary-Out-Klausel und No-Material-Modification-Klausel . . . . . . . . . . . . . . . 63 § 4 Einordnung von RSA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 A. Warum gibt es RSA? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 I. Mittel zur schnellen und effektiven Restrukturierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 II. Absicherung gegen Handel mit notleidenden Forderungen . . . . . . . . . . . . . 65 III. Transmissionsriemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 IV. Mittel zur Umgehung der Schwachstellen des Restrukturierungsprozesses
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16
Inhaltsverzeichnis V. Mittel zur Umsetzung eines Prenegotiated Plan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 B. Gibt es vergleichbare Vereinbarungen in Deutschland? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 I. Analogie zu Investorenvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 II. Nächste Generation der Restrukturierungsvereinbarung? . . . . . . . . . . . . . . . 73 C. Wie wirken sich RSA auf die Restrukturierung aus? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 I. Einwirkung auf die Abstimmung der Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 II. Verzicht auf Rechte im Verfahren? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 III. Veränderung der Verhandlungsstruktur und Auswirkung auf die Verteilung des Restrukturierungsgewinns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 IV. Kontrollübernahme durch die Schlüsselgläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77
§ 5 Vor- und Nachteile von RSA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 A. Nachteile bei Einflussnahme durch Schlüsselgläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 I. Nachteile für die Informationsversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 II. Übervorteilung der Schlüsselgläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 III. Fehlanreize der Schlüsselgläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 B. Vorteile einer starken Stellung der Schlüsselgläubiger und von Koalitionen zwischen Management und den Schlüsselgläubigern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 I. Relativierung der Nachteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 II. Disziplinierende Wirkung auf das Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 III. Positives Signal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 IV. Abwehr aggressiver Finanzinvestoren und Hedgefonds . . . . . . . . . . . . . . . . 84 V. Sicherung der Interessen weiterer Stakeholder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 C. Coercive Techniques . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 D. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88
Kapitel 3 RSA im historischen, ökonomischen und konzeptionellen Kontext
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§ 1 Historische, rechtsvergleichende Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 A. Chapter 11-Verfahren in den USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 I. Deregulierte, vertragliche Ausgestaltung der ersten Restrukturierungen . . . 90 II. Verhandlungen durch Protective Committees . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 III. Beginnende Regulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 IV. Auswirkungen bis heute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 B. Offenere Einstellung in England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 I. Junior-Gläubiger weniger schutzbedürftig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 II. Große Bedeutung der Banken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 III. Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 IV. Corporate Insolvency and Governance Act . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102
Inhaltsverzeichnis
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V. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 § 2 Ökonomische Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 A. RSA im Spannungsverhältnis zur Allmende-Tragödie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 B. RSA als Lösung des Anti-Allmende-Problems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 § 3 RSA im Lichte verschiedener Insolvenzrechts-Theorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 A. Progressive Schule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 I. Erste Generation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 II. Nächste Generationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 III. Vertragliche Planung der Restrukturierung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 IV. Progressive Schule und vorinsolvenzliche Restrukturierungen komplexer Kapitalstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 B. Creditors’-Bargain-Theorie und die „Proceduralists“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 C. Veräußerungsorientierte Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 D. The Contractualists . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 E. Secured Creditor in Possession? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 F. New Bargaining Theory . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 G. Restrukturierung als Entdeckungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 H. StaRUG-Verfahren? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 I. StaRUG als Vertragshilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 II. Vermögensmaximierung oder Rettung des Unternehmens . . . . . . . . . . . . . . 129 III. Durchsetzung von Ex-ante-Verträgen oder Verhandlungen ex post? . . . . . . 130 IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132
Kapitel 4 RSA im Konflikt zur Verfahrens- und Kompetenzordnung des AktG und des StaRUG
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§ 1 RSA im Konflikt mit den Vorgaben des Aktienrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 A. RSA als Beherrschungsvertrag zugunsten der Senior-Gläubiger? . . . . . . . . . . . . 134 I. Konzernspezifische Gefährdungslage? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 II. RSA kein typischer Beherrschungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 III. Verdeckter Beherrschungsvertrag und Teilleitungsunterstellungsvertrag . . . 137 IV. Voraussetzungen der §§ 291 ff. AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 1. Auslegung: „Unterstellung unter fremde Leitung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 a) Vertragliche Unterstellung der Leitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 b) Welche Leitungsbereiche müssen betroffen sein? . . . . . . . . . . . . . . . . 139 c) Weisungsrecht notwendig oder Zustimmungsvorbehalte ausreichend? 140 d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142
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Inhaltsverzeichnis 2. Anknüpfungspunkte für die Qualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 a) Wertungen bei Investorenvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 b) RSA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 B. Unveräußerlichkeit der Leitungsmacht: § 76 AktG i. V. m. § 134 BGB . . . . . . . . 145 I. Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 II. Ablehnung des Verbots der Vorwegbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 III. Abwägungsmodell: Vereinbarung im Unternehmensinteresse . . . . . . . . . . . 147 IV. Tatbestandslösung und Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 V. Verhältnismäßigkeitsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 VI. Lösung über § 93 Abs. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 VII. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 C. Zustimmungserfordernis der Hauptversammlung zum RSA? . . . . . . . . . . . . . . . . 155 I. Holzmüller/Gelatine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 1. Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 2. Anknüpfungspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 3. Urteil des OLG Köln im Fall Solarworld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 4. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 5. Einordnung von RSA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 6. Gesamtbetrachtung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 II. Sachzusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 III. Selbstbindung der Verwaltung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 D. Related Party Transaction? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 I. Related Party Transaction nach den §§ 111a – c AktG? . . . . . . . . . . . . . . . 160 II. Regelungsziel der §§ 111a – c AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 III. RSA nicht von Bereichsausnahme erfasst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 IV. Geschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 V. Nahestehende Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 1. Dynamischer Verweis auf IAS 24.9 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 2. Vorgaben des IAS 24.9 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 a) Beherrschung nach IFRS 10 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 b) Maßgeblicher Einfluss nach IAS 28 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 c) Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 d) Kasuistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 VI. Bereits bestehendes „Näheverhältnis“ bei Abschluss des RSA . . . . . . . . . . 170 VII. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 1. Zustimmungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 2. Offenlegungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 VIII. Bewertung: Related Party Transaction als echte Schranke für RSA? . . . . . 171 E. Unwirksamkeit nach § 187 Abs. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173
Inhaltsverzeichnis
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F. Verletzung der Interessen der Aktionäre? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 I. Streichung der §§ 2, 3 StaRUG-RegE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 II. Regulierungsziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 III. Streitstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 1. Vor Erlass des StaRUG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 a) Kein Pflichtenumschwung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 b) Tendenzen zum Shift of Duties . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 2. Streitstand nach Erlass des StaRUG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 a) Kein allgemeiner Pflichtenumschwung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 b) Heranziehung der §§ 32 StaRUG und 43 StaRUG . . . . . . . . . . . . . . . . 180 c) Interessenpluralistisches Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 d) Sanierungspflichten und Bestandserhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 e) Allgemeiner Pflichtenumschwung trotz Streichung der §§ 2, 3 StaRUG-RegE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 IV. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 1. Prämisse für den Pflichtenumschwung gegeben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 a) Das wirtschaftliche Konzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 b) Keine gesetzliche Pauschalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 c) Anknüpfung an Insolvenzgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 d) Anknüpfung an Aktiva und Passiva . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 e) Anknüpfung an greifbare Gefährdung der Gläubigerinteressen . . . . . 188 f) Anknüpfung an „Unternehmenswert“ und seine Bestimmung . . . . . . 189 2. Rechtsgrundlage für den allgemeinen Pflichtenumschwung . . . . . . . . . . 194 a) Keine Anknüpfung für einen Pflichtenumschwung . . . . . . . . . . . . . . . 194 b) § 32 StaRUG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 c) „Natur der Sache“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 d) §§ 43 GmbHG, 93 AktG und der gesetzgeberische Wille? . . . . . . . . . 195 V. Konsequenzen des Pflichtenumschwungs für das RSA . . . . . . . . . . . . . . . . 196 VI. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 G. Mittelbare Grenze: Hauptversammlungsbeschluss zur Anzeige des StaRUG-Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 I. Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 II. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 III. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 IV. Gesellschaftsrechtliche Kompetenzregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 V. Grundlagen- oder Strukturentscheidung wegen erheblicher Auswirkungen auf die Gesellschaft? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 1. Reaktionen auf den Antrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 2. Going-Concern-Prämisse bleibt bestehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 3. Auflösung der Gesellschaft? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203
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Inhaltsverzeichnis 4. Zweckänderung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 5. Pflichtenumschwung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 V. Grundlagengeschäft wegen Entmachtung der Aktionäre . . . . . . . . . . . . . . . 205 1. Argumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 2. Stellungnahme zur Entmachtung der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . 207 3. Stellungnahme zur Gestaltbarkeit der Mitgliedschaftsrechte . . . . . . . . . . 208 VII. Aspekte einer Geschäftsführungsmaßnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 VIII. Pflichtenumschwung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 IX. Zeitverlust und Publizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 X. Richtlinienkonforme Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 XI. Zweck des StaRUG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 XII. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 H. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214
§ 2 RSA als Mittel gegen den Forderungshandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 A. Sperrvereinbarung mit Gläubigern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 I. Abtretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 1. Dinglich wirkendes Abtretungsverbot möglich? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 2. Schuldrechtlich wirkende Verfügungsbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . 218 3. Nützlichkeit des § 404 BGB fraglich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 II. Vertragsübernahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 III. Übertragung von Kreditforderungen und Kreditverträgen durch Abspaltung und Ausgliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 1. Schutz durch Abtretungsverbot? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 2. Schuldrechtlicher Schutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 3. Haftungssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 IV. Verbriefte Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 B. Schuldrechtliche Vinkulierung von Aktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 C. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 § 3 RSA im Konflikt mit dem StaRUG-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 A. Bedeutung des Verfahrens und der Abstimmung über den Plan . . . . . . . . . . . . . . 228 B. Mehrheitserfordernis im StaRUG-Verfahren als Hürde? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 I. Das Abstimmungskonzept der InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 1. Doppelte Abstimmung und Gläubigerautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 2. Folgen für RSA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 II. Das Alternativ-Konzept des Chapter 11-Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 III. Das Abstimmungssystem im StaRUG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 1. Das Abstimmungssystem im StaRUG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 2. Mehrheitsbeschaffung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 3. Die Stimmmacht der Anteilsinhaber als Hindernis? . . . . . . . . . . . . . . . . . 241
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4. Änderungen am Abstimmungssystem de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . 241 IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 C. Auswahl der Planbetroffenen und Gruppenbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 I. Verbot, bisher unbeteiligte Gläubiger als Planbetroffene auszuwählen? . . . 243 1. Blick nach England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 2. Verbot, unbeteiligte Gläubiger als planbetroffene Gläubiger auszuwählen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 II. Pflicht zur Gruppentrennung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 D. Kompetenzübergriff auf die Versammlung der Planbetroffenen? . . . . . . . . . . . . . 250 I. Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 II. Übertragbarkeit in der Restrukturierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 1. Eine Ansicht: pauschales Verbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 2. Differenzierter Ansatz für die Restrukturierung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 4. Grenze ist anhand einer Abwägung im Einzelfall zu ermitteln . . . . . . . . 256 a) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 b) Systematisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 E. Übergehung des Restrukturierungsbeauftragten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 I. Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 II. Restrukturierungsrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 III. Deutsche Umsetzung der Restrukturierungsrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 1. Eingriff in die Kompetenzen des obligatorischen Restrukturierungsbeauftragten nach §§ 73 ff. StaRUG durch ein RSA? . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 2. Beschneidung der Kompetenzen des fakultativen Restrukturierungsbeauftragten nach §§ 77 ff. StaRUG und des Rechts der Minderheitsgläubiger, diesen zu beantragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 F. Umgehung des „Debtor-in-Possession“-Prinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 G. Nichtigkeit wegen Stimmbindung zugunsten der Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . 263 I. Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 II. Keine unzulässige Stimmbindung der Aktionäre nach § 136 Abs. 2 AktG 263 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 2. Einschränkung bei Bindung in Bezug auf einen konkreten Abstimmungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 3. Einschränkung, weil Aktionär sich nur in Eigenschaft als Planbetroffener bindet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 4. Einschränkung, wenn Kompetenzbereich der Hauptversammlung nicht betroffen ist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 5. Rechtfertigung eines Eingriffs möglich? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 6. Teleologische Reduktion bei Zustimmungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266
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Inhaltsverzeichnis 7. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 III. Keine Anwendbarkeit des § 136 Abs. 2 AktG auf Gläubiger . . . . . . . . . . . . 267 H. Unzulässigkeit einer verfrühten (verbindlichen) Planannahme? . . . . . . . . . . . . . . 267 I. Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 II. Blick in die USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 III. Stellungnahme zum StaRUG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 I. Entfallen der Stimmbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 I. Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 II. Antrag auf einen außergerichtlichen Erörterungstermin . . . . . . . . . . . . . . . . 272 1. Wirkweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 2. Entfallen der Bindungen bei gerichtlicher Abstimmung . . . . . . . . . . . . . 273 III. Zwischenergebnis: Keine Konsequenzen für Gentleman-Agreements . . . . . 275 J. Planversagung wegen Fehlinformationen bei Beitritt zum RSA? . . . . . . . . . . . . . 275 I. Beispielfall aus England Re Sunbird Business Services Ltd . . . . . . . . . . . . 275 II. StaRUG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 K. Verhandlungen als immanente Voraussetzung des StaRUG-Verfahrens . . . . . . . . 276 I. Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 II. Mehrheitserfordernisse für den StaRUG-Plan kein Garant für faire Verhandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 III. Möglichkeit der Erörterung als abschließende Regelung? . . . . . . . . . . . . . . 278 IV. Verhandlungen als Voraussetzung des StaRUG-Verfahrens . . . . . . . . . . . . . 278 1. Blick in die USA – unwritten rules . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 2. Blick nach England: Ohne Verhandlungen strengere Kontrolle . . . . . . . . 279 3. Rechtslage in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 a) Eine Ansicht: Verhandlungen sind nicht notwendig . . . . . . . . . . . . . . 281 b) Andere Ansicht: Ohne Verhandlungen kein Rechtsschutzbedürfnis 282 c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 aa) Bedeutung der Verhandlung: Bestmögliche Befriedigung und Richtigkeitsgewähr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 bb) Verhandlungsgebot im deutschen Restrukturierungsrecht . . . . . . . 286 cc) Dogmatischer Anknüpfungspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 d) Auswirkungen auf den Einsatz von RSA und Zwischenergebnis . . . . 288 L. Pflichten der Geschäftsleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 I. Versagung der Planbestätigung bei Pflichtverletzung des Planerstellers? . . 288 II. Die Pflichtenstellung des Planerstellers und der Verteilungskonflikt in der Restrukturierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 III. Lösung nur über Planbestätigungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 IV. Neutralitätsgebot? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 1. Neutralitätspflicht vs. Ermessensentscheidung in der Übernahmesituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292
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2. Neutralitätsgebot in der Restrukturierung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 a) Nur ein Restrukturierungskonzept denkbar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 b) Mehrere Konzepte möglich; mehrere potentielle Investoren vorhanden 296 V. Kontrolle am Maßstab der „Interessen der Gesamtheit der Gläubiger“ . . . . 298 1. Parallelproblem bei Investorenvereinbarungen verdeutlicht Schwierigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 2. Steigerung des Unternehmenswerts und Vergrößerung der Masse . . . . . . 300 3. Verhinderung weiterer Verluste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 4. Nachhaltige Beseitigung der drohenden Zahlungsunfähigkeit; Wiederherstellung von Rentabilität und Bestandsschutz? . . . . . . . . . . . . 303 5. Ökonomisches Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 6. Negative Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 7. Abwägungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 8. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 VI. Verfahrenskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 1. Blick in die USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 a) „Disinterestedness“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 b) „Due Care“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 c) „Good Faith“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 d) „Benefit for the estate“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 2. Übertragbarkeit in das deutsche Recht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 VII. Reduzierte Pflichten gegenüber Out-of-the-Money-Gläubigern? . . . . . . . . . 311 1. Re Bluebrook Ltd als Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 2. Reduzierte Pflichten, wenn die Gläubiger ihre Interessen selbst wahrnehmen können? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 3. Reduzierte Pflichten gegenüber Out-of-the-Money-Gläubigern? . . . . . . . 314 VIII. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 § 4 RSA im Konflikt mit bestehenden Finanzierungsverträgen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 A. Drohender Eingriff in Absonderungsrechte als Grund für vertragliche Absicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 B. Bad Boy Agreement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 C. Intercreditor Agreements (Verträge zwischen Gläubigern) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 II. Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 III. Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 IV. Ansätze zur Beurteilung von Intercreditor Agreements . . . . . . . . . . . . . . . . 324 1. Blick in die USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 2. Blick nach England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 3. Blick nach Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327
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Inhaltsverzeichnis V. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 1. Abspaltungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 2. Verzicht auf Teilnahme-, Klage- und Kontrollrechte vs. Schutz der institutionellen Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 a) Zulässigkeit und Grenzen von Prozessverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 b) Institutionelle Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 c) Freiwilliger Rechtsverzicht als Gegenargument? . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 d) Aufrechterhaltung der Chancen unbeteiligter Parteien . . . . . . . . . . . . 333 3. Stimmbindung und Einschränkung durch Treuepflicht . . . . . . . . . . . . . . 334 a) Überblick zu Stimmbindungsverträgen im Gesellschaftsrecht . . . . . . 334 b) Schutzmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 c) Lösung im StaRUG-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 D. Verträge zwischen den Anteilsinhabern und den Senior-Gläubigern . . . . . . . . . . . 339 E. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341
Kapitel 5 RSA im Konflikt mit Verteilungsregeln, Sondervorteilen und Begünstigungen 342 § 1 Gleichbehandlungsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 A. Zweck des Gleichbehandlungsgrundsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 I. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 II. Verteilungsgerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 III. Absicherung des Mehrheitsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 IV. Absicherung des Verhandlungsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 V. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 B. Gleichbehandlungsgrundsatz innerhalb einer Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 I. Zuteilung unterschiedlicher Rechte an Parteien des RSA . . . . . . . . . . . . . . . 350 II. Doppelrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 1. Chapter 11 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 2. StaRUG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 III. Traditionelle Deathtrap-Klauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 IV. Individuelle Deathtrap-Klauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 1. Chapter 11 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 2. StaRUG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 V. Marginale Ungleichbehandlung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 1. England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 2. StaRUG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 VI. Rechtfertigung wegen sachlichem Grund? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359
Inhaltsverzeichnis
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VII. Zuwendungen zwischen Gläubigern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 1. Streitstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 VIII. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 C. Gruppengleichbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 I. Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 II. Funktionsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 III. Unterschiedliche Quote bei Ablehnung des Plans (traditionelle DeathtrapKlauseln) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 IV. „Horizontales gifting“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 1. Chapter 11-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 2. Insolvenzordnung und StaRUG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 3. Spezielle Rechtfertigungsmöglichkeit im StaRUG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 V. Auswahl der Kandidaten für einen Debt-to-Equity-Swap? . . . . . . . . . . . . . 368 1. Grundsatz der Gruppengleichbehandlung kein Hindernis . . . . . . . . . . . . 368 2. Gruppenbildung als Grenze der Differenzierungsmöglichkeiten? . . . . . . 368 § 2 Absolute Vorrangregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 A. „Vertikales gifting“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 I. Das Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 II. Die absolute Vorrangregel und Anknüpfungspunkte für eine Gifting-Ausnahme im StaRUG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 1. Eigenschaft als Anteilsinhaber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 2. Schlüsselgläubiger nicht durch Vorrangregel gebunden . . . . . . . . . . . . . . 377 3. Kein Nachteil für übergangene Gläubigergruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 III. Zweck der absoluten Vorrangregel aus progressiver Sicht . . . . . . . . . . . . . . 379 1. Der Boyd-Fall und die relative Vorrangregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 2. Neuer Blick auf den „Public Investor“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 380 3. Reform des Equity-Receivership-Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 4. Praxis der SEC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 5. Veränderung der Zusammensetzung der Anleger und Konsequenzen . . . 382 IV. Ökonomischer Blick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 1. Wahrung des relativen Kräfteverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 2. Negative Ex-ante-Effekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 V. Funktionsschutz als Zweck der absoluten Vorrangregel? . . . . . . . . . . . . . . . 388 1. Verhinderung von Kollusion und Gewährleistung von Funktionsschutz 388 2. Grundsätzliche Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390 a) Nur theoretisches Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390 b) Schutz des Bewertungsprozesses anderweitig möglich . . . . . . . . . . . . 391 c) Teilnahmerecht an Verhandlungen ausreichend . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392
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Inhaltsverzeichnis VI. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 B. Übervorteilung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393
§ 3 Verbot von Sondervorteilen nach § 10 Abs. 3 StaRUG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 A. Sonderabkommen zwischen Schuldnerin und einzelnen Planbetroffenen . . . . . . . 395 I. „mit einzelnen Planbetroffenen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 II. Zeitliche Grenze? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 III. Qualitative Grenze? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396 IV. Offenlegung ausreichend? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398 V. „Bevorzugungsabsicht“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 VI. „Vorteil“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400 1. Kein Vorteil bei Stimmbindung und Verzicht auf Abtretung . . . . . . . . . . 400 2. Wertende Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400 a) Wertende Betrachtung geboten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400 b) Welche Gegenleistungen können berücksichtigt werden? . . . . . . . . . . 402 3. Kein „Vorteil“, wenn Angebot an alle Gläubiger erfolgt? . . . . . . . . . . . . 403 VII. Restriktive Auslegung oder teleologische Reduktion? . . . . . . . . . . . . . . . . . 404 VIII. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406 B. Sonderabkommen zwischen Gläubigern? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406 C. Sonderabkommen mit dem Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408 D. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408 § 4 Unlautere Herbeiführung der Planannahme (Begünstigung und Stimmenkauf) . . . . . 408 A. Fallgruppen des § 63 Abs. 4 StaRUG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 B. Begünstigung durch die Schuldnerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 C. Begünstigung durch Planbetroffene (gifting) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410 I. Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410 II. Rechtfertigung von gifts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410 III. Keine Begünstigung bei Abkauf von gesetzlich gegebenen Blockaderechten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411 IV. Keine Begünstigung, wenn Voraussetzungen des § 28 StaRUG erfüllt sind? 412 V. Transparenz? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413 D. Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413 E. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414 § 5 Weitere Grenzen in Zusammenhang mit „Fees“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414 A. Pflichtverletzung der Geschäftsleitung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414 B. Financial Assistance nach § 71a Abs. 1 AktG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415 C. Ist die Übernahme der Gebühren durch die Schuldnerin sittenwidrig? . . . . . . . . . 415 D. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416
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§ 6 Side-Deals mit dem Management? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416 A. Beispiele in den USA und England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417 I. Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417 II. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 418 B. Spezielle Regelungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420 I. Keine ausdrückliche Regelung im StaRUG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420 II. § 299 StGB? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 III. § 33d WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 C. Organschaftliche Treuepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422 I. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422 II. Umkehrschluss zu § 33 WpÜG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424 III. Anforderungen an die Zuwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424 1. Anforderungen im Übernahmerecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425 2. Strengere Maßstäbe in der Restrukturierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427 IV. Einzelne Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428 1. Zweck der Zuwendung ist die Beeinflussung des Vorstands . . . . . . . . . . 428 2. „Golden Parachute“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428 3. Weiterbeschäftigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429 4. Höhere Bezüge und Prämien an das Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430 5. Beteiligung des Managements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430 a) Streitstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 431 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 D. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434 § 7 Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434
Kapitel 6 Position der Schlüsselgläubiger
435
§ 1 Berücksichtigung einer möglichen Subordination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435 A. Beachtung des insolvenzrechtlichen Nachrangs im StaRUG-Verfahren . . . . . . . . 435 I. Absolute Vorrangregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436 II. Schlechterstellungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436 B. Ausdehnung des Anwendungsbereichs des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO . . . . . . . . . . . . 437 C. Zweckorientierte Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438 I. Verhaltenssteuerung des gerichtlich überwachten Restrukturierungsprozesses? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439 II. Informationsvorsprung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440 III. Finanzierungsfolgenverantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440
28
Inhaltsverzeichnis IV. Finanzierungsverantwortung und Finanzierungsentscheidung im Lichte des neuen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442 V. Missbrauch der Haftungsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442 VI. Risikoerhöhungsstrategien sollen verhindert werden . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443 D. Tatbestandsbezogene Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 444 I. Einfluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445 II. Variable Erlösbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446 E. Sanierungsprivileg nach § 39 Abs. 4 Satz 2 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448 I. Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448 II. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448 1. Sanierungsprivileg anwendbar (h. M.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448 2. Ablehnende Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449 III. Stellungnahme zum Einsatz von RSA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 450 IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452
§ 2 Stimmverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452 A. Kasuistisches Stimmverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452 I. Insolvenzplanverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453 II. StaRUG-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454 B. Stimmverbot für nahestehende Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454 C. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454 § 3 Treuepflichtverletzung der Schlüsselgläubiger als Grund für die Versagung der Planbestätigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454 A. Dogmatische Grundlagen einer Treuepflicht der Schlüsselgläubiger . . . . . . . . . . 455 I. Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455 II. Rechtsgemeinschaft als Grundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455 III. Treuepflicht aus Kombination von Rechtsgemeinschaft und Einwirkungsmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 456 IV. Gesellschaftsähnliche Sonderverbindung und hypothetischer Gesellschaftsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457 V. Einwirkungsmacht ausreichend? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 458 VI. Immanente Schranke der insolvenzrechtlichen Aufopferungspflicht . . . . . . 458 VII. Vorvertragliches Schuldverhältnis als Grundlage? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459 VIII. Wertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 460 B. Ablehnung von Gegenansichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461 C. Notwendigkeit und Vorteile der Treuepflichtkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 462 D. Beispiele zum Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463 II. Pflicht zur fairen Verhandlung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 464 III. Pflicht zur Einbeziehung der betroffenen Gläubiger in die Restrukturierungsverhandlung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 464
Inhaltsverzeichnis
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IV. Keine relevanten Sonderinteressen bei der Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . 465 E. Geltendmachung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 466 F. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 467 § 4 Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 467
Kapitel 7 Thesenförmige Zusammenfassung und Ergebnis
468
Thesenförmige Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 468 Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 479
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 480 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 519
Abkürzungsverzeichnis 11 U.S.C. a. A. a. F. ABA ABI Abs. AcP AG AktG Alt. Am. Bankr. Inst. L. Rev. Am. Bankr. L. J. Am. Econ. Rev. Ann. Surv. Am. L. Ariz. L. Rev. Art. ARUG Aufl. B. R. B. U. L. Rev. B. C. L. Rev. Banking L. J. BB BCA Bd. BeckOGK Begr. Beschl. BGBl. BGH BKR Bkrtcy Bkrtcy S.D.N.Y. BMJ BMJV Brook. J. Corp. Fin. & Com. L. BT Bus. Law. BVerfG bzw.
United States Code: Title 11 andere Ansicht alte Fassung American Bar Association American Bankruptcy Institute Absatz Archiv für die civilistische Praxis Die Aktiengesellschaft; Amtsgericht Aktiengesetz Alternative American Bankruptcy Institute Law Review American Bankruptcy Law Journal American Economic Review Annual Survey of American Law Arizona Law Review Artikel Das Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie Auflage Bankruptcy Reporter Boston University Law Review Boston College Law Review Banking Law Journal Betriebs-Berater Business Combination Agreement Band beck-online.GROSSKOMMENTAR Begründer Beschluss Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht Bankruptcy Bankruptcy Court Southern District of New York Bundesministerium der Justiz Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz Brooklyn Journal of Corporate, Financial & Commercial Law Bundestag Business Lawyer Bundesverfassungsgericht Beziehungsweise
Abkürzungsverzeichnis c. i. c. ca. Cap. U. L. Rev Cardozo L. Rev. Case Western L. Rev. CFL Cir. Colum. L. Rev. Cong. Cornell L. Rev. Corp. Corp. Law. Stud. CRR
31
culpa in contrahendo circa The Capital University Law Review Cardozo Law Review Case Western Reserve Law Review Corporate Finance law United States Courts of Appeals / Circuit Court Columbia Law Review Congress Cornell Law Review Corporation Journal of Corporate Law Studies Capital Requirements Regulation; Verordnung (EU) Nr. 575/ 2013 des Europäischen Parlaments und des Rats vom 26. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 646/2012 d. Verf. des Verfassers DB Der Betrieb DePaul Bus. & Com. L. J. DePaul Business and Commercial Law Journal DIP Debtor in possession DJT Deutscher Juristentag Doc. Document Drucks. Drucksache DStR Deutsches Steuerrecht DZWiR Deutsch Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht Ed. Edition EL Ergänzungslieferung Emory Bankr. Dev. J. Emory Bankruptcy Developments Journal En. Endnummer ErwG Erwägungsgrund ESUG Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen et al. und andere etc. et cetera Eur. Bus. Org. Law Rev. European Business Organization Law Review EWHC High Court of Justice; High Court of England and Wales; kurz High Court EWiR Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht f. folgende F.3d Federal Reporter, 3rd Series ff. fortfolgende Fn. Fußnote Fordham J. Corp. & Fin. L. Fordham Journal of Corporate & Financial Law FS Festschrift ggf. gegebenenfalls GmbHG Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbHR GmbH-Rundschau
32 h. M. H.R. Harv. Bus. L. Rev. Harv. L. Rev. Hdb. HGB Hrsg. Hs. i. d. R. i. E. i. H. v. i. R. d. i. R. v. i. S. d. i. S. v. i. W. v. IAS IFRS Inc. inkl. InsO Int. Insolv. Rev. InVo J. Corp. Law. Stud. J. Econ. Manag. Strategy J. Empir. Leg. Stud. J. Fin. Econ. J. Finance J. L. & Econ. J. L. Econ. & Org. J. Leg. Anal. J. Leg. Stud. J. of Bus. Finance & Account. J. of Financial Stability Jur. Fac. JuS JW JZ Kan. L. Rev. Kap. GesR KMU KO KSI KTS KuT KWG
Abkürzungsverzeichnis herrschende Ansicht House of Representatives Harvard Business Law Review Harvard Law Review Handbuch Handelsgesetzbuch Herausgeber Halbsatz in der Regel im Ergebnis in Höhe von im Rahmen des/der im Rahmen von im Sinne des im Sinne von im Wert von International Accounting Standards International Financial Reporting Standards Incorporated inklusive Insolvenzordnung International Insolvency Review Insolvenz & Vollstreckung Journal of Corporate Law Studies Journal of Economics & Management Strategy Journal of Empirical Legal Studies Journal of Financial Economics Journal of Finance Journal of Law and Economics Journal of Law, Economics and Organization Journal of Legal Analysis The Journal of Legal Studies Journal of Business Finance & Accounting Journal of Financial Stability Juristische Fakultät Juristische Schulung Juristische Wochenschrift Juristenzeitung Kansas Law Review Recht der Kapitalgesellchaften Kleine und mittlere Unternehmen Konkursordnung Krisen-, Sanierungs- und Insolvenzberatung Konkurs-, Treuhand- und Schiedsgerichtswesen; Zeitschrift für Insolvenzrecht Konkurs- und Treuhandwesen Gesetz über das Kreditwesen
Abkürzungsverzeichnis LBO Lfg. LG Ltd M&A m. w. N. MDR Mich. L. Rev. Mio. MoMiG Mrd. MüKo MünchHdbGesR n. F. N.Y.U. J. L. & Liberty NJW No. Nr. Nw. U. L. Rev. NZA NZG NZI Plc RegE Rev. o. Law and Econ. RG RGBl. Rn. RRL
RSA S. S. Cal. L. Rev. SanInsFoG SchVG SEC Sec. Sess. sog. SSRN Stan. L. Rev.
33
Leveraged-Buyout Lieferung Landgericht Private Limited Company Mergers & Acquisitions mit weiteren Nachweisen Monatsschrift für Deutsches Recht Michigan Law Review Million(en) Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen Milliarden Münchener Kommentar Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts neue Fassung New York University of Law and Liberty Neue Juristische Wochenzeitschrift Nummer Nummer Northwestern University Law Review Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Neue Zeitschrift für Insolvenz- und Sanierungsrecht Public Limited Company Regierungsentwurf Review of Law & Economics Reichsgericht Reichsgesetzblatt Randnummer Restrukturierungsrichtlinie; Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 u¨ ber pra¨ ventive Restrukturierungsrahmen, u¨ ber Entschuldung und u¨ ber Ta¨ tigkeitsverbote sowie u¨ ber Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschul¨ nderung der Richtlinie (EU) 2017/ dungsverfahren und zur A 1132 Restructuring Support Agreement Seite; Satz Southern California Law Review Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts Gesetz über Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen Securities and Exchange Commission Section Session sogenannt Social Science Research Network Stanford Law Review
34 StaRUG Sup. Ct. Rev. t. v. A. Tex. L. Rev. TFM U. Chi. L. Rev. U. Colo. L. Rev. U. Ill. L. Rev. U. Pa. L. Rev. u. a. U.S. U.S.C. u. v. m. UCLA UCLA L. Rev. UK UmwG usw. v. Va. L. Rev. Verf. VerglO; VglO Vol. Wash. U. L. Q. Wis. L. Rev. WL WM WP WpÜG WuB Yale L. J. Yale L. J. Forum z. B. z. T. ZBB ZEuP ZGR ZHR ZInsO ZIP ZPO ZRI ZZP
Abkürzungsverzeichnis Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz - StaRUG) Supreme Court Review teilweise vertretene Ansicht Texas Law Review Ticaret ve Fikri Mülkiyet Hukuku Dergisi (Journal of Commercial and Intellectual Property Law) University of Chicago Law Review University of Colorado Law Review University of Illinois Law Review University of Pennsylvania Law Review unter anderem United States Reports (the official reporter) United States Code und viele mehr University of California University of California Law Review United Kingdom Umwandlungsgesetz und so weiter vom/versus Virginia Law Review Verfasser Vergleichsordnung Volume Washington University Law Quarterly Wisconson Law Review Westlaw Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht Working Paper Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz WuB Entscheidungsanmerkungen zum Wirtschafts- und Bankrecht Yale Law Journal Yale Law Journal Forum zum Beispiel zum Teil Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht; Zeitschrift für das gesamte Insolvenz- und Sanierungsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zivilprozessordnung Zeitschrift für Restrukturierung und Insolvenz Zeitschrift für Zivilprozess
Kapitel 1
Einleitung § 1 Hinführung zum Thema In den USA und in England hat sich die Restrukturierungspraxis für größere Unternehmen in den letzten Jahren stark verändert. In den USA wurde von „Bankruptcy’s Quiet Revolution“1, vom „Shift to a Contract Paradigm“2 und von „the most dramatic development in recent reorganization practice“3 gesprochen. Häufig schließt die Geschäftsleitung mittlerweile vor einem gerichtlichen Restrukturierungsverfahren mit ihren wichtigsten Gläubigern4 (im Folgenden: Schlüsselgläubiger) einen Vertrag ab,5 in welchem der anstehende Restrukturierungsprozess, das (Stimm-)Verhalten der Beteiligten, die Handlungen des Managements und der mögliche Inhalt eines Restrukturierungsplans vorab geregelt werden.6 Dieser Vertrag
1
Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593 (2017). Skeel/Triantis, 166 U. Pa. L. Rev. 1777 (2018). 3 Skeel, 36 Emory Bankr. Dev. J. 733, 740 (2020). 4 Hierbei handelt es sich häufig um die vorrangig besicherten Gläubiger. Diese werden im Folgenden auch Senior-Gläubiger genannt, vgl. Baird, The Unwritten Rules, S. 172. 5 Teilweise wird die Vereinbarung auch nur zwischen den Gläubigern geschlossen, vgl. Casey/Tung/Waldock, Draft Working Paper, S. 3 (2020); Janger/Levitin, 13 Brook. J. Corp. Fin. & Com. L. 169, 175 (2018); vgl. zu solchen Stimmvereinbarungen zwischen Gläubigern in Deutschland: Groh, Stimmvereinbarungen, passim. 6 Zum Einsatz und zur Wirkweise von RSA ausführlich: Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593 ff. (2017); Skeel, 130 Yale L. J. 366 ff. (2020); Skeel/Triantis, 166 U. Pa. L. Rev. 177, 1807 f. (2018); Sasson, 9 N.Y.U. J. L. & Liberty, 850 f. (2015); Janger/Levitin, 13 Brook. J. Corp. Fin. & Com. L. 169 ff. (2018); Rasmussen, 166 U. Pa. L. Rev. 1749, 1768 f. (2018); Levitin, 100 Tex. L. Rev. (2022), Manuskript, S. 20 ff.; Ayotte/Ellias, 39 Yale Journal on Regulation, S. 1 ff. (2022) (insbesondere im Zusammenhang mit Fortführungsfinanzierungen); Skeel, Yale L. J. Forum, 315, 331 ff. (2021); Westbrook, 37 Emory Bankr. Dev. J. 551, 562 f. (2021); LoPucki, Law-Econ Research Paper No. 21 – 12, S. 1, 17 ff.; Lubben, 96 Am. Bankr. L. J. 1 ff., 21 (2022). Zur Praxis in England: Payne, Schemes of Arrangement, 2. Aufl. S. 218 ff.; In re Telewest Communications Plc. (No. 1) [2004] EWHC 924 (Ch) = 2004 WL 852309 (Rn. 52 ff.); Re Sunbird Business Services Ltd [2020] EWHC 2493 (Ch) = 2020 WL 05633841 (Rn. 114 ff.); Re Colouroz Investment 2 LLC and others [2020] EWHC 1864 (Ch) = 2020 WL 03964188 (Rn. 45); Re NN2 Newco Ltd, [2019] EWHC 1917 (Ch) = 2019 WL 03305269 (Rn. 7, 46 f.); vgl. auch jüngst die erste Entscheidung zu Lock-up Agreements im Scheme-of-Arrangement-Verfahren in Singapore: Re Brightoil Petroleum (S’pore) Pte Ltd [2022] SGHC 35 (Re Brightoil); punktuell zur Praxis in Deutschland: Wang, Loan-to-Own, S. 85, 253 f. 2
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Kap. 1: Einleitung
wird Restructuring Support Agreement (RSA) genannt.7 Andere Bezeichnungen sind Plan Support Agreement8, Lock-up Agreement9, Side-Agreement10 oder VotingAgreement11. Im Kern setzen die Geschäftsleitung und die Schlüsselgläubiger im RSA zunächst unter Ausschluss der übrigen Beteiligten das Ziel der Restrukturierung fest, planen das anstehende Restrukturierungsverfahren, regeln grob die Verteilung des Vermögens unter den Betroffenen und arbeiten die neue Kapitalstruktur des Unternehmens aus.12 Die Schlüsselgläubiger gehen im RSA eine Stimmbindung ein.13 Sie verpflichten sich auch, ihre Forderungen bis zur Abstimmung über den Plan nicht mehr an Dritte (z. B. Finanzinvestoren oder Hedgefonds14) abzutreten, ohne dass diese das RSA anerkennen.15 Die Schlüsselgläubiger erhalten im Rahmen der Verhandlungen exklusiven Zugang zu zahlreichen Informationen und können einen erheblichen Einfluss auf die Ausgestaltung des Restrukturierungsplans ausüben.16 Für die Hilfe bei der Aushandlung der Restrukturierung lassen sie sich häufig bestimmte Prämien oder Gebühren bezahlen.17 Wenn ein Restrukturierungsplan angestrebt wird, dem alle Gläubigergruppen zustimmen sollen (konsensualer Plan18), wird den bisher unbeteiligten Gläubigern nach Finalisierung des RSA angeboten, sich diesem anzuschließen und sich ebenfalls 7 Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593 (2017); Muster bei: Restructuring Support Agreement, Practical Law Standard Document w-003 – 2453 (abgerufen am 13. 1. 2022 unter Thomas Reuters Practical Law). 8 Janger/Levitin, 13 Brook. J. Corp. Fin. & Com. L. 169, 175 (2018); vgl. Skeel, 36 Emory Bankr. Dev. J. 733, 741 (2020) (Vereinbarungen, die vor der Anzeige eines Chapter 11-Verfahrens abgeschlossen wurden, sollen „Restructuring Support Agreements“ heißen. Vereinbarungen, die nach Anzeige des Verfahrens abgeschlossen wurden, sollen „Plan Support Agreements“ heißen. Die Begriffe werden aber auch synonym verwendet.). 9 Janger/Levitin, 13 Brook. J. Corp. Fin. & Com. L. 169, 182 (2018); Sasson, 9 N.Y.U. J. L. & Liberty, 850, 861 (2015); Re Sunbird Business Services Ltd [2020] EWHC 2493 (Ch) = 2020 WL 05633841 (Rn. 114 ff.); Re Colouroz Investment 2 LLC and others [2020] EWHC 1864 (Ch) = 2020 WL 03964188 (Rn. 45); Payne, Schemes of Arrangement, 2. Aufl. S. 218 ff. 10 Sasson, 9 N.Y.U. J. L. & Liberty, 850 (2015). 11 In re Telewest Communications Plc. (No. 1) [2004] EWHC 924 (Ch) = 2004 WL 852309 (Rn. 52 f.). 12 Vgl. die Nachweise in Fn. 6. 13 Vgl. Levitin, 100 Tex. L. Rev. (2022), Manuskript, S. 20; Skeel, 130 Yale L. J. 366, 385 (2020). 14 Zu verschiedenen Strategien dieser Akteure: Florstedt, ZIP 2015, 2345, 2346; Palenker, Loan-to-own, S. 80 ff.; Altman, 22 Am. Bankr. Inst. L. Rev. 75, 84 (2014). 15 Vgl. Levitin, 100 Tex. L. Rev. (2022), Manuskript, S. 20; Skeel, 130 Yale L. J. 366, 385 (2020). 16 Re Colouroz Investment 2 LLC and others [2020] EWHC 1864 (Ch) = 2020 WL 03964188 (Rn. 45). 17 Überblick bei Skeel, 130 Yale L. J. 366, 370 (2020); zu verschiedenen Gebühren in England: Re Codere Finance 2 (UK) Ltd, [2020] EWHC 2441 (Ch) = 2020 WL 05517604. 18 Vorteil eines konsensualen Plans ist, dass hier weniger strenge Maßstäbe für den Inhalt des Plans gelten. Insbesondere müssen der Grundsatz der Gruppengleichbehandlung und die absolute Vorrangregel nicht beachtet werden (§§ 26 ff. StaRUG).
§1 Hinführung zum Thema
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einer Stimmbindung für das anschließende Restrukturierungsverfahren zu unterwerfen.19 Hierfür erhalten auch diese Gläubiger regelmäßig finanzielle Anreize, wiederum in Form von Beitrittsprämien, Gebühren, günstigen Investitionsmöglichkeiten oder vorteilhaften Plangestaltungen.20 Die Anreize sind teilweise umso höher, je früher die Parteien dem RSA beitreten.21 Diese Vorteile bleiben den ablehnenden Gläubigern verwehrt.22 Sie werden letztendlich im Rahmen der gesetzlichen Majorisierungsverfahren überstimmt. Das RSA kann auch genutzt werden, um die übergangenen Gläubiger zu überraschen und vor vollendete Tatsachen zu stellen.23 Dann wird das Restrukturierungsverfahren unmittelbar nach Abschluss des RSA mit den Schlüsselgläubigern angezeigt und das Abstimmungsverfahren angestrebt, ohne dass den übrigen Gläubigern zuvor der Beitritt zum RSA ermöglicht wurde.24 Aus Sicht der Schlüsselgläubiger ist das RSA ein Werkzeug dafür, die Kontrolle über den Restrukturierungsprozess zu erhalten25 und hierdurch eine für sie vorteilhafte Behandlung gegenüber den übrigen Gläubigern durchzusetzen.26 Aus Sicht eines Eigenkapitalinvestors (z. B. nach einem Leveraged-Buyout) kann das RSA ein Mittel sein, sich mit den Schlüsselgläubigern zu verbünden und die eingelegten 19 Re Sunbird Business Services Ltd [2020] EWHC 2493 (Ch) = 2020 WL 05633841 (Rn. 117) [„In some (especially larger) cases, the first signatories to a lock-up agreement are usually the ,ad hoc group‘ of creditors that has negotiated the terms of the restructuring with the company. (…) Once the scheme has been formulated, there may then be the publication of a simple ,term-sheet‘, with or without an informal presentation, to other creditors, who are invited to enter into lock-up agreements“]; vgl. auch Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593, 609 (2017) (zur schrittweisen Ansprache der Gläubiger); Baird, The Unwritten Rules, S. 176 f.; Skeel, 130 Yale L. J. 366, 385 (2020) (zur Frage, wie man die Gläubiger später zum Beitritt zum RSA bewegt); ähnlich: Janger/Levitin, 13 Brook. J. Corp. Fin. & Com. L. 169, 173 (2018). 20 Re Colouroz Investment 2 LLC and others [2020] EWHC 1864 (Ch) = 2020 WL 03964188 (Rn. 45); zu den verschiedenen finanziellen Vorteilen im Chapter 11-Verfahren mit Beispielen: Skeel, 130 Yale L. J. 366, 370 f. (2020); zu verschiedenen Gebühren in England: Re Codere Finance 2 (UK) Ltd, [2020] EWHC 2441 (Ch) = 2020 WL 05517604 (Rn. 26). 21 Skeel, 130 Yale L. J. 366, 386 (2020). 22 Vgl. Skeel, 130 Yale L. J. 366, 371 (2020); vgl. auch Lubben, 96 Am. Bankr. L. J. 1 (2022) („RSAs [offer] accepting creditors far better treatment than dissenters“). 23 Sehr kritisch zum RSA als vollendete Tatsache: Janger/Levitin, 13 Brook. J. Corp. Fin. & Com. L. 169, 173 (2018) („the proposal may operate as a fait accompli“), 177 f. („This means that the agreement of key constituencies can be procured first, and then the agreement can be presented to less powerful constituencies as a fait accompli, leaving them little choice but to accept.“). 24 Ähnlich z. B. im Fall In re Innkeepers USA Trust, 442 B.R. 227 (Bkrtcy S.D.N.Y. 2010). 25 Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593, 603 (2017) („Over the last decade, secured creditors have also discovered that they could increase their control over the debtor in a different fashion – through the use of restructuring support agreements.“); vgl. auch Bratton/Levitin, 166 U. Pa. L. Rev. 1597, 1644 f. (2018). 26 Vgl. Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593, 606 f. (2017); Sasson, 9 N.Y.U. J. L. & Liberty, 850, 858 (2015) („Creditors often receive concessions from the debtor to encourage their entrance into the PSA“).
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Kap. 1: Einleitung
Eigenmittel zu retten.27 Aus der Sicht der Schuldnerin und ihres Managements ist das RSA ein Instrument zur frühzeitigen Sicherung der für die Sanierung notwendigen Mehrheiten und zur Gewährleistung des Restrukturierungserfolgs.28 Das RSA kann helfen, Blockadestrategien bestimmter Gläubiger zu bekämpfen29 und dem zunehmenden Handel mit notleidenden Forderungen zu begegnen.30 Allerdings wird auch diskutiert, ob die Schuldnerin die Abstimmung der Planbetroffenen etwa durch Beitrittsprämien, Zeitdruck und durch Schaffung vollendeter Tatsachen (unlauter) beeinflusst (Coercive Techniques31).32 Laut einer Untersuchung wurde in den USA seit der Finanzkrise die Hälfte aller großen Unternehmensinsolvenzen mittels RSAvorverhandelt.33 Seit 2004 waren dies 289 Unternehmen mit einer Masse von jeweils über 100 Mio. US-Dollar.34 Dabei hatte das Management die Restrukturierung in 147 Fällen nur mit einer einzigen Gläubigergruppe vorbesprochen35 ; in weiteren 60 Fällen wurde im RSA eine Koalition zwischen einer einzelnen Gläubigergruppe und der Gruppe der Anteilsinhaber geschlossen.36 Eine andere Berechnung erklärt, dass im Jahr 2020 in über 60 % der Fälle größerer Restrukturierungen RSA eingesetzt wurden.37
27 So im Fall In re Belt, vgl. dazu ausführlich LoPucki, Law-Econ Research Paper No. 21 – 12, S. 20 ff. (2022); vgl. zu den identischen Interessen des LBO-Investors und des LBO-Finanzierers: Siemon, ZInsO 2013, 1549, 1556. 28 Vgl. Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593, 594 (2017) („Modern debtors are interested in a speedy and successful exit from Chapter 11“) und S. 609 („They are more than happy to enter into a restructuring support agreement with senior creditors that puts the firm on a path to a successful reorganization.“); vgl. auch Sasson, 9 N.Y.U. J. L. & Liberty, 850, 857 (2015) („The object of a PSA is to lock up the votes of enough creditors before filing a restructuring plan, in order to ensure that the solicitation and confirmation process will be as quick and predictable as possible“). 29 Skeel, 130 Yale L. J. 366, 375 (2020) („Distortive techniques may sometimes be appropriate to counteract destructive holdout activity“), S. 397 („An RSA […] can be justified as a means of diminishing such creditors’ incentive to hold out.“). 30 Skeel, 130 Yale L. J. 366, 396 (2020); Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593, 605 (2017); Paterson, Corporate Reorganization, S. 102 f.; vgl. auch Wang, Loan-to-Own, S. 85. 31 Vgl. zu diesen Techniken in der Planungsphase: Levitin, 100 Tex. L. Rev. (2022), Manuskript, S. 11; neben RSA zählen zu diesen Techniken auch sog. pre-plan financing agreements, pre-plan asset sales, approval of bidding procedures, prepacked bankruptcies (S. 11 f.). 32 Hierzu die Diskussion bei Skeel, 130 Yale L. J. 366 ff. (2020) und Janger/Levitin, 13 Brook. J. Corp. Fin. & Com. L. 169 ff. (2018). 33 Casey/Tung/Waldock, Draft Working Paper, S. 2 (2020). 34 Casey/Tung/Waldock, Draft Working Paper, S. 7 f. (2020). 35 In 83 Fällen mit den Noteholders; in 64 Fällen mit den Lenders, vgl. Casey/Tung/ Waldock, Draft Working Paper, S. 7 f. (2020). 36 Casey/Tung/Waldock, Draft Working Paper, S. 7 f.(2020). 37 Levitin, 100 Tex. L. Rev. (2022), Manuskript, S. 20 f.
§1 Hinführung zum Thema
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Das Schrifttum und die Gerichte haben erst begonnen die Auswirkungen eines RSA zu untersuchen.38 Die Kritik an RSA ist beachtlich: Die Struktur der Restrukturierungsverhandlung werde auf aufeinanderfolgende zweiseitige Absprachen reduziert.39 Das jeweils zuerst abgeschlossene RSA reduziere den Spielraum für folgende Verhandlungen40 und wirke als vollendete Tatsache (fait accompli).41 Selbst wenn später eine große Mehrheit der Gläubiger dem Plan zustimme, sei das Ergebnis nicht immer fair, weil die Alternative – Scheitern des vorgeschlagenen Plans und Neuverhandlungen – aufgrund hoher Kosten und des Zeitverlusts keine Option darstelle.42 Es wurde auch von hurry-up tactics gesprochen, welche die übergangenen Gläubiger daran hindern würden, sich zu organisieren oder Informationen zu erhalten.43 Ablehnende Gläubiger würden vorschnell als Akkordstörer wahrgenommen, selbst wenn ihre Einwände berechtigt sein könnten.44 Die Schlüsselgläubiger, deren Unterstützung für die Zukunft des Unternehmens von Bedeutung sei, würden im Übrigen gegenüber den übrigen Gläubigern bevorzugt.45 Sie erhielten durch RSA zu viel Einfluss auf die Erstellung des Restrukturierungsplans.46 Die Gläubiger würden sich dem RSA zudem auf einer jeweils unterschiedlichen Informationsgrundlage anschließen und könnten aufgrund der Stimmbindung nicht mehr auf neue Informationen reagieren.47 Die Abstimmung – die zur Absicherung der Marktkonformität dient48 – verliere deshalb an Gewicht.49 Mit RSA werde dar38 Skeel, 130 Yale L. J. 366, 372 (2020); Überblick bei Payne, Schemes of Arrangement, 2. Aufl. S. 218 f.; vgl. auch Lubben, 96 Am. Bankr. L. J. 1 ff. (2022). 39 Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593 f. (2017); vgl. auch Janger/Levitin, 13 Brook. J. Corp. Fin. & Com. L. 169, 177 (2018) („bilateral environment“). 40 Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593 f. (2017). 41 Janger/Levitin, 13 Brook. J. Corp. Fin. & Com. L. 169, 173 (2018). 42 LoPucki, Law-Econ Research Paper No. 21 – 12, S. 44 f. (2022) („creditors’ consent is coerced by putting the creditors in situations in which they have no good alternative and so must vote for the bad alternative. (…) [V]oting against [the RSA and the plan] would not have led to a [better plan] (…); more likely it would have led to delay and expense. To accept the plan and hope was probably the best way out of that bad situation.“); ähnlich: Lubben, 96 Am. Bankr. L. J. 1, 21 (2022). 43 Levitin, 100 Tex. L. Rev. (2022), Manuskript, S. 11. 44 Lubben, 96 Am. Bankr. L. J. 1 ff., 21 ff., insb. 28 (2022). 45 Levitin, 100 Tex. L. Rev. (2022), Manuskript, S. 11 („these coercive techniques are used to benefit (…) favoured creditors or allies of the debtors, whose cooperation is essential to the continuation of the case, such as those providing the financing for the bankruptcy“). 46 Vgl. Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593, 603 f. (2017). 47 Re Sunbird Business Services Ltd, [2020] EWHC 2493 (Ch) = 2020 WL 05633841 (Rn. 116 ff.); vgl. auch Levitin, 100 Tex. L. Rev. (2022), Manuskript, S. 21. 48 Zu dieser Funktion der Abstimmung: Korch, ZHR 182 (2018), 440, 481; Skauradszun, KTS 2021, 1, 56 ff. 49 Re Sunbird Business Services Ltd [2020] EWHC 2493 (Ch) = 2020 WL 05633841 (Rn. 119).
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Kap. 1: Einleitung
über hinaus ein unzulässiger Stimmenkauf umgesetzt.50 Die Abstimmung werde insgesamt (unlauter) beeinflusst.51 Das Management binde sich zu früh.52 Alternative Restrukturierungen könnten nicht mehr in Betracht gezogen werden.53 Schließlich werde der Informationsfluss zum Gericht unterbunden.54 Dem Gericht werde der Deal häufig als Ergebnis eines Verhandlungsprozesses präsentiert, während er in Wahrheit ein Deal aus dem Hinterzimmer sei.55
§ 2 Fragestellung In der vorliegenden Untersuchung wird herausgearbeitet, ob Restrukturierungen nach dem am 1. 1. 2021 in Kraft getretenen Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmenssabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG56)57 mittels RSA organisiert werden können und welche Grenzen bei ihrem Einsatz zu beachten sind. Es wird gleichzeitig geprüft, ob und inwieweit die vertragliche Planung eines teilweise als zwingend angesehenen Verfahrensablaufs möglich und zulässig ist58 und welche Schranken das Gesetz der Vertragsfreiheit im Rahmen einer Restrukturierung setzt. 50 Janger/Levitin, Yale L. J. Forum, 335, 340 (2020) (RSA ermöglichen „vote buying by enhancing distributions to creditors who sign the RSA“); Skeel, 166 U. Pa. L. Rev. 699, 740 in Fn. 225 (2017). 51 Dies sei unzulässig: Janger/Levitin, Yale L. J. Forum, 335 ff., insbesondere 339 f. und passim (2020); offener aber: Skeel, 130 Yale L. J. 366 ff., passim (2020). 52 Vgl. zu diesem Argument: In re Innkeepers USA Trust, 442 B.R. 227, 234 f. (Bkrtcy S.D.N.Y. 2010); vgl. außerdem die Einwände der Gläubiger in folgenden Fällen: In re Bush Industries, Inc., 315 B.R. 292, 303 (Bkrtcy.W.D.N.Y. 2004); Brief for Appellant Ad Hoc Committee of Non-Consenting Creditors (In re Peabody Energy Corp.) vom 4. 5. 2018, CaseNo. 18 – 1302, S. 43 f. 53 Levitin, 100 Tex. L. Rev. (2022), Manuskript, S. 11, 22. 54 Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593, 617 (2017) („A restructuring support agreement may have the effect of silencing the person most likely to disclose the relevant information and, indeed, may have been entered into just for this purpose.“); ebenso Baird, The Unwritten Rules, S. 179. 55 Levitin, 100 Tex. L. Rev. (2022), Manuskript, S. 21 („The RSA is presented to the judge as representing the market bargain reached by sophisticated players, even though it might be a backroom deal reached by a ring of collusive parties at the expense of those left out of the deal.“). 56 Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz) vom 22. 12. 2020, BGBl. I 2020, 3256. 57 Überblick dazu bei Gehrlein, BB 2021, 66 ff. 58 Kritisch zur InsO etwa Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 443 f. in Fn. 374, weil durch Stimmbindungsverträge die Funktion des Erörterungstermins umgangen werden könnte; offener demgegenüber: Koch/de Bra, in: Gottwald/Haas, Insolvenzrechts-Handbuch, § 66
§3 Struktur der mittels RSA organisierten Restrukturierung
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Der Fokus liegt dabei auf Fällen einer finanziellen Krise (financial distress59). Eine finanzielle Krise liegt vor, wenn das Unternehmen an sich gesund ist, aber an einer übermäßigen Schuldenlast leidet,60 z. B. nach einer fremdfinanzierten Übernahme (Leveraged-Buyout, LBO)61 oder weil das Unternehmen den sog. LeverageEffekt (Steigerung der Eigenkapitalrentabilität bei Steigerung des Fremdkapitalanteils62) nutzen wollte.63 Gerade hier sind vorinsolvenzliche Sanierungsverfahren gefragt64 und der Einsatz von RSA besonders interessant. Wenn die Probleme hier frühzeitig gelöst werden, kann ein weiterer Abwärtstrend verhindert werden, bevor andere Stakeholdergruppen oder das Geschäftsmodell negativ betroffen sind, Lieferanten, Kunden und Arbeitnehmer abspringen und eine wirtschaftliche Krise (economic distress) eintritt.65
§ 3 Struktur der mittels RSA organisierten Restrukturierung Gleich zu Beginn der Arbeit soll die Struktur einer Restrukturierung, die mittels eines RSA umgesetzt werden soll, anhand eines vereinfachten Schaubilds ver-
Rn. 3 f.; Smid/Rattunde/Martini, Der Insolvenzplan, Rn. 4.14 ff., insb. 4.19; Nerlich/Römermann/Braun, 43. EL. Mai 2021, Vor § 217 Rn. 204, 223. 59 Baird, 108 Yale L. J. 573, 580 („A firm may be troubled because it cannot succeed in the marketplace, since competitors produce a better product at a lower cost. On the other hand, a firm may be distressed because it cannot generate sufficient revenue to pay its debts. This first kind of adversity is called ,economic distress‘. It exists regardless of a firm’s capital structure. (…) The second kind of trouble is ,financial distress‘, meaning the firm’s income is not enough to pay back what it has borrowed.“). 60 Paterson, Corporate Reorganization, S. 48 („financial distress: the firm has a business which is worth saving but does not have enough cash to pay its financial creditors“); Überblick auch bei Jackson, Research Handbook, S. 6, 8 f. 61 Exemplarisches Beispiel bei Baird/Bernstein, 115 Yale L. J. 1930, 1944 ff. (2006); zur Sanierung von LBO-Fällen: Siemon, ZInsO 2013, 1549 ff.; dazu, dass das operative Geschäft bei LBO finanzierten Unternehmen häufig gesund ist: Siemon, NZI 2016, 57; LBO-Finanzierungen werden auch in erheblichem Umfang am Sekundärmarkt gehandelt, vgl. Westphal/ Wilde, in: Private Equity, S. 211, 213 (Rn. 1); Siemon, ZInsO 2013, 1549, 1551, 1554. 62 Vgl. die Erklärung bei MüKoAktG/Oechsler, § 71 Rn. 5; Kropf, in: Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht Rn. 6.66; Siemon, ZInsO 2013, 1549, 1550 mit Fn. 25. 63 Vgl. zur Entwicklung von komplexen fremdfinanzierten Kapitalstrukturen: Paterson, Corporate Reorganization, S. 47 ff. 64 Siemon, NZI 2016, 57; Westphal, ZGR 2010, 386, 393; Korch, ZHR 182 (2018), 440, 472; Thole, FS Reuter, S. 449, 451 („Das StaRUG ist insgesamt vor allem auf eine Finanzrestrukturierung abgestimmt […].“); vgl. Westphal/Liedl, FS Gehrlein, S. 589, 605 (finanzielle Restrukturierung als „paradigmatischer Anwendungsfall für das StaRUG“). Diese Gesellschaften sind häufig auch Ziel von (aggressiven) Loan-to-Own-Strategien, bei denen RSA für das Management ein Verteidigungsmittel sein können (vgl: Wang, Loan-to-Own, S. 38 ff., 85). 65 Vgl. Paterson, Corporate Reorganization, S. 48 f. und passim.
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Kap. 1: Einleitung
deutlicht werden,66 wobei auch andere, weniger komplexe Vorgehensweisen mit nur einer Gruppe oder wenigen Gruppen denkbar sind.
Der Schuldnerin (linke Seite) stehen die Gläubiger und die Anteilsinhaber (rechte Seite) entsprechend ihrem insolvenzrechtlichen Rang67 gegenüber. Die graue Fläche symbolisiert den Unternehmenswert, welcher in einer Restrukturierung an die Gläubiger und Anteilsinhaber entsprechend ihrem Insolvenzrang zu verteilen ist.68 Wichtig ist, dass dieser Wert keineswegs sicher festgestellt werden kann,69 sondern 66 Ähnlich wurde offenbar im Fall In re Belk, Inc. vorgegangen, vgl. dazu LoPucki, LawEcon Research Paper No. 21 – 12, S. 17 ff. (2022). 67 Überblick zu typischen Kapitalstrukturen z. B. bei Flor/Heemann, in: Schalast/Lutz (Hrsg.), Grundlagen des M&A-Geschäfts, S. 579 ff.; vgl. auch Siemon, ZInsO 2013, 1549, 1551 zur Finanzierungsstruktur nach LBO. 68 Vgl. zu den USA: H.R. Rep. No. 95 – 595 S. 225 (1977) („The valuation consists of an estimate of the earning power of the reorganized debtor, and the appropriate market capitalization rate of that estimated income stream. The income stream thus estimated, capitalized as appropriate, is then distributed among the classes of creditors and equity security holders according to the absolute priority rule.“). 69 Vgl. Baird/Bernstein, 115 Yale L. J. 1930, 1942 (2006) („In the end, such a valuation is nothing more than ,a guess compounded by an estimate‘“) (mit Verweis in Fn. 32. auf H.R. Rep. No. 95 – 595 S. 222 [1977] und die dort zitierte Aussage von Peter Coogan); vgl. auch Adler/
§3 Struktur der mittels RSA organisierten Restrukturierung
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häufig ausgehandelt70 oder anhand von Unternehmensbewertungen, z. B. mittels der sog. Discounted-Cash-Flow-Methode71, bestimmt werden muss.72 Die Gläubigergruppen, welche grau hinterlegt sind, sind noch in the money, während die weiß hinterlegten Gruppen out of the money sind, was bedeutet, dass der Unternehmenswert nicht mehr ausreichen würde, um ihre Ansprüche zu befriedigen.73 Zwar wird teilweise vorgebracht, dass in einem vorinsolvenzlichen Restrukturierungsverfahren die Möglichkeit ausscheiden dürfte, dass die Anteilsinhaber „aus dem Geld“ sind.74 Dem steht aber entgegen, dass die Ansprüche der Gläubiger häufig schon bei drohender Zahlungsunfähigkeit nicht mehr vollwertig sein dürften.75 Außerdem gibt es zahlreiche Fälle aus der englischen und amerikanischen Restrukturierungspraxis, bei denen selbst die Senior-Gläubiger – insbesondere bei Unternehmen mit komplexen, fremdfinanzierten Kapitalstrukturen (complex, leveraged capital structures76) – nicht mehr voll in the money waren.77 Es sei an dieser Casey/Morrison, Baird & Jacksons’ Bankruptcy, S. 791 („This estimate of value, like all estimates of value, is inherently noisy“). 70 Zum Verhandlungsansatz: H.R. Rep. No. 95 – 595, 224 (1977); Baird/Bernstein, 115 Yale L. J. 1930, 1950 f., 1956 ff., 1960 ff. (2006); Adler/Casey/Morrison, Baird & Jacksons’ Bankruptcy, S. 787 ff. 71 Im insolvenzrechtlichen Zusammenhang vgl. Herweg, Obstruktionsverbot, S. 102 (Rn. 228 ff.); zur Bewertung in England: Payne, Schemes of Arrangement, 2. Aufl. S. 234 ff., 1. Aufl. S. 249 ff.; Paterson, Corporate Reorganization, S. 77 – 79; vgl. zur Bewertung auch: Commission Report, Part I, S. 256 f. 72 Adler/Casey/Morrison, Baird & Jacksons’ Bankruptcy, S. 790 f. 73 Vgl. Paterson, Corporate Reorganization, S. 63 („In simple terms, where the value is sufficient to support a payment of all or some of a financial creditor’s claim, the creditor is ,in the money‘. Where firm value is insufficient to support any payment to the financial creditor, the creditor is ,out of the money‘.“). 74 Thole, FS Reuter, S. 449, 453; H.-F. Müller, ZIP 2020, 2253, 2255 („in diesem Stadium sind die Anteile regelmäßig noch werthaltig“); zurückhaltender, aber in diese Richtung: Madaus, Research Handbook, S. 185, 189 („it is not safe to generally assume that shareholders positions affected in a court-assisted restructuring are out of the money. Applying a going concern valuation, shares probably still have a value and the company is still (at partially) ,owned‘ by its shareholders, not creditors.“); vgl. auch Schäfer, ZIP 2020, 2164, 2168 („typischerweise [ist] nicht von einer (vollständigen) Entwertung der Gesellschaftsanteile [auszugehen]“); Kuntz, ZIP 2021, 597, 602. 75 Vgl. zur mangelnden Vollwertigkeit: Bork, ZRI 2021, 345, 348; RegE-SanInsFoG, BTDrucks. 19/24181, S. 105. 76 Vgl. zu den komplexen Kapitalstrukturen und zum daraus entstehenden Konflikt zwischen Senior und Junior Gläubigern: Paterson, Corporate Reorganization, S. 47 ff. 77 Vgl. z. B. Northern Pacific v. Boyd, 228 U.S. 482, 505 (1913); In re DBSD North America Inc., 634 F.3d 79, 90 (2d Cir. 2011) („DBSD is not worth enough to cover even the Second Lien Debt, much less the claims of unsecured creditors like Spring who stand several rungs lower on the ladder of priority“); Re Bluebrook Ltd, [2009] EWHC 2114 (Ch) (Rn. 8, 12 ff., 39 ff.); Re Noble Group Ltd [2018] EWHC 3092 (Ch) (Rn. 84, 86); vgl. allg. zu modernen Restrukturierungen nach einem Leveraged-Buyout: Baird/Bernstein, 115 Yale L. J. 1930, 194 ff. (2006); vgl. dazu, dass gesicherte Bankkredite häufig zur Fulcrum Security Class zählen: Wang, Loan-to-Own, S. 93 m. w. N. in Fn. 387.
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Kap. 1: Einleitung
Stelle auf die beachtliche Fremdfinanzierung bei vielen Unternehmen (Stichwort Leverage-Effekt) hingewiesen.78 Sobald offenbar wird, dass eine finanzielle Restrukturierung unausweichlich ist, verhandeln die Schlüsselgläubiger zunächst mit der Schuldnerin das RSA (Punkt 1). Hierbei sichern sie sich teilweise Vorteile in Form von günstigen Plangestaltungen, Gebühren oder guten Investitionsmöglichkeiten.79 Die Schlüsselgläubiger sind dabei häufig in einem sog. Ad hoc Committee zusammengeschlossen.80 Innerhalb dieses Ad hoc Committees koordinieren die Gläubiger ihre Interessen und verfolgen gegenüber der Schuldnerin eine gemeinsame Strategie.81 Wenn das Ad hoc Committee genügend Forderungen in den einzelnen Gläubigerklassen repräsentiert, kann der Restrukturierungsplan mit der Schuldnerin ausgehandelt werden, ohne andere Gläubigergruppen daran zu beteiligen.82 Selbst wenn das Ad hoc Committee nicht genügend Forderungen vertritt, kann es der Schuldnerin Rückhalt geben und den im RSA vorbesprochenen Plan als vollendete Tatsache durchsetzen.83 Wenn die Restrukturierungsverhandlung84 vorwiegend oder ausschließlich mit den Senior-Gläubigern geführt wird, dürfte der Unternehmenswert eher niedrig ausfallen.85 Die Senior-Gläubiger können das Unternehmen dann mittels Debt-toEquity-Swap übernehmen, ohne die übrigen Gläubiger beteiligen zu müssen.86 Wenn die nachrangigen Klassen beteiligt werden, könnte aus den Verhandlungen hingegen ein Plan hervorgehen, welcher den Unternehmenswert höher ansetzt und mehr Klassen eine Quote zuweist.87 Dann werden die Verhandlungen allerdings komplexer und kostspieliger und können eher scheitern. Die Verhandlungsstruktur, die Verhandlungsmacht verschiedener Forderungsklassen88 sowie die Loyalität und In78
Vgl. dazu oben bei Fn. 61 ff. Vgl. die Beispiele weiter unten ab Fn. 119 ff. 80 Sehr kritisch zu einem Beispiel, in dem die Schuldnerin offenbar selbst die Bildung der Ad hoc Committees vorangetrieben hat und im Unklaren geblieben ist, wessen Interessen die beteiligten Gläubiger vertraten: LoPucki, Law-Econ Research Paper No. 21 – 12, S. 18 ff. (2022). 81 Asimacopoulos/Zeng, The Art of the Ad Hoc, S. 10. 82 Asimacopoulos/Zeng, The Art of the Ad Hoc, S. 14. 83 Asimacopoulos/Zeng, The Art of the Ad Hoc, S. 14. 84 Beispiel bei Ayotte/Casey/Skeel, 112 Nw. U. L. Rev. 255, 296 f. (2017). 85 Crystal/Mokal, S. 5 („those holding senior claims have an incentive to undervalue the company’s business“). 86 Crystal/Mokal, S. 6. 87 Vgl. Crystal/Mokal, S. 5 („junior claimants have an incentive to overvalue it [the company]“). 88 Vgl. dazu Wang, Loan-to-Own, S. 66 ff. (zur Verhandlungsmacht der Fulcrum Security Class) und S. 92 ff. (zur Verhandlungsmacht einzelner Schuldtitel wie etwa Bankverbindlichkeiten, Anleihen, Schuldscheinen, Lieferantenverbindlichkeiten). Ungesicherte Anleihegläubiger werden z. B. häufig erst spät in die Verhandlungen einbezogen (Wang, Loan-to-Own, S. 100 m. w. N. in Fn. 439). 79
§3 Struktur der mittels RSA organisierten Restrukturierung
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centivierung des Managements haben im Ergebnis erhebliche Auswirkungen auf die Bestimmung und die Verteilung des Unternehmenswerts.89 Wird ein konsensualer Plan angestrebt, wird das RSA den bislang unbeteiligten Gläubigern nach seinem Abschluss präsentiert90 (Punkt 2). Sie werden nun aufgefordert, sich dem RSA anzuschließen. Sie können dabei von den im RSA ausgelobten Prämien profitieren, insbesondere von Beitrittsprämien oder sog. Early-Bird-Prämien.91 Will man die unbeteiligten Gläubiger überraschen, etwa um sie zeitlich unter Druck zu setzen, könnte nach Abschluss des RSA auch sofort das gesetzliche Restrukturierungsverfahren angezeigt werden.92 Die Gläubiger können Widerstand anmelden (Punkt 3), etwa weil sie die Unternehmensbewertung als zu niedrig erachten. Sie könnten auch argumentieren, dass sie zu schlecht oder ungleich behandelt würden oder bei den Planverhandlungen nicht mitwirken konnten. In diesem Fall würde die Schuldnerin eine Mehrheitsentscheidung (Cramdown) oder eine gruppenübergreifende Mehrheitsentscheidung (Cross-class Cramdown) herbeiführen.93 Mit dem einfachen Cramdown-Verfahren können einzelne planbetroffene Parteien innerhalb einer Gruppe durch Mehrheitsentscheidung (75 % der zusammengruppierten Forderungssumme94) überstimmt werden. Voraussetzung ist u. a., dass allen Gläubigern innerhalb der Gruppe die gleichen Rechte angeboten wurden95 und dass kein Gläubiger schlechtergestellt wird als im nächstbesten Alternativszenario (Schlechterstellungsverbot; Best Interest Test).96 Mit dem gruppenübergreifenden Cramdown-Verfahren (§§ 26 ff. StaRUG) kann ein Restrukturierungsplan bestätigt werden, auch wenn nicht alle Gläubigergruppen dem Plan zugestimmt haben.97 Hierfür muss allerdings mindestens die
89 Instruktiv: Wang, Loan-to-Own, S. 56 ff.; vgl. auch Baird, 91 Am Bankr. L. J. 593 ff. (2017). 90 Z. B. Re Sunbird Business Services Ltd, [2020] EWHC 2493 (Ch) = 2020 WL 05633841 (Rn. 117). 91 Zu den Fees z. B. Re Codere Finance 2 (UK) Ltd, [2020] EWHC 2441 (Ch) = 2020 WL 05517604 (Rn. 26); vgl. umfassend: Skeel, 130 Yale L. J. 366 ff. (2020). 92 So ähnlich im Fall In re Innkeepers USA Trust, 442 B.R. 227 (Bkrtcy S.D.N.Y. 2010). 93 Zum Begriff „cramdown“: Skeel, Debt’s Dominion, S. 10 („This delicate term refers to the fact that such reorganizations are crammed down the throat of the disgruntled class of creditors“). 94 Vgl. § 25 Abs. 1 StaRUG. 95 § 10 Abs. 1 StaRUG. 96 Dieses Recht muss allerdings geltend gemacht werden, vgl. § 64 Abs. 1 StaRUG; Skauradszun, KTS 2021, 1, 64 ff. (denkbar sind: ein „ohne alles“-Szenario, eine Fortführung im Insolvenzplanverfahren, ein Verkauf als fortgeführtes Unternehmen außerhalb eines Insolvenzverfahrens, ein Verkauf als fortgeführtes Unternehmen in einem Insolvenzverfahren und ein stückweiser Verkauf des Unternehmens). 97 Gehrlein, BB 2021, 66, 70 f.; Hoos/Schwartz/Schlander, ZIP 2021, 2214, 2215; Morgen/ Arends/Schierhorn, ZRI 2021, 305, 310; vgl. zur RRL: Veder, in: Paulus/Dammann, European Restructuring, Art. 11 Rn. 4; Freitag, ZIP 2019, 541, 544; Korch, ZIP 2020, 446.
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Kap. 1: Einleitung
Mehrheit der Gruppen zugestimmt haben.98 Daneben müssen weitere materielle Voraussetzungen erfüllt sein. Hierzu zählt erstens die absolute Vorrangregel (Absolute Priority Rule)99. Nach dieser Regel müssen die vorrangigen Gläubigergruppen, die den Plan abgelehnt haben, erst vollständig befriedigt sein, bevor nachrangige Gruppen oder die Anteilsinhaber etwas erhalten. Nach dem Schlechterstellungsverbot100 darf auch kein Planbetroffener durch den Plan schlechter stehen als im nächstbesten Alternativszenario. Schließlich gilt der Grundsatz der Gruppengleichbehandlung.101 Zuletzt darf die Planannahme nicht unlauter herbeigeführt worden sein, insbesondere nicht kausal durch eine Begünstigung einzelner Planbetroffener.102 Nach einer Ansicht gibt die Möglichkeit des gruppenübergreifenden Cramdowns dem ganzen Verfahren ein besonderes Ausmaß an Schuldnerfreundlichkeit.103 Trotz der strengen Regeln, die in ähnlicher Form auch in den USA gelten,104 werden im RSA teilweise weitere Nebenabsprachen getroffen, um die Parteien von der Restrukturierung zu überzeugen und die notwendigen Mehrheiten für das gruppenübergreifende Cramdown-Verfahren zu organisieren. So geben etwa die Senior-Gläubiger teilweise einen Teil ihrer Quote an andere planbetroffene Parteien ab.105 Zu beobachten ist außerdem, dass dem Management häufig die Weiterbeschäftigung nach der Restrukturierung in Aussicht gestellt oder ihm eine Beteiligung an dem Unternehmen zugesagt wird.106 Fraglich ist, ob dies zulässig ist.107 Schließlich ist nochmals auf den flexiblen Einsatzbereich des RSA hinzuweisen: Das Schaubild stellt nur eine mögliche Verfahrensstruktur dar, bei welchem RSA zum Einsatz kommen. Mit dem RSA kann sowohl ein konsensualer Plan als auch ein gruppenübergreifender Cramdown-Plan vorbereitet werden. Das RSA kann auch genutzt werden, um eine Restrukturierung vorzubereiten, in welcher nur wenige Gruppen beteiligt sind oder in der ggf. nur eine einzige Gruppe involviert ist. In letzterem Fall würden die wichtigsten Gläubiger der einzelnen Gruppe dann die Schlüsselgläubiger bilden.
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§ 26 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG. § 26 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG i. V. m. § 27 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG. 100 § 26 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG. 101 § 26 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG i. V. m. § 27 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG. 102 § 63 Abs. 4 StaRUG. 103 Ganter, FS Wimmer, S. 187, 212; kritisch auch: Smid, InVo 2000, 1, 2. 104 Vgl. 11 U.S.C. § 1123 (4) (Gleichbehandlungsgrundsatz innerhalb einer Gruppe), § 1129 (a) (7) (A) (ii) (Schlechterstellungsverbot); § 1129 (b) (1) (2) (absolute Vorrangregel); § 1129 (b) (1) (Verbot unfairer Diskriminierung von Gruppen); 1129 (a) (3) (Voraussetzung, dass der Plan in gutem Glauben vorgeschlagen worden ist). 105 Vgl. unten bei Fn. 213 ff. 106 Vgl. dazu die Beispiele weiter unten bei Fn. 2952 ff. 107 Zum Einfluss auf die Unternehmensbewertung: Wang, Loan-to-Own, S. 56 ff. 99
§ 4 Gang der Darstellung
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§ 4 Gang der Darstellung In Kapitel 2 werden zunächst die Grundlagen für diese Arbeit aufbereitet. Es werden Beispiele und der typische Inhalt eines RSA vorgestellt. Außerdem wird die Frage beantwortet, warum es solche Vereinbarungen überhaupt gibt. Schließlich werden ihre Vor- und Nachteile offengelegt. Im dritten Kapitel wird ein historischer, rechtsvergleichender Blick auf RSA gerichtet. Fraglich ist dabei, wie das US-Recht und das englische Recht jeweils die vertragliche Organisation eines gerichtlichen Restrukturierungsverfahrens bewerten. Es folgt eine ökonomische Analyse von RSA. Schließlich werden sie anhand verschiedener Theorien zum Insolvenz- und Restrukturierungsrecht gewürdigt. Auch hier ist fraglich, ob und inwieweit nach diesen Theorien eine vertragliche Organisation der Restrukturierung zulässig ist. Im vierten Kapitel wird untersucht, ob RSA mit der Verfahrens- und Kompetenzordnung des Aktiengesetzes und des StaRUG vereinbar sind. RSA werden typischerweise vor Anzeige der Restrukturierungssache bei Gericht abgeschlossen. Daher ist zuerst fraglich, ob der Abschluss mit der gesellschaftsrechtlichen Kompetenzordnung vereinbar ist (§ 1). Hier sollen exemplarisch die Vorgaben des Aktienrechts untersucht werden. Diese Wahl ist darin begründet, dass RSA vor allem bei der Restrukturierung größerer Unternehmen herangezogen werden. Ein RSA könnte ein Beherrschungsvertrag sein. Es könnte auch eine unzulässige Vorabbindung des Vorstands vorliegen. Die Hauptversammlung könnte dem Abschluss des RSA zustimmen müssen. Schließlich könnte auch eine Related Party Transaction i. S. d. §§ 111a–c AktG gegeben sein. Daneben könnte das RSA nach § 187 Abs. 2 AktG unzulässig sein. Das Management könnte durch den Abschluss eines RSA außerdem die Interessen der Aktionäre verletzten. Ein RSA zwischen dem Management und den Schlüsselgläubigern wäre schließlich nur wenig nützlich, wenn das Management das StaRUG-Verfahren gar nicht nutzen dürfte. Deshalb ist auch zu prüfen, ob es für die Anzeige des StaRUG-Verfahrens eines Beschlusses der Hauptversammlung bedarf. Unter § 2 wird geprüft, ob das RSA einen effektiven Schutz gegenüber dem zunehmenden Forderungshandel gewährt. Hier könnte insbesondere § 354a Abs. 1 HGB problematisch sein. Im nächsten Unterkapitel (§ 3) werden mögliche Hürden im StaRUG-Verfahren für den Einsatz eines RSA untersucht. Hier kommen zuerst die nötigen Abstimmungsmehrheiten für das Verfahren in Betracht. Außerdem könnte es unzulässig sein, das RSA zunächst mit einigen Gläubigern vorzubesprechen und erst dann weitere Planbetroffene in das Verfahren einzubeziehen. Dem könnten die Regeln zur Auswahl der Planbetroffenen und zur Gruppenbildung entgegenstehen. Es könnte zudem ein unzulässiger Kompetenzübergriff auf die Versammlung der Planbeteiligten vorliegen. Fraglich ist auch, ob sich die Gläubiger einer Stimmbindung zugunsten der Schuldnerin unterwerfen dürfen. Aktionären wäre dies jedenfalls durch § 136 Abs. 2 AktG verwehrt. Möglicherweise könnte eine Stimmbindung auch wieder entfallen, wenn die planbetroffenen Gläubiger eine Erörterungsversammlung beantragen. Fraglich ist darüber hinaus, ob das RSA
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Kap. 1: Einleitung
deshalb unwirksam ist, weil es ein Mittel darstellt, um die Restrukturierungsverhandlung zu untergraben. Schließlich ist fraglich, ob das Management seine Pflicht zur Wahrung des Interesses der Gesamtheit der Gläubiger verletzt, wenn es die Restrukturierung nur mit wenigen Gläubigern vorbespricht. Neben den aktienrechtlichen Grenzen und den Grenzen des StaRUG könnten auch die bisher bestehenden Finanzierungsverträge dem Einsatz eines RSA entgegenstehen (§ 4). Hier ist insbesondere auf sog. Waiver Contracts und Intercreditor Agreements einzugehen. Diese stellen dann Schranken für den Einsatz eines RSA dar, wenn das RSA mit den Junior- oder Mezzanine-Gläubigern108 geschlossen werden soll.109 Im Grundsatz können zwei Arten von RSA unterschieden werden. Die erste Art regelt nur das Verhalten des Managements und der Schlüsselgläubiger, enthält also ein Abtretungsverbot, eine Stimmbindung, die wesentlichen Verfahrensschritte und Ziele für das Management. Diese Art von RSA steht insbesondere im Konflikt mit den in Kapitel vier untersuchten Aspekten. Eine zweite Art von RSA gewährt den einzelnen Parteien bestimmte zusätzliche monetäre Vorteile, wie Gebühren oder günstige Investitionsmöglichkeiten. Die Zulässigkeit solcher monetären Anreize im bilateralen RSA wird im fünften Kapitel untersucht. Dort wird der Frage nachgegangen, ob sich einzelne Planbetroffene oder das Management durch den Einsatz von RSA Sondervorteile sichern können. Spezifisch wird die Vereinbarkeit von Nebenabsprachen mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 1), der absoluten Vorrangregel (§ 2), dem Verbot von Sondervorteilen, z. B. nach § 10 Abs. 3 StaRUG (§ 3– § 5), und der organschaftlichen Treuepflicht (§ 6) beurteilt. Im sechsten Kapitel geht es um die Konsequenzen des RSA für die Schlüsselgläubiger. Hier könnte eine mögliche Subordination (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO), ein Stimmverbot oder eine Verletzung etwaiger Treuepflichten die Bestätigung des StaRUG-Plans verhindern. Eine Zusammenfassung (Kapitel 7) schließt die Arbeit ab.
§ 5 Methodisches Vorgehen Die Vorgaben der Restrukturierungsrichtlinie RL (EU) 2019/1023110 (im Folgenden RRL) stellen eine Mischung aus dem englischen Scheme-of-Arrangement108
Im Folgenden wird vorwiegend der Begriff „Junior-Gläubiger“ verwendet. Die Begriffe werden m. E. in der Literatur in den USA und England nicht einheitlich verwendet. Die Begriffe werden häufig auch untechnisch verwendet und wollen nur die Tatsache betonen, dass bestimmte Gläubiger gegenüber den Senior-Gläubigern nachrangig sind, ohne den konkreten insolvenzrechtlichen Rang zu spezifizieren, vgl. z. B. Casey, 78 U. Chi. L. Rev. 759, 761 in Fn. 7. 109 Beispiel und Nachweise dazu unten bei Fn. 2321 ff. 110 Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und
§ 5 Methodisches Vorgehen
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Verfahren und dem amerikanischen Chapter 11-Verfahren dar.111 Die präventive Restrukturierung hat eine angelsächsische Prägung.112 Mit der Umsetzung der RRL könnte die Praxis der RSA – als weitere Angloamerikanisierung der Vertragspraxis113– in Deutschland Einzug halten. Ziel dieser Arbeit ist es, die verschiedenen Probleme und Lösungsansätze, die in England und in den USA im Zusammenhang mit RSA diskutiert werden, darzustellen und zu analysieren. Es wird sodann untersucht, ob die jeweiligen Argumente für und gegen RSA auch im StaRUG-Verfahren Geltung haben. Daneben wird auch auf aktienrechtliche Wertungen zurückgegriffen, weil ein RSA eine Art Stimmbindungsvertrag ist und diese Verträge im Aktienrecht schon ausgiebig diskutiert worden sind.114 Schließlich werden Wertungen aus dem Übernahmerecht aufgegriffen, insbesondere weil zahlreiche Klauseln in RSA auch in Investorenvereinbarungen115 vorkommen. Der Vergleich bietet sich deshalb an, weil es in den USA zahlreiche Stimmen gibt, welche die Restrukturierung mit einer Übernahme-Transaktion (Corporate Control Transaction) vergleichen und unter diesem Aspekt betrachten.116 Soweit die Regeln zum Insolvenzplan und zum StaRUG-Plan identisch sind,117 wird bei der Auslegung der StaRUG-Normen auch auf Literatur zur InsO zurückgegriffen.
Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132; Kurztitel: Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz; inoffiziell: Restrukturierungsrichtlinie. 111 MüKoInsO/Eidenmüller, Vor § 217 Rn. 76. 112 Wollring/Quitzau, ZRI 2021, 785. 113 Vgl. allgemein: Merkt, ZHR 171 (2007), 490 ff.; Merkt, in: Göthel, S. 173 ff. 114 Vgl. z. B. Schneider, Stimmbindungsvertrag, passim; Overrath, Stimmrechtsbindung, passim. 115 Vgl. dazu Heß, Investorenvereinbarungen, passim; Wiegand, Investorenvereinbarungen, passim. 116 Z. B. Skeel, 152 U. Pa. L. Rev. 917, 918 (2003); Couwenberg/Lubben, 13 Brook. J. Corp. Fin. & Com. L. 145 (2018); ebenso schon Jackson, Bankruptcy Law, S. 211 („Reorganization proceedings, then, are basically a method by which the sale of a firm as a going concern may be made to the claimants themselves.“). 117 Zur Anlehnung des StaRUG an das Insolvenzplanverfahren: Bork, ZRI 2021, 345, 356; vgl. zu einigen Unterschieden: Marotzke, ZInsO 2021, 643 f.
Kapitel 2
Grundlagen In diesem Kapitel werden zunächst vier Beispiele aus den USA und England vorgestellt, die illustrieren, wie RSA die Restrukturierungsverhandlung mittlerweile beeinflussen (§ 1). Sodann werden Tendenzen in Deutschland zum Einsatz von RSA aufgezeigt (§ 2) und der typische Inhalt eines RSAvorgestellt (§ 3). Danach werden RSA in den breiteren Kontext eingeordnet (§ 4) und es wird sowohl auf Vor- und Nachteile einer Zusammenarbeit zwischen den Schlüsselgläubigern und dem Management als auch auf Vor- und Nachteile von sog. Coercive Techniques eingegangen (§ 5).
§ 1 Beispiele für den Einsatz von RSA Mit den folgenden vier Beispielen118 werden unterschiedliche Einsatzmöglichkeiten und Problemfelder von RSA aufgezeigt.
A. In re Innkeepers USA Trust Im Fall In re Innkeepers USA Trust119 hatte das Management vor Beginn des Chapter 11-Verfahrens mit nur einem von neun Großgläubigern, der Lehman-Bank, ein RSA abgeschlossen. Nach dem RSA sollte die Lehman-Bank für ihre gesicherte Forderung i. H. v. ca. 238 Mio. US-Dollar alleinige Anteilsinhaberin der Schuldnerin inkl. aller Tochterunternehmen werden. Die anderen gesicherten Gläubiger (1,2 Mrd. US-Dollar) sollten (nur) neue gesicherte Forderungen erhalten, welche dem Wert ihrer bisherigen Sicherheiten entsprachen. Die Lehman-Bank sollte eine bestimmte Anzahl an den erhaltenen Anteilen später an die Muttergesellschaft der Schuldnerin (Apollo) weitergeben. Mit einer zustimmenden Gläubigergruppe (Lehman-Bank) wäre die im Chapter 11-Verfahren notwendige Mehrheit erreicht worden [11 U.S.C. § 1129 (a) (10)]. Wenn die übrigen gesicherten Gläubiger mindestens den Wert ihrer Sicherheit erhalten hätten, hätten sie den Plan auch nicht verhindern können [11 U.S.C. § 1129 (b)]. Das Chapter 11-Verfahren wurde ange118
Zu einem weiteren Beispiel siehe Wang, Loan-to-Own, S. 443 ff. In re Innkeepers USA Trust, 442 B.R. 227 (Bkrtcy S.D.N.Y. 2010) (auch zum folgenden Sachverhalt); dazu jetzt auch das Lehrbuch Adler/Casey/Morrison, Baird & Jacksons’ Bankruptcy, S. 787 ff. 119
§ 2 Beispiele für den Einsatz von RSA
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zeigt und das Gericht gebeten, das RSA als schwebenden Vertrag zu bestätigen (11 U.S.C. § 365). Die acht übrigen Großgläubiger hatten Einwände erhoben. Sie seien übergangen worden, das Management habe das RSA nicht mit der gebührenden Sorgfalt (good business judgment) verhandelt und die Lehman-Bank werde durch den Deal zu vorteilhaft behandelt. Das Gericht gab den übergangenen Gläubigern Recht und lehnte die Bestätigung des RSA ab.
B. Re Sunbird Business Services Ltd In Fall Re Sunbird Business Services Ltd120 aus England war die Schuldnerin eine Finanzierungsholding, welche eine Vielzahl von operativ tätigen Tochterunternehmen betrieb. Diese boten Büroflächen zur Miete an. Mit einem Scheme-of-Arrangement-Verfahren sollte für zahlreiche Verbindlichkeiten der Holding ein Debtto-Equity-Swap umgesetzt werden. Daneben konnten die Gläubiger im Rahmen einer Kapitalerhöhung zusätzliche neue Anteile erwerben und der Gesellschaft so zusätzliche Mittel gewähren.121 Das Scheme wurde vom Management mit ausgewählten Schlüsselgläubigern vorbereitet und in einem Lock-up Agreement festgehalten.122 Anschließend konnten sich andere Gläubiger dem Lock-up Agreement anschließen, indem sie sich verpflichteten, für das Scheme zu stimmen.123 Im späteren Scheme-Verfahren stimmten 24 Gläubiger mit 87 % Summenmehrheit für das Scheme und 6 Gläubiger mit einer Forderungssumme i. H. v. 13 % dagegen.124 Es stellte sich allerdings heraus, dass wohl viele Gläubiger im Zeitpunkt ihres Beitritts zum RSA nicht richtig über die Wirkungen des Schemes informiert waren. Wenn ein Gläubiger sich nicht an der Kapitalerhöhung beteiligten wollte, wären seine Anteile, die er im Rahmen des Debt-to-Equity-Swaps erhalten hätte, verwässert worden. Dies war nicht ausreichend erläutert worden.125 Zum Zeitpunkt, zu dem der Verwässerungseffekt den Gläubigern offenbart wurde, hatten sich viele Gläubiger dem Lockup Agreement aber bereits angeschlossen. Bei der Abstimmung hätten sich die Gläubiger deshalb womöglich schon gebunden gefühlt und es war nicht klar, ob sie sich – auch wegen der erhaltenen Gebühren – zu einer Absichtsänderung im Stande 120 Vgl. zum Folgenden: Re Sunbird Business Services Ltd, [2020] EWHC 2493 (Ch) = 2020 WL 05633841 (auch zum folgenden Sachverhalt). 121 Vgl. Re Sunbird Business Services Ltd, [2020] EWHC 2493 (Ch) = 2020 WL 05633841 (Rn. 17). 122 Re Sunbird Business Services Ltd, [2020] EWHC 2493 (Ch) = 2020 WL 05633841 (Rn. 105). 123 Vgl. Re Sunbird Business Services Ltd, [2020] EWHC 2493 (Ch) = 2020 WL 05633841 (Rn. 108 ff.). 124 Re Sunbird Business Services Ltd, [2020] EWHC 2493 (Ch) = 2020 WL 05633841 (Rn. 2). 125 Vgl. Re Sunbird Business Services Ltd, [2020] EWHC 2493 (Ch) = 2020 WL 05633841 (Rn. 97, 112 ff.).
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Kap. 2: Grundlagen
sahen.126 Deshalb hat das Gericht das Scheme trotz mehrheitlicher Annahme nicht bestätigt.
C. In re Peabody Energy Corporation Die Restrukturierung In re Peabody Energy Corporation127 wurde ebenfalls mittels RSA umgesetzt. Das Unternehmen war im Kohlesektor tätig. Es hatte Verbindlichkeiten i. H. v. 8,8 Mrd. US-Dollar. Davon waren 4,3 Mrd. gesichert und 3,7 Mrd. ungesichert. Die restlichen Forderungen waren nachrangig. Im Vorfeld der Restrukturierung hatte es einen Streit zwischen den gesicherten Gläubigern und den ungesicherten Gläubigern darum gegeben, ob Sicherheiten i. H. v. einer Mrd. USDollar zugunsten der gesicherten Gläubiger wirksam bestellt worden waren. In vom Gericht angeordneten Verhandlungen wurde schließlich ein Vergleich erzielt, welcher mittels RSA umgesetzt werden sollte: Dabei sollten 1,5 Mrd. US-Dollar durch die Ausgabe neuer Anteile eingeworben werden. Mit diesen Mitteln sollten die gesicherten und die ungesicherten Gläubiger jeweils teilweise befriedigt werden. 750 Mio. US-Dollar sollten dabei durch ein Private Placement eingeworben werden und 750 weitere Mio. durch ein sog. Rights Offering. Die Anteile im Private Placement wurden mit einem Rabatt von 35 % ausgegeben. Die Teilnahme am Private Placement wurde jedoch nur ausgewählten bisherigen Gläubigern angeboten. Eine Bedingung hierfür war, dass diese Gläubiger ein RSA unterzeichnen, in welchem sie sich dazu verpflichteten, später im Chapter 11-Verfahren einen Restrukturierungsplan zu unterstützen. Für den Beitritt zum RSA wurden wiederum Prämien bzw. Gebühren gewährt. Diese waren umso höher, je früher ein Gläubiger sich dem RSA anschloss. Gleichzeitig durften sich nur die Teilnehmer am Private Placement zur Absicherung (underwriting) des Rights Offerings verpflichten, wofür die Schuldnerin zusätzliche besondere Gebühren versprochen hatte. Die nicht zustimmenden Gläubiger wandten sich gegen die spätere Planbestätigung. Es liege eine bevorzugte Behandlung sowohl der Gläubiger, die das RSA verhandelt hatten, als auch derjenigen vor, die sich ihm später anschlossen.128 Außerdem sei der Plan nicht in good faith vorgeschlagen worden.129 Das Beispiel zeigt, warum das RSA teilweise als Mittel zu einem Stimmenkauf angesehen wird130 : Wer sich ihm anschließt und für
126 Re Sunbird Business Services Ltd, [2020] EWHC 2493 (Ch) = 2020 WL 05633841 (Rn. 122). 127 In re Peabody Energy Corp., 582 B.R. 771, 775 ff. (E.D.Mo. 2017) (auch zum folgenden Sachverhalt); bestätigt in: In re Peabody Energy Corp., 933 F.3d 918 (8th Cir. 2019). 128 In re Peabody Energy Corp., 582 B.R. 771, 779, 781 ff. (E.D.Mo. 2017). 129 In re Peabody Energy Corp., 582 B.R. 771, 779 (E.D.Mo. 2017). 130 Skeel, 130 Yale L. J. 366, 370, 376 (2020); vgl. zum RSA als Stimmenkauf auch Skeel, 166 U. Pa. L. Rev. 699, 740 in Fn. 225 (2017); Janger/Levitin, Yale L. J. Forum, 335, 340, 343, 352 (2020).
§ 2 Beispiele für den Einsatz von RSA
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den späteren Plan stimmt, erhält eine günstige Investitionsmöglichkeit und weitere Vorteile in Form von Gebühren.
D. Re Noble Group Ltd Auch im Fall Re Noble Group Ltd.131 wurde ein RSA eingesetzt. Wie in vielen anderen Fällen132 trat auch hier ein Ad hoc Committee, welches aus einer Gruppe größerer aktiverer Gläubiger bestand, an die Schuldnerin heran, um einen umfassenden Restrukturierungs-Deal auszuhandeln und in einem RSA festzuhalten.133 Nach dem Deal sollte das Unternehmen auf einen neuen Rechtsträger übertragen werden, an dessen Eigenkapital die vorrangigen Gläubiger (Senior-Gläubiger) einen 70 %igen, die bisherigen Anteilsinhaber einen 20 %igen und das bisherige Management einen 10 %igen Anteil erhalten sollten.134 Die nachrangigen Gläubiger sollten leer ausgehen.135 Der Deal sollte zudem eine neue Finanzierung sichern.136 Im Grundsatz wurden die Forderungen der bisherigen Gläubiger, die nicht in Eigenkapital umgewandelt werden sollten, erneuert. Es wurde den Gläubigern darüber hinaus angeboten, vorrangige Forderungen zu erhalten, wenn sie gleichzeitig eine neue Finanzierung absichern würden (Risk Participate). In diesem Fall sollten sie auch eine höhere Quote erhalten.137 Das Scheme wurde angenommen und vom Gericht bestätigt. Die Entscheidungen des Gerichts untersuchten u. a. für den Kontext von RSA wichtige Fragen: Zum einen erhielten die Gläubiger, welche das RSA ausarbeiteten, zahlreiche Gebühren von der Schuldnerin.138 Unter diesen war eine Gebühr dafür, dass die Gläubiger auf Rechte verzichteten, welche sie nach dem 131
Re Noble Group Ltd, [2018] EWHC 2911 (Ch) (Convening Judgment) und [2018] EWHC 3092 (Ch) (Sanctioning Judgment) (jeweils auch zum folgenden Sachverhalt). 132 Re Noble Group Ltd, [2018] EWHC 2911 (Ch) (Convening Judgment) (Rn. 110: „It seems to be an increasingly common feature of modern restructuring practice for a group of larger or more active creditors of a company in financial difficulty, to band together into a socalled ,ad hoc group‘ and approach the debtor company to negotiate a restructuring deal“.). 133 Vgl. Re Noble Group Ltd, [2018] EWHC 2911 (Ch) (Convening Judgment) (Rn. 44: “On 14 March 2018 the Company announced that it had entered into a restructuring support agreement (,the RSA‘) with the members of the Ad Hoc Group and Deutsche Bank in its capacity as an exisiting senior creditor and provider of future finance“). 134 Re Noble Group Ltd, [2018] EWHC 3092 (Ch) (Rn. 4) (Sanctioning Judgment). 135 Re Noble Group Ltd, [2018] EWHC 3092 (Ch) (Rn. 7, 80) (Sanctioning Judgment) („The consequence is that, at least so far as the Scheme is concerned, the holders of the Perpetual Capital Securities will be left behind as unsatisfied creditors of the Company, when the business and assets of the Group are transferred to the New Noble Group“). 136 Vgl. zum Folgenden: Re Noble Group Ltd, [2018] EWHC 2911 (Ch) (Rn. 11 f.) (Convening Judgment). 137 Vgl. zu den Quoten: Re Noble Group Ltd, [2018] EWHC 3092 (Ch) (Rn. 10) (Sanctioning Judgment). 138 Vgl. zum Folgenden: Re Noble Group Ltd, [2018] EWHC 2911 (Ch) (Rn. 110 ff.) (Convening Judgment).
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Kap. 2: Grundlagen
Kreditvertrag hätten ausüben können. Ferner wurden sog. Bearbeitungsgebühren (Work Fees) und weitere Gebühren gezahlt, welche im Zusammenhang mit der neuen Finanzierung standen. In anderen Fällen wurden zudem Rechtsberatungsgebühren übernommen oder ein Entgelt dafür gezahlt, dass die Gläubiger darauf verzichteten, ihre Forderung künftig abzutreten.139 Das Gericht prüfte auch, ob die Gläubiger, denen das RSA Gebühren versprach, zwingend einer eigenen Gruppe zuzuteilen sind.140 Fraglich war daneben, ob die Gebühren zu Sondervorteilen bei einigen Gläubigern geführt haben, sodass diese nicht mehr bona fide abstimmen konnten.141 Daneben war strittig, ob die bezahlten Gebühren einer Planbestätigung generell entgegenstehen.142 Schließlich musste geklärt werden, ob es zulässig ist, dass die alten Anteilsinhaber nach dem Deal 20 % der Anteile erhielten, während andere Gläubiger leer ausgingen.143 Damit ist die Frage der absoluten Vorrangregel auch im Zusammenhang mit einem RSA aufgeworfen.
§ 2 Entwicklungslinien in Deutschland Auch in Deutschland gibt es Tendenzen dazu, Restrukturierungen mittels Lockup Agreements bzw. RSA vorzubereiten.144 Die Technik erscheint allerdings noch nicht so elaboriert wie in England und in den USA und wird bislang, soweit ersichtlich, noch nicht bei Insolvenzplanverfahren und StaRUG-Verfahren angewendet. In der außergerichtlichen Restrukturierung der Solarworld AG145 hatte die Schuldnerin aber offenbar eine Art RSA mit ihren Gläubigerbanken ausgehandelt. Hier wurde allerdings von einem Termsheet146 gesprochen. Die Schuldnerin hatte ein negatives Eigenkapitel i. H. v. 95 Mio. Euro, Bankkredite i. H. v. 405 Mio. Euro und zwei Anleihen i. H. v. 387 Mio. Euro und 139 Mio. Euro.147 Im Termsheet wurden eine Kapitalherabsetzung und eine Sachkapitalerhöhung, also ein Debt-to-EquitySwap, geplant. Es stand im Raum, dass zwischen der Schuldnerin, dem Hauptak-
139
Vgl. ausführlich zu verschiedenen Gebühren: Re Codere Finance 2 (UK) Ltd, [2020] EWHC 2441 (Ch) = 2020 WL 05517604. 140 Re Noble Group Ltd, [2018] EWHC 2911 (Ch) (Rn. 110 ff.) (Convening Judgment). 141 Re Noble Group Ltd, [2018] EWHC 3092 (Ch) (Rn. 54 ff.) (Sanctioning Judgment). 142 Re Noble Group Ltd, [2018] EWHC 3092 (Ch) (Rn. 66 ff.) (Sanctioning Judgment). 143 Re Noble Group Ltd, [2018] EWHC 3092 (Ch) (Rn. 85 ff.) (Sanctioning Judgment). 144 Vgl. zur Technik: Heinzmann, Restrukturierungsvereinbarungen, S. 357 ff. 145 OLG Köln, Beschl. v. 13. 01. 2014 – I-18 U 175/13, ZIP 2014, 263 (juris-Rn. 4) (Sachverhalt vereinfacht dargestellt, Beträge gerundet); ausführliche Besprechung des Falls bei Wang, Loan-to-Own, S. 128 ff. 146 OLG Köln, Beschl. v. 13. 01. 2014 – I-18 U 175/13, ZIP 2014, 263 (juris-Rn. 4). 147 OLG Köln, Beschl. v. 13. 01. 2014 – I-18 U 175/13, ZIP 2014, 263 (juris-Rn. 2).
§ 2 Entwicklungslinien in Deutschland
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tionär und den Kreditgläubigern vorab Absprachen getroffen wurden.148 Die Gläubiger sollten schließlich Teile der im Rahmen der Sachkapitalerhöhung erworbenen Aktien an den bisherigen Vorstandsvorsitzenden weiterveräußern, sodass dieser im Ergebnis 19,5 % der jungen Aktien erhalten würde. Damit lag eine Nebenabsprache zwischen den Schlüsselgläubigern und dem bisherigen CEO vor. Den übrigen Anteilsinhabern wurde das Sanierungskonzept später auf der Homepage der Schuldnerin in einem sog. Informationsmemorandum offengelegt.149 Sowohl die Hauptversammlung, als auch die Anleihegläubigerversammlung stimmten für den Deal. Es folgten Anfechtungsklagen der Minderheitsgläubiger und Minderheitsaktionäre sowie Freigabeanträge150 der Schuldnerin. Möglicherweise wurde eine Treuepflicht verletzt, weil zwischen der Antragstellerin, ihrem Hauptaktionär und den Kreditgläubigern schon vor dem Kapitalherabsetzungs- und Kapitalerhöhungsbeschluss Absprachen getroffen worden waren, gemäß denen der Vorstandsvorsitzende an der restrukturierten Gesellschaft beteiligt werden sollte.151 Weil das Gericht lediglich eine Interessenabwägung durchführte, konnte es offenlassen, ob dieser Verstoß möglicherweise gerechtfertigt werden konnte, „wenn Alternativen von vornherein der gegenteilige Wille der an der Sanierung beteiligten Gläubiger entgegenstand, der Sanierungserfolg durch dieses Vorgehen gewährleistet wurde und die bestehenden Beteiligungen wertlos waren“.152 Die IVG-Immobilien-AG153 hatte zunächst versucht, sich außergerichtlich zu restrukturieren. Es gab fünf Gläubigergruppen. Die Hybridgläubiger machten ihre Teilnahme am Sanierungsversuch von der Übernahme der Kosten für die beauftragten externen Berater abhängig.154 Es wurde ein Legal Fee Assumption Agreement geschlossen.155 Hierin bestand allerdings kein RSA, denn die Hybridgläubiger hatten sich nicht zu konkreten Mitwirkungshandlungen an der geplanten Sanierung verpflichtet156. Es bestand für die Gläubiger keine Pflicht, einem bestimmten Sanierungskonzept zuzustimmen.157 Dies war der wesentliche Grund dafür, dass die Gebührenübernahme im anschließenden Insolvenzverfahren als unentgeltliche 148
OLG Köln, Beschl. v. 13. 01. 2014 – I-18 U 175/13, ZIP 2014, 263, 267 (juris-Rn. 43). OLG Köln, Beschl. v. 13. 01. 2014 – I-18 U 175/13, ZIP 2014, 263 (juris-Rn. 5). 150 OLG Köln, Beschl. v. 13. 01. 2014 – I-18 U 175/13, ZIP 2014, 263 ff. und OLG Köln, Beschl. v. 13. 01. 2014, 18 U 174/13, ZIP 2014, 268 ff. 151 OLG Köln, Beschl. v. 13. 01. 2014 – I-18 U 175/13, ZIP 2014, 263, 267 (juris-Rn. 43); ausführliche Diskussion bei Wang, Loan-to-Own, S. 140 ff. 152 OLG Köln, Beschl. v. 13. 01. 2014 – I-18 U 175/13, ZIP 2014, 263, 267 (juris-Rn. 43); in der Hauptsache wurden die Anfechtungsverfahren durch Vergleich beigelegt, Wang, Loan-toOwn, S. 131. 153 Vgl. dazu OLG Köln, Urt. v. 24. 02. 2016 – 2 U 87/15 (juris); vgl. zu diesem Fall auch die Fallstudie Jacoby/Madaus/Sack/Schmidt/Thole, ESUG-Evaluierung, S. 273 ff. 154 OLG Köln, Urt. v. 24. 02. 2016 – 2 U 87/15 (juris-Rn. 11). 155 OLG Köln, Urt. v. 24. 02. 2016 – 2 U 87/15 (juris-Rn. 15). 156 OLG Köln, Urt. v. 24. 02. 2016 – 2 U 87/15 (juris-Rn. 83). 157 OLG Köln, Urt. v. 24. 02. 2016 – 2 U 87/15 (juris-Rn. 83). 149
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Kap. 2: Grundlagen
Leistung angefochten werden konnte.158 Möglicherweise wäre die Beurteilung anders ausgefallen, wenn ein echtes RSA abgeschlossen worden wäre. Im Rahmen von Restrukturierungen von Schuldverschreibungen wird darüber hinaus in Deutschland diskutiert, ob eine Incentivierung der Gläubiger durch gewisse Prämien und Gebühren zulässig ist.159 Bei den ersten StaRUG-Verfahren wurde außerdem diskutiert, ob es unlauter ist, wenn einzelne Planbetroffene im Vorfeld des StaRUG vom Informationsfluss abgeschnitten werden,160 oder ob die Durchführung von Verhandlungen eine immanente Voraussetzung für die Inanspruchnahme des StaRUG darstellt.161 Das AG Hamburg hat eine Restrukturierung bestätigt, in welcher offenbar mit einem Minderheits-Gesellschafter nicht verhandelt worden war und der Mehrheits-Gesellschafter zwar auf seine Anteile verzichten musste, unter dem neuen Investor allerdings als Geschäftsleiter weiterbeschäftigt wurde.162 Dies deutet auf eine entsprechende Nebenabsprache hin.
§ 3 Der Inhalt von RSA Nachdem in gebotener Kürze aufgezeigt worden ist, wie RSA die Restrukturierungsverhandlung beeinflussen, soll nun der typische Inhalt eines RSA163 vorgestellt werden.
A. Bindung der Gläubiger und des Managements Die Schlüsselgläubiger verpflichten sich regelmäßig, für einen im Detail noch auszuarbeitenden Plan zu stimmen, wenn dieser bestimmte Voraussetzungen erfüllt.164 Die Vereinbarung hindert die Gläubiger daran, ihre Meinung nochmals zu 158
OLG Köln, Urt. v. 24. 02. 2016 – 2 U 87/15 (juris-Rn. 83). Schnorbus/Ganzer, WM 2014, 155 ff. 160 Ablehnend: AG Köln, Beschl. v. 3. 3. 2021 – 83 REs 1/21, ZIP 2021, 806, 809. 161 AG Hamburg, Beschl. v. 12. 4. 2021 – 61a REs 1/21, ZIP 2021, 1354 f. (juris-Rn. 20); vgl. zu diesem Problem ausführlich: Frind, ZInsO 2021, 1093 ff. 162 AG Hamburg, Beschl. v. 12. 4. 2021 – 61a REs 1/21, ZIP 2021, 1354 f.; zum Sachverhalt: Ziegenhagen, ZInsO 2021, 2053, 2055 f. 163 Guter Überblick bei Casey/Tung/Waldock, Draft Working Paper, S. 3 (2020); Baird, The Unwritten Rules, S. 175 f.; vgl. auch Lubben, 96 Am. Bankr. L. J. 1, 21 (2022). 164 Skeel, 130 Yale L. J. 366, 370 (2020) („The RSA commits its signatories to support a future reorganization plan that conforms to the terms of the RSA, including the proposed payout to each creditor class. A creditor that signs the RSA relinquishes its ability to decide independently whether to support a reorganization plan subsequently proposed by the debtor. It does this before – often long before – a disclosure statement is approved and the proposed reorganization is submitted to creditors for a vote.“); Sasson, 9 N.Y.U. J. L. & Liberty, 850, 857 (2015) („The object of a PSA is to lock up the votes of enough creditors before filing a rest159
§ 3 Der Inhalt von RSA
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ändern, wenn sie neue Informationen erhalten, bzw. bestraft die Gläubiger, falls sie ihre Stimme trotz der Vereinbarung ändern.165 Gleichzeitig verpflichten sich die Gläubiger, ihre Forderungen gegen die Schuldnerin künftig nicht mehr abzutreten.166 Dies soll ausnahmsweise nur dann noch möglich sein, wenn der neue Gläubiger sich gleichzeitig an die Bedingungen des RSA halten wird.167 Neben den Gläubigern bindet sich auch die Schuldnerin.168 RSA enthalten Klauseln, nach denen die Schuldnerin während der Restrukturierungsphase keinen anderen Plan unterstützen darf.169 Im RSA im Fall In re Innkeepers USA Trust erklärte das Management beispielsweise, davon abzusehen, weitere Vorschläge zu anderen Restrukturierungsalternativen einzuholen.170 Das Management ging offenbar davon aus, keinen weiteren Gläubigern eine Due Diligence gestatten zu dürfen.171 Die Vereinbarung begrenzt die Möglichkeit des Managements, alternative Strategien zu verfolgen.172 In Bezug auf alternative Restrukturierungskonzepte ähneln diese Klauseln sog. Deal-Protection-Klauseln (No-Shop- bzw. No-Talk-Klauseln) aus der Praxis der Mergers & Acquisitions (M&A).173 Dort sichern die Klauseln einen Deal ructuring plan, in order to ensure that the solicitation and confirmation process will be as quick and predictable as possible“); Restructuring Support Agreement, Practical Law Standard Document w-003 – 2453 Ziff. 4 (a) (abgerufen am 13. 1. 2022 unter Thomas Reuters Practical Law); vgl. Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593, 604 f. (2017); kritisch: Janger/Levitin, Yale L. J. Forum, 335, 338 und 352 (2020) („The agreement might limit the ability of creditors to change their votes upon receiving new information, or punish them for doing so“); Janger/Levitin, 13 Brook. J. Corp. Fin. & Com. L. 169, 188 (2018); vgl. aber zu weniger strikten Stimmbindungen: Janger/Levitin, Yale L. J. Forum, 335, 346 (2020) („On [the other] end is a traditional RSA that commits a creditor to support a particular plan but that (1) allows post-disclosure vote switching if there is a material change, and (2) is subject to higher and better offers“). 165 Janger/Levitin, Yale L. J. Forum, 335, 352 (2020); faktisch: Re Sunbird Business Services Ltd, [2020] EWHC 2493 (Ch) = 2020 WL 05633841 (Rn. 122); vgl. auch LoPucki, Law-Econ Research Paper No. 21 – 12, S. 22 (2022). 166 Vgl. Sasson, 9 N.Y.U. J. L. & Liberty, 850, 857 (2015) („many lockup agreements include trading restrictions“); vgl. Restructuring Support Agreement, Practical Law Standard Document w-003 – 2453 unter Ziff. 4 (b) (abgerufen am 13. 1. 2022 unter Thomas Reuters Practical Law). 167 Sasson, 9 N.Y.U. J. L. & Liberty, 850, 857 (2015). 168 Baird, The Unwritten Rules, S. 175 f. 169 Sasson, 9 N.Y.U. J. L. & Liberty, 850 f. (2015). 170 In re Innkeepers USATrust, 442 B.R. 227, 234 (Bankr. S.D.N.Y. 2010) („In exchange for Lehman’s ,support‘, the Debtors have agreed to (i) refrain from seeking competitive proposals which could maximize the value of these estates […]“.). 171 Vgl. In re Innkeepers USA Trust, 442 B.R. 227, 232, 235 f. (Bankr. S.D.N.Y. 2010) (Der CRO hatte die Klausel wohl so verstanden, dass dies verboten sei). 172 Ayotte/Ellias, 39 Yale Journal on Regulation, S. 1, 4 (2022) (in Bezug auf RSAs); S. 6 (in Bezug auf DIP-Loans); S. 16 f. (in Bezug auf RSA). 173 Vgl. Ayotte/Ellias, 39 Yale Journal on Regulation, 1, 16 (2022) („window shop“); den Zusammenhang zwischen Lock-ups im M&A-Geschäft und im Chapter 11-Verfahren betrachtend: Roosevelt, 17 Yale Journal on Regulation, S. 93 ff. (2000); vgl. allgemein zu den Klauseln in Deutschland die Nachweise in Fn. 307 f.
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Kap. 2: Grundlagen
ab, zeigen, dass das Management den Deal unterstützt, erhöhen die Transaktionssicherheit und verhelfen dem Deal so zum Erfolg.174
B. Milestones Darüber hinaus werden typischerweise sog. Milestones aufgenommen.175 Darin ist geregelt, dass die Schuldnerin bestimmte Verfahrensschritte bis zu einem bestimmten Zeitpunkt abschließen muss.176 Es wird etwa vereinbart, dass zu einem bestimmten Datum eine Zwischenfinanzierung gesichert und das sog. Disclosure Statement vom Gericht bestätigt sein muss.177 Die Restrukturierung wird so einem straffen Zeitplan unterworfen.178 Manchmal wird auch gefordert, einen von den Gläubigern vorgeschlagenen Chief Restructuring Officer (CRO) einzusetzen.179 In anderen (aggressiveren) RSA wurde zusätzlich vereinbart, dass die Schuldnerin mit erhöhter Anstrengung verhindern soll, dass ein Verwalter (Trustee) oder ein externer Prüfer (Examiner) vom Gericht für das konkrete Verfahren bestellt wird.180 Außerdem wollten Parteien in einem Fall nicht mehr an ihre zugesagte Unterstützung gebunden sein, falls ein Equity Committee eingesetzt werden sollte.181 In einem anderen Fall wurde vorab vereinbart, dass das Management nur dann einen schwebenden Vertrag annehmen darf, wenn ein Gläubigerbeirat der vorrangigen Gläubiger seine Zustimmung gegeben hat. Dabei hatte das Steering Committee freies Ermessen bei seinen Entscheidungen.182
174
Seibt, in: Kämmerer/Veil, S. 106, 110 ff. Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593, 606 (2017); Baird, The Unwritten Rules, S. 175; abwägend: Janger/Levitin, 13 Brook. J. Corp. Fin. & Com. L. 169, 184 f. (2018); kritisch zu Milestones: Westbrook, 37 Emory Bankr. Dev. J. 551, 562 f.(2021); vgl. auch Levitin, 100 Tex. L. Rev. (2022), Manuskript, S. 14 f. (zu DIP Loans). 176 Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593, 606 (2017). 177 Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593, 606 (2017). 178 Vgl. Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593, 607 (2017) („tight timetable“). 179 Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593, 607 (2017). 180 In re Magnetation, LLC, No. 15 – 50307 (Bankr. Minn. June 14, 2015) ECF No. 181, Notice of Hearing and Joint Motion for an Order Authorizing and Approving the Debtors’ Entry into a Restructuring Support Agreement, S. 28 (S. 10 des RSA), abrufbar unter: http://dr201.s3. amazonaws.com/mag/Motion%20to%20Approve%20Entry%20into%20RSA.pdf (zuletzt abgerufen am 25. 2. 2022), zusammenfassend: Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593, 606 f. (2017). 181 Vgl. Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593, 607 (2017). 182 In re Walter Industries, Inc., No. 15 – 02741 (Bankr. N.D. Ala. July 15, 2015) ECF No. 44, Motion for an Order Authorizing the Debtors to Assume a Restructuring Support Agreement, S. 112 ff., abrufbar unter https://www.kccllc.net/walterenergy/document/15027411 50715000000000049 (zuletzt abgerufen am 31. 1. 2022); zusammenfassend: Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593, 607 (2017). 175
§ 3 Der Inhalt von RSA
59
Häufig werden auch sog. Cross-Default-Klauseln aufgenommen:183 Ein Verstoß gegen die Milestones und Bedingungen im RSA stellt dann gleichzeitig ein Ausfallereignis (Event of Default) bei einer Zwischenfinanzierung (DIP-Loan) dar, welche häufig ebenfalls von den Schlüsselgläubigern gewährt wird.
C. Vorteile für Unterzeichner Für die Zusage, den späteren Plan zu unterstützen, und die Verpflichtung, bestimmte Forderungen nicht mehr an andere Parteien abzutreten, verlangen die ersten Unterzeichner regelmäßig einen Preis.184 Nach Teilen der Literatur wird den beteiligten Gläubigern im Ergebnis eine vorteilhafte Behandlung für ihre Stimmabgabe angeboten.185 Die Vorteile können aber auch für andere Leistungen gewährt werden, etwa für die Unterstützung der Aushandlung des Plans, für eingegangene Handelsrestriktionen186 oder dafür, dass neue Finanzierungen bereitgestellt werden.187 Jedenfalls können die Vorteile vielfältig ausgestaltet sein. So durften im Fall In re Peabody Energy Corporation188 nur die Unterzeichner eines RSA bei einer späteren (vergünstigten) Ausgabe neuer Anteile an der Schuldnerin teilnehmen.189 In einem anderen englischen Fall durften nur diejenigen Gläubiger an einer Exit-Finanzierung teilnehmen, die zuvor ein RSA unterzeichnet hatten.190 Mit der Finanzierung notleidender Unternehmen lassen sich erhebliche Gewinne realisieren.191 Ein weiterer Vorteil für die Schlüsselgläubiger liegt deshalb regelmäßig in der Kontrolle des Restrukturierungsprozesses, wodurch ein Plan verfolgt werden kann, welcher gerade auf die Bedürfnisse der Schlüsselgläubiger zugeschnitten ist.192 Daneben wird verhindert, dass die Rechtsposition der Schlüsselgläubiger vom Management ange183
Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593, 606 (2017); Baird, The Unwritten Rules, S. 172 f. Vgl. Sasson, 9 N.Y.U. J. L. & Liberty, 850 f. (2015). 185 Janger/Levitin, Yale L. J. Forum, 335, 340, 343, 352 (2020) („vote buying“). 186 Vgl. z. B. Re NN2 Newco Ltd, [2019] EWHC 1917 (Ch) = 2019 WL 03305269 (Rn. 46) („The enhancement on recovery is not some extra benefit under the scheme […]. It is a commercial reward for detriment suffered by the ,ad hoc‘ group that was not suffered by other scheme participants.“). 187 Vgl. dazu oben bei Fn. 127 ff. 188 Vgl. zum Sachverhalt: In re Peabody Energy Corp., 582 B.R. 771, 775 ff. (E.D.Mo. 2017). 189 Skeel, 130 Yale L. J. 366, 370 (2020); vgl. In re Peabody Energy Corp., 582 B.R. 771, 776 (E.D.Mo. 2017). bestätigt in: In re Peabody Energy Corp. 933 F.3d 918 ff. (8th Cir); vgl. allgemeiner: Levitin, 100 Tex. L. Rev. (2022), Manuskript, S. 21. 190 Vgl. Re Stripes US Holdings Inc, [2018] EWHC 2912 (Ch) (Rn. 22 f.), zitiert nach Re Codere Finance 2 (UK) Ltd, [2020] EWHC 2441 (Ch) = 2020 WL 05517604 (Rn. 55). 191 Umfassend: Parzinger, Fortführungsfinanzierung, S. 114 ff. (große Sicherheit, hohe Erträge, Informationsvorteile, Vorteile nach Beendigung des Verfahrens). 192 Ayotte/Ellias, 39 Yale Journal on Regulation, S. 1, 7, 21 ff. (2022) („plan protection“) (im Zusammenhang mit DIP-Loans, das Prinzip ist aber auf RSA übertragbar). 184
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Kap. 2: Grundlagen
griffen oder in Frage gestellt wird.193 Gerade dies dürfte insbesondere ein Ziel der Schlüsselgläubiger sein, wenn ein Unternehmen nach einem Leveraged-Buyout in eine Restrukturierungssituation gerät.194 Regelmäßig erklärt sich die Schuldnerin bereit, die anfallenden Beratungskosten der Gläubiger zu übernehmen.195 Im Chapter 11-Verfahren In re Genco Shipping & Trading Ltd wurde zudem eine an die Schlüsselgläubiger zu zahlende Abbruchgebühr (Break-up Fee) zugunsten der Parteien des RSA vereinbart.196 In anderen Verfahren wurde den Gläubigern, welche sich später dem RSA angeschlossen hatten, eine Signing Fee (im Folgenden auch Beitrittsprämie oder Teilnahmeprämie) bezahlt.197 Weitere Gebühren wurden schon im oben genannten Beispielsfall Re Noble Group angesprochen.198
D. Deathtrap-Klausel Neben der frühzeitigen vertraglichen Sicherung der Unterstützung durch die Schlüsselgläubiger versucht das Management in den USA neuerdings, die übergangenen Gläubiger durch sog. Deathtrap-Klauseln199 vom Plan zu überzeugen.200 Das sind Klauseln im Restrukturierungsplan und im RSA, nach denen zustim-
193 Ayotte/Ellias, 39 Yale Journal on Regulation, S. 1, 8, 28 ff. (2022) („entitlement protection“) (im Zusammenhang mit DIP-Loans, das Prinzip ist aber auf RSA übertragbar). 194 Vgl. Siemon, ZInsO 2013, 1549, 1556; den LBO-Investoren geht es darüber hinaus darum, ihre insolvenzrechtliche Inanspruchnahme gänzlich zu vermeiden. 195 Levitin, 100 Tex. L. Rev. (2022), Manuskript, S. 21; Restructuring Support Agreement, Practical Law Standard Document w-003 – 2453 unter Nr. 23 (abgerufen am 13. 1. 2022 unter Thomas Reuters Practical Law); zu Gebühren in Deutschland: Knapp, in: Flöther, StaRUG, § 27 Rn. 7; Kowalewski/Praß, in: Morgen, StaRUG, § 27 Rn. 30. 196 In re Genco Shipping & Trading Ltd, 509 B.R. 455, 465 ff. (Bankr. S.D.N.Y. 2014). 197 Vgl. dazu die Ausführungen zur Restrukturierung im Fall In re Caesars bei Baird, 91 Am. Bankr. L J. 593, 609 f. (2017); vgl. auch Skeel, 130 Yale L. J. 366, 370 (2020). Vgl. auch Re NN2 Newco Ltd, [2019] EWHC 1917 (Ch) = 2019 WL 03305269 (Rn. 7) („To provide some stability as the negotiations progressed (i) fees became payable by NSM to members of the Coordinating Committee as they worked on the plan (ii) work fees became payable by Trafigura to members of the ad-hoc committee as they likewise worked on the plan (iii) various ,lock-up‘ agreements were entered into (open to all) and (iv) consent fees became payable to those who signed up promptly to the ,lock-up‘ agreements.“) (Rn. 46 f.). 198 Vgl. oben bei Fn. 131. 199 Zu Deathtrap-Klauseln in Deutschland: AG Köln, Beschl. v. 3. 3. 2021 – 83 REs 1/21, ZIP 2021, 806 f.; Braun-StaRUG/Böhm, § 10 Rn. 3, 7; Wolgast/Grauer/Kirchner, § 10 Rn. 3; Kowalewski/Praß, in: Morgen, StaRUG, § 10 Rn. 13; BeckOK-StaRUG/Fridgen, § 9 Rn. 89, § 10 Rn. 10; Braun-InsO/Braun/Frank, § 226 Rn. 8; Nerlich/Römermann/Ober, 43. EL, Mai 2021, § 226 Rn. 7; Nerlich/Römermann/Braun, 37. EL, Oktober 2018, § 226 Rn. 10. 200 Überblick bei Skeel, 130 Yale L. J. 366, 381 ff. (2020).
§ 3 Der Inhalt von RSA
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mende Gläubiger eine Art Bonus erhalten, ablehnende hingegen nicht.201 Der Bonus kann zustimmende Gläubiger individuell begünstigen (individuell zugeschnittene Deathtrap-Klauseln).202 Er kann aber auch der ganzen Gläubigergruppe zugutekommen, sofern die Gruppenmitglieder mehrheitlich im Sinne des Planerstellers agieren (traditionelle Deathtrap-Klauseln).203 Deathtrap-Klauseln werden in der US-Literatur als vereinfachte Form des Cramdowns angesehen, weil sie den Parteien Anreize für einen konsensualen Plan bieten.204 Die Eigenart von Deathtrap-Klauseln besteht darin, dass hier eine besondere Behandlung immer dann gewährt wird, wenn der Gläubiger im Sinne des Planersteller handelt (z. B. frühzeitige Unterzeichnung des RSA, Zustimmung zum Restrukturierungsplan).205 Der Vorteil wird hingegen versagt, wenn der Gläubiger die jeweiligen Angebote nicht unter den vorgegebenen Bedingungen (z. B. kurze Frist) annimmt.206 Deathtrap-Klauseln können sowohl in den Plan selbst als auch in das RSA aufgenommen werden.207 Verschiedene Vergünstigungen sind denkbar: So kann einem Gläubiger, der sich dem RSA frühzeitig anschließt, eine höhere Beitrittsprämie zugesprochen werden.208 Der Gläubiger kann sich durch den frühzeitigen Beitritt zum RSA auch an einer Zwischenfinanzierung für das Unternehmen beteiligen, bei welcher hohe Zinsen und andere Gebühren gewährt werden.209 Im Plan selbst kann z. B. geregelt werden, dass zustimmende Gläubiger eine höhere Quote erhalten als nicht zustimmende Gläubiger.210 Den Gläubigern können auch Wahlmöglichkeiten zwischen verschiedenen Alternativen gewährt werden, von denen eine besonders vorteilhaft ist.211 Häufig werden die Vorteile an ein zügiges Handeln der Gläubiger geknüpft.212
201 Janger/Levitin, 13 Brook. J. Corp. Fin. & Com. L. 169, 178 (2018) („Indeed, it is not unknown for adherence to the RSA to be procured through an offer that imposes differential (,deathtrap‘) treatment on those who reject.“); Skeel, 130 Yale L. J. 366, 370 f. (2020); Beispiel aus England bei Re Stripes US Holdings Inc [2018], EWHC 2912 (Ch) (Rn. 17 ff. [Signing Fee] und Rn. 22 ff. [Teilnahmemöglichkeit an neuer Finanzierung]). 202 Skeel, 130 Yale L. J. 366, 371 (2020). 203 Skeel, 130 Yale L. J. 366, 370 f. (2020). 204 Skeel, 130 Yale L. J. 366, 386 (2020). 205 Überblick bei Skeel, 130 Yale L. J. 366, 370 f. (2020). 206 Skeel, 130 Yale L. J. 366, 386 (2020) mit Beispiel. 207 Zu Deathtraps im Plan Skeel, 130 Yale L. J. 366, 370 f. (2020); zu Deathtraps im RSA: Janger/Levitin, Yale L. J. Forum, 335, 343 in Fn. 30 (2020). 208 Skeel, 130 Yale L. J. 366, 386 (2020). 209 Vgl. die Nachweise bei Fn. 189. 210 Skeel, 130 Yale L. J. 366, 370 f., 381 f. (2020). 211 Vgl. Skeel, 130 Yale L. J. 366, 381 f. (2020) mit Verweis auf den „Momentive Case“. 212 Vgl. Skeel, 130 Yale L. J. 366, 385 (2020).
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Kap. 2: Grundlagen
E. Gifting-Klausel Teilweise wird in das RSA eine sog. Gifting-Klausel aufgenommen.213 Beim gifting verzichtet ein Gläubiger zugunsten einzelner Gläubiger oder ganzer Gläubigergruppen bzw. zugunsten einzelner Anteilsinhaber oder der Gruppe der Anteilsinhaber auf einen Teil seiner Quote, um jene Klasse zur Unterstützung des Plans zu bewegen.214 Bei einem gift an die Anteilsinhaber wird häufig vertreten, dass dieses gegen die absolute Vorrangregel verstößt, wenn andere Gläubigergruppen nicht voll befriedigt werden und dem Plan widersprechen.215 Das Gegenargument lautet, dass der Anwendungsbereich der absoluten Vorrangregel schon deshalb nicht eröffnet ist, weil die Zuwendung nicht aus der Masse stammt, sondern vom Gläubiger selbst herrührt.216 Im Ergebnis geht es beim gifting wie beim RSA und den DeathtrapKlauseln darum, die notwendige Unterstützung für den Restrukturierungsplan zu sichern.217
F. Vergleiche Häufig werden RSA auch in Form eines Vergleichs geschlossen. In der Restrukturierung In re Texaco Inc.218 hatten die Schuldnerin und ein Gläubiger einen Streit beigelegt,219 wonach die Schuldnerin eine Forderung gegen ihren Gläubiger i. H. v. 3 Mrd. US-Dollar anerkannt hatte. In der Restrukturierung In re Energy Future Holdings Corporation220 stritten die Schuldnerin und eine Gläubigergruppe über eine Art Vorfälligkeitsentschädigung. Auch hier gab die Schuldnerin den Forderungen der 213
Skeel, 130 Yale L. J. 366, 422 (2020) („Gifting also is sometimes used in combination with an RSA or deathtrap“, m. w. N. in Fn. 236); Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593, 609 (2017) („Restructuring support agreements can themselves involve gifts and be problematic on that account.“). 214 Skeel, 130 Yale L. J. 366, 421 f. (2020). 215 In re DBSD North America Inc., 634 F.3d 79, 93 ff. (2nd Cir. 2011). 216 Vgl. zu diesem Argument: Skeel, 130 Yale L. J. 366, 422 (2020). 217 Skeel, 130 Yale L. J. 366, 422 (2020) („securing a favourable vote is usually one of the objectives of a gifting transaction“). 218 Vgl. In re Texaco Inc., 81 B.R. 813 ff. (Bankr. S.D.N.Y. 1988); zusammenfassend bei Athanas/Reckler, 15 Norton Journal of Bankruptcy Law & Practice, 431, 438 (2006). 219 Vgl. In re Texaco Inc., 81 B.R. 813, 814 f. (Bankr. S.D.N.Y. 1988) („Pennzoil and Texaco will use their best efforts to obtain confirmation of the Plan in accordance with the Bankruptcy Code as soon as practicable in the Reorganization Case. Pennzoil and Texaco will take all necessary actions to achieve confirmation including, in the case of Texaco, recommending to shareholders that the Plan be confirmed. Pennzoil and Texaco shall not agree to consent to, or vote for any modification of the Plan unless such modification has been agreed to by the other party. Neither Pennzoil nor Texaco shall vote for, consent to, support or participate in the formulation of any other plan in the Reorganization Case.“). 220 Vgl. Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593, 597 (2017) mit Verweis auf In re Energy Future Holdings Corp., 533 B.R. 106, 113 (Bankr. D. Del. 2015).
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Gläubiger im RSA teilweise nach. In dem Chapter 11-Verfahren In re Magnetation, LLC221 hatte die Schuldnerin im RSA zugesagt, gegen einen gesicherten Gläubiger keine Anfechtungsansprüche zu verfolgen. Im Gegenzug erklärten sich die Gläubiger jeweils zur Unterstützung des späteren Restrukturierungsplans bereit.
G. Fiduciary-Out-Klausel und No-Material-Modification-Klausel In den meisten Fällen wird außerdem noch eine Ausstiegsklausel bzw. Öffnungsklausel (Fiduciary-Out-Klausel) aufgenommen.222 Demnach ist die Schuldnerin dann nicht mehr an die Vereinbarung gebunden, wenn ihr ein besserer Deal präsentiert wird.223 Teilweise wird auch für die Gläubiger geregelt, dass diese nicht mehr an ihre Zustimmung gebunden sind, wenn sich bestimmte Umstände ändern oder neue wichtige Informationen offengelegt werden.224 Problematisch dürfte häufig sein, ob die Öffnungsklausel adäquat ausgestaltet ist oder ob der Ausstieg unzumutbar erschwert wird.225
§ 4 Einordnung von RSA Nachdem einige Beispielsfälle dargestellt wurden, in denen RSA zum Einsatz kamen (oben unter § 1), Entwicklungslinien in Deutschland aufgezeigt (oben unter § 2) und wesentliche Klauseln solcher Vereinbarungen vorgestellt wurden (oben unter § 3), erfolgt in diesem Abschnitt eine kurze Einordnung von RSA in den breiteren Kontext. Folgende Fragen sollen geklärt werden: Warum gibt es solche Vereinbarungen überhaupt? Gibt es in Deutschland schon vergleichbare Vereinbarungen, die als Maßstab zur Analyse von RSA geeignet sind? Und welche Wirkungen haben RSA auf die Restrukturierungsverhandlung?
221
In re Magnetation, LLC, No. 15 – 50307 (Bankr. Minn. June 14, 2015) ECF No. 181, Notice of Hearing and Joint Motion for an Order Authorizing and Approving the Debtors’ Entry into a Restructuring Support Agreement, S. 30 (S. 12 des RSA), abrufbar unter: http://dr201.s3. amazonaws.com/mag/Motion%20to%20Approve%20Entry%20into%20RSA.pdf (zuletzt abgerufen am 31. 1. 2022), zusammenfassend: Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593, 606 (2017). 222 Janger/Levitin, 13 Brook. J. Corp. Fin. & Com. L. 169, 173 (2018); vgl. auch Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593, 605 (2020). 223 Janger/Levitin, 13 Brook. J. Corp. Fin. & Com. L. 169, 173 (2018). 224 Janger/Levitin, Yale L. J. Forum, 335, 354 (2020). 225 Janger/Levitin, 13 Brook. J. Corp. Fin. & Com. L. 169, 180 f. (2018).
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Kap. 2: Grundlagen
A. Warum gibt es RSA? Zu fragen ist zunächst, warum es RSA überhaupt gibt. I. Mittel zur schnellen und effektiven Restrukturierung Karsten Schmidt hat als Erfolgsfaktoren für Restrukturierungen schon in seinem Gutachten zum 54. DJT im Jahr 1982 erkannt und herausgearbeitet, dass diese früh, schnell und still erfolgen müssten.226 Je länger sich ein Unternehmen in der Restrukturierungsphase befindet, umso mehr verliert es an Wert.227 Hierbei sind die direkten und indirekten Insolvenzkosten relevant.228 Zu den direkten Kosten zählen die Vergütung des Insolvenzverwalters, Gebühren der Anwälte, Honorare für Gutachten und Gerichtsgebühren.229 Indirekte Kosten entstehen, wenn qualifizierte Arbeitnehmer das Unternehmen verlassen, Lieferanten nur noch gegen Vorkasse leisten oder Lieferbeziehungen abbrechen, Kunden sich abwenden oder Manager durch Fragen der Insolvenzabwicklung abgelenkt werden.230 Dies gilt auch im Ausland. RSA sollen dort eine schnelle Restrukturierung sichern.231 Für ein restrukturierungsfähiges Unternehmen wäre es hochgradig schädigend, wenn es ohne Planungen und entsprechende Vorabsprachen mit den Gläubigern ein gerichtlich überwachtes Restrukturierungsverfahren starten würde. In den USA wäre in einem solchen Fall von Free Fall Bankruptcy die Rede:232 RSA stellen sicher, dass solch ein freier Fall verhindert wird,233 indem wichtige Schritte vorab abgesprochen werden und die Unterstützung der wichtigsten Gläubiger während des Verfahrens gesichert wird.234 Der wesentliche Erfolg einer Restrukturierung nach dem Chapter 11-Ver226
K. Schmidt, Gutachten zum 54. DJT, S. 133. Vgl. Skeel, 130 Yale L. J. 366, 384 (2020); Jacoby/Janger, 123 Yale L. J. 862, 865 (2014) („[E]very day that a company burns through more cash than it earns, it loses value.“) und S. 866 („Some companies really are melting away – worth far more today than they will be tomorrow. Acting quickly will benefit all stakeholders.“). 228 Vgl. dazu Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 76 („Es ist offensichtlich, daß Transaktionskosten der Insolvenzabwicklung (direkte Insolvenzkosten) umso höher sein werden, je länger das Verfahren dauert und es komplizierter ist. Gleichzeitig steigen in diesem Fall aber auch die indirekten Insolvenzkosten […]“.); vgl. Klöhn/Franke, ZEuP 2022, 44, 55 f. 229 Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 74. 230 Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 74. 231 Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593, 604 (2017) („Restructuring support agreements provide a clearer, quicker, and more reliable path toward exit from chapter 11.“); Baird, The Unwritten Rules, S. 172 f.; Skeel, 130 Yale L. J. 366, 393 (2020); vgl. auch zum Einsatz in Deutschland: Wang, Loan-to-Own, 253 f., S. 378 (Mittel zur Implementierung eines pre-arranged plans). 232 Vgl. Janger/Levitin, 13 Brook. J. Corp. Fin. & Com. L. 169, 174 (2018); Dunne/ O’Donnell/Almeida, in: The Art of the Pre Pack, S. 29, 32; Überblick bei Wang, Loan-to-Own, S. 378. 233 Vgl. Janger/Levitin, 13 Brook. J. Corp. Fin. & Com. L. 169, 174 f. (2018). 234 Allgemein zu den Vorteilen einer Bestätigungsinsolvenz, Madaus, der Insolvenzplan, S. 568 ff. (frühe Überwindung von Blockadehaltungen; Planbarkeit des Verfahrens, Reduzie227
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fahren hängt dabei – wie in Deutschland – auch und gerade davon ab, dass diese gründlich geplant und vorverhandelt wurde und schnell beendet wird.235 „When senior creditors use the restructuring support agreement to put the plan on a tight timetable or to insist that the debtor appoint a chief restructuring officer, their pursuit of their own self-interest may work to everyone’s advantage.“236
II. Absicherung gegen Handel mit notleidenden Forderungen Ein weiterer Grund für den immer häufigeren Einsatz von RSA in England und den USA besteht darin, dass notleidende Forderungen237 mit zunehmender Häufigkeit gehandelt werden und ihre Inhaber vor einer Restrukturierung oft mehrmals wechseln.238 Auch in Deutschland ist dieser Trend zu beobachten.239 Insbesondere Kreditforderungen aus LBO-Finanzierungen werden in erheblichem Umfang am Sekundärmarkt gehandelt.240 Zu den Käufern notleidender Forderungen zählen Finanzinvestoren und Hedgefonds.241 Sie verfolgen nach dem Erwerb notleidender Forderungen verschiedenste Ziele:242 Hierzu zählen z. B. schuldenbasierte Überrung der direkten und indirekten Kosten, Strukturierung von Vergleichsverhandlungen, Verbesserung der Verfahrensergebnisse); vgl. auch Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 566 ff. 235 Vgl. Janger/Levitin, 13 Brook. J. Corp. Fin. & Com. L. 169, 174 f. (2018). 236 Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593, 607 (2017). 237 Zur Differenzierung zwischen „Non-performing Loans“ (Darlehen, welche die Bank aufgrund von wiederholtem Zahlungsverzug oder Vermögensverschlechterung fristlos kündigen kann bzw. gekündigt hat) und „Sub-performing Loans“ (Darlehen, bei denen der Schuldner in erheblichen Schwierigkeiten ist, eine Kündigung durch die Bank aber noch nicht möglich ist): Aleth/Böhle, DStR 2010, 1186 m. w. N. 238 Paterson, Corporate Reorganization, S. 102 f.; vgl. zur Entwicklung des zunehmenden Forderungshandels: Fortgang/Mayer, 12 Cardozo L. Rev. 1 ff. (1990); Ellias, 15 J. Empir. Leg. Stud. 772 ff. (2018); Lipson, 89 B. U. L. Rev. 1609 ff. (2009); Paterson, Corporate Reorganization, S. 83 ff.; im Zusammenhang mit RSA: Skeel, 130 Yale L. J. 366 ff. (2020); ausführlich für Deutschland: Palenker, Loan-to-own, S. 1 ff.; zu den Chancen des Distressed-Debt-Markts zur Auswahl restrukturierungsfähiger Unternehmen: Paterson, 36 Oxford Journal of Legal Studies, 697, 710 ff., insbesondere 711 (2016) („If the distressed debt market will seek to exploit any potential restructuring surplus, there should be no need for the law either to provide a moratorium or to steer creditor choice towards a restructuring and away from a sale.“). 239 Vgl. Bredow/Liebscher, NZI 2017, 89; Siemon, ZInsO 2014, 172 ff.; Schulz, Debt Equity Swap, S. 51 ff.; Wang, Loan-to-Own, S. 1 ff. 240 Westphal/Wilde, in: Private Equity, S. 211, 213 (Rn. 1); Siemon, ZinsO 2013, 1549, 1551, 1554. 241 Überblick zu den Investoren bei Palenker, Loan-to-own, S. 169 ff.; Schulz, Debt Equity Swap, S. 51 ff.; vgl. auch Himmelsbach/Achsnick, NZI 2006, 561; Florstedt, ZIP 2015, 2345; Siemon, ZinsO 2014, 172, 176. 242 Überblick bei Florstedt, ZIP 2015, 2345, 2350 f.; Palenker, Loan-to-own, S. 80 ff., jeweils m. w. N.; vgl. auch Siemon, ZInsO 2014, 172, 176 f.; Damnitz/Rink, in: Distressed Debt, S. 45 ff.; Schulz, Debt Equity Swap, S. 51 ff.; Aleth/Böhle, DStR 2010, 1186; Wang, Loan-toOwn, S. 20 ff.
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Kap. 2: Grundlagen
nahmen (Loan-to-own).243 Alternativ wollen die genannten Investoren durch Einflussnahme auf die Schuldnerin häufig auch „nur“ eine Wertsteigerung ihrer mit Abschlag erworbenen Forderungen erreichen, um sie später mit erheblichen Gewinnen weiterveräußern zu können.244 Teilweise wird auch versucht, Blockademöglichkeiten (Hold-out-Möglichkeiten245) auszunutzen, um diese gegen einen Lästigkeitswert zu veräußern und so Sondervorteile zu erzielen.246 Es ist heute durch den Forderungshandel auch relativ einfach, solche Blockadepositionen zu erwerben.247 Es gibt sogar Strategien, bei denen die genannten Investoren von einem Scheitern der Restrukturierung in höherem Maße profitieren als von ihrem Gelingen und deshalb den Restrukturierungsprozess stören wollen.248 Dies ist insbesondere dann eine attraktive Option, wenn die Gläubiger durch sog. Credit-Default-Swaps abgesichert sind.249 Es wird dann quasi gegen die Restrukturierung gewettet.250 Bezeichnet werden solche Gläubiger als Empty Creditors, also leere Gläubiger251, oder Gläubiger ohne Risiko.252 Das RSA bietet dem Management die notwendige Planungssicherheit und den erforderlichen Planungshorizont: Die Gefahr für das Management, nach müßigem Vorfühlen plötzlich mit einem neuen Verhandlungspartner von vorne verhandeln zu müssen,253 wird reduziert.254 Dies geschieht durch eine Verpflichtung der Schlüsselgläubiger, ihre Forderungen gegen die Schuldnerin künftig nicht mehr abzutre243 Ausführlich: Palenker, Loan-to-own, S. 1 ff.; Wang, Loan-to-Own, S. 1 ff.; vgl. schon Florstedt, ZIP 2015, 2345 ff.; Brinkmann, WM 2017, 1033 ff.; Bücker/Petersen, ZGR 2013, 802 ff.; Westphal/Wilde, in: Private Equity, S. 211, 213 (Rn. 1). 244 Palenker, Loan-to-own, S. 83 m. w. N. 245 Erklärung bei Skauradszun, KTS 2021, 1, 7 („[U]nter einem Holdout-Problem wird die Haltung einzelner Gläubiger verstanden, sich deshalb einer für das Schuldnerunternehmen erstrebenswerten Lösung zu verweigern, weil diese Personen hoffen, dass andere Gläubiger oder die Anteilsinhaber Sanierungsbeiträge leisten, die dann letztlich ausreichen, um die Insolvenz abzuwenden – ggf. auch erst, nachdem die sanierungswilligen Personen noch weitere Sanierungsbeiträge zugesagt haben, um die fehlenden Sanierungsbeiträge der Holdout-Gläubiger zu kompensieren. Wird die Zustimmung der Holdout-Gläubiger benötigt, sind diese zur Zustimmung nur gegen Erfüllung ihrer Forderungen bereit (,Abkaufenlassen‘ der Zustimmung). Der Holdout-Gläubiger profitiert dann vom Erfolg der Sanierung, ohne selbst Sanierungsbeiträge geleistet zu haben – etwa durch einen prozentualen Verzicht auf seine Forderung.“). 246 Palenker, Loan-to-own, S. 83 f. m. w. N. 247 Vgl. Skeel, 130 Yale L. J. 366, 374 (2020). 248 Florstedt, ZIP 2015, 2345, 2351; Palenker, Loan-to-own, S. 83, 85 m. w. N. 249 Florstedt, ZIP 2015, 2345, 2351; Palenker, Loan-to-own, S. 85 m. w. N. 250 Florstedt, ZIP 2015, 2345, 2351. 251 So Palenker, Loan-to-own, S. 85. 252 Monographisch zu diesen Gläubigern im Zusammenhang mit der InsO: Koa, Gläubiger ohne Risiko, S. 1 ff. 253 Dazu für Deutschland: Paulus, NZI 2015, 1001, 1004 f.; Palenker, ZIP 2020, 1109, 1112. 254 Vgl. Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593, 605 (2017); Skeel, 130 Yale L. J. 366, 385 (2020); für Deutschland: Palenker, Loan-to-own, S. 333 f.
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ten,255 außer der Forderungskäufer verpflichtet sich, die Bedingungen des RSA zu akzeptieren.256 Somit stellen RSA eine wichtige Taktik für das Management dar, um aggressiven Finanzinvestoren und Hedgefonds entgegenzutreten.257 In der Literatur wird der Kritik, dass RSA das Abstimmungsverhalten der Gläubiger unlauter beeinflussen258, damit begegnet, dass sie gleichzeitig nötig seien, um ihrerseits unlauteren Praktiken von Finanzinvestoren und Hedgefonds zu begegnen.259 Aus diesem Grund werden nach einer Ansicht in der US-Literatur auch Gebühren und andere Prämien für die Unterzeichner des RSA großzügig beurteilt.260 III. Transmissionsriemen RSA stellen zudem einen Transmissionsriemen dafür dar, außergerichtliche Verhandlungsergebnisse, die mangels ausreichender Unterstützung oder aufgrund opportunistischen Verhaltens gefährdet werden, in das anschließende gerichtlich überwachte Restrukturierungsverfahren bzw. in die Abstimmungsphase hineinzutragen.261 Dass dies bislang in Deutschland aufgrund einer starren Verfahrensstruktur und erheblicher verfahrensrechtlicher Unsicherheit nur schwer möglich ist, wurde als ein wesentlicher Nachteil des hiesigen Insolvenzplanverfahrens angesehen.262 IV. Mittel zur Umgehung der Schwachstellen des Restrukturierungsprozesses Schließlich stellen RSA – insbesondere im Chapter 11-Verfahren – für die Schlüsselgläubiger ein Mittel dar, einigen konzeptionellen Schwachstellen des Verfahrens entgegenzuwirken:263 Das Konzept des Chapter 11-Verfahrens wurde nach seinem Inkrafttreten zum einen kritisiert, weil das bestehende Management das
255
Palenker, ZIP 2020, 1109, 1112. Paterson, Corporate Reorganization, S. 103; Skeel, 130 Yale L. J. 366, 385 (2020) („RSAs solve this problem by contractually obligating any subsequent purchaser of claims to honor an RSA joined by the predecessor.“); Sasson, 9 N.Y.U. J. L. & Liberty, 850, 857 (2015). 257 Vgl. Skeel, 130 Yale L. J. 366 ff., 375, 393 und passim (2020). 258 Vgl. z. B. Janger/Levitin, 13 Brook. J. Corp. Fin. & Com. L. 169, 183 f., 186; Janger/ Levitin, Yale L. J. Forum, 335, 349 ff. (2020). 259 Skeel, 130 Yale L. J. 366, 375 (2020) („Distortive techniques may sometimes be appropriate to counteract destructive holdout activity“). 260 Lubben, 96 Am. Bankr. L. J. 1, 26 („All are tolerated because of the fear of holdouts.“). Lubben zeigt sich indes skeptisch, dass Gläubiger, die den Plan ablehnen, vorschnell als Akkordstörer gebrandmarkt werden. Ihre berechtigten Einwendungen könnten so überhört werden (S. 28). 261 Janger/Levitin, 13 Brook. J. Corp. Fin. & Com. L. 169, 175 f. (2018). 262 Madaus, Insolvenzplan S. 559 ff., insbesondere S. 561. 263 Casey/Tung/Waldock, Draft Working Paper, S. 4 f. (2020). 256
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Verfahren durchführen kann (Eigenverwaltung).264 Dieses habe häufig keinen Anreiz, eine Restrukturierung zugunsten der Gläubiger umzusetzen. Auf der anderen Seite wird das Verfahren kritisiert, weil es lange Verhandlungen und bei deren Scheitern eine kostspielige und sehr unsichere gerichtliche Unternehmensbewertung vorsehe.265 Als die größten Probleme von Chapter 11 wurden also die lange Verfahrensdauer und die Abstinenz von Markt-Disziplin benannt.266 Plakatives Beispiel war die Restrukturierung von Eastern Airlines Anfang der 1990er Jahre, in welcher der damalige CEO Frank Lorenzo das Chapter 11-Verfahren über mehrere Jahre in die Länge gezogen hatte.267 In der US-Literatur gab es (deshalb) immer wieder Vorschläge, das Chapter 11Verfahren zu optimieren:268 Um schwierige Prognosen und Bewertungen durch den Richter zu verhindern, wurde z. B. vorgeschlagen, dass in der Restrukturierung die bisherigen Anteilsinhaber grundsätzlich durch die rangniedrigsten Gläubiger ersetzt werden.269 Andere schlugen vor, mindestens 10 % neue Anteile am Markt auszugeben, um den Unternehmenswert zu testen (marktorientierte Restrukturierungen).270 Wieder andere empfahlen einen vertraglichen Ansatz, wonach ein Unternehmen in seiner Satzung bestimmen kann, wie es später verfahrensmäßig zu restrukturieren ist (Menu Approach).271 Ab Ende der 1990er Jahre272 sollten sich die Probleme des Chapter 11-Verfahrens allmählich abmildern. Die Schlüsselgläubiger entwickelten selbst Mechanismen, um den Governance-Problemen innerhalb der Restrukturierung entgegenzuwirken.273 Die Gläubiger haben begonnen, die Verträge für Zwischenfinanzierungen (DIPLoans) so auszugestalten, dass sie Einfluss auf das Restrukturierungsverfahren ausüben konnten.274 Ferner begannen die Gläubiger das Management durch Prämien 264 Sehr kritisch dazu: Bradley/Rosenzweig, 101 Yale L. J. 1043, 1049 f. (1992) („We believe that (…) the principal beneficiaries of Chapter 11 (…) are corporate managers. Chapter 11, in other words, may be seen as a kind of management defensive tactic against corporate bondholders which, like certain antitakeover defensive measures, enhances management’s wealth at the expense of corporate security holders.“). 265 Vgl. ausführlich: Roe, 83 Colum. L. Rev. 527 ff. (1983). 266 Skeel, 152 U. Pa. L. Rev. 917, 921 (2003). 267 Vgl. Skeel, 152 U. Pa. L. Rev. 917, 921 (2003). 268 In den Zusammenhang mit RSA setzend: Casey/Tung/Waldock, Draft Working Paper, S. 4 f. (2020); zu Vorschlägen, das Chapter 11-Verfahren zu optimieren, im Überblick: Adler, 45 Stan. L. Rev. 311, 319 ff. (Market Theories) und S. 322 f. (Ex Ante Structuring); S. 323 ff. (Chameleon Equity); allgemein auch Skeel, 1993 Wis. L. Rev. 465 ff. (1993); Überblick auch bei Madaus, Insolvenzplan, S. 443 ff. 269 Adler, 45 Stan. L. Rev. 311 ff. (1993); Bradley/Rosenzweig, 101 Yale L. J. 1043, 1078 ff. (1992). 270 Roe, 83 Colum. L. Rev. 527 ff. (1983). 271 Rasmussen, 71 Tex. L. Rev. 51 ff. (1992). 272 Vgl. Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593, 603 (2017). 273 Skeel, 152 U. Pa. L. Rev. 917, 920 f. (2003). 274 Skeel, 152 U. Pa. L. Rev. 917, 922, 923 ff. (2003).
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zu incentivieren.275 Man sprach von Pay-to-Stay- und Pay-for-Performance-Prämien.276 Ab Mitte der 2000er Jahre steigerten die Gläubiger ihren Einfluss auf das Verfahren zusätzlich, indem sie begannen, das Verfahren mit dem Management im Rahmen eines RSA vorzubesprechen.277 Insgesamt bezeichnet die Literatur den Einsatz von RSA deshalb als Lösungsansatz der Praxis, der darauf abzielt, den Restrukturierungsprozess vertraglich zu optimieren bzw. zu beeinflussen.278 In Deutschland wurden ähnliche Vereinbarungen zwischen Schuldnerin und Gläubigern ebenfalls schon diskutiert und theoretisch279 als mögliches Mittel angesehen, das Insolvenzplanverfahren sicher und schnell umzusetzen. Bislang schien dem allerdings die (starre) Verfahrensstruktur der Insolvenzordnung entgegenzustehen.280 Nach Inkrafttreten des StaRUG und des deutlich flexibleren Ansatzes des Gesetzes könnte sich dies allerdings ändern. Am StaRUG wird kritisiert, dass es die Interessen und Möglichkeiten der Schuldnerin im Vergleich zu den Interessen der Gläubiger zu stark betone,281 weshalb RSA für die Gläubiger auch hier – wie in den USA – ein Mittel dafür sein könnten, ihre Interessen entsprechend einzubringen. V. Mittel zur Umsetzung eines Prenegotiated Plan In den USA stellen RSA ein Mittel dar, eine sog. Prearranged Bankruptcy bzw. Prenegotiated Bankruptcy282 schnell, sicher und kostengünstig im Chapter 11-Verfahren umzusetzen.283 Man unterscheidet dort verschiedene Verfahrenstypen: Im Free Fall Chapter 11-Verfahren startet die Schuldnerin das Verfahren ohne vorherige Absprachen mit ihren Gläubigern und Stakeholdern.284 Hier entstehen hohe Kosten und das Schicksal des Unternehmens ist ungewiss. Im Prenegotiated oder Prearranged Chapter 11-Verfahren verhandelt die Schuldnerin bereits vor dem Verfahren mit ausgewählten Gläubigern, wobei außerhalb des Verfahrens noch nicht über den
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Skeel, 152 U. Pa. L. Rev. 917, 922, 926 ff. (2003). Skeel, 152 U. Pa. L. Rev. 917, 927 f. (2003). 277 Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593, 603 (2017). 278 Casey/Tung/Waldock, Draft Working Paper, S. 5 (2020). 279 Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 437 ff. insbesondere S. 443 f. in Fn. 374. 280 Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 437 ff. insbesondere S. 443 f. in Fn. 374. 281 Vgl. Ries, FS Smid, S. 659 ff.; Ganter, FS Smid, S. 718, 724 f., 728 ff.; zum StaRUGRegE schon die Stellungnahme des Bundesrats v. 27. 11. 2020: BT-Drucks. 19/24903, S. 3. 282 Zu den Begriffen: Dunne/O’Donnell/Almeida, in: The Art of the Pre Pack, S. 29, 32 f.; Überblick zu den Begriffen auch bei Madaus, Der Insolvenzplan, S. 562 ff. 283 Dunne/O’Donnell/Almeida, in: The Art of the Pre Pack, S. 29, 63 („Indispensable to any prenegotiated case is the execution of a ,plan support agreement‘ with key stakeholders prior to the filing for bankruptcy protection“); zu den Vorteilen einer „Bestätigungsinsolvenz“ vgl. auch Madaus, Der Insolvenzplan, S. 568 ff. 284 Dunne/O’Donnell/Almeida, in: The Art of the Pre Pack, S. 29, 32. 276
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Kap. 2: Grundlagen
Plan abgestimmt wird.285 Die Abstimmung erfolgt erst nach Anzeige des Verfahrens, weshalb auch von einem Post-voted Pre-Pack gesprochen wird.286 Schließlich gibt es das sog. Prepacked Chapter 11-Verfahren. Diese werden auch als Pre-voted Bankruptcy287 oder Pre-voted Pre-Pack288 bezeichnet (im Folgenden allgemein PrePacks):289 In einem Pre-Pack-Verfahren einigt sich die Schuldnerin mit ihren Gläubigern vor Anzeige des Verfahrens bei Gericht auf einen Plan und lässt auch schon über diesen abstimmen. Sofern der Plan die notwendigen Stimmen auf sich vereinigt hat, wird das Chapter 11-Verfahren angezeigt und das Gericht um die Bestätigung des Plans gebeten. Ein Pre-Pack bietet zahlreiche Vorteile gegenüber dem Free Fall-Verfahren:290 Das Verfahren wird verkürzt, Kosten werden gespart, die Schuldnerin behält die Kontrolle, die Auswirkungen auf das operative Geschäft sind sehr gering, die Verfahrenskosten halten sich in Grenzen und Blockadestrategien werden effektiv bekämpft. In den USA wird eine Abstimmung über den Plan vor dem Start des Chapter 11Verfahrens durch 11 U.S.C. 1126 (b) ermöglicht.291 In Deutschland war nach der InsO ein klassischer Pre-Pack bisher nicht möglich.292 Zwar kann nach § 218 Abs. 1 Satz 2 InsO mit dem Insolvenzantrag gleichzeitig ein Plan eingereicht werden. Dennoch müssen zunächst das Insolvenzeröffnungsverfahren, der Berichtstermin der Gläubigerversammlung (§ 157 InsO) und der Erörterungstermin abgewartet werden, bis über den Plan abgestimmt werden kann.293 Dies könnte sich mit dem StaRUG-Verfahren ändern. Hier wird mit §§ 17 ff. StaRUG eine außergerichtliche Annahme des Plans ermöglicht, die schon vor der Anzeige der Restrukturierungssache bei Gericht erfolgen kann. Allerdings können bisher in den Verhandlungen unbeteiligte Gläubiger nach § 17 Abs. 3 StaRUG, § 21 Abs. 11 StaRUG eine Erörterungsversammlung beantragen. Wenn die Parteien nach der Erörterung neu abstimmen möchten (§ 21 Abs. 4 Satz 2 StaRUG), werden zuvor schon abgegebene Stimmen ungültig. Die Schuldnerin kann auch den direkten Weg über eine gerichtliche Planabstimmung wählen (§§ 45 f. StaRUG). Hier stehen Rechtssicherheit und die Einbeziehung des Gerichts im Vordergrund. In beiden Situationen 285 Dunne/O’Donnell/Almeida, in: The Art of the Pre Pack, S. 29, 32, 62 („In a prenegotiated scenario, the company negotiates a Chapter 11 plan with certain of its creditors prior to filing for bankruptcy protection, but does not solicit votes prior to the petition date.“). 286 Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 438. 287 Vgl. zur Frage, ob ein solches Verfahren auch in Deutschland gangbar wäre, ausführlich: Madaus, Insolvenzplan, S. 559 ff. 288 Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 438. 289 Dunne/O’Donnell/Almeida, in: The Art of the Pre Pack, S. 29, 30, 33 (zur Geschichte); Ayotte/Morrison 1 J. Leg. Anal. 511, 515 (2009). 290 Zum Folgenden vgl. Dunne/O’Donnell/Almeida, in: The Art of the Pre Pack, S. 29, 35 ff. 291 Ausführlich: Dunne/O’Donnell/Almeida, in: The Art of the Pre Pack, S. 29, 39 ff.; Madaus, Insolvenzplan, S. 564 ff.; Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 437 ff. 292 Madaus, Insolvenzplan, S. 578 ff. 293 Vgl. Madaus, Insolvenzplan, S. 578 ff.; zur Gläubigerversammlung: Madaus, Insolvenzplan, S. 560; vgl. auch Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 443.
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kann sich die Schuldnerin durch ein RSA absichern. Genau für solche Fälle werden RSA in den USA eingesetzt.294 Die empirische Untersuchung (vgl. dazu oben295) hat gezeigt, dass in den USA der Mittelweg zwischen einem klassischen Pre-Pack und der Free Fall Bankruptcy, also die Prenegotiated Bankruptcy immer häufiger das Mittel der Wahl ist, um Restrukturierungen größerer Unternehmen umzusetzen.
B. Gibt es vergleichbare Vereinbarungen in Deutschland? RSA werden in Deutschland in der Literatur bislang nur gelegentlich erwähnt.296 In außergerichtlichen Sanierungen kommen ähnliche Vereinbarungen teilweise zum Einsatz, wie die oben besprochenen Fälle der Solarworld AG und der IVG Immobilen AG gezeigt haben.297 Viele Klauseln, die in RSA aufgenommen werden, sind aber aus Investorenvereinbarungen298 oder Restrukturierungsvereinbarungen299 bekannt, die in Deutschland in der M&A-Praxis und in außergerichtlichen Restrukturierungen häufig eingesetzt werden. Ein RSA hat auch gewisse Parallelen mit einem Covenantunterlegten Kreditvertrag300. I. Analogie zu Investorenvereinbarungen RSA weisen viele Parallelen mit Investorenvereinbarungen auf. Investorenvereinbarungen sind Verträge zwischen einem Bieter und einer Zielgesellschaft, mit denen eine künftige Transaktion und deren reibungslose Durchführung gewährleistet werden soll.301 Investorenvereinbarungen sind trotz einiger Hürden im Gesetz im Grundsatz zulässig.302 In der rechtsökonomischen Theorie ist eine Restrukturierung wirtschaftlich gesehen eine Veräußerung des Unternehmens an die bisherigen
294
Dunne/O’Donnell/Almeida, in: The Art of the Pre Pack, S. 29, 63 f. Vgl. oben bei Fn. 33 ff. 296 Vgl. Florstedt, ZIP 2021, 53, 58 in Fn. 77; Heinzmann, Restrukturierungsvereinbarungen, S. 357 ff.; Palenker, Loan-to-own, S. 333 f., 471 f., 615, 622; Palenker, ZIP 2020, 1109, 1112 („Sperrvereinbarungen“). 297 Vgl. dazu oben bei Fn. 144 ff. 298 Umfassend dazu: Heß, Investorenvereinbarungen, passim. 299 Umfassend dazu: Heinzmann, Restrukturierungsvereinbarungen, passim. 300 Umfassend zum Covenant-unterlegten Kreditvertrag: Servatius, Gläubigereinfluss, passim. 301 Schall, in: Kämmerer/Veil, S. 75; vgl. zur Rechtsnatur: S. 80 ff. 302 Überblick bei: Seibt, in: Kämmerer/Veil, S. 106, 119 ff.; als Grenzen nennt Seibt § 136 Abs. 2 AktG, §§ 71 ff. AktG, § 57 AktG, § 187 AktG, § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG und den Gleichbehandlungsgrundsatz; diese Gebote würden durch den Abschluss einer Investorenvereinbarung aber i. d. R. nicht verletzt (S. 119 f.); zu Deal-Protection-Klauseln differenzierend: S. 125; ähnlich: Schall, in: Kämmerer/Veil, S. 89 ff. 295
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Kap. 2: Grundlagen
Stakeholder:303 Statt das Unternehmen im Wege des Asset Deals gegen Geld an Dritte zu veräußern, erwerben die bisherigen Gläubiger das Unternehmen. Statt Befriedigung in Geld erhalten die Gläubiger in einer Reorganisation neue bzw. modifizierte Forderungen oder Anteile am restrukturierten Unternehmen304 und bezahlen für diese, indem sie auf ihre Forderungen verzichten.305 „Business reorganizations are, by definition, a form of corporate control transaction“.306
Wird die Unternehmensrestrukturierung aus dieser Perspektive betrachtet, stellen RSA mit einer bestimmten Gläubigergruppe eine abgewandelte Form einer Investorenvereinbarung dar. Es geht darum, einen bestimmten Deal, den StaRUG-Plan, abzusichern (Deal Protection307). Hier wie dort werden No-Shop-Klauseln, BestEffort-Klauseln oder Break-up Fees308 aufgenommen (s. o.). Hier wie dort kann eine Zusicherung neuer Aktien an einen Bieter bzw. an die Schlüsselgläubiger erfolgen.309 Bei Investorenvereinbarungen wird eine Verpflichtung zu einer positiven Stellungnahme i. S. d. § 27 WpÜG angestrebt,310 im RSA eine Verpflichtung, den StaRUGPlan im Sinne der Schlüsselgläubiger auszuformen und für diesen zu werben. Skeel hat Investorenvereinbarungen schon früh mit Überbrückungskreditverträgen (DIPLoan) verglichen.311 In dieser Hinsicht sind RSA wiederum mit DIP-Loans vergleichbar: Beide Vereinbarungen werden von den Schlüsselgläubigern genutzt, um Einfluss auf eine Schuldnerin in wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu erhalten,312 und werden häufig miteinander kombiniert.313
303 Zum Folgenden: Jackson, 91 Yale L. J. 857, 893 f. (1982); Jackson, Bankruptcy Law, S. 210 ff.; Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593, 595 (2017); Baird/Bernstein, 115 Yale L. J. 1930, 1937 (2006) m. w. N. in Fn. 14; Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 40; Baird, 15 J. Leg. Stud. 127 (1986). 304 Jackson, Bankruptcy Law, S. 212; Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 40. 305 Vgl. Baird/Bernstein, 115 Yale L. J. 1930, 1937 (2006). 306 Janger/Levitin, 13 Brook. J. Corp. Fin. & Com. L. 169 (2018). 307 Vgl. dazu im Zusammenhang mit Investorenvereinbarungen: Drygala, WM 2004, 1413 ff., 1457 ff.; Kiefner, ZHR 178 (2014), 547; Wiegand, Investorenvereinbarungen, S. 1 ff.; Seibt, in: Kämmerer/Veil, S. 106, 110. 308 Überblick zu den Klauseln bei Heß, Investorenvereinbarungen, S. 236 ff. m. w. N., Fleischer, ZHR 172 (2008), 539, 555 ff.; Drygala, WM 2004, 1413 ff. und 1457 ff.; Schall, in: Kämmerer/Veil, S. 75, 77 f. 309 Vgl. zu Investorenvereinbarungen, Schall, in: Kämmerer/Veil, S. 75, 78. 310 Schall, in: Kämmerer/Veil, S. 75, 78. 311 Skeel, 25 Cardozo L. Rev. 1905, 1929 (2004). 312 Vgl. Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593, 603 f. (2017); Ayotte/Ellias, 39 Yale Journal on Regulation, S. 1 ff. (2022). 313 Vgl. Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593, 606 (2017).
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II. Nächste Generation der Restrukturierungsvereinbarung? Das RSA könnte auch als nächste Generation einer Restrukturierungsvereinbarung betrachtet werden. In einer außergerichtlichen Restrukturierung sind die gesetzlichen Majorisierungsmechanismen nicht anwendbar.314 Daher müssen sämtliche Stakeholder die Restrukturierung unterstützen und ihr zustimmen.315 Die Restrukturierungsvereinbarung ist das zentrale Rechtsgeschäft einer solchen außergerichtlichen Sanierung.316 Dort werden in rechtsverbindlicher Weise die Sanierungsbeiträge der einzelnen Stakeholder und der Gesellschaft festgelegt, die zur Wiedererlangung der Wettbewerbsfähigkeit der Gesellschaft notwendig sind.317 Dazu zählen inhaltliche, strategische als auch operative Maßnahmen.318 Sofern nicht sämtliche Stakeholder dem Restrukturierungskonzept zustimmen, ist es sinnvoll, das bisherige Verhandlungsergebnis in das Restrukturierungsverfahren hineinzutragen, um die dort gegebenen Mehrheitsmechanismen nutzen zu können.319 Der Plan muss dann nach Anzeige der Restrukturierungssache nicht noch einmal von vorne verhandelt werden. Zwecks Planungssicherheit und Zeitersparnis ist es notwendig, dass sich die Parteien hinsichtlich ihres künftigen Stimmverhaltens binden.320 Ein RSA stellt in dieser Hinsicht eine Weiterentwicklung klassischer Restrukturierungsvereinbarungen dar.321 Innerhalb des gesetzlichen Restrukturierungsverfahrens gelten allerdings zusätzliche Anforderungen. Zu nennen sind die Regeln zur Gruppenbildung, der Gleichbehandlungsgrundsatz, die gesetzlich normierte absolute Vorrangregel, verfahrensrechtliche Teilhaberechte der Gläubiger und das geänderte Pflichtengefüge der Geschäftsleitung. Diese Aspekte müssen bei der Ausarbeitung des RSA beachtet werden, sodass der Vertrag gegenüber der klassischen Restrukturierungsvereinbarung an Komplexität gewinnt.
C. Wie wirken sich RSA auf die Restrukturierung aus? Schließlich soll noch dargelegt werden, welche Auswirkungen ein RSA auf die Restrukturierung eines größeren Unternehmens hat.
314
Heinzmann, Restrukturierungsvereinbarungen, S. 48 f. Heinzmann, Restrukturierungsvereinbarungen, S. 49. 316 Heinzmann, Restrukturierungsvereinbarungen, S. 50. 317 Heinzmann, Restrukturierungsvereinbarungen, S. 50. 318 Heinzmann, Restrukturierungsvereinbarungen, S. 50. 319 Vgl. Janger/Levitin, 13 Brook. J. Corp. Fin. & Com. L. 169, 176 (2018) („So, to the extent that key creditors have signed off on the outlines of a restructuring prepetition, the RSA allows the debtor to carry that support into bankruptcy.“). 320 Heinzmann, Restrukturierungsvereinbarungen, S. 357. 321 Vgl. Heinzmann, Restrukturierungsvereinbarungen, S. 357 ff. 315
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I. Einwirkung auf die Abstimmung der Gläubiger Kritiker argumentieren, dass RSA und Deathtrap-Klauseln vom Management dazu genutzt werden, Druck auf die Gläubiger auszuüben, um deren Abstimmungsverhalten zu beeinflussen bzw. diese zu manipulieren.322 Die Schutzmechanismen des Planerstellungsprozesses sollen umgangen werden.323 Wie oben schon erwähnt, stellt eine Restrukturierung nach der ökonomischen Analyse des Rechts selbst eine sehr komplexe Form einer Corporate-Control-Transaktion dar.324 Im Grundsatz kann deshalb auf die Wertungen zurückgegriffen werden, welche z. B. im Übernahmerecht gelten. Eine Rechtfertigung für die Regulierung von ÜbernahmeTransaktionen325 war es, zu verhindern, dass ein Bieter die Aktionäre der Zielgesellschaft durch geschickte Ausgestaltung eines Übernahmeangebotes zur Annahme des Angebots nötigen kann.326 Als Druckmittel kommen hier wie dort „insbesondere kurze Annahmefristen, Zuteilungen nach dem Prioritätsprinzip und aufeinander folgende Teilangebote mit gestaffelten Angebotskonditionen (front-end loading) in Betracht.“327 Diese Technik wird nach Ansicht der Literatur auch bei der Ausgestaltung von RSA genutzt: Es werden früh Signale an andere Gläubiger gesendet, dass die Restrukturierung erfolgreich sein wird. Durch dieses Signaling kann der vorverhandelte Deal an Momentum gewinnen.328 Wenn ein Gläubiger denkt, die Mehrheit in seiner Klasse werde ohnehin für den Plan stimmen, wird er häufig nicht das Risiko eingehen, einen Teil seiner Quote zu verlieren, indem er gegen den Plan stimmt.329 Diesen Effekt kann das Management dadurch verstärken, dass es kurze Beitrittsfristen zum RSA festlegt und nur diejenigen Gläubiger, welche sich dem RSA anschließen, als potentielle Investoren berücksichtigt.330 Es entsteht dann eine Art Gefangenen-Dilemma, welches es ermöglicht, Gläubigern einen Plan aufzudrängen, den sie ohne diese Techniken ablehnen würden.331 II. Verzicht auf Rechte im Verfahren? Der Beitritt zum RSA hat für die Gläubiger schließlich auch einen Preis: Sie dürften keine Einwände mehr gegen den Plan und gegen eine vorteilhafte Be322
Vgl. Janger/Levitin, Yale L. J. Forum, 335, 343 in Fn. 30 (2020). Janger/Levitin, 13 Brook. J. Corp. Fin. & Com. L. 169, 172 f. (2018). 324 Vgl. oben bei Fn. 306. 325 Vgl. ausführlich: Bebchuk, 98 Harv. L. Rev. 1693 ff. (1985). 326 Vgl. Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, Einleitung Rn. 10. 327 Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, Einleitung Rn. 10 (zur Ausgestaltung eines Übernahmeangebots). 328 Janger/Levitin, Yale L. J. Forum, 335, 354 (2020). 329 Saxon, 94 Am. Bankr. L. J. 357, 376 (2020). 330 Vgl. Saxon, 94 Am. Bankr. L. J. 357, 376 (2020). 331 Couwenberg/Lubben, 13 Brook. J. Corp. Fin &. Com. L. 145, 166 (2018); Saxon, 94 Am. Bankr. L. J. 357, 376 (2020). 323
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handlung anderer Gläubiger erheben.332 Die Gläubiger schließen sich dem RSA häufig aufgrund der angebotenen Prämien bzw. Gebühren oder den dadurch ermöglichten Teilnahmemöglichkeiten bei lukrativen neuen Finanzierungen an und sind deshalb gewillt, auf anderweitige Rechte im Rahmen des Verfahrens zu verzichten.333 Es wurde behauptet, dass das RSA häufig nur dazu eingesetzt wird, diejenigen Gläubiger, welche die meisten Probleme bereiten könnten, ruhig zu stellen.334 Werden die aggressivsten Gläubiger ruhig gestellt, verstärkt dies den Effekt des oben angesprochenen Gefangenen-Dilemmas:335 Wenn die meisten anderen Gläubiger ohnehin keine Einwände gegen einen vorgeschlagene Deal erheben, werden die übergangenen Gläubiger auch keine fruchtlosen Einwände erheben, welche nur zusätzliche Kosten bedeuten würden.336 III. Veränderung der Verhandlungsstruktur und Auswirkung auf die Verteilung des Restrukturierungsgewinns Dem schuldnerischen Vermögen können in der Restrukturierung im Grundsatz verschiedene Werte beigelegt werden:337 Der erste Wert wird ermittelt, indem alle Vermögensgegenstände des Unternehmens einzeln veräußert würden.338 Ein weiterer Wert wäre der Preis, welcher sich bei einem Asset Deal erzielen ließe („Übertragung des Unternehmens als Ganzes“339 bzw. „übertragende Sanierung“).340 Hierbei würden allerdings keine rechtsträgerspezifischen Rechte (günstige Verträge oder Lizenzen) berücksichtigt.341 Schließlich gibt es Werte, die darüber hinausgehen und erzielt werden können, wenn das Unternehmen beim Unternehmensträger verbleibt, eine Restrukturierung erfolgt und die rechtsträgerspezifischen Rechte und Synergien erhalten bleiben: Die so geschaffene Differenz wird als Restrukturierungsgewinn, Planmehrwert342 oder Reorganisations(mehr)wert343 bezeichnet. Wie dieser Wert zu 332 Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593, 617 (2017) („A restructuring support agreement may have the effect of silencing the person most likely to disclose the relevant information and indeed may have been entered into just for this purpose.“). 333 Vgl. Skeel, Yale L. J. Forum, S. 315, 331 f. (zum Recht, alternative Zwischenfinanzierungen vorzuschlagen; das Prinzip kann aber verallgemeinert werden). 334 Skeel, 166 U. Pa. L. Rev. 699, 740 (2017). 335 Couwenberg/Lubben, 13 Brook. J. Corp. Fin & Com. L, 145, 166 (2018). 336 Couwenberg/Lubben, 13 Brook. J. Corp. Fin & Com. L, 145, 166 (2018). 337 Hierzu und zu den folgenden Ausführungen: Madaus, Working-Paper 2019 – 08, S. 10 f. 338 Madaus, Working-Paper 2019 – 08, S. 10; vgl. zu verschiedenen Werten auch: Scholz/ Bitter, Vor § 64 Rn. 67. 339 Schäfer/Wüstemann, ZIP 2014, 1757, 1759. 340 Vgl. Madaus, Working-Paper 2019 – 08, S. 11; vgl. auch Schäfer/Wüstemann, ZIP 2014, 1757, 1759 (keine zwingende Bewertung des Unternehmens zum Zerschlagungswert, wenn „Liquidation der Gesellschaft im Ganzen“ möglich ist); vgl. auch Scholz/Bitter, Vor § 64 Rn. 67. 341 Ausführlich: Bitter/Laspeyres, ZIP 2010, 1157 ff. 342 Zu diesem Begriff: Thole, ZIP 2014, 2365, 2370 f.
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verteilen ist, normieren nicht nur die übrigen Verteilungsregeln344 (absolute Vorrangregel, Gleichbehandlungsgrundsatz).345 Von Bedeutung ist insbesondere auch die Verhandlungsstruktur.346 Der Einsatz von RSA verändert die Struktur der Restrukturierungsverhandlung über diesen Planmehrwert:347 Früher habe eine Schuldnerin typischerweise mehrere Verhandlungsrunden durchgeführt, an denen sämtliche Gläubiger teilnehmen konnten. Jede Partei habe den Forderungen der anderen Partei entgegentreten können, bis schließlich ein Kompromiss entstanden sei.348 Die Besonderheit bei der Verwendung von RSA bestehe darin, dass diese Vereinbarungen nicht mehr mit allen Beteiligten in großer Runde verhandelt würden. Die Schuldnerin starte eine Reihe von zweiseitigen Absprachen (Nebenabsprachen), in welchen der später aufzustellende Restrukturierungsplan Schritt für Schritt ausgestaltet werde.349 Dabei beginne die Schuldnerin die Verhandlungen in der Regel mit den Schlüsselgläubigern.350 Ein zuerst geschlossenes RSA gebe den Inhalt der später zu schließenden Vereinbarungen teilweise vor.351 Ein früheres RSA wirke so als sog. fait accompli, also als vollendete Tatsache.352 Nach der Verhaltensökonomie könnten fait accompli in späteren Verhandlungen nicht mehr einfach ignoriert werden.353 Ein Stein gerate ins Rollen, der nicht mehr gestoppt oder umgelenkt werden könne.354 Die geschaffenen Fakten seien darauf ausgerichtet, den Handlungsspielraum der späteren Verhandlungspartner einzuschränken.355 Diese Verhandlungsstruktur beeinflusse, wie der Restrukturierungsgewinn schlussendlich 343
Madaus, Working-Paper 2019 – 08, S. 11 (auch zu den verschiedenen Werten). Vgl. zur optimalen Ausgestaltung der Verteilungsregeln: Madaus, Working-Paper 2019 – 08, S. 10 ff.; Madaus, Research Handbook, S. 191 ff.; Krohn, Int. Insolv. Rev. 2020, 1 ff.; Liedl, Absoluter oder relativer Vorrang, S. 1 ff. 345 Vgl. dazu unten bei Fn. 2473. 346 Grundlegend: Baird, 91 Am Bankr. L. J. 593 ff. (2017), insb. S. 598 („[T]here are many plans that are confirmable, and each can have significantly different distributional consequences. The types of bargaining that are allowed in the plan confirmation process will determine exactly how much of a share each party receives.“); zu strategischen Elementen bei der Unternehmensbewertung: Wang, Loan-to-Own, S. 56 ff. 347 Vgl. zum Folgenden: Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593, 594 (2017); vgl. auch Baird, The Unwritten Rules, S. 175 ff. 348 Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593 f. (2017). 349 Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593, 594 (2017). 350 Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593, 594 (2017). 351 Vgl. Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593, 594, 609 (2017). 352 Janger/Levitin, 13 Brook. J. Corp. Fin. & Com. L. 169, 173 (2018). 353 Vgl. zur Fait-Accompli-Taktik in Verhandlungen: Müller-Schoppen/Kesper, Managementwissen, S. 203. 354 Baird, The Unwritten Rules, S. 176. 355 Vgl. zur Fait-accompli-Taktik in Verhandlungen: Jung/Krebs, Vertragsverhandlung, S. 180 f. 344
§ 5 Vor- und Nachteile von RSA
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zwischen den Parteien aufgeteilt werde356 und wer als Gewinner und wer als Verlierer aus der Restrukturierung hervorgehe. Die Verteilungsfrage hängt also grundsätzlich auch von der Struktur der Verhandlungen ab.357 IV. Kontrollübernahme durch die Schlüsselgläubiger RSA werden zusammen mit anderen Werkzeugen358 auch als ein Mittel angesehen, mittels dessen die Senior-Gläubiger im Vorfeld einer Restrukturierung die Kontrolle über das anstehende Verfahren übernehmen können.359 Einfluss auf das Verfahren kann ihnen einen erheblichen, nicht zu unterschätzenden Vorteil gewähren.360 Die anderen Werkzeuge sind Zwischenfinanzierungsverträge mit bestimmten Covenants (DIP-Loans)361; Meilensteine362 sowie Boni an das Management363. Die Übernahme der Kontrolle findet regelmäßig vor dem Start des gerichtlichen Verfahrens statt.364 Dies werde von außenstehenden Gläubigern häufig nicht wahrgenommen und auch eine gerichtliche Kontrolle finde nicht statt. Nach der Übernahme der Kontrolle bzw. nach Bildung der Koalition zwischen Management und Schlüsselgläubigern besteht zudem die Gefahr, dass Minderheiten vorschnell als Akkordstörer gebrandmarkt werden und sich die Mehrheit (verdeckte) Sondervorteile sichern kann.365
§ 5 Vor- und Nachteile von RSA Fraglich ist, welche Vor- und Nachteile der Einsatz eines RSA mit sich bringt. Diesbezüglich sollen hier zwei verschiedene Aspekte des RSA beleuchtet werden. Der erste Aspekt ist, dass RSA für die Schlüsselgläubiger ein Mittel darstellen, 356
Vgl. Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593, 609 (2017). Vgl. allgemein Eidenmüller, in: Breidenbach/Henssler S. 31, 36. 358 Überblick bei Westbrook, 37 Emory Bankr. Dev. J. 551 ff., insbesondere 562 f. (2021). 359 Westbrook, 37 Emory Bankr. Dev. J. 551, 562 f. (2021); Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593, 603 (2017); Lubben, 96 Am. Bankr. L. J. 1, 21 (2022). 360 Vgl. zur Bedeutung von Einfluss auf die Restrukturierung: Wang, Loan-to-Own, 56 ff., 248 ff. 361 Baird, 91 Am. Bankr. 593, 603 (2017); Skeel, 152 U. Pa. L. Rev. 917 ff. insbesondere 923 ff. (2003); vgl. dazu auch Wang, Loan-to-Own, S. 373, 383 ff. (DIP-Financing als Teil einer Loan-to-Own-Strategie). 362 Westbrook, 37 Emory Bankr. Dev. J. 551, 562 f. (2021). 363 Skeel, 152 U. Pa. L. Rev. 917 ff. insbesondere 926 ff. (2003). 364 Westbrook, 37 Emory Bankr. Dev. J. 551 (2021). („[A] control transaction in many Chapter 11 cases has taken place outside of bankruptcy, with little effective notice and no judicial scrutiny.“). 365 Kritisch im Zusammenhang mit RSA: Lubben, 96 Am. Bankr. L. J. 1, 21 ff., insb. 26 ff. (2022). 357
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Kap. 2: Grundlagen
Einfluss auf die Schuldnerin zu nehmen.366 Damit einher geht die Bildung einer Koalition zwischen dem Management und den Schlüsselgläubigern. Fraglich ist, ob diese Entwicklung positiv oder negativ zu bewerten ist. Der zweite Aspekt besteht in der Einflussnahme auf die Abstimmung:367 RSA werden genutzt, um einzelne Gläubiger durch Investitionsmöglichkeiten und Prämien dazu zu bewegen, den Restrukturierungsplan zu unterstützen. In den USA werden RSA deshalb als coercive368 (Druck ausübend) oder distortive369 (die Abstimmung verzerrend) bezeichnet. Hier ist insbesondere fraglich, ob diese druckausübenden und die Abstimmung verzerrenden Techniken auch Vorteile haben können.
A. Nachteile bei Einflussnahme durch Schlüsselgläubiger Wenn die Schlüsselgläubiger das Restrukturierungsverfahren kontrollieren, kann dies erhebliche Nachteile für die übrigen Beteiligten mit sich bringen: I. Nachteile für die Informationsversorgung Die Schlüsselgläubiger haben regelmäßig einen Informationsvorsprung, wenn sie sich frühzeitig mit den betriebswirtschaftlichen Verhältnissen der Schuldnerin vertraut machen.370 Außenstehende Gläubiger sind uninformiert und zusätzlich durch ein Koordinationsproblem belastet.371 Sowohl das Chapter 11-Verfahren372 als auch die InsO – und damit auch das StaRUG – haben zum Ziel, die bestehende Informationsasymmetrie zu überwinden.373 Durch einen zu großen Einfluss der Schlüsselgläubiger kann dieses Ziel konterkariert werden: Die Schlüsselgläubiger können ihre vorteilhafte Position frühzeitig zementieren, indem sie das Restrukturierungskonzept mittels Lock-up-Agreement abriegeln. Das Ergebnis wird regelmäßig damit gerechtfertigt, dass keine Zeit für lange Verhandlungen und zur umfassenden 366
Dabei kann auch auf die Diskussion um die Vor- und Nachteile von Zwischenfinanzierungen für den Debtor-in-Possession zurückgegriffen werden (vgl. dazu Parzinger, Fortführungsfinanzierung, S. 118 ff.), weil RSA einen ähnlichen Effekt haben dürften (Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593, 603 f. [2017]). 367 Dazu Skeel, 130 Yale L. J. 366 ff. (2020). 368 Levitin, 100 Tex. L. Rev. (2022), Manuskript, S. 21 f. 369 Skeel, 130 Yale L. J. 366 (2020). 370 Vgl. zum Chapter 11-Verfahren: Jacoby/Janger, 123 Yale L. J. 862, 895 ff. (2014), wobei hier v. a. sog. Fire Sales im Vergleich zur Restrukturierungsverhandlung diskutiert werden; i. E. auch Rendels/Zabel, Insolvenzplan, S. 17 (zum Insolvenzplanverfahren); zum Folgenden auch: Jacoby/Janger, 123 Yale L. J. 862, 895 ff. (2014). 371 Jacoby/Janger, 123 Yale L. J. 862, 895 (2014); vgl. auch Wang, Loan-to-Own, S. 252. 372 Vgl.: Skeel, 1993 Wis. L. Rev. 465, 507 (1993) („[T]he existence of a collectivized insolvency proceeding acts as an information forcing device which enables the parties to detect misbehavior that otherwise might have gone unnoticed […].“). 373 Balz, in: Kölner Schrift zur InsO, S. 3, 6, 11.
§ 5 Vor- und Nachteile von RSA
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Transparenz zur Verfügung steht, weil das Unternehmen in der Zwischenzeit andernfalls dahinschmelzen würde.374 Das Unternehmen kann mit einem schmelzenden Eiswürfel vergleichen werden (the melting ice cube argument).375 Mit diesem Vergleich wird Druck auf die Verhandlungen aufgebaut und versucht die schwierige Situation auszunutzen.376 So könnten die Schlüsselgläubiger ein sog. Speed Premium ausnutzen, bis die anderen Parteien ebenfalls ausreichend informiert seien.377 Für Deutschland wurde betont, dass dieser Vorsprung insbesondere bei der Planeinreichung oder bei späteren Änderungsvorschlägen im Rahmen des Erörterungstermins genutzt werden könne, um die übrigen Parteien unter Zeitdruck zu Kompromissen zu drängen.378 In einem Insolvenzplan und auch im Restrukturierungsplan nach dem StaRUG muss der Planersteller anhand einer detaillierten Vergleichsrechnung belegen, dass die Beteiligten durch den Plan nicht schlechter stehen als ohne Plan bzw. als im nächstbesten Alternativszenario.379 Die Vergleichswerte werden häufig durch einen M&A-Prozess für das Unternehmen ermittelt. Nach Ansicht von Rendels/Zabel hat derjenige, der den M&A-Prozess beherrscht und in seinen Einzelheiten kennt, häufig die Möglichkeit, die Vergleichsrechnung zumindest in einigen Bereichen zu beeinflussen.380 Dies kann durch Ansprache nur bestimmter Interessenten oder dadurch erfolgen, dass weniger Angebote eingeholt werden.381 Außerdem sei derjenige im Vorteil, in dessen Lager der M&A-Berater stehe.382 II. Übervorteilung der Schlüsselgläubiger Es steht der Vorwurf im Raum, dass die Senior-Gläubiger bzw. die Schlüsselgläubiger das RSA dazu ausnutzen, sich Sondervorteile zu sichern.383 Die Rechts374 Vgl. ausführlich Jacoby/Janger, 123 Yale L. J. 862, 895 ff. (2014) (zu sog. Fire Sales, das Argument kann allerdings auf RSAs übertragen werden. Restrukturierungen sind Veräußerungen an die bisherige Gläubiger, vgl. dazu die Nachweise in Fn. 303). 375 Jacoby/Janger, 123 Yale L. J. 862, 899 (2014) („[T]he melting ice cube argument makes it risky and expensive for claimants to seek additional information or additional time.“) und S. 867 („he melting ice cube argument is, thus, a tool that can be used to lock-in or strong-arm a particular deal.“) (jeweils zum Fire-Sale, das Argument kann aber auf RSA übertragen werden). 376 Vgl. Jacoby/Janger, 123 Yale L. J. 862, 866 f., ausführlich 895 ff. (2014). 377 Vgl. Jacoby/Janger, 123 Yale L. J. 862, 895 („The bankruptcy court has no more information than the informationally disadvantaged claimants. Consequently, the melting ice cube argument places the estate at the mercy of the sale’s advocates – usually, although not always, incumbent managers, the senior secured lender, and the purchaser. This leverage may facilitate a sweetheart deal […].“), S. 910 ff. (2014). 378 Rendels/Zabel, Insolvenzplan, S. 17 f. 379 Vgl. § 220 Abs. 2 Satz 2 InsO; 6 Abs. 2 StaRUG. 380 Rendels/Zabel, Insolvenzplan, S. 18; vgl. dazu jetzt auch Wang, Loan-to-Own, S. 270 ff. 381 Rendels/Zabel, Insolvenzplan, S. 18. 382 Rendels/Zabel, Insolvenzplan, S. 18. 383 Baird, The Unwritten Rules, S. 176.
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stellung der gesicherten Gläubiger hängt regelmäßig vom Wert ihrer Sicherheiten ab. Dieser Wert muss im Verfahren ermittelt werden. Liegen divergierende Wertgutachten bzgl. einer Sicherheit vor, schließt das Management mit den gesicherten Gläubigern häufig eine Übereinkunft zum Plan-Wert des Sicherungsgutes ab.384 Diese Vereinbarung kann zugunsten der Schlüsselgläubiger ausfallen, wenn diese gleichzeitig für die Umsetzung einer Planlösung benötigt werden, ohne dass dies den übrigen Gläubigern unbedingt auffallen muss. Je nachdem wie intensiv die Sicherheiten der gesicherten Gläubiger vom Management oder dem Planersteller geprüft werden, kann sich zudem ergeben, dass „ein gesichert geglaubter Darlehensanspruch in Wahrheit ungesichert ist“.385 Es kann z. B. festgestellt werden, dass eine Sicherungszweckabrede zu eng gefasst ist.386 Ferner kann eine Sicherheit z. B. anfechtbar bestellt worden sein.387 Teilweise üben die gesicherten Gläubiger ihren Einfluss auch nur aus, damit solche Tatsachen unentdeckt bleiben.388 Insbesondere bei der Restrukturierung von LBO-Finanzierungen würden die Investoren und die Schlüsselgläubiger versuchen, zu verhindern, dass Haftungsansprüche gegen sie ausfindig gemacht würden.389 Dies könne dazu führen, dass in einer Restrukturierung nicht das – insbesondere für die ungesicherten Gläubiger – optimale Ergebnis erzielt wird.390 III. Fehlanreize der Schlüsselgläubiger Solange ein Schlüsselgläubiger vollständig gesichert ist, hat er auch keinen Anreiz, die Masse der Schuldnerin in einer Reorganisation zu mehren, weil er von dieser Mehrung der Masse selbst keinen Vorteil haben dürfte.391 Er dürfte eine Präferenz zum schnellen Verkauf des Unternehmen haben (sog. Fire Sale).392 Deshalb wurden ein zu großer Einfluss der Schlüsselgläubiger, RSA und Milestones als 384
Zum Ganzen: vgl. Rendels/Zabel, Insolvenzplan, S. 19. Rendels/Zabel, Insolvenzplan, S. 30. 386 Rendels/Zabel, Insolvenzplan, S. 30; zu weiteren „Defects“ im US-Recht vgl.: Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593, 595 ff. (2017). 387 Vgl. das Beispiel bei Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593, 606 (2017). 388 Modellhaft aufbereitet bei: Ayotte/Ellias, 39 Yale Journal on Regulation, S. 1, 28 ff. (2022). 389 Siemon, ZInsO 2013, 1449, 1556 ff. 390 Ayotte/Ellias, 39 Yale Journal on Regulation, S. 1, 21 ff. (plan protection), 28 ff. (entitlement protection) (2022); Siemon, ZInsO 2013, 1449, 1556 ff. 391 Parzinger, Fortführungsfinanzierung, S. 124 m. w. N. in Fn. 822; vgl. auch zu einer strategischen Beeinflussung der Unternehmensbewertung: Wang, Loan-to-Own, S. 56 ff. 392 Ayotte/Morrison, 1 J. Leg. Anal. 511, 513, 514 (2009) („Oversecured creditors will prefer an immediate resolution. Their claims may be paid in full during a quick sale, even if the firm is sold for less than its fundamental value; any delay – especially a lengthy reorganization process – could hurt them if firm value deteriorates over the time.“); vgl. Jacoby/Janger, 123 Yale L. J. 862, 869 („§ 363 allows senior secured creditors to push for ,inefficient fire sale[s]‘“), 903 (2014); vgl. Ayotte/Ellias, 39 Yale Journal on Regulation, S. 1, 26 f. (2022) und passim. 385
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Anzeichen dafür gesehen, dass es nicht zur bestmöglichen Gläubigerbefriedigung kommen würde.393 In diesem Zusammenhang ist eine der größten Gefahren bei einem RSA, dass Parteien vom Verhandlungsprozess ausgeschlossen werden.394 Man stelle sich eine Restrukturierung mit zwei Gruppen vor, in welcher das Management mit den SeniorGläubigern ein RSA aushandelt und dabei die nachrangige Gruppe (z. B. die JuniorGläubiger) von den Planverhandlungen fernhält:395 Man stelle sich außerdem vor, es gäbe zwei mögliche Pläne. Der bessere Plan würde den Unternehmenswert maximieren und wäre gleichzeitig günstig für die Junior-Gläubiger. Der andere Plan würde Vermögenswerte von der nachrangigen Klasse (Junior-Gläubiger) zu der vorrangigen Klasse (Senior-Gläubiger) umverteilen. Wenn die nachrangige Klasse nicht in die Verhandlungen einbezogen wird, dürfte der Plan, welcher den Unternehmenswert steigert, nicht durchdringen.
