Reform statt Reformation: Die Kirchenpolitik Herzog Georgs von Sachsen 1488-1525 3161494091, 9783161494093, 9783161585784

Christoph Volkmar untersucht die Zeit der lutherischen Reformation und hinterfragt dabei drei wichtige Erzähltraditionen

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German Pages 715 [716] Year 2008

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Titel
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
I. Kritik der Forschung
1. Fürsten und Reformation
2. Alternativen zur Reformation, Alternativen zum Tridentinum? Altgläubige Kirchenreform am Beginn des 16. Jahrhunderts
3. Landesherrliche Kirchenpolitik und der Aufstieg des Territorialstaats
4. Vom langen Schatten der Reformation: Georg der Bärtige im Urteil der Nachwelt
II. Die Kirchenpolitik Herzog Georgs in neuer Perspektive
1. Ansatz und Methodischer Zugang
a) Heuristischer Ansatz: Landesherrliche Kirchenpolitik
b) Analytischer Zugriff: Kirchenpolitische Handlungsebenen
c) Methodische Verortung: Religionsgeschichte und Landesgeschichte
d) Chronologischer Zuschnitt: Spätmittelalter und Frühe Reformation
2. Leitkonzepte der Untersuchung
a) Landesherrschaft
b) Landesherrliches Kirchenregiment
c) Kirchenreform
d) Strategien der Legitimation
3. Quellen
Erster Teil. Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521)
I. Vergleichsparameter: Landesherrliche Kirchenpolitik im spätmittelalterlichen Reich
1. Globale Voraussetzungen
2. Regionale Einfl ußfaktoren
3. Kirchenpolitische Handlungsebenen
a) Kurie
b) Bischöfe und Domkapitel
c) Geistliche Gerichtsbarkeit
d) Regularklerus
e) Niederklerus
f ) Laien
4. Landesherrliche Legitimationsstrategien
II. Die wettinische Reformtradition
1. Kurie
2. Bischöfe und Domkapitel
3. Geistliche Gerichtsbarkeit
4. Regularklerus
5. Niederklerus
6. Laien
III. Herzog Georg als Kirchenpolitiker: Persönliche Voraussetzungen und fürstliche Herrschaftspraxis
1. Georg von Sachsen (1471–1539) – Eine Annäherung an die Fürstenpersönlichkeit
a) Ein Theologe auf dem Herzogsthron? Georgs geistliche Karriere und Bildung
b) Zwischen Tradition und Modernität: Georgs Frömmigkeit und geistiger Horizont
2. Patriarchalisches Fürstenregiment? Die Entscheidungsträger der Kirchenpolitik
a) Der Hofrat als Entscheidungszentrum
b) Führende Köpfe der Kirchenpolitik
c) Partner und Berater im Territorium
3. Handlungsträger der Kirchenpolitik
a) Räte und Prälaten
b) Amtleute
c) Stadträte
4. Weltliche Politik im Raum der Kirche? Sechs Thesen zur Genese der Kirchenpolitik Herzog Georgs
IV. Papsttum und Konzil
1. Romfernes Sachsen? Bedingungen sächsischer Kurienpolitik um 1500
2. Prokuratoren und Suppliken: Die praktische Gestaltung der Kurienpolitik
a) Die Prokuratoren Herzog Georgs
b) Kuriale Prokuratoren und gesandte Prokuratoren
c) Verfl echtungen und Loyalitäten: Die transalpinen Netzwerke der Prokuratoren
d) Gnade gegen Geld: Die Praxis des kurialen Geschäftsganges
e) Finanzierung: Abwälzung der Kosten auf lokale Obrigkeiten
3. Das Themenspektrum der Kurienpolitik
4. Hoffnung auf Kirchenreform. Das Fünfte Laterankonzil
5. Das Ende einer Allianz: Ergebnisse und Grenzen der Kurienpolitik Herzog Georgs
V. Kaiser und Reich
1. Die Aktivierung von Kaiser und Reich für die Kurienpolitik
2. Die Reichstage: Forum der Romkritik, Forum der Kirchenreform?
a) Der Reichstag zu Augsburg 1518
b) Der Reichstag zu Worms 1521
3. Dynastische Interessenpolitik in der Reichskirche
VI. Bischöfe und Domkapitel
1. Der Bischof als Objekt des landesherrlichen Kirchenregiments
a) Der Machtkampf mit Johann VI. von Meißen
b) Landesherrliche Einfl ußnahme auf Bischofsbesetzungen
2. Der Bischof als Partner der landesherrlichen Kirchenreform
3. Das Meißner Domkapitel als Organ der landesherrlichen Kirchenpolitik
4. »[. . .] in unßerm slosse zu Meissen gelegen«: Die Meißner Bischofskirche und die Entwicklung Meißens zum symbolischen Zentrum albertinischer Herrschaft
VII. Geistliche Gerichtsbarkeit
1. Konfl iktlinien: Landesherrschaft und geistliche Gerichtsbarkeit
2. Erste Lösungsstrategie: Reduktion der geistlichen Gerichtsbarkeit
3. Zweite Lösungsstrategie: Kontrolle der geistlichen Gerichtsbarkeit
4. Fazit: Kontrolle statt Reform?
VIII. Regularklerus
1. Herzog Georg als Klosterstifter
2. Klosterherrschaft und Kirchenregiment
3. Reformstrategien: Die Unterstützung der Observanz in den Bettelorden
4. Reformstrategien: Landesherrliche Klostervisitationen
IX. Niederklerus
1. Besetzungs- und Pfründenpolitik
a) Strukturelle Rahmenbedingungen: Landesherrliche Patronatsrechte in Sachsen
b) Politische Ausgestaltung: Der Umgang Herzog Georgs mit dem eigenen Patronat
c) Die Funktionalisierung des Patronats für die Kirchenpolitik
d) Pfründenbesetzung, Pfründenaufsicht und Pfründenreform jenseits des Patronats
2. Kirchliche Norm vs. fürstlicher Herrschaftsanspruch: Georgs Pläne für das Kirchenregiment über den Niederklerus
3. Landesherrliche Kirchenreform in der Praxis: Aufsicht über die Amts- und Lebensführung des Niederklerus
a) Reformziele
b) Reformmaßnahmen
c) Kooperation statt Konfrontation: Die Zusammenarbeit mit der geistlichen Gerichtsbarkeit
4. Der Priester als Untertan: Die Einbindung des Niederklerus in den territorialen Untertanenverband
a) Besteuerung
b) Die Durchsetzung des landesherrlichen Zinsfußes
5. »Episkopale Funktionen«? Landesherrliche Konkurrenz zu bischöfl ichen Aufsichtsrechten
a) Bestätigung geistlicher Stiftungen
b) Verleihung von Testierfreiheit
c) Versorgung arbeitsloser Kleriker
d) Vorprogrammierter Konfl ikt oder doppelte Kontrolle? Landesherr und Bischof als konkurrierende Obrigkeiten des Niederklerus
6. Legitimationsstrategien des landesherrlichen Kirchenregiments
a) »Landesfurst und oberster collator«: Eine Oberlehnsherrschaft über den Niederklerus?
b) Suppliken der Untertanen als Legitimationsquelle
7. Diskussion: Georgs Kirchenregiment über den Niederklerus im territorialen Vergleich
X. Laien
1. Förderung – Kontrolle – Kritik: Laienfrömmigkeit als Gegenstand landesherrlicher Kirchenpolitik
2. Fallbeispiel, lokal: Die neugegründete Bergstadt St. Annaberg
a) Der Aufbau einer sakralen Infrastruktur: Soziale Integration durch Frömmigkeitsförderung
b) Die Annenkirche: Laienbibel und Symbol albertinischer Rechtgläubigkeit
c) Förderung und Distanz: Herzog Georg und das Annaberger Heiltum
3. Fallbeispiel, thematisch: Herzog Georg und der Ablaß
a) Kontrolle
b) Förderung
c) Kritik
4. Die Lebensführung der Untertanen als neues Handlungsfeld landesherrlicher Kirchenreform
a) Die Präambel der Landesordnung von 1498
b) Laienreform per Gesetz: Die Landesordnung von 1498/1502
c) Reformmandate
d) Die Themenfelder der Laienreform
e) Die Praxis der Laienreform: Der Landesherr als exekutive Instanz
5. Fazit
XI. Vorreformatorische Öffentlichkeit
1. Was ist vorreformatorische Öffentlichkeit?
2. Buchdruck und Landesherrschaft
3. Die Förderung der Leipziger Frömmigkeitsliteratur
4. Landesherrliche Selbstdarstellung und kirchenpolitische Propaganda
5. Fazit
XII. Kirche und Landesherr vor der Reformation. Zusammenfassung und Diskussion
1. Landesherrliches Kirchenregiment
a) Funktionsweise
b) Legitimation
c) Kirchenregiment und Landesherrschaft
d) Exkurs: Das Territorium als kirchlicher Bezugsrahmen?
2. Landesherrliche Kirchenreform
Zweiter Teil. Die Auseinandersetzung mit der frühen Reformation (1517–1525)
I. Herzog Georg und Martin Luther: Neues zu einer alten Feindschaft
1. Georgs Weg zum Luthergegner: Von der Gemeinsamkeit in der Kirchenreform zum Gegensatz in Glaubensfragen (1517–1519)
a) Ein hoffnungsvoller Anfang: Herzog Georg und die 95 Thesen
b) Ein Verdacht entsteht: Die Leipziger Disputation und die Hussitenfrage
c) Der Verdacht bestätigt sich: Luthers »Sermon von dem hochwürdigen Sakrament des heiligen wahren Leichnams Christi«
2. Die Gleichsetzung Luthers mit Hus und ihre Konsequenzen
3. Der Beginn der antilutherischen Kirchenpolitik (1519–1521)
a) Erste Maßnahmen gegen Luthers Sermon
b) Die Begleitung des päpstlichen Ketzerprozesses und der Reichstag von Worms
c) Die Anfänge der öffentlichen Auseinandersetzung mit Luther
II. »Die verdammte lutherische Sekte«. Georgs Sicht auf die Evangelische Bewegung
1. Die Evangelische Bewegung im albertinischen Sachsen
2. Der Entschluß zum Ketzerkampf
3. Georgs Gegenstrategien: Sanktionen, Gegenpropaganda und Kirchenreform
III. Kirchenpolitik gegen die Reformation auf der Reichsebene (1522–1525)
1. Reichstag und Reichsregiment
a) Das Regimentsmandat vom 20. Januar 1522
b) Dresdner Reichspolitik bis zum Bauernkrieg
c) Primat der Innenpolitik: Georgs Verzicht auf weitere Reichstagsbesuche
2. Jenseits des Reichstags: Einfl ußversuche auf die Religionspolitik anderer Reichsfürsten
a) Die Ernestiner
b) Andere Reichsstände
c) Der Bauernkrieg
IV. Landesherrliche Mandate: Die Grundlagen der Verfolgung im albertinischen Sachsen
1. Der Bedrohung ein Gesicht geben
2. Reichsgesetzgebung vs. landesherrliche Mandate
3. Die Grundlagen der Verfolgung
4. Das Funktionieren des Steckbriefs
V. Der Einsatz des Kirchenregiments gegen den evangelischen Niederklerus
1. Gegen die Lutheraner und für die Reform: Die doppelte Stoßrichtung des Kirchenregiments
2. Sanktionen und Visitationen: Die Kooperation mit den Bischöfen
VI. Der Einsatz des Kirchenregiments gegen evangelische Mönche
VII. Der Einsatz des Kirchenregiments gegen evangelische Laien
1. Die Verfolgung der lutherischen Untertanen
2. Sanktionen und positives Gegenangebot: Die innere Verbindung von Verfolgung und Kirchenreform
VIII. Der Streit um das verkündigte Wort
1. Georgs Kampf gegen die evangelische Predigt: Das Beispiel Leipzig
2. Gegenoffensive mit dem Wort Gottes: Die Förderung altgläubiger Predigt
IX. Der Streit um das gedruckte Wort
1. Offensive: Landesherrliche Propaganda gegen die Reformation
a) Reformatorische Öffentlichkeit und altgläubige Kontroversliteratur
b) Herzog Georg und die reformatorische Öffentlichkeit
c) Landesherrliche Patronage: Förderung altgläubiger Autoren und Drucke
d) Die inhaltlichen Aussagen der albertinischen Propaganda
e) Das publizistische Programm der albertinischen Propaganda
f) Wie erfolgreich war die antireformatorische Propaganda?
2. Defensive: Landesherrliche Zensurpolitik
a) Buchproduktion: Blüte und Katastrophe des evangelischen Buchdrucks in Leipzig
b) Die Kontrolle des Buchhandels
c) Die Untertanen im Visier: Lutherischer Buchbesitz im albertinischen Sachsen
d) Fazit: Landesherrliche Zensur im Kampf gegen die Reformation
X. Reform statt Reformation
1. Kirchenreform als Strategie im Kampf gegen die Reformation
2. Fallbeispiel: Die Reform der geistlichen Gerichtsbarkeit
3. Möglichkeiten und Grenzen der Reformpolitik Georgs in der Reformationszeit
XI. Kirchenpolitik gegen die Reformation: Erfolge, Grenzen, Perspektiven
1. Georgs Kampf gegen die Reformation als Erfolgsmodell?
2. Das albertinische Sachsen im Jahre 1525: Eine offene Zukunft
Zusammenfassung
Quellen- und Literaturverzeichnis
Register der Orts- und Personennamen
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Reform statt Reformation: Die Kirchenpolitik Herzog Georgs von Sachsen 1488-1525
 3161494091, 9783161494093, 9783161585784

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Spätmittelalter, Humanismus, Reformation Studies in the Late Middle Ages, Humanism and the Reformation herausgegeben von Berndt Hamm (Erlangen) in Verbindung mit Amy Nelson Burnett (Lincoln, NE), Johannes Helmrath (Berlin) Volker Leppin ( Jena), Jürgen Miethke (Heidelberg) und Heinz Schilling (Berlin)

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Christoph Volkmar

Reform statt Reformation Die Kirchenpolitik Herzog Georgs von Sachsen 1488 – 1525

Mohr Siebeck

Christoph Volkmar, geboren 1977; studierte Geschichte, Religionswissenschaft, Historische Hilfswissenschaften und Archivwissenschaft in Leipzig, Tübingen und St. Andrews (GB). Er ist Archivreferendar am Landesarchiv Baden-Württemberg.

Gedruckt mit Unterstützung des Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG WORT. ISBN 978-3-16-149409-3 / eISBN 978-3-16-158578-4 unveränderte eBook-Ausgabe 2019 ISSN 0937-5740 (Spätmittelalter, Humanismus, Reformation) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abruf bar. © 2008 Mohr Siebeck Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und straf bar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfi lmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde-Druck in Tübingen aus der Bembo gesetzt, auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Spinner in Otters weier gebunden.

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im April 2006 abgeschlossen und im Wintersemester 2006/07 von der Fakultät für Geschichte, Kunst- und Orientwissenschaften der Universität Leipzig als Dissertationsschrift angenommen. Die Druckfassung ist geringfügig gekürzt worden. Für die Förderung und Begleitung über alle Arbeitsphasen hinweg gebührt vor allen anderen meinen Leipziger Lehrern, Herrn Professor Enno Bünz und Herrn Professor Manfred Rudersdorf, mein herzlicher Dank. Ihr Zusammenspiel spiegelt sich in der konzeptionellen Ausrichtung der Arbeit zwischen Reformations- und Landesgeschichte, Mediävistik und Frühneuzeitforschung. Enno Bünz hat mir als Doktorvater und Vorgesetzter den denkbar größten Freiraum gewährt und blieb doch gleichzeitig mit kritischem Rat, stupendem Wissen und persönlicher Herzlichkeit ein ständig verfügbarer Ansprechpartner. Eine bessere Betreuung kann man sich nicht wünschen. Zahlreiche Personen und Einrichtungen haben mein Vorhaben ideell wie finanziell gefördert. Besonders danken möchte ich den Herren Professoren Anton Schindling (Tübingen) und Andrew Pettegree (St. Andrews) für ihre kritische Begleitung sowie Herrn Professor Werner Freitag (Münster) für die Übernahme des Drittgutachtens im Promotionsverfahren. Der Studienstiftung des deutschen Volkes gilt mein Dank für die Aufnahme in die Promotionsförderung, der Horst-Springer-Stiftung für Neuere Geschichte Sachsens für die Gewährung eines großzügigen Reisekostenzuschusses. Das Deutsche Historische Institut in Rom unter der Leitung von Herrn Professor Michael Matheus hat durch ein Promotionsstipendium einen Forschungsaufenthalt am Vatikanischen Archiv ermöglicht. Dort haben mir Dr. Thomas Bardelle, Dr. Thomas Ludwig und Dr. Andreas Rehberg über manche Hürde geholfen. Hilfsbereite Unterstützung erhielt ich auch in allen besuchten Archiven und Bibliotheken. Besonders hervorheben möchte ich die zuvorkommende Betreuung in den Sondersammlungen der Universitätsbibliothek Leipzig und im Hauptstaatsarchiv Dresden, wo mir Frau Gisela Petrasch, Frau Christine Weisbach, Herr Dr. Eckart Leisering und Herr Dr. Peter Wiegand in allen Anliegen mit Rat und Tat zur Seite standen. Für konstruktive Kritik, tatkräftige Hilfe und moralischen Beistand möchte ich schließlich allen Freunden und Kollegen herzlich danken, insbesondere Uwe Schirmer, Henning Steinführer, Falk Eisermann, Klaus Krüger, Sebastian

VI

Vorwort

Kolditz, Markus Cottin, Julia Sobotta, Marek Wejwoda, Matthias Donath, Hartmut Kühne, Heiko Jadatz, Andrea Thiele, Gerrit Deutschländer, Petra Weigel, André Thieme und Andreas Schöne. Ein ganz besonderer Dank gebührt der guten Seele der Leipziger Landesgeschichte, Frau Monika Jäger. Die Aufnahme der Arbeit in die Reihe »Spätmittelalter, Humanismus, Reformation« (ehemals »Spätmittelalter und Reformation, Neue Reihe«) ist mir eine besondere Ehre. Herzlich danken möchte ich dem Hauptherausgeber, Herrn Professor Berndt Hamm (Erlangen), ebenso Herrn Professor Jürgen Miethke (Heidelberg) für sein konstruktives Gutachten. Dem Verlag Mohr Siebeck, namentlich Herrn Dr. Henning Ziebritzki und Herrn Matthias Spitzner, sage ich gern unkomplizierte Zusammenarbeit nach. Das Erscheinen der Arbeit ermöglichte ein großzügiger Druckkostenzuschuß des Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG Wort. Gewidmet sei dieses Buch jenen Menschen, die mir alles bedeuten: Meinen Eltern und meiner geliebten Frau! Gießen, am Reformationstag 2007

Christoph Volkmar

Inhaltsverzeichnis Einleitung I. Kritik der Forschung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Fürsten und Reformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Alternativen zur Reformation, Alternativen zum Tridentinum? Altgläubige Kirchenreform am Beginn des 16. Jahrhunderts . . 3. Landesherrliche Kirchenpolitik und der Aufstieg des Territorialstaats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vom langen Schatten der Reformation: Georg der Bärtige im Urteil der Nachwelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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II. Die Kirchenpolitik Herzog Georgs in neuer Perspektive . . . .

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1. Ansatz und Methodischer Zugang . . . . . . . . . . . . . . a) Heuristischer Ansatz: Landesherrliche Kirchenpolitik . . . b) Analytischer Zugriff: Kirchenpolitische Handlungsebenen . c) Methodische Verortung: Religionsgeschichte und Landesgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Chronologischer Zuschnitt: Spätmittelalter und Frühe Reformation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Leitkonzepte der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . a) Landesherrschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Landesherrliches Kirchenregiment . . . . . . . . . . . . . c) Kirchenreform. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Strategien der Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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VIII

Inhaltsverzeichnis

Erster Teil

Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) I. Vergleichsparameter: Landesherrliche Kirchenpolitik im spätmittelalterlichen Reich. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Globale Voraussetzungen . . . . . . . . 2. Regionale Einflußfaktoren . . . . . . . 3. Kirchenpolitische Handlungsebenen . . a) Kurie . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bischöfe und Domkapitel . . . . . . . c) Geistliche Gerichtsbarkeit . . . . . . . d) Regularklerus . . . . . . . . . . . . . e) Niederklerus . . . . . . . . . . . . . f ) Laien . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Landesherrliche Legitimationsstrategien .

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48 49 53 55 55 56 57 58 59 61

II. Die wettinische Reformtradition . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. 2. 3. 4. 5. 6.

Kurie. . . . . . . . . . . Bischöfe und Domkapitel Geistliche Gerichtsbarkeit Regularklerus . . . . . . Niederklerus . . . . . . . Laien . . . . . . . . . . .

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III. Herzog Georg als Kirchenpolitiker: Persönliche Voraussetzungen und fürstliche Herrschaftspraxis .

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1. Georg von Sachsen (1471–1539) – Eine Annäherung an die Fürstenpersönlichkeit . . . . . . . . . . . . . a) Ein Theologe auf dem Herzogsthron? Georgs geistliche Karriere und Bildung . . . . . . b) Zwischen Tradition und Modernität: Georgs Frömmigkeit und geistiger Horizont . . . . 2. Patriarchalisches Fürstenregiment? Die Entscheidungsträger der Kirchenpolitik. . . . . a) Der Hofrat als Entscheidungszentrum . . . . . . . b) Führende Köpfe der Kirchenpolitik . . . . . . . . c) Partner und Berater im Territorium . . . . . . . . 3. Handlungsträger der Kirchenpolitik . . . . . . . . . a) Räte und Prälaten . . . . . . . . . . . . . . . . .

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IX

Inhaltsverzeichnis

b) Amtleute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Stadträte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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4. Weltliche Politik im Raum der Kirche? Sechs Thesen zur Genese der Kirchenpolitik Herzog Georgs . . . . . . . . . . .

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IV. Papsttum und Konzil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Romfernes Sachsen? Bedingungen sächsischer Kurienpolitik um 1500 . . . . . . . 2. Prokuratoren und Suppliken: Die praktische Gestaltung der Kurienpolitik . . . . . . . . . a) Die Prokuratoren Herzog Georgs . . . . . . . . . . . . . . b) Kuriale Prokuratoren und gesandte Prokuratoren . . . . . . c) Verflechtungen und Loyalitäten: Die transalpinen Netzwerke der Prokuratoren . . . . . . . . d) Gnade gegen Geld: Die Praxis des kurialen Geschäftsganges . e) Finanzierung: Abwälzung der Kosten auf lokale Obrigkeiten. 3. Das Themenspektrum der Kurienpolitik . . . . . . . . . . . 4. Hoffnung auf Kirchenreform. Das Fünfte Laterankonzil . . . 5. Das Ende einer Allianz: Ergebnisse und Grenzen der Kurienpolitik Herzog Georgs . . . . . . . . . . . . . . .

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117 120 125

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133 142 149 153 158

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V. Kaiser und Reich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Die Aktivierung von Kaiser und Reich für die Kurienpolitik . 2. Die Reichstage: Forum der Romkritik, Forum der Kirchenreform? . . . . . . a) Der Reichstag zu Augsburg 1518. . . . . . . . . . . . . . . b) Der Reichstag zu Worms 1521. . . . . . . . . . . . . . . . 3. Dynastische Interessenpolitik in der Reichskirche . . . . . .

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VI. Bischöfe und Domkapitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Der Bischof als Objekt des landesherrlichen Kirchenregiments a) Der Machtkampf mit Johann VI. von Meißen . . . . . . . . b) Landesherrliche Einflußnahme auf Bischofsbesetzungen . . . 2. Der Bischof als Partner der landesherrlichen Kirchenreform . 3. Das Meißner Domkapitel als Organ der landesherrlichen Kirchenpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. »[. . .] in unßerm slosse zu Meissen gelegen«: Die Meißner Bischofskirche und die Entwicklung Meißens zum symbolischen Zentrum albertinischer Herrschaft . . . .

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191 193 204 207

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Inhaltsverzeichnis

VII. Geistliche Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Konfl iktlinien: Landesherrschaft und geistliche Gerichtsbarkeit. 2. Erste Lösungsstrategie: Reduktion der geistlichen Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . 3. Zweite Lösungsstrategie: Kontrolle der geistlichen Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . 4. Fazit: Kontrolle statt Reform? . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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VIII. Regularklerus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Herzog Georg als Klosterstifter . . . . . . . . . . . . 2. Klosterherrschaft und Kirchenregiment . . . . . . . . 3. Reformstrategien: Die Unterstützung der Observanz in den Bettelorden 4. Reformstrategien: Landesherrliche Klostervisitationen

230 236 245 251

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251 253

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IX. Niederklerus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Besetzungs- und Pfründenpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . a) Strukturelle Rahmenbedingungen: Landesherrliche Patronatsrechte in Sachsen. . . . . . . . . . . b) Politische Ausgestaltung: Der Umgang Herzog Georgs mit dem eigenen Patronat . . . . c) Die Funktionalisierung des Patronats für die Kirchenpolitik . . d) Pfründenbesetzung, Pfründenaufsicht und Pfründenreform jenseits des Patronats. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kirchliche Norm vs. fürstlicher Herrschaftsanspruch: Georgs Pläne für das Kirchenregiment über den Niederklerus . 3. Landesherrliche Kirchenreform in der Praxis: Aufsicht über die Amts- und Lebensführung des Niederklerus . a) Reformziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Reformmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kooperation statt Konfrontation: Die Zusammenarbeit mit der geistlichen Gerichtsbarkeit . . . . 4. Der Priester als Untertan: Die Einbindung des Niederklerus in den territorialen Untertanenverband . . . . . . . . . . . . . a) Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Durchsetzung des landesherrlichen Zinsfußes . . . . . . . 5. »Episkopale Funktionen«? Landesherrliche Konkurrenz zu bischöfl ichen Aufsichtsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bestätigung geistlicher Stiftungen . . . . . . . . . . . . . . . b) Verleihung von Testierfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Versorgung arbeitsloser Kleriker . . . . . . . . . . . . . . . .

265 265 270 278 287 293 299 299 301 306 309 311 315 317 317 319 321

XI

Inhaltsverzeichnis

d) Vorprogrammierter Konfl ikt oder doppelte Kontrolle? Landesherr und Bischof als konkurrierende Obrigkeiten des Niederklerus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Legitimationsstrategien des landesherrlichen Kirchenregiments. a) »Landesfurst und oberster collator«: Eine Oberlehnsherrschaft über den Niederklerus? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Suppliken der Untertanen als Legitimationsquelle . . . . . . .

326 334

7. Diskussion: Georgs Kirchenregiment über den Niederklerus im territorialen Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

336

X. Laien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

343

1. Förderung – Kontrolle – Kritik: Laienfrömmigkeit als Gegenstand landesherrlicher Kirchenpolitik . . . . . . . . 2. Fallbeispiel, lokal: Die neugegründete Bergstadt St. Annaberg a) Der Auf bau einer sakralen Infrastruktur: Soziale Integration durch Frömmigkeitsförderung . . . . . . b) Die Annenkirche: Laienbibel und Symbol albertinischer Rechtgläubigkeit . . . c) Förderung und Distanz: Herzog Georg und das Annaberger Heiltum . . . . . . . . . 3. Fallbeispiel, thematisch: Herzog Georg und der Ablaß . . . . a) Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Förderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Lebensführung der Untertanen als neues Handlungsfeld landesherrlicher Kirchenreform . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Präambel der Landesordnung von 1498 . . . . . . . . . b) Laienreform per Gesetz: Die Landesordnung von 1498/1502 . c) Reformmandate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die Themenfelder der Laienreform . . . . . . . . . . . . . e) Die Praxis der Laienreform: Der Landesherr als exekutive Instanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

322 326

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401 403

XI. Vorreformatorische Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . .

406

1. 2. 3. 4.

Was ist vorreformatorische Öffentlichkeit? . . . . . . . Buchdruck und Landesherrschaft . . . . . . . . . . . . Die Förderung der Leipziger Frömmigkeitsliteratur. . . Landesherrliche Selbstdarstellung und kirchenpolitische Propaganda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . .

406 408 409

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414 419

XII

Inhaltsverzeichnis

XII. Kirche und Landesherr vor der Reformation. Zusammenfassung und Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Landesherrliches Kirchenregiment . . . . . . . . . . . a) Funktionsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Legitimation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kirchenregiment und Landesherrschaft . . . . . . . . d) Exkurs: Das Territorium als kirchlicher Bezugsrahmen? 2. Landesherrliche Kirchenreform . . . . . . . . . . . . .

. . . . . .

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421

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421 421 424 429 431 438

I. Herzog Georg und Martin Luther: Neues zu einer alten Feindschaft . . . . . . . . . . . . . . . . .

446

Zweiter Teil

Die Auseinandersetzung mit der frühen Reformation (1517–1525)

1. Georgs Weg zum Luthergegner: Von der Gemeinsamkeit in der Kirchenreform zum Gegensatz in Glaubensfragen (1517–1519) . a) Ein hoffnungsvoller Anfang: Herzog Georg und die 95 Thesen b) Ein Verdacht entsteht: Die Leipziger Disputation und die Hussitenfrage . . . . . . . . c) Der Verdacht bestätigt sich: Luthers »Sermon von dem hochwürdigen Sakrament des heiligen wahren Leichnams Christi« . . . . . . . . . . . . 2. Die Gleichsetzung Luthers mit Hus und ihre Konsequenzen . . 3. Der Beginn der antilutherischen Kirchenpolitik (1519–1521) . . a) Erste Maßnahmen gegen Luthers Sermon . . . . . . . . . . . b) Die Begleitung des päpstlichen Ketzerprozesses und der Reichstag von Worms . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Anfänge der öffentlichen Auseinandersetzung mit Luther .

II. »Die verdammte lutherische Sekte«. Georgs Sicht auf die Evangelische Bewegung . . . . . . . . . . 1. Die Evangelische Bewegung im albertinischen Sachsen . . . . . 2. Der Entschluß zum Ketzerkampf . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Georgs Gegenstrategien: Sanktionen, Gegenpropaganda und Kirchenreform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

448 449 453

456 460 465 466 468 471

474 474 478 481

XIII

Inhaltsverzeichnis

III. Kirchenpolitik gegen die Reformation auf der Reichsebene (1522–1525) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Reichstag und Reichsregiment . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Regimentsmandat vom 20. Januar 1522 . . . . . . . . . . b) Dresdner Reichspolitik bis zum Bauernkrieg. . . . . . . . . . c) Primat der Innenpolitik: Georgs Verzicht auf weitere Reichstagsbesuche. . . . . . . . . 2. Jenseits des Reichstags: Einflußversuche auf die Religionspolitik anderer Reichsfürsten a) Die Ernestiner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Andere Reichsstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Der Bauernkrieg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

IV. Landesherrliche Mandate: Die Grundlagen der Verfolgung im albertinischen Sachsen . . . 1. 2. 3. 4.

Der Bedrohung ein Gesicht geben . . . . . . . . . Reichsgesetzgebung vs. landesherrliche Mandate . Die Grundlagen der Verfolgung . . . . . . . . . . Das Funktionieren des Steckbriefs . . . . . . . . .

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487 487 487 489 491 492 492 496 498

500

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500 502 504 507

V. Der Einsatz des Kirchenregiments gegen den evangelischen Niederklerus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

509

1. Gegen die Lutheraner und für die Reform: Die doppelte Stoßrichtung des Kirchenregiments . . . . . . . . 2. Sanktionen und Visitationen: Die Kooperation mit den Bischöfen . . . . . . . . . . . . . . .

509 515

VI. Der Einsatz des Kirchenregiments gegen evangelische Mönche .

521

VII. Der Einsatz des Kirchenregiments gegen evangelische Laien . .

528

1. Die Verfolgung der lutherischen Untertanen . . . . . . . . . . 2. Sanktionen und positives Gegenangebot: Die innere Verbindung von Verfolgung und Kirchenreform . .

528

VIII. Der Streit um das verkündigte Wort . . . . . . . . . . . . . . .

543

1. Georgs Kampf gegen die evangelische Predigt: Das Beispiel Leipzig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gegenoffensive mit dem Wort Gottes: Die Förderung altgläubiger Predigt . . . . . . . . . . . . . . .

537

543 549

XIV

Inhaltsverzeichnis

IX. Der Streit um das gedruckte Wort . . . . . . . . . . . . . . . .

554

1. Offensive: Landesherrliche Propaganda gegen die Reformation a) Reformatorische Öffentlichkeit und altgläubige Kontroversliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Herzog Georg und die reformatorische Öffentlichkeit . . . . . c) Landesherrliche Patronage: Förderung altgläubiger Autoren und Drucke . . . . . . . . . . d) Die inhaltlichen Aussagen der albertinischen Propaganda . . . e) Das publizistische Programm der albertinischen Propaganda . . f ) Wie erfolgreich war die antireformatorische Propaganda? . . . 2. Defensive: Landesherrliche Zensurpolitik . . . . . . . . . . . . a) Buchproduktion: Blüte und Katastrophe des evangelischen Buchdrucks in Leipzig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Kontrolle des Buchhandels . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Untertanen im Visier: Lutherischer Buchbesitz im albertinischen Sachsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Fazit: Landesherrliche Zensur im Kampf gegen die Reformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

554 554 557 561 567 569 579 581 581 586 588 592

X. Reform statt Reformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

594

1. Kirchenreform als Strategie im Kampf gegen die Reformation . 2. Fallbeispiel: Die Reform der geistlichen Gerichtsbarkeit . . . . 3. Möglichkeiten und Grenzen der Reformpolitik Georgs in der Reformationszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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XI. Kirchenpolitik gegen die Reformation: Erfolge, Grenzen, Perspektiven . . . . . . . . . . . . . . . . . .

605

1. Georgs Kampf gegen die Reformation als Erfolgsmodell?. . . . 2. Das albertinische Sachsen im Jahre 1525: Eine offene Zukunft .

605 608

Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

613

Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Register der Orts- und Personennamen . . . . . . . . . . . . . . . . . .

625 681

Einleitung

I. Kritik der Forschung »Got wolt doch durch den leyen standt seiner kirchen helffen, seintemal der geistlich stand, dem es billicher geburt, ist gantz unachtsam worden.« (Martin Luther) 1

Von den Epen der Vorzeit bis zu den Bänden des Gebhardt wird Wissen über die Vergangenheit vorzugsweise in narrativen Strukturen präsentiert. Jenseits jeder inhaltlichen Prägung besitzen Geschichtsdarstellungen deshalb eine Eigendynamik, die sich aus den spezifischen Zwängen des historischen Erzählens ergibt. Zu den Tugenden des Geschichtsschreibers zählt das Streben nach Stringenz. Die chaotische Vielfalt der Res gestae in eine Geschichte zusammenzuführen verlangt nach thesenhafter Verknappung und einer linearen Erzählstruktur. Ein weiteres Qualitätsmerkmal historiographischer Reduktion ist die möglichst eindeutige Bestimmung der Rollen, die den verschiedenen Akteuren in der geschichtlichen Entwicklung zukommen. Schließlich sind griffige Erklärungen großer Zusammenhänge ein Grundbedürfnis jeder Geschichtsschreibung.2 Der Preis der Stringenz sind stets Leerstellen und blinde Punkte, doch manchmal führt die Reduktion sogar zu Verzerrungen und Irrtümern. Es ist deshalb Aufgabe und Chance von Einzelstudien, sich den Zwängen großer Darstellungen zu entziehen und von den Hauptbahnen abzuweichen, um gewohnte Perspektiven aufzubrechen und auf Seitenpfaden zu neuen Blickwinkeln auf vermeintlich altbekannte Phänomene vorzustoßen. Die vorliegende Arbeit reibt sich an drei Erzähltraditionen der Reformationsgeschichte: Sie hinterfragt zum ersten die Rolle der Fürsten in der Reformation, sucht zum zweiten nach der scheinbar verlorenen Verbindung zwischen spätmittelalterlicher Kirchenreform und der katholischen Erneuerung im Tridentinum und bemüht sich zum dritten um eine neue Sicht auf einen sächsischen Landesherrn der frühen Reforma-

1 Martin Luther, An den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung (1520), in: WA, Bd. 6, 404–469, hier 404. 2 Auf eine Auseinandersetzung mit der historiographiegeschichtlichen Forschungsdiskussion wird an dieser Stelle verzichtet, weil dies vom Kern der Argumentation wegführen würde. Als anregendste kulturwissenschaftliche Synthese der letzten Jahre sei die Studie von Jan Assmann genannt. Vgl. Assmann, hier besonders 87–129.

I. Kritik der Forschung

3

tionszeit: Herzog Georg von Sachsen (1471–1539), bekannt als wichtigster Gegner Martin Luthers unter den Fürsten des Reiches. In der Konsequenz verfolgt diese Studie zwei Ziele. Sie will zum einen untersuchen, welchen Einfluß weltliche Landesherren bereits vor der Reformation auf die Kirche in ihren Territorien ausübten – gerade auch im sächsischen Mutterland der Reformation. Zum anderen versucht sie darzulegen, wie ein Fürst, der albertinische Herzog Georg, diesen Einfluß nicht für, sondern gegen die Reformation zur Geltung brachte. Sie analysiert den Einsatz des landesherrlichen Kirchenregiments gegen die Reformation, also den Versuch, die Evangelische Bewegung mit den Machtmitteln des Territorialstaats zu unterdrücken. In Verbindung damit verfolgt sie die eigenständigen Bemühungen Herzog Georgs, die Reform der alten Kirche als eine Alternative zu Luther voranzutreiben. Beide Hauptteile der Arbeit sind sowohl chronologisch wie inhaltlich eng aufeinander bezogen. Der Rückgriff ins Spätmittelalter im ersten Teil dient der Rekonstruktion des landesherrlichen Kirchenregiments vor der Reformation. Das Potential dieses Herrschaftsinstruments wird dann im zweiten Teil am ultimativen Krisenfall auf die Probe gestellt: in der Auseinandersetzung Herzog Georgs mit Luther und der Evangelischen Bewegung. Aus einer neuen Perspektive beleuchtet die Arbeit damit das unmittelbare räumliche und zeitliche Umfeld, in dem die Reformation zu weltgeschichtlicher Bedeutung aufstieg.

1. Fürsten und Reformation Fürsten und Reformation – Generationen protestantischer Historiker haben die Schicksalsgemeinschaft des deutschen Fürstenstaates mit der Reformation beschworen und darin jene Allianz von »Thron und Altar« begründet gesehen, die bis zum Jahre 1918 als Konstante deutscher Zivilisation galt.3 Die Rolle der Fürsten in der Reformationsgeschichte schien eindeutig bestimmt. »Es lag ganz offensichtlich objektiv im Interesse des Territorialstaats, die Reformation zu fördern«, resümiert Karlheinz Blaschke in einem kürzlich wiederveröffentlichten Aufsatz eine Sichtweise, die gerade die sächsische Reformations- und Landesgeschichtsschreibung geprägt hat.4 Aber auch über Sachsen hinaus gehört es seit langem zum Kanon historischer Bildung, daß den deutschen Fürsten eine zentrale Rolle als Protagonisten der Reformation zukam. Aus dem Versuch, das Engagement eines Philipp von Hessen oder eines Johann des Beständigen gegen Papst und Kaiser zu erklären, sind generalisierende Rückschlüsse auf den Reichsfürstenstand gezogen worden. Unter dem (problematischen) Schlagwort »Fürstenreformation« ist diese Beobachtung sogar zum Signum einer Epoche bezie3 4

Vgl. Schulze, Fürsten, 1–3; Nowak, 205–219. Blaschke, Wechselwirkungen, 441.

4

Einleitung

hungsweise – in Gegenrede zur Charakterisierung der Reformation als »urban event«5 – zur typologischen Kategorie erhoben worden.6 »Ohne Fürsten ist die deutsche Reformationsgeschichte nicht zu denken«, bekräftigte jüngst Ernst Schubert die bleibende Bedeutung dieses Forschungsansatzes.7 Mit der Rolle der Fürsten verbindet sich auch eine der bekanntesten Thesen zur strukturgeschichtlichen Wirkung der Reformation. Danach gehörte es zu den Innovationsleistungen Luthers, die religiöse Erneuerung gegen den Willen der Papstkirche durchgesetzt zu haben, indem er sich der Unterstützung der weltlichen Fürsten versicherte. Der dominante Einfluß der Landesherren auf die neuen evangelischen Kirchen wird mit dem Schlagwort des Landesherrlichen Kirchenregiments erfaßt. Luthers berühmter Hilferuf »An den christlichen Adel deutscher Nation« (1520) und seine Vorrede zu Melanchthons »Unterricht der Visitatoren« (1528) gelten dabei als Programmschriften. Indem die Reformatoren die Fürsten zu Notbischöfen erklärten, gaben sie den Landesherren neue Autorität und waren so in der Lage, die Umgestaltung der Kirche nicht nur machtpolitisch abzusichern, sondern auch gesellschaftlich zu legitimieren. Es war demnach Teil des Erfolgsgeheimnisses der Reformatoren, das Bündnis mit der agilsten weltlichen Kraft ihrer Zeit gesucht zu haben: dem aufsteigenden frühmodernen Territorialstaat.8 Es steht außer Frage, daß das Landeskirchentum der Reformation, das den weltlichen Landesherrn schließlich zum Oberhaupt der Kirche in seinem Machtbereich machte, den mittelalterlichen Rahmen sprengte, verbinden sich doch mit dem landesherrlichen Summepiskopat Entscheidungsbefugnisse in Ekklesiologie und Dogma, die die spätmittelalterlichen Fürsten niemals anstrebten.9 Löst man sich freilich von dem Tunnelblick, mit dem Generationen von Kirchenhistorikern die Reformationsgeschichte vor allem entlang der Schriften Martin Luthers rekonstruiert haben, wird schnell deutlich, daß es keinesfalls etwas Unerhörtes war, wenn die Inhaber weltlicher Macht in der Frage kirchlicher (und gesellschaftlicher) Erneuerung aktiv Partei ergriffen. In den Kontext des Spätmittelalters gesetzt, wird aus der epochalen Innovation 5 So der bekannte Ausdruck von Arthur Geoffrey Dickens, zitiert in der für die Erforschung der städtischen Reformation epochemachenden Studie von Bernd Moeller. Vgl. Moeller, Reichsstadt und Reformation, 71. – Zur Einführung in das breite Forschungsfeld »Stadt und Reformation« vgl. Hamm, Bürgertum; Greyerz, Stadt und Reformation; daneben als wichtige Fallstudien Brady, Ruling Class; Rublack. 6 Vgl. Oberman, Stadtreformation und Fürstenreformation; Wolgast, Formen; kritische Würdigungen des Konzepts »Fürstenreformation« zuletzt durch Dixon, Princely Reformation; Schubert, Fürstenreformation; Winterhager, Fürstenreformation. 7 Schubert, Fürstenreformation, 24. 8 Zu dieser Deutungstradition vgl. Bubenheimer; Krumwiede, Entstehung; ders., Art. Kirchenregiment; Blaschke, Wechselwirkungen. 9 Zur Typologie von spätmittelalterlichem und evangelischem Kirchenregiment vgl. Wolgast, Territorialfürsten, 409 f.

I. Kritik der Forschung

5

unversehens ein Rückgriff auf fest etablierte gesellschaftliche Realitäten.10 Diese kannte gerade Martin Luther aus eigenem Erleben, sah er sich doch schon als Mönch in Erfurt mit der Parteinahme Friedrichs des Weisen im Streit um die Union der Augustinereremiten konfrontiert. Mehr noch, mit Friedrich war es von Anfang an ein weltlicher Fürst gewesen, der den Wittenberger Professor vor den Mühlen der päpstlichen Ketzerjustiz schützte.11 Tatsächlich war Luthers Ruf nach der Reformkraft der weltlichen Gewalt von der theoretischen Anleihe bei der Zweigewaltenlehre bis hin zur praktischen Anlehnung an die Landesherren keine geniale Innovation, sondern die Imitation einer Standardstrategie der Kirchenreform im 15. Jahrhundert.12 Seine Leistung lag viel eher darin, die Gegebenheiten seiner Zeit für die Umsetzung seiner neuen theologischen Ideen nutzbar zu machen. Doch gerade Deutungsmuster mit großer Reichweite haben oft ein langes Leben und so sind die spätmittelalterlichen Realitäten von der Reformationsgeschichte häufig genug ignoriert worden. Noch 1990 meinte der evangelische Kirchenhistoriker Manfred Schulze in seiner Tübinger Habilitationsschrift die breite Forschung erst dafür sensibilisieren zu müssen, daß das landesherrliche Kirchenregiment keineswegs eine Folge, sondern viel eher eine Voraussetzung der Reformation gewesen sei.13 Bis heute scheint diese Erkenntnis jenseits von Spezialstudien nur langsam Eingang in das historische Bewußtsein zu fi nden. Zwar hat die Nachricht von der Existenz eines vorreformatorischen Kirchenregiments inzwischen auch manch neueres Handbuch und Überblickswerk erreicht.14 Noch immer aber sucht man das Lemma in so zentralen Nachschlagewerken wie dem Lexikon des Mittelalters oder der Theologischen Realenzyklopädie vergebens.15 Über den genauen Charakter und Umfang dieser weltlichen Kirchenherrschaft vor der Reformation herrscht deshalb noch immer wenig Klarheit. Es fehlen neuere Studien zum System des spätmittelalterlichen Kirchenregiments und vor allem Versuche, diese Entwicklung in die Reformationszeit hinein zu verfolgen – bei den Reformationsfürsten genauso wie bei ihren altgläubigen Widersachern. Hier wirkt sich die traditionelle Engführung des Themas Fürsten und Reformation abermals hinderlich aus. Denn durch sie gerät schnell aus dem Blick, daß die Sympathisanten Luthers unter den Reichsfürsten viele Jahre lang in der

10

Vgl. Bünz/Volkmar, Kirchenregiment; Schulze, Fürsten, 6–12. Vgl. Brecht, Bd. 1, 103–110; Kirn, 130–160; Schulze, Fürsten, 8, Anm. 15. 12 Vgl. Bünz/Volkmar, Kirchenregiment; siehe auch S. 36–39. 13 Vgl. Schulze, Fürsten, 7–12. 14 Vgl. Reinhard, Probleme, 211; Boockmann/Dormeier, 240–246; Dixon, Germany, 114–118; mit kritischer Distanz Schubert, Fürstliche Herrschaft, 38–41. 15 Zum Inhalt des Artikels »Landesherrliches Kirchenregiment« in der TRE siehe S. 35. 11

6

Einleitung

Minderheit blieben.16 Die altgläubige Mehrheit aber hat bislang nur selten die Aufmerksamkeit der Forschung gefunden, am wenigsten in jenen Territorien, die später protestantisch wurden. Dementsprechend forderte Walter Ziegler schon 1990, der Auseinandersetzung altgläubiger Landesherren mit der frühen Reformation verstärkte Aufmerksamkeit zu widmen und damit jenen Fürsten einen Platz in der Reformationsgeschichte einzuräumen, die bis in die 1540er Jahre hinein die stärkste Gruppierung im Fürstenkollegium repräsentierten.17 Zieglers Aufruf stieß bislang jedoch kaum auf Widerhall. Dies ist auch insofern symptomatisch, als die frühe Reformationszeit zuletzt eher im Schatten der Forschungsentwicklung stand.18 Die jüngsten Debatten konzentrierten sich auf die späteren Jahrzehnte, seien es die fruchtbaren Kontroversen um das neue Paradigma der Konfessionalisierung19 oder die vor allem in der angelsächsischen Forschung diskutierten Fragen kulturellen Wandels.20 Dies mag auch ein Reflex auf Tendenzen gerade der englischsprachigen Historiographie sein, die lutherische Reformation in alteuropäischer Kontinuität als »late medieval event« zu betrachten.21 In der Diskussion um die Einordnung der Reformation hat also die klassische Sichtweise, nach der die Reformation den Durchbruch vom »Herbst des Mittelalters« ( Jan Huizinga) in den Neuanfang der Moderne markierte, zur Zeit einen schweren Stand.22 Fast scheint es, als ob die traditionell neuzeitlich orientierte Reformationsforschung mit dieser Entwicklung stillschweigend konform geht, indem sie sich auf das sichere Terrain 16 Vgl. Ziegler, Territorium und Reformation II, 54–59; Wolgast, Territorialfürsten. Für weitere Skizzen zur ersten Fürstengeneration der Reformationszeit vgl. Scheible, Fürsten; Wolter, Laienfürsten. 17 Vgl. Ziegler, Territorium und Reformation II, 58 f. – Einen schnellen Überblick über die Entwicklung in den einzelnen Territorien des Reiches im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung bietet das gleichnamige, von Anton Schindling und Walter Ziegler initiierte Sammelwerk. Vgl. Schindling/Ziegler. 18 Vgl. dazu auch Kohnle, Reichstag, 17 f. 19 Ausgehend von Ernst Walter Zeedens Konzept der »Konfessionsbildung« wurde das Konfessionalisierungsparadigma maßgeblich von Heinz Schilling und Wolfgang Reinhard entwickelt. Für die breite Debatte der letzten Jahre vgl. exemplarisch Schilling, Konfessionalisierung; Reinhard, Zwang zur Konfessionalisierung; Schindling, Grenzen; Ziegler, Konfessionalisierungsthese sowie die weiteren Beiträge in den Sammelbänden Reinhard/ Schilling; Schilling, Reformierte Konfessionalisierung; mit mitteldeutschen Bezug: Freitag, Konfl iktfelder. 20 Vgl. Karant-Nunn, Reformation of Ritual; Koslofsky; zur Rezeption durch die deutsche Forschung vgl. die Beiträge im Sammelband Jussen/Koslofsky. 21 Brady, Einführung, IIX. Programmatisch ist auch der Zuschnitt des von Thomas A. Brady, Heiko A. Oberman und James D. Tracy herausgegebenen »Handbook of European History, 1400–1600. Late Middle Ages, Renaissance and Reformation«. Vgl. Brady/Oberman/Tracy. Die Epocheneinteilung 1400–1600 ist heute in Großbritannien und den USA oft schon im akademischen Betrieb institutionalisiert. 22 Vgl. z. B. Boockmann/Dormeier, 246 f.; Wolgast, Territorialfürsten, 409. Fast isoliert steht das jüngste Plädoyer für die Krisenthese von Wilhelm Ernst Winterhager da. Vgl. Winterhager, Ablaßkritik.

I. Kritik der Forschung

7

der Konfessionalisierungsforschung und damit chronologisch auf die Zeit nach dem Augsburger Religionsfrieden zurückzieht.23 Eine Untersuchung zum landesherrlichen Kirchenregiment muß aus dieser Forschungslage zwei Konsequenzen ziehen. Einerseits gilt es, den Untersuchungszeitraum so zu wählen, daß die imaginäre Epochengrenze zwischen Spätmittelalter und Reformation dem Erkenntnisprozeß nicht im Wege steht. Gerade weil die bisherigen Studien zur spätmittelalterlichen Kirchenpolitik weltlicher Reichsfürsten in der Regel vor der Reformation enden, muß es methodische Forderung sein, die frühe Reformation mit in die Betrachtung einzubeziehen, um die Möglichkeiten des Kirchenregiments in dieser existentiellen Krise der Kirche zu betrachten.24 Andererseits gilt es zu erkennen, daß aktive Kirchenpolitik kein Alleinstellungsmerkmal der Reformationsfürsten war. In diesem Kontext ist auch die alte Frage nach einem Zusammenhang zwischen der Ausprägung des vorreformatorischen Kirchenregiments und einer Affinität der Landesherren für die Reformation neu zu diskutieren.25 Die Frontstellung gegen zentrale Erzähltraditionen der Reformationsgeschichte ist dabei unvermeidlich. Gegen das »erstmals« der Reformation, das seinen Ursprung oft genug nur in der Ignoranz der Reformationsgeschichte gegenüber den Entwicklungstendenzen des Spätmittelalters hat, ja letztlich als Langzeitwirkung der apologetischen Abgrenzungsstrategien der Reformatoren selbst verstanden werden kann, gilt es, die Reformation in ihren geschichtlichen Kontext zu setzen.26 Dabei hat die Forschung zuletzt manch vermeintliche Innovation als mehr oder minder bruchlose Fortentwicklung spätmittelalterlicher Ansätze erkannt, sei es durch die Einbettung des Medienereignisses Luther in die Entwicklung der vorreformatorischen Öffentlichkeit,27 sei es im genuin frömmigkeitsgeschichtlichen Bereich, wo gezeigt werden konnte, daß die Reformatoren unmittelbar an Entwicklungen vorreformatorischer Theologie, Predigt und Katechese um 1500 anknüpften.28 23

Als eines der wenigen Gegenbeispiele der jüngeren Zeit vgl. den Sammelband Buckwalter/Moeller mit dem programmatischen Titel »Die frühe Reformation in Deutschland als Umbruch«. 24 So zuletzt implizit auch Manfred Schulze, indem er ankündigte, seine Untersuchung in einem zweiten Band bis in die Reformationszeit fortzusetzen. Vgl. Schulze, Fürsten, III. – Für einen Überblick über die Forschungsliteratur siehe S. 48–65. 25 Vgl. z. B. Priebatsch, Bd. 20, 364 f.; Wolgast, Territorialfürsten, 410; Schubert, Fürstliche Herrschaft, 41; Ziegler, Territorium und Reformation I, 170. 26 Als einflußreicher Vertreter einer neuen Sicht auf das 15. Jahrhundert und die Vorreformation, die sich gegen die traditionelle Perspektive der Reformationsforschung auf den »Herbst des Mittelalters« richtet, gilt Hartmut Boockmann. Vgl. Boockmann, 15. Jahrhundert; ders., Kirche und Frömmigkeit; zu den jüngsten Debatten vgl. Hamm, Wie innovativ; ders., Medienerergnis, 160–166. 27 Siehe die Literatur S. 406, Anm. 2. 28 Vgl. Oberman, Werden und Wertung; Hamm, Frömmigkeitstheologie; Signori; Thayer.

8

Einleitung

Dabei kann es freilich keinesfalls darum gehen, die Bedeutung der Reformation durch historiographische Spitzfi ndigkeiten relativieren zu wollen. Vielmehr ist mit Berndt Hamm danach zu streben, die »ermüdende Rivalität der Konzeptionen ›kontinuierlicher Wandel‹ und ›revolutionärer Umbruch‹« zu überwinden, um in einem differenzierten Zugang der Komplexität einer historischen Situation gerecht zu werden, in der Prozesse der Beharrung, der langfristigen Umformung und des plötzlichen Klimawandels gegeneinander, nebeneinander und miteinander die Entwicklung prägten.29 Freilich sollte auch ein solcher Zugang die Forderung nach präziser Herausarbeitung und Erklärung der beteiligten Einzel- und Subprozesse keinesfalls aufgeben. In diesem Sinne ist auch eine Untersuchung der Kirchenpolitik altgläubiger Fürsten vor und während der Reformation als ein Beitrag zur Reformationsgeschichte zu verstehen. Denn als Korrektiv kann sie dazu dienen, der Überfrachtung der Reformation als voraussetzungslosem und damit letztlich unerklärlichem Urereignis der Moderne entgegenzuwirken, kann helfen, den Mythos vom »Dreh- und Angelpunkt der gesamten Neuzeit«30 zu entzaubern. Für eine moderne, überkonfessionelle Geschichte der Reformationszeit müssen die altgläubigen Territorien nicht zuletzt deshalb von Interesse sein, weil sie in vielerlei Hinsicht zeitgenössische Alternativen repräsentieren und damit die spannungsreiche Kontingenz einer offenen historischen Situation aufzeigen. Dies gilt insbesondere für jene weltlichen Territorien, deren Fürsten eine aktiv antireformatorische Position einnahmen, also etwa für Brandenburg, Bayern oder das albertinische Sachsen. Denn manche von ihnen formulierten eine »positive« Alternative zu Reformation, indem sie die Abwehr der Reformation mit der Unterstützung altgläubiger Kirchenreform verbanden.31 So betrachtet, verspricht die Untersuchung der altgläubigen Territorien und ihrer Fürsten in der Reformationszeit interessante Ergebnisse in Bezug auf die Wege und den Charakter des Übergangs von Spätmittelalter und Früher Neuzeit und seines Urereignisses, der lutherischen Reformation.

2. Alternativen zur Reformation, Alternativen zum Tridentinum? Altgläubige Kirchenreform am Beginn des 16. Jahrhunderts Gute Historiographie ordnet die Vergangenheit nicht nur chronologisch, sondern präsentiert Entwicklungslinien. In Überblicksdarstellungen zur Reformation wird dies in der Regel dadurch erreicht, daß auf ein Vorspiel spätmittelalterlicher Reformbestrebungen 32 der Hauptakt der Reformation folgt, dem dann 29 30 31 32

Vgl. Hamm, Wie innovativ, das Zitat 483. Heide Wunder, zitiert nach Hamm, Wie innovativ, 497. Siehe S. 48–65. Siehe dazu S. 36–39, 48–65.

I. Kritik der Forschung

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als Kontrapunkt die Gegenreformation entgegengestellt wird. Letztere firmiert dabei heute in der Regel unter dem Jedinschen Doppelbegriff »Katholische Reform und Gegenreformation« oder neuerdings als »Katholische Konfessionalisierung«, kulminiert aber in jedem Falle ereignisgeschichtlich im Konzil von Trient (1545–1563).33 Diese Präsentation hat den Vorzug, dem Leser schon in der Chronologie ein Leitmotiv des Zeitalters vor Augen zu führen: das Ringen unterschiedlicher Reformkräfte um die Erneuerung von Kirche und Gesellschaft. Doch geht diese Stringenz zu Lasten der altgläubig bleibenden Territorien und dem Schicksal der dortigen Reformansätze, die im Haupterzählstrang der Reformationsgeschichte bis Trient keinen rechten Platz fi nden – wie noch neueste Handbücher zeigen 34 : Was aber wurde aus den Reformansätzen des Spätmittelalters? Führten Sie zur Reformation hin oder wurden sie durch diese überwunden, obsolet? Wendeten sich die Protagonisten spätmittelalterlicher Reform der Reformation zu oder erstarrten sie vor ihr? Und weiter: In welchem Verhältnis steht die tridentinische Erneuerung zu den Reformbestrebungen der mittelalterlichen Kirche? Repräsentiert Trient einen voraussetzungslosen Neuanfang oder überwiegen die Kontinuitäten? Die Dramaturgie der traditionell protestantisch geprägten Reformationsgeschichtsschreibung hat auch die katholische Kirchengeschichte übernommen. Egal ob Luther dabei als Spalter von Kirche und Reich oder – ökumenisch vermittelnd – als Mahner zu neuem Auf bruch erscheint, immer wird die Reformation als wesentlicher Anstoß betrachtet, der die eigenen Reformbemühungen erst wieder in Gang gebracht habe.35 Diese lassen die Darstellungen deshalb stets mit einer gewissen Zeitverzögerung beginnen und konzentrieren sich dabei in der Regel auf die Entwicklungen an der Kurie. Oft heißt es nicht ohne Vorwurf, Rom wäre der Ernst der Lage nur langsam bewußt geworden. Als Meilenstein wird häufig die Arbeit der seit 1534 durch Papst Paul III. eingesetzten Reformkommissionen genannt, der führende kuriale Reformer wie Gasparo Contarini, Gian Pietro Carafa, Reginald Pole und Jacopo Sadoleto angehörten. Aber der wirkliche Durchbruch wird in der Regel erst mit dem langer33 Zur Begriffsbildung vgl. Jedin, Katholische Reform; Zeeden, Periodisierung. – Zur kontroversen Debatte um katholische Konfessionalisierung vgl. Zeeden, Konfessionsbildung; Schilling, Konfessionalisierung; Reinhard, Katholische Konfessionalisierung; Schindling, Grenzen; Ziegler, Altgläubige Territorien; ders., Konfessionalisierungsthese. Zum Konzil von Trient vgl. Jedin, Konzil. 34 Vgl. zuletzt z. B. Reinhard, Probleme. Eine gängige Darstellungsweise ist die kurze »Rückschau« auf die altgläubigen Reformversuche im frühen 16. Jahrhundert als Einleitung zur Schilderung der katholischen Erneuerung nach 1555, vgl. z. B. Rabe, 514–516. 35 In seiner Metaphorik eindrücklich bleibt die entsprechende Passage bei Hubert Jedin: »Noch waren diese Knospen nicht ans Licht gekommen, noch war die katholische Reform nicht stark genug, sich Papsttum und Kirche zu erobern, da kam die Katastrophe. Erst die Glaubensspaltung machte die Bahn frei für die tridentinische Erneuerung der Kirche«. Jedin, Trient, Bd. 1, 23.

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sehnten Konzil verbunden, dessen Einberufung – bekanntlich durch den Dauerkonfl ikt zwischen Habsburg und Frankreich verzögert – erst im Jahre 1545 erfolgte.36 Das Tridentinum steht in vielen Darstellungen nicht nur im Zentrum, es wird oft genug zum Beginn katholischer Reform überhaupt erklärt.37 Wenngleich die Bedeutung seines Reformprogramms für die neuzeitliche Kirche – trotz des Wissens um die Schwierigkeiten seiner Implementierung 38 – außer Frage steht, so ist doch auffällig, wie sehr das Konzil zum Urereignis stilisiert wird, um Luthers Reformation einen vergleichbar energischen Auf bruch entgegenzusetzen. Eine Kontinuität zwischen der Kirchenreform des 15. Jahrhunderts und den Dekreten von Trient wird zwar häufig postuliert, der Nachweis jedoch selten geführt, da sich das Forschungsinteresse – zuletzt verstärkt durch die Kontroversen um das Paradigma der Konfessionalisierung – auf die posttridentinische Zeit konzentriert.39 Die frühe Reformationszeit erscheint so unter dem Aspekt der katholischen Reform als weißer Fleck – egal ob man neuere kirchengeschichtliche oder profangeschichtliche Darstellungen zur Hand nimmt.40 Aber hat es zwischen den Reformkonzilien des 15. Jahrhunderts und dem Tridentinum tatsächlich ein Abreißen der altgläubigen Reformbemühungen gegeben? War im Reich des frühen 16. Jahrhunderts einige Zeit lang die Reformation die einzige Antwort auf die Reformfrage? Hier ist an der gängigen Erzählfolge vieler Darstellungen zur katholischen Reform Kritik zu üben. Denn diese steht nicht zuletzt im Widerspruch zur heutigen Sicht auf die Anfänge der Reformation. Längst ist Konsens darüber erreicht, daß Luther nicht als einsamer Mahner auftrat, sondern seinen Erfolg vielmehr dem massiven öffentlichen Interesse an der Reformfrage verdankte, an das er mit seinen Thesen anknüpfte.41 Kirchenreform war demnach im Reich der frühen Reformation ein ausgesprochen virulentes Thema und Namen wie Johannes Eck, Johannes Cochlaeus oder selbst Erasmus von Rotterdam sollten ausreichen, um daran zu erinnern, daß sie es auch dort blieb, wo Luthers Ideen auf Ablehnung stießen.

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Vgl. z. B. Jedin, Trient, Bd. 1; Iserloh/Glazik/Jedin, 449–683. Vgl. z. B. Hsia, 10–25. 38 Vgl. exemplarisch Forster. 39 Zur Ausrichtung der Forschung vgl. z. B. Jedin, Aufsätze; Schröer, hier programmatisch Bd. 1, 1–36; Ganzer. Als typische Momentaufnahme vgl. die Ausrichtung der Beiträge des Symposions »Katholische Reform« im Campo Santo Teutonico zu Rom 1988. Vgl. Katholische Reform. 40 Vgl. Iserloh/Glazik/Jedin; Bireley; Hsia. Aus der profangeschichtlichen Perspektive vgl. zuletzt Reinhard, Probleme. 41 Vgl. z. B. Wolgast, Territorialfürsten, 411–415; Boockmann/Dormeier, 247; Wohlfeil, Wormser Reichstag, 89. 37

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Die geringe Aufmerksamkeit, die die Forschung zur katholischen Reform den Jahren der frühen Reformation entgegenbringt,42 ist nach alledem wohl nicht nur eine Frage historiographischer Gewichtung, sie scheint – zumindest bei manchen katholischen Kirchenhistorikern – auch ein Resultat inhaltlicher Präferenzen. Denn spätmittelalterliche und tridentinische Reform trennt nicht nur der zeitliche Abstand, sie können auch prototypisch stehen für widerstreitende Konzeptionen von Reform innerhalb der katholischen Kirche. Die Leitidee der tridentinischen Reform ist die vom Papsttum gesteuerte Erneuerung. Sie repräsentiert damit nicht nur den Sieg der Päpste über den Konziliarismus, sondern auch eine politische Entscheidung gegen andere Strukturelemente der spätmittelalterlichen Reform, vor allem gegen den Einfluß der Fürsten, der vielerorts eine Zurückdrängung der bischöfl ichen Aufsichtsrechte mit sich gebracht hatte.43 Die katholische Historiographie hat diese konzeptionelle Ausrichtung des Tridentinum stets begrüßt und betont, daß erst das Reformengagement des Papsttums den Reformen zur Durchsetzung verhalf.44 Dabei hat namentlich der einflußreiche Hubert Jedin die Anschlußfähigkeit der spätmittelalterlichen Reformbestrebungen massiv in Zweifel gezogen, wobei ihm insbesondere die Rolle der Fürsten fragwürdig erschien. Der »laikale Einschlag«, der ihm geradezu als Signum der Kirchenreform in der Vorreformation galt,45 war aus seiner Sicht ein Manko, letztlich ein Zeichen von Schwäche, weil jede nicht vom Papsttum gesteuerte Reform habe Stückwerk bleiben müssen.46 Für Jedins negative Einschätzung spielt dabei nicht zuletzt die alte These eine Rolle, daß die reformorientierten Landesherren zu Wegbereitern der Reformation geworden seien. So sieht er in der landesherrlichen Reform »vielleicht wohl gemeinte, aber doch sehr bedenkliche Maßregeln, weil sie das kirchliche Leben in allzu

42 Damit soll freilich nicht behauptet werden, die frühe Reformationszeit fände überhaupt keine Aufmerksamkeit in der katholischen Kirchengeschichte. Nur konzentrieren sich die Arbeiten eben in der Regel auf die Auseinandersetzung mit Luther, also auf die Abwehr der Reformation. Dabei tendieren sie zu einer starken Gewichtung der theologischen Debatten zwischen den Reformatoren und altgläubigen Theologen, während die Kirchenpolitik weltlichen Landesherren kaum Aufmerksamkeit fi ndet. Vgl. z. B. Iserloh, Theologen; ders., Eck; Smolinsky, Alveldt und Emser; als Bibliographie vgl. Klaiber. – Eine der besten Überblicksdarstellungen zu Reformansätzen im frühen 16. Jahrhundert bleibt trotz allem Jedin, Trient, Bd. 1, hier besonders 111–132. Aus der jüngeren Literatur vgl. Bäumer; Smolinsky, Reformationsgeschichte; ders., Oberrhein; Brockmann; mit Konzentration auf das 5. Laterankonzil: Minnich, Catholic Reformation. Als wichtigste Quelleneditionen vgl. Pfeilschifter; Friedensburg, Briefwechsel. 43 Siehe S. 48–65. 44 Diese maßgeblich von Hubert Jedin vertretene Sichtweise bekräftigte 1988 Konrad Repgen auf einem Symposium zur Katholischen Reform. Vgl. Repgen, Reform, 17. 45 Zitiert nach Jendorff, 21. 46 Vgl. Jedin, Trient, Bd. 1, 3–132, hier besonders 122 f., 131 f.

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enge Abhängigkeit vom Staate brachten [. . .] und dem künftigen landesherrlichen Kirchenregiment der Protestanten vorarbeiteten.«47 Das geringe Interesse an altgläubigen Reformansätzen in der frühen Reformation und insbesondere am Reformpotential der landesherrlichen Kirchenpolitik erscheint hier als Ergebnis einer historischen Vorverurteilung, die diesen Ansätzen nicht nur wenig Chancen einräumt, sondern sie sogar für ekklesiologisch bedenklich hält. Es ist nicht die Aufgabe einer profangeschichtlichen Arbeit, die Leitideen der katholischen Kirchengeschichtsschreibung einer Ideologiekritik zu unterziehen.48 Doch muß festgehalten werden, daß weder die Euphorie der reformatorischen Öffentlichkeit für Luther noch der faktische Sieg des Papsttums im Tridentinum den Historiker davon abhalten sollten, den zeitgenössischen Alternativen zu diesen Entwicklungen nachzugehen. Anknüpfungspunkte bieten dabei die Arbeiten einer heute kaum noch bekannten Leipziger Historikerschule. In seiner »Geschichte der katholischen Reformation« bemühte sich Wilhelm Maurenbrecher bereits 1880, die Kontinuitätslinien katholischer Reform zwischen dem Konziliarismus und Trient herauszuarbeiten, wobei er als Träger dieser Tradition den weltlichen Landesherren eine wichtige Rolle einräumte. Er wies darauf hin, daß selbst in den Sturmjahren der frühen Reformation die altgläubigen Reformbemühungen nicht abbrachen.49 Seine Schüler Felician Gess und Otto R. Redlich untermauerten mit ihren quellenorientierten Darstellungen und Editionen zur landesherrlichen Kirchenpolitik in Sachsen und Jülich-Berg Maurenbrechers Thesen und schufen Grundlagen, auf die Forschung bis heute zurückgreift.50 Die Erforschung altgläubiger Reform in Vorreformation und Reformation und hier konkret: der Ansätze landesherrlicher Kirchenpolitik, besitzt also für die Frage nach der Verbindung von mittelalterlicher und neuzeitlicher Reformdiskussion einen kaum zu unterschätzenden Stellenwert. Gerade vor dem Hintergrund aktueller Kontroversen um Kontinuität und Wandel in der Reformation gewinnt diese Fragestellung zusätzliche Relevanz. Ob sich altgläubige landesherrliche Kirchenreform dabei als unbedeutender Nebenstrang oder als verborgener »missing link« erweist, kann eben erst nach einer eingehenden Untersuchung beantwortet werden.

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Jedin, Trient, Bd. 1, 122 f. Für eine Zusammenfassung jüngerer Kritik und Debatten innerhalb der katholischen Kirchengeschichtsschreibung, insbesondere zur Frage der Bindung an die offi zielle katholische Ekklesiologie vgl. Jendorff, 5–11. 49 Vgl. Maurenbrecher, 97–99, 156–249. Der zweite Band zur Zeit nach 1534 ist nicht erschienen. 50 Vgl. ABKG; Gess, Klostervisitationen; Redlich, Kirchenpolitik; ders., Staat und Kirche. 48

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3. Landesherrliche Kirchenpolitik und der Aufstieg des Territorialstaats »Staat und Kirche vor der Reformation« – der Titel, unter dem Justus Hashagen 1930 die erste und bislang einzige Synthese zum spätmittelalterlichen Kirchenregiment vorlegte,51 verweist auf Fragen, die auch in der heutigen Forschung noch aktuell sind: Wieviel »Staat« gab es im späten Mittelalter und wie verhielten sich vormoderne weltliche Machtstrukturen zur Kirche als der größten und am weitesten entwickelten gesellschaftlichen Organisation ihrer Zeit? Der Aufstieg fürstlicher Landesherrschaft zum wesentlichen Machtfaktor in der Verfassungswirklichkeit des Reiches und ihre »Verdichtung« hin zum frühmodernen Territorialstaat gehören seit jeher zu den zentralen Themen der Mediävistik wie der Landesgeschichte.52 Eine Verknüpfung dieser Entwicklung mit der Frage der Kirchenreform wird traditionell erst im Zusammenhang mit der Reformation diskutiert. Wieder ist es Luthers Version des Kirchenregiments, das die zuvor autonome kirchliche Sphäre erstmals dem Zugriff weltlicher Gewalt geöffnet haben soll. Entsprechend verortet Karlheinz Blaschke das »objektive« Interesse des Territorialstaats an der Reformation Luthers in den »durch sie gebotenen Möglichkeiten zur quantitativen und qualitativen Steigerung« seiner Macht.53 Doch wird wohl auch hier die Bedeutung der Reformation als Epochenschwelle überschätzt. Denn auch im Mittelalter war die Kirche lediglich in der Theorie des kanonischen Rechts dem Einfluß weltlicher Gewalt gänzlich entzogen.54 Auf der anderen Seite hat Heinz Schilling schon 1981 darauf hingewiesen, daß die zentrale Stellung der Kirche in der vormodernen Gesellschaft eine »entwicklungslogische Verbindung« von Kirchenreform mit anderen gesellschaftspolitischen Erneuerungsprozessen zur Folge hatte.55 Hartmut Boockmann exemplifiziert diese Beobachtung an der engen Verknüpfung von Kirchenreform und Reichsreform im politischen Denken des 15. Jahrhunderts, wie sie besonders prominent in der Reformatio Sigismundi oder dem Buch des sogenannten Oberrheinischen Revolutionärs zum Ausdruck kommt.56 Gerade aus der Perspektive der mittelalterlichen Zweigewaltenlehre konnten staatliche Verdich51

Vgl. Hashagen, Staat und Kirche. Siehe S. 31–34. 53 Blaschke, Wechselwirkungen, 441; wobei davon ausgegangen wird, das vor der Reformation keine Wechselbeziehungen zwischen Territorialstaatsbildung und kirchlicher Reformdiskussion bestanden. Vgl. ebd., 436. – Dagegen versucht Walter Ziegler mit Verweis auf Territorien wie Österreich und Bayern nachzuweisen, daß das Festhalten von Fürsten an der alten Kirche keineswegs mit einem Entwicklungsdefi zit in Punkto Territorialstaatsbildung einhergehen mußte. Vgl. Ziegler, Territorium und Reformation I, 173. 54 Siehe dazu S. 48–65. 55 Vgl. Schilling, Konfessionskonfl ikt, 2–40, das Zitat 34. 56 Vgl. Boockmann, Zusammenhang; daneben: Angermeier, Reichsreform und Reformation; zu den Schriften vgl. Boockmann, Art. Reformatio; Lauterbach. 52

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tung und die Reform der Kirche leicht als zwei Seiten ein und desselben gesamtgesellschaftlichen Erneuerungsprozesses angesehen werden. Es scheint also anregend und fruchtbar, schon die vorreformatorische Kirchenpolitik vor dem Hintergrund der Territorialstaatsbildung zu diskutieren. War nicht die intensive Diskussion von Kirchenreform im 15. Jahrhundert eine Steilvorlage für das Ausgreifen fürstlicher Herrschaft auf die Kirche? Beschleunigte nicht das landesherrliche Kirchenregiment, das aus diesem Engagement resultierte, wiederum das Anwachsen fürstlicher Macht? 57 Welche Ziele aber verfolgten die vorreformatorischen Fürsten? Diente Reform als bloße Chiffre für Interessenpolitik oder identifizierten sich die Landesherren tatsächlich mit deren geistlichen Zielen? Schloß die neue Verantwortung des patriarchalischen Fürstenstaates für den Gemeinen Nutzen die Sorge um das Seelenheil der Bevölkerung mit ein? Was bedeutete es umgekehrt für die Legitimation von Landesherrschaft, wenn sich der Fürst als Garant für das Funktionieren der zentralen Heilsanstalt der Christenheit präsentieren konnte? Und wie veränderte schließlich die Einflußnahme der Fürsten die Binnenwelt der Ortskirche am Ausgang des Mittelalters? Auch die Rolle des Kirchenregiments als Herrschaftsinstrument spätmittelalterlicher Landesherrschaft ist noch lange nicht eindeutig bestimmt. Von seinem Potential zeigen sich neuere Voten überzeugt, wenn sie das Kirchenregiment zu einem konstitutiven Element fortgeschrittener Landesherrschaft um 1500 erklären.58 Aber war nicht Landesherrschaft erst Voraussetzung von Kirchenregiment, letzteres also eher Epiphänomen? Oder läßt sich eine komplexere Wechselbeziehung rekonstruieren? Welche Bedeutung hatten Rechtstitel wie Vogtei und Patronat für den Ausbau von Landesherrschaft? Was bedeutete umgekehrt der Trend zur Territorialisierung von Herrschaft für die Beziehungen der Fürsten zur multipolaren Institution Kirche? Die Betrachtung fürstlicher Kirchenpolitik um 1500 wird so nicht nur von der Folie der Landesherrschaft ausgehen müssen, sie verspricht letztlich auch Rückschlüsse auf die Territorialstaatsbildung selbst und damit auf einen weiteren jener epochalen Prozesse, der den Übergang vom Mittelalter zur Moderne prägten.

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So z. B. Boockmann/Dormeier, 156 f. Vgl. Reinhard, Probleme, 211; Rogge, Praxis, 479; als Fazit einer monographischen Studie zu Bayern bei Rankl, 270–273. – Patronat und Vogtei werden schon von Albert Werminghoff als frühe Bestandteile der Landesherrschaft herausgestellt. Vgl. Werminghoff, 89. 58

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4. Vom langen Schatten der Reformation: Georg der Bärtige im Urteil der Nachwelt Eine moderne Untersuchung der Kirchenpolitik Herzog Georgs von Sachsen (1471–1539) ist nach diesen Überlegungen im Spannungsfeld von drei fundamentalen Transformationsprozessen am Übergang vom Spätmittelalter zur Frühen Neuzeit anzusiedeln: der lutherischen Reformation, der katholischen Reform und der Herausbildung des frühmodernen Territorialstaats. Doch muß sie sich auch mit den Darstellungstraditionen und Zugängen auseinandersetzen, die die Historiographie in den letzten 500 Jahren an Georg den Bärtigen, wie die Nachwelt ihn nannte, herangetragen hat. Wie die Reformationsforschung ist auch die Landesgeschichte seit ihren Anfängen durch konfessionelle Perspektiven geprägt worden. Dies ist leicht erklärlich, gehört doch die Konfession zu den wichtigsten Determinanten regionaler Identität in Deutschland. Erst in den letzten Jahrzehnten lassen sich verstärkt Versuche beobachten, diese Deutungsschemata zu überwinden. Andererseits wurde für den Zugang der sächsischen Landesgeschichte zur Reformation noch jüngst eine konfessionelle Orientierung eingefordert: »Soweit sächsische Landesgeschichte die Kirchengeschichte des Landes betrifft, steht sie in einer lutherischen Tradition. Das muss weiterhin auch dann gelten, wenn neue konzeptionelle Anregungen aufgenommen werden.«59 So muß es kaum verwundern, daß unser historisches Wissen bis heute durch konfessionelle Perspektiven, Engführungen und Wertungen vorgeformt ist. Dies gilt exemplarisch für das Bild Herzog Georgs von Sachsen.60 Herzog Georg erfüllt eigentlich alle Voraussetzungen, um als Gründungsfigur eines der bedeutendsten Territorialstaaten des Reiches zu fungieren. Als erster Regent des von seinem Vater eher widerwillig begründeten Herzogtums wurde er in seiner mehr als fünfzigjährigen Regierungszeit (1488/1500–1539) zum maßgeblichen Gestalter des albertinischen Territorialstaats, der als Kurfürstentum und Königreich bis 1918 in ununterbrochener dynastischer Kontinuität fortbestand. Doch obgleich es Georg war, der Dresden zur Hauptstadt Sachsens erhob, der im späteren Elbflorenz die erste Renaissanceresidenz errichten und das Land durch umsichtige Wirtschafts- und Finanzpolitik erblühen ließ, blieb ihm ein Ehrenplatz in der sächsischen Geschichte verwehrt.61 Zur Identifi kati59

Blaschke, Landesgeschichte und Reformation, 128. Zur Biographie Herzog Georgs vgl. Junghans, Art. Georg; Werl, Art. Georg; Höss, Art. Georg; Hoyer, Georg; Ders., Georg II; Vossler; Bünz/Volkmar, Albertinische Herzöge, 79–85; überholt: Flathe; Welck. – Siehe auch S. 77–88. 61 Zum albertinischen Sachsen unter der Regierung Herzog Georgs vgl. Kötzschke/ Kretzschmar, 176–188; Blaschke, Zeitalter der Reformation; Hoyer, Herzogtum; Smolinsky, Albertinisches Sachsen, 8–17; Groß, 29–56; zur weltlichen Herrschaftspraxis vgl. Goerlitz; Schirmer, Herrschaftspraxis; ders., Finanzen; ders., Kursächsische Staatsfi nanzen; Volkmar, Hofrat. 60

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onsfigur des Landesvaters avancierte statt seiner der nächste Wettiner, der das Land über einen längeren Zeitraum regierte, sein Neffe Kurfürst August (reg. 1553–1586).62 Die kritische Bewertung, die Herzog Georg statt dessen in der sächsischen Landesgeschichte erfuhr, hat ihren Grund einzig und allein in seiner Entscheidung gegen die Reformation.63 Wirtschaftlich und gesellschaftlich auf das engste mit Kursachsen verbunden, wurde das Herzogtum Sachsen seit dem Auftreten Luthers zu einem zentralen Schauplatz der Reformationsgeschichte. Doch erst mit dem Tode Georgs im Jahre 1539 konnte das Territorium für die neue Lehre gewonnen werden.64 Georg selbst hat sein entschiedenes Auftreten gegen Luther wiederholt vor der Nachwelt zu rechtfertigen gesucht. »Dergleychen getrauen und verhoffen wir«, so schrieb der Fürst 1527 im Vorwort der von ihm initiierten Emserausgabe des Neuen Testaments, »das auch dieyenigen, denen wir unbekant und die, so nach uns kommen werden, aus folgender glaubwirdiger underricht und erzelung der Lutherischen [. . .] lehr, und früchten, so sich daraus entspunnen, uns auch in dem wol entschuldigt haben werden«.65 Doch die Bitte um ein faires Urteil der Geschichte blieb frommer Wunsch. Denn die Ablehnung Luthers galt späteren Generationen als Versagen in der welthistorischen Stunde Mitteldeutschlands. In einem Land, das über Jahrhunderte hinweg die Führungsmacht der lutherischen Konfessionspartei im Alten Reich darstellen sollte und sich bis heute als Geburtsland der Reformation versteht, ging das historische Verständnis für die Anliegen der Kirchenpolitik Herzog Georgs weithin verloren. Tatsächlich hat die Landesgeschichte Georgs Wirken stets zwiespältig bewertet. Exemplarisch mag das Urteil Heinrich Buttes stehen, der Georgs »erfolgreiche[r] Arbeit als Regent und Volkswirt« im selben Satz »sein[en] tragische[n] Kampf zur Erhaltung des alten Glaubens« gegenüberstellt und damit einen diametralen Gegensatz zwischen Progressivität und Rückwärtsge-

62 Vgl. Bruning, August; ders., Landesvater; sowie zukünftig die in Vorbereitung befi ndliche Habilitationsschrift von Jens Bruning (Göttingen) zu August als Reichs- und Landespolitiker. 63 Zur Kirchenpolitik Herzog Georgs in der Reformationszeit vgl. (als Auswahl in chronologischer Reihung) Schulze, Ehrenrettung; Blanckmeister; Cardauns; Hecker; Bekker; Vossler; Ludolphy, Kampf; Wartenberg, Luthers Beziehungen; Smolinsky, Alveldt und Emser; ders., Albertinisches Sachsen; Volkmar, Heiligenerhebung Bennos. Für weitere Literatur und einen Forschungsüberblick siehe S. 20–24. 64 Zur ersten Information über die Reformation im albertinischen Sachsen vgl. Junghans, Ausbreitung; Ludolphy, Kampf; Wartenberg, Landesherrschaft; ders., Entstehung; daneben: Werl, Elisabeth; Clemen, Einführung; Lobeck, 90–179. 65 Vorwort Herzog Georgs zu Hieronymus Emsers Ausgabe des Neuen Testaments, Dresden, 1. August 1527, ABKG, Bd. 2, 775–780.

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wandtheit konstruiert, der für das Bild des Albertiners in der sächsischen Historiographie paradigmatisch ist.66 Über die sächsische Landesgeschichte hinaus hat Herzog Georg in der deutschen Reformationsgeschichte vor allem als Widersacher Luthers Aufmerksamkeit gefunden. Der Wettiner, den der päpstliche Nuntius Morone einst als »fi rmissima colonna della fede catholica« unter den Fürsten des Reiches hervorhob,67 gilt nicht nur als einer der ersten, sondern auch als einer der »ent schiedensten und vielleicht [. . .] geistig bedeutendsten Gegner [der Reformation] unter den deutschen Fürsten«.68 So wird Georg etwa als Gegenprobe herangezogen, wenn es darum geht, die Dynamik der frühen Evangelischen Bewegung zu betonen: Selbst einem so entschlossen handelnden Fürsten wie Georg, so resümierte jüngst Scott Dixon, sei es nicht gelungen, deren Verbreitung zu unterbinden.69 Dem Lutherforscher Helmar Junghans wiederum gilt das Scheitern Georgs als Beweis dafür, »daß die römische Kirche die Reformkräfte erst unterstützte, als sie ihre Existenz von der Reformation bedroht fühlte«.70 Von der Aufmerksamkeit, die die Reformationsgeschichte Herzog Georg zukommen ließ, zeugt nicht zuletzt die umfangreiche, wenngleich Fragment gebliebene Edition der »Akten und Briefe zur Kirchenpolitik Herzog Georgs von Sachsen«. Daß man diese Quellensammlung erst mit dem Jahre 1517 einsetzen ließ, zeigt deutlich, das sich das breitere Interesse der Forschung an Georgs Kirchenpolitik auf dessen Gegnerschaft zu Luther beschränkte.71 Betrachtet man noch einmal genauer das negative Urteil der sächsischen Landesgeschichte über Georgs Rolle in der Reformation, so fällt schließlich auf, daß hierfür nicht allein konfessionelle Vorbehalte gegenüber seinem Festhalten an der römischen Obödienz ausschlaggebend waren, attestiert man dem theologisch gebildeten Fürsten doch zumeist tiefe Frömmigkeit und tadellose Lebensführung. Entscheidend scheint vielmehr die vermeintliche Aussichtslosigkeit seiner antilutherischen Politik zu sein. Die Vokabel »tragisch« avanciert hier zum Schlüsselbegriff der Bewertung. »Es ist eben das Tragische in Georgs Le66

Butte, 175. Zitiert nach Cardauns, 101, Anm. 1. 68 Cardauns, 101. 69 »There is no greater testimony to the depth of popular support than the events in the lands of Albertine Saxony. Even in this principality, where duke George made ever effort to put down the movement, Luther gathered followers. There seemed to be little a prince could do to stop the spread of the movement in the early 1520s.« Dixon, Princely Reformation, 153. 70 »Da die geistlichen Würdenträger sich versagten, mußte er scheitern. Seine Kirchenpolitik bewies, daß die römische Kirche die Reformkräfte erst unterstützte, als sie ihre Existenz von der Reformation bedroht fühlte.« Junghans, Art. Georg, 388. 71 Vgl. ABKG, hier insbesondere das Vorwort in Bd. 1. – Einen weiteren Horizont bewies freilich ihr Bearbeiter Felician Gess, der die ersten quellengestützten Arbeiten zur vorreformatorischen Kirchenpolitik Georgs vorgelegt hat. Vgl. Gess, Klostervisitationen; ders., Ablaß; ABKG, Bd. 1, XXI–LXXXVIII. 67

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ben, daß er den unmöglichen Kampf gegen eine mit geschichtlicher Nothwendigkeit sich vollziehende Neugestaltung unternommen hatte«, resümiert 1878 Theodor Flathe.72 Eine geradezu teleologische Sicherheit, daß die Reformation unauf haltsam war, verbindet sich hier mit der Vorstellung, diese besäße in der sächsischen Geschichte eine historische Mission. Angesichts der Bedeutung der Reformation für die Kulturgeschichte Mitteldeutschlands von Luther bis Bach fiel es offenbar schwer, ihren Erfolg als bloße Kontingenz zu betrachten. Georgs Tragik wird also darin gesehen, daß er seine Gestaltungskraft auf den Versuch verschwendet habe, den unauf haltsamen Sieg des Neuen zu verhindern. Dabei gilt es stets als ausgemacht, daß Georg tatsächlich einsam gegen die Neigung seiner Bevölkerung ankämpfte, weil »das ganze Land im geheimen lutherisch« war.73 Es ist diese (vermeintlich absehbare) Vergeblichkeit, die die Kirchenpolitik Georgs erst vollends als politische Fehlleistung qualifi ziert. 1970 kann Karlheinz Blaschke Georgs Stellungnahme gegen Luther zwar als »individuelle Gewissensentscheidung« akzeptieren, betont aber, das dieser damit seine »politischen Aufgaben hintangestellt« habe. Durch die Erklärung seines Handelns mit (unpolitisch-)persönlichen Motiven wird die Möglichkeit einer politischen Zukunftsorientierung der altgläubigen Kirchenpolitik Georgs gänzlich in Abrede gestellt. Und so kann Blaschke resümieren: »Als bei seinem Tode 1539 dieses subjektive Moment wegfiel, konnte sich sogleich die objektive Notwendigkeit durchsetzen und die Reformation auch im albertinischen Sachsen eingeführt werden«.74 Immer wieder wurde Georgs Wirken so aus der Sicht der nach 1539 siegreichen Konfession betrachtet. Im Titel eines Aufsatzes von Ingetraut Ludolphy tritt diese Aufladung besonders hervor, wenn vom »Kampf Herzog Georgs von Sachsen gegen die Einführung der Reformation« die Rede ist. Georg erscheint hier unwillkürlich als Hindernis für den »normalen« Gang der Geschichte, ein Widerspruch in sich, denn wer außer dem Landesherrn hätte eine obrigkeitliche »Einführung der Reformation« vollziehen sollen? 75 Vollends auf Ratlosigkeit mußte so schließlich die andere Seite der Kirchenpolitik Georgs stoßen: seine zahlreichen Anläufe zur Kirchenreform, mit denen der angebliche Gegner des Neuen noch in der Reformationszeit immer wieder hervortrat, am bekanntesten in seiner federführenden Beteiligung an den Gravamina nationis Germanicae auf dem Wormser Reichstag von 1521. Oswald Hekker projiziert die Verständnisschwierigkeiten der Historiker sogar auf die Zeitgenossen zurück, wenn er behauptet, Georg sei »nicht nur seinen ernestinischen 72

Flathe, 687. So die klassische, in zahllosen Varianten wiederholte Formulierung von Franz Blanckmeister. Vgl. Blanckmeister, 119. Zur Tradierung dieser Einschätzung vgl. z. B. Ludolphy, Kampf, 169. 74 Blaschke, Wechselwirkungen, 441. 75 Ludolphy, Kampf, 165. 73

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Nachbarn, sondern dem ganzen deutsche Volke [. . .] in seinem Wesen schon sehr frühe zwiespältig« erschienen, »wenn er einerseits die [. . .] Mißstände des römischen Klerus [. . .] bekämpfte und andererseits doch auch immer wieder der Lehre und den Anschauungen Luthers aufs schärfste entgegentrat«.76 So ist es nicht weiter verwunderlich, wenn auch der Historiker Georgs Motive nicht kohärent deuten kann: »Hier klafft eine Lücke im Verständnis des Wesens dieses Fürsten«, lautet Heckers Fazit.77 Die offenbar unauflöslichen Widersprüche zwischen dem modernen Territorial- und dem rückwärtsgewandten Religionspolitiker, ja das Unvermögen, Romkritik und Luthergegnerschaft Georgs zusammenzudenken, zeigen in aller Schärfe die Grenzen des traditionellen Zugangs der Kirchen- und Landesgeschichte auf, die in ihrer Fixierung auf die Reformation als welthistorische Stunde Sachsens den Blick für Alternativen augenscheinlich verloren hat.

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Hecker, 4. Ebd., 5.

II. Die Kirchenpolitik Herzog Georgs in neuer Perspektive 1. Ansatz und Methodischer Zugang Aus dem Deutungshorizont des »Geburtslandes der Reformation«1 auszubrechen muß die erste methodische Forderung an eine neue Arbeit zur Kirchenpolitik des letzten altgläubigen Wettiners sein. Denn die oben skizzierten Widersprüche bestehen nur solange, wie eine produktive Lösung der Reformfragen des frühen 16. Jahrhunderts gleichgesetzt wird mit einer Entscheidung für die Reformation. Fragen wir also von Neuem: Besaß Georgs Kirchenpolitik in der Reformationszeit politische Perspektiven? War Luthers Reformation für die Zeitgenossen tatsächlich die einzig denkbare Antwort auf die Probleme der Zeit und war die von ihr inspirierte Evangelische Bewegung wirklich unauf haltsam? Der Blick über die Landesgrenzen macht für diese Suche nach Alternativen Mut. Sahen die frühen 1520er Jahre doch etwa in Bayern einen neuen Anlauf altgläubiger Reformbemühungen, die bei genauem Hinsehen jenen Georgs verblüffend zu ähneln scheinen. Auch wurde hier, ebenso wie in der Mark Brandenburg oder in Österreich, die Evangelische Bewegung in einem solchen Maße von der Obrigkeit bedrängt, daß sie sich zunächst – ob endgültig oder vorläufig, kann dabei keine Rolle spielen – nicht durchsetzen konnte.2 Vor diesem Hintergrund erscheint der Perspektivenwechsel auch im Falle des albertinischen Sachsens vielversprechend. Die Kirchenpolitik Herzog Georgs sollte nicht mehr nur aus der Gegensicht der lutherischen Reformation und damit von vornherein als negatives Reagieren betrachtet werden. Ein solcher Ansatz gibt den Blick auf die politischen Motivationen einer Schlüsselfigur der Reformationsgeschichte frei. Der konzeptionelle Fokus der Untersuchung ist dabei in zweierlei Hinsicht zu erweitern: Zum einen wird chronologisch eine Ausweitung des Untersuchungszeitraumes vorgenommen. Anstatt das Auftreten Luthers als Anfangsdatum zu postulieren, wie dies etwa die maßgebliche Edition der »Akten und 1

Vossler, 272. Zu Bayern vgl. Lutz/Ziegler, 337–351; Pfeilschifter, Bd. 1, hier 1–5; Wolgast, Territorialfürsten, 420–423; Kohnle, Reichstag, 137–147; Rößler; zu Österreich vgl. Hofmeister; Ziegler, Nieder- und Oberösterreich; zu Brandenburg vgl. Winterhager, Kurbrandenburg; Rudersdorf/Schindling, 39 f. 2

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Briefe zur Kirchenpolitik Herzog Georgs von Sachsen« praktiziert hat, soll ein besonderer Schwerpunkt gerade auf die vorreformatorische Kirchenpolitik Herzog Georgs zwischen 1488 und 1517 gelegt werden. Damit geraten jene Jahrzehnte in das Blickfeld, die ausgehend von den Studien von Felician Gess als formative Phase der Kirchenpolitik des Albertiners angesehen werden können,3 die aber bislang in der Forschung kaum Aufmerksamkeit fanden. Den Entwicklungsstand der landesherrlichen Kirchenpolitik vor der Reformation zu bestimmen wird dabei als entscheidende Voraussetzung begriffen, um die Motive und die konzeptionelle Ausrichtung der Kirchenpolitik Georgs in der Reformationszeit aus ihrer eigenen Entwicklung heraus zu verstehen. Zum anderen wird eine thematische Erweiterung des Untersuchungshorizontes verfolgt, indem sich die Analyse von der Gegenperspektive der Reformation und damit von der Verengung auf den Luthergegner Georg zu lösen versucht. Dadurch eröffnet sich zum einen der Blick auf das vorreformatorische Kirchenregiment. Zum anderen läßt sich Georgs Kirchenpolitik in den Kontext der Katholischen Reform einordnen. Der Bogen spannt sich dabei von den Wurzeln der landesherrlichen Reformengagements im späten 15. Jahrhundert bis hin zu einer dezidiert altgläubigen Reformpolitik in den 1520/30er Jahren. Als besonders bemerkenswert erscheint dabei die Fortsetzung der altgläubigen Reformpolitik auch angesichts der beginnenden Reformation. Es wird zu fragen sein, wie sich Motivation und Selbstverständnis der antilutherischen Maßnahmen und der altgläubigen Reformpolitik zueinander verhielten. Stand die Abwehr der Reformation unvermittelt neben dem bisherigen Reformengagement, oder bestand zwischen beiden Bereichen gar eine innere Verbindung? Vorreformatorisches Kirchenregiment und altgläubige Kirchenreform sollen dabei gleichberechtigt neben dem Kampf gegen die Reformation als Fixpunkte der albertinischen Kirchenpolitik betrachtet werden. Dem Erkenntnisinteresse gemäß gliedert sich die Untersuchung in zwei Teile. Im ersten Abschnitt soll das Gesamtspektrum der vorreformatorischen Kirchenpolitik Herzog Georgs rekonstruiert, im zweiten seine Kirchenpolitik gegen die frühe Reformation problematisiert werden. Ein exakter chronologischer Einschnitt läßt sich nicht benennen, da beide Teile thematisch und analytisch asynchron ausgerichtet sind. Doch fungieren Ereignisse wie die Leipziger Disputation von 1519 oder der Wormser Reichstag von 1521 als Scharniere, weil sich in ihnen vorreformatorische Kirchenreform und die Auseinandersetzung mit der Reformation überlagern. Mit diesem Ansatz kann die Untersuchung von den Vorarbeiten einiger älterer Studien ebenso profitieren wie sich auf aktuelle Entwicklungen in der Forschung stützen. Methodisch richtungsweisend ist unter den älteren Arbeiten etwa die Studie von Paul Kirn zu Friedrich dem Weisen, weil sie erstmals die 3

Siehe S. 17, Anm. 71.

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vorreformatorische Kirchenpolitik Friedrichs als Folie für seine Lutherschutzpolitik heranzog und damit manch vorschnelles Urteil der Forschung über die Sympathien Friedrichs für die Reformation relativieren konnte.4 Die wenigen Arbeiten, die die vorreformatorische Kirchenpolitik Herzog Georgs in den Blick genommen haben, verweisen darauf, daß dessen persönliche Herrschaftspraxis zu einer Intensivierung des Kirchenregiments führte.5 Rudolf Zieschang hat am Ende seiner Untersuchung der wettinischen Kirchenpolitik im Spätmittelalter die Aufgabe einer systematischen Untersuchung des Kirchenregiments Herzog Georgs bereits skizziert, sie jedoch nicht mehr zur Ausführung gebracht.6 Auch die Bedeutung Herzog Georgs für die altgläubige Kirchenreform ist früh gesehen worden. Schon 1834 versuchte Adolf Moritz Schulze, seines Zeichens Nachmittagsprediger an der Leipziger Universitätskirche, seine »Ehrenrettung des Herzog Georgs von Sachsen« damit zu begründen, daß dieser trotz der Ablehnung Luthers eine Reform der Kirche angestrebt habe.7 Felician Gess, der spätere Edition der »Akten und Briefe«, hat in einer frühen Skizze am Beispiel der Klosterreformen die Kontinuität dieser Reformbemühungen vom Spätmittelalter bis in die 1530er Jahre nachgezeichnet.8 Doch hat die Orientierung der Forschung auf den Luthergegner Georg diesen Aspekt häufig in den Hintergrund treten lassen, so daß eine monographische Untersuchung der Reformpolitik Georgs bis heute aussteht.9 Eine Ausweitung der Perspektive kann sich auch auf den 1957 in der Historischen Zeitschrift publizierten Essay Otto Vosslers über die Motive des Luthergegners Georg stützen. Zwar hatte Vossler, als er das albertinische Sachsen als »Geburtsland der Gegenreformation« bezeichnete, dies lediglich auf den Kampf Georgs gegen die Reformation bezogen wissen wollen.10 Doch ist der Vergleich mit dem konfessionellen Zeitalter ein wichtiger Fingerzeig, weil sich Georgs Kirchenpolitik tatsächlich mit den umfassenden, Abwehr und Reform gleichermaßen verbindenden Konzeptionen der katholischen Konfessionalisierung vergleichen läßt. Dies hob zuletzt etwa Eike Wolgast hervor, als er in einem Abriß über die Stellung der deutschen Fürsten zur frühen Reformation die herausragende und eigenständige Rolle Herzog Georgs würdigte. Unter Bezug auf die Forschungen von Felician Gess betonte er, daß Georg Luthergegner der ersten 4 Kirn argumentierte dabei vor allem gegen die bis dahin maßgeblichen Arbeiten von Paul Kalkoff. Vgl. Kirn. 5 Vgl. z. B. Zieschang, 120; ABKG, Bd. 1, XXI–LXXXVIII; daneben auch Vossler, 281 f. 6 Vgl. Zieschang, 116 mit Anm. 7, 119 mit Anm. 2, 149. 7 Vgl. Schulze, Ehrenrettung, hier 44–53. 8 Vgl. Gess, Klostervisitationen. 9 Größere Aufmerksamkeit hat stets die späte Kirchenpolitik Georgs in den 1530er Jahren gefunden. Vgl. z. B. Cardauns; Hecker; Wartenberg, Landesherrschaft, 63–89. 10 Vossler, 272.

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Stunde, aber gleichzeitig energischer Verfechter der Kirchenreform gewesen sei.11 Auch Scott Dixon betont die Zukunftsträchtigkeit dieser Konzeption: »In many ways the measures taken in Albertine Saxony and Bavaria were the fi rst steps of the Catholic reaction in the German lands.«12 Auf die Innovationskraft selbst der antireformatorischen Politik Herzog Georgs machte Mark U. Edwards im Rahmen seiner Forschungen zu den Flugschriftenkontroversen der Reformationszeit aufmerksam. Keinen Papst oder Bischof, sondern eben Herzog Georg benennt er als den wichtigsten Förderer antilutherischer Propaganda in der frühen reformatorischen Öffentlichkeit.13 Heribert Smolinsky hat die statistischen Analysen von Edwards durch seine Untersuchung zu den Kontroverstheologen im Umfeld des Dresdner Hofes mit konkreten Fallbeispielen ergänzt und darüber hinaus eine skizzenhafte Zusammenfassung der Kirchenpolitik Georgs in der Reformationszeit vorgelegt.14 Schließlich ist es das Verdienst des Leipziger Kirchenhistorikers Günther Wartenberg, darauf hingewiesen zu haben, daß die pauschalen Aussagen der älteren Forschung über den breiten Zuspruch der albertinischen Bevölkerung zur Reformation relativiert werden müssen. Mit seiner nach Ämtern gegliederten Übersicht konnte er zeigen, daß den Hochburgen der Evangelischen Bewegung wie Leipzig oder Oschatz andere Gebiete wie das mittlere Elbtal um Meißen und Dresden gegenüberstanden, in denen die alte Kirche mehrheitsfähig blieb.15 Herzog Georg gelang es offenbar nicht nur, »Teile seiner Bevölkerung an die altgläubige Kirche zu binden«, sondern auch, die gesellschaftlichen Eliten für seinen Kampf gegen die Reformation einzuspannen: »Der Adel und die städtischen Führungsschichten standen in der Luthersache hinter Georg«, faßt Wartenberg zusammen.16 Mit diesen Beobachtungen ist die Diskussion um die Erfolgsaussichten der antilutherischen Politik Herzog Georgs wieder offen, zumal Einzelbefunde wie eine Skizze von Siegfried Hoyer und Uta Schwarz zu Leipzig darauf hindeuten, daß die landesherrliche Sanktionspolitik selbst in den Zentren der Evangelischen Bewegung Erfolge verzeichnen konnte.17 In dieser Ausgangslage ist es das Ziel dieser Arbeit, die erste systematische Untersuchung der Kirchenpolitik Herzog Georgs vor der Reformation vorzu11

Vgl. Wolgast, Territorialfürsten, 417–420. Dixon, Germany, 119. 13 Vgl. Edwards, Printing, 37. 14 Vgl. Smolinsky, Alveldt und Emser. Als Skizze zur Kirchenpolitik Georgs vgl. ebd., 311–323; vgl. auch ders., Albertinisches Sachsen, 11–17. – Als erste Arbeit zu diesem Komplex vgl. Becker. 15 Vgl. Wartenberg, Landesherrschaft, 24–63; Hoyer, Georg II, 137. 16 Wartenberg, Luthers Beziehungen, 566, 563; vgl. auch Goerlitz, 475–482; Volkmar, Heiligenerhebung Bennos, 110–120 (am Beispiel der Feier der Heiligsprechung Bennos von Meißen in Meißen 1524) und siehe S. 332 f. zum Beispiel des Dietrich von Meckau zu Limbach. 17 Vgl. Hoyer/Schwarz, 99. 12

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legen, um dann vor diesem Hintergrund seine Auseinandersetzung mit der frühen Reformation neu zu betrachten. Durch die Überwindung verkürzter Gegensichten soll dabei der Blick für die Alternativen zur Reformation selbst im Lande Luthers eröffnet werden. Dies bietet einer modernen, überkonfessionellen Geschichtsschreibung die Chance, die Kontingenz einer offenen historischen Situation mit ihren verschiedenen Handlungsoptionen und damit die Komplexität gesellschaftlichen Wandels besser zu verstehen. Die Kirchenpolitik Herzog Georgs verspricht dabei mit ihrer ganz eigenen Matrix modernisierender und beharrender Elemente ein interessantes Fallbeispiel im Sinne der skizzierten Transformationsprozesse und damit für Kontinuität und Wandel am Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit zu sein. a) Heuristischer Ansatz: Landesherrliche Kirchenpolitik Die vorliegende Arbeit untersucht die Kirchenpolitik eines weltlichen Reichsfürsten. Als Vereinbarungsbegriff ohne quellensprachlichen Bezug eröffnet »Kirchenpolitik« ein breites und unspezifisches Bedeutungsfeld. Damit scheint der Terminus gerade für die Erforschung der vorreformatorischen Situation angemessen zu sein, wie sein Gebrauch im Titel zahlreicher Studien nahelegt.18 Im folgenden wird Kirchenpolitik als heuristischer Arbeitsbegriff verwendet, unter dem alle Formen politischen Handelns des Landesherrn gegenüber der oder unter Bezugnahme auf die Heilsanstalt Kirche und ihre Glieder subsummiert werden. Da das Weltbild des christlichen Mittelalters von einer unauflöslichen Verschränkung von Kirche und Welt ausging, war Kirchenpolitik auch Gesellschaftspolitik. Es wäre anachronistisch, sie auf einen wie auch immer gearteten religiösen Bereich einzugrenzen zu wollen. So werden auch auf den ersten Blick säkulare Quellen wie Landesordnungen oder Policeymandate in ihren weltanschaulichen Implikationen zu diskutieren sein. Auch gilt es im Blick zu behalten, daß es ein Strukturmerkmal gerade der mittelalterlichen Reichskirche war, selbst weltliche Macht auszuüben und schon von daher die Kontaktebenen zwischen weltlichen Fürsten und den Gliedern der Kirche nicht auf die geistliche Sphäre beschränkt bleiben konnten. Wenn Max Weber Politik als »die planvolle Behandlung und Führung einer bestimmten sachlichen Angelegenheit« defi niert,19 wird deutlich, worum es auch bei Kirchenpolitik zumindest im soziologischen Sinne geht: um Einfluß18 Vgl. z. B. Hennig, Kirchenpolitik; Kirn; Koller; Redlich, Kirchenpolitik; Wintruff, Kirchenpolitik; Wülk/Funk. In der Historiographie zu Herzog Georg wurde der Begriff durch Felician Gess eingeführt und fand später auch für seinen evangelischen Nachfolger Kurfürst Moritz Verwendung. Vgl. ABKG; Cardauns; zu Moritz: Wartenberg, Landesherrschaft. 19 Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, 30.

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nahme, um die Durchsetzung von Interessen, hier denen eines Fürsten gegenüber der Kirche. Doch wäre es zu kurz gegriffen, bei Webers Zwischenfazit »wer Politik treibt, erstrebt Macht« stehenzubleiben. Denn Menschen suchen Macht nicht (nur) um ihrer selbst Willen, sondern auch um sie »als Mittel im Dienst anderer – idealer oder egoistischer – Ziele« einzusetzen.20 Zwei Aspekte der Kirchenpolitik sind im Kontext dieser Studie von besonderem Interesse und sollen als Leitkonzepte der Interpretation dienen: Kirchenregiment und Kirchenreform.21 Im Weberschen Sinne greifen wir damit ein Herrschaftsinstrument und ein politisches Ziel landesherrlicher Kirchenpolitik. Die Beziehung zwischen beiden zu klären, wird eine Aufgabe dieser Studie sein. Welche Rolle spielte etwa das Kirchenregiment als politisches Instrument bei der Durchsetzung von Reformen in der Kirche? Oder inwieweit war die Etablierung des landesherrlichen Kirchenregiments selbst schon eine Transformation der Kirche? Schließlich gilt es sich vor Augen zu halten, daß die Landesherren mit der Kirchenpolitik ein äußerst sensibles Feld betraten. Das politische Denken des Mittelalters hielt Eingriffe eines weltlichen Herrschers in die Belange der Kirche nur unter bestimmten Voraussetzungen und in engen Grenzen für rechtens.22 Ein dritter Schwerpunkt der Untersuchung muß sich deshalb den Strategien der Legitimation zuwenden, den Argumentationsmustern und Modi der Selbstinszenierung, mit denen der Fürst seinen Herrschaftsanspruch über die Kirche kommunizierte und rechtfertigte. b) Analytischer Zugriff: Kirchenpolitische Handlungsebenen Eines der zentralen Ziele dieser Arbeit ist die Erforschung der Reichweite und der Dimensionen landesherrlicher Kirchenpolitik um 1500, nicht zuletzt, um davon ausgehend neue Aussagen über ihre Bedeutung für Reformation, altgläubige Kirchenreform und Territorialstaatsbildung treffen zu können. Die Arbeit strebt also danach, die Kirchenpolitik Herzog Georgs möglichst umfassend und systematisch zu rekonstruieren. Sie weicht damit vom Standard bisheriger Studien ab, bei denen in der Regel Einzelaspekte wie etwa die Klosterreform oder die Besetzung geistlicher Benefizien mehr oder minder isoliert im Fokus der Betrachtung standen.23 Ob sich Kirchenpolitik dabei als geschlossenes System

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Ebd., 822. Umstellung des Zitats durch den Verf. Siehe dazu ausführlicher unten, Abschnitt 2. 22 Nach der Zweigewaltenlehre sind geistliche und weltliche Macht, Papst und Kaiser, gemeinsam von Gott zur Herrschaft über die Welt eingesetzt. Sie bleiben deshalb ungeachtet ihrer getrennten Amtsbereiche aufeinander bezogen und sind im Sinne der gemeinsamen Verantwortung vor Gott berechtigt, bei Mißständen substitutiv in den Herrschaftsbereich des anderen einzugreifen (Notrechtslehre). Vgl. Schieffer; Mantey. 23 Für eine Darstellung des Forschungsstandes siehe S. 48–65. Als wichtigste Monographien der letzten Jahrzehnte sind hervorzuheben: Rankl; Stievermann, Landesherrschaft; 21

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erweist, oder in ein Sammelsurium unzusammenhängender Einzelmaßnahmen zerfällt, wird sich freilich erst im Laufe der Untersuchung erweisen. Für den Erfolg eines solchen Ansatzes ist die Wahl eines geeigneten analytischen Modells von entscheidender Bedeutung. Als Ordnungsprinzip wird hier eine auf induktivem Wege gewonnene Systematik von Handlungsebenen verwendet. Diese orientiert sich nicht an Sachthemen oder Diskursen, sondern am jeweiligen Kommunikationspartner bzw. Handlungsobjekt der landesherrlichen Politik. In entsprechend enger Anlehnung an die kirchliche Hierarchie werden dabei folgende Politikfelder unterschieden: Kurie und Konzil, Bischöfe und Domkapitel, Geistliche Gerichtsbarkeit, Regularklerus, niederer Weltklerus und Laien. Ergänzt werden diese durch zwei Handlungsebenen, die jenseits der Kirchenorganisation lagen, aber um 1500 rasch an Bedeutung gewannen: die Diskussion kirchenpolitischer Fragen im Reich, etwa auf den Reichstagen, sowie ihre Kommunikation mit Hilfe der neuen Medien des Buchdruckzeitalters in der vorreformatorischen und reformatorischen Öffentlichkeit. Der Zuschnitt des heuristischen Zugangs trägt damit nicht nur einer verstärkten Sensibilisierung moderner Politikgeschichte für die Bedeutung von Kommunikations- und Interaktionsprozessen bei der Realisierung von Herrschaft Rechnung.24 Er ist darüber hinaus von der Überlegung getragen, daß historische Politikforschung jene Wahrnehmungsmuster in ihre Rekonstruktionsversuche mit einbeziehen muß, mit denen die handelnden Akteure ihre Wirklichkeit erfaßt und verarbeitet haben. Dabei ist mit Bezug auf die Voraussetzungen landesherrlicher Kirchenpolitik die Einsicht zentral, daß die spätmittelalterliche Kirche in eine Vielzahl relativ autonomer Institutionen und Personenverbände zerfiel. Zwar durchdrang die Kirche mit ihrem hohen Organisationsgrad die mittelalterliche Gesellschaft wie keine andere soziale Entität ihrer Zeit und war dabei in ihrer europäischen Dimension auch nicht an die Bezugsrahmen lokaler Herrschaftsstrukturen gebunden. Doch bildete gerade die von Schisma und Konziliarismus dynamisierte Kirche des 15. Jahrhunderts alles andere als eine monolithische Einheit, weil päpstlicher Primat noch nicht päpstlichen Absolutismus bedeutete und sich die Möglichkeiten zentralistischer Steuerung auch in der Restaurationsphase des Renaissancepapsttums in Grenzen hielten. In der Konsequenz gliederte sich das Corpus Christianum tatsächlich in capite et in membris, also in eine Vielzahl teilautonomer Subsysteme, die ihre jeweils eigenen Beziehungssyteme ausbildeten

Schulze, Fürsten. Einen ähnlich umfassenden Zugriff wie das hier vorgeschlagene Ebenenmodell hat zuletzt Helmut Rankl verfolgt. 24 Vgl. zuletzt Jussen, XIV–XVI; für die mitteldeutsche Landesgeschichte: Rogge, Praxis, 493–498 (mit weiterer Literatur).

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und durch vielfältige Herrschafts- und Sozialbeziehungen mit der sie umgebenden Gesellschaft verbunden waren.25 Landesherrliche Kirchenpolitik sah sich also nicht der Kirche gegenüber, sondern mußte sich mit der Vielzahl ihrer Glieder auseinandersetzen. Fraglos stellte dabei die Interaktion mit dem Papsttums ein wichtige Kommunikationsebene dar, aber sie ersetzte nicht den Kontakt zu Bischöfen und Domherren, Orden und Klöstern, Pfarrgemeinden und Meßpriestern. Zwar waren die Glieder der Kirche durch den Normenrahmen des Kirchenrechts und die kirchliche Hierarchie in den Gehorsam der Kirche eingebunden, doch ging ihr Handlungspotential darin keinesfalls vollständig auf, zumal in einer Zeit, in der beispielsweise die bischöfl iche Aufsicht durch strukturelle Defizite beeinträchtigt war. Gleichzeitig sah sich der Landesherr in seiner Interaktion mit den verschiedenen geistlichen Instanzen mit einer Vielfalt überkommener Verfassungselemente konfrontiert, aus denen sich sehr unterschiedliche Einflußmöglichkeiten weltlicher Kirchenpolitik ergaben. Die spezifischen Problemstellungen, die sich mit Stichworten wie Klostervogtei, Pfarrpatronat oder Privilegium fori verbinden, haben nicht nur auf den ersten Blick wenig gemein.26 Eine Politik gegenüber der Kirche – wie im Landes- und Staatskirchentum des konfessionellen Zeitalters oder nach der modernen Trennung von Staat und Kirche in Bismarcks Kulturkampf – konnte es demnach in der Vorreformation noch nicht geben. Vereinheitlichte Beziehungen zwischen dem Landesherrn und der Kirche des Territoriums waren allenfalls als Fernziel, nicht aber als Voraussetzung landesherrlicher Politik denkbar. Auf diese strukturellen Gegebenheiten heben auch jene Stimmen ab, die vor einer Überschätzung der kirchenpolitischen Möglichkeiten vorreformatorischer Fürsten warnen. So hält Ernst Schubert den Begriff Kirchenregiment für das Spätmittelalter für problematisch, weil er eine Einheitlichkeit der Beziehungen zwischen Kirche und Landesherrschaft suggeriere, die es nicht gegeben habe: »Ebensowenig, wie es die Kirche gibt, gibt es auch das Verhältnis zu ihr.« 27 Dies ist ein zentraler Einwand, dem diese Studie mit der getrennten Untersuchung der verschiedenen Ebenen von Kirchenpolitik zu entsprechen sucht. Freilich sollten die Schwierigkeiten, landesherrliche Kirchenpolitik schnell auf einen Nenner zu bringen, nicht davon abhalten, diese in ihrer Gesamtheit zu beschreiben und schließlich auch in analytische Begriffe zu fassen. Eine Operationalisierung des Begriffs Kirchenpolitik muß dabei den zeitgenössischen Wahrnehmungsmustern Rechnung tragen, auch wenn die daraus resultierende Gliederung vom Standpunkt der analytischen Durchdringung zunächst unbefriedigend erscheinen mag. Tieferge25

Vgl. z. B. Werminghoff; Janssen, Köln. Siehe dazu einführend S. 48–65. 27 Schubert setzt fort: »[. . .] dann wird die Unmöglichkeit deutlich, das Thema Kirche und Fürsten auf klare Linien, wie es zum Beispiel das Schlagwort vom landesherrlichen Kirchenregiment nahelegt, festzulegen«. Schubert, Fürstliche Herrschaft, 38. 26

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hende Zugriffe wie die Frage nach Sachthemen oder Diskursen sind damit keinesfalls aufgegeben, können aber erst unter dieser Strukturierung innerhalb der einzelnen Handlungsebenen ansetzen. c) Methodische Verortung: Religionsgeschichte und Landesgeschichte Eine multiperspektivische Betrachtung historischer Fundamentalvorgänge verlangt nach methodischer Vielfalt. Gerade die Reformationsgeschichtsforschung hat sich hier traditionell offen gezeigt. Es bleibt daher für eine Studie zu Kirche und Politik in Spätmittelalter und Reformation essentiell, das vielfältige methodische Instrumentarium moderner Kultur- und Religionsgeschichte zur Verfügung zu halten.28 Als anschlußfähig erweisen sich dabei zum Beispiel die Zugänge der Prosopographie, der Religionssoziologie, der Mentalitäts- und Frömmigkeitsgeschichte, der historischen Politikforschung oder der historischen Kommunikationsforschung. Mit den Möglichkeiten der Prosopographie hat die jüngere Forschung die Bedeutung von Personenbeziehungen für das Funktionieren der vormodernen Gesellschaft neu ins Bewußtsein gerückt.29 In dieser Studie fi ndet der prosopographische Ansatz auf die Kurienprokuratoren Herzog Georgs Anwendung, an denen sich die personalen Verflechtungen zwischen Kurie und Ortskirche, aber auch mit dem geistlichen Personal der Landesherrschaft nachvollziehen lassen. Mit den Mitteln der von Max Weber und Ernst Troeltsch begründeten Religionssoziologie wird die Evangelische Bewegung im albertinischen Sachsen untersucht.30 In ihrem analytischen Instrumentarium sieht sich die Studie schließlich allgemein der historischen Soziologie Max Webers verpfl ichtet.31 Darüber hinaus wird der Ansatz dieser Arbeit jedoch ebenso maßgeblich durch einen landesgeschichtlichen Zugang bestimmt. Schon die Tatsache, daß die Konfessionsentscheidung im Reich überwiegend auf der Ebene der Territorien vollzogen wurde, weist darauf hin, »daß eine landesgeschichtliche Betrachtung [. . .] unmittelbar ins Zentrum der Reformationsgeschichte führt.«32 Landesgeschichte wird dabei als Versuch eines quellennahen Zugangs zur Geschichte des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit verstanden, der der Verfassungswirklichkeit des Reiches durch die Orientierung am politischen Handlungsrahmen der Territorien in besonderem Maße Rechnung trägt.33 Im 28 Zu den Perspektiven moderner Religionsgeschichte vgl. den Überblick bei Greyerz, Religion und Kultur, 9–41. Siehe allgemein die Literatur S. 2–14. 29 Vgl. Reinhard, Freunde; sowie die Beträge in Maczak; als beispielhafte Studien mit Bezug zum engeren Thema der vorliegenden Arbeit vgl. Gramsch; Tewes, Luthergegner. 30 Vgl. Weber, Wirtschaft und Gesellschaft; ders., Religionssoziologie; Troeltsch; aus der neueren Forschung: Bainbridge; Stark/Bainbridge. 31 Vgl. Weber, Wirtschaft und Gesellschaft; ders., Verstehende Soziologie. 32 Ziegler, Territorium und Reformation I, 162. 33 Zur methodologischen Verortung der Landesgeschichte vgl. Buchholz.

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methodischen Zugang zu ihren Quellen kann Landesgeschichte dabei offen und undogmatisch agieren, »in Grenzen unbegrenzt«. Die traditionellen Schwerpunkte landesgeschichtlicher Forschung reflektiert diese Arbeit durch eine besondere Aufmerksamkeit für verfassungs- und verwaltungsgeschichtliche Fragestellungen, etwa bezüglich der Binnenstrukturen des wettinischen Territorialstaats. So versucht sie bei jeder kirchenpolitischen Maßnahme Georgs genau zu klären, welche Weisungskompetenzen der Landesherr gegenüber dem Adressaten besaß. Von Bedeutung sind ebenso strukturgeschichtliche Ansätze wie etwa die Untersuchung von Personengruppen, die das Kirchenregiment des Landesherrn stützten und ermöglichten.34 Ein zentraler methodischer Vorzug der Landesgeschichte wird in der Möglichkeit des interterritorialen Vergleichs sichtbar.35 Die Kontrastierung des albertinischen Befundes mit der Kirchenpolitik in anderen Territorien des Reiches durchzieht in dieser Arbeit alle Stadien des Erkenntnisprozesses. Erst diese Einbettung erlaubt weiterführende Aussagen zum Entwicklungsstand, zu Spezifi ka und Besonderheiten des Fallbeispiels und seiner Bedeutung für das Phänomen fürstlicher Kirchenpolitik im Reich. Wichtige Vergleichsparameter sind dabei insbesondere Territorien mit einer ausgeprägten Kirchenpolitik wie Bayern, Brandenburg, Württemberg, Hessen, Jülich-Berg oder die österreichischen Erblande. Besondere Aussagekraft hat der Vergleich mit den Alternativen vor der Haustür, also mit der wettinischen Tradition des 15. Jahrhunderts und der Kirchenpolitik im Kursachsen Friedrichs des Weisen.36 Schließlich ist im Sinne von Volker Press und Peter Moraw auch nach der Korrelation von Reichs- und Landesebene zu fragen.37 d) Chronologischer Zuschnitt: Spätmittelalter und Frühe Reformation Für die eingangs geforderte Zusammenschau landesherrlicher Kirchenpolitik vor und während der Reformation bietet die lange Regierungszeit Herzog Georgs (1488/1500–1539) beste Voraussetzungen. Eine intensive Betrachtung der bisher kaum untersuchten vorreformatorischen Periode eröffnet die Chance, fürstliche Kirchenpolitik in der Reformation von ihren spätmittelalterlichen Voraussetzungen her neu zu verstehen. Hingegen entscheidet sich die Studie dafür, die letzten Jahre Herzog Georgs nicht mehr in gleicher Intensität in die 34 Zur Verwaltungsgeschichte Sachsens unter Herzog Georg vgl. die verschiedenen Beiträge von Karlheinz Blaschke, die jetzt in einem Sammelband verfügbar sind. Vgl. Blaschke, Beiträge; daneben Goerlitz; Schirmer, Herrschaftspraxis; Volkmar, Hofrat. Allgemein für das Reich vgl. Willoweit, Landesherrschaft. Für weitere Literatur siehe S. 88– 110. 35 Zum Ansatz der vergleichenden Landesgeschichte vgl. Buchholz; als Fallstudien: Ziegler, Territorium und Reformation II; Schneider. 36 Zu diesen Vergleichsparametern siehe S. 48–75. 37 Vgl. Moraw/Press. Zu den Reichstagen zuletzt Kohnle, Reichstag.

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Darstellung einzubeziehen. Als Einschnitt für die systematische Untersuchung wird das Jahr 1525 gewählt. Diese Abgrenzung ist freilich nicht als absolut zu verstehen, denn es werden, wo es für die Argumentation dienlich scheint, auch Quellenstücke aus späteren Jahren herangezogen. Die inhaltliche Signifi kanz des Einschnittes läßt sich gut begründen, gelten die Jahre der Frühen Reformation (1517–1525) doch traditionell als eigenständige historische Epoche. Mit dem Jahr 1525 enden die »Sturmjahre« der Reformation, ist der Höhepunkt der Flugschriftenproduktion ebenso überschritten wie mit der Katastrophe des Bauernkrieges die Dynamik der »Revolution des Gemeinen Mannes« gebrochen wird. Es beginnt eine Phase der Konsolidierung, die durch die obrigkeitliche Einführung der Reformation in zahlreichen Reichsstädten und Territorien ebenso gekennzeichnet ist wie durch ihre öffentliche Abgrenzung von der Papstkirche mit der Speyerer Protestation (1529) und der Confessio Augustana (1530). Altgläubige Reformdiskussion und lutherische Reformation werden nun zunehmend als unversöhnlich wahrgenommen, die Polarisierung bereitet die Konfessionalisierung vor.38 Der klassische Einschnitt der reformationsgeschichtlichen Periodisierung läßt sich aber auch aus der Binnenperspektive des albertinischen Sachsen sinnvoll nachvollziehen. Der Klimawandel um 1525 beeinträchtigte die Evangelische Bewegung im Lande, die viel von ihrer ursprünglichen Dynamik einbüßte und sich zumindest für einige Zeit aus der öffentlichen Sphäre zurückziehen mußte.39 Diese Beobachtung verweist auf ein weiteres, eher analytisches Motiv für einen Einschnitt: Herausgelöst aus dem Ereignishorizont des Jahres 1539 hat eine Zwischenbilanz im Jahre 1525 ihren ganz eigenen Reiz: Sie ermöglicht neue Perspektiven auf die Aussichten altgläubiger Kirchenpolitik in Sachsen. Schließlich sprechen auch noch forschungspragmatische Gründe für ein solches Vorgehen. Die Bewältigung des gesamten Zeitraums wäre ohne Einschränkungen in der Bearbeitungsintensität kaum zu leisten gewesen; der Ansatz der Studie aber verlangt es, gerade den frühen Jahren besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden. Außerdem wird sich die Forschungssituation für die ohnehin verhältnismäßig gut erforschten späten Jahre in der nahen Zukunft signifi kant verbessern, nachdem die Bearbeitung der »Akten und Briefe« für den Zeitraum 1528–1539 kürzlich wieder aufgenommen wurde.40 Dem soll hier nicht vorgegriffen werden. So wird in dieser Studie neben der systemati38 Vgl. allgemein Rabe, 302–391; Blickle, Bauernkrieg. Als Endpunkt für seine Untersuchung der Kirchenpolitik weltlicher Reichsfürsten in der frühen Reformation wählt Eike Wolgast das Jahr 1530, während Walter Ziegler die »Anfangsjahre bis etwa 1525« als eigenständigen Zeitraum für die Betrachtung benennt. Vgl. Wolgast, Territorialfürsten; Ziegler, Territorium und Reformation I, das Zitat 164. 39 Zur Entwicklung der Evangelischen Bewegung im albertinischen Sachsen vgl. Wartenberg, Landesherrschaft, 24–63 und siehe S. 474–478. 40 Siehe S. 40–45.

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schen Darstellung der vorreformatorischen Kirchenpolitik die Auseinandersetzung Herzog Georgs mit der frühen Reformation (1517–1525) im Mittelpunkt der Untersuchung stehen. Aus der solchermaßen gewonnenen Perspektive können dann schließlich auch die späten Jahre Herzog Georgs neu betrachtet werden, doch muß dies nachfolgenden Arbeiten vorbehalten bleiben.41

2. Leitkonzepte der Untersuchung a) Landesherrschaft Auch eine Studie zu landesherrlicher Kirchenpolitik muß sich zunächst mit der verwickelten und von Irrwegen nicht freien Forschungsgeschichte mittelalterlicher Herrschaft auseinandersetzen.42 Als Fehlentwicklung erscheint dabei heute insbesondere die Tendenz der älteren Verfassungsgeschichte, die mittelalterlichen Verhältnisse mit den Kategorien des modernen Staates und seiner Institutionen beschreiben zu wollen. Obwohl Otto Brunner schon 1939 diesen Anachronismus einer wirkungsvollen Kritik unterzog, führte noch Anfang der 1970er Jahre ein wichtiger Sammelband den Titel: »Der deutsche Territorialstaat im 14. Jahrhundert«.43 Inzwischen beherrschen Konzeptionen das Feld, die vom quellensprachlich gedeckten Grundbegriff der »Herrschaft« ausgehen.44 Als maßgeblich haben sich dabei die – im einzelnen durchaus gegensätzlichen – Ansätze von Walter Schlesinger und Otto Brunner, in jüngerer Zeit von Peter Moraw und Ernst Schubert erwiesen.45 Ist die Forschung inzwischen stärker für Terminologie und Verfassungswirklichkeit des Spätmittelalters sensibilisiert, so zeigen sich doch um so deutlicher die Schwierigkeiten eines umfassenden Systematisierungsversuches. Die mangelnde Geschlossenheit schon der zeitgenössischen Theoriebildung, die Überlagerung von deutschem und römischem Recht, die regionale Vielgestaltigkeit sowie die Neigung der Zeitgenossen zu kumula41

Eine entsprechende Skizze zur Kirchenpolitik Georgs in den Jahren 1525–1539 plant der Verf. nach dem Erscheinen der verbleibenden Bände der »Akten und Briefe« vorzulegen. 42 Vgl. Schubert, Fürstliche Herrschaft, 51–61. 43 Vgl. Brunner; Patze, Territorialstaat. Zur Diskussion um Brunners Werk, die in den letzten Jahren auch um die zeitgeschichtliche Dimension (Nationalsozialismus) erweitert wurde, vgl. zusammenfassend Bünz, Land als Bezugsrahmen, 58–68, 89–92. 44 Vgl. Moraw, Art. Herrschaft, 5. Dabei wurde Herrschaft im Mittelalter allerdings nicht als Abstraktum zur Kennzeichnung einer Regierungsform, sondern stets in konkretem Bezug auf ein bestimmtes Recht verwendet. Dies unterscheidet den Quellengebrauch vom heutigen Forschungsbegriff, den Dietmar Willoweit in Erweiterung der klassischen Defi nition von Max Weber als »rechtlich begründete[n] Anspruch auf fremdes Tun, mit welchem Befehlsbefugnisse meist verbunden sein werden« defi niert. Willoweit, Art. Herrschaft, Sp. 2177. 45 Vgl. Schlesinger, Entstehung; Brunner; Moraw, Von offener Verfassung; Schubert, Fürstliche Herrschaft; ders., Umformung; ders., Gebot.

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tiver und damit unscharfer Formelsprache bilden hierfür probleminhärente Barrieren.46 In der vorliegenden Studie wird mit den Leitbegriffen »Landesherrschaft« und »Landesherr« operiert, die in der Forschung breite Aufnahme gefunden haben und die gerade am mitteldeutschen Beispiel maßgeblich entwickelt wurden.47 Ungeachtet plausibler Kritik an der Inanspruchnahme der »domini terrae« des frühen 13. Jahrhunderts als erste Landesherren,48 besteht in der Forschung Konsens, daß es spätestens im Laufe des 14. Jahrhundert einigen hochadligen Herrschaftsträgern gelang, eine auf der fortschreitenden Bündelung verschiedener Herrschaftsrechte beruhende und gegenüber früheren Formen deutlich intensivierte Herrschaft zu etablieren, für die die Schaffung eines mediatisierten Vasallenverbandes ebenso kennzeichnend wurde wie der zukunftsträchtige räumliche Bezug (z. B. Ämterbildung). Dabei ist gegenüber dem organisch-geordneten Bild, das eine juristisch orientierte Verfassungsgeschichte von diesem Prozeß gezeichnet hat, seine Dynamik, Vorläufigkeit und potentielle Reversibilität zu betonen, war die Herausbildung der Landesherrschaft doch vor allem ein historischer Verdrängungskampf, der auf Dauer mehr Verlierer als Sieger kannte. Die in jüngster Zeit von Ernst Schubert formulierte Kritik an der fehlenden quellensprachlichen Verankerung des Vereinbarungsbegriffs »Landesherrschaft« und sein Vorschlag, statt dessen von »Fürstlicher Herrschaft« zu sprechen, berühren den inhaltlichen Kern des Konzeptes kaum. Die von Schubert als verfrüht kritisierte Bezugnahme auf ein »Land« läßt sich zumindest am Beispiel Sachsen durchaus rechtfertigen, wie sich an der Verwendung von Quellenbegriffen wie »landesfurst«, »lannds ordenung« oder auch »ußlendisch« zeigen läßt.49 Um 1500 stellt sich in einem weit entwickelten Territorium wie Sachsen 46 Vgl. Moraw, Art. Herrschaft; zur terminologischen Vielfalt der Quellensprache am Beispiel des zentralen Begriffs »Land«/«terra« vgl. Bünz, Land als Bezugsrahmen, 68–73. 47 Vgl. Moraw, Von offener Verfassung, 183–194; Willoweit, Landesherrschaft; aus der rechtsgeschichtlichen Perspektive: Willoweit, Rechtsgrundlagen; zuletzt der Überblick bei: Reinhard, Probleme, 205–211. Speziell für Mitteldeutschland vgl. Schlesinger, Entstehung; Patze, Entstehung; Blaschke, Geschichte Sachsens, 274–322; zuletzt die Beiträge in: Rogge/Schirmer. 48 Vgl. Moraw, Art. Herrschaft, 13; Schubert, Fürstliche Herrschaft, 54 f. 49 Vgl. Schubert, Fürstliche Herrschaft, 55–57; ders., Gebot, 55 f. – Schon von Walter Schlesinger ist das Kompositum »Landesherrschaft« nur als Vereinbarungsbegriff bezeichnet worden, ein Quellenbegriff ist es, im Gegensatz zu »Herrschaft«, nicht (vgl. Moraw, Art. Herrschaft, 13; Schubert, Fürstliche Herrschaft, 57). Dies beeinträchtigt jedoch seine Verwendbarkeit kaum, auch Ernst Schubert nutzt den Begriff weiter. Ob sich sein Vorschlag, von »Fürstlicher Herrschaft« zu sprechen, durchsetzen wird, bleibt abzuwarten. Im Kern richtet sich Schuberts terminologische Kritik gegen den Bezug auf ein »Land«, weil sich damit eine territoriale Dimension von Herrschaft verbindet, den Schubert erst mit der Territorialstaatsbildung im Zeitraum 1450–1600 verwirklicht sieht (vgl. ders., Begriff Land). Erschwert wird eine Diskussion dieser Frage durch regionale Entwicklungsunterschiede. Für die Wettiner am Ende des 15. Jahrhunderts ist der Bezug zwischen Land und Herrschaft je-

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ohnehin weniger die Frage, ob sich Landesherrschaft etabliert hatte, sondern eher, wie weit der nächste Umgestaltungsprozeß hin zum frühmodernen Territorialstaat bereits vorangeschritten war.50 Für die Belange dieser Untersuchung verspricht die Verwendung des Terminus Landesherrschaft also eine gesicherte Ausgangsposition. Sie hilft zugleich, weiterhin wirksame ältere Verfassungselemente wie das Lehnswesen im Blick zu behalten, die vielleicht nicht zu den treibenden Faktoren der Territorialstaatsbildung gehörten, für die Kirchenpolitik aber durchaus bedeutsam bleiben konnten.51 Schließlich wird die Nützlichkeit des Interpretaments »Landesherrschaft« durch seine synonyme Verwendbarkeit zum Quellenbegriff »Obrigkeit/Oberkeit« gesteigert. Der zum Ende des 15. Jahrhunderts plötzlich zentral werdende Terminus hatte seine Wurzeln wohl im römischen Recht (superioritas).52 Wie die Landesherrschaft vereint er im sprachlichen Gebrauch ein personales mit einem abstrakten Bedeutungsfeld und wird so zum Scharnier: »Oberkeit«53 bezeichnet einmal die Herrscherperson als handelndes Subjekt, dient aber andererseits als neuer Rechtstitel (»fürstliche Obrigkeit«), der alle doch klar gegeben: Die räumliche Fixierung von Herrschaft war durch die Ämterbildung seit dem 14. Jahrhundert hergestellt (vgl. Blaschke, Ausbreitung). Darüber hinaus fi ndet sich der Quellenbegriff »Land« vielfältig in direktem Bezug auf die Herrschaft der Wettiner. Aus der Regierungszeit Georgs seien als Beispiele die typische Selbstbezeichnung des Herzogs als »landesfursten« (z. B. Brief Herzog Georgs an Prior und Konvent des Dominikanerklosters zu Leipzig, Dresden, 1. April 1517, ABKG, Bd. 1, 6), die ausdrückliche Benennung des Landesordnungsentwurfs von 1502 als »lannds ordenung« (Entwurf einer gesamtwettinischen Landesordnung vom 5.–8. Juli 1502, Loc. 14950, Konzepte [. . .], 1474–1525 [unpag.] als Lage Nr. 3 im Faszikel »1502«) oder auch die Verwendung des Terminus »ußlendisch« für außerhalb des albertinischen Territoriums gelegene Gerichte angeführt (Landesordnung Herzog Wilhelms III., Weißensee, 9. Januar 1446, Müller, Reichstagstheatrum Maximilian, Bd. 2, 86–95, hier 87). Besonders deutlich wird die Prägekraft der wettinischen Herrschaft für die Zuschreibung »Land« in der sukzessiven Übertragung des Namens Sachsen auf die Mark Meißen nach der Standeserhöhung der Markgrafen zu Kurfürsten von Sachsen im Jahre 1423 (vgl. Kobuch, Weg). – Freilich ist der herrschaftlich geprägte Landesbegriff nicht exklusiv zu verstehen, neben ihm bestanden vielmehr ältere Landschaften wie Thüringen, Meißen, Osterland fort (vgl. Volkmar, Heiligenerhebung Bennos, 149–151). Hier ergeben sich auch Anknüpfungspunkte zu Schubert und seinen Ausführungen über Stammesgebiete und Landessitten als alternative Faktoren des Landesbezugs (etwa bei Thüringen?), nicht jedoch zu Otto Brunner, dessen von einem gemeinsamen Landrecht ausgehender Landesbegriff für Mitteldeutschland schon von Herbert Helbig zurückgewiesen wurde. Vgl. Schubert, Gebot, 50–53; ders., Fürstliche Herrschaft, 60 f.; Bünz, Land als Bezugsrahmen, 73– 88; Helbig, Ständestaat, 464–476. 50 Vgl. insbesondere die Arbeiten von Karlheinz Blaschke, jetzt bequem zu benutzen in ders., Beiträge; vgl. jetzt auch die Beiträge in Rogge/Schirmer. 51 Siehe dazu z. B. S. 326–334. 52 Vgl. Sellin, 393–492. 53 Die verschiedenen Verwendungszusammenhänge zeigen sich auch am Gebrauch des Begriffs durch Herzog Georg. Personal: »wan eyn pfarherr [. . .] der oberkeyt widerstreben wurd« (Brief Herzog Georgs an Bischof Johann VII. von Meißen in Rom, Dresden, 4. Januar 1523, ABKG, Bd. 1, 421–425). Als Herrschaftstitel: »aus unser furstlichen obrikeit crafft

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Machtbefugnisse und -ansprüche des Fürsten zu einer neuen Einheit zusammenfaßt 54 und sich dabei auf eine fi ktive Kontinuität des römischen Kaiserrechts mit seinen Hierarchieebenen imperator-superior-universitas beruft.55 Nicht mehr Neuerwerb und Bündelung von Herrschaftsrechten, sondern die Vereinheitlichung und Nivellierung der ursprünglich vielfältigen Herrschaftsbeziehungen zwischen Landesherr (superior) und Untertanen (universitas) hieß das neue Ziel, an dessen Ende spätestens im 17. Jahrhundert die Landeshoheit56 des frühmodernen Territorialstaat stehen sollte. Der Terminus technicus Landesherrschaft kann diese Bedeutungsfelder nachvollziehen, er steht synonym für den handelnden Fürsten wie seine Vertreter und öffnet sich ebenso der Analyse als Herrschaftssystem. b) Landesherrliches Kirchenregiment Der Terminus »landesherrliches Kirchenregiment« ist ein Vereinbarungsbegriff der Forschung. Einen zeitgenössischen Bezug besitzt jedoch das Grundwort »Regiment«, das als lateinisches Lehnwort (regimentum) in Wortschöpfungen wie »Reichsregiment« oder auch in Luthers Lehre von den »zwei Regimenten« Verwendung fi ndet. Das Bedeutungsfeld von Regiment ist vielfältig. In direkter Parallele zum heutigen Wortsinn von Regierung umfaßt es sowohl die konkrete Ausübung herrschaftlicher Gewalt als auch eine bestimmte Regierungsform sowie schließlich den dazu gebrauchten Regierungsapparat.57

und macht« (Urkunde Herzog Georgs für das Magdalenerinnenkloster zu Freiberg, Dresden, 17. August 1498, Grundig/Klotzsch, Bd. 7, 152–155); »ist nod und nutze durch der fürsten oberkeit [. . .] durchs gantze land herttiglich zu gebieten« (Entwurf einer gesamtwettinischen Landesordnung [vor 9. Juli 1498], Burkhardt, Landtagsakten, 35–40). Im Streit um die Zugehörigkeit des Dorfes Niederfrohna zu Ernestinern oder Albertinern defi nierte Herzog Georg 1534 Oberkeit über das Recht zur Forderung von Steuer und Heerfolge: »die furstliche oberckeyth, alß stewer und folge« (Brief Herzog Georgs an Dietrich von Meckau zu Limbach, Dresden, 19. Januar 1534, Loc. 8378/2, Bl. 11). 54 Vgl. Schubert, Gebot, 48 f.: »Mit diesem Begriff werden nunmehr alle Aufgaben fürstlichen Regiments zusammengefaßt«. – Demgegenüber hat Johannes Merz darauf hingewiesen, daß sich der Quellenbegriff »fürstliche Obrigkeit« im einzelnen auf ganz unterschiedliche Rechte beziehen konnte, eben auf alle gerade verfügbaren Rechte, mit denen sich der Anspruch auf Landesherrschaft begründet ließ. Als entscheidend für den Anspruch auf »fürstliche Obrigkeit« sieht er nicht ein bestimmtes Herrschaftsrecht, sondern die Zugehörigkeit des Herrschaftsträgers zum Reichsfürstenstand an. Vgl. Merz, 142–177. 55 Vgl. Sellin, 393–492. 56 Landeshoheit ist ein Terminus der reichsrechtlichen Literatur des 17. Jahrhunderts (z. B. Seckendorff ) und sollte daher erst für diese Zeit verwendet werden. Vgl. Sellin, 402–405; Schubert, Fürstliche Herrschaft, 55–57; Merz, 11–22, 197. Dietmar Willoweit, der die Bemühungen des 17. Jahrhunderts um eine juristische Theoriebildung über die Landeshoheit nachgezeichnet hat, relativiert dabei die Rolle des römischen Rechts. Vgl. Willoweit, Rechtsgrundlagen. 57 Vgl. Sellin, 362–368.

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Als Forschungsbegriff für das Spätmittelalter machte »Kirchenregiment« zuerst im Historismus um 1900 Karriere, als verschiedene Studien nicht zuletzt am sächsischen Beispiel die systematische Einflußnahme von Landesherren auf die Kirche vor der Reformation entdeckten und dafür aus der Neuzeit den etablierten Begriff des landesherrlichen Kirchenregiment entlehnten.58 Inzwischen hat sich der Begriff des vorreformatorischen Kirchenregiments auch über Spezialstudien hinaus sowohl in der Spätmittelalter- wie der Frühneuzeitforschung etabliert.59 Selbst Ernst Schubert, der jüngst an den Implikationen des Konzepts Kritik geübt hat, mißt ihm als Vereinbarungsbegriff Bedeutung zu.60 Lediglich die evangelische Kirchengeschichtsschreibung bemüht sich nach wie vor, den Begriff für die Landeskirchen der Reformation zu reservieren. Entsprechend beschränkt die Theologische Realenzyklopädie seine Verwendung auf Fälle, in denen »eine verfassungsmäßig gesicherte Kompetenz des Landesherrn für die Kirche als Schöpfung des Wortes Gottes [. . .] gegeben ist«.61 Gleichzeitig gesteht der hier zitierte Artikel von Hans-Walter Krumwiede freilich zu, daß »das Landesherrliche Kirchenregiment strukturell bereits im späten Mittelalter vorgebildet« worden sei.62 Um den Einwand der Kirchenhistoriker zu begegnen, hat Tobias Ulbrich jüngst vorgeschlagen, für das Spätmittelalter von »landesherrlicher Kirchenherrschaft« zu sprechen.63 Dieser Terminus erscheint zwar nicht unbrauchbar, doch ist fraglich, ob eine neue Begriffsbildung nicht mehr verwirrt als nutzt. In diesem Sinne ist Dieter Stievermanns Forderung zu unterstreichen, das Phänomen selbst in seinen Facetten eingehender zu untersuchen, anstatt »müßig über Defi nitionen zu streiten«.64 Im Rahmen dieser Studie wird der Terminus »landesherrliches Kirchenregiment« als ein Leitkonzept der landesherrlichen Kirchenpolitik operationalisiert. Es dient zur Zusammenfassung aller Formen von Herrschaft,65 die der Landesherr gegenüber kirchlichen Institutionen und Geistlichen ausübte, steht damit für die Gesamtheit der verschiedenen Herrschaftsbeziehungen, die zwischen 58

Vgl. Zieschang; Pallas, Entstehung. Für die Spezialstudien vgl. z. B. Rankl (schon im Titel); Stievermann, Landesherrschaft, 9, 157 f. Für die allgemeine Forschung vgl. z. B. Johanek, Bischof, 102; Reinhard, Probleme, 211; Willoweit, Landesherrschaft, 124, 129 f.; Wolgast, Territorialfürsten, 409 f. 60 Vgl. Schubert, Fürstliche Herrschaft, 41. Zu seiner Kritik siehe oben, Abschnitt 1. 61 Krumwiede, Art. Kirchenregiment, 59; ähnlich jüngst Wartenberg, Glaube und Macht, 17. 62 Krumwiede, Art. Kirchenregiment, 59. 63 Ulbrich, 58–61. 64 Stievermann, Landesherrschaft, 157. 65 Dabei gehe ich vom klassischen Herrschaftsbegriff Max Webers aus: »Herrschaft soll heißen die Chance, für einen Befehl bestimmten Inhalts bei angebbaren Personen Gehorsam zu fi nden« (Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, 28, vgl. auch ebd., 122–176, 541–550) und konkretisiere ihn durch die Orientierung an der Forschungsdiskussion zur spätmittelalterlichen Landesherrschaft. 59

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dem spätmittelalterlichen Landesherrn und der Kirche in seinem Territorium bestanden. Damit ordnet sich das Kirchenregiment auch in den Kontext des Ausbaus der Landesherrschaft zum Territorialstaat ein, unterwarf doch hier die fürstliche Herrschaft einen weiteren Teilbereich des gesellschaftlichen Lebens ihrer Kontrolle. Der Vergleich mit dem reformatorischen Kirchenregiment wiederum, der aufgrund der Begriffsgeschichte immer präsent ist, macht eines besonders deutlich: Die verfassungsmäßige Verortung des spätmittelalterlichen Kirchenregiments blieb oft ungeklärt in der Schwebe. Deshalb ist die Frage, wie ein Landesherr sein Kirchenregiment zu kommunizieren und zu legitimieren suchte, ebenso wichtig wie die Untersuchung seiner Genese und Struktur. Angesichts der protestantischen Traditionen der sächsischen Landesgeschichte verwundert es kaum, daß das landesherrliche Kirchenregiment Herzog Georgs bislang noch nicht Gegenstand einer systematischen Untersuchung war, ja selbst der Begriff in der Literatur nur selten verwendet wird. Karlheinz Blaschke spricht sogar davon, Georg habe bewußt »auf [. . .] landesherrliches Kirchenregiment verzichtet«, womit er freilich die evangelische Variante meint.66 Diesem Desiderat zu entsprechen, ist ein wesentliches Ziel dieser Untersuchung. Die Schwierigkeiten, die die Forschung bis heute mit der Erfassung des vorreformatorischen Kirchenregiments hat, liegen dabei auch in seinem Charakter begründet. Weniger große Programme als die Vielzahl konkreter Einzelmaßnahmen gilt es zu untersuchen, weniger politische Theorie zu durchdenken als Realpolitik zu erfassen. Erst die umfassende Analyse seiner Funktionsweise, seiner Trägergruppen und der Mechanismen seiner Kommunikation und Durchsetzung im Zusammenspiel zwischen Landesherrn, kirchlicher Hierarchie und Klerus können das Kirchenregiment als Herrschaftsinstrument sichtbar werden lassen. c) Kirchenreform Aus der christlichen Binnenperspektive bewegt sich die Frage der Kirchenreform im Spannungsfeld zweier absoluter Wahrheiten. Der unzerstörbaren Integrität einer Glaubensgemeinschaft, der Christus seinen Beistand für alle Zeiten zugesagt hat, steht die Unzulänglichkeit der von Menschen gemachten Institution Kirche gegenüber, die im Grundsatz Ecclesia semper reformanda ihren Ausdruck fi ndet. Die sozialwissenschaftliche Forschung hingegen vermag Kirche lediglich als soziales Phänomen zu erfassen und verfügt deshalb nicht über absolute – etwa heilsgeschichtliche – Maßstäbe für die Beschreibung ihres Zustandes. Sie muß sich daher über zentrale Koordinaten wie den Idealzustand, die Reformbedürftigkeit oder die Reformmöglichkeiten einer historischen Kirche

66

Blaschke, Wechselwirkungen, 441.

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erst von außen informieren, und das heißt, soweit sie historisch arbeitet, sich an den Vorstellungen der jeweiligen Zeitgenossen orientieren. Für diese war Kirchenreform gerade am Ausgang des Spätmittelalters ein hochaktuelles Thema.67 Im Zeitalter der großen Reformkonzilien von Konstanz und Basel wird in der Forderung nach einer »reformatio ecclesiae in capite et in membris« die Kirchenreform als unmittelbarer Quellenbegriff greifbar.68 Auch nach dem Scheitern der konziliaren Bewegung blieb sie bis in die Reformation hinein ein Leitmotiv der Zeit.69 Das Verständnis dessen, was kirchliche oder weltliche Reform leisten könne, unterscheidet sich dabei im ausgehenden Mittelalter stark vom Reformbegriff unserer Gegenwart, in der »Reform« zum inflationär gebrauchten Schlagwort der Politik, ja geradezu zum Inbegriff politischen Gestaltungswillens überhaupt geworden ist. Für die konservative Weltsicht des Mittelalters, die die irdische Ordnung als Schöpfung Gottes ansah, konnte Reform hingegen kein innovativer oder gar ergebnisoffener Prozeß sein, sondern war nur im engen Rückbezug auf den göttlichen Willen denkbar. Die Hauptforderung an das politische Wirken der Mächtigen war die conservatio des Bestehenden, nur schwere Krisen und offensichtlicher Verfall konnten überhaupt an reformatio denken lassen. Wo dies geschah, standen für die Reform auch nur zwei Wege offen: die Restitution eines in Verfall geratenen früheren Zustands oder die Verbesserung des gegenwärtigen Zustandes in heilsgeschichtlicher Orientierung an der norma rectitudinis, dem göttlich gesetzten und deshalb theologisch zu deduzierenden Idealzustand der Schöpfung.70 Wo das 15. Jahrhundert Reformbedarf in der Kirche sah, macht schon das Begriffspaar ›Haupt und Glieder‹ deutlich. Von der Verweltlichung der Kurie über das Benefizialwesen und das Konkubinat des hohen und niederen Klerus bis hin zur Klosterdisziplin sahen sich alle Ebenen der kirchlichen Hierarchie in der Kritik. Im Spektrum der Reformansätze spielt die institutionelle Reform gerade in Konstanz und Basel eine wesentliche Rolle.71 Aber schon Jean Gerson, die Leitfigur der konziliaren Reform, sah in der sittlich-moralischen Erneuerung des Einzelnen die komplementäre Ergänzung zur Reform der Insti67 Zur Einführung in die Kirchenreformdiskussion des 15. Jahrhundert vgl. Boockmann/Dormeier; Rapp, Vielfalt; Jedin, Trient, Bd. 1, 1–132; Miethke, Kirchenreform; sowie die Beiträge in: Hlaváèek/Patschovsky. Siehe auch die Literatur in den folgenden Anm. 68 So z. B. im Dekret »Haec sancta« des Konzils von Konstanz, 6. April 1415, zitiert nach: Wolgast, Art. Reform, 321, Anm. 73. – Schon seit dem IV. Lateranum (1215) nahm die Kirchenreform in den offi ziellen Konzilsagenden einen festen Platz ein. Vgl. Miethke, Art. Reform, Sp. 547. 69 Siehe dazu S. 48–75. 70 Vgl. Wolgast, Art. Reform, 316 f., Miethke, Art. Reform, Sp. 543 f.; Janssen, Gute Ordnung, 161 f. 71 Vgl. Wolgast, Art. Reform, 322.

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tutionen. Kirchenreform war also als konkrete, politisch und administrativ umzusetzende Maßnahme denkbar, fand aber auch in mahnenden Appellen oder idealistischen Bildungs- und Erziehungskonzepten ihren Ausdruck. In der Orientierung auf die innere Erneuerung des Einzelnen nahmen dabei Reformkonzepte wie die Frömmigkeitstheologie ( Johannes von Paltz; Johannes Geiler von Kaysersberg) oder der Christliche Humanismus (Erasmus von Rotterdam; Jakob Wimpfeling) zunehmend auch das Kirchenvolk, die Laien, in den Blick.72 Umstritten war die Dimension erfolgreicher Kirchenreform. Während der Konziliarismus von der Idee einer zentral gesteuerten Reform der gesamten lateinischen Christenheit ausging, setzte sich im Laufe des Jahrhunderts angesichts des Scheiterns der konziliaren Gesamtreform die Ansicht durch, daß auch eine »reformatio particularis [. . .] in multis statibus et religionibus«,73 also die im lokalen Rahmen ansetzende und nach den Zweigen der kirchlichen Organisation differenzierende Reform heilsam sein könne. Diese Einsicht, die etwa der reformbegeisterte Dominikaner Johannes Nider oder der Magdeburger Kanoniker Heinrich Tocke vertraten, öffnet schließlich den Blick auf die außerhalb des Klerus wirkenden Reformkräfte.74 Denn die Kirchenreform war nicht nur eine Sache der Geistlichkeit, sie wurde gerade von den Laien, die in ihrer Heilssuche zunehmend selbstbewußter agierten, vehement eingefordert. Im Reich waren es gerade die weltlichen Obrigkeiten und hier vornehmlich die Landesherren, die die Reform seit der Mainzer Akzeptation von 1439 zunehmend zu ihrem Anliegen machten.75 Spätestens hier wird deutlich, daß Kirchenreform im 15. Jahrhundert kein einheitlicher Prozeß war, sondern sich Träger und Konzepte auch mit sozialen Kategorien wie päpstlich-kurial, ordensgeistlich, weltgeistlich, humanistisch, landesherrlich oder städtisch erfassen lassen.76 Auf das landesherrliche Reformengagement fokussiert sich in dieser Studie das Interesse. Unter landesherrlicher Kirchenreform wird dabei das politische Handeln des Fürsten und seiner Amtsträger verstanden, das auf eine (subjektiv als Rückführung oder Verbesserung verstandene) Veränderung der kirchlichen Zustände oder auch der religiösen Praxis des Klerus und der Laien abzielte. Damit wird der institutionelle wie der individuelle Aspekt des zeitgenössischen Reformbegriffes gleichermaßen reflektiert. Als Hintergrund und Voraussetzung für die Kirchenpolitik Herzog Georgs muß dabei die zeitgenössische Re72 Zu Paltz vgl. Hamm, Frömmigkeitstheologie; zu Geiler vgl. Manger; Israel; zum Christlichen Humanismus vgl. Augustijn, Erasmus; Rapp, Réformes; Spitz; Mertens; aus der älteren Literatur: Hermelink; Joachimsen. 73 Johannes Nider, Formicarius, Köln [1480], zitiert nach Helmrath, Theorie und Praxis, 69 f.; zu Niders Reformvorstellungen vgl. auch Jedin, Trient, Bd. 1, 111; Weinbrenner, 93–96, 145–151. 74 Zu Nider siehe obige Anm.; zu Tocke vgl. Boockmann/Dormeier, 225. 75 Vgl. Miethke, Art. Reform, Sp. 549. Zu landesherrlichen Reformansätzen siehe S. 48– 75. 76 Diese Kategorisierung in Anlehnung an Walsh, 412.

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formdiskussion im allgemeinen und die wettinische »Reformtradition« des 15. Jahrhunderts im speziellen in die Betrachtung einbezogen werden. Von besonderem Interesse ist dabei die Frage nach konkreten Anregungen, die Herzog Georg beispielsweise durch seine intensive Korrespondenz mit Erasmus von Rotterdam oder durch den Kontakt mit Humanisten und Theologen an der Leipziger Universität und an seinem Dresdner Hof erhielt.77 Im Blick zu behalten gilt es gleichzeitig die enge Verbindung von kirchlicher und gesamtgesellschaftlicher Erneuerung im Denken der Zeitgenossen. So berührte es durchaus die Rahmenbedingungen der Kirchenreform, wenn die weltliche Verwendung des Begriffs reformatio im 15./16. Jahrhundert einen »partiellen Bedeutungswandel« erfuhr. Als Bezeichnung für die neuartigen Gesetze und Ordnungen, mit denen Städte und Landesherren das öffentliche Leben ihren Regeln zu unterwerfen suchten, stand reformatio um 1500 erstmals für Innovation.78 d) Strategien der Legitimation Die Expansion und die Innovationskraft landesherrlicher Kirchenpolitik am Ausgang des Mittelalters warf allenthalben das Problem auf, ob und wie die landesherrlichen Eingriffe in die Kirche zu rechtfertigen seien. Gerade die moderne Forschung hat an solchen Fragen ein reges Interesse, wobei sie sich weniger für die Rekonstruktion von Rechtsnormen interessiert, als vielmehr versucht, das Funktionieren von Herrschaft als sozialer Praxis in dynamischen Prozessen von Kommunikation und Interaktion nachzuvollziehen.79 Als Vereinbarungsbegriff kann dabei mit Max Weber von der »Legitimation« von Herrschaft gesprochen werden. Legitimation strebt nach der Anerkennung politischen Handelns als legitim, d. h. im mittelalterlichen Sinne: mit der (ge)rechten, von Gott herrührenden Ordnung der Welt übereinstimmend.80 Die Richtung jedes Legitimationsversuches gab dabei schon die konservative Grundausrichtung der Gesellschaft vor. Wo in der Quellensprache »Neuerung« als »der Negativ- und Unwertbegriff schlechthin« galt,81 mußte sich auch eine objektiv neuartige Politik auf alte Rechtsgrundsätze berufen, zumal sich die Vorstellung, daß legitime Herrschaft neues Recht setzen dürfe, gerade erst zu entwickeln begann.82 77

Siehe S. 48–65, 77–88. Wolgast, Art. Reform, 324 f. 79 Vgl. Jussen, XIV–XVI; Rogge, Praxis, 493–498. 80 Vgl. Würtenberger, 677–684. Für grundsätzliche Überlegungen zur Bedeutung von Legitimation/Legitimität für die Ausübung von Herrschaft vgl. Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, 16–20, 122–125; aus der neueren mediävistischen Forschung vgl. z. B. Schreiner, Legitimation; Rogge, Praxis. 81 Janssen, Gute Ordnung, 162. 82 Vgl. ebd., 162 f.; Hashagen, Staat und Kirche, 454. 78

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Als Bausteine für die Legitimationsstrategien der landesherrlichen Kirchenpolitik werden in dieser Studie Rechtsinstitute, Rechtstheorien und Rechtsfi ktionen diskutiert, die sowohl kirchenrechtlicher als auch weltlicher Provenienz sein konnten. Sie sind in ihrem ursprünglichen Gehalt ebenso wie in ihrer konkreten Operationalisierung herauszuarbeiten.83 Legitimation bzw. die durch sie zu erreichende Legitimität wird dabei nicht als notwendige Voraussetzung politischen Handelns verstanden (wiewohl dies fraglos häufig der Fall war), sondern eher als ein Epiphänomen seiner sozialen Praxis. Die wertende Frage nach der objektiven juristischen oder moralischen Legitimität des landesherrlichen Vorgehens stellt sich damit gar nicht erst, sie liegt ohnehin jenseits des Aufgabenbereichs historischer Analyse.

3. Quellen Ungeachtet der zuletzt wiederholt vorgebrachten Forderung nach Studien zu Herzog Georg ist seine Kirchenpolitik – zumal in den letzten Jahrzehnten – nur wenig erforscht worden.84 Dies ist mit den ungünstigen forschungspolitischen Rahmenbedingungen in der DDR, aber sicherlich auch mit der spezifischen Quellensituation in Verbindung zu bringen. Augenscheinlich wird die Breite der einschlägigen Überlieferung bereits in der Edition von Felician Gess, die in zwei voluminösen Bänden insgesamt 1.526 Quellenstücke bietet, von denen viele den Umfang von mehreren Druckseiten erreichen. Dabei deckt die Gess’sche Edition mit den Jahren 1517 bis 1527 gerade einmal ein Fünftel der Gesamtregierungszeit Herzog Georgs ab.85 Die von der Sächsischen Akademie der Wissenschaften jetzt neu in Angriff genommene Fortsetzung für die Jahre 1528–1539 weist nach vorläufigem Bearbeitungsstand weitere 2.772 Quellenstücke auf, die jedoch mit Rücksicht auf den Umfang der Publikation nur noch in Form von erweiterten Regesten präsentiert werden sollen.86 Beide Editionen konnten für die vorliegende Arbeit herangezogen werden. Für die schwerpunktmäßig interessierenden Jahrzehnte der Vorreformation (1488–1516) liegt 83 Für eine Übersicht zur aktuellen Forschungsdiskussion und der daraus zu entwickelnden Fragestellungen für diese Studie siehe S. 61–65. 84 Vgl. Smolinsky, Albertinisches Sachsen, 32; Wolgast, Territorialfürsten, 410; Wolter, Laienfürsten, 85. 85 Nr. 1–1525 und Ergänzungseintrag Nr. 632a. Vgl. ABKG. 86 Das Projekt ist bei der Arbeitsstelle Quellen und Forschungen zur Sächsischen Geschichte der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig unter Federführung von Herrn Prof. Dr. Dr. Helmar Junghans angesiedelt. Es greift auf Vorarbeiten von Felician Gess und Elisabeth Werl zurück, die in einem 1982 vorgelegten Editionsmanuskript zusammenflossen. Vgl. ABKG, Ms. Werl. – Ich danke Herrn Professor Junghans und dem derzeitigen Bearbeiter, Herrn Dr. Heiko Jadatz, für die Überlassung einer digitalisierten Fassung dieses Manuskripts. Zum Editionsprinzip der erweiterten Regesten vgl. PKMS, Bd. 3–6.

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jedoch kaum ediertes Material vor, da das maßgebliche territoriale Quellenwerk, der Codex Diplomaticus Saxoniae (Regiae), den Zeitraum bis auf wenige Ausnahmen noch nicht erreicht hat.87 Die Untersuchung greift deshalb überwiegend auf ungedrucktes Quellenmaterial zurück. Die Beschäftigung mit der Politik eines Fürsten der Reformationszeit legt als Ausgangspunkt der Quellenstudien das entsprechende landesherrliche Archiv nahe, das heute im Sächsischen Hauptstaatsarchiv Dresden auf bewahrt wird. Für die Bestandsrecherche war dabei zum einen die Arbeitshypothese leitend, daß landesherrliche Kirchenpolitik kein einheitliches Gegenüber kannte, sondern sich über die Kommunikation mit einer Vielzahl von Personenkreisen und Institutionen vollzog. Zum anderen existierte innerhalb der landesherrlichen Verwaltung auch keine auf dieses Politikfeld spezialisierte Behörde.88 In der Konsequenz ergab sich nicht nur die Notwendigkeit verwaltungsgeschichtlicher Vorstudien,89 sondern auch die Aufgabe, die gesamte Urkunden- und Aktenüberlieferung des fraglichen Zeitraums zu sichten. Dies wird im Falle des Dresdner Archivs zusätzlich durch eine Gliederung der Bestände nach dem Pertinenzsystem erschwert, durch die im frühen 19. Jahrhundert die organische Struktur der Altregistratur zerstört wurde.90 Neben der im Bestand »10001, Ältere Urkunden« chronologisch auf bewahrten urkundlichen Überlieferung standen bei der Durchsicht zwei Bestandsgruppen im Zentrum, die die Regierungstätigkeit Herzog Georgs dokumentieren: Dies ist zum ersten die Aktenüberlieferung des Hofrates, des zentralen Entscheidungsgremiums landesherrlicher Politik.91 Dieser Bestand, der später in die Registratur des 1547 gegründeten Geheimen Rates eingegliedert wurde (»10024, Geheimer Rat [Geheimes Archiv]«) enthält die unterschiedlichsten Quellengattungen: landesherrliche Mandate, Visitationsprotokolle, Akten über Verhandlungen mit Bischöfen und Prälaten, aber auch Petitionen von Unterta87 Einschlägig wäre hier in erster Linie der 1. Hauptteil »Urkunden der Markgrafen von Meißen und Landgrafen von Thüringen«, der jedoch nur bis 1427 vorliegt. Dasselbe gilt für die im 2. Hauptteil dominierenden städtischen Urkundenbücher, die mit der Leipziger Teilung von 1485 abbrechen. Ergiebig sind lediglich die Urkundenbücher geistlicher Institutionen, weil diese bis zur Auflösung in der Reformation geführt worden sind. Dies gilt insbesondere für das Urkundenbuch des Hochstifts Meißen, daneben für die Klosterabteilungen in den städtischen Urkundenbüchern von Meißen, Dresden und Pirna, Leipzig und Freiberg. Ein dritter Hauptteil, der die Papsturkunden bieten soll, befi ndet sich erst in Vorbereitung. Vgl. Werner, Codex; CDS, II, Bd. 1–5; 9; 12. – Auf einen Nachweis der darüber hinaus benutzten, nur partiell einschlägigen Editionen wird hier verzichtet. Siehe dazu den Quellenteil des Literaturverzeichnisses. 88 Siehe S. 92–94. 89 Vgl. Volkmar, Hofrat, und siehe S. 88–111. 90 Zur Übersicht über das SächsHStA Dresden vgl. Förster. In den kommenden Jahren werden sich die Recherchemöglichkeiten durch eine Datenbankerfassung der Bestände mit der Archivsoftware AUGIAS kontinuierlich verbessern. 91 Vgl. Volkmar, Hofrat (mit weiterführender Literatur) und siehe S. 92–94.

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nen, Berichte von Kurienprokuratoren oder Korrespondenzen mit Amtleuten, Pfarrern und Offizialen. Im Einzelfall recht umfänglich, sind sie im Ganzen doch nur als fragmentarische Überlieferung einzustufen. Für die Erfassung und Gewichtung des gesamten Spektrums der albertinischen Kirchenpolitik kommt deshalb zum anderen dem Bestand »10004, Kopiale« eine zentrale Rolle zu. Hierbei handelt es sich um die Briefausgangsregister des Hofrates, die für die Regierungszeit Herzog Georgs fast lückenlos vorliegen und damit einen systematischen Überblick über das Regierungshandeln erlauben. Quellenkundlich sind diese Kopiale als Missivenbücher 92 anzusprechen und gehören damit zur Gruppe der Geschäfts- oder Amtsbücher, die dem Innengebrauch der Verwaltung dienen. Genetisch erwachsen Missivenbücher aus der abschriftlichen oder regestenartigen Registrierung des Schriftstücks im Stadium des Konzepts oder der Ausfertigung. Ihr besonderer Quellenwert besteht darin, daß sie eine alternative Überlieferungsform für Urkunden, Briefe und Akten darstellen, die ansonsten weitgehend verloren sind.93 In der wettinischen Kanzlei fanden Missivenbücher erstmals 1471 Verwendung. Mit Kopial 105 aus dem Jahr 1494/95 beginnt ihre Überlieferung für den albertinischen Landesteil.94 Beschränkt sich der Bestand für die Jahre der Regentschaft Herzog Georgs (1488–1500) auf diesen einen Band, so sind die Kopiale für den Zeitraum von August 1500 bis April 1504 und dann durchgängig seit 1508 lückenlos erhalten. Insgesamt sind für Georgs Regierungszeit (1488– 1539) 59 Bände mit einem Gesamtumfang von ca. 9.000 Blatt überliefert, die geschätzte 30.000 Missiven enthalten.95 Der Anteil der für die Kirchenpolitik einschlägigen Stücke wurde exemplarisch für die Jahre 1494/95 mit 15,7% und für die Jahre 1503/04 mit 11,7% ermittelt.96 Da die in den Jahren 1703–1730 vom Dresdner Archivar G. L. Cramer angefertigten Register zu den Kopialen bei der Bombardierung Dresdens im Februar 1945 verbrannt sind,97 mußten die Missivenbücher seriell durchgesehen werden.

92 Der Terminus leitet sich von lat. missivum = Sendschreiben ab. Nach einer Defi nition von Heinrich Otto Meisner enthalten sie »[. . .] die aus einer Kanzlei ausgefertigten, d. h. tatsächlich abgesandten Schriftstücke ohne Unterschied des Ranges« (Meisner, Urkundenund Aktenlehre, 175). 93 Vgl. Meisner, Aktenkunde, 54–56, 126–166. 94 Zu den Missivenbüchern im sächsischen Kanzleiwesen vgl. Goldfriedrich, 70–73, 85–111; Hofmann, 254–273; Schirmer, Herrschaftspraxis, 313–321; Volkmar, Hofrat, 85. 95 Vgl. SächsHStA Dresden, Findbuch Kopiale, bearb. von Horst Schlechte, 1951, Ms. Für die Hochrechnung wird aufgrund der Auswertung von Cop. 109, in dem auf 88 Blatt 281 Missiveneinträge aufgezeichnet sind, ein Faktor von ca. 3,2 Missiven/Blatt angesetzt. Vgl. Cop. 109. 96 Auswertung von Cop. 105 (133 von ca. 848 Einträgen) und Cop. 109 (33 von 281 Einträgen). Erweitert man die Auswahl auf alle Missiven mit Bezügen zu geistlichen Personen, so liegt der Anteil für das Cop. 109 (1503/04) bei 20,6%. 97 Vgl. SächsHStA Dresden, Findbuch Kopiale, bearb. von Horst Schlechte, 1951, Ms.

II. Die Kirchenpolitik Herzog Georgs in neuer Perspektive

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Um die albertinische Kirchenpolitik auch aus der Gegensicht zu beleuchten, wurde jenseits der Dresdner Bestände nach Gegen- und Parallelüberlieferung gesucht. Herangezogen wurden in erster Linie die Archive der Bischöfe bzw. Hochstifte von Meißen, Merseburg und Naumburg, die wegen der Auflösung der mitteldeutschen Bistümer in der Reformation jedoch nur eine sehr fragmentarische Überlieferung aufweisen. Ferner wurden Bestände des Ernestinischen Gesamtarchivs im Thüringischen Hauptstaatsarchiv Weimar und des Hessischen Staatsarchiv Marburg als Gegenüberlieferung eingesehen. Zur Rekonstruktion der Kirchenpolitik Herzog Georgs gegenüber der römischen Kurie dienten im Rahmen der Studie auch vatikanische Quellen, die in Zusammenschau mit der lokalen Überlieferung im Hauptstaatsarchiv Dresden ausgewertet wurden. Da entsprechende Quellenwerke wie das Repertorium Germanicum die unmittelbare Vorreformation noch nicht erreicht haben, geschah auch dies anhand der ungedruckten Überlieferung im Archivio Segreto Vaticano bzw. in der Bibliotheca Apostolica Vaticana.98 Schließlich läßt sich das Wirken der Kirchenpolitik Georgs in die Gesellschaft hinein nicht ermessen, ohne verschiedene Formen der öffentlichen und symbolischen Kommunikation in die Betrachtung mit einzubeziehen. Hier sind neben gedruckten Mandaten zuerst offiziöse Flugschriften zu nennen, die in den Sondersammlungen der Universitätsbibliothek Leipzig und der Sächsischen Landesbibliothek-Staats- und Universitätsbibliothek Dresden auf bewahrt werden. Aber auch Herrschafts- und Sakralarchitektur wie der Dresdner Georgenbau oder die Annaberger Annenkirche sind mit ihren Bildprogrammen als Quellen zu lesen, ebenso wie die Berichte über öffentlich-symbolische Inszenierungen, etwa die Meißner Erhebungsfeier für den neuen Heiligen Benno von Meißen im Jahre 1524.99 Der besonderen quellenkritischen Reflexion bedarf der Umgang mit den Kopialen, die die wichtigste Quelle für eine systematische Untersuchung der Kirchenpolitik Herzog Georgs darstellen. Der größte Vorzug dieser Quellengruppe birgt zugleich das Hauptproblem der Quellenkritik: Die Missivenbücher geben Einblick in eine ungeheure Zahl von Vorgängen, sie decken praktisch das 98 Zur Bedeutung der vatikanischen Überlieferung für die Landesgeschichte vgl. Schwarz, Nutzen; Bünz, Thüringen und Rom; Brosius. – Das Repertorium Germanicum erschließt mit dem 2004 erschienenen Bd. 5 jetzt lückenlos die Jahre 1378–1471. In Bearbeitung ist jetzt das Pontifi kat Sixtus’ IV. Vgl. Repertorium Germanicum; als neueste Einführungen zu diesem zentralen Regestenwerk vgl. Bünz, Thüringen und Rom; Schwarz, Repertorium; dies., Klerikerkarrieren. 99 Zur Interpretation von öffentlicher und symbolischer Kommunikation vgl. einführend Althoff, Bedeutung; sowie die Beiträge in den Sammelbänden Althoff, Öffentliche Kommunikation; Hruza, Propaganda; als Einzelarbeiten: Lentz, Konfl ikt; Rubin; Eisermann, Typographie; ders., Blätter; mit besonderem Blick auf die Reformationszeit: Scribner, Simple Folk; ders., Popular Culture; Karant-Nunn, Reformation of Ritual. Für Literatur zu Flugschriften und zur Struktur von Öffentlichkeit vor und in der Reformation siehe S. 406, Anm. 2 und S. 554, Anm. 2.

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Einleitung

gesamte administrative Regierungshandeln des Hofrats ab und warten mit einer schier unerschöpfl ichen Detailfülle auf.100 Da sie jedoch aus einer chronologischen Reihung von Briefregesten bestehen, werfen sie nur Schlaglichter, liefern aber keine genetisch gewachsenen Aktenbestände. Zudem fehlt zu den meisten Vorgängen jede Gegenüberlieferung, sei es von Seiten der Geistlichkeit (Bischöfe, Offiziale, Äbte, Pfarrer), sei es durch lokale weltliche Amtsträger oder Vasallen (Stadträte, Amtleute, landsässiger Adel). Die Missiven stellen so oft die einzig erhaltene Nachricht von einem Vorgang dar. Dem Problem der nur schlaglichtartigen Überlieferung wurde zunächst durch die Zusammenschau aller verfügbaren Quellen zu begegnen versucht, wobei es vor allem nach der Untergliederung der Kopiale in mehrere Serien seit 1508 vorkommen kann, daß sich die Überlieferung zu einem Vorgang auf verschiedene Bände verteilt. Regelmäßig erfolgte ein Vergleich der Missivenüberlieferung mit den landesherrlichen Aktenbeständen, wodurch sich im Erfolgsfall genauere Einblicke ergaben, weil die landesherrlichen Akten in der Regel auch Reste der Gegenüberlieferung in Form von Briefen an den Landesherrn enthalten. Nur in wenigen Fällen war es möglich, die Quellenbasis durch Funde aus anderen Archiven zu komplettieren. Die fehlende Gegenüberlieferung zu den Kopialen stellt nicht zuletzt ein methodisches Problem dar. Denn wo Reaktionen nicht überliefert sind, bleiben die Folgen des landesherrlichen Regierungshandeln im Vagen. Einen gewissen Ersatz kann die Narratio der landesherrlichen Missiven bieten, in der Aussagen des Korrespondenzpartners oft wörtlich zitiert werden. So wird es, wenn mehrere Briefe zu einem Vorgang vorliegen, möglich, die sie verbindende Gegenreaktion zu erschließen. Gerade aber wenn das landesherrliche Handeln Erfolg hatte, fehlen oft weitere Missiven, weil sie nicht mehr vonnöten waren. Doch wäre es methodisch fragwürdig, ex nihilo auf einen Erfolg zu schließen. Also bleibt oft genug nur, sich darauf zu beschränken, die Absichten und Methoden des landesherrlichen Handelns zu bestimmen und den Erfolg offenzulassen bzw. ihn im Rückschluß von gut dokumentierten Fallbeispielen vorsichtig abzuschätzen. Der Reichtum der kopialen Überlieferung birgt zudem die Gefahr einer Einseitigkeit in der Analyse. Fast zwangsläufig ergibt sich aus der Auswertung der Missiven eine Überbetonung der landesherrlichen Perspektive, von der aus gemahnt, geordnet und reformiert wird. Viel zu wenig aber wissen wir über die Reaktionen und Positionen der Gegenüber, der Bischöfe, Pfarrer, Untertanen. Denn diese waren dem landesherrlichen Herrschaftsanspruch ja nicht einfach ausgeliefert, sondern konnten ihm mit unterschiedlichen, elastischen Handlungsstrategien – etwa Verschleppung, Täuschung oder Mimikry – begegnen. Dies kann erst einmal nur konstatiert und quellenkritisch im Blick behalten 100

Vgl. dazu aus der Perspektive der habsburgischen Überlieferung Eibl, Uferlose Fülle.

II. Die Kirchenpolitik Herzog Georgs in neuer Perspektive

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werden. Nur punktuell ist es möglich, die Akteure vor Ort, die »Objekte« landesherrlicher Herrschaft, als handelnde Subjekte lebendig werden zu lassen und damit Reform und Wandel als Prozesse der Interaktion von Herrscher und Beherrschten zu fassen.101 Wo dies gelingt – so etwa beim Pfründenmarkt, bei der Rekonstruktion der transalpinen Netzwerke sächsischer Kurienprokuratoren oder dem Lavieren des Pfarrklerus zwischen geistlicher und weltlicher Obrigkeit – kann es ein dringend benötigtes Korrektiv liefern. Als Konsequenz aus diesen Überlegungen wird im Umgang mit den Kopialen ein zweistufiges Vorgehen verfolgt. Zunächst dient die Breite der Überlieferung als Basis für die Darstellung des gesamten Spektrums landesherrlicher Kirchenpolitik. Darüber hinaus konzentriert sich die Untersuchung auf die »dichte Beschreibung« einzelner, besonders gut dokumentierter Fallbeispiele, also auf die synchrone Diskussion empirischer Daten und der mit ihnen verknüpften spezifischen Sinnstrukturen, um Wahrnehmungsmuster, Handlungsmuster und Lösungsstrategien der landesherrlichen Kirchenpolitik zu erfassen.102 Zurückhaltung wird hingegen gegenüber einer quantitativ-statistischen Auswertung der Missivenbücher geübt, da dieser Zugang wenig geeignet erscheint, um Gewichtungen im Rahmen politischer Konzeptionen zu erfassen.103

101 Vgl. exemplarisch Freitag, Pfarrer; als methodische Forderung an die Erforschung katholischer Reform bei Jendorff, 27–29. Wie viele andere Anregungen geht auch diese Problemstellung schon auf Ernst Walter Zeeden zurück. Vgl. Zeeden, Grundlagen, 80–91. 102 Der Terminus »thick description« stammt von dem amerikanischen Ethnologen Clifford Geertz, der diese Methode in Anlehnung an die »verstehende Soziologie« Max Webers entwickelt hat. Vgl. Geertz; Weber, Verstehende Soziologie. 103 Eine exemplarische quantitative Auswertung zum Anteil der kirchenpolitischen Betreffe an der Gesamtzahl der Missiven wurde oben vorgestellt (siehe Anm. 96). In Bezug auf die inhaltlichen Aspekte der Kirchenpolitik erscheint die Aussagekraft quantitativer Ergebnisse jedoch zweifelhaft, schlimmstenfalls irreführend. Zwar ließe sich bestimmen, ob etwa Klöster oder Pfarreien den Hofrat häufiger beschäftigten. Doch birgt dies für die übergeordnete Frage, welcher Bereich der Kirchenreform aus der Sicht Herzog Georgs der wichtigste war, überhaupt einen Erkenntnisgewinn? Und wie verhält sich Qualität zu Quantität? Hat eine lange Petition an den Papst, die grundsätzliche Fragen der Kirchenreform anspricht, denselben Informations- oder Bedeutungsgehalt wie die hundertste standardisierte Mahnung an einen geistlichen Richter, den Kirchenbann nicht zu mißbrauchen? – Zu den Möglichkeiten quantitativer Auswertung von Missivenbüchern vgl. auch Volkmar, Hofrat.