B. Vorteile einer starken Stellung der Schlüsselgläubiger und von Koalitionen zwischen Management und den Schlüsselgläubigern Eine Zusammenarbeit der Schlüsselgläubiger mit dem Management bringt indes auch Vorteile mit sich. Zunächst sollen jedoch kurz einige gerade aufgezeigte Nachteile relativiert werden. I. Relativierung der Nachteile Die Tatsache, dass gesicherte Schlüsselgläubiger häufig nicht die größten Anreize haben, das Unternehmen zu restrukturieren, und stattdessen auf die Verwertung ihrer Sicherheiten drängen, sollte nicht überbewertet werden. Die Schlüsselgläubiger haben häufig auch ein Interesse an einer Fortführung langfristiger Geschäftsbeziehungen.396 Statt auf eine ineffiziente Liquidation zu drängen, können die Gläubiger ihre Forderungen heute auch einfach und schnell am Sekundärmarkt veräußern, um eine schnelle Befriedigung zu erhalten.397 Diese neue Exit-Option stellt die her393
Vgl. Westbrook, 37 Emory Bankr. Dev. J. 551, 562 f. (2021). Vgl. Skeel, 166 U. Pa. L. Rev. 699, 740 („The real issues are self-dealing and the risk that silencing a group of potentially active creditors will undermine the reorganization process, leading to inefficient reorganization outcomes.“). 395 Zum Folgenden: Ayotte/Casey/Skeel, 112 Nw. U. L. Rev. 255, 296 (2017) (zu Intercreditor Agreements; die Argumentation dürfte allerdings auf RSA übertragbar sein). Zur Vergleichbarkeit der Vereinbarungen: Skeel/Triantis, 166 U. Pa. L. Rev. 1777, 1807 f. (2018) („Restructuring support agreements have some of the same features as intercreditor agreements […].“). 396 Skeel, 152 U. Pa. L. Rev. 917, 937 (2003). 397 Paterson, Corporate Reorganization, S. 120. 394
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kömmliche Sicht in Frage, dass gesicherte Gläubiger in finanziellen Schwierigkeiten einen Anreiz haben, eine Liquidation statt einer Restrukturierung zu favorisieren.398 Das Argument, Finanzinvestoren würden sich bei den Verteilungskämpfen auf Kosten der ungesicherten Gläubiger und anderer Kleingläubiger bereichern und nicht die bestmögliche, gleichmäßige Gläubigerbefriedigung anstreben,399 kann durch Studien aus England relativiert werden.400 Dort wurde ein System untersucht, in welchem die gesicherten Gläubiger das Verfahren maßgeblich beeinflussen. Dieses System führe nicht zu schlechteren Gesamtergebnissen als ein System, in welchem die ungesicherten Gläubiger mehr Einfluss hätten.401 Zwar werde die Masse bei Verfahren mit weniger Einfluss der gesicherten Gläubiger häufig erhöht, allerdings würden auch die Verfahrenskosten steigen.402 Demnach sei ein System, in welchem ein einzelner Gläubiger maßgeblichen Einfluss auf das Verfahren habe, mindestens genauso gut wie ein Verfahren, in welchem die Kontrolle bei den Residualberechtigten (häufig ungesicherten Gläubigern) liegt.403 II. Disziplinierende Wirkung auf das Management Wenn die Schlüsselgläubiger (häufig die vorrangig gesicherten Gläubiger) in einer Restrukturierung das Sagen haben, dürfte dies auch das Management disziplinieren. Es hat dann weniger Anreize, exzessive Risiken einzugehen, durch welche schlussendlich Werte vernichtet werden.404 Dies gilt insbesondere dann, wenn die Gläubiger dem Management – z. B. im RSA – signalisieren, dass es nach der Restrukturierung weiterhin beschäftigt sein wird, also Teil der Lösung, nicht des Problems ist.405 Überdies dürften sich weniger Abweichungen von der absoluten Vorrangregel einstellen.406 Bei der Ausarbeitung des Restrukturierungsplans hat das Management ein erhebliches Ermessen in Bezug darauf, wie der Restrukturierungsgewinn zwischen den betroffenen Parteien verteilt wird.407 Die Verteilungsregeln (dazu unten
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Paterson, Corporate Reorganization, S. 120. Eidenmüller, ZHR 175 (2011), 11, 22. 400 Parzinger, Fortführungsfinanzierung, S. 133 m. w. N. in Fn. 885; vgl. dort auch zur Auswertung zahlreicher Studien zum „Secured Creditor in Possession“. 401 Armour/Hsu/Walters, 8 Rev. o. Law and Econ. 101, 132 (2012); Nachweise zu weiteren, früheren Untersuchungen bei Parzinger, Fortführungsfinanzierung, S. 133 in Fn. 885. 402 Armour/Hsu/Walters, 8 Rev. o. Law and Econ. 101, 132 (2012). 403 Armour/Hsu/Walters, 8 Rev. o. Law and Econ. 101, 133 (2012). 404 Skeel, 152 U. Pa. L. Rev. 917, 935 (2003). 405 Vgl. Skeel, 152 U. Pa. L. Rev. 917, 934 f. (2003). 406 Skeel, 152 U. Pa. L. Rev. 917, 934 (2003); Eidenmüller, ZHR 175 (2011), 11, 21; Parzinger, Fortführungsfinanzierung, S. 125 f. 407 Vgl. dazu Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593, 595 ff. (2017). 399
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mehr) sind flexibler als auf den ersten Blick angenommen.408 Wenn die Schlüsselgläubiger mit dem Management zusammenarbeiten, dürfte ein – übertriebener – Gebrauch dieses Ermessens zugunsten der Anteilsinhaber weniger häufig vorkommen.409 Schließlich werden auch endlose Restrukturierungsverfahren verhindert.410 Durch eine Zusammenarbeit zwischen Management und Schlüsselgläubigern werden deren Ziele aneinander angeglichen, sodass es nun in beider Interesse sein dürfte, das Unternehmen so schnell wie möglich zu restrukturieren.411 Gläubigereinfluss verkürzt die Verfahrensdauer.412 Insgesamt gehen mit einer geringeren Dauer des Verfahrens geringere Kosten einher.413 III. Positives Signal Eine Zusammenarbeit zwischen dem Management und den Schlüsselgläubigern dürfte vom Markt außerdem als sehr positives Signal aufgenommen werden und der Restrukturierung insgesamt zum Erfolg verhelfen.414 Dieser Effekt wurde z. B. schon im Zusammenhang mit Zwischenfinanzierungen beobachtet: Wenn bekannt wird, dass ein Unternehmen sich eine Zwischenfinanzierung sichern konnte, gebe dies ein starkes Signal an den Markt: Das Unternehmen ist restrukturierungsfähig und das Verfahren wird vermutlich Erfolg haben.415 Es werde Zuversicht bei den Kunden, den Lieferanten und den Kapitalmarktteilnehmern geweckt.416 Die Sicherung einer Zwischenfinanzierung sei eine Art Zertifizierung für das Unternehmen.417 Eine Planung wirke werterhaltend und diene der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung.418 Gleiches dürfte auch für den Abschluss eines RSA gelten. 408
Vgl. dazu Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593, 595 ff. (2017) („approximate priority“). Vgl den Nachweis in Fn. 406. 410 Skeel, 152 U. Pa. L. Rev. 917, 934 (2003); vgl. Parzinger, Fortführungsfinanzierung, S. 124 f. 411 Skeel, 152 U. Pa. L. Rev. 917, 934 (2003). 412 Vgl. zur Auswertung entsprechender US-Studien: Eidenmüller, ZHR 175 (2011), 11, 22; Parzinger, Fortführungsfinanzierung, S. 124 f. m. w. N. 413 Parzinger, Fortführungsfinanzierung, S. 124. 414 Vgl. zum Signaling im Zusammenhang mit RSA: Janger/Levitin, Yale L. J. Forum, 335, 354 (2020) („They allow creditors to signal their support and gather momentum behind a deal.“). 415 Dhillon/Now/Ramírez, 3 J. of Financial Stability, 238, 239 f. (2007); Elayan/Meyer, 28. J. of Bus. Finance & Account. 905, 934 (2001); Parzinger, Fortführungsfinanzierung, S. 135 ff. m. w. N. (im Zusammenhang mit DIP-Finanzierungen; das Argument kann allerdings auf RSA übertragen werden). 416 Elayan/Meyer, 28. J. of Bus. Finance & Account. 905, 909 (2001). 417 Dhillon/Now/Ramírez, 3 J. of Financial Stability, 238, 239 f., 250 ff. (2007); vgl. dazu auch Parzinger, Fortführungsfinanzierung, S. 135. 418 Siemon, ZInsO 2013, 1549, 1556. 409
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IV. Abwehr aggressiver Finanzinvestoren und Hedgefonds Schließlich ist nochmals darauf hinzuweisen, dass das RSA ein Mittel ist, das Verhandlungsergebnis zu stabilisieren und dem Forderungshandel mit notleidenden Forderungen zu begegnen.419 Gleichzeitig kann aggressiven Strategien420 von Finanzinvestoren und Hedgefonds421 begegnet werden.422 V. Sicherung der Interessen weiterer Stakeholder So wie Investorenvereinbarungen ein Mittel für das Management sein können, die Interessen weiterer Stakeholder, wie etwa der Arbeitnehmer und der Schuldnerin, gegenüber dem Bieter zu sichern,423 können RSA dem Management ein Mittel an die Hand geben, diese Interessen auch in einer Restrukturierung gegenüber den Schlüsselgläubigern vorab vorzubringen. Sofern sich hier Bedenken ergeben, weil sich der Bieter bzw. der Schlüsselgläubiger (und ggf. der spätere Aktionär) gegenüber der Schuldnerin bindet, kann ein Garant einbezogen werden, gegenüber welchem sich die entsprechenden Parteien binden.424
C. Coercive Techniques Den RSA wird nachgesagt, dass mit ihnen eine Restrukturierung von der Schuldnerin unlauter beeinflusst werden kann.425 Dies ist bislang schon an einigen Stellen angeklungen und soll nun nochmals konzentriert dargestellt werden: Harmlos erscheinen RSA, welche den Gläubigern erlauben, ihre Stimme bei Vorliegen neuer Informationen nochmals zu ändern, und welche eine Öffnungsklausel beinhalten.426 Gläubiger gehen im RSA aber häufig strengere Stimmbindungen zugunsten der Schuldnerin ein.427 Durch die Stimmbindung erhält das Management 419
Vgl. dazu schon oben bei Fn. 238 ff. Beispiele für solche Strategien bei Wang, Loan-to-Own, S. 422 ff., 435 ff., 443 ff., 521 ff. (jeweils zu disruptiven Verhinderungs- und Verzögerungsstrategien von Gläubigern, die sich in die Kapitalstruktur eingekauft haben). Wang untersucht in seiner Arbeit, ob mit Mechanismen wie Stimmverboten oder der zwangsweisen Subordination von Forderungen disruptiven Strategien aggressiver Investoren begegnet werden kann. RSA stellen ein weiteres Mittel dar, um ein solches Verhalten zu verhindern. 421 Zur Typisierung von Distressed-Debt-Investoren: Wang, Loan-to-Own, S. 28 ff. 422 Vgl. dazu oben bei Fn. 238 ff. 423 Seibt, in: Kämmerer/Veil, S. 106, 118 f. 424 Seibt, in: Kämmerer/Veil, S. 106, 120 ff., 133; Schall, in: Kämmerer/Veil, S. 75, 78. 425 Kritisch: Janger/Levitin, Yale L. J. Forum, 335 ff. (2020); Janger/Levitin, 13 Brook. J. Corp. Fin. & Com. L. 169 ff. (2018); offener hingegen: Skeel, 130 Yale L. J. 366 ff. (2020). 426 Janger/Levitin, Yale L. J. Forum, 335, 346 (2020). 427 Vgl. oben bei Fn. 164. 420
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Einwirkungsmacht auf die Abstimmung.428 Durch Stimmbindungen kann das Management im Extremfall ihm genehme Entscheidungen herbeiführen.429 Die Entscheidung der Beteiligtenversammlung könnte darüber hinaus durch das Gewähren von finanziellen Anreizen und durch die Aufnahme von Deathtrap-Klauseln unzulässig beeinflusst werden.430 Hier erhalten Gläubiger Vergünstigungen oder eine bessere Planquote, wenn sie sich dem RSA anschließen und im Sinne des Planerstellers abstimmen.431 Ein Beispiel sind Beitrittsprämien.432 Eine weitere Steigerung besteht darin, dass die Vorteile teilweise nur gewährt werden, wenn sich die Gläubiger dem RSA frühzeitig anschließen.433 Die Vorteile werden teilweise auch zeitlich gestaffelt:434 Mit fortschreitender Zeit sinken die zu zahlenden Gebühren und die Gläubiger werden möglicherweise nicht mehr für Sanierungsfinanzierungen in Betracht gezogen. Ein früher Beitritt wird hingegen teilweise sogar mit einer sog. Early-Bird-Prämie honoriert.435 Im Übernahmerecht hat der Gesetzgeber dem frontend loading436 durch §§ 16 Abs. 1 und 2, § 3 Abs. 1 und § 32 WpÜG einen Riegel vorgeschoben,437 um zu vermeiden, dass die Aktionäre gedrängt werden, Preise zu akzeptieren, mit welchen sie bei einem informierten und koordinierten Verhalten nicht einverstanden wären.438 Eine weitere Steigerung stellt schließlich die FaitAccompli-Technik dar. Wenn die übergangenen Planbetroffenen vor vollendete Tatsachen gestellt werden, bleibt ihnen häufig keine andere Wahl, als den vorgelegten Deal zu akzeptieren, weil die Alternative einen weiteren Zeitverlust, hohe Kosten und einen schmelzenden Unternehmenswert439 bedeuten würde.440 In der 428
Vgl. Hüffer/Koch/Koch, § 136 Rn. 2, 25; MüKoAktG/Arnold, § 136 Rn. 98, 100 f.; BeckOGK-AktG/Rieckers, § 136 Rn. 55 (jeweils zu Stimmbindungsverträgen der Aktionäre gegenüber der Verwaltung). 429 BeckOGK-AktG/Rieckers, § 136 Rn. 55. 430 Zur im Folgenden beschriebenen Steigerung: Skeel, 130 Yale L. J. 366, 398 ff. (2020). 431 Vgl. Skeel, 130 Yale L. J. 366, 398 f. (2020). 432 Vgl. Skeel, 130 Yale L. J. 366, 398 f. (2020). 433 Couwenberg/Lubben, 13 Brook. J. Corp. Fin &. Com. L. 147, 166 (2018) („[S]tories are repeatedly told of options to sign lockups or RSAs that expire in mere days […].“); Skeel, 130 Yale L. J. 366, 386, 399 (2020); Levitin, 100 Tex. L. Rev. (2022), Manuskript, S. 21. 434 Skeel, 130 Yale L. J. 366, 386 („Some RSAs add a further nudge by making their benefits ,exploiting‘, offering the fee only to creditors who sign up within a specified time period – say, within thirty days – or by giving larger benefits to those who sign on earlier.“). 435 Vgl. Re Codere Finance 2 (UK) Ltd, [2020] EWHC 2441 (Ch) = 2020 WL 05517604 (2020) (Rn. 21). 436 Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, Einleitung Rn. 10. 437 Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, Einleitung Rn. 10. 438 Baums, ZIP 2010, 2374, 2385; zu front-end loaded offers in den USA: Paefgen, AG 1991, 41, 55. 439 Vgl. dazu oben bei Fn. 375. 440 Vgl. LoPucki, Law-Econ Research Paper No. 21 – 12, S. 44 f. (2022) („creditors’ consent is coerced by putting the creditors in situations in which they have no good alternative and so must vote for the bad alternative. (…) [V]oting against [the RSA and the plan] would not have led to a [better plan] (…); more likely it would have led to delay and expense. To accept the plan
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Restrukturierung können diese Techniken einen Kompetenzübergriff auf die Abstimmungsversammlung darstellen (dazu Kapitel 4) oder gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz oder das Verbot von Sondervorteilen verstoßen (vgl. dazu Kapitel 5). Hier geht es zunächst darum, herauszufinden, ob mit diesen Techniken auch Vorteile einhergehen können. Auf den ersten Blick läge es nahe, dass Coercive Techniques und Nebenabsprache im Zusammenhang mit einer Restrukturierung unzulässig sein sollten, schon weil diese Begriffe negativ konnotiert sind.441 Man ist schnell geneigt, sie als eine Umgehung der Verteilungsregeln (Gleichbehandlungsgrundsatz oder Vorrangregel) oder als unlautere Maßnahme zu klassifizieren.442 Durch Sonderzuwendungen könnte unlauter auf die Abstimmung der Planbetroffenen eingewirkt werden.443 Die Einflussnahme auf die Abstimmung – etwa durch Zustimmungsprämien oder DeathtrapKlauseln – könnte die Gläubiger unter Druck setzen und zur Annahme eines Deals drängen, welcher sie in Wahrheit schlechterstellt.444 Auf der anderen Seite dürfen die Gefahren, welche von den genannten Techniken ausgehen, nicht überbewertet werden:445 Eine unlautere Beeinflussung der Abstimmung ist nur dann möglich, wenn die Gläubiger zerstreut sind und sich untereinander nicht koordinieren können.446 Noch vor einiger Zeit mag dies zwar bei den ungesicherten Gläubigern zugetroffen haben.447 Heute dürften sich die ungesicherten Forderungen im Zeitpunkt der Restrukturierung aber häufig in den Händen von professionellen Distressed-Debt-Investoren befinden.448 Diese sind vernetzt und gut informiert.449 Insgesamt sind die betroffenen Gläubiger weniger anfällig für das
and hope was probably the best way out of that bad situation.“); vgl. auch Janger/Levitin, 13 Brook. J. Corp. Fin. & Com. L. 169, 173, 177 f. (2018); ähnlich auch Lubben, 96 Am. Bankr. L. J. 1, 21 (2022). 441 Vgl. Skeel, 130 Yale L. J. 366, 396 („We tend to assume that coercion is pernicious and should always be rooted out.“ dann aber: „But coercion can sometimes be beneficial.“). 442 Vgl. zu entgeltlichen Stimmbindungen zwischen Gläubigern: Groh, Stimmvereinbarungen, S. 75, 77, 79, 154. 443 Vgl. Im Zusammenhang mit Restructuring Fees: Kowalewski/Praß, in: Morgen, StaRUG, § 27 Rn. 30. 444 Vgl. Kahan, 89 Nw. U. L. Rev. 565, 617 f. (1995) (zu Bond Workouts). 445 Zum Folgenden: Kahan, 89 Nw. U. L. Rev. 565, 618 ff. (1995) (zu Bond Workouts). 446 Kahan, 89 Nw. U. L. Rev. 565, 618 (1995) (zu Bond Workouts). 447 Baird/Rasmussen, 119 Yale L. J. 648, 651, 655 (2010) („By the standard account, general creditors were dispersed […]. The problem was one of collective action.“). 448 Baird/Rasmussen, 119 Yale L. J. 648, 657 (2010) („This approach – one that assumes common interests among dispersed creditors – fits awkwardly with what we find today. By the time of the bankruptcy, unsecured claims are in the hands of distressed debt professionals.“); vgl. auch Kahan, 89 Nw. U. L. Rev. 565, 618 („But bondholdings tend to be highly concentrated“); vgl. auch Skeel, 130 Yale L. J. 366, 393 f. (2020). 449 Baird/Rasmussen, 119 Yale L. J. 648, 657 (2010) („Rather than dispersed and homogenous, they are close at hand, well informed, and radically different from one another.“).
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Windhunderennen bzw. das Kollektivhandlungsproblem, welchem die Aktionäre im Rahmen von Unternehmensübernahmen ausgesetzt sind.450 Die Manöver müssen außerdem einer gerichtlichen Kontrolle standhalten. Hier kann verhindert werden, dass sich die Schlüsselgläubiger zu Lasten anderer Gläubiger bereichern.451 Es wird auch auf Studien verwiesen, nach denen z. B. Bondholder dann systematisch profitieren würden, wenn die gerade vorgestellten Techniken angewendet werden.452 Dies zeigt, dass die Techniken nicht immer dazu verwendet werden, um die Gläubiger in einen für sie schlechten Deal zu drängen.453 Nicht zuletzt zielen diese Techniken auch darauf ab, die Gläubiger überhaupt zur Zusammenarbeit und zur aktiven Teilnahme an der Restrukturierung zu gewinnen. Professionelle Investoren würden einen Deal außerdem sorgfältig prüfen und ihn – trotz Zustimmungsprämie – nur unterstützen, wenn er vorteilhaft ist.454 Die vorgestellten Techniken können – wenn sie in moderater Form angewendet werden – durchaus auch positive Effekte in einer Restrukturierung zeitigen. Die Gläubiger, welche sich in den Restrukturierungsprozess aktiv einbringen und Zeit und Kosten auf sich nehmen, um zu helfen, das notleidende Unternehmen zu retten, können entlohnt werden.455 Gleichzeitig kann dem Trittbrettfahrer-Problem der übrigen Gläubiger begegnet werden.456 Überdies können ggf. auch die Gläubiger zur Zustimmung motiviert werden, für welche es sich ansonsten nicht lohnen würde, überhaupt tätig zu werden.457 Ferner kann durch den Einsatz dieser Techniken das Machtgleichgewicht in der Restrukturierung neu eingestellt werden: Sie können dem regen Forderungshandel entgegenwirken und Anreizen für Hold-out-Strategien der Gläubiger begegnen.458 Wenn die Techniken verboten würden, könnte dies 450
Skeel, 130 Yale L. J. 366, 394 (2020). Vgl. Levitin, 100 Tex. L. Rev. (2022), Manuskript, S. 44 f. (Voraussetzung ist allerdings, dass eine effektive gerichtliche Kontrolle stattfindet.); vgl. auch Baird, 91 Am Bankr. L. J. 593, 595, 621 (2017). 452 Kahan, 89 Nw. U. L. Rev. 565, 618 (1995) (zu Bond Workouts). 453 Kahan, 89 Nw. U. L. Rev. 565, 618 (1995) (zu Bond Workouts). 454 Kahan, 89 Nw. U. L. Rev. 565, 620 (1995) (zu Bond Workouts). 455 Vgl. Kahan, 89 Nw. U. L. Rev. 565, 619 f. (1995) (zu Bond Workouts) („Consent payments, for example, may to some extent remunerate bondholders who take the trouble to evaluate the proposed amendment and to return the consent form and thus help reduce freerider problems among bondholders.“); zum Chapter 11-Verfahren: Skeel, 130 Yale L. J. 366, 394 (2020). 456 Vgl. Fn. 455. 457 Kahan, 89 Nw. U. L. Rev. 565, 620 (1995) („Alternatively, coercive structures may counterbalance the presence of bondholders who never consent to amendments, either because they cannot be effectively reached or because their holdings are too small to make it worth their while to respond to consent solicitations.“). 458 Skeel, 130 Yale L. J. 366, 393 (2020); kritischer: Lubben, 96 Am. Bankr. L. J. 1, 26 ff. (2022) (Nicht jeder dissentierende Gläubiger ist ein Hold-out-Gläubiger; die Mehrheit versuche sich Sondervorteile zu sichern). 451
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Kap. 2: Grundlagen
schließlich auch dazu führen, dass eine Schuldnerin auf weniger attraktive Methoden zurückgreifen müsste, um ihre Probleme zu lösen.459 In den USA wird hier insbesondere auf die Möglichkeit eines Fire-Sales hingewiesen.460 In den Vereinigten Staaten wird aus den vorstehenden Argumenten der Schluss gezogen, dass ein pauschales Verbot der mit RSA einhergehenden Techniken nicht zielführend wäre.461 Generell spricht in einem Sanierungsrecht alles für Flexibilität und einzelfallorientierte Lösungen.462 Es wird ein nuancierter Ansatz anhand einer Abwägung im Einzelfall vorgeschlagen.463 Gerade in komplexen Transaktionen, in denen es auf die jeweilige Faktenlage des Einzelfalls ankomme, sei ein pauschales Verbot nicht angebracht.464 In Kapitel 4 und 5 sollen diese Nuancierungen erarbeitet werden. Es wird sich zeigen, dass das Gesetz den Coercive Techniques offener gegenübersteht, als es auf den ersten Blick den Anschein hat.
D. Zwischenergebnis In diesem Kapitel wurden einige Beispiele für RSA aufgezeigt. Daneben wurde der Inhalt eines RSA näher vorgestellt. Schließlich wurden RSA in den Kontext einer Restrukturierung eingeordnet und Vor- und Nachteile solcher Vereinbarungen aufgezeigt. Als Zwischenergebnis kann festgehalten werden, dass ein RSA einen erheblichen Einfluss auf die Restrukturierungsverhandlung hat. Obwohl dieser Einfluss einige Nachteile und Gefahren mit sich bringt, können RSA nicht von vorneherein als schädlich qualifiziert werden, weil mit diesen Vereinbarungen neuen Tendenzen im Markt, insbesondere dem Forderungshandel, entgegengewirkt werden kann. Außerdem gibt es weitere Vorteile, sodass ein RSA insgesamt ein wichtiges Werkzeug im Rahmen einer Restrukturierung darstellen kann. Die Gefahren sollten gezielt angesprochen werden, statt ein RSA einer pauschalen Kritik zu unterziehen.
459
Skeel, 130 Yale L. J. 366, 394 (2020). Skeel, 130 Yale L. J. 366, 376, 394 (2020). 461 Skeel, 130 Yale L. J. 366, 376 (2020) („These complicating factors suggest it would be a mistake to ban distortive techniques altogether. […] But the nature of current bankruptcy practice and of the distortive techniques themselves suggests the need for a more nuanced approach even to these techniques.“). 462 Allgemein: Bork, ZRI 2021, 345 f. 463 Skeel, 130 Yale L. J. 366, 395 ff. (2020). 464 Vgl. Bratton/Levitin, 166 U. Pa. L. Rev. 1597, 1598, 1601 f. (2018); Paterson, Corporate Reorganization, S. 103 f. 460
Kapitel 3
RSA im historischen, ökonomischen und konzeptionellen Kontext Mit einem RSA bilden die Schlüsselgläubiger und die Schuldnerin eine Koalition, um die Restrukturierung zu planen und gegenüber den anderen Beteiligten durchzusetzen. Um RSA noch besser einordnen zu können, soll in diesem Kapitel ein historischer, rechtsvergleichender (§ 1), ökonomischer (§ 2) und konzeptioneller Blick (§ 3) auf RSA und ihre Auswirkungen auf eine Restrukturierung geworfen werden. Es gilt zu prüfen, ob und inwieweit eine vertragliche Organisation einer Restrukturierung aus der jeweiligen Perspektive zulässig oder bedenklich ist.
§ 1 Historische, rechtsvergleichende Betrachtung Das US-Recht nimmt – historisch bedingt – wohl eine kritische Haltung gegenüber der Zusammenarbeit zwischen dem Management und den Schlüsselgläubigern ein.465 Nach einer Ansicht in der Literatur prägt diese historische Grundeinstellung das Chapter 11-Verfahren bis heute [dazu unter A.]. In England steht man einer Zusammenarbeit der Schlüsselgläubiger mit dem Management hingegen weniger skeptisch gegenüber und betont stattdessen deren Vorzüge [dazu unter B.].466 Insbesondere durch den Blick nach England kann gezeigt werden, dass RSA in modernen finanziellen Restrukturierungen grundsätzlich positiv zu beurteilen sind.
A. Chapter 11-Verfahren in den USA Nach einer Ansicht in der Literatur beruht das Konzept des Chapter 11-Verfahrens in großem Umfang darauf, Minderheitenschutz für ungesicherte Gläubiger zu gewährleisten.467 Dies könne historisch begründet werden und sei auf den Missbrauch 465
Vgl. zu dieser Einschätzung z. B. Paterson, Corporate Reorganization, S. 61. Paterson, Corporate Reorganization, passim. 467 Paterson, Corporate Reorganization, S. 61 („Chapter 11’s foundational normative concern […] [is] minority unsecured creditor protection, which can be traced all the way back to the era of the equity receivership. A key motivation for the codification of the equity receivership in the 1930 s was the concern that the equity receiver- ship plan might have been designed to further the interests of the investors which the investment bank (often J P Morgan) 466
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Kap. 3: RSA im historischen, ökonomischen und konzeptionellen Kontext
des Equity-Receivership-Verfahrens468 Anfang des 20. Jahrhunderts zurückzuführen.469 Damals schien es so, als nütze ein Restrukturierungsverfahren vor allem den Investmentbanken und schade den übrigen Gläubigern.470 Deshalb sei ein Ziel des Gesetzgebers gewesen, die Verhandlungsmacht der Investmentbanken zu reduzieren und auf die ungesicherten Gläubigern umzuverteilen:471 I. Deregulierte, vertragliche Ausgestaltung der ersten Restrukturierungen Ihren Ursprung hat die klassische Restrukturierung im sog. Equity-ReceivershipVerfahren, welches von den US-Gerichten ab dem Jahr 1848 entwickelt wurde, um große Eisenbahngesellschaften zu restrukturieren.472 Sobald die durch Hypotheken gesicherten Gläubiger die Zwangsvollstreckung in das Vermögen der Eisenbahngesellschaft betreiben wollten, ordnete das Gericht auf Antrag an, dass das Vermögen der Gesellschaft als Einheit veräußert werden sollte und die einzelnen Hypotheken nicht einzeln vollstreckt werden durften.473 Das Gericht bestellte einen sog. Receiver, welcher über das Vermögen der Gesellschaft wachen sollte.474 Andere Gläubiger konnten nicht mehr in das Vermögen der Eisenbahngesellschaft vollstrecken,475 wodurch ein Vorbote des heutigen Moratoriums geschaffen wurde.476 Der Termin für die Zwangsversteigerung wurde vom Gericht erst weit in der Zukunft angesetzt (Monate oder Jahre später). In der Zwischenzeit konnten die betroffenen Parteien einen Reorganisationsplan ausarbeiten.477 Investmentbanken formten sog. Protective Committees, welche die verschiedenen Stakeholder (Bondholder, Stockholder, Preferred Stockholder usw.) bei den Verhandlungen repräsentierten.478 Die Protective Committees traten vor den Verhandlungen an die einzelnen Gläubiger heran und baten um Vollmachten bzw. um die treuhänderische Übertragung der Forderungen in represented. The corollary to this was the concern that local creditors, and others who were not within the investment bank’s sphere of influence, might have been prejudiced by the deal.“). 468 Vgl. zur Entwicklung des US-Rechts jüngst: Liedl, Absoluter oder relativer Vorrang, S. 111 ff. 469 Vgl. Paterson, Corporate Reorganization, S. 61. 470 Paterson, Corporate Reorganization, S. 61. 471 Paterson, Corporate Reorganization, S. 61 („Thus, the New Deal reforms to corporate reorganization law sought to shift bargaining power away from the powerful investment bank intermediaries and, implicitly, the creditors who they represented […].“). 472 Vgl. zur Restrukturierung der Munroe Railroad and Banking Company: Skeel, Debt’s Dominion, S. 57. 473 Skeel, Debt’s Dominion, S. 57 m. w. N. in En. 19. 474 Skeel, Debt’s Dominion, S. 58. 475 Skeel, Debt’s Dominion, S. 58. 476 Vgl. Skeel, Debt’s Dominion, S. 58 (zum „automatic stay“ im Chapter 11-Verfahren). 477 Skeel, Debt’s Dominion, S. 58. 478 Skeel, Debt’s Dominion, S. 58.
§ 1 Historische, rechtsvergleichende Betrachtung
91
sog. Deposit Agreements, um bei den Verhandlungen den nötigen Einfluss geltend machen zu können.479 Diese Vereinbarungen werden heute mit RSA verglichen.480 Bei den anschließenden Verhandlungen wurde eine neue Kapitalstruktur für die jeweilige Gesellschaft ausgearbeitet.481 Die Restrukturierung wurde in großem Umfang privatautonom ausgehandelt.482 Nachdem ein Deal erzielt wurde, vereinigten sich die einzelnen Committees zu einem Super-Committee.483 Dieses Komitee erwarb schließlich das ganze Vermögen der Gesellschaft und bezahlte mit den auf das Super-Committee übertragenen Forderungen.484 Das Unternehmen wurde auf eine neu gegründete Gesellschaft übertragen und die Anteile an dieser Gesellschaft wurden entsprechend der im Plan ausgehandelten Kapitalstruktur verteilt.485 II. Verhandlungen durch Protective Committees Die Protective Committees nahmen im Equity Receivership eine wichtige Rolle ein.486 Sie sollten die Interessen der diffus verteilten, uninformierten Gläubiger und Anteilsinhaber vertreten, für die es zu aufwendig bzw. kostspielig war, selbst am Verfahren teilzunehmen.487 Die Committees sollten in der Theorie diese Interessen koordinieren und ihnen eine Stimme in den Verhandlungen geben.488 Sie sollten dem Einfluss der Insider (Management, Investmentbanken oder beide gemeinsam) entgegentreten489 und auch mögliche Ansprüche gegenüber den Managern und Banken ermitteln.490 Schließlich sollten sie den Plan verhandeln491 und nach der Formulierung des Plans die Zustimmung für diesen bei den vertretenen Anlegern organisieren.492
479 Skeel, Debt’s Dominion, S. 120 f. („the protective committee approach assumed that security holders would commit to the process first and that the parties then would negotiate the terms of the reorganization“); kritisch zum Abstimmungsprozess mit Reformvorschlägen: SEC Report, Part I, S. 900 f. 480 Vgl. Janger/Levitin, Yale L. J. Forum, 335, 339 (2020). 481 Skeel, Debt’s Dominion, S. 58. 482 Skeel, Debt’s Dominion, S. 119. 483 Skeel, Debt’s Dominion, S. 59. 484 Skeel, Debt’s Dominion, S. 59. 485 Skeel, Debt’s Dominion, S. 59. 486 Janger/Levitin, Yale L. J. Forum, 335, 339 (2020) („defining feature“); zu den Aufgaben der Protective Committees ausführlich: SEC Report, Part II, S. 1 ff.; Janger/Levitin, Yale L. J. Forum, 335, 339 (2020) („defining feature“). 487 SEC Report, Part II, S. 1 f. 488 SEC Report, Part II, S. 2, 5 f., 495 f. 489 SEC Report, Part I, S. 868. 490 SEC Report, Part II, S. 3 f. 491 SEC Report, Part I, 496 f.; Part II, S. 5 f. 492 SEC Report, Part II, S. 6 ff.
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Kap. 3: RSA im historischen, ökonomischen und konzeptionellen Kontext
Die spätere Praxis sah demgegenüber völlig anders aus. Die meisten Protective Committees wurden häufig schon frühzeitig vom Management und den Investmentbanken selbst initiiert, um so beherrschenden Einfluss auf diese ausüben zu können und die Kontrolle über das Restrukturierungsverfahren zu behalten.493 Man sprach von friendly receiverships.494 Die Protective Committees wurden nur selten von außenstehenden Dritten (groups other than the management and its bankers) beherrscht.495 Die einzelnen Gläubiger, welche durch die Protective Committees vertreten wurden, konnten schließlich auch nach Aufstellung und Aushandlung des Plans nicht wirklich über diesen selbst abstimmen. Im Deposit Agreement wurden die Vollmachten bzw. die treuhänderischen Übertragungen der Forderungen an die Protective Committees derart geregelt, dass diese faktisch unwiderruflich waren: Das Ausüben von Rücktrittsrechten (withdrawl rights) wurde z. B. durch das Anfallen von Gebühren oder sehr kurzen Ausübungsfristen erschwert.496 „The deposit agreement has in many respects been the foundation of the control which committees (…) have been able to obtain over the security holders.“497
Durch Deposit Agreements wurde quasi eine erste Form eines Pre-Packs ermöglicht.498 Auf der einen Seite wurden die Verhandlungen auf eine kleine Zahl an Beteiligten konzentriert und die Restrukturierung kostengünstig umgesetzt.499 Auf der anderen Seite agierten die Investmentbanken und die Manager häufig im eigenen Interesse.500 493
SEC Report, Part I, S. 874; Part II, S. 11 ff. Skeel, Debt’s Dominion, S. 64 ff. (Managers „would select a ,friendly‘ creditor and encourage that creditor to file the receivership papers […]. In addition to preserving their control, teaming up with a friendly creditor also proved to be manager’s ticket into the federal courts. […] [F]riendly receiverships were a boon to the Wall Street banks and bar. The friendly receivership option gave managers an incentive to negotiate in advance with the bondholders who would determine the success or failure of the receivership process, in order to put in place as much of the reorganization as possible before the formal proceedings were commenced. […] By the 1890 s, outside interests were, at most, an annoyance for the Wall Street professionals. […] [R]eorganization lawyers tried to capture as much of its counters as possible in formal agreements […]. The agreements governing committee powers, investors’ deposit of their bonds, and the reorganization itself all became much more extensive. […] [T]he sprawling new documents […] reduced the uncertainty of the receivership process and thus increased the likelihood of a successful restructuring. […] [But the documents were used to] exclude general unsecured creditors.“). 495 SEC Report, Part I, S. 878. 496 Vgl. SEC Report, Part I, S. 596 ff.; zur notice of dissent z. B. S. 611; Part II, S. 590 f. 497 SEC Report, Part I, 586 (1937); Reformvorschlag auf S. 897 („The use of deposit agreements as a means of preserving of obtaining arbitrary and exclusive control over security holders should not be permitted“); vgl. auch Janger/Levitin, Yale L. J. Forum, 335, 339 in Fn. 10 (2020); vgl. zu Receivership Contracts auch Skeel, Debt’s Dominion, S. 66, 67, 68, vgl. dazu oben Fn. 494. 498 Vgl. Dunne/O’Donnell/Almeida, in: The Art of the Pre Pack, S. 29, 30. 499 Skeel, Debt’s Dominion, S. 65 f. 500 Vgl. Skeel, Debt’s Dominion, S. 66 ff., S. 109 ff. 494
§ 1 Historische, rechtsvergleichende Betrachtung
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III. Beginnende Regulierung Die übergangenen – häufig ungesicherten – Gläubiger begannen, sich gegen diese Technik zu wehren, indem sie einwendeten, dass es sich bei der Restrukturierung um eine unlautere Transaktion (fraudulent conveyance) handele.501 Der Supreme Court hatte mit der Entscheidung Northern Pacific Railway v. Boyd502 regulatorisch eingegriffen und die Rechte der unbeteiligten Gläubiger gestärkt. In dieser Entscheidung hatten die geschäftsführenden Anteilsinhaber mit den vorrangigen Gläubigern einen Deal ausgearbeitet, bei welchem die ungesicherten Gläubiger nicht berücksichtigt worden waren. Boyd war einer dieser ungesicherten Gläubiger. Er hatte geltend gemacht, dass man ihn nicht hätte übergehen dürfen. Das Gericht hatte ihm Recht gegeben. Boyd kann im Grundsatz als eine Entscheidung gegen ein kollusives bzw. unfaires Zusammenwirken von Management und Senior-Gläubigern angesehen werden.503 Die ungesicherten Gläubiger müssen einbezogen werden und ihnen muss ein faires Angebot unterbreitet werden, sofern die Anteilsinhaber in Zukunft weiter am Unternehmen beteiligt sein möchten.504 An Boyd schloss sich eine heftige Diskussion darüber an, ob ein Angebot an die ungesicherten Gläubiger nur dann fair ist, wenn es die absolute Vorrangregel oder die relative Vorrangregel einhält.505 Heute wird neuerdings wieder darauf verwiesen, dass es hier im Grunde nicht um den Schutz des insolvenzrechtlichen Rangs, sondern um den Schutz der Verhandlungsstruktur gegangen sei.506 Nach der Weltwirtschaftskrise führte die SEC schließlich unter Leitung von William O. Douglas „the study and investigation of the work, activities, personnel and functions of protective and reorganization committees“ durch.507 Die Kernthese der SEC-Studie war, dass Investoren vor Insider-Verhandlungen zwischen Management und den Vertretern der vorrangigen Gläubiger durch ein Gericht und einen 501
Markell, 44 Stan. L. Rev. 69, 76 f. (1991). Northern Pacific v. Boyd, 228 U.S. 482 (1913). 503 In diese Richtung: Baird, 36 Emory Bankr. Dev. J. 699, 709 f. (2020); Baird kritisiert, dass Boyd teilweise derart interpretiert wird, dass das Gericht hier die absolute Vorrangregel eingeführt habe: „Boyd is sometimes singled out as a harbinger of the absolute priority rule, but this fundamentally misunderstands what it was about“; auch die historische Entwicklung spricht für diese Deutung: Skeel, Debt’s Dominion, S. 63 ff., 123 f. 504 Markell, 44 Stan. L. Rev. 69, 81 (1991); Baird, 36 Emory Bankr. Dev. J. 699, 711 (2020) („[Boyd] merely ensured that everyone had a seat at the table.“). 505 Swaine, 27 Colum. L. Rev. 901, 906 f. (1927) („The rule as I see it, and as I believe it will ultimately be developed by the courts, is that the relative priorities of the old securities, senior to the most junior securities which continue to have an interest in the property, must not be inequitably disturbed.“) (Hervorh. d. Verf.); Bonbright/Bergerman, 28 Colum. L. Rev. 127 ff. (1928) (erstmals Differenzierung zwischen absoluter und relativer Vorrangregel); vgl. dazu, dass Bonbright/Bergermann die „relative Vorrangregel“, die Swaine beschreibt, missverstanden haben: Tyndall, 33 Cornell L. Rev. 507, 517 f. (1948); vgl. den Überblick zur Diskussion in Deutschland: Westphal/Liedl, FS Gehrlein, S. 589 ff. 506 Baird, 36 Emory Bankr. Dev. J. 699 ff., 709 ff. und passim (2020). 507 Sec Report, Part I – VIII. 502
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Kap. 3: RSA im historischen, ökonomischen und konzeptionellen Kontext
unabhängigen Verwalter geschützt werden müssten und dass die SEC eine Aufsichtsrolle erhalten sollte.508 Manager und Investmentbanken würden das Verfahren zu Lasten anderer Investoren ausnutzen und müssten vom Verfahren ferngehalten werden.509 Im Jahr 1938 wurde das Restrukturierungsverfahren in den USA schließlich grundlegend durch den sog. Chandler Act reformiert.510 Das bisherige Verfahren, in welchem Committees das Schicksal des Unternehmens durch Verhandlungen selbst bestimmten, wurde abgeschafft und durch ein administratives Verfahren unter staatlicher Aufsicht (pervasive governmental oversight) ersetzt.511 Der Chandler Act sollte dem breiten Anleger-Publikum sowohl prozessualen als auch materiellen Schutz bieten und den Insider-Verhandlungen zwischen Management und Protective Committees ein Ende setzen. Im neuen Chapter X-Verfahren des Bankruptcy Acts512 wurde das Management durch einen Verwalter ersetzt.513 Die Banken, welche bereits bei der Emission von Anteilen und Bonds der Gesellschaft tätig waren, durften die Schuldnerin in der Restrukturierung nicht mehr unterstützen.514 Ausgearbeitete Pläne mussten der SEC zur Überprüfung vorgelegt werden.515 Schließlich musste zunächst ein Gericht den vom Verwalter ausgearbeiteten Plan bestätigen, bevor bindende Stimmen für oder gegen den Plan eingeworben werden durften.516 Ziel war eine Demokratisierung des Prozesses, in dem der Stimme des einzelnen Gläubigers (statt derjenigen der Protective Committees) wieder Bedeutung zukommen sollte.517 Der Verwalter sollte als Clearing House agieren und Vorschläge aller betroffenen Parteien berücksichtigen.518 508
SEC Report, Part I, S. 897 ff., insbesondere 899 f.; vgl. auch Skeel, Debt’s Dominion, 109 ff., insbesondere S. 119 ff. („pervasive governmental oversight“); vgl. zur Rolle der SEC: SEC Report, Part I, S. 901; außerdem Skeel, Debt’s Dominion, S. 112 („The SEC also wrote itself into the Chandler Act script, giving itself a prominent role as policeman on investors’ behalf of all large-scale corporate reorganizations.“). 509 Vgl. z. B. SEC Report, Part I, S. 865 ff.; 897 („[C]ontrol of reorganizations should be denied to persons whose sole claim is derived from a position in the management of the corporation or from banking associations with it.“); vgl. auch Skeel, Debt’s Dominion, S. 109 ff., insbesondere S. 112 f. („Nothing less, the report insisted, than ousting managers in favour of an independent trustee and curbing the role of Wall Street professionals would suffice to loosen Wall Street’s stranglehold on large-scale corporate reorganization.“). 510 Überblick bei Skeel, Debt’s Dominion, S. 119 ff. 511 Skeel, Debt’s Dominion, S. 119. 512 Überblick bei Skeel, Debt’s Dominion, S. 119 ff. 513 Skeel, Debt’s Dominion, S. 119. 514 Skeel, Debt’s Dominion, S. 120. 515 11 U.S.C. §§ 172 ff. (1970) (Bankruptcy Act); vgl. auch SEC Report, Part I, S. 901. 516 Skeel, Debt’s Dominion, S. 120 f. 517 SEC Report, Part I, S. 899 f.; sehr kritisch: Swaine, 38 Colum. L. Rev. 256, 257 (1938) („The procedure suggested is the antithesis of ,democratization‘.“). 518 SEC Report, Part I, S. 899 f. („Further, with the independent trustee as the ,clearing house‘ for proposals of plans by all properly accredited persons, there will result (or greater
§ 1 Historische, rechtsvergleichende Betrachtung
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Die letzte Entwicklung in diesem Prozess war die Entscheidung des US-Supreme Courts im Fall Case v. Los Angeles Lumber Products519. In jenem Urteil erklärte der kurz zuvor zum Richter am Supreme Court berufene William O. Douglas, dass ein Restrukturierungsplan nur dann fair und gerecht (fair und equitable) sei, wenn er mit der absoluten Vorrangregel vereinbar ist. Demnach müssten Gläubiger mit höherem Rang vor jenen mit niedrigerem Rang befriedigt werden. Auch dass über 90 Prozent aller Bondholder (Gläubiger) den Plan akzeptiert hatten, ändere hieran nichts. Das Gesetz fordere sowohl die mehrheitliche Zustimmung innerhalb der Gläubigergruppen als auch, dass der Plan fair and equitable sei. Letzteres sei gerade kein Substitut für Ersteres. Das Gericht sei nicht nur da, um Stimmen zu registrieren, sondern müsse unabhängig die Fairness des Plans – und damit die Vereinbarkeit des Plans mit der absoluten Vorrangregel – prüfen. Schon als Chairman der SEC hatte Douglas betont, dass ein unabhängiger Verwalter und die absolute Vorrangregel notwendig seien, um Investoren davor zu schützen, dass Manager und die Hauptgläubiger bzw. deren Vertreter bei der Restrukturierung Sondervorteile für sich in Anspruch nehmen.520 Der SEC-Bericht war offenbar davon ausgegangen, dass einzelne Gläubiger aufgrund der dominanten Positionen des Managements nicht effektiv selbst verhandeln konnten.521 Ziel der Reformen sei gewesen, den Einfluss bzw. die Kollusion von Management und Bankern zu unterbinden, sodass die (ungesicherten) Investoren nicht in unlauterer Weise von einem für sie nachteiligen Plan überzeugt werden konnten.522 Die Literatur deutete das Bekenntnis zur Absolute Priority Rule auch als ein Vorgehen gegen kollusives Zusammenwirken von Insidern.523 Den vorrangigen Gläubigern sollte nicht mehr gestattet sein, Zugeständnisse an nachrangige Gläubigerklassen zu machen, wenn dabei mittlere Gläubigerklassen übergangen werden.524 IV. Auswirkungen bis heute Die im Rahmen dieser Entwicklung entstandenen Bedenken gegenüber Deals zwischen dem Management und den vorrangigen Gläubigern prägen das Chapter 11opportunity will be provided for) a larger measure of participation in these activities by bona fide creditors and stockholders.“). 519 Case v. Los Angeles Lumber Products, 308 U.S. 106 (1939). 520 Testimony of Chairman William O. Douglas before the House Judiciary Committee, Hearings on the Chandler Act, Hearings on H.R. 6439, House Comm. on the Judiciary 46 (1937), S. 177, zitiert nach Commission Report, Part I, S. 255 mit Fn. 51 (1973). 521 Zu dieser Interpretation des SEC Reports: Commission Report, Part I, S. 255 (1973) („[I]t was believed that creditors, because of management’s position of dominance, were not able to bargain effectively without a clear standard of fairness and judicial control.“). 522 So die Analyse von Trost, 21 UCLA L. Rev. 540, 543 (1973). 523 Skeel, Debt’s Dominion, S. 124; vgl. Brudney, 48 Am. Bankr. L. J. 305, 314 f. (1974); ähnlich: Commission Report, Part I, S. 255. 524 Brudney, 48 Am. Bankr. L. J. 305, 314 f. (1974).
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Kap. 3: RSA im historischen, ökonomischen und konzeptionellen Kontext
Verfahren bis heute.525 Die progressive Schule (dazu später mehr) verteidigt immer noch die starke Stellung des Gerichts, die Umverteilung der Verhandlungsmacht hin zu den Junior-Gläubigern und die Vorstellung, dass der Debtor-in-Possession als Ersatz des Verwalters gegen die Schlüsselgläubiger zum Vorteil der ungesicherten Gläubiger ankämpfen würde.526 Auf der anderen Seite gibt es auch in den USA den Trend, dass die Verfahren dort heute häufig wieder von gesicherten Gläubigern kontrolliert werden: Über 70 Prozent der CEOs werden – auf Druck der Banken – in den zwei Jahren vor Anzeige eines Chapter 11-Verfahrens ausgewechselt.527 In vielen Fällen erhalten die Anteilsinhaber keine Verteilung mehr.528 Schließlich beinhalten viele Überbrückungskredite (DIP-Loans) strenge Covenants, mit denen die Gläubiger maßgeblichen Einfluss ausüben.529 Dennoch sind die Nachwirkungen der Erfahrungen mit dem Equity-ReceivershipVerfahren und die Bedenken, dass ungesicherte Gläubiger übergangen werden, immer noch bemerkbar: Wenn sich die Schlüsselgläubiger in Intercreditor Agreements zusätzliche Kontrollrechte einräumen lassen, wird dies von Gerichten sehr kritisch gesehen,530 möglicherweise weil sie das US-Restrukturierungsrecht traditionell als interventionistisches und zwingendes Recht (strongly interventionist mandatory reorganization law) kennen.531 Ein weiteres Beispiel dafür, dass eine Zusammenarbeit zwischen Management und Schlüsselgläubigern heute immer noch kritisch gesehen wird, ist die Debatte um sog. Fire Sales.532 Gemeint sind damit Veräußerungen des Unternehmens kurz nach Anzeige des Chapter 11-Verfahrens. Dies ist nach 11 U.S.C. § 363 (b) im Grundsatz möglich. Hier steht aber ebenfalls der Vorwurf im Raum, dass diese Unternehmensveräußerungen nur vorteilhaft für die vorrangig gesicherten Gläubiger sind. Es würde häufig ein Deal zwischen dem Management und diesen Gläubigern zu Lasten
525
Vgl. Paterson, Corporate Reorganization, S. 21 f. Skeel, Debt’s Dominion, S. 223 ff.; Paterson, Corporate Reorganization, S. 44, 141 („Debtor management is then able to promote a corporate reorganization plan in the interests of all creditors, including weakly adjusting creditors who otherwise lack bargaining power in the process“); vgl. auch Nimmer/Feinberg, 6 Bankr. Dev. J. 1, 51 (1989) („The desirability of keeping the DIP (…) stems from (…) a desire to ensure that financial problems will be resolved on a collective basis that optimizes values, rather than one which individual interests dismember a potentially viable business.“); allg. zum Ansatz der progressiven Schule im Gegensatz zum Law-and-Economics-Ansatz: Baird, 108 Yale L. J. 573 ff., passim (1998). 527 Ayotte/Morrison, 1 J. Leg. Anal. 511, 513 (2009); Eidenmüller, ZHR 175 (2011), 11, 21. 528 Ayotte/Morrison, 1 J. Leg. Anal. 511, 513 (2009); Eidenmüller, ZHR 175 (2011), 11, 21. 529 Ayotte/Morrison, 1 J. Leg. Anal. 511, 514 (2009). 530 Vgl. Paterson, Corporate Reorganization, S. 96 f. 531 Paterson, Corporate Reorganization, S. 96 f. 532 Jacoby/Janger, 123 Yale L. J. 862 ff. (2014); LoPucki/Doherty, 106 Mich. L. Rev. 1 ff. (2007). 526
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der ungesicherten Gläubiger eingeleitet.533 Dies liege insbesondere an den Informationsvorteilen, welche die vorrangig gesicherten Gläubiger und das Management gegenüber den anderen Beteiligten und dem Gericht zu Beginn eines Verfahrens hätten.534 Kritiker argumentieren häufig, dass die ungesicherten Gläubiger benachteiligt würden, weil kein Marketing-Prozess durchgeführt, keine ausreichenden Belege für den Wert des Unternehmens eingeholt und eine Rechtfertigung für eine verfrühte Unternehmensveräußerung fehlen würde.535 Es gibt aber wenige Gerichtsentscheidungen, welche eine frühzeitige Unternehmensveräußerung tatsächlich nicht gestatten.536 Welche Bedeutung hat diese Entwicklung für den heutigen Einsatz von RSA? Die US-Literatur steht RSA teilweise sehr skeptisch gegenüber und erklärt, dass RSA die Nachfolger der Deposit Agreements aus dem Equity-Receivership-Verfahren sind.537 Mit diesem Instrument könne es dem Management und den Schlüsselgläubigern ebenso gelingen, das Verfahren zu ihren Gunsten zu steuern und zu dominieren, wie dies durch die Deposit Agreements schon einmal der Fall gewesen sei. Es wurde die Befürchtung geäußert, dass man in das Muster der Equity-Receivership-Verfahren (Koalition zwischen Management und Protective Committees) zurückfallen würde, weil der prozessuale Schutz des Restrukturierungsverfahrens mittels dieser Vereinbarungen ausgehebelt werden könne.538 Vertragliche Lösungen der Insolvenz werden also wegen der Erfahrung mit dem Equity-Receivership-Verfahren kritisch betrachtet. Gerade der prozessuale Schutz, welcher das Chapter 11-Verfahren gewähre, sei aber die Verbindung zwischen der Restrukturierungsverhandlung und den Befriedigungsansprüchen der Gläubiger.539 Nach Baird müsse im Chapter 11-Verfahren allen betroffenen Parteien ein Platz am Verhandlungstisch gewährt werden.540
B. Offenere Einstellung in England In England sieht man eine Zusammenarbeit des Managements mit den Schlüsselgläubigern in einer Restrukturierung weniger skeptisch. Es sei zu beobachten, dass die englischen Gerichte eine starke Stellung der gesicherten Gläubiger ten533
Jacoby/Janger, 123 Yale L. J. 862, 866 (2014). Jacoby/Janger, 123 Yale L. J. 862, 895 ff. (2014). 535 Vgl. Jacoby/Janger, 123 Yale L. J. 862, 881 (2014) („Rejections of sale motions can and do arise when a powerful creditor objects, arguing that the evidence of value, marketing, and business justification are lacking.“). 536 Jacoby/Janger, 123 Yale L. J. 862, 881 (2014) („Few decisions can be found, however, reporting a court’s denial of a request to sell all or substantially all assets“). 537 Janger/Levitin, Yale L. J. Forum, 335, 338 f. (2020). 538 Vgl. Janger/Levitin, Yale L. J. Forum, 335, 339 f. (2020). 539 Janger/Levitin, Yale L. J. Forum, 335, 340 (2020). 540 Vgl. Baird, 36 Emory Bankr. Dev. J. 699, 705 ff., passim (2020). 534
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denziell unterstützen.541 Restrukturierungen würden am besten funktionieren, wenn sie schnell und kostengünstig umgesetzt werden können und Holdout-Positionen von Junior-Gläubigern vermieden werden.542 I. Junior-Gläubiger weniger schutzbedürftig Die heutige moderne Restrukturierungspraxis entwickelte sich in England erst während der 2000er Jahre.543 Der Fokus der Praxis und der Gerichte lag darauf, ein Konzept zu entwickeln, mit welchem komplexe, fremdfinanzierte Kapitalstrukturen (complex, leveraged capital structures) schnell und kostengünstig restrukturiert werden konnten.544 Als die englischen Gerichte das Scheme-of-Arrangement-Verfahren zu einem Restrukturierungswerkzeug ausformten, waren sie – anders als die Gerichte in den USA – nicht von einer über hundert Jahre alten Entwicklung beeinflusst, welche ihren Fokus darauf gelegt hatte, (ungesicherte) Minderheitsgläubiger durch ein starres gerichtliches Verfahren zu schützen.545 Das Chapter 11Verfahren ist von einer Zeit geprägt, in welcher die typischen ungesicherte Minderheitsgläubiger Lieferanten oder Arbeitnehmer waren.546 Viele dieser Gläubiger konnten ihr Kreditrisiko ex ante nicht absichern oder diversifizieren und hatten in einer Krise – also ex post – kaum Verhandlungsmacht.547 Das englische Konzept entwickelte sich demgegenüber erst während einer Zeit, in der in Restrukturierungen bereits ganz überwiegend professionelle Investoren involviert waren und in welcher der Handel mit notleidenden Forderungen schon stark ausgeprägt war.548 Heute sind die ungesicherten Gläubiger in größeren komplexen Restrukturierungen typischerweise professionelle Finanzinvestoren, die sich den Märkten anpassen können, die
541
Paterson, Corporate Reorganization, S. 110. Vgl. Paterson, Corporate Reorganization, S. 107. 543 Paterson, Corporate Reorganization, S. 107. 544 Paterson, Corporate Reorganization, S. 81; vgl. auch Siemon, KSI 2016, 260 (Das Scheme of Arrangement „dient der Restrukturierung komplexer Finanzierungsstrukturen und es ist damit zu einem Instrument geworden, moderne Finanzierungstechniken zu korrigieren.“). 545 Vgl. Paterson, Corporate Reorganization, S. 81 (Die englischen Gerichte waren „relatively unbounded by existing concepts which had emerged in a different era [and] have worked with senior creditors and their advisers to establish principles which facilitate the deleveraging transaction.“), S. 105 („[T]he central concepts in US corporate reorganization law were fixed at a time at which corporate reorganization implicated not only financial creditors but also general, unsecured creditors, employees, and customers, with the result that the scholarship has struggled to adapt these concepts to cases which implicate only sophisticated, strongly adjusting financial creditors and investors. It has been noted that the ideas inherited from an earlier era can obscure the ways in which shifts in logics and practices in proximate fields interact with corporate reorganization law […].“). 546 Paterson, Corporate Reorganization, S. 51 f.; S. 105 f. 547 Paterson, Corporate Reorganization, S. 52. 548 Paterson, Corporate Reorganization, S. 105 f. 542
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ihr Portfolio diversifiziert haben und die bei der Kreditvergabe wussten, welches Risiko sie eingehen.549 II. Große Bedeutung der Banken Zweiter Grund für die positive Einstellung gegenüber der Kontrolle durch die Senior-Gläubiger ist, dass die großen englischen Banken bei der Unternehmensfinanzierung in England seit jeher eine bedeutendere Rolle gespielt haben als etwa die Banken in den USA.550 Über lange Zeit konnten Restrukturierungen häufig informell durch Absprachen der Banken untereinander alleine (sog. London Approach) gelöst werden.551 Hier wurden die klassischen ungesicherten Gläubiger häufig gar nicht einbezogen, sondern sie wurden voll bezahlt.552 Die Anteilsinhaber behielten – trotz Forderungsverzichten der Banken – typischerweise 15 Prozent der Anteile.553 Das gut funktionierende System des London Approach geriet allerdings ins Wanken, als neue Finanzierungsformen wie High Yield Bonds und Nachrangdarlehen immer häufiger genutzt wurden und der Forderungshandel allmählich zunahm.554 Vor diesem Hintergrund wird deutlich, warum insbesondere in England das „Konzept des ungesicherten Gläubigers“ durch die Gerichte eine andere Behandlung erfahren hat als in den USA.555 Offensichtlich braucht ein Hedgefonds nicht denselben Schutz wie ein klassischer ungesicherter Lieferant.556 Es ist ebenfalls verständlich, warum der Einfluss der gesicherten Gläubiger auf eine Restrukturierung (Secured Creditor in Possession557) weniger kritisch betrachtet wird als in den USA.558
549
Vgl. Paterson, Corporate Reorganization, S. 60. Vgl. Paterson, Corporate Reorganization, S. 52 ff. mit S. 66 ff. 551 Paterson, Corporate Reorganization, S. 68, 99. 552 Paterson, Corporate Reorganization, S. 68. 553 Paterson, Corporate Reorganization, S. 68; Armour/Deakin, 1 J. Corp. Law. Stud. 21, 36 (2001). 554 Paterson, Corporate Reorganization, S. 71 f., 99 ff. 555 Rechtsvergleichend und ausführlich: Paterson, Corporate Reorganization, S. 47 ff. 556 Vgl. Paterson, Corporate Reorganization, S. 10. 557 Zum Begriff in den USA: Warren/Westbrook: Am. Bankr. Inst. J. 2003 (22 – Sep), S. 12. 558 Vgl. Paterson, Corporate Reorganization, S. 124 ff. („Why concern for secured creditor control assumed less significance in England“) und S. 137 („This chapter has revealed that the English courts have been proactive in enforcing senior, secured creditor control rights in the privately negotiated bargain. It has been suggested that this is because they have arrived at financial capital structure reorganization cases unbounded by a history of full financial and operational restructurings pitching secured creditors against general, unsecured creditors. Moreover, it has been emphasized that the English courts have a long tradition of upholding bargains made between sophisticated financial creditors.“). 550
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III. Folgen Diese Grundeinstellung äußert sich an zahlreichen Stellen im englischen Restrukturierungsrecht:559 Die durch einen Qualifying Floating Charge (QFC) gesicherten Gläubiger (typischerweise die Banken) können das Administration-Verfahren ohne gerichtliche Beteiligung einleiten.560 Dabei bestimmen sie auch die Person des Administrators.561 Wenn dieser nicht im Sinne der Banken agiere, habe er es schwer, erneut bestellt zu werden (reputational constraint).562 Den Widerstand der Anteilsinhaber können die Banken dadurch brechen, dass sie mit der Einsetzung eines Administrators drohen oder diesen tatsächlich einsetzen.563 Im Übrigen sind die Senior-Gläubiger auch häufig die einzigen Geldgeber, welche das AdministrationVerfahren finanzieren würden.564 Bei sog. Pre-Pack Administrations, also Verfahren, in denen der Deal schon maßgeblich vor Bestellung des Administrators zwischen den Beteiligten ausgehandelt wird, braucht wegen Dringlichkeit nach Bestellung des Administrators regelmäßig auch keine Abstimmung der Gläubigerversammlung stattfinden.565 Der Administrator benötigt hingegen die Zustimmung der gesicherten Gläubiger, wenn er ihr Sicherungsgut veräußern möchte,566 wodurch deren Verhandlungsmacht gestärkt wird. Komplexe Kapitalstrukturen können in England derart restrukturiert werden, dass ein Scheme-of-Arrangement-Verfahren mit einem Pre-Pack-Administration-Verfahren verknüpft wird:567 Mittels Scheme of Arrangement kann eine Mehrheits-
559 In der Praxis brachte auch die Reform durch den Enterprise Act 2002 wohl keine Änderungen: vgl. Paterson, Corporate Reorganization, S. 127 („[T]he reforms did very little to shift the balance of power away from secured creditors. (…) English corporate bankruptcy law remained a tool for secured creditors to enforce against business and assets when corporate reorganization efforts had failed.“). 560 UK Insolvency Act 1986, Sch. B1, para 14 (1); Bothe, Pre-Packaged Deals, S. 48. 561 Armour/Hsu/Walters, 8 Rev. o. Law and Econ. S. 101, 107 (2012); Bothe, Pre-Packaged Deals, S. 50 f. 562 Armour/Hsu/Walters, 8 Rev. o. Law and Econ. S. 101, 107 (2012). 563 Vgl. Paterson, 17 Eur. Bus. Org. Law Rev. 497, 510 (2016) („If, once the company is distressed, shareholders exercise their powers to remove directors so as to address agency problems, they risk prompting lenders to take action to accelerate their debt and seize control of the business through an administrator, notwithstanding that the covenant breach entitling the lenders to do so may fall far short of actual cash flow insolvency absent an actual acceleration.“); S. 512 („The shareholders voted against the deal, but it was implemented via a prepackaged administration sale of the business and assets to a new company owned by the lenders, with management reported to have acquired a 20 % stake in the post-restructuring equity“). 564 Armour/Hsu/Walters, 8 Review of Law and Economics, S. 101, 107 (2012). 565 Ausführlich zur Rechtsprechung des High Court: Bothe, Pre-Packaged Deals, S. 138 ff. m. w. N. zur Rspr. 566 Bothe, Pre-Packaged Deals, S. 27. 567 Vgl. Paterson, Corporate Reorganization, S. 75; Payne, Schemes of Arrangement, 2. Aufl. S. 232 ff.; 1. Aufl. S. 247 ff.
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entscheidung bei den Senior-Gläubigern erzielt werden.568 Anschließend wird das Unternehmen im Rahmen einer Pre-Pack Administration an die gesicherten Gläubiger veräußert.569 Die Junior-Gläubiger, die out of the money sind, müssen nicht mit in das Verfahren einbezogen werden.570 Sie bleiben in der alten Gesellschaft mit entwerteten Rechten zurück.571 Sie können zwar gegen die Bestätigung des Scheme of Arrangements einwenden, dass sie durch den Deal unfair behandelt werden.572 In diesem Fall spielt aber die Unternehmensbewertung eine entscheidende Rolle.573 Wenn die Forderungen der Junior-Gläubiger entwertet sind, werden sie durch die Restrukturierung nicht unfair behandelt.574 Bei der Unternehmensbewertung stellen die englischen Gerichte die Frage, was ein potentieller Käufer für das Unternehmen unter den derzeitigen Marktbedingungen bezahlen würde.575 Wird der Unternehmenswert mittels Discounted-Cash-Flow-Methode ermittelt, wird angedacht, die derzeitigen Marktbedingungen durch einen Abschlag (Alpha-Faktor) einzupreisen, sodass – anders als etwa in den USA – nicht berücksichtigt wird, dass das Unternehmen unter künftig besseren Marktbedingungen möglicherweise mehr Wert wäre.576 Dies führt dazu, dass die Rechte der Junior-Gläubiger häufig entwertet sind und ihre Einwendungen keinen Erfolg haben. Bei diesem Bewertungsmechanismus wird erneut die Senior-Gläubiger-Orientierung des englischen Rechts deutlich.577 568
Paterson, Corporate Reorganization, S. 76. Paterson, Corporate Reorganization, S. 75 f. 570 Vgl. Payne, Schemes of Arrangement, 2. Aufl. S. 55 ff., 87 f., 190, 233 f., 277; Paterson, Corporate Reorganization, S. 76. 571 Paterson, Corporate Reorganization, S. 75. 572 Payne, Schemes of Arrangement, 2. Aufl. S. 233 f., 1. Aufl. S. 248; Paterson, Corporate Reorganization, S. 76. 573 Paterson, Corporate Reorganization, S. 76 ff.; Payne, Schemes of Arrangement, 2. Aufl. S. 236 („The choice of valuation mechanism has a role in protecting dissenting creditors […].“). 574 Payne, Schemes of Arrangement, 2. Aufl. S. 234. 575 Paterson, Corporate Reorganization, S. 77 ff. mit Verweis auf Re Bluebrook Ltd, [2009] EWHC 2114 (Ch) („it was clear, that the English court remained minded to assess the fairness of a deleveraging scheme by reference to the amount a purchaser would be prepared to pay for the business in prevailing market conditions“) (S. 79). 576 Zum Vergleich der Methoden zur Unternehmensbewertung in englischen und amerikanischen Restrukturierungen, Paterson, Corporate Reorganization, S. 50 ff. („progressive scholars have typically preferred – and US bankruptcy courts have traditionally adopted – judicially supervised valuation exercises, in which expert valuers attempt to play a value on the business which reflects the intrinsic, or fundamental, value of the firm, rather than the price which the highest bidder would actually be willing to pay in the market at the time of the corporate reorganization transaction“), 63 ff. (USA: „post-reorganization value“) und 77 ff. (England) („current market price“); zurückhaltender, die Frage als offen bezeichnend: Payne, Schemes of Arrangement, 1. Aufl. S. 252 f. 577 Paterson, Corporate Reorganization, S. 74 ff., insbesondere 77 ff.; vgl. Payne, Schemes of Arrangement, 1. Aufl. S. 253 („Adopting an analysis that focuses only on the present value of the company potentially allows the senior creditors to receive more than 100 pence in the pound for their claims (…). [T]he present value approach seems to have been preferred [by Mann J.] to a more forward-looking approach.“). 569
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Die englischen Gerichte stehen Intercreditor Agreements, welche Kontrollrechte an die Senior-Gläubiger übertragen, außerdem weniger skeptisch gegenüber als die US-amerikanischen.578 „English courts have been proactive in enforcing senior, secured creditor control rights in the privately negotiated bargain“.579
IV. Corporate Insolvency and Governance Act Am 26. Juni 2020 wurde das englische Restrukturierungsrecht mit dem sog. Corporate Insolvency and Governance Act (CIGA)580 um ein weiteres Werkzeug ergänzt.581 Mit dem Gesetz wurden neue Regelungen zu einem sog. restructuring plan in Part 26 A des Companies Acts eingeführt. Dieses neu eingeführte Verfahren ist an das Scheme-of-Arrangement-Verfahren angelehnt.582 Nunmehr steht den Unternehmen ein verfahrensunabhängiges Moratorium und die Möglichkeit eines gruppenübergreifenden Cramdowns zur Verfügung.583Auch in diesem Verfahren wird deutlich, dass das englische Recht den Senior-Gläubigern gegenüber positiv gestimmt ist: Das Moratorium greift nicht in jedem Fall gegenüber Finanzgläubigern.584 Wenn dies vertraglich möglich ist, kann ein Bankkredit während eines Moratoriums fällig gestellt werden.585 Damit das Moratorium also effektiv ist, benötigt die Schuldnerin die Unterstützung ihrer Geldgeber und bestenfalls einen Waiver bzw. eine Standstill-Vereinbarung.586 Außerdem steht es kapitalmarktorientierten Unternehmen nicht zur Verfügung.587
578
Paterson, Corporate Reorganization, S. 130 ff. Paterson, Corporate Reorganization, S. 137. 580 Verfügbar unter: https://www.gov.uk/government/publications/corporate-insolvencyand-governance-act-2020 (zuletzt abgerufen am 9. 1. 2022). 581 Überblick bei Liedl, Absoluter oder relativer Vorrang, S. 158 ff.; Payne, Schemes of Arrangement, 2. Aufl. S. 244 ff. (zum Moratorium), 301 f., 313 ff. (zum Restructuring Plan). 582 Re Virgin Atlantic Airways Ltd, [2020] EWHC 2191 (Ch) = 2020 WL 04754255 (Rn. 17 ff.) („the procedure was intended to draw on the practice and principles applied by the court in the sanctioning of compromises and arrangements unter Part 26 of the Act.“); vgl. Re DeepOcean 1 UK Ltd, [2020] EWHC 3549 (Ch) = 2020 WL 07409918 (Rn. 23) („It is intended to follow broadly the process for approval and sanction of a scheme of arrangement under Part 26 of the 2006 Act.“). 583 Payne, Schemes of Arrangement, 2. Aufl. S. 244 ff. (zum Moratorium); 301 f., 313 ff. (zum Restructuring Plan). 584 Payne, Working Paper, S. 9. 585 Payne, Working Paper, S. 9; Payne, Schemes of Arrangement, 2. Aufl. S. 246 f. 586 Payne, Working Paper, S. 10; Payne, Schemes of Arrangement, 2. Aufl. S. 247 („This means that, for the moratorium to be fully effective, the company will need to have the support of its lenders, and possibly enter into some form of waiver or standstill agreement with them. This potentially limits the benefits and widespread use of the restructuring moratorium.“). 587 Payne, Schemes of Arrangement, 2. Aufl. S. 250. 579
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Auch im Verfahren zum neuen Restructuring Plan kann das Gericht Beteiligte von den Versammlungen ausschließen, wenn es überzeugt ist, dass die Betroffenen kein wirtschaftliches Interesse an der Gesellschaft haben, also out of the money sind.588 In der englischen Literatur fragt man sich sogar, ob das neue Verfahren die Verhandlungsmacht von Junior-Gläubigern und Anteilsinhabern noch weiter zurückdrängt und die Senior-Gläubiger deshalb überhaupt keinen Anreiz mehr zu Verhandlungen haben.589 Es stellt sich die Frage, ob die Senior-Gläubiger das Verfahren in Zukunft derart nutzen werden, dass sie die Verhandlungsphase einfach überspringen und direkt das gruppenübergreifende Cramdown-Verfahren anstreben.590 V. Fazit Während in den USA Verhandlungsmacht von den Senior-Gläubigern hin zu den Junior-Gläubigern umverteilt wird591 (Stichwort: absolute Vorrangregel, Moratorium, Planinitiativrecht der Schuldnerin, regelmäßig höhere Unternehmensbewertungen592),593 werden Junior-Gläubiger, Bondholder und Anteilsinhaber in England davon abgehalten, unnötige Verfahren zu initiieren.594 Der Kritik, dass die gesicherten Gläubiger zu vorteilhaft behandelt werden könnten, wird u. a. dadurch begegnet, dass die Junior-Gläubiger (häufig professionelle Investoren) diesen Effekt bei Aushandlung ihres Zinssatzes einpreisen können.595 Wenn hierdurch die Kapitalkosten für nachrangige Kredite steigen, sei dies nicht notwendigerweise schlecht, weil die Schuldnerin hierdurch einen Anreiz habe, keine übermäßig komplexe fremdfinanzierte (overleveraged) Kapitalstruktur zu implementieren.596 In diesem Sinne steht das englische Recht dem Konzept, dass Schlüsselgläubiger mit dem Management zusammenarbeiten, offener gegenüber. Dass die Gerichte eine Zusammenarbeit zwischen der Schuldnerin und den Senior-Gläubigern in England sogar begrüßen, zeigt sich daran, dass die Gerichte nach einer Beobachterin in der 588 UK Companies Act 2006, sec. 901C (4); dazu: Liedl, Absoluter oder relativer Vorrang, S. 159. 589 Paterson, Corporate Reorganization, S. 186. 590 Paterson, Corporate Reorganization, S. 186. 591 Vgl. oben ab Fn. 471 ff. 592 Vgl. dazu oben in Fn. 576; insbesondere Paterson, Corporate Reorganization, S. 51 f., S. 263 („Thus, once again, the traditional policy goal emerges of enabling junior creditors in Chapter 11 share in any future upside potential, achieved by engaging the concept of postreorganization valuation.“). 593 Vgl. Paterson, Corporate Reorganization, S. 189 („The New Deal reforms decisively shifted power in corporate reorganization away from the investment banks, and Chapter 11 reforms decisively shifted that power towards debtors.“). 594 Vgl. Paterson, Corporate Reorganization, S. 185. 595 Zu diesem Argument: Paterson, Corporate Reorganization, S. 64 (im Zusammenhang mit einer für die Senior-Gläubiger günstigen Unternehmensbewertung in der Krise). 596 Paterson, Corporate Reorganization, S. 64.
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Literatur sogar mit diesen zusammengearbeitet hätten, um das derzeitige System zu entwickeln.597 Die wohlwollende Einstellung äußert sich schließlich darin, dass Lock-up Agreements im englischen Recht generell als zulässig erachtet werden und das Scheme-Verfahren nicht beeinträchtigen.598 Insgesamt wird eine schnelle und kostengünstige Restrukturierung als wichtiger eingestuft als die Gefahr, dass die Senior-Gläubiger die Junior-Gläubiger übervorteilen.599 Dies gilt insbesondere, weil die Junior-Gläubiger sich auf diese Gefahr einstellen und sie bei der Kreditvergabe einpreisen können.600 Wenn das StaRUG zur finanziellen Restrukturierung von komplexen fremdfinanzierten Kapitalstrukturen eingesetzt werden soll, empfiehlt sich eine gewisse Orientierung an der englischen Sichtweise.
§ 2 Ökonomische Einordnung Im diesem Unterkapitel wird der Einsatz von RSA ökonomisch analysiert.
A. RSA im Spannungsverhältnis zur Allmende-Tragödie Das Insolvenzrecht wurde von Vertretern der ökonomischen Analyse des Rechts schon früh als Antwort auf das in der Insolvenz entstehende Common-Pool-Problem bzw. auf eine in der Insolvenz entstehende Allmende-Tragödie begriffen.601 Hierunter wird das Problem verstanden, das entsteht, wenn eine öffentliche Allmende von jedem Landwirt unbeschränkt genutzt werden darf602 oder wenn in einem öffentlichen Teich jeder unbegrenzt fischen darf.603 Weil jeder einen Anreiz hat, eigennützig zu handeln, kommt es insgesamt zu Wohlfahrtsverlusten bzw. zu einer Fehlnut597
Paterson, Corporate Reorganization, S. 80 („[T]he English courts have cooperated with senior creditors and debtors to set down concepts which are well adopted to the reorganizations of the past decade.“). 598 Vgl. zur Behandlung von Lock-up Agreements im Scheme of Arrangement Verfahren: Paterson, Corporate Reorganization, S. 103 f. 599 Vgl. Paterson, Corporate Reorganization, S. 175 (Anpassungsvorschlag für das Chapter 11-Verfahren), S. 177 („[T]he concern appears to be that concentrated, senior secured creditor power risks senior creditors taking action which is not in the best interests of creditors as a whole. In other words, this is a variation of the concerns for secured creditor power (…). However, (…) social welfare is most likely to be damaged if a reorganization of complex, leveraged loan, bond, and equity finance arrangements cannot be achieved sufficiently quickly or at an affordable cost so that distress spreads to the group’s operations.“). 600 Paterson, Corporate Reorganization, S. 64 (im Zusammenhang mit einer für die SeniorGläubiger günstigen Unternehmensbewertung in der Krise). 601 Vgl. Jackson, Bankruptcy Law, S. 10 f. 602 Vgl. zum Allmende-Beispiel: Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 18. 603 Vgl. Zum Fischer-Problem: Jackson, Bankruptcy Law, S. 11 f.
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zung.604 Man spricht auch vom Kollektivhandlungsproblem (Collective Action Problem).605 Die Allmende wird schnell abgegrast sein, der Teich wird schnell leer gefischt sein. Ohne das Insolvenzrecht hätte jeder einzelne Gläubiger einen Anreiz, seine Rechte gegen die Schuldnerin individuell und schnell durchzusetzen, weil er ansonsten befürchten müsste, leer auszugehen.606 In der Insolvenz führt ein System, in welchem jeder Gläubiger seine Rechte individuell vollstrecken kann, häufig zu einem schlechteren Ergebnis für die Gläubiger als Gemeinschaft.607 Es führt zu einem Windhunderennen608 bzw. zu einem sog. Race to the Courthouse.609 Dies wiederum kann dazu führen, dass ein sanierungsfähiges schuldnerisches Unternehmen unrentabel zerschlagen wird.610 Das Allmende-Problem entsteht nicht erst dann, wenn die Vermögensgegenstände der Schuldnerin nicht mehr ausreichen, um ihre Gläubiger zu befriedigen,611 sondern bereits in dem Zeitpunkt, in welchem die Gläubiger nervös werden und dadurch einen Anreiz haben, ihre Vollstreckungsmöglichkeiten zu nutzen und ein Windhunderennen auf die vorhandenen Vermögensgegenstände starten.612 Ohnehin dürfte im Zeitpunkt der drohenden Zahlungsunfähigkeit allerdings der Common Pool nicht mehr ausreichen, um alle Gläubiger voll zu befriedigen.613 Die Lösung dieses Problems ist ein zwingendes kollektives Verfahren.614 Nach Jackson’s Creditors’ Bargain Theorie würden sich die Beteiligten ex ante auch auf ein 604 Vgl. Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 594 ff.; vgl. Jackson, Bankruptcy Law, S. 12 („This decision by numerous individual creditors, however, may be the wrong decision for the creditors as a group. Even though the debtor is insolvent, they might be better off if they held the assets together.“). 605 Paterson, Corporate Reorganization, S. 85. 606 Jackson, Bankruptcy Law, S. 12. 607 Jackson, Bankruptcy Law, S. 12. 608 Vgl. Balz, in: Kölner Schrift zur InsO, S. 3, 6. 609 Jackson, 91 Yale L. J. 857, 862 (1982). 610 Jackson, 91 Yale L. J. 857, 864 (1982) („The use of individualistic remedies may lead to a piecemeal dismantling of a debtor’s business by the untimely removal of necessary operating assets.“); Paterson, Corporate Reorganization, S. 23. 611 Missverständlich bei Skauradszun, KTS 2021, 1, 9 („Das Common-Pool-Problem, also die Knappheit der für die Gläubiger zur Verfügung stehenden Ressourcen, stellt sich in Insolvenzverfahren, die aufgrund materieller Insolvenz beantragt wurden.“), BeckOK-StaRUG/ Skauradszun, Einleitung Rn. 12 („Bei Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen hingegen besteht kein Common-Pool-Problem.“). 612 Vgl. Jackson, Bankruptcy Law, S. 197 ff.; vgl. auch das Fischer-Beispiel auf S. 11 f. („The grab rules of nonbankruptcy law and their allocation of assets on the basis of first-come, first-served create an incentive on the part of the individual creditors, when they sense that a debtor may have more liabilities than assets, to get in line today […].“) (Hervorh. d. Verf.); ebenso Eidenmüller, ZIP 2016, 145, 149 f.; ähnlich De Weijs, Working Paper No. 2011 – 16, S. 3. 613 Bork, ZRI 2021, 345, 348; a. A.: Skauradszun, KTS 2021, 1, 51. 614 Jackson, Bankruptcy Law, S. 13.
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Kap. 3: RSA im historischen, ökonomischen und konzeptionellen Kontext
solches kollektives Verfahren einigen.615 Dieses kollektive System sei zwingend; es würde gegen die kollektive Natur des Insolvenzverfahrens verstoßen, wenn es der Schuldnerin erlaubt wäre, mit ausgewählten Gläubigern einen Vertrag zu schließen, mit welchem das kollektive System umgangen werden könne.616 Ein wichtiges Element des kollektiven Systems sei das Moratorium, durch welches das Marktversagen (Windhunderennen) verhindert werden solle.617 Ein weiteres wesentliches Element des kollektiven Verfahrens ist das Verbot von sog. Preferences, also der Bevorzugung einzelner Gläubiger.618 Zwar ist das StaRUG kein vollständiges Kollektivverfahren, weil die Schuldnerin hier die Planbetroffenen auswählen kann (§ 8 StaRUG). Es liegt aber immer noch ein teilkollektives Verfahren vor.619 Die Wirkungen des Verfahrens sollen die ausgewählten Gläubiger immer noch kollektiv treffen und einzelne ausgewählte Gläubiger sollen keine Sonderbehandlungen erhalten (vgl. §§ 10, 26 ff., 63 f. StaRUG). Ökonomisch gesehen dürften RSA dann als kritisch anzusehen sein, wenn die Parteien mit diesen Vereinbarungen versuchen, die verbleibende kollektive Wirkung des Gesetzes zu umgehen. Es kann argumentiert werden, dass es nur einen kleinen Unterschied macht, ob Gläubiger im Vorfeld der Insolvenz versuchen, ihre Rechte noch schnell zu vollstrecken, oder ob sie sich mittels RSA gegenüber anderen Gläubigern Vorteile verschaffen. Das Windhunderennen kann sowohl durch Zwangsvollstreckungen als auch durch RSA ausgelöst werden. Das ökonomische Problem, dass die Verfolgung von Einzelinteressen die Gruppe insgesamt schlechterstellen kann und damit wohlfahrtsgefährdend ist,620 besteht in beiden Situationen. Dies dürfte insbesondere dann gelten, wenn mit RSA ein Bieterprozess verhindert wird, ein bestimmter (schlechter) Deal abgesichert wird oder die Junior-Gläubiger von den Verhandlungen ausgeschlossen werden. In diesen Situationen kommt es durch frühzeitiges strategisches Handeln zu einem Fehlgebrauch des Common Pools. Erkennt man dies, dürfte auch den Ansichten zu widersprechen sein, welche argumentieren, dass in vorinsolvenzlichen Restrukturierungen überhaupt kein CommonPool-Problem bestehe.621 Unabhängig davon, ob ein Fischer mit der Zwangsvoll615
Jackson, 91 Yale L. J. 857, 865 (1982) („They [the creditors] do know, however, that the total pool of assets available to satisfy their claims may be increased through collective action. For those reasons, one would expect them to agree to a collective system that deterred the suboptimal behavior of the prisoner’s dilemma […].“). 616 Jackson, Bankruptcy Law, S. 17. 617 Beschreibend: Paterson, Corporate Reorganization, S. 4. 618 De Weijs, Working Paper 2011 – 16, S. 4. 619 RegE-SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 117, 129; Pannen/Riedemann/Smid/Smid, § 8 Rn. 1; Doebert/Krüger, NZI 2021, 614; De Bruyn/Ehmke, NZG 2021, 661, 672. 620 Zu diesem Problem: Jackson, Bankruptcy Law, S. 122. 621 So aber Madaus, Eur. Bus. Org. Law Rev. (2018), 615, 633. [„In a pre-insolvency (workout) situation, there is no common pool problem.“]; ähnlich Skauradszun, KTS 2021, 1, 51 („Denn bei der drohenden Zahlungsunfähigkeit besteht noch kein Common-Pool-Problem, […]“); BeckOK-StaRUG/Skauradszun, Einleitung Rn. 12 („Bei Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen hingegen besteht kein Common-Pool-Problem.“).
§ 2 Ökonomische Einordnung
107
streckung oder mit RSA angeln geht, kann in beiden Situationen sein Verhalten dazu führen, dass es zu einer Fehlnutzung des Common Pools kommt. Auf der anderen Seite muss man auch erkennen, dass durch den Einsatz eines RSA die Schuldnerin – im Gegensatz zum Einsatz der Zwangsvollstreckung – nicht in Einzelteile zerschlagen wird. Darüber hinaus muss das Management beim Einsatz eines RSA ebenfalls kooperieren, während dies bei einer Zwangsvollstreckung nicht notwendig ist. Außerdem können sich professionelle Finanzinvestoren untereinander gut koordinieren,622 sodass auch das Kollektivhandlungsproblem weniger stark ausgeprägt ist. Schließlich dürfte der Unternehmenswert in einer vorinsolvenzlichen Krise auch noch höher sein als in der Insolvenz, wodurch die Allmende-Tragödie als Argument gegen RSA nochmals an Gewicht verliert.623 Das Allmende-Problem ist also beim Einsatz von RSA nur abgeschwächt vorhanden. Es dürfte dem Einsatz von RSA deshalb nicht generell entgegenstehen.
B. RSA als Lösung des Anti-Allmende-Problems Bislang lag der Fokus der ökonomischen Analyse des Insolvenzrechts maßgeblich auf dem gerade beschriebenen Common-Pool-Problem.624 Nachdem dieses Problem durch ein kollektives Verfahren gelöst werden kann (s. o.), hat die Literatur ein weiteres ökonomisches Problem identifiziert:625 Wenn die Parteien in einem Kollektiv-Verfahren gefangen sind, würde sich ihr Verhalten verändern: Statt zu versuchen, dem Kollektiv-Verfahren zu entkommen, würden sie nun versuchen, den Planerstellungsprozess zu frustrieren, um ihre Eigeninteressen zu verfolgen. Es besteht nun ein Anti-Allmende-Problem.626 Das Anti-Allmende-Problem zeichnet sich dadurch aus, dass viele Parteien Rechtspositionen in Bezug auf ein gemeinsames Gut haben und jede Partei durch Ausnutzen ihrer Rechtsposition die anderen Parteien 622
Vgl. oben bei Fn. 448 ff. Dass aber überhaupt kein Common-Pool-Problem besteht (vgl. in Fn. 621), dürfte zu weit gehen. 624 So die Feststellung bei De Weijs, Working-Paper, 2011 – 16, S. 7 („The focus within insolvency law analysis has been almost exclusively on common pool problems.“); vgl. Paterson, Corporate Reorganization, S. 84 („[C]oncepts in corporate reorganization law in the United States (US), organized around collective action problems, need significant adaption for a reorganization among sophisticated, strongly adjusting financial creditors and investors, where the debt trades in secondary market. The dominant challenge for corporate reorganization law in this context is the problem of holding out by strongly adjusting, informed financial creditors and not the risk that creditors will take enforcement action against the firm […].“). 625 De Weijs, Working-Paper, 2011 – 16, S. 7 („Once parties are locked in, so to speak, their behaviour mutates. Instead of trying to opt-out of the procedure […], they might try to advance their own interest by frustrating or simply threatening to frustrate the collective process.“). 626 Ausführlich: De Weijs, Working-Paper, 2011 – 16, S. 5 ff.; Überblick auch bei Liedl, Absoluter oder relativer Vorrang, S. 65 ff.; ähnlich: Skauradszun, KTS 2021, 1, 9 f. („CommonPool-Problem vs. Holdout-Problem“). 623
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Kap. 3: RSA im historischen, ökonomischen und konzeptionellen Kontext
von der Nutzung des Guts abhalten kann.627 Im Allmende-Beispiel und im Fischerbeispiel liegt es vor, wenn die Landwirte bzw. die Fischer derartige Nutzungsrechte zugeteilt bekommen, dass die Allmende und der Fischerteich überhaupt nicht mehr rentabel genutzt werden können.628 In der Insolvenz und in der Krisenzeit davor gibt es zahlreiche Ursachen für die Entstehung eines Anti-Allmende-Problems.629 Die Schuldnerin erhält mit ihren bisherigen Gläubigern zahlreiche neue wirtschaftliche Eigentümer.630 Diese erhalten neben ihrem Recht auf anteilsmäßige Befriedigung weitere Rechtspositionen (insbesondere Verfahrensrechte), wodurch das Anti-Allmende-Problem verschärft wird.631 Schließlich müssen sich verschiedenste Gläubiger auf einen einzigen Restrukturierungsplan einigen.632 Störpotential gewinnen die Gläubiger außerdem dadurch, dass sie zahlreiche Minderheitenrechte erhalten, wie beispielsweise die Möglichkeit, eine Unternehmensbewertung zu beanspruchen oder gegen die Planbestätigung vorzugehen.633 Das in einer Restrukturierungssituation angelegte Anti-Allmende-Problem hat sich in den letzten Jahren sowohl in den USA als auch in England aufgrund verschiedener Entwicklungen in der Finanzierungspraxis verschärft.634 Unternehmen haben immer komplexere Kapitalstrukturen, die häufig aus Senior-Gläubigern, Second-Lien-Gläubigern, Mezzanine-Gläubigern, Bonds und verschiedenen Nachrangdarlehen bestehen.635 Dabei spielen Hedgefonds und Private-Equity-Firmen immer häufiger eine bedeutende Rolle.636 Ungesicherte Gläubiger sind heute in vielen Fällen professionelle Investoren statt Arbeitnehmer, Lieferanten oder Deliktsgläubiger.637 Die Gläubiger verfolgen oft entgegengesetzte Interessen.638 Teil627 Heller, 111 Harv. L. Rev. 621, 622 („In an anticommons, (…) multiple owners are each endowed with the right to exclude others from a scarce resource, and no one has an effective privilege of use. When too many owners hold such rights of exclusion, the resource is prone to underuse – a tragedy of the anticommons.“); Im Zusammenhang mit der Restrukturierung: De Weijs, Working Paper 2011 – 16, S. 5 f.; Baird/Rasmussen, 119 Yale L. J. 648 ff. (2010). 628 Vgl. Heller, 111 Harv. L. Rev. 621, 624 (1998). 629 Vgl. z. B. Baird/Rasmussen, 119 Yale L. J. 648, 652 (2010) („[W]e face an anticommons problem, a world in which ownership interests are fragmented and conflicting“). 630 De Weijs, Working-Paper 2011 – 16, S. 7. 631 De Weijs, Working-Paper 2011 – 16, S. 7. 632 De Weijs, Working Paper 2011 – 16, S. 10. 633 Ähnlich: Paterson, Corporate Reorganization, S. 173 („litigation becomes another tool to achieve the strategic objective“). 634 Vgl. zu diesen Entwicklungen ausführlich Baird/Rasmussen, 119 Yale L. J. 648 ff. (2010); Paterson, Corporate Reorganization, passim. 635 Vgl. Baird/Rasmussen, 119 Yale L. J. 648, 651, 671 ff. (2010); Paterson, Corporate Reorganization, S. 47 ff. 636 Baird/Rasmussen, 119 Yale L. J. 648, 652 (2010). 637 Vgl. Paterson, Corporate Reorganization, S. 50 ff., insbesondere 57 ff., 69 ff. 638 Vgl. Baird/Rasmussen, 119 Yale L. J. 648, 657 (2010).
§ 2 Ökonomische Einordnung
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weise halten die Investoren mehrere Positionen in der Kapitalstruktur, wobei sie teilweise auch noch durch Derivate gesichert sind.639 Die Rolle der traditionellen Hausbank, welche in einer Restrukturierung für Stabilität sorgen konnte, hat in den letzten Jahren an Bedeutung verloren.640 Forderungen werden auf dem DistressedDebt-Markt immer häufiger gehandelt.641 Die Reputation einzelner Gläubiger und langfristige Kundenbeziehungen mit Banken spielen zunehmend selten eine Rolle.642 Störende Parteien können morgen für ihr Verhalten von gestern nicht mehr bestraft werden.643 Viele Gläubiger sind außerdem nicht mehr bereit, zugunsten des großen Ganzen auf einen Teil ihrer Rechte zu verzichten, beharren stattdessen auf ihren Rechtspositionen und nutzen Unsicherheiten sogar aus, um Gewinne zu erzielen.644 Es ist wahrscheinlicher geworden, dass professionelle Investoren ihre Rechte auch gerichtlich testen645 und Klagemöglichkeiten ausnutzen.646 Die Anti-Allmende-Tragödie kann gelöst werden, indem die einzelnen Rechtspositionen wieder gebündelt werden (bundling the anticommons).647 Dies kann dadurch geschehen, dass der Gesetzgeber eingreift und Eigentumsrechte neu definiert.648 Für die Restrukturierung wurde z. B. das Mehrheitssystem649 eingeführt: Es stellt dort nach der Regierungsbegründung zur InsO gerade kein Element verbandsrechtlicher Demokratie dar.650 Vielmehr ist es ein technischer Behelf zur Erleichterung der Entscheidungsfindung einer unkoordinierten Vielzahl von Beteiligten.651 Die absolute Vorrangregel wurde außerdem nicht als Individualrecht, 639
Baird/Rasmussen, 119 Yale L. J. 648, 657, 677 ff. (2010). Paterson, Corporate Reorganization, S. 166 ff.; Baird/Rasmussen, 119 Yale L. J. 648, 666 ff. (2010). 641 Baird/Rasmussen, 119 Yale L. J. 648, 659 ff. (2010); Paterson, Corporate Reorganization, S. 83 ff. 642 Paterson, Corporate Reorganization, S. 166 ff. insbesondere 168 ff. 643 Vgl. Paterson, Corporate Reorganization, S. 169 („[T]he short-term nature of market dealings, and the focus on immediate price and profit by everyone in the market, reduces the power of the market to sanction behaviour through market exclusion.“); vgl. auch S. 181 („Banks feared that if they gained a reputation for bad behaviour in corporate reorganizations, they would no longer be invited to join syndicates when new loans were arranged.“); ähnlich insbesondere in Bezug auf syndizierte Kredite: Baird/Rasmussen, 119 Yale L. J. 648, 668 ff. (2010). 644 Paterson, Corporate Reorganization, S. 172. 645 Paterson, Corporate Reorganization, S. 173; Baird/Rasmussen, 119 Yale L. J. 648, 673 (2010) („[They] are not shy about testing the limits of the intercreditor agreement.“). 646 Paterson, Corporate Reorganization, S. 164 („[S]ophisticated financial creditors are more likely to seize litigation opportunities which are offered by Chapter 11’s relatively complex valuation approach.“). 647 Heller, 111 Harv. L. Rev. 621, 626 (1998). 648 Heller, 111 Harv. L. Rev. 621, 640 ff. (1998). 649 Skauradszun, KTS 2021, 1, 60 f. (zum StaRUG). 650 RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443 S. 79; vgl. auch Balz, ZIP 1988, 273, 278. 651 RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443 S. 79; Balz, ZIP 1988, 273, 278 („rein prozedurale Aufgabe“). 640
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Kap. 3: RSA im historischen, ökonomischen und konzeptionellen Kontext
sondern als Gruppenrecht normiert.652 Die Möglichkeiten für den einzelnen überstimmten Gläubiger, die Planbestätigung anzugreifen, wurden verfahrensrechtlich erschwert.653 Eine weitere Idee wäre, den Planbetroffenen Treuepflichten oder Kooperationspflichten aufzuerlegen.654 Die Anti-Allmende-Tragödie kann schließlich durch den Markt selbst gelöst werden, indem die Beteiligten untereinander über ihre Eigentumsrechte verhandeln.655 Baird und Rasmussen haben die Bedeutung von Koalitionsbildungen zur Überwindung der Anti-Allmende-Tragödie im Chapter 11-Verfahren betont.656 Hierbei spielen RSA eine entscheidende Rolle. Sie stellen ein maßgebendes und wichtiges Mittel zur Koalitionsbildung und zur Überwindung der Anti-AllmendeTragödie dar. Mittelbar haben sich Baird und Rasmussen daher z. B. dafür ausgesprochen, RSA nicht an 11 U.S.C. § 1125 scheitern zu lassen.657 Levitin beschreibt RSA als ein „coordination device among creditor constituencies“, das dazu dient, Mehrheiten für den Plan zu bilden.658 Auch Paterson sieht die große Bedeutung eines Lock-up Agreements in der Koalitionsbildung zugunsten eines potentiellen Deals und begrüßt die Entscheidungen der englischen Gerichte, diese Technik nicht an strengen Maßstäben zur Gruppenbildung scheitern zu lassen.659 In Deutschland wurden Stimmbindungsverträge zwischen Gläubigern ebenfalls als ein Mittel herausgearbeitet, mittels dessen viele Gläubiger dazu veranlasst werden können, wie der sog. Sole Owner zu agieren.660 Unter Bezugnahme auf die Anti-Allmende-Tragödie kann der Einsatz von RSA jedenfalls ökonomisch gerechtfertigt werden.
652
Zur Entwicklung in den USA vgl. Markell, 44 Stan. L. Rev. 69, 88 (1991). Vgl. RegE-ESUG, BT-Drucks. 17/5712, S. 19 („Der Gesetzentwurf ergänzt § 253 InsO durch ein Bündel von Maßnahmen, um in Zukunft zu vermeiden, dass das Wirksamwerden eines Insolvenzplans durch Rechtsmittel gegen die Bestätigung übermäßig verzögert wird. Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Beschwerde ist zunächst, dass der Beschwerdeführer vor der Planbestätigung seine verfahrensmäßigen Möglichkeiten ausgeschöpft hat. Die daneben geforderte materielle Beschwer, eine wirtschaftliche Beeinträchtigung durch den Plan, ist vom Beschwerdeführer glaubhaft zu machen. Zudem werden nur wesentliche Schlechterstellungen berücksichtigt.“). 654 Überblick bei Liedl, Absoluter oder relativer Vorrang, S. 65 ff.; zu Kooperationspflichten zwischen Gläubigern grundlegend: Eidenmüller, Unternehmenssanierung, passim. 655 Heller, 111 Harv. L. Rev. 621, 640 f. 656 Paterson, Corporate Reorganization, S. 687 ff. 657 Baird/Rasmussen, 119 Yale L. J. 648, 695 (2010). 658 Levitin, 100 Tex. L. Rev. (2022), Manuskript, S. 21. 659 Paterson, Corporate Reorganization, S. 102 ff. 660 Groh, Stimmvereinbarungen, S. 1 f. und 3. 653
§ 3 RSA im Lichte verschiedener Insolvenzrechts-Theorien
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§ 3 RSA im Lichte verschiedener Insolvenzrechts-Theorien In den USA und in England haben sich verschiedene Theorien und Ansätze zur Deutung und zur Auslegung des Insolvenz- und Restrukturierungsrechts herausgebildet.661 In diesem Unterkapitel soll allgemein analysiert werden, ob nach den jeweiligen Theorien ein Restrukturierungsverfahren vorab vertraglich organisiert werden kann und welche Bedeutung Verhandlungen zwischen den Beteiligten haben. Konkret ist fraglich, wie RSA und Verhandlungen nach den verschiedenen Theorien zu beurteilen sind. Es wird sich zeigen, dass aus den verschiedenen Theorien unterschiedliche Rechtfertigungsgründe und Grenzen für die vertragliche Planung einer Restrukturierung und den Einsatz von RSA abgeleitet werden können.
A. Progressive Schule Ein Großteil der Wissenschaft und der Praxis im amerikanischen Insolvenzrecht kann der sog. progressiven Schule662 zugeordnet werden.663 Teilweise wird auch von traditioneller Schule gesprochen.664 I. Erste Generation Ihre Ursprünge hat diese Schule Ende der 1920er Jahre, als der American legal realism aufkam.665 Konzeptionell lehnt dieser es ab, im Caselaw nach abstrakten fixen Prinzipien zu suchen und diese mechanisch auf andere neue Fälle zu übertragen.666 Andere psychologische, politische, wirtschaftliche, und soziale Faktoren würden dabei ignoriert.667 Nur wenn der jeweilige Kontext mit berücksichtigt werde, könne man einen Fall korrekt lösen.668 Diesen Ansatz nutzt die progressive Schule im
661
Überblick bei BeckOK-InsO/Madaus, § 1 Rn. 22.1 ff. Warren, 54 U. Chi. L. Rev. 775, 795 – 797 (1987); Warren/Westbrook, 72 Wash. U. L.Q. 1257, 1265 – 1286 (1994); Korobkin, 91 Colum. L. Rev. 717 ff.; insbesondere 762 ff. (1991); Miller, 69 Am. Bankr. L. J. 431 (1995); Bufford, 71 Wash. U. L. Q. 829 (1994) ff.; zum Begriff: Skeel, 113 Harv. L. Rev. 1075, 1077 f. (2000). 663 Vgl. zur Einteilung: Baird, 108 Yale L. J. 573 ff. insbesondere S. 576 in Fn. 9 und 10 (1998). 664 Vgl. Baird, 108 Yale L. J. 573, 576 (1998) („The traditionalists“); vgl. auch den Überblick bei Korch, ZHR 182 (2018), 440, 447 ff. 665 Skeel, 113 Harv. L. Rev. 1075, 1079 (2000). 666 Skeel, 113 Harv. L. Rev. 1075, 1081 (2000). 667 Douglas, Democracy and Finance, S. 280 (1940) zitiert nach Frank, 54 Harv. L. Rev. 905, 908 (1941), zitiert nach Skeel, 113 Harv. L. Rev. 1075, 1081. 668 Douglas, Democracy and Finance, S. 280 (1940) zitiert nach Frank, 54 Harv. L. Rev. 905, 908 (1941), zitiert nach Skeel, 113 Harv. L. Rev. 1075, 1081 (2000). 662
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Kap. 3: RSA im historischen, ökonomischen und konzeptionellen Kontext
Insolvenzrecht.669 Rechtstechnisch wird der Ansatz vor allem über Ermessen des Gerichts und Generalklauseln umgesetzt. Ermessen sei wünschenswert, um alle Aspekte eines Falls berücksichtigen zu können.670 Zur progressiven Schule der ersten Generation zählte William O. Douglas671, welcher nach 1930 maßgeblich für den SEC-Bericht672 über die damals von den Wallstreet-Banken beherrschte Restrukturierungspraxis verantwortlich war.673 Die Equity-Receivership-Verfahren wurden damals größtenteils vertraglich ex post, also in der Krise organisiert.674 Damals argumentierte die progressive Schule gegen die Manager und die elitären Wallstreet-Banken, welche den Receivership-Prozess zu ihren Gunsten und für Insider Deals ausgenutzt haben.675 Der progressive Leitgedanke war damals, die Interessen der breiten Gläubigerschar vor den Interessen der Insider zu schützen.676 Douglas und Co. waren sehr kritisch gegenüber sog. Deposit Agreements, die heute mit RSA verglichen werden677 und im Ergebnis dazu führten, dass ein Investor keine Stimme mehr im Planerstellungsprozess hatte.678 Die Antwort des dann eingeführten Chapter X des Bankruptcy Acts 1938 auf dieses Vorgehen war – neben der Einsetzung eines unabhängigen Verwalters, der Kontrolltätigkeit der SEC und der starren Absolute Priority Rule –, dass ein Investor sich zeitlich erst für oder gegen den Plan aussprechen durfte und erst für den Plan geworben werden durfte, nachdem das Gericht diesen inhaltlich geprüft hatte.679 „Douglas […] transformed the nature of corporate reorganization, injecting pervasive governmental oversight into a practice that previously had consisted largely of private arrangements […]“.680„The reformers put in place a rigid set of distributional rules. […] [B]argaining among the parties lacks the many degrees of freedom it enjoyed during the heyday of the equity receivership.“681 669 670
1085 f. 671
Skeel, 113 Harv. L. Rev. 1075, 1081 (2000). Douglas, 41 Yale L. J. 329, 347 (1932), zitiert nach Skeel, 113 Harv. L. Rev. 1075,
Zur Einordnung: Skeel, Debt’s Dominion, S. 223. Vgl. dazu oben bei Fn. 507. 673 Skeel, Debt’s Dominion, S. 109 ff. 674 Skeel/Triantis, 166 U. Pa. L. Rev. 1777, 1784 („[R]eorganization of railroads and other large corporations traditionally had involved extensive ex post contracting.“); Skeel, Debt’s Dominion, S. 62 ff.; S. 119 (The „practice […] consisted largely of private arrangements […].“); Adler/Casey/Morrison, Baird & Jackson’s Bankruptcy, S. 787 ff. 675 Vgl. oben bei Fn. 508 f.; Überblick auch bei Skeel, Debt’s Dominion, S. 111. 676 Vgl. SEC Report, Part I, S. 1 ff. 677 Janger/Levitin, Yale L. J. Forum, 335, 338 f. (2020) m. w. N. in Fn. 9 und 10 zum SEC Report. 678 Vgl. Skeel, Debt’s Dominion, S. 120 f. 679 Vgl. Skeel, Debt’s Dominion, S. 120 f.; zu diesem Vorschlag schon SEC Report, Part I, S. 900. 680 Skeel, Debt’s Dominion, S. 119. 681 Adler/Casey/Morrison, Baird & Jackson’s Bankruptcy, S. 790. 672
§ 3 RSA im Lichte verschiedener Insolvenzrechts-Theorien
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Die erste Generation der progressiven Schule würde RSA heute deshalb wohl sehr skeptisch gegenüberstehen, weil sie ein Mittel zu Insider-Verhandlungen zwischen den Schlüsselgläubigern und dem Management darstellen können und den Informationsfluss zu den übrigen planbetroffenen Beteiligten und zum Gericht hemmen können. II. Nächste Generationen Mit der Einführung des Chapter 11-Verfahrens wurde die starre Struktur des Bankruptcy Acts gelockert und Spielraum für vertragliche Vereinbarungen geschaffen.682 Auch nach der Reform des US-Insolvenzrechts im Jahr 1978 und der Einführung des Chapter 11-Verfahrens ist das Gesetz weiterhin stark an progressiven Ideen ausgerichtet.683 Die heutige Generation der progressiven Schule684 – insbesondere Elizabeth Warren – ist darum bemüht, die Interessen der kleinen Gläubiger, Arbeitnehmer, Lieferanten und der lokalen Gemeinden zu betonen.685 Obwohl das Chapter 11-Verfahren im Vergleich zum Chapter X-Verfahren des Chandler Acts von 1938 deutlich flexibler ist, weil es z. B. das Konzept der Eigenverwaltung verfolgt und die absolute Vorrangregel aufgeweicht hat, verteidigt die progressive Schule das Konzept des Verfahrens heute vehement.686 Heute sorgt sich die progressive Schule vor allem darum, dass die gesicherten Gläubiger eine Restrukturierung ablehnen und eine Liquidation anstreben.687 Deshalb begrüßen sie Konzepte, welche die Verhandlungsmacht der gesicherten Gläubiger einschränken.688 Die progressive Schule verteidigt z. B. das Konzept der Eigenverwaltung, weil sie hofft, dass die Schuldnerin dadurch frühzeitig ein Restrukturierungsverfahren startet und dieses zugunsten aller Gläubiger, insbesondere zugunsten der non-adjusting-Gläubiger durchführt.689 Hauptsächlich kämpft sie heute gegen die ökonomischen Theorien an, welche die Nutzenmaximierung als einzigen Zweck des Insolvenzrechts ansehen.690 Im Insolvenzrecht geht es nach Ansicht der progressiven Schule
682
Skeel/Triantis, 166 U. Pa. L. Rev. 1777, 1783 ff. (2018). Zu dieser Feststellung: Korch, ZHR 182 (2018), 440, 448 f. mit konkreten Beispielen. 684 Warren, 54 U. Chi. L. Rev. 775, 795 – 797 (1987); Warren/Westbrook, 72 Wash. U. L. Q. 1257, 1265 – 1286 (1994); Korobkin, 91 Colum. L. Rev. 717, 722 – 725 (1991); Miller, 69 Am. Bankr. L. J. 431 (1995); Bufford, 71 Wash. U. L. Q. 829 (1994); beschreibender Überblick bei Paterson, Corporate Reorganization, S. 3 ff.; Skeel, Debt’s Dominion, S. 223 ff. 685 Z. B. Warren, 54 U. Chi. L. Rev. 775, 788 (1987). 686 So die Beobachtung bei Skeel, Debt’s Dominion, S. 223 ff. 687 Paterson, Corporate Reorganization, S. 111 f. 688 Paterson, Corporate Reorganization, S. 111 f. 689 Paterson, Corporate Reorganization, S. 141. 690 Warren, 54 U. Chi. L. Rev. 775, 777 (1987); zu dieser Beobachtung: Skeel, Debt’s Dominion, S. 223 ff. 683
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Kap. 3: RSA im historischen, ökonomischen und konzeptionellen Kontext
vor allem auch um Umverteilung.691 Der Gesetzgeber habe die Rechte der gesicherten Gläubiger bewusst zugunsten aller anderen interessierten Parteien eingeschränkt.692 Die Verluste, welche durch die Insolvenz einer Schuldnerin einträten, sollten unter einer Vielzahl von Parteien verteilt werden, wobei kein Interesse per se überwiege.693 Als Argument für die progressive Schule wird insbesondere die Gesetzgebungsgeschichte vorgebracht.694 Wird von den Ideen der progressiven Schule abstrahiert,695 kristallisieren sich verschiedene Gedanken: Sie vertritt die Ansicht, dass das Ziel des Insolvenzrechts auch darin bestehe, Unternehmen zu retten, welche ansonsten vom Markt verschwinden würden.696 Argumente, welche im Kontext von Verbraucherinsolvenzen entwickelt worden sind (z. B. die fresh start policy) werden auch auf das Unternehmensinsolvenzrecht übertragen.697 Das Insolvenzrecht wird als ein geschlossenes System gesehen:698 Entscheidungen in der Insolvenz würden das Verhalten der Parteien ex ante nicht beeinflussen. Schließlich kommt dem Richter nach der progressiven Schule eine erhebliche Bedeutung zu: Seine Aufgabe sei es, das Verfahren in die vom Gesetz gewünschte Richtung zu lenken.699 Verhandlungen spielen für die progressive Schule eine entscheidende Rolle: Alle Parteien hätten eine Chance, gehört zu werden, die Nöte der Schuldnerin zu verstehen und würden am Ende glauben, fair behandelt worden zu sein.700
691 Vgl. z. B. Warren, 54 U. Chi. L. Rev. 775, 788 (1987); Warren, 102 Yale L. J. 437, 467 (1992) („Bankruptcy functions to preserve value in faltering businesses and to enhance the return to all those who have an interest in the business, but it also serves to redistribute value.“). 692 Warren, 102 Yale L. J. 437, 467 (1992); ähnlich Warren/Westbrook, 118 Harv. L. Rev. 1197, 1200 f. (2005); vgl. beschreibend: Baird, 108 Yale L. J. 573, 583 ff. (1998). 693 Warren, 54 U. Chi. L. Rev. 775, 777 (1987). 694 Warren, 54 U. Chi. L. Rev. 775, 777 ff., insbesondere 788 (1987) („Congressional comments on the Bankruptcy Code are liberally sprinkled with discussions of policies to ,protect the investing public, protect jobs, and help save troubled businesses,‘ of concern about the community impact of bankruptcy, and of ,the public interest‘ beyond the interests of the disputing parties. These comments serve as reminders that Congress intended bankruptcy law to address concerns broader than the immediate problems of debtors and their identified creditors; they indicate clear recognition of the larger implications of a debtor’s widespread default and the consequences of permitting a few creditors to force a business to close.“). 695 Überblick bei Skeel, 113 Harv. L. Rev. 1075 ff. (2000); Baird, 108 Yale L. J. 573 ff. (1998). 696 Vgl. beschreibend Baird, 108 Yale L. J. 573, 577, 582 f. (1998) m. w. N. (Baird selbst zählt nicht zur progressiven Schule; stellt deren Sicht allerdings seiner eigenen als neutraler Beobachter gegenüber). 697 Vgl. Skeel, 113 Harv. L. Rev. 113, 1075, 1117 (2000) (Progressives „seem to have projected their views on personal bankruptcy into the corporate context.“). 698 Vgl. beschreibend: Baird, 108 Yale L. J. 573, 578, 589 f. (1998). 699 Vgl. Baird, 108 Yale L. J. 573, 579 (1998). 700 Zu der Beschreibung bei Baird, 108 Yale L. J. 573, 593 (1998), wobei diese Ansicht von den Proceduralists (dazu sogleich) als „hopelessly sentimental“ klassifiziert wird.
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III. Vertragliche Planung der Restrukturierung? Wird die progressive Idee betont, dass das Insolvenzrecht auch dazu diene, das Unternehmen zu retten (fresh start policy), dürften RSA dann positiv bewertet werden, wenn sie helfen, dieses Ziel zu erreichen. Wird dagegen der Aspekt betont, schwache Gläubiger und Arbeitnehmer zu schützen, dürften RSA dann positiv beurteilt werden, wenn mit ihnen die Interessen dieser Gläubiger gegenüber den Schlüsselgläubigern verteidigt werden. Die progressive Schule der zweiten Generation dürfte RSA hingegen kritisch sehen, wenn diese dazu genutzt werden, um die vulnerablen Gruppen zu übergehen und um die Verhandlungsphase der Restrukturierung zu überspringen. Generell ist sie eher skeptisch gegenüber vertraglichen Ansätzen zur Insolvenzbewältigung:701 Gläubiger, die keine Verträge schließen können, würden benachteiligt. Vermögen werde von den schwachen Gläubigern hin zu den starken Gläubigern umverteilt.702 Die Effizienzgewinne für die Schuldnerin und für die sich anpassenden Gläubiger (adjusting creditors) würden die Nachteile, die für die übrigen Gläubiger entstehen, nicht übersteigen.703 IV. Progressive Schule und vorinsolvenzliche Restrukturierungen komplexer Kapitalstrukturen Eine neue Ansicht in der englischen Literatur meint, dass die progressive Schule gegenüber vertraglichen Vereinbarungen zur Bewältigung der Restrukturierung aber dann offen sein würde, wenn lediglich eine frühzeitige finanzielle Restrukturierung und keine operative Restrukturierung angestrengt werde.704 Ungesicherte Gläubiger seien dann – insbesondere bei komplexen Kapitalstrukturen – häufig keine Arbeitnehmer, Lieferanten oder Deliktsgläubiger, sondern professionell agierende Distressed-Debt-Investoren, welche in riskante Finanzprodukte investiert hätten.705 Es sei nur schwer vorstellbar, dass Vertreter der progressiven Schule einen US-Hedgefonds, welcher in hoch riskante, subordinierte Forderungen investiert habe, als schutzbedürftig und schutzwürdig ansehen würden.706 Es gelte bei einer finanziellen Restrukturierung vielmehr eine finanzielle Krise schnell zu lösen, damit diese nicht in eine ökonomische und operative Krise umschlage, von welcher dann auch Ar701 Vgl. dazu oben bei Fn. 684 ff.; Warren/Westbrook, 118 Harv. L. Rev. 1197, 1203 f. (2005). 702 LoPucki, 109 Yale L. J. 317, 339 (1999); Warren, 102 Yale L. J. 437, 472 (1992). 703 Vgl. ausführlich Warren/Westbrook, 118 Harv. L. Rev. 1197, 1213 ff. (2005). 704 Vgl. Paterson, Corporate Reorganization, S. 10, 96 f., 130 ff. 174 ff.; zur Differenzierung zwischen economic distress und financial distress oben bei Fn. 59 f. 705 Paterson, Corporate Reorganization, S. 49 f.; 50 ff. 706 Paterson, Corporate Reorganization, S. 10 („[I]t is difficult to believe that any progressive scholar would regard a US hedge fund invested in high-yielding, but risky, subordinated unsecured bond debt as needing particular protection in the interests of social welfare.“).
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beitnehmer, Deliktsgläubiger etc. betroffen wären.707 In diesem Fall dürfte aus progressiver Sicht sogar einiges dafür sprechen, RSA positiv zu beurteilen. Sie tragen dann zu einer schnellen finanziellen Restrukturierung bei und vermeiden eine operative Krise.
B. Creditors’-Bargain-Theorie und die „Proceduralists“ Nach der Creditors’-Bargain-Theorie sollte das Insolvenzrecht als ein System gesehen werden, welches einen hypothetischen Vertrag zwischen den Gläubigern widerspiegelt.708 Die Beteiligten würden sich vor der Insolvenz709 auf ein kollektives Verfahren einigen, durch welches sie das schuldnerische Vermögen in der Krise insgesamt vergrößern können.710 Die Theorie legt das Insolvenzrecht einschränkend aus: Primäres Ziel sei Nutzenmaximierung.711 Umverteilung712 sowie eine fresh start policy werden abgelehnt.713 Die Entscheidungsmacht soll auf die – residualberechtigten714 – Gläubiger übergehen.715 Vorinsolvenzliche Rechtspositionen (pre-insolvency entitlements) sollten im Grundsatz geachtet werden.716 Ein Eingriff in diese Rechte führe zu Fehlanreizen für bestimmte Beteiligte, das Insolvenzrecht zu missbrauchen, um Vorteile für sich zu ziehen.717 Vorinsolvenzliche Rechtspositionen sollten nur dann 707
Paterson, Corporate Reorganization, S. 48 f. Jackson, 91 Yale L. J. 857, 860 (1982); Überblick bei BeckOK-InsO/Madaus, § 1 Rn. 22.2 f. 709 BeckOK-InsO/Madaus, § 1 Rn. 22.7 (Hypothetischer Vertrag am Vorabend der Insolvenz); vgl. zum konkreten Zeitpunkt des hypothetischen Vertrags unten bei Fn. 746. 710 Jackson, 91 Yale L. J. 857, 865 (1982) („They [the creditors] do know, however, that the total pool of assets available to satisfy their claims may be increased through collective action. For those reasons, one would expect them to agree to a collective system that deterred the suboptimal behavior of the prisoner’s dilemma […].“). 711 Jackson, Bankruptcy Law, S. 24 („Bankruptcy Law is best approached by separating these two questions – the question of how the process can maximize the value of a given pool of assets and the question of how the law should allocate entitlements to whatever pool exists – and limiting bankruptcy law to the first.“); jüngst wieder: Jackson, Research Handbook, S. 6, 8 ff. 712 Vgl. Jackson, Bankruptcy Law, S. 24, 26; Jackson, Research Handbook, S. 6, 10. 713 Jackson, Research Handbook, S. 6, 8, 13 ff. 714 Baird/Jackson, 55 U. Chi. L. Rev. 738, 761 f. (1988) („As a general matter, the residual owner of the firm is entitled to negotiate on behalf of the firm.“ [S. 761]; „Either the firm was worth more than the most senior creditor was owed, in which case the senior creditor would be paid in full and the intermediate creditors would become the residual owners of the firm, or the firm was worth less than what the senior creditor was owed, in which case the intermediate creditors are not the residual owners […].“ [S. 763]). 715 Jackson, Research Handbook, S. 6, 9. 716 Jackson, Bankruptcy Law, S. 28. 717 Jackson, Bankruptcy Law, S. 21, 26. 708
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modifiziert werden, wenn hierdurch ein Vorteil für alle Gläubiger entsteht718 und das schuldnerische Vermögen dadurch maximiert werden kann.719 In einem solchen Fall sei ein Eingriff gerechtfertigt und müsse – normativ betrachtet – sogar erfolgen.720 Allerdings müsste in diesem Fall der relative Wert der Rechtsposition im Verhältnis zu den Rechtspositionen der anderen Gläubiger gewahrt bleiben, um den strategischen (missbräuchlichen) Einsatz eines Insolvenzverfahrens zu verhindern.721 In der Literatur wird die Theorie so verstanden, dass das Insolvenzrecht ein kollektives Forum darstelle, in welchem die Parteien ihre finanziellen Probleme lösen können.722 Der Fokus liege auf dem Verfahren.723 Deshalb wurde auch von den Proceduralists gesprochen.724 Nach diesen Maßstäben sind RSA dann kritisch zu sehen, wenn die Parteien diese Vereinbarungen dazu nutzen, sich dem kollektiven Verfahren zu entziehen. Ferner wären solche RSA kritisch zu sehen, welche das Ziel der Vermögensmaximierung untergraben, selbst wenn der Bestand des Unternehmens gewährleistet oder die Interessen der Arbeitnehmer und der schwachen Gläubiger geschützt werden.725 Abzulehnen wäre ein RSA, welches den Senior-Gläubigern zu viel Verhandlungsmacht zukommen lässt und die Junior-Gläubiger von den Verhandlungen ausgeschlossen werden, wenn die Junior-Gläubiger und nicht die Senior-Gläubiger die residualberechtigten Gläubiger sind.726 Wenn das RSA allerdings genutzt wird, um eine nutzenmaximierende Lösung zu finden, scheint es gerechtfertigt, diese Vereinbarung in der Insolvenz anzuerkennen. Überlange Verhandlungen werden von Vertretern der Creditors‘-Bargain-Theorie aufgrund ihrer Komplexität und ihrer Kosten skeptisch gesehen.727 Dies stellt ein Argument dafür dar, dass ein RSA dann 718
Jackson, Bankruptcy Law, S. 26. Jackson, Bankruptcy Law, S. 28. 720 Vgl. Jackson, Bankruptcy Law, S. 28 („Because the collective damage resulting from adhering to a right may sometimes exceed any benefit, a bankruptcy statute sometimes must replace nonbankruptcy rights with something else.“). 721 Jackson, Bankruptcy Law, S. 29 („where the entitlements themselves should not be fully protected, such as in the case with individual creditor grab remedies, sound bankruptcy policy still calls for the preservation of relative values. Doing so minimizes the strategic gamesmanship that otherwise would hamper the smooth replacement of individual-based remedies with a collective proceeding“). 722 Skeel, Faculty Scholarship at Penn Law. 2308, S. 10 f. (2021). 723 Vgl. Baird, 108 Yale L. J. 573, 576 f. (1998); Jackson, Bankruptcy Law, S. 5 („[The] principal role of bankruptcy law has been and should be more procedural than substantive.“); Überblick bei Paterson, Bankruptcy Law, S. 4; Korch, ZHR 181 (2018), 440, 448 („prozessrechtliche Koordinierungsfunktion“). 724 Vgl. Janger/Levitin, Yale L. J. Forum, 335 (2020). 725 Vgl. Jackson, Research Handbook, S. 6, 8, 13 ff. 726 Vgl. oben bei Fn. 714. 727 Vgl. Baird, 15 J. Leg. Stud. 127, 145 (1986); Jackson, Bankruptcy Law, S. 209 ff. insbesondere 215 („negotiations for their own stake are not desirable“); vgl. aber Eidenmüller, in: Breidenbach/Henssler, S. 31, 40 ff., wonach durch Verhandlungen der Kuchen auch vergrößert werden kann und Werte geschöpft werden können. Verhandlungssituationen seien 719
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geschlossen werden sollte, wenn weitere Verhandlungen keinen zusätzlichen Nutzen mehr bringen würden. Im Zusammenhang mit RSA wurde jüngst in den USA beobachtet, dass Vertreter der ökonomischen Analyse des Rechts – die eigentlichen Verfechter eines „sauberen Verfahrens“ – RSA tolerieren, obwohl sie zahlreiche verfahrensrechtliche Schutzvorschriften im Rahmen des Chapter 11-Verfahrens aushebeln.728 Auf der anderen Seite scheint jetzt die progressive Schule dazu zu tendieren, die verfahrensrechtlichen Schutzvorschriften729 stärker zu gewichten und gegen RSA in Stellung zu bringen.730 „The irony is that it is now the ,traditionalists‘ [progressives, Anm. d. Verf.] who advocate attention to bankruptcy procedure and distribution with reference to nonbankruptcy entitlement, while recent law-and-economics scholarship turns a blind eye to both process and legal entitlement in favor of peace at practically any cost.“731
C. Veräußerungsorientierte Ansätze Die Creditors’-Bargain-Theorie wurde in den USA vielfach weiterentwickelt. Es wurde vorgebracht, dass die Gläubiger in einem hypothetischen Vertrag (Creditors’ Bargain) eine tatsächliche Veräußerung des Unternehmens einer hypothetischen Veräußerung an die bisherigen Investoren im Rahmen einer Restrukturierung vorziehen würden.732 Es gab zahlreiche Vorschläge, wie das Chapter 11-Verfahren dementsprechend reformiert werden könnte: Roe hat z. B. vorgeschlagen, dass der Wert eines zu restrukturierenden Unternehmens dadurch ermittelt werden sollte, dass ca. 10 Prozent der neuen Anteile am Markt veräußert werden.733 Nach Bebchuk734 keinesfalls nur Nullsummenspiele. Die meisten Situationen strategischer Interaktion hätten den Charakter sogenannter gemischter Spiele, die neben einer distributiven auch eine kooperative Komponente hätten, bei denen die Spieler Kooperationsgewinne erzielen könnten; ebenso Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 499 ff.; zur Ansicht der progressiven Schule zu Verhandlungen vgl. die Kritik bei Baird, 108 Yale L. J. 573, 593 („For the traditionalists, this process is itself one of the great virtues of bankruptcy law. When things work well, the participants have a chance to be heard, come to understand the realities of the debtor’s situation, and leave believing they have been treated fairly. The judge has sufficient discretion to ensure that the outcome incorporates not only the legal rules, but also the richly textured complications that each case presents. Proceduralists think this view of bankruptcy is hopelessly sentimental.“). 728 Skeel, 130 Yale L. J. 366 ff. (2020). 729 Z. B. die Verhandlungen, die Informationsversorgung, die Gläubigerversammlung, die Kontrolle der Gebühren, Gläubigerausschüsse, Unabhängigkeit der Geschäftsleiter, vgl. LoPucki, Law-Econ Research Paper No. 21 – 12, S. 17 ff. (2022). 730 Janger/Levitin, Yale L. J. Forum, 335, 337 (2020); jüngstes Beispiel ist der Beitrag von LoPucki, Law-Econ Research Paper No. 21 – 12, S. 17 ff. (2022). 731 Janger/Levitin, Yale L. J. Forum, 335, 337 (2020). 732 Baird, 15 J. Leg. Stud. 127 f. (1986). 733 Roe, 83 Colum. L. Rev. 527, 530 (1983).
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sollte die Schuldnerin – vereinfacht ausgedrückt735 – ihren Stakeholdern im Ergebnis jeweils Kaufoptionen für das Unternehmen zuteilen. Zunächst könnten die Anteilsinhaber ihre Option ausüben, indem sie alle vorrangigen Gläubiger befriedigen würden. Nähmen sie diese Option nicht wahr, könnten die Inhaber der in der Kapitalstruktur nachfolgenden Forderungen ihre Option ausüben, indem sie wiederum die ihnen gegenüber vorrangigen Gläubiger ablösen usw. Andere betonen die Vorzüge eines Auktionsverfahrens.736 Allerdings müsse bei solchen Auktionen gewährleistet sein, dass der Auktionator die richtigen Anreize habe737 und dass auch ausreichend viele Bieter am Prozess teilnehmen, was sich als schwierig erweisen könne.738 Eine Auktion – wie im Equity-Receivership-Verfahren – an der nur die Senior-Gläubiger teilnehmen, sei jedenfalls problematisch.739 Aus dieser marktorientierten Perspektive müssten RSA dann positiv bewertet werden, wenn sie den hypothetischen Verkaufsprozess vorantreiben. Dann können die Vorteile, welche Investorenvereinbarungen bei tatsächlichen Unternehmensveräußerungen mit sich bringen, durch RSA im Rahmen eines hypothetischen Verkaufs nutzbar gemacht werden. Sie müssten allerdings kritisch zu beurteilen sein, wenn sie Parteien vom Bieterprozess und vom Verhandlungsprozess ausschließen.
D. The Contractualists Sowohl Vertreter der Creditors‘-Bargain-Theorie als auch Vertreter der progressiven Schule verstehen das Insolvenzrecht als zwingendes Recht.740 Seit im Jahr 1992 eine Abhandlung von Rasmussen741 über die Privatisierung des Insolvenzrechts veröffentlicht worden ist, hat sich eine Debatte darüber entwickelt, ob die Parteien das Insolvenzregime, welches in der Krise (also ex post) gelten soll, vertraglich ex ante, z. B. in der Satzung des Unternehmens (so Rasmussen) oder bei der jeweiligen 734 Bebchuk, 101 Harv. L. Rev. 775, 785 – 788 (1988); das Modell wird bei Warren/Westbrook, 118 Harv. L. Rev. 1197, 1204 f. (2005) gut zusammengefasst. 735 Die folgende Darstellung orientiert sich an der vereinfachten Darstellung bei Adler, 45 Stan. L. Rev. 311, 319. 736 Baird, 15 J. Leg. Stud. 127 ff., insbesondere z. B. 128 (1986) („An actual sale eliminates the potential distortions from a fictive valuation of a firm“); Baird, 36 J. L. & Econ. 633 ff. insbesondere 634 f. (1993) („when large, publicly traded firms enter Chapter 11, they should be put on the auction block and sold to the highest bidder“) („auctions of publicly traded firms should take place as a matter of routine shortly after the filing of a bankruptcy petition“). 737 Vgl. Baird, 36 J. L. & Econ. 633, 644 ff. (1993). 738 Vgl. Baird, 36 J. L. & Econ. 633, 652 f. (1993). 739 Vgl. Baird, 36 J. L. & Econ. 633, 652 f. (1993). 740 Jackson, Bankruptcy Law, S. 12 f. („compulsory proceeding“); Warren/Westbrook, 118 Harv. L. Rev. 1197, 1199 (2005) („Bankruptcy law, as currently formulated, is a mandatory system“); Kritik bei Rasmussen, 71 Tex. L. Rev. 51, 53 und passim (1992). 741 Rasmussen, 71 Tex. L. Rev. 51 ff. (1992); später hat Rasmussen seinen Vorschlag verteidigt und mit weiteren Argumenten hinterlegt: Rasmussen, 72 Wash. U. L. Q. 1159 ff. (1994).
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Kreditvergabe (so z. B. Schwartz) ausgestalten können.742 Anhänger eines vertraglichen Ansatzes werden mitunter als Contractualists bezeichnet.743 Der Theorie liegt die Annahme zugrunde, dass Privatautonomie zu größerer Effizienz führe.744 Rasmussen hat die Creditors’ Bargain Theorie und die progressive Schule kritisiert, weil beide Ansätze nur vom Ende her denken würden.745 Die Creditors’Bargain-Theorie gehe davon aus, dass die Gläubiger, die einen Kredit an die Schuldnerin ausgeben würden, erst im Anschluss an die Kreditvergabe – wenn ihre Forderungen schon entstanden und die Rechtspositionen schon definiert seien – hypothetisch miteinander ein Insolvenzrechtsregime vereinbaren würden.746 Es werde nicht berücksichtigt, dass die Gläubiger das geltende Insolvenzrecht im Grundsatz schon vor der Kreditvergabe kennen und ihren Kreditvertrag dementsprechend gestalten würden.747 Auch die progressive Schule, welche in der Insolvenz verschiedene Werte gegeneinander abwägt, wird kritisiert, weil sie nur das Ende der Vertragsbeziehung berücksichtige.748 Es gebe aber einen Zusammenhang zwischen dem Insolvenz-Regime (Behandlung der Gläubiger in der Krise) und der Entscheidung der Gläubiger, mit der Schuldnerin zu kontrahieren.749 Wenn das Insolvenzrecht für einen Gläubiger erkennbar ungünstig ist, etwa weil es zu Umverteilungen von einem gesicherten zu einem ungesicherten Gläubiger kommen kann, werde der entsprechende Gläubiger dies einpreisen und für sein Risiko einen höheren 742 Vgl. z. B. Schwartz, 109 Yale L. J. 343 (1999); Schwarcz, 77 Tex. L. Rev. 515 ff. (1999); aus neuerer Zeit zu vertraglichen Ansätzen: Skeel/Triantis, 166 U. Pa. L. Rev. 1777 ff. (2018); Skeel, Faculty Scholarship at Penn Law 2308, S. 5, 7 ff. (2021) („In current practice, the key question is how to make sense of the contracts that now govern the Chapter 11 process.“) und passim; kritisch Warren/Westbrook, 118 Harv. L. Rev. 1197 ff. (2005); Warren, 102 Yale L. J. 437 ff. (1992); Block-Lieb, 2001 U. Ill. L. Rev. 503, 504 ff. (2001); LoPucki, 109 Yale L. J. 317 ff. (1999). 743 Zu dieser Bezeichnung: Warren/Westbrook, 118 Harv. L. Rev. 1197, 1199 (2005). 744 Beschreibend: Warren/Westbrook, 118 Harv. L. Rev. 1197, 1207 (2005) („[A]mong these approaches, common to all is the belief that private choice of bankruptcy systems yields greater efficiency.“). 745 Rasmussen, 71 Tex. L. Rev. 51, 60 (1992) („By failing to begin the inquiry with the initial lending decision, bankruptcy scholars fundamentally misconstrue the law of corporate reorganizations.“). 746 Rasmussen, 71 Tex. L. Rev. 51, 59 (1992) („This theory assumes that the creditors first extend credit to the firm and thus obtain their nonbankruptcy-law collection rights, and then they craft a bankruptcy regime among themselves based on these rights.“). 747 Rasmussen, 71 Tex. L. Rev. 51, 59 (1992) („This heuristic ignores the fact that the current bankruptcy regime is known by all parties when creditors extend credit to the firm in the first instance“). 748 Rasmussen, 71 Tex. L. Rev. 51, 59 f. (1992); vgl. später allerdings z. B. Warren/ Westbrook, 118 Harv. L. Rev. 1197, 1200 (2005) („The bankruptcy system also has powerful nonbankruptcy effects, setting the framework for negotiations with a troubled debtor as each party negotiates with a sharp eye on what the party’s rights will be if the debtor files for bankruptcy. Even the initial lending decision or the structure of the deal may be shaped in part by the rules that will apply if one party should find itself in bankruptcy.“). 749 Rasmussen, 71 Tex. L. Rev. 51, 56 ff. (1992).
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Zinssatz verlangen.750 Wenn dieser Zusammenhang in die Betrachtung eingehe, sei klar, dass die Ausgestaltung des Insolvenz-Regimes aus der Ex-ante-Perspektive überhaupt zu keinen Umverteilungen führen wird, auf die sich die Gläubiger nicht einstellen könnten.751 Umverteilungen in der Insolvenz müssten allerdings von der Schuldnerin und letztlich von den Anteilsinhabern durch teurere Kapitalkosten bezahlt werden.752 Dieser Mechanismus wird insgesamt als Argument dafür herangezogen, dass das Insolvenzrecht nur eine implizite Klausel in einem Kreditvertrag des Gläubigers mit der Schuldnerin sei753 und daher insgesamt disponibel sein sollte.754 Eine Ausnahme wird nur für die unfreiwilligen Gläubiger gemacht, die durch zwingende Schutzvorschriften zu schützen seien.755 Contractualists würden RSA im Grundsatz begrüßen.756 RSA sind Verträge, mit denen das Restrukturierungsverfahren optimiert und beschleunigt wird. Allerdings würden die Contractualists Bedenken gegen RSA hegen, wenn diese Vereinbarungen gegen andere, zeitlich noch früher geschlossene Verträge, also Ex-ante-Verträge, verstoßen würden.757 Vorteile von ex ante geschlossenen Verträgen sind, dass die Parteien sich auf ihr Investment verlassen könnten, dass Risiken effizient verteilt und dass die richtigen Anreize gesetzt würden.758 Sie geben zusätzlich einen Anreiz, in die vertragliche Beziehung zu investieren, insbesondere wenn klar ist, dass die ausgehandelten Vorteile in der Krise auch Bestand haben.759 Nachverhandlungen in der Krise könnten diese Vorteile untergraben.760 Während nach der Creditors’Bargain-Theorie Eingriffe in vorinsolvenzliche Rechtspositionen gerechtfertigt sind, 750 Rasmussen, 71 Tex. L. Rev. 51, 57 (1992) („If the bankruptcy laws redistribute the remaining assets of the firm to other creditors or to shareholders, this distribution scheme lowers the amount of the payments that the lender would otherwise receive. The lender will compensate for this decrease in expected payments by raising the interest rate that it charges the firm.“). 751 Rasmussen, 71 Tex. L. Rev. 51, 57 (1992). 752 Vgl. Rasmussen, 71 Tex. L. Rev. 51, 64 f. (1992). 753 Rasmussen, 71 Tex. L. Rev. 51, 58 (1992) („Once the link between the extant bankruptcy regime and a creditor’s initial lending decision is established, it becomes readily apparent that bankruptcy law is a term of the contract between a firm and each of its creditors.“). 754 Rasmussen, 71 Tex. L. Rev. 51. 61 (1992) („The realization that bankruptcy is part of the initial contract a creditor makes with the firm calls into question the assumed mandatory availability of Chapter 11.“); S. 67 („It is thus clear that as far as those who choose to deal with a firm are concerned, the law of corporate reorganization should be a default rule.“). 755 Rasmussen, 71 Tex. L. Rev. 51, 67 (1992). 756 Im Ergebnis Skeel, 130 Yale L. J. 366 ff. (2020). 757 Grundlegend: Skeel/Triantis, 166 U. Pa. L. Rev. 1777 ff. (2018). 758 Skeel/Triantis, 166 U. Pa. L. Rev. 1777, 1782 (2018). 759 Skeel, Faculty Scholarship at Penn Law. 2308, S. 16 (2021); Skeel/Triantis, 166 U. Pa. L. Rev. 1777, 1782 (2018). 760 Vgl. Skeel/Triantis, 166 U. Pa. L. Rev. 1777, 1782 f. (2018) („Our focus here (…) is (…) the dangers of ex post renegotiation (…) [It] may (…) be inefficient if it undermines the benefits of the ex ante entitlements. In other words, it may well be in their ex ante interests to preclude the possibility of renegotiation.“).
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wenn hierdurch die Masse insgesamt vergrößert werden kann,761 würden die Contractualists hingegen wohl eher am ex ante ausgehandelten Vertrag festhalten, um die Effizienzvorteile und Anreize, die ex ante verfolgt wurden, nicht einbüßen zu müssen.762 Fraglich ist also vor allem, ob RSA mit den Junior-Gläubigern gegen zuvor geschlossene Intercreditor Agreements verstoßen. Unter diesem Gesichtspunkt kämpfen RSA an einer anderen Front. In einer Skizze kann dies wie folgt veranschaulicht werden:
E. Secured Creditor in Possession? Schließlich ist noch auf den Ansatz zum Secured Creditor in Possession763 einzugehen.764 Von einem Secured Creditor in Possession wird gesprochen, wenn die gesicherten Gläubiger das Restrukturierungsverfahren maßgeblich beeinflussen können.765 Auf einige Vor- und Nachteile zum Einfluss von gesicherten Gläubigern wurde bereits oben hingewiesen.766 Diese Lage dürfte automatisch entstehen, wenn insolvenzbezogene Verträge in großem Umfang anerkennt werden. Hierzu zählen die Bestellung von Kreditsicherheiten, Intercreditor Agreements767, RSA768, Zwischenfinanzierungsverträge (DIP-Loans769) und Vereinbarungen über Gelder, die für 761
Vgl. oben bei Fn. 720. Z. B. Skeel, 130 Yale L. J. 366, 404 f. (2020). 763 Warren/Westbrook, Am. Bankr. Inst. J. 2003 (22 – Sep), S. 12. 764 Rechtsvergleichend zum Konzept der „Secured Creditor Control“: Paterson, Corporate Reorganization, S. 109 ff. 765 Vgl. Eidenmüller, ZHR 175 (2011), 11, 19 („Die secured party in possession (SPIP) steuert das Verfahren.“). 766 Vgl. oben bei Fn. 366 ff. 767 Dazu Morrison, 2015 U. Ill. L. Rev. 721, 726 ff. (2015). 768 Vgl. dazu die Nachweise in Fn. 6. 769 Skeel, 152 U. Pa. L. Rev. 917, 923 ff. (2003); Ayotte/Ellias, 39 Yale Journal on Regulation, S. 1 ff. (2022). 762
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die Veräußerungen von zur Sicherheit übertragenen Gegenständen eingenommen werden (Cash-Collateral-Vereinbarungen770). Die Verhandlungspositionen der Junior-Gläubiger und der Schuldnerin werden hierdurch eingeschränkt.771 Teilweise haben die gesicherten Gläubiger aufgrund ihrer Kreditverträge auch die Möglichkeit, faktisch einen Chief Restructuring Officer ihrer Wahl bestellen zu lassen.772 Das Konzept vom Secured Creditor in Control ist im weiteren Sinne eine Weiterentwicklung des Konzepts der Contractualists. Das englische Recht nähert sich diesem Konzept teilweise an (vgl. dazu oben).773 Auch in den USA hat sich das System durch die angesprochenen Techniken hin zum Secured Creditor in Possession entwickelt.774 Die Entwicklung wurde hier von Kritikern als neue Form von „Rent-a-Court“ zugunsten der Senior-Gläubiger tituliert.775 Das Konzept unterscheidet sich vom traditionellen Konzept der Eigenverwaltung, welches der Schuldnerin große Verhandlungsspielräume zuteilt,776 und vom Konzept der kollektiven Gläubigerautonomie777, welches den ungesicherten Gläubigern über den Einfluss in der Gläubigerversammlung maßgeblichen Einfluss gewährt.778 Das Konzept der InsO ist davon 770 Vgl. Ayotte/Morrison, 1 J. Legal Analysis 511, 523 (2009); diese sind in gewisser Hinsicht vergleichbar mit Vereinbarungen nach § 54 Abs. 2 StaRUG. 771 Vgl. zur Kontrolle durch die gesicherten Gläubiger: Skeel, 152 U. Pa. L. Rev. 917 ff. (2003); Ayotte/Morrison, 1 J. Leg. Anal. 511 ff. (2009); Westbrook, 2015 U. Ill. L. Rev. 831 (2015); jüngst: Ayotte/Ellias, 39 Yale Journal on Regulation, S. 1, 9 ff. (2022); Westbrook, 37 Emory Bankr. Dev. J. 551 ff. (2021); zur Entwicklung in den USA und in England: Paterson, Corporate Reorganization, S. 119 ff.; zu einer Studie zur Kontrolle durch die gesicherten Gläubiger in England: Armour/Hsu/Walters, 8 Rev. o. Law and Econ. 101 ff. (2012); Paulus meint, dass das StaRUG nur auf den ersten Blick ein schuldnerzentriertes Verfahren darstellt, Paulus, NZI-Beilage 2021, 9 ff. 772 Korch, ZHR 182 (2018), 440, 465; Baird/Rasmussen, 154 U. Pa. L. Rev. 1209, 1233 f. (2006). 773 Zur Entwicklung und Einordnung in England: Paterson, Corporate Reorganization, S. 124 ff. 774 Korch, ZHR 182 (2018), 440, 463 ff.; zur Entwicklung auch Korch, 34 Emory Bankr. Dev. J. 411, 418 ff. (2018); Baird/Rasmussen, 55 Stan. L. Rev. 751 ff. (2002); Ayotte/Morrison, 1 J. Leg. Anal. 511 ff. (2009); Überblick bei Parzinger, Fortführungsfinanzierung, S. 118 ff.; sehr kritisch: Warren/Westbrook, Am. Bankr. Inst. J. 2003 (22 – Sep), passim; Westbrook, 2015 U. Ill. L. Rev. S. 831 ff. (2015). 775 Warren/Westbrook, Am. Bankr. Inst. J. 2003 (22 – Sep). 776 Vgl. Eidenmüller, ZHR 175 (2011), 11, 19 f. 777 Ausführlich: Hänel, Gläubigerautonomie, 35 ff., S. 119 ff., insbesondere 136 ff. 778 Durch den Enterprise Act 2002 hat sich England diesem System etwas angenähert, indem das das administrative Receivership-Verfahren abgeschafft wurde und der Administrator seine Vorschläge im Grundsatz der Gläubigerversammlung vorlegen muss, vgl. ausführlich: Armour/Mokal, ESRC-Working Paper, No. 289, S. 1 ff., insbesondere S. 9 ff.; Die Reformen brachten allerdings keinen wirklichen „Shift of Control“, vgl.: Paterson, Corporate Reorganization, S. 127 m. w. N. Insbesondere durch die Praxis der Pre-Pack-Administrations wird das System wieder relativiert, weil hier z. B. keine Abstimmung der Gläubigerversammlung notwendig ist: vgl. Bothe, Pre-Packaged Deals, S. 138 ff. mit Auswertung englischer Rspr.; vgl. auch Payne, Schemes of Arrangement, 2. Aufl. S. 288 („Unsecured creditors may be presented
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geprägt, die maßgeblichen Entscheidungen in die Hände der Gläubigergemeinschaft zu legen.779 Der Secured Creditor in Possession möchte in der Restrukturierung nicht nach der bestmöglichen Lösung suchen, sondern seine Vorstellungen gegenüber den übrigen Parteien durchsetzen; weil er von Wertsteigerungen des Unternehmens weniger profitiert, präferiert er schnelle Lösungen.780 Das Modell wird kritisiert, weil es kleinere Gläubiger diskriminiert.781 Wenn ein Rechtssystem das Konzept des Secured Creditor in Possession zulässt, würde es RSA zwischen der Schuldnerin und den Senior-Gläubigern begrüßen, während es RSA misstrauen würde, welche die Schuldnerin mit Junior-Gläubigern gegen den Willen der Senior-Gläubiger vereinbart.
F. New Bargaining Theory Die New Bargaining Theory782 vertritt, dass es der maßgebliche Zweck des Chapter 11-Verfahrens sei, Verhandlungen zwischen den Parteien in der Krise selbst, also ex post, zu ermöglichen.783 Es gehe darum, das Problem unvollständiger Verträge zu lösen.784 Weil es aufgrund zahlreicher Unsicherheiten für die Beteiligten faktisch unmöglich sei, in ihren Verträgen ex ante die optimale Lösung für eine Krise zu regeln, stelle das Recht ein Rahmenwerk zur Verfügung, nach welchem die Beteiligten in der Krise – ex post – eine optimale Antwort hierauf finden können.785 Diese Ansicht grenzt sich von der Creditors’-Bargain-Theorie ab, indem sie von vorneherein nicht auf einen hypothetischen Ex-ante-Vertrag zwischen den Beteiligten abstellt: Auch wenn alle Kollektivhandlungsprobleme der Gläubiger untereinander aufgehoben würden, könnten die Gläubiger ex ante keinen vollständigen, das Insolvenzverfahren obsolet machenden Vertrag schreiben, weil die zahlreichen in der Krise auftretenden Probleme nie vollständig vorhersehbar seien.786 Die Creditors’-Bargain-Theorie suggeriere, dass die Probleme in der Krise dadurch behoben werden könnten, dass das Kollektivhandlungsproblem gelöst werde und die Parteien dann ex ante einen Vertrag schließen könnten.787 Das Problem liege aber darin, dass die Beziehungen der Parteien stets durch unvollständige Verträge zuwith a done deal, only being informed of the pre-pack when the sale is complete. Pre-packs may therefore be biased towards the interests of secured creditors […].“). 779 Smid, InVo 2000, 1, 2. 780 Modellhaft aufbereitet bei: Ayotte/Ellias, 39 Yale Journal on Regulation, S. 1, 19 ff. (2022). 781 Korch, ZHR 218 (2018), 440, 466. 782 Casey, 120 Colum. L. Rev. 1709, 1715 f., 1732 ff. (2020). 783 Casey, 120 Colum. L. Rev. 1709 f. (2020). 784 Casey, 120 Colum. L. Rev. 1709 (2020). 785 Vgl. Casey, 120 Colum. L. Rev. 1709, 1716, 1732 f. (2020). 786 Vgl. Casey, 120 Colum. L. Rev. 1709, 1742 f. (2020). 787 Casey, 120 Colum. L. Rev. 1709, 1729 (2020).
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einander geregelt sind, welche in der Krise zu Blockademöglichkeiten führen würden.788 Dieses Problem, das über das Kollektivhandlungsproblem hinausgehe, solle dadurch behoben werden, dass das Gesetz ein Verfahren bereitstellen sollte, in dem die Beziehungen der Parteien strukturiert in der Krise – ex post – nachverhandelt werden können.789 Nach der New Bargaining Theory ist der Zweck des Insolvenzrechts, Vermögensverluste zu verhindern, welche in der Krise durch unvollständige Verträge hervorgerufen werden können.790 Die Wahrung der vorinsolvenzlichen Rechte an sich ist kein zentraler Aspekt dieser Theorie.791 Aufgabe des Gesetzes sei es, Blockadepositionen der Parteien entgegenzuwirken, die durch unvollständige Vertragsbeziehungen entstünden.792 Unvollständig seien Vertragsbeziehungen dann, wenn ein Vertrag einer Partei ein Verhalten, welches dazu führen würde, dass Werte in der Insolvenz vernichtet werden, nicht verbieten würde.793 In einer solchen Situation komme es entscheidend auf Verhandlungen in der Krise selbst an.794 Das Chapter 11-Verfahren schaffe materielle und prozessuale Rahmenbedingungen und begrenze Blockademöglichkeiten, um die Parteien bei Ex-post-Verhandlungen zu einem optimalen Verhandlungsergebnis zu führen.795 Das Chapter 11-Verfahren ist konzipiert, um Ex-post-Verhandlungen und Vereinbarungen zu ermöglichen.796 Es konsolidiert die Verhandlungsmacht der Parteien, gruppiert Gläubiger und verneint Verhandlungspositionen, die ineffizient sind oder Blockaden verursachen können.797 Schließlich unterwirft es die Verhandlungsmanöver und Bewertungen der Kontrolle des Gerichts, um weitere strategische Verhandlungsrisiken zu minimieren.798 Diese Theorie dürfte RSA als Mittel der Ex-post-Verhandlungen so lange anerkennen, wie die Verhandlungen durch RSA unterstützt werden. Wenn RSA hingegen genutzt werden, um die Restrukturierungsverhandlung ex post zu unterdrücken, dürften sie kritisch zu beurteilen sein.
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Vgl. Casey, 120 Colum. L. Rev. 1709, 1734 f. (2020). Casey, 120 Colum. L. Rev. 1709, 1733 (2020). 790 Vgl. Casey, 120 Colum. L. Rev. 1709, 1732 f. (2020) („The New Bargaining Theory provides that bankruptcy law’s purpose is to minimize the value destroyed by the incomplete contracting problem that parties face with regard to financial distress.“). 791 Vgl. Casey, 120 Colum. L. Rev. 1709, 1747 (2020) („[N]othing about the New Bargaining Theory requires special deference to nonbankruptcy rights.“). 792 Casey, 120 Colum. L. Rev. 1709, 1735 (2020). 793 Casey, 120 Colum. L. Rev. 1709, 1735 (2020). 794 Casey, 120 Colum. L. Rev. 1709, 1716 (2020). 795 Casey, 120 Colum. L. Rev. 1709, 1752 (2020). 796 Skeel, Faculty Scholarship at Penn Law 2308, S. 7 (2021). 797 Casey, 120 Colum. L. Rev. 1709, 1752 (2020). 798 Casey, 120 Colum. L. Rev. 1709, 1752 (2020). 789
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G. Restrukturierung als Entdeckungsverfahren Die Regierungsbegründung zur InsO sieht das Insolvenzplanverfahren als einen Suchprozess der Beteiligten nach der bestmöglichen Verwertung des schuldnerischen Vermögens an: „Der Entwurf soll den Wettbewerb um die beste Art der Masseverwertung und damit die Funktion des Insolvenzverfahrens als eines ,Entdeckungsverfahrens‘ stärken“.799 Die optimale Verwertungsentscheidung soll im Verhandlungsprozess entdeckt werden.800 Ein Insolvenzplan wird durch privatautonome Verhandlungen und Austauschprozesse legitimiert.801 Nach Balz können nur privatautonome Austauschvorgänge zur Auffindung und Durchsetzung des marktwirtschaftlich richtigen Ziels führen.802 Das Insolvenzplanverfahren stelle insgesamt einen Rechtsrahmen für solche Verhandlungen der privaten Beteiligten dar.803 Hierdurch soll die Marktkonformität des Insolvenzplanverfahrens sichergestellt werden.804 Nach der Regierungsbegründung zur InsO sollte der Suchprozess unter anderem durch breit gefächerte Planinitiativrechte auch für einzelne Gläubigergruppen stimuliert werden.805 Der Rechtsausschuss hat diese breiten Planinitiativrechte aber fallengelassen, um praktische Schwierigkeiten zu vermeiden.806 In der Literatur wurde die Streichung des breiten Planinitiativrechts als Vergröberung oder Reduktion des ursprünglichen Konzepts, nicht aber als völlige Aufgabe desselben gesehen.807 Heute zählt zum Suchprozess vor allem, dass ein Restrukturierungsplan zwischen den Beteiligten im Schatten des Rechts (in the shadow of the law) ver-
799 RegE-InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 92; vgl. dazu die Analyse von Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 62 ff.; Eidenmüller, Jahrbuch für neue politische Ökonomie, Bd. 15, S. 164, 173 ff.; Hänel, Gläubigerautonomie, S. 107 ff.; vgl. auch Balz, in: Kölner Schrift zur InsO, S. 3, 14; Balz/Landfermann, Die neuen Insolvenzgesetze, Einleitung, S. XLIV f. 800 RegE-InsO, BT-Drucks. 12/2443 S. 76; dazu auch Balz, in: Kölner Schrift zur InsO, S. 3, 5 (Rn. 7). 801 RegE-InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 78. 802 Balz, ZIP 1988, 1438, 1439. 803 Balz, ZIP 1988, 273, 292. 804 RegE-InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 77 ff., insbesondere 78. 805 RegE-InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 92; Hänel, Gläubigerautonomie, S. 107 ff.; Eidenmüller, Jahrbuch für neue politische Ökonomie, Bd. 15, S. 164, 173 ff.; Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 62 f. 806 Rechtsausschuss, BT-Drucks. 12/7302, S. 181; kritisch: Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 62 ff. 807 Balz/Landfermann, Die neuen Insolvenzgesetze, Einleitung XLIV; kritischer: Hänel, Gläubigerautonomie, S. 120 ff. (Diagnose von Balz sei zurückhaltend); Eidenmüller, Jahrbuch für neue politische Ökonomie, Bd. 15, S. 164, 175 spricht von erheblicher Reduktion des Architektenwettbewerbs; Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 66; Balz, Kölner Schrift zur InsO, S. 13 f. (Rn. 38, 40).
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handelt wird.808 Nach der Planinitiative wird der Plan spätestens im Erörterungstermin erläutert und diskutiert, wobei nach §§ 235, 240 InsO weitere Änderungen am Plan vorgenommen werden können.809 Das ursprünglich vorgesehene breite Planinitiativrecht setzt sich im Erörterungstermin und der Möglichkeit fort, den Plan danach noch zu ändern.810 Gerade deshalb liegt auf den Verhandlungen ein besonderes Gewicht. Dieses Gewicht wird durch die ursprüngliche Konzeption des Insolvenzplanverfahrens verstärkt: Auch eine Minderheit soll sich mit wirtschaftlich sinnvollen Plänen Gehör verschaffen können und diesen ggf. auch durchsetzen811. Schließlich kann man auch argumentieren, dass die im Gesetz vorgesehenen Minderheitsrechte für die Beteiligten des Suchprozesses eine disziplinierende Wirkung entfalten812 und einen Anreiz setzen, diese Minderheiten und deren Ansichten ebenfalls in den Planverhandlungen zu berücksichtigen. Wenn man dem Konzept folgt, dass die Restrukturierung einen Suchprozess und einen Architektenwettbewerb um den besten Plan in Gang setzen soll, sind RSA kritisch zu sehen, wenn sie diesen Wettbewerb verhindern und schon vor dem Start des Suchprozesses eine bestimmte Lösung fixieren. Wenn sie hingegen genutzt werden, um Ergebnisse, die in einem Suchprozess gefunden wurden, rechtssicher zur Planannahme zu verhelfen, dürften sie weniger kritisch sein.
H. StaRUG-Verfahren? Welcher Idee sich das StaRUG-Verfahren am meisten annähert, ist noch nicht geklärt. Es setzt allerdings ein auf Verhandlungen fußendes Vertragshilfemodell um [dazu unter I.]. Dies spricht dafür, dass grundsätzlich auch eine vertragliche Organisation des Verfahrens mittels RSA möglich ist. Darüber hinaus bietet das Gesetz viele Anknüpfungspunkte, das Recht in die eine oder in die andere Richtung zu entwickeln. Einmal ist danach zu differenzieren, ob die Rettung des Unternehmens oder die Gläubigerbefriedigung im Vordergrund stehen [dazu unter II.]. Die Zielsetzung entscheidet auch, mit welchen Gründen der Abschluss eines RSA möglicherweise gerechtfertigt werden kann. Daneben ist zu differenzieren, ob die Ex-postVerhandlungen oder die ex ante vereinbarten Deals mehr Gewicht haben sollen [dazu unter III.]. Hier entscheidet sich, inwiefern die Finanzierungsverträge dem Abschluss eines RSA entgegenstehen. 808 Vgl. zum Konzept des „Bargaining in the Shadow of Chapter 11“: Baird, 91 Am. Bankr. L. Rev. 593, 608 ff. (2017); vgl. im Zusammenhang mit dem StaRUG: Klöhn/Franke, ZeuP 2022, 44, 80. 809 Vgl. zur Bedeutung dieser Vorgaben: Hänel, Gläubigerautonomie, S. 117. 810 Hänel, Gläubigerautonomie, S. 117. 811 Vgl. Hänel, Gläubigerautonomie, S. 114 f., 117; Herweg, Obstruktionsverbot, S. 193 f.; vgl. auch Balz, Kölner Schrift zur InsO, S. 14 f. 812 Vgl. dazu, dass Minderheitenrechte eine disziplinierende Wirkung entfalten (speziell zum Gesellschaftsrecht): Habersack, ZHR 164 (2000), 1, 17.
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I. StaRUG als Vertragshilfe Das StaRUG nähert sich, so wie es ausgestaltet ist, einem Vertragshilfemodell813 an. Anders als frühere – ebenfalls als Vertragshilfe bezeichnete – Verfahren in Deutschland815 liegt der Fokus im StaRUG nicht darin, dem Richter Macht und Ermessen zur inhaltlichen Gestaltung der Beziehung der Planbetroffenen zu geben.816 Das StaRUG-Modell beruht auf Verhandlungen, einem mehrheitlich von den Planbetroffenen angenommenen Plan und der anschließenden gerichtlichen Bestätigung dieses Plans.817 814
Das StaRUG soll es dem Unternehmen grundsätzlich ermöglichen, die Verhandlungen zu dem Plan selbst zu führen und den Plan selbst zur Abstimmung zu stellen.818 Hierbei sollten für die außergerichtliche, vertragliche Restrukturierung Werkzeuge angeboten werden, um auf rechtssicherer Basis einen Sanierungsvertrag mit den betroffenen Gläubigern zu schließen.819 Das Vertragshilfemodell baut – wie gesagt – auf außergerichtlichen Verhandlungen zwischen den betroffenen Beteiligten auf.820 Die Verhandlungen finden nicht mehr unter der Obhut des Gerichts statt.821 Deshalb werden in diesem Modell rechtspolitisch hohe Mehrheiten, auch für einen gruppenübergreifenden Cramdown, gefordert.822 Madaus hat darauf hingewiesen, dass Parteien, in deren Rechte eingegriffen werden soll, an den Verhandlungstisch gebeten werden müssen.823 Dort würden Ideen gesammelt und Informationen aggregiert, um einen Restrukturierungsgewinn zu erzielen.824 813
Dazu Madaus, DB 2019, 592, 594 f. Vgl. Ganter, FS Smid, S. 717, 728. 815 Überblick bei Madaus, Der Insolvenzplan, S. 77 ff.; die Vertragshilfemodelle von 1939 (Kriegsausgleichsverfahren und Vertragshilfeverordnung) waren nicht von privatautonomen, vertraglicher Legitimation, sondern von richterlicher Legitimation geprägt (S. 77); später wurde das Vertragshilfemodell so beurteilt, dass es private als auch richterliche Elemente enthält, wobei die richterlichen Elemente überwogen [vgl. Madaus, S. 82, 328 mit Verweis auf Bötticher, ZZP 86 (1973), 373, 388 ff.]. 816 Der Begriff „Vertragshilfe“ sei für die in Fn. 815 bezeichneten Verfahren eher irreführend: Madaus, Der Insolvenzplan, S. 79. 817 So Madaus, DB 2019, 592, 594 f.; hier wird nach Madaus ein bestehender Kontrahierungszwang gegenüber dissentierenden Planbetroffenen festgestellt und durch die Fiktion der Abgabe einer Willenserklärung bei Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses durchgesetzt (Madaus, Der Insolvenzplan, S. 276 ff., 314 f.). 818 RegE-SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 1. 819 Ganter, FS Smid, S. 717, 730. 820 Vgl. Madaus, DB 2019, 592, 594 (1. Phase). 821 Kritisch dazu, weil mit dem staatlich überwachten Verhandlungsprozess eine Legitimationsgrundlage für den Plan entfalle: Ganter, FS Smid, S. 717, 732 ff. 822 Madaus, DB 2019, 592, 595; kritisch zum Mehrheitserfordernis als ausreichende Legitimationsgrundlage: Ganter, FS Smid, S. 717, 734 f. 823 Madaus, Research Handbook, S. 185, 191 (speziell für Anteilsinhaber: „As soon as a plan proposal includes a modification of shareholder rights, shareholders must be able to participate directly in negotiations as well as in the voting process […]“.). 814
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Die Bedeutung des Verfahrens und die gerichtliche Bestätigungsentscheidung dürfen allerdings auch bei diesem Modell nicht vernachlässigt werden.825 Zutreffend wurde dem StaRUG deshalb eine hybride Rechtsnatur mit vertraglicher Färbung aber verfahrensrechtlicher Prägung zugesprochen.826 II. Vermögensmaximierung oder Rettung des Unternehmens In der bisherigen Diskussion zur deutschen Insolvenzordnung und zur RRL wird und wurde die Sanierung und die Rettung des Unternehmens als eigenständiges Verfahrensziel als ein Verstoß gegen Marktgesetze abgelehnt827 und entsprechende Formulierungen in der RRL828 bzw. in ihren Entwürfen wurden kritisiert.829 Die Regierungsbegründung zum SanInsFoG betont, dass das Gesetz keine Ausrichtung des Insolvenzrechts auf den Erhalt von Unternehmen bewirken soll.830 Die Sanierung bleibe ein Instrument zur Verwirklichung der auf die Befriedigung der Gläubiger gerichteten Ziele des Insolvenzrechts.831 Auf Ebene der RRL lassen sich allerdings durchaus Formulierungen finden, welche die progressiven Ideen stärker betonen.832 Es gehe der RRL nicht um die bestmögliche Gläubigerbefriedigung, sondern um den Schutz der Schuldnerin und um die Sicherung ihrer Bestandsfähigkeit.833 Der Restrukturierungsplan könnte nach einigen Formulierungen aus der RRL auch bezwecken, „die Insolvenz des Schuldners zu vermeiden und die Bestandsfähigkeit des Unternehmens zu sichern.“834 Obwohl der deutsche Gesetzgeber dem marktwirtschaftlichen Modell 824
Vgl. Madaus, Research Handbook, S. 185, 191 („The intrinsic value of hearing the voice of a minority stakeholder group (…) comes from aggregating their private information and is able to, possibly, strengthen the decision-making process.“); ähnlich schon: Madaus, Der Insolvenzplan, S. 508 ff. (Nutzung der Weisheit der Vielen). 825 Skauradszun, KTS 2021, 1, 35 f. 826 Skauradszun, KTS 2021, 1, 30 ff. mit Ergebnis auf S. 36. 827 Korch, ZHR 182 (2018), 440; Freitag, ZIP 2019, 541, 543 f.; MüKoInsO/Ganter/Bruns, § 1 Rn. 43. 828 Überblick bei Skauradszun, KTS 2021, 1, 19 f. 829 Freitag, ZIP 2019, 541, 543 f. 830 RegE-SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 85 f. 831 RegE-SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 85. 832 Skauradszun, KTS 2021, 1, 35 f.; kritisch, mit Beispielen: Freitag, ZIP 2019, 541, 543 f.; kritisch noch zum Richtlinienentwurf Korch, ZHR 182 (2018), 440, 442 („Er verfolgt erkennbar das Ziel, möglichst viele Unternehmen und Arbeitsplätze zu erhalten und die Sanierung weitest möglich zu erleichtern. (…) Der Richtlinienvorschlag der Kommission lässt sich eindeutig den interventionistischen Ansätzen zuordnen.“). 833 Skauradszun, KTS 2021, 1, 19 f. 834 Saegon, FS Ebke, S. 903, 909 mit Verweis auf Art. 8 Abs. 1 lit. h) RRL; vgl. auch Morgen/Arends/Schierhorn, ZRI 2021, 305, 306; vgl. z. B. auch ErwG. 3, 4, 24, 70, und Art. 1 lit. a) RRL („Die Richtlinie enthält Vorschriften über (…) präventive Restrukturierungsrahmen, die Schuldnern in finanziellen Schwierigkeiten bei einer wahrscheinlichen Insolvenz zur
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offenbar treu bleiben will,835 gibt es auch im StaRUG Formulierungen, die progressive Ideen enthalten.836 Nach § 29 Abs. 1 StaRUG dient das StaRUG etwa dazu, die drohende Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens nachhaltig zu beseitigen. Teilweise wird erklärt, dass das StaRUG die Sanierung als Verfahrensziel ansieht837 und dass das Ziel im Vordergrund stehe, das Überleben des Unternehmens nachhaltig zu sichern.838 Allerdings wollte der Gesetzgeber mit dem StaRUG auch die Gläubigerinteressen verfolgen und die bestmögliche Gläubigerbefriedigung forcieren, weshalb es insgesamt wohl „Diener vieler Herren“ ist.839 Jedenfalls erscheint es nicht ausgeschlossen, RSA damit zu rechtfertigen, dass sie helfen, die Krise zu überwinden und die Schuldnerin zu retten. Mit ähnlichen Erwägungen werden z. T. auch Investorenvereinbarungen gerechtfertigt. Selbst wenn sie nicht den bestmöglichen Angebotspreis für die veräußerungswilligen Aktionäre sicherstellen, können sie dennoch im Unternehmensinteresse oder im Gesellschaftsinteresse an langfristiger Rentabilität liegen und gerechtfertigt sein.840 III. Durchsetzung von Ex-ante-Verträgen oder Verhandlungen ex post? Fraglich ist, ob im StaRUG-Verfahren die Ex-post-Perspektive (New-BargainingTheorie, Entdeckungsverfahren) oder die Ex-ante-Perspektive (Secured Creditor in Possession, Contractualists) im Vordergrund steht. Es gibt einige Anzeichen dafür, dass das StaRUG einen Schritt hin zum Konzept der Contractualists und des Secured Creditor in Possession geht. Erstens dürften die bisherigen gesicherten Gläubiger –
Verfügung stehen, um die Insolvenz abzuwenden und die Bestandsfähigkeit des Schuldners sicherzustellen“); Art. 4 Abs. 1 („Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Schuldner bei einer wahrscheinlichen Insolvenz Zugang zu einem präventiven Restrukturierungsrahmen haben, der es ihnen ermöglicht, sich zu restrukturieren, um eine Insolvenz abzuwenden und ihre Bestandsfähigkeit sicherzustellen, unbeschadet anderer Lösungen zur Abwendung einer Insolvenz, wodurch Arbeitsplätze geschützt werden und die Geschäftstätigkeit weitergeführt wird.“); Ries, FS Smid, S. 659, 660. 835 RegE-SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 85 f. 836 § 14 i. V. m. § 29 StaRUG, vgl. auch Thole, FS Reuter, S. 449 f. („Allerdings zielt der präventive Restrukturierungsrahmen darauf ab, die drohende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen und die Bestandsfähigkeit des Unternehmens wiederherzustellen.“). 837 Bork, ZRI 2021, 345 f. 838 Kritisch dazu: Ries, FS Smid, S. 659, 665, 669; kritisch auch Ganter, FS Smid, S. 735 („Die Überlebensfähigkeit dieser Unternehmen zu sichern, um in der vernetzten Wirtschaft Störungen zu vermeiden, den Arbeitsmarkt und die Sozialsysteme zu entlasten, ist wichtiger als die Belange der Gläubiger oder zumindest einzelner Gläubiger“), S. 736. 839 Skauradszun, KTS 2021, 1, 21 ff. 840 Vgl. dazu unten bei Fn. 2158 ff.
§ 3 RSA im Lichte verschiedener Insolvenzrechts-Theorien
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wie in den USA841 – in der Regel die wichtigsten Geldgeber für ein anstehendes Restrukturierungsverfahren sein. Die Schuldnerin hat im StaRUG-Verfahren keine Möglichkeit, sich zwischenzeitlich durch das Insolvenzgeld zu finanzieren.842 Die gesicherten Gläubiger können auch Ermächtigungen für die Einziehung von zur Sicherheit an sie abgetretene Forderungen widerrufen, ohne am Verbot von Lösungsklauseln (§ 44 StaRUG) zu scheitern, wenn der gesicherte Kredit fällig ist oder fällig gestellt werden kann.843 Auch Verarbeitungs- und Veräußerungsermächtigungen in Bezug auf Sicherungsgut können die Gläubiger widerrufen.844 Eine Verwertungssperre nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG hindert die Gläubiger hieran nicht.845 Zwar kann das Gericht anordnen, dass die Schuldnerin die Forderungen einziehen bzw. das Sicherungsgut verwerten darf (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG); hieraus folgt aber nicht, dass die Erlöse auch für die Betriebsfortführung verwendet werden dürfen.846 Der Einfluss der gesicherten Gläubiger wird sodann durch § 54 Abs. 2 StaRUG gestärkt, wonach über die Verwendung der Erlöse gesondert Absprachen mit den gesicherten Gläubigern zu treffen sind. Die Binnenfinanzierungskraft des Schuldners wird auf null reduziert und es wird ein erheblicher Neufinanzierungsbedarf begründet.847 Die Entscheidung über das „Ob“ und „Wie“ des weiteren Verfahrens hängt damit erheblich von der Vereinbarung mit den gesicherten Gläubigern ab.848 Es wurde auch auf die Notwendigkeit hingewiesen, für die Verhandlungsphase mit den Gläubigern Stillhaltevereinbarungen und ggf. Überbrückungsfinanzierungen zu schließen, wobei das Unternehmen dabei „stark vom Wohlwollen der Kreditgeber abhängig“ ist.849 Dennoch sprechen viele Gründe dafür, das StaRUG-Verfahren im Lichte der der New-Bargaining-Theorie bzw. des Verhandlungsmodells auszulegen. Die RRL schreibt dem Verhandlungsmodell eine erhebliche Bedeutung zu: Nach ErwG 10 sollten Restrukturierungen, insbesondere größere Restrukturierungen mit erheblichen Auswirkungen, auf der Grundlage eines Dialogs mit den Beteiligten erfolgen.850 Aus der Regierungsbegründung zum SanInsFoG lässt sich schließen, dass der Gesetzgeber am Verhandlungssystem der InsO auch für den präventiven Restrukturierungsrahmen (StaRUG) festhalten wollte. Der Regierungsentwurf sei eine Fort841 Levitin, 100 Tex. L. Rev. (2022), Manuskript, S. 13 („[T]he new lender is the same as the existing lienholder (…) [D]ebtors frequently need to rely on financing from existing lienholders […].“). 842 Vgl. RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 87. 843 Obermüller, FS Smid, S. 575, 582 f. 844 Obermüller, FS Smid, S. 575, 583 f. 845 Obermüller, FS Smid, S. 575, 583. 846 Obermüller, FS Smid, S. 575, 584. 847 Wilkens, WM 2021, 573, 582. 848 Wilkens, WM 2021, 573, 582. 849 Brandes/Rabenau, ZIP 2021, 2566, 2570 f. 850 RL (EU) 2019/1023, ErwG 10.
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Kap. 3: RSA im historischen, ökonomischen und konzeptionellen Kontext
entwicklung des geltenden Rechts.851 Der geltende Rechtsrahmen sollte nicht neu ausgerichtet werden.852 Die Verfahrenshilfen, welche das StaRUG bereitstellt, knüpften im Ausgangspunkt ebenfalls an privatautonome Verhandlungen zwischen den Beteiligten an.853 Die Verfahrenshilfen des StaRUG stellen Mechanismen zur Bewältigung kollektiver Handlungsprobleme, welche die Verhandlungen belasten oder zum Scheitern bringen können, zur Verfügung.854 Aus diesen Aussagen lässt sich ableiten, dass auch dem StaRUG-Verfahren ein „Verhandlungsmodell“ zugrunde liegt, das einen wesentlichen Teil des Suchprozesses darstellt. Dieses Konzept wird auch durch einen Anspruch auf Teilhabe an einer Restrukturierungsverhandlung in §§ 17 Abs. 3, 21 Abs. 1 StaRUG bestärkt. Folgt man diesem Konzept, muss herausgearbeitet werden, inwieweit dieses Konzept (Verhandlungsmodell in der Krise) rechtlich geschützt werden kann. Dies gilt insbesondere, wenn die Schlüsselgläubiger versuchen, die Restrukturierungsverhandlung mit den übrigen Stakeholdern zu überspringen und den übrigen Beteiligten ihre Vorstellung von der Sanierung qua Intercreditor Agreement, RSA, Überbrückungskredit, Stillhaltevereinbarung oder Waiver-Vereinbarung aufzuzwängen. IV. Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis kann festgehalten werden, dass das StaRUG-Verfahren im Grundsatz privatautonomen Vereinbarungen der Parteien zur Organisation der Restrukturierung offen gegenübersteht, solange der Suchprozess in der Restrukturierung hierdurch nicht verhindert wird. Sie dürften sogar zu begrüßen sein, wenn sie eingesetzt werden, um die Verhandlungen über die Restrukturierung voranzutreiben. Demnach sind auch RSA im Grundsatz mit dem Grundgedanken des StaRUG – Etablierung eines Vertragshilfemodells – kompatibel. Durch sie kann ein stabiles Verhandlungsumfeld geschaffen werden. Das StaRUG duldet auch einen gewissen gesteigerten Einfluss der Schlüsselgläubiger und bietet neben der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung auch weitere Argumente, mit denen ein RSA gerechtfertigt werden kann.
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RegE-SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 85. RegE-SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 85. RegE-SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 93. RegE-SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 93.
Kapitel 4
RSA im Konflikt zur Verfahrens- und Kompetenzordnung des AktG und des StaRUG In den vorangegangenen Kapiteln wurden die Grundlagen zur Einordnung von RSA gelegt. Es wurde argumentiert, dass das StaRUG durchaus offen für eine vertragliche, privatautonome Organisation der Restrukturierung ist. Der Restrukturierungsrahmen lässt solche Verträge konzeptionell zu. Nunmehr geht es um die Einzelheiten. Hier können dem Einsatz eines RSA eine Vielzahl einzelner Bestimmungen entgegenstehen oder Grenzen setzen. In diesem Kapitel wird zunächst untersucht, ob der Einsatz eines RSA gegen die Kompetenzordnung des Aktiengesetzes (§ 1) verstößt. Danach wird geprüft, ob die Schuldnerin das RSA nutzen kann, um Abtretungsverbote mit den Gläubigern und Vinkulierungen mit den Anteilsinhabern zu vereinbaren (§ 2). Im nächsten Unterkapitel werden Konflikte zwischen einem RSA und dem StaRUG erörtert (§ 3).855 Schließlich könnte ein RSA auch bestehende Finanzierungsverträge verletzen (§ 4).
§ 1 RSA im Konflikt mit den Vorgaben des Aktienrechts In England und in den USA werden RSA häufig schon vor der Anzeige der Restrukturierungssache bei Gericht abgeschlossen.856 Es liegt nahe, dass sich dieser Trend auch in Deutschland etabliert. Fraglich ist, ob aktienrechtliche Normen und Grundsätze dem Abschluss eines RSA im Wege stehen.
855 Aus Gründen der Übersichtlichkeit und des thematischen Zusammenhangs werden allerdings teilweise Vorgaben des StaRUG im Rahmen der aktienrechtlichen Grenzen und umgekehrt diskutiert. 856 Casey/Tung/Waldock, Draft Working Paper, S. 3 (2020) („Most, but not all, RSAs are executed prepetition.“).
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Kap. 4: RSA im Konflikt zur Verfahrens- und Kompetenzordnung
A. RSA als Beherrschungsvertrag zugunsten der Senior-Gläubiger? Eine erste Hürde für den Abschluss eines RSA zwischen der Schuldnerin und den Schlüsselgläubigern könnte darin bestehen, dass ein RSA als Beherrschungsvertrag i. S. d. § 291 AktG zu qualifizieren ist und die Hauptversammlung dem Vertragsschluss deshalb nach § 293 Abs. 1 AktG zustimmen müsste. In der US-Literatur wurde herausgearbeitet, dass die Schlüsselgläubiger ein RSA als ein Mittel dafür ansehen, ihren Einfluss in Bezug auf die Schuldnerin zu stärken.857 Auch aufgrund der Ähnlichkeit von RSA mit Investorenvereinbarungen und Covenant-unterlegten Kreditverträgen858 stellt sich die Frage, ob ein RSA als Beherrschungsvertrag859 zu qualifizieren ist. Das LG München I hat einen solchen verdeckten Beherrschungsvertrag in einem Urteil aus dem Jahr 2008 für ein Business Combination Agreement (BCA860) angenommen.861 Andererseits ist es im Jahr 2018 bei einem anderen BCA zum Ergebnis gekommen, dass dort die Voraussetzungen für einen verdeckten Beherrschungsvertrag nicht vorgelegen haben.862 Die Diskussion863 darüber wird gegenwärtig geführt. In der Literatur
857 Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593, 603 (2017) („Over the last decade, secured creditors have also discovered that they could increase their control over the debtor in a different fashion – through the use of restructuring support agreements.“); Westbrook, 37 Emory Bankr. Dev. J. 551, 562 f. (2021). 858 Vgl. dazu oben bei Fn. 303 ff. 859 Vgl. zur Diskussion: Heß, Investorenvereinbarungen, S. 19 ff. (verneinend); Wiegand, Investorenvereinbarungen, S. 63 ff. (verneinend); Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 291 Rn. 24a ff. (Covenant-unterlegter Kreditvertrag) und 24d ff. (Investorenvereinbarung) (für den Regelfall verneinend); MüKoAktG/Altmeppen, § 291 Rn. 43 (Investorenvereinbarungen und Business Combination Agreements, Prüfung im Einzelfall, im Regelfall keine verdeckten Beherrschungsverträge); GK-AktG/Mülbert, § 291 Rn. 118, 127; BeckOGK-AktG/Veil/Walla, § 291 Rn. 142 (verneinend im Regelfall für Investorenvereinbarungen, bei BCA kommt es auf den Einzelfall an); Kiefner, ZHR 178 (2014), 547, 565 ff. (verneinend); Decher, FS Hüffer, S. 145 ff. (verneinend für BCA); Servatius, Gläubigereinfluss, S. 350 ff. (verneinend zu Covenant-unterlegten Kreditverträgen); Seibt, in: Kämmerer/Veil, S. 106, 109 (verneinend). 860 Zum Begriff und zum Inhalt vgl. Schmolke, VGR 2018, Rn. 4 ff. m. w. N. 861 LG München I, Urt. v. 31. 1. 2008 – 5 HKO 19782/06, ZIP 2008, 555, 559 ff. (jurisRn. 356 ff.); offengelassen bei OLG München, Beschl. v. 24. 6. 2008 – 31 Wx 83/07, ZIP 2008, 1330, 1331 (juris-Rn. 13). 862 LG München I, Urt. v. 20. 12. 2018 – 5 HK O 15236/17, ZIP 2019, 266, 271 ff. (jurisRn. 220 ff.); sympathisierend: OLG München, Urt. v. 14. 10. 2020 – 7 U 448/19, AG 2022, 47, 55 (juris-Rn. 98); Insgesamt hat die Frage auch schon andere Gerichte beschäftigt: OLG Schleswig, Beschl. v. 27. 8. 2008 – 2 W 160/05, ZIP 2009, 124, 126 ff. (juris-Rn. 125 ff.); LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 18. 12. 2008 – 1 HKO 4286/08, AG 2010, 179 f. (juris-Rn. 32); („Das BCA trägt zumindest Züge eines Beherrschungsvertrages“); zur Entäußerung von Leitungsmacht als Verstoß gegen § 76 AktG vgl. auch LG München I, Urt. v. 5. 4. 2012 – 5 HK O 20488/11, NZG 2012, 1152 ff. (juris-Rn. 56 ff.); OLG München, Beschl. v. 14. 11. 2012 – 7 AktG 2/12, NZG 2013, 459 462 (juris-Rn. 46 f.).
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wurde schließlich schon ausführlich diskutiert, ob eine außergerichtlich abgeschlossene Restrukturierungsvereinbarung mit einem Hedgefonds einen Beherrschungsvertrag darstellen kann.864 I. Konzernspezifische Gefährdungslage? Fraglich ist zunächst, ob die §§ 291 ff. AktG auf RSA überhaupt Anwendung finden. Nach Servatius865 soll das Konzernrecht auf Covenant-unterlegte Kreditverträge, welche einem Gläubiger Einflussrechte gewähren, regelmäßig nicht analog angewendet werden, weil es an einem konzerntypischen Interessenkonflikt fehle. Ziel der §§ 291 ff. AktG sei es, die Minderheitsaktionäre und die Gläubiger des beherrschten Unternehmens davor zu schützen, dass das beherrschte Unternehmen aufgrund der Einflussnahme des herrschenden Unternehmens gesellschaftsfremde unternehmerische Partikularinteressen verfolgt.866 Die konzerntypische Interessenkollision bestehe dabei zwischen den Interessen der beherrschten Gesellschaft, welche in ihrem Gesellschaftszweck zum Ausdruck kämen, und den Interessen des herrschenden Vertragspartners. Die beherrschte Gesellschaft solle ihre eigenen Interessen im Zweifel aufgeben und den Interessen des herrschenden Unternehmens Folge leisten.867 Die Fremdkapitalgeber wollten mit Covenant-finanzierten Kreditverträgen allerdings die beherrschte Gesellschaft nicht entgegen ihrer Zwecksetzung nutzen.868 Diese Argumentation kann auf RSA übertragen werden, denn auch hier wird nicht versucht, eine Schuldnerin entgegen ihrem Zweck zu instrumentalisieren. II. RSA kein typischer Beherrschungsvertrag Selbst wenn der vorstehenden Argumentation nicht gefolgt wird, kann ein RSA nicht als typischer Beherrschungsvertrag i. S. d. § 291 Abs. 1 Satz 1 AktG gelten. Um die Problemlage der Beherrschungsverträge grob zu systematisieren, kann auf der einen Achse (vertikal) danach unterschieden werden, ob ein Beherrschungsvertrag von den Parteien tatsächlich gewollt ist oder nicht. Auf der anderen Achse (horizontal) kann danach unterschieden werden, ob dem anderen Teil vertraglich implizit eine vollumfängliche Weisungsbefugnis eingeräumt wird.
863 Koch, ZGR 2019, 588, 596 f.; Schmolke, VGR 2018, Rn. 20 ff.; Strohn, ZHR 182 (2018), 114, 138 ff. 864 Heinzmann, Restrukturierungsvereinbarungen, S. 98 ff und 138 ff. 865 Servatius, Gläubigereinfluss, S. 350 ff. 866 Servatius, Gläubigereinfluss, S. 354. 867 Servatius, Gläubigereinfluss, S. 354. 868 Servatius, Gläubigereinfluss, S. 354.
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Kap. 4: RSA im Konflikt zur Verfahrens- und Kompetenzordnung
Danach ergibt sich folgendes Bild, wobei die Begriffswahl an eine Monographie von Ederle angelehnt ist:869
Ein typischer Beherrschungsvertrag (unten rechts) liegt vor, wenn die Parteien die Leitung der Gesellschaft explizit einer anderen Gesellschaft unterstellen und die Rechtsfolgen eines Beherrschungsvertrages herbeiführen wollen.870 Der Vertrag kann gewollt sein, um einen Konzern unter eine einheitliche Leitung zu stellen oder eine steuerliche Organschaft zu begründen.871 In der Praxis haben sich hier sog. „karge Beherrschungsabreden“ durchgesetzt.872 Ein Teilbeherrschungsvertrag873 (unten links) liegt vor, wenn die Parteien die Rechtsfolgen eines Beherrschungsvertrages herbeiführen wollen, gleichzeitig aber regeln, dass das „herrschende“ Unternehmen kein vollständiges Weisungsrecht erhalten soll. In solchen Fällen wird das Weisungsrecht (teilweise) ausgeschlossen874 oder es werden nur einzelne Leitungsbereiche der fremden Leitung unterstellt.875 Eine extreme Position vertritt sogar, dass die Vertragsparteien das Weisungsrecht auch völlig ausschließen können.876 Ziel eines solchen Vorgehens ist es dann wohl nur, die Kapitalerhaltungsvorschriften auszuschalten oder die Notwendigkeit eines Abhängigkeitsberichts zu vermeiden.877 869 Vgl. zu den Begrifflichkeiten: Ederle, Verdeckte Beherrschungsverträge, S. 78 ff. und 159 ff. und passim; vgl. auch Schürnbrand, ZHR 169 (2005), 35; bei Heinzmann, Restrukturierungsvereinbarungen, S. 145 ff. wird der „Teilleitungsunterstellungsvertrag“ als verdeckter Teilbeherrschungsvertrag bezeichnet. 870 Vgl. die Abgrenzung zum atypischen oder verdeckten Beherrschungsvertrag: GK-AktG/ Mülbert, § 291 Rn. 116; vgl. die Systematisierung bei Ederle, Verdeckte Beherrschungsverträge, S. 78 ff. und 159 ff. und passim. 871 MüKoAktG/Altmeppen, § 291 Rn. 54 f. 872 Vgl. GK-AktG/Mülbert, § 291 Rn. 75. 873 Dessen Zulässigkeit ist strittig, vgl. zum Streitstand: MüKoAktG/Altmeppen, § 291 Rn. 88 ff. (nur Unterstellung einiger Leitungsbereiche), 96 ff. (vollständiger Ausschluss des Weisungsrechts möglich?). 874 MüKoAktG/Altmeppen, § 291 Rn. 96 ff. 875 Vgl. MüKoAktG/Altmeppen, § 291 Rn. 88 ff. 876 MüKoAktG/Altmeppen, § 291 Rn. 90 ff. mit Ergebnis in Rn. 95. 877 Vgl. Schürnbrand, ZHR 169 (2005), 35, 38.