Erster Teil

Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521)

I. Vergleichsparameter: Landesherrliche Kirchenpolitik im spätmittelalterlichen Reich 1. Globale Voraussetzungen Die vorreformatorische Kirchenpolitik der deutschen Reichsfürsten entfaltete sich im Spannungsfeld mehrerer auf den ersten Blick gegensätzlicher Entwicklungen. Die wichtigste Voraussetzung bildete die epochale Krise der europäischen Kirche um 1400. Das Abendländische Schisma (1378–1415) erschütterte die Grundfesten der lateinischen Christenheit, indem es ihre Einheit im Papsttum in Frage stellte. Seine Beendigung durch das Konstanzer Konzil läutete nur den nächsten Grundsatzkonfl ikt ein, das Ringen zwischen dem Konziliarismus und dem römischen Reformpapsttum um die Herrschaft in der Kirche. Der Konkurrenzkampf um die Anerkennung als kirchliche Zentralgewalt, der erst zwischen Rom und Avignon und dann zwischen Papst und Konzilien tobte, ließ die Parteien um Könige und Fürsten werben. Dies äußerte sich in einer Flut von Privilegien und Zugeständnissen, mit denen die Obödienz der Herrscher – und ihrer Untertanen – erkauft werden sollte. Die Existenzbedrohung durch den Konziliarismus stärkte zudem die Bereitschaft der Päpste, die kirchlichen Aufsichtsrechte der Bischöfe zugunsten der Ansprüche der weltlichen Fürsten zu beschneiden.1 Ein zweiter wesentlicher Faktor war das Erstarken der deutschen Territorien. Der in mehreren Etappen sich vollziehende Ausbau der spätmittelalterlichen Landesherrschaft erreichte gerade zum Ende des 15. Jahrhunderts hin eine neue Dynamik, vielerorts wurden bereits die Grundlagen des frühmodernen Territorialstaates gelegt. Die Zusammenführung zahlloser Einzelrechte zu einer neuen Qualität von vereinheitlichter Herrschaft über ein Land schuf die ideellen und strukturellen Voraussetzungen für eine verstärkte Einflußnahme der Landesherren auf die Kirche in ihrem Herrschaftsbereich.2 Schließlich ist als dritte Voraussetzung die Kirchenreformdiskussion des 15. Jahrhunderts zu nennen, die mit den Reformkonzilien von Konstanz und Basel

1 Vgl. Hashagen, Staat und Kirche, 67–115; Stieber; am Beispiel Bayern: Rankl, 3–82; am Beispiel Württemberg: Stievermann, Landesherrschaft, 72–75. 2 Siehe S. 31–34.

I. Landesherrliche Kirchenpolitik im Reich

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breite Aufmerksamkeit auch bei den weltlichen Fürsten des Reiches erlangte.3 Von reformfreudigen Angehörigen des Klerus und Humanistenkreisen immer wieder zum Eingreifen aufgefordert,4 aber auch von einem religiös begründeten Verantwortungsbewußtsein für das Wohl des Landes und das Seelenheil der Untertanen motiviert, waren die Fürsten der weltlichen Territorien – im Gegensatz zur Mehrheit der geistlichen Fürsten 5 – schon im 15. Jahrhundert ein wesentlicher Träger der Kirchenreform.6

2. Regionale Einflußfaktoren Eine vergleichende Gesamtdarstellung der Kirchenpolitik deutscher Reichsfürsten im Spätmittelalter ist ein spürbares Desiderat der Forschung.7 Vorläufig muß noch immer auf die Synthese Justus Hashagens aus dem Jahre 1931 zurückgegriffen werden.8 Hier kann darüber hinaus nur der Versuch eines thesenhaften Überblicks unternommen werden, der auf Fallstudien aus verschiedenen Teilen des Reiches basiert.9 Die Sondersituation der Germania sacra muß wegen des weitgehenden Fehlens von Arbeiten zur reichsbischöfl ichen Kirchenpolitik dabei unberücksichtigt bleiben.10 Es geht also lediglich um die Skizze eines Horizonts, vor dem die wichtigsten Phänomene und Entwicklungslinien auf3 Vgl. Brandmüller; Helmrath, Basler Konzil; Stieber; Miethke, Kirchenreform; Gordon, Conciliarism; sowie die Beiträge in Hlavácˇek/Patschovsky. 4 Exemplarisch die Aufforderung zur Kirchenreform, die der herzogliche Beichtvater Johann von Indersdorf in der Mitte des 15. Jahrhunderts an Herzog Albrecht III. von BayernMünchen richtete: Er forderte, daß der Fürst »nit allein weltlich sach, auch geistlichs wesen in seinem land [. . .] Got zu lob füderen mug und widerbringen«. Zitiert nach Rankl, 260. 5 Zur Lage der geistlichen Territorien vor und in der frühen Reformation und ihrer geringen Bedeutung für die altgläubige Kirchenreform vgl. Wolgast, Hochstift; Schindling, Reichskirche; Brady, Bishops; Merz; Breul-Kunkel, Fulda und Hersfeld. Dagegen das positive Beispiel der kurkölnischen Klosterreformen vgl. Neidiger, Erzbischöfe; am Beispiel Mainz: Jendorff, 35–60. 6 Vgl. Hashagen, Staat und Kirche; Rankl; Willoweit, Landesherrschaft; Stievermann, Landesherrschaft; Schulze, Fürsten; Wolgast, Territorialfürsten; zum Beispiel der Wettiner siehe S. 66–75. 7 Dies hob zuletzt Johannes Merz hervor. Vgl. Merz, 82 mit Anm. 201. 8 Vgl. Hashagen, Staat und Kirche. 9 Zu Brandenburg vgl. Priebatsch; Hennig, Kirchenpolitik; Escher; Kurze, Mittelalter, 80–90; Zu Pommern vgl. Bütow; Naendrup-Reimann, 131–135; Wiegand, Diözesansynoden, 231–233; zu Hessen vgl. Heinemeyer, Territorium; Rudersdorf, Hessen, 258–261; Breul-Kunkel, Klosterreform; Schilling, Klöster und Mönche; zur Kurpfalz vgl. Lossen; zu Jülich-Berg vgl. Redlich, Kirchenpolitik; Janssen, Gute Ordnung; zu Württemberg vgl. Stievermann, Landesherrschaft; Wülk/Funk; zu Bayern vgl. Rankl; zu Österreich vgl. Srbik; Koller; Hofmeister; Strnad, Dynast und Kirche; zu kleineren Territorien und Herrschaften vgl. Neumaier; Konersmann. – Hinweise zum vorreformatorischen Kirchenregiment fi nden sich auch in vielen Beiträgen zum Sammelwerk Schindling/Ziegler. 10 Vgl. zuletzt Merz, 185–187. Siehe auch die Literaturangaben in Anm. 5.

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Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521)

scheinen, um im Sinne vergleichender Landesgeschichte einen Ausgangspunkt für die Untersuchung und Parameter für die Einordnung der Kirchenpolitik Herzog Georgs zu gewinnen. Auch in den Beziehungen zur Kirche verlor das Königtum im Spätmittelalter die Initiative politischen Handelns an die Partikulargewalten. Geistliche und weltliche Reichsstände betrieben eine eigenständige Kirchenpolitik, selbst lokale Herrschaftsträger (Landstädte, Niederadel) gestalteten ihre Beziehungen zu kirchlichen Institutionen weitgehend autonom. Schon die Entwicklung in den Reichsstädten zeigt viele Probleme auf, die auch für die Territorien wichtig wurden. Wie dort der Fürst, verstand sich der reichsstädtische Rat zunehmend als weltliche Obrigkeit, die die Herrschaft über sämtliche Bereiche des städtischen Lebens beanspruchte. Die Immunitätsprivilegien des Klerus (Steuerfreiheit, geistlicher Gerichtsstand, eigene Wirtschaftstätigkeit) und die Sonderstellung des geistlichen Besitzes waren mit seiner Vision von der geeinten Stadtgemeinde nicht vereinbar. In zähem Ringen erreichten die Bürger weitgehende Aufsichtsrechte über die geistlichen Güter, beschränkten die Übergabe von Besitz an die »tote Hand« und integrierten die Kleriker als Untertanen der Ratsobrigkeit in den Stadtverband. Doch nicht nur in wirtschaftlicher und juristischer Hinsicht, auch im geistlichen Bereich übte der Rat Kontrolle aus. In Sorge um das Seelenheil der Bürger und aus einem Verständnis der Stadtgemeinde als Sakralverband heraus nahm der Rat nicht nur über seine Patronatsrechte Einfluß auf Besetzungen, sondern suchte auch den Lebenswandel des Klerus zu reformieren und die kirchliche Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen.11 Jenseits der Städte sind für die weltlichen Reichsstände erhebliche Unterschiede bezüglich der Intensität und dem Gestaltungsanspruch von Kirchenpolitik zu konstatieren. Dabei bestand offenbar ein direkter Zusammenhang zwischen dem Entwicklungsgrad einer Landesherrschaft und der Ausprägung des Kirchenregiments. Gerade in den großen, geschlossenen Territorien wie Brandenburg, Pommern, Sachsen, Hessen, Pfalz, Jülich-Cleve-Berg, Württemberg, Bayern oder den österreichischen Erblanden erreichte die landesherrliche Kirchenpolitik ihre größte Wirkmächtigkeit. Andererseits bemühten sich selbst kleinere Reichsstände wie die Grafen von Hohenlohe mit einigem Einfallsreichtum um die Einbindung des Klerus in ihre Herrschaft, ja sogar für einige fränkische Reichsritter sind Ansätze eines Kirchenregiments nachgewiesen worden.12 Die Hohenloher Grafen suchten ihre Pfarrer und Kanoniker durch Priestereide an sich zu binden, in denen sie den Geistlichen nicht nur die Residenzpfl icht und das Zölibat einschärften, sondern 11 Vgl. Moeller, Reichstadt und Reformation; Bünz, Klerus und Bürger; Heitzenröder; als neuere Fallstudie vgl. Gößner. 12 Vgl. Neumaier; ein anderes kleineres Territorium, für das Ansätze eines spätmittelalterlichen Kirchenregiments festgestellt wurden, ist das Herzogtum Pfalz-Zweibrücken. Vgl. Konersmann, 73–139.

I. Landesherrliche Kirchenpolitik im Reich

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auch den Verzicht auf den geistlichen Gerichtsstand beim Bischof von Würzburg abforderten. Die nach dem Vorbild weltlicher Lehnseide konzipierten Eidformeln verweisen auf die Vorstellung vom Benefizium als geistlichem Lehen, womit Kontinuitäten zum früh- und hochmittelalterlichen Eigenkirchenwesen aufscheinen, die in Konkurrenz zum Kirchenrecht standen.13 Die Grenzen des gräfl ichen Kirchenregiments werden allerdings dort sichtbar, wo es nicht gelang, den skizzierten Herrschaftsanspruch über die eigenen Patronate hinaus auf den gesamten Niederklerus der Grafschaft auszudehnen.14 Hingegen vermochten die Grafen von Stolberg im Harz kein Kirchenregiment auszubilden, wohl weil auch ihre weltliche Herrschaftsverdichtung über erste Ansätze nicht hinauskam. Dies verhinderte jedoch nicht ihr Engagement für die Kirchenreform, das sich etwa in Forderungen an den Bildungsstand des Inhabers ihrer Patronatspfarrei Stolberg oder im Erwerb eines päpstlichen Visitationsprivilegs für das Kloster Ilfeld niederschlug.15 Die Größe des Territoriums und der Entwicklungsstand der Landesherrschaft waren offenbar gerade für die Ausprägung des Kirchenregiments wichtige Parameter. Einen anderen Einflußfaktor bildeten die Beziehungen zu den Bischöfen. Als traditionelle Inhaber der kirchlichen Disziplinargewalt mußten die Ordinarien zum wichtigsten Gegner des neuen weltlichen Herrschaftsanspruchs über die Kirche werden. Inwieweit dieser Widerstand tatsächlich greifen konnte, war nun sehr stark von den regionalen Machtverhältnissen abhängig. Das eine Extrem markiert das ostelbische Neusiedelland, wo die Bischöfe bereits so weit mediatisiert, d. h. in ein landesherrliches Herrschaftssystem eingebunden waren, daß eine gegen die Fürsten von Pommern, Brandenburg oder Sachsen gerichtete Politik weder in ihrem Interesse noch in ihrem Vermögen lag.16 Im Altsiedelland gab es hingegen einen unabhängigen und selbstbewußten Reichsepiskopat, gegen den die weltlichen Fürsten ihre kirchlichen Kompetenzansprüche machtpolitisch behaupten mußten. Selten wird dieser strukturelle Unterschied so unmittelbar greif bar wie im Falle der Türkensteuerpolitik des Brandenburger Kurfürsten Albrecht Achilles. Konnte dieser 1481/82 die Besteuerung der Geistlichkeit in den faktisch landsässigen märkischen Bistümern ohne größere Schwierigkeiten durchsetzen, so scheiterte er in seinen fränkischen Landesteilen am Widerstand der Fürstbischöfe von Würzburg und Bamberg – und trug in der öffentlichen Auseinandersetzung um die Rechte seines Kirchenregiments noch einen beträchtlichen Imageschaden davon.17 13

Siehe dazu S. 61–65. Vgl. Neumaier. 15 Vgl. Schubert, Harzgrafen, 54–60. 16 Vgl. Wiegand, Diözesansynoden, 231–233; Bütow; Priebatsch, Bd. 20, 159–185. – Die Ausnahme Bischof Johanns VI. von Meißen bestätigt nur die Regel. Siehe S. 193–204. 17 Zum sogenannten fränkischen Pfaffensteuerstreit vgl. Engel, Passio; Merz, 84–89, 208–210; Priebatsch, Bd. 20, 360–365. 14

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Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521)

Um sich gegen die Reichsbischöfe durchzusetzen, benötigten die Fürsten jenen Bündnispartner, dessen Unterstützung Albrecht Achilles durch sein undiplomatisches Auftreten verloren hatte: das Papsttum. So konnten die Herzöge von Cleve die Kirchenspaltung in der Zeit des Schismas und des Baseler Konzils nutzen, um als Gegenleistung für ihre (erst Avignon, dann Rom zugesagte) Obödienz die päpstliche Exemtion ihrer Lande von der geistlichen Jurisdiktion des »schismatischen« Erzbischofs von Köln zu erreichen.18 Auch die Landgrafen von Hessen, in deren Territorium der Mainzer Erzbischof die geistliche Aufsicht ausübte, suchten die päpstliche Unterstützung. Für das Haus Brabant stellte sich die Auseinandersetzung mit der erzbischöfl ichen Gerichtsbarkeit in Hessen als Teil eines machtpolitischen Überlebenskampfes dar. Denn der Mainzer Metropolit, der vornehmste Fürst des Reiches, war zugleich der wichtigste territorialpolitische Konkurrent der hessischen Landesherrschaft. Die Reichsbischöfe des 15. Jahrhunderts aber nutzten ihre geistliche Gerichtshoheit gezielt als Waffe im Kampf um weltliche Herrschaftsarrondierung.19 Im Bündnis mit dem Papst strebten die Landgrafen nach Reduzierung und Territorialisierung der geistlichen Justiz, planten sogar die Einrichtung eines Landesbistums in Kassel. Doch die Mainzer Erzbischöfe erwiesen sich als potente Gegner. Geschickt nutzten sie dynastische Schwächephasen der Brabanter aus und ließen bis in die Reformationszeit hinein nur Teilerfolge der hessischen Kirchenpolitik zu.20 Nur wenigen Fürsten gelang, die für ihren Herrschaftsbereich zuständigen Reichsbischöfe auf Dauer in ihr Hegemonialsystem zu integrieren. Am erfolgreichsten agierte im Altsiedelland die Kurpfalz gegenüber Worms und Speyer. Alternativ verfolgten viele Fürsten den Plan, mit Hilfe des Papstes die Kollegiatstifte ihrer Residenzorte zu (Landes-)Bistümern zu erheben. Doch lediglich Kaiser Friedrich III. gelang 1469 mit der Gründung der (auf die Stadtgebiete beschränkten) Kleinbistümer Wien und Wiener Neustadt 1468/69 ein solch weitreichender Eingriff in die kirchlichen Strukturen. Dagegen scheiterte selbst die sonst so erfolgreich agierende Kirchenpolitik Bayerns an einem entsprechenden Vorhaben für München.21 In den Plänen der Fürsten deutet sich so zuweilen schon ein territoriales Verständnis von Kirchenpolitik an.22 Kurfürst Albrecht Achilles bemühte sich beim 18

Dies war jedoch nur ein vorübergehender Erfolg. Vgl. Redlich, Kirchenpolitik, Bd. 1,

8*f. 19

Vgl. Merz, 183–187. Vgl. Rudersdorf, Hessen, 258–261; Heinemeyer, Territorium; Schilling, Klöster und Mönche, 50–55. Noch 1516 versuchte Kardinal Albrecht, die durch Konfl ikte mit den Ständen geschwächte Vormundschaftsregierung der Landgräfi n Anna zu Zugeständnissen in der Frage der geistlichen Jurisdiktion zu bewegen. 21 Vgl. Lossen; Koller, 112–177; Rankl, 83–139. – Die Gründung eines Landesbistums in Wien wurde schon von österreichischen Herzögen des 13. und 14. Jahrhunderts verfolgt. Vgl. Strnad, Libertas Ecclesiae, 177–180. 22 Zur (eng mit der Frage der Territorialstaatsbildung verknüpften) Diskussion um die 20

I. Landesherrliche Kirchenpolitik im Reich

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Papst sogar um eine Veränderung von Diözesangrenzen, wollte diese mit den Grenzen seines Territoriums zur Deckung zu bringen. Er war es auch, der sein Kirchenregiment gegenüber der Kurie mit dem Grundsatz zu begründen suchte, daß was in territorio läge, auch de territorio sein müsse. Andererseits versuchten die Landesherren nach wie vor, Herrschaft über Personenbeziehungen auszuüben. Als alternative Variante faßte Albrecht Achilles deshalb die personale Zuordnung aller Untertanen der Landesherrschaft unter die geistliche Jurisdiktion der drei märkischen Bischöfe ins Auge.23 Für die Fürsten im Altsiedelland blieb als letztes Mittel die personelle Anbindung der Reichsbistümer an die eigene Dynastie. Im Süden des Reiches lieferten sich Wittelsbacher und Habsburger immer wieder energische Kämpfe um die Besetzung der Reichsbistümer Salzburg, Passau, Freising, und Regensburg – hier überschnitten sich die Bedürfnisse des landesherrlichen Kirchenregiments mit dem machtpolitischen Konkurrenzkampf der beiden großen süddeutschen Territorialmächte.24 Schließlich legt die Bedeutung des persönlichen Regiments in der spätmittelalterlichen Verfassungswirklichkeit nahe, in den jeweiligen Fürsten selbst eine Einflußfaktor für Horizont, Zielstellungen und Intensität der landesherrlichen Kirchenpolitik zu suchen.25 Welch unterschiedliche Richtung Herrscherpersönlichkeiten der Kirchenpolitik zu geben vermochten, hat schon Felix Priebatsch in seiner Gegenüberstellung der Brandenburger Kurfürsten Friedrich II. und Albrecht Achilles herausgearbeitet.26 Auch Herzog Wilhelm IV. von Jülich-Berg oder Albrecht V. von Österreich prägten mit ihrem energischen persönlichen Engagement den Charakter der Kirchenpolitik in ihren Territorien und schufen Voraussetzungen, an den ihre Nachfolger anknüpfen konnten.27

3. Kirchenpolitische Handlungsebenen Die vorliegenden Studie verwendet für die Erfassung der landesherrlichen Kirchenpolitik ein heuristisches Modell von Handlungsebenen.28 Es erscheint sinnvoll, dieses auch zur Aufarbeitung des Forschungsstandes für die anderen Territorialisierung von Kirchenpolitik, in der ältere Autoren sogar von vorreformatorischer »Landeskirchen« sprechen, vgl. zusammenfassend Stievermann, Landesherrschaft, 157 f. Zum albertinischen Befund siehe S. 429–438. 23 Vgl. Priebatsch, Bd. 19, 426, Bd. 20, 172, 364. 24 Vgl. Koller, 112–177; Strnad, Libertas Ecclesiae; Rankl, 83–139. 25 Siehe dazu S. 76–111. (am Beispiel Herzog Georgs und mit vergleichender Literatur). 26 Vgl. Priebatsch, Bd. 19, 397–430. Ein anderes Fallbeispiel für unterschiedliche, aus der persönlichen Frömmigkeit erwachsene kirchenpolitische Positionen liefern der Württemberger Graf Eberhard im Bart und sein Nachfolger Herzog Ulrich. Vgl. Stievermann, Landesherrschaft, 288. 27 Vgl. Redlich, Kirchenpolitik, Bd. 1, 100*f.; Koller. 28 Siehe S. 25–28.

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Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521)

Territorien des Reiches einzusetzen. Grundsätzlich lassen sich zu allen Ebenen der Kirchenpolitik Georgs Vergleichsbeispiele aus anderen Territorien aufführen – auf konkrete Parallelen wird im Verlauf der Darstellung immer wieder zurückzukommen sein. Trotz der Vielfalt ihrer Träger erweist sich vorreformatorische landesherrliche Kirchenpolitik so in ihren Handlungsebenen und Gegenständen als bemerkenswert homogenes Phänomen. Dies ist freilich nur eine vorläufige Beobachtung; eine systematische Aufarbeitung und Gegenüberstellung der Kirchenpolitik in den Territorien müßte Gegenstand eines koordinierten Großvorhabens vergleichender Landesgeschichte sein. In diesem Rahmen müßte auch die Untersuchung des diplomatischen wie personellen Austausches zwischen den Territorien ihren Platz haben. Denn es ist auffällig, daß sich kirchenpolitische Ziele und Vorgehensweisen der Landesherren oft bis ins Detail gleichen oder aber päpstliche Privilegien nahezu gleichzeitig in verschiedenen Territorien erworben werden.29 Überhaupt ist die sozialgeschichtliche Frage nach den Personengruppen, die die Kirchenpolitik des Landesherrn stützten und umsetzten – Hofräte, Amtleute, Angehörige des Klerus – noch kaum gestellt worden. Besondere Aufmerksamkeit hat in der Forschung traditionell die Bistumsund Stiftspolitik sowie die Auseinandersetzung mit der geistlichen Gerichtsbarkeit gefunden, wie oben bereits angeklungen ist. In beiden Zusammenhängen lag es nahe, nach den Kontakten der Landesherren nach Rom zu fragen, doch ist dies oft nur oberflächlich, mit Blick auf einige wichtige Privilegien geschehen, und nicht immer mit dem besten Verständnis für die Rahmenbedingungen des päpstlichen Gnadenwesens. Auch die Klosterpolitik gehört zu den besser erforschten Bereichen. Wenig Beachtung fanden bislang hingegen der Niederklerus und die Laien, wobei letztere nur selten überhaupt als eigenständiges Aktionsfeld der landesherrlichen Kirchenpolitik wahrgenommen worden sind. Keinerlei Entsprechung haben schließlich die in dieser Studie eingeführten Ebenen »Reich« und »vorreformatorische Öffentlichkeit« in der bisherigen Literatur zur spätmittelalterlichen Kirchenpolitik, obgleich sich verstreute Belege zu den unter diesen Schlagworten untersuchten Phänomenen für viele Territorien nachweisen lassen. 29 Verwiesen sei auf die Fürstenkonkordate der Jahre 1445/47 (vgl. Stieber) oder das unten angeführte Beispiel des Mantuaner Fürstentages. – Ein anderes Beispiel sind päpstliche Klosterreformprivilegien. Ein solches Privileg, das mehreren Bischöfen den Auftrag zur Reform aller Klöster, und zwar nicht in ihren Diözesen, sondern im Territorium eines Landesherrn erteilte, erlangten 1485 die Wettiner für die Bischöfe von Meißen und Merseburg (vgl. Bulle Papst Innozenz VIII., Rom, 12. März 1485, CDS, II, Bd. 3, 270), sechs Jahre später aber auch die Brandenburger Hohenzollern für ihre Landesbischöfe zu Brandenburg, Havelberg und Lebus. Zwei Generationen früher hatten im Süden des Reiches in kurzer Folge Bayern (1441 vom Baseler Konzil) und Kaiser Friedrich III. für die österreichischen Erblande (1447) die gleichen Privilegien erhalten. Vgl. Rankl, 189 f.; Stievermann, Landesherrschaft, 74; Hashagen, Staat und Kirche, 341; Kurze, Mittelalter, 86.

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a) Kurie Die Beziehungen zur Kurie bildeten eine unverzichtbare Grundlage für die landesherrliche Kirchenpolitik. Nur der Papst konnte den Fürsten jene Privilegien verleihen, mit denen sich Kirchenrecht und bischöfl iche Amtsgewalt aushebeln ließen. Justus Hashagen spricht in diesem Zusammenhang vom »Kurialismus der landesherrlichen Kirchenpolitik«.30 Gerade im 15. Jahrhundert entbrannte ein regelrechter Wettbewerb zwischen den deutschen Fürsten um immer weitreichendere päpstliche Gnaden. Der sächsische Kurfürst Friedrich der Sanftmütige gab seinen Gesandten auf dem päpstlichen Fürstentag zu Mantua im Jahre 1459 explizit den Auftrag, in Erfahrung zu bringen, welche Privilegien die anderen Fürsten in letzter Zeit von Rom erhalten hätten und jene, die auch für die Wettiner interessant sein könnten, sogleich beim Papst zu beantragen.31 Wohl besser als jedes andere Territorium nutzte Bayern seine Verbindungen nach Rom. Schon früh unterhielten die Wittelsbacher einen ständigen Prokurator am Heiligen Stuhl. Nicht nur ihre Bistumspolitik bauten die bayerischen Herzöge auf päpstlicher Unterstützung auf, sie schickten auch in regelmäßigen Abständen Wunschlisten für Massenprovisionen nach Rom, mit deren Hilfe sie die wichtigsten Kanonikate und Pfarreien in ihren Landen an den ordentlichen Kollatoren vorbei besetzen konnten.32 Brandenburgs Kurfürst Friedrich II. wiederum erreichte ein Maximalziel vieler Landesherren, das Nominationsrecht für die Bischofsstühle im eigenen Land.33 Nur sehr wenig ist bisher allerdings über die Rahmenbedingungen bekannt, unter denen sich die landesherrliche Kurienpolitik vollzog.34 Dazu gehört die Perspektive der Kurie auf die Territorien, der Stellenwert landesherrlicher Suppliken im kurialen Geschäftsalltag, die Rolle der Prokuratoren und ihre Interaktion mit den kurialen Personennetzwerken sowie die Praxis und Finanzierung des Prokurationsgeschäfts. Diese Fragen werden in der vorliegenden Studie besondere Beachtung fi nden. b) Bischöfe und Domkapitel Die zentrale Bedeutung der Bistumspolitik für die Etablierung eines landesherrlichen Kirchenregiments ist bereits herausgestellt worden. Obwohl sie zu den am besten erforschten Aspekten der Kirchenpolitik gehört, werden in der 30

Hashagen, Staat und Kirche, 67. Vgl. Weber, Instruction. 32 Vgl. Rankl, 3–82. 33 Dies galt jedoch nur für seine Person und wurde nicht erneuert. Vgl. Priebatsch, Bd. 19, 164. 34 Dazu nur einige Bemerkungen bei Rankl, 3–82; Stievermann, Landesherrschaft, 127–144; Koller, 112–177. – Zur Forschungsliteratur über die Kurie und ihre Beziehungen zum Reich siehe S. 112–117. 31

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Forschung kontroverse Standpunkte vertreten, wobei insbesondere das Ausmaß der Einbindung der ostdeutschen Bistümer in die dortigen Territorien umstritten ist.35 Die Bedeutung der Domkapitel für die landesherrliche Kirchenpolitik erschließt sich schon aus ihrer Funktion als Bischofswahlkörper. Darüber hinaus rückten sie ebenso wie die Kollegiatstifte wegen der Bedeutung der Kanonikate für die Versorgung landesherrlichen Personals in den Blickpunkt. Als Benefizien sine cura, also nicht mit Seelsorge und oft auch nicht mit Präsenzpfl icht verbundene Pfründen, bildeten die Kanonikate eine vielzitierte Brücke zwischen Kirche und Welt.36 Sie boten ideale Besoldungsmöglichkeiten für das geistliche Personal in den landesherrlichen Kanzleien und Ratsstuben. An dieser Stelle wird der Eigennutz fürstlicher Kirchenpolitik greif bar, der kirchliche Ressourcen für die Finanzierung der fürstlichen Herrschaftsintensivierung einspannte. Gut dokumentiert ist dieses Vorgehen für Bayern oder Brandenburg, wo zudem auch reich ausgestattete Stadtpfarreien, also Seelsorgepfründen, in dieser Weise genutzt wurden.37 Die systematische Umwidmung kirchlicher Benefi zien spielte schließlich bei der Ausstattung der neuen Landesuniversitäten eine entscheidende Rolle, so 1477 in Tübingen und 1506 in Frankfurt/Oder, aber auch schon 1409 in Leipzig.38 c) Geistliche Gerichtsbarkeit Beim Ausbau ihrer Landesherrschaft trafen die spätmittelalterlichen Fürsten im Bereich der Gerichtsbarkeit auf funktionierende und flächendeckend präsente kirchliche Strukturen: die geistliche Gerichtsbarkeit der Bischöfe, Archidiakone und päpstlichen Delegationsrichter. Die Tätigkeit der geistlichen Gerichte war den spätmittelalterlichen Fürsten ein Dorn im Auge. Der Grund ist leicht zu benennen: Die Inhaber der weltlichen Gerichtsbarkeit sahen in den Offizialen der Bischöfe und Archidiakone eine ernstzunehmende Konkurrenz, die Herrschaftsstellung und Einnahmen der weltlichen Landesherrschaft gefährdete. Denn das Kirchenrecht gestattete den geistlichen Richtern, auch weltliche Streitfälle anzunehmen, und die geistlichen Gerichte, wegen ihrer Effizienz von der Bevölkerung gern genutzt, machten davon rege Gebrauch.39 Die Auseinandersetzung mit der geistlichen Gerichtsbarkeit wird von der Forschung häufig als wichtigstes Feld der Kirchenpolitik angesehen, weil es mit

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Vgl. Hahn; als Erwiderung auf Hahns Thesen vgl. Ahrens. Vgl. Bünz, Domkapitel (mit Angabe der inzwischen breiten Forschungsliteratur). 37 Vgl. Priebatsch, Bd. 19, 405, Bd. 20, 342 f.; Rankl, 228–250. 38 Vgl. Stievermann, Landesherrschaft, 147 f.; Priebatsch, Bd. 20, 342. Zu den Leipziger Universitätskanonikaten vgl. zuletzt Cottin, Universitätskanonikate bzw. am konkreten Fallbeispiel Cottin/Kusche. 39 Siehe die Literatur S. 226–230. 36

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der Frage der Gerichtshoheit ein Kernrecht der Landesherrschaft berührte.40 Tatsächlich war das Bestreben der Landesherren darauf ausgerichtet, einerseits die Kompetenzen der kirchlichen Gerichtshöfe auf geistliche Streitfragen einzugrenzen und andererseits den Gerichtsstand der eigenen Untertanen auf (niedere) geistliche Instanzen im eigenen Machtbereich festzulegen, um auswärtigen Bischöfen ein Druckmittel aus der Hand zu schlagen – waren doch die geistlichen Strafen wie Bann und Interdikt nach wie vor gefürchtet. Päpstliche Privilegien (de non evocandis subditis) und fürstliche Landesordnungen, aber auch direkter Druck auf geistliche Richter und auf den für die öffentliche Verkündung von Vorladungen und Bannstrafen zuständigen Pfarrklerus waren die landesherrlichen Waffen in diesem Kampf. Doch ist das oben angeführte hessische Beispiel durchaus typisch für die gemischte Erfolgsbilanz der Fürsten: Selbst die mediatisierten ostdeutschen Landesbischöfe fanden sich in Fragen der Gerichtsbarkeit kaum zu grundsätzlichen Zugeständnissen bereit.41 d) Regularklerus Die Klosterpolitik ist sowohl unter dem Gesichtspunkt des Kirchenregiments, als auch als Wirkungsbereich landesherrlichen Reformengagements bereits recht intensiv untersucht worden. Die landesherrliche Klosterherrschaft ging in vielen Territorien, so in Württemberg und Hessen, von einzelnen Vogtei- und Schirm(vogtei)rechten aus, die die Landesherren systematisch vermehrten, bis sie – »von dem Prozeß des Einschmelzens, um nicht zu sagen des Nivellierens zur Landeshoheit erfaßt«42 – in eine Obrigkeit über alle Klöster im landesherrlichen Einflußbereich umschlugen. In direktem Zusammenhang mit diesem Herrschaftsanspruch steht auch das Initiativrecht des Landesherrn bei der Klosterreform.43 Die vorreformatorische Klosterpolitik der deutschen Fürsten steht im Zeichen der kirchlichen Erneuerung: »Klöster wurden im 15. Jahrhundert aus primär religiösen Gründen reformiert«, resümiert Bernhard Neidiger.44 Fürstliche Devotion, das landesherrliche Selbstverständnis, Schutzherr der Kirche zu sein, sowie persönliche Kontakte zu führenden Ordensmitgliedern prägten den Reformimpetus der Fürsten. Der gesteigerte Machtanspruch der Landesherrschaft und fiskalische Überlegungen traten verstärkend hinzu, rückten aber nie in den 40

Vgl. z. B. Redlich, Kirchenpolitik, Bd. 1, 2*. Vgl. Mikat, 264–309; Hashagen, Charakteristik; Fallbeispiele: Redlich, Kirchenpolitik, Bd. 1, 1*-121*; Heinemeyer, Territorium, 144–153; Hofmeister, 257–264; Rankl, 147–150; Priebatsch, Bd. 20, 348–359. – Für das sächsische Beispiel siehe S. 70–72; für weitere Literatur siehe S. 226–230. 42 Heinemeyer, Territorium, 152. 43 Vgl. ebd.; Stievermann, Landesherrschaft, 15–39, 261–290. 44 Neidiger, Erzbischöfe, 74. 41

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Vordergrund. Ein typisches Ineinandergreifen von religiösen und weltlichen Motiven bestimmte auch hier die landesherrliche Politik.45 Als Laien besaßen die Fürsten ein waches Gespür für die gesellschaftspolitische Rolle des Mönchstum. Sie förderten die Klosterreform, um die monastische Disziplin wiederherzustellen und damit die Voraussetzung dafür zu schaffen, daß das Mönchstum seine religiöse Funktion wahrnehmen konnte, als Träger der dynastischen Memoria und als Fürbitter für das Land.46 Überall im Reich waren weltliche Landesherren nicht nur Förderer, sondern maßgebliche Initiatoren der Klosterreform.47 Bezeichnend für die Bedeutung der fürstlichen Machtstellung ist es dabei, wenn selbst reformfreudige geistliche Fürsten wie die Erzbischöfe von Köln die Klosterreform nur in ihrem Hochstift durchzusetzen vermochten, also dort, wo sie nicht nur als Bischöfe, sondern auch als Landesherren auftreten konnten.48 e) Niederklerus Die landesherrliche Kirchenpolitik im Bereich des Niederklerus – der Pfarrer, Prediger, Vikare und Altaristen – ist erst in Ansätzen erforscht. Dabei eröffnet sich gerade hier ein zentraler Erfahrungsraum der vorreformatorischen Kirche, stellte doch das über das gesamte Land gespannte Netz der Pfarreien die breiteste Berührungszone zwischen Kirche und Welt dar.49 Landesherrliche Patronatsrechte werden in der Literatur häufig als eine wesentliche Grundlage des Kirchenregiments genannt. Bekannt ist das – außergewöhnliche – Beispiel Württembergs, wo sich am Ausgang des Mittelalters 50% der Pfarr- und Altarpatronate in der Hand der Grafen befanden. Hier wie in Bayern ist eine systematische Akkumulation von Patronatsrechten als fürstliche Herrschaftsstrategie beschrieben worden. Die Patronatsrechte eröffneten den Landesherren nicht nur Einfluß auf die Besetzung der Benefizien, sondern auch Aufsichtsrechte über die Temporalien, die in Württemberg sogar mit einem landesherrlichen Zehnt besteuert wurden.50 Für die Landesherren scheinen dabei weniger die kirchenrechtlichen Normen, als eine lehnsrechtliche Interpretation des Patronats maßgebend gewesen zu sein.51 Da längst nicht alle Fürsten 45

Vgl. Hashagen, Staat und Kirche, 567. Vgl. Schulze, Fürsten; Hashagen, Staat und Kirche, 339–370. 47 Für Bayern vgl. Rankl; für Österreich vgl. Hofmeister; für Württemberg vgl. Stievermann, Landesherrschaft; für Hessen vgl. Heinemeyer, Territorium; Schilling, Klöster und Mönche; Breul-Kunkel, Klosterreform; für die niederrheinischen Herzogtümer vgl. Redlich, Kirchenpolitik, Bd. 1, 89*-97*; Neidiger, Erzbischöfe; für Brandenburg vgl. Priebatsch; Escher. 48 Vgl. Neidiger, Erzbischöfe, 75. 49 Siehe die Literaturübersicht auf S. 264, Anm. 1. 50 Vgl. Stievermann, Landesherrschaft, 150–155; Rankl, 229–239. 51 Vgl. hier Stievermann, Landesherrschaft, 153. 46

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über derart umfangreiche Patronatsrechte verfügten, wurden auch im Bereich des Niederklerus andere Herrschaftsansprüche für das Kirchenregiment wichtig. In Jülich-Berg nutzte der Herzog seine fürstliche Stellung aus, um eigene Kandidaten mit Hilfe jener Besetzungsrechte zu versorgen, die in der Hand von landsässigen Klöstern und Stiften lagen. Er besteuerte zudem den gesamten Niederklerus, verpfl ichtete sich freilich dafür, als dessen Schutzherr in Rechtsstreitigkeiten zu fungieren.52 Gerade das voll ausgeprägte Kirchenregiment, wie es etwa für Bayern, Jülich-Berg aber auch Württemberg zu konstatieren ist, begriff die Aufsicht und Reform des Niederklerus auch jenseits des eigenen Patronats als landesherrliche Aufgabe. Ziel der landesherrlichen Reformpolitik war in erster Linie die Sicherstellung der geistlichen Versorgung der Bevölkerung mit Gottesdiensten und Sakramenten. Oftmals reagierte der Fürst dabei direkt auf Klagen der Untertanen, wie im Falle Württembergs und Bayerns belegt. Über die Disziplinierung von Amtsinhabern und reformierende Eingriffe in Pfründenbesitz oder Pfarreistrukturen führte der landesherrliche Regelungsanspruch bis in den genuin geistlich-kultischen Bereich, wenn etwa die Brandenburger Kurfürsten eine Prozessionsordnung für Berlin und Cölln erließen. Aber auch die Reform der Lebensführung stand im Fokus, wie das Vorgehen gegen das Konkubinat in Jülich-Berg belegt.53 Überall bewegte sich das landesherrliche Kirchenregiment dabei in direkter Konkurrenz zu den Aufsichtsrechten der Ordinarien. Helmut Rankl spricht explizit von »episkopalen Funktionen«, die der Landesherr übernahm.54 Inwieweit sich die Fürsten dabei gegenüber den Bischöfen durchsetzen konnten, ob es Formen der Zusammenarbeit gab und vor allem, auf welche Rechtsansprüche sich die Fürsten beriefen, wird in dieser Studie am Beispiel Sachsens zu untersuchen sein. f) Laien Die Eingriffe der Fürsten in die religiöse Lebenswelt ihrer Untertanen sind bislang kaum ins Blickfeld der Forschung getreten. Von den einschlägigen Studien behandelt lediglich Otto R. Redlich die »Aufsicht über kirchliches Leben, Religiosität und Sittlichkeit« in einem eigenen Abschnitt.55 Der Schwerpunkt landesherrlicher Politik gegenüber den Laien lag auf der Reform. Aus Verant52

Vgl. Redlich, Kirchenpolitik, Bd. 1, 44*, 104*–109*. Vgl. Priebatsch, Bd. 20, 346; Rankl, 260–268; Redlich, Kirchenpolitik, Bd. 1, 97*– 114*; Stievermann, Landesherrschaft, 154 f. 54 Rankl, 266. 55 Redlich, Kirchenpolitik, Bd. 1, 114*-118*. Aufgegriffen und weiterführend diskutiert wurde das jülich-bergische Beispiel jüngst von Wilhelm Janssen. Vgl. Janssen, Gute Ordnung. 53

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wortung für den Gemeinen Nutzen und das Wohl seiner Untertanen sah sich der Landesherr zur Durchsetzung religiöser Verhaltensnormen unter seinen Untertanen verpfl ichtet, weil nur dadurch den Menschen der Weg zum Seelenheil als ultimatives Ziel irdischen Daseins eröffnet werden konnte. Hinzu trat ein zweites religiöses Motiv, die Furcht vor der Strafe Gottes, die jedes Gemeinwesen treffen mußte, das gegen die göttliche Ordnung verstieß.56 Beide Motive fi nden sich in den religionspolitischen Passagen der Landesund Policeyordnungen expliziert, die im Laufe des 15. Jahrhundert auf kamen. Dort verbanden sie sich mit dem neuartigen Anspruch des entstehenden Territorialstaats auf Durchsetzung »guter Policey«, also auf die Regelung aller öffentlichen Lebensbereiche, eine Entwicklung, die in der Frühen Neuzeit unter dem Stichwort der Sozialdisziplinierung besondere Aufmerksamkeit gefunden hat.57 Im Westen des Reiches erließen die Herzöge von Jülich-Berg 1491 eine Verordnung und 1525 eine Landesordnung zur Reform der Laien und des Niederklerus.58 Die hessische Landesordnung über das Gerichtswesen von 1455 enthielt Passagen gegen das Spiel um Geld, eine Ordnung für die Residenzstadt Kassel bereits 1423 landesherrliche Vorschriften zu Ehe, Taufe und Hochzeit.59 Spielen und Gotteslästerung stellt die erste württembergische Landesordnung von 1495 unter Strafe. In Bayern schließlich erließ Herzog Ludwig von Bayern-Landshut 1463 ein Mandat gegen Gotteslästerung, Wucher, Ehebruch und das Konkubinat, das im Einvernehmen mit dem Bischof von Freising von den Kanzeln der Kirchen verlesen wurde.60 Eine Besonderheit der Laienreform in Jülich-Berg war die Zusammenarbeit des Landesherrn mit der unteren kirchlichen Hierarchieebene der Landdechanten und den von ihnen geführten geistlichen Sendgerichten. Ihnen befahl Herzog Wilhelm 1491 das richterliche Vorgehen gegen Verfehlungen in der Lebensführung von Klerikern und Laien und bot gleichzeitig die Unterstützung der Sanktionsmaßnahmen durch seine Amtleute an.61 Damit ist ein direkter Beleg dafür gegeben, daß auch die Landesherren selbst die Reform der Laien im Kontext kirchlicher Disziplinierung verorteten, derer sie sich gewissermaßen in Vertretung bischöfl icher Aufsicht widmeten. Ein Recht dazu ließ sich aus der Notrechtsidee der Zweigewaltenlehre ableiten, die ja, wie oben gezeigt, noch für Luther und das evangelische Kirchenregiment von zentraler Bedeutung war. Die kursorische Zusammenschau landesherrlicher Kirchenpolitik im vorreformatorischen Reich hat auf allen Ebenen die Herausbildung eines landesherrlichen Kirchenregiments und das fürstliche Engagement für die Kirchenreform 56 57 58 59 60 61

Vgl. ebd., 165–168. Siehe dazu S. 384–403. Vgl. Redlich, Kirchenpolitik, Bd. 1, 114*f.; Janssen, Gute Ordnung, 164–167. Vgl. Heinemeyer, Territorium, 153. Vgl. Stievermann, Landesherrschaft, 148 f.; Rankl, 268. Vgl. Redlich, Kirchenpolitik, Bd. 1, 115*–118*.

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als wesentliche Leitlinien hervortreten lassen. Ein vertieftes Gesamtverständnis der Kirchenpolitik wird auf die Frage nach dem inneren Zusammenhang beider Aspekte einzugehen haben. Vorläufig weisen etwa die Untersuchungen zu Klosterreformen in Württemberg oder Bayern darauf hin, daß Kirchenregiment und Kirchenreform oft Hand in Hand gingen.62 Demgegenüber bietet die Kirchenpolitik des Kurfürsten Albrecht Achilles ein Korrektiv, weil sich hier die massive Betonung von Herrschaftsansprüchen gegenüber dem Klerus mit einem frappierenden Desinteresse an den Fragen der Kirchenreform mischte.63 Für Kirchenregiment und Kirchenreform stellt sich dabei in gleichem Maße die Frage nach der Legitimation des landesherrlichen Eingreifens.

4. Landesherrliche Legitimationsstrategien Eine eigene, außerordentlich vielschichtige Forschungsdiskussion hat sich um die Frage nach Legitimität und Legitimation des landesherrlichen Vorgehens entwickelt. Die Antwort darauf suchte man lange Zeit im Kirchenrecht. Denn dieses hatte sich – so die gängige Auffassung – in Folge des päpstlichen Triumphs im Investiturstreit gegen das alte germanische Eigenkirchenwesen durchsetzen können und war dann im 12. und 13. Jahrhundert durch die wissenschaftliche Systematisierung im kanonischen Recht als maßgebliche Rechtsquelle gefestigt worden.64 Schnell erblickte die ältere Forschung in den kanonischen Rechtstiteln der Vogtei (über Klöster und Stifte) und des Patronats (über den Niederklerus) die Wurzeln des Kirchenregiments. Tatsächlich läßt sich für einige Territorien zeigen, daß die Landesherren gezielt diese Rechte erwarben und in ihrer Hand akkumulierten. Jede genauere Untersuchung macht freilich deutlich, daß die Landesherren die Befugnisse, die das Kirchenrecht den Inhabern von Vogtei und Patronat zugestand, am Ende des Mittelalters weit überschritten. Auf welchem Wege und mit welchem Recht dies geschah, war schwer einzuordnen. Auch die Frage, in welcher Weise sich aus diesen eng gefaßten Rechtstiteln das umfangreiche Kirchenregiment der Vorreformation entwickeln konnte, wurde früh gestellt, doch kaum befriedigend geklärt. Denn der Verweis auf das neue Recht der Landesherrschaft, den ja auch die Quellen immer wieder bieten,65 war mit den kirchenrechtlichen Normen nicht in Einklang zu bringen.66 62

Vgl. Stievermann, Landesherrschaft; Rankl, 169–227, 272. Vgl. Priebatsch, Bd. 19, 420–430. 64 Zugänglich ist das Corpus Iuris Canonici in der maßgeblichen Edition von Friedberg. Vgl. dazu einführend Feine, Bd. 1, 241–391. 65 Am markantesten in der Argumentation des Markgrafen Albrecht Achilles im Pfaffensteuerstreit gegenüber der Kurie, daß was in territorio läge, auch de territorio sein müsse. Vgl. Priebatsch, Bd. 20, 364. 66 Vgl. z. B. Zieschang; Priebatsch. – Zur Ausrichtung der älteren Forschung vgl. auch Stievermann, Landesherrschaft, 30 f. 63

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Um so mehr Aufmerksamkeit wandte die Forschung einer zweiten Rechtsquelle zu, den päpstlichen Privilegien, die mit ihren Ausnahmeregelungen das Kirchenrecht aushebelten und insbesondere die landesherrliche Politik gegenüber den Bischöfen und der geistlichen Gerichtsbarkeit ermöglichten. Doch schufen auch diese, wie schon Felix Priebatsch bemerkte, keine prinzipiell neue Rechtslage, weil die Kurie peinlich genau darauf achtete, durch die Ausnahmen das kanonische Regelwerk nicht dauerhaft außer Kraft zu setzen. Priebatschs Fazit kann als exemplarisch für den Forschungstand des frühen 20. Jahrhunderts gelten: »die Landeskirche krankte [. . .] trotz aller äußeren Erfolge an ihrer inneren Unsicherheit«, denn »ein wirkliches Recht ergab sich [. . .] trotz alledem [= den päpstlichen Privilegien] nicht«.67 An dieser Stelle hat Justus Hashagens Synthese der Diskussion eine neue Richtung gewiesen. Hashagen betont, daß die landesherrliche Einflußnahme »nicht nur Usurpation, auch nicht nur mehr oder weniger kirchenrechtswidrig von der höchsten kirchlichen Autorität gewährte Konzession« gewesen sei, sondern »in sich selbst eine Art von rechtlicher Begründung besessen habe, die in Rechtstheorien, aber auch [. . .] allgemein anerkannten Rechtsinstituten liegen mochte«. Deshalb sei es notwendig, auch außerhalb des von vielen Studien als maßgeblich betrachteten kirchlichen Rechtskreises nach Quellen für das landesherrliche Kirchenregiment zu suchen.68 Hierbei weist Hashagen aus der ideengeschichtlichen Perspektive vor allem auf die Zweigewaltenlehre hin, aus der er das subsidiäre Notrecht, aber auch eine geistliche Qualität jedes weltlichen Fürsten (als intermediäres Haupt des Corpus Christianum, verwirklicht in der Idee des Advocatus ecclesiae) hervorgehen sieht. Daneben spricht er noch die Rezeption des römischen Rechts an.69 Hashagen konnte seine neue Sicht nicht zuletzt auf eine rechtshistorische Forschungstradition stützen. Kein Geringerer als Ulrich Stutz und in seiner Nachfolge Hans Erich Feine hatten darauf aufmerksam gemacht, daß neben kirchenrechtlichen Instituten auch weltliche Rechtsvorstellungen als Rechtsquellen des Kirchenregiments zu berücksichtigen seien, etwa die sogenannte Kirchenlehnsherrlichkeit.70 Nach dieser Rechtsauffassung wird die Pfründe als »geistliches Lehen« betrachtet, an dem der Lehnsherr gemäß dem weltlichen Lehnsrecht weitgehende Rechte behält. Damit kommen die Überreste des hochmittelalterlichen Eigenkirchenwesens in den Blick, das Stutz insbesondere

67

Priebatsch, Bd. 20, 363 f. Hashagen, Staat und Kirche, 431 f. 69 Vgl. ebd., 433–454, 564 f. – Allerdings vermag Justus Hashagen für eine Rezeption des römischen Rechts, als deren Träger er u. a. humanistische Reformer wie Jakob Wimpfeling vermutet, keine Belege zu geben. Auch Gerda Koller bleibt konkrete Belege schuldig. Vgl. Koller, 43. 70 Vgl. Feine, Bd. 1, 435, 442 f. 68

I. Landesherrliche Kirchenpolitik im Reich

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für die Pfarrkirchen untersucht hatte.71 Dabei stellte er fest, daß die mit dem Namen Papst Alexanders III. (1159–1181) verbundene Einführung des kanonischen Patronatsrechts zwar die geistliche Investitur in die Hände der Kirche legte, insbesondere im niederkirchlichen Bereich jedoch das alte Eigenkirchenrecht unter dem neuen Titel fortleben konnte. Die soziale Praxis des Rechtslebens führte zu einer komplexen Entwicklung. Während sich das Papsttum im Kampf gegen königliche Rechte auf die Bischofskirchen konzentrierte, übernahm im niederkirchlichen Bereich der Adel lediglich den neuen Begriff des Patronats aus dem Kirchenrecht, gab ihm aber inhaltlich vor allem in Bezug auf die Temporalien eine »eigenkirchenrechtliche Prägung«.72 Wo die neuere Forschung diesen Ansatz aufgriff, hat er sich vor allem dort als weiterführend erwiesen, wo er durch sozialgeschichtliche oder prosopographische Methoden ergänzt und auf die Erforschung der Rechtspraxis des Kirchenregiments übertragen wurde.73 Vor allem Dieter Stievermann konnte ihn am Beispiel der württembergischen Klosterpolitik konkretisieren und ausbauen. So geht die Forschung heute davon aus, daß sich landesherrliche Kirchenpolitik im Schnittfeld zweier gleichrangiger und konkurrierender Rechtssphären bewegte. Kirchliches und weltliches Recht unterschieden sich dabei in qualitativer Hinsicht massiv: während das kanonische Recht schriftlich fi xiert vorlag, herrschte im weltlichen Bereich trotz einzelner Kodifizierungen die mündliche Tradierung als Gewohnheitsrecht vor.74 Dies zeitigte einschneidende Folgen für die Quellenkritik: Die gute Verfügbarkeit des kanonischen Rechts präjudizierte dessen bevorzugte Rezeption in der historischen Analyse und verzerrte so das Bild.75 Stievermann plädiert deshalb dafür, die Verfassungswirklichkeit der spätmittelalterlichen Kirchenpolitik aus der Exegese sekundärer Rechtsquellen zu erschließen, also vor allem aus Urkunden und Akten, die die konkrete Herrschaftspraxis wiederspiegeln.76 Dabei zeigte sich am württembergischen Beispiel der große Einfluß weltlicher Rechtsideen auf die landesherrliche Kirchenpolitik, auch und gerade im Umgang mit vordergründig kirchlichen Rechtsinstituten wie Patronat, Vogtei oder Visitation.77 Darüber hinaus fanden 71

Vgl. Stutz. Ulrich Stutz, hier zitiert nach Hashagen, Staat und Kirche, 458. Zum Sachverhalt vgl. ebd., 457–462; Stievermann, Landesherrschaft, 15–39, 150 f. – Zum kanonischen Patronatsrecht vgl. Landau, Ius Patronatus; Sieglerschmidt. 73 Vgl. Rankl, 228–260; Stievermann, Landesherrschaft; Ulbrich; Neumaier. Noch nicht bei Koller. 74 Zur Auswirkung mündlicher und schriftlicher Überlieferungsformen auf den Überlieferungsinhalt vgl. grundsätzlich Assmann. 75 Vgl. Stievermann, Landesherrschaft, 29–39. 76 Methodisch ergibt sich hier freilich das Problem, daß die Praxis des Kirchenregiment zugleich zum Ausdruck einer rechtlichen Norm erhoben wird. 77 Hier stellt sich die Frage, inwiefern es der Kanonistik überhaupt gelang, die hinter Patronat und Vogtei stehende eigenkirchliche Praxis des Hochmittelalters zu überwinden und 72

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adelsrechtliche Prinzipien Eingang in die Praxis des Kirchenregiments, etwa beim Austrag von Streitigkeiten mit Hilfe von Schiedsgerichten. Gleichzeitig eröffnet die sozialgeschichtliche Perspektive den Blick für die Tatsache, daß beide Rechtskreise über ihre jeweiligen Trägergruppen sowohl in der Kirche wie in der Landesherrschaft präsent waren. Universitäten und gelehrte Geistliche im Fürstendienst trugen zur Kenntnis des Kirchenrechts in der landesherrlichen Verwaltung bei. Das weltliche Recht hingegen beeinflußte die Rechtsvorstellungen der adligen Mitgliedern des höheren Klerus.78 Gerade aus der Überschneidung der beiden grundsätzlich anerkannten Rechtsbereiche ergab sich ein enormer Gestaltungsspielraum für die landesherrliche Kirchenpolitik: Denn wo Recht gegen Recht stand, »mußte [. . .] der Macht das entscheidende Gewicht zukommen«. Das überlegene politische Potential der Landesherrschaft konnte so gegenüber der lokalen Kirche voll zum Tragen kommen, zumal das Papsttum – anders als im hochmittelalterlichen Ringen um die Libertas ecclesiae – aus politischen Sekundärinteressen heraus die Landesherren unterstützte und die kirchenrechtlichen Verteidigungspositionen der Bischöfe mit Bullen und Breven durchlöcherte.79 Vor diesem Hintergrund kann die Frage nach der praktischen Umsetzung der kirchenpolitischen Vorstellungen der Landesherrschaft in dieser Studie neu gestellt werden. Der Rolle von Legitimationsstrategien ist dabei besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden. Grundsätzlich ist zu bemerken, daß hierbei stets die Alternativen Kooperation oder Konfrontation zur Wahl standen. Gerade das Beispiel kirchenpolitisch erfolgreicher Territorien wie Württemberg oder Bayern legt nahe, daß die Landesherren die direkte Konfrontation mit der Geistlichkeit möglichst vermieden. Statt dessen setzten sie auf Konsensbildung als Basis ihrer Politik. Als Erfolgsstrategie erwies sich dabei z. B. die personelle Verflechtung. Durch den Einsatz hochrangiger Geistlicher als Handlungsträger landesherrlicher Politik konnte kirchenrechtlichen Bedenken die Spitze genommen werden, so etwa, wenn sich eine in geistlichen Sachen aktiv werdende landesherrliche Schiedskommission aus Prälaten zusammensetzte. Aber auch päpstliche Privilegien und bewußt uneindeutige Formulierungen halfen, die Gräben zwischen den Rechtsauffassungen zu überdecken.80 Legitimation von unten konnte aus Suppliken von Landgemeinden geschöpft werden, die den Landesherrn um die Regelung ihrer kirchlichen Angelegenheiten baten.81 Der allgemeine Konsens über die Notwendigkeit einer Kirchenreform konnte schließlich der Reformpolitik der Landesherren zusätzliche Berechtigung gebeide Institute in das Kirchenrecht zu integrieren. Vgl. Stievermann, Landesherrschaft, 32 f. 78 Vgl. ebd. 79 Vgl. ebd., 34–39, das Zitat 34. 80 Vgl. ebd., 35–39, 220–234, 251–289. 81 Vgl. Rankl, 266.

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ben, vor allem wenn sich diese durch Nachhaltigkeit und Erfolge in der Praxis Klerus und Laien empfahl. Für die Erforschung der Legitimationsstrategien in der Kirchenpolitik Herzog Georgs ergibt sich aus dem Gesagten folgende Vorgehensweise: Da für den Untersuchungsgegenstand einschlägige Vorarbeiten fehlen, sind die verfassungsgeschichtlichen Fragestellungen der älteren Forschung zunächst noch einmal aufzunehmen, d. h. es ist zu bestimmen, in welchem Maße die kanonischen Rechtsinstitute Patronat und Vogtei durch die Kirchenpolitik Herzog Georgs herangezogen wurden. Im Anschluß an die Erkenntnisse der neueren Forschung ist darauf auf bauend nach einer etwaigen Auffüllung von Vogtei und Patronat mit weltlichen Rechtsinhalten (Stichwort: »entwicklungsfähige Reste« des Eigenkirchenwesens) 82 zu fragen. Darüber hinaus interessieren weltliche Rechtsinstitute, Rechtsgrundsätze und Rechtsfi ktionen, die für die Legitimation der Kirchenpolitik Verwendung fanden. Dabei ist auch die Frage nach einer neuen Qualität des nivellierenden landesherrlichen Herrschaftsanspruchs zu diskutieren. Schließlich ist das Augenmerk von theoretischen Rechtsfragen auf die Ebene der konkreten politischen Durchsetzung des landesherrlichen Rechtsanspruchs zu lenken. In diesem Zusammenhang interessieren vor allem die Rolle von konsensbildenden Lösungsstrategien und weltlichen Herrschaftstechniken.

82

Vgl. Hashagen, Staat und Kirche, 455.

II. Die wettinische Reformtradition Ähnlich wie ihre Standesgenossen in anderen Teilen des Reiches bildeten auch die wettinischen Fürsten im Spätmittelalter sukzessive ein landesherrliches Kirchenregiment aus. Günstige Rahmenbedingungen wie die schwache herrschaftliche Stellung der mitteldeutschen Bischöfe erlaubten es den Wettinern, ihren Einfluß auf die Kirche so stark auszubauen, daß Sachsen am Vorabend der Reformation zusammen mit Territorien wie Bayern, Württemberg, JülichBerg oder den habsburgischen Erblanden eine Führungsrolle auf diesem Gebiet zukam.1 Sächsische Kirchenpolitik vor der Reformation beschränkte sich aber nicht auf das im folgenden näher zu untersuchende Herrschaftsinstrument des Kirchenregiments. Mehrere Wettiner des 15. Jahrhunderts verwendeten ihren Einfluß auf die Kirche gezielt, um in der drängenden Zeitfrage der Kirchenreform politische Akzente zu setzen. Der Beginn einer kontinuierlichen landesherrlichen Reformpolitik verbindet sich mit dem Namen Herzog Wilhelms III. (1445–1482). Dieser erließ 1446 in enger Zusammenarbeit mit den Ständen des von ihm regierten thüringischen Landesteils eine Landesordnung, die detaillierte Anordnungen zur Reform der geistlichen Gerichte, der Klöster, des Weltklerus und der Laien enthielt.2 Sechs Jahre später publizierte er, bewegt von den Ermahnungen des franziskanischen Bußpredigers Johannes Capistrano, ein weiteres Mandat zur Laienreform, dem 1454 die sogenannte Reformatio Wilhelmi folgte, ein Mandat zur Reform der weltlichen und geistlichen Gerichtsbarkeit.3 Wenngleich Wilhelm nicht der erste Wettiner war, der sich für die Kirchenreform einsetzte, hoben seine Gesetze das Reformengagement auf eine neue Stufe, weil in der Landesordnung die verschiedenen Ebenen – geistliche Gerichtsbarkeit, Regularklerus, Niederklerus, Laien – erstmals gemeinsam behandelt wurden und so die Kirchenreform als eine Einheit, als eine umfassende Reform der gesamten Kirche im eigenen Territorium erkennbar wird. Der territoriale Bezug der wettinischen Kirchenpolitik wird deutlich, wenn der 1

Vgl. Bünz/Volkmar, Kirchenregiment. Vgl. Landesordnung Herzog Wilhelms III., Weißensee, 9. Januar 1446, Müller, Reichstagstheatrum Maximilian, Bd. 2, 86–95. 3 Wilhelms Kirchenpolitik ist gut erforscht. Vgl. Wintruff, 34–81; ABKG, Bd. 1, XXI– LXVI; Pallas, Entstehung, 141–143; Schulze, Fürsten, 46–55, 67–80; zum Sittenmandat von 1452 vgl. auch Bast, 178–185. 2

II. Die wettinische Reformtradition

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Papst 1464 auf Wilhelms Bitte hin die Einführung des Festes Praesentatio Mariae im Rahmen des herzoglichen Territoriums verfügt und dieses damit implizit zur kirchlichen Einheit erklärt.4 Gleichzeitig begründet Wilhelms Kirchenpolitik den engen Zusammenhang zwischen Reformengagement und Kirchenregiment. Wilhelms Erben, die fürstlichen Brüder Kurfürst Ernst und Herzog Albrecht, setzten den eingeschlagenen Weg fort. Für ihre Nachfolger, Kurfürst Friedrich den Weisen und Herzog Georg den Bärtigen, waren der sukzessive Auf bau des wettinischen Kirchenregiments und das landesherrliche Reformengagement bereits bewährte politische Handlungsmuster. Zunächst war das landesherrliche Kirchenregiment freilich noch weit davon entfernt, vereinheitlichte Herrschaftsbeziehungen zwischen dem Landesherrn und der Kirche des Territoriums zu verkörpern. Dies war allenfalls Fernziel, konkret stand ihm jedoch die verfassungsmäßige Vielgestaltigkeit der spätmittelalterlichen Kirche entgegen. Eine Darstellung der Entwicklung des weltlichen Kirchenregiments muß dem Rechnung tragen und die verschiedenen Handlungsebenen mit ihren jeweiligen Problemstellungen, Rechtsstrukturen, und Einflußmöglichkeiten einzeln in den Blick nehmen.

1. Kurie Auch in Sachsen setzt die Welle kirchenpolitischer Privilegien für den Landesherrn mit dem Großen Schisma ein.5 Der Treue zum römischen Papst verdankte Markgraf Wilhelm I. z. B. die Exemtion des Bistums Meißen aus dem Magdeburger Metropolitanverband bzw. der Legatur des Prager Erzbischofs im Jahre 1399, womit sich die Wettiner im langen Kampf um die Vorherrschaft im Bistum gegen die Luxemburger durchsetzten.6 Gleichzeitig gewährte der Papst dem Wettiner die Besetzung der nächsten vier freiwerdenden Kanonikate am Meißner Kapitel mit treuergebenen »zelatores«.7 Langfristig wichtig war die dritte Gnade, ein 1401 von Bonifaz IX. verliehenes Privilegium de non evocandis subditis, das die Vorladung wettinischer Untertanen vor auswärtige geistliche Gerichte verbot und damit die Gerichtshoheit des Landesherrn stärkte. Zwanzig Jahre später verdiente sich Friedrich der Streitbare durch seine Feldzüge gegen die Hussiten die Gunst der Kurie und erhielt 1421/22 drei Privilegien, darunter weitere Präsentationsrechte für das Meißner Kapitel. Die nächste 4

Vgl. Wintruff, 81. – Zum Problem der Territorialisierung vgl. auch Mikat, 308 f. Vgl. für das folgende Zieschang, 26–46; Streich, Bistümer, 53–72; Dies., Hof, 26–49; Rogge, Bischof und Domkapitel, 185–199. 6 Zur Diskrepanz zwischen der politischen Instrumentalisierung dieses Privilegs durch die Wettiner und seinem tatsächlich sehr begrenzten kirchenrechtlichen Gehalt vgl. jetzt (die landesgeschichtliche Forschung korrierend) Schwarz, Exemtion. 7 Bulle Papst Bonifaz IX., Rom, 12. Dezember 1399, CDS, II, Bd. 2, 285 f. 5

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Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521)

Fürstengeneration profitierte vom Konfl ikt zwischen Papst Eugen IV. und dem Baseler Konzil. Zum einen stärkte die neunjährige Neutralität der deutschen Territorien im Obödienzstreit die Vorstellung von einer Veranwortung der Fürsten für die kirchlichen Ordnung in ihren Ländern, wie es die Neutralitätserklärung auf dem Frankfurter Wahltag von 1438 zum Ausdruck bringt. Zum anderen ließen sich die Landesherren ihre letztendliche Obödienzleistung wieder mit Privilegien vergüten. Die Wettiner agierten dabei etwas glücklos. Sie erhielten zwar das Nominationsrecht für die drei sächsischen Bistümer, aber nur vom später unterlegenen Konzilspapst Felix V. Die Unterstützung der Kurie für die Wettiner war das Ergebnis eines Zweckbündnisses, das auf päpstlicher Seite außenpolitisch und fiskalisch motiviert war, während die Wettiner vor allem den Ausbau der Landesherrschaft im Blick hatten. Die Ergebenheit der sächsischen Fürsten gegenüber dem Papsttum kannte denn auch klare Grenzen, sei es bei der Abwehr römischer Ablaßkampagnen, sei es in der Frage der Böhmenpolitik nach der Kehrtwende im Hauptvergleich von Eger 1459.8 Dennoch konnte sich die Bilanz der Wettiner am Ende des Jahrhunderts sehen lassen. Beherrschenden Einfluß auf die Besetzung des Meißner Domkapitels, Privilegien für die Klosterreform und gegen die geistliche Gerichtsbarkeit verdankten sie den Päpsten.

2. Bischöfe und Domkapitel Im ostelbischen Neusiedelland stand das Bemühen um die Mediatisierung der Bischöfe am Anfang landesherrlicher Kirchenpolitik. Anders als im Altsiedelland, wo sich die Territorien mächtigen und unabhängigen Reichsbischöfen gegenübersahen,9 gelang es den Fürsten hier, die örtlichen Bischöfe unter ihre Landesherrschaft zu bringen. Dies war allerdings zunächst nur ein Prozeß territorialer Herrschaftsverdichtung, der die geistlichen Kompetenzen der Bischöfe nicht in Frage stellte. Für das Kirchenregiment erlangte er erst Bedeutung, wenn die Landesherren begannen, ihre kirchlichen Reformvorstellungen mit Hilfe der bischöfl ichen Autorität oder sogar gegen bischöfl ichen Widerstand durchzusetzen. Die Mediatisierung der Bischöfe von Meißen, Merseburg und Naumburg durch die Wettiner erfolgte in mehreren Schritten während des 14. und 15. Jahrhunderts.10 Auch hier vollzog sich die Einordnung in die Landesherrschaft 8

Vgl. ABKG, Bd. 1, LXVII-LXXXI; Ermisch. Siehe S. 49–53. 10 Vgl. hier und für das folgende Zieschang, 1–149; Goerlitz, 228–279; Helbig, Ständestaat, 356–367; Höss, Problematik, 352–362; Naendrup-Reimann, 164–169; Streich, Bistümer, 53–72; am Beispiel Meißen: Lobeck, 22–45; am Beispiel Naumburg: Wießner, Bd. 1, 199–203. 9

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über die Zusammenführung zahlreicher Einzelrechte in eine neue Wahrnehmung der gegenseitigen Beziehung. Zunächst gewährten die sächsischen Bischöfe den Wettinern Lehen und erhielten als Gegenleistung deren militärischen Schutz. So wird 1337 urkundlich, daß Bischof Withego I. von Meißen dem Markgrafen Friedrich die Stadt Dresden zum Lehen gab und dafür Schutz und Hilfe erhielt.11 Als die Lehen einige Generationen später als erblich galten, traten konkrete Dienste des Bischofs als Gegenleistung für den Schutz hinzu. Schließlich beanspruchten die Wettiner im 15. Jahrhundert eine erbliche Schutzherrschaft über die Bistümer und begannen, die Stiftsgebiete und die dort lebenden Untertanen als Teil ihrer Landesherrschaft zu behandeln. Die Integration äußerte sich etwa in der Verpfl ichtung der Bischöfe zur Heerfolge und zum Besuch des Landtags. Die Stiftsuntertanen wurden der landesherrlichen Besteuerung und Gesetzgebung (z. B. in der Münzpolitik) unterworfen, wobei die Bischöfe die wettinischen Mandate in ihrem Namen an die Stiftsbevölkerung weitergaben. Manchmal griffen die Wettiner auch direkt in die Beziehung der Bischöfe zu ihren Untertanen ein, wie beispielsweise bei Streitigkeiten des Naumburger Oberhirten mit seiner Bischofsstadt in den ersten Jahren des 16. Jahrhunderts. So wird man dem Fazit Albrecht Lobecks zustimmen können: »Die sächsischen Fürsten regierten das Stiftsland gleichsam durch die Bischöfe hindurch.«12 Die Reichsstandschaft der Bischöfe besaß im 15. Jahrhundert hingegen nur noch formalen Charakter, auf den Reichstagen und in Reichsangelegenheiten wie Heerfolge oder Reichssteuer ließen sie sich durch die Wettiner vertreten. Die wettinische Kanzlei rechnete die Bischöfe schon seit dem späten 14. Jahrhundert zu den Dynasten, also zu der vornehmsten Gruppe der Landstände innerhalb des wettinischen Herrschaftsverbandes. Als Konsequenz daraus fi nden sie auch in den Teilungsverträgen Berücksichtigung, so bei der Leipziger Teilung von 1485, die Naumburg den Ernestinern und Merseburg den Albertinern zusprach, während beide Linien gemeinsam die Schutzherrschaft über das Bistum Meißen ausüben sollten. Aber auch in der Außensicht wurden die Bischöfe als wettinische Vasallen wahrgenommen. Für die päpstliche Kanzlei etwa lag das Bistum Meißen schon zum Zeitpunkt seiner Exemtion 1399 »sub temporali dominio ipsius marchionis«.13 Eine wichtige Bedingung für den kontinuierlichen Ausbau der Abhängigkeit war schließlich die Einflußnahme der Wettiner auf die Bischofswahlen. Zwar gelang es ihnen nicht, das 1443 vom Konzilspapst Felix V. gewährte Nominationsrecht für die drei Bischofstühle von Rom bestätigen zu lassen. Doch sorgte schon die starke landesherrliche Partei in den Domkapiteln und die Herkunft 11 Vgl. Urkunde Markgraf Friedrichs des Ernsthaften, Pegau, 3. April 1337, CDS, II, Bd. 1, 344. 12 Lobeck, 29. 13 Bulle Papst Bonifaz IX., Rom, 12. Dezember 1399, CDS, II, Bd. 2, 284 f.

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Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521)

der meisten Bischofskandidaten aus dem sächsischen Niederadel dafür, daß die Gewählten in der Regel den wettinischen Wünschen entsprachen.14 Der Einfluß der Wettiner auf die sächsischen Domkapitel war dabei unterschiedlich stark ausgeprägt. In Naumburg und Merseburg konnten sie erst seit 1485 jeweils zwei Präbenden besetzen, je zwei weitere waren für die Versorgung Leipziger Professoren reserviert und wurden durch die Landesuniversität selbst nominiert. Der informelle Einfluß der Wettiner reichte freilich weiter, weil sich viele Domherren aus Geschlechtern des sächsischen Niederadels rekrutierten und damit aus Familien, die dem wettinischen Klientelverband zuzurechnen sind.15 So kann es als ein Akt von indirekter Herrschaftssicherung angesehen werden, wenn die Wettiner 1476 eine Bulle Papst Sixtus IV. erwirkten, die für die Aufnahme in die drei sächsischen Domkapitel einen Adelsvorbehalt verfügte.16 In Meißen gelangten die Wettiner durch eine Reihe päpstlicher Privilegien bis zum Jahre 1481 sogar in den Besitz sämtlicher Besetzungsrechte für Kanonikate und Prälaturen (mit Ausnahme der zwei durch die Leipziger Universität zu besetzenden Präbenden). Als Partei des Landesherrn im Bistum waren die Meißner Domherren eine wichtige Stütze der wettinischen Kirchenpolitik.17

3. Geistliche Gerichtsbarkeit In der Auseinandersetzung der Landesherren mit der geistlichen Gerichtsbarkeit lassen sich zwei gegensätzliche Lösungsstrategien unterscheiden. Die erste zielte auf eine grundsätzliche Beschränkung der geistlichen Gerichtsbarkeit, v. a. im Bezug auf die weltlichen Streitsachen, und versuchte dies entweder durch päpstliche Privilegien oder durch Verhandlungen mit den Bischöfen zu erreichen. Die zweite bestand in dem Versuch des Landesherrn, eine gewisse Kontrolle über die Rechtsprechung der Offiziale aufzubauen. Ging es also im einen Fall um eine Zurückdrängung der Kirche aus dem gesellschaftlichen Leben, war im anderen Fall vielmehr eine verstärkter Einfluß der weltlichen Macht auf die Kirche, also landesherrliches Kirchenregiment, gegeben. Die Wettiner verfolgten im Spätmittelalter beide Strategien. Der Einschränkung der geistlichen Gerichtsbarkeit diente eine 1421 durch Friedrich dem Streitbaren erwirkte päpstliche Bulle, die die Zuständigkeit der geistlichen Gerichte in bestimmten weltlichen Fällen (Streitfälle um weltliche Gelder, Mobi14

Vgl. Zieschang, 107–149; Lobeck, 29–33. Siehe dazu ausführlicher S. 214–220. 16 Nachzuweisen war adlige Abstammung in vier Generationen oder wie üblich alternativ ein Doktorgrad. Vgl. Bulle Papst Sixtus IV., Rom, 9. Juni 1476, CDS, II, Bd. 3, 238–240. 17 Vgl. Zieschang, 139 f.; Lobeck, 30, Anm. 45; Rogge, Bischof und Domkapitel, 182– 206; Cottin, Universitätskanonikate – Siehe auch S. 214–220. 15

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lien und Immobilien) auf hob (1481 bestätigt).18 Durch direkte Verhandlungen mit den Bischöfen versuchte der in Thüringen regierende Herzog Friedrich der Friedfertige (1407–1440) in den 1430er Jahren den Umfang der geistlichen Gerichtsbarkeit zu beschränken. Erst eine militärische Niederlage bewog den Bischof von Halberstadt 1439 zu vertraglichen Zugeständnissen. Ähnliche Verträge schlossen die Wettiner 1436 bzw. 1444 mit den Erzbischöfen von Mainz bzw. Magdeburg ab.19 Ein erster Schritt hin zu einer landesherrlichen Kontrolle geistlicher Gerichtsbarkeit war das schon erwähnte Privilegium de non evocandis subditis gegen die Ladung eigener Untertanen vor auswärtige, also außerhalb des eigenen Territoriums gelegene geistliche Gerichte. Die Bedeutung dieses Rechtstitels, vor allem unter dem Aspekt der Landesherrschaft, heben die wiederholten Bestätigungen in den Jahren 1421, 1476 und 1505 hervor. Es ergänzte die königlichen Privilegien de non evocando/appellando um die geistliche Seite und erhob – zumindest in der Theorie – das landesherrliche Territorium zu einem abgeschlossenen Rechtsbezirk.20 Die räumliche Nähe zu den Offizialen war offenbar eine wichtige Bedingung für informelle Einflußnahme des Fürstens auf die geistlichen Gerichte. Warum sonst hätte Markgraf Wilhelm I. 1406 versuchen sollen, die Verlegung des bischöfl ich-meißnischen Offizialats von Meißen nach Stolpen durch eine päpstliche Bulle zu verhindern? 21 Die Marschrichtung der Wettiner für eine direkte Beeinflussung der geistlichen Justiz gab in der Mitte des 15. Jahrhunderts Herzog Wilhelm III. in seiner Thüringischen Landesordnung von 1446 und seiner Reformatio Wilhelmi genannten Gerichtsordnung von 1454/57 vor. Was sich durch Verhandlungen mit den Bischöfen nicht erreichen ließ, versuchen die Landesherren durch unmittelbaren Druck auf die Funktionsträger und die Nutzer der geistlichen Gerichte durchzusetzen. So drohte Wilhelm den Pfarrern seines Landes mit der Sperre ihrer Pfründeneinnahmen, wenn sie die Ladungen oder Sanktionen geistlicher Gerichte in weltlichen Streitfällen verkündeten. Laien, die weltliche Fälle vor das geistliche Gericht brachten, bedrohte er mit einer Geldstrafe und dem sofortigen Verlust ihres Rechtsanspruchs.22

18

Vgl. Zieschang, 32; Lück, 70; Mikat, 285. Vgl. Wintruff, 10–20; Diestelkamp, Geistliche Gerichtsbarkeit, 214 f.; Lück, 70–75; Schulze, Fürsten, 70–80. 20 Vgl. Zieschang, 30–32, 42; Lück, 70; Naendrup-Reimann, 167 f. 21 Bulle Papst Innozenz VII., Rom, 9. Juni 1405, CDS, II, Bd. 2, 321 f. Zum Kontext, der Auseinandersetzung zwischen Luxemburgern und Wettinern um die Vorherrschaft im Bistum Meißen vgl. Streich, Hof, 35–47. 22 Vgl. Wintruff, 34–81. Dieser Form der Störung der geistlichen Gerichtsbarkeit bei weltlichen Streifällen bedienten sich auch andere Reichsfürsten. Vgl. Mikat, 283. 19

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Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521)

4. Regularklerus Die Eckpunkte wettinischer Klosterpolitik fügen sich in die oben skizzierte reichsweite Entwicklung ein. Eine Grundlinie ist die Unterstützung der Observanz, der ordensinternen Bewegungen für eine Rückkehr zu strenger Regelauslegung.23 Programmatischen Charakter hatte hier einmal mehr die Landesordnung Wilhelms III. von 1446, die fordert, daß »alle geistlich closter in unsern landen reformiret und wider zcu redelicher geistlicher regirung bracht werdin, ein iglichs nach ußatzungen und regeln sins ordins«.24 Wilhelm III. unterstützte die benediktinische Reform der Bursfelder Kongregation und erließ selbst eine Klosterordnung für den Weißenseer Hof der Johanniter.25 Den Schwerpunkt aber legte er wie seine Nachfolger auf die Reform der Bettelorden. In allen drei Orden hatten die Observanten begonnen, ihre Konvente in eigenen Kongregationen zu organisieren, die nicht mehr den Provinzialen, sondern observanten Vikaren unterstanden. Dadurch entstanden innerhalb der Orden parallele Strukturen; Konventualen und Observanten standen in direktem Konkurrenzkampf. Auf Bitten der Observanten griffen nun die Fürsten administrativ zugunsten der Reform ein: Kraft ihrer landesherrlichen Obrigkeit lösten sie einzelne Klöster aus dem Provinzialverband heraus und übergaben sie den Vikaren, womit sie faktisch die Observanz einführten. Dabei beriefen sie sich auf päpstliche Reformprivilegien für die Observanten, in denen freilich eine Beteiligung der weltlichen Gewalt nicht vorgesehen war. Das rechtlich fragwürdige Vorgehen rief Proteste der Konventualen hervor und führte zu langwierigen Prozessen an der Kurie, die die Landesherren jedoch von ihrer Parteinahme für die Observanz nicht abbringen konnten. Beispielhaft steht Andreas Proles, von 1461–1503 (mit Unterbrechungen) Generalvikar der Augustinereremiten, für jene Führer der Observanz, die ihre Ordensreform mit Schutz und Hilfe der Wettiner betrieben. Von Sachsen aus erweiterte er die ursprünglich nur vier Klöster umfassende Kongregation der observanten Augustiner zu einem reichsweiten Verbund von 22 reformierten Konventen.26 Neben der Unterstützung der Observanz waren die Klostervisitationen das wichtigste Reforminstrument, weil damit das gesamte monastische Leben einschließlich der Frauenklöster erreicht werden konnte. Ein direkte Visitation durch die weltliche Gewalt war – zumindest als kirchenrechtlich legitimierter Akt – nicht denkbar. Doch päpstliche Privilegien ermöglichten die Übertra23

Zur Einführung vgl. Elm, Reform- und Observanzbestrebungen. Landesordnung Wilhelms III., 1446 (wie Anm. 2), hier 87. 25 Vgl. Schulze, Fürsten, 55–66. 26 Vgl. ebd., 80–111; Weinbrenner, 124–135 (mit weiterführender Abwägung alternativer Reformwege); ABKG, Bd. 1, XXI–LII; Kirn, 89–106; Werner, Landesherr; ferner: Kunzelmann, Bd. 5; aus der Gegenperspektive des konventualen Provinzialministers Matthias Döring: Weigel. 24

II. Die wettinische Reformtradition

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gung des ursprünglich den Bischöfen bzw. Ordensoberen vorbehaltenen Visitationsrechts auf dem Landesherrn nahestehende Prälaten, die sich durch weltliche Räten begleiten ließen. Wem das ius visitandi et reformandi damit letztlich zufiel, wurde schon am Geltungsbereich solcher Privilegien offenkundig, denn dieser orientierte sich unter Verletzung der Diözesangrenzen an den Territorien der fürstlichen Petenten. Entsprechende Bullen erreichten 1441 Herzog Albrecht III. von Bayern, 1447 Kaiser Friedrich III. für seine Erblande, 1491 die Kurfürsten von Brandenburg.27 Kurfürst Ernst und Herzog Albrecht zogen im Jahr der Leipziger Teilung gleich: Auf ihren Wunsch hin beauftragte Papst Innozenz VIII. die Bischöfe von Meißen und Merseburg mit der Visitation der exemten und nicht-exemten Klöster in den wettinischen Landen.28 Schon vorher nutzten die Wettiner das bischöfl iche Visitationsrecht. 1463/1464 visitierte Bischof Dietrich von Meißen im landesherrlichen Auftrag die Klöster in seinem Bistum. Wenn aber Ernst und Albrecht 1483 sogar mit dem Anspruch an Bischof Dietrich von Naumburg herantraten, er möge die Nonnenkloster im thüringischen Landesteil in ihrem Auftrag visitieren, weil sie durch »mancherley ander unser geschefft [. . .] vorhindert« seien, wird deutlich, in welchem Maße die Landesherren die Klostervisitationen letztlich schon als eigenes Recht ansahen.29

5. Niederklerus Erstmals tritt dieses bislang wenig beachtete Aktionsfeld der Kirchenpolitik in der bereits mehrfach herangezogenen Thüringischen Landesordnung von 1446 in den Blick. Herzog Wilhelm fordert hier, »daz die wertlichin prister sich pristerlich und gotlich haldin und czihen« und begreift es als seine Aufgabe, unwürdige Priester der Bestrafung durch die geistlichen Gerichte zuzuführen. Landesherrliche Niederklerusaufsicht defi niert sich hier also als informelle Unterstützung (und Kontrolle) der kirchlichen Disziplinargewalt, der nach dem Privilegium fori allein das Recht zur Bestrafung von Priestern zukam.30 In dersel27

Siehe S. 54, Anm. 29. Vgl. Bulle Papst Innozenz VIII., Rom, 12. März 1485, CDS, II, Bd. 3, 270 (dort fälschlich auf 1484 datiert). Ausgenommen blieben die exemten Ritter- und Bettelorden. Vgl. auch Gess, Klostervisitationen; ABKG, Bd. 1, XXI–LII. 29 Urkunde Kurfürst Ernsts und Herzog Albrechts, Weimar, 13. März 1483, Reinhard, Meditationes, 130 f.; Vgl. Schulze, Fürsten, 129–133. 30 »[. . .] wilcher [Priester] sich aber durch enich sache unerbarlich und unpristerlich hilde, so suldin wir mit allem fl iße daran sin und schaffi n, daz der gestrafft und gerechtvertiget würde als sich geböret, und daz auch selbst tun, als vil wir dez zutunde habin«. Landesordnung Wilhelms III., 1446 (wie Anm. 2), hier 87. – Als zu weitgehend erscheint die Interpretation von Manfred Schulze (vgl. Schulze, Fürsten, 49–51), der in der Passage bereits die Sanktionierung des Niederklerus durch den Landesherrn selbst angelegt sieht, denn der Nachsatz »als vil wir dez zutunde habin« verweist eindeutig auf die Grenzen landesherrlicher 28

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Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521)

ben Ordnung wird auch ein zweiter Weg landesherrlicher Einflußnahme auf den Niederklerus angedeutet, nämlich die Sperrung des Pfründeneinkommens (Temporaliensperre). Diese wird allerdings nicht im Zusammenhang mit der Sanktionierung unpriesterlicher Lebensführung genannt, sondern im Kontext der Beschränkung der geistlichen Gerichtsbarkeit. Hier deutet sich die Vorstellung an, daß die Priester über ihre Pfründeneinkünfte, ihr »geistliches Lehen«, der weltlichen Obrigkeit des Fürsten als obersten Lehnsherrn in seinem Territorium unterstehen, eine Idee, die für die Legitimation des Weltklerusregiments Herzog Georgs außerordentlich wichtig werden sollte.31 Jenseits der Absichtserklärung in den normativen Quellen bleibt die landesherrliche Einflußnahme auf den Niederklerus jedoch vorerst im Vagen – zumindest nach heutiger Forschungslage.

6. Laien Die Einflußnahme auf die religiöse Praxis der Laien ist bislang noch kaum als eigenständiges Feld landesherrlicher Kirchenpolitik thematisiert worden.32 Doch wird diese Ebene in der Kirchenpolitik der Wettiner schon früh erkennbar. Ein prominentes Beispiel ist die Ablaßhoheit, die die sächsischen Landesherren beanspruchten, seit Kurfürst Friedrich II. die Zulassung des päpstlichen Türkenablasses von 1458 in seinem Territorium an konkrete Bedingungen geknüpft und sich einen Anteil der Einnahmen für seine eigenen Rüstungen gegen die Hussiten gesichert hatte.33 Die Reform der Laien tritt wiederum erstmals in der Gesetzgebung Wilhelms III. in Erscheinung, etwa in seinem Sittenmandat von 1452. Sie stellt den Beginn obrigkeitlicher Normensetzung im Bereich der religiösen Lebensführung dar, die ihren inhaltlichen Kern in dem Versuch fi ndet, den gültigen kirchlichen Normen durch weltliche Sanktionen Nachdruck zu verleihen. Als Vorläufer der Policeyordnungen des frühmodernen Territorialstaats gehören sie zu den frühesten Beispielen dieser Art von landesherrlicher Rechtssetzung im Reich.34 Auf allen Ebenen der spätmittelalterlichen Kirche lassen sich also Ansätze landesherrlicher Kirchenpolitik beobachten, die sich im vorreformatorischen Sachsen zu einem weitgehend etablierten landesherrlichen Kirchenregiment verdichteten. Der enge Zusammenhang zwischen Kirchenherrschaft und ReSanktionsgewalt mit Blick auf das Privilegium fori. – Vgl. auch Wintruff, 79 f.; ABKG, Bd. 1, LIII-LV, sowie Zieschang, 123 mit Anm. 2, dessen ebd. angekündigte Abhandlung über die »Abhängigkeit des Pfarrklerus vom Landesherrn« jedoch nicht erschienen ist. 31 Siehe S. 326–334. 32 Zur Defi nition und Abgrenzung des Problemkreises siehe S. 343–345. 33 Vgl. ABKG, Bd. 1, LXVII–LXXXI. 34 Für eine ausführliche Diskussion der Ansätze Wilhelms III. siehe S. 384–397.

II. Die wettinische Reformtradition

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formbemühungen ist dabei unverkennbar. So wie von einem sukzessiven Aufbau des wettinischen Kirchenregiments kann auch von einer wettinischen Reformtradition für die Vorreformation gesprochen werden.35 Diese Traditionslinie, die die kirchliche Erneuerung als Aufgabe der weltlichen Fürsten begriff, begann mit Wilhelm III. und führte über Ernst und Albrecht bis hin zu Georg von Sachsen.

35 Den Begriff »Reformtradition« verwendete zuerst Manfred Schulze. Vgl. Schulze, Fürsten, 133.

III. Herzog Georg als Kirchenpolitiker: Persönliche Voraussetzungen und fürstliche Herrschaftspraxis Aus der oben gegebenen Überschau landesherrlicher Kirchenpolitik im 15. Jahrhundert sind drei Beobachtungen hervorzuheben, weil sie als Ausgangspunkte für eine Annäherung an die Entstehungsbedingungen der Kirchenpolitik Herzog Georgs dienen können. Zum ersten war zu beobachten, daß viele Studien der jeweiligen Fürstenpersönlichkeit prägenden Einfluß auf Inhalt und Intensität landesherrlicher Kirchenpolitik zuschreiben. Dies entspricht weit verbreiteten Annahmen über die Bedeutung von Herrscherpersönlichkeiten in vormodernen politischen Systemen.1 Eine Annäherung an die Persönlichkeit Herzog Georgs ist deshalb als methodische Voraussetzung für jede weitergehende Analyse landesherrlicher Kirchenpolitik zu verstehen. Dabei muß sich das Interesse an Personen als handelnden Subjekten in der Geschichte heute kaum noch gegen strukturgeschichtliche Kritik rechtfertigten. Denn nicht um eine Renaissance der »großen Männer« in der Geschichte geht es modernen biographiegeschichtlichen Ansätzen, sondern um die Auslotung der gesellschaftlichen Handlungsspielräume des Fürsten und seines persönlichen Anteils an der in seinem Namen umgesetzten Politik.2 Selbst die sozial- und strukturgeschichtlich dominierte Forschung der DDR entdeckte in ihrer Spätzeit die Rolle der Fürsten »bei der Gestaltung von Politik und Gesellschaft« wieder, wobei sie auch Herzog Georg Beachtung schenkte.3 Zum zweiten hat die Betrachtung der sächsischen Kirchenpolitik gezeigt, daß die Wettiner wie viele andere Fürsten ein Verantwortungsbewußtsein für das Zeitproblem der Kirchenreform entwickelten. Es ist daher bei der Betrachtung Herzog Georgs insbesondere zu fragen, welche Vorstellungen von Kirchenreform sich bei ihm feststellen lassen und welche Anregungen dabei auf ihn einwirkten.

1

Siehe S. 88–92. Vgl. zuletzt Jussen, XIV f. Zur Forschungsdiskussion vgl. Schieder sowie die Beiträge in: Klingenstein/Lutz/Stourzh. – Eine moderne, mentalitätsgeschichtlich orientierte »Gruppenbiographie« der Wettiner im Spätmittelalter hat Jörg Rogge vorgelegt. Vgl. Rogge, Herrschaftsweitergabe. 3 Vgl. Hoyer, Georg (das Zitat aus dem Titel des Sammelbandes). 2

III. Herzog Georg als Kirchenpolitiker

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Schließlich wird die Forschung langsam darauf aufmerksam, welche Bedeutung weltliche Rechtsvorstellungen und weltliche Herrschaftspraxis für die landesherrliche Kirchenpolitik besaßen. Zugespitzt ließe sich formulieren: Kein Fürst studierte Kirchenrecht, bevor er in der Kirche politisch aktiv wurde. Wenn also mit den Fürsten Laien Kirchenpolitik betrieben, dann mußte ihre Lebenswelt, ihr politischer Gestaltungsrahmen, aber auch ihr spezifisches Verständnis von Kirche und Glauben auf diese zurückwirken. Andererseits bedienten sich viele Fürsten der Fachkompetenz geistlicher, im Kirchenrecht studierter Räte, oder ließen sich durch Theologen beraten.4 Landesherrliche Kirchenpolitik präsentiert sich also im Spannungsfeld von geistlicher Reformdiskussion und weltlicher Herrschaftspraxis. Welche Auswirkungen dies auf die Kirchenpolitik Herzog Georgs hatte, wird zu überprüfen sein.

1. Georg von Sachsen (1471–1539) – Eine Annäherung an die Fürstenpersönlichkeit Georg von Sachsen wurde 1471 als Sohn Herzog Albrechts des Beherzten und seiner böhmischen Gemahlin Zedena (Sidonia) von Podiebrad geboren.5 Er war der älteste überlebende Sohn des Paares. Weil Albrecht als jüngerer Bruder des Kurfürsten Ernst keine unmittelbare Verantwortung für Herrschaft und Dynastie besaß, wurde Georg als Sproß einer Nebenlinie auf eine geistige Karriere vorbereitet. Einen einschneidenden Wendepunkt für sein Leben bedeutete die Leipziger Teilung von 1485. Herzog Albrecht erhielt die Hälfte der wettinischen Lande als eigenes Fürstentum, zeigte aber keine Neigung, sich dauerhaft den Regierungsgeschäften zu widmen, sondern entschied sich dafür, seine Feldherrendienste für die Habsburger fortzusetzen. Als ihn König Maximilian 1488 zum Generalstatthalter in den Niederlanden ernannte, übertrug Albrecht seinem Sohn dauerhaft die Statthalterschaft in Sachsen. So fiel Georg schon in jungen Jahren Regierungsverantwortung zu.6 4

Vgl. exemplarisch Stievermann, Landesherrschaft. Vgl. hier und für das folgende Bünz/Volkmar, Albertinische Herzöge (mit Auswahlbibliographie zu Albrecht, Georg und Heinrich). Zu Georg siehe außerdem die Literatur S. 15 f., Anm. 60–64. 6 Zu den letzten Regierungshandlungen Herzog Albrechts gehörte die Abhaltung eines Landtags zu Leipzig, der am 19. April 1488 endete. Vgl. Goerlitz, 430. Daß der junge Herzog Georg, unterstützt von erfahrenen Räten wie dem Obermarschall Heinrich von Schleinitz, die Herrschaft tatsächlich selbst ausübte, belegt ein Brief an Herzog Albrecht, in dem Georg über Regierungsgeschäfte schreibt, »denen ich als ein junger Herr und doch regierender Fürst nicht so gut als der Herzog selbst vorstehen kann, obwohl ich es gern tue und nach all meinem Vermögen begierig bin« (Brief Herzog Georgs an Herzog Albrecht, 27. Dezember 1490, zitiert nach Ludolphy, Ursachen, 36, Anm. 36). Auch die offi ziellen Mandate der Landesherrschaft ergingen im Namen Georgs (vgl. z. B. Gemeinsames Mandat Kurfürst Friedrichs, Herzog Johanns d.Ä. und Herzog Georgs, Dresden, 7. August 1489, Loc. 14950, 5

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Seine geistliche Lauf bahn aufgebend,7 widmete sich Georg von diesem Zeitpunkt an mit großem Eifer den Aufgaben fürstlicher Herrschaft in Sachsen. 1496 heiratete er die polnische Königstochter Barbara von Sandomierz aus der Dynastie der Jagiellonen. Aus der offenbar glücklichen Ehe8 gingen mehrere Kinder hervor, von denen die Söhne Johann (1498–1537) und Friedrich (1504– 1539) systematisch in die Regierungsgeschäfte eingewiesen wurden, um die Kontinuität der albertinischen Herrschaft zu sichern.9 Nach dem Tode des Vaters übernahm Herzog Georg 1500 in eigenem Namen die Herrschaft im Herzogtum Sachsen, die er insgesamt ein halbes Jahrhundert lang ausübte. Von 1504 bis zum Verkauf im Jahre 1515 regierte er zudem das Herzogtum Friesland, das ihm sein jüngerer Bruder, Heinrich der Fromme (1473–1541), überlassen hatte, nachdem es ihm nicht gelungen war, seine Herrschaft dort zu stabilisieren.10 Georgs Lebensabend war von persönlichen Schicksalsschlägen überschattet. Binnen weniger Jahre starben zunächst die Gattin und dann die beiden erwachsenen Söhne. Mit Georgs Tod 1539 erlosch so nicht nur seine Linie, sondern es kam auch zum Konfessionswechsel des Landes, da der inzwischen evangelisch gewordene Bruder Heinrich umgehend die Reformation einführte. a) Ein Theologe auf dem Herzogsthron? Georgs geistliche Karriere und Bildung Über Georgs Erziehung wissen wir nur sehr wenig. Wenn in der Forschung trotzdem zahlreiche, zum Teil hochgradig spekulative Annahmen über seinen Bildungsweg kursieren, so hat dies einen simplen Grund: Georgs Bildung erstaunt und weckt Erklärungsbedarf in einer Zeit, in der Fürsten in der Regel nicht über akademische Weihen verfügten. Denn der Albertiner war nicht nur in der Lage, den gelehrten lateinischen Wortwechseln zwischen Luther und Eck bei der Leipziger Disputation zu folgen, er war auch selbst im Stande, theologisch zu argumentieren und wurde vollends zum Grenzgänger zwischen Klerus Konzepte [. . .], 1474–1525, Fasz. »1489«, unpag.). Auf die frühe Eigenständigkeit Georgs verweist weiterhin ein Brief Herzog Albrechts von 1493, in dem er dem Sohn bezüglich der geistlichen Pfründen des jüngeren Bruders Friedrich und damit in einer zentralen, keinesfalls Räten zu überlassenden Angelegenheit dynastischer Familienpolitik zugestand, zu handeln »so ir fi ndet das es thunlich sey«. Brief Herzog Albrechts an Herzog Georg, Halle im Hennegau, 1. Februar 1493, Loc. 8982/05, Bl. 1. 7 Siehe den folgenden Abschnitt und S. 179–189. 8 Zur Ehe Georgs vgl. Werl, Sidonia, 14; Schirmer, Hochzeit. – Die Briefe, die Herzogin Barbara 1514 an den in Friesland kämpfenden Gemahl schrieb, zeigen Vertrautheit und romantische Zuneigung. Vgl. z. B. Brief Herzogin Barbaras an Herzog Georg, o.O., 15. August 1514, Loc. 8498/1, Bl. 238. Einen gewissen Nährboden benötigte auch die Legende, Georg habe sich aus Trauer über den Tod seiner Gattin seinen namensgebenden Bart wachsen lassen. Vgl. Hoyer, Georg, 95; ders., Georg II, 138 f. 9 Siehe dazu S. 608–612. 10 Vgl. dazu jetzt Thieme, Brüderlicher Vertrag.

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und Laien, als er in der Reformationszeit altgläubige Flugschriften zur Abendmahlslehre verfaßte – und zwar unter dem Pseudonym eines Pfarrers! 11 Martin Luther fühlte sich von Georgs Wirken so sehr angegriffen, daß er sich statt des Priestertums aller Gläubigen auf die alten Standesgrenzen besann und dem »laicus zu Dresden« das Recht absprach, mit ihm als Theologen auf gleicher Augenhöhe zu diskutieren.12 Die ältere Forschung hat die besondere Bildung des Albertiners mit einem Studium an der Universität Leipzig erklärt, wobei sie auf eine Nachricht des Chemnitzer Historiographen Georg Fabricius († 1571) vertraute.13 Zwar liegt ein solches Studium durchaus im Bereich des Möglichen – Georgs jüngerer Bruder Friedrich, der spätere Hochmeister, war 1491 in Bologna immatrikuliert und besuchte später auch die Universität Siena –14 doch fi ndet sich weder in den Leipziger Matrikeln noch sonst ein Beleg dafür.15 Mit besserem Recht ist Georgs theologische Bildung mit einer hervorstechenden Besonderheit seiner Biographie in Verbindung gebracht worden, nämlich seiner frühen geistlichen Karriere. »Georg hat zeitweilig, zuletzt als Titulardomherr von Mainz, geistliche Bildung genossen«, hält etwa Heinrich Butte fest.16 Tatsächlich hatte der 13-jährige Prinz 1484 ein Kanonikat in Mainz erhalten, das durch den frühen Tod des dortigen Administrators Albrecht von Sachsen, eines Cousins aus der ernestinischen Linie, vakant war.17 Die ungewöhnliche Wahl einer geistlichen Lauf bahn für den Erstgeborenen ging offenbar auf ein Gelübde seiner tieffrommen Mutter Zedena zurück und erschien möglich, weil vor der Leipziger Teilung kein unmittelbarer Bedarf für einen Erbfolger bestand.18 Als Mainzer Domherr wurde Georg spätestens 1485 zum Provisor im bischöfl ichen Hof zu Erfurt und Amtmann im Hochstiftsbezirk Eichsfeld ernannt.19 Während Nachrichten der älteren Literatur über den Besitz eines 11

Siehe S. 453–456 (zur Leipziger Disputation) und S. 556–561 (zu Flugschriften Georgs). 12 Zitiert nach Butte, 177. 13 Vgl. z. B. Schulze, Ehrenrettung, 4, dort mit Bezug auf Georg Fabricius, Saxoniae illustratae libri novem, Leipzig 1606, 842. Über die angeblich von Georg in Leipzig verfaßte historische Abhandlung zu den Taten seines Vaters (so noch Welck, 2) vgl. klärend schon Distel. 14 Vgl. Knod, 417; Richter, Erziehungswesen, 12 f. 15 Vgl. Reichel, 8. 16 Butte, 177. 17 Vgl. Bünz/Volkmar, Albertinische Herzöge, 79. 18 Während der Schwangerschaft der Herzogin starb 1471 ihr Vater, der hussitische Böhmenkönig Georg von Podiebrad, im Bann des Papstes. Aus Sorge um sein Seelenheil soll Zedena gelobt haben, den Sohn Georg zu nennen und ihn zum Dienst in der Kirche zu bestimmen. Vgl. Werl, Sidonia, 9. 19 Die Datierung des Erfurter Provisorats ermöglicht eine Urkunde des Mainzer Erzbischofs, in der Georg aufgefordert wird, die Urkunde über eine im Jahre 1485 als Provisor gegebene Schuldverschreibung an den Erzbischof abzugeben, weil er nun das Domkapitel

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Meißner Kanonikats seit 1484 unsicher sind,20 kann jetzt belegt werden, daß Georg zusätzlich ein Kanonikat am Dom zu Köln erwarb, um das er sich 1486/87 bemüht hatte.21 Doch so gut die geistliche Karriere Georgs bezeugt ist, konkrete Aussagen über eine damit in Zusammenhang stehende Ausbildung, etwa an einer Domschule, lassen sich daraus nicht ohne weiteres ableiten. Denn es ist nicht einmal sicher, ob der junge Prinz überhaupt den heimischen Hof verließ, um Präsenzpfl ichten an einer Kirche wahrzunehmen. Im Bereich des Wahrscheinlichen liegt allenfalls eine einjährige Pfl ichtresidenz im Mainzer Kapitel, wie sie eine Generation später, begleitet von einem eigenen Hofstaat, Albrecht von Brandenburg ableistete.22 Zudem zeigt der Blick auf spätmittelalterliche Realitäten, daß weder der Eintritt in den Klerikerstand und noch die Vorbereitung auf eine Bischofslauf bahn akademische Bildung zwingend notwendig machten.23 Vor allem aber ist darauf hinzuweisen, daß bereits 1488 dieser Lebensabschnitt endete, als Georg die Regentschaft in Sachsen übernahm. Mit 17 Jahren aber war der Prinz zu diesem Zeitpunkt mit Sicherheit noch zu jung, um bereits höhere, etwa theologische Bildung genossen zu haben. So ist bei der Suche nach dem Bildungsweg Georgs die Aufmerksamkeit zurück an den sächsischen Hof zu lenken. Der Hof war am Ausgang des Mittelalters der erste Ort, an dem ein junger Prinz durch die Mutter, durch Hauslehrer und durch Kapläne erzogen wurde. Dies galt auch für jene Söhne, die eine geistliche Karriere anstrebten. Vom späteren Kardinal Albrecht ist bekannt, daß er am brandenburgischen Hofe »in cameris sub diversis utriusque iuris doctoribus et magistris in artibus ac aliis viris doctis, in humanitate ac arte oratoria« mehrere Jahre lang Unterricht erhielt, wobei jedoch nicht von einer Unterweisung durch Theologen die Rede ist.24 Über die Erziehung Herzog Georgs ist verlasse. Vgl. Urkunde Erzbischof Bertholds von Mainz, Mecheln, 30. September 1494, O. U., Nr. 9052. 20 Vgl. Welck, 1. – Ein Meißner Kanonikat besaß später Georgs jüngerer Bruder Friedrich. Siehe S. 182, Anm. 60. 21 Das Bemühen um das Kölner Kanonikat dokumentieren zwei Zeugenbriefe über die adlige Geburt Georgs vom 15. Dezember 1486 und vom 16. Oktober 1487, Grundig/ Klotzsch, Bd. 3, 246–258. Daß es erfolgreich war, zeigen Georgs spätere Versuche, die Pfründe an seinen Bruder Friedrich weiterzugeben. Siehe S. 180 f. 22 Für das Residenzjahr, das der spätere Erzbischof als 20jähriger Domherr in Mainz verbrachte, veranschlagte sein Bruder, Kurfürst Joachim, Hof haltungskosten von 16.000 fl. Vgl. Winterhager, Albrecht, 132 f. 23 Dies zeigt selbst das Beispiel des humanistisch gebildeten Albrecht von Brandenburg, der sich von der (für den Eintritt ins Magdeburger Domkapitel geforderten) Verpfl ichtung eines dreijährigen Universitätsbesuchs vom Papst dispensieren ließ. Siehe folgende Anm. 24 Dispens Papst Leos X. für Albrecht von Brandenburg, Rom, 6. Mai 1513, Ringel, 47 f. Vgl. auch ebd., 44–47, zu Albrechts Erziehung. Zur Erziehung bei Hofe vgl. die Beiträge im Sammelband Paravicini; zum Beispiel Friedrichs des Weisen vgl. Kirn, 8 f. – Eine Dissertation zur Prinzenerziehung in Mitteldeutschland befi ndet sich durch Gerrit Deutschländer (Halle) in Vorbereitung.

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leider kaum sicheres zu erfahren.25 Als Reflexion auf seinen Bildungsweg mag man deuten, was Georg in seinem ersten Testament über die Erziehung seiner eigenen Söhne anordnete. Bis zum Alter von acht Jahren, so heißt es dort, seien sie von der Mutter zu unterweisen, »alsdenn sollen dieselben unnser sone mit vorstendigen zcuchtmeystern vorsehen unnd zur lere lateinischer sprach unnd zcucht gehalden werden, unnd wenn sie sechzcehen jar alt werden, sal man sie bey die hendel zciehenn«.26 In Bezug auf die theologischen Kenntnisse Herzog Georg sind schließlich seine frühen Regierungsjahre in den Blick zu nehmen. Denn mehrere Briefe Herzogin Zedenas an den Sohn, die leider nur sehr grob in den Zeitraum 1488– 1510 datiert werden können,27 lassen erkennen, daß dieser seine geistlichen Studien noch fortsetzte, als er bereits weltliche Regierungsverantwortung trug! Insbesondere zwei Dresdner Augustinertheologen, Dr. Andreas Schwertfeger und der berühmte Observantenvikar Dr. Andreas Proles (1429–1503), standen in jenen Jahren mit dem Albertiner in engem Kontakt. Sie agierten als Beichtväter, versorgten Georg aber auf Bitten der Mutter auch mit mystischen Erbauungsschriften (Tauler).28 Im Gespräch mit den Theologen war die Grenze zwischen frommer Erbauung und theologischem Wissenserwerb sicherlich fl ießend. Dabei läßt sich insbesondere ein aktives Interesse Georgs für Pastoraltheologie erkennen. Wie sonst ist es zu erklären, wenn die Mutter voller Stolz schreibt: »[. . .] auff lenger tag wirt eyn gutter prediger auss dir werden«? 29 In dieses Bild fügt sich, daß Georg in der Reformationszeit nicht nur Polemiken, sondern auch lateinische Gebete30 und eine in mehreren Korrekturgängen überlieferte Betrachtung über Phil 2,5 zu Papier brachte.31 Gerade im Austausch mit dem welterfahrenen Ordenspolitiker Proles wurden aber sicherlich auch Kernfragen der Kirchenpolitik thematisiert. Denn der langgediente Führer der Observanz besaß nicht nur umfangreiche Erfahrungen mit der praktischen Umsetzung von kirchlicher Reformen. Er hatte sein Reformmodell auch wie kein zweiter ganz auf die politische Unterstützung durch welt-

25 Als ältere, im Einzelnen jedoch wenig zuverlässige Darstellung zu den Albertinern vgl. Richter, Erziehungswesen, 4–11. 26 Testament Herzog Georgs vom 19. Dezember 1510, O. U., Nr. 9875, Bl. 6 a . 27 Es handelt sich um insgesamt 95 Briefe aus der Akte Loc. 8498/1. Zur Datierung vgl. Werl, Sidonia, 8. 28 Vgl. die Quellenzusammenstellung in ABKG, Bd. 1, XXV, Anm. 1. 29 Brief Herzogin Zedenas an Herzog Georg, o.J., zitiert nach Gess, Klostervisitationen, 6. – Zedenas Aussage bezog sich auf einen Sermon, den Herzog Georg – vermutlich am Rande des Reichstags von Nürnberg 1491 – vor Kaiser Friedrich III. gehalten hatte. Vgl. Richter, Erziehungswesen, 9. 30 Vgl. Gess, Klostervisitationen, 6. 31 Betrachtung Herzog Georgs über das Wort »Hoc [enim] sentite in vobis, quod et in Jhesu Christo« (Phl 5,2), [um 1530], Loc. 10300/3, Bl. 181–188 (zwei Konzepte mit Korrekturen, eigenhändig).

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liche Landesherren aufgebaut, wobei er insbesondere mit Herzog Wilhelm III. von Sachsen aufs engste zusammengearbeitet hatte.32 Nimmt man noch die bislang übersehene Tatsache hinzu, daß Herzog Georg bis ins Jahr 1494 im geistlichen Stand verblieb,33 so läßt sich die sicher ungewöhnliche Situation eines regierenden Fürsten rekonstruieren, der eine Zeit lang noch dem geistlichen Stand angehörte und neben den Staatsgeschäften seine Studien in Theologie vorantrieb, schließlich Zeit seines Lebens die Bibel studierte und selbst geistliche Schriften verfaßte. Festzuhalten bleibt, daß der erwachsene Fürst nicht nur flüssig Latein schrieb, sondern mit der Bibel, den Kirchenvätern und den Gemeinplätzen der Theologie in einen Maße vertraut war, das ihn deutlich von seinen fürstlichen Standesgenossen abhob. Gleichzeitig sollte man wohl auch nicht von einer formalen theologischen Ausbildung sprechen – Georg markiert eher die Spitze vorreformatorischer Laienbildung im Sinne des Bildungsprogramms eines Erasmus,34 er erschließt sich die Bibel und die Anfangsgründe der Theologie und setzt dieses Wissen selbstbewußt mit dem eigenen Glauben in Beziehung. Dabei ist im Blick zu behalten, daß Georgs Bildung nicht gänzlich außergewöhnlich war. Auch Herzog Albrecht IV. von Bayern-München (1465–1508) verdankte seine soliden Lateinkenntnisse einer geistlichen Lauf bahn in der Jugendzeit, Kaiser Karl IV. betrieb unter anderem an der Universität Paris theologische Studien und verfaßte erbauliche Texte.35 So war es wohl nicht allein seine Bildung, sondern vor allem sein innerer religiöser Eifer, der den Albertiner immer wieder dazu brachte, öffentlich zu Fragen der Kirchenreform und später im Glaubensstreit Stellung zu beziehen. b) Zwischen Tradition und Modernität: Georgs Frömmigkeit und geistiger Horizont Öffentliche Inszenierung gehört zu den alten Kulturtechniken personaler Herrschaft. Die Untertanen Herzog Georgs konnten seine Herrschaftszeichen vielerorts sehen, doch nur an ausgewählten Plätzen fanden sie sein Portrait in Stein gehauen: Im Dom zu Meißen, dem alten sakralen Zentrum der Mark, wies eine Standfigur Georgs an der Tumba des Benno von Meißen darauf hin, wem die erste Heiligsprechung eines Gottesmannes aus Sachsen zu verdanken war.36 Am 32

Vgl. Weinbrenner, 66, 124–132; Schulze, Fürsten, 80–111; und siehe S. 72. Siehe S. 180. 34 Siehe dazu den folgenden Abschnitt. 35 Vgl. Rankl, 59; Machilek, 87 f. – Das untere Ende der Skala markieren Fürsten wie der Württemberger Graf Eberhard im Barte oder der Brandenburger Kurfürst Albrecht Achilles, die zwar aktive Verfechter des landesherrlichen Kirchenregiments und (im Falle Eberhards) sogar Universitätsgründer waren, selbst aber des Lateinischen zeitlebens unkundig blieben und sich deshalb regelmäßig Übersetzungen anfertigen ließen. Vgl. Eisermann, Päpstliches Schriftgut, 453 f. 36 Siehe S. 417 f. Zum Kontext vgl. Volkmar, Heiligenerhebung Bennos. 33

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Georgenbau zu Dresden wiederum, dem neuen, im innovativen Renaissancestil errichteten weltlichen Machtzentrum Sachsens, reihte sich derselbe Fürst demütig in einen Totentanz ein.37 In beiden Fällen befand sich ein einziges Attribut in den Händen des Herzogs: kein Schwert und kein Schild, sondern ein Rosenkranz zeichnete ihn aus. Zwar wird man gerade bei einem Fürsten zwischen öffentlicher Repräsentation und persönlicher Frömmigkeit genau unterscheiden müssen.38 Doch darf der Selbstdarstellung 39 hier einmal vertraut werden. Denn Georg inszenierte sich nicht nur öffentlich nach dem Idealbild eines frommen Fürsten, er entsprach ihm auch in seiner persönlichen Lebensführung. Das Fundament für Georgs Religiosität legte die ungewöhnlich enge Beziehung zu seiner frommen Mutter.40 Diese erzog in Abwesenheit des Vaters den jungen Prinzen und stand auch noch dem erwachsenen und verheirateten Fürsten als Vertrauensperson nahe. Von Zedena lernte Georg eine strenge religiöse Praxis mit Fasten- und Bußübungen und täglichem Gebet. Auch nach ihrem Tod hielt er an der Gewohnheit fest, Karwoche und Osterfest mit Fasten und Beten am Meißner Dom zu verbringen und die Regierungsgeschäfte in Dresden ruhen zu lassen.41 Dem Einfluß der Mutter ist aber nicht nur Georgs Verankerung in der kirchlich orientieren Laienfrömmigkeit des Spätmittelalters zuzuschreiben, sondern auch eine besondere Sensibilität für die einheitsstiftende Funktion des römischen Papsttums. Für Zedena war dabei die eigene Biographie Mahnung genug: Zeit ihres Lebens versuchte sie durch Bußleistungen die Seele ihres Vaters zu retten, der als Hussit im päpstlichen Bann gestorben war. Aber auch für Georg sollte das Credo Cyprians, extra ecclesiam nulla salus, stets auf Rom bezogen bleiben. Ausdrücklich wird er sich dazu bei seiner Entscheidung gegen Luther bekennen: »den wir seint darbey erzogen [. . .], das alle die do handeln und tun wider den gehorsam und sundern sich von der Cristlichen kirchen, das die vor ketzer und abgesunderte geacht [. . .] seyn«.42 Aus dem umfangreichen Briefwechsel zwischen Mutter und Sohn (1488– 1510) erfahren wir zudem von der tiefen Innerlichkeit ihrer Frömmigkeit, die beispielsweise in der Lektüre Taulers Nahrung fand. Dabei zeigte sich die Für37 Vgl. Kiesewetter. – Weitere Portraitmedaillons des Fürsten fanden sich z. B. an Bürgerhäusern in Meißen (Heinrichsplatz 7) und Dresden (Altmarkt/Ecke Badergasse) sowie an der Freitreppe des Rathauses zu Oschatz. Vgl. Magirius, Ausbreitung, 165 f. 38 Zu diesem Problem vgl. Machilek; Volkmar, Fürstliche Heiligenverehrung; ders., Annaberger Heiltum. 39 Zu weiteren Beispielen für fromme Selbstdarstellungen Herzog Georgs siehe S. 414– 419. 40 Vgl. für das folgende Werl, Sidonia. 41 Georgs Schwiegertochter Elisabeth berichtet in einem Brief an ihrem Bruder, Philipp von Hessen, Herzog Georg sei in der Karwoche »altzeyt zu Meyssen und bet und fast nach und tag, hort gar keyn hanttelunge« (zitiert nach Werl, Sidonia, 13). 42 Brief Herzog Georgs an Martin Luther, Dresden, 28. Dezember 1525, ABKG, Bd. 2, 472–478.

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stin als selbstbewußte Laienchristin, die sich trotz klerikaler Verdächtigungen gegen den deutschen Mystiker im eigenen Urteil sicher wußte.43 Und mehr noch: Zedena schickte dem Sohn nicht nur wiederholt Gebetsbücher,44 sie finanzierte auch selbst den Druck deutscher Erbauungsliteratur in Leipzig.45 Herzog Georg wurde so schon früh für die Bedeutung sensibilisiert, die dem Buchdruck für die religiöse (Meinungs-)Bildung der Laien zukam. Neben der Mutter prägten Biographie und Bildung Georgs Religiosität. Durch die Jugendjahre als Domherr hatte er zumindest im Ansatz gelernt, Kirche und Gesellschaft aus der Perspektive eines Geistlichen zu betrachten. Hinzu trat seine umfangreiche geistliche Bildung. Der Laienchrist Georg wird sich dieser Ressourcen in seiner Kirchenpolitik immer wieder bedienen und Klerus wie Laien in der Debatte um Kirchenreform auf Augenhöhe begegnen – wie später in der Reformation einem Martin Luther. Nähere Betrachtung lohnt schließlich das besondere Profi l der Religiosität Herzog Georgs. Zunächst ist auffällig, das man bei ihm manches, was die Zeit als fromme Tat ansah, vergebens sucht. So brach Georg mit der Familientradition, auf große Pilgerfahrt nach Rom, Jerusalem oder Santiago zu gehen, wie dies der Vater, der Onkel, der Bruder und der Cousin getan hatten.46 Auch an der Sammlung von Reliquienschätzen zeigte er kein persönliches Interesse, während doch zur gleichen Zeit Friedrich der Weise in Wittenberg oder Ernst von Sachsen und Albrecht von Brandenburg in Halle die größten Heiltumsschätze ihrer Zeit zusammentrugen, für deren Schau sie astronomische, in Jahrmillionen zählende Ablässe erwarben.47 An Georgs Geringschätzung von Ablaßgnaden rieb sich schon seine Mutter. Einmal schickte sie ihm ein Büchlein über den Ablaß, der in Meißen in der Karwoche zu erwerben war und fügte fast beschwörend hinzu: »vorschmach yn nicht, nym yn mit an, den er ist dir nicht schedlich«.48 Doch Georg blieb bei seiner Skepsis und so ist es fast folgerichtig, 43 »[. . .] du magst mir warlich glauben«, versichert sie dem Sohn. Brief Herzogin Zedenas an Herzog Georg, 29. März 1498, zitiert nach Reichel, 8. 44 Vgl. Briefe Herzogin Zedenas an Herzog Georg, o.J., ABKG, Bd. 1, XXV, Anm. 1. 45 Siehe S. 409–414. 46 Herzog Albrecht pilgerte 1476 ins Heilige Land, sein Bruder, Kurfürst Ernst, 1480 nach Rom. Kurfürst Friedrich der Weise reiste 1493 nach Jerusalem, Herzog Heinrich der Fromme folgte ihm 1498. Vgl. Reichert; Thurnhofer, Romreise; zum Kontext: Ganz-Blättler; vgl. auch Streich, Hof, 481 f. zu Wilsnackfahrten. – Die in der Literatur für 1506 angegebene, doch insgesamt schlecht belegte Pilgerfahrt Heinrichs des Frommen nach Santiago de Compostela kann jetzt nach einer Missive Herzog Georgs auf den Winter 1502/03 datiert werden: Anfang Februar teilte der Dresdner Hofrat zwei thüringischen Amtleuten mit, »das mein g. her hertzog Heinrich uf dem widderwege von sant Jacoff sein« und gab Anweisungen für sein Geleit zum albertinischen Hof. Brief Herzog Georgs an den Amtmann zu Freyburg, [Dresden] 11. Februar 1503, Cop. 108, Bl. 180a. 47 Vgl. Volkmar, Annaberger Heiltum; ders., Fürstliche Heiligenverehrung. Siehe auch S. 371–373. 48 Zitiert nach Werl, Sidonia, 12.

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daß er als einer der ersten positiv auf die 95 Thesen Martin Luthers reagierte und mit der Leipziger Disputation eine theologische Klärung des Ablaßstreites herbeizuführen suchte, damit »wir armen leyen underweist werden, wor an wir recht thun«.49 Freilich wäre es völlig verfehlt, Georg deshalb für weniger religiös zu halten. Seine Frömmigkeit war einfach nur anders orientiert – und lag damit im Trend der Zeit. Gerade für den Ausgang des 15. Jahrhunderts sind tiefgreifende Wandlungen in der Laienfrömmigkeit beobachtet worden. Neben die spätmittelalterliche Tradition, wie sie ein Friedrich der Weise personifizierte, trat ein neuer Typus, der die handlungs- und ritualorientierte Religiosität des Mittelalters ablehnte und sich wieder stärker an der Spiritualität der Evangelien und der Paulusbriefe zu orientieren suchte. Sie wird häufig als »humanistische Frömmigkeit« apostrophiert, nicht zuletzt weil sie eng mit dem Ruf nach einer besseren Bildung der Laien verbunden war.50 Als Herold der neuen Laienfrömmigkeit gilt Erasmus von Rotterdam, der mit dem 1503 erstmals veröffentlichten »Enchiridion militis christiani« so etwas wie ihre Programmschrift vorlegte, dabei freilich weniger als ihr Schöpfer, sondern eher als ihr einflußreichster Vertreter anzusehen ist.51 Das Programm, das Erasmus im »Enchiridion« entfaltete, umfaßte viel mehr, als das Label »Humanismus« auszudrücken vermag. Es ist der Versuch einer Rückführung der Frömmigkeit auf die Kernaussagen der Heiligen Schrift. An den Humanismus als Bildungsbewegung erinnert vor allem die Forderung nach besserer Bildung der Laien und nach der Lektüre der Bibel in der Volkssprache. Seinen Leitfaden fi ndet das Frömmigkeitsideal in der paulinischen Dichotomie von Geist und Fleisch: Versenkung und Gebet, Betonung von moralischen Werten und bei allen Akten der Frömmigkeit nicht Aufwand oder Häufigkeit, sondern Einfachheit und innere Anteilnahme – dies sind die Kernaussagen. Es ist dabei auch ein energischer Aufruf zur Reform, der an den bestehenden Frömmigkeitsformen viel Kritikwürdiges fi ndet.52 In Herzog Georgs Religiosität läßt sich viel von dieser neuen Frömmigkeit wiederfi nden. Verinnerlichte Devotion nach dem Ideal des »intra se trahere Christum«53 und die Überzeugung, daß auch Laien die Bibel studieren sollten,54 verbinden sich bei ihm mit Kritik an veräußerlichter Frömmigkeitspraxis 49 Brief Herzog Georgs an Bischof Adolf von Merseburg, Dresden, 17. Januar 1519, ABKG, Bd. 1, 60–62. 50 Vgl. Honemann, Frömmigkeit; Volkmar, Fürstliche Heiligenverehrung (mit weiterführender Literatur). 51 Vgl. Hermelink. Zu Frömmigkeit und Kirchenreformvorstellungen der deutschen Humanisten vgl. auch Augustijn, Erasmus; Rapp, Réformes; Spitz; Mertens; Joachimsen. 52 Vgl. Desiderius Erasmus, Enchiridion militis christiani (1503), Welzig, Bd. 1, 56–375. Vgl. dazu Stupperich; Walter; Augustijn, Ekklesiologie, 78–84. Siehe auch S. 346–348. 53 Vgl. Hamm, Frömmigkeitstheologie, 227–246, das Zitat 235. 54 Siehe S. 577–579.

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und einem geradezu brennenden Reformeifer. Gleichzeitig hielt Georg freilich gesetzesorientiert an Fastenübungen und an der Autorität der Kirche fest, so auch in der Frage, wer über die rechte Auslegung der Bibel zu entscheiden habe.55 In seinen persönlichen Zeugnissen dominiert eine christozentrische Perspektive. Als sein Sohn, Herzog Johann, 1537 auf dem Sterbebett liegt, rät ihm der Vater, er solle sich »allen auf Crestum vor lassen, das yn der sellich mach«.56 Weder Anna noch Benno, die mit ihren Heiltümern in Annaberg und Meißen häufig als Georgs »Lieblingsheilige« benannt worden sind, brachte er besondere persönliche Verehrung entgegen.57 Im Testament von 1510 befiehlt er seine sündige Seele der Barmherzigkeit und Gnade des dreieinigen Gottes und erfleht ihre Annahme um des Leidens Christi und des Mitleidens der Gottesmutter Maria willen. Erst am Ende schließt sich die Bitte um die Fürsprache aller Heiligen an, aus denen aber nur ein einziger, Jakobus d.Ä., namentlich genannt wird.58 Mit dem heiligen Apostel, der als Weggefährte auf dem Pilgerweg ins ewige Leben galt, wählte sich Georg einen Fürbitter, der in der autochthonen Kulttopographie Mitteldeutschlands keine Rolle spielte, wodurch sein geringes persönliches Interesse am veräußerlichten Heiligenkult seiner Zeit abermals bestätigt wird. Auch das Triptychon, daß Georg 1534 von Lucas Cranach d.Ä. als Altarbild für seine Begräbniskapelle in Meißen anfertigen ließ, rückt allein die Erlösungstat Christi in den Mittelpunkt.59 Reflektierte Spiritualität und theologische Bildung des späteren Luthergegners weisen also ebenso wie seine kritische Distanz zur zeitgenössischen Frömmigkeitspraxis deutlich über die traditionelle mittelalterliche Religiosität hinaus. Otto Vossler umschreibt Georgs Christentum als »modern« und »erasmianisch«.60 Spätestens hier stellt sich die Frage nach dem Verhältnis Georgs zum Humanismus. Sicher ist, daß der Albertiner selbst kein Humanist war. Weder sind Humanisten als Lehrer oder Erzieher bekannt, noch hat sich der Fürst jemals selbst den Studia humanitatis gewidmet. Für die Einordnung seiner Religiosität in das Profi l »humanistischer Frömmigkeit« ist dies aber kein Widerspruch, eher zeigt es die Unschärfe der Kategorie »Humanismus« in diesem Zusammenhang. Denn der nordalpine Humanismus entwickelte kein genuines 55

Siehe insbesondere S. 343–405. Zitiert nach Werl, Elisabeth, 131. 57 Vgl. Volkmar, Annaberger Heiltum. 58 Vgl. Testament Herzog Georgs vom 19. Dezember 1510, O. U., Nr. 9875, Bl. 1b. 59 Um das Erbärmende-Motiv in der Mitteltafel gruppieren sich auf den Seitentafeln die Stifter Georg und Barbara mit ihren Schutzheiligen Jakobus und Andreas, während das Apostelpaar Peter und Paul auf lateinische Passagen aus dem Neuen Testament als Devisen der Stifter verweist, die ihren Schriften (dem Epheser- und ersten Timotheusbrief des Paulus sowie dem 1. Petrusbrief ) entnommen sind. Vgl. Krause, 389–393. – Ich danke Andrea Thiele M. A. (Halle) für Hinweise zur Interpretation des Tripthychon. 60 Vgl. Vossler, 286–288. 56

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Frömmigkeitsideal, sondern übernahm seine Vorstellungen aus verschiedenen Quellen: der deutschen Mystik, der Devotio moderna oder der Reformtheologie des allseits verehrten Jean Gerson.61 Die Wurzeln jener neuen, verinnerlichten Form von Laienfrömmigkeit lagen also nicht im Humanismus per se, sie waren vielmehr als Teil des christlichen Erbes zu allen Zeiten präsent. Gerade in Mitteldeutschland wurde die neue Frömmigkeit denn auch maßgeblich von scholastisch gebildeten Reformtheologen aus dem observanten Zweig des Augustinereremitenorden propagiert. Zu nennen sind hier insbesondere Johannes von Paltz und der Observantenvikar Johann von Staupitz. Beide waren enge Mitarbeiter des energischen Ordenreformers Andreas Proles, der nachweislich Herzog Georgs religiöse Entwicklung beeinflußte.62 Selbst kein Humanist, zeigte sich Herzog Georg dennoch für die Vertreter der neuen Bildungsbewegung aufgeschlossen. Er korrespondierte nicht nur intensiv mit Erasmus von Rotterdam, sondern beschäftigte mit Hieronymus Emser und Johannes Cochlaeus auch zwei Humanisten als Hoftheologen. Für die Geisteshaltung am Dresdner Hof war es bezeichnend, wenn Hof kaplan Emser 1515/16 die erste selbständige Ausgabe des »Enchiridion« herausbrachte – und dabei mit einem Untertitel dessen Forderung nach einer Reform der Laienfrömmigkeit unterstrich.63 An der Universität Leipzig förderte Herzog Georg die Studia humanitatis durch die Einrichtung einer Professur für Poetik und eines Lehrstuhls für Griechisch, auf dem 1516–1524 Petrus Mosellanus wirkte.64 Die Reformversuche in Leipzig sind dabei auch im Zusammenhang mit der Gründung der Universität Wittenberg zu sehen, durch die die einstmals unangefochtene wettinische Landesuniversität scharfe Konkurrenz erhielt.65 Aufgeschlossenheit für Neues bewies Georg im übrigen auch in seiner Bauförderung. Bei der Einführung des neuen Renaissancestils in Mitteldeutschland kam ihm eine Vorreiterrolle zu, die sich an Kunstwerken wie dem Hochaltar der Annaberger Annenkirche (1522) oder dem Portal der Georgenkapelle im Meißner Dom (1522/24) festmachen läßt.66 Das spannungsvolle Verhältnis von Modernität und mittelalterlicher Bindung in der Persönlichkeit Herzog Georgs zeigte sich schließlich in aller Schärfe in der Auseinandersetzung mit der Reformation. Öffentlich sichtbar wurde dies 61

Vgl. Hamm, Frömmigkeitstheologie; Hermelink. Zu Paltz vgl. Hamm, Frömmigkeitstheologie; zu Staupitz vgl. Hamm, Staupitz; zur Verbindung zu Proles vgl. Weinbrenner, 229–247. 63 Siehe S. 347 f. – Zum Briefwechsel Herzog Georgs mit Erasmus siehe S. 573–576. 64 Zu Georgs Reformversuchen in der Leipziger Universität vgl. Gess, Leipzig und Wittenberg; Helbig, Reformation; zum Humanismus in Leipzig vgl. Bauch, Leipziger Frühhumanismus. 65 Vgl. Gess, Leipzig und Wittenberg; zur frühen Wittenberger Universitätsgeschichte vgl. zuletzt Stievermann, Wittenberg; Töpfer. 66 Vgl. Magirius, Ausbreitung, 155–158. Zum Daucheraltar in der Annenkirche siehe auch S. 366–371. 62

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am Dresdner Georgenbau (1530/35), dem einzigen Schloß, das der Wettiner errichten ließ. Der Torbau, wegen seiner Modernität als »Inkunabel der Frührenaissance in Mitteldeutschland« 67 gepriesen, empfi ng den über die Elbbrücke in die Stadt kommenden Besucher mit einem mahnenden Totentanz, einem Sinnbild spätmittelalterlichen Lebensgefühls. Der neue Schloßflügel wies aber auch darüber hinaus ein umfassendes Bildprogramm auf. Unter Georgs persönlicher Aufsicht gestaltet,68 diente die aufwendige Fassadengestaltung nicht weltlicher Prachtentfaltung, sondern der Darstellung religiöser Überzeugungen. Die komplexe Ikonographie nahm Bezug auf Cranachs populären reformatorischen Bilderzyklus »Gesetz und Gnade«, um ihm eine dezidiert altgläubige Interpretation der Erlösungstat Christi gegenüberzustellen, die die Gültigkeit des Gesetzes und die Bedeutung der guten Werke betonte. Der modernste Repräsentationsbau der weltlichen Landesherrschaft wurde so zur Folie für eine antireformatorische Polemik – und zum weithin sichtbaren Wahrzeichen für das kirchenpolitische Sendungsbewußtsein seines Erbauers.69

2. Patriarchalisches Fürstenregiment? Die Entscheidungsträger der Kirchenpolitik In den ersten Wochen des Jahres 1508 erreichte der jahrelange Konfl ikt zwischen Herzog Georg und Bischof Johann VI. von Meißen eine neue Stufe der Eskalation. Durch Äußerungen eines bischöfl ichen Rates sah sich der Fürst in seiner Ehre verletzt. Er reagierte mit einem zornigen Brandbrief an den »herr[n] zu Meyssen«, der alle Höfl ichkeitsformen vergaß. Was würde der nächste Schritt sein? Da traf eine Nachricht des Obermarschalls Heinrich von Schleinitz bei Hofe ein. Er habe von den jüngsten Entwicklungen gehört, schrieb der erfahrene Rat, und wolle mit seinem Dienstherrn gern das weitere Vorgehen erörtern, wenn er in vier Tagen zum Hof zurückkehre. Vorerst aber, so beschwor

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Magirius, Georgentor, 62. Bei einer Inspektion der Arbeiten am Schloßgiebel, die Herzog Georg am 10. Juli 1534 gemeinsam mit dem Baumeister und dem Bildhauer vornahm, stürzte das Baugerüst ein und der Fürst fiel drei Stockwerke tief, blieb aber weitgehend unverletzt. Vgl. Brief Herzog Georgs an Kurfürst Johann Friedrich, Dresden, 14. Juli 1534, ABKG, Ms. Werl, Nr. 2848, ebenso: Burkhardt, Unfall. 69 Vgl. Magirius, Georgentor; ders., Renaissanceschloß. – Auch auf den im ganzen Reich umlaufenden sächsischen Münzen erklärte Georg seine Position im Glaubensstreit zu einem Identifi kationspunkt seiner Herrschaft. Ein Taler des Jahres 1531 trägt die Umschrift »Georgius dux Saxoniae princeps catholicus« und auf einer Schaumünze des Jahres 1532 bezeichnet sich Georg nicht nur als gehorsamsten Sohn der Kirche, sondern auch als beständigsten Verteidiger des alten Glaubens (»Georg dei gra.[tia] dux Saxoniae anno sal.[utis] MDXXXII veteris fidei assertor constantiss.[imus] et ecclesiae fi lius obedientiss.[imus]«). Köhler, Münzbelustigung, Bd. 22, 25–32. 68

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Schleinitz den aufgebrachten Fürsten, solle er nichts unternehmen: »Ich bit underthaniglich, e. f. g. wolle diser sachen biß uff mein zu kunfft ruhe geben.«70 Ein Entschuldigungsschreiben des Bischofs hatte die Lage schon entspannt, als der Brief des Obermarschalls in Dresden eintraf.71 Dennoch bleibt die Szene eindrücklich. Offenbar konnte Schleinitz wagen, Entscheidungen Herzog Georgs in einer zentralen kirchenpolitischen Angelegenheit von seinem persönlichen Ratschlag abhängig zu machen! Damit rückt die Frage nach der Urheberschaft der Kirchenpolitik unmittelbar in den Blickpunkt. Wer konzipierte die Kirchenpolitik, die Georgs Namen trug? Wo entstanden die politischen Leitlinien, wer traf die täglichen Entscheidungen? Welchen Anteil hatte der Fürst selbst, welche Rolle spielten einflußreiche Berater, die im Hintergrund agierten? Die Herrschaftspraxis deutscher Territorialfürsten des 16. Jahrhunderts hat zuletzt Manfred Rudersdorf mit dem Begriff des »patriarchalischen Fürstenregiments« typologisch eingeordnet.72 Damit sind zwei zentrale Aspekte der aktuellen Forschungsdiskussion angesprochen. »Fürstenregiment« verweist auf die direkte Beteiligung des Fürsten an den Entscheidungen der territorialstaatlichen Verwaltung. Trotz erster Tendenzen um 1500, den Herrscher von routinemäßigen Verwaltungsaufgaben zu entlasten, wirkte die mittelalterliche Tradition personaler Herrschaft weiterhin als normative Kraft. Die persönliche Mitwirkung des Fürsten an den Regierungsgeschäften besaß für die Legitimität von Herrschaft nach wie vor zentrale Bedeutung.73 Noch ein Philipp II. von Spanien versuchte, sein Weltreich nach dem Ideal des persönlichen Regiments zu führen; die kleinste Brücke in Andalusien, so heißt es, konnte nicht ohne seine Zustimmung errichtet werden.74 Wenn der Übergang vom mittelalterlichen zum neuzeitlichen Fürsten durch den Wechsel vom Rücken eines Pferdes an die Rückseite eines Schreibtisches symbolisiert wird, so läßt er sich im Falle des albertinischen Sachsens sogar personalisieren. Albrecht der Beherzte führte das Leben eines Feldherrn an den Krisenherden Europas, die spät ererbte eigene Territorialherrschaft war ihm eine Bürde. Sein Sohn Georg hingegen kann stellvertretend stehen für jene Fürsten, die »Regieren vor allem als Schreibtischarbeit«75 verstanden. Dessen lebenslustigen jüngeren Bruder Heinrich graute es sogar vor Besuchen in Dres-

70 Brief des Heinrich von Schleinitz an Herzog Georg, o.O., 10. März 1508, Loc. 8985/26, Bl. 1. 71 Zum Konfl ikt zwischen Herzog Georg und Bischof Johann VI. siehe S. 193–204. 72 Vgl. Rudersdorf, Landesväter; ders., Patriarchalisches Fürstenregiment. 73 Vgl. ebd.; Schubert, Umformung; Boockmann/Dormeier, 157; Oestreich; Weber, Dynastiesicherung; sowie die Beträge in Asch/Birke. 74 Vgl. Davies, 112. 75 Schubert, Umformung, 207.

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den, »darum, daß herzoge Georgen von regiments-sachen zu reden pflegte«.76 Die Dresdner Akten sind von den eigenhändigen Briefen und intensiv korrigierten Konzepten Georgs durchzogen. 1509 brachte der Herzog nach politisch schwierigen Verhandlungen mit den Ernestinern in Mühlhausen persönlich ein zehnseitiges Gedächtnisprotokoll zu Papier, obwohl ihn drei hochrangige Räte zu dem Treffen begleitet hatten.77 Wie die Datierungen auf seinen Briefen zeigen, legte der Albertiner oft erst nach Mitternacht die Feder aus der Hand.78 Welchen Stellenwert Herzog Georg selbst dem persönlichen Regiment einräumte, zeigt sich gerade in der Krisensituation der frühen Reformation, als der Fürst mit der Begründung, seine persönliche Anwesenheit sei für den Kampf gegen die Evangelische Bewegung unverzichtbar, sein Territorium nicht einmal mehr für die Reichstage verließ.79 Die intensive persönliche Beteiligung an der Regierung und die Konzentration auf die inneren Verhältnisse seines Territoriums können so mit Fug als Charakteristika der Herrschaft Herzog Georgs gelten. Als kennzeichnend hat die Forschung außerdem eine weitgehend spannungsfreie Zusammenarbeit mit den Ständen herausgearbeitet, für die nicht zuletzt das ausgeprägte Rechtsempfi nden des Albertiners und seine Erfolge in der Friedenswahrung verantwortlich gemacht werden.80 Nach dem Tode Georg bescheinigte selbst seine evangelische Schwiegertochter Elisabeth von Rochlitz, daß die Stände Georgs Herrschaft als Regiment eines »Friedensfürsten« respektierten.81 Das eingangs eingeführte Attribut »patriarchalisch« wiederum verweist auf den qualitativen Anspruch fürstlicher Herrschaft. Robert Bast hat anhand von spätmittelalterlichen Katechismen nachgewiesen, daß der Fürst dem ausgehenden Mittelalter als väterliche Autorität im Sinne des 4. Gebots galt, der die Untertanen Gehorsam schuldeten.82 Auf die »Landesväter« setzte gerade die 76 So berichtet es der Kammerschreiber und Biograph Herzog Heinrichs, Bernhard Freydinger. Zitiert nach Rogge, Herrschaftsweitergabe, 262, Anm. 49. 77 Aufzeichnungen Herzog Georgs über ein Treffen mit Kurfürst Friedrich und Herzog Johann d.Ä. zu Mühlhausen am 25. November 1509, Loc. 9853/5, Bl. 49–53, eigenhändig. Georgs Bericht, in der ersten Person Singular abgefaßt, wurde anschließend in der Dresdner Kanzlei abgeschrieben und dabei in den Pluralis majestatis überführt. Vgl. Abschrift des Berichts, ebd., Bl. 44–48. – Zum Kontext der Verhandlungen vgl. Rogge, Herrschaftsweitergabe, 279–282. 78 Vgl. Werl, Sidonia, 15. 79 Siehe S. 491 f. 80 Für Georgs Verhältnis zu den Ständen und zur starken Stellung des landsässigen Adels in der landesherrlichen Administration vgl. Goerlitz, 475–482; Schirmer, Herrschaftspraxis; ferner ders., Adel; mit Bezug auf die Kirchenpolitik vgl. Wartenberg, Luthers Beziehungen, 566, 563. 81 »Sey heyssen hz. Yorgen selgen nich anders dan ein foursten des frettes, sprechgen, er hab yn gutten fret yn dissem lant gehalten; droumb haben sey ym alles gern gegeben.« Brief Herzogin Elisabeths von Rochlitz an Kurfürst Johann Friedrich, Rochlitz, 25. April 1539, PKMS, Bd. 1, 39 f. 82 Vgl. Bast, 146–185.

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Kirchenreformdiskussion des 15. Jahrhunderts große Hoffnungen. Aus Fürsorge für die eigenen Untertanen und Kraft seiner patriarchalischen, letztlich auf Gott zurückzuführenden Legitimation sollte der Fürst zum Agenten der Kirchenreform werden, weil nur eine funktionsfähige Kirche das Seelenheil der Untertanen garantieren konnte. Gleichzeitig bot der entstehende Territorialstaat dem Fürsten in zunehmenden Maße die Mittel, disziplinierend in die Kirche und die religiöse Lebensführung seiner Untertanen einzugreifen.83 Auch im Selbstverständnis der Kirchenpolitik Herzog Georgs läßt sich, vermittelt durch die wettinische Reformtradition des 15. Jahrhunderts,84 dieses patriarchalische Gedankengut greifen. Für Heinz Scheible »verkörpert er geradezu den Idealtyp eines patriarchalischen Fürsten; er war ein Landesvater von Gottes Gnaden«, nicht zuletzt, weil er wegen seiner vorbildlichen Lebensführung allerorten geachtet wurde.85 Patriarchalische Argumentationsmuster durchziehen insbesondere seine Kirchenpolitik gegenüber den Laien, sei es vor der Reformation in den Landesordnungsentwürfen von 1498/1502, sei es in der Reformation, wenn er seinen »lieben und getrauen undertanen zu vermeydung straf und schadens leybs und der seelen ganz väterlicher, schuldiger und guter meynung« Luthers Septembertestament verbietet.86 Scheint sich die Herrschaft Herzog Georgs also durchaus treffend mit der typologischen Kategorie des patriarchalischen Fürstenregiments erfassen zu lassen, so ergeben sich daraus für die Betrachtung seiner Kirchenpolitik folgende vorläufige Schlußfolgerungen: 1) Der Fürst nahm persönlich maßgeblichen Einfluß auf alle Einzelaspekte der in seinem Namen verfolgten Politik, und 2) aus seinem patriarchalischen Selbstverständnis ergaben sich konkrete Legitimationsansätze und ein gewisses Sendungsbewußtsein in Bezug auf die Beaufsichtigung und die Reform des kirchlichen Lebens. Über diese typologische und mentalitätsgeschichtliche Annäherung hinaus bietet die umfangreiche albertinische Überlieferung aber auch die Möglichkeit, die konkrete Tagespolitik in ihren komplexen Entstehungsbedingungen in den Blick zu nehmen, um die persönliche Rolle des Fürsten in der Kirchenpolitik noch genauer zu bestimmen. Die konkreten Entscheidungsprozesse und die alltägliche Herrschaftspraxis, wie sie sich im oben angeführten Beispiel der Intervention des Heinrich von Schleinitz andeuten, sollen im folgenden Gegen-

83 Robert Bast faßt den Zusammenhang so zusammen: »The catechetical tradition sheds new light on the symbiosis between reformist clergy and secular authority – one that established patterns of interaction that would lead to the emergence of social discipline as a major characteristic of the age.« Ebd., 168. 84 Vgl. am Beispiel Herzog Wilhelms III. Schulze, Fürsten, 46–80; Bast, 178–185. 85 Scheible, Fürsten, 397 f.; zur Wahrnehmung Georgs als sittlichem Vorbild vgl. z. B. Butte, 175 f.; aus der Sicht der Brandenburger: Heinrich, 24, 28. 86 Vorwort Herzog Georgs zu Hieronymus Emsers Ausgabe des Neuen Testaments, Dresden, 1. August 1527, ABKG, Bd. 2, 775–780.

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stand der Betrachtung sein, um der globalen These vom patriarchalischen Fürstenregiment als Bestätigung oder Korrektiv an die Seite zu treten. a) Der Hofrat als Entscheidungszentrum Die Beschäftigung mit diesen Fragen verlangt zunächst nach einer verwaltungsgeschichtlichen Einordnung. Wie an vielen Höfen des Reiches war um 1500 auch in Sachsen der Hofrat zum wichtigsten Entscheidungsgremium der Landesherrschaft geworden.87 Er hatte damit das Erbe der Kanzlei angetreten, die nun auf die technische Seite der Verwaltung – die Produktion und Verwahrung von Urkunden, Briefen und Akten – beschränkt war, dem Hofrat als Sekretariat diente. Über die Arbeitsweise des albertinischen Hofrates gibt die Hofordnung von 1502 Auskunft, in der festgelegt wird, daß »alle unnser wesentliche rete, was der vorhanden sein mogen«, täglich nach der Morgenmesse in einer Stube oder in der Kanzlei zusammenkommen und »da alle sachen, so zu beratslagen uff dasmal nodt, und was brieff einkommen sein, vorgetragen und beratslagenn«, daneben Prozeßparteien verhören und bescheiden sollen.88 Das nach kollegialem Prinzip arbeitende Gremium bezog seine Legitimation unmittelbar vom Fürsten und war grundsätzlich für alle Aufgaben der Landesherrschaft zuständig, wenngleich sich die Finanzverwaltung bereits verselbständigt hatte. Es setzte sich aus drei Personengruppen zusammen: Erstens den Inhabern der obersten Hofämter (Obermarschall, Hofmeister, Hofmarschall), zweitens einigen ständig am Hofe lebenden Räten – beide Gruppen konstituieren den Kreis der »wesentlichen« oder »heimlichen« Räte, in der Literatur auch als Hofräte bezeichnet –, drittens dem Kanzler, dem zuweilen erfahrene Kanzleischreiber an die Seite traten. Dies ergab einen kleinen Kreis von etwa sechs bis acht Personen, der stets fluktuierte, weil wesentliche Räte auf diplomatische Mission gingen oder Statthalter und Räte von Haus aus während der Abwesenheit des Fürsten temporär einen Platz im Hofrat einnahmen. Ihrer sozialen Stellung nach waren die Hofratsmitglieder zum überwiegenden Teil Angehörige des schriftsässigen Niederadels weltlichen Standes. Sozial offener war die Position des Kanzlers. Mancher Kanzleichef entstammte, dem Trend einer (Re-)Feudalisierung des Hofes folgend, dem einheimischen Nie87 Vgl. für das folgende Blaschke, Art. Hofrat; Kretzschmar; Schirmer, Herrschaftspraxis; Streich, Hof; Stievermann, Landesherrlicher Rat; Volkmar, Hofrat (mit Angaben zur älteren Literatur). – Die Entwicklung in Sachsen verlief parallel zu anderen großen Territorien des Reichs, für die z.T. neuere Studien vorliegen. Vgl. Willoweit, Landesherrschaft, 66–142; Schubert, Umformung; Noflatscher; am Beispiel eines geistlichen Fürstentums: Scholz, 42–111. 88 Hofordnung Herzog Georgs [1502], Loc. 8233/1, Bl. 104–112, ediert: Goerlitz, 491– 496.

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deradel, andere waren bürgerlicher Herkunft. Alle teilten sie die hohe akademische Qualifi kation eines promovierten Juristen, doch gehörten einige dem geistlichen, andere dem weltlichen Stand an. Die Anwesenheit des Fürsten im Hofrat war zwar die Regel, jedoch nicht Bedingung für die Tätigkeit des Gremiums. Auch wenn Herzog Georg kurzzeitig abwesend war oder gar auf längere Reisen ging, arbeiteten die »heimgelassenen Räte« in Dresden weiter.89 Freilich behielt sich Georg die Kenntnisnahme und die Revidierung der Hofratsbeschlüsse vor bzw. steuerte, wenn er längere Zeit abwesend war, durch briefl iche Anweisungen dessen Entscheidungen. Immer wieder fi ndet sich auch die Anweisung, eine Angelegenheit bis zur Rückkehr des Fürsten ruhen zu lassen.90 Auch für die Kirchenpolitik Herzog Georgs war der Hofrat die maßgebliche Entscheidungsinstanz. Einen speziellen Rat oder eine Behörde für Kirchenangelegenheiten hat es im vorreformatorischen Sachsen nicht gegeben. Erst unter den evangelischen Nachfolgern entstanden das Konsistorium als spezifische Behörde des lutherischen Kirchenwesens, aber auch spezialisierte landesherrliche Ratsgremien wie die Räte in Religionssachen unter Herzog Moritz.91 Auch im katholischen Musterterritorium Bayern gehört die Einrichtung eines »Religions- und Geistlichen Lehensrats« seit 1556 erst in den Kontext der Konfessionalisierung.92 Der kollegiale Beratungsmodus des Hofrats und das Fehlen von Protokollen bedingt, daß sich der Einfluß einzelner Räte – oder auch des Fürsten selbst – nicht direkt bestimmen läßt. Die kirchenpolitischen Beschlüsse der landesherrlichen Regierung, wie sie als offizielle Briefe Herzog Georgs in den Missivenbüchern überliefert sind, entstanden gleichsam in einer Black Box, die sich dem Einblick des Historikers entzieht. Versuche, ihre Urheberschaft genauer einzugrenzen, müssen sich auf Umwege begeben. So können die Vermerke über die Commissio eines Schriftstücks, die in den Missivenbüchern regelmäßig aufgeführt werden, erste Hinweise liefern. Bekannt wird durch sie der Name des Rates, der das Diktat für ein Schreiben übernommen hatte und es dann für die Verabschiedung in den Hofrat einbrachte. Die Auswertung dieser Vermerke ist aufschlußreich, doch nicht im 89 Vgl. Volkmar, Hofrat, 87 f. Zu ähnlichen Bestimmungen in Bezug auf die Abwesenheit des Fürsten vgl. Noflatscher, 317; Willoweit, Verwaltungsorganisation, 309 f. 90 Das System bewährte sich auch in Extremfällen, etwa in Zeiten der Pest. Im August 1521 floh Georg »sorglichheyt halben der sterblouft, die sich an vil enden ereugen« auf den Schellenberg und blieb dort mehrere Monate. Seine Dresdner Räte wies er an, die Regierungsgeschäfte weiterzuführen und nur wichtige Angelegenheiten an ihn zu tragen, »domit wir in disen louften mit vil anlaufens verschont werden« (Brief Herzog Georgs an die heimgelassenen Räte zu Dresden, Schellenberg, 8. August 1521, ABKG, Bd. 1, 184, Anm. 5). Die Probleme der doppelten Regierung in dieser Zeit beleuchtet der Fall der Döbelner Schulmeisterstelle, siehe dazu S. 289 f. 91 Vgl. Wartenberg, Landesherrschaft, 143–158. 92 Vgl. Rößler, 11–13.

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zunächst erhofften Sinne: Deutlich wird, daß es innerhalb des Hofrates keine Ressortspezialisierung einzelner Mitglieder gab. Dies gilt sowohl für die Kirchenpolitik wie für andere Bereiche. Es dominiert vielmehr das echte Kollegialitätsprinzip, wobei auffällt, daß der juristisch gebildete Kanzler den größten Teil der Missivendiktate übernahm. Das Ressortprinzip hatte die landesherrliche Regierung also, sieht man einmal von der Ausgliederung der Finanzverwaltung ab, noch nicht erreicht.93 Als Zwischenergebnis läßt sich damit festhalten, daß die kirchenpolitischen Entscheidungen der Landesherrschaft erstens im kleinen Kreis des Hofrats in kollegialer Weise gefällt wurden, daß sich dieser Hofrat zweitens überwiegend aus einheimischen Niederadligen weltlichen Standes rekrutierte, und daß drittens über die starke Stellung des Kanzlers juristische, z.T. kirchenrechtliche Sachkompetenz in die Entscheidungsfi ndung einfloß. b) Führende Köpfe der Kirchenpolitik Für die Suche nach den Köpfen und Ideengebern der landesherrlichen Kirchenpolitik ist dieses Ergebnis freilich noch wenig befriedigend. Weitere Hinweise können hier die Dresdner Aktenbestände geben. Die darin enthaltenen Konzepte stammen nicht nur von der Hand von Kanzleischreibern, sondern manchmal auch von bekannten Räten oder dem Fürsten selbst. Daneben zeigen Missivenregister und Briefe aus der Aktenüberlieferung, mit wem Herzog Georg über kirchenpolitische Fragen korrespondierte. Auf dieser Basis läßt sich mit aller Vorsicht ein skizzenhaftes Bild der internen Entscheidungsfindung zeichnen. Ins Auge fällt dabei zunächst ein Faktum: Als Akteure in der Kirchenpolitik treten überwiegend jene Personen in Erscheinung, die auch sonst in der landesherrlichen Administration den Ton angaben, also in erster Linie die wesentlichen Räte und die Kanzler.94 In den Jahrzehnten vor der Reformation zählen dazu Persönlichkeiten wie Obermarschall Heinrich von Schleinitz oder Cäsar Pflug, der starke Mann in Leipzig. Heinrich von Schleinitz bekleidete von 1497 bis zu seinem Tode 1518 als Obermarschall das höchste Hofamt und war in dieser Zeit der wichtigste Vertraute Herzog Georgs.95 Der junge Regent war auf den erfahrenen Politiker 93 Vgl. Volkmar, Hofrat, 75–95; Schirmer, Herrschaftspraxis, 311–315. – Die Finanzen wurden, teils unter direkter Kontrolle des Fürsten, von Rentkammer und Kammer verwaltet, die damit Keimzelle neuer Zentralbehörden wurden. Vgl. Schirmer, Herrschaftspraxis, 324–329; zur verwaltungsgeschichtlichen Bedeutung der Kammer vgl. Oestreich. 94 Zu den Mitgliedern des Hofrates vgl. Schirmer, Herrschaftspraxis; Goerlitz, 414– 428; Volkmar, Hofrat. 95 Georg spricht von »dem vortrauen, so wir vor eynem andern, zu ime haben« (Testament Herzog Georgs vom 19. Dezember 1510, O. U. 9875, Bl. 7 b). Vgl. auch Goerlitz, 415 f. – Zur Person vgl. Schirmer, Herrschaftspraxis, 370.

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angewiesen; im Jahre 1500 lehnte er deshalb die Bitte seines Vaters, Schleinitz zu ihm nach Friesland zu entsenden, rundheraus ab.96 Schon die eingangs geschilderte Intervention des Obermarschalls im Streit mit Johann VI. belegt eindrücklich dessen Einfluß auf Georgs Kirchenpolitik. An zentralen Vorhaben wie dem Landesordnungsentwurf von 1498 oder der Postulation Herzog Friedrichs d.Ä. zum Koadjutor des Erzstifts Magdeburg war er maßgeblich beteiligt, organisierte bei letzterer z. B. die begleitende diplomatische Kampagne bei König Maximilian und an der Kurie. Dabei legte Schleinitz, über dessen formale Bildung wir nichts wissen, eine hohe Sachkompetenz an den Tag, nahm etwa an einem lateinischen Supplikenkonzept, das kein Geringerer als Kardinal Raimund Peraudi für Georg verfaßt hatte, inhaltliche Änderungen vor. Als das Projekt einer albertinischen Sukzession in Magdeburg durch den frühen Tod Friedrichs zu scheitern drohte, war es wiederum Schleinitz, der die zukünftige Linie der albertinischen Politik entwarf und mit Georgs Zustimmung persönlich in Magdeburg durchzusetzen suchte.97 Der Einfluß des Obermarschalls, der auch für andere albertinische Räte eine Führungsfigur darstellte, korrespondierte mit einem engen persönlichen Verhältnis zum Fürsten, von dem zahlreiche Briefe zeugen.98 Obwohl nur temporär im Hofrat anwesend, gehörte Cäsar Pflug (um 1450/55–1524), adliger Richter am Leipziger Oberhofgericht, im Zeitraum 1510–1524 zu den einflußreichsten Räten Georgs.99 Zwar widersprach es Herzog Georgs persönlichem Regiment, einem einzelnen Diener eine omnipotente Machtposition einzuräumen, wie sie später ein Nikolaus Krell oder Graf 96 Vgl. Brief Herzog Georgs an Herzog Albrecht und Herzog Heinrich, Schellenberg, 15. September 1500, Cop. 106, Bl. 54a. Die Abfassung dieses Schreibens übernahm der »unentbehrliche« Obermarschall übrigens selbst. 97 Siehe S. 179–189, 391. 98 Ein anschauliches Beispiel für die persönliche Kommunikation unter den Räten und mit dem Landesherrn bietet der Tod Heinrichs (d.J.) Grafen zu Stolberg. Stolberg, der zu den wenigen hochadligen Räten Georgs gehörte, war im Herbst 1508 tödlich erkrankt. Über Sittich von Berlepsch, einem wichtigen Amtmann und Rat in Thüringen, erfuhr Obermarschall Schleinitz in Leipzig von seinem Schicksal. Bald darauf erreichte ihn auch ein Brief vom Sterbelager des Grafen, in dem dieser um Fürbitte für sein Seelenheil bat. Schleinitz ließ darauf hin in Leipzig Seelmessen für Stolberg lesen und informierte Herzog Georg, verbunden mit der Bitte, »e. f. g. wolle der gleich auch zu geschen verfugen« (Brief des Heinrich von Schleinitz an Herzog Georg, Leipzig, 3. Oktober 1508, Loc. 8949/2, Bl. 1). Tatsächlich ließ Georg in der Pfarrkirche und im Franziskanerkloster von Annaberg auf seine Kosten Seelmessen für Stolberg ausrichten. Vgl. Brief Herzog Georgs an den Amtmann von Annaberg, [Dresden] 9. Dezember 1508, Cop. 110, Bl. 47a. 99 Zur Person vgl. Schirmer, Herrschaftspraxis, 368. Pflug war nur temporär Mitglied des Hofrates, weil er nicht am Hofe lebte; im Sommer 1523 leitete er zusammen mit Herzog Johann d.J. als Statthalter den Hofrat. Vgl. Instruktion Herzog Georgs, Dresden, 11. Juni 1523, ABKG, Bd. 1, 516–518. Bezeichnend für Pflugs Einfluß ist die Einschätzung des Leipziger Rates von 1521, daß »er itzo an eyns obirmarschalhs stat ist«, nachdem das Amt des Obermarschalls nach Schleinitz’ Tod unbesetzt blieb. Vgl. Goerlitz, 416–419, dort auch das Zitat.

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Brühl innehatten. Fragt man dennoch nach dem jeweils einflußreichsten Rat, so ließe sich der Bogen von Heinrich von Schleinitz über Cäsar Pflug zu dessen Schwiegersohn Georg von Carlowitz spannen, der gemeinsam mit Kanzler Simon Pistoris seit den späten 1520er Jahren das besondere Vertrauen Georgs besaß.100 Der studierte Cäsar Pflug, der auf seinen Gütern bei Leipzig lebte, diente seinem Herrn nicht nur in Finanz-, sondern auch in Kirchenfragen. Der Fürst betraute ihn mit so heiklen Missionen wie den Beratungen mit Adolf von Merseburg über die Verbreitung der 95 Thesen Luthers oder den Verhandlungen über die Mißbräuche der geistlichen Gerichtsbarkeit im Bistum Halberstadt 1523.101 Im selben Jahr betrieb Georg die Entlassung des Pegauer Predigers Peter Korner, weil Pflug dessen Predigten als lutherisch eingeschätzt hatte.102 Als ebenfalls 1523 ein Mandat König Ludwigs II. gegen die geistliche Gerichtsbarkeit in den Lausitzen die Statthalter des Bischofs von Meißen in Alarm versetzte, meinten diese sich nicht direkt an Herzog Georg wenden zu können, wohl um den Böhmenkönig nicht zu desavouieren. Stattdessen schickten sie ihre Klage (unter reichlich vorgeschobenen Gründen) an zwei einflußreiche albertinische Räte, an Cäsar Pflug und Dr. Nikolaus von Heinitz. Der indirekte Weg zum Fürsten erwies sich als erfolgreich, denn Georg intervenierte umgehend beim böhmischen König gegen die zuweitgreifende Maßnahme.103 Mit dem ehemaligen Kanzler Heinitz, Doktor beider Rechte,104 ist das gelehrt-geistliche Element im Dresdner Hofrat angesprochen.105 Wie seine beiden Vorgänger, Dr. Johann Erolt und Dr. Siegmund Pflug,106 war Heinitz im Kirchenrecht ausgewiesen und bildete als Meißner Domherr zugleich ein Binde100 Zu Georg von Carlowitz vgl. Wartenberg, Landesherrschaft, 63–94. Carlowitz gehörte auch unter Herzog Moritz noch zu den wichtigsten Räten. Vgl. ebd., passim; Held, Moritz, 147 f., ders., Berater. 101 Siehe S. 378–384 und 599, Anm. 25. 102 Vgl. Briefe Herzog Georgs an Bischof Adolf von Merseburg, Sangerhausen, 7. Mai, und Weißenfels, 15. Mai 1523, ABKG, Bd. 1, 504, 510 f. 103 Die von den Meißner Statthaltern gelieferte Begründung, sie wendeten sich an Pflug, weil dessen Sohn Julius (der spätere Bischof von Naumburg) Archidiakon der Niederlausitz sei, erscheint vorgeschoben, da der Einfluß des jungen Archidiakons wohl kaum denjenigen der bischöfl ichen Statthalter übertraf. Zudem hätte man Julius Pflug, der in Meißen residierte, ohne weiteres direkt anschreiben können, statt seinen Vater in Leipzig zu behelligen. Vgl. Brief der Statthalter Bischof Johanns VII. von Meißen an Cäsar Pflug, Stolpen, 14. Februar 1523, ABKG, Bd. 1, 464 f.; Brief Herzog Georgs an König Ludwig von Ungarn und Böhmen, Dresden, 19. Februar 1523, ebd., 467 f. Siehe auch S. 250. – Zu Pflug als Fürsprecher vgl. auch Brief Herzog Friedrichs d.J. an den Stadtrat zu Delitzsch, Dresden, 8. März 1521, ebd., 159. 104 Kanzler 1500–1506, seit 1503 Domherr zu Meißen. Zur Person vgl. Schirmer, Herrschaftspraxis, 357. 105 Zum Phänomen der gelehrten Juristen und ihrer Rolle im Transformationsprozeß der Landesherrschaft zum Territorialstaat vgl. Stievermann, Gelehrte Juristen; Schwinges; an einem Leipziger Fallbeispiel: Boockmann, Lebenswelt. 106 Dr. Johann Erolt, genannt Königsberger († 1495), 1486–1495 Kanzler Georgs und seit spätestens 1475 Domherr zu Meißen. Dr. Siegmund Pflug (um 1455/60–1510), 1495–1500

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glied zur geistlichen Klientel des Landesherrn. Durch die starke Stellung der Kanzler im albertinischen Hofrat, vor allem wenn es um die Commissio der Missiven ging, waren die drei Dekretisten auch in die Kirchenpolitik intensiv eingebunden. Über ihren konzeptionellen Beitrag läßt sich jedoch insgesamt kaum etwas sagen. Heinitz zumindest blieb auch nach seinem Ausscheiden aus dem Hofrat im Jahre 1506 ein wichtiger Berater Georgs.107 Überraschend ist, daß Heinitz der letzte Geistliche im Hofrat war. Georgs spätere Kanzler, Dr. Kilian König (1506–1513), Dr. Johann Kochel (1513–1523) und Dr. Simon Pistoris (1523–1539) waren zwar ebenfalls promovierte Juristen, hatten aber kein Kirchenrecht studiert und waren weltlichen Standes. Als städtische Syndici in Leipzig bzw. Zwickau und Ordinarien der Leipziger Juristenfakultät repräsentierten sie die bürgerlich-städtische Verwaltungselite.108 Dennoch waren gerade Kochel und Pistoris maßgebliche Berater und Agenten der Kirchenpolitik Georgs in der Reformationszeit.109 Hier ist ein gewisser Systemwechsel nicht zu übersehen, der in chronologischer Perspektive bemerkenswerte Implikationen in sich trägt. In Georgs früher Regierungszeit war der Hofrat noch von älteren, erfahrenen Räten geprägt, denen schon aufgrund der Jugend des Fürsten eine wichtige Rolle im politischen Tagesgeschäft zukam. Die gelehrt-geistlichen Kanzler waren dabei vermutlich – im Zusammenspiel mit altgedienten weltlichen Räten wie Hans von Minckwitz, Dietrich von Schönberg oder Dietrich und Heinrich von Schleinitz -110 für die Fortsetzung der albertinischen Kirchenpolitik in der wettinischen Tradition des 15. Jahrhunderts verantwortlich. Als Georg aber die Zügel der Herrschaft vollends selbst in die Hand nahm, verzichtete er in seinem wichtigsten Entscheidungsgremium auf die Geistlichkeit und ihre kirchenrechtliche Kompetenz. Zwar blieben Kanonisten als Berater wichtig, aber sie zählten eben nicht mehr zu den Machern der Kirchenpolitik. In der Reformationszeit kommt mit den Hoftheologen Georgs schließlich ein neues Element hinzu.111 Aber auch ein Emser oder ein Cochlaeus – so wichtig sie für Georgs öffentlichen Kampf gegen Luther waren – fanden keinen Zugang zum Hofrat. Sie standen als Berater und Autoren im Dienste der Kirchenpolitik, aber sie waren keine Entscheidungsträger. Dies unterscheidet Emsers Stellung – bei allen Parallelen – von Georg Spalatins Funktion am Hofe Kanzler, Domherr und später Dompropst in Merseburg (1505) und Meißen (1507). Vgl. Schirmer, Herrschaftspraxis, 356, 367. 107 Siehe S. 218 f. 108 Zu den Biographien vgl. Schirmer, Herrschaftspraxis, 359; Wartenberg, Landesherrschaft, 76–81. 109 Vgl. ABKG, passim. 110 Hans von Minkwitz, Obermarschall 1488–1497; Dietrich von Schönberg, Hofmeister 1486–1495; Dietrich von Schleinitz, Hofmeister 1497–1510. Vgl. Schirmer, Herrschaftspraxis, passim; Goerlitz, 414–428. 111 Siehe S. 554–581.

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Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521)

Friedrichs des Weisen, denn dieser war nicht nur humanistischer Publizist, sondern auch einflußreicher Rat gerade in kirchenpolitischen Fragen.112 Georgs Kirchenpolitik hingegen wurde in erster Linie und sogar im zunehmenden Maße vom weltlich-adligen Führungspersonal der Landesherrschaft gestaltet – im deutlichen Unterschied etwa zur tragenden Rolle geistlicher Räte in Württemberg, die gerade die Kirchenpolitik der Herzöge maßgeblich prägten.113 Georgs Personalentscheidungen im Hofrat lenken die Perspektive wie von selbst auf die Rolle des Fürsten zurück. Die Grundannahme, daß Georgs Herrschaft durch das persönliche Regiment einer starken, patriarchalisch denkenden Fürstenpersönlichkeit geprägt wurde, wird durch die Beobachtungen zu seinen Räten in keiner Weise relativiert. Denn den gleichen Quellen ist immer wieder zu entnehmen, daß Herzog Georg die Leitlinien seiner Kirchenpolitik persönlich vorgab und die Zügel bei ihrer Umsetzung fest in der Hand hielt.114 Auch den Zeitgenossen war dies wohlbewußt. Nicht von ungefähr verzichtete Luther darauf, seinen Widersacher in Dresden als schwachen, von schlechten Ratgebern fehlgesteuerten Regenten darzustellen, und daß sich Philipp von Hessen im Briefwechsel mit seinem Schwiegervater einmal dieses Topos bediente (freilich nur in Bezug auf Georgs theologische Ansichten), zeugt eher von der unflexiblen Handhabung von Argumentationsmustern als von präziser politischer Beobachtung.115 Im Hofrat selbst übernahm Georg zwar eher selten eine Commissio. Gerade aber wenn der Fürst außer Landes war und mit den »heimgelassenen Räten« in Dresden korrespondierte, zeigt sich, wie er bis ins Detail einer Pfründenbesetzung seine Kirchenpolitik selbst bestimmte.116 Die Konzepte, die er eigenhändig verfaßte und korrigierte oder seinen Privatsekretären Emser, Vischer und Pistoris diktierte,117 ziehen sich durch die Dresdner 112

Vgl. Höss, Spalatin. Vgl. Stievermann, Landesherrschaft, 251–260, 294. 114 Zu dieser Einschätzung kommt als bester Kenner der Kirchenpolitik Georgs auch Felician Gess. Vgl. Gess, Klostervisitationen, 6 f. 115 »Ich bit, e. l. [. . .] wolle dem bischof von Meyssen und dem Empser auch nit weiter glauben, wan was sie mit dem wort Gottes beweisen konnen.« Brief Landgraf Philipps von Hessen an Herzog Georg, Kassel, 11. März 1525, ABKG, Bd. 2, 67–75. Vgl. auch Wolter, Religionsgespräche. 116 Siehe S. 270–278. 117 Emser war 1505–1510 Georgs Privatsekretär, Erasmus Vischer übernahm die Funktion 1510 bis mindestens 1520, später hatte Pistoris als Kanzler diese Aufgabe inne. Vgl. Gess, Habsburgs Schulden, 222, 228; Volkmar, Hofrat, 86, Anm. 60; zum politischen Einfluß von fürstlichen Privatsekretären vgl. Oestreich, 222 f., 232. – In seinem Briefwechsel mit Erasmus von Rotterdam betonte Herzog Georg einmal, alle seine Briefe selbst zu konzipieren, auch und gerade wenn sie Erasmus kritisierten. Vgl. Brief Herzog Georgs an Erasmus von Rotterdam, Dresden, 13. Februar 1525, ABKG, Bd. 2, 39–41/Allen, Ep. 1550. Felician Gess belegt an einer Stelle, daß Georg seine Briefe an Erasmus eigenhändig in Latein konzipierte, bevor sie (durch einen Sekretär?) in geschliffenes Latein übertragen wurden. Vgl. ABKG, Bd. 2, 528, Anm. 1. 113

III. Herzog Georg als Kirchenpolitiker

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Akten und betreffen immer wieder zentrale Punkte, z. B. die Reformforderungen an Bischof Johann VI. aus dem Jahre 1508, das erste Mandat gegen die Evangelische Bewegung von 1522 oder die Stellungnahme zur Religionsfrage auf dem Augsburger Reichstag 1530.118 Insofern war Georg jederzeit mehr als der bloße Namensgeber einer innovativen und eigenständigen Kirchenpolitik: er war ihre treibende Kraft. c) Partner und Berater im Territorium Breit war der Kreis jener, die beratend auf die kirchenpolitischen Entscheidungen der Landesherrschaft Einfluß nehmen konnten. Gutachten, die Beschlüsse vorbereiteten, verfaßten die Mitglieder des Hofrates zum Teil selbst.119 Auch außerhalb des Hofes beeinflußten wesentliche Räte wie Cäsar Pflug mit ihren Empfehlungen die landesherrlichen Entscheidungen.120 Blickt man über den engeren Zirkel der Macht hinaus, so dienten vor allem jene etwa 30–40 Personen als Berater, die in den Quellen als Räte benannt und zuweilen mit dem Zusatz »von Haus aus« gekennzeichnet werden, weil sie nicht am Hof lebten. In diesem Kreis waren Persönlichkeiten unterschiedlichster sozialer Zuordnung versammelt, die die Funktionseliten des Landes repräsentierten: Bischöfe, Domherren, geistliche Universitätsgelehrte einerseits, hochadlige Vasallen, Amtleute und landsässige Adlige, Bürgermeister und Juristen der Leipziger Universität andererseits. Gemeinsam war ihnen eine offizielle Bestallung als landesherrlicher Rat und eine doppelte Aufgabe: Neben der Beratung waren sie zum Fürstendienst in Gesandtschaften und landesherrlichen Kommissionen verpfl ichtet. Nur selten trat der Kreis der Räte von Haus aus dabei wie im März 1503 als Ratsversammlung zusammen, meist führten sie einzeln ihre Aufträge aus.121

118 Vgl. Beschwerdeartikel Herzog Georgs gegen Bischof Johann VI. von Meißen [Oktober 1508], Loc. 8985/25, Bl. 9–11; Brief Herzog Johanns d.J. und Herzog Heinrichs d.J. an die herzoglichen Räte zu Dresden, Schellenberg, 14. Februar 1522, ABKG, Bd. 1, 271 f.; Redebeitrag (?) Herzog Georgs auf dem Augsburger Reichstag [Augsburg, Ende September 1530], Loc. 10299/7, Bl. 132–135, 139–143, Regest: ABKG, Ms. Werl, Nr. 2051 (Entwurf und Reinschrift eigenhändig). 119 So verfaßten einige Räte unter Führung von Kanzler Kochel im Januar 1523 ein Gutachten zum Umgang mit dem bekannten Brief Luthers vom 3. Januar 1523 in der CronbergAffäre. Vgl. Gutachten herzoglicher Räte [3.-17. Januar 1523], ABGK, Bd. 1, 419–421. Siehe dazu S. 471–473. 120 Vgl. z. B. Brief Cäsar Pflugs an Herzog Georg, 14. Februar 1517, ABKG, Bd. 1, 69; Brief Herzog Georgs an Cäsar Pflug, Dresden, 18. Februar 1517, ebd., 72. 121 Vgl. Goerlitz, 424 f.; Schirmer, Herrschaftspraxis, 305–343; Volkmar, Hofrat, 77, 83; am Beispiel von Moritz von Sachsen: Held, Berater, 53–65; zum weiteren Kontext vgl. Reinhard, Power Elites, sowie die Beiträge in Asch/Birke. – Zum Rätetag am 25./26. März in Leipzig wurden 31 Räte angeschrieben. Vgl. Ausschreiben Herzog Georgs, o.O., 23. März 1503, Cop. 108, Bl. 204b.

100 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) Betrachtet man die geistlichen Räte, so ist zunächst auffällig, daß die Bischöfe, die als hochrangige Gesandte und Räte traditionell eine wichtige Rolle einnahmen,122 als Berater der landesherrlichen Kirchenpolitik keine Rolle spielten. Statt dessen erscheinen sie als Partner oder gar als Objekte derselben.123 Dagegen wird das Meißner Domkapitel seinem Ruf als Partei der Wettiner gerecht. Mehrere Domherren nahm Herzog Georg offi ziell als Räte in seinen Dienst,124 aber auch das gesamte Kapitel beriet den Fürsten, wenn er im Meißener Schloß Station machte.125 Im landesherrlichen Dienst stand auch mancher Geistlicher, der an einer Universität lehrte, wie der berühmte Erfurter Kanonist Dr. Henning Göde oder der Leipziger Jurist Dr. Johannes Seeburg.126 Aber auch über den Kreis offiziell bestallter Räte hinaus war kirchenrechtliche Sachkompetenz für die landesherrliche Entscheidungsfi ndung von Bedeutung. Dies galt vor allem für die Kuriendiplomatie, die sich auf Supplikenkonzepte und praktische Ratschläge von Kurialen wie Georg Pusch, Melchior von Meckau, Wilhelm von Enckenvoirt oder Raimund Peraudi stützte. Auch sächsische Geistliche mit Kurienerfahrung wie Donat Groß oder der Ablaßprediger Johannes Tetzel berieten Herzog Georg.127 Seltener war hingegen theologischer Rat gefragt. Andreas Proles (1429– 1503), aus Dresden gebürtiger Generalvikar der observanten Augustiner-Kongregation, war Georg von seiner Mutter als Beichtvater empfohlen worden und soll den Fürsten bei Besuchen in seiner Vaterstadt beraten haben.128 Insgesamt scheint es jedoch, daß Georg Theologen zwar für klar umrissene Aufträge heranzog, ihnen aber kaum Einfluß auf die Leitlinien seiner Kirchenpolitik einräumte. So bediente er sich mehrfach des aus Ochsenfurt in Mainfranken stam122 Vgl. Streich, Hof, 156–158. – Woldemar Goerlitz weist darauf hin, daß die Bischöfe unter Albrecht und Georg nicht mehr explizit als Räte bezeichnet werden. Vgl. Goerlitz, 428. 123 Siehe S. 190–214. 124 Dompropst Dr. Siegmund Pflug, Dompropst Ernst von Schleinitz, Domdekan Ulrich von Wolfersdorf, Domdekan Dr. Johannes Hennig, Domdekan Hans von Maltitz, Dr. Thamo Löser, Dr. Donat Groß. Vgl. Goerlitz, 424. 125 So bezieht sich Nikolaus von Heinitz einmal auf ein Zusammentreffen »jungst zu Meissen uffm sloße yn e. f. g. stuben in e. f. g. und des capitels kegenwertikeit«. Brief des Dr. Nikolaus von Heinitz an Herzog Georg, Meißen, 9. Mai 1506, Loc. 8985/24, unfol. 126 Dr. utr. jur. Henning Göde, Kanoniker, Scholaster und schließlich (1506) Dekan am Stift St. Marien zu Erfurt, mehrfach Rektor der Erfurter Universität und Syndikus des Rates. Im März 1503 auf einer Räteliste Herzog Georgs geführt, diente er auch Kurfürst Friedrich. Göde wechselte später an die Universität Wittenberg und starb dort 1521 als Propst des Allerheiligenstiftes an der Schloßkirche, wo sein Epitaph noch heute zu sehen ist. Vgl. Ausschreiben Herzog Georgs, o.O., 23. März 1503, Cop. 108, Bl. 204b ; Gramsch, Personenkatalog, 681–686; Pilvousek, 208–220; Goerlitz, 524; siehe auch S. 353 f. – Zu Seeburg als Rat vgl. Brief Herzog Georgs an Dr. Johannes Seeburg, o.O., 24. April 1495, Cop. 105, Bl. 141a ; zur Person vgl. Boockmann, Lebenswelt. 127 Siehe S. 117–153. 128 Vgl. Butte, 168 f.

III. Herzog Georg als Kirchenpolitiker

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menden Leipziger Theologieprofessors Hieronymus Dungersheim (1465–1540). 1511 wurde dieser als Vermittler zu Verhandlungen zwischen den zerstrittenen Reformgruppen innerhalb des Franziskanerordens, den Observanten und Martinianern, entsandt. Einige Jahre später setzte er sich in Georgs Auftrag mit einer hussitischen Flugschrift auseinander und verfaßte eine Gegenschrift, die 1514 in Leipzig erschien.129 In der Reformationszeit spielte Dungersheim als Prediger bei den bischöfl ichen Visitationen von 1522/24 und in Georgs »gegenreformatorischer« Kampagne in Mühlhausen 1525 eine wichtige Rolle.130 Schließlich standen altgläubige Theologen und Humanisten wie Johannes Hennig, Hieronymus Emser und Johannes Cochlaeus als Publizisten in landesherrlichen Diensten.131 Unter den weltlichen Ratgebern der Kirchenpolitik nahmen die Amtleute einen wichtigen Platz ein. Ihre Berichte über lokale Ereignisse und Probleme waren häufig auch gleich mit Handlungsvorschlägen verbunden, die Georg zuweilen direkt übernahm.132 Auch Diplomaten wie der Reichstagsgesandte Dr. Dietrich von Werthern fanden mit ihren Vorschlägen beim Fürsten Gehör.133 Darüber hinaus verließ sich Georg oft auf die Sachkompetenz der Leipziger Juristen. Schöppenstuhl und Juristenfakultät wurden z.T. gleichzeitig als Gutachter eingesetzt, etwa, als es in der Reformationszeit um die angemessene Bestrafung von Laien ging, die als Anhänger der neuen Lehre die kirchlichen Normen verletzt hatten.134 Dr. Johann von Breitenbach, der 1479–1509 als Ordinarius der Juristenfakultät vorstand, war ebenso bestallter Rat Herzog Georgs wie sein Sohn Georg, der 1524–1539 das Leipziger Ordinariat bekleidete. So wahrten sie Kontinuität in Zeiten stürmischer Veränderung: Während der Vater 1499 ein Gutachten über die römische Kanonisation Bennos von Meißen vorlegte, warnte der Sohn 1524 seinen Landesherrn vor den lutherischen Predigten des Andreas Bodenschatz in Leipzig.135

129 Vgl. Freudenberger. – Zu den Zeitzer Verhandlungen des Jahres 1511 vgl. ABKG, Bd. 1, XXXV; Schulze, Fürsten, 184. 130 Vgl. Freudenberger, 171–184, 394–397. 131 Siehe S. 406–420, 554–581. 132 Vgl. z. B. Brief Sittich von Berlepschs und des Stadtrates zu Langensalza an Herzog Georg, [Langensalza] 9. Dezember 1522, ABKG, Bd. 1, 393 f. Zur Ratsfunktion von Amtleuten vgl. auch Schubert, Umformung, 223 f. 133 Vgl. Lippert. 134 Vgl. Gutachten der Schöppen zu Leipzig [kurz vor 3. Juli 1523], Gutachten der Juristenfakultät zu Leipzig, 21. Juni 1523, ABKG, Bd. 1, 535, Anm. 1. 135 Vgl. Volkmar, Heiligenerhebung Bennos, 71 mit Anm. 251; Brief Dr. Georg von Breitenbachs an Herzog Georg, Leipzig, 7. April 1524, ABKG, Bd. 1, 638–640. – Zu den Personen vgl. Schirmer, Herrschaftspraxis, 349 f.

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3. Handlungsträger der Kirchenpolitik a) Räte und Prälaten Keine Herrschaft ohne Exekutive, keine erfolgreiche Politik ohne konkrete Umsetzung vor Ort: Die Kirchenpolitik Georgs baute auf einer funktionierenden Landesherrschaft auf, derer personeller Ressourcen, Kommunikationswege und Herrschaftsinstrumente sie sich bediente. Am naheliegendsten erscheint der Einsatz von Räten. Sowohl wesentliche Räte als auch Räte von Haus aus von denen viele Amtleute waren – dienten dem Hofrat zur Umsetzung der Kirchenpolitik.136 Bei der Auftragsverteilung wurden in der Regel Räte ausgewählt, die in der betreffenden Region über Ansehen und Einfluß verfügten. So kamen im thüringischen Landesteil Hans von Werthern, Dietrich von Witzleben, Christoph von Taubenheim oder Sittich von Berlepsch zum Einsatz, während Cäsar Pflug kritische Missionen im Osterland übernahm. Ein eher unspektakuläres Fallbeispiel illustriert den Einsatz der Räte. Im Jahre 1509 hatte Erzbischof Ernst von Magdeburg Gefallen an einer Monstranz gefunden, die zur Ausstattung der Pfarrkirche von Oschatz gehörte. Herzog Georg war gern bereit, seinem Vetter und politischen Verbündeten einen Gefallen zu tun. Er entsandte seinen Hofmarschall Jakob von Schönberg, um die Monstranz zu beschaffen. Doch dieser kehrte unverrichteter Dinge zurück, die Oschatzer hingen an ihrem Kleinod. Georg ließ sich jedoch nicht beirren. Er beauftragte nun Wolf von Schleinitz, einen in Ragewitz östlich von Oschatz sitzenden Rat von Haus aus. Dieser sollte mit Stadtrat und Pfarrer verhandeln und betonen, daß der Erzbischof bereit sei, einen Ausgleich zu leisten. Ihr weiteres Zögern trug den Oschatzern fünf Tage später noch einen Verweis auf Georgs »ernstliche meynunge« ein, dann konnte der Fürst befriedigt feststellen, daß die Monstranz an Ernst übergeben worden war.137 Neben den weltlichen Räten agierten hohe Geistliche im Auftrag des Landesherrn. Bischöfe und Äbte spielten bei Klostervisitationen nicht zuletzt unter dem Gesichtspunkt der Legitimation eine wesentliche Rolle, während den Visitationskommissionen stets auch weltliche Räte angehörten. Die Domherren des Meißner Domkapitels fungierten als Vertraute des Landesherrn innerhalb der Kirche und waren in zahlreiche Vorhaben, etwa die Heiligsprechung Bennos von Meißen, eingebunden. Schließlich wurden Georgs Kontakte zur Kurie im wesentlichen durch sächsische Kleriker und Kuriale realisiert.138

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Vgl. ABKG, passim, sowie die zahlreichen in dieser Studie angeführten Fallbeispiele. Vgl. Briefe Herzog Georgs an den Stadtrat zu Oschatz, Dresden, 10., 15. und 26. März 1509, Cop. 110, Bl. 95a, 101a, 112a ; Brief Herzog Georgs an Wolf von Schleinitz zu Ragewitz, Dresden, 10. März 1509, ebd., Bl. 96. 138 Siehe S. 117–153, 214–220, 259–263. 137

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b) Amtleute Die Durchsetzung der landesherrlichen Kirchenpolitik vor Ort stützte sich aber vor allem auf eine Gruppe lokaler Amtsträger: die landesherrlichen Amtleute. Der Ausbau des Ämterwesens, die »Verämterung« (Karlheinz Blaschke) des Territoriums, bildete ein wichtiges Element in der Genese des frühmodernen Territorialstaats. Die Bündelung aller grund- und gerichtsherrlichen Rechte des Landesherrn im Amt, als dessen Vertreter der Amtmann agierte, führte zu einer Intensivierung von Herrschaft durch Verwaltung in einem klar umgrenzten, räumlich defi nierten Aufsichtsbezirk. Die Aufgaben des Amtmanns umfaßten die Einnahme von Einkünften – eine wesentliche Säule des wettinischen Haushaltes waren die Überschüsse aus den Ämtern –, die Ausübung der Gerichtsbarkeit, die militärische Sicherung des Amtes und als jüngstes Aufgabengebiet die Durchsetzung guter Polizei. Ungeachtet einer großen Zahl vom Amt exemter Grundherren und Städte, die als sogenannte Schriftsassen unmittelbar dem Fürsten unterstellt waren, bildeten die Ämter die Grundstruktur der Landesherrschaft auf lokaler Ebene. Für einen großen und wachsenden Teil der Bevölkerung manifestierte sich die Landesherrschaft im Amtmann.139 Die Bedeutung der Amtleute wird nicht zuletzt dadurch unterstrichen, daß sich im 15. Jahrhundert eine Art Cursus honorum herausbildet hatte, auf dem junge, ambitionierte Adlige über den Dienst als Amtmann die Vertrauensstellung eines Rates von Haus aus erreichen und schließlich in den Hofrat aufsteigen konnten.140 Die Rolle der Amtleute im Rahmen des vorreformatorischen Kirchenregiments ist in der Literatur zur sächsischen Lokalverwaltung jedoch bislang unbeachtet geblieben. Lediglich die Wahrnehmung landesherrlicher Patronatsrechte durch die vorreformatorischen Amtleute fi ndet beiläufige Erwähnung.141 Das vorrangige Interesse verwaltungsgeschichtlicher Studien an der Entwicklung weltlicher Staatlichkeit läßt den kirchenpolitischen Aspekt ohnehin als peripher erscheinen. Darüber hinaus entfaltet namentlich bei Karlheinz Blaschke die alte These, das landesherrliche Kirchenregiment sei erst eine Erfi ndung der Reformation, ihre Wirkung. Da die Reformation aber nicht auf vorhandene Strukturen zurückgriff, sondern mit den Visitationskommissionen und Konsistorien neue Instrumente schuf, geraten die Amtleute vollends aus dem Blickfeld.142 Doch läßt sich zeigen, daß den Amtleuten gerade unter Herzog Georg eine eminente Bedeutung für die Durchsetzungskraft des landesherrlichen Kirchen139 Zur sächsischen Verwaltungsgeschichte sind die Arbeiten von Karlheinz Blaschke grundlegend, jetzt bequem zu benutzen in einer umfassenden Aufsatzsammlung. Vgl. Blaschke, Beiträge. Aus der neueren Literatur zum Amt seien genannt: Schirmer, Grimma; Streich, Altenburg; Kunze; für andere Gebietes des Reiches vgl. Hesse; Schubert, Umformung; Klingebiel. 140 Vgl. Streich, Altenburg, 57–59; Schirmer, Herrschaftspraxis, 340. 141 Vgl. Blaschke, Behördenkunde, 371. 142 Vgl. Blaschke, Ausbreitung, 46; ders., Wechselwirkungen, 435–452.

104 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) regiments zukam. Dabei muß auch nicht irritieren, die kirchenpolitischen Aufgaben des Amtmanns in den offiziellen Instruktionen keine Erwähnung fi nden und die schriftliche Überlieferung der Ämter, soweit sie vor die Reformation zurückreicht, ebenfalls kaum Hinweise dafür liefert.143 Denn es genügt ein Blick in die Missivenbücher des Hofrats, um die Amtleute als Exekutoren der landesherrlichen Kirchenpolitik zu fassen. Dies begann mit den Patronatsrechten, auch wenn diese wegen der geringen Zahl albertinischer Kirchenpatronate letztlich von sekundärer Bedeutung waren.144 So beauftragte Herzog Albrecht seinen Langensalzaer Amtmann Albrecht Spitznas im Januar 1500 mit der Einführung des Ernst Schmalstieg in die Pfarre Treffurt, und aus einer Missive Herzog Georgs ist zu entnehmen, daß der Herbslebener Amtmann Aufsichtsrechte über geistliche Lehen in Ringleben wahrnahm.145 Besonders aufschlußreich ist die Rüge, die Herzog Georg 1524 dem Amtmann zu Dornburg erteilte, denn sie offenbart den ganzen Umfang der Amtsaufsicht über Patronatspfarreien. Nicht nur Einführung und Schutz des Pfarrers oblag dem Amtmann, auch für den baulichen Zustand des Pfarrhauses, dessen mobiles Inventar, den Zustand der Weinberge und Äcker des Pfarrlehens, ja sogar die Besitzurkunden der Pfarrei macht ihn Georg verantwortlich. Auf horchen läßt auch das Ende der Mahnung an den gerade neu eingesetzten Amtmann Thomas von Molau, schließt sie doch mit der Aufforderung, er solle »hinfure uf die und andre pfarren in den amten deyner vorwaltung fleißiger und baeß, dann ytz hie bescheen, aufachtung haben«.146 Dieser Auftrag weist deutlich über das Patronat hinaus, er unterstellt letztlich den gesamten Niederklerus im Amt der Aufsicht des Amtmanns. Dementsprechend fi nden wir Molaus Amtsvorgänger Andreas Pflug im Mai 1520 als Fürsprecher der Gemeinden von Dornburg und Vierzehnheiligen, die nicht unter landesherrlichem Patronat standen. Gemeinsam mit den Gemeinden supplizierte der Amtmann wegen der unpriesterlichen Lebensführung der dortigen Pfar-

143 Die Instruktionen haben, soweit sie für die Regierungszeit Georgs überhaupt überliefert sind, vor allem die wirtschaftliche Aufsicht über das Amt zum Inhalt, da dies unmittelbar die fi nanziellen Interessen des Landesherrn wie des Amtmanns berührte. Vgl. z. B. Instruktion für den Amtmann zu Dresden, o.J. [um 1500/20], Loc. 8233/1, Bl. 101. – Amtsbücher als Kern einer Amtsregistratur haben sich für Leipzig und Sangerhausen erhalten. Sie überliefern Rechtsurteile, Urfehden und Gerichtssätze (als Ausfluß der Richterfunktion des Amtmanns), Angaben zu Besitzverhältnissen sowie Abschriften landesherrlicher Mandate. Für die Kirchenpolitik sind sie unergiebig. Vgl. Goerlitz, 111; Loc. 9481/3, 9889/16, 9889/17 (Amtsbücher des Leipziger Amtmanns, 1495–1539). 144 Siehe S. 265–270. 145 Vgl. Brief Herzog Albrechts an Albrecht Spitznas, Leipzig, 13. Januar 1500, ABKG, Bd. 2, 678, Anm. 5; Brief Herzog Georgs an Kunz Rudolf, Amtmann von Herbsleben, o.O., 5. Februar 1495, Cop. 105, Bl. 85b. 146 Vgl. Brief Herzog Georgs an den Amtmann zu Dornburg, 1. November 1524, ABKG, Bd. 1, 760–762.

III. Herzog Georg als Kirchenpolitiker

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rer, was den Landesherrn dazu bewog, Kardinal Albrecht als zuständigen Bischof eine gemeinsame Visitation der Pfarreien vorzuschlagen.147 Jenseits landesherrlicher Patronatsrechte waren Amtleute nicht nur die erste Instanz für Klagen über unpriesterliche Lebensführung des Klerus oder mangelnden Gottesdienst, über sie verwirklichte sich letztlich auch das landesherrliche Kirchenregiment über den gesamten Niederklerus. Amtleute überwachten landesherrliche Brauverbote, die die Pfarrer trafen, aber sie übten auch Druck auf Bauern aus, die der Geistlichkeit Abgaben schuldig blieben; sie bildeten Schaltstellen der Kommunikation zwischen Pfarrklerus und Landesherrn und verwalteten am Lebensende den Nachlaß von Pfarrern. Schließlich verkörperten sie den schlagkräftigen Arm der Landesherrschaft: sie exekutierten Temporaliensperren und nahmen sogar Verhaftungen straffälliger Geistlicher vor. All dies geschah auf Anweisung aus Dresden genauso wie auf eigene Initiative – nur wird letzteres in den landesherrlichen Quellen seltener greif bar.148 Georgs Vorgehen war dem Prinzip nach keine Neuerung, schon Wilhelm III. hatte die Temporaliensperre gegen Geistliche mit Hilfe der Amtleute zumindest angedacht. Letztlich war der Rückgriff auf die Amtleute einfach naheliegend, denn sie allein vertraten die Landesherrschaft vor Ort. Und doch ist es ein deutlicher Hinweis auf die geringe Intensität des Kirchenregiments Kurfürst Friedrichs des Weisen, wenn dieser die Amtleute zwar mit der Aufsicht über die Rechnungslegung der Kirchväter beauftragte, ihre exekutiven Möglichkeiten für die Kirchenpolitik aber, anders als sein Vetter Georg, ungenutzt ließ.149 Auch auf anderen Ebenen der Kirchenpolitik setzte der Landesherr auf die Amtleute. Sie waren seine Posten im täglichen Kleinkrieg um die Kontrolle der geistlichen Gerichtsbarkeit, wenn sie landesherrliche Mandate zur Behinderung der geistliche Gerichte durchsetzten und Übertreter verhafteten. Sie fungierten als landesherrliche Kontrolleure bei der Visitation von Klöstern und verkündeten die fürstlichen Mandate zu Polizei und Laienreform. Von eminenter Bedeutung waren sie schließlich als Herrschaftsinstrument des Landesherrn bei der Abwehr der Evangelischen Bewegung.150 Seine omnipotente Zuständigkeit machte den Amtmann zum Arm des Kirchenregiments vor Ort. Ein besonders wirksames Sanktionsmittel bei der Durchsetzung der Kirchenpolitik gegenüber dem Klerus war die Temporaliensperre: der Amtmann befreite die Bauern temporär von den Abgaben und Diensten, die sie der Geistlichkeit zu leisten hatten und setzte diese damit fi nanziell unter Druck. Diese Herrschaftstechnik stammte aus dem weltlichen Bereich, wo sie auf Anweisung 147 Vgl. Brief dess. an Kardinal Albrecht, Weißenfels, 17. Mai 1520, ebd., 120 f. Siehe dazu S. 306–309. 148 Siehe S. 264–342. 149 Vgl. Pallas, Entstehung, 146–151; Kirn, 107–110; Ludolphy, Friedrich, 381. Zur Temporaliensperre bei Wilhelm III. siehe S. 73 f., 334. 150 Siehe S. 226–263, 343–405, 500–508.

106 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) des Landesherrn z. B. zur Disziplinierung von Schriftsassen angewandt wurde.151 Die Anlässe, die Georg zur Temporaliensperre greifen ließen, waren sowohl weltlicher wie geistlicher Natur. So erfuhr Herzog Georg 1509 bei einem Aufenthalt in seiner Nebenresidenz Schellenberg, daß der Annaberger Pfarrer drei Jahre lang der Verpfl ichtung zum Besuch eines Begängnisses in Schellenberg und der damit verbundene Opfergabe nicht nachgekommen war. In einem Schreiben an den Pfarrer forderte Georg diesen zur Teilnahme an dem Totengedächtnis und zur Nachzahlung der Opfergabe auf, und drohte, andernfalls durch den Annaberger Amtmann »euch euer fruchte zu hemmen«.152 Dabei beschränkte sich der Aktionsradius des Amtmanns nicht auf die eigenen Amtsuntertanen. Kraft der landesherrlichen Autorität und seiner ganz konkreten Verfügungsgewalt über einige Landsknechte konnte der Amtmann sogar die Untertanen des Meißner Bischofs erreichen. So beauftragte Georg in seinem Konfl ikt mit Johann VI. seinen Dresdner Amtmann, »des bischofs zu Missen undertanen [. . .] zu gebiten und zu vorbiten, das sie ime keine zinse geben, auch keinen dinst tun noch ghorsam gleisten sollen bis auf ferner [. . .] befelh«. Von der Erlaubnis, die Untertanen notfalls »mit ernst darzu zu pringen«, mußte der Amtmann vermutlich kaum Gebrauch machen, denn schließlich profitierten diese von einer temporären Abgabenbefreiung.153 Im Fall des Komturs zu Griefstedt, der die gottesdienstliche Versorgung einer Kapelle vernachlässigte, wies Georg den Amtmann hingegen an, »soviel von des compthür güttern einzunemen, davon er soviel gottes dinst als gefallen ist bestelln und erfullen moge«.154 Hier wurden die geistlichen Zinsen also umgeleitet – durchaus im Interesse der Dorfgemeinden, die sich über den fehlenden Gottesdienst beklagt hatten. Dabei erschöpfte sich die Rolle des Amtmanns nicht in der Exekution landesherrlicher Befehle. Als Vertreter des Landesherrn vor Ort war er mehr als nur verlängerter Arm des Dresdner Hofrats, er war sein Ohr und manchmal sogar sein Hirn. Als Ideengeber empfahl sich beispielsweise der Quedlinburger Amtmann Veit von Drachsdorf, dem Georg 1509 mitteilte, daß er seinem Vorschlag 151 Vgl. Goerlitz, 107. – Ein schon im Kontext antireformatorischer Repressionen stehendes Beispiel ist ein gegen den Schriftsassen Georg Spiegel zu Neuhaus und Paupitzsch gerichteter Befehl Herzog Georgs. Weil sich der Lutheraner Spiegel dem Gebot zum Verkauf seiner Güter und zum Verlassen des Landes widersetzte, befahl Georg den Untertanen Spiegels, diesem Fron und Dienste zu verweigern. Vgl. Brief Herzog Georgs an den Amtmann von Delitzsch, Dresden, 21. Februar 1533, ABKG, Ms. Werl, Nr. 2462. 152 Brief Herzog Georgs an den Pfarrer zu Annaberg, Schellenberg, 22. September 1509, Cop. 110, Bl. 235a. 153 Brief Herzog Georgs an den Amtmann zu Dresden, o.O., 24. November 1502, ABKG, Bd. 1, LXVI, Anm. 1. 154 Brief Herzog Georgs an den Amtmann zu Sachsenburg, Dresden, 8. Februar 1504, Cop. 109, Bl. 22a. Anlaß für Georgs Eingreifen war eine Supplik der betroffenen Dorfgemeinden Günstedt und Herrnschwende. Der Komtur hatte darauf hin Obermarschall Heinrich von Schleinitz die Ausrichtung des Gottesdienstes zugesagt, sein Versprechen aber nicht gehalten.

III. Herzog Georg als Kirchenpolitiker

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bezüglich des Einschreitens gegen einen geistlichen Prozeß des Propstes zu Petersberg gefolgt sei.155 Vor allem aber begegnen die Amtleute immer wieder als erste Ansprechpartner für die Untertanen. Manches, was sie in Eigenregie zu lösen vermochten, erreichte Dresden erst gar nicht. Die Bauern des Dorfes Zschernitz, die wegen des Kontakts zu ihrem in Schuldsachen gebannten Grundherrn Hans von Dieskau ins Visier des Offi zials zu Neuwerk geraten waren, erhielten vom Delitzscher Amtmann Georg von Bendorf einige Zeit lang Rückendeckung. Immer wenn der Offizial die Gemeinde wegen der Duldung des Gebannten »citirt und vorgenommen« hatte, war dies »durch sunderlichen fleyß e. f. g. amtman zu Delytzsch abgewant« worden. Die Situation eskalierte aber, als auch »unsers junkers mutter« in den Bann geriet, der Pfarrer nur noch in verschlossener Kirche Messe hielt und der Offi zial die gesamte Dorfgemeinde vorlud, um ihnen die »vorbietunge aller gemeynschaft« einzuschärfen. Denn die Bauern sahen keine Möglichkeit, den Kontakt zu den Dieskaus abzubrechen: »beyde, mutter und son, wollen sich nicht meyden und wyr mogen nicht sy von uns zu fugen«. Nun erst rief die Gemeinde ihren »genedigen und gutigen landisfursten« an, er möge »aus furstliche[r] togent vorfugen, daß dye last hinweggenommen und wir armen cristlicher ubung dermaß nicht benommen werden«. Der Amtmann unterstützte die Supplik (die er womöglich selbst verfaßt hatte) durch ein Schreiben an Kanzler Kochel. Er sah die Grenzen seiner Möglichkeiten erreicht und baute auf die größere Durchsetzungskraft des Landesherrn.156 Auch Sittich (d.J.) von Berlepsch, der langjährige Amtmann von Langensalza (1509–1532), wird als Beschwerdeinstanz für die Untertanen greif bar.157 Berlepsch war nicht nur einfacher Amtmann, sondern schon seit 1506 Rat Herzog Georgs und eine der wichtigsten Stützen albertinischer Herrschaft in Thüringen.158 Besonders wertvoll machten ihn seine guten Kontakte zum hessischen Hof, wo sein gleichnamiger Vater Erbkämmerer und 1510 Hofmeister des jungen Landgrafen Philipp war und Sittich d.J. selbst in den 1490er Jahren bei Wilhelm II. und Wilhelm III. gedient hatte.159 Zusammen mit dem Freyburger Amtmann Christoph von Taubenheim war Berlepsch maßgeblich am Zustan155 Vgl. Brief Herzog Georgs an Veit von Drachsdorf, Dresden, 26. Dezember 1509, Cop. 116, Bl. 9b. Zur Sache vgl. Brief Herzog Georgs an Dr. Johann Pack, Dresden, 26. Dezember 1509, ebd., Bl. 9. 156 Supplik der Gemeinde zu Zschernitz an Herzog Georg, 24. Oktober 1520, ABKG, Bd. 1, 141 f.; Zettel des Offi zials zu Neuwerk, o.J., ebd., 142, Anm. 3; Vgl. Brief Georg von Bendorfs, Amtmann zu Delitzsch, an Kanzler Dr. Johann Kochel, [Delitzsch] 28. Oktober [1520], ebd., 142. 157 Siehe S. 248 f. 158 Vgl. ABKG, Bd. 1, 26, Anm. 1; Werl, Elisabeth, 55–61; Creditio Herzog Georgs für Sittich von Berlepsch zu einer Werbung an Landgraf Wilhelm II. von Hessen, 25. April 1506, StA Marburg, Bestand 2, III. B. 55a), unfol. 159 Vgl. Demandt, 45 f.

108 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) dekommen des wichtigen Bündnisses zwischen der Landgrafenwitwe Anna und Herzog Georg beteiligt, er selbst verfaßte Annas Bündnisgesuch und sollte es Georg vortragen.160 Als Diener beider Fürstenhäuser und Amtmann von Langensalza und Thamsbrück war er einer der mächtigsten Männer im westlichen Thüringen. In der Kirchenpolitik trat Berlepsch durch besonderen Eifer hervor. 1511 verhaftete er einen Nordhäuser Bürger, der gegen ein Mandat Georgs zur geistlichen Gerichtsbarkeit verstoßen hatte, obwohl das Mandat nur eine Geldstrafe vorsah.161 Zwei Jahre später wandte er sich an den Landesherrn, um sich Rükkendeckung für sein Vorgehen gegen einen drohenden geistlichen Prozeß zu verschaffen.162 Als wahre Stütze der landesherrlichen Kirchenpolitik erwies sich Berlepsch in der Reformationszeit. Aus Sorge vor Aufruhr beobachtete er argwöhnisch den Auftritt evangelischer Prediger in Langensalza (deren anstößige Aussagen er penibel notierte) und berichtet früh über die Aktivitäten Müntzers im nahen Allstedt. Dabei arbeitete er eng mit dem Stadtrat von Langensalza zusammen. Der Amtmann versorgte den Dresdner Hofrat nicht nur mit Informationen, sondern brachte eigene Vorschläge zum Vorgehen gegen die Lutheranhänger ein, ja er griff, wenn Eile geboten schien, sogar ohne Rücksprache zu Verhaftungen. Als schließlich ein Thüringer Bauernhaufen 1525 Langensalza eroberte und Berlepsch nötigte, die Bauern als Hauptmann anzuführen, verlor Georg keinen Moment das Vertrauen in die Rechtgläubigkeit seines Amtmannes. Auch nach dem Bauernkrieg konnte Berlepsch im Amt bleiben.163 Persönlichkeiten wie Berlepsch waren also mehr als einfache Handlanger, sie waren engagierte Vertreter des landesherrlichen Kirchenregiments. c) Stadträte Die Beziehung der Wettiner zu den Städten ihres Territoriums war von klaren Herrschaftsverhältnissen und weitgehend spannungsfreier Kooperation geprägt. Freie Städte gab es nicht, statt dessen waren die Kommunen landsässig oder unterstanden landesherrlichen Vasallen. Ansprechpartner des Landesherrn waren die Stadträte, deren Zusammensetzung der Fürst über sein Bestätigungs-

160 Vgl. Bündnisgesuch Landgräfi n Annas, 25. März 1514; Bericht Christoph von Taubenheims an Herzog Georg, 9. Juni 1514, Glagau, Bd. 1, 355–359. Siehe auch S. 496–498. Zur späteren Rolle Berlepschs, der sich seit 1524 als Erbkämmerer von Hessen bezeichnete, vgl. auch Küch/Heinemeyer, passim. 161 Siehe S. 237. 162 Vgl. Brief Herzog Georgs an Sittich von Berlepsch, Dresden, 9. Oktober 1513, Cop. 112, Bl. 305. 163 Vgl. Briefwechsel zwischen Herzog Georg und Sittich von Berlepsch, 5. Februar 1522– 18. Dezember 1527, ABKG, Bd. 1 und 2, passim.

III. Herzog Georg als Kirchenpolitiker

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recht indirekt beeinflussen konnte.164 Im meißnischen Großenhain nominierte Herzog Georg sogar selbst den Bürgermeister.165 So ließen sich die Stadträte in Sachsen – anders als in vielen Teilen des Reiches – recht willig für den Ausbau der Landesherrschaft in die Pfl icht nehmen, sahen sich als »vom Landesherren beauftragte Inhaber obrigkeitlicher Gewalt«.166 Aus der nivellierenden Perspektive der Dresdner Zentralverwaltung gesehen, schien sogar der fundamentale verfassungsgeschichtliche Unterschied zwischen Stadträten und Amtleuten zu verschwimmen. Gemeinsam waren sie die wichtigsten landesherrlichen Funktionsträger auf der lokalen Ebene. Die Intensität des landesherrlichen Zugriffs spiegeln die Missiven des Hofrates wieder, von denen 1503/04 28,7% an Amtleute und 11,9% an Stadträte gerichtet waren.167 Auch die landesherrlichen Mandate, die in ihrem Formular zwischen den angeschriebenen lokalen Obrigkeiten – Bischöfe, Prälaten, Grafen und Herren, Schriftsassen, Amtleute, Städte – differenzierten, behandelten Amtleute und Stadträte oft völlig gleich. Ein Münzmandat Herzog Georgs aus dem Jahre 1497 gebietet »dir amptman, das du solchs allen unnsern erbermannen und untertanen deins ampts vorwandten, und ir, der rate, allen euren mitburgern und inwonern von stundan zuerkennen gebt und fleissigs aufsehen hapt, und wo ymands in ampt und stetten straffwirdig erfunden, der und dieselben sollen von dir amptmann und euch dem rate im thurm gelegt und darinnen ein yder nach seiner vorwirckung ein zeitlang gehalten und gestrafft werden«.168 Auch auf dem Gebiet der Kirchenpolitik waren die Stadträte zentrale Handlungsträger. Auf Georgs Befehl hin erließ der Stadtrat zu Oschatz 1501 eine Polizeiordnung gegen »etzliche sündtliche und schedliche ubung so von gemeinen volck bey euch mit spielen, ubergern trincken und andern unnützlich vorthun gebrucht ist [. . .] uf das mißbittung des almechtigen Gottes und schade der leute [. . .] abgewendt und geandert werde«.169 Die Leipziger Ratsherren aktivierte der Landesherr 1511, um den Leipziger Bürger Caspar Reichenbach zur Aufgabe seiner Klagen vor dem geistlichen Gericht zu zwingen.170 Wie der Amtmann diente auch der Stadtrat als Ansprechpartner für die Klagen der Bevölkerung und versorgte den Landesherrn mit Informationen über die kirchli164

Vgl. Steinführer, Albrecht, 213–231; Blaschke, Geschichte Sachsens, 232–251, 261–

265. 165 Vgl. Brief Herzog Georgs an den Rat zu Großenhain, Dresden, 26. August 1511, Cop. 116, Bl. 166b. Georg teilte dem Rat mit, daß die Neuwahl des Bürgermeisters verschoben werden müsse, da er momentan keine Zeit hätte, einen geeigneten Kandidaten zu bestimmen. 166 Karlheinz Blaschke, zitiert nach Steinführer, Albrecht, 225. 167 Vgl. Volkmar, Hofrat, 93 f. 168 Ausschreiben Herzog Georgs des Münzwechsels halben, Schellenberg, 23. November 1497, Loc. 14954, Mandatensammlung, Faszikel »1497«, unpag. 169 Brief Herzog Georgs an den Rat zu Oschatz, o.O., 26. Oktober 1501, Cop. 107, Bl. 72b. 170 Siehe S. 241.

110 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) chen Zustände im Land.171 In der Reformationszeit behielten die loyal-altgläubigen Ratsherren in den albertinischen Städten die Oberhand, so daß Herzog Georg etwa in Leipzig oder Langensalza den Rat als Stütze für seine antireformatorische Politik einsetzen konnte.172

4. Weltliche Politik im Raum der Kirche? Sechs Thesen zur Genese der Kirchenpolitik Herzog Georgs Die vorangegangenen Beobachtungen zur Persönlichkeit und zur Herrschaftspraxis Herzog Georgs lassen sich in sechs Thesen zusammenfassen: 1) Die albertinische Kirchenpolitik wurde maßgeblich von der Persönlichkeit Herzog Georgs geprägt. Seiner Einflußnahme sind Grundausrichtung und politischer Stellenwert von Kirchenregiment und Kirchenreform ebenso zuzuschreiben wie zahllose Einzelentscheidungen. Unterstützt wurde die starke Position des Fürsten von den zeitgenössischen Vorstellungen eines patriarchalischen Fürstenregiments, die von einer besonderen Verantwortung des Landesherrn für das Seelenheil der Untertanen und damit für die Kirche als Heilsanstalt ausgingen. 2) Herzog Georg besaß ein starkes persönliches Interesse an Fragen der Frömmigkeit und der Kirche. Er zeigte sich dabei offen für die Forderungen nach neuen, stärker verinnerlichten Formen der Frömmigkeit und für die Kirchenreformdiskussion seiner Zeit. Als besondere persönliche Einflüsse lassen sich die frühe geistliche Karriere des Fürsten, seine geistliche Bildung und seine profunden Bibelkenntnisse benennen, die ihm in den Fragen der Kirchenreform eine hohe persönliche Kompetenz verliehen. 3) Die albertinische Kirchenpolitik entstand im Dresdner Hofrat, dem zentralen Entscheidungsorgan der herzoglichen Regierung. Als Entscheidungsträger treten überwiegend jene Personen in Erscheinung, die auch sonst in der landesherrlichen Administration den Ton angaben, also in erster Linie niederadlige Räte und die Kanzler, zu denen Georg erst im Kirchenrecht geschulte Geistliche und später römisch-rechtlich gebildete Bürger ernannte. Theologen und Kanonisten hatten lediglich beratenden Anteil an ihrer Gestaltung. 4) Die führende Rolle weltlicher Funktionsträger prägte Geist und Gestalt der Kirchenpolitik. Symptomatisch war die Dominanz adliger Funktionseliten als Entscheidungs- wie als Handlungsträger. Sie führte dazu, daß den Protagonisten die weltliche Rechts- und Herrschaftspraxis oft weitaus vertrauter war als 171 So forderte Herzog Georg vom Sangerhäuser Rat die Sammlung von Klagen gegen die geistliche Gerichtsbarkeit in der Diözese Halberstadt, die ihm als Material für geplante Verhandlungen mit Bischof und Domkapitel dienen sollten. Vgl. Brief Herzog Georgs an den Stadtrat zu Sangerhausen, Dresden, 18. Dezember 1500, Cop. 106, Bl. 164a. 172 Siehe S. 507 f., 543–549 (Leipzig), 528–537 (Langensalza).

III. Herzog Georg als Kirchenpolitiker

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die Feinheiten des Kirchenrechts. In vielen Bereichen wurde die landesherrliche Kirchenpolitik durch die Übernahme von weltlichen Herrschaftstechniken geprägt. Dies gilt für Maßnahmen wie die Temporaliensperre oder den Einsatz von Schiedskommissionen, zeigt sich aber auch im Rückgriff auf die weltliche Lokalverwaltung für die Exekution der Kirchenpolitik. 5) Die exekutive Umsetzung der Kirchenpolitik griff auf die funktionierenden Strukturen der Landesherrschaft vor Ort zurück, derer personeller Ressourcen, Kommunikationswege und Herrschaftsinstrumente sie sich bediente. Hierin unterscheidet sich das vorreformatorische Kirchenregiment grundsätzlich von jenem der Reformation, das mit Konsistorien und Visitationskommissionen neue Strukturen auf baute. Dabei kam den Amtleuten eine zentrale Rolle zu. Aus dem funktionierenden Zusammenspiel von Zentrale und Peripherie bezog das Kirchenregiment Georgs seine Stärke. Information der Zentrale, Exekution ihrer Entscheidungen, eigenständiges Agieren in lokalen Konfl ikten entsprechend der landesherrlichen Leitlinien – dies alles leisteten die Handlungsträger vor Ort. 6) Da die Kirchenpolitik Herzog Georgs von den weltlichen Funktionseliten der Landesherrschaft gestaltet wurde, erscheint sie in ihrer Genese wie in ihrer Umsetzung als die Übertragung weltlicher Politik auf den Raum der Kirche. In ihren Inhalten aber wurde sie von den Idealen und Konzepten der geistlichen Kirchenreformdiskussion geprägt, an der namentlich der Fürst selbst größtes Interesse zeigte.

IV. Papsttum und Konzil 1. Romfernes Sachsen? Bedingungen sächsischer Kurienpolitik um 1500 Bevor die Kirchenpolitik Herzog Georgs gegenüber dem Papsttum untersucht werden kann, sind zunächst ihre Voraussetzungen zu klären: Wie gestaltete sich in den Jahrzehnten um 1500 der Kontakt zwischen den wettinischen Landen und Rom als dem Zentrum der westlichen Christenheit? Welche Kontaktzonen gab es, welche Personengruppen und welche Themen bestimmten die Interaktion? Und weiterführend, abstrahierend: Sind diese Kontakte intensiv zu nennen, waren sie Ausdruck einer wechselseitigen Abhängigkeit, oder blieben sie eher sporadisch, gar zufällig? Diese Fragen für die Jahre um 1500 zu stellen, heißt, einen besonders signifi kanten Zeitraum zu wählen. Schließlich markiert er die Situation der Kirche beim Auftreten Luthers und berührt damit eine der zentralen Fragen der Reformationsforschung: War eine Krise der Kirche Ursache der Kirchenspaltung? Fraglos ist es besonders interessant, dieses Problem für Sachsen zu erörtern, dem Ursprungsland der Reformation. Dennoch ist in der Sächsischen Landesgeschichte die Frage nach den vorreformatorischen Beziehungen Sachsens zur Kurie bislang nicht beantwortet worden.1 Für eine erste Annäherung muß deshalb auf die breitere Forschung zurückgegriffen werden. In der deutschen Reformationsgeschichtsschreibung wurde das Verhältnis des Reiches zum Papsttum traditionell als eng, aber einseitig beschrieben: Während die Deutschen an der italianisierten Kurie kaum Einfluß gehabt hätten, hätte diese das schwach regierte Reich durch Ablässe und Annaten ausgebeutet wie kein anderes Land. Diese Sicht stützt sich auf eine der bekanntesten Quellen jener Epoche, die Gravamina der deutschen Nation. In jüngster Zeit aber ist dieses Bild durch die Arbeiten von Erich Meuthen und Götz-Rüdiger Tewes maßgeblich revidiert worden.2 Zu Recht verweisen sie auf den propagandistisch-überspitzenden, stereotypen Charakter der Gravamina und relativieren den Bedeutung des Geldabflusses nach Rom durch Vergleichszahlen aus anderen europäischen Ländern. Dies ist sehr aufschlußreich, 1 Dabei ist gerade aus der Perspektive der Kurienforschung zuletzt wiederholt auf die Aussagekraft vatikanischer Quellen für die Landesgeschichte hingewiesen worden. Vgl. Schwarz, Nutzen; Bünz, Thüringen und Rom; Brosius. 2 Vgl. Meuthen, Reiche; Tewes, Kurie und Länder. Für eine ähnliche Einschätzung aus englischer Perspektive vgl. Thomson.

IV. Papsttum und Konzil

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übersteigen doch gerade die Zahlungen aus dem angeblich gallikanisch-freien Frankreich die deutschen Werte um ein Vielfaches. Auch ein anderes Gravamen, die Vereinnahmung deutscher Pfründen durch ausländische Kurialen, erweist sich bei genauerer Betrachtung als überzeichneter Topos.3 Die Auflösung des Widerspruchs zwischen Wahrnehmung und Realität und damit den Grund des deutschen Unbehangens fi ndet Tewes in der fortschreitenden gegenseitigen Entfremdung beider Pole. Während die Franzosen enge Kontakte zur Kurie unterhielten und durch politische Partizipation und wertvolle Gegenleistungen für ihre Zahlungen entschädigt worden, standen die Deutschen abseits und fühlten sich, wenn auch sie zahlen mußten, ausgebeutet. Eine zunehmende Distanz, die auf verschiedenen Ebenen zum Ausdruck kam, bestimmte also nach dieser Lesart das wechselseitige Verhältnis: die Deutschen blieben der Kurie fern und kamen den päpstlichen Wünschen ungern entgegen. Für die Päpste der Renaissance wiederum, deren politisches Interesse sich auf die italienische Halbinsel und die dort aktiven ausländischen Mächte konzentrierte, wurde das Reich zunehmend zur Terra incognita. So gehörten insbesondere die nördlichen und östlichen Gebiete des Reiches aus römischer Sicht zu einer Peripherie, von der aus es andererseits – dies wird namentlich für Sachsen angenommen – »kaum noch Kurienkontakte gab«.4 Dennoch, wenngleich sich die Kurienbeziehungen des Reiches gegenüber Süd- und Westeuropa auf einem niedrigen Niveau befanden, bestand zwischen dem vorreformatorischen Deutschland und Rom als dem Haupt der Kirche noch immer ein vielfältiges Beziehungsnetz. In den letzten Jahren sind diese Kontakte und ihre Trägergruppen speziell für das 15. Jahrhundert recht intensiv erforscht worden, wobei sich vor allem die kontinuierliche Erweiterung der Quellenbasis durch das Voranschreiten des Repertorium Germanicum als Schrittmacher der Forschung erwiesen hat. So wissen wir heute viel besser Bescheid etwa über den römischen Pfründenmarkt und seine Attraktivität, aber auch seine Probleme für deutsche Kleriker und haben ein recht klares Bild von der Tätigkeit, der Herkunft, den Einflußmöglichkeiten und den Lebensbedingungen deutscher Kurialen in Rom.5 Auf dieser Grundlage lassen sich auch für die wettinischen Lande Rombeziehungen rekonstruieren. Als erste und wichtigste Kontaktebene ist die Nachfrage nach päpstlichen Gnadenerweisen zu nennen. Hier vermögen die Lateranregister detaillierte 3 Zur gleichen Einschätzung gelangte am Beispiel Brandenburg schon Priebatsch, Bd. 19, 428. 4 Tewes, Kurie und Länder, 357. Vgl. auch Meuthen, Reiche; Brosius; Schwarz, Nutzen. 5 Vgl. Frenz; Herde; Maas; Meuthen, Auskünfte; Meyer, Pfründenmarkt; Schuchard, Deutsche I; Schuchard, Deutsche II; Schuchard, Karrieren; Schwarz, Schreiberkollegien; Schwarz, Klerikerkarrieren; Schwarz, Pfründenmarkt; Sohn; mit mitteldeutschem Bezug: Gramsch, 389–424.

114 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) Auskünfte zu geben. Als Bullenausgangsregister der päpstlichen Kanzlei enthalten sie Gratialbriefe, mit denen der Papst geistliche Privilegien verlieh, Ablässe und Dispensen gewährte oder Provisionen und Expektanzen auf geistliche Pfründen erteilte. Solche Gnadenakte deuten aber stets auf eine Initiative aus der Region hin, denn sie kamen nur zustande, wenn ein Bittsteller in einer Supplik um sie nachsuchte und den aufwendigen Prozeß der Urkundenausfertigung vor Ort in Rom begleitete und bezahlte.6 Damit ist eine erste Kontaktebene benannt. Als administratives Zentrum der Kirche wurde Rom, dies belegen die Quellen, auch von Sachsen aus in Anspruch genommen. Für die Regierungszeit Georgs des Bärtigen lassen sich allein in den Lateranregistern insgesamt 171 Bullen auffi nden, die die Diözesen Meißen und Merseburg und damit den Kernraum des albertinischen Sachsens betreffen. Dies ist wohlgemerkt nur die Überlieferung einer kurialen Behörde, der Kanzlei. Dabei wird sofort ein bemerkenswerter Befund deutlich: 164 von 171 Einträgen stammen aus den drei Jahrzehnten zwischen 1488 und 1521, wobei ein leichter Rückgang innerhalb des Zeitraums festzustellen ist. Ein völliger Wandel aber tritt mit dem Beginn der Reformationszeit ein. Nur noch 7 Einträge sind für die zwei Jahrzehnte von 1521 bis 1539 nachweisbar. Obwohl das albertinische Sachsen bekanntlich bis 1539 altgläubig blieb, hörte also die Nachfrage nach päpstlichen Gnaden aus dieser Region mit dem Beginn der Reformation praktisch auf.7 Unvermittelt wird hier in der päpstlichen Überlieferung der Klimawandel der Reformation spürbar, die massive Erschütterung der päpstlichen Autorität. Doch nicht nur der sächsische Klerus, auch die Laien fi nden sich unter den Bittstellern um päpstliche Gnaden. So war der wettinische Dienstadel ein Stammkunde der päpstlichen Pönitentiarie, jener Behörde, an der Dispensen von kirchenrechtlichen Normverstößen zu erlangen waren. Denn für viele Eheschließungen unter den eng versippten Schleinitz, Pflug oder Carlowitz wa6

Vgl. Frenz, 53–180. – Zur Bedeutung des römischen Pfründenmarktes für Mitteldeutschland vgl. Gramsch, 389–424; Willich; Schwarz, Nutzen, 202–222; zukünftig auch Cottin, Merseburger Domkapitel. 7 Vgl. A. S. V., Indices, No. 337–344, 346–363, 368 ( jeweils Rubrik »M«) – Ausgewertet wurden die im 18. Jahrhundert angelegten Indices zu den Lateranregistern, die in Bezug auf die Zahl der Einträge weitaus vollständiger sind als die heutige Überlieferung der originalen Registerbände, da von diesen ca. 25% im Zusammenhang mit der Verbringung des Vatikanischen Archivs nach Paris unter Napoleon verloren gingen. Zur Auswertungsmethode und zur Belastbarkeit der Daten vgl. Tewes, Kurie und Länder, 6–13. – Die Auswertung erfaßte alle Einträge zu den Diözesen Meißen und Merseburg im Regierungszeitraum Herzog Georgs 1488–1539. Zur besseren Vergleichbarkeit ist die Anzahl der Pontifi katsjahre angegeben. Dabei ergibt sich der folgende Befund: Innozenz VIII. ([1484]1488–1492): 4 Jahre, 16 Einträge; Alexander VI. (1492–1503): 12 Jahre, 63 Einträge; Pius III. (1503): 1 Jahr, 0 Einträge; Julius II. (1503–1513): 10 Jahre, 49 Einträge; Leo X. (1513–1521): 9 Jahre, 36 Einträge; Hadrian VI. (1522/23): 2 Jahre, 1 Eintrag; Clemens VII. (1523–1534): 11 Jahre, 3 Einträge; Paul III. (1534–1539[1549]): 6 Jahre, 3 Einträge.

IV. Papsttum und Konzil

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ren solche Ausnahmegenehmigungen von Nöten, weil innerhalb des 3. oder 4. Blutverwandtschaftsgrades geheiratet werden sollte. Allein im Sommerhalbjahr 1521 wurden solche Genehmigungen an drei sächsische Adelspaare und ein bürgerliches Paar aus der Diözese Meißen erteilt.8 Nicht weniger betrafen die strengen römischen Normen den eng verschwägerten Hochadel. Herzog Georg mußte für seine eigene Eheschließung mit der polnischen Prinzessin Barbara 1496 ebenso wie für die Verbindung seines Sohnes Johann mit Elisabeth von Hessen römische Dispens in Anspruch nehmen.9 Eine andere Kontaktebene stellten Prozesse vor der Rota, dem päpstlichen Gerichtshof, dar.10 Dort klagten Sachsen in Pfründensachen oder mußten sich gegen fremde Ansprüche verteidigen, so beispielsweise der Meißner Domherr Dr. Thamo Löser. Dieser wurde 1497 im Berufungsverfahren vor der Rota als Archidiakon der Niederlausitz bestätigt, nachdem ihm diese Würde zuvor vor dem selben Gericht durch den Breslauer Domkustos Eitelwolf vom Stein streitig gemacht worden war. Der Breslauer resignierte darauf hin seine Ansprüche in die Hände des Papstes, von dem sich Löser dann nochmals mit der Pfründe providieren ließ.11 Fern abseits juristischer Konfl ikte war eine dritte Form des Romkontakts angesiedelt, die Pilgerfahrt. Zusammen mit Jerusalem und dem spanischen Santiago de Compostela gehörte Rom zu den großen Fernwallfahrtszielen der Christenheit, deren Besuch den Gläubigen umfassende Ablaßgnaden in Aussicht stellte. Besonders viele Sachsen kamen 1480 nach Rom, als Kurfürst Ernst mit großem Gefolge an den Tiber zog. Herzog Albrecht, Georgs Vater, hatte schon 1476 die Ewige Stadt auf der Rückreise vom Heiligen Land besucht.12 1517 wallfahrten die albertinischen Amtleute Andreas Pflug und Christoph von

8 Vgl. A. S. V., Penitenzieria Apostolica, Reg. Matrim. et Div. 67 [1521/22]. Dort fi nden sich Einträge über Ehedispensen für Georg von Schleinitz und Anna »Bomulrius [?]«, 5. April 1521, ebd., Bl. 9a ; Simon Reinhart und Gertrud Berger »Misnen.[sis] dioc.[esis]«, 8. April 1521, ebd., Bl. 10b ; Georg von Carlowitz und Anna Pflug, 25. Mai 1521, ebd., Bl. 29b ; Heinrich von Wolffersdorf und Barbara von Schleinitz, 12. Oktober 1521, ebd., Bl. 72b. – Zur Behörde der Pönitentiarie, dem Quellenbestand und seiner derzeit bis ins Jahr 1471 reichenden systematischen Erschließung vgl. Schmugge. 9 Vgl. Bulle Papst Alexanders für Herzog Georg von Sachsen, Rom, 22. April 1496, O. U., Nr. 9145. Vgl. auch Schirmer, Hochzeit, 186 f. Zur 1514 gewährten Ehedispens für Herzog Johann vgl. Werl, Elisabeth, 55. 10 Zur Rolle von Deutschen an der Rota vgl. Schuchard, Deutsche I, 39; Gramsch, 403–408. 11 Vgl. Bulle Papst Alexanders VI. an den Propst von St. Afra zu Meißen, den Dompropst zu Naumburg und den Offi zial zu Meißen, Rom, 30. September 1497, A. S. V., Reg. Lat. 1023, Bl. 272a–273b. 12 Vgl. Thurnhofer, Romreise; Bünz/Volkmar, Albertinische Herzöge. Zu den Pilgerfahrten der Wettiner siehe auch S. 84.

116 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) Polenz in die Stadt.13 Luther war also beileibe nicht der einzige Sachse, der Rom auf einer Reise kennenlernte.14 Von vielen deutschen Pilgerreisen wissen wir heute, weil ihre Teilnehmer sich in das Bruderschaftsbuch des in der Nähe der Piazza Navona gelegenen deutschen Hospitals Santa Maria dell’Anima eintragen ließen. Dies verweist schließlich auf eine vierte Kontaktebene, die Gemeinschaft der in Rom lebenden Deutschen. Ihre Kolonie war seit der Beendigung des Schismas eine feste Größe in der Stadt, sie wurde geprägt von Klerikern und Handwerkern. So lassen sich während des 14jährigen Pontifi kats Martins V. (1417–1431) 975 deutsche Kurialen und für die sechsjährige Regierung Pius II. (1458–1464) sogar 764 Personen nachweisen. Unter den 683 Personen, die in den Jahren 1514– 1516 zur Familia Papst Leos X. gehörten und damit den Kern des Hofstaates bildeten, waren etwa zehn Prozent (72) Deutsche.15 Unter den Angehörigen der italienisch dominierten Kurie stellten die Deutschen damit eine der kleineren nationalen Gruppen, dennoch gab es in fast jeder kurialen Behörde deutsche Amtsträger, zumeist auf der unteren und mittleren Ebene. Zu ihnen gehörte auch manch sächsischer Geistlicher, der hier im folgenden begegnen wird.16 Die Beziehungen zwischen Sachsen und Rom am Ausgang des Spätmittelalters bedürfen dringend weiterer Erforschung. Bislang ist erkennbar, daß es auch für eine Region, die aus römischer Perspektive zur Peripherie geworden war, auf verschiedenen Ebenen mehr als nur sporadische Kontakte zum Papsttum gab, vor allem durch die fortwährende Nachfrage nach kurialen Gnaden. Auf der Basis vorläufiger Befunde, etwa der Auswertung der Lateranregister, wird man von einer Rombeziehung Sachsens sprechen dürfen, die unmittelbar vor der Reformation auf niedrigem Niveau existent und funktionsfähig war. Vor diesem Hintergrund kann nun die Kurienpolitik Herzog Georgs untersucht werden. Die Aufmerksamkeit soll dabei nicht nur auf ihre Inhalte, Ziele und Ergebnisse, sondern schwerpunktmäßig auch auf die praktische und die prosopographische Dimension der Kurienkontakte gelenkt werden. Denn dieser in der Forschung zur landesherrlichen Kirchenpolitik bislang kaum beachtete Aspekt verspricht wertvolle Einsichten in die Bedingungen und Erfolgsaussichten der fürstlichen Interessenpolitik.17 Profitieren kann die Untersuchung dabei von der zuletzt intensiven Forschung über Deutsche an der spätmittelal13 Zusammen mit einem Peter von Bernstein suchten sie dabei Nikolaus von Hermsdorff, den Prokurator Herzog Georgs, auf. Vgl. Brief Dr. Nikolaus von Hermsdorffs an Herzog Georg, Rom, 30. April 1517, Gess, Ablaß, 553. 14 Zu Luthers Romreise vgl. Brecht, Bd. 1, 105–109. 15 Für die Zusammenstellung der Zahlenangaben vgl. Schuchard, Deutsche II, 81–88. 16 Siehe die Literatur in Anm. 5. Das Bruderschaftsbuch der Anima liegt in zwei älteren Editionen vor. Vgl. Egidi; Jaenig. Zur Quelle und zu den Problemen der älteren Editionen vgl. Schuchard, Deutsche I, 326–329. 17 Lediglich die Arbeiten von Helmut Rankl und Sabine Weiss haben der landesherrlichen Kurienpolitik in den letzten Jahrzehnten größere Aufmerksamkeit geschenkt. Dabei benutzt

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terlichen Kurie und von einer verhältnismäßig guten Quellenlage, wobei hier insbesondere die systematische Zusammenschau von kurialer und landesherrlicher Überlieferung zu neuen Erkenntnissen führt.

2. Prokuratoren und Suppliken: Die praktische Gestaltung der Kurienpolitik Anders als sein Vater Albrecht oder sein Onkel Ernst war Herzog Georg selbst nie in Rom. Zeitlebens blieb seine Vorstellung über den »hofe zu Rome«, seine Behörden und sein Personal schemenhaft.18 Eine direkte Kommunikation mit dem Papst war ihm nur über Briefe bzw. Breven möglich. Die erhaltenen Zeugnisse dieser Korrespondenz konzentrieren sich inhaltlich auf einige wenige große Themen der europäischen Politik, zu nennen sind die Konzilsfrage und die Luthersache.19 Entsprechend der geringen Bedeutung Sachsens im politischen Interessenfeld des Papsttums blieb diese Form der Kommunikation jedoch sporadisch. Die mannigfaltigen Verbindungen von Papsttum und territorialer Kirchenpolitik sind andernorts zu suchen, sie fi nden ihren Ausdruck zuvorderst im Bemühen des Landesherrn um Privilegien und andere päpstliche Gnadenerweise. Freilich galt selbst ein Herzog von Sachsen, wenn er sich mit solchen Anliegen an die Kurie wandte, als ein Bittsteller unter vielen. Es wäre daher irreführend, im Zusammenhang mit den Kurienkontakten Herzog Georgs – zumal bei den dominierenden Gratialsachen – von Diplomatie zu sprechen, denn dies waren nicht die politischen Beziehungen zwischen gleichrangigen Mächten. Vielmehr prägte eine deutlich ungleiche Kommunikationssituation die Kontakte zwischen Dresden und Rom: Der dilectus filius Georg bat den Heiligen Vater um Gnadenerweise – und mußte dabei den Behördenweg nehmen. Im Kontakt zwischen Herzog Georg und dem Papsttum kam daher den landesherrlichen Prokuratoren an der Kurie eine Schlüsselrolle zu. Sie waren Übermittler und gleichzeitig Lobbyisten für die Anliegen des Landesherrn, zudem und in zweiter Linie Informanten, die die »nawen zceytungen« vom Papsthof nach Dresden meldeten.20 Freilich blieb es auch ihnen in der Regel versagt, direkt mit dem Rankl jedoch keine römischen Quellen und der Ansatz von Weiß ist etwas anders gelagert, weil sie ein geistliches Fürstentum behandelt. Vgl. Rankl; Weiss. 18 Für den Terminus »hofe zu Rome« vgl. z. B. Brief Herzog Georgs an Christoph von Laß, Dresden, 30. August 1512, Cop. 116, Bl. 266a. – So bekannte Georg im Falle des Rotaprozesses um das Meißner Dekanat (siehe S. 216 f.), seine Unkenntnis über die personelle Zusammensetzung des Kardinalskollegiums und darüber, welcher Kardinal als Fürsprecher anzugehen wäre. Vgl. Brief Herzog Georg an Dr. Johannes Hennig, Dresden, 7. November 1506, Loc. 8987/37, Bl. 21a–24a. 19 Siehe S. 158–162, 468–471. 20 Vgl. Sohn, 96 f. – Regelmäßige Rapporte über die politischen Vorgänge an der Kurie lieferte z. B. 1516/17 Nikolaus von Hermsdorff in seinen Berichten. Vgl. Gess, Ablaß. Das

118 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) Papst in Kontakt zu treten. Ihre Ansprechpartner waren vielmehr die kurialen Amtsträger und Behörden, ihr Kommunikationsmedium die Supplik. Der Papst und seine Kurie war stets der zentrale Ansprechpartner Herzog Georgs in Rom. Nur selten trat er darüber hinaus mit den Kardinälen in Verbindung. Dies betraf zumeist Angelegenheiten, in denen die Kardinäle im Konsistorium ein Mitspracherecht besaßen, wie bei Bischofs- und Abtsbestätigungen oder bei der Kanonisation Bennos von Meißen, die von einer Kardinalskommission vorbereitet wurde.21 Die Praxis großer europäischer Mächte, die eigenen Interessen durch einen Prokurator im Kardinalsrang wahrnehmen zu lassen, konnte sich Herzog Georg nicht zu eigen machen. Hier machte sich die Kurienferne des Reiches bemerkbar. Gerade der oft mit den Päpsten zerstrittene König Maximilian I. verfügte kaum über Einfluß in Rom, seine Verbindungen zur Kurie hat Herzog Georg denn auch nur einmal und überdies erfolglos bemüht.22 Nur kurzzeitig gab es in den 1480/90er Jahren mit Francesco Todeschini-Piccolomini (1439–1503), dem späteren Papst Pius III., einen Kardinalsprotektor der deutschen Nation im Konsistorium. In ihm fand auch Herzog Georg für wenige Jahre einen Ansprechpartner.23 Unter den Prokuratoren, die für Georg tätig wurden, trug Melchior von Meckau den roten Hut. 1535 erlangte auch Nikolaus von Schönberg das Kardinalsamt. Er verfügte bereits seit 1517 als enger Vertrauter der Medicipäpste Leo X. und Clemens VII. über beträchtlichen Einfluß, prägte etwa die Politik Leos X. gegenüber Kurfürst Friedrich den Weisen bei der Kaiserwahl und in der Luthersache entscheidend mit.24

Zitat: Brief Dr. Nikolaus von Hermsdorffs an Obermarschall Heinrich von Schleinitz, Rom, 21. August 1516, ebd., 535–539. 21 Vgl. Volkmar, Heiligenerhebung Bennos, 69–100. 22 Vgl. Tewes, Kurie und Länder, 309–313; Thomson, 212; aus der reichspolitischen Perspektive Rabe, 177–193. – Der einzige Versuch Georgs, Maximilians Kurienkontakte zu bemühen, betraf den Annaberger Jubelablaß. Siehe S. 143. – Erfolgreicher gestaltete sich die Zusammenarbeit mit Karl V. in der Bennosache, dieser stellte Georg – vielleicht auf Vermittlung Jakob Fuggers – die Dienste seines einflußreichen Orators Wilhelm von Enckenvoirt zur Verfügung und unterstützte das Vorhaben durch Bittschreiben. Vgl. Volkmar, Heiligenerhebung Bennos, 79–81, 94–96; Tewes, Luthergegner, 340–342. 23 Zum Kardinalprotektorat vgl. Schuchard, Deutsche I, 202 f.; Strnad, Frühzeit; An Piccolomini, nach seinem Bischofsamt in Siena der Cardinal Senensis genannt, wandte sich Herzog Georg in zwei Fällen 1494 und 1495 (siehe Anm. 41 und 182; vgl. Eubel, Bd. 2, 13, 235). 1498 war einer der drei Briefe, in denen Abt Martin von Altzelle im Auftrag Georgs um die Kanonisation Bennos von Meißen bat, an ihn gerichtet. Zu korrigieren ist die Edition der Briefe von Carl Friedrich Seyffarth und davon abhängig Volkmar, Heiligenerhebung Bennos, 69 f. Seyffarth liest irrtümlich »Cardinalem Senem« (Seyffarth, 79) und spricht deshalb von einem Ältesten (senex) der Kardinäle als Adressat. 24 Nach dem kaiserlichen Gesandten in Rom, Don Juan Manuel, gehörte Schönberg 1520 zu den drei engsten Ratgebern des Papstes in politischen Angelegenheiten. Vgl. Kalkoff, Prozeß, 382–414.

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Lediglich punktuell von Bedeutung war eine letzte Kontaktmöglichkeit zur Kurie, die sich aus dem Aufenthalt eines Legatus a latere im Reich ergab. Wenn sich eine solche Gelegenheit bot, war Georg der erste, der den einfachen (und kostengünstigen) Zugang zu päpstlichen Gnaden nutzte.25 Dies zeigt das Beispiel der Deutschlandreise des Kardinalslegaten Raimund Peraudi 1501–1504. Im Oktober 1500 wurde Peraudi vom Papst zum Prediger des Jubelablasses im Reich bestellt und mit einem Auftrag zur Ordensreform versehen. Doch der Empfang, der dem Legaten im Reich bereitet wurde, war ausgesprochen frostig. Aufgrund politischer Spannungen mit Alexander VI. verweigerte ihm König Maximilian mehrere Monate lang den Einlaß ins Reich und auch das Nürnberger Reichsregiment, für das Kurfürst Friedrich der Weise als Statthalter sprach, lehnte die Mission mit Hinweis auf die fi nanzielle Ausbeutung des Reiches ab.26 Anders hingegen Herzog Georg, für den Peraudi schon als Mitglied der Kanonisationskommission Bennos von Meißen ein wichtiger Ansprechpartner sein mußte. Sobald er von Peraudis Mission erfuhr, fertigte er mehrere Prokuratoren an den Legaten ab, obwohl dieser das Reich noch gar nicht betreten hatte. Als Kontaktmann bemühte er insbesondere seinen Prokurator Dr. Günther von Bünau zu Schkölen, der als Ablaßkommissar auch ein Mitarbeiter Peraudis war.27 Im November 1501 erteilte Peraudi in Brixen, vermutlich auf Betreiben des von Georg entsandten Meißner Domherrn Dr. Johannes Hennig, zwei Privilegien für die Meißner Kirche, darunter einen Ablaß für den Besuch des Bennoheiltums.28 Schließlich besuchte der Kardinal zur Jahreswende 1502/03 Leipzig und Meißen und verhandelte dabei persönlich mit Georg über dessen kirchenpolitische Reformanliegen.29 Doch blieb dies Episode. Für die

25 Interessant waren Legaten für Bittsteller, weil sie das Recht besaßen, anstelle des Papstes Suppliken zu signieren und damit bestimmte Gesuche in seinem Namen zu gewähren. Vgl. Schmitz-Kallenberg, XVII–XIX. 26 Vgl. Schmid, Peraudi, 67–70. 27 Am 1. Januar 1501 entsandte Herzog Georg Lic. iur. Paul Brachtbeck, im Februar korrespondierte er mit Bünau über geeignete Prokuratoren. Vgl. ABKG, Bd. 1, LXXV, Anm. 1. Erst im April durfte Peraudi seinen Ablaß in den Erblanden, nach dem 11. September auch im Reich verkünden, doch blieb er bis zum Jahresende südlich der Alpen, war am 13. Oktober in Trient, am 11. November in Brixen. Vgl. Schmid, Peraudi, 73–82. 28 Hennig wurde am 11. Oktober 1501 mit seiner Prokuration beauftragt. Am 11. November stellte Peraudi einen 100-Tage-Ablaß (das Kardinalsquantum) für das Bennoheiltum aus und erteilte aus seiner päpstlichen Vollmacht heraus dem Meißner Bischof Johann VI. den Befehl, die neuen Statuten des Meißner Domkapitels zu bestätigen. Beide Anliegen entsprachen den kirchenpolitischen Zielen Georgs und des von ihm protegierten Meißner Kapitels und deuten auf Hennig als Prokurator. Vgl. Brief Herzog Georgs an Dr. Johannes Hennig, 11. Oktober 1501, ABKG, Bd. 1, LXXV, Anm. 1; Urkunden des Kardinallegaten Raimund Peraudi, Brixen, 11. November 1501, CDS, II, Bd. 3, 315 f. 29 Nachdem Bünau seit dem Frühjahr 1502 den Jubelablaß im albertinischen Sachsen gepredigt hatte, kam Peraudi am 31. Dezember 1502 nach Leipzig, am 10. Januar 1503 erreich-

120 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) regelmäßigen Kurienkontakte verließ sich Georg ganz auf seine Prokuratoren in Rom. a) Die Prokuratoren Herzog Georgs Procuratores in curia wurden im Zuge der fortschreitenden Ausdifferenzierung der päpstlichen Verwaltung im Spätmittelalter zu einem unverzichtbaren Bindeglied zwischen den Bittstellern in partibus und der Kurie. Denn wer mit einem Anliegen beim Papst vordringen wollte, benötigte ihr Spezialwissen um den kurialen Geschäftsgang. Wurden doch Suppliken, die in ihrem Formular nicht exakt den Kanzleiregeln entsprachen, von der Kurie gar nicht erst entgegengenommen! Zudem konnte der Petent durch die Einsetzung eines Prokurators die kosten- und zeitintensive Reise nach Rom vermeiden, was um so mehr ins Gewicht fiel, als der langwierige Bearbeitungsprozeß einer Supplik durch die kurialen Behörden fortwährender Begleitung durch den Auftraggeber bedurfte. Da an der Kurie prinzipiell nichts qua Amt geschah, sondern jeder Schritt des Geschäftsganges durch den Petenten bzw. seinen Prokurator initiiert (Impetration) und durch Spesenzahlungen vorangetrieben werden mußte, hatten die Prokuratoren unverzichtbaren Anteil am Funktionieren des Geschäftsganges.30 Neben der Betreuung von Suppliken gehörten aber auch die Prozeßvertretung vor der Rota oder die Abwicklung von Zahlungsverpfl ichtungen mit der apostolischen Kammer zum typischen Aufgabenfeld von Prokuratoren.31 Die massenhafte Inanspruchnahme der päpstlichen Gnadeninstanz im Spätmittelalter bot zahlreichen Berufsprokuratoren ein Auskommen. Der jährliche Supplikeneingang am Ende des Spätmittelalters ist auf 14.000–23.000 hochgerechnet worden, wobei der Löwenanteil auf Pfründenanliegen von Klerikern entfällt, aber auch Bischöfe und Kapitel, Städte und Universitäten, Fürsten und einfache Laien als Petenten vertreten sind.32 Juristisch gebildete Kleriker aus allen Teilen Europas ließen sich als Berufsprokuratoren dauerhaft in Rom nieder und wurden dort zum weiteren Kreis des kurialen Personenverbandes gerechnet. Für den Zeitraum 1431 bis 1474 sind allein 236 deutsche Prokuratoren identifiziert worden. Dabei ist eine Spezialisierung weniger auf eine bestimmte Region als auf bestimmte Sachverhalte oder Behörden festzustellen, die Prokuratoren an der Rota und der Pönitentiarie wurden vom Papst sogar nach dem Muster der kurialen Behörden in Kollegien institutionalisiert. 1482 wurde zudem das 100 käufl iche Stellen umfassende Kollegium der sollicitatores litterarum te er Meißen, am 18. war er in Wittenberg. Vgl. ABKG, Bd. 1, XXXIII mit Anm. 1; LXXIV mit Anm. 2; Volkmar, Heiligenerhebung Bennos, 73 f. 30 Vgl. Sohn, 96 f. Zu dieser Eigenheit des kurialen Geschäftsganges vgl. ausführlich Pitz. 31 Vgl. Schuchard, Deutsche I, 67–70, 191–204; Sohn, 61–127. 32 Vgl. Frenz, 80–90.

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apostolicarum geschaffen, das für alle durch Kanzlei und Kammer expedierten Urkunden zuständig war. Für ihre Einkünfte wurde eine weitere Urkundentaxe fällig, selbst wenn der Petent ihre Dienste gar nicht in Anspruch nahm, was dem Kolleg den wenig schmeichelhaften Beinamen ianicerii ( Janitscharen) eintrug.33 Aber auch viele Amtsträger der Kurie bis hinauf zu den Kardinälen nahmen nebenberufl ich Prokurationen an und konnten diese entsprechend ihrer Stellung oft besonders effizient wahrnehmen. Grundsätzlich konnte aber jedermann, der eine Vollmacht besaß, vor der Kurie als Prokurator auftreten, nur vor Rota und Pönitentiarie war eine besondere Zulassung erforderlich.34 Im Zuge der recht intensiven Erforschung des deutschen Klerus an der spätmittelalterlichen Kurie ist in jüngerer Zeit auch den Prokuratoren Aufmerksamkeit geschenkt worden. Aus vatikanischen Quellen haben Christiane Schuchard und Andreas Sohn ihre Einbindung in die Kurie, ihre Alltags- und Sozialgeschichte, aber auch Klerikernetzwerke, Karrierewege und »kollektive Biographien« analysiert,35 wobei der zeitliche Schwerpunkt sicherlich nicht zufällig auf dem späten 14. und der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts liegt.36 Aus dem Kontext der vorliegenden Studie eröffnet sich hingegen die Möglichkeit eines landesgeschichtlichen Zugangs, der die römische Überlieferung mit den in partibus vorhandenen Quellen verknüpft. Nicht aus der breiten, aber auch schwer überschaubaren römischen Gesamtsicht, sondern aus der Perspektive eines einzelnen, freilich politisch gewichtigen Auftraggebers sollen die römischen Prokuratoren in den Blick genommen werden. Insgesamt 24 Personen waren zwischen 1496 und 1526 nachweislich für Herzog Georg in Rom als Prokuratoren tätig. Während von einigen kaum mehr als der Name bekannt ist, läßt sich von anderen ein recht detailliertes Bild zeichnen. Im folgenden sollen aber nicht die Einzelpersonen, sondern das sie verbindende Element der Prokuratorentätigkeit im Mittelpunkt stehen. Über die vergleichende Analyse als Personengruppe wird sich zeigen, ob von einem Typus des landesherrlichen Prokurators gesprochen werden kann und inwieweit ihr Einsatz Rückschlüsse auf die Kirchenpolitik Herzog Georgs zuläßt. Die geistlichen und weltlichen Fürsten des Reiches bedienten sich im 15. Jahrhundert ebenso der Prokuratoren wie viele einfache Petenten. Zwar bezeichnen sich ihre Vertreter zuweilen als orator (Gesandter), doch waren »die Begriffe des Kurienprokurators und des Gesandten noch auswechselbar«.37 Im 33

Vgl. Frenz, 212 f.; Schuchard/Schulz, 34–36. Vgl. Sohn, 61–127; Schuchard, Deutsche I, 67–70, 191–204; Schuchard/Schulz, 32–36, am Beispiel des Lübecker Klerikers Thomas Giese. 35 Vgl. Schuchard, Deutsche I, 191–204; Sohn. Zum Konzept der kollektiven Biographie vgl. Sohn, 245–259. 36 Für diesen Zeitraum liegt das Repertorium Germanicum bereits vor. Siehe S. 43, Anm. 98. 37 Schuchard, Deutsche I, 193. 34

122 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) Laufe des 15. Jahrhunderts gingen zuerst die geistlichen, in geringerer Zahl aber auch die großen weltlichen Landesherren dazu über, zumindest zeitweise eigene Vertreter an der Kurie zu unterhalten.38 So ist etwa für das Jahr 1473 ein Prokurator Herzog Wilhelms III. von Sachsen nachweisbar: Hermann von Beichlingen (um 1442–1498), ein unehelicher Sohn aus dem Geschlechte der Grafen von Beichlingen, hatte in Perugia studiert und war Subdiakon am Stift St. Severin in Erfurt. Als »orator domini Wilhelmi ducis Saxonie« fi ndet er sich unter den 81 deutschen Unterzeichnern einer Supplik, die um die Freilassung des deutschen Klerikers Johannes Ditmar aus päpstlicher Haft bat.39 Von den Zeitgenossen Herzog Georgs bediente sich Kurfürst Friedrich der Weise ebenso römischer Prokuratoren wie etwa Bischof Johann VI. von Meißen oder Bischof Thilo von Merseburg, zum Teil waren es sogar dieselben Personen, die auch für den albertinischen Landesherrn tätig wurden.40 Schon früh sah Herzog Georg die Notwendigkeit einer aktiven Vertretung seiner Interessen in Rom. Bereits in den Jahren seiner Regentschaft für den Vater unterhielt er zeitweise einen orator am päpstlichen Hof. Schon 1494 hatte er den sächsischen Kleriker Günther von Bünau (zu Schkölen?), der als Protonotar an der Kurie tätig war, mit einer Prokuration beauftragt.41 Als erster eigens nach Rom entsandter Vertreter Herzog Georgs wird der Naumburger Kanoniker Lukas Henil greif bar, der sich am 2. Februar 1496 in die Bruderschaft des deutschen Hospitals S. Maria dell’Anima zu Rom aufnehmen ließ. Henils 38 Vgl. Schuchard, Deutsche I, 198–201. Schon früher galt dies für die Generalprokuratoren der Orden, besonders gut erforscht ist hier der Deutsche Orden. Vgl. Beuttel; Forstreuter/Koeppen. 39 Supplik von 81 deutschen Kurialen an Papst, Rom, 24. November 1473, Schwarz, Sixtus IV., 379–383. Zur Person vgl. ebd., 388. 40 Als Prokuratoren der Ernestiner treten u. a. Ulrich Sack, Georg Pusch und Valentin von Tetleben in Erscheinung, letzterer war 1513–1523 auch kurmainzischer Prokurator und seit 1516 für Herzog Georg tätig. Vgl. Bericht Dr. Günther von Bünaus zu Schkölen an Herzog Georg [1505/06], ABKG, Bd. 1, LXIII, Anm. 1 und LXIV f.; Kalkoff, Ablaß, 25–36; Aschoff. – Bischof Johann VI. ernannte Jakob Gertewitz zu seinem Prokurator auf dem 5. Laterankonzil. Siehe S. 158–162. – Bischof Thilo von Trotha ließ am 24. Januar 1505 durch Antonius Nikolaus Sculteti seine Visitatio ad limina (apostolorum) durchführen und konnte so den Papst »besuchen«, ohne die Saalestadt verlassen zu müssen. Vgl. A. S. V., Cam. Ap., Div. Cam., Bd. 57, Bl. 114a. Diese virtuelle Form des Rombesuchs war eine weitere Einnahmequelle für die Kurie. Vgl. Sohn, 96 f. 41 Gegenstand war die Bestätigung des neugewählten Abtes Georg (II.) von Pegau (1495– 1504), die dieser am 1. Februar 1495 vom Papst erhielt. Vgl. Briefe Herzog Georgs an Papst Alexander VI., an Kardinal Francesco Todeschini-Piccolomini und an Günther von Bünau, 30. November 1494, Cop. 105, Bl. 51a ; zur Person vgl. Vogtherr/Ludwig, 20. – Da im Kopial nur von »ern Gunther von Bunau« die Rede ist, aber zwei Prokuratoren dieses Namens existieren, ist die Zuordnung zu Günther von Bünau zu Schkölen eine Vermutung. Sie stützt sich auf zwei Indizien: Der Schkölener war 1493 nachweislich an der Kurie tätig, während der Elsterberger am 29. März 1494 und wieder am 25. März 1497 in Merseburg urkundlich ist. Außerdem stand der Schkölener insgesamt wesentlich enger mit Herzog Georg in Verbindung. Vgl. Volkmar, Kurienprokuratoren.

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Selbstbezeichnung als »illustris principis d.[omini] Georgii Saxonie etc. ducis orator« unterstreicht, daß der junge Regent bereits vor dem Tode seines Vaters Albrecht die albertinische Kirchenpolitik nicht nur eigenständig gestaltete, sondern auch unter eigenem Namen nach außen vertrat.42 Aus dem wenigen, was über den ersten Gesandten Herzog Georgs und seine Tätigkeit in Rom bekannt ist, werden bereits einige Züge deutlich, die für die sächsischen Prokuratoren der Folgezeit als typisch gelten können. So war Lukas Henil wie fast alle seine Nachfolger ein Weltgeistlicher und durch seine mitteldeutsche Herkunft (er stammte aus Dresden und studierte in Leipzig) mit der wettinischen Landesherrschaft vertraut. Wie viele von ihnen besaß er ein Kanonikat an einem sächsischen Domstift, in seinem Falle neben einer Kanonikerstelle am Naumburger Dom auch noch das Dekanat am dortigen Marienstift sowie eine Vikarie in Meißen. Für die Tätigkeit als Anwalt des Landesherrn an der Kurie qualifizierte ihn ein juristischer Universitätsabschluß. Neben dem Magister in artibus hatte Henil auch den Grad eines Lizentiaten des Kanonischen Rechts erworben.43 Nur für einen Teil der Kurienanwälte Herzog Georgs hingegen – ich nenne sie die »gesandten Prokuratoren« – kann das Muster des Romaufenthaltes Henils als repräsentativ gelten: Mit einer konkreten Mission betraut, reiste er von Sachsen nach Rom und blieb dort nur so lange, bis sein Auftrag erfüllt war. So hielt er sich in den ersten Monaten des Jahres 1496 an der Kurie auf und kehrte nach Sachsen zurück, bevor er am 5. August 1497 erneut nach Rom entsandt wurde, wo er im Oktober 1497 nachweisbar ist.44 Während der Inhalt seiner ersten Prokuration unbekannt bleibt, war Henil beim zweiten Mal in wichtiger Mission unterwegs. Im Namen des Meißner Domkapitels, von dem er auch 100 Rh.fl. Entlohnung erhielt, bemühte er sich (vergeblich) um die Eröffnung eines Kanonisationsprozesses für Benno von Meißen – eine Angelegenheit, die in den nächsten Jahrzehnten zu einem Hauptanliegen der Kurienpolitik Herzog Georg werden sollte.45

42 »A.[nno] D.[omini] 1496, 2. Februarii, die videlicet purificat.[io] b.[eatae] Marie virg.[inis], receptus est in confratrem hospitalis dominus Lucas Hennel, canonicus Numburgensis et B.[eatae] Marie etiam Numburgensis ecclesiarum canonicus ac dicte ecclesie B.[eatae] Marie Numburgensis decanus nec non in ecclesia cathedrali Misnensi vicarius regalis, licenciatus in decretis, magister in artibus ac illustris principis d.[omini] Georgii Saxonie etc. ducis orator [. . .]«, Jaenig, 90; ebenso: Egidi, 48, dort statt »canonicus Numburgensis« »maioribus Numburgensis«. 43 Vgl. ebd; Mötsch, 14, Anm. 83. 44 Belege für den ersten Romaufenthalt sind der Eintrag im Bruderschaftsbuch der Anima vom 2. Februar 1496 (siehe Anm. 42) und die (durch Inserat bekannte) Bulle Papst Alexanders VI. vom 1. März 1496 (siehe Anm. 47). Belege für den zweiten Romaufenthalt sind der Auftrag des Meißner Domkapitels vom 5. August 1497 (siehe Anm. 45) und die Bulle Papst Alexanders VI. vom 14. Oktober 1497 (siehe Anm. 47). 45 Vgl. Machatschek, 566; Langer, 105. – Zum Hintergrund vgl. Volkmar, Heiligenerhebung Bennos, 69–100.

124 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) Schließlich tat Henil, was wohl für alle Prokuratoren als typisch zu gelten hat: 46 er nutzte seinen Romaufenthalt zu seinem eigenen Vorteil, was bei einem Kleriker des späten Mittelalters vor allem hieß: zum Pfründenerwerb. Bei seinem ersten Rombesuch in Diensten des Herzogs besorgte sich Henil eine Provision auf die Dekanswürde und eine Präbende am Domstift zu Merseburg samt einer Inkompatibilitätsdispens für das Naumburger Kanonikat, das er bereits besaß.47 Doch gelang es ihm nicht, diesen Anspruch vor Ort in Merseburg auch durchzusetzen. Deshalb nutzte er seinen zweiten Romaufenthalt, um die wertlos gewordene Provision wenigstens in eine Expektanz auf eine Pfründe am Erfurter Marienstift umzuwandeln.48 Die entsprechende Bulle verrät zudem, daß Henil sich erfolgreich um päpstliche Ehrentitel bemüht hatte. Als Familiar (familiaris) und ständiger Tischgenosse (continuus commensalis) des Papstes wurde er in den päpstlichen Hofstaat aufgenommen, was den weiteren Pfründenerwerb über den kurialen Pfründenschalter enorm erleichterte.49 Gleichzeitig wurde er damit – wie schon zuvor durch den Eintritt in die deutsche Animabruderschaft – stärker in den kurialen Personenverband integriert, eine entscheidende Erfolgsbedingung für seine Tätigkeit als Prokurator. Schließlich – und auch dies ist typisch – machte seine Kurienerfahrung Henil für andere Auftraggeber attraktiv. 1507 reiste er in Diensten der Grafen von Henneberg nach Rom, um dort unter anderem ein Privileg für die bekannte Marienwallfahrt nach Grimmenthal zu erwerben.50

46 Einen instruktiven Einblick in die Möglichkeiten, Mühen und Grenzen des Pfründenerwerbs an der Kurie gibt das Tagebuch des Kurialen Thomas Giese aus Lübeck. Vgl. Schuchard/Schulz, 55–81. 47 Der Rechtsinhalt der Bulle vom 1. März 1496 ist inseriert in der Bulle Papst Alexanders VI. für Lucas Henil, Rom, 14. Oktober 1497, A. S. V., Reg. Lat. 980, Bl. 64a–66a, hier Bl. 64, beginnend mit den Worten: »Dudum si q.[ui]de.[m] sub dat.[um] v.[idelicet] k.[a]l. Martii pon.[tifica]tus sui n.[ost]ri anno quarto [. . .]«. 48 Vgl. ebd. 49 »Alexander etc. Dilecte fi lio Luce Henel cl.[er]ico Misnen.[sis] dioc.[esis], mag.[ist]ro in artib.[us], fami.[lia]ri n.[ost]ro salut.[em]. [. . .] ac te q.[ui] et.[iam] co.[n]tinuus co.[m]men.[sa]lis n.[oste]r et in decretis licentiatus existis«. Ebd., Bl. 64. – Zum Familiarenstatus vgl. Schuchard, Deutsche I, 128–131; Schuchard, Deutsche II, 87. 50 Vgl. Mötsch, 14.

Herkunftsdiözese [-gebiet] M. A. Dr. decr.

Bildung

Dekan zu Naumburg, Domherr zu Magdeburg und Merseburg, Protonotar, Familiar, Kubikular, continuus commensalis; päpstlicher Kollektor, Subkommissar Kardinal Peraudis für Ablässe in Sachsen 1489/90 (?) und 1502/03

wichtigste Benefizien, Ämter und Würden zum Zeitpunkt der Prokuratur

Gegenstände der Prokuratur

Bestätigung des neugewählten Abts Georg (II.) von Pegau; Kommission an einige Bischöfe, gegen die Stadt Groningen zu handeln; Geistlicher Prozeß gegen Dr. Johannes Pfennig, Pfarrer zu St. Annaberg; Versicherung des »geburlichen und cristlichen gehorsam«52 Herzog Georgs gegenüber dem neugewählten Papst Julius II.; Heiligsprechung Bennos von Meißen; Präsentationsrechte Herzog Georgs für die Kanonikate zu Meißen; Privilegien für Annaberg; Bestätigung des Privilegium de non evocandis subditis; politische Unterstützung für Herzog Friedrich d.Ä., Hochmeister des Deutschen Ordens; Indult für den Handel mit Böhmen

Zeitraum der Prokuratur 1494[?], [vor 1500], 1501, 1504, September 1505, Herbst

52

Für Quellennachweise und biographische Skizzen der genannten Personen vgl. Volkmar, Kurienprokuratoren. Brief Herzog Georgs an Kardinal Melchior von Meckau, Dresden [vor 7. November 1506], Loc. 8987/37, Bl. 25a–26b, hier 25b. Herzog Georg beschreibt hier die Mission Bü naus, der »als itziger unser heiligster vater der babst zw seinem bebstlichen stule erwelet, [. . .] als unsern oratore zu seiner heiligkeit« geschickt worden war.

51

Bünau zu Naumburg Schkölen, Günther von (um 1457/58– 1519)

Name, Lebensdaten

Tabelle: Die Kurienprokuratoren Herzog Georgs in chronologischer Reihung, 1494–152651 52

b) Kuriale Prokuratoren und gesandte Prokuratoren

IV. Papsttum und Konzil

125

Meißen

Włocławek (Leslau)

Meißen

Bamberg

Halberstadt

Henil, Lukas

Sculteti (Schulz), Bernhard († 30. Juli 1518)

Groß, Donat (1463/64–1535)

Morung, Dietrich

Witzleben, Dietrich von (um 1465–1532)

Dr. utr. iur.

Dr. (decr.)

Dr. utr. iur.

Dr. decr.

M. A., Lic. in decr.

Laie; Rat der Herzöge Albrecht und Georg, Richter am Oberhofgericht zu Leipzig

sollicitator litterarum apostolicarum, Domherr zu St. Stefan zu Bamberg

Domherr zu Freiberg, Naumburg, Merseburg und Meißen, Familiar des Kardinalsnepoten Giovanni Borgia († 1503)

Notar der Rota, päpstlicher Protonotar, Skriptor, Kubikular, Akolyth und Kaplan, Provisor der Anima

Domherr zu Naumburg; Dekan zu St. Marien in Naumburg

1503, November

1501, Januar

1501; Herbst 1505–1506

1501; 1506/07; 1509; 1516– 1517

1496, Februar/ März; 1497, August/Oktober

Angelegenheiten Herzog Georgs und Herzog Georgs von Bayern-Landshut

Angelegenheiten Herzog Georgs und Herzog Friedrichs d.Ä.

Angelegenheiten Herzog Georgs und Herzog Friedrichs d.Ä.; Heiligsprechung Bennos von Meißen

Angelegenheiten Herzog Georgs und Herzog Friedrichs d.Ä.; Heiligsprechung Bennos von Meißen; Präsentationsrechte Herzog Georgs für die Kanonikate zu Meißen; Auf hebung des Interdikts gegen Stadt und Kloster Chemnitz; Rechtsstreit Herzog Georgs mit dem Bistum Lüttich; Jubel ablaß für Annaberg; Rückzahlung der Annaten für die Koadjutorie Magdeburg

Heiligsprechung Bennos von Meißen

126 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521)

Dr. utr. iur.

Domherr zu Naumburg; Propst zu Kolberg

1509, August

Merseburg

1506/07

Kitzscher, Johannes von

päpstlicher Kubikular; apostolischer Protonotar; Kurienprokurator; Propst zu St. Georg in Köln

Sekretär Herzog Georgs

1506/07; 1509, März-1510, Mai; 1523, Januar-Juni

1508, November

Dr. decr.

Lic. in decr., Bacc. theol.

Domherr zu Meißen; Bischof von Meißen

[1476], 1506; 1508, Oktober

[Nieder rhein]

Konstanz

Emser, Hieronymus (1478–1527)

Universitätsbesuch

Bischof von Brixen, Kardinal, Propst zu Meißen, apostolischer Skriptor, Provisor der Anima

1505, 14. Dezember-1506, 28. August

1505, 14. Dezember-1506, 28. August

Potken, Johannes († nach 7. August 1524)

Meißen

Schleinitz, Johannes von († 1537)

Universitätsbesuch

Laie; Rat Herzog Georgs

Dekan zu Magdeburg, Bischof von Samland, päpstlicher Familiar und continuus commensalis

1508, Oktober; 1509, August

Meißen

Meckau, Melchior von (um 1440– 1509)

Dr. decr.

Schütze, Johannes

Meißen

Schönberg zu Reinsberg, Hans von († 1537)

Naumburg Bünau zu Elsterberg, OT, Günther von (um 1450– 1518)

Auf hebung des Interdikts gegen Stadt und Kloster Chemnitz

Jubelablaß für Annaberg

Präsentationsrechte Herzog Georgs für die Kanonikate zu Meißen; Aufhebung des Interdikts gegen Stadt und Kloster Chemnitz

Heiligsprechung Bennos von Meißen

Heiligsprechung Bennos von Meißen; Privilegien Herzog Georgs zur Reform des Weltklerus

Präsentationsrechte Herzog Georgs für die Kanonikate zu Meißen; römischer Prozeß um die Besetzung des Dekanats zu Meißen

Konfi rmation Herzog Friedrichs d.Ä. als Koadjutor von Magdeburg

Konfi rmation Herzog Friedrichs d.Ä. als Koadjutor von Magdeburg

IV. Papsttum und Konzil

127

Gaëta

Meißen

Meißen

Hildesheim

Vio, genannt Cajetan, Thomas de, OP (1469–1534)

Schönberg, Nikolaus von, OP (1472–1537)

Hermsdorff, genannt Kißling, Nikolaus von († 1524)

Tetleben, Valentin von (1488/89– 1551)

Dr. utr. iur.

Dr. utr. iur.

Dr. utr. iur.; Prof. theol.

Mag. theol.

Domherr zu Hildesheim, Prokurator Kardinal Albrechts von Mainz und Kurfürst Friedrichs des Weisen

Generalprokurator der Dominikaner an der Kurie, Erzbischof von Capua, Kardinal

Ordensgeneral der Dominikaner

1516, August; 1521, AprilDezember

1515, August; 1516, August1517, September

1513–1516; 1524; 1526; 1536

1513 (–1517)

Patronat der Pfarre Tennstedt; Heiligsprechung Bennos von Meißen

Inkorporation der Wallfahrtskapelle zum Queckborn in die Pfarre Dresden; Jubelablaß und andere Privilegien für Annaberg; Patronat der Pfarre Tennstedt; Rechtsstreit Herzog Georgs mit dem Bistum Lüttich; Rückzahlung der Annaten für die Koadjutorie Magdeburg

Heiligsprechung Bennos von Meißen; Vertretung Herzog Georgs auf dem 5. Laterankonzil; Übertragung der Koadjutorie Magdeburg auf Herzog Friedrich d.J.; Rückzahlung der Annaten für die Koadjutorie Magdeburg; Inkorporation der Wallfahrtskapelle zum Queckborn in die Pfarre Dresden; Jubelablaß und andere Privilegien für Annaberg; Provision des Julius Pflug zum Domherrn von Merseburg; Präsentationsrechte für die Kanonikate zu Merseburg

Vertretung Herzog Georgs auf dem 5. Laterankonzil

128 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521)

Meißen

Meißen

Gertewitz, Jakob

Hennig, Johannes († 1527)

Dr. theol.

M. A., Lic. in decr.

1517, Juli-Oktober

1517, Februar

1516, August1517, September

Domdekan zu Meißen

öffentlicher Notar an der Kurie, Domherr zu Bautzen

1519, Dezember –1521, Frühjahr

1517, November; 1519, März –1520

Inhaber zahlreicher 1519–1523 Kurien ämter, päpstlicher Datar, Provisor der Anima, Orator Kaiser Karls V.

Lüttich

Enckenvoirt, Wilhelm von (1464– 1534)

Lic. in decr.

apostolischer Skriptor, päpstlicher Familiar, Kubikular und continuus commensalis

Universitätsbesuch

Meißen

Notar der Rota, Familiar und Notar Papst Leos X., Propst zu St. Egidien in Breslau, Domherr zu Wurzen, Prokurator Kurfürst Friedrichs des Weisen und des Deutschen Ordens

Miltitz, Karl von († 1529)

Dr. iur.

Sekretär des Kardinals und Vizekanzlers Giulio de Medici

Meißen

N. N., Sekretär des Giulio de Medici

Pusch (Busch de Hainis, Posch, Posth), Georg (1470?-1528)

Heiligsprechung Bennos von Meißen

Heiligsprechung Bennos von Meißen; Abrechnung des römischen Anteils am Annaberger Ablaßgeld; Präsentationsrechte Herzog Georgs für die Kanonikate zu Meißen; Privilegien für Annaberg; Prozeß um einen Altar zu Seelitz

Heiligsprechung Bennos von Meißen

Jubelablaß und andere Privilegien für Annaberg; Rückzahlung der Annaten für die Koadjutorie Magdeburg

Jubelablaß und andere Privilegien für Annaberg

Jubelablaß und andere Privilegien für Annaberg; Rückzahlung der Annaten für die Koadjutorie Magdeburg

IV. Papsttum und Konzil

129

130 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) Bei der Betrachtung der in der Tabelle nachgewiesenen römischen Prokuratoren Herzog Georgs wird schnell deutlich, daß es sich um eine heterogene Gruppe handelt, oder genauer gesagt, daß die Personen zwei verschiedenen Personenkreisen zugeordnet werden können. Als Unterscheidungskriterium ist dabei die Präsenz an der Kurie in den Vordergrund zu rücken. Von diesem Kriterium ausgehend können zwei Prokuratorengruppen unterschieden werden, von denen im folgenden der erste Typ als »kurialer Prokurator«, der zweite Typ als »gesandter Prokurator« bezeichnet werden soll.53 Beide sind selbstredend als Idealtypen zu verstehen; in der historischen Wirklichkeit vermischten sie sich mitunter.54 Der erste Prokuratorentyp würde sich danach über eine kontinuierliche Präsenz in Rom defi nieren, seine Vertreter waren selbst Mitglieder der Kurie im engeren bzw. weiteren Sinne. Er entspricht damit jenem Prokuratorenprofi l, das in der Forschung bislang vorrangig Aufmerksamkeit gefunden hat. Doch trifft dieses Schema im Falle Herzog Georgs nur auf einen Teil der Personen zu. Denn eine zweite Gruppe ist gekennzeichnet durch einen nur kurzzeitigen, auf die Belange einer konkreten Prokuration zugeschnittenen Aufenthalt in der Ewigen Stadt. Ihre Vertreter sind zumeist Weltgeistliche, die nicht nur im unmittelbaren Herrschaftsbereich des Fürsten bepfründet waren, sondern auch als – oft führende – Angehörige des lokalen Klerus anzusehen sind. Die Zugehörigkeit der gesandten Prokuratoren zur geistlichen Klientel des Landesherrn kann, wie sich zeigen wird, als weiteres Unterscheidungskriterium dienen. Als Grenzfälle erscheinen zwei Beispiele, in denen weltliche Räte des Landesherrn nach Rom entsandt wurden, einer von ihnen ein Bologneser Doktor beider Rechte.55 Schon früh setzte Herzog Georg beide Prokuratorentypen parallel ein. In einem Schreiben vom 26. Januar 1501 warb er drei neue Vertreter an: Nachdem »voriger unnser bestalter procurator unnd sollicitator, so wir inn Römischen hofe gehabt, zum teil abgestanden, eins teils derselbigen sich von Roma gewandt« bot er in gleichlautenden Briefen Dr. Donat Groß, Dr. Dietrich Morung und Dr. Bernhard Sculteti an, »zu solchem ampt inn unsern sachenn, wes sich der unnserhalben inn bebstlichem hofe zuhandeln furfallen werden, vonn unser unnd des hochwirdigen hochgebornen fursten unnsers [. . .] bruders hern Friederichs, Teußsch ordens in Prewssen hochmeister [. . .] wegen« bestallt zu werden.56 Morung und Sculteti sind dabei als Vertreter des ersten Prokuratorentyps 53 Auch Christiane Schuchard hat speziell für die kaiserlichen und die landesherrlichen Prokuratoren eine inhaltlich ähnliche Unterscheidung zwischen »Vertretern« und »Gesandten« vorgeschlagen, die gesandten Prokuratoren jedoch im weiteren aus ihrer Untersuchung ausgeklammert. Vgl. Schuchard, Deutsche I, 198–201; zu Deutschen als Kurialen und Kurienbesucher vgl. auch Gramsch, 394–424. 54 So erscheint Günther von Bünau zu Schkölen 1494 als kurialer Prokurator, 1504/05 hingegen als Gesandter, dessen Aufenthalt in Rom Herzog Georg fi nanziert. 55 Dr. Dietrich von Witzleben. Vgl. Schirmer, Herrschaftspraxis, 378. 56 Briefe Herzog Georgs an Dr. Donat Groß, Dr. Dietrich Morung und Dr. Bernhard

IV. Papsttum und Konzil

131

anzusehen. Während Dietrich Morung in den sächsischen Quellen sonst nicht mehr erwähnt wird, war Bernhard Sculteti bis zu seinem Tode im Jahre 1518 immer wieder für Herzog Georg tätig. Im übrigen ist das oben zitierte Schreiben wohl so zu deuten, daß Herzog Georg bereits zuvor mehrere – namentlich nicht bekannte – kuriale Prokuratoren in Rom unterhalten hatte, die inzwischen die Vertretung aufgekündigt bzw. Rom verlassen hatten. Sculteti (Schulz), der aus dem pommerschen Lauenburg im Bistum Włocławek (Leslau) an der Weichsel stammte, kann als illustratives Beispiel für den Typus des kurialen Prokurators gelten. Der Doktor des kanonischen Rechts hatte sich seit 1482 dauerhaft in Rom niedergelassen und als Kurienbeamter mittleren Ranges etabliert, seine wichtigste Position war diejenige eines Notars an der Rota, die er 1493–1514 innehatte. Seit 1514/15 war er apostolischer Skriptor und Inhaber mehrerer päpstlicher Ehrenämter (Kubikular, Akolyth und Kaplan). Eine Schlüsselrolle besetzte Sculteti, der wie viele seiner Landsleute im Stadtviertel Parione nahe der Piazza Navona lebte, innerhalb der deutschen Klerikergemeinschaft in Rom. In den Jahren 1503–1507 und 1516–1518 stand er als Provisor der Animabruderschaft vor; bei seinem Tode konnte er ihr ein Vermögen von mehr als 2000 duc. hinterlassen. Mehrere Pfründen bzw. Pfründenansprüche, die über einen großen geographischen Raum im Norden und Osten des Reiches verteilt waren, fi nanzierten Scultetis Existenz: die Propstei zu Walbeck, das Dekanat zu Ermland und zu Stettin, ein Kanonikat in Lübeck, das Offi zialat in Roskilde, eine Pfarrei in Danzig und als erste nachweisbare Pfründe eine Vikarie in Magdeburg.57 Fast zwei Jahrzehnte war Sculteti der feste Ansprechpartner Herzog Georgs in Rom, der in sämtliche Anliegen des Albertiners eingebunden war. Der Fürst ordnete ihm sogar gesandte Prokuratoren als Mitarbeiter zu, wie im Jahre 1509 den späteren Meißner Bischof Johannes von Schleinitz.58 Schließlich kam Sculteti im wichtigsten Vorhaben Georgs, der Heiligsprechung Bennos, zeitweilig eine Scharnierfunktion zwischen Landesherrn und Kurie zu. Denn die Kardinäle der Kanonisationskom-

Sculteti in Rom, Dresden, 26. Januar 1501, Cop. 106, Bl. 185a, ediert: Gess, Ablaß, 543, Anm. 1. 57 Vgl. Frenz, 306 (Nr. 440); Hoberg, 200–202; Schuchard/Schulz, 26, Anm. 131; Tewes, Kurie und Länder, 102; Schulte, Bd. 1, passim; wichtigste Quellen: Eintrag ins Bruderschaftsbuch der Anima, 3. Mai 1491, Jaenig, 87; ebenso: Egidi, 46; Eintrag zum Tode ebd., 30. Juli 1518, Jaenig, 254; Urkunde Bernhard Scultetis zugunsten der Anima, Rom, 29. Juli 1518, Nagl, 29. 58 »Unnd so ir, als wir wol bedennken, mit anndern henndeln beladen, die euch hierinn vorhinderlich gesein mochten, habenn wir dem wirdigen unserm lieben andechtigenn ern Johannsenn vonn Sleinitz thumhern zu Meyssen bevolhenn, uff ewer angeben unnd bevell in der sachenn zu solitieren. Der sich euch derhalben angeben werdet, des moege ir, wie es euch also gefellig, darzugeprauchen.« Brief Herzog Georgs an Dr. Bernhard Sculteti, Dresden, 19. März 1509, Cop. 112, Bl. 269b.

132 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) mission bestimmten ihn 1514 zum kurialen Koordinator des Kanonisationsprozesses.59 Der im selben Brief Herzog Georgs erwähnte Dr. Donat Groß (1463/64– 1535) kann wiederum – wie schon Lucas Henil – als Beispiel für den Typus des gesandten Prokurators herangezogen werden. Der studierte Patriziersohn aus der Bergstadt Freiberg schlug den Karriereweg eines sächsischen Domherrn ein. 1497 wird er erstmals als Kanoniker am Marienstift seiner Heimatstadt erwähnt, 1501 ist er Domherr zu Naumburg, bald darauf auch zu Merseburg und spätestens 1514 zu Meißen. Seine Dienste für Herzog Georg sicherten ihm das Wohlwollen des Landesherrn. Zumindest im Falle des Meißner Kanonikates ist dieser Zusammenhang eindeutig, da die Besetzungsrechte des Meißner Kapitels vollständig in der Hand des Herzogs lagen. In dessen Auftrag wurde der Doktor beider Rechte 1505/06 erneut als Prokurator tätig, er übernahm damals in einer kritischen Situation die Angelegenheit der Heiligsprechung Bennos von dem in Ungnade gefallenen Günther von Bünau zu Schkölen. Bei diesem Romaufenthalt ließ sich der »dominorum Saxonie ducum sollicitator« am 27. Oktober 1505 in das Bruderschaftsbuch der Anima eintragen, übrigens durch Bernhard Sculteti. Wie vor ihm Henil, gelang auch Groß der Eintritt in den kurialen Personenverband. Vermutlich bei seinem Romaufenthalt 1501/02 wurde er Familiar des Kardinals Giovanni Borgia.60 In der Folgezeit war Groß als geistlicher Rat Herzog Georgs mit den unterschiedlichsten Bereichen der Kirchenpolitik befaßt. 1516 visitierte er das Kloster Pforte und verhandelte mit dem thüringischen Pfarrklerus über Abwehrmaßnahmen gegen die Subsidienforderungen des Mainzer Erzbischofs.61 Doch das Wissen, welches sich Groß durch seine Prokuratorentätigkeit erworben hatte, machte ihn auch späterhin zu einem wichtigen Ratgeber des Landesherrn in römischen Angelegenheiten. So ließ Herzog Georg Suppliken durch Groß gegenlesen, bevor sie dem Papst unterbreitet wurden.62 Schließlich war Groß in Sachen Benno auch für die Kardinalskommission und für Kurfürst Friedrich den Weisen als Prokurator tätig.63 Das Beispiel des Donat Groß macht deutlich, 59 Vgl. Volkmar, Heiligenerhebung Bennos, 77. Die Ernennungsurkunde der Kardinäle umschreibt Scultetis Aufgabe mit den Worten »Bernardum Sculteti [. . .] sindicum et procuratorem ad dirigendum et promovendum hoc canonisationis negocium specialiter per nos deputatum«. Urkunde der Kardinäle Francesco de Soderno, Antonius del Monte und Alessandro Farnese, Rom, 10. Juni 1514, Diplomatarien und Abschriften, A 55, Bl. 156b –161a, hier Bl. 157 b. 60 Vgl. Volkmar, Kurienprokuratoren. 61 Zur Visitation des Klosters Pforte am 16. Oktober 1516 vgl. ABKG, Bd. 1, XLI, Anm. 1; Zum Subsidienstreit vgl. Brief des Dr. Donat Groß an Herzog Georg, Naumburg, 28. April 1516, ABKG, Bd. 1, LXXXV, Anm. 2. 62 Vgl. Brief des Dr. Donat Groß an Kanzler Dr. Johann Kochel, Naumburg, 25. Oktober 1516, Gess, Ablaß, 543; Brief Herzog Georgs an Dr. Donat Groß, Dresden, 16. Januar [1519], ABKG, Bd. 1, 57 f. 63 Vgl. Volkmar, Heiligenerhebung Bennos, 90 mit Anm. 337 und 340.

IV. Papsttum und Konzil

133

daß es sich bei den gesandten Prokuratoren nicht nur um einfache Sendboten, sondern um politisch erfahrene Räte handelte. Bei näherer Betrachtung des sozialen Status der kurialen Prokuratoren ist auffällig, daß sie alle Inhaber eines Kurienamtes sind. Damit heben sie sich sozial deutlich von den vielen einfachen Prokuratoren unter den curiam sequentes ab. Der Landesherr war also in der Lage, für die Vertretung seiner Anliegen Personen aus dem Inneren des päpstlichen Verwaltungsapparats zu gewinnen.64 Seine Kontakte blieben allerdings, und dies war typisch für den Einfluß deutscher Fürsten in Rom, in der Regel auf die mittlere Hierarchieebene beschränkt.65 Dies wurde auch dadurch bedingt, daß sich Georg in seiner Personalwahl auch bei Landesfremden auf die Deutschen beschränkte, diese jedoch wiederum nur äußerst selten Spitzenämter an der Kurie bekleideten. c) Verflechtungen und Loyalitäten: Die transalpinen Netzwerke der Prokuratoren Die Betrachtung der Prokuratoren Herzog Georgs als Gruppe legt nahe, neben der Verbindung zwischen Prokurator und Auftraggeber auch nach möglichen Querverbindungen zwischen den Geistlichen zu suchen. Die neuere Forschung hat für solche Fragestellungen die Methode der prosopographischen Netzwerkanalyse entwickelt, deren Reiz vor allem im Aufzeigen verborgener struktureller Zusammenhänge besteht.66 Durch den Perspektivenwechsel auf die Seite der Prokuratoren kann nicht zuletzt eine Überbetonung der herrschaftlichen Perspektive vermieden werden. Kontakte zwischen einzelnen Prokuratoren gab es schon in Verbindung mit den landesherrlichen Aufträgen immer wieder. Manche Vorhaben, wie die kirchlichen Privilegien für Annaberg, ließen sich nur in ausgesprochener Teamarbeit bewältigen.67 Doch auch außerhalb ihrer Prokuratorentätigkeit standen die hier untersuchten Geistlichen miteinander in Kontakt. Es lassen sich regelrechte transalpine Netzwerke rekonstruieren, die den römischen und den lokalkirchlichen Personenkreis gewissermaßen parallel zur Ebene der fürstlichen Kuriendiplomatie verbanden. Neben der landesherrlichen Kuriendiplomatie gab es also alternative Kommunikationslinien zwischen Sachsen und Rom, die zum Teil über ein und dieselben Personen liefen. Ein solches sächsisch-römisches Klerikernetzwerk läßt sich anhand von päpstlichen Provisionen für Merseburger Pfründen rekonstruieren, die in den Lateranregistern überliefert sind. Die vornehmste Merseburger Pfründe, die Würde 64 Dies deckt sich mit den Beobachtungen von Christiane Schuchard zu landesherrlichen Prokuratoren im frühen 15. Jahrhundert. Vgl. Schuchard, Deutsche I, 201. 65 Vgl. ebd.; Tewes, Kurie und Länder, 237 f. (mit direktem Bezug auf Herzog Georg). 66 Vgl. Reinhard, Freunde; Schwarz, Patronage; Gramsch sowie die Beträge in Maczak; als beispielhafte Studie zum engeren Thema vgl. Tewes, Luthergegner. 67 Siehe S. 142–149.

134 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) des Propstes im Domkapitel, war um das Jahr 1500 Objekt intensiver Tauschgeschäfte. 1493 erwarb Günther von Bünau zu Elsterberg die Propstei Merseburg nebst einem Kanonikat am Domstift durch päpstliche Provision. Dabei trat der wohl einflußreichste deutsche Kuriale seiner Zeit, der Schleswiger Bischof Eggert Dürkop († 1499), als Fürsprecher auf.68 Dürkop förderte im übrigen nicht nur Bünau, sondern stand auch mit einem anderen Deutschen in Rom, dem Rotanotar Bernhard Sculteti, in Verbindung.69 Gegen eine jährliche Pension von 30 fl. trat Bünau zu Elsterberg die Merseburger Propstei 1499 an seinen Namensvetter Günther von Bünau zu Schkölen ab.70 Dies geschah auf dem üblichen Weg der Resignation der Propstei in die Hände des Papstes, der darauf hin den avisierten Nachfolger mit der Würde providierte.71 Da Bünau zu Elsterberg selbst nicht mehr in Rom lebte, bediente er sich für den Akt der resignatio in manibus papae eines Prokurators, und zwar Bernhard Scultetis.72 1502 resignierte auch Bünau zu Schkölen die Propstei, die nun in die Hände von Dr. Sigismund Pflug überging. Auch der Schkölener, dessen römische Verbindungen noch anzusprechen sein werden, bediente sich für die Resignation eines Prokurators, in diesem Falle war es Donat Groß, über dessen Romaufenthalt im

68 Vgl. Bulle Papst Alexanders VI. für Günther von Bünau [zu Elsterberg], Rom, 22. Juni 1493, A. S. V., Reg. Lat. 939, Bl. 57a–58b. – Der Hildesheimer Dr. decr. Eggert Dürkop, als päpstlicher Kandidat Bischof von Schleswig (1489–1499), war der einzige Deutsche, der in der Vorreformation das hohe Amt eines Auditors der Rota bekleidete. Zu seiner Person vgl. Schuchard, Karrieren, 67, Anm. 98. 69 Beim Tode Dürkops trat Sculteti in dessen Rechte an einer Major-Präbende und der Würde eines Thesaurars am Lübecker Domstift ein. Vgl. Genehmigte Supplik Dr. Bernhard Scultetis vom 15./19. November 1502, Acta Pontificum Danica, Bd. 5, 364 (Nr. 3903); Schuchard/Schulz, 26, Anm. 131. 70 Die Bulle Papst Alexanders VI. über diese Pension vom 19. Februar 1499 ist als Transsumpt in einem päpstlichen Urkundenpaar (Bulle und executoriale) überliefert, das auf den 26. November 1503 datiert ist. Bünau ließ sich darin die Pension von Julius II. bestätigen und zudem ein Exekutionsmandat an den Dekan zu Magdeburg, den Kantor zu Naumburg und den Offi zial zu Merseburg ausstellen. Leider bleibt unklar, wann dies geschah, denn es handelt sich um eine Bulle nach dem Incipitformular Rationi congruit. Dieses fand bei Gnadenerweisen Anwendung, die kurz vor dem Tod eines Papstes gewährt, dann aber erst von dessen Nachfolger ausgestellt und dabei schematisch auf den Krönungstag des neuen Papstes [hier eben den 26. November 1503] datiert wurden. Auch fehlt ein Vermerk über die Komputation der Kanzleitaxe, der einen alternativen Datierungsansatz bieten würde (vgl. Frenz, 111). Möglicherweise erfolgte die Ausstellung erst im Zusammenhang mit der Bestätigung Bünaus als Bischof von Samland, darauf könnte zumindest die Registrierung in einem Lateranregisterband aus dem 4. Pontifi katsjahr Julius II. (1506/07) hindeuten. Vgl. Bulle Papst Julius II. für Günther von Bünau zu Elsterberg, Rom, [nach] 26. November 1503, A. S. V., Reg. Lat. 1151, Bl. 107 b –109b, das Transsumpt ebd., Bl. 108 f., das Exekutionsmandat ebd., Bl. 109b –110b. 71 Vgl. Bulle Papst Alexanders VI. für Günther von Bünau zu Schkölen, Rom [16. Mai 1499], A. S. V., Reg. Lat. 1043, Bl. 325a–327 b. 72 Vgl. ebd., Bl. 325b.

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Frühjahr 1502 wir dadurch Nachricht erhalten.73 Mit Sigismund Pflug verschwand die Propstei Merseburg aus dem Blickfeld des römisch-sächsischen Netzwerkes. Sein Name aber wurde nicht vergessen. Als Pflug 1513 starb, besorgte sich Bernhard Sculteti eine päpstliche Provision auf dessen Merseburger Kanonikat.74 Zwischen den wichtigsten Prokuratoren Herzog Georgs in den ersten Jahren des 16. Jahrhunderts, Sculteti, Groß und den beiden Bünau, gab es also enge geschäftliche Verbindungen, die auf die Erlangung von Pfründen oder Pensionen ausgerichtet waren und deren Ratio der wechselseitige fi nanzielle Vorteil bildete. Ihr direkter Kontakt erhellt weiter aus einer Bulle Papst Julius II. vom 26. September 1504.75 Ausgangspunkt war diesmal Bernhard Sculteti, der noch zu Lebzeiten Alexanders VI. die Propstwürde am Merseburger Stift St. Sixti erlangt hatte, die er durch den Papst, um kanonische Ausschlußklauseln gegen die Häufung höherer Prälaturen zu umgehen, mit der bereits von ihm besessenen Propstei des Stettiner (!) Marienstifts vereinigen ließ. Am 13. Juni 1503 ließ Sculteti diese unio wieder auflösen und resignierte die Propstei St. Sixti zugunsten von Donat Groß, ohne daß wir genaueres über Gegenleistungen erfahren. Groß behielt die Propstei – oder auch nur den Anspruch darauf, denn bekanntermaßen mußte jede päpstliche Provision vor Ort erst durchgesetzt werden – nur ein Jahr, bevor er sie, vertreten durch einen Halberstädter Kleriker namens Caspar Mor, erneut in die Hände des Papstes resignierte.76 Besonderes Interesse verdient, wem die Pfründe, die die beiden Prokuratoren Georgs bislang als ihre Verfügungsmasse bewegten, nun zugedacht wurde: Es war Günther von Bünau zu Schkölen, dem der Papst am 26. September 1504 die Propstei übergab (wobei er sie zugleich mit dessen Kanonikat am Merseburger Domstift vereinigte). Von Bünau aber ist im Kontext der Bulle nicht nur als einem »notarii et familiarii nostri« die Rede, sondern der Papst weiß auch zu berichten, daß Bünau »etiam continuus commensalis noster« sei und »pro parte dilectorum fi liorum nobilium virorum Friderici electoris imperii et Georgii ducis Saxonie ad nos et Romanam ecclesiam orator destinatus existis«.77 Dies ist zugleich der früheste Beleg für Bünaus neuerliche Tätigkeit als Prokurator Herzog Georgs (und Kurfürst Friedrichs des Weisen) an der Kurie, eine Aufgabe, die der Doktor des Kirchenrechts bis zum Herbst 1505 in Rom ausübte.

73 Vgl. Bulle Papst Alexanders VI. für Dr. Sigismund Pflug, Rom, 23. Mai 1502, A. S. V., Reg. Lat. 1101, Bl. 157 b –158b. 74 Vgl. Bulle Papst Julius II. für Dr. Bernhard Sculteti, Rom, 29. April 1513, Hergenröther, Bd. 1, 133 (Nr. 2303). 75 Vgl. Bulle Papst Julius II. [für Günther von Bünau zu Schkölen], Ostia, 26. September 1504, A. S. V., Reg. Lat. 1138, Bl. 217a–220b. 76 Vgl. ebd., Bl. 217 b –218 a (Narratio). 77 Ebd., Bl. 218 a+b.

136 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) Ob die Tätigkeit als Prokuratoren eines gemeinsamen Herrn bei der Wahl der Geschäftspartner eine Rolle spielte, ist schwer abzuschätzen. Jedenfalls ist eine direkte Beteiligung Herzog Georgs an den Pfründengeschäften nicht nachweisbar und auch wenig wahrscheinlich. Entscheidend war wohl eher der gegenseitige Vorteil, der durch die sächsisch-römische Vernetzung erreicht werden konnte. Während die gerade an der Kurie lebenden Geistlichen über einen guten Zugang zu päpstlichen Gnadenerweisen verfügten, den sie für sich und andere nutzen konnten, war es ihren Partnern in partibus möglich, diese Ansprüche vor Ort auch tatsächlich durchzusetzen. Ein im Mai 1506 in Rom abgewickeltes Geschäft zwischen Groß und Sculteti verdeutlicht diese Arbeitsteilung. Sculteti hatte zunächst durch päpstliche Provisionen Ansprüche auf die Kantorie im Domkapitel Merseburg und eine Domherrenstelle am Zeitzer Kanonikerstift erworben. Nun resignierte er diese zugunsten von Donat Groß, der bald darauf nach Sachsen zurückkehrte und dort Gelegenheit hatte, die Provisionen einzulösen. Sculteti wiederum erhielt als Gegenleistung jährliche Pensionszahlungen von sieben bzw. acht Rh. fl.78 Wie das Beispiel des Donat Groß zeigt, konnte dabei ein und derselbe Geistliche über die Jahre in beiden Rollen, in Rom und in partibus, tätig werden. Wenige Jahre später tritt im Kreis der Prokuratoren Georgs auch noch ein zweites römisch-sächsisches Netzwerk in Erscheinung. Herkunft und Verwandtschaft, die wichtigsten Organisationsprinzipien vormoderner Personenverbände, schweißten es zusammen.79 Seine Mitglieder waren sämtlich Sachsen und zudem in der Mehrzahl Sprößlinge des eng verschwägerten wettinischen Dienstadels. Sichtbar wird ihre Verflechtung in diesem Falle zunächst an ganz unvermuteter Stelle: In den Propstlisten des Kollegiatstiftes St. Candidus zu Innichen im südalpinen Bistum Brixen fi nden sich die Namen von zwei Sachsen, die auch Prokuratoren Herzog Georgs waren. Von 1507 bis 1519 hatte Johannes von Schleinitz die Propstei inne, dann folgte ihm in den Jahren 1519– 1526 ein »Georg Putsch von Hegkingen«,80 ein Name, der sich mit Dr. Georg Pusch aus (Großen-)Hain identifizieren lassen sollte. Ihre Tiroler Würde verdankten beide dem kometenhaften Aufstieg eines dritten Sachsen, des Kardinals Melchior von Meckau. Auch er war en passant als wettinischer Prokurator tätig, sein Glück aber machte er in Rom und in den Diensten der Habsburger. Meckau ging in den 1460er Jahren an den Tiber und hatte mehrere mittlere Kurienämter inne. Einige Jahre leitete er als Provisor die 78

Vgl. Bulle Papst Julius II. für Dr. Bernhard Sculteti, Rom, 27. Mai 1506, A. S. V., Reg. Lat. 1199, Bl. 261a–262b ; Exekutionsmandat, ebd., 262b –263b. – Die Bulle sichert Sculteti außerdem eine Pension für das Dekanat zu Merseburg zu, mit dem Sculteti am 29. März 1506 nach dem Tode Georg Steinbrechers providiert worden war und das er nun zugunsten von Vinzenz von Schleinitz resignierte. 79 Vgl. Moraw, Patrone, 8; Reinhard, Oligarchische Verflechtung, 49 f. 80 Wolfsgruber, 425.

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deutsche Animabruderschaft, bevor er 1481 die Ewige Stadt verließ und erst Kanzler Erzherzog Sigismunds von Österreich und später Rat und Financier König Maximilians wurde. Ihrer Fürsprache verdankte er die Wahl zum Bischof von Brixen im Jahre 1489. Meckau starb 1509 in Rom – als Kardinal und als einer der reichsten Männer Europas.81 Im Juli 1507 präsentierte Meckau, der auch Dompropst zu Meißen war, seinen Mitkanoniker Johannes von Schleinitz dem Papst als Propst von Innichen.82 Die Übertragung fällt zeitlich mit dem ersten Romaufenthalt von Schleinitz zusammen, der insgesamt dreimal als Prokurator Georgs am Tiber weilte. Der Protektion durch den albertinischen Herzog verdankte Schleinitz 1518 seine Wahl zum Bischof von Meißen. Ungeachtet dessen beantragte und erreichte er bei der päpstlichen Bestätigung der Wahl eine Retentio für seine auf 100 fl. taxierte Brixener Pfründe, durfte sie also entgegen den üblichen Regeln auch als Bischof behalten. Angesichts seiner Vita mußte dabei die Begründung, die Brixener Propstei würde seine Unabhängigkeit von den Wettinern sichern, ein wenig merkwürdig wirken.83 Tatsächlich hat Schleinitz offenbar schon im folgenden Jahr auf die angeblich als Refugium so wichtige Präpositur verzichtet, und zwar zugunsten des Dr. Georg Pusch. Pusch, der dritte Prokurator Georgs mit Verbindung ins Bistum Brixen, war als mittlerer Kurienbeamter eine Schlüsselfigur des sächsischen Netzwerkes. Johannes von Schleinitz hatte allen Grund, sich Pusch dankbar zu erzeigen. Denn in dem kurialen Informativprozeß, der seiner Bischofsbestätigung vom Juli 1518 vorausging, hatte Pusch als einer von zwei Zeugen »de meritis [. . .] domini Jo.[annes] Sleiniz promovendi« berichtet.84 Die enge Verbindung zwischen seinen Prokuratoren blieb auch Herzog Georg nicht verborgen, der 1519 Schleinitz gegenüber beider Geschäftsbeziehung in die Worte faßte: »das e.l. mit demselben doctor Pusch in sonderlicher guter eynigung und freuntschaft were«.85

81

Vgl. Volkmar, Kurienprokuratoren. Bulle Papst Julius II. an Bischof Johannes VI. von Meißen, Rom, 2. Juli 1507, A. S. V., Reg. Lat. 1206A, Bl. 74b –76a. – Das Präsentationsrecht lag im Spätmittelalter beim Bischof von Freising, der Bischof von Brixen hatte das Recht der Bestätigung/Investitur. Eine neue Lage schuf offenbar das Wiener Konkordat, das die Verleihung der ersten Dignitäten an Dom- und Kollegiatkapiteln in allen ungeraden Monaten dem Papst zusprach. Karl Wolfsgruber kann den Freisinger Einfluß für die Zeit nach 1453 nicht mehr nachweisen. Seine Vermutung, daß auch Pusch Freisinger Domherr gewesen sei, geht deshalb wohl fehl. Vgl. Wolfsgruber, 424 f. – Für den Hinweis auf Sachsen in Innichen danke ich Herrn Dr. Thomas Ludwig (Rom). 83 Siehe S. 204–207. 84 Vorlage für den Konsistorialvortrag des Kardinal Giulio de Medici [17. Juni – 5. Juli 1518], Friedensburg, Informativprozesse, 177–181. 85 Brief Herzog Georgs an Bischof Johann VII. von Meißen, Dresden, 17. Januar 1519, ABKG, Bd. 1, 62 f. 82

138 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) Nicht nur Pfründengeschäfte, sondern auch gegenseitige Förderung an der Kurie hielt also das Personennetzwerk zusammen. Welche Aufstiegsmöglichkeiten es eröffnete, soll abschließend das Beispiel des aus der Reformationsgeschichte bekannten Karl von Miltitz verdeutlichen. Auch er verdankte seine kurze Kurienkarriere den hier beleuchteten Verflechtungen. Verwandtschaft verband ihn mit Johannes von Schleinitz, mit Georg Pusch und vor allem mit seinem Onkel Nikolaus von Schönberg, dem einflußreichen Mitarbeiter des päpstlichen Vizekanzlers Giulio de Medici.86 Dabei zeigt sich, daß die Verwandtschaftsbeziehungen des sächsischen Niederadels und seine Verbindungen zu aufstrebenden bürgerlich-neuadligen Geschlechtern wie den Busch (Pusch) aus Großenhain87 auch für die Geistlichen aus diesen Familien hochgradig relevant waren. Neben seiner kurialen Stellung verdankte Miltitz auch seine Aufnahme in den Kreis der Prokuratoren Herzog Georgs eher seinen Familienbeziehungen als seinen diplomatischen Fähigkeiten. Der albertinische Obermarschall Heinrich von Schleinitz, ein weiterer Oheim, stand hinter seiner Ernennung.88 Die so eröffneten Chancen durch windiges und erfolgloses Agieren zu verspielen blieb Miltitz – den die ältere Lutherforschung völlig zu Unrecht für einen einflußreichen Kurialen hielt – freilich selbst überlassen. Verwandtschaft war ein Eintrittsbillett, aber kein Freifahrtschein. Schließlich läßt sich über Georg Pusch auch eine Querverbindung in das ältere Netzwerk um Groß und Sculteti ziehen. Die drei arbeiteten nicht nur 1516 gemeinsam an Georgs Lieblingsprojekt, dem Annaberger Jubelablaß. Sie scheinen auch schon früher in Verbindung gestanden haben. Oder sollte es ein bloßer Zufall sein, daß Pusch und Groß am selben Tage im Oktober 1506 in die Animabruderschaft aufgenommen wurden – und zwar durch den Provisor Bernhard Sculteti? 89 Die Kuriendiplomatie Herzog Georgs, getragen von kurialen und gesandten Prokuratoren in Rom, war also nicht die einzige Kontaktebene zwischen Elbe und Tiber. Tatsächlich gestaltete sich das Beziehungsgeflecht zwischen Sachsen und Rom weitaus vielfältiger, es wurde maßgeblich von transalpinen Kleriker86 Vgl. Kalkoff, Miltitziade, 58–66; ders., Prozeß, 401–403; Springer, Dominikaner, 42 mit Anm. 198. 87 Dr. Georg Pusch war ein Vetter Nikolaus von Schönbergs, über den er Aufnahme in die Familia Giulio de Medicis fand, daneben auch mit Karl von Miltitz verwandt. Papst Leo X. erhob ihn 1519 zusammen mit seinen Brüdern (Matthes Busch, dem ernestinischen Bergvogt von Buchholz, und einem Kleriker namens Gregor) in den Adelsstand und erlaubte ihm, die Kugeln der Medici im Familienwappen zu führen. Trotz der päpstlichen Nobilitierung wurde Matthes ein Förderer der Reformation. Vgl. Kalkoff, Prozeß, 389, Anm. 3, 399, Anm. 1. 88 Vgl. Brief Nikolaus von Hermsdorffs an Herzog Georg, Rom, 5. Juli 1517, Gess, Ablaß, 553–560; Brief des Heinrich von Schleinitz an Herzog Georg, o.O., 19. August 1517, ABKG, Bd. 1, 20–22. 89 Vgl. Jaenig, 118.

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netzwerken bestimmt. Diese Netzwerke, ausgerichtet auf gegenseitige Hilfe beim Pfründenerwerb und Fortkommen an der Kurie, wurden durch typisch vormoderne Strukturelemente wie Herkunft und Verwandtschaft zusammengehalten, zuweilen aber auch nur durch gleich gelagerte Interessen getragen. Bemerkenswert erscheint die Dichte dieser personellen Verflechtungen im Kreis der Prokuratoren Herzog Georgs. Lag hier eine Abhängigkeit vor? Kam etwa dem albertinischen Landesherrn eine Rolle beim Auf bau dieser Netzwerke zu, oder nutzte er schon bestehende Personenverbände zur Rekrutierung seiner Prokuratoren? Für eine prägende Rolle Herzog Georgs bei der Ausbildung der Klerikernetzwerke gibt es keine Hinweise, ja es fällt schwer, sich eine solche Einflußnahme überhaupt vorzustellen. Die Netzwerke funktionierten autonom von der Tätigkeit ihrer Mitglieder als Prokuratoren, allenfalls ist daran zu denken, daß der gemeinsame Dienst für den Landesherrn den Kontakt intensivierte. Andererseits ist ein bewußter Rückgriff Georgs auf die personelle Infrastruktur der Netzwerke plausibel, wenngleich nicht konkret – etwa durch Empfehlungsschreiben – greif bar. Schließlich war Georg darauf angewiesen, fähige Prokuratoren mit entsprechendem Spezialwissen zu gewinnen, und was lag dabei näher, als diese unter sächsischen Geistlichen mit Romerfahrung bzw. unter den an der Kurie tätigen Landeskindern zu suchen? Festzuhalten ist aber auch, daß sich Herzog Georg nicht von den bestehenden Klerikernetzwerken und ihren Pfründeninteressen abhängig machen ließ. Zwischen den persönlichen Interessen der Prokuratoren und denen ihres (temporären) Dienstherrn bestand keineswegs immer Übereinstimmung. Im Jahre 1517 etwa erreichte Herzog Georg das Vermittlungsgesuch seines Gesandten in Brüssel, Jakob Loss. Ihm hatte Georg die Pfarre zu Oschatz verliehen, doch sah er sich mit den Pensionsforderungen der beiden kurialen Prokuratoren Georg Pusch und Jakob Gertewitz konfrontiert, die ihre in Rom erworbenen Ansprüche darauf stützten, daß die Pfarrei in einem Papstmonat vakant geworden war.90 Ausgesprochen verärgert reagierte der Herzog ein Jahr später auf den Versuch seines kurzzeitigen Prokurators Karl von Miltitz, im Zuge der römischen Bischofsbestätigung des Johannes von Schleinitz in dessen Kantorei und Präbende am Meißner Dom einzutreten. Georg kannte die kanonischen Regelungen gut genug, um zu wissen, daß Schleinitz sein Kanonikat bei der Promotion resignieren mußte und dabei eine Provision zugunsten seines Neffen Miltitz möglich war. Auf die Wahrung seines Präsentationsrechts bedacht, wies er das Meißner Kapitel vorsorglich an, etwaige Ansprüche des Miltitz zu ignorieren und vergab die Stelle, ohne die Resignation abzuwarten, an Dr. Nikolaus

90 Vgl. Brief des Jakob Loss an Herzog Georg, Brüssel, 10. Oktober 1517, ABKG, Bd. 1, 125, Anm. 1.

140 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) von Hermsdorff.91 Die Intrige des Miltitz war ihm zudem Anlaß, einen weiteren Anlauf zur Bestätigung seiner Meißner Präsentationsrechte durch den Papst zu unternehmen.92 In einem ähnlichen Fall nutzte Herzog Georg sogar das Klerikernetzwerk selbst, um den Pfründeninteressen eines seiner römischen Prokuratoren zu begegnen. Der ehemalige albertinische Kanzler Dr. Nikolaus von Heinitz, der 1506 Domherr zu Meißen geworden war, hatte 1510 durch Präsentation Herzog Georgs auch die Propstei Bautzen erhalten.93 Obwohl die Propstei traditionell an die Mitgliedschaft im Meißner Domkapitel gebunden war, sah sich Heinitz wiederholt mit den Ansprüchen römischer Kurialer auf die Bautzener Präbende konfrontiert. Herzog Georg vermutete offenbar begründet einen sächsischen Insider hinter den Attacken, nämlich Dr. Georg Pusch. Daher entschied sich der Landesherr, durch Druck auf Pusch den vorgeschobenen Interessenten, einen französischen Kurialen namens Leodigarius Vicecomitis, zur Aufgabe zu bewegen. Doch anstatt seinen (ehemaligen) Prokurator direkt zur Rede zu stellen und womöglich vergeblich an seine Loyalität gegenüber dem Landesherrn zu appellieren, entschied sich Georg für einen weitaus effizienteren Weg. Er veranlaßte Bischof Johann VII. zum Eingreifen, der ja »mit demselben doctor Pusch in sonderlicher guter eynigung und freuntschaft« stand. Tatsächlich brachte dies den gewünschten Erfolg.94 Die letztgenannten Beispiele zeigen die Grenzen einer Zusammenarbeit zwischen Herzog Georg und seinen römischen Prokuratoren auf. Denn es gehörte zu den Strategien des ausgeprägten landesherrlichen Kirchenregiments, den Erfolg römischer Provisionen im eigenen Machtbereich zu verhindern. Herzog 91 Vgl. Brief Herzog Georgs an Dr. Nikolaus von Heinitz, Augsburg, 30. Juli 1518, ABKG, Bd. 1, 39 f.; Brief Herzog Georgs an das Domkapitel zu Meißen, Augsburg, 31. Juli 1518, ebd., 40, Anm. 1. Vgl. auch Kalkoff, Miltitziade, 65 f. – Erst nach Hermsdorffs Tod 1524 erhielt Miltitz, der inzwischen ins Reich zurückgekehrt war, das Meißner Kanonikat. Vgl. Eintrag im Präsentationsbuch Herzog Georgs vom 3. Juni 1524, ABKG, Bd. 1, 40, Anm. 3. 92 Herzog Georg wies den Prokurator Jakob Gertewitz in Rom an, eine entsprechende Supplik zu verfassen und bat Donat Groß um deren Begutachtung, »also das wir ader dyejenigen, den wir solche prebenden vorlyhen, anfechtung und krieg, als dann itzt albereit geschieht, gewynnen mochten«. Brief Herzog Georgs an Dr. Donat Groß, Dresden, 16. Januar 1519, ABKG, Bd. 1, 57 f. 93 Vgl. ABKG, Bd. 1, 39, Anm. 2. 94 Vgl. Brief Herzog Georgs an Bischof Johann VII. von Meißen, 17. Januar 1519, ABKG, Bd. 1, 62 f., das Zitat ebd. – Freilich währte die Ruhe nicht lange, den der glücklose Franzose gab seine Anrechte weiter und so machte im Januar 1519 erneut ein römischer Prätendent, der deutsche Rotanotar Christoph von Schirnding, seine Ansprüche auf die Bautzer Pfründe geltend. Wieder vermutete Herzog Georg Puschs Wirken hinter den Kulissen (»den wir bericht sein, das sie [Pusch und Schirnding] zusampne in eyner behausunge eyne lange zeit gewhonet und als bruder sich gegen eynander gehalden«) und wieder bat er Bischof Johann VII. mit Verweis auf den vorigen Erfolg um sein Eingreifen, zumal dieser auch Schirnding persönlich kannte (»dieweyl wir bericht, das er Cristoff von Zschirtinger e.l. wol bekant und in welschen landen, do e.l. daryne, fast freuntlich gewest«). Ebd. Vgl. auch Kalkoff, Miltitziade, 68.

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Georg kannte hier insbesondere bei den eigenen Besetzungsrechten keine Kompromisse. Die Transaktionen um die Merseburger Propstei wären deshalb in Meißen undenkbar gewesen.95 Hier bestand ein Interessenkonfl ikt vor allem mit den kurialen Prokuratoren, die grundsätzlich immer bestrebt waren, das römische Provisionswesen zum eigenen Vorteil zu nutzten. Es ist in dieser Hinsicht bezeichnend, daß weder die Landesfremden noch die Sachsen unter den kurialen Prokuratoren Georgs jemals durch landesherrliche Pfründenverleihungen für ihre Dienste entlohnt wurden. Forschungsmethodisch zeigt sich hier die Notwendigkeit, die Aussagekraft prosopographischer Analysen mit anderen Quellen zu korrelieren. Im Zweifel ist die historische Wirklichkeit eben komplexer und widersprüchlicher als ein Verknüpfungsspiel suggeriert, das sich in der Suche nach biographischen Schnittpunkten erschöpft.96 So ist die Frage nach Loyalitäten und Verflechtungen zum Landesherrn schließlich schnell beantwortet. Schon aus ihrer Stellung als Kurienbeamte ergab sich für die kurialen Prokuratoren, daß ihre Tätigkeit für Herzog Georg nur eine Nebenbeschäftigung darstellen konnte. Aber auch als Prokuratoren waren sie oft Diener vieler Herren. Bestes Beispiel ist hier Wilhelm von Enkkenvoirt, für den als hochrangiger Kurienbeamter, Vertrauter Papst Hadrians, Orator Kaiser Karls V. und römischer Verbindungsmann der Fugger der Kontakt zum albertinischen Landesherrn nur von nachrangiger Bedeutung war. Bezeichnenderweise bemühte sich Enckenvoirt nie um sächsische Benefizien, obwohl er als virtuoser »Pfründenjäger« bekannt war.97 Verflechtung und gegenseitige Verpfl ichtung blieben dementsprechend begrenzt, selbst bei sächsischen Kurialen wie Melchior von Meckau oder Georg Pusch. Die kurialen Prokuratoren des Albertiners gehörten, wenn überhaupt, nur am Rande zum landesherrlichen Klientelsystem, ja sie konnten, wie dargestellt, von ihm sogar als Störenfriede und Gegner im Sinne des Kurtisanen-Stereotyps wahrgenommen werden. Grundsätzlich anders lagen die Dinge bei den gesandten Prokuratoren. Sie gingen als Vertrauenspersonen des Landesherrn nach Rom, hatten oft schon zuvor in seinen Diensten standen und verdankten ihre Pfründen seiner Protektion. Wenn überhaupt, dann waren sie es, die für ihre Dienste in Rom eine Belohnung in Form von Pfründen erhoffen durften. Unmittelbar greif bar wird der Unterschied in der Prokuratorengruppe, die den Annaberger Jubelablaß besorgte. Denn Herzog Georg verweigerte dem kurialen Prokurator Karl von

95

Siehe S. 214–220 und S. 270–278. In diesem Sinne mahnt auch Wolfgang Reinhard, der die Verflechtungsanalyse in der deutschen Geschichtswissenschaft etabliert hat, zur vorsichtigen Interpretation der Ergebnisse. Vgl. Reinhard, Oligarchische Verflechtung, 61 f. 97 Zu den fast 100 Benefi zien, die Enckenvoirt im Laufe seines Lebens innehatte vgl. Munier. 96

142 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) Miltitz eben jenes Meißner Kanonikat, mit dem er den gesandten Prokurator Nikolaus von Hermsdorff für seine Verdienste belohnte.98 d) Gnade gegen Geld: Die Praxis des kurialen Geschäftsganges Prokurationen an der Kurie waren ein langwieriges Geschäft. Schon der vielstufige Entstehungsprozeß eines päpstlichen Gnadenbriefes brauchte seine Zeit – in der Regel mehrere Wochen, manchmal auch mehr als drei Monate.99 Vor allem aber konnten sich die Verhandlungen über inhaltliche Details und über die anfallenden Gebühren hinziehen und schließlich mußten vor Erhalt der Bullen noch die ausgehandelten Taxen beglichen werden. Auch stand der Erfolg einer Prokuration nicht immer von vornherein fest. Manches Vorhaben kam über den Status eines Gesuchs nicht hinaus. Drastisch schildert der Prokurator Günther von Bünau zu Schkölen das Schicksal jener Supplik, in der Herzog Georg 1504/05 um das Recht zur Einflußnahme auf die geistliche Jurisdiktion in Annaberg bat: »Es hat aber bebstliche heilickeit alzeit dyeselbte supplicacion zurissen und dem ordinario nicht wollen derogiren ader präjudiciren«.100 In einer Reihe von zeitgenössischen Handbüchern läßt sich noch heute das Einmaleins des Prokuratorenhandwerks nachlesen.101 Jedoch sind nur selten Akten überliefert, die es erlauben, konkrete Prokurationen im Detail nachzuvollziehen.102 Glücklicherweise haben sich im Dresdner Hauptstaatsarchiv zu mehreren Kurienmissionen Herzog Georgs umfangreichere Quellen erhalten. Neben der an anderer Stelle ausgewerteten Korrespondenz zum Kanonisationsverfahren Bennos von Meißen103 gehören dazu die eben zitierte Akte über die gescheiterte Mission des Günther von Bünau zu Schkölen sowie Korrespondenz und eine detaillierte Abrechnung zur Romreise von Günther von Bünau zu Elsterberg und Hans von Schönberg im Jahre 1505/06.104 Durch besondere Dichte sticht schließlich die Überlieferung zu einem vierten Vorgang hervor, den Bemühungen um einen Jubiläumsablaß für Annaberg in den Jahren 1516/17. Sie ermöglichen einen instruktiven und lebensnahen Einblick in die Verhandlungen, die die Entstehung eines päpstlichen Privilegs begleiteten.105 Besondere 98

Siehe Anm. 91. Vgl. Frenz, 113 f. 100 Bericht Bünaus, 1505/06 (wie Anm. 40); Zur Mission Bünaus vgl. ABKG, Bd. 1, LXIII–LXV. 101 Vgl. Haller [mit Edition des Prokuratorenhandbuchs des Dr. Jakob Dittens von 1525]; Schmitz-Kallenberg. 102 Für seltene Beispiele vgl. Schuchard/Schulz; Schmitz-Kallenberg. 103 Vgl. Volkmar, Heiligenerhebung Bennos, 69–100. 104 Vgl. Loc. 8949/2. – Zu dieser Prokuration vgl. auch ABKG, Bd. 1, 9, Anm. 1; Jaenig, 37 f. 105 Vgl. Loc. 9827/22. Die Mehrzahl der einschlägigen Aktenstücke wurde durch Felician Gess ediert. Vgl. Gess, Ablaß. – Schon Aloys Schulte, der die Gess’sche Teiledition benutzte, hob die exemplarische Bedeutung dieses Quellenbestandes hervor. Vgl. Schulte, Bd. 1, 75. 99

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Aufmerksamkeit darf dieser Blick hinter die Kulissen nicht zuletzt deshalb beanspruchen, weil er inhaltlich, zeitlich und räumlich geradewegs ins Zentrum jenes Problemkreises führt, an dem sich die Reformation entzündete: das Ablaßwesen in Sachsen im Jahre 1517. Der Auf bau des kirchlichen Lebens in der von ihm gegründeten Bergstadt St. Annaberg gehörte zu den wichtigsten kirchenpolitischen Anliegen Herzog Georgs.106 Die größte fi nanzielle Herausforderung stellte dabei der Bau einer repräsentativen Stadtpfarrkirche dar, für die als zeitgemäße Finanzierungsform ein größerer Ablaß angestrebt wurde, wie er nur vom Papst zu erlangen war. Schon 1504/05 war Bünau zu Schkölen beauftragt, »etzliche indulgencien auf s.[ankt] Annengebirge« zu besorgen.107 1508 wandte sich Herzog Georg erneut an Rom und bat um Hilfe angesichts der immensen fi nanziellen Lasten des Kirchenbaus. Um das Interesse des Papstes zu wecken, verwies er auf die exponierte Lage Annabergs an der Grenze zum hussitischen Böhmen. Von der aufwendigen kirchlichen Ausstattung der Stadt, so suggerierte Georg, würde eine propagandistische Wirkung ausgehen, die »multos Boemos scismaticos ad obedientiam s.[anctae] Romanae ecclesiae« zurückführen könne.108 Da Georgs Argumentation auf taube Ohren traf, wandte er sich im folgenden Jahr sogar an König Maximilian I. mit der Bitte um Fürsprache beim Papst.109 Doch blieb alles vergeblich: wie im Kanonisationsverfahren Bennos zeigte Papst Julius II. Herzog Georg auch im Annaberger Anliegen die kalte Schulter.110 Erst unter Leo X. kamen die Dinge voran. Seit dem Sommer 1516 bemühte sich eine ganze Gruppe albertinischer Prokuratoren um päpstliche Gnaden für die Stadt.111 Die Federführung übernahm dabei der gesandte Prokurator Dr. Nikolaus von Hermsdorff.112 Nach einer Instruktion des Annaberger Rates ver106

Siehe S. 357–373. Bericht Bünaus, 1505/06 (wie Anm. 40). 108 Brief Herzog Georgs an Papst Julius II., Dresden, 17. November 1508, ABKG, Bd. 1, LXXX, Anm. 1. Als Prokurator verpfl ichtete Herzog Georg den niederrheinischen Kurialen Dr. Johannes Potken, von dem er bemerkenswerterweise behauptet, dieser kenne die Situation in Annaberg aus eigener Anschauung (»qui nuper dictum oppidum vidit«). 109 Vgl. Instruktion Herzog Georgs für Hans von Goldacker, Schellenberg, 20. September 1509, Cop. 112, Bl. 116b –118a. 110 Vgl. Volkmar, Heiligenerhebung Bennos, 74 f. 111 Siehe Tabelle. – Neben dem Ablaß war die Bestätigung der Annenbruderschaft und der Altäre in der Annenkirche durch den Papst das Hauptanliegen der Prokuration. Bereits im August 1515 beauftragte der Rat zu Annaberg mit Zustimmung Herzog Georgs dessen Prokuratoren Nikolaus von Schönberg und Nikolaus von Hermsdorff in dieser Angelegenheit. Vgl. Brief des Bürgermeisters und Stadtrates zu St. Annaberg an Herzog Georg, Annaberg, 27. August 1515, Loc. 9827/22, Bl. 58. 112 Der folgenden Darstellung liegen als Hauptquelle drei ausführliche Berichte Hermsdorffs zugrunde; auf weitere Quellen wird gesondert verwiesen. Vgl. Bericht Dr. Nikolaus von Hermsdorffs an Heinrich von Schleinitz, Rom, 21. August 1516, Gess, Ablaß, 535–539; Bericht dess. an Herzog Georg, Rom, 4. Februar 1517, ebd., 550–552; Bericht dess. an dens., Rom, 5. Juli 1517, ebd., 553–560. 107

144 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) faßte er drei Suppliken, von denen die wichtigste um einen päpstlichen Jubelablaß zur Vollendung der Annaberger Pfarrkirche und um die Bestätigung der dort angesiedelten Annenbruderschaft samt ihrer Prozessionen, Ablässe und Privilegien bat.113 Doch handelte Hermsdorff nicht allein. Schon bei der Abfassung und Abgabe der Suppliken berieten ihn Nikolaus von Schönberg und Georg Pusch, die als erfahrene kuriale Prokuratoren genaue Kenntnis des notwendigen Formulars besaßen. In noch größerem Maße benötigte Hermsdorff ihre Hilfe bei den folgenden Verhandlungen. Denn nachdem der Papst die Suppliken bzw. das ihm vom Referendar vorgelegte Summarium gesehen und – nach Streichung einiger inakzeptabler Passagen – durch seine Signatur genehmigt hatte, mußten sich die Prokuratoren im Palazzo des Datars Sylvius Passerinus einfi nden. Dort erhielten sie Einsicht in die signierte Supplik und erfuhren, was der Papst zu gewähren bereit war. An dieser Stelle begannen die Verhandlungen über die »composicion«,114 eine formal freiwillige Zahlung für die bewilligten Gnaden. Dies waren wohlgemerkt nicht die üblichen Kanzleitaxen, die für die physische Ausfertigung der Bulle anfielen, sondern eine frei auszuhandelnde Summe, über die Einigkeit zu erzielen war, bevor der Datar die Supplik zur Ausfertigung freigab.115 Außerdem war Verhandlungsgegenstand, wieviel von den Annaberger Ablaßgeldern für den Bau des Petersdomes abzuführen war und nach welchem Modus Abrechnung und Zahlung vor sich gehen sollten. Die Verhandlungen mit dem Datar waren also die entscheidende Bühne für den Erfolg der Prokuration. Ihre Bedeutung wird noch dadurch unterstrichen, daß neben Passerinus auch sein Amtsvorgänger Lorenzo Pucci als Unterhändler der Kurie auftrat.116 Nur vordergründig ging es hier um Verwaltungsgebühren, faktisch setzte ein offenes Feilschen ein, bei dem beide Seiten versuchten, ein optimales Ergebnis für ihre Dienstherren herauszuschlagen. Hermsdorff selbst faßte das Streben der Prokuratoren nach einen möglichst vorteilhaften »Wechselkurs« in diesem Handel, der dem so problematischen Prinzip Gnade gegen Geld folgte,117 ohne alle Be113 Vgl. Bericht Hermsdorffs, August 1516 (wie Anm. 112). – Die »andere« Supplik zielte auf die Privilegierung des Gottesackers und des Hospitals zur heiligen Dreifaltigkeit, während die »kleyne« Supplik ortsspezifische Ausnahmeregelungen erbat: die Erlaubnis zur Feiertagsarbeit in den Bergwerken bei Wassersnöten und die Auf hebung des Kirchenasyls, um den Kampf gegen die Kriminalität in der jungen Bergstadt zu fördern. 114 Bericht Hermsdorffs, Februar 1517 (wie Anm. 112). 115 Zu den compositiones vgl. Frenz, 100; zu Passerinus, Datar von 1513 bis Juni 1517, vgl. ebd., 443. 116 Dr. Lorenzo Pucci (ca. 1458–1531), Kardinal tit. Quatuor Sanctorum, war 1510–1513 selbst Datar und Referendar des Papstes gewesen und gehörte zu den wichtigsten Kurienbeamten seiner Zeit. Vgl. ebd., 395. Seine Unterschrift fi ndet sich auf der Ablaßbulle für Annaberg. 117 Der offenkundige Tatbestand des Verkaufs päpstlicher Gnade (im Falle von Pfründen: Simonie) wurde formaljuristisch dadurch umgangen, daß die Supplik ja bereits vom Papst genehmigt worden war. Die Zahlung war deshalb formal eine nachträgliche Freiwilligkeit.

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schönigung zusammen: Sie wollten »allen fleys haben, damit wir als vil artickel wir konnen werden mit ßo wenigem gelde, ßo moglich seyn wirt, erhalden und ausrichten mogen.«118 Bei diesen Verhandlungen war das Hintergrundwissen der erfahrenen Kurialen Pusch und Schönberg wahrlich Gold wert. Nur sie konnten einschätzen, welches Angebot nach kurialer Gewohnheit als fair gelten konnte, nur sie kannten die Feinheiten der verschiedenen Expeditionswege, durch deren geschickte Ausnutzung sich bares Geld sparen ließ.119 So erfuhr Hermsdorff etwa, daß der übliche Anteil der Fabrik von St. Peter an auswärtigen Jubelablässen bei einem Drittel lag und konnte so die Forderung nach der Hälfte der Gelder als überhöht zurückweisen – anders als etwa Albrecht von Brandenburg im Falle des Tetzelschen Petersablasses. Auch hielt Hermsdorff auf Anraten Schönbergs die beiden kleineren Suppliken zunächst zurück, in der Hoffnung, sie zu einem späteren Zeitpunkt im Verbund mit der Hauptsupplik ohne weitere Gebühren zu erlangen.120 Dennoch blieb Hermsdorff die zentrale Figur, denn er hielt den Kontakt mit Dresden. Nach den ersten Verhandlungen mit dem Datar berichtete er ausführlich an den albertinischen Hofrat. Herzog Georg, der mit dem Erreichten nicht in allen Punkten zufrieden war, ließ die signierte Supplik in Sachsen von zwei Geistlichen begutachten, die besondere Erfahrung in Sachen Rom und Ablaß besaßen. Niemand anderes als Johannes Tetzel übernahm die Abfassung einer neuen Instruktion, die die Wünsche Georgs und die konkreten Angaben des Annaberger Rats berücksichtigte und in Inhalt und Wortlaut die schließlich expedierte Ablaßbulle maßgeblich prägen sollte. Georg ließ den Tetzelschen Text dann vom bewährten Prokurator Dr. Donat Groß nochmals gegenlesen und durch seinen Kanzler Dr. Johannes Kochel weitere Klauseln hinzufügen.121 Die Prokuratoren in Rom arbeiteten also nicht autonom. Herzog Georg und seine geistlichen Berater bestimmten von Sachsen aus den Gang der Verhandlungen maßgeblich mit, nicht zuletzt, indem sie den fi nanziellen Spielraum festlegten und die Gelder über die Fuggerbank in Rom bereitstellten. Vgl. Frenz, 100. – Zu den vergleichbaren Verhandlungen Albrechts von Brandenburg wegen des Mainzer Erzstuhles vgl. Tewes, Kurie und Länder, 309 f. 118 Bericht Dr. Nikolaus von Hermsdorffs an Herzog Georg, Rom, 15. Februar 1517, Gess, Ablaß, 552. 119 Zur Bedeutung des Wissens um die kuriale Praxis für Prokuratoren vgl. Frenz, 96; Sohn, 96 f. – Auch Hermsdorff selbst lernte schnell. So konnte er beispielsweise den Annaberger Stadtrat informieren, daß der gewünschte Ablaß mehrerer Kardinäle für das Hospital nicht bei Kammer oder Kanzlei, sondern über die Pönitentiarie zu betreiben sei. Vgl. Bericht Hermsdorffs, August 1516 (wie Anm. 112). 120 Zum Tetzelablaß vgl. Tewes, Kurie und Länder, 310. 121 Vgl. Instruktion Johannes Tetzels mit Anmerkungen Dr. Johannes Kochels und Summarium des Dr. Donat Groß [August/Oktober 1516], Gess, Ablaß, 543–548; Brief des Dr. Donat Groß an Herzog Georg, Naumburg, 25. Oktober 1516, ebd., 543.

146 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) Im Dezember 1516 übersandte Herzog Georg die neue Instruktion nach Rom, und zwar wiederum an die Adresse Hermsdorffs, während Schönberg, Pusch und nun auch Bernhard Sculteti in kurzen Schreiben aufgefordert wurden, diesen zu unterstützen.122 Interessant ist, daß Georg neben den Detailfragen zum Jubelablaß nochmals eine Forderung erhob, die der Papst bereits aus der ersten Supplik »mit anzceygung großes nachteyls, ßo der kirchen freyheyt doraus erwachßen mochte«123 ersatzlos gestrichen hatte: eine auf Annaberg begrenzte Auf hebung des Kirchenasyls für Mörder und Totschläger, um den Kampf der weltlichen Gewalt gegen die rauhen Sitten in der jungen Bergstadt zu erleichtern. Hermsdorff änderte die bereits eingereichte Supplik entsprechend der Angaben aus Dresden und trat auf dieser Grundlage erneut mit dem Datar in Verhandlung.124 Diese zweite Verhandlungsetappe zog sich bis zum Sommer 1517 hin. Doch dafür war nicht nur das lange Feilschen um die Höhe der compositiones und die Modalitäten der römischen Ertragsbeteiligung verantwortlich. Für erhebliche Verzögerungen sorgte auch die Organisation der Zahlungen. Hier waren die sächsischen Prokuratoren vollständig auf die Dienste der Fugger angewiesen, doch gerade die Kooperation mit dem römischen Faktor der Fugger litt offenbar unter Reibungsverlusten.125 Als praktisches Hindernis trat der Zeitverlust bei der Kommunikation im Viereck zwischen Dresden, Augsburg, der römischen Fuggerfi liale und den Prokuratoren Georgs hinzu. So konnten die Prokuratoren nicht über die Summen verfügen, die sie in den Verhandlungen mit dem Datar zusagen mußten und waren wegen mangelnden Kredits bei den Fuggern gezwungen, selbst als Bürgen in die Bresche zu springen.126 122 Vgl. Brief Herzog Georgs an Dr. Nikolaus von Hermsdorff, Leipzig, 5. Dezember 1516, ebd., 548–550. Die Regesten der Schreiben an Schönberg, Pusch und Sculteti ebd., 550. 123 Bericht Hermsdorffs, August 1516 (wie Anm. 112). 124 Vgl. Bericht Hermsdorffs, Februar 1517 (wie Anm. 112). – Nicht zutreffend ist wohl die Interpretation von Felician Gess, Hermsdorff habe eine völlig neue Supplik eingereicht (vgl. Gess, Ablaß, 548, Anm. 1), vielmehr ist von einer Änderung (reformatio) der bestehenden auszugehen. Dafür spricht sowohl Hermsdorffs Aussage, er habe »die supplicaciones anderweit machen und stellen lassen« (ebd., 551; ein ähnlicher Wortlaut: »andern« auch im Brief desselben an denselben, Rom, 17. Februar, ebd., 552), als auch die sofortige Fortsetzung der Verhandlungen mit dem Datar ohne erneute Signatur durch den Papst. Zur Kompetenz des Datars, bereits genehmigte Suppliken nachträglich zu ändern, vgl. Frenz, 100. 125 Vgl. Berichte Hermsdorffs, Februar 1517 und Juli 1517 (wie Anm. 112). Leider nennen die Berichte Hermsdorffs nicht die Namen der Fuggervertreter. Aloys Schulte nimmt an, daß der Verhandlungspartner der Faktor Johannes Zink gewesen sei, ein für seine Pfründenspekulationen berüchtigter Geistlicher. Hingegen nennt eine Bürgschaft Herzog Georgs aus dem Jahre 1518 rückblickend Angelus Sauer als römischen Faktor. Vgl. Schulte, Bd. 1, 79, 279–289; Bürgschaft Herzog Georgs, Augsburg, 15. Mai 1518, ABKG, Bd. 1, 34. – Zur Bedeutung der römischen Fuggerfi liale für deutsche Romkontakte vgl. Schulte, Bd. 1; Tewes, Luthergegner. 126 So stellte Georg Pusch sein »officium notariatus«, ein käufl iches Kurienamt, als Sicher-

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Noch gravierender aber war der Vorwurf Hermsdorffs, die römischen Fuggerdiener würden hinter seinem Rücken die Kurie mit vertraulichen Informationen über seinen fi nanziellen Spielraum versorgen und so seine Verhandlungsposition entscheidend schwächen.127 Als schließlich die Kurie Bürgschaften für den Eingang ihres Ablaßdrittels über die gesamte Laufzeit von 25 Jahren verlangte, weigerte sich der Faktor, diese über mehr als ein Jahr zu geben, obwohl den Fuggern ein Schlüssel zum Annaberger Ablaßkasten zugesagt worden war. So sahen sich die Prokuratoren Hermsdorff, Sculteti und Miltitz genötigt, persönlich für den Eingang der Zahlungen in den Folgejahren zu haften.128 Erst Herzog Georg erreichte 1518 von Jakob Fugger eine Bürgschaft über die kommenden fünf Jahre, wobei er sich selbst gegenüber dem Fugger verpfl ichtete. 1521 wurde die Vereinbarung nochmals um drei Jahre verlängert.129 Trotz der negativen Erfahrungen seiner Prokuratoren kooperierte Georg auch bei den folgenden Rommissionen mit den Fuggern. In Fragen des Geldtransfers, aber auch in Sachen Postverbindung,130 blieb der sächsische Fürst schon mangels Alternativen auf das Augsburger Bankhaus angewiesen.131 heit zur Verfügung. Vgl. Bericht Hermsdorffs, Februar 1517 (wie Anm. 112). – Siehe auch S. 149–153. 127 »Haben uns mit großer beschwerung der composicion mit dem datario voreynigen mogen, den her eyn lange zceyt auff zcwey tausent ducaten gestanden, [. . .] kan nicht anders globen, den her sey durch der fucker dyner vorstendigen worden, das a.f.g. erstlich auff zcweytausent ducaten commission zcuthun vorordent«. Bericht Hermsdorffs, Juli 1517 (wie Anm. 112). 128 Vgl. Bericht Hermsdorffs, Juli 1517 (wie Anm. 112). – Nachdem die Fugger die Bürgschaft ablehnten, wurde der zweite Schlüssel zum Ablaßkasten direkt dem Leiter der Fabrik des Petersdomes, Bartholomeus Ferratinus, zugesprochen, der vor Ort durch den Guardian der Annaberger Franziskaner vertreten werden sollte. Die Vertragsstrafe, für die die Prokuratoren bürgen sollte, wurde bei 500 duc. jährlich angesetzt. 129 Vgl. Bürgschaft Herzog Georgs, Augsburg, 15. Mai 1518, ABKG, Bd. 1, 34; Brief Jakob Fuggers an Herzog Georg, Augsburg, 28. Juli 1521, ebd., 180. 130 Vgl. z. B. Bericht Hermsdorffs, Juli 1517 (wie Anm. 112): »in den letzten tagen des monden Maij seyn mir zcwehen briffe von a.f.g. durch der Fucker banck zcukommen«. Die Fuggerpost garantierte auch die schnelle und sichere Beförderung der Bullen und Breven nach Sachsen. Die am 5. Juli 1517 aufgegebene Ablaßbulle erreichte schon am 18. Juli Weißenfels, die Kosten beliefen sich auf 30 duc. Vgl. Brief Dr. Nikolaus von Hermdorffs an Herzog Georg, Rom, 8. Juli 1517, Gess, Ablaß, 560; Brief Herzog Georgs an den Hofrat zu Dresden, Weißenfels, 18. Juli 1517, ebd., 561. 131 Verfolgen läßt sich dies insbesondere in der Schlußphase des Kanonisationsprozesses für Benno von Meißen 1518–1523. Dabei scheint die Zusammenarbeit reibungslos verlaufen zu sein, vielleicht auch ein Ergebnis der engeren persönlichen Beziehungen, die Herzog Georg und Jakob Fugger am Rande des Augsburger Reichstags von 1518 knüpften, als Georg bei dem Fugger logierte. Vgl. Volkmar, Heiligenerhebung Bennos, 87 f., 95; Tewes, Luthergegner, 329–331. Zu den weiteren Kontakten zwischen Herzog Georg und den Fuggern vgl. Pölnitz, passim; ABKG, passim. – Erst in den späten 1520er Jahren läßt sich auch die Zusammenarbeit mit dem Bankhaus Welser in Romgeschäften greifen. Kontaktperson war hier der Leipziger Faktor Hieronymus Walter, ein Vertrauter Herzog Georgs, der z. B. Ehedispensen in Rom besorgte. 1528 bat man aus Langensalza beim herzoglichen Kanzler um eine entsprechende Beauftragung Walters, sicherte die Bezahlung der Kosten zu und legte

148 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) Hermsdorffs harsche Kritik an den römischen Fuggervertretern ist aber auch als Indiz für die schwierige psychologische Situation zu werten, in der sich vor allem die gesandten Prokuratoren befanden. Nicht nur das ungesunde Sommerklima und das teure Leben in der Ewigen Stadt machten ihnen zu schaffen.132 Fern der Heimat sahen sie sich einer hart verhandelnden Kurie und nicht immer verläßlichen Partnern gegenüber und standen auf der anderen Seite unter enormen Erfolgsdruck von Seiten ihres Auftraggebers. Die Berichte aus Rom sind daher voll von Schuldzuweisungen an Dritte und gleichzeitig bemüht, jeden eigenen Erfolg herauszustellen.133 Dabei war die Furcht vor der Ungnade des Landesherrn, die aus den Berichten Hermsdorffs spricht, keineswegs unbegründet. Wenige Jahre zuvor hatte Günther von Bünau zu Schkölen dieses Schicksal ereilt, weil die durch ihn erwirkte Bulle, mit der sich Herzog Georg das Präsentationsrecht über die Meißner Domkanonikate bestätigen lassen wollte, dieses Albertinern und Ernestinern zugleich zuerkannte. Auf die Hintergründe ist an anderer Stelle einzugehen,134 hier ist nur die Darstellung der Vorgänge in Rom von Interesse, die Bünau in seiner Rechtfertigungsschrift gibt. Denn sie verweist auf eine dritte Problemebene, die Konkurrenz zwischen Prokuratoren verschiedener Herren. Bünau behauptete, Opfer einer Intrige des ernestinischen Vertreters Ulrich Sack geworden zu sein. Dieser habe sich die schon zur Signatur eingereichte Supplik Bünaus aus dem Büro des Referendars beschafft und statt dieser eine andere mit den zusätzlichen Namen der Ernestiner aufgegeben, die dann der arglose (doch offenbar auch unachtsame) Bünau zur Ausfertigung brachte.135 Den Prokuratoren des Annaberger Jubelablasses blieb die Ungnade erspart, denn sie waren schließlich in der Lage, die gewünschten Privilegien zu besorgen. Zwar konnte in den einmonatigen Abschlußverhandlungen der Datar erst zufriedengestellt werden, als man ihm die gesamte von Herzog Georg zur Verfügung gestellte Summe von 1600 duc. zugesagt hatte. Dafür verbuchten die Prokuratoren als Erfolg, daß mit dieser Kompositionstaxe der Hauptbulle auch die in den zwei weiteren Suppliken beantragten Privilegien abgegolten wurden.136 Außerdem wurde ihnen die Expedition der Ablaßbulle »per secretariauch gleich eine lateinische Supplik bei. Vgl. Brief des Rates zu Langensalza und des Sittich von Berlepsch an Kanzler Dr. Simon Pistoris, 5. August 1528, Loc. 7444/6, Bl. 63 [die Supplik ebd., Bl. 64]. 132 Im Juli 1517 schrieb Hermsdorff: »den vorhoffe gantz kortzlich ab Got wil, fertig zu werden und auff zcuseyn, wie ich denne als balt nach ostern zcuthun bedacht gewesen, wo nicht dieser mangel der commission vorgefallen, derhalben ich bisher diser heyssen und schweren zceyt zcu erwarten vorursacht worden«. Bericht Hermsdorffs, Juli 1517 (wie Anm. 112). 133 Vgl. z. B. Bericht Hermsdorffs, Juli 1517 (wie Anm. 112). 134 Siehe S. 220–225. 135 Vgl. Bericht Bünaus, 1505/06 (wie Anm. 40). 136 Vgl. Bericht Hermsdorffs, Juli 1517 (wie Anm. 112). – Hingegen mußten die Bulle und zwei Breven, die aus den zwei kleineren Suppliken hervorgingen, anders als die Hauptbulle

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am«137 (also durch einen Sekretär der camera apostolica) in Aussicht gestellt, was – wie die Verzeichnung der Bulle in den Registri Vaticani belegt – auch geschah.138 Durch die Umgehung der päpstlichen Kanzlei konnten nach Hermsdorffs Angaben 400–500 duc. gespart werden. Freilich fielen für die eigentlich kostenlose, weil ursprünglich den politischen Schreiben des Papstes selbst vorbehaltene Ausfertigung per cameram immerhin noch 90 duc. an. Am 5. Juli 1517 schließlich konnte Hermsdorff die Bulle »Salvatoris nostri« in der römischen Fuggerfaktorei aufgeben. Als Eilsendung gelangte sie in nur zwei Wochen zum Hoflager Herzog Georgs nach Weißenfels, so daß der Jubelablaß noch am Annentag 1517 (26. Juli) zum ersten Mal in der Bergstadt erworben werden konnte.139 Wenig später, nachdem auch die letzte Urkunde für Annaberg ausgestellt war, verließ auch Nikolaus von Hermsdorff Rom, im Gepäck reichlich Erfahrungen und ein paar Pfund heiliger Erde für den Friedhof der neuen Stadt im Erzgebirge.140 e) Finanzierung: Abwälzung der Kosten auf lokale Obrigkeiten Die Päpste der Renaissance sind für ihren Finanzbedarf ebenso bekannt wie für ihre Neigung, diesen durch den Handel mit kirchlichen Gnaden zu decken. Und Rom war zu allen Zeiten ein teures Pflaster. Für die Umsetzung seiner Kurienpolitik mußte Herzog Georg daher erhebliche fi nanzielle Ausgaben einplanen. Schon die Kosten einer Romreise und noch mehr des Aufenthalts in der Ewigen Stadt waren beträchtlich. Dies zeigt die Abrechnung der Prokuratoren Günther von Bünau zu Elsterberg und Hans von Schönberg, die 1505/06 in Georgs Auftrag die Konfi rmation des Papstes für die Wahl des Hochmeisters Friedrich zum Koadjutor von Magdeburg besorgten.141 Stolze 5000 duc. berechnete die Kurie für die Dispens, beide Prälaturen gleichzeitig zu besitzen. Doch die Gesamtausgaben, die nach fast anderthalbjähriger Tätigkeit für Reise, Romaufenthalt, Spesen und kuriale Gebühren angefallen waren, machten am Ende mehr als das Doppelte aus, genau 10598½ duc., 200 fl. und 2 Kreuzer oder

unter vollen Gebühren in der Kanzlei expediert werden. Zum Inhalt der Suppliken siehe Anm. 113, zu den letztlich ausgestellten Privilegien vgl. Schulte, Bd. 1, 76 f. 137 Bericht Hermsdorffs, Juli 1517 (wie Anm. 112). 138 Vgl. Bulle Papsts Leo X., Rom, 24. Mai 1517, A. S. V., Reg. Vat. 1204, Bl. 239–243, ediert: Schulte, Bd. 2, 170–177. – Zur Expedition per cameram und ihrer Überlieferung in den Vatikanregistern vgl. Frenz, 132–140. 139 Siehe Anm. 130. Zur Erteilung des Jubelablasses am Annentag 1517 vgl. Schulte, Bd. 1, 170 f. 140 Vgl. Brief Dr. Nikolaus von Hermsdorffs an Herzog Georg, Rom, 3. September 1517, Gess, Ablaß, 561 f. 141 Siehe S. 184–186.

150 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) umgerechnet etwa 15.250 fl., die die Prokuratoren penibel auf 28 Seiten Rechnungslegung dokumentierten.142 Keine Sorgen mußte sich Herzog Georg hingegen über Personalkosten machen, denn anders als die gewerblich tätigen Berufsprokuratoren in Rom konnten die Vertreter des reichen Wettiners für ihre Mühen keine unmittelbare Entlohnung erwarten. So deckten die Soldzahlungen von 200 fl. bzw. 100 duc., die Nikolaus von Hermsdorff und Günther von Bünau zu Schkölen für ihren jeweils einjährigen Romaufenthalt erhielten, kaum die Lebenshaltungskosten.143 Von einer Entlohnung der kurialen Prokuratoren ist nichts zu hören, nur vom »dangnemigem wolgefallen« des Fürsten ist die Rede.144 Daß dies wiederum alles andere als ein Blankoscheck auf einträgliche Benefizien war, mußte Karl von Miltitz lernen, als er sich um das Meißner Kanonikat seines Vetters Johannes von Schleinitz bemühte. Denn den beliebten, weil kostenneutralen Weg, Dienste von Klerikern durch die Vergabe von Pfründen zu belohnen, beschritt Herzog Georg im Falle der Prokuratoren nur ein einziges Mal, als er nämlich eben jenes von Miltitz begehrte Kanonikat an den verdienten Hermsdorff verlieh.145 Den weitaus größten Posten aber stellten die Gelder dar, die die Kurie für die Ausstellung der Gnadenbriefe berechnete: Kompositionstaxen, Kanzleigebühren sowie die unerläßlichen Geschenke für einflußreiche Kurialen.146 Die Ka142

Rechnung des Dr. Günther von Bünau [zu Elsterberg] und des Hans von Schönberg, [nach dem 17. Februar 1507], Loc. 8949/2, Bl. 78–91. Die Rechnung umfaßt alle Ausgaben seit der Abreise der Prokuratoren aus Halle am 6. September 1505. – Eine eingehendere Auswertung dieser kulturgeschichtlich aussagekräftigen Quelle wird vom Verf. vorbereitet. 143 Angesichts der penibel aufgeführten Ausgaben in der Rechnung des Günther von Bünau zu Elsterberg erscheinen die Klagen über unzureichende Besoldung, die sein Schkölener Vetter ein Jahr zuvor erhoben hatte, durchaus plausibel: »dan e.f.g. kan bedenken, was ich der teuren zeit, so ich zu Rome gelegen und obgeschribne sachen sollicitiret [. . .] hab mussen anwenden. Mag e.f.g. warlich angeben, das ich meins gelds mehr, dan 100 dukaten, zugebost. Was 4 pferd, 3 knecht und ich solcher schwinder zeit ein ganz jar vorzeren mogen, ist den, dy es vorsuchet, wislich«. Bericht Bünaus, 1505/06 (wie Anm. 40). – Zum Sold Hermsdorffs siehe Anm. 150. 144 Brief Herzog Georgs an Karl von Miltitz, Dresden, 14. Oktober 1517, ABKG, Bd. 1, 27 f. – Einzig Wilhelm von Enckenvoirt erhielt 1523 einen vergoldeten Becher. Doch war dieser seinem Zweck nach keine Entlohnung für Prokuratorendienste, sondern ein Geschenk anläßlich seiner Ernennung zum Datar. Tatsächlich war der Becher ursprünglich für den Vizekanzler Giulio de Medici vorgesehen, doch disponierte Georg kurzfristig um, nachdem der Medici unter Hadrian VI. entmachtet worden war. Vgl. Brief Herzog Georgs an Bischof Johannes VII. von Meißen in Rom, Dresden, 4. Januar 1523, ebd., 421–425. 145 Siehe oben, Anm. 91. 146 Ein Beispiel für die Bestechungspraxis an der Kurie stellt der Vorschlag des Karl von Miltitz zur Beförderung der Rückzahlung der Annaten für die Koadjutorie Magdeburg dar. Um die Rückzahlung der 4000 duc. zu erwirken, ging Herzog Georg auf Miltitz’ Vorschlag ein »bey 500 Reynischen gulden ungferlich [zu] verstreuen und den, so dise sach fordern konten, zu vorerung zu geben«. Dennoch verlief die Sache im Sande, was Karl von Miltitz in der Gunst des Fürsten kaum gehoben haben dürfte. Brief Herzog Georgs an Karl von Miltitz, Dresden, 14. Oktober 1517, ABKG, Bd. 1, 27 f.

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nonisation Bennos von Meißen verlangte Ausgaben von mehreren Tausend Gulden.147 Ähnlich hoch waren die Kosten für die Annaberger Privilegien. Neben 1600 duc. Kompositionstaxe und 90 duc. Gebühr für die Kammerexpedition der Ablaßbulle fielen etwa 300 duc. für die Kanzleiexpedition der übrigen drei Bullen und Breven an, nach zeitgenössischer Umrechnung beinahe 3000 fl.148 Es gelang Herzog Georg jedoch in beiden Fällen, den Löwenanteil der Kosten auf lokale Instanzen seines Landes abzuwälzen, die ein Interesse an den päpstlichen Gnadenerweisen besaßen. Im Fall Benno war es das Meißner Domkapitel, das die gesamten Kosten des Kanonisationsprozesses trug, während sich der Landesherr auf eine Beihilfe von 1000 fl. beschränkte. Zu erkennen ist diese Tatsache allerdings erst auf den zweiten Blick, da die Abwicklung des Zahlungsverkehrs mit den Fuggern vollständig über Herzog Georg lief, der außerdem durch Bürgschaften die Liquidität der Prokuratoren sicherstellte.149 Dasselbe Muster fi ndet sich bei der Finanzierung der Annaberger Prokuration. Hier war es der Rat der Bergstadt, der nicht nur den Sold des Nikolaus von Hermsdorff übernahm. Zwar fi ndet sich in den Finanzakten Herzog Georgs für das Jahr 1517 ein Ausgabeposten von 2380 fl. für die Annaberger Gnaden (eine Summe, die exakt den 1690 duc. entsprach, die die Ablaßbulle kostete). Doch lag Georg schon seit Oktober 1516 eine Zusage des Annaberger Rates »deß gelds halben, der zweythawsent gulden« vor, die darauf hinauslief, »daß, ap Got wil, wenig mangel dorinne sal gespurt werden«.150 Auch die Kosten für ein Breve zur Erweiterung des Jubelablasses stellte Herzog Georg dem Annaberger Rat in Rechnung.151 Das fi nanzielle Engagement des Landesherrn konzentrier147 Die genaue Höhe läßt sich nicht feststellen, da die endgültige Kompositionstaxe unbekannt ist. Doch hielt Herzog Georg allein dafür bei der römischen Fuggerfi liale 6000 fl. bereit, zudem summierten sich die weiteren Kosten allein in der Endphase 1518–1523 auf mindestens 600 duc. und 100 fl. Vgl. Volkmar, Heiligenerhebung Bennos, 86–89 mit Anm. 330 f.; 94 mit Anm. 361. 148 Den Umrechnungskurs von Dukaten in rheinische Gulden setzten die Fugger mit 1,42 an. Dementsprechend verzeichnete Herzog Georg die 1690 duc. Taxen für die Ablaßbulle in seiner Rechnungslegung mit einem Posten von 2380 fl. (siehe Anm. 150). – Die 300 duc. Kredit, die Hermsdorff bei den Fuggern in Rom zur Bezahlung der Kanzleiexpedition der drei übrigen Urkunden aufnahm, sollten drei bis vier Monate später in Leipzig inklusive Zinsen (»mit aufgerechtem interesse«) mit 450 Rhfl. beglichen werden. Dies entsprach bei einem Kurs von 1,42 Zinskosten von 24 Rhfl. oder 5,5% (16,5% p.a.). Brief Dr. Nikolaus von Hermsdorffs an Herzog Georg, Rom, 8. Juli 1517, Gess, Ablaß, 560. Tatsächlich fi ndet sich in den albertinischen Rechnungen ein zweiter Ausgabeposten für Hermsdorff in Höhe von 446 fl. Vgl. Schirmer, Kursächsische Staatsfi nanzen, 276. 149 Vgl. Volkmar, Heiligenerhebung Bennos, 86–89. 150 Vgl. ebd., 89 mit Anm. 336. Die Besoldung Hermsdorffs und das Zitat: Brief des Bürgermeisters und Rates zu Annaberg an Herzog Georg, Annaberg, 9. Oktober 1516, Gess, Ablaß, 542. 151 Vgl. Brief Herzog Georgs an den Rat zu Annaberg, Dresden, 22. Juli 1519, ABKG, Bd. 1, 95. Zum Inhalt des Stücks vgl. Brief Herzog Georgs an Karl von Miltitz, Dresden, 14. Oktober 1517, ebd., 27 f.

152 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) te sich also auch hier auf die Organisation des Zahlungsverkehrs über die Fugger nach Rom und in diesem Zusammenhang auf Bürgschaften, etwa für die Ablieferung des Ablaßdrittels an die Petersfabrik.152 Wenn Herzog Georg also die Erhöhung des Meißner Heiligen ebenso wie den Annaberger Kirchbau mit großem Engagement in Rom förderte, so hieß das nicht, daß er auch die Kosten der römischen Gnaden übernahm. Ganz anders lagen hingegen die Dinge im Falle der Koadjutorie Magdeburg.153 Zwar galt die Anwartschaft auf das Erzstift dem Hochmeister Friedrich d.Ä. von Sachsen. Doch Herzog Georg war nicht nur der Urheber und Organisator des Vorhabens, er kam allen Anschein nach auch für die von Rom geforderten Taxen auf, die sich aus den Gebühren für die Dispens, Hochmeisteramt und Bischofswürde in einer Hand vereinen zu dürfen, und den für das Erzstift fälligen Annaten zusammensetzten.154 Dies belegt die Rechnung Bünaus und Schönbergs, die auf der Einnahmeseite nur Gelder vermerkt, die direkt von Georg kamen oder auf seinen Kredit vom römischen Faktor der Fugger ausbezahlt wurden.155 Eine zusätzliche Obligation von 4000 duc., für die sich die Prokuratoren im August 1506 persönlich beim römischen Bankier Salvio de Pulgerini verbürgten, wurde ebenfalls von Herzog Georg beglichen.156 Anders als bei Benno oder Annaberg, enthalten die Akten in diesem Fall auch keinerlei Hinweis darauf, daß Georg die Kosten durch den notorisch geldknappen Hochmeister Friedrich oder gar durch den alten Erzbischof Ernst erstattet worden wären. Vielmehr bemühte sich Herzog Georg noch 1515–1517 bei der Kurie um die Rückzahlung der Annaten, »so wir vor unsern lieben bruder [. . .] ausgegeben«, nachdem durch den frühen Tode Herzog Friedrichs d.Ä. das Erzstift an die Hohenzollern gefallen war.157 Angesicht seiner sonstigen Finanzierungspraxis muß Georgs Bereitschaft, aus eigenen Mitteln die römischen Kosten der Koadjutorie seines Bruders zu decken, als ein Beleg für die hohe Be152

Siehe S. 142–149. Siehe S. 184–186. 154 Vgl. Bericht eines Prokurators an Herzog Georgs, o.J. [Ende 1504/1505], Loc. 8949/2, Bl. 57–59; Rechnung Bünaus, 1507 (wie Anm. 142), hier Bl. 89a. 155 Vgl. ebd., Bl. 78. 156 Zu den Bürgen, die sich für diesen großen Kredit »bey penn der bepstliche camer obligiret und vorpfl icht« hatten, gehörten neben Bünau zu Elsterberg und Schönberg auch weitere Geistliche im Dienste Georgs: Günther von Bünau zu Schkölen, Donat Groß und Ernst von Schleinitz, daneben auch der Generalprokurator des Deutschen Ordens, Georg von Eltz. Vgl. ebd. – Zur Übernahme durch Herzog Georg vgl. Brief Günther von Bünaus [zu Elsterberg] an Herzog Georg, Wolkenstein, 5. Dezember 1506, Loc. 8949/2, Bl. 67 f.; Konzept zu einer Antwort Herzog Georgs, o.J., ebd., Bl. 70. 157 Brief Herzog Georgs an Nikolaus von Hermsdorff, Leipzig, 5. Dezember 1516, ABKG, Bd. 1, 20, Anm. 3. Vgl. auch die weitere Korrespondenz aus den Jahren 1515–1517 ebd., 20, Anm. 3, 20–22, 27 f., sowie eine »underrichtunge in der sachen der annaten«, die Georg Pusch wohl während seines Deutschlandaufenthaltes im Sommer 1517 für Georg verfaßte. Begleitschreiben zu einem Gutachten Dr. Georg Puschs für Herzog Georg, Bautzen, 17. September [1517], Loc. 8994/9, Bl. 26. 153

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deutung gewertet werden, die Georg einer dynastisch orientierten Kirchenpolitik beimaß. Die Episode lädt aber auch ein, Parallelen von welthistorischer Tragweite zu ziehen. Denn wenn der freilich weniger vermögende Markgraf Joachim I. seinen Bruder ebenso unterstützt hätte wie Georg den seinen, hätte Kardinal Albrecht seine Taxen und Dispensen für Mainz nicht durch jenen Petersablaß fi nanzieren müssen, der einen jungen Wittenberger Professor zu 95 Thesen veranlaßte.

3. Das Themenspektrum der Kurienpolitik Die folgende Zusammenstellung der Angelegenheiten, in denen sich Herzog Georg an die Kurie wandte, wird schon aufgrund der Überlieferungssituation kaum Vollständigkeit beanspruchen dürfen. Dennoch bietet die Zusammenschau aller bekannten Kurienmissionen einen instruktiven Überblick über die vielfältigen Anliegen der Kirchenpolitik Herzog Georgs gegenüber dem Papsttum. Das disparate Material zu strukturieren fällt schwer, zumal die bisherigen Überlegungen zur fürstlichen Kurienpolitik kaum Orientierung bieten können. Justus Hashagen etwa hat eine Gliederung anhand der Trias Pfründenpolitik, Finanzpolitik und »politische und persönliche Beweggründe« vorgeschlagen, ganz ähnlich gliedert John A. F. Thomson in »Benefices and Provisions«, »Taxation« und »Jurisdiction«.158 Beide Modelle erfassen wesentliche Konfl iktlinien im politischen Miteinander von Fürsten und Päpsten, doch ist dies nur ein Ausschnitt der gesamten Kurienkontakte. Noch weniger geeignet erscheint eine Ordnung nach den Sachbetreffen der päpstlichen Register, die nur zwischen Pfründen, Expektanzen und Diversem (für die Gratialbriefe) sowie den Justizbriefen unterscheiden.159 Deshalb wird an dieser Stelle eine recht pragmatische Gliederung vorgenommen, die zunächst zwischen a) dauerhaften bzw. langfristigen Privilegien und b) tagespolitischen Angelegenheiten unterscheidet. Beide Gruppen lassen sich noch weiter differenzieren. Die dauerhaften Privilegien und Gnadenerweise zerfallen in zwei Bereiche: 1. Kirchenpolitische Privilegien für den Landesherrn, 2. Privilegien für die Kirchen und Einwohner des Territoriums.