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Bei einem RSA handelt es sich weder um einen typischen Beherrschungsvertrag noch um einen Teilbeherrschungsvertrag. Die Schuldnerin und die Schlüsselgläubiger wollen die Rechtsfolgen eines Beherrschungsvertrages nicht herbeiführen. Die Schlüsselgläubiger sollen gerade kein umfassendes Weisungsrecht erhalten. Häufig werden Ausstiegs- bzw. Öffnungsklauseln aufgenommen.878 Das Management soll den Weisungen der Schlüsselgläubiger nicht unterstellt sein. Ansonsten könnte in der Insolvenz eine Subordination nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO drohen.879 Das Management hat den Milestones, welche die Parteien in das RSA aufnehmen, im Übrigen selbst zugestimmt, sodass die Schlüsselgläubiger nach Abschluss des RSA hier nicht einseitig die Restrukturierung steuern können.880 III. Verdeckter Beherrschungsvertrag und Teilleitungsunterstellungsvertrag Ein RSA könnte aber ein verdeckter Beherrschungsvertrag881 oder ein Teilleitungsunterstellungsvertrag882 sein. In der Literatur und in der Rechtsprechung wird vertreten, dass sich Verträge, die wegen ihrer wirtschaftlichen und organisatorischen Folgen wie Beherrschungsverträge wirken, unabhängig vom Rechtsfolgenwillen an den vertragskonzernrechtlichen Vorgaben messen lassen müssen.883 Als Beispiele werden Covenant-unterlegte Kreditverträge, Just-in-Time-Verträge oder Franchising-Verträge genannt.884 Auch Investorenvereinbarungen und BCA können hierunter fallen.885 Das gilt auch für Restrukturierungsvereinbarungen.886 Streitig ist erstens, wie dies methodisch begründet wird:887 In Betracht kommen eine Umdeu878
Dazu oben bei Fn. 222. Vgl. dazu ausführlich unten bei Fn. 3097 ff. 880 Vgl. Kiefner, ZHR 178 (2014), 547, 567 (zu Investorenvereinbarungen: „gegenwärtige Vereinbarung bestimmter Inhalte“); zu diesem Argument in anderem Zusammenhang: Paschos, NZG 2012, 1142 f. [autonome Leitungs-(Entscheidung) des Vorstands]. 881 Zum Begriff: GK-AktG/Mülbert, § 291 Rn. 116, wobei er in Rn. 117 den Begriff des atypischen Beherrschungsvertrages favorisiert; ebenso und auch zur uneinheitlichen Terminologie: MüKoAktG/Altmeppen, § 291 Rn. 43 in Fn. 104, 105 und 106. 882 Zum Begriff, vgl. Ederle: 159 ff. 883 LG München I, Urt. v. 31. 1. 2008 – 5 HKO 19782/06, ZIP 2008, 555, 559 ff. (jurisRn. 356 ff.); vgl. auch Schürnbrand, ZHR 169 (2005), 35, 39; GK-AktG/Mülbert, § 291 Rn. 116 ff.; zu Argumenten dagegen, vgl.: KölnKommAktG/Koppensteiner, § 291 Rn. 25; dennoch schließt er sich der Gegenthese an, dass diese Verträge auch anhand §§ 291 ff. AktG zu messen sein können (Rn. 26). 884 Schürnbrand, ZHR 169 (2005), 35, 37; GK-AktG/Mülbert, § 291 Rn. 118. 885 LG München I, Urt. v. 31. 1. 2008 – 5 HKO 19782/06, ZIP 2008, 555, 559 ff. (jurisRn. 356 ff.) (BCA); LG München I, Urt. v. 20. 12. 2018 – 5 HKO 15236/17, ZIP 2019, 266, 271 ff. (juris-Rn. 220 ff.) (BCA); verneinend: Heß, Investorenvereinbarungen, S. 19 ff., Wiegand, Investorenvereinbarungen, S. 74 ff., vgl. die Nachweise zur Diskussion in Fn. 935. 886 Im Ergebnis verneinend: Heinzmann, Restrukturierungsvereinbarungen, S. 138 ff. 887 Überblick zum Streitstand bei Schürnbrand, ZHR 169 (2005), 35, 39 f. 879
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tung, eine Analogie oder eine schlichte Qualifikation des Vertrages als Beherrschungsvertrag.888 Die besseren Argumente sprechen für eine Vertragsqualifikation. Nur der Inhalt einer Willenserklärung und die Rechtsfolgen unterliegen dem Parteiwillen, die Zuordnung zu einem Vertrag ist hingegen eine Rechtsfrage, welche durch das Gericht entschieden wird.889 Zweitens ist streitig, welchen Umfang der mögliche vertraglich eingeräumte Einfluss auf das Unternehmen haben muss, um in den Anwendungsbereich der §§ 291 ff. AktG zu fallen. IV. Voraussetzungen der §§ 291 ff. AktG Nach einer Ansicht890 greifen die §§ 291 ff. nur, wenn alle Leitungsfunktionen vollständig übertragen und Weisungsrechte eingeräumt werden. Würde die Leitung nur in Bezug auf einzelne Bereiche übertragen oder würden nur Zustimmungsvorbehalte eingeräumt, sei der Vertrag allenfalls an §§ 76, 93 AktG zu messen. Andere ziehen die Grenze, ab der ein verdeckter Beherrschungsvertrag vorliegt, weniger streng: Die Frage, ab wann die §§ 291 ff. greifen, ist zweistufig zu ermitteln:891 1. Auslegung: „Unterstellung unter fremde Leitung“ Zuerst muss das für den Beherrschungsvertrag typische Merkmal „Unterstellung unter fremde Leitung“ schutzzweckbezogen ausgelegt werden.892 Unter diesem Merkmal ist der Transfer der Leitungsmacht vom eigenverantwortlich agierenden Vorstand der beherrschten Gesellschaft auf den Vertragspartner zu verstehen.893 Dieser muss in die Lage versetzt werden, eine auf das Gesamtinteresse der Unternehmensgruppe ausgerichtete Zielkonzeption zu entwickeln und notfalls auch gegen den Willen des Vorstandes der beherrschten Gesellschaft durchzusetzen.894 Der Vorstand der beherrschten Gesellschaft darf nicht mehr initiativ tätig werden und Führungsentscheidungen werden ausschließlich vom herrschenden Unternehmen getroffen.895 Der Schwerpunkt besteht in der Umgestaltung der Verfassung der ab-
888
Zum methodischen Vorgehen: Schürnbrand, ZHR 169 (2005), 35, 39 f. Vgl. Schürnbrand, ZHR 169 (2005), 35, 40. 890 Ederle, Verdeckte Beherrschungsverträge, S. 159 ff., 170 ff., 107. 891 Schürnbrand, ZHR 169 (2005), 35, 41. 892 Schürnbrand, ZHR 169 (2005), 35, 41. 893 Schürnbrand, ZHR 169 (2005), 35, 42; ähnlich: MüKoAktG/Altmeppen, § 291 Rn. 83. 894 OLG Schleswig, Beschl. v. 27. 8. 2008 – 2 W 160/05, NZG 2008, 868, 870 (jurisRn. 126); Schürnbrand, ZHR 169 (2005), 35, 42; Grigoleit/Servatius, § 291 Rn. 27; Heß, Investorenvereinbarungen, S. 20; ähnlich: Hüffer/Koch/Koch, § 291 Rn. 11 (Unterstellung ist gegeben, „wenn anderer Vertragsteil im Konfliktfall seinen Willen gegen den Vorstand der Untergesellschaft rechtlich durchsetzen kann.“). 895 BeckOGK-AktG/Veil/Walla, § 291 Rn. 78. 889
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hängigen Gesellschaft.896 Künftig soll der andere Vertragsteil die gesellschaftsinterne Willensbildung steuern.897 a) Vertragliche Unterstellung der Leitung Die §§ 291 ff. AktG wollen nur davor schützen, dass eine Gesellschaft ihre Leitung einer anderen Gesellschaft „vertraglich“ unterstellt. Vor bloß faktischem oder gesellschaftsrechtlich vermitteltem Einfluss schützen nur die §§ 311 ff. AktG.898 Wenn schon die faktische Einflussnahme ausreichen könne, um die §§ 291 ff. AktG anzuwenden, verbliebe für die §§ 311 ff. AktG kein Anwendungsbereich.899 Bei der Beurteilung, ob ein verdeckter Beherrschungsvertrag vorliegt, dürfen die faktischen Einflussmöglichkeiten und die Gesamtumstände außerhalb der vertraglichen Regelung somit nicht berücksichtigt werden.900 Dies ist wichtig, da bei vielen Vertragskonstellationen das Vorliegen verdeckter Beherrschungsverträge bejaht wird, weil vorschnell von der faktischen auf eine rechtlich verbindliche Einflussmöglichkeit abgestellt wird.901 Es kommt aber nur auf die vertraglich rechtsverbindlich übertragene Leitungsbefugnis an.902 b) Welche Leitungsbereiche müssen betroffen sein? Nach einer Ansicht müssen sämtliche Leitungsbereiche der fremden Leitung unterstellt sein.903 Andere Vorgänge sollen nur an den Grenzen des § 76 AktG gemessen werden.904 Diese Auffassung ist abzulehnen, weil sie zu restriktiv ist.905 Dagegen verlangt die wohl überwiegende überzeugende Ansicht906, dass eine einheitliche Planung, Durchführung und Kontrolle in einem wesentlichen Bereich unternehmerischer Tätigkeit erforderlich ist.907 Teilweise wird formuliert, dass es 896
Schürnbrand, ZHR 169 (2005), 35, 42. Schürnbrand, ZHR 169 (2005), 35, 42; MüKoAktG/Altmeppen, § 291 Rn. 88. 898 Vgl. Ederle, Verdeckte Beherrschungsverträge, S. 95 f.; ähnlich: KölnKommAktG/ Koppensteiner, § 291 Rn. 27. 899 Ederle, AG 2010, 273, 274. 900 Schürnbrand, ZHR 169 (2005), 35, 44; vgl. zur Differenzierung auch OLG München, Urt. v. 1. 4. 2015 – 7 U 2216/08 (juris-Rn. 34); KölnKommAktG/Koppensteiner, § 291 Rn. 27; GK-AktG/Mülbert, § 291 Rn. 124. 901 Ederle, Verdeckte Beherrschungsverträge, S. 95 f. 902 Vgl. Ederle, Verdeckte Beherrschungsverträge, S. 95 f., 103. 903 KölnKommAktG/Koppensteiner, § 291 Rn. 49; so auch Ederle, Verdeckte Beherrschungsverträge, S. 100 ff. 904 Ederle, Verdeckte Beherrschungsverträge, S. 159 ff. 905 I. E. ebenso: GK-AktG/Mülbert, § 291 Rn. 70; Hüffer/Koch/Koch § 291 Rn. 10. 906 Hüffer/Koch/Koch, § 291 Rn. 10; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 291 Rn. 21a; GK-AktG/Mülbert § 291 Rn. 68 ff; Schürnbrand, ZHR 169 (2005), 35, 46; Grigoleit/Servatius, § 291 Rn. 27; Henssler/Strohn/Paschos, § 291 Rn. 11. 907 Hüffer/Koch/Koch, § 291 Rn. 10. 897
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jedenfalls möglich sein muss, abweichende Strategien und Konzeptionen des Vorstands der Untergesellschaft durch eine einheitliche Konzernleitung zu ersetzen.908 Die Möglichkeit zur Durchsetzung einer einheitlichen Leitung sei ein typusprägendes Merkmal.909 Dies setzt mehr als nur die Übertragung einzelner Leitungsfunktionen voraus, fordert allerdings nicht, dass sämtliche Leitungsbereiche dem Vertragspartner unterstellt werden.910 Teilweise wird auf die Möglichkeit abgestellt, das Unternehmen einer integrierten Finanzplanung zu unterwerfen.911 Nicht ausreichend wäre jedenfalls, dass die Einwirkungsmöglichkeiten nur für einen begrenzen Zweck eingeräumt werden, etwa zur Kreditsicherung.912 Bei Kredit- und Lieferverträgen wird die Auslegung des Vertrages i. d. R. ergeben, dass wegen des begrenzen Vertragszwecks keine einheitliche Leitung erreicht werden kann.913 Die Einwirkungsrechte müssen derart umfassend sein, dass eine konzernstiftende einheitliche Leitung unter Verdrängung des Vorstands der beherrschten Gesellschaft möglich wäre.914 Nach einer dritten Auffassung soll schon ausreichend sein, dass einzelne Leitungsfunktionen übertragen werden.915 Diese dritte Ansicht betrifft aber vor allem Fälle, in denen ein Beherrschungsvertrag gewollt ist, das Weisungsrecht allerdings beschränkt werden soll.916 Dass sie auch verdeckte Beherrschungsverträge erfasst, ist zu bezweifeln. Deshalb dürfte in Bezug auf den Umfang der Einflussmöglichkeiten der zweiten Ansicht zu folgen sein. c) Weisungsrecht notwendig oder Zustimmungsvorbehalte ausreichend? Fraglich ist, wie die Leitung dem anderen Vertragsteil unterstellt werden muss. Dies kann jedenfalls durch ein Weisungsrecht geschehen.917 Nach einer Ansicht ist das Weisungsrecht des herrschenden Unternehmens auch ein zwingendes Vertragselement eines Beherrschungsvertrages.918 Es zeichnet sich dadurch aus, dass es inhaltlich nicht vorgeprägt ist.919 Es ist darauf gerichtet, künftig die einseitige Durchsetzung von Zielvorstellungen des Weisungsgebers durchzusetzen, die typischerweise heute noch unbestimmt und unbekannt sind.920 Bei der Frage der ver908
Schmidt/Lutter/Langenbucher, § 291 Rn. 23. GK-AktG/Mülbert, § 291 Rn. 126. 910 Hüffer/Koch/Koch, § 291 Rn. 10. 911 KölnKommAktG/Koppensteiner, § 291 Rn. 29, 35. 912 GK-AktG/Mülbert, § 291 Rn. 126. 913 GK-AktG/Mülbert, § 291 Rn. 126. 914 GK-AktG/Mülbert, § 291 Rn. 127 (verneinend für Investorenvereinbarungen). 915 MüKoAktG/Altmeppen, § 291 Rn. 90 ff. 916 Vgl. MüKoAktG/Altmeppen, § 291 Rn. 99 ff. (zur Frage, ob auch Beherrschungsverträge ohne Weisungsrecht möglich sind). 917 Vgl. BeckOGK-AktG/Veil/Walla, § 291 Rn. 78. 918 Hüffer/Koch/Koch, § 291 Rn. 14a. 919 Kiefner, ZHR 178 (2014), 547, 566 f. 920 Kiefner, ZHR 178 (2014), 547, 567. 909
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deckten Beherrschungsverträge müsste – wenn das Weisungsrecht als zwingender Vertragsbestandteil betrachtet wird – geprüft werden, ob die Ausgestaltung des Vertrags im Ergebnis an die Einräumung eines Weisungsrechts herankommt.921 Nötig sei ein „faktisches Weisungsrecht.“922 Werden solche Weisungsrechte als zwingender Bestandteil des Vertrages angesehen, sind die Hürden für einen verdeckten Beherrschungsvertrag relativ hoch.923 Fraglich ist, ob Beherrschungsverträge und damit auch verdeckte Beherrschungsverträge auch ohne die Einräumung von Weisungsrechten möglich sind. Dies wird teilweise abgelehnt, weil das Weisungsrecht ein zwingendes Vertragselement sei.924 Nach anderer Ansicht ist die Schwelle des Weisungsrechts kein konstitutives Element des Beherrschungsvertrages925 und damit auch für den verdeckten Beherrschungsvertrag nicht zwingend.926 Das Weisungsrecht sei Rechtsfolge des Beherrschungsvertrages und nicht seine Voraussetzung.927 Eine Leitungsunterstellung könne deshalb auch bei schuldvertraglichen Gestaltungen und Strukturen vorliegen, solange damit eine Verschiebung des Kompetenzgefüges zugunsten des anderen Vertragsteils einhergehe.928 Unterhalb der Schwelle des Weisungsrechts finden sich z. B. bloße Zustimmungsvorbehalte. Teilweise wird vorgebracht, dass aus Zustimmungsvorbehalten kein eigenes Initiativrecht hervorgehe und dass deshalb eine Leitungsübertragung nicht möglich sei.929 Eine überzeugende Meinung in der Literatur vertritt aber, dass Zustimmungsvorbehalte ausreichend sind, wenn eine bestimmte Dichte erreicht werde, sodass dem anderen Teil nach §§ 133, 157 BGB das Recht zuteil werde, dem anderen zumindest faktisch verbindliche Weisungen zu erteilen.930 Faktische Verbindlichkeit liege vor, wenn der beherrschte Teil sich dem Einfluss nicht mehr entziehen könne, ohne dass er schwere und existenzbedrohende Nachteile in Kauf nehmen müsse.931 Es sei darauf abzustellen, ob der mit Vetorechten ausgestattete 921
Vgl. Hüffer/Koch/Koch, § 291 Rn. 14a. Strohn, ZHR 182 (2018), 114, 140. 923 So i. E. auch Hüffer/Koch/Koch, § 291 Rn. 14a. 924 Hüffer/Koch/Koch, § 291 Rn. 14a (Weisungsrecht als zwingendes Vertragselement). 925 MüKoAktG/Altmeppen, § 291 Rn. 99 ff.; GK-AktG/Mülbert, § 291 Rn. 122; BeckOGK-AktG/Veil/Walla, § 291 Rn. 141. 926 GK-AktG/Mülbert, § 291 Rn. 122; ebenso i. E. LG München I, Urt. v. 31. 1. 2008 – 5 HKO 19782/06, ZIP 2008, 555, 560 (juris-Rn. 363) („Die Aufnahme eines ausdrücklichen Weisungsrechts ist nicht Voraussetzung für die Bejahung eines Beherrschungsvertrages“); dazu Heß, Investorenvereinbarungen, S. 21. 927 GK-AktG/Mülbert, § 291 Rn. 122. 928 GK-AktG/Mülbert, § 291 Rn. 122. 929 Hüffer/Koch/Koch, § 291 Rn. 10; KölnKommAktG/Koppensteiner, § 308 Rn. 23. 930 Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 291 Rn. 24b; ähnlich Bachmann/Veil, ZIP 1999, 348, 354; Schürnbrand, ZHR 169 (2005), 35, 44 f.; im Ergebnis ebenso: Heß, Investorenvereinbarungen, S. 20 m. w. N. in Fn. 78. 931 Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 291 Rn. 24b. 922
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Vertragspartner in zentralen unternehmerischen Fragen eine solch gewichtige Stellung erhalte, dass er in der Lage sei, seine Interessen durchzusetzen.932 Einzelne Zustimmungsvorbehalte reichen zur Übertragung der Leitung nach zutreffender Ansicht aber nicht aus.933 d) Zusammenfassung Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass faktischer Einfluss alleine nicht ausreicht, sondern vertraglich vermittelter Einfluss notwendig ist. Einzelne Zustimmungsvorbehalte sind ebenfalls nicht ausreichend. Es muss darüber hinaus eine Wertung darüber erfolgen, ob die eingeräumten Befugnisse dem herrschenden Unternehmen ermöglichen, eine auf das Gesamtinteresse der Unternehmensgruppe ausgerichtete Zielkonzeption zu entwickeln und notfalls auch gegen den Willen des Vorstandes der beherrschten Gesellschaft durchzusetzen. Die Schwelle ist dabei eher hoch anzusetzen, selbst wenn kein umfassendes Weisungsrecht eingeräumt werden muss. 2. Anknüpfungspunkte für die Qualifikation Nachdem das Merkmal „Unterstellung unter fremde Leitung“ ausgelegt worden ist, muss in einem zweiten Schritt anhand einer Gesamtschau untersucht werden, ob der konkrete Vertrag hierunter subsumiert werden kann.934 a) Wertungen bei Investorenvereinbarungen Die Literatur geht mittlerweile mehrheitlich davon aus, dass Investorenvereinbarungen keinen verdeckten Beherrschungsvertrag darstellen.935 Grund ist, dass dort keine Regeln aufgenommen würden, die mit echten umfassenden Weisungsrechten vergleichbar seien.936 Darüber hinaus werde dem Bieter kein Weisungsrecht eingeräumt, aufgrund dessen dieser später seine Vorstellungen einseitig durchsetzen könne.937 Vielmehr würden die Vorstellungen der Zielgesellschaft und deren eigener Wille selbst fixiert.938 Die schuldvertraglich eingeräumten Rechte seien auch nicht derart umfassend angelegt, dass eine konzernstiftende einheitliche Leitung unter 932
Bachmann/Veil, ZIP 1999, 348, 354. Schmidt/Lutter/Langenbucher, § 291 Rn. 33; Hüffer/Koch/Koch, § 291 Rn. 10; 14a. 934 Schürnbrand, ZHR 169 (2005), 35, 41. 935 BeckOGK-AktG/Veil/Walla, § 291 Rn. 142; GK-AktG/Mülbert, § 291 Rn. 127; Kiefner, ZHR 178 (2014), 547, 566 ff.; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbHKonzernrecht, § 291 Rn. 24d.; MüKoAktG/Altmeppen, § 291 Rn. 43 (im Regelfall kein Beherrschungsvertrag); Wiegand, Investorenvereinbarungen, S. 72 ff.; Kiem, AG 2009, 301, 306. 936 Kiefner, ZHR 178 (2014), 547, 566; strenger: Schall, in: Kämmerer/Veil, S. 75, 85 ff. 937 Kiefner, ZHR 178 (2014), 547, 566 f. 938 Kiefner, ZHR 178 (2014), 547, 566 f. 933
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Verdrängung des Vorstands der Zielgesellschaft möglich wäre.939 Dies gilt jedenfalls dann, wenn mit der Vereinbarung auch die möglichen Rechte des Bieters eingeschränkt werden sollen (Entherrschungskomponente).940 Der Vertrag konkretisiere häufig eher bereits bestehende Einflussmacht statt Weisungsbefugnisse zu übertragen.941 Inhaltlich soll die Schwelle zum Beherrschungsvertrag erst bei Abreden zu unternehmerischen Leitentscheidungen in Bezug auf das Finanz- und Personalwesen erreicht sein.942 Außerdem liegt der Schwerpunkt i. d. R. nur auf transaktionsbezogenen Vereinbarungen.943 b) RSA Viele dieser Argumente lassen sich auf RSA übertragen: Die darin enthaltenen Klauseln dürften nicht für eine Qualifikation als Beherrschungsvertrag ausreichen. Die Parteien nehmen hier regelmäßig keine umfassenden Weisungsrechte auf. Die Schlüsselgläubiger erklären vielmehr, dass sie den Plan unterstützen, wenn dieser bestimmte Vorgaben enthält. Sie binden sich selbst, anstatt sich Weisungsrechte einräumen zu lassen. Sofern konkrete Restrukturierungsmaßnahmen im RSA aufgenommen wurden, beruhen diese sowohl auf einer vertraglichen Verhandlung mit den Schlüsselgläubigern als auch auf einer originären Entscheidung des Vorstandes944. Der Abschluss stellt eine Materialisierung und Konkretisierung einer konkreten Vorstellung dar und kein Fundament für spätere vertragliche Einflussnahmemöglichkeiten.945 Für Restrukturierungsvereinbarungen wurde dementsprechend vertreten, dass die Umsetzung von dort vereinbarten Maßnahmen nicht auf einer originären unternehmerischen Entscheidung des Schlüsselgläubigers beruhe, wenn diese vorab zwischen dem Vorstand der Schuldnerin und den Schlüsselgläubigern ausgehandelt worden ist.946 Die Umsetzung erfolge dann nicht aufgrund einer vertraglich den Schlüsselgläubigern eingeräumten und durch diesen ausgeübten Weisungsmöglichkeit.947 In diesem Sinne hat auch das OLG Schleswig in einem früheren aktienrechtlichen Fall
939
GK-AktG/Mülbert, § 291 Rn. 127. GK-AktG/Mülbert, § 291 Rn. 127; Heß, Investorenvereinbarungen, S. 21 f.; Kiefner, ZHR 178 (2014), 547, 567 f.; Seibt, in: Kämmerer/Veil, S. 106, 124; Schall, in: Kämmerer/Veil, S. 75, 84. 941 Kiefner, ZHR 178 (2014), 547, 567. 942 Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 291 Rn. 24d. 943 BeckOGK-AktG/Veil/Walla, § 291 Rn. 140, 142. 944 Zu letzterem: Paschos, NZG 2012, 1142, 1143. 945 Kiefner, ZHR 178 (2014), 547, 567 (zu Investorenvereinbarungen). 946 Heinzmann, Restrukturierungsvereinbarungen, S. 150. 947 Vgl. Heinzmann, Restrukturierungsvereinbarungen, S. 144. 940
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geurteilt, dass es sich im Fall eines übereinstimmenden Votums nicht um eine Weisung, sondern um eine Koordination durch die Beteiligten handelt.948 Eine Übertragung von Leitungsmacht liegt nicht vor, wenn der Vorstand durch eine „Weisung“ rechtlich nicht gebunden wird oder diese nicht durchgesetzt werden kann (s. o.). Dies ist bei einem RSA regelmäßig der Fall. Typischerweise wird eine Ausstiegsklausel vereinbart.949 Auch ohne diese gibt es für besondere Fälle stets ein außerordentliches Kündigungsrecht nach § 314 BGB.950 Es fehlt auch sonst an der Durchsetzungsmöglichkeit des Willens der Schlüsselgläubiger. Diese verpflichten sich lediglich, für den Plan zu stimmen, wenn er bestimmte Inhalte aufweist. Ein Anspruch, dass diese Inhalte in den Plan eingehen, darf hingegen nicht in das RSA aufgenommen werden. Auch die geforderte Schwelle an Übertragung von Leitungsmacht dürfte regelmäßig nicht erreicht sein. Selbst wenn Zustimmungsvorbehalte als Mittel der Leitungsunterstellung ausreichen würden, wären diese in RSA wohl häufig nicht engmaschig genug und beträfen nur einzelne Maßnahmen im Zusammenhang mit der Restrukturierung. Bloß bestehende faktische Einflussmöglichkeiten können nicht zur Qualifikation des Vertragsinhalts herangezogen werden (s. o.).951 Die faktische Einflussmöglichkeit besteht in der Restrukturierungssituation für die Schlüsselgläubiger i. d. R. deshalb, weil sie eine wichtige Geldquelle für das Unternehmen sind und dieses häufig auf neue Mittel angewiesen sein dürfte. Weitere Einflussmöglichkeiten erhalten die Schlüsselgläubiger durch das StaRUG, nicht durch ein RSA. Hierzu zählt insbesondere das Stimmrecht zum Restrukturierungsplan. Das RSA dokumentiert also häufig nur, was ohnehin faktisch aufgrund des Stimmrechts schon besteht, und führt nicht zu einem wirklichen Transfer von Leitungsmacht. Dem Argument, dass generalklauselartige Vereinbarungen in Restrukturierungsvereinbarungen die Leitungsmacht des Vorstandes begrenzen können, weil dieser das weitere Vorgehen dann mit den Schlüsselgläubigern weiter absprechen müsse,952 kann nicht gefolgt werden. Die Notwendigkeit, das weitere Vorgehen mit den Schlüsselgläubigern zu besprechen, ergibt sich nicht aus dem Vertrag, sondern aus deren wirtschaftlich starker Position oder aus deren vom Gesetz eingeräumten Einflussmöglichkeiten qua Stimmrecht über den Restrukturierungsplan. Außerdem dürfte die Praxis sich auch damit behelfen, dass sie bei der vertraglichen Gestaltung nur Koordinations- und Bemühungspflichten formuliert, Weisungsrechte hingegen vermieden werden.953 Im Ergebnis ist ein RSA deshalb – von 948 OLG Schleswig, Beschl. v. 27. 8. 2008 – 2 W 160/05, NZG 2008, 868, 870 mit Verweis auf ein Gutachten von Ulmer. 949 Vgl. oben bei Fn. 222 ff. 950 Wiegand, Investorenvereinbarungen, S. 83 (zu Investorenvereinbarungen). 951 Schürnbrand, ZHR 169 (2005), 35, 44. 952 Heinzmann, Restrukturierungsvereinbarungen, S. 132. 953 Hüffer/Koch/Koch, § 291 Rn. 14a.
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Ausnahmen in besonderen Einzelfällen abgesehen – grundsätzlich kein verdeckter Beherrschungsvertrag.
B. Unveräußerlichkeit der Leitungsmacht: § 76 AktG i. V. m. § 134 BGB I. Problemaufriss Indem der Vorstand ein RSA abschließt, könnte er gegen § 76 Abs. 1 AktG verstoßen. § 76 Abs. 1 AktG bestimmt, dass der Vorstand die Gesellschaft unter eigener Verantwortung zu leiten hat. Hierbei handelt es sich nicht lediglich um eine Kompetenz des Vorstands, sondern um eine Pflichtaufgabe.954 In der Literatur wird problematisiert, ob sich der Vorstand bzw. die Gesellschaft in Verträgen dazu verpflichten darf, in Zukunft bestimmte Leitungsaufgaben in einer bestimmten Art und Weise wahrzunehmen oder nicht wahrzunehmen.955 Indem der Vorstand im RSA zusagt, ein bestimmtes, im Interesse der Schlüsselgläubiger liegendes Restrukturierungskonzept in einem Plan umzusetzen und später als Planangebot vorzulegen, könnte sich der Vorstand in unzulässiger Weise vorweg binden und somit gegen § 76 Abs. 1 AktG verstoßen. Das LG München I nahm z. B. einen Verstoß gegen § 76 Abs. 1 AktG bei einem Vertrag an, in dem geregelt war, dass der Vorstand ohne Zustimmung des Vertragspartners das genehmigte Kapital i. S. d. § 202 AktG nicht ausnutzen durfte, keine Aktienoptionen ausgeben durfte und auch keine eigenen Aktien veräußern oder erwerben durfte.956 Herrschend wird als Rechtsfolge Nichtigkeit nach § 134 BGB angenommen.957 Argument ist, dass § 76 Abs. 1 AktG eine zwingende Organisationsnorm darstellt, die nicht nur den Vorstand bindet, sondern auch die Gesellschaft selbst.958 Nach § 139 BGB kann dies möglicherweise zur Unwirksamkeit des ganzen RSA führen.959 Gegen eine Auflockerung dieser Grundsätze hin zu einer einzelfallorientierten 954
Heß, Investorenvereinbarungen, S. 127. Lutter, FS Fleck, 1988, 169, 183 f.; BeckOGK-AktG/Fleischer, § 76 Rn. 68; Hüffer/ Koch/Koch, § 76 Rn. 8, 27, 41 ff.; KölnKommAktG/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 50 ff.; MüKoAktG/Spindler, § 76 Rn. 27 ff.; Schmidt/Lutter/Seibt, § 76 Rn. 34 ff.; Grigoleit/Grigoleit, § 76 Rn. 88; Koch, in: 50 Jahre Aktiengesetz, S. 65, 92 ff.; Fleischer, FS Schwark, S. 137 ff.; Heß, Investorenvereinbarungen, S. 172 ff. 956 LG München I, Urt. v. 5. 4. 2012 – 5 HK O 20488/11, NZG 2012, 1152, 1153 (jurisRn. 56). 957 LG München I, Urt. v. 5. 4. 2012 – 5 HK O 20488/11, NZG 2012, 1152, 1154 (jurisRn. 61); OLG Brandenburg, Urt. v. 29. 8. 2018 – 7 U 73/17, AG 2019, 466 (juris-Rn. 87 ff.) (ohne § 134 BGB zu erwähnen); GK-AktG/Kort, § 76 Rn. 150a; MüKoAktG/Spindler, § 76 Rn. 31; Heß, Investorenvereinbarungen, S. 172; bei breitflächiger Einflussnahme ebenso: Hüffer/Koch/Koch, § 76 Rn. 41, ansonsten großzügiger. 958 Heß, Investorenvereinbarungen, S. 172; KölnKommAktG/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 46. 959 Vgl. Heinzmann, Restrukturierungsvereinbarungen, S. 129 f. 955
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Prüfung wird vorgebracht, dass diese aufwendig und langwierig sei und zu einer schleichenden Auflösung von wesentlichen Strukturprinzipien der Aktiengesellschaft führe.960 Eine Vorwegbindung kann aber nicht generell unzulässig sein, da ansonsten die Vertragsfreiheit der Gesellschaft unzulässig beschränkt würde.961 Im Namen der Gesellschaft müssen derartige Bindungen im Grundsatz möglich sein, weil das Gesetz den Leitungsspielraum des Vorstands sonst selbst beschränken würde, statt ihn zu gewährleisten.962 Häufig ist eine Bindung selbst Ausdruck der Leitungsautonomie.963 Problematisch sind allerdings die fließenden Grenzen zwischen einer eigenverantwortlichen Entscheidung des Vorstands und dem Beginn einer unzulässigen Vorwegbindung.964 Das Problem wird auf verschiedene Weise zu lösen versucht: II. Ablehnung des Verbots der Vorwegbindung Teilweise wird ein generelles und striktes Verbot der Vorwegbindung des Vorstandsermessens abgelehnt.965 Mertens/Cahn leiten aus § 76 Abs. 1 AktG nur drei Pflichten ab.966 Erstens dürfe der Vorstand Leitungsaufgaben nicht an nachfolgende Mitarbeiter delegieren. Zweitens müsse der Vorstand bei solchen Geschäftsführungsmaßnahmen, die er auf Dritte delegiert habe, weiterhin ein Zugriffsrecht haben, um sie ggf. abändern zu können. Drittens sei es dem Vorstand verboten, sich ohne konzernvertragliche Rechtsbasis der Leitung Dritter zu unterwerfen oder Dritten Einflussrechte auf seine Entscheidungen zuzugestehen, die seinen Leitungsspielraum in so unvertretbarer Weise einschränken, dass er seiner unternehmerischen Führungsverantwortung nicht mehr gerecht werden könne. Durch den Begriff „in unvertretbarer Weise“ soll klargestellt werden, dass es sich hierbei um einen ausfüllungsbedürftigen Wertungsrahmen handelt.967 Langfristige Verträge könnten zulässig sein, solange sie nicht die organisatorischen Strukturen der Gesellschaft selbst zum Gegenstand hätten.968 Auch die Verpflichtung zu einem konkreten Verhalten sei zulässig, nicht aber die abstrakte Verpflichtung, sich bei der Ausrichtung der
960
Otto, NZG 2013, 930, 936. KölnKommAktG//Mertens/Cahn, § 76 Rn. 50, 53. 962 Vgl. Heß, Investorenvereinbarungen, S. 174. 963 Schmidt/Lutter/Seibt, § 76 Rn. 35. 964 Hierzu: Heß, Investorenvereinbarungen, S. 174 ff. 965 KölnKommAktG/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 45, 50, 53; ein umfassendes Verbot der Vorwegbindung ebenfalls ablehnend: Schmidt/Lutter/Seibt, § 76 Rn. 15, 35; MüKoAktG/ Spindler, § 76 Rn. 28. 966 KölnKommAktG/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 45. 967 KölnKommAktG/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 45. 968 KölnKommAktG/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 47. 961
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künftigen Unternehmenspolitik an den Entscheidungen Dritter zu orientieren.969 Die Auffassung, dass es ein generelles Verbot der Vorwegbindung des Vorstandsermessens gebe, sei zu undifferenziert und zu pauschal und würde die Teilnahme der Gesellschaft am Rechtsverkehr unangemessen beeinträchtigen.970 Ein über die gerade dargelegten Verbote hinausgehendes Verbot der Selbstbindung der Aktiengesellschaft in Bezug auf künftige Geschäftsführungsentscheidungen verbiete sich.971 Das in § 76 Abs. 1 AktG normierte Prinzip der Unveräußerlichkeit der eigenverantwortlichen Leitung des Vorstands stehe Absprachen nur insoweit entgegen, als sie den Leitungsspielraum in unvertretbarer Weise so einschränken, dass der Vorstand seiner Führungsverantwortung nicht mehr genügen könne.972 III. Abwägungsmodell: Vereinbarung im Unternehmensinteresse Auch Spindler lehnt ein striktes Verbot der Vorwegbindung ab, da es vertragliche Bindungen der Gesellschaft massiv einschränken und die Teilnahme am Rechtsverkehr beeinträchtigen würde.973 Nach seiner Ansicht bleiben Bindungen der Gesellschaft zulässig, die im Gesellschaftsinteresse liegen,974 wie dies etwa für Wettbewerbsverbote und strategische Allianzen der Fall ist.975 Der Vorstand müsse aber sorgfältig abwägen, ob er Bindungen im Interesse der Gesellschaft eingehe. Im Rahmen dieses Maßstabs werden einzelne Grenzen formuliert:976 Unzulässig sei eine Umgehung von Organkompetenzen. Auch Bindungen in Bezug auf die Begründung, Veränderung oder Nichtveränderung der organisatorischen Strukturen seien unzulässig. Absprachen über den Fortgang einer Transaktion könnten, wenn sie mit Dritten geschlossen werden, zulässig sein, wenn sie durch Zeit- und Sachbedingungen begrenzt sind, das Unternehmensinteresse nicht unvertretbar einschränken und die Kompetenzordnung der Gesellschaft wahren.977 BCA sieht Spindler kritisch, wenn sie das Konzernrecht umgehen.978 Investorenvereinbarungen und Deal-Pro969
KölnKommAktG/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 47. KölnKommAktG/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 50, 53; ein umfassendes Verbot der Vorwegbindung ebenfalls ablehnend: Schmidt/Lutter/Seibt, § 76 Rn. 15, 35; MüKoAktG/Spindler, § 76 Rn. 28; wohl etwas strenger, BeckOGK-AktG/Fleischer, § 76 Rn. 68, 79, 80 ff. (dazu sogleich). 971 KölnKommAktG/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 53. 972 KölnKommAktG/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 53. 973 MüKoAktG/Spindler, § 76 Rn. 28. 974 MüKoAktG/Spindler, § 76 Rn. 28; in diese Richtung auch Grigoleit/Grigoleit, § 76 Rn. 90 (zulässig, solange der Vorstand nicht gegen konkrete Verbotsgesetze verstoße und die Bindung nach dem Maßstab des Gesellschaftszwecks vorteilhaft sei; § 76 AktG sei nur eine Grenze, wenn sich der Vorstand über konkreten Anlass hinaus binde und den Fortbestand der Leitungsautonomie grundsätzlich in Frage stelle.). 975 MüKoAktG/Spindler, § 76 Rn. 28. 976 MüKoAktG/Spindler, § 76 Rn. 29. 977 MüKoAktG/Spindler, § 76 Rn. 30. 978 MüKoAktG/Spindler, § 76 Rn. 30. 970
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tection-Klauseln beträfen hingegen nicht die Existenz der Gesellschaft an sich, könnten Vorteile auch für die Aktionäre mit sich bringen, eine attraktive Verkaufsmöglichkeit für die Aktionäre schaffen und helfen, eine im Unternehmensinteresse liegende Transaktion zu ermöglichen.979 Sie könnten deshalb im Interesse der Zielgesellschaft liegen und auch weitere im Unternehmensinteresse liegende Belange z. B. der Arbeitnehmer oder der Öffentlichkeit fördern.980 Eine Verpflichtung, ein bestimmtes Übernahmeangebot zu empfehlen, sei allerdings ohne Ausstiegsbzw. Öffnungsklausel problematisch, ebenso wie Verpflichtungen, die in die Kompetenz anderer Organe eingreifen.981
IV. Tatbestandslösung und Fallgruppen Eine andere Ansicht will grundsätzlich am Verbot der Vorwegbindung festhalten.982 Sie sucht aber insgesamt nach geeigneten Abgrenzungskriterien. Lutter erachtet eine Vorwegbindung als unzulässig, wenn die aktuellen Vorstandsmitglieder ihren Amtsnachfolgern weitreichende Zukunftsbindungen aufbürden.983 Kort vertritt, dass die direkte Einflussnahme durch Dritte auf die Unternehmensplanung und die Geschäftspolitik unzulässig sei; ihre bloß indirekte Einflussnahme auf die Unternehmenspolitik sei allerdings möglich, z. B. bei der Ausrichtung des Unternehmens auf ein auf Dauer angelegtes Großprojekt.984 Es dürfe aber keine Festlegung der gesellschaftsrechtlichen Organisationsstruktur und der personellen Entscheidungen der AG durch Dritte geben. Auch die langfristige Unternehmensplanung könne nicht zum Gegenstand schuldrechtlicher Bindungen gemacht werden.985 Eine Vielzahl von Autoren ist der Ansicht, dass der Begriff der Leitungsautonomie eng gefasst werden müsse:986 Demnach wäre der Kern der Leitungsautonomie wohl unveräußerlich, darüber hinaus könne man allerdings Bindungen eingehen.987 Die zeitlich begrenzte Verpflichtung, für eine bestimmte Zeit keine Kapitalerhöhung durchzuführen, betreffe nicht die Leitung, sondern die Geschäftsführung.988 Weder 979
MüKoAktG/Spindler, § 76 Rn. 31. MüKoAktG/Spindler, § 76 Rn. 31. 981 MüKoAktG/Spindler, § 76 Rn. 31. 982 BeckOGK-AktG/Fleischer, § 76 Rn. 80; GK-AktG/Kort, § 76 Rn. 197. 983 Lutter, FS Fleck, 169, 183 f.; dies sei zu eng: Fleischer, FS Schwark, S, 137, 151. 984 GK-AktG/Kort, § 76 Rn. 199. 985 GK-AktG/Kort, § 76 Rn. 197. 986 Schäfer in einem Diskussionsbeitrag, zitiert nach Koch, in: 50 Jahre Aktiengesetz, S. 65, 97; Schmidt/Lutter/Seibt, § 76 Rn. 15 („[Der] Kernbereich ist also sehr eng zu ziehen, und andere Arten der Vorabbindung sind an den beweglichen Rechtsfolgenregimen des § 93 Abs. 1 AktG (Sorgfaltspflicht) zu messen.“); Bungert/Wansleben, ZIP 2013, 1841, 1844; König, NZG 2013, 452, 453 f.; Reichert, ZGR 2015, 1, 23; i. E. auch BeckOGK-AktG/Fleischer, § 76 Rn. 80 ff. 987 So z. B. Schmidt/Lutter/Seibt, § 76 Rn. 35. 988 Bungert/Wansleben, ZIP 2013, 1841, 1844. 980
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die Geschäftspolitik noch die Unternehmensstrategie seien betroffen.989 Teilweise wird die Vorabbindung, wenn sie zeitlich und gegenständlich begrenzt ist, auch deshalb als zulässig angesehen, weil sich in ihr gerade eine Ausübung der Leitungsautonomie manifestiere.990 Beispielsweise verstoßen Covenants in Kreditverträgen nicht gegen § 76 Abs. 1 AktG, außer wenn dem Kreditgeber Mitentscheidungsrechte in allgemeinen strategischen oder geschäftsführenden Fragen eingeräumt werden.991 Fleischer bildet Fallgruppen.992 Dafür, dass schuldrechtliche Dauerbindungen zulässig sind, werden mehrere Argumente vorgebracht:993 Erstens gebe es keine förmliche, sondern nur eine faktische Entäußerung von Führungsbefugnissen;994 zweitens liege nur eine indirekte und keine direkte Einflussnahme auf die Unternehmenspolitik vor;995 drittens sei nicht die korporative Sphäre betroffen;996 und viertens erfolge hier keine Entäußerung, sondern eine Ausübung des Leitungsermessens.997 Vereinbarungen im korporativen Bereich, wie etwa Erklärungen, auf Kapitalerhöhungen zu verzichten, seien generell kritischer zu sehen, weil der Vorstand hier formell auf eine korporative Maßnahme in seinem Zuständigkeitsbereich verzichte.998 Nach Ansicht des LG München I unterscheiden sich solche Maßnahmen von langfristigen Lieferbeziehungen, weil hier in die vorstandsautonome Entscheidungskompetenz eingegriffen werde und das Kompetenzgefüge der Aktiengesellschaft betroffen sei.999 Solche Maßnahmen sind nach der Literatur aber dann zulässig, wenn die Vorwegbindung nur eine überschaubare Zeit dauert oder durch Sachbedingungen spezifisch umgrenzt ist.1000 In Kreditverträgen sei es unzulässig, dem Kreditgeber durch Covenants ein Weisungsrecht einzuräumen; Informationsrechte seien hingegen zulässig.1001 Die Gefahrenzone sei erreicht, wenn die ge989
Bungert/Wansleben, ZIP 2013, 1841, 1844. Paschos, NZG 2012, 1142 f.; ähnlich: Hölters/Weber/Weber, § 76 Rn. 16b („konsequente Fortführung der zuvor autonom getroffenen, übergeordneten unternehmerischen Leitentscheidung“); noch großzügiger: Schall, in: Kämmerer/Veil, S. 75, 92. 991 Grigoleit/Grigoleit, § 76 Rn. 88. 992 BeckOGK-AktG/Fleischer, § 76 Rn. 80 ff.; außerdem sei sauber zwischen kompetenzund haftungsrechtlichen Kontrollmechanismen zu unterscheiden. 993 Fleischer, FS Schwark, S. 137, 151. 994 Fleischer, FS Schwark, S. 137, 151. 995 Fleischer, FS Schwark, S. 137, 151. 996 Fleischer, FS Schwark, S. 137, 151. 997 Fleischer, FS Schwark, S. 137, 151; so auch das LG München I, Urt. v. 5. 4. 2012 – 5 HKO 20488/11, NZG 2012, 1152 f. (juris-Rn. 59). 998 Fleischer, FS Schwark, S. 137, 152. 999 LG München I, Urt. v. 5. 4. 2012 – 5 HKO 20488/11, NZG 2012, 1152 ff. (juris-Rn. 59). 1000 Fleischer, FS Schwark, S. 137, 152; GK-AktG/Kort, § 76 Rn. 151; (wenn das Leitungsermessen durch Selbstbindung in zeitlicher und sachlicher Hinsicht nur teilweise beschränkt wird); MüKoAktG/Spindler, § 76 Rn. 30; Bungert/Wansleben, ZIP 2013, 1841, 1844; Paschos, NZG 2012, 1142 f.; Reichert ZGR 2015, 1, 23. 1001 Fleischer, FS Schwark, S. 137, 153. 990
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setzliche Organisationsstruktur der Gesellschaft tangiert sei.1002 Die Pflicht zur Konsultation der Kreditgeber vor wichtigen Unternehmensentscheidungen sei statthaft, nicht aber eine Klausel, die den Kreditgebern die exklusive Übertragung der Finanzierungsangelegenheiten oder die exklusive Verhandlungsführung mit allen Gläubigern ermöglicht.1003 In Investorenvereinbarungen seien Klauseln unzulässig, mit denen sich der Vorstand auf ein Angebot festlegt, wenn sie keine Ausstiegsklausel enthielten.1004 Klauseln, nach denen der Vorstand nicht mit anderen Bietern reden dürfe (No-Talk-Klauseln) seien unzulässig, weil gegen die Pflicht verstoßen würde, Entscheidungen auf informierter Grundlage zu treffen.1005 Gegen No-ShopKlauseln, mit denen der Vorstand nur verpflichtet wird, aktiv keine weiteren Bieter zu suchen, gebe es wegen der geringeren Verpflichtungsintensität hingegen keine durchgreifenden Bedenken.1006 Fleischer1007 hat im Zusammenhang mit der Fallgruppenbildung den Trend zu einem zweistufigen Modell angestoßen:1008 Wo es Relativierungen vom Prinzip des Verbots der Vorwegbindung gebe, seien diese dann am „zweite[n] engmaschige[n] Kontrollnetz“ des § 93 AktG zu messen.1009 In diese Richtung geht es auch, wenn in der Literatur versucht wird, den Begriff der Leitungsmacht aufzuweichen, diesen stärker von dem der Geschäftsführung abzugrenzen oder gewisse Ausnahmen vom Verbot zuzulassen.1010 V. Verhältnismäßigkeitsprüfung Für eine außergerichtliche Restrukturierungsvereinbarung hat Heinzmann eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vorgeschlagen und verschiedene Gesichtspunkte herausgearbeitet, mit denen eine Vorabbindung in diesem Stadium gerechtfertigt werden kann.1011 Auf der einen Seite ist zwar zu berücksichtigen, dass durch eine solche Rechtfertigungsmöglichkeit die Organisationsstruktur der Aktiengesellschaft ge1002
Fleischer, FS Schwark, S. 137, 153. Fleischer, FS Schwark, S. 137, 153. 1004 Fleischer, FS Schwark, S. 137, 153 (zu Board-Recommendation-Klauseln); BeckOGK-AktG/Fleischer, § 76 Rn. 91; Banerjea, DB 2003, 1489, 1494; Kuhn, Exklusivvereinbarungen, S. 230; generell unzulässig: Schall, in: Kämmerer/Veil, S. 75, 103 f. 1005 Fleischer, FS Schwark, S. 137, 154; BeckOGK-AktG/Fleischer, § 76 Rn. 92; Kuhn, Exklusivvereinbarungen, S. 235 ff. 1006 Fleischer, FS Schwark, S. 137, 154; BeckOGK-AktG/Fleischer, § 76 Rn. 92. 1007 Fleischer, FS Schwark, 137, 149 ff. 1008 So die Feststellung von Koch, in: 50 Jahre Aktiengesetz, S. 65, 95; vgl. zu den folgen Ausführungen auch seine diesbezüglichen ausführlichen Ausführungen. 1009 Fleischer, FS Schwark, 137, 149 ff.; tendenziell auch Hölters/Weber/Weber, § 76 Rn. 16c. 1010 Vgl. Koch, in: 50 Jahre Aktiengesetz, S. 65, 97, der diesem Ansatz allerdings nicht folgt, sondern auf § 93 Abs. 1 AktG abstellen will. 1011 Auf die ausführliche Darstellung sei verwiesen: Heinzmann, Restrukturierungsvereinbarungen, S. 154 – 181. 1003
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fährdet wird.1012 Auf der anderen Seite kann insbesondere in der Restrukturierung eine Vorabbindung notwendig sein, um das Unternehmen retten zu können.1013 Voraussetzung sei, dass ein legitimes Ziel verfolgt werde, und die Vorabbindung geeignet, erforderlich und angemessen sei, um dieses Ziel zu erreichen.1014 Legitime Ziele einer Restrukturierungsvereinbarung sind der Erhalt wirtschaftlicher Werte, die Reduktion der finanziellen Risiken sowie die mögliche Wertsteigerung für die Stakeholder.1015 Ergänzt sei, dass eine schnelle, stille und kostengünstige Restrukturierung gewährleistet sein muss und der Anti-Allmende-Tragödie begegnet werden kann.1016 Schließlich können durch solche Vereinbarungen auch neue Finanzierungen gesichert werden.1017 Restrukturierungsvereinbarungen seien geeignet, diese Ziele zu fördern, weil sie Rechtssicherheit und Planungssicherheit gäben.1018 Eine Vorwegbindung könne erforderlich sein, weil informelle Absprachen nicht in gleichem Maße effektiv seien.1019 Rechtsverbindliche Vereinbarungen hätten, anders als informelle Absprachen, mehr Einfluss auf die Fortführungsprognose.1020 Daneben sei der Schutz der Organisationsverfassung abstrakt auch nicht derart stark zu gewichten, dass ein Eingriff nie gerechtfertigt sein könne.1021 Im Rahmen der Angemessenheitsprüfung gelte folgender Satz: Je akuter eine Insolvenz drohe und je wichtiger eine Restrukturierung für den Erhalt des Unternehmenswertes sei, desto weiter und intensiver könne in die Leitungskompetenz des Vorstands durch Vorwegbindungen eingegriffen werden.1022 Nach Heinzmann ist eine Vorwegbindung zur Umsetzung finanzieller Restrukturierungsmaßnahmen in unmittelbarer Insolvenznähe im Grundsatz gerechtfertigt, weil ansonsten mit einer massiven Minderung des Unternehmenswertes gerechnet werden müsse.1023 Würde dem Vorstand die Möglichkeit zu solchen Bindungen versagt, stünde dies im Widerspruch zu seiner Sanierungspflicht.1024 Bei der Festlegung auf operative Restrukturierungsmaßnahmen seien strengere Maßstäbe anzulegen. Diese Maßnahmen müssten für die Wiederherstellung der Wettbewerbs1012
Otto, NZG 2013, 930, 936 f. Vgl. Heinzmann, Restrukturierungsvereinbarungen, S. 155. 1014 Heinzmann, Restrukturierungsvereinbarungen, S. 155 ff. 1015 Vgl. Heinzmann, Restrukturierungsvereinbarungen, S. 156 ff. 1016 Vgl. dazu oben bei Fn. 624 ff. 1017 Dazu In re Bush Industries, Inc., 315 B.R. 292, 303 (Bkrtcy W.D.N.Y. 2004) („On the other hand, this agreement also provided assurances of post-petition financing and of support for the plan by the only class of impaired creditors.“). 1018 Vgl. Heinzmann, Restrukturierungsvereinbarungen, S. 165 f. 1019 Vgl. Heinzmann, Restrukturierungsvereinbarungen, S. 166 ff. 1020 Vgl. Heinzmann, Restrukturierungsvereinbarungen, S. 166 ff. 1021 Heinzmann, Restrukturierungsvereinbarungen, S. 169 f. 1022 Heinzmann, Restrukturierungsvereinbarungen, S. 172 f. 1023 Heinzmann, Restrukturierungsvereinbarungen, S. 173. 1024 Heinzmann, Restrukturierungsvereinbarungen, S. 174. 1013
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fähigkeit und Renditefähigkeit dringend erforderlich sein.1025 Sie müssen zudem im Rahmen eines ganzheitlichen Restrukturierungskonzepts plausibel begründet werden.1026 Strategische Maßnahmen, wie die Pflicht, Unternehmensteile oder wesentliches Betriebsvermögen zu veräußern, seien regelmäßig nicht zwingend erforderlich, um eine Insolvenzgefahr und Insolvenzreife zu beseitigen. Nur wenn ein Sanierungsgutachten zu dem Schluss komme, dass diese strategischen Maßnahmen Teil des Sanierungskonzepts sein müssen, sei eine entsprechende Vorabbindung zulässig.1027 Ausnahmsweise sei eine entsprechende Vorabbindung aber auch dann zulässig, wenn ein Geldgeber seine Beteiligung am Unternehmen von der Aufnahme dieser Maßnahmen abhängig mache.1028 Schließlich könne ein grundsätzlich unangemessener Eingriff in die Kompetenzordnung auch dadurch kompensiert oder geheilt werden, dass der Vertragspartner seinerseits bestimmte Zusagen mache.1029 So könnten Sanierungszusagen gemacht werden.1030 Ferner wäre auch an eine teilweise Entherrschung des Gläubigers nach seinem Einstieg ins Eigenkapital als Gegenleistung zu denken.1031 Hier könnten auch Unterlassungspflichten aufgenommen werden, nach denen das Unternehmen nach der Restrukturierung nicht zerschlagen werden dürfe.1032 Diese Argumente zu Restrukturierungsvereinbarungen können im Grundsatz auch auf RSA übertragen werden. VI. Lösung über § 93 Abs. 1 AktG Während die bisher geäußerten Ansichten den Tatbestand des § 76 Abs. 1 AktG betreffen, verortet eine andere Ansicht das Problem der unzulässigen Vorwegbindung nicht bei §§ 76 AktG i. V. m. § 134 BGB, sondern bei § 93 Abs. 1 AktG.1033 Die Vielgestaltigkeit der Unternehmenspraxis verlange nach einem flexiblen Maßstab. Das Modell, welches den Begriff der Leitungsmacht nach der Intensität beurteile, stoße bei der Beurteilung, was zulässig ist und was nicht, an seine Grenzen.1034 Wenn die Zulässigkeit an § 93 Abs. 1 AktG gemessen werde, könnten auch Gegenleistungen berücksichtigt werden, derentwegen der Vorstand die Bindungen eingeht.1035 Die Rechtsfolge bestehe außerdem nicht in der Unwirksamkeit einer Vereinbarung,
1025 1026 1027 1028 1029 1030 1031 1032 1033 1034 1035
Heinzmann, Restrukturierungsvereinbarungen, S. 174 f. Heinzmann, Restrukturierungsvereinbarungen, S. 174 f. Heinzmann, Restrukturierungsvereinbarungen, S. 175. Heinzmann, Restrukturierungsvereinbarungen, S. 176. Heinzmann, Restrukturierungsvereinbarungen, S. 177. Heinzmann, Restrukturierungsvereinbarungen, S. 178. Heinzmann, Restrukturierungsvereinbarungen, S. 178. Heinzmann, Restrukturierungsvereinbarungen, S. 178. Koch, in: 50 Jahre Aktiengesetz, S. 65, 92 ff.; Hüffer/Koch/Koch, § 76 Rn. 8. Koch, in: 50 Jahre Aktiengesetz, 65, 96, 98 f. Koch, in: 50 Jahre Aktiengesetz, 65, 97.
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sondern nur in einer möglichen Schadenersatzpflicht.1036 Daneben bestehe ausreichend Schutz durch andere Regelungen wie etwa das Recht der Unternehmensverträge nach §§ 291 ff. AktG, die Vorgaben in § 33 WpÜG, das Gleichbehandlungsgebot in § 53a AktG, die Grundsätze der Kapitalerhaltung nach § 57 AktG, die Treuepflichten, das Stimmverbot aus § 136 AktG, die Grundsätze zum Missbrauch der Vertretungsmacht, die guten Sitten nach § 138 BGB und die Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB.1037 Andere stimmen dieser Ansicht zu.1038 Es gehe bei der Frage der Selbstbindung um die Grenzen zulässiger Ermessenausübung des Vorstands bei der Wahrnehmung seiner Leitungstätigkeit.1039 Innerhalb des Rahmens des § 76 Abs. 1 AktG könne nicht oder nur schwer zwischen zulässiger und unzulässiger Ermessensausübung differenziert werden.1040 Bei einer Vorwegbindung sei die Leitungsebene nicht tangiert, sondern es handele sich lediglich um das Eingehen einer sehr weiten, aber noch zulässigen Verpflichtung im Rahmen von Austauschverträgen.1041 Bei der Abwägung seien die tatsächlichen Verhältnisse und auch die zur Verfügung stehenden Handlungsoptionen in den Blick zu nehmen.1042 Vorteile könnten in der Zusage der Schlüsselgläubiger bestehen, eine unabhängige Unternehmensleitung und Geschäftsführung zu gewährleisten.1043 Außerdem seien Finanzierungszusagen oder die Stärkung der Marktposition der Gesellschaft denkbar.1044 VII. Stellungnahme Nach der zuletzt genannten Auffassung wäre kein Verstoß gegen § 76 Abs. 1 AktG gegeben und es läge auch keine Kompetenzverletzung vor. Demnach wäre das RSA insoweit zulässig. Es könnte allerdings eine Pflichtverletzung begründen und gegen weitere Vorgaben des StaRUG verstoßen (s. u.). Nach den anderen Ansichten ist zu prüfen, ob die Klauseln, die im RSA aufgenommen werden, eine unzulässige Vorabbindung des Vorstands bedeuten. Eine Vorwegbindung des Vorstands wäre aber nicht per se unzulässig. Alle Ansichten haben auf Tatbestandsebene einen gemeinsamen Nenner: Nach Mertens/Cahn besteht generell ein Wertungsrahmen, nach Spindler wäre sie zulässig, wenn sie im Unternehmensinteresse liegt, nach Fleischer gelten ebenfalls fallgruppenspezifische Gesichtspunkte, womit eine Vorabbindung gerechtfertigt werden kann. Es erscheint möglich, für RSA eine eigene 1036
Koch, in: 50 Jahre Aktiengesetz, 65, 99 f. Koch, in: 50 Jahre Aktiengesetz, 65, 100. 1038 Von Lüdinghausen, Fremdeinfluss, S. 205 ff. mit Ergebnis auf S. 221 f.; Wiegand, Investorenvereinbarungen, S. 266 f.; Schmidt/Lutter/Seibt, § 76 Rn. 34 ff. 1039 Von Lüdinghausen, Fremdeinfluss, S. 205. 1040 Von Lüdinghausen, Fremdeinfluss, S. 205. 1041 Wiegand, Investorenvereinbarungen, S. 267. 1042 Schmidt/Lutter/Seibt, § 76 Rn. 36. 1043 Schmidt/Lutter/Seibt, § 76 Rn. 36. 1044 Schmidt/Lutter/Seibt, § 76 Rn. 36. 1037
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Fallgruppe mit eigenen Wertungskriterien zu entwickeln. Heinzmann führt schließlich eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durch. Im Ergebnis ist somit zu prüfen, ob eine Vorabbindung durch ein RSA gerechtfertigt werden kann.1045 Viele der vorgebrachten Argumente und Wertungen dieser Ansichten sprechen für die Zulässigkeit eines RSA. Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass die Absprachen zeitlich und sachlich beschränkt sind.1046 Für die Zulässigkeit spricht weiter, dass mit dem RSA für die Gesellschaft weitere Vorteile im Unternehmensinteresse einhergehen. Ferner sind häufig nur wenige oder gar keine Alternativlösungen vorhanden.1047 Deshalb können Vorabbindungen auch verhältnismäßig sein. Ein weiteres Argument für die Zulässigkeit von Vorwegbindungen ist die in § 1 Abs. 1 Satz 2 StaRUG beschriebene Aufforderung, dass die Mitglieder der Geschäftsleitung geeignete Maßnahmen ergreifen müssen, wenn sie eine Gefährdung des Unternehmens erkennen. Die Aufforderung im Rahmen des § 1 Abs. 1 Satz 2 StaRUG kann daher nach hier vertretener Auffassung ebenfalls im Rahmen der Abwägung berücksichtigt werden. § 31 Abs. 2 Nr. 1 und 3 StaRUG sprechen ebenfalls dafür, dass Verhandlungen und bestimmte Bindungen zwischen der Schuldnerin und einigen Gläubigern möglich sind. Wenn die Schuldnerin das StaRUG-Verfahren anzeigt, soll sie immerhin über die anvisierten Maßnahmen berichten und Maßnahmen beschreiben, welche zur Erreichung des Restrukturierungsziels durchgeführt werden sollen. Dass diese Vorbereitungen alle nur informell und nicht rechtsverbindlich durchgeführt werden dürfen, ist im StaRUG nicht normiert. Allerdings ist auch auf einige StaRUG-spezifische Besonderheiten hinzuweisen: Eine Grenze dürfte erreicht sein, wenn dem Vertragspartner ein unzulässiger Sondervorteil gewährt wird. Solche Vereinbarungen wären nach § 10 Abs. 3 StaRUG unwirksam (dazu unten ausführlich). Die bloße Festlegung des Vorstands in Bezug auf das erste Planangebot dürfte allerdings noch keinen Sondervorteil gewähren, weil das Planangebot erst noch angenommen werden muss und im Laufe des Verfahrens nochmals geändert werden kann. Eine zweite Frage ist, zu welchem Zeitpunkt im Rahmen der Restrukturierungsverhandlungen eine Bindung eingegangen werden kann. Hier setzt das StaRUG voraus, dass der Vorstand seine Entscheidungen auf informierter Basis trifft, sodass eine frühzeitige Bindung ohne entsprechende Verhandlungen pflichtwidrig wäre (dazu unten ausführlich). Drittens darf sich die Vorwegbindung allenfalls auf das Planangebot beziehen. Sofern im StaRUG-Verfahren eine Erörterung stattfindet, sieht das Gesetz vor, dass nach der Erörterung noch Änderungen am Plan vorgenommen werden dürfen. Diese 1045 Anders nur Otto, NZG 2013, 930, 936 f. wonach dadurch die Gefahr einer schleichenden Auflösung wesentlicher Strukturprinzipien eintreten könnte. 1046 Hüffer/Koch/Koch, § 76 Rn. 41b. 1047 Zu diesem Argument: Schmidt/Lutter/Seibt, § 76 Rn. 36.
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Möglichkeit darf der Vorstand nicht durch Vorwegbindungen verhindern. Die Möglichkeit zur Änderung des Planangebots stellt ein Minderheitenrecht dar. Die übergangenen Gläubiger sollen die Möglichkeit erhalten, dass ihre Ansichten noch eingearbeitet werden können, wenn dies mehrheitlich verlangt wird. Notfalls ist diese Möglichkeit durch eine Öffnungs- bzw. Ausstiegsklausel abzusichern. Für das erste Planangebot dürfte eine Festlegung allerdings möglich sein. Als Zwischenergebnis kann festgehalten werden, dass § 76 AktG dem Abschluss eines RSA nicht zwingend entgegensteht.
C. Zustimmungserfordernis der Hauptversammlung zum RSA? Fraglich ist, ob die Hauptversammlung dem Abschluss eines RSA zustimmen muss. An dieser Stelle soll es nur darum gehen, ob die Hauptversammlung dem RSA (!) zustimmen muss. Ob die Anzeige des StaRUG-Verfahrens der Zustimmung bedarf, wird erst später geprüft, weil die zustimmungsbedürftige Anzeige nur eine mittelbare Grenze für ein RSA wäre und dieses nicht direkt betrifft. I. Holzmüller/Gelatine 1. Grundsätze Nach der Holzmüller-Entscheidung des BGH muss die Hauptversammlung einer Maßnahme des Vorstandes zustimmen, wenn Maßnahmen „so tief in die Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre und deren im Anteilseigentum verkörpertes Vermögensinteresse eingreifen, daß der Vorstand vernünftigerweise nicht annehmen kann, er dürfe sie in ausschließlich eigener Verantwortung treffen.“1048 Die GelatineEntscheidung schränkt diese Aussagen ein1049 und gebietet dann eine Zustimmung der Hauptversammlung, wenn die Maßnahmen der Geschäftsführung „an die Kernkompetenz der Hauptversammlung, über die Verfassung der Gesellschaft zu bestimmen, rühren und in ihren Auswirkungen einem Zustand entsprechen, der allein durch eine Satzungsänderung herbeigeführt werden kann.“1050 Eine Zustimmungspflicht kommt in erster Linie bei einem Mediatisierungseffekt einer Maßnahme in Betracht.1051 Dieser Aspekt wurde nochmals in einer vom BGH zurückgewiesenen 1048 BGH, Urt. v. 25. 2. 1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 130 = NJW 1982, 1703, 1705 (juris-Rn. 27) – „Holzmüller“. 1049 Strohn, ZHR 182 (2018), 114, 123 (gemeinhin Wertung „als restriktive Interpretation von Holzmüller“). 1050 BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 44 f. = ZIP 2004, 993, 998 (juris-Rn. 48) – „Gelatine I“; BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 154/02, ZIP 2004, 1001, 1003 (juris-Rn. 37) – „Gelatine II“. 1051 Vgl. BGH, Urt. v. 26. 4. 2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30 f. = ZIP 2004, 993 (Leitsatz 2) – „Gelatine I“; Heß, Investorenvereinbarungen, S. 40 f.; OLG Köln, Beschl. v. 13. 01. 2014 – 18 U 175/13, ZIP 2014, 263, 267 (juris-Rn. 41).
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Nichtzulassungsbeschwerde aus dem Jahr 20061052 gegen ein Urteil des OLG Stuttgart1053 betont.1054 Nach der Literatur hat der BGH aber nicht abschließend darüber entschieden, ob die Holzmüller/Gelatine-Grundsätze auch auf andere Transaktionsstrukturen übertragen werden können, sodass Deutungsspielräume gegeben sind.1055 Es sei nicht undenkbar, dass in Zukunft Hauptversammlungszuständigkeiten aus anderen Sachlagen als einer Mediatisierung hergeleitet würden.1056 Eine Einzelfallprüfung sei unvermeidbar.1057 2. Anknüpfungspunkte Ein Anknüpfungspunkt für ein Zustimmungserfordernis der Hauptversammlung zum RSA könnte sein, dass der Vorstand mittels RSA auf die künftige Aktionärsstruktur einwirkt.1058 Außerdem könnte eine ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeit für Maßnahmen gelten, die sich breitflächig auf das Unternehmen auswirken und von denen „die Gesellschafterstruktur in einer Form präjudiziert wird, die künftige Restrukturierungen und Initiativen der Gesellschafter hierzu weitgehend ausschließt oder solche Vorstöße zumindest dem Verdikt der Treuwidrigkeit unterwirft.“1059 Teilweise wird eine Hauptversammlungszuständigkeit auch angenommen, wenn sich der Vorstand eine Hausmacht schaffen würde.1060 Alle Argumente könnten im Zusammenhang mit dem Abschluss eines RSA im Grundsatz greifen. 3. Urteil des OLG Köln im Fall Solarworld In der oben bereits dargestellten1061 Restrukturierung der Solarworld AG1062 wurde das Sanierungskonzept zunächst in einem Termsheet festgehalten. Das Termsheet enthielt eine Vereinbarung, dass eine Kapitalherabsetzung auf null und eine anschließende Kapitalerhöhung unter Ausschluss des Bezugsrechts durchgeführt werden sollte. Das Termsheet selbst, in welchem der ganze Deal fixiert war, 1052
BGH, Beschl. v. 20. 11. 2006 – II ZR 226/05, ZIP 2007, 24. OLG Stuttgart, Urt. v. 13. 7. 2005 – 20 U 1/05, ZIP 2005, 1415. 1054 Heß, Investorenvereinbarungen, S. 39 f. 1055 Koch, ZGR 2019, 588, 604; vgl. auch Reichert, ZGR 2015, 1, 15 („[o]hne kategorisch andere Möglichkeiten auszuschließen“). 1056 Koch, ZGR 2019, 588, 617 f. m. w. N. zu Andeutungen des BGH in Fn. 72; vgl. auch Goette, AG 2006, 522, 525: keine Festlegung ausschließlich auf Mediatisierungseffekte. 1057 Reichert, ZGR 2015, 1, 15. 1058 Vgl. zu diesem Argument im Kontext von Investorenvereinbarungen: Heß, Investorenvereinbarungen, S. 40 ff. 1059 Liebscher, GmbH-Konzernrecht, 2006 Rn. 917; vgl. auch Liebscher, ZGR 2005, 1, 25 f. 1060 Barthetmeß/Braun, AG 2000, 172, 177. 1061 Vgl. oben bei Fn. 145 ff. 1062 OLG Köln, Beschl. v. 13. 01. 2014 – 18 U 175/13, ZIP 2014, 263 ff. 1053
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wurde zwar veröffentlicht, der Hauptversammlung aber nicht zur Abstimmung vorgelegt.1063 Diese entschied später nur über einzelne Umsetzungsakte, wie die Kapitalmaßnahmen.1064 Das OLG Köln erklärte, dass es nicht gegen die HolzmüllerGelatine-Grundsätze verstoßen habe, dass das Restrukturierungskonzept als Ganzes nicht der Hauptversammlung vorgelegt worden sei, weil nicht das ganze Sanierungskonzept, sondern nur die Kapitalerhöhung unter Ausschluss des Bezugsrechts zu einem Mediatisierungseffekt führen würde.1065 Über jene Kapitalmaßnahme habe die Hauptversammlung allerdings entschieden. 4. Literatur In der Literatur zu BCA wird ähnlich differenziert. Wenn die Vereinbarung nur einen Fahrplan festlegt, über die konkreten Strukturmaßnahmen allerdings erst später zu einem im Fahrplan vorgesehenen Zeitpunkt verbindlich entschieden werden soll, bedürfe die Vereinbarung selbst – vorbehaltlich einer Hauptversammlungszuständigkeit kraft Sachzusammenhang – keiner Zustimmung der Hauptversammlung.1066 Nur wenn im Rahmen der Vereinbarung schon verbindlich (!) Strukturmaßnahmen verabredet würden, bestünde eine ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeit, wenn die Schwelle aus der Holzmüller/GelatineRechtsprechung erreicht sei.1067 5. Einordnung von RSA Man könnte argumentieren, dass die Hauptversammlung einem RSA im Vorfeld des Insolvenzplanverfahrens bzw. der Anzeige des StaRUG-Verfahrens zustimmen muss. Dagegen sprechen zum einen die übertragbaren Wertungen des OLG Köln. Das RSA selbst hat keinen Mediatisierungseffekt.1068 Ein etwaiger Eingriff in die Positionen der Anteilsinhaber würde nicht durch das RSA bewirkt, sondern erst später durch die Annahme des Plans.1069 Bis hierhin sind allerdings noch viele Hürden zu nehmen, wie die Anzeige der Restrukturierungssache bei Gericht, der Erörterungstermin sowie die Abstimmung über den Plan. Dort stimmen die Aktionäre dann auch über den Plan ab. Der Abschluss des RSA ändert an den Rechten der Aktionäre zunächst noch nichts.
1063
OLG Köln, Beschl. v. 13. 01. 2014 – 18 U 175/13, ZIP 2014, 263, 265 (juris-Rn. 29). Vgl. OLG Köln, Beschl. v. 13. 01. 2014 – 18 U 175/13, ZIP 2014, 263, 267 (jurisRn. 41). 1065 OLG Köln, Beschl. v. 13. 01. 2014 – 18 U 175/13, ZIP 2014, 263, 267 (juris-Rn. 41). 1066 Schmolke, VGR 2018, Rn. 31. 1067 Schmolke, VGR 2018, Rn. 31. 1068 Vgl. Oppenhoff, in: Paschos/Fleischer, § 9 Rn. 45 (zu BCA). 1069 Brinkmann, KTS 2021, 303, 318. 1064
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Der Vorstand erhält durch das RSA auch keine Hausmacht. Die Gläubiger werden nicht verpflichtet, allen Wünschen des Vorstands Folge zu leisten. Sie verpflichten sind nur, ihre Forderungen nicht mehr abzutreten und den Plan zu unterstützen, sofern er bestimmte Inhalte aufweist. Es werden mithin spezielle restriktive Voraussetzungen für die künftige Zusammenarbeit aufgestellt. Wenn überhaupt ist die Einflussmacht der Schlüsselgläubiger problematisch, nicht aber, dass der Vorstand sich eine Hausmacht organisiert. Es erfolgt auch noch keine verbindliche Festlegung von Maßnahmen. Der Plan muss erst noch aufgestellt werden. Er kann nach einer Erörterung im Plenum nochmals geändert werden. Das Gericht müsste einer Maßnahme ebenfalls noch zustimmen. Insofern stellt das RSA lediglich einen Fahrplan dar. 6. Gesamtbetrachtung? Jüngst hat Strohn1070 im Rahmen der Diskussion um einen Unternehmenszusammenschluss der Linde AG mit Praxair Inc.1071 eine Holzmüller/Gelatine-Zuständigkeit angenommen und die These vertreten, dass die einzelnen Akte des dortigen Zusammenschlussverfahrens nicht isoliert betrachtet werden dürfen. Es müsse eine Gesamtbetrachtung erfolgen. Dieser Gesichtspunkt hat nach Ansicht der Literatur in der BGH-Rechtsprechung noch keine klare Bestätigung gefunden.1072 Im Fall Solarworld könnte sie möglicherweise zu einem anderen Ergebnis führen. Fraglich ist allerdings, wie weit eine solche Betrachtung reichen würde, welche zeitlichen und inhaltlichen Grenzen zu ziehen sind und ob es subjektive Anforderungen gibt.1073 Zum Zusammenschluss der Linde AG mit Praxair Inc. bejahte Strohn aufgrund einer Gesamtbetrachtung die Holzmüller/Gelatine-Zuständigkeit, weil die Zielstruktur eine identische Mediatisierung wie im Fall Holzmüller herbeigeführt hätte.1074 Dort seien Aktionäre der Linde AG später nur noch Aktionäre einer Holding gewesen und es gebe einen Mediatisierungseffekt, weil die Linde AG Tochtergesellschaft wurde und in der Holding nun auch andere Aktionäre Stimmmacht hätten.1075 Andere nahmen hingegen eine verfahrensorientierte Sichtweise ein und verneinten eine Hauptversammlungszuständigkeit, weil die Aktionäre im Ergebnis ein 1070 Strohn, ZHR 182 (2018), 114, 150; kritische Auseinandersetzung damit bei Koch, ZGR 2019, 588, 606 ff. und Schmolke, VGR 2018, Rn. 33 ff. 1071 LG München I, Urt. v. 20. 12. 2018 – 5 HK O 15236/17, ZIP 2019, 266 ff.; OLG München, Urt. v. 14. 10. 2020 – 7 U 448/19, AG 2022, 47 ff. 1072 Koch, ZGR 2019, 588, 606. 1073 Koch, ZGR 2019, 588, 606. 1074 Strohn, ZHR 182 (2018), 148 ff. insbesondere 150 f.; zusammenfassend bei Koch, ZGR 2019, 588, 609 f. 1075 Zusammenfassend zur Zielstruktur: Schmolke, VGR 2018, Rn. 33.
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Übernahmeangebot erhalten hätten, durch das WpÜG geschützt gewesen seien und sie durch die Struktur der Transaktion in den Genuss weiterer Vorteile gekommen wären.1076 Die Gesamtbetrachtung würde übersehen, dass die Aktionäre durch das WpÜG geschützt seien.1077 Hier würden die Aktionäre aktiv ein Angebot annehmen.1078 Vermeintliche Schutzlücken im WpÜG sollten nicht durch eine Hauptversammlungszuständigkeit korrigiert werden.1079 Eine Gesamtbetrachtung ergibt für RSA nicht, dass die Hauptversammlung diesen zustimmen muss. Die Argumente der verfahrensorientierten Sicht können auch im StaRUG fruchtbar gemacht werden. Die Interessen der Aktionäre werden durch das StaRUG-Verfahren eigenständig geschützt, so wie die Interessen der Aktionäre im Übernahmeverfahren durch das WpÜG geschützt werden. Auch im StaRUG-Verfahren sollten vermeintlich angenommene Schutzlücken nicht durch etwaige Hauptversammlungszuständigkeiten korrigiert werden. II. Sachzusammenhang Weiterhin könnte eine Zuständigkeit qua Sachzusammenhang in Betracht gezogen werden.1080 Die These lautet:1081 Wenn spätere Strukturmaßnahmen einer Zustimmung der Hauptversammlung bedürften, könnte auch der Fahrplan hierzu einer Zustimmung kraft engen Sachzusammenhangs bedürfen. In der Hoesch/ Hoogovens-Entscheidung des BGH1082, in welcher eine Hauptversammlungszuständigkeit für einen Übertragungsvertrag nach § 179a AktG bestand, musste der Hauptversammlung auch der Grundvertrag vorgelegt werden.1083 Dies gelte bei Vereinbarungen, „von denen die eine nicht ohne die andere gelten soll und die daher ein einheitliches Ganzes i. S. d. § 139 BGB bilden.“1084 In dem Grundvertrag waren – ähnlich wie in einem RSA – die Grundlagen der Transaktion geregelt. Allerdings ging es im konkreten BGH-Fall nach Stimmen in der Literatur nicht darum, eine Hauptversammlungszuständigkeit qua Sachzusammenhang auf vorgelagerte Transaktionsschritte zu begründen.1085 Es ging nur um die der Hauptversammlung zugänglich zu machenden Dokumentationsgrundlagen.1086 Insbesondere für das 1076
Koch, ZGR 2019, 611 ff. Schmolke, VGR 2018, Rn. 34. 1078 Schmolke, VGR 2018, Rn. 35. 1079 Schmolke, VGR 2018, Rn. 34. 1080 Vgl. Decher, FS Hüffer, S. 145, 154 ff.; Koch, ZGR 2019, 588, 598 f.; Schmolke, VGR 2018, Rn. 36; Oppenhoff, in: Paschos/Fleischer, § 9 Rn. 46; Reichert, ZGR 2015, 1, 17 f. 1081 Schmolke, VGR 2018, Rn. 36. 1082 BGH, Urt. v. 16. 11. 1981 – II ZR 150/80, BGHZ 82, 188 = NJW 1982, 933. 1083 Koch, ZGR 2019, 588, 599. 1084 BGH, Urt. v. 16. 11. 1981 – II ZR 150/80, BGHZ 82, 188, 196 = NJW 1982, 933, 935. 1085 So Koch, ZGR 2019, 588, 599; Schmolke VGR 2018, Rn. 36 ff. 1086 Koch, ZGR 2019, 588, 599; Schmolke, VGR 2018 Rn. 37. 1077
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StaRUG-Verfahren ergibt sich kein Sachzusammenhang, weil die Hauptversammlung als Organ im Rahmen der Abstimmung über den StaRUG-Plan gar nicht tätig wird. Über den StaRUG-Plan stimmt nicht die Hauptversammlung ab, sondern die Versammlung der Planbetroffenen innerhalb der jeweiligen Abstimmungsgruppen. Überdies ist auch fraglich, ob das RSA und der spätere Plan überhaupt eine Einheit bilden.1087 Der Plan dürfte aus sich heraus verständlich sein.1088 Außerdem verbleibt dem Vorstand häufig noch ein weites Ermessen, sodass die Schuldnerin keine konkreten Pflichten trifft und die Schlüsselgläubiger keine konkreten Weisungsrechte erhalten.1089 III. Selbstbindung der Verwaltung? Wenn sich die Verwaltung bzgl. eines Gegenstandes selbst bindet, welcher in die Kompetenz der Hauptversammlung fällt, könnte dies ebenfalls zu einer Zustimmungspflicht der Hauptversammlung führen.1090 Dies dürfte bei einem RSA wiederum nicht in Betracht kommen, weil über den späteren StaRUG-Plan nicht die Hauptversammlung abstimmt, s. o. Ob die Hauptversammlung der Anzeige des StaRUG-Verfahrens zustimmen muss, ist eine andere Frage, auf die weiter unten ausführlich einzugehen ist. IV. Fazit Die Hauptversammlung muss dem RSA nicht zustimmen.
D. Related Party Transaction? I. Related Party Transaction nach den §§ 111a – c AktG? In einem RSA wird typischerweise der anstehende Restrukturierungsprozess durch sog. Milestones vorgezeichnet. Daneben werden bestimmte Gebühren für die Aushandlung und den Beitritt zum RSA vereinbart, das (Stimm-)Verhalten der künftigen Finanzierungspartner geregelt und deren mögliche Rechtsbehelfe im Verfahren limitiert. Schließlich kann der Inhalt des Restrukturierungsplans auch schon in Grobzügen abgesprochen werden.1091 Schließt die Schuldnerin ein solches RSA im Vorfeld der Restrukturierung mit ihren Schlüsselgläubigern ab, könnte darin 1087
Auch ein BCA und ein späterer Beherrschungsvertrag sollen z. B. keine Einheit bilden, Oppenhoff, in: Paschos/Fleischer, § 9 Rn. 47. 1088 Vgl. zu dieser Argumentation im Rahmen von BCAs und Beherrschungsverträgen: Decher, FS Hüffer, S. 145, 155; Oppenhoff, in: Paschos/Fleischer, § 9 Rn. 47. 1089 Vgl. analog zu BCA: Oppenhoff, in: Paschos/Fleischer, § 9 Rn. 47. 1090 Koch, ZGR 2019, 588, 621 f. 1091 Vgl. dazu insgesamt oben bei Kapitel 1 und 2.
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eine zustimmungspflichtige und offenlegungspflichtige Related Party Transaction nach den §§ 111a – c AktG liegen. So wurde jüngst von Florstedt1092 die These vertreten, dass Finanzinvestoren unter bestimmten Umständen „nahestehende Personen“ i. S. d. §§ 111a – c AktG sind und Vereinbarungen zwischen der Schuldnerin und den Finanzinvestoren Related Party Transactions sein können. Florstedt hat auch speziell auf RSA hingewiesen.1093 II. Regelungsziel der §§ 111a – c AktG Nach § 111b Abs. 1 AktG bedarf ein Geschäft der börsennotierten Gesellschaft mit nahestehenden Personen ab einer gewissen Größenordnung1094 der vorherigen Zustimmung des Aufsichtsrats oder eines nach § 107 Abs. 3 Satz 4 – 6 AktG bestellten Ausschusses. Geschäfte zwischen der Gesellschaft und einer nahestehenden Person sind besonders regelungsbedürftig, weil bei solchen Geschäften die abstrakte Gefahr für Drittnachteile (z. B. für Aktionäre und Anleger) besteht.1095 Bei solchen Geschäften fehlt regelmäßig die Verhandlungsparität.1096 Auf der einen Seite sind die Interessen der Vertragsparteien nicht entgegengesetzt, sondern gleichgerichtet, sodass auf prozeduralem Weg kein Interessensgleichlauf herbeigeführt wird.1097 Auf der anderen Seite besteht aufgrund einer Abhängigkeit kein gerechter Interessensausgleich.1098 Im Unternehmensrecht können von solchen Verträgen insbesondere Dritte (z. B. Aktionäre und Anleger1099) negativ tangiert werden.1100 Dem will das Recht der Related Party Transactions entgegenwirken.1101 Die aufgezeigten Probleme bestehen auch, wenn das Management der Schuldnerin mit den Schlüsselgläubigern ein RSA aushandelt. Nach Ansicht von Baird hat 1092
Florstedt, ZIP 2021, 53 ff.; die folgenden Ausführungen sind insbesondere an seine Erkenntnisse angelehnt; zustimmend für DIP-Finanzierungen: BeckOGK-AktG/Spindler/ Seidel, § 111a Rn. 20. 1093 Florstedt, ZIP 2021, 53, 58 in Fn. 77. 1094 Der wirtschaftliche Wert des Geschäfts allein oder zusammen mit dem der innerhalb des laufenden Geschäftsjahres vor Abschluss des Geschäfts mit derselben Person getätigten Geschäfte muss 1,5 Prozent der Summe aus dem Anlage- und Umlaufvermögen der Gesellschaft gemäß § 266 Absatz 2 Buchstabe A und B des Handelsgesetzbuchs nach Maßgabe des zuletzt festgestellten Jahresabschlusses übersteigen. 1095 Vgl. Florstedt, Related Party Transactions, S. 2. 1096 Florstedt, Related Party Transactions, S. 2. 1097 Florstedt, Related Party Transactions, S. 2. 1098 Florstedt, Related Party Transactions, S. 2. 1099 Florstedt, Related Party Transactions, S. 2. 1100 Florstedt, Related Party Transactions, S. 2 („Im Unternehmensrecht bezieht sich die Korrekturregulierung auf eine Drittbetroffenheit, die eine solche Vertragsparität zeitigen kann.“). 1101 Vgl. Florstedt, Related Party Transactions, S. 2 f.
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das Management heute keinen Anreiz mehr, dem Verlangen der Senior-Gläubiger entgegenzutreten.1102 „Debtors today have little incentive to push back and make sure those senior take no more than their share. Members of the board and the professionals they retain are more than happy to enter into a restructuring support agreement with senior creditors that puts the firm on a path to a successful reorganization. The restructuring support agreement provides the runway needed for a smooth landing. If the price is a somewhat larger share of the reorganized business, it is a price they are happy to pay.“1103
Die Schuldnerin ist darüber hinaus häufig abhängig von der Unterstützung durch die Senior-Gläubiger.1104 Diese sind häufig die einzige Geldquelle für eine Zwischenfinanzierung, es besteht quasi eine Art Monopol.1105 Dies ermöglicht es ihnen, Bedingungen zu fordern, welche bei Transaktionen at arm’s length nicht vorzufinden wären.1106 III. RSA nicht von Bereichsausnahme erfasst Ein RSA könnte zunächst unter eine der Bereichsausnahmen für Related Party Transactions fallen. In § 111a Abs. 3 AktG werden bestimmte Geschäfte mit nahestehenden Personen aufgeführt, die nicht von den §§ 107 und 111a – c AktG erfasst werden. Hierzu zählen nach § 111a Abs. 3 Nr. 2 AktG alle Geschäfte, die einer Zustimmung oder Ermächtigung der Hauptversammlung bedürfen. Wie oben gezeigt worden ist, muss die Hauptversammlung dem Abschluss eines RSA gerade nicht zustimmen. Nach § 111a Abs. 3 Nr. 3 lit. a) AktG werden auch Unternehmensverträge und Geschäfte auf Grundlage eines solchen Unternehmensvertrages nicht erfasst. Bei einem RSA handelt es sich aber nicht um einen Beherrschungsvertrag. Generell könnte die Frage gestellt werden, ob die §§ 111a – c AktG überhaupt Anwendung finden (sollen), wenn eine Restrukturierung im Rahmen des StaRUG oder der InsO vorbereitet wird. Auch hier sind die §§ 111a – c AktG aber anwendbar.1107 Die Pflichten aus §§ 111a – c AktG gelten auch in Sanierungssachverhalten, also sowohl in einer vorinsolvenzlichen Krise, in der Abwicklung oder in der Insolvenz.1108 Als Argument wird darauf verwiesen, dass z. B. auch § 57 AktG im Insolvenzverfahren weiter gelten würde.1109 1102
Vgl. Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593, 607 ff. (2017). Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593, 609 (2017). 1104 Vgl. zur Bedeutung der Schlüsselgläubiger oben bei Fn. 841 ff. 1105 Levitin, 100 Tex. L. Rev. (2022), Manuskript, S. 13 f. (zum Chapter 11-Verfahren). 1106 Levitin, 100 Tex. L. Rev. (2022), Manuskript, S. 14 (zum Chapter 11-Verfahren). 1107 Florstedt, ZIP 2021, 53, 59; Florstedt, Related Party Transactions, S. 74 (Rn. 193). 1108 Florstedt, ZIP 2021, 53, 59. 1109 Vgl. Florstedt, ZIP 2021, 53, 59 mit Verweis auf MüKoAktG/Bayer, § 57 Rn. 14; Florstedt, Related Party Transaction, S. 74 (Rn. 194). 1103
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Dem ist jedenfalls im Hinblick auf RSA, die vor Verfahrensbeginn geschlossen werden, und für das StaRUG-Verfahren generell zuzustimmen. Erstens werden RSA – wie gerade gezeigt – nicht von den ausdrücklichen Ausnahmen des § 111a Abs. 3 AktG erfasst. Dass daneben ungeschriebene Ausnahmen bestehen, ist nicht ersichtlich. Für die InsO kann nach Eröffnung des Verfahrens ggf. aufgrund von § 276a Abs. 1 Satz 1 InsO1110 etwas anderes gelten. Dort ist anerkannt, dass wegen § 276a InsO bestimmte Kontrollrechte nur noch den nach dem Insolvenzrecht zuständigen Organen obliegen, etwa bei Entscheidungen über Vermögensveräußerungen i. S. d. § 179a AktG.1111 Die §§ 160 ff. InsO enthalten zudem eigene Zustimmungsvorbehalte für besonders bedeutsame Rechtshandlungen.1112 Für das StaRUG-Verfahren sind Normen, welche die Zuständigkeiten der Organe suspendieren oder verschieben, jedenfalls nicht im gleichen Umfang vorgesehen. Insbesondere fehlt dort eine mit § 276a InsO vergleichbare Norm. Deshalb dürften die §§ 111a – c AktG jedenfalls dort weiter anwendbar sein. IV. Geschäft Der Abschluss eines RSA müsste ein relevantes Geschäft i. S. d. §§ 111a – c AktG darstellen. Der Geschäftsbegriff ist weit zu verstehen.1113 Hierunter fallen Vermögenstransfers aller Art, ungeachtet ihrer Abbildung in der Rechnungslegung oder ihrer negativen Auswirkungen auf die Gesellschaft.1114 Zum Geschäftsbegriff zählen auch der Abschluss von Austauschverträgen oder Vertragsangebote.1115 Auch eine Strukturmaßnahme kann erfasst sein.1116 Beispiele für typische Geschäfte mit Schlüsselgläubigern sind die Rückzahlung eines Kredits oder die Änderung von Finanzierungsbedingungen.1117 Auch alle Arten 1110
„Ist der Schuldner eine juristische Person oder eine Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, so haben der Aufsichtsrat, die Gesellschafterversammlung oder entsprechende Organe keinen Einfluss auf die Geschäftsführung des Schuldners“. 1111 Vgl. BeckOK-InsO/Ellers, § 276a Rn. 23. 1112 Der RegE zur InsO hatte sogar noch vorgeschlagen, dass eine Betriebsveräußerung an besonders Interessierte nur im Rahmen eines Plans erfolgen dürfe (§ 181 RegE-InsO). Hierdurch sollte jeder Gläubiger die Möglichkeit haben, sich auf Grundlage des Plans über die Einzelheiten der vorgesehenen Veräußerung zu informieren und ggf. Minderheitenrechte geltend zu machen. Außerdem hätte so der Einflussmacht des Großgläubigers durch die Gruppenbildung begrenzt werden können (RegE-InsO, BT-Drucks. 12/2443 S. 174 f.); vgl. dazu Balz, in: Kölner Schrift, S. 3, 11. 1113 Florstedt, ZIP 2021, 53, 54. 1114 Florstedt, ZIP 2021, 53, 54. 1115 Florstedt, Related Party Transaction, S. 93 f. (Rn. 263). 1116 Vgl. Florstedt, Related Party Transaction, S. 94 (Rn. 265) und S. 101 (Rn. 292). 1117 Florstedt, ZIP 2021, 53, 54.
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der Befriedigung der Schlüsselgläubiger zählen dazu.1118 Eine Stundung von Ansprüchen oder die Bestellung weiterer Sicherheiten sind ebenfalls erfasst.1119 Schließlich zählt auch die Eingehung eines Überbrückungskredits (DIP-Loan) dazu.1120 Es spricht viel dafür, dass auch die Vereinbarungen über mögliche Gebühren im Hinblick auf die Restrukturierung und die Absprache bzgl. möglicher Inhalte eines Restrukturierungsplans unter den Geschäftsbegriff fallen. All diese Modalitäten können Teil eines RSA sein. Daher ist es naheliegend, auch den Abschluss des RSA selbst als „Geschäft“ i. S. d. Norm anzusehen. Jedenfalls sollen nach der Literatur auch „Rahmenverträge“ erfasst sein.1121 V. Nahestehende Person 1. Dynamischer Verweis auf IAS 24.9 Damit ein RSA eine Related Party Transaction darstellt, müssen die Schlüsselgläubiger „nahestehende Personen“ sein. Hierbei kommt es im Ergebnis auf die Vorgaben des IAS 24.9 an, weil in § 111a Abs. 1 Satz 2 AktG dynamisch auf die internationalen Rechnungslegungsstandards verwiesen wird.1122 Zur Beantwortung der Frage, ob ein Gläubiger eine nahestehende Person der Schuldnerin ist, kann deshalb – wie Florstedt herausgearbeitet hat – nicht auf die Grundsätze zurückgegriffen werden, welche von der Literatur zum „atypischen Pfandgläubiger“ und zur Frage einer zwangsweisen Subordination der Forderungen des atypischen Pfandgläubigers entwickelt worden sind.1123 Grund dafür ist, dass der Begriff der „nahestehenden Person“ in § 111a AktG eigenständig determiniert ist.1124 2. Vorgaben des IAS 24.9 Nach IAS 24.9 lit. b) ii) steht ein Unternehmen einem anderen Unternehmen nahe, wenn eines der beiden Unternehmen ein assoziiertes Unternehmen ist. Nach IAS 28.3 ist ein assoziiertes Unternehmen ein Unternehmen, bei dem der Eigentümer1125 (englische Version: investor1126) über maßgeblichen Einfluss auf es verfügt. 1118
Vgl. Florstedt, ZIP 2021, 53, 58 f. Florstedt, ZIP 2021, 53, 59. 1120 Florstedt, ZIP 2021, 53, 59. 1121 Florstedt, Related Party Transaction, S. 108 (Rn. 323). 1122 Florstedt, ZIP 2021, 53, 55, 56 (dynamischer Verweis in § 111a AktG auf IAS 24.9). 1123 Florstedt, ZIP 2021, 53, 55 („Die Figur des ,atypischen Pfandgläubigers‘ spielt für die (gebotene) Fortentwicklung der unscharfen §§ 111a – c AktG keine Rolle“). 1124 Florstedt, ZIP 2021, 53, 55. 1125 Kritisch zum Begriff des Eigentümers: Grigoleit/Grigoleit, § 111a Rn. 67 („unscharf und missverständlich“). 1126 Die englische Version spricht von „Investor“ („An associate is an entity over which the investor has significant influence.“). 1119
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Maßgeblicher Einfluss ist die Möglichkeit, an den finanz- und geschäftspolitischen Entscheidungen des Beteiligungsunternehmens (englische Version: investee1127) mitzuwirken (IAS 28.3). Nach alledem genügt „maßgeblicher Einfluss“ eines Unternehmens auf das andere Unternehmen als nähebegründendes Element.1128 a) Beherrschung nach IFRS 10 Weil „Beherrschung“ über „maßgeblichen Einfluss“ noch hinausgeht1129, begründet die „Beherrschung“ jedenfalls auch eine Nähebeziehung.1130 Eine „Beherrschung“ liegt nur dann vor, wenn kumulativ drei in IFRS 10.7 genannte Voraussetzungen erfüllt sind:1131 Zunächst muss der Investor1132 Verfügungsgewalt besitzen. Ein Investor besitzt Verfügungsgewalt, wenn er über Rechte verfügt, die ihm die Fähigkeit verleihen, die Tätigkeiten, die die Renditen des Beteiligungsunternehmens wesentlich beeinflussen, zu lenken (IFRS 10.10). Hierbei muss die Einflussmöglichkeit auf Substanzrechten beruhen (z. B. Stimmrechte; Abhängigkeit von einer Finanzierung; Unverhältnismäßigkeit der Risikobelastung bzw. Renditeanrechte1133).1134 Bloße Schutzrechte (z. B. Recht eines Darlehensgebers, einem Darlehensnehmer Einschränkungen bei Tätigkeiten aufzuerlegen, Zustimmungsvorbehalte zu vermögenswirksamen Ausgaben, welche das im üblichen Geschäftsgang erforderliche Maß übersteigen, Zustimmungsvorbehalte bei der Emission von Eigenkapital- oder Schuldinstrumenten, Recht auf Pfändung der Vermögenswerte1135) sind nicht ausreichend.1136 Es ist eine Gesamteinschätzung sämtlicher relevanter substantieller Rechte durchzuführen.1137
1127 „Significant influence is the power to participate in the financial and operating policy decisions of the investee but is not control or joint control of those policies.“ 1128 Florstedt, ZIP 2021, 53, 55 f. in Fn. 35. 1129 Florstedt, ZIP 2021, 53, 56 in Fn. 35 und 37; Brune, in: BeckHdB-IFRS, § 30 Rn. 70. 1130 Dogmatischer Anknüpfungspunkt ist IAS 24.9 lit. b) i); Merkwürdigerweise ist die „Beherrschung“ in IAS 24.9 lit. b) bei der Frage, ob Unternehmen sich nahestehen, nicht explizit aufgeführt; diese ist nur in IAS 24.9 lit. a) i) normiert. Es wird aber allg. davon ausgegangen, dass eine Beherrschung eines Unternehmens durch ein anderes eine Nähebeziehung begründet, vgl. z. B. Senger/Prengel, in: BeckHdB-IFRS, § 20 Rn. 9. 1131 IFRS 10.7; diese drei Voraussetzungen für eine Beherrschung werden in IFRS 10.10 ff. und in IFRS 10 Anhang B2 ff. weiter konkretisiert. 1132 Nach IFRS 10.5 ist die Art des Engagements des Investors am Unternehmens (Beteiligungsunternehmen) nicht ausschlaggebend. 1133 Beispiele bei Florstedt, ZIP 2021, 53, 56. 1134 IFRS 10.B9. 1135 Beispiele bei Florstedt, ZIP 2021, 53, 56; außerdem bei IFRS 10.B28. 1136 IFRS 10.B9. 1137 Brune, in: BeckHdB-IFRS, § 30 Rn. 41.
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Außerdem muss der Investor ein Anrecht auf schwankende Renditen haben.1138 Renditen sind schwankend, wenn sie sich infolge der Ertragskraft des Beteiligungsunternehmens verändern können.1139 Es wird eine wirtschaftliche Betrachtung durchgeführt.1140 Feste Zinszahlungen einer Anleihe können i. S. d. IFRS schwankende Renditen sein, weil sie dem Ausfallrisiko unterliegen und den Investor einem Kreditrisiko aussetzen.1141 Im Rahmen der IFRS muss demnach für den Beherrschungsbegriff keine gesellschafterähnliche Risikoteilhabe vorliegen.1142 Jede Variabilität der Rückflüsse genügt.1143 Insbesondere ist die Bedienung einer Festzinsvereinbarung ebenfalls erfasst, wenn sie wegen eines Ausfallrisikos variabel ist.1144 Schließlich muss der Investor die Fähigkeit haben, seine Verfügungsgewalt über das Beteiligungsunternehmen dergestalt zu nutzen, dass dadurch die Höhe der Rendite des Beteiligungsunternehmens beeinflusst wird.1145 b) Maßgeblicher Einfluss nach IAS 28 Selbst wenn die Schwelle der „Beherrschung“ nicht erreicht ist, kann ein Gläubiger immer noch eine nahestehende Person sein, wenn er nur maßgeblichen Einfluss ausübt. Maßgeblicher Einfluss hat eine verhältnismäßig niedrige Eingriffsschwelle1146 und liegt nach IAS 28.3 schon dann vor, wenn die Möglichkeit besteht, an den finanz- und geschäftspolitischen Entscheidungen des Beteiligungsunternehmens mitzuwirken:1147 Diese wird vermutet, wenn der Investor 20 Prozent oder mehr der Stimmrechte an einem Beteiligungsunternehmen direkt oder indirekt hält.1148 Hält ein Investor weniger als 20 Prozent der Stimmrechte, wird widerleglich vermutet, dass der Investor keinen maßgeblichen Einfluss ausüben kann, es sei denn, dieser Einfluss kann eindeutig nachgewiesen werden.1149 Der Nachweis kann u. a. darauf beruhen, dass der Investor an Entscheidungsprozessen teilnimmt1150 oder wesentliche Geschäfte mit ihm getätigt werden1151 oder das Führungspersonal ausgetauscht wird.1152 1138 1139 1140 1141 1142 1143 1144 1145 1146 1147 1148 1149 1150 1151
IFRS 10.7 (b). IFRS 10.15; IFRS 10.B56. Brune, in: BeckHdB-IFRS, § 30 Rn. 50. IFRS 10.B56. Florstedt, ZIP 2021, 53, 56. Florstedt, ZIP 2021, 53, 55 f. Florstedt, ZIP 2021, 53, 55; Brune, in: BeckHdB-IFRS, § 30 Rn. 50. IFRS 10.7. Grigoleit/Grigoleit, § 111a Rn. 67. Vgl. zum Begriff des maßgeblichen Einflusses insgesamt Florstedt, ZIP 2021, 53, 55 f. IAS 28.5. IAS 28.5. IAS 28.6 b). IAS 28.6 c).
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Florstedt vertritt die Ansicht, dass auch bei der Frage des maßgeblichen Einflusses auf die Unterscheidung zwischen substantiellen Rechten und Schutzrechten als Grundlage der Einflussmacht abzustellen ist, offenbar weil diese Differenzierung auch bei der Frage der Beherrschung maßgeblich ist.1153 Hiergegen spricht allerdings, dass für die Frage der Beherrschung strengere Anforderungen gelten als für maßgeblichen Einfluss. Auch die Systematik spricht dagegen, im Rahmen von maßgeblichem Einfluss stets Substanzrechte zu fordern. Die IFRS 10.B2 f. (insbesondere IFRS 10.B9), in denen die Differenzierung zwischen Substanzrechten und Schutzrechten dargelegt wird, stehen unter der Überschrift „Beurteilung des Vorliegens von Beherrschung“. Die Differenzierung zwischen Substanz- und Schutzrechen bezieht sich speziell auf die Beurteilung von „Verfügungsgewalt“. Verfügungsgewalt ist allerdings ein Begriff, der nur für die Beurteilung von „Beherrschung“ relevant wird. Die Regelbeispiele, mit denen nach IAS 28.6 ein maßgeblicher Einfluss belegt werden kann, sprechen auch dagegen, dass es auf Substanzrechte ankommt. Die Regelbeispiele legen vielmehr nahe, dass nur die faktische Möglichkeit zur Mitwirkung maßgeblich ist. Maßgeblicher Einfluss kann z. B. schon durch eine schlichte Teilnahme an Entscheidungsprozessen [IAS 28.6 b)], durch den Austausch von Führungspersonal [IAS 28.6 d)] oder schlicht durch wesentliche Geschäftsvorfälle zwischen dem Investor und dem Beteiligungsunternehmen [IAS 28.6 c)] gegeben sein. c) Ausnahmen Nach IAS 24.11 c) i) werden Kapitalgeber nicht schon aufgrund ihrer gewöhnlichen Geschäftsbeziehungen mit einem Unternehmen als nahestehende Personen angesehen. Dies gilt selbst dann, wenn sie den Handlungsspielraum eines Unternehmens einengen oder am Entscheidungsprozess mitwirken können [IAS 24.11 c) i)].1154 Diese Regelung ist klarstellender Natur.1155 Die Ausnahme bedeutet nach h. M. nicht, dass Kreditgeber niemals als nahestehende Personen in Betracht kommen. Man ist sich einig, dass der Einfluss eines Kreditgebers in bestimmten Fällen auch maßgeblich i. S. v. IAS 24.9 sein kann.1156 Die Regierungsbegründung zum ARUG II geht davon aus, dass die Ausnahme in IAS 14.11 „nach allgemeinen Regeln“ nicht 1152
IAS 28.6 d). Florstedt, ZIP 2021, 53, 56 („Für die Frage, ob ein Gläubiger der AG nahe steht, kommt es maßgeblich auf eine weitere Unterscheidung der IFRS an: Nur substantielle Rechte vermitteln eine nähebegründende Einflussmacht, Schutzrechte vermögen dies nicht, IFRS 10.B9.“) und S. 56 in Fn. 37 („Die Unterscheidung ist auch für die Bestimmung von maßgeblichem Einfluss übertragbar, denn diese ist bloß eine weniger intensive Form des Näheverhältnisses […].“). 1154 Dazu Florstedt, ZIP 2021, 53, 55. 1155 Florstedt, ZIP 2021, 53, 55. 1156 Florstedt, ZIP 2021, 52, 55, 56 ff.; Senger/Prengel, in: BeckHdB-IFRS, § 20 Rn. 37 f.; MüKoBilR/Hennrichs/Schubert, IAS 24 Rn. 83 f. (in Extremfällen unter dem Aspekt der faktischen Kontrolle). 1153
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greift, wenn die Kapitalgeber „faktisch einen gesellschaftergleichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft ausüben“ würden.1157 Wenn der Gesetzgeber damit auf die zu § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO und zum atypischen Pfandgläubiger bestehenden Grundsätze verweist, ist dies kritisch zu sehen, weil diese „allgemeinen Regeln“ nicht in den IAS und IFRS verankert sind.1158 Ebenso kritisch ist es nach dem oben Gesagten zu sehen, wenn andere1159 gesellschaftsrechtlich vermittelten Einfluss ähnlich wie bei § 17 AktG fordern. Mithin sind die Fälle herauszuarbeiten, in denen ein Kreditgeber einen außerhalb der gewöhnlichen Geschäftsbeziehungen liegenden „maßgeblichen Einfluss“ auf das Unternehmen ausübt. In der Literatur wurden zahlreiche Formeln zur Abgrenzung vorgeschlagen,1160 die allerdings als vage und mehr oder weniger aussagelos beurteilt wurden.1161 d) Kasuistik Für die Frage, wann Kreditgeber nahestehende Personen sind, wurde insbesondere von Florstedt1162 eine überzeugende differenzierte Kasuistik aufgestellt. Sie geht dabei von der Wertung aus, dass eine „substanziell-rechtliche Einflussnahme“ schädlich sei.1163 Nutzt ein Kreditgeber Covenants, liegt lediglich ein kredittypischer Gläubigereinfluss vor (IFRS 10.B28).1164 Gleiches gilt, wenn ein Bruch eines Covenants nur dazu genutzt wird, die Finanzierungsverhältnisse anzupassen.1165 Dazu zählt es auch, wenn für die Zukunft sog. Milestones vereinbart werden.1166 Eine Grenze sei dort überschritten, wo die Covenants bei wertender Betrachtung nicht mehr nur der Insolvenzvermeidung dienen würden.1167 Schädlich sei es auch, wenn der Gläubiger Zustimmungsrechte für Geschäfte erhalte, die nicht zur lau1157
RegE-ARUG II, BT-Drucks. 19/9739, S. 80. Kritisch zur Bindungskraft der Erläuterungen zur nahestehenden Person in der Regierungsbegründung, weil die Erläuterungen sich auf einen europarechtlich determinierten Begriff beziehen: Grigoleit/Grigoleit, § 111a Rn. 36. 1159 Schmidt/Lutter/Vetter, § 111a Rn. 106 („Ähnlich wie zur Begründung der Abhängigkeit nach § 17 AktG ist vielmehr stets eine zumindest teilweise gesellschaftsrechtliche Vermittlung der Einflussnahmemöglichkeiten erforderlich, wobei die Anforderungen hieran zur Begründung des Näheverhältnisses im Sinne der internationalen Rechnungslegungsstandards tendenziell geringer sind […].“). 1160 Überblick bei Florstedt, ZIP 2021, 53, 55 in Fn. 26. 1161 Florstedt, ZIP 2021, 53, 55. 1162 Die folgenden Ausführungen sind insgesamt Florstedt, ZIP 2021, 53, 56 ff. entnommen. 1163 Florstedt, ZIP 2021, 53, 56; ebenso BeckOGK-AktG/Spindler/Seidel, § 111a Rn. 20. 1164 Florstedt, ZIP 2021, 53, 56; ebenso Grigoleit/Grigoleit, § 111a Rn. 86. 1165 Florstedt, ZIP 2021, 53, 56. 1166 Florstedt, ZIP 2021, 53, 56. 1167 Florstedt, ZIP 2021, 53, 57; BeckOGK-AktG/Spindler/Seidel, § 111a Rn. 20. 1158
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fenden Geschäftstätigkeit zählten.1168 Es sei auch nähebegründend, wenn die Schuldnerin sich zu bestimmten Transaktionen verpflichte, wenn Gläubiger die sofortige Liquidation des Unternehmens fordern könnten oder wenn Gläubiger sich umfassende Veto-Rechte gegen Restrukturierungspläne zusichern lassen würden.1169 Gleiches gelte, wenn der Gläubiger die Zahlungsströme durch revolvierende Kredite lenken könne.1170 Schädlich sei außerdem, wenn ein Gläubiger eine Blockadeposition in einer langfristigen Fremdkapitalklasse besitzt.1171 Auch wenn sich der Gläubiger Pfandrechte an den Anteilen des Unternehmens habe bestellen lassen, könne dies aufgrund der potentiellen Stimmrechte in der Krise oder jedenfalls bei Pfandreife ausreichen, um nähebegründend zu wirken.1172 Ferner seien Zwischenfinanzierungen für die Restrukturierung (DIP-Loans) mit besonders restriktiven Covenants sowie Milestones während der Restrukturierung ausreichend für maßgeblichen Einfluss und würden oft bereits sogar eine Beherrschung i. S. d. IFRS 10 darstellen.1173 Schließlich soll es nähebegründend wirken, wenn die Kapitalgeber veranlassen, dass ein Chief Restructuring Officer eingesetzt wird oder wenn sie dem Management Bonuszahlungen (key employee retention plans) anbieten, weil der Kapitalgeber so erreicht, dass die Unternehmensleitung an den Interessen der Gläubiger ausgerichtet wird.1174 Fraglich ist nun, ob der Abschluss eines RSA mit einem Schlüsselgläubiger nähebegründend wirken kann. Hierfür spricht jedenfalls, dass sich zahlreiche Beispiele aus der gerade nachgezeichneten Kasuistik auch in RSA finden.1175 Diese werden genutzt, um die Restrukturierung zu steuern. Schlüsselgläubiger beeinflussen mit diesen Vereinbarungen ihre Behandlung durch den Restrukturierungsplan. RSA werden häufig in Kombination mit Überbrückungsfinanzierungen (DIP-Loans) geschlossen.1176 Deshalb spricht vieles dafür, dass der Abschluss eines RSA mit den Schlüsselgläubigern nähebegründend wirkt.
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Florstedt, ZIP 2021, 53, 57. Florstedt, ZIP 2021, 53, 57. 1170 Florstedt, ZIP 2021, 53, 57. 1171 Florstedt, ZIP 2021, 53, 57. 1172 Florstedt, ZIP 2021, 53, 58 mit Verweis auf IAS 28.7 und der Begründung, dass Pfandrechte an Anteilen wirtschaftlich gesehen in bestimmten Fällen mit den in IAS 28.7 genannten Aktienoptionsscheinen, Aktienkaufoptionen, Schuld- oder Eigenkapitalinstrumenten vergleichbar seien; ebenso BeckOGK-AktG/Spindler/Seidel, § 111a Rn. 20. 1173 Florstedt, ZIP 2021, 53, 58; BeckOGK-AktG/Spindler/Seidel, § 111a Rn. 20. 1174 Florstedt, ZIP 2021, 53, 58; in Bezug auf die Auswechslung von Führungskräften: BeckOGK-AktG/Spindler/Seidel, § 111a Rn. 20. 1175 Vgl. dazu den typischen Inhalt eines RSA oben und den Hinweis bei Florstedt, ZIP 2021, 53, 58 in Fn. 77 auf Restructuring Support Agreements. 1176 Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593, 606 (2017) („Restructuring support agreements often work in conjunction with a DIP financing agreement.“). 1169
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VI. Bereits bestehendes „Näheverhältnis“ bei Abschluss des RSA Die Verwendung von Covenants alleine und auch die Druckausübung durch Covenants reichen nicht aus, damit ein Gläubiger einen nähebegründenden maßgeblichen Einfluss auf die Gesellschaft ausübt.1177 Es ist daher möglich, dass in dem Zeitpunkt, in welchem das RSA abgeschlossen wird, noch kein Näheverhältnis vorliegt, sondern dieses de facto erst durch das RSA begründet würde. Streng genommen würde das RSA dann kein Geschäft mit einer nahestehenden Person darstellen. Grundsätzlich ist es erforderlich, dass der Geschäftspartner der Gesellschaft im Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses schon eine nahestehende Person ist.1178 Nach der Regierungsbegründung und nach einer teilweise in der Literatur vertretenen Ansicht gibt es aber Ausnahmen:1179 Die Voraussetzungen des Nahestehens müssten nicht in jedem Fall bei Abschluss des Geschäfts vorliegen.1180 Durch das wirtschaftliche Begriffsverständnis kommt eine Vorwirkung des Näheverhältnisses in Betracht, wenn im Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses faktisch schon ein dem Nahestehen entsprechendes Beeinflussungspotential existiert.1181 Dies ist regelmäßig der Fall, wenn kurze Zeit nach dem Abschluss des Geschäfts (bis ca. 6 Monate) ein Näheverhältnis oder diesbezüglich begründete Erwartungen bestehen.1182 VII. Rechtsfolgen 1. Zustimmungspflicht Wie aufgezeigt, kann der Abschluss eines RSA mit einem Schlüsselgläubiger ein Geschäft mit einer nahestehenden Person i. S. d. § 111a AktG darstellen. Nach § 111b Abs. 1 AktG bedarf dieses Geschäft der vorherigen Zustimmung des Aufsichtsrats oder eines speziell für die Zustimmungsentscheidung gebildeten Ausschusses. Der Ausschuss muss einen Beschluss darüber fassen, ob das Geschäft aus Sicht der Gesellschaft und der Aktionäre, die nicht als nahestehende Personen am Geschäft beteiligt sind, angemessen erscheint.1183 Dies ist der Fall, wenn es zu marktüblichen Bedingungen abgeschlossen wurde, einem Drittvergleich standhält und weder den Interessen der Gesellschaft noch denen der Aktionäre, insbesondere deren Vermögensinteressen, schadet.1184 Die Entscheidung des Ausschusses, ob er 1177
BeckOGK-AktG/Spindler/Seidel, § 111a Rn. 20. Florstedt, Related Party Transactions, S. 91 (Rn. 253). 1179 RegE-ARUG II, BT-Drucks. 19/9738 S. 80; vgl. dazu Florstedt, Related Party Transactions, S. 91 (Rn. 253 f.); BeckOGK-AktG/Spindler/Seidel, § 111a Rn. 21; kritisch: Schmidt/Lutter/Vetter, § 111a Rn. 69. 1180 RegE-ARUG II, BT-Drucks. 19/9738 S. 80. 1181 RegE-ARUG II, BT-Drucks. 19/9738 S. 80. 1182 RegE-ARUG II, BT-Drucks. 19/9738 S. 80. 1183 Florstedt, Related Party Transactions, S. 160 (Rn. 501). 1184 Florstedt, Related Party Transactions, S. 161 (Rn. 502). 1178
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dem Geschäft zustimmt oder nicht, ist eine unternehmerische Entscheidung.1185 Hält der Vorstand sich nicht an die Entscheidung des Ausschusses, bleibt das Geschäft im Außenverhältnis im Grundsatz wirksam.1186 Ausnahmsweise kann allerdings wegen Kollusion oder Evidenz ein Missbrauch der Vertretungsmacht vorliegen.1187 Eine Missachtung des Beschlusses kann auch zur Haftung des Vorstands nach § 93 Abs. 2 AktG führen.1188 Es könnte auch ein Grund sein, dass die Bestätigung des Restrukturierungsplans nach § 63 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG (Verfahrensmäßige Behandlung des Restrukturierungsplans) oder nach § 63 Abs. 4 StaRUG (unlautere Herbeiführung der Planannahme) zu versagen ist. Soweit ersichtlich werden insbesondere unter § 63 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG bzw. unter der Parallelvorschrift in § 250 Nr. 1 InsO von der Kommentarliteratur nur solche Verfahrensvorschriften aufgezählt, die im StaRUG und der InsO selbst normiert sind. Für dieses enge Verständnis gibt es hingegen keine zwingenden Gründe.1189 Auch eine restriktive Auslegung von § 250 Nr. 2 InsO bzw. § 63 Abs. 4 StaRUG, wonach es nur unlauteres Handeln bei der „Annahme“ des Plans geben solle,1190 ist nicht zwingend. Damit würde die Bedeutung der Generalklausel unterlaufen. 2. Offenlegungspflicht Nach § 111c AktG hat die Gesellschaft Angaben zu den zustimmungspflichtigen Geschäften mit nahestehenden Personen unverzüglich zu veröffentlichen. Nach Abs. 2 Satz 3 muss die Veröffentlichung alle wesentlichen Informationen enthalten, die erforderlich sind, um zu bewerten, ob das Geschäft aus Sicht der Gesellschaft und der Aktionäre, die keine nahestehenden Personen sind, angemessen ist. Wenn es sich bei dem Geschäft um eine Insiderinformation handelt, sind die entsprechenden Angaben in die Mitteilung nach Art. 17 MAR aufzunehmen. Die Veröffentlichung muss unverzüglich erfolgen.1191 VIII. Bewertung: Related Party Transaction als echte Schranke für RSA? Inwieweit die Vorgaben zu Related Party Transactions in §§ 111a – c AktG ein wirksames Regulierungsmittel für den Einsatz von RSA darstellen, muss sich noch zeigen. Die Zustimmungspflicht aus § 111b AktG bewirkt, dass einige Vorgaben, 1185
Florstedt, Related Party Transactions, S. 161 (Rn. 503). Florstedt, Related Party Transactions, S. 163 (Rn. 510). 1187 Florstedt, Related Party Transactions, S. 163 (Rn. 510). 1188 Florstedt, Related Party Transactions, S. 163 (Rn. 508). 1189 Zu restriktiv wohl Spliedt, ZInsO 2013, 2155, 2157, der unter die Parallelvorschrift § 250 Nr. 1 InsO nur die Vorschriften der InsO subsumieren möchte; für eine restriktive Auslegung aber auch: Jaeger-InsO/Kern, § 250 Rn. 12. 1190 In diese Richtung: Jaeger-InsO/Kern, § 250 Rn. 48. 1191 Hüffer/Koch/Koch, § 111c Rn. 2. 1186
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welche die Schlüsselgläubiger und der Vorstand im RSA vereinbaren, einer zusätzlichen Kontrolle eines unabhängigen Gremiums unterliegen und deshalb möglicherweise entschärft ausfallen. Dabei erhalten auch die Vertreter der Arbeitnehmer, die im Ausschuss ebenfalls repräsentiert sein können1192 und im Aufsichtsrat vertreten sind, ebenfalls eine Stimme in der Planung der Restrukturierung. Die übrigen Aufsichtsratsmitglieder könnten dem RSA außerdem in den Fällen kritisch gegenüberstehen, in denen die Interessen der Aktionäre, von denen sie in den Aufsichtsrat gewählt wurden, nicht hinreichend gewahrt werden. Ungeachtet dieser Einschränkungen dürfte die Zustimmungspflicht nach § 111b AktG im Ergebnis kein erhebliches Hindernis für den Abschluss eines RSA sein. Die Entscheidung durch den Aufsichtsrat bzw. durch den entsprechenden Ausschuss kann schneller und flexibler eingeholt werden als die durch die Hauptversammlung. Dabei hat sich die Entscheidung des Aufsichtsrats bzw. des Ausschusses ebenfalls am Gesellschaftsinteresse zu orientieren,1193 welches sich nach hier vertretener Ansicht insbesondere in der Krise auf die Interessen der Gläubiger konzentriert (vgl. dazu ausführlich unten). Auch ohne die §§ 111a – c AktG müsste der Aufsichtsrat in die Entscheidung des Vorstands, das RSA abzuschließen, ohnehin nach § 111 Abs. 4 Satz 2 bis 5 AktG einbezogen werden, wenn dies in der Satzung der AG oder in der Geschäftsordnung des Aufsichtsrats geregelt ist.1194 Jedenfalls könnte der Aufsichtsrat, wenn er mit dem RSA nicht einverstanden wäre, ad hoc einen Zustimmungsvorbehalt begründen.1195 Auch die Offenlegungspflicht nach § 111c AktG dürfte dem Einsatz von RSA nicht generell entgegenstehen. Die Praxis hat gezeigt, dass einmal ausgehandelte RSA typischerweise ohnehin veröffentlicht werden.1196 Die bisher unbeteiligten Parteien sollen sich dem RSA schließlich anschließen. Ein gewisser Regulierungs1192
Die imparitätische Zusammensetzung des Ausschusses ist nach einer Ansicht in der Literatur unzulässig, wenn es für die Abweichung vom Paritätsgrundsatz keinen sachlichen Grund gibt (MüKoAktG/Habersack, § 107 Rn. 140). Im Übrigen ist vieles streitig, vgl. MüKoAktG/Habersack, § 107 Rn. 137 ff. 1193 MüKoAktG/Habersack, § 111b Rn. 21. 1194 Vgl. MüKoAktG/Habersack, § 111b Rn. 3 („Fällt allerdings ein Geschäft nicht unter das RPT-Regime, kann es dennoch nach § 111 Abs. 4 S. 2 [AktG] unter Zustimmungsvorbehalt stehen oder vom Aufsichtsrat ad hoc unter Zustimmungsvorbehalt gestellt werden […].“). 1195 MüKoAktG/Habersack, § 111 Rn. 130 f.; MüKoAktG/Habersack, Nachtrag, § 111b Rn. 3. 1196 Vgl. z. B. die Pressemitteilung von Luckin Coffee: „BEIJING, March 16, 2021 (GLOBE NEWSWIRE) – Luckin Coffee Inc. (…) today announced that it has entered into a restructuring support agreement (the ,RSA‘) with holders of a majority of Luckin Coffee’s $460 million1 0.75 % Convertible Senior Notes due 2025 (the ,Existing Notes‘). The holders of Existing Notes who are party to the RSA (the ,Restricted Group‘) collectively hold or control approximately 59 % in aggregate principal amount of the Existing Notes. Now that the terms of the RSA are public, Luckin Coffee can and will seek support for the RSA from additional holders of the Existing Notes.“, abrufbar unter https://investor.luckincoffee.com/news-releases/ news-release-details/luckin-coffee-enters-restructuring-support-agreement-holders (zuletzt abgerufen am 17. 9. 2021).
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effekt besteht aber darin, dass über § 111c AktG frühzeitig zusätzliche Informationen im Zusammenhang mit dem RSA offenzulegen sind. Hierzu zählen beispielsweise alle bewertungsrelevanten Umstände, Vor- und Nachteile des Geschäfts, Auswirkungen des Geschäfts auf die Geschäfte der AG, Angaben zum Verfahren nach § 111b AktG, Angaben darüber, ob unternehmensfremde Personen, die als Sachverständige, Finanzierer oder Berater tätig waren, am Geschäft beteiligt sind, und Rechtfertigungsgründe für Ungleichbehandlungen.1197 Kommt die Gesellschaft den Informationspflichten nicht nach, könnte dies im Ergebnis zu einer Versagung der Planbestätigung nach § 63 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG oder § 63 Abs. 4 StaRUG führen, wenn die Auffassung vertreten wird, dass die dort normierten Versagungsgründe sich auch auf Verfahrensvorschriften aus anderen Gesetzen beziehen.1198 Als Zwischenergebnis kann insgesamt festgehalten werden, dass die Vorschriften zu den Related Party Transactions den Einsatz eines RSA nicht unzumutbar erschweren dürften.
E. Unwirksamkeit nach § 187 Abs. 2 AktG Im RSA könnte den Schlüsselgläubigern zugesichert werden, dass sie im Rahmen der Restrukturierung für ihre Forderungen gegen die Schuldnerin über einen Debt-toEquity-Swap neue Anteile an der Schuldnerin erhalten werden. Im eingangs dargestellten Fall In re Innkeepers USA Trust gab es eine ähnliche Absprache. Nach § 187 Abs. 2 AktG sind Zusicherungen vor dem Beschluss über die Erhöhung des Grundkapitals gegenüber der Gesellschaft allerdings unwirksam. In der Krise steht die Norm in gewissem Konflikt mit den Sanierungspflichten des Vorstands.1199 Deshalb spricht viel dafür, mit der h. M.1200 allenfalls von schwebender Unwirksamkeit der Vereinbarung auszugehen, bis die entsprechenden Beschlüsse gefasst sind.1201 Sinn und Zweck der Norm ist es zum einen, die Entscheidungsfreiheit der Hauptversammlung zu schützen.1202 Allein unter diesem Gesichtspunkt muss die Anwendbarkeit der Norm sogar in Zweifel gezogen werden, weil im StaRUG nicht
1197
Vgl. Florstedt, ZIP 2021, 53, 60. A. A. diesbezüglich wohl Spliedt, ZInsO 2013, 2155, 2157; AG Köln, Beschl. v. 3. 3. 2021 – 83 REs 1/21, ZIP 2021, 806, 809. 1199 Heinzmann, Restrukturierungsvereinbarungen, S. 208 f. 1200 MüKoAktG/Schürnbrand/Verse, § 187 Rn. 15; Hüffer/Koch/Koch, § 187 Rn. 5; Grigoleit/Rieder/Holzmann, § 187 Rn. 7; Schmidt/Lutter/Veil, § 187 Rn. 9; KölnKommAktG/Ekkenga, § 187 Rn. 21; a. A. BeckOGK-AktG/Servatius, § 187 Rn. 12 (absolute Unwirksamkeit, weil Norm Verhandlungsverbot für AG normiert). 1201 Heinzmann, Restrukturierungsvereinbarung, S. 208 ff. 1202 BeckOGK-AktG/Servatius, § 187 Rn. 11. 1198
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mehr die Hauptversammlung, sondern die Versammlung der Planbetroffenen – also ein anderer Entscheidungsträger – über die Kapitalerhöhung bestimmt. Daneben soll die Schuldnerin aber vor möglichen Schadenersatzansprüchen bewahrt werden.1203 Dies könnte für die Anwendbarkeit der Norm auch für Kapitalmaßnahmen im StaRUG sprechen. Sieht man den Grund dafür, die Gesellschaft vor Schadenersatzansprüchen zu bewahren, aber nur darin, dass die Entschließungsfreiheit der Hauptversammlung zu schützen ist,1204 würde die Norm unter teleologischen Gesichtspunkten mangels Entscheidungszuständigkeit der Hauptversammlung für StaRUG-Pläne nicht greifen. Allerdings soll die Norm auch die zuständigen Organe vor Verpflichtungen gegenüber dem Vertragspartner schützen.1205 Dies spricht schließlich dafür, dass die Voraussetzungen der Norm auch im hiesigen Kontext unter teleologischen Gesichtspunkten erfüllt sein können. Obwohl die Norm in der vorliegenden Konstellation greift, steht sie dem Abschluss eines RSA trotzdem nicht generell entgegen. Die Beschränkung des § 187 Abs. 2 AktG gilt nicht für Absichtserklärungen und auch nicht für Verpflichtungsübernahmen der Schlüsselgläubiger.1206 Mit dem Restrukturierungsplan können auch bestehende Aktien übertragen werden.1207 Auf diese Konstellation findet § 187 AktG auch keine Anwendung.1208 Im Ergebnis erschwert § 187 Abs. 2 AktG den Abschluss eines RSA, steht ihm aber nicht generell entgegen.
F. Verletzung der Interessen der Aktionäre? Wenn das Management mit den Schlüsselgläubigern ein RSA abschließt, könnten die Interessen der Anteilsinhaber beeinträchtigt werden. Dies ist etwa dann möglich, wenn das RSA einen Ausschluss der Aktionäre aus der Gesellschaft vorbereitet.1209 Dieser Ausschluss kann – insbesondere wenn man einen Bezugsrechtsausschluss ohne Inhaltskontrolle für zulässig hält1210 – im Rahmen eines Debt-to-Equity-Swaps im späteren StaRUG-Plan erfolgen.1211 1203 Heinzmann, Restrukturierungsvereinbarungen, S. 208; Grigoleit/Rieder/Holzmann, § 187 Rn. 6; KölnKommAktG/Ekkenga, § 187 Rn. 3. 1204 MüKoAktG/Schürnbrand/Verse, § 187 Rn. 13, 16; in diese Richtung auch Hüffer/ Koch/Koch, § 187 Rn. 5; 1205 KölnKommAktG/Ekkenga, § 187 Rn. 3. 1206 Vgl. Seibt, in: Kämmerer/Veil, S. 106, 130 (zu Investorenvereinbarungen). 1207 BeckOK-StaRUG/Skauradszun § 2 Rn. 90. 1208 KölnKommAktG/Ekkenga, § 187 Rn. 6. 1209 Vgl. zu den gesellschaftsrechtlichen Möglichkeiten im Rahmen eines Restrukturierungsplans: Mulert/Steiner, NZG 2021, 673 ff. 1210 Diskussion bei Bulgrin, Strategische Insolvenz, S. 95 ff.; Überblick zu den Extrempositionen bei Scholz/Bitter, Vor § 64 Rn. 224 f. (zur InsO); kritisch zum möglichen Bezugsrechtsausschluss: MüKoAktG/Lieder, § 56 Rn. 19j; für das StaRUG im Grundsatz ablehnend: Lieder, FS Smid, S. 543, 555 f. („Selbst nahezu wertlose Anteile vermitteln den Gesellschaftern
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Der Vorstand ist allerdings nicht unmittelbar gegenüber den Aktionären, sondern nur gegenüber der Gesellschaft verpflichtet.1212 Dennoch könnte die in Bezug auf das „Gesellschaftsinteresse“ bzw. das „Unternehmensinteresse“ bestehende Sorgfaltspflicht des Vorstands verletzt sein.1213 Denn die Interessen der Aktionäre sind bei der interessenpluralistischen Zielkonzeption für den Vorstand sehr gewichtig,1214 beim Shareholder-Value-Ansatz sogar maßgebend1215. Die Interessen der Aktionäre wären aber dann nicht übergangen, wenn der Vorstand sie ab dem Zeitpunkt der wahrscheinlichen Insolvenz gar nicht mehr maßgeblich berücksichtigen müsste, sondern berechtigt oder sogar verpflichtet wäre, ab diesem Zeitpunkt die Interessen der Gläubiger zu bevorzugen. I. Streichung der §§ 2, 3 StaRUG-RegE Im Gesetzesentwurf der Bundesregierung zum StaRUG wurde zur Umsetzung des Art. 19 der RRL in § 2 StaRUG-RegE angeordnet, dass Geschäftsleiter einer juristischen Person schon ab dem Zeitpunkt, in dem die drohende Zahlungsunfähigkeit eintritt – also schon vor Anzeige der Restrukturierungssache –, die Interessen der Gesamtheit der Gläubiger wahren müssen.1216 Ab dem Eintritt der drohenden Zahlungsunfähigkeit sollte das unternehmerische Ermessen nicht mehr am Wohl des Unternehmens aus der Perspektive der Anteilsinhaber allein ausgerichtet werden, sondern an den legitimen Haftungserwartungen der Gläubigerschaft.1217 Im Zweifel hätte den Interessen der Gläubiger der Vorrang eingeräumt werden müssen.1218 Wäre ein RSA also in einem Zeitpunkt abgeschlossen worden, in welchem schon drohende Zahlungsunfähigkeit eingetreten ist, und wären dabei die Interessen der Anteilsinhaber zugunsten der Interessen der Gläubiger beeinträchtigt worden, hätte keine Pflichtverletzung vorgelegen. Der Rechtsausschuss hat § 2 StaRUG-RegE allerdings das unveränderte Mitgliedschaftsrecht an der Schuldnerin, das – nicht zuletzt mit Blick auf Art. 14 Abs. 1 GG – die Berechtigung einschließt, sich an einer Sanierung zu beteiligen und dadurch zugleich an den angestrebten Sanierungsgewinnen zu partizipieren.“) (allerdings dürfte dann, wenn eine Barkapitalerhöhung ausscheidet und eine Sachkapitalerhöhung im Wege des Debt-to-Equity-Swaps anvisiert wird, regelmäßig ein sachlicher Grund für den Bezugsrechtsausschluss vorliegen, S. 557). 1211 Vgl. K. Schmidt, ZIP 2012, 2085, 2086 („Sanieren durch Rausschmiss“) (zur InsO); umfassend: Schulz, Der Debt Equity Swap, S. 203 ff. (zur InsO). 1212 KölnKommAktG/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 16 m. w. N. 1213 Vgl. zu diesem Ansatz im Rahmen von Investorenvereinbarungen: Heß, Investorenvereinbarungen, S. 87 ff. 1214 Z. B. Henssler/Strohn/Dauner-Lieb, § 76 Rn. 2, 10, 11. 1215 Z. B. Grigoleit/Grigoleit, § 93 Rn. 8 („Bei fremdorganschaftlich organisierten Rechtsformen wie der AG gilt diese Pflichtbindung für die Vorstandsmitglieder als Treuhänder der in der AG verfassten gemeinsamen (Vermögens-)Interessen der Aktionäre.“). 1216 RegE-SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181 S. 14. 1217 RegE-SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181 S. 107. 1218 RegE-SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181 S. 107.
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gestrichen.1219 Begründet wurde dies damit, dass die Pflichten der Geschäftsleiter in § 2 StaRUG-RegE in einem „unklaren Verhältnis zu den im Gesellschaftsrecht verankerten Sanierungspflichten“ gestanden hätten.1220 Fraglich ist aber, ob die Geschäftsleitung trotz der Streichung der §§ 2, 3 StaRUGRegE berechtigt ist, die Interessen der Anteilsinhaber bei der Aushandlung des RSA hintanzustellen. II. Regulierungsziel Bevor gefragt wird, ob es einen Pflichtenumschwung im Vorfeld der Restrukturierung gibt und wie weit dieser reicht, sollte überlegt werden, warum es einen solchen überhaupt braucht. Zu denken ist zunächst an das gambling for resurrection.1221 Dieses besteht darin, dass die Geschäftsleitung im Vorfeld der Insolvenz riskante Projekte eingeht, um die Beteiligung der Anteilsinhaber zu retten.1222 Dieses Phänomen kommt insbesondere vor, wenn Gesellschafter-Geschäftsführer mit signifikanter Beteiligung involviert sind.1223 Als Beispiel wird die Geschichte des Logistik-Riesen Fed-Ex genannt:1224 Als die Barmittel des Unternehmens knapp wurden, setzte der Geschäftsführer die letzten Mittel (20.000 US-Dollar) im Casino ein, um die Kehrtwende herbeizuführen.1225 Die deutsche Diskussion um den Pflichtenumschwung hat vorrangig dieses Problem im Blick.1226 Ein allgemeiner Pflichtenumschwung könnte aber auch dazu führen, dass die Interessen der Gläubiger nicht nur bei hochriskanten Strategien, sondern allgemein bei der Unternehmensführung maßgebend sind.1227 Demnach müssten die Geschäftsleiter eher ein Projekt verfolgen, dass den Gläubigern eine sichere Befriedigung gewährt, als ein Projekt, bei dem der Unternehmenswert zwar insgesamt – zugunsten der Anteilsinhaber – vergrößert werden kann, dabei aber ein höheres, wenn auch nicht unvertretbares Risiko eingegangen werden müsste.1228 Wenn sich die Gläubigerinteressen im Kollisionsfall zwingend durchsetzen (also Vorrang haben), stünden sie sämtlichen Entscheidungen entgegen, die über das zur Gläubigerbefriedigung erforderliche 1219 Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz, BT-Drucks. 19/25303 S. 8; historische Darstellung bei Mohammed, ZInsO 2021, 1262 ff.; vgl. zur Diskussion ausführlich: Schäfer, FS Gehrlein, S. 491 ff.; vgl. auch die Nachweise ab Fn. 1259 ff. 1220 Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz, BT-Drucks. 19/25353, S. 6. 1221 Thole, BB 2021, 1347 f.; Kuntz, ZIP 2021, 597, 598 ff.; Jungmann, ZRI 2021, 209, 220 f. 1222 Kuntz, ZIP 2021, 597 ff.; Klöhn/Franke, ZEuP 2022, 44, 54. 1223 Kuntz, ZIP 2021, 597, 600. 1224 Korch, ZGR 2019, 1050, 1062. 1225 Korch, ZGR 2019, 1050, 1062. 1226 So die Beobachtung und Kritik bei Kuntz, ZIP 2021, 597 f. (Hinter „der Rhetorik des shift of fiduciary duties [stehen] vielfach ganz andere Fälle, als sie die deutsche Literatur hierzulande – Stichwort: gambling for resurrection – diskutiert.“). 1227 Thole, BB 2021, 1347 f.; Kuntz, ZIP 2021, 597, 598, 604 ff. 1228 Vgl. zu so einem Beispiel: Kuntz, ZIP 2021, 597, 607.
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hinaus versuchen, Einkünfte zu generieren, aber mit einem Verlustrisiko verbunden sind.1229 Neben diesen – in der US-Literatur als Business Activities Decisions zusammengefassten – Maßnahmen muss in einer Restrukturierung auch der Plan formuliert werden. Diese Aufgabe zählt zu den Fundamental Bankruptcy Decisions.1230 Ein Pflichtenumschwung könnte der Geschäftsleitung hier eine Richtschnur an die Hand geben, wie solche Fundamental Bankruptcy Decisions auszugestalten sind und wie und zu wessen Gunsten das Ermessen der Geschäftsleitung dabei primär auszuüben ist. Die inhaltlichen Anforderungen an einen Restrukturierungsplan gewähren dem Planersteller aufgrund zahlreicher Ausnahmeregelungen und Bewertungsspielräumen eine große Gestaltungsfreiheit. Baird hat zutreffend festgestellt: „[T]here are many plans that are confirmable, and each can have significantly different distributional consequences.“1231
Nach Modigliani/Miller1232 wirkt sich die Ausgestaltung der Kapitalstruktur auf den Unternehmenswert nicht aus.1233 Mehrheiten könnten für verschiedene Plankonzepte organisiert werden. Im Zweifel spricht der Pflichtenumschwung dann dafür, einen Debt-to-Equity-Swap unter Verdrängung der Anteilsinhaber durchzuführen, anstatt eine Zwangsstundung oder eine Forderungskürzung (Haircut) bei den Gläubigern anzuvisieren.1234 Der Pflichtenumschwung könnte indizieren, dass die für die Gläubiger am wenigsten eingriffsintensive Form der Restrukturierung gewählt werden muss.1235 Daneben wurde argumentiert, dass der Shift of Duties nicht nur den Konflikt zwischen Anteilsinhabern und Gläubigern regulieren sollte, sondern auch den Konflikt zwischen der Geschäftsleitung und den übrigen Stakeholdern.1236 Diese Konflikte werden zwar schon mit allgemeinen Vorgaben wie der Treuepflicht der Geschäftsleiter angesprochen, können aber durch einen Pflichtenumschwung noch nuancierter geregelt werden.1237
1229
Guntermann, WM 2021, 214, 217. Adams, 73 B.U.L. Rev. 581, 598 ff. (1993). 1231 Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593, 598 (2017). 1232 Modigliani/Miller, 48 Am. Econ. Rev. 261 ff. (1958). 1233 Paterson, Corporate Reorganization, S. 54. 1234 Beides ist möglich, vgl. dazu bezüglich eines praktischen Falls: LoPucki, Law-Econ Research Paper No. 21 – 12, S. 13 ff. („Upside-Down Restructuring Plan“) und S. 15 ff. („The Right-Side-Up Restructuring Plan“) (2022). 1235 In diese Richtung: Hölzle, Praxisleitfaden SanInsFoG, § 7 Rn. 20 ff. 1236 Vgl. Kuntz, ZIP 2021, 597, 600. 1237 Vgl. zur Nuancierung: Kuntz, ZIP 2021, 597, 603 ff. 1230
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III. Streitstand 1. Vor Erlass des StaRUG a) Kein Pflichtenumschwung Vor Erlass des StaRUG wurde ein Pflichtenumschwung ab dem Krisenstadium mehrheitlich verneint.1238 Die Gläubigerinteressen sollten nur insoweit maßgeblich sein, wie sie punktuell im Gesetz normiert sind.1239 Darüber hinaus sollten sie nicht im Rahmen der allgemeinen Vorstandspflichten zur Richtschnur werden.1240 Auch in der vorinsolvenzlichen Krise sollten die Gläubigerinteressen nicht stärker gewichtet werden als die Aktionärsinteressen.1241 Für einen Pflichtenumschwung fehle es an einer Rechtsgrundlage.1242 Erst mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens werde der Hebel umgelegt, der die Schuldnerin zur strikten Wahrung des Verfahrensziels der bestmöglichen und gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung verpflichtet.1243 Trotz einzelner Vorwirkungen (Insolvenzanfechtung oder die Haftung für masseschmälernde Zahlungen ab Insolvenzreife) sei das Eröffnungsverfahrens und das Krisenstadiums nicht umfassend an insolvenzrechtlichen Wertungen ausgerichtet.1244 Im Insolvenzeröffnungsverfahren wäre es verfehlt, in jeder Verfolgung eigener Ziele durch die Schuldnerin per se einen haftungsrelevanten Pflichtverstoß zu erkennen.1245 b) Tendenzen zum Shift of Duties In der Literatur häuften sich allerdings schon vor dem Erlass des StaRUG Stimmen, welche die Gläubigerinteressen im Vorfeld der Eröffnung des Insolvenzverfahrens stärker betonten.1246 Ausgangspunkt ist, dass jedenfalls mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Gläubiger als Residualberechtigte angesehen werden.1247 Vorsichtig wurde formuliert, dass der Geschäftsführer bereits im Insol1238
Seibt, ZIP 2013, 1597, 1599; Schmidt/Lutter/Seibt, § 76 Rn. 40; Klöhn, ZGR 2008, 110, 130 ff.; Korch, ZGR 2019, 1050, 1059; zurückhaltend auch: Veil, ZGR 2006, 374, 389 ff.; vgl. aber den Überblick zu gegenläufigen Tendenzen hin zu einem Shift of Duties: Mohaupt, Geschäftsleiterpflichten, S. 265 ff. m. w. N. 1239 Klöhn, ZGR 2008, 110 ff. 1240 Klöhn, ZGR 2008, 110 ff. 1241 Seibt, ZIP 2013, 1597, 1599. 1242 Curtze, Insolvenzplanverfahren, S. 43 f. 1243 Thole/Brünkmans, ZIP 2013, 1097, 1098. 1244 Vgl. Thole/Brünkmans, ZIP 2013, 1097, 1098. 1245 Thole/Brünkmans, ZIP 2013, 1097, 1098. 1246 Zum folgenden Überblick siehe bei Bitter/Baschnagel, ZInsO 2018, 557, 566 f.; Mohaupt, Geschäftsleiterpflichten, S. 267 ff.; Weiß, Insolvenzspezifische Geschäftsführerhaftung, S. 48 ff.; Scholz/Bitter, § 64 Rn. 32. 1247 Zum Letzteren: Eidenmüller, NJW 2014, 17, 18 („Mit Insolvenzeröffnung ist der Verband aufgelöst. An die Stelle der ursprünglich allein residualberechtigten Altgesellschafter
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venzeröffnungsverfahren die Gläubigerinteressen „im Blick“ haben musste.1248 Andere meinten, dass jedenfalls im besonderen Insolvenzeröffnungsverfahren (vorläufige Eigenverwaltung und Schutzschirmverfahren) allein die Gläubigerinteressen maßgebend seien, wobei dies aus einer Vielzahl von Vorschriften abgeleitet worden ist.1249 Teilweise wurde die Lehre vom Pflichtenumschwung dann für einschlägig gehalten, wenn ein Eröffnungsantrag verpflichtend zu stellen ist.1250 Ähnlich formulieren die Stimmen, die die Gläubigerinteressen ab Eintritt der materiellen Insolvenz (Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit) als maßgebend ansehen.1251 Ein Argument sind die dann eingreifenden speziellen Haftungstatbestände (früher z. B. § 64 Satz 1 GmbHG a. F., jetzt § 15b Abs. 1 InsO).1252 Ein zweites Argument ist, dass ab dem Eintritt der materiellen Insolvenz das Unternehmen wirtschaftlich den Gläubigern gehöre.1253 Dies treffe zumindest für Fälle der Überschuldung zu.1254 „Die Pflichtenbindung eines Vermögensverwalters bestehe ganz selbstverständlich“ gegenüber denjenigen Personen, deren (wirtschaftliches) Vermögen er verwaltet.1255 Noch weiter in die vorinsolvenzliche Zone wagt sich Hölzle: Nach seiner Ansicht sollte der Pflichtenumschwung tendenziell schon bei einer bilanziellen Überschuldung1256 bzw. ab dem Eintritt der drohenden Zahlungsunfähigkeit bzw. der konkretisierten Gefährdung der Gläubigerinteressen eintreten.1257 Die Regierungsbegründung zum StaRUG hat den Pflichtenumschwung dann schließlich ab dem Eintritt der drohenden Zahlungsunfähigkeit definiert (§ 2 StaRUG-RegE). Der Gesetzgeber ging dabei davon aus, dass § 2 StaRUG-RegE die bestehenden Pflichten der Geschäftsleitung nur konkretisiert.1258 tritt die neue Gemeinschaft der Residualberechtigten, zu denen die Altgesellschafter letztrangig gehören.“). 1248 Thole/Brünkmans, ZIP 2013, 1097, 1098. 1249 Haas, ZHR 178 (2014), 603, 623 f. 1250 Skauradszun, NZG 2019, 761, 765; Skauradszun, KTS 2019, 161, 190. 1251 Klöhn, ZGR 2008, 110, 155 („Klarzustellen bleibt schließlich, dass der Vorstand die AG ab Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit allein im Interesse der Gläubiger zu leiten hat.“); Hirte, DB 2010, Beilage zu Heft 13, S. 25 f.; Klein/Thiele, ZInsO 2013, 2233, 2240; Bachmann, ZIP 2015, 101, 106; Skauradszun/Spahlinger, DB 2015, 2559, 2563. 1252 Hirte, DB 2010, Beilage zu Heft 13, S. 26. 1253 Skauradszun/Spahlinger, DB 2015, 2559, 2563; grundlegend: Bitter, ZGR 2010, 147, 189 ff. (in Bezug auf die Auflösung der früheren Blockadeposition der Altgesellschafter im Insolvenzplanverfahren). 1254 Bitter/Baschnagel, ZInsO 2018, 557, 567. 1255 Bitter/Baschnagel, ZInsO 2018, 557, 567. 1256 Hölzle, ZIP 2013, 1846, 1850. 1257 Hölzle, Praxisleitfaden SanInsFoG, Vor § 32 Rn. 3 mit Verweis auf Hölzle, ZIP 2013, 1846. 1258 RegE-SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 105 („Die Vorschrift knüpft an § 1 [StaRUG] an und konkretisiert die Pflichten der Geschäftsleiter beschränkt haftender Unternehmensträger im Stadium einer drohenden Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 18 Absatz 2 InsO.“); vgl. dazu Hölzle, Praxisleitfaden SanInsFoG, Vor § 32 Rn. 2.
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2. Streitstand nach Erlass des StaRUG a) Kein allgemeiner Pflichtenumschwung Nach Inkrafttreten des StaRUG verneint eine verbreitete Meinung in der Literatur einen allgemeinen Pflichtenumschwung.1259 Ohne die §§ 2 und 3 StaRUG-RegE enthalte das neue Recht keinen (allgemeinen) Pflichtenumschwung mehr.1260 Sollte der Gesetzgeber bewusst Abstand vom Pflichtenumschwung genommen haben, würde es sich verbieten, das Fehlen solcher Normen durch rechtsfortbildende „Abenteuer“ zu korrigieren.1261 Auch das unklare Verhältnis zu den Sanierungspflichten im Gesellschaftsrecht spreche gegen einen Pflichtenumschwung.1262 Darüber hinaus stimme auch die für den Pflichtenumschwung angenommene Prämisse nicht:1263 Sie gehe unzutreffend davon aus, dass die Rechte der Anteilsinhaber im Zeitpunkt der drohenden Zahlungsunfähigkeit wertlos seien und die Residualberechtigung auf die Gläubiger übergehe.1264 Bis zur Anzeige der Restrukturierungssache blieben für die Geschäftsleiter primär die gesellschaftsrechtlichen Pflichten maßgebend und die Interessen der Anteilsinhaber hätten noch einen „leichten Gewichtungsvorsprung“.1265 Nach dieser Auffassung wäre ein RSA, welches die Interessen der Anteilsinhaber übergeht, zumindest problematisch. b) Heranziehung der §§ 32 StaRUG und 43 StaRUG Teilweise wird vertreten, dass § 43 StaRUG analog schon für den Zeitraum vor der Anzeige der Restrukturierungssache angewendet werden sollte.1266 Diese Ansicht würde aber zu keinem allgemeinen Vorrang der Gläubigerinteressen führen, weil sie
1259 Jungmann, ZRI 2021, 209, 211 ff.; Scholz, ZIP 2021, 219, 230 f.; Kuntz, ZIP 2021, 597, 600 ff. („Einen allgemeinen Vorrang der Interessen der Gläubiger vor denen der Anteilseigner gibt es nicht“, S. 603); Goetker, in: Flöther, StaRUG, § 1 Rn. 4 ff.; i. E. auch Klöhn/Franke, ZEuP 2022, 44, 69; Schäfer, FS Gehrlein, S. 491 ff. 1260 Jungmann, ZRI 2021, 209, 212; Goetker, in: Flöther, StaRUG, § 1 Rn. 6, 61. 1261 Scholz, ZIP 2021, 219, 220; offener: Klöhn/Franke, ZEuP 2022, 44, 69 („Die Gesetzesmaterialien erlauben mithin keinen eindeutigen Schluss auf den Willen des Gesetzgebers“). 1262 Scholz, ZIP 2021, 219 220 („Dem stehen nicht nur die gegen die Einführung jener Entwurfsvorschriften angeführten Sachgründe entgegen.“). 1263 Guntermann, WM 2021, 214, 216 f.; Kuntz, ZIP 2021, 597, 602; siehe aber Jungmann, ZRI 2021, 209, 215 f. (der Gesetzgeber könnte den Übergang der Residualberechtigung und des Shift of Duties pauschalisierend regeln). 1264 Guntermann, WM 2021, 214, 216 f.; Kuntz, ZIP 2021, 597, 600 f., 602; S. aber Jungmann, ZRI 2021, 209, 215 f. 1265 Jungmann, ZRI 2021, 209, 212. 1266 So im Ergebnis Kuntz, ZIP 2021, 597, 610, der allerdings nur eine punktuelle Verschiebung der Pflichten aufgrund europarechtlicher Vorgaben befürwortet, das Konzept vom allg. Shift of Duties aber skeptisch sieht (S. 600 ff.); kritisch zur analogen Anwendung des § 43 StaRUG: Brinkmann, KTS 2021, 303, 308.
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§ 43 StaRUG nur spezifische Pflichten zuschreibt.1267 Es gehe nicht um eine allgemeine Ausrichtung an den Interessen der Gläubiger.1268 § 43 StaRUG erfasst nach einigen Autoren sogar nur noch einen kleinen Ausschnitt des ursprünglich vorgesehenen allgemeinen Pflichtenumschwungs.1269 Man könnte § 43 Abs. 1 Satz 1 StaRUG i. V. m. § 32 Abs. 1 Satz 1 StaRUG so lesen, dass die Schuldnerin die Interessen der Gläubiger (nur) beim Betreiben der Restrukturierungssache und nicht allgemein beachten muss.1270 Jedenfalls müssten beim Formulieren des Plans und bei den damit verbundenen Maßnahmen demnach aber die Gläubigerinteressen maßgebend sein. Gegen die analoge Anwendung des § 43 StaRUG wird aber eingewendet, dass eine planwidrige Regelunglücke mit Hinblick auf das Gesetzgebungsverfahren nicht begründbar wäre.1271 Außerdem wird durch §§ 43, 32 StaRUG nur die Frage angesprochen, wie das Restrukturierungsverfahren zu betreiben ist, nicht hingegen, ob es überhaupt gestartet werden darf. Dieser Ansatz dürfte deshalb nicht ausreichen, ein RSA, welches die Interessen der Anteilsinhaber übergeht, vollständig zu rechtfertigen. c) Interessenpluralistisches Modell Nach wohl h. L. gilt für die AG ein interessenpluralistisches Modell1272, bei welchem das vom Management zu verfolgende Interesse aus einer Aggregation aller Interessen der Stakeholder zu bilden ist.1273 Diese Ansicht wird hauptsächlich historisch begründet.1274 Die einzelnen Interessen seien gegeneinander abzuwägen und im Wege der praktischen Konkordanz zu einem Ergebnis zu bringen.1275 Gegen eine Pflichtverletzung des Managements beim Abschluss eines gläubigerfreundlichen RSA spricht, dass das Management die Gläubigerinteressen stärker gewichten kann. Dieses Konzept wird für den Abschluss einer Restrukturierungsvereinbarung z. B. von Heinzmann vertreten.1276 Nach seiner Ansicht umfasst das Unternehmensin1267
Kuntz, ZIP 2021, 597, 603 ff. Kuntz, ZIP 2021, 597, 604; so auch BeckOK-StaRUG/Kramer, § 32 Rn. 19; Korch, GmbHR 2021, 793 f. 1269 Vgl. Korch, GmbHR 2021, 793. 1270 Vgl. zu dieser Interpretation: Scholz, ZIP 2021, 219, 222 f. mit Verweis auf das Wort „dabei“ in § 32 Abs. 1 Satz 1 StaRUG. 1271 Korch, GmbHR 2021, 793, 798. 1272 Hüffer/Koch/Koch, § 76 AktG Rn. 30 ff.; Henssler/Strohn/Dauner-Lieb, § 76 Rn. 10; Goette, ZGR 2008, 436, 447; Kort, AG 2012, 605, 605 ff.; KölnKommAktG/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 16 ff.; GK-AktG/Kort, § 76 Rn. 52 ff., jeweils m. w. N. 1273 Hüffer/Koch/Koch, § 76 Rn. 30 ff. 1274 Hüffer/Koch/Koch, § 76 Rn. 30; Überblick auch bei Birke, Formalziel, S. 169 ff.; BeckOGK-AktG/Fleischer, § 76 Rn. 22 f.; Heß, Investorenvereinbarungen, S. 95 f. (beide sind aber a. A.). 1275 Hopt, ZGR 2002, 333, 360; Hopt, ZGR 1993, 543, 536. 1276 Heinzmann, Restrukturierungsvereinbarungen, S. 260 ff. 1268
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teresse stets auch das Sicherungsinteresse der Gläubiger,1277 wobei dieses erst in Krisenzeiten sichtbar wird.1278 Dogmatisch beruhe dies auf einer konkludenten vertraglichen Abrede1279 und auf verschiedenen gesetzlichen Vorschriften, z. B. §§ 57 AktG, 93 Abs. 3 Nr. 1 AktG, 64 Satz 3 GmbHG, 92 Abs. 2 Satz 3 AktG, 302 AktG, 826 BGB, 91 Abs. 2 AktG, 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO, 1, 199 InsO, 245 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 245 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Nr. 3 InsO1280.1281 Hieraus folge eine Pflicht, in einer Restrukturierungssituation ein Restrukturierungskonzept zu erarbeiten und dieses mit den Kapitalgebern zu verhandeln.1282 Die Pflicht konkretisiere sich darin, dass das Konzept die absolute Vorrangregel streng widerspiegeln müsse.1283 Guntermann1284 vertritt einen ähnlichen Ansatz. Nach ihr sollen die Gläubigerinteressen bei Erfüllung der Sanierungspflichten berücksichtigt werden.1285 Hierzu könnte der Begriff des Unternehmensinteresses mit den Gläubigerinteressen aufgeladen werden.1286 Auf diese Weise könne man eine flexible und ökonomisch wünschenswerte Orientierung am Residualinteresse nachbilden, ohne starr auf den Zeitpunkt der drohenden Zahlungsunfähigkeit abzustellen.1287 Diese Ansicht würde es dem Management allerdings nur dann erlauben, die Gläubigerinteressen zu verfolgen, wenn diese im Rahmen des interessenpluralistischen Modells überhaupt eine bedeutende Rolle spielen. Gerade dies wird allerdings in der Literatur häufig bezweifelt.1288 Es ist heute aber mit der RRL nicht mehr vereinbar, Gläubigerinteressen unberücksichtigt zu lassen.1289 Nach Art. 19 lit. a) der RRL müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass die Unternehmensleitung bei einer wahrscheinlichen Insolvenz – also ab drohender Zahlungsunfähigkeit – mindestens die Interessen der Gläubiger, der Anteilsinhaber und der sonstigen Interes-
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Heinzmann, Restrukturierungsvereinbarungen, S. 265 ff. Heinzmann, Restrukturierungsvereinbarungen, S. 262 ff., insbesondere 264. 1279 Heinzmann, Restrukturierungsvereinbarungen, S. 275 ff. 1280 Heinzmann, Restrukturierungsvereinbarungen, S. 279 ff. 1281 Heinzmann, Restrukturierungsvereinbarungen, S. 274. 1282 Heinzmann, Restrukturierungsvereinbarungen, S. 332. 1283 Heinzmann, Restrukturierungsvereinbarungen, S. 333. 1284 Guntermann, WM 2021, 214, 218; sympathisierend: Goetker, in: Flöther, StaRUG, § 1 Rn. 6; HambKomm-StaRUG/Tresselt/Lochmann, § 1 Rn. 1 in Fn. 4. 1285 Guntermann, WM 2021, 214, 218. 1286 Guntermann, WM 2021, 214, 218. 1287 Guntermann, WM 2021, 214, 218; i. E. ähnlich Goetker, in: Flöther, StaRUG, § 1 Rn. 61. 1288 Hüffer/Koch/Koch, § 76 Rn. 28 („Gläubigerbelange sind zwar wichtig, gehören aber nach ges. Konzeption nicht zu den ermessensleitenden Gesichtspunkten von selbständiger Bedeutung.“); GK-AktG/Kort, § 76 Rn. 83; allgemeiner gegen die Berücksichtigung der Gläubigerinteressen bei den allgemeinen Vorstandspflichten auch Klöhn, ZGR 2008, 110 ff. 1289 Kuntz, ZIP 2021, 597, 603 f. 1278
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senträger gebührend berücksichtigen.1290 Es unterliegt nicht der deutschen Regulierungsautonomie, zu bestimmen, ob Gläubigerinteressen überhaupt zu berücksichtigen sind.1291 Mit diesem Ansatz könnte der Abschluss eines RSA gerechtfertigt sein, auch wenn die Aktionärsinteressen übergangen werden. d) Sanierungspflichten und Bestandserhaltung Schon vor Erlass des StaRUG wurde versucht, ein Handeln der Geschäftsleitung, welches die Interessen der Anteilsinhaber verletzen könnte, mit den Sanierungspflichten und einem damit einhergehenden Bestandserhaltungsgebot zu rechtfertigen.1292 Grundsätzlich sei im vorinsolvenzlichen Bereich das Aktionärsinteresse maßgebend. Einen Pflichtenumschwung oder eine Betonung der Gläubigerinteressen im Abwägungsmodell komme nicht in Betracht.1293 Das Management treffe allerdings eine Sanierungspflicht. Bei Vorliegen einer betriebswirtschaftlichen Krise (und damit weit vor Vorliegen eines Insolvenzgrundes) seien geeignete Sanierungsmaßnahmen einzuleiten, um die Krise der Gesellschaft zu überwinden.1294 Hierbei stünden die „zur Bestandssicherung des Unternehmens geplanten Gegenmaßnahmen“ im Rahmen einer Sanierung außerhalb des Insolvenzverfahrens im Vordergrund, da sie am ehesten den Aktionärsinteressen gerecht würden.1295 In akuter Insolvenznähe bestehe für ein pflichtwidriges, allerdings letztlich den Bestand der Gesellschaft sicherndes Handeln der Geschäftsleitung ausnahmsweise ein Rechtfertigungsgrund nach den Grundsätzen des Notstandes (Rechtsgedanke der §§ 34 StGB, 904 BGB).1296 Voraussetzung sei, dass ein Verzicht der pflichtwidrigen Handlung mit weit überwiegender Wahrscheinlichkeit in absehbarer Zeit in die Insolvenz der Gesellschaft münden würde (sog. akute Bestandsgefährdung) und keine grobe Pflichtverletzung vorliege.1297 Andere stellten insgesamt argumentativ auf die „Pflicht zur Bestandssicherung“ ab, ohne aber zu anderen Ergebnissen zu gelangen.1298 Nach Erlass des StaRUG gewinnt der Aspekt der Sanierungspflicht, auch wegen der Streichung der §§ 2, 3 StaRUG-RegE, an Gewicht.1299 Der Gesetzgeber hat in § 1 Abs. 1 StaRUG explizit verschiedene Krisenpflichten und das nötige Krisenmana1290 Zum Streit, was daraus für den moderaten Stakeholder-Ansatz folgt: vgl. Korch, ZGR 2019, 1050, 1057 ff.; Kuntz, ZIP 2021, 597, 603 f. 1291 Kuntz, ZIP 2021, 597, 603. 1292 Seibt, ZIP 2013, 1597, 1598 f.; Curtze, Insolvenzplanverfahren, S. 92 f. 1293 Seibt, ZIP 2013, 1597, 1599. 1294 Seibt, ZIP 2013, 1597, 1598 f. 1295 Seibt, ZIP 2013, 1597, 1599. 1296 Seibt, ZIP 2013, 1597, 1605. 1297 Seibt, ZIP 2013, 1597, 1605. 1298 Curtze, Insolvenzplanverfahren, S. 92 f. 1299 Insbesondere Brinkmann, KTS 2021, 303 ff.; i. E. auch Goetker, in: Flöther, StaRUG, § 1 Rn. 8.
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gement der Geschäftsleitung bei haftungsbeschränkten Unternehmensträgern normiert. Diese könnten eine Rechtfertigung dafür geben, entgegen der Interessen der Anteilsinhaber zu agieren, wenn so die langfristige Solvenz des Unternehmens gesichert werden kann.1300 Hiernach ist die Geschäftsleitung verpflichtet, die Interessen der Gläubiger derart zu schützen, dass die Zahlungsfähigkeit gesichert werde.1301 Eine Pflicht, ein StaRUG-Verfahren umzusetzen, ergebe sich daraus allerdings nur, wenn dies die einzige Möglichkeit sei, die Bestandsgefährdung zu überwinden.1302 Ein strikter Vorrang der Gläubigerinteressen ergebe sich zwar nicht.1303 Vielmehr bleibe dem Vorstand ein erheblicher Ermessensspielraum bei dessen Einsatz er unternehmerisches Ermessen habe.1304 Für ein RSA würde dies dennoch bedeuten, dass es, sofern es die Interessen der Anteilsinhaber übergeht, jedenfalls dann nicht pflichtwidrig wäre, wenn es die einzige Möglichkeit wäre, die Bestandsgefährdung zu überwinden. Sofern in der Literatur mit den Begriffen „Bestandserhaltungsgebot“ agiert wird, sollte diesem „Gebot“ mit Zurückhaltung begegnet werden. Es bestehen Bedenken, ein eigenes Bestandsinteresse einer Gesellschaft unabhängig von den hinter der Gesellschaft stehenden Interessen anzuerkennen.1305 Bei einer Gesellschaft handelt es sich ökonomisch gesehen nur um einen Nexus of Contracts.1306 Ein Erhalt des Unternehmens um des Unternehmens Willen, ist deshalb abzulehnen. Das „Bestandserhaltungsgebot“ darf daher allenfalls insoweit Geltung beanspruchen, als dieses aus den Gläubigerinteressen abgeleitet werden kann.1307 Auch aus Art. 19 lit. c) der RRL und dem Gebot, bestandsgefährdende Maßnahmen im Zeitpunkt einer wahrscheinlichen Insolvenz zu unterlassen,1308 dürfte kein darüber hinausgehendes „Bestandserhaltungsgebot“ abzuleiten sein. Hiergegen spricht insbesondere, dass in der konkreten Norm nur vorgeschrieben wird, bestandsgefährdende Maßnahmen zu unterlassen. Dass der Bestand des Unternehmens ein eigenständiges Ziel sein soll,
1300 Vgl. Brinkmann, KTS 2021, 303, 311 ff.; Diskussion bei Thole, BB 2021, 1347, 1348 f. („§ 1 StaRUG als Substitut für §§ 2, 3 StaRUG-RegE?“); vgl. auch Bitter, ZIP 2021, 321, 322 (§ 1 StaRUG als Argument, dass das vom Gesetzgeber vorgesehene Konzept in §§ 2, 3 StaRUG-RegE weitergilt); a. A. und kritisch zur These, dass aus § 1 StaRUG eine Art Shift of Duties folgt: Schäfer, FS Gehrlein, S. 491, 501 f. („nur deklaratorische Wirkung des § 1 StaRUG“). 1301 Brinkmann, KTS 2021, 303, 313. 1302 Thole BB 2021, 1347, 1348. 1303 Thole BB 2021, 1347, 1348. 1304 Thole BB 2021, 1347, 1348. 1305 Ausführlich: Bitter, Durchgriffshaftung, S. 315. 1306 Bitter, Durchgriffshaftung, S. 315. 1307 Vgl. zur Ableitung des Bestandsinteresses aus den Gläubigerinteressen: Weiß, Insolvenzspezifische Geschäftsführerhaftung, S. 45 ff. 1308 Vgl. dazu Korch, ZGR 2019, 1050, 1061 ff.
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wird dort gerade nicht normiert.1309 Wenn das Management indessen Schlüsselgläubiger findet, welche eine Restrukturierung unterstützen und mit ihm ein RSA abschließen möchten, dürfte es auch leicht zu begründen sein, aus diesen Interessen das Bestandserhaltungsgebot abzuleiten. Insofern wäre es aber dogmatisch sauberer, generell auf den Pflichtenumschwung abzustellen. e) Allgemeiner Pflichtenumschwung trotz Streichung der §§ 2, 3 StaRUG-RegE Eine letzte Ansicht befürwortet einen Pflichtenumschwung schon vor der Anzeige der Restrukturierungssache.1310 IV. Stellungnahme Der zuletzt genannten Ansicht ist zu folgen. Die Prämisse für den Pflichtenumschwung – Wertlosigkeit der Rechte der Anteilsinhaber – kann durchaus schon vor der Anzeige der Restrukturierungssache vorliegen (dazu unter 1.). Trotz Streichung der §§ 2, 3 StaRUG-RegE finden sich Anhaltspunkte, dass der Gesetzgeber einen Pflichtenumschwung vorgesehen hat (dazu unter 2.). 1. Prämisse für den Pflichtenumschwung gegeben a) Das wirtschaftliche Konzept Das Fundament des Pflichtenumschwungs beruht auf einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise.1311 Die Geschäftsleiter haben ihre Interessen an den Interessen der wirtschaftlichen Eigentümer des Gesellschaftsvermögens auszurichten.1312 Gehört dieses wirtschaftlich betrachtet nicht mehr den Gesellschaftern, sondern den Gläubigern der Gesellschaft, sei die Geschäftsführung primär den Interessen der Gläubiger verpflichtet.1313 Dem liegt das Konzept zugrunde, dass Geschäftsleiter fremdes Vermögen (primär) im Interesse derjenigen verwalten sollen, denen es 1309 Begrifflich ist es daher kritisch, wenn im Zusammenhang mit Art. 19 lit. c) vom „Bestandserhaltungsgebot“ gesprochen wird; besser erscheint der Begriff „Bestandsgefährdungsverbot“. 1310 Bitter, ZIP 2021, 321, 322; Bitter, GmbHR 2021, R16, R17; Pannen/Riedemann/Smid/ Weitzmann, § 1 Rn. 27; i. E. ebenfalls Hölzle, Praxisleitfaden SanInsFoG, §§ 31, 33 Rn. 13 ff.; ähnlich Bea/Dressler, NZI 2021, 67 ff. 1311 Zur wirtschaftlichen Betrachtungsweise grundlegend in Bezug auf die Auflösung der früheren Blockadeposition der Altgesellschafter im Insolvenzplanverfahren: Bitter, ZGR 2010, 147, 189 ff. 1312 Bitter/Baschnagel, ZInsO 2018, 557, 567; Skauradszun/Spahlinger, DB 2015, 2559, 2563; Jungmann, ZRI 2021, 209, 210 (nur, wenn der Gesetzgeber dies anordnet). 1313 Bitter, GmbHR 2021, R16, R17; vgl. auch das von Bitter erdachte Konzept bei Bitter/ Baschnagel, ZInsO 2018, 557, 567.
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wirtschaftlich zusteht.1314 Folglich muss das Unternehmen schon vor der Anzeige der Restrukturierungssache wirtschaftlich den Gläubigern zustehen, damit in diesem Zeitpunkt ein Pflichtenumschwung möglich ist. b) Keine gesetzliche Pauschalisierung Offenbar ging die Regierungsbegründung des StaRUG von dieser Prämisse aus, denn hier wurde mit §§ 2, 3 StaRUG-RegE der Pflichtenumschwung ab dem Zeitpunkt angeordnet, in dem drohende Zahlungsunfähigkeit gegeben ist.1315 Der Gesetzgeber konnte diesen Zeitpunkt pauschalierend festlegen, auch wenn die Prämisse, dass das Vermögen der Gesellschaft ab diesem Zeitpunkt wirtschaftlich immer den Gläubigern zuzuordnen ist, nicht in jedem Fall zugetroffen haben sollte.1316 Weil eine gesetzliche Fixierung fehlt, stellt sich nun die Frage, ab wann das Vermögen der Gesellschaft wirtschaftlich gesehen den Gläubigern zugedacht wird. c) Anknüpfung an Insolvenzgründe Eine Ansicht erklärt, dass das Unternehmen jedenfalls ab materieller Insolvenz wirtschaftlich den Gläubigern zuzuordnen ist.1317 Angedacht wird auch, den maßgeblichen Zeitpunkt im Eintritt der drohender Zahlungsunfähigkeit zu sehen.1318 Es wird dabei u. a. mit der Überschneidung des Überschuldungsbegriffs i. S. d. § 19 InsO mit dem Begriff der drohenden Zahlungsunfähigkeit1319 argumentiert.1320 Diese Argumentation war vor allem vor Erlass des StaRUG tragfähig: Hier beruhten beide Tatbestände im Ergebnis noch auf einer sich weitgehend überlappenden Zahlungsfähigkeitsprognose.1321 Mit Einführung des StaRUG ist mit dieser Sichtweise ein höherer Argumentationsaufwand verbunden, weil die Tatbestände und insbesondere die Prognosezeiträume voneinander abgegrenzt wurden.1322 Dies ändere allerdings 1314
Keine gesetzliche Anordnung fordernd hingegen: Bitter, GmbHR 2021, R16, R17; Bitter/Baschnagel, ZInsO 2018, 557, 567; anders: Jungmann, ZRI 2021, 209, 210 f. (Zuständigkeit beim Gesetzgeber). 1315 So wurde das Gesetz jedenfalls von Guntermann, WM 2021, 214, 216 interpretiert. 1316 Vgl. Jungmann, ZRI 2021, 215 f.; kritisch zur Prämisse: Guntermann, WM 2021, 214, 216 f. (Der Umstand, dass innerhalb der nächsten 24 Monate nicht sämtliche fälligen Verbindlichkeiten erfüllt werden könnten, führe nicht dazu, dass der Anteilswert kleiner gleich null sei. Dies sei zwar möglich, allerdings nicht zwingend.). 1317 Bitter, GmbHR 2021, R16, R17. 1318 Bitter, GmbHR 2021, R16, R17. 1319 Bitter, GmbHR 2021, R16, R17; vgl. zur Überschneidung: Scholz/Bitter, Vor § 64 Rn. 109; vgl. auch Kuntz, ZIP 2021, 597, 601 („Es ist kein Geheimnis, dass sich die drohende Zahlungsunfähigkeit gem. § 18 InsO a. F. und die Überschuldung nach § 19 InsO a. F. in weiten Teilen überschnitten, weil sich die notwendigen Prognosen grosso modo entsprachen.“). 1320 Bitter, GmbHR 2021, R16, R17; Bitter, ZIP 2021, 321, 322. 1321 Scholz/Bitter, Vor § 64 Rn. 109; vgl. auch Bitter, GmbHR 2021, R16, R17. 1322 Kritisch deshalb: Kuntz, ZIP 2021597, 611.
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nichts daran, dass schon im Zeitpunkt der drohenden Zahlungsunfähigkeit die Anteile an einem Unternehmensträger wirtschaftlich den Gläubigern zuzuordnen sein können.1323 Dies gelte gerade in Fällen, in denen keine Prognoseunsicherheiten bestehen und schon klar absehbar ist, dass zwischen dem zwölften und dem 24. Monat einer Zukunftsprognose sicher Zahlungsunfähigkeit eintreten werde.1324 In diesen Fällen müsse über eine teleologische Reduktion des 12-Monatszeitraums bei § 19 InsO nachgedacht werden.1325 Nach der Regierungsbegründung trifft auch die verbreitete Annahme nicht zu, dass die Ansprüche der Gläubiger bis zum Eintritt der Insolvenzreife vollwertig seien.1326 Dieser Begründungsansatz wird in der Literatur kritisiert.1327 Wer meine, dass bei dauerhaft drohender Zahlungsunfähigkeit stets materielle Insolvenz vorliege, kenne kaum noch eine Krise ohne materielle Insolvenz, sodass der Anwendungsbereich für das StaRUG nie eröffnet wäre.1328 Zudem sei die Entscheidung des Gesetzgebers zu respektieren, die Abgrenzung der drohenden Zahlungsunfähigkeit von der Überschuldung anhand unterschiedlicher Prognosezeiträume durchzuführen.1329 Der Gesetzgeber habe sich entschieden, die drohende Zahlungsunfähigkeit gerade nicht als materielle Insolvenz einzustufen.1330 Außerdem müsse § 18 InsO einen eigenständigen Anwendungsbereich haben. Dieser dürfe sich nicht mit dem von § 19 InsO decken, um der RRL im Ergebnis Rechnung zu tragen.1331 Diese Kritik dürfte indessen zu pauschal ausfallen, weil die teleologische Reduktion beim § 19 InsO nur in bestimmten Fällen angenommen wird. Sie solle nur dann greifen, wenn keine Prognoseunsicherheit besteht und Zahlungsunfähigkeit zwischen dem zwölften und dem 24. Monat sicher zu erwarten sei.1332 Darüber hinaus geht diese Kritik in zu pauschaler Weise davon aus, dass die Mitgliedschaftsrechte im Zeitpunkt der drohenden Zahlungsunfähigkeit (stets) noch werthaltig sind und die Gläubiger damit noch nicht als neue Residualberechtigte einzustufen sind.1333 Es kommt hier schlicht auf die Unternehmensbewertung an und eine allgemeine Aussage hierzu ist nicht möglich. Deshalb sprechen die besseren Argumente dafür, in bestimmten Fällen schon bei drohender Zahlungsunfähigkeit davon auszugehen, dass die Gläubiger wirtschaftliche Eigentümer sein können.
1323 1324 1325 1326 1327 1328 1329 1330 1331 1332 1333
Bitter, ZIP 2021, 321, 322; a. A. Schäfer, FS Gehrlein, S. 491, 499 ff. Bitter, ZIP 2021, 321, 324. Bitter, ZIP 2021, 321, 324. RegE-SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 105. Kuntz, ZIP 2021, 597, 600 ff.; i. E. auch Goetker, in: Flöther, StaRUG, § 1 Rn. 6. Kuntz, ZIP 2021, 597, 602. Kuntz, ZIP 2021, 597, 602. Vgl. Kuntz, ZIP 2021, 597, 602. Vgl. Kuntz, ZIP 2021, 597, 602. So jedenfalls die Argumentation bei Bitter, ZIP 2021, 321, 324. Kuntz, ZIP 2021, 597, 602.
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d) Anknüpfung an Aktiva und Passiva Selbst wenn man den Kritikern folgt, bedeutet dies nicht, dass einem Pflichtenumschwung im geltenden Recht der Boden bzw. die Prämisse entzogen würde.1334 Es könnte auch schlicht auf die Gegenüberstellung von Aktiva und Passiva1335 im Rahmen einer Bilanz abgestellt werden:1336 Es sei zwar denkbar, dass eine bilanziell überschuldete, aber prognostisch noch zahlungsfähige Gesellschaft ihren fälligen Zahlungspflichten jeweils in den folgenden 12 bis 24 Monaten nachkommen kann. Es stehe aber fest, dass ihr Vermögen zur Deckung aller Verbindlichkeiten nicht ausreicht. Das im Geschäftsverkehr mit einer Gesellschaft in haftungsbeschränkter Rechtsform stets immanente Risiko habe sich bereits in diesem Zeitpunkt konkretisiert. Schon das Hinzukommen nur einer weiteren Verbindlichkeit könne die Prognose in Frage stellen und eine Insolvenzantragspflicht auslösen. Dem müsse durch gesteigerte Sorgfaltsanforderungen an die Geschäftsführung unabhängig von dem Gesellschafterwillen Rechnung getragen werden. e) Anknüpfung an greifbare Gefährdung der Gläubigerinteressen Nachdem Hölzle in einem früheren Beitrag explizit auf die bilanzielle Überschuldung abgestellt hatte, sieht er nunmehr generell den Eintritt der drohenden Zahlungsunfähigkeit als maßgeblichen Umstand für einen Pflichtenumschwung an. Diesen Zeitpunkt hatte auch der Regierungsentwurf zum StaRUG in §§ 2, 3 StaRUGRegE normiert.1337 Man könne annehmen, dass dem Eintritt der drohenden Zahlungsunfähigkeit regelmäßig Versuche der Geschäftsleiter vorangegangen sind, die negative Entwicklung des Unternehmens aufzuhalten, und dass diese wirkungslos geblieben seien.1338 Weil sich mit dem Eintritt der drohenden Zahlungsunfähigkeit deshalb eine greifbare Gefährdung der Gläubigerinteressen manifestiere, seien Entscheidungen fortan vorrangig an den Gläubigerinteressen auszurichten.1339 Die Verpflichtung auf das Gläubigerinteresse gelte dann auch schon bei Opportunitätserwägungen in Bezug auf die Einleitung von Restrukturierungsmaßnahmen.1340
1334
So aber Kuntz, ZIP 2021, 597, 602. Andeutend: Bitter, GmbHR 2021, R16, R17 („Ist eine haftungsbeschränkte Gesellschaft insolvenzreif, sind insbesondere ihre Passiva nicht mehr durch ihre Aktiva gedeckt, gehört ihr Vermögen wirtschaftlich betrachtet nicht mehr den Gesellschaftern, sondern den Gläubigern der Gesellschaft.“). 1336 Zum Folgenden: Hölzle, ZIP 2013, 1846, 1850; Guntermann, WM 2021, 214, 216 f., 218; i. E. auch Goetker, in: Flöther, StaRUG, § 1 Rn. 6 („bilanzielle Überschuldung zu Fortführungswerten“); vgl. auch Pannen/Riedemann/Smid/Weitzmann, § 1 Rn. 27; kritisch zum Bilanzwert: MüKoInsO/Eidenmüller, § 225a Rn. 46. 1337 RegE-SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 105. 1338 Hölzle, Praxisleitfaden SanInsFoG, Vor § 32 Rn. 10. 1339 Hölzle, Praxisleitfaden SanInsFoG, Vor § 32 Rn. 10. 1340 Hölzle, Praxisleitfaden SanInsFoG, Vor § 32 Rn. 11. 1335
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f) Anknüpfung an „Unternehmenswert“ und seine Bestimmung Die bisher dargestellten Ansätze sind zu kritisieren.1341 Die bilanzielle Überschuldung spiegelt einen statischen Wert wider und berücksichtigt nicht die Ertragskraft1342 des Unternehmens. Die Zahlungsunfähigkeit sagt nichts darüber aus, wer „wirtschaftlicher“ Eigentümer des Unternehmens ist.1343 Die Überschuldung i. S. d. § 19 InsO berücksichtigt im Rahmen der Fortführungsprognose die künftige Entwicklung des Unternehmens nur auf zwölf Monate begrenzt. Im Übrigen stellt sie höchstens auf den realisierbaren Wert bei einer übertragenden Sanierung ab.1344 Im Ergebnis muss aber der „wahre“ oder „wirkliche“ Unternehmenswert zugrunde gelegt werden, um zu bestimmen, ob die Anteilsinhaber noch in the money sind oder nicht.1345 In Betracht kommt zunächst der Preis, welcher bei einer Übertragung des Unternehmens als Ganzes1346 („übertragende Sanierung“) erzielt werden könnte.1347 Bei einer übertragenden Sanierung können aber keine rechtsträgerspezifischen Rechte (günstige Verträge oder Lizenzen) gesichert werden.1348 Einen zweiten Wert erhält man, wenn man die rechtsträgerspezifischen Rechte in die Bewertung einbezieht. Damit ist aber noch nicht gesagt, wie der Wert zu bestimmen ist. So könnte zum einen auf eine Käuferperspektive abgestellt werden.1349 1341 Vgl. in anderem Zusammenhang zur Ermittlung des Unternehmenswerts bzw. der Werthaltigkeit der Unternehmensanteile: Schäfer, ZIP 2013, 2237, 2240 („Anwendung allgemeiner Grundsätze der Unternehmensbewertung […] unter Zugrundelegung einer Ertragswertmethode“); S. 2242 („reine Illiquidität [sagt] über den Unternehmenswert nichts Entscheidendes [aus])“. 1342 Grundlegend dafür, dass eine Ertragsbewertung maßgebend ist: Schäfer/Wüstemann, ZIP 2014, 1757 ff. insbesondere z. B. 1766. 1343 Vgl. Schäfer, ZIP 2013, 2237, 2242 (Die „reine Illiquidität [sagt] über den Unternehmenswert nichts Entscheidendes [aus].“). 1344 Vgl. zu verschiedenen Werten: Scholz/Bitter, Vor § 64 Rn. 67. 1345 Grundlegend: Schäfer/Wüstemann, ZIP 2014, 1757 ff.; ebenso: MüKoInsO/Eidenmüller, § 225a Rn. 46; vgl. zur Bestimmung des Unternehmenswerts in den USA: H.R. Rep. No. 95 – 595 S. 225 (1977) („The valuation consists of an estimate of the earning power of the reorganized debtor, and the appropriate market capitalization rate of that estimated income stream. The income stream thus estimated, capitalized as appropriate, is then distributed among the classes of creditors and equity security holders according to the absolute priority rule.“). 1346 Schäfer/Wüstemann, ZIP 2014, 1757, 1759. 1347 Vgl. Madaus, Working-Paper 2019 – 08, S. 11; vgl. auch Schäfer/Wüstemann, ZIP 2014, 1757, 1759 (keine zwingende Bewertung des Unternehmens zum Zerschlagungswert, wenn „Liquidation der Gesellschaft im Ganzen“ möglich ist); vgl. auch Scholz/Bitter, Vor § 64 Rn. 67. 1348 Ausführlich: Bitter/Laspeyres, ZIP 2010, 1157 ff. 1349 Man könnte aber auch auf einen mehr zukunftsgerichteten Ertragswert abstellen, ohne die Käuferperspektive unter derzeitigen Marktbedingungen einzunehmen; diese Differenzierung wird im Rahmen des englischen Scheme of Arrangements kontrovers diskutiert: vgl. Paterson, in: Olivares-Caminal/Kornberg/Paterson, Rn. 3.216 ff.; Re Bluebrook Ltd [2009]
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Könnten für einen Share Deal1350 – unter derzeitigen Marktbedingungen – keine Interessenten gefunden werden, spricht vieles dafür, dass die Anteilsinhaber out of the money sind und ihre Interessen nicht mehr zu berücksichtigen wären. Man könnte den Wert auch mittels Discounted-Cash-Flow-Methode ermitteln. Hierbei könnten bei den künftigen Cash-Flows die rechtsträgerspezifischen Besonderheiten berücksichtigt werden. Vom so ermittelten Unternehmenswert wären die Verbindlichkeiten zum Nennwert abzuziehen, um herauszufinden, ob die Anteilsinhaber noch in the money sind.1351 Bei der Schätzung der künftigen Cash-Flows wäre zu überlegen, ob geplante, aber noch nicht umgesetzte Restrukturierungsmaßnahmen berücksichtigt werden sollen.1352 Es geht insbesondere auch um die Zugeständnisse der Gläubiger.1353 Es spricht viel dafür, nur Auswirkungen von geplanten operativen Maßnahmen auf die Cash-Flows zu berücksichtigen, nicht allerdings finanzielle Zugeständnisse der Gläubiger.1354 Für diesen Ansatz spricht, dass die Restrukturierung eine fiktive „Veräußerung“ des Unternehmens (inklusive der rechtsträgerspezifischen Vorteile) an die bisherigen Gläubiger darstellt.1355 Zuletzt müsste die Frage beantwortet werden, ob einkalkuliert wird, dass die fiktive Unternehmensveräußerung unter den jeweils gegenwärtigen Marktbedingungen erfolgt.1356 In England wurde dies im Fall Re Bluebrook angedacht und der errechnete Ertragswert um einen sog. Alpha-Faktor gekürzt, welcher die schlechten Marktbedingungen widerspiegeln sollte.1357 Ein dritter Ansatz wäre, dass die Discounted-Cash-Flow-Methode gewählt wird und dabei auch künftige positive Entwicklungen stärker mitberücksichtigen werden. Payne hat dies wie folgt beschrieben: EWHC 2114 (Ch) = 2009 WL 2392294 (Rn. 12 ff.); Paterson, Corporate Reorganization, S. 77 ff.; vgl. auch Paterson, Research Handbook, S. 534. 1350 Vgl. zu diesem Wert: K. Schmidt-InsO/Spliedt, § 245 Rn. 25. 1351 Vgl. zu diesem Vorgehen: Schäfer/Wüstemann, ZIP 2014, 1757, 1762; MüKoInsO/ Eidenmüller, § 225a Rn. 46 („[D]ie Altgesellschafter als Residualberechtigte können schwerlich verlangen, dass sich die Gläubiger als vorrangig Berechtigte mit weniger als dem vollen Forderungsbetrag zufrieden geben.“). 1352 So Schäfer/Wüstemann, ZIP 2014, 1757, 1766 (Unternehmensbewertung erfolgt nach Ertragswertgrundsätzen unter Berücksichtigung des Sanierungsplans). 1353 Überblick bei H.-F. Müller, ZGR 2018, 56, 72. 1354 Vgl. die Logik in Fn. 1351. 1355 Vgl. dazu oben bei Fn. 303 ff. 1356 So Diskussion bei Paterson, in: Olivares-Caminal/Kornberg/Paterson Rn. 3.216 ff., 3.230. 1357 Paterson, in: Olivares-Caminal/Kornberg/Paterson Rn. 3.222 ff.; Re Bluebrook Ltd, [2009] EWHC 2114 (Ch) = 2009 WL 2392294 (Rn. 13) („In this approach [discounted cash flow basis] they added an ,alpha factor‘ to the cost of capital to reflect uncertainty in the market and the impact of the present credit crunch on the availability and cost of financing. It had the effect of depressing the final valuation figure.“) und S. 50 („PWC’s approach on their DCF valuation builds in their ,alpha factor‘ – a discount to reflect the fact that a purchaser will pay less in the present market because of economic uncertainties.“).
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„[T]here is an important distinction to be drawn between valuations based on a present-value analysis of some kind (…) and those that seek to take account of some element of future value. This is the difference between regarding the value as being only the current value of the company (however that is judged) and being able to take account of the possibility of future, going concern value, and might include an assessment, for example, of the possibility that the company might grow back into its capital structure, so that there might be some value for junior creditors in the future.“1358
Wird berücksichtigt, dass der Markt und eine aktuell bestehende angespannte Lage sich in Zukunft erholen werden, kann dies zu einer höheren Bewertung führen. Die „derzeitigen Marktbedingungen“ würden ausgeblendet. Diese werden bei einer echten Veräußerung häufig als ein Grund für eine angebliche Unterbewertung angeführt.1359 Es würde vom errechneten Unternehmenswert kein Alpha-Faktor zur Berücksichtigung der schlechten Marktbedingungen1360 abgezogen.1361 Die Chancen, dass der Wert in Zukunft steigt und die Marktbedingungen sich verbessern, würden also stärker gewichtet. Dieser Ansatz würde einen etwaigen intrinsic value1362 stärker berücksichtigen.1363 Er dürfte häufig von den nachrangigen Gläubigern oder den Anteilsinhabern ins Feld geführt werden.1364 Gerade wem der intrinsic value zugesprochen werden muss, ist eine der schwierigsten Fragen im Rahmen der Restrukturierung. Für die Frage, welcher Wert heranzuziehen ist, um zu klären, wer nun Residualberechtigter ist und wessen Interessen die Geschäftsleitung vertreten soll, dürfte der zweite Wert der geeignetste sein, weil in der Restrukturierung gerade die rechtsträgerspezifischen Rechte gesichert werden sollen. Darüber hinaus findet die Restrukturierung hier und jetzt statt, weshalb die aktuellen Marktbedingungen be1358
Payne, Schemes of Arrangement, 1. Aufl. S. 252. Vgl. z. B. Crystal/Mokal, S. 6 f.; Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 36 ff.; vgl. Paterson, Research Handbook, S. 531. 1360 Paterson, in: Olivares-Caminal/Kornberg/Paterson, Rn. 3.222: [„A valuation by the administrators in waiting valued the group using an income approach (based on discounted cash flow adjusted, by an alpha factor, for current market conditions)“]. 1361 Vgl. Paterson, Research Handbook, S. 531 („Crucially, the valuer [using the DCFmethod] takes no account of the effect which prevailing market conditions may have on the price which a purchaser would actually be willing to pay. Of course, this introduces a good deal of subjectivity and judgment into the process, and it is this subjective element that renders it controversial, but ever since the 1940 s the US courts have been clear that it is the appropriate approach to valuation in a contested corporate reorganisation case. This contrasts with the price that a purchaser is prepared to pay for the business and assets of the company in current market conditions, which is implicated in a business sale transaction.“). 1362 Vgl. Paterson, Research Handbook, S. 530 („This is the search for what the firm is really worth, rather than the value a purchaser may place on it in prevailing market conditions […].“). 1363 Vgl. zur Diskussion Paterson, in: Olivares-Caminal/Kornberg/Paterson, Rn. 3.224; Payne, Schemes of Arrangement, 1. Aufl. S. 252 f. 1364 Vgl. dazu z. B. Paterson, in: Olivares-Caminal/Kornberg/Paterson, Rn. 3.224; Re Bluebrook Ltd, [2009] EWHC 2114 (Ch) = 2009 WL 2392294 (Rn. 19 ff., 43 ff.). 1359
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rücksichtigt werden sollten. Die bloße Hoffnung1365 darauf, dass der Markt sich in Zukunft besser entwickelt, ist nicht zu berücksichtigen. Wie hoch dieser „Hoffnungswert“ sein soll, wäre nur schwer zu ermitteln und eine Einigung hierüber nur schwer zu erreichen.1366 Immerhin stellt eine Restrukturierung konzeptionell eine fiktive Veräußerung des Unternehmens an die bisherigen Gläubiger im Zeitpunkt der Planbestätigung dar.1367 Darüber hinaus würden nur solche Informationen berücksichtigt, die zur Zeit vorhanden sind.1368 Wenn die Anteilsinhaber bzw. die JuniorGläubiger der Ansicht sind, dass dieser Ansatz zu einer Unterbewertung führt, bei der die Senior-Gläubiger „zu viel vom Kuchen“ abbekommen, stünde es ihnen frei, die vorrangigen Gläubiger abzulösen und selbst das Unternehmen unter derzeitigen Marktbedingungen zu erwerben.1369 Für diese Ansicht spricht auch die Diskussion zu einem Parallelproblem, dessen Lösung in dieselbe Richtung tendiert:1370 Es geht um die Bewertung neu auszugebender Anteile im Rahmen einer Restrukturierung und darum, ob Gläubiger im Rahmen eines Debt-to-Equity-Swaps zu viel erhalten, weil der Anteilswert im Laufe des Restrukturierungsprozesses und danach steigen kann.1371 Die neu auszugebenden Anteile spiegeln ebenfalls den Unternehmenswert wider. Nach einer Ansicht soll die Bewertung ohne die Planmaßnahmen durchgeführt werden.1372 Teilweise wird zwar argumentiert, dass der durch Sanierungsmaßnahmen generierte Mehrwert zu berücksichtigen sei.1373 Allerdings sollen solche Wertsteigerungen, die nur durch die Gläubiger alleine1374 oder durch die neuen Anteilsinhaber1375 entstehen (z. B. Syn-
1365
Vgl. Paterson, in: Olivares-Caminal/Kornberg/Paterson, Rn. 3.227 („hope value“). Paterson, in: Olivares-Caminal/Kornberg/Paterson, Rn. 3.227 („One of the challenges (…) is that agreeing the terms of this warrant or option may be costly and time-consuming, reducing overall recovery where the prospect of junior or equity recovery is slight.“); kritisch auch Rn. 3.228. 1367 Vgl. dazu oben bei Fn. 303 ff. 1368 Paterson, in: Olivares-Caminal/Kornberg/Paterson, Rn. 3.229. 1369 Paterson, in: Olivares-Caminal/Kornberg/Paterson, Rn. 3.230; zur Ablösung der vorrangigen Gläubiger, wenn sich Junior-Gläubiger zu schlecht behandelt fühlen schon: Baird/ Jackson, 55 U. Chi. L. Rev. 763 ff. (1988). 1370 Vgl. Kowalewski/Praß, in: Morgen, StaRUG, § 27 Rn. 27 f. m. w. N.; BeckOK-StaRUG/ Spahlinger, § 27 Rn. 11. 1371 Kowalewski/Praß, in: Morgen, StaRUG, § 27 Rn. 27 („[Es] stellt sich die Frage, ob Wertsteigerungen (…) im Laufe des fortschreitenden Sanierungsprozesses zu einer Überkompensation führen können.“). 1372 So wohl Braun-InsO/Braun/Frank, § 245 Rn. 21; zur Diskussion: Kowalewski/Praß, in: Morgen, StaRUG, § 27 Rn. 28. 1373 Kowalewski/Praß, in: Morgen, StaRUG, § 27 Rn. 28; Knapp, in: Flöther, StaRUG, § 27 Rn. 6 („Hier gilt es, unter Berücksichtigung des Sanierungskonzepts und der im Plan vorgesehenen Maßnahmen den zutreffenden Unternehmenswert zu ermitteln.“). 1374 Kowalewski/Praß, in: Morgen, StaRUG, § 27 Rn. 28 in Fn. 42. 1375 BeckOK-StaRUG/Spahlinger, § 27 Rn. 11. 1366
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ergieeffekte1376), außer Betracht bleiben. Hierfür wird zudem ins Feld geführt, dass maßgeblicher Zeitpunkt der Bewertung der Zeitpunkt der Planbestätigung sei.1377 Es gehe nur um den aktuellen Unternehmenswert.1378 Relevant sei der tatsächlich realisierbare Wert und nicht der durch ein Gutachten theoretisch ermittelbare, der sich unter Umständen gar nicht realisieren ließe.1379 Künftige, im Moment der Planbestätigung nicht überwiegend wahrscheinliche Wertsteigerungen sollen unberücksichtigt bleiben.1380 Der rechnerisch am Ende des prognostizierten Sanierungszeitraums mögliche Unternehmenswert sei nicht maßgeblich.1381 Eine potentielle spätere Wertsteigerung sei im Zeitpunkt der Planbestätigung unsicher und ihr stehe immer auch das Risiko eines vollständigen Verlusts bei Scheitern der Sanierung gegenüber.1382 Sie realisiere sich außerhalb des Verfahrens.1383 Im Zeitpunkt, in dem der Debt-to-Equity-Swap vollzogen wird, sei eine spätere Wertsteigerung ein unsicherer Faktor.1384 Dies dürfte im Wesentlichen ebenfalls dem zweiten hier favorisierten Ansatz entsprechen. Wenn man den Gläubigern somit den intrinsic value im Rahmen des Debt-to-Equity-Swaps zuspricht, ihn den Anteilsinhabern aber versagt, spricht vieles dafür, die Frage, wer in the money und wer out of the money ist, nicht anders zu bewerten. Nach Schäfer/Wüstemann1385 sind bei der Ermittlung des Unternehmenswerts nicht schlechterdings aufwändige Bewertungsgutachten einzufordern. Der Unternehmenswert dürfe auch überschlägig durch eine Schätzung auf Basis angemessener Informationen ermittelt werden.1386 Für komplexe Fälle sei aber ein Bewertungsgutachten einzufordern.1387 Reicht der so geschätzte bzw. errechnete Unternehmenswert nicht aus, um alle Fremdkapitalgeber zu befriedigen, wären die Anteilsinhaber out of the money. Ihre Interessen sollten von der Geschäftsleitung dann nicht mehr vorrangig berücksichtigt werden. Vielmehr sollten dann die Interessen der 1376
BeckOK-StaRUG/Spahlinger, § 27 Rn. 11. Kowalewski/Praß, in: Morgen, StaRUG, § 27 Rn. 28. 1378 Kowalewski/Praß, in: Morgen, StaRUG, § 27 Rn. 28. 1379 BeckOK-StaRUG/Spahlinger, § 27 Rn. 11. 1380 Kowalewski/Praß, in: Morgen, StaRUG, § 27 Rn. 28; KPB-InsO/Pleister, § 245 Rn. 27; Uhlenbruck-InsO/Lüer/Streit, § 245 Rn. 27 (Die Frage ist „nicht dynamisch und zukunftsgerichtet (also unter Einschluss künftiger Gewinne), sondern lediglich statisch, nämlich bezogen auf den Zeitpunkt der Planbestätigung, zu entscheiden“.); Wieneke/Hoffmann, ZIP 2013, 697, 701; tendenziell weiter: BeckOK-StaRUG/Spahlinger, § 27 Rn. 11 („Dieser Wert hat den mit der Beteiligung für den Anteilsinhaber verbundenen Chancen und Risiken Rechnung zu tragen.“). 1381 Kowalewski/Praß, in: Morgen, StaRUG, § 27 Rn. 28. 1382 Kowalewski/Praß, in: Morgen, StaRUG, § 27 Rn. 28; vgl. auch Blum/Kaplan, 41 U. Chi. L. Rev. 651, 672 ff. (1974). 1383 Wieneke/Hoffmann, ZIP 2013, 697, 701. 1384 KPB-InsO/Pleister, § 245 Rn. 27. 1385 Schäfer/Wüstemann, ZIP 2014, 1757, 1766. 1386 Schäfer/Wüstemann, ZIP 2014, 1757, 1766. 1387 Schäfer/Wüstemann, ZIP 2014, 1757, 1766. 1377
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Fremdkapitalgeber maßgebend sein. Diese wirtschaftliche Betrachtungsweise kann selbstverständlich auch schon vor der Anzeige der Restrukturierungssache einsetzen. Die Prämisse für einen Shift of Duties vor der Anzeige der Restrukturierungssache liegt also vor. 2. Rechtsgrundlage für den allgemeinen Pflichtenumschwung Problematisch bei dieser wirtschaftlichen Begründung eines Pflichtenumschwungs ist die Rechtsgrundlage. a) Keine Anknüpfung für einen Pflichtenumschwung Man könnte vertreten, dass es im derzeitigen Recht mangels ausdrücklicher Anordnung keinen allgemeinen Pflichtenumschwung ab drohender Zahlungsunfähigkeit gibt.1388 Es liege in der Kompetenz des Gesetzgebers und es sei dessen Aufgabe, den Zeitpunkt zu definieren, in welchem die Gläubiger als Residualberechtigte anzuerkennen und in welchem schließlich deren Interessen vorrangig zu wahren sind.1389 Dass ein Wandel der Interessenausrichtung auch ohne gesetzliche Anordnung beginnen könne, wird dementsprechend teilweise abgelehnt.1390 b) § 32 StaRUG Nach Ansicht von Hölzle findet die Verpflichtung auf das Gläubigerinteresse in § 32 StaRUG eine gesetzliche Grundlage.1391 Dass der Pflichtenumschwung schon vor Anzeige der Restrukturierungssache eintrete, liege daran, dass die Pflichten des § 32 StaRUG nicht erst ab der formellen Anzeige der Restrukturierungssache greifen, sondern bereits dann, wenn die Schuldnerin das Restrukturierungsverfahren faktisch startet.1392 Dies sei dann der Fall, wenn sie Verhandlungen mit dem Ziel beginnt, einen Restrukturierungsplan umzusetzen, oder bereits begonnene Verhandlungen entsprechend überleitet.1393 Daraus folge, dass nicht erst die Anzeige der Restrukturierungssache, sondern jedenfalls die faktische Einleitung des Verfahrens zu einem Pflichtenumschwung führe.1394 Diese Ansicht überzeugt zwar, kann allerdings nicht erklären, dass der Pflichtenumschwung auch schon vor der faktischen Einleitung des Restrukturierungsverfahrens eintritt. Gerade dies wäre nötig, um
1388 1389 1390 1391 1392 1393 1394
So i. E. Jungmann, ZRI 2021, 209 ff., insbesondere. S. 212 f., S. 216, 229 f. Jungmann, ZRI 2021, 209, 211. Jungmann, ZRI 2021, 209, 211 in Fn. 24. Hölzle, Praxisleitfaden SanInsFoG, Vor § 32 Rn. 5. Hölzle, Praxisleitfaden SanInsFoG, §§ 31, 33 Rn. 9 ff. Hölzle, Praxisleitfaden SanInsFoG, §§ 31, 33 Rn. 28. Hölzle, Praxisleitfaden SanInsFoG, §§ 31, 33 Rn. 15.
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sicherzustellen, dass die faktische Einleitung des StaRUG-Verfahrens selbst keine Pflichtverletzung darstellt. c) „Natur der Sache“ Eine andere Ansicht vertritt, dass sich der Pflichtenumschwung schon aus der „Natur der Sache“ ergibt und nicht von einer gesetzgeberischen Anordnung abhängig ist.1395 Er trete ein, wenn das Vermögen der Gesellschaft wirtschaftlich betrachtet nicht mehr den Gesellschaftern, sondern den Gläubigern der Gesellschaft gehört.1396 Die Gesellschafter hielten die Anteile dann nur noch als Treuhänder der Gläubiger.1397 Darum habe die Geschäftsleitung ihr Handeln am Interesse der Gläubiger auszurichten.1398 „Die Pflichtenbindung eines Vermögensverwalters besteht ganz selbstverständlich gegenüber denjenigen Personen, deren (wirtschaftliches) Vermögen er verwaltet.“1399 Weiter wurde betont, dass schon vor der Diskussion zum Pflichtenumschwung im Rahmen des StaRUG ein Pflichtenumschwung vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens1400 angenommen wurde.1401 Es sei nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber dieser Strömung aus der Literatur entgegentreten wollte.1402 § 2 StaRUG-RegE sollte nach der Regierungsbegründung die bestehenden Pflichten nur konkretisieren.1403 Man habe also angenommen, dass die Ausrichtung auf das Gesamtgläubigerinteresse im geltenden Recht bereits verankert gewesen sei.1404 d) §§ 43 GmbHG, 93 AktG und der gesetzgeberische Wille? Schließlich könnte auch argumentiert werden, dass es eine Aufforderung des Gesetzgebers gebe, den Pflichtenumschwung in das Gesetz hineinzulesen.1405 Diese 1395 Bitter, GmbHR 2021, R16, R 17; ebenso: Pannen/Riedemann/Smid/Weitzmann, § 1 Rn. 27; kritisch: Jungmann, ZRI 2021, 209, 216. 1396 Bitter, GmbHR 2021, R16, R17; dieses Konzept gilt abstrakt generell; konkret ist dann aber fraglich, wann das Unternehmen wirtschaftlich den Gläubigern zuzuordnen ist (vgl. dazu oben). 1397 Bitter, GmbHR 2021, R16, R17; Bitter ZGR 2010, 147, 189 ff. 1398 Bitter, GmbHR 2021, R16, R17; Bitter bei Bitter/Baschnagel, ZInsO 2018, 557, 567. 1399 Bitter bei Bitter/Baschnagel, ZInsO 2018, 557, 567. 1400 Vgl. dazu oben bei Fn. 1246 ff. m. w. N. 1401 Bitter, GmbHR 2021, R 16, R 17; Bitter, ZIP 2021, 321, 322 jeweils m. w. N. 1402 Bitter, ZIP 2021, 321, 322 sieht in der Begründung des Rechtsausschusses zur Streichung der §§ 2, 3 StaRUG-RegE sogar eine „gesetzgeberische Bestätigung der Lehre vom ,shift of duties‘.“ 1403 Hölzle, Praxisleitfaden SanInsFoG, Vor § 32 Rn. 2 mit Verweis auf RegE-SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 105. 1404 Hölzle, Praxisleitfaden SanInsFoG, Vor § 32 Rn. 2. 1405 Gehrlein, BB 2021, 66, 67 [„Die Praxis sollte die Aufforderung des Gesetzgers beherzigen, die Wahrung der Gläubigerinteressen insbesondere bei der Auslegung von § 43 Abs. 2
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Aufforderung könnte im Rahmen einer Auslegung der §§ 43 GmbHG und 93 AktG umgesetzt werden.1406 Die §§ 2 und 3 StaRUG-RegE seien nicht deshalb gestrichen worden, weil der Gesetzgeber das darin verankerte Konzept des Pflichtenumschwungs abgelehnt habe, sondern wegen des unklaren Verhältnisses zu den im Gesellschaftsrecht verankerten Sanierungspflichten.1407 Der Rechtsausschuss sei davon ausgegangen, dass das Bedürfnis nach Gläubigerschutz durch die gesellschaftsrechtlichen Haftungsnormen aufgefangen werde.1408 Deshalb ist mit einem beachtlichen Teil der Literatur darin übereinzustimmen, dass ein Pflichtenumschwung nun im Rahmen der §§ 43 GmbHG und 93 AktG berücksichtigt werden kann.1409 Der gestrichene § 2 StaRUG-RegE lebt in diesen Normen fort.1410 V. Konsequenzen des Pflichtenumschwungs für das RSA Fraglich ist, welche Rechtsfolgen ein Pflichtenumschwung mit sich brächte und ob der Abschluss eines RSA hierdurch gegenüber den Anteilsinhabern gerechtfertigt werden könnte. Das Gläubigerinteresse wäre auch schon bei der Anstellung von Opportunitätserwägungen in Bezug auf die Einleitung von Restrukturierungsmaßnahmen maßgebend.1411 Dies gilt damit auch beim Abschluss eines RSA. Bei verschiedenen denkbaren Handlungsalternativen zur Bewältigung einer Krise hat der Geschäftsleiter sein Auswahlermessen nicht mehr am Wohl des Unternehmens aus der Perspektive der Anteilsinhaber, sondern an den legitimen Haftungserwartungen der Gläubigerschaft zu orientieren.1412 Alle denkbaren Handlungsalternativen sind an dem Ziel auszurichten, Eingriffe in Gläubigerrechte und Vermögensschäden der Gläubiger so gering wie möglich zu halten.1413 Beschlüsse und Weisungen von Überwachungs- und anderen Organen wären unwirksam und nicht bindend, wenn sie der gebotenen Wahrung der Gläubigerinteressen, die nun zur Legalitätspflicht zählt, entgegenstünden.1414 Die Berücksichtigung der Interessen der Anteilsinhaber darf
GmbHG und § 93 Abs. 2 AktG zu berücksichtigen. Hierfür bietet das Gesetz ungeachtet der Streichung eine Stütze, weil es an verschiedener Stelle betont, dass die Interessen der Gläubiger zu berücksichtigen sind (§ 32 Abs. 1, § 43 Abs. 1 StaRUG).“]; Bitter, ZIP 2021, 321, 322; dagegen: Thole, BB 2021, 1347, 1349. 1406 Gehrlein, BB 2021, 66, 67; vgl. auch Gehrlein, BB 2022, 1096, 1098 („Berücksichtigung der Gläubigerinteressen“). 1407 Bitter, ZIP 2021, 321, 322. 1408 Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz, BT-Drucks. 19/25353, S. 6. 1409 Bitter, ZIP 2021, 321, 322, dafür auch Gehrlein, BB 2021, 66, 67. 1410 Bitter, ZIP 2021, 321, 322; dafür, dass auch der Gesetzgeber hiervon ausgeht: Hölzle, Praxisleitfaden SanInsFoG, Vor § 32 Rn. 2. 1411 Hölzle, Praxisleitfaden SanInsFoG, Vor § 32 Rn. 12. 1412 Hölzle, Praxisleitfaden SanInsFoG, Vor § 32 Rn. 17. 1413 Hölzle, Praxisleitfaden SanInsFoG, Vor § 32 Rn. 18. 1414 Hölzle, Praxisleitfaden SanInsFoG, Vor § 32 Rn. 21.
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die Gläubigerinteressen weder bei den Verhandlungen über den Plan noch bei der Umsetzung einzelner Maßnahmen beeinträchtigen.1415 VI. Zwischenergebnis Der Pflichtenumschwung ist anzuerkennen und hat zur Folge, dass die Aktionärsinteressen dem Abschluss eines RSA nicht entgegenstehen, wenn die Anteilsinhaber derzeit out of the money sind.
G. Mittelbare Grenze: Hauptversammlungsbeschluss zur Anzeige des StaRUG-Verfahrens I. Problemaufriss Bis hierher wurde herausgearbeitet, dass die Kompetenzordnung der Aktiengesellschaft dem Abschluss eines RSA zwischen der Geschäftsleitung und den Schlüsselgläubigern vor der Anzeige der Restrukturierungssache nicht generell entgegensteht. Eine Zusammenarbeit zwischen der Geschäftsleitung und den Schlüsselgläubigern könnte allerdings verhindert oder jedenfalls erheblich erschwert werden, wenn das anstehende StaRUG-Verfahren nicht ohne einen Beschluss der Anteilsinhaber nach § 31 StaRUG angezeigt werden dürfte. Diese Anzeige ist Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens, § 31 Abs. 1 StaRUG. Ist hierzu ein Beschluss der Hauptversammlung nötig, müssten das Management und die Schlüsselgläubiger die Anteilsinhaber regelmäßig in die Verhandlungen um das RSA einbeziehen, weil sie dem Start des StaRUGVerfahrens ansonsten nicht zustimmen dürften. II. Grundlagen Für die Beantwortung der Frage, ob und mit welcher Mehrheit die Gesellschafterversammlung bzw. die Hauptversammlung dem Start eines Insolvenzverfahrens bzw. der Anzeige einer Restrukturierungssache nach dem StaRUG zustimmen muss, ist entscheidend, ob es sich bei der jeweiligen Maßnahme um eine gewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahme, eine außergewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahme oder um eine Grundlagenentscheidung handelt.1416 Für die AG könnte das Zustimmungserfordernis dogmatisch in erster Linie über eine Holzmüller/Gelatine1415
Hölzle, Praxisleitfaden SanInsFoG, Vor § 32 Rn. 33. Schäfer, ZIP 2020, 1951 f.; zur Differenzierung auch Scholz, ZIP 2021, 219, 226 ff. (zum StaRUG). 1416
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Zuständigkeit der Hauptversammlung begründet werden.1417 Es muss also eine Maßnahme vorliegen, die eine der Satzungsänderung vergleichbare Grundlagenentscheidung darstellt.1418 Liegt (nur) eine außergewöhnliche Maßnahme vor, muss differenziert werden: Dann ist die Gesellschafterversammlung nur in der GmbH zuständig, während in der AG die Kompetenz beim Vorstand liegt.1419 Eine Maßnahme ist dann außergewöhnlich, wenn sie außerhalb des Unternehmensgegenstands liegt oder im Widerspruch zur festgelegten Unternehmenspolitik steht, sowie dann, wenn die Maßnahme wegen ihrer Bedeutung oder ihres unternehmerischen Risikos Ausnahmecharakter hat.1420 Ein Grundlagengeschäft liegt i. d. R. vor, wenn das Geschäft mit einer Satzungsänderung vergleichbar ist.1421 III. Meinungsstand Die Frage, ob die Gesellschafter dem Start eines StaRUG-Verfahrens zustimmen müssen, ist umstritten. Drei Lager sind zu differenzieren. Nach einer Ansicht in der Literatur ist ein Gesellschafter- bzw. Hauptversammlungsbeschluss nötig.1422 Als wesentliches Argument wird vorgebracht, dass man sich am Streitstand zum freiwilligen Insolvenzantrag bei drohender Zahlungsunfähigkeit nach § 18 InsO orientieren könne. Dort wird jedenfalls für die GmbH1423 ein solcher Beschluss ge1417
Lieder, FS Smid, S. 543, 549 f. Schäfer, ZIP 2020, 1950, 1951 f.; Scholz, ZIP 2021, 219, 226 f.; Seibt/Bulgrin, ZIP 2020, 2226, 2236. 1419 Scholz, ZIP 2021, 219, 226 f. 1420 Brinkmann, KTS 2021, 303, 316. 1421 Diesen Maßstab wählend: Schäfer, ZIP 2020, 1950 ff.; Seibt/Bulgrin, DB 2020, 2226, 2236. 1422 Rauhut, NZI-Beilage 2021, 52 ff.; Wilkens, WM 2021, 573, 575; Seibt/Bulgrin, DB 2020, 2226, 2236; Gehrlein, BB 2022, 1096, 1097; Schäfer, FS Gehrlein, S. 491, 504 ff.; Balthasar, NZI-Beilage 2021, 18, 21 f. (wobei er Ausnahmen gestattet, wenn die Zahlungsunfähigkeit innerhalb von 12 Monaten droht, S. 22); Wolgast/Grauer/Wolgast, § 1 Rn. 22; HambKomm-StaRUG/Schröder, § 31 Rn. 10a; Ristelhuber, NZI 2021, 417, 419; Jungmann, ZRI 2021, 209, 213 (Verfahrenseingangsschutz, falls in Rechte der Anteilsinhaber eingegriffen werden soll); Fuhrmann/Heinen/Schilz, NZG 2021, 684, 688, 692 (Ausnahme bei der AG nur, wenn die Anteilseigner nicht als Planbetroffene in das Verfahren einbezogen werden); ähnlich: Lieder, FS Smid, S. 543, 546 ff.; Herweg/Wirth, DB 2021, 886 f.; Morgen/Arends/Schierhorn, ZRI 2021, 305, 308 f. (Ausnahmefälle denkbar; Zustimmungspflicht der Gesellschafter bei Wertlosigkeit der Anteile naheliegend); Goetker, in: Flöther, StaRUG, § 1 Rn. 77 f. (für GmbH; für AG offen); noch zum RegE: Seibt/Bulgrin, DB 2020, 2226, 2236; Schäfer, ZIP 2020, 2164, 2168. 1423 Beschluss fordernd: Leinekugel/Skauradszun, GmbHR 2011, 1121, 1123; Tetzlaff, ZInsO 2008, 137, 139 f.; Geißler, ZInsO 2013, 919, 922 f.; Wertenbruch, DB 2013, 1592, 1593; Wortberg, ZInsO 2004, 707 ff., insbesondere 709 f.; Brünkmans/Uebele, ZinsO 2014, 265, 267; Meyer, ZinsO 2013, 2361, 2364; HambKomm-InsO/Schröder, § 18 Rn. 23; Jaeger-InsO/H.-F. Müller, § 18 Rn. 19; Thole, Gesellschaftsrechtliche Maßnahmen, S. 24 (Rn. 75); zum Streitstand: LG München I, Urt. v. 22. 5. 2015 – 14 HKO 867/14, ZIP 2015 1634, 1636 (juris-Rn. 89); für GmbH & Co. KG: OLG München, Urt. v. 21. 3. 1418
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fordert und auch bei der AG sprechen sich viele Vertreter hierfür aus.1424 Das OLG München hat für einen freiwilligen Insolvenzantrag einer Publikums-GmbH & Co. KG einen Gesellschafterbeschluss gefordert.1425 Die Argumente, die in diesem Zusammenhang vorgebracht werden, seien – jedenfalls teilweise – auch für das StaRUG-Verfahren relevant.1426 Die Inanspruchnahme des StaRUG stelle z. B. ein Grundlagengeschäft dar,1427 weil in die Struktur der Gesellschaft eingegriffen werde1428 und erhebliche Eingriffe in die Mitgliedschaftsrechte der Anteilsinhaber ermöglicht werden.1429 Außerdem könnte eine Vielzahl von Kapital- und Strukturmaßnahmen im Plan umgesetzt werden. Möglicherweise ist auch deshalb ein Beschluss der Anteilsinhaber notwendig.1430 Nach einer anderen Ansicht ist jedenfalls für den Start des StaRUG-Verfahrens kein Gesellschafterbeschluss notwendig.1431 Gegen ein Beschlusserfordernis sprä2013, 23 U 3344/12, NZI 2013, 542, 545 (juris-Rn. 55); LG Frankfurt, Urt. v. 10. 9. 2013 – 3 – 09 O 96/13, ZIP 2013, 1831 f. (juris-Rn. 40 f.) (Suhrkamp); für die KG: Madaus, ZIP 2014, 500, 502; allgemein Flösing, ZInsO 2013, 1325; allgemein: Lüke, KTS 2019, 261, 272 ff.; a. A: Eidenmüller, ZIP 2014, 1197, 1203; Fehrenbach, ZIP 2020, 2370, 2371 ff.; Gessner NZI 2018, 185, 189; Hölzle, ZIP 2013, 1846, 1850. 1424 Schäfer, ZIP 2020, 1950 ff.; Wortberg, ZinsO 2004, 707, 708 f.; Brinkmann, ZIP 2014, 197, 205; Brünkmans/Uebele, ZinsO 2014, 265, 267; Wertenbruch, DB 2013, 1592, 1594; Thole, Gesellschaftsrechtliche Maßnahmen, S. 24 (Rn. 75); Stöber, WM 2014, 1757, 1762 f.; Uebele, NZG 2018, 881, 883 (Beschluss kann bereits „auf Vorrat“ in der nach § 92 Abs. 1 AktG einzuberufenden Hauptversammlung gegeben werden); Bulgrin, Strategische Insolvenz, S. 156; Brandes/Rabenau, ZIP 2021, 2566, 2569; tendenziell auch: Rokas, Insolvenzprophylaxe, S. 149; dagegen: Lutter, ZIP 1999, 641, 642; K. Schmidt InsO/K. Schmidt, § 18 Rn. 31; Jaeger-InsO/H.-F. Müller, InsO, § 18 Rn. 19; Curtze, Insolvenzplanverfahren, S. 61 ff.; Grigoleit/Herrler, § 119 Rn. 31; Hüffer/Koch/ Koch, § 119 Rn. 24; GK-AktG/Mülbert, § 119 Rn. 179 f.; HambKomm-InsO/Schröder, § 18 Rn. 23; BeckOK-InsO/Wolfer, § 18 Rn. 7; skeptisch auch: Kebekus/Zenker, FS MaierReimer, S. 319, 335. 1425 OLG München, Urt. v. 21. 3. 2013 – 23 U 3344/12, ZIP 2013, 1121, 1124 (juris-Rn. 55). 1426 Zur Übertragbarkeit der Argumente, die auch im Rahmen der InsO für einen Gesellschafterbeschluss bei freiwilligem Insolvenzantrag sprechen: Brünkmans, ZInsO 2021, 125, 127 („Im Ausganspunkt gelten die Grundsätze für einen freiwilligen Insolvenzantrag des Geschäftsleiters wegen drohender Zahlungsunfähigkeit.“). Fuhrmann/Heinen/Schilz, NZG 2021, 684, 688; Ristelhuber, NZI 2021, 417, 419; Wolgast/Grauer/Wolgast, § 1 Rn. 22; in diese Richtung auch Balthasar, NZI-Beilage 2021, 18, 20 f.; Thole BB 2021, 1347, 1350; kritisch zur Übertragbarkeit: Skauradszun/Amort, DB 2021, 1317, 1321; Scholz, ZIP 2021, 219, 228 bei Fn. 60; Mulert/Steiner, NZG 2021, 673, 676 f. 1427 Rauhut, NZI-Beilage 2021, 52 ff.; Balthasar, NZI-Beilage 2021, 18, 21; Fuhrmann/ Heinen/Schilz, NZG 2021, 684, 688; Gehrlein, BB 2022, 1096, 1097; noch zum RegE-StaRUG: Seibt/Bulgrin, DB 2020, 2226, 2236. 1428 Rauhut, NZI-Beilage 2021, S. 52, 54. 1429 Balthasar, NZI-Beilage 2021, 18, 21; Gehrlein, BB 2022, 1096, 1097. 1430 So Seibt/Bulgrin, DB 2020, 2226, 2236. 1431 Skauradszun, KTS 2021, 1, 49; Skauradszun/Amort, DB 2021, 1317, 1320 f.; BeckOKStaRUG/Skauradszun, § 2 Rn. 87.2; Tresselt/Glöckler, NWB-Sanieren 2021, 80, 85; Tresselt, in: Morgen, StaRUG, § 2 Rn. 92 ff.; Mulert/Steiner, NZG 2021, 673, 677; Hölzle, Praxisleit-
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chen insbesondere der Zweck des StaRUG-Verfahrens, Holdout-Positionen zu verhindern1432, die weniger schwerwiegenden Rechtsfolgen der Anzeige im Vergleich zum Insolvenzantrag1433, der ausreichende Schutz der Anteilsinhaber durch andere Instrumente1434, die Pflicht nach § 1 Abs. 1 StaRUG, Sanierungsmaßnahmen zu ergreifen1435, und Art. 19 lit. a) der RRL.1436 Ein drittes Lager schlägt differenzierte Lösungen vor. Einmal wird zwischen den Rechtsformen der zu restrukturierenden Gesellschaft differenziert: Bei einer GmbH sei ein Gesellschafterbeschluss (im Grundsatz1437) erforderlich, bei der AG müsse die Hauptversammlung nicht zustimmen.1438 Hierfür sprächen insbesondere Praktikabilitätserwägungen1439 und die Tatsache, dass der AG aufgrund der Publizitätswirkungen der Hauptversammlung der Gang ins StaRUG-Verfahren ansonsten versperrt wäre.1440 Dogmatischer Anknüpfungspunkt für diese Differenzierung ist, dass nur eine außergewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahme vorliege, nicht aber ein Grundlagengeschäft1441, und die ansonsten drohende Richtlinienwidrigkeit.1442 Ein anderer Ansatz differenziert nach dem Zeitpunkt, zu dem in Zukunft die Zahlungsunfähigkeit einzutreten droht. Sei dies innerhalb von zwölf Monaten der Fall, liege die Entscheidung, das StaRUG-Verfahren zu beginnen, bei der Geschäftsleitung, da nur dann, wenn die Sanierung im StaRUG-Verfahren durchgeführt werden solle, eine die Überschuldung vermeidende positive Fortführungsprognose bestehe.1443 Drohe die Zahlungsunfähigkeit erst zwischen dem zwölften und dem 24. Monat, liege auch dann, wenn das StaRUG nicht in Anspruch genommen wird, faden SanInsFoG, § 31, 33 StaRUG Rn. 34; Brandes/Rabenau, ZIP 2021, 2566, 2570; Wollring/Quitzau, ZRI 2021, 785, 789 f.; i. E. auch BeckOK-StaRUG/Spahlinger, § 17 Rn. 29 ff.; in diese Richtung: Gehrlein, BB 2021, 66, 71 („Weisungen der Überwachungsorgane, von der Anzeige des Restrukturierungsverfahrens abzusehen, entfalten gegenüber den Geschäftsleitern keine Bindungswirkung.“). 1432 Vgl. ausführlich: Skauradszun/Amort, DB 2021, 1317, 1321.; zum Folgenden insgesamt auch: Skauradszun, KTS 2021, 1, 47 ff. 1433 Skauradszun/Amort, DB 2021, 1317, 1321. 1434 Vgl. ausführlich: Skauradszun/Amort, DB 2021, 1317, 1320 f. 1435 Vgl. ausführlich: Skauradszun/Amort, DB 2021, 1317, 1322. 1436 Vgl. ausführlich: Skauradszun/Amort, DB 2021, 1317, 1322 f. 1437 Eine Ausnahme ist ggf. dann möglich, wenn kein Eingriff in die Rechte der Gesellschafter erfolgen soll, Brinkmann, KTS 2021, 303, 315 (Brinkmann schreibt hier zwar Gläubiger, meint allerdings wohl Gesellschafter). 1438 Vgl. im Ergebnis: Scholz, ZIP 2021, 219, 226 ff.; Brünkmans, ZInsO 2021, 125, 127; Brinkmann, KTS 2021, 303, 315 ff., wohl auch Thole, BB 2021, 1347, 1350 (außergewöhnliche Maßnahme, aber kein Grundlagengeschäft, bei GmbH Zustimmung mit einfacher Mehrheit notwendig). 1439 Brünkmans, ZInsO 2021, 125, 127; Brinkmann, KTS 2021, 303, 317; kritisch zu diesem Argument im Zusammenhang mit der InsO: Lüke, KTS 2019, 261, 274. 1440 Brinkmann, KTS 2021, 303, 317 f. 1441 Scholz, ZIP 2021, 219, 226 ff., 231. 1442 Brinkmann, KTS 2021, 303, 317 f. 1443 Balthasar, NZI-Beilage 2021, 18, 22.
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keine Überschuldung i. S. d. § 19 InsO vor. In diesem Fall gebe es nicht nur das StaRUG-Verfahren als Ausweg, einer Insolvenzantragspflicht zu entkommen, sondern auch andere Möglichkeiten, weshalb dann die Gesellschafterversammlung entscheiden müsse.1444 Beim StaRUG-Verfahren sprechen die besseren Argumente gegen die Notwendigkeit eines Beschlusses der Hauptversammlung. IV. Gesellschaftsrechtliche Kompetenzregelung Zahlreiche Stimmen in der Literatur argumentieren, dass sich das Erfordernis eines Gesellschafterbeschlusses daraus ableiten lässt, dass die Geschäftsleitung die Gesellschafterversammlung bzw. die Hauptversammlung einberufen müsse, wenn die Hälfte des Stammkapitals aufgebraucht ist.1445 Für die GmbH ist dies in § 49 Abs. 3 GmbHG geregelt, für die Aktiengesellschaft in § 92 Abs. 1 AktG. Erst recht sei die Gesellschafterversammlung einzuberufen, wenn drohende Zahlungsunfähigkeit eingetreten ist.1446 Diese Wertung werde durch § 5a Abs. 4 GmbHG unterstrichen, wonach bei der UG die Gesellschafterversammlung bei Eintritt der drohenden Zahlungsunfähigkeit einzuberufen ist.1447 Diese Argumente werden angezweifelt. Es wird argumentiert, dass die §§ 49 Abs. 3 GmbHG und 92 Abs. 1 AktG den Gesellschaftern eine letzte Chance gewähren, ihre Gesellschaft außerhalb des Insolvenzverfahrens zu sanieren.1448 Sei drohende Zahlungsunfähigkeit eingetreten, hätten sie ihre Chance „verspielt“.1449 Wenn in bestimmten Fällen (Verlust der Hälfte des Stammkapitals) eine Einberufung der Haupt- bzw. Gesellschafterversammlung explizit angeordnet ist, sei bei den übrigen Angelegenheiten keine Einberufung notwendig.1450 Aus § 5a Abs. 4 GmbHG könne auch kein allgemeiner Rechtsgedanke1451 abgeleitet werden; die Norm habe Ausnahmecharakter.1452 Diese Norm existiere nur, weil das Stammkapital bei der UG keine sinnvolle Bezugsgröße sei.1453 Wenn bei der UG die Einberufung der Ge1444
Vgl. Balthasar, NZI-Beilage 2021, 18, 22. Zum StaRUG: Lieder, in: FS Smid, S. 543, 548; zur InsO: Leinekugel/Skauradszun, GmbHR 2011, 1121, 1124; Geißler, ZInsO 2013, 919, 922; Bulgrin, Strategische Insolvenz, S. 155; Rokas, Insolvenzprophylaxe, S. 149; Wertenbruch, DB 2013, 1592, 1594; Meyer, ZinsO 2013, 2361, 2364. 1446 Leinekugel/Skauradszun, GmbHR 2011, 1121, 1124; Geißler, ZInsO 2013, 919, 922; Lieder, in: FS Smid, S. 543, 548. 1447 Leinekugel/Skauradszun, GmbHR 2011, 1121, 1124; Geißler, ZInsO 2013, 919, 922. 1448 Fehrenbach, ZIP 2020, 2370, 2374. 1449 Fehrenbach, ZIP 2020, 2370, 2374. 1450 Mulert/Steiner, NZG 2021, 673, 677. 1451 In diese Richtung: Lieder, in: FS Smid, S. 543, 548. 1452 Fehrenbach, ZIP 2020, 2370, 2374. 1453 Fehrenbach, ZIP 2020, 2370, 2374. 1445
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sellschafterversammlung ausdrücklich bei drohender Zahlungsunfähigkeit gefordert werde, sei nicht davon auszugehen, dass dies ansonsten ebenfalls so sei.1454 Für die AG könnten auch keine Rückschlüsse aus der Rechtslage bei der GmbH gezogen werden, weil dort ohnehin keine Allzuständigkeit der Gesellschafterversammlung bestehe.1455 Insgesamt dürfte aufgrund dieser Gegenargumente weder der einen noch der anderen Ansicht entscheidende Bedeutung zukommen. Dies gilt nicht nur für den freiwilligen Insolvenzantrag, sondern auch für die freiwillige Anzeige des StaRUGVerfahrens. V. Grundlagen- oder Strukturentscheidung wegen erheblicher Auswirkungen auf die Gesellschaft? Weitere Argumente für einen Gesellschafterbeschluss werden aus den Auswirkungen auf die Gesellschaft abgeleitet.1456 1. Reaktionen auf den Antrag Zum einen wird vorgebracht, bei einem freiwilligen Insolvenzantrag drohten erhebliche Nachteile: Schon der Antrag könne zu Reputationsverlusten führen, aufgrund der Reaktionen der Gläubiger (z. B. Kündigungen) könne tatsächliche Zahlungsunfähigkeit eintreten und schließlich könnten wichtige Vertragspartner die Zusammenarbeit mit der Schuldnerin abbrechen.1457 Für das StaRUG-Verfahren dürfte dieses Argument jedenfalls nicht greifen, weil die Anzeige nicht öffentlich ist und eine negative Konnotation mit dem Verfahren nicht absehbar ist. Darüber hinaus können die negativen Konsequenzen auch eines freiwilligen Insolvenzantrags durch ausreichende Planung abgefedert werden. 2. Going-Concern-Prämisse bleibt bestehen Ein zweites Argument dafür, dass bei einem Insolvenzantrag ein Grundlagengeschäft vorliegen soll, ist, dass die Going-Concern-Prämisse i. S. d. § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB nach Antragstellung entfällt und der Geschäftsführer anschließend zu Liquidationswerten bilanzieren müsse.1458 Dieses Argument überzeugt schon für den freiwilligen Insolvenzantrag nicht. Nach § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB kommt es für die Bilanzierung nach Going-Concern-Werten darauf an, ob die Unternehmenstätigkeit
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Meyer-Löwy/Pickerill, GmbHR 2013, 1065, 1074. GK-AktG/Mülbert, § 119 Rn. 179. 1456 Geißler, ZInsO 2013, 919, 922. 1457 Leinekugel/Skauradszun, GmbHR 2011, 1121, 1124 f. 1458 Leinekugel/Skauradszun, GmbHR 2011, 1125; immer noch Skauradszun, KTS 2021, 1, 50; Skauradszun/Amort, DB 2021, 1317, 1321. 1455
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fortgeführt werden kann.1459 Nach dem BGH kann auch innerhalb eines Insolvenzverfahrens nach Fortführungswerten bilanziert werden, wenn ein glaubhafter Fortführungsplan vorliegt, eine übertragende Sanierung innerhalb des Prognosezeitraums des § 252 HGB angestrebt wird oder wenn anzunehmen ist, dass auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Unternehmen jedenfalls im Prognosezeitraum fortgeführt wird.1460 Es kommt nicht auf den Fortbestand des Unternehmensträgers an.1461 Erst recht kann das Argument im StaRUG-Verfahren nicht mehr überzeugen, weil das Verfahren auf den Fortbestand des Unternehmens gerichtet ist und somit jedenfalls weiterhin Fortführungswerte angesetzt werden können.1462 3. Auflösung der Gesellschaft? Nach der h. M. spricht für die Notwendigkeit eines Gesellschafterbeschlusses bei einem freiwilligen Insolvenzantrag, dass die Gesellschaft mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 27 InsO) aufgelöst wird (§ 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG; § 262 Abs. 1 Satz 3 AktG).1463 Gegen dieses Argument wird schon zum Insolvenzverfahren vorgebracht, dass die Fortsetzung der Gesellschaft in einem Insolvenzplan beschlossen werden kann.1464 Hierzu bedarf es nicht einmal der Zustimmung der Altgesellschafter (§ 225a Abs. 3 Satz 1 InsO).1465 Für das StaRUG-Verfahren greift das „AuflösungsArgument“ ohnehin nicht mehr, weil die Anzeige des StaRUG-Verfahrens nicht zur Auflösung der Gesellschaft führt und nicht auf die Verwertung des schuldnerischen Vermögens gerichtet ist, sondern auf den Fortbestand des Unternehmensträgers abzielt.1466 4. Zweckänderung? Der freiwillige Insolvenzantrag wird auch für die Aktiengesellschaft als Grundlagenentscheidung charakterisiert, weil die mit der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gemäß § 262 Abs. 1 Satz 3 AktG einhergehende Auflösung der 1459
Kaiser, ZIP 2012, 2478, 2480 f.; Frystatzki, DStR 2017, 1494, 1495. BGH, Urt. v. 26. 1. 2017 – IX ZR 285/14, BGHZ 213, 374, 384 f. (Rn. 27) = ZIP 2017, 427, 430. 1461 Frystatzki, DStR 2017, 1494, 1495. 1462 Dazu Skauradszun/Amort, DB 2021, 1317, 1321. 1463 Bulgrin, Strategische Insolvenz, S. 148; Geißler, ZInsO 2013, 919, 922 (er betont, dass dies insbesondere bei Scheitern der Betriebsfortführung der Fall ist, und beruft sich auf § 258 InsO); Madaus, ZIP 2014, 500, 502; Stöber, WM 2014, 1757, 1762 f.; Lüke, KTS 2019, 261, 274; kritisch zu diesem Argument: Brinkmann, KTS 2021, 303, 315. 1464 Meyer-Löwy/Pickerill, GmbHR 2013, 1065, 1074. 1465 Meyer-Löwy/Pickerill, GmbHR 2013, 1065, 1074. 1466 Vgl. Skauradszun/Amort, DB 2021, 1317, 1321; Mulert/Steiner, NZG 2021, 673, 677, i. E. auch Brinkmann, KTS 2021, 303, 315; Wollring/Quitzau, ZRI 2021, 785, 789; ähnlich in Bezug auf dieses Argument: Fuhrmann/Heinen/Schilz, NZG 2021, 684, 288. 1460
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Gesellschaft gleichzeitig eine Zweckänderung i. S. d. § 33 BGB bewirke.1467 Die werbende Tätigkeit ende.1468 Selbst Vertreter in der Literatur, welche einen Gesellschafterbeschluss fordern, relativieren das Argument der Zweckänderung, wenn sie erkennen, dass „die Anträge in Kombination mit einem Schutzschirmverfahren (…) letztlich auf die Sanierung und damit die Fortsetzung der Gesellschaft nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens zielen“.1469 Durch die Anzeige des StaRUGVerfahrens dürfte mangels Auflösung der Gesellschaft überhaupt keine Zweckänderung mehr eintreten, sodass sich dieses Argument für einen Gesellschafterbeschluss erledigt hat. 5. Pflichtenumschwung? Ein neues Argument für einen Gesellschafterbeschluss zur Anzeige des StaRUGVerfahrens besteht darin, dass ab der Anzeige der Restrukturierungssache explizit die Interessen der Gesamtheit der Gläubiger zu wahren seien (§ 32 Abs. 1 StaRUG).1470 Dieser Pflichtenumschwung sei ein Grundlagengeschäft bzw. jedenfalls eine außergewöhnliche Maßnahme und bedürfe der Zustimmung der Gesellschafter.1471 Hiergegen kann vorgebracht werden, dass der Pflichtenumschwung nach überzeugender Ansicht schon vor Anzeige der Restrukturierungssache einsetzen kann und nicht an die Anzeige der Restrukturierungssache geknüpft ist.1472 Andere argumentieren, dass der Pflichtenumschwung allenfalls eine außergewöhnliche Maßnahme begründen würde, weil der Pflichtenumschwung nach der Anzeige nicht weit von den allgemeinen Sorgfaltspflichten bzw. der allgemeinen Sanierungspflicht entfernt sei.1473 Selbst wenn man der Lehre vom Pflichtenumschwung nicht folgen will, muss die Geschäftsleitung wegen § 1 Abs. 1 Satz 2 StaRUG jedenfalls das abstrakte Gläubigerinteresse i. S. d. Sicherung der Zahlungsfähigkeit der Schuldnerin
1467 Wortberg, ZInsO 2004, 707, 708; Stöber, WM 2014, 1757, 1762; dem Ansatz als „zu Recht“ zustimmend: Schäfer, ZIP 2020, 1950, 1952 (er relativiert das Argument aber selbst wieder, sofern die Fortsetzung der Gesellschaft nach der Sanierung möglich sei); ebenso relativierend: Brinkmann, ZIP 2014, 197, 205; Bulgrin, Strategische Insolvenz, S. 147 f. 1468 Wortberg, ZInsO 2004, 707, 708; Stöber, WM 2014, 1757, 1762; Flösing, ZInsO 2013, 1325, 1328 f. (zur Suhrkamp Verlags GmbH & Co. KG). 1469 Schäfer, ZIP 2020, 1950, 1952; in diese Richtung auch: Stöber, WM 2014, 1757, 1762. 1470 Goetker, in: Flöther, StaRUG, § 1 Rn. 77; Thole, BB 2021, 1347, 1350; vgl. auch Scholz, ZIP 2021, 219, 231; vgl. schon zum Insolvenzplanverfahren: Lüke, KTS 2019, 261, 273. 1471 Wolgast/Grauer/Wolgast, § 1 Rn. 22; Ristelhuber, NZI 2021, 417, 418 f.; nur eine außergewöhnliche Maßnahme: Scholz, ZIP 2021, 219, 226 f., 231; Thole, BB 2021, 1347, 1350 (Zustimmung mit einfacher Mehrheit). 1472 Vgl. dazu oben bei Fn. 1209 ff.; außerdem Bitter, ZIP 2021, 321, 322; Bitter, GmbHR 2021, R16, R17; Bea/Dressler, NZI 2021, 67 ff. 1473 Scholz, ZIP 2021, 219, 226, 227; ähnlich bzgl. der geringen Eingriffsintensität wohl auch: Wollring/Quitzau, ZRI 2021, 785 in Fn. 31.
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schon vor der Anzeige der Restrukturierungssache berücksichtigen.1474 Dass die Wirkungen des § 32 Abs. 1 StaRUG deshalb zu derart gravierenden Änderungen führen, dass ein Grundlagengeschäft angenommen werden kann, ist zu bezweifeln. V. Grundlagengeschäft wegen Entmachtung der Aktionäre 1. Argumentation Die zweite Argumentationslinie für ein Grundlagengeschäft betrachtet die Auswirkungen des Insolvenzverfahrens bzw. des StaRUG-Verfahrens auf die Stellung der Gesellschafterversammlung und die drohenden Eingriffe in die Stellung der Anteilsinhaber.1475 Bei der AG liege eine Holzmüller/Gelatine-Zuständigkeit vor, weil die Hauptversammlung durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens entmachtet werde.1476 Im Insolvenzplanverfahren würde nicht mehr die Hauptversammlung über die Zulässigkeit von Kapitalschnitten, Satzungsänderungen und Umstrukturierungen entscheiden.1477 Nach Ansicht von Schäfer werden „die Rechte der Aktionäre in einem Maße ,mediatisiert‘, wie es intensiver kaum sein könnte“.1478 Die Aktionäre würden nur noch eine Gläubigergruppe bilden (§ 222 InsO), die sogar im Rahmen des Obstruktionsverbots völlig überstimmt werden könne.1479 Auch hier drohe ein tiefgreifender Eingriff in die Mitgliedschaftsrechte und im Extremfall sogar deren Untergang.1480 Es sei kaum mit Art. 14 GG vereinbar, wenn ein Verfahren, in welchem derart in die Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre eingegriffen werden könne, ohne Beschluss der Hauptversammlung und ohne Antragspflicht möglich wäre.1481 Für das StaRUG-Verfahren werden im Grundsatz dieselben Argumente vorgebracht:1482 Mit der Anzeige der Restrukturierungssache würden die mitgliedschaftlichen Rechte der Anteilsinhaber weitestgehend suspendiert.1483 An ihre Stelle würden besondere Regelungen des StaRUG treten, insbesondere in Bezug auf das 1474 Brinkmann, KTS 2021, 303, 314; Brünkmans, ZInsO 2021, 125, 126; allgemein auch Hölzle, Praxisleitfaden SanInsFoG, Vor § 32 Rn. 10. 1475 Vgl. Schäfer, ZIP 2020, 1950, 1952 (zur InsO); Morgen/Arends/Schierhorn, ZRI 2021, 305, 309 (Risiko, ihre Anteile zu verlieren); Stöber, WM 2014, 1757, 1762. 1476 Brinkmann, ZIP 2014, 197, 20; Schäfer, ZIP 2020, 1950, 195; Wortberg, ZInsO 2004, 707, 708. 1477 Schäfer, ZIP 2020, 1950, 1952; Brinkmann, ZIP 2014, 197, 205. 1478 Schäfer, ZIP 2020, 1950, 1952. 1479 Schäfer, ZIP 2020, 1950, 1952; Brinkmann, ZIP 2014, 197, 205; Lieder, in: FS Smid, S. 543, 544. 1480 Wortberg, ZInsO 2004, 707, 708 f. 1481 Vgl. Brinkmann, ZIP 2014, 197, 205 in Fn. 65. 1482 Vgl. Lieder, FS Smid, S. 543, 550. 1483 Fuhrmann/Heinen/Schilz, NZG 2021, 684, 685; Überblick auch bei Lieder, FS Smid, S. 543, 544 f.
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Stimmrecht, die Mehrheitserfordernisse, den Grundsatz der Gleichbehandlung und den Minderheitenschutz.1484 Mehrheitsstimmrechte oder Sonderrechte bleiben im StaRUG außer Betracht.1485 Die Anteilsinhaber würden zu bloßen Planbetroffenen degradiert.1486 Im Verfahren selbst könne ein Verlust der Mitgliedschaft nicht verhindert werden.1487 Kapitalmaßnahmen sind dort ohne Zustimmung der Gesellschafter möglich.1488 Mitgliedschaftsrechte können im Verfahren ebenfalls gestaltet werden.1489 Das StaRUG biete Anteilsinhabern nur einen vermögensrechtlichen, nicht aber einen mitgliedschaftsbezogenen Schutz.1490 Die Mitgliedschaftsrechte seien außerhalb der materiellen Insolvenz aber nicht aufgehoben, ihnen komme weiterhin ein Wert zu.1491 Doch selbst in diesem Fall könnten die Anteilseigner gegen angemessene Abfindung aus der Gesellschaft gedrängt werden.1492 Durch den gruppenübergreifenden Cramdown könnten sie überstimmt werden.1493 Die Rechtsschutzmöglichkeiten des StaRUG seien für die Anteilsinhaber schwach ausgestaltet.1494 Im Ergebnis gelte für sie „dulde und liquidiere“.1495 1484
Fuhrmann/Heinen/Schilz, NZG 2021, 684, 685. Fuhrmann/Heinen/Schilz, NZG 2021, 684, 688. 1486 Fuhrmann/Heinen/Schilz, NZG 2021, 684, 685, 688. 1487 Fuhrmann/Heinen/Schilz, NZG 2021, 684, 686; Scholz, ZIP 2021, 219, 227; Gehrlein, BB 2022, 1096, 1097 (nie völlig ausgeschlossen). 1488 Goetker, in: Flöther, StaRUG, § 1 Rn. 78. 1489 Ristelhuber, NZI 2021, 417, 419; Balthasar, NZI-Beilage, 2021, 18, 21 („Die dem Insolvenzplan vergleichbare Art und Intensität der mit dem StaRUG ermöglichten Eingriffe in die Gesellschafterstellung verbietet es, die Entscheidung über die Einleitung eines StaRUGVerfahrens als bloße Geschäftsführungsmaßnahme/-entscheidung zu qualifizieren. Ähnlich der Rechtslage beim fakultativen Insolvenzantrag ist die Einleitung eines StaRUG-Verfahrens als Grundlagenentscheidung anzusehen.“); H.-F. Müller, ZGR 2018, 56, 60; Rauhut, NZI-Beil. 2021, 52, 54; Schäfer, ZIP 2020, 2164, 2166 f.; Seibt/Bulgrin, DB 2020, 2226, 2236; Seibt/ v. Treuenfeld, DB 2019, 1190, 1196 f.; Rokas, Insolvenzprophylaxe, S. 149. 1490 Fuhrmann/Heinen/Schilz, NZG 2021, 684, 686; i. E. auch Schäfer, ZIP 2020, 2164, 2166 (zum Entwurf des StaRUG) („[J]eder Gesellschafter [kann] ohne Weiteres auch dann ausgeschlossen werden, wenn seine Beteiligung werthaltig ist, sofern nur eine Abfindung bereitgestellt und die Gesellschaft drohend zahlungsunfähig ist.“); Seibt/Bulgrin, DB 2020, 2226, 2233; Lieder, in: FS Smid, S. 543, 544; vgl. zur Richtlinie: H.-F. Müller, ZGR 2018, 56, 72; Scholz, ZIP 2021, 219, 227 (er lehnt aber ein Grundlagengeschäft im Ergebnis dennoch ab). 1491 Vgl. die Nachweise in Fn. 74; Fuhrmann/Heinen/Schilz, NZG 2021, 684, 685; Korch, ZIP 2020, 446, 448 in Fn. 15; Müller, ZGR 2018, 56, 72, Schäfer, ZIP 2019, 1645 f.; Seibt/ Bulgrin, DB 2020, 2226, 2233; Guntermann, WM 2021, 214, 216 f. 1492 Kritisch dazu: Lieder, FS Smid, S. 543, 545; Schäfer, ZIP 2020, 2164, 2167 f. 1493 Fuhrmann/Heinen/Schilz, NZG 2021, 684, 686, 688; H.-F. Müller, ZGR 2018, 56, 71 f.; H.-F. Müller, ZIP 2020, 2253, 2255. 1494 Schäfer, ZIP 2020, 2164, 2167 f. (kritisiert wird insbesondere die Möglichkeit, dass § 64 Abs. 3 StaRUG und § 66 Abs. 2 Nr. 3 StaRUG jeden Rechtsbehelf auch bei Eingriffen in werthaltige Anteile sperren würden, wenn dieser durch Planmittel ausgeglichen werde); Lieder, in: FS Smid, S. 543, 544 f. 1495 Lieder, in: FS Smid, S. 543, 545. 1485
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2. Stellungnahme zur Entmachtung der Hauptversammlung Das Argument, die Anteilsinhaber würden durch den Start des Verfahrens entmachtet, überzeugt nicht. Das OLG München hat mit Beschluss vom 14. 5. 2018 entschieden, dass es den Anteilsinhabern sogar im Insolvenzplanverfahren freistehe, eine Hauptversammlung einzuberufen, eine Kapitalerhöhung zu beschließen und einen etwaigen Insolvenzgrund hierdurch nachträglich nachhaltig zu beseitigen.1496 Dann kann sogar die Einstellung des Verfahrens erzwungen werden (§ 212 InsO).1497 Das OLG München hat in seiner Entscheidung die Einberufung einer Hauptversammlung während eines laufenden Insolvenzplanverfahrens auch dann als zulässig angesehen, wenn in dieser Versammlung neue Aufsichtsräte bestellt, eine Kapitalerhöhung zur Abwendung des Insolvenzgrundes beschlossen und Sonderprüfer beauftragt werden sollten.1498 Demnach kann das Argument, dass die Hauptversammlung eklatant entmachtet wird, entkräftet werden. Nach § 225a Abs. 1 InsO blieben – so das OLG München – die Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte der an der Schuldnerin beteiligten Personen vom Insolvenzplan so lange unberührt, wie nichts Gegenteiliges geregelt werde. Hieraus folge, dass die Gesellschaftsrechte jenseits des Insolvenzplans nicht beschränkt werden. Vor einer rechtskräftigen Planbestätigung bestehe kein Anlass, die Grundkompetenzen der Gesellschafter in Bezug auf insolvenzzweck- und masseneutrale Maßnahmen zu begrenzen. Dasselbe Vorgehen dürfte in einem StaRUG-Verfahren möglich sein. In der Insolvenzordnung hat das Argument, dass die Anteilsinhaber im Insolvenzverfahren entmachtet werden, vor allem auch deshalb Gewicht, weil es für die Anteilsinhaber faktisch schwierig sein dürfte, nach dem Insolvenzantrag den Insolvenzgrund zu beseitigen und eine Einstellung des Verfahrens nach § 212 InsO zu erreichen. Sie haben nach § 212 InsO kein eigenes Recht, die Einstellung des Verfahrens zu beantragen.1499 Zuständig ist ausschließlich das Geschäftsführungsorgan.1500 Darüber hinaus tritt nach einem Insolvenzantrag regelmäßig – aufgrund der Öffentlichkeit des Verfahrens – ein „Dominoeffekt“ ein, welcher dazu führt, dass die materielle Insolvenz nunmehr vertieft wird.1501 Beide Probleme gibt es im StaRUGVerfahren nicht. Die Anzeige der Restrukturierungssache wird nicht veröffentlicht, sodass der Dominoeffekt ausbleiben dürfte. Außerdem wird die Restrukturierungssache von Amts wegen aufgehoben, wenn sich ergibt, dass das Restrukturie1496 OLG München, Beschl. v. 14. 5. 2018 – 31 Wx 122/18, NZI 2018, 538, 539 f. (jurisRn. 40) mit Verweis auf Eidenmüller, NJW 2014, 17, 18; KPB-InsO/Spahlinger, § 225 Rn. 103. 1497 Eidenmüller, NJW 2014, 17, 18. 1498 OLG München, Beschl. v. 14. 5. 2018 – 31 Wx 122/18, NZI 2018, 538, 540 f. (jurisRn. 43 ff.). 1499 Bulgrin, Strategische Insolvenz, S. 171. 1500 Bulgrin, Strategische Insolvenz, S. 171. 1501 Bulgrin, Strategische Insolvenz, S. 171 f.
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rungsvorhaben keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 33 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG). Dies ist der Fall, wenn im Zeitpunkt der Planbestätigung (nicht bei Anzeige) keine drohende Zahlungsunfähigkeit mehr vorliegt (§ 61 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG). Die drohende Zahlungsunfähigkeit wird im StaRUG-Verfahren vom Gericht im Rahmen der Planbestätigung von Amts wegen geprüft. Bis hierhin kann sie – auch von der Hauptversammlung – beseitigt werden. In den USA haben Baird und Jackson betont, dass es Junior-Klassen, wenn sie der Ansicht sind, sie würden durch den Plan zu schlecht behandelt, freistehe, die SeniorKlassen abzulösen, und dass sie dies tun müssten, wenn sie von ihrer höheren Unternehmensbewertung überzeugt seien.1502 Erkennt man diese Logik an, dürfte das Argument der Anteilsinhaber in Wahrheit eher lauten, dass sie am Unternehmensträger beteiligt bleiben möchten und am Restrukturierungsgewinn – auf Kosten der Gläubiger – partizipieren möchten, obwohl sie keinen Gebrauch von ihrer Option machen, die drohende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. Gerade dies würde aber gegen die absolute Vorrangregel verstoßen. 3. Stellungnahme zur Gestaltbarkeit der Mitgliedschaftsrechte Das Argument, dass mittels Insolvenzplanverfahren bzw. StaRUG-Verfahren die Mitgliedschaftsrechte gestaltet werden könnten, spricht nicht zwingend für einen Zustimmungsvorbehalt der Gesellschafterversammlung. Es wurde zu Recht argumentiert, dass die Anzeige der Restrukturierungssache bzw. der Antrag auf Sanierungsinstrumente noch kein Eingriff in die Positionen der Gesellschafter bewirke.1503 Der Gesetzgeber hat die Mitwirkungsrechte bei dieser Grundlagenentscheidung spezialgesetzlich geregelt.1504 Allenfalls könnte erwogen werden, den Antrag auf Planbestätigung einem Zustimmungsvorbehalt zu unterwerfen.1505 Diesen Weg würde aber Art. 12 Abs. 1 RRL versperren, gemäß dem die Mitgliedstaaten sicherstellen müssen, dass die Anteilsinhaber die Annahme und Bestätigung des Plans nicht grundlos verhindern oder erschweren dürfen.1506 Außerdem würde dies gegen die Verpflichtung zur Wahrung der Gläubigerinteressen (§ 43 StaRUG) verstoßen.1507
1502
Vgl. Baird/Jackson, 55 U. Chi. L. Rev. 738, 763 ff. (1988). Brinkmann, KTS 2021, 303, 318; ähnlich zur InsO: GK-AktG/Mülbert, § 119 Rn. 179 (die Verkürzung der Aktionärsrechte sei bloß mittelbare, ungewisse Folge der in Rede stehenden Geschäftsführungsmaßnahme.). 1504 Brinkmann, KTS 2021, 303, 318; a. A. aufgrund der schlecht ausgestalteten Rechtsschutzmöglichkeiten und der Rechtsstellung der Anteilsinhaber im StaRUG-Verfahren: Lieder, in: FS Smid, S. 543, 548. 1505 Ablehnend: Scholz, ZIP 2021, 219, 227; Goetker, in: Flöther, StaRUG, § 1 Rn. 78. 1506 Scholz, ZIP 2021, 219, 227; Goetker, in: Flöther, StaRUG, § 1 Rn. 78. 1507 Goetker, in: Flöther, StaRUG, § 1 Rn. 78. 1503
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Eidenmüller1508 hat weiterhin darauf hingewiesen, dass die Anteilsinhaber im Rahmen der Kapitalstruktur einer Gesellschaft erst zum Schluss befriedigt werden dürfen. Dass im Rahmen einer Restrukturierung in die Rechte der Anteilsinhaber eingegriffen werden kann, sei zwar gravierend. Allerdings sei ein Eingriff in die vorrangigen Rechte der Gläubiger (z. B. Kürzung von Forderungen) noch weit gravierender.1509 Auch hier kommt niemand auf die Idee, dass die Gläubiger dem Start des Verfahrens gesondert zustimmen müssen. Darüber hinaus werden die Anteilsinhaber im StaRUG-Verfahren auch anderweitig geschützt. Für die Anzeige des Verfahrens gelten die aktienrechtlichen Vertretungsregeln (§ 78 Abs. 2 Satz 1 AktG), sodass alle Vorstandsmitglieder der Anzeige zustimmen müssen.1510 Der Aufsichtsrat kann den Vorstand zudem kontrollieren.1511 Der Vorstand könnte ausgetauscht werden, um eine Rücknahme der Anzeige herbeizuführen.1512 Wird ein konsensualer Plan verfolgt, muss in allen Gruppen eine qualifizierte Mehrheit erreicht werden. Bei den Anteilsinhabern ist dann eine 75-Prozent-Mehrheit aller in der Gruppe vorhandenen Stimmrechte notwendig.1513 Darüber hinaus hat ein gruppenübergreifender Cramdown hohe Voraussetzungen. Generell darf niemand mit dem Plan schlechter stehen als im nächstbesten Alternativszenario.1514 Schließlich muss das Gericht den Plan bestätigen. Außerdem muss drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 63 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG) vorliegen.1515 Die Notwendigkeit eines Gesellschafterbeschlusses würde der wirtschaftlichen Stellung der Anteilsinhaber ab dem Zeitpunkt des Vorliegens von drohender Zahlungsunfähigkeit nicht mehr gerecht.1516 Die Anteilsinhaber werden wirtschaftlich als letztrangig Berechtigte behandelt.1517 Der Wert der Anteile dürfte im Vorfeld der Restrukturierungsanzeige häufig ungewiss sein. Deshalb wäre es widersprüchlich, wenn den Gesellschaftern in dieser Situation eine Blockademacht für eine sinnvolle Sanierung zukommen würde, die ggf. durch eine Lästigkeitsprämie an diese überwunden werden müsste.1518 Es wird auf eine – mit Wertlosigkeit der Anteile entstehende – Aufopferungspflicht1519 der Gesellschafter verwiesen, welche die Gesellschafter treffen könne.1520 1508
Eidenmüller, ZIP 2014, 1197, 1203. Eidenmüller, ZIP 2014, 1197, 1203. 1510 Brinkmann, KTS 2021, 303, 318. 1511 Brinkmann, KTS 2021, 303, 318 f. 1512 Vgl. Brinkmann, KTS 2021, 303, 323. 1513 Skauradszun/Amort, DB 2021, 1317, 1322. 1514 Skauradszun/Amort, DB 2021, 1317, 1322. 1515 Skauradszun/Amort, DB 2021, 1317, 1322. 1516 Fehrenbach, ZIP 2020, 2370, 2373 ff.; Eidenmüller, ZIP 2014, 1197, 203; Hölzle, ZIP 2013; Meyer-Löwy/Pickerill, GmbHR 2013, 1065, 1068 ff. (jeweils zur InsO). 1517 Eidenmüller, ZIP 2014, 1197, 1203 (zur InsO). 1518 Meyer-Löwy/Pickerill, GmbHR 2013, 1065, 1068 ff. (zur InsO). 1519 Grundlegend: zur Aufopferungspflicht der Gesellschafter: Bitter, ZGR 2010, 147 ff. 1509
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VII. Aspekte einer Geschäftsführungsmaßnahme Gegen eine Zuständigkeit der Hauptversammlung für einen freiwilligen Insolvenzantrag und für eine freiwillige Anzeige des StaRUG-Verfahrens können auch Argumente vorgebracht werden, nach denen nur eine Geschäftsführungsmaßnahme vorliegt:1521 Das Ziel der Restrukturierung sei die Neuordnung der Passivseite der Bilanz. Diese Situation sei z. B. auch bei der Aufnahme eines Kredits oder bei der Umschuldung vorhandener Verbindlichkeiten ggf. durch ein Austauschangebot der Anleihen gegeben. Wenn dort eine Geschäftsführungsmaßnahme vorliege, müsse dies auch für ein Restrukturierungsverfahren gelten. Ebenfalls für eine Geschäftsführungsmaßnahme spreche, dass ein rasches Handeln für die Geschäftsführung geboten sei.1522 Außerdem handele es sich um eine unternehmerische Entscheidung.1523 Dies wurde durch die Regierungsbegründung zum StaRUG auch nochmals bekräftigt.1524 VIII. Pflichtenumschwung Es könnte auch argumentiert werden, dass es keinen Zustimmungsvorbehalt der Gesellschafter zum Start des StaRUG-Verfahrens gebe, weil schon vor der Anzeige der Restrukturierungssache ein Pflichtenumschwung1525 eintritt. Hiergegen wird vorgebracht, dass aus einem Pflichtenumschwung noch nicht zwingend eine Verschiebung der Organkompetenzen folge.1526 Aus der Pflichtenverschiebung ergebe sich nur, dass die Geschäftsleiter solche Beschlüsse, welche gegen das Gläubigerinteresse verstoßen, nicht befolgen müssten.1527 Bei der GmbH entfalle deshalb nur die Bindungswirkung einer Weisung und Beschlüsse der Gesellschafterversammlung würden unbeachtlich.1528 Ihre Blockadeposition würden die Gesellschafter aber 1520 Meyer-Löwy/Pickerill, GmbHR 2013, 1065, 1075, wobei sie im Ansatz das Konzept von Bitter auf die vorliegende Frage in Stellung bringen (zur InsO). 1521 Eidenmüller, ZIP 2014, 1197, 1203; Meyer-Löwy/Pickerill, GmbHR 2013, 1065, 1072 (zum freiwilligen Insolvenzantrag). 1522 Eidenmüller, ZIP 2014, 1197, 1203. 1523 Gessner, NZI 2018, 185, 188 (zur InsO); vgl. auch RegE-SanInsFoG, BT-Drucks. 19/ 24181, S. 106 f. 1524 RegE-SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 106 f. („Auch beim Ob und Wie der Bewältigung einer drohenden Zahlungsunfähigkeit und der ihr zugrundeliegenden Ursachen handelt es sich im Kern um eine unternehmerische Entscheidung.“). 1525 Vgl. dazu oben bei Fn. 1310 ff. 1526 Balthasar, NZI-Beilage, 2021, 18, 21. 1527 Balthasar, NZI-Beilage, 2021, 18, 21; in diesem Sinne auch: Brinkmann, KTS 2021, 303, 319 ff. 1528 Brinkmann, KTS 2021, 303, 320 f.; dies soll auch nur dann der Fall sein, wenn sich die Solvenzsicherungspflicht zu einer konkreten Handlungspflicht verdichtet habe. Dies sei etwa der Fall, wenn das vorgelegte Sanierungskonzept den einzig erfolgsversprechenden Weg aus der Krise biete. Sofern mehrere Möglichkeiten bestünden, bliebe das Weisungsrecht der GmbH-
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erst dann verlieren, wenn das in Aussicht genommene und von den Gesellschaftern abgelehnte Konzept der einzige erfolgsversprechende Weg zur Vermeidung der Insolvenz sei.1529 Wenn der Aufsichtsrat bei der AG das Restrukturierungskonzept ablehne, müsse der Vorstand zwingend die Hauptversammlung anrufen, wenn er das Konzept umsetzen will (§ 111 Abs. 4 Satz 3 AktG).1530 Wenn diese das Konzept ablehne, sei der Vorstand aber hieran nicht gebunden. Die Probleme einer Hauptversammlungszuständigkeit (Zeit, Kosten, Publizität) ließen sich aber nicht vermeiden.1531 Fraglich ist, ob man aus dem Shift of Duties auch weitergehende Rechtsfolgen ableiten kann. Autoren, die auch schon vor dem Inkrafttreten des StaRUG einen Pflichtenumschwung in der Krise anerkannt haben, argumentierten schon damals, dass die Gesellschafterorgane deshalb der freiwilligen Einleitung des Insolvenzplanverfahrens nicht zustimmen müssen.1532 Mit dem noch in §§ 2, 3 StaRUG-RegE normierten Pflichtenumschwung wäre ein Zustimmungsvorbehalt der Gesellschafterorgane ebenfalls nicht vereinbar gewesen.1533 Erkennt man den Pflichtenumschwung auch nach Streichung der §§ 2, 3 StaRUG-RegE an, spricht dieser deshalb auch hier gegen ein Zustimmungserfordernis.1534 Die Streichung der §§ 2, 3 StaRUGRegE im Gesetzgebungsverfahren sollte nicht mit materiellen Einbußen einhergehen.1535 Darüber hinaus wäre eine Zustimmungspflicht der Hauptversammlung mit der Solvenzsicherungspflicht im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 StaRUG nicht zu vereinbaren:1536 Hier sei eine Handlungspflicht normiert, die nicht von einer vorherigen Billigung der Hauptversammlung abhängig gemacht werden könne. Dies spricht ebenfalls gegen ein Zustimmungserfordernis für die Hauptversammlung.
Gesellschafter bestehen; ähnlich zu den Grenzen des Weisungsrechts auch Brünkmans, ZinsO 2021, 125, 128; BeckOGK-StaRUG/Spahlinger, § 17 Rn. 31a; siehe aber Thole, BB 2021, 1347, 1350: Dass nur ein mögliches Konzept gangbar sei, sei theoretischer Natur. 1529 Brinkmann, KTS 2021, 303, 321. 1530 Brinkmann, KTS 2021 303, 323 f. 1531 Brinkmann, KTS 2021, 303, 324. 1532 Hölzle, Praxisleitfaden SanInsFoG, §§ 31, 33 Rn. 32, 34; Hölzle, ZIP 2013, 1846, 1850 („kompetenzverschiebende[r] Perspektivwechsel“). 1533 Brinkmann, KTS 2021, 303, 319 f.; Balthasar, NZI-Beilage 2021, 18, 21; Hölzle, Praxisleitfaden SanInsFoG, §§ 31, 33 Rn. 35; Scholz, ZIP 2021, 219, 228; Brünkmans, ZInsO 2021, 125, 127. 1534 Hölzle, Praxisleitfaden SanInsFoG, §§ 31, 33 Rn. 35. 1535 Hölzle, Praxisleitfaden SanInsFoG, §§ 31, 33 Rn. 35. 1536 Skauradszun/Amort, DB 2021, 1317, 1322; a. A.: Thole, BB 2021, 1347, 1350 („§ 1 StaRUG lässt verbandsinterne Strukturen intakt […].“).
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IX. Zeitverlust und Publizität Bei der AG wird vorgebracht, dass ein Hauptversammlungsbeschlusses schlicht „unrealistisch“ sei.1537 Diese Sichtweise überzeugt. Schon die Einberufungsfrist (§ 123 Abs. 1 Satz 1 AktG) und die Vorlaufzeit stehen einem häufig notwendigem raschen Handeln entgegen.1538 Eine frühzeitige und zügig umzusetzende Sanierungsentscheidung würde erheblich beeinträchtigt.1539 Ein freiwilliges Sanierungsverfahren würde häufig aufgrund der zu veröffentlichenden Tagesordnung konterkariert.1540 Es kann zu Kündigungen bei wichtigen Vertragspartnern kommen und die Gesellschaft kann so in die Zahlungsunfähigkeit gedrängt werden.1541 Der Schutz der Aktionäre durch einen Hauptversammlungsbeschluss ist zudem nicht besonders wertvoll. Lehnen die Aktionäre die Einleitung des StaRUG-Verfahrens ab, dürfte eine außergerichtliche Sanierung nach Bekanntwerden der drohenden Zahlungsunfähigkeit faktisch nicht mehr möglich sein.1542 X. Richtlinienkonforme Auslegung Auch die Restrukturierungsrichtlinie spricht gegen ein Beschlusserfordernis der Hauptversammlung. Auf der einen Seite könnte zwar argumentiert werden, dass die RRL den Anteilsinhabern nicht verbietet, den Gang in das präventive Restrukturierungsverfahren zu verhindern.1543 Art. 12 der RRL enthalte keine Regelung für den Zeitraum der Vorbereitungsphase.1544 Dort sei nach dem Wortlaut der Norm nur ein Verhinderungsverbot für die Anteilsinhaber in Bezug auf die Annahme, Bestätigung und Umsetzung des Plans geregelt.1545 Auch aus Art. 19 der RRL lasse sich nichts Gegenteiliges herleiten, da diese Regelung keinen Vorrang bestimmter Stakeholder vorsehe.1546 Die RRL würde auf diese Weise allerdings zu restriktiv ausgelegt. Würde ein Hauptversammlungsbeschluss verlangt, wäre der AG der Weg ins StaRUG-Ver1537 K. Schmidt InsO/K. Schmidt, § 18 Rn. 31; skeptisch gegenüber einem Hauptversammlungsbeschluss auch: Kebekus/Zenker, FS Maier-Reimer, S. 319, 335. 1538 Curtze, Insolvenzplanverfahren, S. 67. 1539 Grigoleit/Herrler, § 119 Rn. 31; GK-AktG/Mülbert, § 119 Rn. 180. 1540 Curtze, Insolvenzplanverfahren, S. 67. 1541 Curtze, Insolvenzplanverfahren, S. 67 f.; vgl. auch zur Wirkung einer Veröffentlichung des Tagesordnungspunkts „Beschlussfassung über Insolvenzantragstellung“: Göcke, DZWiR 2014, 192, 195. 1542 Vgl. Curtze, Insolvenzplanverfahren, S. 68. analog zum Schutzschirmverfahren. 1543 So Spahlinger, NZI Beilage 1 z. Heft 16 – 17/2019, S. 69, 71; i. E. auch Lieder, in: FS Smid, S. 543, 551; Skauradszun, NZG 2019, 761, 765; Skauradszun, KTS 2019, 161, 189. 1544 Spahlinger, NZI Beilage 1 z. Heft 16 – 17/2019, S. 69, 71; Skauradszun, NZG 2019, 761, 764; vgl. auch S. 765 (eine analoge Anwendung auf die Vorbereitungsphase ist fernliegend). 1545 Skauradszun, NZG 2019, 761, 764. 1546 Spahlinger, NZI Beilage 1 z. Heft 16–17/2019, S. 69, 71; Lieder, in: FS Smid, S. 543, 551.
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fahren versperrt. Dieses Ergebnis könne auch aus europarechtlichen Gründen nicht richtig sein.1547 Aus der RRL lassen sich Argumente ableiten, die gegen das Erfordernis eines Gesellschafterbeschlusses sprechen. Nach ErwG 70 Satz 1 der RRL dürfen die Geschäftsleiter nicht von vertretbaren unternehmerischen Entscheidungen abgehalten werden.1548 Nach Art. 19 lit. a) der RRL muss die Unternehmensleitung auch die Interessen der Gläubiger und sonstiger Interessensträger beachten.1549 Keinem Interessenträger darf ein Vorrang zukommen, weshalb den Anteilsinhabern auch keine absolute Blockadeposition zugesprochen werden darf.1550 Entgegen den zuvor geäußerten Stimmen ist der Rechtsgedanke von Art. 12 Abs. 1 und 2 der RRL nach einer Literaturansicht in Ergänzung zu Art. 19 der RRL schon in der Krisenphase heranzuziehen.1551 Eine gesellschaftsrechtliche Eingangskontrolle stünde mit dem Rechtsgedanken der RRL nicht in Einklang.1552 XI. Zweck des StaRUG Schließlich sprach schon der Telos des ESUG gegen das Erfordernis eines Gesellschafterbeschlusses:1553 Es sei darum gegangen, Blockademöglichkeiten der Gesellschafter zu reduzieren; darüber hinaus sollten „Lästigkeitsprämien“ verhindert werden.1554 Für das StaRUG gilt Ähnliches: Ziel des StaRUG-Verfahrens ist es, die in der Insolvenz bestehenden Holdout-Probleme zu lösen und den Fortbestand der Schuldnerin sicherzustellen.1555 Wenn die Anteilsinhaber dem Start des Verfahrens zustimmen müssten, würde ihnen eine Holdout-Position gewährt.1556 Ziel sei auch, Maßnahmen durchsetzen zu können, die für Gesellschafter schmerzhaft seien, aber insgesamt dem Unternehmensinteresse dienten.1557
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Brinkmann, KTS 2021, 303, 317 f. Skauradszun/Amort, DB 2021, 1317, 1321. 1549 Skauradszun/Amort, DB 2021, 1317, 1322; Hölzle, Praxisleitfaden SanInsFoG, §§ 31, 33 Rn. 35. 1550 Skauradszun/Amort, DB 2021, 1317, 1322; zurückhaltender in Bezug auf Art. 19 der RRL noch Skauradszun, NZG 2019, 761, 765; kritisch insgesamt: Thole, BB 2021, 1347, 1350. 1551 Tresselt, in: Morgen, StaRUG, § 2 Rn. 92; als Appell an den Gesetzgeber: Spahlinger, NZI Beilage 1 z. Heft 16 – 17/2019, S. 69, 71; zurückhaltender noch Skauradszun, NZG 2019, 761, 765. 1552 Tresselt, in: Morgen, StaRUG, § 2 Rn. 92. 1553 Vgl. zum Folgenden: Meyer-Löwy/Pickerill, GmbHR 2013, 1065 ff. und passim. 1554 Meyer-Löwy/Pickerill, GmbHR 2013, 1065, 1066 f.; 1072 und passim. 1555 Skauradszun/Amort, DB 2021, 1317, 1321. 1556 Skauradszun/Amort, DB 2021, 1317, 1321; Skauradszun, KTS 2021, 1, 44. 1557 Mulert/Steiner, NZG 2021, 673, 677. 1548
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Ein Zustimmungsvorbehalt für die Anteilsinhaber würde die gesetzgeberische Konzeption „von den Füßen auf den Kopf“ stellen.1558 Der Gesetzgeber wollte einen gruppenübergreifenden Cramdown gegen die Interessen der Anteilsinhaber ermöglichen.1559 Wenn die Anteilsinhaber dann schon zu einem früheren Zeitpunkt mit einer Dreiviertelmehrheit für den Start des Verfahrens stimmen müssten, wäre der gruppenübergreifende Cramdown gegen die Anteilsinhaber quasi nicht mehr möglich.1560 In einem Spezialfall hat der Gesetzgeber eine zusätzliche Ex-ante-Zustimmung sogar normiert (wenn ein Plan die Haftung von persönlich haftenden Gesellschafter nicht ausschließt, § 60 Abs. 2 StaRUG).1561 Im Umkehrschluss ergibt sich daraus, dass generell kein echter Zustimmungsvorbehalt angenommen werden kann.1562 XII. Zwischenergebnis Insgesamt sprechen die besseren Argumente gegen ein Zustimmungserfordernis der Hauptversammlung zum Start des StaRUG-Verfahrens. Es liegt mithin auch keine mittelbare Grenze für den Einsatz eines RSA vor.
H. Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis kann festgehalten werden, dass das Aktienrecht dem Abschluss eines RSA mit den Schlüsselgläubigern nicht entgegensteht.
§ 2 RSA als Mittel gegen den Forderungshandel Für die Schuldnerin und ihr Management ist es aufreibend, wenn ein bisher einigungsbereiter Gläubiger plötzlich aus dem Verfahren austritt und ein „neuer Player“ ins Verfahren einrückt.1563 Dies kann der Fall sein, wenn die bisherigen Verhandlungspartner ihre Forderungen oder Anteile im Laufe der Verhandlungen an Dritte (z. B. Hedgefonds, Investmentbanken oder Finanzinvestoren1564) übertra-
1558 Scholz, ZIP 2021, 219, 228; ähnlich: Mulert/Steiner, NZG 2021, 673, 677; Brandes/ Rabenau, ZIP 2021, 2566, 2570. 1559 Brandes/Rabenau, ZIP 2021, 2566, 2570. 1560 Vgl. Scholz, ZIP 2021, 219, 228. 1561 Scholz, ZIP 2021, 219, 228. 1562 In diese Richtung Scholz, ZIP 2021, 219, 228. 1563 Vgl. Palenker, ZIP 2020, 1109, 1112; Paulus, NZI 2015, 1001, 1004 f. 1564 Schulz, Debt Equity Swap, S. 53 f.; Reuter/Buschmann, ZIP 2008, 1003; Siemon, ZinsO 2014, 172, 176; Aleth/Böhle, DStR 2010, 1186.
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gen.1565 Auf die teilweise aggressiven Strategien dieser Investoren wurde bereits hingewiesen.1566 Zivilrechtlich und aufsichtsrechtlich gibt es keine unüberwindbaren Erwerbsrestriktionen für Forderungen.1567 Wie bereits dargestellt1568, kann sich der Planersteller aber regelmäßig mit einer sog. „Sperrvereinbarung“ bzw. dem Lock-up Agreement absichern.1569 Deshalb wird im RSA in der Regel eine Vereinbarung aufgenommen, wonach die Vertragsparteien ihre Forderungen nicht mehr übertragen dürfen, außer der Forderungskäufer akzeptiert die Bedingungen des RSA.1570 Fraglich ist, ob derartige Vereinbarungen zulässig sind. Eine zweite Frage ist, ob sie helfen, das bisher gefundene Verhandlungsergebnis abzusichern.
A. Sperrvereinbarung mit Gläubigern Zunächst sind Vereinbarungen mit Gläubigern in den Blick zu nehmen. Hier könnte ein Abtretungsverbot vereinbart werden. Fraglich ist, ob dieses im Hinblick auf § 354a HGB wirksam ist [dazu unter I.]. Daneben ist zu untersuchen, wie der Schuldner geschützt wird, wenn die Forderungen im Ergebnis im Rahmen einer Vertragsübernahme übergehen [dazu unter II.] oder im Zusammenhang einer Umwandlung nach dem UmwG übertragen werden sollen [dazu unter III.]. I. Abtretung Die Veräußerung notleidender Forderungen erfolgt in der Praxis überwiegend durch Abtretung nach §§ 398 ff. BGB.1571 Beispielsweise werden auch Schuld-
1565 Vgl. Palenker, ZIP 2020, 1109, 1112; zu den Übertragungsmöglichkeiten: Bergjan, ZIP 2012, 1997 ff. 1566 Vgl. oben bei Fn. 242 ff. 1567 BGH, Urt. v. 27. 2. 2007 – XI ZR 195/05, BGHZ 171, 180 (Leitsatz 1), 183 (Rn. 12); BGH, Urt. v. 19. 4. 2011 – XI ZR 256/10, NJW 2011, 3024; Überblick bei Palenker, Loan-toown, S. 308 ff. (insbesondere zum Bankgeheimnis, zum Datenschutz und zum nicht notwendigen Erfordernis einer Banklizenz beim Zessionar); vgl. auch Aleth/Böhle, DStR 2010, 1186 ff.; Lieder, TFM 2017, 83 ff.; Heer, BKR 2012, 45, 47 ff.; Bredow/Liebscher, NZI 2017, 89, 90 (speziell zum Erwerb von Insolvenzforderungen). 1568 Vgl. dazu oben bei Fn. 238 ff. 1569 Palenker, ZIP 2020, 1109, 1112; Wang, Loan-to-Own, S. 85; vgl. auch Paterson, Corporate Reorganization, S. 102 f.; die Effektivität einer Sperrvereinbarung in Frage stellend: Palenker, Loan-to-own, S. 333 f.; zur Möglichkeit einer Lock-up-Vereinbarung bei Schuldscheindarlehen: Warneke/Becker, ZIP 2018, 1332, 1338. 1570 Paterson, Corporate Reorganization, S. 103; Skeel, 130 Yale L. J. 366, 385 (2020); Sasson, 9 N.Y.U. J. L. & Liberty, 850, 857 (2015). 1571 Palenker, Loan-to-own, S. 216; Bredow/Liebscher, BB 2013, 3081 f.; Bredow/ Liebscher, NZI 2017, 89, 91; Aleth/Böhle, DStR 2010, 1186, 1187; Schilmar/Breiteneicher/Wiedenhofer, DB 2005, 1367, 1368.
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Kap. 4: RSA im Konflikt zur Verfahrens- und Kompetenzordnung
scheindarlehen durch Abtretung übertragen.1572 Die Abtretung ist einfach umzusetzen, bietet hohe Rechtssicherheit und ist im Vergleich mit anderen Transaktionsformen mit wenig Aufwand verbunden.1573 1. Dinglich wirkendes Abtretungsverbot möglich? Im RSA wird typischerweise vereinbart, dass die Gläubiger, die sich ihm angeschlossen haben, ihre Forderungen nicht mehr abtreten dürfen.1574 Man könnte sich auf ein dinglich wirkendes Abtretungsverbot i. S. d. § 399 Alt. 2 BGB verständigen. Das Abtretungsverbot kann auch nachträglich, also im Zeitpunkt der Restrukturierung, vereinbart werden.1575 Statt eines vollumfänglichen Abtretungsverbots ist es auch denkbar, dass die Übertragbarkeit der Forderung an Bedingungen geknüpft wird.1576 Hier könnte in Frage kommen, dass der Zessionar die Verpflichtungen aus dem RSA anerkennt. Das dinglich wirkende Abtretungsverbot i. S. d. § 399 Abs. 2 BGB ist von einer nur schuldrechtlich wirkenden Verpflichtung des Gläubigers zu unterscheiden, eine Abtretung zu unterlassen.1577 Das Abtretungsverbot i. S. d. § 399 Alt. 2 BGB bewirkt, dass eine erfolgte Abtretung absolut unwirksam ist.1578 Bei einer rein schuldrechtlichen Verpflichtung ist nur das Dürfen und nicht das Können angesprochen.1579 Ob ein solches dinglich wirkendes Abtretungsverbot tatsächlich gewollt ist, ist durch Auslegung zu ermitteln. Problematisch könnte sein, dass das Abtretungsverbot i. S. d. § 399 Alt. 2 BGB nach 354a Abs. 1 HGB keine Wirkung hat, wenn es sich um eine Geldforderung handelt und das Rechtsgeschäft, das die Forderung begründet hat, für beide Teile ein Handelsgeschäft ist. Diese Voraussetzungen dürften regelmäßig erfüllt sein. Nach § 354a Abs. 2 HGB1580 gilt § 354 Abs. 1 HGB aber nicht für eine Forderung aus einem Darlehensvertrag, deren Gläubiger ein Kreditinstitut i. S. d. KWG ist. Diese 1572
Warneke/Becker, ZIP 2018, 1332, 1334, daneben ist die befreiende Vertragsübernahme möglich, vgl. dazu später. 1573 Palenker, Loan-to-own, S. 216. 1574 Paterson, Corporate Reorganization, S. 103; Skeel, 130 Yale L. J. 366, 385 (2020); Sasson, 9 N.Y.U. J. L. & Liberty, 850, 857 (2015). 1575 BGH, Urt. v. 11. 03. 1997 – X ZR 146/94, NJW 1997, 3434, 3435 (juris-Rn. 11); BeckOK-BGB/Rohe, § 399 Rn. 11. 1576 Lendermann, Darlehensveräußerungen, S. 480 f.; MüKoBGB/Roth/Kieninger, § 399 Rn. 39 („auflösend bedingter Abtretungsausschluss“). 1577 Zur Differenzierung zwischen dinglichem Abtretungsverbot und schuldrechtlichem Abtretungsverbot: Nefzger, Vertragliche Abtretungsverbote, S. 29, speziell zum schuldrechtlichen Abtretungsverbot, S. 90 ff. 1578 Statt aller: BeckOK-BGB/Rohe, § 399 Rn. 20; MüKoBGB/Roth/Kieninger, § 399 Rn. 41. 1579 Nefzger, Vertragliche Abtretungsverbote, S. 29. 1580 Zur Gesetzgebungsgeschichte: Nefzger, Vertragliche Abtretungsverbote, S. 160 ff.; vgl. allgemein auch Aleth/Böhle, DStR 2010, 1186, 1187.
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Ausnahmevorschrift ermöglicht es der Schuldnerin, mit Kreditinstituten ein Lock-up Agreement in Bezug auf ihre Kreditforderungen abzuschließen. Nicht jeder Akteur in einer Restrukturierung ist aber ein „Kreditinstitut“ i. S. d. KWG. Dingliche Abtretungsbeschränkungen könnten daher wegen § 354a Abs. 1 HGB ins Leere gehen. Bei Gläubigern von Schuldscheindarlehen wird die Rückausnahme von § 354a Abs. 2 HGB nicht grundsätzlich für einschlägig erachtet.1581 Für Hedgefonds liegt eine Einstufung als Finanzdienstleistungsinstitut i. S. d. § 1 Abs. 1a KWG nahe.1582 Private Equity Investoren können auch Finanzunternehmen i. S. d. § 1 Abs. 3 KWG sein.1583 Fraglich ist, ob § 354a Abs. 2 HGB analog auf solche professionellen Investoren anzuwenden ist, auch wenn diese keine „Kreditinstitute“ i. S. d. KWG sind. Voraussetzung hierfür wäre eine planwidrige Regelungslücke und eine vergleichbare Interessenlage.1584 Eine vergleichbare Interessenlage liegt vor. § 354 Abs. 2 HGB soll die Schuldnerin vor Aktivitäten von Hedgefonds oder vergleichbaren Finanzinvestoren beim Ankauf notleidender Kredite und der anschließenden Kontrollübernahme schützen.1585 Wenn die Schuldnerin mit Beteiligten, die keine Kreditinstitute sind, eine Restrukturierung verhandelt, möchte sie verhindern, dass neue Finanzinvestoren das bisher gefundene Verhandlungsergebnis durch den Ankauf notleidender Forderungen wieder zunichtemachen können. Hierfür muss sie sich genauso absichern können wie gegen den Fall, dass ein Kreditinstitut eine Forderung an einen Hedgefonds oder einen Finanzinvestor abtritt. Die Regelungslücke liegt darin, dass § 354a HGB explizit nur „Kreditinstitute“, nicht allerdings andere professionelle Investoren anspricht. Es ist nicht ersichtlich, warum ein Abtretungsverbot gegenüber einem Finanzinvestor unwirksam sein soll.1586 § 354a Abs. 1 HGB soll es nach dem Willen des Gesetzgebers Lieferanten, High-Tech-Unternehmen oder Unternehmen, denen wenig andere traditionelle Kreditsicherheiten zur Verfügung stehen, ermöglichen, ihre Forderungen gegen Großunternehmen zu Finanzierungszwecken einsetzen zu 1581 Warneke/Becker, ZIP 2018, 1332, 1338 („Zu beachten [ist], dass Übertragungen von Geldforderungen im Wege der Abtretung unter dem Schuldschein durch Gläubiger, die keine Kreditinstitute im Sinne des KWG sind, trotz Verstoßes gegen eine Übertragungsbeschränkung wegen § 354a HGB grundsätzlich wirksam sind.“). 1582 Zetzsche, NZG 2009, 692, 697 in Fn. 80; vgl. zu den präferierten Fondsstrukturen von Loan-to-own-Investoren: Palenker, Loan-to-own, S. 325 (§ 282 KAGB: offene Spezial-AIF; § 283 KAGB: Hedgefonds; § 285 KAGB: geschlossene Spezial-AIF). 1583 Zetzsche, NZG 2009, 692, 697 in Fn. 80. 1584 Grundlegend zur Analogiebildung: Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 381 ff.; vgl. auch Bitter/Rauhut, JuS 2009, 289, 297; vor Einführung des § 354a Abs. 2 HGB hat Eidenmüller insbesondere für Banken eine teleologische Reduktion des heutigen § 354a Abs. 1 HGB gefordert, Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 175. 1585 MüKoHGB/K. Schmidt/Langenbucher, § 354a Rn. 44. 1586 Schon früh kritisch zu § 354a HGB gegenüber professionellen Kreditgebern: Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 175.
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können.1587 Dies sei häufig nicht möglich, weil Großunternehmen in ihren Einkaufbedingungen die Abtretung von Forderungen aus Warenlieferungen und Dienstleistungen regelmäßig ausschließen würden.1588 Die Marktmacht der Großunternehmer gegenüber diesen Beteiligten sollte durch § 354a Abs. 1 HGB begrenzt werden.1589 Es ging darum, Forderungen aus Warenlieferungen und Dienstleistungen der Kreditfinanzierung wieder zugänglich zu machen.1590 Diese Notwendigkeit besteht nicht, wenn ein Kreditinstitut gegenüber einer Schuldnerin eine Darlehensforderung hat. Sie besteht auch nicht, wenn der Schuldnerin ein Finanzinvestor gegenübertritt. Gegen eine Analogie des § 354a Abs. 2 HGB spricht auch nicht, dass die Norm eine Ausnahmevorschrift ist. Zum einen stellt die Norm eine „Rückausnahme“ dar und stellt insofern den Regelfall des § 399 Alt. 2 BGB wieder her. Zum anderen können auch Ausnahmeregelungen einer Analogie fähig sein.1591 2. Schuldrechtlich wirkende Verfügungsbeschränkungen Neben einem dinglich wirkenden Abtretungsverbot kann sich der jeweilige Gläubiger auch „nur“ schuldrechtlich verpflichten, seine Forderungen nicht mehr zu übertragen. Dann könnte der jeweilige Gläubiger seine Forderung zwar noch abtreten, dürfte es allerdings nicht mehr. Er würde sich im Fall der Zuwiderhandlung schadenersatzpflichtig (§ 280 BGB) machen.1592 Die Schuldnerin kann auch hierdurch das Verhandlungsergebnis eines RSA absichern. Wenn bei einem dinglichen Abtretungsverbot § 354a Abs. 1 HGB greifen würde, sollen nach h. M. schuldrechtlich wirkende Abtretungsverbote analog § 354a Abs. 1 Satz 3 HGB unzulässig sein.1593 Möglicherweise könnte dies zur Unwirksamkeit des ganzen RSA führen (§ 139 BGB). Die entgegen einer Abrede vorgenommene Abtretung würde jedenfalls keine Pflichtverletzung darstellen.1594 Hiermit könnten die durch das RSA gesicherten Verhandlungsergebnisse gefährdet sein. Nach einer
1587
BT-Drucks. 12/7912, S. 24. BT-Drucks. 12/7912, S. 24. 1589 BT-Drucks. 12/7912, S. 24. 1590 BT-Drucks. 12/7912, S. 25. 1591 MüKoBGB/Säcker, Einl. Rn. 123 („[Es] ist im neueren methodenwissenschaftlichen Schrifttum unstreitig, dass Ausnahmevorschriften auch auf einen solchen Sachverhaltstyp sinngemäß (analog) anzuwenden sind, der zwar keine völlige, wohl aber eine essentielle Strukturgleichheit mit dem Sachverhaltstyp aufweist, auf den die Ausnahmevorschrift unmittelbar Anwendung findet: […].“). 1592 Nefzger, Vertragliche Abtretungsverbote, S. 29; vgl. auch Palenker, Loan-to-own, S. 334. 1593 MüKoHGB/K. Schmidt, § 354a Rn. 18; EBJS/Wagner § 354a Rn. 4; KKRD/Roth § 354a Rn. 1; Oetker/Maultzsch, § 354a Rn. 13; Heymann/Horn/Horn, § 354a Rn. 13. 1594 MüKoHGB/K. Schmidt/Langenbucher, § 354a Rn. 23; KKRD/Roth § 354a Rn. 1. 1588
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Mindermeinung bleiben schuldrechtliche Abtretungsverbote aber wirksam.1595 Der Streit kann an dieser Stelle offenbleiben, weil § 354a Abs. 1 HGB – wie gerade aufgeführt – für Forderungen von Kreditinstituten und für Forderungen von Finanzinvestoren nicht gilt, vgl. § 354a Abs. 2 HGB. Insofern bleibt ein Abtretungsverbot, das nur schuldrechtlich wirken soll, möglich. 3. Nützlichkeit des § 404 BGB fraglich Schließlich könnte der Schuldner auch nach § 404 BGB geschützt sein. Sofern sich aus dem RSA Einwendungen gegen die Forderung des Zedenten ergeben, können diese nach § 404 BGB auch dem neuen Zessionar entgegengehalten werden. Wie weit mögliche Einwendungen aus einem RSA reichen, ist hingegen fraglich. Im Extremfall ist ein Zurückbehaltungsrecht bezüglich der Forderung denkbar. Allerdings benötigt die Schuldnerin häufig die aktive Zustimmung des neuen Gläubigers zum StaRUG-Plan, damit dieser bestätigt werden kann. II. Vertragsübernahme Die Abtretung ist nicht der einzige Weg, auf dem notleidende Forderungen ihren Inhaber wechseln können.1596 Eine weitere Möglichkeit besteht in der Vertragsübernahme.1597 Soll diese Übertragungsform gewählt werden, ist die Schuldnerin im Grundsatz schon ohne ein RSA geschützt. Bei einer Vertragsübernahme gelten die §§ 398 ff. BGB und die §§ 414 ff. BGB analog.1598 Die Schuldnerin muss der Vertragsübernahme daher zustimmen.1599 Probleme ergeben sich aber, sofern die Schuldnerin ihre Zustimmung schon antizipiert im Kreditvertrag gegeben hat (Syndizierungsklausel1600). Zwar könnte die antizipierte Zustimmung schon wegen §§ 309 Nr. 10 BGB und 307 BGB unwirksam sein.1601 Wenn im RSA aber später vereinbart wird, dass die Verträge bzw. die Forderungen nicht mehr übertragen werden dürfen, stellt dies jedenfalls eine vorrangige Individualabrede dar (§ 305b BGB). Deshalb muss bei künftigen Übertragungen von Verträgen nach Abschluss eines RSA in jedem Fall wieder die Zustimmung eingeholt werden. Im Ergebnis kann die Schuldnerin die Zustimmung verweigern, wenn der Erwerber die Bedingungen des RSA nicht akzeptieren würde.
1595 1596 1597 1598 1599 1600 1601
Nefzger, Vertragliche Abtretungsverbote, S. 225. Überblick bei Palenker, Loan-to-own, S. 215. Palenker, Loan-to-own, S. 218 ff. Palenker, Loan-to-own, S. 219; Bergjan, ZIP 2012, 1997, 1998. Lendermann, Darlehensveräußerungen, S. 486; Bergjan, ZIP 2012, 1997, 1999. Palenker, Loan-to-own, S. 220. Zur Diskussion: Palenker, Loan-to-own, S. 221 f.
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III. Übertragung von Kreditforderungen und Kreditverträgen durch Abspaltung und Ausgliederung In der Praxis werden Forderungen schließlich im Wege der Gesamtrechtsnachfolge nach dem UmwG übertragen.1602 Die Forderungen werden in der Regel in einem ersten Schritt durch Abspaltung oder Ausgliederung zur Neugründung auf eine neue Gesellschaft überführt (§ 123 Abs. 2 Nr. 2 bzw. Abs. 3 Nr. 2 UmwG.).1603 Anschließend werden die Anteile an der neu gegründeten Gesellschaft veräußert.1604 Dieser Mechanismus wird sowohl für die Übertragung von Forderungen, als auch von ganzen Kreditverträgen eingesetzt.1605 Im Vergleich zur Abtretung ist er allerdings zeit- und kostenintensiv und streng formalisiert.1606 Auch die Anteilsinhaber des bisherigen Gläubigers müssen beteiligt werden.1607 Fraglich ist, ob die Gläubiger die Wirkungen eines RSA durch diesen Mechanismus umgehen können. 1. Schutz durch Abtretungsverbot? Zunächst könnte ein Abtretungsverbot im RSA die Möglichkeit der Forderungsübertragung nach dem UmwG verhindern. Nach h. M. steht der Abspaltung bzw. Ausgliederung von Kreditforderungen ein Abtretungsverbot nach § 399 Alt. 2 BGB aber nicht entgegen.1608 Ein Vermögenstransfer nach dem UmwG stellt keine rechtsgeschäftliche Singularsukzession dar, sondern eine Universalsukzession, sodass die unmittelbare Anwendung von § 399 Alt. 2 BGB nicht greift.1609 Auch über § 412 BGB ist § 399 Alt. 2 BGB wegen der Unterschiede zwischen Singular- und Universalsukzession und des eigenen Systems der Universalsukzession nicht an-
1602 Palenker, Loan-to-own, S. 224 ff.; Bergjan, ZIP 2012, 1997, 2002; Bredow/Liebscher, BB 2013, 3081 f. (insbesondere nicht notleidende Kredite); Bredow/Liebscher, NZI 2017, 89, 91 in Fn. 8 (insbesondere nicht notleidende Kredite). 1603 Palenker, Loan-to-own, S. 224; Bredow/Liebscher, BB 2013, 3081 f. 1604 Palenker, Loan-to-own, S. 225; vgl. auch Lieder, TFM 2017, 83, 92; Bredow/Liebscher, BB 2013, 3081 f.; vgl. auch Bitter, ZHR 173 (2009), 379, 384 („Ausgliederung zur Neugründung mit anschließendem Verkauf der Anteile an der ausgegliederten Gesellschaft“). 1605 Vgl. zur Differenzierung: Bitter, ZHR 173 (2009), 379, 420 ff. (Übertragung von Kreditverträgen) und S. 403 ff. (Übertragung von Kreditforderungen). 1606 Palenker, Loan-to-own, S. 227 f.; Bergjan, ZIP 2012, 1997, 2002. 1607 Palenker, Loan-to-own, S. 228. 1608 Lieder, in: Lutter, UmwG, § 131 Rn. 71; Lieder, TFM 2017, 83, 93; Lendermann, Darlehensveräußerungen, S. 556; Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl, UmwG, § 131 Rn. 31; Schröer/Greitemann, in: Semler/Stengel/Leonard, UmwG, § 131 Rn. 31; KölnKommUmwG/ Simon, § 131 Rn. 27; BeckOGK-BGB/Lieder, § 412 Rn. 31; Sickinger, in: Kallmeyer, UmwG, § 131 Rn. 9; Henssler/Strohn/Galla/Cé. Müller, § 131 Rn. 3; i. E. für ein in einem Bauvertrag vereinbartes Abtretungsverbot: BGH, Urt. v. 22. 9. 2016 – VII ZR 298/14, ZIP 2016, 2015, 2016 f. (Rn. 25 ff.); OLG Düsseldorf, Urt. v. 25. 11. 2014 – I-21 U 172/12, ZIP 2015, 1289, 1290 f. 1609 Lieder/Scholz, ZIP 2015, 1705.
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wendbar.1610 Außerdem vollzieht sich die umwandlungsrechtliche Gesamtrechtsnachfolge kraft Rechtsgeschäft.1611 Eine analoge Anwendung kommt wegen der Besonderheiten der Universalsukzession, der Streichung von § 132 UmwG a. F., des verbleibenden Schutzes und aufgrund von ansonsten bestehenden Wertungswidersprüchen ebenfalls nicht in Betracht.1612 Sollen ganze Kreditverträge übergeleitet werden, entfällt auch das bei Vertragsübernahmen bestehende Zustimmungserfordernis der Schuldnerin.1613 Diese Wirkungen können als „Umwandlungsprivileg“ bezeichnet werden:1614 Die Beschränkungen, welche für Einzelrechtsübertragungen gelten, sollen bei der Gesamtrechtsnachfolge nicht anwendbar sein. Hierdurch lassen sich Abtretungsverbote umgehen.1615 In der Literatur wird die Ansicht vertreten, dass das Umwandlungsprivileg nur dann gelten soll, wenn die Umwandlung auf Unternehmenskontinuität gerichtet ist.1616 Die Privilegierung solle keine Anwendung finden, wenn nur einzelne Akiva oder Passiva übertragen werden sollen,1617 also bei isolierter Übertragung von Kreditforderungen oder Kreditverträgen.1618 Sofern ein Abtretungsverbot nach § 399 Alt. 2 BGB vereinbart wurde, könnte dies nach dieser Logik1619 dazu führen, dass die Forderung auch nicht nach dem UmwG übertragen werden kann. Auch wenn bei einer Übertragung eines Kreditvertrags die Zustimmung nicht eingeholt wird, wurde angedacht, dass die Transaktion nach dem UmwG dinglich unwirksam sei.1620 Hiergegen spricht allerdings entscheidend, dass das Umwandlungsprivileg keine Unternehmenskontinuität voraussetzt.1621 Ansonsten wären Abspaltungen fast immer unzulässig.1622 Dies würde auch dem Prinzip der Spaltungsfreiheit1623 und 1610
Ausführlich: Lieder/Scholz, ZIP 2015, 1705 f.; BeckOGK-BGB, Lieder, § 412 Rn. 26 f. Lieder/Scholz, ZIP 2015, 1705 f. 1612 Lieder/Scholz, ZIP 2015, 1705, 1707. 1613 Palenker, Loan-to-own, S. 225; Lieder, TFM 2017, 83, 92; Lieder, in: Lutter, UmwG, § 131 Rn. 81, 83; Lendermann, Darlehensveräußerungen, S. 556; Schröer/Greitemann, in: Semler/Stengel/Leonard, UmwG, § 131 Rn. 33, 37; Sickinger, in: Kallmeyer, UmwG, § 131 Rn. 10; Bredow/Liebscher, BB 2013, 3081, 3082. 1614 Zur Definition des Umwandlungsprivilegs: Bitter, ZHR 173 (2009), 379, 385, 395 f. und Diskussion insbesondere im Zusammenhang mit dem Bankgeheimnis, dem Datenschutz und der negativen Vertragsfreiheit. 1615 Palenker, Loan-to-own, S. 312 in Fn. 16. 1616 Bitter, ZHR 173 (2009), 379, 395. 1617 Bitter, ZHR 173 (2009), 379, 398 f. 1618 Bitter, ZHR 173 (2009), 379, 400. 1619 Vgl. analog zur Argumentation zu den Folgen bei Verletzung des Bankgeheimnisses: Bitter, ZHR 173 (2009), 379, 402 f. Bitter fragt sich, ob ein Verstoß dingliche oder schuldrechtliche Wirkung hätte und überträgt dies dann auf die Rechtslage nach dem UmwG. 1620 Bitter, ZHR 173 (2009), 379, 422 f.; im Ergebnis plädiert Bitter allerdings dafür, das Problem auf schuldrechtlicher Ebene zu lösen (S. 423 ff.) (dazu sogleich). 1621 So der Diskussionsbericht in ZHR 173 (2009), 436, 439. 1622 Diskussionsbericht in ZHR 173 (2009), 436, 439. 1611
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dem Prinzip der Sukzessionsfreiheit1624 widersprechen. Auch die Argumente, die gegen eine analoge Anwendung von § 399 Alt. 2 BGB sprechen (s. o.), können ins Feld geführt werden. 2. Schuldrechtlicher Schutz Nach teilweiser vertretener Ansicht ergibt sich aus einem Abtretungs- und Übertragungsverbot in Bezug auf eine Forderung eine schuldrechtliche Verpflichtung, die konkrete Forderung nicht im Wege des UmwG abzuspalten oder auszugliedern.1625 Aus der negativen Vertragsfreiheit ergebe sich auch eine Pflicht, Kreditverträge nicht ohne Zustimmung der Schuldnerin nach dem UmwG zu übertragen, sofern das Umwandlungsprivileg mangels Unternehmenskontinuität nicht greift.1626 Die Verletzung dieser schuldrechtlichen Pflicht führe auf Rechtsfolgenseite dazu, dass die Transaktion rückgängig zu machen sei.1627 In der Spaltung werde die Pflicht, die Forderung nicht durch das UmwG zu verschieben, vervielfältigt.1628 Sowohl der neue als auch der alte Rechtsträger seien zur Restitution verpflichtet, wenn sie sich nicht an das schuldrechtliche Abtretungsverbot gehalten hätten.1629 Auch bei einer Verletzung der negativen Vertragsfreiheit bei Übertragung von Kreditverträgen wird so argumentiert.1630 Die schuldrechtliche Wirkung führe so zu einer Korrektur des Ergebnisses.1631 Gegen diese Argumentation spricht zum einen, dass ein Abtretungsverbot nur die Singularsukzession betrifft, nicht aber Transaktionen nach dem UmwG. Dass das UmwG keine Unternehmenskontinuität verlangt, wurde bereits erklärt. Wenn das Umwandlungsprivileg weiter reicht, dürfte es aber auch einem etwaigen Schadenersatzverlangen entgegenstehen.1632 Die Schuldnerin kann sich aber dadurch absichern, dass sie mit dem bisherigen Gläubiger im RSA schuldrechtlich explizit vereinbart, dass auch eine solche 1623 Vgl. zur Spaltungsfreiheit ausführlich: Lieder, Die rechtsgeschäftliche Sukzession, S. 727 ff. 1624 Lieder, Die rechtsgeschäftliche Sukzession, S. 731 ff., insbesondere S. 734 ff. (Unbeachtlichkeit von Verfügungsbeschränkungen); BeckOGK-BGB/Lieder, § 412 Rn. 27. 1625 Lendermann, Darlehensveräußerungen, S. 485, 557, 490. 1626 Bitter, ZHR 173 (2009), 379, 422 ff. 1627 Herleitung bei Bitter, ZHR 173 (2009), 379, 406, 417 ff. (Schadenersatzpflicht, Forderungsabtretung rückgängig zu machen, wenn das Bankgeheimnis verletzt wird; ebenso, wenn Kreditverträge unter Verstoß gegen das Bankgeheimnis oder unter Verstoß gegen die negative Abschlussfreiheit übertragen wurden, S. 429 f.). 1628 Lendermann, Darlehensveräußerungen, S. 557. 1629 Lendermann, Darlehensveräußerungen, S. 557. 1630 Bitter, ZHR 173 (2009), 379, 429 f. 1631 Bitter, ZHR 173 (2009), 379, 419. 1632 Vgl. zur These, dass das Umwandlungsprivileg – wenn es greift – auch einen Schadenersatzanspruch ausschließen könnte: Bitter, ZHR 173 (2009), 379, 426, wobei Bitter das Umwandlungsprivileg i. E. an die Unternehmenskontinuität knüpft.
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Transaktion mittels UmwG unterbleiben soll. Dann wäre die Schuldnerin jedenfalls durch etwaige Schadenersatzansprüche abgesichert. 3. Haftungssystem Einer Umgehung des RSA könnte schließlich das umwandlungsrechtliche Haftungssystem entgegenstehen. Zwar dürfen die Beteiligten frei entscheiden, welchem Rechtsträger sie welche Gegenstände zuteilen.1633 Im Grundsatz herrscht also Spaltungsfreiheit.1634 Ein Schutz der Schuldnerin (die gleichzeitig Gläubigerin der Stimmbindung aus dem RSA ist) kommt aber durch die spaltungsrechtliche Transferhaftung und den Anspruch auf Sicherheitsleistung in Betracht.1635 Zwei Konstellationen sind zu unterscheiden: Die Beteiligten können sowohl einerseits die konkrete Kreditforderung bzw. den Kreditvertrag als auch andererseits die Rechte und Pflichten aus dem RSA abspalten bzw. ausgliedern. In diesem Fall wäre die Schuldnerin dann vor aggressiven Hedgefonds oder Finanzinvestoren geschützt, wenn die Verpflichtungen aus dem RSA schon ausreichend konkretisiert sind. Muss noch weiterverhandelt werden, kann der neue Verhandlungspartner die Schuldnerin unter Druck setzen. Hiervor schützt § 133 UmwG nicht. Wird nur die Kreditforderung bzw. der Kreditvertrag abgespalten bzw. ausgegliedert, nicht allerdings die Rechte und Pflichten aus dem RSA, ist die Schuldnerin über § 133 Abs. 1 UmwG durch eine gemeinsame Haftung aller an der Spaltung beteiligter Rechtsträger geschützt.1636 Streitig ist, ob der neue Rechtsträger (Mithafter) gesamtschuldnerisch oder akzessorisch haftet, wenn die Verbindlichkeit (Stimmbindung aus dem RSA) beim übertragenden Rechtsträger (Hauptschuldner) verbleibt.1637 Dies ist deshalb von Bedeutung, weil der übertragende Rechtsträger (Hauptschuldner) nicht mehr selbst abstimmen kann und bei Anwendung des Akzessorietätsmodells der Mithafter möglicherweise1638 nicht auf Erfüllung haften
1633
M. F. Schwab, in: Lutter, UmwG, § 133 Rn. 12. M. F. Schwab, in: Lutter, UmwG, § 133 Rn. 12. 1635 Vgl. Lieder, TFM 2017, 83, 93; M. F. Schwab, in: Lutter, UmwG, § 133 Rn. 11 f.; Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl, UmwG, § 133 Rn. 1; Seulen, in: Semler/Stengel/Leonard, § 133 Rn. 1 (zur gesamtschuldnerischen Haftung); ausführlich: Lieder, Die rechtsgeschäftliche Sukzession, S. 758 ff. 1636 Vgl. M. F. Schwab, in: Lutter, UmwG, § 133 Rn. 11. 1637 Vgl. zum Streitstand: M.F. Schwab, in: Lutter, UmwG, § 133 Rn. 21 ff.; Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl, UmwG, § 133 Rn. 2 ff.; Lieder, Die rechtsgeschäftliche Sukzession, S. 762 ff. 1638 Vgl. aber dazu, dass die Erfüllungspflicht bestehen bleibt: M. F. Schwab, in: Lutter, UmwG, § 133 Rn. 35 ff. (unter anderem, weil der Hauptschuldner einen Freistellungsanspruch gegen den Mithafter hat und deshalb auch bei ihm keine Unmöglichkeit i. S. d. § 275 BGB eintritt, Rn. 41). 1634
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Kap. 4: RSA im Konflikt zur Verfahrens- und Kompetenzordnung
würde.1639 Bei Handlungsverpflichtungen – hierzu gehören Stimmbindungen – haftet im Ergebnis aber auch der übernehmende Rechtsträger auf Erfüllung,1640 selbst wenn die Verpflichtungen aus dem RSA nicht übertragen wurden. Dies ergibt sich nicht zuletzt aus dem Normzweck des § 133 Abs. 1 UmwG, wonach dem Gläubiger ungeachtet der Spaltung Rechtsverluste erspart werden sollen.1641 Auch wenn eine gesamtschuldnerische Haftung angenommen wird, würden die Mithafter auf Erfüllung haften.1642 Sofern sich aus dem RSA allerdings noch keine konkreten Verpflichtungen ergeben, schützt § 133 Abs. 1 UmwG die Schuldnerin im Ergebnis nicht vor einem Gläubigerwechsel. Hier bleibt aber die Möglichkeit, den bisherigen Gläubiger auf Schadenersatz in Anspruch zu nehmen, wenn dort die Übertragung der Forderung im Wege des UmwG ausgeschlossen wurde. IV. Verbriefte Forderungen Verbriefte Forderungen können sowohl abgetreten (§§ 398, 413 BGB) als auch nach §§ 929 ff. BGB durch Einigung und Übergabe der Wertpapierurkunde oder eines Surrogats übertragen werden.1643 Hierunter fallen v. a. Anleihen.1644 Inhaberschuldverschreibungen sind nach §§ 929 ff. BGB trotz rechtsgeschäftlicher Verfügungsverbote übertragbar, § 137 BGB.1645 Schuldverschreibungen sind fungibel.1646 Hier bleiben der Schuldnerin nur Schadenersatzansprüche1647 gegenüber dem bisherigen Gläubiger, sofern im RSA vereinbart wurde, dass eine Übertragung unterbleibt. Schuldscheindarlehen sind keine Schuldverschreibungen i. S. d. § 793 BGB und auch keine sonstigen Wertpapiere.1648 Bei ihnen handelt es sich um Darlehen nach 1639 Für eine Durchbrechung des Akzessorietätsmodells, wenn der Mithafter leistungsfähig ist: Fischer, in: Böttcher/Habighorst/Schulte, UmwG, § 133 Rn. 35; Habersack, FS Bezzenberger, S. 93, 107 f.; i. E. auch Sickinger, in: Kallmeyer, UmwG, § 133 Rn. 4 (Freistellungsanspruch gegen denjenigen Rechtsträger, der erfüllen kann). 1640 Zur Haftung auf Erfüllung: M. F. Schwab, in: Lutter, UmwG, § 133 Rn. 38; Einzelheiten und dogmatische Herleitung bzgl. des Gesamtschuldmodells und des Akzessorietätsmodells sind streitig, vgl. dazu Rn. 31 ff.; notfalls könnte man auf das Missbrauchsverbot abstellen, Rn. 34, 35. 1641 M. F. Schwab, in: Lutter, UmwG, § 133 Rn. 40. 1642 Hörtnagl, in: Schmitt/Hörtnagl, UmwG, § 133 Rn. 9. 1643 Palenker, Loan-to-own, S. 217; BeckOGK-BGB/Vogel, § 793 Rn. 150 ff., 155; MüKoBGB/Habersack, § 793 Rn. 35 ff. 1644 MüKoBGB/Habersack, § 793 Rn. 10; MüKoHGB/Singhof, Band 6, Teil 2, L (Emissionsgeschäft), Rn. 125. 1645 Staudinger/Rieble, § 137 Rn. 23. 1646 Palenker, Loan-to-own, S. 311. 1647 Vgl. Palenker, Loan-to-own, S. 334. 1648 Warneke/Becker, ZIP 2018, 1332, 1333 (ein Schuldschein stellt lediglich eine Beweisurkunde i. S. d. § 371 BGB für den Darlehensgeber dar.).
§ 2 RSA als Mittel gegen den Forderungshandel
225
§ 488 BGB1649. Die Forderungen werden nach §§ 398 ff. BGB abgetreten.1650 Für sie kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. V. Zwischenergebnis Abtretungsverbote sowie schuldrechtliche Übertragungsbeschränkungen im RSA stellen wirksame Mittel gegen den Forderungshandel in der Krise eines Unternehmens dar und helfen, das Verhandlungsumfeld zu stabilisieren. Bei einer Übertragung von Forderungen im Rahmen des UmwG schützt die spaltungsrechtliche Transferhaftung. Außerdem kann auch hier schuldrechtlich vereinbart werden, dass diese Form der Transaktion unterbleiben soll.
B. Schuldrechtliche Vinkulierung von Aktien Im ersten Unterabschnitt wurde geprüft, ob sich die Schuldnerin mittels RSA vor einer Übertragung von Forderungen durch die Gläubiger schützen kann. Es drängt sich die Parallelfrage auf, ob sie sich auch gegenüber den Anteilsinhabern absichern kann. Die Frage ist umstritten. In Streit steht, ob schuldrechtliche Übertragungsbeschränkungen neben der möglichen – dinglich wirkenden1651 – Vinkulierung i. S. d. § 68 Abs. 2 AktG zulässig sind. Eine Ansicht lehnt dies ab.1652 Erstes Argument ist, dass schuldrechtliche Vinkulierungsvereinbarungen die zwingend gegeneinander abgegrenzten Organkompetenzen von Vorstand und Hauptversammlung unterlaufen würden.1653 Die Einflussnahmemöglichkeiten der Organe einer AG seien im Gesetz abschließend geregelt und dürften nicht durch schuldrechtliche Vereinbarungen faktisch außer Kraft gesetzt werden.1654 Durch schuldrechtliche Vinkulierungsvereinbarungen würde die Unternehmensverwaltung einen Zuwachs an Befugnissen erhalten.1655 Im Ergebnis könne der Vorstand hierdurch auch Einfluss auf die Zusammensetzung der Mitgliederstruktur und damit mittelbar auf die Willensbildung der Hauptversammlung
1649
Warneke/Becker, ZIP 2018, 1332, 1333. Warneke/Becker, ZIP 2018, 1332, 1334. 1651 Vgl. zur unterschiedlichen Wirkweise: Immenga, AG 1992, 79, 80; Überblick bei Herrmann, Zivilrechtliche Abwehrmaßnahmen, S. 59 ff. 1652 Otto, AG 1991, 369 ff.; Immenga, AG 1992, 79 ff.; Steinert, Investorenvereinbarung, S. 110 f.; Wagner, Standstill Agreements, S. 196 f.; BeckOGK-AktG/Cahn/v. Spannenberg, § 54 Rn. 32. 1653 Otto, AG 1991, 369, 373 f. 1654 Otto, AG 1991, 369, 374. 1655 Otto, AG 1991, 369, 373 f.; Immenga, AG 1992, 79, 81. 1650
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Kap. 4: RSA im Konflikt zur Verfahrens- und Kompetenzordnung
nehmen.1656 Die rechtliche Kompetenzzuweisung werde durch derartige Verträge durchbrochen.1657 Als zweites Argument wird vorgebracht, dass das Gesetz eine „Vinkulierung“ von Aktien nur unter den Voraussetzungen der §§ 68 Abs. 2, 180 Abs. 2 AktG zulasse.1658 Fehle eine Satzungsbestimmung zur Vinkulierung von Aktien, könne schuldrechtlich keine vergleichbare Wirkung hergestellt werden, weil ansonsten die im Aktiengesetz aufgestellten Vinkulierungserfordernisse umgangen würden.1659 Nur unter den hier aufgestellten Voraussetzungen dürfe der Vorstand die Möglichkeit erhalten, auf den Kreis zukünftiger Inhaber mitgliedschaftlicher Herrschaftsrechte einzuwirken.1660 Drittens seien schuldrechtliche Übertragungsbeschränkungen mit einem Aktionär nicht von den dem Vorstand vom Aktienrecht zugewiesenen Kompetenzen gedeckt.1661 Die Verträge seien unwirksam, weil dem Vorstand hierfür die Geschäftsführungsbefugnis fehlen würde.1662 Die fehlende Geschäftsführungsbefugnis habe Auswirkungen auf die Vertretungsmacht.1663 Zuständig sei die Hauptversammlung, was sich auch aus § 68 Abs. 2 AktG ergebe.1664 Viertens würde mit solchen Verträgen die Neutralitätspflicht des Vorstands verletzt, wonach dieser auf die Zusammensetzung des Kreises der Aktionäre keinen Einfluss nehmen dürfe.1665 Auch ein unternehmerischer Zweck könne einen Einfluss auf die Aktionärsstruktur nicht rechtfertigen.1666 Schließlich wird auf § 136 Abs. 2 AktG verwiesen und hieraus werden allgemeine Schlussfolgerungen gezogen.1667 Die überzeugende herrschende Ansicht vertritt, dass ein Aktionär auch schuldrechtlich mit der Gesellschaft vereinbaren kann, seine Anteile nicht zu übertragen.1668 Zum einen wird auf die Privatautonomie verwiesen.1669 Die Zulässigkeit 1656 Otto, AG 1991, 369, 374; BeckOGK-AktG/Cahn/v. Spannenberg, § 54 Rn. 32; kritisch dazu auch: Immenga, AG 1992, 79, 82 f. 1657 Immenga, AG 1992, 79, 81. 1658 Otto, AG 1991, 369, 374 f., zustimmend: Immenga, AG 1992, 79, 82; BeckOGK-AktG/ Cahn/v. Spannenberg, § 54 Rn. 32. 1659 Otto, AG 1991, 369, 375. 1660 Otto, AG 1991, 369, 375. 1661 Immenga, AG 1992, 79, 81. 1662 Immenga, AG 1992, 79, 81; kritisch dazu: Noack, NZG 2013, 281, 284. 1663 Immenga, AG 1992, 79, 83. 1664 Immenga, AG 1992, 79, 81. 1665 Immenga, AG 1992, 79, 81. 1666 Immenga, AG 1992, 79, 82. 1667 Immenga, AG 1992, 79, 81. 1668 BayObLG, Beschl. v. 24. 11. 1988 – BReg 3 Z 111/88, NJW-RR 1989, 687, 689 (jurisRn. 49); MüKoAktG/Bayer, § 68 Rn. 41; GK-AktG/Merkt, § 68 Rn. 519, 522; Barthetmeß/ Braun, AG 2000, 172 ff.; Schanz, NZG 2000, 337, 341; MüKoAktG/Götze, § 54 Rn. 34; Kiefner/Happ, ZIP 2015, 1811 ff.; Herrmann, Zivilrechtliche Abwehrmaßnahmen, S. 70 f. in
§ 3 RSA im Konflikt mit dem StaRUG-Verfahren
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solcher Verträge ergibt sich ferner auch aus § 137 Satz 2 BGB.1670 Aus § 136 Abs. 2 AktG, wonach die Stimmbindung zugunsten der Verwaltung unzulässig ist, kann kein Argument gegen die Zulässigkeit von Verträgen zwischen der AG und Aktionären hergeleitet werden, weil die Norm nur verhindern will, dass die Verwaltung die Diskrepanz zwischen Stimmrechtsausübung (zu ihren Gunsten) und Kapitaleinsatz (auf Risiko des Aktionärs) ausnutzt.1671 Hätte der Gesetzgeber auch schuldrechtliche Verpflichtungen in Bezug auf die Veräußerbarkeit von Aktien untersagen wollen, hätte er eine spezielle Norm dafür geschaffen, vergleichbar mit § 136 Abs. 2 AktG.1672 Aus § 136 Abs. 2 Satz 1 AktG, welcher nur eine bestimmte Form der Einflussnahme verbietet, kann abgeleitet werden, dass schuldrechtliche Vinkulierungen zulässig sind.1673 Der Gesetzgeber hat sich mit dem Problem „Einflussnahme auf die Hauptversammlung“ befasst und diese nicht generell verboten.1674 Die besseren Argumente sprechen daher im Ergebnis dafür, dass schuldrechtliche Vinkulierungsvereinbarungen zulässig sind.
C. Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis kann festgehalten werden, dass die Schuldnerin das Verhandlungsumfeld für eine Restrukturierung grundsätzlich mittels RSA absichern kann. Sie kann damit verhindern, dass die planbetroffenen Forderungen und Anteile ihren Inhaber nach langen Verhandlungen nochmals wechseln, ohne dass die neuen Parteien an das RSA gebunden wären. Ob die Schuldnerin hierfür ein Entgelt bezahlen darf (Stichwort: Gleichbehandlung, Sondervorteil), ist eine andere Frage, auf die in Kapitel 5 eingegangen wird.
§ 3 RSA im Konflikt mit dem StaRUG-Verfahren Bisher wurde herausgearbeitet, dass das Management mit den Schlüsselgläubigern in der Krise ein RSA zur Planung des anschließenden Restrukturierungsverfahrens abschließen darf und dass jenes gegen den Forderungshandel auch schützt. Fraglich ist aber, ob die verfahrensrechtlichen Anforderungen des StaRUG dem Bezug auf Erwerbsabreden auch: Noack, NZG 2013, 281, 283 f.; offengelassen: BGH, Urt. v. 22. 01. 2013 – II ZR 80/10, NZG 2013, 220, 222 (juris-Rn. 15). 1669 GK-AktG/Merkt, § 68 Rn. 522; Kiefner/Happ, ZIP 2015, 1811, 1816 („Es gilt mithin das Primat der Vertragsfreiheit.“). 1670 Kiefner/Happ, ZIP 2015, 1811, 1816. 1671 Noack, NZG 2013, 281, 284 (speziell zu Erwerbsabreden). 1672 Barthetmeß/Braun, AG 2000, 172, 174. 1673 Barthetmeß/Braun, AG 2000, 172, 176. 1674 Barthetmeß/Braun, AG 2000, 172, 176.
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Kap. 4: RSA im Konflikt zur Verfahrens- und Kompetenzordnung
Einsatz von RSA entgegenstehen können oder deren Einsatz zumindest erschweren. So wie Investorenvereinbarungen im Spannungsverhältnis zwischen Vertragsfreiheit und aktienrechtlicher Satzungsstrenge stehen,1675 können RSA im Spannungsfeld zwischen Vertragsfreiheit und den Vorgaben des StaRUG stehen, welches nach der Creditors‘-Bargain-Theorie sogar eine Art hypothetische Satzung zwischen den Gläubigern darstellt1676. Mit RSA könnten wichtige prozedurale Schutzvorkehrungen umgangen werden.1677 Im StaRUG kommen diesbezüglich verschiedene Gesichtspunkte in Betracht. Sie werden im Folgenden geprüft.
A. Bedeutung des Verfahrens und der Abstimmung über den Plan Zunächst ist – quasi als Fundament – auf die Bedeutung des Verfahrens für eine Restrukturierung einzugehen. In den USA argumentiert die Literatur in letzter Zeit verstärkt, dass nur in die Rechte der Planbetroffenen eingegriffen werden darf, wenn die prozeduralen Sicherungen des Chapter 11-Verfahrens beachtet wurden.1678 Hierzu zählen beispielsweise Gläubigerversammlungen, Anhörungen bei Gericht, ausreichende Bedenkzeiten durch angemessene Fristen, die Sicherung ausreichender Information, die Abstimmung der Gläubiger, die Möglichkeit, ein GläubigerCommittee zu initiieren oder einen Examiner zu bestellen,1679 und die Möglichkeit, an den Restrukturierungsverhandlungen teilzunehmen.1680 Zwischen dem Verfahren und Eingriffen in Gläubigerpositionen bestehe eine wichtige Verbindung (crucial link).1681 In der jüngsten Entscheidung des US Supreme Courts Czyzewski v. Jevic Holding Corporation1682 zur absoluten Vorrangregel hat das Gericht diesen Zusammenhang erneut betont.1683 Janger/Levitin interpretieren dies wie folgt:
1675
Schall, in: Kämmerer/Veil, S. 75 f. Vgl. dazu oben bei Fn. 708. 1677 Beispiel zur InsO: Umgehung des Erörterungstermins: Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 443 f. in Fn. 374. 1678 Janger/Levitin, 13 Brook. J. Corp. Fin. & Com. L. 169 ff. insbesondere 188 f. (2018); Janger/Levitin, Yale L. J. Forum, 335 ff. (2020); Ayotte/Ellias, 39 Yale Journal on Regulation, S. 1 ff. (2022); vgl. anhand eines Beispiels: LoPucki, Law-Econ Research Paper No. 21 – 12, S. 17 ff. (2022). 1679 Vgl. dazu, wie diese Mechanismen durch RSA umgangen werden können: LoPucki, Law-Econ Research Paper No. 21 – 12, S. 17 ff. (2022); zu den prozessualen Anforderungen auch: Langer/Levitin, Yale L. J. Forum, 335, 339 f. (2020). 1680 Baird, 36 Emory. Bankr. Dev. J. 699 ff., passim, (2020), vgl. zur Interpretation des Beitrags: Skeel, 36 Emory Bankr. Dev. J. 733 f. (2020) („The parties are expected to provide full disclosure, and to give robust participation rights to every affected party.“). 1681 Janger/Levitin, Yale L. J. Forum, 335, 340 (2020). 1682 Czyzewski v. Jevic Holding Corp. 137 S. Ct. 973 ff. (2017). 1683 Janger/Levitin, 13 Brook. J. Corp. Fin. & Com. L. 169, 188 (2018). 1676
§ 3 RSA im Konflikt mit dem StaRUG-Verfahren
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„[N]o party may use procedural end-runs to leverage the common good of value maximization into an individual benefit from reordered priority.“1684
Lipson erklärt: „[Jevic] reflects a Court concerned about process values (…): stakeholder participation, outcome predictability, and procedural integrity“.1685
In Deutschland hat K. Schmidt in seinem Gutachten zum 54. Deutschen Juristentag die Bedeutung des Verfahrens für die Legitimation einer Restrukturierung ebenfalls hervorgehoben:1686 Die mit einem Restrukturierungsplan verbundene Breitenwirkung gegenüber zahlreichen Gläubigern verlange nach Legitimationsgrundlagen.1687 Legitimationsgrundlagen seien im Grundsatz das Vertragsprinzip, das Mehrheitsprinzip, eine gesetzliche Ermächtigung oder ein ordnungsgemäßes Verfahren.1688 Zu ergänzen ist die wirtschaftliche Legitimation (keiner darf schlechter stehen als im nächstbesten Alternativszenario).1689 K. Schmidt sieht im Verfahren eine besondere Bedeutung: Die Legitimation durch Verfahren zwinge dazu, sich mit Akribie der Erörterungs- und Abstimmungsprozedur zuzuwenden.1690 Balz betont den Aspekt des Verfahrens ebenfalls, wenn er erklärt, dass ein Plan durch privatautonome Verhandlungen und Austauschvorgänge legitimiert werde.1691 Smid argumentiert, dass die Einhaltung der verfahrensrechtlichen Formen notwendig sei, wenn ein Richter sich im Rahmen des gruppenübergreifenden Cramdowns über Gläubigervoten hinwegsetze.1692 Ganter sieht es skeptisch, dass im vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahren das Verfahren und die Verhandlungen nicht mehr vollständig vom Gericht begleitet werden.1693 1684
Janger/Levitin, 13 Brook. J. Corp. Fin. & Com. L. 169, 188 (2018). Lipson, 93 Wash. L. Rev. 631 (2018). 1686 K. Schmidt, Gutachten zum 54. DJT, S. 77 f. 1687 K. Schmidt, Gutachten zum 54. DJT, S. 77. 1688 K. Schmidt, Gutachten zum 54. DJT, S. 77. 1689 Vgl. Balz, in: Kölner Schrift zur InsO, S. 3, 14 f.; Balz, ZIP 1988, 277 f.; Balz/Landfermann, Die neuen Insolvenzgesetze, Einleitung, XLV; kritisch zu einer ausschließlichen wirtschaftlichen Legitimation: Stürner, Insolvenzrecht im Umbruch, S. 41, 46 („Es gibt außer der Wertrealisierung andere achtenswerte Motive der Rechtswahrnehmung. […] Wer bei Gericht jemals mit Bewertungen zu tun hatte, weiß, welche Sachverständigenschlachten hier zu schlagen sind und welches Labyrinth von Bewertungstheorien droht. Hier wird eine Größe für objektivierbar verkauft, die es in Wirklichkeit nicht ist.“). 1690 K. Schmidt, Gutachten zum 54. DJT, S. 85, wobei hier ein Auftrag an den Gesetzgeber formuliert wird. 1691 Balz, ZIP 1988, 273, 278 (zur InsO). 1692 Smid, InVo 2000, 1, 2 ff. (zur InsO). 1693 Ganter, FS Wimmer, S. 187, 214 ff., insb. 216 [„Es dürfte jedoch etwas anderes sein, ob ein Gericht (oder eine Behörde) die Errichtung eines solchen Plans von Anfang an begleitet (vgl. § 218 InsO) oder ob es erst ins Spiel kommt, um den bereits ohne seine Einflussnahme, ja sogar ohne seine Kenntnis, beschlossenen Plan ,abzunicken‘.“]; Ganter, FS Smid, S. 717, 733, 736; sehr viel offener demgegenüber: Madaus, Der Insolvenzplan, S. 300 f., 362 ff., 424 f., 557 ff. m. w. N. 1685
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Kap. 4: RSA im Konflikt zur Verfahrens- und Kompetenzordnung
Zur Frage, welche Bedeutung das Verfahren für eine Restrukturierung hat, lohnt sich auch ein Blick auf den Streit zur Rechtsnatur des Insolvenzplans. Als Leipold seine Verfahrenstheorie entwickelte, betonte er: „Das Verfahren über den Insolvenzplan hat die Aufgabe, im Zusammenwirken der privatrechtlich Beteiligten und des Gerichts als Träger hoheitlicher Gewalt für ein interessengerechtes Ergebnis zu sorgen. Die schließlich erreichte Verbindlichkeit auch gegenüber nicht zustimmenden Gläubigern und dem nicht zustimmenden Schuldner findet ihre sachliche Grundlage in diesem Verfahren und in den Interaktionen der Beteiligten, einschließlich der Abstimmung der Gläubiger.“1694
Madaus vertritt demgegenüber, dass es sich bei einem Insolvenzplan um einen privatrechtlichen Vertrag handele.1695 Er dürfte die Entwicklung des StaRUG hin zum Modell eines Bestätigungsverfahrens1696 bzw. zum Vertragshilfemodell1697 begrüßen. Auch in diesem Modell spielt das Verfahren allerdings eine bedeutende Rolle. Dies wird deutlich, wenn Madaus die Vertragsprozedur und den Verhandlungsmechanismus als Rechtfertigung für sein Modell betont, aus welcher eine Richtigkeitsgewähr für den Restrukturierungsplan folgt.1698 Dabei werden insbesondere der Verhandlungsprozess, die Einbeziehung der Planbetroffenen, die Nutzbarmachung ihrer Weisheit (Weisheit der vielen) und der Kontrahierungszwang als Disziplinierungsmittel betont.1699 Schon Canaris hat im Übrigen festgestellt, dass der Gedanke einer Richtigkeitsgewähr durch den Vertragsmechanismus aufgrund des Aushandelns „prozeduraler Natur“ sei.1700 In der Literatur wurde dem Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen nach dem StaRUG schließlich – quasi als Mittelweg – eine hybride Rechtsnatur zugesprochen, welche sowohl vertraglich gefärbt als auch verfahrensrechtlich geprägt sei.1701 Insofern als beide Theorien im Ergebnis einen prozeduralen Kern beinhalten, erscheint es umso wichtiger, dass die im StaRUG normierten und ggf. auch die ungeschriebenen prozeduralen Anforderungen eingehalten und deren Bedeutung gewürdigt werden. Die Bedeutung des Verfahrens scheint bei dem global zu beobachtenden Trend hin zum Einsatz von RSA und zu Pre-Pack-Verfahren tendenziell in den Hintergrund 1694
Leipold, KTS 2006, 109, 125. Madaus, Der Insolvenzplan, passim. 1696 Madaus, Der Insolvenzplan, passim, insb. S. 300 f, 362 ff., 424 f., 557 ff. m. w. N. 1697 Dazu Madaus, DB 2019, 592, 594 f.; vgl. Skauradszun, KTS 2021, 1, 30 („Es ist maßgeblich auf Madaus zurückzuführen, Restrukturierungspläne als Verträge und die einzelnen Hilfsmittel der präventiven Restrukturierung als Vertragshilfen zu interpretieren.“); vgl. zum gewandelten Verständnis der „Vertragshilfe“ oben bei Fn. 815 f. 1698 Madaus, Der Insolvenzplan, 502 ff., insb. 524 f., 528 f.; vgl. auch Madaus, DB 2019, 592, 594 (1. Phase). 1699 Madaus, Der Insolvenzplan, S. 512 ff. 1700 Canaris, Iustitia Distributiva, S. 72 [51]. 1701 Skauradszun, KTS 2021, 1, 30 ff. mit Ergebnis auf S. 36. 1695
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zu geraten.1702 Münch kritisiert bloße „Bestätigungsinsolvenzen“, weil bei diesen Transparenz für die Beteiligten, eine offene Bewertung der Planideen, Gehörsgewähr und der Wettbewerb von Alternativen vernachlässigt würden.1703 Es stellt sich die Frage, ob solche Restrukturierungen zu schnell und zu still erfolgen. Die ersten StaRUG-Entscheidungen scheinen die Bedeutung des Verfahrens nicht voll zu würdigen: Nach dem AG Köln sei es nicht zu beanstanden, wenn einzelne Planbetroffene im Vorfeld des StaRUG vom Informationsfluss abgeschnitten werden.1704 Nach dem AG Hamburg sei die Durchführung von Verhandlungen keine immanente Voraussetzung für die Inanspruchnahme des StaRUG.1705 Neben der Verhandlung stellt die Abstimmung über den Plan selbst ein weiteres prozedurales Element einer Restrukturierung mittels StaRUG dar. Mit der Abstimmung soll auch die Frage beantwortet werden, ob der vorgeschlagene Restrukturierungsplan marktkonform ist.1706 Die prozeduralen Anforderungen im StaRUG an einen Restrukturierungsplan und die Abstimmung der Planbetroffenen über den Plan sind also von großer Bedeutung, weil sie den Plan und den Eingriff in die Rechtspositionen der planbetroffenen Parteien legitimieren. Sowohl die notwendigen Mehrheiten als auch die prozeduralen Anforderungen können dem Einsatz und der Brauchbarkeit von RSA entgegenstehen. Dies gilt es im Folgenden zu prüfen.
B. Mehrheitserfordernis im StaRUG-Verfahren als Hürde? Die wichtigste prozessuale Hürde im StaRUG bildet die Abstimmung durch die Planbetroffenen. Ob ein RSA ein taugliches Mittel darstellt, um die Annahme des Restrukturierungsplans zu organisieren, hängt wesentlich von den notwendigen Mehrheiten für einen Restrukturierungsplan ab. Je mehr (übergangene) Gläubiger dem Plan zustimmen müssen, desto schwieriger dürfte es sein, ihn nur mit den Schlüsselgläubigern im kleinen Kreis vorab vertraglich im RSA zu fixieren. Das Mehrheitserfordernis stellt also eine mittelbare Grenze für den Einsatz eines RSA dar. Im Insolvenzplanverfahren ist schon im Berichtstermin der Gläubigerversammlung ein hohes Mehrheitsquorum normiert, weil die Gläubiger hier zunächst mit über 50 Prozent der Forderungssummen für die Fortführung des Unternehmens stimmen müssen (§§ 76 Abs. 2, 157 InsO). Wenn die absonderungsberechtigten Gläubiger hier einseitig ihre Interessen durchsetzen, kann der Beschluss nach § 78 Abs. 1 InsO 1702 Vgl. Janger/Levitin, Yale L. J. 355 ff. (2020); Janger/Levitin, 13 Brook. J. Corp. Fin & Com. L. 169 ff., insbesondere S. 174 ff. (2018); Beispiel bei LoPucki, Law-Econ Research Paper No. 21 – 12, S. 17 ff. (2022). 1703 Jaeger-InsO/Münch, Vor § 217 Rn. 15. 1704 AG Köln, Beschl. v. 3. 3. 2021 – 83 REs 1/21, ZIP 2021, 806, 809. 1705 AG Hamburg, Beschl. v. 12. 4. 2021 – 61a REs 1/21, ZIP 2021, 1354 f. (juris-Rn. 20); vgl. zu diesem Problem ausführlich: Frind, ZInsO 2021, 1093 ff. 1706 Skauradszun, KTS 2021, 1, 56 f.
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sogar aufgehoben werden. Dieses Erfordernis erschwert den erfolgreichen Einsatz von RSA und minimiert die Planbarkeit einer Restrukturierung.1707 In vielen Fällen werde in der Krise des Unternehmens zwar der Versuch unternommen, durch Verhandlungen mit den Schlüsselgläubigern ein Sanierungskonzept auf den Weg zu bringen, seine Durchsetzbarkeit im Insolvenzverfahren scheitere allerdings häufig an der Kontrolle der Gläubigerversammlung1708 [dazu unter I.]. Die Durchsetzbarkeit des Deals kann auch daran scheitern, dass das Gericht einen maßgeblich von den Schlüsselgläubigern beeinflussten Beschluss der Gläubigerversammlung, das Unternehmen – im Sinne der Schlüsselgläubiger – fortzuführen, nach § 78 InsO aufhebt. Im Chapter 11-Verfahren ist die Schwelle des Mehrheitsquorums hingegen geringer angesetzt. Deshalb können RSA dort helfen, die Restrukturierung zu planen. Dies wurde insbesondere im eingangs dargestellten Fall In re Innkeepers USA Trust deutlich, in welchem das RSA nur mit einem Großgläubiger geschlossen wurde [dazu unter II.]. Das StaRUG-Verfahren wendet sich vom System der InsO ab und nähert sich dem System des Chapter 11-Verfahrens an. Deshalb dürften RSA auch im StaRUG-Verfahren ein taugliches Mittel sein, die notwendigen Mehrheiten zu beschaffen [dazu unter III.]. I. Das Abstimmungskonzept der InsO 1. Doppelte Abstimmung und Gläubigerautonomie Nach dem Konzept der Insolvenzordnung müssen die Gläubiger im Insolvenzplanverfahren zweimal abstimmen:1709 Die erste Abstimmung der Gläubiger erfolgt im Insolvenzverfahren im Berichtstermin (§ 157 InsO). Hier wird entschieden, ob das Unternehmen liquidiert, im Wege der übertragenden Sanierung veräußert oder fortgeführt wird. In dieser Entscheidung kommt der Grundsatz der (kollektiven1710) Gläubigerautonomie zum Ausdruck.1711 Herrin des Insolvenzverfahrens ist die Gläubigerversammlung,1712 nicht das Ad Hoc Committee der (gesicherten) Schlüsselgläubiger.1713 Die zweite Abstimmung – die Abstimmung über den Plan – erfolgt später in Gruppen. Ob die (negative) Entscheidung der Gläubigerversammlung im Berichtstermin (erste Abstimmung) für das Insolvenzplanverfahren das Ende der Restrukturierung 1707
Vgl. Madaus, Insolvenzplan, S. 559 f. Vgl. Madaus, S. 559 ff. 1709 Dies wird von Hänel, Gläubigerautonomie, 136 ff., insb. S. 139 herausgearbeitet. 1710 Ausführlich: Hänel, Gläubigerautonomie, S. 35 ff., 119 ff., insbesondere 136 ff. 1711 RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 173. 1712 Klöhn/Franke, ZEuP 2022, 44, 53. 1713 Beschlüsse der Gläubigerversammlung, in denen sich die absonderungsberechtigten Gläubiger gegen die Insolvenzgläubiger durchgesetzt haben, können auf Antrag sogar nach § 78 InsO wieder aufgehoben werden, wenn sie dem gemeinsamen Interesse der Insolvenzgläubiger widersprechen, MüKoInsO/Ehricke/Ahrens, § 78 Rn. 18. 1708
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darstellt, wird in der Literatur offenbar unterschiedlich gewertet. Teilweise scheint die Literatur davon auszugehen, dass ein Beschluss der Gläubigerversammlung im Berichtstermin, der auf Liquidation des Unternehmens gerichtet ist, die grundsätzliche rechtliche und faktische Möglichkeit, weiterhin über einen Insolvenzplan abzustimmen, nicht aufhebt. Die Meinungen der Gläubiger könnten sich während des Planverfahrens immer noch ändern.1714 Um den Plan durchzusetzen, müsste der Planersteller die Gläubigergruppen für die zweite Abstimmung dann aber geschickt zusammenstellen.1715 Er kann so in die Gläubigerautonomie eingreifen.1716 Die konstruierte Mehrheit der Gläubigergruppen kann bei der zweiten Abstimmung nun für den Plan stimmen, obwohl die Summenmehrheit in der Gläubigerversammlung offenbar nicht von der Restrukturierung überzeugt war.1717 Für diese Ansicht spricht, dass ursprünglich sogar nur eine Gruppe dem Plan zustimmen sollte und dass weitergehende Mehrheitsanforderungen (insbesondere das Kriterium der Gruppenmehrheit in § 245 Abs. 1 Nr. 3 InsO) kritisiert wurden, weil sie pareto-optimale Entscheidungen verhindern würden.1718 1714
Rn. 22. 1715
Nerlich/Römermann/Ober, 43. EL Mai 2021, § 231 Rn. 15; MüKoInsO/Breuer, § 231
Gegen die Möglichkeit einer „abusiven Gruppenbildung“ will Smid eine ungeschriebene Voraussetzung für einen gruppenübergreifenden Cramdown etablieren, wonach mindestens eine Summenmehrheit i. S. d. § 76 Abs. 2 InsO für den Plan gestimmt haben muss: Smid, InVo 2000, 1, 3 f.; Smid, in: FS Pawlowski, S. 387, 425; außerdem wird eine strenge Kontrolle der Gruppenbildung unter Missbrauchsgesichtspunkten vorgeschlagen: Smid, InVo 1997, 169, 175 ff.; weniger kritisch dürfte man der Mehrheitsbeschaffung durch Gruppenbildung gegenüberstehen, wenn man argumentiert, dass auch eine Minderheit wirtschaftlich optimale Lösungen gegenüber einer trägen Mehrheit durchsetzen können soll (vgl. dazu die Nachweise oben bei Fn. 811 und unten bei Fn. 2518 ff.; vgl. auch Hingerl, ZInsO 2007, 1337, 1339 f.; Nerlich/Römermann/Braun, 37. EL Oktober 2018, § 222 Rn. 53 ff.), wenn man das Obstruktionsverbot und die Gruppenbildung als ein Verhandlungsmittel der Schuldnerin ansieht (vgl. dazu bei Fn. 1749), wenn man die Gruppenbildung und das Obstruktionsverbot als ein Mittel ansieht, die notwendigen Mehrheiten zu sichern (diese aufwerfend: Jaeger-InsO/ Münch, § 222 Rn. 122), wenn man den wirtschaftlichen Schutz durch die Vorrangregel und das Schlechterstellungsverbot als ausreichend ansieht (vgl. dazu bei Fn. 1740; 1749; Nerlich/ Römermann/Braun, 37. EL Oktober 2018, § 222 Rn. 53 f.; Hingerl, ZInsO 2007, 1337, 1340; Bierbach, in: Kübler, HRI, § 28 Rn. 83), und wenn man darin insgesamt eine Begrenzung der Gläubigerautonomie „im positiven Sinne“ sieht (Kersting, Gläubiger im Insolvenzplanverfahren, S. 187). 1716 Smid, InVo 1997, 169 f. 1717 Diese zweite Abstimmung offenbar für möglich haltend, weil es nur dann auf die Mehrheitsbeschaffung durch Gruppenbildung ankommt: Smid, InVo 1997, 169 ff.; Smid, FS Pawlowski, S. 378, 421 ff.; Groh, Stimmvereinbarungen, S. 39; Schulz, Treuepflichten, S. 174 (Rn. 547); Rüve, Mehrheitsbeschaffung, S. 16 und passim; Herweg, Obstruktionsverbot, S. 88 f. (Rn. 195 ff.). 1718 Kritisch zum Erfordernis der Gruppenmehrheit, weil dieses Erfordernis pareto-optimale Entscheidungen verhindern könne: Herweg, Obstruktionsverbot, S. 86 f. (Rn. 192 ff.); Balz/Landfermann, Die neuen Insolvenzgesetze, Einleitung, XLV; Balz, Kölner Schrift zur InsO, S. 3, 14 f.; („schwerwiegender Eingriff in die wirtschaftliche Logik des Instituts Insolvenzplan“); vgl. aber zur geringen Bedeutung: S. 15 („Das Mehrheitserfordernis ist ohnedies deswegen weitgehend sinnentleert, weil die Flexibilität der Gruppenbildung die Konstruktion
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Andere Stimmen in der Literatur betonen hingegen die Macht der Gläubigerversammlung. Zeichne sich schon bei den Verhandlungen über den Insolvenzplan ab, dass dieser nicht dem Willen der (Summen-)Mehrheit der Gläubiger entspricht, könne die Gläubigerversammlung im Berichtstermin oder später bestimmen, dass das Unternehmen der Schuldnerin liquidiert werden soll.1719 Die Gläubigerversammlung würde „die Zügel der Verfahrensrichtung in den Händen“ halten.1720 Ein Plan, welcher der Gläubigerversammlung nicht gefällt, könne von dieser durch Anordnung der Liquidation „im Keim erstickt“ werden.1721 Dies solle auch bei einem von der Schuldnerin vorgelegten Plan gelten: „Die Gläubigerversammlung kann einen schuldnerischen Plan jederzeit zu Fall bringen, wenn sie beschließt, das Unternehmen zu zerschlagen“.1722 Entscheide sich die Gläubigerversammlung im Berichtstermin gegen ein Planverfahren, seien „sämtliche Manipulationsmöglichkeiten im Rahmen der Gruppenbildung zur Herstellung einer planannehmenden Mehrheit obsolet.“1723 In der Literatur wird betont, dass der Einfluss der Gläubigerversammlung ein wesentlicher Grund sei, warum im deutschen Insolvenzplanverfahren – anders als im Chapter 11-Verfahren – eine Restrukturierung eines Single Asset Real Estate Case nicht gegen die Interessen des dinglich gesicherten Hauptgläubigers (z. B. der Hausbank) durchgesetzt werden könne.1724 Aufgrund der Abstimmung der Gläubigerversammlung im Berichtstermin ist es nach Ansicht der Literatur schwierig, ein außergerichtlich erzieltes Verhandlungskonzept in das Insolvenzplanverfahren rechtssicher hineinzutragen.1725 Eine Gruppe weniger, aber forderungsstarker Gläubiger oder sogar ein einzelner Gläubiger könnten hier ein vorverhandeltes Sanierungskonzept vereiteln.1726 Diese könnten hierzu in der Gläubigerversammlung mit Summenmehrheit für eine andere Form der Verwertung stimmen, z. B. die Liquidation oder die übertragende Sanierung (§ 76 Abs. 2 InsO, 157 InsO).1727 Alleine die Vorlage eines Insolvenzplans könne dieses Vorgehen nicht verhindern.1728
einer Gruppenmehrheit erlaubt.“); Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 611; die Gruppenmehrheit verteidigend: Jaeger-InsO/Kern, § 245 Rn. 50 (es fördere die Akzeptanz des Plans; Kooperationsbereitschaft möglichst vieler Beteiligter). 1719 FK-InsO/Jaffé § 218 Rn. 8, 30 f.; generell: Palenker, Loan-to-own, S. 288, 379. 1720 Palenker, Loan-to-own, S. 379. 1721 Palenker, Loan-to-own, S. 288. 1722 FK-InsO/Jaffé, § 218 Rn. 8. 1723 Hänel, Gläubigerautonomie, S. 140. 1724 Barre, Single Asset Real Estate Case, S. 93 ff. mit Ergebnis auf S. 95. 1725 Vgl. Madaus, Insolvenzplan, S. 560; Curtze, Insolvenzplanverfahren, S. 12. 1726 Madaus, Insolvenzplan, S. 560. 1727 Madaus, Insolvenzplan, S. 560. 1728 Madaus, Insolvenzplan, S. 560.
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2. Folgen für RSA Wird letztere Ansicht zugrunde gelegt, ist nach der Insolvenzordnung die wesentliche Schwelle zum Erfolg der Restrukturierung das Votum der Gläubigerversammlung im Berichtstermin. Für diese Ansicht spricht schon, dass es rein faktisch nur schwer vorstellbar erscheint, dass sich der Planersteller dem Votum der Mehrheit in der Gläubigerversammlung widersetzt. Selbst wenn es im Hinblick auf § 233 InsO theoretisch möglich ist, sich über das Votum der Mehrheit der Gläubigerversammlung hinwegzusetzen, muss das Gericht hierzu bereit sein. Dieses dürfte allerdings zögern, der Mehrheitsentscheidung der Gläubiger im Berichtstermin zu widersprechen. Soll die Restrukturierung mittels RSA sicher geplant werden, müsste daher nach der Insolvenzordnung mindestens eine Forderungsmehrheit i. H. v. 50 Prozent vorab gebunden werden. Ansonsten besteht die Gefahr, dass eine von der Schuldnerin geplante Sanierung an der kollektiven Gläubigerautonomie scheitert und nicht erfolgreich durchgeführt werden kann. Die vorstehenden Erwägungen zeigen, dass nach der InsO die Gläubigerautonomie, verstanden als Kollektivautonomie der Gläubigerversammlung, die entscheidende Rolle für den Erfolg einer Sanierung spielt.1729 Deshalb ist das (Missbrauchs-)Potential, Mehrheiten für einen Insolvenzplan durch strategische Gruppenbildung zu schaffen, eher gering.1730 Ein missbräuchlicher Einsatz eines RSA, welches mit nur wenigen Gläubigern verhandelt worden ist und den übrigen Gläubigern aufgezwängt werden soll, wäre nicht möglich. II. Das Alternativ-Konzept des Chapter 11-Verfahrens Das Chapter 11-Verfahren folgt einem anderen Abstimmungskonzept als die InsO. Dies dürfte auch ein Grund dafür sein, dass das Verfahren für RSA zugänglicher erscheint als z. B. das Insolvenzplanverfahren. Im Chapter 11-Verfahren gibt es gerade keine frühzeitige Entscheidung der Gläubigergesamtheit über den Fortgang des Verfahrens. Dort gibt es nur eine Abstimmung in Gruppen über den Plan.1731 Im Chapter 11-Verfahren gilt ein sehr niedriges „Mehrheitserfordernis“ zur Bestätigung eines Restrukturierungsplans. Nach 11 U.S.C. § 1129 (a) (10) darf ein Plan schon dann bestätigt werden, wenn ihm nur eine beeinträchtigte Klasse mehrheitlich zugestimmt hat. Die Zustimmung von „Insidern“ wird hierbei aber nicht berücksichtigt. Die Stimmen der Anteilsinhaber spielen deshalb keine Rolle, wenn geprüft wird, ob eine Klasse dem Plan zugestimmt hat. Dieses Mehrheitserfordernis kann 1729 Hänel, Gläubigerautonomie, S. 136 f. („Eine Gläubigerminderheit kann sich daher nach dem geltenden Recht auch über Umwege nicht mehr mit einem Plan durchsetzen, den die Mehrheit nicht will.“). 1730 Hänel, Gläubigerautonomie, S. 139 f. mit Kritik in Fn. 368 an Smid, FS Pawlowski, S. 378, 435 ff. und Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 620 ff. 1731 Ausführlich zu den Voting Rules im Chapter 11-Verfahren: Skeel, 78 Va. L. Rev. 461 ff. (1992).
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einfach erfüllt werden, weil das Management die Gruppen selbst bilden kann, 11 U.S.C. § 1122. Forderungen, die durch unterschiedliche Sicherungsrechte gesichert sind, müssen regelmäßig verschiedenen Klassen zugeteilt werden.1732 Wie aus den folgenden drei Beispielen ersichtlich, ist es daher für den Planersteller häufig leicht, eine zustimmende Klasse zu finden. Zunächst sei nochmals der oben genannte Beispielsfall In re Innkeepers USA Trust1733 genannt. Wie beschrieben, hatte die Schuldnerin in jenem Fall bei neun gesicherten Gläubigerbanken mit nur einer Bank (Lehman-Bank) ein RSA geschlossen. Der Deal sah vor, dass die Lehman-Bank die Schuldnerin mittels Debt-toEquity-Swap übernimmt und die anderen acht Banken neue gesicherte Forderungen erhalten sollten. Die Forderung der Lehman-Bank war mit 238 Mio. US-Dollar aber viel geringer als die Forderungen der acht übrigen Banken i. H. v. 1,2 Mrd. USDollar. Nach der InsO wäre die Strategie der Lehman-Bank und der Schuldnerin spätestens im Berichtstermin gescheitert. Als Beispiel für eine strategische Mehrheitsbeschaffung bietet sich ein im Jahr 2013 entschiedener Fall an.1734 Die Schuldnerin war Eigentümerin eines kommerziell genutzten Gebäudes. Die Western Real Estate Equities (Western) erwarb eine durch das Gebäudegrundstück gesicherte Forderung gegen die Schuldnerin in Höhe von 32 Mio. US-Dollar. Nachdem die Schuldnerin in Verzug geraten war, versuchte Western in die Sicherheit (Wert ca. 34 Mio.) zu vollstrecken. Die Schuldnerin startete einen Tag vor der Zwangsversteigerung ein Chapter 11-Verfahren. In ihrem vorgelegten Restrukturierungsplan sollten die gesicherten Forderungen über fünf Jahre gestundet werden. Es wurde eine Verzinsung i. H. v. 6,4 Prozent gewährt. Western stimmte in der Gruppe der gesicherten Gläubiger gegen den Plan. Damit der Plan bestätigt werden konnte, wurden Forderungen von Kleingläubigern von insgesamt 58.000 US-Dollar in einer weiteren Gruppe zusammengefasst. Die Forderungen sollten erst drei Monate nach Bestätigung des Plans bezahlt werden und unverzinst bleiben. Damit waren die Kleingläubiger „beeinträchtigte“ Gläubiger. Sie stimmten einstimmig für den Plan. Das Vorgehen wurde vom 5th Circuit Court of Appeals bestätigt.1735 Nach der InsO wäre auch diese Strategie an der Entscheidung der Gläubigerversammlung im Berichtstermin gescheitert. Im letzten Beispiel1736 zur strategischen Mehrheitsbeschaffung gab es zwei Klassen. Einer Gruppe wurde ein Gesellschafterdarlehen i. H. v. 2,8 Mio. US-Dollar zugeteilt, der anderen eine Forderung einer Bank i. H. v. 10 Mio. US-Dollar. Die 1732 In re Commercial Western Finance Corp., 761 F.2d 1329, 1338 (9 th Cir. 1985) („[C] reditors with claims against different properties generally are entitled to separate classification.“); 7 Collier on Bankruptcy P 1122.03 [3] (16th 2021); Bruns, KTS 2004, 1, 4. 1733 Vgl. oben bei Fn. 119. 1734 In re Vill. at Camp Bowie I, L.P., 710 F.3d 239, 242 ff. (5th Cir. 2013). 1735 In re Vill. at Camp Bowie I, L.P., 710 F.3d 239, 245 ff. (5th Cir. 2013). 1736 Zum Sachverhalt vgl.: U.S. Bank Nat. Ass’n ex rel. CWCapital Asset Mgmt. LLC v. Vill. at Lakeridge, LLC, 138 S. Ct. 960, 961 f. und 964 f. (2018).
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Bank lehnte den Restrukturierungsplan ab. Das positive Votum der Gesellschafterdarlehen reichte im Grundsatz nicht aus, den Plan zu bestätigen. Stimmen von Insidern werden nach 11 U.S.C. § 1129 (a) (10) nicht gezählt. Der Anteilsinhaber trat daraufhin sein Gesellschafterdarlehen für 5.000 US-Dollar an einen Dritten ab. Der Dritte stimmte anschließend für den Restrukturierungsplan. Der Bankruptcy Court bestätigte den Restrukturierungsplan, weil der Dritte nun nicht mehr als Insider qualifiziert wurde. Im konkreten Fall war die positive Stimme des Dritten für die Planbestätigung ausreichend, weil er die Forderung at arm’s length vom Gesellschafter erworben habe und somit als Gläubiger für den Plan stimmen durfte.1737 Im Ergebnis konnte so im konkreten Fall ein Investment i. H. v. 5.000 US-Dollar die Forderung der Bank i. H. v. 10 Mio. US-Dollar überstimmen und zur Bestätigung des Restrukturierungsplans führen. Dieser Fall wäre in Deutschland nach der InsO wiederum an der Gläubigerversammlung gescheitert. Wenn nur eine Gläubigergruppe dem Plan zustimmt, können die übergangenen Gläubiger in den USA den Plan alleine durch ihr Stimmrecht nicht verhindern, selbst wenn sie die Mehrheit bilden. Sie müssen sich dann auf andere Rechte berufen. Insbesondere der Best Interest Test (Schlechterstellungsverbot) und die absolute Vorrangregel gewähren allerdings nur einen wirtschaftlichen Schutz. Gerade in Deutschland ist offen, ob die absolute Vorrangregel verzinsliche Zwangsstundungen von absonderungsberechtigten Gläubigern – wie in den USA – gegen ihren Willen zulässt.1738 Der Erfolg des Chapter 11-Verfahrens beruht insgesamt in hohem Maße auf einer wirtschaftlichen Beurteilung eines vorgeschlagenen Restrukturierungsplans. Den Stimmen der planbetroffenen Gläubiger kommt hingegen weniger Gewicht zu als nach der InsO. Dies dürfte die Planbarkeit der Restrukturierung – auch durch RSA – erhöhen. Nach diesem Konzept (Zustimmung nur einer Gruppe) werden pareto-optimale Entscheidungen auch ohne Mehrheit ermöglicht.1739 Diesem Modell wollte sich der Regierungsentwurf zur InsO ursprünglich annähern.1740 Mehrheitsentscheidungen im Verfahren böten keine ökonomische Richtigkeitsgewähr.1741
1737
U.S. Bank Nat. Ass’n ex rel. CWCapital Asset Mgmt. LLC v. Vill. at Lakeridge, LLC, 138 S. Ct. 960, 969 (2018). 1738 Vgl. dazu die Nachweise bei Fn. 2286 und Fn. 2290. 1739 Vgl. Balz/Landfermann, Die neuen Insolvenzgesetze, Einleitung, XLV (zur InsO-E). 1740 Vgl. Balz/Landfermann, Die neuen Insolvenzgesetze, Einleitung, XLV; vgl. Herweg, Obstruktionsverbot, S. 86 f. (Rn. 192 ff.); kritisch wegen der zu großen Bedeutung richterlicher und gutachterlicher Freiheitsgestaltung, Stürner, Insolvenzrecht im Umbruch, S. 41 ff., insbesondere 45 ff., kritisch gegenüber der Verkürzung des Rechtsdenkens auf Wertrealisierung, S. 46. 1741 Balz/Landfermann, Die neuen Insolvenzgesetze, Einleitung, XLV; Balz, Kölner Schrift zur InsO, S. 14 f. (Rn. 41); 3 ff.
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III. Das Abstimmungssystem im StaRUG Obwohl das StaRUG stark an das Insolvenzplanverfahren angelehnt ist, ähnelt das Abstimmungssystem mehr dem des Chapter 11-Verfahrens. Das Abstimmungssystem soll im Folgenden kurz vorgestellt werden (dazu unter 1.). Es wird sich zeigen, dass es für die Planbarkeit einer Restrukturierung mittels gruppenübergreifendem Cramdown-Verfahren keine besondere Hürde mehr gibt. Nachdem die Möglichkeiten aufgezeigt wurden, die notwendigen Mehrheiten im StaRUG-Verfahren herzustellen (dazu unter 2), wird die Frage geklärt, ob das Abstimmungssystem dem Einsatz von RSA entgegenstehen kann (dazu unter 3.) Es folgt schließlich eine Stellungnahme. 1. Das Abstimmungssystem im StaRUG Das StaRUG entfernt sich von der kollektiven1742 Gläubigerautonomie und sieht stattdessen nur noch eine Abstimmung über den Restrukturierungsplan in Gruppen vor. Eine Gläubigerversammlung, welche darüber entscheidet, ob das Unternehmen stillgelegt, fortgeführt oder im Rahmen der übertragenden Sanierung saniert wird, gibt es hier – anders als in der InsO – nicht. Demnach stellt eine solche Abstimmung im StaRUG-Verfahren auch keine Hürde mehr für die Planbarkeit der Restrukturierung dar. Sie kann deshalb auch ein vorgefertigtes Restrukturierungskonzept nicht mehr einfach im Keim ersticken. Innerhalb jeder Gruppe ist nach § 25 Abs. 1 StaRUG eine Summenmehrheit i. H. v. 75 Prozent der auf die Gruppe fallenden Stimmrechte notwendig; maßgeblich sind alle Stimmrechte, nicht nur die der anwesenden Planbetroffenen.1743 Damit der Restrukturierungsplan bestätigt werden kann, muss ihm allerdings nur mindestens die Hälfte der abstimmenden Gruppen zugestimmt haben, wobei die zustimmenden Gruppen nicht ausschließlich aus Anteilsinhabern oder nachrangigen Restrukturierungsgläubigern bestehen dürfen (§ 26 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG). Das Mehrheitserfordernis im StaRUG-Verfahren fällt für einen gruppenübergreifenden Cramdown also höher aus als im Chapter 11-Verfahren. Dort ist nur eine zustimmende Gläubigergruppe notwendig. Allerdings werden im StaRUG-Verfahren – anders als im Chapter 11-Verfahren1744 – auch die Gruppen von Insidern, also Anteilsinhabern, mitgezählt. 2. Mehrheitsbeschaffung In diesem Kontext hat der Planersteller vier verschiedene Möglichkeiten, die Annahme des Restrukturierungsplans mittels einem gruppenübergreifenden Cram1742 1743 1744
Ausführlich: Hänel, Gläubigerautonomie, S. 119 ff., insbesondere 136 ff. Morgen/Arends/Schierhorn, ZRI 2021, 305, 309. Jaeger-InsO/Kern, § 245 Rn. 50.
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down-Verfahren zu organisieren. Er kann erstens möglichst viele Gläubiger in die Restrukturierungsverhandlungen einbeziehen, um diese von einem Restrukturierungskonzept zu überzeugen. Eine solche „offene Restrukturierungsverhandlung“ wird beim Einsatz von RSA allerdings gerade nicht angestrebt. Das Risiko, dass solche Verhandlungen scheitern, wäre zu groß. Möglich erscheint jedoch auch, nur so viele Gläubiger in die Restrukturierungsverhandlung einzubeziehen, wie für eine Gruppenmehrheit notwendig ist. Mit diesen Gläubigern könnte dann das erste RSA verabschiedet werden. Umstrittener dürfte die zweite Strategie sein: Der Planersteller könnte durch eine strategische Auswahl der Planbetroffenen (§ 8 StaRUG) versuchen, die notwendigen Mehrheiten zu organisieren. Hierzu könnte er verbündete Gläubiger minimal beeinträchtigen, um sie in das Verfahren einzubeziehen.1745 In den USA wird diese Strategie als artificial impairment bezeichnet und teilweise für zulässig erachtet, weil die übrigen Gläubiger durch die wirtschaftlichen Anforderungen an den Plan (z. B. Schlechterstellungsverbot) ausreichend geschützt sind.1746 Darüber hinaus besteht die Möglichkeit einer strategischen Zuteilung der Gläubiger in verschiedene Gruppen (§ 9 Abs. 2 StaRUG) (sog. Gerrymandering1747). Teilweise wird erklärt, dass durch diese Strategien die Mehrheitsentscheidung durch die „residualberechtigen Gläubiger“ an Gewicht verliere und Entscheidungen durch solche Gruppen getroffen würden, welche nicht die richtigen Anreize hätten.1748 Auf der anderen Seite könnte dies sachgerecht sein, wenn die Gruppenbildung als eine „Waffe“ der Schuldnerin angesehen wird, die dazu verwendet wird, gegen die Gläubiger „anzukämpfen“.1749 Gerade weil es im StaRUG keiner zusätzlichen Abstimmung der Gläubigerversammlung wie nach der InsO bedarf (§ 157 InsO), ist die Bedeutung der 1745
Vgl. zu einem Beispiel oben bei Fn. 1734. Zur Zulässigkeit von „Artificial Impairment“: In re Vill. at Camp Bowie I, L.P., 710 F.3d 239 ff. (5th Cir. 2013); In re L & J Anaheim Assocs., 995 F.2d 940 ff. (9th Cir. 1993) (wobei die Frage hier lediglich auf S. 943 in Fn. 2 diskutiert wird); gegen die Zulässigkeit: In re Windsor on the River Assoc., Ltd., 7 F.3d 127, 131 (8th Cir. 1993); zur Definition von „Artificial Impairment“: Norberg, 46 Kan. L. Rev. 507, 541 f.; vgl. zur Gruppenbildung allgemein: Rush, 63 U. Colo. L. Rev. 163, 196 ff. (1993); ähnlich Unger, 23 Cap. U. L. Rev. 541, 566, 579 (1994) („host of other weapons theory“). 1747 Zum Leading Case gegen Gerrymandering: Phoenix Mutual Life Insurance v. Greystone III (In re Greystone III Joint Venture), 995 F.2d 1274 ff. (5th Cir. 1991); der Begriff Gerrymandering setzt sich zusammen aus dem Namen des früheren US-Gouverneurs von Massachusetts und späteren Vizepräsidenten der USA Elbridge Thomas Gerry und dem Begriff „Salamander“. Als Gouverneur von Massachusetts hatte Gerry ein Gesetz unterzeichnet, wonach sein Wahlbezirk so zugeschnitten wurde, dass er die unnatürliche Form eines Salamanders hatte [Carlson, 44 S. Cal. L. Rev. 565 f. (1993)]; positiv gegenüber Gerrymandering: Rush, 63 U. Colo. L. Rev. 163, 165 (1993); zustimmend Unger, 23 Cap. U. L. Rev. 541, 543 (1994). 1748 Norberg, 46 Kan. L. Rev. 507, 542 (1998); dagegen den Schutz und das Ermessen des Schuldners betonend: Rush, 63 U. Colo. L. Rev. 163, 165 (1993); Unger, 23 Cap. U. L. Rev. 541, 543 (1994). 1749 Rush, 63 U. Colo. L. Rev. 163, 200 (1993) (wäre die flexible Klassenbildung eingeschränkt [„classification weapon“], würde das Gleichgewicht zwischen Schuldner und Gläubiger zu sehr in Richtung einzelner Gläubiger drängen). 1746
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strategischen Gruppenbildung hier erheblich größer. Die strategische Gruppenbildung ist allerdings im Grundsatz auch hier zulässig:1750 Sie stellt ein Differenzierungskriterium für den Planersteller dar, um die bestmögliche Planlösung zu realisieren, und die Gläubiger sind hinreichend durch die materiellen Anforderungen an den Planinhalt geschützt (Schlechterstellungsverbot). Wenn im StaRUG sowohl die Senior-Gläubiger (häufig vollständig gesichert), als auch die Anteilsinhaber (häufig out of the money) abstimmen dürfen, kommt dem Wunsch, im Rahmen des gruppenübergreifenden Cramdown-Verfahrens auf das Votum der Residualberechtigten zu hören, hier keine Bedeutung zu. Das StaRUG ist auch schuldnerzentriert ausgestaltet1751 und zielt nicht im gleichen Umfang wie die InsO auf Gläubigerautonomie ab.1752 Drittens könnte der Planersteller versuchen, die Anteilsinhaber vom Plan zu überzeugen. Anders als im Chapter 11-Verfahren haben die Stimmen der Anteilsinhaber im StaRUG ein ganz erhebliches Gewicht: Die Anteilsinhaber werden typischerweise selbst in einer Gruppe zusammengefasst. Häufig haben die Anteilsinhaber der Gesellschaft aber auch ein Darlehen gewährt, welches einer weiteren Gruppe zuzuteilen wäre. Wurde für einen Teil dieses Darlehens eine qualifizierte Rangrücktrittserklärung abgegeben, könnten die Anteilsinhaber die Gruppe der Forderungen im Rang des § 39 Abs. 2 InsO möglicherweise ebenfalls beherrschen. Bei der Berechnung der Gruppenmehrheit werden alle diese Gruppen nach § 26 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG mitgezählt. Mithin könnte eine Koalition der Anteilsinhaber mit den vorrangigen Gläubigern ein Stimmgewicht von mindestens vier Gruppen haben, ohne dass strategische Erwägungen zur Gruppenbildung anzustellen wären. Die Prämisse des Gesetzgebers, dass nach dem StaRUG-Verfahren die finanzielle Schieflage eines Unternehmens „auf der Grundlage eines von den Gläubigern mehrheitlich zu beschließenden“ Plans behoben werden soll,1753 trifft demnach nicht zu. Auch eine in der Literatur vertretene These, dass die Überstimmung der Gesellschafter wahrscheinlicher ist als die Überstimmung der Gläubiger,1754 ist ebenfalls nicht immer korrekt. Fraglich ist sie jedenfalls dann, wenn die Anteilsinhaber die gerade dargelegten Gruppen dominieren. Die Stimmmacht der Anteilsinhaber dürfte in Zukunft vielmehr dazu führen, dass diese versuchen werden, einen Plan auch gegen die vorrangigen Gläubiger durchzusetzen. Die vierte Strategie zur Mehrheitsbeschaffung durch den Planersteller kommt immer dann in Betracht, wenn die Schuldnerin selbst eine Tochtergesellschaft hat, welche Forderungen gegen die Schuldnerin hält. Wenn eine Tochtergesellschaft 1750 Vgl. zur Diskussion oben in Fn. 1715; kritisch und zum Streitstand: zur InsO: JaegerInsO/Münch, § 222 Rn. 11 f., 121 ff. 1751 Vgl. Fn. 1883; kritisch: Ganter, FS Smid, 717, 729, 736. 1752 Vgl. dazu, dass die Beeinflussung der Abstimmung in gewissem Umfang zulässig ist, weiter unten ab Fn. 1812 ff. 1753 RegE SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181 S. 87. 1754 Skauradszun, KTS 2019, 161, 187 („Im Annahmeverfahren ko¨ nnen die Anteilsinhaber daher relativ leicht u¨ berstimmt werden […].“); Korch, NZG 2020, 1299, 1300.
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Forderungen gegen ihre Mutter hat, sind diese Forderungen im Grundsatz einfache Restrukturierungsforderungen. Sie sind nicht nachrangig i. S. d. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO.1755 Sie können ebenfalls einer eigenen Gruppe zugeteilt werden. Auch diese Gruppe ist bei der Prüfung, ob die Gruppenmehrheit erreicht worden ist, mitzuzählen.1756 Die Abstimmung dieser Gruppe kann sogar vom Planersteller selbst beeinflusst werden. 3. Die Stimmmacht der Anteilsinhaber als Hindernis? Die vorstehenden Erwägungen zeigen, dass eine Zusammenarbeit zwischen den Schlüsselgläubigern und den Anteilsinhabern bei der Organisation der Restrukturierung sinnvoll sein kann. Sie würden dann zusammen viele Gruppen beherrschen und könnten den Plan zu Lasten der Junior-Gläubiger annehmen. Wenn die JuniorGläubiger mit den Anteilsinhabern zusammenarbeiten, können sie auch die Gruppen der Senior-Gläubiger überstimmen. In beiden Fällen müsste das Gericht prüfen, ob die Verteilungsregeln, also die absolute Vorrangregel, das Gebot der Gruppengleichbehandlung und der Gleichbehandlung innerhalb der Gruppen sowie das Schlechterstellungsverbot gewahrt sind. Schwieriger dürfte es werden, wenn die Anteilsinhaber überstimmt werden sollen. Dies gilt insbesondere dann, wenn diese ihrer Gesellschaft auch Gesellschafterdarlehen gewährt haben und hierfür auch schon qualifizierte Rangrücktritte erklärt haben. In diesem Fall ist das Stimmgewicht für die Anteilsinhaber mit drei potentiellen Gruppen enorm. Die Stimmmacht der Anteilsinhaber könnte dann eine Hürde für eine Restrukturierung mittels RSA sein. 4. Änderungen am Abstimmungssystem de lege ferenda Dem Abstimmungssystem im StaRUG-Verfahren ist mit Vorbehalten zu begegnen. Im Kern ist die Abstimmung und Befragung der Gläubiger zum Restrukturierungsplan als eine Art Markttest gedacht.1757 Gerade dieser Markttest und die Einbeziehung der Gläubiger sollen eine wesentliche Rechtfertigung dafür darstellen, dass mittels StaRUG-Verfahren in die Rechte der Planbetroffenen eingegriffen werden kann.1758 Der Gesetzgeber ging offenbar auch davon aus, dass nach dem von ihm geschaffenen StaRUG die finanzielle Schieflage eines Unternehmens auf der Grundlage eines von den Gläubigern mehrheitlich zu beschließenden Plans bewältigt 1755
Scholz/Bitter, Anh. § 64 Rn. 346. Vgl. AG Hamburg, Beschl. v. 12. 4. 2021 – 61a REs 1/21, ZIP 2021, 1354 (jurisRn. 4 f., 12); vgl. dazu auch Doebert/Krüger, NZI 2021, 614, 618. 1757 Vgl. Skauradszun, KTS 2021, 1, 4, 56 ff. (Verfahrensergebnis wird durch Marktkonformität abgesichert; Mehrheitsvotum als erstes Anzeichen für Marktkonformität; Erfordernis eines repräsentativen Marktes). 1758 Skauradszun, KTS 2021, 1, 59. 1756
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werden soll.1759 Dass allerdings die Anteilsinhaber ein so großes Stimmgewicht (über drei Gruppen) erhalten können, ist befremdlich. Ein Markttest, der im Ergebnis einen falsch repräsentierten Markt befragt, kann die Richtigkeit einer Entscheidung nicht garantieren. Dass die Gerichte die Auswahl der Planbetroffenen1760 und die Einteilung der Planbetroffenen in Gruppen kontrollieren können, ändert nichts an diesem strukturellen Ungleichgewicht. Ein Leitgedanke zur InsO war, dass die Gläubigerautonomie nur zu marktkonformen Prozessen führe, wenn die Mitspracherechte im Verfahren nach dem wirklichen Wert der Beteiligtenrechte zugemessen werden.1761 Hierauf sollte sich der Gesetzgeber zurückbesinnen. Es ist zudem verwunderlich, dass im Endeffekt auch Tochtergesellschaften mit Forderungen gegen ihre Mutter eine „zustimmende“ Gläubiger-Gruppe bilden können. Hierdurch kann die Geschäftsleitung der Schuldnerin im Ergebnis über ihren eigenen Plan abstimmen, indem sie entsprechend Einfluss auf ihre Tochtergesellschaft nimmt.1762 Dies widerspricht einem Markttest fundamental, aber auch einem etablierten Konzept im Aktienrecht: Dort soll die Willensbildung in der Hauptversammlung gerade frei vom Einfluss der Verwaltung gehalten werden.1763 Neben § 136 Abs. 2 wird dies im Aktienrecht insbesondere durch § 71b AktG gewährleistet.1764 Einer Gesellschaft stehen aus eigenen Aktien keine Rechte zu. Nach § 71d Satz 4 AktG ruht das Stimmrecht nach § 71b AktG auch für diejenigen Aktien, welche ein abhängiges oder ein im Mehrheitsbesitz der Gesellschaft stehendes Unternehmen hält.1765 Im StaRUG fehlt eine entsprechende Norm für Forderungen von Tochtergesellschaften gegen die Schuldnerin. Dies sollte korrigiert werden.1766 Dann stünden auch die Stimmen der Anteilsinhaber einem Einsatz eines RSA nicht mehr entgegen. 1759
RegE-SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181 S. 87. Vgl. z. B. Doebert/Krüger, NZI 2021, 614, 618 f. 1761 Balz/Landfermann, Die neuen Insolvenzgesetze, Einleitung, XVL. 1762 Kritisch auch: Doebert/Krüger, NZI 2021, 614, 618. 1763 Otto, AG 1991, 369, 377. 1764 Vgl. Otto, AG 1991, 369, 377; Henssler/Strohn/Paefgen, § 71b Rn. 1. 1765 Hüffer/Koch/Koch, § 71b Rn. 1, 4; MüKoAktG/Oechsler, § 71d Rn. 58. 1766 Man könnte auf der einen Seite an eine teleologische Erweiterung des § 26 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG denken. Hiergegen spricht allerdings, dass die Norm nur bestimmt, dass die zustimmenden Gruppen nicht ausschließlich durch Anteilsinhaber oder nachrangige Restrukturierungsgläubiger gebildet sein dürfen. Die Möglichkeit der Restrukturierungsrichtlinie, Stimmen von nahestehenden Personen (Insidern) unberücksichtigt zu lassen (Art. 9 Abs. 3 lit. c), wurde gerade nicht umgesetzt. Man könnte darüber hinaus daran denken, die Stimmen, die die Schuldnerin für „eigene Forderungen“, also für Forderungen der Tochtergesellschaften gegen die Schuldnerin ausübt, als Stimmen der Mehrheits-Gesellschafter zu qualifizieren und sie deshalb bei der Frage, ob das Mehrheitserfordernis für den gruppenübergreifenden Cramdown erreicht worden ist, nicht zu werten. Eine andere Möglichkeit stellt eine analoge Anwendung von § 71b AktG dar. Schließlich könnte das Gericht eine Gruppenbildung, bei der die notwendige Mehrheit nur durch „eigene Forderungen“ erreicht wird, nach § 8 StaRUG als unsachgemäß ablehnen. Im besten Fall wird der Gesetzgeber allerdings tätig und setzt Art. 9 Abs. 3 lit. c) der RRL um. 1760
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Nach den Vorgaben der RRL hätte der Gesetzgeber im StaRUG gesetzlich ein Stimmverbot für solche Personen normieren können, die der Schuldnerin nahestehen und sich nach nationalem Recht in einem Interessenkonflikt befinden würden. Diese Möglichkeit wird in Art. 9 Abs. 3 lit. c der RRL geschaffen und sollte umgesetzt werden. IV. Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis kann festgehalten werden, dass das Abstimmungssystem des StaRUG dem Einsatz von RSA nicht entgegensteht. Es ist möglich, den StaRUGPlan nur mit den Schlüsselgläubigern auszuhandeln. Bei der späteren Abstimmung braucht kein besonders hohes Mehrheitsquorum erreicht werden. Ein RSA bietet sich insbesondere dann an, wenn die Anteilinhaber und die Schlüsselgläubiger zusammenarbeiten. Gerade dies ist im Chapter 11-Verfahren häufig zu beobachten.1767
C. Auswahl der Planbetroffenen und Gruppenbildung Die Regeln zur Auswahl der Planbetroffenen und die Regeln zur Gruppenbildung könnten weitere Hürden sein, eine Restrukturierung mittels RSA erfolgreich zu organisieren. Der Abschluss eines RSA könnte dazu führen, dass die Gläubiger, welche nicht an den Verhandlungen beteiligt worden sind, gar nicht als Planbetroffene ausgesucht werden dürfen [dazu unter I.]. Daneben stellt sich die Frage, ob die Schlüsselgläubiger, die das RSA aushandeln, einer eigenen Gruppe zugeteilt werden müssten [dazu unter II.]. I. Verbot, bisher unbeteiligte Gläubiger als Planbetroffene auszuwählen? Nach § 8 Satz 1 StaRUG hat die Auswahl der Planbetroffenen nach sachgerechten Kriterien zu erfolgen. Wenn der Planersteller zunächst ein RSA mit nur wenigen Schlüsselgläubigern aushandelt und diese Gläubiger darüber hinaus bestimmte Gebühren erhalten, könnte es unsachgerecht sein, nach Abschluss des RSA bisher unbeteiligte Gläubiger als weitere Planbetroffene auszuwählen und diese zusammen mit den Schlüsselgläubigern einem StaRUG-Verfahren zu unterwerfen.
1767
Vgl. dazu oben bei Fn. 36.
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1. Blick nach England Das StaRUG stellt ein teilkollektives Verfahren dar,1768 d. h., der Schuldner kann die Planbetroffenen auswählen und muss nicht alle Stakeholder einbeziehen.1769 Weil dies auch beim englischen Scheme of Arrangement der Fall ist,1770 dürfte sich zunächst ein Blick auf die dortige Rechtslage zur Auswahl der Planbetroffenen lohnen: Die Einbeziehung von Gläubigern in das traditionelle Scheme-of-ArrangementVerfahren ist eine zentrale Voraussetzung für eine dortige Restrukturierung. In England ist gerade fraglich, ob Gläubiger, die nicht Partei des RSA sind, in dasselbe Scheme of Arrangement einbezogen werden dürfen, in das auch die Parteien des RSA einbezogen sind.1771 Dürften die Gläubiger nicht zusammengruppiert werden, würde dies nach dem bisherigem Scheme-of-Arrangement-Verfahren1772 das Ende der Restrukturierung bedeuten, weil hier im Grundsatz1773 kein gruppenübergreifender Cramdown möglich ist.1774 Ganze Gläubigergruppen können im traditionellen Scheme-of-Arrangement-Verfahren nicht überstimmt werden.1775 Die Frage der Gruppenbildung ist im traditionellen englischen Scheme-of-Arrangement-Verfahren daher mit dem Problem der Auswahl der Planbetroffenen im StaRUG-Verfahren vergleichbar. Als Argument für ein Verbot, solche Gläubiger, die nicht an einem RSA beteiligt sind, in das Scheme der das RSAverhandelnden Gläubiger einzubeziehen,1776 werden in England vor allem Sondervorteile genannt, welche die Schlüsselgläubiger durch 1768 RegE-SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 117; vgl. BeckOK-StaRUG/Skauradszun, Einleitung, Rn. 17; BeckOK-StaRUG/Fridgen, § 8 Rn. 1.; Knapp/Wilde, in: Morgen, StaRUG, § 8 Rn. 1; Bork, ZRI 2021, 345, 347 in Fn. 19. 1769 BeckOK-StaRUG/Fridgen, § 8 Rn. 1. 1770 Fritz/Scholtis, BB 2019, 2051 (das „britische Scheme als populäre Option der teilkollektiven Restrukturierung“). 1771 Vgl. Payne, Schemes of Arrangement, 2. Aufl. S. 218 ff.; vgl. z. B. Re Codere Finance 2 (UK) Ltd, [2020] EWHC 2441 (Ch) = 2020 WL 05517604 (Rn. 40 ff., 50 ff.); Re Stripes US Holdings Inc, 2018 WL 06312999 (Rn. 16) („[T]he existence of the lock-up agreement itself does not fracture the single class of scheme creditors.“), (Rn. 17) („The second matter for consideration is the fact that a consent fee is payable under that lock-up agreement.“); Re Telewest Communications plc (No 1) [2004] BCC 342, 365 (Rn. 54); zur ersten Entscheidung im Scheme-of-Arrangement-Verfahren in Singapore zu dieser Frage: Re Brightoil Petroleum (S’pore) Pte Ltd [2022] SGHC 35 (Re Brightoil). 1772 Anderes kann sich nun ergeben, weil durch den Corporate Insolvency and Governance Act 2020 mit Part 26 A des Companies Acts 2006 nunmehr ein gruppenübergreifendes Cramdown-Verfahren eingeführt worden ist. 1773 Ausnahmsweise war dies nur durch eine Kombination mittels Pre-Pack Administration möglich, vgl. dazu Payne, Schemes of Arrangement, 2. Aufl. S. 232 ff., S. 238 („As a consequence of twinning schemes and administration, a de facto cramdown of whole classes can therefore be achieved.“), S. 302; ausführlicher: 1. Aufl. S. 247 ff. 1774 Payne, Schemes of Arrangement, 2. Aufl. S. 204, 231, 297 f.; 1. Aufl. S. 239, 241. 1775 Payne, Schemes of Arrangement, 2. Aufl. S. 204, 231, 297 f.; 1. Aufl. S. 239, 241. 1776 Überblick bei Payne, Schemes of Arrangement, 2. Aufl. S. 218 ff.; Paterson, in: Olivares-Caminal/Kornberg/Paterson, Rn. 3.184 f. 3.187 ff.
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das RSA erhalten und welche den übergangenen Gläubigern nicht zugänglich sind.1777 Hierzu zählt z. B. die Möglichkeit, an einer neuen Finanzierung mitzuwirken.1778 Daneben spielen die an die Parteien des RSA bezahlten Gebühren (Bearbeitungsgebühren1779, Übernahme der Beraterkosten1780, Backstop-Gebühr1781, Zustimmungs- und Beitrittsprämien1782)1783 eine wichtige Rolle.1784 Bei der Auswahl der Beteiligten zu einer Gruppe gibt es in England im Groben zwei Prinzipien:1785 Erstens sollten Gläubiger immer dann verschiedenen Klassen zugeteilt werden, wenn ihre Rechte so unterschiedlich sind, dass sie mit Blick auf ein gemeinsames Interesse nicht miteinander verhandeln können.1786 Zweitens sollen diejenigen Gläubiger einer gemeinsamen Gruppe zugeteilt werden, deren Rechte in ausreichendem Maße den Rechten anderer Gläubiger ähneln, sodass diese Gläubiger gemeinsam in Bezug auf ihr gemeinsames Interesse verhandeln können.1787 Minderheiten sollten durch das Erfordernis einer separaten Klasse nicht vorschnell absolute Veto-Rechte erhalten.1788 Bei der Frage, welche Gläubiger (noch) zusammengefasst werden können, kommt es auf deren Rechte und nicht auf deren (wirtschaftliche) Interessen an.1789 Marginale Unterschiede bzgl. der Rechtsposition hindern den Planersteller und das Gericht nicht, entsprechende Forderungen zusammen zu gruppieren. Im Fall Re Anglo American Insurance Co Ltd erklärte das
1777
Vgl. zu diesem Vorbringen: Re Telewest Communications plc (No 1), [2004] BCC 342, 365 (Rn. 54); Re Codere Finance 2 (UK) Ltd, [2020] EWHC 2441 (Ch) = 2020 WL 05517604 (40). 1778 Vgl. Re Stripes US Holdings Inc, 2018 WL 06312999 (Rn. 22 ff.); Re Codere Finance 2 (UK) Ltd, [2020] EWHC 2441 (Ch) = 2020 WL 05517604 (Rn. 41 f.). 1779 Re Codere Finance 2 (UK) Ltd, [2020] EWHC 2441 (Ch) = 2020 WL 05517604 (Rn. 64 ff. und 93 ff.). 1780 Re Codere Finance 2 (UK) Ltd, [2020] EWHC 2441 (Ch) = 2020 WL 05517604 (Rn. 68 ff. und 101 ff.). 1781 Re Codere Finance 2 (UK) Ltd, [2020] EWHC 2441 (Ch) = 2020 WL 05517604 (Rn. 89 ff.). 1782 Re Codere Finance 2 (UK) Ltd, [2020] EWHC 2441 (Ch) = 2020 WL 05517604 (Rn. 105 ff.). 1783 Vgl. ausführlich: Re Codere Finance 2 (UK) Ltd, [2020] EWHC 2441 (Ch) = 2020 WL 05517604 (Rn. 64 ff., 93 ff., 68 ff., 93 ff., 89 ff.). 1784 Re Sunbird Business Services Ltd, [2020] EWHC 2493 (Ch) = 2020 WL 05633841 (Rn. 115). 1785 Paterson, Corporate Reorganization, S. 103; Payne, Schemes of Arrangement, 2. Aufl., S. 56 ff.; Sovereign Life Assurance v. Dodd, [1892] 2 QB 573, 583; Re Hawk Insurance Co Ltd, [2002] BCC 300 (Rn. 30). 1786 Sovereign Life Assurance v. Dodd, [1892] 2 QB 573, 583. 1787 Re Hawk Insurance Co Ltd, [2002] BCC 300 (Rn. 30). 1788 Re Hawk Insurance Co Ltd, [2002] BCC 300 (Rn. 30 – 33). 1789 Überblick bei Payne, Schemes of Arrangement, 2. Aufl. S. 59 ff.; im Zusammenhang mit Lock-Up-Agreements: S. 218 ff.
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Gericht: „[I]f one gets too picky about different classes, one could end up with virtually as many classes as there are members of a particular group.“1790 Der Ansatz der Gerichte, auf Rechtspositionen und nicht auf Interessen abzustellen, führt dazu, dass Gläubiger eher zusammengruppiert werden können, keine neuen Klassen gebildet werden müssen, keine absoluten Veto-Rechte für Minderheiten entstehen1791 und dass komplexe Restrukturierungen nicht vorschnell an der Auswahl der betroffenen Beteiligten scheitern.1792 Minderheitenschutz wird vielmehr im Rahmen eines flexibleren, auf den Umständen des Einzelfalls beruhenden Ansatzes dadurch gewährleistet, dass bei der Bestätigung des Schemes geprüft wird, ob die Mehrheitsgläubiger Sonderinteressen verfolgt haben.1793 Die Gerichte vertreten regelmäßig die Ansicht, dass ein RSA nicht dazu führt, dass die daran beteiligten Gläubiger und die unbeteiligten Gläubiger nicht in das gleiche Scheme eingeteilt werden dürfen.1794 Bisher wurde in England – soweit ersichtlich – nicht vertreten, dass eine Nichteinbeziehung in die Verhandlungen dazu führt, dass die nicht in die Verhandlungen einbezogenen Parteien nicht in das Scheme-Verfahren (der verhandelnden Parteien) einbezogen werden dürfen. 2. Verbot, unbeteiligte Gläubiger als planbetroffene Gläubiger auszuwählen? Fraglich ist, ob es im StaRUG-Verfahren unsachgemäß wäre, neben den das RSA aushandelnden Gläubigern und solchen Gläubigern, welche sich dem RSA freiwillig anschließen, noch weitere Gläubiger als Planbetroffene auszuwählen. Nach § 8 Satz 1 StaRUG ist die Auswahl der Planbetroffenen nach sachgerechten Kriterien durchzuführen. Satz 2 definiert, wann die Auswahl der Planbetroffenen sachgerecht ist. Dies ist der Fall, wenn die nicht einbezogenen Forderungen im Insolvenzverfahren voraussichtlich vollständig erfüllt werden können (Nr. 1), sämtliche möglichen Forderungen einbezogen werden (Nr. 3) oder die in der Auswahl angelegte Differenzierung nach der Art der zu bewältigenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Schuldnerin und den Umständen angemessen erscheint (Nr. 2).
1790 Re Anglo American Insurance Co Ltd, [2001] 1 BCLC 755, 764; zustimmend: Re Virgin Atlantic Airways Limited, [2020] EWHC 2191 (Ch) (Rn. 42). 1791 Ein gruppenübergreifender Cramdown ist im klassischen Scheme of Arrangement nicht möglich, vgl. bei Fn. 1774. 1792 Paterson, Corporate Reorganization, S. 103 f. 1793 Paterson, Corporate Reorganization, S. 104. 1794 So die Beobachtung von Paterson, Corporate Reorganization, S. 103; Payne, Schemes of Arrangement, 2. Aufl., S. 219 („The mere fact that a lock-up agreement has been put in place will not of itself operate to fracture a class of creditors. […] The simple fact that a benefit was conferred in return for agreement to vote in favour of the scheme is not sufficient to require the relevant parties to be placed in a separate class.“).
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Teilweise können diese Kriterien unabhängig davon erfüllt sein, ob der Planersteller die Gläubiger in die Verhandlungen zu einem RSA einbezogen hat oder nicht. Dies gilt insbesondere für die Ziffer 3, also wenn alle möglichen Forderungen einbezogen werden. Soll allerdings ein teilkollektives Verfahren durchgeführt werden, muss die Einbeziehung nach Nr. 2 auch „nach den Umständen“ angemessen erscheinen. Das StaRUG beruht nach hier vertretener Ansicht auf einem Verhandlungsmodell und will einen Suchprozess nach dem bestmöglichen Restrukturierungskonzept unterstützen (s. o.). Es könnte deshalb unangemessen sein, solche Gläubiger als Planbetroffene auszuwählen, mit denen überhaupt nicht verhandelt werden soll. Im Ergebnis dürfte dies aber eine Frage des Einzelfalls sein, wobei eben der Zweck des StaRUG, Verhandlungen zwischen den Beteiligten zu ermöglichen und zum Durchbruch zu verhelfen, gewürdigt werden sollte. Dies schließt den Einsatz eines RSA als Mittel, die Annahme des Restrukturierungsplans zu organisieren, nicht völlig aus, weil die Voraussetzungen des § 8 StaRUG ohnehin erst bei der Planbestätigung geprüft werden und bis hierher noch ausreichend Zeit bleibt, entsprechende Verhandlungen durchzuführen. Es muss nur sichergestellt sein, dass man trotz Lock-up auf mögliche neue Erkenntnisse reagieren kann. Die Vorteile eines RSA müssen bei der Beurteilung der Angemessenheit ebenfalls gewürdigt werden.1795 Dass mit dem RSA bestimmte Gebühren oder Sondervorteile gewährt werden, sollte auch kein Grund sein, eine sachgerechte Auswahl der Planbetroffenen zu verneinen. Gegen entsprechende Techniken werden die übergangenen Gläubiger durch andere Normen geschützt, z. B. den Gleichbehandlungsgrundsatz. II. Pflicht zur Gruppentrennung? Selbst wenn es also sachgerecht wäre, sowohl Parteien eines RSA als auch dritte Gläubiger als Planbetroffene für ein StaRUG-Verfahren auszuwählen, ist weiter fraglich, ob diese Gläubiger zusammengruppiert werden dürfen. Im StaRUG-Verfahren hätte eine Pflicht zur Bildung einer eigenständigen Gruppe eine weniger einschneidende Bedeutung als im traditionellen Scheme-of-Arrangement-Verfahren. Hier ist eine gruppenübergreifende Mehrheitsentscheidung, also ein Cross-class Cramdown, zulässig. Deshalb führt eine Pflicht zur Gruppentrennung hier nicht zwangsläufig dazu, dass das Mehrheitsverfahren unbrauchbar wird. Der Gesetzgeber sieht in der Gruppenbildung ein Mittel, den Einfluss der Schlüsselgläubiger auf die Abstimmung über den Restrukturierungsplan zu mindern und den Stimmen anderer (schwächerer) Gläubiger mehr Gewicht zu geben.1796 Nach § 9 Abs. 2 Satz 4 StaRUG sind z. B. für Kleingläubiger separate Gruppen zu bilden, 1795 1796
Vgl. Paterson, Corporate Reorganization, S. 102 ff. Vgl. RegE-SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 125.
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wodurch einer gruppeninternen Dominanz einzelner Großgläubiger über die Kleingläubiger entgegengewirkt wird.1797 Neben dieser angeordneten Pflichtgruppe könnten auch weitere Gründe bestehen, warum bestimmte Gläubiger nicht zusammengruppiert werden dürfen. Hierzu könnte zählen, dass einige Gläubiger das RSA verhandelt haben und ihm beigetreten sind, andere bei den Verhandlungen hingegen nicht partizipieren konnten und das RSA insgesamt ablehnen. Es ist insbesondere zu prüfen, ob der Einsatz von RSA bei Finanzrestrukturierungen dazu führt, dass die Vertragsparteien des RSA nicht mit den übrigen Gläubigern zusammengruppiert werden dürfen. Für Loan-to-Own-Investoren wurde die Gefahr, nach der Insolvenzordnung einer eigenen Gruppe zugeteilt zu werden, als gering eingestuft.1798 Gegen eine Pflicht, die RSA-Vertragsparteien eigenständigen Gruppen zuzuteilen, sprechen zahlreiche Argumente: Zunächst ist die Schuldnerin als Planerstellerin für die Gruppenbildung zuständig.1799 § 9 Abs. 1 StaRUG regelt detailliert, welche Gläubiger nicht zusammengruppiert werden dürfen. Es ist je eine Gruppe zu bilden für Absonderungsanwartschaften, die einfachen Restrukturierungsforderungen, jeden Rang nachrangiger Restrukturierungsforderungen, die Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte und für die gruppeninternen Drittsicherheiten. Nach § 9 Abs. 2 Satz 4 StaRUG sind für Kleingläubiger darüber hinaus eigene Gruppen zu bilden. Sofern diese Vorgaben eingehalten werden, dürfen die Gläubiger aber nach dem Wortlaut der Norm zusammengruppiert werden. Dies gilt auch, wenn sie unterschiedliche Interessen verfolgen.1800 Systematisch spricht gegen eine Pflicht zu Gruppentrennung beim Einsatz von RSA, dass § 9 Abs. 2 Satz 1 StaRUG dem Planersteller ein Gruppenbildungsermessen einräumt, indem die Pflichtgruppen nach Maßgabe wirtschaftlicher Interessen in weitere Gruppen unterteilt werden „können“.1801 Hieraus folgt, dass im Grundsatz keine Pflicht zur Gruppentrennung besteht. Historisch spricht vieles gegen eine Pflicht zur Gruppentrennung. Der Regierungsentwurf zur InsO hatte im damaligen § 265 Abs. 1 InsO-E noch vorgesehen, dass nur Gläubiger mit gleichartigen wirtschaftlichen Interessen zusammengefasst
1797
RegE-SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 125. Palenker, Loan-to-own, S. 373 ff. (de lege lata) und 479 ff. (de lege ferenda). 1799 BeckOK-StaRUG/Fridgen, § 9 Rn. 7. 1800 Vgl. Bericht Rechtsausschuss, BT-Drucks. 12/7302, S. 182 („Wer einen Plan vorlegt, kann diese Gläubiger in Gruppen aufteilen, braucht es aber nicht, auch wenn die betroffenen Gläubiger sehr unterschiedliche wirtschaftliche Interessen haben […].“); einschränkend: MüKoInsO/Eidenmüller, § 222 Rn. 119 („Das Gruppenbildungsermessen eines Planarchitekten berechtigt diesen jedoch nicht dazu, lediglich die Pflichtgruppen gem. § 222 Abs. 1 zu bilden, sofern dadurch Beteiligte, deren wichtigste insolvenzbezogene wirtschaftliche Interessen (…) offensichtlich divergieren, derselben Gruppe zugeordnet würden.“). 1801 Vgl. analog zur Insolvenzordnung: MüKoInsO/Eidenmüller, § 222 Rn. 115. 1798
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werden dürfen.1802 Nach der Regierungsbegründung zu § 181 RegE-InsO wäre z. B. ein Großgläubiger, der das schuldnerische Unternehmen über einen Insolvenzplan erwerben wollte, als besonders interessierte Person einer eigenen Gruppe zuzuteilen gewesen.1803 Der Rechtsausschuss im Bundestag war allerdings der Ansicht, ein Zwang, Gläubiger, die unterschiedliche wirtschaftliche Interessen vertreten, unterschiedlichen Gruppen zuzuteilen, würde das Restrukturierungsverfahren unnötig kompliziert machen.1804 Der Ausschuss gewährte dem Planersteller deshalb ein Gruppenbildungsermessen:1805 „Wer einen Plan vorlegt, kann diese Gläubiger in Gruppen aufteilen, braucht es aber nicht, auch wenn die betroffenen Gläubiger sehr unterschiedliche wirtschaftliche Interessen haben“.1806 Auch in der Literatur wird die Norm so interpretiert, dass sie dem Planersteller ein Gruppenbildungsermessen gewährt.1807 Der StaRUG-Gesetzgeber hat sich bei Regeln zur Gruppenbildung strukturell an die Regeln zur InsO angelehnt.1808 In der Literatur wird zur Gruppenbildung nach § 222 InsO vertreten, dass eine Ermessensreduktion auf null in Betracht kommen kann und deshalb eine Gruppenbildungspflicht entsteht, wenn die wichtigsten insolvenzbezogenen wirtschaftlichen Interessen der Gläubiger offensichtlich divergieren:1809 Die Gruppenbildungspflicht sei nicht normiert worden, weil sie zu kompliziert gewesen sei und zu Verfahrensverzögerungen geführt hätte. Die Effizienz des Planverfahrens sei allerdings nicht beeinträchtigt, wenn auf den ersten Blick erkennbar sei, dass die wichtigsten insolvenzbezogenen Interessen der in den Pflichtgruppen zusammengefassten Gläubiger divergieren würden.1810 In diesem Fall komme eine verfassungskonforme Auslegung im Lichte des Gleichbehandlungsgrundsatzes in Betracht, welche Vorrang gegenüber dem Willen des Gesetzgebers der InsO habe.1811 Wird diese Argumentation auf das StaRUG-Verfahren angewendet, könnte daraus folgen, dass für Vertragsparteien eines RSA eine separate Gruppe zu bilden ist. Allerdings sprechen die besseren Gründe auch hier gegen eine Gruppenbildungspflicht für diese Gläubiger. So müssen für eine solche Pflicht hohe Hürden überwunden werden. Selbst wenn das RSA die wirtschaftlichen Interessen der Vertragsparteien tangiert, bedeutet dies nicht, dass es überhaupt keine gemeinsamen 1802 Vgl. RegE-InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 51; Überblick bei: MüKoInsO/Eidenmüller, § 222 Rn. 115. 1803 Rechtsausschuss, BT-Drucks. 12/7302 S. 175. 1804 Rechtsausschuss, BT-Drucks. 12/7302 S. 182. 1805 MüKoInsO/Eidenmüller, § 222 Rn. 115. 1806 Rechtsausschuss, BT-Drucks. 12/7302 S. 182. 1807 KPB-InsO/Spahlinger, § 222 Rn. 32; Nerlich/Römermann/Rühle, 43. EL Mai 2021, § 222 Rn. 17. 1808 RegE-SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 118 f.; BeckOK-StaRUG/Fridgen, § 9 Rn. 1. 1809 MüKoInsO/Eidenmüller, § 222 Rn. 119 ff. 1810 MüKoInsO/Eidenmüller, § 222 Rn. 119. 1811 MüKoInsO/Eidenmüller, § 222 Rn. 119.