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Vgl. Hashagen, Staat und Kirche, VII f.; Thomson, V. Vgl. Frenz, 68, dort jedoch auch nicht im Zusammenhang mit fürstlicher Kurienpolitik. Die Gliederung der Gratialbriefe lautet: »Pfründenprovisionen (de vacantibus), 2. Expektanzen (de vacaturis), 3. andere Urkunden (de diversis formis)«. Daneben stehen »4. Reskripte (litterae minoris iusticiae)« sowie ferner »5. Verwaltungsschreiben für den Kirchenstaat, 6. politische Korrespondenz des Papstes«. – Dieser Ordnung folgt auch Götz-Rüdiger Tewes. Vgl. Tewes, Kurie und Länder, 29. 159

154 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) Die tagespolitischen Angelegenheiten sind weiter zu differenzieren in: 3. Konzil, 4. Zulassung von römischen Ablaßkampagnen im Territorium, 5. Besetzung von Bischofsstühlen und Abteien, 6. Gerichtsverfahren, 7. Dispensen in persönlichen Angelegenheiten des Fürsten oder seiner Räte. Aus der Perspektive des Kirchenregiments stellen die kirchenpolitischen Privilegien für den Landesherrn den wichtigsten Teilbereich der fürstlichen Kurienpolitik dar. Denn nur mit Hilfe des Papstes konnte der weltliche Fürst eine kirchenrechtlich legitimierte Herrschaft über die Kirche seines Territoriums ausüben und erweitern. An dieser Stelle fi nden sich auch die von Hashagen und Thomson angeführten Konfl iktlinien wieder. Herzog Georgs Bemühungen zielten zum einen auf die Bestätigung bestehender Rechte. So ließ er sich eine Konfi rmation über das Privilegium de non evocandis subditis ausstellen, das die Ladung von Untertanen vor geistliche Richter außerhalb des Territoriums verbot.160 Vor allem aber ging es ihm um die Patronats- oder Präsentationsrechte an vielen höheren Benefi zien, im Domkapitel Meißen, in einigen kleineren Kollegiatstiften sowie an der Universität Leipzig. Dabei war er gleichzeitig an Erweiterungen interessiert, etwa an einem Ausschluß päpstlicher Reservationen.161 Einen ausgesprochen innovationsfreudigen Eindruck hinterlassen zum anderen die Vorstöße des Albertiners um neue kirchenpolitische Privilegien. Ein ganzes Panorama geradezu revolutionärer Vorschläge bietet das Peraudi-Programm, jener Forderungskatalog, den Georg dem Kardinallegaten bei seinem Besuch in Meißen im Januar 1503 präsentierte.162 Unter Schmälerung der bischöfl ichen Gewalt wollte sich der Fürst vom Papst mit umfassenden Reformkompetenzen ausstatten lassen, die den gesamten Welt- und Ordensklerus und auch die geistliche Gerichtsbarkeit umfaßten. Zudem sollte die Geistlichkeit auf die (Steuer-)Beschlüsse der Landschaft verpfl ichtet und die Einflußmöglichkeiten der Kurie durch die Festschreibung des Vorrangs des Patronats gegenüber päpstlichen Provisionen reduziert werden. Der völlige Mißerfolg dieses ersten großen Vorstoßes ließ Georg offenbar zurückhaltender werden.163 Erst unter dem Eindruck der Reformation entschloß er sich 1523 erneut zu grundsätzlichen Forderungen an den Papst, als er für den Landesherrn das Recht rekla160 Vgl. Bericht Bünaus, 1505/06 (wie Anm. 40). Zur Vorgeschichte des Privilegs siehe S. 70–72. 161 Vgl. Bericht Bünaus, 1505/06 (wie Anm. 40); Forderungen Herzog Georgs an Kardinal Raimund Peraudi [1503], Gess, Klosterreformen, 46 f. 162 Vgl. ebd. 163 In den folgenden Jahren kam es lediglich 1504/05 zu dem Versuch, durch ein päpstliches Privileg Einfluß auf die geistliche Gerichtsbarkeit über Annaberg zu erlangen. Vgl. Bericht Bünaus, 1505/06 (wie Anm. 40).

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mierte, alle Weltgeistlichen absetzen zu dürfen, die in ihrer Amts- und Lebensführung die Normen verletzten oder sich der Evangelischen Bewegung anschlössen.164 Doch auch dieser Vorstoß blieb erfolglos und verstärkte nur Georgs Enttäuschung über die Kurie, die ihn gerade in seinen letzten Lebensjahren immer mehr dazu neigen ließ, seine kirchenpolitischen Vorstellungen eigenmächtig durchzusetzen.165 Privilegien für die Kirchen und Einwohner des Territoriums machen den quantitativ bedeutendsten Teilbereich der landesherrlichen Kurienpolitik aus. Mit der Heiligsprechung Bennos von Meißen und den Privilegien für St. Annaberg sind die beiden aufwendigsten Kurienmissionen Georgs hier zu verorten. Zwei Zielstellungen verbanden sich vorrangig mit dieser Politik: Die Förderung von Laienfrömmigkeit und die Finanzierung von Kirchenbauten.166 Die Errichtung von Kirchen und Klöstern zur höheren Ehre Gottes wurde traditionell als vornehmste Aufgabe des christlichen Herrschers angesehen. In der Umsetzung dieser Verpfl ichtung aber setzte Herzog Georg neue Akzente. Sein Einsatz äußerte sich weniger im materiellen Beitrag, seine Stiftungen blieben vergleichsweise bescheiden. Vielmehr verstand er die Aktivierung und Koordination von Ressourcen und Bemühungen als seine Aufgabe. Hierfür bot sich die Nutzung päpstlicher Ablässe und Indulte an, durch die die Spendenbereitschaft der Bevölkerung geweckt werden konnte. In diesen Kontext gehören nicht nur die Annaberger Gnaden, sondern auch der umstrittene Freiberger Butterbrief von 1491 und die 1523 nach dem Annaberger Muster erbetenen Ablaßgnaden für den Kirchenbau zu Altenberg.167 Den besonderen ökonomischen Bedingungen in den Bergstädten trugen außerdem einige Indulte von kirchenrechtlichen Normen Rechnung, die Erlaubnis der Feiertagsarbeit in den Bergwerken,168 des Handels mit den hussitischen Böhmen169 und – so will zumindest die zeitgenössische Argumentation glauben machen – die Fastendispens.170 Letztere beantragte Georg 1523 für das gesamte Territorium, eine 164

Vgl. Brief Herzog Georgs an Bischof Johann VII. von Meißen in Rom, Dresden, 4. Januar 1523, ABKG, Bd. 1, 421–425. 165 Ein letzter erfolgloser Versuch, neue Privilegien vom Papst zu erhalten, ist aus dem Jahr 1536 bekannt, als sich Herzog Georg über Nikolaus von Schönberg bemühte, nach dem Meißner Vorbild auch die Präsentationsrechte für das Domkapitel zu Merseburg zu erlangen. Vgl. Gess, Klostervisitationen, 8, 47 f. 166 Siehe S. 345–357. 167 Siehe S. 373–384. 168 Bewilligt für Annaberg. Vgl. Schulte, Bd. 1, 76. 169 1517 bewilligt für alle Untertanen Georgs im Zusammenhang mit den Annaberger Privilegien. Vgl. ebd. Schon 1505 wurde eine entsprechende Supplik Georgs vom Papst signiert, die Ausfertigung aber unterblieb. Vgl. Bericht Bünaus, 1505/06 (wie Anm. 40). 170 Bei Bergstädten wurde die Notwendigkeit einer Fastendispens topisch mit Schwierigkeiten in der Versorgung mit Fastenfi sch begründet. Auch Herzog Georg weist im Falle Altenbergs darauf hin, daß »doselbst wenig fisch zu bekomen ist«. Brief Georgs an Johann VII., 1523 (wie Anm. 164).

156 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) Maßnahme, die der evangelischen Bewegung Momentum nehmen sollte.171 Schließlich ist in diesen Bereich der Kurienkontakte noch die Einholung päpstlicher Konfi rmationen für Neugründungen, Inkorporationen oder Besitzveräußerungen kirchlicher Einrichtungen einzuordnen, aber auch die ungewöhnliche römische Bestätigung der kaiserlichen Messeprivilegien für Leipzig im Jahre 1514, die ebenfalls auf Georgs Initiative zurückgeht.172 Zu den wichtigsten tagespolitischen Anliegen der Kirchenpolitik Georgs gehörte die Konzilsfrage und die Zulassung von römischen Ablaßkampagnen, die ausführlicher an anderer Stelle behandelt werden.173 Ein weiteres Feld, die Einflußnahme auf die Besetzung von Bischofsstühlen und Abteien, war im gesamten Mittelalter ein zentrales Anliegen fürstlicher Kirchenpolitik. Bei Würden im eigenen Einflußbereich diente sie der Ausübung von Kontrolle im Rahmen des landesherrlichen Kirchenregiments, bei auswärtigen Stühlen stand die Versorgung nachgeborener Söhne und die Machterweiterung für die Dynastie im Vordergrund. Nach dem Wiener Konkordat von 1448 kam den Domkapiteln bzw. den Konventen die Wahl eines Kandidaten zu, der sich dann um die Bestätigung durch das Konsistorium in Rom bemühen mußte.174 Diese Konfi rmationen beschäftigten die landesherrliche Kurienpolitik insofern, als sich der Fürst zuweilen entschied, einen Kandidaten bei ihrer Einholung zu unterstützen. Der erste bekannte Kurienkontakt Herzog Georgs betrifft einen solchen Vorgang. Im November 1494 bat er in Briefen an den Papst und Kardinal Todeschini-Piccolomini, den Kardinalprotektor der deutschen Nation, um die Bestätigung des erwählten Abts von Pegau.175 Eine Spielart der Bistumspolitik, bei welcher der Landesherr ebenfalls auf den Papst angewiesen war, war die Bestellung von Koadjutoren mit Nachfolgerecht. Der besondere Reiz dieses Rechtsinstituts lag darin, daß zu Lebzeiten eines befreundeten Bischofs dessen Nachfolge im Sinne des Fürsten geregelt werden konnte, wodurch das Kontinuitätsproblem geistlicher Herrschaft zumindest temporär gelöst wurde. Besonderes Interesse zeigte Georg an der Sicherung des Magdeburger Erzstuhles für das Haus Wettin. Mit seinem ernestinischen Cou171

Vgl. ebd. Siehe dazu S. 528–537. Vgl. Bulle Papst Leos X., Rom, 8. Dezember 1514, Müller, Privilegien, 34–37. – Weitere päpstliche Konfi rmationen erwirkte Herzog Georg in folgenden Fällen: 1501 zur Errichtung eines Franziskanerklosters in Annaberg (vgl. ABKG, Bd. 1, XXX f.); 1515 zur Inkorporation der Wallfahrtskapelle zum Queckborn in die Pfarrei Dresden (vgl. ebd., 536, Anm. 3); 1517 für die Bruderschaft und die Altäre in der Pfarrkirche zu Annaberg (siehe oben, S. 143, Anm. 111); 1523 zum Verkauf geistlicher Güter durch das Brückenamt an der Pfarrkirche zu Dresden an den eigenen Vorsteher Georg Alnpeck (vgl. Brief Georgs an Johann VII., 1523 [wie Anm. 164]). – In den Kontext der Ordensreform gehört die 1497 auf Veranlassung Albrechts und Georgs vom Papst verfügte Übergabe des Leipziger Franziskanerklosters an die Observanten. Siehe S. 255–259. 173 Siehe S. 158–162, 373–384. 174 Dies galt für alle Benefi zien mit einem Wert von mehr als 200 fl . Vgl. Frenz, 72 f. 175 Siehe Anm. 41. 172

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sin Erzbischof Ernst einigte er sich auf die Nachfolge seines jüngeren Bruders Friedrich, des Hochmeisters des deutschen Ordens. 1505/06 arbeiteten Prokuratoren der Wettiner an der Kurie und erreichten, unterstützt von Kardinal Raimund Peraudi, die Konfi rmation des Papstes sowie eine Dispens zur Vereinbarung beider Würden.176 Akzeptanz und ausdrückliche Unterstützung fand an der Kurie der landesherrliche Einfluß auf die albertinischen Landesbistümer Meißen und Merseburg. 1513 sagte Papst Leo X. Herzog Georg zu, keinen Koadjutor zu ernennen, den der mit dem Landesherrn zerstrittene Meißner Bischof Johann VI. vorschlagen würde. Da Georg das Domkapitel kontrollierte, war eine Nachfolge in seinem Sinne gesichert, nach der Wahl 1518 wurde sein Kandidat vom Konsistorium bestätigt. 1529 akzeptierte Papst Clemens VII. auch den Vorschlag Herzog Georgs, Julius Pflug zum Koadjutor von Merseburg zu ernennen. Die Kurie zeigte sich hier weit entgegenkommender als das Merseburger Kapitel, das den Plan schließlich zu Fall brachte.177 Ein weiteres Betätigungsfeld der landesherrlichen Kurienpolitik waren Gerichtsverfahren an der Kurie. Vor der Rota, dem obersten geistlichen Gerichtshof, wurden auch sächsische Fälle verhandelt. Nicht der Landesherr war es freilich, der hier sein Recht suchte, sondern Geistliche mit guten Verbindungen zur Kurie, die Pfründenprozesse anstrengten. Aus der Sicht des landesherrlichen Kirchenregiments bargen solche Verfahren die Gefahr, den Zugriff Roms auf den sächsischen Pfründenmarkt zu erleichtern. Sie finden sich deshalb als Mißstand in der Liste, die Herzog Georg zu den Gravamina der deutschen Nation von 1521 beisteuerte.178 Schon im Vorfeld versuchte er, Rotaprozesse durch Druck auf potentielle Kläger zu verhindern.179 Wo es dennoch zum Prozeß kam und seine eigenen Patronatsrechte betroffen waren, unterstützte Herzog Georg seine Kandidaten, wie 1506 den Meißner Domdekan Dr. Johannes Hennig.180 In enger Parallele zur Politik gegenüber einheimischen geistlichen Richtern galt sein Interesse vor allem der Verhinderung bzw. Auf hebung von Interdikten, die die Seelsorge im Lande bedrohten.181 Herzog Georg betrachtete die Tätigkeit der Rota selbst dann mit Mißtrauen, wenn ein positives Ergebnis zu erwarten war. 1495 forderte er Papst und 176

Zur Prokuration vgl. Loc. 8949/2, Bl. 24–95. Siehe auch S. 149 f. und S. 184–186. Siehe S. 204–207. 178 Siehe S. 176–179. 179 Siehe S. 270–278. 180 Siehe S. 216 f. 181 So 1508/09 bei einem Interdikt gegen das Kloster Chemnitz und die ihm inkorporierte Pfarrei St. Jacob, das nach einem Rotaprozeß um die Pfarrpfründe durch den siegreichen Dr. Wolfgang Steinberger erwirkt worden war, obwohl der Chemnitzer Abt bereit war, dem Urteil zu entsprechen. Vgl. Brief Herzog Georgs an Dr. Johannes von Kitzscher und Dr. Bernhard Sculteti, Dresden, 29. August 1509, Cop. 112, Bl. 296; vgl. auch ebd., Cop. 110, Bl. 82a, 115a, 166a ; CDS, II, Bd. 6, 409. 177

158 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) Kardinäle auf, den Streit um den Freiberger Butterbrief einfach durch ein päpstliches Breve zu entscheiden, damit »die sache in der Rota ane weit.[er] advocirn ire entschaft erlangte«.182 Andererseits nutzte Herzog Georg zuweilen einen Weg, auf dem er die päpstliche Gerichtsbarkeit für seine Zwecke instrumentalisieren konnte. Die Gelegenheit dazu boten die litterae minoris iusticiae, durch die der Papst einen vor ihn gebrachten Rechtsstreit zur Untersuchung und Entscheidung an geistliche Richter in partibus überwies.183 Indem der Landesherr sich gezielt um ein solches Delegationsreskript bemühte, konnte er durch die Wahl einer ihm genehmen Untersuchungsinstanz, etwa einem der sächsischen Bischöfe, geistliche Prozesse in seinem Sinne lenken.184 Abseits der Kirchenpolitik standen die zahlreichen Kurienkontakte, die Dispensen in persönlichen Angelegenheiten des Fürsten oder seiner Räte zum Inhalt hatten. Bestes Beispiel ist die päpstliche Dispens von naher Verwandtschaft, die für die Eheschließung Herzog Georgs und Prinzessin Barbaras benötigt wurde.185 Eine solche Dispens besorgte 1505/06 ein Prokurator Georgs auch für die Ehe des Hofmarschalls Heinrich von Schönberg d.J. zu Stollberg mit Barbara von Schönfeld.186

4. Hoffnung auf Kirchenreform. Das Fünfte Laterankonzil Ein intensives Interesse brachte Herzog Georg allen Versuchen entgegen, die Reform der Kirche durch ein allgemeines Konzil voranzutreiben. Die Reformkonzilien von Konstanz und Basel hatten die Fähigkeit von Kirchenversammlungen, gesamtkirchliche Reformen voranzutreiben, eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Auch Herzog Georg billigte den päpstlich legitimierten Konzilien eine zentrale Rolle bei der Erneuerung der lateinischen Christenheit zu. Diese 182 Briefe Herzog Georgs an Papst Alexander VI. und die Kardinäle Francesco Todeschini-Piccolomini, Raimund Peraudi und Johannes Antonii de S. Georgio, 28. Januar 1495, Cop. 105, Bl. 80b. 183 Vgl. Frenz, 78 f. 184 So im Falle des Prozesses gegen den hussitischen Pfarrer Dr. Johannes Pfennig (siehe dazu S. 460 f.). Vgl. Breve Papst Alexanders VI. an Herzog Georg, Rom, 10. August 1501, O. U., Nr. 9425. – Im Streit um das Patronatsrecht über die Pfarrei Tennstedt in Thüringen erwirkte Dr. Valentin von Tetleben 1516 ein Breve, durch das der Papst den Bischof von Merseburg und den Dekan des Stifts St. Severin zu Erfurt als Richter einsetzte. Vgl. Brief Dr. Nikolaus von Hermsdorffs an Herzog Georg, Rom, 21. August 1516, Loc. 9827/22, Bl. 84. 185 Siehe Anm. 9. 186 Vgl. Bericht eines Prokurators an Herzog Georg, o.J. [1505/06], Loc. 8949/2, Bl. 57– 59, wo der Name der Ehefrau mit »Barbara de Schonfelt« angegeben wird. – Der Historiograph der Schönberger, Albert Fraustadt, berichtet zwar von einer Gattin aus dem Hause Schönfeld, kennt aber ihren Vornamen nicht, während er gleichzeitig (irrtümlich?) den Vornamen Barbara einer zweiten Ehefrau zuordnet. Vgl. Fraustadt, Schönberg, 257–259. – Zur Rolle Schönbergs in der albertinischen Verwaltung vgl. Schirmer, Herrschaftspraxis, 372.

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Einstellung prägte seine Haltung zum Fünften Laterankonzil (1512–1517), für dessen Erfolg der Albertiner sich wie kaum ein anderer Reichsfürst engagierte. Papst Julius II. hatte dem im Mai 1512 zusammengetretenen Konzil die Reform der Kirche an Haupt und Gliedern als wichtigste Aufgabe vorgelegt. Als päpstliche Gegenveranstaltung zum im Vorjahr auf Initiative des französischen Königs einberufenen »Conciliabulum« von Pisa, stand das Lateranum jedoch zunächst im Schatten der Vormachtskämpfe in Italien. Doch verschafften schon 1512/13 militärische Niederlagen der Franzosen, die darauf folgende Selbstauflösung der Pisaner Synode sowie der mit großen Hoffnungen verbundene Amtsantritt des jungen Papstes Leo X. (1513–1521) der Reformdiskussion in Rom eine echte Chance. Selbst eine französische Delegation nahm seit Herbst 1513 an den Verhandlungen des nun allgemein anerkannten Konzils teil.187 In Sachsen wurden die römischen Konzilsvorbereitungen nicht nur aufmerksam verfolgt, sondern auch direkt unterstützt. In Leipzig erschienen 1511/12 zwei Flugschriftendrucke der Ausschreibungsbulle Papst Julius’ II. Neben der im VD 16 nachgewiesenen lateinischen Originalfassung fi ndet sich in den Beständen der Universitätsbibliothek Leipzig auch eine deutsche Übersetzung, die das Konzils- und Reformprojekt interessierten Laienkreisen vorstellte. Wenngleich ein landesherrlicher Auftrag nicht belegbar ist, paßt die zweisprachige Publikation doch präzise in das Schema der Öffentlichkeitspolitik Herzog Georgs.188 Sicher greif bar wird Herzog Georgs Engagement im Frühjahr 1513, als er zwei hochrangige Dominikaner zu seinen Vertretern auf dem Konzil ernannte. Obwohl er selbst keine Einladung erhalten habe, so schrieb Georg am 9. Februar 1513 an den Papst, wünsche er sich gleich anderen Fürsten eine Beteiligung an dem Konzil, das der Papst zur Förderung des christlichen Glaubens und zur Reform der römischen Kirche einberufen habe. Deshalb ernenne er den Generalmagister der Dominikaner, Thomas de Vio Cajetan, zu seinem Prokurator und bevollmächtige ihn, »pro communis ecclesie pace unitate ac reformatione« in seinem Namen zu handeln.189 Als zweiten Vertreter benannte er am 29. März 187

Vgl. Jedin, Trient, Bd. 1, 93–110; Minnich, Concepts; ders., Council; Venard. Vgl. Bulla intimationis generalis Concilii apud Lateranum per Julium Papam II. edita, Lipsiae: apud Jacobum Mazochium 1511, 4o (VD 16 K 241); Bulla der aufsatzunge und verkundunge eines gemeynen Concilii: so tzu Rhom in sant Johan Lateran kirchen sall gehalten werden: durch unsern heyligisten vater Julium Babst den andern gemacht und ausgangen: von latino in deutzsch verwandelt, Leipzig: Martinus Herbipolensis 1512, 4o (Exemplarnachweis: UB Leipzig, Kirchg. 966/11). Zur Öffentlichkeitspolitik Herzog Georgs siehe S. 406– 420. 189 »Se ipsum commendat humiliter etc. fide digno omnium sermone accepi, S[anctitati] v[estra] pro amplificanda fide Christiana proque venerabilis ecclesie Romane unitate paceque reformanda Concilium Lateranense Rome indixisse, ad quod exteros etiam principes convenire aut oratores suos mittere certo mihi significatum est. Et quamvis hac de re nihil quicquam legittime aut literis aut nunciis mihi insinuatum sit, [. . .] ego quoque ut secordie 188

160 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) seinen Jugendfreund Nikolaus von Schönberg, der nach Cajetans Wahl zum Ordensgeneral im Jahre 1508 dessen Amt eines Generalprokurators der Dominikaner an der Kurie übernommen hatte.190 Damit war Herzog Georg der erste Reichsfürst, der sich nachweisbar am Laterankonzil beteiligte. Er blieb damit auch in den Folgejahren eine Ausnahme, denn neben dem Kaiser fi ndet sich in den Listen der Konzilsteilnehmer nur ein weiterer weltlicher Reichsfürst, Kurfürst Joachim I. von Brandenburg, der seit Dezember 1513 durch drei Oratoren in Rom vertreten war. Als einziger geistlicher Reichsfürst von Rang benannte schließlich Albrecht von Brandenburg Vertreter für das Konzil, allerdings erst nach seiner 1514 erfolgten Wahl zum Mainzer Erzbischof.191 Die geringe Beteiligung des Reiches am Lateranum ist dabei nicht auf einen politisch motivierten Boykott zurückzuführen, eher schon auf mangelndes Vertrauen in die Reformfähigkeit Roms. Herzog Georgs Engagement kann daher um so mehr als Ausweis seines hohen Interesses an der Sache der Kirchenreform verstanden werden, zumal er – anders als die beiden Kurfürsten – gar nicht offiziell zum Konzil geladen war.192 Papst Leo X. hob in einem Breve Georgs Engagement lobend hervor und zeigte sich auch mit der Wahl des papsttreuen Kardinals Cajetan als Prokurator zufrieden.193 Noch im selben Jahr fällte der neue Papst zwei wichtige Entscheidungen zugunsten Genegligentieque notam declinarem, reverendo patri [. . .] Thome Devio Cajetano [. . .] devoto nostro dilecto procuratoris munere in dicto concilio nomine meo fungendi.« Brief Herzog Georgs an Papst Julius II., Dresden, 9. Februar 1513, Cop. 125, Bl. 356b, ediert: Kolde, 603. 190 Vgl. Credenzbrief Herzog Georgs für Nikolaus von Schönberg, OP, Dresden, 29. März 1513, Cop. 125, Bl. 357a–358a, ediert: Kolde, 604–606. Vgl. auch ebd., 601–603; Cardauns, 105, Anm. 3. Zum Kontakt zwischen Herzog Georg und den Prokuratoren vgl. die Briefe in: ABKG, Bd. 1, IL, Anm. 3; Kolde, 606–609. – Bestimmend für den Zeitpunkt der Benennung der beiden Prokuratoren im Frühjahr 1513 war möglicherweise die Anfrage des Abtes Georg (III.) von Pegau (1506–1514) wegen der Vertretung Herzog Georgs auf dem Konzil, die der Herzog abschlägig beantwortete. Vgl. Brief Herzog Georgs an Abt Georg von Pegau, Dresden, 26. Januar 1513, ABKG, Bd. 1, IL, Anm. 2; zur Person vgl. Vogtherr/Ludwig, 20 f. 191 Zu den Oratoren Joachims I. vgl. Kolde, 601; Minnich, Participants, 181–206 (Nr. 8, 41, 213). Erzbischof Albrecht ernannte den Dekan des Kardinalskollegiums und Moderator des Konzils, Kardinal Rafael Riarius, zu seinem und der Diözesen Mainz, Magdeburg und Halberstadt Prokurator. Vgl. ebd. (Nr. 320). 192 Vgl. Venard, 333–336. – Auch in den Folgejahren unterblieb die offi zielle Einladung durch den Papst offenbar, wenngleich er in seinem Breve Georgs Engagement begrüßte. Daher ging der Wunsch des Herzogs, anstatt einfacher Prokuratoren einige als offi zielle Botschafter mit Rederecht ausgestattete Oratoren zu entsenden, nicht in Erfüllung. Denn die Entsendung von Oratoren stand nur geladenen Fürsten zu. Dies könnte auch erklären, warum der Name des Herzogs und seines Prokurators Nikolaus von Schönberg in den ohnehin wenig zuverlässigen offi ziellen Listen der Konzilsteilnehmer fehlen. Vgl. Minnich, Participants, 181–206. Zum Wunsch des Herzogs vgl. den Passus »donec oratores meos illuc miserimus« im Ernennungsschreiben für Cajetan. Georg an Julius II., 1513 (wie Anm. 189). 193 Vgl. Breve Papst Leos X. an Herzog Georg, Rom, 31. März 1513, A. S. V., Arm. XLIV, Bd. 5, Bl. 55b –56a, ältere Edition: Sadoletus, Epistolae, 3–5.

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orgs,194 vielleicht ein Indiz dafür, daß Georgs Konzilsengagement sein Ansehen beim Papst tatsächlich zu heben vermochte. Doch nicht nur in der Bestellung eigener Vertreter zeigte sich Georgs Interesse am Erfolg des Lateranum. Auffällig ist, daß sich unter den gerade einmal 11 Diözesen des Reiches, die auf dem Konzil repräsentiert waren, die beiden albertinischen Landesbistümer Meißen und Merseburg befanden.195 Dabei ist ein Einfluß Herzog Georgs anzunehmen. Denn angesichts der politischen Abhängigkeit der sächsischen Bischöfe von ihrem albertinischen Landesherrn, die gerade 1511 durch den Schiedsspruch von Leipzig erneut bestätigt worden war, erscheint es als äußerst unwahrscheinlich, daß diese ohne sein Einverständnis aktiv geworden wären. Einen Hinweis auf die enge Verbindung mag der Umstand geben, daß der als Prokurator des Bischofs von Merseburg anzusprechende Abt Georg (III.) von Pegau sich erbot, ebenfalls als Vertreter Herzog Georgs vor dem Konzil aufzutreten, was dieser jedoch ablehnte.196 Auch der Vergleich mit Kurfürst Joachim und dem ebenfalls auf dem Konzil vertretenen Bistum Havelberg zeigt, daß das Konzilsengagement des Landesherrn mit der Beteiligung der in seinem Einflußbereich liegenden Bistümer parallel laufen konnte.197 So war schließlich das sonst so romferne Mitteldeutschland die einzige Region des Reiches, die auf dem als Reformkonzil apostrophierten Fünften Lateranum durch drei Fürsten und sechs Bistümer repräsentativ vertreten war. Die erste Initiative dafür hatte bei Herzog Georg gelegen, während die Ernestiner keinerlei Aktivitäten entfalteten. Was die sächsischen Vertreter von den Verhandlungen nach Hause meldeten, mußte für Herzog Georg freilich eine herbe Enttäuschung sein. Zwar war die Reform der Kirche das beherrschende Thema der in geschliffener humanistischer Rhetorik vorgebrachten Konzilsreden, zwar untersuchte eine von Leo X. berufene Reformdeputation die Mißstände bei den Behörden der Kurie. Die Beschlüsse des Konzils aber blieben weit hinter der Brillanz der Reformrhetorik zurück und enthielten, wo sie konkrete Maßnahmen – etwa gegen das ausufernde Taxwesen oder den Pfründenpluralismus – ankündigten, so viele Schlupflöcher, daß sie in der Praxis wirkungslos blieben. Die meist außeritalienischen Befürworter einschneidender Veränderungen, etwa die spanische Kro194 Die Wiederaufnahme des Bennoprozesses und die Regelung der Nachfolge des mit Georg zerstrittenen Bischofs Johann VI. von Meißen. Vgl. Volkmar, Heiligenerhebung Bennos, 76, und siehe S. 204–207. 195 Als Prokurator für das Bistum Meißen erscheint der auch als landesherrlicher Prokurator nachweisbare Jakob Gertewitz. Vgl. Minnich, Participants, 181–206 (Nr. 171); zur Person vgl. Volkmar, Kurienprokuratoren. Als Prokurator für das Bistum Merseburg ist Abt Georg (III.) von Pegau anzusprechen. Vgl. ebd. (Nr. 133). 196 Zur Absicht des Abtes, das Konzil zu besuchen, und zu seinem Versuch, neben dem Merseburger Bischof auch Herzog Georg als Prokurator zu vertreten, vgl. ABKG, Bd. 1, IL, Anm. 2. 197 Vgl. Minnich, Participants, 181–206 (Nr. 429).

162 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) ne und ihre Bischöfe, vermochten sich gegenüber dem Beharrungsvermögen des Renaissancepapsttums und seines kurialen Behördenapparates nicht zu behaupten. Ein ebenso allgemeiner wie unverbindlicher Konsens über die Notwendigkeit der Kirchenreform und einige ehrgeizige Reformprogramme, die bezeichnenderweise außerhalb der Hallen des Lateranpalastes formuliert wurden – mehr blieb nicht von fünf Jahren Verhandlungen.198 Herzog Georg hat die Hoffnung auf eine umfassende Kirchenreform durch ein Konzil dennoch nicht aufgegeben. Schon im folgenden Jahr versuchte er den Augsburger Reichstag zu Konzilsverhandlungen mit dem päpstlichen Legaten zu bewegen. Bis zu seinem Lebensende hielt er an der Überzeugung fest, daß nur ein Konzil Reform und Einheit der Christenheit erreichen könnte.199

5. Das Ende einer Allianz: Ergebnisse und Grenzen der Kurienpolitik Herzog Georgs Für die Kirchenpolitik weltlicher Landesherren im 15. Jahrhundert waren enge Kurienkontakte charakteristisch. Sie basierten auf dem Zweckbündnis, das die Päpste angesichts der Bedrohung durch den Konziliarismus mit den deutschen Fürsten gesucht hatten. Indem Rom den Auf bau eines landesherrlichen Kirchenregiments durch Privilegien unterstützte, sicherte es sich einerseits die Loyalität der Fürsten und schwächte andererseits die Gewalt der Bischöfe, die ja wiederum die konziliare Bewegung maßgeblich trugen. Dieser Interessenausgleich hatte sich überall in Europa als tragfähige Basis für ein Miteinander von Papsttum und weltlichen Herrschern erwiesen. Aber insbesondere für die deutschen Fürsten war die Unterstützung durch Rom von entscheidender Bedeutung, denn nur mit Hilfe päpstlicher Privilegien konnten sie eine dauerhafte Herrschaft über die Kirche ihres Territoriums auf bauen. Diese Ausrichtung auf die Kurie als Partner und Legitimationsinstanz, von Hashagen als Kurialismus bezeichnet, war konstitutiv für das vorreformatorische Kirchenregiment, das sich hier grundsätzlich von der nachreformatorischen Entwicklung unterschied.200 In den Jahrzehnten vor der Reformation hatten sich die Verhältnisse allerdings spürbar gewandelt. Der Konziliarismus war als politische Kraft verschwunden und mit ihm das Interesse der Päpste an den deutschen Fürsten. 198

Vgl. Jedin, Trient, Bd. 1, 102–110; Minnich, Concepts, 163–236, dort auch Ausführungen zu den Reformprogrammen der venezianischen Kamaldulenser Tommaso Giustiniani und Vincenzo Querini und der spanischen Delegation. Zu Querini und seinen Kontakten zum Konzil vgl. jetzt Bowd. 199 Siehe S. 173–179 und S. 594–604. 200 Vgl. Hashagen, Staat und Kirche, 299–303; am Beispiel Bayerns Rankl, 43–82, hier 81 f.

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Hinzu traten die Konzentration des Papsttums auf seine Rolle als italienische Territorialmacht und die Italianisierung der Kurie, während zugleich auf deutscher Seite die Entfremdung wuchs. Nur der chronische Finanzbedarf des Renaissancepapsttums blieb als Motivation für päpstliches Entgegenkommen erhalten.201 Unter diesen Bedingungen beeindruckt die Aktivität, die Herzog Georg in Sachen Kurienpolitik entfaltete. Agierte hier doch der Landesherr eines Territoriums, das nach dem Gradmesser der Lateranregister als kurienfern gelten muß und das aus kurialer Perspektive an der Peripherie der politischen Interessenräume des Papsttums lag.202 Georg ging es freilich nicht um politische Zusammenarbeit, sondern um Privilegien für sein Kirchenregiment und für die Kirche seines Landes, um umfassende Ablässe, um eine Heiligsprechung. Dazu trat von Anfang an ein waches Reforminteresse, für das Georg die bewährte Partnerschaft vergangener Jahrzehnte zu reaktivieren suchte. Päpstliche Privilegien sollten den Einfluß des Landesherrn stärken und ihm die Durchsetzung einer Kirchenreform in partibus ermöglichen, zwangsläufig zulasten bischöfl icher Kompetenzen. Mangels vergleichbarer Studien fällt es schwer, ein Urteil über die Intensität der Kurienpolitik Herzog Georgs zu fällen und sie so in den Rahmen der Kirchenpolitik deutscher Fürsten einzuordnen. Doch wird eine Charakterisierung als vereinzelte, ohnmächtige Versuche, wie sie kürzlich vorgenommen wurde, dem Befund sicherlich nicht gerecht.203 Denn Verstetigung bis hin zur Regelmäßigkeit und ein gewisser Grad an Professionalisierung kennzeichnen die sächsische Kurienpolitik jener Jahre. Für ihre Realisierung unterhielt Georg in 201

Vgl. Thomson, 203–208. Auf die gesamte Kirchenprovinz Magdeburg einschließlich der exemten Diözesen Meißen und Kammin entfielen nur 4% der deutschen Betreffe in den Lateranregistern Leos X. Vgl. Tewes, Kurie und Länder, 81 f., 384. 203 So Götz-Rüdiger Tewes, dessen Analyse der Kurienkontakte im vorreformatorischen Mitteldeutschland in der Einschätzung gipfelt: »Kaum jemand partizipierte in jener Gegend an den rechtlichen Möglichkeiten, welche die Kurie bot – und selbst Herzog Georg von Sachsen mußte seine Ohnmacht zugeben, wenn er es doch versuchte« (Tewes, Kurie und Länder, 357). Anders als Tewes mit seiner Einschätzung von der Ohnmacht Georgs – die sich auf eine frustrierte Momentaussage in einer Phase des Bennoprozesses stützt (vgl. ebd., 237) – suggeriert, stand eben ein voller Erfolg Georgs am Ende des Kanonisationsverfahrens, im Gegensatz zur Mehrzahl spätmittelalterlicher Kanonisationsversuche tatsächlich mit der Heiligsprechung endete. Vgl. Volkmar, Heiligenerhebung Bennos, 69–100. Damit soll nicht bestritten werden, daß anderen europäischen Mächten Mittel und Wege zur Verfügung standen, den Weg zu den päpstlichen Gnaden abzukürzen, doch zeigt das Beispiel Benno eben, daß auch ein deutscher Landesherr aus der europäischen Peripherie erfolgreich seine Interessen an der Kurie durchsetzen konnte. – Auch die Einschätzung von Tewes (vgl. ebd.), der Landesherr habe die (zweifellos bestehende) Kurienferne gefördert, da er den Auf bau eines landesherrlichen Kirchenregiments anstrebte, ist mit der hier vorgetragenen Argumentation zum Kurialismus des landesherrlichen Kirchenregiments nicht vereinbar. Damit sollen jedoch die Verdienste der wegweisenden Studie von Tewes nicht in Abrede gestellt werden. Vgl. dazu Volkmar, Rezension Tewes. 202

164 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) nahezu ununterbrochener Folge Prokuratoren in Rom, an wichtigen Vorhaben arbeiteten regelrechte Teams, zusammengesetzt gleichermaßen aus abgesandten Vertrauensmännern des Fürsten und erfahrenen Kurialen. Über die Fugger wurden Finanztransfers und Postverkehr abgewickelt. Der Erfolg von langwierigen und in der Sache grundsätzlich ergebnisoffenen Vorhaben wie einem Kanonisationsprozeß wäre ohne effi ziente Lobbyarbeit nicht denkbar gewesen.204 Besonders der kontinuierliche Einsatz von Kurienprokuratoren scheint ein methodisches Signum für die Kurienpolitik der aktivsten weltlichen Landesherren des Reiches zu sein. Dies ist bei Herzog Albrecht V. von Österreich ebenso zu beobachten wie bei den Bayernherzögen.205 Aber auch andere Indizien sprechen dafür, die Romkontakte Herzog Georgs, zumindest für Verhältnisse deutscher Landesherren, als intensiv einzustufen. Markant ist in diesem Zusammenhang sein Engagement für das Fünfte Laterankonzil, mit dem er sich deutlich von seinen Amtskollegen unterschied und sein ernsthaftes Interesse an einer Kirchenreform auch in capite unter Beweis stellte. Nicht nur in diesem Punkt hebt sich Georgs Kurienpolitik deutlich von derjenigen seines ernestinischen Vetters ab. Friedrich der Weise nahm weder am Konzil, noch an den Gravamina der deutschen Nation größeren Anteil.206 Herzog Georg hingegen gehörte auch hier zu den engagiertesten Fürsten, seine Vorlage wurde maßgeblich für den Text der gemeinsamen Beschwerdeschrift.207 Offenbar blieben die guten Kontakte Herzog Georgs nach Rom auch seinen fürstlichen Zeitgenossen nicht verborgen. Selbst ein Herzog Georg von BayernLandshut vertraute seine Kuriengeschäfte 1503 dem Albertiner und seinen Prokuratoren an, was angesichts der traditionell guten Kurienkontakte der Wittelsbacher etwas heißen mochte.208 Dies sollte freilich nicht darüber hinwegtäuschen, daß Herzog Georg die Erfolge seiner Kurienpolitik viel eher der eigenen Hartnäckigkeit und der Finanzkraft Sachsens verdankte, als einflußreichen Verbindungen oder besonderem päpstlichen Wohlwollen. Vor allem kannte das päpstliche Entgegenkommen klare Grenzen. Wo immer Georg versuchte, dauerhafte Rechte für sein Kirchenregiment zu erwerben, war völliges Scheitern das Ergebnis. Aus den Annaberger Suppliken strich der Papst die kirchenpolitischen Passagen, das im Peraudi-Programm geforderte Klostervisitationsprivileg wurde statt Georg nur den sächsischen Bischöfen erteilt, der Vorstoß von 1523, als Notmaßnahme ge204

Siehe vorherige Anm. Vgl. Koller, 133–177; Rankl, 43–82. Die bayerischen Herzöge waren schon bei Besetzungen von Kanonikaten auf intensive Kurienkontakte angewiesen, weil sie sich nur mit Hilfe päpstlicher Provisionen gegen die Besetzungsrechte der noch weitgehend eigenständigen Bischöfe durchsetzen konnten. Vgl. ebd., 239–244. 206 Vgl. Ludolphy, Friedrich, 373–375. 207 Siehe S. 176–179. 208 Vgl. Brief Herzog Georgs an Dr. Dietrich von Witzleben, [Dresden] 15. November 1503, Cop. 109, Bl. 67 b. 205

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gen die überhandnehmende Evangelische Bewegung gedacht, blieb ohne jede Antwort. Konsequent unterschied die Kurie zwischen einmaligen Vergünstigungen, die zu geben sie geneigt war, und der dauerhaften Verleihung von Sanktionsgewalt an den Landesherrn, die sie »mit anzceygung großes nachteyls, ßo der kirchen freyheyt doraus erwachßen mochte«209 verweigerte. Hier fand noch einmal das hochmittelalterliche Motiv der Libertas ecclesiae Verwendung. So lehnte Papst Leo X. die Forderung Herzog Georgs, den Ablaßkommissar für den Annaberger Jubelablaß selbst einsetzen zu dürfen, rundheraus ab, während er andererseits bereit war, dem konkreten Personalvorschlag des Albertiners Folge zu leisten.210 Hier stieß Georg an wiederaufgerichtete Barrieren, die schon eine Generation vor ihm der kirchenpolitisch überaus rege Kurfürst Albrecht Achilles von Brandenburg nicht überwinden konnte: Die Päpste duldeten zwar weiterhin den Auf bau eines landesherrlichen Kirchenregiments zulasten der Bischöfe, aber sie waren nicht mehr bereit, die in der Praxis tolerierten Eingriffe durch Privilegien im Grundsatz zu bestätigen.211 Nun lehrt aber gerade der Blick auf die Situation in Westeuropa, daß die Päpste nicht immer derart prinzipientreu agierten.212 Daher ist auch jenseits des Hinweises auf kirchenrechtliche Normen eine Antwort auf die Frage zu suchen: Warum verweigerten die Päpste der landesherrlichen Reformpolitik Herzog Georgs ihre Unterstützung? Die Argumentation muß dabei zeitlich zwischen Vorreformation und Reformation differenzieren. In der vorreformatorischen Situation waren die deutschen Fürsten als politische Partner für die Päpste uninteressant geworden. Anders als in Zeiten des Schismas und des Konziliarismus bestand für die Kurie keine besondere Veranlassung mehr, die politische Allianz von einst durch besondere Gnadenerweise zu pflegen,213 zumal, wenn es sich wie bei den Albertinern lediglich um Reichsfürsten der zweiten Reihe handelte. Zum anderen fehlte das kirchenpolitische Interesse Roms an der Situation in Sachsen im Speziellen. Die Hussitengefahr, auf die hinzuweisen Herzog Georg nicht müde wurde, hatte längst ihren Schrecken verloren. Andererseits erwies sich gerade Herzog Georg als unbequemer Partner, wenn es darum ging, der Kurie entgegenzukommen. Wo immer möglich, verhinderte er das Eindringen römischer Ablaßkampagnen und blockierte die wenigen Versuche von Kurialen, Pfründen in Sachsen zu erlan209

Bericht Hermsdorffs, August 1516 (wie Anm. 112). Die Forderung Georgs wurde von seinem Kanzler Kochel nachträglich in die von Johannes Tetzel verfaßte Supplikenvorlage eingefügt. Vgl. Gess, Ablaß, 544 f. (Text Tetzel) mit 545, Anm. 1 (Zusatz Kochel). Sollte sie nicht genehmigt werden, so sollte der »decanus ecclesie Misnensis pro tempore existens« (ebd.) eingesetzt werden, diese Formulierung wurde wörtlich in die Bulle »Salvatoris nostri« übernommen. Vgl. Bulle Papst Leos X., Rom, 24. Mai 1517, Schulte, Bd. 2, 170–177, hier 175. 211 Vgl. Priebatsch, Bd. 20, 262 f. 212 Vgl. Tewes, Kurie und Länder; Hashagen, Staat und Kirche. 213 Siehe dazu S. 48–65. 210

166 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) gen, wodurch sich die Kurienferne seines Territoriums verstärkte. Das von Erich Meuthen konstatierte Verhältnis gegenseitiger Distanz traf also auch auf die sächsisch-römischen Beziehungen zu. Die relativ intensiven Kontaktversuche Herzog Georgs hatten nur auf der Ebene routinemäßiger Geschäfte nach dem Prinzip Gnade gegen Geld Erfolg. Eine tiefergehende, diplomatische oder eben kirchenpolitische Kommunikation fand hingegen kaum statt, der Kontakt war hier nachhaltig gestört. Die Herausforderung der Reformation wäre nun geeignet gewesen, die Situation zu ändern. Stellte nicht der Ketzerkampf gegen den Wittenberger Häresiarch ein gemeinsames kirchenpolitisches Ziel erster Ordnung dar? Das Beispiel Bayern zeigt, daß eine solche Zusammenarbeit möglich war. Der »deutsche« Papst Hadrian VI., über die Situation im Reich etwas besser informiert, forderte die bayerischen Herzöge Anfang 1523 sogar direkt dazu auf, Privilegienwünsche zu äußern, mit denen die Kurie ihren Kampf gegen die Reformation unterstützen konnte. Der in Rom angesehene Johannes Eck konnte darauf hin für die Wittelsbacher eine konkurrierende Gerichtsbarkeit über den Klerus und das Recht zur Besteuerung der Geistlichkeit heraushandeln – zentrale Bausteine für das bayerische Kirchenregiment in der Frühen Neuzeit.214 Doch blieb Bayern ein Einzelfall. Die Hoffnungen Herzog Georgs auf kuriale Unterstützung wurden hingegen bitter enttäuscht. Im selben Jahr, in dem Johannes Eck die Privilegien für Bayern erhielt, blieben die in der Zielsetzung ähnlichen, jedoch ungleich radikaler formulierten Forderungen Georgs ohne Antwort. Die Heiligsprechung Bennos von Meißen war da ein schwacher Trost. Auch die Bitten eines Hieronymus Emser um fi nanzielle Unterstützung seines Flugschriftenkampfes gegen Luther – die mit einer einfachen Pfründenprovision zu erfüllen gewesen wären – verhallten unerhört, ebenso wie die mahnenden Rufe Georgs nach einem Konzil.215 Die Gründe für diese – mit Blick auf Georg tragisch zu nennende – Entwicklung waren vielfältig, doch sie bündeln sich im Syndrom eines nach wie vor gestörten Kommunikationsverhältnisses. Die Kurie blieb über die Tragweite der Vorgänge im Reich schlecht informiert, es fehlte das Verständnis für die sich radikal verändernde deutsche Situation und ihre Befi ndlichkeiten. Überzeugt, die Luthersache ließe sich durch einen kirchenrechtlichen Prozeß und die Reichsacht auf der Reichsebene lösen, ignorierte sie die Hilferufe papsttreu214 Die päpstlichen Privilegien vom 12. Juni 1523 sahen die Einrichtung einer aus landsässigen Äbten zusammengesetzten Kommission geistlicher Richter vor, die konkurrierend zu den Bischöfen Gerichtsbarkeit über häretische oder straffällige Geistliche ausüben sollte. Der einschränkende Passus, diese dürfe nur im Falle erwiesener Nachlässigkeit der bischöfl ichen Gerichte aktiv werden, wurde 1526 von Papst Clemens VII. aufgehoben. Außerdem wurde dem Landesherrn die Besteuerung des landsässigen Klerus mit 20% des Jahreseinkommen gestattet, um den Kampf gegen die Evangelische Bewegung und die Türken zu fi nanzieren. Vgl. Rankl, 78–81; Pfeilschifter, Bd. 1, 102, 159 f.; Kohnle, Reichstag, 141 f. 215 Siehe S. 554–581 und S. 594–604.

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er Fürsten, Prälaten und Theologen. Sachsen blieb ihr dabei ferner noch als Bayern. Herzog Georg drang mit seinen Forderungen nicht durch, er hatte wohl Kontakte zur Kurie, aber keinen Einfluß, daran änderten auch die zwei Romaufenthalte Bischof Johanns VII. 1523 und 1524 offenbar nichts.216 Vor allem aber legte sich der Albertiner mit seiner reformorientierten und daher auch kurienkritischen Haltung manchen Stein in den Weg, seine führende Beteiligung an den Wormser Gravamina sorgte bei Nuntius wie Papst für Irritationen.217 Selbst bei seinem einflußreichen Jugendfreund Nikolaus von Schönberg, der in diesen Jahren als päpstlicher Spitzendiplomat an den Königshöfen Europas agierte, traf Georg mit seinen energischen Reformforderungen kaum auf Verständnis.218 Schließlich gingen Georgs Privilegienwünsche im Kampf gegen die Reformation viel weiter als die bayerischen: Während Eck das Prinzip der geistlichen Gerichtsbarkeit wahrte, indem er die landesherrliche Justiz über häretische und straffällige Geistliche in die Hand einer Prälatenkommission legte, forderte Georg die direkte Sanktionsgewalt des Landesherrn über den Niederklerus. Dies verweist auf einen tiefergehenden, strukturellen Dissens: Nicht nur trafen Georgs Reformpläne auf eine Kurie, die noch auf dem Weg war nach Trient. Als die römische Reformdiskussion sich schließlich zur tridentinischen Reformbewegung mauserte, da waren eben die Bischöfe, und nicht mehr die weltlichen Fürsten ihre bevorzugten Partner. Die Allianzen hatten sich gewandelt. Angesichts der Tiefe der gegenseitigen Entfremdung muß der Historiker deshalb die Gründe für ein Aufrechterhalten der Romtreue ebenso genau hinterfragen wie die Option eines Bruchs.219 Für Herzog Georg ist diese Frage mit dem Hinweis auf seine konservative Grundhaltung wie auf seine überzeugte und reflektierte Altgläubigkeit eindeutig zu beantworten. Selbst die in seinem unmittelbaren Umfeld erwachsene Bewegung Martin Luthers ließ ihn nicht wankelmütig werden; im Gegenteil, er bekämpfte sie leidenschaftlich als eine Ketzerbewegung, deren geistige Wurzeln er im ihm verhaßten Hussitismus sah. Georgs Kirchenpolitik gegenüber Rom ist deshalb auch dort, wo sie energisch Rechte für das landesherrliche Kirchenregiment einfordert, eo ipso als ein Beleg für die Einheit der vorreformatorischen Kirche zu verstehen, einer Kirche, die regionale Eigenständigkeit kannte, aber die Führungsrolle des Papsttums nicht grundsätzlich in Frage stellte. Für Herzog Georg blieb die Frage der kirchlichen Reform deshalb auch ungeachtet aller auf das eigene Territorium 216

Zur zweiten Reise im Sommer 1524 vgl. Brief Bischof Johanns VII. von Meißen an Herzog Georg, Wurzen, 25. Juli 1524, ABKG, Bd. 1, 710. Über den Inhalt der Verhandlungen in Rom ist nichts bekannt. – Zu den Verhandlungen Johanns VII. mit der Kurie siehe auch S. 532 f. 217 Siehe S. 176–179 und S. 468–471. 218 Zur Haltung Schönbergs vgl. Kalkoff, Prozeß, 412 f. 219 Vgl. Thomson, 214.

168 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) bezogenen Aktivität immer mit Rom verbunden. Nur aus der untrennbaren Verbindung mit der Papstkirche ist sein Engagement für das Konzil und für die Gravamina zu verstehen, nur aus ihr heraus war es schließlich sinnvoll, ein Vierteljahrhundert um die römische Heiligsprechung des sächsischen Reformbischofs Benno zu kämpfen.

V. Kaiser und Reich Unter den Handlungsebenen der Kirchenpolitik Herzog Georgs tritt das Reich gegenüber dem Territorium, aber auch gegenüber der Kurie deutlich zurück. Dies sollte sich erst ändern, als die Religionsfrage mit der Causa Lutheri auf dem Wormser Reichstag 1521 zur Reichsangelegenheit wurde. Bis dahin beschränkte sich die Bedeutung des Reiches für die landesherrliche Kirchenpolitik auf die Bereitstellung eines herausgehobenen Kommunikationskanals für Anliegen, dessen eigentlicher Adressat das Papsttum war. Die periphere Rolle des Reiches in der Kirchenpolitik lag in der Verfassungsentwicklung des späten Mittelalters begründet, die in Deutschland die Territorien zu den Trägern moderner Staatlichkeit hatte werden lassen. Die Möglichkeiten des Reichsoberhauptes, auf die Kirche in den großen Territorien Einfluß zu nehmen, waren denkbar gering.1 Wie sehr sich das Verhältnis von Königtum und Fürsten gerade in den königsfernen Teilen des Reiches verschoben hatte, zeigt die Verfassungswirklichkeit des späten 15. Jahrhunderts: Die wenigen Eingriffe Kaiser Friedrichs III. in die politische Entwicklung Mitteldeutschlands erweisen sich bei näherem Hinsehen als bloße Reaktionen auf Anfragen der Wettiner, die den Kaiser für ihre Territorialpolitik zu instrumentalisieren verstanden.2 Gleichzeitig war das Reich zwar der wichtigste, aber keineswegs mehr der einzige Bezugsrahmen für die Außenbeziehungen der Territorien, unterhielten doch nicht nur die Kurfürsten, sondern selbst ein Herzog Georg diplomatische Kontakte zu den Höfen Europas, ins benachbarte Polen, Böhmen und Ungarn, aber auch nach England und Frankreich.3 Die drei Ebenen, die 1 Vgl. am Beispiel des königsnahen Württemberg Stievermann, Landesherrschaft, 33 f., 50–72. – Ein Überbleibsel der alten Machtfülle waren die Ersten Bitten des römischen Königs, die etwa von Maximilian I. noch in größerer Zahl ausgesprochen wurden, deren Erfolg jedoch ähnlich wie bei den päpstlichen Provisionen von der Durchsetzungsfähigkeit des Petenten vor Ort abhing. Eine planmäßige Politik verband sich mit ihnen nicht. Vgl. Santifaller. Zuweilen gingen die Landesherren dazu über, dieses Königsrecht für sich zu nutzen. Siehe S. 288. – Zur Kirchenpolitik Maximilians vgl. Angermeier, Kirche und Reichstag; Wiesflecker, Bd. 2. 2 Vgl. Eibl, Friedrich, 50. 3 1504 und 1510 kamen formale Bündnisverträge mit den Königen Heinrich VII. bzw. Heinrich VIII. von England zustande, die wohl im Zusammenhang mit der albertinischen Präsenz in Friesland zu sehen sind. Vgl. Bündnisbriefe König Heinrichs VII. von England, Greenwich (?), 17. Juli 1504, und König Heinrichs VIII., Greenwich, 10. Mai 1510, Loc. 7283/5, Bl. 13, 34. Weitere Kontakte ergaben sich in den frühen 1520er Jahren im Kontext

170 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) Reinhard Staubner für die politischen Beziehungen Herzog Georgs von Bayern-Landshut rekonstruiert hat – das Haus Bayern (Wittelsbach), das Reich und die europäischen Nachbarn – lassen sich auch auf das albertinische Sachsen übertragen.4 Dabei wäre zu ergänzen, daß das engste System von Außenbeziehungen nicht nur das Gesamthaus Sachsen, sondern auch die erbverbrüderten Häuser Hessen und Brandenburg samt der Erzbistümern Magdeburg und Mainz umfaßte.5 Zu den spezifischen Bedingungen der Reichspolitik Herzog Georgs gehört, daß dieser im Vergleich zu seinem Vater oder auch zu Friedrich dem Weisen nur geringe Kontakte zum Kaiserhaus unterhielt, nie persönlich im Dienst der Habsburger stand.6 Kaiser und Reich waren für Herzog Georgs also keine Instanzen, auf die er bei der Gestaltung seiner Kirchenpolitik sonderlich hätte Rücksicht nehmen müssen. Ansprüche des Reiches waren allenfalls dort abzuwehren, wo es um die reichsrechtliche Stellung der sächsischen Bischöfe ging.7 Die Frage von Kirchenregiment und Kirchenreform berührte dies jedoch kaum. Die alte Advocatio ecclesiae des Königtums war faktisch längst auf den Landesherrn übergegangen, Herzog Georg selbst der weltliche Schutzherr der Kirche in seinem Territorium.8 Unter dem Stichwort Kirchenpolitik auf der Reichsebene sind deshalb bis 1521 vor allem diplomatische Initiativen zu untersuchen, die von Herzog Georg ausgingen und die darauf hinausliefen, Kaiser und Reichstag für die landesherrlichen Interessen einzuspannen.

1. Die Aktivierung von Kaiser und Reich für die Kurienpolitik Eine erste Form der Aktivierung des Reiches für die landesherrliche Kirchenpolitik waren Petitionskampagnen. Der Kaiser und wichtige Reichsstände wurder gemeinsamen öffentlichen Auseinandersetzung mit Luther. Siehe S. 572 f. – 1538 trat der König von Frankreich mit dem Vorschlag eines Nichtangriffsvertrages an Herzog Georg heran und bot ihm eine jährliche Pension von 5000 Rh. fl. Vgl. Notiz über eine Werbung des Nickel von Minkwitz an Herzog Georg [1538], Loc. 7283/6, Bl. 1. – Ein angebliches Bündnis Herzog Georgs (und des Hochmeisters Friedrich) mit dem Zaren von Moskau, das 1511 König Sigismund von Polen beunruhigte, entpuppte sich als falsches Gerücht. Vgl. Brief Herzog Karls von Münsterberg an Herzog Georg, Oels, 16. Juni 1511 (mit Beilagen), Loc. 7283/6, Bl. 1–3. 4 Vgl. Staubner; zum Problem fürstlicher Außen- und Bündnispolitik um 1500 vgl. Carl; Merz. 5 Vgl. Rudersdorf, Erbverbrüderung, 33–37. 6 Vgl. Thieme, Albrecht im Dienste. Friedrich der Weise stand von 1497–1499 sogar an der Spitze des Hofrats König Maximilians I. Vgl. Noflatscher; Ludolphy, Friedrich, 145– 167. 7 Siehe S. 193–204. 8 Einen direkten Bezug auf das alte Königsrecht nahm Herzog Georg aber nicht. Siehe S. 424–429.

V. Kaiser und Reich

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den gebeten, landesherrliche Anliegen an der Kurie durch ein Unterstützungsschreiben (Commendatio) zu fördern.9 Diese Vorgehensweise entsprang der Einsicht, daß Sachsen als ein an der Peripherie päpstlicher Interessenräume gelegener Reichsstand in den Augen des europaweit agierenden Papsttums nur geringe Bedeutung besaß.10 Durch die Commendationes sollten die Interessen wettinischer Kirchenpolitik der Kurie als Anliegen des gesamten Reiches präsentiert und dadurch politisch aufgewertet werden. Nur bei den wichtigsten und prestigeträchtigsten Vorhaben griff Herzog Georg auf diese aufwendige diplomatische Taktik zurück. Zuerst begegnet sie im Zuge der Ernennung des Hochmeisters Friedrich von Sachsen zum Koadjutor des Erzbistums Magdeburg, einem dynastischen Prestigeprojekt, dessen Steuerung und Finanzierung in den Händen Georgs lag. Albertinische Räte verfaßten dazu im Sommer 1505 Musterbriefe, mit denen der König und eine Reihe leider nicht namentlich bekannter »fursten des reichs« dem Papst ihre Unterstützung für das wettinische Anliegen signalisieren sollten. Die Zustimmung des Reichsoberhauptes war in diesem Fall auch in sich selbst bedeutsam, denn Georgs Plan hatte weitreichende reichspolitische Implikationen, ging es doch letztlich darum, ob Wettiner oder Hohenzollern die Vorherrschaft im Raum der mittleren Elbe erringen würden.11 Durch des Königs Entgegenkommen ermuntert, bemühte sich Georg im September 1509 erneut um die Unterstützung des Reichsoberhauptes für seine Kurienpolitik. Diesmal ging es um die Erteilung eines Jubelablasses für den Kirchenbau in Annaberg, eine Gnade, um die sich die sächsischen Prokuratoren schon seit einiger Zeit vergeblich bemühten.12 Georg spricht dabei die Schwierigkeit an, beim Papst mit seinen Anliegen durchzudringen: Er sei »bericht, dß angezceigter bett [= die albertinische Supplik] bey babstlicher heiligkeit nicht angesehen, unnd vormutlich sey, die ane key[serliche]r m[a]y[es]t[ät], unsers aller g[nädigs]t[en] herrn, sonderliche forderung unnd vorbet swerlich zuerlangen«. Zusätzlich zu der kaiserlichen Fürsprache, so instruierte Georg seinen Gesandten, sollten auch alle am Kaiserhof anwesenden geistlichen und weltlichen Reichsfürsten um entsprechende Petitionen gebeten werden. Ja, sogar der 9 Der diplomatischen Form nach waren solche Schreiben keine eigenständigen Suppliken, sondern Empfehlungen – das Schlüsselverb ist commendare - die die Supplik des eigentlichen Interessenten unterstützten. Sie unterlagen deshalb nicht den üblichen, hochformalisierten Geschäftsgang der Kurie, sondern wurden als diplomatische Korrespondenz behandelt, die – zumindest im Falle Benno – direkt im Konsistorium verlesen wurde. So heißt es im Konsistorialprotokoll vom 9. August 1518: »Fuerunt lectae literae ill[ustrissi]mi domini Federici ducis Saxoniae [. . .] quibus commendabat canonizationem beati Bennonis«. Vgl. A. S. V., Archivio Concistoriale, Acta Vicecancellarii, Bd. 2 (1517–1523), das Zitat Bl. 87a (alte Zählung: Bl. 67a). 10 Siehe S. 112–117. 11 Siehe S. 179–189. 12 Siehe S. 143.

172 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) französische König – es ist die Zeit der Liga von Cambrai – mochte wenn möglich über den Kaiserhof als Fürsprecher gewonnen werden.13 Doch die Einschaltung des Kaisers erwies sich nicht als Königsweg. Denn auch der habsburgische Einfluß in Rom war im Zuge der fortschreitenden Entfremdung von Kurie und Reich gerade unter Maximilian auf einen Tiefpunkt gesunken.14 Erst 1516/17 erreichte Georg durch eigene Kuriendiplomatie sein Ziel.15 Das dritte Anliegen, für das Georg die Unterstützung von Kaiser und Reich bei der Kurie bemühte, war die Heiligsprechung Bennos von Meißen. Im 24 Jahre währenden Kanonisationsprozeß griff Georg jedoch erst in der entscheidenden Endphase 1518–1523 auf dieses Mittel zurück. Hingegen bemühte sich die albertinische Kuriendiplomatie – wie übrigens auch in den beiden anderen Fällen – fortwährend um die Fürsprache von Kardinälen und einflußreichen Kurialen.16 Erkennbar wird hier die flankierende, die albertinische Kuriendiplomatie lediglich ergänzende Rolle der Reichsunterstützung. Diese war freilich im Falle Bennos beeindruckend breit und dokumentiert die angesehene Stellung Herzog Georgs im Reichsverband. Neben Maximilian I., Karl V. und Erzherzog Ferdinand baten alle weltlichen und geistlichen Kurfürsten mit Ausnahme des Pfälzers, ferner die Herzöge Heinrich von Sachsen und Karl I. von Schlesien-Münsterberg sowie die Bischöfe von Meißen und Cammin den Papst um die Heiligsprechung Bennos. Die noch erhaltenen Konsistorialprotokolle belegen, daß ihre Empfehlungsschreiben – die sämtlich auf Georgs Initiative zurückgingen – tatsächlich im obersten Gremium der römischen Kirche verlesen wurden.17 Natürlich verfaßte auch Herzog Georg selbst Empfehlungsschreiben für andere Reichsstände. So bat er im Jahre 1524 Papst Clemens VII. »ex hac n[ost]ra com[m]endatione« um die Bestätigung der Wahl des Lebuser Bischofs Georg von Blumenthal zum Oberhirten von Ratzeburg.18 Die kampagnenartige Akti13

Instruktion Herzog Georgs für Hans von Goldacker, Schellenberg, 20. September 1509, Cop. 112, Bl. 116b –118a. 14 Vgl. Tewes, Kurie und Länder, 309–313; Schmid, Peraudi, 65–88. 15 Siehe S. 142–149. 16 Vgl. Volkmar, Heiligenerhebung Bennos, 69–100. 17 Vgl. Volkmar, Heiligenerhebung Bennos, 95–98. 18 Brief Herzog Georgs an Papst Clemens VII., Dresden, 10. November 1524, A. S. V., Segretaria di Stato, Principi, Bd. 2, 150 f. – Georgs Petition erfolgte möglicherweise auf Bitten Kurfürst Joachims I. von Brandenburg, dessen Protegé und Rat der Lebuser Bischof Georg von Blumenthal war. Allerdings unterhielt Herzog Georg auch selbst geschäftliche Beziehungen zu den Lebuser Bischöfen. 1518 zahlte er einen Kredit von 15.000 fl. an den Vorgänger Bischof Georgs zurück. Vgl. Kopiec; Brief Herzog Johanns d.J. an Herzog Georg, Dresden, 27. Mai 1518, Loc. 8498/1, Bl. 287 f.; Brief Herzog Georgs an die Statthalter zu Dresden, Augsburg, 31. Mai 1518, Loc. 8498/2, Bl. 23–25. – Am Rande des Augsburger Reichstag 1530 verfaßte Georg ein Empfehlungsschreiben für Johann Weze als designierten Erzbischof von Lund. Vgl. Brief Herzog Georgs an Papst Clemens VII., Augsburg, 13. Oktober 1530, Acta Pontificum Danica, Bd. 6, 463 (Nr. 5042). Zu Georgs Einsatz für die Heiligsprechung des Antoninus von Florenz vgl. Volkmar, Heiligenerhebung Bennos, 97 f.

V. Kaiser und Reich

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vierung von Kaiser und Reichsfürsten für die albertinischen Interessen in Rom ist typisch für den diplomatischen und letztlich auf den Papst orientierten Charakter der Kirchenpolitik Georgs auf der Reichsebene.

2. Die Reichstage: Forum der Romkritik, Forum der Kirchenreform? Auf den Reichsversammlungen des 15. Jahrhunderts und den daraus seit etwa 1470 hervorgehenden, stärker institutionalisierten Reichstagen nahmen Romkritik und Kirchenreform einen festen Platz ein. So stellte die Mainzer Akzeptation von 1439 den Versuch dar, die Reformdekrete des Konzils von Basel im Reich umzusetzen. Seit dem epochemachenden Wiener Konkordat von 1448 wurde die Kirchenreformdiskussion auf der Reichsebene von den Gravamina nationis germanicae bestimmt. Als »Beschwerungen« der deutschen Nation prangerten diese Texte die fortwährende Verletzung des Konkordats durch die Kurie an, wobei vor allem die Besetzung deutscher Benefizien und die von diesen eingezogenen Abgaben zur Sprache kamen. In anklagendem Ton forderten sie ein Ende der fiskalischen Ausbeutung des Reiches, zuweilen auch die erneute Inkraftsetzung der Konstanzer und Baseler Reformdekrete, hinter denen das Konkordat weit zurückgeblieben war.19 Die Reichstage boten Romkritik und Reformforderungen ein geeignetes Forum. Sie konnten in Anspruch nehmen, das schwache, zersplitterte Reich in seiner Gänze zu repräsentieren und sie konnten, wenn Legaten anwesend waren, direkt mit dem Papst in Verhandlung treten. Dieser exklusive Kontakt wurde zwar am Ende des Jahrhunderts durch die zunehmende Entfremdung von Kurie und Reich gestört, riß aber nie ganz ab. Der Augsburger Reichstag von 1500 verabschiedete auf Betreiben König Maximilians eine Gesandtschaft, die mit Papst Alexander VI. in Rom über die Gravamina verhandeln sollte. Im folgenden Jahr diktierte der Nürnberger Reichstag Kardinal Raimund Peraudi die (fi nanziellen) Bedingungen für die Zulassung seiner großen Jubelablaßkampagne im Reich.20 Herzog Georg hat den Kommunikationsraum Reichstag jedoch nur selektiv für seine Kirchenpolitik genutzt. Dies begann mit der persönlichen Anwesenheit. Auf vielen, aber keineswegs allen Reichstagen der Vorreformation war Georg zugegen. Als »eyn junger geselle«, so erinnerte er sich rückblickend, sei er erstmals in Nürnberg [1487?] in Begleitung seines Vaters auf einem Reichstag gewesen. Auch den großen Wormser Reformreichstag von 1495 erlebte er mit, fehlte hingegen in Augsburg 1500 und Nürnberg 1501. Erst 1505 erhielt er 19 Vgl. Scheible, Gravamina, 167–174; Wolgast, Art. Gravamina, 131 f.; sowie noch immer, wenngleich stellenweise überholt Gebhardt. Grundlegend neue Erkenntnisse zur Berechtigung der deutschen Klagen jetzt bei Tewes, Kurie und Länder, 303–313. 20 Vgl. Schmid, Peraudi, 65–80; Angermeier, Reichstag und Kirche, 55–64.

174 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) auf dem Kölner Reichstag seine Regalien. In Konstanz 1507 kündigte sich dann eine Konfl iktlage an, die maßgeblich dazu beitrug, daß Georgs Reichstagsbesuche ganz unregelmäßig wurden: der Sessionsstreit mit Bayern.21 Der Streit um den Vorrang auf der Fürstenbank, den die den Kurlinien nachgeordneten Mitglieder der Häuser Wettin und Wittelsbach (neben den Bayernherzögen betraf dies auch den nachgeborenen Friedrich von der Pfalz) miteinander austrugen, eskalierte 1521 in Worms.22 Im Kern ging es um nichts weniger als die Sicherung der eigenen ständischen Position im Reichsverband durch deren Demonstration auf dem Reichstag.23 Der schwelende Konfl ikt trug mit dazu bei, daß Herzog Georg die Reformationsreichstage der 1520er Jahre nicht mehr besuchte – zum großen Schaden der altgläubigen Partei.24 a) Der Reichstag zu Augsburg 1518 Das kirchenpolitische Engagement Herzog Georgs auf den vorreformatorischen Reichstagen fokussiert sich auf die Jahre 1518 und 1521. In Augsburg und Worms war das Thema der Gravamina wieder virulent. Daran hatte Georg zunächst gar keinen Anteil, vielmehr bereitete der päpstliche Aufruf zu einem neuen Türkenzug (und dessen fi nanzieller Unterstützung) sowie die zunehmende öffentliche Romkritik (Wimpfeling, Hutten, Luther) der erneuten Debatte den Boden.25 Georgs Reichstagsbesuche an Lech und Rhein, deren Facetten eine ausführliche Darstellung lohnen würden,26 sind hier lediglich unter der Fragestellung zu betrachten, inwieweit sie ein Forum für die landesherrliche Kirchenpolitik boten. Für Augsburg knüpft sich die Antwort an zwei Dokumente aus dem Spätsommer 1518. Am 5. August hatte der Legat Cajetan seine Rede vor dem Reichstag gehalten, nun war es an den Ständen, zu antworten. Georg begriff dies als Chance zu direkten Verhandlungen mit der Kurie. Eigenhändig verfaßte er einen Entwurf für eine Antwort der Stände.27 Die Gegenüberstellung mit der tatsächlichen Fassung der ständischen Antwort offenbart neben den Intentionen Georgs zugleich die geringe Resonanz, die seine Position auf dem 21 Brief Herzog Georgs an Kaiser Karl V. [Dresden, Februar 1532], ABKG, Ms. Werl, Nr. 2311. – Auch auf dem Augsburger Reichstagen von 1510 und 1518 war Georg anwesend. Siehe Anm. 56 und den folgenden Abschnitt. 22 Vgl. Scheible, Fürsten, 371 f. 23 Vgl. Neuhaus, Repräsentationsformen; Sikora; Kohnle, Reichstag, 11–20. 24 Vgl. Kohnle, Reichstag, 130, 228, 231. 25 Vgl. Scheible, Gravamina, 175–177. 26 Exemplarisch seien als Ergebnisse des Augsburger Aufenthaltes Georgs Freundschaft mit seinem Gastgeber Jakob Fugger und seine Begegnung mit der Sakralkunst der Renaissance in der neuen Fuggerkapelle erwähnt. Vgl. Tewes, Luthergegner, 330 f., und siehe S. 366–371. Zum Wormser Reichstagsbesuch vgl. Scheible, Fürsten, 390–397. 27 Vgl. Entwurf Herzog Georgs zu einer Antwort der Stände [Augsburg, 5.-27. August 1518], ABKG, Bd. 1, 41–43.

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Reichstag fand. Die Gesamtheit der Stände sah in Cajetans Türkensteuerforderung eine neue Spielart der fi nanziellen Ausbeutung des Reiches. Reflexartig hielten sie dieser in ihrer Antwort vom 27. August eine erneute Aufl istung der altbekannten Gravamina entgegen. Zwar bekundeten sie pro forma ihre Bereitschaft zur Mithilfe im Türkenkampf, doch für das Steuerprojekt sagten sie den Widerstand ihrer Untertanen voraus.28 Ganz anders Herzog Georgs Entwurf. Zwar läßt auch er es an Spitzen gegen Rom nicht fehlen. Der provokante Hinweis, durch die in Rom in den letzten Jahrzehnten zusammengekommenen Ablaßgelder und Annaten müßte die päpstliche Kreuzzugskasse bereits jetzt gut gefüllt sein, fand wohl aus seinem Entwurf den Weg in die Antwort der Stände.29 Doch von den Gravamina keine Spur. Georgs Ziel ist nicht Abwehr, sondern Kommunikation. Der wohlhabende Sachse kann sich durchaus vorstellen, dem Papst entgegenzukommen und von seinen Untertanen eine Türkensteuer einzuziehen. Dies ist – anders als in der Antwort der Stände – kein bloßes Lippenbekenntnis: In einem Memorandum an Kurfürst Friedrich nennt Georg konkrete Zahlen für einen Reichsanschlag.30 Mit den Leistungen des Reiches verbindet er aber eine ganz andere Forderung: Der Papst soll ein Konzil ausrichten, auf dem »vor allen dingen ein gmein reformacion geistlichs und wertlichs standen vorgnomen werd«. Türkenkreuzzug gegen Konzil, Steuerleistung gegen Kirchenreform, so lautet Georgs Verhandlungsangebot an den Legaten. Der so oft von Rom abgespeiste Landesherr sieht hier endlich die Chance, die Kurie zu Zugeständnissen in der Reformfrage zu bewegen. Die exklusive Kommunikationssituation, die ihm sein Entwurf im Namen der Stände bietet, will er ausnutzen. Am liebsten sofort sollen zwischen Reichstag und Legaten die Vorgespräche für das Konzil beginnen: »Wo es och k[aiserlicher] m[ajestä]t gfellig, domit dissem irem bschloß nicht seumen gsche, so seint dy stend willig, das sy itczt sich mit b[äpstlicher] h[eiligkeit] legaten voreynigen woln [der] molstat der kristlichen vorsamelung, och der zceit, uff das dy handelung forderlich mog vorgnomen werden«.31 28 Vgl. Antwort der Reichsstände auf die Werbung des päpstlichen Legaten, Augsburg, 27. August 1518, Janssen, Reichskorrespondenz, Bd. 2, 978–981. Vgl. auch Scheible, Gravamina, 176. 29 Vgl. Entwurf Georgs, 1518 (wie Anm. 27), 42: »Nicht weniger, so seint sy gantczer zcuvorsicht, bebestlich heilikeit werd dy langen vorsamelten schetcz, so durch vil jubileij von allen nacion erschaft, der gleich durch reichung der annaten [. . .] vorsammelt sein, och darstregken [zum Türkenzug]«. Vgl. Antwort Reichsstände, 1518 (wie Anm. 28), 980: »und wiewol sy [= die Deutschen] [. . .] in solchen cruciaten und indulgenz ir gaben und vermögen miltiglich mitgethailt, alles der zuversicht, das solhs zu eyner expedicion und zugk wider den Turcken [. . .] gebraucht worden sein solt. [. . .] Deßgleichen [. . .] annata erstlich nit meher wann ein klein anzal iar zu widderstandt der Durcken gewilligt«. 30 Georg spricht von einer Reichshilfe von 30.000–40.000 Mann für drei Jahre, fi nanziert »dem anslag nach, so jungst zum Romzug gemacht ist«. Memorandum Herzog Georgs für Kurfürst Friedrich [Augsburg, vor 6. September 1518], ABKG, Bd. 1, 44. 31 Entwurf Georgs, 1518 (wie Anm. 27), 42.

176 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) Wie die oben referierte tatsächliche Antwort der Stände belegt, fand Herzog Georg für seine Position auf dem Reichstag keine Mehrheit. Der alte Kaiser Maximilian setze sich zwar – schon aus Rücksicht auf die gefährliche Nähe seiner Erbländer zur Türkenfront – für die Türkensteuer ein,32 doch griff auch er die Konzilsidee nicht auf. Georgs Versuch, über den Reichstag die Kurie auf die Kirchenreform zu verpfl ichten, war nicht zu verwirklichen, weil die Stände seinen Reformenthusiasmus nicht teilten. Als einzelner Fürst aber konnte Georg auf dem Reichstag wenig bewegen, zumal er keinen Zugang zur exklusiven Kurfürstenkurie hatte und damit auch deutlich weniger Einfluß auf Tagesordnung und Entscheidungen der Reichsversammlung besaß.33 Erst als in den folgenden Jahren über Luther die Einheit der Religion zerbrach, rief auch der Reichstag nach dem Konzil. b) Der Reichstag zu Worms 1521 Die drei Jahre zwischen Augsburg und Worms entschieden nicht nur über die Zukunft Luthers, sondern sahen auch die Gravaminadebatte im Reich einem absoluten Höhepunkt zustreben. 1520 erschienen die Beschwerden im Druck, die Wimpfeling 1510 für Kaiser Maximilian verfaßt hatte. Vor allem aber griff Luthers Adelsschrift das populäre Thema auf und fand reißenden Absatz.34 Für einen weltgeschichtlichen Moment – zwischen dem Sommer 1520 und der Verurteilung Luthers in Worms – sah es so aus, als ob Luthers Reformation und die altbekannte Romkritik ein und dasselbe wären. Auf dem Wormser Reichstag war die antirömische Stimmung so beherrschend, daß Aleander das ganze Reich gegen sich glaubte.35 Selbst Herzog Georg, »olim tutto nostro«, so meldete der alarmierte Nuntius an die Kurie, habe sich gegen Rom gestellt.36 Der Hintergrund für dieses später schnell revidierte Urteil 37 war freilich nicht Georgs Haltung zu Luther, sondern seine Beteiligung an der Erarbeitung der reichständischen Gravamina. Denn als Karl V. den Ständen die Reichsacht Luthers vorlegen wollte, verlangten diese am 19. Februar 1521 nicht nur die Anhörung des Wittenbergers, sondern wollten auch verhan32 33

Vgl. Scheible, Gravamina, 176. Vgl. Kohnle, Reichstag, 11–20; Neuhaus, Repräsentationsformen; ders., Wandlun-

gen. 34 Vgl. Scheible, Gravamina, 176–178; Wolgast, Art. Gravamina, 132. – Zu Wimpfelings Reformgutachten vgl. Ulmann; Tewes, Kurie und Länder, 305–307. 35 Die sogenannten Depeschen Aleanders vom Wormser Reichstag sind als zentrale Quelle der Reformationsgeschichte in einer Vielzahl von Editionen greif bar. Vgl. Balan; Brieger; Lämmer; sowie zahlreiche Übernahmen aus diesen in: RTA, JR, Bd. 2; ABKG, Bd. 1. Jüngste Zusammenstellung: Fabisch/Iserloh, Bd. 2. 36 Bericht des Nuntius Hieronymus Aleander an den päpstlichen Vizekanzler Giulio de Medici, Worms, 28. Februar 1521, ABKG, Bd. 1, 159, Anm. 1 (ebenso in: RTA, JR, Bd. 2, 662, Anm. 1). 37 Vgl. Scheible, Fürsten, 390.

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deln, »was beschwerd und mißbrauch itzt dem heiligen reich obligen und von dem stul zu Rom in viel weg begegen«. Verbunden mit der Warnung, Luthers Ketzerei und die berechtigten Beschwerden gegen Rom nicht zu verknüpfen, gestattete Karl die Einrichtung eines Ausschusses.38 Die 102 Gravamina, die der Wormser Ausschuß im Namen der Reichsstände zusammentrug, zeichnen sich durch einen erweiterte Zielrichtung aus. Denn zu 28 Klagen über die Kurie traten nun auch 74 Artikel über die Geistlichkeit im Reich: neben den »beschwerd von den erzbischofen, pischofen und prelaten allain« listet das Papier Klagen über Domherren und Pfarrer, Mönche und Nonnen sowie – in großer Breite – über das Gebaren der geistlichen Gerichte auf.39 Das gesamte Spektrum der spätmittelalterlichen Kirchenreform wird damit erfaßt. Dies gab der Gravaminadiskussion auf der Reichsebene eine völlig neue Richtung, griff sie doch jetzt auch den hohen Reichsklerus an, der ursprünglich selbst Träger der antirömischen Gravaminabewegung gewesen war.40 In Worms wurden diese zu Klagen der weltliche Stände wider die Geistlichkeit – Luthers Adelsschrift zeigte Wirkung. Herzog Georg trug durch eine eigene Liste von 14 Beschwerdepunkten maßgeblich zu den Wormser Gravamina bei. Manche Artikel wurden von der Redaktion des Reichstagsausschusses wortwörtlich übernommen.41 Georgs Klagen waren aber keine spontane Stellungnahme. Auch jene Gravamina, die nicht gegen Rom gerichtet waren, hatten eine lange Vorgeschichte. Sie lassen sich auf eine Zusammenstellung von Klagepunkten aus dem Jahre 1499 zurückführen, die zur Vorbereitung von Reformverhandlungen mit den sächsischen Bischöfen in Naumburg entstand.42 Damit ist bereits angedeutet, daß auch Georgs Eingaben über die Romkritik hinausgingen. Vergleicht man jedoch genauer, so fällt ein gravierender Unterschied ins Auge. Während die Wormser Gravamina auf allen Ebenen des Klerus Mißstände feststellen, enthält Georgs Vorarbeit für Worms neben den antirömischen Beschwerden (Pfründenwesen und Ablaß-

38

Zitiert nach Wolgast, Art. Gravamina, 132; Vgl. Kohnle, Reichstag, 85–104. Entwurf der 102 Beschwerden der deutschen Nation [Worms, März 1521], RTA, JR, Bd. 2, 670–704. 40 Gegenbeschwerden der geistlichen Reichstände, die den Gravaminaausschuß unter Protest verlassen hatten, blieben nicht aus. Vgl. Wolgast, Art. Gravamina, 132; Scheible, Gravamina, 182. 41 Beschwerden Herzog Georgs wider die Geistlichkeit auf dem Reichstag zu Worms [Anfang Februar 1521], ABKG, Bd. 1, 150–153 (ebenso in: RTA, JR, Bd. 2, 662–666). – Zur Vorlagefunktion für die Reichsgravamina vgl. bereits Gebhardt, 106 f. 42 Vgl. Gebrechen, so inn geistlicher ordnung stehn [vor 17. Juni 1499], mit falscher Überschrift ediert in: Burkhardt, Landtagsakten, 46–49. Vgl. die Parallelüberlieferung in Loc. 14950, Konzepte [. . .], 1474–1525 (unpag.) als Lage Nr. 9 im Faszikel mit der Aufschrift »1502« unter dem Titel »gebrechen, so inn geistlicher ordnung stehn«. Siehe dazu S. 230–236. – Der Nachweis direkter Abhängigkeit beider Listen ausführlich bei Schulze, Fürsten, 123– 128. 39

178 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) handel) nur Klagen über einen einzigen institutionellen Zweig der Reichskirche: die geistliche Gerichtsbarkeit.43 Am mangelnden Überblick Georgs kann dies nicht gelegen haben, wie schon die Naumburger Gravamina belegen, die neben der Gerichtsbarkeit auch die Bischöfe, die Prälaten und den Niederklerus ins Visier nehmen.44 Es handelte sich wohl eher um eine bewußte Selbstbeschränkung. Georg kannte die Fülle der Reformfelder, aber er hielt – so möchte ich folgern – den Reichstag nicht für geeignet, auch jedes Reformproblem zu lösen. Klosterreform, Aufsicht und Disziplinierung des Niederklerus, die Amtsführung von Prälaten und Domherren, all dies waren Probleme, die vor Ort zu lösen waren, mehr noch, die Georg im Rahmen des landesherrlichen Kirchenregiments bereits effizient angegangen hatte und weiter anging. Hier brauchte der Landesherr das Reich nicht. Die Gravamina gegen Rom und die geistliche Gerichtsbarkeit hingegen berührten Reformfelder, auf denen auch ein starker Territorialfürst auf Verhandlungen zurückgreifen mußte, weil das kirchliche Gegenüber nicht seiner weltlichen Herrschaft unterworfen werden konnte. Genau für diese Verhandlungen mit der Kurie einerseits und mit den für sein Territorium zuständigen Bischöfen als Trägern der geistlichen Gerichte andererseits bot der Reichstag in den Augen Georgs ein geeignetes Forum. Schon in Augsburg hatte Georg im Rahmen der Verhandlungen um das Reichskammergericht auch eine Stellungnahme des Reiches zu der immerwährenden Debatte um die Kompetenzabgrenzung zwischen geistlichem und weltlichem Gericht gefordert. Insbesondere wollte Georg darüber verhandeln, »was geystliche ader werntliche sachen sein« und »in des reychs ordnung« den Grundsatz verankern, daß jedes Gericht nur in seinem Rechtsbereich tätig werden dürfte.45 So wird deutlich, worin Georgs Hoffnungen bei der Einschaltung des Reiches lagen. Wie bei der Konzilsforderung an die Kurie sollte über den Kommunikationskanal Reichstag die Autorität des gesamten Reiches für seine Forderungen an die Bischöfe in die Waagschale geworfen und dadurch die landesherrliche Verhandlungsposition gestärkt werden. Tatsächlich führte Georg in der Folgezeit entsprechende Verhandlungen mit Kardinal Albrecht (Mainz, Magdeburg, Halberstadt) und den mitteldeutschen Bischöfen und berief sich dabei explizit auf die »grosse clage auf ytzt gehaltenem reichstag zu Wurmbs«.46 In den Reichstagen sah Herzog Georg also die Möglichkeit, seine Reformforderungen an Papst und Bischöfe mit dem politischen Gewicht des Reiches zu versehen und so die Kirchenreform jenseits 43

Vgl. Entwurf der 102 Beschwerden, 1521 (wie Anm. 39); Beschwerden Georgs, 1521 (wie Anm. 41). 44 Vgl. Gebrechen, 1499 (wie Anm. 42). 45 Memorandum Georgs, 1518 (wie Anm. 30), 44 – Zur inhaltlichen Problematik siehe S. 226–250. 46 Antwort Herzog Georgs auf eine Werbung Kardinal Albrechts, Dresden, 12. August 1521, ABKG, Bd. 1, 182–184. Siehe dazu S. 596–600.

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der eigenen Einflußsphäre voranzutreiben. Für die Kirchenreform im Territorium hingegen brauchte er das Reich nicht. Und so ist es nur folgerichtig, wenn Georgs Wormser Beschwerden schließlich wieder in jener Forderung münden, in der er von Augsburg an bis zu seinem Lebensende die Lösung der Krise seiner Zeit sah: »Darumb von noten, das ein gemein reformacion geschiet, welchs nit bequemer wan durch ein gemein concilium mag gebessert werden. Darumb wir alle billich mit hochstem fleis ufs underthenigst bitten, dasselbig also zu furdern«.47 Erneut jedoch fand sein Ruf nach einem Konzil keine Mehrheit, namentlich der Nuntius Aleander soll dagegen gearbeitet haben.48 Der Papst, dem Aleander Georgs Beschwerden zugeschickt hatte, ging in seinem Breve an Georg vom 16. März mit keinem Wort auf den Konzilsruf ein,49 den sich die Evangelische Bewegung zur gleichen Zeit in antipäpstlicher Stoßrichtung zueigen machte.50 Im beschwörenden »wir alle« aber spiegelt sich noch einmal Georgs Versuch, seine kirchenpolitischen Forderungen zur Sache der Reichsstände zu machen und den Reichstag als exklusiven Verhandlungskanal zur Kurie, als ein Forum nicht nur für die landesherrliche, sondern die universale Kirchenreform zu gebrauchen.

3. Dynastische Interessenpolitik in der Reichskirche Fern jeden Reforminteresses lag ein ausgesprochen traditionelles Feld fürstlicher Kirchen- und Machtpolitik: der Erwerb von Kanonikaten und Bischofsstühlen für diejenigen Mitglieder der eigenen Dynastie, die in den geistlichen Stand übertraten. Zwei Motive waren dabei entscheidend. Zunächst galt es, den nicht für die Herrschaftsnachfolge vorgesehenen Söhnen eine angemessene Versorgung zukommen zu lassen. Die kirchliche Lauf bahn erlaubte nicht nur, den dabei entstehenden Finanzbedarf aus fremden Ressourcen zu decken. Sie eröffnete den nachgebornen Söhnen zugleich die Aussicht, als Kirchenfürst in jene Herrschaftsstellung einzurücken, die ihnen in der eigenen Familie verwehrt blieb. Damit verband sich das zweite Motiv, die Stärkung der Machtposition der eigenen Dynastie durch die Schaffung von natürlichen Verbündeten im Reichsepiskopat. Prototypisch für diese dynastische Kirchenpolitik stehen die bayerischen Wittelsbacher, deren Ambitionen sich zunächst auf die reichsunmittelbaren bayerischen Bistümer, in der Frühen Neuzeit dann auf die rheinischen Erzstühle – Schlüsselpositionen im Ringen der Konfessionen – konzen47

Beschwerden Georgs, 1521 (wie Anm. 41). Vgl. Scheible, Gravamina, 180. 49 Vgl. Breve Papst Leos X. an Herzog Georg, Rom, 16. März 1521, ABKG, Bd. 1, 159 f. – Zur Einsendung der Beschwerden Georgs durch Aleander vgl. RTA, JR, Bd. 2, 662, Anm. 1. 50 Vgl. Brockmann. 48

180 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) trierten. Aber auch die Wettiner betrieben am Ausgang des Spätmittelalters äußerst erfolgreich eine Machtpolitik via Krummstab. Da die de-facto landsässigen sächsischen Bistümer kein lohnendes Ziel mehr darstellten, griffen sie ins Reich aus. Ihr zentrales Interesse galt dabei Magdeburg, dem Vorort an der Elbe und Haupt der ostelbischen Kirchenprovinz, um das sie mit den Hohenzollern konkurrierten. 1476 wurde Ernst von Sachsen, ein Bruder Friedrichs des Weisen, zum Koadjutor gewählt; er hielt Magdeburg und Halberstadt bis 1513 in wettinischer Hand. Aber auch im Altsiedelland waren Wettiner als Bischöfe präsent: 1482 wurde Albrecht, ein weiterer Bruder, zum Koadjutor von Mainz gewählt.51 Als Herzog Georg 1488 die Regentschaft im albertinischen Sachsen übernahm, betätigte sich das Haus Wettin also überaus rege in der dynastischen Kirchenpolitik, wobei die Impulse von der Kurlinie ausgingen. Doch auch der junge Albertiner wurde bald aktiv. Zunächst im Zusammenspiel mit dem Vater übernahm er die Verantwortung für die geistlichen Karrieren der Familienmitglieder. Sein Engagement konzentrierte sich auf den jüngeren Bruder Friedrich d.Ä. (1473–1510). Dabei war Georg in einer einzigartigen Ausgangslage: noch als regierender Fürst besaß er selbst geistliche Pfründen. Denn entgegen der gängigen Annahme der Literatur belegen Dresdner Akten, daß Georg seine Pfründen auch nach der Übernahme der Regentschaft in Sachsen zunächst weiter behielt. Erst im Herbst 1494, sechs Jahre nach seinem Amtsantritt, kehrte er in den Laienstand zurück und heiratete bald darauf. Diese bemerkenswerte Verzögerung hatte nur einen einzigen Grund: Der zum Thronfolger avancierte Domherr bemühte sich, seine Pfründen und die damit verbundenen Wahlchancen durch die Weitergabe an den Bruder für das Haus zu erhalten. Bereits in einer vermutlich 1489 ergangenen Werbung an den Vater wird der Plan entwickelt, »das provisoratt ampt zu Erffurt unnd ufm Eysfelde mit etzlichen dhumereyen zu Meintz und Coln [. . .] an seiner gnade bruder einen [. . .] komen [zu] lassen«.52 Zu diesem Zweck besorgten Prokuratoren 1492 in Rom Expektanzen für Friedrich, die zusammen mit Georgs Resignation in Köln und Mainz vorlegt werden sollten.53 Offenbar gab es in den Domkapiteln jedoch Widerstände, die die Umsetzung der Pläne behinderten. 1494 51 Vgl. Blaschke, Geschichte Sachsens, 292 f.; Rogge, Ernst. – Dieter Stievermann charakterisiert die Besetzung von Koadjutorien und Bischofsstühlen als Element der »hegemonialen Herrschaft« der Wettiner in Mitteldeutschland. Vgl. Stievermann, Hegemonen, 382. 52 Werbung Herzog Georgs an Herzog Albrecht in den Niederlanden, o.J. [1489?], Loc. 10041/10, Bl. 1–4, hier Bl. 1a. Die Datierung des Stücks auf um 1489 beruht auf der Tagesdatierung des zweiten Stücks derselben Akte, ebenfalls einer Werbung an Albrecht (ebd., Bl. 5–8), auf den Mittwoch Simonis et Jude. Für einen solchen Tag kommt im Zeitraum 1488– 1494 nur das Jahr 1489 in Frage. 53 Vgl. Begleitschreiben an einen Prokurator Herzog Georgs am Mainzer und Kölner Hof [1492], Loc. 8954/9, Bl. 5.

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startete Georg in Mainz einen zweiten Anlauf, während vom Kölner Kanonikat keine Rede mehr ist. In einem Ratschlag wies Herzog Albrecht seinen Sohn auf mögliche Probleme hin, nämlich etwaige päpstliche Expektanzen für Dritte und die Klausel der Kapitelsstatuten, nachdem eine Auflassung der Zustimmung des Kapitels bedurfte. Um die römische Konkurrenz auszuschalten, empfahl er Georg, das Mainzer Kanonikat zugunsten Friedrichs in die Hände des Papstes zu resignieren und so den Pfründentausch durch die päpstliche Autorität abzusichern. Die Widerstände in Mainz aber seien nur durch Verhandlungen mit dem Kapitel zu überwinden.54 Im Herbst 1494 konnte der Mainzer Tausch schließlich vollzogen werden. Am 31. Oktober fand Friedrich Aufnahme ins Domkapitel, nachdem ihn Erzbischof Berthold von Henneberg bereits einen Monat zuvor zum Provisor zu Erfurt und Amtmann im Eichsfeld ernannt hatte.55 Seine ehemaligen Mainzer Pfründen blieben aber auch noch später im Blickfeld Herzog Georgs. Im Frühjahr 1510, wenige Monate vor dem Tod seines Bruders Friedrich, plante Georg, einen seiner eigenen Söhne »zu provisor auff dem eysfelt zu machenn«.56 Die Übergabe der Mainzer Pfründen an Herzog Friedrich legte den Grundstein für eine steile geistliche Lauf bahn. Der junge Domherr ging an den Hof Berthold von Hennebergs, wo er Verbindungen knüpfte, die ihm schon 1498 die Wahl zum Hochmeister des Deutschen Ordens eintrugen.57 Auch nach seinem Aufstieg an die Spitze des preußischen Ordensstaates konnte Friedrich auf die tatkräftige Unterstützung Georgs zählen. Politische Schützenhilfe benötigte der Hochmeister insbesondere, wenn es um das belastete Verhältnis des Ordensstaates zum übermächtigen Nachbarn Polen ging. Hier war Georgs Eheverbindung mit dem polnischen Könighaus ein diplomatischer Vorteil.58 Außerdem unterstützte Georg den Bruder, indem er die Ablaßkampagne für den Kreuzzug des Ordens in Livland zuließ, stellte ihm Räte (Dietrich von Werthern) und 1507 schließlich die Burg Rochlitz als sichere Residenz außerhalb Preußens zur Verfügung.59 54 Vgl. Brief Herzog Albrechts an Herzog Georg, »Grave«, 7. August 1494, Loc. 8954/10, Bl. 2. 55 Vgl. Litterae consensualis Bernhard von Breitenbachs, Domdekan von Mainz, Mainz, 31. Oktober 1494, O. U., Nr. 9061 (Bestätigung der Resignation Georgs und der Übertragung der Pfründe auf Friedrich); Urkunde Erzbischof Bertholds von Mainz, Mecheln, 30. September 1494, O. U., Nr. 9053. Vgl. auch O. U., Nr. 9055, 9062–9066. 56 Vgl. Aufzeichnungen über Verhandlungen Herzog Georgs mit den Ernestinern auf dem Reichstag zu Augsburg [nach dem 21. Februar 1510], Loc. 10511/2, Bl. 279–284, hier Bl. 283a. 57 Vgl. Forstreuter; Lückerath. 58 1505 argumentiert Georg gegenüber dem Papst, er habe Friedrich und den Deutschen Orden unterstützt, in dem er »eelich zu koniglich wird zu Polen gefrundet« habe. Konzept zu einer Werbung Herzog Georgs an Papst Julius II., o. J. [nach 14. April 1505–6. Sept. 1505], Loc. 8949/2, Bl. 46–48, hier Bl. 46a. 59 Siehe S. 374 und vgl. Forstreuter, 527.

182 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) Neben der politischen Zusammenarbeit spielte Friedrich weiterhin als Aktivposten der kirchenpolitischen Pläne Herzog Georgs eine Rolle. Schon 1492/93 unterstützte Georg den Bruder bei einem Pfründentausch, durch den dieser ein Kanonikat im Domstift Würzburg erwarb. Dabei überließ Herzog Albrecht seinem Sohn Georg die letzte Entscheidung über das Vorgehen der Dynastie »so ir fi ndet das es thunlich sey«.60 In ernestinischen Akten ist von Plänen die Rede, den jungen Domherrn zum Koadjutor des Würzburger Bischofs zu machen.61 Auch die Wahl Friedrichs zum Hochmeister sekundierte Georg durch die Entsendung seines Hofmeisters Dietrich von Schleinitz nach Königsberg.62 Eine Korrespondenz zwischen Dresden und Marburg zeugt zudem davon, wie sich Landgraf Wilhelm II. von Hessen auf Bitten Georgs bemühte, Friedrich bei der Bischofswahl in Münster 1507/08 ins Spiel zu bringen.63 Die ureigenen Interessen der dynastischen Kirchenpolitik Georgs aber zeigen sich anhand ihres größten Erfolges: der Installation Friedrichs als Koadjutor von Magdeburg. Auf den ersten Blick erscheinen Erzbischof Ernst und Hochmeister Friedrich als die Akteure des Versuchs, den Wettinern den Besitz der höchsten kirchlichen Würde in Mittel- und Ostdeutschland zu sichern. Tatsächlich aber war Herzog Georg nicht nur der Spiritus rector dieses Planes, sondern hielt auch seine politische Umsetzung in Händen. Dabei kam dem Albertiner eine günstige Ausgangslage zu gute. Das Verhältnis zwischen Kurfürst Friedrich dem Weisen und seinem Bruder Ernst war zerrüttet, außerdem gab es keinen ernestinischen Kandidaten für die Nachfolge, da Friedrich der Weise unverheiratet war und Herzog Johann d.Ä. bislang nur einen Sohn hatte.64 In dieser Situation stieß Herzog Georg beim Erzbischof auf offene Ohren, als er dem Cousin 1503 vorschlug, Herzog Friedrich zum Koadjutor mit Nachfolgerecht zu bestimmen.65 60 Brief Herzog Albrechts an Herzog Georg, Halle im Hennegau, 1. Februar 1493, Loc. 8982/05, Bl. 1. – Friedrich vertauschte sein (kürzlich erworbenes) Kanonikat in Meißen mit dem Würzburger Kanonikat des Georg von der Kere. Hier zeigt sich erneut das geringe Interesse der Wettiner an sächsischen Kanonikaten, die allenfalls als Verfügungsmasse interessant waren. Vgl. Brief Herzog Georgs an Bischof Rudolf und das Domkapitel von Würzburg, Dresden, 13. Dezember 1492, ebd., Bl. 2. 61 Vgl. Kirn, 14. 62 Vgl. Schirmer, Herrschaftspraxis, 369. 63 Vgl. Brief Landgraf Wilhelms II. von Hessen an Herzog Georg, 2. März 1508, StA Marburg, Bestand 2 (Politisches Archiv), III. B. 55a; Brief Herzog Georgs an dens., 2. Dezember 1508, ebd. – Felician Gess, dem nur der verstümmelte Brief Georgs vom 2. Dezember vorlag, vermutete, Friedrich sollte als Erzbischof von Köln ins Spiel gebracht werden; tatsächlich aber hatte Wilhelm II. den Kölner Erzbischof nur als Fürsprecher eingeschaltet. Vgl. Gess, Klostervisitationen, 6. 64 Vgl. Rogge, Ernst, 53–56. – Auf das Fehlen eines ernestinischen Kandidaten baute auch die Argumentation Georgs auf, der offenbar ein gewisses Vorrecht der Ernestiner anerkannte. Siehe folgende Anm. 65 Die Instruktion für die albertinischen Gesandten beim Magdeburger Domkapitel berichtet, Georg habe im Vorjahr Erzbischof Ernst »angesucht unnd vleyssig gebeten, bey seinen gezceytten einen fursten von Sachssen in solch wesen zubringen, das derselbig nach s. f.

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Das Wahlrecht stand freilich dem Magdeburger Domkapitel zu, in dem neben wettinischen Parteigängern wie dem Domdekan Günther von Bünau zu Elsterberg auch die Hohenzollern ihre Anhänger besaßen. Unter Führung des Dietrich von Schleinitz erreichte eine albertinische Gesandtschaft im Spätherbst 1504 die Wahl Friedrichs.66 In der Instruktion, die Herzog Georg seinen Räten für die Verhandlungen mit dem Magdeburger Kapitel erteilte, wird der hohe Stellenwert des machtpolitischen Kalküls in seiner dynastischen Kirchenpolitik sichtbar: Nicht der Versorgung des längst abgesicherten Fürstensohns Friedrich diene dessen Wahl zum Koadjutor, sondern allein dem Wohl des Erzstiftes, für das gute Beziehungen zum mächtigen wettinischen Nachbarn überlebenswichtig seien. Denn »es ist vor augen, wie das ertzbisthum zu Magdeburg mit den [wettinischen] furstenthumen Sachssen, Döringen und Meyssenn begrentzt und vormischt ist, also das einem teyl von dem andern auß fridlichem wesen vil ere unnd guts, auch von unfride unnd widerwertigkeit unaussprechlicher schade und vil arges erwachssen magk«. Da »auch naturlich zwischen blutsvorwandten grossere lieb dann bey frembden lewten sein muß« sei die Besetzung des Bischofsstuhls mit einem Wettiner der beste Garant für das Gedeihen des Stifts, wie die Regierung des Erzbischof Ernst gezeigt habe. Weil aber der natürliche Weg politischer Kontinuitätssicherung bei geistlichen Herrschaften fehle, »dieweil denselbigenn gestifften ein herr nicht anerbt, sunder erweldt wird«, sei nun das Kapitel in der Verantwortung, »vorsichtigkeit in solcher wahle zugebrauchen, das dodurch nicht vorigs gutes wesen zustort werde, [. . .] vormutlich, das der stifft zukunfftig nicht nutzlicher dann mit einem fursten von Sachssenn möge vorsehen werden«.67 Im Gegenzug für die Wahl sicherten die Albertiner dem Hochstift Schutz, Rat und Hilfe zu und versprachen, alle entstehenden Streitigkeiten auf dem Verhandlungswege unter Hinzuziehung von »unvordechtigen universiteten« zu lösen.68

g. abgang ein nachvolgender ertzbischoff sein mocht, unnd als in solcher handlung vormargkt und betracht ist, das s. f. g. gebrudere, [. . .] herr Friderich, des Heyligen Römischen Reichs ertzmarschalk churfurst, und herr Johanns, gebrudere hertzogen zu Sachssen etc., [. . .] geystlichen standt anzunemen nicht geneigt, auch nicht mehr dann einen eynigen und jungen son haben, hat m. g. h. hertzog Georg m. g. h. von Magdeburg seiner gnaden bruder, den hochwirdigsten in Got, hochgebornen fursten herren Friderichen, Deutschs Ordens hohmeister etc. vorgeschlagen«. Instruktion Herzog Georg zu einer Werbung beim Domkapitel Magdeburg, o.J. [1504], Loc. 8949/2, Bl. 74–77, hier Bl. 76a. 66 Vgl. Urkunde des Heinrich d.J. Graf von Stolberg, Dietrich von Schleinitz d.Ä. und Hans von Werthern, o.J. [1504], ebd., Bl. 2; Briefe des Domkapitels und Erzbischof Ernsts von Magdeburg an Herzog Georg, Magdeburg, 13. Dezember 1504, ebd., Bl. 19–21. 67 Vgl. Instruktion Herzog Georgs, 1504 (wie Anm. 65). 68 Urkunde Herzog Georgs und Herzog Heinrichs, Dresden, 17. Dezember 1504, Loc. 8949/2, Bl. 5. Die Zusage war auf die Lebenszeit Friedrichs d.Ä. und Erzbischof Ernsts beschränkt, galt also nur für ein wettinisches Magdeburg.

184 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) Die Einbindung Magdeburgs in das wettinische Hegemonialsystem nahm mit solchen Schutzverträgen konkrete Gestalt an.69 Erst nach erfolgter Wahl ging Georg daran, die Zustimmung des Kandidaten selbst einzuholen. Eine Gesandtschaft sollte etwaige Bedenken Friedrichs durch konkrete Vorschläge zu seinem Verhalten gegenüber Orden und Papst zerstreuen. Auch wurde Friedrich informiert, das Georg »gereyt [= bereits] gein Rome vor ettlichen wochen bestalt, bey babstlicher heyligkeyt zuerlangen, das ewern f. g. von seiner heyligkeyt nicht alleynne erlaubet, sunder auch gebottenn werde, wu e. f. g. ein bischthumb zu diesen standt moge erlangen, das anzunemen«.70 Nichts kann die Führungsrolle Georgs als Familienoberhaupt deutlicher hervorheben als diese Chronologie! Tatsächlich erwies sich der Hochmeister als williges Instrument der albertinischen Kirchenpolitik, »dieweil wir unns dann schuldig erkennen, alles das jenige, das unnsern orden, dem hauß zu Sachssen und unns zu eren, auffwachssung und fromen komen mocht [. . .] zufurdern«. Auch die weiteren Verhandlungen mit Magdeburg und Rom stellte Friedrich in das Ermessen Georgs.71 Die Konfi rmation der Wahl durch den Papst war nun die letzte Hürde, die es zu nehmen galt. Vor allem benötigte Friedrich eine Dispens, um die beiden an sich unvereinbaren Würden in einer Hand vereinigen zu dürfen. Auch bei den Verhandlungen mit dem Papst hielt Georg die Zügel fest in der Hand. Günther von Bünau zu Elsterberg und Hans von Schönberg wurden nach Rom gesandt, wo sie sich am 14. Januar 1506 als »domini Ernesti, archiepiscopi Magdeburgensis, [. . .] nec non illustrissimorum principum domini Frederici, magistri generalis Ordinis Theutonicorum, et Georgii fratrum, ducum Saxonie, apud s. d. n. Iulium papam II. oratores« in das Bruderschaftsbuch der Anima eintrugen.72 Im Sommer des Jahres 1506 besorgten sie die erforderlichen Gnadenbriefe. Dabei zeigen Korrespondenz und Finanzierung der Prokuratoren deutlich, daß der letztgenannte Herzog Georg ihr eigentlicher Auftraggeber war, der sogar die Dispensgebühren und die Annaten für den Bruder übernahm.73 Lediglich indirekt unterstützte der im fernen Königsberg residierende Hochmeister Friedrich die Mission: er belohnte das Engagement des Magdeburger Domdekans im Sommer 1505 mit der Erhebung zum Bischof von Samland.74 69

Vgl. Stievermann, Hegemonen, 381 f. Instruktion Herzog Georg für eine Werbung an Herzog Friedrich d.Ä., o.J. [ Jahreswechsel 1504/05], Loc. 8949/2, Bl. 12–16, hier Bl. 14a+b. Die Werbung erfolgte »itzt nach geschehener wale«, also zeitnah zum Abschluß der Verhandlungen in Magdeburg Anfang Dezember. Sie belegt, daß bereits vor der Entsendung Günther von Bünaus zu Elsterberg im September 1505 Prokuratoren Georgs mit der Angelegenheit im Rom betraut waren. 71 »[. . .] darinnen wir seiner lieb keyn maß wissen zugebenen«. Antwort Herzog Friedrichs d.Ä. auf die Werbung Herzog Georgs, o.J. [ Jahreswechsel 1504/05], ebd., Bl. 7 f. 72 Jaenig, 37 f. 73 Siehe unten und S. 149–153. 74 Zur Person Bünaus siehe S. 126 und vgl. Volkmar, Kurienprokuratoren. – Die Bistü70

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Zur Beförderung des Anliegens startete Georg außerdem eine diplomatische Offensive im Reich und an der Kurie. Nach demselben Muster wie im Kanonisationsprozeß für Benno von Meißen75 wurden vom Kaiser bis zum Kardinal alle Einflußmöglichkeiten auf den Papst genutzt. Dies zeigt die interne Korrespondenz der albertinischen Räte, die zugleich einen seltenen Einblick in deren Arbeitsweise erlaubt. Im Frühsommer 1505 schickte Obermarschall Heinrich von Schleinitz aus Dresden ein Aktenbündel an die albertinische Gesandtschaft am Hof des Erzbischofs.76 Es enthielt Konzepte zu Empfehlungsschreiben an den Papst, als deren Absender der Erzbischofs und das Domkapitel, aber auch König Maximilian I. und – ohne genauere Spezifi zierung – »fursten des reichs« vorgesehen waren. Für die geplanten Briefe der Magdeburger hatten sowohl Georgs Kanzler Heinitz als auch der Obermarschall jeweils eigene lateinische Entwürfe geliefert, unter denen Erzbischof Ernst auswählen konnte.77 Andere Konzepte wurden Ernst lediglich zur Information vorgelegt, so das für den König bestimmte. Zumindest im Falle König Maximilians ist belegt, daß der in Aussicht genommene Petent das Schreiben an den Papst tatsächlich ausfertigte.78 Darüber hinaus holten die albertinischen Räte den Ratschlag des Erzbischofs ein, so bezüglich der zu erwartenden Gebühren der Kurie. Eine vorläufige Aufstellung, die ein römischer Prokurator Georgs verfertigt hatte, wurde Ernst mit der Bitte vorgelegt, »ab sein gnad wuse etzwas vormynnerung dorinne anzuceigen«.79 Auch ein Schreiben Kardinal Raimund Peraudis ließ Georg seinem Vetter übermitteln. Der Kardinal hatte sich erboten, »disen handeln zu furdern, auch copeyen ubersendet, welcher gestalt an bebstliche heyligkeit unnd etzliche mer Samland und Pomesanien lagen im direkten Einflußbereich des Deutschen Ordens. Das Samländer Domkapitel hatte seinen Sitz bei Königsberg und war dem Deutschen Orden inkorporiert. Vgl. Boockmann, Art. Samland; sowie zukünftig die Dissertation von Marc Jarzebowsky (Berlin) zur Residenzbildung der Bischöfe in Preußen. 75 Vgl. Volkmar, Heiligenerhebung Bennos, 92–98. 76 Das Aktenbündel besteht aus einem Begleitschreiben und acht mit den Buchstaben »A««H« gekennzeichneten Konzepten. Vgl. Begleitschreiben [des Heinrich von Schleinitz] an einen Rat Herzog Georgs [Günther von Bünau zu Elsterberg?], o.J. [nach 14. April 1505–6. Sept. 1505], Loc. 8949/2, Bl. 44 f.; die Konzepte ebd., Bl. 33–37, 46–59. – Zur Datierung und Verfasser/Empfänger des Stücks: Daß Schleinitz der Verfasser des Begleitschreibens war, erschließt sich aus Bl. 44b, wo der Verfasser zunächst davon spricht, ein verändertes Konzept zu einem Schreiben Peraudis (vom 14. April 1505) selbst erstellt zu haben und anschließend dasselbe Konzept als »die copey des obermarschalks voranderung« bezeichnet. Vom ebenfalls ungenannten Adressat des Begleitschreibens wird gesagt, er sei am erzbischöfl ichen Hof zusammen mit Hans von Schönberg und [Christoph von] Taubenheim als Gesandter tätig. Da ihm u. a. eine Werbung an den Papst zugesandt wird und bekannt ist, daß Schönberg und Bünau zu Elsterberg am 6. September von Halle aus als Prokuratoren nach Rom auf brachen, ist an Bünau als Empfänger zu denken. 77 Vgl. ebd., Bl. 44a , die Konzepte ebd., Bl. 33–37. 78 Vgl. ebd., Bl. 44b, das Konzept ebd., Bl. 54 f. Vgl. dazu die Abschrift eines Briefes König Maximilians I. an Papst Julius II., Brüssel, 31. August [1505?], ebd., Bl. 95. 79 Begleitschreiben [1505] (wie Anm. 76), Bl. 45a .

186 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) cardinal zuschreiben sey«. Allerdings hatte man in Dresden sachliche Fehler in den Konzepten Peraudis entdeckt, die der Obermarschall damit zu erklären suchte, »das villeicht der fromme herr gelegenheit der lande nicht wol bereicht ist«. Angesichts der langjährigen Deutschlanderfahrung Peraudis erstaunt dieser Umstand nicht weniger als die Kenntnisse des alten Obermarschalls beeindrukken, der kommentierte, er habe »derselben copeyen meins bedenckens in latein [. . .] anderung machen lassen«.80 Schließlich enthielt die Postsendung noch eine in Deutsch abgefaßte Werbung Herzog Georgs an den Papst, die die Gesandten am erzbischöfl ichen Hof – es handelte sich bei ihnen offenbar um die zukünftigen Prokuratoren Bünau und Schönberg, die im September von Halle aus nach Rom auf brachen – »ubersehen und nach ewer betrachtung vorbessern, [auch] in latein vorandern lassen« sollten.81 Auch gegenüber dem Papst wollte Georg machtpolitisch argumentieren. Seit Friedrichs Amtsantritt in Preußen hätten die Wettiner und namentlich er selbst den Deutschen Orden politisch unterstützt. Sollte nun Friedrich gezwungen sein, die Hochmeisterwürde zugunsten der Koadjutorie aufzugeben – vom umgekehrten Fall sprach Georg nicht – so wäre damit das politische Überleben des Deutschen Ordens in Frage gestellt, da »der orden nu zur zeit an keinem end beyeinander so mechtig ist, daß er sich unrechter gewalt ane hullff und beistandt eins mechtigen hern uff halden magk«. Andererseits versprach sich Georg von der Vereinung beider Würden in einer Hand, daß »itzlichs worde meher und forderlich in allem guten gedeiglichem wesen irhaben, dann dadurch worde s. f. g. [= Herzog Friedrichs] macht wachssen«.82 Die Bestätigung des 32jährigen Herzogs Friedrich als Koadjutor von Magdeburg war der größte Erfolg der dynastischen Kirchenpolitik Herzog Georgs. Das Haus Wettin konnte hoffen, das Erzbistum Magdeburg auch in den kommenden Jahrzehnten zu kontrollieren und zunehmend fester in sein Hegemonialsystem einzubinden. Dabei ist festzuhalten, daß das Magdeburger Unternehmen mit einem direkten fi nanziellen Engagement von ca. 15.250 fl. das teuerste Vorhaben der Kirchenpolitik Georgs überhaupt gewesen ist. Angesichts der sparsamen Grundeinstellung des Albertiners und seiner Vorliebe für »Fremdfinanzierung« (z. B. in Annaberg) ist dies ein starkes Indiz für den Stellenwert dieser traditionellen Form fürstlicher Kirchenpolitik, die letztlich dynastische Machtpolitik war.83 Grundsätzlich wußte sich Georg in dieser Strategie mit den Ernestinern einig, die Anfang der 1480er Jahre insgesamt 25.000 fl. in die Nachfolge Albrechts von Sachsen in Mainz investiert hatten.84 Freilich war es nun die albertinische Linie, die die Ziele des Gesamthauses im Norden des 80 81 82 83 84

Ebd., 44b. Begleitschreiben [1505] (wie Anm. 76), Bl. 44a. – Zu den Adressaten siehe Anm. 76. Werbung Herzog Georgs [1505] (wie Anm. 58), Bl. 47. Siehe S. 149–153. Vgl. Kirn, 5.

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wettinischen Interessenraumes vertrat. Die hier begonnene Tradition setzt sich bis zu Herzog Moritz fort, der 1546 im Regensburger Vertrag vom Kaiser die Oberherrschaft über die Hochstifte Magdeburg und Halberstadt erbat.85 Wie aber würden die Ernestiner mit den Erfolgen der jüngeren Linie umgehen? Der dynastische Zufall machte Georgs großen Erfolg bald zunichte. Am 14. Dezember 1510 starb Hochmeister Friedrich in seiner Ausweichresidenz Rochlitz an Wassersucht.86 Als sich sein Tod ankündigte, bemühte sich die albertinische Politik, den Totalverlust der teuer erworbenen Position zu verhindern. Obermarschall Heinrich von Schleinitz reiste zu dem Todkranken nach Rochlitz und stimmte sich dort mit Friedrichs Berater Hiob von Dobeneck ab, der sich Herzog Georg seit seiner Amtszeit als Propst von Zschillen verbunden fühlte.87 Gemeinsam holten sie von Erzbischof Ernst die Zusage ein, ohne Zustimmung Herzog Georgs keinen neuen Koadjutor anzunehmen. Schon fünf Tage vor Friedrichs Tod schlug Schleinitz seinem Dienstherrn dann vor, seinen zweiten Sohn, Friedrich d.J., als zukünftigen Koadjutor ins Auge zu fassen.88 Auch Erzbischof Ernst favorisierte die erneute albertinische Kandidatur, warnte aber gleichzeitig vor der Konkurrenz aus Brandenburg, »dan der marggraffe rugett nichtt, und das pfeffleynn, euwer gevatter [= Erzbischof Ernst], wyrtt altt und swach«.89 Georg wiederum war bereit, die preußische Position zu opfern, um die teuer erworbene Magdeburger Option zu retten. Durch Schleinitz signalisierte er bei Dobeneck Unterstützung für die Ambitionen Albrechts von Brandenburg-Ansbach auf das Hochmeisteramt, womit sich wohl die Hoffnung auf ein Stillhalten der Zollern in Magdeburg verband.90 Ausgerechnet Kurfürst Friedrich der Weise aber durchkreuzte die Pläne seiner Vettern. Statt wie diese den Vorteil des Gesamthauses Wettin zu suchen, ließ er sich 1512 von Kaiser Maximilian I. verpfl ichten, dessen Position in Magdeburg zu vertreten. Völlig konsterniert vernahm Heinrich von Schleinitz, der 85

Vgl. Stievermann, Hegemonen, 393. Vgl. Rogge, Ernst, 63; Forstreuter, 526. 87 Hiob von Dobeneck, OT, Propst zu Zschillen, wurde 1501 vermutlich auf Betreiben des Hochmeisters Friedrich Bischof von Pomesanien (mit Sitz in Riesenburg). 1504/05–1510 als Rat des Hochmeisters nachweisbar, übernahm er 1507 nach Friedrichs Rückzug aus Preußen dort die Regierungsgeschäfte. Dobenecks bleibende Bindung zu Sachsen drückt sich auch darin aus, daß er wie sein Samländer Amtskollege Günther von Bünau Reliquien für das Annaberger Heiltum stiftete. Vgl. Biskup/Janosz-Biskupowa, 32–37; Lückerath, Sp. 962; Instruktion Herzog Georgs, 1504/05 (wie Anm. 70), Bl. 16a ; zur Zusammenarbeit mit Herzog Georg siehe auch S. 243 f. 88 Vgl. Brief des Heinrich von Schleinitz an Herzog Georg, [Rochlitz] 10. Dezember 1510, Loc. 8949/3, Bl. 1 f. 89 Brief Erzbischof Ernsts von Magdeburg, Halle, 16. Dezember 1511, Loc. 8498/1, Bl. 108. 90 Vgl. Brief des Heinrich von Schleinitz an Herzog Georg, [Rochlitz] 10. Dezember 1510, Loc. 8949/3, Bl. 1 f.; Brief Herzog Georgs an Heinrich von Schleinitz am Hofe Herzog Friedrichs d.Ä., o.J., ebd., Bl. 2. 86

188 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) erneut mit der albertinischen Verhandlungsführung am erzbischöfl ichen Hof betraut war, im Oktober 1512 vom ernestinischen Gesandten Johannes von Staupitz die Position des Kurfürsten: Statt des Albertiners solle Ernst seinen Taufpaten Ernst von Bayern als Koadjutor annehmen. Einen wettinischen Fürstentag, den Schleinitz zur Klärung der Interessen der Dynastie in Naumburg einberufen wollte, lehnte der Kurfürst rundheraus ab.91 Mit der Weigerung des Kurfürsten, die dynastische Kirchenpolitik Georgs zu unterstützen, war eine Vorentscheidung gefallen. Zwar blieb Erzbischof Ernst selbst gegenüber der nächsten kaiserlichen Zumutung, dann eben Albrecht von Brandenburg anzunehmen, standhaft. Nur einen Vertreter des Hauses Sachsen könne den Schutz des Stiftes garantieren, antwortete Ernst dem Kaiser, und erinnerte diesen an die Verdienste Albrechts des Beherzten – gedacht war hier vor allem an die Errettung Maximilians aus der Gefangenschaft in Brügge im Jahre 1488.92 Doch kämpften Ernst und Georg nun auf verlorenem Posten. Der Merseburger Koadjutor Adolf von Anhalt, den Ernst nach Rom entsandte, vermochte ohne die Wahl des Kapitels den Papst nicht zu einer Festlegung auf Friedrich zu bewegen und Cäsar Pflug, einer der fähigsten Räte Georgs, blieb als Gesandter am Kaiserhof ebenso erfolglos.93 Nach dem Tode Erzbischof Ernsts im August 1513 mußte Dietrich von Werthern vom Kaiserhof in die Heimat berichten, daß sowohl Kaiser als auch Papst die brandenburgische Lösung favorisierten.94 Damit endete das Kapitel Magdeburg für Herzog Georg mit einer herben Enttäuschung, die noch Jahre später nachklingt. Als Christoph von Taubenheim 1518 seinem Dienstherrn berichtete, Albrecht von Brandenburg sei bereit, anläßlich seiner Kardinalserhebung den Magdeburger Stuhl zugunsten eines Sohnes Georgs zu resignieren, schenkte der Albertiner dem keinen Glauben.95 In einer Grundsätzlichkeit, die angesichts seiner eigenen Versuche erstaunt, beschied er seinem Rat: »Und ob gleych solchs dermassen geschehn solte, so kan es doch ane beschwerung der gewissen nicht wol zugehn. Weyl denn unser meynung nicht ist, geystliche lehen um gelt an uns zu bringen«.96 Unvermutet 91 Vgl. Brief des Heinrich von Schleinitz an Herzog Georg, 5. Oktober 1512, Loc. 8949/3, Bl. 3 f. 92 Vgl. Brief Erzbischof Ernsts an Kaiser Maximilian, Halle, 11. März 1513, Bl. 8 f.; zu Brügge vgl. Thieme, Albrecht im Dienste, 6. 93 Vgl. Brief Herzog Georgs an Cäsar Pflug am Kaiserhof, Dresden, 15. April 1513, ABKG, Bd. 1, 35, Anm. 1. Dort auch der Bericht über die Mission Adolf von Merseburgs. 94 Brief des Dr. Dietrich von Werthern an [Hans von] Werthern und Cäsar [Pflug], 7. April 1514, Loc. 8954/22, Bl. 1. 95 Vgl. Brief Christoph von Taubenheims an Herzog Georg, 25. Mai 1518, ABKG, Bd. 1, 34 f. Tatsächlich erscheint Taubenheims Bezugnahme auf vertrauliche Informanten wenig glaubwürdig. Womöglich ging es ihm nur darum, bei Georg gute Stimmung zu machen, um seinen Wunsch nach dem Erwerb eines Vorwerks vom Kloster Pforte durchzusetzen, den Georg jedoch ablehnte (siehe folgende Anm.). 96 Brief Herzog Georgs an Christoph von Taubenheim, Augsburg, 4. Juni 1518, ABKG, Bd. 1, 35–37.

V. Kaiser und Reich

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scheint hier doch noch jener Reformimpetus auf, zu dem die dynastische Kirchenpolitik immer konträr lag: Ausdruck bitterer Enttäuschung oder wirklichder Sieg des Reformgedankens über ein machtpolitisches Prinzip? Tatsächlich prangerte Georg einige Jahre später, inzwischen war die Reformation entbrannt, die Versorgungspolitik der Fürsten mit biblischen Vergleichen als Mißstand der Kirche an, weil durch sie unberufene Personen an die Spitze der Reichskirche gelangten.97 Im sogenannten Consilium Georgii des Jahres 1538 wird diese Reformforderung noch einmal wiederholt.98 Unter dem Druck der Reformation, so scheint es, setzte sich bei Herzog Georg die Einsicht durch, daß nur eine Intensivierung der Reformbemühungen, und sei es gegen die Interessen des Hochadels, die alte Kirche retten könne.

97 »Es ist am tag, das aller ursprung dyeses irsals, so Got uber uns vorhenget, von dem boesen eingang der prelaten ursach hat; den Got spricht, wer nicht zur tuer eingehet, der sey nicht rechtschaffen [. . .]. Nu ist es leyder ytzt nicht der wenigeste myßbrauch in der Cristenheyt, das wyr leyen hoes und nydern stands des nicht achten; denn wue wir unser kynder, bruder und frund zu bischofl ichen amten und wirden brengen mogen, so sehen wir nicht noch der tur, sondern wy wirs sonst die unsern hyneinbrengen mogen, es sey under der schwelle, aber oben zum dache hyneyn [. . .]. Es synd auch diejenen, so der moeß eingehen, des gemuts, als hetten sy es vor ir erbe gekauft und hettens mit recht. Doraus erfolget, das die schaf den hyrten nachfolgen und vordienen domit dye straf Gotts«. Brief Herzog Georgs an Dr. Otto Pack, Dresden, 20. August 1526, ABKG, Bd. 2, 611–613. Der Text war als Erwiderung auf ein Reformgutachten des Reichstags zu Speyer gedacht. 98 Das Consilium Georgii, eine Liste von Reformvorschlägen an den Papst aus dem Jahre 1538, kann nicht eindeutig Herzog Georg zugeschrieben werden, stammte aber wohl aus dem Umfeld des Fürsten. Vgl. Cardauns, 107–109; Gess, Klostervisitationen, 40.

VI. Bischöfe und Domkapitel Fast überall, wo der Landesherr in das Kirchenwesen eingriff, berührte dies die Rechte der Ordinarien. Denn nach dem Kirchenrecht stand allein der Bischof der Kirche seiner Diözese vor. Als Hirte an Christi Statt war er nicht nur geistlicher Lehrer und Prediger, seine potestas ordinis, magisterii et iurisdictionis umfaßte auch die Aufsicht über den Klerus (mit Ausnahme der exemten Orden), den Kultus und die religiöse Praxis der Laien. Wäre also das Kirchenrecht im späten Mittelalter uneingeschränkt gültige Norm gewesen, hätte der Bischof – vom langen Arm des Papstes abgesehen – keinen fremden Einfluß erwarten müssen.1 Der Anspruch der weltlichen Landesherren, Herrschaft über die Kirche auszuüben, begegnete somit auf Schritt und Tritt den älteren Rechten des Bischofs und jener Instanzen, die wie die Archidiakone und die Offiziale ihre Legitimation vom Bischof ableiteten. Eine Auseinandersetzung mit diesen Gewalten war unumgänglich. Dabei standen die Chancen für die Landesherrschaft gar nicht schlecht. Denn die Durchsetzungskraft der Bischöfe war am Ausgang des Mittelalters durch strukturelle Defizite deutlich geschwächt. Verantwortung trug dafür nicht zuletzt die Politik der Päpste, die ihren Kampf gegen den Konziliarismus auch über eine bewußte Schwächung der Bischöfe betrieben. Das Buhlen der Päpste (wie auch der Konzilspartei) um die Unterstützung der weltlichen Gewalt schlug sich in zahlreichen Privilegien für die Fürsten nieder, die die Basis für das vorreformatorische Kirchenregiment bildeten. Die Verleihung von Präsentationsrechten an die Fürsten und das allgegenwärtige päpstliche Provisionswesen schränkten den Zugriff der Bischöfe auf den Klerus immer weiter ein. Auf der anderen Seite zeigten viele Mitglieder des Reichsepiskopats, die sich vor allem als (Renaissance-)Fürsten defi nierten, nur wenig Interesse für ihre geistlichen Amtspfl ichten und die Frage der Kirchenreform. Dies öffnete der landesherrlichen Reformrhetorik Tür und Tor.2 Es verwundert daher kaum, wenn sich der Ausbau des landesherrlichen Kirchenregiments vielerorts im Konfl ikt mit den Bischöfen vollzog. Am Beispiel der bayerischen Herzöge etwa läßt sich minutiös nachvollziehen, wie der Lan1

Vgl. Hinschius, Bd. 2, 38–42. Vgl. Johanek, Bischof, 69–85; Wolgast, Hochstift; Schindling, Reichskirche; Brady, Bishops. Siehe auch S. 48–65. 2

VI. Bischöfe und Domkapitel

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desherr im Bund mit dem Papsttum die bischöfl ichen Rechte nach und nach zurückzudrängen vermochte. Dennoch blieb der Bischof eine Größe, mit der zu rechnen war. In Österreich blockierten sich landesherrliche und bischöfl iche Kirchenreformbemühungen noch in der Reformationszeit gegenseitig.3 Fast überall versuchten die Fürsten daher, den bischöfl ichen Widerstand von vornherein auszuschalten, indem sie den Bischof selbst unter ihre Kontrolle brachten.4 Der Bischof war folglich nicht nur (konkurrierendes) Subjekt, also Gegner oder Partner der landesherrlichen Kirchenpolitik, sondern konnte auch zu ihrem Objekt werden.

1. Der Bischof als Objekt des landesherrlichen Kirchenregiments In der Regierungszeit Herzog Georgs hatte das albertinische Territorium Anteil an acht Diözesen. Die mit Abstand größte Überschneidung bestand mit dem Bistum Meißen, zu dem das Kerngebiet der alten Mark Meißen und damit fast zwei Drittel des Herzogtums Sachsen gehörten. Richtung Westen schloß sich um Leipzig das Osterland an, das kirchlich zwischen den Bistümern Merseburg und Naumburg (Amt Weißenfels) aufgeteilt war. Nur ein kleiner Zipfel im Norden dieses Gebietes mit den Ämtern Delitzsch, Landsberg und Zörbig stand unter der Aufsicht des Erzbischofs von Magdeburg. Ein noch kleinerer, nur wenige Dörfer umfassender Abschnitt an der oberen Elbe stromaufwärts von Pirna wurde dem Erzbistum Prag zugerechnet. Hingegen gehörte der westlich der Saale gelegene thüringische Teil des Territoriums zum Erzbistum Mainz, nur die Gegend um Sangerhausen und Freyburg/Unstrut unterstand dem Bischof von Halberstadt. Schließlich wurde der östlichste Außenposten albertinischer Herrschaft, die formal unter gesamtwettinischer Aufsicht stehenden niederlausitzisch-schlesischen Exklaven Sorau und Sagan, kirchlich von Meißen (Sorau) bzw. Breslau (Sagan) verwaltet.5 Betrachtet man die Beziehungen Herzog Georgs zu den Bischöfen seines Herrschaftsgebiets, so ist grundsätzlich zu unterscheiden zwischen den Bistümern Meißen, Merseburg und Naumburg, die in den wettinischen Herrschaftsverband integriert waren, und jenen anderen Bischöfen, die im Sprachgebrauch der albertinischen Kanzlei als »ausländisch« bezeichnet werden konnten.6 Wenn hier die Bischöfe zunächst als Objekt des landesherrlichen Kirchenregiments betrachtet werden, so trifft dies nur für die sächsischen Bistümer zu, die im 3

Vgl. Rankl, 3–83; Hofmeister, 245–272. Siehe S. 48–65. 5 Vgl. Blaschke, Geschichte Sachsens, 295 (Karte des wettinischen Besitzes 1485); Blaschke/Haupt/Wießner; sowie die Kartenskizze bei Smolinsky, Albertinisches Sachsen, 8. 6 Zum Quellenbegriff »ausländisch« siehe S. 32, Anm. 49. 4

192 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) Laufe des Spätmittelalters unter die Schutzherrschaft der Wettiner geraten waren.7 Für die Beziehungen zu den Bischöfen außerhalb des wettinischen Herrschaftsverbandes spielte der Aspekt der Bistumsherrschaft hingegen keine Rolle, weil sie unabhängige Reichsfürsten waren. Die Anzahl dieser auswärtigen Bischöfe wurde im übrigen dadurch begrenzt, daß Magdeburg und Halberstadt während der gesamten Herrschaftszeit Georgs in einer Personalunion verbunden waren, zu der seit 1514 unter Albrecht von Brandenburg auch Mainz hinzutrat. Die Schutzherrschaft über die drei sächsischen Bistümer wurde in der Leipziger Teilung von 1485 unter den beiden wettinischen Linien aufgeteilt. Während Naumburg den Ernestinern und Merseburg den Albertinern zugeschlagen wurde, sollten beide Linien gemeinsam die Schutzherrschaft über das Bistum Meißen ausüben.8 In der Praxis freilich kam den Albertinern der dominante Einfluß in Meißen zu, schon weil die Domstadt und der überwiegende Teil der Diözese in ihrem Territorium lagen. Herzog Georg beanspruchte sogar die alleinige Schutzherrschaft über das Bistum Meißen und konnte diese in der Praxis auch durchsetzen.9 7

Siehe S. 68–70. Die Schutzherrschaft wurde bei der Teilung wie folgt defi niert: »Nachdem auch die hochwirdigen loblichen bischtum und stifft Meissen, Merseburg und Numburg mit iren sloßen, steten und zcugehorungen in und an unsers lieben bruders und unsern furstenthumen und landen gelegin, in der hochgebornen fursten, unser lieben eldirn und vorfarn zeliger gedechtnis und unserm schutz, schirm, vorteiding unnd hanthabung geweest und heerkom.[m]en sindt.« Urkunde des Kurfürsten Ernst von Sachsen, Leipzig, 26. August 1485, O. U., Nr. 8578. Vgl. auch Stievermann, Landesherrschaft, 19. 9 Die Ernestiner beharrten zwar grundsätzlich auf der Formulierung der Leipziger Teilung, konnten sich aber in der Herrschaftspraxis, etwa in der Frage der Heerfolge, nicht behaupten. Vgl. Lobeck, 25; Goerlitz, 259. Symptomatisch ist ihre Rolle im Streit zwischen Georg und Johann VI., in dem es ja gerade um die Gestalt der wettinischen Schutzherrschaft über Meißen ging: Hier traten die Ernestiner nur als (potentielle) Vermittler in Erscheinung, nicht aber als Partei (siehe unten, S. 199). Auch auf der Reichsebene vertrat Georg diesen Anspruch. Als auf dem Nürnberger Reichstag von 1522/23 die Reichsanschläge verhandelt wurden, beanspruchte Georg die Vertretung der Bischöfe von Merseburg und Meißen, »als gut fug unsere vedter und ohemen zu Sachsen und Brandenburgk haben, die bischofe zur Naumburgk, Brandenburg, Havelburgk etc. in ire anslege zu ziehen«. Seinen Reichstagsvertreter wies er an, gegenüber jedem Zweifel, »der bischof zu Meißen solle uns allein nicht zustendig sein«, »festiglich« seine Position zu vertreten (Brief Herzog Georgs an Dr. Dietrich von Werthern, Dresden, 25. Januar 1523, ABKG, Bd. 1, 449 f.). Die Kurie akzeptierte Georgs Anspruch. Als Bischof Johann VII. 1522 vom Papst nach Rom gerufen wurde, bat Hadrian VI. allein Herzog Georg um den Schutz des Bistums in der Abwesenheit des Oberhirten (vgl. Breve Papst Hadrians VI. an Herzog Georg, Rom, 8. September 1522, CDS, II, Bd. 3, 340 f.). Es gelang Herzog Georg also, seinen Alleinanspruch auf die Schutzherrschaft über das Bistum Meißen faktisch durchzusetzen, obwohl dies den Bestimmungen der Leipziger Teilung klar widersprach. Erst nach seinem Tod und der Einführung der Reformation versuchten die Ernestiner erneut, ihren Meißner Rechtstitel zu reaktivieren, nun freilich mit Blick auf die weltlichen Besitzungen eines perspektivisch der Säkularisierung offenstehenden evangelischen Hochstifts. Sie wählten dazu bezeichnenderweise einen Moment vermeintlicher albertinischer Schwäche, nämlich die Anfangsjahre des jungen Herzog Moritz. Der 8

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a) Der Machtkampf mit Johann VI. von Meißen Als Herzog Georg die Regierung antrat, war die Einbindung der sächsischen Bischöfe in den wettinischen Herrschaftsverband längst Realität.10 Georg selbst agierte nicht nur in diesem Selbstverständnis,11 es bestimmte auch seine Wahrnehmung anderer Regionen des Reiches. So wandte er sich wegen der Geldforderung eines Leipziger Universitätsmitgliedes gegen den Bischof von Cammin an den Herzog von Pommern, »weyl das Bischthumb Camyn in e.[wer] liebe furstenthumb begriffen«.12 Dennoch kam es in den ersten Jahren des 16. Jahrhunderts noch einmal zu einer schweren Auseinandersetzung. Es bleibt etwas rätselhaft, was Bischof Johann VI. von Meißen im Jahre 1502 bewog, plötzlich wider den wettinischen Stachel zu löcken, nachdem er sich 15 Jahre lang loyal verhalten hatte. Bekannt ist sein Interesse für die Verwaltung, Finanzen und Rechtstitel des Hochstifts, aber auch sein ausgeprägter Eigensinn. Beides mochte Johann den Gedanken verlockend erscheinen lassen, die wettinische Landesherrschaft abzuschütteln und die Selbständigkeit des Hochstifts als Reichsstand wiederherzustellen. Vielleicht trug auch die Intensivierung der wettinischen Kirchenpolitik durch Herzog Georg ihren Teil bei, verstärkte dieser doch in jenen Jahren den Druck auf die Bischöfe.13 In jedem Falle lohnt es, auf diese letzte Kraftprobe näher einzugehen. Denn wie ein geologischer Aufriß legt der Konfl ikt zwischen Johann und Georg noch einmal die Ebenen, Verwerfungen und Lösungsstrategien der wettinischen Bistumsherrschaft offen – und nimmt am Ende eine überraschende Wendung.14

Versuch führte allerdings beinahe zum Krieg zwischen den wettinischen Linien, bekannt ist der Vorgang als Wurzener Fehde von 1542. Den Anlaß für die Eskalation gab die Forderung der Ernestiner an den Bischof, die Türkensteuer anteilig nach Wittenberg abzuführen und damit die geteilte Schutzherrschaft erstmals wieder mit Leben zu erfüllen. Die Weigerung des Bischofs beantwortete der Kurfürst mit der militärischen Besetzung Wurzens, die wiederum Moritz zu den Waffen greifen ließ. Vgl. Groß, Sachsen, 55 f.; Herrmann, 59 f. 10 Siehe S. 68–70. 11 Für das Funktionieren der Bistumsherrschaft in den ersten Regierungsjahren vgl. z. B. Ausschreiben der Statthalter Herzog Georgs an Bischof Johann VI. von Meißen und Bischof Thilo von Merseburg, Dresden, 16. November 1495, Cop. 105, Bl. 252b. Auf eine kaiserliche Aufforderung an den Bischof von Merseburg zur Bezahlung eines Beitrags zum Reichskammergericht und zum Besuch des Reichstags antwortete nicht der Bischof, sondern Herzog Georg. Vgl. Brief Herzog Georgs an Bischof Thilo von Merseburg, [Dresden] 27. März 1509, Cop. 111, Bl. 4b. 12 Brief Herzog Georgs an Herzog Bogislaw X. von Pommern, Dresden, 12. Februar 1509, Cop. 112, Bl. 262b –263a. 13 Zu denken ist hier an die Landesordnungsentwürfe von 1498 und 1502 sowie an die Gravamina gegen die Bischöfe von 1499. Siehe S. 207–214, 384–397. 14 Zum Streit zwischen Johann und Georg vgl. die im folgenden in einigen Punkten korrigierte Darstellung bei Zieschang, 83–89, 96–103; ferner: Goerlitz, 261, 276; Lobeck, 34 f.; ABKG, Bd. 1, LXV f. – Der sehr negativen Bewertung Johanns durch Felician Gess und andere steht die unkritische Würdigung durch Julius Leopold Pasig gegenüber. Vgl. Pasig.

194 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) Den Ausbruch des Konfl ikts markiert ein dichter Briefwechsel aus dem Herbst 1502. Am Anfang stand, so scheint es, eine Beschwerde des Bischofs über ein Schreiben des Herzogs vom 1. September 1502, in dem dieser die Geldforderung eines Pirnaer Bürgers gegen einen bischöfl ichen Amtmann unterstützt hatte. Johann VI. verwahrte sich dagegen, daß Georg die Klage vor seinem Gericht angenommen hatte, statt den Kläger an den Bischof zu verweisen. Tatsächlich war Georg in seinem Schreiben als übergeordnete Gerichtsinstanz gegenüber dem Bischof aufgetreten, indem er dem Kläger »geburliche hulffe«, also gerichtliche Zwangsexekution, zugesagt hatte, falls seine Forderung unerfüllt bliebe.15 Den bischöfl ichen Einwand ließ der Herzog jedoch nicht gelten. Johann solle lieber den Kläger befriedigen, statt Georgs »furstlich oberkeit« und die sich daraus ergebende Verpfl ichtung zur Rechtswahrung in Frage zu stellen, heißt es in seiner Antwort.16 Georgs wenig diplomatische Rhetorik führte den Einzelfall damit sogleich auf die Grundsatzfrage zurück: Der Bischof stand für ihn unter der wettinischen Landesherrschaft und damit auch unter seiner Obergerichtsbarkeit. Diesen Grundsatz aber war Johann VI. nicht (mehr) zu teilen bereit. Gleich an mehreren Fronten stellte er in den folgenden Wochen die herzoglichen Rechte in Frage. Zuerst behinderte er die wettinische Steuereinnahme in einigen Dörfern, die dem Meißner Domkapitel und den Vikaren der Domkirche zinspfl ichtig waren. Kurze Zeit später verweigerte er Georg auch eigene Leistungen, die das vitalste Interesse des Landesherrn berührten: die Heerfolge. 20 gerüstete Ritter, die Herzog Georg am 16. November anforderte, um »etlich.[en] seiner gnaden widerwertigen und landesbeschedigern nach zu trachten«, hielt der Bischof zunächst unter Vorwänden zurück, um dann grundsätzlich Georgs Recht auf Heerfolge zu bestreiten.17 Damit war der Konfl ikt eskaliert. Herzog Georg behandelte den Bischof nun als untreuen Vasallen und reagierte mit der äußersten administrativen Strafmaßnahme, die gegen einen Geistlichen angewandt werden konnte: er sperrte ihm die Temporalien. Der Dresdner Amtmann Balthasar von Grauschwitz zog in das Stiftsterritorium, um durch herzogliches Mandat »des bischofs zu Missen undertanen [. . .] zu gebiten und zu vorbiten, das sie ime keine zinse geben, auch keinen dinst tun noch ghorsam gleisten sollen bis auf ferner [. . .] befelh«. Sollte es Widerstand geben, war der Amtmann gehalten, die Untertanen »mit ernst – Unstrittig sind Johanns Leistungen in der Verwaltung des Hochstifts. Vgl. dazu zuletzt Schirmer, Verwaltungsbericht. 15 Brief Herzog Georgs an Bischof Johann VI. von Meißen, [Dresden] 1. September 1502, Cop. 108, Bl. 48a. 16 Brief Herzog Georgs an Bischof Johann VI. von Meißen [Dresden, nach 1. September/ vor 11. November 1502], Loc. 8985/4, Bl. 2–3. 17 Brief Herzog Georgs an Bischof Johann VI. von Meißen, [Dresden] 16. November 1502, Cop. 108, Bl. 100b. Vgl. Briefe Bischof Johanns VI. von Meißen an Herzog Georg, Stolpen, 18. und 20. November 1502, Loc. 8985/4, Bl. 8, 6.

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darzu zu pringen.«18 Das ungehinderte Agieren des herzoglichen Amtmanns im Stiftsterritorium führte jedermann vor Augen, wie weit der Arm der wettinischen Landesherrschaft reichte. Die Rhetorik beider Seiten bemühte sich nun, das Handeln der Gegenseite als Verletzung des alten Herkommens zu brandmarken. Der Bischof beschwerte sich, die Temporaliensperre sei »wider geistliche freyheit, bebestliche und keyserliche privilegia und e. g. vorfarn vorschreibung«, zumal ihm »stete und dorffer« des Stifts »mit allen furstlichen rechten und oberkeyt« unterständen.19 Der Herzog wiederum antwortete, er habe mit der Heerfolge vom Bischof nur eingefordert, was »unsser vorfarn an vorfarnden bischoffen zcu Meyssen alweg gutwillig bkommen«. Wie seine Amtsvorgänger handle auch er, Georg, »dem loblichen stifft zcu Meyssen [. . .] mit schutczen und fordern zcu seynem besten«. Die Temporaliensperre bezeichnete er als »den lindesten weg«,20 auf Johanns »eigensinnigkeit, trotzikeit und verachtunge unsrer zcustendigen gebote und gerechtikeit« zu reagieren.21 Die hochgreifende Rhetorik kann die Natur des Konfl ikts nicht verdecken: Zwischen Bischof und Landesherr war ein offener Machtkampf entbrannt. An den Koordinaten frühmoderner Landesherrschaft – Gerichtshoheit, Heerfolge, Besteuerung – mußte sich die ständische Qualität des Meißner Bischofs entscheiden. Landsässiger Vasall des wettinischen Territorialstaats oder gleichrangiger und unabhängiger Reichsstand lauteten die Alternativen. Der geistlichweltliche Gegensatz trat dabei völlig in den Hintergrund. Der Konfl ikt war für Georg wie für Johann ein rein weltlicher, es ging um die Unterordnung des Bischofs unter die wettinische Landesherrschaft. Der zunächst so forsch agierende Bischof geriet dabei bald in die Defensive, als Georg den Fehdehandschuh aufnahm. Während Johann wiederholt Ausgleichsverhandlungen anbot, kündigte Georg Ende November an, die Konfrontation aufrecht zu halten, »biß so lang sulchs unrecht bey uns abgtragen und wir unssers gmutts gsenfft wert«.22 Acht Jahre sollten vergehen, bis es soweit war. Zunächst verschärfte sich der Konfl ikt um die militärischen Leistungen. Erneut verweigerte Bischof Johann im Juli 1503 Forderungen des Herzogs nach Reiterei und auch das Heer, mit dem Herzog Heinrich im Frühjahr 1504 nach

18 Brief Herzog Georgs an den Amtmann zu Dresden, o.O., 24. November 1502, ABKG, Bd. 1, LXVI, Anm. 1. 19 Brief Bischof Johann VI. von Meißen an Herzog Georg, Stolpen, 28. November 1502, Loc. 8985/4, Bl. 7. 20 Brief Herzog Georgs an Bischof Johann VI. von Meißen, Dresden, 30. November 1502, ebd., Bl. 1, 4. 21 Brief Herzog Georgs an Bischof Johann VI. von Meißen [Dresden, nach 28. November 1502], ebd., Bl. 5. 22 Brief Herzog Georgs an Bischof Johann VI. von Meißen, Dresden, 30. November 1502, ebd., Bl. 1, 4.

196 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) Friesland auf brach, blieb ohne bischöfl iche Hilfstruppen.23 Während Georg die Heerfolge als Teil seiner althergebrachten Rechte begriff, sah sich der Bischof nur dem Kaiser gegenüber in der Dienstpfl icht und beharrte auf der Freiwilligkeit jeglicher Heerfolge bei den Wettinern. Gegenüber der maßgeblichen Vereinbarung aus dem Jahre 1436 nahmen beide Seiten damit Maximalpositionen ein – der Machtkampf war in vollem Gange.24 Zunehmend gefährdete der Streit die militärische Sicherheit. Der böhmische Adlige Georg von Guttenberg, der mit Herzog Georg in Fehde lag, nutzte die Spannungen für seine Kriegsführung und fiel über das bischöfl iche Territorium östlich der Elbe nach Sachsen ein. Dringend forderte Georg den Bischof auf, zumindest die eigenen Festen Stolpen und Bischofswerda zu verteidigen und militärisch mit ihm zusammenzuarbeiten.25 Doch Johann war nicht in der Lage, seinen Anspruch auf selbständige Landesherrschaft auch militärisch einzulösen und zog sich statt dessen ins sichere Wurzen zurück. Nachdem das ungeschützte Bischofswerda im November 1504 geplündert und »inn solichem einfall der meyste teyl der wegerstenn burger gefangen unnd hinwegk gefurt« worden war, legte Georg selbst eine Garnision in die Stadt, um »weyttern schadenn, der dem stifft zubesorgenn gewest, domit zuvorkumen«, aber auch, »domit unser lande unnd leute [. . .] deste sicher sitzenn und durch des gemeltenn bischoffs mutwillenn nicht inn weyterm schaden dorfftenn gefurt werden.« 26 Johann reagierte empört, zumal Georg auch einen Amtmann einsetzte und für mehrere Jahre die bischöfl ichen Einnahmen in Stadt und Amt konfiszierte.27 Aber auch die landesherrliche Kirchenpolitik blieb von der Eskalation nicht unberührt. Beim Besuch Kardinal Peraudis am Meißner Bennoheiltum Anfang 1503 präsentierte Herzog Georg dem Legaten einen kirchenpolitischen Forderungskatalog, der klar zu Lasten der bischöfl ichen Autorität ging. Zwischen den Zeilen ist der offene Konfl ikt mit Johann VI. auch hier präsent. So erbittet der 23 Vgl. Brief Bischof Johanns VI. von Meißen an Herzog Georg, Stolpen, 26. Juli 1503, Loc. 8985/5, Bl. 1; Brief Herzog Georgs an Bischof Johann VI. von Meißen, Dresden, 22. April 1504, ebd., Bl. 3. 24 Vgl. Brief dess. an dens., Dresden, 21. August 1504, ebd.; Brief Bischof Johanns VI. von Meißen an Herzog Georg, Stolpen, 22. August 1504, ebd., Bl. 6. – Die Privilegienbestätigung Kurfürst Friedrichs I. für das Hochstift von 1436 legte fest, daß der Bischof und das Domkapitel mit Steuern und Heerfolge »in keynerwiese furder danne unsir ritterschaft im lande zcu Missen« belastet werden sollte (Urkunde Kurfürst Friedrichs I., Meißen, 30. Oktober 1436, CDS, II, Bd. 3, 56 f.). Vgl. auch Zieschang, 82–86. 25 Vgl. Brief Herzog Georgs an Bischof Johann VI. von Meißen, [Dresden] 10. April 1503, Cop. 108, Bl. 242a ; Brief dess. an dens., Dresden, 29. März 1504, Cop. 109, Bl.47 b. – Zur Guttensteinschen Fehde vgl. Senff, 1–30. 26 Brief Herzog Georgs an seine Räte am Hof zu Wurzen, o.O., 17. Dezember 1504, Loc. 8985/23, Bl. 1. – Den Überfall auf Bischofswerda datiert Machatschek auf den 25. November 1504. Vgl. Machatschek, 583. 27 Die Besetzung dauerte vom 30. November 1504 bis zum 18. April 1507. Vgl. Schirmer, Verwaltungsbericht, 96.

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Landesherr nicht nur das Recht, straffällige Geistliche verhaften zu dürfen, sondern kalkuliert auch gleich den hartnäckigen Widerstand Johanns ein, weshalb er den Papst bittet, etwaige Gegner der Maßnahme schon im Voraus mit Exkommunikation und Amtsenthebung zu bedrohen – wobei er ausdrücklich den Bischof einschließt.28 Parallel dazu häuften sich die Spannungen im Kirchenregiment. Im Februar 1503 konfrontierte Georg den Bischof mit den Ansprüchen des Altaristen Matern Pirstyn, der behauptete, daß Johann ihm seit acht Jahren die vereinbarte Pension für einen Stolpener Altar verweigere.29 Zwei Monate später verlangte er von Johann, den Streit um eine Kollatur in Sorau in seinem Sinne zu entscheiden und desavouierte gleichzeitig die Autorität des Bischofs, indem er selbst eine entsprechende Anweisung an den zuständigen Offizial in Bautzen sandte.30 Der größte Affront aber lag in Georgs Forderung, das Terminierverbot für die Leipziger Dominikaner in Wurzen aufzuheben. Selbst in seinem eigenen Stiftsterritorium mußte sich Johann in seiner Entscheidungshoheit angefochten sehen, noch dazu in einer Angelegenheit, die sein geistliches Aufsichtsrecht berührte. Dabei war Georgs Brief nicht etwa eine freundliche Bitte: im Brustton der Reformrhetorik warf er dem Bischof vor, mit seinem Verhalten ein schlechtes Beispiel für die Förderung der Religion im Lande zu geben. Zudem drohte er mit den Weiterungen eines Prozesses des exemten Ordens gegen den Bischof.31 Gleich an zwei Fronten trieb der Wettiner Johann in die Enge: Weder achtete Georg die weltliche Hoheit des Bischofs im Stiftsterritorium, noch dessen geistliche Autorität als Oberhirte der Diözese. Wie es sich in den Forderungen an Peraudi angedeutet hatte, griff der Konfl ikt zunehmend auf die kirchliche Ebene über – und hier war der Landesherr der Angreifer. Ihren Höhepunkt erreichte die Auseinandersetzung in den Jahren 1508/09. Zum Streit in der Sache trat ein zunehmend vergiftetes Klima. Vor einem päpstlichen Delegationsgericht, das in Leipzig unter Leitung des Thomaspropstes einen Streit zwischen Johann und dem Meißner Kapitel verhandelte, erklärte der bischöfl iche Prokurator, Herzog Georg habe unrechtmäßig Bischofswerda besetzt, hetze das Domkapitel gegen den Bischof auf und versuche nun sogar, politischen Druck auf das Delegationsgericht auszuüben. Georg faßte 28 »Item, welcher bischoff widder solch privilegium thete, adir priester, das der mit der that im banne were, benefitio und offitio privirt«. Forderungskatalog Herzog Georgs an den Papst als mündlicher Vortrag bei Kardinallegat Raimund Peraudi [Anfang Januar 1503], Gess, Klostervisitationen, 46 f., ebenso: ABKG, Bd. 1, XXXIII, Anm. 1). Zum Kontext siehe S. 293–299. 29 Vgl. Brief Herzog Georgs an Bischof Johann VI. von Meißen, [Dresden] 18. Februar 1503, Cop. 108, Bl. 192a. 30 Vgl. Briefe Herzog Georgs an Bischof Johann VI. von Meißen und an den Offi zial der Propstei zu Bautzen, [Dresden] 21. April 1503, ebd., Bl. 252b, 253a. 31 Vgl. Brief Herzog Georgs an Bischof Johann VI. von Meißen, [Dresden] 14. März 1503, ebd., Bl. 214a (Regest: CDS, II, Bd. 10, 191 f.).

198 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) diese Aussagen als persönliche Beleidigung auf und verlangte von Johann eine Erklärung.32 Als der Bischof den Gesandten des Landesherrn, deren subalterner Status schon allein einen Affront darstellte, die Antwort verweigerte,33 schrieb Georg alle Courtoisieformeln in den Wind und stellte dem »herr[n] von Meyssen« das Ultimatum, sich mit »ja odder nein« zu den Vorwürfen zu bekennen.34 Der auf Reisen befi ndliche Obermarschall befürchtete sogar eine noch hitzigere Reaktion und beschwor seinen Fürsten, vor seiner Rückkehr nach Dresden keine weiteren Schritte einzuleiten. Da machte der Bischof einen Rückzieher und versicherte, der Prokurator wollte Georg mit seinen Aussagen nicht »zcunahe gewest seyn«.35 In der Sache blieb aber auch Johann auf Konfrontationskurs. Obwohl die sächsischen Bischöfe seit langem die wettinische Münzhoheit akzeptiert hatten, reagierte er scharf, als ein routinemäßiges Ausschreiben Georgs zur Münzordnung auch nach Bischofswerda und Stolpen gesandt wurde. Sein Schreiben an die Städte betonte erneut die bischöfl iche Landesherrschaft und verbot den Stadträten unter Androhung weltlicher und geistlicher Strafen, sich der Gerichtsbarkeit Herzog Georgs zu unterwerfen.36 Auf der anderen Seite machte Herzog Georg deutlich, daß er durch den Streit auch die kirchliche Autorität des Bischofs in Frage gestellt sah. So verweigerte er die Übergabe des Klerikers Georg von der Kere, der einen Hofdiener Georgs ermordet haben sollte, in die Hände der bischöfl ichen Gerichtsbarkeit. Dies war ein für Georg einmaliger Verstoß gegen das Privilegium fori, eine kalkulierte Provokation. Johann reagierte darauf hin ebenfalls mit außergewöhnlicher Härte. Er verhängte das Interdikt über die Residenzstadt Dresden, wo Kere in Haft saß. Das war die Anwendung von Kirchenstrafen gegen den Landesherrn, wie es sie in Sachsen seit den Tagen Heinrichs des Erlauchten (1230–1288) nicht mehr gegeben hatte! Doch selbst von der erzwungenen Einstellung des Gottesdienstes in seiner Hof kapelle ließ sich Georg nicht beugen.37 32

Vgl. Bericht über eine Werbung Herzog Georgs bei Bischof Johann VI. von Meißen, Wurzen [kurz nach 31. Januar 1508], Loc. 8985/26, Bl. 4–6. 33 Statt wie üblich Hofräte oder Amtleute zu schicken, beauftragte Georg zwei subalterne Diener, den Leipziger Geleitsmann Wilhelm Crae (Krähe) und den Lic. utr. iur. Valentin Smydt. Der Bischof seinerseits hielt die Gesandten drei Wochen lang mit ausweichenden Antworten hin. Vgl. die Gesandtenberichte, ebd., Bl. 6–9. Vgl. auch Zieschang, 98 f. 34 Brief Herzog Georgs an Bischof Johann VI. von Meißen, Leipzig, 3. März 1508, Loc. 8985/26, Bl. 3a, ediert: Zieschang, 99, Anm. 3. 35 Vgl. Brief des Heinrich von Schleinitz an Herzog Georg, o.O., 10. März 1508, Loc. 8985/26, Bl. 1; Brief Bischof Johanns VI. von Meißen an Herzog Georg, Wurzen, 4. März 1508, ebd., Bl. 3a–b. 36 Vgl. Brief Herzog Georgs an die Bürger zu Stolpen, Bischofswerda und »Willsdorf«, Dresden, 15. November 1508, Cop. 110, Bl. 28b –29a ; Brief Bischof Johanns VI. von Meißen an Bürgermeister und Rat zu Stolpen und Bischofswerda, Wurzen, 23. Dezember 1508, CDS, II, Bd. 3, 323. 37 Vgl. Brief der Statthalter zu Dresden an Dr. Nikolaus von Heinitz, Dresden, 18. De-

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Es überrascht kaum, daß unter diesen Umständen Vermittlungsversuche zwischen den Streitenden nur langsam vorankamen. Schon 1506 war ein erster Vorstoß Johanns, der die Ernestiner als Schlichter vorsah, gescheitert.38 Im Herbst 1508 war es nun der Merseburger Bischof Thilo, der sich anbot, den für ganz Sachsen bedrohlichen Konfl ikt zu schlichten. Nur zögernd ging Georg auf das Vermittlungsangebot ein,39 um dann eine lange Liste von Gravamina wider Johann zu präsentieren. Bemerkenswert ist die Stoßrichtung seiner Forderungen. Nicht nur die Landsässigkeit des Bischofs und seine Leistungen an die Wettiner wollte der Herzog festgeschrieben wissen. Eigenhändig fügte Georg dem Kanzleikonzept der Gravamina einige weitere Punkte hinzu: »Item dy reformacion der kloster, item umbs weyen, item umb indult, straff der geistlich.[keit], abbruch des schlosses, [. . .] item dye meynen gebannen: interdict zu Dresden«.40 Plötzlich ist hier die gesamte Palette der Kirchenpolitik präsent, wobei Fragen angeschnitten werden, die wie die Klosterreform oder die geistliche Gerichtsbarkeit schon lange zu den Zielen landesherrlicher Kirchenreform gehören. Damit machte Herzog Georg die Klärung der kirchenpolitischen Ausrichtung des Bischofs zum unverzichtbaren Teil einer Einigung. Die Schlichtung sollte so nicht nur die weltliche Unterordnung des Meißner Bischofs unter die wettinische Landesherrschaft bestätigen, sondern Johann zugleich zur Kooperation im Rahmen der landesherrlichen Reformpolitik verpfl ichten.41 Zunächst sträubte sich Bischof Johann noch, dem Forderungskatalog des Landesherrn zuzustimmen; die Verhandlungen scheiterten. Dennoch geriet er nun immer mehr unter Druck, da Georg alles daran setzte, den Bischof zu isolieren. Die Vermittlungsversuche der Ernestiner, auf die der Bischof seine Hoffnungen setzte, blockte Georg im Frühjahr 1510 endgültig ab.42 Das Meißner Domkapitel als wichtigste geistliche Instanz neben dem Bischof war ohnehin im gesamten Streit auf Seiten des Herzogs.43 Nun setzte Georg auch das engere zember 1508, Cop. 110, Bl. 274b ; Brief Herzog Georgs an Markgraf Joachim I. von Brandenburg, Meißen, 26. Dezember 1508, Cop. 113, Bl. 16; Brief Herzog Georgs an die Statthalter zu Dresden, Schellenberg, 19. September 1509, Cop. 110, Bl. 231. – Siehe auch S. 236–245. – Zu den Exkommunikationen Heinrichs des Erlauchten vgl. Schlesinger, Kirchengeschichte, Bd. 1, 80–105. 38 Vgl. Werbung Herzog Georgs an Kurfürst Friedrich. und Herzog Johann d.Ä., Leipzig, 11. März 1506, Loc. 8185/8, Bl. 25b –27a. 39 Vgl. Brief Herzog Georgs an Bischof Thilo von Merseburg, Dresden, 16. Oktober 1508, Cop. 111, Bl. 6. 40 Beschwerdeartikel Herzog Georgs gegen Bischof Johann VI. von Meißen [Oktober 1508], Loc. 8985/25, Bl. 9–11, hier Bl. 10b. Die kursiv gesetzten Passagen stammen von Georgs Hand, bei den anderen handelt es sich um Zusätze durch eine Kanzleihand. Vgl. auch Zieschang, 101 f., allerdings dort zu 1511 geordnet. 41 Siehe dazu unten S. 207–214. 42 Vgl. Werbung von Räten Kurfürst Friedrichs bei Herzog Georg, 12. März 1510, Loc. 10511/2, Bl. 288–293. 43 Siehe unten, S. 219.

200 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) Umfeld des Bischofs unter Druck. Mehrfach bestellte er 1509 den Amtmann der Bischofsresidenz Stolpen zu sich ein und forderte ihn auf, im landesherrlichen Sinne auf seinen Dienstherrn einzuwirken. Dabei sicherte sich der Landesherr die Gefolgschaft des Amtmanns, indem er Georg von der Pforten an seine persönliche Verpfl ichtung als wettinischer Lehnsmann erinnerte. Im Loyalitätskonfl ikt zwischen Dienstherr und Lehnsherr entschied sich der zunächst widerstrebende Pforten offenbar letztlich für die Partei Georgs, denn wenig später wurde er – wohl als Belohnung für seine Dienste – zum albertinischen Amtmann ernannt.44 Auch die geistlichen Amtsträger Johanns verspürten den langen Arm des Herzogs. Der in Stolpen residierende Generaloffizial Christoph von Betzschitz erhielt im Juni 1509 einen besonders harschen Brief aus Dresden. Wie so oft verlangte der Landesherr die Abstellung eines geistlichen Banns, doch verknüpfte er das Wohlverhalten des Offizials nun geschickt mit den gespannten Beziehungen zum Bischof: »Begern von euch, yr wollet solch interdict abeschaffen [. . .] und mit euren ungegrundten bannen so snelle nicht seyn, und bedencken, wie vormals dye sachen zcwischen dem bischove und uns stehen, dye durch solch uncristlich vornemen nicht weytter [zu] vorteuffen«.45 Das gespannte Verhältnis zu Bischof Johann konnte Georg also sogar als Druckmittel einsetzen, um das Entgegenkommen der bischöfl ichen Administration in kirchenpolitischen Fragen zu erzwingen. Betzschitz jedenfalls beeilte sich, den Forderungen Georgs nachzukommen.46 Schließlich mußte auch der Blick nach außen Bischof Johann die Vergeblichkeit seines Kampfes um Eigenständigkeit aufzeigen. Waren die Könige von Böhmen im späten 14. Jahrhundert noch die schärfsten Konkurrenten der Wettiner im Einfluß auf den Meißner Bischofsstuhl gewesen, so ignorierten sie jetzt Johanns Bestrebungen. Als König Wladislaw II. Anfang 1509 verschiedene Bischöfe zur Krönungsfeier für seinen Sohn Ludwig nach Prag einlud, wandte er sich wegen der Teilnahme des Meißner Bischofs wie selbstverständlich an Herzog Georg. Mit der Befehlsformel »euch darnacht habt zu richten« gab Georg die königliche Bitte als herzoglichen Befehl an seinen »schutzverwandtenn« Johann weiter.47 Der letzte Widerstand des Bischofs wurde schließlich durch ein sehr weltliches Ereignis gebrochen. Die Fehde des lausitzischen Ritters Jakob von Köcke44 Vgl. Briefe Herzog Georgs an Georg von der Pforten, Amtmann zu Stolpen, vom 2./15. Januar und 3. Mai 1509, Cop. 110, Bl. 50b, 57, 134a. Am 21. Juni wird Pforten erstmals als (herzoglicher) Amtmann von Kriebstein erwähnt. Vgl. ebd., Bl. 177a. Später diente er als Amtmann von Meißen und Rochlitz. 45 Brief Herzog Georgs an den Generaloffi zial zu Stolpen, Dresden, 5. Juni 1509, ebd., Bl. 158b. 46 Brief des Christoph von Betzschitz, Generaloffi zial zu Stolpen, an Herzog Georg, Stolpen, 6. Juni 1509, Loc. 8983/11, Bl. 16. 47 Brief Herzog Georgs an Bischof Johann VI. von Meißen, Dresden, 16. Februar 1509, Cop. 111, Bl. 8b.

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ritz ließ die militärische Ohnmacht des Bischofs zutage treten und entlarvte den Traum von der eigenen Landesherrschaft als Illusion. Von seinem Adelsitz Elsterwerda aus hatte Köckeritz 1509 eine alte Fehde gegen den Bischof wiederaufgenommen und an seiner Stelle die Pfarrer von Elsterwerda und Ortrand angegriffen. Am 8. Mai erschien der Stolpener Offizial vor Herzog Georg, um ihn im Namen des Bischofs um Schutz zu bitten. Georg antworte, er sei zum Schutz all jener »underthan, schutzvorwandten und lantsessen« bereit, die ihm Gehorsam leisten, oder zumindest »ab sye wes widder uns [. . .] gethan, dasselbe zcymlicher weyse abtragen«. So wolle er sich auch »kegen denselben unsern vorwandten« – gemeint war den Bischof – »wie oben benant mit schutz und der thetern kegen yn mit straff dermass bezceygen, darauss menniglich dye billickeit bey uns vormercken sall.«48 Damit ging der Herzog einen ersten Schritt auf den Bischof zu, machte aber zugleich deutlich, daß er dies als Vorschußleistung auf die überfällige Abbitte des Bischofs verstanden sehen wollte. Die Kopialbücher des Hofrats zeigen, daß Köckeritz tatsächlich schon am folgenden Tag drohend ermahnt wurde, die Fehde gegen den Bischof einzustellen, den Georg als seinen »gehorsam landsessen« bezeichnete. Den geplagten Pfarrern seien persönliche Freiheit (Elsterwerda) bzw. Besitz (Ortrand) umgehend zu restituieren, denn schließlich wären diese herzogliche Untertanen.49 Erneut zeigt sich hier, daß Georg den Niederklerus als Teil seines Untertanenverbandes ansah. Als Köckeritz nicht nachgab, ließ der Herzog dessen Sitz Elsterwerda durch zwei Amtleute gewaltsam einnehmen.50 Doch als die Gefahr gebannt war, blieb das Einlenken des Bischofs wiederum aus. Um so empörter reagierte Georg, als im Herbst der Offizial von neuem mit der Bitte um Schutz an ihn herantrat, weil Köckeritz noch einmal sein Glück versuchte. Seine Räte mußten den Fürsten überreden, die Schärfe seiner Antwort zu mäßigen.51 In der Sache aber blieb er nun hart: Solange der Bischof sich nicht entschuldigen würde, sei ihm der Schutz verwehrt. Denn die landesherrlichen Rechte gegenüber dem Bischof seien der Preis für den Schutz, in Georgs Worten: »unser gerechtigkeit«, die der Bischof »widder altherkommende ubung [. . .] vorenthalten« habe, sei »dem schutz anhengig«.52 48 Antwort Herzog Georgs auf eine Werbung Bischof Johanns VI. von Meißen vom 8. Mai 1509, Loc. 8985/26, Bl. 13, hier zitiert nach Zieschang, 100. – Da Zieschang die folgenden Quellen nicht kannte, hat er Georgs Antwort fälschlich als Absage interpretiert. 49 Brief Herzog Georgs an Georg von Köckeritz, Dresden, 9. Mai 1509, Cop. 110, Bl. 138. – Als Kontaktmann diente hier Georg von Köckeritz, der zur Promnitzer Linie gehörte und als herzoglicher Rat bezeichnet wird. 50 Vgl. Brief Herzog Georgs an Christoph Ziegler, Amtmann zu Meißen, und Hans von Polenz, Amtmann zu Dresden, [Dresden] 29. Juni 1509, ebd., Bl. 185b. Vgl. auch ebd., Bl. 144, 178a. 51 Vgl. Antwort Herzog Georgs auf eine Werbung Bischof Johanns VI. von Meißen, o.O., 5. November 1509, Loc. 8985/26, Bl. 20–23; vgl. Zieschang, 100 f. 52 Antwort Herzog Georgs auf eine Werbung Bischof Johanns VI. von Meißen, o.O., 12. Oktober 1509, ebd., Bl. 17–20, hier zitiert nach Zieschang, 100, Anm. 1. – Erst eine Woche

202 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) Erst im Frühjahr 1511 fand sich Johann bereit, diesen alten Grundsatz (erneut) zu akzeptieren. Am Vorabend des Ostertages trafen Bischof und Herzog auf dem Meißner Burgberg zusammen, um im alten sakralen und weltlichen Zentrum Sachsens gemeinsam das Osterfest zu begehen. Wie kein anderer Tag eignete sich der Ostersamstag für die Beendigung des jahrelangen Konfl ikts, war er doch das traditionelle Datum für eine Versöhnung unter Christen, weil ein offener Konfl ikt in der Gemeinde den würdigen österlichen Sakramentsempfang in Frage stellte. Auch dieser sächsische »Investiturstreit« endete mit einem Gang nach Canossa. In diesem Fall war es aber der Bischof, der zur Burg des Fürsten ging. Dort bat Johann in einem »selbsvortrage«53 vor Georg um die Beendigung des Konfl ikts. Zwei Punkte enthielt Johanns Friedensangebot: In der Sache versprach er, sich in allen strittigen Fragen »gegen e. g. [Herzog Georg], wie meyne nehsten vorfarn getan, zcu halten«. Er akzeptierte die Rechtmäßigkeit der zwischenzeitlichen Schutzverweigerung Georgs und bat für die Zukunft erneut um den landesherrlichen Schutz: »e. g. wollen mich und meynen stifft mit schutz nicht vorlassen, sundern mein gnediger herre sein«. In der Form entschuldigte er sich für die Aussagen seines Prokurators, die Georg 1508 so empört hatten: »solchs ist nicht gescheen in meynung und gemute e. g. zu iniuriren, [. . .] bitt derhalben, e. g. wolt solchs vor entschuldung von mir annehmen und mein gnediger herre sein«.54 Die Entschuldigung des Bischofs war zuvor offenbar zwischen den Parteien ausgehandelt worden. Unter dem bezeichnenden Titel »abrede zwuschen m. g. h. herzogen Georgen und dem bischove zu Meissen« fi ndet sie sich in einer Dresdner Akte.55 Ein Konzept des Textes in derselben Akte deutet sogar darauf hin, daß die Entschuldigung gänzlich in der landesherrlichen Kanzlei entworfen und dem Bischof nur noch diktiert wurde.56 Jedenfalls war Georg in der Lage, auch die geplanten Ausgleichsverhandlungen ganz zu seinen Gunsten zu gestalten. Jeweils zwei Räte beider Seiten sollten die strittigen Punkte »anhoren, und wie sie es machten, dabei solten wirs eyntrechtiglich unabbruchlich lassen.« Dabei konnte Georg Johann darauf festlegen, ausgerechnet zwei Meißner Domherren – und damit geborene Parteigänger Herzog Georgs – als binach dem Leipziger Schiedsspruch von 1511 nahm Georg wieder den Schutz des Hochstifts war. In einer vom Herzog persönlich konzipierten Missive werden die fehdeführenden Ritter aufgefordert, ihre Fehde zu beenden und den Streit mit Bischof und Stift vor dem Herzog verhandeln zu lassen. Vgl. Brief Herzog Georgs an Jakob von Köckeritz und Caspar von Maltitz, Leipzig, 21. November 1511, Cop. 116, Bl. 185a. 53 So die Bezeichnung in der Narratio des abschließenden Schiedes: Schiedsspruch des Dietrich von Schleinitz d.Ä., Hermann von Pack, Dr. Johann Hennig und Dr. Nikolaus von Heinitz, Leipzig, 13. November 1511, O. U., Nr. 9920 (Regest: CDS, II, Bd. 3, 325 f.). 54 Entschuldigung Bischof Johanns VI. vor Herzog Georg, Meißen, 19. April 1511, Loc. 8985/26, Bl. 23b, ediert: Zieschang, 101, Anm. 1. 55 Entschuldigung Bischof Johanns VI. vor Herzog Georg, Meißen, 19. April 1511, Loc. 8985/26, Bl. 23b. 56 Vgl. Loc. 8985/26, Bl. 25a .

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schöfl iche Vertreter zu benennen.57 Spätestens hier wird deutlich, daß Johanns Gang auf die Albrechtsburg einer Kapitulation gleichkam. Wie die Umstände erwarten ließen, bestätigten die abschließenden Schlichtungsverhandlungen den Sieg des Herzogs. In nahezu allen Punkten entspricht der Schiedsspruch seinen Gravamina aus dem Jahre 1508. Nur wegen der Heerfolge kam es noch einmal zu Verzögerungen, weil Bischof Johann den ersten Schiedsspruch vom Juni 1511 nicht akzeptieren wollte.58 Erst im November konnte deshalb in Leipzig ein Schlußstrich unter den Konfl ikt gezogen werden. Die weltliche Stellung des Bischofs wurde erneut im Sinne der wettinischen Landesherrschaft defi niert: »Volge und anders, was u. g. h. vonn Meissen u. g. h. hertzogen Georgen nach s. f. g. achttunge aus crafft des Schutz sall schuldig sein«, sollte der Bischof so leisten, wie es »die nehsten vorfarnden bischove zu Meissen getan und geboten«. Die Vertretung gegenüber dem Reich sollte wiederum von den Wettinern übernommen und damit die bischöfl iche Reichsstandschaft faktisch durch die Schutzverwandtschaft ersetzt werden. Schließlich wurde auch Georgs Anspruch auf die alleinige Schutzherrschaft der Albertiner gestärkt, in dem die diplomatischen Dienste, die der Bischof den Ernestinern geleistet hatte, kritisiert wurden. Symbolisch greif bar wurde die erneute Mediatisierung des Meißner Bischofs aber durch die Verpfl ichtung, das Bischofsschloß auf dem Meißner Burgberg zu Ende zu bauen.59 Damit war nicht nur eine Abwertung der eigenständigen Residenzen in Stolpen und Wurzen verbunden, sondern auch eine Unterordnung unter den wettinischen Landesherrn. Denn da Georg den gesamten Burgberg als seinen Herrschersitz verstand, wurde der Bischof symbolisch in die Rolle eines am Hofe seines Herrn wohnenden Vasallen verwiesen.60 Während in der Frage der weltlichen Beziehungen der Status quo ante bestätigt wurde, waren die folgenden Passagen des Schiedsspruchs wegweisend für 57 »[. . .] dorzu euer lieb [Bischof Johann] zwene eurs capittels zugeben gewilligt«. Brief Herzog Georgs an Bischof Johann VI. von Meißen, Dresden, 17. Mai 1511, Loc. 8985/26, Bl. 24a. Georgs Brief rekapituliert dabei, wie »wir uns ann nehsten osterabent mit ewer lieb voreynigt«. 58 Der erste Schied sah vor, daß »unser g. h. von Meissen mit folge mit s. g. stifft zu gemeiner landschaft gehoren soll«. Schiedsspruch durch Obermarschall Heinrich von Schleinitz, Dietrich von Schleinitz d.Ä., Eustachius von Leisnig und Dr. Johannes Hennig [Meißen, ca. 12. Juni 1511], Loc. 8985/6, Bl. 10–14, hier 13b (bei Zieschang, 86 f. irrtümlich als Forderungskatalog Georgs bezeichnet). – Bischof Johann war aber nur bereit, die allgemein gehaltene Formel der österlichen Entschuldigung mitzutragen. Bei den Verhandlungen in Leipzig löste der als Obmann hinzugezogene Naumburger Bischof das Problem, indem er Herzog Georg riet, die allgemeine österliche Zusage, der Bischof wolle die Heerfolge nach Art der Vorfahren leisten, als ausreichend anzuerkennen. Sollte der Bischof dem Landesherr erneut die Heerfolge verweigern, so der Naumburger, könne der Herzog seine Ansprüche aufgrund seiner Machtstellung ohnehin durchsetzen. Vgl. Zieschang, 87 f. 59 Schiedsspruch, 1511 (wie Anm. 53). 60 Siehe dazu unten S. 220–225.

204 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) die landesherrliche Kirchenpolitik. Herzog Georg gelang es, aus der ihm aufgezwungenen Auseinandersetzung um die weltliche Stellung des Bischofs eine vertragliche Verpfl ichtung des Bischofs auf kirchenpolitische Vorgaben des Landesherrn herauszuholen. Neben dem Entgegenkommen Johanns in konkreten, strittigen Einzelfällen waren einige Zugeständnisse von grundsätzlicher Bedeutung. Dazu gehörten die lang umstrittene Visitation und Reform der Frauenklöster durch den Bischof unter Beteiligung landesherrlicher Räte und die Beschränkung der geistlichen Gerichtsbarkeit auf geistliche Streitfälle.61 Erstmals vermochte der Albertiner, einen sächsischen Bischof vertraglich zur Kirchenreform zu verpfl ichten. Georgs Vision einer landesherrlich dominierten Kooperation mit den Bischöfen in Sachen Kirchenreform war damit Realität geworden. b) Landesherrliche Einflußnahme auf Bischofsbesetzungen Die erfolgreiche Mediatisierung der sächsischen Bistümer fand schon im 15. Jahrhundert darin ihren Ausdruck, daß die Wettiner kein Interesse mehr daran zeigten, eigene Familienmitglieder als Bischöfe zu installieren und sich statt dessen auf die benachbarten Erzbistümer Magdeburg und Mainz konzentrierten.62 Dennoch übten die Wettiner oftmals entscheidenden Einfluß bei der Besetzung »ihrer« sächsischen Landesbistümer aus.63 Da ihnen eine direkte Nomination versagt blieb, waren sie bei der Durchsetzung ihrer Interessen auf die Beeinflussung der Wahlentscheidung des Domkapitels angewiesen. Insbesondere in Meißen übten sie dabei traditionell starken Einfluß aus.64 Nach dem jahrelangen Streit mit Johann VI. hatte Herzog Georg allen Grund, die Frage der Nachfolge in Meißen mit besonderer Aufmerksamkeit zu betrachten, zumal die Einigung von 1511 nicht das Ende aller Spannungen brachte.65 In Georgs Augen war die Angelegenheit bedeutend genug, um sich bei der Kurie Rückendeckung zu holen. Über Kardinal Cajetan bat er Papst Julius II., das Wahlrecht des Kapitels zu bestätigen und Johann keinesfalls die Einsetzung eines Koadjutors zu gewähren. Ein Breve des inzwischen gewählten Leo X. erfüllte im Frühjahr 1513 diesen Wunsch.66 In Georgs Vorgehensweise zeigt 61

Vgl. Schiedsspruch, 1511 (wie Anm. 53). Siehe S. 179–189. 63 So etwa die Ernestiner bei der Wahl des Wittelsbachers Bischof Philipp von Freising zum Bischof von Naumburg 1517. Vgl. Höss, Problematik 357. 64 Siehe unten S. 214–220. 65 So brach der Streit um die Besetzungsrechte an der Propstei des Nonnenklosters Mühlberg, der 1511 mit einer unscharfen Kompromißformel zugedeckt worden war, im Jahre 1515 wieder auf. Vgl. ABKG, Bd. 1, LI. 66 »Quare quod alteris litteris ab eodem praedecessore nostro suppliciter postulas, ut ne quid novetur quod ad Misnensem ecclesiam pertineat, neve a vetere consuetudine ejus civitatis, et a jure per capitulum antistitis eligendi recedatur; praesentique episcopo, si contra fas 62

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sich, wie die Kräfteverhältnisse in Meißen verteilt waren: Wenn eine reguläre Wahl des Kapitels stattfand, konnte der Wettiner sicher sein, daß ein ihm genehmer Kandidat das Bischofsamt erhalten würde. Im Frühjahr 1518 bestätigten sich Georgs Erwartungen. Als das Kapitel zur Wahl schritt, waren die beiden aussichtsreichsten Kandidaten Räte des Landesherrn. Die meisten Stimmen erhielt Johannes von Schleinitz, der 1509/10 Georgs Prokurator in Rom gewesen war, gefolgt von Nikolaus von Heinitz, ehemaliger Kanzler und enger Vertrauter Georgs. Caspar von Salhausen hingegen, der Neffe Johanns VI., fand trotz seiner langjährigen Mitgliedschaft im Kapitel kein Vertrauen bei seinen Kollegen.67 Der neugewählte Bischof genoß sofort Unterstützung des Landesherrn. Herzog Georg machte sich nicht nur bei der Kurie für die Konfirmation des Elekten der »ecclesie nostre Misnensis« stark,68 er stellte durch eine Bürgschaft bei den Fuggern zugleich sicher, daß Johanns Prokurator von der römischen Filiale der Fuggerbank einen Kredit zur Bezahlung der fälligen Annaten erhielt.69 Im Konsistorium referierte Vizekanzler Giulio de Medici die Ergebnisse des Informativprozesses über die Wahl, den Kandidaten und die Meißner Kirche, die er im Einklang mit Georg als »in marchionatu Misnensi ducibus Saxoniae subjecto« bezeichnete.70 Seinem positiven Votum folgte das Konsistorium am 5. Juli 1518 und bestätigte Johannes von Schleinitz als neuen Bischof. Auffällig ist ein Zusatz im Konsistorialprotokoll, der es Johann VII. entgegen den kanonischen Unvereinbarkeitsregeln erlaubte, neben dem Bischofsamt die Propstwürde des Kollegiatstiftes Innichen in Tirol zu behalten.71 Noch interessanter liest sich der moremque majorum, successorem sibi a S. Sede coadjutoremque concedi postulaverit, ut ne concedatur; nos hac tota de re te animo soluto et pacato esse volumus, nihilque omnino a nobis iniquae novitatis expectare.« Breve Papst Leos X. an Herzog Georg, Rom, 31. März 1513, A. S. V., Arm. XLIV, Bd. 5, Bl. 55b –56a, ältere Edition: Sadoletus, 3–5. Vgl. auch Hergenröther, Bd. 1, 112. – Zwar gibt es keine Belege für einen Plan Johann VI., mit Hilfe der Kurie einen Koadjutor gegen das Domkapitel durchzusetzen. Doch war Georgs Sorge wohl nicht völlig unbegründet, denn mit Caspar von Salhausen war ein Neffe Johanns Mitglied des Domkapitels und damit potentieller Nachfolger. Schon 1506 gab es Spannungen zwischen ihm und der Mehrheit des Kapitels, weil er als Parteigänger Bischof Johanns galt. Vgl. Briefe des Dr. Nikolaus von Heinitz an Herzog Georg, Meißen, 9. Mai und 13. August 1506, Loc. 8985/24, unfol.; Loc. 8994/9, Bl. 24. 67 Vgl. Protokoll über die Bischofswahl Johanns VII., Meißen, 27. April 1518, CDS, II, Bd. 3, 336 f. 68 Brief Herzog Georgs an Kardinal Giulio de Medici, Augsburg, 20. Mai 1518, A. S. V., Archivum Arcis, Arm. I–XVIII, No. 745. Vgl. ebd., ähnliche Briefe Herzog Heinrichs und des Domkapitels vom 30./31. April 1518. 69 Vgl. Bürgschaft Herzog Georgs, Augsburg, 21. Mai 1518, ABKG, Bd. 1, 34. – Als Kreditoren für Annatenzahlungen spielten die Fugger um 1500 eine zentrale Rolle bei Bischofserhebungen im Reich. Vgl. Tewes, Kurie und Länder, 309. 70 Vgl. Vorlage für den Konsistorialvortrag des Kardinal Giulio de Medici [17. Juni – 5. Juli 1518], Friedensburg, Informativprozesse, 177–181. – Zu den bischöfl ichen Informativprozessen vgl. Jedin, Informativprozeß, 441–446. 71 »Confi rmavit electionem factam a capitulo de eccl.[es]ia Misnen.[sis] in Alemania sub

206 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) zugehörige Antrag des Elekten, der die Propstei als Refugium für den Fall beschreibt, daß er mit den Herzögen von Sachsen in Streit geraten würde.72 Erwartete der neue Bischof etwa, daß er die Konfl ikte seines Vorgängers fortsetzen müsse? Dies erscheint unwahrscheinlich, denn die Beziehung Johanns VII. zu Herzog Georg war vor wie nach seiner Wahl durch enge Zusammenarbeit gekennzeichnet. Tatsächlich gab Johann schon im folgenden Jahr die angeblich so wichtige Rückzugsposition an seinen Freund Dr. Georg Pusch ab.73 Die dramatische Aussage erweist sich damit als vorgeschobenes Motiv, um Johann die Pfründe als Verfügungsmasse zu erhalten. Daß sich die Kurie bereit fand, diese Begründung zu akzeptieren, mag freilich zeigen, wie hoch man in Rom den Einfluß der Wettiner auf das Bistum veranschlagte. Etwas anders als in Meißen lagen die Dinge in Merseburg, dem anderen Bistum unter albertinischer Schutzherrschaft. Hier war der landesherrliche Einfluß im Domkapitel geringer, denn die Wettiner besaßen nur für zwei Domherrenstellen das Präsentationsrecht, während die Mehrheit des Gremiums vom Adel des Stiftsgebiets dominiert wurde.74 Daß Herzog Georg dennoch Einfluß auf die Besetzung zugesprochen wurde, belegt ein Ansuchen des Grafen Wilhelm von Mansfeld. Der zum Klientelverband der Wettiner zu rechnende Mansfelder fragte 1515 bei Herzog Georg an, »ab mir e. l. mocht verhelfen zu der coadjutorie zu Merseburg« und erbot sich zugleich »solchs mein leben langk umb e. l. zuverdinen«.75 Aber auch die Kurie war bereit, Georgs Einfluß in Merseburg zu fördern. 1529 supplizierten der Merseburger Bischof Vinzenz von Schleinitz und Herzog Georg gemeinsam in Rom um die Ernennung eines Koadjutors mit Nachfolgerecht, wobei der Bischof die Rolle des wettinischen Schutzherrn mit der Formel »defensor episcopatus mei« umschrieb.76 Für die angesichts des metropoli Magdeburgen.[sis] vacante p.[er] obitum Joha.[n]nis de Salharosen ep.[iscop]i Misnen.[sis], et de ea providit in titulu.[m] d.[omi]no Joha.[n]ni Schleimbz cantori et canonico Misnen.[sis]; cum retention.[e] prepositure eccl.[es]ie Incien.[sis] Brixinen.[sis] dioc.[esis].« Protokoll des Konsistorium vom 5. Juli 1518, A. S. V., Archivio Concistoriale, Acta Vicecancellarii, Bd. 1, Bl. 83b. 72 »Quam petit tanquam refugium extra dominium ducum Saxoniae, si quando cum eis in controversiam veniret«. Friedensburg, Informativprozesse, 181, Anm. 2. 73 Siehe S. 137. 74 Zum Domkapitel Merseburg vgl. zukünftig Cottin, Merseburger Domkapitel; daneben den Ausstellungskatalog Heise/Kunde/Wittmann. – Auf zwei weitere Kanonikate hatten die Wettiner einen indirekten Einfluß, weil diese für die Besoldung von Professoren der Leipziger Universität reserviert waren. Doch lag das Präsentationsrecht in den Händen der Universität. Vgl. Cottin, Universitätskanonikate; überholt: Zieschang, 139 f. 75 Brief Graf Wilhelms von Mansfeld an Herzog Georg, o.O., 18. November 1515, Loc. 9033/5, unpag. 76 Supplik des Bischofs Vinzenz von Merseburg an Papst Clemens VII., Merseburg, 25. Januar 1529, A. S. V., Segretaria di Stato, Principi, Bd. 6, Bl. 11, 14 (nach dem Konzept unter dem falschen Datum 28. Januar teilediert bei Pollet, Bd. 1, 154–156); Supplik Herzog Georgs an Papst Clemens VII., Dresden, 28. Januar 1529, ebd., Bl. 12 f. (vgl Pollet, Bd. 1, 65, Anm. 2).

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Kampfes gegen die Reformation neuralgische Position hatte Herzog Georg den berühmten Julius Pflug ausgewählt, den er 1526 zu einem Kanonikat in Merseburg verholfen hatte – bezeichnenderweise mittels päpstlicher Provision.77 In einem Breve an Herzog Georg erklärte Papst Clemens VII. seine Zustimmung zu dem Vorhaben. Allein die Merseburger Domherren sträubten sich, den gerade erst aufgenommenen Pflug zum Koadjutor zu wählen und verhinderten so den Erfolg. Auch die erneute Empfehlung Pflugs durch Georg bei der nächsten Bischofswahl im Jahre 1535 ignorierten die Domherren. Diese doppelte Niederlage, die eine Schlüsselstellung in der Abwehrfront gegen die Reformation betraf, bewog Herzog Georg 1536 zu einem letzten Versuch, sein Kirchenregiment mit Hilfe der Kurie auszubauen. Nach Meißner Vorbild bemühte er sich nun über Schönberg auch für Merseburg um die Präsentationsrechte für sämtliche Kanonikate.78

2. Der Bischof als Partner der landesherrlichen Kirchenreform Die Kirchenpolitik Georgs griff auf mehreren Ebenen tief in die bischöfl iche Aufsichtssphäre ein. Der Landesherr übte eine umfassende Aufsicht über den Niederklerus aus, kontrollierte und beeinflußte die Tätigkeit der geistlichen Gerichte, sah sich persönlich für die Frömmigkeitspraxis der Laien verantwortlich. Ihren programmatischen Höhepunkt fand die ständige Tangierung bischöfl icher Rechte in den grundsätzlichen Forderungen an Peraudi, der Papst möge die Klosterreform und die Disziplinierung des Weltklerus dem Landesherrn bzw. einem von ihm abhängigen päpstlich-delegierten Richter übertragen. War es also Georgs Ziel, die Bischöfe aus dem Kirchenregiment zu verdrängen? Auf der anderen Seite sahen schon die frühen Jahre Georgs mehrere Versuche, die Bischöfe zu einer intensiveren Wahrnehmung ihrer eigenen Aufsichtsrechte zu bewegen. Dazu suchte Herzog Georg direkte Verhandlungen, wie sie schon 1498 der Entwurf der gesamtwettinischen Landesordnung ankündigte. Auf der Basis einer 1499 zusammengestellten Liste von Gravamina kam es am 14. Juli 1500 in Naumburg zu einem Zusammentreffen albertinischer und ernestinischer Räte mit Vertretern der drei sächsischen Bischöfe und den Archidiakonen.79 Die landesherrliche Seite forderte die Bischöfe zur Zusammenarbeit in verschiedenen Bereichen der Kirchenreform auf. So wiesen die Räte in eng an die Landesordnung angelehnten Formulierungen darauf hin, daß das »ge77 Vgl. Brief Herzog Georgs an Nikolaus von Schönberg, Leipzig, 6. April 1526, ABKG, Bd. 2, 519 f. 78 Vgl. Brief Herzog Georgs [an Nikolaus von Schönberg], Dresden, 2. März 1536; Gess, Klostervisitationen, 47 f.; vgl. auch Pollet, Bd. 1, 64 f. 79 Zum Kontext der Verhandlungen siehe S. 230–236.

208 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) meyne volck« gegen die göttlichen Gebote wie die Feiertagsheiligung und damit gegen die Ordnungen der Kirche verstoße. An die Bischöfe appellierten sie deshalb, »by den predigern auch beichtfettern zcuvorfugen, daß selbt gemeine volck zu erinnern und anzuhaltenn sulche sunde zu meidenn«. Wie der Landesherr in seiner Landesordnung, sollten also auch die Bischöfe durch ihre Geistlichkeit die Laien zur Reform ermahnen, das gemeinsame Auftreten von »Thron und Altar« Besserung in das christliche Leben der Bevölkerung bringen. In gleicher Weise wurden die Bischöfe aufgefordert, die Reform des Weltklerus und der geistlichen Gerichtsbarkeit in Angriff zu nehmen.80 Auch in seinem Konfl ikt mit Johann VI. brachte Herzog Georg die geistlichen Aufsichtspfl ichten des Bischofs zur Sprache und erreichte im Schied von 1511 konkrete Zusagen Johanns, so zur Visitation der Nonnenklöster.81 Schier endlos ließen sich schließlich Missiven Georgs anführen, die die Bischöfe in konkreten Einzelfällen zum Handeln aufforderten. Es ist also nicht schweigender Rückzug vor dem landesherrlichen Kirchenregiment, den Georg von den Bischöfen einforderte. Vielmehr wünschte er ihr aktives Engagement für die Kirchenreform. Um seine Erwartungen an die geistliche Obrigkeit genauer zu bestimmen, ist ein Blick auf das Bischofsideal der spätmittelalterlichen Kirchenreform instruktiv. Das kirchliche Bischofsideal war ein erstaunlich stabiles Konstrukt. Das Bild »de officio pastoris«, das ein Jean Gerson unter direktem Rückgriff auf altkirchliche Topoi entwarf,82 übernahmen humanistische Vordenker wie Contarini und Wimpfeling ohne große Änderungen und noch das Konzil von Trient baute sein Bischofsamt mit den daran anknüpfenden Reformaufgaben darauf auf. Nicht der Typus des politisch aktiven Reichsbischofs wurde gefordert, sondern der Seelsorger und geistliche Leiter seiner Diözese. Residenz und persönliches Engagement in der Seelsorge, Predigt sowie Diözesansynoden, theologische Unterweisung und Visitation als Formen der Aufsicht und Leitung des Pfarrklerus waren die wichtigsten Elemente.83 Zwar gibt es keine direkten Aussagen Herzog Georgs zum Bischofsamt, doch deutet ein zentraler Text aus Georgs unmittelbarem Umfeld darauf hin, daß auch ihm der oben beschriebene Typus als Ideal vor Augen stand. So läßt sich jedenfalls Emsers Vita Bennonis lesen, jene Lebensbeschreibung des als heilig verehrten Bischofs von Meißen, die 1510/12 im Auftrage Herzog Georgs entstand und ihm gewidmet ist. Ausführlich wird dort die Amtsführung Bennos als Meißner Bischof dargestellt, die – weil Benno ein Heiliger war – gleichzeitig 80 Protokoll des Rätetags zu Naumburg am 14. Juli 1500, Loc. 14950, Konzepte [. . .], 1474–1525 (unpag.), als Lage Nr. 2 im Faszikel »1502«. Vgl. auch ABKG, Bd. 1, LVI–LXII. 81 Siehe oben, S. 193–204. 82 Vgl. Mertens, 17 f. 83 Vgl. Jedin, Bischofsideal, 75–117; Johanek, Bischof, 70; für weitere Literatur vgl. Volkmar, Heiligenerhebung Bennos, 137, Anm. 514 f.

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ein Idealbild darstellt. Theologisch gebildet und akademisch graduiert, versieht Emsers Benno sein Bischofsamt als Seelsorger an der Domkirche und ist gleichzeitig ein Reformer, der in der gesamten Diözese wirkt. Pfarrvisitationen zur Reform des Weltklerus, Predigten im Dom und auf dem Land zur Ermahnung der Laien sowie eine Liturgiereform umreißen die Ebenen seines legendarischen Wirkens. Die Nähe zum Bischofsideal der spätmittelalterlichen Kirchenreform und speziell des oberrheinischen Humanismus eines Wimpfeling und Geiler von Kaysersberg, mit der Emser intensiv in Berührung gekommen war, ist unverkennbar. Vor dem Hintergrund des Konfl ikts zwischen Herzog Georg und Johann VI. bekommt Emsers Bennovita zudem einen direkten tagespolitischen Bezug, sie erscheint als herzogliche Propaganda für ein bischöfl iches Reformengagement, das der aktuelle Meißner Bischof – zumindest in den Augen des Landesherrn – vermissen ließ.84 So ist über die Vita Bennonis ein indirekter Beleg gegeben, daß auch Herzog Georg dem Bischofsideal der humanistischen Reformdiskussion nahestand. Wie aber sah demgegenüber die Realität aus? Zeigten die mitteldeutschen Bischöfe um 1500 Engagement für die Reform des Klerus und der Kirche und waren sie bereit, mit dem Landesherrn zusammenzuarbeiten? Tatsächlich ist die Kritik der älteren Forschung am mangelnden Reformwillen des Episkopats in jüngerer Zeit durch ein differenziertes Bild ersetzt worden, das bischöfl iche Reformansätze, aber auch die strukturellen Gründe für deren geringe Durchschlagskraft aufzeigt.85 In Sachsen lagen die Dinge ähnlich. Der Naumburger Bischof Johannes von Schönburg (1492–1517) ließ liturgische Bücher drucken und veröffentlichte 1507 Diözesanstatuten, die der Reform des Weltklerus und der geistlichen Gerichtsbarkeit dienen sollten.86 Die Reform und Vereinheitlichung der Liturgie mittels gedruckter Missale, Breviere und Psalter war um 1500 eine populäre Reformmaßnahme. Auch humanistische Reformer wie Wimpfeling und später das Tridentinum sahen hierin einen Weg zu einer besseren Verkündigung des Wortes Gottes.87 Reformmaßnahmen ergriff auch der umstrittene Meißner Bischof Johann VI. Er bediente sich des Instruments der Diözesansynoden, die unter seiner Ägide offenbar regelmäßig an Fronleichnam und am Tag des Apostels Lukas stattfanden. 1504 erließ er – mit Zustimmung des Domkapitels – Diözesanstatuten, die in selektiver Tradition die Meißner Diözesangesetzgebung auf dem Feld der Weltklerusdisziplin und der geistlichen Gerichtsbarkeit erneuerten. Dabei fan-

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Vgl. Volkmar, Heiligenerhebung Bennos, 132–140. Siehe oben, S. 190 f. und vgl. Volkmar, Heiligenerhebung Bennos, 132–35. 86 Vgl. Wießner, Bd. 1, 260–263, 938–951. 87 Zu Wimpfeling vgl. Donner; zum Tridentinum vgl. Jedin, Liturgische Bücher. – Liturgische Drucke für Diözesen aus dem ganzen Reich entstanden in der Leipziger Druckerei Lotter. Vgl. Döring. 85

210 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) den ansatzweise auch landesherrliche Forderungen Berücksichtigung.88 Ein Executor statutorum sinodalium wachte über die Einhaltung der Statuten, die bei jeder Diözesansynode verlesen wurden und deren Besitz die Priester nachweisen mußten. Andererseits verbot Johann 1507 dem Archidiakon der Niederlausitz die Abhaltung von Archidiakonatssynoden, weil dieser dort nach Vorbild des Bischofs ein Subsidium von den Geistlichen erhoben hatte.89 Johanns Anstrengungen in der Liturgiereform belegen schließlich ca. 20 Drucke liturgischer Bücher.90 Der aktivste Reformer unter den mitteldeutschen Bischöfen aber war ein enger Verwandter und politischer Verbündeter Herzog Georgs, der Ernestiner Ernst von Magdeburg. Sein Reformengagement umfaßte nicht nur legislative Maßnahmen – so wird der Impuls zu den Naumburger Diözesansynoden auf ihn als Metropoliten zurückgeführt –, sondern auch eine Erneuerung der Institutionen. In den 1490er Jahren unternahm er mehrere Anläufe zur Reform der geistlichen Gerichte im Bistum Halberstadt, wobei er auch Klagen der weltlichen Seite berücksichtigte. 1505 ließ er durch seinen Dompropst Adolf von Anhalt die Klöster, Stifte und Kirchen im Hochstift Magdeburg visitieren, eine der wenigen Kirchenvisitationen vor der Reformation.91 Herzog Georg mag in ihm ein Vorbild für seine sächsischen Bischöfe gesehen haben – der Visitator Adolf von Anhalt jedenfalls wurde später Bischof von Merseburg und trat in der Reformationszeit als reformorientiert hervor.92 Trotz aller Begrenztheit ihrer Wirkmöglichkeiten gab es also auch unter den vorreformatorischen Bischöfen Mitteldeutschlands aktive Vertreter der Kirchenreform. Aber waren sie Partner der landesherrlichen Reformbemühungen? Zwar entsprach die legislative Reformtätigkeit der Bischöfe mit ihren Diözesanstatuten in der Form und im Inhalt zumindest teilweise den 1499 präsentierten Gravamina des Landesherrn. Aus der landesherrlichen Perspektive aber war entscheidend, ob die Bischöfe die Reformen etwa auf dem Gebiet des Niederklerus auch praktisch durchsetzen würden. Hier begannen die Probleme. Die Bischöfe waren offenbar kaum in der Lage, die Reform zu exekutieren. Schon das Wirken der geistlichen Gerichte auf Archidiakonatsebene entzog sich weitgehend ihrer Steuerung und das potentiell effi zienteste Mittel bischöfl icher Aufsicht und Reform, die Visitation, war aus der Übung gekommen. Bezeich88 So wurde die landesherrliche Forderung in den Gravamina von 1499 zur Humanisierung der Strafverfolgung bei Abtreibungen bzw. Totgeburten in die Diözesanstatuten von 1504 übernommen. Vgl. Wiegand, Statutengesetzgebung Meißen. 89 Der Streit zwischen dem Bischof und Otto von Weißenbach, Archidiakon und Senior des Meißner Kapitels, führte 1508 zum oben erwähnten Prozeß zwischen Bischof und Kapitel vor dem Abt zu Pegau und dem Propst zu St. Thomas in Leipzig als päpstlichen Delegationsrichtern. Vgl. Rogge, Bischof und Domkapitel, 203 f. 90 Vgl. Wiegand, Statutengesetzgebung Meißen. 91 Vgl. Rogge, Ernst, 41 f.; Wießner, Bd. 1, 260–263. 92 Zu bischöfl ichen Reformversuchen siehe auch S. 515–520.

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nend ist, daß alle bischöfl ichen Klostervisitationen im albertinischen Sachsen auf landesherrliche Initiative zurückgingen und Visitationen des Pfarrklerus vor der Reformationszeit gänzlich unterblieben.93 Angesichts der Grenzen der bischöfl ichen Reformtätigkeit lautete für den Landesherrn die entscheidende Frage: Waren die Bischöfe bereit, seine Einflußnahme, seine Reformversuche in ihren Diözesen zu unterstützen, oder behinderten sie sein Tun? Waren sie Gegner, oder ließen sie sich als Partner in die landesherrliche Reform einbinden? Die Antwort auf diese Frage muß erneut nach Reformfeldern differenzieren, denn das landesherrliche Streben nach einer Zusammenarbeit hing entscheidend davon ab, inwiefern eigenständige landesherrliche Eingriffe möglich waren, oder anders gesagt: der Landesherr suchte die Zusammenarbeit mit den Bischöfen vor allem, um auch dort eingreifen zu können, wo er seine eigenen Kompetenzen klar überschritt. Nur in wenigen Bereichen war die Zusammenarbeit mit dem Bischof Bedingung für den Erfolg der landesherrlichen Kirchenreform. Hierzu gehörte die Visitation der nicht-exemten Klöster, die durch Vertreter des Bischofs durchgeführt werden mußte.94 Das Beispiel des Nonnenklosters zum Heiligen Kreuz bei Meißen zeigt, wie schwierig sich die Kooperation gestalten konnte, wenn der Bischof den rechten Reformeifer vermissen ließ. Obwohl ihn der Schied von 1511 explizit auf die Reform der Nonnenklöster in seiner Diözese verpfl ichtete, verweigerte sich Johann VI. im selben Jahr der Visitation des Meißner Konvents. Erst 1515 fand er sich nach wiederholten Aufforderungen Herzog Georgs zum Besuch des Klosters bereit, begleitet von Räten des Landesherrn, die auch noch in den folgenden Monaten für den nachhaltigen Erfolg der Visitation arbeiteten. Die Kooperation mit dem Bischof war hier dennoch unverzichtbar, weil der Landesherr nicht aus eigenem Recht handeln konnte.95 Auf anderen Reformgebieten betonte der Landesherr den Notrechtscharakter seines Reformhandelns und machte sich so unabhängig von der Kooperation mit dem Bischof. Weil die Geistlichkeit ihrer Aufgabe, Verstöße der Laien gegen die kirchliche Ordnung wirksam zu sanktionieren, nicht nachkommt, heißt es in der Landesordnung von 1498, muß der Landesherr mit seiner weltlichen Sanktionsgewalt diesen kirchlichen Ordnungen neue Autorität verleihen. Ein besonderer Zug des albertinischen Kirchenregiments war dabei das selbstbewußte Urteilsvermögen des Laienchristen Georg, durch das er sich im Stande sah, auch in die genuin bischöfl iche Sphäre geistlicher Ordnung einzugreifen. Dies läßt sich im Umgang mit der Frömmigkeitspraxis der Laien beobachten, in die Georg ordnend und letztlich mit dem Anspruch auf eine eigenes geistliches 93

Siehe S. 259–263, 515–520. Bei den exemten Orden konnten auch Äbte als geistliche Visitationen an die Stelle des Bischofs treten. Erst bei den bekannten Klostervisitationen der Jahre 1537/38 wagte Georg Visitationen ohne Zusammenarbeit mit einer geistliche Autorität. Siehe S. 259–263. 95 Vgl. ABKG, Bd. 1, LII, mit Anm. 1. 94

212 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) Urteil eingriff. Lag dies in der Tendenz des frühmodernen Staates zum allumfassenden Ordnungsanspruch, so überschritt es doch gleichzeitig klar die landesherrlichen Kompetenzen – ob altgläubig oder evangelisch. Herzog Georg war sich dieses Problems bewußt und bemühte sich um die Legitimation seines Vorgehens durch die bischöfl iche Autorität: »Weyle denn diß lobliche werg dye geystlicheit beruret, und uns als eynem werntlichen fursten dasselbige alleyne zcu orden nicht gepuren will«, fordert er vom Siegler zu Erfurt den nachträglichen Segen des Erzbistums Mainz zu seiner Ordnung der Fronleichnamsprozession von Langensalza.96 Dabei war er freilich nicht bereit, in der Sache zu verhandeln, sondern forderte von den geistlichen Instanzen lediglich, seine Entscheidungen nachträglich zu legitimieren. Ganz anders war schließlich die beiderseitige Beziehung im Bereich des Niederklerus. Hier beanspruchte der Landesherr eine eigene, konkurrierende Autorität zum geistlichen Regiment des Bischofs; er leitete seine Aufsichtsrechte aus der Landesherrschaft ab, der er auch die Kleriker als Untertanen unterworfen sah. Die landesherrliche Einflußnahme war damit völlig unabhängig vom bischöfl ichen Regiment oder von Fragen nach seiner Effizienz. Hier entschied letztlich die politische Beziehung zwischen Landesherr und Bischof über die Alternativen von Konkurrenz (so unter Johann VI.) oder Kooperation (so unter Johann VII.), die im Idealfall eine gegenseitige Verstärkung der Disziplinierung des Klerus zur Folge haben konnte.97 Die Optionen und Bedingungen einer Zusammenarbeit zwischen Landesherr und Bischof in der Kirchenpolitik variierten also von Ebene zu Ebene abhängig von den landesherrlichen Einflußmöglichkeiten und ihrer Legitimation. Stets suchte Herzog Georg die Kooperation mit den Bischöfen, immer aber zu seinen Bedingungen. Die einzige Ausnahme bildete das Feld der geistlichen Gerichtsbarkeit, wo die Landesherrschaft bewußt versuchte, die bischöfl ichen Rechte zu beschneiden und zugunsten der weltlichen Gerichtsbarkeit zurückzudrängen. 98 Im übrigen ist nicht zu beobachten, daß Herzog Georg in der Reformfrage gegenüber den auswärtigen Bischöfen eine grundsätzlich andere Position bezogen hätte als gegenüber den sächsischen Oberhirten. Dies zeigen etwa seine Eingriffe in die Laienfrömmigkeit, für die er wie selbstverständlich die Unterstützung der Erzbischöfe von Magdeburg und Mainz einforderte.99 Wie aber, so ist schließlich zu fragen, war es um die Kooperationsbereitschaft der Bischöfe bestellt? Auch sie war, wie die bischöfl iche Kirchenreform über96

Brief Herzog Georgs an den Siegler zu Erfurt, Dresden, 29. März 1509, Cop. 112, Bl. 79a–b. 97 Siehe S. 322–326. 98 Siehe S. 230–236. 99 Siehe S. 345–357. – Auch die Verhandlungen um die Reform der Geistlichen Gerichtsbarkeit 1522 wurden sowohl mit den sächsischen Bischöfen als auch mit Kardinal Albrecht geführt. Siehe S. 596–600.

VI. Bischöfe und Domkapitel

213

haupt, stark von Personen abhängig. Johann VI. von Meißen markiert hier aus der Sicht Georgs das Negativbeispiel, denn selbst nach seinen Zugeständnissen von 1511 war er nur widerstrebend zur Kooperation bereit. Auch hieraus wird Georgs Einflußnahme auf die Meißner Bischofswahl von 1518 verständlich. Weitaus günstiger gestaltete sich das Verhältnis zum Nachfolger, Johann VII., oder zu dessen Merseburger Amtsbruder Adolf von Anhalt. Es scheint dabei, daß die bischöfl iche Kooperationsbereitschaft, die Bereitschaft zum Reformengagement unter der Führung des Landesherrn, vor dem Eindruck der Reformation eher noch zunahm. So konnte sich Herzog Georg in der Reformationszeit etwa beim Vorgehen gegen evangelische Priester oder bei den Visitationen auf eine Zusammenarbeit mit den sächsischen Bischöfen stützen, die bedeutend zur Durchsetzungskraft seines Kirchenregiments gegenüber der evangelischen Bewegung beitrug. So kann die Zusammenarbeit des landesherrlichen Kirchenregiments mit den Bischöfen geradezu als Signum der Kirchenpolitik Herzog Georgs in der Reformationszeit gelten.100 Das landesherrliche Kirchenregiment zielte also nicht darauf, die Bischöfe als geistliche Aufsichtsinstanz zu verdrängen. Der Landesherr übte vielmehr eine intensive Kontrolle über das Handeln der Bischöfe aus und forderte ihr Engagement für die Kirchenreform. Er akzeptierte damit auch die Mechanismen der bischöfl ichen Kirchenzucht, so den kirchlichen Instanzenzug oder – in der Regel – die Zuständigkeit der geistlichen Gerichtsbarkeit für die Bestrafung von Geistlichen (Privilegium fori).101 Der Bischof als Agent der Kirchenreform entsprach dem spätmittelalterlichen Bischofsideal, doch stellt sich die Frage, ob die starke Position des Landesherrn noch damit vereinbar war. Das Tridentinum zumindest sollte dies verneinen. Denn indem der Landesherr den Bischof kontrollierte und seine Kooperation mit der landesherrlichen Reform einforderte, stellte er sich über den Bischof. Nicht Verdrängung, sondern Mediatisierung des Bischofs auch im Bereich der Kirchenreform ist die landesherrliche Politik. Dabei sah der Landesherr seine eigenen Eingriffe in das Kirchenwesen nicht als bloßes Substitut für eine fehlende geistliche Aufsicht im Sinne des Notrechtsprinzips. Denn selbst wenn die Bischöfe reformorientiert agierten, war dies für ihn kein Grund, sich zurückzuziehen. Herzog Georg sah sich vielmehr als zweite Aufsichtsinstanz über die Kirche im Territorium, die neben bzw. über den Bischöfen stand, legitimiert aus einem eigenem, nicht-geistlichen Recht: der Landesherrschaft. 100

Siehe S. 515–520. Siehe S. 299–309. – Die Stellung des Bischofs an der Spitze des kirchlichen Instanzenzugs versuchte Herzog Georg beispielsweise 1503 zu nutzen, als er Johann VI. als »obirsten prelaten« aufforderte, »die vorsewmnis der underst.[en] archidiacon.[en] zuerfullen« und aus »auß bischoffl icher macht unnd obirkeit« eine Weisung an den Offi zial des Propstes zu Bautzen ergehen zu lassen. Vgl. Brief Herzog Georgs an Bischof Johann VI. von Meißen, 21. April 1503, Cop. 108, Bl. 252b. 101

214 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521)

3. Das Meißner Domkapitel als Organ der landesherrlichen Kirchenpolitik Die besondere Bedeutung der Domkapitel für das Kirchenregiment ergab sich aus ihrer Stellung zum Bischof. Die Domherren wählten nicht nur den Bischof (in der Regel aus den eigenen Reihen), sie vermochten sich über die bischöfl ichen Wahlkapitulationen auch eine Mitregierung im Bistum zu sichern. Nicht nur in Vermögensfragen, sondern auch in geistlichen Angelegenheiten, etwa bei der Abfassung von Diözesanstatuten oder der Inkorporation von Pfarrkirchen, konnte der Bischof auf ihre Zustimmung angewiesen sein. Im Falle der sächsischen Bistümer Meißen und Merseburg waren zudem viele Archidiakonate und damit die mittlere kirchliche Verwaltungsebene an die Domkanonikate gekoppelt.102 Darüber hinaus waren die Domkapitel in Sachsen wie überall im Reich als Versorgungseinrichtungen für die geistlichen Räte der Landesherrschaft von Bedeutung.103 Im Rahmen der Kirchenpolitik Herzog Georgs nahm das Domkapitel Meißen eine Sonderstellung ein. Zu keinem anderen Kapitel bestanden vergleichbar enge Beziehungen. Schon in Merseburg waren die Verhältnisse andere: Weder bestimmten die Wettiner die Zusammensetzung des Merseburger Kapitels, noch war dieses jederzeit ein verläßlicher politischer Partner, wie das Debakel um die Koadjutorie Julius Pflugs im Jahre 1529 zeigt.104 Die Grundlage für die enge Beziehung der Meißner Kanoniker zur albertinischen Landesherrschaft bildete zweifellos der immer stärker werdende Einfluß der Wettiner auf die Besetzung des Kapitels. Die politische Rolle des Kapitels kann klar auf den Punkt gebracht werden: die Domherren waren die Partei der Wettiner im Bistum und gleichzeitig Agenten der landesherrlichen Kirchenpolitik über das Bistum hinaus. Der Einfluß der Wettiner auf die Besetzung der zuletzt 15 Kanonikate im Meißner Domkapitel wuchs stetig im Verlauf des 14. und 15. Jahrhunderts. Erst 1329 hatten sie das erste Patronatsrecht über ein Kanonikat erworben, aber schon im Kampf mit den böhmischen Luxemburgern um die Vorherrschaft im Bistum unterstützten die Domherren mehrheitlich die Wettiner. Viele Kanoniker stammten aus dem sächsischen Niederadel und fühlten sich den Markgrafen verbunden, auch wenn sie ihre Pfründe nicht direkt von den Wettinern erhalten hatten. Nachdem sie den Vormachtskampf mit der böhmischen Krone 1399 zu ihren Gunsten entscheiden konnten, erwarben die Wettiner in der 102

Vgl. Rogge, Bischof und Domkapitel; Wiegand, Statutengesetzgebung Meißen. – Das Konsensrecht des Meißner Domkapitels bei Inkorporationen belegt die Inkorporation der Pfarre Zadel in das Kloster Altzella. Vgl. Konsensbrief des Dekans und des Domkapitels zu Meißen, Meißen, 16. November 1515, Loc. 8918/23, Bl. 2. 103 Vgl. Marchal; Bünz, Domkapitel (mit weiterführender Literatur), und siehe S. 55 f. 104 Siehe oben, S. 204–207. Anders noch Zieschang, 141; vgl. zukünftig Cottin, Merseburger Domkapitel.

VI. Bischöfe und Domkapitel

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Folgezeit mit Hilfe päpstlicher Privilegien immer mehr Präsentationsrechte.105 1476 und 1481 machten zwei Bullen Papst Sixtus’ IV. den landesherrlichen Einfluß perfekt, indem sie neben den verbleibenden fünf Kanonikaten auch das Recht zur Besetzung sämtlicher Prälaturen (aus den vorhandenen Domherren) an die Wettiner vergaben. Eine Urkunde der fürstlichen Brüder Ernst und Albrecht legte am Vorabend der Leipziger Teilung die Einzelheiten der Ausübung fest. Lediglich zwei Kanonikate, die für die Besoldung Leipziger Theologieprofessoren reserviert waren, wurden nicht direkt von den Wettinern besetzt.106 Die Präsentationsrechte, die die Wettiner vom Papst erhielten, unterlagen den Bestimmungen des Wiener Konkordats von 1448. Danach teilten sich Papst und ordentliche Kollatoren die Präsentationsrechte über die Pfründen der Reichskirche, wobei die Besetzung nach dem Prinzip der alternatio mensium abhängig vom Todesmonats des Pfründeninhabers geregelt wurde, so daß in ungeraden Monaten der Papst und in geraden Monaten die Inhaber des ordentlichen Präsentationsrechts zum Zuge kamen. Beide Seiten konnten nun ihr Recht in Form einer facultas nominandi delegieren. Genau dies geschah in den päpstlichen Bullen zugunsten der Wettiner, die dabei stets die Zustimmung von Bischof bzw. Domkapitel, denen die ordentliche Kollatur zustand, voraussetzten. Im Ergebnis wurde so das Präsentationsrecht in allen Monaten an die Wettiner übergeben.107 105 Vgl. Zieschang, 139 f.; Lobeck, 30, Anm. 45; Rogge, Bischof und Domkapitel, 182– 206; Streich, Bistümer. 106 Vgl. Bulle Papst Sixtus IV., Rom, 9. Juni 1476, CDS, II, Bd. 3, 240 f.; Bulle dess., Rom, 24. Dezember 1481, ebd., 263; Urkunde Kurfürst Ernsts und Herzog Albrechts, Zwickau, 19. März 1485, ebd. 272 f. – Zu unterscheiden ist zwischen den Stellen des Kapitels (Kanonikate), den ihnen zugeordneten Pfründen (Präbenden) und den Ehrenämtern (Prälaturen bzw. Dignitäten und Würden), die einzelne Domherren im Kapitel bekleiden. In Meißen waren dies nach Ausweis eines zeitgenössischen Registers die Dignitäten des Propstes und des Dekans sowie die Würden des Kantors, Scholasters und Kustos. Außerdem waren dem Kapitel einige Archidiakonate und – damit verbunden – auch einige Dignitäten meißnischer Kollegiatstifte inkorporiert. Dazu zählten die Propstei zu Bautzen, verbunden mit dem Archidiakonat (Ober-)Lausitz, die Propstei zu Großenhain-Zscheila (mit eigenem Archidiakonatssprengel) sowie das Archidiakonat Nisan und das Archidiakonat Niederlausitz, dessen Inkorporation in das Domkapitel aber von Böhmen bestritten wurde. Auch die Dompropstei und das Domdekanat waren mit gleichnamigen Archidiakonatssprengeln verbunden. Vgl. Registrum prelaturarum, prebendarum et obedientiarum ecclesiae Misnensis, 1496, Loc. 8987/ 35; vgl. auch Blaschke/Haupt/Wießner; Loose, Domklerus, 348–351; Lehmann, Lausitz, 159 f., 167–169. – Zu den Universitätskanonikaten vgl. Cottin, Universitätskanonikate. 107 Vgl. Konkordat Papst Nikolaus V. mit Kaiser Friedrich III., Wien, 17. Februar 1448, Mirbt, 238–240; dazu: Meyer, Wiener Konkordat, 108–114. – Herzog Georg konnte sich im Umgang mit den kirchenrechtlichen Regelungen auf den Sachverstand der Domherren selbst stützen. Wenige Tage nach dem Tod des Domherrn Christoph List im Juli 1506 legte ihm sein ehemaliger Kanzler Heinitz die Sachlage für die Wiederbesetzung dar: »und der umb we [= wo] er verstorben ist so haben e. f. g. seine p.[rae]benden zu verleyen yn allen

216 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) Herzog Georg versuchte, die starke Stellung der Wettiner in Meißen weiter auszubauen. Der 1504/05 in Rom tätige Prokurator Günther von Bünau zu Schkölen sollte nicht nur eine routinemäßige Bestätigung der Sixtus-Privilegien erwirken, sondern das landesherrliche Präsentationsrecht auch auf jene Fälle der Pfründenerledigung ausdehnen, die dem besonderen Reservatsrecht des Papstes unterworfen waren.108 Papst Julius II. freilich hielt sich diese letzte Einflußmöglichkeit mit dem Hinweis offen, er habe solches kürzlich selbst »einem merglichen und mechtigen konig [. . .] vorsagt«.109 Der Konkurrenz römischer Provisionen sah sich Herzog Georg in der Ausübung seiner Präsentationsrechte jedoch nur selten ausgesetzt. Wie bei den Niederkleruspfründen verteidigte er aktiv seine Rechte und war dabei sehr erfolgreich. Nur in einem Fall kam es überhaupt zu einer längeren Auseinandersetzung,110 als 1506 der Eichstätter Domherr Dr. Johann von Wirsberg – ein ehemaliger Leipziger Student und enger Freund des Johannes Eck – Ansprüche auf das Meißner Dekanat anmeldete und den von Herzog Georg eingesetzten Domdekan Dr. Johannes Hennig vor die Rota zitierte. Bezeichnenderweise agierten Domkapitel und Landesherr gemeinsam, um diesem Angriff auf die landesherrlichen Präsentationsrechte zu begegnen. Das Kapitel entsandte Prokuratoren nach Rom, denen Georg Blanko-Credenzbriefe mitgab. Zudem beauftragte der Fürst seinen einflußreichsten Kontaktmann an der Kurie, Kardinal Melchior von Meckau, und mahnte mit Blick auf die Praxis römischer Pfründenjagd den betroffenen Hennig, den Prozeß durchzukämpfen und sich keinesfalls zu einer Pensionszahlung bereitzufi nden.111 Doch genau darauf lief der mehrere Jahre andauernde Streit schließlich hinaus. Noch 1529 – Hennig war längst verstorben – er-

monden, so ist och der itzige monde dar zu e. f. g. gnad.[en] [sic!], den eß ist deß bebstmonden« (Brief des Dr. Nikolaus von Heinitz an Herzog Georg, Meißen, 13. Juli 1506, Loc. 8994/9, Bl. 36). Heinitz wies also zuerst darauf hin, daß List außerhalb Roms (nämlich in Kemberg bei Wittenberg) gestorben war, so daß keine päpstliche Reservation greifen konnte und Georg in allen Monaten das Besetzungsrecht zustand. Zusätzlich betonte er, daß der Juli ein päpstlicher Monat sei. Vielleicht bezog er sich damit auf den Konfl ikt zwischen Johann VI. und Georg, der den Bischof dazu verleiten könnte, die gegebene Facultas nominandi zurückzuziehen. 108 Herzog Georg hatte dabei die päpstlichen Reservationen im Auge, die Pfründen betrafen, deren Inhaber Familiaren des Papstes waren oder in Rom bzw. innerhalb von drei Tagesreisen von Rom entfernt verstorben waren. Vgl. Brief Herzog Georgs an Kardinal Melchior von Meckau, [um 7. November 1506], Loc. 8987/37, Bl. 25 f., die Passage zum Kassationsauftrag an Meckau teilediert: ABKG, Bd. 1, LXIII, Anm. 1. 109 Bericht des Dr. Günther von Bünaus [zu Schkölen] an Herzog Georg [1505/06], ABKG, Bd. 1, LXIII, Anm. 1 und LXIV f. 110 Ähnliche Versuche durch Karl von Miltitz und Dr. Georg Pusch konnte Herzog Georg schon im Vorfeld abwenden. Siehe S. 139–142. 111 Vgl. Brief Herzog Georgs an Dr. Johannes Hennig, Dresden, 7. November 1506, Loc. 8987/37, Bl. 21–24; Brief Georgs an Meckau [1506] (wie Anm. 108). – Zur Person Wirsbergs vgl. ABKG, Ms. Werl, Nr. 1806, Anm. 2.

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hielt der inzwischen zum Eichstätter Dekan aufgestiegene Wirsberg eine Pension aus Meißen.112 Um ähnlichen Problemen vorzubeugen, korrespondierte Herzog Georg 1508 mit Kardinal Meckau, der auch Meißner Dompropst war. Dem Fürsten ging es um Vorbeugung für den Fall, daß Meckau in seinem römischen Domizil versterben würde. Denn beim Tode eines Geistlichen in Rom war der Papst berechtigt, durch Provisionen über die Pfründen des Verstorbenen zu verfügen. Georg bat nun Meckau, durch eine päpstliche Befreiung dafür Sorge zu tragen, daß sein Meißner Kanonikat nicht unter diese päpstliche Reservation falle.113 Tatsächlich starb Meckau wenige Monate später in Rom, ohne daß es zu einer römischen Intervention bei der Wiederbesetzung kam. Insgesamt sorgte die starke Stellung des Landesherrn dafür, daß das Meißner Kapitel nur selten das Ziel römischer Pfründenspekulationen war, anders als etwa das benachbarte Merseburg.114 Der landesherrliche Einfluß ließ auswärtigen Interessenten die Chancen auf die Durchsetzung einer römischen Provision schlicht geringer erscheinen als die Kosten, die für sie anfielen. In diesem Schutz ist wohl auch eines der Motive zu suchen, aus denen heraus das Meißner Domkapitel selbst den Zuwachs des landesherrlichen Einflusses unterstützte.115 Die Kanonikate des Meißner Domkapitels waren die beste Versorgungsmöglichkeit, die der albertinische Landesherr seinen geistlichen Räten bieten konnte. Mit einem durchschnittlichen Jahreseinkommen von 200 fl. galten sie als die höchstdotierten Pfründen im Land.116 Wenn ein Meißner Kanonikat vakant wurde, so waren ähnlich wie bei den landesherrlichen Niederkleruspatronaten schnell mehrere Kandidaten im Spiel, unter denen Herzog Georg auswählen konnte. Die Umgebung des Landesherrn überbot sich, Kandidaten aus der eigenen Verwandtschaft oder Freundschaft für die attraktiven Benefizien zu empfehlen.117 Schriftlichen Niederschlag fanden solche Empfehlungen freilich nur, wenn der Fürst außer Landes war. Gleich zwei Fürsprachen richtete Herzogin 112

Noch 1509 war der Prozeß anhängig, wie aus einem Brief Georgs hervorgeht, mit dem dieser an den Bischof von Eichstätt herantrat, um Druck auf Wirsberg auszuüben. Vgl. Brief Herzog Georgs an den Bischof von Eichstätt, Dresden, 3. Mai 1509, Cop. 112, Bl. 279b –280a. Daß Wirsberg schließlich eine Pension durchsetzen konnte, zeigen Verhandlungen im Jahre 1529, bei denen Georg eine Reduktion der Pension auf 30 fl. anstrebte. Vgl. Instruktion Herzog Georgs an Hans von Schönberg und Dr. Johann Spiegel zu einer Werbung an Kurfürst Johann Friedrich in Speyer [Dresden, 29. März 1529], ABKG, Ms. Werl, Nr. 1806; Brief Herzog Georgs an Dr. Johann von Wirsberg, Domdekan zu Eichstätt, Dresden, 26. April 1529, ebd., Nr. 1826. 113 Vgl. Brief Herzog Georgs an Kardinal Melchior von Meckau, Leipzig, 30. Oktober 1508, Cop. 112, Bl. 248a. 114 Siehe S. 133–136. 115 Vgl. Gramsch, 413–415 (am Beispiel Meißen). 116 Zum wirtschaftlichen Ertrag sächsischer Kanonikate vgl. Cottin, Universitätskanonikate. 117 Siehe S. 270–278.

218 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) Barbara am 9. April 1510 an ihren »hercze aller libester hern und gemallen«, der sich auf dem Reichstag in Augsburg befand. Erst zwei Tage zuvor war der Meißner Dompropst Siegmund Pflug, der den Herzog auf den Reichstag begleitet hatte, dort verstorben. Kam hatte die Fürstin von Pflugs Tode erfahren – sie ließ für seine Seele ein Opfer einlegen – da wurde auch schon der ritterbürtige Meißner Amtmann Christoph Ziegler bei ihr vorstellig. Er bat für seinen gleichnamigen Sohn um das Kanonikat Pflugs und gab zur Begründung an, Herzog Georg sei dessen Pate und habe »ihm vortrostunge getan [. . .] eyn len zu leyen«. Noch am selben Tage trat auch die Hofjungfrau Anne Spiegel an Barbara heran und bat für ihren Bruder um eines der »vil len«, die Pflug hinterlassen hatte.118 Herzog Georgs Prioritäten bei der Besetzung der Domherrenstellen waren eindeutig. Einerseits sollten treue Diener des Landesherrn versorgt werden, andererseits hatten die neuen Domherren künftig im Bistum und darüber hinaus als geistliche Räte des Fürsten die wettinischen Interessen vertreten. Als Richtlinie kann die Bestimmung aus Georgs erstem Testament von 1510 gelten: »und sunderlich sal man acht haben, das die prelaturen zu Meyssenn unnd pfrunden mit redlichen frommen mannen besetzt werden, die der werntlichen [= weltlichen] herschafft gewegen und willig sein«. Die Bedeutung der Meißner Domherren für die Landesherrschaft wird noch dadurch unterstrichen, daß das Testament neben dieser Bestimmung nur noch eine einzige politische Handlungsanweisung enthält.119 Damit bewegte sich Georg in der Tradition wettinischer Kirchenpolitik, hatte doch schon Markgraf Wilhelm I. 1399 »zelatores« seiner Politik als Domherren sehen wollen.120 In der Praxis stimmte Georg seine Kandidatenwahl mit Vertrauensleuten im Kapitel ab, die seine Prioritäten kannten. Als er 1506 Haugold von Einsiedel für ein Kanonikat ins Auge faßte, bat er seinen ehemaligen Kanzler Nikolaus von Heinitz um Stellungnahme. Der Domherr begrüßte die Wahl seines Fürsten, denn Einsiedel sei »dem loblichen stifft erlich und e. f. g. nicht weniger nutzlich«, kurz ein Mann, »den e. f. g. och mochten gebruchen«.121 Die Meißner Domherren wurden so immer mehr zu natürlichen Verbündeten der landesherrlichen Kirchenpolitik. Schon im 14. Jahrhundert war das Kapitel mehrheitlich auf Seiten der Wettiner, als diese mit den Böhmenkönigen um die Vorherrschaft im Bistum rangen. Später unterstützte der Landesherr die 118 Brief Herzogin Barbaras an Herzog Georg, [Dresden?] 9. April 1510, Loc. 8498/1, Bl. 235. Den Todestag Pflugs gibt Machatschek mit dem 7. April 1510 an. Vgl. Machatschek, 596. 119 Testament Herzog Georgs vom 19. Dezember 1510, O. U., Nr. 9875, Bl. 5b. 120 Bulle Papst Bonifaz IX., Rom, 12. Dezember 1399, CDS, II, Bd. 2, 285 f. Vgl. auch Zieschang, 138–149. 121 Brief des Dr. Nikolaus von Heinitz an Herzog Georg, Meißen, 16. Juli 1506, Loc. 8987/38, Bl. 1.

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Ansprüche des Kapitels gegen den Bischof und dieses agierte als Partei der Wettiner im Hochstift, über die sie indirekten Einfluß auf Bischöfe, Bischofswahl oder Diözesansynoden ausüben konnten: »Spätestens um 1500 unterstützten die Domherren die Politik der weltlichen Fürsten stärker als die ihres Ordinarius.«122 Konfl iktfelder zwischen Bischof und Kapitel waren neben finanziellen Fragen und der Mitbestimmung der Domherren in der Stiftsregierung auch die Rolle der Domherren als Archidiakone, in der sie bestrebt waren, den bischöflichen Einfluß in ihren Seelsorge- und Gerichtsbezirken gering zu halten.123 Als Herzog Georg die Regentschaft antrat, gehörte zu seinen ersten Amtsaufgaben die Schlichtung eines Streits zwischen Johann VI. und seinem Kapitel, den die Domherren vor das landesherrliche Forum gebracht hatten.124 Das Bündnis von Landesherr und Kapitel bewährte sich auch in den Jahren des offenen Konfl ikts zwischen Georg und Bischof Johann. Landesherr und Kapitel stimmten ihr Vorgehen eng ab, wobei Georgs ehemaliger Kanzler Heinitz und der Domdekan Hennig die wichtigsten Verbindungspersonen waren. Insbesondere Heinitz berichtete seinem Patron nahezu täglich aus Meißen und ging am Herzogshof ein und aus.125 Selbst die rechtlich fragwürdige Besetzung der Stiftsstadt Bischofswerda unterstützte das Kapitel und handelte in seinem Verhalten gegenüber dem Bischof zuweilen direkt auf Weisung Herzog Georgs.126 Johann VI. hatte also allen Grund, über den Pakt von Kapitel und Landesherrn gegen ihn zu klagen.127 Mit seinen personellen und finanziellen Ressourcen war das Domkapitel aber auch jenseits des Meißner Burgberges eine wichtige Stütze der wettinischen Politik. Als Räte oder Richter wurden die Domherren an den landesherrlichen Hof gerufen, als Emissäre vertraten sie die Wettiner bei auswärtigen Fürstenbegräbnissen.128 Ihr geistlicher Stand und ihre hohe Bildung – bedeutende Domherren wie Hennig oder Heinitz waren Doktoren der Theologie oder des Kirchenrechts – empfahlen sie aber besonders als geistliches Personal der landesherrlichen Kirchenpolitik. So fi nden sich mehrere Meißner Domherren unter den gesandten Prokuratoren Herzog Georgs in Rom. Die Verkündigung des 122

Rogge, Bischof und Domkapitel, 205. Vgl. ebd., 183–206. 124 Vgl. Schlichterspruch Herzog Georgs, 21. Juni 1490, CDS, II, Bd. 3, 284 f. 125 Allein neun Briefe zwischen Heinitz und Georg sind aus dem Zeitraum vom 22. April bis zum 16. August 1506 überliefert. Vgl. Loc. 8985/24, unfol.; Loc. 8987/38, Bl. 1, 3; Loc. 8994/9, Bl. 23–25, 36. 126 Vgl. Brief des Dr. Nikolaus von Heinitz an Herzog Georg, Meißen, 16. Juli 1506, Loc. 8987/38, Bl. 1; Brief Herzog Georgs an das Domkapitel zu Meißen, Oschatz, 23. Oktober 1508, Cop. 110, Bl. 16. 127 Siehe oben, S. 197. 128 Vgl. z. B. Brief Herzog Georgs an [Ulrich von Wolffersdorf,] den Domdekan zu Meißen, 11. April 1495, Cop. 105, Bl. 134b ; Brief dess. an dens. und Domherr Dr. Thamo Löser, 11. August 1495, ebd., Bl. 199b. – Vgl. auch Zieschang, 145–149. 123

220 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) Annaberger Jubelablasses vertraute Herzog Georg Domdekan Hennig an, den er vom Papst als Ablaßkommissar einsetzen ließ.129 Eine zentrale Rolle spielten Meißner Domherren in den jahrzehntelangen Bemühungen um die Heiligsprechung Bischof Bennos von Meißen. Zwar hatte das Kapitel 1499 als formal gleichwertiger Partner gemeinsam mit den Herzögen Albrecht und Georg die Eröffnung des Kanonisationsverfahren an der Kurie betrieben, doch der Blick in die Korrespondenz zeigt schnell, daß das Kapitel in Abhängigkeit vom Landesherrn agierte. Der alternde Domdekan Hennig unterwarf sich auf Befehl Georgs persönlich den Strapazen einer Romreise und das Kapitel ertrug geduldig, daß der Herzog ihm den Löwenanteil der Prozeßkosten von mehreren Tausend Gulden auf bürdete, ohne auch nur vorher Rücksprache zu halten.130 Das Domkapitel war also nicht nur Versorgungsanstalt verdienter geistlicher Räte des Landesherrn, sondern auch ausführendes Organ und Finanzressource seiner Kirchenpolitik.

4. »[. . .] in unßerm slosse zu Meissen gelegen«: Die Meißner Bischofskirche und die Entwicklung Meißens zum symbolischen Zentrum albertinischer Herrschaft Als Günther von Bünau zu Schkölen 1505 von seiner Kurienmission nach Sachsen zurückkehrte, erwartete ihn die Ungnade seines Landesherrn. Der Grund hierfür war jedoch nicht, was dem Prokurator vom Papst verwehrt worden war, sondern was er erhalten hatte, genauer gesagt, die päpstliche Bestätigung der Privilegien Papst Sixtus’ IV. über wettinische Präsentationsrechte im Meißner Domkapitel. Dabei unterschied sich die Bulle Julius II. auf den ersten Blick nicht von den Vorlagen seines Vorgängers. Genau dies aber erboste Georg: Wie die Bullen von 1476 und 1481 Ernst und Albrecht begünstigten, so war nun neben Georg auch der ernestinische Kurfürst Friedrich als Empfänger genannt.131 Damit aber war ein wunder Punkt der Bistumspolitik Georgs berührt: sein Alleinanspruch auf die Schutzherrschaft über Bistum und Hochstift Meißen. Wie in seinem Streit mit Johann VI., so wollte Herzog Georg auch gegenüber dem Domkapitel zu Meißen die Rechte der Wettiner allein vertreten. Dies war, um es klar zu sagen, ein Maximalziel albertinischer Politik, das Georg in der Praxis erst gegen die Ernestiner durchsetzen mußte. Denn die Leipziger Teilung sah eindeutig vor, daß beiden Linien gemeinsam die Schutzherrschaft über »bischtum und stifft Meissen« zukam. In dieser Formulierung war das Domkapitel – so muß man zunächst vermuten – inbegriffen, zumal es im Teil129 130 131

Siehe S. 165, Anm. 210. Vgl. Volkmar, Heiligenerhebung Bennos, 69–92. Vgl. ABKG, Bd. 1, LXIII, Anm. 1 und LXIV f.

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zettel nirgends eigenständig erwähnt wird.132 Eine bereits nach der Teilung erlangte erste Bestätigung der Sixtus-Privilegien durch Innozenz VIII. hatte 1489 auch noch beide Linien genannt.133 Um so mehr verwundert, wenn Georg in seiner Empörung behauptet, das neue Privilegium verstoße durch die Nennung der Ernestiner »wider unser vetterlich und veterlich erbliche teylunge«.134 Kannte Georg seinen Teilzettel nicht? Die Sachlage wird dadurch weiter kompliziert, daß der unglückliche Prokurator Bünau darauf bestand, daß die Nennung Friedrichs des Weisen nicht auf ihn zurückgehe, sondern der ernestinische Prokurator Ulrich Sack die bereits eingereichte Supplik an sich gebracht und nachträglich den Namen des Ernestiners eingefügt habe.135 Doch unabhängig davon, ob ein Fehler Bünaus, eine ernestinische Intrige, oder, wie Bünau weiter vermutete, das eigenmächtige Handeln Sacks für die Nennung beider Linien verantwortlich war, stellt sich die Frage, wie Georg seinen Alleinvertretungsanspruch begründete. Hier ist der Prokurationsauftrag an Melchior von Meckau aufschlußreich, der im Namen Georgs die Kassation des mißratenen Privilegs an der Kurie erwirken sollte. Georg verlegt sich in seiner Begründung zunächst auf die normative Kraft des Faktischen, also das Recht der Gewohnheit: Seit dem Erhalt der Privilegien hätten zunächst Ernst und Albrecht, dann aber er, Georg, die entsprechenden Rechte »allezceiten geruglich und fridelich an [= ohne] einiche irnys adir vorhinderunge byßher gehalten«. Es folgt die bereits angeführte Argumentation, daß das Privileg gegen die Leipziger Teilung verstoße, weil es »unsern vettern zugleich mit uns« Anteil an den Präsentationsrechten einräume. Georg gibt keinen direkten Hinweis darauf, wie er zu seiner erstaunlichen Interpretation der Teilung gelangt. Dennoch muß hier der Schlüssel liegen, denn anders als im Falle des Bischofs, bei dem Georg in seinem Alleinvertretungsanspruch die (für ihn nachteilige) Regelung der Teilung gefl issentlich ignorierte, bezieht er sich hier explizit auf den Teilungsvertrag. Ein Nebensatz gibt die Antwort und eröffnet zugleich einen tiefen Einblick in die politische Vorstellungswelt Herzog Georgs: Georg behauptet, die in Frage stehenden »prelaturen digniteten und capellen« seien »in dem dhumstifft in unserm slos Meissen gelegen«.136 Noch deutlicher bringt er den Gedanken zur selben Zeit in einem Brief an den Meißner Domdekan zum Ausdruck, daß nämlich »dieselbe thumkirche mit orer heiligkeitten [= die Prälaturen des Domkapitels] in unßerm slosse Meissen gelegen, das wie euer liebe weiß zur zcirde und stercke also befestiget, daß es unser heuptsloß eyne und daß meiste 132 Urkunde des Kurfürsten Ernst von Sachsen, Leipzig, 26. August 1485, O. U., Nr. 8578. 133 Vgl. Bulle Papst Innozenz’ VIII., Rom, 22. Februar 1489, CDS, II, Bd. 3, 278. 134 Brief Georgs an Meckau [1506] (wie Anm. 108). 135 Bericht Bünaus, 1505/06 (wie Anm. 109). 136 Brief Georgs an Meckau [1506] (wie Anm. 108).

222 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) unser lande ist«.137 Erstaunlicherweise bringt Herzog Georg also das Meißner Domkapitel gar nicht mit der Teilungsklausel zur Schirmherrschaft über »bischtum und stifft Meissen« in Verbindung, sondern sieht es vielmehr zu einem unmittelbaren weltlichen Herrschaftstitel gestellt: zum Markgrafenschloß auf dem Meißner Burgberg, das wie aller Besitz der Wettiner in und um Meißen nach der Leipziger Teilung den Albertinern zustand! Bezüglich des Meißner Domkapitels gelang es Herzog Georg tatsächlich, seinen Anspruch auf die alleinige Vertretung wettinischer Rechte gegenüber den Ernestinern durchzusetzen. Weder vor noch nach der mißglückten Bünaumission versuchten die Ernestiner, Präsentationsrechte im Meißner Kapitel auszuüben. Persönlich versicherte Kurfürst Friedrich dem besorgten Bünau, von der auf beide Linien lauteten Bestätigungsbulle keinen Gebrauch machen zu wollen.138 Auch die Bestätigung der Kapitelsstatuten – ein weiterer Beleg für die Reichweite wettinischen Einflusses – nahmen die Albertiner allein vor.139 Nur auf diplomatischem Gebiet griffen die Ernestiner noch zuweilen auf die Vermittlungsdienste des Domkapitels zurück, so in den 1490er Jahren bei einem Streit mit Bischof Johann VI.140 Die Ausübung von Herrschaftsrechten aber blieb ihnen verwehrt: Als Kurfürst Friedrich 1512 mit einem Ausschreiben, in Bereitschaft zu sitzen, die Heerfolge des Kapitels einforderte, antwortete dieses – offenbar nach kontroversen Beratungen – abschlägig: Nur Herzog Georg, auf diese Linie einigten sich die Domherren, sei das Kapitel die Heerfolge schuldig.141 Die Implikationen der dargelegten Sichtweise Herzog Georgs weisen aber weit über innerwettinische Verteilungskämpfe hinaus. Unvermutet wird deutlich, in welchem Maße die sächsischen Landesherren um 1500 Anspruch auf alles erhoben, was sich auf dem Meißner Burgberg befand. Welch ein Unterschied zum hohen Mittelalter, als sich drei Gewalten – der Markgraf, der Bischof und der Burggraf von Meißen – die Herrschaft über Burgberg und Stadt

137 Brief Herzog Georgs an Dr. Johannes Hennig, Dresden, 7. November 1506, Loc. 8987/37, Bl. 21–24. 138 Vgl. Bericht Bünaus, 1505/06 (wie Anm. 109). 139 Das Kapitel legte den Statutenentwurf schon zwei Jahre vor seiner Verabschiedung Herzog Albrecht vor, der ihn zur Beratung mit den Dresdner Räten an Herzog Georg übergab. Vgl. Brief Herzog Albrechts an Herzog Georg, Lindau, 21. September 1496, CDS, II, Bd. 3, 299; Statuten des Domkapitels zu Meißen, 28. September 1498, ebd., 303–313. Zur Bestätigung durch Kardinal Peraudi auf Initiative Georgs siehe S. 119, Anm. 28. 140 Vgl. Rogge, Bischof und Domkapitel, 202 f. 141 Das gedruckte Ausschreiben vom 30. August 1512 bei Zieschang, 88 mit Anm. 3. Die ebd., 89, zitierten Konzepte für eine positive Antwort des Kapitels wurden offenbar nicht verabschiedet. Die endgültige (und abschlägige) Antwort fi ndet sich in den Weimarer Akten. Vgl. Brief des Domkapitels zu Meißen an Kurfürst Friedrich und Herzog Johann, 1512, ThürHStA Weimar, Reg. B, Nr. 1071. Vgl. auch Goerlitz, 259. – 1518 verbot Herzog Georg Dekan und Kapitel sogar den Besuch eines ernestinischen Landtags. Vgl. Kirn, 100.

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teilten! 142 Längst hatten die Wettiner die beiden anderen Gewalten überflügelt: die Burggrafendynastie der Meinheringer war 1426 ausgestorben, die Bischöfe seit dem 14. Jahrhundert unter die wettinische Oberherrschaft gebracht.143 Sogar die Gründung der Diözese durch Otto den Großen verdrängten die Wettiner inzwischen und behaupteten statt dessen, das Bistum sei »unsir vorfarn [. . .] alt gestifft«.144 Ihren symbolischen Ausdruck fanden die veränderten politischen Verhältnisse im Blick auf den Burgberg. Nicht nur die Albrechtsburg, nicht nur die Fürstenkapelle,145 sondern auch das Domkapitel und letztlich die Bischofskirche selbst zählte Georg zum Zubehör des landesherrlichen Schlosses, wie der oben zitierte Brief an den Domdekan zeigt. Dom und Domkapitel werden also nicht der geistlichen Infrastruktur des Bistums Meißen oder gar der weltlichen Stiftsherrschaft des Bischofs zugerechnet, sondern erscheinen als geistliche Institutionen am weltlichen Herrschaftszentrum der Wettiner, etwa im Sinne der Hof kapelle an einem mittelalterlichen Königshof. Auch die Beharrlichkeit, mit der Georg im Schiedsspruch von 1511 Bischof Johann VI. dazu drängte, den unfertigen Neubau des Meißner Bischofsschlosses zu vollenden, wird aus dieser Perspektive erst richtig verständlich.146 Unter Johann V. hatte um 1480 die Errichtung des neuen, noch heute erhaltenen Bischofsschlosses begonnen, war aber nur bis zum zweiten Stockwerk ausgeführt worden. Matthias Donath, der den Bau zuletzt untersucht hat, versteht ihn als politisches Manifest: »Der Herrschaftssitz sollte demonstrieren, daß die Bischöfe nicht gewillt waren, den Meißner Burgberg den Wettinern zu überlassen«.147 Warum aber hätte Herzog Georg fordern sollen, die »Investruine« der Bischöfe zum repräsentativen Schloßbau zu vollenden, wenn er darin eine Einschränkung der wettinischen Repräsentation auf dem symbolträchtigen Hausberg der Mark hätte sehen müssen? Wenn der Wettiner die Fertigstellung des Schlosses forderte, statt es zu schleifen, konnte dies nur eins bedeuten: Er sah 142

Vgl. Blaschke, Geschichte Sachsens, 143–153; ders., Art. Meißen. Zur Mediatisierung der Bischöfe siehe S. 68–70. – Die Burggrafen von Meißen aus dem Geschlecht der Meinheringer waren 1426 ausgestorben, die Wettiner hatten ihre Rechte übernommen. Sie verschwanden damit endgültig vom Burgberg, wo sie zwar seit dem 13. Jahrhundert nicht mehr residiert hatten, aber an der Tumba des heiligen Benno noch ihre Grablege besaßen. Die Übernahme ihres Titels durch die Vögte von Plauen spielte für die Verhältnisse in Meißen keine Rolle mehr. Vgl. Blaschke, Geschichte Sachsens, 288 f.; Volkmar, Heiligenerhebung Bennos, 41; als einzige Monographie zu den Burggrafen vgl. noch immer Hasche. 144 Brief Kurfürst Ernsts und Herzog Albrechts an Melchior von Meckau, Dresden, 19. Januar 1473, CDS, II, Bd. 3, 221 f. (Nr. 1170). 145 Vgl. Streich, Hof, 107–111; Gurlitt, 168–171. 146 Siehe oben, S. 203. 147 Donath, Residenzen. Für die Überlassung eines Vorabmanuskripts dieses Beitrags danke ich Dr. Matthias Donath (Berlin) ganz herzlich. Zum Bischofsschloß vgl. Donath, Bischofsschloß. 143

224 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) den Bischof als Untergebenen. Tatsächlich mußte sich Johann VI. gegen den Anspruch Herzog Georgs wehren, »dass unser hoff [= das Bischofsschloß] im schlosse zu Meissen liege«. Während der Bischof auf der Ansicht beharrte, der Burgberg sei vor allem ein Kirchberg und daher lägen »unser oder ander unser kirchen personen höfe und häuser nicht in seinem [= Herzog Georgs] schlosse«,148 muß man die Position Georgs ebenso ernst nehmen: Der Meißner Burgberg verkörperte unter seiner Ägide ein exklusives Herrschaftszentrum der Albertiner, und alle dort befi ndlichen kirchlichen Institutionen bis hin zu Domkapitel und Bischof sah Georg seiner Herrschaft unterworfen. Auch die Bebauung des Burgberges um 1500 machte diese Vereinnahmung sinnfällig. Denn Dom und Bischofsschloß, im Südosten des Plateaus gelegen, wurden nicht nur durch das markgräfl iche Schloß, sondern auch durch den mächtigen Roten Turm umschlossen, jenem alten, erst um 1493/1505 abgebrochenen Wohn- und Wehrbau der Markgrafen, der sich im Zentrum der Kuppe erhob.149 Für den Besucher, der den Berg vom einzigen Zugang im Westen betrat, lagen sie so tatsächlich innerhalb der wettinischen Burganlage. Tatsächlich trieb Herzog Georg, der die Osterzeit stets in Meißen verbrachte, nicht nur den Ausbau der Albrechtsburg150 und des Bischofsschlosses, sondern auch die Transformation des Meißner Domes zum sakralen Zentrum albertinischer Landesherrschaft weiter voran. Er vereinnahmte den einstmals bischöfl ich und antiwettinisch konnotierten Bennokult für die Landesherrschaft und führte ihn mit der päpstlichen Heiligsprechung 1523 zu neuer Blüte. Er erweiterte die Fürstenkapelle, das Zentrum wettinischer Memoria, durch seine eigene Begräbniskapelle.151 Und schließlich stiftete er 1516 am Dom die Feier des Festes Maria Schnee als zentrales Totengedächtnis für alle, die im Dienste der Albertiner ihr Leben gelassen hatten.152 Durch die Fertigstellung des Bischofsschlosses in Meißen wurde also nicht die Macht des Bischofs repräsentiert, sondern gerade seine Unterordnung unter den Landesherrn auf dem nun wettinischen Schloßberg. Gerade die gegenüberliegende Albrechtsburg machte den Rangunterschied deutlich: In seinem Meißner Schloß war der Bischof nur Vasall am Hofe eines größeren Herren. Konse148 »Denn wir wissen, [. . .] dass der ganze bergk, darauf der thumb zu Meissen leidt, unser und unsers stiffts ist, und durch unsere vorfaren [ist den Wettinern] ein hausz dohin bey die kirche zu bauen vergunst und nachgelassen. Ob nun mehr dan vergunst und nachgelassen und also ein schloss dohin gebauet, leidt es [= das wettinische Schloß] dennoch in und uff unsers stiffts grundtboden und thume, und unser oder ander unser kirchen personen höfe und häuser nicht in seinem schlosse«. Verteidigungsschrift Bischof Johanns VI. von Meißen [um 1508/11], CDS, II, Bd. 3, 326, Anm. 3. 149 Vgl. Kobuch, Roter Turm. 150 Vgl. Blaschke, Art. Meißen, 228. 151 Vgl. Volkmar, Heiligenerhebung Bennos; 153; Krause; Donath, Memoria und Liturgie. 152 Siehe S. 431–438.

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quenterweise hat Johann VI., der wie kein anderer Bischof seiner Zeit um die Demonstration seiner Eigenständigkeit bedacht war, zwar die Residenz in Wurzen neu erbaut und das Stolpener Schloß modernisiert, die Vollendung des Meißner Schlosses aber unterlassen.153 Seine Nachfolger, die den Wettinern in gewohnter Weise loyal waren, haben dies nachgeholt und damit – zumindest aus der Sicht Herzog Georgs – nicht die Macht des Bischofs, sondern gerade seine Unterordnung unter den Landesherrn dokumentiert. Aus dem Sitz dreier Gewalten und dem Kirchberg der Diözese Meißen war ein einziger Herrschaftskomplex geworden: der Burgberg der Wettiner.

153

Vgl. Donath, Residenzen.

VII. Geistliche Gerichtsbarkeit 1. Konfliktlinien: Landesherrschaft und geistliche Gerichtsbarkeit Die Entwicklung der kirchlichen Gerichtsbarkeit im Spätmittelalter ist eine Erfolgsgeschichte. Seit dem IV. Laterankonzil (1215) verzeichnete sie qualitativ und quantitativ einen enormen Aufschwung und wurde zu einem zentralen Träger der Rechtskultur, von dem die gesamte Gesellschaft profitierte. Meilensteine waren dabei die Verwissenschaftlichung der Kanonistik und die Kodifizierung des Corpus Iuris Canonici auf der juristischen sowie die Ausbildung des Offi zialats auf der institutionellen Ebene. Beide Prozesse kamen bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts auch in Mitteldeutschland zum Abschluß. Im Ergebnis entstand eine geistliche Gerichtsorganisation, die auf der weltlichen Seite ihresgleichen suchte. Sie verfügte über einen römisch-rechtlich geprägten Gesetzeskodex, ein effizientes, auf Schriftlichkeit beruhendes Verfahren, gelehrte Berufsrichter (die Offiziale) und eine flächendeckende, mehrstufige Organisationsstruktur mit ausgebildetem Instanzenzug, die sich entlang der kirchlichen Hierarchie in archidiakonale und bischöfl iche, erzbischöfl iche und päpstliche Gerichtshöfe sowie vor Ort präsente päpstlich-delegierte Richter gliederte.1 Dies blieb nicht ohne Folgen. Verfügbarkeit, Effi zienz und Transparenz machten die kirchlichen Gerichte auch für Laien attraktiv. Eine großzügige Auslegung der kirchenrechtlichen Bestimmungen ermöglichte die Annahme ursprünglich weltlicher Streitfälle. Der als geistlich beanspruchte Rechtsbereich war groß, er umfaßte ratione personarum alle Geistlichen (Privilegium fori), Arme, Witwen, Waisen, aber auch Kreuzfahrer, Pilger, Universitätsangehörige und Kaufleute und ratione rerum zahlreiche Bereiche des öffentlichen Lebens, die mit kirchlichen Sakramenten in Verbindung standen (z. B. Ehe- und Testamentssachen) oder bei denen Vergehen als sündhaft galten (z. B. Vertragsverletzungen, da Verträge in der Regel mit religiösem Eid bekräftigt wurden). Diese Rechtsbereiche werden als causae spiritualibus annexae oder mit Blick auf ihre umstritte1 Zur geistlichen Gerichtsbarkeit vgl. Hashagen, Charakteristik; Johanek, Bischof, 94– 101; Mikat, 264–309; Plöchl, Bd. 2, 346–400; Trusen, Kanonisches Recht; ferner: Buchholz-Johanek. – Zur Situation in Mitteldeutschland vgl. Diestelkamp, Geistliche Gerichtsbarkeit; ders., Geschichte; Gramsch; Hannappel; Hilling; Lück, 50–78; May, Organisation; ders., Generalgericht Erfurt.

VII. Geistliche Gerichtsbarkeit

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ne Stellung zwischen geistlichem und weltlichem Gericht als causae mixti fori bezeichnet. Hinzu traten kanonische Regelungen, die dem geistlichen Gericht die Verhandlung weltlicher Fälle erlaubten, wenn die weltlichen Gerichte die Rechtsprechung nicht zu gewährleisten schienen. In der Folge stellten die geistlichen Gerichte fast überall eine ernstzunehmende Konkurrenz für die weltliche Gerichtsorganisation dar.2 Der Konfl ikt zwischen Landesherrschaft und geistlicher Gerichtsbarkeit ergab sich oberflächlich betrachtet schon aus den Überschneidungen mit der weltlichen Rechtsprechung. Diese »schwelenden Kompetenzkonfl ikte« (Paul Mikat) waren strukturell vorprogrammiert, weil es eine eindeutige Abgrenzung weltlicher und geistlicher Rechtssphäre nie gegeben hatte. So läßt sich zwar die von der geistlichen Seite beanspruchte Zuständigkeit exakt aus dem Corpus Iuris Canonici ermitteln, doch wurde nie ein Einvernehmen darüber erreicht. Trotz der prinzipiellen Anerkennung getrennter Zuständigkeitsbereiche blieben die Grenzen derselben stets unscharf, waren ebenso im Fluß wie das Kräfteverhältnis zwischen beiden Gewalten.3 Die Entschlossenheit, mit der die weltliche Seite den Konfl ikt gerade am Ende des Mittelalters forcierte, verweist aber auch auf tiefergehende, verfassungsgeschichtliche Ursachen. Aus dieser Perspektive erscheint die Auseinandersetzung als Folge der zunehmenden Verdichtung weltlicher Herrschaft. Die Kontrolle der Gerichtsbarkeit nahm hierbei einen zentralen Platz ein, galt die Rechts- und Friedenswahrung doch traditionell als wichtigste Aufgabe legitimer Herrschaft.4 Da eine direkte Herrschaft über die geistlichen Gerichte nicht möglich war, diese jedoch gleichzeitig weit in die Gesellschaft hineinwirkten, mußte die weltliche Gewalt auf eine Zurückdrängung der geistlichen Konkurrenz und den Auf bau indirekter Kontrollmechanismen abzielen. Eben dies kennzeichnete ihr Konkurrenzverhalten. Für ein Abdrängen der geistlichen Konkurrenz sprachen zudem handfeste finanzielle Interessen. Schließlich war die Gerichtsbarkeit im Mittelalter ein wirtschaftlich nutzbares Herrschaftsrecht, Prozeßgebühren und Bußgelder stellten begehrte Geldeinnahmen dar.5 Vor diesem Hintergrund wird die große Bedeutung verständlich, die die Auseinandersetzung mit der geistlichen Gerichtsbarkeit beim Auf bau des landesherrlichen Kirchenregiments besaß. Sie zeigt paradigmatisch, daß sich Kirchenpolitik nicht auf einen wie auch immer defi nierten religiösen Bereich verengen läßt, weil die enge Verquickung von Kirche und Gesellschaft auch machtpolitische Konfl ikte nach sich zog. Die Auseinandersetzung zwischen 2 Vgl. Plöchl, Bd. 2, 347–349; Lück, 51–53; Mikat, 266–272; Johanek, Bischof, 97– 100; Albert, 27–56, 335–340. 3 Vgl. Mikat, 293 f., das Zitat 270. 4 Zum Herrschaftsbegriff siehe S. 31–36. Vgl. auch Janssen, Gute Ordnung, 161; Johanek, Bischof, 100. 5 Vgl. Lück, 274.

228 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) kirchlicher Justiz und weltlicher Landesherrschaft wurde überall im Reich ausgetragen.6 Die Landesherrn besorgten sich päpstliche Privilegien, z. B. gegen die Ladung ihrer Untertanen vor auswärtige geistliche Gerichte. Auch Verhandlungen mit den Bischöfen und der direkte Druck auf die kirchlichen Gerichte durch Störung ihrer Kommunikationswege (Pfarrer, Gerichtsboten) sind als Muster in vielen Territorien zu beobachten.7 Der Kampf gegen die geistlichen Gerichte gehörte so zu den spätmittelalterlichen Schwerpunkten landesherrlicher Kirchenpolitik.8 Die machtpolitische Motivation dieser Politik gilt es im Auge zu behalten, wenn man die zeitgenössischen Klagen über Verfall und Mißbräuche der geistlichen Gerichtsbarkeit bewerten will. Es wird kaum überraschen, daß zum Spektrum der Kirchenreformdiskussion des Spätmittelalters auch die Kritik an der geistlichen Gerichtsbarkeit gehörte, so auf dem Konstanzer Konzil oder in der Reformschrift Reformatio Sigismundi. Auch in den Klageschriften der Reformationszeit nahm sie einen prominenten Platz ein, etwa in den Wormser Gravamina von 1521 oder in Luthers Adelsschrift aus dem Jahre 1520.9 Die wichtigsten Kritikpunkte waren:10 1. Kompetenzüberschreitungen des geistlichen Gerichts durch die Verhandlung weltlicher Fälle, 2. Die Ladung von Personen vor auswärtige, oft weit entfernt liegende Gerichte, 3. Ungerechte oder unmoralische Gerichtsentscheidungen, sowie 4. Mißbrauch bzw. vorschnelle Anwendung geistlicher Strafen (Bann und Interdikt) gegen Unschuldige oder Unbeteiligte. Die handfesten landesherrlichen Interessen legen nahe, solche Kritik als vorgeschoben einzuordnen. Doch ist festzuhalten, daß die Klagen vielfach aus den Reihen der Untertanen vorgebracht wurden, denen eine machtpolitische Motivation kaum unterstellt werden kann. Dabei waren die Klagen der Untertanen jedoch selten grundsätzlicher Natur wie die Gravamina, sondern richteten sich vielmehr ganz konkret gegen bestimmte geistliche Richter und aktuelle Ver-

6

S. 48–65. Vgl. Mikat, 283; Redlich, Kirchenpolitik, Bd. 1, 9*. 8 Vgl. z. B. Redlich, Kirchenpolitik, Bd. 1, 2*; Mikat, 283–309. Siehe auch S. 48–65. 9 Zu den Gravamina siehe S. 176–179. Luther schreibt in der Adelsschrift im § 4 der Gravamina u. a. »Dabey must man auch vorpieten in allen stifftenn die grewlich schinderey der officiel, das sie nit mehr, dan des glaubens sach und gutter sitten sich annemen, [aber] was gelt, gut und leyp odder ehre antrifft, den weltlichen richtern lassen«. Martin Luther, An den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung (1520), in: WA, Bd. 6, 404–469, hier 430. Vgl. auch ebd., 445, zu Mißbräuchen bei Bann und Interdikt. 10 Vgl. Johanek, Bischof, 94–102; Mit mitteldeutschen Belegen: ABKG, LIX–LXII mit Beispielen in den Anmerkungen (zur dort ausgewerteten Quelle, dem Protokoll der Verhandlungen zu Naumburg 1500, siehe unten, Abschnitt 2); Wießner, Bd. 1, 247–254; Diestelkamp, Geistliche Gerichtsbarkeit, 214–234. 7

VII. Geistliche Gerichtsbarkeit

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fahren. Die breite Kritik an der geistlichen Gerichtsbarkeit war also eine Kritik an einzelnen Mißständen, nicht aber am System.11 Der Adressat vieler Klagen über die kirchlichen Gerichte war der Landesherr. So beschwerte sich die Einwohner von Zschaitz nahe Döbeln 1509 bei Herzog Georg, weil sie wegen der Anwesenheit des gebannten Adligen Hans Kertzsch in ihrem Ort mit dem Interdikt belegt worden waren. Mit der Geldschuld, wegen der Kertzsch gebannt worden war, argumentierten die Bauern, hätten sie gar nichts zu tun.12 Fragwürdig war hier nicht nur die Verhältnismäßigkeit des Interdikts, sondern auch die Rechtmäßigkeit der Kirchenstrafe, denn das Bannen von säumigen Kreditschuldnern (Schuldbann) war schon 1302 von Papst Bonifaz VIII. verboten worden.13 Welche Motive die Untertanen zu ihren Beschwerden bewog, zeigt die Supplik, die die Einwohner von Nehsdorf kurz nach Ostern 1507 an ihren Landesherrn richteten, der zugleich Patronatsherr der Nehsdorfer Pfarrkirche St. Katherinen war.14 Das unrechtmäßige Interdikt des bischöfl ich-meißnischen Offizials habe zur Folge, so klagten die Nehsdorfer, daß sie »auff dys österlich fest nicht sumt ander cristgleubige haben mogen entpfahen das heilich sacrament«. Ihre Bitte an Herzog Georg war eine schnelle, vorläufige Auf hebung des Bannes, damit »wir noch in diessen heilggen tagen nach aufsatzunghe der kirchen den heiligen warnleichnam entpf haen mochten«.15 Religiöse Motive wie dieses fi nden sich sehr häufig in den Klagen über die geistliche Gerichtsbarkeit, sie entzündeten sich an der Behinderung des kirchlichen Lebens, die die Sanktionen der geistlichen Richter mit sich brachten. Die geistliche Rechtspraxis bedrohte in Augen der Laien geradezu die Kernaufgaben der Kirche: die Spendung der Sakramente von Eucharistie bis Begräbnis und die Verkündung des Evangeliums. 1520 berichtete der Amtmann von Delitzsch über die Prioritäten des Delitzscher Pfarrers, der auch als geistlicher Richter für den Erzbischof von Magdeburg tätig war: »Es wirdet auch gemeynlich alle sontage der citacion, monicion, agravacion, reagravacion und contraparticipantes des teufelichsen werkes so vil uf der canzel herfurgetra11 Neuere Untersuchungen zur Schweiz belegen bei aller Einzelkritik eine grundsätzliche Zustimmung der ländlichen Bevölkerung zur geistlichen Gerichtsbarkeit. Vgl. Albert, 335– 340. 12 Vgl. Briefwechsel zwischen Herzog Georg und Christoph von Betzschitz, Generaloffi zial zu Stolpen, 5. Juni-14. August 1509, Loc. 8983/11, Bl. 15–18 und Cop. 110, Bl. 158b, 187a, 191b. 13 Das mehrfach wiederholte Verbot blieb häufi g unbeachtet, wie etwa in der Reformatio Sigismundi beklagt wurde. Vgl. Hashagen, Staat und Kirche, 320; Johanek, Bischof, 99. 14 Georgs Patronat belegt ein Eintrag im landesherrlichen Präsentationsbuch von 1518 »ad ecclesiam parochialem sancte Katharine in villa Negesdorff Misnensis diocesis«. Präsentation Herzog Georg an den Archidiakon zu Nisan, Dresden, 27. Februar 1518, Loc. 7437/6, Bl. 14a. – Nehsdorf (Nehesdorf, Negesdorf ) bei Finsterwalde gehörte allerdings zum Archidiakonat Niederlausitz, Sedes Kirchhain. Vgl. Blaschke/Haupt/Wießner, 28. 15 Supplik der Gemeinde Nehsdorf an Herzog Georg, 11. April 1507, Loc. 8983/11, Bl. 12a ; siehe auch die weitere Korrespondenz ebd., Bl. 1–12.

230 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) gen, das auch zuletzt, das heylige ewangelium zu predigen, kaume stat haben wirdet«.16 Solche Klagen trafen bei einem Fürsten wie Herzog Georg nicht nur auf offene Ohren, sondern führten, wie zu zeigen sein wird, auch zu energischem Handeln. Hier war eines der Leitmotive seines Einsatzes für die Kirchenreform, die Sorge um das Seelenheil der Untertanen, unmittelbar berührt. Der religiös begründete Wunsch nach Reform der geistlichen Gerichtsbarkeit tritt damit als eigenständiges Handlungsmotiv neben den verfassungsgeschichtlichen Strukturkonfl ikt. Die Brisanz von Beschwerden über die mangelnde Predigt des Evangeliums muß dabei kaum betont werden, vor allem wenn sie im Jahre 1520 in einer Stadt laut wurden, die nur eine Tagesreise von Wittenberg entfernt lag. Herzog Georg jedenfalls war überzeugt, daß es gerade Probleme wie diese waren, die den Zorn der Laien über die Kirche nährten und der Reformation Tor und Tür öffneten.17 Wenn im folgenden Georgs Politik gegenüber der geistlichen Gerichtsbarkeit dargestellt wird, gilt es also beide Ebenen, den religiösen Reformimpetus und die machtpolitische Ratio, bei aller Unterschiedlichkeit gleichberechtigt im Blick zu behalten.

2. Erste Lösungsstrategie: Reduktion der geistlichen Gerichtsbarkeit Die Politik Herzog Georgs gegenüber den geistlichen Gerichten lehnt sich eng an die wettinische Reformtradition des 15. Jahrhunderts an. Die etablierten Strategien im Umgang mit der kirchlichen Justiz – Beschränkung ihres Wirkungskreises einerseits und Kontrolle über ihre Tätigkeit andererseits – strukturieren auch sein Vorgehen.18 Als Gegenüber dieser Politik traten vor allem die Bischöfe des wettinischen Herrschaftsraumes, aber auch die Archidiakone in Erscheinung, weil beide Hierarchieebenen eine jeweils eigenständige, konkurrierende Jurisdiktion innehatten. Hingegen spielte die päpstliche Delegationsgerichtsbarkeit, für die in Sachsen z. B. der Propst des Leipziger Thomasstiftes regelmäßig herangezogen wurde, in diesem Zusammenhang kaum eine Rolle. Der Grund hierfür lag in der andersgearteten, auf konkrete Einzelfragen begrenzten Struktur des Rechtsmandats der iudices delegati.19 Auch Ladungen vor 16 Brief Georg von Bendorfs, Amtmann von Delitzsch, an Herzog Georg, 24. September 1520, ABKG, Bd. 1, 134–136. 17 Siehe S. 594–604. 18 Siehe S. 70–72. 19 Neben seiner Gerichtsbarkeit an der Kurie konnte der Papst Prälaten in partibus zur Wahrnehmung seiner Richterfunktion in konkreten Einzelfragen delegieren. Eine weit verbreitete Form päpstlicher Delegationsgerichtsbarkeit war die Bestellung von Konservatoren, denen der Schutz kirchlicher Institutionen aufgetragen wurde. Vgl. Johanek, Karolina, 188– 202; Herde. – Als sächsische Beispiele seien genannt: 1507 beauftragte Papst Julius II. den Propst zu St. Thomas in Leipzig, den Dekan zu St. Marien in Erfurt und den Kantor zu St.

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die päpstliche Kurie, wie sie in Pfründenstreitigkeiten zwischen Klerikern häufiger vorkamen, waren in weltlichen Fällen die Ausnahme. Wo Geistliche mit Romkontakten dennoch dazu griffen, wie 1509 Georgs ehemaliger Prokurator Günther von Bünau zu Schkölen, versuchte der Landesherr auch dies zu unterbinden.20 Nur in Ehegerichtsfragen ist eine positive Bezugnahme der landesherrlichen Gerichtsbarkeit auf das päpstliche Dispenswesen festzustellen.21 Träger der bischöfl ichen und archidiakonalen Gerichtsbarkeit war der jeweilige Offizial. Als iudex ordinarius wurde ihm die Ausübung der Gerichtsbarkeit per Mandat übertragen, d. h. er übte als Vertreter des Bischofs oder des Archidiakons dessen Jurisdiktionsgewalt aus, in der Regel auf Lebenszeit. Bei der Ausübung seiner Tätigkeit, die zuweilen auch durch Verwaltungsaufgaben ergänzt wurde, stützte sich der Offizial auf eine kleine Behörde, das Offizialat. Bei den Bischöfen konnte das Mandat auch auf mehrere Personen aufgeteilt werden, so übte im thüringischen Teil des Erzbistums Mainz der Siegler zu Erfurt (dem Titel nach der erste Beamte innerhalb eines Offi zialats) als Vertreter des Generaloffi zials die erzbischöfl iche Rechtsprechung aus.22 Die Stellung der Landesherrn zu den Offi zialen war nicht von vornherein eine feindselige. In Gebieten, in denen die weltliche Landesherrschaft schwach ausgeprägt war, wurden vor Ort greif bare Offiziale sogar zur Unterstützung der weltlichen Herrschaft herangezogen. So nutzten der (böhmische) Landvogt der Niederlausitz und auch Herzog Georg den in Lübben residierenden Offi zial des Archidiakonats Niederlausitz als kommissarischen Vertreter in weltlichen Rechtsgeschäften, als Beglaubigungsinstanz oder sogar für die Ausstellung von Urkunden.23 Als Funktionäre der geistlichen Gerichtsbarkeit waren die Offiziale das Objekt der auf Kontrolle ausgerichteten Handlungsstrategie der landesherrlichen Petri und Pauli in Naumburg mit der Wahrung der Rechte des Meißner Domkapitels (vgl. Bulle Papst Julius II., Rom, 18. Juli 1507, CDS, II, Bd. 3, 322). Vermutlich in dieser Funktion richtete der Thomaspropst 1508 in einem Streit zwischen dem Kapitel und Bischof Johann VI. (siehe S. 193–204). 1514 wurden die Bischöfe von Meißen und Merseburg und wiederum der Thomaspropst zu delegierten Richtern für den Fall eines Verstoßes gegen das päpstliche Privileg für die Leipziger Messe bestellt (vgl. Exekutionsmandat Papst Leos X., Rom, 8. Dezember 1514, Müller, Privilegien, 42–44). Siehe auch Anm. 40. 20 Bünau, der seinen Vetter Heinrich in einer Erbsache nach Rom zitiert hatte, wurde aufgefordert, vor Herzog Georg sein Recht zu suchen. Vgl. Brief Herzog Georgs an Dr. Günther von Bünau [zu Schkölen], Dresden, 26. April 1509, Cop. 112, Bl. 62a. 21 Dies zeigen die landesherrliche Akten zur Ehegerichtsbarkeit. Während die Beziehung zu den lokalen geistlichen Gerichten in den als mixti fori geltenden Ehesachen von Konkurrenz geprägt war, nahm Herzog Georg in seinen Entscheidungen die Möglichkeiten der päpstlichen Pönitentiarie in Anspruch. So sah noch ein 1527 ergangener Schiedsspruch des Landesherrn in einer Ehesache vor, daß sich eine Partei um eine päpstliche Dispens in Rom bemühen sollte. Vgl. Brief des Stadtrates zu Langensalza an Herzog Georg, Langensalza, 25. Januar 1528, Loc. 7444/6, Bl. 60 f. 22 Vgl. Trusen, Offi zialat; Lück, 63–69; Hannappel, 146–209. 23 Vgl. Lehmann, Lausitz, 190–196.

232 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) Politik. Zunächst soll aber die andere Lösungsstrategie, der Versuch einer grundsätzlichen Beschränkung der geistlichen Justiz, betrachtet werden. Das Gegenüber waren dabei die Bischöfe und Archidiakone als Träger der geistlichen Gerichtsbarkeit. Dies zeigt etwa das Protokoll zu den ersten von Herzog Georg veranlaßten Verhandlungen dieser Art, die Räte beider wettinischer Linien am 14. Juli 1500 »mit denen geschickten der byschoffen Mersburg, Meisen und Numburg sampt irer stifft archidiacon« führten.24 Schon die Wettiner des 15. Jahrhunderts hatten für eine Reduktion der geistlichen Gerichtsbarkeit neben päpstlichen Privilegien auf Verhandlungen mit den Bischöfen gesetzt und dabei Verträge abgeschlossen, deren Einhaltung freilich zu wünschen ließ. Verhandlungspartner waren damals die Oberhirten von Mainz, Magdeburg und Halberstadt, die zwar außerhalb der wettinischen Lande saßen, deren Diözesen aber wettinisches Territorium berührten.25 Diese Tradition griff Herzog Georg in den ersten Jahren seiner Regierung auf, nun jedoch mit Blick auf die drei sächsischen Landesbistümer Meißen, Merseburg und Naumburg. Dieser Schwenk ist nur aus dem politischen Kontext zu verstehen: 1498 hatte der Albertiner das Projekt einer gemeinsamen Landesordnung zum Thema eines gesamtwettinischen Landtages in Naumburg gemacht. Dabei wurde nicht nur die Reform der Laienfrömmigkeit eingefordert, sondern auch die »beswerunge der geistlichen gericht« angesprochen, die die Untertanen in Aufruhr versetze. Moralische Kritik an der geistlichen Rechtsprechung (die Anwendung der Geld- statt der Bußstrafe würde Sünden nicht vermeiden, sondern perpetuieren) 26 verbindet der Gesetzentwurf mit altbekannten Forderungen: die geistlichen Gerichte sollten keine weltlichen Fälle bearbeiten und sich insbesondere der Verfahren »umb schult« (also Geldforderungen) enthalten. Zur Durchsetzung dieser Reformen plädierte der Entwurf für Verhandlungen mit jenen »geistliche[n] richter[n], so uber yrer gnaden underthanen geistlich zwangk haben«.27 Die Forderungen wurden von den Ständen des Naumburger Landtags sehr begrüßt. Offenbar unter dem Druck der Situation erklärten sich auch die auf dem Landtag vertretenen sächsischen Bischöfe zu Verhandlungen bereit. Jedenfalls verengte sich in der Folge der Kreis der Verhandlungspartner auf sie, obwohl Georgs Entwurf eigentlich von allen geistlichen Richtern, also auch den auswärtigen Bischöfen, gesprochen hatte.28 Im April des folgenden Jahres plan24 Vgl. Protokoll des Rätetags zu Naumburg am 14. Juli 1500, Loc. 14950, Konzepte [. . .], 1474–1525 (unpag.), Faszikel »1502«. Vgl. auch ABKG, Bd. 1, LVI–LXII. 25 Siehe S. 70–72. 26 »[. . .] wo dann sunde mit gelde gestrafft, werden die gemeret und nicht gemyndert«. Entwurf einer gesamtwettinischen Landesordnung [vor 9. Juli 1498], Loc. 14950, Konzepte [. . .], 1474–1525 (unpag.), als Lage Nr. 2 im Faszikel »1502«; nach anderer Vorlage ediert: Burkhardt, Landtagsakten, 35–40. 27 Ebd. 28 Siehe S. 390–397.

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ten die Räte beider Linien die Verhandlungen mit der Geistlichkeit,29 die auf den 17. Juni 1499 angesetzt wurden. Zu diesem Zweck erstellten sie eine umfangreiche Liste von »Gebrechen, so inn geistlicher ordnung stehn«, deren Wirkungsgeschichte sich bis zu den Wormser Gravamina von 1521 verfolgen läßt.30 Der Termin scheint dann verschoben worden zu sein, denn erst vom 14. Juli 1500 gibt es Nachricht von Verhandlungen zwischen den Räten der Fürsten und den Vertretern der drei Bischöfe und ihrer Archidiakone in Naumburg. Inhaltlich basiert die Tagesordnung, die die landesherrlichen Räte am Dienstag nach Margarethe 1500 in Naumburg präsentierten, auf der Gravaminaliste von 1499. Das Vorgehen mutet umständlich an, denn es wird zunächst die Zusammenarbeit beider Seiten in der Laienreform und dann die Reform des Weltklerus selbst angemahnt.31 Doch scheint hier nicht nur der Kontext des Landesordnungsprojekts wieder auf, es wird vor allem deutlich, daß Herzog Georg die Reform der verschiedenen Ebenen von Kirche und Gesellschaft als Gesamtzusammenhang begriff. Die Besserung in den verschiedenen Reformbereichen schien sich dabei wechselseitig zu bedingen, etwa in der sittlichen Lebensführung, wo »die geistlichen den leihen kein boße exempel und beispiel geben« dürften.32 Die Reform der geistlichen Gerichtsbarkeit wiederum wird im Landesordnungsentwurf von 1498 mit dem Hinweis auf die Empörung der Laien über die Mißstände in der kirchlichen Justiz begründet. In loser Folge formulierten die landesherrlichen Räte im Anschluß ihre Beschwerden über die kirchliche Justiz: die Verhängung des Interdikts bei Priestermord über ganze Archidiakonate, die Vorladung von Laien in weltlichen Fällen, die vorschnelle Einleitung von Ehebruchsprozessen »in schein boses geruchts«, die Kosten der »membrana« (gesiegelter Formularbriefe), die Mißachtung des Prinzips der Praeventio in den »sachen, die mixti fori sindt«,33 die zu harte Bestrafung von Müttern bei Totgeburten und Kindstod (womit sich das Problem der Abtreibung verband), die Bevorzugung der Geldstrafe statt der Buße, die Vermietung der Gerichte an Offiziale (die deshalb ein wirtschaftliches Interesse am Gebrauch von Geld- statt Bußstrafen haben), der unnötige Einsatz professioneller geistlicher Richter (»conservatores«) selbst bei den niede29 Vgl. Protokoll eines Rätetags beider wettinischer Linien zu Naumburg, 29. April 1499, Burkhardt, Landtagsakten, 42–46, dort mit falscher Überschrift »Landtag zu Naumburg«. Siehe auch S. 390–397. 30 Vgl. Gebrechen, so inn geistlicher ordnung stehn [vor 17. Juni 1499], mit falscher Überschrift ediert in: Burkhardt, Landtagsakten, 46–49. Zur Wirkungsgeschichte siehe S. 176– 179. 31 Vgl. Gebrechen, 1499 (wie Anm. 30); Protokoll Rätetag Naumburg, 1500 (wie Anm. 29). Vgl. auch ABKG, Einl., LV–LXII. 32 Protokoll Rätetag Naumburg, 1500 (wie Anm. 29). 33 Nach dem Prinzip der Praeventio stand in den Causae mixti fori, also den von weltlichem und geistlichem Gericht gleichermaßen beanspruchten Rechtsfällen (z. B. Ehesachen), jener Instanz, die zuerst mit dem Fall befaßt war, die alleinige Rechtsprechung zu. Doppelte Bestrafung sollte so vermieden werden. Vgl. Lück, 52 f.

234 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) ren geistlichen Gerichten kommen zur Sprache.34 Der Kern der unsystematischen Aufzählung wird am Schluß des Protokolls noch einmal prägnant zusammengefaßt: Die Wettiner fordern einerseits den Verzicht des geistlichen Forums auf Rechtsprechung in rein weltlichen Fällen, andererseits die Abstellung von Mißbräuchen in der kirchlichen Rechtspraxis.35 Trotz der intensiven Vorbereitung von landesherrlicher Seite blieb das Ergebnis der Verhandlungen jedoch mehr als mager. Die sächsische Geistlichkeit wies alle Vorwürfe zurück, versprach lediglich, auf den jährlichen Synoden die Priester zu ermahnen, und bezog im übrigen den Standpunkt, ohne die Erzbischöfe von Magdeburg und Mainz könne man ohnehin keine Abmachungen treffen. Frustriert notierten die wettinischen Räte am Schluß des Protokolls, »daß sich disser tag an frucht geendet hadt«.36 Der Weg exklusiver Verhandlungen mit den landständischen Bischöfen und ihren Archidiakonen, den Herzog Georg im Kontext des Landesordnungsprojektes beschritten hatte, erwies sich also als Sackgasse. Der Ausschluß der gleichermaßen betroffenen Erzbischöfe von Mainz und Magdeburg machte den sächsischen Bischöfen die Ausflüchte leicht. Überlegungen, dieser Blockadehaltung durch Verhandlungen mit Erzbischof Ernst von Magdeburg und dem Domkapitel zu Halberstadt die Grundlage zu entziehen, kamen offenbar über Planungen nicht hinaus.37 Auch nahmen die stärker werdenden Differenzen zwischen Ernestinern und Albertinern um 1500 weiteren Druck von den Bischöfen. Zwar zog der zweite Entwurf der Landesordnung von 1502 Konsequenzen aus dem Naumburger Tag, indem er ein landesherrliches Verbot der Anrufung der geistlichen Gerichte durch Laien in weltlichen Fällen vorsah, doch erlangte er nie Gesetzeskraft.38 Auf dem Verhandlungswege war also für die Wettiner um 1500 keine Reduktion der geistlichen Gerichtsbarkeit zu erreichen. Erst in der Reformationszeit kam es erneut zu Verhandlungen mit den örtlichen Inhabern der geistlichen 34

Protokoll Rätetag Naumburg, 1500 (wie Anm. 29). Vgl. auch ABKG, Einl., LV–LXII. »[. . .] darumb geben wir euch [. . .] irer gnaden gemut zuverstehen, daß ir euch werntliche sache vor euern geistlichen gerichten vorzuladen adder zu recht fertigen nicht understehet, auch eures geistlichen gerichts czwangs nicht misbraucht«. Protokoll Rätetag Naumburg, 1500 (wie Anm. 29). 36 Ebd. 37 Wenige Monate nach dem Naumburger Rätetag forderte Herzog Georg den Stadtrat von Sangerhausen (Diözese Halberstadt) auf, Gravamina für Verhandlungen mit Erzbischof Ernst von Magdeburg (als Administrator von Halberstadt) und dem Halberstädter Domkapitel zu verfassen. Mit Erzbischof Ernst einigte sich Georg auf »fruntliche handlung der gebrechen so sich der geystlichen gericht halbe irrig halten«, die zu Merseburg stattfi nden sollten, doch schweigen die Quellen darüber, ob sie tatsächlich zustande kamen. Vgl. Brief Herzog Georgs an den Stadtrat zu Sangerhausen, Dresden, 18. Dezember 1500, Cop. 106, Bl. 164a ; Brief dess. an Erzbischof Ernst von Magdeburg, 29. Dezember 1502, ebd., Cop. 108, Bl. 159a. 38 Siehe S. 390–397. 35

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Gerichtsbarkeit. Konsequenterweise beschritt Herzog Georg in den kommenden Jahren deshalb den anderen Weg, den das 15. Jahrhundert vorgab: Die Beschaffung päpstlicher Privilegien. Hier waren nun durchaus Erfolge zu verzeichnen, so die Bestätigung des Privilegium de non evocandis subditis samt der Benennung päpstlich delegierter Richter, die über seine Einhaltung wachen sollten.39 Als »oberster conservator« dieser Gerichtsbefreiung wird 1512 der Leipziger Thomaspropst von Herzog Georg aufgefordert, die albertinischen Untertanen gegen die Bedrängung mit Gerichtsforderungen auswärtiger päpstlich delegierter Richter, aber auch der (weltlichen) westfälischen Femegerichte zu schützen.40 Doch wo Georg über das von seinen Vorgängern Erreichte hinausstrebte, biß er auch in Rom auf Granit. Dies zeigt der Mißerfolg des revolutionären Peraudi-Programms.41 Auch hier fi nden sich die zwei konzeptionellen Lösungsansätze der landesherrlichen Politik, die Reduktion und die Kontrolle der geistlichen Gerichtsbarkeit, wieder. Das Motiv der Beschränkung bestimmt die Forderung nach der Exemtion des Landesherrn und seines Hofes von der Banngewalt des geistlichen Richters, die zuletzt Papst Sixtus IV. 1481 den Wettinern gewährt hatte.42 Kontrolle erhoffte sich Georg von der Verordnung eines »comissarien widder die conservatoren«, also eines päpstlich delegierten Richters, der die Entscheidung der lokalen geistlichen Richter überprüfen sollte.43 Schließlich bat der Herzog sogar um die Einsetzung eines von ihm selbst abhängigen geistlichen Richters, der über straffällige Weltkleriker richten und dadurch die von nachsichtigen geistlichen Gerichten verschleppte Klerusreform voranbringen sollte. Damit wäre eine vom Landesherrn abhängige geistliche Rechtsprechung entstanden und die Autorität des Bischofs massiv in Frage gestellt worden.44 Freilich erreichte Georg mit seinen Bitten an Peraudi ebenso wenig wie bei einem zwei Jahre später vorgebrachten Vorstoß, die geistliche Gerichtsbarkeit in seiner Modellgründung Annaberg einzuschränken; letztere Supplik soll Papst Julius II. eigenhändig zerrissen haben.45

39 Die Unterzeichnung einer entsprechenden Supplik erreichte 1504/05 Günther von Bünau. Vgl. Bericht Dr. Günther von Bünaus [zu Schkölen] an Herzog Georg [1505/06], ABKG, Bd. 1, LXIII, Anm. 1 und LXIV f. 40 Als auswärtige »romische conservatores«, also päpstlich delegierte Richter, nennt Georg den Abt des Schottenklosters Erfurt, den Abt zu St. Peter vor Merseburg, den Propst zu St. Moritz vor Naumburg und einen Dekan und Offi zial zu Magdeburg. Brief Herzog Georgs an den Propst zu St. Thomas in Leipzig, Dresden, 4. September 1512, Cop. 116, Bl. 272a. 41 Siehe dazu S. 293–299. 42 Vgl. Gess, Klostervisitationen, 46, Anm. 2. 43 Gess, Klostervisitationen, 46; vgl. auch ABKG, Einl., LXIII. 44 Siehe dazu S. 293–299. 45 Vgl. Bericht Bünaus, 1505/06 (wie Anm. 39).

236 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521)

3. Zweite Lösungsstrategie: Kontrolle der geistlichen Gerichtsbarkeit Jenseits des Verhandlungstisches bestimmte das Bemühen um eine Kontrolle der kirchlichen Justiz das politische Tagesgeschäft Herzog Georgs. Quantitativ kann man diese zweite Säule der landesherrlichen Kirchenpolitik kaum überschätzen. Nimmt man die Missiven des Hofrats zum Maßstab, so beschäftigte kein anderes kirchenpolitisches Anliegen vor der Reformation das albertinische Regierungsgremium so stark wie die Kontrolle der geistlichen Gerichtsbarkeit. Eine wesentliche Voraussetzung für Georgs Handeln war die herausgehobene Stellung der wettinischen Landesherrschaft, die auch die kirchlichen Institutionen zu politischer Rücksichtnahme zwang. Seit dem 14. Jahrhundert wurden die Wettiner deshalb von der örtlichen Kirche nicht mehr mit Bann oder Interdikt belegt – selbst wenn sie gegen die kirchliche Justiz vorgingen.46 Die einzige Ausnahme von dieser Regel, das Interdikt gegen Dresden im Jahre 1509, zeigt nur die außergewöhnliche Härte des Konfl iktes zwischen Herzog Georg und Bischof Johann VI. von Meißen.47 In der landesherrlichen Politik lassen sich direkte und indirekte Kontrollmechanismen unterscheiden. Indirekte Kontrolle wurde auf dem Weg der landesherrlichen Gesetzgebung verwirklicht. Denn auch wenn die Offiziale dieser entzogen blieben, war der Landesherr in der Lage, über Mandate das Verhalten seiner Untertanen und Vasallen gegenüber der kirchlichen Justiz zu reglementieren, wobei die Pfarrer, die als Inhaber »geistlicher Lehen« in den Untertanen-

46 Vgl. Wießner, Bd. 1, 252. – Abgesichert waren die Wettiner auch durch ein päpstliches Privileg über ihre Exemption von der bischöfl ichen Gerichtsbarkeit, das sie 1481 von Papst Sixtus IV. erhielten. Herzog Georg bemühte sich im Rahmen des Peraudi-Programms vergeblich um die Bestätigung desselben. Vgl. Gess, Klostervisitationen, 46 mit Anm. 2. 47 Bischof Johann wagte nicht, Georg persönlich zu bannen, sondern verhängte das Interdikt über die Residenzstadt Dresden. Grund war die Inhaftierung eines straffälligen Priesters in Dresden, mit der Georg das Privilegium fori verletzte. Das Interdikt wurde auch in der Schloßkapelle eingehalten, denn das päpstliche Befreiungsprivileg, an das man sich nun erinnerte, konnte in der landesherrlichen Kanzlei nicht gefunden werden. Der Schiedsspruch von Leipzig, mit dem 1511 die Streitigkeiten zwischen Johann und Georg beigelegt wurden, verbot dem Bischof den Einsatz von Kirchenstrafen gegen den Herzogshof, empfahl dem Fürsten aber auch, sich erneut um eine päpstliche Befreiung zu bemühen. Vgl. Brief der Statthalter zu Dresden an Dr. Nikolaus von Heinitz, Dresden, 18. Dezember 1508, Cop. 110, Bl. 274b ; Schiedsspruch des Dietrich von Schleinitz d.Ä., Hermann von Pack, Dr. Johann Hennig und Dr. Nikolaus von Heinitz, Leipzig, 13. November 1511, O. U., Nr. 9920 (Regest: CDS, II, Bd. 3, 325 f., die entsprechende Passage ediert: ABKG, Bd. 1, LXVI, Anm. 2) und siehe S. 193–204. – Georg nutzte seinen Sieg im Machtkampf mit Johann VI. auch dazu, seiner Forderung nach Beschränkung der geistlichen Gerichtsbarkeit Nachdruck zu verleihen. Der Schiedsspruch verpfl ichtet den Meißner Bischof, keinen Untertanen Georgs »in sachen, so nicht zu gaistlichen gerichten gehoren« (ebd.), vor das geistliche Forum zu laden. Die Formulierung ist allerdings sehr diplomatisch gewählt, wenn man sich vor Augen führt, daß gerade über den Zuständigkeitsbereich der geistlichen Gerichte sehr unterschiedliche Vorstellungen existierten.

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verband integriert worden waren, eine Schlüsselrolle einnahmen.48 Das Hauptaugenmerk galt auch hier dem Monopol der weltlichen Justiz auf die Verhandlung rein weltlicher, also den Personen und der Sache nach nicht vom kanonischen Recht beanspruchter Streitfälle. Diesen Weg hatte bereits Herzog Wilhelm III. in seiner Landesordnung von 1446 und der Reformatio Wilhelmi von 1454/57 beschritten.49 Herzog Georg war bestrebt, die entsprechenden Gebote wieder in Erinnerung zu rufen und zu verschärfen. Neben den erwähnten Passagen der Landesordnungsentwürfe von 1498 und 1502 ist ein gemeinsames Mandat beider wettinischer Linien vom 4. August 1490 zu nennen, die das Verbot einer Inanspruchnahme des geistlichen Gerichts durch Laien in weltlichen Sachen erneuerte und dabei das (von Wilhelm III. auf ein neues Schock Groschen festgesetzte) Bußgeld beträchtlich auf 10 fl. erhöhte.50 Auch die Reformatio Wilhelmi wurde 1516 von beiden Linien auf einem Rätetag in Zeitz wieder in Kraft gesetzt, wenngleich entsprechend ihrer ursprünglichen Gültigkeit wohl nur für Thüringen. Auch hier verschärfte ein Zusatz die ursprüngliche Regelung, nach dem kirchliche Gerichtsboten, wenn sie bei der Übermittlung weltlicher Fälle aufgegriffen wurden, inhaftiert und erst gegen eine Strafe von einem Gulden wieder freigelassen werden sollten.51 Auf beide Ordnungen Wilhelms, auf »landisordenung und reformation [. . .] im lande zu Doringen«, bezog sich Herzog Georg im Jahre 1511, als er dem Stadtrat von Nordhausen erläuterte, warum ein Nordhäuser Bürger vom eifrigen Amtmann Sittich von Berlepsch in Langensalza inhaftiert worden war (obgleich für die Anrufung eines geistlichen Gerichts in weltlichen Fällen, die man ihm zur Last legte, nur eine Geldbuße vorgesehen war).52 Noch häufiger waren die Versuche einer direkten Einflußnahme auf die kirchliche Justiz. Beschwerden über unrechtmäßige Urteile und Forderungen nach Rücknahme von Kirchenstrafen, hatte es schon früher gegeben, unter Herzog Georg aber entwickelten sie sich zum programmatischen Bestandteil landesherrlicher Politik. Die Einzelfälle sind Legion und fügen sich in der Zusammenschau zu einem Bild systematischer Überwachung der kirchlichen Gerichte. Das Spektrum der Argumente, mit denen Herzog Georg sein Eingreifen begründete, ist beinahe so groß wie die Zahl der Fälle selbst. Als wesentliche 48

Siehe dazu S. 309–317; 322–326. Siehe S. 70–72 und vgl. z. B. Lück, 74 f. 50 Vgl. Mandat beider wettinischer Linien, 4. August 1490, Goerlitz, 489 f., teilediert: ABKG, Bd. 1, LIV, Anm. 2. 51 Vgl. ABKG, Bd. 1, LIV, mit Anm. 2. 52 Brief Herzog Georgs an den Stadtrat zu Nordhausen, [Dresden] 11. April 1511, ABKG, Bd. 1, LV, Anm. 1. – Berlepsch selbst wird ausdrücklich für sein Vorgehen gelobt. Weil den Nordhäusern »diße unßer reformation unbewust sey«, entschließt sich Georg jedoch, den Bürger ausnahmsweise gegen Urfehde freizulassen (Brief Herzog Georgs an Sittich von Berlepsch, Amtmann von Langensalza, [Dresden] 11. April 1511, Cop. 112, Bl. 159b –160a). 49

238 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) Legitimationsmuster lassen sich juristische und moralische Begründungen unterscheiden. Wo es seine Rechtsauffassung stützte, argumentierte Herzog Georg sogar mit dem kanonischen Recht. So erinnerte er Offiziale daran, daß bestimmte Fälle wie Ehesachen als delicti mixti fori galten, also weltlichem und geistlichem Forum zugleich zustanden. Daran knüpfte sich das Prinzip der Praeventio (Alleinzuständigkeit des zuerst tätig gewordenen Gerichts) und der Grundsatz Ne bis in idem (Vermeidung der doppelten Bestrafung eines Tatbestandes). Die Intervention des Landesherrn zielte dabei zumeist auf die Einstellung des nachgelagerten geistlichen Verfahrens.53 Häufiger jedoch machte der Fürst in der juristischen Argumentation weltliche Rechtsauffassungen geltend, die die geistliche Seite nicht oder nur partiell teilte. Dies betraf etwa den landesherrlichen Monopolanspruch auf alle Sachen, bei denen Prozeßgegenstand und Prozeßgegner weltlich waren. Dabei lehnte Herzog Georg die weite kanonische Defi nition des Personenkreises mit Anspruch auf das geistliche Forum ab, und verweigerte etwa Witwen oder Leipziger Studenten den Anspruch auf geistlichen Prozeß.54 Auch Schuldsachen sah er entgegen der kanonischen Regelung als weltlichen Streitgegenstand an, die er selbst dann zu entscheiden habe, wenn eine Prozeßpartei geistlich sei.55 Beachtung fand das Privilegium fori jedoch immer dann, wenn ein Kleriker in Strafsachen angeklagt wurde.56 Weiterhin sah Georg die Zuständigkeit seines weltlichen Gerichts als gegeben an, wenn Lehngüter oder Lehnsmänner des Landesherrn berührt waren 57 sowie generell bei geistlichen Gütern, selbst wenn die 53 Vgl. z. B. Brief Herzog Georgs an den Abt zu Pegau, o.O., 6. November 1516, ABKG, Bd. 1, LIX, Anm. 1; Brief Herzog Georgs an Kardinal Albrecht, Leipzig, 12. April 1516, Cop. 125, Bl. 80a. 54 Zur kanonischen Rechtsauffassung siehe oben, Abschnitt 1. Zur Haltung Georgs vgl. z. B. Brief Herzog Georgs an Erzbischof Ernst von Magdeburg, [Dresden] 19. Oktober 1509, Cop. 111, Bl. 20a ; Briefe Herzog Georgs an die Universität zu Leipzig, Dresden, 28. März und 11. April 1515, Cop. 119, Bl. 256, 275b. 55 Exemplarisch angeführt sei der Fall des Annaberger Amtmanns Albrecht von Schreibersdorf. Dieser wurde von einem Priester um Geldschuld vor dem geistlichen Gericht verklagt, doch unterband Herzog Georg die Verkündung der Ladung durch den Annaberger Pfarrer. Georgs Eingreifen begründen seine Statthalter dem Offi zial wie folgt: »So denn dieser befelh vonn u. g. h. aus gutem grunde darfleusset, nachdem euch als geystlichenn richter nicht gezcimpt, zu wertlichenn sachenn widder wertliche personen unersicht des werntlichenn richters process adder mandat ausgehenn zulassen« (Brief der Statthalter Herzog Georgs an den Generaloffi zial zu Stolpen, Dresden, 14. Oktober 1510, Cop. 115, Bl. 86). Zum Fall siehe auch unten, Abschnitt 3. 56 Selbst als man 1511 in Döbeln einen im Sold von Raubrittern stehenden Landsknecht dingfest machte, befahl Georg, dessen Anspruch, er sei Kleriker und besitze »primam tonsuram«, zu prüfen und ihn gegebenenfalls an den Offi zial zu Stolpen zu übergeben (Brief Herzog Georgs an den Amtmann zu Döbeln, [Dresden] 8. April 1511, Cop. 116, Bl. 119a). 57 Entsprechende Begründungen lauten z. B.: »die weil benanter vonn Hermestorff meins g. h. belehnter mann, und sein gutter rittergutter sein, und mein g. h. die oberkeit und lehen daran hat« (Brief Herzog Georgs an Bischof Johann VI. von Meißen, o.O., 4. Januar 1495,

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Streitparteien geistlich waren.58 Der Anspruch der landesherrlichen Gerichtshoheit erstreckte sich ferner auf Testaments-, Ehe- und Unzuchtssachen und machte auch nicht vor geweihten Orten wie etwa einem Kirchhof halt.59 Neben die juristische Legitimation landesherrlicher Eingriffe, die die Zuständigkeit der geistlichen Gerichte bestritt, trat die moralische Argumentation, die die Entscheidungen der kirchlichen Richter kritisierte. Dabei erscheint das landesherrliche Engagement, wie oben gezeigt, oft als direktes Echo auf die Klagen von Untertanen.60 Der negativen Beurteilung der geistlichen Gerichte oder der Sittenzucht des Klerus werden als positive Ziele das Seelenheil der Untertanen, ihre Versorgung mit Sakramenten und die Verschonung vom Bann gegenübergestellt. So forderte Georg vom Meißner Domkapitel die Auf hebung des Interdikts, das wegen der Ermordung eines Priesters gleich über drei Erzpriestersprengel verhängt worden war, »uf daß das arme volck mit sacramenten nicht vorseumpt w[er]de, angesehen, daß der priester bekant [. . .] daß er die frauen genotzogt und darzu [= zu seiner Ermordung] ursach gegeben hab«.61 Dem Scholasticus des Meißner Kapitels und alten Parteigänger Johanns VI., Caspar von Salhausen, warf er 1517 vor, nur aus Geldgier ein sachlich unbegründetes Interdikt aufrecht zu halten.62 Zuweilen stellte Georg sogar die moralische Basis des Kirchenrechts selbst in Frage. Scharfe Kritik übte er etwa an der Verhängung des Interdikts über die oben erwähnte Dorfgemeinde Zschaitz wegen der zeitweiligen Anwesenheit des im Schuldbann befi ndlichen Adligen Hans Kertzsch zu Wunschwitz, obwohl an der rechtlichen Zulässigkeit, wie der Offizial sich zu rechtfertigen suchte,63 kein Zweifel bestand: Die Gemeinde wegen der Schuld eines EinzelCop. 105, Bl. 72a). Auf die weiter unten angeführte Supplik des Ernst Schmalstieg regierte Georg mit dem Auftrag an Sittich von Berlepsch, zu prüfen, ob »er [Schmalstieg] unser lehenman ader vorwanter ader auch das sich der krieg, dovon er meldt, umb guter under uns gelegen heldet«, und so die Handhabe zu einer Abforderung des Falls vom geistlichen Richter bestünde (Brief Herzog Georgs an Sittich von Berlepsch, Amtmann von Langensalza, Dresden, 12. September 1513, Loc. 8200/9, Bl. 3). 58 Schon Wilhelm III. erhob Anspruch auf die Gerichtsbarkeit über geistliche Güter. Vgl. Diestelkamp, Geistliche Gerichtsbarkeit, 224, Anm. 38. Zu Georg vgl. z. B. Brief Herzog Georgs an den Kammermeister zu Stolpen, o.O., 25. Februar 1495, Cop. 105, Bl. 99b. 59 Vgl. z. B. Protokoll über eine Schlichtung durch Götz vom Ende, Landvogt zu Pirna, und den Rat zu Pirna, Pirna, 12. August 1498, CDS, II, Bd. 5, 480 f. (Testamentssachen); Brief Herzog Georgs an den Rat zu Chemnitz, Dresden, 16. Januar 1510, CDS, II, Bd. 6, 409 f. (Straftat auf dem Kirchhof begangen). Zu Ehe- und Sexualdelikten siehe unten, Abschnitt 4 und S. 401–403. 60 Siehe oben, Abschnitt 1. 61 Brief Herzog Georgs an das Domkapitel zu Meißen, o.O., 15. Februar 1495, ABKG, Bd. 1, LVIII, Anm. 1. 62 Vgl. Brief Herzog Georgs an das Domkapitel zu Meißen, Dresden, 4. September 1517, ebd., 22 f. 63 Vgl. Brief des Christoph von Betzschitz, Generaloffi zial zu Stolpen, an Herzog Georg, Stolpen, 6. Juni 1509, Loc. 8983/11, Bl. 16.

240 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) nen »mit solcher sweren uncristlichen beswerung, dye yn alle sacrament und auch das begrebnisß benommen, [zu] beladen« betrachtete Herzog Georg als unchristliches Unrecht, weil es gegen den Seelsorgeauftrag der Kirche verstoße. Kategorisch (und mit Erfolg) forderte er vom bischöfl ichen Generaloffizial, »yr wollet solch interdict abeschaffen, und widder dye, dye der sachen schuldig und vorwant, wie sichs im rechten zcympt alleyne vorfaren, und mit ewren ungegrundten bannen so snelle nicht seyn«.64 Funktional betrachtet diente die moralische Kritik am Gebaren der geistlichen Gerichte als Druckmittel, um eine landesherrliche Kontrolle auch dort aufzubauen, wo an der formalen Zuständigkeit der geistlichen Gerichtsbarkeit kein Zweifel bestand. Das Ziel der Intervention war die Auf hebung von Ladungen, Bann und Interdikt sowie Geldstrafen, in der Regel jedoch nicht die Überweisung des Falles an die weltliche Justiz. Gerade letzteres verweist darauf, daß es hier nicht allein um Kompetenzen ging, sondern um inhaltliche, politische Ziele, konkret um die landesherrlichen Vorstellungen von Kirchenreform. Die Versorgung der Untertanen mit Seelsorge und Sakramenten war in Georgs Augen die zentrale Aufgabe der Kirche: Heilsanstalt, nicht Gerichtsinstanz sollte sie in erster Linie sein. Parallelen zum Kontrollanspruch des albertinischen Kirchenregiments bietet der französische recursus ab abusu. Die Könige von Frankreich beanspruchten seit der Mitte des 15. Jahrhunderts, die Auf hebung ungerechter Urteile geistlicher Richter durch die weltlichen Parlamente zu betreiben, wobei sie die Temporaliensperre als Druckmittel einsetzten. Die Rezeption des römischen Rechts mit seiner starken Stellung der weltlichen Gewalt in Kirchenfragen unterstützte diese Ansicht, im Konkordat von 1516 mußte sich sogar der Papst zur Zustimmung durchringen.65 Von einer Etablierung als Rechtsinstitut war man in Sachsen freilich weit entfernt, der Anspruch wurde nie explizit formuliert, ja es fehlte selbst ein Name. Der Sache nach aber waren die landesherrlichen Eingriffe mit dem französischen Vorgehen vergleichbar. Ähnlich variabel wie die Argumentationsmuster waren die Handlungsstrategien, die bei der landesherrlichen Einflußnahme auf die kirchlichen Gerichte zum Einsatz kamen. Das Spektrum reicht von der kooperativen Einbindung der kirchlichen Justiz in die landesherrliche Rechtspflege bis zur konfrontativen Forderung nach Rücknahme von Urteilen und Sanktionen. Dabei sind Verbindungen zwischen bestimmten Argumenten und Eingriffsformen kaum herzustellen, wenngleich auffällig ist, daß moralische Kritik oft als Begründung für direkten Druck auf die Offiziale oder Beschwerden bei den Bischöfen eingesetzt wurde, während juristische Argumentationen oft zur Begründung von 64 Brief Herzog Georgs an den Generaloffi zial zu Stolpen, Dresden, 5. Juni 1509, Cop. 110, Bl. 158b. 65 Vgl. Eichmann; Plöchl, Bd. 2, 349.

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Abforderungen an weltliche Instanzen Verwendung fanden. Der Erfolg einer Einzelmaßnahme läßt sich aufgrund der Überlieferungssituation nur in wenigen Fällen sicher belegen. Denn gerade wenn der geistliche Richter den landesherrliche Forderungen nachgab, bestand kein Anlaß für weitere Missiven! Umgekehrt berechtigt neben den nachweislichen Erfolgsfällen auch die Beharrlichkeit, mit der Georg auf Widerstand seitens der Offiziale oder auf weitere Klagen von Untertanen reagierte, sowie schließlich die routinemäßige Anwendung bestimmter (offenbar erfolgreicher) Lösungsstrategien zu der Annahme, daß in vielen Fällen, die keine weitere Erwähnung fi nden, eine Lösung im Sinne der landesherrlichen Intervention erreicht werden konnte.66 Auf die Rücknahme von Entscheidungen oder die Auf hebung bzw. Aussetzung von Bann und Interdikt zielte die direkte Intervention beim geistlichen Richter, wie sie oben am Beispiel Zschaitz dargestellt wurde. Eine Variante dazu bildete die Beschwerde beim Inhaber der Gerichtsbarkeit, seltener auch beim Bischof als oberster Aufsichtsinstanz. So beschwerte sich Georg 1520 bei Adolf von Merseburg über den Erzpriester zu Leipzig, der dort Bürger in weltlichen Sachen vor sein geistliches Forum zog.67 Die Abforderung eines Falles vom kirchlichen Gericht ist die zweite wichtige Interventionsstrategie. Dabei wurde dem geistlichen Richter mitgeteilt, warum die Sache vor das weltliche Forum gehöre und an welche weltlichen Richter er den Fall abzugeben habe.68 Besondere Erfolgschancen versprach ein konzertiertes Vorgehen, bei dem nicht nur der Offi zial, sondern auch der an seiner Rechtsprechung interessierte Kläger unter Druck gesetzt wurde. Dies läßt sich etwa in einem Rechtsstreit zwischen dem Leipziger Bürger Caspar Reichenbach und der Veronika Wegel, Witwe des Leipziger Gerbers und Ratsmanns Mathes Wegel beobachten. Georg forderte nicht nur den Dekan zu St. Sixti in Merseburg zur Abgabe des Falles an den »geordenten richter« auf, »nochdem dye personen und auch dye guter wertlich seyn«, sondern ließ über den Leipziger Rat auch den Kläger warnen: Sollte Reichenbach das geistliche Verfahren nicht aufgeben, werde sich der Herzog (gemäß der Verordnung von 1490) »kegen ym als kegen eym ungehorsamen mit straf bezceygen«.69

66 Freilich ist eine solche Argumentation e silentio stets mit äußerster Vorsicht zu gebrauchen. Das regelmäßige Fehlen jeder geistlichen Gegenüberlieferung läßt dennoch dazu greifen. Zur Quellenkritik der landesherrlichen Missivenbücher siehe S. 40–45. 67 Vgl. Brief Herzog Georgs an Bischof Adolf von Merseburg, Dresden, 3. September 1520, ABKG, Bd. 1, 131 f. 68 Vgl. z. B. Brief Herzog Georgs an den Propst zu St. Moritz vor Naumburg, o.O., 18. November 1512, Cop. 116, Bl. 289b. 69 Briefe Herzog Georgs an Bernhard Stilling, Dekan zu St. Sixti in Merseburg, als Subkonservator der Universität Leipzig, und an den Stadtrat zu Leipzig, Dresden, 17. August 1511, Cop. 116, Bl. 164b –165a. – Zur Person der Veronika Wegel vgl. Steinführer, Leipziger Ratsbücher, Hbd. 2, 632 (Register).

242 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) Eine deutlich aggressivere Variante der direkten Beeinflussung des geistlichen Gerichts war die Störung seiner Kommunikationswege. Dies umfaßte die Behinderung der Gerichtsboten und den Druck auf die Pfarrer, über deren Kanzeln – wie oben für Delitzsch belegt – Ladungen und Kirchenstrafen dem Volk verkündet wurden und damit erst ihre Wirkung entfalten konnten. Das wirksamste Druckmittel des Landesherrn war dabei die Temporaliensperre. Die entsprechenden Verordnungen, die schon Wilhelm III. erstmals formuliert hatte, wurden unter Georg nun auch in die Praxis umgesetzt.70 Hier war die geistliche Seite sehr verwundbar, wie ein Gutachten des Halberstädter Offizials Heinrich Horn eingesteht, das Herzog Georg bittet, daß er »seiner ch. f. g. [= Kardinal Albrechts] und des herren achidiakon richtsbothen in gnedigen schutz und schirm nehme, [. . .] dan ane das is auch die iurisdictio swerlich zcu erhalten«.71 Georgs Einfluß auf die Pfarrer beleuchtet ein Fallbeispiel aus Annaberg. Als der dortige Amtmann Albrecht von Schreibersdorf durch den meißnischen Generaloffizial in einer Schuldsache vor das geistliche Forum geladen werden sollte, befahl Georg dem Annaberger Pfarrer, »so euch uber yn [= Schreibersdorf ] forder procesß der geistlichen richter dye zcuvorkundigen zugesant und ubergeantwurt werden, yr wollet dye nicht vorkundigen, sunder dye cleger adder partheyen vor uns weyssen«.72 Nach längerem Bemühen entschloß sich der frustrierte Offizial schließlich, den ungehorsamen Pfarrer selbst in den Bann zu legen. Doch dieser verließ sich auf den Schutz des Landesherrn, der dem Offi zial brüsk verkündete, der Pfarrer habe auf seinen Befehl gehandelt, da »euch in weltlichen sachen als schulde belangen zu richten nicht zustehet«.73 In einem weiteren Schreiben wurde der uneinsichtige Offizial weiter unter Druck gesetzt, und ultimativ aufgefordert, die Absolution für den Pfarrer dem landesherrlichen Boten gleich mitzugeben.74 Die landesherrliche Einflußnahme beschränkte sich aber keineswegs auf Konfrontation, sondern kannte auch verschiedene Formen der Kooperation. So hinderten die ständigen Reibereien zwischen beiden Seiten Herzog Georg nicht daran, zuweilen sogar selbst die kirchlichen Gerichte anzurufen. Freilich suchte er dabei nicht die Rechtsfi ndungskompetenz der geistlichen Richter, sondern wollte sich ihrer geistlichen Sanktionen zur Durchsetzung der weltlichen Rechtsprechung bedienen. Dies dokumentieren zwei Fälle aus den Jahren 1495 70 Vgl. ABKG, Bd. 1, LV; Ausschreiben Herzog Johanns d.J. an alle Amtleute [Sangerhausen, 2. Februar 1522], ebd., 263. 71 Gutachten Heinrich Horns, Offi zial zu Halberstadt [ca. 1530–1545], Diestelkamp, Geistliche Gerichtsbarkeit, 259–261; für weitere Belege für landesherrlicher Behinderung vgl. Diestelkamp, Geschichte, 322, 333, 336. 72 Brief Herzog Georgs an [Magister Wolfgang Messerschmidt,] den Pfarrer zu Annaberg, o.O., 27. Januar 1509, Cop. 110, Bl. 67 b. 73 Brief Herzog Georgs an den Generaloffi zial zu Stolpen, Dresden, 6. Mai 1510, Cop. 116, Bl. 31b. Vgl. auch Brief dess. an dens., Dresden, 7. Juli 1510, ebd., Bl. 69b. 74 Vgl. Brief dess. an dens., Dresden, 14. Oktober 1510, Cop. 115, Bl. 86.

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und 1516. Im ersten Fall verweigerte der Adlige Hans von Bora die Umsetzung der testamentarischen Stiftung seines Vaters zugunsten der Kirche von Neuenkirchen. Nachdem ein erster Schlichtungsversuch zwischen Bora und den Kirchpflegern vor den Statthaltern Herzog Georgs noch nicht zur Einigung geführt hatte, baten die Statthalter den Meißner Offi zial, »Hanssen von Bora mit geistlichen gerichten dohin zuhalten, seine gutter nicht zuvorpfenden noch nymants, ane der kirchvetter vorwillunge, zulaßen, biss zu austragk der sachen.«75 Auch im Abgabenstreit zwischen der Gemeinde und dem Pfarrer zu Gersdorf (Amt Tharandt) wurde ein Offizial eingeschaltet, um dem weltlichen Schiedsspruch, welchen der Pfarrer ignorierte, Nachdruck zu verleihen.76 Auf enge Zusammenarbeit mit den geistlichen Gerichten orientierte Herzog Georg auch im Bereich der Disziplinierung des Niederklerus, in dem ihm aufgrund des Privilegium fori die Hände gebunden waren.77 In eine andere Richtung wies die Strategie der Einbindung von geistlichen Richtern in die landesherrliche Rechtspflege. Neben seinen Räten und Amtleuten beauftragte Herzog Georg auch Offi ziale mit commissiones im Rahmen der landesherrlichen Gerichtsbarkeit.78 Diese Aufträge umfaßten Zeugenverhöre vor Ort und die Mitarbeit in Schiedsverfahren, seltener sogar die ordentliche Rechtsprechung »an stat meins g. h.«.79 Besonders eng war die Zusammenarbeit Herzog Georgs mit Hiob von Dobeneck, Propst der Deutschordenskommende Zschillen und als solcher Archidiakon von Zschillen und Rochlitz. Von Dobenecks geistlicher Rechtsprechung war Herzog Georg so angetan, daß er ihm nicht nur bereitwillig geistliche Fälle überließ, sondern ihn auch in weltlichen Prozessen als Kommissar einsetzte. Sogar als Rat und als Diplomat für eine 75 Brief der Statthalter Herzog Georgs an den Offi zial zu Meißen, o.O., 23. März 1495, Cop. 105, Bl. 118a. 76 In dem langjährigen Streit, der sich um das für die Naturalabgaben gültige Maß drehte, hatte bereits Herzogin Zedena, zu deren Wittum Gersdorf gehörte, vor 1510 einen Schied aufrichten und in das Meßbuch der Kirche eintragen lassen. Der Pfarrer aber hatte diesen Schied aus dem Meßbuch geschnitten und mehreren Ermahnungen landesherrlicher Räte und des Erzpriesters zu Dresden widerstanden. Die Einschaltung der geistlichen Gerichtsbarkeit hatte nun nicht nur die Disziplinierung des Pfarrers zu Ziel, sondern sollte auch verhindern, daß der Pfarrer seinerseits die kirchlichen Gerichte instrumentalisierte. Offenbar verhielt sich der Offi zial jedoch nicht wunschgemäß, denn schließlich wandte sich Georg an den Meißner Dompropst, in dessen Auftrag der Offi zial tätig war. Vgl. Briefe Herzog Georgs an den Offi zial zu Meißen, Dresden, 25. April und 20. Mai 1516, Cop. 123, Bl. 71, 86; Brief dess. an den Dompropst zu Meißen, [Dresden] 30. Juni 1516, ebd., Bl. 107. 77 Siehe S. 306–309. 78 Zum landesherrlichen Kommissionswesen vgl. Lück, 93–105; Goerlitz, 168–171; mit Blick auf die Frühe Neuzeit: Blaschke, Behördenkunde, 385 f. 79 Vgl. z. B. Brief Herzog Georgs an Niclas Heynemann, Offi zial [der Dompropstei] zu Meißen, Dresden, 16. Dezember 1500, Cop. 106, Bl. 125a ; Briefe Herzog Georgs an den Offi zial und den Schosser zu Meißen, [Dresden] 17. Dezember 1502, Cop. 108, Bl. 151a ; Brief Herzog Georgs an den Propst zu Zschillen, Schellenberg (?), 2. September 1500, Cop. 106, Bl. 30b, dort das Zitat.

244 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) Gesandtschaft an König Maximilian fand Dobeneck Verwendung.80 Hier zeigt sich erneut, daß Herzog Georg der kirchlichen Justiz keinesfalls grundsätzlich negativ gegenüberstand, sondern nur ihre Reichweite und ihre Praxis reformieren wollte. Einen Ausweg aus dem Kompetenzgerangel zwischen weltlichem und geistlichem Forum eröffnete die Beteiligung geistlicher Richter (oder anderer Geistlicher) an landesherrlichen Kommissionen, die zur Lösung eines einzelnen Rechtsstreits gebildet wurden, ein Verfahren, das sich auch anderorts, etwa in Württemberg, bewährte.81 Selbst auswärtige geistliche Richter wie der Siegler von Erfurt, die dem Einfluß Georgs weitgehend entzogen waren, ließen sich auf diese Weise in die landesherrliche Rechtspflege einbinden.82 Der Kompromißcharakter solch gemischter Gremien verstärkte sich noch durch die Art ihrer Rechtsprechung, die zumeist auf gütliche Schiedsverfahren angelegt war. Das Minenfeld der letztlich unvereinbaren Ansprüche der beiden Gerichtsorganisationen konnte so geschickt umgangen werden und der weltliche Landesherr für sich konstatieren, daß die geistliche Gerichtsbarkeit zurückgedrängt wurde, wo Kommissionen in seinem Namen das Recht durchsetzten.83 Auf vielfältigem Wege übte Herzog Georg so eine indirekte Kontrolle über die geistliche Gerichtsbarkeit in seinem Territorium aus. Blieben seine Ansprüche auch nicht immer unwidersprochen, so beeindruckt doch das Maß an Aufsicht und Steuerung, das die albertinische Regierung in vielen Fällen entfalten konnte. So waren die Statthalter Georgs schon 1495 im Stande, die Abgabe eines Falles von einem geistlichen Gericht an ein anderes einfach per Anweisung durchzusetzen.84 Und Georg selbst gestand 1508 dem Meißner Offizial zwar zu, 80 Vgl. sieben Briefe Herzog Georgs an den Propst zu Zschillen, 30. August bis 2. November 1500, Cop. 106, Bl. 25a, 30b, 77a, 90a, 93b, 95b, 99b. – Zu Dobenecks späterer Karriere in Diensten des Hochmeisters Friedrich von Sachsen siehe S. 187 mit Anm. 87. 81 Vgl. Mikat, 289; Stievermann, Landesherrschaft, 234–240. 82 So im Jahre 1495 gemeinsam mit dem Amtmann Hans von Werthern in einer Kommission, die über ein geistliches Lehen an der Stiftskirche zu Bibra befand. Vgl. Briefe Herzog Georgs an Hans von Werthern und an den Siegler zu Erfurt, o.O., 27. März 1495, Cop. 105, Bl. 119a. 83 Vgl. z. B. Briefe Herzog Georgs an Siegmund von Maltitz und den Pfarrer zu Frankenberg, Dresden, 16. März 1509, Cop. 110, Bl. 102. – Schiedsverfahren wurden auf allen Ebenen neben der ordentlichen Gerichtsbarkeit angewandt. Herzog Georg scheint sie als ersten Lösungsversuch häufig favorisiert zu haben. Da bei Schiedssprüchen, die beide Parteien akzeptierten, eine Appellation vor ordentlichen Gerichten ausgeschlossen war, eigneten sie sich besonders für das heikle Feld landesherrlicher Rechtsprechung im Bereich der Kirche, weil gerichtliche Kompetenzfragen damit umgangen wurden. Vgl. Goerlitz, 168–171; Lück, 93–101; Volkmar, Hofrat, 89 f.; zu anderen Territorien vgl. Mikat, 287; Stievermann, Landesherrschaft, 234–240; Sellert. 84 Die Statthalter verlangten vom Propst zu St. Afra in Meißen, einen Streitfall zwischen dem Pfarrer und einem Bürger von Mittweida an den Propst zu Zschillen »als gegeben commissarien zu weißen« und hatten damit auch Erfolg. Vgl. Brief der Statthalter Herzog Georgs an den Propst zu St. Afra in Meißen, o.O., 5. Juli 1495, Cop. 105, Bl. 177 b, dort das Zitat;

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daß ein bestimmter Fall »eurem geystlichen gerichts zcwang zcustendig were«, sah sich aber dennoch in der Position, dem Offizial Vorschriften über den Verfahrensablauf zu machen, deren Beachtung dieser umgehend bestätigen sollte.85 Die lange Tradition, die das wettinische Kirchenregiment gerade auf diesem Gebiet entfaltet hatte, kam Georg hierbei ebenso zu gute wie die ihm eigene Beharrlichkeit.

4. Fazit: Kontrolle statt Reform? Wie kaum ein anderer Bereich seiner Kirchenpolitik war Georgs Auseinandersetzung mit der geistlichen Gerichtsbarkeit von der wettinischen Reformtradition des 15. Jahrhunderts geprägt. Die Positionen beider Seiten blieben über Generationen stabil, viele hatten mit dem Strukturkonfl ikt leben gelernt. Georgs Herrschaftsantritt war hier kein Einschnitt, erfahrene Räte führten die bisherige Politik fort und Georg lernte von ihnen. Von seinen Vorgängern – und hier vor allem im Rückgriff auf Wilhelm III. – übernahm er auch die beiden Leitstrategien seiner Kirchenpolitik in diesem Bereich: Die Reduktion der Kompetenzen der geistlichen Gerichtsbarkeit zugunsten der weltlichen Justiz und den Auf bau landesherrlicher Kontrolle über die kirchliche Rechtsprechung. Diese Strategien repräsentierten zwei völlig verschiedene Ansätze. Die erste zielte auf eine Zurückdrängung der Kirche aus der Gesellschaft durch eine weitgehende Säkularisierung der Justiz, die zweite auf die Ausdehnung der landesherrlichen Kontrolle über die Kirche selbst. Beide bedurften auch verschiedener Wege. Bei der Reduktion der geistlichen Gerichtsbarkeit setzte die Landesherrschaft auf vertragliche Lösungen, die man durch Verhandlungen mit Papst oder Bischöfen zu erreichen hoffte. Die Kontrolle der kirchlichen Justiz erfolgte hingegen auf administrativem Wege durch Druck auf Offiziale, auf Bischöfe und Archidiakone und sogar auf die Prozeßparteien. In ihrer Zielsetzung orientierte die von Herzog Georg angestrebte Reduktion der geistlichen Gerichtsbarkeit in erster Linie auf die Durchsetzung des Monopols der weltlichen Justiz auf weltliche Fälle und kannte ansonsten klare Grenzen. Unangetastet blieben Idee und Gestalt des geistlichen Gerichts, seine alleinige Zuständigkeit für die Causae ecclesiasticae sowie das Privilegium fori. Konsequenterweise favorisierte Georg eine klare Trennung von geistlicher und weltlicher Rechtssphäre, wie er sie 1518 auf dem Reichstag zu Augsburg einforderte.86 Die Erfolgsbilanz der Reduktionsstrategie ging aber gegen Null. Die Brief der Statthalter Herzog Georgs an den Propst zu Zschillen, Dresden, 22. August 1495, Bl. 206. 85 Brief Herzog Georgs an Jakob Lose, Offi zial zu Meißen, [Dresden] 24. November 1508, Cop. 110, Bl. 37a. 86 Siehe S. 174–176.

246 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) Verhandlungen mit den Bischöfen und Archidiakonen resultierten lediglich in einer Fortschreibung der gegenseitigen Vorwürfe.87 Auch Georgs über alles bisherige hinausweisender Versuch, mit neuartigen päpstlichen Privilegien die Blockadehaltung der Bischöfe zu durchbrechen, mißlang gründlich. Sehr viel besser fällt hingegen die Bilanz der zweiten Handlungsstrategie aus. Waren die Methoden auch nicht neu, so dürfte doch die Intensität wettinischer Kontrolle über die kirchliche Justiz unter Herzog Georg einen absoluten Höhepunkt erreicht haben. Sie war zum Beispiel weitaus stärker ausgeprägt als zur selben Zeit beim ernestinischen Vetter Friedrich dem Weisen.88 Sie erlaubte eine effiziente Einflußnahme auf Einzelentscheidungen der geistlichen Gerichte. Selbst dem Ziel der Reduktion kam man in der Praxis ein Stück näher, da eine partielle Einbindung der kirchlichen Richter in das landesherrliche Gerichtswesen manchen geistlichen Prozeß vermied. Strukturell erinnert das Vorgehen an die landesherrliche Aufsicht über den Niederklerus: auch ohne grundsätzliche Anerkennung seines Einflusses durch die Kirche war der Landesherr durch eine intensive Tagespolitik und mit Hilfe seiner bis auf die lokale Ebene reichenden personellen Infrastruktur in der Lage, ein funktionierendes Kirchenregiment aufzubauen, dessen reale Macht die geistlichen Richter nicht ignorieren konnten. Gegenüber den im Territorium ansässigen Richtern war dieser Einfluß größer als bei auswärtigen, dies belegen etwa die langwierigen Auseinandersetzungen mit dem Offizial des Propstes zu Neuwerk bei Halle.89 Dennoch, einer grundsätzlichen Lösung des Strukturkonfl iktes zwischen geistlicher und weltlicher Gerichtsbarkeit, die auch Georg immer wieder einforderte, kam man auf diesem Wege kaum näher. Ein ganzes Bündel widerstrebender Faktoren stand Systemreformen im Wege: Der Selbsterhaltungstrieb der Offi ziale, die fehlenden Druckmöglichkeiten des Landesherrn bei den Verhandlungen mit den Bischöfen und schließlich das Interesse der Untertanen an der kirchlichen Rechtsprechung. Wie jede Bürokratie mit beträchtlichem Beharrungsvermögen wider die eigene Abschaffung ausgestattet, standen die Offiziale einer Reduktion der Kompetenzen der geistlichen Gerichtsbarkeit grundsätzlich entgegen. Dabei ist die in der Forschung offene Frage, ob sie in der Regel über Pfründeneinkommen verfügten, oder, wie ihnen die Gravamina von 1499 vorwerfen, als Gerichtspächter von den Strafgeldern leben mußten, fast sekundär.90 Das Interesse der 87 So auch das Fazit von Adolf Diestelkamp oder Heiner Lück. Vgl. Diestelkamp, Geistliche Gerichtsbarkeit, 227; Lück, 77. 88 Vgl. Kirn, 36–71, insbesondere 69 f. 89 Vgl. ABKG, Bd. 1, passim. 90 Von einem festen Gehalt der Offi ziale geht Heiner Lück aus (vgl. Lück, 63, 66). Hingegen sprechen die Gravamina von 1499 als Mißstand an, »daß die geistlichen gericht gemeinlich den officialen vermit oder in beschiet außgelassen sein, die solchs auch genyssen [. . .] wollen«. Gebrechen, 1499 (wie Anm. 30). Vgl. dazu auch Kirn, 40, 65; Wießner, Bd. 1, 242.

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Offi ziale an einer weit ausgreifenden und damit gut ausgelasteten kirchlichen Justiz steht außer Frage, jedes Eingehen auf landesherrliche Forderungen war nur taktischer Natur, mußte ihnen durch das Kirchenregiment abgezwungen werden. Dementsprechend gibt Georg den Offi zialen eine größere Schuld an den »Mißständen« der geistlichen Gerichtsbarkeit als den Bischöfen.91 Doch auch die Bischöfe hatten kein Interesse an einer Reduktion der durch das Kirchenrecht garantierten geistlichen Rechtssphäre. Gerade gegenüber auswärtigen Bischöfen wie Kardinal Albrecht hatte Georg aber keinerlei Handhabe und die sächsischen Bischöfe wiederum verstanden es, den landesherrlichen Forderungen durch den Verweis auf ihre auswärtigen Kollegen die Spitze zu nehmen. Erst in der Krisensituation der Reformation vermochte Georg hier Reformen durchzusetzen.92 Für die Untertanen schließlich blieb der Rekurs zum geistlichen Richter weiterhin attraktiv, auch wenn die weltliche Gerichtsorganisation inzwischen gut ausgebaut war. Nicht nur ließ sich mittels Bann und Interdikt ein säumiger Schuldner besonders wirksam unter Druck setzen.93 Gerade die Konkurrenz zwischen weltlichem und geistlichem Forum eröffnete findigen Prozeßparteien vielfältige Möglichkeiten. Findige Beklagte verstanden es, die Gerichte gegeneinander auszuspielen, um einer Verurteilung zu entgehen. So gelang es Hans Schütze aus Chemnitz, der wegen eines gebrochenen Eheversprechens von der Familie der Leipziger Bürgerstochter Elisabeth Grau zunächst vor dem Offi zial zu Zeitz und schließlich vor Herzog Georg verklagt worden war, das Verfahren durch die Anrufung mehrerer auswärtiger geistlicher Gerichte sieben Jahre in die Länge zu ziehen.94 »Alleynne [um] die meynenn der sache mude zcuma91 So z. B. in einem Schreiben an den Naumburger Administrator Philipp von Freising, in dem sich Georg über die Geldforderung des bischöfl ichen Offi zial zu Zeitz in der Ehesache Grau-Schütze (siehe dazu unten) beschwert, aber diplomatisch betont, daß der »official ader commissarien unssers bdengkens auß menschlicher gbrechlicheit haben irren mogen«, während er den Bischof in seiner »furstlichen thugent« von den Vorwürfen ausnimmt. Brief Herzog Georgs an Bischof Philipp von Freising, Administrator von Naumburg, Dresden, 8.[?] Januar 1520, Loc. 7444/6, Bl. 22 f. 92 Siehe S. 596–600. 93 Über die Wirksamkeit der Kirchenstrafen gehen die Meinungen in der Forschung weit auseinander. Während die einen davon ausgehen, der häufige Gebrauch von Bann und Interdikt hätte bei den Laien Gleichgültigkeit hervorgerufen (vgl. z. B. Wießner, Bd. 1, 253 f.), betonen andere, daß ungeachtet der infl ationären Tendenzen die individuelle Sorge um die Beeinträchtigung des eigenen Seelenheils die Furcht vor den Strafen aufrecht erhielt (vgl. z. B. Kirn, 60–63; Albert, 344 f.). Die Suppliken albertinischer Untertanen an Herzog Georg zeugen ebenfalls davon, daß Bann und Interdikt sehr ernst genommen wurden. In Dresden hielten 1510 die Statthalter Herzog Georgs das Interdikt Bischof Johanns VI. gegen die Stadt sogar in der Schloßkapelle skrupulös ein, allein weil die Urkunde über die päpstliche Befreiung nicht aufgefunden werden konnte. Siehe oben, Anm. 47. 94 Vgl. Klageschrift der Elisabeth Grau, o.O., 14. Dezember 1518, Loc. 7444/6, Bl. 12–14; vgl. auch Brief Herzog Georgs an die Familie Schütze zu Chemnitz, Leipzig, 9. November 1516, ebd., Bl. 10; Urteil des bischöfl ichen Offi zials zu Zeitz in der Ehesache Hans Schütze vs. Elisabeth Grau, [Zeitz] o.J., ebd., Bl. 15–17.

248 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) chen«, so klagte die versetzte Jungfrau 1518 vor Herzog Georg, habe Schütze sie »mit bebstlichen brifen kegen Altenburgk vor den weybischoff geladen« und damit gegen das Privilegium de non evocandis subditis verstoßen, auch später noch eine »mutwillige appellation vom official von Zeitz an ertzbischoff vonn Magdeburg gethan«.95 Als Herzog Georg schließlich nach einem weiteren Jahr Hans Schütze doch noch zum Vollzug der Ehe gebracht hatte, drohte die Forderung des Zeitzer Offi zials nach einem Strafgeld von 100 fl. den Erfolg zunichte zu machen, was Georg zu heftigen Vorwürfen veranlaßte, die die ganze Bandbreite religiöser Vorbehalte der Laien gegen die Praxis der kirchlichen Justiz widerspiegeln.96 Auch mancher Kläger bediente sich beider Foren und agierte wie der Pfarrer von Limbach, der seine Geldforderungen gegen Margarethe von Miltitz gleichzeitig vor das landesherrliche und das geistliche Forum brachte.97 Nutzten die Untertanen also die geistlichen Gerichte, so klagten sie andererseits über Mißbräuche und moralische Indifferenz der kirchlichen Justiz. Hier war der Landesherr für viele die gegebene Beschwerdeinstanz. So supplizierte der alte Treffurter (?) Bürger Ernst Schmalstieg 1513 bei Herzog Georg, weil sein eigener Sohn, dem er selbst zur Pfarrstelle in Treffurt verholfen hatte, ihn »gar unbiliche« vor das geistliche Gericht zog. Drastisch schildert er dem Landesherrn seine materielle und seelische Not, der Sohn, so schreibt er »treibet mich mit den doctores zu großen scheden [und will mich] auch in myn alden 95 Klageschrift Grau, 1518 (wie Anm. 94), Bl. 12b –13 a . Das Privilegium umschreibt die Klageschrift mit den Worten: »zuentkegenn e. f. g. freyheit, das e. f. g. undersessen mit geistlichen gerichtenn nicht vor fremden gerichten solten vorgenohmen werden«. 96 Georg erregte sich über die Weigerung des Offi zials, den zur Ehe bereiten Schütze von seinen Kirchenstrafen zu absolvieren, »es were dann, das er [Schütze] ime [dem Offi zial] vor solche absolucion hundert gulden entricht und gegeben hette, welchs, wo eß dermassen [geschehen würde], unsers ermessens vor eyne grosse unerhorte und unmeßliche beswerung unnd aller rechtlichen vornunfft entkegen, das demjenigen, zo gefelet und sich wider umb in gehorsam zcu begeben und zubekeren gedechte, durch disse geswynde geltschatzunge die schoß der heiligen Cristlichen kirche solte vorslossen ader derselbige do durch vonn seynem gutth vornehmen abgewandt werde, so man doch clar befi ndet, das die mutter der heiligen Cristlichen kirchen nymande, der sich bekern wil, ir schoß vorsleust, sunder alle busser williclich gern widerumb an nympt. Zo konnen wir auch nicht bedengken, das die woltat der absolucion, die dann etwas geystlichs, uber das schneydt geldt umb eyn solch grosse s.[um]ma gelde gekaufft, unnd die selen do durch inn verterb gefurt werden sollen«. Brief Herzog Georgs an Statthalter und Räte des Bischofs von Naumburg zu Zeitz, Leipzig, 10. Oktober 1519, ebd., Bl. 19 f. – Der Administrator von Naumburg als Vorgesetzter des Zeitzer Offi zials verzichtete schließlich auf die Forderung, beharrte aber gegenüber Georg auf der prinzipiellen Zuständigkeit seines Gerichts. Vgl. Briefwechsel Herzog Georgs mit Bischof Philipp von Freising, Administrator von Naumburg, und seinen Statthaltern zu Zeitz, 10. Oktober 1519– 2. April 1520, ebd., Bl. 19–26. 97 Vgl. Brief Herzog Georgs an Margarethe von Miltitz, Dresden, 7. März 1509, Cop. 110, Bl. 91b ; Brief Herzog Georgs an den Pfarrer zu Limbach, Dresden, 11. März 1509, ebd., Bl. 98b. – Schon fünf Jahre zuvor hatte der Pfarrer die Adlige zum ersten Mal wegen einer Geldschuld bannen lassen. Vgl. Brief Herzog Georgs an den Offi zial zu Meißen, Dresden, 24. März 1504, Cop. 109, Bl. 45a.

VII. Geistliche Gerichtsbarkeit

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tagen in ban under di erden bringen«. Den Instanzenweg einhaltend, hatte Schmalstieg zunächst den Amtmann Sittich von Berlepsch bitten wollen, den Fall vor sein Forum zu ziehen. Da der Amtmann unterwegs war, erreichte er jedoch nur ein Schreiben des Schossers, das der Siegler zu Erfurt, vor dessen Gericht die Sache anhängig war, ignorierte. Nun hoffte er auf Herzog Georg: »So ich dan e. f. g. gelobet und g.[etreu?] lehn man bin, weiß ich nyman anzuruffen dan e. f. g., in undertenig hoffenung, e. f. g. werde mich [. . .] von solichen hendeln gnediglich schutzen«.98 Die ambivalente Haltung der Bevölkerung komplettiert den Hintergrund,99 vor dem abschließend eine Antwort auf die eingangs aufgeworfene Frage nach den Intentionen der landesherrlichen Auseinandersetzung mit der geistlichen Gerichtsbarkeit zu suchen ist. Dabei sollte der Verlockung widerstanden werden, Machtpolitik und Kirchenreform gegeneinander auszuspielen, um in ideologiekritischer Manier die in religiöser Rhetorik formulierten Mißstandsklagen als bloßen Deckmantel machtpolitischer Ratio zu entlarven. Genausowenig kann es ratsam sein, die historische Analyse auf eine Parteinahme im alten konfessionellen Streit um Verfall oder Blüte der spätmittelalterliche Kirche zu reduzieren. Der komplexen historischen Wirklichkeit wird wohl am ehesten die Feststellung gerecht, daß so scheinbar unterschiedliche Motive wie der religiös begründete Wille zur Kirchenreform und das machtpolitische Interesse an einem inneren Ausbau des Territorialstaats für die handelnden Akteure offenbar problemlos vereinbar waren. Dabei liefert die Haltung Herzog Georgs in der Reformationszeit einen Gegenbeleg zur These Peter Johaneks, daß der hartnäkkige Widerstand der geistlichen Gerichte gegen die Gerichtshoheit der Landesherrschaft ein wichtiges Movens für die Hinwendung von Fürsten zur Reformation darstellte. Gut möglich ist freilich, daß Herzog Georg auch hier wieder die Ausnahme von der Regel markiert.100 Festzuhalten bleibt aber auch, daß sich in der Vorreformation wenn nicht die Realität, so doch die Wahrnehmung der Mißbräuche in der geistlichen Rechtspraxis veränderte. Vor allem der routinemäßige Einsatz der kirchlichen Zwangsmittel Bann und Interdikt in so profanen Dingen wie Geldstreitigkeiten wurde von Laien zunehmend als unverantwortliche Beeinträchtigung des individuellen Seelenheils wahrgenommen. Ihr unverhältnismäßig erscheinender Gebrauch in der weltlichen Rechtssphäre, in den Worten Herzog Georgs eine »uncristliche beswerung«, schien eine Bedrohung für den Charakter der Kirche als Heilsanstalt und forderte das Reformhandeln eines Landesherrn heraus, der 98

Supplik Ernst Schmalstiegs an Herzog Georg, o.O., 28. Juli 1513, Loc. 8200/9, Bl. 4. Vgl. auch Johanek, Bischof, 100. 100 »Die geistliche Gerichtsbarkeit beeinträchtigte die auf Verdichtung der Landesherrschaft gerichtete Gerichtsbarkeit der weltlichen Fürsten und Städte. Für Entscheidungsprozesse im Ablauf des Reformationsgeschehens kommt diesem Punkt sicherlich außerordentlich großes Gewicht zu.« Johanek, Bischof, 100. 99

250 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) sich für das Seelenheil seiner Untertanen verantwortlich wußte. Dabei spielte es keine Rolle, daß sich weniger die Praxis der geistlichen Gerichte selbst (wie Offi ziale wie Horn oder Betzschitz betonten), als die Haltung der Laien zu ihnen gewandelt hatte. Deutlich werden gerade hier grundlegende Verschiebungen der Definitionen von sakraler und profaner Sphäre durch die vorreformatorischen Laien. Weil Herzog Georg dennoch die grundsätzliche Legitimität geistlicher Gerichtsbarkeit nie in Zweifel zog, konnte er in der Reformationszeit sogar zu ihrem Verteidiger werden. Als König Ludwig II. von Böhmen und Ungarn 1523 in einem weitgreifenden Reformversuch die Verkündung geistlicher Mandate in den Lausitzen vollständig verbot, forderte Georg – von den bischöfl ichmeißnischen Statthaltern in dramatischen Worten informiert –101 den König umgehend zur Rücknahme dieses Befehls auf: Denn wo »dye geystlichen gerichtszweng vorachtet und nydergelegt«, würden »vyl sunde und myßthat ungestraft ubergangen, dye gebot, ordenung und sacrament der h. christlichen kyrchen vornichtet, christlicher glaube fast geschwecht« und schließlich »der Luther mit seynem anhang aufs hochste gesterckt«.102

101 Vgl. Brief der Statthalter Bischof Johanns VII. von Meißen an Cäsar Pflug, Stolpen, 14. Februar 1523, ABKG, Bd. 1, 464 f. 102 Brief Herzog Georgs an König Ludwig II. von Ungarn und Böhmen, Dresden, 19. Februar 1523, ebd., 467 f.

VIII. Regularklerus Die Klosterpolitik gehört zu den am besten erforschten Bereichen der Kirchenpolitik Herzog Georgs. Insbesondere die Habilitationsschrift von Felician Gess widmet sich diesem Thema.1 Darüber hinaus stand die wettinische Reformtradition des 15. Jahrhunderts, die Georgs frühe Klosterreform nachhaltig prägte, zuletzt im Blickpunkt mehrerer Studien.2 Eine Weiterentwicklung des landesherrlichen Engagements verbindet sich mit der existentiellen Bedrohung des Klosterwesens durch die Reformation. Hierbei haben vor allem die Visitationen der Jahre 1535–1539 die Aufmerksamkeit der Forschung gefunden.3 Im ganzen erlaubt der gute Forschungsstand eine gestraffte und thesenhafte Behandlung der Klosterpolitik in dieser Studie.

1. Herzog Georg als Klosterstifter Im ganzen Mittelalter brachten weltliche Herrschaftsträger ihre Verbundenheit mit der Kirche durch die Gründung und Ausstattung von Klöstern zum Ausdruck und sorgten damit gleichzeitig für ihr eigenes Seelenheil. Auch in Mitteldeutschland entstand eine reiche Klosterlandschaft, die Niederlassungen aller wichtigen Orden aufwies. Wenn dabei die Klosterdichte von West nach Ost deutlich zurückging, so spiegelt dies die kürzere Siedlungsgeschichte des Landes östlich der Saale wieder. Die Wettiner selbst waren eifrige Klosterstifter, mehr als ein Dutzend Konvente gehen auf sie zurück, darunter so bedeutende wie die Zisterze Altzelle oder die Chorherrenstifte Petersberg, Zschillen und St. Thomas zu Leipzig.4 Schon bald nach seiner endgültigen Regierungsübernahme griff Herzog Georg diese alte Tradition herrscherlicher Kirchenfürsorge wieder auf. Seit dem Sommer 1501 betrieb er die Ansiedlung observanter Franziskaner in der neuge1

Vgl. Gess, Klostervisitationen; vgl. auch ABKG, Bd. 1, XXI–LII. Vgl. Weinbrenner; Schulze, Fürsten; Weigel; Werner, Landesherr. 3 Vgl. Gess, Klostervisitationen; Cardauns; Hecker; Kühn; Löhr, Kapitel; ders., Universität; Paulus, Dominikaner; Voigt, Klöster; Springer, Dominikaner; zuletzt Bünz, Ende. Siehe auch S. 521–527. 4 Wettinische Stiftungen waren außerdem Gerbstedt, Dobrilugk, Neuzelle, Eisenberg, Hl. Kreuz zu Meißen, Nimbschen, Seußlitz, Weißenfels, Brehna. Vgl. Helbig, Ständestaat, 367–369; Bünz, Ende, 81. 2

252 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) gründeten Bergstadt St. Annaberg. Für den 1502 mit päpstlicher Erlaubnis etablierten Konvent organisierte Georg die Einrichtung von Terminierbezirken im Grenzgebiet der drei Diözesen Prag, Meißen und Naumburg, rief die Stände zu Spenden für den Kirchenbau auf und bedachte ihn als einziges Kloster seines Landes in seinem Testament.5 Auch hier ergeben sich Anknüpfungspunkte zur Kirchenpolitik Wilhelms III., der 1452 observante Franziskaner in Weimar und Salza angesiedelt hatte.6 Während die Annaberger Gründung angesichts des kirchlichen Bedarfs der boomenden Bergstadt geradezu als gesellschaftspolitische Notwendigkeit erscheint, ist die Einrichtung eines Klosters auf dem Königstein im Jahre 1516 primär als Ausdruck fürstlicher Devotion zu werten. Ganz in Sinne der mittelalterlicher Stiftungsidee wollte Georg die Gründung des ersten Cölestinerkonvents in Sachsen als gutes Werk verstanden wissen, das ihm und seiner Familie zum Seelenheil gereichen sollte.7 Als Patrozinium legte er das »Lob der Wunder Marien« fest und verband damit den Wunsch, die Mönche sollten »Got den almechtigen zcu ewigen zceiten sampt seyner gbenedeyten mutter ewiglich loben und sunderlich Got dangsagen, der grossen gnad, so mit er sein gbenedeit mutter vor allen creatur.[en] g.[e]eret in den wunderwerken, dy durch ir for bit teglich bey uns und allen armen sundern gschen«.8 In der Finanzierung seiner Stiftung ging Herzog Georg neue Wege. Anstatt dem Konvent Besitz zu übertragen, verschrieb er ihm eine Jahrrente von 200 Rh. fl. aus dem Amt Pirna. Die Mönche sollten so dauerhaft aus der landesherrlichen Kasse alimentiert werden, womit sie freilich auch stärker als sonst üblich landesherrlicher Kontrolle unterlagen.9 Die Grundsteinlegung für den Klosterbau nahm der Fürst zusammen mit seinen beiden Söhnen am 2. Oktober (?) 1516 vor.10 Ein Bauauftrag an den Meister Markus von Pirna vom 6. Oktober 5

Vgl. ABKG, Bd. 1, XXX–XXXII. Siehe auch S. 357–366. Vgl. ABKG, Bd. 1, XXVI mit Anm. 1; Schulze, Fürsten, 86, Anm. 163. 7 »Bekennen das wir zcu merung Gotcz ere und lob mit wol bdochtem mut zceitlicher btrachtung unsser vorfar, unsser, unser herczliben gmal f.[rauen] B.[arbara] etc. und unser erben noch kommen heil und selikeit zcu erwerben uff dem stein dem Konige stein ein baustat eins klosters, wy daß breint ist, den wirdigen vettern dy man nent Celestiner zcum Obogen und irem orden geeyge[nt] und gegeben haben«. Urkunde Herzog Georgs über die Stiftung des Klosters Königstein [vor dem 29. September 1516], eigenhändiges Konzept, Loc. 8941/28, Bl. 2 f. 8 Ebd. 9 Vgl. ebd. sowie Brief Herzog Georgs an [Georg von Karlowitz,] den Landvogt zu Pirna, Pirna, 25. September 1516, ebd., Bl. 5, gedruckt: ABKG, Bd. 1, 577, Anm. 1. Die Verschreibung enthielt einen landesherrlichen Vorbehalt, nach dem ihm die Umwandlung der Jahrrente in einen wiederverkäufl ichen Zins mit einer Hauptsumme von 4000 Rh. fl. (= 200 fl. Zins bei 5% p.a.) möglich sein sollte. 10 So der Bericht des »Pirnischen Mönchs« Johannes Lindner. Vgl. Lindner, Sp. 1473. Anstatt der dort gegebenen, so nicht auflösbaren Datierung »1516 Dornstags Cosme und Damiani« wird hier der 2. Oktober (= Donnerstag nach Cosme et Damiani) angenommen. 6

VIII. Regularklerus

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belegt, daß dabei vorhandene Gebäude miteinbezogen wurden.11 Die militärische Nutzung der Grenzfeste behielt sich Georg natürlich vor, doch sollten in Friedenszeiten die Cölestiner selbst die Schlüssel zur den Toren der Festung verwahren.12 Die mit Mönchen vom Oybin bei Zittau besetzte Stiftung bestand jedoch nur wenige Jahre. Der Prior und mehrere Mönche wurden trotz persönlicher Überzeugungsversuche Herzog Georgs schon 1523 evangelisch und verließen das Kloster.13 Nachdem die verbliebenen Brüder zum Oybin zurückgeschickt worden waren, hob Georg das Kloster auf und nutzte den Stiftungsbesitz statt dessen zur Ausstattung des Dresdner Jakobshospitals, wo er noch bis ins 19. Jahrhundert der Armenpflege zugute kam.14

2. Klosterherrschaft und Kirchenregiment Wie die Klöster am Ende des Mittelalters dem Prozeß der Territorialisierung unterworfen und in das landesherrliche Kirchenregiment eingebunden wurden, hat zuletzt Dieter Stievermann am Beispiel Württembergs gezeigt. Die im Rechtsinstitut der Vogtei angelegte weltliche Herrschaft über Klöster wird schon lange als ein wichtiger Baustein der Landesherrschaft angesehen.15 Dabei ging es den Landesherrn nicht zuletzt um die Nutzbarmachung der finanziellen und personellen Ressourcen der großen, begüterten Abteien für den entstehenden Territorialstaat. Mancher Fürst behandelte das Klostergut bereits als »Kammergut im weiteren Sinne«.16 In Sachsen waren die Verhältnisse kaum anders, wobei Georgs Klosterpolitik in vielen Bereichen auf die Leistungen seiner Vorgänger auf bauen konnte. Bereits im 14. Jahrhundert abgeschlossen war die herrschaftliche Einbindung aller Klöster und Komtureien in das entstehende Territorium, die im Landtagsbesuch, in der Verpfl ichtung zur Stellung von Heerwagen sowie in der Besteuerung der Klosteruntertanen ihren Ausdruck fand. Damit einher ging die Einführung einer landesherrlichen Aufsicht über die Klostergüter, die sich auf alte Vogteirechte der Wettiner an einigen Klöstern berief, im nivellierenden Zugriff der Landesherrschaft jedoch bald unterschiedslos auf alle Klöster ausgedehnt wurde. Sie umfaßte Maßnahmen wie die Verpfl ichtung der Klöster zur Rechnungslegung und die Bindung aller Besitzveränderungen an landesherrliche 11 Bauauftrag des Georg von Carlowitz, Landvogt von Pirna, im Namen Herzog Georgs, [Pirna] 6. Oktober 1516, Loc. 8941/28, Bl. 4. 12 Urkunde Herzog Georgs, 1516 (wie Anm. 7), Bl. 2. 13 Siehe S. 521–527. 14 Vgl. Butte, 205 f. 15 Vgl. Stievermann, Landesherrschaft; Werminghoff, 89. Siehe auch S. 57 f. 16 So die Einschätzung von Otto Brunner, hier zitiert nach Rankl, 223. – Zur Klosterpolitik in anderen Territorien siehe S. 57 f. und die dort zitierte Literatur.

254 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) Genehmigung. Wirtschaftlichem Niedergang, der Mißwirtschaft, aber auch den Schwankungen der Agrarkonjunktur geschuldet sein konnte, versuchten die Fürsten mit dem Einsatz weltlicher Klosterverwalter zu begegnen.17 In herrschaftlicher und wirtschaftlicher Hinsicht waren die Klöster also schon vor der Reformation der Kontrolle der weltlichen Obrigkeit unterworfen. Die Missivenbücher aus Georgs Kanzlei belegen, daß die Konvente ihrerseits von Schutz und Schirm des Landesherrn profitierten, etwa bei der Wahrnehmung ihrer Besitzrechte.18 Landesherrliche Schenkungen, oft Baumaterialien, unterstützten sie materiell. Auf der anderen Seite wurden die Klöster neben Steuer und Folge auch zu Gastung und Fuhrdiensten herangezogen.19 Aus dem Anspruch auf Schirm- oder Schutzherrschaft20 über alle Klöster ihres Landes leiteten die Wettiner auch ein Mitwirkungsrecht an der Besetzung der Klosterleitung ab. Bei den Männerklöstern war die Bestätigung der Abtswahl durch den Landesherrn üblich. Noch weiter ging der Fürst im Zuge von Visitationen, wo oft ein Wechsel in der Klosterregierung erzwungen wurde. Bei den Frauenklöstern maßte sich Herzog Georg regelmäßig das Besetzungsrecht für den geistlichen Propst oder den weltlichen Vorsteher an, der den Nonnenkonvent gegenüber der Laienwelt vertrat.21 Routinemäßig beauftragte Ge17 Für Sachsen vgl. Helbig, Ständestaat, 367–374 (dort die Einbindung in das Territorium als Durchsetzung einer landesherrlichen »Schutz- oder Schirmvogtei«); Mikat, 299–301; Kirn, 89–106; Schulze, Fürsten, 104–111; eine Zusammenstellung der landtagsfähigen Klöster bei Goerlitz, 560–562. 18 So z. B. 1494 im Streit zwischen dem Nonnenkloster und dem Stadtrat zu Großenhain um eine Zinszahlung aus Unschlitt. Vgl. Briefe Herzog Georgs an den Stadtrat, an den Geleitsmann, und an die Priorin des Nonnenklosters sowie den Pfarrer zu Großenhain, o.O., 11./16. Dezember 1494, Cop. 105, Bl. 56b, 59a. 19 Vgl. Kirn, 89–106. – Herzog Georg schenkte z. B. 1508 dem Leipziger Paulinerkloster 60 Stämme Holz. Vgl. Brief Herzog Georgs an den Förster zu Rochlitz, [Leipzig] 25. Oktober 1508, Cop. 110, Bl. 16b. – Fuhrleistungen mußten nicht nur die Klöster, sondern auch Städte und die Edelleute erbringen. Vgl. z. B. eine Aufforderung zur Bereitstellung von Wagen für Weinfuhren von Weißensee bzw. Kunitz (im Saaletal bei Jena) nach Leipzig im Herbst 1503, die neben den Städten Salza und Thamsbrück an die Klöster Homburg, Volkenroda, Sittichenbach, Langendorf, Beuditz, Pforte, Weißenfels, Porstendorf, die Komturen Griefstedt, Welsbach, Nägelstedt, Weißensee und Zwätzen sowie die Klosterhöfe zu Porstendorf und Reißen erging. Vgl. Briefe Herzog Georgs an die genannten Empfänger, [Dresden] 13. November 1503, Cop. 109, Bl. 62. 20 Zum Ausdruck kommt diese in Formeln wie »uns als schotzhern und landes fursten«, mit der Georg 1516 sein Recht zur zeitweiligen Sequestration der Güter des Klosters Pforte begründete (Instruktion Herzog Georgs, 1516 [wie Anm. 61]). Die Schirm- oder Schutzherrschaft ist im Einzelfall nicht immer mit konkreten Vogteirechten in Verbindung zu bringen – wie sie die Wettiner gegenüber Pforte nie besaßen – sondern repräsentiert bereits die Verallgemeinerung herrschaftlicher Einzelrechte zur Landesherrschaft über alle Klöster des Territoriums. Neben den einzelnen Klostervogteien wird in der Literatur auch eine Übernahme der königlichen Advocatia ecclesiae als Quelle dieses landesherrlichen Anspruchs diskutiert, doch fehlen dafür in Sachsen jegliche Belege. Vgl. Schulze, Fürsten, 139–142; Stievermann, Landesherrschaft, 15–29. Siehe auch S. 429–438. 21 Vgl. Gess, Klostervisitationen, 4–13. In dieselbe Richtung ging die Politik Friedrichs

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org 1495 den Weißenfelser Amtmann Hans von Werthern, einen gewissen Franz Neurer zu prüfen, der beim Fürsten um das Amt des Vorstehers im dortigen Klarissenklosters nachgesucht hatte. Sollte der Petent dem Amtmann tüchtig erscheinen, sei er zu bestallen. Acht Jahre später erging an den Amtmann dann der Befehl, »mit dem vorsteher des juncfrauenklosters daselbst zu vorschaffen, von seinem amt abzustehen«, weil Georg dem Provinzialminister der Franziskaner als zuständigem geistlichen Visitator im Zuge einer Reform des Kloster gestattet hatte, einen neuen Vorsteher auszuwählen.22 Die Besetzung des Propstamtes (und die Rechnungslegung der Pröpste beim Landesherrn) gehörten übrigens zu den Elementen des Kirchenregiments, die der streitbare Bischof Johann VI. vom Landesherrn zurückforderte, freilich ohne sich damit durchsetzen zu können.23

3. Reformstrategien: Die Unterstützung der Observanz in den Bettelorden Die Wiederherstellung der Klosterdisziplin war das große Thema der Kirchenreform des 15. Jahrhunderts. Im Reich spielten die weltlichen Obrigkeiten bei der Durchsetzung der Klosterreformen eine entscheidende Rolle, wobei das landesherrliche Engagement primär religiös motiviert war. Die Bemühungen zeitigten nachhaltige Erfolge: »An der Wende zum 16. Jahrhundert lag überall das gleiche Ergebnis vor: Die Klöster waren reformiert und standen unter dem Einfluß der weltlichen Gewalt«.24 Die Wettiner betrieben die Klosterreform mit Hilfe zweier weitverbreiteter Strategien: sie unterstützten die Observanz in den Bettelorden und sie bemühten sich landesweit um die Visitation der Klöster.25 Daran hatte sich seit den Tagen Wilhelms III. wenig geändert und noch das Peraudi-Programm – jener überbordende Wunschzettel, den der junge Herzog Georg Anfang 1503 dem greisen, welterfahrenen Kardinal aus Frankreich präsentierte – konzentriert sich im Abschnitt zur Klosterreform auf diese beiden Punkte. In seiner Reformbegeisterung schoß der junge Albertiner auch hier weit über das Erreichbare hinaus: Die Überführung aller sächsischen Franziskaner in die Observanz sowie das uneingeschränkte Visitationsrecht für den Landesherrn selbst waren seine unbescheidenen Forderungen.26 Die Reaktion der Kurie auf seine Bitten blieb so realistisch des Weisen. Vgl. Kirn, 96–99. – Wo die Nonnen, wie 1495 in Langendorf, ihren Propst noch selbst wählten, baten sie den Landesherrn um Bestätigung. Vgl. ABKG, Bd. 1, XLVIII. 22 Vgl. Brief Herzog Georgs an Hans von Werthern, Amtmann zu Weißenfels, o.O., 10. April 1495, Cop. 105, Bl. 133b ; Brief dess. an dens., o.O., 23. Mai 1503, ABKG, Bd. 1, XXXIV, Anm. 2. 23 Vgl. ABKG, Bd. 1, L-LII; Gess, Klostervisitationen, 9 f. Siehe auch S. 193–204. 24 Neidiger, Erzbischöfe, 74. – Siehe S. 72 f. 25 Siehe S. 72 f. 26 »Item das m. g. h. alle clöster inn s. g. land zu reformieren hab unnd inn besser wesen

256 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) wie ernüchternd. Lediglich ein Visitationsprivileg, das der Legat kanonisch korrekt für die Bischöfe von Meißen, Merseburg und Naumburg ausstellte, erlangte der junge Wettiner und damit nicht mehr als eine Festigung dessen, was Vater und Onkel 1485 vom Papst erwirkt hatten.27 Die politische Großwetterlage, in der sich landesherrliche Klosterpolitik Anfang des 16. Jahrhunderts bewegen konnte, war damit immerhin geklärt. Aus Rom war, anders als noch in den Jahrzehnten zuvor, entscheidende Unterstützung nicht mehr zu erwarten, die kirchenrechtlich unbedenklichen Privilegien waren längst erteilt. Die Klosterreform hing damit einmal mehr von der territorialpolitischen Durchsetzungskraft des Landesherrn ab und mußte sich dabei auf das Tagesgeschäft konzentrieren. Die Wettiner des 15. Jahrhunderts, allen voran Wilhelm III., hatten die Führer der Observanz nicht nur auf dem diplomatischen Parkett protegiert, sondern ihnen vor allem auf administrativem Wege zum Erfolg verholfen: Auf Bitten der Vikare zwangen sie einen Konvent nach dem anderen zur Übernahme der Observanz und verteidigten diese selbst gegen den zeitweiligen Widerstand der römischen Ordensleitung.28 Als Georg 1488 die Regentschaft übernahm, war dieser Prozeß bei den Dominikanern und den Augustinereremiten zum Abschluß gekommen. Die albertinischen Predigermönche zu Leipzig, Freiberg und Pirna waren ebenso wie die Augustinereremiten zu Sangerhausen, Langensalza, Waldheim und Altendresden vollständig für die Observanz gewonnen und das hieß in der Perspektive der Landesherren: erfolgreich reformiert.29 Anders sah es hingegen bei den Franziskanern aus, wo nur die Klöster zu Langensalza und Chemnitz dem Vikar unterstanden – beide waren im 15. Jahrhundert als observante Konvente gegründet worden – während die Mönche in den traditionsreicheren Niederlassungen Leipzig, Dresden, Freiberg, Meißen, Oschatz und Sagan weiterhin nach konventualer Regelauslegung lebten. Zudem waren die Fronten bei den Franziskanern weniger eindeutig, seit sich 1430 innerhalb der Konventualen die Reformpartei der Martinianer gebildet hatte, zustellen, auch die canonicos regulares in heremitas sancti Augustini, und die clöster, die under dem minister sein [= Franziskanerkonventualen], under den vicarien mögenn gestelt werden«. Forderungskatalog Herzog Georgs an den Papst als mündlicher Vortrag bei Kardinallegat Raimund Peraudi [Anfang Januar 1503], Gess, Klostervisitationen, 46 f., ebenso: ABKG, Bd. 1, XXXIII, Anm. 1. – Felician Gess hat es vermieden, die etwas dunkle Passage über die Augustiner zu deuten. Da bereits alle Augustinereremiten im albertinischen Sachsen der von Vikar Andreas Proles geführten Observanz angehörten (vgl. ABKG, Bd. 1, XXIV), würde die Forderung, sie »under den vicarien« zu stellen, keinen Sinn ergeben. Ist die Passage vielmehr, wie jüngst Enno Bünz vorgeschlagen hat, so zu verstehen, daß alle AugustinerChorherrenstifte (St. Thomas in Leipzig, St. Afra in Meißen, St. Peter auf dem Lauterberg bei Halle) in (observante) Eremitenklöster überführt werden sollten? Dies wäre allerdings ein letzter großer Coup für den alternden Proles gewesen, dessen gute Kontakte zu Georg bekannt sind (siehe S. 82–88). Vgl. Bünz/Volkmar, Kirchenregiment, 104. 27 Vgl. ABKG, Bd. 1, XXXVII; Siehe S. 72 f. 28 Siehe S. 72 f. 29 Vgl. ABKG, Bd. 1, XXII–XXIV.