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Interessen der Vertragsparteien und der Gläubiger gibt, die sich dem RSA nicht angeschlossen haben. In Bezug auf ihre zu gestaltenden Forderungen haben beide Gruppen regelmäßig noch wenigstens sich überscheidende wirtschaftliche Interessen. Die durch das RSA in Aussicht gestellten Vorteile werden den Gläubigern darüber hinaus häufig in ihrer Funktion als künftige Investoren, nicht als Altgläubiger gewährt. Das RSA führt nicht dazu, dass es den Gläubigern unzumutbar wäre, innerhalb einer Gruppe miteinander zu verhandeln. Demnach dürften die hohen Hürden für eine Gruppenbildungspflicht regelmäßig nicht erreicht sein. Selbst wenn dem aber so wäre, würde dies eine Restrukturierung mittels RSA nicht ausschließen, weil die Gruppenmehrheit auch bei einer bestehenden Gruppenbildungspflicht erreicht werden kann. III. Zwischenergebnis Der Abschluss eines RSA führt nicht dazu, dass es unsachgerecht wäre, noch weitere Gläubiger in das StaRUG-Verfahren aufzunehmen. Auch eine Pflicht, die Vertragsparteien eines RSA einer eigenständigen Gruppe zuzuteilen, ist fernliegend.
D. Kompetenzübergriff auf die Versammlung der Planbetroffenen? RSA werden nicht nur deshalb kritisch gesehen, weil das Management mit den Schlüsselgläubigern ein Konzept ausarbeiten kann, ohne die Anteilsinhaber oder die übrigen Gläubiger einzubeziehen. Sie stehen auch in der Kritik, weil ihnen nachgesagt wird, dass das Management mittels RSA unzulässig auf die Abstimmung der Planbetroffenen einwirken könnte. I. Problemaufriss Im Zusammenhang mit Investorenvereinbarungen wird diskutiert, ob dort einzelne Klauseln unwirksam sind, weil durch sie unzulässig Druck auf die Entscheidungsfreiheit der Hauptversammlung ausgeübt wird1812 oder weil sie die horizontale Kompetenzordnung der Aktiengesellschaft missachten1813. Der Vorstand müsse die Regelungskompetenz der Hauptversammlung wahren.1814 In Grundlagenkompetenzen der Hauptversammlung habe sich der Vorstand nicht einzumischen.1815 Eine 1812
Vgl. z. B. Heß, Investorenvereinbarungen, S. 170; Kiefner, ZHR 178 (2014), 547, 575 f.; Seibt, in: Kämmerer/Veil, S. 106, 125 f. (nur zulässig, wenn die Regelungen keinen unangemessenen Druck auf die Organe der Gesellschaft und die Aktionäre ausüben). 1813 Vgl. z. B. Otto, NZG 2013, 930 ff.; vgl. auch Schmidt/Lutter/Seibt, § 76 Rn. 15. 1814 Schmidt/Lutter/Seibt, § 76 Rn. 15. 1815 Schall, in: Kämmerer/Veil, S. 75, 91.
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faktische Präjudizierung der Hauptversammlung sei nicht zulässig.1816 Kritisch sind dort z. B. Crown-Jewels-Klauseln, nach denen ein Investor bei Scheitern der Transaktion bestimmte Vermögensgegenstände erhält.1817 Hierdurch werde die Hauptversammlung unter Entscheidungsdruck gesetzt.1818 Es stelle eine unzulässige Durchbrechung der Organisationverfassung der Aktiengesellschaft dar, wenn der Vorstand durch Begründung faktischen Entscheidungszwangs Einfluss auf die Abstimmungen der anderen Organe der Gesellschaft ausübt.1819 Vertragsstrafe-Versprechen oder verschuldensunabhängige Schadenersatzpflichten für den Fall, dass eine Transaktion scheitert, sind ebenfalls kritisch.1820 Klauseln seien nur dann unbedenklich, wenn sie objektiv nicht geeignet sind, das Abstimmungsverhalten zu beeinflussen.1821 Der Vorstand dürfe den Aktionären nicht eine bestimmte Entscheidung vorschreiben oder verbieten.1822 II. Übertragbarkeit in der Restrukturierung Für die Restrukturierung stellt sich die Frage, ob die aktienrechtliche Wertung, dass kein Entscheidungsdruck auf die Beteiligten ausgeübt werden darf, auch hier gilt. Weiter oben wurde bereits auf die Coercive Techniques hingewiesen:1823 zur Erinnerung: Die Gläubiger gehen im RSA häufig eine Stimmbindung zugunsten der Verwaltung ein; die Entscheidung der Beteiligtenversammlung könnte auch dadurch unzulässig beeinflusst werden, dass das Management Deathtrap-Klauseln in das RSA oder in den Plan aufnimmt. Ein Beispiel sind Beitrittsprämien. Ein weiteres Beispiel ist, dass nur solche Gläubiger, welche das RSA unterzeichnen, als potentielle künftige Geldgeber, Investoren oder Lieferanten ausgewählt werden. Auch auf die bessere Behandlung bei frühzeitigem Anschluss an das RSA wurde hingewiesen (front-end loaded offer1824).1825 Dieses Vorgehen kann auf die Gläubiger zusätzlichen
1816
Schmidt/Lutter/Seibt, § 76 Rn. 15 unter Verweis auf „wirtschaftlich drangsalierende Exit Fees oder Break Fees“. 1817 Drygala, WM 2004, 1457, 1460. 1818 Drygala, WM 2004, 1457, 1460. 1819 Drygala, WM 2004, 1457, 1460; i. E. auch Schmidt/Lutter/Seibt, § 76 Rn. 15; Guinomet, Break-Up-Vereinbarungen, S. 202, 204 f. 1820 Heß, Investorenvereinbarungen, S. 170; i. E. auch Schmidt/Lutter/Seibt, § 76 Rn. 15. 1821 Heß, Investorenvereinbarungen, S. 170. 1822 Banerjea, DB 2003, 1489, 1491. 1823 Vgl. dazu oben bei Fn. 425 ff. 1824 Vgl. zum Übernahmerecht: Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, Einleitung, Rn. 10. 1825 Couwenberg/Lubben, 13 Brook. J. Corp. Fin &. Com. L. 147, 166 (2018) („[S]tories are repeatedly told of options to sign lockups or RSAs that expire in mere days […].“); Skeel, 130 Yale L. J. 366, 386 („Some RSAs add a further nudge by making their benefits ,exploiting,‘ offering the fee only to creditors who sign up within a specified time period – say, within thirty days – or by giving larger benefits to those who sign on earlier.“).
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Kap. 4: RSA im Konflikt zur Verfahrens- und Kompetenzordnung
Druck ausüben, sich dem RSA schnell anzuschließen.1826 Auch auf den Zeitdruck und die Fait-Accompli-Technik wurde hingewiesen.1827 Weiter oben wurden bereits einige Vorteile von Coercive Techniques vorgetragen.1828 Nunmehr geht es darum, festzustellen, ob diese Techniken unzulässig sind, weil sie einen Kompetenzübergriff auf die Entscheidungsfreiheit der Versammlung der Planbetroffenen bedeuten. 1. Eine Ansicht: pauschales Verbot In den USA gibt es Stimmen, die ein pauschales Verbot einer Einflussnahme befürworten.1829 Die Parteien würden ansonsten dazu gedrängt, den Plan zu unterstützen.1830 Der Planbestätigungsprozess ziele aber darauf ab, dass die Gläubiger über ihre Behandlung durch den Plan ohne „Beeinflussung“ durch Sondervorteile abstimmen sollen.1831 Die Sonderzuwendungen in RSA würden diese Voraussetzungen unterlaufen, indem den Gläubigern eine unterschiedliche Behandlung zugedacht wird, je nachdem ob und wann sie das RSA unterzeichnen.1832 Zweck des Chapter 11Verfahrens sei es, einen strukturierten Verhandlungsprozess zu ermöglichen, ohne dass dieser durch Bestechung der Gläubiger, Geiselnahme derselben oder eine Kombination daraus gelenkt werde.1833 Wären die vorgestellten Techniken erlaubt, hätten verhandlungsstarke Gläubiger die Möglichkeit, ihre situationsbedingte Position (situational leverage) auszunutzen, um Sondervorteile zu erhalten.1834 Es sei aber Bedingung für einen zwangsweisen Eingriff in Gläubigerrechte, dass die prozessualen Schutzvorkehrungen im Gesetz eingehalten werden.1835 Selbst von Stimmen, welche RSA und Deathtrap-Klauseln offener gegenüberstehen, wird eingeräumt, dass ein Verbot den Abstimmungsprozess schützen und eine unbeeinflusste Abstimmung sicherstellen würde.1836 1826
Skeel, 130 Yale L. J. 366, 386 (2020). Vgl. oben bei Fn. 440. 1828 Vgl. oben bei Fn. 425 ff. 1829 Vgl. Janger/Levitin, 13 Brook. J. Corp. Fin. & Com. L. 169 ff., insbesondere 183 f. (2018); Janger/Levitin, Yale L. J. Forum, 335 ff. (2020). 1830 Janger/Levitin, 13 Brook. J. Corp. Fin. & Com. L. 169 ff., insbesondere 183 f. (2018). 1831 Janger/Levitin, Yale L. J. Forum, 335, 338 (2020) („The plan-confirmation process contemplates that similarly situated creditors will vote to accept or reject their treatment under the plan based on adequate information and without coercion.“). 1832 Janger/Levitin, Yale L. J. Forum, 335, 338 (2020) („They [the distortions contained in RSAs] undercut the assumption of equal treatment by offering creditors different treatment under the plan based on whether and when they sign up to the RSA.“). 1833 Janger/Levitin, Yale L. J. Forum, 335, 338 (2020). 1834 Janger/Levitin, Yale L. J. Forum, 335, 340 in Fn. 19 (2020). 1835 Janger/Levitin, 13 Brook. J. Corp. Fin. & Com. L. 169, 179 (2018); ausführlich: Janger/ Levitin, Yale L. J. Forum, 335 ff. (2020). 1836 Skeel, 130 Yale L. J. 366, 372 (2020). 1827
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2. Differenzierter Ansatz für die Restrukturierung? In den USA vertritt Skeel in einer der ersten umfassenden Ausarbeitungen zu RSA, dass im Chapter 11-Verfahren großzügigere Maßstäbe anzulegen sind als im Gesellschaftsrecht. Die Abstimmung im Chapter 11-Verfahren sei keine neutrale Abstimmung1837 und ein bestimmter Grad an Einflussnahme sei zulässig1838. Ein wesentliches Argument für die Zulässigkeit einer Einflussnahme der Verwaltung auf die Abstimmung im Restrukturierungsrecht bestehe darin, dass das Restrukturierungsrecht – anders als z. B. das Gesellschaftsrecht – auf die Bestätigung eines Plans angelegt ist. „The baseline is not neutral. To the contrary, Chapter 11 is (…) biased toward confirmation.“1839 „Chapter 11 process itself is coercive.“1840
Wolle die Schuldnerin das Verfahren nutzen, sei es für die Beteiligten schwierig, diesen Plan zu durchqueren, da eine Eingangskontrolle typischerweise nicht stattfinde.1841 Darüber hinaus könne die Schuldnerin stets legitim damit drohen, statt eines konsensualen Plans einen Cramdown oder gruppenübergreifenden CramdownPlan zu verfolgen, und so zusätzlich Druck auf die Parteien ausüben.1842 Eine andere Drohung sei, dass ein Liquidationsverfahren initiiert werde, wodurch die Parteien noch weniger Befriedigung erhalten würden.1843 Erkenne man diese Wertung an, dürften RSA, Deathtrap-Klauseln und andere Techniken zur Mehrheitsbeschaffung in der Restrukturierung eher zulässig sein.1844 Eine wesentliche ökonomische Rechtfertigung für die Einführung eines Restrukturierungsverfahrens liegt im sog. Gefangenen-Dilemma.1845 Auch im Gefangenen-Dilemma werde auf die Entscheidung der Parteien eingewirkt, sodass sie dort gerade keine unbeeinflusste Entscheidung treffen könnten. „Few would argue that the threat of a higher prison sentence if a criminal defendant declines to confess, as in the prisoner’s dilemma, should be prohibited.“1846
Weiter erklärt Skeel, dass der Einsatz von RSA mit ihren Gebührenstrukturen und Deathtrap-Klauseln aus normativen Gründen zulässig sein sollten. Erstens sei das 1837
Zum Folgenden: Skeel, 130 Yale L. J. 366, 388 ff. (2020). Skeel, 130 Yale L. J. 366, 390 (2020). 1839 Skeel, 130 Yale L. J. 366, 390 (2020). 1840 Skeel, 130 Yale L. J. 366, 391 (2020). 1841 Skeel, 130 Yale L. J. 366, 390 (2020). 1842 Skeel, 130 Yale L. J. 366, 390 f. (2020). 1843 Skeel, 130 Yale L. J. 366, 391 (2020). 1844 Skeel, 130 Yale L. J. 366, 390 (2020). 1845 Vgl. zum Problem ohne Restrukturierungsverfahren: Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 19 ff.; Jackson, Bankruptcy Law, S. 10 f.; im Zusammenhang mit der Restrukturierungsrichtlinie: Klöhn/Franke, ZEuP 2022, 44, 55. 1846 Skeel, 130 Yale L. J. 366, 396 (2020); allgemeiner Means/Kuo, 57 B.C.L. Rev. 1599, 1603 f. mit Fn. 18 (2016). 1838
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Verhandlungsumfeld zu beachten.1847 Gläubiger müssten Anreize erhalten, ihre Forderungen nicht mehr an andere Distressed-Debt-Investoren abzutreten.1848 Nur so könne ein stabiles Verhandlungsumfeld erzeugt werden, was für den Erfolg der Restrukturierung unerlässlich sei. Gläubiger, Wettbewerber oder Hedgefonds könnten durch Forderungskäufe einfache Blockade-Möglichkeiten erhalten und die Restrukturierung gefährden.1849 Coercive Techniques seien manchmal nötig, um ein noch ausgeprägteres opportunistisches Verhalten von Distressed-Debt-Investoren zu bekämpfen.1850 Zweitens sei eine Abstimmung im Restrukturierungsverfahren nicht auf Neutralität angelegt.1851 Darüber hinaus könnten einige Zahlungen „individuell gerechtfertigt“ werden:1852 Eine Beitrittsprämie könne die Gläubiger dafür entschädigen, dass sie darauf verzichten, ihre Forderungen im Laufe des Verfahrens weiter abzutreten. Den Gläubigern, die die Restrukturierung aushandeln, entstünden erhebliche Kosten, die ausgeglichen werden sollten.1853 Das Ausarbeiten eines Plans stelle ein öffentliches Gut dar, welches allen Gläubigern zu Gute komme.1854 Außerhalb der Restrukturierung seien Breakup Fees deshalb gerechtfertigt, weil sie den Bieter für Kosten entschädigen würden, die er im Rahmen der Vertragsverhandlungen erlitten hat.1855 Obwohl zwischen RSA-Gebühren und Break-up Fees einige Unterschiede bestehen, ähneln sie sich in gewisser Weise.1856 Dieser Gedanke kann wie folgt weiterentwickelt werden: Schlüsselgläubiger können durchaus mit Stalking-Horse-Bietern verglichen werden. Ihnen wird Zugang zu Insider-Informationen gewährt und sie können eine Due Diligence durchführen, um herauszufinden, ob und wie ein Unternehmen am besten restrukturiert werden kann.1857 Durch den Abschluss eines RSA können die Schuldnerin und die Schlüsselgläubiger nach außen hin signalisieren, dass sie der Ansicht sind, dass das Unternehmen sanierungsfähig ist. Der Stalking-Horse-Bieter wird bei Auktionen für den Fall, dass er nicht zum Zuge kommt, ebenfalls durch Gebühren (Breakup Fees) abgesichert.1858 RSA reduzieren zudem die Möglichkeit des Trittbrettfahrens der passiven Gläubiger.1859 1847
Skeel, 130 Yale L. J. 366, 373 (2020); sehr kritisch dazu Janger/Levitin, Yale L. J. Forum, 335 ff. (2020). 1848 Vgl. Skeel, 130 Yale L. J. 366, 374 (2020) („But because claims trading is now ubiquitous, creditors’ interests are highly unstable. A potential deal hammered out today may fall apart tomorrow after some claims are sold to buyers who do not believe the proposed deal is a good one.“). 1849 Skeel, 130 Yale L. J. 366, 374 f. (2020). 1850 Skeel, 130 Yale L. J. 366, 375 (2020). 1851 Skeel, 130 Yale L. J. 366, 375, 390 ff. (2020). 1852 Skeel, 130 Yale L. J. 366, 375 f. (2020). 1853 Skeel, 130 Yale L. J. 366, 394 (2020). 1854 Skeel, 130 Yale L. J. 366, 401 (2020). 1855 Skeel, 130 Yale L. J. 366, 403 (2020). 1856 Skeel, 130 Yale L. J. 366, 403 (2020), auch zu den Unterschieden. 1857 Vgl. dazu Casey, 78 U. Chi. L. Rev. 759, 787 (2011). 1858 Casey, 78 U. Chi. L. Rev. 759, 787 (2011). 1859 Skeel, 130 Yale L. J. 366, 394. (2020).
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3. Stellungnahme Der zuletzt genannte Ansatz kann auch für das deutsche Recht fruchtbar gemacht werden. Es sprechen gute Argumente dafür, dass die Verwaltung auf die Abstimmung der Planbetroffenen einen gewissen Einfluss ausüben darf. Auch nach den deutschen Restrukturierungsgesetzen ist die Abstimmung über den Restrukturierungsplan keine „neutrale“ Abstimmung. Der Planersteller hat vielfältige Gelegenheiten, diese Abstimmung zu beeinflussen. Hierzu zählen insbesondere die strategische Gruppenbildung und die Möglichkeit, den Restrukturierungsplan zu formulieren und auszuarbeiten. Auch hierzulande kann mit einem gruppenübergreifenden Cramdown-Verfahren oder mit einem Liquidationsverfahren gedroht werden. Im StaRUG-Verfahren verliert die horizontale Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft an Bedeutung. Die entscheidende Abstimmung über den Restrukturierungsplan erfolgt nicht mehr in der Hauptversammlung, sondern in der Beteiligtenversammlung der Planbetroffenen. Der Grundsatz der Gläubigerautonomie ist im StaRUG-Verfahren viel weniger ausgeprägt als in der Insolvenzordnung. Insbesondere gibt es hier keine Gläubigerversammlung, welche über den Fortgang des Verfahrens entscheidet. Hinsichtlich der Möglichkeit der Gruppenbildung durch den Planverfasser wird deutlich, dass im Rahmen der Restrukturierung ein leichtes Machtübergewicht bei der Verwaltung liegt. In diesem Rahmen kann das Argument der „horizontalen Organisationsverfassung“ in Krisenzeiten nicht in gleicher Weise ins Feld geführt werden wie in normalen Zeiten. Der Insolvenzordnung ist die Möglichkeit einer gewissen Incentivierung von Gläubigern auch nicht völlig fremd. Der Gesetzgeber ging vor dem ESUG davon aus, dass die Möglichkeit einer übertragenden Sanierung als Druckmittel gegenüber den Anteilsinhabern ausreiche, um im Planverfahren entsprechende Beschlüsse zu fassen, da sie ansonsten völlig leer ausgehen würden.1860 Die Regierungsbegründung zur InsO macht deutlich, dass es mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar ist, denjenigen Gläubigern, welche dem Plan nicht zustimmen, eine Barabfindung zuzuteilen, während für die zustimmenden Gläubiger eine Planregelung getroffen werden kann.1861 Der Regierungsbegründung kann auch entnommen werden, dass diese Barabfindung nur den durch den Minderheitenschutz gewährleisteten Liquidationswert erreichen muss, was gleichzeitig bedeutet, dass die sie in ihrem Wert hinter den durch den Plan gewährten Rechten zurückbleiben darf. Nach der Literatur arbeitet auch die Praxis im Rahmen von Debt-to-Equity-Swaps häufig mit sog. „Incentivierungsmodellen“, wonach den Gläubigern eine Barquote angeboten wird, die nur knapp über der Befriedigung im Regelverfahren liegt.1862 Gleichzeitig wird eine Ersetzungsbefugnis auf ein Optionsrecht auf Aktien gegen die Schuldnerin
1860 1861 1862
RegE ESUG, BT-Drucks. 17/5712, S. 30. RegE-InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 202. Brünkmans/Thole/Brünkmans, S. 273 (§ 8 Rn. 427).
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gewährt.1863 Erkennt man diese Wertung an, verlieren die Bedenken, es werde durch die Schuldnerin durch eine gewisse Ausgestaltung des Plans oder durch RSA unzulässig Einfluss auf die Abstimmung der Gläubiger genommen, erheblich an Gewicht. 4. Grenze ist anhand einer Abwägung im Einzelfall zu ermitteln a) Grundsatz Eine Grenze könnte allerdings durch § 63 Abs. 4 StaRUG gezogen werden. Danach ist die Planbestätigung zu versagen, wenn die Annahme des Plans unlauter herbeigeführt worden ist. Fraglich ist, ob der Einsatz eines RSA dazu führt, dass eine solche „unlautere“ Herbeiführung des Plans gegeben ist. Der BGH hat zur Parallelnorm § 250 Nr. 2 InsO festgestellt, dass im Gesetz nicht näher ausgeführt ist, wann die Annahme eines Insolvenzplans „unlauter“ herbeigeführt worden ist.1864 Im Schrifttum wird der Begriff unter Rückgriff auf Treu und Glauben (§ 242 BGB) konkretisiert.1865 Als Beispiele werden der Stimmenkauf, einseitig bevorzugende Nebenabreden, eine Manipulation der Abstimmungsmehrheiten, ein Forderungskauf oder das kollusive Aufteilen einer Forderung zur Beschaffung von Mehrheiten genannt.1866 Eine nähere Begründung dieser Regelbeispiele wird nicht gegeben. Dies ist bei den genannten Beispielen auch weniger wichtig, weil sie eindeutige Fälle darstellen. Es wäre nun einfach, zu argumentieren, dass eine Herbeiführung der Planannahme mittels RSA „unlauter“ sei, weil das RSA eine bevorzugende Nebenabrede darstelle, eine Begünstigung vorliege oder weil die Abstimmungsmehrheiten „manipuliert“ worden seien. Die Liste der Regelbeispiele könnte schlicht weitergeführt werden. Dieses Vorgehen wäre allerdings problematisch. Erstens ist der Einsatz eines RSA nach den bisherigen Ausführungen kein klarer Fall einer „unlauteren“ Herbeiführung der Planannahme. Vielmehr stellt es ein wichtiges Hilfsmittel zur Überwindung der Anti-Allmende-Tragödie in der Restrukturierung dar (vgl. dazu oben). Zweitens wäre es methodisch unsauber, den Begriff der „Unlauterkeit“ einfach über Regelbeispiele fortzuentwickeln. Dies würde zu pauschalen Ergebnissen führen, wo solche gar nicht angezeigt sind. Drittens gebietet der Grundsatz von Treu und Glauben generell eine Abwägung zwischen den Interessen aller am Rechtsverhältnis beteiligten Personen.1867 1863
Brünkmans/Thole/Brünkmans, S. 273 (§ 8 Rn. 427). BGH, Beschl. v. 3. 3. 2005 – IX ZB 153/04, BGHZ 162, 283, 288 (juris-Rn. 17). 1865 Braun-StaRUG/Fendel, § 63 Rn. 16; vgl. HambKomm-InsO/Thies/Lieder, § 250 Rn. 11; HK-InsO/Haas, § 250 Rn. 6; MüKoInsO/Sinz, § 250 Rn. 44; Nerlich/Römermann/ Rühle, 43. EL Mai 2021, § 250 Rn. 14. 1866 Uhlenbruck-InsO/Lüer/Streit, § 250 Rn. 30. 1867 MüKoBGB/Schubert, § 242 Rn. 46. 1864
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b) Systematisierung Fraglich ist, wie diese Abwägung systematisiert werden kann. Abstrakt bieten sich drei Gesichtspunkte an, die berücksichtigt werden sollten: Erstens sollten einer Interessenabwägung im Rahmen des § 242 BGB nach der Literatur „Wertmaßstäbe“ zugrunde gelegt werden.1868 Hier kommen Maßstäbe in Betracht, welche im geltenden Recht Niederschlag gefunden haben.1869 Auch bei anderen Generalklauseln wird geprüft, ob das konkret zu beurteilende Verhalten den „Wertungen“ der Rechtsordnung zuwiderläuft. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB nennt als Maßstab z. B. den „wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung“. Bei § 138 BGB wird der Begriff der Sittenwidrigkeit ebenfalls durch die der Rechtsordnung immanenten Prinzipien bestimmt.1870 Hier könnte berücksichtigt werden, dass weder die InsO noch das StaRUG-Verfahren eine völlig neutrale Abstimmung gewährleisten. Zweitens ist Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte zu bestimmen.1871 Hier wäre zu fragen, welche Rolle die international praktizierte Praxis bei Restrukturierungen spielt. Drittens wird betont, dass der Einzelfall „inhaltlich wie situativ korrekt zu erfassen“ ist.1872 Diesbezüglich stellt sich die Frage, welche Rolle der zunehmende Handel von notleidenden Forderungen spielt. Es müsste auch berücksichtigt werden, dass eine Restrukturierung nicht statisch an einem Tag entwickelt und umgesetzt werden kann, sondern dass hierfür häufig längere, zähe Verhandlungen in einem dynamischen Verhandlungsumfeld notwendig sind. Bei Anwendung der gerade dargestellten Abwägungskriterien dürfte eine gewisse Einflussnahme alleine noch kein unlauteres Vorgehen darstellen. Skeel hat dafür ein brauchbares Schema entwickelt:1873 Je wahrscheinlicher Holdout-Strategien sind, desto eher können RSA, Gebühren und Deathtrap-Klauseln gerechtfertigt sein.1874 In die Abwägung sollte auch einfließen, wie stark auf die Abstimmung eingewirkt wird.1875 Schließlich sollte geprüft werden, ob individuelle Rechtfertigungsgründe vorliegen.1876 Dieses Vorgehen führt dazu, dass die Parteien, welche die Restrukturierung unterstützen, Spielraum erhalten. Daneben wird die Position des Managements gestärkt. Gleichzeitig werden Holdout-Strategien von Junior-Gläubigern bekämpft. Auch die Realität spricht für Skeels differenzierten Ansatz. Anzunehmen, die Schlüsselgläubiger würden auch ohne Gegenleistung helfen, einen Restrukturier1868 1869 1870 1871 1872 1873 1874 1875 1876
MüKoBGB/Schubert, § 242 Rn. 48. MüKoBGB/Schubert, § 242 Rn. 48. Grüneberg/Ellenberger, § 138 Rn. 3. Vgl. Staudinger/Looschelders/Olzen, § 242 Rn. 159 ff. MüKoBGB/Schubert, § 242 Rn. 49. Zum Folgenden: Skeel, 130 Yale L. J. 366, 395 ff. (2020). Skeel, 130 Yale L. J. 366, 396 f. (2020). Skeel, 130 Yale L. J. 366, 398 ff. (2020). Skeel, 130 Yale L. J. 366, 401 ff. (2020).
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ungsplan auszuarbeiten, erscheint zweifelhaft. Die Gläubigerbeteiligung wird gefördert und effiziente Planungen werden ermöglicht. Gleichzeitig wird die Gefahr erheblich reduziert, dass ein (nur von der Schuldnerin ausgearbeiteter) Plan später bei der Abstimmung keine Mehrheit findet. Dies würde viel Zeit und Geld kosten und würde die Restrukturierung möglicherweise in Gefahr bringen.
E. Übergehung des Restrukturierungsbeauftragten I. Problemaufriss Ein weiterer Effekt eines RSA könnte darin bestehen, dass der Restrukturierungsbeauftragte faktisch entmachtet und übergangen wird. Der Restrukturierungsbeauftrage soll im Grundsatz die verhandlungsschwachen Gläubiger schützen, Integrität und Effizienz im Restrukturierungsprozess sicherstellen und zwischen den Beteiligten vermitteln.1877 Seine Rechtsstellung könnte beschnitten werden und es könnte ihm unmöglich gemacht werden, seine Aufgaben effektiv wahrzunehmen. In diesem Fall könnte das RSA zum einen nach § 134 BGB nichtig sein. Dies könnte auch ein Grund sein, die Planbestätigung nach § 63 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG zu versagen, weil die Vorschriften über die verfahrensmäßige Behandlung des Restrukturierungsplans in einem wesentlichen Punkt nicht beachtet wurden. So wie Investorenvereinbarungen problematisch sind, wenn sie die Kompetenzen des Aufsichtsrats und der Hauptversammlung übergehen,1878 können auch RSA problematisch sein, wenn sie die Kompetenzen des Restrukturierungsbeauftragten missachten. II. Restrukturierungsrichtlinie Bei alleiniger Betrachtung der RRL wäre das Ergebnis eindeutig. Nach Art. 5 Abs. 3 lit. b) der RRL muss ein Restrukturierungsbeauftragter zur Unterstützung der Schuldnerin und der Gläubiger bei der Aushandlung und Ausarbeitung des Plans bestellt werden, wenn der Restrukturierungsplan im Wege eines gruppenübergreifenden Cramdown-Verfahrens bestätigt werden muss. Wenn die Schuldnerin und ausgewählte Schlüsselgläubiger im Vorfeld des StaRUG-Verfahrens einen Plan ausarbeiten und sich verpflichten genau diesen Plan im Verfahren vorzulegen und nur für diesen Plan zu stimmen, kann der Restrukturierungsbeauftragte die Beteiligten später bei der Aushandlung und Ausarbeitung des Plans überhaupt nicht mehr unterstützen, weil dieser ja schon vorliegt und fixiert ist.
1877 1878
Klöhn/Franke, ZEuP 2022, 44, 76. Vgl. Heß, Investorenvereinbarungen, S. 122 ff.
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III. Deutsche Umsetzung der Restrukturierungsrichtlinie Das StaRUG hat die RRL allerdings etwas anders umgesetzt: Im StaRUG wird zwischen dem obligatorischen Restrukturierungsbeauftragten (§§ 73 ff. StaRUG) und dem fakultativen Restrukturierungsbeauftragten (§§ 77 ff. StaRUG) unterschieden. Der obligatorische Restrukturierungsbeauftragte ist bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen zwingend vom Gericht zu bestellen. Der fakultative Restrukturierungsbeauftragte wird (nur) auf Antrag der Schuldnerin oder einer qualifizierten Gläubigermehrheit eingesetzt (§§ 77 ff. StaRUG). Das Gericht kann den Restrukturierungsbeauftragten frühestens nach Anzeige der Restrukturierungssache bei Gericht beauftragen.1879 In Abhängigkeit davon, welche Rolle der Restrukturierungsbeauftragte einnimmt, muss er unterschiedliche Aufgaben erfüllen. 1. Eingriff in die Kompetenzen des obligatorischen Restrukturierungsbeauftragten nach §§ 73 ff. StaRUG durch ein RSA? Fraglich ist, ob die Kompetenzen des obligatorischen Restrukturierungsbeauftragten durch den Einsatz eines RSA beschnitten werden können. In § 73 Abs. 1 bis Abs. 3 StaRUG sind die Situationen normiert, in welchen ein Gericht einen obligatorischen Restrukturierungsbeauftragten bestellt. Gemäß § 76 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG steht dem obligatorischen Restrukturierungsbeauftragten die Entscheidung darüber zu, wie der Plan zur Abstimmung gebracht wird. Diese Befugnis wird durch ein RSA nicht verletzt. Selbst wenn die Planabstimmung privat schon vor Anzeige der Restrukturierungssache nach §§ 17 ff. StaRUG organisiert und dadurch die Entscheidungsbefugnis des Restrukturierungsbeauftragten untergraben würde, liegt nach Ansicht der Literatur kein Gesetzesverstoß vor.1880 Denn dieses Vorgehen werde nach §§ 17 ff. StaRUG gerade gesetzlich ermöglicht und sei dem modularen Restrukturierungsrahmen des StaRUG immanent.1881 Sobald nach Anzeige der Restrukturierungssache absehbar ist, dass der Plan nur mittels gruppenübergreifendem Cramdown bestätigt werden kann, ist ein obligatorischer Restrukturierungsbeauftragter zu bestellen (§ 73 Abs. 2 StaRUG). Der Gesetzgeber hat aber – entgegen der RRL – nicht bestimmt, dass der obligatorische Restrukturierungsbeauftrage bei der Ausarbeitung und Verhandlung des Plans beteiligt werden muss. Die Unterstützung bei der Ausarbeitung und Aushandlung des Plans ist eine Aufgabe, die der deutsche Gesetzgeber nur für den fakultativen Restrukturierungsbeauftragten vorsieht.1882 Der obligatorische Restrukturierungsbe1879 BeckOK-StaRUG/Hänel, § 73 Rn. 28 („Grundvoraussetzung für die Bestellung ist […], dass die Restrukturierungssache i. S. v. § 31 Abs. 3 [StaRUG] rechtshängig ist.“). 1880 Vgl. zu diesem Argument BeckOK-StaRUG/Kramer, § 31 Rn. 22.1. 1881 Vgl. zu diesem Argument BeckOK-StaRUG/Kramer, § 31 Rn. 22.1. 1882 BeckOK-StaRUG/Hänel, § 74 Rn. 137; BeckOK-StaRUG/Hänel, § 77 Rn. 9.
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auftragte braucht demnach bei der Aushandlung der Planvorlage nicht zwingend mitzuwirken. Eine Kompetenzverletzung durch die Aushandlung eines RSA mit den Schlüsselgläubigern kommt deshalb nicht in Betracht. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die übrigen – im StaRUG normierten – Kompetenzen eines obligatorischen Restrukturierungsbeauftragten durch ein RSA beeinträchtigt werden. Dies gilt insbesondere für die Pflicht, Forderungen, Absonderungsanwartschaften, gruppeninterne Drittsicherheiten und Anteils- und Mitgliedschaftsrechte der Planbetroffenen zu prüfen (§ 76 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG). Auch die Aufgabe, die wirtschaftliche Lage der Schuldnerin zu prüfen und ihre Geschäftsführung zu überwachen (§ 76 Abs. 2 Nr. 2 lit. a) StaRUG) wäre durch ein RSA nicht tangiert. Schließlich könnte der Restrukturierungsbeauftragte trotz RSA den Geldverkehr der Schuldnerin kontrollieren, wenn das Gericht dies anordnen würde [§ 76 Abs. 2 Nr. 2 lit. b) und Nr. 3 StaRUG]. Auch in seiner Funktion als Sachverständiger (§ 76 Abs. 4 StaRUG) wäre der Restrukturierungsbeauftragte nicht beeinträchtigt, weil ein RSA ihn nicht daran hindert, eine Stellungnahme zur Erklärung zur Bestandsfähigkeit, der Vermögensübersicht und zum Ergebnis- und Finanzplan abzugeben. 2. Beschneidung der Kompetenzen des fakultativen Restrukturierungsbeauftragten nach §§ 77 ff. StaRUG und des Rechts der Minderheitsgläubiger, diesen zu beantragen Mit einem RSA wird das Restrukturierungskonzept schon vor Anzeige der Restrukturierungssache bei Gericht (§ 31 StaRUG) faktisch in Stein gemeißelt. Fraglich ist, ob die Kompetenzen eines fakultativ bestellten Restrukturierungsbeauftragen damit übergangen werden. Nach § 79 StaRUG unterstützt der fakultative Restrukturierungsbeauftragte die Schuldnerin und die Gläubiger bei der Ausarbeitung und Aushandlung des Restrukturierungskonzepts und des auf ihm basierenden Plans. Bei der Analyse, ob eine Kompetenzverletzung vorliegt, ist zu differenzieren. § 77 Abs. 1 Satz 1 StaRUG gewährt zunächst der Schuldnerin ein Recht, den fakultativen Restrukturierungsbeauftragen zu beantragen. Wenn die Schuldnerin auf dieses Recht verzichtet und den Plan mit den Schlüsselgläubigern ohne Hilfe des fakultativen Restrukturierungsbeauftragen ausarbeiten möchte, dürfte ein Verstoß gegen die Kompetenzordnung des StaRUG ausscheiden. § 77 Abs. 1 Satz 2 StaRUG gewährt allerdings auch den Gläubigern das Recht, einen fakultativen Restrukturierungsbeauftragen zu beantragen, wenn auf sie voraussichtlich mehr als 25 Prozent der Stimmrechte in einer Gruppe entfallen werden und sie sich zur gesamtschuldnerischen Übernahme der Kosten der Beauftragung verpflichten. Die Bedeutung dieses Rechts in einem schuldnergetriebenen Verfah-
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ren1883 ist enorm.1884 Das Restrukturierungsverfahren gleicht einem Beschlussverfahren. In einem solchen Verfahren ist die Beschlussvorlage (also der Planentwurf) das wohl wichtigste Element:1885 Hierin wird eine Vorauswahl mit faktischer Entscheidungsqualität getroffen.1886 Bestehen z. B. 30 Gestaltungsmöglichkeiten, so ist über 29 bereits entschieden, weil nur die dreißigste zur Beschlussfassung gestellt wird.1887 Die Gläubiger haben durch den fakultativen Restrukturierungsbeauftragten die Möglichkeit, von Anfang an bei der Ausarbeitung des Plans teilzunehmen und den Inhalt des Plans zu beeinflussen. Je nachdem, wie das Rechtsinstitut entwickelt wird, könnte in ihm – ähnlich wie in § 218 Abs. 3 InsO1888 – eine Art Mitwirkungsverfahren gesehen werden. Dann könnte eine Missachtung dieses „Mitwirkungsverfahrens“ wie in der InsO1889 zur Folge haben, dass der Plan nicht bestätigt werden kann (§ 63 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG). Auf den ersten Blick wird das Recht der Minderheitsgläubiger und des fakultativen Restrukturierungsbeauftragen bei der Ausarbeitung und Aushandlung des Restrukturierungskonzepts mitzuwirken, jedenfalls vollständig untergraben, wenn sich die Schuldnerin und einzelne Schlüsselgläubiger schon im Vorfeld des Restrukturierungsverfahrens auf ein Plankonzept verständigt haben. Auf der anderen Seite ist das Recht der Gläubiger auf Mitwirkung bei der Planausarbeitung durch einen fakultativen Restrukturierungsbeauftragten nach §§ 77 ff. StaRUG nur einschränkend ausgestaltet. Die Bestellung eines (fakultativen) Restrukturierungsbeauftragten setzt eine rechtshängige Restrukturierungssache voraus.1890 Dies ergibt sich daraus, dass die Verweise in § 77 Abs. 2 StaRUG auf §§ 76 und in § 78 Abs. 3 auf § 75 StaRUG zwingend eine rechtshängige Restrukturierungssache voraussetzen.1891 Bei der Anzeige der Restrukturierungssache muss allerdings schon ein Grobkonzept für den Plan vorliegen.1892 Wenn es keine Beauftragung eines Restrukturierungsbeauftragten ohne Anzeige nach § 31 StaRUG geben kann, bei der Anzeige allerdings schon ein Grobkonzept des Restrukturierungsplans vorzulegen ist, dürfte sich das Recht der Gläubiger auf Mitwirkung bei der Planerstellung durch den Restrukturierungsbeauftragten auf ein Recht zur 1883 BeckOK-StaRUG/Hänel, § 79 Rn. 2; Bork, ZRI 2021, 345, 347; nach Paulus, ZRI 2022, 45, 49 seien Verfahren nach der RRL schuldnergetrieben; zurückhaltend bei der Einordnung des StaRUG als schuldnerzentriertes Verfahren: Paulus, NZI-Beilage 2021, 9 ff. 1884 Kritisch zur Bedeutung hingegen: BeckOK-StaRUG/Hänel, § 79 Rn. 2 („soweit das Institut überhaupt praktische Relevanz erlangt“). 1885 R. Bruns, Annales Universitatis Saraviensis – Jur. Fac. 1954, S. 137 ff., insb. S. 141. 1886 R. Bruns, Annales Universitatis Saraviensis – Jur. Fac. 1954, S. 137, 141. 1887 R. Bruns, Annales Universitatis Saraviensis – Jur. Fac. 1954, S. 137, 141. 1888 Vgl. dazu MüKoInsO/Eidenmüller § 218 Rn. 37 ff. 1889 Vgl. MüKoInsO/Eidenmüller, § 218 Rn. 56 f. (Zurückweisung im Vorprüfungsverfahren); Rn. 58 ff. (Ablehnung im Bestätigungsverfahren). 1890 Vgl. BeckOK-StaRUG/Hänel, § 77 Rn. 7; vgl. auch Bork, ZRI 2021, 345, 349. 1891 BeckOK-StaRUG/Hänel, § 77 Rn. 7. 1892 BeckOK-StaRUG/Hänel, § 79 Rn. 3.
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„Fortentwicklung des Restrukturierungskonzepts“ reduzieren.1893 In diesem Fall dürfte ein RSA, das ein Grobkonzept für einen Restrukturierungsplan enthält, auch die Kompetenzen des fakultativen Restrukturierungsbeauftragten nicht beschneiden. 3. Zwischenergebnis Ein RSA führt nach der derzeitigen Ausgestaltung des StaRUG nicht dazu, dass in die Kompetenzen des obligatorischen oder des fakultativen Restrukturierungsbeauftragen eingegriffen wird.
F. Umgehung des „Debtor-in-Possession“-Prinzips Sowohl nach der RRL (Art. 5 Abs. 1), als auch nach dem StaRUG soll das präventive Restrukturierungsverfahren in Eigenverwaltung ablaufen.1894 Indem die Schlüsselgläubiger das RSA durch die Aufnahme von Milestones als Instrument nutzen, jedenfalls faktisch die Kontrolle über das Verfahren zu erhalten,1895 könnte dies das Debtor-in-Possession-Modell umgehen und ein Secured-Creditor-in-Possession-Modell1896 etablieren. Insoweit könnte das RSA nach § 134 BGB oder nach § 138 BGB unwirksam sein oder dazu führen, dass wesentliche Verfahrensvorschriften missachtet werden (§ 63 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG). Das Problem weist Parallelen zum Problem „Entäußerung von Leitungsmacht“ auf (vgl. dazu oben). Zur Lösung kann zum einen auf die dort vorgebrachten Argumente verwiesen werden. Das Debtor-in-Possession-Prinzip dürfte gewahrt sein, solange die Schuldnerin die wesentlichen Bedingungen des RSA selbst freiwillig eingegangen ist. Formell betrachtet wird das Debtor-in-Possession-Modell außerdem gar nicht umgangen. Die Schuldnerin bzw. ihre Geschäftsleitung treffen die wesentlichen Entscheidungen formal selbst. Das Debtor-in-Possession-Modell (Eigenverwaltung) ist im Übrigen als Gegensatz zu einer Fremdverwaltung z. B. durch einen Insolvenzverwalter1897 oder durch einen Restrukturierungsbeauftragen1898 konzipiert und nicht als Gegen1893 BeckOK-StaRUG/Hänel, § 77 Rn. 7; § 79 Rn. 3 [„Die gesetzliche Vorgabe, dass der Beauftragte den Schuldner (auch) bei der Ausarbeitung des Restrukturierungskonzepts unterstützen soll, fügt sich nicht in die sonstige Gesetzessystematik ein. Denn der Schuldner muss ein solches Konzept – zumindest in der Form eines Grobkonzepts – bereits bei der Anzeige der Restrukturierungssache gem. § 31 Abs. 2 Nr. 2 vorlegen, vor der die Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten nicht möglich ist. Der Beauftragte kann somit nur bei der Fortentwicklung eines Restrukturierungskonzepts unterstützen, das der Schuldner schon selbst erstellt haben muss.“]. 1894 Vgl. zum StaRUG Bork, ZRI 2021, 345, 350. 1895 Westbrook, 37 Emory Bankr. Dev. J. 551, 562 f. (2021); Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593, 603 (2017). 1896 Vgl. zu diesem Modell oben bei Fn. 763 ff. 1897 Vgl. RegE-InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 222 f. 1898 Vgl. z. B. ErwG 30 der RRL.
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modell zum Einfluss wichtiger Gläubiger. Wie oben gezeigt, ist ein gewisser vertraglicher Einfluss der Schlüsselgläubiger im Gesetz ohnehin angelegt (vgl. § 54 Abs. 2 StaRUG). Das Debtor-in-Possession-Prinzip wird durch den Einsatz von RSA deshalb nicht verletzt.
G. Nichtigkeit wegen Stimmbindung zugunsten der Verwaltung I. Problemaufriss Sowohl die Gläubiger, die das RSA aushandeln, als auch die Gläubiger, welche sich diesem später anschließen, verpflichten sich darin, im späteren Abstimmungstermin für den vorgelegten Plan zu stimmen. Auch Aktionäre, die sich dem RSA anschließen, gehen eine Stimmbindung zugunsten der Verwaltung ein. Fraglich ist, ob sich die Aktionäre und die Gläubiger wirksam im Vorfeld der Restrukturierung gegenüber der Schuldnerin in Bezug auf ein bestimmtes Stimmverhalten binden können. II. Keine unzulässige Stimmbindung der Aktionäre nach § 136 Abs. 2 AktG Ein Vertrag ist nach § 136 Abs. 2 Satz 1 AktG nichtig, wenn sich ein Aktionär darin verpflichtet, sein Stimmrecht nach Weisung der Gesellschaft oder des Vorstands auszuüben. Fraglich ist, ob eine Stimmbindung eines Aktionärs im Rahmen eines RSA von dieser Regelung erfasst ist. 1. Grundsatz Ziel der Regelung ist, zu verhindern, dass die Verwaltung die Entscheidungen der Hauptversammlung beeinflussen kann.1899 Es soll keinen Verwaltungseinfluss zu Lasten der Aktionäre geben.1900 Die Verwaltung soll keine ihr genehmen Hauptversammlungsbeschlüsse herbeiführen können.1901 Sie soll sich nicht gegen die Kontrolle der Hauptversammlung immunisieren können.1902 Ziel ist auch, einer Verwässerung des Aktionärseinflusses in Bereichen vorzubeugen, in denen die Hauptversammlung zuständig ist.1903 Die Kontrolle und der Grundsatzeinfluss der 1899 Heß, Investorenvereinbarungen, S. 160; Herrmann, Zivilrechtliche Abwehrmaßnahmen, S. 134 f. 1900 Hüffer/Koch/Koch, § 136 Rn. 2, 25; Regierungsbegründung zu § 136 AktG, abgedruckt bei Kropff, Aktiengesetz, S. 201; Steinert, Investorenvereinbarung, S. 103. 1901 Regierungsbegründung zu § 136 AktG, abgedruckt bei Kropff, Aktiengesetz, S. 201; Steinert, Investorenvereinbarung, S. 69. 1902 Vgl. GK-AktG/Grundmann, § 136 Rn. 69. 1903 GK-AktG/Grundmann, § 136 Rn. 77.
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Anteilseigner soll gewährleistet werden.1904 Nach der Regierungsbegründung zu § 136 Abs. 2 AktG sollen „alle Möglichkeiten der Verwaltung, das Abstimmungsergebnis zu beeinflussen“, von der Norm erfasst sein.1905 Die Norm wird im Zusammenhang mit der zwingenden Kompetenzordnung der Aktiengesellschaft gesehen.1906 2. Einschränkung bei Bindung in Bezug auf einen konkreten Abstimmungsgegenstand Einigkeit besteht darin, dass die Norm offen formulierte Weisungsrechte der Verwaltung gegenüber den Aktionären verbietet.1907 Streitig ist allerdings, ob die Norm auch Stimmbindungen bzgl. konkreter Abstimmungsgegenstände erfasst.1908 Dieser Streit ist im Rahmen von RSA relevant, wenn das dort festgelegte Restrukturierungskonzept derart detailliert ist, dass schon von einer Stimmbindung in Bezug auf einen hinreichend konkreten Abstimmungsgegenstand gesprochen werden kann. Ein Teil der Literatur vertritt, dass auch Stimmbindungen bzgl. konkreter Abstimmungsgegenstände verboten sind.1909 Hierfür spreche zum einen, dass nach der Gesetzesbegründung alle Möglichkeiten der Einflussnahme umfasst sein sollen.1910 Zudem sei in § 136 Abs. 2 AktG ein allgemeines Rechtsprinzip verankert, wonach die Verwaltung keinen Einfluss auf den Willensbildungsprozess in der Hauptversammlung nehmen dürfe.1911 Die Abgrenzung zwischen offenen und konkreten Vereinbarungen sei schwierig.1912 Die Stimmbindung sei einklagbar und könne vollstreckt werden, sodass die Verwaltung im Ergebnis auch bei der Bindung bzgl. konkreter Abstimmungsgegenstände die Willensbildung beeinflusse, falls der Aktionär sich umentschieden habe.1913 Würden die Stimmbindungsverträge mit Vertragsstrafen kombiniert, würden dem Aktionär daneben „Daumenschrauben“ angelegt.1914 Schließlich entscheide der Aktionär bei einem Stimmbindungsvertrag gegenüber der Verwaltung außerhalb der Hauptversammlung aufgrund von vorse1904
GK-AktG/Grundmann, § 136 Rn. 77. Regierungsbegründung zu § 136 AktG, abgedruckt bei Kropff, Aktiengesetz, S. 201. 1906 Z. B. Otto, AG 1991, 369, 376. 1907 Steinert, Investorenvereinbarung, S. 69 („unstreitig“). 1908 Überblick zum Streitstand: Steinert, Investorenvereinbarung, S. 70 f. 1909 MüKoAktG/Arnold, § 136 Rn. 101; Grigoleit/Herrler, § 136 Rn. 32; Reichert, ZGR 2015, 1, 24 f.; Otto, AG 1991, 369, 376 f.; Heß, Investorenvereinbarungen, S. 161 ff.; Dittert, Satzungsbegleitende Aktionärsvereinbarungen, S. 171 f.; Steinert, Investorenvereinbarung, S. 103. 1910 Vgl. Heß, Investorenvereinbarungen, S. 162; Otto, AG 1991, 369, 376 ff. 1911 Vgl. Otto, AG 1991, 369, 377 f. 1912 Dittert, Satzungsbegleitende Aktionärsvereinbarungen, S. 171 f.; Otto, AG 1991, 369, 377. 1913 Steinert, Investorenvereinbarung, S. 74 f. 1914 Dittert, Satzungsbegleitende Aktionärsvereinbarungen, S. 171; Steinert, Investorenvereinbarung, S. 75. 1905
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lektierten Informationen.1915 Zweck der Norm sei auch der Schutz der Kompetenzordnung des AktG und der Schutz der Hauptversammlung als Willensbildungsorgan.1916 Eine andere Ansicht vertritt überzeugend, dass nur offen formulierte Vereinbarungen unzulässig sind.1917 Es könne nicht von einer Einflussnahme gesprochen werden, wenn im Ergebnis keine eigene, originäre Entscheidung des Vorstands bzw. der AG vorliegt.1918 Nur wenn der Vorstand die Möglichkeit hat, seinen Willen an die Stelle des Willens der Hauptversammlung zu setzen, ist § 136 Abs. 2 AktG erfüllt.1919 Wenn sich die Aktionäre bzgl. eines konkreten Abstimmungsgegenstands gebunden haben, liege immer noch deren Willensbetätigung vor; sie sei nur vorgelagert.1920 Der Aktionär beschließe eigenverantwortlich, ob und auf welche Weise er seine Mitwirkungsrechte in der Hauptversammlung ausübt.1921 3. Einschränkung, weil Aktionär sich nur in Eigenschaft als Planbetroffener bindet Es könnte darüber hinaus argumentiert werden, dass die Voraussetzungen des § 136 Abs. 2 AktG nicht erfüllt sind, weil sich ein Aktionär im Rahmen eines RSA nicht in seiner Eigenschaft als Aktionär, sondern in seiner Eigenschaft als doppeltnachrangiger Gläubiger1922 bzw. als Planbetroffener im StaRUG-Verfahren bindet. § 136 Abs. 2 Satz 1 AktG betrifft seinem Wortlaut nach nur den „Aktionär“. Hiergegen kann allerdings vorgebracht werden, dass eine derartige Differenzierung gekünstelt ist.
1915
Heß, Investorenvereinbarungen, S. 164. Ausführlich: Steinert, Investorenvereinbarung, S. 76 ff. mit Ergebnis auf S. 103. 1917 Schneider, Stimmbindungsvertrag, S. 198; Heinzmann, Restrukturierungsvereinbarungen, S. 239 f.; Overrath, Stimmrechtsbindung, S. 21 f.; Herrmann, Zivilrechtliche Abwehrmaßnahmen, S. 135; wohl auch Noack/Servatius/Haas/Noack, § 47 Rn. 115; Zöllner, ZHR 155 (1991), 168, 183 f. 1918 Heinzmann, Restrukturierungsvereinbarungen, S. 239. 1919 Heinzmann, Restrukturierungsvereinbarungen, S. 239. 1920 Heinzmann, Restrukturierungsvereinbarungen, S. 240; Herrmann, Zivilrechtliche Abwehrmaßnahmen, S. 135; Overrath, Stimmrechtsbindung, S. 21 f. 1921 Herrmann, Zivilrechtliche Abwehrmaßnahmen, S. 135. 1922 Vgl. zu dieser Eigenschaft: Brinkmann, ZIP 2014, 197, 201 („Nach der Logik des ESUG in Verbindung mit der grundsätzlichen Funktion des Insolvenzverfahrens sind die Gesellschafter nicht anders zu behandeln als nachrangige Insolvenzgläubiger.“); Seibt/Bulgrin, DB 2020, 2226, 2233 („Im Ergebnis werden die Gesellschafter daher ebenso wie im Insolvenzplanverfahren nicht mehr als Mitglieder eines Verbandes, sondern als grds. nachrangig zu befriedigende Gläubiger […] eingeordnet.“); ebenso H.-F. Müller, ZIP 2020, 2253, 2255; zum Begriff des doppelt-nachrangigen Insolvenzgläubigers: Bitter, ZGR 2010, 147, 191. 1916
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4. Einschränkung, wenn Kompetenzbereich der Hauptversammlung nicht betroffen ist Ein weiteres Argument für die Zulässigkeit der Stimmbindung besteht darin, dass die Stimmabgabe nicht in der Hauptversammlung erfolgen wird, sondern in der Versammlung der Planbetroffenen. § 136 Abs. 2 AktG setzt aber voraus, dass die getroffene Vereinbarung auch in die Regelungskompetenz der Hauptversammlung fällt.1923 5. Rechtfertigung eines Eingriffs möglich? Nach einer Ansicht soll ein tatbestandlicher Eingriff in § 136 Abs. 2 AktG auch gerechtfertigt werden können, wenn die Stimmbindung zur außergerichtlichen Sanierung des Unternehmens zwingend geboten ist.1924 In diesem Fall sei die durch § 136 Abs. 2 AktG geschützte Organisationsstruktur weniger schützenswert.1925 Die durch diese Norm geschützte Gewaltenteilung in der AG diene dem Zweck, Wertminderungen des Unternehmens entgegenzuwirken, die aus einer einseitigen Verfolgung von Partikularinteressen resultieren.1926 Wenn Stimmbindungen allerdings notwendig seien, um den Unternehmenswert zu erhalten, würde eine strikte Befolgung des § 136 Abs. 2 AktG dieses Ziel gerade verfehlen.1927 6. Teleologische Reduktion bei Zustimmungspflicht Teilweise wird auch vertreten, dass sich Aktionäre einer Stimmbindung unterwerfen dürften, wenn sie aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht ohnehin schon verpflichtet sind, einem bestimmten Restrukturierungskonzept zuzustimmen.1928 Wenn die Gesellschafter eine solche Zustimmungspflicht treffe, sei es widersprüchlich, ihnen zu verbieten, sich diesbezüglich in einer Restrukturierungsvereinbarung zu binden.1929 7. Zwischenergebnis Die besseren Argumente sprechen dafür, dass § 136 Abs. 2 Satz 1 AktG einer Stimmbindung der Aktionäre in einem RSA in Bezug auf die Abstimmung über einen Restrukturierungsplan nicht entgegensteht. 1923 Heß, Investorenvereinbarungen, S. 160; Heinzmann, Restrukturierungsvereinbarungen, S. 230; Reichert, ZGR 2015, 1, 25; Schall, in: Kämmerer/Veil, S. 75, 94. 1924 Heinzmann, Restrukturierungsvereinbarungen, S. 241. 1925 Heinzmann, Restrukturierungsvereinbarungen, S. 240. 1926 Heinzmann, Restrukturierungsvereinbarungen, S. 240. 1927 Heinzmann, Restrukturierungsvereinbarungen, S. 240 f. 1928 Heinzmann, Restrukturierungsvereinbarungen, S. 243 f. 1929 Heinzmann, Restrukturierungsvereinbarungen, S. 243 f.
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III. Keine Anwendbarkeit des § 136 Abs. 2 AktG auf Gläubiger Das Verbot aus § 136 Abs. 2 Satz 1 AktG findet auf Stimmbindungen von Gläubigern keine Anwendung. Gegen eine Anwendung sprechen verschiedene Gründe: Erstens verpflichten sich typischerweise die Gläubiger und nicht die Aktionäre zur Stimmabgabe. Gläubiger sind vom Wortlaut der Norm allerdings nicht umfasst. Die Gläubiger stellen auch kein Organ der AG dar.1930 Stimmbindungen im RSA zielen auch nicht auf die Hauptversammlung, sondern auf die Versammlung der Planbetroffenen ab, sodass § 136 Abs. 2 Satz 1 AktG nach seiner systematischen Stellung ebenfalls nicht erfüllt ist. Fraglich ist, ob die Norm analog auf Stimmbindungen der Gläubiger gegenüber der Schuldnerin bzgl. der Stimmabgabe in der Versammlung der Planbetroffenen anwendbar ist.1931 Hierzu müssten eine vergleichbare Interessenlage und eine planwidrige Regelungslücke vorliegen.1932 Beides ist zu verneinen. An der Vergleichbarkeit der Interessenlage fehlt es, weil die Versammlung der Planbetroffenen kein Organ der Schuldnerin ist.1933 Primäres Ziel des StaRUG ist es, eine Restrukturierung zu ermöglichen. Hierzu sind gewisse Bindungen und Absprachen im Vorfeld der Restrukturierung zwingend notwendig. Im StaRUG-Verfahren wird die Schuldnerin bzw. ihr Management zusätzlich vom Gericht und dem Restrukturierungsbeauftragten kontrolliert. Gegen eine analoge Anwendung der Norm spricht auch, dass deren Sinn und Zweck1934 unter anderem darin besteht, die horizontale Organisationsverfassung zu schützen und sicherzustellen, dass die Kompetenzen von Verwaltung und Aktionären nicht vermischt werden. Gerade dieser Schutz ist in der Restrukturierung allerdings nicht in gleicher Weise geboten. Hier hat die Verwaltung vielmehr für ihren vorgeschlagenen Plan zu werben und für dessen Annahme zu sorgen. Wie weiter oben gezeigt, ist eine gewisse Beeinflussung der Planbetroffenen durch die Schuldnerin auch zulässig.
H. Unzulässigkeit einer verfrühten (verbindlichen) Planannahme? I. Problemaufriss Ein weiterer Effekt eines RSA könnte sein, dass die im Gesetz vorgesehenen Abstimmungsprozeduren nicht eingehalten werden. Das StaRUG hat eine genaue 1930
Heinzmann, Restrukturierungsvereinbarungen, S. 244. Vgl. gegen eine Anwendbarkeit auf Stimmbindungen der Anleihegläubiger in der Anleihegläubigerversammlung nach dem SchVG: Heinzmann, Restrukturierungsvereinbarungen, S. 244 f. 1932 Grundlegend zur Analogiebildung: Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 381 ff.; vgl. auch Bitter/Rauhut, JuS 2009, 289, 297. 1933 Vgl. analog zur Gläubigerversammlung nach dem SchVG: Heinzmann, Restrukturierungsvereinbarungen, S. 244 f. 1934 Vgl. dazu Otto, AG 1991, 369 ff.; Otto, NZG 2013, 930 ff. 1931
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Vorstellung davon, wie das Abstimmungsverfahren bzgl. des Restrukturierungsplans abzulaufen hat. II. Blick in die USA In den USA wird diskutiert, ob die Anforderungen an das dortige Abstimmungsverfahren durch RSA umgangen werden. Dort ist vorgesehen, dass das Gericht zunächst ein sog. Disclosure Statement bestätigen muss. Das Gericht prüft, ob dieses ausreichend Informationen für die Gläubiger bereithält, damit diese eine angemessene Entscheidung treffen können. Nach 11 U.S.C. § 1125 (b) darf erst nach Bestätigung des Disclosure Statements mit dem Einwerben von Stimmen begonnen werden. Die Stimmen derjenigen Gläubiger, die ihre Stimme schon zu einem Zeitpunkt fixiert haben, zu welchem das Gericht das Disclosure Statement noch nicht bestätigt hat, können auf Antrag eines (überstimmten) Gläubigers für ungültig erklärt werden, 11 U.S.C. § 1126 (e). Historischer Zweck des Disclosure Statements ist es, eine uninformierte und vorschnelle Entscheidungen auf Seiten der Gläubiger zu verhindern.1935 Restrukturierungen sollten nicht wie im Equity-Receivership-Verfahren durchgeführt werden.1936 Das Gericht hat heute nach 11 U.S.C. § 1125 (b) zu prüfen, ob den Gläubigern ausreichend Informationen bereitgestellt werden, damit diese eine fundierte Entscheidung treffen können. Heute ist umstritten, ob diejenigen Gläubiger, die den Plan in einem RSA vorverhandeln und sich anschließend verpflichten, jenen Plan später zu unterstützen, schon bindend ihre Stimme abgeben, bevor das Gericht ein Disclosure Statement bestätigt hat.1937 Der Kern des Problems liegt darin, zu bestimmen, ob der Begriff „Einwerben von Stimmen“ (soliciting votes) nach 11 U.S.C. § 1125 (e) weit ausgelegt werden muss, in welchem Fall er auch „Verhandeln“ umfassen würde.1938
1935 Vgl. SEC Report, Part I, S. 900 („There must be removed the indefensible pressure upon the court which reorganizers are able to exert by confronting it with assents to a plan obtained from security holders prior to any review of the fairness and equity of the plan but who have been induced to give conditional approval to a plan in advance of its formulation, or to endorse the general activities of a committee or group by sending them blanket or broad proxies, or by depositing their securities with them.“); vgl. auch Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593, 605 (2017); Baird, Elements of Bankruptcy, S. 262 ff.; Baird, The Unwritten Rules, S. 173. 1936 Vgl. zum Ganzen: Skeel, Debt’s Dominion, S. 120 f. 1937 Diskussion bei Baird, The Unwritten Rules, S. 173 f.; insgesamt muss aber beachtet werden, dass § 1125 (b) nur dann gilt, wenn das RSA zeitlich nach Beginn des Chapter 11Verfahrens verhandelt und unterzeichnet worden ist. Nach 11 U.S.C. 1125 (a) bzw. 1125 (g) muss die Schuldnerin bei RSA, welche vor dem Antrag verhandelt wurden, nur die allgemeinen Gesetze beachten und braucht für das Einwerben von Stimmen keine Bestätigung eines Disclosure Statements [Sasson, 9 N.Y.U. J. L. & Liberty, 850, 866 f. (2015); Janger/Levitin, 13 Brook. J. Corp. Fin. & Com. L. 169, 178 (2018)]. Hier müssen die Gläubiger, die sich einem RSA anschließen, aber ebenfalls mit ausreichend Informationen versorgt werden. 1938 Insgesamt zur Diskussion: Baird, Elements of Bankruptcy Law, S. 262 ff.
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Diese Auffassung wurde teilweise von den Gerichten vertreten.1939 Die Rechtsprechung hat mittlerweile aber mehrheitlich entschieden, dass es nicht verboten ist, einen Plan mit der Schuldnerin auszuhandeln und sich dabei zu verpflichten, später für den Plan zu stimmen.1940 § 1125 (b) verbiete nur eine formale Aufforderung zu Stimmabgabe (specific request for an official vote).1941 Die Gefahr, dass Gläubiger schon vorzeitig ungeprüfte Informationen erhielten, werde unter anderem dadurch aufgewogen, dass die Parteien das RSA mitverhandeln können.1942 Würde dies anders gesehen, wäre die Verhandlung eines Restrukturierungsplans – insbesondere angesichts des gegenwärtig regen Forderungshandels1943 – kaum möglich.1944 Professionell agierende Gläubiger bedürften ohnehin nicht des Schutzes des Disclosure Statements. Diese sollten sich dem RSA auch schon vor dessen gerichtlicher Bestätigung anschließen dürfen, ohne dass ihre Stimmen dann disqualifiziert werden müssen.1945 Ob dies auch für die Gläubiger gilt, die sich dem RSA anschließen sollen, nachdem es ausgehandelt wurde, ist hingegen offen.1946 Auch bei Pre-Packs darf die Abstimmung durch die Gläubiger nach 11 U.S.C. 1126 (b) nur erfolgen, nachdem die Gläubiger mit ausreichend Informationen ausgestattet worden sind.1947 Fehlt es an dieser informationellen Grundlage, ist es problematisch, den Gläubigern anzubieten, sich dem RSA anzuschließen. Der „Defekt“ könne aufgrund der Stimmbindung auch nicht dadurch geheilt werden, dass im weiteren Verfahren zusätzliche Informationen erteilt werden.1948
1939
Z. B. In re Nll Holdings, Inc., Order No. 02 – 11505 (Bankr. D. Del. Oct. 25, 2002) ECF No. 367, zitiert nach Sasson, 9 N.Y.U. J. L. & Liberty, 850, 873 (2015). 1940 In re Snyder, 51 B.R. 432, 437 (Bankr. D. Utah 1985); Century Glove, Inc. v. First Am. Bank of New York, 860 F.2d 94, 101 ff. (3d Cir. 1988); In re Kellogg Square Partnership, 160 B.R. 336, 339 f. (Bktrcy. D. Minn 1993); In re Heritage Organization, 376 B.R. 783, 792 (Bkrtcy. N. D. Tex 2007); Official Comm. Of. Unsecured Creditors of New World Pasta Co. v. New World Pasta Co., 322 B.R. 560, 568 (M.D. Pa. 2005); In re Indianapolis Downs, LLC, 486 B.R. 286, 293 ff. (Bankr. D. Del. 2013); In re Residential Capital, LLC, 2013 WL 3286198 bei *20 (Bankr. S.D.N.Y. 2013). 1941 In re Snyder, 51 B.R. 432, 437 (Bankr. D. Utah 1985). 1942 Century Glove, Inc. v. First Am. Bank of New York, 860 F.2d 94, 102 f. (3d Cir. 1988). 1943 Baird, The Unwritten Rules, S. 173 f. 1944 In re Indianapolis Downs, 486 B.R. 286, 297 (Bkrtcy. D. Del. 2013). 1945 In re Indianapolis Downs, 486 B.R. 286, 295 ff. (Bkrtcy. D. Del. 2013). 1946 Vgl. LoPucki, Law-Econ Research Paper No. 21 – 12, S. 22 (2022). 1947 LoPucki, Law-Econ Research Paper No. 21 – 12, S. 22 (2022). 1948 LoPucki, Law-Econ Research Paper No. 21 – 12, S. 22 (2022) („Belk’s later solicitation of acceptances from the same creditors [Gläubiger, welche das RSA ohne ausreichende Informationsgrundlage unterzeichnet haben] arguably could not cure the defect because the creditors were no longer free to decide whether to accept the plan. They were legally bound to accept the plan whether they thought it was a good plan or not.“).
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Kap. 4: RSA im Konflikt zur Verfahrens- und Kompetenzordnung
III. Stellungnahme zum StaRUG Das StaRUG bietet drei Wege, wie die Abstimmung über den Plan organisiert werden kann. Die außergerichtliche Planabstimmung ist in §§ 17 – 23 StaRUG geregelt. Sie kann vertraglich (§§ 17 ff. StaRUG) oder im Wege einer außergerichtlichen Abstimmung (§§ 20 ff. StaRUG) erfolgen.1949 Die Schuldnerin kann schließlich beantragen, dass das Restrukturierungsgericht einen Termin bestimmt, in dem der Restrukturierungsplan und das Stimmrecht der Planbetroffenen erörtert werden und in dem „anschließend“ über den Plan abgestimmt wird (§ 45 Abs. 1 StaRUG). Damit können einige Vorteile einhergehen (z. B. ein Anfechtungsprivileg1950). Alle Verfahren verlangen, dass den Gläubigern das Planangebot mit zahlreichen Informationen vor der Abstimmung zugänglich gemacht wird. Die Informationspflichten, die mit dem Planangebot einhergehen, sollen den einzelnen Gläubiger vor einer uninformierten Stimmabgabe schützen und Informationsasymmetrien zwischen den Insidern und den übrigen Beteiligten abbauen.1951 Daneben sind Annahmefristen bzw. Ladungsfristen zu beachten, um den Gläubigern Zeit für eine Prüfung des Plans zu geben. Schließlich bestehen auch weitere Informationsrechte gegenüber der Schuldnerin. Eine Stimmbindung im RSA könnte eine Abweichung von der im Gesetz vorgesehenen Abstimmungsprozedur darstellen, weil sich die Planbetroffenen hier im Grundsatz schon festlegen, obwohl sie das fertige Planangebot noch gar nicht kennen. Der darstellende Teil des StaRUG-Plans, welcher die Gläubiger vor der Abstimmung ausreichend informieren soll, die Fristen, welche den Gläubigern Bedenkzeit geben sollen, und der Erörterungstermin, welcher eine Verhandlung des Plans und eine informierte Abstimmung der Parteien sichern soll, könnten ihre Schutzwirkungen verlieren. Darin sollte aber kein Grund für die Nichtigkeit der Stimmbindung1952 bzw. für eine Versagung der Planbestätigung nach § 63 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG liegen. Hierfür sprechen folgende Gründe: Der einzelne Gläubiger kann freiwillig auf diesen Schutz verzichten.1953 Die vorzeitige Stimmbindung bzw. Abstimmung ist auch nicht mit einer unwiderruflichen Stimmrechtsvollmacht vergleichbar, wie sie in den Deposit Agreements vereinbart worden ist. Bei Letzteren hatten die Gläubiger keine Anhaltspunkte, wie der spätere Plan aussehen könnte. Sie mussten ihrem Vertreter blind vertrauen. Im Fall einer Stimmbindung im RSA liegt jedenfalls schon ein Grobkonzept des Restrukturierungsplans vor. Es erfolgt eine Bindung in Bezug auf einen konkreten Abstimmungsgegenstand. Darüber hinaus 1949
Bork, ZRI 2021, 345, 352 f. Bork, ZRI 2021, 345, 353. 1951 Zum Informationszweck des darstellenden Teils des Plans vgl.: Jaeger-InsO/Münch, § 220 Rn. 20, 21, 38, 42 ff.; rechtsvergleichend: Rn. 16 ff.; grundlegend: Balz, in: Hopt/ Wymeersch, S. 287 ff. 1952 I. E. ebenso: Smid/Rattunde/Martini, Der Insolvenzplan, Rn. 4.14 f., 4.19. a. A. aber Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 443 f. in Fn. 374. 1953 Vgl. zur Insolvenzordnung: Groh, Stimmvereinbarungen, S. 100 ff. 1950
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binden sich die Gläubiger hier selbst und legen die Entscheidung nicht in fremde Hände. Generell stehe es den Parteien in einem Zivilprozess offen, ihr konkretes prozessuales Verhalten vertraglichen Bindungen zu unterwerfen.1954 Es könnte argumentiert werden, dass die Informationspflichten und die Annahmeund Einberufungsfristen auch den Schutz der übergangenen Gläubiger1955 und den Schutz der kollektiven Willensbildung bezwecken und deshalb nicht disponibel seien. Zum Insolvenzplanverfahren wurde erklärt, dass die Vorschriften zum Verfahren selbst zwingend seien.1956 Wo zwingende Vorschriften betroffen sind, können auch Prozessverträge keine Wirkung haben.1957 Die kollektive Willensbildung wird allerdings im StaRUG durch besondere Vorschriften ausreichend geschützt. Wie weiter unten noch beschrieben wird, entfällt nach hier vertretener Ansicht eine Stimmbindung, wenn ein Gläubiger eine Planversammlung beantragt (§ 21 Abs. 4 Satz 2 StaRUG), sodass in der Verhandlung auf informierter und ungebundener Basis kollektiv entschieden werden kann.
I. Entfallen der Stimmbindung I. Problemaufriss Teilweise zielt die Kritik an RSA darauf ab, dass nicht alle Gläubiger in die Verhandlungen über das RSA einbezogen werden. Die übergangenen Gläubiger haben später im Planverfahren keine Möglichkeit mehr, ihre Meinung zur Geltung zu bringen. Wenn sich die entsprechenden Mehrheiten schon gefunden haben und sie sich vorab verpflichtet haben, für einen bestimmten Plan zu stimmen, hat die übergangene Minderheit im Grundsatz keine Möglichkeit mehr, die Abstimmung noch zu beeinflussen und ihre Ideen einzubringen. Dies wäre nur dann möglich, wenn die schon gebundenen Parteien ihr Stimmverhalten nochmals ändern könnten, die Bindungswirkung also unter besonderen Umständen entfallen würde. Nicht nur die vollständig übergangenen Gläubiger sind gefährdet. Auch für die Gläubiger, die sich dem RSA frühzeitig anschließen, besteht die Gefahr, dass nach 1954 Vgl. Smid/Rattunde/Martini, Der Insolvenzplan, Rn. 4.19; MüKoZPO/Rauscher, Einleitung, Rn. 464 ff.; vgl. aber zum Problem eines generellen Rechtsverzichts weiter unten bei Fn. 2398. 1955 Vgl. dazu zur Insolvenzordnung: Groh, Stimmvereinbarungen, S. 107 ff. (verneinend); im StaRUG ist dies möglicherweise anders zu beurteilen, vgl. die Ausführungen bei RegESanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 124 („Die Vorschrift stellt sicher, dass die Erörterungsversammlung ihre Zwecke für den Planbetroffenen, der ihre Einberufung verlangt, erfüllen kann.“) (Hervorh. durch Verf.). 1956 BGH, Beschl. v. 26. 4. 2018 – IX ZB 49/17, ZIP 2018, 1141,1143 (juris-Rn. 24); JaegerInsO/Münch, § 217 Rn. 8; MüKoInsO/Eidenmüller, § 217 Rn. 97, 125; HambKomm-InsO/ Thies/Lieder, § 217 Rn. 7; HK-InsO/Haas, § 217 Rn. 2. 1957 Musielak/Voit/Musielak, ZPO, Einleitung, Rn. 67; tendenziell weiter: MüKoZPO/ Rauscher, Einleitung, Rn. 466, wobei auch er eine Grenze bei zwingenden Normen zieht.
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Kap. 4: RSA im Konflikt zur Verfahrens- und Kompetenzordnung
Beitritt zum RSA Informationen auftauchen, welche dem Gläubiger beim Beitritt zum RSA noch nicht vorlagen. Vielleicht erfahren sie von einem dritten Gläubiger, dass die Bedingungen des RSA ungünstig sind und dass es andere Möglichkeiten gibt, die Restrukturierung umzusetzen. Möglicherweise würden sich die Gläubiger, die sich dem RSA angeschlossen haben, nun doch anders entscheiden, wenn sie sich im RSA noch nicht gebunden hätten. Auch ihre Interessen könnten berücksichtigt werden, wenn die Stimmbindung in Bezug auf das RSA unter Umständen entfallen könnte.
II. Antrag auf einen außergerichtlichen Erörterungstermin 1. Wirkweise Das StaRUG selbst bietet mit § 21 Abs. 4 Satz 2 StaRUG einen dogmatischen Ansatzpunkt dafür, dass eine Stimmbindung in einem RSA entfallen könnte. Die Norm gilt, wenn die Schuldnerin die Planabstimmung außergerichtlich organisieren möchte. Dies ergibt sich im Umkehrschluss zu § 23 StaRUG. Sofern die Schuldnerin vor Abgabe des Planangebots nicht allen Planbetroffenen die Gelegenheit zur gemeinschaftlichen Erörterung des Plans oder des Restrukturierungskonzepts gegeben hat, das durch den Plan umgesetzt werden soll, kann jeder Planbetroffene verlangen, dass eine Versammlung der Planbetroffenen zur Erörterung des Plans abgehalten wird (§§ 21 Abs. 1 StaRUG, 17 Abs. 3 StaRUG). Wenn sich ein Planbetroffener bereits zum Planangebot erklärt hat, entfällt die Bindung an diese Erklärung nach § 21 Abs. 4 Satz 2 StaRUG. Fraglich ist, ob diese Rechtsfolge nur tatsächliche Stimmabgaben betrifft, die ein Gläubiger bereits in Bezug auf den Plan abgegeben hat, oder ob sie auch Stimmbindungen in einem RSA betrifft. Die Kommentarliteratur scheint hier bislang nur tatsächliche Stimmabgaben im Blick zu haben.1958 Der Wortlaut des § 21 Abs. 4 Satz 2 StaRUG begrenzt sich auf Erklärungen in Bezug auf das „Planangebot“. Deshalb könnte argumentiert werden, dass eine Stimmbindung im RSA formal „nur“ eine Erklärung in Bezug auf ein grobes Restrukturierungskonzept oder ein Term-Sheet und noch keine konkrete Erklärung in Bezug auf einen Restrukturierungsplan darstelle. Es handele sich demnach noch um keine Annahme eines Planangebots, sondern nur eine Verpflichtung, dieses Angebot anzunehmen. Auf der anderen Seite ist der Wortlaut der Norm nicht explizit auf eine „Annahmeerklärung“ beschränkt, sondern spricht allgemeiner davon, dass sich der Planbetroffene zum Planangebot bereits erklärt hat. Es ließe sich ebenso vertreten, dass die Stimmbindung im RSA auch eine solche „Erklärung“ in Bezug auf das (künftige) Planangebot darstellt und somit von der Norm erfasst ist. 1958 BeckOK-StaRUG/Spahlinger, § 21 Rn. 22 („Weiterhin räumt der Gesetzgeber denjenigen Planbetroffenen, die bereits abgestimmt haben, die Möglichkeit ein, die zuvor abgegebene Planannahme- bzw. Planablehnungserklärungen zu korrigieren.“).
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Systematisch kann argumentiert werden, dass die Norm (nur) tatsächliche Stimmabgaben im Blick hat. § 21 Abs. 4 Satz 2 StaRUG ist in Teil 2 Abschnitt 3 des StaRUG zur „Planabstimmung“ im Unterabschnitt „Planangebot und Planannahme“ geregelt. Dies könnte dafür sprechen, dass die Norm nur dann gilt, wenn der Gläubiger bereits seine „Annahme“ erklärt hat, anschließend allerdings eine Erörterung durchgeführt werden muss. In diesem Fall sollte die Bindung entfallen. Sinn und Zweck sprechen dafür, dass Bindungswirkungen in RSAvon § 21 Abs. 4 Satz 2 StaRUG erfasst sind. § 21 Abs. 4 StaRUG stellt sicher, dass die Erörterungsversammlung ihre Zwecke für den Planbetroffenen, der ihre Einberufung verlangt, erfüllen kann.1959 Nach der Gesetzesbegründung sollen nach der Durchführung der Erörterungsversammlung alle Planbetroffenen erneut die Gelegenheit haben, über die Annahme oder die Ablehnung des Restrukturierungsplans zu entscheiden, „ohne an eine zuvor bereits abgegebene Erklärung gebunden zu sein. Wenn sie aufgrund der Erörterung in der Versammlung zu einer abweichenden Meinung gelangen, können sie diese auch in ihre Abstimmungsentscheidung einfließen lassen.“1960 Die Gesetzesbegründung zeigt, dass es dem Gesetzgeber um die Funktionsfähigkeit der Abstimmungsversammlung für denjenigen geht, der sie verlangt. Hierunter fällt gerade auch der bislang übergangene Gläubiger. Für ihn macht es keinen Unterschied, ob die übrigen Beteiligten sich „nur“ zu einer bestimmten Stimmabgabe verpflichtet haben oder ob sie ihre Stimme schon abgegeben haben. Wenn er die anderen noch von seiner Ansicht überzeugen können soll, muss die Bindung der Beteiligten in beiden Fällen entfallen. 2. Entfallen der Bindungen bei gerichtlicher Abstimmung Fraglich ist, ob die Stimmbindung im RSA auch entfällt, wenn die Schuldnerin eine gerichtliche Planabstimmung nach §§ 45 f. StaRUG beantragt. Gegen diese Ansicht spricht zunächst, dass die §§ 17 – 22 StaRUG auf das gerichtliche Verfahren nicht anwendbar sind. Dies ist explizit in § 23 StaRUG geregelt. Der § 21 Abs. 4 Satz 2 StaRUG könnte allerdings analog auch für das gerichtliche Verfahren anwendbar sein. Dies setzt eine planwidrige Regelungslücke und eine vergleichbare Interessenlage voraus. Dass die Sachverhalte vergleichbar sind, bedarf keiner besonderen Erläuterung. Eine Regelungslücke könnte deshalb bestehen, weil der Gesetzgeber offenbar nicht daran gedacht hat, dass die Planbetroffenen sich auch außerhalb der §§ 19 ff. StaRUG schon in Bezug auf ihr Stimmverhalten gegenüber der Schuldnerin und auch gegenüber Gläubigern vertraglich binden können. Gegen die „Planwidrigkeit“ der Regelungslücke spricht § 23 StaRUG. Für die Planwidrigkeit spricht hingegen die Tatsache, dass der Gesetzgeber dem Erörterungstermin offenbar eine erhebliche Rolle zuspricht. Dem Gläubiger, der sich bisher noch nicht zu Wort melden konnte, 1959 1960
RegE-SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 124. RegE-SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 124.
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soll hier Gelegenheit gegeben werden, die übrigen Planbetroffenen von seiner Ansicht zu überzeugen.1961 Es ist nicht erkennbar, warum ihm diese Möglichkeit „nur“ in der außergerichtlichen Erörterungsversammlung gegeben werden soll. Es könnte auch argumentiert werden, dass die Bindungswirkung von einem RSA erst recht entfallen muss, wenn nicht nur eine außergerichtliche Erörterungsversammlung beantragt wird, sondern sogar eine gerichtliche Erörterungsversammlung. Folgt man dieser Ansicht nicht, wäre darüber nachdenken, ob die Stimmbindung im RSA nach § 134 BGB i. V. m. § 45 StaRUG nichtig ist, weil sie die Funktion der gerichtlichen Planerörterung in Frage stellt. Eidenmüller hat dies jedenfalls in Bezug auf Stimmbindungsvereinbarungen zur InsO vertreten.1962 Dogmatischer Anknüpfungspunkt könnte sein, dass der Restrukturierungsplan nach § 45 Abs. 1 StaRUG zunächst zu erörtern ist und „anschließend“ über den Plan abgestimmt wird. Diese Rechtsansicht könnte zwar mit dem Argument angegriffen werden, dass der Gläubiger, der sich selbst in Bezug auf sein Stimmverhalten bindet, nicht schutzwürdig sei.1963 Wer sich vorab seines Entscheidungsspielraums begebe, nehme in Kauf, dass andere über seine Rechte mitentscheiden würden, und sei daher nicht schutzwürdig.1964 Diese Argumentation greift aber nicht für solche Gläubiger, die nicht an der Stimmbindung teilnehmen.1965 Deren Rechte auf Teilnahme an der Restrukturierungsverhandlung und auf rechtliches Gehör werden durch eine Stimmbindung der übrigen Gläubiger eingeschränkt.1966 Dem könnte wiederum entgegengehalten werden, dass die abstrakte Möglichkeit der übergangenen Gläubiger, auf die Planerstellung Einfluss zu nehmen, nach der InsO nicht schutzwürdig sei.1967 Es bestehe kein Anrecht des unbeteiligten Gläubigers darauf, eine ihm in der Sache genehme Lösung durchzusetzen.1968 Die übergangenen Gläubiger dürften nicht erwarten, dass sich andere Gläubiger ihrem Vortrag anschließen würden.1969 Dem zuletzt genannten Aspekt muss jedenfalls – wie gerade gezeigt – für das StaRUG widersprochen werden.1970 Voraussetzung für das Entfallen der Stimmbindung dürfte allerdings sein, dass in der Erörterungsversammlung neue Informationen und neue Aspekte offengelegt werden, welche das Entfallen der Stimmbindung rechtfertigen können. Hierdurch 1961 1962 1963 1964 1965 1966 1967 1968 1969 1970
Vgl. RegE-SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 124. Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 443 f. in Fn. 374. Groh, Stimmvereinbarungen, S. 104 f. Groh, Stimmvereinbarungen, S. 105. Groh, Stimmvereinbarungen, S. 107 f. Groh, Stimmvereinbarungen, S. 108. Groh, Stimmvereinbarungen, S. 108 ff. Groh, Stimmvereinbarungen, S. 108. Groh, Stimmvereinbarungen, S. 108. Vgl. oben bei Fn. 1959 ff.
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wird einerseits der Vertragsfreiheit und andererseits dem Schutz der Willensbildung ausreichend Rechnung getragen. III. Zwischenergebnis: Keine Konsequenzen für Gentleman-Agreements Selbst wenn die Bindungswirkung im RSA entfällt und es den Gläubigern freisteht, in anderer Weise in Bezug auf den Plan abzustimmen, als sie im RSA zugesagt hatten, schützt § 21 Abs. 4 Satz 2 StaRUG nicht davor, dass sich sowohl die Schlüsselgläubiger als auch die Schuldnerin weiterhin an das RSA halten werden. Die Norm schützt also gerade nicht vor Gentleman Agreements und der Koalitionsbildung zwischen der Schuldnerin und einigen Schlüsselgläubigern. Es ist zu fragen, ob dieses Problem anderweitig gelöst werden kann.1971
J. Planversagung wegen Fehlinformationen bei Beitritt zum RSA? Die Planbestätigung könnte schließlich zu versagen sein, wenn sich später herausstellt, dass die planbetroffenen Parteien im Zeitpunkt, in welchem sie sich dem RSA angeschlossen haben, falsch oder unzureichend informiert waren. Dies könnte unabhängig davon gelten, ob die Stimmbindung in der Erörterungsversammlung entfallen kann. I. Beispielfall aus England Re Sunbird Business Services Ltd Im Fall Re Sunbird Business Services Ltd1972 wurden den Gläubigern die Wirkungen eines Scheme of Arrangements vor Beitritt zum RSA nicht von Anfang an erklärt.1973 Im Laufe des Verfahrens wurden weitere Informationen veröffentlicht. Das Gericht erklärte, dass sich die Gläubiger, die sich dem RSA schon angeschlossen haben, häufig rechtlich daran gehindert sähen, ihre Meinung aufgrund neuer Informationen nochmals zu ändern, insbesondere wenn sie sich durch den Beitritt zum RSA schon eine Fee verdient hätten.1974 Der Lock-up könne den Informationsdefekt zu Beginn des Verfahrens dann durch das ganze Verfahren perpetuieren. Dies könne ein Grund dafür sein, dass der Informationsdefekt nicht behoben werden kann.1975 Als Konsequenz der vorstehenden Bedenken hat das Gericht im Fall Re Sunbird 1971
Vgl. dazu unten bei Fn. 3329 ff. Re Sunbird Business Services Ltd, [2020] EWHC 2493 (Ch) = 2020 WL 05633841. 1973 Re Sunbird Business Services Ltd, [2020] EWHC 2493 (Ch) = 2020 WL 05633841 (Rn. 52 ff.). 1974 Re Sunbird Business Services Ltd, [2020] EWHC 2493 (Ch) = 2020 WL 05633841 (Rn. 118). 1975 Re Sunbird Business Services Ltd, [2020] EWHC 2493 (Ch) = 2020 WL 05633841 (Rn. 123) („I cannot see that it was sufficient to overcome the manifest defects in the contents of the formal Scheme Document and Addendum.“). 1972
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Business Services Ltd die Planbestätigung erstmals auch wegen den Wirkungen des RSAversagt.1976 Im konkreten Fall genügte es für das Gericht auch nicht, dass einigen Gläubigern zusätzliche Informationen informell bereitgestellt worden sind. Erstens wären diese Informationen nicht allen Gläubigern mitgeteilt worden; zweitens sei nicht klar gewesen, ob die Gläubiger, die das RSA schon unterzeichnet hatten, davon ausgingen, dass sie ihre Meinung ohne rechtliche Konsequenzen nochmals ändern konnten.1977 II. StaRUG Sollte ein vergleichbarer Fall in Deutschland auftreten, könnte das Gericht ebenfalls die Planbestätigung unter Verweis auf § 63 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG oder § 63 Abs. 4 StaRUG verweigern, auch wenn später im darstellenden Teil des Plans alle relevanten Informationen enthalten sind. Weil frühzeitige Informationsfehler sich durch das ganze Verfahren ziehen können und weil sie durch das Lock-up Agreement quasi fixiert werden, sind hohe Anstrengungen der Schuldnerin nötig, um die Informationsfehler zu beheben. Die Schuldnerin sollte deutlich machen, dass sie die planbetroffenen Parteien in diesem Fall aus der Stimmbindung entlässt. Außerdem sollte klargestellt werden, was in diesem Fall mit den versprochenen Gebühren geschieht. Es wäre problematisch, wenn eine Meinungsänderung zum Verlust der erworbenen Gebühren führen würde. Denn dies wäre ein Indiz dafür, dass die Gebühren für eine Stimmabgabe gewährt wurden (Stimmenkauf) und durch die Gebühren nicht „nur“ andere Leistungen der Gläubiger (Abtretungsverbot) entlohnt wurden. In diesem Fall müsste die Abwägung dazu führen, dass die Planbestätigung versagt wird.
K. Verhandlungen als immanente Voraussetzung des StaRUG-Verfahrens I. Problemaufriss Ein Effekt eines RSA ist, dass zahlreiche Gläubiger nicht in die Planverhandlungen einbezogen werden. Wie gerade beschrieben, schützt das Recht, einen Erörterungstermin zu beantragen, die übergangenen Gläubiger nicht vor sog. Gentleman Agreements. Ihnen werden das RSA und der Restrukturierungsplan vielmehr als 1976 Vgl. Re Sunbird Business Services Ltd, [2020] EWHC 2493 (Ch) = 2020 WL 05633841 (Rn. 97 ff., 112 ff., 122 f.). 1977 Re Sunbird Business Services Ltd, [2020] EWHC 2493 (Ch) = 2020 WL 05633841 (Rn. 122 f.) („It is unclear to me whether such creditors would have regarded themselves as legally free to change their minds even had they wished to do so on the basis of the additional information. And as I have indicated, some Scheme Creditors were not supplied with any of the additional information at all.“).
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vollendete Tatsache präsentiert.1978 Sie haben dann häufig keine andere Wahl, als den Deal mitzutragen, insbesondere wenn sie sich Gebühren hinzuverdienen wollen und nicht durch die Deathtrap-Klauseln bestraft werden möchten. Die übergangenen Parteien, die den Plan dennoch ablehnen, könnten argumentieren, dass ihnen die effektive Teilnahme an der Restrukturierungsverhandlung verwehrt worden ist. In den USA wird es z. T. als Tabu angesehen, das RSA dazu zu nutzen, den Plan den übrigen Beteiligten als vollendete Tatsache aufzuzwängen.1979 Das Problem, dass Gläubiger (und Anteilsinhaber) überrascht werden und sie vor vollendete Tatsachen gestellt werden, ist auch im StaRUG nicht nur theoretischer Natur. Schon in den ersten bekanntgewordenen Fällen zum StaRUG1980 wurden Gläubiger teilweise absichtlich nicht in die Verhandlungen einbezogen. Dennoch wurde ihnen später mittels StaRUG-Verfahren ein Plan aufgezwängt („plötzliches StaRUG-Verfahren“).1981 So hatte z. B. eine Schuldnerin (vermutlich mit Unterstützung einiger Gläubiger) einen Plan vorbereitet, das StaRUG-Verfahren angezeigt und schließlich bei Gericht die Planabstimmung beantragt, wobei zwischen Anzeige und Abstimmung lediglich 21 Tage liegen sollten.1982 Einige betroffene Gläubiger hatten bis zur Zustellung des Plans durch das Gericht noch nichts vom Vorhaben der Schuldnerin erfahren und standen nun unter höchstem Zeitdruck, den Plan (drei voll befüllte Leitz-Order) innerhalb von zwei Wochen zu prüfen und mögliche Gegenstrategien zu entwerfen. Das wirft die Frage auf, ob das Gesetz dieses Vorgehen zulässt oder ob es verlangt, dass die planbetroffenen Gläubiger auch in die Restrukturierungsverhandlungen einbezogen werden. In einem weiteren Fall argumentierte eine übergangene Konsortialbank, dass es unlauter gewesen sei, dass sie – anders als die übrigen Planbetroffenen – vom Informationsfluss im Vorfeld der Restrukturierungsanzeige abgeschnitten worden sei.1983
1978 Janger/Levitin, 13 Brook. J. Corp. Fin. & Com. L. 169, 177 (2018) („This means that the agreement of key constituencies can be procured first, and then the agreement can be presented to less powerful constituencies as a fait accompli, leaving them little choice but to accept.“); ähnlich: Lubben, 96 Am. Bankr. L. J. 1, 21 (2022). 1979 Janger/Levitin, 13 Brook. J. Corp. Fin. & Com. L. 169, 177 f. (2018). 1980 Sylvia Fiebig im Gespräch mit Christian Heinze und Heiko Schaefer in ihrem Podcast „restruct.law“ am 9. 4. 2021, abrufbar unter https://restructlaw.podigee.io (zuletzt abgerufen am 17. 7. 2021); ebenso Fiebig, ZRI 2021, 561 ff. 1981 Vgl. Frind, ZInsO 2021, 1093. 1982 Dazu Sylvia Fiebig im Gespräch mit Christian Heinze und Heiko Schaefer in ihrem Podcast „restruct.law“ am 9. 4. 2021, abrufbar unter https://restructlaw.podigee.io (zuletzt abgerufen am 17. 7. 2021); Fiebig, ZRI 2021, 561, 563 f.; vgl. abstrakter zu solchen Fallkonstellationen: Frind, ZInsO 2021, 1093 f. 1983 AG Köln, Beschl. v. 3. 3. 2021 83 – REs 1/21, ZIP 2021, 806, 809.
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II. Mehrheitserfordernisse für den StaRUG-Plan kein Garant für faire Verhandlungen Wie weiter oben schon ausgeführt wurde, bieten die derzeitigen Mehrheitsanforderungen im StaRUG-Verfahren keine Gewähr, dass die Gläubiger in die Verhandlungen über einen Restrukturierungsplan einbezogen werden. Die Anteilsinhaber und die Schlüsselgläubiger haben nach der Konzeption des StaRUG ein viel zu großes Stimmgewicht und können einen gruppenübergreifenden Cramdown auch ohne Unterstützung der übrigen Gläubiger durchsetzen. Hierzu können auch Forderungen von Tochtergesellschaften gegen die Schuldnerin fruchtbar gemacht werden.1984 III. Möglichkeit der Erörterung als abschließende Regelung? Es könnte argumentiert werden, dass die übergangenen Gläubiger dadurch ausreichend geschützt werden, dass sie nach den §§ 17 Abs. 3, 21 Abs. 1 StaRUG eine Erörterung des Restrukturierungsplans beantragen können. Weiter oben wurde allerdings bereits dargelegt, dass die Möglichkeit der Planerörterung dann für den übergangenen Gläubiger „ins Leere geht“, wenn zuvor schon Gentleman Agreements zwischen der Schuldnerin und den Schlüsselgläubigern geschlossen wurden. IV. Verhandlungen als Voraussetzung des StaRUG-Verfahrens Einer Überrumpelung der Gläubiger könnte schließlich damit begegnet werden, dass die Instrumente des StaRUG-Verfahrens nur in Anspruch genommen werden dürfen, wenn mit den planbetroffenen Gläubigern zuvor wenigstens verhandelt worden ist.1985 Es dürfte schon einen Wert an sich darstellen, planbetroffene Parteien in die Verhandlungen einzubeziehen, weil hierdurch Informationen (die Ansicht der Minderheiten) offengelegt werden.1986 Nach der US-Literatur sind Verhandlungen ein wirksames Mittel gegen Coercive Techniques im Rahmen einer Restrukturierung.1987
1984 AG Hamburg, Beschl. v. 12. 4. 2021 – 61a REs 1/21, ZIP 2021, 1354 (juris-Rn. 4, 5, 12); vgl. dazu auch Doebert/Krüger, NZI 2021, 614, 618. 1985 Vgl. zu diesem Vorschlag: Frind, ZInsO 2021, 1093 ff. 1986 Vgl. Madaus, Research Handbook, S. 185, 191 („The intrinsic value of hearing the voice of a minority stakeholder group […] comes from aggregating their private information and is able to, possibly, strengthen the decision-making process.“). 1987 Bratton/Levitin, 166 U. Pa. L. Rev. 1597, 1639 (2018) (zu Bond Workouts) („[T]here is concrete evidence of a factor that, at least nominally, counterbalances coercion – negotiation.“).
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1. Blick in die USA – unwritten rules Zur Lösung des Problems hilft zunächst ein rechtsvergleichender Überblick: Eine jüngere Ansicht in den USA hat herausgearbeitet, dass im Chapter 11-Verfahren sog. unwritten rules, also ungeschriebene Regeln gelten, die im Rahmen einer Restrukturierung zu beachten sind.1988 Die ungeschriebenen Regeln könnten auf das fraudulent conveyance law zurückgeführt werden.1989 Sie würden das Verhandlungsprinzip absichern, auf dem Restrukturierungen aufbauen.1990 Das Gesetz möchte eine Umgebung schaffen, in welcher professionell agierende Gläubiger miteinander verhandeln können.1991 Ziel des Gesetzes sei es, Verhandlungen zwischen den Parteien zu ermöglichen.1992 Aus der Entscheidung Northern Pacific Railway Co. v. Boyd1993 könne abgeleitet werden, dass Rechte von betroffenen Parteien im Rahmen einer Restrukturierung nur dann modifiziert werden dürfen, wenn die betroffenen Gläubiger auch an den Verhandlungstisch gebeten werden und ihnen die Chance zugesprochen wird, am Restrukturierungsprozess teilzunehmen.1994 Die Gerichte wurden durch das Gesetz im Rahmen des Restrukturierungsverfahren mit equitable power ausgestattet, um sicherzustellen, dass die Parteien fair und in good faith miteinander verhandeln würden.1995 Die Integrität des Verhandlungsprozesses solle geschützt werden.1996 Statt auf eine „richtige“ Verteilung des Vermögens zu bestehen, sei die wichtigere Aufgabe der Gerichte, die Verhandlungslandschaft zu schützen.1997 Es stelle eine ungeschriebene Regel dar, dass die betroffenen Parteien an den Restrukturierungsverhandlungen beteiligt werden.1998 Bildlich führt Baird aus: „When you stab someone in the reorganization arena, you stab them in the chest, not in the back“.1999 2. Blick nach England: Ohne Verhandlungen strengere Kontrolle Im englischen Fall Re All Scheme Ltd betonte das Gericht, dass eine Schuldnerin zwar keine Pflicht treffe, ein Scheme mit ihren Gläubigern auszuhandeln, bevor es 1988
Vgl. Baird, 36 Emory Bankr. Dev. J. 699 ff. (2020); Baird, The Unwritten Rules, passim. Skeel, 36 Emory Bankr. Dev. J. 733, 734, 738 (2020). 1990 Vgl. Baird, The Unwritten Rules, S. 165 („Bargaining that fails to include everyone is suspect.“). 1991 Baird, 36 Emory Bankr. Dev. J. 699, 712 (2020). 1992 Baird, 36 Emory Bankr. Dev. J. 699 (2020). 1993 Northern Pacific v. Boyd, 228 U.S. 482 (1913). 1994 Baird, 699 Emory Bank. Dev. J. 699, 709 f. (2020). 1995 Baird, 699 Emory Bank. Dev. J. 699, 711 f. (2020). 1996 Baird, 699 Emory Bank. Dev. J. 699, 711 (2020). 1997 Baird, 699 Emory Bank. Dev. J. 699, 715 (2020). 1998 Skeel, 36 Emory Bankr. Dev. J. 733, 734 (2020) („full disclosure“ und „robust participation rights to every affected party“). 1999 Baird, 699 Emory Bank. Dev. J. 699, 716 (2020). 1989
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ihnen zur Abstimmung vorgelegt wird.2000 Aufgabe der Schuldnerin sei es lediglich, ein Scheme vorzuschlagen. Es sei dann an den Gläubigern, zu entscheiden, ob das Scheme angenommen wird. Allerdings machte das Gericht deutlich, dass es bei seiner Ermessenentscheidung sehr wohl berücksichtigen würde, ob ein Scheme zwischen den Parteien verhandelt worden oder ob es den Gläubigern lediglich vorgeschlagen und zur Abstimmung vorgelegt worden sei.2001 Dies habe Auswirkungen auf die Anforderungen an die Informationen, welche den Gläubigern vor ihrer Abstimmung zur Verfügung gestellt werden müssten.2002 Bei der Beurteilung des Schemes habe das Gericht auch nicht die Gewissheit, dass Bestimmungen im Scheme durch einen Verhandlungsprozess geformt und getestet worden seien.2003 Dies könne wiederum Auswirkungen auf den Willen des Gerichts haben, der Mehrheitsentscheidung der Gläubiger zu folgen.2004 Ohne Verhandlungen vollzieht sich die Willensbildung der betroffenen Parteien alleine in der Abstimmung über das Scheme. Im konkreten Fall wurde im Scheme beispielsweise ein Forderungsverzicht von ca. 90 Prozent für die ungesicherten Gläubiger festgelegt, während die Anteilsinhaber ihre Anteile vollständig behielten.2005 Den Gläubigern wurde erklärt, dass das Unternehmen ein Insolvenzverfahren anstrengen würde, in welchem die Gläubiger leer ausgehen würden, wenn sie dem Scheme nicht zustimmen würden.2006 Im Scheme Meeting stimmten schließlich 95,1 Prozent der abstimmenden Gläubiger für den Plan und repräsentierten dabei 95,7 Prozent der abstimmenden Forderungen.2007 Dennoch versagte das Gericht die Planbestätigung, weil den Gläubigern die Gründe für das – nicht verhandelte, sondern vorgelegte2008 – Scheme nicht ausreichend erläutert worden sind. Daneben vertrat das Gericht, dass mögliche alternative Plangestaltungen erläutert werden müssten, insbesondere wenn keine Verhandlungen stattgefunden hätten.2009 Schließlich müsse begründet werden, warum die Anteilsinhaber keine Einbußen hinzunehmen hätten, während die Gläubiger auf 90 Prozent ihrer Forderungen zu verzichten hätten, und warum dies im „besten Interesse“ der Gläubiger sei.2010
2000
Re All Scheme Ltd, [2021] EWHC 1401 (Ch) = 2021 WL 02080184 (Rn. 109, 112). Re All Scheme Ltd, [2021] EWHC 1401 (Ch) = 2021 WL 02080184 (Rn. 109 ff.). 2002 Re All Scheme Ltd, [2021] EWHC 1401 (Ch) = 2021 WL 02080184 (Rn. 112). 2003 Re All Scheme Ltd, [2021] EWHC 1401 (Ch) = 2021 WL 02080184 (Rn. 112). 2004 Re All Scheme Ltd, [2021] EWHC 1401 (Ch) = 2021 WL 02080184 (Rn. 112). 2005 Re All Scheme Ltd, [2021] EWHC 1401 (Ch) = 2021 WL 02080184 (Rn. 70, 134). 2006 Re All Scheme Ltd, [2021] EWHC 1401 (Ch) = 2021 WL 02080184 (Rn. 18 f., 80). 2007 Re All Scheme Ltd, [2021] EWHC 1401 (Ch) = 2021 WL 02080184 (Rn. 9). 2008 Vgl. zu den Anomalien im konkreten Fall: Re All Scheme Ltd, [2021] EWHC 1401 (Ch) = 2021 WL 02080184 (Rn. 103 ff.). 2009 Vgl. Re All Scheme Ltd, [2021] EWHC 1401 (Ch) = 2021 WL 02080184 (Rn. 127 ff., insbesondere 133). 2010 Re All Scheme Ltd, [2021] EWHC 1401 (Ch) = 2021 WL 02080184 (Rn. 134). 2001
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3. Rechtslage in Deutschland a) Eine Ansicht: Verhandlungen sind nicht notwendig In Deutschland verneint eine Ansicht2011 die Notwendigkeit von Verhandlungen, bevor die Verfahrenshilfen des StaRUG in Anspruch genommen werden:2012 Es sei keine Bedingung für die Planbestätigung, dass das Restrukturierungsvorhaben den Planbetroffenen vorab angekündigt werde oder mit diesen vorab (erfolglos) Alternativlösungen gesucht worden seien. Weder dem Gesetz selbst noch der Gesetzesbegründung ließe sich seine solche Anforderung entnehmen. Auch aus § 31 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG ergebe sich keine Verhandlungspflicht. Zwar müsse der Anzeige der Restrukturierungssache bei Gericht eine Darstellung zu den bisherigen Verhandlungen mit den Gläubigern und den Anteilsinhabern beigefügt werden. Dies sei allerdings keine Voraussetzung für die Planbestätigung. Ziel der Norm sei lediglich, dass dem Gericht eine Einschätzung davon ermöglicht werde, ob und welchen Rückhalt das Restrukturierungsvorhaben habe und mit welchen Widerständen zu rechnen sei. Die Norm habe nur Informationscharakter. Wenn die Schuldnerin angibt, dass bisher keine Verhandlungen stattgefunden haben, würde dies nach dem Wortlaut des § 31 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG genügen.2013 Eine Negativanzeige sei zulässig.2014 Teilweise wird formuliert, dass der Restrukturierungsplan „vom Schuldner selbst und seinen Beratern erstellt, und (erst) anschließend den Planbetroffenen, d. h. den Gläubigern und Gesellschaftern zur Annahme vorgelegt“ wird.2015 Das AG Köln hat darüber hinaus erklärt, dass es keine unlautere Herbeiführung einer Planannahme i. S. d. § 63 Abs. 4 StaRUG darstelle, wenn eine Konsortialbank – im Gegensatz zu den übrigen Planbetroffenen – vom Informationsfluss im Vorfeld der Anzeige abgeschnitten werde:2016 Dem StaRUG seien gegenteilige Verpflichtungen nicht zu entnehmen und § 63 Abs. 4 StaRUG betreffe nur die unlautere Herbeiführung der Annahme des Plans. Damit sind nach Ansicht des AG Köln die Vorfeld-Verhandlungen offenbar nicht von der Norm umfasst. Allerdings verweist das AG Köln immerhin auf den Schutz durch die Grundsätze des fairen Verfahrens und des rechtlichen Gehörs.2017
2011
AG Hamburg, Beschl. v. 12. 4. 2021 – 61a REs 1/21, NZI 2021, 544, 546 (Rn. 14) (jurisRn. 20); BeckOK-Kramer, § 31 Rn. 47 (speziell zur Anzeige des Restrukturierungsverfahrens); Ziegenhagen, ZInsO 2021, 2053, 2056. 2012 Zum Folgenden: AG Hamburg, Beschl. v. 12. 4. 2021 – 61a REs 1/21, NZI 2021, 544, 546 (Rn. 14) (juris-Rn. 20). 2013 Dies gibt selbst die Gegenansicht zu, vgl. Frind, ZInsO 2021, 1093, 1094. 2014 BeckOK-StaRUG/Kramer, § 31 Rn. 46. 2015 Distler, ZIP 2021, 1033, 1034. 2016 AG Köln, Beschl. v. 3. 3. 2021 – 83 REs 1/21, ZIP 2021, 806, 809. 2017 AG Köln, Beschl. v. 3. 3. 2021 – 83 REs 1/21, ZIP 2021, 806, 809.
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b) Andere Ansicht: Ohne Verhandlungen kein Rechtsschutzbedürfnis Frind2018 vertritt, dass die Instrumente des StaRUG nur in Anspruch genommen werden können, wenn die Schuldnerin zuvor mit den Planbetroffenen (erfolglos) verhandelt hat. Andere sprechen im Zusammenhang mit § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StaRUG von „durchzuführenden Verhandlungen“.2019 Eine Schuldnerin, die eine Sanierung mittels gerichtlicher Zwangsmaßnahmen anstrebe, müsse zumindest zuvor den Versuch unternommen haben, ihre Gläubiger außergerichtlich zu überzeugen.2020 Werde nur mitgeteilt, dass „keine Verhandlungen“ stattgefunden hätten, könne das Gericht nicht abschätzen, wie der Plan aufgenommen werde.2021 Nach der RRL solle das Gericht die Verhandlungen zwischen den Parteien unterstützen.2022 Außerdem müsse das Schuldnerunternehmen seine planbetroffenen Gläubiger transparent behandeln.2023 Die Gesetzesbegründung zum StaRUG gehe auch davon aus, dass das Verfahren auf stattgefundenen außergerichtlichen Verhandlungen aufbaue.2024 Die Einbeziehung des Gerichts sei im Grunde nur subsidiär gedacht.2025 Dass die Schuldnerin sogar selbst die Planabstimmung durchführen könne, werde nach der Gesetzesbegründung auch mit „vorherigen Verhandlungen“ begründet.2026 Dass das StaRUG-Verfahren vorgerichtliche Verhandlungen voraussetzt, wird dogmatisch zunächst an § 31 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG festgemacht.2027 Es wird argumentiert, dass die notwendige Darlegung des Verhandlungsstands nicht nur „Informationsfunktion“ habe.2028 Das StaRUG sei zuvörderst ein Vertragshilfesystem.2029 Ein zweiter Anknüpfungspunkt ist das Rechtsschutzbedürfnis: Wenn keine vorgerichtlichen Verhandlungen stattgefunden hätten, fehle der Schuldnerin das Rechtsschutzbedürfnis für die Inanspruchnahme des StaRUG-Verfahrens.2030 Bei absichtlich und ohne Not nicht durchgeführten Verhandlungen wäre die Restrukturierungsanzeige nach einem gerichtlichen Hinweis durch Beschluss als unzulässig
2018
Frind, ZInsO 2021, 1093 ff. Wollring/Quitzau, ZRI 2021, 785, 788; in diese Richtung: Morgen/Arends/Schierhorn, ZRI 2021, 305, 309 (der „Restrukturierungsplan ist gemeinsam mit den wesentlichen beteiligten Gläubigern zu entwickeln“). 2020 Frind, ZInsO 2021, 1093, 1095. 2021 Frind, ZInsO 2021, 1093, 1094. 2022 Vgl. Frind, ZInsO 2021, 1093, 1095 mit Verweis auf Erwägungsgründe 32, 70, 36, 40 und 41 der RRL. 2023 Frind, ZInsO 2021, 1093, 1095. 2024 Frind, ZInsO 2021, 1093, 1095 mit Verweis in Fn. 28 auf BR-Drucks. 619/20, S. 91. 2025 Frind, ZInsO 2021, 1093, 1095. 2026 Frind, ZInsO 2021, 1093, 1095 mit Verweis in Fn. 29 auf BR-Drucks. 619/20 S. 138. 2027 Frind, ZInsO 2021, 1093, 1095. 2028 Frind, ZInsO 2021, 1093, 1095. 2029 Frind, ZInsO 2021, 1093, 1095. 2030 Frind, ZInsO 2021, 1093, 1096. 2019
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abzuweisen.2031 Auch bei Beantragung einer konkreten gerichtlichen Maßnahme wäre das Rechtsschutzbedürfnis zu prüfen.2032 Der Antrag auf Planbestätigung sei außerdem als Feststellungantrag anzusehen.2033 Wenn keine vorgerichtliche Aufforderung an die Planbetroffenen erfolgt sei, fehle das Feststellungsinteresse der Schuldnerin.2034 Zum Insolvenzplanverfahren hat Smid im Übrigen noch die Möglichkeit ins Spiel gebracht, dass ein Plan wegen „Überrumpelung“ bestimmter Gläubiger und aufgrund des Konflikts mit dem Anspruch auf rechtliches Gehör bzw. dem Anspruch auf ein faires Verfahren nicht bestätigt werden darf.2035 In diese Richtung geht es auch, wenn der Erörterungstermin als wesentliche Verfahrensvoraussetzung bestimmt wird und es dann zur Versagung der Planbestätigung kommen solle, wenn zu wenig Zeit für eine geordnete Willensbildung gegeben worden sei.2036 c) Stellungnahme Der zweiten Ansicht ist im Ergebnis zuzustimmen. Eine Planbestätigung sollte ohne vorherige Verhandlungen mit den betroffenen Parteien nicht möglich sein. Um diese Ansicht zu untermauern, ist der Blick zunächst nochmals auf die Bedeutung der Restrukturierungsverhandlung zu richten [dazu unter aa)]. Anschließend wird aufgezeigt, dass das Verhandlungsprinzip auch im deutschen Restrukturierungsrecht verwurzelt ist [dazu unter bb)]. Bei der dogmatischen Anknüpfung ist allerdings zu differenzieren [dazu unter cc)]. aa) Bedeutung der Verhandlung: Bestmögliche Befriedigung und Richtigkeitsgewähr Die Restrukturierungsverhandlung, die mittels RSA umgangen werden soll, ist insbesondere aus den folgenden zwei Gründen von Bedeutung. Erstens beruht das System der InsO und auch das des StaRUG darauf, dass in der Restrukturierung, also ex post, ein Suchprozess nach der bestmöglichen Restrukturierung stattfinden soll. Wird die Verhandlungsphase schlicht übersprungen, kann dieses Konzept nicht mehr verwirklicht werden. In den USA werden RSA nach einer Ansicht dann als bedenklich angesehen, wenn sie Gläubiger ruhig stellen, die im Verfahren potentiell aktiv wären.2037
2031 2032 2033 2034 2035 2036 2037
Frind, ZInsO 2021, 1093, 1096. Vgl. Frind, ZInsO 2021, 1093, 1096. Frind, ZInsO 2021, 1093, 1096. Frind, ZInsO 2021, 1093, 1096. Smid, InVo 2000, 1, 4. Jaeger-InsO/Kern, § 250 Rn. 41. Skeel, 166 U. Pa. L. Rev. 699, 740 (2017).
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„A side agreement usually does not threaten to remove a key asset, but it may remove a key party (the silent creditor) from negotiations, which can have similar negative effects on thirdparty stakeholders“.2038
Den Effekt, dass eine Partei bei den Verhandlungen übergangen wird, wurde oben bereits erläutert:2039 Wenn es zwei mögliche Pläne gibt, kann es sein, dass der vermögensmaximierende Plan nicht durchkommt, wenn die Schuldnerin nur mit den Schlüsselgläubigern, nicht aber mit den Junior-Gläubigern verhandeln muss. Die Junior-Klassen wären auch durch das Schlechterstellungsverbot nicht ausreichend geschützt (§ 64 Abs. 1 StaRUG). Auf einen besseren StaRUG-Plan haben die Gläubiger nach dem Schlechterstellungsverbot keinen Anspruch.2040 Ein weiterer Aspekt betrifft die Richtigkeitsgewähr2041 der Restrukturierungsverhandlung. Die Richtigkeitsgewähr von Verträgen2042 wird im Grundsatz durch den Mechanismus des Aushandelns gewährleistet.2043 Die Parteien kommen sich dabei jeweils ein Stück entgegen, sodass die Interessen beider Seiten im Vertragsinhalt Berücksichtigung finden.2044 Im Idealfall entsteht ein Kompromiss in der Mitte.2045 Der Vertragsmechanismus ist darauf angelegt, dass die Freiheitssphären der Beteiligten aufeinanderstoßen und sich gegenseitig „abschmelzen“.2046 Die Richtigkeitsgewähr durch den Vertragsmechanismus des Aushandelns ist „prozeduraler“ Natur.2047 In der Literatur werden jeweils unterschiedliche Aspekte der auf SchmidtRimpler2048 zurückzuführenden Lehre betont. Wichtig für die vorliegende Untersuchung ist insbesondere die Möglichkeit, auf den Vertrag Einfluss zu nehmen.2049 Die objektive Richtigkeitsgewähr des Vertrages sei regelmäßig dort in Frage gestellt, wo es an Vertragsparität fehle, weil eine der beteiligten Parteien u. a. aus situativen
2038
Ayotte/Casey/Skeel, 112 Nw. U. L. Rev. 255, 262 (2017). Vgl. oben bei Fn. 395; Ayotte/Casey/Skeel, 112 Nw. U. L. Rev. 255, 296 (2017). 2040 Skauradszun, KTS 2021, 1, 64 (zum StaRUG); AG Köln, Beschl. v. 3. 3. 2021 – 83 Res 1/21, ZIP 2021, 806, 808; (zum StaRUG); Jungmann/Zündorf, ZRI 2022, 89, 91; vgl. J. Schmidt, in: Kübler, HRI, § 34 Rn. 88 f. (zur InsO). 2041 Grundlegend dazu Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130 ff. 2042 Der Insolvenzplan wird von vielen Vertretern in der Literatur ebenfalls als Vertrag angesehen (umfassend: Madaus, Insolvenzplan, S. 1 ff.). 2043 Canaris, Iustitia Distributiva, S. 70 f. [48] („Ihr Kerngedanke liegt darin, daß sich die Parteien durch den ,Mechanismus‘ des Aushandelns von Verträgen jeweils ein Stück entgegenkommen und daß daher die Interessen beider im Vertragsinhalt Berücksichtigung finden – im Idealfall gewissermaßen durch einen Kompromiß in der Mitte.“]. 2044 Canaris, Iustitia Distributiva, S. 70 f. [48]. 2045 Canaris, Iustitia Distributiva, S. 70 f. [48]. 2046 MüKoBGB/Busche, Vor § 145 Rn. 6. 2047 Canaris, Iustitia Distributiva, S. 72 [50]. 2048 Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130, 132. 2049 Dazu Busche, in: MüKoBGB, Vor § 145 Rn. 6. 2039
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Gründen nicht in der Lage sei, ihre Interessen in den Verhandlungsprozess einzubringen oder gar durchzusetzen.2050 In einer Restrukturierung wird dieses System ebenfalls aufgegriffen. Das Chapter 11-Verfahren beruht auf der Vorstellung, dass der Restrukturierungsplan als Ergebnis einer Restrukturierungsverhandlung zwischen dem Schuldner und den verschiedenen Stakeholdern hervorgeht.2051 Die gegenseitigen Interessen sollten sich dort auch aneinander abschleifen. Der US-Gesetzgeber ging davon aus, dass in der Verhandlung sowohl der Schuldner als auch die jeweiligen Gläubiger den Interessen ihrer Kontrahenten entgegentreten würden und man dem Verhandlungsergebnis deshalb trauen könne.2052 Die Bedeutung dieses Verhandlungsprinzips werde noch dadurch erhöht, dass eine Inhaltskontrolle des Restrukturierungsplans sehr schwierig sei und von unsicheren2053 und manipulationsanfälligen Unternehmensbewertungen abhänge.2054 Schließlich könnten bestimmte Aspekte unentdeckt bleiben, wenn eine Partei nicht in die Restrukturierungsverhandlung einbezogen werde und als Folge Spielräume nur einseitig ausgenutzt würden.2055 Eine Verhandlungspflicht würde auch der Fait-Accompli-Technik2056 entgegenwirken und das Problem der Informationsasymmetrien2057 mildern. Bratton/Levitin erklärten: „[T]here is concrete evidence of a factor that, at least nominally, counterbalances coercion – negotiation.“2058 2050
Busche, in: MüKoBGB, Vor § 145 Rn. 6. H.R. Rep. No. 95 – 595 S. 221 (1977) („[T]he bankruptcy act requires that the plan be accepted by a certain percentage of affected creditors and stockholders before it may be confirmed and put in operation. The consent requirement necessitates negotiation among management, creditors and stockholders. Negotiation is usually accomplished through committees. The result of the negotiations, the plan, is sent to all affected creditors and stockholders for consent.“), S. 224 („The parties are left to their own to negotiate a fair settlement. […] Negotiation among the parties after full disclosure will govern how the value of the reorganizing company will be distributed among creditors and stockholders.“) Adler/Casey/Morrison, Baird & Jackson’s Bankruptcy, S. 787 („One of the key premises of Chapter 11 is that the plan of reorganization emerges out of the negotiations between the debtor and its various creditors.“). 2052 Vgl. Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593, 594 („Each party would push back against the claims of the other, and a consensus eventually emerged that left things roughly in equipoise.“); 607 („The drafters of the Bankruptcy Code assumed that those negotiating on behalf of the debtor would push back against the efforts of the senior creditor to force through a plan that benefitted it at the expense of those more junior.“). 2053 „An estimate compounded by a guess“, zitiert nach H.R. Rep. No. 95 – 595 S. 225 (1977); vgl. auch Coogan, 32 Case Western L. Rev. 301, 313 in Fn. 62 (1982). 2054 Vgl. Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593 ff., passim (2017). 2055 Dazu Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593, 595 ff. (2017); Adler/Casey/Morrison, Baird & Jacksons’ Bankruptcy, S. 787 ff. 2056 Vgl. dazu oben bei Fn. 41, 440. 2057 Vgl. dazu oben bei Fn. 370 ff. 2058 Bratton/Levitin, 166 U. Pa. L. Rev. 1597, 1639 (2018) (zu Bond Workouts). 2051
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bb) Verhandlungsgebot im deutschen Restrukturierungsrecht Bereits weiter oben wurde das StaRUG-Verfahren in Bezug auf verschiedene Ansätze zum Insolvenz- und Restrukturierungsrecht eingeordnet. Das deutsche Restrukturierungsrecht will funktional einen Suchprozess stimulieren. Nach der Regierungsbegründung zur InsO wird ein Insolvenzplan durch privatautonome Verhandlungen und Austauschprozesse legitimiert.2059 Die optimale Verwertungsentscheidung soll im Verhandlungsprozess entdeckt werden.2060 Das Insolvenzplanverfahren stellt insgesamt einen Rechtsrahmen für autonome Verhandlungen der privaten Beteiligten dar.2061 Ihm liegt das Konzept eines „Verhandlungsmodells“ zugrunde.2062 Aus der Regierungsbegründung zum SanInsFoG kann geschlossen werden, dass der Gesetzgeber an diesem System auch für den präventiven Restrukturierungsrahmen (StaRUG) im Grundsatz festhalten wollte. Der Regierungsentwurf sei eine Fortentwicklung des geltenden Rechts.2063 Der geltende Rechtsrahmen sollte nicht neu ausgerichtet werden.2064 Auch nach der Regierungsbegründung zum StaRUG knüpfen die Verfahrenshilfen des StaRUG im Ausgangspunkt ebenfalls an privatautonome Verhandlungen zwischen den Beteiligten an.2065 Auch die RRL sieht „Verhandlungen“ als zentrales Element einer Restrukturierung. Nach ErwG. 10 der RRL sollten Restrukturierungen auf der Grundlage eines Dialogs mit den Beteiligten erfolgen.2066 Wird dies zugrunde gelegt, wird deutlich, dass es das StaRUG weder dem Schuldner noch einzelnen Schlüsselgläubigern erlauben sollte, den übrigen Parteien – auch mittels gruppenübergreifendem Cramdown – einseitig einen Restrukturierungsplan aufzuzwängen. cc) Dogmatischer Anknüpfungspunkt Problematisch ist allerdings, wo dieses Verhandlungsprinzip dogmatisch verortet werden kann und wann es vom Gericht zu prüfen ist. Hierfür kommen verschiedene Zeitpunkte in Betracht. Der Ansicht, dass bei fehlenden Vorverhandlungen schon die Anzeige der Restrukturierungssache bei Gericht mangels Rechtsschutzinteresse durch Beschluss als unzulässig verworfen werden solle,2067 ist nicht zuzustimmen. Bei der Anzeige handelt es sich nicht um einen (Sach-)Antrag.2068 Eine gerichtliche Entscheidung zur Zulässigkeit und Begründetheit ist weder nötig noch tunlich.2069 2059 2060 2061 2062 2063 2064 2065 2066 2067 2068 2069
RegE-InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 78. RegE-InsO, BT-Drucks. 12/2443 S. 76. Balz, ZIP 1988, 273, 292. Balz, ZIP 1988, 273, 292 f. RegE-SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 85. RegE-SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 85. RegE-SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 93. RL (EU) 2019/1023, ErwG 10. Frind, ZInsO 2021, 1093, 1096. BeckOK-StaRUG/Kramer, § 31 Rn. 73. BeckOK-StaRUG/Kramer, § 31 Rn. 73.
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Die Anzeige könnte allerdings unwirksam sein, wenn sie rechtsmissbräuchlich erfolgt.2070 Die Anzeige der Restrukturierungssache stellt eine prozessuale Erwirkungshandlung dar.2071 Eine prozessuale Erwirkungshandlung, die rechtsmissbräuchlich erfolgt, ist unzulässig, weil es an dem für sie unerlässlichen Rechtsschutzbedürfnis fehlt.2072 Allerdings dürfte einer Schuldnerin das Rechtsschutzbedürfnis im Zeitpunkt der Anzeige nicht immer fehlen, wenn sie zu diesem Zeitpunkt noch keine Verhandlungen mit sämtlichen Parteien durchgeführt hat. Eine Schuldnerin kann gute Gründe haben, die Restrukturierungssache frühzeitig anzuzeigen. Sollen die Verhandlungen z. B. von Anfang an durch einen Restrukturierungsbeauftragten unterstützt werden, ist eine frühzeitige Anzeige notwendig. Die Anzeige selbst beeinträchtigt auch noch keine Drittinteressen.2073 Nach der gesetzgeberischen Erwartung soll die Schuldnerin gerade möglichst frühzeitig an das Gericht herantreten, damit dieses sich im Zeitpunkt, in dem die konkreten Sanierungsinstrumente beantragt werden, bereits hat einarbeiten können.2074 So soll eine effiziente Verfahrensdurchführung gewährleistet werden.2075 Je früher die Schuldnerin Anzeige erstattet, umso besser könne das Gericht informiert und vorbereitet sein, weil es zusammen mit der Schuldnerin in das Verfahren „hineinwachsen“ könne.2076 Vorzugswürdig erscheint es, den Anknüpfungspunkt, mit dem eine fehlende Verhandlung gerichtlich berücksichtigt werden kann, erst später im Verlauf des StaRUG-Verfahrens zu suchen. Hier kommt der Antrag auf eine gerichtliche Maßnahme (gegen planbetroffene Gläubiger) in Betracht.2077 Auch hier könne der Schuldnerin das Rechtsschutzbedürfnis bei Nicht-Verhandlung vor Antragstellung oder bei einer überfallartigen Konfrontation mit dem Restrukturierungsplan abgesprochen werden.2078 Gegen diesen Ansatz spricht allerdings, dass eine Schuldnerin, deren Plan zuvor von einzelnen Gläubigern abgelehnt worden ist, sehr wohl ein Rechtsschutzbedürfnis an der Planbestätigung haben kann. Dieses wird durch die ablehnenden Stimmen zum Plan generiert. Es ist deshalb stimmig, die entsprechende Frage im Rahmen des § 63 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG oder des § 63 Abs. 4 StaRUG zu prüfen. Man könnte argumentieren, dass die Herbeiführung der Planannahme durch die planbetroffenen Parteien ohne vorherige ernsthafte Restrukturierungsverhandlungen „unlauter“ i. S. d. § 63 Abs. 4 2070
Vgl. allgemein Brinkmann, ZIP 2014, 197, 198 m. w. N. („Die Rechtsmissbräuchlichkeit einer prozessualen Erwirkungshandlung […] macht diese unzulässig, weil infolge der Missbräuchlichkeit das Rechtsschutzbedürfnis zu verneinen ist.“). 2071 BeckOK-StaRUG/Kramer, § 31 Rn. 4. 2072 Brinkmann, ZIP 2014, 197, 198. 2073 BeckOK-StaRUG/Kramer, § 31 Rn. 13. 2074 BeckOK-StaRUG/Kramer, § 31 Rn. 19. 2075 BeckOK-StaRUG/Kramer, § 31 Rn. 19. 2076 BeckOK-StaRUG/Kramer, § 31 Rn. 47. 2077 Frind, ZInsO 2021, 1093, 1096 („spätestens bei Beantragung einer gerichtlichen Maßnahme“). 2078 Frind, ZInsO 2021, 1093, 1096.
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StaRUG sei und der Plan deshalb nicht bestätigt werden könne. Hierbei könnte eine umfassende Abwägung im Einzelfall erfolgen. d) Auswirkungen auf den Einsatz von RSA und Zwischenergebnis Die vorstehende Argumentation bedeutet für RSA, dass diese nicht dazu genutzt werden können, einen Restrukturierungsplan früh, still und heimlich mit nur wenigen Schlüsselgläubigern zu entwerfen, um ihn den übrigen Gläubigern dann aufzudrängen. Die Restrukturierung muss verhandelt werden. RSA können dabei allerdings ein nützliches Mittel dafür sein, die Verhandlungssituation zu stabilisieren und den Gläubigern Anreize dafür zu bieten, sich an den Verhandlungen zu beteiligen. Sofern die Verhandlungen scheitern sollten, können RSA dann ein wichtiges Mittel sein, um das Verhandlungsergebnis in das StaRUG-Verfahren hineinzutragen.
L. Pflichten der Geschäftsleitung Weiterhin stellt sich die Frage, ob die Geschäftsleitung ihre Pflichten verletzt, wenn sie die Restrukturierung mit nur wenigen Gläubigern aushandelt und dabei bestimmte Gläubigergruppen zunächst nicht mit in die Planverhandlungen einschließt. Gerade dies ist jedoch die bei RSA gängige Vorgehensweise. I. Versagung der Planbestätigung bei Pflichtverletzung des Planerstellers? Zunächst ist zu klären, welche Folgen es abgesehen von einer möglichen Schadenersatzpflicht hätte, wenn die Geschäftsleitung etwaige Pflichten nicht beachtet. Dies könnte dazu führen, dass der Restrukturierungsplan nicht bestätigt werden kann. Das Gericht hebt die Restrukturierungssache nach § 33 Abs. 2 Nr. 3 StaRUG auf, wenn ihm Umstände bekannt werden, aus denen sich ergibt, dass die Schuldnerin in schwerwiegender Weise gegen die ihr nach § 32 StaRUG obliegenden Pflichten verstoßen hat.2079 Teilweise wird – wie weiter oben bereits dargestellt wurde – argumentiert, dass die Pflichten des § 32 StaRUG schon vor der Anzeige des Restrukturierungsverfahrens gelten, jedenfalls wenn die Schuldnerin schon vor Anzeige auf einen Restrukturierungsplan hinarbeitet und das Verfahren faktisch beginnt.2080 Eine Pflichtverletzung könnte dann nach Anzeige der Restrukturierungssache sofort wieder zu ihrer Aufhebung führen. Außerdem sprechen gute Argumente dafür, dass das Gericht etwaige Pflichtverletzungen der Geschäftsleitung im Rahmen des Planbestätigungsverfahrens nach 2079
Braun-StaRUG/Weber/Dömmecke, § 32 Rn. 2. Hölzle, Praxisleitfaden SanInsFoG, §§ 31, 33 Rn. 13 ff. (mit faktischer Einleitung des Verfahrens). 2080
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§ 63 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG berücksichtigen bzw. bewerten kann. Nach dieser Regelung muss geprüft werden, ob die Vorschriften über den Inhalt und die verfahrensmäßige Behandlung des Restrukturierungsplans sowie über die Annahme des Plans durch die Planbetroffenen in einem wesentlichen Punkt nicht beachtet worden sind. Hierunter könnten jeweils auch die Pflichten der Schuldnerin bei der Planerstellung subsumiert werden.2081 Dafür spricht, dass die Pflichten der Geschäftsleitung in der RRL (Art. 19) in Titel II zum präventiven Restrukturierungsrahmen geregelt sind. Im Kommissionsentwurf waren die Pflichten sogar explizit als „Pflichten der Unternehmensleitung im Zusammenhang mit Verhandlungen über einen präventiven Restrukturierungsplan“ überschrieben.2082 Mit der in § 63 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG geregelten Wesentlichkeitsgrenze wird aber klargestellt, dass nur erhebliche Pflichtverletzungen zur Versagung der Planbestätigung führen würden. Ein weiterer Anknüpfungspunkt könnte § 63 Abs. 4 StaRUG bieten, wonach die Bestätigung des Plans zu versagen ist, wenn die Annahme des Plans unlauter herbeigeführt worden ist. Zwar wird hier teilweise restriktiv argumentiert, dass die Vorschrift nur die Annahme des Plans und wohl nicht Aktivitäten vor Anzeige des StaRUGs betrifft.2083 Dass der Gesetzgeber den Anwendungsbereich einer Generalklausel allerdings derart restriktiv umgrenzen wollte, ist zu bezweifeln. Es ist nicht ersichtlich, dass er unlautere Handlungen im Planungsstadium und in der Vorbereitungsphase tolerieren wollte. Anders als im Insolvenzplanverfahren2084 würde eine Berücksichtigung einer Pflichtverletzung auch nicht mehr an einer etwaigen Rechtskraft eines gerichtlichen Eröffnungsbeschlusses scheitern, weil es einen solchen Eröffnungsbeschluss im StaRUG-Verfahren nicht mehr gibt. II. Die Pflichtenstellung des Planerstellers und der Verteilungskonflikt in der Restrukturierung Wird ein Restrukturierungsplan ausgehandelt, dürfte es in der Regel verschiedenste Möglichkeiten und Gestaltungswege geben, die bestimmen, wie der Plan im Ergebnis ausfällt.2085 In jeder Restrukturierung gibt es eine Vielzahl möglicher Pläne, die bestätigt werden könnten.2086 Jeder dieser Pläne führt zu erheblichen Unter2081 Zu restriktiv wohl Spliedt, ZInsO 2013, 2155, 2157, der unter die Parallelvorschrift § 250 Nr. 1 InsO nur die Vorschriften der InsO subsumieren möchte; so wohl auch Jaeger-InsO/Kern, § 250 Rn. 32 ff. 2082 Speziell darauf hinweisend: Korch, ZGR 2019, 1050, 1071 in Fn. 104. 2083 So offenbar das AG Köln, Beschl. v. 3. 3. 2021 – 83 REs 1/21, ZIP 2021, 806, 809. 2084 Vgl. zur InsO: Bulgrin, Strategische Insolvenz, S. 184 (gegen die Anwendung von § 250 Nr. 2 InsO bei missbräuchlichen Insolvenzanträgen „lässt sich vorbringen, dass ein bestandskräftiger Eröffnungsbeschluss des Insolvenzgerichts, in welchem bereits eine Prüfung der Rechtsmissbräuchlichkeit erfolgt ist, nicht mehr durch die Hintertür der Generalklausel des § 250 Nr. 2 InsO in Frage gestellt werden darf.“). 2085 Ristelhuber, NZI 2021, 417, 419. 2086 Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593, 598 (2017).
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schieden in Bezug auf die Verteilungsfrage.2087 Bei der Aushandlung der Restrukturierung kommt dem Management daher eine zentrale Rolle zu.2088 Ein Beispiel stellt die Restrukturierung In re Belk, Inc. dar.2089 Belk war eine Kaufhauskette, welche von einem Private-Equity-Investor durch einen LeveragedBuyout übernommen wurde. Die spätere Restrukturierung wurde von diesem Investor vorangetrieben und mittels RSA vorbereitet. Der Plan wurde nach nur einem Tag im Chapter 11-Verfahren bestätigt. Durch taktisches Vorgehen wurde ein Plan durchgedrückt, bei welchem der Private-Equity-Investor 50,1 Prozent der Anteile behalten konnte, während die First Lien Term Loans und die Second Lien Term Loans Forderungsverzichte i. H. v. 582,2 Mio. US-Dollar hingenommen haben.2090 Es hätte stattdessen auch ein Plan vorgeschlagen werden können, bei welchem der PrivateEquity-Investor seine Anteile verliert und die Gläubiger die neuen Anteilsinhaber werden.2091 Hierdurch hätten Verbindlichkeiten um 1.465,6 Mio. US-Dollar reduziert und jährliche Zinslasten i. H. v. 117 Mio. US-Dollar gespart werden können.2092 Dies hätte auch für Belk eine sicherere Zukunft bedeutet.2093 Der Deal war u. a. nur möglich, weil die Verhandlungen über den Plan mit wenigen Parteien im Geheimen durchgeführt wurden2094 und die Planannahme mittels RSAvorbereitet wurde.2095 Die Literatur wirft dem Management vor, mit dem vorgeschlagenen Plan seine Pflichten gegenüber Belk verletzt zu haben.2096 Die Aufstellung des Plans ist insgesamt eine Geschäftsführungsaufgabe.2097 Hierbei hat die Geschäftsleitung einen Ermessensspielraum.2098 Es besteht ein auffälliger Konflikt: Auf der einen Seite soll die Geschäftsleitung spätestens nach Anzeige der Restrukturierungssache die „Interessen der Gesamtheit der Gläubiger“ wahren (§§ 32, 43 StaRUG). Auf der anderen Seite verfolgen die Gläubiger in einer
2087
Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593, 598 (2017). Korch, ZGR 2019, 1050, 1070. 2089 In re Belk, Inc. (Bankr. S.D. Tex., No. 21 – 30630 (MI), ECF No. 57); Zusammenfassung bei LoPucki, Law-Econ Research Paper No. 21 – 12, S. 1 ff. (2022) zum Sachverhalt m. w. N., auf diesem Beitrag beruht auch die nachfolgende Zusammenfassung. 2090 LoPucki, Law-Econ Research Paper No. 21 – 12, S. 1, 14 (2022). 2091 LoPucki, Law-Econ Research Paper No. 21 – 12, S. 15, ff. (2022). 2092 LoPucki, Law-Econ Research Paper No. 21 – 12, S. 16 (2022). 2093 LoPucki, Law-Econ Research Paper No. 21 – 12, S. 16 (2022). 2094 LoPucki, Law-Econ Research Paper No. 21 – 12, S. 1, 20 (2022) („Belk [Schuldnerin], Sycamore [Anteilsinhaber] and the two ad hoc groups negotiated in secrecy and reached agreement on a plan term sheet and restructuring support agreement […].“). 2095 LoPucki, Law-Econ Research Paper No. 21 – 12, S. 1, 21 ff. (2022). 2096 LoPucki, Law-Econ Research Paper No. 21 – 12, S. 38 ff. (2022). 2097 Ristelhuber, NZI 2021, 417, 419. 2098 Ristelhuber, NZI 2021, 417, 419. 2088
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Restrukturierung ganz unterschiedliche Interessen.2099 Die Verteilungsregeln (Gleichbehandlungsgrundsatz und Vorrangregel) helfen hier nicht weiter, weil diese Regeln immer noch einen erheblichen Spielraum dafür erlauben, das eine oder andere Restrukturierungskonzept zu verfolgen.2100 Fraglich ist insgesamt, ob die Geschäftsleitung bei der Erstellung und Aushandlung des StaRUG-Plans gegen ihre Pflichten verstößt, wenn sie ein RSA in bestimmter Weise einsetzt. III. Lösung nur über Planbestätigungsvoraussetzungen Schon zur Frage, wie die RRL umgesetzt werden kann, haben sich Bedenken gegenüber spezifischen Rücksichtsnahmepflichten bei der Aufstellung eines Restrukturierungsplans ergeben.2101 Der Verteilungskonflikt, welcher mit dem Plan gelöst werden muss, solle nicht durch die Geschäftsleiterverantwortung gelöst werden. Stattdessen müsse der Gesetzgeber hohe Voraussetzungen an das Verfahren stellen (z. B. ein hohes Mehrheitserfordernis), wenn er eine zu starke Verhandlungsposition der Schuldnerin (und damit der Geschäftsleitung) oder einflussreicher Gläubiger fürchtet.2102 Nach dieser Ansicht könnte es sogar einen Konflikt mit der RRL geben, wenn das Verteilungsproblem über die Geschäftsleiterpflichten gelöst werden soll.2103 Neben den §§ 24 ff. StaRUG (Verteilungs- und Abstimmungsregeln) sei kein Platz für vage weitere Anforderungen an die Pflichtenstellung des Planerstellers.2104 Nach dieser Ansicht dürfte der Abschluss eines RSA zwischen den Schlüsselgläubigern und dem Management nicht problematisch sein, solange am Ende die übrigen Bestätigungsvoraussetzungen erfüllt sind. Diese Ansicht ist als zu eng abzulehnen. Teilweise wird formuliert, dass die Wahl der StaRUG-Instrumente nicht im freien Belieben der Schuldnerin liege und auch nicht nur ihren Opportunitätserwägungen folgen könne, sondern Zweckmäßigkeitserwägungen im Gesamtgläubigerinteresse standhalten müsse.2105 Es besteht ein Erfordernis, den Verteilungskonflikt auch durch entsprechende Geschäftsleiterpflichten während der Planerstellung anzusprechen. Wie bereits weiter oben gezeigt worden ist, sind die Voraussetzungen für einen gruppenübergreifenden Cramdown 2099
Vgl. Balz/Landfermann, Die neuen Insolvenzgesetze, Einleitung, XLVI (Es gibt kein gemeinsames Interesse aller Gläubiger); ebenso: Hölzle, Praxisleitfaden SanInsFoG, Vor § 32 Rn. 28. 2100 Vgl. zum US-Recht: Baird, 91 Am Bankr. L. J. 593, 598 (2017) („[T]here are many plans that are confirmable, and each can have significantly different distributional consequences. The types of bargaining that are allowed in the plan confirmation process will determine exactly how much of a share each party receives.“). 2101 Korch, ZGR 2019, 1050, 1070 ff., insbesondere 1072. 2102 Korch, ZGR 2019, 1050, 1070, 1072. 2103 Vgl. Korch, ZGR 2019, 1050, 1072. 2104 Korch, GmbHR 2021, 793, 796. 2105 Hölzle, Praxisleitfaden SanInsFoG, Vor § 32 Rn. 41.
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im StaRUG-Verfahren viel geringer als im Insolvenzplanverfahren. Zum einen gibt es keinen Berichtstermin mehr, in welchem eine Forderungsmehrheit der Gläubiger i. H. v. 50 Prozent über den Fortgang des Verfahrens und damit auch über das „Ob“ der Restrukturierung entscheidet. Das Gruppenmehrheitserfordernis ist für den gruppenübergreifenden Cramdown überdies einfach zu erreichen, insbesondere, wenn die Schlüsselgläubiger und die Anteilsinhaber zusammenarbeiten. Es dürfte auch nicht gegen die RRL verstoßen, die Planbestätigung davon abhängig zu machen, dass die Geschäftsleitung ihre Pflichten bei den Verhandlungen eingehalten hat. Art. 10 der RRL lässt den Mitgliedstaaten einen Spielraum bzgl. der Vorgaben, die erfüllt sein müssen, damit ein Plan bestätigt werden darf,2106 sodass die RRL gerade kein geschlossenes System vorgibt. Die dogmatischen Anknüpfungspunkte im StaRUG wurden oben mit § 33 Abs. 2 Nr. 3 und § 63 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 4 benannt. IV. Neutralitätsgebot? Es könnte zunächst argumentiert werden, dass den Vorstand im Rahmen der Restrukturierungsverhandlungen eine Neutralitätspflicht trifft.2107 Im Fall In re Innkeepers USA Trust2108 hätte das Management gegen eine solche Neutralitätspflicht verstoßen, weil es hier einseitig die Interessen der Lehman-Bank vorangetrieben hat. Es hat nur mit der Lehman-Bank ein RSA abgeschlossen und wollte dieser hierdurch helfen, die Schuldnerin zu übernehmen. Die übrigen Großgläubiger wurden nicht in die Planverhandlungen mit einbezogen. 1. Neutralitätspflicht vs. Ermessensentscheidung in der Übernahmesituation Zunächst lohnt sich ein Blick auf die Übernahmesituation. In diesem Zusammenhang wird das Neutralitätsgebot des Vorstands heftig diskutiert. Auch außerhalb des Anwendungsbereichs des § 33 WpÜG wird vertreten, dass den Vorstand eine aus aktienrechtlichen Grundsätzen abzuleitende Neutralitätspflicht treffen kann.2109 Auch im Zusammenhang mit Kapitalerhöhungen2110 wird eine Neutralitätspflicht 2106 Vgl. Art. 10 Abs. 2 RRL: „Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Voraussetzungen, unter denen ein Restrukturierungsplan von einer Justiz- oder Verwaltungsbehörde bestätigt werden kann, genau festgelegt sind, und mindestens Folgendes umfassen […].“ (Hervorhebung durch Verf.). 2107 Vereinzelt wird das Neutralitätsgebot auch bei außergerichtlichen Restrukturierungen angesprochen: Heinzmann, Restrukturierungsvereinbarungen, S. 190, insbesondere in Fn. 319. 2108 Vgl. oben bei Fn. 119. 2109 Insbesondere Hopt, ZGR 1993, 534, 535 ff.; Hopt, FS Lutter, S. 1361 ff.; Merkt, ZHR 165 (2001), 224, 234; KölnKommAktG/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 26. 2110 Insbesondere Mestmäcker, BB 1961, 945 ff.; vgl. auch KölnKommAktG/Mertens/ Cahn, § 76 Rn. 25; Cahn, ZHR 163 (1999), 554, 589 ff.; vgl. auch Goette, ZGR 2012, 505 ff.
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diskutiert2111. Die dortige Diskussion sei zunächst kurz zusammengefasst, um in einem nächsten Schritt zu überlegen, ob sie auch für ein StaRUG-Verfahren herangezogen werden könnte. Von zahlreichen Vertretern in der Literatur wird das Neutralitätsgebot im Ausgangspunkt anerkannt2112 und mehr oder minder strikt ausgelegt.2113 Es wird aus verschiedenen Aspekten hergeleitet:2114 Es wurde § 76 AktG genannt.2115 Der Vorstand sei Wahrer fremder Interessen.2116 Insbesondere in Übernahmesituationen bestehe die Gefahr, dass die Interessen des Vorstands selbst berührt werden, sodass für diesen Anreize bestehen, eigennützig zu agieren, wenn kein Neutralitätsgebot gelte.2117 Daneben wird auf § 53a AktG, also den aktienrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verwiesen.2118 Darüber hinaus wird explizit auf die „Treuepflicht“ des Vorstands abgestellt.2119 Ein weiterer Anknüpfungspunkt insbesondere in Übernahmesituationen ist, dass der Vorstand die Möglichkeit der Aktionäre wahren müsse, ihre Aktien frei zu veräußern.2120 Schließlich wird erklärt, es sei kompe-
(zur Zuteilung der Aktien beim vereinfachten Bezugsrechtsausschluss nach § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG); allgemeiner auch KölnKommAktG/Ekkenga, § 185 Rn. 12 f. 2111 Überblick bei KölnKommAktG/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 25 f. 2112 Grundlegend dazu, dass dem Vorstand kein Recht zustehe, den Aktionärskreis zu beeinflussen: Mestmäcker, Verwaltung, S. 139 ff. Mestmäcker, BB 1961, 945, 947; vgl. die weiteren Nachweise bei Heß, Investorenvereinbarungen, S. 76 in Fn. 298; zwischen Übernahmesituationen und der Ausgabe von Aktien durch die Gesellschaft selbst differenzierend: KölnKommAktG/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 25 f. 2113 Zu dieser Beobachtung: GK-AktG/Kort, § 76 Rn. 147 in Fn. 528, der eine „strikte Neutralitätspflicht“ aber selbst ablehnt; auch nach Hopt/Roth ist der Begriff „Neutralitätspflicht“ irreführend, weil der Vorstand in Übernahmesituationen z. B. auch einen weißen Ritter herbeiführen könne (GK-AktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 213 in Fn. 846); strenger im Rahmen von Übernahmeangeboten, also wenn es um die Veräußerung durch Aktionäre geht, und weniger streng bei der Ausgabe neuer Aktien, sofern das Bezugsrecht ausgeschlossen ist: KölnKommAktG/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 25 f. 2114 Überblick zum Stand der Diskussion: Heß, Investorenvereinbarungen, S. 75 ff.; vgl. auch Merkt, ZHR 165 (2001), 224, 247 ff. 2115 GK-AktG/Hopt/Roth § 93 Rn. 213 („Der Vorstand ist Leitungsorgan der Gesellschaft und hat als solches die Interessen der Gesellschaft als des wirtschaftlichen ,Eigentums‘ der Aktionäre zu wahren.“). 2116 Hopt, ZGR 1993, 534, 546 f.; Mestmäcker, Verwaltung, S. 14 ff., 139 ff.; Mestmäcker, BB 1961, 946; ähnlich: Hopt/Roth, GK-AktG, § 93 Rn. 213. 2117 Vgl. Hopt, ZGR 1993, 534, 540 ff.; vgl. auch Bayer, ZGR 2002, 588, 600, der das Neutralitätsgebot im Grundsatz aber ablehnt; kritisch zum Verbot der eigensüchtigen Einflussnahme als Grundlage der Neutralitätspflicht: Merkt, ZHR 165 (2001), 224, 248 f. 2118 Hopt, ZGR 1993, 534, 545 f. (auch zum kapitalmarktrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz); KölnKommAktG/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 18, vgl. aber Rn. 25; kritisch zum Gleichbehandlungsgrundsatz: Merkt, ZHR 165 (2001), 224, 247 (Gleichbehandlungsgrundsatz bietet nur beschränkt tragfähige Grundlage). 2119 Raiser/Veil, KapGesR, § 14 Rn. 95. 2120 Merkt, ZHR 165 (2001), 224, 249; Grunewald, AG 2001, 288, 189.
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tenzwidrig, wenn der Vorstand auf die Zusammensetzung des Aktionärskreises Einfluss nehme.2121 Teilweise wird eine Neutralitätspflicht des Vorstands aber auch verneint.2122 So wird vorgebracht, dass die Zusammensetzung des Aktionärskreises für das Unternehmensinteresse von Bedeutung sein könne und der Vorstand deshalb auch auf dessen Zusammensetzung einwirken dürfe.2123 Diese Ansicht gewährt dem Vorstand allerdings auch keine völlige Freiheit, sondern zieht – je nach Autor – ebenfalls mehr oder weniger strikte Grenzen, z. B. die Kompetenzordnung oder das Verhinderungsverbot.2124 Das dogmatische Gegenmodell zur Neutralitätspflicht liegt darin, dem Vorstand bei den in Streit stehenden Fragen im Ausgangspunkt ein Ermessen einzuräumen:2125 Diesem Konzept folgen insbesondere die USA in Übernahmesituationen. Dort werden die Handlungen des Boards aber anhand der Business Judgment Rule kontrolliert, welche in der Übernahmesituation angepasst wird:2126 Wenn der Board Verteidigungsmaßnahmen ergreift, trägt er die Beweislast, dass er im Rahmen der Business Judgment Rule gehandelt hat (sog. Unocal-Test).2127 Wenn die Entscheidung zugunsten einer Übernahme gefallen ist, muss der Board unter dem RevlonStandard hier – quasi als Auktionator – nur noch auf den bestmöglichen Preis hinwirken.2128 Auch für Deutschland haben sich Teile der Literatur gegen eine Neutralitätspflicht ausgesprochen und dem Vorstand ein Ermessen bei der Einwirkung auf die Zusammensetzung der Aktionäre zugesprochen.2129 Obwohl die Ansätze jeweils einen anderen dogmatischen Ausgangspunkt vertreten, nähern sie sich im Ergebnis in gewissem Maße an:2130 Viele Vertreter, die im Grundsatz das Neutralitätsgebot befürworten, erkennen Einschränkungen an. Mit dem Neutralitätsgebot sei nicht gemeint, dass der Vorstand zur völligen Inaktivität verpflichtet sei oder jedwede Verteidigungsmaßnahmen verboten seien.2131 Mit der Neutralitätspflicht sei es auch nicht unvereinbar, wenn der Vorstand z. B. konkur2121
Kritisch zu diesem Argument: Martens, FS Beusch, S. 542 ff. Martens, FS Beusch, S. 529, 542 ff.; Bayer, ZGR 2002, 588, 598; GK-AktG/Kort, § 76 Rn. 147 ff.; Hüffer/Koch/Koch, § 76 Rn. 40; Grigoleit/Grigoleit, § 76 Rn. 42. 2123 Martens, FS Beusch, S. 529, 542 ff.; in diese Richtung, wenn die Gesellschaft eigene Aktien ausgibt, KölnKommAktG/Mertens/Cahn, § 76 Rn. 25. 2124 Z. B. Bayer, ZGR 2002, 588, 605. 2125 Rechtsvergleichende Darstellung bei und kritisch zur Übernahme ins deutsche Recht: Hopt, FS Lutter, S. 1361, 1370 ff., insbesondere 1375; Merkt, ZHR 165 (2001), 224, 234 f., 242 ff. 2126 Merkt, ZHR 165 (2001), 224, 234 f., 242 ff. 2127 Merkt, ZHR 165 (2001), 224, 235 mit Verweis auf Unocal Corp. v. Mesa Petroleum Co., 493 A.2d 946 (Del. 1985). 2128 Merkt, ZHR 165 (2001), 224, 235 mit Verweis auf Revlon, Inc. v. MacAndrews & Forbes Holdings, Inc., 506 A.2d 173 (Del. 1986). 2129 Martens, FS Beusch, S. 529, 542 ff. 2130 Vgl. Bayer, ZGR 2002, 588, 604 f. m. w. N. in Fn. 67. 2131 Hopt, FS Lutter, S. 1361, 1363. 2122
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rierende Angebot suche.2132 Vertreter, die argumentieren, dass es der Verwaltung der Aktiengesellschaft weder generell noch grundsätzlich verwehrt sei, auf die Zusammensetzung der Aktionäre Einfluss zu nehmen,2133 meinen, dass der Vorstand aber bei seiner Einflussnahme die materiellen Schranken zu beachten habe:2134 Hierzu würde auch zählen, dass der Vorstand die Chancen der Aktionäre, ein bestimmtes Angebot anzunehmen, nicht durch Abwehrmaßnahmen verhindern dürfe.2135 Daneben müsse der Vorstand auch den Kompetenzvorrang der Hauptversammlung für alle Maßnahmen achten, die direkt in die Aktionärsstruktur eingreifen würden.2136 Im Folgenden ist zu fragen, welche Grundsätze für die Restrukturierung gelten. 2. Neutralitätsgebot in der Restrukturierung? Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass sich der Vorstand in einer Restrukturierung nicht völlig neutral verhalten kann. Er ist der zentrale Akteur in einer Restrukturierung. Er muss den Plan formulieren. Ihn treffen die Krisenpflichten aus § 1 StaRUG. Er wird nach §§ 32, 43 StaRUG verpflichtet, die Interessen der Gesamtheit der Gläubiger zu wahren. Allerdings könnte er bei der Entwicklung des Plankonzepts entweder interessengeleitet vorgehen und aktiv ein von ihm favorisiertes Konzept verfolgen (wie im Fall In re Innkeepers oder im Fall In re Belk, Inc.) oder auf der anderen Seite erst einmal die relevanten planbetroffenen Gläubiger „an einen Tisch bitten“, sich hier zurückhalten und diese erst einmal miteinander verhandeln lassen. In diesem Sinne könnte es auch in der Restrukturierung in gewisser Hinsicht ein abgeschwächtes Neutralitätsgebot geben. Sowohl eine Neutralitätspflicht als auch ein unternehmerisches Ermessen wäre mit der den Vorstand treffenden Sanierungspflicht kompatibel.2137 Es kommt aber auf die Ausgestaltung der Neutralitätspflicht an.2138 Wird ein Neutralitätsgebot vertreten, würde ihm bei den Verhandlungen die Rolle eines Vermittlers und Schiedsrichters zukommen. Wird auf das Konzept des unternehmerischen Ermessens abgehoben, dürfte ihm vielmehr die Position einer aktiven Verhandlungspartei zukommen. Er dürfte dann im Rahmen des Ermessens von ihm definierte Ziele gegenüber den anderen betroffenen Parteien verfolgen. Für dieses Konzept sprechen in der Re2132
Merkt, ZHR 165 (2001), 224, 238. Bayer, ZGR 2002, 588, 599. 2134 Bayer, ZGR 2002, 588, 599. 2135 Bayer, ZGR 2002, 588, 604. 2136 Bayer, ZGR 2002, 588, 605. 2137 A. A.: Heinzmann, Restrukturierungsvereinbarungen, S. 187 f., wobei er das Neutralitätsgebot dahingehend zu streng auslegt. 2138 Im Ergebnis dann auch Heinzmann, Restrukturierungsvereinbarungen, S. 190 in Fn. 190. 2133
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strukturierungssituation im Ergebnis die besseren Argumente. Verschiedene Konstellationen sind zu untersuchen: a) Nur ein Restrukturierungskonzept denkbar Ist ein Unternehmen in Schwierigkeiten, ist der Vorstand zunächst gehalten, die Gläubiger und potentielle Investoren davon zu überzeugen, an einer Restrukturierung mitzuwirken. Insoweit muss er aktiv auf die Stakeholder einwirken, dass sie sich an der Restrukturierung beteiligen. Dem Vorstand muss es in erster Linie darum gehen, das Unternehmen im Interesse einer bestmöglichen Gläubigerbefriedigung zu retten. Insoweit kann von ihm keine Neutralität verlangt werden. In vergleichbarer Weise verstößt der Abschluss einer Investorenvereinbarung auch nicht gegen das übernahmerechtliche Verhinderungsverbot i. S. d. § 33 WpÜG, weil die Förderung eines Angebots zulässig und nur die Verhinderung weiterer Angebote verboten ist.2139 b) Mehrere Konzepte möglich; mehrere potentielle Investoren vorhanden Hat sich herumgesprochen, dass das Unternehmen eine Restrukturierung anstrebt, und treten sowohl Gläubiger, Investoren und Distressed-Debt-Investoren mit unterschiedlichen Vorstellungen zur Zukunft des Unternehmens an den Vorstand heran, ist fraglich, wie der Vorstand sich in einer solchen Situation verhalten soll. Dies gilt insbesondere dann, wenn die einzelnen Gläubiger und die Investoren unterschiedliche Restrukturierungskonzepte verfolgen. Würde das Neutralitätsgebot greifen, müsse das Management in dieser Situation Zurückhaltung üben und die Entscheidung (zunächst) einer Verhandlung der einzelnen Gläubigergruppen überlassen.2140 Das Management müsste jeweils die weniger intensive Form einer Beeinflussung der Restrukturierungskonzepte wählen, solange eine erfolgreiche Restrukturierung sichergestellt ist.2141 Einer Vermittlerrolle zwischen den Beteiligten sollte daher der Vorzug gegeben werden, bevor eine Zielkapitalstruktur einseitig vertraglich fixiert wird.2142 Mittels einer Ausstiegsklausel könnte das Management sicherstellen, dass es diese Vorgaben einhalten kann.2143 Hierfür spricht, dass der Insolvenzplan teilweise als eine „mehrseitige Verwertungsvereinbarung der Gläubiger“ angesehen wird.2144 Teilweise wird betont, dass es bei den Verhandlungen über einen Insolvenzplan „selbstverständlich“ nicht 2139
Heß, Investorenvereinbarungen, S. 60. Vgl. in diese Richtung: Heinzmann, Restrukturierungsvereinbarungen, S. 190 in Fn. 391 (zur außergerichtlichen Restrukturierung). 2141 Heinzmann, Restrukturierungsvereinbarungen, S. 190 in Fn. 391. 2142 Vgl. Heinzmann, Restrukturierungsvereinbarungen, S. 190 in Fn. 391. 2143 Heinzmann, Restrukturierungsvereinbarungen, S. 190. 2144 Nerlich/Römermann/Braun, 43. EL 2021, Vor § 217 Rn. 80 (wobei hier m. E. die Anteilsinhaber ebenfalls aufgeführt werden müssten). 2140
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um Verhandlungen zwischen dem Schuldner und seinen Gläubigern gehe, sondern um Verhandlungen zwischen den Gläubigern untereinander.2145 Nach dem anderen Ansatz würde dem Management im Ausgangspunkt ein eigener Entscheidungsspielraum zugesprochen, dieser allerdings durch die Vorgaben der Business Judgment Rule begrenzt. Hierfür sprechen die besseren Argumente: Der Insolvenzplan – und damit auch der StaRUG-Plan – ist ein mehrseitiger Vertrag zwischen der Schuldnerin, ihren Gläubigern und ihren Anteilsinhabern.2146 Für den Insolvenzplan wird erklärt, dass sowohl Gläubiger, die Anteilsinhaber und die Schuldnerin dem Plan zustimmen müssten (§§ 244 – 246a InsO; § 247 InsO).2147 Außerdem hat die Schuldnerin das Recht zur Planvorlage (§ 218 InsO), sodass das Angebot zur Restrukturierung von ihr kommt. Wenn die Schuldnerin selbst Vertragspartei ist, muss sie (vertreten durch das Management) auch aktiv an der Vertragsverhandlung teilnehmen können. Diese Wertungen gelten für den Restrukturierungsplan nach dem StaRUG gleichermaßen. Wird gleichzeitig berücksichtigt, dass dem Management neben dem Planinitiativrecht auch das Recht zur Auswahl und Einteilung der später abstimmenden Gruppen zusteht (§ 222 InsO, §§ 8, 9 StaRUG), wird seine Rolle als Entscheidungsträger umso deutlicher. Auch zum Chapter 11-Verfahren hat die Literatur formuliert, dass dieses den Manager in die Position eines Entscheidungsträgers bringe. Er sei nicht nur ein administrativer Agent,2148 sondern beeinflusse das Ergebnis der Restrukturierungsverhandlung aktiv.2149 Es sei eine eigenständige, unabhängige Macht mit der Möglichkeit, die Verteilung des Restrukturierungsgewinns zu beeinflussen.2150 „The DIP [Debtor in Possession] is a central figure in the process: an agent through whom are channeled many of the loss allocation activities, and the final decision maker on many of these issues.“2151 „The DIP acts as an agent of loss allocation“.2152
Nach Art. 19 der RRL muss der der Planersteller auch die Interessen der sonstigen Interessenträger gebührend berücksichtigen. Insbesondere wenn sich die Restrukturierung im Ergebnis auf diese Interessen auswirkt, ohne dass die konkreten Personen als „betroffene Parteien“ in den Planerstellungsprozess einbezogen wären, bietet Art. 19 der RRL einen Anknüpfungspunkt für die Geschäftsleitung, darauf zu achten, dass der vorgesehene Deal auch diese Interessen „gebührend berücksich-
2145 2146 2147 2148 2149 2150 2151 2152
Neumann, Gläubigerautonomie, S. 58. MüKoInsO/Eidenmüller, § 217 Rn. 25. MüKoInsO/Eidenmüller, § 217 Rn. 25. Nimmer/Feinberg, 6 Bankr. Dev. J. 1, 2 (1989). Nimmer/Feinberg, 6 Bankr. Dev. J. 1, 8 (1989). Nimmer/Feinberg, 6 Bankr. Dev. J. 1, 27 (1989). Nimmer/Feinberg, 6 Bankr. Dev. J. 1, 20 (1989). Nimmer/Feinberg, 6 Bankr. Dev. J. 1, 27 (1989).
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tigt“.2153 Man könnte die Norm dahingehend interpretieren, dass sie der Geschäftsleitung einen Auftrag gibt, die in der Restrukturierungsverhandlung nicht repräsentierten Interessen – quasi als Gegengewicht zu den vertretenen Interessen – zu berücksichtigen.2154 Zu den Interessen der Gesamtheit der Gläubiger i. S. d. § 32 StaRUG zählen auch die Interessen derjenigen Parteien, die nicht in den Plan eingezogen sind.2155 Diese Interessen können nur vertreten werden, wenn der Planersteller sich aktiv im Planerstellungsprozess einbringt und das Feld nicht nur den planbetroffenen Parteien überlässt. Im Ergebnis sprechen damit die besseren Argumente gegen eine Neutralitätspflicht des Managements. Wie sogleich herausgearbeitet wird, heißt dies aber nicht, dass der Vorstand – abgesehen von den Verteilungsregeln des StaRUG – bei der Ausgestaltung des Restrukturierungskonzepts völlig frei wäre. V. Kontrolle am Maßstab der „Interessen der Gesamtheit der Gläubiger“ Nach § 32 StaRUG muss die Schuldnerin im StaRUG-Verfahren die Interessen der Gesamtheit der Gläubiger wahren. Man könnte überlegen, aus dieser Vorgabe spezifische Rücksichtsnahmepflichten gegenüber verschiedenen Interessensgruppen abzuleiten oder Verhaltenspflichten für den Einsatz von RSA zu begründen. 1. Parallelproblem bei Investorenvereinbarungen verdeutlicht Schwierigkeiten Im Rahmen von Investorenvereinbarungen bzw. Exklusivvereinbarungen stellt sich ein ähnliches Problem. Diese können den Bieterwettbewerb und den bestmöglichen Angebotspreis einschränken.2156 Auf der anderen Seite erhöht sich die Durchführungswahrscheinlichkeit eines Deals.2157 Der Abschluss einer Investoren-
2153
11 U.S.C. § 1121 (c). Vgl. zu einer ähnlichen Überlegung bzgl. der Auslegung von Art. 3 Abs. 3 WpÜG im Rahmen einer Übernahme: Lange, WM 2002, 1737, 1740 f. 2155 Hölzle, Praxisleitfaden SanInsFoG, Vor § 32 Rn. 29 („Es besteht […] kein Zweifel daran, dass sich das Pflichtenprogramm auf die Gesamtgläubigerinteressen und zwar auch derjenigen an der Restrukturierung nicht zu beteiligenden Gläubiger bezieht.“). 2156 Seibt, in: Kämmerer/Veil, S. 106, 125; vgl. Drygala, WM 2004, 1413, 1416 (DealProtection-Klauseln behindern „den Wettbewerb mehrerer Bieter um das Unternehmen“); vgl. aber WM 2014, 1457, 1459; vgl. auch Heß, Investorenvereinbarungen, S. 1, 61 f., 111 f., 236 ff.; Steinert, Investorenvereinbarungen, S. 178 ff.; vgl. auch Krüger/Kaufmann, ZIP 2009, 1095 („Nachteil einer jeden Exklusivvereinbarung ist, dass sich der Verkäufer bis zu einem gewissen Grad in die Hand eines Interessenten begibt.“); vgl. aber S. 1096 („Andererseits können dem Insolvenzverwalter auch Haftungsrisiken drohen, wenn durch die Nichtgewährung von Exklusivität ein Unternehmenskauf nicht zustande kommt.“). 2157 Seibt, in: Kämmerer/Veil, S. 106, 125. 2154
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vereinbarung2158 und die Aufnahme von Deal-Protection-Klauseln2159 müssen dort mit der Verpflichtung des Managements auf das Unternehmensinteresse bzw. je nach vertretener Ansicht auf das Gesellschaftsinteresse vereinbar sein.2160 Angesichts des Effekts auf den potentiellen Bieterwettbewerb und den Aktienpreis dürfte dies einfacher zu rechtfertigen sein, wenn angenommen wird, dass das Gesellschaftsinteresse überindividuell bestimmt wird und auf langfristige Rentabilität ausgerichtet ist, oder wenn in der Übernahmesituation verstärkt auf die Interessen der nicht veräußerungswilligen Aktionäre an langfristiger Rentabilität abgestellt wird.2161 Auch wenn ein interessenpluralistischer Ansatz vertreten wird, dürfte der Abschluss einer Investorenvereinbarung weniger problematisch sein, weil der Vorstand hier ein Ermessen bei der Konkretisierung aller maßgeblichen Interessen bzw. des Unternehmensinteresses hat und dabei auch die Interessen der nicht veräußerungswilligen Aktionäre, der Gläubiger sowie der Arbeitnehmer stärker gewichten kann.2162 DealProtection-Klauseln seien unbedenklich, wenn der Vorstand in Ausübung seines Ermessens zum Schluss gekommen sei, dass ein bestimmter Deal dem Unternehmensinteresse am besten diene und dass die Zusage erforderlich sei, um den Deal mit dem angestrebten Partner voranbringen zu können.2163 Teilweise wird auch gefragt, ob mit den entsprechenden Vereinbarungen Vorteile einhergehen, die im Interesse der Zielgesellschaft liegen, die in Kostenersparnissen, Synergieeffekten oder dem Zugang zu finanziellen Ressourcen des Investors liegen können.2164 Es besteht – anders als in den USA (Stichwort: Revlon) – keine Pflicht, aktiv nach konkurrierenden Bietern zu suchen, und unter diesem Gesichtspunkt sind auch Exklusivvereinbarungen im Unternehmensinteresse zulässig.2165 Würden stattdessen die Interessen der veräußerungswilligen Aktionäre an einem höchstmöglichen Kaufpreis als
2158
Vgl. ausführlich: Heß, Investorenvereinbarungen, S. 87 ff. Ausführlich: Heß, Investorenvereinbarungen, S. 236 ff.; Fleischer, AG 2009, 345, 349 ff.; Krüger/Kaufmann, ZIP 2009, 1095, 1099 f., 1002; Drygala, WM 2004, 1457, 1459 f. 2160 Dies ist eine Zulässigkeitsvoraussetzung: Seibt, in: Kämmerer/Veil, S. 106, 125 f.; vgl. auch Heß, Investorenvereinbarungen, S. 87 ff. 2161 Vgl. Heß, Investorenvereinbarungen, S. 111 ff. („Damit verbleibt nur noch die Frage, wie die Interessen der verbleibenden und veräußerungswilligen Gesellschafter zu gewichten sind. Hier gilt ebenfalls der Grundsatz, dass sich der Vorstand ausschließlich an der dauerhaften Rentabilität der Gesellschaft zu orientieren hat.“). 2162 Vgl. Hippeli/Diesing, AG 2015, 185, 193 („Im Rahmen der Verpflichtung, eine praktische Konkordanz des Unternehmensinteresses als Interessenbündel sämtlicher Interessenparteien im Rahmen des weit zu bestimmenden Leitungsermessens herbeizuführen, kann sich das Ermessen insbesondere vor dem Hintergrund der Bestandssicherung und Sicherung der dauerhaften Rentabilität des Unternehmens somit ermessenslenkend in der Weise auswirken, dass ein Unternehmenszusammenschluss unter Zugrundelegung eines BCAs entsprechend geboten ist.“); vgl. auch Drygala, WM 2004, 1460, 1463. 2163 Drygala, WM 2004, 1457, 1460. 2164 Fleischer, AG 2009, 345, 350. 2165 Kuhn, Exklusivvereinbarungen, S. 234 f.; Drygala, WM 2004, 1457, 1459 f. 2159
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(allein) maßgeblich angesehen,2166 dürfte der Abschluss einer Investorenvereinbarung schwieriger zu rechtfertigen sein. Bei einer Unternehmensveräußerung in der Insolvenz muss der Insolvenzverwalter bekanntlich die bestmögliche Gläubigerbefriedigung verfolgen (§ 1 InsO).2167 Hier dürften die Rechtfertigungshürden für Investorenvereinbarungen, Exklusivvereinbarungen und Deal-Protection-Klauseln im Grundsatz höher sein, weil hier ausweislich des § 1 InsO nicht mehr auf die Interessen der Zielgesellschaft bzw. das Unternehmensinteresse abzustellen ist, sondern auf die bestmögliche Gläubigerbefriedigung.2168 Deshalb darf sich der Insolvenzverwalter grundsätzlich nicht an eine Verwertungsalternative binden.2169 Denn der Insolvenzverwalter würde sich dann zu einem gewissen Grad in die Hände nur eines Interessenten begeben.2170 Auch Kostentragungsklauseln, Vertragsstrafeverpflichtungen und Break-up Fees müssten im Hinblick auf das Ziel der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung die Ausnahme bleiben, weil sie die Masse schmälern können.2171 Fraglich ist, welche Interessen der Planersteller im StaRUG-Verfahren verfolgen muss. § 32 StaRUG normiert die Pflicht, die „Interessen der Gesamtheit der Gläubiger“ zu wahren. Je nachdem, was damit konkret gemeint ist,2172 dürfte der Abschluss eines RSA schwieriger oder leichter zu rechtfertigen sein. 2. Steigerung des Unternehmenswerts und Vergrößerung der Masse Hinter dem Begriff „Gesamtheit der Interessen der Gläubiger“ könnte die bestmögliche Gläubigerbefriedigung im Sinne einer Maximierung der Masse stehen.2173 Dann wäre der Abschluss eines RSA mit wenigen Gläubigern möglicherweise problematisch, insbesondere wenn hierdurch mögliche andere (bessere) Restrukturierungskonzepte nicht mehr zum Zuge kommen würden. Eine Fokussierung auf die Steigerung der Masse oder des Unternehmenswerts dürfte die Interessen der ungesicherten und nachrangigen Gläubiger zu stark ge2166 Vgl. z. B. in den USA die sog. Revlon-Doktrin: Revlon, Inc. v. MacAndrews & Forbes Holdings, Inc., 506 A.2d 173, 182 (Del. 1986); vgl. dazu: Heß, Investorenvereinbarungen, S. 112. 2167 Statt aller: MüKoInsO/Ganter/Bruns, § 1 Rn. 20. 2168 Vgl. Krüger/Kaufmann, ZIP 2009, 1095 f. Allerdings entsteht dann wieder ein Spielraum, wenn man nur die bestmögliche und nicht generell die beste Gläubigerbefriedigung als Maßstab ansetzt und das Verfahrensziel so bestimmt, dass der Insolvenzverwalter in erster Linie den Bestand der Masse sichern muss und sich nur nicht verspekulieren darf (S. 1096). 2169 Krüger/Kaufmann, ZIP 2009, 1095, 1096; Beisel, in: Beisel/Klumpp, § 5 Rn. 9. 2170 Krüger/Kaufmann, ZIP 2009, 1095. 2171 Krüger/Kaufmann, ZIP 2009, 1095, 1098 ff. 2172 Überblick bei Janjuah/Tangermann, in: Morgen, StaRUG, § 32 Rn. 53 ff. 2173 HambKomm-StaRUG/Schröder, § 32 Rn. 10; unklarer bei BeckOK-StaRUG/Kramer, § 32 Rn. 20: Das Gesamtgläubigerinteresse bestehe darin, dass Schuldendeckungspotential des Schuldners zu erhalten oder zu steigern (!). Die Erhaltung des Schuldendeckungspotentials dürfte aber etwas anderes sein als seine Steigerung.
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wichten und andere Interessen außen vor lassen. Hierzu zählen etwa die Interessen der absonderungsberechtigten Gläubiger,2174 denen es regelmäßig (nur) darum geht, den Wert ihrer Sicherungsrechte zu wahren. Lieferanten und die Arbeitnehmer könnten etwa gewillt sein, kurzfristig Verluste in Kauf zu nehmen, um das Unternehmen langfristig wieder rentabel zu machen. Nach einer Ansicht besteht sogar kein Zweifel daran, dass sich das Gesamtgläubigerinteresse auch auf diejenigen Gläubigerinteressen bezieht, die nicht am konkreten StaRUG-Verfahren beteiligt werden.2175 Eine Übertragung des aus der InsO bekannten Ziels der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung in das StaRUG wird auch kritisch gesehen, weil es sich im StaRUG nicht um ein Gesamtvollstreckungsverfahren handelt und die Beseitigung der drohenden Zahlungsunfähigkeit und die Sicherung des Fortbestehens der Schuldnerin im Vordergrund stünden.2176 Für diese Auslegung spricht auch ein systematisches Argument: Nach den Gesetzesmaterialien zur InsO ist das Interesse an der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung das gemeinsame Interesse der Insolvenzgläubiger.2177 Der Begriff wird hier im Zusammenhang mit § 78 InsO verwendet. Nach h. M. werden beim gemeinsamen Interesse der Insolvenzgläubiger die Interessen der absonderungsberechtigten Gläubiger nicht oder nur nachrangig reflektiert.2178 Auch die Interessen der Massegläubiger und der Schuldnerin selbst seien im Rahmen des § 78 InsO unbeachtlich.2179 Das gemeinsamen Interesse der Insolvenzgläubiger soll sogar einen Gegenpol zu den Interessen der absonderungsberechtigten Gläubiger bilden.2180 Wenn der Gesetzgeber das gemeinsame Interesse der Insolvenzgläubiger mit der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung gleichsetzt, spricht viel dafür, dass beim Begriff „Interessen der Gesamtheit der Gläubiger“ auch andere Interessen berücksichtigt werden dürfen und müssen. Selbst wenn die bestmögliche Gläubigerbefriedigung und die Steigerung des Unternehmenswerts als Primärziel angesehen würde, dürfte dies aber nicht bedeuten, dass ein RSA nie gerechtfertigt werden kann. Für eine Unternehmensveräußerung aus der Insolvenz wurde z. B. argumentiert, dass eine Exklusivvereinbarung ganz ausnahmsweise zulässig sein kann, wenn nur so überhaupt ein Deal zustande kommt, weil der Investor – bzw. der entsprechende Gläubiger – nur unter diesen Umständen
2174
Vgl. Janjuah/Tangermann, in: Morgen, StaRUG, § 32 Rn. 57. Hölzle, Praxisleitfaden SanInsFoG, § 32 Rn. 29. 2176 Janjuah/Tangermann, in: Morgen, StaRUG, § 32 Rn. 56. 2177 Rechtsausschuss, BT-Drucks. 12/7302, S. 164. 2178 Görg, DZWiR 2000, 364, 366; ausführlich: Koa, Gläubiger ohne Risiko, S. 172 ff.; MüKoInsO/Ehricke/Ahrens, § 78 Rn. 18; Uhlenbruck-InsO/Knof, § 78 Rn. 11. 2179 Görg, DZWiR 2000, 364, 366; MüKoInsO/Ehricke/Ahrens, § 78 Rn. 19; Nerlich/Römermann/Weiß, 43. EL Mai 2021, § 78 Rn. 6 (müssen zurückstehen). 2180 Vgl. KPB-InsO/Kübler, § 78 Rn. 8. 2175
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zur Verhandlung bereit ist und keine anderen Interessenten zur Verfügung stehen.2181 No-Talk-Klauseln seien zulässig, wenn eine Öffnungsklausel vereinbart wird, um bessere Angebote nicht zu verhindern.2182 Kostentragungsklauseln seien unter Umständen auch möglich, wenn sie nur an ein vorwerfbares Verhalten des Insolvenzverwalters geknüpft sind (z. B. Abbruch der Verhandlungen ohne triftigen Grund).2183 Zulässig seien auch sog. Overbid-Protection-Klauseln, wonach dem Erstinteressenten ein Teil des vom Zweitinteressenten bezahlten Kaufpreises zugesprochen wird, falls sich der Insolvenzverwalter umentscheiden sollte. Hier würde die Masse nicht geschmälert, sondern nur nicht in gleicher Weise maximiert.2184 Diese Ausnahmen zeigen insgesamt, dass auch dann, wenn die bestmögliche Gläubigerbefriedigung als Ziel forciert wird, RSA unter Umständen zulässig sein können, wobei es hier aber eines erhöhten Begründungsaufwands bedarf. 3. Verhinderung weiterer Verluste Teilweise wird zur InsO vertreten, dass das einzige konkrete Interesse, welches tatsächlich jeder Gläubiger hat, die Verringerung seines individuellen Ausfalls beschreibt.2185 Dann wird allerdings geschlussfolgert, dass dieses Ziel nur durch eine Vergrößerung der Haftungsmasse erreichbar ist.2186 Zwingend ist diese Schlussfolgerung allerdings nicht. Man muss stets das Risiko berücksichtigen, welches eine Vergrößerung der Haftungsmasse mit sich brächte. Dennoch dürfte die Grundaussage richtig bleiben, dass jeder Gläubiger ein Interesse daran hat, seinen individuellen Ausfall zu beschränken. Für den Schuldner kann dies indes bedeuten, dass er jedenfalls versuchen muss den Status quo zu erhalten und einen möglicherweise bestehenden Abwärtstrend zu stoppen. Dies würde jedenfalls im Gesamtgläubigerinteresse liegen. Wenn die ungesicherten Gläubiger und die nachrangigen Gläubiger darüber hinaus von Massesteigerungen mehr profitieren würden, schließt dies nicht aus, dass sie es begrüßen würden, dass sich der Status quo nicht noch weiter verschlechtert. Erkennt man dies an, dürfte ein RSA gerechtfertigt sein, wenn mit ihm eine Restrukturierung in geordnete Bahnen gelenkt und der Abwärtstrend aufgehalten werden kann.
2181 2182 2183 2184 2185 2186
Krüger/Kaufmann, ZIP 2009, 1095 ff. Krüger/Kaufmann, ZIP 2009, 1095, 1102. Krüger/Kaufmann, ZIP 2009, 1095, 1097 ff., auch zu Vertragsstrafen und Break-up Fees. Krüger/Kaufmann, ZIP 2009, 1095, 1100. MüKoInsO/Ehricke/Ahrens, § 78 Rn. 17. MüKoInsO/Ehricke/Ahrens, § 78 Rn. 17.
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4. Nachhaltige Beseitigung der drohenden Zahlungsunfähigkeit; Wiederherstellung von Rentabilität und Bestandsschutz? Es könnte auch vertreten werden, dass das Interesse der Gesamtheit der Gläubiger darin besteht, nachhaltig die drohende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen und das Fortbestehen der Schuldnerin langfristig zu sichern.2187 Es wurde argumentiert, dass die widerstreitenden Interessen der Gläubiger, des Schuldners und der Anteilsinhaber einen gemeinsamen Nenner hätten, welcher im Erhalt des Unternehmens läge.2188 Teilweise wird formuliert, dass das maßgebliche Ziel, das die Schuldnerin und die Geschäftsleitung nach §§ 32 Abs. 1 Satz 1, 43 StaRUG zu verfolgen haben, die Wiederherstellung und Sicherung der Fortführungsfähigkeit des Unternehmens sei.2189 Für diese Sicht spricht § 29 Abs. 1 StaRUG. Demnach dienen die Instrumente des StaRUG „zur nachhaltigen Beseitigung einer drohenden Zahlungsunfähigkeit“.2190 Nach § 32 Abs. 1 StaRUG muss der Schuldner beim Betreiben der Restrukturierungssache („dabei“) – also quasi untergeordnet – die Interessen der Gesamtheit der Insolvenzgläubiger wahren. In der Literatur wurde z. B. auch vertreten, dass „den – abstrakt zu verstehenden und dadurch stets ausschließlich auf Befriedigung ihrer Forderungen gerichteten! – Interessen der Gläubigergesamtheit (…) schon dann genügt [ist], wenn die Zahlungsunfähigkeit vermieden wird.“2191 Werden diese Aussagen zur Bestimmung der Interessen der Gesamtheit der Gläubiger herangezogen, dürfte der Abschluss eines RSA mit wenigen Schlüsselgläubigern dann gerechtfertigt sein, wenn mit ihm die drohende Zahlungsunfähigkeit vermieden wird und das Unternehmen langfristig wieder rentabel wird. Diese Ansicht reflektiert indessen die Interessen der ungesicherten und nachrangigen Gläubiger nicht ausreichend. Die Rentabilität des Unternehmens und sein Bestand können auch geschützt werden, wenn diese Gruppen völlig leer ausgehen. Sie haben ein Interesse daran, dass das Unternehmen derart restrukturiert wird, dass ihre Positionen wieder „ins Geld“ rücken. Problematisch erscheint außerdem, dass ein Rückgriff auf das Bestandsinteresse und die nachhaltige Rentabilität – je nachdem wie diese definiert sind – auch dazu dienen könnte, schwerere Eingriffe in Gläubigerrechte zu rechtfertigen, obwohl sie nicht zwingend notwendig sind. Dies ist z. B. der Fall, wenn über die Liquiditätssicherung hinaus auch eine „Rendite- und Refinanzierungsfähigkeit“ gesichert
2187 In diese Richtung Janjuah/Tangermann, in: Morgen, StaRUG, § 32 Rn. 56; daneben wird aber die Wertsteigerung als weiteres Ziel genannt. 2188 Skauradszun, KTS 2021, 1, 29. 2189 Kuntz, ZIP 2021, 597, 606. Auch Kuntz nennt noch weitere Abwägungskriterien, S. 607 (Steigerung des Unternehmenswerts, wobei diejenige Maßnahme zu wählen ist, welche die Ansprüche der Gläubiger wahrscheinlich am wenigsten beeinträchtigt). 2190 So auch Pannen/Riedemann/Smid/Pannen, § 29 Rn. 15; Zu diesem Verfahrensziel des StaRUG: HambKomm-StaRUG/Schröder, § 29 Rn. 9 f. 2191 Brinkmann, KTS 2021, 303, 321 in Fn. 74.
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werden soll2192 oder eine nachhaltige EBIT-Marge als Ziel des Eingriffs für zulässig erachtet wird.2193 Ein weiterer Kritikpunkt besteht darin, dass eine Gesellschaft kein Eigeninteresse als solches hat2194 und der Bestand des Unternehmens als solcher in einer Marktwirtschaft nicht schutzwürdig ist.2195 Auch im Rahmen der Diskussion um das Unternehmensinteresse werden die „langfristige Rentabilität“ und der „Bestand des Unternehmens“ als Ermessensgrenzen und die Pflicht, diese Ziele zu verfolgen,2196 kritisiert2197: Der Bestand des Unternehmens sei nicht immer als kleinster gemeinsamer Nenner aller Beteiligten zu sehen.2198 Es sei auch nicht im gesamtwirtschaftlichen Interesse, ein Unternehmen um jeden Preis zu erhalten.2199 Allenfalls könnte man argumentieren, dass der Bestand der Gesellschaft möglicherweise im – nach dem Pflichtenumschwung maßgeblichen – Interesse der Gläubiger liegt und deshalb vom Vorstand bei der Frage, ob er sich frühzeitig binden kann, zu berücksichtigen sein kann.2200 5. Ökonomisches Modell Eine weitere Möglichkeit, das Gesamtgläubigerinteresse zu bestimmen, besteht darin, auf ökonomische Theorien zurückzugreifen.2201 Nach der Theorie des sog. Kaldor-Hicks-Kriteriums2202 bedeutet eine Ausrichtung am Gesamtgläubigerinteresse, dass eine Lösung gesucht werden muss, in der die Summe der Vorteile der einen bestimmten Zustand präferierenden Beteiligten die Summe der Nachteile der übrigen Beteiligten aufwiegt.2203 Bemessen wird dies daran, ob die zustimmenden Beteiligten durch ihren Gewinn theoretisch die ablehnenden Beteiligten entschädigen könnten und immer noch einen Residualgewinn hätten.2204 Problematisch an diesem Modell ist zum einen, dass es die Verteilungsfrage nicht anspricht, sondern nur auf Nutzenmaximierung ausgerichtet ist. Schließlich dürften die Vor- und Nachteile, welche die Parteien erhalten bzw. erleiden, aufgrund ihrer divergierenden Interessen
2192 2193 2194 2195 2196 2197 2198 2199 2200 2201 2202 2203 2204
Thole, FS Reuter, S. 449, 450. Hölzle, Praxisleitfaden SanInsFoG, § 7 Rn. 27. Bitter, Durchgriffshaftung, S. 315; Bitter, WM 2001, 2133, 2136. Mestmäcker, BB 1961, 945, 947; vgl. oben 1306 ff. Hüffer/Koch/Koch, § 76 Rn. 34 („Rechtspflicht“). Ausführlich: Birke, Formalziel, S. 162 ff. m. w. N. Birke, Formalziel, S. 163. Birke, Formalziel, S. 163. Vgl. oben bei Fn. 1307. Hölzle, Praxisleitfaden SanInsFoG, § 32 Rn. 30. Dazu Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 32 ff. Hölzle, Praxisleitfaden SanInsFoG, § 32 Rn. 30. Hölzle, Praxisleitfaden SanInsFoG, § 32 Rn. 30.
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für das Management nur schwer messbar sein. Als Orientierungshilfe dürfte dieses Modell in der Praxis ausscheiden. 6. Negative Definition Es könnte schließlich auch versucht werden, eine negative Abgrenzung des Gesamtgläubigerinteresses vorzunehmen, indem man überlegt, was jedenfalls nicht im Gesamtgläubigerinteresse liegt. Diesen Weg beschreiten § 32 Satz 2 und 3 StaRUG. Dort ist genannt, dass „insbesondere“ Maßnahmen zu unterlassen sind, „welche sich mit dem Restrukturierungsziel nicht vereinbaren lassen oder welche die Erfolgsaussichten der in Aussicht genommenen Restrukturierung gefährden.“ Anschließend wird ein weiteres Regelbeispiel genannt: „Mit dem Restrukturierungsziel ist es in der Regel nicht vereinbar, Forderungen zu begleichen oder zu besichern, die durch den Restrukturierungsplan gestaltet werden sollen.“ Dieser Ansatz dürfte dem Einsatz eines RSA auch nicht prinzipiell entgegenstehen, wenn hiermit das Restrukturierungsziel schnell, still und kostengünstig erreicht werden kann. Sogar einzelne Zahlungen an Gläubiger können demnach ausnahmsweise vertretbar sein, weil sie nur „in der Regel“ nicht mit dem Restrukturierungsziel vereinbar sind. 7. Abwägungsmodell Die beste Lösung ist, dem Begriff „Interessen der Gesamtheit der Gläubiger“ ein Abwägungsmodell zugrunde zu legen.2205 Hierbei kann die Schuldnerin alle betroffenen Interessen gegeneinander abwägen und praktische Konkordanz herstellen. Dabei können einzelne Interessen besondere Bedeutung erlangen. Der Schuldnerin bzw. ihrem Management sollte dabei ein Ermessensspielraum zugeteilt werden. Hierfür spricht, dass auch die Regierungsbegründung offenbar eine solche Abwägung verlangt: Die Pflicht, die Interessen der Gläubigerschaft zu wahren, bedeute nicht, dass sich die Geschäftsführung ausschließlich an den Interessen der Gläubiger zu orientieren habe.2206 Ein absoluter Vorrang der Gläubigerinteressen könne nicht angenommen werden.2207 Der Grad, zu dem auf die Belange der Gläubigerschaft Rücksicht zu nehmen sei, hänge von der Wahrscheinlichkeit und dem Ausmaß der Gefährdung ihrer Unterinteressen ab.2208 Den Geschäftsleitern komme im Aus-
2205
Im Ergebnis wohl Janjuah/Tangermann, in: Morgen, StaRUG, § 32 Rn. 56: Sie betonen die Bestandsfähigkeit des Unternehmens, die Beseitigung der drohenden Zahlungsunfähigkeit, die Pflicht, den Unternehmenswert im Interesse sämtlicher Interessengruppen zu steigern, und das Gebot, diejenigen Maßnahmen zu wählen, welche die Ansprüche der Gläubiger am wenigsten beeinträchtigen; in diese Richtung auch: Skauradszun, KTS 2021, 1, 29 („pluralistischer Ansatz“). 2206 RegE-SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181 S. 106. 2207 RegE-SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181 S. 106. 2208 RegE-SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181 S. 106.
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gangspunkt ein Ermessensspielraum zu.2209 Im Rahmen dieser Abwägung können nach hier vertretener Auffassung auch die Belange der Arbeitnehmer im Einklang mit der RRL [Art. 19 lit. a)] gewichtet werden. Diese Sicht kann es durchaus rechtfertigen, dass das Management mit den Schlüsselgläubigern ein RSA abschließt und dabei die Interessen der ungesicherten Gläubiger oder der nachrangigen Gläubiger weniger stark gewichtet als die Interessen der Schlüsselgläubiger, der Arbeitnehmer und der Schuldnerin an sich. Die Vorteile einer solchen Vereinbarung (z. B. Schnelligkeit; sichere Umsetzung der Restrukturierung) können dabei auch eine Rolle spielen. In diese Richtung geht auch eine Formulierung in der Literatur, die erklärt, dass es nicht darum gehe, den höchsten Erwartungswert zu realisieren, sondern darum, die Entscheidung zu treffen, welche zwar den Unternehmenswert steigert, aber gleichzeitig unter mehreren zur Wahl stehenden Varianten diejenige ist, welche die Ansprüche der Gläubiger wahrscheinlich am wenigsten beeinträchtigt.2210 In dieser Aussage werden mehrere Ziele (Mehrung des Unternehmenswerts; Minimierung des Ausfalls der Gläubiger) zum Ausgleich gebracht. 8. Zwischenergebnis Bei Zugrundelegung dieses Abwägungsmodells steht das Interesse der Gesamtheit der Gläubiger einem Abschluss eines RSA im Regelfall nicht entgegen. So wie eine Investorenvereinbarung im Unternehmensinteresse zulässig sein kann, kann ein RSA dann im Interesse der Gesamtheit der Gläubiger liegen. Auch wenn den anderen Interpretationsmöglichkeiten der Vorzug gegeben wird, kann der Abschluss eines RSA – wie die vorstehende Argumentation gezeigt hat – allerdings gerechtfertigt sein. VI. Verfahrenskontrolle Alle bisher aufgezeigten Mechanismen belassen der Geschäftsleitung einen erheblichen Spielraum. Deshalb bietet sich eine prozedurale Kontrolle an. In den USA wird der Entscheidungsprozess hin zum Abschluss eines RSA anhand der Business Judgment Rule kontrolliert. Die Pflichten dabei lassen sich am besten anhand des Falls In re Innkeepers USA Trust beschreiben2211 (dazu unter 1.). Dieser Ansatz kann auch im Rahmen des StaRUG fruchtbar gemacht werden (dazu unter 2.).
2209 2210
Rn 56.
RegE-SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181 S. 106. Kuntz, ZIP 2021, 597, 607; zust. Janjuah/Tangermann, in: Morgen, StaRUG, § 32
2211 Vgl. dazu auch Adler/Casey/Morrison, Baird & Jackson’s Bankruptcy, S. 787 ff., insbesondere 795 ff.
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1. Blick in die USA Der Fall In re Innkeepers USA Trust2212 wurde zu Beginn der Arbeit bereits kurz vorgestellt2213 und soll hier nochmals ins Gedächtnis gerufen werden: Dort hatte das Management vor Beginn des Chapter 11-Verfahrens mit nur einem von neun Großgläubigern (Lehman-Bank) ein RSA abgeschlossen. Danach sollte die LehmanBank die Schuldnerin komplett übernehmen. Die anderen Gläubiger sollten neue gesicherte Forderungen erhalten, welche dem Wert ihrer Sicherheiten entsprachen. Später sollte die Lehman-Bank eine bestimmte Anzahl an Anteilen an die Muttergesellschaft der Schuldnerin weiterreichen (gift-Provision). Das RSA wurde vor Anzeige des Chapter 11-Verfahrens bei Gericht ausgehandelt. Es stellt im Verfahren damit einen schwebenden Vertrag dar, welcher nach 11 U.S.C. § 365 vom Gericht bestätigt werden muss.2214 Das Gericht bestätigt den schwebenden Vertrag auf Antrag, wenn er das Ergebnis von sound business judgment ist.2215 Damit ist der Prüfungsschwerpunkt definiert. Das Gericht konkretisierte den Standard in Bezug auf RSA wie folgt: a) „Disinterestedness“ Das Management darf bei Abschluss der Vereinbarung grundsätzlich nicht in einem Interessenkonflikt stehen.2216 Weil die Muttergesellschaft der Schuldnerin ebenfalls in die Transaktion einbezogen war und nach dem RSA sogar Anteile am Unternehmen an die Mutter weitergereicht werden sollten (gifting), hatte das Gericht bereits Zweifel daran, ob das Management beim Abschluss des Vertrages disinterested war. Das Gericht tendierte deshalb zur Prüfung des RSA anhand des strengeren Entire Fairness Standards, ließ die Frage aber schließlich offen, da auch die anderen Punkte des Business Judgment Standards nicht erfüllt waren.2217 b) „Due Care“ Nach dem Gericht muss ein RSA mit due care ausgehandelt werden.2218 Hierzu hat das Gericht verschiedene Kriterien aufgestellt: Erstens sei das RSA am Markt zu testen. Es dürfe danach nicht nur mit einem Gläubiger ausgehandelt werden. Auch andere Gläubiger müssten einbezogen werden.2219 Sofern die Verhandlungen mit einem Gläubiger gestartet würden, müsse der Deal den übrigen Gläubigern frühzeitig 2212 2213 2214 2215 2216 2217 2218 2219
In re Innkeepers USA Trust, 442 B.R. 227 (Sachverhalt) (Bkrtcy S.D.N.Y. 2010). Vgl. oben bei Fn. 119. Sasson, 9 N.Y.U. J. L. & Liberty, 850, 859 (2015). Sasson, 9 N.Y.U. J. L. & Liberty, 850, 859 (2015). In re Innkeepers USA Trust, 442 B.R. 227, 231 (Bkrtcy S.D.N.Y. 2010). In re Innkeepers USA Trust, 442 B.R. 227, 231 (Bkrtcy S.D.N.Y. 2010). In re Innkeepers USA Trust, 442 B.R. 227, 231 ff. (Bkrtcy S.D.N.Y. 2010). Vgl. In re Innkeepers USA Trust, 442 B.R. 227, 231 ff. (Bkrtcy S.D.N.Y. 2010).