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deren strengere Konstitutionen immerhin auf Johannes Capistrano zurückgingen. Zu ihnen bekannte sich namentlich der Leipziger Konvent.30 Ganz im Sinne seiner Vorgänger ging der junge Herzog Georg in den ersten Jahren seiner Herrschaft schwungvoll an die Stärkung der Franziskanerobservanz. So gründete er 1501, wie oben erwähnt, in Annaberg ein neues Observantenkloster – übrigens das einzige Kloster in der bald zur größten Stadt Sachsens avancierenden Bergbaumetropole. Schon 1498 hatte wiederum Papst Alexander VI. in Annahme einer noch im Namen Herzog Albrechts gestellten Supplik verfügt, das Kloster »dicti ordinis [Fratrum Minorum] conventualium sive Martinianorum nuncupatorum opidi Lipczik« in die Observanz zu überführen.31 Anders als seine Vorgänger konnte Georg also mit ausdrücklicher päpstlicher Genehmigung handeln, als er im selben Jahr dem Vikar der Observanten das Leipziger Kloster übergab. Trotz der päpstlichen Legitimation verlief die Umwandlung jedoch alles andere als reibungslos. Ähnlich wie in Marburg, wo der hessische Landgraf zur gleichen Zeit (1495–1499) ebenfalls ein Franziskanerkloster der Observanz zuzuführen versuchte,32 wehrte sich ein Teil der Mönche gegen die landesherrliche Maßnahme. Die vor der Observanz geflüchteten Konventualen nahmen gleich an mehreren Fronten den Kampf auf. Blieb die Klage, die sie an der Kurie einreichten, noch im Rahmen des kirchenrechtlich üblichen (so verfuhren auch ihre Marburger Schicksalsgenossen), so mutet ihre zweite Abwehrstrategie wohl nicht nur aus heutiger Sicht irritierend an: Im Stile weltlicher Schmäh- oder Schandbriefe veröffentlichten sie ein Pamphlet in der Stadt, in dem sie den Observanten die Bestechung des Landesherrn vorwarfen und die Leipziger Bürger zum Eingreifen aufforderten.33 Sollten sie nicht in ihr Kloster zurückkehren können, so drohten die Mönche, würden sie die Stadt anzünden! In der Sicht des Landesherrn war die wenig fromme Reaktion der Martinianer jedoch nur ein weiterer Beweis für die Notwendigkeit der Klosterreform. Energisch verteidigte er seine Maßnahme beim Papst und beim Provinzialminister der Konventualen ebenso wie gegenüber der Leipziger Bürgerschaft – nur der Prozeß an der Kurie zog sich noch Jahre hin.34 In der Reformationszeit sollte der reformierte Leipziger Konvent zu den Stützen der altgläubigen Partei in Leipzig zählen.35 30 Vgl. ebd., XXVI–XXIX. Die Bezeichnung »Martinianer« leitet sich von Papst Martin V. her, der die Konstitutionen als Versuch eines Kompromisses zwischen Observanten und Konventualen im Jahre 1430 promulgierte. Vgl. Schulze, Fürsten, 179. 31 Bulle Papst Alexanders VI., Rom, 28. April 1498, CDS, II, Bd. 10, 269–272. 32 Vgl. Schilling, Klöster und Mönche, 113–115. 33 Zum Kontext vgl. Lentz, Rechtsstreit, sowie jetzt: ders., Konfl ikt. 34 Siehe S. 414–419 und vgl. Volkmar, Druckkunst. Vgl. die Quellenstücke in CDS, II, Bd. 10, 269–312; vgl. auch ABKG, Bd. 1, XXIX f.; Schulze, Fürsten, 148–154. – Noch 1503 war der Prozeß anhängig. Vgl. Brief Herzog Georgs an das Gemeine Kapitel des Franziskanerordens zu Cottbus versammelt, o.O., 23. Mai 1503, Cop. 108, Bl. 274b. 35 Vgl. Smolinsky, Alveldt und Emser, 343, 416 f.

258 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) Georgs im Peraudi-Programm erhobene Forderung nach Übergabe aller albertinischen Franziskanerkonvente in die Obhut des Vikars entstand also vor dem unmittelbaren Eindruck der Leipziger Ereignisse. Doch erreichte der Albertiner keine weiteren Zugeständnisse von der Kurie. Die Hindernisse, auf die der junge Herzog bei der Fortsetzung der Reformpolitik des 15. Jahrhunderts stieß, blieben nicht ohne Wirkung. Nach 1503 unternahm Georg keine Versuche mehr, weitere Konvente der Observanz zuzuführen. Vielmehr kam es in den folgenden Jahren auch zu einer gewissen Zusammenarbeit mit den Provinzialministern der Konventualen, etwa bei der Visitation und Reform der Klarissenklöster Seußlitz und Weißenfels.36 Georgs moderatere Haltung zeigt aber auch sein Gespür für aktuelle Tendenzen in der Reformdiskussion. Denn führende Vertreter der Bettelorden versuchten zu Beginn des 16. Jahrhunderts, neue Wege zu beschreiten. Eine (Re-) Union der verfeindeten Parteien unter dem Vorzeichen strengerer Regelbeachtung sollte der Reform neue Impulse zu verleihen. Im mitteldeutschen Raum standen der observante Augustinervikar Johannes von Staupitz und der konventuale franziskanische Provinzialminister Ludwig Henning an der Spitze dieser Bewegung. Erneut suchten und fanden die Reformer dabei die Unterstützung der Landesherrschaft. So setzte sich Friedrich der Weise auf Bitten Hennings für das franziskanische Unionsprojekt ein und ließ im Jahre 1511 zwei berühmte Wittenberger Professoren, den Juristen Christoph Scheurl und wiederum Staupitz, auf dem Kapitel der Franziskanerprovinz in Berlin für die Union werben.37 Ausschlaggebend für Friedrichs Engagement war wohl nicht zuletzt das Prinzip landesherrlicher Protektion, das hier den Protagonisten der Unionsbewegung zu gute kam (neben Staupitz auch Henning, einem Magister der Wittenberger theologischen Fakultät) und das später für Luthers Position in Wittenberg so wichtig werden sollte.38 Aber auch an Herzog Georg traten die Reformer heran. Der Vikar Staupitz, der mit seinen (letztlich gescheiterten) Unionsplänen den Widerstand der eigenen Observanz herauf beschworen hatte, bat Georg 1510 um Unterstützung gegen die zu den Unionsgegner zählenden Observanten von Sangerhausen. Der Fürst wies seinen Amtmann an, dem Konvent das Mißfallen des Landesherrn zu vermitteln und die Kleinodien des Klosters zu inventarisieren – um zu verhindern, daß diese zur Finanzierung eines kirchlichen Prozesses gegen Staupitz zweckentfremdet würden. Die Argumentation Georgs erweckt jedoch nicht den Eindruck, als ob sich dieser mit dem Für und Wider der Unionsfrage näher auseinandergesetzt hätte. Denn das durchaus nachvollziehbare Mißtrauen der Sangerhäuser gegen ein Zusammengehen mit den Konventualen reduziert sich 36 Vgl. ABKG, Bd. 1, XXVIII, Anm. 1 und XXXIV, Anm. 2, mit Belegen aus den Jahren 1503–1516. 37 Vgl. Schulze, Fürsten, 154–191. 38 Vgl. Schulze, Fürsten, 179.

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in seiner Sicht auf einen verwerfl ichen Akt des Widerstandes gegen ihren Ordensoberen Staupitz.39 Hier wird der patriarchalische Geist der Reformpolitik Georgs spürbar. Auch die Gespräche um eine Union der Franziskaner, die 1511 auf Initiative des Bischofs von Naumburg stattfanden, unterstützte Herzog Georg durch Entsendung von Räten.40 Dennoch hat es nicht den Anschein, als ob die albertinische Landesherrschaft die Union zu ihrer eigenen Reformagenda gemacht hätte. Die Reform der Bettelorden – schon im 15. Jahrhundert weitgehend verwirklicht – stand in der Vorreformation letztlich nicht mehr im Zentrum landesherrlicher Kirchenpolitik.

4. Reformstrategien: Landesherrliche Klostervisitationen Ein zentrales Ergebnis der wettinischen Klosterpolitik des 15. Jahrhunderts war die Praxis der landesherrlichen Visitation. Daß der Papst dem Landesherrn das nominelle Recht hierzu versagt, es lediglich indirekt über die Beauftragung der Landesbischöfe gewährt hatte, war im Alltag ohne Belang. Keine kirchliche Institution in Sachsen vermochte dem Fürsten die Visitation zu verwehren und kein Bischof oder Prälat konnte sich der landesherrlichen Aufforderung, eine Visitationskommission zu beschicken, dauerhaft entziehen.41 Anders als in den 1530er Jahren unternahm Herzog Georg in der vorreformatorischen Zeit keine planmäßigen Visitationskampagnen.42 Visitation war vielmehr ein situativ gebrauchtes Instrument, wo immer der Landesherr von der konkreten Notwendigkeit einer Reform überzeugt war. Es ist bezeichnend für die selbstbewußte Klosterpolitik der Wettiner, daß Herzog Georg dabei von den außerordentlichen päpstlichen Visitationsprivilegien für die Landesbischöfe gar keinen Gebrauch machte. Vielmehr wählte er Fall für Fall den geistlichen Partner für die Visitation aus, wobei er in der Regel jene Prälaten ansprach, denen das kirchliche Visitationsrecht über den in Frage stehenden Konvent zukam. Das übliche Verfahren gestaltete sich derart, daß der Landesherr die Geistlichen von den Mißständen in einem Kloster und der daraus resultierenden Visitationsabsicht in Kenntnis setzte und sie aufforderte, zu einem bestimmten Termin zusammen mit seinen Räten die Visitation vorzunehmen. In der Regel 39 Vgl. Brief Herzog Georgs an den Amtmann von Sangerhausen, o.O., 28. Oktober 1510, ABKG, Bd. 1, XXV, Anm. 2. 40 Vgl. Brief Herzog Georgs an Bischof Johannes III. von Naumburg, o.O., 18. August 1511, ABKG, Bd. 1, XXXV, Anm. 1. 41 Den größten Widerstand brachte wiederum Bischof Johann VI. Herzog Georg entgegen. Einer 1503 ausgesprochenen Aufforderung zur Visitation des Nonnenklosters Mühlberg verweigerte er sich, wobei vielleicht das umstrittene Besetzungsrecht für das dortige Propstamt im Hintergrund stand. 1511 verpfl ichtete ihn der Leipziger Schied, bei der Klostervisitation mit Herzog Georg zusammenzuarbeiten. Vgl. ABKG, Bd. 1, L–LII. 42 Zu den Visitationen von 1535–1539 vgl. Gess, Klostervisitationen.

260 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) handelte es sich bei den landesherrlichen Vertretern um weltliche Räte, häufig um Amtleute aus der näheren Umgebung des Klosters. So wurden die Landesbischöfe nicht generell, sondern vor allem zur Visitation der ihnen ohnehin unterstellten nicht-exemten Nonnenklöster herangezogen, von denen viele nach der Benediktiner- oder Zisterzienserregel lebten, aber keinem Ordensverband angehörten.43 Bewußt aber verzichtete Georg auf die Nutzung der außerordentlichen Privilegien, so im Falle des thüringischen Benediktinerklosters Homburg im Jahre 1509. Gerade hier hätten die päpstlichen Vollmachten von 1485 bzw. 1503 eine Visitation durch die sächsischen Bischöfe erlaubt, weil sie sich, wenngleich Homburg zur Erzdiözese Mainz gehörte, auf das gesamte albertinische Territorium erstreckten. Georg aber zog es vor, zwei andere Instanzen einzuschalten, den regulär zuständigen Erzbischof von Mainz und ein gerade in Erfurt tagendes Kapitel der Benediktiner. Letztlich entschied Georg selbst über die Zusammensetzung der Visitationskommission, zu der er drei Äbte der Bursfelder Kongregation (Bursfelde, Reinhardsbrunn und Oldisleben) sowie die Amtleute von Sachsenburg und Langensalza berief.44 Auch zur Visitation der Zisterzienserklöster Dobrilugk (1502/03) und Pforte (1516) berief der Fürst Äbte des Ordens, von denen er meinte, daß sie die nach Ordensverfassung zuständigen Visitatoren seien.45 Georg behandelte demnach die Visitation als landesherrliches Recht, wie es schon bei Ernst und Albrecht 1483 anklingt und auch in Württemberg zu beobachten ist.46 Da er im Stande war, die zuständigen kirchlichen Visitatoren zur Zusammenarbeit zu bewegen, brauchte er sich dabei nicht auf päpstliche Sonderrechte zu stützen. Ein dezidiert anderes Vorgehen läßt sich in Bayern beobachten, wo der Landesherr die Visitation mittels päpstlicher Privilegierung in die Hände ihm nahestehender Prälaten legte.47 Über den Verlauf der Visitationen geben die Berichte Auskunft, die die Visitatoren beim Landesherrn ablieferten. Georg kontrollierte so den Erfolg der Besuche. Wo er nicht zufrieden war, wie 1516 im Falle des Zisterzienserklosters Pforte, forderte er energisch eine Wiederholung ein. Wie im Falle Pfortes waren es oft personelle Konsequenzen an der Spitze der Konvente, an denen Georg den Reformerfolg maß. Weltliche Druckmittel wie die Verzeichnung der Klo43 So z. B. 1502 die Nonnenklöster St. Georg zu Leipzig und Mühlberg/Elbe, zu deren Visitation Herzog Georg die Diözesanbischöfe von Merseburg bzw. Meißen heranzog, wobei sich Bischof Johann VI. wegen seines Konfl iktes mit Herzog Georg der Anfrage mehrere Jahre verweigerte. Vgl. ABKG, Bd. 1, XLVIII–L. 44 Vgl. ebd., XXXVI–XXXIX. 45 Vgl. ebd., XL–XLIV. Den Abt von Lehnin in Brandenburg forderte Georg zur Visitation in Dobrilugk an, »so er denn der oberster visitator bemeltes closters ist«. Brief Herzog Georgs an den Abt des Zisterzienserklosters Lehnin, o.O., 21. Januar 1503, ebd., XLIV, Anm. 1. 46 Siehe S. 72 f.; vgl. Stievermann, Landesherrschaft, 33. 47 Vgl. Rankl, 189–194.

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sterkleinodien oder die Drohung mit Sequestration der Klostergüter (als Variante der Temporaliensperre) verliehen seiner Position Nachdruck.48 Zum landesherrlichen Eingreifen gehörte auch die Absicherung der Reformergebnisse, etwa durch den Schutz der Konvente vor den Forderungen abgesetzter Äbte.49 Wie der Erfolg der landesherrlichen Klostervisitationen zu bewerten ist, hängt entscheidend vom angelegten Maßstab ab. Die endgültige Abstellung aller Mißstände konnten sie kaum erreichen und Georg selbst hat 1538 den Sinn geistlicher Klostervisitationen in Frage gestellt. Freilich war dies eine gezielte Polemik im Kontext harter Verhandlungen mit der Geistlichkeit und keine grundsätzliche Infragestellung der Visitation als Reforminstrument.50 Hat der Albertiner doch gerade in seinen letzten Lebensjahren mit rein weltlich besetzten Visitationskommissionen die Klöster flächendeckend visitieren lassen. Auch das verhältnismäßig intakte Überleben des albertinischen Klosterwesens in den Sturmjahren der Reformation könnte als Indiz für Reformerfolge gewertet werden.51 Dieter Stievermann plädiert am württembergischen Beispiel noch für eine ganz andere Perspektive: »Nicht die Frage, ob die Reform erfolgreich oder erfolglos war, kann als Prüfstein für die Intensität landesherrlicher Kirchenherrschaft gelten – Effektivität und Dauer waren hier zweifellos so unvollkommen wie alle ältere staatliche Tätigkeit. Das entscheidende Faktum ist, daß diese umfassenden Reformen durchgeführt worden sind – und zwar auf landesherrliche Intiative«.52 Nach dieser Lesart rückt in den Mittelpunkt, daß die Landesherrschaft die Reform des Klosterwesens als ihre Aufgabe begriff, und dies war im Sachsen Herzog Georgs zweifellos regelmäßig der Fall. Fragt man schließlich noch einmal pointiert nach den Zielen der landesherrlichen Reform via Visitation, so überrascht zunächst, in welchem Maße Stereotype die landesherrliche Argumentation bestimmen. Genauso allgemein wie die Problemanalyse im Stile von: »ist gemelt closter [. . .] in ungedeyen, auch in abnemen gotsdinsts, gefallen«,53 nimmt sich Georgs Auftrag an die Visitatoren aus: »das gemelt closter in ein ander und widerumb in gute reformacion zu bringen und, was args ader bosss befunden wurde, abzutun«.54 Wo überhaupt eine konkrete Ursache für den Reformbedarf genannt wird, ist es die »unor48

Vgl. ABKG, Bd. 1, XL–XLIV. So im Falle des abgesetzten Abtes im Benediktinerkloster Homburg 1510/12. Vgl. ABKG, Bd. 1, XXXIX, Anm. 1. 50 Vgl. Bericht über die Verhandlungen mit der Geistlichkeit auf dem Tag zu Leipzig, 29. Juli 1538, ABKG, Ms. Werl, Nr. 4080, 4082, teilediert: Reinhard, Meditationes, 126 f.; vgl. auch Gess, Klostervisitationen, 25 f.; Schulze, Fürsten, 137 f. Zum Kontext vgl. Cardauns, 114–120; Gess, Klostervisitationen, 41–45. 51 Vgl. ebd., 20 f. Siehe S. 521–527. 52 Stievermann, Landesherrschaft, 293 f. 53 Brief Herzog Georgs an Erzbischof Uriel von Mainz, Dresden, 28. März 1509, ABKG, Bd. 1, XXXVIIII, Anm. 1. 54 Brief Herzog Georgs an den Abt des Zisterzienserklosters Walkenried, o.O., 30. August 1502, ebd., XLIV, Anm. 1. 49

262 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) denlich und bose regirung«55 des Klosters. Konsequenterweise erhebt Georg oft die Forderung nach Absetzung des Abtes.56 Dabei werden dann auch Vorwürfe über die sittlichen Zustände hinter den Klostermauern laut.57 In Problemanalyse und Lösungsstrategien läßt die Klosterreform damit den Tiefgang vermissen, der Georgs Kirchenpolitik in anderen Bereichen auszeichnet. Während zur Laienreform, zum liturgischen Ablauf von Festen und Prozessionen, zu den geistlichen Verpfl ichtungen des Weltklerus detaillierte Ordnungen in der landesherrlichen Kanzlei entstanden, bleibt die landesherrliche Sicht auf das geistliche Leben in den Klöstern schematisch – ein Blick von außen, der keine inhaltlichen Lösungsvorschläge entwickelt. Eine detaillierte Reformordnung, wie sie Bischof Dietrich von Meißen für seine (in wettinischem Auftrag durchgeführte) Visitation von Nonnenklöstern im Jahre 1464 aufstellte,58 sucht man in den Akten Herzog Georgs vergebens. Georgs Reformvorstellungen wiederholen vielmehr nur sehr allgemein die bekannten Ideale der Klosterreform: Strenges Befolgen der Ordensregel und der Austausch inkompetenter Führungsfiguren, gegebenenfalls verbunden mit der wirtschaftlichen Sanierung59 sind die Ziele der landesherrlichen Klosterreform. Von dieser Warte her wird auch die Affi nität der Landesherren zur Observantenbewegung verständlich. Die an der Oberfläche verharrende Perspektive der fürstlichen Klosterreform mag ein Indikator dafür sein, daß das Leben hinter den Klostermauern der Außenwelt nach wie vor weitgehend verborgen blieb, woran das Klausurgebot ebenso Anteil hatte wie das Fehlen systematischer Visitationen.60 Tiefergehende Gründe lassen sich darüber hinaus aber auch aus der Motivation des landesherrlichen Reformengagements ableiten. Denn nicht die Kenntnis des klösterlichen Lebens und auch nicht die innermonastische Reformdiskussion waren der Ausgangspunkt des fürstlichen Eingreifens, sondern die Sorge um die gesellschaftliche Funktion des Mönchtums und das fürstliche Selbstverständnis als »schotz55

Ebd. »[. . .] das vorgemelte voranderunge abegewend, das closter mit eynem tugelichen apte vorsehen und in gut ordenunge bracht, gotsdinst wider erhaben und irhalden werde«. Georg an Uriel von Mainz, 1509 (wie Anm. 53). 57 So im Falle der Zisterze Pforte 1516. Vgl. Brief Herzog Georgs [an die Äbte der Zisterzienserklöster Altzelle, Walkenried, Buch und Sittichenbach, Herbst 1516], ABKG, Bd. 1, XL, Anm. 1. 58 Vgl. Schulze, Fürsten, 131 f. 59 Die Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse war ebenfalls Aufgabe der Visitatoren. Der Vorlage der Klosterrechnungen konnten als Konsequenz Aufl agen zur Wirtschaftführung oder auch die Absetzung eines Propstes oder Verwalters folgen. Durch jede Maßnahme rückte die ehemals autarke Klosterwirtschaft stärker unter die landesherrliche Aufsicht. 60 Der direkte Kontakt mit Mönchen wie jenen aus Sittichenbach, die 1519 unter Bruch des Klausurgebots vor Herzog Georg erschienen, um die Absetzung ihres Abtes zu erbitten, blieb eine Ausnahme. Vgl. Brief Herzog Georgs an Abt Martin von Altzelle, Schellenberg, 31. August 1519, ABKG, Bd. 1, 98–100. 56

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hern und landes fursten« 61 der Klöster. Als Fürbitter für das Land hatten die Klöster entscheidenden Anteil am Wohlergehen des Gemeinwesens, am Gemeinen Nutzen, doch konnten nur intakte Konvente diesen Dienst erfüllen. Schlechte Regierung, Abweichung von der Ordensregel und wirtschaftlicher Verfall bedrohten den Gottesdienst in den Klöstern und damit ihren Beitrag zum Wohl des Landes. Diese externe, auf den gesellschaftlichen Nutzen des Mönchtums gerichtete Motivation war typisch für die landesherrliche Kirchenpolitik überall im Reich.62 Erfolgreiche Führer der Observanz wie Andreas Proles stellten sich auf diese Außenperspektive ein und bedienten gezielt die fürstlichen Interessen.63 Aus religiöser Verpfl ichtung als Schutzherr der Klöster und aus Sorge um den Gemeinen Nutzen also sah sich Herzog Georg in der Pfl icht, die Klosterreform voranzutreiben, wie es die Wettiner seit Generationen getan hatten und es parallel zu Georg Friedrich der Weise betrieb.64 Aus der Außenperspektive aber ergab sich die Beschränkung auf das Ermöglichen der Reform und die Notwendigkeit einer Partnerschaft mit den Reformkräften im Mönchtum. Ihnen durch Unterstützung von außen innerhalb der Klostermauern zum Sieg zu verhelfen war die Strategie der landesherrlichen Reform. Nirgends war Herzog Georg bei der Kirchenreform so sehr auf Partner angewiesen wie hier.

61 Instruktion Herzog Georgs für Dr. Donat Groß, Dr. [Dietrich von] Werthern und Volkmar Koller zur Teilnahme an der Visitation im Kloster Pforte am 16. Oktober 1516, ABKG, Bd. 1, XLI, Anm. 1. 62 Vgl. Walsh, 430; Stievermann, Landesherrschaft, 294 f.; Schilling, Klöster und Mönche 118. 63 Vgl. Weinbrenner, 129 f.; zur theologischen Binnenperspektive der Observanz vgl. ebd., passim. 64 Vgl. Schulze, Fürsten, 58–64, 129 f., 138–142; Weinbrenner, 124–132; Kühn, 11 f. Zu den Klosterreformen der Ernestiner, insbesondere Friedrichs des Weisen vgl. Kirn, 89– 106; Müller, Reformation und Visitation.

IX. Niederklerus Das Netz der Pfarreien war am Ausgang des Mittelalters die wichtigste Schnittstelle zwischen Kirche und Welt. Pfarrer, Vikare und Altaristen repräsentierten für die breite Masse der Bevölkerung die Kirche schlechthin, weil sie durch Gottesdienst und Seelsorge den Kontakt zur Kirche herstellten und den Menschen durch die Spendung der Sakramente den Weg zum individuellen Seelenheil eröffneten. Aus der Sicht der Laien, zu denen ja auch der weltliche Landesherr gehörte, war der Niederklerus damit der zentrale Träger kirchlicher Aufgaben.1 Innerhalb der Geistlichkeit war keine Gruppe so umfangreich und gleichzeitig so sozial differenziert wie der Niederklerus.2 Das eine Extrem markierte der reiche Domherr, der nebenbei die eine oder andere Altarpfründe innehatte. Am anderen Ende stand der arme Leutpriester, der als Vikar die Pfarre des ortsfernen Pfarrherren betreute oder für einen Bruchteil der Pfründeneinkünfte als Vertreter den Meßdienst an einem Altar versah. Die Untersuchung der landesherrlichen Einflußnahme auf den Niederklerus wird drei Hauptfragen verfolgen. Im ersten Teil steht die Besetzungs- und Pfründenpolitik im Mittelpunkt, also die Frage, inwieweit der weltliche Landesherr Einfluß auf Personalentscheidungen und Personalstrukturen nahm. Im zweiten Teil wird nach Kirchenregiment und Kirchenreform und damit nach der unmittelbaren Einflußnahme auf das Funktionieren des Niederklerus gefragt. Schließlich wird im dritten Teil untersucht, wie der Landesherr seine oftmals in direk1 Vgl. Bünz, Der niedere Klerus; ders., Pfarrgeistlichkeit; ders., Kommunikation; Kurze, Klerus; Freitag, Pfarrer; Johanek, Bischof; am Beispiel des Erzbistums Köln: Janssen, Köln, Teil 2, 35–236; am Beispiel Englands: Duffy, 9–154; Kümin; aus der älteren Literatur: Buchner; Künstle; Veit. Eine umfassende Bibliographie zum spätmittelalterlichen Niederklerus befi ndet sich durch Herrn Prof. Dr. Enno Bünz, Leipzig, in Vorbereitung. – Die landes- und kirchengeschichtliche Forschung in Sachsen hat dem Thema des vorreformatorischen Niederklerus bislang kaum Aufmerksamkeit gewidmet. Zwar erkannte schon Rudolf Zieschang die Bedeutung der »Abhängigkeit des Pfarrklerus vom Landesfürsten« für das vorreformatorische Kirchenregiment, konnte aber ein entsprechendes Arbeitsvorhaben nicht mehr verwirklichen. Vgl. Zieschang, 149. 2 Der Forschungsterminus »Niederklerus« wird hier entsprechend der Diskussion durch Enno Bünz als die Gesamtheit des Weltklerus unterhalb der Ebene der Inhaber von Kanonikaten und Dignitäten an Stiften verstanden, wobei letztere pragmatisch einbezogen werden, wenn sie im Besitz von Pfarr- oder Altarbenefi zien waren. Vgl. Bünz, Der niedere Klerus, 12–14.

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tem Widerspruch zum Kirchenrecht stehenden Eingriffe legitimierte. Abschließend werden die Ergebnisse vergleichend in den Forschungsstand zum landesherrlichen Kirchenregiment im Reich eingeordnet und diskutiert.

1. Besetzungs- und Pfründenpolitik a) Strukturelle Rahmenbedingungen: Landesherrliche Patronatsrechte in Sachsen Justus Hashagen hat in seiner bahnbrechenden Zusammenschau über »Staat und Kirche vor der Reformation« das Patronat neben der Klostervogtei als einen Grundpfeiler des landesherrlichen Kirchenregiments bezeichnet.3 Er verweist darauf, daß die Landesherren etwa in Württemberg oder in Jülich-Berg gezielt ihre Patronate zu vermehren suchten, um auf dieser Grundlage ihren Einfluß auf den Niederklerus auszubauen. Im Falle Württembergs konnte der Landesherr im Laufe des 15. Jahrhundert fast 50% aller Patronate an sich bringen. Auch in kleineren Territorien wie der Grafschaft Hohenlohe vereinigten die Landesherren einen beträchtlichen Teil der Patronate in ihrer Hand.4 Doch nicht überall waren die Ausgangsbedingungen ähnlich gut. In der Kurpfalz etwa lag der landesherrliche Anteil an den Patronaten nur bei 9% und auch in Jülich-Berg überstieg diese Quote trotz intensiver Erwerbungspolitik im frühen 16. Jahrhundert nicht die Marke von einem Viertel. Auch im albertinischen Sachsen war die Anzahl der vom Landesherrn zu besetzenden Pfründen begrenzt. Generelle Angaben über seinen Anteil an den Patronatsrechten im Lande liegen bislang jedoch nicht vor. Eine Tendenz deutet sich in Zahlen aus Dresden und Meißen an: Von 45 Altarlehen, die es 1536 in der albertinischen Hauptresidenz gab, verfügte der Landesherr nur bei sieben Benefizien (15,6%) über die Patronatsrechte.5 Am Meißner Dom wurden bei der ersten evangelischen Visitation 1540 55 Vikarien gezählt, von denen der Landesherr 11 Pfründen (20%) besetzen konnte.6 Gestützt wird der Eindruck, daß sich nur eine geringe Zahl der Patronate in landesherrlicher Hand befand, durch den Blick über die innerwettinische Grenze. Für die ernestinischen Landesteile liegen aus der Zeit der ersten lutherischen 3

Vgl. für das Folgende Hashagen, Staat und Kirche, 454–469. Vgl. Stievermann, Landesherrschaft, 150 f.; Neumaier, 35, leider ohne genaue Zahlenangabe: »In der Hand der Grafen war eine Vielzahl von Patronaten, doch vermochten sie einen Anteil von 48%, wie ihn Württemberg innehatte, nicht zu erreichen.« 5 Vgl. Einnahmeverzeichnis der Altarbenefi zien zu Dresden, 24. Februar 1536, Loc. 9837/20, Bl. 1–11. 6 Dies ergibt sich aus der Auswertung des ediert vorliegenden Visitationsprotokolls. Vgl. Loose, Domklerus, 360–365. Ausgenommen wurden dabei die Priesterpfründen in der Fürstenkapelle, die vermutlich sämtlich vom Landesherr besetzt wurden. – Genauere Erkenntnisse sind von der Auswertung der landesherrlichen Präsentationsbücher zu erwarten, die von Herrn Prof. Dr. Enno Bünz, Leipzig, vorbereitet wird. 4

266 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) Kirchenvisitationen Vergleichszahlen vor. Danach lag 1528/29 der Anteil der landesherrlichen Pfarrpatronate in den ernestinischen Teilen der Landschaften Meißen und Vogtland bei knapp 11%, im Altenburger Land bei knapp 10%. Hingegen verteilten sich zwischen 18% (Meißen und Vogtland) und 55% (Altenburger Westkreis) auf geistliche Patrone, während der Anteil adliger Patronate je nach Landschaft zwischen 36% (Altenburger Westkreis) und 71% (Meißen und Vogtland) schwankte.7 Deutlich höher war der Anteil landesherrlicher Patronate im ernestinischen Teil Thüringens. Schon bei der Visitation von 1533 lag er bei 27% und erhöhte sich in Folge der Säkularisationen bis 1554/55 auf 58%.8 Die ernestinischen Zahlen verweisen also einerseits auf starke Unterschiede zwischen den einzelnen Landesteilen, andererseits deuten sie an, daß gerade in der Markgrafschaft Meißen, dem Kernland des albertinischen Sachsen, die Zahl der landesherrlichen Patronate gering war. Ein zweites Faktum ist für den Umgang der Albertiner mit ihren Patronaten ebenso wichtig. Anders als etwa die Württemberger versuchten die Albertiner nicht, die Zahl ihrer Patronatsrechte systematisch auszubauen. Aus der Zeit Herzog Georgs ist kein einziger Fall des Erwerbs eines Patronat durch den Landesherrn bekannt. Im Gegenteil, immer wieder gaben die wettinischen Landesherren Patronatsrechte aus der Hand, um geistliche Institutionen zu unterstützen. Dies läßt sich an einem Beispiel aus der frühen Regierungszeit Herzog Georgs illustrieren: Am 31. Januar 1501 übereignete Herzog Georg dem Kollegiatstift zu Freiberg das Patronatsrecht an der Pfarrkirche zu Dohna und gab zugleich sein Einverständnis zur Inkorporation der Pfarrei in das Stift, wofür – als einer Veränderung der ortskirchlichen Struktur – freilich noch eine bischöfl iche oder päpstliche Erlaubnis einzuholen war.9 Das Beispiel Dohna zeigt 7 Vgl. Arndt, 18. Die absoluten Zahlen betragen für Meißen und Vogtland (ernestinischer Anteil) 87 Pfarreien, davon 83 mit bekanntem Patronat, davon neun landesherrlich, 15 geistlich und 59 adlig; für den Altenburger Ostkreis 73 Pfarreien, davon sieben landesherrlich, 24 geistlich und 42 adlig; für den Altenburger Westkreis 64 Pfarreien, davon sechs landesherrlich, 35 geistlich und 23 adlig. Bemerkenswert erscheint, daß keinerlei Patronate in städtischer Hand erwähnt werden. 8 Vgl. ebd., 17–19. Zu beachten ist, daß die beiden Statistiken zum ernestinischen Thüringen von 1533 bzw. 1554/55 auf unterschiedlichen Datengrundlagen beruhen. So wird für 1533 die Gesamtzahl der Pfarrstellen mit 363 angegeben (landesherrlicher Anteil: 98), für 1554/55 aber ist von 481 Pfarreien und insgesamt 568 geistlichen Lehen die Rede (landesherrlicher Anteil: 331). 9 Urkunde Herzog Georgs für das Kollegiatstift U. L. F. zu Freiberg, o.O., 31. Januar 1501, CDS, II, Bd. 12, 602 f. Vermutlich unterblieb die Inkorporation, jedenfalls griff Herzog Georg im Jahre 1513 in die Neubesetzung der Pfarre nochmals ein (siehe unten in diesem Abschnitt). – Bereits 1493 hatten Kurfürst Friedrich, Herzog Johann d.Ä. und Herzog Albrecht dem Stift das Pfarrpatronat zu Sorau übertragen und Bischof Johann VI. von Meißen die Pfarre dem Stift inkorporiert. Vgl. Urkunde Bischof Johanns VI. von Meißen für das Kollegiatstift U. L. F. zu Freiberg, Stolpen, 15. April 1493, CDS, II, Bd. 12, 567. Auch hier griff Herzog Georg 1503 nochmals zugunsten des Stifts in die Besetzung der Pfarre ein. Siehe unten, Abschnitt d).

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aber auch, daß die Abgabe eines Pfarrpatronats für den Landesherrn eine lohnende Investition sein konnte. Denn die Inkorporation kam mit dem erst 1480 unter wettinischer Beteiligung gegründeten Stift einer Institution zugute, an der Herzog Georg selbst über drei der acht Kanonikate das Präsentationsrecht besaß.10 Sie diente damit der Ausstattung von Benefi zien, die für den Landesherrn ausgesprochen wichtige Ressourcen darstellten, weil die Statuten des Kapitels keine Präsenz der Kanoniker forderten und so beispielsweise Leipziger Professoren mit den Pfründen versorgt werden konnten.11 Außerdem verband Herzog Georg mit der Abgabe des Dohnaer Pfarrpatronats die Pflege der fürstlichen Memoria. Als unmittelbare Gegenleistung verpfl ichtete sich das Kapitel zur wöchentlichen Abhaltung einer Vigilie und einer Seelmesse für die Kapitelstifter Kurfürst Ernst und Herzog Albrecht sowie für alle verstorbenen Mitglieder des Hauses Sachsen.12 Die Option, ein landesherrliches Kirchenregiment um den Nukleus der eigenen Pfarr- und Altarpatronate aufzubauen, waren im albertinischen Sachsen also von vornherein kaum gegeben. Dennoch verdient der Umgang Herzog Georgs mit seinen Patronatsrechten als einer kirchenrechtlich gedeckten Form der Einflußnahme auf den Niederklerus genaue Beachtung. Zunächst sind dazu einige Grundlagen des Patronatsrechts zu klären. Das kanonische Patronatsrecht war infolge des päpstlichen Sieges im Investiturstreit an die Stelle des Eigenkirchenwesens getreten.13 Indem Papst Alexander III. das Patronat zum ius spirituali annexum erklärte, brachte er die zuvor maßgeblich von weltlichen Rechtsvorstellungen geprägte Stiftung von Kirchen in die Zuständigkeit der kirchlichen Rechtssprechung.14 Systematisiert durch die Kanonistik des 12. und 13. Jahrhunderts, beschrieb das Patronat die Rechte und Pfl ichten der Stifter von Benefizien. Nach Gratian lassen sich dabei die Rechte des Patrons in zwei Punkten zusammenfassen: das ius sacerdotem inveniendi (später einfach: ius praesentandi), also das Vorschlagsrecht für die Besetzung der Pfründe, und das ius providendi et consulendi, worunter sich Schutzpfl icht und Sorgerecht für das Vermögen der Pfründe verbergen.15 Der Patron war damit in der Regel derjenige, der über die Besetzung der Pfründe entschied. 10 Zum Kollegiatstift U. L. F. zu Freiberg vgl. CDS, II, Bd. 12, 534–634 (Urkundenbuch); Magirius, Dom zu Freiberg, 25–31; Donath, Kollegiatkapitel, 21–23. 11 Zum Versorgungsaspekt von Kanonikaten siehe S. 214–220. 12 Urkunde Georgs, 1501 (wie Anm. 9). – Wenige Monate später verbesserte Herzog Georg die Ausstattung dieser Memorie noch durch die Übergabe des Hospitals zu Dohna an das Stift. Vgl. Urkunde Herzog Georgs für das Kollegiatstift U. L. F. zu Freiberg, 30. Oktober 1501, CDS, II, Bd. 12, 605. 13 Vgl. für das Folgende Hinschius, Bd. 2, 38–46, 628–639; Landau, Ius Patronatus, 127–185; Sieglerschmidt, 91–114, 277–290; Plöchl, Bd. 2, 417–419; Bünz, Der niedere Klerus, 297–305; Neumaier, 19 f. 14 Siehe auch S. 61–66. 15 Als ein drittes Recht des Patrons trat im Verlauf des 13. Jahrhunderts das Recht auf Unterhalt (utilitas) aus dem Kirchenvermögen bei fi nanzieller Notlage des Stifters hinzu.

268 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) Die Besetzung eines Benefiziums gliederte sich im späten Mittelalter in mehrere Teilvorgänge. Zunächst präsentierte der Patron seinen Kandidaten dem geistlichen Kollator, jener geistlichen Instanz – in der Regel war dies der Bischof oder in seinem Auftrag ein Archidiakon16 – die das Recht der collatio, der Verleihung eines geistlichen Amtes, besaß. Der geistliche Kollator bestätigte die Präsentation durch den Patron (ius confirmandi), indem er die Kollatur oder Investitur des Kandidaten in das geistliche Amt (Offizium) vornahm. Der Kollator oder der Patron führte den Kandidaten schließlich vor Ort in die Pfründe (Benefizium) ein (ius conferendi), also übergaben ihm die Nutzungsrechte an den Einkünften (Temporalien) der Pfründe. Die beiden Teilvorgänge der Präsentation und der Kollatur bedingten einander, so daß weder der Patronatsherr gegen den Willen des geistlichen Kollators, noch dieser gegen den Willen des Patrons handeln konnte. Dieser Ablauf war in der spätmittelalterlichen Praxis oft noch weiter untergliedert und weist regionale Unterschiede auf. So teilte sich im thüringischen Teil des Erzbistums Mainz die Kollatur durch den geistlichen Kollator in drei Schritte auf.17 Schließlich konnte auch die Präsentation in zwei Teilvorgänge zerfallen, wenn nämlich ein Dritter das Recht der Nomination (ius nominandi) – also des Vorschlages – besaß, den der Inhaber des Präsentationsrechts dann nur übernahm. Mit dem Vorschlagsrecht aber endete nach dem Kanonischen Recht die Einflußnahme des Patrons auf die Person des Pfründeninhabers. Die Aufsicht über die Amtsausübung und sittliche Lebensführung des Geistlichen lag ebenso wie das Recht zur Disziplinierung und gegebenenfalls zur Absetzung beim zuständigen Bischof. Für das albertinische Sachsen unter Herzog Georg läßt sich feststellen, daß die landesherrlichen Präsentationen an die Archidiakone bzw. deren Offiziale als Vertreter des Bischofs gerichtet wurden.18 Zuweilen besaß der Landesherr zwar das Präsentationsrecht, ein spezielles Nominationsrecht aber lag in anderen Händen. So im Falle der Meißner Vikarie Purificationis Mariae19 oder im Falle einer Annaberger Altarpfründe, von der es in einer Aufstellung aller An16 Nach Kirchenrecht konnten neben Bischof und Archidiakon auch geistliche Institutionen für die ihnen inkorporierten Pfarreien die Kollatur ausüben. Vgl. Hinschius, Bd. 2, 650 f.; Bünz, Der niedere Klerus, 292, 297. 17 Zunächst erfolgte eine öffentliche Proklamation der Präsentation, nach einer kurzen Zeitspanne dann die Institution, also die Einsetzung des Kandidaten in sein Amt, die dadurch symbolisiert wurde, daß der Archidiakon oder sein Vertreter dem Priester ein Birett aufsetzte. Der letzte Teilschritt, die Investitur, erfolgte dann vor Ort in der Kirche, an der das Offi zium angesiedelt war. Diese Einführung übernahmen eigens dazu beauftragte Geistliche aus der Nachbarschaft, als symbolische Handlungen dienten »Berührung des Altars, Übergabe des Meßbuchs und Kelchs, unwidersprochenes Betreten des Kirchenraums«. Vgl. ebd., 297–305. 18 Vgl. Bünz, Der niedere Klerus, 297, mit Anm. 15. 19 Nominationsurkunde des Domkapitels zu Meißen an Herzog Georg, Meißen, 15. Juli 1493, O. U., Nr. 8996.

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naberger Lehen heißt »S. Annen ader Sturtzenlehn, collator: u. g. h., der rate [= Stadtrat zu Annaberg] hat die nomination«.20 Die Einführung des Geistlichen in die Pfründe übernahm als Vertreter des Landesherrn der örtliche Amtmann.21 Neben dem Patronatsrecht bestimmten noch zwei weitere kirchliche Rechtsnormen die spätmittelalterliche Realität der Pfründenvergabe: Zum einen war dies die Praxis der Päpste, durch Provisionen, Reservationen oder Expektanzen eigenen Kandidaten unabhängig vom geistlichen Kollator und vom Patronatsherrn eine Pfründe bzw. eine Anwartschaft (Expektanz) auf eine Pfründe zu verleihen.22 Zum anderen hatten Pfründeninhaber die Möglichkeit zur resignatio in favorem tertii, durch die sie ihr Benefi ziums zugunsten eines bestimmten Nachfolgers an Papst, Kollator oder Patron zurückgeben konnten, wofür mit dem Begünstigten in der Regel eine Gegenleistung, etwa eine jährliche Rente, vereinbart wurde.23 Bei aller Dominanz der kirchenrechtlichen Regelungen darf freilich nicht übersehen werden, daß gerade im Umgang weltlicher Herrschaftsträger mit dem Patronat auch noch Reste des alten, am Lehnsrecht orientierten Eigenkirchenwesens fortlebten, z. B. in der Praxis der Priestereide.24 20 Bericht des Amtmanns Albrecht von Schreibersdorf sowie des Bürgermeisters und Rates zu Annaberg an Herzog Georg, Annaberg, 15. April 1523, ABKG, Bd. 1, 494–497. Der Beinahme »Sturzenlehn« leitet sich vom Stifter des Altars, Andreas Storz, her. Vgl. die bischöfl iche Konfi rmationsurkunde über die Stiftung vom 18. November 1519, ebd., 297, Anm. 1. – Zum Terminus »collator« als Bezeichnung für den Patronatsherrn siehe S. 326– 334. 21 Vgl. Brief Herzog Georgs an den Amtmann von Dornburg, Dresden, 1. November 1524, ABKG, Bd. 1, 760–762. Siehe auch Anm. 24 zum Beispiel Ernst Schmalstieg. 22 Vgl. Meyer, Pfründenmarkt; Schwarz, Pfründenmarkt; Ulbrich. 23 Diese Praxis kannte drei Spielarten, die resignatio in favorem tertii, resignatio cum pensione und permutatio. Vgl. dazu Gillmann; Plöchl, Bd. 2, 204–206. – Für das Beispiel einer Resignation in die Hände der wettinischen Landesherrn siehe die folgende Anm. 24 Siehe S. 61–66. – Die Ableistung von Treueeiden gegenüber ihrem Patronatsherren war Priestern als Überrest des Eigenkirchenwesens durch das Dekret »Nimis« des 4. Laterankonzils von 1215 eigentlich verboten. Vgl. Plöchl, Bd. 2, 191. Dennoch waren sie beispielsweise in den Grafschaften Hohenlohe und Wertheim im Spätmittelalter üblich. Vgl. Neumaier; Engel, Treuebriefe. Für Sachsen haben sich schriftliche Belege für die Abnahme von Priestereiden nur vereinzelt erhalten, etwa im Falle der Pfarrei Kunitz (siehe unten, Anm. 66). Vermutlich waren sie aber als mündliche Praxis weiter verbreitet. Darauf könnte folgende Quelle verweisen: Herzog Albrecht befahl 1500 dem Amtmann von Langensalza, die Pfarre zu Treffurt nach Fürsprache des Ernst Schmalstieg an dessen gleichnamigen Sohn zu verleihen und vom Pfarrer – aber auch von seinem Vater! – in Gegenwart des Stadtrates von Langensalza »gelobt [zu] nemen, das er solche pfarre personlich beziehen und doruf residiren wolle, die auch in baulichem [. . .] wesen erhalden und sein leuten und dem kirchspiel getreulichen [. . .] vorstehen und an gottisdinst keine vorminderung [. . .] tun, sein stand auch in gutem und erlichem geruchte zupringen und seinen pfarleuten also gut exempel [. . .] geben«. Brief Herzog Albrechts an Albrecht Spitznas, Amtmann von Langensalza, Leipzig, 13. Januar 1500, ABKG, Bd. 2, 678, Anm. 5. – Das Patronat über die Pfarrei Treffurt war als Teil der Herrschaftsrechte in der Vogtei Treffurt zwischen den Wettinern, den Landgrafen von Hessen und dem Erzbischof von Mainz dreigeteilt. Den Vorgänger Schmalstiegs, Jakob Lyrer, hatte Landgraf Wilhelm d.Ä. von Hessen 1484 dem Propst zu Langensalza präsentiert (vgl.

270 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) b) Politische Ausgestaltung: Der Umgang Herzog Georgs mit dem eigenen Patronat Der Umgang mit dem Patronat war am Ausgang des Mittelalters durch ein Spannungsverhältnis zwischen den Normen des Kirchenrechts und der von weltlichen Rechtsvorstellungen beeinflußten landesherrlichen Herrschaftspraxis geprägt.25 Grundsätzlich wurden die Patronatsrechte von Herzog Georg als wertvolle Herrschaftsrechte angesehen und intensiv genutzt. In eigens angelegten Registranden trug man seit Beginn der Regierung Georgs alle ergangenen Präsentationen im Wortlaut ein. Wie es in der albertinischen Kanzlei in dieser Zeit üblich wurde,26 führte man für jeden Landesteil ein eigenes Kopialbuch, zudem noch ein weiteres für die landesherrlichen Vikarien am Meißner Dom. Abgesehen von einem voluminösen Band mit dem Titel »Buch der präsentation geistlicher lehen durch meinen gnädigen herrn verliehen für den Meißnischen teil« haben sich leider nur Fragmente dieser Überlieferung erhalten.27 Die intensive Wahrnehmung aller verfügbaren Herrschaftsrechte ist ein Grundmerkmal jeder starken Herrschaft. Auch bei Herzog Georg läßt sie sich in vielen Bereichen greifen.28 So bei der Personalpolitik an der Landesuniversität Leipzig, einem Gebiet, daß dem Niederklerus in den Augen der Zeit recht nahestand. Mit Herzog Georg nahm erstmals seit der Gründung der Universität wieder ein Landesherr intensiven Einfluß auf die Besetzung der Kollegiaturen am Großen und Kleinen Fürstenkolleg und damit auf jenen »Pfründenpool«, aus dem sich vor allem der Lehrkörper der Artistenfakultät finanzierte. Per Verordnung setzte Georg das Kooptationsprinzip in den Kollegien außer Kraft und benannte mit Hinweis auf die wettinischen Stifterrechte selbst Kandidaten für freiwerdende Stellen.29 ebd.). Lyrer resignierte die Pfarrei am 21. April 1500 zugunsten von Ernst Schmalstieg in die Hände des Amtmanns Spitznas als Vertreter Herzog Albrechts und erhielt dafür dessen Propstei zu Appenrode. Vgl. Resignationsbrief Jakob Lyrers, 21. April 1500, O. U., Nr. 9360. 25 Vgl. Stievermann, Landesherrschaft, 29–39 und siehe S. 61–66, 326–334. 26 Bei den Missivenbüchern (Briefausgangskopialen) der landesherrlichen Kanzlei setzte sich seit 1508 die Führung in nach Empfängern getrennten Serien durch. Vgl. Cop. 110– 113. 27 Vgl. Loc. 7437/6, Buch der präsentation geistlicher lehen durch m. g. h. verliehen für den Meißnischen teil, 1495–1538; Loc. 10335/29, Buch der Präsentation geistlicher Lehen durch m. g. h. vorliehen vor den theil Sagan, Sorau, Naumburg, Prebus, 1521–1530 (Fragment); Loc. 8987/38, Ducis Georgii Saxon. nominationes et praesentationes quorundam ad vicarias nonnullas in eccles. Misn. vacantes, 1506–1542 (Fragment). – Außerdem fi nden sich einzelne Präsentationen aus der Zeit Herzog Georgs in den Akten aus evangelischer Zeit. Vgl. Loc. 7437/11–13, Acta das ius patronatus, kirchlehen und deßhalber entstandener irrungen [. . .] betr., ca. 1500–1700. 28 Zur Besetzungspolitik Herzog Georgs beim Meißner Domkapitel siehe S. 214–220. 29 Vgl. dazu zukünftig die Leipziger Dissertationsschrift von Beate Kusche »Die Magisterkollegien an der Universität Leipzig von ihrer Gründung bis 1539. Strukturelle und personengeschichtliche Untersuchungen«. Als Beispiel vgl. Brief Herzog Georgs an die Kollegiaten des Fürstenkollegs zu Leipzig, Dresden, 18. Oktober 1512, Cop. 116, Bl. 288b.

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Wenn persönliche Herrschaftsausübung in dieser Epoche noch eine Voraussetzung für intensive Herrschaft war, dann kann die Bedeutung, die Herzog Georg den landesherrlichen Patronatsrechten zumaß, daran abgelesen werden, daß er sich auch die Besetzung minderer Pfründen persönlich vorbehielt. So meldete Herzog Johann d.J., der für seinen auf dem Augsburger Reichstag weilenden Vater in Dresden die Statthalterschaft innehatte, diesem am 21. Juli 1518 die Erledigung einer Vikarie im Hospital zu Treffurt in Thüringen. Der Prinz folgte damit einer ausdrücklichen Order Georgs: »nachdem uns aber e. l. sunderlich hat befelhen lassen, das wir uns, geystliche lehn hinder e. l. zu leyhen, enthalden sollen.« Tatsächlich nahm sich Herzog Georg am Rande des Reichstages die Zeit, persönlich über die Besetzung der Vikarie zu entscheiden.30 Auch als der Fürst 1514 in Friesland Krieg führte, beschied Cäsar Pflug im Namen des Statthalterkollegiums das Kapitel zu Altenburg, »das unns nicht gezcymen will, in abewesens unnsers gnedigenn h. des fals lehen zuvorleyhenn.«31 Ein Fall, der aus der Zeit der Regentschaft Georgs für seinen Vater Albrecht datiert, zeigt schließlich eindrücklich die Skrupel der Räte, diesen Grundsatz selbst gegenüber dem noch jungen Prinzregenten zu durchbrechen. Der auf der Neuenburg in Freyburg an der Unstrut residierende Hans von Werthern, als Verweser zu Thüringen einer der wichtigsten Amtsträger Herzog Georgs überhaupt, setzte sich im August 1495 für die Besetzung einer Pfründe an der dortigen Schloßkapelle St. Nikolai ein und schrieb in der Sache nach Dresden. Dort vertrat ein Gremium heimgelassener Räte den abwesenden jungen Herzog. Zwar fertigte der Hofrat auf Wertherns Drängen hin eine Präsentation für dessen Kandidaten aus. Offenbar aber war den Dresdner Räten nicht ganz wohl bei der Sache, denn sie mahnten Werthern in einem Begleitschreiben, den Kandidaten nochmals zu prüfen und ihn nur einzusetzen, wenn er dies vor Herzog Georg verantworten zu können glaube.32 Vehement verteidigte der Landesherr die eigenen Besetzungsrechte gegen Übergriffe von Dritten und bediente sich dazu sowohl der bischöfl ichen als auch der päpstlichen Instanz.33 Besondere Aufmerksamkeit widmete er der Un30 Brief Herzog Johanns d.J. an Herzog Georg, Dresden, 21. Juli 1518, ABKG, Bd. 1, 38 f.; Brief Herzog Georgs an Herzog Johann d.J., Augsburg, 31. Juli 1518, ebd., 40 f. 31 Brief Cäsar Pflugs im Namen der Statthalter Herzog Georgs an das Kapitel zu Altenburg, Leipzig, 25. April 1514, Cop. 119, Bl. 12b ; teilediert: ABKG, Bd. 1, 38, Anm. 3. 32 Präsentation der Statthalter Herzog Georgs für Benedictus Cuntzel, Dresden, 26. August 1495, Cop. 105, Bl. 207 b ; Brief ders. an Hans von Werthern, Dresden, 26. August 1495, ebd. 33 Vgl. z. B. den Fall der Pfarre zu Tennstedt, wo das Besetzungsrecht Herzog Georgs 1516 durch den Frankfurter Domherrn Friedrich Mattorff angefochten wurde. Herzog Georg forderte darauf hin die Vertreter des Mainzer Erzbischofs auf, Druck auf den Domherrn auszuüben. Gleichzeitig aber besorgte er durch zwei Prokuratoren in Rom ein päpstliches Breve, mit dem der Fall an die ihm günstig gesinnten geistlichen Instanzen des Bischofs von Merseburg und des Dekans zu St. Severi in Erfurt verwiesen wurde. Vgl. Brief Herzog Georgs an den Grafen von Königstein, Statthalter des Erzbischofs zu Mainz, Leipzig, 5. Januar

272 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) terbindung von Prozessen um sächsische Pfründen vor der römischen Kurie bzw. der Prävention und Abwehr von römischen Pfründenprovisionen. Dabei verließ er sich einerseits auf die Arbeit seiner Prokuratoren in Rom, andererseits übte er direkt Druck auf die Kläger bzw. die Inhaber von Provisionen aus, von ihren Ansprüchen abzustehen.34 Ein Fallbeispiel aus den Jahren 1516 bis 1519 verdient es, näher vorgestellt zu werden, da sich in ihm die lokale und die römische Ebene berühren. Die Wettiner hatten im Dorf Seelitz bei Rochlitz ein Altarlehen an der dortigen Pfarrkirche gestiftet. Der Stiftungsbrief aber war in die Hände der Pfarrer von Seelitz gelangt, die darauf hin begannen, selbst den Altar zu verleihen. Im Jahre 1516 wurde Herzog Georg auf diesen gleichsam verschollenen Rechtstitel aufmerksam. Er berichtet selbst, er sei »hinder der brif unsrer vorfarn komen, und so wir uns unsrer gerechtigkeyt doraus erkundet, haben wir angezeygit lehen eynem prister, magistro Luce Mathei, gelihen«.35 Vielleicht durch Nachforschungen im landesherrlichen Kanzleiarchiv gelang es also,36 den alten Rechtstitel aufzufi nden. Seine Reaktivierung aber verlangte Durchsetzungsvermögen, denn dem früheren Recht mußte nun wieder faktisch Geltung verschafft werden. Der Seelitzer Pfarrer hatte das Benefizium nämlich schon selbst neu verliehen und seinem Kandidaten Johann von Techwitz waren bereits Einkünfte der Pfründe zugeflossen. Herzog Georg wandte sich deshalb mehrfach an den geistlichen Kollator, den Propst der Deutschordenskommende zu Zschillen, zu dessen gleichnamigem Archidiakonat Seelitz gehörte.37 In einem Brief vom 3. August 1516, Cop. 125, Bl. 55a ; Brief Herzog Georgs an den Geistlichen Vikar zu Mainz [Dietrich Zcobel], Leipzig, 5. Januar 1516, ebd., Bl. 55b ; Brief Dr. Nikolaus von Hermsdorffs an Herzog Georg, Rom, 21. August 1516, Loc. 9827/22, Bl. 84. 34 So z. B. im Falle der geplanten römischen Klage des Johann Ferber. Vgl. Brief Herzog Georgs an [Dr. Günther von Bünau zu Schkölen] den Domdekan zu Naumburg, Dresden, 15. November 1508, Cop. 110, Bl. 27 b ; Brief Herzog Georgs an Hans von Werthern, Dresden, 15. November 1508, Cop. 112, Bl. 17 b. Genauso handelte er im Falle des Magisters Sebastian Steude, der mit einer päpstlichen Provision zuerst die Meißner Vikarie St. Andree, dann die Vikarie St. Bartholomei, beide unter landesherrlichem Patronat, zu erlangen suchte. Vgl. Brief Herzog Georgs an Magister Sebastian Steude, Dresden, 12. August 1521, ABKG, Bd. 1, 182; Brief Herzog Georgs an Dr. Nikolaus von Heinitz, Schellenberg, 30. September 1521, ebd., 193. Siehe auch S. 133–142, 214–220. 35 Brief Herzog Georgs [an Licentiat Jakob Gertewitz in Rom], Dresden, 4. März 1519, ABKG, Bd. 1, 75 f. 36 Darauf deutet Herzog Georgs Aussage vom August 1516 hin, wo es heißt, daß der herzogliche Kandidat über die »fundation [. . .] wahrhaftige copien anzeigen wirdet« und dem Seelitzer Pfarrer gleichzeitig vorgeworfen wird, er habe »betrieglich mit felschung der copien« gehandelt (Brief Herzog Georgs an den Propst zu Zschillen, 3. August 1516, ABKG, Bd. 1, 75, Anm. 2), wobei die Seelitzer Pfarrer eben das Original des Stiftungsbriefes besaßen (»nuhe haben die pfarer zu Selicz in vorzeyten den brif, so unser eldern gegeben [. . .] beyn sich kriget«, Brief Georgs an Gertewitz, 1519 [wie Anm. 35]). 37 Der Propst zu Zschillen war gewissermaßen ein Diener zweier Herren, denn er hatte gleichzeitig das Archidiakonat Zschillen des Bistums Meißen und das Archidiakonat Rochlitz des Bistums Merseburg inne. Seelitz gehörte zum Archidiakonat Zschillen. Vgl.

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1516 warf der Fürst dem Pfarrer Urkundenfälschung vor und drohte mit rechtlichem Vorgehen, wenn dieser seine Ansprüche nicht aufgäbe.38 Dabei kam es dem Landesherrn sicherlich gelegen, daß er dem Zschillener Propst zur gleichen Zeit anzeigen konnte, der Seelitzer Pfarrer lebe in Unzucht mit einer Frau, die obendrein verheiratet sei. Damit führe der Pfarrer, so Georg, nicht nur unpriesterlichen Lebenswandel, sondern gefährdete auch alle Einwohner des Dorfes, denn der gehörnte Ehemann habe bereits gedroht, den Pfarrhof in Brand zu stecken. Umgehend müsse der Propst deshalb eingreifen.39 Der doppelte Angriff auf den Leumund des Konkurrenten um das Patronat verfehlte offenbar seine Wirkung beim geistlichen Kollator nicht. Tatsächlich gelang es Herzog Georg durch die Entscheidung des Propstes, seinem Kandidaten die Pfründe und sich das Patronatsrecht vorläufig zu sichern.40 Doch hatte der Vorgang ein Nachspiel in Rom. Schon im Jahre 1517 ging Johann von Techwitz nach Rom und trug sich mit dem Gedanken, dort einen Prozeß um die Pfründe anzustrengen. Allerdings gelang es dem herzoglichen Prokurator Nikolaus von Hermsdorff noch, Techwitz von seinem Vorhaben abzubringen.41 Dennoch war der Fall noch nicht abgeschlossen. Denn zwei Jahre später klagte ein anderer Kleriker, Valentin Klutczer, den umkämpften Altar in Rom ein. Auch er hatte vom Seelitzer Pfarrer die Präsentation erhalten. Nun lud er Lucas Mathei vor die Schranken der Rota. Erneut mußte Herzog Georg einen seiner Prokuratoren, Jakob Gertewitz, mit der Verteidigung seines Patronatsrechts bemühen, »domit es [= das Verfahren] abgewendt und wir bey unserm jus patronatus bleyben mochten«.42 Sollte sich die Klage nicht niederschlagen lassen, so wurde der Prokurator angewiesen, sollte er wenigstens erreichen, daß sie »unserm frunde, dem bischofe zu Meyssen committiret wurde«.43 Offenbar konnte Herzog Georg angesichts des engen Verhältnisses zu Johann VII. auf einen Ausgang in seinem Sinne hoffen. Die effi ziente Verwertung von Patronatsrechten setzte also eine straffe Verwaltung voraus. Dies begann mit der Sammlung der eigenen Rechtstitel. Valentin Blaschke/Haupt/Wießner, 25. – Daß dem Propst das Kollationsrecht zukam, belegt die Präsentation Herzog Georgs vom 19. Februar 1516, ABKG, Bd. 1, 75, Anm. 1. 38 Vgl. Brief Herzog Georgs an den Propst zu Zschillen, o.O., 3. August 1516, ABKG, Bd. 1, 75, Anm. 2. 39 Brief Herzog Georgs an den Propst zu Zschillen, Dresden, 6. Mai 1516, ABKG, Bd. 1, LVI, Anm. 2; Brief Herzog Georgs an den Amtmann zu Rochlitz, Dresden, 6. Mai 1516, ebd. 40 Dies belegt der Brief des Nikolaus von Hermsdorff an Herzog Georg, Rom, 5. Juli 1517, ABKG, Bd. 1, 76, Anm. 1. Hermsdorff berichtet darin Herzog Georg von seiner Unterredung mit Techwitz, in der es ihm gelang, Techwitz von einer Klage an der Kurie abzubringen und ihn davon zu überzeugen, sein Recht vor Herzog Georg selbst zu suchen. Folglich besaß Techwitz das Altarlehen zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr. 41 Ebd. 42 Brief Georgs an Gertewitz, 1519 (wie Anm. 35). 43 Ebd.

274 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) Teschel, Besitzer zweier geistlicher Lehen zu Großenhain, verstarb im Frühjahr 1493. Nachdem Herzog Georg vom Tode des Geistlichen Kenntnis erlangt hatte, wies er das Meißner Domkapitel als Nachlaßverwalter an, die Stiftungsbriefe für einen Großenhainer Altar vom Nachlaß zu trennen und dem Fürsten zuzusenden. Auf der Grundlage der so gesicherten Dokumente, aus denen offenbar ein landesherrliches Patronatsrecht hervorging, erhob er nur vier Tage später gegenüber dem Großenhainer Stadtrat Ansprüche auf die Besetzung des Altars.44 Schließlich zeigte sich der Wille zur intensiven Nutzung aller verfügbaren Patronate auch beim Umgang mit Besetzungsrechten, die der Landesherr eigentlich abgegeben hatte. Dies führt noch einmal zur Übertragung der Pfarre zu Dohna an das Kollegiatstift Freiberg zurück. Obwohl Herzog Georg das Patronatsrecht 1501 dem Freiberger Stift geschenkt und sogar seine Zustimmung zu einer Inkorporation gegeben hatte, präsentierte er am 8. Juli 1513 dem Archidiakon zu Nisan einen Magister Johannes Still für die Pfarre und bezog sich dabei auf das ihm zustehende Patronatsrecht.45 Das Kollegiatstift, in dessen Archiv sich das Original des Präsentationsbriefes befi ndet, scheint gegen diese Okkupation nicht protestiert zu haben. Als Pfarrer Still 1533 verstarb, wurde Herzog Georg auf Bitten der Dohnaer Kirchpfleger erneut aktiv. Diesmal befahl er dem Stift, eine schnelle Besetzung der Pfarre vorzunehmen.46 Bei der Auswahl der Kandidaten verließ sich der Landesherr häufig auf Vorschläge aus seiner Umgebung. Personen mit Einfluß am landesherrlichen Hof konnten hoffen, durch rechtzeitige Empfehlungen eigene Kandidaten auf landesherrliche Pfründen zu lancieren – wenn ihnen nicht jemand mit noch größerem Einfluß zuvorkam. Umgekehrt taten Geistliche, die nach Pfründen Ausschau hielten, gut daran, sich um die Patronage landesherrlicher Räte und Beamte zu bemühen. Hier galten dieselben Karriereregeln wie an allen vormodernen Höfen Europas.47 Die Möglichkeiten »informeller Einflußnahme auf die kollaturberechtigten Personen«48 standen ganz unterschiedlichen Personengruppen offen. Aus dem nächsten Umfeld ist Herzogin Barbara zu nennen, die ihrem Ehegatten mehrfach Besetzungsvorschläge unterbreitete.49 Besonders 44 Brief Herzog Georgs an das Domkapitel zu Meißen, o.O., 9. März 1495, Cop. 105, Bl. 108b ; Brief Herzog Georgs an den Rat zu Großenhain, o.O., 12. März 1495, ebd., Bl. 111b. 45 Das Präsentationsschreiben läßt die ungewöhnlichen Umstände nicht erkennen. Es legt dar, daß Nikolaus Rabenstein auf die Pfarre resigniert habe und Herzog Georg diese, »cujus collatio seu jus patronandi ad nos pleno jure dinoscitur pertinere«, an Johannes Still verleihe. Präsentationsschreiben Herzog Georgs an den Archidiakon zu Nisan, Dresden, 8. Juli 1513, CDS, II, Bd. 12, 602, Anm. 1. 46 Vgl. Regest eines Briefes Herzog Georgs an das Kollegiatstift U. L. F. zu Freiberg, o.O., 13./15. 12. 1533, ebd. 47 Vgl. Bünz, Der niedere Klerus, 292–326; Meyer, Pfründenmarkt, 266–279. Zur Forschungsdiskussion um Patronage und Klientel siehe die Literatur auf S. 133, Anm. 66. 48 Bünz, Der niedere Klerus, 306. 49 So für eine Pfründe an der Dresdner Kreuzkirche, deren Inhaber, der ehemalige Radeberger Pfarrer Magister Urban Dornau, noch im Sterben lag! Die Empfehlung der Fürstin

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gute Einflußmöglichkeiten hatten auch die Mitglieder der landesherrlichen Funktionseliten: Hofräte, Amtleute und Meißner Domherren.50 Es kam aber auch vor, daß sich Herzog Georg auf die Bitten einfacher Geistlicher einließ, die ihre Pfründe, wie im Spätmittelalter oft üblich, an einen von ihnen bestimmten Nachfolger auflassen wollten. Wie solche Einflußnahme beim Fürsten aussehen konnte, zeigt ein Meißner Fallbeispiel aus dem Jahre 1506. Elisabeth von Schleinitz, die Witwe des einflußreichen Obermarschalls Hugold von Schleinitz († 1490),51 hatte die Pfarre zu Krögis einem Priester geliehen, der vorher eine Vikarie in der Fürstenkapelle besessen hatte. Teil der Abmachung war es, daß der Priester seine Vikarie zugunsten eines von der Frau von Schleinitz bestimmten Nachfolgers resignieren sollte. Um die Zustimmung Herzog Georgs als Patronatsherrn der Fürstenkapelle zu erhalten, setzte die alte Witwe auf ihre Söhne. Wolfgang, der Domherr zu Meißen war, schrieb Herzog Georg in der Sache und empfahl den Kandidaten. Noch gewichtiger aber war sicherlich die Fürsprache des Heinrich von Schleinitz. Denn als langjähriger Obermarschall war er der wichtigste Vertraute des Herzogs überhaupt.52 Zu geeigneter Stunde, nämlich »am Osterabent zu Meissen noch tisch«, trug er sein Anliegen an den Landesherrn heran. Kurze Zeit später gab Herzog Georg dem Domherrn Wolfgang eine mündliche Zusage. Doch nahm der Landesherr die Besetzung erst vor, nachdem er sich noch bei einer weiteren Vertrauensperson, seinem bisherigen Kanzler und Meißner Domherrn Dr. Nikolaus von Heinitz, über den Lebenswandel des Kandidaten informiert hatte.53 Wer wie der Leipziger Altarist Christoph Überacker ein landesherrliches Lehen zugunsten eines Nachfolgers resignieren wollte, mußte sich mit einer Supplik an den Landesherrn wenden und Überzeugungsarbeit leisten. Der alte Kleriker betont in seinem Schreiben vom 19. August 1521 daher nicht nur seine Dankbarkeit gegenüber seinem jungen Adlatus, sondern auch die Eignung des Kandidaten. Der Bakkalaureus Andreas Fischer, den Überacker aufgrund seines eigenen hohen Alters schon mehrere Jahre als Conventor beschäftigte, habe »vleyssegk studirt, auch dy gezceyttenn zcu Sant Katharinen etzliche yar gesungen und noch myr meyn bette gemacht, auch andere dinste, dy ich von ym begereth, vleyßlich getahn unnd [ist] gantz frumm yrkant«. Doch um sich der galt einem ihrer eigenen Diener, dem Georg die Pfründe »ume Gotest wyllen und och ume meyn wyllen« verleihen sollte. Brief Herzogin Barbaras an Herzog Georg, o.O., 4. September 1514, Loc., 8498/1, Bl. 241. – Siehe auch S. 214–220. 50 Vgl. z. B. die Lobbyarbeit des Verwesers zu Thüringen, Hans von Werthern (siehe Anm. 32). 51 Zu beiden Personen vgl. Schirmer, Herrschaftspraxis, 370 f. 52 Siehe S. 94 f. 53 Brief des Dr. Nikolaus von Heinitz an Herzog Georg, Meißen, 16. Juli 1506, Loc. 8987/38, Bl. 3a. – Im Spiel war, wie aus dem Antwortschreiben von Heinitz hervorgeht, noch ein zweiter Kandidat, den der Domdekan Dr. Johannes Hennig vorgeschlagen hatte.

276 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) Gunst des Landesherrn für die geplante Resignation zu sichern, scheute sich Überacker auch nicht, an frühere Vorleistungen für die erbetene Gnade zu erinnern: Herzog Georg möge »bedencken, das ich e. f. g. auch eyn lehen in e. f. g. kirchen zcu Leyptzigk uffm schloß gestifft habe«.54 Tatsächlich hatte Überacker, wie aus einer im Stiftsarchiv Merseburg auf bewahrten Bestätigungsurkunde hervorgeht, im Jahre 1509 ein Altarlehen in der Schloßkapelle zu Leipzig gestiftet und mit einer an der Pleißenburg gelegenen Wiese im Wert von 526 fl. ausgestattet.55 Überackers Argumentation verfehlte ihre Wirkung nicht, Herzog Georg verlieh das in Frage stehende Delitzscher Hospitallehen am 9. September 1521 wie gewünscht.56 Zu den weiteren Spielarten spätmittelalterlicher Pfründenwirtschaft gehört die Pfründenauflassung gegen eine Jahrrente wie im Fall der Pfarre Radeberg, die im Sommer 1509 gegen eine jährliche Zahlung von 24 fl. den Besitzer wechselte.57 In gewissen Grenzen gewährte Herzog Georg also auch dem niederen Klerus ein Mitspracherecht bei der Vergabe von Pfründen, indem er das Prinzip der resignatio in favorem tertii akzeptierte. Unabhängig aber davon, ob ehemalige Pfründeninhaber oder einflußreiche Räte die Kandidaten vorschlugen, achtete der Landesherr erkennbar auf die Eignung der Geistlichen. Die in den Empfehlungsschreiben immer wieder genannten Schlüsselqualifi kationen waren persönliche Frömmigkeit, die sich in tadelloser Lebensführung ausdrückte, und die Bereitschaft zur Residenz, also zur persönlichen Wahrnehmung der mit der Pfründe verbundenen Aufgaben.58 Je nach Art der Pfründe spielte auch die Bildung der Kandidaten eine Rolle.59 In der Reformationszeit trat zudem die Frage nach der Rechtgläubigkeit hinzu und wurde schnell zum dominierenden Kriterium. Ein instruktives Beispiel bietet hier der Streit um die Nomination für die 54 Supplik Christoph Überackers an Herzog Georg, Leipzig, 19. August [1521], Loc. 8987/38, Bl. 5a. 55 Stiftungsbestätigung Herzog Georgs, Leipzig, 11. Oktober 1509, Domstiftsarchiv Merseburg, Berb. VII, Nr. 42, Bl. 69 f. 56 Kanzleinotiz über die Präsentation Andreas Fischers in einem Brief an Georg von Benndorf, Amtmann zu Delitzsch, Schellenberg, 9. September 1521, Loc. 8987/38, Bl. 8b, ediert: ABKG, Bd. 1, 192, Anm. 2. Die Notiz befi ndet sich als Dorsualvermerk auf der Supplik Überackers. 57 Bestätigung Herzog Georgs über die Resignation des Pfarrers zu Radeberg, Magister Urban Dornau, Dresden, 27. August 1509, Cop. 110, Bl. 204b. 58 Im oben geschilderten Fall der Vikarie in der Meißner Fürstenkapelle nennt Dr. Nikolaus von Heinitz als Kriterien persönliche Frömmigkeit und tadellose Lebensführung (»ist ein sere frommer man und eins guten lebens«) sowie die Bereitschaft zur Residenz (Brief des Dr. Nikolaus von Heinitz an Herzog Georg, Meißen, 16. Juli 1506, Loc. 8987/38, Bl. 3a). Auch die Supplik Christoph Überackers nennt die Frömmigkeit als Kriterium. Vgl. Supplik Überackers [1521] (wie Anm. 54). 59 Vgl. neben dem im folgenden geschilderten Fall der Pfarre zu Sangerhausen auch die Supplik Christoph Überackers, der ein fleißiges Studium als Kriterium nennt. Vgl. Supplik Überackers [1521] (wie Anm. 54).

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Pfarre St. Jacobi zu Sangerhausen im Jahre 1523. Das Patronatsrecht stand dem Landesherrn zu, um das Nominationsrecht aber stritten sich seit Jahren die Äbtissin der Sangerhäuser Zisterzienserinnen und der Stadtrat.60 Als die Pfarre im Sommer 1523 zur Neubesetzung anstand, zeigte sich Herzog Georg gewillt, der Äbtissin das Recht zur Benennung eines Kandidaten einzuräumen.61 Doch konterte der Stadtrat und benannte mit Magister Ulrich Grempler einen Mann mit Universitätsabschluß. Die höhere Qualifikation des »städtischen« Kandidaten gab für Georgs Söhne, die den Vater vertraten, den Ausschlag: »welchen wyr nach gelegenheyt seyns grads tuglicher achten«.62 Doch das Blatt wendete sich erneut, als die Äbtissin angab, Grempler habe sich nicht nur geweigert, die dem Konvent zustehende Pension zu zahlen,63 sondern sei auch »der nauen vorfurischen lehr anhengig«.64 Sofort beauftragten die Söhne Georgs ihren Amtmann mit der Überprüfung des Vorwurfes und kündigten an, im Falle seiner Bestätigung den klösterlichen Kandidaten zu präsentieren, was schließlich auch geschah.65 In der Konkurrenz zwischen dem Bildungsgrad und dem Leumund der Rechtgläubigkeit war die Entscheidung der albertinischen Landesherrschaft eindeutig. Im Jahre 1522 ging Herzog Georg sogar dazu über, einen neubestellten Pfarrer Rechtgläubigkeit und den Willen zur Residenz beeiden zu lassen. Der Priestereid, den Vitus Keller für die in der Diözese Naumburg gelegene Pfarrei Kunitz ableistete, ist in einem Nachsatz zum Präsentationsschreiben überliefert: »Ime ist auch die pfarr nicht anders gelihen, wy er auch gelobt und zugesagt, innerhalb eynes jars uff die pfarre zu tzihen unnd darnach stetigs und allweg daruff personlich zu residiren, ßich auch keyner newerung, ßo ytzo vorhanden ßeyn, ßundern kristlich guther lere zu fleyssigen.« 66 Freilich mußte sich Herzog Georg bei der Bewertung der Eignung letztlich auf Empfehlungen und Absichtserklärungen verlassen, allenfalls noch prüfte er durch Nachfragen bei Dritten den Leumund der Kandidaten. Bei aller modernen Skepsis an der Effizienz solcher Kontrolle bleibt festzuhalten, daß der Lan60

Vgl. ABKG, Bd. 1, 519, Anm. 1. Vgl. Brief Herzog Georgs an Äbtissin und Konvent der Zisterzienserinnen zu Sangerhausen, Dresden, 20. Juni 1523, ABKG, Bd. 1, 519. 62 Brief der Herzöge Johann d.J. und Friedrich d.J. an den Amtmann zu Sangerhausen, Dresden, 1. Juli 1523, ABKG, Bd. 1, 537 f. Um das Nominationsrecht der Äbtissin nicht in Frage zu stellen, wurde sie aufgefordert, Grempler selbst zu nominieren. 63 Die Pfarre war dem Konvent inkorporiert, der Pfarrer mußte daher eine jährliche Pension an den Konvent zahlen. Vgl. Brief Georgs an die Zisterzienserinnen zu Sangerhausen, 1523 (wie Anm. 61). 64 Brief der Herzöge Johann d.J. und Friedrich d.J. an den Amtmann zu Sangerhausen, Dresden, 7. Juli 1523, ABKG, Bd. 1, 539 f. 65 Vgl. ebd; Briefe der Herzöge Johann d.J. und Friedrich d.J. an den Rat bzw. an die Äbtissin zu Sangerhausen, Dresden, 11. Juli 1523, ABKG, Bd. 1, 540 f. 66 Präsentationsschreiben Herzog Georgs an Wolfgang von Stolberg, Dompropst zu Naumburg, o.O., 11. Mai 1522, Loc. 10335/29, Bl. 1a, teilediert: ABKG, Bd. 1, 760, Anm. 4. 61

278 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) desherr den Anspruch erhob, die fachliche und persönliche Eignung der Kandidaten zu prüfen.67 Damit aber übernahm er Verantwortung, die nach kanonischem Recht nur dem Bischof zustand. c) Die Funktionalisierung des Patronats für die Kirchenpolitik Trotz der vielen Beispiele für erfolgreiche Besetzungsempfehlungen Dritter wäre es verkürzt, im landesherrlichen Patronat nur einen »Pfründenschalter« zu sehen. Denn Herzog Georg nutzte seine Patronatsrechte nicht nur, um durch die Annahme einer Empfehlung eigene Räte zu belohnen, sondern auch, um selbst Geistliche zu versorgen. Vorrangig war dabei die Versorgung des geistlichen Personals am Hofe und im Fürstendienst. Hof kapläne und gelehrte Räte waren die beiden wichtigsten Gruppen von Geistlichen, die im direkten Dienst des Landesherrn standen, ohne von ihm besoldet zu werden. Um sie mit einem Einkommen zu versorgen, übertrug der Landesherr ihnen Benefizien. Diese Form der Fremdfi nanzierung von Verwaltungspersonal durch kirchliche Pfründen war allgemein üblich. Schon mit der von Geistlichen getragenen fürstlichen Kanzlei des 13./14. Jahrhunderts bediente sich die weltliche Gewalt dieser Ressourcen, und auch die Finanzierung vieler Bildungsaufgaben, allen voran die Universitäten, folgte diesem Muster. Der mit der Trennung von Benefizium und Offizium verbundene Schaden für das kirchliche Leben, eines der großen Strukturprobleme der vorreformatorischen Kirche, ging so auch auf das Konto der weltlichen Herrschaft.68 Die lukrativsten Pfründen, die dem Landesherrn für die Versorgung zur Verfügung standen, waren die Kanonikate zu Meißen, Merseburg oder Freiberg. Sie dienten dem Landesherrn vorzugsweise zur Versorgung von gelehrten Räten und Universitätslehrern.69 Aber auch Pfarr- und Altarpfründen unter landesherrlichem Patronat stellten attraktive Einkommensquellen dar. Freilich waren sie in der Regel schlechter dotiert, und so trat, wie die folgenden Beispiele zeigen werden, zum Problem der Absenz schnell noch ein weiteres, der Pfründenpluralismus. Schon von seinem Vater konnte Georg lernen, wie man im Spätmittelalter Patronatsrechte nutzte. Am 5. September 1493 schrieb dieser aus dem flämischen Mecheln an seinen Sohn und beauftragte ihn, seinem Kaplan Magister 67 »Hierumb wir geneigt sind, wo ir uns einen geschickten tuglichen mann zu einem pfarher [. . .] angeben werdet, das wir den, so wir in also befinden, zu einem pfarher bewilligen und presentiren wollen« [Hervorhebung vom Verf.]. Brief Georgs an die Zisterzienserinnen zu Sangerhausen, 1523 (wie Anm. 61). Vgl. auch oben den Fall des Neuenburger Schloßaltars, bei dem die Dresdner Statthalter Werthern verpfl ichteten, die Eignung des Kandidaten zu überprüfen. Siehe Anm. 32. 68 Vgl. Sieglerschmidt, 277–283. 69 Siehe S. 214–220.

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Urban Dornau die erledigte Pfarre Radeberg zu verleihen. Da Herzog Albrecht nicht genau wußte, wem der Kandidat als geistlichem Kollator zu präsentieren sei, überließ er Herzog Georg die Ausfertigung der Präsentation.70 Auch Herzog Georg versorgte in der Folgezeit seine Hof kapläne und Hofprediger aus dem Pfründenpool der landesherrlichen Patronate. Der bekannteste Hof kaplan Herzog Georgs war Hieronymus Emser.71 Der schwäbische Humanist hatte zunächst seit 1505 als Sekretär im Dienste des Fürsten gestanden, bevor er 1510 mit dem Auftrag, eine Vita Bennonis zu verfassen, von den Tagesgeschäften freigestellt worden war. Seit dieser Zeit wird er als Hof kaplan des Fürsten bezeichnet. Emsers fi nanzielle Versorgung stellte Herzog Georg sicher, indem er ihn am 3. Oktober 1509 auf die Altarpfründe Beatae Mariae Virginis im Salve-Chor an der Dresdner Kreuzkirche präsentierte, zu der Zinsen und Gerichtsbarkeit in Großerkmannsdorf bei Radeberg gehörten.72 Die mit dieser Altarpfründe verbundenen Meßpfl ichten hat Emser vermutlich auch wahrgenommen, in dem zum Altar gehörigen Freihaus in Dresden nahm er seinen festen Wohnsitz.73 Der Dresdner Altar ist die einzige Pfründe Emsers, die der Forschung bisher sicher bekannt war. Schon Gustav Kawerau hat aber darauf hingewiesen, daß Emser selbst in seiner Schrift »A venatione Luteriana aegocerotis assertio« davon spricht, Herzog Georg habe ihn, um ihm Muße zu humanistischen Studien zu geben, mit zwei Pfründen ausgestattet.74 Ohne weiteren Beleg spricht Franz Xaver Thurnhofer dabei von einer Vikarie in Meißen.75 70 »Dieweyl wir noch die unnsern nit wissen, wer ime zu investiren hat, darzu wie sich gebuert nicht haben mogen presentiren, begern darumb an ew. lieb freuntlich bevelhende ir wellet dem bemelten magistro presentacion geben und fertigen lassen.« Brief Herzog Albrechts an Herzog Georg, Mecheln, 5. September 1493, Loc. 7440/7, Bl. 1a. 71 Zu Biographie Emsers vgl. Kawerau; Thurnhofer, Emser, 9–21; Volkmar, Emser; zu Person und Werk vgl. auch Smolinsky, Alveldt und Emser, 24–47; Volkmar, Heiligenerhebung Bennos, 125–156. Zu seiner Rolle in der Kirchenpolitik Herzog Georgs siehe S. 97 f., 409–420, 554–581. 72 Vgl. ABKG, Bd. 1, Anm. 3. – Für weitere Nachrichten über Emser als Besitzer des Altars vgl. Urkunde Hieronymus Emsers, 6. November 1522, CDS, II, Bd. 4, 265; Verkaufskonsens Hieronymus Emsers, Dresden, 2. Mai 1527, ebd., 266. 73 Die Meßverpfl ichtungen bestanden 1536, als Cochlaeus den Altar besaß, in sieben Messen wöchentlich. Die Einkünfte des Altars beliefen sich auf: »eyn frey eigen hauss, 12 ß., 31 gr., 3 d. an gelde, 4 malder, 10 sch.[effel], 4 virtel korn, 4 malder, 10 sch.[effel], 3 virtel hafer, 1 ß. 32 huner, 9 ß. eyer«. Einnahmeverzeichnis der Altarbenefi zien zu Dresden, 24. Februar 1536, Loc. 9837/20, Bl. 1–11, hier Bl. 1a. 74 Rückblickend schildert Emser hier seinen Werdegang in Sachsen: »Ita nunc quintumdecimum inter Misnenses ago annum, e quibus in sextum usque illustrissimo ac clementissimo principi meo ab epistolis inserviens duobus donatus sacerdotiis, ipso bene favente, ad literarum ocia redii.« Hieronymus Emser, A venatione Luteriana aegocerotis assertio [Leipzig: Martin Landsberg 1519], Thurnhofer, Emser, 42–99, hier 93. Emser war danach seit 15 Jahren (also seit 1504/05) in Sachsen, hatte Herzog Georg sechs Jahre (bis ca. 1510) als Sekretär gedient und schließlich zwei Pfründen erhalten. Vgl. dazu Kawerau, 18. 75 Vgl. Thurnhofer, Emser, 93, Anm. 11. – Die von Kawerau mit Zweifeln kolportierte

280 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) Ein neuer Fund im Archiv des Hochstift Meißen kann bei der Suche nach Emsers zweitem Benefizium weiterhelfen. Herzog Georg und Herzogin Barbara, die das Osterfest stets in Meißen verbrachten, beurkundeten 1513 eine Stiftung zur feierlichen Ausgestaltung der drei letzten Tage der Karwoche im Meißner Dom. Teil der Stiftung war die Ausschüttung von Präsenzgeldern an die im Dom anwesenden Mitglieder des Domklerus.76 Im Meißner Archiv haben sich die Präsenzlisten für diese Stiftung aus den Jahren 1513, 1515, 1516 und 1527–1530 erhalten. Dort fi ndet sich 1513, 1515 und 1516 unter der Rubrik »ordo vicariorum [. . .] in choro domini prepositi« der Name Hieronymus Emsers, jedes Mal versehen mit einem »p« als Zeichen dafür, daß er im Dom anwesend war und das Präsenzgeld in Höhe von 3 gr. erhielt.77 Da Dresden der eigentliche Wohnsitz des Hof kaplans Emser war, erscheint es wahrscheinlich, daß er im Gefolge Herzog Georgs an dessen obligatorischen Osteraufenthalt in Meißen teilnahm. Jedenfalls belegt der Fund, daß Emser spätestens 1513 zusätzlich zu seinem Dresdner Altar eine Vikarie am Meißner Dom besaß. Dabei wird es sich, wie Emsers eigene Aussage nahelegt, um eine der 11 Vikarien gehandelt haben, bei denen der Landesherr das Patronatsrecht besaß.78 Emsers Jahreseinkommen taxierte sein Freund Cochlaeus 1521 auf 80 fl., dies entspricht den Einnahmen einer größeren Pfarrei.79 Als nach Emsers Tod 1527 Johannes Cochlaeus selbst nach Dresden berufen wurde, trat dieser nicht nur als Hof kaplan und Kontroverspublizist in Emsers Fußstapfen.80 Er wurde von Herzog Georg auch mit dessen Altarpfründe an der Dresdner Kreuzkirche versorgt. Auch bei Cochlaeus blieb es nicht bei einer Pfründe. Schon kurz nach seiner Ankunft in Sachsen präsentierte Herzog Georg Nachricht, Emser sei Meißner Domherr gewesen, entspricht mit Sicherheit nicht den Tatsachen und beruht lediglich auf der Überinterpretation einer Chronistenstelle, in der es heißt, Emser und Domdekan Hennig hätten 1510 bei ihrer Rückkehr von der Forschungsreise in Sachen Benno den »fratribus concanonicis« berichtet. Vgl. Kawerau, 18, 115. 76 Vgl. Urkunde Herzog Georgs und Herzogin Barbaras, Dresden, 23. März 1513, CDS, II, Bd. 3, 329–332, hier 331 f. zu den Präsenzgeldern. 77 Archiv des Hochstifts Meißen, C 2801a, Faszikel 6 [1513, 1515/16], C 2803 [1527– 1530]. Die Höhe des tatsächlich gezahlten Präsenzgeldes belegt die Abrechnung für 1513: Danach erhielten die 25 »in choro domini prepositi« präsenten Domherren, Vikare und Choralisten zusammen 75 gr., während die Präsenzgelder von 23 Abwesenden (darunter wird auch der Bischof selbst aufgeführt) in Höhe von 69 gr. der Kirchenfabrik zufielen (»cedit fabrice«). Anschließend folgt die Liste für die Geistlichen »in choro domini decani« sowie den Choralisten des großen und kleinen Chores und den Vikaren der Fürstenkapelle. Insgesamt wurden 127 Mitglieder des Domklerus, von denen 85 anwesend waren, mit zusammen 381 gr. bedacht. – Für den Hinweis auf diese Archivalien und die Überlassung einer Transkription danke ich meinem Kollegen Markus Cottin M. A. (Leipzig). 78 Siehe Anm. 6. 79 Vgl. Friedensburg, Aleander, 328, Anm. 25. Zu den Pfarreinnahmen am Beispiel Thüringen vgl. Bünz, Subsidienregister. 80 Zur Person vgl. Bäumer, Cochlaeus; zu seiner Berufung nach Sachsen siehe S. 561– 567.

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ihn, der bereits als Dekan des Frankfurter Liebfrauenstifts ein höheres Benefi zium besessen hatte, auf ein Kanonikat am Meißner Dom.81 Dort residierte Cochlaeus, wenn er nicht am Hofe weilte, in seiner eigenen Domherrenkurie, bei seinen Dresdner Meßverpfl ichtungen ließ er sich hingegen von einem Vikar vertreten.82 Mehrfachbepfründung und die damit verbundene Absenz waren also typisch für die Praxis Herzog Georgs bei der Versorgung seiner engen geistlichen Mitarbeiter. Durch die Kombination von Benefizien ließen sich Einnahmen sicherstellen, die ausreichend waren, um fähige Geistliche am Hofe zu halten. Skrupel scheinen Herzog Georg dabei kaum geplagt haben, tat er doch nur, was allgemein üblich war. Zudem konnte er sich im Falle Emsers und Cochlaeus’ zugute halten, daß deren publizistische Tätigkeit für den alten Glauben die Pfründengelder als gut angelegt erscheinen ließen. Die Versorgungspraxis zeigt instruktiv, wie der Landesherr seine Patronatsrechte funktionalisierte, auch wenn er dabei die Grenzen des Kirchenrechts überschritt. War im landesherrlichen Pfründenpool gerade keine passende Stelle verfügbar, dann ging Herzog Georg sogar so weit, einen rechtmäßigen Pfründeninhaber zur Resignation aufzufordern, um neu disponieren zu können. So im Jahre 1508, als er den langgedienten Ordinarius der Juristenfakultät Dr. Johann Schanz versorgen wollte, von dem es in der Quelle heißt, daß er auf seine alten Tage beschlossen habe, »geistlich [zu] werden«. Dem Pfarrer zu Dresden, der ein passendes Leipziger Altarlehen besaß, wurde lakonisch mitgeteilt, daß er »meinem g. hern herzogen Georgen das lehen zu sant Peter zu Liptzk widerumb auflasen sal«, damit der Landesherr den gelehrten Rat versorgen könne.83 Vor allem aber zeigt die Versorgungspraxis Herzog Georgs, daß die Zugriffsmöglichkeiten des Landesherrn auf Niederkleruspfründen nicht auf das eigene Patronat beschränkt waren. Dies galt etwa für die Praxis des Pfründentauschs. So verschaffte Herzog Georg im Jahre 1495 seinem Hof kaplan Georg ein geistliches Lehen zu Lommatzsch, dessen Patronat bei der Lommatzscher Bürgerschaft lag, indem er dem bisherigen Inhaber dieses Lehens, Magister Martin Meusel, die landesherrliche Patronatspfarre zu Lommatzsch verlieh.84 81

Vgl. Loose, Domklerus, 359, Anm. 12. Auf die Verwaltung des Altars durch einen Vikar bezieht sich vermutlich die Notiz in einem Verzeichnis aus dem Jahre 1536, wo relativ hohe Ausgaben von 6 fl., 48 gr. mit dem Vermerk »muß er [= Cochlaeus] wider von sich geben« aufgeführt werden. Einnahmeverzeichnis der Altarbenefi zien zu Dresden, 24. Februar 1536, Loc. 9837/20, Bl. 1–11, hier Bl. 1a. 83 Brief Herzog Georgs an den Pfarrer zu Dresden, Leipzig, 26. Oktober 1508, Cop. 110, Bl. 18a. 84 Brief Herzog Georgs an die Bürger zu Lommatzsch, o.O., 11. März 1495, Cop. 105, Bl. 109b ; Präsentation Herzog Georgs für Magister Martin Meusel, o.O., 11. März 1495, ebd., Bl. 110b. – Daß es sich bei dem genannten Kaplan Georg um den ersten namentlich bekann82

282 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) Eine Kombination aus eigenen und fremden geistlichen Lehen versorgte schließlich einen anderen Hof kaplan und Hofprediger, den Leipziger Magister Christoph Ering. Nachdem dieser erstmals als Kaplan Herzog Georgs auf dem Augsburger Reichstag von 1518 in Erscheinung trat,85 lassen sich im Herbst 1521 vielfältige Bemühungen um seine Versorgung ausmachen. Zum einen erhielt Ering die vom Landesherrn zu besetzende Vikarie St. Bartholomaei am Meißner Dom.86 Gleichzeitig brachte Herzog Georg ihn für ein erledigtes geistliches Lehen im Hospital zu Delitzsch ins Spiel. Diese Pfründe aber stand nicht unter landesherrlichem Patronat, ja Herzog Georg wußte nicht einmal, wem das Patronat gehörte: »Und wiewol wir geneigt, gemeltem unserm caplan die presentacion aus unser canzley zu geben lassen, haben wir doch nicht wissens gehabt, wer die patron des lehens sein und wer zu investirn habe«.87 Dennoch war der Landesherr entschlossen, seinem Kaplan die »herrenlose« Pfründe zu verschaffen. In beiden Fällen ging es Herzog Georg allein um die Einkünfte der Pfründen, denn er ließ seinen Hof kaplan – den er wegen der im Elbtal wütenden Pest bei sich auf dem sicheren Schloß Schellenberg wissen wollte – nicht einmal die Investitur persönlich entgegennehmen.88 Als sich die Einkünfte aus Delitzsch verzögerten (seit der Präsentation waren allerdings erst zwei Wochen vergangen), beauftragte Herzog Georg sogar seinen dortigen Amtmann, den Stadtschreiber zur Zahlung der geistlichen Zinsen an Erings Prokurator zu drängen.89 Übrigens verweist ein Beleg aus dem Jahre 1524 darauf, das Erings Bedarf noch nicht gestillt war.90 Einige Jahre später zur Stärkung der alten Kirche in Georgs geliebtes Annaberg versetzt, verlor Ering die Gnade seines Fürsten in dem Moment,91 als er sich selbst der Reformation annäherte. 1529 wurten Hof kaplan Herzog Georgs handelt, geht aus einer Notiz im selben Kopialbuch hervor. Vgl. ebd., Bl. 150b. 85 Vgl. ABKG, Bd. 1, 192, Anm. 3. – Noch auf dem Frieslandfeldzug 1514 hatte sich Herzog Georg von einem anderen Kaplan, Magister Wolfgang Gulden, begleiten lassen, der das Amt des Hof kaplans offenbar aufgab, als er 1516 vom Landesherrn mit der Pfarre Pirna belehnt wurde. 86 Vgl. Brief Herzog Georgs an Dr. Nikolaus von Heinitz, Schellenberg, 30. September 1521, ABKG, Bd. 1, 193. 87 Brief Herzog Georgs an den Amtmann von Delitzsch, Schellenberg, 21. September 1521, ebd., 192. – Auf die vakante Pfründe war Herzog Georg durch den Delitzscher Amtmann Georg von Benndorf aufmerksam geworden. Vgl. ebd. 88 Vgl. ebd. und Brief Georgs an Heinitz, 1521 (wie Anm. 86). 89 Vgl. Brief Georgs an den Amtmann von Delitzsch, 1521 (wie Anm. 87). 90 Eine Absprache zwischen Ering und Dietrich von Techwitz, der Dekan zu Wurzen und kursächsischer Vertreter am Reichskammergericht war, sicherte Ering die Aufl assung von zwei geistlichen Lehen des Techwitz für den Fall zu, daß Herzog Georg Techwitz auf die nächste freiwerdende Meißner Kanonikerstelle präsentieren würde. Vermutlich war dies als Gegenleistung für eine Fürsprache Erings bei Herzog Georg gedacht. Vgl. Brief des Dietrich von Techwitz an Bischof Johann VII. von Meißen, Nürnberg, 20. April 1524, ABKG, Bd. 1, 657 f. 91 Im Juni 1526, vielleicht auch schon am 16. Mai 1525, ist Ering als Prediger in Annaberg nachzuweisen (vgl. ABKG, Bd. 2, 871), wo er sich erstmals den Zorn Herzog Georgs zuzog,

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de er aus seiner Annaberger Prädikatur entfernt und mußte auch die Präsentationsschreiben für die Meißner und Delitzscher Pfründe entschädigungslos zurückgeben.92 Die Verwicklungen um die Delitzscher Hospitalpfründe werfen schließlich auch in anderer Hinsicht ein bezeichnendes Licht auf die zeitgenössische Besetzungspolitik. Gleichzeitig mit dem Albertiner versuchte auch Kardinal Albrecht von Brandenburg, die Delitzscher Pfründe für einen eigenen Kandidaten zu sichern. Dabei berief er sich auf das Recht der ersten Bitte eines Erzbischofs von Magdeburg. Zwei Briefe an den Kardinal zeigen, mit welchen Argumentationsstrategien Herzog Georg die Ansprüche des Konkurrenten abzuwehren versuchte. Mit keinem Wort erwähnt Georg, daß er selbst einen Kandidaten für die Pfründe durchzusetzen versucht. Statt dessen gibt er vor, nur als Mittler für den Delitzscher Rat aufzutreten, dem die Nomination rechtmäßig gebühre. Auf Bitten des Rates solle Albrecht von seiner Forderung Abstand nehmen und bedenken, daß »muhe, zank und unlust«, die die Delitzscher nun bei dem Gerangel um die Besetzung erlebten, sie davon abhalten könnten, »hinfuro geystliche lehen zu stiften und aufzurichten, [. . .] sunderlich nach gelegenheyt icziger zeyt«.93 Angesichts der eigenen Interessen mutet dieses moralische Argument Herzog Georgs fast zynisch an. Zudem ist bemerkenswert, daß sich der Fürst in dem eben zitierten Brief vom 16. September an Kardinal Albrecht bestens über das Nominationsrecht des Stadtrates und das Präsentationsrecht des Delitzscher Pfarrers informiert zeigt, aber bei seinem eigenen, vom 25. September datierenden Präsentationsschreiben an den Delitzscher Amtmann vorgibt, »nicht wissens« zu sein, »wer die patron des lehens sein«.94 Als Kardinal Albrecht noch immer auf seinem Kandidaten beharrte, griff Herzog Georg in einem zweiten Brief vom 26. Oktober vollends zu Vorspiegelung falscher Tatsachen. Zum einen teilt er Albrecht mit, sein ius primariarum precum greife nicht, weil es nur einen Vorschlag beinhalte, in Delitzsch aber bereits Tatsachen geschaffen seien. Zum anderen behauptet er, »unser underthanen zu Delitzsch [. . .] [haben] irem pfarrer, der das lehen zu vorleyhen hat, irs burgerssone einen aus craft derselbigen irer freyheit nominirt«.95 Aus der unberechtigten Präsentation seines aus weil er Herzog Heinrich den zuvor aus Leipzig vertriebenen evangelischen Prediger Andreas Bodenschatz für die Predigtstelle im Magdalenerinnenkloster zu Freiberg empfohlen hatte. Vgl. Brief Herzog Georgs an Magister Christoph Ering, Prediger in Annaberg, Dresden, 20. Juni 1526, ABKG, Bd. 2, 556 f. (ebenso in: CDS, II, Bd. 12, 477). 92 Vgl. Brief dess. an dens., Schellenberg, 8. September 1529, ABKG, Ms. Werl, Nr. 1898. 93 Brief Herzog Georgs an Kardinal Albrecht, Schellenberg, 16. September 1521, ABKG, Bd. 1, 191. 94 Brief Georgs an den Amtmann von Delitzsch, 1521 (wie Anm. 87). 95 Brief Herzog Georgs an Kardinal Albrecht, Schellenberg, 26. Oktober 1521, ABKG, Bd. 1, 198.

284 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) Leipzig stammenden Hof kaplans durch Herzog Georg wird so die legitime Nomination eines Delitzscher Stadtkindes durch die Bürgerschaft. Die wahrheitsfreien Winkelzüge, zu denen Georg hier zur Durchsetzung seiner Interessen greift, zeigen die Bedeutung, die der sonst so betont rechtschaffende Fürst der Versorgung seines geistlichen Personals offenkundig beimaß. Genauso wie Georg durch die Annahme von Empfehlungen weltliche Vertraute belohnte, ließen sich die landesherrlichen Patronatspfründen auch als kirchenpolitische Verfügungsmasse einsetzen. Die Erhaltung guter Beziehungen zu Bischof Adolf von Merseburg etwa war das Motiv für die Zustimmung Herzog Georgs zu einem typischen Pfründentauschgeschäft im Jahre 1521. Erneut ging es um das schon mehrfach erwähnte Altarlehen B. M. V. im Dorf Seelitz bei Rochlitz. Magister Lucas Mathei hatte sich inzwischen unpriesterlichen Lebenswandel zu Schulden kommen lassen und sollte deshalb nach dem Willen Herzog Georgs seine Pfründen resignieren.96 In der Haft des Merseburger Bischofs überredete ihn der bischöfl iche Kaplan Caspar Dehn zur Auflassung seiner ohnehin verlorenen Pfründe. Auf Fürsprache des Bischofs verlieh Herzog Georg dem Kaplan darauf hin die Vikarie. Inzwischen aber hatte Dehn auf dem mitteldeutschen Pfründenmarkt eine lukrativere Einnahmenquelle erspäht und wollte die Vikarie nun gegen ein Kanonikat am Magdeburger Stift St. Nikolaus eintauschen, das der Zerbster Dekan Peter Kleinschmidt innehatte. In dieser Sache schrieb Bischof Adolf am 22. April 1521 an Herzog Georg und bat ihn, der Verabredung der beiden Kleriker zu entsprechen und dem Zerbster Dekan die Vikarie zu verleihen. Dabei sollte Georg dem neuen Inhaber, ebenso wie vorher Kaspar Dehn, die Absenz von der Pfründe gestatten.97 In seinem Befehl an seine Söhne, die als Statthalter für den Vater in Dresden regierten, kommentierte Herzog Georg seine Zustimmung. Dabei gab er dem politischen Nutzen einer Gefälligkeit gegenüber dem Bischof explizit den Vorrang vor jenen Reformidealen, die er gerade in Worms im Rahmen der Gravamina der deutschen Nation diskutierte: »und wiewol wir beschwärung haben, nachlassung der residenntz, wie unnser oheim der bischove gebeten, vorder zu bewilligenn, weil wir aber genaigt, seiner lieben zuerinn zu willf haren [. . .] haben wir gemellttem bischoff zu gevallen solch nachlassung der residenntz [. . .] auch bewilligt«.98 Nur nebenbei sei auf den kirchenrechtlich interessanten Sachverhalt hingewiesen, daß Bischof Adolf unabhängig von seiner eigenen Kompetenz, von der Residenzpfl icht zu dispensieren, den Landesherrn als Patron um die Erlaubnis zur Absenz meinte bitten zu müssen.99 96

Siehe S. 306–309. Vgl. Brief Bischof Adolfs von Merseburg an Herzog Georg, Merseburg, 22. April 1521, Loc. 8952/4, Bl. 2. 98 Brief Herzog Georgs an Herzog Johann d.J. und Herzog Friedrich d.J., Worms, 4. Mai 1521, ebd., Bl. 1. 99 »Ist derhalben unnser fleysige bethe, euer liebe wolle unnserem caplan zu gnaden 97

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Nicht immer läßt sich eine kirchenpolitische Motivation für herzogliche Präsentationen zweifelsfrei belegen. Doch legen die Umstände eine solche zuweilen nahe, wie im Fall der Verleihung der Pfarre Senftenberg an Dr. Wilhelm von Betzschitz. Diesem verlieh Herzog Georg um das Jahr 1501 mit der Pfarrei Senftenberg eine Schlüsselposition, denn Senftenberg war der Hauptort einer kleinen sächsischen Enklave in der böhmischen Niederlausitz.100 Betzschitz aber konnte die wichtige Pfarre eigentlich gar nicht betreuen, denn er saß als Offizial des Archidiakonats Niederlausitz in der Stadt Lübben.101 Womöglich aber war die Verleihung Teil des von Georg und dem Domherrn Otto von Weißenbach in dieser Zeit verfolgten Plans, das mit dem Meißner Domkapitel verbundene Archidiakonat vom böhmischen Lübben in das sächsische Senftenberg zu verlegen. Damit sollte den Versuchen der böhmischen Könige, das Archidiakonat durch die Präsentation eigener Kandidaten zu vereinnahmen und damit auch einen Fuß in das Meißner Kapitel zu setzen, entgegengewirkt werden.102 Da nun Wilhelm von Betzschitz als Offizial der höchste Amtstäger des Archidiakonats vor Ort in der Niederlausitz war, konnte die neugeschaffene Tatsache, daß er die Pfarrei Senftenberg besaß, vielleicht zusätzliche Argumentationshilfe für den Ortswechsel geben. Nach dieser Interpretation hätte Herzog Georg also sein Patronatsrecht genutzt, um dem politischen Plan der Verlegung des Archidiakonatssitzes zu unterstützen. Wenige Zeit später, im Frühjahr 1504, kümmerte sich Herzog Georg erneut um die Senftenberger Pfarre. Freilich hatten sich die politischen Bedingungen inzwischen grundlegend gewandelt. Nicht nur war der Plan einer Verlegung des Archidiakonats inzwischen gescheitert, auch der Status von Wilhelm von Betzschitz hatte sich verändert. Zum Generaloffizial des Bischofs von Meißen schrifftlich bewilligunge ader befel gebenn, das des lehns ufl assunge zu seyner besserunge mochte angenohmen unnd furgnantem mgro. Petro, techanndt zu Czerbst, geliegen werden, mit gnediger nachlassunge der residentz, wie itzt bey Caspar von euer lieb nachgelassen«. Brief Bischof Adolfs an Georg, 1521 (wie Anm. 97). 100 Formell erfolgte die Präsentation durch Hans von Minkwitz, dem Amt und Schloß Senftenberg, zu dem offenbar auch das Pfarrpatronat als geistliches Lehen gerechnet wurde, am 29. September 1500 verpfändet worden war (vgl. Cop. 106, Bl. 65a). Herzog Georg aber unterstützte die Präsentation von Betzschitz ausdrücklich: »nach dem ime dye pfarre zu Senftemberg durch ern Hansen vom Myngwitz, als er das ampt innegehapt, verlyhn und ingerewmpt wurden, daran meyn g. h. keyn beswerunge gehapt.« Brief Herzog Georgs an Dr. Wilhelm von Betzschitz, Pfarrer zu Senftenberg, Dresden, 4. Februar 1504, Cop. 109, Bl. 17a. 101 Dr. utr. iur. Wilhelm von Betzschitz ist zuerst am 17. März 1494 als Offi zial des Archidiakonats Niederlausitz greif bar. Er blieb es bis 1501, sein Nachfolger Hieronymus Sculteti wird zuerst am 24. Mai 1501 genannt. Zuerst am 16. November 1501 wird Betzschitz als Offi zial des Bischofs von Meißen genannt, er blieb in dieser Funktion bis 1507. Am 10. Mai 1505 erscheint er erstmals als Pfarrer zu Oschatz, als solcher starb er am 11. Mai 1517, beigesetzt ist er im Meißner Dom. Vgl. Lehmann, Lausitz, 181–183; ABKG, Bd. 1, 125, Anm. 1. – Zum Niederlausitzer Offi zialat vgl. Lehmann, Lausitz, 190–196. 102 Vgl. Lehmann, Lausitz, 158 f., 168 f.

286 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) aufgestiegen, residierte er auf der bischöfl ichen Burg zu Stolpen.103 In einem von Herzog Georg persönlich konzipierten Brief vom 4. Februar 1504 fordert der Landesherr den Senftenberger Pfarrer nun vehement auf, seiner Residenzpfl icht in Senftenberg zu entsprechen.104 Freilich wußte Georg, daß er damit von dem vielbeschäftigten Offizial faktisch Unmögliches verlangte. Offenbar diente ihm hier die Erinnerung an das Prinzip der Residenz nur dazu, Druck auf den wichtigen bischöfl ichen Amtsträger aufzubauen. Denn Betzschitz, der in den eigenen Plänen nun keine Rolle mehr spielte, gehörte statt dessen zu den wichtigsten Stützen Johanns VI., mit dem Herzog Georg seit 1502 in offener Auseinandersetzung stand.105 Als Fazit sollte für den Bereich der Pfründenvergabe folgendes festgehalten werden: Herzog Georg nahm die ihm zustehenden Patronatsrechte als wertvolle Herrschaftsrechte wahr, verteidigte sie gegen Übergriffe und nutzte sie intensiv. Dabei läßt sich ein differenziertes Vorgehen beobachteten. Einerseits achtete der Landesherr bei »normalen« Bewerbern, die ihm oft von Fürsprechern empfohlen wurden, auf die Eignung der Kandidaten und ihre Bereitschaft, die Verpfl ichtungen der Pfründe wahrzunehmen. Andererseits funktionalisierte er einen Teil der Patronatspfründen entsprechend der spätmittelalterlichen Praxis zur Versorgung des geistlichen Personals des Hofes oder zu kirchenpolitischen Aktionen. Dabei nahm er problematische Praktiken wie Pfründenpluralismus oder Absenz zuweilen bewußt in Kauf. So bestätigt auch das Beispiel Georgs von Sachsen die etwa von Jörn Sieglerschmidt vertretene These, daß die weltlichen Landesherrn durch ihre Versorgungspolitik zur Krise der spätmittelalterlichen Kirche beitrugen, da sie kirchliche Pfründen zur Finanzierung anderer Leistungen zweckentfremdeten.106 Dabei darf freilich nicht übersehen werden, daß dieser »Mißstand« den Beteiligten oft als einziger Weg erschien, um wichtige gesellschaftliche Aufgaben in Politik, Bildung und Rechtswahrung zu fi nanzieren.107 Mit Blick auf Herzog Georg ist zudem darauf hinzuweisen, daß der Fürst offenkundig um die Vermeidung von Beeinträchtigungen für die kirchliche Versorgung der Bevölkerung bemüht war. So ist auffällig, daß die Pfarreien, die sehr einträgliche Pfründen aber eben auch Hauptpfeiler der Seelsorge waren, in keinem Falle zu Versorgungszwecken vergeben wurden. Ebenso wurde bei Absenzen selbstverständlich die Absicherung der gottesdienstlichen Verpfl ichtungen durch Vikare erwartet. Instruktiv ist hier der Vergleich etwa mit den Herzögen von BayernMünchen, die die großen Pfarreien in ihren Residenzstädte vorzugsweise an 103

Siehe Anm. 101. Vgl. Brief Georgs an Betzschitz, 1504 (wie Anm. 100). 105 Siehe S. 193–204. 106 Vgl. Sieglerschmidt, 281 f. 107 Dies zeigt Hartmut Boockmann am Beispiel des Leipziger Kleriker-Juristen Johannes Seeburg. Vgl. Boockmann, Lebenswelt. 104

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ihre Diplomaten vergaben und zudem in großem Umfang das vielerorts als Mißstand empfundene Instrument der päpstlichen Provisionen nutzten, um zusätzliche Pfründen zur Versorgung ihrer Klientel zu erhalten.108 Dennoch bleibt gerade mit Blick auf das rege Reformengagement Herzog Georgs festzuhalten, daß die Besetzung landesherrlicher Patronate kein Feld landesherrlicher Kirchenreform gewesen ist. Offenbar lag der Gedanke fern, hier etwa eine Vorbildfunktion für die Reform des spätmittelalterlichen Pfründenmarktes zu übernehmen. d) Pfründenbesetzung, Pfründenaufsicht und Pfründenreform jenseits des Patronats Wenn im folgenden das Eingreifen des Landesherrn in Patronatsangelegenheiten und Pfründenbesetzungen jenseits des eigenen Patronats thematisiert wird, so ist zunächst kurz auf die Tatsache zu verweisen, daß der Landesherr mitunter durch Besetzungsvorschläge auf Pfründen zugriff, die nicht unter seinem Patronat standen. Offenbar nahm sich Herzog Georg von Zeit zu Zeit die Freiheit, jenen Inhabern von Patronatsrechten, die in einem Unterordnungsverhältnis zu ihm standen, Kandidaten für Pfründen vorzuschlagen. Dafür kamen in erster Linie die Räte landesherrlicher Städte und lokale landesherrliche Verwaltungsbeamte in Frage. Der landesherrliche Vorschlag hatte dann den Charakter einer Empfehlung, die aufgrund der Stellung des Landesherrn bis zu einem gewissen Grade Gehorsam erwarten konnte. Landesherrschaft zog so Kirchenherrschaft nach sich. So empfahl Herzog Georg 1509 dem Stadtrat zu Großenhain zum wiederholten Male einen Dresdner Pfarrkaplan für ein geistlichen Lehen.109 Im Jahre 1500 schrieb er Hans Friedrich, dem herzoglichen Zehntner zu Geyer, um ihm für das »lehen sancte Barbare in der pfarkirchen zum Geier, das er zuvorleihen had« den Kleriker Balthasar Ragkwitz vorzuschlagen. Die Motivation Herzog Georgs läßt sich aus dem Eintrag im Kopialbuch erschließen, wo es heißt, der Bergbeamte solle die Empfehlung »umb meins herrn vorluten willen und umb Gots willen« umsetzen.110 Neben der Einforderung von Gehorsam verweist Herzog Georg damit auf den testamentarischen Willen des vorherigen Inhabers der Pfründe. Der Vorschlag Georgs entsprang dabei weniger eigenen 108 Die Herzöge von Bayern-München benutzten einerseits ihre hervorragenden Kontakte zur Kurie, um umfangreiche päpstliche Provisionen für ihre Klientel zu erhalten. Allein im Jahre 1458 erlangten sie 39 Expektanzen. Andererseits griffen sie auch aus landesherrlichen Machtanspruch auf fremde Pfründen zu. So nahmen sie das (königliche) Recht der Ersten Bitte in Anspruch, setzten bei landständischen Patronatsherren die gewohnheitsrechtliche Beachtung ihrer Empfehlungen durch und erstritten sich in der Reformationszeit das Recht zur Besetzung in den Papstmonaten (ius mensium pontifi cum). Vgl. Rankl, 239–250. 109 Vgl. Brief Herzog Georgs an den Rat zu Großenhain, Dresden, 26. August 1509, Cop. 110, Bl. 204a. 110 Brief Herzog Georgs an Hans Friedrich, [Dresden] 22. Dezember 1500, Cop. 106, Bl. 170b. Zur Identifi kation Friedrichs als herzoglicher Zehntner zu Geyer vgl. ebd., Bl. 169b.

288 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) Versorgungsinteressen, als dem Bestreben, sich gegenüber dem Meißner Bischof als Garantieinstanz für die Testamente von Weltgeistlichen zu profi lieren.111 In einem Einzelfall bediente sich der herzogliche Hofrat schließlich auch des Rechts der ersten Bitte des Römischen Königs, um die unter dem Patronat Altzelles stehende Pfarrei in Roßwein zu besetzen.112 Keinesfalls jedoch erreichte die Besetzung fremder Pfründen durch den Landesherrn in Sachsen das Niveau planmäßiger Politik wie in Bayern oder Jülich-Berg.113 Weitaus interessanter als die Durchsetzung bestimmter Kandidaten sind für die Charakterisierung des landesherrlichen Kirchenregiments Herzog Georgs die Fallmuster, bei denen der Landesherr als eine ordnende und reformierende Aufsichtsinstanz zwischen Patron und geistlichen Kollator trat. So sehen wir das Eingreifen Herzog Georgs bei Streitigkeiten zwischen einheimischen Patronatsherren und den geistlichen Kollatoren. Dabei nutzte er seine Stellung als Landesherr, um die Anliegen der Patronatsherren zu unterstützen. Dies läßt sich z. B. im Jahre 1503 beobachten, als der Offizial der Propstei Bautzen dem als Patronatsherr auftretenden Kollegiatstift U. L. F. zu Freiberg die Kollatur für die Pfarre zu Sorau verweigerte. Es war das erste Mal, daß das Stift die ihm 1493 durch die Wettiner inkorporierte Pfarre zu besetzen versuchte.114 Das Freiberger Stift wandte sich darauf hin hilfesuchend an den Landesherrn. Dieser schrieb am 21. April 1503 an Bischof Johann VI. von Meißen und forderte ihn als »obirsten prelaten« auf, »die vorseumnis der underst.[en] archidiacon.[en] zuerfullen«, damit »das volck nicht lennger eines selenwartters mangels bedorffe, auch der dinste Gottes ane vormynderung gehalden moge werden«.115 Dabei 111 Zum Umgang mit dem Spolienrecht siehe S. 319–321. Zum Streit zwischen Herzog Georg und Johann VI. um das Testament des David Eberlein siehe ebd. und vgl. Brief Herzog Georgs an Bischof Johann VI. von Meißen, Schneeberg, 20. November 1500, Cop. 106, Bl. 136. Der Zehntner Hans Friedrich wird der Bitte Georgs gern nachgekommen sein, denn er war Testamentsverwalter Eberleins (vgl. ebd.). 112 Vgl. Brief der Statthalter Herzog Georgs an den Abt von Altzelle, [Dresden] 28. August 1495, Cop. 105, Bl. 210a. – Schon Kurfürst Ernst von Sachsen hatte 1486 von König Maximilian Erste Bitten erwirkt, um vier Kanonikate in den Kapiteln zu Meißen, Merseburg, Zeitz und Bautzen zu besetzen. Vgl. Zieschang, 143. – Zu den Primariae preces des Römischen Königs und ihre Wahrnehmung durch König Maximilian vgl. Santifaller. Zur Ausübung der ersten Bitte durch die Erzbischöfe von Mainz, die allerdings auf geistlichem Recht beruhte, vgl. Bünz, Der niedere Klerus, 319–326. 113 Zu Bayern siehe oben, Anm. 108. Im Herzogtum Jülich-Berg nahmen die Landesherrn vor allem durch Empfehlungen auf Pfründen, deren Patronat bei den landsässigen Klöstern und Stiften lag, Einfluß auf die Besetzung. Außerdem bemühten sich die Herzöge seit dem 15. Jahrhundert um das allgemeine Besetzungsrecht in den päpstlichen bzw. den bischöfl ichen Monaten. Vgl. Redlich, Kirchenpolitik, Bd. 1, 98*f. 114 Zur Inkorporation der Pfarrei Sorau siehe Anm. 9. – Anlaß der Besetzung war der Tod des bisherigen Pfarrers Magister Nikolaus Gebeltzyk. Vgl. Brief Herzog Georgs an Bischof Johann VI. von Meißen, [Dresden] 21. April 1503, Cop. 108, Bl. 252b. 115 Ebd.

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ist bezeichnend, daß sich Herzog Georg nicht auf den geistlichen Instanzenzug verließ, zumal gerade in diese Zeit sein schwerer Streit mit Johann VI. fällt. Noch am selben Tag schrieb er auch direkt an den Bautzener Offi zial, um ihn unter kaum verhohlenen Drohungen zur Kollatur des Kandidaten zu drängen.116 Auch in Fällen, in denen das Besetzungsrecht strittig war, suchten die Beteiligten ihr Recht vor dem Landesherrn. So entstand der bereits oben erwähnte Schied zwischen dem Rat zu Sangerhausen und der Äbtissin der dortigen Zisterzienserinnen über das Nominationsrecht an der Pfarre St. Jacobi. Ein anderer instruktiver Fall ist der Streit um die Schulmeisterpfründe zu Döbeln im Jahre 1521. Um das Recht auf die Besetzung stritten sich der Stadtrat, der sich offenbar als Träger der Schule verstand, und der Propst des Döbelner Benediktinerinnenkonvents, in dessen Kirche der Schulmeister liturgische Verpfl ichtungen zu erfüllen hatte.117 Um ihre Ansprüche durchzusetzen, wandten sich beide Seiten an die Landesherrschaft. Dabei richtete jedoch der Stadtrat seine Beschwerde an den Hofrat in Dresden, während sich der Propst auf Vermittlung Bischof Johanns VII. direkt an Herzog Georg wandte, der wegen der im Elbtal grassierenden Pest auf dem Schloß Schellenberg im Erzgebirgsvorland residierte. Dies führte dazu, daß von den Dresdner Räten einerseits und Herzog Georg andererseits – die jeweils die Partei »ihres« Bittstellers ergriffen – zeitgleich sich widersprechende landesherrliche Befehle nach Döbeln ergingen.118 Dabei ist mentalitätsgeschichtlich die Argumentation der Dresdner Räte von Interesse, die betonen, sie wollten in der Krisenzeit der Pest gar kein endgültiges Urteil fällen, sondern durch das Vertagen des Streitfalls für Einigkeit in der Not sorgen. Erst ein Schreiben Herzog Georgs an seine Dresdner Räte verschaffte der Position des Fürsten die Superiorität, wobei Georg den Vorfall zum Anlaß nahm, das Problem der temporären »doppelten« Regierung grundsätzlich zu lösen.119 116

Vgl. Brief Herzog Georgs an den Offi zial der Propstei zu Bautzen, [Dresden] 21. April 1503, ebd., Bl. 253a. 117 Dabei stand der Stadtrat auf der Position, er könne den Schulmeister ernennen und müsse ihn dann nur dem Propst präsentieren, während der Propst mit Bezug auf einen früher aufgerichteten Schied ein Mitspracherecht bei der Ernennung einforderte. Gleichzeitig hatte der Streit auch noch eine personale Komponente: Der Stadtrat hatte sich zur Neubesetzung entschlossen, nachdem der alte Schulmeister seinen Urlaub überzogen hatte und in der Stadt der Verdacht entstanden war, er würde wegen der Pest nicht zurückkehren. Der Propst wiederum hatte für den alten Schulmeister, der im Oktober verspätet nach Döbeln zurückgekehrt war, Partei ergriffen. Vgl. Brief der Räte zu Dresden an Bischof Johann VII. von Meißen, Dresden, 23. November 1521, ABKG, Bd. 1, 211–213. 118 Vgl. Brief Herzog Georgs an den Rat zu Döbeln, Schellenberg, 10. November 1521, ebd., 202; Brief der Räte zu Dresden an den Amtmann von Döbeln, Dresden, 10. November 1521, ebd., 202 f. 119 Vgl. Brief Herzog Georgs an die Räte zu Dresden, Schellenberg, 24. November 1521, ebd., 213 f. Herzog Georg befahl den Dresdner Räten, ihren Befehlen zukünftig die Klausel

290 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) Bemerkenswert ist der Döbelner Fall für die Frage des Kirchenregiments insofern, daß nicht nur die streitenden Parteien vor Ort, sondern auch der zuständige Bischof von Meißen dem albertinischen Landesherrn das Recht zugestand, über das strittige Patronatsrecht zu befinden. Damit gab der Bischof faktisch seine eigenen Aufsichtsrechte zugunsten der neuen Ansprüche des Fürsten auf. Denn Johann VII. selbst war es, der die Beschwerde des Propstes an den Landesherrn weiterleitete.120 Für die Selbstbezeichnung Herzog Georgs als »oberster Kollator«, als Oberlehnsherr aller geistlicher Pfründen im Lande, wie er sich selbstbewußt 1523 gegenüber dem Papst nannte, ergaben sich hier konkrete Anknüpfungspunkte. Ein drittes Feld, auf dem der Landesherr jenseits des eigenen Patronats in Pfründenangelegenheit eingriff, war die Reform von Pfründenstrukturen. Der Landesherr trat dabei neben dem Bischof bzw. dem geistlichen Kollator als eine ordnende Instanz für das System der kirchlichen Pfründen im Lande auf. Dabei gestaltete sich die Interaktion zwischen Landesherrn und Bischof von Fall zu Fall durchaus unterschiedlich. Ein erstes Muster war die Fürsprache des Landesherrn beim geistlichen Kollator zugunsten einer Veränderung in der Pfründenstruktur, z. B. einer Inkorporation oder der Übertragung von Patronatsrechten. Als Beispiel sei hier das Vorhaben einer Inkorporation der Pfarre Langhennersdorf in das Kloster Altzelle genannt, für das Herzog Georg im Oktober 1508 beim Meißner Dompropst, in dessen Archidiakonat die Pfarre lag, Fürsprache einlegte. Begründet wurde die Umwandlung des bisherigen Patronats in eine Inkorporation im übrigen mit einer Argumention, die die Motive der Klerusreform und der Förderung der Volksfrömmigkeit verband: Der jetzige Pfarrer habe einen schlechten Lebenswandel und habe damit den Niedergang der dortigen Lokalwallfahrt zu »Sant Wandelburg« zu verantworten.121 Freilich wird man in der Aussicht auf die Opfergeldeinnahmen der Wallfahrt gleichzeitig ein intrinsisches Motiv für den Willen des Klosters zur Inkorporation der Pfarre vermuten dürfen. Ein anderes, frühes Beispiel ist die auf Fürsprache Herzog Georgs durch Bischof Johann VI. vorgenommene Inkorporation des Altars Corporis Christi in der Jacobikirche zu Freiberg in die dortige Pfarrei, die der schlechten Ausstattung der Pfarrpfründe abhelfen sollte.122 Fürsprache zugunsten eines Wechsels im Patronat legte Herzog Georg im Jahre 1500 im Falle des Altars der Kalandsbrübeizufügen, daß sie nur zu befolgen seien, wenn es keine anderslautende Befehle Herzog Georgs selbst gäbe. Prinzipiell wurde damit die Autorität des Dresdner Hofrates auch in Abwesenheit des Landesherrn gestützt. Siehe dazu S. 92–94. 120 Vgl. Brief Herzog Georgs an den Rat zu Döbeln, Schellenberg, 10. November 1521, ebd., 202. 121 Brief Herzog Georgs an Sigmund Pflug, Dompropst zu Meißen, Leipzig, 26. Oktober 1508, Cop. 110, Bl. 17 b. 122 Vgl. Inkorporationsurkunde Bischof Johanns VI. von Meißen, Stolpen, 10. März 1491, CDS, II, Bd. 12, 440 f.

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derschaft zu Geithain ein, der in die Hände des Geithainer Rates übergehen sollte.123 Aber nicht nur als Fürsprecher bei geistlichen Kollatoren, auch aus eigenem landesherrlichen Recht griff Herzog Georg in Pfründenstrukturen ein. So etwa in Annaberg im Jahre 1523, als er bei den Patronatsherren der Annaberger Altarlehen durchsetzen wollte, daß diese ihre Pfründen nur doch an Geistliche verliehen, die bereits »kirchendiener« in Annaberg seien.124 Ohne daß das Motiv für diese Maßnahme aus der Quelle klar ersichtlich würde – vermutlich bezog sich die erhoffte »besserung« auf die soziale Situation des Annaberger »Klerikerproletariats« – so zeigt sich hier doch beispielhaft, wie der Landesherr ganz ohne Einbezug irgendeiner geistlichen Instanz handeln konnte. Eine rein weltliche Kommission, bestehend aus dem Annaberger Amtmann Albrecht von Schreibersdorf und Vertretern des Rates, bestellte am 8. April 1523 alle Annaberger Patronatsherren ein, um ihnen den Willen Herzog Georgs zu eröffnen. Tatsächlich beugten sich die Patrone in der Mehrzahl dem landesherrlichen Befehl, der eine faktische Eingrenzung ihres Präsentationsrechtes bedeutete. Nur der Bergmeister und die Ältesten der Knappschaft wagten für ihre zwei Altarlehen zu widersprechen: ihre Stiftungsbriefe würden ihnen gestatten, Freunde und Verwandte zu präsentieren. Bemerkenswerterweise ließ die Kommission die Argumentation mit dem Klientelprinzip nicht gelten: wenn die bevorzugten Kandidaten »fromme, redlich und guts lebens weren«, würden sie auch anderswo eine Anstellung fi nden.125 Das landesherrliche Eingreifen wurde schließlich sogar vom Bischof selbst erbeten, wenn dieser sich nicht in der Lage sah, die ihm zustehenden Aufsichtsrechte in der Praxis durchzusetzen. Dies zeigt die Korrespondenz zwischen Johann VII. und Herzog Georg im Zusammenhang mit der Reform der geistlichen Lehen zu Radeberg 1524. Die Reform stand mit einer fi nanzpolitischen Maßnahme Herzog Georgs in Verbindung, der Durchsetzung eines Zinsfußes von fünf Prozent. Denn damit waren auch die Einkünfte vieler geistlicher Lehen tangiert, die als Jahrrentenstiftungen auf wiederkäufl ichen Zinsen basierten.126 Wegen Beschwerden der Radeberger Untertanen über überhöhte Zinssätze untersuchte im Juli 1524 eine von Herzog Georg und Bischof Johann VII. berufene Kommission die Einkommen der dortigen Pfründen. Dabei kamen, neben Unregelmäßigkeiten im Finanzgebaren des Pfarrers, bei den sechs Al-

123

Vgl. Brief Herzog Georgs an Bischof Thilo von Merseburg, Rochlitz, 13. Dezember 1500, Cop. 106, Bl. 161a. 124 Brief Albrecht von Schreibersdorfs, Amtmann von Annaberg, sowie von Bürgermeistern und Rat zu Annaberg an Herzog Georg, Annaberg, 15. April 1523, ABKG, Bd. 1, 494–497. 125 Ebd. 126 Zur Durchsetzung des Zinsfußes gegenüber der Geistlichkeit siehe S. 315–317.

292 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) tarpfründen Zinssätze von bis zu 10% zu Tage.127 Da die Senkung des Zinssatzes erklärtes Ziel Herzog Georgs war, stellte sich nun das Problem, wie bei einer Halbierung der Pfründeneinnahmen die Radeberger Geistlichkeit in Zukunft unterhalten werden sollte. Der bischöfl iche Kanzler Georg von Rotschitz schlug deshalb im Bericht der Kommission vor, zugunsten der verbleibenden diejenigen Pfründen aufzulösen, deren Inhaber nicht in Radeberg residierten.128 Johann VII. übernahm diesen Vorschlag. Aber obwohl der Oberhirte nach dem Kirchenrecht die allein berechtigte Instanz für die Trennung oder Inkorporation von Pfründen war,129 sah er sich, wie er Herzog Georg schrieb, praktisch nicht in der Lage, die Zusammenlegung vorzunehmen, solange die aufzulösenden Pfründen besetzt waren.130 Was ihm als Bischof verwehrt war, traute er aber dem Landesherrn zu: »Derhalben und die weill e. g. am hoechsten und der radt ouch etzlicher lehen doselbst patronen sein, achten wir es zutreglich und der sachen forderlich, das e. g. bey den, ßo nicht residiren, het suchen lassenn, ire lehen zu e. g. handen gutwilligk zu ubergeben«. Als Patron von zwei der in Frage stehenden Pfründen und gleichzeitig durch seinen landesherrlichen Einfluß auf den Radeberger Stadtrat sollte Herzog Georg also nach Willen des Bischofs die Pfründeninhaber zur Aufgabe ihrer Lehen drängen! Auch die darauffolgende Verteilung der freiwerdenden Einnahmen sollte der Landesherr übernehmen, während der Bischof nur die abschließende Bestätigung als seine Aufgabe betrachtete.131 Hier sprach der Bischof von Meißen dem Landesherrn das Recht zu, über die Eingriffe in das Patronatswesen letztinstanzlich zu entscheiden. Herzog Georgs Antwort wiederum bringt noch einmal die Grundlinien des landesherrlichen Umgangs mit dem Pfründenwesen zum Vorschein: Weil Patronate wertvolle Herrschaftsrechte waren, verweigerte er sich dem Vorschlag, seine eigenen geistlichen Lehen aufzulösen, weil er andererseits einen Ordnungsanspruch für die kirchlichen Belange in seinem Territorium erhob, setzte er eine andere Lö127

Vgl. Bericht der Kommission [7. Juli 1524], Loc. 7440/7, Bl. 2–9. Ebd., Bl. 9a. – Aufgelöst werden sollten die beiden landesherrlichen Patronatslehen, das Lehen auf dem Schloß zu Radeberg und das Lehen in der Kapelle S. Crucis auf dem Kirchhof, die beide an den in Dresden lebenden Johann Förster verliehen waren, dazu der Altar der Kalandsbruderschaft, ein städtisches Patronatslehen, das der Pfarrer zu Kleinröhrsdorf innehatte. Zu den Pfründen vgl. ebd., Bl. 2–9, namentlich werden die nicht-residenten Pfründeninhaber genannt in einem Brief des Georg von Rotschitz an Dr. Simon Pistoris, Stolpen, 10. Juli 1524, ebd., Bl. 35. 129 Vgl. Plöchl, Bd. 2, 166. 130 »Szo mage doch die union adder zu sammenschlahunge der lehen, ohr dan sie per liberam resignacionem adder per mortem vacirn und vorledigt, fuglich nicht bescheen, szo besorgen wir ap gleich die aufflossunge durch uns adder die unsern bey ohn gesucht, wurde vorgeblich sein und uns keine volge geleistet, und wissen darczu fuglich keinen zu dringen.« Brief Bischof Johanns VII. von Meißen an Herzog Georg, Stolpen, 12. Juli 1524, Loc. 7440/7, Bl. 37. 131 Ebd. 128

IX. Niederklerus

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sung durch. Alle Pfründeninhaber zu Radeberg mußten »die beneficia resigniren«, um sie wieder zum Zinssatz von 5% anzunehmen. Zur Entschädigung ihrer Einbußen griff Georg in das Vermögen der Pfarre ein, wo bei der Visitation 200 fl. Stiftungsvermögen aufgetaucht war, für das keine landesherrliche Bestätigungsurkunde vorlag.132 Schließlich gehört noch zum Spektrum landesherrlichen Eingreifens in das Pfründenwesen, daß Herzog Georg durch gezielte Stiftungen die Pfründenlandschaft in seinem Territorium veränderte. Zählte die Einrichtung einer Pfarrpfründe in der neugegründeten Stadt Annaberg im Jahre 1500 sicherlich im weitesten Sinne zu den Verpfl ichtungen des Stadtherrn, so zeigte sich das Reforminteresse Herzog Georgs in der vorrangigen Förderung der Neueinrichtung von Predigtstühlen auch noch in der Reformationszeit.133 Nicht nur die neue Bergstadt am Schreckenberg nannte schon bald zwei Prediger ihr Eigen.134 Auch in Senftenberg förderte Herzog Georg 1519 tatkräftig den Plan des dortigen Pfarrers zur Stiftung eines Predigtstuhles, indem er die Inkorporation zweier landesherrlicher Altarpfründen in die neueinzurichtende Pfründe versprach.135 1523 wiederum unterstützte Herzog Georg die Forderung des Stadtrates zu Sagan nach Einrichtung eines Predigtstuhles. Über seinen Amtmann legte er dem Abt des Augustinerchorherrenkonvents zu Sagan nahe, daß er mit der Bestellung eines Predigers nicht nur den Willen des Landesherrn erfüllen, sondern durch die verstärkte Verkündigung des Wortes Gottes auch die Sympathie des gemeinen Mannes erwerben könne.136

2. Kirchliche Norm vs. fürstlicher Herrschaftsanspruch: Georgs Pläne für das Kirchenregiment über den Niederklerus Ein landesherrliches Kirchenregiment über den Niederklerus sah das Kanonische Recht nicht vor, war doch die Disziplinierung des Klerus ureigenste Aufgabe der Bischöfe. Der Ordinarius besaß die volle Disziplinargewalt in allen Belangen, wenn er auch Teile derselben im Rahmen der kirchlichen Hierarchie z. B. an die Archidiakone delegierte. Die bischöfl iche potestas ordinis, magisterii et 132 Vgl. Brief Herzog Georgs an Bischof Johann VII. von Meißen, Dresden, 13. Juli 1524, ebd., Bl. 39. 133 Zur Einrichtung von Prädikaturen als Reformmaßnahme vgl. Neidiger, Wortgottesdienst; Menzel, 368–384. Siehe auch S. 549–553. 134 Der Prediger im Franziskanerkloster (vgl. ABKG, Bd. 1, 520, Anm. 2) und der Prediger an der Pfarrkirche St. Anna, für den sich, auch wenn das Präsentationsrecht beim Annaberger Rat lag, Herzog Georg direkt verantwortlich fühlte. Vgl. Briefe Herzog Georgs an den Rat und an den Pfarrer zu St. Annaberg, Dresden, 26. Juni 1523, ABKG, Bd. 1, 520 f. 135 Vgl. Urkunde Herzog Georgs, Dresden, 27. Januar 1519, ABKG, Bd. 1, 65 f. 136 Vgl. Brief Herzog Georgs an Seifried von Nechern, Amtmann von Sagan, Dresden, 15. Februar 1523, ABKG, Bd. 1, 466 f.

294 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) iurisdictionis über den Klerus umfaßte im einzelnen das Recht der Weihe in den Klerikerstand, die Besetzung von geistlichen Ämtern und die Absetzung aus denselben, die Straf- und Disziplinargewalt, Gesetzgebung und Besteuerung.137 Das Privilegium fori, wichtigstes Immunitätsprivileg des Klerikerstandes, sicherte dem Klerus die ausschließliche Zuständigkeit kirchlicher Gerichte in allen Strafsachen zu – und auch hier war der Bischof bzw. der von ihm eingesetzte Offi zial die oberste Instanz in der Diözese. Schließlich verbot das Dekret Nimis des 4. Laterankonzils (1215) den Fidelitätseid für Kleriker und nahm damit der weltlichen Seite die Möglichkeit, über das Patronatswesen den Pfründeninhaber treuepfl ichtig zu machen und ihn so einer Aufsicht zu unterwerfen.138 Freilich waren die Ansprüche der Kanonistik und die weltliche Rechtspraxis auch in den Hochzeiten der geistlichen Gerichtsbarkeit im späten Mittelalter nie völlig kompatibel. Regelungen des Kirchenrechts wurden von der weltlichen Macht nur selten explizit als verbindlich anerkannt.139 Die Abgrenzung des Sphären geistlicher und weltlicher Rechtssprechung blieb stets umstritten, stets von den lokalen und zeitlichen Verschiebungen des Kräfteverhältnisses beeinflußt. Dabei gab es nur wenige Konstanten, wie etwa die allgemeine Anerkennung des Privilegium fori.140 Hinzu kam, daß die Zweigewaltenlehre ein Eingreifen der weltlichen Seite bei Versagen der geistlichen legitimierte. Schon im 15. Jahrhundert hatten die Wettiner im Zuge des Auf baus des landesherrlichen Kirchenregiments Herrschaftsansprüche gegenüber dem Niederklerus erhoben. Das bekannteste Beispiel hierfür ist die Landesordnung Herzog Wilhelms III. von 1446.141 Die Zielvorstellungen Herzog Georgs aber gingen über alles Bisherige hinaus. Die Erfahrungen, die der reformbegeisterte Albertiner mit seinen Eingriffsversuchen in die Belange des Niederklerus gesammelt hatte, bewogen ihn, völlig neue Rechte für die weltliche Landesherrschaft anzustreben. Dazu wandte er sich an die einzige Institution, die solche Privilegien erteilen konnte und von der nach den Erfahrungen des 15. Jahrhundert Entgegenkommen für fürstliche Forderungen erhofft werden durfte: das Papsttum. Zwei diplomatische Vorstöße bei der Kurie zeigen, wie sich Herzog Georg das ideale landesherrliche Kirchenregiment über den Niederklerus vorstellte. Der ältere Text stammt aus der Vorreformation. Es ist der Forderungskatalog, den Herzog Georg Anfang Januar 1503 dem Kardinalslegaten Raimund Peraudi bei dessen Besuch in Meißen vortrug. Der im folgenden kurz als PeraudiProgramm bezeichnete Entwurf sollte den Landesherrn mit Hilfe päpstlicher 137

Vgl. Hinschius, Bd. 2, 38–42; Neumaier, 19. Vgl. Plöchl, Bd. 2, 190–194; Hinschius, Bd. 6, 180–196. – Zur fortwährenden Praxis der Priestereide siehe oben, Anm. 24. 139 Ein seltenes, aber wirkmächtiges Beispiel ist die Carolina de ecclesiastica libertate Kaiser Karls IV. Vgl. Johanek, Karolina. 140 Vgl. Plöchl, Bd. 2, 346–349; Hinschius, Bd. 6, 194 f. 141 Siehe S. 66–75. 138

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Privilegien in die Lage versetzen, die kirchliche Erneuerung in seinem Territorium voranzutreiben und dabei ihr zentraler Agent zu sein, ohne Rücksicht auf die Bischöfe nehmen zu müssen. Auf die angestrebten landesherrlichen Rechte gegenüber dem Niederklerus gehen die folgenden Punkte ein: [2] »Item [. . .] einen conservator, der die priester, so misshandelten, nach meins g. hern willen straffen möchte. [3] Item, so meinem g. hern einer zu einem conservator nicht gefellig, das er sodann einen andern setzen möchte. [. . .] [13] Item, ein privilegium, so ein priester ader clerigker vorhandelte, das er den hals verburt hette, das mein g. her denselbigen, so er yn dem bischoff zuvor angesagt, inn seiner g. gefengnis halden möchte. Unnd so er degradirt solte werden, das aufs meyste ein bischoff und zwene epte dabey weren und solchs zutun macht hatten. [14] Item, welcher bischoff widder solch privilegium thete, adir priester, das der mit der that im banne were, benefitio und offitio privirt. [15] Item, welcher priester adir clerigker mein g. hern adir die seinen über solch privilegium turbiren wolte, das sein g. sodann denselben seinem conservator, den zu straffen, antworten möchte.«142

In den Paragraphen zwei und drei fordert Herzog Georg nichts weniger als die indirekte Disziplinargewalt über den Niederklerus. Diese soll von einem geistlichen Richter (conservator) ausgeübt werden, der nicht wie bisher dem Bischof, sondern direkt dem Landesherrn verantwortlich ist. Georg will den geistlichen Richter nicht nur einsetzen, sondern dieser soll sich auch in seinen Entscheidungen nach »meins g. hern willen« richten, was faktisch dem Landesherrn selbst richterliche Befugnisse verleiht. Damit nicht genug, fordert der Albertiner in Paragraph 13 die Einschränkung des Privilegium fori bei schweren Straftaten. In diesen Fällen will der Landesherr als oberster weltlicher Richter die Zügel in Zukunft selbst in der Hand halten. Zwar bleibt das geistliche Verfahren erhalten, doch will sich der Landesherr durch die selbständige Verhaftung von verdächtigen Klerikern und ihre Verwahrung in weltlicher Haft weitgehende Einflußnahme sichern. Als Ausgang solcher Prozesse avisiert Georg eine beschleunigte Degradation, mit welcher der Delinquent seiner Standesprivilegien beraubt und vollends dem weltlichen Arm ausgeliefert wird.143 Des Revolutionären seiner Forderungen offenbar bewußt, bemühte sich Herzog Georg mit den Paragraphen 14 und 15 dem zu erwartenden Widerstand des Klerus und der kirchlichen Hierarchie vorzubeugen. Schon jede laute Kritik, jedes »turbiren«, soll durch Georgs geistlichen Richter bestraft werden. Tätiger Widerstand gegen die neuen Regelungen, der etwa vom zuständigen Bi142 Forderungskatalog Herzog Georgs an den Papst als mündlicher Vortrag bei Kardinallegat Raimund Peraudi [Anfang Januar 1503], Gess, Klostervisitationen, 46 f., ebenso: ABKG, Bd. 1, XXXIII, Anm. 1. – Interpunktion und Nummerierung vom Verf. 143 Die Degradation, die schärfste Kirchenstrafe gegen Kleriker, zog nicht nur den Verlust aller Benefi zien, sondern auch aller Rechte und Qualitäten des geistlichen Standes nach sich. Vgl. Plöchl, Bd. 2, 389 f.

296 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) schof herrühren könnte, wird mit Exkommunikation und dem Verlust von Amt und Benefizien belegt. Dabei ist sogar an eine Amtsenthebung »mit der that« gedacht, also als eine automatische, im Kirchenrecht als Poena latae sententiae bezeichnete Strafe, die ipso facto in Kraft tritt.144 Auch wenn Herzog Georg bei solchen harten Sanktionsforderungen seinen aktuellen Konfl ikt mit Bischof Johann VI. vor Augen haben mochte, so läßt doch die ganze Stoßrichtung des Programms bischöfl ichen Widerstand wahrscheinlich erscheinen. Was Herzog Georg hier als Programm eines landesherrlichen Kirchenregiments präsentiert, ist ein selbstbewußter Entwurf, der an die Grenzen dessen führt, was als fürstliche Aufsicht über den Niederklerus im Rahmen der mittelalterlichen Kirchenverfassung überhaupt vorstellbar war. Er schiebt das Aufsichtsrecht der Bischöfe und damit eine Kernkompetenz des Bischofsamtes gleich in doppelter Hinsicht beiseite. Zum einen baut er eine konkurrierende (wenngleich formal noch immer geistliche) Gerichtsbarkeit über straffällige Kleriker auf, zum anderen ignoriert er – dies wird im Programm von 1523 noch deutlicher – die Diözesangrenzen und damit den räumlichen Zuständigkeitsbereich des Bischofs. Durch die faktische Übernahme »episkopaler Funktionen«145 werden die Bischöfe geschwächt und die Autonomie des Klerus von der weltlichen Gewalt grundsätzlich in Frage gestellt. Als Rechtfertigung des Vorstoßes steht das Ziel einer durchgreifenden Reform des Niederklerus im Vordergrund – allein der Abstellung von Mißständen soll die neue Gerichtsbarkeit dienen. Doch zweifellos wäre mit der Umsetzung der Forderungen auch eine Intensivierung des herrschaftlichen Zugriffs auf den Klerus verbunden gewesen. Okkupation bischöfl icher Rechte ist auch die Quintessenz des Forderungskataloges von 1523. Daher gibt es kaum ein deutlicheres Zeichen für die Abhängigkeit der mitteldeutschen Bischöfe von den Wettinern als die Tatsache, daß Herzog Georg die Prokuration seiner Forderungen beim Papst ausgerechnet Bischof Johann VII. von Meißen anvertraute. Dem wegen der bevorstehenden Heiligsprechung Bennos von Meißen nach Rom gereisten Oberhirten übermittelt er im Januar 1523 seinen Forderungskatalog: »Wan auch die prister und besunder die, so pfarren ader seelsorge haben, ytzo zum tayl fremde gebrauch in yren predigen und andern amten, auch sunst unordenlich pristerlich leben [ein-]fuhren, darab viel beeses erfolget, sollichs alles zu vorkomen, bitten wir freuntlich, e.l. wolle bey bebstlicher heylickeit bearbeyten, das seyne heylickeit uns, unser erben und nachkomen privilegieren und schriftlich freyheit in bestendiger und bester form geben wolt, wan eyn pfarherr ader auch ander wertliche prister und canonici in unsern furstentumben, landen und gebieten belihen – wer geystlichs ader wertlichs, hoes ader nydern standes auch die pfarre, canonicat ader ander lehn zu verleyhen habe – mit irtumben ader sunst eynen besen leben befleckt sey und der oberkeyt wider144

Zur Poena latae sententiae vgl. ebd., 388 f. Diesen Begriff entwickelt Helmut Rankl am Beispiel des Kirchenregiments in Bayern. Vgl. Rankl, 266. 145

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streben wurd, das wir als der landesfurst und oberster collator denselbigen pfarrer, canonicus ader andre prister zu entsetzen und mit wissen des andern collators, doch yme an seyner gerechtickeit unabbrüchlich, die beneficia andern tuglichen conferiren und leyhen mochten. Zuvorsichtig, es wurde sich mancher der ytzo sere schart und uf nymants achtet, bessern kauf geben, auch viel guts in Cristlicher ubung underm gemeynen volke geberen.«146

Was Herzog Georg hier vom Papst erbitten läßt, ist nun sogar das selbständige Recht des weltlichen Landesherrn auf Absetzung aller Weltgeistlichen in seinem Territorium. Ohne jeden geistlichen Prozeß möchte der Landesherr gegen diejenigen vorgehen, die in ihrer Lebensführung Anlaß zu Anstoß geben oder aber – hier tritt zur Reform der aktuelle Kampf gegen die Reformation – der lutherischen Lehre anhängen. Damit wird das Privilegium fori faktisch aufgehoben und der weltliche Fürst in seinen Aufsichtsrechten einem Bischof gleichgestellt. In der Vorstellung des Landesherrn sollte sich dabei sein »Reformsprengel« auf sein gesamtes Territorium erstrecken. Explizit setzt er sich über die Diözesanstruktur und damit die bischöfl ichen Aufsichtsrechte hinweg. Schließlich will Herzog Georg als weltlicher Landesherr und selbsternannter »oberster Kollator« – dieser Schlüsselbegriff wird noch zu diskutieren sein147 – die Weltgeistlichen nicht nur absetzen, sondern die Pfründen in Kooperation der Patronatsherren auch gleich neu besetzen, um die Nachhaltigkeit der Reform zu sichern. Wo das Peraudi-Programm die Grenzen des Kirchenrechts austestet, sprengen die Forderungen des Jahres 1523 diesen Normenrahmen endgültig, denn sie ignorieren das Grundprinzip der Trennung zwischen geistlicher und weltlicher Rechtssphäre. An die Stelle der Autonomie von Kirche und Klerus tritt das Kirchenregiment des weltlichen Landesherrn. Seiner Standesprivilegien entkleidet und von der bischöfl ichen Aufsicht getrennt wird der Niederklerus faktisch in den Untertanenverband des Territorialstaats integriert. Georgs kirchenpolitische Innovation ist freilich vor dem Hintergrund der Evangelischen Bewegung zu sehen, die mit ungeheurer Dynamik die Grundfesten der kirchlichen Ordnung erschütterte. Der bei der Kurie als romtreu bekannte Landesherr fordert diese Sonderprivilegien gleichermaßen zur Reform des Niederklerus wie als Instrument im Kampf gegen die Reformation.148 Dem selbstbewußten Auftreten evangelischer Geistlicher sollte durch die Bündelung weltlicher und geistlicher Aufsichtsrechte in einer Hand begegnet werden, die neue Lehre durch die Stärkung des landesherrlichen Kirchenregiments im Keim erstickt werden. Nicht also das Versagen der Bischöfe, sondern die Aussicht, mit solchen Maßnahmen die Ketzerbewegung auf halten zu können, ist das Argu146 Brief Herzog Georgs an Bischof Johann VII. von Meißen in Rom, Dresden, 4. Januar 1523, ABKG, Bd. 1, 421–425. – Hervorhebungen und Absatzgliederung vom Verf. 147 Siehe unten, Abschnitt 6. 148 Siehe S. 509–520.

298 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) ment, mit dem Herzog Georg den Papst für seine Reformvorstellungen einzunehmen hofft. Freilich wird dabei, was in kirchlichen Augen höchstens eine verzweifelte Notmaßnahme sein könnte, von Herzog Georg als dauerhaftes Privileg für »uns, unser erben und nachkomen« erbeten. Keiner der Versuche Herzog Georgs, das Kirchenregiment über den Niederklerus durch päpstliche Privilegien auf eine neue Grundlage zu stellen, war von Erfolg gekrönt. Nicht einmal eine Antwort der Kurie ist überliefert.149 Wie wenig die Päpste bereit waren, den Wünschen des Albertiners zu entsprechen, zeigt schon das Scheitern geringerer Forderungen wie jener Supplik aus dem Jahre 1504/05, die um Einfluß auf die geistliche Jurisdiktion in der Bergstadt Annaberg bat. Zwar lehrt der Blick auf die Königreiche Westeuropas, daß das Papsttum die kirchlichen Autonomierechte nicht überall derart konsequent verteidigte (oder verteidigen konnte). Herzog Georg aber hatte, wie die Untersuchung seiner Kurienpolitik zeigt, deutlich schlechtere Chancen, seine Wünsche durchzusetzen. Das lag zum einen am begrenzten Einfluß und der aus Sicht des Papsttums verschwindend geringen politischen Bedeutung des Reichsfürsten. Zum anderen waren die Forderungen Georgs, zumindest für die Maßstäbe des Reiches, ihrer Zeit zu weit voraus. Nichts zeigt dies besser als das Beispiel Bayerns, des einzigen Territoriums, das vergleichbare Privilegien tatsächlich erhielt. Denn was die Bayernherzöge 1523 nach expliziter Aufforderung durch Papst Hadrian zu beantragen wagten, entsprach inhaltlich gerade einmal dem, was Herzog Georg 1503 gefordert hatte. Gewährt wurde es auch nur mit Hinweis auf die engen Beziehungen Bayerns zur Kurie und auf die Notsituation der Reformation. Angesichts dessen war es wohl fast illusorisch zu hoffen, das die geradezu revolutionären, das Kirchenrecht sprengenden Forderungen, die Herzog Georg 1523 vorbrachte, beim Papsttum auf Zustimmung treffen könnten.150 Die alte Strategie, landesherrliches Kirchenregiment und Kirchenreform mit der Hilfe päpstlicher Privilegien umzusetzen, war also für Herzog Georg nicht mehr gangbar, er mußte nach anderen Wegen suchen. Seine visionäre Programmatik aber hat er – wie zu zeigen sein wird – deshalb nicht aufgegeben. Wenn im folgenden die politische Praxis des Umgangs mit dem Niederklerus untersucht wird, sind ihre Eckpunkte im Blick zu behalten: das Ziel der Klerusreform, die Auseinandersetzung mit den Aufsichtsrechten der Bischöfe und den geistlichen Standesprivilegien, der disziplinierende Zugriff auf den Niederklerus im Rahmen des Kirchenregiments und seine Einbindung in den Untertanenverband der Landesherrschaft. 149 Felician Gess vermutet sogar, Peraudi habe die Supplik von 1503 gar nicht nach Rom weitergeleitet. Vgl. ABKG, Bd. 1, LXIII. 150 Siehe S. 162–168.

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3. Landesherrliche Kirchenreform in der Praxis: Aufsicht über die Amts- und Lebensführung des Niederklerus Auch wenn Georgs Reformpläne bei der Kurie keine Akzeptanz fanden, gewähren sie doch Aufschluß über die weitreichenden Zielvorstellungen des reformbegeisterten Albertiners. Dieser Einblick ist um so wichtiger, als sich Herzog Georg in der Praxis seiner Kirchenpolitik keineswegs von fehlenden päpstlichen Privilegien auf halten ließ. Zwei Entwicklungsstränge lassen sich dabei ausmachen: die Einbindung des Niederklerus in den Untertanenverband der Landesherrschaft und das Eindringen des Landesherrn in die bischöfl iche Domäne der Aufsicht über den Niederklerus. Im Gegensatz zu vielen anderen Fürsten wie etwa seinen ernestinischen Vettern Friedrich und Johann gab sich Herzog Georg nicht damit zufrieden, bei den zuständigen geistlichen Instanzen lediglich Klage über die Mißstände zu führen.151 Zwar unternahm er 1498 gemeinsam mit den Ernestinern einen Vorstoß, die mitteldeutschen Bischöfe und Archidiakone zu einer grundsätzlichen Reform von Niederklerus, Laien und geistlicher Gerichtsbarkeit zu bewegen. Doch brachten die Verhandlungen auf dem Tag zu Naumburg im Juli 1500 keine greif baren Ergebnisse.152 Umso erfolgreicher erwies sich Herzog Georgs Politik der unermüdlichen Intervention in konkreten Einzelfällen, die geradezu als Signum seines Kirchenregiments im Bereich des Niederklerus gelten kann. a) Reformziele Landesherrliche Reform des Niederklerus setzte überall dort an, wo Geistliche gegen jene Normvorstellungen verstießen, die die Laien an ihren Seelsorgeklerus herantrugen. Wie sich die weltliche Landesherrschaft einen guten Seelsorger vorstellte, zeigt ein Empfehlungsschreiben der Statthalter Herzog Georgs aus dem Jahre 1514. Sein vordergründiges Anliegen war es, vom Meißner Bischof die Freistellung eines Priesters für die Vertretung des Chemnitzer Stadtpfarrers zu erreichen. Der Kandidat, so schreiben die Statthalter, zeichne sich durch einen guten Lebenswandel und durch Fleiß bei der Versehung der göttlichen Ämter aus. Außerdem sei er bei der Bevölkerung der Stadt beliebt, weshalb die Räte mit seiner Bestellung die Hoffnung verbanden, daß er das Kirchenwesen in Chemnitz in gute Ordnung bringen würde.153 151

Zur Kirchenpolitik der Ernestiner siehe S. 336–342. Zum Tag von Naumburg siehe S. 230–236. 153 Vgl. Brief der Statthalter Herzog Georgs an Bischof Johann VI. von Meißen, Dresden, 13. Mai 1514, Cop. 119, Bl. 39 f. – Hintergrund des Schreibens war der Umstand, daß der als Vertreter des Pfarrers Dr. Wolfgang Steinberger vorgesehene Magister Caspar Stebener bereits in der nahe Chemnitz gelegenen Stiftskirche zu Ebersdorf bepfründet war und daher 152

300 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) Das Empfehlungsschreiben der Dresdner Räte führt vier Kriterien eines guten Pfarrers auf. Aus den beiden ersten ergibt sich im wesentlichen der Rahmen jener Normverstöße, gegen die die Landesherrschaft einschritt: zum einen soziales Fehlverhalten, also Mängel in der Lebensführung, zum anderen die Vernachlässigung der Amtspfl ichten in der Seelsorge. Im Bereich der Lebensführung wurden das Konkubinat,154 Trunkenheit,155 aber auch Kritik an der Obrigkeit156 als Fehlverhalten angesehen. Gegen die Vernachlässigung der Seelsorge schritt der Landesherr ein, wenn Meßverpfl ichtungen nicht eingehalten oder Präsenzpfl ichten verletzt wurden.157 Als strafwürdig galten auch Geldforderungen für die Spendung der Sakramente und für kirchliche Amtshandlungen. Hier trat ein Hauptziel der landesherrlichen Kirchenreform, die Versorgung aller Untertanen mit den Gnaden der Kirche, in Spannung zur Finanzierung des Niederklerus, für den Stolgebühren und Oblationen traditionell eine wichtige Einnahmequelle darstellten.158 Schließlich spielten Wirtschaftsvergehen einen bischöfl ichen Dispens für die Übernahme der Conventorstelle benötigte. Einen ähnlichen Pfl ichtenkatalog – Präsenz, bauliche Erhaltung der Pfarre, Regierung des Kirchspiels, Meßverpfl ichtungen (»gottisdinst«), klerusgemäße Lebensführung – enthält der mündliche Priestereid, den der Treffurter Pfarrer Ernst Schmalstieg 1500 leisten mußte. Siehe oben, Anm. 24. 154 Für Verstöße gegen das Zölibat und damit verbundene Konfl ikte vgl. ABKG, Bd. 1, LVI, Anm. 2. 155 Ein Beispiel für Trunkenheit von Pfarrern war Anlaß für den Brief Herzog Georgs an Bischof Johann VII. von Meißen, Rochlitz, 29. April 1519, ebd., 82. 156 Ein Beispiel für das Vorgehen gegen Kritik an der Obrigkeit bietet der Fall des Pfarrers zu Freyburg, der im Jahre 1500 von der Kanzel aus mit Schmähungen die neue Stadtordnung von Freyburg kritisierte, worauf hin Herzog Georg seinen Rat Dietrich von Witzleben beauftragte, Stadtrat und Pfarrer zu hören und dem Pfarrer Schmähungen gegen »soliche ordnunge, dye m. g. h. vor zcymlich irkennet« zu verbieten. Vgl. Briefe Herzog Georgs an den Rat zu Freyburg und an Dietrich von Witzleben, [Dresden] 26. Oktober 1500, Cop. 106, Bl. 90a. – Im Jahre 1503 beschwerte sich Herzog Georg beim Abt zu Pegau über den von ihm abhängigen Pfarrer zu Pegau wegen einiger »unnutzer wort«, mit der dieser den Stadtrat kritisiert hatte. Vgl. Brief Herzog Georgs an den Abt zu Pegau, o.O., 24. März 1503, Cop. 108, Bl. 224a. – Direkte Kritik an Herzog Georg wegen der Kürzung seiner geistlichen Zinsen durch einen landesherrlichen Schied übte der Pfarrer zu Somsdorf, worauf der Fürst – von den örtlichen Dorfgemeinden informiert – Bischof Johann VII. zur Untersuchung des Falles aufforderte. Vgl. Brief Herzog Georgs an Bischof Johann VII. von Meißen, Dresden, 22. November 1524, ABKG, Bd. 1, 768 f. 157 Siehe die im folgenden angeführten Fallbeispiele. 158 Die Vorwürfe werden in den Verhandlungen von 1499 sehr grundsätzlich vorgebracht: »es werden auch an viel enden arme leute gedrungen, die sacrament mit gelde zuerwerben« (Gebrechen, so inn geistlicher ordnung stehn [vor 17. Juni 1499], mit falscher Überschrift ediert in: Burkhardt, Landtagsakten, 46–49). Sie richteten sich im Kern aber wohl nur gegen Neuerungen auf diesem Gebiet. Dies zeigt beispielsweise die vom Landesherrn aufgegriffene Beschwerde der Gemeinden Landsberg und Gollma über Sakramentsgebühren ihres Pfarrers, die als »nit gewonlichen« angesehen wurden. Brief der Herzöge Johann d.J. und Friedrich d.J. an Johann von Kanitz, Propst zum Petersberg, Dresden, 13. Mai 1521, ABKG, Bd. 1, 165–167. – Zur großen Bedeutung solcher Einnahmen für das Pfarreinkommen vgl. Petke, Oblationen; Petersen.

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des Klerus eine Rolle, vor allem die gewerbliche Verwertung des Pfründeneinkommens durch unerlaubten Bier- oder Weinschank.159 Nur selten wurden die Reformziele für den Niederklerus als geschlossenes Programm präsentiert. Für die Naumburger Reformverhandlungen stellten landesherrliche Räte 1499 einen Katalog von Gravamina zusammen. Dort werden als Verfehlungen des Niederklerus das Konkubinat, der Besuch von Schenken (verbunden mit übermäßigem Trinken, Zank und Streit), das Wein- und Bierschenken sowie Geldforderungen für die Sakramentsspendung angeprangert.160 Die Klagen gipfeln in der Forderung, daß »die geistlichen den leihen kein boße exempel und beispiel geben« sollen.161 Noch ein Vierteljahrhundert später dienten die »Gebrechen« des Jahres 1499 als unmittelbare Vorlage für Herzog Georgs Beitrag zu den Gravamina des Wormser Reichstages von 1521 (wobei allerdings der Niederklerus unberücksichtigt blieb).162 Schon dies verweist darauf, daß die Zusammenstellung in Listen eine gewisse Topoibildung beförderte. Die genannten Normverstöße waren allgemein bekannt, ihre Ursachen oftmals struktureller Natur. Sie konnten sogar als Stereotype dazu dienen, tatsächliche Konfl iktlinien zu verdecken. Dies scheint etwa beim schon erwähnten, von Herzog Georg unterstützten Versuch der Inkorporation der Pfarre Langhennersdorf durch das Kloster Altzelle der Fall gewesen zu sein. In seinem Bemühen, die Inkorporation der Pfarre zu rechtfertigen, bezieht sich das Kloster, ohne konkrete Anschuldigungen vorbringen zu können, allein auf den Topos des schlechten Lebenswandels des bisherigen Pfarrers. Selbst den Niedergang der örtlichen Wallfahrt bringt das Kloster mit dem unzulänglichen Verhalten des Pfarrers in Verbindung. Und weil die Reform des priesterlichen Lebenswandel allgemein als ein Allheilmittel der Kirchenreform galt, konnte das Kloster umgekehrt behaupten, daß allein durch die Inkorporation und die mit ihr verbundene Einsetzung eines »werntlichen adder geystlichen prister eynes guten lebens« auch die Wallfahrt in neuen Flor gebracht werden könne.163 b) Reformmaßnahmen Eine Sanktionierung von klerikalem Fehlverhalten stand der weltlichen Gewalt nach dem Kirchenrecht nicht zu und auch die weltlichen Rechtstraditionen, 159 Für Beispiele vgl. ABKG, Bd. 1, LVII, Anm. 2; 164 f., 178–180; zur Sache siehe unten, Abschnitt 4 a). 160 Vgl. Gebrechen, 1499 (wie Anm. 158). Zu den Verhandlungen siehe S. 230–236. 161 Vgl. Protokoll des Rätetags zu Naumburg am 14. Juli 1500, Loc. 14950 Konzepte, Faszikel »1502«, unpag. Vgl. auch ABKG, Bd. 1, LVI–LXII. 162 Siehe S. 176–179. 163 Brief Herzog Georgs an Sigmund Pflug, Dompropst zu Meißen, Leipzig, 26. Oktober 1508, Cop. 110, Bl. 17 b.

302 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) seien es Sachsenspiegel oder Römisches Recht, sahen solche Fälle nicht vor. Daran wollte auch Herzog Georg im Prinzip nicht rütteln. Im Peraudi-Programm formulierte er als Idealvorstellung lediglich einen indirekten Einfluß über einen »conservator«, einem dem Landesherrn verpfl ichteten geistlichen Richter. Auch in der Praxis konnte Georg die Existenz und Legitimität der geistlichen Gerichtsbarkeit nicht ignorieren. Ein kreativer Lösungsansatz in diesem Dilemma war der Versuch, die kirchliche Justiz für die fürstliche Kirchenreform zu instrumentalisieren. Tatsächlich bestand Georgs Kirchenregiment oft aus einer hybriden Mischung von indirekter Einflußnahme über die geistlichen Instanzen und direktem landesherrlichen Druck. Die Formen der landesherrlichen Sanktionen waren den unterschiedlichen Situationen gemäß vielfältig. So kamen manche Maßnahmen, wie etwa die Temporaliensperre, nur bei bestimmten Vergehen in Betracht. Die erste Stufe des direkten landesherrlichen Eingreifens bildete die Vermahnung. Dies geschah etwa im Jahre 1495, als Herzog Georg dem Pfarrer zu Senftenberg den gewerblichen Ausschank von Bier verbot und ihm ankündigte, das Verbot nötigenfalls vom lokalen Amtmann durchsetzen zu lassen.164 Einen zuvor angesetzten Schiedstermin zwischen dem Pfarrer und dem Rat hatte der Pfarrer ignoriert.165 Einer eher unrühmlichen Sonderform der landesherrlichen Sanktionsgewalt bediente sich Herzog Georg beim Vorgehen gegen Konkubinarier. Wie in vielen Regionen des Reiches richtete sich die landesherrliche Gewalt auch in Sachsen gegen das schwächste Glied in der Sozialbeziehung Konkubinat. Weil die Priester selbst durch das Privilegium fori weitgehend geschützt waren, verhaftete man an ihrer Stelle die Lebenspartnerinnen der Kleriker, oft zusammen mit den gemeinsamen Kindern.166 Ein besonders wirkungsvolles Sanktionsinstrument in der Hand des Landesherrn war die Drohung mit der Temporaliensperre, also die Verweigerung der Einkünfte des Benefiziums. Sie wurde angewendet, wenn ein Kleriker seiner eigentlichen Aufgabe, der Wahrnehmung von Seelsorge und Gottesdienst, nicht nachkam. Dabei handelte Herzog Georg wohlgemerkt völlig unabhängig von eigenen Patronatsrechten. Die Umsetzung der Sanktionen wurde ihm vielmehr durch seine Machtposition als weltlicher Landesherr ermöglicht, denn er konnte auf lokaler Ebene auf die Amtleute und zuweilen sogar auf die Unterstützung 164 Vgl. Brief Herzog Georgs an den Pfarrer zu Senftenberg, o.O., 7. März 1495, ABKG, Bd. 1, LVII, Anm. 2. 165 Vgl. Brief Herzog Georgs an den Pfarrer zu Senftenberg, o.O., 1. Februar 1495, Cop. 105, Bl. 83a. 166 Vgl. Brief Herzog Georgs an den Amtmann von Schellenberg, Dresden, 27. Juni 1517, ABKG, Bd. 1, 15 f.; Briefe Herzog Johanns d.J. an Herzog Johann d.Ä., Dresden, 9. und 30. August 1518, ebd., 43 f. – Diese Vorgehensweise war bei den weltlichen Landesherren allgemein üblich. Siehe die Literatur in Anm. 306.

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der örtlichen Dorfgemeinden zurückgreifen. So verband Herzog Georg im Jahre 1509 die Mahnung an den Pfarrer zu Annaberg zur Teilnahme an einem Begängnis zu Schellenberg sowie zur Zahlung einer dabei fälligen »buß« mit der Drohung, andernfalls durch den Schellenberger Amtmann »euch euer fruchte zu hemmen«.167 Idealtypisch zeigt ein Thüringer Beispiel aus dem Jahre 1504, wie Herzog Georg mit den örtlichen Dorfgemeinden zusammenarbeitete, um durch Druck auf den Klerus die Versorgung seiner Untertanen mit Gottesdienst und Sakramenten sicherzustellen. Ausgangspunkt war hier eine Supplik der Gemeinden Günstedt und Herrnschwende, in der die Untertanen ihren Landesherrn um Hilfe baten, weil der Komtur der Deutschordenskommende zu Griefstedt seine Seelsorgeverpfl ichtungen in ihrer Kapelle vernachlässigte. Obermarschall Heinrich von Schleinitz hatte in der Angelegenheit bereits einige Zeit zuvor eine Zusage des Deutschherrn erreicht. Da sich die Situation aber nicht besserte, wies Herzog Georg nun den Amtmann von Sachsenburg an, den Komtur erneut anzugehen und ihm nötigenfalls zu drohen, »soviel von des compthür güttern einzunemen, davon er soviel gottes dinst, als gefallen ist, bestelln und erfullen moge«.168 In einem ähnlich gelagerten Fall drohte Herzog Georg dem Propst zu Utenbach wegen der Vernachlässigung seiner Meßverpfl ichtungen in den Dörfern Kösnitz und Zimmern. Sollte der Propst die Klagen der Untertanen nicht ernstnehmen, werde er seinen Amtmann anweisen, »den leuten zugepietten, dem gemelten probst sein jerliche gepur auch nicht volgen zu lassen.«169 Die schwersten Sanktionen, die Herzog Georg bei der Disziplinierung des Niederklerus zur Anwendung brachte, waren die Verhaftung und die Absetzung. Beide sind als eigenständige Vorgänge getrennt zu betrachten. Wurde die Verhaftung schon in manchen minderschweren Fällen als letztes Mittel eingesetzt, griff Herzog Georg regelmäßig bei schweren Straftaten zu dieser Sanktion. So etwa im Falle des Pfarrers zu Collm, der 1521 wegen eines tätlichen Angriffs vom Oschatzer Vogt in Dresden angezeigt wurde. Die Dresdner Statthalter befahlen dem Amtmann darauf hin, »das ir dem pfaffen fleysiclich nachtrachtet, domit ir ine gefenglich annehmet, auf eyn wagen smidt und wol vorwart u. g. h. [= dem Bischof ] von Meyssen [. . .] zuschigket«.170 Was man als einen klaren Verstoß gegen das Privilegium fori verstehen könnte, die eigenstän167 Brief Herzog Georgs an den Pfarrer zu Annaberg, Schellenberg, 22. September 1509, Cop. 110, Bl. 235a. 168 Brief Herzog Georgs an den Amtmann zu Sachsenburg, Dresden, 8. Februar 1504, Cop. 109, Bl. 22a. 169 Brief Herzog Georgs an den Propst zu Utenbach, Leipzig, 1. Dezember 1500, Cop. 106, Bl. 148b. 170 Brief der Räte zu Dresden an den Vogt zu Oschatz, Dresden, 4. November 1521, ABKG, Bd. 1, 201 f.

304 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) dige Verhaftung von Geistlichen durch den Landesherrn, wurde in Sachsen damals auch von den Bischöfen als gängige Praxis akzeptiert. Auf der anderen Seite anerkannte auch die herzogliche Regierung in ihrem Begleitschreiben an den Bischof, daß »der prister hochgedachts u. g. h. [= Herzog Georgs] gerichtszwange nicht underworfen« sei. Die Übergabe des Delinquenten in die Gewalt des geistlichen Richters bedeutete andererseits keineswegs, daß die weltliche Seite den Fall völlig aus der Hand gegeben hätte. Vielmehr wurde der Bischof verpfl ichtet, den Pfarrer so lange in Haft zu halten, bis sich Herzog Georg persönlich zu dem Fall äußern würde.171 Wie in diesem Fall, so ließ Herzog Georg verhaftete Kleriker in der Regel in geistliche Haft überführen und respektierte so formal deren Standesprivilegien. Genauso regelmäßig aber beobachtete er den Verlauf des weiteren geistlichen Verfahrens und übte häufig indirekten Einfluß aus.172 Ein solches Zusammenspiel zwischen Landesherrn und Bischof setzte freilich gute Beziehungen voraus. Wenn Georg hieran Zweifel haben mußte, wie während des Konfl ikts mit Bischof Johann VI. 1502–1511, behielt er schwer straffällige Geistliche wie den mutmaßlichen Mörder Georg von der Kere in weltlicher Haft und ließ sich nicht einmal durch das Interdikt des Bischofs beeindrukken.173 Die ultimative Sanktion für einen Weltgeistlichen aber war seine Absetzung, der Verlust des Benefiziums. In ihrer kirchenrechtlich systematisierten Form, der Deposition, stand sie freilich nur dem geistlichen Richter zu.174 Auf Umwegen aber war auch der weltliche Landesherr in der Lage, einen Weltgeistlichen seiner Pfründe zu entheben: Er mußte ihn nur dazu bewegen, das Benefizium »freiwillig« zu resignieren. Durch die Resignation fiel die Pfründe an den Patron zurück, der sie erneut besetzen konnte. Im rechtlichen Zusammenhang der Resignation mit dem Patronatswesen könnte der Grund zu suchen sein, warum durch Herzog Georg erzwungene Resignationen nur bei landesherrlichen Patronatspfründen zu beobachten sind. Dies änderte sich in der Reformationszeit, als Herzog Georg im Kampf gegen die Evangelische Bewegung zur Gefangennahme und Absetzung lutherischer Pfarrer und Altaristen griff.175 Für die Vorreformation sind bislang zwei Fälle der erzwungenen Resignation von straffällig gewordenen Priestern bekannt, die Absetzung des Oederaner Pfarrers Christoph Backofen und die Resignation des Seelitzer Altaristen Lucas Mathei. In beiden Fällen war auch der zuständige Bischof beteiligt. Dennoch

171 Brief der Räte zu Dresden an Bischof Johann VII. von Meißen, Dresden, 4. November 1521, ebd., 202. 172 So auch im Fall des Annaberger Pfarrers Dr. Johannes Pfennig, siehe S. 460 f. 173 Siehe S. 198. 174 Vgl. Plöchl, Bd. 2, 390 f. 175 Siehe S. 509–520.

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erfolgte die Absetzung nicht durch eine förmliche Deposition, sondern durch eine vom Fürsten erzwungene Resignation. Gegen Christoph Backofen war erstmals am 24. März 1501 ein Haftbefehl erlassen worden, und zwar auf Bitten des Meißner Bischofs und des Domkapitels, die ihm vorwarfen, sich einem geistlichen Gerichtsverfahren wegen unpriesterlicher Lebensführung zu entziehen.176 Nach einer weiteren Verhaftung auf Initiative des Landesherrn im Jahre 1502177 wurden im April 1503 zum dritten Mal Klagen gegen ihn laut: »das er sich widerum merglicher beswerung gegen der briesterschaft und gemeinem volk in schande und lesterworten gebrucht«. Nun forderte Herzog Georg vom Bischof die Absetzung und Ausweisung des unverbesserlichen Priesters.178 Doch diese unterblieb offenbar; jedenfalls entschloß sich Herzog Georg, das Problem über den Weg der Resignation zu lösen. Um Backofen zu einer solchen zu bewegen, gestattete er ihm einen Pfründentausch. Am 23. Mai 1503 präsentierte er Johann Backofen, offenbar ein Vetter des Delinquenten, auf die Pfarre zu Oederan.179 Gleichzeitig verwendete er sich bei Hans von Weißenbach, dem Patron der bisher von Johann Backofen gehaltenen Altarpfründe zu »Sueln«, um die Bestellung Christoph Backofens zum neuen Altaristen zu erreichen.180 Damit setzte sich Herzog Georgs Reformwille durch. Der als Pfarrer und Seelsorger ungenügende Kandidat wurde entfernt und auf eine ferne Altarpfründe verbannt, sein Nachfolger fiel nicht mehr negativ auf.181 Bemerkenswert erscheint dabei, daß sich der Landesherr in seinen kirchenpolitischen Reformzielen nicht durch fehlende Befugnisse auf halten ließ, sondern kreativ die Möglichkeiten des spätmittelalterlichen Pfründenwesens zu nutzen verstand.

176 Vgl. Brief der Räte zu Dresden an Sigmund von Maltitz, Amtmann zu Schellenberg, o.O., 24. März 1501, ABKG, Bd. 1, 17, Anm. 1. 177 Vgl. Brief Herzog Georgs an den Amtmann zu Schellenberg, o.O., 22. August 1502, ebd. 178 Herzog Georg forderte den Bischof auf, »den pfarrer zu Odern seiner [des Bischofs] zusage nach [. . .] nachmals ane lenger vorzihen us seiner gnaden stift zu weisen«. Brief Herzog Georgs an Bischof Johann VI. von Meißen, o.O., 4. April 1503, ebd. 179 Vgl. Präsentationsschreiben Herzog Georgs auf die Pfarre Oederan an den Offi zial der Propstei zu Meißen, o.O., 23. Mai 1503, Cop. 108, Bl. 274b, teilediert: ABKG, Bd. 1, 847. 180 Vgl. Brief Herzog Georgs an Hans von Weißenbach, o.O., 31. Mai 1503, Cop. 108, Bl. 286a. 181 Johann Backofen resignierte auf die Pfarre Oederan erst im August 1511. Vgl. ABKG, Bd. 1, 17, Anm. 1. – Der Schluß von Felician Gess (ebd., Anm. 1), Christoph Backofen wäre nicht abgesetzt worden, beruht auf seiner Verwechslung mit Johann Backofen. Gess korrigierte seinen Irrtum selbst. Vgl. ABKG, Bd. 1, 847.

306 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) c) Kooperation statt Konfrontation: Die Zusammenarbeit mit der geistlichen Gerichtsbarkeit Noch häufiger als zum direkten Einschreiten entschloß sich Herzog Georg zum indirekten Vorgehen, indem er Vergehen der Weltgeistlichen dem zuständigen geistlichen Richter anzeigte. Eine solche Anzeige verband sich stets mit der deutlichen Forderung nach der Abstellung der Mißstände und einer Bestrafung der Schuldigen. Zu den Verfahren geistlicher Gerichte gegen Kleriker haben sich für unseren Raum nur wenige Quellen erhalten. Wo es sie gibt, wie die Protokolle des Sieglers zu Erfurt aus dem Jahre 1498, belegen sie schlaglichtartig das Wirken der kirchlichen Disziplinargerichtsbarkeit, der außerdem Diözesansynoden, Landkapitel und archidiakonale Sendgerichte zur Seite traten.182 Eine Anzeige Herzog Georgs erhielt im April 1519 Bischof Johann VII. von Meißen wegen des Pfarrers zu Krumhermsdorf. Selbst in der Karwoche hatte sich dieser dem Alkohol hingegeben. Aus Georgs Anklage spricht dabei nicht nur ein Interesse an Normen, sondern auch die Empörung des strengen Laienchristen über die Folgen klerikaler Unzulänglichkeit. Denn aus der Perspektive Herzog Georgs war es vor allem die Gemeinde und damit ein Teil seiner Untertanen, die unter dem übermäßigen Alkoholkonsum des Pfarrers zu leiden hatten. Weil dieser am Vorabend des Osterfestes nicht in der Lage gewesen war, die übliche Osterbeichte zu hören, mußte er am Ostertag 40 Personen die Beichte abnehmen. Dadurch zog sich die Messe bis weit nach 12 Uhr hin und als man endlich zum Kommunionsempfang schritt, erlitt ein Mädchen einen Schwächeanfall und erbrach zum Entsetzen der Gemeinde den Leib Christi. »Was grosser mißbitunge dem allmechtigen gutigen Gote hiraus beschen«, so schließt Herzog Georgs Anklage, »haben e. l. als ein cristlicher bischof gar lechtlich zu ermessen.«183 Fälle weltgeistlichen Fehlverhaltens an die kirchliche Justiz zu verweisen bedeutete für Herzog Georg jedoch nicht, sich damit aus der Verantwortung zu verabschieden. Häufig verfolgte er den weiteren Gang des Verfahrens und mischte sich ein, wenn er es für nötig erachtete. So verhielt er sich z. B. im schon beschriebenen Fall des Pfarrers zu Collm 1521. Die Einflußnahme des Landesherrn konnte so weit gehen, daß er selbst ein Strafmaß vorschlug. Im August 1524 etwa forderte er die Räte des auf Romreise befi ndlichen Bischofs von Meißen auf, zwei wegen Jungfrauenschändung angeklagte Altaristen aus Großenhain »nit an gelt ader irem gut, soundern am leib [zu] strafen«.184 In 182

Vgl. Johanek, Bischof, 85–97, mit Beispielen (nach Hannapel, 177–179) zu Erfurter Verfahren gegen Priester im Archidiakonat Oberdorla, also in der Umgebung des albertinischen Amtes Langensalza. Vgl. auch Lück, 50–69. 183 Brief Herzog Georgs an Bischof Johann VII. von Meißen, Rochlitz, 29. April 1519, ABKG, Bd. 1, 82. 184 Brief Herzog Georgs an die Räte Bischof Johanns VII. von Meißen, Dresden, 3. August 1524, ebd., 716.

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manchen Fällen gelang es ihm, die Autonomie der geistlichen Gerichtsbarkeit so stark einzuschränken, daß vom Beginn bis zum Ausgang alle Stufen des geistlichen Verfahrens faktisch zwischen Landesherrn und geistlichem Richter ausgehandelt wurden. Hier kam Herzog Georg seinem im Peraudi-Programm formulierten Ideal einer landesherrlich kontrollierten kirchlichen Justiz sehr nahe. Dies läßt sich am Beispiel des Prozesses gegen Lucas Mathei verdeutlichen. Der aus Rochlitz stammende Priester hatte eine landesherrliche Patronatspfründe als Altarist zu Seelitz inne, als er 1519 vom Rat seiner Heimatstadt Rochlitz wegen ehrverletzender Beleidigungen beim Landesherrn angezeigt wurde. Dieser brachte den Fall zunächst dem zuständigen Bischof von Merseburg zur Kenntnis. Adolf von Merseburg seinerseits stellte Herzog Georg die Entscheidung darüber frei, ob er Mathei vor sich zitieren solle, oder ob Georg ihn gleich verhaften und dem Bischof übergeben wolle.185 Nachdem der geistliche Prozeß begonnen hatte, schrieb Georg dem Bischof, er würde »garnicht zweyfeln, das sich e. l. als ein geystlicher tugentlicher furst und prelat mit strafe kegen ime [Mathei] wol werden zu erzaygen wyssen«. Dennoch beeinflußte er den Prozeß, indem er die Vorwürfe der Rochlitzer Kläger durch Zeugenaussagen erhärten ließ und den weiteren Klagepunkt hinzufügte, Mathei sei seinen Meßverpfl ichtungen als Altarist zu Seelitz ungenügend nachgekommen.186 Als schließlich im Herbst Bischof Adolf darauf drängte, den Prozeß abzuschließen und Mathei aus der Haft zu entlassen, bestimmte Herzog Georg in Absprache mit den Rochlitzer Klägern dafür die Bedingungen: Mathei, der der alteingesessenen Rochlitzer Familie Mathesius entstammte,187 mußte Urfehde schwören, durfte Rochlitz nicht mehr betreten und hatte vor allem, »nachdem er sich kegen uns und yne, als seinen patron, vorhandelt, [. . .] dadurch seyne lehen vorwirkt«. Welche Schlüsselrolle Herzog Georg in dem geistlichen Verfahren zugesprochen wurde, belegt schließlich der Umstand, daß der Nürnberger Propst Melchior Pfi ntzigk, als er eine Supplik zugunsten des Inhaftierten verfaßte, diese direkt an den Landesherrn richtete.188 Die zitierten Beispiele zeigen, daß es Herzog Georg bei seinen Reformbemühungen gegenüber den Niederklerus verstand, die geistlichen Gewalten in sein Kirchenregiment einzubinden. Die Kooperation mit den Landesbischöfen gab ihm die Möglichkeit, die Grenzen, die das Kirchenrecht seiner Sanktionsgewalt setzte, zu umgehen und gleichzeitig möglichem Protest gegen sein Eingreifen zuvorzukommen, indem er Konsens darüber herstellte. Herzog Georgs Kir185 186

Vgl. Brief Cäsar Pflugs an Herzog Georg, o.O., 14. Februar 1519, ebd., 69. Brief Herzog Georgs an Bischof Adolf von Merseburg, Rochlitz, 30. April 1519, ebd.,

82 f. 187

Vgl. Pfau, 196. Brief Herzog Georgs an Bischof Adolf von Merseburg, Dresden, 19. Oktober 1519, ABKG, Bd. 1, 101 f. 188

308 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) chenpolitik setzte also auch hier eher auf Einbindung als auf Konkurrenz zu den lokalen geistlichen Gewalten. Das Ausmaß der Zusammenarbeit war freilich stark von Personen abhängig. Gerade das belastete Verhältnis zum Meißner Bischof Johann VI. ist hier als Negativbeispiel interessant. Von ihm erwartete Herzog Georg im Jahre 1516 keine Hilfe und sah sich daher veranlaßt, direkt als Landesherr gegen das Konkubinat der Pfarrer von Euba und Flöha im Erzgebirgsvorland vorzugehen. Seinem Amtmann erläuterte er seinen Entschluß zum Eingreifen mit folgenden Worten: »Dann abwol der bischof dorinn nicht sehen wolde, so werden dannoch wir geursacht, also doreyn zu sehen, das solche unzucht von pristern in unserm furstentum nicht gestattet, nach zugesehen wurde.« Der landesherrlichen Forderung an die Priester, von ihrem unsittlichen Leben Abstand zu nehmen, verlieh er Nachdruck, indem er dem Amtmann befahl, die Konkubinen zu verhaften.189 Auf der anderen Seite war Georg durchaus bereit, eng mit den geistlichen Gewalten zu kooperieren, ja ihnen sogar weiteren Spielraum zu lassen, wenn er ihren Vertretern Vertrauen entgegenbrachte. Dies galt etwa für den Archidiakon und geistlichen Richter Hiob von Dobeneck, vor allem aber für die Bischöfe Johann VII. von Meißen und Adolf von Merseburg, mit denen er in den Jahren der frühen Reformation intensiv zusammenarbeitete.190 So ist eher die Zusammenarbeit als die Konkurrenz mit der geistlichen Gewalt als Signum der Niederkleruspolitik Herzog Georgs zu bezeichnen. Freilich war es eine Zusammenarbeit, in der der Landesherr selbstbewußt und oft dominant auftrat und sich Kompetenzen anmaßte, die weit über das Kirchenrecht und auch die fürstliche Praxis seiner Zeit hinausgingen. Als abschließendes Beispiel für den selbstbewußten und unorthodoxen Stil des albertinischen Kirchenregiments sei ein Vorschlag an Kardinal Albrecht aus dem Jahre 1520 genannt. Gemeinsam mit dem Mainzer Erzbischof wollte Herzog Georg die am Mittellauf der Saale gelegenen Pfarren Dornburg und Vierzehnheiligen visitieren. Wieder waren es Suppliken der Dorfgemeinden und der Bericht des örtlichen Amtmanns, die den Fürsten auf die unpriesterliche Lebensweise und die Defi zite in der Amtsführung der dortigen Priester aufmerksam gemacht hatten. »So wir dann nicht gern sehen, das dye pristerschaft solt geschympft ader sust durch aufrurige handlung beleydigt werden«, entschloß sich Herzog Georg zum Eingreifen. Da eine Beschwerde beim zuständigen Siegler zu Erfurt »unersprießlich« geblieben war, forderte er schließlich den Bischof selbst dazu auf, der Angelegenheit durch die Entsendung von Visitatoren nachzugehen. Doch wieder vertraute Georg nicht auf eine Lösung des Problems allein durch die geistliche Gewalt. Wie es seinem Ideal von Zusammenarbeit und Kontrolle ent189 Brief Herzog Georgs an [Bartel Praßler,] den Amtmann zu Schellenberg, Dresden, 27. Juni 1517, ebd., 15 f. 190 Siehe S. 207–214, 515–520. Zu Dobeneck siehe S. 243 f.

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sprach, wollte er als weltlicher Landesherr mit seinen Räten vor Ort vertreten sein und so die Visitation gemeinsam mit dem Bischof durchführen.191

4. Der Priester als Untertan: Die Einbindung des Niederklerus in den territorialen Untertanenverband Ein zentrales Merkmal des Kirchenregiments Herzog Georgs war der Anspruch auf die Einbindung des Niederklerus in den Untertanenverband des Territoriums. Dieser erscheint, wie vorher die Mediatisierung der Bischöfe, als ein Teilprozeß der Integration der Kirche in das Territorium und war gleichzeitig Ausdruck des Nivellierungswillens der Landesherrschaft beim Auf bau des frühmodernen Territorialstaats. Vergleichbare Vorgänge kennzeichnen auch die zeitgenössische Politik städtischer Obrigkeiten.192 Am politischen Willen Herzog Georgs, Kirche und Klerus weitgehend in das Territorium und damit in den eigenen Herrschaftsbereich zu integrieren, darf kaum gezweifelt werden. Denn anders als im 14. Jahrhundert, für das Johanna Naendrup-Reimann festgestellt hat, daß die Ursachen für ähnliche Prozesse noch eher in tagespolitischen Konfl ikten zwischen weltlicher und geistlicher Gewalt lagen,193 zeichnete den Ausbau des Territorialstaats am Ende des 15. Jahrhunderts ein systematischer Zug aus. Die Einbindung des Niederklerus in den Untertanenverband des Territoriums erforderte die Nivellierung der privilegierten ständischen Position des Klerus, die durch die Immunitätsprivilegien des Klerikerstandes garantiert wurde.194 Diese Privilegien erschwerten und verlangsamten den Integrationsprozeß erheblich, denn sie konnten vom Landesherrn nicht offiziell aufgehoben, mußten vielmehr stillschweigend umgangen werden. Der Kleriker als Untertan, wie ihn Manfred Schulze schon in der Landesordnung Herzog Wilhelms III. von 1446 angedacht findet,195 konnte also nicht einfach per Mandat postuliert werden. Er mußte in der Praxis entstehen, indem der Niederklerus Stück für Stück dazu gebracht wurde, die Herrschaft und Gesetzgebung des weltlichen Landesherrn für sich als maßgeblich und verbindlich anzuerkennen. Die Elemente dieses Integrationsprozesses sind zum Teil schon im 14. Jahrhundert zu beobachten. Dazu gehören die persönliche Besteuerung der Geistlichkeit, die Garantie der Testierfreiheit gegenüber den Ansprüchen des Bi191

Brief Herzog Georgs an Kardinal Albrecht, Weißenfels, 17. Mai 1520, ABKG, Bd. 1,

120 f. 192 Vgl. Moeller, Reichsstadt und Reformation; Hamm, Bürgertum; als Fallstudien: Heitzenröder; Gößner. 193 Vgl. Naendrup-Reimann, 172. 194 Vgl. Plöchl, Bd. 2, 190–194. 195 Vgl. Schulze, Fürsten, 53–55.

310 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) schofs und die Ausübung der weltlichen Gerichtsbarkeit über den Klerus. Auf der mentalen Ebene zeigt sich die Vorstellung vom Klerus als Teil des Untertanenverbandes in der Unterscheidung zwischen »inländischem« Klerus und »auswärtigen« Bischöfen oder »fremden« geistlichen Gerichten.196 Damit wurde auch für die Geistlichkeit die Priorität territorialer Zugehörigkeit gegenüber der von Diözesangrenzen bestimmten kirchlichen Zuordnung proklamiert.197 So erreichten die Wettiner bereits 1401 ein päpstliches Privileg gegen die Zitation ihrer Untertanen vor außerhalb des Territoriums gelegene geistliche Gerichte (Privilegium de non evocandis subditis), das sie sich mehrfach bestätigen ließen.198 Für das Kirchenregiment Herzog Georgs lassen sich eine Reihe von Entwicklungen nachweisen, die auf eine fortschreitende Integration des Niederklerus in den Untertanenverband hindeuten. Dazu gehörte als erstes die Beanspruchung der weltlichen Gerichtsbarkeit über den Niederklerus in weltlichen Fällen einschließlich von Streitigkeiten über die Einkünfte geistlicher Pfründen. Dabei stand der Landesherr zum Teil in offener Konkurrenz zur geistlichen Gerichtsbarkeit. Der Landesherr entschied in solchen Fällen selbst oder verwies Schlichtung oder Gerichtsverfahren an seine Amtleute. Oft setzte er für Schlichtungsverfahren gemischte Kommissionen von weltlichen und geistlichen Richtern seines Vertrauens ein. Bewußt versuchte er, den Austrag von Streitfällen vor dem geistlichen Gericht zu verhindern. Daß die Zuständigkeit der weltlichen Gerichte auch vom betroffenen Niederklerus anerkannt wurde, zeigen die Beispiele von Pfarrern, die sich mit ihren Klagen an das Gericht des Landesherrn wendeten.199 Auf der anderen Seite gewährte der Landesherr dem in seinem Territorium wohnhaften Niederklerus Schutz und Schirm – wie seinen weltlichen Untertanen. Indem der Landesherr den Niederklerus gegen Fehden, gegen individuelle Gewaltandrohung und andere Widrigkeiten schützte,200 indem er ihm die exekutive Hilfe seiner Amtsträger etwa bei der Eintreibung rückständiger geistlicher Zinsen und Zehnte oder bei dem Erhalt der Pfarrgüter gewährte,201 leiste196

Siehe S. 32 sowie unten in diesem Abschnitt. Vgl. Naendrup, Reimann, 167 f. Siehe auch S. 431–438. 198 Vgl. Zieschang, 30–32, 42; Naendrup-Reimann, 167 f. 199 Für Beispiele und Belege siehe S. 226–250. 200 Vgl. z. B. Schutz- und Geleitbrief Herzog Georgs für den Pfarrer zu Rechenberg, o.O., 11. Dezember 1500, Cop. 106, Bl. 123a ; zum Schutz der Pfarrer zu Elsterwerda und Ortrand gegen die Fehde des Jacob von Köckeritz siehe S. 201. 201 Als Beispiele seien aufgeführt: Amtmann soll Zahlung von Zehnt und Abgaben an den Pfarrer notfalls durch Pfändung der Untertanen garantieren. Vgl. Brief Herzog Georgs an den Landvogt zu Pirna, o.O., 16. Januar 1503, Cop. 108, Bl. 168b ; für ähnliche Fälle vgl. Brief Herzog Georgs an den Amtmann zu Senftenberg, Dresden, 30. März 1512, Cop. 116, Bl. 224b –225a ; Brief Herzog Georgs an Rudolf von Bünau d.Ä. auf Droyssig, Annaberg, 5. März 1523, ABKG, Bd. 1, 476 f.; Brief Herzog Georgs an Sittich von Berlepsch, Leipzig, 26. April 1523, ebd., 499; Brief Herzog Georgs an die Gemeinden von Ober- und Niederdorla 197

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te er der Wahrnehmung Vorschub, daß er die Angehörigen des Niederklerus als seine Untertanen ansah. Dabei verwischten die Grenzen zusehends. So wurde das oben erwähnte Privilegium de non evocandis subditis unter Herzog Georg auch auf den Niederklerus bezogen. Der Pirnaer Pfarrer Gregor Walther beispielsweise wandte sich 1512 an den Landesherrn, weil die Pirnaer Dominikaner ihn vor dem Propst zu Neuwerk bei Halle als ihrem Conservator verklagt hatten. Schon frühere Pirnaer Pfarrer hatten in der gleichen Sache die Unterstützung Herzog Georgs gesucht und gefunden.202 Gregor Walther aber konnte ganz besonders auf die Hilfe des Landesherrn hoffen, denn er hatte zuvor als herzoglicher Kanzleischreiber in direktem Kontakt zu Herzog Georg gestanden.203 Tatsächlich trat Herzog Georg energisch für seinen ehemaligen Diener ein. Er appellierte an die moralische Verantwortung der Pirnaer Dominikaner, die den Prozeß schon mit Rücksicht auf die Einigkeit zwischen Regular- und Säkularklerus, die Voraussetzung für die »besserung des gemeinen volckes« sei, aufgeben sollten. Auch böte er sich selbst an, den Streit zu schlichten. Sollten die Dominikaner dennoch auf einem geistlichen Prozeß bestehen, dann hätten sie ihn in jedem Falle vor einem einheimischen Gericht, nämlich vor dem Bischof von Meißen, zu suchen und sollten »vonn disem euerm frembdenn furgenomenenn gerichtszwang abestehen.« 204 Wenn Herzog Georg und sein ehemaliger Kanzleischreiber Walther als Weltgeistlicher also hier das Privilegium de non evocandis subditis geltend machten, dann bedeutete dies, daß sie auch den Niederklerus zu den Untertanen der albertinischen Landesherrschaft rechneten. a) Besteuerung Die Standesprivilegien des Klerus schützten diesen auch von den am Ende des Spätmittelalters regelmäßig werdenden Steuerforderungen der Landesherrschaft. Diese Steuerfreiheit bezog sich freilich nur ad personam auf die Mitglieder des Klerikerstandes, galt also nicht für geistliche Grundherrschaften und ihre Untertanen. Nur der Bischof besaß das Recht, den Klerus zu besteuern.205 Zuund Langula, Dresden, 13. März 1524, ebd., 617 f. Amtmann soll einem Pfarrer den Besitz eines Ackers sichern. Vgl. Brief Herzog Georgs an den Amtmann zu Langensalza, o.O., 1. April 1495, Cop. 105, Bl. 123b. Stadtrat soll Pfarrer den Erhalt seiner Fleischbank auf dem Markt zu Chemnitz garantieren. Vgl. Brief Herzog Georgs an den Rat zu Chemnitz, Dresden, 23. April 1510, Cop. 116, Bl. 21a. 202 Vgl. Brief Herzog Georgs an den Pfarrer zu Pirna, o.O., 14. Dezember 1502, Cop. 108, Bl. 147a. 203 Vgl. Volkmar, Hofrat, 86. 204 Brief Herzog Georgs an die Dominikaner zu Pirna, Dresden, 4. Februar 1512, Cop. 116, Bl. 203b –204a. 205 Die Klerusbesteuerung war Teil der bischöfl ichen Aufsichtsrechte. Vgl. Hinschius, Bd. 2, 38–42; Bünz, Der niedere Klerus, 137–144; Mack. – Das am besten erforschte Beispiel für bischöfl iche Klerusbesteuerung in Mitteldeutschland ist das Subsidium caritativum der

312 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) erst gelang es dem Landesherrn, den Klerus zu Reichssteuern heranzuziehen. Für Georg ist dies beim Gemeinen Pfennig von 1495 und den Türkensteuern von 1500 und 1529 belegt.206 Freilich kam es zu einzelnen Verweigerungen und noch 1529 versuchte Kardinal Albrecht von Brandenburg bei Herzog Georg mit Verweis auf die Belastungen durch Bauernkrieg und Reformation zu erreichen, daß der thüringische Klerus von der vom Landesherrn erhobenen Reichstürkensteuer ausgenommen würde.207 Zu welch schweren Konfl ikten die Steuerfrage zwischen Landesherren und unabhängigen Reichsbischöfen führten konnte, zeigt der bekannte fränkische Pfaffensteuerstreit von 1480–1482.208 Wesentlich ungünstiger sah die Position des Klerus offenbar in anderen Teilen der lateinischen Christenheit, etwa in Frankreich, aus; aber auch Kaiser Friedrich III. erhielt schon 1452 vom Papst das Privileg zur Besteuerung der Geistlichkeit.209 Herzog Georgs Kirchenpolitik verfolgte nun das Ziel, den Klerus auch zur Entrichtung landesherrlicher Steuern zu verpfl ichten. Dies lag nicht nur in finanzieller Hinsicht im Interesse der Landesherrschaft, sondern ergab sich auch aus der großen Linie der Kirchenpolitik, den Weltklerus in den Untertanenverband zu integrieren. Denn in dem Recht, Steuern zu erheben, sah Herzog Georg einen wesentlichen Ausdruck seiner fürstlichen Herrschaft.210 Explizit heißt es in einem Mandat über den Getränkezehnt, einer von den Wirten zu entrichtenden Verbrauchssteuer, »das die pfarhern und priester [. . .], so bir ader weyn schencken ader sunst vorkeuffen, den zehenden wie gewönlich uns geben, uff das allenthalben zwüschen unsern underthanen des zehenden halben gleichErzbischöfe von Mainz. Vgl. Bünz, Der niedere Klerus, 137–200; ders., Mainzer Subsidienregister, ders., Bistumsfi nanzen; ABKG, Bd. 1, LXXXI–LXXXVIII. – Die Meißner Bischöfe zogen von ihrem Klerus ein regelmäßiges Subsidium biennale und ein außerordentliches Subsidium caritativum ein. Vgl. Rechenschaftsbericht Bischof Johanns VI. von Meißen, Stolpen, 20. Juli 1512, Schirmer, Verwaltungsbericht, 78–98, hier 85, 94; Starke, 296–311, 321–327 (unter Auswertung des Subsidienregisters im Liber Salhusii von 1495). 206 Vgl. Goerlitz, 349–385; Schirmer, Grundriß, 161–169; ders., Kursächsische Staatsfi nanzen, 239 f. – Gegenüber der Reichstürkensteuerforderung Georgs im Jahre 1500 suchte der Landkomtur des Deutschen Ordens in Thüringen 1501 Rat bei der Ordensleitung. Vgl. Protokoll des Gebietigerrats des Deutschen Ordens [um 25. Juni 1501], Biskup/Janosz-Biskupowa, 32 f. 207 Siehe Anm. 212. – Anläßlich der Reichstürkensteuer des Jahres 1529 befahl Herzog Georg die Inventarisierung aller kirchlichen Vermögenswerte und die Abgabe der Verzeichnisse an die Steuereinnehmer. Vgl. Gedrucktes Ausschreiben Herzog Georgs, Dresden, 29. November 1529, Loc. 14954, Mandatensammlung, Faszikel »1529«, mehrere Exemplare. Ein gedrucktes Ausschreiben vom 6. April 1530 wiederholte diesen Befehl (vgl. ebd., Faszikel »1530«). Offenbar mit diesem Befehl in Zusammenhang stehend haben sich Verzeichnisse über Vermögen und Einkünfte verschiedener sächsischer Benefi zien erhalten. Vgl. Loc. 10040, Obersteuerkollegium, Landsteuer-Register Nr. 293, 294, 304, 306 (1529/30); vgl. auch Blaschke, Fiskus, 490, Anm. 14. 208 Siehe S. 49–53. 209 Vgl. Hashagen, Staat und Kirche, 126 f.; Thomson, 167–181. 210 Siehe S. 31–34, 193–204.

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messigkeit gehalten werde.« 211 Kritik an der Klerusbesteuerung begegnete Georg mit dem Hinweis auf seinen militärischen Schutz, den die Geistlichkeit wie alle Untertanen genießen würde und für den sie wie diese eben zuweilen mehr als nur ein »deo gracias« aufwenden müsse. Gerade nach seinem erfolgreichen Vorgehen im Bauernkrieg sah sich Georg hier im Recht, denn die Geistlichkeit sei von ihm »forderlicher den von einchem umbeligenden nagbar« geschützt worden.212 Eine Reihe von Belegen zeigt, daß Herzog Georg seine Linie in der Frage der Klerusbesteuerung weitgehend durchsetzen konnte. Gleichzeitig wird aber auch deutlich, daß ihm hierbei immer wieder die Kräfte der Tradition entgegentraten. Zuerst gelang die Heranziehung des Klerus zur Landsteuer. Dabei handelte es sich um eine direkte Vermögens- und Kopfsteuer, die wie die spätmittelalterliche Bede jeweils neu von der Landschaft bewilligt werden mußte. Die erste solche Landsteuer wurde im Jahre 1488 durch Herzog Albrecht für seine Feldzüge in den Niederlanden erbeten. Schon zu ihr wurden auch Prälaten, Domherren, Klöster und Priester herangezogen.213 In das Jahr 1499 fällt dann die erste Landsteuer in der Regentschaftszeit von Herzog Georg. Auch für diese »Friesische Steuer« wurden nicht nur die geistlichen Herrschaften, sondern auch die Geistlichkeit selbst besteuert. Belegt ist dies bezeichnenderweise durch die erhaltene Weigerung der Priesterschaft des Amtes Rochsburg, sich an der Steuer zu beteiligen.214 Das Recht zur Besteuerung des Niederklerus mußte sich die Landesherrschaft unter diesen Umständen immer wieder neu erkämpfen, und so bleibt auch unsicher, ob die Beteiligung des Klerus bei Landsteuern nach 1499 bereits zur Regel wurde. Sicher ist hingegen, daß Herzog Georg die Politik einer Beteiligung des Klerus an den steuerlichen Lasten fortsetzte. Aus seinem ersten Testament von 1510 geht hervor, daß er im unruhigen Nebenland Friesland 211

Gedrucktes Ausschreiben Herzog Georgs, Dresden, 26. November 1526, Loc. 14954, Mandatensammlung, Faszikel 1526, unpag. (Hervorhebungen vom Verf.). 212 So anwortete Herzog Georg auf Kardinal Albrechts Forderung nach Exemtion von der Türkensteuer 1529, er habe »dye geistlichen, dy in unssern landen ir gutere haben [. . .] alweg durch uns mit zcuthun unsser underthan gtraulich geschoczt, forderlicher den von einchem umbeligenden nagbar, dorvon sy alein deo gracias gsprochen. Und haben sy es alweg wol erleyden konnen, so sy aber nu och einsmal dasjenige thun soln, domit sy und gemein lant vor schaden soln bhut werden [d. h. die Türkensteuer zahlen], so woln sy sich des bschwern [. . .]« (zitiert nach Goerlitz, 372, Anm. 5). – Schon 1502 hatte Georg die Besteuerung der Untertanen des Hochstifts Meißen mit dem militärischen Schutz begründet. Vgl. Zieschang, 96 f.; allgemein: Mikat, 305 f. 213 Vgl. Bünz, Der niedere Klerus, 139, Anm. 12. – Auch schon Mitte des 15. Jahrhunderts wurde der Niederklerus zuweilen zu den landesherrlichen Beden und Ungeldzahlungen herangezogen, so etwa zur Bede des Jahres 1466. 1446 hatten die Wettiner sogar die päpstliche Erlaubnis zur Besteuerung des Niederklerus erlangt, jedoch gehörte diese unglücklicherweise zu jener Gruppe von Privilegien, die vom Basler Konzilspapst Felix ausgestellt und später vom siegreichen römischen Papsttum nicht bestätigt wurde. Vgl. Zieschang, 94 f. 214 Vgl. Goerlitz, 349–355; Schirmer, Grundriß, 168 f.

314 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) eine Besteuerung der Geistlichkeit durchgesetzt hatte und deswegen vor dem Papst verklagt worden war.215 Mit Verhandlungsgeschick und innovativen Argumentationsmustern gelang es ihm 1517 im Nebenland Sagan, die Beteiligung der Weltgeistlichkeit an einer dreijährigen direkten Steuer zu erreichen. Dabei wurden nicht nur die im Fürstentum Sagan wohnhaften Kleriker besteuert, sondern auch der auswärtige Klerus, soweit er wie die Weltgeistlichkeit von Cottbus, Sorau, Görlitz oder Bautzen im Lande Sagan Zinseinkommen besaß. Außerordentlich hoch lag in diesem Fall der Steuersatz, der mit einem Drittel aller geistlichen Zinsen veranschlagt wurde.216 Wesentlich später als bei den außerordentlichen direkten Steuern gelang es Herzog Georg, die Weltgeistlichkeit an den indirekten Verbrauchssteuern zu beteiligen. Von zentraler Bedeutung war hier der Zehnt auf das Getränk, der in Ablösung des älteren Ungelds seit 1513 im gesamten Territorium erhoben wurde und von den Inhabern der Schankstätten zu entrichten war. Die neue Steuer hätte auch unmittelbar die Weltgeistlichkeit betreffen müssen, denn viele Pfarrer schenkten selbst Bier und Wein aus. Dies war zwar nach kanonischem Recht verboten, doch existierte wie so oft ein Schlupfloch. Es war den Geistlichen erlaubt, die Naturaleinkünfte ihrer Pfründe zur Bestreitung ihres Unterhaltes wirtschaftlich zu verwerten. Viele Pfarrer stellten so selbst Bier und Wein her und schenkten es aus. Manch geschäftstüchtiger Kleriker kaufte sogar noch fremdes Getränk zu und betrieb den Ausschank im großen Stil. Zum Ärger der laikalen Konkurrenz galt auch für die von Pfarrern betriebenen Schankstuben zunächst noch das Prinzip der klerikalen Steuerfreiheit. Dies belegt ein Schreiben der als Statthalter eingesetzten Prinzen Johann d.J. und Friedrich d.J. an Bischof Johann VII. von Meißen aus dem August 1521, in dem der Bischof aufgefordert wird, das kirchliche Schankverbot für den Klerus durchzusetzen. Die Übertretung des noch von Johann VI. explizit bestätigten Kirchengesetzes, so argumentieren die Prinzen, verursache dem Landesherrn Steuerausfälle und den Untertanen durch die Wettbewerbsverzerrung (immer-

Vgl. Testament Herzog Georgs vom 19. Dezember 1510, O. U., Nr. 9875, Bl. 8b. Nachdem mit der im Lande Sagan wohnhaften Weltgeistlichkeit bereits auf einem Ständetag verhandelt worden war, entsandte Herzog Georg im April 1517 seine Räte, um auch von der auswärtigen Geistlichkeit Zugeständnisse einzuholen. Dabei forderte er zunächst keine Steuer, sondern den temporären Verzicht der Geistlichkeit auf ihre Zinseinkünfte, um die steuerzahlende Saganer Landschaft zu entlasten! Begreifl icherweise ließen sich die Vertreter der Geistlichkeit nicht auf diese Forderung ein, fanden sich aber ihrerseits bereit, die Steuer zu zahlen. Mit der Geistlichkeit von Görlitz und Bautzen wurde separat verhandelt, ohne daß aus den Unterlagen hervorgeht, ob sie letztlich zahlten. Vgl. Instruktion Herzog Georgs für Dr. Georg von Breitenbach und Wolf von Schleinitz zu Ragewitz zu Verhandlungen mit der Geistlichkeit auf einem Tag zu Sagan am 30. April 1517, Loc. 10337/39, Bl. 6–9; Bericht des Dr. Georg von Breitenbach und des Wolf von Schleinitz über die Verhandlungen, ebd., Bl. 21–30. 215 216

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hin betrug die Tranksteuer 20%) herbe Einkommensverluste.217 Das eingangs zitierte Tranksteuermandat Herzog Georgs vom November 1526 dokumentiert dann die Ausweitung der Besteuerung auf die Schankstätten der Geistlichen. Herzog Georg wiederholte darin einerseits seine grundsätzliche Kritik an der Schankwirtschaft der Geistlichkeit, befahl aber andererseits pragmatisch, den Niederklerus zumindest genauso zu besteuern wie die Laien, um »zwüschen unsern underthanen des zehenden halben gleichmessigkeit« zu erreichen.218 b) Die Durchsetzung des landesherrlichen Zinsfußes Herzog Georgs politischer Wille zur Einbindung des Klerus in den Untertanenverband des Territoriums zeigt sich schließlich in der Übertragung der Landesgesetzgebung auf die Geistlichkeit.219 Ein Aspekt, der für die fi nanzielle Lage des Niederklerus massive Auswirkungen hatte, waren Herzog Georgs Verordnungen zur Bekämpfung des Wuchers, die neben der Münzpolitik zu den zentralen fi nanzpolitischen Maßnahmen seiner Regierung gehörten. Ziel der landesherrlichen Politik war die Durchsetzung eines Zinsfußes von fünf Prozent, also jenes Zinssatzes, der in der zeitgenössischen Reformdiskussion als christlich, gerecht und wirtschaftlich gesund propagiert wurde.220 Im Entwurf der Landesordnung von 1498 wurden höhere Zinssätze als Wucher bezeichnet, »darauß [. . .] sunde und der leute schade erwechßet«. Deshalb sollte künftig für Wiederkaufgeschäfte, aber auch alle anderen Zinsgeschäfte ein Zinssatz von

217 Brief Herzog Johanns d.J. und Herzog Friedrichs d.J. an Bischof Johann VII. von Meißen, Dresden, 8. Mai 1521, ABKG, Bd. 1, 164 f. 218 Das Mandat befahl im übrigen nicht nur die Unterwerfung der Geistlichkeit unter die Tranksteuer, sondern auch die Besteuerung der Schankstätten des niederen Adels. Vgl. dazu auch Goerlitz, 382 f. – Der vollständige Text des einschlägigen Passus lautet: »Weyl auch ynn voriger einbringung solchs zehends etzliche misbreuche uns zu nachteyligem abgange vormarckt, und sonderlich, das sich die geystlichen unnd priesterschafft bir oder wein auff pfarhöefen – ader sunst auch villeicht du selbst deyn eygen geprauen bir, gewachssen weyn ader eingelegt getrenck – fürder zuvorzapffen, zuvorschencken ader auch andern zuvorkeuffen understanden, und doch dasselbige unvorzehend geplieben, so wöllest du vorfuegen, das dieselbigen misbreuche abgestalt, also das die pfarhern und priester ader auch du selbst, so bir ader weyn schencken ader sunst vorkeuffen, den zehenden wie gewönlich uns geben, uff das allenthalben zwüschen unsern underthanen des zehenden halben gleichmessigkeit gehalten werde, damit wir doch den geistlichen nit wollen nachgegeben haben, das sie wider vorboth der recht tabernen halten und bir ader wein schenckens pflegen, sonder söllen sich yn dem wie ynen wol gezimpt und vor alters löblichen herbracht also halten, das der gemeine man nit fug habe sich yrent halben zubeclagen.« Gedrucktes Ausschreiben Herzog Georgs, Dresden, 26. November 1526, Loc. 14954, Mandatensammlung, Faszikel »1526«, unpag. 219 Zum Problem der Landesgesetzgebung im Spätmittelalter vgl. Janssen, Gesetzgebung; Schubert, Gebot. 220 Weithin wirksam wurde die theologische und wirtschaftsethische Begründung des Zinsfußes von fünf Prozent durch Johannes Eck im sogenannten oberdeutschen Zinsstreit. Vgl. Wurm.

316 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) fünf Prozent gelten.221 Zahlreiche Mandate aus der Regierungszeit Herzog Georgs zeigen, daß diese Zinspolitik konsequent weiterverfolgt wurde, aber auch, daß in der Praxis noch lange Zeit Verstöße dagegen zu beobachten waren.222 Für die Geistlichkeit hatte dieses weltliche Gesetz weitreichende Auswirkungen, berührte es doch einen vitalen Aspekt der Finanzierung des Klerus, denn gerade die im Spätmittelalter neu entstandenen Pfründen und Stiftungen basierten in der Regel auf Zinseinkommen aus Wiederkaufsgeschäften. Dabei hatte die landesherrliche Regierung der Geistlichkeit noch in den ersten Jahren der Regentschaft Herzog Georgs freie Hand gelassen. Dies belegt ein im Namen Herzog Georgs ergangener Schied, den zwei geistliche Räte des Landesherrn im Jahre 1493 zur Schlichtung eines Streits um die Stiftung einer Präbende am Freiberger Kollegiatstift aufrichteten. Dort wird dem Stift ausdrücklich die Möglichkeit eingeräumt, die Hauptsumme der Präbendenstiftung zu einem Zinssatz von mehr als fünf Prozent anzulegen und den Überschuß zu behalten.223 Doch setzte im landesherrlichen Hofrat bald ein Umdenken ein. Belege für die Umsetzung der landesherrlichen Norm gegenüber der Geistlichkeit haben sich aus den 1520er Jahren erhalten. So mahnte Herzog Georg im Juni 1523 die Bischöfe von Meißen und Breslau zur Einhaltung des Zinsgebotes durch die Geistlichkeit ihrer Diözesen. Anlaß war eine entsprechende Verordnung des (böhmischen) Obersthauptmanns in Niederschlesien, die es Georg opportun erscheinen ließ, daran zu erinnern, daß »wir dan solhes in unsern furstentumben auch vorordent haben und gemeynt sind, ernstlich darob zu halten«.224 Vor allem aber nahm der Albertiner Beschwerden über höhere geistliche Zinsen zum Anlaß, um direkt in die Einkünfte von Pfründen einzugreifen, wie es im oben ausführlich beschriebenen Falle der geistlichen Lehen im Amt Radeberg 1524 geschah.225 Auch der Schiedsspruch, mit dem Herzog Georg und Bischof Johann VII. im Januar 1520 die Beschwerden der Stadt Dresden gegen die dortige Geistlichkeit schlichteten, zielte auf eine Reduzierung der Zinssätze. Die Wiederkaufgeschäfte, durch die die meisten geistlichen Lehen ihre Zinsen er221 Entwurf einer gesamtwettinischen Landesordnung [vor 9. Juli 1498], Burkhardt, Landtagsakten, 35–40. 222 Vgl. Loc. 14954, Mandatensammlung, passim. 223 Vgl. Schied Herzog Georgs in Sachen der Stiftung einer Präbende am Kollegiatstift U. L. F. zu Freiberg durch die Gebrüder Steitan, Dresden, 16. August 1493, CDS, II, Bd. 12, 584 f. Den Schied im Streit zwischen den Stiftern und dem Kollegiatstift verfaßten der Meißner Domherr und Kollegiat an der Leipziger Universität Dr. Andreas Rüdiger von Görlitz und Herzog Georgs Kanzler Dr. Johann Erolt. 224 Briefe Herzog Georgs an Bischof Jakob von Breslau und Bischof Johann VII. von Meißen, Dresden, 30. Juni 1523, ABKG, Bd. 1, 532. – Die Verordnung des Obersthauptmanns in Niederschlesien war für Herzog Georg insofern relevant, als sein Nebenland Sagan und Priebus zum Herzogtum Niederschlesien gehörte. 225 Siehe oben, Abschnitt 1 d).

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hielten, durften künftig nur noch mit dem landesherrlichen Zinsfuß von fünf Prozent abgeschlossen werden. Zugleich sollten die Zinssätze in älteren Verträge, die zum Teil zehn Prozent erreicht hatten, eine Reduzierung auf maximal 6,66% (1/15) erfahren – ein kleines Zugeständnis an die Pfründeninhaber, die freilich ohne weitere Ausgleichszahlungen auskommen mußten.226 Mit solchen direkten Eingriffen verschaffte Georg der weltlichen Gesetzgebung beim Niederklerus tatsächliche Geltung und trieb so seinen Einordnung in den Territorialstaat voran.

5. »Episkopale Funktionen«? Landesherrliche Konkurrenz zu bischöflichen Aufsichtsrechten Der umfassende Herrschaftsanspruch des landesherrlichen Kirchenregiments gegenüber dem Niederklerus zeigt sich in der Vielfalt der von Herzog Georgs Regierung wahrgenommenen Aufgaben und Rechte. Zum einen Teil ergaben sich diese, wie im vorigen Abschnitt gezeigt, aus dem Prozeß der Einbindung des Niederklerus in den territorialen Untertanenverband. Doch auch darüber hinaus okkupierte der Fürst Aufsichtsrechte, die eigentlich der geistlichen Gewalt des Bischofs zustanden. Dies betraf vor allem die Amts- und Lebensführung des Klerus, wie bereits oben unter dem Aspekt der Kirchenreform dargestellt. Daneben wurden den Bischöfen zunehmend auch weniger wichtige Aufsichtsrechte durch das landesherrliche Kirchenregiment streitig gemacht. Überall übernahm der Landesherr »episkopale Funktionen«.227 a) Bestätigung geistlicher Stiftungen Zu den von der Landesherrschaft beanspruchten bischöfl ichen Rechten gehörte die Bestätigung geistlicher Stiftungen. Die Konkurrenz betraf hier allen Ebenen, von den testamentarischen Verfügungen von Laien bis hin zur landesherrlichen Approbation der Statuten des Meißner Domkapitels im Jahre 1499.228 Auch für Stiftungen und Bruderschaften des Niederklerus beanspruchte der Landesherr das Bestätigungsrecht. Eine Urkunde Herzog Georgs bestätigte 1509 die bereits erwähnte Stiftung einer Altarpfründe an der Leipziger Schloßkapelle durch den Leipziger Altaristen Christoph Überacker.229 Lucas Möller, 226

Schiedsspruch Herzog Georgs und Bischof Johanns VII. von Meißen, Dresden, 14. Januar 1520, Richter, Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, Bd. 3, 341–344. 227 Der Terminus bei Rankl, 266. 228 Zur Praxis der Wettiner im 15. Jahrhundert vgl. Zieschang, 117 f.; Reinhard, Meditationes, 95–102. 229 Vgl. Stiftungsbestätigung Herzog Georgs, Leipzig, 11. Oktober 1509, Domstiftsarchiv Merseburg, Berb. VII, Nr. 42, Bl. 69 f.

318 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) Pfarrer zu Struppen bei Pirna, erreichte im Frühjahr 1519 die landesherrliche Bestätigung für seine Seelgerätsstiftung. Dabei nutzte Herzog Georg seine Stellung als Bestätigungsinstanz zugleich, um sicherzustellen, daß die zur Ausstattung der Stiftung erworbenen Äcker und Nutzungsrechte weiterhin den Rechtsstatus weltlicher Güter behielten.230 Zu den Begünstigten der Meßstiftung gehörten übrigens neben dem Struppener Pfarrer auch die Mönche des kürzlich von Herzog Georg gegründeten Cölestinerklosters auf dem nahen Königstein.231 Ein Beispiel für die Bestätigung weltgeistlicher Bruderschaften ist die Urkunde, mit der Herzog am 29. August 1511 die Priesterkalende im Amt Camburg konfi rmierte.232 Mit der Bestätigung geistlicher Stiftungen trat Herzog Georg in direkte Konkurrenz zu den Bischöfen. Denn diese fuhren ihrerseits fort, Bestätigungsurkunden für die Stiftung von Altären und Messen, aber auch von Bruderschaften oder Klerikertestamenten vorzunehmen. Davon zeugt ein Kopialbuch mit dem Titel »Confi rmationes Geistlichen Lehn«, das die Merseburger Bischöfe führten, ebenso wie Urkunden des Meißner Bischofs für Altäre, Bruderschaften und Seelgeräte in der Pfarrkirche von Oschatz.233 Da sowohl bischöfl iche als auch landesherrliche Bestätigungsurkunden die Initiative der Stifter als Auslöser für die Beurkundung bezeichnen, ist anzunehmen, daß die Wahl der Bestätigungsinstanz tatsächlich in der Hand der Stifter lag. Diese konkurrierende Zuständigkeit ist offenbar von Seiten Herzog Georgs nicht als problematisch angesehen worden. Eine grundsätzliche Auseinandersetzung, in der die Landesherrschaft ja den Bischöfen ihr angestammtes Recht hätte streitig machen müssen, fand jedenfalls nicht statt. Der Schlüssel zum Verständnis des landesherrlichen Vorgehens ist wiederum darin zu suchen, daß Herzog Georg gar nicht beanspruchte, ein geistliches oder gar bischöfl iches Recht auszuüben, wenn er geistliche Stiftungen bestätigte. Vielmehr berief sich die stereotype Formel, mit der er sein Handeln legitimierte, auf »unser fürstlich macht, gewalt und oberkeit«,234 also auf die Landesherrschaft als maßgebliche Quelle seines Kirchenregiments.

230

Vgl. Stiftungsbestätigung Herzog Georgs, Dresden, 17. März 1519, Loc. 10508/4,

Bl. 1. 231

Vgl. ebd. Vgl. Stiftungsbestätigung Herzog Georgs, o.O., 29. August 1511, Loc. 10041/9, Bl. 11a. – In derselben Akte (ebd., Bl. 7 b) fi ndet sich auch die Abschrift einer Konfi rmation für eine Laienbruderschaft, die der Innung der Schuster zu Senftenberg, vom 4. Oktober 1510. 233 Vgl. Domstiftsarchiv Merseburg, Cod. 174, Confi rmationes Geistlichen Lehn [. . .], 1454–1540; O. U., DpO, Nr. 89–91 (1495), 104 f. (1501). – Für Stiftungsbestätigungen Annaberger Meß- und Altarstiftungen durch den Meißner Bischof vgl. ABKG, Bd. 1, 496 f., Anm. 1. 234 Stiftungsbestätigung Georgs, 1509 (wie Anm. 229). 232

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b) Verleihung von Testierfreiheit Besondere Brisanz besaßen landesherrliche Eingriffe in das Testierrecht der Geistlichkeit. Denn während Stiftungen von Geistlichen im gesamten Spätmittelalter üblich waren, durften sie über ihr Vermögen im Todesfall nicht verfügen. Wer Anspruch auf den Nachlaß des Niederklerus und damit das sogenannte Spolienrecht besaß, war freilich umstritten. Nach dem Kanonischen Recht stand der Ortskirche, also den Bischöfen, das Spolium des Niederklerus zu, nach eigenkirchlichen Traditionen durften die Patronatsherren oder auch – als Erben des königlichen Regalienrechts – die Landesherren Ansprüche erheben. Entscheidend war nun, daß die Weltgeistlichen selbst größtes Interesse daran hatten, über ihr Vermögen mit der Hilfe eines Testaments verfügen zu können. Sie bemühten sich deshalb darum, Testierfreiheit zu erlangen. Die Verleihung von Testierfreiheit gehörte wiederum zu den Rechten des Bischofs, der dafür einen Anteil am Erbe erhielt. Aber auch hier konkurrierten die Landesherren mit den Ordinarien. Das Beispiel Georgs zeigt, daß die landesherrliche Politik dabei weniger an den Einnahmen interessiert war, die aus einer Bestätigung von Klerikertestamenten zu erzielen waren, als vielmehr versuchte, den Niederklerus durch Entgegenkommen in der Testamentsfrage stärker an sich zu binden. Andererseits hatte auch der Klerus Interesse, in dieser Frage auf den Landesherrn als stärkste Schutzmacht zu setzen, gerade wenn es darum ging, die Testamente nach dem Tod der Erblasser auch gegen den drohenden Zugriff von Bischof oder Patronatsherrn durchzusetzen.235 Schon vom Anfang des 15. Jahrhunderts datieren die ersten Privilegien, in denen die wettinischen Landesherrn den auf Amtsebene organisierten Priesterschaften die Testierfreiheit zusicherten. Dabei ließ sich die Landesherrschaft über den zu erhoffenden Loyalitätszuwachs hinaus den erweiterten Rechtsschutz des Klerus mit geistlichen Leistungen bezahlen. Das erste bekannte Privileg dieser Art aus dem Jahre 1414, mit dem Wilhelm II. der Priesterschaft in den Pflegen Leuchtenburg und Eisenberg die Testierfreiheit verlieh, verpfl ichtete die Geistlichen zu jährlichen Seelenmessen zugunsten der verstorbenen Mitglieder des Fürstenhauses.236 Herzog Georg ging sogar von einer allgemeinen Testierfreiheit des Niederklerus aus, die diesem durch die Landesherrschaft garantiert wurde. Ein entsprechendes Privileg, daß er Pfarrern, Pfarrvikaren (»mitpfarrern«) und Altaristen der Pflege Schellenberg ausstellte, hebt keine besonderen Gegenleistungen hervor.237 In unmittelbarem Konfl ikt geriet Herzog Georg mit dieser Haltung 235 Vgl. Kaps; Petke, Spolienrecht; Mikat, 307 f.; am Beispiel der Markgrafschaft Brandenburg-Kulmbach Ulbrich, 77 f.; am Beispiel Bayerns Rankl, 254–256. 236 Vgl. Urkunde Herzog Wilhelms II., 18. Februar 1414, Reinhard, Meditationes, 265– 267. Weitere Belege ebd., 254–268. Vgl. auch Schulze, Fürsten, 54. 237 Vgl. Privileg Herzog Georgs, o.J., Loc. 7440/11, unpag.

320 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) zu den Ansprüchen des selbstbewußten Bischofs Johann VI. Dieser verteidigte das bischöfl iche Spolienrecht und nahm das kanonische Testierverbot in die 1504 gedruckten Synodalstatuten auf.238 Dabei hatte schon 1307 Bischof Albert III. die allgemeine Testierfreiheit des Weltklerus bestätigt.239 Ein Beispiel für das Aufeinanderprallen von bischöfl ichen Finanzinteressen und landesherrlichem Kirchenregiment bietet der Fall des Pfarrers zu Mildenau. Als dieser Anfang des Jahres 1495 starb, beauftragte Herzog Georg den Amtmann von Wolkenstein zunächst, sich bei den am Totenbett anwesenden Geistlichen nach einem Testament zu erkundigen. Kurze Zeit später erging der Befehl, den Nachlaß sicherzustellen.240 Bischof Johann VI. wiederum ließ den Nachlaß beim Amtmann einfordern. Gleichzeitig belegte er den neuen Pfarrer zu Mildenau mit dem Bann, vermutlich, weil er den Nachlaß an den Amtmann übergeben hatte. Mit Erfolg schaltete sich nun der Dresdner Hofrat direkt ein. Der Bischof gab nach, entließ den Mildenauer Pfarrer aus dem Bann und akzeptierte, daß Herzog Georg die letzte Entscheidungsgewalt über den Nachlaß zukam.241 Dieses Muster wiederholt sich. Im Jahre 1500 ist es der letzte Wille des Altaristen David Eberlein aus Geyer, den Herzog Georg gegen die Ansprüche des Bischofs verteidigt. Die vom Verstorbenen eingesetzten Testamentsverwalter wenden sich hilfesuchend an den Fürsten. An den Bischof ergeht darauf hin die Aufforderung, seine Kommissare zurückzuziehen und den geistlichen Prozeß zu kassieren, damit das Testament umgesetzt werden könne.242 Während der Bischof also auf den Einzug des Spoliums orientiert war, konnte sich der Landesherr in der Rolle des uneigennützigen Schutzherrn des Niederklerus profi-

238 . Vgl. Regest der Meißner Diözesanstatuten, 1504, CDS, II, Bd. 3, 317 f., der entsprechende Abschnitt ist überschrieben »De testamentis et hiis qui liberam facultatem testandi inhibent«. Zu den Statuten vgl. Wiegand, Statutengesetzgebung Meißen. – Ein Beispiel für die bischöfl iche Testamentsbestätigung bietet der Fall des Balthasar Langweber, Altarist zu Mittweida, der seine Habe dem Annenaltar an der Pfarrkirche zu Oschatz bzw. der Oschatzer Schusterbruderschaft (»quod unum et idem est«) hinterließ. Vgl. Notariatsinstrument über das Testament Balthasar Langwebers, Mittweida, 22. November 1495, O. U., Dep. Mittweida, Nr. 42; Approbation Bischof Johanns VI. von Meißen, Zschillen, 30. März 1499, ebd. (als Dorsalvermerk). 239 Vgl. Rogge, Bischof und Domkapitel, 196. 240 Vgl. Briefe Herzog Georgs an den Amtmann von Wolkenstein, o.O., 24. Februar, 10. April und 16. Mai 1495, Cop. 105, Bl. 99a, 132b, 152a. 241 Brief der Statthalter Herzog Georgs an Bischof Johann VI. von Meißen, [Dresden] 9. Juni 1495, ebd., Bl. 165b ; Briefe ders. an den Amtmann zu Wolkenstein, [Dresden] 9./11. Juni 1495, ebd., Bl. 166a, 167a. – Unklar bleibt, ob sich Herzog Georg im konkreten Fall, in dem kein Testament vorlag, selbst die Nutzung des Nachlasses sicherte. Für Bayern hat Rankl darauf hingewiesen, daß die Landesherren allgemein das Spolienrecht bei untestierter Hinterlassenschaft beanspruchten bzw. es sich mit dem Bischof teilten. Vgl. Rankl, 256. 242 Vgl. Brief Herzog Georgs an Bischof Johann VI. von Meißen, Schneeberg, 20. November 1500, Cop. 106, Bl. 136.

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lieren, der in der Lage war, diesen sogar vor den Übergriffen des eigenen Bischofs zu schützen. c) Versorgung arbeitsloser Kleriker Ein letztes Beispiel für die Wahrnehmung »episkopaler Funktionen« durch den Landesherrn ist die Sorge für pfründenlose Geistliche. Die Haltung Herzog Georgs offenbart gerade hier typische Züge seiner Kirchenpolitik. Denn sie zeigt einerseits die Intention und Bereitschaft, sich der Probleme der Kirche anzunehmen, erhebt aber andererseits nicht den Anspruch, alle Probleme selbständig und unter Ausgrenzung der geistlichen Instanzen zu lösen. Anders als etwa in Bayern, wo die Herzöge zur Versorgung unbelehnter Kleriker selbst sogenannte Tischtitel verliehen,243 sah Herzog Georg in der Klerikerversorgung eine Aufgabe der Bischöfe und Prälaten. Diese Auffassung war durch das Kirchenrecht gedeckt, das jedem Geistlichen, der ohne eine Anstellung zum Diakon oder Priester geweiht wurde, einen Versorgungsanspruch gegenüber dem weihenden Bischof zugestand.244 In loser Anwendung dieser Regel reichte Herzog Georg 1509 die Supplik eines bedürftigen Priesters an den Abt zu Pegau weiter und verpfl ichtete diesen mit Hinweis auf frühere Dienste des Klerikers für das Kloster, den Priester einige Zeit lang zu unterhalten. Ein ähnlicher Vorgang aus dem Jahre 1503 zeigt, daß sich der Landesherr vor allem deshalb solcher Fälle annahm, weil ein unversorgter Kleriker für seine Umwelt ein soziales Problem darstellte. Der Adlige Hans Pflug hatte sich hilfesuchend an seinen Fürsten gewandt, weil ein unbelehnter Priester mit Namen Thomas in seinem Dorf Frauenhain für Unruhe sorgte, indem er »zu zceyten, seiner synne und vornufft beraubet, auch in dye pfarre leuffet«, Pfarrer und Kapläne beschimpft, sich im Kretzschmar betrinkt und dort »mit den pauern vil unfuges ubet«. Der ins sozial Bodenlose abgestürzte Priester genoß freilich noch immer die Privilegien des Klerikerstandes. Deshalb fürchtete Herzog Georg auch um die mit ihm in Kontakt stehenden Laien, denn es war »zu besorgen, das er ymants beleydigen, auch sich dye leuthe an ime vorgreyffen und zu anderen schaden und ferlickeyt komen mochte«. Eine Tätlichkeit gegen den sich unwürdig benehmenden Priester aber hätte das ganze Dorf ins Interdikt gebracht. Deshalb forderte Herzog Georg Bischof Johann VI. auf, sich des »armenn prister, der also im elende umbleuffet« anzunehmen und ihn nötigenfalls in seiner Burg Stolpen zu internieren, bis er wieder zu Vernunft und gesichertem Auskommen gelangt sei.245 243

Vgl. Rankl, 261. Vgl. Feine, 346, nach dem Kanon C. 4 X III 5. 245 Brief Herzog Georgs an Bischof Johann VI. von Meißen, o.O., 17. Mai 1503, Cop. 108, Bl. 237a. 244

322 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) d) Vorprogrammierter Konflikt oder doppelte Kontrolle? Landesherr und Bischof als konkurrierende Obrigkeiten des Niederklerus Die tiefgreifenden Interventionen Herzog Georgs in die bischöfl iche Aufsichtssphäre konnten kaum ohne langfristige Wirkungen bleiben. Unabhängig von den Intentionen der Beteiligten schufen die ständigen Eingriffe des Landesherrn Tatsachen. Sie veränderten das Verhältnis des weltlichen Landesherrn zum Niederklerus ebenso wie indirekt das Verhältnis des Klerus zu seinem Bischof. Denn der Niederklerus mußte sich damit auseinandersetzen, daß mit dem Landesherrn eine zweite obrigkeitliche Instanz in sein Leben eingriff, die in ihren Ansprüchen und in ihrer Durchsetzungsfähigkeit mit dem Bischof konkurrieren konnte. Ja, die Bedeutung des Landesherrn als obrigkeitliche Instanz schien die des Bischofs sogar zu überflügeln, weil sich der Niederklerus als Untertan zunehmend auch dem weltlichen Herrschaftsanspruch des Territorialstaats ausgesetzt sah. Besonders augenfällig wurde die neue Lage, wenn sich Landesherr und Bischof bei ihrer Einflußnahme auf den Niederklerus in Konkurrenz gegenüberstanden. Dies konnte den Klerus in arge Loyalitätskonfl ikte stürzen, denn er mußte sich in solchen Situationen zumindest punktuell für eine Seite entscheiden. Gewann der Landesherr den Kampf um die Loyalität des Klerus, konnte er sich sogar zwischen Niederklerus und Bischof schieben und die kirchliche Hierarchie unterbrechen. Andererseits ist auch daran zu denken, daß das Lavieren zwischen zwei Herren dem Niederklerus neue Freiheiten bringen konnte. Jedoch scheint dies in der Praxis weniger eine Rolle gespielt zu haben – vielleicht, weil die Intensivierung des obrigkeitlichen Zugriffs gegenüber der bisher eher laxen bischöfl ichen Aufsicht stärker ins Gewicht fiel als ein potentieller Bewegungsspielraum zwischen den obrigkeitlichen Parteien. Denn schließlich konnte eine Zusammenarbeit beider Gewalten die obrigkeitliche Kontrolle sogar potenzieren, wie es das Beispiel der engen Kooperation zwischen Bischof Johann VII. von Meißen und Herzog Georg zeigt.246 Die Missivenbücher der landesherrlichen Kanzlei belegen, wie sich die beschriebenen Veränderungen in der Praxis auswirkten. Sie zeigen, daß es dem Landesherrn gelang, als obrigkeitliche Instanz zwischen Klerus und Bischof zu treten, und daß der Bischof diese veränderte Situation akzeptieren mußte. Besonders deutlich wird dies im Konfl iktfall, etwa im Streit zwischen Georg und Johann VI. Drei Beispiele können die neue Situation illustrieren. So ist der oben beschriebene Streit um den Nachlaß des Pfarrers zu Mildenau aufschlußreich, weil der Meißner Bischof – vom Landesherrn zur Rücknahme des Kirchenbanns gegen den neuen Pfarrer gedrängt – dem Geistlichen die Auf hebung nicht selbst mitteilte, sondern die entsprechende Urkunde nach Dresden schick246

Siehe S. 207–214.

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te, von wo aus sie über den herzoglichen Amtmann zum Pfarrer gelangte.247 Noch deutlicher deckt der Konfl ikt zwischen dem auf dem Stolpen inhaftierten Annaberger Pfarrer Dr. Johann Pfennig 248 und seinem Pfarrverweser die Beeinträchtigung des kirchlichen Instanzenzuges durch die Präsenz des Landesherrn auf. Um den Rechtsstreit zwischen Pfarrer und Vikar – über seinen Inhalt schweigen die Quellen – zu entscheiden, hatte Johann VI. den Wurzener Domherrn Erhardt Buchner zum Commissarius ernannt. Dieser hatte die Parteien nach Wurzen geladen. Der Annaberger Pfarrverweser aber sah die Gerichtshoheit seines Bischofs für sich nicht als verbindlich an. Statt dessen informierte er Herzog Georg von der Ladung nach Wurzen. Als er in der Sache keine Weisung aus Dresden bekam, blieb er in der Annahme »sein gnade wurde das bey dem bischoff von Meissen adir commissarius abgetragen haben« einfach zu Hause. Auf die Mißachtung seiner kirchlichen Vorgesetzten reagierte der Bischof mit der Exkommunikation des Vikars. Herzog Georg aber vermochte im Verhalten des Annaberger Geistlichen kein Verschulden zu erkennen. Daher forderte er den Commissarius auf, den Bann zu lösen und versprach im Gegenzug, den Pfarrverweser nach Wurzen zu beordern.249 Nur mit der Zustimmung des Landesherrn kam das geistliche Schiedsverfahren schließlich in Gang, über dessen Verlauf sich Herzog Georg selbstverständlich ebenfalls aus Annaberg berichten ließ.250 Im Extremfall nutzte der Niederklerus die neue Autorität des Landesherrn sogar dazu, um sich unter Umgehung aller kirchlichen Instanzen direkt mit dem eigenen Bischof auseinanderzusetzen. So gelang es etwa dem Altaristen Matern Pirstyn, den Landesherrn im Jahr 1503 für seine Pensionsforderung gegen Bischof Johann VI. von Meißen zu instrumentalisieren. Pirstyn gab an, dem Bischof ein geistliches Lehen zu Stolpen überlassen zu haben, die dafür vereinbarte Pension von 6 fl. aber seit acht Jahren nicht erhalten zu haben. In der Hochphase seines Konfl iktes mit Johann mochte Herzog Georg auch aus politischem Kalkül heraus daran interessiert sein, die Interessen des Weltgeistlichen zu vertreten. An den Bischof ging jedenfalls die harsche Aufforderung, die Forderung des Altaristen zu erfüllen.251 Bischof Johann VI. wiederum war der einzige Oberhirte, der gegen solche landesherrlichen Zumutungen noch zu protestieren wagte. Seine Beschwerde 247 Vgl. Brief der Statthalter Herzog Georgs an den Amtmann von Wolkenstein, [Dresden] 11. Juni 1495, Cop. 105, Bl. 167a. 248 Zur Person Pfennigs, der sich seit seiner Flucht zu den Hussiten 1501 in bischöfl ichem Gewahrsam auf Burg Stolpen befand, siehe S. 460 f. 249 Brief Herzog Georgs [an den Commissarius Erhardt Buchner zu Wurzen], o.O., 21. März 1503, Cop. 108, Bl. 219b. 250 Vgl. Brief Herzog Georgs an den Pfarrverweser zu Annaberg, o.O., 21. April 1503, ebd., Bl. 252b. 251 Brief Herzog Georgs an Bischof Johann VI. von Meißen, o.O., 18. Februar 1503, ebd., Bl. 192a.

324 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) aus dem Jahr 1502 richtete sich dagegen, daß Herzog Georg Klagen von einfachen Untertanen gegen den Bischof annahm und ihn damit konfrontierte. Des Herzogs klare Gegenposition mag auch für die Klagen des Niederklerus gegen den Bischof gegolten haben: »Nu hat e. l. zu ermessen, waß nutz ader lust wir dar von mogen gehaben und wu wir sulchß auß unser furstlich oberkeit nicht schuldig weren, wold uns meher geliben, sulcher und ander clag mussig zu gehen, dan damit besucht zu werden«.252 Die Verpfl ichtung zur Rechtswahrung, die Herzog Georg aus seiner »fürstlichen obrigkeit«, also der auch gegenüber dem Meißner Bischof beanspruchten landesherrlichen Stellung ableitete, war ihm Anlaß und Legitimation genug. Seine Stellung als Landesherr aber brachte ihn in der Konkurrenz mit dem mediatisierten Bischof in die eindeutig stärkere Position. Deshalb wird es letztlich kaum verwundern dürfen, daß es umgekehrt keine Hinweise auf vergleichbare Klagen des Niederklerus über den Landesherrn gibt, die beim Bischof hätten eingehen können. Die neuen Realitäten werden auch aus der Perspektive des Niederklerus greif bar. Denn an welche obrigkeitliche Instanz er sich wandte, verrät indirekt etwas über die antizipierten Erfolgsaussichten. Und diese erschienen dem Niederklerus beim Landesherr offenbar auch dann gegeben, wenn er in »episkopaler Funktion« bemüht wurde. So zeigen einige Beispiele, wie sich der Niederklerus die neue Situation zu Nutzen machte und den Landesherrn in bischöfl icher Funktion anrief. Der alternde Pfarrer zu Seelitz, Nikolaus Gebhard, richtete an Herzog Georg ein Gesuch, auf drei Jahre einen Pfarrverweser bestellen zu dürfen, weil er selbst aufgrund seines Alters »seinem pfar volck nicht wol vorgestehn moge«. Der Landesherr befürwortete die Petition und empfahl dem Landkomtur zu Zwätzen als Patron der Pfründe ihre Annahme.253 Das gleiche Muster läßt sich im Verhalten des Radeberger Pfarrers Magister Luzius feststellen. Er war mit dem örtlichen Schulmeister unzufrieden, weil er »yme noch der kirchen nicht dinstlich« sei. Auf seine Beschwerde beim Landesherrn hin wies dieser den Radeberger Rat als Inhaber des Patronats an, den Schulmeister zu entlassen und »mit des pfarrers rathe« einen neuen zu bestellen.254 Wie Geistliche die landesherrliche Autorität sogar gegenüber der kirchlichen Justiz in Anspruch nahmen, zeigte 1514 der Propst des Nonnenklosters Gerbstedt. Er brachte seine schweren Vorwürfe gegen den Pfarrer zu »Leynen« nicht direkt vor den Propst zu Neuwerk als zuständiger Gerichtsinstanz. Vielmehr informierte er die Landesherrschaft von den Verfehlungen des Pfarrers – er 252 Vgl. Brief Herzog Georgs an Bischof Johann VI. von Meißen [1502], Loc. 8985/4, Bl. 2 f. 253 Brief Herzog Georgs an den Landkomtur zu Zwätzen, o.O., 28. Februar 1503, Cop. 108, Bl. 202a. 254 Brief Herzog Georgs an den Rat zu Radeberg, [Dresden] 14. April 1512, Cop. 116, Bl. 229a.

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sollte für einen Totschlag verantwortlich sein und weigerte sich, als Konsequenz aus den Vorwürfen das Messelesen einzustellen – und bat ihn, den Fall vor den geistlichen Richter zu bringen.255 Die ständigen Eingriffe Herzog Georgs in alle Belange des Niederklerus führten dazu, daß eine potentielle Zuständigkeit des Landesherrn in allen Streitfragen schließlich sogar von den Bischöfen akzeptiert wurde. Dies macht die Beurlaubung des Rochlitzer Stadtpfarrers Johannes Schmauß deutlich. Schmauß, selbst ein Deutschherr, hatte die Pfarre vom Landkomtur der Deutschordensballei Thüringen erhalten.256 Doch als er 1527 eine Beurlaubung anstrebte, um persönliche Dinge in Franken zu regeln, wandte er sich weder an seinen Patronatsherrn und Ordensvorstand, noch an den zuständigen Bischof von Merseburg. Vielmehr suchte er bei Herzog Georg um die Beurlaubung nach, also beim weltlichen Landesherrn! Herzog Georg, der die Bitte abschlägig beschied, teilte dies Schmauß wiederum nicht direkt mit, sondern beauftragte damit den Merseburger Bischof. So erhielt der Rochlitzer Pfarrer, wie er später rekapitulierte, durch einen Brief des Bischofs Kunde von der Entscheidung des Landesherrn.257 Der Landesbischof erscheint hier vollends als untergeordnete Instanz des landesherrlichen Kirchenregiments, was um so schwerer wiegt in einem Fall, bei dem die geistliche Versorgung einer Gemeinde auf dem Spiel stand. Und als Schmauß schließlich doch noch ein einjähriger Urlaub gewährt wurde, traf Herzog Georg wiederum autonom die Entscheidung, diesmal in Rücksichtsnahme auf ein an ihn adressiertes Bittschreiben des fränkischen Markgrafen Casimir von Brandenburg-Ansbach.258 Obwohl Herzog Georg über keinerlei Patronatsrechte verfügte, sondern lediglich weltlicher Stadtherr von Rochlitz war, übertrugen also Pfarrer und Bischof ihm die Entscheidung über die geistliche Versorgung der Pfarrei.

255

Vgl. Brief der Statthalter Herzog Georgs an Dr. Johannes Pals, Propst zu Neuwerk, Leipzig, 25. April 1514, Cop. 119, Bl. 13a. 256 Das Patronatsrecht über die Pfarrei Rochlitz, das ursprünglich beim Augustinerchorherrenstift Zschillen lag, ging nach der Übernahme Zschillens durch den Deutschen Orden in die Hände der Deutschordensballei Thüringen zu Zwätzen über, wobei dem Landkomtur die Präsentation und dem Zschillener Propst die Investitur zukam. Vgl. Pfau, 174–187. – Zur Person des Johann Schmauß vgl. ebd., 179 f. Zu seiner Belehnung durch den Landkomtur Heinrich von Krauenwinkel vgl. Brief Nicolaus von Uttenrode, Landkomtur der Ballei Thüringen, an Herzog Georg, Zwätzen, 5. Juli 1528, Loc. 7440/8, Bl. 6–8. 257 »Szo mir aber der hochwirdige in Godt furste unnd herre herre Vincentius, bischoffen zcu Mersburgk, mein g. h., sonntags Invocavit des vorschynnen jars [1527] von e. f. g. [= Herzog Georg] wegen, das ich mich von bemelter meyner pfarre sunder e. f. g. wissen und bewilligen nicht keren solt mandirt und geboten, habe ich mich des, wie mir eygent gehorsamlich gehalden«. Brief des Johann Schmauß, Pfarrer zu Rochlitz, an Herzog Georg, o.O., 26. Juni 1528, ebd., Bl. 2 f. 258 Vgl. ebd.

326 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521)

6. Legitimationsstrategien des landesherrlichen Kirchenregiments Die Grundüberzeugung der traditionalen Gesellschaft des Mittelalters, daß politisches Handeln nur in Übereinstimmung mit dem alten Recht legitim sei, zwang jegliche Neuerung dazu, sich im Gewand der Tradition zu präsentieren. Im diametralen Gegensatz zur Reformbegeisterung heutiger Tage stand gerade die in vielerlei Hinsicht auf Veränderung und Modernisierung abzielende Kirchenpolitik Herzog Georgs unter besonderem Legitimationsdruck und mußte sich – wollte sie nicht als Tyrannei erscheinen -wo es nur ging auf alte Rechte und überkommene politische Handlungsmuster berufen.259 Dementsprechend lassen sich eine Vielzahl verschiedener Legitimationsansätze in den landesherrlichen Quellen finden, die oft präzise auf den jeweiligen Argumentationszusammenhang abgestimmt sind. Betrachtet man im speziellen die Legitimation des landesherrlichen Kirchenregiments über den Niederklerus, so läßt sich feststellen, daß auch hier eine Vielfalt an Begründungen herangezogen wurde. Auffällig ist, daß vor allem das Warum, das Ziel des fürstlichen Eingreifens erläutert wird: Das Seelenheil der Untertanen, die Vermeidung öffentlichen Ärgernisses, der Schutz der Gewerbe vor wirtschaftlichen Nachteilen, später der Kampf gegen die lutherische Häresie werden als Beweggründe landesherrlicher Einflußnahme namhaft gemacht. Viel seltener wird hingegen begründet, wodurch der Landesherr sich befugt sieht, anstatt oder sogar gegen den Bischof und die geistlichen Gerichte als den kirchlich legitimierten Ordnungsinstanzen zu handeln. Die in der Reformdiskussion prominente Notrechtslehre, nach der das Versagen der Geistlichkeit ein subsidiäres Eingreifen der weltlichen Gewalt erforderlich machte, spielte für Herzog Georg nur eine geringe Rolle, schon weil er lieber mit den Bischöfen zusammenarbeitete, statt sie öffentlich an den Pranger zu stellen. Die Argumentation, der Klerus sei Teil des Untertanenverbandes des Territoriums, besaß schon größere Bedeutung, öffnete aber nur die weltlichen Aspekte der klerikalen Existenz der landesherrlichen Einflußnahme. Wie aber konnte der Kern des Kirchenregiments Herzog Georgs, die omnipräsenten Eingriffe in die Besetzung, Pfründenstrukturen, Aufsicht und Reform des Niederklerus legitimiert werden? a) »Landesfurst und oberster collator«: Eine Oberlehnsherrschaft über den Niederklerus? Die ältere Forschung versuchte diese Frage mit Hinweis auf das Patronat zu beantworten, jenem kirchlichen Rechtsinstitut, das die Befugnisse der Laien an 259 Zum Problem der Legitimation landesherrlicher Eingriffe und Reformen vgl. Hashagen, Staat und Kirche, 431–480; Wolgast, Art. Reform; Janssen, Gute Ordnung, 162–168. Zum Begriff der »traditionalen Herrschaft« vgl. Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, 130– 140.

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den von ihnen gestifteten Benefi zien beschrieb. Die Überlegungen gingen dabei von der Beobachtung aus, daß manche Landesherren im Spätmittelalter systematisch Patronatsrechte erwarben und in großer Zahl in ihrer Hand vereinten. Bedeutsam wurde dies, weil sich die Fürsten im Umgang mit diesen Rechtstiteln nicht an die engen Grenzen gebunden fühlten, die das Kirchenrecht dem Laieneinfluß setzte, sondern im Gewand des Patronats viele Rechtsansprüche aus dem alten, mit dem Investiturstreit nur oberflächlich beseitigten Eigenkirchenwesen wiederaufleben ließen.260 Gerade diese Entwicklungsfähigkeit des Patronats machte es für den Ausbau fürstlicher Herrschaft interessant. Justus Hashagen beschreibt die Entstehung des landesherrlichen Kirchenregiments folglich als einen Prozeß, bei dem »entwicklungsfähige« alte Rechtsinstitute – im Bereich des Niederklerus das Patronat, bei den Klöstern die Vogtei – »für die Zwecke des werdenden Staatskirchentums [. . .] wirksam umgebildet« wurden.261 Dabei sei der Geltungsumfang des Patronats erweitert und dieses schließlich als ein Teilrecht der Landesherrschaft verstanden worden, wodurch »von innen nach außen«262 aus einzelnen Rechten des Landesherrn gegenüber der Kirche das allgemeine landesherrliche Kirchenregiment hervorgegangen sei. Hashagens Ergebnisse sind von der Forschung weitgehend übernommen worden, so etwa durch Helmut Rankl in seiner Studie zu Bayern.263 Ihre Übertragung auf die Kirchenpolitik Herzog Georgs aber stößt auf größte Schwierigkeiten. Denn während diese Theorie voraussetzt, daß der Landesherr die Mehrzahl der Patronate in seinem Territorium an sich bringen konnte, war die Situation in Sachsen grundlegend anders, weil Herzog Georg kaum mehr als zehn Prozent der Patronate besaß. Und mehr noch, es war geradezu kennzeichnend für Georgs Kirchenpolitik, daß er sich auch überall dort in die Belange des Niederklerus einmischte, wo er nicht über das Patronatsrecht verfügte. Gerade jenseits des Patronats aber verlangte sein Handeln in größtem Maße nach Legitimation. Wenn also Herzog Georg das Patronat in den meisten Fällen nicht besaß, so ist zu fragen, welche alternativen Rechtstitel dem weltlichen Landesherrn den Zugriff auf den Niederklerus im Lande hätten gestatten können. Die genaue Beachtung der Quellenterminologie kann hier Hinweise geben. Es fällt ins Auge, daß in den landesherrlichen Akten Benefizien häufig als »geistliche Lehen« bezeichnet werden. So lautet der Titel eines Registerbandes aus der albertinischen Kanzlei, in dem die Präsentationen auf landesherrliche Patronatspfründen eingetragen wurden, »Buch der präsentation geistlicher lehen [. . .]«.264 260 261 262 263 264

Vgl. Hashagen, Staat und Kirche, 454–469, und siehe S. 61–65. Hashagen, Staat und Kirche, 455 f. Ebd., 456. Vgl. Rankl, 270. Loc. 7437/6, Ein Buch der Präsentation geistlicher Lehen, 1405–1538. – Einen identi-

328 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) Auch in Georgs Vorlage für die Gravamina des Wormser Reichstag von 1521 ist von den Ausgriffen römischer Pfründensammler auf »lehn, so mere iuris patronatus sein« die Rede.265 Analog wird der Vorgang der Besetzung einer Pfründe mit dem Verben ›leihen‹ oder ›verleihen‹ bezeichnet.266 Konsequent nannte die landesherrliche Kanzlei den Patronatsherrn, der eine Pfründe verleihen konnte, den »lehensherrn«.267 Doch nicht nur der Landesherr, sondern auch der niedere Klerus selbst bediente sich dieser Begriffl ichkeit, wie etwa der Leipziger Altarist Christoph Überacker, der Herzog Georg bat, »das lehn zcu Delicz im spital, so ich von e. f. g. zcu lehen gehapt« seinem Adlatus »genedigklichen [zu] leyhen«.268 Diese Terminologie war weder neu noch auf Sachsen beschränkt. Im oberdeutschen Sprachraum bezeichnete man Pfründen als »geistliche Lehen« oder »Kirchlehen«.269 Und schon 1157 hatte Rainald von Dassel, wenn auch in polemischer Zuspitzung, »beneficium« mit »Lehen« übersetzt.270 Die zeitgenössische Terminologie legt also nahe, daß für viele Zeitgenossen noch (oder gerade wieder) die Kategorien des weltlichen Lehnsrechts maßgeblich waren, wenn sie über Benefizien, ihre Inhaber und ihre Patronatsherren nachdachten.271 Offenbar war bei vielen adligen Patronatsherren über den Investiturstreit hinaus die eigenkirchliche Rechtsauffassung des Hochmittelalters lebendig geblieben, und hier gerade die von Ulrich Stutz mit dem Begriff der Kirchenlehnsherrlichkeit zusammengefaßten Rechte des adligen Lehnsherren gegenüber den »geistlichen Lehen«.272 Wie verbreitet die analoge Auffassung von weltlichen Lehen und geistlichen Pfründen war, zeigt gerade die Beiläufigkeit ihrer Erwähnung in zeitgenössischen Rechtstexten, wie etwa einem Spruch des Leipziger Schöffenstuhls um schen Sprachgebrauch zeigt der Titel eines vergleichbaren bayerischen »Register über die geistlichen Lehen, dereen die Herzöge aus Bayern Patrone und Landesherren sind« aus dem 2. Viertel des 16. Jahrhunderts. Vgl. Rankl, 229 f. Für Beispiele aus Württemberg und der Kurpfalz vgl. Stievermann, Landesherrschaft, 152. 265 Beschwerden Herzog Georgs wider die Geistlichkeit auf dem Reichstag zu Worms [Anfang Februar 1521], ABKG, Bd. 1, 150–153 (ebenso in: RTA, JR, Bd. 2, 662–666). 266 Vgl. auch Hinschius, Bd. 2, 633 f.; Künstle, 47–51. 267 Brief Herzog Georgs an Hans von Weißenbach, o.O., 31. Mai 1503, Cop. 108, Bl. 286a. 268 Supplik Christoph Überackers an Herzog Georg, Leipzig, 19. August [1521], Loc. 8987/38, Bl. 5a. 269 Im süddeutschen Raum war der Terminus »Kirchlehn« verbreitet. Vgl. Hinschius, Bd. 2, 634; Plöchl, Bd. 2 418. Zur Terminologie in Franken vgl. Neumaier, 5–37; Ulbrich, 80 f. In Bayern wurde die Sprachregelung auch vom Klerus übernommen, wie ein Schreiben des Diözesanklerus von Freising an seinen Bischof aus dem Jahre 1487 belegt, in dem die Pfarrer Herzog Albrecht IV. von Bayern-München als ihren Lehnsherrn bezeichnen. Vgl. Rankl, 269, zum landesherrlichen Sprachgebrauch ebd., 228–250. 270 Vgl. Keller, 214. 271 Vgl. auch Künstle, 47–51; Hinschius, Bd. 2, 633 f. – Ein etwas anders gelagertes, gleichwohl instruktives Beispiel hat Helmut Neumaier mit den Priestereiden in der vorreformatorischen Grafschaft Hohenlohe vorgestellt. Vgl. Neumaier, 17–24. 272 Siehe S. 61–65.

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1406, in dem es heißt, Veit von Schönburg habe die Herrschaft Hartenstein gekauft, »mit aller seiner zugehorung und darzu alle manschaft und lehn, geistlich und weltlich«.273 Ein Lehnsbrief Herzog Georgs nennt 1501 u. a. das wüste Dorf Breitenau samt Kirchlehen und das Lehen über eine Kapelle in der Pfarrkirche zu Dohna.274 Nach wie vor behandelte die feudale Rechtspraxis des Spätmittelalters die Pfründe – vor allem mit Blick auf die zu ihr gehörenden Temporalien – als weltlichen Besitztitel, der verlehnt, geteilt, verkauft, verpfändet werden konnte und über den der weltlichen Seite die Gerichtsbarkeit zustand.275 Hier ist mit den Worten von Paul Hinschius die »Tendenz des Mittelalters, alle möglichen Verhältnisse zu feudalisiren« mit Händen zu greifen.276 So nimmt es letztlich kaum Wunder, daß diese Rechtsvorstellungen auch in der albertinischen Verwaltung verbreitet waren. Denn die Protagonisten der landesherrlichen Kirchenpolitik, die Hofräte und führenden Amtleute, waren in ihrer Mehrzahl weltliche Niederadlige, die keinerlei Bildung im Kirchenrecht besaßen, dafür aber die im Sachsenspiegel verankerte weltliche Lehnsrechtspraxis aus dem täglichen Umgang kannten.277 Gerade in jüngster Zeit ist wieder stärker das Potential betont worden, daß das Lehnswesen auch noch für den Ausbau der Landesherrschaft zum frühmodernen Territorialstaat besaß.278 So hat Joachim Schneider an der Entstehung der Schriftsassen aufzeigen können, daß sich die Wettiner auch am Ausgang des Mittelalters noch intensiv dieses Rechtsinstituts bedienten, um ihre Landesherrschaft zu festigen.279 Auch Herzog Georg griff beim Auf bau sächsischer Herrschaft in Friesland gezielt auf das Lehnswesen zurück. Nach seinem (letztlich am Widerstand der Friesen gescheiterten) Plan sollte der friesische Adel seine Güter dem Landesherrn auftragen, um sie anschließend von ihm zu Lehen zu nehmen.280 Anders als in Friesland hatte das wettinische Streben nach einer 273 Kisch, Nr. 513. – Noch nach der Reformation führten die unter Kurfürst Moritz angelegten Amtserbbücher die Einteilung in geistliche und weltliche Lehen fort. Vgl. Kötzschke. 274 Lehnsbrief Herzog Georgs für Rudolf von Bünau zu Weesenstein, Dresden, 20. April 1501, O. U., Nr. 9406c. 275 Vgl. Hinschius, Bd. 2, 633 f.; Plöchl, Bd. 2, 417–419; Hashagen, Staat und Kirche, 458–461. 276 Hinschius, Bd. 2, 634. 277 Siehe S. 88–110. – Die Vorstellungen des weltlichen Rechts wurden dabei in Analogiebildung auf das Benefi zialwesen übertragen. Denn normative Aussagen zu Pfründen oder »geistlichen Lehen« enthielten weder der Sachsenspiegel mit seinen Glossen, noch zeitgenössische Rechtssammlungen wie die Leipziger Schöffenspruchsammlung von 1523/24. Vgl. Eckhardt; Kisch. 278 Vgl. Diestelkamp, Lehnrecht; Spiess; Schneider, 181–208; Schubert, Fürstliche Herrschaft, 71 f. 279 Das Ziel wettinischer Oberlehnsherrschaft über den gesamten Niederadel des Landes wurde dabei durch die großzügige Auslegung eigener und das Zurückdrängen fremder Lehnsrechte erreicht. Vgl. Schneider, 181–208. 280 Der friesische Adel verweigerte sich dem Feudalisierungsvorhaben, war aber bereit,

330 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) Territorialisierung der Lehnsherrschaft in Sachsen Erfolg. Um 1500 galten die Wettiner unumstritten als oberste Lehnsherren in ihren Stammlanden.281 Der Nivellierungsdruck der Territorialstaatsbildung – die Vereinheitlichung der Rechtsbeziehungen zugunsten des Landesherrn – fand in der Durchsetzung der Oberlehnsherrschaft seinen unmittelbaren Ausdruck. Die Betonung der Oberlehnsherrschaft und das alte lehnsrechtliche Verständnis von Niederkleruspfründen erwiesen sich für die Weiterentwicklung des Kirchenregiments als überaus potente Reagenzien. Den Weg wies die Ausdehnung der Oberlehnsherrschaft auf die Benefizien. Denn waren Pfründen »geistliche Lehen«, sollten die Landesherren dann nicht auch über sie Oberherren sein? War dies aber der Fall, so ergaben sich hieraus völlig neue Möglichkeiten der Legitimation landesherrlicher Einflußnahme auf Patronatsherren und Pfründeninhaber. Für Herzog Georg läßt sich nun erstmals nachweisen, daß diese Analogie tatsächlich gezogen wurde. Explizit formuliert wird dies in der eingangs zitierten Selbstbezeichnung als »landesfurst und oberster collator« aus dem Jahre 1523, mit der Herzog Georg seinen Anspruch zu begründen versuchte, Weltgeistliche in seinem gesamten Fürstentum unabhängig von den Patronatsherren und den geistlichen Instanzen absetzen zu können. Terminologisch ist freilich nicht sofort verständlich, was der Begriff »oberster Kollator« meint. Denn als collatio wird im Rahmen des kanonischen Patronatsrechts eigentlich der geistliche Akt der Übertragung des kirchlichen Amtes bezeichnet. Kollator war also derjenige Geistliche, der den vom Patronatsherrn präsentierten Kandidaten in sein kirchliches Amt einführte. Die vorreformatorischen Quellen aber weisen eine terminologische Verschiebung auf: »Collatio seu ius praesentandi« heißt es in einem Hohenloher Priestereid von 1484 und fast gleichlautend, als »collatio seu jus patronandi«, beschreibt Herzog Georg 1513 seinen Rechtstitel zur Besetzung der Pfarre zu Dohna.282 Kollator wird hier zur Bezeichnung für denjenigen, dem das Besetzungsrecht zukam, also für den Patronatsherrn oder – in der Sprache des Lehnsrecht – für den Lehnsherrn einer Pfründe.283

statt dessen eine erhebliche Steuer, den 21. Teil der Einkünfte des Grundbesitzes, abzuführen – auch dies ein Hinweis darauf, welcher reale Wert einer Lehnsbeziehung noch zugemessen wurde. Vgl. Diestelkamp, Lehnrecht, 79 f.; Bauer, 65. 281 Vgl. Schneider, 181–208. Dieselbe Politik verfolgten die Wettiner auch gegenüber den Dynasten ihres Hegemonialverbandes, so gelang es ihnen im 15. Jahrhundert, eine Oberlehnsherrschaft über die bis dato reichsunmittelbaren Bergwerkslehen der Mansfelder Grafen zu etablieren. Vgl. Eibl, Friedrich, 38. 282 Neumaier, 8; Brief Herzog Georgs an den Archidiakon zu Nisan, Dresden, 8. Juli 1513, CDS, II, Bd. 12, 603, Anm. 283 Diese Bedeutung der Termini »Kollator«/«Kollatur« ist im 15. Jahrhundert allgegenwärtig und wird auch in der Forschungsliteratur benutzt. Vgl. z. B. Bünz, Der niedere Klerus; Meyer, Kollatur; Ulbrich; Willich.

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Folglich ist unter dem von Herzog Georg beanspruchten Rechtstitel eines obersten Kollators ein über allen Lehnsherrn »geistlicher Lehen« stehender Oberlehnsherr zu verstehen, ein oberster Patron aller Benefizien seines Landes. In dieser Interpretation ist die fragliche Quellenpassage schlüssig: Die Analogie zum weltlichen Lehnsrecht, in dem der Landesherr – wie der Kaiser im Reich – als Oberlehnsherr im Territorium auftrat, wird durch die mehrfache Verwendung der Termini »lehn« bzw. »(ver)leyhen« unmittelbar hergestellt. Wie bei den weltlichen Lehen, will Herzog Georg als »oberster collator« also auch Oberlehnsherr über alle »geistliche lehen« in seinem Territorium sein. Die Benutzung des Terminus »collator« anstatt von »lehnsherr« in der vorliegenden Quelle erklärt sich vermutlich daraus, daß der Brief an Bischof Johann VII. eine Supplik an den Papst vorbereiten sollte, weshalb es ratsam erscheinen mochte, eine lateinische Terminologie zu wählen. Mit dem Anspruch, oberster Kollator in seinem Fürstentum zu sein, stellte Herzog Georg sein Kirchenregiment über den Niederklerus auf eine völlig neuartige Legitimationsgrundlage. Mit der Beanspruchung einer Oberlehnsherrschaft über die »geistlichen Lehen« umging er das Problem, daß die Patronatsrechte nicht in seiner Hand waren. Seine weitreichende Forderung, selbständig Weltgeistliche absetzen zu können, hätte ohnehin den Rahmen jeder kirchlich anerkannten Nutzung des Patronats gesprengt. Im Unterschied zum oben skizzierten Weg der Patronatsakkumulation verlief der Prozeß des Ausbaus des Kirchenregiments im Falle Herzog Georgs also in umgekehrter Richtung. Statt einzelne, lokale Patronatsrechte zu akkumulieren und aus diesen kirchlichen Einzelrechten einen generellen Anspruch zu entwickeln, anstatt also im Sinne Hashagens »von innen nach außen« vorzugehen, entschied sich Herzog Georg für den umgekehrten Weg. Er stützte sich auf ein sehr allgemeines Recht, nämlich seine weltliche Landesherrschaft,284 als deren Teilrecht die Oberlehnsherrschaft erscheint. Diese verknüpfte er mit der eigenkirchlichen Rechtstradition von den Benefi zien als »geistlichen Lehen«. Im »obersten collator« verschmolzen beide zu einem neuen, hybriden Rechtsanspruch, der Oberlehnsherrschaft über den gesamten Niederklerus, mit dem sich eine neue Stufe des landesherrlichen Kirchenregiments begründen ließ. Daß dies dem Kirchenrecht völlig zuwider lief, beunruhigte Herzog Georg offenbar nicht. Seine Supplik an den Papst war denn auch nicht auf eine kirchliche Genehmigung seines Rechtsanspruchs eines obersten Kollators ausgerichtete, sondern richtete sich auf die Verschärfung der daraus abgeleiteten Sanktionsbefugnisse im Zeichen des Kampfes gegen die Reformation. Wenngleich Herzog Georg die päpstliche Zustimmung versagt blieb, belegt doch insbeson284 Auch Justus Hashagen hat die Rolle der »Landeshoheit« bei der Entstehung des landesherrlichen Kirchenregiments nicht übersehen. Vgl. Hashagen, Staat und Kirche, 441–450, 462–465.

332 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) dere seine Kirchenpolitik in der Reformationszeit die praktische Anwendung des Prinzips des obersten Kollators. Dies war möglich, weil der landesherrliche Anspruch von den Unterobrigkeiten und dem Niederklerus im Lande offenbar breit akzeptiert wurde. Nur so läßt sich beispielsweise erklären, daß Herzog Georg in der Lage war, glaubwürdig mit der Sperrung der Temporalien auch gegenüber jenen Geistlichen zu drohen, die nicht seinem Patronat unterstanden. Auch die Eingriffe in Patronatsstreitigkeiten und die Reform von Pfründenstrukturen, die sogar die Bischöfe akzeptierten, werden aus diesem Anspruch verständlich.285 Selbst Georgs revolutionäres Ziel von 1523 – die eigenständige Absetzung lutherischer Weltgeistlicher unabhängig von Patronat und geistlichen Instanzen – konnte er so in der Praxis umsetzen, wie etwa das Vorgehen in der Ganerbschaft Treffurt im Jahre 1534 belegt.286 Im Treffurter Fall begründete Herzog Georg sein Vorgehen dabei mit der schlichten Formel »dieweil sie [die Dörfer] im kraysse unsers furstenthumbs gelegen«,287 leitete also seine Legitimation direkt aus der Landesherrschaft bzw. Oberlehnsherrschaft ab. Von einer landesherrlichen Oberlehnsherrschaft über alle Pfründen gingen auch die Berichte aus, die Amtleute und lokale Unterobrigkeiten in den frühen 1530er Jahren nach Dresden einsandten. In Reaktion auf den zwischen den wettinischen Linien vereinbarten Grimmaer Machtspruch von 1531 hatte Herzog Georg Berichte über sogenannte »vermengte« geistliche Lehen eingefordert, also über Pfründen, die in einem Landesteil lagen, deren Patronatsherren aber auf der anderen Seite der Grenze saßen. Dabei zeigen die Antworten der lokalen Adligen und Amtsträger ein mit dem Landesherr übereinstimmendes Rechtsverständnis: Wie normale weltliche Lehen, werden auch alle geistliche Lehen, ob Altar- oder Pfarrpfründen, auf den jeweiligen Fürsten als Oberlehnsherr zurückgeführt.288 Besonders frappierend tritt im Fall des albertinischen Lehnsmann Dietrich von Meckau zu Limbach die enge Bindung der geistlichen Lehen an den weltlichen Oberlehnsherrn zu Tage, diesmal allerdings zuungunsten Herzog Ge285 Siehe oben, Abschnitt 1 d). – Als Bezugnahme auf die Oberlehnsherrschaft Herzog Georgs ist wohl auch folgende Formulierung in einem Schreiben Johanns VII. von Meißen wegen der Reform der geistlichen Lehen zu Radeberg zu verstehen: »derhalben und die weill e. g. am hoechsten und der radt ouch etzlicher lehen doselbst patronen sein«. Brief Bischof Johanns VII. von Meißen an Herzog Georg, Stolpen, 12. Juli 1524, Loc. 7440/7, Bl. 37 [Hervorhebungen vom Verf.]. 286 Siehe S. 509–515. 287 Brief Herzog Georgs an Friedrich von Witzleben, Amtmann von Langensalza und Thamsbrück, Dresden, 23. Dezember 1534, Loc. 8200/9, Bl. 22. 288 So antwortet der Amtmann von Herbsleben in Thüringen, er habe entsprechend Georgs Befehl in seinem Amt und bei den »amptsvorwantenn« nach »pfarren adder andere geistliche lehen, die in meines gnedigsten herrn hern Johans Friderichen [. . .] furstenthumb gelegen, und die von e. f. g. zur lehen rueren« geforscht. Brief Philipp von Reibischs, Amtmann von Herbsleben, an Herzog Georg, Herbsleben, 9. Februar 1534, Loc. 7447/3, Bl. 3.

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orgs. Auf Georgs Aufforderung hin berichtete Meckau 1531, »das ich ein kirchlehen ym dorffe zu der Nyderfrone gelegen von hochgedachtem meinem genedigsten hern dem kurfürsten zu lehene trage, wy wol keiner der pfarrleutte, wellich in dy selbige kirche pferlichen gehoren, in seiner kurfurstlichen genaden landen oder gebithen gesessen oder wonhafftigk sein«.289 Meckau war also vom ernestinischen Kurfürsten mit einem im Albertinischen gelegenen Pfarrpatronat belehnt worden, für das er seinerseits den Pfarrer, der von ihm als »mein gelehenter pfarner zur Niderfronhe« bezeichnet wird,290 ausgewählt hatte. Brisant wurde die Situation, als 1533 eine ernestinische Visitationskommission den bisherigen altgläubigen Pfarrer für abgesetzt erklärte und einen evangelischen Nachfolger bestimmte. Meckau selbst stand fest auf der altgläubigen Seite, er propagierte in seiner Grundherrschaft die antilutherischen Religionsmandate Georgs, »sonderlich den artickell, das sich niemandes vor eynen christlichen gehalden unde geendten concilium in keine neuerung begeben sulle«.291 Doch obwohl er selbst – wenn auch auf Lehnsbasis – über das Patronatsrecht verfügte, und auch kirchenrechtliche Bedenken vorlagen, die gegen den evangelischen Kandidaten sprachen,292 sah Meckau, im lehnsrechtlichen Denken verhaftet, für sich keinen Handlungsspielraum: »Die weyle es kurfurstlich lehen ist«, habe er, so berichtet Meckau fast verzweifelt in seiner Supplik an Herzog Georg, dem Befehl der ernestinischen Visitatoren entsprechend den altgläubigen Pfarrer absetzen und den evangelischen Kandidaten einführen müssen. Da auch Herzog Georg den Anspruch des ernestinischen Oberlehnsherrn auf die Pfarre akzeptierte, blieben Meckau und der Dorfgemeinde nur der passive Widerstand gegen den lutherischen Pfarrer, dessen Gottesdienste sie boykottierten, um statt dessen mit dem vertriebenen altgläubigen Pfarrer in der Filialkirche zu Mittelfrohna die Messe zu feiern.293 Mit der Formulierung Herzog Georgs, er sei »oberster collator« des Niederklerus in seinem Fürstentum, ist also ein zentraler Rechtsanspruch des landesherrlichen Kirchenregiments expliziert, der zu Beginn des 16. Jahrhunderts in Sachsen allgemein akzeptiert scheint, ja selbst in der beginnenden konfessionel289 Brief Dietrich von Meckaus zu Limbach an Herzog Georg, Limbach, 21. August 1531, Loc. 8378/2, Bl. 2. 290 Supplik Dietrich von Meckaus zu Limbach an Herzog Georg, Limbach, 7. Januar 1534, ebd., Bl. 7–9. 291 Ebd., Bl. 7 b. 292 Zum einen war der evangelische Kandidat, wie Meckau selbst feststellte, eine ehemaliger Bauer, der über keinerlei priesterliche Weihen verfügte (vgl., ebd., Bl. 8a), zum anderen war der zuständige geistliche Kollator, der altgläubige Archidiakon und Abt zu Chemnitz, übergangen worden. Vgl. Gutachten [albertinischer Räte] über die Lehnsverhältnisse und das Pfarrlehen zu Niederfrona, ebd., Bl. 11b –12a. 293 Supplik Dietrich von Meckaus zu Limbach an Herzog Georg, Limbach, 7. Januar 1534, ebd., Bl. 7–9.

334 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) len Auseinandersetzung als Rechtsbasis von beiden Seiten noch anerkannt wurde. Seit wann dieser Rechtstitel, der ja auch die Oberlehnsherrschaft voraussetzte, vom Landesherren beansprucht wurde, ist noch unklar. Möglicherweise dachte schon Herzog Wilhelm III., der große Vorreiter in Sachen Kirchenregiment, in diesen Bahnen. Zumindest fi ndet sich in der thüringischen Landesordnung von 1446 der Anspruch, daß dem Landesherr gegenüber dem Niederklerus unabhängig vom jeweiligen Patronat das Sanktionsmittel der Temporaliensperre zur Verfügung stünde.294 Explizit formuliert und so für die Legitimation des landesherrlichen Kirchenregiments nutzbar gemacht wurde der neue Rechtstitel aber erst von Herzog Georg im Begriff des obersten Kollators. b) Suppliken der Untertanen als Legitimationsquelle In seiner Untersuchung zum Kirchenregiment der bayerischen Herzöge hat Helmut Rankl auf das Phänomen der an den Landesherrn herangetragenen »Hilfeersuchen« hingewiesen. Er vertritt dabei die These, daß solche Suppliken von der weltlichen Landesherrschaft benutzt wurden, um Eingriffe in das Kirchenwesen zu legitimieren, wo diese nicht mehr durch landesherrliche Rechtstitel, etwa die Klostervogtei, gedeckt waren.295 Als ein neues Rechtsinstrument verdient die Supplik in der Diskussion um die Legitimation des landesherrlichen Kirchenregiments besondere Aufmerksamkeit. Denn gegenüber den zuweilen kaum konkretisierbaren Vorstellungen von der Genese des Kirchenregiments aus der graduellen Erweiterung alter Rechtstitel ist die Legitimation über die Suppliken ein in den Quellen gut greif bares Erklärungsmodell. Im wettinischen Raum sind Suppliken der Untertanen seit dem Ende des 15. Jahrhunderts nachweisbar. Rudolf Zieschang verweist auf erste Beispiele aus der Zeit der gemeinsamen Regierung von Kurfürst Ernst und Herzog Albrecht. Er sieht in den Bittschreiben einen Hinweis darauf, daß die Bevölkerung von einer Überordnung der Landesherrn über die sächsische Kirche und ihre Bischöfe ausging.296 In der Regierungszeit Herzog Georgs waren solche Suppliken omnipräsent.297 Durch sie erhielt der Landesherr Informationen über die kirchlichen 294 Der Zusammenhang war hier das Vorgehen gegen die geistliche Gerichtsbarkeit. Die Landesordnung untersagte dem Pfarrklerus die Unterstützung geistlicher Gerichte, wenn diese sich weltlicher Fälle annahmen, und drohte bei Mißachtung mit der Temporaliensperre. Vgl. Landesordnung Herzog Wilhelms III., Weißensee, 9. Januar 1446, Müller, Reichstagstheatrum Maximilian, Bd. 2, 86–95; vgl. dazu Pallas, Entstehung, 141; Schulze, Fürsten, 53–55. 295 Vgl. Rankl, 266. 296 Vgl. Zieschang, 123–125. 297 Siehe die auf S. 103–108 und im Laufe dieses Kapitels angeführten Beispiele. – Vgl. auch Brief Herzog Georgs an den Propst zu Zschillen, [Dresden] 4. April 1511, Cop. 116, Bl. 117 b ; Brief Herzog Georgs an Bischof Adolf von Merseburg, Weißenfels, 6. März 1515,

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Mißstände vor Ort und konnte auf sie reagieren. Häufig waren es die Kirchpfleger 298 oder gleich die ganze Gemeinde, die ihre Klagen über die Amtsträger der Kirche an den Landesherrn richteten. Mitglieder von Bruderschaften beklagten sich über ihre geistliche Führung, Niederadlige über die Beschwerungen der ihnen unterstellten Hintersassen. Aber nicht nur die Laien, sondern auch Weltgeistliche und Ordensangehörige wandten sich mit ihren Beschwerden an den Landesherrn. Die inhaltliche Palette war breit gefächert und zeigt die Prioritäten, die die Laienbevölkerung bei der kirchlichen Versorgung setzte. An erster Stelle standen Klagen über die mangelnde Versehung der Gottesdienste und der Sakramente sowie über ungerechtfertigten Kirchenbann. Streit um finanzielle Forderungen und die Lebensführung von Klerikern waren ebenso häufige Themen. Dabei richteten sich die Suppliken gegen alle Ebenen der kirchlichen Hierarchie, vom örtlichen Pfarrer über Offiziale der geistlichen Gerichte bis hin zum Bischof selbst. Je nach Konfl iktlage verschob sich schließlich auch die Art des landesherrlichen Eingreifens, auf das die Supplikanten hofften. Von der Fürsprache des Fürsten bei der geistlichen Gewalt über die Ausübung von Druck auf die geistlichen Instanzen (etwa bei der Lösung vom Bann) bis hin zum direkten Eingreifen, sei es als Schlichtungsinstanz oder durch landesherrliche Sanktionsmaßnahmen wie die Temporaliensperre, erstreckte sich die Einflußnahme des Landesherrn. Für die Legitimation des Kirchenregiments Herzog Georgs spielten die Suppliken eine zentrale Rolle. Denn auch wenn der Fürst keine anderen Rechtstitel zur Begründung seiner Einflußnahme vorweisen konnte, war es doch völlig unzweifelhaft, daß die Supplikanten als seine Untertanen ihn um Schutz und Schirm bitten konnten. In der Verantwortung des Landesherrn für das Wohl der Untertanen aber sah Herzog Georg eine ausreichende Legitimation für seine Eingriffe in das Kirchenwesen. Als christlicher Fürst verstand Georg dabei auch und gerade die Sicherstellung der kirchlichen Versorgung und den Schutz vor Gefahren für das Seelenheil seiner Untertanen als seine landesherrliche Verantwortung. »Das wir das arme unschuldige volgk, weyle uns das underworffen, auß dißer uncristlichen beswerung fuhren«, umschreibt er die Ratio seines Eingreifens, als er 1509 den Offizial des Meißner Bischofs zur Lösung des Interdikts über die Gemeinde Zschaitz auffordert.299 Cop. 121, Bl. 11b ; Brief Herzog Johanns d.J. und Herzog Friedrichs d.J. an Johann von Kanitz, Propst des Augustinerchorherrenstifts zum Petersberg, Dresden, 13. Mai 1521, ABKG, Bd. 1, 165–167. 298 Die Kirchpfleger oder Kirchväter waren Laien, die von ihrer Gemeinde zur Aufsicht des Kirchenvermögens, v. a. der Kirchenfabrik, bestimmt wurden. Vgl. Schröcker. 299 Brief Herzog Georgs an den Offi zial zu Stolpen, Dresden, 5. Juni 1509, Cop. 110, Bl. 158b. Die Dorfgemeinde war wegen unbezahlter Geldschulden ihrer Herrschaft, der Kertzsche zu Wunschwitz, in den Bann geraten. Vgl. Loc. 8983/11, Bl. 13–18.

336 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) Seine Stellung als Landesherr verpfl ichtet ihn zur Korrektur ungerechtfertigter Entscheidungen der geistlichen Instanzen. Insofern wird man die bereits angeführte Aussage Herzog Georgs gegenüber dem Meißner Bischof – »wu wir sulchß auß unser furstlich oberkeit nicht schuldig weren, wold uns meher geliben, sulcher und ander clag mussig zu gehen, dan damit besucht zu werden« – richtig einordnen müssen.300 Für die Rechtfertigung seine Eingriffe berief sich Georg auf die Suppliken seiner Untertanen, die an seine landesherrliche Verantwortung appellierten – über seine intrinsische Motivation ist damit aber noch nichts gesagt.

7. Diskussion: Georgs Kirchenregiment über den Niederklerus im territorialen Vergleich Im Überblick über die Territorien des Reiches kann gerade die Kirchenpolitik gegenüber dem Niederklerus als Gradmesser für die Intensität des landesherrlichen Kirchenregiments gelten, denn auf kaum einem anderen Gebiet wurden die Rechte der Bischöfe so unmittelbar tangiert. Herzog Georgs Kirchenpolitik trat auf diesem Gebiet besonders hervor. Der direkte Vergleich mit seinem ernestinischen Vetter Friedrich dem Weisen ist hier instruktiv. Denn Friedrich überließ die Wahrnehmung seiner Patronatsrechte im Niederklerus in der Regel seinen Amtleuten und beschränkte sich bei Mißständen im Klerus auf die Anzeige bei der zuständigen geistlichen Obrigkeit.301 Dagegen macht gerade das ständige Eingreifen in Hunderten von Einzelfällen und die damit einhergehende praktische Umsetzung seines Aufsichts- und Reformanspruchs die besondere Intensität des Kirchenregiments Herzog Georgs aus. Die Reformagenda der weltlichen Landesherren war überall im Reich die gleiche: Verbessert werden sollte die Lebensführung des Niederklerus und die Wahrnehmung der Amtspfl ichten, verhindert die wirtschaftliche Betätigung zum Schaden der weltlichen Gewerbe. Die Perspektive des Landesherrn war hierbei stets diejenige des Laien und des Landesvaters, der das irdische Wohl und das ewige Heil seiner Untertanen gleichermaßen im Blick hatte.302 Jedoch erweist es sich als schwierig, aus der Literatur vergleichbare Aussagen über das landesherrliche Eingreifen zu gewinnen, da gerade die Praxis der Kirchenpolitik bislang kaum untersucht worden ist. Die Gründe hierfür liegen auf der Hand: Nicht einzelne Privilegien oder Mandate, sondern nur die aufwendige Zusammenschau der landesherrlichen Missivenüberlieferung kann hier Ergeb-

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Brief Georgs an Johann VI. [1502] (wie Anm. 252). Vgl. Pallas, Entstehung, 150–152; Kirn, 110, 126 f.; Ludolphy, Friedrich, 381. Vgl. z. B. Rankl, 260–268; Redlich, Kirchenpolitik, Bd. 1, 110*–113*.

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nisse bringen. So stehen die folgenden vergleichenden Aussagen in besonderem Maße unter dem Vorbehalt eines ungenügenden Forschungsstandes. In zahlreichen Territorien, so etwa im Kursachsen Friedrichs des Weisen oder auch in Kurbrandenburg beschränkte sich die weltliche Landesherrschaft bei der Niederklerusreform auf Klagen und Anzeigen an die geistliche Obrigkeit.303 Nur das voll ausgeprägte Kirchenregiment, wie es etwa für Bayern oder JülichBerg zu konstatieren ist, setzte den landesherrlichen Reformanspruch mit eigenen Kontroll- und Sanktionsmaßnahmen in die Tat um und agierte dabei landesweit auch jenseits der eigenen Patronatsrechte. Typische Handlungsmuster waren die Verfolgung von Klagen über die Vernachlässigung von Seelsorge und Meßverpfl ichtungen, der Kampf gegen das Konkubinat oder – als genuin landesherrliche Sanktionsform – die Drohung mit der Temporaliensperre.304 Das Kirchenregiment Herzog Georgs zeichnete sich durch ein koordiniertes Ineinandergreifen landesherrlicher und kirchlicher Maßnahmen aus und knüpfte darin z. T. an bewährte Praktiken seiner wettinischen Vorgänger an.305 Die weltlichen Sanktionen reichten von der Vermahnung durch den Amtmann über die Temporaliensperre bis hin zu Verhaftung und erzwungener Resignation. Ergänzt wurden sie durch Anzeigen beim geistlichen Richter, Druck auf kirchliche Vorgesetzte sowie die Initiierung, Begleitung und zum Teil massive Beeinflussung geistlicher Gerichtsverfahren gegen straffällige Weltgeistliche. Eine eher unrühmliche, aber zeittypische Rolle spielte daneben die Bekämpfung des Konkubinats durch die Verhaftung und Ausweisung der Frauen.306 Diese hybride Mischung von indirekter Einflußnahme über die geistlichen Richter und direktem Druck über die Amtleute war ein Spezifi kum der Niederklerusreform Herzog Georgs – und sicherlich auch ein Erfolgsrezept. Möglich wurde dieser intensive Zugriff durch die günstigen Rahmenbedingungen in Sachsen. Die Landsässigkeit der mitteldeutschen Bischöfe erlaubte es Herzog Georg, die geistliche Gewalt faktisch zum Instrument seines Kirchenregiments zu machen. Selbst ein Johann VI. von Meißen konnte sich diesen Machtverhältnissen nicht erfolgreich widersetzen. Wie grundlegend anders die Situation für das landesherrliche Kirchenregiment in anderen Teilen des Reiches war, zeigt das Beispiel der Herzöge von Bayern, die sich mit päpstlichen Sonderprivilegien gegen die Aufsichtsrechte weitgehend unabhängiger Reichsbischöfe durchsetzen mußten.307 Andererseits 303 Zu Kurbrandenburg vgl. die skeptischen Ausführungen zum Entwicklungsstand des landesherrlichen Kirchenregiments von Dietrich Kurze, zitiert in: Schulze, Fürsten, 38 f.; vgl. auch Rudersdorf/Schindling, 35–40; Priebatsch; Hennig. 304 Vgl. Redlich, Kirchenpolitik, Bd. 1, 110*–113*; Rankl, 260–268. 305 Ein solcher Anknüpfungspunkt war beispielsweise die Drohung mit der Temporaliensperre in der Landesordnung Herzog Wilhelms III. von 1446. Siehe Anm. 294. 306 Vgl. Redlich, Kirchenpolitik, Bd. 1, 110*–112*; Rankl, 268; Zimmermann, 117 (am Beispiel einer städtischen Obrigkeit, des rekatholisierten Rates von Konstanz nach 1547). 307 Vgl. Rankl, 235.

338 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) verweist die Entwicklung in Kurbrandenburg darauf, daß landsässige Bischöfe allein noch keine hinreichende Bedingung für die Ausbildung eines intensiven landesherrlichen Regiments über den Niederklerus waren.308 Der Vergleich macht deutlich, welch prägenden Einfluß regionale Besonderheiten auf die jeweilige Ausgestaltung des landesherrlichen Kirchenregiments hatten.309 Durch die Integration weltlicher und bischöfl icher Obrigkeit unter der Führung des Landesherrn gelang es Herzog Georg, die durch das Kirchenrecht aufgerichteten Barrieren für eine Intensivierung des landesherrlichen Zugriffs weitgehend zu unterlaufen. Deshalb blieb auch das Scheitern der Versuche, die Zustimmung Roms für diese Politik zu erhalten, weitgehend folgenlos. Denn auch ohne päpstliche Privilegien – wie sie etwa Bayern 1523 erlangte – konnte er seine weitreichenden Ansprüche weitgehend in die Realität umsetzen.310 Der landesherrliche Herrschaftsanspruch über den Niederklerus beschränkte sich aber nicht auf das Feld der Reform. Unmittelbar machte er sich auch auf der weltlichen Seite der klerikalen Existenz bemerkbar. Hier trat Herzog Georg dem Niederklerus als Gehorsam einfordernder Landesherr entgegen und betrieb seine Einbindung in den Untertanenverband. Dies kann als ein Teilprozeß der Integration der Kirche in das Territorium verstanden werden, in dem sich der Nivellierungswille der Landesherrschaft beim Auf bau des frühmodernen Territorialstaats niederschlug. Trotz ihrer priesterlichen Sonderrolle sollte die Weltgeistlichkeit nicht außerhalb der säkularen Gesellschaft und damit der Kontrolle der Landesherrschaft stehen. Die Immunitätsprivilegien des Klerikerstandes, die dieser Vereinnahmung entgegenstanden, wurden zwar nicht offen angegriffen, doch durch einen graduellen Integrationsprozeß um so effektiver ausgehöhlt. Elemente dieser Integration waren die Beanspruchung der Gerichtsbarkeit über den Klerus in weltlichen Angelegenheiten, seine persönliche Besteuerung und die Übertragung weltlicher Gesetze auf seine Angelegenheiten, wie im Falle des Wucherverbots. Die Behandlung der Weltgeistlichkeit als Untertan und die Akzeptanz dieses Anspruchs von Seiten des Klerus schufen Verhaltensnormen, die das Kirchenrecht faktisch außer Kraft setzten. Wie weit diese Wahrnehmung in den Köpfen verankert war, zeigt sich z. B. in der an den Territorialgrenzen orientierten Unterscheidung zwischen »inländischem« Klerus und »ausländischen« geistlichen Gerichten, gegen die der Kleriker als Untertan sogar das Privilegium de non evo308

Siehe Anm. 303. Dies würde eine vergleichende Studie wohl für die meisten Territorien belegen können. Als Beispiele seien erwähnt die vom Landesherrn unterstützte geistliche Mittelinstanz der Landdechanten mit ihren Sendgerichten in Jülich-Berg oder für Bayern die Eingriffsmöglichkeiten des Landesherrn über das »Possessrecht« der Landgerichte, also das sonst eigentlich den Patronatsherren zustehende Recht auf Übergabe der Temporalien an den Geistlichen (ius conferendi). Vgl. Redlich, Kirchenpolitik, Bd. 1, 113*–118*; Rankl, 251–254. 310 Siehe oben, Abschnitt 2. 309

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candis subditis in Anspruch nehmen konnte. Vergleichbare Vorgänge sind nicht nur für andere Territorien, sondern auch für städtische Obrigkeiten vielerorts belegt.311 Damit einhergehend okkupierte die Landesherrschaft unter Herzog Georg eine Reihe von Herrschaftsrechten, die eigentlich der geistlichen Aufsicht und Disziplinargewalt des Bischofs zustanden. Grundsätzlich beanspruchte Herzog Georg dabei, aus »fürstlich macht, gewalt und oberkeit«312 zu handeln. Nicht also eine Übernahme bischöfl icher Rechte – die kaum zu begründen gewesen wäre – sondern der eigenständige Herrschaftsanspruch der Landesherrschaft galt ihm als Quelle seines Vorgehens. Dabei kam es zu Situationen direkter Konkurrenz mit den Bischöfen, etwa wenn Herzog Georg dem Niederklerus die Testierfreiheit garantierte, während Johann VI. von Meißen versuchte, das bischöfl iche Spolienrecht am Nachlaß des Klerus durchzusetzen. Noch wesentlich schwerer fielen solche Konfl ikte in jenen Gebieten des Reiches aus, in denen die Bischöfe nicht landsässig waren.313 Auch das Recht zur Bestätigung geistlicher Stiftungen beanspruchte Herzog Georg erfolgreich, während er die Verantwortung für den Unterhalt unversorgter Weltgeistlicher – im Gegensatz zu den Herzögen von Bayern – auf die geistlichen Instanzen abwälzte.314 Die ständigen Eingriffe des Landesherrn in den bischöfl ichen Aufgabenbereich blieben für das Verhältnis des Niederklerus zur kirchlichen Hierarchie nicht ohne Folgen. Der Weltklerus mußte sich mit einer neuen Situation auseinandersetzen, in der der Landesherr nicht nur für die weltlichen Belange, sondern auch für die geistlichen Amtsaufgaben als eine zweite obrigkeitliche Instanz in Erscheinung trat, die Aufsicht führte und disziplinierte, derer sich der Klerus aber auch bedienen konnte. Wenn die Konkurrenz von Landesherr und Bischof dann in offenen Konfl ikt umschlug, sah sich der Niederklerus oft mit einem Dilemma konfrontiert, denn beide Seiten forderten Loyalität ein. Wie in anderen Territorien mit ausgeprägtem landesherrlichen Kirchenregiment, entschied sich der Niederklerus auch in Sachsen dabei im Zweifelsfall für die Landesherrschaft.315 Damit korrespondiert, daß das »episkopale« Wirken des Landesherrn sowohl vom niederen Klerus, als auch von den sächsischen Bischöfen,

311 Zur Besteuerung des niederen Klerus vgl. Albrecht, 703; Redlich, Kirchenpolitik, Bd. 1, 104*–110*; Ulbrich, 74 f., 83. Zur weltlichen Gerichtsbarkeit über den Klerus vgl. Albrecht, 703 f.; Hofmeister, 259; Redlich, Kirchenpolitik, Bd. 1, 54*–88*; Ulbrich, 83. Zur Integrationspolitik städtischer Obrigkeiten siehe die Literatur in Anm. 192. Erneut ist auch auf die Anfänge des wettinischen Kirchenregiments zu verweisen. 312 Stiftungsbestätigung Georgs, 1509 (wie Anm. 229). Zur Formel der »fürstlichen Gewalt« siehe S. 31–34. 313 Als Beispiel sei der fränkische Pfaffensteuerstreit genannt. Siehe dazu S. 49–53. 314 Vgl. Rankl, 261. 315 Loyalität des Niederklerus gegenüber dem Landesherrn in Konkurrenz zu den Ansprüchen der Bischöfe konstatieren z. B. Rankl, 269; Koller, 178–181.

340 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) weitgehend akzeptiert, ja zuweilen sogar von der geistlichen Seite angeregt wurde. Das landesherrliche Kirchenregiment konnte sich so zwischen Klerus und Bischof schieben und die kirchliche Befehlskette und den Kommunikationsfluß nachhaltig stören. Doch wurde die spezifische Situation in Sachsen auch an dieser Stelle maßgeblich von der Kooperation zwischen Landesherrn und landständischen Bischöfen geprägt. Da Herzog Georg mit den meisten Bischöfen seiner Epoche eine Arbeitsebene landesherrlich dominierter Zusammenarbeit fand, führte die faktisch doppelte Zuständigkeit weltlicher und bischöfl icher Obrigkeit viel eher zu einer Intensivierung der Aufsicht über den Niederklerus. Dies zeigt sich eindrucksvoll in der effizienten Kooperation beider Seiten im Kampf gegen die Evangelische Bewegung, der in dieser Hinsicht als eine Erfolgsbilanz des vorreformatorischen Kirchenregiments albertinischer Prägung gelesen werden kann.316 Die konstatierte neue Qualität landesherrlicher Einflußnahme auf den Niederklerus führt schließlich zur Frage nach den Rechtstiteln, Rechtsfi ktionen und Argumentationsmustern, mit denen Herzog Georg seine neuartige, modernisierende Kirchenpolitik gegenüber einer traditionalen Gesellschaft rechtfertigte. Bemerkenswert erscheint hier zum einen, daß der Landesherr zwar häufig die sachliche Notwendigkeit einer Maßnahme begründete, hingegen die potentielle Schwachstelle seiner Argumentation, nämlich die Frage nach der Berechtigung seines Eingreifens, zu umschiffen suchte. Zum anderen ist auffällig, daß Herzog Georg das wohl populärste Legitimationsmuster für reformerisches Agieren weltlicher Landesherrn vor und während der Reformation – das Versagen der geistlichen Gewalt, die das Eingreifen der Fürsten als Notbischöfe förmlich erzwingt -nur in Ausnahmefällen heranzog. Dies entsprach seiner Grundhaltung, die Bischöfe in das landesherrliche Kirchenregiment einzubinden, statt sie zu Gegnern zu stilisieren. Aber auch ein anderes in der Literatur favorisiertes Erklärungsmodell, die Gründung der landesherrlichen Rechtsansprüche auf die Akkumulation von Patronatsrechten, hat sich für das albertinische Sachsen nicht als tragfähig erwiesen. Statt dessen diente im Falle Herzog Georgs die Vorstellung einer Oberlehnsherrschaft über die als »geistliche Lehen« wahrgenommenen weltgeistlichen Benefi zien als Legitimationsmuster – ein Anspruch, den Herzog Georg mit der Selbstbezeichnung als »oberster collator« wohl erstmals in Sachsen explizit formulierte. Grundlage für diesen hybriden, kirchliches Patronats- und weltliches Lehnsrecht verschmelzenden Rechtstitel war die aus dem Eigenkirchenwesen übernommene Gleichsetzung der Benefi zien mit weltlichen Lehen, über die der Landesherr für das Territorium eine Oberlehnsherrschaft beanspruchte. 316

Siehe S. 509–520.

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Damit wurde, völlig unabhängig vom Besitz des Patronats, das Recht des Fürsten auf Aufsicht über den Niederklerus im Territorium direkt auf die weltliche Landesherrschaft zurückgeführt. Zweifellos wirkte sich hierbei begünstigend aus, daß die Rechtsgrundsätze des hochmittelalterlichen Eigenkirchenwesens noch vielerorts bekannt waren. Ähnliche Rechtsvorstellungen hat Tobias Ulbrich jüngst für die Markgrafen von Brandenburg-Ansbach um 1500 nachgewiesen.317 Schon Ulrich Stutz hatte diesen Prozeß aus rechtshistorischer Sicht beschrieben.318 Auch Dieter Stievermann spricht für die »territorialstaatliche Praxis« des Benefi zialwesens von einer »weitgehenden Parallelisierung mit den Rechtsverhältnissen im weltlichen Bereich«.319 Ein etwas anders gelagertes, aber gleichwohl instruktives Fallbeispiel für die Übertragung lehnsrechtlicher Vorstellungen auf das Patronat stellen die in Süddeutschland (Württemberg, Franken, Kurpfalz) üblichen Priestereide dar, die in der Grafschaft Hohenlohe auch als ein Instrument der Klerusreform genutzt worden sind.320 Eine zweite zentrale Legitimationsquelle fand Herzog Georg in den Suppliken seiner Untertanen. Durch sie konnten landesherrliche Eingriffe fast überall gerechtfertigt werden, denn sie lenkten die Argumentation auf eine andere Rechtsebene: Selbst wenn der Fürst kein Recht zur Einflußnahme auf den Klerus vorweisen konnte, so war es doch völlig unzweifelhaft seine Aufgabe, hilfesuchenden Untertanen Schutz und Schirm zu gewähren. Aus der landesherrlichen Verantwortung für das Wohl der Untertanen, die Herzog Georg als christlicher Fürst auch und gerade auf die Sicherstellung der kirchlichen Versorgung und die Abwendung von Gefahren für das Seelenheil seiner Untertanen bezog, ergaben sich starke Argumente für Eingriffe in das Kirchenwesen. Auch dieses Muster läßt sich bei anderen im Kirchenregiment aktiven Landesherrn, etwa in Bayern, beobachten, wie den überhaupt das Motiv der Verantwortung für das Seelenheil der Untertanen sehr weite Verbreitung gefunden hatte.321 Gleichzeitig belegen die Suppliken, mit welcher Erwartungshaltung die Untertanen das landesherrliche Kirchenregiment begleiteten. Sowohl als oberster Kollator als auch beim Handeln aufgrund von Suppliken legitimierte Herzog Georg sein Kirchenregiment also nicht aus der Erweite317

Vgl. Ulbrich, 80 f. »Als nun die Landeshoheit sich ausbildete und allmählich eine Erweiterung der Staatsaufgaben nach sich zog, griff sie [= die Landesherrschaft] diese Kirchenlehensherrlichkeit [= die Vorstellung vom Patronatsherrn als Lehnsherren] gleich anderen öffentlich-rechtlichen Bestandteilen des deutschrechtlichen Grundeigentums auf und führte sie durch ihr dominium eminens hindurch dem öffentlichen Recht zu« (Ulrich Stutz, zitiert nach Feine, Bd. 1, 442). Vgl. auch Hashagen, Staat und Kirche, 441–450, 462–465; Mikat, 293–299. 319 Stievermann, Landesherrschaft, 153. 320 Allerdings beschränkte sich der Zugriff hier auf die landesherrlichen Patronate. Vgl. Neumaier, 5–37; Stievermann, Landesherrschaft, 153; Ulbrich, 75 f. 321 Zu den Suppliken der Untertanen vgl. Rankl, 266; zum Motiv des Seelenheils der Untertanen vgl. Hashagen, Staat und Kirche, 444–446; Janssen, Gute Ordnung, 165–168; Rankl, 260. 318

342 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) rung kanonischer Rechtstitel, sondern aus dem weltlichen Herrschaftsanspruch der Landesherrschaft. Sein Scheitern bei der Erlangung päpstlicher Privilegien für sein Kirchenregiment hatte deshalb keine negativen Folgen. Der weit ausgreifende Machtanspruch der Landesherrschaft, den Herzog Georg mit seinem Kirchenregiment in Hunderten von Einzelmaßnahmen praktisch umsetzte, zielte auf den Einbezug der Kirche in das Territorium und damit in die Aufsichtsgewalt des patriarchalischen Fürstenregiments. Dies bezog sich nicht nur auf weltliche Aspekte wie die Einbindung des Klerus in den Untertanenverband, sondern eben auch auf die geistliche Funktion des Niederklerus für die Gesellschaft. Schon vor der Reformation – und später auch noch gegen sie – legte das albertinische Sachsen damit unter dem Leitbild der Kirchenreform ein großes Stück des Weges zurück, der von der spätmittelalterlichen Landesherrschaft zum frühmodernen Territorialstaat führte.

X. Laien Eine Handlungsebene landesherrlicher Kirchenpolitik zu untersuchen, als deren Gegenstand weder die Kirche noch der Klerus auftreten, mag dem modernen Betrachter paradox erscheinen. Warum, so könnte er fragen, sollte überhaupt von Kirchenpolitik gesprochen werden, wenn ein Fürst die Umsetzung von Testamenten seiner Untertanen überwachte oder sie vor den Folgen der Trunkenheit warnte? Sind damit nicht säkulare Aufgaben des Staates wie Rechtswahrung und staatliche Fürsorge angesprochen? Die Quellen des ausgehenden Mittelalters aber wollen sich nicht so recht in die Kategorien eines modernen Weltbildes einpassen, das nach auf klärerischer Maxime Kirche und Gesellschaft sauber voneinander zu trennen gewohnt ist: Von »cristlicher pfl icht zu handhabung der heyligen gotlichen gebot unsers heyligen glaubens« sprechen die wettinischen Fürsten, als sie 1513 durch ein Mandat den übermäßigen Alkoholkonsum verbieten.1 Und die Sorge um der »selen seligkeit« ist zentrales Argument und Motivation für Herzog Georg, als er 1503 die Forderungen der Gläubiger auf den Nachlaß der Witwe Wiedekind abwehrt, um das Vermögen im Sinne der Verstorbenen für eine fromme Stiftung zu verwenden.2 Wird die Sprache der Quellen ernstgenommen, tritt jenseits der Institution Kirche und des Personenverbandes Klerus eine Ebene religiös begründeter Politik in den Blickpunkt, die die Förderung und Regulierung religiöser Praxis ebenso zum Ziel hatte wie die Reform von sozialem Verhalten, das religiösen Normen zuwiderlief. Wer ist aber das Gegenüber dieser Form von Kirchenpolitik, die Frömmigkeit und Unfrommheit gleichermaßen adressierte? Offenbar ist es nicht weniger als die Gesamtheit der Gesellschaft, über die der Fürst Herrschaft ausübte, in Stadt und Land, von den Unterschichten bis zum Adel. Angesichts der ständischen Differenzierung und der damit verbundenen Unterschiede in der Herrschaftsbeziehung zum Landesherrn ist es jedoch problematisch, dieses Gegenüber einfach als Untertanen zu bezeichnen.3 Auch der Rückgriff auf die Quellensprache kann das terminologische Problem nicht lösen, denn sie bleibt 1 Vgl. Gemeinsames Mandat Kurfürst Friedrichs, Herzog Johanns d.Ä. und Herzog Georgs wider Gotteslästerung und Zutrinken, o.J. [15./20. Juni 1513], ThürHStA Weimar, Reg. Rr, pag. 353, Nr. 104, Bl. 3–8, hier Bl. 4a. 2 Siehe Anm. 33. 3 Vgl. Schubert, Gebot, 32.

344 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) unscharf, pendelt zwischen der obrigkeitlichen Neigung zur Nivellierung und der realpolitischen Anerkennung der ständischen Vielfalt: Von »allen leuten dießer lande« spricht die Landesordnung von 1498, das Fehlverhalten von »vielen aus allen stenden jung und alt« will ein anderes Mandat reformieren.4 Eines ist freilich auffällig: Wenn die Landesordnung Sanktionen androht und diese nach Ständen geordnet von der Geldstrafe bis zum Lehnsverlust variiert, bleibt eine Gruppe ungenannt: der Klerus. Zwar erstreckt sich der Herrschaftsanspruch Herzog Georgs auch auf die Geistlichkeit, doch trotz aller Bestrebungen, diese in den Untertanenverband zu integrieren, bleibt sie als eigenständige Gruppe an dieser Stelle außen vor.5 Offenbar spielte die kirchliche Trennung von Klerus und Laien also auch für das landesherrliche Denken eine zentrale Rolle. Es erscheint daher adäquat, die Laien als eigenständige Ebene der landesherrlichen Kirchenpolitik zu betrachten. Auch Klaus Schreiner hat gezeigt, das die gesonderte Betrachtung von »Laienfrömmigkeit« einen heuristisch fruchtbaren Ansatz bietet, ohne das damit behauptet werden soll, daß es in der Frömmigkeitspraxis eine dichotomische Abgrenzung vom Klerus gegeben hätte.6 Zudem trägt die Kategorie der Laien der Erkenntnis Rechnung, daß die spätmittelalterliche Praxis pietatis »religiöse Vergemeinschaftung über Standesgrenzen hinweg« ebenso ermöglichte, wie sie Raum für soziale Abgrenzung bot.7 Das mit religiöser Sinngebung versehene Handeln der Laien läßt sich mit dem Begriffspaar »Frömmigkeit« und »Lebensführung« weiter differenzieren. Frömmigkeit umfaßt dabei alle spezifischen »Ausdrucksformen gelebter Religiösität« (Ansgar Jödicke), mit denen Individuen oder Gruppen ihre christliche Identität gestalten. Sie entfaltet sich im Spannungsfeld zwischen der Verinnerlichung christlicher Glaubensinhalte und ihrer äußerlichen Manifestation in religiösen Handlungen.8 Unter dem Aspekt der Lebensführung kommen die Rückwirkungen religiöser Überzeugungen auf das tägliche Leben in den Blick.

4

Entwurf einer gesamtwettinischen Landesordnung [vor 9. Juli 1498], Burkhardt, Landtagsakten, 35–40; Gemeinsames Mandat, 1513 (wie Anm. 1), Bl. 3b. 5 Siehe S. 309–317. 6 Vgl. Schreiner, Laienfrömmigkeit, in Abgrenzung vom problematischen Begriff »Volksfrömmigkeit«. Zur Diskussion des Begriffes »Volksfrömmigkeit« aus der Perspektive der Frühneuzeitforschung vgl. die Beiträge des Sammelbandes Molitor/Smolinsky. 7 Schreiner, Laienfrömmigkeit, 57–78, das Zitat 75. Zur schichtenübergreifenden Bedeutung der Frömmigkeitspraxis vgl. Volkmar, Heiligenverehrung, 58–64 (am Beispiel der Bennoverehrung im albertinischen Sachsen), sowie die ebd., Anm. 207, aufgeführte Literatur. 8 Vgl. Jödicke/Sparn, Sp. 388–390; Hamm, Frömmigkeitstheologie, 133. – Zu beachten ist, daß die Quellenbegriffe »fromm«/«fromkeyt« um 1500 noch nicht auf das religiöse Bedeutungsfeld festgelegt waren. Das ausgehende Mittelalter verwendete »fromkeyt« auch in einem ethisch/sittlichen bzw. rechtlichen Sinne als Äquivalent zu Rechtschaffenheit, Tüchtigkeit, Dienst an der Gemeinschaft. Noch Luther benutzte in seiner Bibelübersetzung »fromm« im Sinne von »rechtschaffen«. Vgl. Wunder; Seitz, 676.

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Als ethische Religion erhob das Christentum den Anspruch, Alltag und soziales Zusammenleben an religiösen Normen auszurichten.9 Wenn im folgenden also Laienfrömmigkeit und Laienreform als eigenständige Aspekte der landesherrlichen Kirchenpolitik untersucht werden, erscheint die Kombination verschiedener Darstellungsebenen hilfreich. Von einem Betrachtung der verschiedenen Phänomene der Laienfrömmigkeit ausgehend (Abschnitt 1), wird auf das Fallbeispiel Annaberg (Abschnitt 2) und exemplarisch auf das Phänomen des Ablasses (Abschnitt 3) fokussiert, bevor abschließend die landesherrliche Reform der Lebensführung (Abschnitt 4) in den Blick kommt. Dabei treten durchaus ambivalente Positionen Herzog Georgs zu Tage. In ein Gesamtbild überführt, ergeben sie ein spannungsvolles Beziehungsgeflecht von Förderung, Kontrolle und Kritik. Dabei wird sich zeigen, daß die Institution Kirche und der sie tragende Klerus nur selten gänzlich aus dem Blickfeld geraten.

1. Förderung – Kontrolle – Kritik: Laienfrömmigkeit als Gegenstand landesherrlicher Kirchenpolitik Der Schutz der Kirche und die Förderung der Frömmigkeit galten seit den Tagen Kaiser Konstantins als vornehmste Herrscherpfl icht. Waren hier noch im hohen Mittelalter in erster Linie die Könige angesprochen, wuchs auch diese Aufgabe mit der Herausbildung der Landesherrschaft den Fürsten zu.10 Am Ausgang des Mittelalters verband sie sich mit einem zweiten Motiv, dem umfassenden Ordnungsanspruch des entstehenden Territorialstaats. Dabei waren die weltlichen Fürsten selbst Teil der Laienwelt und gehörten oft zu den größten Förderern der populären Formen spätmittelalterlicher Laienfrömmigkeit, etwa des Heiligen- und Reliquienkultes. Nicht die Obrigkeit prägte also die Frömmigkeit, sondern die Verwurzelung der Fürsten in der Laienfrömmigkeit prägte ihr Handeln.11 Hier unterscheidet sich die spätmittelalterliche Situation (und auch noch die frühneuzeitliche in den katholischen Territorien) fundamental von der Auf klärung mit ihrer Dichotomie zwischen (aufgeklärter) Herrschaft und (abergläubiger) Volkskultur, war doch das Signum der Vormoderne gerade die Verwurzelung aller Schichten in einem gemeinsamen, kirchlich geprägten Weltanschauungskosmos.12

9

Siehe unten, Abschnitt 4. Selbstverständlich blieb sie auch Aufgabe der Reichsspitze, wie Kaiser Maximilian etwa durch sein Handeln auf den Reichstagen herausstellte. Vgl. Angermeier, Kirche und Reichstag, 62 f. 11 Vgl. Hartinger, 33–50. 12 Siehe Anm. 7. 10

346 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) Auch in der Kirchenpolitik Herzog Georgs nahm die Förderung von Kirche und Frömmigkeit breiten Raum ein, wobei ein Schwerpunkt auf der religiösen Praxis der Laien lag. Diese äußerte sich, dem Trend der Zeit entsprechend, überwiegend in den Bahnen kirchlicher Frömmigkeit, war also – bei aller Kritik an ihrem Zustand – auf die Kirche als Heilsanstalt orientiert.13 Der obrigkeitliche Einfluß auf die Laienfrömmigkeit beschränkte sich dabei zunächst auf den äußeren Bereich der Frömmigkeitspraxis. Weitaus schwieriger war jede Beeinflussung der inhaltlichen Ausrichtung der Laienreligiosität. Sie blieb schon aus strukturellen Gründen auf indirekte Maßnahmen wie etwa die Förderung von volkspädagogisch und humanistisch geprägter Frömmigkeitsliteratur beschränkt.14 Die Kirchenpolitik Herzog Georgs entwickelte dabei ein eigenständiges Profi l, das ihn von anderen mitteldeutschen Fürsten wie Friedrich dem Weisen oder Kardinal Albrecht von Brandenburg signifi kant unterschied. Vor allem ist eine kritische Distanz zu den stark veräußerlichten Formen der Laienfrömmigkeit zu bemerken. Die Ausrichtung der albertinischen Kirchenpolitik läßt sich dabei nicht allein aus dem Leitbild fürstlicher Frömmigkeitsförderung erklären. Gerade bei einer starken Fürstenpersönlichkeit, wie es Herzog Georg war, ist auch nach der persönlichen Disposition zu fragen. Aus seinem oben entworfenen Persönlichkeitsprofi l scheinen zwei Aspekte einflußreich.15 Dies ist zum einen die persönliche Frömmigkeit Georgs, die Otto Vossler »modern« und »erasmianisch« nennt.16 Sie erklärt die deutliche Distanz des Albertiners zur den populären, haptisch-äußerlichen Formen der Laienfrömmigkeit seiner Zeit, dem Heiligen- und Reliquienkult, dem Wallfahrts- und dem Ablaßwesen. Prägend war zum anderen Georgs geistliche Bildung. Rationale Reflexion über Frömmigkeitsformen und die Rezeption reformtheologischer und humanistischer Kritik an der Laienfrömmigkeit haben hier ihren Ursprung. Diese persönliche Disposition Herzog Georgs wirkte deutlich auf seine Kirchenpolitik zurück, denn sie machte den Landesherrn empfänglich für jene Stimmen, die Kritik an der Laienfrömmigkeit übten. Solche Kritik kam traditionell vor allem aus dem gebildeten Klerus. Stets verfolgte die Amtskirche die Frömmigkeit der Laien mit Zurückhaltung und einem erzieherischen Anspruch, wie etwa die Geschichte der päpstlichen Heiligsprechungen im Mittelalter zeigt.17 Im reformorientierten 15. Jahrhundert wurde die Auseinandersetzung mit der Laienfrömmigkeit zum beherrschenden Thema der Pastoraltheologie; Berndt Hamm spricht geradezu von »Frömmigkeitstheologie«. Dabei 13 14 15 16 17

men.

Vgl. Moeller, Frömmigkeit, 81 f. Siehe S. 409–414. Siehe S. 77–88. Vgl. Vossler, 286–288. Vgl. Vauchez, 61–84, 413–422; am Beispiel von Heiligenlegenden: Schreiner, Discri-

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ging es nicht nur – wie etwa im bekannten Streit um die Wilsnacker Bluthostien – um die Frage, ob bestimmte Reliquien, Heiltümer oder Wunderberichte als echt gelten durften oder gefälscht waren.18 Die Kritik richtete sich auch grundsätzlich gegen bestimmte Frömmigkeitspraktiken, etwa gegen spontane Wallfahrten. Der einflußreiche Erfurter Augustinertheologe Johannes von Paltz († 1511) unterschied zwischen peregrinatio laudabilis und peregrinatio vituperabilis; 19 für letztere nannte er konkrete Negativbeispiele wie die Wallfahrten nach Grimmenthal bei Meiningen oder den spektakulären Fall des Pfeifers von Niklashausen.20 Seine Kritik richtete sich gegen die leidenschaftliche Erregung und soziale Auflösungserscheinungen, die mit spontanen Wallfahrten und neuentstehenden Kulten verbunden waren: »Natura his temporibus sic disposita est, quod facile movetur in compassionem et ex hoc in periculosam passionem«.21 Grundsätzlich verdächtigte Paltz deshalb die ungesteuerten Spontan- und Massenwallfahrten seiner Zeit als Verführungen des Teufels und forderte die Selbstbeschränkung der Laien auf ihre Pfarrkirchen. Der junge Martin Luther übernahm die Position seines Lehrers und Ordensbruders Paltz und predigte schon 1516 gegen die wilden Wallfahrten, noch bevor dies ein Topos der Reformationspropaganda wurde.22 Schließlich nahm auch die humanistische Kritik die Auswüchse der Heiligenverehrung aufs Korn, weltberühmt im »Lob der Torheit« (»Encomium moriae«) und im »Enchiridion militis christiani«, den weitverbreiteten Werken des Erasmus.23 Die Bedeutung des »Enchiridion« hat man in Sachsen übrigens be18

Vgl. Boockmann, Streit; Priebatsch, Bd. 19, 414–416; Bd. 21, 81 f. Vgl. Schreiner, Peregrinatio, 157. Die wallfahrtskritischen Texte von Paltz hat Berndt Hamm ediert. Vgl. Paltz, Bd. 2, 385–408. 20 Vgl. dazu Arnold, Niklashausen. 21 Vgl. Hamm, Frömmigkeitstheologie, das Zitat 220. 22 Vgl. Schreiner, Peregrinatio, 157–160; Kühne, Luthers Kritik. 23 Zur Bedeutung des Christlichen Humanismus für die Reformdiskussion siehe S. 36– 39, 85–88. – Im »Handbuch des christlichen Streiters« nimmt die Kritik der Heiligenverehrung einen Schwerpunkt ein. Erasmus kritisiert die Selbstsucht der Gläubigen bei der Heiligenanrufung, die nur an einem schnellen Gegenmittel gegen die Leiden und Gefahren der Welt interessiert ist und vergleicht die Spezialisierung der einzelnen Nothelfer mit dem Polytheismus der alten Griechen. Eine Verehrung von Reliquien ist für ihn Götzendienst, wenn der Gläubige nicht auch das Leben der Heiligen verehrt. Hier sieht Erasmus, wie später Luther, den eigentlichen Platz der Heiligenverehrung im Christentum: die Imitatio, die Ausrichtung des eigenen Lebens am Vorbild der Heiligen. Wer Franziskus wirklich verehren will, soll seinen Reichtum den Armen geben, statt sich im Habit der Franziskaner bestatten zu lassen. Statt nach Rom oder Santiago zu wallfahren und Ablässe zu kaufen, um die eigene Sündenschuld zu tilgen, sollte man das Gebot des Paternoster befolgen und seinen Mitmenschen ihre Schulden erlassen, sich mit ihnen versöhnen. Kurz, alle äußeren Formen der Heiligenverehrung sind für Erasmus im besten Fall Randerscheinung wahrer Frömmigkeit, im schlimmsten aber Götzendienst, der vom Kern des Christentums ablenkt. Vgl. Desiderius Erasmus, Enchiridion militis christiani (1503), Welzig, Bd. 1, 56–375, hier 174–181, 200–209, 364 f. Zum Gesamtprogramm des »Enchiridion« vgl. Walter; Augustijn, Ekklesiologie, 78–84. 19

348 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) sonders früh erkannt. Folgt man dem VD 16, so war der am 27. August 1515 in Leipzig erschienene Druck die erste selbständige Ausgabe des »Handbüchleins« im deutschen Sprachraum (die zweite Erstausgabe erschien im selben Jahr in Antwerpen).24 Die Leipziger Ausgabe markiert damit einen wichtigen Abschnitt in der Rezeptionsgeschichte des Textes, der 1503 erstmals im Rahmen einer Sammlung theologischer Traktate erschienen war, aber erst wirklich berühmt wurde, nachdem Erasmus selbst 1518 in Basel eine Neuausgabe besorgte.25 Herausgeber des Leipziger Druckes war Georgs Hof kaplan Hieronymus Emser. Die Schrift rückt damit unmittelbar in den Kontext landesherrlicher Reformpolitik. Dies unterstreicht der programmatische Titel, den Emser seiner Ausgabe gab. Er lautet übersetzt: »Handbüchlein vom christlichen Streiter des Bruders Erasmus von Rotterdam, in welchem er den Aberglauben des Volkes kritisiert und uns mit dem Signalhorn der klassischen Eloquenz zur Reinheit der altkirchlichen Frömmigkeit zurückruft«.26 Es ist also gerade das Plädoyer des Erasmus für eine Reform der Laienfrömmigkeit, das die sächsische Erasmusausgabe motivierte und ihr bis 1521 drei weitere Auflagen sicherte.27 Die Edition des »Enchiridion« durch Georgs engen Mitarbeiter verweist bereits auf den reformfreudigen Geist der albertinischen Kirchenpolitik. Tatsächlich wurde für diese die Rezeption der theologischen und humanistischen Kritik prägend, trat neben das traditionelle Motiv der Förderung von Kirche und Frömmigkeit. Kritik an der Laienfrömmigkeit hatte damit die Chance, vom Gemeinplatz geistlicher Eliten zum Leitfaden weltlicher Politik zu werden. Die folgenden Fallbeispiele beleuchten das komplexe Zusammenspiel von Förderung, Kontrolle und Reform in Georgs Umgang mit der Laienfrömmigkeit: Die Förderung von Laienfrömmigkeit durch Herzog Georg fügte sich zunächst vielfach in die traditionellen Muster herrscherlicher Kirchenfürsorge ein. Dies gilt auch für eines der zentralen kirchenpolitischen Vorhaben des Albertiners, die Heiligsprechung Bennos von Meißen. Mit ihr verband Georg unter anderem den Wunsch, der Bevölkerung auch im eigenen Land den Zugang zu

24 Hieronymus Emser [Hg.], Enchiridion Erasmi Roterodami Germani de milite Christiano in quo taxatis vulgi sup.[er]stitionibus ad priscae religionis puritate.[m]: veteris aeloque.[n]tiae lituo nos prouocat [. . .], Leipzig: Valentin Schumann 1515 und 1516 (VD 16 E 2744, 2746); zur Datierung der Erstausgabe vgl. das Impressum »Lypsi, in aedibus Valentini Schumanns calcographi diligentissimi sexto calendas Septembris, anno M.D.XV.« (ebd., Bl. M III b). Zur Stellung in der Druckgeschichte vgl. VD 16, 1. Abtl., Bd. 6, 225–230; Stupperich, 9; Welzig, Bd. 1, 11. Es folgten im Laufe des 16. Jahrhunderts allein im deutschen Sprachraum insgesamt 45 Ausgaben, davon zwei weitere Aufl agen der Emserausgabe in den Jahren 1520 und 1521. Vgl. VD 16, 1. Abtl., Bd. 6, 225–230; Smolinsky, Alveldt und Emser, 32. 25 Zur Rezeptionsgeschichte vgl. Stupperich. 26 Emser, Enchiridion Erasmi, 1515 (wie Anm. 24). 27 Siehe Anm. 24. Zur Bedeutung der Ausgabe für die Kontakte zwischen Erasmus und Emser bzw. Herzog Georg siehe S. 412, 573.

X. Laien

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heiligen Fürsprechern zu eröffnen.28 Lange Tradition hatte die fürstliche Förderung des Kirchenbaus. Georg nahm nicht nur persönlich Anteil an einigen großen Bauprojekten wie der Annaberger Pfarrkirche, er unterstützte auf Anfrage auch den Bau von Dorf kirchen überall im Lande, sei es durch Materiallieferungen oder durch den Erlaß von Zöllen.29 Als 1495 die Kirchväter einer ostsächsischen Gemeinde um Hilfe bei der Ersetzung ihrer zerbrochenen Glokke baten, reagierte der Hofrat mit einem Unterstützungsauftrag an gleich drei Amtleute der Region.30 In seiner Residenzstadt Dresden förderte Georg den Neubau der Pfarrkirche zum Hl. Kreuz und der Dreikönigskirche in Altendresden, stattete beide Kirchen mit Orgeln aus und stiftete noch 1536 das Jakobshospital.31 Für die Pfarrkirche der Bergstadt Altenberg bemühte er sich noch 1523 um einen päpstlichen Ablaß und ließ 1525 seine Förderung durch ein Wappenrelief an der Kirche verewigen.32 Das Motiv der Frömmigkeitsförderung läßt sich auch bis in die Rechtspraxis hinein verfolgen. So pochte Herzog Georg, wenn ihm Testamente bekannt wurden, grundsätzlich darauf, daß die Einrichtung frommer Stiftungen, die dem Seelenheil des Verstorbenen zugute kommen sollten, Vorrang vor der Bedienung von Gläubigern genoß.33 Das Beispiel der Stiftungstätigkeit von Laien zeigt aber auch, wie eng landesherrliche Frömmigkeitsförderung und obrigkeitlicher Ordnungsanspruch beieinander lagen. Für Georgs Regierungszeit war dabei zwar noch kaum eine behördenstaatliche Durchdringung gegeben, doch kennzeichnete sie ein patriarchalisches Fürstenregiment, das durch die engagierte Herrscherpersönlichkeit ebenfalls eine bemerkenswerte Intensität erreichte. Dieses äußerte sich z. B. in der Überwachung und Einflußnahme auf bedeutende Stiftungen, wie sich am 28 Zu den vielschichtigen Motiven Herzog Georgs bei der Heiligsprechung Bennos vgl. Volkmar, Heiligenerhebung Bennos, 152–156. 29 Die Kirchväter von Staucha in der Lommatzscher Pflege erhielten Geleitbriefe für die Elbzölle in Pirna, Dresden und Meißen, den Kirchenältesten zu Struppen bei Pirna wurden 69 Stämme Holz aus dem Amt Pirna für ihren Kirchenbau zugesagt. Vgl. Brief Herzog Georgs an die Kirchväter zu Staucha, [Freiberg?] 13. November 1500, Cop. 106, Bl. 110a ; Brief Herzog Georgs an die Kirchväter zu Struppen, o.O. 14. November 1503, Cop. 109, Bl. 64b. 30 Vgl. Brief der Statthalter Herzog Georgs an Hans von Schönberg [Landvogt zu Pirna], den Amtmann zu Wehlen und den Amtmann zu Schellenberg, o.O., 26. Juli 1495, Cop. 105, Bl. 189a. 31 Vgl. Butte, 206; Streich, Hof, 470–477. 32 Vgl. Brief Herzog Georgs an Bischof Johann VII. von Meißen in Rom, Dresden, 4. Januar 1523, ABKG, Bd. 1, 421–425; Magirius, Ausbreitung, 158. 33 So wies Georg im Todesfall einer Witwe Wiedekind, gegen die ein Erfurter Bürger Geldforderungen erhob, seinen Amtmann an, bei den Testamentsverwaltern darauf zu dringen, »das das jenige, so zu Gottes ere und milden wercken bescheiden sey, vor allen dingen, enntricht und bezcalt und zu irer selen seligkeit außgegeben werde«. Brief Herzog Georgs an den Amtmann zu Sachsenburg, Merseburg, 9. März 1503, Cop. 108, Bl. 208a. Die gleiche Anweisung erging nach dem Tode des Kardinals Melchior von Meckau. Vgl. Brief Herzog Georgs an das Domkapitel zu Meißen, Dresden, 29. April 1509, Cop. 110, Bl. 133a.

350 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) Beispiel der Apollonia Wiedebach verfolgen läßt.34 Die Witwe der Landrentmeister Jakob Blasbalg und Georg Wiedebach, gebürtig aus dem Freiberger Patriziergeschlecht der Alnpeck, war vermutlich die reichste Frau Sachsens, als sie im Januar 1526 kinderlos verstarb. In einem Testament vom Juni 1525 hatte sie über ein Vermögen von mehr als 30.000 fl. verfügt, von dem sie 13.780 fl. zu einer Stiftung mit 689 fl. Jahreszins bestimmte.35 Um das Kernstück des Seelgeräts, eine Predigerstelle an den Leipziger Hauptkirchen, entspann sich noch zu Lebzeiten der Stifterin ein schwerer Streit. Nur der Durchsetzungskraft Herzog Georgs, den die Wiedebach vorausschauend mit einem beträchtlichen Legat von 3.000 fl. bedacht hatte, war es zu verdanken, daß der Predigtstuhl tatsächlich eingerichtet wurde.36 Auch in den folgenden Jahren überwachte Herzog Georg die Umsetzung der Wiedebachschen Stiftung, an der die Landesherrschaft schon wegen der umfangreichen Leistungen zugunsten des christlichen Kultus und der Armenfürsorge in Leipzig Interesse haben mußte. Noch 1533 mahnte er die Zahlung eines Jahressoldes für die Leipziger Stadtpfeiffer an, die »deß donnerstags vorm heyligen sacrament« die Meßfeier musikalisch begleiteten, worauf sich die zunächst unwilligen Testamentsverwalter zu der Zusage bereitfanden, »e. f. g. mit der stifftunge unterthenige willefahrung zugeleisten«.37 Die inhaltliche Einflußnahme Georgs auf Laienstiftungen führte beim Seelgerät des Annaberger Ratsherrn Lorenz Pflock zur Umwidmung einer Altarpfründe in die Dotierung eines Predigers.38 Freilich erhob Georg nie einen generellen Anspruch auf die Überwachung der Stiftungen im Lande.39 Wie das Beispiel der Fronleichnamsprozession von Langensalza zeigt, konnten Frömmigkeitsförderung und obrigkeitliche Reglementierung von Frömmigkeitspraxis sogar in eins fallen. Nach eigener Aussage hatte Herzog Georg selbst für die Einführung von Fronleichnamprozessionen in mehreren Städten

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Vgl. Testament der Apollonia von Wiedebach, Leipzig, 22. Juni 1525, CDS, II, Bd. 10, 87 f.; vgl. dazu Geffcken/Tykocinski, 46–50; Wustmann, Geschichte, Bd. 1, 411–415. Die Interpretation Gustav Wustmanns, hinter der Stiftung verberge sich eine verdeckte evangelische Gesinnung, bleibt Belege schuldig. Siehe dazu S. 550. 35 Zur Gesamtsumme der Legation vgl. CDS, II, Bd. 10, 87 f.; zur Stiftungssumme vgl. Wustmann, Geschichte, Bd. 1, 411 f., leicht abweichend (694 fl. Jahreszins) Geffcken/Tykocinski, 48. 36 Siehe S. 550 f. 37 Brief des Rates zu Leipzig an Herzog Georg, Leipzig, 6. März 1533, Loc. 10534/9, Bl. 42. 38 Siehe unten, Abschnitt 2 a). 39 Siehe S. 317–319. – Allein für Leipzig sind in der Regierungszeit Georgs 1488–1539 nicht weniger als 76 neueingerichtete Stiftungen belegt. Vgl. Geffcken/Tykocinski, 15–61. Dabei handelt es sich schon um eine Auswahl, da das Leipziger Stiftungsbuch nur die 1905 noch bestehenden Stiftungen erfaßt. Ein Eingreifen Herzog Georgs ist bislang lediglich im Falle Wiedebach bekannt.

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seines Territoriums gesorgt.40 Nun überwachte er ihre Durchführung, »weyle denn in diser loblichen procession des almechtigen Gots lob und ere gesucht wirt, dye wir allezceyt zcu fordern geneygt [sind]«.41 Die kulturanthropologische Forschung hat gerade anhand der Fronleichnamszüge auf die soziale Funktion von Prozessionen hingewiesen. Nach dieser Interpretation fand die Einheit und die soziale Ordnung des mittelalterlichen Gemeinwesen in der Versammlung aller Stände hinter dem Leib Christi ihre symbolische Vergegenwärtigung.42 Gerade diese Einigkeit aber war in Langensalza nur schwer herzustellen. In mehreren Anläufen sah sich Herzog Georg 1508/09 genötigt, die Rangstreitigkeiten zu schlichten, die die verschiedenen Glieder der Gemeinde um ihren Platz in der Prozession austrugen und die gleichzeitig belegen, welchen Stellenwert sie der Prozession als Abbild der sozialen Ordnung ihrer Stadt beimaßen. Nachdem zunächst der Streit zwischen der Äbtissin des Klosters St. Bonifazius und der zur Klosterkirche gehörenden Pfarrgemeinde nach mehreren Anläufen durch den Landesherrn beigelegt werden konnte,43 entzündete sich ein zweiter Präzedenzstreit, in dem nun Propst und Pfarrleute von St. Bonifazius gegen das Kapitel des Kollegiatstiftes St. Stephan standen. In harschen Briefen an die Streitparteien rügte Georg im Mai 1509 deren Halsstarrigkeit, durch die die Prozession und das Lob Gottes gefährdet würden, und legte schließlich selbst eine Ordnung über den Prozessionsverlauf vor, die unter Androhung weltlicher Strafe zu befolgen war.44 Angesichts der schweren Konfl ikte in der thüringischen Amtsstadt ging er aber noch einen bemerkenswerten Schritt weiter. Mit einem Schreiben an den Siegler von Erfurt versuchte er, auch die Autorität der geistlichen Obrigkeit für seinen Schiedsspruch einzuspannen: »Weyle denn diß lobliche werg dye geystlicheit beruret, und uns als eynem werntlichen fursten dasselbige alleyne zcu orden nicht gepuren will, derhalben ist unser gutlich beger, ir wollet als der, dem dieses orts der geistliche zwang zustendig, durch ewer offen mandat schaffen und bey pen des bannes gebiethen, das dise unser weysung itzunt und in zcukommen zceyten von beyden teylen unabbrechlichen gehalten und volendet wer-

40 Georg spricht gegenüber den Langensalzaern von der »procession, dye wir bey euch und andern unsern stedten vorschafft«. Brief Herzog Georgs an Bürgermeister und die drei Räte zu Langensalza, Dresden, 16. April 1509, Cop. 112, Bl. 59a. 41 Brief Herzog Georgs an den Siegler zu Erfurt, Dresden, 29. März 1509, Cop. 112, Bl. 79. 42 Vgl. Rubin. 43 Vgl. Brief Herzog Georgs an Pfarrleute, Propst und Pfarrer von St. Bonifazius zu Langensalza, o.O., 29. Dezember 1508, Cop. 112, Bl. 23b –24a ; Brief Herzog Georgs an Bürgermeister und die drei Räte zu Langensalza, Dresden, 16. April 1509, ebd., Bl. 59a. 44 Vgl. Briefe Herzog Georgs an Pfarrleute und Propst von St. Bonifazius zu Langensalza sowie an Dekan und Kapitel des Stifts St. Stephan zu Langensalza, Dresden, 29. Juli 1509, ebd., Bl. 78a–79a.

352 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) de, und solchs mandat disem bothen uberreychen, dem wir befolhen, dasselbe gein Saltza zu brengen [. . .].«45

Herzog Georg war sich also völlig darüber im Klaren, daß die weltliche Gewalt mit einem alleinigen Eingreifen in die geistliche Sphäre der Frömmigkeitspraxis ihre Kompetenzen überschritt. Dennoch war er in der Sache nicht bereit, über den landesherrlichen Ordnungsanspruch zu verhandeln. Der geistlichen Gewalt gestand er lediglich die Rolle zu, die landesherrlichen Entscheidungen durch ihren Segen zu legitimieren. Das Beispiel der Marienwallfahrt zum Birnbaum bei Rötha zeigt in paradigmatischer Weise, daß sich Herzog Georg bei Konfl ikten um die Frömmigkeitspraxis in gleicher Weise als zuständige Instanz begriff, wie er es in weltlichen Streitfällen gewohnt war. Die Wallfahrt zu der nahe Leipzig gelegenen Gnadenstätte war im Jahre 1502 aufgekommen, der frommen Überlieferung nach infolge einer Marienvision, die ein Schäfer bei der Rast unter einem Birnbaum erfuhr.46 Der spontan auf kommende »concurß und zu laufft zu der mutter Gots geyn Rotta«47 forderte bald die obrigkeitliche Regulierung heraus. Zuerst reagierten die lokalen Instanzen: Das Nonnenkloster St. Georg bei Leipzig, das die Patronatsrechte in Rötha besaß, ließ eine Kapelle errichten. Die dort einkommenden Spenden, die dem Kirchenbau zugute kommen sollten, verwaltete der vom Kloster eingesetzte Pfarrer von Rötha. Er beteiligte den örtlichen Gerichtsherrn Wolf Pflug an den Einnahmen, der dafür vermutlich den Schutz der Wallfahrt übernahm. Zum Streit kam es jedoch mit dem Merseburger Bischof, in dessen Amtsgewalt die offizielle Bestätigung von Kult und Kapelle lag. Denn Bischof Thilo verlangte ebenfalls einen Anteil der Opfereinnahmen und scheute nicht vor geistlichen Zwangsmitteln zurück, um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen. Als er Pflug und andere (den Pfarrer?) bannte und die Kapelle mit Interdikt belegte, trug der Gerichtsherr den Streit 1509 vor den Landesherrn.48 In Analogie zur weltlichen Herrschaftspraxis leitete Herzog Georg ein Schiedsverfahren ein. Nachdem er zuerst erwogen hatte, die Streitparteien am Rande der Leipziger Michaelismesse persönlich anzuhören, berief er eine Kommission, der ein weltlicher und ein geistlicher Rat des Landesherrn angehörten.49 Die Wahl eines Schiedsverfahren und die Beteiligung geistlicher Räte 45

Brief Herzog Georgs an den Siegler zu Erfurt, Dresden, 29. März 1509, ebd., Bl. 79. Vgl. Clemen, Wallfahrtsorte. 47 Brief Herzog Georgs an Hans von Werthern, Amtmann zu Weißenfels, Leipzig, 28. September 1509, Cop. 110, Bl. 239b, teilediert: Clemen, Wallfahrtsorte, 190, Anm. 6. 48 Vgl. Brief Herzog Georgs an Bischof Thilo von Merseburg, Schellenberg, 14. September 1509, Cop. 111, Bl. 17a–b. 49 Als Schlichter fungierten der erfahrene Rat Hans von Werthern, damals Amtmann von Weißenfels, und Abt Balthasar von Pforte. Vgl. Brief Georgs an Werthern, 1509 (wie Anm. 47). 46

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zielten darauf ab, dem Bischof die landesherrliche Einmischung akzeptabel zu machen und den Streitfall möglichst im Konsens zu lösen. Selbst ohne pekuniäre Interessen, sah der Landesherr das Ziel seines Eingreifens darin, »das sulche gebrechen beygelegt und dye besuchunge der mutter Gots, so ir zu ere und preyss geschyet, nicht vorhindert werde«.50 Die Förderung von Laienfrömmigkeit war auch hier als Motiv präsent. Schon vor der Klärung des Streits, so bat Georg den Bischof, sollten Interdikt und Bann aufgehoben werden,51 damit die Wallfahrt und die bereits gestifteten Anniversarien nicht durch den Konfl ikt behindert würden. Mit dieser Forderung stellte Georg freilich zugleich die Entscheidungshoheit des Bischofs in einer geistlichen Angelegenheit in Frage. Doch verließ sich Georg nicht auf die Kompromißbereitschaft der Parteien, sondern suchte selbst Rechtsklarheit im Kirchenrecht. Der angesehene Erfurter Kanonist Dr. Henning Göde, der Herzog Georg als gelehrter Rat diente,52 sollte in einem Gutachten über die kirchenrechtlichen Bestimmungen zur Verteilung der Opfereinnahmen und zum Recht des Bischofs auf Verbot der Messe in der Kapelle informieren.53 Bestimmt war das Gutachten für den Schlichter Hans von Werthern, was erneut darauf hinweist, daß sich Georg in seiner Kirchenpolitik maßgeblich auf weltliche Räte stützte. Zwar ist Gödes Gutachten nicht überliefert. Doch zeigt ein Blick nach Thüringen, daß Göde schon im Jahre 1498 in einem ganz ähnlichen Fall ein Gutachten erstellt hatte, nämlich bezüglich der Einnahmen der Wallfahrt zu Grimmenthal. Auch dort hatte der Ortsbischof, diesmal der Würzburger, ein Drittel der Einnahmen für sich eingefordert. Göde, von Graf Wilhelm von Henneberg um Rat gebeten, wies diese Forderung zurück und legte aus dem Kirchenrecht dar, daß die Opfergelder dem örtlichen Pfarrer zustünden, der sie gemeinsam mit dem Patron verwalten und für Baumaßnahmen und andere fromme Zwecke verwenden sollte.54 Auch im Falle Rötha wird Gödes Gutachten die bischöfl ichen Wünsche wohl abgewiesen haben. Sicher ist jedenfalls, daß Herzog Georgs Einflußnahme eine rasche Stabilisierung der Verhältnisse bewirkte.55 Schon im folgenden Jahr konnte an der Gnadenstätte mit dem Bau einer Wallfahrtskirche begonnen werden.56 50

Ebd. Vgl. Brief Georgs an Bischof Thilo, 1509 (wie Anm. 48). 52 Siehe S. 100 mit Anm. 126. 53 Vgl. Brief Herzog Georgs an Dr. Henning Göde, Leipzig, 30. September 1509, Cop. 111, Bl. 18a. 54 Vgl. Mötsch, 10 f., 85 f. 55 Im Mai 1510 bestätigte Herzog Georg einen zweiten Schied zwischen dem Bischof und Wolf Pflug, den der Oberhofrichter und Rat Georgs Cäsar Pflug aufgerichtet hatte. Vgl. Briefe Herzog Georgs an Bischof Thilo von Merseburg und Wolf Pflug zu Rötha, Dresden, 6. Mai 1510, Cop. 111, Bl. 20b ; Cop. 116, Bl. 33b. 56 Zum Baubeginn vgl. Clemen, Wallfahrtsorte, 190 f. sowie die neuen Befunde in der Magisterarbeit von Antje Gornig. Vgl. Gornig. 51

354 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) Es lohnt durchaus, Georgs Anfrage an Göde noch ein wenig genauer zu betrachten. Denn der Fragenkatalog, den der Fürst dem Kirchenrechtler übermittelte, belegt, daß sich der Horizont des weltlichen Landesherrn keineswegs auf die Regelung praktischer, säkularer Aspekte beschränkte. Anders als die unterschiedlose Förderung von Frömmigkeit, wie sie die meisten weltlichen Obrigkeiten der Zeit als ihre Aufgabe begriffen, schloß Herzog Georgs Aufsichtsanspruch auch die Kritik an konkreten Ausprägungen der Praxis pietatis mit ein. Dies wird deutlich, wenn der Fürst von Göde erfahren will, »wie der hanndl zu exemiren sey, als angezceigter concurß aus guttem geiste oder grunde enntstanden sey, oder nicht, unnd in welhem fall der concurß anzufechten unnd in welhem derselbt zugedulden«.57 Hier zeigt sich, daß eine neue Wallfahrt in den Augen Herzog Georgs nicht von vornherein eine förderungswürdige Praxis darstellte. In kritischer Distanz zum zeitgenössischen Wunderglauben stellte er zwar nicht die Existenz von Wundern an sich, wohl aber ihren Ursprung in Frage. Der Laie Georg zeigt sich hier mit der schon von Augustinus vertretenen theologischen Lehrmeinung vertraut, nach der auch der Teufel Wunder wirken und Kulten den Anschein von Heiligkeit geben könne, um die Arglosen und Leichtgläubigen zum falschen Götzendienst zu verführen (ein Vorwurf übrigens, den Luther später gegen den Bennokult erheben sollte).58 Deshalb fordert er von Göde eine Handlungsanweisung zur discretio spirituum, zur »Unterscheidung der Geister«.59 Georg verfolgt hier, was eigentlich ureigenste Aufgabe des Bischofs als geistlichem Oberhirten wäre: die theologische Begutachtung der aus volksfrommen Wurzeln aufgekommenen Röthaer Wallfahrt, die über ihre geistliche Qualität und damit über Förderung oder Unterdrückung durch die Kirche entscheiden sollte. Der reformorientierte Landesherr zeigt damit ein Bewußtsein für die bischöfl ichen Aufgaben geistlicher Aufsicht, das der Merseburger Ordinarius, der in der neuen Wallfahrt primär eine Einnahmequelle erblickte, in dieser Situation vermissen ließ. Das Röthaer Beispiel zeigt zudem schlaglichtartig, wie Georgs Kirchenpolitik die Reformideale seiner Zeit aufgriff. Die Kritik der 57

Vgl. Brief Georgs an Göde, 1509 (wie Anm. 53). Zu Luthers Kritik vgl. Volkmar, Heiligenerhebung Bennos, 168 f.; allgemein: Kühne, Luthers Kritik. 59 Für die Theologie des Wunders waren Augustinus und Thomas von Aquin maßgeblich, Popularisierung erfuhr sie durch den Dialogus miraculorum des Caesarius von Heisterbach. Vgl. Krötzl, 30 f.; Wittmer-Butsch/Rendtel, 18–25. Zur Methode der discretio spirituum vgl. Roth; Dinzelbacher, Bd. 2, 336 f.; Daxelmüller, Sp. 477; Zu den Alternativen Förderung und Unterdrückung vgl. Schreiner, Peregrinatio. Ein mitteldeutsches Beispiel für das Verbot einer »falschen« Wallfahrt durch kirchliche Behörden bietet die Untersuchung und anschließende Unterbindung einer Bluthostienwallfahrt im Dorf Wartenberg bei Wittenberg durch Heinrich Tocke, den Kommissar des Erzbischofs von Magdeburg, im Jahre 1429. Vgl. Kühne, Mirakelbücher. Für die Überlassung eines Vorabdrucks danke ich Dr. Hartmut Kühne, Berlin. Zum Beispiel der (erfolglos angefochtenen) Wilsnacker Blutwallfahrt vgl. Boockmann, Streit. 58

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Reformtheologie an der veräußerlichten Laienfrömmigkeit, wie sie der Augustiner Paltz an der Erfurter Universität lehrte und – ohne erkennbare Reaktion – vor Friedrich dem Weisen gepredigt hatte,60 wurde im Falle Georgs zum Leitfaden landesherrlicher Kirchenpolitik.61 Wie der Landesherr letztlich sogar zum Gegner eines volksfrommen Kultes werden konnte, erlebte 1516 die Stadt Delitzsch. Dort war ein Bild der hl. Anna in den Ruf der Wundertätigkeit geraten und der Plan entstanden, eine eigene Kapelle als Zentrum ihrer Verehrung zu errichten. Dies stieß auf den vehementen Widerstand des Stadtrates, der den Fürsten alarmierte. Herzog Georg machte sich die Argumentation der Stadtväter zu eigen, die für ihre Stadtkirche Konkurrenz befürchteten. Er befahl dem Delitzscher Pfarrer, »das bild in die pfarkirchen [zu] stellen [. . .], auff das der wirdigen großmutter Cristi an dem orthe geburliche ere und reverentz beschenn unnd die pfarkirchen do durch zu gedeyn unnd nicht in vorterb gefuret werde«. Damit verhalf er einer weiteren Forderung der gelehrten Reformdiskussion, der Stärkung des Pfarrzwangs gegenüber den überall auf kommenden »wilden« Wallfahrtskirchen, zu praktischer Umsetzung. Georg wollte mit dem Annenbild die Attraktivität der Pfarrkirche stärken, statt Kräfte zu zersplittern und Unfrieden zu stiften. Doch der Pfarrer, der dem fernen Erzbistum Magdeburg unterstand und der auch nicht durch Patronat an den Landesherrn gebunden war, wagte sich zu widersetzen. Diese Reaktion bestärkte Georg in seinen Zweifeln am Charakter des Kultes. In einem Schreiben an Kardinal Albrecht als dem zuständigen Bischof warnt er, daß »in dissen sachen mancherley betrugk pfleget gebraucht zcu werden, auch de durch das volk nicht vorfuret gut aufschaue zcu haben von notten [sein wird]«.62 An einen frommen Betrug zu denken, war für Georg also kein ketzerischer Gedanke. Vielmehr drängte sich der Verdacht förmlich auf, wenn sich die Protagonisten eines Kultes hartnäckig der landesherrlichen Regulierung zu entziehen suchten. Nicht der Widerstand gegen den Landesherrn machte den Kult dabei des bösen Geistes verdächtig, sondern die Befürchtung, daß mit ihm nicht die Mehrung des Lobes Gottes, sondern die Unfrieden bringende Spaltung einer Stadtgemeinde verbunden war. Georgs Urteil über die Natur des Kultes war also durch ein Denken in sozial-religiösen Kategorien bestimmt: An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen (Mt 7,16), dieses biblische Motto prägte noch im Bauernkrieg seine Polemik gegen die Reformation. Der weltliche Landesherr beansprucht hier erneut eine inhaltliche Kompetenz in der Aufsicht über die 60

Vgl. Ludolphy, Friedrich, 339. Möglicherweise war Herzog Georg durch Andreas Proles, seinem frühen Lehrer und Berater aus dem Augustinereremitenorden, mit diesen Ideen vertraut gemacht worden. Zum Einfluß von Proles siehe S. 81 f., 87. 62 Brief Herzog Georgs an Kardinal Albrecht, Rochlitz, 2. Juni 1516, Cop. 125, Bl. 113 b – 114a. 61

356 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) Rechtgläubigkeit des Landes. Entsprechend endgültig fällt auch Georgs Forderung an Kardinal Albrecht aus: nicht die Prüfung des Kultes trägt er dem Bischof an, sondern er fordert die geistliche Gewalt genau wie im Falle der Langensalzaer Prozession lediglich auf, im Sinne der weltlichen Seite einzuschreiten. Landesherrliche Förderung von Frömmigkeit bedeutete also im Falle Herzog Georgs nicht eine unkritische Bejahung jeglicher Praxis von Laienfrömmigkeit, sondern – innerhalb eines christlichen Weltbildes – eine Steuerung nach Kriterien, die die landesherrlichen Vorstellungen von einer frommen Gesellschaft widerspiegelten. Dabei informierte die frömmigkeitstheologische und humanistische Reformdiskussion gleichermaßen die landesherrliche Position. Förderung, Kontrolle und Kritik waren gleichberechtigte Motive landesherrlicher Kirchenpolitik. Niemand bekam diese Haltung Georgs direkter zu spüren als Albrecht von Schreibersdorf, der als Amtmann der Vorzeigestadt Annaberg selbst ein führender Repräsentant albertinischer Herrschaft war. Als Schreibersdorf 1517 zusammen mit seiner Frau von einer weiten Wallfahrt in fremde Lande zurückkehrte, mit der er ein Gelübde erfüllt hatte, erwartete ihn zu Hause die Rüge seines Fürsten. Georg, der schon im Voraus von der Wallfahrt abgeraten hatte, sah sich durch die Gefahren der Reise bestätigt. Zwar freue er sich über die gesunde Rückkehr, ließ Georg den Amtmann wissen, doch hoffe er gleichzeitig, »du wirdest dich in ansehunge unser warnungen und demjenigen, das dir begegent, hinfur so vil baß [= besser] bedenken, dich an dergleychen ende zu geloben und [in] ferligkeyt zu begeben«.63 Wie den Delitzschern ihre Pfarrkirche, so sollte auch dem Amtmann die sicheren Wallfahrtsorte des eigenen Landes genug sein. Auch hier könnte der Kontrast zu der ungebrochen spätmittelalterlichen Frömmigkeit eines Friedrichs des Weisen größer nicht sein. Im selben Jahr 1517, in dem Georg die Wallfahrt des Schreibersdorf rügte, unterstützte der Wittenberger Kurfürst die Wallfahrtspläne seines Amtmannes zu Wachsenburg mit einem Geschenk von 10 fl.64 Herzog Georg hingegen erteilte solchen Wünschen mit durch und durch weltlichen Argumenten eine Absage. Den Amtmann von Quedlinburg beschied er 1509, die Bauern benötigten alle verfügbaren Pferde, um ihre Äcker zu bearbeiten, für die Extravaganzen einer Wallfahrt sei da kein Raum.65 Wie 63 Brief Herzog Georgs an den Amtmann zu St. Annaberg, Dresden, 16. August 1517, ABKG, Bd. 1, 20. 64 Wie die ernestinischen Rechnungsbücher zeigen, konnten alle Hof bediensteten Kurfürst Friedrichs, aber auch Herzog Johanns d.Ä., auf die Unterstützung ihrer Fürsten bauen, wenn sie auf Wallfahrt gingen. Vgl. Bräuer, Wallfahrtsforschung, 26 f.; Edition der Rechnungsbücher bei: Buchwald, Frömmigkeit. 65 Brief Herzog Georgs an den Amtmann zu Quedlinburg, Leipzig, 31. Januar 1509, Cop. 112, Bl. 31a.

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so oft sind religiöse und weltlich-utilitaristische Motive eng verknüpft. Gegen die Mobilität mittelalterlicher Wallfahrtsfreudigkeit setzt Herzog Georg – ganz im Sinne der frühmodernen Staatlichkeit – die Beschränkung auf ein durch »gute Policey« wohleingerichtetes Territorium. Mit dem Versuch, den leidenschaftlich-spontanen und zuweilen soziale Bindungen sprengenden Charakter von Laienreligiosität durch Kultüberprüfung, Pfarrkirchenprinzip und territoriale Bindung Zügel anzulegen, präsentierte sich die Kirchenpolitik Georg als praktische Umsetzung jener Ideen zur Reform der Laienfrömmigkeit, die nicht nur spätmittelalterliche Theologen und Protagonisten der humanistischen Reformbewegung wie Erasmus, sondern auch sein großer Widersacher in Wittenberg vertraten.66

2. Fallbeispiel, lokal: Die neugegründete Bergstadt St. Annaberg a) Der Aufbau einer sakralen Infrastruktur: Soziale Integration durch Frömmigkeitsförderung Der Auf bau Annabergs war eine spektakuläre Erfolgsgeschichte des 16. Jahrhunderts. Buchstäblich aus dem Nichts entstand nach Erzfunden am Schreckenberg im Westerzgebirge seit 1496 eine neue Bergstadt, die schon nach wenigen Jahren zur größten Stadt Sachsens und zum wichtigsten Standort des erzgebirgischen Silberbergbaus avancierte. In den Urkunden Herzog Georgs für Annaberg wird die Entstehung der Stadt dem Wirken Gottes zugeschrieben. Ihm verdanke man nicht nur die Silbervorkommen, die zu der Gründung Anlaß gaben, auch die Einrichtung der Bergwerke, der zügige Auf bau der neuen Stadt und schließlich die Aufrichtung eines weithin ausstrahlenden Annenkultes seien Ausweis »sunderlicher gnade des almechtigen Gots«.67 66 Vgl. Martin Luther, An den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung (1520), in: WA, Bd. 6, 404–469, hier 447–450; vgl. auch Kühne, Luthers Kritik. – Zur höheren Mobilität des Mittelalters gegenüber der frühen Neuzeit, gerade mit Bezug auf Wallfahrten, vgl. Keller, 219. 67 »Nachdem auß sunderlicher gnade des almechtigen Gots in gemelts unnsers lieben herren vaters landen unnd auff seiner lieb eygenthumb ein bergkwergk bey dem Schreckenberg und andern umblygenden gepirgen entstanden [. . .]«, Stadtbrief Herzog Georgs für die Neustadt am Schreckenberg, 28. Oktober 1497, Helbig, Quellen, Teil 4, 109–112. – »das der allmechtig Got aus sonderlichen gnaden, zu sein, seiner allerheiligisten mutter der jungfrawen Maria und seiner heiligen grosmut.[ter] sandt Annan an zweifel zu ewigem lob ein nutzlich bergkwergk und darbey ein schone grosse stadt [. . .] vorlihen und gegeben hat. [. . .] Es sein auch mit anfang der stadt [. . .] vil kostlichs heyligthumbs von sanndt Anna, dß daselbst mit merglichem zulaufft besucht wirdt, aus sonderlicher Gots schickung dahin bracht«, Instruktion Herzog Georgs für Hans von Goldacker, Schellenberg, 20. September 1509, Cop. 112, Bl. 116b –118a. – In derselben Tradition steht auch die Narratio des Marktprivilegs von 1514. Vgl. Marktprivileg Herzog Georgs für Annaberg, 10. Dezember 1514, Einblattdruck, Loc. 9827/22, Bl. 48.