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offenbart werden.2220 Das Gericht bemängelte auch, dass das Management offenbar allen Forderungen der Lehman-Bank entsprochen habe.2221 Schließlich erklärte das Gericht, dass die Schuldnerin auch keine Rechtfertigung vorweisen konnte, warum sie sich zu einem sehr frühen Zeitpunkt während des Restrukturierungsprozesses auf einen bestimmten Deal festgelegt habe, ohne bessere Angebote einzuholen oder wenigstens mit den anderen gesicherten Gläubigern zu verhandeln.2222 Im Ergebnis war das Gericht der Ansicht, die anderen gesicherten Gläubiger „deserve more of a process than what has been provided thus far.“2223 c) „Good Faith“ Daneben muss das RSA in good faith ausgehandelt worden sein.2224 Dies ist nicht der Fall, wenn andere Parteien von den Verhandlungen ausgeschlossen werden, selbst wenn sie Vorschläge zur Restrukturierung unterbreiten wollten.2225 Zudem müsse der Prozess transparent sein, was im konkreten Fall nicht so gewesen sei.2226 Dass die Muttergesellschaft Apollo nach der Restrukturierung die Hälfte der Anteile erhalten sollte, sei heruntergespielt oder sogar verschleiert worden.2227 Auch andere wichtige Details des term sheets, wie etwa die notwendigen Forderungskürzungen, seien nicht bekannt gegeben worden.2228 Schließlich analysierte das Gericht die Wirkung des RSA: Es konterkariere den Zweck des Chapter 11-Verfahrens, wonach dieses Zeit gewähren sollte, damit die Schuldnerin mit ihren Gläubigern einen Deal verhandeln könne.2229 Im konkreten Fall habe das Lock-up Agreement gutgläubige Verhandlungen vielmehr verhindert.2230 Es sei als taktisches Mittel eingesetzt worden, um den anderen Gläubigern einen Plan aufzuzwingen, welchen diese nicht unterstützen würden.2231
2220
In re Innkeepers USA Trust, 442 B.R. 227, 231 f. (Bkrtcy S.D.N.Y. 2010). In re Innkeepers USA Trust, 442 B.R. 227, 233 (Bkrtcy S.D.N.Y. 2010). 2222 In re Innkeepers USATrust, 442 B.R. 227, 233 (Bkrtcy S.D.N.Y. 2010) („It is difficult to understand what the rush is.“). 2223 In re Innkeepers USA Trust, 442 B.R. 227, 233 (Bkrtcy S.D.N.Y. 2010). 2224 In re Innkeepers USA Trust, 442 B.R. 227, 233 f. (Bkrtcy S.D.N.Y. 2010). 2225 In re Innkeepers USA Trust, 442 B.R. 227, 233 (Bkrtcy S.D.N.Y. 2010). 2226 In re Innkeepers USA Trust, 442 B.R. 227, 233 f. (Bkrtcy S.D.N.Y. 2010). 2227 In re Innkeepers USA Trust, 442 B.R. 227, 233 (Bkrtcy S.D.N.Y. 2010). 2228 In re Innkeepers USA Trust, 442 B.R. 227, 234 (Bkrtcy S.D.N.Y. 2010). 2229 In re Innkeepers USA Trust, 442 B.R. 227, 234 (Bkrtcy S.D.N.Y. 2010). 2230 In re Innkeepers USA Trust, 442 B.R. 227, 234 (Bkrtcy S.D.N.Y. 2010). 2231 In re Innkeepers USA Trust, 442 B.R. 227, 234 (Bkrtcy S.D.N.Y. 2010). 2221
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d) „Benefit for the estate“ Schließlich muss das RSA der Masse einen Vorteil bringen:2232 Hierbei werden alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigt.2233 Im konkreten Fall wurde die Erfüllung dieser Voraussetzung aus zwei Gründen verneint: Erstens gewährte das RSA den jeweiligen Schlüsselgläubigern zu Lasten der übergangenen Gläubiger zu viel Kontrolle über das Verfahren.2234 Häufig vereinbaren die Parteien im RSA zahlreiche und strenge Events-of-Default-Klauseln. Wenn eines dieser Events eintritt, hat der Schlüsselgläubiger auch das Recht, andere Vereinbarungen (z. B. Finanzierungsvereinbarungen) zu kündigen. Dies gibt ihm erheblichen Einfluss auf das Verfahren. Nach Ansicht des Gerichts ist es unangemessen, einem Gläubiger zu viel Einfluss auf das Schicksal einer Restrukturierung zu gewähren.2235 Zweitens würde das RSA das Management im weiteren Verlauf des Verfahrens daran hindern, seine Pflichten ordnungsgemäß auszuüben.2236 In der Restrukturierung gebe es für das Management eine Pflicht, den Wert des Unternehmens zugunsten der Gläubiger zu maximieren.2237 In In re Innkeepers USA Trust wurde betont, dass das Management eine Pflicht habe, die Interessen der Gläubiger gleich zu vertreten und nicht die Interessen eines Gläubigers vor den Interessen anderer Gläubiger zu bevorzugen.2238 Im Grundsatz kann sich das Management vor einer vorzeitigen Bindung zwar durch Ausstiegsklauseln sichern. Sowohl in In re Innkeepers USA Trust als auch in In re Walter Energy wurde allerdings vorgebracht, dass diese Klauseln dann unzureichend seien, wenn sie die Stellung des Managements faktisch nicht wirklich absichern können.2239 Im RSA von In re Innkeepers USA Trust enthielt die Ausstiegsklausel eine Ausnahme dahingehend, dass sie nur dann angewendet werden dürfe, wenn bei Verfolgung einer anderen Strategie die Lehman-Bank als einzelne Schlüsselgläubigerin eine höhere und bessere Befriedigung erhalten würde.2240 In einem anderen Fall (In re Bush Industries, Inc.2241) wurde ebenfalls argumentiert, dass das RSA verhindern würde, dass die Schuldnerin den Unterneh2232
In re Innkeepers USA Trust, 442 B.R. 227, 234 ff. (Bkrtcy S.D.N.Y. 2010). In re Innkeepers USA Trust, 442 B.R. 227, 234 (Bkrtcy S.D.N.Y. 2010). 2234 Vgl. In re Innkeepers USA Trust, 442 B.R. 227, 234 f. (Bkrtcy S.D.N.Y. 2010). 2235 In re Innkeepers USA Trust, 442 B.R. 227, 235 (Bkrtcy S.D.N.Y. 2010). 2236 In re Innkeepers USA Trust, 442 B.R. 227, 234 f. (Bkrtcy S.D.N.Y. 2010). 2237 In re Innkeepers USA Trust, 442 B.R. 227, 235 (Bkrtcy S.D.N.Y. 2010). 2238 In re Innkeepers USA Trust, 442 B.R. 227, 235 (Bkrtcy S.D.N.Y. 2010). 2239 In re Innkeepers USA Trust, 442 B.R. 227, 235 (Bkrtcy S.D.N.Y. 2010); In re Walter Energy, Official committee of unsecured creditors’ objection to the debtors’ motion for an order (A) authorizing the debtors to assume a restructuring support agreement and (B) granting related relief, vom 26. 8. 2015; Case-Nr. 15 – 02741-TOM11, Doc. 556, S. 19 f. 2240 In re Innkeepers USA Trust, 442 B.R. 227, 235 (Bkrtcy S.D.N.Y. 2010). 2241 In re Bush Industries, Inc., 315 B.R. 292, 303 ff. (Bkrtcy.W.D.N.Y. 2004). 2233
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menswert – auch zugunsten der Anteilsinhaber – maximieren konnte:2242 Nach dem konkreten RSA wäre es nicht möglich gewesen, alternative Pläne zu bedenken. Das Gericht lehnte dieses Argument im konkreten Fall – anders als im Fall In re Innkeepers USA Trust – ab.2243 Es hat dabei allerdings umfassend abgewogen: Zwar sei es durchaus denkbar gewesen, dass die alten Anteilsinhaber durch einen anderen Deal bessergestellt worden wären. Allerdings müssten die Vorteile des Lock-up Agreements ebenfalls berücksichtigt werden. Durch das RSA habe eine neue Finanzierung gesichert werden können. Außerdem seien alle ungesicherten Gläubiger voll befriedigt worden. Dies sei dadurch ermöglicht worden, dass die gesicherten Gläubiger auf einen Teil ihrer Befriedigung verzichtet hätten. 2. Übertragbarkeit in das deutsche Recht? Diese Vorgaben dürften auch im deutschen Recht fruchtbar gemacht werden können. Nach einer verbreiteten Ansicht handelt es sich bei der Business Judgment Rule – deren US-Pendant im Fall In re Innkeepers USA Trust geprüft wird – um eine „gesetzliche Konkretisierung der Sorgfaltspflichten“.2244 Auch wenn die Anwendbarkeit der Business Judgment Rule im Rahmen von Insolvenzverfahren verneint wird,2245 besteht dort der Grundsatz, dass Entscheidungen im Rahmen der Sorgfaltspflicht auf angemessener Informationsbasis zu treffen sind.2246 Es besteht die Pflicht, die Entscheidungen nach sorgfältigen Vorbereitungen zu treffen und alle Informationsquellen auszuschöpfen.2247 Mit diesem Aspekt der Sorgfaltspflicht bzw. der Business Judgment Rule betont auch der deutsche Gesetzgeber die prozedurale Kontrolle des Vorstands in der Phase der Entscheidungsfindung.2248 Binder spricht gar von einem Ansatz zur „umfassenden Prozeduralisierung aller unternehmerischen Entscheidungen“.2249 Dies dürfte auch für §§ 32, 43 StaRUG gelten, sodass insgesamt die Möglichkeit besteht, eine entsprechende Kontrolle durchzuführen. Im Zusammenhang mit Investorenvereinbarungen wird dieser Ansatz auch angewendet, um Vorgaben für den Vorstand zu formulieren. Wenn dort vereinbart wird, dass der Vorstand nicht mit anderen Bietern sprechen darf (No-Talk-Klausel), liegt
2242
In re Bush Industries, Inc., 315 B.R. 292, 303 (Bkrtcy.W.D.N.Y. 2004). In re Bush Industries, Inc., 315 B.R. 292, 303 f. (Bkrtcy.W.D.N.Y. 2004). 2244 GK-AktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 67; MüKoAktG/Spindler, § 93 Rn. 46, jeweils m. w. N. 2245 BGH, Urt. v. 12. 3. 2020 – IX ZR 125/17, BGHZ 225, 90, 100 f. (Rn. 34 ff.) = ZIP 2020, 1080 1082 f. 2246 BGH, Urt. v. 12. 3. 2020 – IX ZR 125/17, BGHZ 225, 90, 101 f. (Rn. 37) = ZIP 2020, 1080 1082 f. 2247 Goetker, in: Flöther, StaRUG, § 1 Rn. 58. 2248 Fleischer, in: Fleischer, Hdb. d. Vorstandsrechts, § 7 Rn. 58; Fleischer, ZHR 172 (2008), 538, 552. 2249 Binder, ZGR 2007, 745, 750 f. („Ansatz zur umfassenden Prozeduralisierung aller unternehmerischen Entscheidungen“). 2243
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nämlich – von Ausnahmen im Einzelfall abgesehen2250 – auch ein Verstoß gegen die Pflicht vor, Entscheidungen auf informierter Grundlage zu treffen.2251 Dies macht deutlich, dass auch eine prozedurale Kontrolle – vergleichbar mit der Kontrolle im Fall In re Innkeepers USA Trust – für den Einsatz eines RSA durchgeführt werden könnte. 3. Zwischenergebnis Das Zustandekommen eines RSA kann im Rahmen des StaRUG prozedural kontrolliert werden. Die Vorgaben, welche im Rahmen des Falls In re Innkeepers USA Trust genannt wurden, können dabei eine Orientierung geben. Insgesamt kann so das weite Ermessen der Geschäftsleitung bei der Planerstellung in gewissem Umfang kontrolliert werden. VII. Reduzierte Pflichten gegenüber Out-of-the-Money-Gläubigern? Neben dem eher vagen Abwägungsmodell und der rein prozeduralen Kontrolle ist fraglich, wie mit den Interessen der Gläubiger umzugehen ist, die out of the money sind. Schließt die Unternehmensleitung mit den Schlüsselgläubigern ein RSA ab, könnten insbesondere die Out-of-the-Money-Gläubiger vorbringen, dass die Geschäftsleitung ihr Ermessen überschritten habe. Sie könnten argumentieren, dass die Unternehmensleitung ihre Interessen unberücksichtigt gelassen hat und (z. B. im Rahmen der Unternehmensbewertung) sie hätte stärker gewichten müssen. Fraglich ist, ob dies dazu führen kann, dass die Planbestätigung zu versagen ist. 1. Re Bluebrook Ltd als Beispiel Dieses Argument wurde in Tiefe im Rahmen einer der wichtigsten Entscheidungen zum englischen Scheme of Arrangement – im Fall Re Bluebrook Ltd2252 – diskutiert. Das Unternehmen schuldete den Senior-Gläubigern 313 Mio. Pfund und den Mezzanine-Gläubigern 119 Mio. Pfund.2253 Auch in diesem Fall hatte die Schuldnerin mit den Schlüsselgläubigern ein Lock-up Agreement geschlossen, wonach sie sich auf einen ganz bestimmten Deal verständigt und weiteren Alternativen widersprochen hatte.2254 Umstritten war, ob die Forderungen der Mezzanine2250 Vgl. dazu Kuhn, Exklusivvereinbarungen, S. 237 (wenn sich der Vorstand trotzdem umfassend informieren konnte); Banerjea, DB 2003, 1489, 1494; Heß, Investorenvereinbarungen, S. 240 f. 2251 Fleischer, ZHR 172 (2008), 538, 562; Fleischer, FS Schwark, S. 137, 154; Kuhn, Exklusivvereinbarungen, S. 235 ff. 2252 Re Bluebrook Ltd, [2009] EWHC 2114 (Ch) = 2009 WL 2392294. 2253 Re Bluebrook Ltd, [2009] EWHC 2114 (Ch) = 2009 WL 2392294 (Rn. 2 f.). 2254 Re Bluebrook Ltd, [2009] EWHC 2114 (Ch) = 2009 WL 2392294 [Rn. 77 unter xi)].
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Gläubiger2255 noch werthaltig waren und wie der Unternehmenswert zu bestimmen ist.2256 Das Gericht nahm zu verschiedenen Bewertungsmethoden Stellung und hielt im Ergebnis eine Bewertung für überzeugend, gemäß welcher der Unternehmenswert maximal 275 Mio. Pfund betragen sollte2257 und somit nicht einmal ausgereicht hat, um die Senior-Gläubiger voll zu befriedigen.2258 Die Mezzanine-Gläubiger legten hingegen eine Unternehmensbewertung vor, nach welcher diese noch in the money waren.2259 Die Mezzanine-Gläubiger wandten sich außerdem mit dem Argument gegen das Scheme, dass die Unternehmensleitung gegen ihre Pflicht verstoßen habe, bei den Verhandlungen über den Deal auch Vorteile zugunsten der Mezzanine-Gläubiger auszuhandeln.2260 Wenn das Argument durchgedrungen wäre, hätte dies dazu führen können, dass das Scheme nicht bestätigt worden wäre. „A large part of the Mezzanine Lenders’s case depends on what the directors should have done.“2261
Das Gericht ging – wie die Parteien – davon aus, dass das Management eines insolventen Schuldners die Interessen der Gläubiger berücksichtigen müsse.2262 Was diese Pflicht in der Praxis bedeute, sei aber „very fact-sensitive“.2263 Das Gericht verneinte im Ergebnis eine Pflicht des Managements, für die Mezzanine-Gläubiger einen Vorteil gegenüber den Senior-Gläubigern herauszuhandeln:2264 Diese hätten in den Verhandlungen ihre Interessen selbst vertreten und es sei nicht erkennbar gewesen, dass sie die Unterstützung des Managements erwartet hätten. Die Interessen der Mezzanine-Gläubiger seien zudem von einem eigens dafür eingerichteten Committee vertreten worden. Dem Management hätten Unternehmensbewertungen vorgelegen, aus welchen hervorgegangen sei, dass die Mezzanine-Gläubiger out of the money gewesen seien. Aus den Unterlagen habe nicht geschlossen werden müssen, dass für die Mezzanine-Gläubiger Partei ergriffen werden musste. Dies gelte umso mehr, weil es jene Gläubiger bei ihren eigenen Verhandlungen mit den SeniorGläubigern selbst nicht geschafft hätten, für sich eine Position auszuhandeln. Die Mezzanine-Gläubiger hätten auch nicht um Unterstützung bei den Verhandlungen gebeten. Zudem hätte das Management die Verhandlungsstrategie der MezzanineGläubiger wahrscheinlich sogar beeinträchtigt. 2255
In der Entscheidung werden diese als Mezzanine-Gläubiger bezeichnet. Re Bluebrook Ltd, [2009] EWHC 2114 (Ch) = 2009 WL 2392294 (Rn. 12 – 22). 2257 Re Bluebrook Ltd, [2009] EWHC 2114 (Ch) = 2009 WL 2392294 (Rn. 14). 2258 Re Bluebrook Ltd, [2009] EWHC 2114 (Ch) = 2009 WL 2392294 (39 – 52). 2259 Re Bluebrook Ltd, [2009] EWHC 2114 (Ch) = 2009 WL 2392294 (19 ff.). 2260 Re Bluebrook Ltd, [2009] EWHC 2114 (Ch) = 2009 WL 2392294 [Rn. 30 unter iii); Rn. 53 ff.]. 2261 Re Bluebrook Ltd, [2009] EWHC 2114 (Ch) = 2009 WL 2392294 (Rn. 32). 2262 Re Bluebrook Ltd, [2009] EWHC 2114 (Ch) = 2009 WL 2392294 (Rn. 55). 2263 Re Bluebrook Ltd, [2009] EWHC 2114 (Ch) = 2009 WL 2392294 (Rn. 55). 2264 Zu den folgenden Argumenten: Re Bluebrook Ltd, [2009] EWHC 2114 (Ch) = 2009 WL 2392294 (Rn. 56 – 58). 2256
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In einer Situation, in welcher ein Unternehmen insolvent sei, Events of Defaults eingetreten seien und verschiedene Unternehmensbewertungen ergeben hätten, dass die Mezzanine-Gläubiger out of the money sind, sei auch die Verhandlungsmacht des Managements nicht mehr ausreichend, um zugunsten der Mezzanine-Gläubiger zu verhandeln.2265 Es stellt nach Ansicht des Gerichts keine Bevorzugung der SeniorGläubiger gegenüber der Gesamtheit der Gläubiger dar, wenn die übrigen Gläubiger aufgrund ihres Ranges out of the money sind.2266 Wenn das Management alleine mit den Senior-Gläubigern einen Deal abschließt, könne darin schließlich die Anerkennung der wirtschaftlichen und kommerziellen Realität liegen.2267 Ein weiterer Anhaltspunkt, welcher nach Auffassung des Gerichts gegen eine Pflichtverletzung des Managements sprach, war, dass die Entscheidungen des Managements auch von unabhängigen Personen getragen wurden. Dadurch sei das Scheme durch „independent scrutiny“ abgesichert gewesen.2268 2. Reduzierte Pflichten, wenn die Gläubiger ihre Interessen selbst wahrnehmen können? Insgesamt scheinen zwei Erwägungen besonders wichtig gewesen zu sein: Zum einen konnten die Mezzanine-Gläubiger selbst mit den Senior-Gläubigern verhandeln und waren nicht auf die Hilfe der Unternehmensleitung angewiesen. Daneben hatte die Unternehmensleitung aufgrund verschiedener Unternehmensbewertungen Grund zur Annahme, dass die Mezzanine-Gläubiger out of the money waren. Deshalb gelangte das Gericht zum Ergebnis, dass der Unternehmensleitung nicht vorgeworfen werden konnte, die Interessen der nachrangigen Gläubiger nicht ausreichend berücksichtigt zu haben. Beide Argumente können auch im StaRUG-Verfahren fruchtbar gemacht werden. Die Schutzbedürftigkeit der Interessen der Verfahrensbeteiligten variiert. Bestimmte Forderungen (z. B. von Arbeitnehmern) dürfen erst gar nicht einbezogen werden (§ 4 Nr. 1 StaRUG). Kleingläubiger sind nach § 9 Abs. 2 Satz 3 StaRUG in eigenständige Gruppen zusammenzufassen. Werden Forderungen von Verbrauchern, mittleren, kleinen oder Kleinstunternehmen einbezogen, ist nach § 73 Abs. 1 Nr. 1 ein Restrukturierungsbeauftragter vom Amts wegen zu bestellen. Gleiches gilt, wenn ein gruppenübergreifendes Cramdown-Verfahren angestrebt wird, § 73 Abs. 2 Satz 1 StaRUG. Das „Gefälle“ der Schutzbedürftigkeit richtet sich auch danach, wie gut sich die einzelnen Parteien selbst „verteidigen“ können. Dies wird daran deutlich, dass z. B. kein Restrukturierungsbeauftragter zu bestellen ist, wenn an der Restrukturierung allein Unternehmen des Finanzsektors als Planbetroffene beteiligt sind (§ 73 Abs. 2 Satz 2 StaRUG). Hier nimmt der Gesetzgeber an, dass jene Parteien eines besonderen Schutzes nicht bedürfen und sie 2265 2266 2267 2268
Re Bluebrook Ltd, [2009] EWHC 2114 (Ch) = 2009 WL 2392294 (Rn. 60). Re Bluebrook Ltd, [2009] EWHC 2114 (Ch) = 2009 WL 2392294 (Rn. 67). Re Bluebrook Ltd, [2009] EWHC 2114 (Ch) = 2009 WL 2392294 (Rn. 62). Re Bluebrook Ltd, [2009] EWHC 2114 (Ch) = 2009 WL 2392294 (Rn. 63).
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selbst in der Lage sind, ihre Interessen effektiv zur Geltung zu bringen.2269 Überträgt man diese im Gesetz angelegte Wertung auf die von der Geschäftsleitung geschuldeten Rücksichtsnahmepflichten auf bestimmte Gläubigerinteressen, sprechen gute Gründe dafür, dass die Geschäftsleitung bei den Planverhandlungen gerade die Interessen der Gläubiger, die sich selbst verteidigen können, weniger im Blick haben muss. 3. Reduzierte Pflichten gegenüber Out-of-the-Money-Gläubigern? Fraglich ist, ob die Unternehmensleitung auch den Interessen derjenigen Gläubiger weniger Gewicht zusprechen darf, die out of the money sind. Insgesamt spricht dasselbe ökonomische Konzept, welches dem Pflichtenumschwung von den Interessen der Anteilsinhaber zu den Interessen der Gläubiger zugrunde liegt, dafür, dass die Interessen der Out-of-the-Money-Gläubiger jedenfalls weniger stark zu berücksichtigen sind. Wird das Konzept konsequent angewendet, endet die Verschiebung nämlich nicht bei den Interessen der Gesamtheit der Gläubiger, sondern bei den Interessen derjenigen Gläubiger, die gerade noch in the money sind. Demnach ist es auch konsequent, wenn die Interessen der Gläubiger, die out of the money sind, jedenfalls nur noch weniger stark berücksichtigt werden müssen. VIII. Zwischenergebnis Die Geschäftsleitung verstößt nicht zwangsläufig gegen ihre Pflicht, die Interessen der Gesamtheit der Gläubiger zu wahren, wenn sie mit den Schlüsselgläubigern ein RSA abschließt. Bei der Auswahl des Restrukturierungskonzepts trifft den Planersteller kein Neutralitätsgebot. Er kann vielmehr im Rahmen seines Ermessens ein Konzept favorisieren. Die Verpflichtung des Managements auf die „Interessen der Gesamtheit der Gläubiger“ bedeutet nicht zwangsläufig, dass der Unternehmenswert bzw. die Masse maximiert werden muss. Die anderen Interpretationen des Begriffs, etwa die Pflicht, Verluste zu verhindern, die Rentabilität des Unternehmens zu sichern oder praktische Konkordanz zwischen den verschiedenen Interessen vorzunehmen, kann den Abschluss eines RSA durchaus rechtfertigen. Der Fokus sollte, wie in den USA, auch auf einer prozeduralen Kontrolle des Verhandlungsprozesses liegen. Hierbei sind gewisse einzelne Aspekte von besonderer Bedeutung: Grundsätzlich sind die Interessen der Gläubiger, die sich selbst verteidigen können und die out of the money sind, weniger gewichtig.
2269
RegE-SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 171.
§ 4 RSA im Konflikt mit bestehenden Finanzierungsverträgen?
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§ 4 RSA im Konflikt mit bestehenden Finanzierungsverträgen? Bisher wurden vor allem RSA zwischen der Schuldnerin und den Senior-Gläubigern in den Blick genommen. Will die Schuldnerin allerdings mit den JuniorGläubigern ein RSA abschließen, wird die Rechtslage nochmals komplizierter. Hier müssen nicht nur das AktG und das StaRUG, sondern auch die bisher bestehenden Finanzierungsverträge beachtet werden. Möglicherweise haben die Senior-Gläubiger mit der Schuldnerin bereits einen Vertrag geschlossen, nach dem die Schuldnerin freiwillig gar kein Restrukturierungsverfahren initiieren darf (sog. Bad Boy Agreement).2270 Auch die Junior-Gläubiger dürften häufig bereits mit den SeniorGläubigern in vertraglichen Beziehungen stehen (Intercreditor Agreements2271). Diese könnten die Junior-Gläubiger daran hindern, an den Restrukturierungsverhandlungen teilzunehmen. Die jeweiligen Beziehungen werden in folgendem Schaubild dargestellt.
In diesem Kapitel wird untersucht, inwiefern bereits bestehende Verträge der Parteien dem Abschluss eines RSA, insbesondere mit den Junior-Gläubigern, entgegenstehen könnten. Die Besonderheit bei diesen Verträgen besteht darin, dass sie
2270
Vgl. den Überblick dazu bei National Bankruptcy Review Commisssion: Final Report, S. 478 ff. (1997). 2271 Zum Intercreditor Agreement vgl. Skeel/Triantis, 166 U. Pa. L. Rev. 1777, 1805 ff. (2018).
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schon ex ante, also bei Kreditvergabe, vereinbart werden.2272 In diesem Zeitpunkt können die Verträge nur sehr allgemein formuliert werden.2273 Denn die Informationslage über künftige mögliche Restrukturierungskonzepte hat sich ex ante noch nicht konkretisiert und ist sehr ungewiss.2274 Wird Zweck der Restrukturierungsgesetze darin gesehen, die Machtstellung der Senior-Gläubiger zu begrenzen und den ungesicherten Gläubigern Verhandlungsmacht zuzuteilen,2275 dürften solche Verträge generell kritisch zu beurteilen sein. Ähnliches gilt, wenn die Bedeutung der Verhandlungen ex post – in der Krise – bei bereits konkretisierter Informationslage betont wird2276 oder wenn als Zweck des StaRUG angenommen wird, einen Suchprozess bzw. einen Ideenwettstreit ex post – in der Krise – zur Auffindung der bestmöglichen Restrukturierung zu stimulieren.2277
A. Drohender Eingriff in Absonderungsrechte als Grund für vertragliche Absicherung In einer Restrukturierung besteht für die Senior-Gläubiger neben der Chance, im Verteilungskampf Vermögenswerte von den Junior-Gläubigern für sich zu beanspruchen, auch die reale Gefahr, dass sich die Schuldnerin mit den Junior-Gläubigern abspricht und das Restrukturierungsverfahren anschließend zu Lasten der SeniorGläubiger durchgeführt wird. Auch die Schlüsselgläubiger können in einem gruppenübergreifenden Cramdown-Verfahren überstimmt werden.2278 In Deutschland wurde von einem „Skandal par excellence“ gesprochen, weil eine Bank gezwungen werden könne, die Schuldnerin weiter zu kreditieren, damit diese – auch zugunsten der Arbeitnehmer, Lieferanten oder der Gemeinde – weiterwirtschaften könne.2279
2272 Vgl. zu verschiedenen Vertragsbeziehungen auch Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 123 ff. 2273 Deshalb sollen solche Vereinbarungen für die Insolvenzbewältigung nicht praxistauglich sein: Groh, Stimmvereinbarungen, S. 19; Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 247 ff. 2274 Vgl. Casey, 120 Colum. L. Rev. 1709, 1712 („In a sense, the parties cannot write a complete contract because of uncertainty […].“), S. 1738 ff. (2020); vgl. zu den Grenzen vertraglicher Insolvenzbewältigung allgemeiner: Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 246 ff. 2275 Vgl. oben bei Fn. 471. 2276 Vgl. oben bei Fn. 782 ff. 2277 Vgl. dazu oben bei Fn. 799 ff. 2278 Zu pauschal ist die Formulierung bei Bork, ZRI 2021, 345, 352 [„[D]er Plan (kann) gegen den Willen der Kreditsicherungsnehmer nicht bestätigt werden (…) (§ 64 Abs. 1 StaRUG). Sanierungsbeiträge der gesicherten Gläubiger müssen daher, genau wie beim Insolvenzplan, verhandelt werden.“]. 2279 Smid, InVo 2000, 1.
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Ein Eingriff in Absonderungsrechte und deren Gestaltung ist aber möglich.2280 Das Schlechterstellungsverbot (§ 64 Abs. 1 StaRUG, 26 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG) gewährt nur einen wirtschaftlichen Schutz2281, nicht einen absoluten Schutz, sodass eine aufgezwungene Stundung bei marktgerechter Verzinsung möglich wäre.2282 Allein in der zeitlichen Streckung einer Rückzahlung liegt keine Schlechterstellung, wenn für jene ein angemessener Ausgleich erfolgt.2283 Es soll auch nicht gegen die absolute Vorrangregel (§ 27 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG) verstoßen, wenn die Gruppe der absonderungsberechtigten Gläubiger nicht vollständig befriedigt wird und die Gruppe der einfachen Restrukturierungsforderungen einen Wert erhält, weil zwischen beiden kein Rangverhältnis, sondern ein Aliud-Verhältnis bestehen soll.2284 Es wird darüber hinaus auch vertreten, dass die absolute Vorrangregel nicht verletzt ist, wenn Gläubiger trotz eines formellen Eingriffs in ihre Positionen wirtschaftlich vollständig befriedigt werden.2285 In Bezug auf gesicherte Gläubiger und deren Absonderungsrechte können danach Forderungen und Verwertungsrechte auch nach der absoluten Vorrangregel über eine längere Zeit verzinslich gegen den Willen der Schlüsselgläubiger gestundet werden, selbst wenn Anteilsinhaber oder nachrangige Gläubiger einen Wert erhalten.2286 Ein Beispiel dafür in den USA ist der Fall 2280
Überblick bei Obermüller, FS Smid, S. 575, 586 ff.; vgl. allgemein zur Gestaltbarkeit von Rechten im StaRUG-Verfahren: Bitter, FS Gehrlein, S. 27 ff. 2281 Jungmann/Zündorf, ZRI 2022, 89, 91 (auch eine verfahrensmäßige Schlechterstellung bleibt unberücksichtigt); BeckOK-StaRUG/Spahlinger, § 26 Rn. 17; zur InsO: LG Traunstein, Beschl. v. 27. 8. 1999 – 4 T 2966/99, NZI 1999, 461 (Leitsätze 1 und 3 der Redaktion) und S. 462 f.; AG München, Beschl. v. 14. 8. 2018 – 1511 IN 2637/17, BeckRS 2018, 19723 (Rn. 3); Jaeger-InsO/Kern, § 245 Rn. 14; HK-InsO/Haas, § 245 Rn. 7; BeckOK-InsO/Geiwitz/ v. Danckelmann, § 245 Rn. 4; Uhlenbruck-InsO/Lüer/Streit, § 245 Rn. 7. 2282 Zur InsO: LG Traunstein, Beschl. v. 27. 8. 1999 – 4 T 2966/99, NZI 1999, 461 (Leitsätze 1 und 3 der Redaktion) und S. 462 f. 2283 LG Traunstein, Beschl. v. 27. 8. 1999 – 4 T 2966/99, NZI 1999, 461, 462. 2284 BeckOK-StaRUG/Spahlinger, § 27 Rn. 20; Braun-StaRUG/Herzig, § 27 Rn. 6; Wolgast/Grauer/Hansen, § 27 Rn. 10; Skauradszun, KTS 2021, 1, 70 f.; zur InsO: LG Traunstein, Beschl. v. 27. 8. 1999 – 4 T 2966/99, NZI 1999, 464; Braun-InsO/Braun/ Frank, § 245 Rn. 10; Nerlich/Römermann/Rühle, § 245 Rn. 18; HambKomm-InsO/Thies/ Lieder, § 245 Rn. 13; Beck, in: Kübler, HRI § 41 Rn. 56; Uhlenbruck-InsO/Lüer/Streit, § 245 Rn. 24; K. Schmidt-InsO/Spliedt, § 245 Rn. 23; Brünkmans/Thole/Thole, § 17 Rn. 25; Jaeger-InsO/Kern, § 245 Rn. 39; a. A.: Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 80; Eidenmüller, FS Drukarczyk, S. 186, 194 ff.; HK-InsO/Haas, § 245 Rn. 21; Smid, WM 2002, 1033, 1035; Smid/Rattunde/Martini, Insolvenzplan, Rn. 18.72 ff.; Smid, InVo 2000, 1, 8. 2285 Zur Auslegung des Obstruktionsverbots nach der InsO in Bezug auf Absonderungsrechte: Eidenmüller, FS Drukarczyk, S. 187 ff. insbesondere S. 198 mit Verweis auf die Beispiele auf S. 197; Herweg, Obstruktionsverbot, S. 202 f. (Rn. 459 f.); vgl. auch Hölzle, in: Kübler, HRI, § 30 Rn. 40 f.; wohl auch: HK-InsO/Haas, § 245 Rn. 21 f. (Dies ergibt sich aus der Logik: § 245 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InsO sei bei einer Wertezuteilung an die Anteilsinhaber nicht anwendbar, wenn die Insolvenzgläubiger voll befriedigt sind. Würde es an einem formellen Eingriff in die Rechte der absonderungsberechtigten Gläubiger fehlen, wären diese gar nicht stimmberechtigt und auf § 245 InsO käme es überhaupt nicht an.). 2286 So Eidenmüller, FS Drukarczyk, S. 187, 198 mit Beispielen auf S. 197; Herweg, Obstruktionsverbot, S. 202 ff. (Rn. 459 ff.); Braun, NZI 1999, 473, 477; MüKoInsO/Drukarczyk/
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In re Village at Camp Bowie I 2287 Dort sollte die gesicherte Forderung einer Bank i. H. v. 32 Mio. US-Dollar gegen eine Verzinsung i. H. v. 6,4 Prozent gegen deren Willen über fünf Jahre gestundet werden, indem Kleingläubiger mit Forderungen i. H. v. 58.000 US-Dollar für den Plan stimmen sollten.2288 Ein Austausch der Sicherheit erscheint ebenso denkbar.2289 Auch die Ausnahmen aus § 28 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG, wonach geringfügige Eingriffe in Gläubigerpositionen unbeachtlich sind, insbesondere wenn die Fälligkeit nicht länger als 18 Monate hinausgezögert wird,2290 könnte gegen die gesicherten Gläubiger ausgenutzt werden. Selbst wenn in Absonderungsrechte eingegriffen wird, können die Anteilsinhaber weiter an der Gesellschaft beteiligt bleiben. Erstens stellt es nicht per se einen Vorteil für die Anteilsinhaber dar, wenn sie formal Anteilsinhaber bleiben,2291 weil es auf die Werthaltigkeit der Anteile ankommt2292 bzw. darauf, ob ein Dritter bereitgewesen wäre, das Unternehmen zu übernehmen.2293 Streitig ist, ob Letzteres am Markt getestet werden muss.2294 Die Anteilsinhaber dürfen auch – trotz Eingriffen in die Rechte der absonderungsberechtigten Gläubiger – beteiligt bleiben, wenn sie eine an sie ergehende Zuwendung vollständig wirtschaftlich ausgleichen (§ 27 Abs. 1
Schüler, § 245 Rn. 93; deutlicher noch bei MüKoInsO/Drukarczyk, 3. Aufl. 2014, Rn. 86 f.; Hölzle, in: Kübler, HRI, § 30 Rn. 40 f. 2287 In re Village at Camp Bowie I, L.P., 710 F.3d 239, 242 ff. (5th Cir. 2013). 2288 In re Village at Camp Bowie I, L.P., 710 F.3d 239, 245 ff. (5th Cir. 2013). 2289 Eidenmüller, FS Drukarczyk, S. 187, 198 mit Beispiel auf 197. 2290 Unklar ist, ob längere Stundungen – wie in den USA – möglich sind, wenn diese angemessen verzinst werden. Man könnte dann unter teleologischen Gesichtspunkten eine Verletzung der absoluten Vorrangregel schon auf der ersten Stufe verneinen, vgl. zur InsO: Eidenmüller, FS Drukarczyk, S. 187, 198 ff.; in diesem Fall würde die 18-Monats-Grenze in § 28 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG nur unverzinsliche Stundungen betreffen; vgl. zu diesem Ansatz zur InsO: Herweg, Obstruktionsverbot, S. 202 ff. (Rn. 459 ff.); Braun, NZI 1999, 473, 477; MüKoInsO/Drukarczyk/Schüler, § 245 Rn. 93; deutlicher noch bei MüKoInsO/ Drukarczyk, 3. Aufl. 2014, Rn. 86 f.; allg. zu den Ausnahmen der absoluten Vorrangregel: Westphal/Liedl, FS Gehrlein, S. 589, 602 ff. 2291 AG Dresden, Beschl. v. 7. 6. 2021 – 574 Res 2/21, NZI 2021, 893 f. (Rn. 25 f.); ebenso: BeckOK-StaRUG/Spahlinger, § 27 Rn. 14b; Knapp, in: Flöther, StaRUG, § 27 Rn. 15; Bork, ZRI 2021, 345, 358; zur InsO: RegE-InsO, BT-Drucks. 12/2443, 209; Uhlenbruck-InsO/Lüer/ Streit, § 245 Rn. 27; HambKomm-InsO/Thies/Lieder, § 245 Rn. 14; FK-InsO/Jaffé, § 245 Rn. 29; Herweg, Obstruktionsverbot, S. 93 (Rn. 206); a. A. wohl Skauradszun, ZRI 2020, 625, 633; MüKoInsO/Drukarczyk/Schüler, § 245 Rn. 81; Wittig, ZInsO 1998, 373, 378. 2292 So Jaeger-InsO/Kern, § 245 Rn. 40 (Frage des Einzelfalls; sachkundige Bewertung notwendig); Herweg, Obstruktionsverbot, S. 93 (Rn. 207); Wie die Bewertung durchzuführen ist, ist streitig, vgl. Braun, NZI 1999, 473, 477 f.; Wittig, ZInsO 1999, 373, 377; UhlenbruckInsO/Lüer/Streit, § 245 Rn. 27 – 29; MüKoInsO/Drukarczyk/Schüler, § 245 Rn. 78 ff.; ausführlich: Herweg, Obstruktionsverbot, S. 91 ff. (Rn. 201 ff.) 2293 AG Dresden, Beschl. v. 7. 6. 2021 – 574 Res 2/21, NZI 2021, 893 f. (Rn. 25 f.); zur InsO: RegE-InsO, BT-Drucks. 12/2443, 209; nur Indiz: Jaeger-InsO/Kern, § 245 Rn. 40. 2294 Hierfür Wittig, ZInsO 1999, 373, 378 f.; Smid, InVo 2000, 1, 8.; hiergegen: UhlenbruckInsO/Lüer/Streit, § 245 Rn. 30.
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Nr. 2 StaRUG). Umstritten dürfte hier zwar ebenfalls sein, dass – wie in den USA2295 – am Markt getestet werden muss, ob ein vollständiger Ausgleich erfolgt ist, etwa durch Einholung von Konkurrenzangeboten oder durch eine Auktion der Anteile.2296 Dies dürfte die Senior-Gläubiger aber nicht stark davor schützen, überstimmt zu werden. Insgesamt erscheint es deshalb legitim, dass sich die Senior-Gläubiger vertraglich davor schützen möchten, dass sie potentiell überstimmt werden.2297
B. Bad Boy Agreement Eine Möglichkeit, sich gegen ein gruppenübergreifendes Cramdown-Verfahrens zu schützen, besteht in einem Bad Boy Agreement.2298 Es handelt sich um eine Vereinbarung, nach der die Schuldnerin ohne Zustimmung der Schlüsselgläubiger kein Chapter 11-Verfahren initiieren darf.2299 Es könnte auch schuldrechtlich geregelt werden, dass bestimmte Forderungen nicht in einem StaRUG-Verfahren gestaltet werden dürfen. Die Frage nach der Zulässigkeit eines Bad Boy Agreements in Kreditverträgen hat erhebliche praktische Bedeutung: Zum einen hängt davon ab, wie Finanzierungsverträge und Sicherungsverträge in Zukunft ex ante formuliert werden.2300 Bad Boy Agreements hätten zur Folge, dass es für die Schuldnerin schwieriger wäre, mit anderen außer den Senior-Gläubigern eine Restrukturierung zu planen. Diese Sicherungsstrategie dürfte insbesondere für sog. Single Asset Real Estate Cases interessant sein.2301 Abgesehen von einzelnen Ausnahmen vertreten die US-Gerichte mehrheitlich, dass Bad Boy Agreements nicht vollstreckbar sind.2302 Ein Verzicht verstoße gegen 2295 Grundlegend: Bank of Am. Nat. Tr. & Sav. Ass’n v. 203 N. LaSalle St. P’ship, 526 U.S. 434 ff. (1999). 2296 Hierfür: Wittig, ZInsO 1999, 373, 377 f.; Smid, InVo 2000, 8 f.; ausführliche Diskussion bei Herweg, Obstruktionsverbot, S. 140 ff (Rn. 326 ff.) mit ablehnender Stellungnahme ab S.151 ff. (Rn. 349 ff.); dagegen auch Liedl, Absoluter oder relativer Vorrang, S. 243; zur Frage, welche Anforderungen an die Gegenleistung zu stellen sind: Westphal/Liedl, FS Gehrlein, S. 589, 602 f. 2297 Vgl. zur Absicherung eines Gläubigers in Single Asset Real Estate Cases durch eine Garantie für den Fall, dass ein Verfahren eingeleitet wird: Adams/Kirkham, 8 DePaul Bus. & Com. L. J. 1, 6 f. (2009). 2298 Ayotte/Casey/Skeel, 112 Nw. U. L. Rev. 255, 260 (2017). 2299 Skeel/Triantis, 166 U. Pa. L. Rev. 1777, 1789 (2018); vgl. dazu auch 2 Collier on Bankruptcy P 301.08 (16th 2021); Ayotte/Casey/Skeel, 112 Nw. U. L. Rev. 255, 260 (2017). 2300 Schwarcz, 77 Tex. L. Rev. 515, 519 (1999). 2301 Vgl. z. B. Adams/Kirkham, 8 DePaul Bus. & Com. L. J. 1, 6 f. (2009). 2302 2 Collier on Bankruptcy P 301.08 (16th 2021) („As a matter of public policy, courts will not enforce a promise not to file a bankruptcy petition“); Warren/Westbrook, 118 Harv. L. Rev. 1197, 1199 m. w. N. zur Rspr. in Fn. 2 (2005) („[M]ost courts will not enforce pre-
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die dem Insolvenzrecht zugrundeliegenden Wertungen.2303 Die Instrumente des Insolvenzrechts würden nicht nur die betroffenen Parteien der Vereinbarung schützen, sondern alle Gläubiger gleichermaßen. Außerdem sei die Schuldnerin vor dem Antrag des Chapter 11-Verfahrens eine andere Rechtspersönlichkeit als nach dem Antrag. Erstere könne letztere nicht binden. Darüber hinaus schränke das Insolvenzrecht die Vertragsfreiheit ein. Die Parteien dürften nicht über dessen zwingende Vorschriften hinwegsetzen könnten. Auch die National Bankruptcy Review Commisssion hat sich in einer Studie zum Chapter 11-Verfahren gegen die Vollstreckbarkeit solcher Waiver Contracts ausgesprochen.2304 Anhänger eines vertragsbezogenen Insolvenzrechts, also die Contractualists2305, sehen Verzichtsvereinbarungen hingegen nicht per se kritisch. In manchen Fällen (insbesondere den Single-AssetFällen) seien sie vorteilhaft, weil sie ex ante zu günstigen Kreditbedingungen führten.2306 Mit der h. M. im US-Recht spricht vieles dafür, dass von der Schuldnerin bei der Kreditvergabe ex ante noch nicht verbindlich zugesagt werden kann, später in der Krise die Instrumente des StaRUG nicht in Anspruch zu nehmen. Die Regierungsbegründung zum StaRUG erklärt, dass es „von der konkreten Situation“ abhängt, ob die Schuldnerin die Instrumente in Anspruch nimmt.2307 Dem würde es widersprechen, wenn die Schuldnerin schon bei der Kreditvergabe zusagen könnte, die Instrumente später nicht bzw. nur in einem bestimmten Umfang zu nutzen. Dogmatisch könnte die Nichtigkeit von Ex-ante-Klauseln aus §§ 134, 138 BGB oder aus den Grundsätzen des Missbrauchs der Vertretungsmacht hergeleitet werden. Es könnte in diesem Fall auch eine unzulässige Vorwegbindung des Vorstands vorliegen, sodass der Vertrag nach § 134 BGB i. V. m. § 76 AktG unwirksam wäre, wenn der entsprechenden Auffassung gefolgt wird.2308 Schließlich könnte der Vertrag auch eine Vereinbarung der Schuldnerin mit einem einzelnen Gläubiger darstellen, durch welche dieser im Zusammenhang mit dem StaRUG-Verfahren einen Vorteil erhält. Solche Vereinbarungen sind jedoch nach § 10 Abs. 3 StaRUG nichtig (zu den einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen weiter unten).
bankruptcy contractual agreements not to file, nor will they permit the parties to vary the applicable rules.“). 2303 Die nachfolgenden Argumente entstammen der Auswertung der US-Rechtsprechung bei Schwarcz, 77 Tex. L. Rev. 515, 524 ff., m. w. N. zu den konkreten Fällen. 2304 National Bankruptcy Review Commisssion: Final Report, S. 478 ff. (1997). 2305 Vgl. dazu oben bei Fn. 740 ff. 2306 Vgl. z. B. Rasmussen, 71 Tex. L. Rev. 51, 100 ff. (1992) (im Zusammenhang mit der „no bankruptcy option“). 2307 RegE-SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181 S. 93. 2308 Vgl. dazu oben bei Fn. 954 ff.
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C. Intercreditor Agreements (Verträge zwischen Gläubigern) I. Einleitung Fraglich ist, ob ein Senior-Gläubiger einem Junior-Gläubiger in einem Intercreditor Agreement verbieten kann, später mit der Schuldnerin eine Restrukturierung zu verhandeln oder ein RSA zu schließen. Während in den USA Intercreditor Agreements regelmäßig nur zum Einsatz kommen, wenn mehrere Gläubiger durch dieselben Sicherheiten geschützt werden (Second Lien Layer), sind in England regelmäßig alle Finanzgläubiger in der Kapitalstruktur durch eine solche Vereinbarung verbunden.2309 In Intercreditor Agreements wird grundsätzlich das Rangverhältnis von Gläubigern untereinander geregelt.2310 Viele Intercreditor Agreements gehen allerdings darüber hinaus.2311 Im Modell-Intercreditor-Agreement des ABA finden sich z. B. teilweise ausführliche Regelungen in Bezug auf Verhaltenspflichten in einem Insolvenz- bzw. Restrukturierungsverfahren.2312 Junior-Gläubiger verpflichten sich später in der Restrukturierung keine Einwände gegen einen von den SeniorGläubigern befürworteten Plan zu erheben2313 oder Handlungen der Senior-Gläubiger in Frage zu stellen.2314 Zudem kann eine Abtretung des Stimmrechts an die Senior-Gläubiger vorgesehen sein2315 oder eine Verpflichtung vereinbart werden, dass die Junior-Gläubiger nach den Vorgaben der Senior-Gläubiger stimmen müssen.2316 Darüber hinaus erklären die Junior-Gläubiger häufig, darauf zu verzichten, ohne Zustimmung der Senior-Gläubiger einen Überbrückungskredit zu gewähren.2317 Schließlich können Intercreditor Agreements eine Partei später gänzlich von den Restrukturierungsverhandlungen ausschließen.2318 Im Ergebnis ändern sie so die vom Gesetz vorgesehene Verhandlungsstruktur und Verhandlungsmacht der Parteien.2319 Die Gerichte in den USA sind sich bisher nicht einig, inwieweit solche Vereinbarungen tatsächlich vollstreckbar sind.2320 2309
Paterson, Corporate Reorganization, S. 176, 182 f. Vgl. Ayotte/Casey/Skeel, 112 Nw. U. L. Rev. 255, 264 (2017). 2311 Morrison, 2015 U. Ill. L. Rev. 721 ff. (2015); Ayotte/Casey/Skeel, 112 Nw. U. L. Rev. 255, 264 (2017); Überblick auch bei Paterson, Corporate Reorganization, S. 176. 2312 Plank/Prusko, in: Handbuch Unternehmensrestrukturierung, S. 2063, 2070 mit Verweis auf Ziffer 6 der ABA Mustervereinbarung zwischen First/Second Lien Creditors, veröffentlicht in: Report of the Model First Lien/Second Lien Intercreditor Agreement Task Force, 65 Bus. Law. 809, 813 ff. (2010). 2313 Vgl. Ayotte/Casey/Skeel, 112 Nw. U. L. Rev. 255, 260 (2017); Skeel/Triantis, 166 U. Pa. L. Rev. 1777, 1806 (2018). 2314 Morrison, 2015 U. Ill. L. Rev. 721 f. (2015). 2315 Ayotte/Casey/Skeel, 112 Nw. U. L. Rev. 255, 263 (2017); Morrison, 2015 U. Ill. L. Rev. 721 f. (2015). 2316 Skeel/Triantis, 166 U. Pa. L. Rev. 1777, 1806 f. (2018). 2317 Skeel/Triantis, 166 U. Pa. L. Rev. 1777, 1806 (2018). 2318 Ayotte/Casey/Skeel, 112 Nw. U. L. Rev. 255, 262 (2017). 2319 Morrison, 2015 U. Ill. L. Rev. 721 f. (2015). 2310
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II. Beispiel Ein Beispiel, welches den Konflikt zwischen Intercreditor Agreements und RSA anschaulich darstellt, ist die Restrukturierung im Fall Momentive.2321 In diesem Fall stritten die Schuldnerin und die Senior-Gläubiger darüber, ob die Schuldnerin den Senior-Gläubigern eine Vorfälligkeitsentschädigung schuldete. Um diesen Streit schlussendlich zu lösen, verbündete sich die Schuldnerin mit den nachrangigen Second-Lien-Gläubigern, um die Rechte der Senior-Gläubiger in einer Restrukturierung zu gestalten. Ein Intercreditor Agreement zwischen den Senior-Gläubigern und den Second-Lien-Gläubigern hatte es Letzteren jedoch verboten, ihre Rechte entgegen der Ansicht der Senior-Gläubiger geltend zu machen.2322 Nachdem Momentive das Chapter 11-Verfahren angezeigt hatte, schloss das Unternehmen nun trotzdem mit den Second-Lien-Gläubigern ein RSA, wonach eine Restrukturierung durchgeführt werden sollte und die Second-Lien-Gläubiger die Anteile am Unternehmen erhalten sollten.2323 Den Senior-Gläubigern wurde eine Ablöse in bar versprochen, wenn sie auf die Vorfälligkeitsentschädigung verzichten würden. Alternativ sollten die Senior-Gläubiger replacement notes erhalten und die Möglichkeit behalten, ihren Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung gerichtlich geltend zu machen (Deathtrap-Klausel). Die Senior-Gläubiger wählten den zuletzt genannten Weg, wobei sie im Rechtsstreit um die Vorfälligkeitsentschädigung unterlagen. Später verklagten die Senior-Gläubiger die Second-Lien-Gläubiger und argumentierten, dass deren Unterstützung des Restrukturierungsplans das Intercreditor Agreement zwischen beiden Parteien verletzt habe. Hätten die Senior-Gläubiger Recht erhalten, hätten die Second-Lien-Gläubiger kein RSA mit der Schuldnerin abschließen dürfen. Auch diesen Rechtsstreit konnten die Senior-Gläubiger nicht gewinnen. Durch die Koalition zwischen der Schuldnerin und den Second-LienGläubigern wurde in diesem Fall im Ergebnis verhindert, dass die Senior-Gläubiger „zu viel vom Kuchen“ erhalten und auf Kosten der Second-Lien-Gläubiger und der Schuldnerin ungerechtfertigte Vorteile genießen.
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Zum Streitstand und kritisch jüngst: In re Fencepost Productions, Inc., 2021 WL 1259691 (Bankr. D. Kan. 2021); kritisch: Bank of America, National Association v. North LaSalle Street Ltd. Partnership (In re 203 North LaSalle Street Partnership), 246 B.R. 325 (Bankr. N. D. Ill. 2000); großzügig: Blue Ridge Invs., II, LP v. Wachovia Bank, N.A. (In re Aerosol Packaging, LLC), 362 B.R. 43 (Bankr. N.D. Ga. 2006); zur Literatur: Morrison, 2015 U. Ill. L. Rev. 721 ff. (2015); Ayotte/Casey/Skeel, 112 Nw. U. L. Rev. 255 ff. (2017); Skeel/ Triantis, 166 U. Pa. L. Rev. 1777 ff. (2018). 2321 Die beste Zusammenfassung für diesen Fall findet sich bei Ayotte/Casey/Skeel, 112 Nw. U. L. Rev. 255, 258 f. und 267 f. (2017), m. w. N. zu den einzelnen Verfahren. Hieran ist auch die folgende Zusammenfassung angelehnt. 2322 Vgl. die Zusammenfassung bei Ayotte/Casey/Skeel, 112 Nw. U. L. Rev. 255, 258 f. (2017). 2323 Vgl. die Zusammenfassung bei Ayotte/Casey/Skeel, 112 Nw. U. L. Rev. 255, 258 f. (2017).
§ 4 RSA im Konflikt mit bestehenden Finanzierungsverträgen?
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III. Analyse Ein Argument gegen die Zulässigkeit von Klauseln in Intercreditor Agreements, die eine Partei de facto von den Planverhandlungen ausschließen, ist Folgendes: Nur wenn alle Parteien ihre Rechte im Rahmen der Restrukturierung geltend machen können und über den Plan abstimmen können, erhält das Gericht die notwendigen Informationen darüber, ob der vorgeschlagene Plan die Anforderungen des Gesetzes erfüllt, nutzenmaximierend wirkt und ob Koalitionen zwischen einzelnen Planbetroffenen problematisch sind.2324 Auch für Intercreditor Agreements gilt die oben bereits angesprochene Analyse2325 : Wenn durch sie ganze (nachrangige) Gläubigergruppen von den Restrukturierungsverhandlungen ferngehalten werden, dürfte ein Plan, welcher das Vermögen vielleicht insgesamt maximiert, allerdings für die Senior-Gläubiger etwas risikoreicher ist, niemals durchdringen. Intercreditor Agreements können sich außerdem zum Nachteil von Planbetroffenen auswirken, die überhaupt nicht Teil der Vereinbarung sind.2326 Koalitionen zwischen Junior-Gläubigern und der Schuldnerin oder den Anteilsinhabern werden verhindert.2327 Senior-Gläubiger können Stimmrechte über Forderungen erhalten, obwohl sie diesbezüglich wirtschaftlich nicht betroffen sind.2328 Sie können diese Stimmrechte opportunistisch einsetzen.2329 In Bezug auf unbeteiligte Gläubiger oder Anteilsinhaber entstehen negative Externalitäten.2330 Hätte das Intercreditor Agreement im Fall Momentive durchgesetzt werden können, hätten die SeniorGläubiger Vorteile erhalten (eine Vorfälligkeitsentschädigung), welche ihnen nicht zugestanden hätten. Allerdings ist auch die andere Seite zu betrachten: Werden die Klauseln in den Intercreditor Agreements nicht anerkannt, werden die ex ante ausgehandelten Verträge zwischen Senior- und Junior-Gläubigern ignoriert, was zu Effizienzverlusten führen kann.2331 Auch die Kreditkosten können steigen.2332 Zudem werden die Restrukturierungsverhandlungen komplexer und können längere Zeit in Anspruch nehmen.2333 Intercreditor Agreements reduzieren Transaktionskosten, indem sie die
2324
Ayotte/Casey/Skeel, 112 Nw. U. L. Rev. 255, 296 (2017). Vgl. oben bei Fn. 395. 2326 Morrison, 2015 U. Ill. L. Rev. 721 (2015). 2327 Morrison, 2015 U. Ill. L. Rev. 721, 723 (2015). 2328 Morrison, 2015 U. Ill. L. Rev. 721 f. (2015). 2329 Morrison, 2015 U. Ill. L. Rev. 721, 727 f. (2015). 2330 Morrison, 2015 U. Ill. L. Rev. 721, 727 (2015). 2331 Vgl. Skeel/Triantis, 166 U. Pa. L. Rev. 1777, 1793 (2018). 2332 Vgl. zu diesem Effekt oben bei Fn. 752. 2333 Vgl. Paterson, Corporate Reorganization, S. 177 („[A]n intercreditor agreement which simplifies the bargaining environment and reduces hold-out power is to be applauded.“). 2325
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Kap. 4: RSA im Konflikt zur Verfahrens- und Kompetenzordnung
Verhandlungsstruktur in der Restrukturierung vereinfachen.2334 Schließlich haben sich die Junior-Gläubiger im Intercreditor Agreement freiwillig verpflichtet, später in der Restrukturierung nicht gegen den Willen der Senior-Gläubiger zu agieren.2335 IV. Ansätze zur Beurteilung von Intercreditor Agreements Fraglich ist, wie Intercreditor Agreements zu beurteilen sind und ob durch sie Verfahrensrechte einzelner Gläubiger beschränkt werden können. 1. Blick in die USA Am weitesten geht das American Bankruptcy Institute in seinem Bericht zur Reform des Chapter 11-Verfahrens aus dem Jahr 2014. Demnach sollten Vereinbarungen über das Stimmrecht (contractual assignment or waiver of voting rights) zugunsten der Senior-Gläubiger nicht vollstreckbar sein.2336 Die Junior-Gläubiger sollten trotz entsprechender Vereinbarungen ihr Recht behalten, über den Plan abzustimmen, und die Möglichkeit haben, sich auf die Minderheitsrechte im Gesetz zu berufen.2337 Hauptsächlich bestünden Bedenken, weil solche privaten Vereinbarungen auch Auswirkungen auf den Schuldner, die Masse und andere Stakeholder haben könnten.2338 Eine Kontrolle durch die Senior-Gläubiger könne Auswirkungen auf die Bewertungen von Vermögensgegenständen, das operative Geschäft nach der Restrukturierung und auf die zu verteilende Masse haben.2339 Intercreditor Agreements i. S. d. 11 U.S.C. § 510 (c) sollten nur den Rang bzgl. Zahlungsansprüche regeln2340; darüber hinausgehende Regelungen seien nicht vollstreckbar, weil sie den JuniorCreditors Verhandlungsmacht entziehen würden, welche diese nutzen können, um die Masse insgesamt zu vergrößern.2341 Dogmatisch wird das Argument an 11 U.S.C. 1126 (a) angelehnt, wonach der Inhaber einer Forderung das Recht habe, über den Plan abzustimmen.2342 Teilweise haben die Gerichte auch das öffentliche Interesse (public policy) betont.2343 Es wird darauf verwiesen, dass das Gesetz jedem Gläubiger
2334
Morrison, 2015 U. Ill. L. Rev. 721 f., 726 f. (2015). Paterson, Corporate Reorganization, S. 177. 2336 ABI, Report, S. 261. 2337 ABI, Report, S. 261. 2338 ABI, Report, S. 262. 2339 ABI, Report, S. 263. 2340 So auch Bank of America, National Association v. North LaSalle Street Ltd. Partnership (In re 203 North LaSalle Street Partnership), 246 B.R. 325, 331 (Bankr. ND Ill 2000). 2341 ABI, Report, S. 263. 2342 ABI, Report, S. 263. 2343 Bank of America, National Association v. North LaSalle Street Ltd. Partnership (In re 203 North LaSalle Street Partnership), 246 B.R. 325, 330 f. (Bankr. ND Ill 2000). 2335
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das Recht gewähre, an der Abstimmung über den Plan teilzunehmen, unabhängig von einer Rangvereinbarungen bzgl. der Forderung.2344 Teilweise werden differenzierte Ansätze vorgeschlagen. Morrison fordert die Gerichte auf, das Verfahren in manchen Fällen zu verzögern, um außenstehenden Parteien Zeit zu geben, selbst Widerstand zu organisieren und Informationen zu sammeln.2345 Nur bei Vereinbarungen, die keine Externalitäten für Dritte hervorrufen würden, etwa weil ausschließlich Senior-Gläubiger und Second-Lien-Gläubiger im Verfahren betroffen sind, sei eine zeitliche Verzögerung nicht nötig.2346 Gleiches gelte, wenn die Junior-Gläubiger offensichtlich out of the money sind.2347 Dann würde das Intercreditor Agreement keine Externalitäten für Junior-Gläubiger bedeuten. Die Gefahren, die durch eine Übertragung des Stimmrechts eintreten würden (empty voting), könnten aber durch schlichte Verfahrensverzögerung nicht überwunden werden.2348 Daher seien solche Vereinbarungen per se unzulässig. Die US-Gerichte vertreten zunehmend, dass Kontrollrechte in Intercreditor Agreements zwar im Grundsatz übertragen werden können:2349 Eine entsprechende Vereinbarung würde allerdings nur dann anerkannt, wenn sie „clear beyond peradventure“ sei, also explizit vereinbart worden ist.2350 Verlangt wird, dass die JuniorGläubiger bewusst und explizit auf ein bestimmtes Recht verzichtet haben.2351 Auch wenn es nach Sinn und Zweck einer Vereinbarung (Spirit of the Subordination Agreement) naheliege, dass Junior-Gläubiger auf bestimmte Rechte zugunsten der Senior-Gläubiger im Restrukturierungsverfahren verzichtet hätten, sei die Wort2344 Bank of America, National Association v. North LaSalle Street Ltd. Partnership (In re 203 North LaSalle Street Partnership), 246 B.R. 325, 331 (Bankr. ND Ill 2000); Beatrice Foods Co. v. Hart Ski Mfg. Co. (In re Hart Ski Mfg. Co.), 5 B.R. 734, 736 (Bankr.D.Minn.1980) [„The intent of s 510(a) (subordination) is to allow the consensual and contractual priority of payment to be maintained between creditors among themselves in a bankruptcy proceedings. There is no indication that Congress intended to allow creditors to alter, by a subordination agreement, the bankruptcy laws unrelated to distribution of assets. The Bankruptcy Code guarantees each secured creditor certain rights, regardless of subordination. (…) These rights include the right to assert and prove its claim, the right to seek Court ordered protection for its security, the right to have a stay lifted under proper circumstances, the right to participate in the voting for confirmation or rejection of any plan of reorganization, the right to object to confirmation, and the right to file a plan where applicable. The above rights and others not related to contract priority of distribution pursuant to Section 510(a) cannot be affected by the actions of the parties prior to the commencement of a bankruptcy case when such rights did not even exist. To hold that, as a result of a subordination agreement, the ,subordinor‘ gives up all its rights to the ,subordinee‘ would be totally inequitable.“]. 2345 Morrison, 2015 U. Ill. L. Rev. 721, 731 (2015). 2346 Morrison, 2015 U. Ill. L. Rev. 721, 731 (2015). 2347 Morrison, 2015 U. Ill. L. Rev. 721, 731 (2015). 2348 Morrison, 2015 U. Ill. L. Rev. 721, 733 (2015). 2349 Zu dieser Beobachtung: Ayotte/Casey/Skeel, 112 Nw. U. L. Rev. 255, 262 (2017). 2350 In re Boston Generating, LLC, 440 B.R. 302, 319 (Bankr. S.D.N.Y. 2010); In re MPM Silicones, LLC, 518 B.R. 740, 750 (Bankr. S.D.N.Y. 2014). 2351 In re Boston Generating, LLC, 440 B.R. 302, 319 (Bankr. S.D.N.Y. 2010).
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lautgrenze der Vereinbarung zu beachten.2352 Dieser Ansatz wurde in der Literatur als „strange mode of contract interpretation“ charakterisiert.2353 Es liege nahe, dass die Gerichte den Ansatz dazu nutzen, um zu pragmatischen Lösungen zu gelangen.2354 In der US-Literatur wird schließlich noch ein weiterer differenzierter Ansatz vertreten. Demnach sollten Vereinbarungen in Intercreditor Agreements, welche Kontrollrechte von Junior-Gläubigern auf die Senior-Gläubiger verlagern, wirksam sein und in ihrem Umfang nicht einschränkend interpretiert werden.2355 Es sei ungerechtfertigt, einer Vertragspartei jegliche Rechte aus dem Intercreditor Agreement durch einschränkende Auslegung zu versagen.2356 Allerdings sollten die SeniorGläubiger auf Vollstreckungsebene Erfüllung oder Unterlassung (specific performance) nur dann verlangen können, wenn keine negativen Externalitäten zu erwarten seien; ansonsten sollen die Senior-Gläubiger auf Schadenersatz i. H. d. Erfüllungsschadens verwiesen werden.2357 Dies würde dazu führen, dass die negativen Externalitäten, die sich für den Senior-Gläubiger aus einem Vertragsbruch der JuniorGläubiger ergeben, von den Junior-Gläubigern internalisiert würden.2358 Daneben hätten die Junior-Gläubiger einen Anreiz, die Vereinbarung nur dann zu brechen, wenn die von ihnen verfolgte Alternative insgesamt nutzenmaximierend ist.2359 Hierdurch würden zudem die negativen Konsequenzen eines Erfüllungsanspruchs reduziert, nämlich ein reduzierter Informationsfluss in Bezug auf die Masse und die Ausblendung der Restrukturierungskonzepte der Junior-Gläubiger im Suchprozesses.2360 Die Gefahr, dass die Junior-Gläubiger den Restrukturierungsprozess verzögern, könne durch die Expertise des Insolvenzgerichts überwunden werden2361 2. Blick nach England Die englischen Gerichte haben begonnen, Intercreditor Agreements nach deren Sinn und Zweck auszulegen. Eine Vereinbarung könne den Senior-Gläubigern selbst dann Kontrollrechte zusprechen, wenn sich dies nicht explizit im Wortlaut der Vereinbarung widerspiegeln würde.2362 2352
In re Boston Generating, LLC, 440 B.R. 302, 320 (Bankr. S.D.N.Y. 2010). Ayotte/Casey/Skeel, 112 Nw. U. L. Rev. 255, 293 f. (2017). 2354 Ayotte/Casey/Skeel, 112 Nw. U. L. Rev. 255, 294 (2017). 2355 Ayotte/Casey/Skeel, 112 Nw. U. L. Rev. 255, 287 (2017). 2356 Ayotte/Casey/Skeel, 112 Nw. U. L. Rev. 255, 287 (2017). 2357 Ayotte/Casey/Skeel, 112 Nw. U. L. Rev. 255, 287 ff. (2017). 2358 Vgl. Ayotte/Casey/Skeel, 112 Nw. U. L. Rev. 255, 261, 283, 289 (2017). 2359 Vgl. die Berechnungen bei Ayotte/Casey/Skeel, 112 Nw. U. L. Rev. 255, 273 ff., insbesondere 278 ff. (2017). 2360 Vgl. Ayotte/Casey/Skeel, 112 Nw. U. L. Rev. 255, 289 (2017). 2361 Ayotte/Casey/Skeel, 112 Nw. U. L. Rev. 255, 287 (2017). 2362 Vgl. zu dieser Beobachtung: Paterson, Corporate Reorganization, S. 132 f. mit Verweis auf Rainy Sky S.A. v. Kookmin Bank, [2011] UKSC 50; zur Bedeutung von Intercreditor 2353
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„Where a term of a contract is open to more than one interpretation, it is generally appropriate to adopt the interpretation which is most consistent with business common sense“.2363
Es spreche nichts dagegen, Verträge zwischen professionell agierenden und gut beratenen Gläubigern anzuerkennen.2364 Die Bedenken, dass die Senior-Gläubiger zu viel Macht über den Restrukturierungsprozess erhielten, werden nicht geteilt.2365 Die größten Wohlfahrtsverluste würden in einer Restrukturierung dann eintreten, wenn diese nicht schnell und kostengünstig implementiert werden können.2366 In diesem Zusammenhang seien Intercreditor Agreements, durch welche die Verhandlungen ex post vereinfacht und Holdout-Positionen von Junior-Gläubigern abgebaut würden, zu begrüßen.2367 Dies gelte jedenfalls, wenn in der Restrukturierung nur professionell agierende Gläubiger involviert seien.2368 Sofern allerdings Arbeitnehmerinteressen oder general unsecured creditors involviert seien, müsse möglicherweise etwas anderes gelten.2369 3. Blick nach Deutschland In Deutschland wird diese Frage nur sehr selten diskutiert. In der Literatur zur InsO wird vertreten, dass Stimmbindungen der Parteien untereinander vor dem Erörterungstermin nichtig sind. Eidenmüller2370 und Otto2371 leiten die Unwirksamkeit von Stimmbindungsvereinbarungen in der Insolvenz aus § 134 BGB i. V. m. §§ 235, 240 InsO ab, weil die Gläubiger nach der gesetzlichen Konzeption erst nach dem Erörterungstermin und voll informiert abstimmen sollen. Otto erklärt weiter, dass die Grundsätze zur Gruppenbildung einer Stimmbindung ebenfalls entgegenstehen würden. Dürften die Junior-Gläubiger nur nach Weisung der Senior-Gläubiger abstimmen, sei dies mit einer Manipulation in Bezug auf die Gruppenbildung vergleichbar.2372 Schließlich wird die Wirksamkeit speziell eines Intercreditor Agreements, welches Stimm- und Kontrollrechte überträgt, mit Hinblick auf § 226 Abs. 3 InsO (§ 10 Abs. 3 StaRUG) in Zweifel gezogen.2373 Die Literatur zu Agreements für das Funktionieren des englischen Scheme of Arrangements: Payne, Schemes of Arrangement, 2. Aufl. S. 232 in Fn. 132, S. 313; 1. Aufl. S. 248 f. 2363 Rainy Sky S.A. v. Kookmin Bank, [2011] UKSC 50 (Rn. 30). 2364 Paterson, Corporate Reorganization, S. 177. 2365 Paterson, Corporate Reorganization, S. 177. 2366 Paterson, Corporate Reorganization, S. 177. 2367 Paterson, Corporate Reorganization, S. 177. 2368 Paterson, Corporate Reorganization, S. 177. 2369 Paterson, Corporate Reorganization, S. 177. 2370 Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 443 f. in Fn. 374; Bei Eidenmüller ist m. E. aber unklar, ob seine Ansicht auch für ex ante geschlossene Intercreditor Agreements gilt. 2371 Otto, Intercreditor Agreements, S. 239 f. 2372 Otto, Intercreditor Agreements, S. 239 f. 2373 Vgl. Plank/Prusko, in: Handbuch Unternehmensrestrukturierung, S. 2063, 2070.
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Stimmbindungsvereinbarungen zwischen Gläubigern erklärt zudem, dass sich Vereinbarungen auf einen genau definierten, klar umgrenzten Bereich beziehen müssten.2374 Insgesamt ergibt sich kein einheitliches Bild, wie mit Intercreditor Agreements und dem Transfer von Kontrollrechten umzugehen ist. Tendenziell wird in den USA mehr Wert darauf gelegt, dass die Parteien ex post an der Restrukturierungsverhandlung teilnehmen können, während in England stärker die Effizienz von Ex-anteVereinbarungen betont wird. In Deutschland sind die Stellungnahmen rar. V. Stellungnahme Die besseren Argumente sprechen gegen die uneingeschränkte Zulässigkeit von Stimmbindungen, Abtretungen des Stimmrechts und sonstigen Verzichtsvereinbarungen in Intercreditor Agreements. Im Grundsatz sind die Bestimmungen über das Planverfahren nicht disponibel.2375 Deshalb sollten prozessuale Abreden diesbezüglich nicht möglich sein.2376 Im Rahmen der Stellungnahme wird zum einen auf Grenzen bei Prozessverträgen2377 und zum anderen auf Wertungen einzugehen sein, welche im Gesellschaftsrecht zur Stimmbindungsvereinbarung diskutiert werden. 1. Abspaltungsverbot In Intercreditor Agreements in den USA haben die Junior-Gläubiger zum Teil ihr Stimmrecht an die Senior-Gläubiger abgetreten. Dies wurde von den Gerichten teilweise kritisch beurteilt,2378 teilweise allerdings als zulässig erachtet2379. Eine Abtretung des Stimmrechts eines Gesellschafters an einen anderen Gesellschafter scheitert in Deutschland am sog. Abspaltungsverbot. Dieses besagt, dass das Stimmrecht fest mit dem Gesellschaftsanteil verbunden ist und es nicht eigenständig und isoliert übertragen werden kann.2380 Als dogmatische Grundlage für das Ab2374
I. E. Groh, Stimmvereinbarungen, S. 103 f., allgemein gefassten Ex-ante-Verträgen wird die Praxistauglichkeit abgesprochen, S. 19. 2375 Vgl. oben bei Fn. 1956. 2376 Zwingende Normen als Grenze von Prozessverträgen: Musielak/Voit/Musielak, ZPO, Einleitung, Rn. 67; MüKoZPO/Rauscher, Einleitung, Rn. 466. 2377 Vgl. ausführlich: Wagner, Prozeßverträge, passim. 2378 Bank of America, National Association v. North LaSalle Street Ltd. Partnership (In re 203 North LaSalle Street Partnership), 246 B. R. 325 ff. (Bankr. N. D. IL 2000); dazu Morrison, 2015 U. Ill L. Rev. 721, 724 (2015); In re Fencepost Productions, Inc., 2021 WL 1259691 (Bankr. D. Kan. Mar. 31, 2021). 2379 In re Aerosol Packaging, LLC., 362 B.R 43, 47 (Bankr. N.D. Ga. 2006) [„Section 1126(a) grants a right to vote to a holder of a claim, but does not expressly or implicitly prevent that right from being delegated or bargained away by such holder.“]. 2380 MüKoAktG/Heider, § 8 Rn. 89; Dittert, Satzungsbegleitende Aktionärsvereinbarungen, S. 165, m. w. N.
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spaltungsverbot wird z. T. § 8 Abs. 5 AktG angeführt.2381 Andere sehen das Abspaltungsverbot als allgemeinen Grundsatz des Verbandsrechts (§ 717 Satz 1 BGB) an.2382 Gegen eine Übertragung dieser Grundsätze ins StaRUG-Verfahren könnte sprechen, dass ein Gläubiger kein Mitglied des Verbands ist. Forderungen sind auch keine Anteilsrechte. Allgemeine verbandsrechtliche Grundlagen passen nicht zur Regelung der Stimmrechte von Gläubigern. Allerdings werden die Gläubiger in der Insolvenz ökonomisch als Residualberechtigte des Unternehmens angesehen,2383 sodass ihre Stellung mit der Stellung eines Gesellschafters vergleichbar erscheint. Für ein Abspaltungsverbot könnte auch § 24 StaRUG sprechen. Nach dessen Abs. 4 entfällt ein Stimmrecht auf die Forderung des Gläubigers. Hieraus könnte folgen, dass Forderung und Stimmrecht zusammengehören und nicht getrennt werden dürfen. Wird diese Ansicht zugrunde gelegt, wäre eine isolierte Abtretung des Stimmrechts in Intercreditor Agreements nicht möglich. Hierfür spricht auch, dass die Senior-Gläubiger ansonsten Stimmrechte in solchen Klassen erhalten würden, in denen sie überhaupt keine Forderungen besitzen. Das Votum der Klasse würde folglich Interessen vertreten, welche nicht zu dieser Klasse gehören. Innerhalb der Klasse könnten die am Intercreditor Agreement unbeteiligten Gläubiger durch die Stimmabgabe der Senior-Gläubiger überstimmt werden, obwohl diese im Grundsatz eigenen Gruppen zuzuteilen sind. Hingegen kann in bestimmten Fällen die Ausübung von Verwaltungsrechten im Gesellschaftsrecht übertragen werden, z. B. bei der Verpfändung, der Pfändung, der treuhänderischen Übertragung und der Sicherungsabtretung eines Geschäftsanteils2384, mithin in Fällen der Kreditsicherung. Wird das Intercreditor Agreement als eine spezielle Form der Kreditsicherung verstanden, könnte zwar durchaus vertreten werden, auch hier eine Übertragung der StaRUG-Rechte zuzulassen. Hiergegen dürfte allerdings sprechen, dass das StaRUG-Verfahren einen Suchprozess darstellt, bei dem alle betroffenen Parteien gehört werden sollen.2385 Es geht darum, Verhandlungen ex post zu ermöglichen, wenn genügend Informationen bereitstehen, um die Schritte hin zur bestmöglichen Gläubigerbefriedigung bestimmen zu können.2386 Dem widerspräche es, wenn die Junior-Gläubiger oder Anteilsinhaber von Anfang an ihre Verfahrensrechte auf die Senior-Gläubiger übertragen könnten.
2381
MüKoAktG/Heider, § 23 Rn. 89. BeckOGK-AktG/Vatter, § 8 Rn. 52; Hüffer/Koch/Koch § 8 Rn. 26; KölnKommAktG/ Dauner-Lieb, § 8 Rn. 44. 2383 Klöhn/Franke, ZEuP 2022, 44, 54 („Ökonomischer Hintergedanke ist, dass die Gläubiger die Residualberechtigten eines insolventen Unternehmens sind.“), mit Verweis auf RegEInsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 80. 2384 HCL/Raiser, § 14 Rn. 49. 2385 Vgl. dazu oben bei Fn. 799. 2386 Vgl. dazu oben bei Fn. 782. 2382
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2. Verzicht auf Teilnahme-, Klage- und Kontrollrechte vs. Schutz der institutionellen Ordnung Zwar können die Gläubiger ihre StaRUG-Rechte nach hier vertretener Auffassung nicht auf andere Gläubiger isoliert übertragen. Fraglich ist allerdings, ob sie sich ex ante verpflichten können, ihre Teilnahme-, Klage- und Kontrollrechte im StaRUG-Verfahren nicht auszuüben. Intercreditor Agreements sind häufig als Vertrag zugunsten Dritter ausgestaltet.2387 Die Schuldnerin wird teilweise sogar selbst Vertragspartei des Intercreditor Agreements.2388 Wenn die Junior-Gläubiger sich also – auch zugunsten der Schuldnerin – verpflichtet haben, bestimmte Anträge im StaRUG-Verfahren nicht zu stellen, könnte dies – entsprechend den Grundsätzen zu einem Klage- oder Rechtsmittelverzicht2389 – zur Folge haben, dass entsprechende Anträge später unzulässig sind. In diesem Sinne sind Intercreditor Agreements mit Prozessverträgen vergleichbar. In solchen werden z. B. Absprachen über die Klagebefugnis, die einverständliche Verfahrensbeendigung, über die Zuständigkeit des Gerichte oder über das Beweisverfahren für einen späteren Prozess getroffen.2390 a) Zulässigkeit und Grenzen von Prozessverträgen Tendenziell steht die Rechtsordnung Prozessverträgen offen gegenüber.2391 Die Zulässigkeit von Prozessverträgen sei im Grundsatz zu bejahen und finde nur dort eine Grenze, wo zwingende Prozessvorschriften entgegenstünden.2392 Ein Vertrag, in dem sich eine Partei zu einem bestimmten prozessualen Verhalten verpflichte, sei wirksam, wenn das vertraglich vereinbarte Verhalten möglich sei und weder gegen ein gesetzliches Verbot noch gegen die guten Sitten verstoße.2393 Aus diesem Grund
2387 Vgl. dazu Reul, Intercreditor Agreements, S. 133; für Gesellschaftervereinbarungen analog: Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 126. 2388 Vgl. Reul, Intercreditor Agreements, S. 133 f. („Um diesen Schwächen zu begegnen, werden in der Finanzierungspraxis (…) auch die Kreditnehmer Partei des Intercreditor Agreements.“) (insbesondere in Bezug auf Rangvereinbarungen). 2389 RG, Urt. v. 1. 6. 1921 – V 82/21, RGZ 102, 217 ff.; RG, Urt. v. 20. 12. 1928 – VIII 240/28, RGZ 123, 84, 85 f.; RG, Urt. v. 6. 2. 1939 – IV 220/38, RGZ 159, 186, 190; BGH, Urt. v. 25. 6. 1958 – IV ZR 75/58, BGHZ 28, 45 (48 ff.); BGH, Beschl. v. 11. 11. 1960 – V ZR 47/55, NJW 1961, 460; BGH, Beschl. v. 18. 12. 1963 – IV ZR 263/63, BGHZ 41, 3, 5; BGH, Urt. v. 14. 6. 1967 – IV ZR 21/66, NJW 1968, 794 f.; BGH, Beschl. v. 10. 10. 2013 – VII ZR 248/11, BeckRS 2013, 19380 Rn. 5. 2390 Wagner, Prozeßverträge, S. 391 ff., 504 ff., 556 ff., 608 ff. 2391 Vgl. den Überblick bei Wagner, Prozeßverträge, S. 51 f.; MüKoZPO/Rauscher, Einleitung, S. 466; Musielak/Voit/Musielak, Einleitung, Rn. 67; Teubner/Künzel, MDR 1988, 720 f. 2392 Musielak/Voit/Musielak, Einleitung, Rn. 67. 2393 RG, Urt. v. 1. 6. 1921 – V 82/21, RGZ 102, 217, 221; RG, Urt. v. 4. 4. 1939 – I 195/38, RGZ 160, 241, 242; BGH, Urt. v. 10. 10. 1989 – VI ZR 78/89, BGHZ 109, 19, 28 f.; Wagner, Prozessverträge, S. 52, m. w. N. zur Rspr. in Fn. 25.
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sehen Smid/Rattunde/Martini z. B. Stimmbindungsverträge im Grundsatz als zulässig an.2394 Auch für Prozessverträge sind indes Grenzen zu beachten. Zu nennen ist etwa die fehlende Dispositionsbefugnis über ein Recht.2395 Normen des Prozessrechts sind nicht disponibel, wenn sie im öffentlichen Interesse liegen oder zum Schutz des Einzelnen geboten sind.2396 Ersteres könnte in kollektiven Verfahren generell, zweites insbesondere in Bezug auf die am Intercreditor Agreement unbeteiligten Parteien angenommen werden. Der dauernde (peremtorische), umfassende Ausschluss des Rechtswegs ist ebenfalls problematisch.2397 Der BGH hat erklärt: „Wegen seiner für den Bestand der Rechtsordnung wesentlichen Bedeutung kann der Rechtsschutz auch durch Parteivereinbarung allenfalls in einzelnen konkreten Ausgestaltungen, nicht aber in seiner Substanz im voraus abbedungen werden“2398
Dies gilt insbesondere dann, wenn nur eine Partei unilateral ex ante von der Klagemöglichkeit ausgeschlossen wird.2399 In der Literatur wurden außerdem für das Insolvenzverfahren Bedenken gegen eine vertragliche Ausgestaltung erhoben, weil in diesem Verfahren gerade eine Vielzahl von Parteien betroffen ist, sodass die Vorschriften auch die institutionelle Ordnung sichern würden.2400 In diese Richtung geht es dann auch, wenn Stimmbindungsverträge im Insolvenzplanverfahren unzulässig sein sollen, weil sie die Funktion des Erörterungstermins umgehen würden.2401 b) Institutionelle Ordnung Auch zu Gesellschaftervereinbarungen wurde schon diskutiert, ob Aktionäre Abreden über die Nichtausübung statutarisch unentziehbarer Mitgliedschaftsrechte treffen können.2402 In der Satzung ist ein derartiger Ausschluss subjektiver Mitgliedschaftsrechte nicht gangbar (vgl. z. B. § 23 Abs. 5 Satz 1 AktG, § 51a Abs. 3 GmbHG).2403 Konkret ist daher fraglich, ob z. B. die Kontroll-, Informations- und 2394
Smid/Rattunde/Martini, Der Insolvenzplan, Rn. 4.19. Vgl. Wagner, Prozeßverträge, S. 111, 454; Teubner/Künzel, MDR 1988, 720 f. 2396 Wagner, Prozeßverträge, S. 126; zum öffentlichen Interesse: Teubner/Künzel, MDR 1988, 720 f. 2397 Überblick zum Streitstand bei Staudinger/Rodi, Anh. zu §§ 305 – 310, M 16; unzulässig in AGB auch im Unternehmensverkehr: Hau, MDR 2017, 853, 854; Staudinger/Rodi, Anh. zu §§ 305 – 310 Rn. M 20. 2398 BGH, Urt. v. 26. 1. 1989 – X ZR 23/87, BGHZ 106, 336, 339, NJW 1989, 1477 (jurisRn. 30); ähnlich: BGH, Urt. v. 6. 4. 2009 – II ZR 255/08, BGHZ 180, 221, 228 (Rn. 18). 2399 Wagner, Prozeßverträge, S. 454. 2400 Vgl. MüKoInsO/Stürner, Einleitung, Rn. 50. 2401 Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 443 f. in Fn. 374. 2402 Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 125. 2403 Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 125. 2395
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Klagerechte eines Minderheitsgesellschafters schuldvertraglich beschränkt oder ausgeschlossen werden dürfen.2404 Dies komme einer Satzungsregelung insbesondere dann nahe, wenn die Vereinbarung als Vertrag zugunsten der Gesellschaft ausgestaltet ist, sodass diese sich als potentielle Klagegegnerin auf die Verzichte berufen könne.2405 Es käme auch dem Abspaltungsverbot nahe und könnte eine Umgehung darstellen.2406 In der Literatur wird vertreten, dass diese Frage von der der Zulässigkeit von Stimmbindungsvereinbarungen (dazu sogleich) zu trennen sei: Es könne zwar stimmrechtslose Mitgliedschaften geben, aber keine Mitgliedschaft ohne subjektiven Rechtsschutz.2407 Nach Noack und Habersack ist ein im Voraus für unbestimmte Fälle erklärter Verzicht auf Kontroll- und Klagerechte unzulässig.2408 Dieser verstoße gegen die vom Gesetz gewollte institutionelle Ordnung. Nur ein Verzicht im Hinblick auf einen konkreten Vorgang sei nicht zu beanstanden, weil es dabei jedem Gesellschafter freistehe, seine jeweiligen Interessen einzuschätzen und danach zu handeln.2409 Diese Wertungen sollten auch auf das StaRUG-Verfahren übertragen werden: Ein genereller Verzicht auf Kontroll- und Verfahrensrechte in Bezug auf das StaRUGVerfahren schon im Zeitpunkt der Kreditvergabe ist unzulässig. Dogmatische Grundlage können ein funktionales Rechtsdenken, die institutionelle Ordnung des Verfahrens, der zwingende Charakter des Verfahrensrechts, § 134 BGB oder § 138 BGB sein. Hierfür spricht neben den zum Gesellschaftsrecht vorgetragenen Argumenten auch, dass das Verfahrensrecht für Verfahren mit vielen Parteien, wie gerade erklärt, eine unverzichtbare Ordnungsfunktion im öffentlichen Interesse erfüllt.2410 Die Vorschriften zum Insolvenzplanverfahren selbst sollen z. B. indisponibel sein.2411 Für den zwingenden Charakter der Verfahrensrechte sprechen auch die §§ 250 Nr. 1 InsO bzw. § 63 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG (keine Planbestätigung bei Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften) und die Tatsache, dass die Vorschriften über den Ablauf des Planverfahrens selbst (insbesondere über die Planaufstellung und -bestätigung) nicht plandispositiv sind.2412
2404
Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 125 f. Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 126. 2406 Das Abspaltungsverbot gilt auch für Verwaltungsrechte (HCL/Raiser, § 14 Rn. 45, 47; Umgehungen sind unzulässig, HCL/Raiser, § 14 Rn. 48). 2407 Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 126. 2408 Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 126; zust. Habersack, ZHR 164 (2000), 1, 17. 2409 Noack, Gesellschaftervereinbarungen, S. 126; zust. Habersack, ZHR 164 (2000), 1, 17. 2410 MüKoInsO/Stürner, Einleitung Rn. 47, 50; kritisch auch zu vorinsolvenzlichen Vereinbarungen, mit denen Mehrheiten über Abstimmungen im späteren Verfahren bindend geschaffen werden, solange es keine gesetzliche Grundlage dafür gibt. 2411 Vgl. oben bei Fn. 1956. 2412 Vgl. dazu oben bei Fn. 1956; zu diesem Argument auch: Groh, Stimmvereinbarungen, S. 102 f., der aber insgesamt a. A. ist. 2405
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c) Freiwilliger Rechtsverzicht als Gegenargument? Im Hinblick auf Gläubiger, die freiwillig ex ante auf ihre Rechte verzichten, könnte zwar argumentiert werden, dass diese nicht schutzwürdig sind. Nach der Literatur steht es ihnen frei, sich später im Insolvenzverfahren zu engagieren, sodass sie sich auch freiwillig bzgl. ihres Stimmrechts und ihrer Verfahrensrechte binden könnten.2413 Dennoch wird in der Literatur die Möglichkeit eines Rechtsverzichts bzw. einer Stimmbindung nur zurückhaltend formuliert. Möglich sei dieser, wenn Abstimmungsgegenstand und die ggf. entäußerten Verfahrensrechte konkretisiert seien.2414 Dann würde die Vorabbindung „einen ausreichend klar umgrenzten Bereich“ betreffen.2415 Ein freiwilliger, wohlinformierter Verzicht auf Verfahrensrechte in Gestalt einer Vorabbindung sei nicht zu beanstanden.2416 d) Aufrechterhaltung der Chancen unbeteiligter Parteien Ein generalklauselartiger Verzicht auf Verfahrensrechte in einem Intercreditor Agreement könnte zudem – und das ist der wichtigere Aspekt – die nicht beteiligten, außenstehenden Gläubiger bzw. Parteien beeinträchtigen und deshalb unzulässig sein. Deren rechtliches Gehör und deren Teilnahmerechte im späteren Verfahren werden beeinträchtigt, weil ihre Ideen und Ansichten ohnehin kein Gewicht mehr hätten.2417 Zur InsO wird dieses Argument zwar kritisch gewürdigt:2418 Die abstrakte Chance, an der Meinungsbildung der Gläubiger mitzuwirken, sei im Rahmen der InsO nicht schutzwürdig. Der einzelne Gläubiger habe kein Anrecht, eine ihm in der Sache genehme Lösung durchzusetzen. Die übrigen Gläubiger könnten frei über ihre Rechte verfügen. Schutz biete im Planverfahren allein das Obstruktionsverbot. Diese Argumentation muss für das StaRUG-Verfahren jedenfalls überdacht werden. Immerhin regeln §§ 17 Abs. 3 und 21 Abs. 1 StaRUG, dass Gläubiger, die im Rahmen der Verhandlungen übergangen worden sind, einen Anspruch auf eine gemeinsame Erörterung des Plans haben. Sie sollen die Chance erhalten, die übrigen stimmberechtigten Gläubiger von ihrer Ansicht zu überzeugen. Im ursprünglichen Konzept zur InsO (Regierungsentwurf) waren die Chancen der Minderheitsgläubiger im Übrigen noch deutlicher betont. Es sollte gerade auch möglich sein, dass das Konzept der Minderheitsgläubiger sich gegen die Konzepte der Mehrheit durchsetzt, wenn dieses ökonomisch besser ist.2419 Will man an diesem Konzept im Grundsatz festhalten, muss es den Minderheitsgläubigern möglich bleiben, im StaRUG-Verfahren auch die übrigen Beteiligten von ihrem Konzept zu 2413 2414 2415 2416 2417 2418 2419
Vgl. zu diesen Argumenten: Groh, Stimmvereinbarungen, S. 104 f. Groh, Stimmvereinbarungen, S. 104. Groh, Stimmvereinbarungen, S. 104. Groh, Stimmvereinbarungen, S. 105. Groh, Stimmvereinbarungen, S. 108. Groh, Stimmvereinbarungen, S. 107 ff. Vgl. dazu oben bei Fn. 805 ff.
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überzeugen und Koalitionen zu schließen. Dies wäre nicht möglich, wenn verschiedene Parteien von vorneherein auf die Teilnehme im StaRUG-Verfahren verzichten. 3. Stimmbindung und Einschränkung durch Treuepflicht Ein wichtiger Regelungsgegenstand in Gesellschaftervereinbarungen sind Stimmbindungen. Solche Stimmbindungen können auch in ein Intercreditor Agreement – dort zischen Gläubigern – aufgenommen werden, indem dort z. B. vereinbart wird, dass die Junior-Gläubiger dem Votum der Senior-Gläubiger folgen. Heute ist es nahezu unstreitig, dass Stimmvereinbarungen zwischen Gesellschaftern grundsätzlich zulässig, wirksam2420 und auch vollstreckbar2421 sind. An dieser Stelle interessieren aber die gegen die Wirksamkeit von Stimmbindungsverträgen vorgebrachten Argumente. Möglicherweise können sie auch gegen unbestimmte, ex ante geschlossene allgemeine Stimmvereinbarungen zwischen Gläubigern in Intercreditor Agreements greifen und müssen dort neu bewertet werden. a) Überblick zu Stimmbindungsverträgen im Gesellschaftsrecht Im Gesellschaftsrecht wurde früher vertreten, dass ein Stimmbindungsvertrag grundsätzlich unzulässig sei, weil ein vertraglich gebundenes Mitglied bei der späteren Abstimmung nicht mehr ungehemmt das Verbandsinteresse verfolgen könne.2422 Stimmbindungsverträge könnten die funktionsgerechte, am gemeinschaftlichen Mitgliederinteresse ausgerichtete Stimmabgabe im Zeitpunkt der Abstimmung verhindern.2423 Dasselbe Argument könnte heute analog für (Stimm-) Bindungen von Gläubigern ex ante vorgebracht werden. Wenn sich die JuniorGläubiger ex ante dazu verpflichten, im Sinne eines bestimmten Senior-Gläubigers zu stimmen, könnte dies dazu führen, dass ex post nicht mehr die bestmögliche Gläubigerbefriedigung verfolgt wird, sondern nur noch eine für den konkreten Senior-Gläubiger vorteilhafte Behandlung gewährleistet wird.2424 Gegen die uneingeschränkte Zulässigkeit von Stimmbindungsverträgen wurde im Gesellschaftsrecht weiter vorgebracht, dass hierdurch die Abwägung des Für und Wider nicht mehr im Zeitpunkt der Stimmabgabe stattfinde, sondern vorverlagert würde.2425 Selbst bei zwischenzeitlich geänderten Umständen oder beim Hinzutreten 2420
Vgl. nur Schneider, Stimmbindungsvertrag, S. 121, m. w. N. in Fn. 15. BGH, Urt. v. 29. 5. 1967 – II ZR 105/66, BGHZ 48, 163 ff., insbesondere Leitsatz und S. 170 ff. (juris-Rn. 28 ff.). 2422 Müller-Erzbach, Mitgliedschaft, S. 248 ff., vgl. die darstellenden Ausführungen bei Overrath, Stimmrechtsbindung, S. 7 f. 2423 Overrath, Stimmrechtsbindung, S. 14 f. 2424 Ähnlich: Otto, Intercreditor Agreements, S. 240. 2425 Overrath, Stimmrechtsbindung, S. 15. 2421
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neuer Informationen könne keine andere Entscheidung mehr getroffen werden.2426 In die gleiche Richtung gehen die Argumente, welche gegen die Vollstreckbarkeit von Stimmbindungsverträgen vorgebracht worden sind: Das Reichsgericht hat zum einen die Entschließungsfreiheit der Gesellschafter in den Fokus gerückt.2427 Die Gesellschafterversammlung biete eine Gelegenheit, die Gründe für und wider einen Abstimmungsgegenstand zu erörtern und sich auf diese Weise eine sichere Grundlage für die Abstimmung zu verschaffen. Daneben wurde vom Reichsgericht die Vollstreckbarkeit einer Stimmbindung als Eingriff in den Willensbildungsprozess der Gesellschafterversammlung gewertet.2428 Es gehe nicht an, durch äußeren Zwang in die Willensbildung des Körperschaftsorgans einzugreifen.2429 Die Möglichkeit zur Erörterung und Diskussion eines Abstimmungsgegenstands als Bestandteil der Willensbildung innerhalb des Verbands wurde auch in der Literatur betont:2430 Die Stimmabgabe sei eine Mitwirkung im Beschlussverfahren, bei dem Rede und Gegenrede und das persönliche Abwägen unerlässlich seien.2431 Ein Gesellschafter müsse seine Meinung nach den Erörterungen in der Generalversammlung nochmals ändern können.2432 Wenn das Abstimmungsergebnis schon im Vorhinein festgelegt werde, liege keine Abstimmung mehr vor, sondern nur noch eine Scheinhandlung.2433 Die Struktur einer Generalversammlung vertrage es nicht, dass an der Stelle eines Aktionärs ein „steinerner Gast“ am Tisch sitze.2434 Schließlich würde das Diskussionsrecht der Aktionäre durch Stimmbindungen zunichte gemacht, was dazu führe, dass die Hauptversammlung zu einer „reinen Komödie“ verkomme.2435 Die Argumente betreffen insgesamt den Willensbildungsprozess im engeren Sinne. Ähnlich ließe sich argumentieren, dass Stimmbindungen in Intercreditor Agreements den Willensbildungsprozess in der Restrukturierung untergraben können. Dass die Willensbildung, das Diskussionsrecht, die Erörterung und die Informationsverarbeitung innerhalb der Hauptversammlung durch Stimmbindungen tangiert werden, wird heute nicht mehr als Grund angesehen, die Stimmbindungen zu untersagen: Die Zulässigkeit von Stimmbindungen werde bereits in §§ 136 Abs. 2 2426 Overrath, Stimmrechtsbindung, S. 15 (deshalb plädiert Overrath für eine Lockerung der Stimmbindung in diesen Fällen). 2427 RG, Urt. v. 23. 9. 1927, 495/26 II., JW 1927, 2992 f.; vgl. darstellend: Overrath, Stimmrechtsbindung, S. 17 in Fn. 32 und BGH, Urt. v. 29. 5. 1967 – II ZR 105/66, BGHZ 48, 163, 170 (juris-Rn. 26). 2428 RG, Urt. v. 5. 4. 1939 – II 155/38, RGZ 160, 257, 262. 2429 RG, Urt. v. 20. 11. 1925 – II 576/24, RGZ 112, 273, 279. 2430 Brodmann, JW 1929, 615 f.; Wolff, JW 1929, 2116; referierend: Overrath, Stimmrechtsbindung, S. 17; 96 ff., weniger kritisch: Boesbeck, NJW 1960, 7, m. w. N. in Fn. 3. 2431 Peters, AcP 156 (1957), 311, 325; kritisch dazu: MüKoAktG/Arnold, § 136 Rn. 92. 2432 Brodmann, JW 1929, 615. 2433 Brodmann, JW 1929, 616. 2434 Wolff, JW 1929, 2115 f. 2435 Püttner, Das Depotstimmrecht der Banken, S. 95 f., darstellend bei Schneider, Stimmbindungsvertrag, S. 124.
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AktG und 405 Abs. 3 Nr. 6 und Nr. 7 AktG vorausgesetzt.2436 Außerdem gelte das Prinzip der Abstimmungsfreiheit; eine frühzeitige Bindung des Aktionärs sei Ausfluss dieser Freiheit und verstoße nicht hiergegen.2437 Die Abwägung des Für und Wider werde durch Stimmbindungsverträge nicht ausgeschlossen, sondern nur auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorverlagert.2438 Es sei allenfalls wünschenswert, aber nicht geboten, dass ein Gesellschafter den in einer Gesellschafterversammlung angestellten Überlegungen und Erörterungen zugänglich sei.2439 Dies sei auch durch die Anerkennung der Stimmrechtsvollmacht deutlich geworden.2440 Es fänden sich keine positivrechtlichen Anhaltspunkte, die eine innere Ergebnisoffenheit des Aktionärs im Vorfeld der Hauptversammlung gebieten würden.2441 Es gebe kein Gebot, dass innerhalb der Hauptversammlung diskutiert werden müsse.2442 Die Versammlung werde dadurch nicht sinnentleert, weil ihr Zweck auch darin bestehe, rechtssicher ein Abstimmungsergebnis festzustellen.2443 b) Schutzmöglichkeiten Es bestehen heute dennoch im Grundsatz drei Möglichkeiten, den Bedenken gegen eine Stimmrechtsbindung zu begegnen. Vom Reichsgericht wurde ursprünglich die Erfüllungsklage bzgl. der Stimmbindung und deren Vollstreckbarkeit verneint.2444 Hiervon ist der BGH inzwischen abgerückt.2445 Für Intercreditor Agreements könnte überlegt werden, zu der älteren Rechtsprechung des Reichgerichts zurückzukehren. Damit könnten die Effizienzvorteile2446 fruchtbar gemacht werden, welche ein Schadenersatzanspruch gegenüber einem Erfüllungsanspruch mit sich bringt (vgl. dazu oben). Dieser Ansatz entspräche dann dem in den USA vorgeschlagenen Modell, den Erfüllungsanspruch zu verweigern, Schadenersatz aber zuzulassen. Gegen diese Lösung spricht aber, dass dieser Ansatz inkonsistent ist, weil der Stimmbindungsvertrag einerseits materiellrechtlich als wirksam angesehen wird, andererseits aber die Leistungsklage und deren Vollstreckbarkeit verneint werden.2447 2436
Habersack, ZHR 164 (2000), 1, 8. Schneider, Stimmbindungsvertrag, S. 61 ff. insbesondere 73 f. und 121 ff. 2438 Overrath, Stimmrechtsbindung, S. 15; Schneider, Stimmbindungsvertrag, S. 81. 2439 Vgl. BGH, Urt. v. 29. 5. 1967 – II ZR 105/66, BGHZ 48, 163, 171 (juris-Rn. 29). 2440 Schneider, Stimmbindungsvertrag, S. 124; vgl. insgesamt auch S. 313. 2441 Schneider, Stimmbindungsvertrag, S. 313 m. w. N. in Fn. 1217; i. E. auch Hüffer/Koch/ Koch, § 133 Rn. 27; MüKoAktG/Arnold, § 136 Rn. 92. 2442 Overrath, Stimmrechtsbindung, S. 17. 2443 Overrath, Stimmrechtsbindung, S. 17. 2444 Vgl. ausführlich m. w. N.: Overrath, Stimmrechtsbindung, S. 95 ff. 2445 BGH, Urt. v. 29. 5. 1967 – II ZR 105/66, BGHZ 48, 163 ff. 2446 Vgl. dazu Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 495 ff., insbesondere 499 ff. 2447 Fischer, GmbHR 1953, 65, 68; Overrath, Stimmrechtsbindung, S. 100 („[D]em Reichsgericht wird auch insofern Inkonsequenz vorgeworfen, als es zwar die Wirksamkeit des 2437
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Die zweite Möglichkeit zum Schutz vor Stimmbindungsverträgen besteht in der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht.2448 Eine vertragliche Verpflichtung, wonach der Aktionär entgegen der mitgliedschaftlichen Treuepflicht abstimmen muss, ist insoweit nichtig.2449 Selbst dann, wenn eine wirksame Stimmbindung besteht, gewährt die Treuepflicht dem Aktionär ein Leistungsverweigerungsrecht in dem Fall, dass eine der Vereinbarung Folge leistende Stimmabgabe rechtswidrig wäre.2450 Andere Formulierungen gehen dahin, dass inhaltlich nicht determinierte Verpflichtungen von Anfang an für den Fall ungültig seien, in dem die spezifische Festlegung des Stimmverhaltens zu einem Treuepflichtverstoß führen würde.2451 Ob diese Grenze für Stimmbindungen in Intercreditor Agreements fruchtbar gemacht werden kann, hängt davon ab, inwieweit Treuepflichten zwischen den Gläubigern2452 und eine Pflicht zur Achtung des Verbandsinteresses bzw. des Interesses der Gesamtheit der Gläubiger während der Restrukturierung anerkannt werden. Schließlich ist ein Schutz vor Stimmbindungen auch ohne Rückgriff auf die Treuepflicht möglich: Erwogen wurde, die Bindungsstärke durch einschränkende Auslegung der vertraglichen Bindung nach § 157 BGB zu reduzieren.2453 Diese Lösung entspräche am ehesten dem „clear beyond peradventure“-Ansatz aus den USA. Eine Abschwächung der Bindung kommt aber auch unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung nach § 242 BGB in Betracht oder als Ergebnis einer bloßen Teilnichtigkeit hinsichtlich zu weitgehender Bindungen nach § 138 BGB.2454 Schließlich wird aus § 138 BGB ein spezieller Befreiungsgrund hergeleitet, wonach der Verpflichtete frei werde, wenn er vertretbare Gründe dafür habe, anders als vereinbart zu stimmen.2455 Diese Ansatzpunkte sind nicht mit dem TreuepflichtGedanken belastet, sodass sie möglicherweise einfacher als dieser auf Intercreditor Agreements zwischen Gläubigern übertragen werden könnte. Man könnte argumentieren, dass ein Junior-Gläubiger von einer Stimmbindung im Intercreditor Agreement frei werde, wenn ex post, also in der Krise, eine Lösung, die der SeniorGläubiger nicht verfolgen will, eindeutig besser erscheint, als die vom SeniorGläubiger verfolgte Lösung. Stimmbindungsvertrages und damit das Bestehen einer materiellrechtlichen Verpflichtung, in dem vereinbarten Sinne abzustimmen, bejahe, dagegen einen klagbaren und vollstreckbaren Anspruch verneine.“). 2448 Habersack, ZHR 164 (2000), 1, 8 f. 2449 Habersack, ZHR 164 (2000), 1, 8 f.; MüKoAktG/Arnold, § 136 Rn. 85, 91; KölnKommAktG/Tröger, § 136 Rn. 123; Schmidt/Lutter/Spindler, § 136 Rn. 37; Hüffer/Koch/ Koch, § 133 Rn. 28. 2450 Habersack, ZHR 164 (2000), 1, 9; K. Schmidt, GesR, S. 620; Scholz/K. Schmidt, § 47 Rn. 50; ähnlich: Overrath, Stimmrechtsbindung, S. 72 ff. (Bindungswirkung entfällt). 2451 KölnKommAktG/Tröger, § 136 Rn. 123. 2452 Vgl. bei Fn. 2462 und Fn. 3250 ff. 2453 Overrath, Stimmrechtsbindung, S. 15. 2454 Overrath, Stimmrechtsbindung, S. 15. 2455 Overrath, Stimmrechtsbindung, S. 74 ff., insbesondere 76 und 79 f., mit Ergebnis auf S. 81.
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Kap. 4: RSA im Konflikt zur Verfahrens- und Kompetenzordnung
c) Lösung im StaRUG-Verfahren Ausgangspunkt der Argumentation ist, dass ein Restrukturierungsverfahren nach hier vertretener Auffassung als ein Suchprozess für die bestmögliche Verwertung des schuldnerischen Unternehmens im Zeitpunkt der Krise verstanden wird.2456 Der Suchprozess lebt von der aktiven Teilnahme der Gläubiger an den Restrukturierungsverhandlungen. In der US-Literatur wurde hervorgehoben, dass das Chapter 11-Verfahren ebenfalls von der Teilnahme und den Aktionen anderer Gläubiger profitiere.2457 Wenn eine Partei gezwungen werde, still zu bleiben, und ansonsten niemand Einwände erhebe, komme das System an seine Grenzen: Es könne dann Effizienzverluste nicht aufspüren und korrigieren.2458 Wie in einem Zivilverfahren sei das System darauf angelegt, dass die Parteien in den Verhandlungen ihre Einwände und Argumente offenlegen.2459 Hierdurch würde auch ein konstanter Informationsfluss hin zum Gericht erzeugt, sodass dieses die Fairness des Plans beurteilen könne.2460 Dieses System wird unterlaufen, wenn Junior-Gläubiger ex ante in Intercreditor Agreements pauschal auf ihre Stimm-, Verfahrens- und Mitwirkungsrechte innerhalb des StaRUG-Verfahrens verzichten könnten. Entgegenstehende Vereinbarungen sollten nicht bindend sein. Dogmatisch handelt es sich bei dieser Argumentation um „funktionales Rechtsdenken“.2461 In Anlehnung an die Rechtslage im Gesellschaftsrecht haben Junior-Gläubiger nach hier vertretener Auffassung aufgrund der Treuepflicht der Senior-Gläubiger einen Anspruch gegen die Senior-Gläubiger, frei abstimmen zu dürfen, wenn im Zeitpunkt der Abstimmung ein StaRUG-Plan vorgelegt wird, welcher nutzenmaximierend ist. Die Treuebindung zwischen Senior- und Junior-Gläubigern entsteht durch das Intercreditor Agreement selbst.2462 Dies wurde in der Regierungsbegründung zum StaRUG angedeutet.2463 Durch diesen dogmatischen Kunstgriff 2456
Vgl. RegE-InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 92 (zur InsO). Ayotte/Casey/Skeel, 112 Nw. U. L. Rev. 255, 285, 286 (2017) mit Verweis auf Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593 ff. (2017) in Fn. 106. 2458 Ayotte/Casey/Skeel, 112 Nw. U. L. Rev. 255, 289 (2017). 2459 Ayotte/Casey/Skeel, 112 Nw. U. L. Rev. 255, 289 (2017); vgl. den Vergleich zum Zivilverfahren schon bei Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593, 617 (2017). 2460 Ayotte/Casey/Skeel, 112 Nw. U. L. Rev. 255, 289 (2017) mit entsprechender Interpretation von Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593 ff. (2017). Letzterer erklärt in Bezug auf RSA: „A plan is not ,fair and equitable‘ if a restructuring support agreement keeps the bankruptcy judge in the dark“ (S. 617). 2461 Zu den diesbezüglichen Grundsätzen mit Beispielen: Fastrich, Funktionales Rechtsdenken, passim. 2462 Zu dieser Treuepflicht: RegE-SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181 S. 112 f. („Erfasst sind insbesondere Konsortialvereinbarungen und Interkreditorenvereinbarungen im Rahmen komplexer Finanzierungsstrukturen. Überdies besteht in diesen Fällen in Gestalt der zwischen den Parteien bestehenden Vereinbarungen bereits eine privatautonom geschaffene Grundlage für die gemeinschaftliche Wahrnehmung der gegen den Schuldner bestehenden Rechts, die es gestattet, vom Bestehen vertraglicher Treuepflichten auszugehen.“). 2463 Vgl. den Nachweis in Fn. 2462. 2457
§ 4 RSA im Konflikt mit bestehenden Finanzierungsverträgen?
339
können die Wertungen aus dem Gesellschaftsrecht übertragen werden. Die Stimmbindung entfällt, wenn den Junior-Gläubigern ein Deal präsentiert wird, durch welche sie besserstehen und die Senior-Gläubiger nicht schlechterstehen. Die Senior-Gläubiger wären auch nicht benachteiligt, weil sie durch die absolute Vorrangregel geschützt sind. Sie müssen ohnehin zunächst voll befriedigt werden, bevor die Junior-Gläubiger einen Wert erhalten dürfen. Nur so kann den unbeteiligten Gläubigern die Möglichkeit einer Koalitionsbildung offengehalten werden. Der Wettbewerb um die beste Verwertungsart wäre gesichert.2464 Dieser würde dann ex post, also in der Krise, stattfinden. Dann sind auch die notwendigen Informationen zur Findung der bestmöglichen Verwertung vorhanden.2465
D. Verträge zwischen den Anteilsinhabern und den Senior-Gläubigern Bisher noch überhaupt nicht diskutiert wurde, ob die Senior-Gläubiger mit den Anteilsinhabern ex ante einen Vertrag schließen können, in welchem die Anteilsinhaber zusagen, im Falle eines StaRUG-Verfahrens bestimmte Handlungen vorzunehmen, in bestimmter Weise abzustimmen oder auf eine bestimmte Verteilung des Restrukturierungsgewinns hinzuwirken. Mit einem solchen Vertrag könnten die Senior-Gläubiger verhindern, dass die Anteilsinhaber und die Junior-Gläubiger sich verbünden. Gegen die uneingeschränkte Zulässigkeit speziell in Bezug auf Stimmrechte und Teilnahmerechte im Rahmen des StaRUG sprechen dieselben Grundsätze, die bereits im Rahmen von Intercreditor Agreements aufgezeigt wurden. Außerdem bleiben Stimmrechtsbeschränkungen der Anteilsinhaber im Rahmen der Abstimmung nach § 24 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG außer Betracht. Eine Stimmbindung zugunsten eines Gläubigers würde auch eine Stimmbindung der Gesellschafter gegenüber Nichtgesellschaftern2466 darstellen. Die Zulässigkeit solcher Stimmbindungen ist außerhalb des StaRUG-Kontexts umstritten.2467 Dort wird das Problem über die den Gesellschafter treffende Treuepflichten gelöst.2468 Im Suhrkamp-Verfahren2469 wurde allerdings in Tiefe diskutiert, ob die gesellschaftsrechtlichen 2464
Vgl. zu dieser Idee oben bei Fn. 799 ff. Diesen Aspekt betont die New-Bargaining-Theorie, vgl. oben bei Fn. 782 ff. 2466 Vgl. dazu GK-AktG/Grundmann, § 136 Rn. 87. 2467 Diskussion und Argumente für die Zulässigkeit bei Schneider, Stimmbindungsvertrag, S. 124 ff.; grundsätzlich für zulässig erachtend: GK-AktG/Grundmann, § 136 Rn. 87 (wenn der Dritte ebenfalls den Treuepflichtschranken unterworfen wird); gegen die Zulässigkeit z. B.: Habersack, ZHR 164 (2000), 1, 11 f. (bei umfassender Bindung); gegen die grundsätzliche Zulässigkeit auch HCL/Hüffer/Schäfer, § 47 Rn. 80 f. 2468 Schneider, Stimmbindungsvertrag, S. 138 ff.; Hüffer/Koch/Koch, § 133 Rn. 27 f.; MüKoAktG/Arnold, § 136 Rn. 91. 2469 Überblick über die vorinsolvenzlichen Streitigkeiten zwischen den Gesellschaftern: Flösing, ZInsO 2013, 1325 f. 2465
340
Kap. 4: RSA im Konflikt zur Verfahrens- und Kompetenzordnung
Treuepflichten im Insolvenzplanverfahren – und somit möglicherweise auch im StaRUG-Verfahren – weiter gelten oder nicht.2470 Gelten sie im StaRUG weiter,2471 könnten sie – wie im Gesellschaftsrecht2472 – zu einer Einschränkung der Stimmbindung der Gesellschafter gegenüber den Gläubigern führen. Gelten sie nicht, – Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und des Schutzschirmverfahrens am 27. 5. 2013 beim AG Charlottenburg; Ablehnung von Einstellungsanträgen und Antrag auf Aufhebung des Schutzschirmverfahrens durch AG Charlottenburg, Beschl. v. 20. 6. 2013 – 36 s IN 2196/13, ZinsO 2013, 2501; Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Anordnung der Eigenverwaltung am 6. 8. 2013 (Az: 36 s IN 2196/13); Verfassungsbeschwerde zum BVerfG wegen möglichem Eingriff in die Gesellschafterstellung durch Insolvenzverfahren und mangelndem Rechtsschutz gegen Eröffnungsantrag (Az.: 2 BvR 1978/13). – Streit bzgl. Beseitigung der Insolvenzgründe: LG Frankfurt, Beschl. v. 19. 7. 2013 – 3 – 09 O 78/13, ZIP 2013, 1473 (Anspruch auf Stundung?); LG Frankfurt, Urt. v. 13. 8. 2013 – 3 – 09 O 78/13, ZIP 2013, 1720 (Anspruch auf Stundung und Rangrücktritt?), dazu OLG Frankfurt, Beschl. v. 29. 8. 2013 – 5 U 135/13, ZInsO 2013, 2129 und OLG Frankfurt, Beschl. v. 7. 10. 2013 – 5 U 135/13, ZIP 2013, 2022. – Streit um die Abstimmung über den Insolvenzplan: Am 25. 9. 2013 wurde durch das AG Charlottenburg der Erörterungs- und Abstimmungstermin auf den 22. Oktober 2013 angesetzt; Antrag zum BVerfG, diesen Beschluss aufzuheben, bis über Verfassungsbeschwerde (s. o.) entschieden ist; Antrag abgelehnt durch BVerfG v. 17. 10. 2013, 2 BvR 1978/13, ZIP 2013, 2163. – LG Frankfurt, Urt. v. 10. 9. 2013 – 3 – 09 O 96/13, ZIP 2013, 1831 (Untersagung Stimmabgabe durch Mehrheitsgesellschafter wegen Verletzung der Treuepflicht); dazu OLG Frankfurt, Beschl. v. 1. 10. 2013 – 5 U 145/13, ZIP 2013, 2018 (Unzulässigkeit des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wegen fehlendem Rechtsschutzbedürfnis). – Bestätigung des Insolvenzplans am 15. 1. 2014, AG Charlottenburg, v. 15. 1. 2014, 36 s IN 2196/13, BeckRS 2014, 14998. – Beschwerdeverfahren LG Berlin, Beschl. v. 24. 2. 2014 – 51 T 107/14, ZIP 2014, 893 (Unzulässigkeit der sofortigen Beschwerde gegen Insolvenzplan, weil im Abstimmungstermin über den Plan kein Minderheitenschutzantrag nach § 251 InsO gestellt worden ist); LG Berlin, Beschl. v. 14. 4. 2014 – 51 T 107/14, DZWiR 2014, 375 (Zurückweisung der sofortigen Beschwerde; Bescheidung des Antrags zu § 253 IV InsO; Zulassung Rechtsbeschwerde); BGH, Beschl. v. 17. 7. 2014 – IX ZB 13/14, BGHZ 202, 133 = ZIP 2014, 1442 (Aufhebung der Beschlüsse vom 21./24. 2. 2014 und vom 14. 4. 2014); LG Berlin, Beschl. v. 20. 10. 2014 – 51 T 696/14, ZIP 2014, 2197 (Freigabebeschluss nach § 253 IV Satz 1 InsO); BGH, Beschl. v. 17. 9. 2014 – IX ZB 26/14, ZIP 2014, 2040 (Unzulässigkeit der Rechtsbeschwerde gegen Beschluss nach § 253 IV InsO); BVerfG v. 18. 12. 2014, 2 BvR 1978/13, ZIP 2015, 80 (Ablehnung eines Antrags auf einstweilige Anordnung zur vorläufigen Verhinderung des Eintritts der Wirkungen eines angenommenen Insolvenzplans und Eintragung neuer Rechtsform ins Handelsregister). 2470 Ablehnend gegenüber der Fortgeltung der Treuepflicht im Insolvenzplanverfahren: Thole, ZIP 2013, 1937 ff.; Hölzle, EWiR 2013, 589 f.; Hölzle, ZIP 2013, 1846 f.; Bulgrin, Strategische Insolvenz, S. 81 ff.; für die Fortgeltung der Treuepflicht im Insolvenzplanverfahren aber: Schäfer, ZIP 2013, 223 ff.; Müller, DB 2014, 41, 44 f.; im Grundsatz auch: Lieder, in: Michalski/Heidinger/Leible/Schmidt, GmbHG, § 13 Rn. 149; Oetker/Lieder, § 109 Rn. 29; für die grundsätzliche Fortgeltung aber mit Entwicklung eines differenzierten Konzepts: Kern, Treuepflicht, S. 125 ff.; 303 ff.; differenzierend auch Meyer, ZInsO 2013, 2361, 2368. 2471 So Lieder, FS Smid, S. 554 f., m. w. N. zum insolvenzrechtlichen und gesellschaftsrechtlichen Schrifttum. 2472 Ausführlich: Schneider, Stimmbindungsvertrag, S. 138 ff.
§ 4 RSA im Konflikt mit bestehenden Finanzierungsverträgen?
341
könnte auf die anderen dogmatischen Konstruktionen abgestellt werden, wonach die Stimmbindung entfallen kann, wenn sich ein für alle Beteiligten besserer Deal offenbart. Würde die Stimmbindung uneingeschränkt gelten, wäre eine mögliche Koalition zwischen den Anteilsinhabern und den Junior-Gläubigern schon ex ante verhindert. Die Stimmbindung würde einen Vertrag zu Lasten der Chancen der Junior-Gläubiger darstellen, im StaRUG-Verfahren gehört zu werden und möglicherweise – wie im Momentive-Fall – mit den Anteilsinhabern einen besseren Deal zu schließen.
E. Zwischenergebnis Im Laufe der Zeit hat eine Schuldnerin häufig schon zahlreiche Verträge mit ihren Stakeholdern geschlossen, die dem Abschluss eines RSA in der Krise entgegenstehen könnten. Diese Verträge stellen allerdings nur dann eine Grenze für RSA dar, wenn sie wirksam und vollstreckbar sind. In diesem Kapitel wurde argumentiert, dass sog. Bad Boy Agreements unzulässig sind. Stimmbindungen in Intercreditor Agreements können zwar wirksam vereinbart werden. Allerdings haben JuniorGläubiger einen Anspruch, aus der Bindung entlassen zu werden, wenn ex post ein besserer Deal offensichtlich möglich und auch für sie nutzenmaximierend ist. Die generelle Übertragung und der pauschale Verzicht auf Kontroll-, Verfahrens- und Klagerechte ist unwirksam, weil damit die Funktion des Suchprozesses in der Restrukturierung untergraben würde. Stimmbindungen und die Übertragung von Kontrollrechten durch die Anteilsinhaber gegenüber den Senior-Gläubigern könnten ein Vertrag zu Lasten der Junior-Gläubiger sein. Hier muss die Bindung ebenfalls entfallen, falls ex post in der Krise ein für alle besserer Deal möglich ist.
Kapitel 5
RSA im Konflikt mit Verteilungsregeln, Sondervorteilen und Begünstigungen In Kapitel 4 wurden insbesondere solche RSA untersucht, welche den Gang des StaRUG-Verfahrens, den Verhandlungs- und Planerstellungsprozess, die Handlungen des Managements, das Stimmverhalten der Gläubiger und ein Abtretungsverbot für die Gläubiger regeln. Das Aktienrecht, das StaRUG und die bestehenden Finanzierungsverträge stehen diesen Vereinbarungen nicht prinzipiell entgegen, solange das Verhandlungsprinzip, auf dem das StaRUG-Verfahren nach hier vertretener Auffassung aufbaut, beachtet wird. Neben den bisher untersuchten Vereinbarungen gibt es eine zweite Art von RSA. In diesen gewährt die Schuldnerin den Gläubigern im Laufe des Verfahrens bestimmte Zahlungen. Hierzu zählen z. B. Gebühren für die Unterzeichnung des RSA, die Übernahme von Rechtsanwalts- und Beraterkosten oder eine Entschädigung dafür, dass die Gläubiger darauf verzichten, ihre Forderungen im Laufe des Verfahrens abzutreten oder bestimmte Rechte geltend zu machen. Außerdem sucht die Schuldnerin häufig (nur) die Unterzeichner eines RSA als künftige Anteilsinhaber, Geldgeber oder Lieferanten aus. In einer weiteren Variante werden auch Zahlungen zwischen den Planbetroffenen selbst in das RSA aufgenommen. All diese zahlungsbezogenen Abreden und Nebenabsprachen (auch Side-Deals2473) können in Konflikt mit den Verteilungsregeln des Gesetzes geraten. In den USA wurden die Verteilungsregeln – wie oben beschrieben – gerade als Regulierung der als zu groß und zu missbrauchsanfällig empfundenen Vertragsfreiheit im Equity-ReceivershipVerfahren eingeführt.2474 Die Frage, inwieweit solche mit monetären Vorteilen verbundenen RSA zulässig sind, ist in den USA ungeklärt.2475 Bei der Beantwortung dieser Frage muss differenziert werden, ob die Nebenabsprachen zwischen der Schuldnerin und einzelnen
2473
Vgl. zum Begriff: Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 601. Vgl. dazu oben bei Fn. 467 ff.; Adler/Casey/Morrison, Baird & Jackson’s Bankruptcy, S. 787 ff. 2475 Vgl. allgemein zu Side-Deals: Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 601; speziell: Skeel 130 Yale L. J. 366 ff. (2020) vs. Janger/Levitin, 13 Brook. J. Corp. Fin. & Com. L. 169 (2018); Janger/Levitin, Yale L. J. Forum, 335, 337 in Fn. 7 (2020); jüngst auch Lubben, 96 Am. Bankr. L. J. 1 ff. (Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz durch den Einsatz von RSA?). 2474
§ 1 Gleichbehandlungsgrundsatz
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Planbetroffenen2476 oder zwischen den Planbetroffenen untereinander2477 getroffen werden. In diesem fünften Kapitel sollen diese Nebenabsprachen genauer auf ihre Vereinbarkeit mit den Verteilungsregeln geprüft werden.
§ 1 Gleichbehandlungsgrundsatz Die erste Verteilungsregel, welche durch das StaRUG aufgestellt wird, ist der Gleichbehandlungsgrundsatz. Zahlreiche Vereinbarungen in einem RSA oder in Zusammenhang mit einem RSA könnten gegen diesen Grundsatz verstoßen.2478
A. Zweck des Gleichbehandlungsgrundsatzes Bevor auf die einzelnen Problemkonstellationen eingegangen wird, muss in einem ersten Schritt festgestellt werden, warum das Gesetz überhaupt Verteilungsregeln aufstellt2479 und was diese bewirken sollen. Mit Verteilungsregeln sind speziell die absolute Vorrangregel (§ 27 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG), der Gleichbehandlungsgrundsatz innerhalb einer Gruppe (§ 10 Abs. 1 StaRUG) und der (aufgelockerte) Gleichbehandlungsgrundsatz zwischen Gruppen gemeint (§ 27 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG). Die Frage nach dem Zweck der Verteilungsregeln ist von großer Bedeutung. Sie schränken die Verhandlungen zwischen den Parteien und somit die Privatautonomie ein.2480 Nur anhand des Zwecks der Verteilungsregeln kann bestimmt werden, wie weit diese Einschränkungen reichen und ob in Grenzfällen ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz oder die Vorrangregel gegeben ist. Auch bei der Beantwortung der Frage, ob eine unzulässige Umgehung der Verteilungsregeln durch Nebenabsprachen vorliegt, kommt es entscheidend auf den Zweck2481 der Verteilungsregeln an. Umgehungsgeschäfte sind nicht per se unzulässig,2482 sondern nur, wenn ein vom Gesetz missbilligter Erfolg herbeigeführt 2476
Hierzu insbesondere: Skeel, 130 Yale L. J. 366 ff. (2020). Dazu: Groh, Stimmvereinbarungen, 71 ff.; 111 ff. 2478 Vgl. Lubben, 96 Am. Bankr. L. J. 1 ff., insb. 21 (2022) („Hidden in all the nooks and crannies of the RSA is a generalized assault on section 1123(a)(4) [Gleichbehandlungsgrundsatz].“). 2479 Zur historischen Entwicklung in den USA vgl. Adler/Casey/Morrison, Baird & Jackson’s Bankruptcy, S. 787 (2020). 2480 Vgl. zu den USA: Adler/Casey/Morrison, Baird & Jackson’s Bankruptcy, S. 790 (2020) („[T]he reformers put in place a rigid set of distributional rules. […] For these reasons, bargaining among the parties lacks the many degrees of freedom […].“). 2481 Dazu, dass es bei der Frage, ob ein Umgehungsgeschäft vorliegt, auf den Zweck des Verbotsgesetzes ankommt: MüKoBGB/Armbrüster, § 134 Rn. 24. 2482 RG, Urt. v. 1. 6. 1937 – VII 15/37, RGZ 155, 138, 146 („Gewiß werden auch nach solch geläutertem Rechtsempfinden keineswegs alle Rechtsgeschäfte, bei denen ein an sich zuläs2477
344
Kap. 5: RSA im Konflikt mit Verteilungsregeln
werden soll.2483 In diesem Abschnitt wird speziell der Gleichbehandlungsgrundsatz beleuchtet. Im nächsten Abschnitt (§ 2) wird die absolute Vorrangregel untersucht. I. Meinungsstand Worin die innere Rechtfertigung der Gleichbehandlungspflicht in einem Insolvenzverfahren liegt, ist ungeklärt.2484 Zunächst wird die friedensstiftende Wirkung der Gleichbehandlung betont.2485 Dem ist allerdings zu widersprechen. Dass die innere Sicherheit gefährdet wäre, wenn der Gleichbehandlungsgrundsatz abgeschafft würde, ist fernliegend.2486 In einer Restrukturierung kommt diesem Aspekt außerdem nicht die gleiche Bedeutung zu wie im Regelinsolvenzverfahren. Im Restrukturierungsverfahren dürfte ohnehin schon deshalb für Frieden gesorgt sein, weil ohnehin kein Gläubiger schlechtergestellt werden darf als im nächstbesten Alternativszenario (§ 64 Abs. 1 StaRUG). Der Grundsatz der Gleichbehandlung wird auch im Insolvenzrecht als Ausfluss des allgemeinen verfassungsrechtlichen Gleichheitsgebots angesehen.2487 Diese These überzeugt aber ebenfalls nicht.2488 Grundrechte sind Abwehrrechte gegenüber dem Staat und binden Private im Grundsatz nicht.2489 Zudem kann der Grundsatz der Gleichbehandlung im Insolvenzrecht historisch aus dem römischen Konkursrecht hergeleitet werden und hat mit Grundrechten somit nichts zu tun.2490 Eine weitere Ansicht stellt schlicht auf den Willen des Gesetzgebers ab.2491 Dies erklärt allerdings den Normzweck nicht. Diese Ansicht beschreibt nur den Norminhalt, ohne einen Grund für die Gleichbehandlung anzuführen. Bei vielen Praxisproblemen kann ein zweckentleerter Ansatz keine Hilfestellung für eine Lösung leisten.2492
siger wirtschaftlicher Erfolg anstatt durch das (näherliegende, aber) verbotene Mittel durch ein gesetzlich statthaftes Rechtsgeschäft von anderer Form erzielt wird, als gegen ein Gesetzesverbot verstoßend und deshalb nichtig angesehen werden können.“). 2483 MüKoBGB/Armbrüster, § 134 Rn. 19, 24. 2484 Bachmann, ZHR 170 (2006), 144, 156; Überblick bei Foerste, Insolvenzrecht, § 1 Rn. 11 f.; Groh, Stimmvereinbarungen, S. 114. 2485 Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 2.01 ff.; kritisch: Foerste, Insolvenzrecht, § 1 Rn. 11 („Die innere Sicherheit stand bei uns nie ernstlich in Frage.“). 2486 Vgl. auch Foerste, Insolvenzrecht, § 1 Rn. 11. 2487 FK-InsO/Jaffé, § 226 Rn. 1 (Ausfluss des verfassungsrechtlichen Gleichheitsgebots aus Art. 3 GG); ähnlich HambKomm-InsO/Thies/Lieder, § 226 Rn. 1 („allgemeine[r] Rechtsgrundsatz, der aus Art. 3 GG entspringt“); Jaeger-InsO/Münch, § 226 Rn. 1. 2488 Knospe, ZInsO 2014, 861, 862 f. 2489 Knospe, ZInsO 2014, 861, 862. 2490 Ausführlich: Knospe, ZInsO 2014, 861 f. 2491 Foerste, Insolvenzrecht, § 1 Rn. 11. 2492 In anderem Zusammenhang, Scholz/Bitter, Anh. § 64 Rn. 27.
§ 1 Gleichbehandlungsgrundsatz
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Nach h. M. soll mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz ein allgemein anerkannter Gerechtigkeitsgedanke verfolgt werden.2493 Der Gleichbehandlungsgrundsatz wird darüber hinaus auch im Zusammenhang mit der Abstimmung gesehen: Nur wenn die Interessen der Beteiligten gleichermaßen gewahrt werden, habe die Bindung durch eine Abstimmung ihre Legitimation.2494 Beide Aspekte gilt es näher zu untersuchen. II. Verteilungsgerechtigkeit Wird der insolvenzrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz als Teil der austeilenden Gerechtigkeit bzw. der Verteilungsgerechtigkeit (Iustitia distributiva2495) betrachtet, muss bestimmt werden, was überhaupt zu verteilen ist.2496 In diesem Zusammenhang ergibt sich für den Gleichbehandlungsgrundsatz in einer Restrukturierung ein eingeschränkter Zweck. Dieser liegt darin, dem einzelnen Gläubiger bzw. der einzelnen Gläubigergruppe in der konkreten Situation einen fairen Anteil am zu verteilenden schuldnerischen Vermögen zu sichern. Klauseln in RSA, welche dem jeweiligen Gläubiger einen je rechtmäßigen Anteil belassen, dürften unter teleologischen Gesichtspunkten unkritisch sein. Zahlungen, durch welche das zu verteilende Vermögen erst geschaffen wird, wären ebenfalls zulässig. Sie könnten allenfalls eine Pflichtverletzung des Planerstellers darstellen, wenn dieser sich bei der Notwendigkeit der Zahlung zur Schaffung des Planmehrwerts irrt bzw. verspekuliert. Unter diesen Gesichtspunkten erscheint die Erstattung bestimmter Gebühren im Hinblick auf die Verteilungsregeln möglich, wenn sie zur Schaffung des Mehrwerts notwendig waren. Es wäre auch unproblematisch, wenn Dritte einzelnen Planbetroffenen weitere Zuwendungen machen, weil hierbei das zu verteilende schuldnerische Vermögen überhaupt nicht betroffen ist. Dies gilt auch, wenn die Planbetroffenen untereinander den Restrukturierungsgewinn weiterreichen und umverteilen, solange dieser in einem ersten Schritt entsprechend der Verteilungsregeln verteilt worden ist. Eine weitergehende Deutung würde die Privatautonomie zwischen den Beteiligten einschränken.2497
2493
FK-InsO/Jaffé, § 226 Rn. 1 („Erfordernis der Billigkeit und Gerechtigkeit“); vgl. auch Nerlich/Römermann/Westphal, 43. EL Mai 2021, § 187 Rn. 2 („Eines der herausragenden Ziele einer jeden Konkurs- oder Insolvenzordnung ist es, für eine möglichst große Verteilungsgerechtigkeit zu sorgen.“); vgl. auch die Nachweise bei Foerste, Insolvenzrecht, § 1 Rn. 11. 2494 FK-InsO/Jaffé, § 226 Rn. 1; ähnlich: Tasma, in: Flöther, StaRUG, § 10 Rn. 1 („Voraussetzung für die Entscheidung über die Planannahme in Gruppen auf Grundlage des Mehrheitsprinzips“). 2495 Überblick m. w. N. bei: Canaris, Iustitia Distributiva, S. 3 ff. 2496 Vgl. Canaris, Iustitia Distributiva, S. 3, 45 [16]. 2497 Vgl. KPB-InsO/Pleister, § 245 Rn. 35 (zur Vorrangregel).
346
Kap. 5: RSA im Konflikt mit Verteilungsregeln
III. Absicherung des Mehrheitsprinzips Sowohl in der deutschen als auch in der US-Literatur gibt es verschiedene Aussagen, wonach der Gleichbehandlungsgrundsatz und die Vorrangregel nicht nur sicherstellen sollen, dass ein Gläubiger fair am Restrukturierungsgewinn beteiligt wird. Vielmehr können verschiedene Aussagen dahingehend gedeutet werden, dass die Normen die spätere Abstimmung schützen sollen. Die KO bestimmt für den Zwangsvergleich in § 181, dass der Vergleich allen nicht bevorrechtigten Konkursgläubigern gleiche Rechte gewähren muss. Als Zweck der Vorschrift wurde herausgearbeitet, dass die „Vorbestimmung des Abstimmungsverhaltens der Gläubiger durch Zuordnung unterschiedlicher Quoten“ verhindert werden soll.2498 Das Mehrheitsprinzip fordere als Rechtfertigung den Gleichbehandlungsgrundsatz.2499 Dieser Gedanke wird auch im Gesellschaftsrecht ins Feld geführt. Für Gesellschafterbeschlüsse wird argumentiert, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz hier zu einer Richtigkeitsgewähr führe:2500 Wenn die Mehrheit für sich selbst das gleiche Ergebnis akzeptieren kann, das sie der Minderheit zumute, sei das ein Beleg für eine richtige Entscheidung.2501 Bei einer gleichen Betroffenheit wären ausbeuterische Strategien für die Mehrheit sinnlos. Alle würden im selben Boot sitzen.2502 Unter diesem Gesichtspunkt dürfte die Bezahlung bestimmter Gebühren an die Schlüsselgläubiger und an die sich dem RSA anschließenden Gläubiger kritischer zu sehen sein. Gleiches müsste gelten, wenn Parteien erst dann als künftige Geldgeber oder Lieferanten ausgesucht werden, wenn sie das RSA unterzeichnet und sich einer Stimmbindung unterworfen haben. Zuwendungen zwischen den Planbetroffenen wären ebenfalls problematisch. Sie können das Abstimmungsergebnis verfälschen. IV. Absicherung des Verhandlungsprinzips In den USA wurde jüngst die Ansicht vertreten, dass der Sinn und Zweck der Verteilungsregeln darin liege, einen ordentlichen Verhandlungsprozess zu ermöglichen:2503 Hierzu sei eine strenge Auslegung des Grundsatzes nicht nötig; Ausnahmen könnten zulässig sein. Es komme im Ergebnis jeweils darauf an, ob der Verhandlungsprozess untergraben oder unlauter beeinflusst werde.2504 Viele Leis2498
Kropshofer, in: Hess/Kropshofer, § 181 Rn. 1. Tasma, in: Flöther, StaRUG, § 10 Rn. 1; Kropshofer, in: Hess/Kropshofer, § 181 Rn. 1; zur InsO: Jaeger-InsO/Münch, § 226 Rn. 2, 34; FK-InsO/Jaffé, § 226 Rn. 1; in diese Richtung auch RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 92. 2500 Fastrich, Funktionales Rechtsdenken, S. 21; Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, S. 56. 2501 Groh, Stimmvereinbarungen, S. 122. 2502 Fastrich, Funktionales Rechtsdenken, S. 20. 2503 Baird, The Unwritten Rules, S. 178 („[B]ut what matters most with distributional rules are not so much that they bring about any particular distribution, but rather that they facilitate bargaining.“). 2504 Baird, The Unwritten Rules, S. 178. 2499
§ 1 Gleichbehandlungsgrundsatz
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tungen in RSA dienen z. B. dazu, die Beteiligten erst an den Verhandlungstisch zu bringen und sie von einer Veräußerung ihrer Forderung abzuhalten. V. Stellungnahme Die unterschiedlichen Deutungen haben erhebliche Auswirkungen darauf, wie einzelne Streitfragen in Bezug auf den Gleichbehandlungsgrundsatz zu lösen sind. Fraglich ist also, welchen Zweck die Verteilungsregeln verfolgen. Die besseren Argumente sprechen für eine restriktive Auslegung des Gleichbehandlungsgrundsatzes. Zunächst sind solche Zahlungen, die zur Schaffung des Planmehrwerts notwendig sind, nicht am Gleichbehandlungsgrundsatz zu messen, sondern nur im Rahmen der Business Judgment Rule der Schuldnerin bzw. ihres Managements. Die Planbetroffenen sind hier schon ausreichend durch mögliche Schadenersatzansprüche geschützt. Jeder Gläubiger würde durch eine extensive Auslegung des Gleichbehandlungsgrundsatzes eine ungerechtfertigte „Veto“-Position erhalten, auch wenn er durch den Plan insgesamt nicht schlechtersteht als ohne den Plan.2505 Sogar wenn seine Forderung völlig wertlos und out of the money wäre, könnte der Gläubiger sich beschweren, wenn ein anderer Gläubiger von einem Dritten oder einem SeniorGläubiger eine Zuwendung erhält.2506 Ziel des StaRUG ist es allerdings gerade, Blockadepositionen zu verhindern, nicht sie zu schaffen.2507 Verhandlungen und die Koalitionsbildung zwischen den Planbetroffenen ex post könnten bei einer extensiven Auslegung des Gleichbehandlungsgrundsatzes erschwert werden, obwohl diese wichtig für das Unternehmen und den Erfolg der Restrukturierung sein können.2508 Historisch hat die Bedeutung des Grundsatzes der Gläubigergleichbehandlung bei der Einführung des Insolvenzplanverfahrens eine erhebliche Einschränkung erfahren.2509 Der Vergleich nach der VglO war als reiner Mehrheitsbeschluss aller Beteiligten ausgestaltet, sodass hier der Gleichbehandlungsgrundsatz von erheblicher Bedeutung war.2510 Der Insolvenzplan und der StaRUG-Plan leben dagegen von
2505
Nerlich/Römermann/Braun, 37. EL. Oktober 2018, § 222 Rn. 53a. Vgl. in ähnlichem Zusammenhang zur APR: Baird/Jackson, 55 U. Chi. L. Rev. 738, 776 (1988); das Argument ist allerdings übertragbar. 2507 In anderem Zusammenhang: Skauradszun/Amort, DB 2021, 1317, 1321. 2508 Vgl. in ähnlichem Zusammenhang zur APR: Baird/Jackson, 55 U. Chi. L. Rev. 738, 764 (1988); das Argument ist allerdings übertragbar. 2509 Jaeger-InsO/Münch, § 226 Rn. 5 ff. 2510 Jaeger-InsO/Münch, § 226 Rn. 6. 2506
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Differenzierungen, um ein möglichst gutes Ergebnis für alle realisieren zu können.2511 Der Gleichbehandlungsgrundsatz hat in der Liquidation2512 eine andere Bedeutung als bei einem Insolvenzplan.2513 Ein Plan ziele auf ein ökonomisches Maximum ab. Er sei immer schon dann gerechtfertigt, wenn mindestens ein Beteiligter bessersteht und die übrigen Beteiligten nicht schlechterstehen.2514 Um dieses Ziel zu erreichen, sei ein Höchstmaß an Differenzierung der Planwirkungen nötig.2515 Hierbei ist der Gleichbehandlungsgrundsatz eher schädlich. Der Gleichbehandlungsgrundsatz sei ein Element verdeckter Regulierung.2516 Es steht im Konflikt mit dem Ziel der InsO in Bezug auf wirtschaftlich optimale Masseverwertung durch größtmögliche Flexibilität bei der Differenzierung der Planwirkungen.2517 Dies spricht für eine einschränkende Auslegung des Gleichbehandlungsgrundsatzes. Dies gilt umso mehr, wenn man – wie Balz – das Mehrheitsprinzip nur dann als gerechtfertigt ansieht, wenn es eine marktkonforme Entscheidungsstruktur fördert.2518 Die geringe Bedeutung der Gleichbehandlung kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass es sich beim StaRUG um ein teilkollektives Verfahren handelt. Einem solchen sind Ungleichbehandlungen immanent.2519 Durch die Auswahl der Planbetroffenen und die Gruppenbildung sind Ungleichbehandlungen im Verfahren schlicht angelegt.2520 Mehrheitsentscheidungen werden in der Restrukturierungsverhandlung auch schon durch das Schlechterstellungsverbot legitimiert.2521 Jeder Planbetroffene kann nach § 64 Abs. 1 StaRUG verlangen, nicht schlechtergestellt zu werden, als er ohne Plan stünde. Der Gleichbehandlungsgrundsatz und die absolute Vorrangregel betreffen nur noch die „Feinsteuerung“2522 und dieser Feinsteuerung sollte kein Funktionsschutz zugesprochen werden. Für die absolute Vorrangregel wurde sogar explizit erklärt, dass sie nur betroffen sei, wenn es um den Planmehrwert (Restrukturierungsgewinn) geht, weil die Position, welche im nächstbesten Alterna-
2511 Vgl. Jaeger-InsO/Münch, § 226 Rn. 4, 10 f.; Nerlich/Römermann/Braun, 37. EL Oktober 2018, § 222 Rn. 53 ff. 2512 Balz spricht synonym vom Konkurs. 2513 Balz, ZIP 1988, 273, 278; RegE-InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 93. 2514 Balz, ZIP 1988, 273, 278. 2515 Balz, ZIP 1988, 273, 278. 2516 Balz, ZIP 1988, 273, 278. 2517 BT-Drucks. 12/2443, S. 92. 2518 Balz, ZIP 1988, 273, 278; vgl. auch Balz/Landfermann, Die neuen Insolvenzgesetze, Einleitung, XLV. 2519 Grundlegend zum englischen Recht: Paterson/Walters, Working Paper, S. 1 ff. 2520 HambKomm-StaRUG/Martini, § 10 Rn. 9. 2521 In diese Richtung: Balz, ZIP 1988, 273 277 f.; Balz, in: Kölner Schrift zur InsO, S. 3, 6 f. 2522 Zur Priority Rule: Madaus, Working-Paper 2019 – 08, S. 12.
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tivszenario eintreten würde, schon durch das Schlechterstellungsverbot gesichert sei.2523 Diese Argumentation dürfte auch für die Gleichbehandlungsgebote zutreffen. Darüber hinaus ist § 63 Abs. 4 StaRUG der bessere Anknüpfungspunkt, um Mehrheitsentscheidungen zu schützen. Demnach ist die Planbestätigung zu versagen, wenn sie unlauter, insbesondere durch Begünstigung eines Planbetroffenen herbeigeführt worden ist. Im Rahmen dieser Vorschrift muss das Gericht stets prüfen, ob eine „Begünstigung“ für die Annahme des Plans auch „kausal“ war.2524 Ob eine Zahlung „unlauter“ ist, unterliegt ebenfalls einer Wertung.2525 Die Offenlegung eines Vorteils spricht beispielsweise gegen Unlauterkeit.2526 Diese Norm bietet den Gerichten mehr Flexibilität im Zusammenhang mit dem Funktionsschutz. Außerdem ist der Interessengleichlauf, welcher bei Gesellschaftern häufig vorliegen dürfte, bei Gläubigern nicht in gleicher Weise gegeben. Deshalb kann das Argument, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz im Gesellschaftsrecht zur Richtigkeitsgewähr beiträgt, nicht blind auf die Restrukturierung übertragen werden.2527 Planbetroffene haben häufig unterschiedliche Interessen,2528 auch wenn ihre Forderungen den gleichen Rang haben und sie zusammengruppiert werden. Die Annahme, dass die Gläubiger gleichgerichtete Interessen verfolgen, trifft bei komplexen Kapitalstrukturen nicht zu2529 und die Gleichrichtung ihrer Interessen kann auch durch eine formale Gleichbehandlung nicht geschaffen werden. Allein schon die Wahl des Restrukturierungskonzepts kann für eine Minderheit nachteilig sein, ohne 2523 K. Schmidt/Spliedt, § 245 Rn. 21; HK-InsO/Haas, § 245 Rn. 20; MüKoInsO/ Drukarczyk/Schüler, § 245 Rn. 18 ff.; auch der RegE-InsO BT-Drucks. 12/2443, S. 208 ordnet § 245 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 dem „Mehrwert“ zu. 2524 Vgl. KPB-InsO/Pleister, § 250 Rn. 15; Braun-StaRUG/Fendel, § 63 Rn. 17. 2525 Vgl. dazu z. B. Nerlich/Römermann/Braun, 36. EL Juni 2018, § 250 Rn. 13 („Alle Sachverhalte des Stimmkaufs und von ,side deals‘ sind, wenn sie im Plan offengelegt werden, nicht (mehr) problematisiert. Kein Gläubiger ist dann darüber getäuscht, wie es ggf. zu Zustimmungen kam. […] Unlauter ist nur der Eindruck für die übrigen Gläubiger, die Erwerber werden gleich behandelt, bzw. ihre Rechtsvorgänger werden wie sie behandelt.“); FK-InsO/ Jaffé, § 250 Rn. 15. 2526 Vgl. die Nachweise in Fn. 2525. 2527 So auch Groh, Stimmvereinbarungen, S. 123 f. 2528 Groh, Stimmvereinbarungen, S. 123 f. 2529 Zum US-Recht: Baird/Rasmussen, 119 Yale L. J. 648, 657 (2010) („This approach – one that assumes common interests among dispersed creditors – fits awkwardly with what we find today. By the time of the bankruptcy, unsecured claims are in the hands of distressed debt professionals. They often hold complicated positions, combining ordinary claims with derivative instruments. They pursue their own agendas.“); Paterson, Corporate Reorganization („In past eras, banks and public bondholders largely pursued homogeneous investment strategies, and thus shared the same concerns in default. Today, financial creditors may have very different objectives for the reorganization, depending on which parts of the capital structure they are invested in, and their overall strategy for the trade. This leads to the problem of conflicted voting, in which financial creditors are not voting on the basis of the investment decision for the particular debt security or loan. Rather, the financial creditors are motivated by another position which they have in the debtor’s capital structure; or another investment opportunity which they can see; or a position which they are developing in a competitor’s capital structure.“).
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dass es in der Verteilungsphase zu einer Ungleichbehandlung kommen muss.2530 Dass der Gleichbehandlungsgrundsatz eine Richtigkeitsgewähr für die Restrukturierung darstellen soll, wird deshalb auch in der Literatur bezweifelt.2531 Schließlich ist auch das Prinzip der kollektiven Gläubigerautonomie im StaRUGVerfahren nicht so stark ausgeprägt wie in der InsO. Die „Gläubigerautonomie“ muss also nicht in gleichem Maße geschützt werden wie im Insolvenzverfahren.2532 Im Ergebnis entscheidet im StaRUG-Verfahren nicht mehr die „Gläubigerversammlung“ über das „Ob“ der Restrukturierung. Diese Frage wird in Grenzfällen durch den Planersteller im Rahmen der Gruppenbildung vorbestimmt und schlussendlich durch das Gericht entschieden. Bei der Abstimmung der Gläubiger geht es in erster Linie nur noch um die Verteilung des Restrukturierungsgewinns. Insgesamt sprechen somit die besseren Argumente für eine einschränkende Auslegung des Gleichbehandlungsgrundsatzes in einer Restrukturierung. Damit entsteht Raum für privatautonome Absprachen im Rahmen eines RSA.
B. Gleichbehandlungsgrundsatz innerhalb einer Gruppe Nachdem im vorstehenden Abschnitt für eine einschränkende Auslegung des Gleichbehandlungsgrundsatzes plädiert worden ist, soll nun geprüft werden, ob verschiedene Vorgehensweisen im Zusammenhang mit einem RSA gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen. Innerhalb einer Gläubigergruppe sind allen Gläubigern gleiche Rechte anzubieten. Dies gilt sowohl im Chapter 11-Verfahren als auch nach der InsO und dem StaRUG (11 U.S.C. § 1123 (a) (4), § 226 Abs. 1 InsO und § 10 Abs. 1 StaRUG). Gegen diese Vorgabe könnten zahlreiche Regelungen in einem RSA verstoßen. I. Zuteilung unterschiedlicher Rechte an Parteien des RSA Fraglich ist, ob den Parteien des RSA im Plan bessere Rechte zugeteilt werden dürfen als den übrigen Gläubigern. Es ist umstritten, welchen Inhalt der Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 226 Abs. 1 InsO bzw. 10 Abs. 1 StaRUG hat. Eine Ansicht fordert, dass die Parteien, die in einer Gruppe zusammengefasst werden, wirtschaftlich gleichbehandelt werden.2533 Diese Sicherweise entsprach auch dem Gleichbehandlungsgebot der KO und der VglO.2534 Den Parteien könnten demnach 2530
Groh, Stimmvereinbarungen, S. 124. Groh, Stimmvereinbarungen, S. 123 f. 2532 Vgl. dazu bei Fn. 1751 und 1881. 2533 Kowalewski/Praß, in: Morgen, StaRUG, § 10 Rn. 10; MüKoInsO/Breuer, § 226 Rn. 8; Braun-InsO/Braun/Frank, § 226 Rn. 6; A/G/R/Sicher, § 226 Rn. 5; i. E. auch Nerlich/Römermann/Braun, 37. EL Oktober 2018, § 226 Rn. 5 f. 2534 Jaeger-InsO/Münch, § 226 Rn. 6, 13. 2531
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formal unterschiedliche Rechte zugeteilt werden, solange eine rechnerische Bewertung ergibt, dass die Parteien wirtschaftlich im Ergebnis gleichbehandelt werden.2535 Eine andere Ansicht fordert, dass den Parteien, die in einer Gruppe zusammengefasst sind, formal die gleichen Rechte zugeteilt werden müssen.2536 Hierfür spreche der Wortlaut („gleiche Rechte“) und die Schwierigkeit, eine Gleichbehandlung aufgrund von Berechnungen feststellen zu können.2537 Gegen die materielle Sicht spreche das systematische Argument, dass unterschiedliche Gruppen gebildet werden können, wenn formal unterschiedliche Rechte verteilt werden.2538 Hierin liege gerade ein Vorteil der Gruppenbildung: die gesetzliche Auflockerung des Grundsatzes der Gleichbehandlung innerhalb einer Gruppe.2539 Wenn den Gläubigern formal unterschiedliche Rechte gewährt werden, sei die Zustimmung der benachteiligten Gläubiger oder eine separate Gruppenbildung notwendig.2540 Umstritten ist (auch innerhalb der Ansicht, die wirtschaftliche Gleichbehandlung fordert2541), was gilt, wenn den Parteien formal gleiche Rechte zugeteilt werden, sie materiell allerdings unterschiedlich betroffen sind. Beispiel hierfür ist die Gesellschaftergruppe im Suhrkamp-Insolvenzplan. Allen Gesellschaftern der umzuwandelnden KG wurden formal die gleichen Rechte (Aktien) zugeteilt. Der Minderheitsgesellschafter verlor durch die Umwandlung in eine AG allerdings seine VetoRechte in der KG und war somit materiell stärker betroffen.2542 Vertreter der formalen Sichtweise sehen hier keine Ungleichbehandlung, weil den Gruppenangehörigen gleiche Rechte angeboten worden sind.2543 Es liege keine Ungleichbehandlung vor, wenn der Planvollzug unterschiedliche Auswirkungen auf einzelne Gruppenmitglieder haben würde.2544 Dann sei ein reiner Rechtsreflex gegeben.2545 Ein Vertreter aus der Literatur, der wirtschaftliche Gleichheit fordert, ist ebenfalls der Ansicht, dass im konkreten Beispiel keine Ungleichbehandlung gegeben sei, weil auch nach ihm Anknüpfungspunkt der Gleichbehandlung die quotale Kapitalbeteiligung sei.2546 2535
Nerlich/Römermann/Braun, 37. EL Oktober 2018, § 226 Rn. 5. Jaeger-InsO/Münch, § 226 Rn. 14; HambKomm-StaRUG/Martini, § 10 Rn. 6; Tasma, in: Flöther, StaRUG, § 10 Rn. 2; Uhlenbruck-InsO/Lüer/Streit, § 226 Rn. 3 ff.; Nerlich/Römermann/Ober, 43. EL Mai 2021, § 226 Rn. 3; HK-InsO/Haas, § 226 Rn. 2; HambKomm-InsO/Thies/Lieder, § 226 Rn. 2; K. Schmidt InsO/Spliedt, § 226 Rn. 2. 2537 Uhlenbruck-InsO/Lüer/Streit, § 226 Rn. 3; Nerlich/Römermann/Ober, 43. EL Mai 2021, § 226 Rn. 3; HK-InsO/Haas, § 226 Rn. 2. 2538 HambKomm-InsO/Thies/Lieder, § 226 Rn. 2; Jaeger-InsO/Münch, § 226 Rn. 13. 2539 Vgl. Rüve, Mehrheitsbeschaffung, S. 9, 47. 2540 Uhlenbruck-InsO/Lüer/Streit, § 226 Rn. 3. 2541 Vgl. MüKoInsO/Breuer, § 226 Rn. 8. 2542 Madaus, ZIP 2014, 500, 506. 2543 Uhlenbruck-InsO/Lüer/Streit, § 226 Rn. 3 f. 2544 HK-InsO/Haas, § 226 Rn. 2. 2545 Nerlich/Römermann/Ober, 43. EL Mai 2021, § 226 Rn. 3, 5. 2546 MüKoInsO/Breuer, § 226 Rn. 8. 2536
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Andere argumentieren, dass formale Gleichheit allein nicht ausreichend sei und daneben gleichzeitig materielle Gleichheit gefordert werden müsse, sodass im genannten Beispiel unterschiedliche Gruppen hätten gebildet werden müssen.2547 Die Ansicht, dass die in einer Gruppe zusammengefassten Gläubiger sowohl formell als auch materiell gleichbehandelt werden müssen, ist abzulehnen. Es ist hinzunehmen, dass es das Gesetz im Rahmen der Gruppenbildung zulässt, dass Gläubiger mit unterschiedlichen Interessen zusammengruppiert werden. Würde verlangt, dass diese Gläubiger stets formell und materiell gleich von einer Plangestaltung betroffen sind, würde diese gesetzgeberische Wertung umgangen. Minderheitenschutz sollte hier über § 63 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 4 StaRUG bzw. über § 250 Nr. 1 und Nr. 2 InsO hergestellt werden. Insgesamt ist der Ansicht zu folgen, welche eine lediglich wirtschaftliche Gleichbehandlung innerhalb der Gruppen fordert. Zwar spricht der Wortlaut der Norm eher für eine formale Betrachtungsweise. Allerdings spricht die historische Auslegung für die wirtschaftliche Bewertung, weil auch die §§ 181 Abs. 1 Satz 1 KO und 8 Abs. 1 VglO so ausgelegt wurden.2548 Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber durch Einführung der Gruppenbildung die schon in der KO und VglO möglichen Differenzierungsmöglichkeiten begrenzen wollte. Vielmehr wurde ein „Höchstmaß“ an Flexibilität gefordert.2549 Die oben aufgezeigten Argumente, welche für eine einschränkende Auslegung des Gleichbehandlungsgrundsatzes sprechen, können auch hier fruchtbar gemacht werden. Auf sie sei an dieser Stelle verwiesen. Der Mehrwert der Gruppenbildung liegt darin, dass die Gruppen untereinander wirtschaftlich unterschiedlich behandelt werden können, solange jede Gruppe mehrheitlich zustimmt. Bei § 226 Abs. 2 InsO, § 10 Abs. 2 StaRUG müssten alle Gläubiger, die wirtschaftlich schlechterstehen, zustimmen. Als Ergebnis kann mithin festgehalten werden, dass den planbetroffenen Gläubigern durchaus verschiedene Rechte zugeteilt werden können, solange sie wirtschaftlich gleichbehandelt werden. II. Doppelrolle Fraglich ist, ob ein Planersteller gegen den Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung verstößt, wenn er den Gläubigern, mit denen er ein RSA geschlossen hat, in einer anderen Eigenschaft als der eines planbetroffenen Gläubigers bestimmte Vorteile gewährt. Die Vertragsparteien des RSA werden z. B. häufig als neue Investoren bei einer Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluss ausgewählt, wobei die Anteile dort günstig gezeichnet werden können.2550 Daneben werden die Ver2547 2548 2549 2550
Madaus, ZIP 2014, 500, 506. Zur Auslegung der Normen: Jaeger-InsO/Münch, § 226 Rn. 6. Vgl. oben bei Fn. 2517. Vgl. In re Peabody Energy Corp., 582 B.R. 771 ff. (E.D.Mo. 2017).
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tragsparteien des RSA häufig als Vertragspartner für einen Überbrückungskredit ausgewählt, für welchen vorteilhafte Konditionen gewährt werden.2551 1. Chapter 11 Das Gleichbehandlungsgebot in 11 U.S.C. § 1123 (a) (4) stößt im Chapter 11Verfahren an seine Grenzen, wenn einzelne Gläubiger eine „Doppelrolle“ in der Restrukturierung wahrnehmen. Es wurde argumentiert, dass die Vorschrift nur die unterschiedliche Behandlung von Forderungen einer Klasse, nicht hingegen die unterschiedliche Behandlung von Gläubigern per se betrifft.2552 Wenn einige AltGläubiger der Schuldnerin eine neue Finanzierung bereitstellen und sich diesen Service bezahlen ließen, sei der Grundsatz der Gleichbehandlung nicht betroffen.2553 Die Alt-Gläubiger erhalten die Vorteile dann in ihrer Eigenschaft als neue Investoren.2554 In der Literatur heißt es dazu: „Overall, we see the frequent use of new financing as the basis for providing different treatment to existing stakeholders.“2555 2. StaRUG Fraglich ist, ob es in Deutschland ebenfalls nur auf die Gleichbehandlung der Gläubigerforderungen oder aber auf die Gleichbehandlung der Gläubiger ankommt. Zu prüfen ist also der Bezugspunkt einer Ungleichbehandlung. Dieser Gesichtspunkt wird in der Literatur bislang nicht eindeutig aufgegriffen. Es wird aber formuliert, dass es bei der Beurteilung der Ungleichbehandlung auf die „Quotenausschüttung“ ankomme.2556 Es spricht vieles dafür, dass diese Ansicht den Bezugspunkt des § 226 Abs. 1 InsO in der konkreten Forderung eines Gläubigers verortet. Ein Verzicht auf ein Anfechtungsrecht zugunsten eines Insolvenzgläubigers soll auch keine Ungleichbehandlung i. S. d. § 226 Abs. 1 InsO gegenüber anderen Insolvenzgläubigern darstellen.2557 Zwar würden dadurch einige Gläubiger im Vergleich zu jenen begünstigt, die von vorneherein keiner Anfechtungsgefahr ausgesetzt sind. Allerdings 2551 Vgl. z. B. Re Stripes US Holdings Inc, 2018 WL 06312999 (Rn. 22 ff.) („[T]he right to participate in the exit facility is only available to those creditors who have signed up to the lockup agreement.“). 2552 In re Peabody Energy Corp., 582 B.R. 771, 781 (E.D.Mo. 2017). 2553 In re Peabody Energy Corp., 582 B.R. 771, 781 f. (E.D.Mo. 2017). 2554 In re Peabody Energy Corp., 582 B.R. 771, 781 (E.D.Mo. 2017) [„The Ad Hoc Committee acknowledges that consideration provided to creditors who are willing to provide post-petition financing commitments does not constitute treatment for the creditors’ claims under § 1123(a)(4).“]. 2555 Couwenberg/Lubben, 13 Brook. J. Corp. Fin. & Com. L. 145, 164 (2020). 2556 K. Schmidt InsO/Spliedt, § 226 Rn. 3; Nerlich/Römermann/Ober, 43. EL Mai 2021, § 226 Rn. 3. 2557 K. Schmidt InsO/Spliedt, § 226 Rn. 3; Nerlich/Römermann/Ober, 43. EL Mai 2021, § 226 Rn. 3.
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komme es eben allein auf die Quotenausschüttung an.2558 Auch Becker dürfte auf die unterschiedliche Behandlung von Forderungen, nicht von Gläubigern per se abstellen. Er fragt sich, ob es eine Ungleichbehandlung darstellen kann, wenn ein Insolvenzverwalter gegenüber einigen Gläubigern nach § 103 InsO Erfüllung eines schwebenden Vertrages, gegenüber anderen Gläubigern hingegen Nichterfüllung wählt.2559 Er ist der Ansicht, dass keine Ungleichbehandlung vorliege, weil es für die Frage der Ungleichbehandlung von Gläubigern auf deren Stellung als Gläubiger zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ankomme. Entscheidungen, die nach Eröffnung des Verfahrens vom Insolvenzverwalter getroffen werden, würden im Interesse aller Gläubiger an einer bestmöglichen Verwertung des schuldnerischen Vermögens getroffen und ließen die Ansprüche der Insolvenzgläubiger insofern unberührt.2560 Bei dieser Entscheidung habe sich der Insolvenzverwalter daran zu orientieren, was für die Masse insgesamt günstiger sei; wie Drittinteressen hiervon betroffen sind, sei nicht maßgebend.2561 Damit differenziert Becker im Ergebnis ebenfalls danach, ob eine Entscheidung die konkrete Restrukturierungsforderung/ Insolvenzforderung oder den Gläubiger in einer anderen Rolle betrifft. In letzterem Fall ist nicht der Gleichbehandlungsgrundsatz, sondern die Sorgfaltspflicht des Planerstellers entscheidend. Folgt man dem, besteht auch keine Ungleichbehandlung, wenn einem Gläubiger neben der Zahlung auf seine Forderung in Bezug auf weitere Funktionen, die er erfüllt (z. B. für die Bereitstellung künftiger Finanzierungen), weitere Vorteile zufließen. Für RSA und Deathtrap-Klauseln würde dies bedeuten, dass bei der Beurteilung der Gleichbehandlung in Bezug auf gewährte Vorteile zunächst immer eine Zuordnung erfolgen muss, ob dem konkreten Gläubiger ein bestimmter Vorteil als Befriedigung für seine Forderung gewährt wurde oder in einer seiner weiteren Rollen (z. B. als künftiger Investor oder Verkäufer einer neuen Finanzierung). Für diese Differenzierung spricht zum einen ein Vergleich mit Massegläubigern unter der InsO. Hierbei handelt es sich um Forderungen von Gläubigern, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters, also nach der Insolvenzeröffnung, entstanden sind (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Diese Forderungen sind nicht vom allgemeinen Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung umfasst.2562 Ferner spricht für diese Ansicht ein systematischer Vergleich mit dem aktienrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz in § 53a AktG und seiner Anwendung bei Investorenvereinbarungen. Wird mit einem Bieter, der zugleich Aktionär ist, eine 2558 K. Schmidt InsO/Spliedt, § 226 Rn. 3; Nerlich/Römermann/Ober, 43. EL Mai 2021, § 226 Rn. 3. 2559 Becker, in: Kübler, HRI, § 41 Rn. 73 ff. mit Verweis auf ein von Undritz, ZGR 2010, 201, 213 f. gebildetes Beispiel, in welchem der Insolvenzverwalter nur für einige von vielen Leasingverträgen Erfüllung gewählt hat, um das Unternehmen zu restrukturieren. 2560 Becker, in: Kübler, HRI, § 41 Rn. 74. 2561 Becker, in: Kübler, HRI, § 41 Rn. 74. 2562 Vgl. Hoffmann, Prioritätsgrundsatz, S. 334 f.
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solche Vereinbarung abgeschlossen, liegt keine Ungleichbehandlung der Aktionäre vor, da der Bieter in seiner Eigenschaft als Bieter und nicht in seiner Eigenschaft als Aktionär betroffen ist.2563 Allgemein ist § 53a AktG nicht einschlägig, wenn mit einem Gesellschafter ein sog. „Drittgeschäft“ durchgeführt wird, also ein Geschäft, in dem der bevorzugte oder benachteiligte Gesellschafter der Gesellschaft nicht in dieser Eigenschaft, sondern wie ein außenstehender Dritter gegenübertritt.2564 Wenn einer Gesellschaft mehrere Kfz-Händler als Gesellschafter angehören, darf die Gesellschaft ihren Bedarf an Kfz bei einem dieser Gesellschafter stillen, ohne dass der Gleichbehandlungsgrundsatz betroffen wäre.2565 Im Ergebnis werden Vereinbarungen mit Planbetroffenen daher nicht am Gleichbehandlungsgrundsatz gemessen, wenn sie die Planbetroffenen in ihrer Eigenschaft als künftige Investoren betreffen. III. Traditionelle Deathtrap-Klauseln In den USA werden immer häufiger sog. Deathtrap-Klauseln in den Restrukturierungsplan und in RSA aufgenommen.2566 Bei einer „traditionellen“ DeathtrapKlausel erklärt der Schuldner, dass eine ganze Gläubigerklasse einen Bonus erhält, wenn die Klasse den Plan annimmt.2567 Wenn die Klasse den Plan ablehnt, wird der Bonus versagt.2568 Diese Art von Klauseln sind mit dem Grundsatz, dass innerhalb einer Gruppe allen Gläubigern die gleichen Rechte angeboten werden müssen, offensichtlich vereinbar. Je nachdem wie die Gruppe im Ergebnis abstimmt, erhalten alle dazugehörigen Gläubiger etwas mehr oder etwas weniger. Innerhalb der Gruppe erfolgt keine ungleiche Behandlung. Wird eine Deathtrap-Klausel in das RSA aufgenommen, dürfte dies ebenfalls nicht gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen. Ein Beispiel wäre, dass eine ganze Gläubigergruppe eine Zustimmungsprämie erhält, wenn sich die notwendige Mehrheit der Gläubiger dem RSA angeschlossen hat. Eine Ungleichbehandlung einzelner Gruppenmitglieder liegt hier nicht vor. Weiter oben wurde bereits erklärt, dass in der hierdurch erfolgenden Einflussnahme auf die Abstimmung auch kein Kompetenzübergriff auf die Versammlung der Planbetroffenen vorliegt, weil die Abstimmung in der Restrukturierung von vorneherein beeinflusst werden soll und nicht neutral ablaufen muss. Ob solche Klauseln allerdings einen Stimmenkauf darstellen, ist weiter unten zu prüfen.
2563 2564 2565 2566 2567 2568
Heß, Investorenvereinbarungen, S. 245 f. Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, S. 193 ff.; MüKoAktG/Götze, § 53a Rn. 7. Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, S. 194; Zöllner, Schranken, S. 305. Zur Entwicklung: Skeel, 130 Yale L. J. 366, 370 ff., 381 ff., 386 ff. (2020). Skeel, 130 Yale L. J. 366, 370, 381 f. (2020). Skeel, 130 Yale L. J. 366, 370, 381 f. (2020).
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IV. Individuelle Deathtrap-Klauseln 1. Chapter 11 Die US-Praxis verwendet neben den traditionellen zunehmend auch individuell ausgestaltete Deathtrap Klauseln, um die planbetroffenen Parteien zur Zustimmung zum RSA und zum Restrukturierungsplan zu bewegen.2569 Mit diesen Klauseln wird einem Gläubiger individuell eine Art Kompensation dafür geboten, dass er das RSA oder den Plan unterstützt, während den ablehnenden Gläubigern eine andere Leistung geboten wird.2570 Insbesondere Gebühren, welche die Gläubiger dafür erhalten, dass sie sich dem RSA anschließen (Beitrittsprämien) werden im Zusammenhang mit individuellen Deathtrap-Klauseln diskutiert.2571 Fraglich ist, ob solche Klauseln mit dem Grundsatz vereinbar sind, dass allen Gläubigern gleiche Rechte angeboten werden müssen. Nach Beobachtungen in der Literatur würden die US-Gerichte Deathtrap-Klauseln regelmäßig akzeptieren.2572 Das Gebot der Gleichbehandlung innerhalb der Gruppe sei nicht verletzt.2573 Gleichbehandlung sei schon immer dann gewahrt, wenn einem Gläubiger verschiedene Möglichkeiten angeboten werden, von denen er eine aussuchen könne.2574 Es kommt danach nur darauf an, dass den Gläubigern eine gleiche Behandlung angeboten wird. Von dieser Wirkweise werde häufig Gebrauch gemacht, indem den Gläubigern innerhalb einer Klasse mehrere Optionen eingeräumt würden.2575 Zur Beurteilung von RSA und den damit einhergehenden FeeStrukturen hilft der Grundsatz der Gleichbehandlung innerhalb einer Gruppe deshalb nicht weiter.2576 Jüngst hat dies auch ein US-Gericht anerkannt:2577 Es hat allerdings darauf verwiesen, dass immer noch ein Verstoß gegen good faith vorliegen könne (vgl. dazu unten).2578
2569
Vgl. Skeel, 130, Yale L. J. 366, 371 (2020). Skeel, 130 Yale L. J. 366, 371 (2020). 2571 Skeel, 130 Yale L. J. 366, 393 (2020). 2572 Skeel, 130 Yale L. J. 366, 383 (2020) („[T]hey are nearly always permitted despite the distorting effect they have on creditors’ voting decisions.“). 2573 Skeel, 130 Yale L. J. 366, 400 in Fn. 143 (2020); Skeel, 166 U. Pa. L. Rev. 699, 739 (2017). 2574 Skeel, 130 Yale L. J. 366, 400 in Fn. 143 (2020); Skeel, 166 U. Pa. L. Rev. 699, 739 (2017). 2575 Skeel, 166 U. Pa. L. Rev. 699, 739 (2017). 2576 Skeel, 166 U. Pa. L. Rev. 699, 740 (2017). 2577 In re Affordable Auto Repair, Inc. Case No. 6:19-bk-18367-MW, Doc. 121, S. 4 [„Strictly speaking, this may well be true. However, even if the plan’s structure passes muster unter 11 U.S.C. § 1123(a)(4), it may not pass muster unter 11 U.S.C. § 1126 (e).“]. 2578 Vgl. den Nachweis in Fn. 2577. 2570
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357
2. StaRUG Fraglich ist, ob individuell zugeschnittene Deathtrap-Klauseln in Deutschland gegen das Gebot der Gleichbehandlung verstoßen. Hierfür könnte sprechen, dass die Gläubiger, obwohl sie derselben Gruppe zugeteilt sind, im Ergebnis unterschiedlich behandelt werden. Die Ungleichbehandlung hängt davon ab, ob sie sich dem RSA anschließen und den Plan unterstützen oder nicht. Jedenfalls läge keine „Ergebnisgleichheit“2579 vor. Soweit Deathtrap-Klauseln in Deutschland diskutiert werden, werden sie für zulässig erachtet.2580 Gegen ein „Chinese Menue“ sei nichts einzuwenden.2581 Es verstoße nicht gegen die Gleichbehandlung, anknüpfend an die Zustimmung oder Ablehnung des Plans, Deathtrap-Klauseln zu offerieren.2582 In einem der ersten StaRUG-Fälle wurde den Konsortialbanken die Option angeboten, sich an einer neuen Finanzierung zu beteiligen.2583 Dass eine Planbetroffene diese Option nicht wahrnehmen möchte, sei für die Frage einer Ungleichbehandlung unerheblich.2584 Man könnte vertreten, dass nach § 10 Abs. 1 StaRUG überhaupt keine Ergebnisgleichheit, sondern nur Chancengleichheit gefordert wird. Dann läge keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes vor, solange alle Gläubiger dieselben Chancen haben.2585 Der Wortlaut der Norm spricht nur davon, dass den Gläubigern gleiche Rechte „anzubieten“ sind.2586 Demnach würde es nicht gegen § 226 Abs. 1 InsO bzw. § 10 Abs. 1 StaRUG verstoßen, wenn den Gläubigern der Gruppe, die für den Plan stimmen, eine Quote von 40 und den Gläubigern, die gegen den Plan stimmen, eine Quote von 30 zugesprochen wird, solange alle Optionen allen Gläubigern offenstehen. Für diese Ansicht spricht auch die Gesetzesbegründung zur InsO. Demnach sei es zulässig, einem Gläubiger, der dem Plan nicht zustimmt, eine Barabfindung anzubieten, während den zustimmenden Gläubigern eine andere Behandlung angeboten wird.2587 Braun formuliert, dass es nicht darauf ankomme, den gleichen Betrag zu erhalten, sondern den gleichen Regeln zu unterliegen.2588 2579 Zur Differenzierung zwischen Ergebnisgleichheit und Chancengleichheit im SchVG: Schnorbus/Ganzer, WM 2014, 155, 158. 2580 AG Köln, Beschl. v. 3. 3. 2021 – 83 REs 1/21, ZIP 2021, 806 f.; Braun-StaRUG/Böhm, § 10 Rn. 3, 7; Wolgast/Grauer/Kirchner, § 10 Rn. 3; Kowalewski/Praß, in: Morgen, StaRUG, § 10 Rn. 13; BeckOK-StaRUG/Fridgen, § 9 Rn. 89, § 10 Rn. 10; Tasma, in: Flöther, StaRUG, § 10 Rn. 2, 4; Braun-InsO/Braun/Frank, § 226 Rn. 8; Nerlich/Römermann/Ober, 43. EL, Mai 2021, § 226 Rn. 7; Nerlich/Römermann/Braun, 37. EL, Oktober 2018, § 226 Rn. 10. 2581 Kowalewski/Praß, in: Morgen, StaRUG, § 10 Rn. 13. 2582 Nerlich/Römermann/Braun, 37. EL, Oktober 2018, § 226 Rn. 10. 2583 AG Köln, Beschl. v. 3. 3. 2021 – 83 REs 1/21, ZIP 2021, 806 f. 2584 AG Köln, Beschl. v. 3. 3. 2021 – 83 REs 1/21, ZIP 2021, 806 f. 2585 Vgl. zu einer ähnlichen Diskussion im Rahmen des SchVG: Schnorbus/Ganzer, WM 2014, 155, 158 f. 2586 Das Angebot wird auch bei Jaeger-InsO/Münch, § 226 Rn. 18 betont. 2587 RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 202.
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Kap. 5: RSA im Konflikt mit Verteilungsregeln
Diese Auslegung könnte jedoch in Zweifel gezogen werden, wenn der Auffassung gefolgt wird, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz eine faire Abstimmung sicherstellen soll (Funktionsschutz). Jedenfalls wäre dann, wenn auf „Ergebnisgleichheit“ abgestellt wird, weitergehend sichergestellt, dass die Abstimmung nicht davon beeinflusst wird, Sondervorteile zu verdienen. Andererseits kann durchaus auch vertreten werden, dass die Interessen der betroffenen Gläubiger schon dann gleich betroffen sind, wenn ihnen dasselbe Angebot gemacht wird, sodass im Ergebnis doch eher mit dem Wortlaut argumentiert werden sollte. Demnach sind individuell zugeschnittene Deathtrap-Klauseln durchaus zulässig. Angesichts des Umstandes, dass der Restrukturierungsmehrwert einen „Kooperationsgewinn“2589 darstellt, wäre es sogar konsequent, wenn dieser zwar allen anzubieten ist, schlussendlich allerdings nur denjenigen zugeteilt werden muss, die sich auch kooperationsbereit zeigen. V. Marginale Ungleichbehandlung? 1. England Insbesondere die englischen Gerichte vertreten, dass eine Ungleichbehandlung u. U. irrelevant sein kann, wenn sie „immaterial“ ist.2590 2. StaRUG Fraglich ist, ob dieses Argument auch in Deutschland Bestand hätte. Expressis verbis lassen § 226 Abs. 1 InsO und § 10 Abs. 1 StaRUG solche Ausnahmen nicht zu. Nach § 231 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO muss das Insolvenzgericht bei der Vorprüfung des Insolvenzplans auch prüfen, ob § 226 InsO eingehalten worden ist. Dabei muss es eine strenge Prüfung vornehmen und darf sich nicht wie bei § 231 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 auf eine Offensichtlichkeitsprüfung beschränken.2591 Fraglich ist, inwieweit Verletzungen des Gleichbehandlungsgrundsatzes im StaRUG-Verfahren vom Gericht beanstandet werden können. Das Gericht prüft den Planinhalt nach § 63 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG nur noch am Ende des Verfahrens. Die Planbestätigung ist zu versagen, wenn Vorschriften über den Inhalt des Plans „in 2588
Nerlich/Römermann/Braun, 37. EL, Oktober 2018, § 222 Rn. 38. Vgl. Madaus, WP 2019 – 08, S. 11 („Die Realisierung des Reorganisations(mehr)werts ist also eine Kooperationsaufgabe.“). 2590 Re Telewest Communications plc (No 1), [2004] BCC 342, 365 (Rn. 54); Re Noble Group Limited, [2018] EWHC 2911 (Ch) (Rn. 131 ff.); Re Global Garden Products Italy SpA, 2016 WL 04045183 (Rn. 15, 53). 2591 BGH, Beschl. v. 7. 5. 2015 – IX ZB 75/14, NZI 2015, 697, 698 (Rn. 8) („Dabei hat das Gericht nach dem eindeutigen Wortlaut des § 231 I 1 Nr. 1 InsO anders als nach § 231 I 1 Nr. 2 und 3 InsO nicht nur offensichtliche Rechtsfehler zu beanstanden“); Uhlenbruck-InsO/Lüer/ Streit, § 231 Rn. 3. 2589
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einem wesentlichen Punkt“ nicht beachtet worden sind. Ein Punkt ist „wesentlich“, wenn der Mangel Auswirkungen auf die Annahme des Plans gehabt haben könnte.2592 Dies eröffnet einen Wertungsspielraum und könnte als Argument dafür genutzt werden, dass eine unwesentliche Ungleichbehandlung im StaRUG-Verfahren gerichtlich nicht moniert wird. Dann müsste allerdings auch vertreten werden, dass nicht jede Ungleichbehandlung an sich ein „wesentlicher Punkt“ ist,2593 sondern nur eine „wesentliche Ungleichbehandlung“ einen „wesentlichen Punkt“ darstellt. VI. Rechtfertigung wegen sachlichem Grund? Schließlich wurde jüngst die Frage aufgeworfen, ob es – in Anlehnung an die Rechtslage zu § 53a AktG – auch Ausnahmen vom Gleichbehandlungsgrundsatz gibt, wenn ein sachlicher Grund vorliegt.2594 Es wird darauf verwiesen, dass im Gesellschaftsrecht eine Ungleichbehandlung gerechtfertigt sei, wenn sie einem legitimen Zweck diene sowie geeignet, erforderlich und verhältnismäßig sei.2595 Ein sachlicher Grund könne das Interesse der Gesellschaft sein.2596 Dies soll nach Kowalewski/Praß im Hinblick auf die insolvenznahe Situation einer Gesellschaft sogar verstärkt gelten.2597 Das Interesse der Gesellschaft liege unter Berücksichtigung der verschiedenen Stakeholder-Interessen regelmäßig in der erfolgreichen Sanierung und der Vermeidung eines noch schlechteren Alternativszenarios.2598 Mit diesem Interesse könnten Ungleichbehandlungen grundsätzlich gerechtfertigt werden, sofern sie der Verhältnismäßigkeitsprüfung standhielten.2599 Dies sei z. B. der Fall, wenn eine pauschale Befolgung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zu einem sicheren Scheitern der ganzen Sanierung führen würde.2600 Dieser Ansicht ist im Hinblick auf die möglichen Schutzzwecke des Gleichbehandlungsgrundsatzes zuzustimmen. Wenn die Ungleichbehandlung gerechtfertigt werden kann, ist die Verteilungsgerechtigkeit nicht tangiert. Da die Gläubiger innerhalb der Gruppen ohnehin unterschiedliche Interessen verfolgen können, dürfte 2592 BGH, Beschl. v. 3. 12. 2009 – IX ZB 30/09, NZI 2010, 101 (Rn. 3); BGH, Beschl. v. 13. 10. 2011 – IX ZB 37/08, NZI 2012, 139, 140 (Rn. 11); BGH, Beschl. v. 26. 4. 2018 – IX ZB 49/17, NZI 2018, 691, 696 (Rn. 54); MüKoInsO/Sinz, § 250 Rn. 11 (zur Parallelvorschrift nach § 250 Nr. 1 InsO). 2593 So aber Jaeger-InsO/Münch, § 226 Rn. 15. 2594 Kowalewski/Praß, in: Morgen, StaRUG, § 10 Rn. 18. 2595 Kowalewski/Praß, in: Morgen, StaRUG, § 10 Rn. 18, m. w. N. zu den gesellschaftsrechtlichen Vorgaben. 2596 Kowalewski/Praß, in: Morgen, StaRUG, § 10 Rn. 18, m. w. N. zu den gesellschaftsrechtlichen Vorgaben. 2597 Kowalewski/Praß, in: Morgen, StaRUG, § 10 Rn. 18; vgl. zur sachlichen Rechtfertigung auch Jaeger-InsO/Kern, § 245 Rn. 12. 2598 Kowalewski/Praß, in: Morgen, StaRUG, § 10 Rn. 18. 2599 Kowalewski/Praß, in: Morgen, StaRUG, § 10 Rn. 18. 2600 Kowalewski/Praß, in: Morgen, StaRUG, § 10 Rn. 19.
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die Ungleichbehandlung die Sicherung des Abstimmungsergebnisses nicht unzumutbar beeinträchtigen, zumal die Ungleichbehandlung ohnehin – auch im Hinblick auf ihre Höhe – gerechtfertigt sein muss und vom Gericht geprüft werden kann. Eine unlautere Herbeiführung der Planannahme wird durch § 63 Abs. 4 StaRUG verhindert. Auch mit dieser Rechtsfigur können im Zusammenhang mit einem RSA den Gläubigern durch den Planersteller verschiedene Anreize geboten werden, sich im Restrukturierungsprozess zu engagieren und den Plan zu unterstützen. VII. Zuwendungen zwischen Gläubigern In einem RSA kann vereinbart werden, dass ein Gläubiger oder eine Gläubigergruppe einem bestimmten anderen Gläubiger innerhalb einer anderen Gruppe gewisse Zuwendungen macht bzw. bestimmte Werte zukommen lässt. Es gab beispielsweise Fälle, in denen die Muttergesellschaft Anwaltsgebühren eines planbetroffenen Gläubigers übernommen hat.2601 In einem anderen Fall hat die Konzernmutter den Gläubigern, welche das von der Tochtergesellschaft (Schuldnerin) vorgelegte RSA unterzeichnet hatten, eine Gebühr bezahlt. Den Gläubigern, die das RSA nicht unterzeichnet hatten, wurde die Gebühr hingegen nicht bezahlt.2602 Es ließe sich auch ein Fall bilden, in welchem die Senior-Gläubiger einen einzelnen wichtigen Lieferanten weitestgehend bezahlen, damit dieser seine Lieferungen fortsetzt. Es wäre auch möglich, dass innerhalb einer Gruppe ein Gläubiger einem anderen Gläubiger eine Zuwendung macht, um ihn zur Zustimmung des Plans zu bewegen. Im Rahmen des Scheme-of-Arrangement-Verfahrens im Fall Lehman Brothers zahlte eine Gläubigergruppe einem Senior-Gläubiger 35 Mio. Pfund für die Unterstützung des Schemes.2603 Folgende Skizze verdeutlicht das Vorgehen:
2601
Vgl. Re Codere Finance 2 (UK) Ltd, [2020] EWHC 2441 (Ch) = 2020 WL 05517604 (Rn. 68 f.) („[T]he Parent and other Group companies had in fact already agreed to meet the fees pursuant to letters entered into on 10 and 15 June 2020, well in advance of the Lock-up Agreement being entered into. (…) On that basis I consider that the advisers’ fees should be regarded as independent of the Scheme, and therefore that they do not fall to be taken into account.“). 2602 Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593, 609 f. (2017) mit Verweis auf den entsprechenden Fall in Fn. 49; Skeel, 166 U. Pa. L. Rev. 699, 740 (2017). 2603 Vgl. Re Lehman Brothers International (Europe), [2018] EWHC 1980 (Ch) (Rn. 80 f., 122 ff.).
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1. Streitstand Fraglich ist, ob diese Art der Zuwendung mit dem Grundsatz vereinbar ist, dass innerhalb einer Gruppe allen Gläubigern gleiche Rechte anzubieten sind. Nach oben Gesagtem wäre dies jedenfalls der Fall, wenn die Zuwendungen allen Gläubigern der jeweiligen Klasse angeboten werden oder den Gläubigern nicht in ihrer Rolle als Gläubiger, sondern als Dritte (z. B. als Lieferanten von künftigen Leistungen) zugesprochen werden. Auch unwesentliche Zuwendungen müssen einer Planbestätigung nicht zwingend entgegenstehen. Fraglich ist, wie eine gezielte selektive Zuwendung zu beurteilen wäre. Nach einer Ansicht ist der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht betroffen: Wenn ein Gläubiger freiwillig einen Teil seines Vermögens einem anderen Gläubiger zukommen lasse, stamme der Vorteil nicht aus der Masse und benachteilige die übergangenen Gläubiger nicht.2604 Nach anderer Ansicht sei eine selektive Wertzuweisung an einzelne Gruppenmitglieder als Ungleichbehandlung i. S. d. § 226 InsO – also auch i. S. d. § 10 StaRUG – zu qualifizieren.2605 Es komme zu einer unterschiedlichen wirtschaftlichen Behandlung der Beteiligten der Gruppe, die nur mit Zustimmung aller betroffenen Beteiligten hinzunehmen sei (§ 226 Abs. 2 InsO, § 10 Abs. 2 StaRUG).2606 Es liege jedenfalls ein Umgehungsgeschäft vor.2607 2604 Vgl. Nerlich/Römermann/Braun, 37. EL Oktober 2018, § 226 Rn. 8; vgl. analog zur absoluten Vorrangregel: Nerlich/Römermann/Braun, 36. EL Juni 2018, § 245 Rn. 24; KPBInsO/Pleister § 245 Rn. 35; kritisch zu dieser Argumentation in den USA jüngst: Baird, The Unwritten Rules, S. 176 f. („The critical question for the judge should be whether such an agreement undermines the bargaining process.“). 2605 Groh, Stimmvereinbarungen, S. 75 ff. („Letztlich wird man Abreden zwischen vereinzelten Gläubigern, die von Ausgleichzahlungen begleitet werden, als eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ansehen müssen.“); 153 ff. 2606 Groh, Stimmvereinbarungen, S. 143.
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2. Stellungnahme Der ersten Ansicht ist zu folgen. Der Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 10 Abs. 1 StaRUG bzw. § 226 Abs. 1 InsO ist im Grundsatz durch die Zuwendungen Dritter nicht verletzt. Hierfür sprechen zunächst der Sinn und Zweck des Gleichbehandlungsgrundsatzes: Dieser bezweckt nur, dass der Schuldner den Restrukturierungsgewinn gerecht verteilt. Weitere Transaktionen werden nicht umfasst. Darüber hinaus lassen sich noch weitere Argumente für eine Zulässigkeit der Transaktion ins Feld führen: Zunächst ist ein Gläubiger gar nicht Verpflichteter des Gleichbehandlungsgrundsatzes. § 10 Abs. 1 StaRUG verpflichtet nur den Planersteller, den Restrukturierungsgewinn innerhalb einer Gruppe gleichmäßig zu verteilen. Dies ergibt sich zunächst aus dem Zusammenspiel von § 9 und § 10 StaRUG. Nach § 9 Abs. 1 StaRUG sind „bei der Festlegung der Rechte der Planbetroffenen im Restrukturierungsplan“ Gruppen zu bilden. Nach § 10 Abs. 1 StaRUG sind dann „innerhalb jeder Gruppe“ allen Planbetroffenen gleiche Rechte anzubieten. Hieraus wird deutlich, dass nur derjenige, der die Gruppen bildet (also der Schuldner), auch Adressat des Gleichbehandlungsgrundsatzes ist, nicht hingegen die Gläubiger. Für diese Ansicht spricht auch ein systematischer Vergleich mit § 53a AktG, dem aktienrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Hier ist ebenfalls nur die Gesellschaft Adressat der Regelung.2608 Entscheidungen eines einzelnen Gesellschafters, die sich nicht nachteilig auf das Gesellschaftsvermögen auswirken, sondern ausschließlich die Ebene der Gesellschafter betreffen, werden nicht an § 53a AktG gemessen.2609 Den Andeutungen des BGH in seiner Entscheidung zum Forderungskauf, wonach es eine Ungleichbehandlung darstellen kann, wenn ein Gläubiger einem anderen Gläubiger eine Forderung zu einem über der späteren Quote liegenden Preis abkauft,2610 ist deshalb zu widersprechen. Es liegt allenfalls eine „Begünstigung“ i. S. d. § 250 Nr. 2 InsO oder § 64 Abs. 4 StaRUG, ein Sondervorteil i. S. d. § 10 Abs. 3 StaRUG bzw. 226 Abs. 3 InsO oder ein Stimmenkauf vor, allerdings keine „Ungleichbehandlung“ i. S. d. § 226 Abs. 1 InsO bzw. § 10 Abs. 1 StaRUG. 2607 Groh, Stimmvereinbarungen, S. 153 ff. („Entscheidend ist das Resultat, nicht aber die gewählte rechtliche Konstruktion. (…) Eine materielle Sichtweise von entgeltlichen Stimmvereinbarungen offenbart denn auch, dass letztlich das Entgelt aus der Masse den begünstigten Gläubigern zufließt, gleichsam nur über eine ,Zwischenstation‘.“ [S. 154]). 2608 Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, S. 171 f.; MüKoAktG/Götze, § 53a Rn. 5; Hüffer/ Koch/Koch, § 53a Rn. 4; Schmidt/Lutter/Fleischer, § 53a Rn. 2, 16; KölnKommAktG/Drygala, § 53a Rn. 6, 18, 78; GK-AktG/Henze/Notz, § 53a Rn. 34 f.; Hölters/Weber/Mayer/Albrecht vom Kolke, § 53a Rn. 5. 2609 Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz S. 173 ff.; MüKoAktG/Götze, § 53a AktG Rn. 5; GK-AktG/Henze/Notz, § 53a Rn. 35. 2610 BGH, Beschl. v. 3. 3. 2005 – IX ZB 153/04, BGHZ 162, 283, 290 f. (juris-Rn. 25) = NZI 2005, 325, 327.
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Das noch zur KO vorgebrachte Argument, dass das Mehrheitsprinzip als Ausgleich den Gleichbehandlungsgrundsatz fordere,2611 muss im Rahmen des StaRUG relativiert werden. Erstens verliert die Gleichbehandlung hier ohnehin durch die Möglichkeit einer flexiblen Gruppenbildung an Gewicht. Zweitens werden die Gläubiger durch das Schlechterstellungsverbot besonders geschützt. Drittens gibt es mit § 64 Abs. 4 StaRUG einen Auffang-Tatbestand, wonach die Planbestätigung zu versagen ist, wenn diese durch Begünstigung unlauter herbeigeführt worden ist (dazu unten). Dieser Auffangtatbestand ist flexibler ausgestaltet als der Gleichbehandlungsgrundsatz, weil er auf die Kausalität der Begünstigung für die Planannahme abzielt und die Frage, was eine Begünstigung darstellt, wertend betrachtet werden kann. Würde diese Transaktion außerdem verboten, läge ein Eingriff in die Privatautonomie vor. Die Gläubiger, die eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes vorbringen, hätten plötzlich eine Blockadeposition, obwohl sie, selbst wenn die konkrete Nebenabsprache nicht erfolgen würde, nicht bessergestellt werden.2612 VIII. Zwischenergebnis Der Gleichbehandlungsgrundsatz nach §§ 10 Abs. 1 StaRUG, 226 Abs. 1 InsO dürfte vielen typischen Gestaltungen in einem RSA häufig nicht entgegenstehen. Er bietet dem Planersteller Spielraum, den er nutzen kann, um Gläubiger zur Unterstützung des Restrukturierungsplans zu bewegen.
C. Gruppengleichbehandlung I. Problemaufriss Fraglich ist, ob einzelne Gestaltungen im RSA oder im Restrukturierungsplan gegen den Grundsatz der Gruppengleichbehandlung verstoßen. Hierzu ist zunächst kurz die Funktionsweise des Grundsatzes der Gruppengleichbehandlung darzustellen. Anschließend wird auf einzelne Gestaltungen eingegangen, welche mit RSA im Zusammenhang stehen. II. Funktionsweise § 27 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG und § 245 Abs. 2 Nr. 3 InsO fordern, dass kein Gläubiger, der ohne einen Plan gleichrangig mit den Gläubigern der Gruppe zu
2611
Kropshofer, in: Hess/Kropshofer, § 181 Rn. 1. Vgl. zum Parallelproblem im Rahmen der Absolute Priority Rule: Baird/Jackson, 55 U. Chi. L. Rev. 738, 760 ff.; das Argument ist allerdings übertragbar. 2612
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befriedigen wäre, bessergestellt wird als diese Gläubiger.2613 Im Ergebnis wird hier eine wirtschaftliche, aber keine formelle Gleichbehandlung der verschiedenen Gläubigergruppen gefordert.2614 Die Behandlung der Gläubiger der Gruppe, die den Plan abgelehnt hat, muss mit der Behandlung aller anderen Gläubiger desselben Rangs verglichen werden.2615 Bessergestellte Gläubiger, die nicht in das StaRUGVerfahren einbezogen sind, werden nicht in den Vergleich einbezogen.2616 Wenn den einzelnen Gläubigergruppen unterschiedliche Vermögensgegenstände zugeteilt werden, ist eine richterliche Bewertung davon notwendig, ob eine wirtschaftliche Ungleichbehandlung vorliegt.2617 Möglicherweise kommt der Vergleich zweier Gläubigergruppen zum Ergebnis, dass eine Gruppe wirtschaftlich besser behandelt wird als die andere. Fraglich ist in diesem Fall, ob der Plan dennoch bestätigt werden kann, obwohl er von der benachteiligten Gruppe abgelehnt worden ist. Im Chapter 11-Verfahren kann der Plan unter Umständen dennoch bestätigt werden, weil dort nicht jede Diskriminierung zur Versagung der Planbestätigung führt, sondern nur eine „unfaire“ Diskriminierung.2618 Das Gesetz erlaubt dort eine Ungleichbehandlung, solange sie fair ist.2619 Es würde wenig Sinn ergeben, wenn alle Gläubiger gleichmäßig am Restrukturierungsgewinn beteiligt werden müssten, weil nicht jede Gruppe gleichmäßig zur Schaffung und Erhaltung dieses Restrukturierungsgewinns beitragen würde.2620 Durch diesen Mechanismus erhalten die Vertragsparteien eines RSA, also der Planersteller und die Schlüsselgläubiger, einen Spielraum, den sie ausnutzen können. Nach der InsO müsste die Planbestätigung bei wirtschaftlicher Ungleichbehandlung der Gruppen im Grundsatz an § 245 Abs. 2 Nr. 3 InsO scheitern. Dort ist eine Rechtfertigung einer wirtschaftlichen Ungleichbehandlung nicht vorgesehen. Die starre Ausgestaltung des Grundsatzes der Gruppengleichbehandlung wurde schon länger kritisiert.2621 Es gab daher auch Versuche, diese durch teleologische Auslegung zu korrigieren.2622 Für das StaRUG hat der Gesetzgeber mit § 28 Abs. 1 Satz 1 StaRUG nun eine spezielle Ausnahmevorschrift zu § 27 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG geschaffen, wonach auch 2613
Nerlich/Römermann/Rühle, 43. EL Mai 2021, § 245 Rn. 23. K. Schmidt InsO/Spliedt, § 245 Rn. 29. 2615 K. Schmidt InsO/Spliedt, § 245 Rn. 29. 2616 RegE-SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 129; BeckOK-StaRUG/Spahlinger, § 27 Rn. 21; Braun-StaRUG/Herzig, § 27 Rn. 11; Pannen/Riedemann/Smid/Smid § 27 Rn. 9. 2617 Vgl. Braun-StaRUG/Herzig, § 27 Rn. 12. 2618 Uhlenbruck-InsO/Lüer/Streit, § 245 Rn. 32. 2619 Z. B. In re Aztec Co., 107 B.R. 585, 589 (Bankr. M.D. Tenn. 1989); In re Dow Corning Corp., 244 B.R. 705, 710 (Bankr. E.D. Mich. 1999); 7 Collier on Bankruptcy P 1129.03 [3] (16th 2020). 2620 7 Collier on Bankruptcy P 1129.03 [3] (16th 2020). 2621 Vgl. Uhlenbruck-InsO/Lüer/Streit, § 245 Rn. 33 f. 2622 Vgl. Uhlenbruck-InsO/Lüer/Streit, § 245 Rn. 33 f. 2614
§ 1 Gleichbehandlungsgrundsatz
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Gläubigergruppen mit gleichem Rang unterschiedlich behandelt werden dürfen. Voraussetzung ist, dass die abweichende Regelung nach der Art der zu bewältigenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten und nach den Umständen sachgerecht ist. Mit der Regelung trägt der Gesetzgeber dem teilkollektiven Charakter des StaRUG Rechnung.2623 Er gibt der Praxis Raum für flexible Lösungen.2624 Der strikte Gleichbehandlungsgrundsatz wird dort relativiert, „wo dies angesichts der konkreten Restrukturierungsaufgabe und den Umständen angemessen erscheint“.2625 Der Gesetzgeber hat in § 28 Abs. 1 Satz 2 StaRUG jedoch eine Rückausnahme normiert, wonach eine Ungleichbehandlung dann nicht sachgerecht ist, wenn auf die überstimmte Gruppe mehr als die Hälfte der Stimmrechte der Gläubiger der betroffenen Rangklasse entfallen sollte. III. Unterschiedliche Quote bei Ablehnung des Plans (traditionelle Deathtrap-Klauseln) Eine genauere Betrachtung der problematischen Klauseln, die in RSA aufgenommen werden, setzt eine nochmalige Auseinandersetzung mit den traditionellen Deathtrap-Klauseln voraus. Es stellt sich auch im Rahmen des Grundsatzes der Gruppengleichbehandlung die Frage, ob es nur darauf ankommt, dass der jeweiligen Gruppe eine gleiche Behandlung angeboten wird. Dies wird zum Chapter 11-Verfahren vertreten.2626 Folgendes Beispiel verdeutlicht die Problematik nochmals: Im RSA wird sowohl den Mitgliedern einer Gruppe A als auch den Mitgliedern einer Gruppe B eine Beitrittsgebühr versprochen, wenn sich die notwendigen Mehrheiten dem RSA anschließen und dem Plan später zustimmen. Stimmt Gruppe A nun dem Plan zu, erhalten alle Gläubiger der Gruppe die jeweilige Gebühr. Wenn Gruppe B den Plan ablehnt, ist fraglich, ob die Gruppenmitglieder nun vorbringen können, dass die Mitglieder der Gruppe A „bessergestellt“ werden als die Mitglieder der Gruppe B. Der Wortlaut ist ergebnisoffen formuliert. Besserstellen könnte bedeuten, dass alle Gläubiger dieselbe Chance haben mussten oder im Ergebnis dieselbe Quote erhalten müssen. Die besseren Argumente sprechen dafür, auf die Chancengleichheit abzustellen. Diese Ansicht wurde schon in Bezug auf § 10 Abs. 1 StaRUG vertreten. Warum dies nun anders sein soll, ist nicht ersichtlich. Es wäre auch nicht plausibel, wenn eine Gruppe, welche den Plan ablehnt, am Restrukturierungsgewinn beteiligt werden muss. Es dürfte ausreichend sein, wenn der Gruppe angeboten wird, am
2623
RegE-SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181 S. 129. RegE-SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181 S. 129 f. 2625 RegE-SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181 S. 130. 2626 7 Collier on Bankruptcy P 1129.03 (16th 2021) [3] [b] [vii]; In re Drexel Burnham Lambert Group, 138 B.R. 714, 716 f. (Bankr. S.D.N.Y. 1992). 2624
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Restrukturierungsgewinn zu partizipieren, wenn sie den Plan annimmt und kooperiert. Immerhin ist der Restrukturierungsgewinn auch ein „Kooperationsgewinn“.2627 IV. „Horizontales gifting“? In RSA sind Vereinbarungen üblich, in denen eine Gläubigergruppe zugunsten einer anderen auf einen Teil ihrer Quote verzichtet. Im Unterschied zu den oben angesprochenen Fällen wird nun der ganzen Gruppe die Inanspruchnahme der Zuwendung gewährt.
1. Chapter 11-Verfahren In den USA wird in diesem Fall vom sog. horizontalen gifting gesprochen: Bisher wurde von zwei Gerichten in den USA entschieden, dass horizontales gifting nicht gegen den Grundsatz der Gruppengleichbehandlung in 11 U.S.C. § 1129 (b) (1) verstößt.2628 Die Kernfrage sei nicht, ob eine Ungleichbehandlung vorliege, sondern ob eine Ungleichbehandlung „unfair“ sei.2629 Dies sei nicht der Fall:2630 Die Position 2627 Vgl. Madaus, Working-Paper, 2019 – 08, S. 11 („Die Realisierung des Reorganisation(mehr)werts ist also eine Kooperationsaufgabe“). 2628 In re Genesis Health Ventures, Inc., 266 B.R. 591 ff. (Bankr. D. Del. 2001); In re Nuverra Envtl. Sols., Inc., 590 B.R. 75, 89 ff. (D. Del. 2018). 2629 In re Nuverra Envtl. Sols., Inc., 590 B.R. 75, 89 (D. Del. 2018), mit Verweis auf In re Tribune Co., 472 B.R. 223, 242 (Bankr. D. Del. 2012) und In re Armstrong World Indus., Inc., 348 B.R. 111, 121 (D. Del. 2006) („Armstrong III“). 2630 In re Nuverra Env’t Sols., Inc., 590 B.R. 75, 91 (D. Del. 2018) („Similarly, here, distributions to holders of Trade and Business-Related Claims have no impact on the distributions to holders of unsecured claims in Class A6. The record is clear that unsecured creditors are entitled to nothing under the Bankruptcy Code’s priority scheme, and an increased distribution to unsecured creditors holding Trade and Business-Related Claims does not diminish the distribution to holders of claims in Class A6. If holders of Trade and Business-Related Claims
§ 1 Gleichbehandlungsgrundsatz
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der übergangenen Klasse würde sich nicht verbessern, wenn die Zuwendung der einen Klasse an die andere unterblieben wäre. 2. Insolvenzordnung und StaRUG In Deutschland könnte die Bestätigung des Plans gemäß einem Teil der Literatur2631 unter Rückgriff auf § 245 Abs. 2 Nr. 3 InsO bzw. § 27 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG versagt werden, wenn die übergangene Gruppe dem Plan nicht zustimmt. Das Argument, dass die Ungleichbehandlung gar nicht durch den Plan erfolgt, sondern durch eine vertragliche Vereinbarung, wird unter Rückgriff auf den Umgehungsschutz zurückgewiesen.2632 Dieser Argumentation ist entgegenzutreten. Die Normen bezwecken nur die gerechte Verteilung des Restrukturierungsgewinns durch den Schuldner. Die Zuwendungen stammen aber nicht vom Schuldner, sondern von den Gläubigern oder Dritten. Die übergangenen Gläubiger werden nicht benachteiligt, weil sie ohnehin keinen Anspruch auf diese Zuwendungen haben. Wie bei § 226 InsO, § 10 Abs. 1 StaRUG und § 53a AktG könnte argumentiert werden, dass Dritte gar nicht Adressaten des § 245 Abs. 2 Nr. 3 InsO sind. Eine andere Beurteilung würde der überstimmten Gruppe ein zusätzliches Veto-Recht einräumen, obwohl sie durch die Nebenabsprache gar nicht negativ betroffen ist und durch den Plan auch nicht schlechtersteht als im nächstbesten Alternativszenario. Es müsste aber in einem zweiten Schritt geprüft werden, ob ein Stimmenkauf oder eine „Begünstigung“ i. S. d. § 250 Nr. 2 InsO bzw. § 63 Abs. 4 StaRUG vorliegen. Dabei könnten die von den Gläubigern für die Zuwendungen erbrachten Gegenleistungen berücksichtigt werden. Außerdem wäre eine Planbestätigung „nur“ zu versagen, wenn die Begünstigung Grund für die Planannahme war, also „Kausalität“ gegeben ist (vgl. dazu unten). 3. Spezielle Rechtfertigungsmöglichkeit im StaRUG Im StaRUG-Verfahren könnte daneben auf § 28 Abs. 1 Satz 2 StaRUG zurückgegriffen werden, um das horizontale gifting zu rechtfertigen. Eine Ungleichbehandlung wäre möglich, wenn sie nach der Art der zu bewältigenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten und nach den Umständen sachgerecht wäre.
did not receive this increased recovery, the surplus distribution would revert to secured creditors, not holders of claims in Class A6. As Appellant and his class were not entitled to a distribution in the first place, providing a greater distribution to a different class of unsecured creditors does not alter the distribution to which Appellant is entitled.“). 2631 So wohl Groh, Stimmvereinbarungen, S. 74 f., 142 f., 153 ff. 2632 So wohl Groh, Stimmvereinbarungen, S. 75, 142 f., 153 ff.
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4. Zwischenergebnis Das Gebot der Gruppengleichbehandlung steht einem horizontalen gifting und einer entsprechenden Nebenabrede also nicht entgegen. Es liegt auch keine Umgehung vor, weil nicht die Verteilung des Restrukturierungsgewinns durch den Schuldner betroffen ist. V. Auswahl der Kandidaten für einen Debt-to-Equity-Swap? Die Schuldnerin könnte schließlich versuchen, die Möglichkeit zur Gruppenbildung auszunutzen, wenn sie nur bestimmten Gläubigern im Rahmen eines Debtto-Equity-Swaps Anteilsrechte zuteilen möchte, anderen hingegen nicht. Bestes Beispiel hierfür ist der eingangs schon dargestellte Fall In re Innkeepers USA Trust. Hier hatte die Schuldnerin mit der Lehman-Bank ein RSA geschlossen, wonach die Lehman-Bank alleiniger Anteilinhaber der Schuldnerin werden sollte, während für die übrigen gesicherten Gläubiger lediglich replacement notes vorgesehen waren. Fraglich ist, ob dies mit dem Grundsatz der Gruppengleichbehandlung vereinbar wäre. 1. Grundsatz der Gruppengleichbehandlung kein Hindernis Unterschiedliche Gruppen dürfen im Restrukturierungsplan im Grundsatz unterschiedlich behandelt werden.2633 Stimmt eine Gruppe gegen den Plan, ist lediglich eine wirtschaftliche Gleichbehandlung nötig.2634 Demnach wäre es im Grundsatz möglich, dass der Planersteller für die eine Gläubigergruppe einen Debt-to-EquitySwap vorsieht und für die andere Gruppe eine Stundung der jeweiligen Forderungen regelt.2635 Dies war auch im Fall von In re Innkeepers USA Trust so vorgesehen. Problematisch ist lediglich festzustellen, ob die Gläubiger, die für einen Debt-toEquity-Swap vorgesehen werden, bessergestellt werden als die übrigen Gläubiger. Hier kann es insbesondere zu Bewertungsproblemen kommen.2636 Der Planersteller kann allerdings gewillt sein, diese in Kauf zu nehmen. 2. Gruppenbildung als Grenze der Differenzierungsmöglichkeiten? Im zu Beginn der Arbeit dargestellten Fall In re Innkeepers USA Trust hat die Schuldnerin der Lehman-Bank im RSA zugesichert, dass die Lehman-Bank sämtliche Anteile an der Schuldnerin erhalten soll, während die übrigen gesicherten 2633
Rüve, Mehrheitsbeschaffung, S. 7; Nerlich/Römermann/Rühle, 43. EL Mai 2021, § 222 Rn. 1 („Beteiligte unterschiedlicher Gruppen dürfen also im Insolvenzplan unterschiedlich behandelt werden.“). 2634 K. Schmidt InsO/Spliedt, § 245 Rn. 29. 2635 Vgl. zu den dabei auftretenden Problemen BeckOK-StaRUG/Spahlinger, § 27 Rn. 11, 22. 2636 BeckOK-StaRUG/Spahlinger, § 27 Rn. 22.
§ 1 Gleichbehandlungsgrundsatz
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Gläubiger jeweils „nur“ neue gesicherte Forderungen bekommen sollten.2637 Dieses Vorgehen dürfte in den USA deshalb zulässig gewesen sein, weil dort jeder gesicherte Gläubiger im Grundsatz einer eigenen Gruppe zugeteilt werden muss,2638 sodass die Möglichkeit einer unterschiedlichen Behandlung eröffnet war. Für gesicherte Schlüsselgläubiger und die Schuldnerin als Planerstellerin bedeutet dies eine erhebliche Gestaltungsfreiheit. Für das deutsche Recht ist zu prüfen, ob die Regeln zur Gruppenbildung den Plänen des Planerstellers und der Schlüsselgläubiger Grenzen setzen. Wenn dies der Fall ist, haben die Vertragsparteien eines RSA gleichzeitig weniger Spielraum, ihre Interessen durch unterschiedliche Plangestaltungen zu Lasten der übergangenen Gläubiger durchzusetzen. Wenn im Fall In re Innkeepers USA Trust die Forderungen der Lehman-Bank mit den Forderungen der übrigen gesicherten Gläubiger hätten zusammengruppiert werden müssen, hätte der Planersteller und die Lehman-Bank ihren im RSA gefundenen Deal nicht vorschlagen können. Die Regeln zur Gruppenbildung finden sich in Deutschland in § 222 InsO und in § 9 StaRUG (Einteilung der Planbetroffenen in Gruppen). § 9 StaRUG ist an § 222 InsO angelehnt.2639 Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 StaRUG sind für Planbetroffene mit unterschiedlicher Rechtsstellung eigene Gruppen zu bilden. Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 StaRUG müssen die Inhaber von Absonderungsanwartschaften, die Inhaber einfacher Restrukturierungsforderungen, die Inhaber nachrangiger Forderungen im Rang des § 39 Abs. 1 Nr. 4, Nr. 5 oder Abs. 2 InsO und die Inhaber von Anteilsinhaberrechten jeweils einer eigenen Gruppe zugeteilt werden. Nach § 9 Abs. 2 Satz 1 und 2 StaRUG können die jeweiligen Gruppen aufgrund unterschiedlicher wirtschaftlicher Interessen weiter unterteilt werden, wenn dies sachgerecht ist. Nach einer Ansicht in der Literatur kann der Planersteller bei der Gruppenbildung berücksichtigen, dass manche Gläubiger den Einstieg ins Eigenkapital qua Debt-toEquity-Swap davon abhängig machen, dass andere Gläubiger nicht beteiligt werden.2640 Dies gelte sogar dann, wenn die anderen Gläubiger ebenfalls an einem Debtto-Equity-Swap interessiert seien.2641 Gleiches gelte auch, wenn ein bisher unbeteiligter Investor nur einen Teil der Altgesellschafter in der plansanierten Gesellschaft behalten wolle.2642 Von der Differenzierung könnten u. U. Gläubiger mit im
2637
Vgl. dazu oben bei Fn. 119. 7 Collier on Bankruptcy P 1122.03 [3] (16th 2021). 2639 Vgl. RegE-SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 118 f. 2640 K. Schmidt InsO/Spliedt, § 222 Rn. 18; ähnlich: Uhlenbruck-InsO/Lüer/Streit, § 222 Rn. 24 („[E]ine Differenzierung nach Gläubigern, denen ein Umwandlungsrecht angeboten werden soll und anderen, denen kein Angebot unterbreitet wird oder die ein unterbreitetes Angebot nicht annehmen[,] ist zulässig, muss aber sorgfältig begründet werden.“); HambKomm-InsO/Thies/Lieder, § 222 Rn. 21. 2641 K. Schmidt InsO/Spliedt, § 222 Rn. 18. 2642 K. Schmidt InsO/Spliedt, § 222 Rn. 18. 2638
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Wesentlichen gleichartigen Interessen betroffen sein.2643 Die unterschiedliche Behandlung müsse anhand der Differenzierungsmöglichkeiten bei den wirtschaftlichen Interessen sorgfältig begründet werden.2644 Dieser Ansicht ist nur dann zuzustimmen, wenn die Gruppen noch sachgerecht voneinander getrennt werden können. Die Sachgerechtigkeit ist ein eigenständiges Kriterium im Rahmen der Gruppenbildung.2645 Eine Gruppentrennung wäre nicht sachgerecht, wenn die wichtigsten wirtschaftlichen Interessen derjenigen, deren Rechte in unterschiedliche Gruppen eingeordnet wurden, gleichartig sind.2646 Anders formuliert bedeutet dies, dass in eine Gruppe all diejenigen aufgenommen werden müssen, die gleichartige wirtschaftliche Interessen haben.2647 Hierin liegt ein großer Unterschied zum Chapter 11-Verfahren:2648 Nach 11 U.S.C. § 1122 (a) kommt es nur auf die Ähnlichkeit der in einer Klasse zusammengefassten Ansprüche an, eine sachgerechte Abgrenzung wird im Grundsatz nicht verlangt.2649 In den USA können deshalb aus einer Gruppe mit ähnlichen Ansprüchen/Sicherungsrechten zwei Untergruppen gebildet werden.2650 Damit ist entscheidend, ob die Gläubiger, die das Unternehmen mittels Debt-toEquity-Swap alleine übernehmen wollen, ein wirtschaftliches Interesse haben, das von dem anderer Gläubiger, die ebenfalls Anteile am Schuldner erwerben wollen, abweicht und von diesem abgrenzbar ist. Nur dann dürften sie in unterschiedliche Gruppen eingeteilt werden. Dies dürfte entscheidend davon abhängen, was die jeweiligen Gläubiger nach dem Debt-to-Equity-Swap mit ihren neuen Anteilen vorhaben und ob die jeweilige Strategie derart ausgestaltet ist, dass für sie weitere Teilnehmer an einem Debt-to-Equity-Swap abträglich wären. Verfolgen die Gläubiger in Wahrheit allerdings die gleichen Interessen (z. B. günstige Übernahme der Anteile, um sie kurzfristig wieder mit erheblichem Gewinn zu veräußern), müssen sie derselben Gruppe zugeteilt werden. Dies ist im Einzelfall zu prüfen. Oft bleibt dem Planersteller aber ein erheblicher Spielraum, welche Gläubiger er für einen Debt-toEquity-Swap aussucht, wenn mehrere Interessenten vorhanden sind. Er kann die künftige Aktionärsstruktur damit erheblich selbst beeinflussen.
2643
HambKomm-InsO/Thies/Lieder, § 222 Rn. 21. HambKomm-InsO/Thies/Lieder, § 222 Rn. 21. 2645 MüKoInsO/Eidenmüller, § 222 Rn. 82; dies klingt jetzt auch an im RegE-SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181 S. 119. 2646 MüKoInsO/Eidenmüller, § 222 Rn. 101. 2647 MüKoInsO/Eidenmüller, § 222 Rn. 101; dem folgend: BGH, Beschl. v. 7. 5. 2015 – IX ZB 75/14, NZI 2015, 697 (Leitsatz 2) und S. 698 (juris-Rn. 10). 2648 Hierzu MüKoInsO/Eidenmüller, § 222 Rn. 101. 2649 MüKoInsO/Eidenmüller, § 222 Rn. 101. 2650 MüKoInsO/Eidenmüller, § 222 Rn. 101. 2644
§ 2 Absolute Vorrangregel
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§ 2 Absolute Vorrangregel Die absolute Vorrangregel2651 stellt neben dem Gleichbehandlungsgrundsatz die zweite Verteilungsregel dar, welche durch das StaRUG und die InsO aufgestellt wird. Nach ihr dürfen nachrangige Gläubiger und Anteilsinhaber nach § 27 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG – von Ausnahmen abgesehen – nichts erhalten, bevor eine ablehnende vorrangige Gläubigergruppe nicht vollständig befriedigt worden ist. Die absolute Vorrangregel könnte verschiedenen Deals im Rahmen von RSA entgegenstehen.
A. „Vertikales gifting“ I. Das Problem Im Zusammenhang mit der absoluten Vorrangregel wird das sog. vertikale gifting relevant:2652 Dabei lassen die Schlüsselgläubiger den Anteilsinhabern einen Teil ihrer Quote zukommen. Andere Gläubigergruppen2653, z. B. die vertraglich nachrangig gesicherten Gläubiger (Second-Lien-Gläubiger), die ungesicherten Gläubiger oder die nachrangigen Gläubiger (Gläubiger im Rang des § 39 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 2 InsO), werden übersprungen. Sie erhalten im Ergebnis keine Quote. Das Vorgehen ist in der nachfolgenden Abbildung skizziert. Fraglich ist, ob vertikales gifting mit der absoluten Vorrangregel vereinbar ist.2654 Dagegen könnte das Ergebnis der Transaktion sprechen:2655 Die Anteilinhaber haben etwas erhalten und vorrangige Gläubiger sind nicht voll befriedigt. Auf der anderen Seite kommen gift-Klauseln häufig dann zum Einsatz, wenn das Unternehmen derart 2651 Grundsätzliche Kritik und Plädoyer für eine relative Vorrangregel bei Madaus, Research Handbook, S. 185 ff.; ein exzellenter Überblick zur APR (und zur RPR) in den USA mit zahlreichen Vorschlägen, diese zu modifizieren oder anzupassen, findet sich bei Blum/Kaplan, 41 U. Chi. L. Rev. 651 ff. (1974); Überblick für Deutschland: Westphal/Liedl, FS Gehrlein, S. 589 ff. 2652 Vgl. zur Differenzierung von „horizontal and vertical gifting“: In re Nuverra Env’t Sols., Inc., 590 B.R. 75, 82, 93 ff. (D. Del. 2018); zum Gifting allgemein: Adler/Casey/Morrison, Baird & Jackson’s Bankruptcy, S. 880 ff. (2020); Timm, 2013 U. Ill. L. Rev. 1649 – 1680; Brubaker, 31 No. 4 Bankruptcy Letter 1, vgl. auch Practical Law Bankruptcy & Restructuring and Practical Law Finance: „Chapter 11 Gift Plan Strategy“, Practical Law Practice Note 1 – 517 – 1538. 2653 Rechtsvergleichend zum Rangverhältnis der einzelnen Klassen und insbesondere zur Frage, ob die absolute Vorrangregel zwischen absonderungsberechtigten Gläubigern und ungesicherten Gläubigern anwendbar ist, Liedl, Absoluter oder relativer Vorrang, S. 221 ff. 2654 Das Problem, ob solche Nebenabsprachen gegen die absolute Vorrangregel verstoßen, ist nach Braun/Uhlenbruck in den USA bislang nicht gelöst, vgl. Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 601; vgl. auch KPB-InsO/Pleister, § 245 Rn. 35. 2655 Vgl. zu dieser Erklärung: Baird/Jackson, 55 U. Chi. L. Rev. 738, 744 f. (1988).
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überschuldet ist, dass nur noch die Schlüsselgläubiger in the money sind, während die übrigen Gläubiger out of the money sind.2656 Es könnte argumentiert werden, dass das gift der Schlüsselgläubiger an die Anteilsinhaber die übergangenen Gläubiger gar nicht „schädigt“ und deshalb nicht gegen die absolute Vorrangregel verstößt.2657 Ebenfalls ließe sich argumentieren, dass die Schlüsselgläubiger mit ihrer Quote machen können, was sie wollen. Dies könnte insbesondere dann gelten, wenn das Unternehmen wirtschaftlich ausschließlich ihnen zusteht.2658 Das gift stammt dann wirtschaftlich gesehen aus dem Vermögen der Senior-Gläubiger. Die Praxis, dass eine Gläubigergruppe zugunsten einer anderen Gläubigergruppe oder der Anteilsinhaber auf einen Teil ihrer Quote verzichtet, wird in Deutschland 2656 So z. B. auch ein Argument in Northern Pacific v. Boyd, 228 U.S. 482, 505 (1913), mit Verweis auf das Instanzgericht („That court then held that as the property was insufficient to pay the mortgage debts of $ 157,000,000, there was nothing which could come to the unsecured creditors, and they therefore, had no ground to complain, if the bondholders were willing to give new shares to the old stockholders.“). 2657 Vgl. Fn. 2656; vgl. dazu ausführlich: Baird/Jackson, 55 U. Chi. L. Rev. 738, 760 ff., insbesondere 776 f. (1988) („The first objection one can make to the existing absolute priority rule is that it wholly ignores the possibility that the claim of the intermediate class is worthless. […] Such a rule forces allocations to Creditor even in cases where Creditor was entitled to nothing either in a liquidation or in a continuation […].“); vgl. auch In re DBSD North America Inc., 419 B.R. 179, 210 f. („The Gifting Doctrine permits creditors, if they wish, to ,gift‘ part of the distributions to which they’d otherwise be entitled to junior classes or interests, even if that gift results in unequal distributions to classes that would otherwise be pari passu, or if the gift makes distributions to a class when a more senior class has not been paid in full. Its rationale was explained in SPM, the case from which the doctrine first evolved. As the First Circuit there explained, provisions of the Bankruptcy Code governing priority of creditors, apply only to distributions of property of the estate‘. It continued: The Code does not govern the rights of creditors to transfer or receive nonestate property. While the debtor and the trustee are not allowed to pay nonpriority creditors ahead of priority creditors, … creditors are generally free to do whatever they wish with the bankruptcy dividends they receive, including to share them with other creditors.“); für Deutschland: K. Schmidt-InsO/Spliedt, § 245 Rn. 22; in diese Richtung: KPB-InsO/Pleister, § 245 Rn. 24, a. A.: HambKomm-InsO/Thies/Lieder, § 245 Rn. 13. 2658 Adler/Casey/Morrison, Baird & Jackson’s Bankruptcy, S. 880 (2020).
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teilweise2659, in den USA heftig diskutiert.2660 Ausganspunkt der Diskussion in den USA ist die berühmte Entscheidung des Supreme Court zum Fall Northern Pacific v. Boyd2661 im Jahr 1913, die häufig als Geburtsstunde der absoluten Vorrangregel bezeichnet wird2662. Hier hatten die vorrangigen Gläubiger zugunsten der Anteilsinhaber auf einen Teil ihrer Quote verzichtet. Ein ungesicherter Gläubiger hatte sich beschwert, weil er leer ausgegangen war. Gegen dessen Beschwerde wurde vorgebracht, dass das Unternehmen derart überschuldet gewesen sei, dass der ungesicherte Gläubiger ohnehin nichts erhalten hätte.2663 Er sei in jedem Fall out of the money gewesen. Der Supreme Court war diesem Argument nicht gefolgt und hatte entschieden, dass die Frage nach einem fixen Prinzip entschieden werden müsse.2664 Die Rechte der (übergangenen) Gläubiger hingen nicht von einer Unternehmensbewertung ab.2665 Diese Entscheidung wird von Rechtsökonomen kritisiert:2666 Sie gewähre Gläubigern Veto-Rechte, obwohl deren Forderungen völlig wertlos seien. Sie verteile Verhandlungsmacht entgegen der wirtschaftlichen Realität und bewirke im Ergebnis eine Umverteilung. Im Jahr 2010 schien sich das Blatt mit der Entscheidung des Bankruptcy Court des Southern District of New York2667 im Fall In re DBSD North America Inc. zu wenden. Nach dem Gericht seien die Anteile, die eine Muttergesellschaft (Anteilsinhaberin) von den vorrangigen Gläubigern erhalten habe, ein „Geschenk“ der vorrangigen Gläubiger. Wenn die nachrangigen Gläubiger out of the money sind und nicht einmal die vorrangigen Gläubiger voll befriedigt werden können, dürften die vorrangigen Gläubiger anderen Gläubigergruppen jedenfalls freiwillig einen Teil ihrer Quote zukommen lassen.2668 In diesem Fall war das Unternehmen so stark überschuldet, dass weder die Second-Lien-Gläubiger noch die ungesicherten Gläubiger eine Quote
2659
Vgl. z. B. Uhlenbruck-InsO/Lüer/Streit, § 245 Rn. 34 (zulässig; Einzelfallprüfung); Nerlich/Römermann/Braun, 36. EL, Juni 2018, § 245 Rn. 24 (zulässig); KPB-InsO/Pleister, § 245 Rn. 35 (zulässig). 2660 Vgl. Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 601 m. w. N. in Fn. 454; Baird/ Jackson, 55 U. Chi L. Rev. 738 ff. (1988); Adler/Casey/Morrison, Baird & Jackson’s Bankruptcy, S. 880 ff. (2020); vgl. auch die Nachweise in Fn. 2652. 2661 Northern Pacific v. Boyd, 228 U.S. 482, 505 (1913). 2662 Vgl. z. B. Parzinger, Fortführungsfinanzierung, S. 105 („So führte der Supreme Court im Jahr 1913 die absolute priority rule zum Schutz der Minderheitsgläubiger ein.“); kritisch dazu Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593, 614 (2017); Baird, 36 Emory Bankr. Dev. J. 699, 710 (2020) („Boyd is sometimes singled out as a harbinger of the absolute priority rule, but this fundamentally misunderstands what it was about.“). 2663 Vgl. den Nachweis in Fn. 2656. 2664 Northern Pacific v. Boyd, 228 U.S. 482, 507 (1913). 2665 Northern Pacific v. Boyd, 228 U.S. 482, 507 (1913). 2666 Baird/Jackson 55 U. Chi. L. Rev. 738, 776 f. (1988). 2667 In re DBSD North America Inc., 419 B.R. 179 ff. 2668 In re DBSD North America Inc., 419 B.R. 179, 210 f.
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erwarten konnten.2669 Dennoch hatte der Second Circuit Court of Appeals die Entscheidung aufgehoben: Weil die ungesicherten Gläubiger nicht voll befriedigt worden seien, hätten die Anteilsinhaber nichts erhalten dürfen.2670 Das Gericht wandte sich explizit gegen die gifting doctrine2671, argumentierte mit dem Wortlaut von 11 U.S.C. 1129 (b) (2) (B) (ii) und zitierte zahlreiche Fälle aus dem Case-Law, welche gegen eine gifting-Ausnahme sprechen.2672 Der Second Circuit Court of Appeals betonte, dass die absolute Vorrangregel gerade im Hinblick auf die hier beschriebenen gifting-Fälle entwickelt wurde: Es ging um Fälle, in denen eine „over-leveraged corporation whose undersecured senior lenders agree[d] to give shares to prior shareholders while intermediate lenders receive[d] less than the value of their claim. (…) And it was on the basis of those facts that the Supreme Court developed the absolute priority rule, with the aim of stopping the very sort of transaction (…).“2673
In England wird die Rechtslage zum gifting völlig anders beurteilt. In der Restrukturierung im Fall Re Noble Group Ltd, – welche mittels RSA vorbereitet worden war2674 – erhielten die alten Anteilsinhaber 20 Prozent am künftigen Unternehmen, während die nachrangigen Gläubiger leer ausgegangen waren.2675 Weil die Unternehmensbewertung ergeben hatte, dass die nachrangigen Gläubiger out of the money waren, folgerte das Gericht, dass die vorrangigen Gläubiger bestimmen durften, wie das Vermögen am restrukturierten Unternehmen verteilt werden sollte. Der Unternehmenswert würde wirtschaftlich in erster Linie den vorrangigen Gläubigern gehören. Es war also kein Problem, dass eine Gläubigergruppe übersprungen wurde und die Anteilsinhaber am restrukturierten Unternehmen beteiligt worden sind.
2669
In re DBSD North America Inc., 634 F.3d 79, 90 (2d Cir. 2011) („DBSD is not worth enough to cover even the Second Lien Debt, much less the claims of unsecured creditors like Spring who stand several rungs lower on the ladder of priority.“). 2670 In re DBSD North America Inc., 634 F.3d 79, 95 (2d Cir. 2011). 2671 In re DBSD North America Inc., 634 F.3d 79, 97 (2d Cir. 2011) [„The appellees, unsurprisingly, see the case in a different light. They contend that, under the ,gifting doctrine,‘ the shares and warrants rightfully belonged to the secured creditors, who were entitled to share them with the existing shareholder as they saw fit. Citing In re SPM Manufacturing Corp., 984 F.2d 1305 (1st Cir.1993), the appellees argue that, until the debts of the secured creditors ,are paid in full, the Bankruptcy Code’s distributional priority scheme, as embodied in the absolute priority rule, is not implicated.‘ DBSD was not worth enough, according to the bankruptcy court’s valuation, to cover even the secured lenders’ claims, much less those of unsecured creditors like Sprint. Therefore, as the bankruptcy court stated in ruling for the appellees, ,the »Gifting« Doctrine – under which senior secured creditors voluntarily offer a portion of their recovered property to junior stakeholders (as the Senior Noteholders did here) – defeats Sprint’s Absolute Priority Rule objection.‘ DBSD I, 419 B.R. at 210. We disagree.“]. 2672 Vgl. In re DBSD North America Inc., 634 F.3d 79, 97 ff. (2d Cir. 2011). 2673 In re DBSD North America Inc., 634 F.3d 79, 99 (2d Cir. 2011). 2674 Vgl. Re Noble Group Ltd, [2018] EWHC 3092 (Ch) (Rn. 14). 2675 Re Noble Group Ltd, [2018] EWHC 3092 (Ch) (Rn. 78 ff., 85 ff.).
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In Deutschland wird gifting teilweise für zulässig erachtet.2676 Nach einer Ansicht sei es nicht zu beanstanden, wenn eine Gruppe, die den Plan befürwortet, einer ihr gegenüber nachrangigen Gruppe außerhalb des Planes durch Vereinbarung inter partes Vorteile zusagt, um sie zur Planbestätigung zu bewegen.2677 Die Zulässigkeit wird formal begründet:2678 Die fraglichen Mittel würden (formal) nicht unmittelbar dem Insolvenzplan entstammen.2679 Die Interessen der anderen Gläubiger würden daher nicht tangiert. Für einen solchen Fall sei die Zuwendung im Insolvenzplan offenzulegen. Es würde aber den Grundsätzen der Privatautonomie widersprechen, wenn solche Kooperationen verboten würden.2680 Werde die Nebenabsprache offengelegt, liege auch keine unlautere Herbeiführung der Planannahme vor.2681 Es wird zum Obstruktionsverbot auch vertreten, dass die absolute Vorrangregel die Planbestätigung nur bei Transaktionen zu Lasten der den Plan ablehnenden Gruppe verhindere.2682 Eine andere Ansicht verweist hingegen auf den Wortlaut des § 245 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InsO (und somit § 27 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG), welche jede Wertzuwendung an die Anteilsinhaber verbietet, wenn eine planbetroffene Gläubigergruppe den Plan ablehnt.2683 II. Die absolute Vorrangregel und Anknüpfungspunkte für eine Gifting-Ausnahme im StaRUG Fraglich ist, ob gifting nach dem StaRUG untersagt ist. Die besseren Argumente sprechen für die Zulässigkeit von gift-Transaktionen.
2676
Rn. 35. 2677 2678
Rn. 35.
Nerlich/Römermann/Braun, 36. EL, Juni 2018, § 245 Rn. 24; KPB-InsO/Pleister § 245 Nerlich/Römermann/Braun, 36. EL Juni 2018, § 245 Rn. 24. Nerlich/Römermann/Braun, 36. EL Juni 2018, § 245 Rn. 24; KPB-InsO/Pleister § 245
2679 Zu diesem Argument brauchte das Gericht im Fall In re DBSD North America Inc., 634 F.3d 79, 95 (2d Cir. 2011) nicht Stellung nehmen: „We need not decide whether the Code would allow the existing shareholder and Senior Noteholders to agree to transfer shares outside of the plan, for, on the present record, the existing shareholder clearly receives these shares and warrants ,under the plan.‘“. 2680 KPB-InsO/Pleister, § 245 Rn. 35. 2681 Vgl. Nerlich/Römermann/Braun, 36. EL 2018, § 250 Rn. 13. 2682 K. Schmidt-InsO/Spliedt, § 245 Rn. 22; in diese Richtung: KPB-InsO/Pleister, § 245 Rn. 24; a. A. aufgrund des weiteren Wortlauts des § 245 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InsO: HambKommInsO/Thies/Lieder, § 245 Rn. 13. 2683 HambKomm-InsO/Thies/Lieder, § 245 Rn. 13; so auch Jaeger-InsO/Kern, § 245 Rn. 42; vgl. aber Rn. 37 („Den Gläubigern […] steht es frei, einem Gläubiger außerhalb des Verfahrens etwas zukommen zu lassen.“).
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Kap. 5: RSA im Konflikt mit Verteilungsregeln
1. Eigenschaft als Anteilsinhaber Zuerst ist fraglich, ob der Anwendungsbereich des § 27 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG durch gifting überhaupt betroffen ist. Schon im Rahmen des Gleichbehandlungsgrundsatzes wurde herausgearbeitet, dass die Parteien in der Restrukturierung „Doppelrollen“2684 einnehmen können. Sie sind auf der einen Seite als planbetroffene „Gläubiger“ bzw. „Anteilsinhaber“ beteiligt. Auf der anderen Seite nehmen sie teilweise auch die Rolle von Investoren ein, die in ein Unternehmen investieren möchten.2685 Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist nicht betroffen, wenn mit einem Gläubiger in seiner Eigenschaft als künftiger Investor ein Vertrag (z. B. ein neuer Finanzierungs- oder Liefervertrag) abgeschlossen wird. In der gleichen Weise könnte auch die absolute Vorrangregel in dem Fall nicht betroffen sein, in dem die Schuldnerin oder die Schlüsselgläubiger mit den Anteilsinhabern in ihrer Funktion als künftige Investoren kontrahieren. Dieser Gedanke wird in den USA jedenfalls von Warren2686 vertreten. Die Anteilsinhaber erhielten die neuen Anteile dann nicht „on account of [any] junior claim or interest“ i. S. d. 11 U.S.C. § 1129 (b) (2) (B) (ii), sondern in ihrer Eigenschaft als neue Investoren in die Gesellschaft.2687 Auch Baird/ Jackson haben in ähnlicher Weise argumentiert.2688 In den USA ist diese Auslegung seit einer Entscheidung des Supreme Court im Jahr 19992689 in Bezug auf die absolute Vorrangregel nicht mehr möglich. Das Gericht hat erklärt, dass das Verbot einer Zuwendung an die Anteilsinhaber „on account of [any] (…) claim or interest“ nicht nur bedeutet, dass nur eine Zuwendung an die Anteilsinhaber im Austausch für ihre bisherigen Anteile (in exchange for) oder zur 2684
Vgl. Baird/Jackson, 55 U. Chi. L. Rev. 738, 760 f. Vgl. zu den Doppelrollen z. B. Warren, 1991 Ann. Surv. Am. L. 9, 39 (1991). 2686 Warren, 1991 Ann. Surv. Am. L. 9, 39 (1991) („The Code leaves old equity in the position of any other potential investor: it may offer to buy any of the assets of the estate on the same terms as any other buyer.“); S. 41 („There is no ,exception‘ to the Code, nor is there any need for one in order for old equity to participate in a plan of reorganization. Because there is no Code restriction on the participation of old equity as a purchaser of any asset of the post-reorganization business, including the purchase of control, there is no need for an ,exception‘ to permit old equity offer to buy the business.“). 2687 Vgl. Warren, 1991 Ann. Surv. Am. L. 9, 39 (1991) („When a creditor class objects, the Code provides that old equity, shall not receive or retain any interest under the plan ,on account of such junior claim or interest.‘ By its own language, the absolute priority rule limits old equity’s participation in the post-reorganization business only to the extent that old equity claims a share of the estate based on its pre-bankruptcy equitable ownership. The Code does not prohibit old equity from becoming a post-petition financer of the business or a post-plan owner of the business.“). 2688 Vgl. Baird/Jackson, 55 U. Chi. L. Rev. 738, 747 ff., 760 („If the old shareholder is entitled to withhold future services, or other inputs, from the firm, she is not acting qua preexisting shareholder at all, but simply as a supplier of a new input. In that capacity, the negotiations with the shareholders are but a species of a common problem of negotiation with a party who is both a prior owner and a future supplier.“). 2689 Bank of Am. Nat. Tr. & Sav. Ass’n v. 203 N. LaSalle St. P’ship, 526 U.S. 434 ff. (1999). 2685
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Erfüllung ihrer bisherigen Forderungen (in satisfaction of) unzulässig ist.2690 Unzulässig sei vielmehr jede Zuwendung an die Anteilsinhaber, weil sie Anteilsinhaber sind (because of).2691 Schon eine kausale Beziehung zwischen Anteilsinhaberschaft und Zuwendung würde den Anwendungsbereich der absoluten Vorrangregel aktivieren.2692 Wann genau Kausalität angenommen wird, ist jedoch offen.2693 Die Kausalität wäre vermutlich stark genug, wenn die alten Eigentümer die Zuwendung (die Anteile) zu einem Preis erhielten, welcher die Masse nicht bestmöglich maximieren würde, und sie läge jedenfalls vor, wenn die alten Anteilsinhaber die Zuwendung (die Anteile) für einen günstigeren Preis erhalten würden, als eine dritte Person dafür bezahlen würde.2694 Um festzustellen, ob Kausalität gegeben ist, könnten die Gerichte prüfen, ob die Eigentümer das Recht, neue Anteile am Unternehmen zu erwerben, exklusiv erhielten. Kausalität könne verneint werden, wenn eine Auktion in Bezug auf die Anteile durchgeführt wird oder wenn konkurrierende Pläne zugelassen werden.2695 Bei einer Übertragung dieser Wertungen ins deutsche Recht wäre auch hier eine Differenzierung danach, ob die Anteilsinhaber eine Zuwendung als Anteilsinhaber oder als neue Investoren erhalten, sehr schwierig. Dass die Anteilinhaber die Zuwendung erhalten, weil sie Anteilsinhaber sind, dürfte nur schwierig zu entkräften sein. Möglicherweise kann im Einzelfall allerdings überzeugend dargelegt werden, dass die Zuwendung erfolgt, um den Anteilinhaber als neuen Investor zu gewinnen oder ihn für die Zukunft im Unternehmen zu halten. 2. Schlüsselgläubiger nicht durch Vorrangregel gebunden Selbst wenn der gerade eben dargestellten strengen US-Sicht gefolgt wird, kann immer noch – analog zum Gleichbehandlungsgrundsatz – argumentiert werden, dass die Schlüsselgläubiger beim gifting gar nicht durch die absolute Vorrangregel verpflichtet werden. Demnach können sie frei entscheiden, wie sie ihren Restrukturierungsgewinn weiterverteilen. Nach § 26 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG müssen die 2690
(1999). 2691
(1999). 2692
(1999). 2693
Bank of Am. Nat. Tr. & Sav. Ass’n v. 203 N. LaSalle St. P’ship, 526 U.S. 434, 449 f. Bank of Am. Nat. Tr. & Sav. Ass’n v. 203 N. LaSalle St. P’ship, 526 U.S. 434, 450 f. Bank of Am. Nat. Tr. & Sav. Ass’n v. 203 N. LaSalle St. P’ship, 526 U.S. 434, 451
7 Collier on Bankruptcy P 1129.03 [4] [c] [iii] (16th 2021) („The Court settled on a reading of ,because of‘ for ,on account of‘, finding it persuasive that this locution seemed to be the more common one in the Bankruptcy Code. This left, however, the ,degree of causation [as] the final bone of contention‘.“). 2694 Bank of Am. Nat. Tr. & Sav. Ass’n v. 203 N. LaSalle St. P’ship, 526 U.S. 434, 453 (1999). 2695 Bank of Am. Nat. Tr. & Sav. Ass’n v. 203 N. LaSalle St. P’ship, 526 U.S. 434, 457 f. (1999); vgl. 7 Collier on Bankruptcy P 1129.03 [4] [c] [iii] (16th 2021) (vorhanden sein sollte ein “disfavor for decisions untested by competitive choice … when some form of market valuation may be available to test the adequacy of an old equity holder’s proposed contribution.“).
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Kap. 5: RSA im Konflikt mit Verteilungsregeln
Gruppen, die den Plan ablehnen, nur angemessen am „Planwert“ beteiligt werden. Planwert ist der Wert, der den Parteien „auf der Grundlage des Plans“ zufließen soll. Man könnte argumentieren, dass das gift nicht aus dem Planwert, sondern aus dem Vermögen der Schlüsselgläubiger stammt.2696 Das gift fließt den Anteilsinhabern auch nicht „auf Grundlage des Plans“ zu, sondern nur bei Gelegenheit des Plans. Im Übrigen macht es einen erheblichen Unterschied, ob die Schlüsselgläubiger sich dafür entscheiden, einen Teil ihrer Quote mit den Anteilsinhaber zu teilen, oder ob der Planersteller (ggf. zusammen mit den Anteilsinhabern) einen solchen Plan durchsetzen kann. Im ersteren Fall entscheiden Personen, welche in the money sind, und treffen damit auch eine unternehmerische Entscheidung. Die Restrukturierung könnte auch ohne ein gifting durchgeführt werden. Im zweiten Fall würden die Planersteller und die Anteilsinhaber hingegen den Schlüsselgläubigern einen Teil ihres Restrukturierungsgewinns versagen und als Parteien, die out of the money sind, Entscheidungen treffen. 3. Kein Nachteil für übergangene Gläubigergruppen Obwohl eine vorrangige, den Plan ablehnende Gläubigergruppe nicht vollständig befriedigt wurde, bestimmt § 27 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG, dass die Anteilinhaber dann einen Planwert erhalten dürfen, wenn die Zuwendung durch eine Leistung in das Vermögen der Schuldnerin vollständig ausgeglichen wird. § 27 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG möchte verhindern, dass sich Wertzuweisungen an die Anteilsinhaber zu Lasten der vorrangigen Gläubiger auswirken.2697 „Unter dem Strich“ soll ein Ausgleich erfolgen.2698 Speziell zum gifting könnte argumentiert werden, dass der Ausgleich schon durch die Schlüsselgläubiger selbst erfolgt. Die Schlüsselgläubiger erhalten den Planwert zunächst als Gegenleistung für ihre bisherigen werthaltigen Forderungen. Der Masse geht mithin nichts verloren. Wenn die Schlüsselgläubiger ihre Quote anschließend, in einem zweiten Schritt, an die Anteilsinhaber weitergeben, geht der Masse „unter dem Strich“ immer noch nichts verloren. Auch zur InsO wurde schon vertreten, dass die absolute Vorrangregel nur Transaktionen verhindern möchte, die sich zu Lasten der widersprechenden Gruppe auswirken.2699
2696 Nerlich/Römermann/Braun, 36. EL, Juni 2018 § 245 Rn. 24; ähnlich: KPB-InsO/ Pleister, § 245 Rn. 35 („Die Bevorzugung fließt ja auch nicht aus den durch den Plan erwirtschafteten Fortführungserlösen.“). 2697 Vgl. RegE-SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181 S. 129. 2698 RegE-SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181 S. 129. 2699 Nerlich/Römermann/Braun, 36. EL Juni 2018, § 245 Rn. 24; K. Schmidt-InsO/Spliedt, § 245 Rn. 22; in diese Richtung: KPB-InsO/Pleister, § 245 Rn. 24 a. A.: HambKomm-InsO/ Thies/Lieder, § 245 Rn. 13.
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III. Zweck der absoluten Vorrangregel aus progressiver Sicht Fraglich bleibt, ob eine Umgehung der absoluten Vorrangregel vorliegt. Hierzu ist wieder entscheidend auf den Zweck der Regelung abzustellen. Nach der progressiven Schule bestand dieser ursprünglich darin, den kleinen unprofessionellen Investor vor Insidern (Managern und Wallstreet-Banken) zu schützen.2700 Dieser Zweck dürfte es nicht erfordern, gift-Transaktionen zu verbieten. 1. Der Boyd-Fall und die relative Vorrangregel Nachdem der US Supreme Court den Boyd-Fall entschieden hatte, wurde der Fall von den Instanzgerichten dahingehend ausgelegt, dass eine Restrukturierung nur dem Prinzip des relativen Vorrangs folgen müsse.2701 Die vorrangigen Gläubiger und die Anteilsinhaber durften den Restrukturierungsgewinn verteilen, müssen die ungesicherten Gläubigern allerdings fair einbeziehen.2702 Aufgrund der damals vorherrschenden Kapitalstrukturen der Eisenbahngesellschaften gab es offensichtlich wenige Einwände gegen das Prinzip des relativen Vorrangs. An den Kapitalmärkten investierten die Investoren typischerweise in Senior Secured Bonds.2703 Viele dieser Investoren waren Europäer.2704 In der Restrukturierung wurden diese Gläubiger insbesondere durch die Wallstreet-Investmentbanken repräsentiert, welche den Receivership-Prozess maßgeblich beeinflussen konnten.2705 Die Wallstreet-Banken hatten ein großes Interesse, das Investment der Investoren zu schützen, damit sie auch in Zukunft neue Bonds bei diesen Investoren platzieren konnten.2706 Diese Investoren mussten nicht besonders geschützt werden, denn „as a group, [they] were sophis2700 Vgl. Commission Report, S. 256 („The rule […] was designed to protect […] the public investor and the public creditor.“); vgl. auch die folgenden Nachweise. 2701 Baird/Rasmussen, 1999 Sup. Ct. Rev. 393, 401 (1999). („In the wake of Boyd, however, lower courts found that the law of corporate reorganization did not include the rule of absolute priority, but rather another rule, a rule that was eventually called ,relative priority‘.“); zur Entwicklung in den USA und zur Diskussion in Deutschland vgl. Westphal/Liedl, FS Gehrlein, S. 589, 592 ff. 2702 Zum Überblick, vgl. Skeel, Debt’s Dominion, S. 67 f., m. w. N. 2703 Skeel, Debt’s Dominion, S. 63; H.R. Rep. No. 95 – 595, S. 222 (1977). 2704 Vgl. Baird/Rasmussen, 1999 Sup. Ct. Rev. 393, 403 (1999); Skeel, Debt’s Dominion, S. 63. 2705 Vgl. Paterson, Corporate Reorganization, S. 25 f. 2706 Vgl. Paterson, Corporate Reorganization, S. 25 f.; Baird/Rasmussen, 1999 Sup. Ct. Rev. 393, 408 (1999) („[T]hey [the Wallstreet Banks] protected the interests of their clients and ensured that railroads on which the economy depended continued to run.“); Skeel, Debt’s Dominion, S. 66 („Since the bankers were the ones who underwrote the bonds, they had vested interest in protecting bondholders as much as possible. Otherwise, investors would be less anxious to participate in the bank’s next bond offering. This reputational stake was magnified by the fact that such a large percentage of U.S. railroads bonds were owned by investors in England and other European nations. If J.P. Morgan and its peers expected to continue selling bonds to foreign investors, it was essential that they show that the U.S. markets were safe and dependable.“).
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ticated parties and repeat players“.2707 Die meisten general creditors waren Lieferanten, welche laufende Geschäftsbeziehungen mit dem Unternehmen hatten.2708 Diese Gläubiger konnten typischerweise aufgrund spezieller Regelungen im Receivership-Prozess voll befriedigt werden.2709 Sie mussten ebenfalls nicht durch eine weitergehende absolute Vorrangregel geschützt werden. Die Anteilsinhaber waren für die Restrukturierung ebenso von erheblicher Bedeutung, weil sie typischerweise gleichzeitig als Manager agierten2710 und eine von nur wenigen neuen Geldquellen für die Restrukturierung darstellten.2711 Es war daher von Bedeutung, diese Gruppe für die Restrukturierung zu gewinnen.2712 Dies konnte mit der relativen Vorrangregel bewerkstelligt werden. Übrig blieben die Gläubiger, welche unkonventionelle Forderungen (an off-beat claim) hatten.2713 Dass diese Gläubiger im ReceivershipVerfahren weniger Schutz erfuhren, erscheint insgesamt nachvollziehbar. Eine relative Vorrangregel schien also ausreichend, um sie zu schützen. Einer absoluten Vorrangregel bedurfte es nicht. 2. Neuer Blick auf den „Public Investor“ Ab Ende der 1920er Jahre plädierte die Literatur immer häufiger für ein System, welches sich an der absoluten Vorrangregel orientieren sollte.2714 Es war immer noch so, dass die meisten Wertpapiere keine Aktien, sondern Senior Bonds waren.2715 Die Inhaber von Senior Secured Bonds waren aber immer häufiger „diverse members of the public with neither time nor expertise to protect themselves“.2716 Diese Investoren galt es nun, vor kollusivem Zusammenwirken von Management und den WallstreetBanken zu schützen. Jerome Frank, einer der ersten New Deal Reformers setzte die
2707
Baird/Rasmussen, 1999 Sup. Ct. Rev. 393, 405 (1999). Baird/Rasmussen, 1999 Sup. Ct. Rev. 393, 405 (1999). 2709 Baird/Rasmussen, 1999 Sup. Ct. Rev. 393, 405 (1999); hierzu zählten z. B. sog. receiver certificates, vgl. dazu Skeel, Debt’s Dominion, S. 59 f. 2710 Baird/Rasmussen, 1999 Sup. Ct. Rev. 393, 404 (1999) („The insiders who ran the railroad […] [were] typically also owners of a substantial part of the stock […].“). 2711 Baird/Rasmussen, 1999 Sup. Ct. Rev. 393, 404 (1999). 2712 Baird/Rasmussen, 1999 Sup. Ct. Rev. 393, 404 (1999). 2713 Baird/Rasmussen, 1999 Sup. Ct. Rev. 393, 405 (1999). 2714 Vgl. z. B. Frank, 19 Va. L. Rev. 541, 560 (1933) („If the property of the old company cannot on any conceivable basis be shown to be worth more than its debts, there is no excuse for allowing […] participation by stockholders where essential new funds can be as advantageously procured without recourse to the stockholders.“); Überblick bei Baird/Rasmussen, 1999 Sup. Ct. Rev. 393, 408 ff. (1999). 2715 H.R. Rep. No. 95 – 595, S. 222 (1977) („In 1938, when public securities were usually senior bonds and corporations were more often privately held, the absolute priority rule prevented abuses of the public’s rights by insiders of a corporation in reorganization.“). 2716 Baird/Rasmussen, 1999 Sup. Ct. Rev. 393, 409 (1999). 2708
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Zeichen in Richtung Gläubigerschutz:2717 Die Mehrheit der Wertpapierinhaber sei uninformiert und den Reorganizers (Managern und Wallstreet-Banken) ausgeliefert.2718 Gerichte müssten den durchschnittlichen Investor schützen, weil er ansonsten hilflos sei.2719 Courts of Equity stünden in der Tradition, den Minderjährigen, Idioten und den Betrunken zu helfen. Der durchschnittliche Investor zähle auch dazu. Er sei „one of like kind“.2720 3. Reform des Equity-Receivership-Verfahrens Der Chandler Act von 1938 sollte schließlich den „kleinen Investor“ durch die Einschaltung eines Verwalters, durch die Aufsicht durch die SEC, durch eine starke Rolle des Gerichts, durch Teilnahmeverbote für Wallstreet-Banken im Restrukturierungsprozess und durch strenge Verfahrensregeln schützen.2721 In diesem Zusammenhang – Schutz des „kleinen public investors“, der in Senior Bonds investiert hatte – sollte auch die Entscheidung von William O Douglas in Case v. Los Angeles Lumber Prod. Co.2722 gelesen werden2723, mit welcher schließlich die absolute Vorrangregel in das Gesetz hineininterpretiert wurde. Hier hatte der Supreme Court erklärt, dass ein Restrukturierungsplan nur dann bestätigt werden könne, wenn er mit der absoluten Vorrangregel vereinbar sei, unabhängig davon, dass der Plan in jeder Gläubigerklasse angenommen worden ist. Zweck der Regelung schien damals zu sein, den kleinen Investor vor den Insidern, den Reorganizern, zu schützen.2724 4. Praxis der SEC Nach 1938 sollten größere Unternehmen im neuen Chapter X und kleinere Unternehmen im neuen Chapter XI des ab dann geltenden Bankruptcy Acts restruk2717 Frank, 19 Va. L. Rev. 541 ff. (1933); dazu auch Baird/Rasmussen, 1999 Sup. Ct. Rev. 408 ff. (1999). 2718 Frank, 19 Va. L. Rev. 541, 568 (1933). 2719 Frank, 19 Va. L. Rev. 541, 569 (1933). 2720 Frank, 19 Va. L. Rev. 541, 569 (1933). 2721 Vgl. Skeel, Debt’s Dominion, S. 119 ff. 2722 Case v. Los Angeles Lumber Prod. Co., 308 U.S. 106, 108, (1939). 2723 Vgl. z. B. Baird/Rasmussen, 1999 Sup. Ct. Rev. 393, 412 ff., 416 (1999) („Nothing separates William O. Douglas view of ,fair and equitable‘ form Jerome Frank’s.“) S. 410 („Frank advocated absolute priority because it best protected the public investors“); Skeel, Debt’s Dominion, S. 119 ff. insbesondere 123 ff. 2724 Dies geht insbesondere aus der späteren Gesetzesbegründung zum heutigen Chapter 11-Verfahren hervor: H.R. Rep. No. 95 – 595, S. 222 (1977): („Chapter X requires application of the absolute priority rule as a standard for confirmation of a plan. Under that rule, senior creditors must be paid in full under the plan before junior creditors or stockholders may receive anything. In 1938, when public securities were usually senior bonds and corporations were more often privately held, the absolute priority rule prevented abuses of the public’s rights by insiders of a corporation in reorganization.“).
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turiert werden. Allerdings wurde nicht klar geregelt, welches Unternehmen nach welchem Chapter restrukturiert werden sollte.2725 Die SEC spielte im Chapter XVerfahren eine wichtige Aufsichtsrolle und konnte darauf hinwirken, dass ein beantragtes Chapter XI-Verfahren in ein Chapter X-Verfahren umgewandelt werden musste.2726 Die SEC bestand bei Unternehmen, welche Bonds an public investors ausgegeben hatten, darauf, dass diese im Chapter X-Verfahren restrukturiert werden, weil in diesem Verfahren die absolute Vorrangregel strikt einzuhalten war und so die public investors geschützt werden konnten.2727 Wenn ein Unternehmen allerdings Aktien an die public investors ausgegeben hatte, hatte die SEC nichts dagegen, wenn die Unternehmen das Chapter XI-Verfahren nutzen wollten, weil dort keine absolute Vorrangregel galt und deshalb die Rechte der Aktionäre besser berücksichtigt werden konnten.2728 5. Veränderung der Zusammensetzung der Anleger und Konsequenzen Ende der 70er Jahre hatte sich die Zusammensetzung der Anleger bei den meisten Unternehmen erneut verändert: Die breite Öffentlichkeit, also auch der amerikanische Durchschnittsbürger, investierte nun verstärkt in Aktien und nachrangige Anleihen.2729 Ab den 70er Jahren seien Aktionäre hauptsächlich „little guys“ und keine Investmentbanken mehr gewesen.2730 Dies war ein Argument dafür, Abweichungen von der absoluten Vorrangregel weniger kritisch zu sehen.2731 Selbst der US-Gesetzgeber sah die strikte Einhaltung der absoluten Vorrangregel im Hinblick auf die geänderte Zusammensetzung der Anleger mittlerweile nicht mehr zeitgemäß, weil sie eher zum Ausschluss des public investors führte statt dazu, ihn zu schützen.2732 2725
Skeel, Debt’s Dominion, S. 164. Vgl. Skeel, Debt’s Dominion, S. 162 ff. 2727 Vgl. Skeel, Debt’s Dominion, S. 165. 2728 Vgl. Skeel, Debt’s Dominion, S. 165. 2729 H.R. Rep. No. 95 – 595, S. 222 (1977) („Today, public classes are more likely to be subordinated debenture holders and stockholders […].“). 2730 LoPucki/Whitford, 139 U. Pa. L. Rev. 125, 133 (1990). 2731 LoPucki/Whitford, 139 U. Pa. L. Rev. 125, 133 (1990); kritisch zur Auslegung der Absolute Priority Rule je nachdem, wer die schützenswerte Partei ist: Blum/Kaplan, 41 U. Chi. L. Rev. 651, 661 (1974); („Chapter X was drawn against a factual backdrop of senior debt held largely by public investors, in opposition to equity investment often drawn from other than widespread public sources. At present the prevailing pattern may be different; holders of senior debt may largely be institutional investors and public investment may be mainly in the form of subordinated debentures or preferred or common stock. It would be peculiar, however, to make the new pattern a premise for reconstructing the strict priority doctrine in order to erode the position of current seniors and benefit current juniors on the theory that the juniors are now more likely to be public holders. Is the standard of fair distribution in reorganizations to change depending upon current fashions in financing?“). 2732 H.R. Rep. No. 95 – 595, S. 222 (1977) („Application of the Absolute Priority Rule under Chapter X has more recently led to the exclusion rather than the protection of the public“). 2726
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Schließlich wurde die absolute Vorrangregel mit Einführung des Chapter 11Verfahrens im Jahr 1978 ein Stück relativiert:2733 Die betroffenen Parteien können über die Verteilung des Restrukturierungsgewinns verhandeln. Nur wenn sie sich nicht einigen können, verlangt das Gesetz, dass eine Klasse, die den Plan abgelehnt hat, voll befriedigt werden muss, bevor eine nachrangige Klasse eine Zahlung erhält. Dies sei nur noch eine partial application der absoluten Vorrangregel. Der Unterschied zum früheren Recht sei, dass vorrangige Klassen eine geringere Quote akzeptieren dürfen, um die Restrukturierung zu beschleunigen oder zu ermöglichen. Nach Ansicht von Baird/Rasmussen ist die Abkehr vom Einstimmigkeitserfordernis in Bezug auf die absolute Vorrangregel im Rahmen einer Restrukturierung der Schlüssel dafür, zu einem Konzept einer relativen Vorrangregel zurückzukehren.2734 Die progressive Schule unterstützt heute auch die Ansicht, dass es mit der sog. „New Value Exception“ eine wichtige Ausnahme zur absoluten Vorrangregel gibt.2735 Während die „general, unsecured creditors“ in den früheren Chapter 11-Verfahren typischerweise eher hilflose Gläubiger waren, die es auch durch die absolute Vorrangregel zu schützen galt, sind die ungesicherten Gläubiger in heutigen finanziellen Restrukturierungen professionell agierende Finanzinvestoren und Hedgefonds.2736 Diese Gruppen sollten historisch gesehen jedenfalls nicht – auch nicht durch die absolute Vorrangregel – geschützt werden.2737 Sie können sich selbst in die Verhandlungen einbringen und ihre Interessen selbst vertreten. Durch gifts der Senior-Gläubiger an die Anteilsinhaber werden diese Gläubiger nicht unzumutbar geschädigt. Aus diesen Ausführungen dürfte deutlich hervorgehen, dass die progressive Lehre die absolute Vorrangregel als eine Regelung zum Schutz von kleinen Gläubigern begreift. Es dürfte der progressiven Schule also bei der Auslegung der absoluten Vorrangregel um den Schutz von „little public investors“ gehen. Solange das gifting 2733
Vgl. zum Folgenden: H.R. Rep. No. 95 – 595, S. 224 (1977). Vgl. Baird/Bernstein, 115 Yale L. J. 1930, 1968 (2006) [„Bonbright and Bergerman failed, however, to recognize that the real impediment to accomplishing their goal [relative priority] was not the legal standard, but rather the unanimity requirement that permitted holdouts to block reorganization bargains favored by the vast majority of senior (and junior) investors.“]. 2735 Skeel, Debt’s Dominion, S. 234 („[B]ankruptcy lawyers who do handle smaller cases care deeply about the exception, as do most progressive bankruptcy scholars.“). 2736 Vgl. zur Evolution des ungesicherten Gläubigers: Paterson, Corporate Reorganization, S. 47 ff. 2737 Paterson, Corporate Reorganization, S. 10 („For example, it is difficult to believe that any progressive scholar would regard a US hedge fund invested in high-yielding, but risky, subordinated unsecured bond debt as needing particular protection in the interests of social welfare. And yet this will often be the identity of the unsecured or junior creditor in a reorganization of the debtor’s loan, bond, and equity finance arrangements. Moreover, if a reorganization of the financial capital structure cannot be agreed, it becomes more likely that distress will spread to the general, unsecured trade creditors, employees, and customers (the groups which progressive scholars do wish to protect).“). 2734
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nicht zu Lasten solcher Gläubiger geht, dürfte es demnach – jedenfalls auch nach progressiver Lehre – weniger problematisch sein. IV. Ökonomischer Blick Fraglich ist, ob gifting gegen die absolute Vorrangregel verstoßen würde, wenn die Regelung aus Sicht der ökonomischen Analyse des Rechts betrachtet wird. Fraglich ist dabei, welchen Zweck die absolute Vorrangregel aus ökonomischer Sicht hat und ob er durch gifting vereitelt würde. 1. Wahrung des relativen Kräfteverhältnisses Wie oben bereits näher dargelegt worden ist, wurde das Insolvenzrecht in den USA ab Ende der 70er Jahre immer häufiger ökonomisch analysiert.2738 Ausgangspunkt war die von Jackson und Baird entwickelte Creditors’-Bargain-Theorie2739 Zweck der absoluten Vorrangregel sei es nach dieser Theorie, den Wert der vorinsolvenzlichen Rechte der Parteien zu schützen. Insolvenzrecht sollte das Werteverhältnis solcher vorinsolvenzlichen Rechte so gut es geht (to the extent possible) wahren.2740 Nur so könne verhindert werden, dass Fehlanreize gesetzt werden und das System von einzelnen Parteien strategisch zu Lasten der übrigen Parteien ausgenutzt würde.2741 In der Literatur wird dies dahingehend zusammengefasst, dass die absolute Vorrangregel eine zwingende Folge der Creditors’-Bargain-Theorie zu sein scheint.2742 Dem folgend, dass das Insolvenzrecht die relativen Rechtspositionen bzw. das Kräfteverhältnis der Parteien untereinander anerkennen müsse, liefern Baird und Jackson Argumente (auch de lege ferenda2743) dafür, dass die absolute Vorrangregel die Junior-Gläubiger nicht schützen sollte, wenn diese out of the money sind. In diesem Fall solle es zulässig sein, dass vorrangige Gläubiger einen Teil ihrer Quote an die Anteilsinhaber umverteilen, ohne dass die Junior-Gläubiger etwas dagegen einwenden dürfen.2744 Sofern ein Unternehmen weniger Wert sei, als den vorrangigen 2738
Überblick bei Skeel, Debt‘s Dominion, S. 225 ff. Vgl. Jackson, 91 Yale L. J. 857 ff. (1982); Jackson, Bankruptcy Law, S. 7 ff.; Baird/ Jackson, 51 U. Chi. L. Rev. 97, 101 ff. (1984). 2740 Jackson, Bankruptcy Law, S. 22. 2741 Vgl. Jackson, Bankruptcy Law, S. 21 ff. („The Destructive Effect of Changes of Relative Entitlements in Bankruptcy“). 2742 Vgl. Casey, 78 U. Chi. L. Rev. S. 759 (2011), wobei er selbst eine andere Auffassung entwickelt. 2743 Vgl. zum Reformbedarf und zum Reformvorschlag, in Zukunft dem Residualgläubiger Entscheidungsmacht zu gewähren: Baird/Jackson, 55 U. Chi. L. Rev. 738, 766 (1988). 2744 Baird/Jackson, 55 U. Chi. L. Rev. 738, 743 (1988) („It might seem that the intermediate creditor has little to complain about. The senior creditor is entitled to exercise its default rights. The procedures that the senior creditor must use to foreclose upon the property are designed, at 2739
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Gläubigern geschuldet werde, gehöre das Unternehmen wirtschaftlich (nur) den vorrangigen Gläubigern. Diese sollten daher im Grundsatz mit dem Unternehmen frei verfahren können.2745 Könnten sich Gläubiger, die vollkommen out of the money sind, auf die absolute Vorrangregel berufen, hätten sie zu viel Verhandlungsmacht, obwohl sie nicht die Residualberechtigten des Unternehmens sind.2746 Ergebnis einer solchen Auslegung wäre, dass Gläubiger, die out of the money sind, teure Einwände erheben könnten, die keinen Vorteil für die Masse ergäben.2747 Dies widerspricht dem von Jackson propagierten Credo, dass das Insolvenzrecht das Kräfteverhältnis (relative values) der Gläubiger untereinander wahren muss, um Fehlanreize zu verhindern.2748 Auch in Deutschland sollten die Mitsprache- und Einflussrechte der Beteiligten aus ökonomischer Perspektive nach dem wirtschaftlichen Wert ihrer Beteiligung bestimmt werden.2749 Demnach würde gifting nicht im Widerspruch zur absoluten Vorrangregel stehen. 2. Negative Ex-ante-Effekte Gifting stellt, wenn es zugelassen wird, eine Einschränkung der absoluten Vorrangregel dar. Dies gilt jedenfalls, wenn die absolute Vorrangregel, wie in den USA, weit ausgelegt wird. Vertreter der ökonomischen Analyse des Rechts würden sich weiter fragen, ob die gifting-Ausnahme, und damit eine Aufweichung der absoluten Vorrangregel, zu Fehlanreizen ex ante führt. Während die progressive Lehre solche Ex-ante-Effekte kaum berücksichtigt,2750 stellen diese eine Kernfrage für die Vertreter der ökonomischen Analyse des Rechts dar.2751 least in principle, to prevent the senior creditor from acquiring the entire firm when that firm is worth more than what the senior creditor is owed. If, upon compliance with those procedures, the remaining assets of the firm prove to be worth less than what is owed the senior creditor, the effect of the original deal the firm struck with its creditors is that the senior creditor gets those assets, and the intermediate creditor gets nothing. One can argue that intermediate creditors have lost nothing when the senior creditor exercises those rights and then decides to share the assets it thereby acquires with the old shareholder.“); S. 760 ff.; Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593, 600 (2017) („As a matter of theory, a true gift from a senior creditor to the old equity is unproblematic. If the firm is not worth enough to pay the senior creditor in full, the firm belongs to her. She should be able to share what she receives with anyone she pleases. That the recipient turns out to be an old shareholder should not itself be of any moment.“). 2745 So der Ausgangspunkt bei der Argumentation von Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593, 600 (2017) zum eigentlichen Zweck der absoluten Vorrangregel. 2746 Baird/Jackson, 55 U. Chi. L. Rev. 738, 766 (1988) („Intermediate creditors and others, when they are very unlikely to be the residual owners, may have too much power […].“). 2747 Baird, 36 Emory Bankr. Dev. J. 699, 713 (2020). 2748 Jackson, Bankruptcy Law, S. 27 ff., insbesondere 29 („[S]ound bankruptcy policy still calls for the preservation of relative values. Doing so minimizes the strategic gamesmanship […].“). 2749 Zu diesem Ziel: Balz, in: Kölner Schrift zur InsO, S. 3, 10, wobei Balz erklärt, dass die InsO hinter diesem Anspruch zurückbleibe. 2750 Baird, 108 Yale L. J. 573, 589 (1998) („That the traditionalists do not even discuss ex ante effects directly shows how unimportant they think ex ante effects are. Traditionalists are
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Ein Argument gegen eine Aufweichung der absoluten Vorrangregel könnte sein, dass für die Schuldnerin dadurch die Kapitalkosten (Zinsen) ex ante steigen könnten.2752 Dieses Argument ist speziell für eine gifting-Ausnahme abzulehnen. Würde gifting zugelassen, würde dies nicht notwendigerweise zu höheren Kapitalkosten führen, weil die vorrangigen Gläubiger es selbst in der Hand haben, ob sie auf einen Teil ihrer Quote verzichten, und die nachrangigen Gläubiger diesen Teil der Quote ohnehin nie für sich beanspruchen könnten. Selbst dass die Zulässigkeit von gifting zu höheren Kapitalkosten für JuniorKredite führen könnte, ist nicht zwingend negativ zu beurteilen. Das volkswirtschaftliche Argument gegen Aufweichungen der absoluten Vorrangregel, dass der Zugang zu neuem Kapitel schwieriger würde,2753 hat weniger Schlagkraft als auf den ersten Blick angenommen. Würden die Kapitalkosten insbesondere für ungesicherte und nachrangige Kredite generell steigen, wäre dies gleichzeitig ein Anreiz für die Schuldnerin und für die Eigentümer, für ihr Unternehmen keine Kapitalstruktur zu implementieren, mit der dem Unternehmen zu viele Schulden aufgebürdet werden.2754 Kapitalstrukturen, die übermäßig fremdfinanziert (overleveraged) sind, seien ein häufiger Grund für finanzielle Krisen.2755 Ein weiteres Argument könnte darin gesehen werden, dass eine Abweichung von der absoluten Vorrangregel den Anteilsinhabern und dem Management einen Anreiz gibt, generell (!) riskante Strategien zu verfolgen. Können die Anteilsinhaber in einer Restrukturierung immer noch am Unternehmen beteiligt bleiben, ohne dass die able to pay ex ante effects so little heed because of the sheer difficulty of identifying these effects with any certainty. […] Traditionalists believe that bankruptcy law can largely ignore ex ante effects […].“). 2751 Baird, 108 Yale L. J. 573, 579 (1998) („The proceduralists, on the other hand, believe that: (…) ex ante effects are important […].“); Bebchuck, LVII J. Finance, 445 f. (2002) („The ex post division that is optimal is the one that would have the best overall effect on ex ante incentives and behavior.“). 2752 Vgl. Rasmussen, 71 Tex. L. Rev. 51, 59 (1992) („To the extent that the bankruptcy process ensures the proper deployment of the firm’s assets and thus creates additional funds that creditors receive, it is the firm that benefits in the first instance through a reduction in the interest rate that is charged.“). 2753 Mennens, Puzzling Priorities, Blog-Beitrag (The RPR [Relative Priority Rule] enables the redistribution of value, allowing for the reshuffling and curtailing of pre-existing rights in a manner that is unpredictable. This is incompatible with the desire to create legal certainty for investors. This uncertainty will hamper the free flow of capital […].“); Malakotipour, The Relative Priority Rule, S. 33. 2754 Vgl. zu diesem Argument im Zusammenhang mit der Unternehmensbewertung: Paterson, Corporate Reorganization, S. 64 („Provided the valuation approach is clear to the parties ex ante they can price for it, adjust their portfolios, and hedge accordingly. Admittedly, this may cause some increase in the price of subordinated unsecured debt, but that is not necessarily a bad thing. As already discussed, a complex, leveraged capital structure may result in a costly reorganization transaction, so there may be merit in creating better incentives for debtors to concentrate on how much debt they take on.“). 2755 Paterson, Corporate Reorganization, S. 64.
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vorrangigen Gläubiger voll befriedigt sind, müssen sie die Kosten ihrer Handlungen nicht gänzlich internalisieren (Moral Hazard).2756 Konkret ist hier das Agency Problem zwischen Gläubigern auf der einen Seite und geschäftsführenden Anteilsinhabern bzw. einflussnehmenden Anteilsinhabern auf der anderen Seite angesprochen.2757 Dieses Argument hat zwar Gewicht, muss allerdings relativiert werden: Beim gifting können die (geschäftsführenden) Anteilsinhaber nicht selbst entscheiden, ob sie am restrukturierten Unternehmen beteiligt bleiben. Diese Entscheidung müssen die Senior-Gläubiger treffen. Wenn die geschäftsführenden Anteilsinhaber durch Missmanagement aufgefallen sind, dürften die Senior-Gläubiger sie nicht weiter im Unternehmen halten wollen. Die Anreize für das Management, riskante Strategien zu fahren, sind damit beim gifting beschränkt. Außerdem kann den Bedenken von Moral Hazard auch auf andere Weise als durch eine weite Auslegung der absoluten Vorrangregel Rechnung getragen werden, z. B. indem in die Kreditverträge strenge Covenants aufgenommen werden oder strenge Haftungsregeln eingeführt werden. Ferner kann es auch positive Effekte haben, wenn ex post durch gifting von der absoluten Vorrangregel abgewichen werden darf:2758 Manager, die gleichzeitig Anteile am Unternehmen besitzen, werden eher in firmenspezifisches Humankapital investieren.2759 Wenn von der absoluten Vorrangregel abgewichen werden kann, besteht schließlich ein Anreiz für das Management bzw. für die Anteilsinhaber, eine Restrukturierung früher zu starten.2760 Durch die Attraktivität der Restrukturierung wird außerdem verhindert, dass das Management einen Anreiz hat, in der Krise (!) in weitere, noch riskantere Projekte zu investieren.2761 Die absolute Vorrangregel steht bei strenger Ausgestaltung pragmatischen Restrukturierungen entgegen.2762 Außerdem haben die Senior-Gläubiger in der vorinsolvenzli2756
Dazu Bebchuk, LVII J. Finance 445, 447 (2002). Casey, 78 U. Chi. L. Rev. 759, 782 (2011). 2758 Zum folgenden Überblick und zu weiteren Beispielen siehe Bebchuk, LVII J. Finance, 445 f. (2002), m. w. N.; Bebchuk untersucht hier aber selbst Nachteile von Abweichungen von der absoluten Vorrangregel. 2759 Vgl. Bebchuk/Picker, Coase-Sandor Working Paper, No. 16, S. 1 ff. (1993); Bebchuk, LVII J. Finance, 445 f. (2002). 2760 Vgl. Korobkin, 23 Cap. U. L. Rev. 413, 425 (1994) (die APR schreckt Manager von KMU ab, frühzeitig das Verfahren zu starten; auf Manager von Publikumsgesellschaften wirkt sie weniger abschreckend, weil die Manager hier ohnehin häufig nicht in gleicher Weise an dem Unternehmen beteiligt sind.); Krohn, Int. Insolv. Rev. 2020, 1, 5 (insbesondere für KMU); Baird, 165 U. Pa. L. Rev. 785, 799 (2017) („[O]wner-managers might not be inclined to trigger a reorganization if they will be wiped out completely, and they may need to be given some incentive to remain with the firm.“); Heinkel/Zechner, 2 J. Econ. Manag. Strategy, 531, 533 (1993). 2761 Gertner/Scharfstein, XLVI J. Finance, 1189, 1215 (1991) („So, as the firm’s financial position gradually deteriorates, management has a strong incentive to take risk-increasing investments and to pay out as much firm value as possible to themselves. This incentive is obviously diminished the higher the return to equity and management in Chapter 11.“). 2762 Vgl. dazu schon im Zuge der Reformen zum heutigen Chapter 11-Verfahren: Commission Report, Part I, S. 1 (1973). 2757
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chen Phase die Kontrolle aufgrund ihrer Covenant-unterlegten Kreditverträge häufig ohnehin schon faktisch übernommen.2763 Insgesamt bestehen ökonomisch also keine zwingenden Gründe, gifting im Rahmen einer Restrukturierung zu verbieten. V. Funktionsschutz als Zweck der absoluten Vorrangregel? 1. Verhinderung von Kollusion und Gewährleistung von Funktionsschutz Fraglich ist, warum in den USA gifting immer noch als unzulässig angesehen wird, wenn weder die progressive Schule noch Vertreter der ökonomischen Analyse des Rechts überzeugende Argumente für ein derartiges Verbot vorbringen können. Auch dem Gesetz kann ein Verbot nicht konkret entnommen werden. In den USA wurde jüngst von Baird2764 eine neue Theorie entwickelt, mit der das Verbot von gifting gerechtfertigt werden kann. Insgesamt geht es um Funktionsschutz. „The best understanding of this rule in a regime that adopts absolute priority is that it serves to protect the integrity of the process“.2765
Würde gifting zugelassen, wäre der Verhandlungsprozess, welcher den Kern jedes Chapter 11-Verfahrens bildet, gestört.2766 Die ökonomische Argumentation, dass out of the money-Gläubiger sich nicht auf die absolute Vorrangregel berufen dürften, verkennt, dass der Unternehmenswert in den Verhandlungen erst ermittelt werden muss. Vor diesen Verhandlungen steht nach der gesetzlichen Konzeption des Chapter 11-Verfahrens noch gar nicht fest, wer in the money und out of the money ist. In die Verhandlungen sind im Grundsatz alle Gläubiger einzubeziehen. Eine der Hauptprämissen eines Restrukturierungsverfahrens sei, dass der Plan aus Verhandlungen zwischen der Schuldnerin und ihren verschiedenen Gläubigern hervorgehe.2767 Diesen Zusammenhang hat schon der Supreme Court im Boyd-Fall gesehen: „In saying that there was nothing for unsecured creditors, the argument assumes the very fact which the law contemplated was to be tested by adversary proceeding“.2768
In einem Restrukturierungsverfahren hätten die Anteilseigner bei strenger Anwendung der absoluten Vorrangregel erhebliche Anreize, gegen die Forderungen der Senior-Gläubiger vorzugehen und alle denkbaren Einwände gegen deren Forderungen zu erheben. Hierbei würden die Anteilseigner gleichzeitig mittelbar die Ju2763
Vgl. Casey 78 U. Chi. L. Rev. 759, 782 (2011). Baird, 36 Emory Bankr. Dev. J. 699 ff. (2020); Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593, 599 ff., insbesondere 617 („Boyd’s legacy is about ensuring the integrity of the process.“). 2765 So jetzt auch: Adler/Casey/Morrison, Baird & Jackson’s Bankruptcy, S. 881 (2020). 2766 Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593, 600 (2017) („A prohibition on gifting in the context of plan-confirmation is needed to ensure that these negotiations are not distorted.“). 2767 Adler/Casey/Morrison, Baird & Jackson’s Bankruptcy, S. 787 (2020) („One of the key premises of Chapter 11 is that the plan of reorganization emerges out of negotiations between the debtor and its various creditors.“). 2768 Northern Pacific v. Boyd, 228 U.S. 482, 506 (1913). 2764
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nior-Gläubiger schützen,2769 weil die Früchte der Einwände zunächst den JuniorGläubigern und dann den Anteilsinhabern zukommen würden. Besonders deutlich werden die durch die absolute Vorrangregel erzeugten Anreize im Hinblick auf die Unternehmensbewertung. Senior-Gläubiger, JuniorGläubiger und die Anteilsinhaber verhandeln über die Aufteilung von Vermögensgegenständen, die einen fixen, aber unsicheren Wert haben.2770 Die Senior-Gläubiger haben regelmäßig einen Anreiz, für einen niedrigen Unternehmenswert zu plädieren.2771 Weil der Unternehmenswert zunächst genutzt wird, um die Forderungen der Senior-Gläubiger zu befriedigen, führt ein behaupteter geringer Unternehmenswert dazu, dass die Senior-Gläubiger die Anteile am Unternehmen alleine erwerben können.2772 Sie können dann den ganzen „Kuchen“ für sich beanspruchen und müssen ihn nicht mit den Junior-Gläubigern und den Anteilsinhabern teilen.2773 Wird der Unternehmenswert unterschätzt, profitieren die Senior-Gläubiger; wird er überschätzt bzw. hoch angesetzt, profitieren die Junior-Gläubiger und schlussendlich die Anteilsinhaber.2774 Natürlich haben die Anteilsinhaber dann einen Anreiz, Argumente für eine großzügige Unternehmensbewertung zu finden.2775 Schon im BoydFall hat der Supreme Court erklärt: „The stockholders, who, in lawfully protecting themselves, would necessarily have protected unsecured creditors.“2776
Wenn das Management z. B. als Incentivierung von den Senior-Gläubigern ein gift erhält, hat es plötzlich einen Anreiz, für eine niedrige Unternehmensbewertung zu argumentieren, weil es seine Anteile dann nur mit den Senior-Gläubigern und nicht mehr mit den Junior-Gläubigern teilen müsste.2777 Die gleiche Logik gilt, wenn die Anteilsinhaber gifts von den Senior-Gläubigern erhalten dürfen.2778 Die Gefahr, welcher durch die Priority Rules begegnet werden soll, ist, dass die vorrangigen Gläubiger die Verhandlung dadurch „verfälschen“, dass sie denjenigen Parteien, welche die Kontrolle über das Verfahren haben (geschäftsführende Anteilsinhaber), gifts zukommen lassen.2779 Ein Verbot solcher „Geschenke“ sei notwendig, um 2769
Northern Pacific v. Boyd, 228 U.S. 482, 506 (1913). Gilson/Hotchkiss/Ruback, 13 The Review of Financial Studies, 43, 65 (2000). 2771 Baird/Bernstein, 115 Yale L. J. 1930, 1951 (2006); Crystal/Mokal, S. 6; Krohn, Int. Insolv. Rev. 2020, S. 1, 5 („Senior creditors are generally keen to keep figures as low as possible so that they share less with junior creditors“). 2772 Baird/Bernstein, 115 Yale L. J. 1930, 1951 in Fn. 55 (2006); vgl. auch Krohn, Int. Insolv. Rev. 2020, S. 1, 5; Crystal/Mokal, S. 6. 2773 Vgl. Crystal/Mokal, S. 6. 2774 Vgl. Gilson/Hotchkiss/Ruback, 13 The Review of Financial Studies, 43, 45, 65 (2000). 2775 Gilson/Hotchkiss/Ruback, 13 The Review of Financial Studies, 43, 67 (2000). 2776 Northern Pacific v. Boyd, 228 U.S. 482, 506 f. (1913). 2777 Gilson/Hotchkiss/Ruback, 13 The Review of Financial Studies, 43, 67 (2000). 2778 Vgl. Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593, 600 (2017). 2779 Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593, 599 (2017). 2770
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Störeinflüsse im Verhandlungsprozess zu verhindern.2780 Die Regel sei in Boyd entwickelt, später aber in die absolute Vorrangregel implementiert worden. Im Ergebnis sieht Baird den Grund für die überschießende Anwendung der Priority Rule in den Gefahren2781 im Zusammenhang mit strategischen Unternehmensbewertungen und Manipulationsmöglichkeiten im Planerstellungsprozess. 2. Grundsätzliche Kritik Die gerade eben herausgearbeitete Rechtfertigung für eine weite Auslegung der Priority Rule – Schutz des Verhandlungsprozesses, in welchem der Unternehmenswert diskutiert und ermittelt wird – zielt im Ergebnis auf zwei Probleme ab: erstens ein unlauteres Zusammenwirken (Kollusion) zwischen vorrangigen Gläubigern und Anteilsinhabern und zweitens die Anfälligkeit, den Unternehmenswert zu beeinflussen.2782 Nach Baird/Jackson seien beide Gesichtspunkte nicht ausreichend, um eine weite Auslegung der Vorrangregel zu rechtfertigen.2783 a) Nur theoretisches Problem Das Kollusionsargument geht dahin, dass die vorrangigen Gläubiger und die Anteilsinhaber zusammenarbeiten und gezielt eine Restrukturierung anvisieren, um sich der Junior-Gläubiger zu entledigen.2784 Dies sei zwar ein theoretisches, allerdings kein praktisches Problem, weil ein freeze out der Junior Gläubiger nur dann durchgezogen werden könne, wenn der Unternehmenswert tatsächlich unter dem den vorrangigen Gläubigern geschuldeten Betrag liegt.2785 Dass in einer solchen Situation die anderen Konditionen für die Restrukturierung (in Deutschland z. B. drohende Zahlungsunfähigkeit) alle nur künstlich herbeigeführt würden, sei nicht besonders wahrscheinlich.2786 Darüber hinaus hätte eine Restrukturierung für die Anteilsinhaber auch noch andere negative Konsequenzen, weshalb die Anreize zu einem solchen Manöver nur selten vorliegen würden.2787
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Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593, 600 (2017). Zu diesen Gefahren: Wang, Loan-to-Own, S. 56 ff. 2782 Baird/Jackson, 55 U. Chi. L. Rev. 738, 762 (1988); dazu jetzt auch Wang, Loan-toOwn, S. 56 ff. 2783 Baird/Jackson, 55 U. Chi. L. Rev. 738, 762 (1988). 2784 Baird/Jackson, 55 U. Chi. L. Rev. 738, 762 (1988). 2785 Baird/Jackson, 55 U. Chi. L. Rev. 738, 762 (1988). 2786 Baird/Jackson, 55 U. Chi. L. Rev. 738, 762 f. (1988). 2787 Baird/Jackson, 55 U. Chi. L. Rev. 738, 763 (1988) („In only the most unusual case will default make the junior owner better off, even if she can eliminate a class of creditors in the process.“). 2781
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b) Schutz des Bewertungsprozesses anderweitig möglich Das Problem, dass der Unternehmenswert bei einer Zusammenarbeit zwischen Anteilsinhabern und Senior-Gläubigern beeinflusst wird und zu niedrig ausfällt,2788 ist zwar ebenfalls denkbar. Statt die Privatautonomie durch eine weite Auslegung der absoluten Vorrangregel allerdings einzuschränken, werden in der Literatur auch weniger einschneidende Möglichkeiten aufgezeigt, um das Problem der Unternehmensbewertung zu lösen. In den USA können die Junior-Gläubiger selbst einen Plan vorschlagen, in welchem sie die Senior-Gläubiger unbeeinträchtigt lassen und Defaults gegenüber diesen heilen.2789 Damit können sie verhindern, dass sie aus der Kapitalstruktur ausgeschlossen werden. Wenn sie entgegen der Ansicht der SeniorGläubiger meinen, dass der Unternehmenswert derart hoch sei, dass sie noch in the money sind, sollten sie diese Möglichkeit nutzen, auch wenn sie ggf. Mittel zuschießen müssen, um Defaults gegenüber den Senior-Gläubigern zu heilen. In England wird diese Möglichkeit, die Senior-Gläubiger auszukaufen, ebenfalls gesehen.2790 In Deutschland können die Junior-Gläubiger zwar selbst keinen Plan vorschlagen. Denkbar wäre aber ein Vorgehen nach § 267 BGB2791 oder analog § 268 BGB. Die Junior-Gläubiger könnten die Forderungen der Senior-Gläubiger ablösen. Im StaRUG-Verfahren wird darüber hinaus eine detaillierte Vergleichsrechnung gefordert, in welcher verschiedene Alternativszenarien2792 durchzurechnen sind. Hierdurch erfolgt ebenfalls eine Objektivierung des Verfahrens und der Ermittlung des Unternehmenswerts. Als mögliche Vergleichsszenarien werden hier das „Ohnealles-Szenario“, die Fortführung im Insolvenzplanverfahren2793, der Verkauf des Unternehmens außerhalb des Insolvenzverfahrens, die übertragende Sanierung im Insolvenzverfahren, sowie – falls die Fortführung ausgeschlossen ist (vgl. § 6 Abs. 2 Satz 2 und 3 StaRUG) – die Zerschlagung vorgeschlagen.2794 Nur ein Vergleich mit
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Vgl. zu strategischen Einflüssen auf die Unternehmensbewertung: Wang, Loan-toOwn, S. 56 ff. 2789 Baird/Jackson, 55 U. Chi. L. Rev. 738, 763 [Verweis auf 11 U.S.C. § 1124 (2)], S. 764 f. („If the intermediate creditors are indeed the residual claimants of the firm, they should be able to cure past defaults to the senior creditor and reinstate the old loan or, alternatively, propose a new stream of payments that gives the senior creditor the value of its claim.“, S. 765). 2790 Paterson, in: Olivares-Caminal/Kornberg/Paterson, Rn. 3.230. 2791 Vgl. Halasz/Vogelmann/Körner, in: Jesch/Striegel/Boxberger, Private Equity, S. 694 f. 2792 Ausführlich: Skauradszun, KTS 2021, 1, 63 ff. 2793 Ob der Erfolg dieses Szenarios hinreichend wahrscheinlich ist, dürfte insbesondere dann fraglich sein, wenn im Rahmen eines Restrukturierungsplans schon über 50 Prozent der Gläubiger ihre Zustimmung signalisiert haben. Denn dann halten diese Gläubiger im Berichtstermin (§ 157 InsO) die Zügel des Verfahrens in der Hand. Auch sonst werden hier die Unwägbarkeiten (konkreter Ablauf des Verfahrens) als Hürde dargestellt (BeckOK-StaRUG/ Fridgen, § 6 Rn. 60); bei den Szenarien im Insolvenzverfahren müssen außerdem die indirekten Insolvenzkosten berücksichtigt werden, weil das Verfahren länger dauert und öffentlich ist. 2794 Skauradszun, KTS 2021, 1, 63 ff.
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einem alternativen StaRUG-Plan scheidet aus.2795 Das Vergleichsszenario muss hinreichend wahrscheinlich und die nächstbeste Alternative sein.2796 Insgesamt ist ein Kleinrechnen des Unternehmenswerts schwierig und die Planersteller sind gehalten, Eingriffe in Gläubigerrechte möglichst gering zu halten.2797 Häufig dürfte das Alternativszenario eine übertragende Sanierung im Rahmen des Regelinsolvenzverfahrens sein.2798 Eine weitere Objektivierungsmöglichkeit wäre, dass man – wie von vielen Vertretern in der Literatur gefordert2799 – verlangt, dass der Unternehmenswert anhand eines Auktionsprozesses (Dual-Track-Verfahren) zu bestimmen ist. Hierdurch könnte die Manipulation der Unternehmensbewertung verringert werden. Auch würde die Privatautonomie der Planbetroffenen nicht eingeschränkt. Im StaRUG-Verfahren kann der Restrukturierungsbeauftragte zusätzlich für Objektivität sorgen. Das Gericht kann den Restrukturierungsbeauftragten auch als Sachverständigen bestellen (§ 73 Abs. 3 StaRUG). c) Teilnahmerecht an Verhandlungen ausreichend Schließlich kann es ausreichend sein, wenn die Junior-Gläubiger einen Anspruch haben, an den Planverhandlungen teilzunehmen, ohne dass sie Nebenabsprachen zwischen den Senior-Gläubigern und den Anteilsinhabern verhindern dürfen. Baird/ Jackson argumentieren, dass man sich darauf fokussieren sollte, den Junior-Gläubigern zu helfen, Informationen zum Unternehmenswert zu bekommen und ihre Rechte geltend zu machen, anstatt die Privatautonomie der Senior-Gläubiger zu beschneiden.2800 Hier könnten sie notwendige Informationen erhalten, um später, wenn sie überstimmt werden, ihren Minderheitenschutz-Antrag vor Gericht geltend zu machen und ihre eigene Unternehmensbewertung zu präsentieren. Dies gilt insbesondere für Finanzinvestoren und Hedgefonds. Sie können in den Verhandlungen Gegenvorschläge einbringen und sich ggf. mittels den gerichtlichen Maßnahmen selbst verteidigen. Ihnen darüber hinaus zu gestatten, Einfluss auf die Privatautonomie der Senior-Gläubiger auszuüben, wäre übertrieben. Erkennt man, dass 2795 Hölzle, Praxisleitfaden SanInsFoG, § 6 Rn. 16; AG Köln, Beschl. v. 3. 3. 2021 – 83 Res 1/21, ZIP 2021, 806, 808. 2796 Vgl. RegE-SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 163. 2797 Skauradszun, KTS 2021, 1, 24. 2798 Rechtmann, WM 2021, 520 f. 2799 Für die Durchführung eines Dual-Track-Verfahrens nach dem StaRUG: Hölzle, Praxisleitfaden SanInsFoG, § 6 Rn. 15 ff. insbesondere Rn. 20 f.; a. A.: Braun-StaRUG/Böhm, § 6 Rn. 23 f.; Knapp, in: Flöther, StaRUG, § 26 Rn. 19; Fuhrmann/Heinen/Schilz, NZG 2021, 684, 686; für Dual-Track im Insolvenzplanverfahren: Hölzle, in: Kübler, HRI, § 30 Rn. 52 („Alles in allem dürfte daher ein Dual-Track-Verfahren nur auf Grundlage eines Beschlusses jedenfalls des Gläubigerausschusses überhaupt verzichtbar sein.“); J. Schmidt, in: Kübler, HRI, § 34 Rn. 132 ff.; Leib/Rendels, EWiR 2015, 23 f.; Rendels/Zabel, Insolvenzplan, S. 7 („zumindest ab einer gewissen Größenordnung“); a. A.: LG Stade, Beschl. v. 29. 12. 2017 – 7 T 151/17, NZI 2019, 31, 32 (juris-Rn. 17). 2800 Im Ergebnis: Baird/Jackson, 55 U. Chi. L. Rev. 738, 763 (1988).
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die absolute Vorrangregel und der Boyd-Fall ursprünglich das Problem lösen wollten, dass die Insider (Management und Wallstreet-Banken) die unbeteiligten Gläubiger übervorteilen können, dürfte es ausreichen, wenn die planbetroffenen Gläubiger in die Verhandlungen einbezogen werden. VI. Zwischenergebnis Gift-Transaktionen, die häufig im Zusammenhang mit RSA durchgeführt werden, verstoßen nicht gegen die absolute Vorrangregel. Eine weite Auslegung dieser Regel ist nicht angezeigt. Weder der Wortlaut der Norm noch ökonomische Gründe sprechen für eine weite Auslegung. Das Ziel, in einem Verhandlungsprozess den richtigen Unternehmenswert zu ermitteln, kann mit weniger strengen Maßnahmen erreicht werden. Es ist ausreichend, wenn sichergestellt wird, dass die JuniorGläubiger an den Verhandlungen teilnehmen dürfen. Sie können dann ggf. selbst Vorschläge unterbreiten oder jedenfalls ausreichend Informationen sammeln und ihre Rechtsposition und die Werthaltigkeit ihrer Forderungen selbst bei Gericht geltend machen. Darüber hinaus in die Privatautonomie der Senior-Gläubiger einzugreifen, ist jedenfalls keine Aufgabe der absoluten Vorrangregel.
B. Übervorteilung? Ein weiterer Aspekt der absoluten Vorrangregel besagt, dass kein anderer planbetroffener Gläubiger wirtschaftliche Werte erhalten darf, die den vollen Betrag seines Anspruchs übersteigen (§ 27 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 StaRUG). Auch diese Vorschrift könnte für die Schlüsselgläubiger misslich sein: Im Hinblick auf diese Normen werden in der Literatur u. a. Restructuring Fees diskutiert.2801 Finanzgläubiger würden diese für einen erhöhten Verwaltungs- und Neustrukturierungsaufwand verlangen.2802 Die Bezahlung der Gebühr stelle grundsätzlich eine die einbezogene Forderung übersteigende Leistung der Schuldnerin dar.2803 Um einen Verstoß gegen die absolute Vorrangregel zu vermeiden, müsse eine gleichzugewichtende Gegenleistung der Kreditgeber erfolgen.2804 Die Gegenleistung kann aber im Verwaltungs- und Neustrukturierungsaufwand gesehen werden.2805 Gleichwertigkeit ist gegeben, wenn die Gebühren nicht übermäßig hoch sind.2806 Nur wenn eine 2801
Kowalewski/Praß, in: Morgen, StaRUG, § 27 Rn. 30. Kowalewski/Praß, in: Morgen, StaRUG, § 27 Rn. 30. 2803 Kowalewski/Praß, in: Morgen, StaRUG, § 27 Rn. 30. 2804 Kowalewski/Praß, in: Morgen, StaRUG, § 27 Rn. 30. 2805 So wohl Kowalewski/Praß, in: Morgen, StaRUG, § 27 Rn. 30; ähnlich Knapp, in: Flöther, StaRUG, § 27 Rn. 7 (eine angemessene Vergütung des tatsächlichen Aufwands der Finanzierer ist zulässig, ebenso eine Kompensation für ein erhöhtes Kreditrisiko). 2806 Kowalewski/Praß, in: Morgen, StaRUG, § 27 Rn. 30 (bis 1 % der Gesamtkreditzusage). 2802
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Kap. 5: RSA im Konflikt mit Verteilungsregeln
Gebühr eine faktische Teilbefriedigung auf die ursprüngliche Forderung darstellt, ist sie bedenklich.2807
§ 3 Verbot von Sondervorteilen nach § 10 Abs. 3 StaRUG Eine weitere „Verteilungsregel“, welche einem RSA entgegenstehen könnte, stellt § 10 Abs. 3 StaRUG dar. Hier ist geregelt, dass jedes Abkommen der Schuldnerin oder Dritter mit einzelnen Planbetroffenen nichtig ist, wenn es einzelnen Planbetroffenen für ihr Verhalten bei Abstimmungen oder sonst im Zusammenhang mit dem Restrukturierungsverfahren einen nicht im Plan vorgesehenen Vorteil gewährt. Als Beispiel wird eine mit einer Bevorzugung einhergehende Stimmvereinbarung genannt.2808 Es sei auch unzulässig, dass sich ein Gläubiger seinen Widerstand abkaufen lasse.2809 Nach der Regierungsbegründung zum StaRUG schützt die Norm die Transparenz und die Integrität des Abstimmungsprozesses.2810 § 10 Abs. 3 StaRUG ist dem § 226 Abs. 3 InsO nachgebildet.2811 Diese Norm ist die Nachfolgevorschrift von § 5 Abs. 3 VglO i. d. F. vom 5. Juli 19272812 und von § 8 Abs. 3 VglO ab dem 26. 2. 1935.2813 Gleiches gilt für § 168 Satz 3 KO i. d. F. vom 10. 2. 18772814 und dem späteren § 181 Satz 3 KO.2815 Zunächst ist zu prüfen, ob das typische RSA zwischen dem Schuldner und einzelnen Gläubigern gegen § 10 Abs. 3 StaRUG verstößt [dazu unter A.]. Darüber hinaus ist zu prüfen, ob Vereinbarungen zwischen Planbetroffenen [dazu unter B.] und Vereinbarungen zwischen den Planbetroffenen und dem Management [dazu unter C.] ebenfalls unter § 10 Abs. 3 StaRUG fallen. Auch diese Absprachen können ins RSA aufgenommen werden.
2807
Knapp, in: Flöther, StaRUG, § 27 Rn. 7. Pannen/Riedemann/Smid/Smid, § 10 Rn. 6; Smid/Rattunde/Martini, Der Insolvenzplan, Rn. 4.18. 2809 Pannen/Riedemann/Smid/Smid, § 10 Rn. 6. 2810 RegE-SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 120. 2811 RegE-SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 120. 2812 RGBl. I, 139 (1927). 2813 RGBl. I, 321, ber. S. 356 (1935). 2814 RGBl. I, 351 (1877). 2815 Vgl. RegE-InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 202 (Verweis auf § 8 Abs. 3 VglO und § 181 Satz 3 KO); HK-InsO/Haas, § 226 Rn. 4. 2808
§ 3 Verbot von Sondervorteilen nach § 10 Abs. 3 StaRUG
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A. Sonderabkommen zwischen Schuldnerin und einzelnen Planbetroffenen Zunächst stellt sich die Frage, warum ein RSA ein unzulässiges Sonderabkommen i. S. d. § 10 Abs. 3 StaRUG sein könnte. Es könnte ein Sonderabkommen darstellen, wenn der Schuldner einzelnen Planbetroffenen im Laufe des Verfahrens zahlreiche Gebühren bezahlt. Es geht um die Übernahme sog. Working Fees2816, Advisor’s Fees2817, Backstop Fees2818 und von Consent Fees2819. Häufig wird der Beitritt zum RSA vergütet und die Kosten, welche den Gläubigern im Zusammenhang mit der Restrukturierungsverhandlung angefallen sind (Rechtsanwaltskosten, Verhandlungskosten, Abtretungsverbote, Handelsrestriktionen), werden erstattet. Weitere Sondervorteile könnten gegeben sein, wenn einzelne Gläubiger als neue Geldgeber ausgesucht werden und mit ihnen Überbrückungskredite mit günstigen Konditionen geschlossen werden. Es könnte auch ein Sondervorteil sein, wenn nur mit einzelnen Gläubigern eine Lieferbeziehung fortgesetzt wird. Schließlich kann in einem Vergleich mit einem Gläubiger (z. B. bzgl. der Forderungshöhe) ein Sondervorteil an diesen Gläubiger liegen. Nicht jedes Abkommen fällt indessen unter § 10 Abs. 3 StaRUG. Die Tatbestandsvoraussetzungen der Norm müssen erfüllt sein. Diese gilt es zu prüfen. I. „mit einzelnen Planbetroffenen“ Erste Voraussetzung wäre, dass das RSA ein Abkommen „des Schuldners“ mit „einzelnen Planbetroffenen“ darstellt. Wenn das RSA zu Beginn nur mit ausgewählten Schlüsselgläubigern verhandelt und abgeschlossen wird, ist diese Voraussetzung (jedenfalls zunächst) erfüllt. Wenn sich dem RSA alle Beteiligten angeschlossen haben, entfällt dieses Tatbestandsmerkmal wieder. II. Zeitliche Grenze? Fraglich ist, ob Abkommen vom Anwendungsbereich des § 10 Abs. 3 StaRUG ausgeklammert werden können, wenn sie schon frühzeitig geschlossen werden. Dies könnte etwa dann der Fall sein, wenn das RSA in einem Zeitpunkt vereinbart wird, in welchem die Parteien nur eine außergerichtliche Restrukturierung anvisieren, aber noch kein StaRUG-Verfahren im Blick haben. 2816 Zu dieser Gebühr: Re Codere Finance 2 (UK) Ltd, [2020] EWHC 2441 (Ch) = 2020 WL 05517604 (Rn. 64 ff. und 93 ff.). 2817 Zu dieser Gebühr: Re Codere Finance 2 (UK) Ltd, [2020] EWHC 2441 (Ch) = 2020 WL 05517604 (Rn. 68 ff. und 101 ff.). 2818 Zu dieser Gebühr: Re Codere Finance 2 (UK) Ltd, [2020] EWHC 2441 (Ch) = 2020 WL 05517604 (Rn. 89 ff.). 2819 Zu dieser Gebühr: Re Codere Finance 2 (UK) Ltd, [2020] EWHC 2441 (Ch) = 2020 WL 05517604 (Rn. 105 ff.).
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Kap. 5: RSA im Konflikt mit Verteilungsregeln
Schon § 181 Satz 3 KO und § 8 Abs. 3 VglO haben vorausgesetzt, dass zwischen dem Vorzugsabkommen und dem Vergleichsverfahren objektiv eine Beziehung und subjektiv die Absicht besteht, dass das Sonderabkommen neben dem Vergleich gelten soll.2820 Es wurde gefordert, dass das Abkommen im Hinblick auf den zu erwartenden Vergleich getroffen wird.2821 Für die Frage, ob eine relevante Beziehung bestanden hat, war von entscheidender Bedeutung, ob sich die Beteiligten von der Absicht haben leiten lassen, dass das Sonderabkommen neben dem Vergleich gelten sollte.2822 Es wurde vorausgesetzt, dass der bevorzugte Gläubiger zumindest Kenntnis von dem Eröffnungsantrag hatte oder doch mit einem bevorstehenden Vergleichsverfahren gerechnet hat.2823 § 10 Abs. 3 StaRUG fordert, dass der Vorteil den Planbetroffenen „für ihr Verhalten bei Abstimmungen“ oder „sonst im Zusammenhang mit dem Restrukturierungsverfahren“ gewährt wird. Sofern das RSA eine Stimmbindung für das künftige StaRUG-Verfahren enthält und der Vorteil hierfür bezahlt wird, dürfte der notwendige Zusammenhang stets gegeben sein.2824 Wenn hingegen nur ein Abtretungsverbot, eine Stillhaltevereinbarung oder ein Waiver bzgl. Covenants vereinbart wird, um ein stabiles Verhandlungsumfeld für eine außergerichtliche Restrukturierung zu ermöglichen, kann der Zusammenhang im Einzelfall entfallen. Dies gilt jedenfalls, wenn das StaRUG-Verfahren noch nicht in Betracht gezogen wird. Teilweise wird für ein enges Verständnis plädiert:2825 Die Vorschrift betreffe nur ein konkret abgesprochenes Abstimmungsverhalten und die Vereinbarungen, welche die Annahme des Restrukturierungsplans sicherstellen wollen. III. Qualitative Grenze? Das Reichsgericht hat erklärt, dass von § 5 Abs. 3 VglO nur bestimmte Abkommen erfasst werden: Die Norm umfasse solche Abkommen, die der Zustimmung aller Gläubiger bedürften, wenn sie Inhalt des Plans wären.2826 Hinter dieser Äußerung steht das Ziel, die Autonomie der Gläubiger zu schützen. Sie sollen Un-
2820
Vgl. dazu BGH, Urt. v. 8. 2. 1961 – VIII ZR 20/60, WM 1961, 431 434 f. BGH, Urt. v. 8. 2. 1961 – VIII ZR 20/60, WM 1961, 431 435. 2822 BGH, Urt. v. 8. 2. 1961 – VIII ZR 20/60, WM 1961, 431 435; RG, Urt. v. 23. 5. 1932 – VIII 60/32, RGZ, 136, 288, 290. 2823 BGH, Urt. v. 8. 2. 1961 – VIII ZR 20/60, WM 1961, 431 435. 2824 Vgl. Kowalewski/Praß, in: Morgen, StaRUG, § 10 Rn. 24. 2825 Kowalewski/Praß, in: Morgen, StaRUG, § 10 Rn. 24 (wobei sie das Urteil des BGH in Fn. 41 wohl zu großzügig interpretieren). 2826 RG, Urt. v. 7. 11. 1891 – I 199/91, RGZ 28, 96, 99; ebenso Groß, in: Hess, Sanierungshandbuch, 32. Kap. Rn. 374; so schon Kropshofer, in: Hess/Kropshofer, KO, § 181 Rn. 11. 2821
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gleichbehandlungen i. S. d. § 10 Abs. 1 StaRUG nach § 10 Abs. 2 StaRUG in der Abstimmung über den Plan selbst legitimieren.2827 Viele Abkommen der Schuldnerin bedürfen aber nicht der Einwilligung der Gläubiger i. S. d. § 10 Abs. 2 StaRUG, selbst wenn sie in den Plan aufgenommen werden. Dies gilt insbesondere für Abkommen, die das operative Geschäft der Schuldnerin mit neuen Investoren betreffen. Würde die Schuldnerin mit einem bislang unbeteiligten Dritten eine Zwischenfinanzierung mit günstigen Zinsen und einer Abschlussgebühr vereinbaren, würde niemand daran denken, dass die Gläubiger diese Vereinbarung nach § 10 Abs. 2 StaRUG genehmigen müssten. Auch die Auswahl des Kreditgebers obliegt der Schuldnerin bzw. ihrem Management. Hieran sollte sich nichts ändern, wenn die neuen Investoren zufällig auch die alten Gläubiger sind. Es ließe sich deshalb argumentieren, dass neue Finanzierungsverträge, Zwischenfinanzierungen, Lieferverträge etc. nicht anhand des § 10 Abs. 3 StaRUG zu messen sind. Gleichfalls wären auch solche Regelungen in RSA, welche die Gläubiger in ihrer Funktion als neue Investoren abschließen, nicht anhand des § 10 Abs. 3 StaRUG zu beurteilen. Hierfür spricht die systematische Stellung des § 10 Abs. 3 StaRUG hinter § 10 Abs. 1 StaRUG. Der Grundsatz der Gleichbehandlung betrifft nur die Frage, wie die in die einzelnen Gruppen zugeteilten Forderungen behandelt werden. Die Frage, wie die Schuldnerin als Debtor-in-Possession das operative Geschäft vorantreibt, wird nicht daran gemessen (s. o.). Wenn die Schuldnerin mit einem neuen Investor einen Deal schließt und der Investor sogar eine Gegenleistung an die Schuldnerin erbringt, ist die Gleichbehandlung der Restrukturierungsforderungen nicht betroffen. Würden Deals, die mit einem alten Gläubiger in seiner Eigenschaft als neuer Investor geschlossen werden, stets anhand des § 10 Abs. 3 StaRUG gemessen, müsste das Gericht jeden Vertrag einer Angemessenheitskontrolle unterziehen bzw. einen Fremdvergleich vornehmen, um zu klären, ob der Investor – weil er gleichzeitig Gläubiger ist – einen Vorteil erhält. Ob eine solche Kontrolle vom StaRUG tatsächlich vorgesehen ist, ist zu bezweifeln. Schon zur KO wurde im Übrigen vertreten, dass Deals mit Massegläubigern nicht unter § 181 Satz 3 KO fallen sollten.2828 Eine Rückausnahme muss dann erfolgen, wenn das Geschäft mit dem neuen Investor in Wahrheit eine Umgehung des Gleichbehandlungsgebots darstellt. Dies könnte der Fall sein, wenn dem entsprechenden Planbetroffenen mit Absicht Ware zu günstig verkauft wird2829 oder zu hohe Zinsen für einen Kredit gewährt werden. Im Einzelfall wird es dann auf einen Fremdvergleich ankommen. 2827 Vgl. zu diesem Schutzzweck: RG, Urt. v. 7. 11. 1891 – I 199/91, RGZ 28, 96, 99; RG, Urt. v. 23. 5. 1932 – VIII 60/32, RGZ 136, 288, 293. 2828 Kropshofer, in: Hess/Kropshofer, KO, § 181 Rn. 12. 2829 Zu diesem Beispiel: Bley, VglO, § 5 IV 1. b) (S. 231).
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IV. Offenlegung ausreichend? Es könnte vertreten werden, dass schon dann kein Sonderabkommen i. S. d. § 10 Abs. 3 StaRUG vorliegt, wenn es offengelegt wird. Nach Ansicht der Literatur steht § 10 Abs. 3 StaRUG damit Absprachen im Zusammenhang mit dem Restrukturierungsplan nicht generell entgegen.2830 Sie seien zulässig, solange sie offengelegt werden.2831 Dann werde die Abstimmung nicht unlauter beeinflusst, weil alle Beteiligten die Abstimmungsanreize kennen würden.2832 Auch der BGH hat in einem älteren Urteil erklärt, dass das Begünstigungsverbot in §§ 8 Abs. 3 VglO und 181 Satz 3 KO geheime Sonderabkommen verhüten soll, die den Einzelgläubiger dazu bringen sollen, einem dem Gemeinwohle der Gläubiger abträglichen Vergleichsvorschlag zuzustimmen.2833 Wird dies auf RSA übertragen, würden diese so lange nicht unter § 10 Abs. 3 StaRUG fallen, wie sie (im Plan) offengelegt werden. Andere fordern darüber hinaus, dass die nicht beteiligten Gläubiger einer etwaigen Ungleichbehandlung zustimmen.2834 Offenlegung allein genüge nicht, der Vorteil müsse gezielt als Bestandteil in den gestaltenden Teil des Plans integriert werden.2835 Das Argument lautet, dass das Abkommen der Kontrolle der Beteiligten und des Gerichts unterliege.2836 Zur Vorgängervorschrift in § 8 Abs. 3 VglO hat der BGH entschieden, dass ein Vorzugsabkommen nichtig ist, unabhängig davon, ob es heimlich geschlossen wurde oder ob es offengelegt wurde.2837 Auch ein mit den besten Absichten getragenes offengelegtes Sonderabkommen sei nach § 8 Abs. 3 VglO nichtig, sofern es die in Abs. 2 geforderte Zustimmungserklärungen nicht erhalte.2838 Der BGH2839 scheint § 226 Abs. 3 InsO heute ebenfalls so auszulegen, dass eine Offenlegung alleine nicht ausreicht, um der Nichtigkeitsfolge der Norm zu entkommen. Ein Vertrag könne wegen Gläubigerbegünstigung unabhängig davon 2830
Uhlenbruck-InsO/Lüer/Streit, § 226 Rn. 9. HambKomm-StaRUG/Martini, § 10 Rn. 14; Uhlenbruck-InsO/Lüer/Streit, § 226 Rn. 8 („Werden die Absprachen dagegen im Plan offengelegt oder sind sie Bestandteil des Plans, so liegt kein Verstoß gegen Abs. 3 vor.“); HK-InsO/Haas, § 226 Rn. 4; MüKoInsO/Breuer, § 226 Rn. 18; Nerlich/Römermann/Braun, 37. EL Oktober 2018, § 226 Rn. 7 f. 2832 HambKomm-StaRUG/Martini, § 10 Rn. 14; so i. E. Nerlich/Römermann/Braun, § 250 Rn. 13 („Unlauter ist nur der Eindruck für die übrigen Gläubiger, die Erwerber werden gleich behandelt […]. Generell sicherzustellen, dass materiell kein Gläubiger – auch nicht durch Dritte – besser gestellt werden soll, ist vielleicht zur Vergleichsordnung, sicher aber nicht zur InsO zu rechtfertigen.“); Braun-StaRUG/Böhm, § 10 Rn. 6 (für Drittbeiträge); ebenso Nerlich/ Römermann/Ober, § 226 Rn. 12 (für Drittbeiträge). 2833 BGH, Urt. v. 8. 2. 1961 – VIII ZR 20/60, WM 1961, 431, 435. 2834 HambKomm-InsO/Thies/Lieder, § 226 Rn. 9; K. Schmidt InsO/Spliedt, § 226 Rn. 9; i. E. wohl auch KPB-InsO/Spahlinger, § 226 Rn. 8. 2835 Jaeger-InsO/Münch, § 226 Rn. 35. 2836 KPB-InsO/Spahlinger, § 226 Rn. 8; ähnlich, aber nur die Beteiligten erwähnend: K. Schmidt InsO/Spliedt, § 226 Rn. 9; i. E. auch Jaeger-InsO/Münch, § 226 Rn. 35. 2837 BGH, Urt. v. 16. 6. 1952 – IV ZR 131/51, BGHZ 6, 232, 239 f. (juris-Rn. 18). 2838 BGH, Urt. v. 16. 6. 1952 – IV ZR 131/51, BGHZ 6, 232, 239 f. (juris-Rn. 18). 2839 BGH, Beschl. v. 3. 3. 2005 – IX ZB 153,04, BGHZ 162, 283, 290 f. (juris-Rn. 25). 2831
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nichtig sein, ob das Vorhaben offen oder heimlich durchgeführt wird.2840 Ob die Begünstigung offen oder versteckt gewährt werde, spiele nur insofern eine Rolle, als die anderen Beteiligten der Begünstigung zustimmen können, wenn sie im Plan ausgewiesen sei.2841 Der Ansicht des BGH ist im Grundsatz zu folgen. Allerdings sind seine Aussagen zu konkretisieren. Sofern der Vorteil der Zustimmung der Gläubiger bedürfte, weil er im Ergebnis eine erhöhte Quotenzahlung bewirkt, reicht die Offenlegung alleine nicht aus. Die Offenlegung des Abkommens ist dann eine notwendige, aber keine ausreichende Voraussetzung dafür, dass das Abkommen Bestand haben kann. Ist der konkrete Vorteil allerdings ein solcher, welchem die Gläubiger nicht zustimmen müssten, reicht die Offenlegung aus.2842 Hierbei kann es um Vorteile des operativen Geschäfts, um künftige Geschäftschancen (s. o.) oder um Vorteile aus massefremden Vermögen von Dritten2843 gehen. Im Ergebnis darf also kein Vorteil gewährt werden, der eigentlich durch den Plan hätte gewährt werden müssen (quotale Befriedigung der Gläubiger). V. „Bevorzugungsabsicht“ Es könnte auch argumentiert werden, dass § 10 Abs. 3 StaRUG nicht erfüllt ist, wenn die Schuldnerin keine Bevorzugungsabsicht hat.2844 Diese Ansicht ist abzulehnen.2845 Historisch gesehen wurde das Tatbestandsmerkmal der Bevorzugungsabsicht aus dem Terminus „bevorzugt werden soll“ in § 181 KO abgeleitet.2846 Für § 8 Abs. 3 VglO war hingegen kein subjektives Element nötig, weil hier nur von „bevorzugt werden“ die Rede war.2847 Weder aus dem Wortlaut des § 226 Abs. 3 InsO noch aus dem des § 10 Abs. 3 StaRUG lässt sich ein subjektives Element herleiten. 2840
BGH, Beschl. v. 3. 3. 2005 – IX ZB 153,04, BGHZ 162, 283, 291 (juris-Rn. 25). BGH, Beschl. v. 3. 3. 2005 – IX ZB 153,04, BGHZ 162, 283, 290 (juris-Rn. 25). 2842 Diese Differenzierung andeutend: Braun-StaRUG/Böhm, § 10 Rn. 6; Kowalewski/ Praß, in: Morgen, StaRUG, § 10 Rn. 25; Nerlich/Römermann/Ober, § 226 Rn. 12; Nerlich/ Römermann/Braun, 37. EL Oktober 2018, § 226 Rn. 8; i. E. wohl auch BeckOK-StaRUG/ Fridgen, § 10 Rn. 28. 2843 Nerlich/Römermann/Ober § 226 Rn. 12; Nerlich/Römermann/Braun, 37. EL Oktober 2018, § 226 Rn. 8; Braun-StaRUG/Böhm, § 10 Rn. 6. 2844 Vgl. Andres/Leithaus/Andres, § 226 Rn. 5; MüKoInsO/Breuer, § 226 Rn. 17; Groß, in: Hess, Sanierungshandbuch, 32. Kap. Rn. 386 („In subjektiver Hinsicht erfordert § 226 Abs. 3 StaRUG die Absicht, der Vertragsbeteiligten, gerade die Bevorzugung zu erreichen.“), allerdings mit fehlerhaftem Verweis auf BGH, Urt. v. 8. 2. 1961 – VIII ZR 20/60 = NJW 1961, 1096 = WM 1961, 431 = BeckRS 1961, 31188501, unter IV 3 der Gründe, wo dies so nicht erklärt wird und in Widerspruch zu Rn. 387 („Nicht erforderlich ist, dass die Begünstigung den am Sonderabkommen Beteiligten bewusst gewesen sein muss.“). 2845 Jaeger-InsO/Münch, § 226 Rn. 36. (vgl. auch zum Folgenden). 2846 Vgl. Kuhn/Uhlenbruck, Konkursordnung, § 181 Rn. 8. 2847 Vgl. Kuhn/Uhlenbruck, Konkursordnung, § 181 Rn. 8; vgl. dazu auch BGH, Urt. v. 8. 2. 1961 – VIII ZR 20/60, WM 1961, 431, 434 m. w. N.; Jaeger-InsO/Münch, § 226 Rn. 9. 2841
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Aus den Gesetzgebungsmaterialien ist auch nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber dieses Tatbestandsmerkmal aufrechterhalten wollte. VI. „Vorteil“ 1. Kein Vorteil bei Stimmbindung und Verzicht auf Abtretung Nicht jedes Abkommen zwischen der Schuldnerin und einzelnen Planbetroffenen ist nichtig, sondern nur solche Abkommen, durch welche einzelnen Planbetroffenen ein Vorteil gewährt wird. Vereinbarungen, die keinen Vorteil i. S. d. § 10 Abs. 3 StaRUG gewähren, werden nicht erfasst.2848 Nebenabreden, aufgrund derer ein Gläubiger eine ungünstigere Behandlung in Kauf nimmt, sind zulässig.2849 Wenn die Gläubiger sich deshalb gegenüber der Schuldnerin in einem RSA verpflichten, ihre Forderungen nicht mehr abzutreten und ein bestimmtes Plankonzept zu unterstützen, ist dies – isoliert betrachtet – jedenfalls zulässig, weil der Gläubiger hier „nur“ Nachteile in Kauf nimmt. 2. Wertende Betrachtung a) Wertende Betrachtung geboten Was ein „Vorteil“ i. S. d. § 10 Abs. 3 StaRUG ist, wird im Gesetz nicht definiert. Die Kommentarliteratur hält sich zu dieser Frage meist bedeckt.2850 Eine Ansicht2851 nimmt eine einseitige Betrachtung vor. Bevorzugung sei jede Besserstellung gegenüber den übrigen vergleichsbetroffenen Gläubigern.2852 Der Umstand, dass der Gläubiger für den ihm gewährten Vorteil auf der anderen Seite eine Schlechterstellung zugestehe, sei unerheblich.2853 Dass ein Gläubiger für einen Sondervorteil eine Gegenleistung verspricht (z. B. eine Kreditzusage), sei ebenfalls unerheblich.2854 Demnach könne z. B. eine höhere Sicherung nicht durch eine längere
2848
KPB-InsO/Spahlinger, § 226 Rn. 8. Jaeger-KO/Weber, § 181 Rn. 7; Jaeger-InsO/Münch, § 226 Rn. 33. 2850 Vgl. z. B.: Nerlich/Römermann/Ober, 43. EL Mai 2021, § 226 Rn. 9 ff.; UhlenbruckInsO/Lüer/Streit, § 226 Rn. 8 f.; MüKoInsO/Breuer, § 226 Rn. 14 ff.; HambKomm-InsO/Thies/ Lieder, § 226 Rn. 6 ff.; unergiebig auch FK-InsO/Jaffé, § 226 Rn. 12; Beispiele bei Groß, in: Hess, Sanierungshandbuch, 32. Kap Rn. 389. 2851 Mohrbutter, in: Bley/Mohrbutter, § 8 Rn. 34; wohl auch: RG, Urt. v. 4. 12. 1936 – V 112/36, KuT 1937, 27 f. („Gleichgültig ist auch, ob die Klägerin durch das Abkommen keine wesentlich günstigere Stellung erhielt, als sie sie vorher bereits hatte.“); Vgl. auch RG, Urt. v. 27. 1. 1930 – VIII 498/29, LZ 1930, S. 775 f. 2852 Mohrbutter, in: Bley/Mohrbutter, § 8 Rn. 34. 2853 Mohrbutter, in: Bley/Mohrbutter, § 8 Rn. 34. 2854 Jaeger-KO/Weber, § 181 Rn. 7. 2849
§ 3 Verbot von Sondervorteilen nach § 10 Abs. 3 StaRUG
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Stundung ausgeglichen werden.2855 Für eine höhere Quote könne auch nicht auf ein Absonderungsrecht verzichtet werden.2856 Eine andere Ansicht2857 nimmt im Ergebnis eine wertende (wirtschaftliche2858) Betrachtung vor. Allein darin, dass ein Gläubiger nicht dasselbe erhalte wie alle anderen, liege nicht schlechthin ein Vorzug oder ein besonderer Vorteil.2859 Nach einer Entscheidung des Reichsgerichts kann der besonderen Lage einer Partei teilweise erst durch ein zusätzliches Abkommen zur Gleichstellung mit den übrigen Parteien verholfen werden.2860 Bringt ein Gläubiger zusätzliche „Opfer“, könne dies durchaus bei der Frage, ob ein Sondervorteil vorliegt, berücksichtigt werden.2861 Es komme auf eine „objektive Wertveranschlagung“ an.2862 In der neueren Literatur wird auf die Besonderheiten bei einem Fortführungsplan hingewiesen: Hier müsse die Geschäftstätigkeit der Schuldnerin fortgesetzt werden, was naturgemäß mit Vorteilen für die Geschäftspartner verbunden sei.2863 Hier würden Vereinbarungen keinen Sondervorteil darstellen, wenn sie einem Drittvergleich standhielten, also at arm’s length geschlossen werden.2864 Der letzteren Ansicht ist zu folgen. Der Begriff des Vorteils intendiert schon selbst, dass hier eine gewisse „Wertung“ vorzunehmen ist. Systematisch spricht hierfür auch, dass bei § 10 Abs. 1 StaRUG nach hier vertretener Auffassung ebenfalls eine wirtschaftliche Betrachtung erfolgen muss. Auch ein Blick ins Gesellschaftsrecht unterstützt diese Sichtweise: Hier zeichnet sich ein Sondervorteil i. S. d. § 243 Abs. 2 Satz 1 AktG dadurch aus, „daß er nicht allen zufließt, die sich in einer gleichartigen Situation befinden“.2865 Diese Formel hilft im Gesellschaftsrecht „bei bedeutenden Vertragsschlüssen nicht weiter, die in jedem Fall nur dem Vertragspartner zugutekommen.“2866 Ein Sondervorteil i. S. d. § 243 Abs. 2 AktG setzt deshalb ebenfalls eine Wertung voraus:2867 Hier komme ein komparatives Element (hätte 2855
Mohrbutter, in: Bley/Mohrbutter, § 8 Rn. 34. Mohrbutter, in: Bley/Mohrbutter, § 8 Rn. 34. 2857 K. Schmidt InsO/Spliedt, § 226 Rn. 7; Kuhn/Uhlenbruck, Konkursordnung, § 181 Rn. 5 („Wirtschaftliche Betrachtungsweise ist maßgebend“); RG, Urt. v. 23. 5. 1932 – VIII 60/32, RGZ 136, 288, 292 f. („Es liegt nicht im Sinn der Vergleichsordnung, durch die Anforderung starrer Gleichmäßigkeit das Zustandekommen eines Vergleichs zu erschweren, der sich, wie der zu beurteilende, der Eigenart der Masse anpasst.“). 2858 Kuhn/Uhlenbruck, Konkursordnung, § 181 Rn. 5. 2859 RG, Urt. v. 23. 5. 1932 – VIII 60/32, RGZ 136, 288, 292. 2860 RG, Urt. v. 23. 5. 1932 – VIII 60/32, RGZ 136, 288, 292. 2861 RG, Urt. v. 23. 5. 1932 – VIII 60/32, RGZ 136, 288, 292 („erhöhte Sicherung eines Gläubigers, der andererseits Stundung bewilligt, verstößt nicht notwendig gegen § 181 KO“). 2862 RG, Urt. v. 23. 5. 1932 – VIII 60/32, RGZ 136, 288, 293. 2863 K. Schmidt InsO/Spliedt, § 226 Rn. 7. 2864 K. Schmidt InsO/Spliedt, § 226 Rn. 7. 2865 K. Schmidt, GesR, S. 802 (4. Aufl. 2002). 2866 K. Schmidt, GesR, S. 802 (4. Aufl. 2002). 2867 K. Schmidt, GesR, S. 802 (4. Aufl. 2002). 2856
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Kap. 5: RSA im Konflikt mit Verteilungsregeln
eine andere Partei einen günstigen Vertrag geboten) oder ein qualitatives Element (wird der Vertragsteil einseitig begünstigt) in Frage. Schließlich sprechen auch Sinn und Zweck der Vorschrift dafür, beim Begriff des „Vorteils“ Gegenleistungen und die spezifische Lage des entsprechenden Gläubigers zu berücksichtigen. Laut der Regierungsbegründung zum StaRUG ist es dessen Ziel, die Transparenz und die Integrität des Abstimmungsprozesses zu schützen.2868 Es ist nicht ersichtlich, dass es hierzu nötig wäre, Gegenleistungen der Vertragsparteien auszublenden. Ein rechtsvergleichender Blick spricht ebenfalls dafür, dass der Begriff des „Vorteils“ wertend betrachtet werden muss. Bei Investorenvereinbarungen können Inducement Fees zulässig sein, wenn die Regelung im Unternehmensinteresse liegt, also durch einen konkreten Vorteil für die Zielgesellschaft gedeckt ist und wenn die Inducement Fees 1 – 2 Prozent des Transaktionsvolumens nicht übersteigen.2869 In den USA wurde im Fall In re Peabody Energy Corporation z. B. argumentiert, dass das Gewähren von günstigen Investitionsmöglichkeiten an ausgewählte Gläubiger nicht gegen good faith verstoße, weil die entsprechenden Investoren selbst zusätzliche Verpflichtungen und Risiken eingehen würden.2870 In England wird eine Underwriting Fee weniger skeptisch betrachtet, weil die Gläubiger selbst einen Beitrag zur Masse erbringen würden und durch das Underwriting ebenfalls zusätzliche Risiken eingehen würden.2871 b) Welche Gegenleistungen können berücksichtigt werden? Damit ist die Folgefrage aufgeworfen, welche Gegenleistungen der Schlüsselgläubiger2872 berücksichtigt und damit entlohnt werden dürfen. Auf die Ansätze, welche zu § 142 InsO und § 64 GmbHG a. F. entwickelt worden sind,2873 sollte nicht zurückgegriffen werden. Anders als bei jenen Normen geht es bei § 10 Abs. 3 StaRUG darum, die Integrität des Abstimmungsprozesses zu schützen und Transparenz zu erzeugen. Es geht nicht um Masseschmälerungen oder den Schutz der Geschäftspartner vor einer Anfechtung. Vielmehr ist zu fragen, ob die Entlohnung der konkreten Gläubigerleistung die Abstimmung „verfälschen“ würde. Berücksichtigt werden sollten solche Gegenleistungen, die von den planbetroffenen Parteien im Rahmen des operativen Geschäfts an die Schuldnerin gewährt werden. Hierzu zählen die Gewährung eines neuen Kredits, Finanzierungsdienst2868
RegE-SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181, S. 120. Seibt, in: Kämmerer/Veil, S. 106, 126. 2870 In re Peabody Energy Corp., 933 F.3d 918, 928 (Rn. 10) (8th Cir. 2019). 2871 Re Codere Finance 2 (UK) Ltd, [2020] EWHC 2441 (Ch) = 2020 WL 05517604 (2020) (Rn. 89 f.) („The backstop fee is payable in exchange for a commercial service, namely underwriting the New Notes. That is not a service that is provided for nothing […].“). 2872 Überblick zu den möglichen Gegenleistungen bei Skeel, 130 Yale L. J. 366, 403 (2020). 2873 Vergleichende Darstellung der Ansätze bei Scholz/Bitter, § 64 Rn. 143 ff. 2869
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leistungen oder weitere Lieferungen eines Lieferanten. Auch berücksichtigt werden sollte die Tatsache, dass sich ein Gläubiger verpflichtet, seine Forderung nicht mehr abzutreten. Wenn bei Ausgabe eines Kredits ein Abtretungsverbot vereinbart würde, dürfte dies sich in den Zinskonditionen niederschlagen.2874 Dann spricht nichts dagegen, dass ein nachträglich vereinbartes Abtretungsverbot ebenfalls entlohnt wird. Ob hingegen die Tatsache, dass die Gläubiger bei der Ausarbeitung und Verhandlung des Restrukturierungsplans mitwirken, eine zu berücksichtigende Gegenleistung darstellt, ist fraglich. In den USA wird zu Recht vertreten, dass die Gläubiger, welche das RSA aushandeln, eine Art „öffentliches Gut“ bereitstellen würden, von welchem auch die übrigen Gläubiger profitieren.2875 Mit dieser Argumentation könnte die Entlohnung der Verhandlungen ggf. gerechtfertigt werden. Es ließe sich auch argumentieren, dass der Abstimmungsprozess durch eine Entlohnung nicht verfälscht wird, wenn den Schlüsselgläubigern die Mehrkosten tatsächlich anfallen. Dann werden sie vielmehr gegenüber denjenigen Gläubigern, welche sich dem RSA erst spät anschließen, sogar benachteiligt, wenn kein Ausgleich erfolgt. Keine berücksichtigungsfähige Gegenleistung für eine Leistung der Schuldnerin ist, dass die Gläubiger sich verpflichten, für den Plan zu stimmen2876 oder darauf zu verzichten, künftig ihre StaRUG-Minderheitenrechte geltend zu machen. Diese Vorteile würden die Integrität der Abstimmung jedenfalls beeinträchtigen, weil sie unmittelbar im Zusammenhang mit der Abstimmung gewährt werden. Zur Vergleichsordnung wurde auch vertreten, dass ein Einzelvergleich zwischen Schuldner und einem Planbetroffenen ein unzulässiges Sonderabkommen darstellen könne, wenn der Vergleich nicht den Zweck habe, die Ungewissheit über verschiedene Rechtspositionen zu klären.2877 Dies ist ein Argument dafür, dass auch die Beseitigung der Unsicherheit und etwaiger Prozessrisiken relevante Gegenleistungen darstellen. 3. Kein „Vorteil“, wenn Angebot an alle Gläubiger erfolgt? Fraglich ist, ob ein „Vorteil“ i. S. d. § 10 Abs. 3 StaRUG dann zu verneinen ist, wenn die Schuldnerin die konkreten Leistungen allen Gläubigern anbietet. Mit dieser Argumentation könnte – neben der wertenden Betrachtung – z. B. eine Prämie für den Beitritt zum RSA gerechtfertigt werden, wenn alle Gläubiger dem RSA beitreten 2874 BT-Drucks. 16/9821, S. 21 („,Abtretungsresistente‘ Kredite sind betriebswirtschaftlich anders zu kalkulieren als Kredite, deren Forderungen uneingeschränkt abgetreten werden können. Diese Kredite werden deshalb voraussichtlich zu einem höheren Zinssatz angeboten werden. Der Kunde kann also wählen, ob er einen Kredit aufnimmt, bei dem er das Risiko eingeht, dass die Forderung gegen ihn abgetreten wird, oder ob er – ggf. gegen Zinsaufschlag – dieses Risiko ausschließen will.“); Palenker, Loan-to-own, S. 327. 2875 Skeel, 130 Yale L. J. 366, 403 (2020). 2876 I. E. auch Kowalewski/Praß, in: Morgen, StaRUG, § 10 Rn. 24; HambKomm-StaRUG/ Martini, § 10 Rn. 14. 2877 Bley, VglO, § 5 IV 1. b) (S. 231).
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können und jeder Gläubiger, der ihm beitritt, die entsprechende Prämie erhält. Zum Vergleich stellt es auch keinen Stimmenkauf i. S. d. § 405 Abs. 3 Nr. 7 AktG dar, wenn ein Vorteil nicht nur einem Aktionär, sondern allen zugutekommt.2878 § 10 Abs. 3 StaRUG setzt voraus, dass „einzelnen Planbetroffenen“ ein Vorteil gewährt wird. Wenn eine bestimmte Leistung „allen Planbetroffenen“ angetragen wird, kann kein Gläubiger argumentieren, dass ein anderer Gläubiger bevorzugt wird. Dass die angetragene Leistung am Ende nicht von jedem planbetroffenen Gläubiger in Anspruch genommen wird, dürfte nicht dazu führen, dass die Gläubiger, welche sie in Anspruch nehmen, nun einen „Vorteil“ erhalten. In Bezug auf das SchVG wird von einer Ansicht in der Literatur ebenfalls vorgebracht, dass hier eine Incentivierung dadurch möglich ist, dass den Anleihegläubigern, die einem Vorschlag zustimmen, eine bestimmte Prämie gezahlt wird.2879 Das Gesetz setze nur Chancengleichheit, nicht Ergebnisgleichheit voraus.2880 Ein Angebot, das allen Gläubigern offenstehe, stelle keinen „besonderen Vorteil“ und keine Sondervergünstigung dar.2881 Wird diese Wertung auf das StaRUG übertragen, wären Prämien im RSA, die allen Gläubigern für den Beitritt zum RSA angeboten werden, zulässig. Was die Planbetroffenen daraus machen, bleibt ihnen überlassen. Systematisch spricht ebenfalls einiges gegen das Vorliegen eines Sonderabkommens, wenn es allen Beteiligten freisteht, sich dem RSA anzuschließen und dafür entsprechende Prämien in Anspruch zu nehmen. Im Rahmen des § 10 Abs. 1 StaRUG zur Gleichbehandlung der Gläubiger innerhalb einer Gruppe kommt es dem Wortlaut nach nur darauf an, ob allen Beteiligten einer Gruppe die gleiche Behandlung „angeboten“ worden ist (s. o.). Der BGH2882 hat die Parallelvorschrift zu § 10 Abs. 3 StaRUG (§ 226 Abs. 3 StaRUG) in den Zusammenhang mit einer „Gläubigerbegünstigung“ i. S. d. § 250 Nr. 2 InsO (§ 63 Abs. 4 StaRUG) gesetzt und hätte eine solche wohl verneint, wenn der mögliche Vorteil allen Gläubigern „angetragen“ worden wäre. VII. Restriktive Auslegung oder teleologische Reduktion? Fraglich ist, ob bestimmte Vorteile i. S. d. § 10 Abs. 3 StaRUG dennoch zulässig sein können, obwohl sie vom Wortlaut der Norm erfasst sind. Dies könnte dann angenommen werden, wenn der Zweck der Vorschrift, die Transparenz und die Integrität des Abstimmungsprozesses zu schützen, trotz eines Vorteils an einen einzelnen Gläubiger erreicht wird. Dies könnte insbesondere dann der Fall sein, 2878
Herrmann, Zivilrechtliche Abwehrmaßnahmen, S. 135; Overrath, Die Stimmrechtbindung, S. 26; MüKoAktG/Wittig, § 405 Rn. 211; ähnlich: BeckOGK-AktG/Hefendehl, § 405 Rn. 176; KölnKommAktG/Altenhain, § 405 Rn. 56. 2879 Schnorbus/Ganzer, WM 2014, 155, 157 ff.; a. A.: Thole, ZIP 2014, 2365, 2367. 2880 Schnorbus/Ganzer, WM 2014, 155, 158. 2881 Schnorbus/Ganzer, WM 2014, 155, 158. 2882 BGH, Beschl. v. 3. 3. 2005 – IX ZB 153/04, BGHZ 162, 283, 290 f. (juris-Rn. 24 f.).
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wenn der offengelegte Vorteil derart geringfügig ist, dass eine Beeinflussung der Abstimmung ausgeschlossen werden kann. Dieses Argument taucht auch im englischen Scheme-of-Arrangement-Verfahren im Zusammenhang mit Gebühren immer wieder auf.2883 Fraglich ist, ob dieses Argument übertragbar ist. Voraussetzung für eine solche Argumentation ist allerdings, dass der Zweck der Norm neben der Sicherung von Transparenz und der Integrität des Abstimmungsprozesses nicht auch ist, die Gläubigergleichbehandlung zu schützen.2884 Gerade das hat der BGH aber in einem früheren Urteil erklärt: Unmittelbarer Zweck des § 8 Abs. 3 VglO sei, eine möglichst weitgehende Gleichbehandlung aller Vergleichsgläubiger sicherzustellen und Ungleichbehandlungen nur nach Abs. 2, also durch Zustimmung der benachteiligten Gläubiger, zuzulassen.2885 Gegen eine teleologische Reduktion könnte weiter eine historische Sichtweise sprechen: Nach dem Reichsgericht war die Tatsache, dass die Bevorzugung unerheblich ist, ohne Belang.2886 Allerdings ist zu beachten, dass die Regierungsbegründung zum StaRUG heute die Gläubigergleichbehandlung nicht mehr als Ziel des § 10 Abs. 3 StaRUG nennt.2887 Auch in der Literatur wird als einschränkendes Merkmal gefordert, dass eine etwaige Vorteilsgewährung „unlauter“ war.2888 § 10 Abs. 3 StaRUG sei deshalb restriktiv auszulegen.2889 Ein weiteres Argument sei die Parallele zu § 63 Abs. 4 StaRUG, wo ebenfalls ein Element der Unlauterkeit gefordert werde.2890 Schließlich hat der Grundsatz der Gleichbehandlung in modernen Restrukturierungen gegenüber der wirtschaftlichen Betrachtung an Bedeutung verloren.2891
2883 Re Stripes US Holdings Inc, [2018] EWHC 2912 (Ch) (Rn. 20) („[T]he smaller fee is objectively of a size that is unlikely to influence voting intentions […].“); Re NN2 Newco Ltd, [2019] EWHC 1917 (Ch) = 2019 WL 03305269 (Rn. 47) („In general, a modest ,consent fee‘ open to all scheme creditors in exchange for early support will not fracture a class because it is unlikely to determine the behaviour of a member of the class: […].“); Re Noble Group Ltd, [2018] EWHC 2911 (Ch) (Rn. 149) („Put simply, if the fees are immaterial to the decision, then the creditors can consult together: if they are material, then they probably cannot.“); Payne, Schemes of Arrangement, 2. Aufl. 219 ff., S. 223; sofern mehrere Gebühren bezahlt werden, sollte allerdings auch der Gesamteffekt berücksichtigt werden: Re Noble Group Ltd, [2018] EWHC 2911 (Ch) (Rn. 129); Re Codere Finance 2 (UK), [2020] EWHC 2441 (Ch) (Rn. 74, 107 ff.). 2884 In diese Richtung: Jaeger-InsO/Münch, § 226 Rn. 35, wobei er entgegen der hier vertretenen Auffassung den Gleichbehandlungsgrundsatz als Legitimation für die Mehrheitsentscheidung sieht und ihm deshalb eine stärkere Bedeutung beimisst. 2885 BGH, Urt. v. 16. 6. 1952 – IV ZR 131/51, BGHZ 6, 232, 239 (juris-Rn. 18). 2886 Vgl. FK-InsO/Jaffé, § 226 Rn. 12 mit Verweis auf RG HRR 1937, Nr. 334. 2887 RegE-SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181 S. 120. 2888 Tasma, in: Flöther, StaRUG, § 10 Rn. 6. 2889 Tasma, in: Flöther, StaRUG, § 10 Rn. 6. 2890 Tasma, in: Flöther, StaRUG, § 10 Rn. 6. 2891 Vgl. oben bei Fn. 2479 ff.
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VIII. Zwischenergebnis In den vorstehenden Ausführungen wurden einige Möglichkeiten aufgezeigt, mit denen Zuwendungen in einem RSA an bestimmte Schlüsselgläubiger gerechtfertigt werden können. Hieraus folgt, dass nicht jedes RSA ein unzulässiges Sonderabkommen zwischen der Schuldnerin und ihren Schlüsselgläubigern darstellt.
B. Sonderabkommen zwischen Gläubigern? Bisher wurden vor allem Vereinbarungen zwischen dem Schuldner und den Planbetroffenen problematisiert. Fraglich ist, ob auch Vereinbarungen zwischen Planbetroffenen unter § 10 Abs. 3 StaRUG zu fassen sind. Dies wird von der h. M.2892 teilweise sogar ausdrücklich2893 angenommen. § 226 Abs. 3 InsO (und damit auch § 10 Abs. 3 StaRUG) erstrecke die Gleichbehandlung unter den Beteiligten auch auf die Teilhabe an nicht aus der Insolvenzmasse gezogenen Vorteilen.2894 Es sei unerheblich, ob der Vorteil aus dem Vermögen der Schuldnerin oder aus dem Vermögen von Dritten gewährt wird.2895 Sanktioniert werde nicht die Vermögensschmälerung zu Lasten anderer, sondern das Setzen von Fehlanreizen2896 bzw. die Manipulation des Prozesses.2897 Der Wortlaut der Vorschrift spricht dagegen, Vereinbarungen zwischen Planbetroffenen unter die Norm zu subsumieren. Es geht danach um Abkommen zwischen dem „Schuldner“ oder „Dritten“ auf der einen Seite „mit einzelnen Planbetroffenen“ auf der anderen Seite.2898 Abkommen eines Planbetroffenen mit einem anderen Planbetroffenen sind vom Wortlaut jedenfalls nicht erfasst. Sofern in RSA der eine 2892
BeckOK-InsO/Geiwitz/von Danckelmann, § 226 Rn. 5 („Abs. 3 […] sanktioniert jedes Abkommen zwischen den Beteiligten, das auf das Abstimmungsverhalten Einfluss hat, oder einzelnen Beteiligten Vorteile im Zusammenhang mit dem Insolvenzplan zuspricht, die nicht im Plan vorgesehen sind.“); Braun-InsO/Braun/Frank, § 226 Rn. 3 („jede nicht im Plan offengelegte Vereinbarung“); K. Schmidt InsO/Spliedt, § 226 Rn. 6; Nerlich/Römermann/Ober, 43. EL Mai 2021, § 226 Rn. 9 („den Beteiligten untereinander“); Graf-Schlicker/Kebekus/ Handschumacher, § 226 Rn. 3 („[j]ede Vereinbarung zwischen einzelnen Beteiligten“); i. E. auch HambKomm-StaRUG/Martini, § 10 Rn. 14; Braun-StaRUG/Böhm, § 10 Rn. 6. BeckOK-InsO/Geiwitz/von Danckelmann, § 226 Rn. 5; Uhlenbruck-InsO/Lüer/Streit, § 226 Rn. 8; HK-InsO/Haas, § 226 Rn. 4. 2893 Tasma, in: Flöther, StaRUG, § 10 Rn. 5. 2894 HambKomm-InsO/Thies/Lieder, § 226 Rn. 10; HK-InsO/Haas, § 226 Rn. 4; Tasma, in: Flöther, StaRUG, § 10 Rn. 5. 2895 HambKomm-StaRUG/Martini, § 10 Rn. 14; BeckOK-InsO/Geiwitz/von Danckelmann, § 226 Rn. 5; Uhlenbruck-InsO/Lüer/Streit, § 226 Rn. 8; HK-InsO/Haas, § 226 Rn. 4; Tasma, in: Flöther, StaRUG, § 10 Rn. 5; Jaeger-InsO/Münch, § 226 Rn. 36. 2896 HambKomm-StaRUG/Martini, § 10 Rn. 14. 2897 Tasma, in: Flöther, StaRUG, § 10 Rn. 5; Jaeger-InsO/Münch, § 226 Rn. 36 (Schutz der Mehrheitsfindung). 2898 A. A.: Tasma, in: Flöther, StaRUG, § 10 Rn. 5.
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Gläubiger zugunsten des anderen auf einen Teil seiner Quote verzichtet oder die Anteilsinhaber als planbetroffene doppelt-nachrangige Gläubiger2899 den gesicherten Gläubigern etwas zukommen lassen, würde diese Vereinbarung streng genommen nicht unter § 10 Abs. 3 StaRUG subsumiert werden können. Dies ist systematisch auch stimmig, weil entsprechende Vereinbarungen auch nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen würden (s. o.). In seinem Urteil zum Forderungskauf ist der BGH2900 auf diese Differenzierung im Wortlaut nicht eingegangen. Vielmehr hat er erklärt: „Wenn ein Insolvenzgläubiger einzelnen anderen Insolvenzgläubigern – nicht allen anderen – deren Forderungen zu einem Preis abkauft, der die im Insolvenzplan vorgesehene Quote übersteigt, insofern also die Verkäufer begünstigt, um mit der so erlangten Abstimmungsmehrheit die von ihm erwünschte, sonst nicht gewährleistete Annahme des Insolvenzplans zu bewirken, ist der Vertrag wegen Gläubigerbegünstigung unabhängig davon nichtig, ob der Forderungskäufer sein Vorhaben offen oder heimlich durchführt.“2901
Im konkreten Fall kam es allerdings nicht auf die Frage an, ob Vereinbarungen von Planbetroffenen untereinander von der Norm erfasst sind, weil der Forderungskäufer hier ohnehin noch kein Insolvenzgläubiger, sondern Dritter war.2902 Beim Forderungskauf kann der Käufer in Bezug auf die jeweilige zu erwerbende Forderung als „Dritter“ qualifiziert werden. Erst nach Erwerb der Forderung wäre er insoweit „Planbetroffener“. Dass „Dritte“ von der Norm erfasst sind, dient dem Umgehungsschutz.2903 Damit ist zunächst offenbar eine Umgehung durch die Schuldnerin selbst gemeint. § 181 KO und § 5 Abs. 3 VerglO (später § 8 Abs. 3 VerglO) hatten einen ähnlichen Wortlaut wie § 10 Abs. 3 StaRUG. Dort war jedes Abkommen des Gemeinschuldners oder „anderer Personen“ auf der einen Seite mit „einzelnen Gläubigern“ auf der anderen Seite, durch welches diese einzelnen Gläubiger bevorzugt werden sollten, nichtig. Zu den „anderen Personen“ zählte die Kommentarliteratur Angehörige oder Freunde der Schuldnerin.2904 Von anderen Planbetroffenen war hier nicht die Rede. Auch wenn der Schutz der kollektiven Willensbildung im Rahmen einer Restrukturierung als Schutzzweck der Norm betrachtet wird, muss dies nicht zwingend dafür sprechen, auch Deals zwischen planbetroffenen Gläubigern zu erfassen. Es könnte durchaus argumentiert werden, dass die Willensbildung nur nicht „durch den Schuldner“ oder von „außen“ beeinträchtigt werden soll. Wenn Deals zwischen planbetroffenen Gläubigern zugelassen werden, wird die Willensbildung gerade unterstützt. Dass einzelne (übergangene) Gläubiger nicht Teil des Deals werden, 2899 2900 2901 2902 2903 2904
Zu diesem Begriff: Bitter, ZGR 2010, 147, 191. BGH, Beschl. v. 3. 3. 2005 – IX ZB 153/04, BGHZ 162, 283 ff. BGH, Beschl. v. 3. 3. 2005 – IX ZB 153/04, BGHZ 162, 283, 291. BGH, Beschl. v. 3. 3. 2005 – IX ZB 153/04, BGHZ 162, 283, 292. Jaeger-KO/Weber, § 181 Rn. 6. Jaeger-KO/Weber, § 181 Rn. 11; Bley, VerglO, § 5 IV 1 e) (S. 236).
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dürfte sie nicht übermäßig beeinträchtigen, denn sie sind immer noch durch das Schlechterstellungsverbot geschützt. Folgt man der Ansicht, dass Zuwendungen zwischen einzelnen Planbetroffenen nicht erfasst sind (vgl. Wortlaut), wäre gifting in RSA nicht unzulässig. Wird hingegen vertreten, dass die Norm über ihren Wortlaut auch auf Zuwendungen zwischen Planbetroffenen anzuwenden ist, wären immer noch nicht alle gift-Fälle von ihr erfasst. Verboten wären nur Zuwendungen von einzelnen Planbetroffenen an andere „einzelne Planbetroffene“. Werden die jeweiligen Zuwendungen allen Mitgliedern einer bestimmten Gruppe angeboten, wäre nichts gegen sie einzuwenden.
C. Sonderabkommen mit dem Management Nur kurz sei darauf hingewiesen, dass Sonderabkommen zwischen den Schlüsselgläubigern und dem Management nach dem Wortlaut der Norm von § 10 Abs. 3 StaRUG ebenfalls nicht erfasst sind. Auf solche Vereinbarungen wird weiter unten (§ 6) gesondert eingegangen.
D. Zwischenergebnis Wie aufgezeigt, sind RSA mit § 10 Abs. 3 StaRUG vereinbar, wenn die dort genannten Grenzen eingehalten werden.
§ 4 Unlautere Herbeiführung der Planannahme (Begünstigung und Stimmenkauf) Die letzte „Verteilungsregel“, welche einem RSA entgegenstehen könnte, stellt § 63 Abs. 4 StaRUG dar. Hiernach ist die Planbestätigung vom Gericht zu versagen, wenn die Annahme des Plans unlauter herbeigeführt worden ist, insbesondere durch Begünstigung eines Planbetroffenen. Die Norm beinhaltet u. a. zwei Fallgruppen [dazu unter A.]. Bei der Prüfung, wann diese erfüllt sind, wird zwischen Begünstigungen durch die Schuldnerin [dazu unter B.] und Begünstigungen durch Planbetroffene [dazu unter C.] differenziert. Schließlich ist auf das zusätzliche Erfordernis der Kausalität der Begünstigung für die Planannahme einzugehen. Dieses Erfordernis ist bei den anderen Verteilungsregeln nicht gegeben und gewährt dem Planersteller zusätzlichen Spielraum [dazu unter D.].
§ 4 Unlautere Herbeiführung der Planannahme
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A. Fallgruppen des § 63 Abs. 4 StaRUG Das erste in § 63 Abs. 4 StaRUG explizit genannte Regelbeispiel ist die Begünstigung eines Planbetroffenen. Es sprechen gute Gründe dafür, dass auch der Stimmenkauf als weiteres Regelbeispiel anzuerkennen ist. Erstens dürfte in jedem Stimmenkauf eine Begünstigung liegen. Zweitens war der Stimmenkauf nach § 243 der KO verboten. Ein Gläubiger, welcher sich von der Gemeinschuldnerin oder anderen Personen besondere Vorteile dafür hat gewähren oder versprechen lassen, dass er bei den Abstimmungen der Konkursgläubiger in einem gewissen Sinne stimmt, wurde mit Geldstrafe bis zu dreitausend Mark oder mit Gefängnis bis zu einem Jahr bestraft. Die Vergleichsordnung von 1935 enthielt mit § 123 VerglO eine ähnliche Vorschrift. Der Gesetzgeber hat zwar beide Normen durch das „Erste Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität“ vom 29. Juli 1976 aufgehoben.2905 Grund hierfür war aber nicht, dass er den Stimmenkauf fortan erlauben wollte, sondern dass die Tatbestände zum Stimmenkauf nach den Erfahrungen der gerichtlichen Praxis keine Bedeutung erlangt hatten.2906 Auch im GmbH-Recht gibt es kein ausdrückliches Verbot eines Stimmenkaufs, und dennoch ist eine entsprechende Vereinbarung nach h. M. nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig.2907 Die Sittenwidrigkeit werde durch das Bestechungsmoment begründet.2908 Praktisch läuft dies auf eine analoge Anwendung der Stimmkaufverbote der §§ 405 Abs. 3 Nr. 6, 152 GenG hinaus.2909 Diese im GmbH-Recht anwendbare Argumentation kann im Grundsatz auch auf das StaRUG-Verfahren übertragen werden. In der Regierungsbegründung zu § 250 Nr. 2 InsO wird schließlich als Beispiel dafür, wann die Planbestätigung zu versagen ist, explizit „die Verfälschung einer Abstimmung etwa durch einen zunächst unentdeckten Stimmenkauf, der für das Abstimmungsergebnis ursächlich war“, genannt.
B. Begünstigung durch die Schuldnerin Die Frage, ob die Schuldnerin selbst durch RSA einzelne Gläubiger begünstigt bzw. einen Stimmenkauf betreibt, ist anhand derselben Maßstäbe zu beurteilen wie die Frage, ob das RSA ein Vorzugsabkommen i. S. d. § 10 Abs. 3 StaRUG darstellt.2910 Hier wie dort dreht sich im Ergebnis alles darum, ob den Parteien des RSA 2905 BGBl I 1976, S. 2034, 2039 (Drittes Buch der KO wird aufgehoben; der Fünfzehnte Abschnitt der Vergleichsordnung wird aufgehoben). 2906 RegE zum 1. WiKG, BT-Drucks. 7/3441, S. 49. 2907 Vgl. HCL/Hüffer/Schäfer, § 47 Rn. 85; Noack/Servatius/Haas/Noack, § 47 Rn. 114a; Scholz/K. Schmidt, § 47 Rn. 45; a. A.: Römermann, in: Michalski/Heidinger/Leible/Schmidt, GmbHG, § 47 Rn. 521 ff. 2908 Scholz/K. Schmidt, § 47 Rn. 45. 2909 Scholz/K. Schmidt, § 47 Rn. 45. 2910 Vgl. zum systematischen Zusammenhang von § 226 Abs. 3 InsO und § 250 Nr. 2 InsO: BGH, Beschl. v. 3. 3. 2005 – IX ZB 153/04, BGHZ 162, 283, 290 (juris-Rn. 24).
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ein Sondervorteil gewährt wird. Deshalb kann auf die entsprechenden Ausführungen zu § 10 Abs. 3 StaRUG verwiesen werden. Ein Stimmenkauf kann insbesondere zu verneinen sein, wenn ein Vorteil allen Gläubigern angeboten wird2911 oder wenn der Gläubiger eine relevante Gegenleistung erbringt (s. o.). Außerdem liegt nach h. M. kein Stimmenkauf vor, wenn sich der Vorteil aus der Abstimmung selbst ergibt.2912 Ein Stimmenkauf wird auch verneint, wenn ein besonderer Nachteil ausgeglichen werden soll und der Ausgleich allen Betroffenen, welche den Nachteil erleiden, zukommt.2913 Dies könnte z. B. für Gebühren an die den Plan aushandelnden Gläubiger relevant werden.
C. Begünstigung durch Planbetroffene (gifting) I. Problemaufriss Problematischer ist es zu entscheiden, wann Zuwendungen zwischen Parteien eine „Begünstigung“ i. S. d. Norm bzw. einen „Stimmenkauf“ darstellen und wann deshalb die Planbestätigung zu versagen ist. Mit dieser Frage ist im engeren Sinne das gifting angesprochen. Im weiteren Sinne geht es schließlich wieder um die Frage, wie viel Privatautonomie zwischen Planbetroffenen im Rahmen des Planerstellungsprozesses zulässig ist. Bislang wurden keine Hindernisse für das gifting festgestellt. Es wurde dargelegt, dass gifting nicht gegen die absolute Vorrangregel und auch nicht gegen die Gleichbehandlungsgrundsätze verstößt. Argument war insbesondere, dass das gift nicht aus der Masse stammt, sondern aus dem Vermögen des jeweiligen Gläubigers. Es wurde ebenfalls gezeigt, dass gift-Vereinbarungen nicht als „unzulässige Sonderabkommen“ zu behandeln sind, weil der Wortlaut des § 10 Abs. 3 Vereinbarungen zwischen Planbetroffenen selbst nicht erfasst. Selbst wenn das gift nicht unter § 10 Abs. 3 StaRUG und § 226 Abs. 3 InsO fallen sollte, könnte es aber immer noch eine unzulässige „Begünstigung“ oder einen „Stimmenkauf“ darstellen. II. Rechtfertigung von gifts? Eine „Begünstigung“ oder ein „Stimmenkauf“ liegen aber nicht vor, wenn der Sondervorteil einer gesamten Klasse gewährt wird. Ein Stimmenkauf setzt einen „besonderen Vorteil“ für den Empfänger voraus, welcher auch im Aktienrecht nicht 2911 Herrmann, Zivilrechtliche Abwehrmaßnahmen, S. 135; Overrath, Stimmrechtsbindung, S. 26. 2912 MüKoAktG/Wittig, § 405 Rn. 211 („Es muss sich um einen Vorteil handeln, der sich nicht schon aus dem Abstimmungsverhalten selbst ergibt oder der sonst allen Aktionären zusteht.“); KölnKommAktG/Altenhain, § 405 Rn. 56. 2913 KölnKommAktG/Altenhain, § 405 Rn. 56; Overrath, Stimmrechtsbindung, S. 29, mit Verweis auf den Rechtsgedanken in § 243 Abs. 2 Satz 2 AktG.
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gegeben ist, wenn die Zusage allen Aktionären offensteht.2914 Diese Wertung kann durchaus auf die Restrukturierung übertragen werden. Gifts sollten auch dann nicht erfasst sein, wenn sie lediglich einen individuellen Nachteil des Empfängers ausgleichen sollen. Hierfür sprechen mehrere Argumente: Schon das Reichsgericht hat – allerdings vorsichtig und mit Zurückhaltung2915 – erläutert, dass nicht unbedingt eine Bevorzugung oder ein besonderer Vorteil gegeben ist, wenn einer Partei erst durch ein zusätzliches Abkommen zur Gleichstellung mit den übrigen Parteien verholfen werde.2916 Daneben stellt es nach teilweisen Äußerungen in der Literatur keinen Stimmenkauf dar, dass ein Aktionär eine für die Gesellschaft nachteilige Entscheidung herbeiführen möchte und verspricht, den anderen Aktionären den dadurch entstehenden wirtschaftlichen Schaden auszugleichen, wenn sie in seinem Sinne abstimmen werden.2917 Argument ist dort, dass der Ausgleich nicht nur den Aktionären zugutekomme, welche entsprechend abstimmen, sondern allen.2918 Übertragen auf die Restrukturierung würde dies bedeuten, dass jedenfalls dann keine Bevorzugung vorliegen würde, wenn der entsprechende Ausgleich allen Planbetroffenen, die in vergleichbarer Lage sind, angeboten wird. Wenn es sich um einen bloßen Nachteilsausgleich handelt, würde im Übrigen die Abstimmung gar nicht verfälscht. Dadurch, dass für einen Interessengleichlauf gesorgt wird, würden die Voraussetzungen für eine faire Abstimmung gerade erst geschaffen. III. Keine Begünstigung bei Abkauf von gesetzlich gegebenen Blockaderechten? Fraglich ist, ob eine „Begünstigung“ oder ein „Stimmenkauf“ durch einen Planbetroffenen vorliegt, wenn er anderen einzelnen Planbetroffenen oder einer ganzen Gruppe an Planbetroffenen vom Gesetz vorgesehene „Blockaderechte“ abkauft. Wird vertreten, dass die Nutzung des StaRUG-Verfahrens zwingend einen Beschluss der Anteilsinhaber voraussetzt, wäre dies ein Paradebeispiel für den Abkauf von Blockaderechten. In den USA wird als weiteres Beispiel genannt, dass Gläubiger im Rahmen des Chapter 11-Verfahrens auf das Recht verzichten, eine Unternehmensbewertung zu verlangen.2919 Dieses Recht kann das gesamte Verfahren verzögern und hohe Kosten verursachen. Im englischen Fall Re Noble Group Ltd.
2914 2915 2916 2917 2918 2919
MüKoAktG/Wittig, § 405 Rn. 211. RG, Urt. v. 23. 5. 1932 – VIII 60/32, RGZ 136, 288, 293. RG, Urt. v. 23. 5. 1932 – VIII 60/32, RGZ 136, 288, 292. BeckOGK-AktG/Hefendehl, § 405 Rn. 185; KölnKommAktG/Altenhain, § 405 Rn. 56. BeckOGK-AktG/Hefendehl, § 405 Rn. 185; KölnKommAktG/Altenhain, § 405 Rn. 56. Baird/Bernstein, 115 Yale L. J. 1930, 1939, 1956 (2006).
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wurde ein gift zugelassen, um damit rechtlich gegebene Blockaderechte der Anteilsinhaber kaufen zu können.2920 Ein solcher Abkauf sollte zulässig sein.2921 Die Schlüsselgläubiger dürften die Positionen dann abkaufen, wenn die Möglichkeit besteht, dass diese werthaltig sind.2922 Sind sie offensichtlich wertlos, brauchen die Schlüsselgläubiger die Positionen gar nicht abkaufen, weil sie sie dann ohnehin im Wege des gruppenübergreifenden Cramdowns an sich ziehen können. Die Zahlungen dürften nur erfolgen, um das Verfahren zu beschleunigen und um den Plan auf eine konsensuale Basis zu stellen. Sämtliche planbetroffene Gläubiger werden außerdem durch das Schlechterstellungsverbot geschützt. Der Plan wird schließlich vom Gericht überprüft. Würde die Transaktion verboten, würde dies einen Eingriff in die Privatautonomie der Schlüsselgläubiger darstellen. Der Fall ist auch nicht vergleichbar mit den Fällen „räuberischer Aktionäre“, in denen sich Minderheitsaktionäre den Lästigkeitswert ihrer Klage abkaufen lassen. Sofern verlangt wird, dass die Anteilsinhaber dem Start des StaRUG-Verfahrens zustimmen müssen, stellt diese Zustimmung dann gerade keinen „Lästigkeitswert“ dar, sondern eine echte Voraussetzung für das StaRUGVerfahren, welche durchaus einen wirtschaftlichen Wert haben kann. Diese Blockademöglichkeit könnte nicht durch das gruppenübergreifende Cramdown-Verfahren überwunden werden. Werden die einzelnen Rechtspositionen in der Restrukturierung als Verhandlungspositionen angesehen,2923 sollten entsprechende Verhandlungen möglich sein, solange unbeteiligte Gläubiger nicht negativ betroffen werden. Gerade dies wird allerdings durch das Schlechterstellungsverbot verhindert. IV. Keine Begünstigung, wenn Voraussetzungen des § 28 StaRUG erfüllt sind? Eine Begünstigung wäre auch dann nicht unlauter, wenn sie gerechtfertigt wäre, wenn sie durch den Plan selbst erfolgen würde. Eine Zahlung an eine an der Schuldnerin beteiligte Person wäre dann z. B. gerechtfertigt, wenn deren Mitwirkung wegen in ihrer Person liegender Umstände unerlässlich wäre, um den Planmehrwert zu verwirklichen (§ 28 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG). Wenn eine solche Zuwendung schon im Plan vorgesehen werden könnte, muss dies erst recht für Transaktionen zwischen den Beteiligten gelten. 2920
Re Noble Group Limited, [2018] EWHC 3092 (Ch) (Rn. 86 ff.). A. A.: wohl Pannen/Riedemann/Smid/Smid, § 10 Rn. 6; Smid/Rattunde/Martini, Der Insolvenzplan, Rn 4.18 (im Zusammenhang mit § 226 InsO). 2922 Vgl. in diese Richtung: Baird/Bernstein, 115 Yale L. J. 1930, 1962 f. (2006). 2923 In diese Richtung: Casey, 120 Colum. L. Rev. 1709 f. (2020) (Das Chapter 11-Rahmenwerk „imposes judicial oversight and allocates bargaining power to minimize hold up among those with interests in a distressed firm.“); in Bezug auf das Recht eine Bewertung zu beantragen: vgl. Baird/Bernstein, 115 Yale L. J. 1930 ff. (2006). 2921
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V. Transparenz? Wiederum wird zu § 250 InsO argumentiert, dass nur verdeckte Stimmenkäufe unlauter sind. Hätten die Parteien Kenntnis von einem offenen Stimmenkauf, seien § 250 Nr. 2 InsO und damit auch § 63 Abs. 4 StaRUG nicht betroffen.2924 Sinn und Zweck der Regelung sei, dass sämtlichen Beteiligten zum Zeitpunkt der Stimmabgabe alle relevanten Informationen vorliegen, weil die Beteiligten ihr Abstimmungsverhalten nur dann entsprechend steuern könnten.2925 Dem ist jedenfalls für Zuwendungen zwischen Planbetroffenen zuzustimmen. Die Mehrheitsentscheidung der Gläubiger findet nach hier vertretener Ansicht ihre Rechtfertigung nicht in der Gleichbehandlung, sondern im Schlechterstellungsverbot und im gerechten Verfahren (s. o.). Hierzu reicht Offenheit aus. Wie mit massefremdem Vermögen umgegangen, wird nicht durch das StaRUG geregelt. Dies würde die Privatautonomie zu stark einschränken.
D. Kausalität Eine Zuwendung einer planbetroffenen Partei an eine andere planbetroffene Partei oder an eine ganze Gruppe (gift) führt auch dann nicht zur Versagung der Planbestätigung, wenn die Zuwendung für die Annahme des Restrukturierungsplans nicht kausal war.2926 Die herrschende Ansicht fordert, dass Kausalität zwingend feststehen muss.2927 Wenn Zweifel an der Kausalität bestehen, darf die Planbestätigung nach dieser Ansicht nicht versagt werden.2928 Übernimmt z. B. die Muttergesellschaft die Anwaltsgebühren der übrigen Schlüsselgläubiger oder des Ad Hoc Committees, dürfte diese Zahlung selten ausschlaggebend für die Abstimmung werden. Würde die Übernahme der Kosten hinweggedacht, kann es für die Gläubiger immer noch gute Argumente gegeben haben, den Plan zu unterstützen. Dies müsste das Gericht im Einzelfall prüfen. Ein Indiz könnte die Abstimmung der übrigen Gläubiger sein, welche das gift nicht erhalten haben. 2924
FK-InsO/Jaffé, § 250 Rn. 15. FK-InsO/Jaffé, § 250 Rn. 15. 2926 Vgl. Braun-StaRUG/Fendel, § 63 Rn. 17; Brackmann/Langer, in: Morgen, StaRUG, § 63 Rn. 57; HambKomm-StaRUG/Leichtle, § 63 Rn. 29; Nerlich/Römermann/Rühle, 43. EL Mai 2021, § 250 Rn. 14; FK-InsO/Jaffé, § 250 Rn. 14. 2927 HambKomm-StaRUG/Leichtle, § 63 Rn. 29; Nerlich/Römermann/Rühle, 43. EL Mai 2021, § 250 Rn. 14; MüKoInsO/Sinz, § 250 Rn. 60; Uhlenbruck-InsO/Lüer/Streit, § 250 Rn. 31; strenger: Jaeger-InsO/Kern, § 250 Rn. 54 (Kausalität fehlt nur dann, „wenn die Einflussnahme keinerlei Einfluss auf das Abstimmungsergebnis haben konnte […].“). 2928 Nerlich/Römermann/Rühle, 43. EL Mai 2021, § 250 Rn. 14; MüKoInsO/Sinz, § 250 Rn. 60; Uhlenbruck-InsO/Lüer/Streit, § 250 Rn. 31; wohl auch RegE-InsO, BT-Drucks. 12/ 2443, S. 211. 2925
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Die Kausalität der Begünstigung für die Planannahme wäre auch zu verneinen, wenn der Plan auch ohne die Stimmen der „begünstigten“ Gruppe bestätigt werden könnte.2929 Hier kann das Obstruktionsverbot helfen. Die Voraussetzungen des Obstruktionsverbots werden auch durch eine Begünstigung i. S. d. § 64 Abs. 4 StaRUG nicht ausgeschlossen, solange die Begünstigung – wie beim gifting – die absolute Vorrangregel und den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt. Damit kann mittels gifting aus einem gruppenübergreifenden Cramdown-Plan ein konsensualer Plan werden. Das gift kann so möglicherweise zu einem schnelleren Restrukturierungsverfahren führen.
E. Zwischenergebnis Vorstehend wurden die Vorteile herausgearbeitet, die sich ergeben, wenn man gifting-Transaktionen (also Zuwendungen von einem Planbetroffenen an einen anderen Planbetroffenen oder an eine andere Gruppe) nicht anhand des § 10 Abs. 3 StaRUG, des speziellen Gleichbehandlungsgrundsatzes und der absoluten Vorrangregel misst: Den planbetroffenen Parteien wird Flexibilität und Raum für Privatautonomie gewährt, ohne dass andere Parteien negativ betroffen sind. Hierdurch wird die Effizienz der Restrukturierungsverhandlung gesteigert.
§ 5 Weitere Grenzen in Zusammenhang mit „Fees“ Neben den im StaRUG aufgestellten „Verteilungsregeln“ müssen im Zusammenhang mit Gebühren noch andere Normen beachtet werden. Diese dürften einer Übernahme der Gebühren allerdings nicht per se entgegenstehen:
A. Pflichtverletzung der Geschäftsleitung? Nach der Ansicht von Seibt2930 handelt es sich bei der Frage, ob die Schuldnerin den Schlüsselgläubigern bestimmte Gebühren erstattet, um eine unternehmerische Entscheidung nach § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG. Die Übernahme sei gerechtfertigt, wenn sie dem Gesellschaftsinteresse entspricht, die Regelung angemessen ist und keine leichtfertige Verschwendung von Gesellschaftsmitteln vorliegt.2931
2929 2930 2931
FK-InsO/Jaffé, § 250 Rn. 14. Seibt, ZIP 2013, 1597, 1603 f. Seibt, ZIP 2013, 1597, 1603.
§ 5 Weitere Grenzen in Zusammenhang mit „Fees“
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B. Financial Assistance nach § 71a Abs. 1 AktG? Streitig ist, ob die Gebührenübernahme eine Form der unzulässigen financial assistance nach § 71a AktG darstellt. Demnach darf eine Aktiengesellschaft den Erwerb ihrer Aktien durch einen anderen nicht durch Gewährung eines Vorschusses, eines Darlehens oder durch Leistung einer Sicherheit unterstützen. Die Frage stellt sich, wenn in Investorenvereinbarungen z. B. Break-Fees zugunsten eines Bieters vereinbart werden.2932 In der Restrukturierung könnte die Übernahme von Beratungskosten als unzulässige Unterstützung eines späteren Aktienerwerbs qualifiziert werden.2933 Dort erfolgt ein Aktienerwerb häufig durch einen Debt-to-EquitySwap.2934 Gegen eine Verletzung von § 71a AktG spricht, dass mit der Übernahme der Gebühren nicht die Ermöglichung des Aktienerwerbs, sondern die Finanzierung der Gesellschaft und die Bestandssicherung des Unternehmens bezweckt wird.2935 In diese Richtung hat auch das OLG Köln argumentiert. Durch die Übernahme des Beratungshonorars sollten die Mitglieder des Ad Hoc Committee für eine Kapitalübernahme gewonnen werden, damit sollte aber keineswegs die Finanzierung der Anteilsübernahme selbst erfolgen.2936 Die Übernahme der Beraterkosten sei auch nicht mit einer Break-Fee vergleichbar, weil es nicht um die Stellung einer Sicherheit für die Gläubiger gehe.2937 Die Übernahme der Kosten erfolge häufig vielmehr im eigenen Interesse der Schuldnerin an den Restrukturierungsmaßnahmen.2938 Deshalb greife auch der Gedanke des Kapital- und Vermögensschutzes nicht, welchen § 71a AktG verfolge.2939 Mit diesen Argumenten kann ein Verstoß gegen § 71a AktG mit guten Gründen abgelehnt werden.
C. Ist die Übernahme der Gebühren durch die Schuldnerin sittenwidrig? Die Übernahme der Gebühren könnte sittenwidrig nach § 138 BGB sein. Dies hatte im Fall des OLG Köln die Vorinstanz vertreten und dabei auf die Gesamtschau der getroffenen Vereinbarungen abgestellt.2940 Es habe eine krass einseitige, unangemessene Benachteiligung zum Nachteil der Schuldnerin vorgelegen.2941 Die Schuldnerin habe nur Pflichten übernommen und ihr seien keine Rechte gewährt 2932 2933 2934 2935 2936 2937 2938 2939 2940 2941
Seibt, in: Kämmerer/Veil, S. 106, 122 f., mit restriktiven Bedingungen. Die Frage aufwerfend, im Ergebnis aber verneinend: Seibt, ZIP 2013, 1597, 1604. Seibt, ZIP 2013, 1597, 1604. Seibt, ZIP 2013, 1597, 1604; vgl. auch Seibt, in: Kämmerer/Veil, S. 106, 122 f. OLG Köln, Urt. v. 24. 2. 2016 – 2 U 87/15, BeckRS 2016, 125056 (Rn. 89). OLG Köln, Urt. v. 24. 2. 2016 – 2 U 87/15, BeckRS 2016, 125056 (Rn. 90). OLG Köln, Urt. v. 24. 2. 2016 – 2 U 87/15, BeckRS 2016, 125056 (Rn. 90). OLG Köln, Urt. v. 24. 2. 2016 – 2 U 87/15, BeckRS 2016, 125056 (Rn. 90). LG Bonn, Urt. v. 28. 04. 2015 – 7 O 233/14, BeckRS 2015, 121941 (Rn. 18 ff.). LG Bonn, Urt. v. 28. 04. 2015 – 7 O 233/14, BeckRS 2015, 121941 (Rn. 20).
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worden. So habe es weder Gegenrechte, Gestaltungsrechte noch Kontrollrechte gegeben. Die Schuldnerin sei der Willkür der anderen Parteien ausgeliefert gewesen.2942 Sie sollte Beratungsleistungen bezahlen, die ein anderer erhalten habe. Gleichzeitig habe sie keine Möglichkeit gehabt, zu kontrollieren, ob und in welchem Umfang die Rechtsberater tatsächlich Leistungen an die Gläubiger erbracht hätten.2943 Das OLG Köln verneinte hingegen – zu Recht – einen Verstoß gegen die guten Sitten.2944 Aus §§ 328, 329 BGB folge, dass die Übernahme fremder Schulden allein nicht sittenwidrig sei.2945 Die Schuldnerin habe ein anerkennenswertes Eigeninteresse an der Mitwirkung der Gläubiger.2946 Deshalb sei es gerechtfertigt, wenn die Gläubiger ihre grundsätzliche Bereitschaft, die Umwandlung der Anleihe in Eigenkapital zu erwägen, von einer Übernahme der Beraterkosten abhängig machen.2947 Die fehlende Kontrollmöglichkeit begründe auch keine Sittenwidrigkeit, weil im Wirtschaftsleben häufig auf die Redlichkeit von Partnern vertraut werden müsse.2948 Dass keine Begrenzung vereinbart worden ist, sei ebenfalls unschädlich, weil sich die Gebühren in Vergleich zum Nominalwert der Forderungen im Rahmen hielten und auch eine Kündigungsmöglichkeit bestanden habe.2949 Diese Argumente sprechen auch gegen eine Sittenwidrigkeit eines RSA.
D. Zwischenergebnis Die Grenzen aus den „allgemeinen“ Verteilungsregeln greifen bei RSA im Grundsatz nicht.
§ 6 Side-Deals mit dem Management? Die letzten hier zu besprechenden Nebenabsprachen im Zusammenhang mit einer Restrukturierung sind solche, in denen die Schlüsselgläubiger den Vorstandsmitgliedern der Schuldnerin bestimmte Zusagen in Bezug auf ihre Zukunft im Unternehmen machen. Entsprechende Vereinbarungen können auch im RSA festgehalten werden.2950 Bei derartigen Nebenabsprachen existiert ein offensichtlicher Konflikt: Auf der einen Seite wird das Management incentiviert, um seine strategischen 2942 2943 2944 2945 2946 2947 2948 2949 2950
LG Bonn, Urt. v. 28. 04. 2015 – 7 O 233/14, BeckRS 2015, 121941 (Rn. 20). LG Bonn, Urt. v. 28. 04. 2015 – 7 O 233/14, BeckRS 2015, 121941 (Rn. 22). OLG Köln, Urt. v. 24. 2. 2016 – 2 U 87/15, BeckRS 2016, 125056 (Rn. 82 ff.). OLG Köln, Urt. v. 24. 2. 2016 – 2 U 87/15, BeckRS 2016, 125056 (Rn. 85). OLG Köln, Urt. v. 24. 2. 2016 – 2 U 87/15, BeckRS 2016, 125056 (Rn. 85). OLG Köln, Urt. v. 24. 2. 2016 – 2 U 87/15, BeckRS 2016, 125056 (Rn. 85). OLG Köln, Urt. v. 24. 2. 2016 – 2 U 87/15, BeckRS 2016, 125056 (Rn. 86). OLG Köln, Urt. v. 24. 2. 2016 – 2 U 87/15, BeckRS 2016, 125056 (Rn. 87). Vgl. z. B. In re Bush Industries, Inc., 315 B.R. 292, 304 (Bkrtcy.W.D.N.Y. 2004).
§ 6 Side-Deals mit dem Management?
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Spielräume im Rahmen der Unternehmensbewertung und der Planausgestaltung zum Vorteil der Schlüsselgläubiger auszurichten.2951 Auf der anderen Seite ist die Kooperation des Managements für das Unternehmen, seinen Wert, seinen künftigen Erfolg und für den Restrukturierungsprozess häufig von großer Bedeutung.
A. Beispiele in den USA und England Um das Problem zu verdeutlichen, sollte zunächst auf einige Beispiele und Stimmen in der Literatur eingegangen werden. I. Beispiele Im Fall In re Bush Industries, Inc.2952 musste das Gericht die Frage entscheiden, ob es mit good faith vereinbar ist, wenn die Schlüsselgläubiger dem Management in einem Lock-up and Voting Agreement die Weiterbeschäftigung für die Zeit nach der Restrukturierung zusichern.2953 Dort war insbesondere problematisch, dass tatsächlich kein Interesse daran bestand, den CEO in der Gesellschaft zu halten.2954 Vielmehr sollte ihm ein golden parachute, also ein „goldener Fallschirm“, geboten werden.2955 Das Gericht sah hierin einen Verstoß gegen good faith und versagte die Planbestätigung. Es erkannte zwar an, dass durch eine solche Vereinbarung die Verteilungsregeln des Gesetzes (Priority Rule und Gleichbehandlungsgrundsatz) nicht verletzt sein müssen.2956 Das Gericht äußerte aber Bedenken, dass die Zuwendung einen negativen Einfluss auf den Restrukturierungsprozess gehabt haben könnte.2957 Anstatt einen Deal auszuhandeln, welcher für alle Anteilsinhaber und alle Gläubiger insgesamt vorteilhaft ist, hätte der CEO selbst einen Bonus für sich ausgehandelt.2958 Das Gericht erklärte auch, dass dieser Mangel im Planerstellungsprozess nicht einfach dadurch geheilt werden könne, dass die versprochenen Zuwendungen an den CEO wieder gestrichen würden.2959 Der Fehler liege nicht nur im Ergebnis, sondern auch darin, dass der Planerstellungsprozess manipuliert worden sei.2960 2951
Vgl. dazu insb. Wang, Loan-to-Own, S. 59 ff.; 270 ff., 274 ff. In re Bush Industries, Inc., 315 B.R. 292, 303 ff. (Bkrtcy.W.D.N.Y. 2004). 2953 In re Bush Industries, Inc., 315 B.R. 292, 304 (Bkrtcy.W.D.N.Y. 2004). 2954 In re Bush Industries, Inc., 315 B.R. 292, 305 (Bkrtcy.W.D.N.Y. 2004). 2955 In re Bush Industries, Inc., 315 B.R. 292, 305 (Bkrtcy.W.D.N.Y. 2004). 2956 In re Bush Industries, Inc., 315 B.R. 292, 305 (Bkrtcy.W.D.N.Y. 2004). 2957 In re Bush Industries, Inc., 315 B.R. 292, 305 f. (Bkrtcy.W.D.N.Y. 2004). 2958 In re Bush Industries, Inc., 315 B.R. 292, 306 (Bkrtcy.W.D.N.Y. 2004). 2959 In re Bush Industries, Inc., 315 B.R. 292, 307 (Bkrtcy.W.D.N.Y. 2004). 2960 In re Bush Industries, Inc., 315 B.R. 292, 307 (Bkrtcy.W.D.N.Y. 2004) („[T]he court must assure not only a fair outcome, but also a process that works to achieve that result.“). 2952
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In englischen Restrukturierungen sind Zusagen an das Management häufig. Die dortigen Fälle sehen insbesondere Beteiligungen des Managements an der restrukturierten Gesellschaft vor. In der Restrukturierung Re Noble Group erhielt das Management schlussendlich 10 Prozent der Unternehmensanteile.2961 In der Restrukturierung Re Bluebrook Ltd wurden fünf der sieben directors in die neu gegründete Gesellschaft übernommen.2962 Sie erhielten wohl auch einige Anteile an der neuen Holding-Gesellschaft.2963 Deshalb wurden die Unabhängigkeit des Managements und damit die Fairness des Schemes in Frage gestellt.2964 Das Gericht bestätigte das entsprechende Scheme dennoch, weil die zwei nicht übernommenen directors im Ergebnis für eine ausreichende unabhängige Kontrolle des Schemes gesorgt hätten.2965 Auch in Deutschland wurde dem Vorstandsvorsitzenden in Restrukturierungen schon ermöglicht, vergünstigt Anteile an der restrukturierten Gesellschaft zu erwerben. Beispiel hierfür ist die mittels SchVG durchgeführte Restrukturierung im Fall Solarworld2966. Hier sollten Gläubiger zunächst im Wege eines Debt-to-EquitySwaps Aktien an der zu restrukturierenden Gesellschaft erwerben und diese später – entsprechend einer Vereinbarung im Term Sheet – teilweise an den Vorstandsvorsitzenden weiterveräußern.2967 Es wurde behauptet, dass der Vorstandsvorsitzende so vergünstigt Anteile erhalten konnte.2968 II. Bewertung Zuwendungen der Schlüsselgläubiger an das Management im Rahmen einer Restrukturierung werden in der US-Literatur unterschiedlich gewürdigt. Skeel2969 hat im Jahr 2003 erklärt, dass sog. Retention Boni an das Management helfen würden, Governance-Probleme in der Eigenverwaltung zu lösen. Das Management würde incentiviert, nicht eigennützige Ziele zu verfolgen oder das Verfahren künstlich in die Länge zu ziehen. Diese Einschätzung ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass das Chapter 11-Verfahren in den USA damals von den Managern teilweise missbraucht wurde und Unternehmen jahrelang im Chapter 11-Verfahren verbleiben konnten.2970 2961
Re Noble Group Limited, [2018] EWHC 3092 (Ch) (Rn. 85). Re Bluebrook Ltd, [2009] EWHC 2114 (Ch) = 2009 WL 2392294 (Rn. 63). 2963 Re Bluebrook Ltd, [2009] EWHC 2114 (Ch) = 2009 WL 2392294 (Rn. 7) („The equity in HoldCo will ultimately be owned by the Senior Lenders, subject to a certain amount of dilution in favour of members of the management of the group.“). 2964 Re Bluebrook Ltd, [2009] EWHC 2114 (Ch) = 2009 WL 2392294 (Rn. 63). 2965 Re Bluebrook Ltd, [2009] EWHC 2114 (Ch) = 2009 WL 2392294 (Rn. 63). 2966 Vgl. dazu OLG Köln, Beschl. v. 13. 1. 2014 – I-18 U 174/13 (juris-Rn. 11); Florstedt, ZIP 2014, 1513 ff.; ausführliche Besprechung bei Wang, Loan-to-Own, S. 128 ff., insb. 138 ff. 2967 OLG Köln, Beschl. v. 13. 1. 2014 – I-18 U 174/13 (juris-Rn. 11). 2968 OLG Köln, Beschl. v. 13. 1. 2014 – I-18 U 174/13 (juris-Rn. 24, 45). 2969 Skeel, 152 U. Pa. L. Rev. 917 ff. (2003). 2970 Skeel, 152 U. Pa. L. Rev. 917, 920 ff. (2003). 2962
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Durch Boni könne sichergestellt werden, dass kein Vermögen durch das Management verschleudert werde.2971 Auch das Wissen und die Expertise des Managements könnten dem Unternehmen erhalten bleiben.2972 Die Boni seien höher, wenn die Restrukturierung schnell erfolgt, und geringer, wenn der Fall länger andauert.2973 Boni an das Management würden auch zu weniger Verletzungen der absoluten Vorrangregel führen.2974 Siekönnten zudem daran geknüpft werden, dass das Management dem Unternehmen für eine bestimmte Zeit erhalten bleibt.2975 Das größte Problem bei Retention Boni sei, dass die Öffentlichkeit sie als unfair wahrnehme, weil genau die Personen, welche für die Insolvenz eines Unternehmens verantwortlich seien, in der Insolvenz sehr hohe Prämien erhalten würden.2976 Während den 2000er Jahren wurden exzessive Manager-Boni in der Insolvenz immer häufiger kritisiert und 2005 schließlich durch den US-Gesetzgeber reguliert.2977 Die Praxis hat allerdings Wege gefunden, die Regulierung zu umgehen.2978 Skeel sah im Jahr 2003 die Gefahr, dass die Boni von einzelnen Gläubigern ausgenutzt werden, um das Management zu bestechen, als gering an, da die Gläubiger bei der Ausgestaltung der Boni im Chapter 11-Verfahren gemeinsam durch das Creditors’ Committee agieren könnten.2979 Im Unterschied zu den von Skeel betrachteten Boni stehen seit kurzem allerdings gerade auch solche Zuwendungen in Frage, welche dem Management durch einzelne Schlüsselgläubiger in Aussicht gestellt werden. Unter diesem Gesichtspunkt werden Zuwendungen an das Management kritischer gesehen.2980 Das Chapter 11-Verfahren beruhe auf der Annahme, dass das Management unberechtigten Forderungen der Senior-Gläubiger zu Lasten der Junior-Gläubiger und Anteilsinhaber entgegentreten würde.2981 Zuwendungen der Senior-Gläubiger an das Management seien in einem solchen System gefährlich, weil die Anreize des Managements dadurch verzerrt würden.2982 Nur wenn das Management nicht „bestochen“ 2971
Skeel, 152 U. Pa. L. Rev. 917, 926 f. (2003). Skeel, 152 U. Pa. L. Rev. 917, 926 f. (2003). 2973 Skeel, 152 U. Pa. L. Rev. 917, 919 (2003). 2974 Skeel, 152 U. Pa. L. Rev. 917, 934 (2003). 2975 Skeel, 152 U. Pa. L. Rev. 917, 946 (2003). 2976 Vgl. Skeel, 152 U. Pa. L. Rev. 917, 944, 947 (2003). 2977 Vgl. LoPucki, Law-Econ Research Paper No. 21 – 12, S. 1, 48 (2022) („Congress responded by prohibiting the payment of retention bonuses to managers unless they had ,a bona fide job offer from another business at the same or greater rate of compensation.‘“); vgl. insgesamt: Ellias, 92 S. Cal. L. Rev. 653 ff. (2019). 2978 LoPucki, Law-Econ Research Paper No. 21 – 12, S. 1, 48 f. (2022) m. w. N. 2979 Skeel, 152 U. Pa. L. Rev. 917, 929, 934 (2003) („The developments we have witnessed in the past decade should be seen as a step in the right direction.“). 2980 Vgl. Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593, 601 ff. (2017). 2981 Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593, 607 (2017); vgl. ähnlich Paterson, Corporate Reorganization, S. 141 zur entsprechenden progressiven Idee, dass der Debtor-in-Possession die Restrukturierung zugunsten der Interessen aller Stakeholder und insbesondere der ungesicherten Gläubiger durchführe. 2982 Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593, 607 f. (2017). 2972
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werde, könne darauf vertraut werden, dass es den Forderungen der Senior-Gläubiger auch entgegentreten werde2983 und damit auch als Agent für die ungesicherten Gläubiger und die Anteilsinhaber wirke. Zuwendungen an das Management würden den Verhandlungsprozess fundamental stören.2984 Im Fall In re Bush Industries, Inc. habe die Zuwendung (der golden parachute) an den CEO z. B. dazu geführt, dass er keinen Anreiz mehr gehabt habe, in den Verhandlungen auf eine Unternehmensbewertung zu drängen, nach welcher auch die Anteilsinhaber noch „einen Teil vom Kuchen“ abbekommen hätten.2985 Darüber hinaus habe das Management keinen Anreiz mehr gehabt, die Rechtsstellung der Senior-Gläubiger zu überprüfen.2986 Die Annahme, dass auch die Ausgestaltung des Restrukturierungsplans zugunsten der Senior-Gläubiger erfolgt sein dürfte, ist nicht von der Hand zu weisen. Hier werden die Probleme der „strategischen“ Unternehmensbewertung2987 offensichtlich.
B. Spezielle Regelungen? Fraglich ist, wie Zusagen der Schlüsselgläubiger an das Management im RSA nach den Regelungen im StaRUG zu bewerten sind. I. Keine ausdrückliche Regelung im StaRUG In Deutschland spielen golden parachutes und Managementbeteiligungen bislang vor allem im Zusammenhang mit dem WpÜG und Private-Equity-Transaktionen eine Rolle.2988 Im Zusammenhang mit dem StaRUG wurden sie bislang soweit ersichtlich noch nicht diskutiert. Im StaRUG selbst gibt es keine Norm, die es ausdrücklich erlauben oder verbieten würde, das Management zu incentivieren, indem es an der Gesellschaft beteiligt wird oder indem ihm ein golden parachute gewährt wird. § 10 Abs. 3 StaRUG erfasst Vereinbarungen zwischen Schlüsselgläubigern und dem Vorstand der AG bzw. dem Geschäftsführer einer GmbH nicht. Wie oben dargelegt, betrifft die Norm nur Vereinbarungen der Schuldnerin oder Dritter mit einzelnen Planbetroffenen, durch welche die Planbetroffenen begünstigt werden. Die Regeln zur Gleichbehandlung in §§ 10 Abs. 1 und 27 Abs. 1 Nr. 3 StaRUG sind ebenfalls nicht betroffen. Ein Gläubiger wird gegenüber einem anderen Gläubiger nicht besser- oder schlechtergestellt, wenn das Management am Unternehmen beteiligt wird. Dies gilt erst recht, wenn die Anteile schlussendlich aus dem Vermögen 2983
Vgl. Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593, 608 (2017). Vgl. Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593, 608 (2017). 2985 Vgl. Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593, 620 (2017). 2986 Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593, 620 (2017). 2987 Dazu Wang, Loan-to-Own, S. 56 ff., 59 ff., 274 f. 2988 Vgl. Boeckmann, Leistungen Dritter, S. 240 ff.; Heinrich, Der weiße Ritter, S. 318 ff.; Spindler, FS Hopt, S. 1407 ff.; Spindler, FS Schwark, S. 641 ff.; Fastrich, FS Heldrich, S. 143 ff; Drygala, FS K. Schmidt, S. 269 ff. 2984
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der Schlüsselgläubiger stammen sollen. Die absolute Vorrangregel wäre ebenfalls nicht verletzt, weil sie nur die Verteilung des Restrukturierungsgewinns an die Anteilsinhaber regelt, solange vorrangige Gruppen widersprochen haben und nicht vollständig befriedigt worden sind. Eine Beteiligung des Managements wird von der absoluten Vorrangregel also nicht per se verboten. Allenfalls bei geschäftsführenden Anteilsinhabern könnte sie relevant werden. Das Schlechterstellungsverbot dürfte regelmäßig ebenfalls nicht betroffen sein, solange die Beteiligung des Managements durch die Schlüsselgläubiger finanziert wird. Helfen könnte das Schlechterstellungsverbot allenfalls dann, wenn bewiesen wird, dass das Management wegen der Incentivierung nicht mehr auf eine korrekte Unternehmensbewertung hingewirkt hat. II. § 299 StGB? Dem Management könnte es aber nach § 299 StGB verboten sein, Zuwendungen der Schlüsselgläubiger anzunehmen. Die Norm stellt die Bestechlichkeit und die Bestechung im geschäftlichen Verkehr unter Strafe. Im Ergebnis setzt Abs. 1 Nr. 1 allerdings voraus, dass der Vorstand einen besonderen Vorteil dafür erhält, dass er „beim Bezug von Waren oder Dienstleistungen“ einen anderen Wettbewerber bevorzugt. Abs. 1 Nr. 2 setzt ebenfalls voraus, dass der Vorstand aufgrund eines ihm gewährten Vorteils „beim Bezug von Waren oder Dienstleistungen“ seine Pflichten gegenüber dem Unternehmen verletzt. Nach der Literatur betrifft die Norm nur den Bezug von Waren oder gewerblichen Leistungen im Wettbewerb.2989 Deshalb ist der Tatbestand z. B. in Übernahmesituationen bei Leistungen eines Bieters an den Vorstand des Zielunternehmens nicht erfüllt.2990 Der Erwerb von Unternehmen oder Equity-Beteiligungen lässt sich nicht unter den Tatbestand subsumieren.2991 Die Zusagen in RSA an das Management dürften deshalb ebenfalls nicht unter § 299 StGB fallen. III. § 33d WpÜG Im Übernahmerecht gibt es eine spezielle Norm (§ 33d WpÜG), nach der ungerechtfertigte Zuwendungen eines Bieters an das Management im Rahmen einer Übernahme verboten sind.2992 Der Gesetzgeber hat im Übernahmerecht die besondere Bedeutung des Managements für die Transaktion erkannt und wollte damit dessen Unabhängigkeit wahren.2993 Es soll der Gefahr vorgebeugt werden, dass der Bieter das Management zu einem bestimmten Verhalten veranlasst, das nicht im 2989
Spindler, FS Schwark, S. 641, 645. Schüppen, FS Tiedemann, S. 753; Spindler, FS Schwark, S. 641, 645; Spindler, FS Hopt, S. 1407, 1416. 2991 Schüppen, FS Tiedemann, S. 753. 2992 Ausführlich dazu: Boeckmann, Leistungen Dritter, S. 240 ff. 2993 RegE-WpÜG, BT-Drucks. 14/7034, S. 59. 2990
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Interesse der Anteilseigner und der Gesellschaft liegt.2994 Es gilt, „Zweifel an der Unabhängigkeit der Entscheidungen des Vorstands“ zu vermeiden.2995 Schlüsselgläubiger bzw. das Ad Hoc Committee sind in gewissem Maße mit solchen Bietern vergleichbar. Sie können – ähnlich wie der Bieter in der Übernahme – einen Anreiz haben, das Management durch Zuwendungen oder sogar Beteiligungen an der restrukturierten Gesellschaft zu incentivieren. Das WpÜG ist nach § 1 aber nur auf Angebote zum Erwerb von Wertpapieren anzuwenden, die von einer Zielgesellschaft ausgegeben wurden und zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind. Deshalb gibt es gerade in Restrukturierungen Lücken.
C. Organschaftliche Treuepflicht Mangels einer speziellen Regelung im StaRUG muss auf die allgemeinen Grundsätze abgestellt werden. Hier kommt insbesondere ein Verstoß gegen die organschaftliche Treuepflicht des Vorstandes in Betracht, wenn er Zuwendungen der Schlüsselgläubiger im Rahmen der Restrukturierung annimmt. Aktienrechtlich gilt, dass der Vorstand in allen Angelegenheiten, die das Interesse der Aktiengesellschaft berühren, allein das Wohl und Wehe der Aktiengesellschaft und nicht ihren eigenen Nutzen oder den Vorteil anderer im Auge haben darf.2996 Grund der Treuepflicht ist zum einen das Vertrauen, welches dem Vorstand entgegengebracht wird,2997 und zum anderen die Einwirkungsmacht des Vorstands auf fremdes Vermögen2998 bzw. die Verfügungsgewalt des Vorstands darüber.2999 Die Treuepflicht wird dogmatisch durch die Organstellung begründet; der Anstellungsvertrag enthält außerdem kongruente Pflichten.3000 I. Grundsätzliches Nimmt der Vorstand Zuwendungen von Dritten an, kann er damit gegen seine Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft verstoßen. Die Vorstandsmitglieder dürfen bei Abschluss eines Vertrages keine Leistungen von Dritten in irgendeiner Art entgegennehmen, die mit dem Abschluss des Geschäfts zusammenhängen.3001 2994
Krause/Pötzsch/Stephan, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, § 33d Rn. 1; Wolf/Wink, in: Paschos/Fleischer, § 21 Rn. 4; Traugott/Grün, AG 2007, 761, 762; vgl. auch RegE-WpÜG, BTDrucks. 14/7034, S. 59. 2995 BT-Drucks. 14/7034, S. 59. 2996 BeckOGK-AktG/Fleischer, § 93 Rn. 147. 2997 Kritisch: GK-AktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 224. 2998 BeckOGK-AktG/Fleischer, § 93 Rn. 149. 2999 GK-AktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 224. 3000 BeckOGK-AktG/Fleischer, § 93 Rn. 150. 3001 GK-AktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 271; MüKoAktG/Spindler, § 93 Rn. 128; Boeckmann, Leistungen Dritter, S. 33.
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Darunter fallen Provisionszahlungen, Schmiergelder, Vorzugspreise oder ähnliche Vorteile.3002 Im Rahmen einer Restrukturierung geleistete Zuwendungen der Schlüsselgläubiger an das Management könnten durchaus unter diese Fallgruppe subsumiert werden. Eine Zusage einer Abfindung durch die Schlüsselgläubiger (golden parachute), eine Vereinbarung zur Weiterbeschäftigung in der restrukturierten Gesellschaft oder gar die Annahme einer Beteiligung an der restrukturierten Gesellschaft, welche durch die Schlüsselgläubiger arrangiert oder finanziert wird, würden damit einen Verstoß gegen die organschaftliche Treuepflicht darstellen. Die Annahme von Drittzuwendungen stellt aber nicht per se einen Verstoß gegen die organschaftliche Treuepflicht des Vorstands dar.3003 Sinn und Zweck der Treuepflicht ist es, sicherzustellen, dass der Vorstand sein Handeln auf das Unternehmensinteresse ausrichtet und das Wohl der Gesellschaft als oberste Leitmaxime verfolgt.3004 Nicht alle Drittleistungen stehen im Widerspruch zum Unternehmensinteresse.3005 Wenn die Leistung an Ziele anknüpft, die im Einklang mit dem Unternehmensinteresse stehen, kann (nicht muss) sich hieraus sowohl ein Vorteil für den Leistenden, ein Vorteil für den Vorstand und auch gleichzeitig ein Vorteil für die Gesellschaft ergeben.3006 In der Literatur werden als Beispiele genannt, dass ein Aktionär den Vorstand durch Boni zu Leistungen anspornen möchte, welche auch im Gesellschaftsinteresse liegen (z. B. Gewinnmaximierung), dass ein Gläubiger im Falle der Insolvenz die Vergütung des Vorstands übernimmt, um die Masse (zugunsten aller Gläubiger) zu schonen, oder dass der Bieter in einer Übernahmesituation dem Vorstand die Weiterbeschäftigung zusagt, weil die Fähigkeiten des Vorstands für die Zukunft des Unternehmens essentiell sind.3007 In der Übernahmesituation soll ein Treuepflichtverstoß auch nicht vorliegen, wenn die Unterstützung eines bestimmten Übernahmeangebots als eine vertretbare, im Unternehmensinteresse der Zielgesellschaft liegende Entscheidung erscheint.3008 Überwiegt der potentielle Nutzen einer Maßnahme deren potentielle Gefahren, erscheint ein pauschales Verbot, Angebote Dritter anzunehmen, deshalb zu streng und die Pflicht, das Geschäft auszuschlagen, nicht mehr zwingend.3009
3002
GK-AktG/Hopt/Roth, § 93 Rn. 271. MüKoAktG/Spindler, § 93 Rn. 128. Boeckmann, Leistungen Dritter, S. 29 ff.; im Ergebnis ebenso: Heinrich, Der weiße Ritter, S. 304 ff. 3004 Boeckmann, Leistungen Dritter, S. 41. 3005 Boeckmann, Leistungen Dritter, S. 41; Heinrich, Der weiße Ritter, S. 306 f. 3006 Boeckmann, Leistungen Dritter, S. 42. 3007 Boeckmann, Leistungen Dritter, S. 39. 3008 Heinrich, Der weiße Ritter, S. 306 f. 3009 Boeckmann, Leistungen Dritter, S. 42. 3003
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II. Umkehrschluss zu § 33 WpÜG? Wie schon erwähnt, ist es dem Bieter in einer Übernahmesituation einer börsennotierten Aktiengesellschaft nach § 33d WpÜG verboten, dem Vorstand der Zielgesellschaft im Zusammenhang mit dem Angebot ungerechtfertigte Geldleistungen oder andere ungerechtfertigte geldwerte Vorteile zu gewähren oder in Aussicht zu stellen. Die Norm spricht allerdings nicht nur ein Verbot aus, sondern erlaubt gleichzeitig Leistungen an den Vorstand, die gerechtfertigt sind. Mit einer Ansicht in der Literatur könnte argumentiert werden, dass die Norm gegenüber der Normalsituation eine gewisse Privilegierung enthält.3010 Folgt man dem, ließe sich im Umkehrschluss argumentieren, dass in anderen Situationen – also außerhalb der Übernahme – strengere Maßstäbe gelten. Dieses Argument ist abzulehnen. In der Literatur wird mehrheitlich vertreten, dass § 33d WpÜG eine für den Bieter geltende Pflicht enthält, welche nur die den Vorstand treffenden organschaftlichen Treuepflichten widerspiegelt.3011 Auch bei Transaktionen, in denen § 33d WpÜG nicht anwendbar ist, gelten deshalb im Grunde dieselben Maßstäbe zur Beurteilung von Zuwendungen an das Management3012 Dogmatischer Aufhänger ist dann die organschaftliche Treuepflicht.3013 Für diesen Ansatz spricht, dass aus der Gesetzesbegründung zu § 33d WpÜG nicht abgeleitet werden kann, dass die Norm bieterseitige Zuwendungen an den Vorstand privilegieren soll.3014 III. Anforderungen an die Zuwendung Erkennt man an, dass Zuwendungen an das Management auch außerhalb der Übernahme unter Umständen gerechtfertigt werden können, ist in einem weiteren Schritt fraglich, welche Anforderungen an solche Rechtfertigungen in einer Restrukturierung zu stellen sind.
3010 So wohl Drygala, FS K. Schmidt, S. 269, 275 (Die Wertung des § 33d WpÜG und der Gesetzesbegründung „muss sich dann konsequenterweise auch gegenüber dem Loyalitätsgebot aus § 93 AktG durchsetzen. Denn es wäre widersinnig, wenn das WpÜG diese Zuwendungen – wenn auch unter Beschränkungen – erlauben würde, man aber zugleich dem Vorstand aus dem Aktienrecht heraus verbieten würde, sie anzunehmen.“); ähnlich: Diekmann, FS Maier-Reimer, S. 76, 84; kritisch zu einer Privilegierung: Boeckmann, Leistungen Dritter, S. 303. 3011 Fleischer, WM 2003, 1045, 1057; Boeckmann, Leistungen Dritter, S. 352; Weber, Transaktionsboni, S. 328; Ekkenga/Schirrmacher, in: Beurskens/Ehricke/Ekkenga, WpÜG, § 33d Rn. 2; im Ergebnis wohl auch Schüppen, FS Tiedemann, S. 749, 753 f.; Hopt, ZHR 166 (2002), 383, 429; Hopt, FS Lutter, S. 1361, 1379. 3012 Boeckmann, Leistungen Dritter, S. 352. 3013 Boeckmann, Leistungen Dritter, S. 352. 3014 Ausführlich Boeckmann, Leistungen Dritter, S. 294 ff.
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1. Anforderungen im Übernahmerecht In der Übernahmesituation ist umstritten, wann eine Zuwendung durch den Bieter an den Vorstand der Zielgesellschaft „gerechtfertigt“ und wann sie „ungerechtfertigt“ ist. Spiegelbildlich ist dieser Streit dann auch für die Frage relevant, wann ein Vorstandsmitglied eine solche Zuwendung im Hinblick auf die organschaftliche Treuepflicht annehmen darf. Nach einer Ansicht ist eine Zuwendung dann zulässig, wenn sie auch von der Zielgesellschaft gewährt werden könnte.3015 Die Grenzen des § 33d WpÜG würden mit denen des § 87 AktG übereinstimmen.3016 Nach einer Interpretation soll die Übernahmesituation ausgeblendet werden.3017 Diese Ansicht ist als zu restriktiv abzulehnen.3018 Wertungsmäßig macht es einen Unterschied, ob die Gesellschaft selbst oder ein Dritter die Zuwendung finanziert.3019 Außerdem würde eine Einbeziehung des Managements erschwert oder verhindert, wenn die Einbeziehung des Managements in der konkreten Übernahmesituation zu besseren Angeboten für die Aktionäre führen würde.3020 Andere stellen darauf ab, ob die Zuwendung sachlich gerechtfertigt werden kann.3021 Das Interesse des Bieters an einer erfolgreichen Übernahme sei aber kein hinreichender sachlicher Grund.3022 Die Ansicht wird kritisiert, weil sie kaum Konturen dafür vorgebe, wann eine Leistung gerechtfertigt sei und wann nicht.3023 Mit dieser Ansicht kann auch nicht zwischen Leistungen mit hohem und niedrigem Beeinflussungspotential differenziert werden, weil derselbe „sachliche Grund“ bei jeder Art von Zuwendung vorliegen kann. Wieder eine andere Ansicht argumentiert fallgruppenorientiert unter Berücksichtigung der Marktstandards.3024 Diese Ansicht wird kritisiert, weil das Gesetz eine solche Differenzierung nach Marktstandards nicht vorsehe.3025 Außerdem sei es Ziel des Gesetzes, bestimmte Marktpraktiken zu verbieten, weshalb eine Orientierung an den Marktpraktiken ausgeschlossen sei.3026
3015 Ekkenga/Schirrmacher, in: Beurskens/Ehricke/Ekkenga, WpÜG, § 33d Rn. 4; MüKoAktG/Schlitt, WpÜG § 33d Rn. 11. 3016 Ekkenga/Schirrmacher, in: Beurskens/Ehricke/Ekkenga, WpÜG, § 33d Rn. 4. 3017 So interpretiert Drygala, FS K. Schmidt, S. 269, 276 diese Ansicht und lehnt sie deshalb ab, S. 276 f. 3018 Wolf/Wink, in: Paschos/Fleischer, § 21 Rn. 21; Drygala, FS K. Schmidt, S. 269, 276 f. 3019 Wolf/Wink, in: Paschos/Fleischer, § 21 Rn. 21. 3020 Drygala, FS K. Schmidt, S. 276 f. 3021 Heinrich, Der weiße Ritter, S. 322 f.; Bastian, in: Steinmeyer, WpÜG, § 33d Rn. 5; Schwark/Zimmer/Noack/Zetzsche, § 33d Rn. 5. 3022 FK-WpÜG/Röh, § 33 Rn. 11. 3023 Wolf/Wink, in: Paschos/Fleischer, § 21 Rn. 22. 3024 Baums/Thoma/Verse/Kiem, § 33d Rn. 17 ff. 3025 Boeckmann, Leistungen Dritter, S. 270 f. 3026 Boeckmann, Leistungen Dritter, S. 271; Heinrich, Der weiße Ritter, S. 323.
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Eine weitere Ansicht fordert eine „Zusammenschau der aktienrechtlichen Maßstäbe für Drittvergütungen sowie der Sondersituation Übernahme“ und strebt eine Nuancierung auf Grundlage der konkreten Situation an.3027 Ein ähnlicher, aber ausdifferenzierter Ansatz geht vom Normzweck und der Regierungsbegründung zu § 33d WpÜG aus.3028 Nach diesem solle verhindert werden, dass der Vorstand vom Bieter beeinflusst wird.3029 Leistungen könnten nach der Regierungsbegründung dann gerechtfertigt sein, wenn sie „aus Sicht der Zielgesellschaft und ihrer Anteilseigner aus sachlich nachvollziehbaren Erwägungen“ gewährt werden.3030 Ausgehend von dieser Intention des Gesetzgebers wird zunächst erklärt, dass die Interessen des Bieters unbeachtlich seien.3031 Es komme auf die Interessen der Zielgesellschaft und der Anteilsinhaber an.3032 Würde dies auf die Restrukturierungssituation übertragen, käme es nicht isoliert auf die Interessen der Schlüsselgläubiger an. Ausschlaggebend wäre vielmehr, ob die Schuldnerin und die Gesamtheit der Gläubiger einen Nutzen von der Zuwendung an das Management hätten. Eine Zuwendung setze weiter voraus, dass sie an die Kontinuität des Managements im Unternehmen gekoppelt sei.3033 Das Management müsse für die Zielgesellschaft außerdem einen besonderen Wert haben.3034 Ferner müsse die Zuwendung offengelegt werden3035 und der Aufsichtsrat müsse sowohl der Leistung durch den Bieter3036 als auch der Annahme der Zuwendung durch den Vorstand zustimmen.3037 Schließlich wägt diese Ansicht im Ergebnis zusätzlich zwischen der Gefahr einer unsachgemäßen Beeinflussung und dem möglichen Nutzen einer Zuwendung ab.3038 Je höher das Beeinflussungspotential des Vorstands ist, desto höhere Anforderungen sind an die Rechtfertigung einer Zuwendung zu stellen.3039 Der letzte Ansatz ist am überzeugendsten, weil er das unterschiedliche Beeinflussungspotential verschiedener Leistungen an das Management berücksichtigt und in die Abwägung aufnimmt.
3027
Wolf/Wink, in: Paschos/Fleischer, § 21 Rn. 23. Boeckmann, Leistungen Dritter, S. 272 ff. 3029 Boeckmann, Leistungen Dritter, S. 272 ff. 3030 RegE-WpÜG, BT-Drucks. 14/7034, S. 59. 3031 Boeckmann, Leistungen Dritter, S. 272 ff. 3032 Boeckmann, Leistungen Dritter, S. 272 ff. 3033 Boeckmann, Leistungen Dritter, S. 280 ff. 3034 Boeckmann, Leistungen Dritter, S. 282. 3035 Boeckmann, Leistungen Dritter, S. 299 ff. 3036 Boeckmann, Leistungen Dritter, S. 301 ff. 3037 Boeckmann, Leistungen Dritter, S. 292 ff. 3038 Vgl. zu verschiedenen Leistungen: Boeckmann, Leistungen Dritter, S. 309 ff. 3039 Vgl. exemplarisch: Boeckmann, Leistungen Dritter, S. 312, 236 ff., 334 („In Folge dieses verschärften Interessenkonflikts sind deutlich höhere Anforderungen an die Rechtfertigung zu stellen.“). 3028
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2. Strengere Maßstäbe in der Restrukturierung Im Vergleich zu einer Übernahme nach dem WpÜG müssen im Rahmen einer Restrukturierung bei der Abwägung insgesamt noch strengere Maßstäbe gelten. Dogmatisch können diese im Rahmen der Abwägung berücksichtigt werden. Die strengeren Maßstäbe resultieren aus den folgenden Überlegungen: In einer Restrukturierung hat der Vorstand weitaus mehr Interessen zu berücksichtigen und zu gewichten als in einer Übernahmesituation. Neben den Interessen der Anteilsinhaber kommen die teils sehr differenzierten Interessen der Gläubiger hinzu. Hier sind die Interessen der Senior-Secured-Gläubiger, der Second-LienGläubiger, der ungesicherten Gläubiger, der vertraglich nachrangigen Gläubiger, der Gläubiger im Rang des § 39 Abs. 1 Nr. 2 und § 39 Abs. 2 InsO sowie der Anteilinhaber als doppelt nachrangiger Gläubiger wie auch der Lieferanten und Arbeitnehmer zu berücksichtigen. Innerhalb dieser Gruppen können wiederum unterschiedliche Interessen bestehen. In einer solchen Situation erscheint die Neutralität des Vorstands deutlich an Gewicht zu gewinnen. Der Vorstand kann fremde Rechtsgüter und fremde Interessen in der Restrukturierung stärker beeinträchtigen als in der Übernahmesituation. Zwar besteht in der Übernahme die Pflicht zur Stellungnahme i. S. d. § 27 WpÜG und die Möglichkeit, potentiellen Bietern eine Due Diligence zu gewähren oder einen White Knight zu suchen.3040 Im Zweifel wäre eine Übernahme allerdings auch als feindliche Übernahme – ohne dass der Vorstand einbezogen wird – möglich. In der Restrukturierung wählt der Vorstand die planbetroffenen Gläubiger aus, teilt sie in Gruppen ein, legt im Plan die Restrukturierungsbeiträge fest und schlägt eine Verteilung des Restrukturierungsgewinns vor. Ferner hat er Einfluss auf die Unternehmensbewertung und die Organisation der Restrukturierung. Ohne den Vorstand kann eine Restrukturierung nicht erfolgreich umgesetzt werden. Ferner sollte die Wertung beachtet werden, welche von Baird im Rahmen des Chapter 11-Verfahrens aufgestellt worden ist:3041 Weil das Restrukturierungsverfahren eine faire Verhandlung zwischen den Beteiligten ermöglichen möchte, sollen die Verhandlungsanreize des Managements nicht durch Zuwendungen an dieses verzerrt werden. Eine entsprechende Wertung, dass in der Restrukturierung generell sehr strenge Maßstäbe anzulegen sind, könnte auch aus § 28 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG entnommen werden. Die Norm regelt die Beteiligung des geschäftsführenden Anteilsinhabers am künftigen Unternehmen, wenn die absolute Vorrangregel verletzt wird. Diese Beteiligung ist nur gerechtfertigt, wenn das Vorstandsmitglied für die Fortführung des Unternehmens infolge besonderer, in der Person liegender Umstände, unerlässlich ist, um den Planwert zu verwirklichen. Zwar regelt die Norm nicht, wann eine 3040 Boeckmann, Leistungen Dritter, S. 110 f.; ähnlich: Heinrich, Der weiße Ritter, S. 307; Spindler, FS Hopt, S. 1407, 1409. 3041 Baird, 91 Am. Bankr. L. J. 593, 599 ff. (2017).
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Zuwendung an das nicht am Unternehmen beteiligte Management erfolgen darf. Dennoch spricht die Wertung für des § 28 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG für einen strengen Maßstab. Als Zwischenergebnis kann damit festgehalten werden, dass in der Restrukturierung sehr strenge Maßstäbe an eine Zuwendung an das Management zu stellen sind. IV. Einzelne Fälle Fraglich ist, wie nach diesen Vorgaben einzelne Zuwendungen zu beurteilen sind. Hierbei werden zunächst jeweils die Wertungen zu Prämien in der Übernahmesituation dargestellt. In einem zweiten Schritt wird untersucht, ob diese auf die Restrukturierung übertragbar sind. 1. Zweck der Zuwendung ist die Beeinflussung des Vorstands In der Übernahmesituation dürfte Einigkeit darüber bestehen, dass die Annahme einer Zuwendung dann unzulässig ist, wenn die Zusicherung dem Zweck dient, die unabhängige Willensbildung des Vorstands (bestechend) zu beeinflussen.3042 Dies muss auch in der Restrukturierung gelten. 2. „Golden Parachute“ Zuwendungen, die dem Vorstand in der Übernahmesituation dafür gewährt werden, dass er nach der Übernahme das Unternehmen verlässt (golden parachute), sind ungerechtfertigt.3043 Sie können den Vorstand dazu bringen, seinen Widerstand gegen eine Übernahme aufzugeben, um die teilweise exorbitant hohen Abfindungen zu kassieren.3044 Hier ist offensichtlich, dass die Organmitglieder „angefüttert“ werden, Widerstand gegen den Bieter fallen zu lassen.3045 Diese Wertungen können auch auf die Restrukturierung übertragen werden. Die Abfindung durch die Schlüsselgläubiger dürfte – wie das Beispiel In re Bush Industries, Inc. anschaulich zeigt – vielmehr ausschließlich dazu dienen, dass der Vorstand die Partikularinteressen der Schlüsselgläubiger verfolgt.
3042
Heinrich, Der weiße Ritter, S. 307 (zur Übernahme). Schwark/Zimmer/Noack/Zetzsche, § 33d Rn. 7; Spindler, FS Hopt, S. 1407, 1410; Boeckmann, Leistungen Dritter, S. 280 ff., S. 309; wohl auch MüKoAktG/Schlitt, § 33d WpÜG Rn. 12; Fastrich, FS Heldrich, S. 147 ff. 3044 Fastrich, FS Heldrich, S. 147. 3045 Spindler, FS Hopt, S. 1407, 1410. 3043
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3. Weiterbeschäftigung In der Übernahmesituation ist man sich auch weitgehend einig, dass der Bieter den Vorstandsmitgliedern in Aussicht stellen darf, dass sie ihre Stellung nach der Übernahme behalten dürfen.3046 Dies dürfte auch in einer Restrukturierung gelten. Wird schlicht zugesichert, dass der bestehende Vertrag aufrechterhalten bleibt, liegt nach einer Ansicht sogar schon kein geldwerter Vorteil vor.3047 Andere sehen zwar einen Vorteil. Dieser könne allerdings gerechtfertigt werden.3048 Hiervon geht auch die Regierungsbegründung zum WpÜG aus.3049 Wird darüber hinaus in Aussicht gestellt, den Vertrag mit dem Vorstand zu verlängern, kann schon ein etwas größerer Vorteil vorliegen. Dieser kann aber ebenfalls gerechtfertigt werden.3050 Materielle Voraussetzung dürfte sein, dass die Weiterbeschäftigung des Managements auch im Interesse der Zielgesellschaft liegt3051 und Kontinuität gesichert ist.3052 Formell muss das In-Aussicht-Stellen offengelegt werden.3053 Auf den Aufsichtsrat darf außerdem kein Druck ausgeübt werden.3054 Die Kompetenzen des Aufsichtsrats sind zu wahren.3055 Die Gefahr, dass der Vorstand sachwidrig beeinflusst wird, ist bei der bloßen Weiterbeschäftigung bzw. bei der bloßen Verlängerung des Arbeitsvertrages nicht besonders stark ausgeprägt. Der Vorstand muss im Gegenzug auch selbst eine weitere Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft eingehen.3056 Er muss seine Arbeitskraft in Zukunft weiterhin bereitstellen.3057 Diese Maßstäbe können ebenfalls auf die Restrukturierung übertragen werden. Warum hier etwas Abweichendes gelten soll, ist nicht ersichtlich. Jedenfalls dann, wenn die Weiterbeschäftigung des Vorstands zu einer besseren Unternehmensbewertung führt, dürfte sie auch im Interesse der Junior-Gläubiger und der Anteilsinhaber liegen. 3046 Bastian, in: Steinmeyer, WpÜG, § 33d Rn. 5; Ekkenga/Schirrmacher, in: Beurskens/ Ehricke/Ekkenga, WpÜG, § 33d Rn. 5; wohl auch Spindler, FS Schwark, S. 641, 642; Schwark/ Zimmer/Noack/Zetzsche, § 33d Rn. 4. 3047 KölnKommWpÜG/Hirte, § 33d Rn. 33; Heinrich, Der weiße Ritter, S. 319; Wolf/Wink, in: Paschos/Fleischer, § 21 Rn. 16, 37. 3048 Weber, Transaktionsboni, S. 340 in Fn. 547; Boeckmann, Leistungen Dritter, S. 259 f., 311 (Beteiligung des Aufsichtsrats notwendig). 3049 RegE-WpÜG, BT-Drucks. 14/7034, S. 59. 3050 Heinrich, Der weiße Ritter, S. 319 ff. mit Ergebnis auf S. 323; Wolf/Wink, in: Paschos/ Fleischer, § 21 Rn. 16. 3051 Vgl. Boeckmann, Leistungen Dritter, S. 282. 3052 Vgl. Boeckmann, Leistungen Dritter, S. 280. 3053 Vgl. Spindler, FS Schwark, S. 641, 642. 3054 Boeckmann, Leistungen Dritter, S. 316 ff., 468. 3055 Boeckmann, Leistungen Dritter, S. 468. 3056 Vgl. Heinrich, Der weiße Ritter, S. 308. 3057 Vgl. Heinrich, Der weiße Ritter, S. 308.
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Kap. 5: RSA im Konflikt mit Verteilungsregeln
4. Höhere Bezüge und Prämien an das Management Wird dem Vorstand eine Erhöhung der Bezüge in Aussicht gestellt, ist dies in der Übernahmesituation schon kritischer zu sehen. Die höheren Bezüge sind schon eher geeignet, die Abwehrbereitschaft des Vorstands der Zielgesellschaft zu überwinden und das Vorstandsmitglied von einer Verpflichtung auf das Unternehmensinteresse abzulenken.3058 Sofern das Inaussichtstellen der Weiterbeschäftigung gerechtfertigt ist, kann allerdings nach wohl überwiegender Ansicht auch die Erhöhung der Bezüge in Aussicht gestellt werden, wenn hierfür ausreichende Gründe gegeben sind.3059 Diese können z. B. darin liegen, dass die künftige Arbeitsbelastung des Managements erheblich steigt oder dem Vorstandsmitglied mehr Verantwortung und mehr Aufgaben zufallen.3060 Die Übernahme kann für den Vorstand einen Grund darstellen, sein Amt niederzulegen (z. B. erhöhter Leistungsdruck, Einwirkung des Finanzinvestors auf das Management, erhöhte Kontrolle).3061 Die Prämie kann – sofern das Management zum Bleiben animiert werden soll, weil es für den Erfolg des Unternehmens essentiell ist – ein wirksames Gegenmittel darstellen.3062 Allerdings muss sich die Prämie als Gegenleistung darstellen.3063 Es muss festgestellt werden, dass der Verbleib des Vorstandsmitglieds in der Gesellschaft essentiell ist, im Interesse der Zielgesellschaft und der Aktionäre liegt und dass eine realistische Gefahr besteht, dass das Vorstandsmitglied nach der Übernahme sein Amt aufgeben würde.3064 Außerdem muss Prämie von der Kontinuität des Bleibens abhängig gemacht werden.3065 Auch diese Grundsätze können auf die Restrukturierung übertragen werden. Es sind wiederum keine Gründe für eine abweichende Beurteilung zu erkennen. Es ist auch hier möglich, dass die in Aussicht gestellte Weitebeschäftigung zu einer besseren Unternehmensbewertung führt. 5. Beteiligung des Managements Besonders streitig ist bei einer Übernahme, ob das Management Anteile an der Zielgesellschaft erhalten darf,3066 was eine Form des Management Buyouts wäre3067. 3058
Rn. 13. 3059 3060 3061 3062 3063 3064 3065 3066 3067
Boeckmann, Leistungen Dritter, S. 312; vgl. auch KölnKommWpÜG/Hirte, § 33d Boeckmann, Leistungen Dritter, S. 312 ff.; Heinrich, Der weiße Ritter, S. 309 ff. Boeckmann, Leistungen Dritter, S. 312; Heinrich, Der weiße Ritter, S. 309 ff. Heinrich, Der weiße Ritter, S. 310; Boeckmann, Leistungen Dritter, S. 328 f. Heinrich, Der weiße Ritter, S. 309 ff. Boeckmann, Leistungen Dritter, S. 329. Boeckmann, Leistungen Dritter, S. 329 Boeckmann, Leistungen Dritter, S. 330. Vgl. Spindler, FS Schwark, S. 641, 642. Baums/Thoma/Verse/Kiem, § 33d Rn. 22.
§ 6 Side-Deals mit dem Management?
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Darunter ist die erfolgreiche Übernahme der Zielgesellschaft durch einen Bieter unter Beteiligung des Managements zu verstehen.3068 Diese Technik findet sowohl im Übernahmerecht als auch – wie der Blick nach England gezeigt hat – in größeren Restrukturierungen Anwendung. Problematisch ist dabei insbesondere der Zeitpunkt, zu welchem der Bieter dem Management eine solche Beteiligung in Aussicht stellt.3069 Wenn die – vergünstigte – Beteiligung im Zusammenhang mit dem laufenden Übernahmeverfahren und nicht erst danach in Aussicht gestellt wird, könnte damit eine sachwidrige Beeinflussung des Vorstands einhergehen.3070 a) Streitstand Im Übernahmerecht ist die Frage, ob das Management an der Zielgesellschaft beteiligt werden darf, stark umstritten. Im Grundsatz werden vier verschiedene Ansichten vertreten. Eine Ansicht argumentiert, dass Managementbeteiligungen vom Gesetzgeber explizit als zulässig erachtet worden seien: Sie würden in der Praxis nur gewährt werden, wenn das Management zum Erfolg des künftigen Unternehmens beitrage und würden einen Verbleib des Managements im Unternehmen voraussetzen.3071 Diese Ansicht wird zu Recht kritisiert, weil ihr das Problembewusstsein fehle.3072 Sie sollte deshalb nicht auf die Restrukturierung übertragen werden. Eine zweite Ansicht stellt auf die Vorteile ab, welche durch die Beteiligung des Managements an der Zielgesellschaft erzielt werden können.3073 Es werde die Leistungsbereitschaft des Managements erhöht und zudem sichergestellt, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse der Gesellschaft dem entsprechen, was durch das Management suggeriert worden ist. Außerdem signalisiere die Beteiligung des Managements, dass auch dieses Vertrauen in das Unternehmen habe. Darüber hinaus könne sich die Beteiligung des Managements auf die Bewertung auswirken. Schließlich hänge die Bereitschaft des Bieters zur Übernahme häufig davon ab, ob sich auch das Management am Unternehmen beteiligt.3074 Diese Rechtfertigungsgründe sind abzulehnen, weil sie die Interessen des Bieters an einer Wertmaximierung des Unternehmens ab dem Zeitpunkt nach der Übernahme schon für den Zeitpunkt vor der Übernahme als maßgeblich unterstellen.3075 Vor der Übernahme hat der Vorstand das Unternehmensinteresse im Sinne eines pluralistischen Ansatzes zu 3068 Baums/Thoma/Verse/Kiem, § 33d Rn. 22; allg. zum Management-Buyout: Fleischer, AG 2000, 309 ff. 3069 Heinrich, Der weiße Ritter, S. 326. 3070 Heinrich, Der weiße Ritter, S. 326; zum Zeitpunkt auch S. 312. 3071 Vgl. Traugott/Grün, AG 2007, 761, 763 (zur Übernahmesituation). 3072 Vgl. Baums/Thoma/Verse/Kiem, § 33d Rn. 15 in Fn. 42 (zur Übernahmesituation). 3073 Heinrich, Der weiße Ritter, S. 312 f. 3074 Heinrich, Der weiße Ritter, S. 312 f. 3075 Boeckmann, Leistungen Dritter, S. 335.
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Kap. 5: RSA im Konflikt mit Verteilungsregeln
verfolgen und darf sich nicht an den Interessen der künftigen Aktionäre ausrichten.3076 Im Ergebnis sollte dieser Ansatz deshalb auch nicht auf die Restrukturierung übertragen werden. Eine dritte Ansicht erklärt, dass kein durchgreifender Grund ersichtlich ist, warum eine Beteiligung des Managements im Rahmen des § 33d WpÜG unzulässig sein sollte.3077 Der Bieter könne ein attraktiveres Angebot unterbreiten, wenn er das Management einbeziehe, weil so der Unternehmenswert u. U. steigen könnte.3078 Der Interessenkonflikt, welchem das Management ausgesetzt wird, könne – im Rahmen der organschaftlichen Treuepflicht3079 – dadurch gelöst werden, dass der Konflikt offen gelegt wird.3080 Daneben müsse die Verantwortung für die Verhandlungen mit dem Bieter auf einen unabhängigen Sachwalter übertragen werden.3081 Sämtliche Verhandlungen mit dem Bieter sollten von einem Mitglied der Verwaltung geführt werden, das nicht am Management Buyout partizipiere.3082 Konkurrierenden Bietern sei eine strikte Gleichbehandlung bei der Informationsversorgung zu gewährleisten.3083 Würde verboten, den Vorstand durch ein attraktives Vergütungsmodell „mit ins Boot“ zu holen, hätte er (jedenfalls in der Übernahmesituation) stets einen Anreiz, durch Verhinderung des Angebots seinen Status quo zu erhalten.3084 Auch diese Ansicht sollte nicht auf die Restrukturierung übertragen werden. In einer Restrukturierung haben konkurrierende Bieter (also konkurrierende Gläubiger) gar keine Chance, ihre Vorstellungen einzubringen, wenn sich der Vorstand schon einem Lager zugewandt hat. Auch die Befürchtung, dass der Vorstand ohne Beteiligung den Status quo erhalten wird, ist in der Restrukturierung nicht gegeben, hier droht die Insolvenz. Der Vorstand ist einer erheblichen Haftungsgefahr ausgesetzt, wenn er einfach weiterwirtschaftet. Wenn die Verhandlungen auf einen neutralen Sachwalter (z. B. einen Chief Restructuring Officer) übertragen werden können, kann der Verbleib des 3076
Vgl. Boeckmann, Leistungen Dritter, S. 336. Baums/Thoma/Verse/Kiem, § 33d Rn. 23 f.; dem folgend: Drygala, FS K. Schmidt, S. 269, 280 f.; MüKoAktG/Schlitt, § 33d WpÜG Rn. 13; sehr großzügig: Wolf/Wink, in: Fleischer/ Paschos, § 21 Rn. 40; wobei die zuletzt genannten Autoren m.E. verkennen, dass durch die Beteiligung nicht nur eine Angleichung der Interessen des Vorstands an die der Zielgesellschaft erfolgt, sondern auch ein „Bonus“ durch den Bieter gewährt wird. Gerade darin liegt aber das Problem. 3078 Baums/Thoma/Verse/Kiem, § 33d Rn. 23. 3079 Dafür, dass die Ausführungen von Kiem (Fn. 3078) im Rahmen der organschaftlichen Treuepflicht und nicht im Rahmen des § 33d WpÜG diskutiert werden müssten, weil sie Anforderungen an den Vorstand formulieren, nicht an den Bieter: Boeckmann, Leistungen Dritter, S. 290. 3080 Baums/Thoma/Verse/Kiem, § 33d Rn. 23 f.; MüKoAktG/Schlitt, § 33d WpÜG Rn. 13; ähnlich: Ekkenga/Schirrmacher, in: Beurskens/Ehricke/Ekkenga, WpÜG, § 33d Rn. 6. 3081 Baums/Thoma/Verse/Kiem, § 33d Rn. 23 f. 3082 Baums/Thoma/Verse/Kiem, § 33d Rn. 24; zur Übernahme der Verhandlungen durch den Aufsichtsrat: Becker, ZHR 165 (2001), 280, 287. 3083 Baums/Thoma/Verse/Kiem, § 33d Rn. 24; MüKoAktG/Schlitt, § 33d WpÜG Rn. 13. 3084 Drygala, FS K. Schmidt, S. 269, 279. 3077
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alten Managements offensichtlich auch nicht derart bedeutend für die Zukunft des Unternehmens sein, um eine Beteiligung rechtfertigen zu können. Eine vierte Ansicht vertritt im Ergebnis eine sehr strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung.3085 Eine noch restriktivere Ansicht3086 warnt davor, bei der Rechtfertigung von Zuwendungen an das Management zu großzügig zu verfahren, weil jede Zahlung und jedes Versprechen an den Vorstand geeignet seien, die Neutralität der Organmitglieder und den Übernahmevorgang zu beeinflussen.3087 Sie will im Ergebnis nur zulassen, dass dem Vorstand der Zielgesellschaft – entsprechend der Regierungsbegründung – eine Weiterbeschäftigung in Aussicht gestellt wird. Darüber hinausgehende Zahlungen oder gar Beteiligungen an der Akquisitionsgesellschaft3088 oder an der Zielgesellschaft selbst3089 sind nach dieser Ansicht nicht gerechtfertigt. Eine Zusage, dass der Anstellungsvertrag verlängert werde, sei nicht gleichzusetzen mit entsprechenden Beteiligungen an der Erwerbsgesellschaft.3090 b) Stellungnahme Der zuletzt genannten Ansicht ist für die Restrukturierung aufgrund der entscheidenden Bedeutung des Managements zu folgen. Das Management hat hier eine enorme Bedeutung (s. o.). Seine Neutralität muss in jedem Fall gewahrt sein, damit es zwischen den verschiedenen Interessen im Rahmen einer Restrukturierung unabhängig vermitteln kann. Soll das Management – zu vergünstigten Konditionen – beteiligt werden, wird der Interessenkonflikt, dem es ausgesetzt ist, erheblich gesteigert.3091 Die Interessen des Managements werden dadurch noch stärker an die Interessen des Schlüsselgläubigers gekoppelt als bei einer schlichten Weiterbeschäftigung.3092 Die Gefahren, welche mit strategischen Unternehmensbewertungen einhergehen,3093 werden nun besonders akut. Es besteht eine nicht geringe Wahrscheinlichkeit, dass sich der Vorstand schon vor oder während der Aushandlung der Restrukturierung an den Interessenden der Schlüsselgläubiger orientieren wird.3094 Im Ergebnis kann die Orientierung an den Interessen des Schlüsselgläubigers sogar dazu führen, dass der Vorstand, der selbst Anteile erwerben will, von einer möglichst
3085
Boeckmann, Leistungen Dritter, S. 338 ff.; für einen Mittelweg ebenfalls: Schwark/ Zimmer/Noack/Zetzsche § 33d Rn. 5. 3086 Spindler, FS Schwark, S. 641, 642. 3087 Spindler, FS Hopt, S. 1407, 1409 f. 3088 Spindler, FS Schwark, S. 641, 642; Spindler, FS Hopt, S. 1407, 1410 f. 3089 Spindler, FS Hopt, S. 1407, 1411 f. 3090 Spindler, FS Schwark, S. 641, 642. 3091 Vgl. Boeckmann, Leistungen Dritter, S. 332 (zur Übernahmesituation). 3092 Vgl. zur entsprechenden Problematik in der Übernahmesituation: Boeckmann, S. 332 f. 3093 Dazu: Wang, Loan-to-Own, S. 59 ff. 3094 Vgl. Boeckmann, Leistungen Dritter, S. 333 (zur Übernahmesituation).
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Kap. 5: RSA im Konflikt mit Verteilungsregeln
niedrigen Unternehmensbewertung profitieren würde.3095 Dieses Ziel stünde in deutlichem Gegensatz zu den Interessen der übrigen Planbetroffenen.3096 Dies wäre auch mit den Sorgfaltspflichten eines ordentlichen und gewissenhaften Sanierungsgeschäftsführers nicht mehr vereinbar. Dieser muss nach § 32 Abs. 1 StaRUG die Interessen der Gesamtheit der Gläubiger wahren. Allenfalls sollte § 28 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG als Rechtfertigungsgrund analog angewendet werden. Dies würde für die Beteiligung des Managements voraussetzen, dass dessen Mitwirkung wegen in der Person des Managements liegender Umstände unerlässlich ist, um den Planwert zu verwirklichen.
D. Zwischenergebnis Der Vorstand darf Zuwendungen der Schlüsselgläubiger nur annehmen, soweit sie mit der organschaftlichen Treuepflicht vereinbar sind. Golden Parachutes sind unzulässig. Eine Zusage, das Management nach der Restrukturierung weiter zu beschäftigen, ist dagegen zulässig. Boni können im Einzelfall ebenfalls gerechtfertigt werden. Managementbeteiligungen sind aber besonders kritisch zu sehen, weil das Management hierdurch einen Anreiz bekommen könnte, nicht mehr für die bestmögliche Unternehmensbewertung zu argumentieren.
§ 7 Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis kann festgehalten werden, dass die Verteilungsregeln dem Einsatz eines RSA nicht zwingend entgegenstehen. Sowohl beim Gleichbehandlungsgrundsatz als auch bei der absoluten Vorrangregel verbleiben Spielräume, die durch ein RSA genutzt werden können. Gleiches gilt für § 10 Abs. 3 StaRUG und das Verbot, die Planannahme unlauter herbeizuführen. Diese Spielräume können für privatautonome Verhandlungen genutzt werden, um den Planerstellungsprozess zu beschleunigen und zu effizienteren Ergebnissen zu kommen. Diesbezügliche Nebenabsprachen stehen dem Verhandlungsmodell des StaRUG nicht entgegen, sondern setzen dieses gerade weiter um. Weil das Management in diesen Verhandlungen allerdings verschiedene Interessen vertreten und ausgleichen muss und außerdem eine ganz entscheidende Rolle für den Restrukturierungsplan einnimmt, sind Nebenabsprachen mit diesem und Zuwendungen an dieses besonders kritisch zu sehen.
3095 3096
Vgl. Boeckmann, Leistungen Dritter, S. 333 (zur Übernahmesituation). Vgl. Boeckmann, Leistungen Dritter, S. 333 (zur Übernahmesituation).
Kapitel 6
Position der Schlüsselgläubiger Im vierten Kapitel wurde im Ergebnis festgestellt, dass weder das Aktienrecht noch das StaRUG und auch nicht die bestehenden Finanzierungsverträge zwingende Gründe gegen den Abschluss eines RSA bereithalten. Auch die Verteilungsregeln des StaRUG stehen dem Einsatz von RSA nicht zwingend entgegen, sondern bieten Spielraum für privatautonome Gestaltungen. Es sind jeweils nur bestimmte Grenzen zu beachten. Damit bleibt noch ein Grund übrig, aus dem vom Einsatz eines RSA im StaRUG-Verfahren abzuraten sein könnte. Der Einsatz von RSA könnte zu Nachteilen für die Position der Schlüsselgläubiger führen. Das RSA stellt für die Schlüsselgläubiger ein Mittel dar, Einfluss auf die Restrukturierung und auf den Schuldner auszuüben. Fraglich ist, ob ihre Forderungen im hypothetischen Insolvenzverfahren möglicherweise nur nachrangig berücksichtigt werden dürfen, wenn sie mit dem RSA zu viel Einfluss auf den Schuldner ausüben. Dies könnte auch Konsequenzen für das StaRUG-Verfahren haben (dazu § 1). Schließlich könnten die Schlüsselgläubiger generell einem Stimmverbot unterliegen (dazu unter § 2) oder möglicherweise sogar gegen Treuepflichten verstoßen (dazu unter § 3).
§ 1 Berücksichtigung einer möglichen Subordination Der Abschluss eines RSA zwischen den Schlüsselgläubigern und der Gesellschaft im Vorfeld eines StaRUG-Verfahrens könnte dazu führen, dass die Forderungen der Schlüsselgläubiger in einem Restrukturierungsplan nur nachrangig bedient werden dürfen.3097
A. Beachtung des insolvenzrechtlichen Nachrangs im StaRUG-Verfahren Nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO werden Darlehensforderungen eines Gesellschafters und Forderungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen, in der 3097 Vgl. die Ausführungen zur Frage, ob Loan-to-Own Investoren wegen zu viel Einfluss auf den Planerstellungsprozess in einem Insolvenzplanverfahren unter § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO fallen: Palenker, Loan-to-own, S. 354 ff.
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Kap. 6: Position der Schlüsselgläubiger
Insolvenz der finanzierten Gesellschaft nachrangig bedient.3098 Es handelt sich hierbei um eine insolvenzrechtliche Verteilungsregel.3099 Bislang kam der Nachrang nur in der Insolvenz der Gesellschaft zum Tragen und hat die Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorausgesetzt.3100 Damit § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO auch in einem StaRUG-Verfahren berücksichtigt werden kann, ist hierfür ein Anknüpfungspunkt im StaRUG zu suchen. I. Absolute Vorrangregel Wird eine ganze Gruppe an Gläubigern im StaRUG-Verfahren überstimmt, könnte § 27 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG die notwendige Brückennorm darstellen. Demnach kann das negative Votum einer Gläubigergruppe nur dann ersetzt werden, wenn „weder ein planbetroffener Gläubiger, der ohne einen Plan in einem Insolvenzverfahren mit Nachrang gegenüber den Gläubigern der Gruppe zu befriedigen wäre, noch der Schuldner oder eine an dem Schuldner beteiligte Person einen nicht durch Leistung in das Vermögen der Schuldnerin vollständig ausgeglichenen wirtschaftlichen Wert erhält“. Wäre die Forderung eines Schlüsselgläubigers in einem (hypothetischen) Insolvenzverfahren in den Rang des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO einzuordnen, könnte die den Plan ablehnende Gläubigergruppe unter Berufung auf § 27 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG den Plan insgesamt verhindern, wenn der Schlüsselgläubiger einen wirtschaftlichen Wert erhält.3101 II. Schlechterstellungsverbot Ein weiterer Anknüpfungspunkt dafür, dass die Rangfolge des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO im StaRUG-Verfahren beachtet werden muss, stellt das sog. Schlechterstellungsverbot dar, welches in § 64 Abs. 1 Satz 1 StaRUG (Minderheitenschutz) als Individualrecht und in § 26 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG als Gruppenrecht ausgestaltet ist. Demnach darf ein Gläubiger bzw. eine Gläubigergruppe durch den Plan „voraussichtlich nicht schlechter gestellt werden als sie ohne einen Plan stünde“. Beim Schlechterstellungsverbot ist die Planlösung mit dem nächstbesten Alternativszenario zu vergleichen.3102 Gibt es kein Szenario außerhalb eines Insolvenzverfahrens, mit dem die Insolvenzgefahr (drohende Zahlungsunfähigkeit) mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nachhaltig beseitigt werden kann, ist auf die Situation in einem Insolvenzverfahren abzustellen.3103 In jenem Insolvenzverfahren dürfte ein über3098
HCL/Habersack, Anh. § 30 Rn. 107. Scholz/Bitter, Anh. § 64 Rn. 135; HCL/Habersack, Anh. § 30 Rn. 107. 3100 HCL/Habersack, Anh. § 30 Rn. 105. 3101 Zu dieser Argumentation allgemein vgl. auch AG Dresden, Beschl. v. 7. 6. 2021 – 574 Res 2/21, NZI 2021, 893 f. (juris-Rn. 18 ff.). 3102 BeckOK-StaRUG/Spahlinger, § 26 Rn. 18. 3103 Vgl. BeckOK-StaRUG/Spahlinger, § 26 Rn. 21. 3099
§ 1 Berücksichtigung einer möglichen Subordination
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gangener Gläubiger dann besser gestellt werden, wenn ein Schlüsselgläubiger dort nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO nur nachrangig befriedigt werden darf.3104 Wenn § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO also auf ein StaRUG-Verfahren bzw. auf den Restrukturierungsplan Auswirkungen hat, ist zu klären, ob ein Schlüsselgläubiger, welcher mit der Schuldnerin vor einem StaRUG-Verfahren ein RSA abschließt, in einem hypothetischen Insolvenzverfahren subordiniert wäre. Dies wäre dann der Fall, wenn die Forderung des Schlüsselgläubigers eine Forderung aus einer Rechtshandlung wäre, die einem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entspricht, § 39 Abs. 1 Nr. 5 Alt. 2 InsO.
B. Ausdehnung des Anwendungsbereichs des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO Die Forderungen eines Schlüsselgläubigers, welcher mit der Schuldnerin ein RSA ausgehandelt und sich hier erheblichen Einfluss auf die Geschicke der Restrukturierung gesichert hat, stellen keine typischen Gesellschafterdarlehen dar, weil der Schlüsselgläubiger typischerweise nicht Mitglied der Gesellschaft selbst ist. Der Anwendungsbereich des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO erfasst allerdings weitere Fälle.3105 Die Norm ist auch auf Forderungen anwendbar, die einem solchen Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entsprechen. Diesbezüglich wird in der Literatur zwischen der sachlichen3106 und der personellen3107 Ausdehnung der Norm differenziert.3108 Für die hier zu prüfende Frage ist die personelle Ausdehnung des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO von Bedeutung. Fraglich ist, wann eine Person, die nicht selbst Gesellschafter einer haftungsbeschränkten Gesellschaft ist, einem solchen gleichgestellt wird. Innerhalb dieser Fallgruppe wird wiederum differenziert:3109 Zum einen kann ein Dritter in den Anwendungsbereich des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO fallen, weil ihm eine Rechtsposition einer anderen Person zugerechnet wird.3110 Diese Konstellation ist im 3104
So im Ergebnis auch AG Hamburg, Beschl. v. 12. 4. 2021 – 61a REs 1/21, ZIP 2021, 1354 f. (juris-Rn. 13); Ziegenhagen, ZInsO 2021, 2053, 2057. 3105 Überblick bei Bitter, ZIP 2019, 146, 147; Scholz/Bitter, Anh. § 64 Rn. 207 ff.; Kayser, FS Smid, S. 169, 172 ff. 3106 Ausführlich dazu: Scholz/Bitter, Anh. § 64 Rn. 207 ff. 3107 Ausführlich dazu: Scholz/Bitter, Anh. § 64 Rn. 243 ff. 3108 Schaubild bei Bitter, ZIP 2019, 146, 147; vgl. jüngst auch Kayser, FS Smid, S. 169, 172 ff. 3109 Zum Folgenden: Bitter, ZIP 2019, 146; Scholz/Bitter, Anh. § 64 Rn. 244; FK-InsO/ Bornemann, § 39 Rn. 71; Engert, ZGR 2012, 835, 843 f. 3110 Scholz/Bitter, Anh. § 64 Rn. 260 ff.; streitig ist, wie Fälle behandelt werden, in denen zwar eine Person formell sowohl Gesellschafter als auch Gläubiger ist, materiell allerdings nur eine dieser Positionen innehat, etwa weil sie die zweite Position nur als Sicherungs-Treuhänderin hält. Hier wird in der Literatur eine teleologische Reduktion vorgeschlagen (dazu Scholz/Bitter, § 64 Rn. 269 ff., insbesondere 273). Dies hätte dann zur Folge, dass eine Ein-
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Kap. 6: Position der Schlüsselgläubiger
hier zu prüfenden Fall nicht gegeben: Sogar im Fall einer Sicherung des Schlüsselgläubigers durch eine doppelnützige Treuhand hat der BGH eine rechtlich relevante Zurechnung an den Schlüsselgläubiger abgelehnt.3111 Daneben kann ein Dritter aber auch originär aufgrund der Ausgestaltung seiner Beziehung zur Schuldnerin auf schuldrechtlicher Basis unter § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO fallen.3112 Insoweit wird von „gesellschaftergleichen Dritten“ gesprochen.3113 Die hier diskutierten Fallgruppen sind die atypisch stille Beteiligung3114, der atypische Pfandgläubiger3115, der Gläubiger, welcher durch eine doppelnützige Sanierungstreuhand abgesichert ist3116, und der durch Covenants abgesicherte Gläubiger3117. Auch der Schlüsselgläubiger, welcher das RSA aushandelt und hierbei Einfluss ausübt bzw. sich Einfluss einräumen lässt, könnte möglicherweise eine Fallgruppe bilden.
C. Zweckorientierte Auslegung Es ist umstritten, wann eine Person zu einem „gesellschaftergleichen Dritten“ wird. In der Literatur wird eine Auslegung am Schutzzweck der Norm empfohlen, weil dieser „Leitlinie für die Lösung der die Praxis bewegenden Einzelfragen ist“.3118 Der BGH hat sich bei der Frage des Normzwecks bislang noch nicht festgelegt.3119 Es sei offen, ob seine bisherigen Aussagen zum Normzweck endgültig sind.3120 Im beziehung in § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO nicht mehr rein formal mit dem Zusammenfallen der Gesellschafter und Gläubigerposition gerechtfertigt werden könnte. Eine Zurechnung wäre dann auch nicht per se schädlich. Stattdessen käme eine Einbeziehung nur in Betracht, wenn eine materielle Prüfung des Doppeltatbestandes von variabler Erlösbeteiligung und Einfluss auf die Gesellschaft dies ergeben würde (vgl. Scholz/Bitter, Anh. § 64 Rn. 270 ff., insbesondere Rn. 274, auch mit Verweis auf die Dissertation von Rogler, S. 179 ff., 203 ff.; vgl. Bitter, WM 2020, 1764, 1767 f.); eine restriktive Entwicklung bei der Zurechnung andeutend: Kayser, FS Smid, S. 169, 177. 3111 BGH, Urt. v. 25. 6. 2020, BGHZ 226, 125, 137 f. (Rn. 34 ff.). 3112 Bitter, ZIP 2019, 146; Scholz/Bitter, § 64 Rn. 246. 3113 Bitter, ZIP 2019, 146; Engert, ZGR 2012, 835, 844. 3114 Scholz/Bitter, Anh. § 64 Rn. 290 ff. 3115 Scholz/Bitter, Anh. § 64 Rn. 307 ff. 3116 BGH, Urt. v. 25. 6. 2020 – IX ZR 243/18, BGHZ 226, 125, 138 ff. (Rn. 37 ff.); Scholz/ Bitter, Anh. § 64 Rn. 299. 3117 Scholz/Bitter, Anh. § 64 Rn. 298 ff. 3118 Scholz/Bitter, Anh. § 64 Rn. 15; ebenso Haas/Vogel, NZI 2012, 875, 876; FK-InsO/ Bornemann, § 39 Rn. 80; umfassender Überblick zum Normzweck bei Scholz/Bitter, Anh. § 64 Rn. 14 ff.; Laspeyres, Hybridkapital, S. 107 ff., 143 ff.; Herwig, Gesellschafterdarlehensrecht, S. 40 ff.; Schulze de la Cruz, Normzweck, S. 1 ff.; Altmeppen/Altmeppen, Anh. § 30 Rn. 18 ff. 3119 Scholz/Bitter, Anh. § 64 Rn. 21; Kleindiek, ZGR 2017, 731, 737 f.; Wilhelm, ZHR 180 (2016), 776, 784; HCL/Habersack, Anh. § 30 Rn. 16; Thiessen, ZGR 2015, 396, 406 ff. 3120 Scholz/Bitter, Anh. § 64 Rn. 21; a. A. Kayser, FS Smid, S. 169, 171.
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Folgenden sollen daher die einzelnen Thesen dargestellt werden.3121 Es gilt dabei zu prüfen, ob sie dazu führen würden, dass Schlüsselgläubiger, welche mit der Schuldnerin ein RSA aushandeln, als „gesellschaftergleiche Dritte“ einzustufen sind.3122 I. Verhaltenssteuerung des gerichtlich überwachten Restrukturierungsprozesses? Zuerst ist ein Blick in die USA aufschlussreich. Dort wird die sog. equitable subordination als ein Mittel angesehen, mit dem ein Insolvenzrichter sicherstellen kann, dass die Parteien eine Restrukturierung in good faith aushandeln.3123 Nach dem Willen von William O. Douglas und Jerome Frank sollte ein Insolvenzrichter diese equitable power dazu nutzen, um sicherzustellen, dass die Parteien eines Restrukturierungsprozesses fair verhandeln.3124 Es geht nicht nur darum, ein wie auch immer zu definierendes vorinsolvenzliches – risikoerhöhendes – Fehlverhalten zu ahnden, sondern auch darum, das Verhalten im gerichtlich überwachten Restrukturierungsprozess zu steuern. „Douglas and Frank both believed that bankruptcy judges should be broadly empowered – whether by designating votes, subordinating claims, disallowing claims, or otherwise sanctioning the parties – to do what was necessary to ensure that parties bargained in good faith. The judge had to protect the integrity of the process.“3125
Die Rechtsmacht eines Insolvenzrichters, Forderungen zu subordinieren, zählt zu den Mitteln, mit denen ein Richter störenden Einfluss auf den Planbestätigungsprozess limitieren kann.3126 Mit der equitable subordination3127 sollen gerechte Verfahrensergebnisse und -abläufe sichergestellt werden.3128 Bislang wurde die equitable subordination allerdings – soweit ersichtlich – noch nicht auf Schlüsselgläubiger angewendet, welche mit der Schuldnerin ein RSA ausgehandelt haben.3129 In Deutschland wird bisher nicht argumentiert, dass es Zweck der Subordination ist, eine faire Restrukturierungsverhandlung zu sichern. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO ist 3121
Überblick bei Gehrlein, ZInsO 2019, 2133, 2135. So geht auch Palenker, Loan-to-own, S. 354 ff. in Bezug auf Loan-to-own-Investoren vor. Auf seine Ausführungen wird an dieser Stelle verwiesen; zur Anwendung des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO auf Loan-to-own-Investoren außerdem: Wang, Loan-to-Own, S. 581 ff. 3123 Vgl. Baird, 36 Emory Bankr. Dev. J. 699, 711 (2020). 3124 Vgl. Baird, 36 Emory Bankr. Dev. J. 699, 711 (2020). 3125 Baird, 36 Emory Bankr. Dev. J. 699, 711 (2020). 3126 Janger/Levitin, Yale L. J. Forum, 335, 337 in Fn. 7 (2020). 3127 Ausführlich dazu als Mittel gegen disruptive Strategien im Chapter 11-Verfahren: Wang, Loan-to-Own, S. 497 ff. 3128 Wang, Loan-to-Own, S. 500. 3129 Vgl. zu den relevanten Fallgruppen: Wang, Loan-to-Own, S. 514 ff.; Fallstudie S. 521 ff. 3122
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kein Instrument, eine flexible gerichtliche Abhilfe für Fälle von „inqeuitable conduct“ zu gewähren.3130 Vielmehr adressiert die Norm in Deutschland nach Stimmen der Literatur das Verhalten im Vorfeld der Insolvenz.3131 Das Gesellschafterdarlehensrecht hat den Willensbildungsprozess innerhalb des gerichtlichen Restrukturierungsverfahrens – soweit ersichtlich – nicht im Blick. II. Informationsvorsprung Nach Ansicht des IX. Zivilsenats des BGH kann der Nachrang des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO auch nicht auf einen Informationsvorsprung einer Person gestützt werden.3132 Ein Informationsvorsprung würde nur einen vorzeitigen Abzug eines Darlehens vor der Insolvenz rechtfertigen, nicht aber, dass ein Insider der Gesellschaft ein Darlehen gewährt und es vor der Insolvenz dort belassen und nicht zurückfordern würde.3133 Alleine die Begründung, der Schlüsselgläubiger verfüge über einen Informationsvorsprung, wenn er das RSA mit dem Management aushandele, kann daher nicht dazu führen, dass seine Forderungen subordiniert werden.3134 III. Finanzierungsfolgenverantwortung Zum alten Recht hat der BGH den tragenden Grund für die Subordination von Gesellschafterdarlehen darin gesehen, dass sich die Gesellschafter in der Krise entscheiden, ihre liquidationsreife Gesellschaft fortzuführen und über das satzungsmäßige Eigenkapital hinaus weiterzufinanzieren, anstatt die Gesellschaft, die in dieser Situation aus eigener Kraft nicht mehr überlebensfähig wäre – wie das an sich nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Unternehmensführung geboten wäre –, entweder unmittelbar oder mittelbar zu liquidieren, z. B. durch Verweigerung weiterer Hilfen oder durch den Abzug bereits gewährter Gesellschafterhilfen.3135 Diese Begründung wird „Finanzierungsfolgenverantwortung“ genannt.3136 Zentraler Aspekt des Ansatzes war die Finanzierungsleistung in der Krise der Gesellschaft und die daraus folgende Verantwortung der Gesellschafter.3137 Dem Gesellschafter wird hier zum Vorwurf gemacht, dass er seine Gesellschaft in der Krise mit Fremdkapital ausgestattet hat, statt sie zu liquidieren oder ihr Eigenkapital zuzuführen.3138 Auch nach Abschaffung des Begriffs der Krise mit dem MoMiG im Jahr 2008 halten viele 3130 3131 3132 3133 3134 3135 3136 3137 3138
Wang, Loan-to-Own, S. 582, 584. Breidenstein, ZInsO 2010, 273, 275; vgl. dazu Wang, Loan-to-Own, S. 594. BGH, Urt. v. 17. 2. 2011 – IX ZR 131/10, BGHZ 188, 363, 369 f. (Rn. 15 ff.). BGH, Urt. v. 17. 2. 2011 – IX ZR 131/10, BGHZ 188, 363, 369 f. (Rn. 17). Ebenso bei Loan-to-Own Investoren: Palenker, Loan-to-own, S. 367. BGH, Urt. v. 7. 11. 1994 – II ZR 270/93, BGHZ 127, 336, 344 (juris-Rn. 18). BGH, Urt. v. 7. 11. 1994 – II ZR 270/93, BGHZ 127, 336, 345 (juris-Rn. 18). Altmeppen/Altmeppen, Anh. § 30 Rn. 7. Habersack, ZIP 2007, 2145, 2147; HambKomm-InsO/Lüdtke, § 39 Rn. 22.
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Vertreter in der Literatur am Konzept der Finanzierungsfolgenverantwortung fest, wobei die Krise nach den überwiegenden Stimmen dieser Strömung unwiderleglich zu vermuten ist.3139 Auch Kayser3140 sieht die Finanzierungsfolgenverantwortung als Legitimationsgrund für das Gesellschafterdarlehensrecht. Offenbar soll nach einer weiteren Interpretation der BGH-Rechtsprechung eine Art Stufenverhältnis vorliegen:3141 Wen früher eine Finanzierungsfolgenverantwortung traf, falle auch heute noch in den Anwendungsbereich des Gesellschafterdarlehensrechts.3142 Das neue Recht gehe aber darüber hinaus und könne auch diejenigen treffen, die keine Finanzierungsfolgenverantwortung tragen.3143 Teilweise wird zur Bestimmung, wer gesellschaftergleicher Dritter i. S. d. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO ist, argumentiert, dass hier immer noch auf den Gesichtspunkt der Krisen-Finanzierungsentscheidung abgestellt werden muss.3144 Dem stehe auch nicht entgegen, dass der Gesetzgeber auf das Merkmal der Krisenfinanzierung im MoMiG verzichtet hat, weil es hier nicht um Kernanwendungsfragen, sondern lediglich um die vorgelagerte Frage gehe, unter welchen Voraussetzungen ein Dritter einbezogen werden könne.3145 Nach dem Ansatz der Finanzierungsfolgenverantwortung dürften Forderungen von Kreditgebern, die mit der Schuldnerin ein RSA aushandeln, nicht dem Nachrang des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO zuzurechnen sein: Das RSA bereitet den Gang in ein gerichtlich überwachtes Sanierungsverfahren vor. Der Kreditgeber verfolgt mit dem RSA die „richtige Entscheidung“. Er wirkt auf ein geordnetes, gerichtlich überwachtes Verfahren hin. Der Kreditgeber will die sich in einer Krise befindliche Gesellschaft gerade nicht außerhalb eines solchen Verfahrens finanzieren.3146 Es liegt eine Sanierungsentscheidung mittels eines gerichtlichen Verfahrens vor, nicht eine Finanzierungsentscheidung zum Weiterwirtschaften außerhalb eines geordneten Verfahrens. Mit ähnlicher Begründung wurde z. B. in der Literatur3147 auch eine Finanzierungsfolgenverantwortung für einen Loan-to-Own-Investor abgelehnt, weil dieser – und ergänzt sei: in einem gerichtlichen Verfahren – den Umtausch seiner Position vorantreibt, statt stillzuhalten. Er zögert die an sich gebotene Liquidation 3139 Altmeppen/Altmeppen, Anh. § 30 Rn. 25 ff. m. w. N.; Altmeppen, ZIP 2019, 1985 ff.; Bork, ZGR 2007, 250 ff.; Hölzle, ZIP 2009, 1939 ff.; lediglich widerlegliche Vermutung: Pentz, FS Hüffer, S. 747, 761 ff., 764 ff.; Pentz, GmbHR 2013, 393, 395 ff. 3140 Kayser, FS Smid, S. 169, 171. 3141 Thiessen, ZGR 2015, 396, 408. 3142 So die Interpretation des BGH durch Thiessen, ZGR 2015, 396, 408. 3143 So die Interpretation des BGH durch Thiessen, ZGR 2015, 396, 408. 3144 FK-InsO/Bornemann, § 39 Rn. 84 (zur Frage, wann Rechtshandlungen Dritter zur Subordination ihrer Darlehen führen, „ist der Rekurs auf das Kriterium der Finanzierungsentscheidung nicht ausgeschlossen, sondern teleologisch geboten“.). 3145 FK-InsO/Bornemann, § 39 Rn. 84. 3146 Im Ergebnis ähnlich FK-InsO/Bornemann, § 39 Rn. 83, der danach differenziert, ob der Gläubiger vom Instrument der Außenkontrolle zur Innensteuerung wechselt. 3147 Palenker, Loan-to-own, S. 365.
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nicht zu Lasten anderer Gläubiger hinaus und trägt auch nicht dazu bei, ein falsches Bild von der Schuldnergesellschaft zu vermitteln.3148 IV. Finanzierungsverantwortung und Finanzierungsentscheidung im Lichte des neuen Rechts Eine andere Ansicht3149 stellt auf eine Finanzierungsverantwortung und eine Finanzierungsentscheidung im Lichte des neuen Rechts ab. Es gehe auch um die Finanzierungszuständigkeit.3150 Nach dieser Ansicht ist anhand der unternehmerischen Finanzierungsentscheidung zu prüfen, ob eine Forderung eines Dritten einem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entspricht.3151 Es wird eine Differenzierung danach vorgenommen, ob ein Dritter wie ein Kreditgeber agiert oder ob die Gesellschaft „die wirtschaftliche Veranstaltung“ des Dritten ist.3152 Die Theorie der Finanzierungsverantwortung würde auch gegen die Subordination von Schlüsselgläubigern sprechen, welche ein RSA mit der Schuldnerin verhandeln. So geht es bei diesen Verhandlungen nicht um eine unternehmerische Entscheidung, die Kapitalausstattung der eigenen Gesellschaft zu verbessern. Es liegt keine unternehmerische Finanzierungsentscheidung, sondern eine gläubigertypische Sanierungsentscheidung vor. V. Missbrauch der Haftungsbeschränkung Nach einer anderen Ansicht soll das Gesellschafterdarlehensrecht einer missbräuchlichen Ausnutzung der Haftungsbeschränkung der Gesellschaft entgegenwirken.3153 Aufgrund dieser Konzeption solle der Kreis der einbezogenen Dritten im Detail anders als vor Inkrafttreten des MoMiG bestimmt werden.3154 In Bezug auf gesellschaftergleiche Dritte liege eine restriktivere Handhabung nahe.3155 Der Anwendungsbereich des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO solle auf Kreditgeber beschränkt sein, denen das Prinzip der Haftungsbeschränkung zugutekomme.3156 Dem (atypischen) Pfandgläubiger gehe es darum, die zu seinen Lasten wirkende Haftungsbeschrän3148
Palenker, Loan-to-own, S. 365. K. Schmidt, Liber Amicorum Martin Winter, S. 601, 611, 61, 613, 615. 3150 K. Schmidt, Liber Amicorum Martin Winter, S. 601, 614. 3151 K. Schmidt, Liber Amicorum Martin Winter, S. 601, 615. 3152 K. Schmidt, Liber Amicorum Martin Winter, S. 601, 618. 3153 Huber/Habersack, BB 2006, 1 ff.; Habersack, ZIP 2007, 2145, 2147; Huber, FS Priester, S. 259, 271 ff.; Habersack, ZIP 2008, 2385, 2387 ff.; HCL/Habersack, Anh. § 30 Rn. 21; Huber, Liber Amicorum Martin Winter, S. 261, 275 ff. 3154 Habersack, ZIP 2008, 2385, 2389. 3155 Habersack, ZIP 2007, 2145, 2148. 3156 Habersack, ZIP 2007, 2145, 2148; HCL/Habersack, Anh. § 30 Rn. 91. 3149
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kung durch Einräumung von Befriedigungs- und Kontrollrechten zu überwinden.3157 Der Pfandgläubiger handele primär in Verfolgung seines Gläubigerinteresses; die ihm vorbehaltenen Mitspracherechte seien Ausdruck des zwischen Gläubiger und Gesellschaft bestehenden Interessengegensatzes und würden das erforderliche mitgliedschaftsähnliche Eigeninteresse am Schicksal der Gesellschaft nicht begründen.3158 Auch Covenant-gesicherte Gläubiger fielen regelmäßig nicht in den Anwendungsbereich des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO, weil das dem mitgliedschaftlichen Interesse vergleichbare Interesse an der Finanzierung der Gesellschaft fehle. Ferner passe das Kleinbeteiligtenprivileg mangels Referenzgröße nicht auf Kreditgeber. Es fehle auch eine am Kapital vergleichbare Beteiligung am Vermögen der Gesellschaft.3159 Die Anwendung der Regeln über Gesellschafterdarlehen wäre hier systematisch verfehlt.3160 Wird diese Ansicht zugrundegelegt, spricht vieles gegen eine Subordination eines Schlüsselgläubigers, der ein RSA aushandelt. Ihm nutzt das Prinzip der Haftungsbeschränkung nicht, sondern es belastet ihn. VI. Risikoerhöhungsstrategien sollen verhindert werden Nach überzeugender Ansicht adressiert das Recht der Gesellschafterdarlehen ein „gestörtes Risikogleichgewicht“, das entsteht, wenn ein Gesellschafter gleichzeitig Gläubiger seiner Gesellschaft ist.3161 Damit weitgehend deckungsgleich sei eine Sanktion einer unwiderleglich vermuteten nominellen Unterkapitalisierung.3162 Das Prinzip der beschränkten Haftung setze einem Gesellschafter Anreize, ein gewisses unternehmerisches Risiko einzugehen: Geht die Rechnung des Gesellschafters auf, könne er den Gewinn internalisieren, missglückt sein Projekt, werde das Risiko auf die Gläubiger externalisiert.3163 Es bestehe damit ein Anreiz, „in übermäßig spekulative Projekte zu investieren“.3164 Würde dem Gesellschafter gestattet, mit seinem Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz mit den übrigen Gläubigern zu konkurrieren, wäre seine Motivation, in übermäßig spekulative Geschäfte zu investieren, nochmals deutlich erhöht:3165 Er könnte die dabei entstehenden Gewinne über seine Gesellschafterposition voll abschöpfen, während sein hingegebenes Fremdkapital bei Verwirklichung des Risikos nur zu gleichen Teilen mit dem Fremdkapital der übrigen 3157
Habersack, ZIP 2007, 2145, 2148. HCL/Habersack, Anh. § 30 Rn. 92. 3159 HCL/Habersack, Anh. § 30 Rn. 91. 3160 Habersack, ZIP 2007, 2145, 2148. 3161 Scholz/Bitter, Anh. § 64 Rn. 30 ff.; Bitter, WM 2020, 1764, 1769; Bitter/Laspeyres, ZInsO 2013, 2289, 2292 f.; Kleindiek, ZGR 2017, 731, 741 f.; Engert, ZGR 2012, 835, 850 f.; Krolop, GmbHR 2009, 397, 399. 3162 Scholz/Bitter, Anh. § 64 Rn. 30. 3163 Engert, ZGR 2012, 835, 849; Scholz/Bitter, Anh. § 64 Rn. 32 f. 3164 Scholz/Bitter, Anh. § 64 Rn. 32. 3165 Scholz/Bitter, Anh. § 64 Rn. 33 ff. 3158
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Gläubiger haften würde.3166 Durch die Subordination werde dieses Ungleichgewicht gemildert bzw. ausgeglichen3167 Die Selbstbetroffenheit der Gesellschafter werde erhöht.3168 Zweck davon sei eine Verhaltenssteuerung der Gesellschafter, die darauf hinwirke, dass diese keine übermäßigen schädlichen Risiken eingehen.3169 Wird dieser Ansicht gefolgt, ist im Grundsatz eine Subordination des Schlüsselgläubigers möglich. Voraussetzung wäre, dass der Schlüsselgläubiger denselben Risikoanreiz hätte, den auch ein Gesellschafter hat.
D. Tatbestandsbezogene Auslegung Fraglich ist, wann ein Schlüsselgläubiger dieselben Anreize wie ein Gesellschafter hat. Nach h. M. muss für die Einbeziehung des Dritten in das Gesellschafterdarlehensrecht ein Doppeltatbestand erfüllt sein:3170 Zum einen muss die betroffene Person variabel am Erlös der risikoerhöhenden unternehmerischen Strategie profitieren können.3171 Zum anderen muss die Person die Möglichkeit der Einflussnahme auf jene unternehmerische Strategie haben. Ist dieser Doppeltatbestand erfüllt, hat die dritte Person einen ähnlichen Anreiz wie ein Gesellschafter, „Risikoerhöhungsstrategien“ zu Lasten der übrigen Gläubiger zu verfolgen.3172 Nur dann kann sich das Schädigungspotential realisieren.3173 Bei der Prüfung der beiden Tatbestandsmerkmale ist insgesamt eine Gesamtschau durchzuführen, innerhalb derer zu beurteilen ist, ob der Darlehensgeber eine einem Gesellschafter vergleichbare Stellung innehat oder nicht.3174 Im Ergebnis ergibt sich auch aus einem neueren Urteil des BGH vom 25. 6. 20203175 trotz Andeutung eines „Dreifachtatbestands“ nichts anderes,3176 wie mittlerweile auch Kayser klargestellt hat.3177 Im Rahmen der Gesamtwürdigung könne aber neben den beiden genannten Merkmalen auch die Teilhabe an der Geschäftsführung gewichtet werden.3178 3166
Scholz/Bitter, Anh. § 64 Rn. 33 ff. Scholz/Bitter, Anh. § 64 Rn. 36. 3168 Engert, ZGR 2012, 835, 850 ff. 3169 Engert, ZGR 2012, 835, 850 ff. 3170 Scholz/Bitter, Anh. § 64 Rn. 251; Noack/Servatius/Haas/Haas, Anh. § 64 Rn. 71; Bitter, WM 2020, 1764, 1771; HCL/Habersack, Anh. § 30 Rn. 91; a. A.: Servatius, CFL 2013, 14, 21 f.; Servatius, Gläubigereinfluss, passim. 3171 Scholz/Bitter, Anh. § 64 Rn. 251. 3172 Vgl. Scholz/Bitter, Anh. § 64 Rn. 250 ff. 3173 Scholz/Bitter, Anh. § 64 Rn. 251. 3174 BGH, Urt. v. 25. 6. 2020 – IX ZR 234/18, BGHZ 226, 125, 132 f. (Rn. 23); Scholz/Bitter, Anh. § 64 Rn. 253. 3175 BGH, Urt. v. 25. 6. 2020 – IX ZR 243/18, BGHZ 226, 125, 134 ff. (Rn. 26 ff.). 3176 Überzeugend: Bitter, WM 2020, 1764, 1770. 3177 Kayser, FS Smid, S. 169, 179 („Spiel um Worte“). 3178 Kayser, FS Smid, S. 269, 179. 3167
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I. Einfluss Der Dritte muss die Möglichkeit zur Einflussnahme haben,3179 die dann im Rahmen der angesprochenen Gesamtschau zu gewichten ist.3180 Fraglich ist, welche Aspekte bei dieser Gesamtschau zu berücksichtigen sind. Ein erster Aspekt, welcher gegen die Einstufung eines Schlüsselgläubigers als gesellschaftergleicher Dritter spricht, ist, dass ein RSA nur Einfluss im gerichtlich überwachten Restrukturierungsverfahren sichern soll, nicht allerdings Einfluss auf risikoerhöhende unternehmerische Strategien im Vorfeld der Restrukturierung. Durch den geplanten Gang in das gerichtlich überwachte Restrukturierungsverfahren werden Risikoerhöhungsstrategien gerade vermieden. In der Literatur wird im Zusammenhang mit dem Sanierungsprivileg auch argumentiert, dass Handlungen dann nicht sanktioniert werden sollen, wenn die Betroffenen „gerade richtig reagieren“.3181 Der Einfluss, welcher bei den Verhandlungen im Zusammenhang mit dem RSA ausgeübt und durch das RSA gesichert wird, ist auch kein „gesellschaftergleicher“, sondern ein gläubigertypischer Einfluss. Dieser sollte nicht zu einer Subordination führen. Das StaRUG knüpft an privatautonome Verhandlungen zwischen den Beteiligten an.3182 Es wäre widersinnig, wenn diejenigen Gläubiger, die sich aktiv in diese Verhandlungen einbringen, mit einer Subordination bestraft würden, auch wenn sie aggressiv verhandeln. In der Literatur wird teilweise ähnlich argumentiert:3183 Es müsse unterschieden werden, ob ein Kreditgeber Instrumente der Außenkontrolle (Fälligstellung und Nichterneuerung bestehender Kredite und Versagung neuer Kredite) wahrnehme oder ob er unter Ausübung breitflächiger Kontroll- und Mitwirkungsrechte auf die Instrumente der Außenkontrolle verzichte und die ihm zur Verfügung stehenden Instrumente der Innensteuerung des Unternehmens wahrnehme.3184 Nur im letzteren Fall könne seine Stellung der eines Gesellschafters vergleichbar sein.3185 Nimmt man diese Differenzierung als Ausgangspunkt, ist fraglich, ob das Aushandeln eines RSA und die Einflussnahme auf ein StaRUG-Verfahren durch einen Schlüsselgläubiger noch der Außenkontrolle zuzuordnen sind oder aber schon zur Innensteuerung der Gesellschaft zählen. Nach hier vertretener Ansicht sollte immer noch ein Instrument der Außensteuerung vorliegen. Das StaRUG-Verfahren ist mit einem Insolvenzplanverfahren vergleichbar. Beide stellen gerichtlich überwachte Instrumente dar, welche auf einen bereits eingetretenen Insolvenzgrund eine Antwort geben bzw. einen Rahmen bereitstellen, in welchem insbesondere die Gläubiger einbezogen 3179 3180 3181 3182 3183 3184 3185
Scholz/Bitter, Anh. § 64 Rn. 251; Engert, ZGR 2012, 835, 859 ff. Scholz/Bitter, Anh. § 64 Rn. 253. Vgl. Altmeppen/Altmeppen, Anh. § 30 Rn. 101. RegE-SanInsFoG, BT-Drucks. 19/24181 S. 93. FK-InsO/Bornemann, § 39 Rn. 83. FK-InsO/Bornemann, § 39 Rn. 83. FK-InsO/Bornemann, § 39 Rn. 83.
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werden, um eine Lösung für ein angeschlagenes Unternehmen auszuarbeiten. In diesen Verfahren sollen gerade Ideen, Vorschläge und Lösungen von außenstehenden Gläubigern eingebracht werden. Mithin stellen diese Verfahren einen Rechtsrahmen zur Verfügung, in welchem sich die Außenkontrolle gerade verwirklichen kann. II. Variable Erlösbeteiligung Auch das zweite Element des Doppeltatbestandes, die „vermögensrechtliche Teilhabe“, müsste beim Schlüsselgläubiger erfüllt sein.3186 Im Grundsatz herrscht Einigkeit darüber, dass ein Fremdkapitalgeber gerade nicht variabel am Erlös einer Gesellschaft beteiligt ist, weil er auf einen Festbetragsanspruch beschränkt ist.3187 Die Aussagen des BGH in seinem Urteil vom 25. 6. 2020, dass aus einem Zinsanspruch und einem Anspruch auf Rückgewähr eines Darlehens eine indirekte Gewinnbeteiligung folgen könne3188 bzw. eine nicht besonders ausgeprägte Beteiligung am Gewinn vorliege3189, sind missverständlich.3190 Ihnen sollte nicht gefolgt werden. Allerdings wurde in der Literatur insbesondere von Bitter3191 und Bornemann3192 ein Begründungsansatz herausgearbeitet, mit welcher eine variable Vermögensbeteiligung eines Gläubigers in Sanierungsfällen bejaht werden könnte: Bitter und Bornemann stellen darauf ab, dass Forderungen von Gläubigeren gegen eine Schuldnerin in einer Sanierungssituation wirtschaftlich teilweise entwertet sein können. Wenn die Schuldnerin ihre Bonität zurückerhalte, steige in Bezug auf die Forderung auch die Wahrscheinlichkeit der (vollständigen) Rückzahlung. Die Kreditforderung erfahre eine Aufwertung, sodass der Gläubiger in dieser Situation variabel am Unternehmenserfolg teilhaben könne. Dieses Argument ist im Grundsatz überzeugend und kann eine variable Erlösbeteiligung im Einzelfall begründen. Dass viele Forderungen von Gläubigern entwertet sind, ist entgegen einer Auffassung in der Literatur3193 kein Argument dafür, die variable Erlösbeteiligung im Grundsatz zu verneinen.3194
3186
Noack/Servatius/Haas/Haas, Anh. § 64 Rn. 71; Bitter, WM 2020, 1764, 1771 (variable Erlösbeteiligung ist „immer“ notwendig); vgl. Scholz/Bitter, Anh. § 64 Rn. 251, 299 (zu Kreditverträgen, die durch Covenants abgesichert sind); HCL/Habersack, Anh. § 30 Rn. 91 („fundierte Beteiligung am Vermögen der finanzierten Gesellschaft“). 3187 Vgl. Scholz/Bitter, Anh. § 64 Rn. 299; Bitter, WM 2020, 1764, 1771. 3188 BGH, Urt. v. 25. 6. 2020 – IX ZR 243/18, BGHZ 226, 125, 140 (Rn. 42). 3189 BGH, Urt. v. 25. 6. 2020 – IX ZR 243/18, BGHZ 226, 125, 139 (Rn. 40). 3190 Wilhelm, Anmerkung zu BGH, Urt. v. 25. 6. 2020 – IX ZR 243/18, WuB 2020, 498, 501. 3191 Scholz/Bitter, Anh. § 64 Rn. 299; Bitter, WM 2020, 1764, 1772. 3192 FK-InsO/Bornemann, § 39 Rn. 83. 3193 Palenker, Loan-to-own, S. 363. 3194 Bitter, WM 2020, 1764, 1772 in Fn. 129 gegen die in Fn. 3193 geäußerte Ansicht.
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Allerdings muss das Argument im Rahmen einer Gesamtschau3195 gewichtet werden. Im Rahmen dieser Gesamtschau sprechen einige Aspekte dagegen, dass die erhebliche Schwelle zur Einstufung als gesellschaftergleiche Person überschritten wird. Bei der Gesamtschau kommt dem Einflusselement im Vergleich zur variablen Erlösbeteiligung durch Aufwertungen von entwerteten Forderungen ein viel größeres Gewicht zu: Bornemann stellt auf eine tatsächliche Ausübung von Einflussmacht ab.3196 Nach Bitter muss neben der Entwertung der Forderung auch hinzukommen, dass „der Kreditgeber sodann durch von ihm erzwungene riskante Sanierungsmaßnahmen sein Engagement zu retten sucht.“3197 Mit dem RSA werden – wie gesagt – im Grundsatz keine risikoerhöhenden Strategien verfolgt. Stattdessen wird ein gerichtlich überwachtes Sanierungsverfahren angestrebt. Speziell beim Abschluss von RSA kommt hinzu, dass die Schlüsselgläubiger, welche das RSA aushandeln und abschließen, häufig die vorrangig gesicherten Gläubiger sind.3198 Soweit diese Gläubiger gesichert sind, dürften ihre Forderungen jedenfalls nicht entwertet sein, sodass bei diesen Gläubigern insoweit eine variable Erlösbeteiligung fehlt. Ist deren Forderung teilweise entwertet, dürfte die variable Erlösbeteiligung weniger ins Gewicht fallen. Ein weiterer Aspekt, der gewichtet werden muss, ist, dass ein Schlüsselgläubiger in jedem Fall nur begrenzt am Erfolg des Unternehmens partizipieren würde, weil sein Anspruch gegen die Schuldnerin durch den Nennwert seiner Forderung gedeckelt ist. Der Anreiz zu risikoerhöhenden Strategien – wie ihn ein Gesellschafter in einer Krise hat, um seine Position ggf. zu retten – kann bei den Schlüsselgläubigern im Vorfeld einer Restrukturierung nach dem StaRUG-Verfahren sogar gegen null tendieren. Wenn die Forderungen der Schlüsselgläubiger schon nicht voll befriedigt werden können, dürfte das Unternehmen ihnen wirtschaftlich bereits gehören. In einer Restrukturierung könnten die nachrangigen Gläubiger und die Eigentümer daher aus der Gesellschaft gedrängt werden. Anschließend könnten die Schlüsselgläubiger das Unternehmen alleine als Eigentümer übernehmen. Vor der Restrukturierung haben sie, wenn sie das Unternehmen übernehmen wollen, dann keinen Anreiz, risikoerhöhende Strategien zu verfolgen, die möglicherweise dazu führen, dass die nachrangigen Gläubiger oder sogar die Anteilsinhaber wieder in the money kommen würden und dann plötzlich ebenfalls am künftigen Unternehmen beteiligt werden müssten. Es besteht bei den Schlüsselgläubigern also eher das Problem, dass nützliche Risiken nicht mehr eingegangen werden, statt dass das Unternehmen übermäßigen Risiken ausgesetzt wird.3199 3195
Scholz/Bitter, Anh. § 64 Rn. 253, 289. FK-InsO/Bornemann, § 39 Rn. 83. 3197 Scholz/Bitter, Anh. § 64 Rn. 299. 3198 Rasmussen, 166 U. Pa. L. Rev. 1749, 1768 (2018). 3199 Vgl. mit Modellrechnung: Ayotte/Ellias, 39 Yale Journal on Regulation, S. 1, 7, 21 ff. (2022) (zu DIP-Loans, wobei das Prinzip auf RSA übertragbar ist, was auch die Beispiele zu Beginn des Beitrags zeigen). 3196
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Kap. 6: Position der Schlüsselgläubiger
Im Ergebnis dürfte eine Subordination der Schlüsselgläubiger schon auf Tatbestandsebene ausscheiden.
E. Sanierungsprivileg nach § 39 Abs. 4 Satz 2 InsO Schließlich könnten die Schlüsselgläubiger, die ein RSA mit der Schuldnerin aushandeln, vom Sanierungsprivileg nach § 39 Abs. 4 Satz 2 InsO3200 profitieren. Nach dieser Norm werden die Regeln über die Subordination nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO auf Forderungen von Gläubigern, welche bei drohender Zahlungsunfähigkeit Anteile an der Schuldnerin zum Zweck ihrer Sanierung erwerben, bis zur nachhaltigen Sanierung nicht angewendet. I. Problemaufriss Problematisch ist, dass die Voraussetzungen des Sanierungsprivilegs beim typischen Schlüsselgläubiger in dem Zeitpunkt, in dem er Einfluss auf die Geschicke des späteren Restrukturierungsverfahrens ausübt, nicht erfüllt sind. Voraussetzung wäre, dass der Schlüsselgläubiger zum Zwecke der Sanierung Anteile erwirbt. Typischerweise erwirbt der Gläubiger aber in dem Zeitpunkt, in dem er Einfluss auf die Restrukturierung ausübt, keine Anteile. II. Meinungsstand 1. Sanierungsprivileg anwendbar (h. M.) Nach der herrschenden Ansicht in der Literatur ist die Anwendbarkeit des Sanierungsprivilegs auch bei fehlendem Anteilserwerb zu bejahen.3201 Es könne keinen Unterschied machen, ob der Gläubiger erstmals „echte“ Anteile erwerbe oder ob er im Zuge der Sanierung eine Position einnehme, die der eines Gesellschafters entspreche.3202 Dem Anteilserwerb entspreche der Erwerb einer gesellschaftergleichen Stellung durch einen bislang nicht beteiligten Kreditgeber.3203 Ansonsten drohe ein Wertungswiderspruch.3204 Es könne darüber hinaus auch deshalb nicht auf den fehlenden Anteilserwerb abgestellt werden, weil diese Voraussetzung schon durch 3200
Überblick bei Scholz/Bitter, Anh. § 64 Rn. 109 ff. FK-InsO/Bornemann, § 39 Rn. 85; HK-InsO/Kleindiek, § 39 Rn. 64; HCL/Habersack, Anh. § 30 Rn. 66, 72; Dörrie, ZIP 1999, 12, 14 f.; Casper/Ullrich, GmbHR 2000, 472, 479; Servatius, Gläubigereinfluss, S. 559 ff., insbesondere 564 f.; Tillmann, DB 2006, 199, 201 f.; Gyllensvärd, Sanierungsprivileg, S. 173 ff. 3202 FK-InsO/Bornemann, § 39 Rn. 85. 3203 HCL/Habersack, Anh. § 30 Rn. 66. 3204 HK-InsO/Kleindiek, § 39 Rn. 64; Casper/Ullrich, GmbHR 2000, 472, 479. 3201
§ 1 Berücksichtigung einer möglichen Subordination
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den Erwerb einer nur geringfügigen Beteiligung leicht überwunden werden könne.3205 Im Rahmen dieser Meinungsgruppe beschreibt Servatius zwei zu differenzierende Fälle: Jedenfalls auch ohne Übernahme von Anteilen solle ein zusätzliches Sanierungsdarlehen eines Kreditgebers privilegiert sein, wenn der Kreditgeber erstmalig in der Krise Einfluss auf die Gesellschaft nimmt und nunmehr einem Gesellschafter gleichzustellen sei.3206 In der zweiten Fallgruppe beginnt ein bisher einflussloser Fremdkapitalgeber in der Krise lediglich, Einfluss auf den Schuldner auszuüben, ohne einen Sanierungskredit zu gewähren.3207 Auch hier solle das Sanierungsprivileg für die bereits gewährten Finanzierungsbeiträge eingreifen.3208 Es komme nur auf eine mit dem Anteilserwerb vergleichbare Rechtshandlung an.3209 Hier reiche schon die schuldrechtliche Einräumung von Kontrollrechten aus.3210 Der Sanierungsanreiz ziele auch darauf ab, die bereits engagierten Kreditgeber, die nicht zugleich einen weiteren Kredit gewähren wollen, sondern ihren bisherigen bloß stehenlassen wollen, zur Mithilfe bei der Sanierung zu bewegen.3211 2. Ablehnende Ansicht Eine andere Ansicht vertritt, dass das Sanierungsprivileg ohne Anteilserwerb ausscheidet.3212 Das Privileg komme nur bei einem rechtsgeschäftlichem Anteilserwerb in Betracht.3213 Irgendein Sanierungsbeitrag als solcher genüge nicht.3214 Teilweise wird differenziert: Zwar wird der herrschenden Ansicht darin zugestimmt, dass das Sanierungsprivileg auch bei der erstmaligen Erlangung einer der Gesellschafterstellung wirtschaftlich gleichzustellenden Position Anwendung finden
3205
HK-InsO/Kleindiek, § 39 Rn. 64. Servatius, Gläubigereinfluss, S. 559 f., m. w. N. in Fn. 505. 3207 Servatius, Gläubigereinfluss, S. 560 ff. (zum alten Recht), 564 ff. (zum neuen Recht). 3208 Servatius, Gläubigereinfluss, S. 561 f. (zum alten Recht); 564 ff. (zum neuen Recht); Dörrie, ZIP 1999, 12, 15. 3209 Dörrie, ZIP 1999, 12, 15, soweit auch noch Kästle, Covenants in Kreditverträgen, S. 196 f. 3210 I. E. Dörrie, ZIP 1999, 12, 15, dies ablehnend und viel strenger: Kästle, Covenants in Kreditverträgen, S. 196 f. 3211 Servatius, Gläubigereinfluss, S. 562. 3212 Neuhof, NJW 1999, 20, 21; Pentz, GmbHR 1999, 437, 449. 3213 Pentz, GmbHR 1999, 437, 449; Neuhof, NJW 1999, 20, 21; differenzierte Position bei Kästle, Covenants in Kreditverträgen, S. 196 f. („[Es] spricht vieles dafür, daß […] auch Nichtgesellschafter i. S. des § 32a Abs. 3 S. 1 GmbHG in den Genuß des Sanierungsprivilegs gelangen können, vorausgesetzt sie leisten einen dem Anteilserwerb wirtschaftlich vergleichbaren Beitrag zur Sanierung. Daß das Sanierungsprivileg die bloße Beeinflussung oder gar Übernahme der Geschäftsführung ohne gleichzeitigen Anteilserwerb oder vergleichbaren Beitrag seitens des Kreditgebers erfassen soll, […] würde jedoch zu weit gehen.“). 3214 Pentz, GmbHR 2004, 529, 537. 3206
450
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könne.3215 Fraglich sei allerdings, ob in diesem Fall parallel auch ein echter Anteilserwerb erfolgen müsse, um die Voraussetzungen des Privilegs zu erfüllen, und ob sich das Privileg auf die der Gesellschafterstellung wirtschaftlich gleichzustellende Position selbst oder nur auf einen daneben gewährten Kredit beziehe.3216 Wenn es keine Sanierungsbeteiligung neben einem Kreditverhältnis gebe, sondern – wie bei einem echten Hybrid – nur ein einziges Vertragsverhältnis, das dem Finanzierungsbeitrag zugrunde liege, solle der Finanzierungsbeitrag selbst nicht privilegiert werden.3217 Allenfalls solle erwogen werden, einen neben diesem Finanzierungsbeitrag zusätzlich ausgegebenen Kredit zu privilegieren.3218 III. Stellungnahme zum Einsatz von RSA Insgesamt sprechen die besseren Argumente für die herrschende Ansicht. Mit dem Sanierungsprivileg wird es einem Darlehensgeber nach der Gesetzesbegründung sogar ermöglicht, „in der Krise der Gesellschaft Geschäftsanteile und unternehmerische Kontrolle zu übernehmen, ohne Gefahr zu laufen, daß seine stehengelassenen Alt-Kredite allein deshalb in eigenkapitalersetzende Darlehen umqualifiziert werden.“3219 Dann muss das Sanierungsprivileg erst recht gelten, wenn ein bislang unbeteiligter Gläubiger „nur“ die unternehmerische Kontrolle erwirbt. Auf den Anteilserwerb kann es nicht entscheidend ankommen. Auch aus der Gesetzesbegründung ergibt sich nicht, dass die unternehmerische Kontrolle durch einen Anteilserwerb erlangt werden muss.3220 Nach der Gesetzesbegründung gilt das Sanierungsprivileg unabhängig davon, ob der Neueinsteiger Geschäftsanteile aus einer Kapitalerhöhung zeichnet und neues Kapital zuführt oder nur bestehende Anteile übernimmt, um anschließend z. B. das Management auszutauschen, ohne neues Kapital zuzuführen.3221 Diese Beispiele aus der Gesetzesbegründung zeigen, dass es dem Gesetzgeber nicht entscheidend darum ging, dass Gläubiger Anteile erwerben sollen, um neues Kapital in die Gesellschaft einzubringen.3222 Es gehe darum, sie zu ermutigen, aktiv an der Sanierung teilzunehmen und diese durch unternehmerische Initiative zu fördern.3223 Wenn das Sanierungsprivileg sogar einem Kreditgeber zugutekommen soll, der sich ohne Kapitalzufuhr in die Gesellschafterstellung begibt, um auf diese Weise unternehmeri3215
Scholz/Bitter, Anh. § 64 Rn. 120. Scholz/Bitter, Anh. § 64 Rn. 120. 3217 Scholz/Bitter, Anh. § 64 Rn. 305. 3218 Scholz/Bitter, Anh. § 64 Rn. 305 bezogen auf ein Beispiel zum virtuellen Kommanditist einer Innen-KG. 3219 BT-Drucks. 13/10038 S. 28. 3220 Tillmann, DB 2006, 199, 201. 3221 BT-Drucks. 13/10038 S. 28. 3222 Vgl. Tillmann, DB 2006, 199, 202. 3223 Vgl. Tillmann, DB 2006, 199, 202. 3216
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sche Kontrolle zu erlangen und personelle bzw. organisatorische Sanierungsmaßnahmen innerhalb des notleidenden Unternehmens durchsetzen zu können, dann ist – wie Eidenmüller3224 zu Recht feststellt – kein Grund ersichtlich, warum sich nicht auch eine Bank auf dieses Privileg berufen können soll, auch wenn sie keine formelle Gesellschafterstellung einnimmt, die Unternehmenstätigkeit aber wie ein Gesellschafter beeinflusst.3225 Es sollen nicht finanzielle Mittel, sondern die Übernahme von Einfluss und unternehmerischer Kontrolle maßgebend sein.3226 Die Beispiele aus der Gesetzesbegründung seien nicht als abschließend gedacht.3227 Auch die Wertungen von Kleindiek sind überzeugend: Wenn man Quasi-Gesellschafter im Bösen, also zum Zwecke der Umqualifizierung in „Quasi-Eigenkapital“, den Gesellschaftern gleichstelle, könnte man ihnen diese Gleichstellung im Guten, also zum Zwecke der Privilegierung, nicht verweigern.3228 Würde ein Anteilserwerb stets vorausgesetzt, käme es zu Wertungswidersprüchen.3229 Durch die hier vertretene Ansicht werden auch nicht sämtliche Sanierungskredite privilegiert. Neukredite von Altgesellschaftern können immer noch nicht vom Sanierungsprivileg profitieren. Der Wille des Gesetzgebers,3230 der damit umschrieben wird, kein allgemeines Sanierungsprivileg schaffen zu wollen,3231 wird also berücksichtigt.3232 Wenn ein RSA zum Einsatz kommt, liegt im Übrigen kein Sachverhalt vor, bei dem der Schlüsselgläubiger nur aufgrund seines bisherigen Vertragsverhältnisses Einfluss auf die künftige Sanierung ausübt. Die anstehende Sanierung wird gerade nicht aufgrund des bisherigen Covenant-unterlegten Kreditvertrages gesteuert. Vielmehr erhält der Schlüsselgläubiger die Einflussrechte durch einen neuen eigenständigen Vertrag, den RSA. Es spricht vieles dafür, dass jedenfalls dieser neue Vertrag der von § 39 Abs. 4 Satz 2 InsO geforderten Sanierungsbeteiligung entspricht. Daher sollten bereits bestehende Kreditforderungen nicht subordiniert werden. In diesem Fall wäre auch ein daneben ausgereichter Kredit, typischerweise ein sog. DIP-Loan, nach § 39 Abs. 4 Satz 2 InsO privilegiert. Ein zusätzlicher (förmlicher) Anteilserwerb ist hingegen nicht zu fordern.
3224
Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 397. Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 397. 3226 Tillmann, DB 2006, 199, 202. 3227 Tillmann, DB 2006, 199, 202. 3228 HK-InsO/Kleindiek, § 39 Rn. 64; ähnlich: Servatius, Gläubigereinfluss, S. 565. 3229 Casper/Ullrich, GmbHR 2000, 472, 479. 3230 Beschlussempfehlung Rechtsausschuss zum KonTraG, BT-Drucks. 13/10038 S. 24, 28. 3231 HCL/Habersack, Anh. § 30 Rn. 65. 3232 Diesen Willen verteidigend: Huber/Habersack, BB 2006, 1, 4 („Ein generelles Privileg für Sanierungskredite ist […] keinesfalls zu rechtfertigen: […].“). 3225
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Kap. 6: Position der Schlüsselgläubiger
IV. Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis kann festgehalten werden, dass Schlüsselgläubiger, die mit der Schuldnerin ein RSA aushandeln und sich hier Einflussmöglichkeiten auf das anstehende StaRUG-Verfahren einräumen lassen, in einem hypothetischen Insolvenzverfahren nicht subordiniert wären. Deshalb können sich Gläubiger, die den StaRUG-Plan ablehnen, auch nicht mit diesem Argument auf die absolute Vorrangregel oder das Schlechterstellungsverbot berufen.
§ 2 Stimmverbot A. Kasuistisches Stimmverbot Eine weitere Hürde für die Schlüsselgläubiger könnte sein, dass ihnen ein Stimmverbot droht, wenn sie mit der Schuldnerin ein RSA aushandeln und hierbei zu viel Einfluss auf die Planerstellung ausüben. Stimmverbote stellen „das Mittel par excellence“ dar, um eine Abstimmung frei von der Verfolgung privater Sonderinteressen und daraus resultierender Interessenkonflikte zu halten.3233 In den USA stellt das Instrument der vote designation ein wichtiges Werkzeug dar, um disruptives Gläubigerverhalten zu sanktionieren.3234 Stimmrechtsausschlüsse werden insbesondere im Zusammenhang mit Loan-to-Own-Investoren diskutiert, sofern die Stimme des Loan-to-Own-Investors nicht dem „genuinen Interesse eines Gläubigers“ entspricht.3235 Die Regeln zum Stimmrechtsausschluss sind in Deutschland kasuistisch ausgeprägt.3236 Der Gesetzgeber hat in der Insolvenzordnung für das Regelverfahren selbst keine Stimmverbote normiert.3237 Nach h. M. können Gläubiger bei Abstimmungen der Gläubigerversammlung dennoch einem Stimmverbot unterliegen.3238 Dieses 3233
Zöllner, Schranken, S. 145. Wang, Loan-to-Own, S. 403 ff. 3235 Wang, Loan-to-Own, S. 406 ff.; zum Begriff des genuinen Gläubigerinteresses: S. 411; Fallgruppen: S. 412 ff.; mit Hilfe der vote designation wurden in den USA indes bislang nur ablehnende, den Plan blockierende Voten überwunden. Zustimmende, einen Plan befürwortende Stimmen wurden hingegen mit der vote designation noch nicht sanktioniert (Wang, Loanto-Own, S. 421). 3236 Zöllner, Schranken, S. 161. 3237 Oelrichs, Stimmverbote, S. 94; Wimmer, ZIP 2013, 2038, 2040; Koa, Gläubiger ohne Risiko, S. 155; Grell/Klockenbrink, DB 2014, 2514; Grell, NZI 2006, 77; KölnKommInsO/ Plathner, § 77 Rn. 15; Bernsen/Bernsen, FS Görg, S. 27, 34. 3238 Oelrichs, Stimmverbote, S. 94 ff., mit Ergebnis auf S. 104 f.; Pape, ZInsO 2000, 469, 472 f.; Wimmer, ZIP 2013, 2038, 2040; im Ergebnis ebenso, jedoch mit anderer Terminologie: MüKoInsO/Ehricke/Ahrens, § 77 Rn. 35; K. Schmidt InsO/Jungmann, § 76 Rn. 16; HambKomm-InsO/Preß/Henningsmeier, § 77 Rn. 12; KölnKommInsO/Plathner, § 77 Rn. 15; AG Kaiserslautern, Beschl. v. 17. 10. 2005 – IN 423/03, NZI 2006, 46; LG Hamburg, Beschl. v. 3234
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wird aus den §§ 34 BGB, 47 Abs. 4 GmbHG, 43 Abs. 6 GenG § 136 Abs. 1 AktG oder § 25 V WEG hergeleitet.3239 Konkret bestehen nach h. M. bei besonders bedeutsamen Rechtsgeschäften mit einem Gläubiger für diesen Gläubiger Stimmverbote, wenn die Gläubigerversammlung über diese Geschäfte abstimmen muss.3240 I. Insolvenzplanverfahren Sofern die Literatur zu möglichen Stimmverboten im Insolvenzplanverfahren Stellung bezieht, verneint sie aber die Anwendbarkeit von Stimmverboten in diesem Verfahren.3241 Wenn Stimmverbote im Insolvenzplanverfahren Anwendung finden würden, wäre häufig eine ganze Reihe von Gläubigern bei der Abstimmung auszuschließen.3242 Bei einem Insolvenzplanverfahren würden andere Schutzmechanismen greifen.3243 Es gäbe auch Probleme, die Stimmverbote rechtssicher und schnell im Planabstimmungsverfahren feststellen zu können.3244 Dogmatisch kann die „Merkwürdigkeit“, dass die speziellen Stimmverbote wegen Interessenkonflikten bei der Abstimmung über den Insolvenzplan nicht in Betracht kommen,3245 mit einem Vergleich zur Unanwendbarkeit von Stimmverboten im Gesellschaftsrecht begründet werden:3246 Dort lehnt die h. M. Stimmverbote in Situationen ab, in denen alle Stimmrechtsträger gleichartig befangen sind.3247 Bei der Abstimmung über einen
25. 8. 2014 – 326 T 81/14, NZI 2015, 28, 29 f. AG Göttingen, Beschl. v. 28. 7. 2009 – 71 IN 151/07, ZinsO 2009, 1821, 1822; LG Wuppertal, Beschl. v. 6. 6. 2011 – 6 T 287/11 (juris-Rn. 13); nur im Ausnahmefall unter Heranziehung von § 181 BGB: Braun-InsO/Herzig, § 77 Rn. 20; a. A.: Grell, NZI 2006, 77 ff.; Grell/Klockenbrink, DB 2014, 2514 ff. 3239 Pape, ZInsO 2000, 469, 472; MüKoInsO/Ehricke/Ahrens, § 77 Rn. 35; Uhlenbruck-InsO/Knof, § 77 Rn. 4; AG Itzehoe, Beschl. v. 22. 7. 2014 – 28 IE 1/14, NZI 2014, 1006, 1007 (juris-Rn. 17); HambKomm-InsO/Preß/Henningsmeier, § 77 Rn. 12; KölnKommInsO/Plathner, § 77 Rn. 15; ausführlicher Überblick nun bei Wang, Loan-to-Own, S. 534 ff., insb. 543 ff. 3240 K. Schmidt InsO/Jungmann, § 76 Rn. 16 (Beschluss gem. § 160 InsO, keinen Anfechtungsprozess anzustrengen); KölnKommInsO/Plathner, § 77 Rn. 16; vgl. allgemein: Oelrichs, Stimmverbote, S. 105 f.; Bernsen/Bernsen, FS Görg, S. 27, 36 f.; ausführlicher Überblick bei Wang, Loan-to-Own, S. 543 ff., 555 ff. 3241 Uhlenbruck-InsO/Knof, § 77 Rn. 8; Thole, FS Vallender, S. 679, 694; Thole, ZIP 2014, 1653, 1660; KölnKommInsO/Plathner, § 77 Rn. 19; Wang, Loan-to-Own, S. 563; ähnlich zum Stimmrecht der Anteilsinhaber: K. Schmidt InsO/Spliedt, § 238a Rn. 15. 3242 Thole, FS Vallender, S. 679, 694. 3243 Thole, FS Vallender, S. 679, 694; so auch Wang, Loan-to-Own, S. 564 (mit Verweis auf das § 245 InsO). 3244 Wang, Loan-to-Own, S. 565. 3245 Zu dieser Formulierung: Thole, FS Vallender, S. 679, 694. 3246 Oelrichs, Stimmverbote, S. 110. 3247 Zöllner, Schranken, S. 181 ff.; Scholz/K. Schmidt, § 47 Rn 106; MüKoGmbHG/ Drescher, § 47 Rn. 188; Noack/Servatius/Haas/Noack, § 47 Rn. 94; Grunewald, FS Bergmann, S. 215, 219 f.
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Insolvenzplan sind notwendigerweise alle stimmberechtigten Gläubiger persönlich betroffen.3248 II. StaRUG-Verfahren Wegen der strukturellen Vergleichbarkeit der Abstimmung über einen Insolvenzplan und der Abstimmung über einen Restrukturierungsplan nach dem StaRUG kommen demnach Stimmverbote bei Abstimmungen im StaRUG-Verfahren auch nicht in Betracht. Auch hier sind de facto alle planbetroffenen Parteien befangen, weil jeweils in ihre Rechte eingegriffen wird.
B. Stimmverbot für nahestehende Personen Auf Art. 9 Abs. 3 lit. c) der RRL wurde bereits weiter oben hingewiesen. Nach dieser Norm könnte der Gesetzgeber ein Stimmverbot für nahestehende Personen einführen. Von dieser Möglichkeit hat der Gesetzgeber allerdings keinen Gebrauch gemacht.
C. Zwischenergebnis Stimmverbote dürften für die Schlüsselgläubiger im Grundsatz nicht in Betracht kommen. Im StaRUG-Verfahren sind alle planbetroffenen Gläubiger wegen Selbstbetroffenheit befangen, sodass Stimmverbote ausscheiden. Der Gesetzgeber hat auch die Möglichkeiten der RRL, Stimmverbote für Insider zu normieren, nicht genutzt.
§ 3 Treuepflichtverletzung der Schlüsselgläubiger als Grund für die Versagung der Planbestätigung Fraglich ist zuletzt, ob die Schlüsselgläubiger im StaRUG-Verfahren eine Treuepflicht gegenüber den übrigen Planbetroffenen trifft, die sie dadurch verletzen könnten, dass sie mit dem Schuldner ein RSA oder Lock-up Agreement abschließen. Die Frage nach der Treuepflicht ist sowohl für die außergerichtliche Sanierung3249 als
3248
Oelrichs, Stimmverbote, S. 110; KölnKommInsO/Plathner, § 77 Rn. 19; Thole, ZIP 2014, 1653, 1660. 3249 Verneinend: BGH, Urt. v. 12. 12. 1991 – IX ZR 178/91, BGHZ 116, 319 ff. (Akkordstörer-Entscheidung); bejahend: Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 1 ff., passim.
§ 3 Treuepflichtverletzung der Schlüsselgläubiger
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auch für die Sanierung im Insolvenzplanverfahren3250 höchst umstritten. Dasselbe dürfte auch für das neue StaRUG-Verfahren gelten.
A. Dogmatische Grundlagen einer Treuepflicht der Schlüsselgläubiger I. Problemaufriss Fraglich ist, ob in Deutschland eine Treuepflichtkontrolle im Rahmen des Restrukturierungsverfahrens durchgeführt werden könnte und müsste. Diese Frage ist deshalb besonders relevant, weil in dieser Untersuchung der Anwendungsbereich der absoluten Vorrangregel, der Gleichbehandlungsgrundsätze und der Verbote von Sondervorteilen eher eng gezogen wurde. So erhalten die Parteien mehr Flexibilität bei der Aushandlung ihres Restrukturierungsplans. Gleichzeitig gehen damit allerdings Missbrauchsmöglichkeiten einher, welche durch die einzelfallorientierte Treuepflichtkontrolle aufgefangen werden könnten. Ein Teil der Literatur beschränkt das Treuepflicht-Problem von vorneherein auf die Beziehungen der Gesellschafter untereinander. Zwischen Gläubigern und Gesellschaftern fehle regelmäßig die Rechtsbeziehung.3251 Gläubiger untereinander träfen „richtigerweise“ – selbst im Insolvenzverfahren – keine Treuepflichten.3252 Voraussetzung für eine Treuepflichtkontrolle wäre daher zuerst, dass eine taugliche dogmatische Grundlage für Treuepflichten zwischen den Planbetroffenen gefunden werden kann. II. Rechtsgemeinschaft als Grundlage Der BGH hat eine ungeschriebene Treuepflicht eines Insolvenzgläubigers bisher – soweit ersichtlich – weder ausdrücklich anerkannt noch abgelehnt. In seiner berühmten Akkordstörer-Entscheidung hat er Treuepflichten bzw. Kooperationspflichten nur für den außergerichtlichen Sanierungsvergleich abgelehnt.3253 Er referiert in seiner Entscheidung aber eine Literaturansicht und die Gesetzesbegründung zur KO, wonach Gläubiger untereinander eine materielle (Rechts-)Gemeinschaft bilden, wenn das Konkursverfahren eröffnet sei.3254 Aus dieser könnten Rück-
3250
Bejahend: Schulz, Treuepflichten, S. 1 ff., passim; ablehnend z. B. Thole, ZIP 2013, 1937, 1943. 3251 Spliedt, ZInsO 2013, 2155. 3252 Thole, ZIP 2013, 1937, 1943. 3253 BGH, Urt. v. 12. 12. 1991 – IX ZR 178/91, BGHZ 116, 319 ff. – „Akkordstörer“. 3254 BGH, Urt. v. 12. 12. 1991 – IX ZR 178/91, BGHZ 116, 319, 323 f. (juris-Rn. 14 ff.) – „Akkordstörer“.
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Kap. 6: Position der Schlüsselgläubiger
sichtsnahmepflichten abgeleitet werden.3255 Laut den Gesetzesmotiven zur KO entstehe eine zufällige Gemeinschaft „durch die Existenz der anderen Forderungen, das Zahlungsunvermögen des Schuldners und die Kollision aller Gläubiger“.3256 Das Befriedigungsrecht jedes Gläubigers erfahre im Konkurs eine rechtliche Einschränkung.3257 Der BGH zog daraus den Schluss, dass Voraussetzung für die Annahme einer Gemeinschaft zwischen den Gläubigern jedenfalls die Eröffnung des Konkursverfahrens sei.3258 Er lehnte eine Vorwirkung ab, wonach Gläubiger auch außerhalb des Konkursverfahrens eine Gemeinschaft bilden könnten. Zur Rechtslage für die Zeit nach Verfahrenseröffnung hat er sich nicht geäußert.3259 In der Literatur wird der BGH allerdings so interpretiert, dass er der These einer Rechtsgemeinschaft der Gläubiger im eröffneten Verfahren positiv3260 bzw. offener3261 gegenüberstehe. In der Literatur zum StaRUG wurde nunmehr ebenfalls schon vertreten, dass aus der kollektiven Gefährdung der Befriedigung sämtlicher Ansprüche der Gläubiger eine zivilrechtliche Sonderverbindung entstehe.3262 III. Treuepflicht aus Kombination von Rechtsgemeinschaft und Einwirkungsmacht Schulz hat den Gedanken, dass zwischen Insolvenzgläubigern eine Interessengemeinschaft besteht, aufgegriffen: Er hat für das Verhältnis der Gläubiger untereinander innerhalb eines Insolvenzverfahrens Treuepflichten abgeleitet.3263 Mit diesen Treuepflichten könne verhindert werden, dass einzelne Gläubiger Sondervorteile zu Lasten der übrigen Gläubiger ziehen.3264 Mit der Entscheidung, einen Insolvenzplan aufzustellen, entstehe eine „Insolvenzplan-Gemeinschaft“, in welcher die Gläubiger vermehrt Einfluss auf Verfahrensablauf und die Stellung der anderen 3255 BGH, Urt. v. 12. 12. 1991 – IX ZR 178/91, BGHZ 116, 319, 324 (juris-Rn. 16) („Darum darf kein Gläubiger rücksichtslos gegen die Anderen sein einzelnes Befriedigungsrecht gegen den Schuldner verfolgen […].“). 3256 RT-Drucks. Nr. 200 II. Session 1874; abgedruckt bei Hahn, Die gesammten Materialien zu den Reichsjustizgesetzen Vierter Band, Die gesammten Materialien zur Konkursordnung 1881, S. 47. 3257 RT-Drucks. Nr. 200 II. Session 1874; abgedruckt bei Hahn, Die gesammten Materialien zu den Reichsjustizgesetzen Vierter Band, Die gesammten Materialien zur Konkursordnung 1881, S. 47. 3258 BGH, Urt. v. 12. 12. 1991 – IX ZR 178/91, BGHZ 116, 319, 324 (juris-Rn. 17) – „Akkordstörer“; schon früher: Grünewald, Mehrheitsherrschaft, S. 201. 3259 BGH, Urt. v. 12. 12. 1991 – IX ZR 178/91, BGHZ 116, 319, 324 f. (juris-Rn. 17 f.) – „Akkordstörer“. 3260 Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 854 f. 3261 Vgl. Bitter, ZGR 2010, 147, 168 f. 3262 Hölzle, Praxisleitfaden SanInsFoG, § 32 Rn. 32. 3263 Schulz, Treuepflichten, S. 46 ff. (zur Insolvenzgläubiger-Interessengemeinschaft); S. 98 ff. (zur dogmatischen Grundlage der Treuepflichten). 3264 Schulz, Treuepflichten, Vorwort.
§ 3 Treuepflichtverletzung der Schlüsselgläubiger
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Insolvenzgläubiger ausüben können.3265 Ab diesem Verfahrensstadium würden grundlegende Kompetenzen vom Verwalter und vom Gericht auf die Gläubiger verlagert.3266 Innerhalb dieser entstandenen Interessengemeinschaft bestünden Treuepflichten. Diese würden aus der Einwirkungsmacht der Insolvenzgläubiger folgen.3267 Nach Schulz richten sich die Intensität und der Umfang der jeweiligen Treuepflicht nach den wechselseitigen Einwirkungsmöglichkeiten.3268 IV. Gesellschaftsähnliche Sonderverbindung und hypothetischer Gesellschaftsvertrag Nach der Ansicht von Eidenmüller besteht zwischen den an einem Reorganisationsvorhaben Beteiligten eine „gesellschaftsähnliche Verbindung, aufgrund derer sich ein System von Kooperationspflichten als Ausprägung der gegenseitigen Treuepflicht entwickeln lässt.“3269 Dies gelte sowohl für die außergerichtliche Sanierung3270 als grundsätzlich auch im gerichtlich überwachten Insolvenzverfahren.3271 Im gerichtlich überwachten Insolvenzverfahren gelte die gesellschaftsrechtsähnliche Sonderverbindung fort.3272 Die daraus abzuleitenden Pflichten bestünden allerdings nur insoweit, als sie mit den konkreten Normen der InsO vereinbar seien.3273 In Betracht komme z. B. eine Pflicht zur fairen Verhandlungsführung3274, welche sich in einem Verbot von Täuschungen und von vorzeitiger Selbstbindung konkretisieren lasse.3275 Gerade diese Pflichten sind im Hinblick auf ein RSA von Bedeutung. Dogmatische Grundlage der gesellschaftsähnlichen Sonderverbindung sei ein „hypothetischer Gesellschaftsvertrag“.3276 Tatsächlich spiegelt die hypothetische Annahme eines Gesellschaftsvertrags die Interessenlage aller Beteiligten wider. Denn diese würden einen Gesellschaftsvertrag abschließen wollen, allerdings würden hohe Transaktionskosten, asymmetrisch verteilte Informationen und strategisches Verhalten einen solchen Vertragsschluss verhindern.3277 3265
Schulz, Treuepflichten, S. 80 ff. Vgl. Schulz, Treuepflichten S. 80 ff. 3267 Schulz, Treuepflichten, S. 98 ff. (insbesondere Rn. 309 – 312); i. E. auch Grünewald, Mehrheitsherrschaft, S. 199. 3268 Schulz, Treuepflichten, S. 101. 3269 Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 608. 3270 Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 608 ff. 3271 Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 853 ff., insb. 854 f. zur Rechtsgrundlage. 3272 Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 853 ff., insb. 854 f. zur Rechtsgrundlage. 3273 Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 853 ff., insb. 854 f. zur Rechtsgrundlage. 3274 Zum Inhalt Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 709 ff. 3275 Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 856 f (Eröffnungsverfahren); 881 f. (eröffnetes Verfahren). 3276 Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 610. 3277 Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 610. 3266
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Kap. 6: Position der Schlüsselgläubiger
V. Einwirkungsmacht ausreichend? Bitter untersucht die Frage, ob auch ohne vertragliche Verbindung Rücksichtsnahmepflichten alleine aus der Einwirkungsmacht einer Person auf Drittinteressen anerkannt werden können.3278 Obwohl der BGH im Girmes-Urteil und Zöllner in seiner Habilitationsschrift Treuepflichten unter dem Aspekt der Einwirkungsmacht auf Drittinteressen begründet haben, hätten beide die Intensität der Einwirkungsmacht nur innerhalb der bestehenden Vertragsbindung untersucht.3279 Nach dem Konzept von Bitter können auch außerhalb einer vertraglichen Verbindung Rücksichtsnahmepflichten entstehen. Sie werden dann aus dem Gedanken der Aufopferung hergeleitet.3280 Grundlage einer Inpflichtnahme könne alleine die Einwirkungsmacht auf das Vermögen einer oder mehrerer anderer Personen sein; eine vertragliche Verbindung sei nicht zwingend notwendig.3281 Zwar könne auf Rechtsfolgenseite eine aktive Förderpflicht nur dann bestehen, wenn gleichzeitig eine vertragliche Bindung existiere; ohne diese Bindung könne aus dem Gedanken der Aufopferung allerdings immerhin eine Hingabe einer Rechtsposition gegen Wertausgleich verlangt werden.3282 In diesem Sinne könnten Gläubiger untereinander oder Gesellschafter im Interesse der Gläubiger in die Pflicht genommen werden.3283 Konkret wendet Bitter dieses Konzept dann auf Blockadepositionen von Akkordstörern und Gesellschaftern an, welche ihre Position in bestimmten Fällen jeweils unter Wertausgleich aufgeben müssten.3284 Wird dieses Konzept auf einen Schlüsselgläubiger übertragen, könnte argumentiert werden, dass dieser aufgrund seiner Einwirkungsmacht auf die übrigen Beteiligten gleichzeitig zur Rücksichtnahme auf deren Interessen verpflichtet ist. VI. Immanente Schranke der insolvenzrechtlichen Aufopferungspflicht Eine weitere Grundlage für Treuepflichten eines Schlüsselgläubigers könnte den immanenten Schrankendes Obstruktionsverbots entnommen werden.3285 Dieser Gedanke wurde von Schäfer im Zusammenhang mit gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen im Insolvenzplan aufgeworfen. Der Gedanke kann aber verallgemeinert werden. Das Obstruktionsverbot nach § 245 InsO beruht nach dieser Ansicht auf dem Aufopferungsgedanken.3286 Die Aufopferungspflicht einer Minderheit stehe aber 3278 3279 3280 3281 3282 3283 3284 3285 3286
Bitter, ZGR 2010, 147, 173 ff.; zur im Text formulierten Frage S. 175. Bitter, ZGR 2010, 147, 175. Bitter, ZGR 2010, 147, 176. Bitter, ZGR 2010, 147, 174 ff. insbesondere 176, 177, 180. Bitter, ZGR 2010, 147, 180. Bitter, ZGR 2010, 147, 180. Bitter, ZGR 2010, 147, 180 f. Schäfer, ZIP 2013, 2237, 2242. Vgl. Schäfer, ZIP 2013, 2237, 2242 f.
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unter dem Vorbehalt, dass die Mehrheit sich selbst nicht treuwidrig verhalte.3287 Wenn von einer überstimmten Partei Aufopferung verlangt werde, müsse sich die begünstigte Partei – als immanente Schranke – selbst treu verhalten. Auch nach diesem Gedanken könnten die Schlüsselgläubiger gegenüber den Junior-Gläubigern zur Rücksicht verpflichtet sein. VII. Vorvertragliches Schuldverhältnis als Grundlage? Ein weiterer dogmatischer Anknüpfungspunkt für eine Treue- bzw. Rücksichtsnahmepflicht der Schlüsselgläubiger gegenüber den Junior-Gläubigern und den Anteilsinhabern könnte aus der Rechtsnatur des Insolvenzplans bzw. des Restrukturierungsplans resultieren. In der Literatur wird der Insolvenzplan teilweise ausschließlich als materieller Vertrag zwischen dem Schuldner, seinen Gläubigern und den Anteilsinhabern qualifiziert.3288 Teilweise wird er als Vertrag mit Doppelnatur mit Elementen eines materiellrechtlichen Vertrages und eines Prozessvertrags eingeordnet.3289 Vom BGH wird er als Rechtsinstitut sui generis3290 und von einer Verfahrenstheorie als privatrechtsgestaltender Verfahrensakt eingeordnet.3291 In der Literatur wurde jüngst argumentiert, dass sich der Gesetzgeber im SanInsFoG bzw. im StaRUG der Vertragstheorie angenähert hat.3292 Folgt man dieser dogmatischen Deutung für den StaRUG-Plan (obwohl es durchaus auch gewichtige Gegenargumente gibt3293), hat die Vertragstheorie zur Konsequenz, dass die Normen des BGB für Vertragsschlüsse im Grundsatz ergänzend herangezogen werden können.3294 Die Normen würden nur dann unberücksichtigt bleiben, wenn das Insolvenzrecht (oder das Prozessrecht) einen Sachverhalt im Speziellen geregelt hat.3295 3287
Schäfer, ZIP 2013, 2237, 2242. Madaus, Insolvenzplan, S. 165 ff. (keine Rechtsnorm); S. 174 ff. (Vertrag bürgerlichen Rechts); S. 300 ff. (Kein Urteil oder Verfahrensakt); kritisch und mit Überblick zum Streitstand: Jaeger-InsO/Münch, Vor § 217 Rn. 210 ff. 3289 MüKoInsO/Eidenmüller, § 217 Rn. 14 ff. (materieller Vertrag); 32 ff. (Prozessvertrag), Ergebnis: Rn. 36 („Doppelnatur eines Insolvenzplans als materiellrechtlicher Vertrag und als Prozessvertrag“). 3290 BGH, Urt. v. 6. 10. 2005 – IX ZR 36/02, NJW-RR 2006, 491, 492 (Rn. 15); BGH, Beschl. v. 7. 5. 2015 – IX ZB 75/14, NJW 2015, 2660, 2663 (Rn. 26). 3291 Grundlegend: Leipold, KTS 2006, 109, 122 ff.; dem folgend: Jaeger-InsO/Münch, Vor § 217 Rn. 266; Jaeger-InsO/Piekenbrock, § 254 Rn. 37 f.; Thöne, KTS 2018, 151, 172 ff. 3292 Madaus, NZI-Beilage 2021, 35 f. 3293 Vgl. zur Einordnung des Insolvenzplans z. B. Thöne, KTS 2018, 151 ff. mit Ergebnis auf S. 172 ff. („Vorzugswürdigkeit der Verfahrenstheorie“); Jaeger-InsO/Münch, Vor § 217 Rn. 253 ff. 3294 Vgl. MüKoInsO/Eidenmüller, § 217 Rn. 37 ff.; vgl. auch die Schlussfolgerung bei Thöne, KTS 2018, 151, 166; Madaus, NZI 2020, 545, 547 („Anwendung des Vertragsrechts“); zur Berücksichtigung der Normen zum Vertragsschluss am Beispiel der Planrücknahme: Madaus, KTS 2012, 27 f., 30, 57 f.; weitere Beispiele: Madaus, NZI 2020, 545, 546 ff. 3295 MüKoInsO/Eidenmüller, § 217 Rn. 34 f. (ausgehend von der Doppelnatur des Insolvenzplans); ähnlich: Madaus, NZI 2020, 545, 549 (Berücksichtigung der Besonderheiten des 3288
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Kap. 6: Position der Schlüsselgläubiger
Wenn der Insolvenz- bzw. der StaRUG-Plan einen Vertrag darstellt, ist es konsequent, die Phase, in welcher der Vertrag zustande kommt, als vorvertragliches Schuldverhältnis zwischen den Parteien einzuordnen. Nach § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB kommt ein solches Schuldverhältnis mit Aufnahme von Vertragsverhandlungen in Betracht. Nach § 311 Nr. 2 BGB genügt schon die Anbahnung eines Vertrages, bei welcher der eine Teil im Hinblick auf eine etwaige rechtsgeschäftliche Beziehung dem anderen Teil die Möglichkeit zur Einwirkung auf seine Rechte, Rechtsgüter und Interessen gewährt oder ihm diese anvertraut. Nach § 311 Abs. 2 Nr. 3 BGB genügen auch ähnliche geschäftliche Kontakte. Aus diesem vorvertraglichen Schuldverhältnis könnte dem Schlüsselgläubiger eine Rücksichtsnahmepflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) auf die Belange der Anteilsinhaber und auf die Belange der überstimmten Gläubiger auferlegt werden, auch wenn sie nicht oder erst später in die Verhandlungen einbezogen werden. Werden diese verletzt, könnte die Planbestätigung nach § 250 Nr. 1 InsO oder nach § 250 Nr. 2 InsO versagt werden. Aus § 241 Abs. 2 BGB hat das BAG auch schon ein Gebot zum fairen Verhandeln abgeleitet, welches die Entscheidungsfreiheit der Vertragsparteien auch unterhalb der Schwelle der §§ 105 ff. und 119 ff. BGB schützt.3296 Das Gebot fairen Verhandelns setzt auch unterhalb der Schwelle des § 138 BGB an.3297 Typischerweise geht es um Fälle der Überrumpelung.3298 VIII. Wertung Die einzelnen dogmatischen Anknüpfungspunkte schließen sich nicht gegenseitig aus, sondern dürften sich ergänzen. Es erscheint also möglich, dass die Planbetroffenen untereinander gewisse Treuepflichten, jedenfalls aber Rücksichtsnahmepflichten treffen.
Insolvenzplans); ähnlich auch Madaus, KTS 2012, 27 f. (Antwort, was gilt, wenn die §§ 217 ff. InsO und die ZPO eine Frage nicht regeln). 3296 BAG, Urt. v. 27. 11. 2003 – 2 AZR 135/03, BAGE 109, 22, 36, NZA 2004, 597, 603; BAG, Urt. v. 15. 3. 2005 – 9 AZR 502/03, BAGE 114, 97, 108, NZA 2005, 682, 686 f.; BAG, Urt. v. 7. 2. 2019 – 6 AZR 75/18, BAGE 165, 315, 323 f., NZA 2019, 688, 691 (Rn. 31 f.); zuvor schon angedacht z. B. von Lorenz, JZ 1997, 277, 282 mit Verweis auf Medicus, Verschulden bei Vertragsverhandlungen, in: Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Bd. 1 (1981) S. 479, 531 ff., der einen allg. Überrumpelungstatbestand in der c. i. c. verankern wollte. 3297 Kritisch: Fischinger, NZA 2019, 729, 731 f. 3298 Z. B. BAG, Urt. v. 7. 2. 2019 – 6 AZR 75/18, BAGE 165, 315, 323 f., NZA 2019, 688, 691 (Rn. 31).
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B. Ablehnung von Gegenansichten Die Argumente der Gegenansicht, welche Treuepflichten zwischen Gläubigern auch in einem Planverfahren ablehnt,3299 sind zurückzuweisen. Zwar wird teilweise erklärt, die Treuepflicht setze eine Mitgliedschaft3300 oder eine Sonderverbindung3301 zwischen den planbetroffenen Beteiligten voraus. Dem kann aber mit den gerade herausgearbeiteten Ansätzen begegnet werden.3302 Gegen das Argument, dass sich die Gläubiger in der Krise nicht freiwillig zusammengeschlossen hätten und es an einer gemeinsamen Zweckverfolgung fehle,3303 kann vorgebracht werden, dass die Treuepflichten primär auf der gegebenen Einwirkungsmacht der Parteien beruhen.3304 Weiter besteht der Einwand, dass es den Gläubigern an einem Vertrauensmoment fehle und dass es sich bei ihnen um eine anonym und zufällig gebildete Gruppe handele. Selbst Kritiker von Treuepflichten zwischen Insolvenzgläubigern sehen aber, dass auch bei Aktionären anonyme Strukturen bestehen und der BGH in seinem Girmes-Urteil3305 dennoch Treuepflichten, insbesondere aufgrund von Einwirkungsmöglichkeiten auf die Geschäftsführung und damit auf die Interessen Mitgesellschafter, anerkannt hat.3306 Auch das Argument3307, dass das Recht der Gemeinschaft im Grundsatz3308 keine Treuepflichten bzw. keine generelle Pflicht zur Wahrung und Förderung der jeweiligen Belange der anderen Mitglieder kenne, überzeugt nicht, wenn man mit der hier vertretenen Auffassung die dogmatische Grundlage nicht auf das Recht der Gemeinschaft beschränkt. Es wurde gegen eine Treuepflicht unter Insolvenzgläubigern auch argumentiert, dass im Rahmen einer Gläubigerversammlung das privatautonome Moment fehle, weil es sich um eine Zwangsgemeinschaft hoheitlichen Charakters handele.3309 Mehrheiten- Minderheiten-Konflikte seien hoheitlich anhand des § 78 InsO und 3299 Groh, Stimmvereinbarungen, S. 194 ff.; vgl. auch Koa, Gläubiger ohne Risiko, S. 164 f.; MüKoInsO/Ehricke/Ahrens, § 74 Rn. 9. 3300 Lutter, ZHR 153 (1989), 446, 458. 3301 H.-F. Müller, Verband in der Insolvenz, S. 273 f. 3302 I. E. auch Grünewald, Mehrheitsherrschaft, S. 198 unter Hinweis auf die Sonderverbindung der Insolvenzgläubiger ab Eintritt der Insolvenzreife. 3303 MüKoInsO/Ehricke/Ahrens, § 74 Rn. 9. 3304 Grünewald, Mehrheitsherrschaft, S. 198 f. 3305 BGH, Urt. v. 1. 2. 1988 – II ZR 75/87, BGHZ 103, 184, 194 f. = ZIP 1988, 301, 305 (juris-Rn. 18). 3306 Groh, Stimmvereinbarungen, S. 190 f. 3307 Groh, Stimmvereinbarungen, S. 192. 3308 Vgl. Staudinger/von Proff, § 741 Rn. 271 ff.; aber Ausnahmen denkbar: Rn. 274 („Allerdings bedarf die Begründung von Schutz- und Treuepflichten angesichts des eher lockeren Bruchteilsgemeinschaftsverhältnisses im Einzelfall sorgfältiger Begründung […].“). 3309 Ehricke, NZI 2000, 57, 59; MüKoInsO/Ehricke/Ahrens, § 74 Rn. 9.
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nicht anhand der privatautonomen Treuepflicht zu lösen.3310 Dies ist nicht überzeugend, wenn auf die gegenseitige Einwirkungsmacht, die immanenten Voraussetzungen des Obstruktionsverbots oder auf das vorvertragliche Schuldverhältnis abgestellt und gleichzeitig erkannt wird, dass § 78 InsO bei der Abstimmung in Gläubigergruppen nicht anwendbar ist. Eine Treuepflicht unter Planbetroffenen wird schließlich abgelehnt, weil sie „regelungstechnisch ohnehin nicht wesentlich anders als das Obstruktionsverbot ausgestaltet werden könnte und damit auch keinen weiteren Erkenntniswert bereit hielte“.3311 Auch diesem Argument kann nicht gefolgt werden, weil aus der Treuepflicht neben den Regeln des Obstruktionsverbots auch verfahrensbezogene Pflichten abgeleitet werden können.3312 Schulz hat darüber hinaus einzelne Fälle herausgearbeitet, in denen eine Treuepflichtkontrolle neben dem Obstruktionsverbot durchaus zur Anwendung kommen würde.3313 Es wird insbesondere auf die Pflichten im Rahmen der Verhandlungen hingewiesen.3314 Soweit auf § 78 InsO als bessere Lösung verwiesen wird, wonach Beschlüsse der Gläubigerversammlung vom Gericht auf Antrag aufgehoben werden, wenn sie nicht dem gemeinsamen Interesse der Insolvenzgläubiger entsprechen,3315 ist einzuwenden, dass diese Norm in einem Insolvenzplanverfahren nur begrenzt weiterhilft3316 und im StaRUG-Verfahren überhaupt keine Anwendung findet.
C. Notwendigkeit und Vorteile der Treuepflichtkontrolle Im Rahmen der flexiblen Treuepflichtkontrolle können auch neue Phänomene in einer Restrukturierung besser adressiert werden als mit einer strengen Auslegung der Verteilungsregeln (Gleichbehandlungsgrundsatz, Vorrangregel). Hierzu zählt insbesondere der rege Handel mit notleidenden Krediten. Außerdem zählt hierzu das Phänomen des Empty Voting: Ein sog. Empty Creditor ist ein Gläubiger, welcher sich gegen Ausfälle im Insolvenzverfahren bei Dritten abgesichert hat, sodass das wirtschaftliche Risiko nicht mehr der Gläubiger, sondern ein Dritter trägt.3317 Der Planersteller kann diese Interessenlage bei der Gruppen3310
Ehricke, NZI 2000, 57, 59. Groh, Stimmvereinbarungen, S. 195 f. 3312 Vgl. dazu gleich unten bei Fn. 3326 ff. 3313 Schulz, Treuepflichten, S. 169 ff. (Rn. 534 ff.). 3314 Grünewald, Mehrheitsherrschaft, S. 201. 3315 Koa, Gläubiger ohne Risiko, S. 164 f. (obwohl Koa die Argumente gegen Treuepflichten im Ergebnis als nicht tragfähig erachtet). 3316 Koa, Gläubiger ohne Risiko, S. 193 ff. 3317 Vgl. Koa, Gläubiger ohne Risiko, S. 15 [„Innovationen auf dem Finanzmarkt stellen diese Prämisse, die der Gesetzgeber (scheinbar) für selbstverständlich erachtet hat, jedoch infrage. Insbesondere Kreditderivate ermöglichen es, rechtliche Inhaberschaft und wirt3311
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bildung berücksichtigen, muss es aber nicht.3318 Wird ein Empty Creditor allerdings trotzdem mit übrigen Gläubigern gruppiert, wäre die Treuepflichtkontrolle für die Minderheitsgläubiger hier ein geeignetes Mittel, die Abstimmung nuanciert prüfen zu lassen. In diese Richtung geht es auch, wenn auf §§ 250, 251 InsO3319 und damit auf §§ 63 und 64 StaRUG verwiesen wird. Schließlich hilft nur die Treuepflichtkontrolle in den immer häufiger auftretenden Fällen, in denen ein Gläubiger mehrere Forderungen in verschiedenen Klassen hält und seine Stimme aufgrund von Interessengegensätzen möglicherweise das Abstimmungsergebnis in einer Gruppe erheblich verfälschen würde.3320 Auch Lock-ups können dazu führen, dass einzelne Gläubiger Sonderinteressen verfolgen und dadurch Abstimmungsergebnisse verfälscht werden. Eine flexible Kontrollmöglichkeit scheint hier einer Prüfung anhand von strengen Verteilungsregeln überlegen, weil nicht jede Ungleichbehandlung dazu führt, dass der Abstimmende konträre Interessen gegenüber den übrigen Klassenmitgliedern verfolgt.3321
D. Beispiele zum Inhalt I. Einleitung Nachdem festgestellt worden ist, dass es sowohl unter der InsO als auch unter dem StaRUG dogmatische Ansatzpunkte für Treuepflichten eines Schlüsselgläubigers gibt, muss der Inhalt einer solchen Pflicht in einem nächsten Schritt konkretisiert werden. Hierbei kann insbesondere auf die Arbeit von Eidenmüller zurückgegriffen werden, welcher für die außergerichtliche Sanierung verschiedene Pflichten her-
schaftliches Interesse zu trennen. Wer also Gläubiger ist, kann sich durch den Erwerb von Kreditderivaten des wirtschaftlichen Risikos seiner Forderung entledigen, ohne die rechtliche Stellung mit allen Rechten und Pflichten einzubüßen. Zurück bleibt ein Gläubiger ohne Risiko – ein Empty Creditor.“]. 3318 Zu pauschal daher: Koa, Gläubiger ohne Risiko, S. 193. 3319 Koa, Gläubiger ohne Risiko, S. 194. 3320 Vgl. zum Problem des conflicted voting: Paterson, Corporate Reorganization, S. 92 („Today, financial creditors may have very different objectives for the reorganization, depending on which part of the capital structure they are invested in, and their overall strategy for the trade. This leads to the problem of conflicted voting, in which financial creditors are not voting on the basis of the investment decision for the particular debt security or loan. Rather, the financial creditors are motivated by another position which they have in the debtor’s capital structure […].“). 3321 Vgl. Paterson, Corporate Reorganization, S. 104 („Thus, the approach of the English courts reflects the approach recommended by Bratton and Levitin […]. It does this by focusing on whether individual preferences may make the views of the majority suspect, rather than more dramatic methods of minority protection […].“).
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Kap. 6: Position der Schlüsselgläubiger
ausgearbeitet hat.3322 Diese sollen teilweise auch innerhalb des gerichtlich überwachten Verfahrens Anwendung finden.3323 Zu beachten ist allerdings, dass die Pflichten im gerichtlich überwachten Verfahren möglicherweise einen anderen oder einen modifizierten Inhalt haben.3324 Berücksichtigt werden muss insbesondere dass bei außergerichtlichen Sanierungen das Einstimmigkeitsprinzip gilt und Kooperationspflichten daher insbesondere zur Disziplinierung eines Akkordstörers fruchtbar gemacht werden können. Weil innerhalb des gesetzlichen Verfahrens das Mehrheitsprinzip gilt, dürfte der Fokus hier auch auf der Disziplinierung der Schlüsselgläubiger und ihrer Verhandlungsmacht liegen. II. Pflicht zur fairen Verhandlung? Nach Eidenmüller ist für die InsO „kaum zweifelhaft“, dass bei der Ausarbeitung und Verhandlung eines Insolvenzplans eine „Pflicht zur fairen Verhandlungsführung“ gilt. Dies gilt bei der außergerichtlichen Restrukturierungsverhandlung3325, nach einem Insolvenzantrag3326 und auch im eröffneten Insolvenzverfahren3327. Zu den Pflichten fairer Verhandlungsführung zählt Eidenmüller u. a. ein Verbot von Täuschung und Drohung, eine Pflicht, Interessenkollisionen und komplexe Interessenlagen den Verhandlungspartnern zu offenbaren, eine Vertraulichkeitspflicht und ein Verbot der Selbstbindung.3328 Nach hier vertretener Auffassung sollten diese Pflichten auch im StaRUG-Verfahren Beachtung finden. Sie können auch im Zusammenhang mit dem Abschluss eines RSA relevant werden. III. Pflicht zur Einbeziehung der betroffenen Gläubiger in die Restrukturierungsverhandlung? Beim Einsatz von RSA wird kritisiert, dass diese anfangs immer häufiger nur mit wenigen Schlüsselgläubigern ausgehandelt werden und nicht alle Gläubiger in die Verhandlungen mit einbezogen werden.3329 Es wurde gerade als Strategie der Ad Hoc Committees klassifiziert, bei den Verhandlungen für ein RSA Einfluss so auszuüben, dass die Vereinbarung den übrigen Gläubigern als vollendete Tatsache (fait ac3322
Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 707 ff. Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 853 ff., insbesondere S. 855 (Es kann „im Grundsatz nicht zweifelhaft sein, daß auch Kooperationspflichten nach diesem Zeitpunkt [nach Beantragung bzw. Eröffnung des Insolvenzverfahrens] fortbestehen und nicht einfach erlöschen.“). 3324 Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 855. 3325 Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 709 ff. 3326 Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 856 f. 3327 Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 881 f. 3328 Eidenmüller, Unternehmenssanierung. S. 709 ff. 3329 Vgl. dazu oben bei Fn. 39 ff.; 347 ff. 3323
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compli) präsentiert wird, ohne sie zuvor einbeziehen zu müssen.3330 Hier könnte aus der o. g. Treuepflicht abgeleitet werden, dass die Schlüsselgläubiger auch andere Gläubiger oder jedenfalls einige Repräsentanten in die Verhandlungen einbeziehen müssen. Dieser Gedanke würde auch damit harmonieren, dass nach dem oben Gesagten eine unlautere Herbeiführung des Restrukturierungsplans durch die Schuldnerin vorliegen kann, wenn sie die planbetroffenen Gläubiger überrumpelt und nicht in die Planverhandlungen einbezieht. Diese Pflicht passt auch zur Vorstellung3331, dass im Rahmen von Verhandlungen und privatautonomen Austauschprozessen das bestmögliche Konzept für eine Restrukturierung gefunden werden soll. Über die Treuepflicht kann dieser Aspekt nun auch für die Schlüsselgläubiger fruchtbar gemacht werden. IV. Keine relevanten Sonderinteressen bei der Abstimmung Schließlich kann noch überlegt werden, dass es treuwidrig wäre, wenn ein Schlüsselgläubiger im Rahmen der Abstimmung Sonderinteressen verfolgt. Hierbei ist es möglich, sich an ein Prüfungsschema der englischen Gerichte anzulehnen: Dort wird bei der Planbestätigung u. a. geprüft, ob die Klassen bei der Abstimmung fair repräsentiert wurden und ob die Mehrheit die Minderheit in einen Plan gezwängt hat, um eigennützige Interessen der Mehrheit durchzusetzen.3332 Weiter wird geprüft, ob die für den Plan stimmende Mehrheit der Gläubiger innerhalb der Klasse bei der Abstimmung ein Sonderinteresse verfolgt hat, welches sich vom Interesse der anderen Gruppenmitglieder unterscheidet und jene überstimmten Gruppenmitglieder negativ beeinträchtigt.3333 Dies kann dazu führen, dass die Stimmen der Mehrheitsgläubiger nicht gewertet werden oder ihnen weniger Gewicht zugesprochen wird.3334 Sonderinteressen könnten nach diesem Test dann vorliegen, wenn Gläubiger mehrerer Klassen untereinander vertraglich verbunden sind,3335 wenn ein Gläubiger Forderungen in verschiedenen Klassen hält (cross-holdings), wenn Gläubiger ein Restructuring-Support Agreement (Stimmbindungsvereinbarung) abgeschlossen haben oder wenn Gläubiger eine Zustimmungs-Gebühr (Consent-Fee) erhalten,
3330
Vgl. dazu oben bei Fn. 81 ff. Vgl. dazu oben bei Fn. 799 ff. 3332 Re Telewest Communications plc (No. 2), [2005] 1 BCLC 772 (Rn. 20) mit Verweis auf Re National Bank Ltd, [1966] 1 WLR 819. 3333 Zum folgenden: Re Lehman Brothers International (Europe), [2018] EWHC 1980 (Ch) (Rn. 88 ff.). 3334 Re Lehman Brothers International (Europe), [2018] EWHC 1980 (Ch) (Rn. 88); Re Noble Group Limited [2018] EWHC 3092 (Ch) (Rn. 51). 3335 Re Lehman Brothers International (Europe), [2018] EWHC 1980 (Ch) (Rn. 113 ff.); (Durch ein „joint venture agreement“ wurde ein „Recovery Pool“ gebildet, sodass die SeniorGläubiger an den Erlösen der Subordinated Creditors partizipieren konnten). 3331
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welche den anderen Gläubigern nicht zugesprochen wird.3336 Lock-up Agreements würden hier dazu führen können, dass der Mehrheitsentscheidung nicht vertraut würde.3337 Alleine dass ein bestimmter Gläubiger Sonderinteressen hat, reicht allerdings nicht aus, seine Stimmen anders zu gewichten oder als unzulässig zu werten.3338 Die erste zusätzliche Voraussetzung ist, dass das Sonderinteresse die Interessen der anderen Gruppenangehörigen beeinträchtigt hat oder ihnen entgegensteht (clash of interests). Wenn das Sonderinteresse jedoch mit den Interessen der Minderheit vereinbar ist, ist es unschädlich. Die Gerichte vertreten mehrheitlich, dass ein konträres Sonderinteresse einer Planbestätigung nur dann entgegenstehen kann, wenn es der einzige Grund dafür war, dass der Gläubiger für den Plan gestimmt hat.3339 Wenn es aber lediglich einen zusätzlichen Grund dafür dargestellt hat, dass vom Gläubiger für das Scheme votiert wurde, gilt das Sonderinteresse als unschädlich. Zur Beantwortung der Frage, ob ein Sonderinteresse entscheidend für die Abstimmung war, ist von Bedeutung, ob andere Gläubiger, die kein Sonderinteresse verfolgt haben, ebenfalls für den Plan gestimmt haben.3340
E. Geltendmachung? Schließlich bleibt die Frage zu beantworten, wie ein Verstoß gegen die Treuepflicht im StaRUG-Verfahren geltend gemacht werden kann. Da es im StaRUGVerfahren keine Eröffnungsentscheidung des Gerichts gibt, scheidet die Berücksichtigung der Treuepflicht bei Anzeige der Restrukturierungssache aus. Die Treuepflichtverletzung könnte allerdings im Rahmen der Planbestätigung nach § 60, 63 StaRUG berücksichtigt werden.3341
3336 Vgl. zu diesen Bedenken: Re Lehman Brothers International (Europe), [2018] EWHC 1980 (Ch) (Rn. 78 ff.) (Aufzählung im Rahmen der Kontrolle der Gruppenbildung) und (Rn. 85 ff.) (Treuepflichtkontrolle). 3337 Vgl. Re Sunbird Business Services Ltd, [2020] EWHC 2493 (Ch) = 2020 WL 05633841 (Rn. 115) („Questions may well arise […] as to the reliability of a majority vote comprising creditors in receipt of a lock-up fee and those who have not qualified to receive it.“). 3338 Re Lehman Brothers International (Europe), [2018] EWHC 1980 (Ch) (Rn. 89). 3339 Re Lehman Brothers International (Europe), [2018] EWHC 1980 (Ch) (Rn. 89 ff.); Re Noble Group Limited, [2018] EWHC 3092 (Ch) (Rn. 51 ff.). 3340 Re Lehman Brothers International (Europe), [2018] EWHC 1980 (Ch) (Rn. 103). 3341 Zur InsO wurde ebenfalls schon angedacht, ob man eine Verletzung der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht im Rahmen der Parallelvorschrift zu § 63 StaRUG, § 250 Nr. 1 und Nr. 2 InsO berücksichtigen kann, Spliedt, ZInsO 2013, 2155, 2156 f.
§ 4 Zwischenergebnis
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F. Zwischenergebnis RSA stellen demnach kein Mittel dar, um Gläubiger von den Restrukturierungsverhandlungen von vorneherein auszuschließen. Dies würde gegen die Treuepflicht der Schlüsselgläubiger verstoßen und zu einer Versagung der Planbestätigung führen.
§ 4 Zwischenergebnis Wenn die Schlüsselgläubiger mit dem Vorstand ein RSAvereinbaren, drohen ihnen keine erheblichen Nachteile im Restrukturierungsverfahren. Ihre Forderungen dürften nicht subordiniert werden. Sie unterliegen auch keinem Stimmverbot. Insoweit stellt ein RSA ein taugliches Mittel dar, um die Annahme des Restrukturierungsplans zu organisieren. Allerdings dürften die Schlüsselgläubiger verpflichtet sein, das Restrukturierungskonzept auch mit Repräsentanten der übrigen Gläubigerklassen zu verhandeln.
Kapitel 7
Thesenförmige Zusammenfassung Kapitel 1 bis 3 1. RSA sind Vereinbarungen zwischen der Schuldnerin und den Schlüsselgläubigern im Vorfeld einer Restrukturierung. Die Geschäftsleitung der sich in der Krise befindlichen Schuldnerin und deren Schlüsselgläubiger setzen im RSA zunächst unter Ausschluss der übrigen Beteiligten das Ziel der Restrukturierung fest, planen das anstehende Restrukturierungsverfahren, fixieren ihre später durchzuführenden Handlungen, regeln die grobe Verteilung des Vermögens unter den Betroffenen und arbeiten die neue Kapitalstruktur des Unternehmens aus. 2. Im RSA werden sog. Milestones aufgenommen. Darüber hinaus verpflichtet sich das Management der Schuldnerin, im Rahmen der Restrukturierung einen bestimmten Kurs zu verfolgen. Die Schlüsselgläubiger verpflichten sich, ihre Forderungen nur noch unter der Bedingung abzutreten, dass der Erwerber das RSA anerkennt. Sie gehen darüber hinaus Stimmbindungen ein. Im RSA werden den Schlüsselgläubigern bestimmte Gebühren und Prämien bezahlt und weitere Vorteile (z. B. Investitionsmöglichkeiten) zugesichert. Diese sind teilweise umso höher, je früher sich die Parteien einem RSA anschließen. Außerdem werden Side-Deals zwischen Gläubigerklassen, den Anteilsinhabern und dem Management vereinbart. 3. Die Vereinbarungen werden in vielerlei Hinsicht kritisiert. Junior-Gläubiger und die Anteilsinhaber werden übergangen. Sie werden vor vollendete Tatsachen gestellt. Die Abstimmung über den Restrukturierungsplan wird durch das Setzen von Anreizen unlauter beeinflusst. Die Verteilungsregeln des Gesetzes werden übergangen. Bei der Zusammenarbeit zwischen den Senior-Gläubigern und der Schuldnerin wird nicht mehr die bestmögliche Gläubigerbefriedigung forciert. Durch die Vereinbarung werden zwingende Verfahrens- und Schutzvorschriften im Rahmen eines Restrukturierungsverfahrens umgangen. 4. RSA bringen auf der anderen Seite erhebliche Vorteile mit sich. Sie helfen, die sog. Anti-Allmende-Tragödie in einer Restrukturierung zu überwinden. Sie sichern eine frühe, schnelle und stille Restrukturierung ab. Mit einem RSA können der Erfolg einer Restrukturierung und die Bestandsfähigkeit eines Unternehmens frühzeitig gesichert werden. Es wird ein Signal ausgesendet, dass das Unternehmen zukunftsträchtig ist. Ein RSA hilft der Schuldnerin, sich gegen aggres-
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sive Hedgefonds und Finanzinvestoren und vor dem zunehmenden Forderungshandel im Vorfeld einer Restrukturierung abzusichern. 5. Verschiedene Insolvenzrechtstheorien würden RSA unterschiedlich werten. Die progressive Schule steht privaten Vereinbarungen zwischen gesicherten Gläubigern und dem Management zur Organisation einer Restrukturierung skeptisch gegenüber, weil sich Insider hierbei Vorteile verschaffen können, schwache Parteien übergangen werden und die gerichtliche Aufsicht über den Restrukturierungsprozess beeinträchtigt wird. Die Creditors‘-Bargain-Theorie steht solchen Vereinbarungen kritisch gegenüber, weil die Senior-Gläubiger keinen Anreiz zur Maximierung des Unternehmenswerts haben. Die Contractualists sehen die Effizienzvorteile von Verträgen. Sie stehen RSA deshalb offen gegenüber. Allerdings dürfen noch früher geschlossene Vereinbarungen (z. B. Intercreditor Agreements) nicht umgangen werden. Bei einem Konzept, in welchem die Senior-Gläubiger die Kontrolle über eine Restrukturierung haben (Secured Creditor in Possession), wären RSA positiv zu beurteilen, weil sie die kommerzielle Realität abbilden würden. Bei einem Konzept, welches die Nachverhandlung unvollständiger Verträge in der Krise bei ausreichenden Informationen betont, wären solche RSA kritisch, mit welchen Verhandlungspartner vom Verhandlungstisch ferngehalten werden. Wird der Zweck der Restrukturierung darin gesehen, einen Suchprozess zur Auffindung der bestmöglichen Verwertung des schuldnerischen Vermögens zu initiieren, wären solche RSA kritisch, welche diesen Suchprozess behindern bzw. sabotieren. 6. Zur Einordnung des StaRUG: Das StaRUG setzt in erster Linie ein Vertragshilfemodell um und bietet der Schuldnerin Werkzeuge, mit denen das Gericht die außergerichtlichen Verhandlungen unterstützen kann. Im StaRUG geht es neben der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung auch um den Schutz der Schuldnerin und den Erhalt des Unternehmens und von Arbeitsplätzen. In der Krise soll im Wege von Verhandlungen die optimale Lösung für alle diese Interessen gefunden werden. Dabei steht das StaRUG einem erhöhten Einfluss der gesicherten Gläubiger nicht grundsätzlich entgegen. Deshalb sind RSA zwischen den Schlüsselgläubigern und dem Management zur Sicherung des Restrukturierungserfolgs im Grundsatz zulässig. Eine Grenze findet die Zulässigkeit nach hier vertretener Auffassung allerdings darin, dass der Suchprozess in der Krise nach der bestmöglichen Lösung für die Schuldnerin und ihre Stakeholder nicht unterlaufen werden darf. Vor einem Eingriff in die Rechte der Junior-Gläubiger und der Anteilsinhaber muss das Restrukturierungskonzept mit diesen verhandelt werden, um es bestmöglich ausgestalten zu können. Unter diesen Prämissen dürfte eine vertragliche Ausgestaltung des StaRUG-Verfahrens – insbesondere durch RSA – mit dem System konform sein, wenn die Beteiligungsrechte aller betroffenen Parteien nicht unterlaufen werden und gleichzeitig die Ziele des StaRUG ausgewogen verfolgt werden.
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Thesenförmige Zusammenfassung
Kapitel 4 § 1 Grenzen aus dem Aktienrecht 1. RSA werden in den USA und England regelmäßig vor der Anzeige eines Restrukturierungsverfahrens bei Gericht geschlossen. Zu diesem Zeitpunkt wären in Deutschland insbesondere die Grenzen aus dem Aktienrecht zu berücksichtigen. RSA verstoßen nicht gegen die dort normierten Vorgaben. Sie sind nicht an §§ 291 ff. AktG zu messen, weil eine konzerntypische Gefährdungslage fehlt. Es läge ohnehin auch kein verdeckter Beherrschungsvertrag vor, weil nur ein Fahrplan für eine Transaktion aufgestellt wird, Ausstiegsklauseln vereinbart werden, und die Schlüsselgläubiger keine ausreichenden Einflussmöglichkeiten haben, um ihren Willen mittels des RSA gegenüber der Schuldnerin durchzusetzen. 2. Mit dem RSA entäußert sich der Vorstand auch nicht in unzulässiger Weise seiner Leitungsmacht, sodass kein Verstoß gegen § 76 AktG gegeben ist. Die Norm gewährt einen Wertungsspielraum, welcher bei einer transaktionsbezogenen, zeitlich und sachlich begrenzten Vereinbarung nicht überschritten ist. 3. Die Hauptversammlung muss dem Abschluss eines RSA zwischen der Schuldnerin und den Schlüsselgläubigern nicht gesondert zustimmen, weil durch das RSA an sich noch kein Mediatisierungseffekt eintritt. Auch aus einer Gesamtschau oder einem Sachzusammenhang mit späteren Maßnahmen ergibt sich keine Hauptversammlungszuständigkeit für den Abschluss eines RSA, weil die späteren Maßnahmen im StaRUG nicht von der Hauptversammlung, sondern von der Versammlung der Planbetroffenen beschlossen werden. Darüber hinaus bietet das StaRUG ausreichend Schutz und muss nicht durch ein weiteres Schutzsystem ergänzt werden. 4. Allerdings stellt der Abschluss eines RSA in der Regel eine Related Party Transaction i. S. d. § 111a – c AktG dar. Die Schlüsselgläubiger sind als nahestehende Personen zu qualifizieren, weil sie maßgeblichen Einfluss auf die Schuldnerin und die Restrukturierung ausüben können. 5. Der Abschluss eines RSA zwischen der Schuldnerin und den Schlüsselgläubigern verletzt die Interessen der Aktionäre nicht unbedingt, auch wenn im RSA möglicherweise vorgehsehen wird, dass sie aus der Gesellschaft gedrängt werden. Schon vor Anzeige der Restrukturierungssache bei Gericht kann es zu einem Pflichtenumschwung kommen, wenn die Anteilsinhaber out of the money sind. Dann sind die Gläubigerinteressen für die Geschäftsleitung maßgebend. 6. Ein RSA zwischen den Schlüsselgläubigern und dem Management würde nur wenig nutzen, wenn die Hauptversammlung dem Start eines StaRUG-Verfahrens zustimmen müsste. Dies ist allerdings gerade nicht der Fall. Die Anzeige des StaRUG-Verfahrens hat auf die Gesellschaft keine tiefgreifenden Auswirkungen. Insbesondere der Shift of Duties kann schon vor der Anzeige eintreten. Die
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Hauptversammlung wird auch nicht entmachtet. Sie kann bis zur Bestätigungsentscheidung des Gerichts die drohende Zahlungsunfähigkeit beseitigen. Wenn die Anteilsinhaber überzeugt sind, dass der Unternehmenswert so hoch ist, dass ihre Anteile noch in the money sind bzw. in naher Zukunft wieder sein werden, müssen sie diese Option auch ziehen. Wollen sie diese Option nicht wahrnehmen, sind sie wohl selbst nicht davon überzeugt, dass ihre Anteile noch werthaltig sind. Dass sie dann dennoch – auf Kosten der Gläubiger – am Unternehmensträger beteiligt bleiben bzw. eine Option erhalten, an der Restrukturierung des Unternehmens mitzuwirken, würde gegen die absolute Vorrangregel verstoßen. Gegen einen Zustimmungsvorbehalt der Hauptversammlung für die Anzeige der Restrukturierungssache sprechen auch der Pflichtenumschwung, die mangelnde Praktikabilität und der Zweck des StaRUG, Blockadepositionen zu verhindern. § 2 Sicherung der Verhandlungsergebnisse durch Abtretungsverbote 1. Ein RSA stellt ein wichtiges Hilfsmittel für die Schuldnerin dafür dar, sich gegen den zunehmenden Forderungshandel im Vorfeld einer Restrukturierung zu schützen, das Verhandlungsumfeld zu stabilisieren und gefundene Verhandlungsergebnisse abzusichern. § 354a Abs. 1 HGB steht der Vereinbarung eines Abtretungsverbots mit Kreditinstituten nach § 354a Abs. 2 HGB nicht entgegen. Die Norm ist auf andere professionelle Finanzinvestoren analog anzuwenden. Sollen Kredite durch Vertragsübernahmen veräußert werden, müsste die Schuldnerin trotz entgegenstehender AGB im Kreditvertrag nach Abschluss des RSA der Vertragsübernahme zustimmen. Sollen Forderungen oder Kreditverträge mit Hilfe des UmwG übertragen werden, wird die Schuldnerin zum einen durch die spaltungsrechtliche Transferhaftung geschützt. Zum anderen kann sie im RSA schuldrechtlich explizit vereinbaren, dass eine solche Transaktion unterbleiben soll. 2. Mit wichtigen Aktionären kann schuldrechtlich ebenfalls vereinbart werden, dass diese ihre Aktien während der Restrukturierung nicht mehr veräußern. § 3 Hürden und Grenzen für RSA aus dem StaRUG 1.
Mit RSA können geschriebene und ungeschriebene prozedurale Regeln im Rahmen des StaRUG-Verfahrens umgangen werden.
2.
Die prozeduralen Anforderungen im StaRUG an einen Restrukturierungsplan und die Abstimmung der Planbetroffenen über den Plan sind von großer Bedeutung, weil sie den Plan und den Eingriff in die Rechtspositionen der planbetroffenen Parteien legitimieren. Sowohl die notwendigen Mehrheiten als auch die prozeduralen Anforderungen können dem Einsatz und der Brauchbarkeit von RSA entgegenstehen.
3.
Die Mehrheitserfordernisse im StaRUG stellen keine Hürde für den Einsatz eines RSA dar. Über den Plan wird nur noch in Gruppen abgestimmt. Die Gruppenmehrheit als notwendige Voraussetzung für einen gruppenübergreifenden Cramdown kann von der Schuldnerin nach Aushandlung des RSA mit
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Thesenförmige Zusammenfassung
den Schlüsselgläubigern durch die Auswahl der Planbetroffenen und durch die Einteilung der Gruppen in gewissem Umfang gesteuert werden. Forderungen der Tochtergesellschaften gegen die Schuldnerin erhalten ebenfalls Stimmrechte. Wenn die Schlüsselgläubiger mit den Anteilsinhabern kooperieren, erscheint eine Mehrheit häufig sicher, weil die Stimmen der Gruppen der Anteilinhaber, der Gesellschafterdarlehen und der Forderungen im Rang des § 39 Abs. 2 InsO bei der Frage der Gruppenmehrheit mitgezählt werden. Eine Überstimmung der Anteilsinhaber dürfte wegen ihrer Stimmmacht erschwert sein und eine gewisse Hürde für RSA und die Zusammenarbeit zwischen dem Management und den Schlüsselgläubigern darstellen. 4.
Die Schuldnerin kann auch solche Gläubiger in das StaRUG-Verfahren einbeziehen, die bei Aushandlung des RSA noch nicht beteiligt worden sind. Gläubiger, welche das RSA unterzeichnet haben, und die übrigen Gläubiger dürfen auch in derselben Gruppe zusammengefasst werden.
5.
Indem die Schuldnerin den Parteien, welche das RSA aushandeln oder ihm später beitreten, bestimmte Gebühren und Prämien bezahlt oder günstige Investitionsmöglichkeiten gewährt, greift sie nicht in die Kompetenz der Planbetroffenen ein, unbeeinflusst über den Plan abzustimmen. Das StaRUG-Verfahren sieht gerade keine unbeeinflusste Abstimmung vor. „The Baseline is not neutral“.
6.
Obwohl mit einem RSA der spätere Restrukturierungsplan schon vor Anzeige des StaRUG-Verfahrens in groben Zügen ausgearbeitet wurde, werden mit dem RSA die Kompetenzen des Restrukturierungsbeauftragten nicht umgangen. Nach dem StaRUG muss dieser nicht von Anfang an in die Verhandlungen über den Restrukturierungsplan einbezogen werden.
7.
Ein RSA ist nicht deshalb unwirksam, weil sich die Gläubiger darin einer Stimmbindung zugunsten der Schuldnerin unterwerfen. § 136 Abs. 2 AktG ist nicht analog auf Gläubiger anwendbar. Außerdem wäre der Tatbestand der Norm nicht erfüllt, wenn konkrete Abstimmungsgegenstände vorlägen. In einer Restrukturierungssituation kann ein Verstoß gegen § 136 Abs. 2 AktG außerdem gerechtfertigt sein.
8.
Verpflichten sich die Gläubiger im RSA, für einen später vorgeschlagenen Plan zu stimmen, könnte dies einer verfrühten Stimmabgabe gleichkommen und insgesamt gegen die vorgegebene Abstimmungsprozedur verstoßen. Der darstellende Teil des StaRUG-Plans, welcher die Gläubiger vor der Abstimmung ausreichend informieren soll, die Fristen, welche den Gläubigern Bedenkzeit geben sollen, und der Erörterungstermin, welcher eine Verhandlung des Plans und eine informierte Abstimmung der Parteien sichern möchte, könnten ihre Schutzwirkungen verlieren. Die Beteiligungsrechte der übergangenen Gläubiger könnten entwertet werden. Das RSA erschwert es ihnen, die schon durch das RSA gebundenen Gläubiger von anderen – besseren – Alternativen zu überzeugen. Um diesen Bedenken zu begegnen, entfällt nach hier vertretener An-
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sicht die Stimmbindung der Parteien, wenn sich im Erörterungstermin bessere Planlösungen ergeben. Dogmatische Grundlage ist eine analoge Anwendung des § 21 Abs. 4 Satz 2 StaRUG. 9.
Gegen Gentleman Agreements zwischen den Schlüsselgläubigern und der Schuldnerin und gegen das Schaffen vollendeter Tatsachen hilft es nicht weiter, wenn die Stimmbindung im RSA entfällt. Voraussetzung für eine Bestätigung des StaRUG-Plans ist deshalb, dass die betroffenen Parteien, oder jedenfalls Repräsentanten, frühzeitig in die Planverhandlungen einbezogen werden. Dies folgt daraus, dass das StaRUG ein bloßes Vertragshilfeverfahren darstellt. Es baut auf Verhandlungen auf. Die Richtigkeitsgewähr des StaRUG-Plans beruht auf dem prozeduralen Abreiben gegenseitiger Interessen bzw. auf dem Verhandlungsprozess und der aktiven Teilnahme der planbetroffenen Gläubiger an den Restrukturierungsverhandlungen. Es handelt sich um eine ungeschriebene Voraussetzung. Dogmatische Grundlagen für die gerichtliche Prüfung sind § 63 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 4 StaRUG.
10. Das Management verstößt nach hier vertretener Auffassung nicht gegen seine Pflichten, wenn es mit den Schlüsselgläubigern nach ausreichenden Verhandlungen ein RSA abschließt. Das Management muss beim Betreiben der Restrukturierungssache die Interessen der Gesamtheit der Gläubiger wahren (§§ 32 Abs. 1, 43 Abs. 1 StaRUG). Ein Verstoß hiergegen kann zur Aufhebung der Restrukturierungssache oder zur Versagung der Planbestätigung führen. Bei der Restrukturierungsverhandlung darf das Management interessengetrieben agieren und muss sich bei mehreren denkbaren Restrukturierungskonzepten – auch bei Fragen des künftigen Aktionärskreises – nicht neutral verhalten (kein Neutralitätsgebot). Inhaltlich umfasst das Interesse der Gesamtheit der Gläubiger nicht nur das Ziel der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung. Auch die Interessen der Arbeitnehmer, der nicht einbezogenen Gläubiger und – sofern dies auch dem Interesse der Gläubiger dient – das Interesse an der langfristigen Rentabilität und am Erhalt der Schuldnerin sind umfasst. Das Management hat ein gewisses Ermessen, wie das Gesamtgläubigerinteresse zu konkretisieren ist. Deshalb kann ein RSA mit den Senior-Gläubigern, welches früh, schnell und still zur Sanierung des Unternehmens führt, gerechtfertigt sein, auch wenn bei der bestmöglichen Befriedigung der planbetroffenen Gläubiger, insbesondere der Junior-Gläubiger, Abstriche gemacht werden. Prozedural hat die Geschäftsleitung die – aus der Business Judgment Rule bzw. der Sorgfaltspflicht abgeleitete – Pflicht, ihre Entscheidungen auf angemessener Informationsgrundlage zu treffen. Dies setzt ausreichende Verhandlungen mit den Gläubigerklassen voraus. Daher darf das Management sich nicht zu früh verbindlich festlegen. Das Management darf die Interessen der Gläubiger, die ihre Belange selbst verfolgen und in die Verhandlungen einbringen können, weniger stark gewichten. Auch die Interessen der Gläubiger, die out of the money sind, können weniger stark gewichtet werden.
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§ 4 Verstoß gegen die bestehenden Finanzierungsverträge 1. Wenn die Schuldnerin mit den Junior-Gläubigern in der Krise ein RSA schließen möchte, um die Senior-Gläubiger im StaRUG-Verfahren zu überstimmen, könnte dies gegen die bestehenden Finanzierungsverträge mit den Senior-Gläubigern verstoßen. 2. Die gesicherten Gläubiger können im StaRUG-Verfahren überstimmt werden. Ihre Rechte können gestaltet werden. Weder das Schlechterstellungsverbot noch die absolute Vorrangregel gewähren einen absoluten Schutz. Insbesondere eine längere Stundung gegen eine marktübliche Verzinsung erscheint möglich. Die Senior-Gläubiger könnten versuchen, sich durch vertragliche Abreden mit der Schuldnerin und mit den Junior-Gläubigern vor diesem Szenario zu schützen. Diese Vereinbarungen könnten späteren RSA mit den Junior-Gläubigern entgegenstehen. 3. Eine Vereinbarung mit der Schuldnerin, wonach diese freiwillig kein StaRUGVerfahren gegen den Willen der Senior-Gläubiger initiieren darf (Bad Boy Agreement), ist unwirksam. Es liegt ein Vertrag zu Lasten der Junior-Gläubiger, der Anteilsinhaber und der übrigen Stakeholder vor. 4. In Intercreditor Agreements übertragen die Junior-Gläubiger den Senior-Gläubigern häufig ihr Stimmrecht in Bezug auf das künftige Restrukturierungsverfahren. Sie könnten ex ante möglicherweise auch auf Teilnahmerechte im StaRUG Verfahren oder auf Minderheiten- und Klagerechte verzichten. Diese Vereinbarungen sind bedenklich, weil sie den Suchprozess in der Restrukturierung unterlaufen. Junior-Gläubiger werden vom Verhandlungstisch ferngehalten. Völlig unbeteiligte Gläubiger und die Schuldnerin verlieren in der Krise mögliche Koalitionspartner, um gegen die Senior-Gläubiger anzukämpfen. Die disziplinierende Wirkung der Minderheitenrechte der Junior-Gläubiger entfällt. Das Stimmrecht wird von der Forderung abgekoppelt. Senior-Gläubiger würden Stimmrechte in Forderungsklassen erhalten, in denen sie überhaupt kein wirtschaftliches Interesse haben. 5. Sowohl der abstrakte Verzicht auf Kontroll- und Minderheitenrechte als auch die Übertragung solcher Rechte an die Senior-Gläubiger ist deshalb unzulässig. Stimmbindungen können möglich sein, allerdings entfallen sie, sobald in der Krise, ex post, ein für alle Beteiligten besserer Deal präsentiert wird. Die SeniorGläubiger sind über die Vorgaben der absoluten Vorrangregel und über das Schlechterstellungsverbot ausreichend geschützt. 6. Bei Verträgen zwischen den Senior Gläubigern und den Anteilsinhabern gelten dieselben Grundsätze. 7. Die bestehenden Finanzierungsverträge schließen damit RSA mit den JuniorGläubigern nicht zwingend aus.
Kapitel 5
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Kapitel 5 § 1 Gleichbehandlungsgrundsatz 1. In einem RSA gewährt die Schuldnerin den Gläubigern häufig bestimmte Prämien, Gebühren oder günstige Investitionsmöglichkeiten. Außerdem werden Side-Deals zwischen den Planbetroffenen untereinander und mit dem Management vereinbart. Diese Deals verstoßen nicht zwangsläufig gegen die Verteilungsregeln des StaRUG und führen nicht zwingend zur Versagung der Planbestätigung. 2. Die Verteilungsregeln im StaRUG (Gleichbehandlungsgrundsatz und absolute Vorrangregel) schränken die Privatautonomie zwischen der Schuldnerin und den Planbetroffenen auf der einen Seite und zwischen den Planbetroffenen untereinander ein. Sie stellen (versteckte) Regulierungsinstrumente dar. Weil ein Plan im Zweifel ohnehin nur bestätigt werden darf, wenn kein Planbetroffener schlechtersteht als im nächstbesten Alternativ-Szenario, sind die übrigen Verteilungsregeln einschränkend auszulegen. Überflüssige Blockademöglichkeiten sollen vermieden werden. Das Mehrheitsprinzip wird schon durch das Schlechterstellungsverbot gerechtfertigt. Insgesamt entsteht so Raum für privatautonome Vereinbarungen. Dieser kann mit Vereinbarungen im RSA gefüllt werden, um optimale Ergebnisse erzielen zu können. 3. Der Grundsatz, dass innerhalb einer Gruppe alle Forderungen gleichzubehandeln sind, hindert den Abschluss eines RSA nicht. Die Frage der Gleichbehandlung ist wirtschaftlich zu betrachten. Es geht nur um die Verteilung der Masse. Fragen des operativen Geschäfts und Entscheidungen zur Erzeugung der Masse werden anhand der Business Judgment Rule und nicht anhand des Gleichbehandlungsgrundsatzes gemessen. Deshalb können z. B. die Vertragsparteien des RSA als künftige Investoren oder Lieferanten ausgesucht werden. Es sind nur Forderungen der Klasse, nicht Gläubiger per se gleichzubehandeln. Eine Gleichbehandlung muss nur angeboten werden, weshalb eine Beitrittsprämie zu einem RSA, welche allen Gläubigern angeboten wurde, zulässig ist. Unter Umständen können Ungleichbehandlungen auch gerechtfertigt werden. Nur die Schuldnerin ist an den Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden, nicht aber Gläubiger bei Vereinbarungen untereinander, sodass Side-Deals zwischen Planbetroffenen nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen. § 2 Absolute Vorrangregel 1. Im RSA wird häufig vereinbart, dass die Senior-Gläubiger zugunsten der Anteilsinhaber auf einen Teil ihrer Quote verzichten. Dies wird als gifting bezeichnet und könnte gegen die absolute Vorrangregel verstoßen, weil die Anteilsinhaber einen Wert erhalten, bevor vorrangige Gläubiger vollständig befriedigt sind. Auf der anderen Seite sind die übergangenen Gläubiger gar nicht negativ betroffen, weil das gift de facto aus dem Vermögen der Senior-Gläubiger stammt.
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2. In den USA sind diese Transaktionen verboten. In England sind sie zulässig. In Deutschland ist das Meinungsbild gespalten. Die besseren Gründe sprechen für die Zulässigkeit. Die Schlüsselgläubiger können mit ihrem Vermögen machen, was sie wollen. Nur die Schuldnerin wird bei der Verteilung der Masse durch die absolute Vorrangregel gebunden. 3. Historisch gesehen sollte die absolute Vorrangregel die schwachen Gläubiger schützen. Durch gift-Transaktionen werden diese Gläubiger in modernen Restrukturierungen nicht geschädigt. Im teilkollektiven Verfahren, insbesondere in reinen finanziellen Restrukturierungen, bleiben die Rechte der „kleinen“, schwächeren Gläubiger regelmäßig unangetastet. 4. Ökonomisch gesehen würde ein Verbot von gifting einer Gläubigerklasse ein Veto-Recht für eine Transaktion einräumen, obwohl sie gar nicht negativ davon betroffen ist. Wenn gifting zugelassen wird, dürfte dies auch keine negativen Anreize auf das Management haben. Es wird kein Anreiz für ein risikoreiches Handeln geschaffen, weil die Schlüsselgläubiger darüber entscheiden, ob das gift schlussendlich gewährt wird oder nicht. 5. Ein Verbot von gifting ist auch nicht notwendig, um eine faire Restrukturierungsverhandlung zu sichern. Diese kann schon durch weniger einschränkende Maßnahmen gesichert werden, z. B. durch Teilnahmerechte an der Restrukturierungsverhandlung oder durch eine transparente Vergleichsrechnung. § 3 Unzulässiges Sonderabkommen 1. Ein RSA ist nach § 10 Abs. 3 StaRUG ein unzulässiges Sonderabkommen, wenn es zwischen der Schuldnerin und einzelnen Planbetroffenen geschlossen ist und letzteren für ihr Verhalten bei der Abstimmung oder sonst im Zusammenhang mit dem Restrukturierungsverfahren einen nicht im Plan vorgesehener Vorteil gewährt. Wird das RSA ausschließlich im Hinblick auf eine rein außergerichtliche Restrukturierung geschlossen, entfällt der zeitliche Zusammenhang, auch wenn später ein StaRUG-Verfahren begonnen wird. § 10 Abs. 3 StaRUG ist im Zusammenhang mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz zu lesen. Das Sonderabkommen muss also im Zusammenhang mit der Verteilung des schuldnerischen Vermögens stehen, nicht im Zusammenhang mit seiner Erwirtschaftung. Deshalb werden neue Finanzierungsverträge oder neue Lieferverträge nicht anhand von § 10 Abs. 3 StaRUG gemessen. Der Begriff des Vorteils setzt eine Wertung voraus. Ein Vorteil kann durch Gegenleistungen der Schlüsselgläubiger neutralisiert werden. Hierzu zählen z. B. Zusagen der Schlüsselgläubiger, ihre Forderungen nicht mehr abzutreten oder an der Ausarbeitung des Plans mitzuwirken. Ein Vorteil liegt auch nicht vor, wenn die Leistung allen Planbetroffenen der jeweiligen Gruppe angeboten wird, weshalb Beitrittsprämien zu einem RSA nicht gegen § 10 Abs. 3 StaRUG verstoßen. 2. Vereinbarungen zwischen Planbetroffenen sind nach dem Wortlaut der Norm nicht umfasst. Eine analoge Anwendung ist nicht geboten, weil die Privatauto-
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nomie beschränkt würde, obwohl der Plan ohnehin niemanden schlechterstellen darf als im nächstbesten Alternativszenario. § 4 Unlautere Herbeiführung der Annahme des Restrukturierungsplans 1. Es stellt in der Regel keine unlautere Herbeiführung der Annahme des Restrukturierungsplans dar, wenn das StaRUG-Verfahren mittels RSA organisiert wird. 2. Bei Vereinbarungen zwischen der Schuldnerin und den Schlüsselgläubigern gilt das zu § 10 Abs. 3 StaRUG Gesagte entsprechend. Gegenleistungen der Schlüsselgläubiger können eine Begünstigung ausschließen. Vorteile, welche allen Planbetroffenen angeboten werden, stellen keine Begünstigung und keinen Stimmenkauf dar. In diesen Grenzen ist sowohl die Übernahme von Gebühren als auch die Bezahlung einer Prämie zulässig. 3. Vereinbarungen zwischen Gläubigern können zwar im Grundsatz eine unlautere Herbeiführung der Planannahme bewirken. Auch hier sind Gegenleistungen der Empfänger zu berücksichtigen. Ein Abkauf von Blockadepositionen ist nicht per se unlauter. Sofern die Position ohnehin durch einen gruppenübergreifenden Cramdown überwunden werden kann, könnte auch hierauf zurückgegriffen werden. Kann eine Position nicht durch gruppenübergreifenden Cramdown überwunden werden, hat sie offensichtlich einen vom Gesetzgeber gewollten Wert, welchen die Schlüsselgläubiger aufkaufen können. 4. Selbst wenn eine Begünstigung oder ein Stimmenkauf durch das RSA vorliegt, dürfte die Planbestätigung nur versagt werden, wenn die Begünstigung bzw. der Stimmenkauf kausal für die Planannahme war. Dies ist sorgfältig zu prüfen. § 5 Weitere Grenzen im Zusammenhang mit Fees Die Schuldnerin kann gewisse Gebühren der Schlüsselgläubiger im Rahmen ihres unternehmerischen Ermessens übernehmen. Dies stellt keine Form von Financial Assistance i. S. d. § 71a AktG dar. Die Übernahme ist auch nicht sittenwidrig i. S. d. § 138 BGB. § 6 Side-Deals mit dem Management? 1. Side-Deals zwischen den Schlüsselgläubigern und dem Management sind auf der einen Seite nützlich, um Anreizprobleme im Rahmen der Eigenverwaltung zu adressieren. Auf der anderen Seite sind sie höchst problematisch, weil das Management hierdurch einseitig auf die Interessen der Schlüsselgläubiger fixiert werden könnte. 2. Side-Deals mit dem Management sind am Maßstab der organschaftlichen Treuepflicht des Vorstands zu messen. 3. Der Streit, welche Zuwendungen ein Bieter einem Vorstand im Rahmen einer Übernahme zukommen lassen darf (§ 33d WpÜG), kann auf die Restrukturierung übertragen werden. Allerdings sind in der Restrukturierung strengere Maßstäbe
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an die Zulässigkeit solcher Zuwendungen anzulegen, weil das Management den Restrukturierungsplan formulieren und dabei die verschiedenen Gläubigerinteressen gegeneinander abwägen muss. Seine Aufgabe besteht auch darin, ein Gegengewicht zu den Interessen der Schlüsselgläubiger zu bilden. 4. Im Rahmen einer Abwägung ist die Zusage, den Vorstand weiterzubeschäftigen oder seinen Vertrag zu verlängern, in der Regel zulässig. Auch eine gewisse Gehaltserhöhung und bestimmte Boni können wegen der Mehrarbeit im Zusammenhang mit einer Restrukturierung gerechtfertigt sein. Unzulässig ist demgegenüber, das Management an der restrukturierten Gesellschaft vergünstigt zu beteiligten, weil das Management hierdurch einen Anreiz erhält, den Unternehmenswert nicht mehr zugunsten der übrigen nachrangigen Parteien zu steigern.
Kapitel 6 1. Den Forderungen der Schlüsselgläubiger, die das RSA aushandeln und Einfluss auf die Restrukturierung nehmen, droht im StaRUG-Verfahren keine Subordination i. S. d. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO. Die Schlüsselgläubiger sind einem Gesellschafter nicht gleichgestellt. Im Rahmen der Gesamtschau muss berücksichtigt werden, dass hier ein gläubigertypischer Einfluss vorliegt und die Mitwirkung der Schlüsselgläubiger im StaRUG notwendig ist. Die Schlüsselgläubiger haben auch keinen mit einem Gesellschafter vergleichbaren Anreiz, erhöhte Risiken einzugehen. Sie wollen das Unternehmen im Zweifel selbst übernehmen und nicht die nachrangigen Gläubiger wieder ins Geld bringen. Die Partizipation am Gewinn und das unternehmerische Risiko ist bei gesicherten Gläubigern i. d. R. minimal und durch die Höhe der Forderung gedeckelt. Im Übrigen wäre auch das Sanierungsprivileg anwendbar. 2. Den Schlüsselgläubigern droht kein Stimmverbot, weil in einem Restrukturierungsplan alle Parteien betroffen sind und damit befangen sind. 3. Die Schlüsselgläubiger, welche das RSA aushandeln, trifft allerdings eine Treuepflicht gegenüber den übrigen Gläubigern. Dogmatische Grundlage ist die Risikogemeinschaft der Gläubiger, die Einflussmöglichkeiten der Schlüsselgläubiger, das Verbot widersprüchlichen Verhaltens (wer von anderen Zugeständnisse verlangt, muss sich selbst treu verhalten) sowie ein vorvertragliches Schuldverhältnis zwischen den Gläubigern, welche durch einen Restrukturierungsplan (= privatrechtlicher Vertrag) gebunden werden. Hieraus ergeben sich bestimmte Verhandlungspflichten und ein Gebot zum fairen Verhandeln. Wird dieses beim Aushandeln des RSA verletzt, kann die Planbestätigung versagt werden.
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Ergebnis Ein RSA stellt im Rahmen der aufgezeigten Grenzen ein taugliches Mittel dafür dar, die Restrukturierung mittels StaRUG-Verfahren zu organisieren. Das StaRUG belässt den Parteien einen Spielraum, die Restrukturierung ex post, in der Krise, vertraglich mittels RSA privatautonom zu planen.
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Sachwortverzeichnis Absolute Vorrangregel – Entwicklung und Zweck 379 ff. – Erweiterte Auslegung auf Gifts? 371 ff. – Regulierung Vertragsfreiheit? 89 ff., 342 ff., 379 ff. Absonderungsrechte – Mögliche Eingriffe im StaRUG-Verfahren 316 ff. – Überstimmung gesicherter Gläubiger 235 ff. Abspaltungsverbot 328 f. Abstimmungskonzepte 231 ff. – Chapter 11-Verfahren 235 ff. – InsO 232 ff. – StaRUG 238 ff. Abtretungsverbot 215 ff. – dinglich wirkendes Abtretungsverbot 216 ff. – schuldrechtlich wirkendes Abtretungsverbot 218 f. – Vertragsübernahme 219 – Umwandlungsmaßnahmen 220 ff. Ad Hoc Committee 44 Allmende-Tragödie 104 ff. Anti-Allmende-Tragödie 107 ff. Auswahl der Planbetroffenen 243 ff. Auswahl Investoren – Beispiel In Re Innkeepers 50 – Debt-to-Equity Swap 368 ff. – Gruppenbildung 243 ff., 368 ff. – Neutralitätsgebot 292 ff. – Verletzung Gleichbehandlungsgrundsatz 352 ff. Bad Boy Agreement 319 ff. Beispielsfälle – für Gifting 371 ff. – für Pflichtenstellung der Geschäftsleitung 306 ff. – für RSA 50 ff. – für Side-Deals mit dem Management 417
– für verschiedene Planvarianten 290 – zum Konflikt zw. RSA und Intercreditor Agreements 322 Beherrschungsvertrag 134 ff. Bewertung, insolventes Unternehmen – Grundsätze 189 ff. – Interessen und Anreize 44 f. – Verhandlungsstruktur 44, 75 ff., 93 ff. Boyd-Fall 93 ff., 272, 372 f., 379 ff. Business Judgment Rule 306 ff. CIGA 102 Coercive Techniques 84 ff., 250 ff. Contractualists 119 ff. Creditors’ Bargain Theory 116 ff. Deal-Protection-Klauseln 56 ff. Deathtrap-Klausel 60 f. – Individuelle Deathtrap-Klausel 356 ff. – Traditionelle Deathtrap-Klausel 355 Debtor-in-Possession-Prinzip 262 ff. Debt-to-Equity Swap – Auswahl Investoren 368 ff. – Strategische Unternehmensbewertung 44 f. – Planung durch Schlüsselgläubiger 50 f. Deposit Agreement 90 ff. Entdeckungsverfahren 126 ff. Equity Receivership-Verfahren 87 ff. Fees/Gebühren 52 ff., 59 ff., 342 ff., 415 ff. Fehlinformationen 275 ff. Fiduciary-Out-Klausel 63 Financial Assistance 415 Finanzierungsfolgenverantwortung 440 ff. Finanzierungsverträge, – Grenze für RSA 315 ff. Finanzinvestoren – Interessen 65 f., 84 Forderungshandel 214 ff.
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Sachwortverzeichnis
Fremdfinanzierte Kapitalstruktur 42, 98 f., 115 f. Front-end-loaded-Offer 74, 85, 251
Kapitalstruktur, Überblick 42 Kompetenzübergriff 250 ff. Kontrolle durch Schlüsselgläubiger 77 ff.
Gebühren siehe Fee Gefangenen-Dilemma 74 f., 104 ff., 253 Gerrymandering 238 ff. Gesellschafterbeschluss 197 ff. Gifting-Klausel 62, 366 ff. – horizontal 366 ff. – vertikal 371 ff. Gläubigerversammlung 232 ff. Gleichbehandlungsgrundsatz – Doppelrolle 352 ff. – innerhalb der Gruppe 350 ff. – Rechtfertigung? 359 f. – Zuwendungen zwischen Gläubigern? 360 ff. – Zweck 343 ff. Golden Parachute 428 Gruppenbildung 246 ff.
Leitungsmacht 145 ff., 262 Leveraged Buyout 37, 41, 43, 97 ff.
Hauptversammlungskompetenzen 155 ff., 197 ff. Holzmüller/Gelatine 155 ff. Incentivierung – des Managements 416 ff. – der Planbetroffenen 84 ff., 250 ff. Informationsversorgung 78 f. – Bedeutung von Verfahrens- und Teilnahmerechten 228 ff. Intercreditor Agreement 315 ff., 321 ff. Interesse der Gesamtheit der Gläubiger 298 ff. – Bedeutung der Out-of-the-Money-Gläubiger 311 ff. – Bedeutung von professionellen Investoren 313 ff. – Materieller Ansatz 298 ff. – Prozeduraler Ansatz 306 ff. Investorenvereinbarung – Konflikt mit Gesellschafts- bzw. Unternehmensinteresse S. 296 ff. – Vergleich mit RSA 69 f., 82, 117, 132, 143 ff., 248 ff., 256 ff., 261 ff., 269 ff.
Management Buyout 430 ff. Management Incentivierung 416 ff. Mehrheitsbeschaffung 238 ff. Mehrheitserfordernis 231 ff. Melting Ice Cube 78 f. Milestones 58 f., 80 f., 137, 160, 262 Nachteile von RSA 77 ff Neutralitätsgebot 292 ff. New Bargaining Theory 124 ff. Organschaftliche Treuepflicht 422 ff. Out-of-the-Money-Gläubiger – Rücksichtsnahmepflicht? 311 ff. Pflichtenstellung im StaRUG-Verfahren – Bedeutung für Verteilungskonflikt 289 ff. – Neutralitätsgebot 292 ff. – materiell 298 ff. – prozedural 306 ff. – Vor Anzeige: Shift of Duties? 174 ff. Pflichtenumschwung 174 ff. Plötzliches StaRUG-Verfahren 282 f. Pre-Pack Administration in England 100 ff. Prenegotiated Plan 69 ff. Progressive Schule 111 ff. Protective Committee 91 f. Related Party Transaction 160 ff. Restrukturierungsbeauftragter 258 ff. Restrukturierungsvereinbarung 73 Sanierungsprivileg 448 ff. Scheme of Arrangement-Verfahren – historische Entwicklung 97 ff. Secured Creditor in Possession 122 ff. Shift of Duties 174 ff. Side-Deal – mit dem Management 416 ff. – zwischen Gläubigern 342 ff.
Sachwortverzeichnis Sondervorteile – durch Gläubiger 406 ff. – durch Planersteller 394 ff. Stellung der Beteiligten – Anteilsinhaber/Hauptversammlung 155 ff., 174 ff., 197 ff., 238 ff. – Schlüsselgläubiger 435 ff. Stimmbindung 263 ff., 271 ff. Stimmenkauf 408 ff. Stimmmacht der Anteilsinhaber 238 ff. Stimmverbot 452 ff. Subordination 435 ff. Treuepflichten 454 ff. Ungesicherter Gläubiger – Stellung im Verfahren 89 ff. (Chapter 11) und 97 ff. (Scheme-of-Arrangement-Verfahren) Unlautere Herbeiführung der Planannahme – Versagung der Planbestätigung bei Pflichtverletzung der Geschäftsleitung 288 ff. – Unlauterkeit wegen Side-Deals? 408 ff. Unveräußerlichkeit von Leitungsmacht 145 ff. Unzulässiges Sonderabkommen? – Allgemein 394 ff. – Begriff des Vorteils 400 ff.
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Verfahren – Bedeutung 228 ff. – Geschäftsleiterpflichten 306 ff. – siehe auch Verhandlungsstruktur Verfrühte Planannahme 267 ff. Verhandlungsprinzip 276 ff. Verhandlungsstruktur – Bedeutung 44 f. – Beeinflussung durch Intercreditor Agreement 321 ff. – Beeinflussung durch RSA 75 ff. Verteilungskonflikt 289 ff. Verteilungsregeln – Absolute Vorrangregel 371 ff. – Gleichbehandlungsgrundsatz 342 ff. – Regulierung der Vertragsfreiheit 89 ff. – Zweck 340 ff., 379 ff. Vertragsfreiheit im Restrukturierungsverfahren – Regulierung in den USA 89 ff. – Regulierung in Deutschland 133 ff. – Regulierung in England 97 ff. Vertragshilfe 127 ff. Verzicht auf Teilnahme-, Klage-, Kontrollrechte 327 ff. Vinkulierung 225 ff. Vorteile beim Einsatz von RSA 81 ff. Vorwegbindung 145 ff.