358 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) Doch erfreute sich das göttliche Werk auch der handfesten Mithilfe menschlicher Gönner, unter denen Herzog Georg selbst zweifellos der bedeutendste war. Der junge Albertiner bekannte sich schon in der Narratio des Stadtbriefes von 1497 zur Förderung der Stadt als seiner Fürstenpfl icht: »Also haben wir [. . .] solchs alles zu furdern unns schuldig erkandt«. Inhaltlich bezieht sich Georg auf das zeitgenössische Idealbild eines christlichen Fürsten, ausgerichtet auf die Mehrung der Ehre Gottes, das Wohl der Dynastie und den gemeinen Nutzen.68 Die Hilfe des Landesherrn für die neugegründete Stadt erstreckte sich auf alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens: Von der Planung der Stadtanlage über den Auf bau der landesherrlichen Bergverwaltung samt einer epochemachenden Bergordnung bis hin zur Verleihung von Stadtrecht und Marktprivilegien förderte er das rasche Erblühen des Gemeinwesens und sicherte gleichzeitig seine Herrschaft über die neue Stadt. Der Erfolg war eindrucksvoll: Binnen eines Jahrzehnts wuchs Annaberg auf 6.000–8.000 Einwohner.69 Das Engagement zahlte sich aber auch in barer Münze aus: Die reiche Silberausbeute in den Gruben der neuen Bergstadt brachte einen warmen Regen für die Kassen des albertinischen Territorialstaats.70 Die Stadtgründung Annabergs wäre aber unvollständig geschildert ohne die Berücksichtigung ihrer geistlichen Seite. War doch unter den Bedingungen des europäischen Mittelalters die Neugründung einer Stadt untrennbar mit dem Auf bau kirchlicher Strukturen verbunden. Nicht zufällig bildete die Kirche das sichtbare Zentrum jeder Stadt. Sie war steingewordenes Symbol dafür, daß sich die Gesamtheit der Stadtbewohner nicht nur als Bürgergemeinde, sondern stets auch als Sakralgemeinschaft verstand. Dabei erschöpfte sich der Auf bau kirchlichen Lebens keineswegs im Bau einer Pfarrkirche. Unverzichtbar war dem Spätmittelalter auch die Etablierung einer vielgestaltigen Frömmigkeitskultur, die mit ihren religiösen und sozialen Implikationen für die soziale Kohärenz der Stadtgemeinde wie das Seelenheil des Einzelnen unerläßlich erschien. Nicht umsonst gelten die Städte dieser Zeit als »Orte einer extrem verdichteten Frömmigkeit und Kirchlichkeit«.71 Die Forderung nach einer sakralen Infrastruktur 68 In diesen Kategorien beschreibt Georg seine Verpfl ichtung: »[. . .] angesehen die vorlyhene gnade des almechtigenn Gottes mit solchem bergkwergk mildiglich erzceit, darauß seiner almechtigkeit unnd seiner werden muter Marie vil lobe unnd ere, auch unnserm herren vater, unns und andern seiner lieb erben landen unnd vil fromen leuten groß nutz unnd frommen erwachsen magk«. Stadtbrief, 1497 (wie Anm. 67), 109. 69 Zur Entstehung und wirtschaftlichen Bedeutung Annabergs vgl. Laube, Silberbergbau; Burkhardt, Annaberg; Kratzsch; Thiel; die meisten Quellen bei Richter, Chronica. – Zur Einwohnerzahl vgl. die Angabe Herzog Georgs aus dem Jahre 1508: »adeo ut numerus ad sex milia hominum vel circiter auctus est«. Brief Herzog Georgs an Papst Julius II., Dresden, 17. November 1508, ABKG, Bd. 1, LXXX, Anm. 1. Schon im folgenden Jahr ist von »uber VIII m.[ilia] menschen« die Rede. Instruktion Goldacker, 1509 (wie Anm. 67), Bl. 116b. 70 Vgl. Schirmer, Finanzen. 71 Hamm, Bürgertum, 63.

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galt für eine Bergstadt wie Annaberg noch in gesteigertem Maße. Denn das Schicksal der Neugründung hing davon ab, daß es gelang, eine große Zahl qualifizierter Arbeitskräfte zu den neuen Silbergruben zu locken und diesen Menschen »in wildem gebirge, da vormals groser walt gestannden«72 eine neue Heimat zu bieten, die attraktiv genug war, um in der Konkurrenz mit den alten Bergstädten des Reiches bestehen zu können.73 Schließlich erschien die Konstituierung einer sakralen Gemeinschaft auch als der gebotene Weg, um das friedliche Zusammenleben einer aus aller Herren Länder zusammengewürfelten Bevölkerung zu organisieren, soziale Ordnung und Gemeinsinn zu schaffen. Wie existentiell dies war, zeigen die Quellenberichte über Mord und Totschlag in den Anfangsjahren Annabergs.74 Kirche und Frömmigkeit bildeten den Rahmen, mit dessen Hilfe die mittelalterliche Gesellschaftspolitik dieses Chaos zu ordnen hoffte. Göttlich sanktionierte Normen und soziale Interaktionsebenen von Pfarrei bis Bruderschaft versprachen, die neuentstehende Stadtgesellschaft mit ihren vielfältigen Spannungen, Konfl ikten und sozialen Schieflagen zu integrieren und zu befrieden. Das Erfolgskonzept der mittelalterlichen Stadt, die Integration der Bewohner in eine Sakralgemeinschaft, die aus gemeinsamer Teilhabe am Leib Christi eine kollektive Identität gewann, mußte in Annaberg neu verwirklicht werden.75 Im Rahmen der Kirchenpolitik Herzog Georgs erscheint die geistliche Seite der Stadtgründung als Modellfall für die landesherrliche Förderung, aber auch für die Kontrolle von Kirche und Frömmigkeit. Die spezifische Situation der Neugründung gibt dem Fallbeispiel Annaberg dabei einen besonderen Reiz, da hier die landesherrliche Politik gewissermaßen unter Laborbedingungen beobachtet werden kann. Als Stadtherr trug Herzog Georg auf den unterschiedlichsten Ebenen zur Entstehung einer sakralen Infrastruktur in Annaberg bei. Dies begann mit dem Bau der Stadtkirche und setzte sich über die Einrichtung eines Klosters, eines Hospitals und eines Friedhofes bis hin zur Organisation des Klerus und der Privilegierung der Laienbruderschaften fort. Freilich agierte der Albertiner hier nicht allein, sondern im Zusammenspiel mit dem zuständigen Bischof von Meißen, verschiedenen sächsischen Prälaten und vor allem mit der sich ausbildenden Führungsschicht der städtischen Bürgerschaft. Schon am ersten Akt der christlichen Identitätsstiftung für die neue Stadt, der Benennung nach der heiligen Anna in den Jahren 1499/1501, soll Herzog Georg maßgeblich beteiligt gewesen sein. Doch ist dies nicht sicher zu belegen.76 Tatsächlich lag der Name Instruktion Goldacker, 1509 (wie Anm. 67), Bl. 116b. Vgl. Moeller, Annaberg, 105. 74 Siehe unten für Beispiele. 75 Vgl. Moeller, Reichsstadt und Reformation, 10–15; Hamm, Bürgertum, 63–73; Bünz, Klerus und Bürger; als Modellstudie vgl. noch immer: Kießling. 76 1499 ist der Name Annaberg erstmals belegt, 1501 verlieh König Maximilian I. auf 72 73

360 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) wohl in der Luft, denn Anna galt nicht nur als Patronin der Bergleute, sie wurde in den 1490er Jahren auch allgemein zu einer der beliebtesten Heiligen in Mitteldeutschland.77 Einen sicheren Hinweis für das Interesse Herzog Georgs am geistlichen Leben der jungen Bergstadt gibt seine häufige persönliche Anwesenheit, wann immer am Schreckenberg besondere kirchliche Anlässe zu feiern waren. Nicht nur bei der Grundsteinlegung und der Weihe der Annenkirche war Georg zugegen, auch bei der Weihe des Gottesackers 1519 sah man ihn unter den Prozessionsteilnehmern. Ein naheliegender Termin für Besuche des Landesherrn war das Annenfest am 26. Juli, an dem er 1510 bei der festlichen Einholung der von Herzogin Barbara gestifteten Annenreliquie oder 1519 anläßlich der Kirchweihe zugegen war.78 1514 verhinderte der Frieslandfeldzug die geplante Visite Georgs, so daß Herzogin Barbara allein nach Annaberg fahren mußte.79 Zum Auf bau der geistlichen Infrastruktur bediente sich Herzog Georg des bewährten Instrumentariums herrscherlicher Kirchenförderung: eigene Stiftungen und Geldspenden, die Vermittlung päpstlicher Privilegien sowie die Beschaffung von Reliquien gehörten dazu. Alle geistlichen Institutionen der jungen Stadt – die Pfarrkirche, die Bergkirche der Knappen, das Franziskanerkloster, das Dreifaltigkeitshospital samt Gottesacker, die Annenbruderschaft – profitierten gleichermaßen von der Unterstützung des Fürsten, die darauf ausgerichtet war, die Bedürfnisse der explosionsartig anwachsenden Bevölkerung zu befriedigen.80 Schon im November 1500 formulierte Georg diese Zielsetzung gegenüber dem Annaberger Rat: Er habe »die kirch mit einem pfarrer itzt Initiative Georgs der Stadt den Namen und ein Wappen. Vgl. Wolf, Art. Annaberg, 5; Wolf, Kirchliches Leben, 54. 77 Vgl. Dörfl er-Dierken, Verehrung; dies., Luther und Anna. – Die Einführung des Annenfests in Mitteldeutschland geht auf Friedrich den Weisen zurück. Dieser hatte auf seiner Pilgerfahrt ins Heilige Land 1493 in Rhodos eine Annenreliquie erworben. Nach seiner Rückkehr ließ er nicht nur Münzen mit der Inschrift »Hilf St. Anna« prägen, sondern erwirkte ein auf den 8. Juli 1494 datiertes päpstliches Breve, das die Begehung des Annentages am 26. Juli als hohes Kirchenfest vorschrieb. Als Exekutor der päpstlichen Weisung ordnete Friedrichs Bruder, Erzbischof Ernst von Magdeburg, die Feier des Annenfestes in den Landen der Wettiner an, ihm folgte 1496 der Meißner Bischof. Vgl. Urkunde Erzbischof Ernsts von Magdeburg, 4. Dezember 1495, ThürHStA Weimar, Urk. 4350; Ludolphy, Friedrich, 355–359; Wolf, Kirchliches Leben, 53; Steche, 4. 78 Vgl. Steche, 6; Wolf, Kirchliches Leben, 57, 74, 95; Richter, Chronica, Bd. 1, 175 f. 79 Vgl. Brief des Heinrich von Schleinitz an Herzog Georg, [Dresden] 6. Juni 1514, Loc. 8498/1, Bl. 319–321. 80 Ein spezifi sches Problem der expandierenden Berggemeinde war die Frage der Vereinbarkeit ihres regen protoindustriellen Wirtschaftslebens mit dem Normensystem der spätmittelalterlichen Kirche. Herzog Georg unterstützte dabei die Interessen des Bergbaus, von dem er selbst in so großem Maße profitierte. Auch er ging den vielbeschrittenen Weg nach Rom, um vom Papst die Dispensen zu besorgen, derer man in Annaberg bedurfte. Dazu gehörte die Erlaubnis zur Feiertagsarbeit in den Bergwerken in Zeiten der Wassernot, die Erleichterung der Fastenregeln und die ebenso anstößige wie notwendige Erlaubnis zum Handel mit den böhmischen Hussiten. Siehe S. 144 mit Anm. 113 und S. 155.

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gnugsam vorsehen, wu solcs aber mit der zeit vorandern wurde« wolle er »dannach also dorein sehen, das sie mit einem pfarrer nach nodturfft vorsorgt und ungezweivelt an den Gots diensten und andern nicht mangels befi nden sollen.« 81 Ähnlich wie bei der Heiligsprechung Bennos von Meißen,82 hielt sich die direkte fi nanzielle Beteiligung Herzog Georgs am Auf bau des geistlichen Annaberg jedoch in Grenzen. Angesichts der enormen Baukosten der Annen kirche hatten Georgs Spende von 1000 fl. zu Baubeginn oder auch seine Beteiligung an den Kosten des Hauptaltars in gleicher Höhe eher symbolischen Charakter.83 Hingegen liefern die Quellen keinerlei Beleg für die in der kunstgeschichtlichen Literatur tradierte Angabe, der eigentlich als sparsam geltende Georg hätte selbst die exorbitante Summe von 100.000 fl. für den Kirchenbau aufgebracht.84 Entscheidend waren wohl eher die Gelder und Leistungen, die er als Landesherr aus anderen Quellen zu mobilisieren vermochte. Dazu zählten Sachleistungen wie die Lieferung von Werkstücken zum Kirchenbau durch eine Reihe albertinischer Schriftsassen im Jahre 1504,85 oder auch Spenden, die Herzog Georg bei der ernestinischen Verwandtschaft und bei den mitteldeutschen Prälaten einwarb.86 81 Brief Herzog Georgs an Richter und Schöppen der »Newenstat am Schreckenberg«, Schneeberg, 20. November 1500, Cop. 106, Bl. 135b. 82 Vgl. Volkmar, Heiligenerhebung Bennos, 81–92. 83 Anführen läßt sich zudem eine Spende Georgs von 100 fl . für Malerarbeiten im Jahre 1521. Doch lagen die Gesamtbaukosten Schätzungen zufolge bei 209.000 fl. Vgl. Richter, Chronica, Bd. 1, 63; Steche, 6 f., 32 f. – Auch an der Finanzierung der »Schönen Tür«, dem heute in die Annenkirche verbrachten Portal des von Georg gestifteten Franziskanerklosters, beteiligte sich Georg und ließ die Wappen des Herzogspaares anbringen. Vgl. dazu zukünftig die kunstgeschichtliche Dissertation von Simona Schellenberger (HU Berlin) zum Meister H. W. 84 So zuletzt bei Titze, 166. – Ein Betrag von 100.000 fl . überträfe sogar das jährliche Haushaltsvolumen des albertinischen Territorialstaats, der um 1500 mit durchschnittlich 75.000 fl. Jahreseinnahmen immerhin zu den wohlhabendsten Territorien des Reiches gehörte. Zwar läßt sich aufgrund der ungünstigen Quellenlage kein sicheres Urteil über die fi nanzielle Beteiligung Georgs gewinnen, doch betrieb Georg nirgends einen ähnlichen finanziellen Aufwand für kirchenpolitische Vorhaben. Auch die Ernestiner gaben nur geringe Summen für den Kirchenbau aus. Vgl. Schirmer, Finanzen, 261 mit Anm. 6; ders., Kursächsische Staatsfi nanzen, 278–385. Neuere Studien zum spätmittelalterlichen Kirchenbau legen vielmehr nahe, bei der Finanzierung der Annenkirche in erster Linie an die Pfarrgemeinde, also an die Bürger der boomenden Bergstadt zu denken. Vgl. Schöller; Militzer; Reitemeier. 85 Vgl. Briefe Herzog Georgs an den Abt zu Grünhain, den Abt zu Chemnitz, Heinrich von Einsiedel, Heinrich von Schönberg, Matthias von Reitzenstein, Sittich von der Oelsnitz und den Amtmann von Annaberg, Dresden, 16. Januar 1504, Cop. 109, Bl. 59b. 86 Vgl. Briefe Herzog Georgs an Bischof Johann VII. von Meißen, Bischof Adolf von Merseburg, Abt Heinrich von Chemnitz und Abt Martin von Altzelle, Schellenberg, 12. November [1521], ABKG, Bd. 1, 205; Brief Herzog Johanns d.Ä. an Kurfürst Friedrich den Weisen, Weimar, 14. August 1522, ebd., 337 f.; Brief Kurfürst Friedrichs an Herzog Johann d.Ä., Nürnberg, 18. August 1522, ebd., 339.

362 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) Die größten fi nanziellen Hoffnungen knüpften sich aber an die Beschaffung eines päpstlichen Bauablasses durch die Kurienprokuratoren des Landesherrn. Dies gelang, wie oben dargestellt,87 nach wiederholten Anläufen erst im Jahre 1517. Die Erträge dieses als örtliche (ad instar) Verkündigung des Jubelindults von 1500 ausgestalteten Plenarablasses, der zu den von Herzog Georg eingerichteten Jahrmärkten an Lätare und St. Anna gepredigt wurde,88 blieben jedoch hinter den Erwartungen zurück, da das Interesse in Folge der Ablaßkritik Luthers seit 1519 deutlich nachließ. Die protokollierten Gesamteinnahmen der Jahre 1517–1520 von 1594 fl. deckten nach Abzug des päpstlichen Drittels nicht einmal die Investitionskosten, die durch die Gebühren für die Ablaßbulle und die Spesen der Prokuratoren entstanden waren.89 Trotz der vielfältigen Aktivitäten Georgs war der Löwenanteil der Kosten für die Annenkirche letztlich von den Annabergern selbst aufzubringen. Freilich wurde nicht alles, was in Annaberg an kirchlichem Leben entstand, durch Herzog Georg initiiert oder gesteuert. Die Bruderschaften etwa, von deren Selbstverständnis die Altäre in der Stadtkirche zeugten, entstanden in der Eigenregie der Bürger und ihrer zünftischen Selbstorganisation. Dennoch ist allerorten der Einfluß des Landesherr zu spüren. Die Annenbruderschaft, angesehenste religiöse Vereinigung der Stadt, hatte Mitglieder im ganzen Territorium. Soziale Integration verband sich in ihr mit einem gemeinsamen Ziel von Stadt und Fürsten: die Förderung des Kirchenbaus. Die Schlüsselposition des Vorsitzenden der Bruderschaft aber lag nicht etwa bei einem Annaberger Ratsherrn, sondern in den Händen eines der wichtigsten Stützen der Kirchenpolitik Herzog Georgs, des Meißner Domdekans Dr. Johannes Hennig.90 So überrascht es auch nicht, daß es Herzog Georg war, der der Bruderschaft durch seine Prokuratoren 1517 weitreichende päpstliche Privilegien verschaffte, für die der Datar ebensoviel Gebühren verlangte wie für den Jubelablaß selbst. Die enge An87

Siehe S. 142–149. Vgl. Bulle Papst Leos X., Rom, 24. Mai 1517, A. S. V., Reg. Vat. 1204, Bl. 239–243, ediert: Schulte, Bd. 2, 170–177. – Der Annen- und der Lätaremarkt waren von Herzog Georg 1509 bzw. 1517 eingerichtet worden. Vgl. Wolf, Kirchliches Leben, 67. – Sicher unrichtig ist die Angabe Bernhard Wolfs, Herzog Georg habe für den Lätaremarkt 1517 einen eigenen päpstlichen Ablaß beantragt und erhalten (vgl. ebd., 67 f.), gibt es doch dafür in der dichten Überlieferung der Kurienprokuratoren Georgs keinerlei Hinweis. Die von Wolf als Beleg angeführte Bekanntmachung bezieht sich eindeutig auf den Jubelablaß, denn sie spricht von einem Plenarablaß (»vollkommlichste Vergebung der Sünden«) und kündigt diesen genau für die drei Tage vor und nach Lätare an, an denen erstmals 1518 der Jubelablaß zugunsten der Annenkirche erworben werden konnte. 89 Die durch Aloys Schulte aus Abrechnungen der Fugger berechnete Gesamtsumme betrug von Anna 1517 bis Lätare 1520 insgesamt 1594 fl. 28 gr. 4d., davon verblieben den Annabergern rund 1064 fl. Vgl. Schulte, Bd. 1, 170 f. Demgegenüber betrugen allein die an die Kurie zu entrichtenden Taxen für die Ablaßbulle umgerechnet 2380 fl. Siehe dazu und zu den weiteren Kosten S. 149–153. 90 Zur Annenbruderschaft vgl. Richter, Chronica, Bd. 1, 66; Wolf, Kirchliches Leben, 76–84; Dörfler-Dierken, Bruderschaften, 49–55. 88

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bindung der Bruderschaft an den Stadtherrn drückt sich auch darin aus, daß sie das Patronatsrecht an ihrem Altar in der Annenkirche Herzog Georg übertrug.91 Georgs Sorge um die Laienfrömmigkeit in Annaberg zeigt sich auch am Beispiel des Ablasses. Lange bevor 1517 der Jubelablaß für die Annenkirche genehmigt wurde, war Herzog Georg darum bemüht, der Annaberger Bevölkerung Zugang zu Ablaßgnaden zu verschaffen. Im Jahre 1503 befahl er, die Straße von Annaberg nach Grünhain auszubessern, damit die Annaberger problemlos den Ablaß erwerben könnten, der zu Pfi ngsten in dem ernestinischen Städtchen zu erlangen war.92 Einige Jahre später organisierte er die Predigt eines Ablasses auf dem gerade eingerichteten Jahrmarkt zum Annenfest. Es handelte sich um den Jubelablaß zugunsten des Kreuzzuges des Deutschen Ordens in Livland, den der späterhin berühmte Johannes Tetzel als Subkommissar in Sachsen verkündete. Georg vereinbarte mit dem Dominikaner, daß er »sich acht tage vor s. Annentag ufn berg fuge, das creuz und gnade ufricht und dem volk dye zeyt uber predige und vorkundige, domit das volk zu andacht und innygkeyt gereizt und auch des örderns nutz geschafft werde«.93 Die politische und fiskalische Abwägung, die jeder Ablaßzulassung durch den Landesherrn vorausging,94 verband sich hier mit dem kirchenpolitischen Willen Herzog Georgs, den Einwohnern der neuen Bergstadt jene Wege zum Seelenheil zu eröffnen, die ihnen aus ihren alten Heimatstädten vertraut waren. Deutlich läßt sich dabei die Sorge um den sozialen Frieden als Motiv der landesherrlichen Bemühungen ausmachen. Wie fragil dieser in Annaberg war, bezeugen Chronistenberichte und Akten. 1514 etwa wurde der Bürger Johann Wengemayer nahe dem Franziskanerkloster »mit furschubs seyner abegunstigen durch bose leichtfertige leutthe [. . .] jhemerlich ermordet«. Vielleicht mit Zutun Herzog Georgs wurde in der Franziskanerkirche »eine Tafel, darauf der Meuchelmord abgemahlet war«95 zu Mahnung aufgehangen. Jedenfalls nahm der Landesherr den Sohn des Mordopfers für einige Jahre an seinen Hof und zahlte

91 Die päpstlichen Privilegien für die Bruderschaft umfaßten u. a. einen 30jährigen Ablaß bei Teilnahme an bestimmten Prozessionen, die Erlaubnis zum Messehören und zum Begräbnis während des Interdikts, die Absolution von allen Kirchenstrafen durch einen selbstgewählten Beichtvater. Für ihre Erteilung verlangte der Datar in der ersten Verhandlungsrunde 500 duc., ebensoviel wie für den Jubelablaß. Vgl. Bulle Papst Leos X., 1517 (wie Anm. 88); Brief Dr. Nikolaus von Hermsdorffs an Heinrich von Schleinitz, Rom, 21. August 1516, Gess, Ablaß, 535–539. – Zum Patronatsrecht vgl. ABKG, Bd. 1, 497, Anm. 1. 92 Vgl. Wolf, Kirchliche Zustände, 62, Anm. 1. 93 Brief Herzog Georgs an Johannes Tetzel, 10. Juni 1509, ABKG, Bd. 1, LXXVI, Anm. 2. Vgl. auch die weitere Korrespondenz, ebd., aus der hervorgeht, daß der Annaberger Stadtrat Herzog Georg eine entsprechende Bitte unterbreitet hatte. 94 Siehe unten, Abschnitt 3. 95 Richter, Chronica, Bd. 1, 50, mit der fehlerhaften Namensschreibung »Mengemeyer«.

364 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) ihm 1520 eine Entschädigung von 400 Rh. fl. aus, die vermutlich von »jhenigen, so dieser mißhandelunge vordechtigk gewest« stammte.96 Doch die Gewalt in Annaberg blieb ein Problem. Fünf Jahre später berichten die Chroniken sogar von einem Priestermord.97 Georg reagierte auf diese Vorfälle mit dem Versuch, eine bestimmte Facette der kirchlichen Lebens in Annaberg nicht aufzubauen, sondern auszuschalten. Das Rechtsinstitut des Kirchenasyls versagte der weltlichen Gewalt, Verbrecher zu verhaften, die sich in den Schutz des geweihten Kirchenraumes flüchteten. Jeder weltlichen Obrigkeit ein Dorn im Auge und immer wieder eingeschränkt und übergangen, wurde es doch nie grundsätzlich in Frage gestellt.98 Dies tat auch Herzog Georg nicht,99 und dennoch veranlaßten ihn die rauhen Zustände in der jungen Bergstadt, 1516 vom Papst eine Ausnahmeregelung zu erbitten, um die Strafverfolgung zu erleichtern. »In ansehunge, das diß orts [. . .] gar trotzige leute seyn«, sollte der weltlichen Obrigkeit erlaubt werden, »ubelteter aus kirchen, klostern und von geweyheten stellen [. . .] [zu] nemen«.100 Zwar blieb Herzog Georgs Vorstoß beim Papst erfolglos, doch verweist er auf die enge Verbindung zwischen der Sorge um kirchliches Leben und Laienfrömmigkeit einerseits und sozialer Kontrolle andererseits. Tatsächlich läßt sich Georgs besonderes Engagement für den Auf bau des sakralen Annaberg kaum von der Intensivierung der landesherrlichen Aufsicht über die Annaberger Kirche trennen, zumal die Stadt zunehmend zum Prestigeprojekt landesherrlicher Kirchenpolitik wurde. Mehr noch als im übrigen Territorium war der Landesherr in Annaberg bemüht, die Möglichkeiten des Kirchenregiments auszureizen. Dies brachte ihn einmal mehr in direkte Konkurrenz zum Bischof von Meißen. Verstärkt wurde dieser Gegensatz durch den seit 1502 schwelenden Streit zwischen Georg und Johann VI., der mit den Aufbaujahren in Annaberg zusammenfiel.101 Vor diesem Hintergrund wurde Annaberg zum Experimentierfeld für ein landesherrliches Kirchenregiment, das dem Bischof die Aufsicht über Kirche und Klerus entwinden und ihn auf eine liturgisch-repräsentative Funktion beschränken wollte. 96

Quittung Georg Wengemayers, Dresden, 29. September 1520, Loc. 8678/20, Bl. 11. Vgl. Richter, Chronica, Bd. 2, 91. 98 Vgl. Landau, Art. Asylrecht. 99 Auch Herzog Georg beherrschte das Wechselspiel von grundsätzlicher Anerkennung und Übertretung im Detail. So zeigte er Bischof Adolf von Merseburg die Festnahme eines entflohenen Straftäters in einer Kapelle am Dormitorium des Leipziger Thomasstifts an, bat ihn aber gleichzeitig, die Amtsträger des Landesherrn und den Propst des Thomasstiftes wegen des Verstoßes gegen das Kirchenasyl nicht zu belangen, da der überführte Mörder »der kirchen- ader geystlichen freyheyt unwirdig« sei. Brief Herzog Georgs an Bischof Adolf von Merseburg, Dresden, 5. September 1522, ABKG, Bd. 1, 355 f. 100 Brief Herzog Georgs an Dr. Nikolaus von Hermsdorff, Leipzig, 5. Dezember 1516, Gess, Ablaß, 548–550; Brief Dr. Nikolaus von Hermsdorffs an Heinrich von Schleinitz, Rom, 21. August 1516, ebd., 535–539. 101 Siehe S. 193–204. 97

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Waren Landesherr und Bischof noch 1501 gemeinsam gegen den hussitenfreundlichen Annaberger Pfarrer Johann Pfennig vorgegangen,102 zeigten sich bereits zwei Jahre später deutliche Verwerfungen: Der Verweser der Annaberger Pfarre verweigerte Befehle des Bischofs und berief sich auf den Landesherrn als zuständige Obrigkeit, der ihn erfolgreich gegen den Bischof in Schutz nahm.103 1504 wurden Streitigkeiten des neuen Pfarrers mit den Vorstehern der Kapellen vor den herzoglichen Hof gezogen.104 Wenig später versuchte Georg, den Konfl ikt um die Kirchenaufsicht in Annaberg grundsätzlich zu seinen Gunsten zu entscheiden: Beim Papst supplizierte er »in sachen dye geistliche jurisdiction belangende auf s. Annengebirge«. Leider erlaubt das bruchstückhafte Quellenzeugnis keine weitergehende Spezifi zierung des erwünschten Privilegs, höchstwahrscheinlich aber ging es Georg um die Einschränkung der bischöfl ichen Aufsichtsrechte. Dies legt auch die überlieferte Reaktion des Papstes nahe: »es hat aber bebstliche heilickeit alzeit dyeselbte supplication zurissen und dem ordinario [= dem Bischof von Meißen] nicht wollen derogiren ader präjudiciren«.105 Wenngleich Herzog Georg auch in diesem Falle keine päpstliche Unterstützung für sein Kirchenregiment erhielt, läßt sich in den folgenden Jahren eine außerordentliche Verdichtung der landesherrlichen Einflußnahme auf den Annaberger Klerus beobachten.106 Ziel blieb das Hinausdrängen des Bischofs aus der landesherrlichen Neugründung. Jahrelang verweigerte der Stadtrat mit Unterstützung Georgs sogar die obligatorische Bestätigung des Pfarrbenefi ziums, die Johann VI. »zu mehrmalen mit grosser geschwindikeyt und ernste« einforderte. Eine grundsätzliche Absicherung des landesherrlichen Aufsichtsanspruchs blieb jedoch aus und so konnte auch der Bischof immer wieder Teilerfolge verbuchen. So setzte Johann VI. letztendlich seinen Anspruch auf Konfi rmation des Pfarrlehns beim Annaberger Stadtrat durch, doch gelang ihm dies wohl nicht zufällig zu einem Zeitpunkt, als Herzog Georg außer Landes war.107 Der enge Zusammenhang zwischen landesherrlichem Kirchenregiment und der Förderung von Kirche und Frömmigkeit wird gerade im konkreten Einzelfall immer wieder augenscheinlich. In der Pestwelle des Sommers 1521 sah auch 102

Siehe S. 460 f. Siehe S. 322–326. 104 Vgl. Brief Herzog Georgs an den Amtmann von Annaberg, 7. Februar 1504, Cop. 109, Bl. 21a. 105 Bericht Dr. Günther von Bünaus [zu Schkölen] an Herzog Georg [1505/06], ABKG, Bd. 1, LXIII, Anm. 1 und LXIV f. 106 1509 drohte Herzog Georg dem Annaberger Pfarrer mit der Temporaliensperre. Siehe S. 303. 1519 nahm er die Beschwerden des Annaberger Stadtrates gegen den Pfarrer Wolfgang Messerschmidt entgegen, die zugleich an ihn und an Bischof Johann VII. gerichtet waren. Vgl. Richter, Chronica, Bd. 2, 48–51. 1523 reformierte eine weltliche Kommission im Auftrag Herzog Georgs die Pfründenstruktur der Annaberger Altarlehen. Siehe S. 291. 107 Brief des Bürgermeisters und Stadtrates zu Annaberg an Herzog Georg, Annaberg, 19. Dezember 1519, ABKG, Bd. 1, 108. 103

366 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) der Annaberger Ratsherr Lorenz Pflock sein Ende nahen. Für sein Seelenheil hatte er durch mehrere Stiftungen Vorsorge getroffen: einen Altar, eine ewige Messe und einen jährlichen Fuder Wein für die Armen des Hospitals. Doch weder vom Bischof noch vom Pfarrer, sondern vom Stadtherrn erhoffte er sich in seiner Todesnot die Erfüllung eines letzten Wunsches, »das ime mocht vorgunst werden in gemelter kirchen zu s. Anna vor demselben seinem altar sein begrebnus zu haben«.108 Der Laie Pflock wandte sich also in einer geistlichen Angelegenheit, der Genehmigung einer Beisetzung im Kirchenraum, nicht an die geistlichen Instanzen, sondern an den weltlichen Fürsten. Und dieser nahm die Entscheidung wie selbstverständlich vor. Offenbar gingen der Annaberger Ratsherr, seine Testamentsverwalter und Herzog Georg selbst ohne weiteres davon aus, daß das Patronat und die besondere Förderung der Kirche dem Landesherrn diese Befugnis eröffnete. Dabei konnte sich Herzog Georg sogar erlauben, die Genehmigung des begehrten Vorrechts an eine Bedingung zu knüpfen: 1000 fl., die Pflock für eine Meßstiftung bereitgestellt hatte, sollten zur Ausstattung des Annaberger Predigtstuhls verwendet werden und so dem Auf bau eines modernen Elements geistlicher Infrastruktur dienen. Der feste Zugriff, mit dem der wettinische Territorialstaat seine einträglichen Bergstädte und deren Wirtschaft kontrollierte, fand hier seine unmittelbare Entsprechung in der kirchlichen Sphäre. Nur die Reformation konnte noch eine Steigerung bringen. b) Die Annenkirche: Laienbibel und Symbol albertinischer Rechtgläubigkeit Die Beteiligung Herzog Georgs am Auf bau des kirchlichen Lebens in Annaberg erreichte seinen Höhepunkt im Bau der Stadtkirche St. Anna. Mit dem geistlichen Zentrum der neuen Stadt entstand nicht nur eine bürgerliche Pfarrkirche, sondern zugleich ein Repräsentationsobjekt landesherrlicher Kirchenpolitik. Die Annenkirche war zu weiten Teilen ein Projekt Herzog Georgs, von der Grundsteinlegung über die bauliche Gestaltung bis zum Ausstattungsprogramm wurde ihre »Baugeschichte vom Hofe aus bestimmt«.109 In der Gestaltung des Sakralraumes gingen die Inszenierung von Frömmigkeitsidealen, fürstliche Selbstdarstellung und dynastische Memoria eine symbiotische, sich gegenseitig verstärkende Verbindung ein. Es ist diese Dominanz des landesherrlichen Einflusses, die den Annaberger Ratsherrn Lorenz Pflock dazu brachte, Herzog Georg nicht nur als Patron, sondern auch als Hausherrn der Stadtkirche anzusehen.110 108 Brief Herzog Georgs an Urban Osann und Michel Lotter, Schellenberg, 18. August 1521, ABKG, Bd. 1, 184 f. 109 Warnke, 26. 110 Siehe vorherigen Abschnitt.

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Der landesherrliche Einfluß wird dabei zuerst augenscheinlich, wenn nach den Gründen für die auffällige Modernität des Gotteshauses gefragt wird, das mit seiner gelungenen Verbindung von Spätgotik und Renaissance den Höhepunkt der obersächsischen Hallenkirchenarchitektur markiert. Zeigt sich doch an vielen Bauvorhaben Herzog Georgs eine besondere Offenheit für die moderne Formensprache der Renaissance. Von der Meißner Georgenkapelle bis zum Georgenbau des Dresdner Schlosses ebnete die landesherrliche Repräsentationsarchitektur dem neuen »welschen« Stil den Weg nach Sachsen, wobei die Formensprache der Renaissance behutsam mit der traditionellen Spätgotik verbunden wurde.111 Auch in Annaberg trat Georg als »Pionier des Neuen«112 in Erscheinung, indem er den Kirchenbau in die Hände innovativer Künstler legte. Der herzogliche Werkmeister Peter von Pirna gestaltete seit 1514 das »welsche« Kupferdach der Kirche mit seinen neuen Giebeln und Dachreitern. Im folgenden Jahr verpfl ichtete der Landesherr Jakob Heilmann aus Schweinfurt, einen Schüler des berühmten Prager Steinmetzen Benedikt Ried. Die unter seiner Leitung geschaffenen neuartigen Schlingrippengewölbe und Emporenbrüstungen lösten einen epochemachenden Hüttenstreit aus, in dessen Folge sich Heilmann und Ried 1518 mit Unterstützung Herzog Georgs von den Regularien des mittelalterlichen Zunftwesens lossagten.113 Georgs persönliche Einflußnahme auf die Ausstattung der Kirche läßt sich am besten am Beispiel des Hochaltars verfolgen. Im Sommer 1518 hatte der Herzog den Reichstag zu Augsburg besucht und dabei als Gast im Hause Jakob Fuggers logiert.114 Vom stolzen Gastgeber ließ er sich die gerade erst fertiggestellte Familienkapelle in der Karmeliterkirche St. Anna zeigen, ein frühes Meisterwerk der Renaissance. Georgs Besuch in der Fuggerkapelle gilt als Schlüsselerlebnis für seine Hinwendung zu den neuen Kunstformen. Schon im folgenden Jahr bestellte der Albertiner bei Adolf Daucher, dem Schöpfer der Fuggerkapelle, den berühmten Hauptaltar für die Annaberger Pfarrkirche, von dem es in den Verträgen explizit heißt, er solle »auf welsche art aussbereitet und verfasst« werden.115 Die Annaberger Pfarrkirche verdankt also ihre Gestalt dem prägenden Einfluß von außen. Es erscheint deshalb passend, daß in ihr eine für Sachsen einzigartige Selbstdarstellung des Landesherrn und der kirchlichen Würdenträger seines Territoriums ihren Ort fi nden konnte. Im Mittelpunkt stand dabei Her111

Vgl. Magirius, Ausbreitung; May, Architektur. – Siehe auch S. 82–88. Warnke, 28. 113 Vgl. Magirius, Ausbreitung, 155–157; Warnke, 26. 114 Vgl. Tewes, Luthergegner, 330 f. 115 Vgl. Magirius, Ausbreitung, 155–157; Warnke, 27 f., ebd. das Zitat. Zur Bestellung des Altars 1519 und dem Transport nach Sachsen 1521/22 vgl. ABKG, Bd. 1, 230 mit Anm. 1. 112

368 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) zog Georg, dessen Wappen gut sichtbar Kanzel und Altar zierte und auf dessen Initiative auch der Annaberger Wappenhimmel zurückging: Die Schlußsteine des prächtigen Gewölbes, auf das die hochaufschießenden gotischen Pfeiler unwillkürlich den Blick lenkten, wurden zur Präsentationsfläche für eine exklusive Gruppe herrschaftlicher Gönner. Neben Georgs eigenem Schild vertraten die Wappen seines Sohnes und potentiellen Nachfolgers, Herzog Johanns d.J., und seines Bruders, Herzog Heinrichs des Frommen, das albertinische Fürstenhaus am Gewölbe der Annenkirche. Die geistliche Gewalt im Lande repräsentierten die Bischöfe von Meißen und Merseburg, das Meißner Domkapitel und Abt Heinrich von Chemnitz, in dessen Archidiakonat Annaberg lag. Die enge Verbindung beider Seiten schließlich personifizierte der Meißner Domherr und ehemalige albertinische Kanzler Dr. Nikolaus von Heinitz.116 Die Initiative Georgs erhellt aus mehreren Schreiben des Jahres 1521, mit denen er verschiedene sächsische Bischöfe und Äbte zu Spenden zugunsten der Annaberger Kirche aufrief. In seiner Argumentation verwies er auf gute Werke, Repräsentation und persönliche Memoria als Motive für die Spenden und versprach schließlich den angeschriebenen Prälaten, »e. l. und euerm geslecht zu eren und zu einem ewigen gedechtnus euer wapen hineinmachen [zu] lassen«.117 Mit seinem zusammenhängenden Gewebe weltlicher und geistlicher Gewalt, für das der albertinische Territorialstaat den organisatorischen Rahmen vorgab, veranschaulicht der Annaberger Wappenhimmel die Machtstrukturen im vorreformatorischen Sachsen in prägnanter Weise.118 Für die junge Bergstadt bedeutete dies, daß der Landesherr auch in ihrem sakralen Zentrum omnipräsent war. Die Sakralgemeinschaft der Bürger von Annaberg blieb so stets auf ihren Stadtherrn und Kirchenpatron bezogen. Es greift daher zu kurz, die Kirche ausgehend vom mittelalterlichen Normalfall allein als ein Ergebnis Annaberger Bürgerstolzes, als Demonstration der »Eintracht und Leistungsfähigkeit der Bürger« verstehen zu wollen.119 Aus der Per116

Vgl. Steche, 30 f. Aus der Reihe fällt das Wappen des Abtes Martin von der Iglau. Von den von Herzog Georg angeschriebenen Prälaten fehlt Abt Martin von Altzelle. 117 Brief Herzog Georgs an Bischof Johann VII. von Meißen, Bischof Adolf von Merseburg, Abt Heinrich von Chemnitz und Abt Martin von Altzelle, Schellenberg, 12. November [1521], ABKG, Bd. 1, 205. 118 Ein weiteres Element wettinischer Repräsentation und Memoria in der Annaberger Pfarrkirche sollte ein von Herzog Georg geplantes Familiengemälde des wettinischen Gesamthauses bilden, von dem ein Briefwechsel der ernestinischen Fürsten zeugt. Georg war bei einem Treffen in Naumburg im August 1522 an Herzog Johann d.Ä. herangetreten und hatte ihn gebeten »150 gulden zu geben zum gemelde auf sant Annenbergh yn die kirchen«. Das Gemälde sollte die Familien Herzog Georgs, Herzog Heinrichs, Herzog Johanns d.Ä. und den unverheirateten Kurfürsten abbilden. Aufgrund der ablehnenden Haltung der Ernestiner wurde der Plan offenbar fallengelassen. Vgl. Brief Herzog Johanns d.Ä. an Kurfürst Friedrich, Weimar, 14. August 1522, ABKG, Bd. 1, 337 f., das Zitat 338; Brief Kurfürst Friedrichs an Herzog Johann d.Ä., Nürnberg, 18. August 1522, ebd., 339. 119 DaCosta Kaufmann, 86.

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spektive der Landesherrschaft wiederum drückt sich in dem intensiven Engagement der Modellcharakter Annabergs aus. Der noch heute in originalgetreuem Zustand bewahrte Kirchenraum mit seiner im wesentlichen 1516–1522 entstandenen Ausstattung ist ein einzigartiges Sachzeugnis für die Hochblüte kirchlicher Frömmigkeit im vorreformatorischen Sachsen, die von der landesherrlichen Kirchenpolitik maßgeblich gefördert wurde.120 Ein Rundgang durch die Kirche läßt diese Frömmigkeitsideale, aber auch die Wirksamkeit spätmittelalterlicher Reformimpulse wieder lebendig werden. Der von Herzog Georg in Auftrag gegebene Hauptaltar rückt mit der Darstellung der Herkunft Christi aus der »Wurzel Jesse« Christus als Heiland und Angelpunkt der Weltgeschichte in das Zentrum der Anbetung. In diese Hauptaussage integriert sich das im 15. Jahrhundert populäre Motiv der Heiligen Sippe, durch das die direkte Verbindung zur Hl. Anna als Patronin von Kirche und Stadt hergestellt wird.121 Ein in ihrem Umfang einzigartiges Dokument vorreformatorischer Katechese ist die große Bilderbibel, die sich in den Reliefs der Emporenbrüstung um den gesamten Kirchenraum erstreckt. In 79 Szenen aus dem Alten und Neuen Testament wird die biblische Heilsgeschichte veranschaulicht; der didaktische Impetus einer frommen Bildung und Erziehung des Volkes, ein Hauptanliegen der Reformer, ist hier mit Händen zu greifen.122 Eine zweite Reliefsequenz schließt sich an den Flügelemporen an: sie stellt in jeweils 10 Bildern für beide Geschlechter die Lebensalter des Menschen dar. Hier wird der Schritt von der universalen Heilsgeschichte zur individuellen Mahnung im Sinne des Memento mori vollzogen. Mit Blick auf den Totentanz am Dresdner Georgenbau hat schon R. Steche hinter dem Annaberger Lebensalterzyklus einen Zug der persönlichen Frömmigkeit Herzog Georgs vermutet.123 Den Wert solcher Didaktik hat Herzog Georg später ausdrücklich hervorgehoben, als er Heiligenbilder und Kruzifi xe gegen die Bilderstürmer der Reformation verteidigte: Sie seien keine Abgötter, sondern dienten »aleyn zu gedechtnis und erinnerung des einfeltigen volkes«.124 Die kirchenpolitischen Überzeugungen des Landesherrn aber sind am deutlichsten in der 1516 geschaffenen Kanzel der Annenkirche wiederzufi nden. Schon die Errichtung einer Kanzel allein war ein Bekenntnis zur kirchlichen Reform, gehörte die regelmäßige Wortverkündigung doch zu ihren zentralen Anliegen.125 Herzog Georg sorgte dafür, daß in Annaberg binnen kurzer Zeit 120

Zur Ausstattung vgl. Steche, 10–39; Magirius, St. Annen. Vgl. Steche, 18–23. 122 Vgl. ebd. Zur Katechese im Kirchenraum vgl. Signori, 63–73. 123 Vgl. Steche, 23–28. Zur Motivgeschichte vgl. Poeschke; Rosenfeld. 124 Vorrede Herzog Georgs zum Neuen Testament von Hieronymus Emser, Dresden, 1. August 1527, ABKG, Bd. 2, 775–780. 125 Vgl. Neidiger, Wortgottesdienst; Signori, 18–35. 121

370 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) eine besonders gut ausgestattete Predigerstelle geschaffen wurde.126 Welche Aufgaben dem Prediger bei der Erneuerung der Kirche zukamen, halten Inschriften am Annaberger Predigtstuhl fest: »Erhebe deine Stimme wie eine Posaune und verkündige meinem Volk seine Sünden« ( Jes 58, 1) erinnert ein Fries an der Tür den Prediger an seine Verpfl ichtung, die Laien zur Umkehr von gottlosem Lebenswandel aufzurufen. Die zweite Inschrift fordert, alle weltlichen Rücksichten fallenzulassen und das reine Evangelium zu predigen.127 Das Bildprogramm der Kanzel gibt ein klares Bekenntnis zur Institution Kirche ab. Über Bücher gebeugt sind in bester ikonographischer Tradition die vier lateinischen Kirchenlehrer abgebildet. Als Bischof, Erzbischof, Kardinal und Papst gekleidet, verkörpern sie zugleich Lehrautorität und hierarchische Struktur der Kirche.128 Unter ihnen prangen, gewissermaßen als Bekenntnis zu diesem Idealbild der mittelalterlichen Kirche, die Wappen des Fürstenpaares Georg und Barbara. Die Pracht und die inhaltlichen Bezüge der Annenkirche haben Historiker bewogen, sie als steingewordenes Symbol der Kirchenpolitik Herzog Georgs zu interpretieren. Heinrich Magirius sieht in ihr den »Wunsch Herzog Georgs [. . .], den katholischen Glauben zu erhalten und zu fördern« verwirklicht und Bernd Moeller will sie gar als »frühes Monument der Gegenreformation« ansehen.129 Die Interpretation des sakralen Annaberg bzw. der Annenkirche als gegenreformatorische Trutzburg – so sehr sie angesichts der antilutherischen Haltung Herzog Georgs naheliegend erscheint – scheitert freilich an der Chronologie. Denn der Auf bau der Stadt war bereits weitgehend abgeschlossen und die Kirche geweiht, als die Reformation zur breiten Volksbewegung wurde. Dennoch verweist diese Interpretation auf eine zentrale Bedeutungsebene der Annenkirche, ihren Charakter als Glaubensmonument. Der Gegenpol der Selbstvergewisserung und religiösen Abgrenzung ist aber nicht in Luther, sondern in den böhmischen Hussiten zu suchen.130 Gegen die Ketzer auf der anderen Seite des Erzgebirgskamms richtete sich die Demonstration der Romtreue und Rechtgläubigkeit des Herzogtums Sachsen. Gegenüber dem Papst brachte Georg diese Motivlage klar zum Ausdruck, wenn er sich von der Förderung 126

Siehe oben zur Umwidmung der Stiftung Pflock. »Suche Gottes Ehr und sonst nichts mehr – Den nechsten lehr an nichts dich kehr.« Vgl. Steche, 35–37. 128 Vgl. ebd. Entsprechend der ikonographischen Tradition wird dabei Augustinus als Bischof (von Hippo), Ambrosius als Erzbischof (von Mailand), der Presbyter Hieronymus als Kardinal und Gregor der Große als Papst dargestellt. Vgl. Jászai. – Die Darstellung der Kirchenlehrer schlägt eine Brücke zum zweiten großen Kirchenbau des Erzgebirges um 1500, dem Neubau des Freiberger Domes St. Marien nach dem Brand von 1484, wo sich dieselbe Figurengruppe in der berühmten Tulpenkanzel (um 1505) wiederfi ndet. Vgl. ebd., Sp. 532; zur Verbreitung des Motivs vgl. Signori, 33. 129 Magirius, Ausbreitung, 157; Moeller, Annaberg, 108. 130 Zur Hussitenpolitik Herzog Georgs siehe S. 460–465. 127

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Annabergs eine propagandistische Wirkung versprach, die »multos Boemos scismaticos ad obedientiam s.[anctae] Romanae ecclesiae« zurückführen könne.131 Dabei bestand die konkrete Furcht vor einem Übergreifen der hussitischen Sekte auf die in der böhmisch-sächsischen Kontaktzone gelegene Bergstadt. Die Konversion ausgerechnet des ersten Annaberger Pfarrers Johannes Pfennig machte die Virulenz des Problems deutlich. Hinsichtlich der Reformation aber sind Intention und Wirkung scharf zu trennen – wie dies auch für die Heiligsprechung Bennos gilt.132 Zwar wurde Annaberg in den 1520er und 1530er Jahren zweifelsohne auch zum Symbol antilutherischer Frontstellung, etwa gegenüber den evangelischen Nachbarn auf der anderen Seite des Tals im ernestinischen Buchholz. Doch ist mit Blick auf die Kirchenpolitik Georgs festzuhalten, daß sich dieser im Kampf gegen die Evangelische Bewegung weniger auf die subtile Überzeugungskraft von Bauwerken, als auf die Propagandawirkung des gedruckten Wortes und vor allem auf obrigkeitlichen Zwang verließ.133 c) Förderung und Distanz: Herzog Georg und das Annaberger Heiltum Einen Kristallisationskern für die Identität des christlichen Gemeinwesens am Schreckenberg bildete das Annaberger Heiltum. Seit 1503 zusammengetragen, wurde der in kurzer Zeit auf 120 Stücke anwachsende Reliquienschatz an der Stadtkirche schnell zum Gegenstand frommer Verehrung. Zusammen mit den berühmten Sammlungen an der Wittenberger Schloßkirche und im Neuen Stift zu Halle verfügte Annaberg damit über einen der großen Heiltumschätze Mitteldeutschlands, der weit über Annaberg hinaus bei den Gläubigen aller Stände großer Beliebtheit erfreute. Die Reliquien garantierten der jungen, unfertigen Bergstadt eine sichtbare Verbindung zur christlichen Welt, verorteten sie im Geltungsbereich der göttlichen Heilsgeschichte. Ihren Bewohnern eröffnete die in den Gebeinen manifeste Präsenz der heiligen Anna und anderer Heiliger den unmittelbaren Zugang zu wundererwirkender Fürsprache, die in den Ängsten und Nöten des schweren Alltags Hilfe versprach. Für die Stadtgemeinschaft im Ganzen schließlich verband sich mit den Reliquien die identitätsstiftende Rolle Annas als Stadtpatronin. Am Annentag, an dem Kirchweihe, Jahrmarkt und der Festtag der Stadtpatronin als ein einziges großes Fest begangen wurden, führte man Annas Reliquien in Prozession durch ihre Stadt und bat um ihren Segen für den weiteren Auf bau des Gemeinwesens.134

131 Brief Herzog Georgs an Papst Julius II., Dresden, 17. November 1508, ABKG, Bd. 1, LXXX, Anm. 1. 132 Vgl. Volkmar, Heiligenerhebung Bennos. 133 Siehe S. 446–612. – Zur Situation in Annaberg vgl. Moeller, Annaberg. 134 Vgl. hier und im folgenden ausführlich Volkmar, Annaberger Heiltum.

372 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) Herzog Georg ist in der Forschung bislang als eifriger Anhänger und wichtigster Förderer des Annenkultes gesehen worden.135 Doch zeigt die genaue Analyse, daß sich Georgs Rolle deutlich von jenem Muster fürstlicher Reliquienverehrung unterscheidet, das sich etwa für Friedrich den Weisen in Wittenberg oder Albrecht von Brandenburg in Halle beobachten läßt.136 Was auf den ersten Blick als ambivalente Haltung Georgs erscheint, fügt sich letztlich präzise in den hier beschriebenen Handlungsrahmen landesherrlicher Kirchenpolitik ein: Anders als seine fürstlichen Zeitgenossen, ja anders als seine eigene Ehefrau, stand Herzog Georg dem Reliquienkult in Annaberg innerlich distanziert gegenüber. So fehlt jeder Beleg für eine persönliche Annenverehrung Georgs oder auch eine Beteiligung an den gängigen Frömmigkeitspraktiken. Dies entspricht der Haltung Georgs zum Meißner Bennokult, wo er gleichwohl als wichtigster Förderer auftrat. Beim Annaberger Heiltum entfällt freilich auch diese Rolle, denn Georg nutzte das Heiltum weder für seine fürstliche Repräsentation, noch trug er wesentlich zu dessen Mehrung und Verehrung bei. Betrachtet man das Engagement des Landesherrn für die anderen Felder des kirchlichen Lebens in Annaberg, so wird seine Zurückhaltung in Sachen Heiltum erst richtig augenfällig, etwa in der Aussparung des Heiltums in den päpstlichen Privilegien von 1517 oder im Verzicht auf eine Verknüpfung der Heiltumsweisung mit dem großen ( Jubel-)Ablaß, wie sie für Halle und Wittenberg so charakteristisch ist. Andererseits entzog sich Georg nicht völlig der Aufgabe, das Heiltum zu fördern, gewährte etwa zur Beschaffung der ersten Annenreliquien aus Frankreich seine Unterstützung. Die Förderung, die er dem Heiltum angedeihen ließ, zeigt, daß die persönliche Distanz zum Heiligenkult die landesherrliche Kirchenpolitik zwar beeinflußte, aber auch nicht völlig be-herrschte. So gesehen, förderte Georg das Annaberger Heiltum nicht wegen, sondern trotz seiner persönlichen Einstellung zur Reliquienverehrung; er unterschied – um mit Franz Machilek zu reden – zwischen Privat- und Staatsfrömmigkeit.137 Die Verpfl ichtung des Landesherrn zur Kirchenfürsorge und zur Förderung der Laienfrömmigkeit wog schwer, denn schließlich war der volksfromme Heiligen- und Reliquienkult bis hinauf zum Herzogshof in allen sozialen Schichten verankert. So übernahm Georg beim Auf bau des Heiltums zwar nicht die Initiative, aber er entsprach mit seiner Beteiligung, die einer landesherrlichen Approbation des Kultes gleichkam, den Bedürfnissen der Annaberger Bürger und wurde seiner Rolle als frommer Fürst gerecht.

135 Für diese Einschätzung vgl. z. B. Wolf, Kirchliches Leben, 53 f.; Schulze, Heiligenverehrung, 311; Ludolphy, Ursachen, 36; Wartenberg, Landesherrschaft, 46 f.; Titze, 162. 136 Vgl. dazu ausführlicher Volkmar, Annaberger Heiltum. 137 Vgl. Machilek.

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3. Fallbeispiel, thematisch: Herzog Georg und der Ablaß a) Kontrolle Die Koordinaten Förderung, Kontrolle und Kritik, die für die Frömmigkeitspolitik Herzog Georgs bestimmend waren, strukturieren auch das Feld der Ablaßpolitik.138 Die Grundzüge der landesherrlichen Aufsicht über das Ablaßwesen hat bereits Felician Gess präzise herausgearbeitet und dabei deutlich gemacht, daß Herzog Georg auf diesem Feld an eingespielte Handlungsmuster wettinischer Kirchenpolitik anknüpfen konnte.139 Dies betraf zunächst den zentralen Anspruch des Landesherrn, über die Zulassung von Ablaßkampagnen in seinem Herrschaftsbereich zu entscheiden. Hier okkupierte die weltliche Obrigkeit wieder einmal bischöfl iche Kompetenzen bzw. trat als neue Genehmigungsinstanz neben die Bischöfe, denen nach wie vor die formale Approbation oblag.140 Dabei entbehrte die weltliche Einmischung in das geistliche Institut des Ablasses jeglicher rechtlichen Begründung, die landesherrliche Ablaßhoheit war – wie auch ihr königliches oder städtisches Pendant andernorts – vielmehr ein rein machtpolitischer Anspruch. Dieser mußte deshalb immer wieder durch Umsetzung in der Praxis bestätigt werden, sowohl nach außen gegenüber dem Papst und seinen Ablaßkommissaren, als auch nach innen gegenüber den geistlichen und weltlichen Herrschaftsträgern im Territorium.141 138 Zum spätmittelalterlichen Ablaßwesen und speziell zu den großen Ablaßkampagnen der Vorreformation vgl. Paulus, Ablaß; Hashagen, Staat und Kirche, 162–178; Moeller, Ablaßkampagnen; Janssen, Ablaßpolitik; Winterhager, Ablaßkritik, 6–71. Besondere Aufmerksamkeit haben zuletzt die Kampagnen Kardinal Raimund Peraudis gefunden. Vgl. Eiser mann, Ablaß als Medienereignis; Schmid, Peraudi; Röpcke; Vogtherr. 139 Vgl. ABKG, Bd. 1, LXVII–LXXXI. 140 Papst Leo X. forderte Bischof Johann VI. 1516 zur Zulassung des Petersablasses Arcimboldis in der exemten Diözese Meißen auf. Vgl. Breve Papst Leos X. an Bischof Johann VI. von Meißen, Rom, 30. September 1515, A. S. V., Br. Min., Bd. 3, Nr. 118. – Herzog Georg ließ die Jubeljahrbulle für Annaberg trotz großer Zeitnot durch Bischof Johann VI. bestätigen, bevor sie nach Annaberg überstellt wurde. Vgl. Brief Herzog Georgs an die Räte zu Dresden, Weißenfels, 18. Juli 1517, ABKG, Bd. 1, 19. 141 Die Durchsetzung gegenüber den Ablaßkommissaren illustriert das Beispiel der Abwehr des Petersablasses im Bistum Merseburg 1517. Siehe unten, Abschnitt 3 c). – Die Ablaßhoheit im Territorium verdeutlichen Details wie eine Anweisung Georgs an 11 Bischöfe, Grafen und Herren zur Ablieferung des in ihrer »graffeschafft« gesammelten Jubeljahrgeldes an die Abgesandten Kaiser Maximilians im Jahre 1511, die vermutlich im Zusammenhang mit dem Tauziehen um die Gelder der Peraudikampagne von 1501–1504 zu sehen ist. Ausschreiben Herzog Georgs an Bischöfe, Grafen und Herren, Dresden, 15. Mai 1511, Cop. 113, Bl. 91a ; vgl. dazu ABKG, Bd. 1, LXXIV–LXXX. – Für den Freiberger Butterbrief, den die Wettiner förderten, ließ sich Georg vom Papst explizit einen Geltungsbereich bestätigen, der alle Untertanen und Vasallen der Albertiner umfasste (»ac illarum vigore homines predicti [= Albrecht und Georg] ac etiam subditi, comitum, baronum et nobilium dicti ducis vassalorum, etiamsi ex aliis feudis aliorum dominorum sint subditi, et advenientes prefati butiro caseo et aliis lacticiniis diebus predictis vesci libere et licite valeant in omnibus et per omnia«, Bulle Papst Innozenz’ VIII., Rom, 14. Juni 1492, CDS, II, Bd. 12, 565 f.). – Manche Vasallen

374 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) Außerhalb, oder besser: unterhalb des Blickfelds albertinischer Ablaßhoheit, die insgesamt als typisch für die europäischen Verhältnisse gelten kann,142 lag das weite Feld der unzähligen kleinen Ablässe, die sich in zahlreichen Kirchen erwerben ließen, aber auch durch fromme Übungen wie Gebete oder das Hören von Predigten zu verdienen waren.143 Zu den Ablaßkampagnen, die Herzog Georg für sein Territorium zuließ, gehören die beiden Türkenkreuzzugsablässe Kardinal Peraudis, die 1489/90 und 1502/03 Sachsen erreichten, sowie der Kreuzzugsablaß des Deutschen Ordens in Livland, der seit 1504 im Bistum Merseburg und 1507/09 in der Diözese Meißen gepredigt wurde.144 Zulassung verband sich dabei stets mit Kontrolle. Die meiste Aufmerksamkeit fanden die Ablaßgelder, die in großen Truhen in den Kirchen gesammelt wurden. Landesherrliche Beamte überwachten die Öffnung der Ablaßkisten, Gnadengelder wurden in landesherrlichen Kassen auf bewahrt, etwa auf dem Leipziger Rathaus. Hier kam dann auch das finanzielle Interesse der weltlichen Obrigkeit ins Spiel. Schon Kurfürst Friedrich II. hatte 1458 den Türkenablaß Calixt’ III. erst zugelassen, als ihm die Hälfte der Einnahmen versprochen wurde, offiziell zur Rüstung gegen die Hussiten. Seine Nachfolger vermochten zwar nicht, ähnlich üppige Anteile herauszuhandeln, aber auch Herzog Georg gelang es regelmäßig, aus den Ablaßgeldern Beisteuern für kirchenpolitische Vorhaben im eigenen Land abzuzweigen.145 Der eigentliche Prüfstein für den Einfluß des Landesherrn aber war das Vermögen, einen unliebsamen Ablaß außer Landes zu halten. Grundsätzlich zog Herzog Georg diese Option bei jeder auswärtigen Ablaßkampagne in Bewie die Burggrafen von Leisnig behaupteten dennoch zumindest ein Zustimmungsrecht. Die tatkräftige Burggräfi n Johanna bestätigte die Predigt des Butterbriefes in ihrer Herrschaft Penig, mit der Herzog Georg den Prediger zu Rochlitz beauftragt hatte, durch eine eigene Urkunde und begrenzte die Zulassung auf ein Jahr. Vgl. Urkunde Burggräfi n Johannas und Burggraf Alexanders von Leisnig, Penig, 25. Januar 1492, Loc. 9026/2, Bl. 4b. Vgl. auch Kobuch, Leisnig, 117–133. 142 Vgl. Hashagen, Staat und Kirche, 162–178. 143 Es handelte sich hierbei in der Regel um bischöfl iche Ablässe (40 Tage) oder Kardinalsablässe (100 Tage) bzw. von mehreren Kardinälen ausgestellte Ablässe von jeweils 100 Tagen, sogenannte Sammelindulgenzen. Aus der Fülle der Beispiele, wie sie etwa die Urkundenbücher des CDS enthalten, sei der Ablaß für den Besuch des Bennoheiltums genannt, den Kardinal Peraudi 1501 ausstellte. Vgl. Urkunde des Kardinallegaten Raimund Peraudi, Brixen, 11. November 1501, CDS, II, Bd. 3, 316; Zu bischöfl ichen Ablässen vgl. z. B. Wießner, Bd. 1, 399–406; Janssen, Ablaßpolitik, 965–977. Zu den Sammelindulgenzen vgl. jetzt Seibold. 144 Vgl. ABKG, Bd. 1, LXXI–LXXVIII; zu den Kampagnen vgl. Moeller, Ablaßkampagnen, 58–69; Schmid, Peraudi, 65–88; Winterhager, Ablaßkritik, 22–25; Janssen, Ablaßpolitik, 958–965. 145 Vgl. ABKG, Bd. 1, LXVII–LXXXI. Einen Sonderfall stellte der in Leipzig deponierte Zweidrittelanteil der Einnahmen der Türkenkampagne Peraudis von 1501–1504 dar, die Kaiser Maximilian zufielen, allerdings von Georg zurückgehalten und letztlich einvernehmlich zur Tilgung habsburgischer Schulden verwendet wurden.

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tracht.146 Manchmal erschien ein Verbot jedoch von vornherein aussichtslos, etwa bei der Jubiläumskampagne Kardinal Peraudis 1501–1504, für die eine offi zielle Zulassung durch den Reichstag vorlag.147 Erst im Jahre 1516/17 setzte Herzog Georg erstmals landesweite Verbote durch, als gleich drei Kampagnen Einlaß in Sachsen begehrten. Alle drei Ablässe sollten dem Ausbau des päpstlichen Rom zur Renaissancemetropole zugute kommen: zwei Kampagnen predigten den Bauablaß für St. Peter – in den Kirchenprovinzen Magdeburg und Mainz die Subkommissare Kardinal Albrechts, im exemten Bistum Meißen der Kuriale Johannes Arcimboldi –, die dritte sammelte für das in unmittelbarer Nachbarschaft zum Vatikan gelegene Hospital S. Spiritu in Sassia.148 Seine Verbote begründete Herzog Georg mit traditionellen Topoi der Ablaßkritik, wie dem nur zu wahren Argument, die Ablaßgelder würden oft zweckentfremdet.149 Als Vorwand diente ihm aber auch ein Mandat Kaiser Maximilians, worin sich dieser die Genehmigung aller weiteren Ablaßkampagnen im Reich vorbehalten hatte. Freilich folgte Georg dem kaiserlichen Willen nur so lange, wie er sich mit seinen eigenen Interessen deckte. Als Maximilian den Petersablaß des Legaten Arcimboldi 1516 explizit für das Bistum Meißen zuließ und dabei auch noch den Meißner Bischof als Reichsfürsten in die Pfl icht nahm,150 ignorierte Georg dies und argumentierte noch im folgenden Jahr stereotyp mit dem kaiserlichen Verbot, das ihm längst zur Blankovollmacht für seine eigene Ablaßhoheit geworden war.151 Das eigentliche Motiv Georgs aber war wohl die Sorge um den Erfolg des Annaberger Plenarablasses, den seine Prokuratoren gerade unter großem Kostenaufwand in Rom besorgten. Da in den Jahren um 1500 mit der sprunghaften Zunahme überregionaler Ablaßkampagnen ein regelrechter Verdrängungswettbewerb eingesetzt hatte, erschien ein Schutz des eigenen »Ablaßmarktes« durchaus geboten.152 Solche Überlegungen lassen sich auch bei Georg nachweisen: 1509 begründete er die Abwehr einer Ablaßkampagne damit, daß bereits eine andere zugelassen worden sei, die gleichzeitige Zulassung einer zweiten Gnade aber »mehr ergernus dann gutes bey gemeinem volke« bewirken wür-

146

Vgl. ebd. Vgl. Schmid, Peraudi, 75–80. 148 Vgl. ABKG, Bd. 1, LXXXI; Aufzeichnung über Verhandlungen zwischen ernestinischen und albertinischen Räten, Leipzig, 3. Februar 1517, ebd., 1 f. – Zu den Kampagnen vgl. Moeller, Ablaßkampagnen, 66; Winterhager, Ablaßkritik, 22–27. 149 Siehe unten, Anm. 182; vgl. auch ABKG, Bd. 1, LXVII–LXXXI. 150 Vgl. Urkunde Kaiser Maximilians I., Ernberg, 27. August 1516, CDS, II, Bd. 3, 334. 151 Die Aussagen Georgs (zuerst am 23. Mai 1516) lassen keine eindeutige Identifi zierung des Mandats zu. Felician Gess weist ein entsprechendes Mandat Maximilians vom 7. März 1515 nach, das jedoch schon am 13. April widerrufen wurde. Vgl. ABKG, Bd. 1, LXXXI mit Anm. 1; 1 mit Anm. 3. 152 Moeller, Ablaßkampagnen, 65 f. 147

376 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) de.153 Gleichzeitig wußte Georg um die Grenzen seiner Einflußmöglichkeiten. Angesichts der territorialen Gegebenheiten war insbesondere ein gemeinsames Vorgehen mit den Ernestinern eine Voraussetzung für jede effektive Aussperrung. Im Grundsatz einigten sich beide Linien im Frühjahr 1517 auf eine restriktive Politik, in der Praxis aber fehlte mitunter die Einigkeit.154 Der Kontrollanspruch, den die Landesherrschaft gegenüber den Ablaßkampagnen erhob, wurde auch auf andere Formen kirchlicher Spendensammlungen übertragen. So gerieten regional organisierte Almosensammlungen und das Terminwesen der Bettelorden in das Blickfeld landesherrlicher Aufsicht, zumal das Almosengeben (als eines der sieben leiblichen Werke der Barmherzigkeit nach Mt 25, 31–46) zu den Kernelementen mittelalterlicher Laienfrömmigkeit gehörte.155 Wie beim Ablaß trat die landesherrliche Aufsicht neben die Kompetenz der Bischöfe, denen die Approbation der zumeist für den Kirchenbau eingerichteten Almosensammlungen oblag und die dafür eine Gebühr kassierten. So gestattete Herzog Georg im Februar 1513 den Franziskanern zu Kamenz »das sye das hailig almusen inn unsern lannden unnd furstenthumb suchen unnd bitten mogen«, um damit die Neuerrichtung ihres Klosters zu fi nanzieren.156 Pfarrer und Kirchvätern zu Ebersbach wurde die Sammlung für den Bau einer Valentinskapelle 1503 vom Landesherrn für ein Jahr gestattet.157 Die Bedeutung solcher Kollektensammlungen für die Konjunktur des spätmittelalterlichen Kirchenbaus ist, wie Klaus Militzer kürzlich am Beispiel des Kölner Doms zeigen konnte, kaum zu unterschätzen.158 Legitimation gewann die landesherrliche Aufsicht auch hier aus der Fähigkeit zur Konfl iktlösung. In Oederan waren Pfarrer und Kirchväter einig in ihrem Unmut über eine Sammlung der Rosenkranzbruderschaft, die »mit der taffelnn vor der kirchenn [. . .] bitten« ließen. Doch nachdem sich Georg beim Meißner Bischof von der Approbation der Sammlung überzeugt hatte, drohte er Pfarrer und Gemeinde mit Konsequenzen, sollten sie nicht Ruhe geben.159 Regulative Eingriffe Herzog Georgs in das Terminwesen schließlich belegen neben dem 153 Brief Herzog Georgs an den Kanzler zu Böhmen, o.O., 12. Januar 1509, ABKG, Bd. 1, LXXVI, Anm. 1. 154 Vgl. Brief Herzog Georgs an Kurfürst Friedrich und Herzog Johann d.Ä., Dresden, 7. März 1517, ABKG, Bd. 1, 3 f. 155 Zum schlecht untersuchten Terminwesen in Mitteldeutschland vgl. jetzt Nitz (mit weiterer Literatur). 156 Urkunde Herzog Georgs, Dresden, 21. Februar 1513, Domstiftsarchiv Bautzen, Abteilung 1, Loc. LXI, Nr. 9. Für den freundlichen Hinweis auf diesen Beleg danke ich Herrn Markus Cottin M. A. (Leipzig). – Die Gebäude des Kamenzer Franziskanerklosters wurden in den Jahren 1493–1507 errichtet. Vgl. Blaschke, Art. Kamenz. 157 Vgl. Brief Herzog Georgs an Pfarrer und Gemeinde zu Ebersbach, [Dresden] 13. November 1503, Cop. 109, Bl. 63a. 158 Vgl. Militzer. 159 Brief Herzog Georgs an Pfarrer, Kirchväter und Bürger zu Oederan, Dresden, 7. Juni 1512, Cop. 116, Bl. 240b.

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oben geschilderten Konfl ikt um Wurzen zwei Missiven vom Januar 1504, die das Monopol der Leipziger Franziskaner auf Termineien in den Ämtern Leipzig und Delitzsch gegen die Konkurrenz des Zeitzer Konvents verteidigten.160 b) Förderung Als zentrales Element vorreformatorischer Laienfrömmigkeit fand auch das Ablaßwesen die Förderung Herzog Georgs. Belege aus den frühen Jahren Annabergs zeigen, wie Georg dort die Ablaßfrömmigkeit der Bevölkerung zu fördern suchte. Auch der Plan der Stadtväter von Großenhain, den Ablaßkommissar des Livlandindults um eine zweite Predigtkampagne in ihrer Stadt zu bitten, fand seine Zustimmung.161 Allerdings hielten sich Interesse und Initiative Georgs in Sachen Ablaß sehr in Grenzen. So hat er zwar die Mehrzahl der großen Ablaßkampagnen zugelassen, sie jedoch darüber hinaus nicht besonders gefördert.162 Anders als Friedrich der Weise oder Albrecht von Brandenburg, die sich ihre Reliquiensammlungen mit riesigen Ablaßsummen ausstatten ließen, zeigte Herzog Georg auch nie ein persönliches Interesse am Erwerb großer Ablässe. So wurde bei den jahrzehntelangen Bemühungen um die Heiligsprechung Bennos von Meißen die Ausstattung seines Meißner Heiltums mit einem großen päpstlichen Ablaß nie erwogen. Nur in wenigen Fällen wirkte Georg selbst auf die Ausstellung eines Ablasses hin. Die intensiven Bemühungen um den Annaberger Jubiläumsablaß, die sich über ein Jahrzehnt erstreckten, blieben ein Einzelfall.163 Das dominante Motiv des Landesherrn war dabei die Finanzierung des besonders ambitionierten Bauvorhabens der Annenkirche. Der Finanzierung – hier eines Kanonisationsprozesses – diente auch der kleinere Kardinalsablaß, den Georg 1501 von Raimund Peraudi zugunsten des Bennoheiltums erbat.164 In beiden Fällen gingen die Ablaßgelder übrigens nicht durch die Kassen der landesherrlichen Finanzverwaltung. Nach dem Annaberger Vorbild war schließlich 1523 noch einmal ein Plenarablaß für die Kirche einer albertinischen Bergstadt im Gespräch, diesmal 160 Vgl. Briefe Herzog Georgs an Bischof Thilo von Merseburg und an die Amtleute von Leipzig und Delitzsch, Dresden, 19. Januar 1504, Cop. 109, Bl. 31a. Zum Fallbeispiel Wurzen siehe S. 197. 161 Zu Annaberg siehe oben, Abschnitt 2 a); zu Großenhain vgl. Brief Herzog Georgs an den Stadtrat von Großenhain, Dresden, 21. Februar 1509, Cop. 110, Bl. 81a. 162 Dies gilt, soweit ich sehe, auch für den Kreuzzugsablaß des Deutschen Ordens in Livland. Zwar meint Felician Gess, Georg habe diesen als – doch allenfalls indirekte – Unterstützung für seinen Bruder in Preußen »begünstigt und gefördert« (ABKG, Bd. 1, LXXVIII), doch beschränkte sich diese Förderung auf ein Empfehlungsschreiben für die Zulassung des Ablasses in den böhmischen Lausitzen vom 27. Oktober 1508, betraf also gerade nicht die Ablaßpredigt im albertinischen Territorium. Vgl. ebd., LXXVI, Anm. 2. 163 Siehe S. 142–149. 164 Vgl. Urkunde des Kardinallegaten Raimund Peraudi, Brixen, 11. November 1501, CDS, II, Bd. 3, 316.

378 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) für St. Nikolai zu Altenberg. Die Initiative ging dabei, noch viel deutlicher als im Falle Annabergs, von der Stadt selbst aus, die den Landesherrn bat, für sie in Rom aktiv zu werden.165 c) Kritik Ohne Ablaß keine Reformation. Als unmittelbarer Anstoß für die 95 Thesen Martin Luthers gehören Ablaßpraxis und Ablaßkritik zu den klassischen Themen der Reformationsgeschichte. In jüngster Zeit haben Thesen von Wilhelm Ernst Winterhager die alte Diskussion neu belebt.166 Winterhager versucht nachzuweisen, daß der Ablaßhandel bereits im Zeitraum 1500–1517 zunehmend auf Ablehnung und Widerstand stieß und die Einnahmen aus den Ablaßkampagnen rapide zurückgingen. Die überwältigende Resonanz auf Luthers 95 Thesen erkläre sich nicht aus ihrem Neuigkeitswert, sondern daraus, daß sie der vorhandenen ablaßfeindlichen Haltung vieler Laien am Vorabend der Reformation eine theologische Begründung geliefert hätten. Als Kronzeugen führt Winterhager an zentraler Stelle Georg von Sachsen an.167 Er zitiert die bekannte Äußerung des Rates Cäsar Pflug, in der dieser vier Wochen nach dem »Thesenanschlag« Herzog Georgs Entschluß, für eine Verbreitung der 95 Thesen zu sorgen, gegenüber dem Bischof von Merseburg begründet: »das die arme leute, die also zulifen und die gnade suchen, vor dem betrig Tetzels vorwarnt wurden und die conclusiones, die der Augustinermönch zu Wittenberg gemacht, an vil ortern angeslagen wurden«.168 War also Herzog Georg in Wirklichkeit ein Gegner des Ablasses? Tatsächlich ist bekannt, daß Georg in seiner persönlichen Religiosität kein Interesse an Ablaßgnaden zeigte.169 Doch ist auch hier – wie schon bei der Heiligenverehrung – prinzipiell zwischen persönlicher Frömmigkeit und den Leitlinien fürstlicher Kirchenpolitik zu unterscheiden.170 In der Kirchenpolitik sind ablaßkritische Aussagen Herzog Georgs zunächst nur beim Vorgehen gegen fremde Ablaßkampagnen zu fi nden. Dabei werden stereotyp immer wieder 165 Vgl. Brief Herzog Georgs an Bischof Johann VII. von Meißen in Rom, Dresden, 4. Januar 1523, ABKG, Bd. 1, 421–425. 166 Vgl. Winterhager, Ablaßkritik; ein Überblick über die vorreformatorische Ablaßkritik bei Janssen, Ablaßpolitik, 973–977; zur Kontroverse um die 95 Thesen vgl. zusammenfassend Brecht, Bd. 1, 173–215. Zu korrigieren ist jedoch Brechts Darstellung der Thesenrezeption durch Adolf von Merseburg und Herzog Georg (ebd., 200), die auf einer Fehlinterpretation des unten zitierten Briefes von Cäsar Pflug beruht. 167 Vgl. Winterhager, Ablaßkritik, 17–21, mit Anm. 35. 168 Brief Cäsar Pflugs an Herzog Georg, o.O., 27. November 1517, ABKG, Bd. 1, 28 f.; zum Kontext des Quellenstücks, aus dem das Vorhaben als Plan Herzog Georgs erkennbar wird, vgl. Werl, Herzog Georg, 66–69. 169 Siehe S. 82–88. 170 Siehe oben, Abschnitt 2 c) und vgl. Volkmar, Annaberger Heiltum; ders., Fürstliche Heiligenverehrung.

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zwei Argumente vorgebracht: Einerseits werden die Laien durch ein Überangebot an Ablässen fi nanziell ausgeblutet, knappes Bargeld geht außer Landes. Andererseits werden die eingesammelten Ablaßgelder von den Initiatoren zweckentfremdet.171 Nicht der Ablaß an sich wird also kritisiert, sondern einzelne Mißstände des Ablaßwesens. Vor dem Hintergrund des zeittypischen Verdrängungswettbewerbs ist der funktionale Aspekt dieser systemimmanenten Kritik evident: Sie wird vorgeschoben, um die Abwehr fremder Ablässe durch deren moralische Abwertung zu legitimieren, dient aber tatsächlich dem Schutz eigener Kampagnen. Eine grundsätzliche Distanz Herzog Georgs zum Ablaßwesen kann hieraus kaum abgeleitet werden. Noch weniger läßt sich die Haltung des jungen Georg im Streit um die Freiberger Butterbriefe mit dem Bild des Kritiker römischer Gnaden vereinbaren. Auf Bitten Herzog Albrechts und des Freiberger Kollegiatstifts hatte Papst Innozenz VIII. 1491 ein Indult erlassen, das gegen eine Spende zugunsten des abgebrannten Freiberger Domes den Genuß von Butter und Milchspeisen in den Fastenzeiten erlaubte.172 Mit tatkräftiger Unterstützung Herzog Georgs wurde der Butterbrief in ganz Sachsen vertrieben und dabei zusätzlich mit einem zwanzigjährigen Ablaß verknüpft, wie ein gedrucktes Summarium belegt.173 Doch regte sich bald öffentliche Kritik gegen das Indult. Drei angesehene Doktoren der Leipziger Universität formulierten juristische, moralische und pastoraltheologische Bedenken, die auch eine Spitze gegen das Papsttum enthielten.174 171

Vgl. ABKG, Bd. 1, LXVII–LXXXI, und siehe oben, Abschnitt 3 a). Vgl. Bulle Papst Innozenz’ VIII., Rom, 10. Juli 1491, CDS, II, Bd. 12, 562 f. 173 Herzog Georg befahl allen Stadträten, den Kommissaren des Freiberger Kollegiatstifts die Verkündung der Bulle und die Ausstellung von Butterbriefen in ihrer Pfarrkirche und in den größeren ländlichen Kirchspielen zu gestatten. Vgl. Ausschreiben Herzog Georgs, 31. Oktober 1491, ebd., 564. – Der 1491/92 bei Konrad Kachelofen in Leipzig hergestellte Einblattdruck enthält die Bestätigung des Fastenindults durch Bischof Thilo von Merseburg, ein durch Kachelofen angefertigtes Transsumpt und ein deutsches Summarium. In diesem heißt es entgegen dem Inhalt der Bulle: »alle und itzliche, die yr heiliges almosen und milde handtreichunge geben tzu der stifft kirchen Unser Liben Frauen tzu Freiberg von unsern genedigen herrn von Sachsen gestifft und auffgericht iczdt aus feures not gentzliche.[n] vortorbe.[n] un.[d] tzu bauen news angehabe.[n], die mache.[n] sich theilhafftig ube.[r] den aplas als xx iar un.[d] so vil carenin etliche.[n] Unser Libe.[n] Frawe.[n] tage.[n] vo.[m] stul tzu Rom dar tzu gebe.[n]«. Bischof Thilo von Merseburg, Verkündigung der Bulle »Ex suscepto servitutis officio« Papst Innozenz’ VIII. vom 10. Juli 1491, Merseburg, 29. November 1491 [Leipzig: Konrad Kachelofen, 1491/92] (VE 15, T-10), Loc. 9026/2, Bl. 4. Vgl. auch Kobuch, Wiegendrucke, 49 (Nr. 20). Solche Einblattdrucke waren seit den 1480er Jahren typisch für Ablaßkampagnen. Vgl. Eisermann, Ablaß als Medienereignis. 174 Neben den beiden Leipziger Theologen Dr. Georg Orter OP aus Frickenhausen und Johann Wenglmant OFM aus Bamberg trat der Jurist Dr. Johannes von Breitenbach (um 1440–1509) durch sein Consilium »De potestate domini Papae« als Kritiker hervor. Breitenbach war als Ordinarius der Juristenfakultät und Richter am Oberhofgericht ein wichtiger Funktionsträger des albertinischen Territorialstaats. Der gedruckte Ratschlag Breitenbachs formuliert neben formalen Bedenken (wegen zwei inhaltlichen Fehlern in der Narratio) auch 172

380 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) Herzog Georg reagierte prompt, jedoch kaum im Sinne der Kritiker. Nach einem ersten Versuch, die Bedenkenträger durch formale Korrekturen an der Bulle zu beruhigen,175 verlegte er sich darauf, die Kritik mit allen Mitteln zu unterdrücken. Eine in 5.000 Exemplaren gedruckte Schrift der Ablaßgegner ließ er im Verbund mit Bischof Thilo beim Drucker beschlagnahmen.176 Als auch ein Schlichtungsversuch unter Einbezug der Landesuniversität scheiterte, rief Georg sogar den päpstlichen Gerichtshof an, dessen Einmischung in partibus er sonst entschieden ablehnte.177 Zwar ging Georg der Rotaprozeß, den der deutsche Auditor Eggert Dürkop führte, nicht schnell genug voran,178 doch brachte er 1496 das gewünschte Ergebnis. Den Kritikern wurde Stillschweigen auferlegt, das Fastenindult konnte wieder ungestört vertrieben und 1509 sogar um weitere 20 Jahre verlängert werden.179 Vor diesem Hintergrund wird man die zustimmenden Äußerungen Herzog Georgs zu Luthers Thesen vorsichtiger zu interpretieren haben. Georgs Haltung zum Ablaßwesen hatte auch in den Jahren 1516/17 nichts von ihrer zweckrationalen Ambivalenz eingebüßt. Während er den Petersablaß und den Ablaß zugunsten des römischen Spitals S. Spiritu in Sassia verbot,180 bemühte er sich zugleich um die Verleihung einer indulgentia ad instar iubilaei für den Kirchenbau in Annaberg. An der Annaberger Bulle war ausgerechnet Tetzel als Berater Georgs maßgeblich beteiligt, auf ihn ging z. B. die Ausweitung der Indulgenz

moralische Kritik. Den Butterbriefen wird der Handel von Gnade für Geld und die Förderung von Lust und Laxheit vorgeworfen. Die Vorwürfe gipfeln in einer Kritik am Papst als Aussteller des Indults, der durch die unnötige Außerkraftsetzung des frommen Fastenbrauches Gefahr laufe, zu sündigen: »(ne) ipse papa sic dispensando [. . .] peccaret«. Vgl. Petzold, 147–164, das Zitat 152. 175 Vgl. Bulle Papst Innozenz’ VIII., Rom, 14. Juni 1492, CDS, II, Bd. 12, 565 f. Die Bulle, die »pro parte Georgii ipsius Alberti ducis primogeniti petitio« erging, korrigierte die inhaltlichen Fehler der Narratio des Fastenindults, in der behauptet worden war, in Sachsen sei kein (Oliven-)Öl verfügbar und Herzog Albrecht habe gegen die Hussiten gekämpft. 176 Vgl. Brief Bischof Thilos von Merseburg an Herzog Georg, Merseburg, 30. Juni 1492, Loc. 9026/2, Bl. 1 f.; Brief Herzog Georgs an dens., Dresden, 3. Juli 1492, ebd., Bl. 3. Es handelte sich dabei um »den drugk, von dem als doctor Breitenbach uff die bebstlichen bullen, milchwergk zugebrauchen, gemacht« (ebd., Bl. 1), also das erwähnte Consilium. Die Drucke sollten auf Befehl des Rotaauditors Dürkop verbrannt werden, allerdings hat sich ein Exemplar in der Leipziger UB erhalten. Vgl. Petzold, 148 f. 177 Vgl. Schlichtungsspruch Herzog Georgs, Dresden, 13. Oktober 1492, CDS, II, Bd. 12, 567; Brief Eggert Dürkops, Bischof von Schleswig, an den Erzbischof von Magdeburg und die Bischöfe von Merseburg und Meißen, Rom, 12. Juni 1493, ebd., 568–581. 178 Vgl. Kopialeintrag zu Briefen Herzog Georgs an Papst Alexander VI. und drei Kardinäle, o.O., 28. Januar 1495, Cop. 105, Bl. 80b: »umb ein breve zuerlangen, daß den monchen sub censur.[a] wurde geboten, das indult zu publicirn, daß auch die sache in der Rota ane weiter advocirn ire entschaft erlangte«. 179 Vgl. Breve Papst Alexanders VI., Rom, 26. August 1496, CDS, II, Bd. 12, 593; Bulle Papst Julius II., Rom, 23. November 1509, ebd., 612 f. 180 Siehe oben, Abschnitt 3 a).

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auf Verstorbene zurück.181 Das Verbot der Tetzelschen Peterskampagne und die Nutzung der Sachkompetenz des Dominikaners für eigene Vorhaben waren für Georg also durchaus vereinbar – ein weiteres Indiz dafür, daß nicht grundsätzliche Ablaßkritik, sondern die Durchsetzung der landesherrlichen Ablaßhoheit sein Handeln bestimmte. Auch die dichte Korrespondenz zur – nur teilweise erfolgreichen – Abwehr des Petersablasses im Bistum Merseburg zeigt klar, daß es Georg noch im Frühjahr 1517 allein um die Vermeidung von unliebsamer Konkurrenz und die Kontrolle des Geldabflusses ging – zumal wenn dieser jenem Hohenzoller zugute kommen sollte, der sich gegen Georgs Sohn auf dem Magdeburger Erzstuhl durchgesetzt hatte.182 Von Ablaßfeindlichkeit keine Spur. Um so deutlicher ist der Eindruck erkennbar, den die 95 Thesen Martin Luthers bei Herzog Georg hinterließen. Schon Mitte November 1517 lernte Georg sie in Leipzig kennen und entschloß sich sogleich, ihre Verbreitung zu unterstützen.183 Durch Cäsar Pflug informierte er den Merseburger Bischof Thilo von Trotha über die Thesen und warb für sein Vorhaben, diese im ganzen Land anschlagen zu lassen. Wie aber verstand Georg Luthers Einwände? Pflugs Bericht zeigt deutlich, daß Georg aus der Lektüre zwar neue Gedanken gewann, die Thesen aber letztlich nur selektiv rezipierte. Neu in Georgs Denken fi ndet die Idee Eingang, daß Ablaßpredigt Betrug sein kann, vor dem die »die arme leute [. . .] vorwarnt« werden müssen. Doch hier ist genau zu lesen: Nicht von einem Betrug der Kirche oder des Papstes spricht Georg, sondern vom »betrig

181 Vgl. Instruktion Johannes Tetzels [August/Oktober 1516], Gess, Ablaß, 543–547; Schulte, Bd. 1, 78. – Siehe Kap. 4.1.2.4. 182 Zum Streit um Magdeburg siehe S. 179–189. – Trotz Georgs Verbot erfaßte die Tetzelsche Ablaßkampagne im Frühjahr 1517 das Bistum Merseburg. Im Leipziger Dominikanerkloster warb Tetzel mit Predigten für den Ablaß, doch unterblieb die Ausstellung von Ablaßbriefen in Leipzig. Der Bischof von Merseburg wiederum gestand den Kommissaren seines Metropoliten Albrecht zu, den Ablaß vor den Toren Leipzigs in den bischöfl ichen Städten Schkeuditz, Zwenkau und Lützen zu verkaufen. Herzog Georg rügte die Dominikaner und die Statthalter des verreisten Bischofs und schärfte ihnen die Einhaltung des landesherrlichen Verbots ein. In beiden Fällen verfügte er mit dem Argument, daß »solch geld uftmals [. . .] zu andern sachen, dann es vorordent, gebraucht wirdet«, die vorübergehende Festsetzung der Ablaßgelder, um ihre zweckgemäße Verwendung zu überprüfen. Doch war in Leipzig kein Geld vorhanden, weil kein Verkauf stattgefunden hatte. In Merseburg wiederum vermochten sich die von Günther von Bünau zu Elsterberg geführten Statthalter sehr zum Zorn Georgs nicht gegen den magdeburgischen Schatzmeister durchzusetzen, der – im alleinigen Besitz der Schlüssel zur Ablaßkiste – Georgs Wunsch ignorierte und das Geld nach Halle wegführte. Vgl. Brief Herzog Georgs an die Dominikaner zu Leipzig, Dresden, 1. April 1517, ABKG Bd. 1, 6, dort das Zitat; Brief desselben an Cäsar Pflug, Dresden, 2. April 1517, ebd., 7 f.; Brief der Dominikaner zu Leipzig an Herzog Georg, Leipzig, 6. April 1517, ebd., 8 f.; Protokoll aus der Umgebung des Dr. Günther von Bünau [zu Elsterberg], Bischof von Samland, Merseburg, 19. April 1517, ebd., 9–13; Antwort Cäsar Pflugs und Dr. Johann Kochels im Auftrag Herzog Georgs an dens., 2. Mai 1517, ebd., 13 f. 183 Vgl. Werl, Herzog Georg.

382 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) Tetzels«.184 Nicht der Ablaß an sich ist also fragwürdig, sondern die Verkündigungspraxis eines einzelnen Ablaßpredigers. Damit liegt er ganz auf der Linie der Empörung vieler Zeitgenossen über die marktschreierische Ablaßpredigt Tetzels, deren Entgleisungen ja auch für Luther maßgeblicher Anstoß zu den Thesen waren.185 Die selektive Rezeption, die allein auf die gegen Tetzel gerichteten Aussagen Luthers abhebt, verweist aber auch darauf, daß Georg die Ideen des Wittenberger Professors von Beginn an mit Bezug auf seine eigenen Interessen interpretierte. Indem er den von Luther aufgedeckten »betrig Tetzels« öffentlich machte, wollte Georg auf einem neuen Weg sein altes Ziel erreichen, dem Petersablaß auch im Merseburger Sprengel den Boden zu entziehen. Klar belegt Pflugs Bericht, daß es Georg bei der Verbreitung der Thesen darauf ankam, den fremden Ablaß moralisch zu diskreditieren, um auf seine offizielle Auf hebung hinzuwirken (wie dies Luther in seinem Begleitschreiben zu den Thesen gefordert hatte) 186 oder zumindest diejenigen zu erreichen, »die also zulifen und die gnade suchten« – jene albertinischen Untertanen, die ins Erzstift Magdeburg oder nach Kurbrandenburg gingen, um den in Sachsen verbotenen Ablaß zu erwerben.187 Dabei deckten sich Georgs Interessen mit denen Friedrichs des Weisen, denn auch die Ernestiner hatten Albrechts Petersablaß verboten und begleiteten Luthers Initiative deshalb mit Wohlwollen.188 Georgs Entschluß, die 95 Thesen Luthers zu verbreiten, entsprang also nicht einer generellen Ablaßkritik, sondern verfolgte zunächst das isolierte Ziel, sein eigenes Verbot des Petersablasses argumentativ zu flankieren. Als sich die Debatte um die 95 Thesen in der Folgezeit ausweitete, hielt er es für ratsam, die theologischen Unschärfen der Verkündigungspraxis durch die Lehrautorität der Kirche klären zu lassen, um auf die Laienkritik zu reagieren. Vor allem aus diesem Grund unterstützte er das Vorhaben der Leipziger Disputation.189 Für eine grundsätzliche, aus theologischer Einsicht gespeiste Abkehr vom Ablaß sah der Albertiner aber auch später keinen Anlaß. Weiterhin unterstützte 184

Pflug an Georg, 1517 (wie Anm. 168). Vgl. Rabe, 213; Moeller, Ablaßkampagnen, 67; zu den speziell auf die Tetzelsche Kampagne zielenden Thesen Luthers vgl. Winterhager, Ablaßkritik, 21; Borth, 19–21. 186 Dies war ein weiteres Anliegen Georgs, über das Pflug mit dem Merseburger Bischof verhandelte. Pflug berichtete, daß der Bischof »die gnade [. . .] auch gerne los were«, sich jedoch bei einer offi ziellen Auf hebung an die Entscheidung seines Magdeburger Metropoliten, eben Erzbischof Albrechts, gebunden sah. Pflug an Georg, 1517 (wie Anm. 168). 187 Ebd. – Anschaulich wird die Mobilität der Untertanen, das Auslaufen zum fremden Ablaß – dem später unter anderen Vorzeichen das Auslaufen zu den evangelischen Predigern folgen sollte – durch das Eingeständnis der Leipziger Dominikaner, sie seien durch »schwache und kranke leute« gebeten worden, »gnadenbriefe von er Tetzel unde den örtern, do man sie ausgibt, zu vorschaffen«. Brief der Dominikaner zu Leipzig an Herzog Georg, Leipzig, 6. April 1517, ebd., 8 f. 188 Vgl. Borth, 19–21. 189 Siehe S. 448–456. 185

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er den im Sommer 1517 genehmigten Annaberger Jubelablaß und überwachte die Einnahme der Ablaßgelder. Durch die Kontakte zu den Fuggern und seine römischen Prokuratoren trug er Sorge dafür, daß das päpstliche Drittel- das ja wie beim Tetzelablaß der Petersfabrik zugute kommen sollte – ordnungsgemäß nach Rom transferiert wurde. Noch 1521 verlängerte er eine entsprechende Geschäftsvereinbarung mit den Fuggern um drei Jahre.190 1523 ließ er gar in Rom um einen neuen Jubelablaß zugunsten der Bergstadt Altenberg supplizieren.191 Vor dieser Hintergrundmelodie sind die kritischen Töne über den Ablaß zu hören, die Georg in seinem Entwurf zu den Wormser Gravamina von 1521 anstimmte: »Es werden die indulgencien, dardurch der selen heil gescheen und die man mit beten, fasten, liebe des nehesten und andern guten werken erlangen solt, umb gelt gegeben. Da scheucht man nit, wie man die lobe, preise ader angebe, damit man nur vil gelts erlange und kumpt wol, das der prediger, der die warheit sagen solt, nichts anders dan betrieg und unwarheit den leuten furgibt. Das leidet man und lohnet im darumb, aus ursachen, das er vil gelts in kasten bringen kan; wan er uberredt die leut, was er wil.«192

Wieder ist es der »Betrug« der Prediger -Tetzel steht vor Augen – den Georg kritisiert, weil sich mit ihm eine Verkürzung der Ablaßverkündigung verbindet, die das Geld als einzige und hinreichende Leistung des Gläubigen hinstellt und die Kirche durch offenkundige Geldgier diskreditiert.193 Aber eine Fundamentalkritik am Ablaß ist auch dies im Jahr vier nach den Thesen nicht. Schon gar nicht ist es eine Kritik im Sinne Luthers, wenn der Fürst die Rolle der guten Werke hervorhebt und festhält, daß durch »die indulgencien [. . .] der selen heil« geschehe. Mit keiner Silbe äußert Georg Bedenken gegen die spätmittelalterliche Ablaßtheologie, der Ablaß bleibt für ihn eine legitime kirchliche Institution. Für die These Winterhagers, grundsätzliche Ablaßkritik sei schon vor dem Auftreten Luthers weit verbreitet gewesen, ist Herzog Georg also bei genauer Betrachtung kein geeigneter Zeuge.194 Das Gegenteil erweist sich richtig, wenn man das bekannte Zitat über die Thesen Luthers im Kontext liest. Georg war nie der willige Unterstützer eines Luther, der endlich auszusprechen gewagt hätte, was alle dachten. Er teilte lediglich die Abneigung gegen den konkreten Anlaß der 95 Thesen, die Tetzelsche Peterskampagne, und zeigt sich deshalb an 190

Siehe S. 147. Vgl. Brief Herzog Georgs an Bischof Johann VII. von Meißen in Rom, Dresden, 4. Januar 1523, ABKG, Bd. 1, 421–425. 192 Beschwerden Herzog Georgs wider die Geistlichkeit auf dem Reichstag zu Worms [Anfang Februar 1521], ABKG, Bd. 1, 150–153 (ebenso in: RTA, JR, Bd. 2, 662–666). 193 Auf dieser Linie liegt auch Georgs Engagement für die Leipziger Disputation. Siehe S. 448–456. 194 Vgl. Winterhager, Ablaßkritik, 21 mit Anm. 35, das Zitat »herrschende Stimmung« ebd., 17. 191

384 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) ihrer Verbreitung interessiert. Eine grundsätzliche, theologisch motivierte Ablaßkritik, wie sie Luthers eigentliches Anliegen war, hat er hingegen zu keinem Zeitpunkt unterstützt – die historische Wirklichkeit ist auch hier vielschichtiger, als es zunächst scheinen will.

4. Die Lebensführung der Untertanen als neues Handlungsfeld landesherrlicher Kirchenreform Als ethische Religion erhob das Christentum nicht nur Anspruch auf besondere religiöse Handlungen seiner Gläubigen, sondern forderte die Ausrichtung des täglichen Lebens an religiösen Normen. Max Weber hat hierfür den Begriff der »Lebensführung« eingeführt und den prägenden Einfluß christlicher Ethik auf die europäische Gesellschaft am Beispiel des modernen Kapitalismus exemplarisch herausgestellt.195 Die sozialen Normen, die die mittelalterliche Kirche den Laien auferlegte, orientierten sich an den Geboten der Offenbarungsschriften. Ihre Beachtung konstituierte die religiöse Lebensführung. In diesem Sinne hat auch Herzog Georg nicht nur die Laienfrömmigkeit, sondern ebenso die religiöse und sittliche Lebensführung der Laien als Gegenstand seiner Kirchenpolitik verstanden. Damit führt die Betrachtung weit aus dem Kontext der institutionalisierten Kirche hinaus auf ein Feld der Gesellschaftspolitik, auf dem sich die weltliche Obrigkeit mit Ordnungen und Mandaten um die Wahrung der »guten Policey« bemühte. Als quellengestützter Leitbegriff für die Organisation des zwischenmenschlichen Zusammenlebens ist die Policey zum vielbeachteten Gegenstand vornehmlich der Frühneuzeitforschung und der Rechtsgeschichte geworden, wobei insbesondere Gerhard Oestreichs Paradigma der Sozialdisziplinierung befruchtend gewirkt hat.196 Aus der modernen Perspektive überwiegen dabei eindeutig die säkularen Aspekte. Doch steht dies keineswegs im Widerspruch zur religionsgeschichtlichen Interpretation.197 Weil die unauflösbare Einheit von Kirche und Welt ein kulturelles Signum der Vormoderne war, würde eine Diskussion, wohin der Gegenstand mit mehr Recht zuzuordnen sei, völlig an der Sache vorbeigehen, wäre allenfalls ein Stellvertreterkrieg um heutige Deutungshoheiten. Um sich die religiöse Aufladung von Gesellschaftspolitik am Ende des Mittelalters vor Augen zu 195 Vgl. Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, 267 f., 275, 321–348, sowie als Leitkonzept in Webers epochemachender, wenngleich heute in zentralen Punkten überholter Studie »Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus«. Vgl. ders., Protestantische Ethik. 196 Zur Einführung in die Policeyforschung vgl. die Beiträge in Härter; speziell am Beispiel der frühen Landesordnungen: Schubert, Gebot; Janssen, Gesetzgebung; Weber, Reichspolizeiordnungen. – Zum Konzept der Sozialdisziplinierung vgl. Krüger, 107–119. 197 Vgl. Janssen, Gute Ordnung, 161–166; Schubert, Gebot, 38–43; Hamm, Prozeß, 66 f.

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führen, reicht ein Blick in die chiliastische Reformschrift des Oberrheinischen Revolutionärs, wo zentrale Themen von Policey bzw. Laienreform angesprochen werden: Der Endkaiser, heißt es dort, »wirt mit frummen cristen ein reformation machen, die gotschwerer totten, die zutrinker erwurgen, die wucher verbrennen, die ebrecher kurtzen, den frevelen gewalt abstellen«.198 Im folgenden kann mit dem Verweis auf die intensive Forschung zur sozialen Wirklichkeit der Policeygesetzgebung die Darstellung entlastet und der Fokus der Betrachtung auf die kirchenpolitischen Implikationen verengt werden. Dabei wird es insbesondere um die Legitimation der kirchenpolitischen Ansprüche des Landesherrn gegenüber Bischöfen und geistlicher Gerichtsbarkeit, aber auch um den engen Zusammenhang von Policey und Kirchenreform gehen. Diese eher ideengeschichtliche Herangehensweise wird schließlich auch durch die Beobachtung gerechtfertigt, daß die Bedeutung der Policeygesetzgebung weniger in der praktischen Durchsetzung von Normen, als in ihrem Einfluß auf das Selbstverständnis der Gesellschaft zu suchen ist.199 a) Die Präambel der Landesordnung von 1498 »Nach dem von allen leuten dießer lande mit vasten und feyern gute werck zu uben und sunde zu meyden, die gebot Gots mynder dann geburende gehalten werden, dadurch auch zu allen begynnen, darvon den menschen eren, glucke und seligkeit erfolgen magk, die gnade Gots enzcogen, mancherley straff und plage zugesandt wird, darumb nod und zcymlich ist, zutrachten, die gnade Gots zuerwerben und seinen gotlichen willen und gebot zuvolbringen.« 200

Mit diesem Worten beginnt der Entwurf für eine gemeinsame wettinische Landesordnung, der im Jahre 1498 in der Kanzlei Herzog Georgs entstand. In der Präambel reflektiert der weltliche Landesherr die Zielsetzung einer Verordnung, mit der er an die Grenzen des eigenen Kompetenzbereiches geht. Hat diese doch Eingriffe in die Sphäre geistlicher Rechtssetzung zum Inhalt, die die weltliche Gewalt durch eine komplexe, religiöse und gesellschaftliche Motive untrennbar verbindende Argumentation zu legitimieren sucht. Die Situationsbeschreibung, die den landesherrlichen Regulierungsanspruch begründen soll, geht ins Grundsätzliche und besitzt zweifellos topischen Charakter. Für das 198 Zitiert nach Wolgast, Art. Reform, 323 f. Zum engen Konnex zwischen politischen Reformbewegungen (z. B. Reichsreform) und Kirchenreform vgl. exemplarisch Boockmann, Zusammenhang. 199 Vgl. Landwehr. 200 Vgl. Entwurf einer gesamtwettinischen Landesordnung [vor 9. Juli 1498], Loc. 14950, Konzepte [. . .], 1474–1525 (unpag.), als Lage Nr. 2 im Faszikel »1502«; nach anderer Vorlage ediert: Burkhardt, Landtagsakten, 35–40. Die Zitate und Paraphrasierungen hier und im folgenden nach Burkhardt, auf abweichende Lesarten im Original wird gesondert verwiesen. Das Zitat Burkhardt, Landtagsakten, 35. Statt »bot gots«, wie Burkhardt angibt, ist nach dem Dresdner Entwurf »gebot Gots« zu lesen.

386 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) Selbstverständnis und die Handlungsmuster der landesherrlichen Kirchenpolitik ist der Begründungsversuch nichts desto weniger von großer Aussagekraft. Dies gilt im konkreten Fall um so mehr, da sich der Entwurf gerade durch diese Präambel deutlich von seinem direkten Vorbild, der einflußreichen wettinischen Landesordnung von 1482, abhebt.201 Als ein Schlüsseldokument für die Ziele der Kirchenpolitik Herzog Georgs verdient die Argumentation der Präambel daher eine genaue Betrachtung, denn hier wird der Ansatz für eine religiös begründete Laienreform entwickelt. Die Verstöße der Menschen gegen die Gebote Gottes, so legt der Landesherr in seiner Ausgangsüberlegung dar, bedrohen die Wohlfahrt des Landes.202 Denn wenn die Laien in ihrer Lebensführung die kirchlichen Normen verletzen, veranlassen sie Gott, dem Land seine Gnade zu entziehen und statt dessen »straff und plage« zu senden. Die göttliche Gnade aber ist »zu allen begynnen, darvon den menschen eren, glucke und seligkeit erfolgen magk« unverzichtbar. Ihr Verlust ist ein unhaltbarer Zustand, gefährdet er doch in doppelter Weise einerseits das Wohl des Landes und andererseits das individuelle Seelenheil des Einzelnen. Eigentlich, so führt der Landesherr den Gedanken weiter, sei an dieser Stelle die Kirche aufgerufen, dem Problem Abhilfe zu verschaffen, und tatsächlich hat sie das benannte Fehlverhalten »in geistliche ordenunge und straff gesatzt«. Hier aber (und nicht bei der »natürlichen« Schwäche der Menschen) liegt in den Augen des Fürsten das Hauptproblem: In der Gegenwart versage die Kirche bei ihrer gesellschaftlichen Aufgabe, das sündhafte Verhalten der Laien zu bestrafen und dem Land die Gnade Gottes zu erhalten. Sie setze ihre Strafgewalt nicht nur »in linder weise und weniger dann geburet« ein, sondern vertraue zudem mit der Geldstrafe auf ein kontraproduktives Sanktionsmittel. Denn die Menschen meinen sich so von der Sünde freikaufen zu können, was den Landesherrn zu der Befürchtung veranlaßt »wo dann sunde mit gelde gestrafft, werden die gemeret und nicht gemyndert«. An dieser Stelle kündigt der Fürst sein Eingreifen an. Einerseits will er bei »allen geistlichen richtern inne und außerhalb der lande«203 darauf dringen, daß die Geistlichkeit die Laien wieder stärker an ihre Pfl ichten mahnt und Übertretungen »durch geistliche buße nach der kirchen aussatzunge und nicht alleine mit gelt« ahndet. Andererseits aber hat der Niedergang der kirchlichen Sanktionsgewalt dazu geführt, daß sie »bey vil leuten verachtlich und zu swach wirt gehalten«, so daß zu befürchten ist, daß sie »ane der werntlichen hilff in seiner

201

Siehe unten, Abschnitt 4 b). Entwurf Landesordnung, 1498 (wie Anm. 200), 35 f. 203 Entwurf Landesordnung, 1498 (wie Anm. 200), 36. Statt »rechten«, wie Burkhardt angibt, ist nach dem Dresdner Entwurf »richtern« zu lesen. 202

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regierung nicht mag bekrefftiget werden«.204 In dieser Krisensituation sieht es Herzog Georg daher für »nod und nutze« an, die kirchlichen Normen auch als weltlicher Landesherr zu bekräftigen. Mit »der fürsten oberkeit« schickt er sich an, ihre Einhaltung »durchs gantze land herttiglich zu gebieten« und für ihre Mißachtung zusätzlich zu den kirchlichen Sanktionen weltliche Strafen anzudrohen. Damit ist ein religiös legitimierter Rahmen für eine landesherrliche Reform der Lebensführung der Untertanen gegeben, die im folgenden mit Bestimmungen zur Sicherung der Feiertagsheiligung einsetzt. Mit dem Landesordnungsentwurf von 1498 reiht sich Herzog Georg in eine der markantesten Entwicklungen in der landesherrlichen Kirchenpolitik vor der Reformation ein. In den letzten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts gab es in mehreren Territorien und auch auf der Reichsebene Versuche, mit Hilfe der weltlichen Gesetzgebung den Lebenswandel der Untertanen zu reformieren. Das früheste bekannte Beispiel lieferte in der Mitte des 15. Jahrhunderts die Thüringische Landesordnung Herzog Wilhelm III.205 Möglich wurde dies durch das Zusammentreffen zweier historischer Entwicklungslinien. Im Zuge des Ausbaus der spätmittelalterlichen Territorien und der zunehmenden Verdichtung fürstlicher Herrschaft begann diese auf zuvor autonome gesellschaftliche Bereiche auszugreifen und die zeitgenössisch als »gute Ordnung« oder »Policey« bezeichnete Organisation des sozialen Zusammenlebens in die Hand zu nehmen. Das Ergebnis ihres Bemühens schlug sich im Erlaß von Mandaten und Ordnungen nieder, von denen die umfangreichen Landesordnungen eine späte Form darstellen. Die häufige Bezeichnung solcher Ordnungen als »reformatio« 206 weist freilich darauf hin, daß die landesherrliche Gesetzgebung in ihrem Anspruch – ungeachtet ihres modernisierenden Gehalts – weniger als aktive Rechtssetzung, sondern vielmehr als erneute Bestätigung alten Rechts verstanden wurde.207 Auch Georgs Landesordnung von 1498 beanspruchte nicht, die Lebensordnung der Laien neu zu regeln, sondern wollte 204

Ebd. Ergänzt wurde gegenüber der Lesart Burkhardts das sinntragende »nicht« im zweiten Zitat. Vgl. Entwurf Landesordnung, 1498 (wie Anm. 200). 205 Zu landesherrlichen Beispielen siehe S. 59 f., 74 f. – Das Bild wird dadurch komplettiert, daß auch auf der Reichsebene im Zuge der Reichsreform vergleichbare Versuche unternommen wurden. So erließ Kaiser Maximilian I. auf dem Wormser Reformreichstag von 1495 ein Mandat gegen die Gotteslästerung. Eine Reichspoliceyordnung, die in ihrem Themenspektrum mit den Landesordnungen vergleichbar war, wurde allerdings erst in der Reformationszeit auf dem Augsburger Reichstag von 1530 verabschiedet. Vgl. Unruh, 392– 397; Schulze, Fürsten, 114 f. Diese Reichsgesetzgebung wurde von den Landesherren kaum als Konkurrenz wahrgenommen. Herzog Georg begrüßte es sogar, als auf dem Augsburger Reichstag von 1518 über ein »vorpot [. . .] die ubermessige kleydung, uberig essen, trinken, gotslesterung und spiel belangend« verhandelt wurde (Brief Herzog Georgs an Kurfürst Friedrich III. von Sachsen [Augsburg, vor dem 6. September 1518], ABKG, Bd. 1, 44). 206 Vgl. Wolgast, Art. Reform, 324 f. 207 Vgl. Janssen, Gesetzgebung; ders., Gute Ordnung, 161–164; Willoweit, Landesherrschaft, 77, 122–128; Unruh, 388–400; Schubert, Gebot.

388 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) lediglich kirchlichen Normen mit landesherrlicher Gewalt zur Durchsetzung verhelfen. Grundsätzlich konnte sich die Argumentation, wie die wettinische Landesordnung von 1482 belegt,208 auch auf rein säkulare, wirtschaftspolitische Aspekte beschränken. Weitaus häufiger jedoch rückten die Landesherren ihren neuen Anspruch in den Kontext der Kirchenreform, womit die zweite Entwicklungslinie in den Blick gerät. Seit dem Scheitern des Konziliarismus begriffen die Fürsten auch die Reform der Laien zunehmend als ihre Aufgabe.209 Dabei argumentierten sie gern, wie die Präambel von 1498, mit dem Versagen der geistlichen Gewalt. Denn dies erlaubte ihnen, ihr Eingreifen nach der Zweigewaltenlehre als subsidiäre Nothilfe zu legitimieren. Luthers »Notbischof« – der in Krisenzeiten bischöfl iche Ordnungskompetenzen in spiritualibus beanspruchende Fürst – war eben keine Erfi ndung der Reformation, sondern vielerorts bereits spätmittelalterlicher Anspruch.210 Weitere Schützenhilfe bei der religiösen Legitimierung ihres Vorgehens erhielten die weltlichen Landesherren von einem der wichtigsten Vordenker des 15. Jahrhunderts. Nikolaus von Kues erklärte, »daß der Sinn des sozialen Friedens darin bestehe, den Untertanen den Weg zum ewigen Heil zu ebnen.211 Sozialer Friede, auf dessen Verwirklichung auch die fürstliche Polizeigesetzgebung hinarbeitete, wurde also nicht als säkularer Endzweck verstanden, sondern diente einem höheren Ziel: dem Seelenheil jedes Einzelnen. So verstanden, erweiterte sich die Fürsorgepfl icht des Fürsten für das Wohl seiner Untertanen auf die Förderung des jenseitigen Seelenheils. Diese erweiterte Interpretation der fürstlichen Verantwortung für den Gemeinen Nutzen ist tatsächlich ein weit verbreitetes Argumentationsmuster.212 Auch im Entwurf Herzog Georgs wird auf diesen Zusammenhang explizit Bezug genommen: Als christliche Fürsten fühlen sich die Wettiner für das Seelenheil der Laien verantwortlich. Denen spricht die Landesordnung die Fähigkeit zum verantwortlichen Handeln ab und legitimiert so die fürstliche Sozialdisziplinierung: 213 »Da viel gemeyne lewte nicht allezeit mit vernunfft so weiße 208

Siehe unten, Abschnitt 4 b). Siehe S. 48–65. – Zum Scheitern speziell der konziliaren Bemühungen um Laienreform vgl. Helmrath, Theorie und Praxis, 68–70. 210 Vgl. Schieffer; Hashagen, Staat und Kirche, 433–441; Janssen, Gute Ordnung, 166. 211 »Principium autem pacis est, ad fi nem aeternum dirigere subditos«. Zitiert nach Janssen, Gute Ordnung, 165. 212 Neben den hier angeführten Beispielen aus Sachsen und Jülich-Berg läßt sich dieses Argumentationsmuster beispielsweise in Bayern und Österreich fi nden. Vgl. Rankl, 260; Hofmeister, 264. 213 Kersten Krüger hat jüngst darauf hingewiesen, das Gerhard Oestreich neben dem stark rezipierten Konzept der Sozialdisziplinierung von einer »Sozialregulierung« spricht, die für den Beginn der Neuzeit charakteristisch sei. Danach bezeichnet die »Sozialregulierung« eine ordnende Reaktion der Obrigkeit auf gesellschaftliche Veränderungen, die spätere Stufe der 209

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sein und derselbigen gewonheit ist, merer des leibs wolost, dann der selen seligkeit eren oder nucz nach zutrachten [. . .] ist nod und gut, daß die fursten der lande« eingreifen, um die Einhaltung der religiösen Gebote »durch der fürsten oberkeit bey pen zusetzen und abtrags durchs gantze land herttiglich zu gebieten«.214 Dabei spricht für das Eingreifen der weltlichen Macht, daß die Laien Bestrafung im Diesseits mehr fürchten »dann zukunfftige peynigunge« im Fegefeuer.215 Obrigkeitliche Sozialdisziplinierung durch weltliche Ordnungen und Verbote ist also – dies belegt nicht nur das sächsische Beispiel – bereits eine Konsequenz der vorreformatorischen Reformdiskussion.216 Schließlich wird von den Landesherren noch ein drittes religiöses Motiv angeführt. Das religiöse Fehlverhalten der Laien, das die Kirche nicht einzudämmen vermag, beschwört als Mißachtung göttlicher Gebote die strafende Hand Gottes herauf und bedroht so in unmittelbarer Weise die Wohlfahrt des Landes. Theologisch ist diese Wahrnehmung der Beziehung zwischen Gott und den Menschen und den daraus resultierenden Pfl ichten eines Christen vom alttestamentlichen Dekalog geprägt. Gerade aus der Perspektive des patriarchalischen Fürstenregiments war die alttestamentliche Vorstellung von einem Gott, der als Herrscher Gebote erläßt und ihre Nichteinhaltung mit Strafen belegt, naheliegend, weil sie in Analogie zum eigenen Herrschaftsverständnis stand.217 Sie traf sich zudem mit zeitgenössischen Entwicklungen in der Theologie, wo die Zehn Gebote wieder stärker betont wurden und gerade in der Katechese, also in der Unterweisung der Laien, Verwendung fanden.218 So spielten die Forderungen des Dekalogs und die Folgen der Ungnade Gottes etwa in den Predigten des päpstlichen Legaten Johannes Capistrano eine zentrale Rolle, jenes franziskanischen Bußpredigers also, der Herzog Wilhelm III. zur Herausgabe des Sittenmandats von 1452 veranlaßte.219 Bischof Adolf von Merseburg wählte die 10 Gebote sogar als Gliederungsgrundlage seiner Polizeiordnung für die Stadt Merseburg.220 Eine komplexe, von mittelalterlich-christlicher Weltanschauung geprägte Gesellschaftsanalyse legitimierte also die Eingriffe des Landesherrn in die reliSozialdisziplinierung hingegen wird als aktive Gestaltung von Veränderung durch die Obrigkeit verstanden. An dieser Stelle wird aus pragmatischen Gründen dennoch auf den etablierten Terminus Sozialdisziplinierung zurückgegriffen, zumal die Intention Herzog Georgs bei der Laienreform tatsächlich in einer Erziehung der Untertanen, nicht in einem bloßen Regulierung des Lebens, gelegen haben dürfte. Vgl. Krüger, 107–119. 214 Entwurf Landesordnung, 1498 (wie Anm. 200), 35 f. 215 Ebd., 36. 216 Vgl. Janssen, Gute Ordnung, 164–174; Schulze, Fürsten, 118 f. 217 Zur religiösen Dimension vgl. Bast, 146–234; Zum patriarchalischen Fürstenregiment siehe S. 88–92. 218 Vgl. Bossy, 35–42; Duffy, 53–87. 219 Vgl. Bast, 184 f. 220 Vgl. Ordinario Bischof Adolfs für die Stadt Merseburg [um 1521/23?], Cop. 1293, Bl. 67–70.

390 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) giöse Lebensführung seiner Untertanen: das Wissen um die unauflösliche Interdependenz von menschlichem und göttlichem Handeln, um das verderbliche Wirken des Teufels und die Schwäche der menschlichen Natur, um den Vorrang des jenseitigen Seelenheils vor dem diesseitigen Wohlergehen. Die religiösen Motive sind integraler Bestandteil der Analyse und nicht etwa vorgeschobene Ideologie. Auch der Landesherr kann sich nicht über diese Zusammenhänge stellen, sondern sieht sich »aus cristlicher pfl icht zu handhabung der heyligen gotlichen gebot unsers heyligen glaubens« zum Eingreifen verpfl ichtet.221 Dabei sind Problemanalyse und Lösungsstrategien der Landesherrschaft rational durchdacht, wobei auch die Bereitschaft besteht, mit der Landesordnung innovative Wege zu beschreiten.222 Der letztlich nicht verabschiedete Entwurf von 1498 blieb zwar Episode, doch fi ndet sich das hier entwickelte Argumentationsschema immer wieder, etwa im Mandat beider wettinischen Linien gegen Gotteslästerung und Zutrinken vom Juni 1513.223 b) Laienreform per Gesetz: Die Landesordnung von 1498/1502 Der Plan zu einer gemeinsamen Landesordnung für die seit 1485 geteilten wettinischen Lande stammte nicht von Herzog Georg, aber niemand betrieb ihn so energisch wie der junge Albertiner, aus dessen Umkreis schließlich auch der Entwurf von 1498 hervorging.224 Als unmittelbarer Anknüpfungspunkt für das Vorhaben diente die erste gesamtwettinische Landesordnung der Brüder Ernst und Albrecht von 1482. Der Gedanke einer gemeinsamen Ordnung für beide Territorien ergab sich schon aus der Logik der Teilung. Nur eine von beiden Teilen getragene Landesordnung, so stellten die albertinischen Räte 1488 fest, konnte Aussicht auf Erfolg habe, da »nach gehabtter erbteilung der furstenthumb die landt mit einander vormischt und in einander geflochten sein«.225 Im Jahre 1490 schlug Herzog Georg den Ernestinern erstmals die Ausarbeitung einer gemeinsamen Landesordnung vor und traf damit auf ihre Zustimmung.226 Beharrlich verfolgten der junge Regent und seine Räte das avisierte Gemeinsames Mandat, 1513 (wie Anm. 1), Bl. 4a. Manfred Schulze diskutiert daher den Landesordnungsentwurf unter dem Paradigma der Modernisierung. Vgl. Schulze, Fürsten, 115–120. 223 Vgl. Gemeinsames Mandat, 1513 (wie Anm. 1), Bl. 3 a –4a . 224 Die beste Übersicht zur Vorgeschichte und zur Diskussion um die Entwürfe zur Landesordnung 1498–1502 fi ndet sich bei Goerlitz, 194–199, davon abhängig Richter, Landesordnungen, 17 f. Zu ergänzen sind noch die unten angeführten Dokumente von 1490/91. Unvollständig hingegen ABKG, Bd. I, LV–LXII; Schulze, Fürsten, 112 f. Zu beachten sind die falschen Überschriften zu den Aktenstücken bei Burkhardt, Landtagsakten, 35–49. Vgl. dazu Goerlitz, 196, Anm. 1 f. 225 Verhandlungen eines Rätetages Herzog Albrechts [1488], in: Goerlitz, 483–485. Zur Datierung vgl. ebd., 194. 226 Vgl. Denkschrift der Räte Herzog Georgs zu einem geplanten Ausschußlandtag zu Leipzig, 2. Februar 1490, Burkhardt, Landtagsakten, 6 f. 221

222

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Ziel. 1490 und 1491 zeugten zwei gemeinsame Ausschreiben beider Linien vom Willen zur territorienübergreifenden Gesetzgebung.227 Gleichzeitig erließ Georg aber auch eigenständig Mandate: So befahl er am 19. Dezember 1491 den albertinischen Städten die Beachtung der alten Landesordnung von 1482 mit Blick auf den Kleiderluxus.228 Im November 1493 empfahl Georg seinem Vater, die Regelungen der alten Landesordnung bei einem neuen Entwurf zu berücksichtigen.229 Zwei Jahre später, im März 1495, kündigte er den Bischöfen, Grafen und Herren die bevorstehende Ausschreibung einer gesamtwettinischen Landesordnung an.230 Erst im Jahre 1498 gelang es jedoch, das Vorhaben zu konkretisieren. Auf dem gemeinsamen Landtag zu Naumburg am 9. Juli 1498 legten die Fürsten den Ständen einen Entwurf vor, der aus der albertinischen Kanzlei stammte und an dessen Erarbeitung namentlich Obermarschall Heinrich von Schleinitz beteiligt war.231 Der Entwurf war offenbar als Verhandlungsgrundlage gedacht, denn die Strafandrohungen waren in vielen Punkten noch offengelassen worden und in einem Fall, der geistlichen Gerichtsbarkeit, wurde auf geplante Verhandlungen mit der Geistlichkeit verwiesen.232 Als Verhandlungspartner traten neben den Ernestinern die Stände in Erscheinung, deren Zustimmung im Entwurf ausdrücklich vorgesehen war. Herzog Georg hoffte aus gutem Grunde, in den Ständen kooperative Partner zu fi nden, denn diese hatten bereits am Zustandekommen der Landesordnungen von 1446 und 1482 aktiven Anteil.233 Die Stände erklärten sich mit dem Entwurf im Prinzip einverstanden, forderten aber Milderungen im Detail. Schließlich wurden Räte beider Linien mit der Überarbeitung beauftragt.234 Diese erarbeiteten im nächsten Jahr ein Papier, in dem sie jeden Punkt der Landesordnung kommentierten, Änderungen und Straf bestimmungen vorschlugen und endlich eine Reihe von zusätzlichen Regelungen ergänzten. Diese Vorschläge sollten den Fürsten vorgelegt werden, 227 Vgl. Gemeinsames Mandat Herzog Georgs, Kurfürst Friedrichs und Herzog Johanns d.Ä., o.O., 4. August 1490, in: Goerlitz, 489 f. Vgl. auch ABKG, Bd. 1, LIV mit Anm. 2. Zum gemeinsamen Ausschreiben ders. und Erzbischof Ernsts von Magdeburg vom 19. August 1491 vgl. Goerlitz, 199. 228 Vgl. Mandat Herzog Georgs an die albertinischen Städte, Dresden, 19. Dezember 1491, Loc. 14950, Konzepte [. . .], 1474–1525 (unpag.). 229 Vgl. Goerlitz, 194. 230 Vgl. Ausschreiben Herzog Georgs an die Bischöfe von Meißen und Merseburg und die Grafen und Herren, 30. März 1495, Cop. 105, Bl. 122a. 231 Entwurf Landesordnung, 1498 (wie Anm. 200). Ein gegenüber der Edition von Burkhardt vollständigerer Entwurf mit Korrekturen von der Hand des Obermarschalls Heinrich von Schleinitz fi ndet sich in: Loc. 14950, Konzepte [. . .], 1474–1525 (unpag.), als Lage Nr. 2 im Faszikel »1502«. Ebd. auch eine weitere Abschrift als Lage Nr. 7 mit einem Zusatz unter dem Titel »Muntzhandlung« auf Bl. 6b –Bl. 7 b der Lage. 232 Diese fanden im Jahre 1500 in Naumburg statt. Siehe S. 230–236. 233 Vgl. Richter, Landesordnungen, 12–16; Schubert, Gebot, 30 f.; Unruh, 397. 234 Vgl. Goerlitz, 195.

392 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) ohne daß nochmals die Meinung der Stände eingeholt worden wäre.235 Bei diesem Stand blieben die Verhandlungen um die Landesordnung vorerst stekken. Wie ein Briefwechsel vom Mai 1499 belegt, blockierten die Ernestiner ihre Verabschiedung.236 Erst 1502 konnte Herzog Georg die Verhandlungen erneut in Gang bringen. Räte beider Seiten trafen sich am 5. Mai in Oschatz zu Vorgesprächen und arbeiteten dann vom 5. bis zum 8. Juli in Naumburg einen Entwurf aus, der sich in den Dresdner Akten unter dem Titel »die nawe landes ordung« fi ndet.237 Tatsächlich handelt es sich dabei um eine Überarbeitung des Entwurfes von 1498 unter Verwendung der Änderungsvorschläge von 1499, ergänzt um einige Punkte aus der alten Landesordnung von 1482. In ihren Kernpunkten, etwa der wortwörtlich übernommenen Präambel, folgte sie der Fassung von 1498. Damit lag im Sommer 1502 zum zweiten Male eine Landesordnung für die wettinischen Lande vor, über deren Inhalt beide Seiten Einigkeit erzielt hatten und die auf einem Landtag »gemeyner landschafft vorgehaltenn unnd mit irem willenn voltzogenn« werden sollte. Dennoch ist dieser Entwurf nie Gesetz geworden. Schon bei seiner Fertigstellung hatten die albertinischen Räte Herzog Georg gewarnt, daß »etzliche irrung und gebrechen« zwischen den wettinischen Linien die Verabschiedung der Landesordnung gefährden könnten.238 Sie spielten damit auf eine Reihe von strittigen Rechten aus dem Teilungsvertrag an, die die innerwettinischen Beziehungen belasteten. Tatsächlich hat dieser externe Konfl ikt, der erst 1534 mit dem Grimmaer Machtspruch endgültig beigelegt werden konnte, die Verabschiedung der Landesordnung verhindert.239 Bei einem Rätetag auf dem Schneeberg am 14. September 1502 machten die Ernestiner die Inkraftsetzung der Landesordnung von der Lösung jener vielfältigen Streitfragen abhängig und lehnten auch den Vorschlag zu weiteren Verhandlungen kategorisch ab. Damit aber war das Schicksal der Landesordnung 235 Vgl. Rätetag beider wettinischer Linien zu Naumburg, 29. April 1499, Burkhardt, Landtagsakten, 42–46. Dort mit falscher Überschrift »Landtag zu Naumburg«, die Schulze, Fürsten, 119, zu dem Mißverständnis führte, die Änderungsvorschläge von 1499 seien von den Ständen erarbeitet worden. Vgl. auch die Parallelüberlieferung in: Loc. 14950, Konzepte [. . .], 1474–1525 (unpag.) als Lage Nr. 8 im Faszikel »1502«, hier am Ende, aber noch vor dem Schlußabsatz, vier weitere Punkte zu Zinsen und Wiederkauf. 236 Vgl. Goerlitz, 196. 237 Entwurf einer gesamtwettinischen Landesordnung vom 5.-8. Juli 1502, Loc. 14950, Konzepte [. . .], 1474–1525 (unpag.) als Lage Nr. 3 im Faszikel »1502«, weitere Abschriften als Lagen Nr. 4 und 5. Das Zitat als Dorsalvermerk auf Bl. 12b von Lage Nr. 3. – Vgl. Goerlitz, 196 f.; zum Inhalt vgl. auch Richter, Landesordnungen, 55–58. 238 Gutachten albertinischer Räte »Diß ist nebenn der ordenung [. . .]« [1502], Loc. 14950, Konzepte [. . .], 1474–1525 (unpag.) als Lage Nr. 6 im Faszikel »1502«. Der inhaltliche Bezug, die Ordnung der Akte und eine identische Schreiberhand verweisen auf einen direkten Zusammenhang mit dem Landesordnungsentwurf vom Juli 1502. Das erste Zitat auch bei Goerlitz, 197, Anm. 2. 239 Vgl. Virck, Ernestiner, 3–21.

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entschieden. Denn obwohl Herzog Georg ankündigen ließ, er wolle seinem Land in jedem Fall eine Ordnung geben, schreckte er letztlich vor einem Alleingang zurück. So blieb nur, sich erneut auf Mandate zu Einzelproblemen zu verlegen, die man zuweilen auch gemeinsam erließ, eine Landesordnung aber hat Sachsen unter Herzog Georg nie erhalten.240 Die inhaltlichen Regelungen des Landesordnungsentwurfs gelten im wesentlichen zwei Bereichen. Im Zentrum stehen die durch die Präambel vorbereiteten ersten Paragraphen zur Laienreform, darüber hinaus enthält der Entwurf eine Reihe von Bestimmungen zur Policey- und zur Wirtschaftsordnung,241 schließlich noch einen kurzen, aber aufschlußreichen Absatz zur geistlichen Gerichtsbarkeit. Die Bestimmungen zur religiösen Lebensführung der Laien betreffen im einzelnen: 1) das Verbot des Trinkens, Spielens und Tanzens in den Fastenzeiten und an Feiertagen, 2) Probleme des Alkoholkonsums (die »Gemeinen Biere«, das Anschreiben bei den Wirten und das Zutrinken), 3) Ehebruch, 4) Totschlag, 5) den Wucher bei Wiederkaufsgeschäften, 6) den Kost- und Kleiderluxus sowie – als Ergänzung in der Fassung von 1502 – 7) Luxusbegrenzung bei Festen der Bauern und des Adels. Sie überschneiden sich mit dem Themenkreis der Policey und lassen sich gerade für den modernen Betrachter auch ohne christlich-moralischen Hintergrund denken. Doch steht in der Landesordnung ihre ethisch-religiöse Einordnung im Mittelpunkt. Schon die Präambel hat ihre eigentliche Funktion als Begründung des an erster Stelle stehenden Verbots des Trinkens, Spielens und Tanzens in Fastenzeiten und an Feiertagen. Auch in den folgenden Artikeln wird das zu reformierende Fehlverhalten ebenso wie sein Verbot religiös begründet. Das Zutrinken etwa ist »durch ingebunge des tewfels in ubunge komen« und bringt den Leuten Schaden an »sele, ere und gut«. Von Ehebruch und Totschlag wiederum heißt es, sie hätten überhandgenommen, weil die »forcht der sunde« zu wenig ausgeprägt sei, ihre harte Bestrafung erscheine notwendig, um dem Land »die gnade Gots [. . .] zuerhalten«, da »solche sunde zu allen zeitten von Got bißher mit swerer gemeyner plage gestrafft sein«.242 Der von Herzog Georg autorisierte Entwurf von 1498 zeichnet sich in den Einzelregelungen durch programmatischen Rigorismus aus. Ohne Rücksicht 240

Vgl. Richter, Landesordnungen, 18; Goerlitz, 197–199. Es sind dies im Entwurf von 1498 im einzelnen: Landesbeschädiger und Plackerer, der Import ausländischer Weine und Getränke, die Ordnung der erstinstanzlichen Gerichte, hier vor allem ein Verbot der aus dem römischen Recht eindringende Praxis der Anwälte, Erbverkaufsverträge auf zinspfl ichtige Bauerngüter, die Innungen des städtischen Handwerks, der Salzkauf in Halle, Maße und Gewichte, auswärtige Verdingung des Adels sowie das Geschoß in den Städten. Vgl. Entwurf Landesordnung, 1498 (wie Anm. 200); vgl. dazu Goer litz, 199–228; zu den Änderungen im Entwurf von 1502 vgl. Richter, Landesordnungen, 55–58. 242 Entwurf Landesordnung, 1498 (wie Anm. 200), 36 f. 241

394 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) auf landläufigen Brauch werden die als schlecht erkannten Gewohnheiten der Laien rundweg verboten. Schon auf dem Naumburger Landtag von 1498 hatten die Stände den Landesherrn um Milderung gebeten. Auch die Beratungen der Räte beider Seiten 1499 und der auf ihrer Basis überarbeitete Entwurf von 1502 befürworteten im Detail lebensnahe Lockerungen. So wird im Entwurf von 1502 etwa das Verbot des Trinkens, Tanzens und Spielen an den zahlreichen kirchlichen Feiertagen und in der Fastenzeit auf die Vormittagsstunden – also die Zeit der Hauptmesse – beschränkt, während es nach der ursprünglichen Fassung »von einer vesper biß zur andern«, also vom Vorabend bis zum Nachmittag und damit in Fastenzeiten faktisch dauerhaft, gelten sollte. Das Anschreiben bei den Wirten wird nun für Waren des täglichen Bedarfs bis zu einer Summe von 2 gr. erlaubt, ebenso die Gemeinen Biere während der Weihnachtsfeiertage, wenngleich mit dem bezeichnenden Zusatz, niemand solle zur Teilnahme an solchen Gelagen gezwungen werden. Eine Einschränkung erfuhren 1502 dagegen die Zechzeiten an Werktagen: Sie wurden gegenüber dem Entwurf von 1498 in den Städten von neun auf acht Uhr im Sommer und von acht auf sieben Uhr im Winter verkürzt, dazu ihr Beginn auf vier Uhr festgelegt, während sie auf den Dörfern gänzlich verboten blieben.243 Aufschlußreich ist auch die Betrachtung der 1499 und 1502 vorgenommenen Ergänzungen.244 Als neues Feld trat die Luxusbegrenzung bei Festen hinzu. 1499 wurden Regelungen für bäuerliche Feste ergänzt, die die Zahl der Gäste bei Verlobungs-, Hochzeits- und Kirchweihfeiern begrenzten und die Bewirtung von Gästen anläßlich von Taufen, »Kirchgange« (Einleitung der Wöchnerinnen),245 Begräbnissen und Begängnissen ganz verboten.246 1502 wurden die Feste des Adels bei Hochzeiten und Ersten Messen Beschränkungen unterworfen.247 Abgesehen von einigen Bestimmungen zur Policey und Wirtschaft, auf die hier nicht weiter einzugehen ist, betrafen die Änderungen des weiteren die 243 Vgl. Entwurf Landesordnung, 1502 (wie Anm. 237); Entwurf Landesordnung, 1498 (wie Anm. 200). 244 Vgl. Entwurf Landesordnung, 1502 (wie Anm. 237); Entwurf Landesordnung, 1498 (wie Anm. 200); Rätetag, 1499 (wie Anm. 235). 245 Die Aussegnung oder Einleitung, d. h. die Wiederaufnahme der Wöchnerinnen in die Kirche sechs Wochen nach der Entbindung, wurde in Anlehnung an den biblischen Bericht von der Reinigung Mariens (Mariae Lichtmeß) gefeiert. Vgl. dazu Veit, 156–158. – Auf die Ausprägung des Brauchs in Sachsen gibt eine Missive Herzog Georgs aus dem Jahre 1525 Hinweise. Der Fürst befahl darin Maßnahmen gegen »eyne sechswöchneryn, dye Bergeryn genant«, die »aus verachtung altes herkummens Chrystlicher kyrchen sich nicht hat wollen lassen einleyten«. Er verlangte, daß die Schuldige bis zu ihrer reuigen Rückkehr zur altgläubigen Praxis von allen »hochzeyten, kyndteufen und kyrchgengen, andern frolichekeyten, und wan sunst dye weyber pflegen zusammenzukommen« ausgeschlossen werde. Brief Herzog Georgs an den Stadtrat zu Delitzsch, Leipzig, 9. Januar 1525, ABKG, Bd. 2, 5. 246 Vgl. Rätetag, 1499 (wie Anm. 235); Entwurf Landesordnung, 1502 (wie Anm. 237), Bl. 6. 247 Vgl. Entwurf Landesordnung, 1502 (wie Anm. 237), Bl. 7a .

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1498 vielfach offengelassenen Strafandrohungen.248 In den meisten Fällen, etwa beim Vergnügungsverbot an Feiertagen, wurde eine empfi ndliche Geldstrafe in Höhe von 2 bis 3 gr. pro Person festgelegt. Beim Vergehen des Zutrinkens wird das Strafmaß nach Ständen differenziert und dabei »grave, herre, ritter oder edelman oder auch der fursten amplewte« die Entlassung aus landesherrlichen Diensten angedroht.249 Schon der Entwurf von 1498 verfügte, daß der Ehebruch bei jenen, die in landesherrlichen Diensten stünden oder Lehensträger wären, zusätzlich zur gerichtlichen Bestrafung mit der Entlassung aus dem Dienst bzw. dem Verlust der Lehen bedroht werden sollte. Hier wird ein besonderes Interesse des Landesherrn an der moralischen Vorbildlichkeit seiner Amtsträger deutlich. Neue Überlegungen enthält der Entwurf von 1502 zur Frage der Umsetzung der Landesordnung. Er sieht die eidliche Verpfl ichtung aller lokalen Amtsträger (»gleitzleutten, schoessernn und burgermeysternn«) auf die Landesordnung, vor allem aber die Einsetzung eines Beamten als Oberaufseher vor.250 Schließlich enthält der Entwurf von 1502 noch eine zusätzliche Passage, die im Verständnis der Zeit ebenfalls der religiös orientierten Reform der Gesellschaft diente: die Ausweisung der in den sächsischen Territorien ansässigen Juden.251 Die Landesordnungsentwürfe von 1498 und 1502 markieren in ihren religiös begründeten Bemühungen um die sittlich-moralische Erneuerung des ganzen Landes einen der programmatischen Eckpfeiler der Kirchenpolitik Herzog Georgs. Sie sind gleichzeitig ein Nachweis dafür, daß die Bemühungen des Albertiners um kirchliche Reformen bereits in seiner Regentschaftszeit begannen und das Jahr 1500 dabei keine maßgebliche Zäsur darstellte. Dabei versteht sich diese Reformpolitik nicht als revolutionär, sondern – gut mittelalterlich – als konservatives Reformhandeln, das durch die Beseitigung von Fehlentwicklungen auf die Wiederherstellung eines ursprünglich guten Zustandes abzielt. Bewußt stellt sich Herzog Georg dabei in die Tradition wettinischen Reformengagements. So heißt es im 1491 ergangenen Ausschreiben an die albertinischen Städte zur Bestätigung der Landesordnung von 1482: »so wir dann den wegen unser eldern und vorfarn nach zufolgen begirigk, auch gemeynen nutz [. . .]

248 Strafandrohungen waren bei den frühen Landesordnungen noch nicht weit verbreitet, allgemein üblich wurden sie erst im 17. Jahrhundert. Vgl. Unruh, 396. 249 Rätetag, 1499 (wie Anm. 235), 43. 250 Vgl. Entwurf Landesordnung, 1502 (wie Anm. 237), das Zitat Bl. 8 a . 251 Vgl. Entwurf Landesordnung, 1502 (wie Anm. 237), Bl. 6 b. – Bereits im Jahre 1490 gebot Herzog Georg dem Grafen Adam von Beichlingen, die jüdischen Familien, denen dieser für sechs Jahre Aufenthalt in seiner Herrschaft gewährt hatte, unverzüglich auszuweisen. Dabei berief sich Georg, der den Juden Blasphemie und Wucher vorwarf, auf eine Vereinbarung mit den Ernestinern, »keinen juden in unser allerseit landen zu leiden ader dorinn zu wonen lassen«. Brief Herzog Georgs an Graf Adam von Beichlingen, Dresden, 13. November 1490, Loc. 4485/11, Bl. 2.

396 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) zufordern unnd obirmessigen vorderplichenn henndeln zu stewern schuldig sein.« 252 Doch ist Georgs Landesordnung mehr als unselbständige Wiederholung. Zum einen war die Landesordnung ein noch junges Instrument, ihre allgemeine Verbreitung und Umsetzung – wie die Beispiele von 1446 und 1482 zeigen 253 – keinesfalls gesichert, so daß schon das Bemühen um eine Landesordnung an sich als innovative Leistung einzustufen ist.254 Zum anderen aber war Georgs Entwurf inhaltlich mehr Neubeginn als Wiederaufnahme. Denn die neue Ordnung grenzte sich deutlich von ihrer Vorgängerin aus dem Jahre 1482 ab und bezog sich statt dessen in einer Art selektiver Traditionsbildung auf die Reformpolitik Wilhelms III. in Thüringen. Dies betrifft vor allem die Legitimation der Reformmaßnahmen. Der tiefgreifenden religiös-metaphysischen Analyse Herzog Georgs steht in der Vorrede Kurfürst Ernsts und Herzog Albrechts eine rein säkulare Argumentation geradezu diametral gegenüber. Abnehmen und Verderben der Lande, so ist den Fürsten von ihren Ständen geklagt worden, hätten ihre Ursache in der »sweren muntz«, außerdem würde zuviel Gesinde gehalten, die Lohnkosten im Bauhandwerk seien zu hoch und der Luxus in Kost und Kleidung nehme Überhand. Um den »gemeinen nutz zufurdern« und den berechtigten Bitten ihrer Stände zu entsprechen, sehen sich die Fürsten daher veranlaßt, in diesen und anderen Fragen »auß unser furstlichen macht und gewalt ordenung und satzung zutun«.255 Zwar regelt auch diese Landesordnung viele Fragen der Policey und der Wirtschaftsordnung, die im Entwurf von 1498 bedacht werden. Um so bemerkenswerter aber ist es, daß bei der Ausarbeitung des neuen Entwurfes die Landesordnung von 1482 nicht als Vorlage diente, sondern – wie schon Woldemar Goerlitz feststellte – »nur in geringem Maße als Material benutzt« wurde.256 Statt dessen knüpft der Landesordnungsentwurf Herzog Georgs bei dem aktivsten Verfechter der Kirchenreform an, den das Haus Wettin bislang aufzuweisen hatte: Herzog Wilhelm III. Die von Wilhelm für seinen thüringischen Landesteil erlassene Reformgesetzgebung – die Landesordnung von 1446, das Sittenmandat von 1452 und die Reformatio Wilhelmi genannte Rechtsreform von 252

Mandat Georgs, 1491 (wie Anm. 228). Während die Umsetzung der Landesordnung Herzog Wilhelms III. durch Kurfürst Friedrich II. verhindert wurde, geriet die Ordnung von 1482 schnell außer Gebrauch, auch wenn der Leipziger Rat 1526 den Versuch unternahm, sie durch einen von Melchior Lotter besorgten Nachdruck von 125 Exemplaren wieder ins Gespräch zu bringen. Zu 1446 vgl. Richter, Landesordnungen, 12–16; zu 1482 vgl. Goerlitz, 193–195. 254 Zu den Anfängen der Landesgesetzgebung im Reich siehe oben, Abschnitt 4 a). 255 Landesordnung Kurfürst Ernsts und Herzog Albrechts vom 15. April 1482 [Leipzig: Markus Brandis, 1482] (GW, Nr. 9388), Loc. 9349/13, Bl. 25–30, die Zitate Bl. 25a. Eine von Goerlitz, 193, Anm. 9, als mangelhaft kritisierte Edition der Landesordnung fi ndet sich in: Lünig, Bd. 1, Sp. 1–12. Zur Überlieferung vgl. auch Richter, Landesordnungen, 16, Anm. 19. 256 Goerlitz, 194. 253

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1454 – ist die direkte Vorlage für Georgs Reformentwurf.257 Dies gilt für die Argumentation der Präambel – also den Zusammenhang zwischen Gebotsbefolgung der Menschen und der durch die Gnade Gottes ermöglichten Wohlfahrt des Landes – wie für die Einzelregelungen der Laienreform und Policey. Für die zentralen Fragen der Laienreform orientierte sich der Entwurf von 1498 vor allem am Sittenmandat von 1452, das – als unmittelbare Reaktion auf die Bußpredigten des päpstlichen Legaten Johannes Capistrano – deutlich rigider vorging als die Landesordnung von 1446. Das Verbot der Anrufung geistlicher Gerichte in weltlichen Sachen durch die Laien, das nach den im Juli 1500 gescheiterten Verhandlungen mit der Geistlichkeit in der Fassung von 1502 erscheint, folgt hingegen der Reformatio Wilhelmi von 1454.258 Immer aber unternimmt der Entwurf von 1498 eine Auswahl, so wird etwa das generelle Verbot des Karten- und Würfelspiels im Sittenmandat von 1452 nicht übernommen. Zu beachten ist auch, daß die Landesordnung Herzog Georgs mit der Laienreform und der geistlichen Gerichtsbarkeit nur zwei Aspekte der Reformgesetzgebung Wilhelms aufgreift. Weltklerus- und Klosterreform, die Wilhelms Landesordnung ebenfalls thematisiert, bleiben ausgeklammert. Die Bedeutung des Landesordnungsentwurfs Herzog Georgs liegt also im bewußten Anknüpfen an die entschlossene Reformpolitik Wilhelms III., dem Höhepunkt wettinischer Kirchenreform im 15. Jahrhundert. Der Umstand, daß die Landesordnung aus äußeren Gründen nie Rechtsgültigkeit erlangte, tut dem keinen Abbruch. Denn der folgende Abschnitt wird zeigen, daß die hier verfolgten Reformziele in der Kirchenpolitik Herzog Georgs weiter präsent blieben. c) Reformmandate Während seiner gesamten Regierungszeit erließ Herzog Georg Mandate zur Reform des sittlich-religiösen Lebenswandels seiner Untertanen. Einige von ihnen ergingen im Verbund mit den Ernestinern. Im Unterschied zu den Landesordnungen behandelten die in der Forschung auch als »Landgebote« 259 bekannten Ausschreiben stets nur einzelne Aspekte der Laienreform. Adressaten der oft in Form von Einblattdrucken verbreiteten Mandate waren die lokalen Amtsträger Herzog Georgs und die lokalen Obrigkeiten, also Amtleute, Städte, Grafen und Herren, Prälaten und der schrift- und amtssässige Adel (Ritterschaft und Erbarmannschaft).260 Gesondert wurden die Landesbischöfe von Meißen und Merseburg angeschrieben und aufgefordert, die Regelungen »mit den irenn 257 258 259 260

Zu den Reformgesetzen Herzog Wilhelms siehe S. 66–75. Siehe dazu S. 230–236. Vgl. Schubert, Gebot, 37 f. Vgl. z. B. die Adressatenliste des Ausschreibens an die Bischöfe zum Gemeinsamen

398 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) zu halten auch also zu bestellen«, also in ihren Hochstiften umzusetzen.261 Den lokalen Obrigkeiten kam dabei eine Doppelfunktion zu: sie sollten die Mandate der Bevölkerung durch öffentliche Verlesung bekannt machen und gleichzeitig ihre Einhaltung überwachen.262 Außerdem nutzte Herzog Georg mit dem Pfarrklerus das effizienteste Kommunikationsnetz im ländlichen Raum. Zur Verbreitung des Mandats gegen Gotteslästerung und Zutrinken von 1513 sollten »unser freund dy bischove solchs auf den festen predigstulen und cantzeln in allen steten, fleckenn und dorffern durch yre gaistlickeyt als weit unser furstenthum offentlichen vorkundigen lassen mit cristlicher underweysung, wie groß dyse ubertrettung bey Got dem almechtigen angesehen«.263 Im einzelnen sind folgende Mandate zur Laienreform bekannt: Mandat Gemeinsames Mandat Herzog Georgs und der Ernestiner vom 4. August 1490 264 Mandat Herzog Georgs an die albertinischen Städte vom 19. Dezember 1491265 Gemeinsames Mandat Kurfürst Friedrichs, Herzog Johanns d.Ä. und Herzog Georgs vom 15./20. Juni 1513 266 Mandat Herzog Georgs, verlesen vor dem Rathaus zu Dresden am 14. Juli 1522267 Mandat Herzog Georgs an alle Obrigkeiten im Lande vom 30. März 1523268

Regelungen zur Laienreform (Verbote) Anschreiben bei den Gastwirten Kost- und Kleiderluxus (Bestätigung der Verordnungen der Landesordnung von 1482 in diesen Punkten) Gotteslästerung, Zutrinken

Ehebruch Gotteslästerung, Anschreiben bei den Gastwirten, Karten- und Würfelspiel; Müßiggang

Mandat vom 4. August 1490, Goerlitz, 489 f. Zum Einsatz des Buchdrucks vgl. Schubert, Gebot, 58–61. 261 Ausschreiben an die Bischöfe zum Gemeinsamen Mandat vom 4. August 1490, Goerlitz, 489. 262 Siehe dazu S. 102–110. 263 Vgl. Gemeinsames Mandat, 1513 (wie Anm. 1), Bl. 5a . – Zur Bedeutung der Pfarreien für die Kommunikation im ländlichen Raum vgl. Bünz, Kommunikation, 82–112. 264 Gemeinsames Mandat, 1490 (wie Anm. 227). 265 Mandat Georgs, 1491 (wie Anm. 228). 266 Vgl. Gemeinsames Mandat, 1513 (wie Anm. 1); Ausschreiben Kurfürst Friedrichs und Herzog Johanns d.Ä. zum Gemeinsamen Mandat mit Herzog Georg [ Juni 1513], ThürHStA Weimar, Reg. Rr, pag. 353, Nr. 104, Bl. 1. Die Datierung ist möglich durch eine gedruckte Ausfertigung desselben Ausschreibens an den Propst zu Mildenfurt, Weimar, 20. Juni 1513, ebd., Reg. Q, Nr. 137, dazu Regest bei Burkhardt, Landtagsakten, 94 f.; vgl. auch Richter, Landesordnungen, 19, mit Anm. 35. – Vgl. auch Goerlitz, 209 mit Anm. 6, dort Datierung auf den 15. Juni 1513 nach zwei Exemplaren im SächsHStA Dresden (Loc. 14954, Mandatensammlung; Loc. 9810/5), die jedoch heute nicht mehr auffi ndbar sind. 267 Vgl. ABKG, Bd. 1, 331–333. Der Wortlaut des Mandats ist als Insert in einem Bericht über die Bestrafung der Ehebrecher Jobst Weißbrot und Hans Krauß auf dem Dresdner Markt überliefert. Siehe dazu S. 540. 268 Vgl. ABKG, Bd. 1, 489 f.; Goerlitz, 208 f. Für ein Konzept des Mandats vgl. Loc. 14950, Konzepte [. . .], 1474–1525 (unpag.).

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Die Zusammenschau erweckt auf den ersten Blick den Eindruck eines eher unsystematischen Vorgehens. Dies ist vermutlich nur zum Teil auf Probleme der Überlieferung zurückzuführen. Tatsächlich dürfte eine systematische Rechtssetzung nie Ziel der landesherrlichen Mandate gewesen sein. Entsprechend dem zeitgenössischen Verständnis von Gesetzgebung wurde das Recht, hier die kirchlichen Normen, als überzeitlich gültig vorausgesetzt.269 Der Landesherr griff mit Hilfe der Mandate nur dort ein, wo die Normen in Verfall geraten zu sein schienen. Konsequenterweise konnte er Verstöße auch ahnden, ohne daß diese vorher explizit durch landesherrliche Mandate unter Strafe gestellt worden wären. Ohnehin beanspruchte er nur die (subsidiäre) Durchsetzung, nicht aber die Setzung kirchlicher Normen. Neben den eigenen Mandaten förderte Herzog Georg den Erlaß städtischer Policeyordnungen. Schon im Mandat vom 19. Dezember 1491, mit dem Georg die Einhaltung der Landesordnung von 1482 anmahnte, forderte er die Stadträte auf, eigene Ordnungen zur Beschränkung des Kost- und Kleiderluxus zu erarbeiten und sie ihm zur Bestätigung vorzulegen.270 Im Jahre 1500 wandelte sich die Aufforderung zur Anordnung. Gemeinsam mit den Ernestinern befahl Herzog Georg allen landsässigen Städten, Auskünfte über die Zustände vor Ort zu geben und Vorschläge zu städtischen Policeyordnungen gegen den Kost- und Kleiderluxus einzusenden.271 Nachweislich kamen Meißen, Delitzsch, Oschatz, Großenhain, Oederan und Freyburg an der Unstrut dieser Order nach.272 Der unmittelbare Erlaß einer städtischen Policeyordnung im Ergebnis dieser landesherrlichen Initiative läßt sich für die Stadt Oschatz belegen. In einer Missive vom Oktober 1501 schärfte Herzog Georg dem Oschatzer Stadtrat ein, die Einhaltung dieser wegen »etzliche[r] sündtliche[r] und schedliche[r] ubung so von gemeinen volck bey euch mit spielen, ubergern trincken und andern unnützlich vorthun gebrucht« kürzlich ergangenen Ordnung streng zu beachten, »uf das mißbittung des almechtigen Gottes, und schade der leute, so beydes auß sulchem begynnen fleußt, abgewendt und geandert werde.« 273 In Freyburg an der Unstrut sorgte die neue Stadtordnung im Oktober 1500 für Kontroversen. Der Stadtpfarrer wandte sich von der Kanzel aus mit Schmähworten gegen die Ordnung. Welcher Art seine Beschwerden waren, ist in den landesherrlichen Akten nicht überliefert. Jedenfalls zeigte sich Herzog Georg unbeeindruckt. Er forderte die Freyburger Ratsherren auf, ihre Ordnung zur Bestätigung an den Hof zu senden und beauftragte seinen im benachbarten Wendelstein sitzenden Rat Dietrich von Witzleben, den Pfarrer zu verhören 269

Siehe oben, Abschnitt 4 a). Vgl. Mandat Georgs, 1491 (wie Anm. 228). 271 Vgl. Goerlitz, 196. 272 Vgl. Goerlitz, 196, Anm. 6. Zu Freyburg siehe Anm. 274. 273 Brief Herzog Georgs an den Rat zu Oschatz, o.O., 26. Oktober 1501, Cop. 107, Bl. 72b. 270

400 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) und ihm zu verbieten, öffentlich gegen »soliche ordnunge, dye m. g. h. vor zcymlich irkennet« zu agitieren.274 d) Die Themenfelder der Laienreform Ein Gesamtbild der Verordnungen Herzog Georgs zur Laienreform ergibt sich nur aus der Zusammenschau des Landesordnungsentwurfs in seinen zwei Fassungen und der Mandate. Ihre Einbettung in den weiteren Rahmen der Policeygesetzgebung mit ihren Schwerpunkten in den Bereichen Münze, öffentliche Sicherheit (Plackerei und Fehdewesen), städtisches und ländliches Gewerbe oder der Gesindeordnung darf dabei nicht aus dem Blick geraten.275 Auf der anderen Seite hatten viele Städte – wie gezeigt zum Teil unter direkter Mitwirkung des Landesherrn – eigene Policeyordnungen erlassen. Vor allem aber gilt es bei der Bewertung der Verordnungen zu beachten, daß hier keine systematische Regelung der religiösen Lebensführung der Laien, sondern nur die Reform von einzelnen Mißständen beabsichtigt war. Der Versuch, aus der Häufigkeit der Nennung solcher Mißstände auf deren Bedeutung zu schließen, birgt die Gefahr, topischen Wiederholungen aufzusitzen. Allenfalls wird man aus ihrer Nennung Rückschlüsse auf ihre Virulenz in der Wahrnehmung der Zeitgenossen ziehen können. Danach gehörten der Kost- und Kleiderluxus, das Zutrinken und die Verschuldung durch Anschreiben bei den Wirten sowie die Gotteslästerung durch Fluchen und Schwören zu den vielbeachteten Problemen. Eine thematische Ordnung der Einzelpunkte gestaltet sich nicht weniger schwierig, da die Verwerfl ichkeit der Mißstände nur selten begründet wurde. Als direkte Verstöße gegen religiöse Gebote und die kirchliche Ordnung lassen sich Gotteslästerung, die Vernachlässigung der Fasten- und Feiertagsheiligung, Ehebruch, Totschlag und Wucher benennen. Dabei galt es den Wettinern schon als Gotteslästerung, wenn öffentlich Zweifel an Gottes Allmächtigkeit oder seiner Gerechtigkeit geäußert wurden.276 Einen gottlosen Lebenswandel verband man mit dem Müßiggang und mit dem Geschehen in den Schenken, wo Karten- und Würfelspiel sowie das Zutrinken als »ingebunge des tewfels« »sele, ere und gut« Schaden nehmen ließen und das Anschreiben von Trinkschulden den Gemeinen Mann ins fi nanzielle Verderben riß.277 Das Vorgehen gegen den übermäßigen Alkoholkonsum beim Zutrinken wurde als vorbeugende Maßnahme verstanden, denn »aus dem laster der trunckenheyt wirdet offt Got gele274 Brief Herzog Georgs an Dietrich von Witzleben, [Dresden] 26. Oktober 1500, Cop. 106, Bl. 90a. Vgl. auch Brief dess. an den Rat zu Freyburg, [Dresden] 26. Oktober 1500, ebd. 275 Vgl. Goerlitz, 199–228, 303–349. 276 Vgl. Gemeinsames Mandat, 1513 (wie Anm. 1), Bl. 4a . 277 Entwurf Landesordnung, 1498 (wie Anm. 200), 36 f.

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stert, todschlege begangen und sunst vil ubels geubet, also das sich dy zutrincker zu ferligkeit irer eren, sell, vornunfft leibs und gots begeben«.278 Schließlich führte der Landesherr den Kampf gegen übermäßigen Luxus bei Kost, Kleidung und Festen nicht nur aus wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Motiven heraus,279 sondern fürchtete auch den »unvorwintlichem vorterb obir die sunde so dorinne wider Got geubt wird.« 280 Die Warnung vor dem Übermaß (»obirmessiger kost an essen, an trincken und an kleydung«281) erinnert an die Völlerei (gula) aus dem Kanon der sieben Laster. Der Vergleich mit entsprechenden Policeyordnungen anderer Territorien oder auch des Reiches zeigt deutlich, daß den verschiedenen Verordnungen zur Laienreform ein überregional einheitlicher Katalog von Themenfeldern zugrunde lag.282 Andererseits ist der albertinische Befund auch insofern typisch, als in der überwiegenden Zahl der Fälle nur eine Auswahl dieser Themen in den jeweiligen Mandaten zur Sprache kam.283 e) Die Praxis der Laienreform: Der Landesherr als exekutive Instanz Obwohl die Umsetzung der Reformmandate in den Händen der lokalen Obrigkeiten lag, wurde der Landesherr zuweilen selbst in konkreten Einzelfällen aktiv. Dies war auch eine Folge des noch ungenügend ausgeprägten Instanzenzuges, weil sogar einfache Untertanen noch immer direkt vor den Landesherrn Gehör fi nden konnten.284 Den Schwerpunkt landesherrlicher Einzelmaßnahmen bildete der Themenkreis Ehe, Ehebruch und Sexualdelikte. Die in ihrer Fülle hier nicht zu präsentierenden Belege lassen als Leitlinien des landesherrlichen Eingreifens die Bestrafung von Vergewaltigern, die Verwirklichung von Eheversprechen und die Wiederherstellung der als »frommer« Zustand idealisierten Ehegemeinschaft zwischen zerstrittenen Eheleuten erkennen.285 Die re278

Vgl. Gemeinsames Mandat, 1513 (wie Anm. 1), Bl. 5. So kritisiert ein Mandat den Kleiderluxus der Bürgersfrauen in den albertinischen Städten, weil »das dennoch irem stande und wesen nicht zustehet, auch zu vorermerung [. . .] dynet«. Vgl. Mandat Georgs, 1491 (wie Anm. 228). 280 Ebd. 281 Ebd. 282 Zu Vergleichsbeispielen siehe S. 59–61. 283 So enthält etwa die mehrfach erwähnte Landesordnung Wilhelms III. von 1446 Anordnungen zu den Themenfeldern Feiertagsheiligung, Kleiderluxus, übermäßige »Gasterey« bei Festen und Spiel um Geld. Das sechs Jahre später folgende Sittenmandat von 1452 wiederholte von diesen Punkten nur das Verbot des Spiels und die Verordnungen zur Feiertagsheiligung, wandte sich aber zudem gegen Ehebruch, Wucher, Müßiggang und den Brauch des Zutrinkens. Dabei wird man kaum annehmen können, daß das Tragen luxuriöser Kleidung und das Feiern üppiger Feste inzwischen in Thüringen völlig abgestellt wurde. Vgl. Landesordnung Herzog Wilhelms III., Weißensee, 9. Januar 1446, Müller, Reichstagstheatrum Maximilian, Bd. 2, 86–95; Wintruff, 80 f.; Schulze, Fürsten, 47–49, 67–69. 284 Vgl. dazu Volkmar, Hofrat, 89 f. (mit weiterführender Literatur). 285 Vgl. die Akten in: Loc. 7444/6, 9703/10, 9703/12, 9703/14; Zur Wiederherstellung 279

402 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) ligiöse Aufladung dieses Themenbereichs wird greif bar, wenn Herzog Georg das Gnadengesuch eines Vergewaltigers mit der Begründung ablehnt, der Schuldige habe seine »uncristlich boße handlung« in der heiligen Christnacht verübt und noch dazu sei das Opfer auf dem Kirchgang gewesen.286 Ein anderes Laster, das Spiel um Geld, hatte Herzog Georg im Entwurf der Landesordnung zunächst noch nicht generell verbieten lassen. Doch bald berührte ihn das Problem sogar im privaten Umfeld. Mußte ihm doch seine eigene Ehefrau, Herzogin Barbara, ihre Spielleidenschaft gestehen, der sie in Abwesenheit des Fürsten in der geschützten Abgeschiedenheit des Frauenzimmers gefrönt hatte.287 Im Jahre 1515 setzte sich Herzog Georg für einen Peter Hettersberg ein, dessen Diener in Annaberg das Geld seines Herrn verspielt hatte und forderte Amtmann und Stadtrat auf, die Rückgabe des verspielten Geldes an seinen rechtmäßigen Besitzer zu veranlassen.288 Als zwei Jahre später der Annaberger Stadtrat vom Landesherrn die Genehmigung einer Lotterie (»hafen«) begehrte, verlangte der Herzog, die Annaberger sollten sich zunächst bei der städtischen Geistlichkeit erkundigen, »ab solcher handel auch gotlich und mit guten gewissen bescheen mochte, ader nicht.«289 Als Herzog Georg 1523 das Karten- und Würfelspiel gänzlich zu verbieten suchte, standen ihm Fälle von »raube, mort und deuberey« sowie allgemein die Gefahr der Verarmung des Gemeinen Mannes vor Augen.290 Ein Beispiel aus dem Bereich der Feiertagsordnung steht unter anderen Vorzeichen. Denn nicht für die Heiligung des Feiertags, sondern gegen das wirtschaftschädigende Übermaß an arbeitsfreien Tagen richtete sich Herzog Georg, als er um das Jahr 1520 die städtischen Zünfte des Gürtlerhandwerks durch eine Ordnung verpfl ichtete, den in ihrer Zunft üblichen wöchentlichen »guten Montag« der Gesellen abzuschaffen.291 Zumindest die Dresdner Meister folgten dieser Weisung. Widerstand kam von unerwarteter Seite, nämlich den Gürtlergesellen der oberlausitzischen Stadt Bautzen. Diese bestraften die aus Dresden von Ehen vgl. auch Brief Herzog Georgs an die Grafen von Beichlingen, o.O., 25. August 1502, Cop. 107, Bl. 312b ; Briefe Herzog Georgs an Hans von Hayn, 10. November 1494, o.O., Cop. 105, Bl. 36b (u. ö.). 286 Brief Herzog Georgs an Kurfürst Friedrich, Dresden, 1. Juni 1524, Loc. 9703/12, unpag. 287 Brief Herzogin Barbaras an Herzog Georg in Friesland, Dresden, 7. Juni 1514, Loc. 8498/1, Bl. 239 f. 288 Vgl. Brief Herzog Georgs an Amtmann und Rat zu Annaberg, Dresden, 17. April 1515, Cop. 119, Bl. 279b. 289 Brief Herzog Georgs an den Rat zu Annaberg, Dresden, 2. April 1517, ABKG, Bd. 1, 8 f. – Das Wort »hafen« (auch: Glückshafen) bedeutet »Topf, Gefäß« (Baufeld, 118), aus ihm wurden bei der Lotterie die Lose gezogen. Solche Lotterien waren im Zusammenhang mit Schützenfesten üblich, so am 8. Juli 1498 in Leipzig. Vgl. VE 15, L-14-L-17. 290 Mandat Herzog Georgs, Dresden, 30. März 1523, ABKG, Bd. 1, 489 f. 291 Brief Herzog Georgs an Bürgermeister und Rat der Stadt Bautzen, Dresden, 17. November 1520, Arras, 285. – Zum Gesellenwesen vgl. Bräuer, Gesellen.

X. Laien

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zu ihnen gewanderten Gesellen stellvertretend für das »Vergehen« ihrer Meister und ließen ihrerseits einen Bautzener Gesellen in Dresden gegen die Arbeitszeitverlängerung agitieren. Mehrere Briefe belegen, wie die albertinische Landesherrschaft auf den Stadtrat von Bautzen Druck ausübte, um diesen auswärtigen Widerstand gegen ihre Reformen zu unterdrücken.292 Ein zentraler Bereich der Laienreform, mit dem sich die Mandate nicht befaßten – wohl weil er unmittelbar kirchliche Aufsichtsrechte betraf – war die Praxis der Laien bei Beichte und Kommunion. Dennoch wurde Herzog Georg hier zumindest in einem Fall aktiv, interessanterweise auf Bitten des zuständigen Pfarrers. Heinrich von Kottwitz, Domherr zu Bautzen, hatte von 1512 bis 1532 die landesherrliche Patronatspfarre zu Senftenberg inne. 1517 berichtet er Herzog Georg von der anstößigen Praxis der Senftenberger Pfarrkinder bei Beichte und Kommunionsempfang. Herzog Georg befahl darauf hin einem ortsnahen Amtmann, dem Ortrander Amtmann Heinrich von Lüttichau, als Repräsentant der Landesherrschaft gemeinsam mit dem (offenbar nicht in Senftenberg residierenden) Domherrn die Pfarre zu visitieren. Vom gemeinsamen Auftreten der weltlichen und geistlichen Gewalt erhofften sich Pfarrer und Landesherr offenbar die Durchsetzungskraft, »dodurch man die armen leute von irer unordenunge, die sie im beychten und entpfahunge der heyligen sacrament gebrauchen, abweysen konde und also eyne ordenunge, die Gote loblich und irer selen seligkeyt zutreglich, machen mochte«.293

5. Fazit Herzog Georgs Kirchenpolitik beschränkte sich nicht auf die Institution Kirche, sondern bezog – ausgehend von der Vision einer christlichen Gesellschaft und der Verantwortung des Fürsten vor Gott – die Gesamtheit seines Untertanenverbands in den Versuch der Erneuerung ein. Dabei verband sich das traditionelle Motiv herrscherlicher Kirchenfürsorge mit der Rezeption der zeitgenössischen Kritik an der Laienfrömmigkeit und dem Ordnungsanspruch des entstehenden Territorialstaates. Im Ergebnis stand eine landesherrliche Politik, die die Förderung von Laienfrömmigkeit mit Kontrolle und Reform verband. Ihre besondere Intensität und Gestalt erhielt diese Politik durch das patriarchalische Fürstenregiment Herzog Georgs. Der Regulierungsanspruch des Landesherrn machte auch vor der Sphäre geistlicher Ordnung nicht halt. Zwar erkannte Georg formal die Zuständigkeit der geistlichen Gewalt an, weshalb es sein Ziel blieb, sie zur Legitimation seines Vorgehens einzuspannen. Doch faktisch 292

Vgl. die Quellenstücke bei Arras, 285–287. Brief Herzog Georgs an Heinrich von Kottwitz, Pfarrer zu Senftenberg, Dresden, 28. Mai 1517, ABKG, Bd. 1, 14 f. Zur Person vgl. ebd., 14, Anm. 1. 293

404 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) räumte er den Bischöfen und Archidiakonen kein Mitspracherecht bei seinen Maßnahmen ein. Dies gilt nicht nur für die sächsischen »Landesbistümer«, sondern auch für die albertinischen Gebiete in den Diözesen Magdeburg und Mainz. Die praktische Verwirklichung dieser Politik vollzog sich zum einen situativ, durch das Eingreifen des Landesherrn in konkrete, oft durch lokale Klagen bekannt gewordene Mißstände. Dabei griff Herzog Georg, wie überall in seiner Kirchenpolitik, auf erprobte Herrschaftstechniken aus dem weltlichen Bereich zurück. Bei einigen wichtigen Vorhaben wie der Heiligsprechung Bennos von Meißen oder dem Auf bau des kirchlichen Lebens in St. Annaberg ist ein langfristiges, planvolles Vorgehen zu beobachten. Als Sanktionierung unfrommen Verhaltens bildete die Reform der Lebensführung der Untertanen das direkte Gegenstück zur Förderung und Kontrolle der Laienfrömmigkeit. Hier bemühte sich der Fürst um eine generelle Lösung, indem er in Landesordnungen und Mandaten Verstöße gegen die kirchlichen Normen mit weltlichen Sanktionen belegte. Ein besonderer Zug der Persönlichkeit Herzog Georgs war die aus seiner privaten Glaubensauffassung herrührende distanziert-kritische Haltung zu den veräußerlichten Formen der spätmittelalterlichen Frömmigkeitspraxis. Anders als viele Standesgenossen, anders als viele Mitglieder der eigenen Familie, war Georg weder eifriger Reliquiensammler noch glühender Verehrer von Heiligen und ihren Wallfahrtsstätten. Hinzu trat Georgs theologische Bildung, die den Fürsten in seinem Horizont aus dem Laienstand heraushob. Diese persönliche Disposition prägte seine Kirchenpolitik, die zwischen landesherrlicher Förderung der Laienfrömmigkeit und persönlicher Distanz gegenüber einzelnen Ausprägungen oszillierte. Ebenso wie Georg mit dem Anspruch eines Laien die Mißstände im Klerus kritisieren konnte, vermochte er partiell auch die klerikale Perspektive einzunehmen, wenn es um die Frömmigkeitspraxis der Laien ging. Das Denken in den Bahnen kirchlicher Ordnung zeigte sich etwa, wenn er den religiösen Gehalt neuer Kulte durch den gelehrten Klerus überprüfen lassen wollte oder den Bau einer neuen Wallfahrtskapelle verbot, um das Pfarrkirchenprinzip zu stärken. Hier präsentierte sich Georgs Frömmigkeitspolitik als praktische Umsetzung der Reformtheologie seiner Zeit. Überspitzt möchte man sagen, Georg agierte als geistlicher Reformer mit weltlicher Macht. Dies war für einen weltlichen Fürsten etwas Besonderes, wie der Vergleich mit Standesgenossen wie Friedrich dem Weisen oder selbst noch den bayerischen Wittelsbachern der Frühen Neuzeit zeigt. Sah der Regelfall doch den Fürsten eher als ranghöchsten Exponenten der Laienfrömmigkeit und als ihren Schutzherrn, wenn Bischof und Klerus gegen den »Wildwuchs« in der Praxis pietatis zu Felde zogen.294 294

Vgl. Hartinger, 33–50.

X. Laien

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Der Einbezug der Laien in die landesherrliche Kirchenpolitik bedeutete schließlich eine Überwindung mittelalterlicher Orientierungen. Wo landesherrliche Reformbestrebungen noch im 15. Jahrhunderts vorrangig der monastischen Lebensweise galten, weil dem gottgefälligen Leben des »Betstandes« traditionell eine Stellvertreterfunktion für die Gesamtgesellschaft zugesprochen wurde, wird nun die gesamte Bevölkerung in ihrem an den christlichen Normen ausgerichteten Verhalten verantwortlich gemacht für den Erhalt der göttlichen Gunst und der damit verbundenen Wohlfahrt des Landes. Die landesherrliche Aufsicht über das religiöse Handeln der Laien erscheint so als ein Ausfluß der Fürsorgepfl icht des patriarchalischen Fürstenregiments für das Seelenheil des einzelnen Untertanen ebenso wie für die Kirche im Territorium im Ganzen.

XI. Vorreformatorische Öffentlichkeit 1. Was ist vorreformatorische Öffentlichkeit? Die Rekonstruktion der vorreformatorischen Öffentlichkeit gehört zu den ertragreichsten Unternehmungen der aktuellen Forschung. Ausgehend von der etablierten Leitthese »ohne Buchdruck keine Reformation«1 haben Historiker, Buchforscher und Germanisten in jüngster Zeit die Voraussetzungen des »Medienereignisses Luther« (Berndt Hamm) erkundet und dabei Bemerkenswertes entdeckt: Nicht nur die Technik des Buchdrucks ging der Reformation Jahrzehnte voraus. Auch die sie kennzeichnende, intensive Kommunikationssituation, die zuerst von Rainer Wohlfeil als »Reformatorische Öffentlichkeit« hervorgehoben wurde, hatte sich in ihren Grundzügen bereits am Ende des 15. Jahrhunderts herausgebildet.2 Schon um 1500 wurden politische, gelehrte und religiöse Themen mit Hilfe des Buchdrucks zeitnah, überregional und diskursiv kommuniziert. Die partiellen und lokalen Öffentlichkeiten des Mittelalters begannen zu verschmelzen, erweiterten sich zu einem (potentiell) permanenten und reichsweiten Kommunikationsraum. Als Leitmedien etablierten sich am Beginn des 16. Jahrhunderts Flugschrift und Einblattdruck mit ihrer typischen Kombination von Texten und Holzschnitten. Sie wurden nicht nur gelesen, sondern vor allem vorgelesen – mündliche und schriftliche Kommunikation standen in enger Beziehung zueinander. Ins Auge fällt der persuasive Charakter vieler Drucke.3 Der von Zeitgenossen als »intimatio publica«4 bezeichnete Versuch, Öffentlichkeit zu erzeugen, um 1

Moeller, Stadt und Buch, 117. Zur Diskussion um reformatorische Öffentlichkeit siehe S. 555, Anm. 3; zum Buchdruck als Medienrevolution vgl. Giesecke. – Zur jüngsten Erforschung der vorreformatorischen Situation vgl. Eisermann, Blätter; ders., Buchdruck und Herrschaftspraxis; ders., Typographie; ders., Ablaß als Medienereignis; Hamm, Medienereignis; Bünz, Druckkunst; Repgen, Antimanifest; Schmid, Wallfahrtslandschaft; Volkmar, Druckkunst. – Auch dem Mittelalter vor Gutenberg waren die Konzepte von Öffentlichkeit und Propaganda nicht völlig fremd, wenngleich es sich dabei in der Regel um partielle und situative Öffentlichkeiten handelte (z. B. auf den Konzilien), die sich auf konkrete Konfl ikte beschränkten und nur die betroffenen Eliten umfaßten. Vgl. Hruza, Propaganda Einleitung; Schubert, Erscheinungsformen; Lentz, Rechtsstreit; Miethke, Konzilien als Forum. 3 Vgl. Eisermann, Blätter; ders., Typographie. 4 Als »intimatio publica«, also als öffentliche Mitteilung, bezeichnete der Leipziger Professor Johannes Weiße († 1486) in einer von ihm angelegten Sammlung zeitgenössischer Kol2

XI. Vorreformatorische Öffentlichkeit

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möglichst viele einflußreiche Rezipienten von der eigenen Position zu überzeugen, eint so unterschiedliche Kontroversen wie die Mainzer Stiftsfehde der Jahre 1461/63, den fränkischen Pfaffensteuerstreit von 1481 oder den ReuchlinPfefferkorn-Streit seit 1511, dem die berühmten Dunkelmännerbriefe ihre Existenz verdanken.5 Wenngleich kein Zweifel besteht, daß die frühe Reformation das herausragende Medienereignis ihrer Zeit gewesen ist, so zeigt doch die Erforschung der vorreformatorischen Öffentlichkeit, daß sie weder plötzlich noch voraussetzungslos hereinbrach.6 Die zentrale Bedeutung christlicher Frömmigkeit für die spätmittelalterliche Gesellschaft spiegelt sich auch in der intensiven Nutzung der neuen »schwarzen Kunst« für religiöses Schrifttum wieder. Kirchliche Institutionen gehörten neben den Universitäten zu den ersten Auftraggebern der Drucker. Aufwendige liturgische Bücher für den kirchlichen Gebrauch markierten das obere, massenhaft produzierte Ablaßbriefe und Dispensformulare das untere Ende des Spektrums kirchlicher Auftragsarbeiten.7 Daneben existierte ein breiter Markt für religiöse Literatur in der Volkssprache, der seine Dynamik aus dem gestiegenen Bildungsniveau und dem religiösen Interesse städtischer Laienkreise bezog.8 Die vorreformatorische Druckproduktion in Leipzig verdeutlicht diesen Zusammenhang. Die spätere Hauptstadt des deutschen Buchdrucks fand seit den 1480er Jahren den Anschluß an die führenden Druckzentren des Reiches. In den ersten zwei Dekaden des 16. Jahrhunderts erreichten fünf etablierte Werkstätten bereits eine Gesamtproduktion von ca. 1.400 bekannten Drucken, was mehreren tausend gesetzten Seiten pro Jahr entsprach.9 Melchior Lotter d.Ä., nach 1500 der führende Drucker der Stadt, veröffentlichte Lehrbücher und Klassikerausgaben für die Universität, druckte aber auch Missale, Breviere und Psalter für viele deutsche Bistümer. Sein Verlagsprogramm umfaßte daneben zahlreiche Titel zeitgenössischer Frömmigkeitsliteratur.10 So druckte er zwischen 1506 und 1517 fünf deutsche Ausgaben des »Hortulus animae«, des popu-

lektaneen jene propagandistischen Drucke, die der Mainzer Erzbischof Diether von Isenburg 1480 im Streit um die Reichsstandschaft der Stadt Erfurt an mehrere Reichsstände verschickte, um für seine Position zu werben. Vgl. Eisermann, Leipziger Einblattdrucke, 385. 5 Zur Mainzer Stiftsfehde vgl. Repgen, Antimanifest; Eisermann, Blätter, 292–294; zum Pfaffensteuerstreit siehe S. 51, Anm. 17; Zum Reuchlin-Pfefferkorn-Streit vgl. Meuthen, Epistolae obscurorum; Rummel. 6 Vgl. Hamm, Medienereignis. 7 Vgl. Eisermann, Ablaß als Medienereignis; ders., Buchdruck und Herrschaftspraxis; Bünz, Druckkunst. 8 Vgl. Hamm, Medienereignis, 160–162; Schreiner, Laienbildung; William-Krapp; Grubmüller; Henkel. 9 Zum Leipziger Buchdruck vgl. Claus, Untersuchungen; ders., Druckschaffen; zuletzt: Döring; Eisermann, Leipziger Einblattdrucke. 10 Vgl. Döring.

408 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) lärsten Gebetsbuches seiner Zeit.11 1502 erschien eine lateinische »Legenda s. Anne«, die bis 1517 viermal nachgedruckt wurde.12

2. Buchdruck und Landesherrschaft Das florierende Leipziger Druckgewerbe erregte von Anfang an das Interesse der Wettiner. Schon 1482 ließen Kurfürst Ernst und Herzog Albrecht bei Markus Brandis ihre neue Landesordnung in zwei Auflagen drucken und zeichneten so für einen der ersten Leipziger Drucke verantwortlich.13 Das neue Medium diente den Landesherren zur Verbreitung eines nicht minder innovativen Textes, gehörte die Landesordnung doch zu den frühesten territorialen Gesetzeswerken im Reich.14 Zahlreiche Steuerausschreiben, Münzmandate und Aufforderungen zur Heerfolge, die Herzog Albrecht und Herzog Georg bei den Leipziger Druckern in Auftrag gaben, belegen die intensive Nutzung des Buchdrucks für die weltliche Verwaltung.15 Dabei nahmen die Wettiner unter den Fürsten des Reiches eine Vorreiterrolle ein. Zwei Verwendungszusammenhänge sind für diese Einblattdrucke zu unterscheiden: der Einsatz als Briefformular (z. B. bei Steuerausschreiben) und die Gestaltung als großformatiger Plakatdruck, der zum Zwecke der öffentlichen Bekanntmachung an Rathäusern oder Kirchentüren angeschlagen wurde.16 Auch die Einsatzmöglichkeiten des Buchdrucks für politische Propaganda blieben den Wettinern nicht verborgen. Das beste Beispiel bietet der »Friesländische Krieg«. Nach längeren Spannungen entschloß sich Herzog Georg im Jahre 1513 zum militärischen Vorgehen gegen Graf Edzard von Ostfriesland, der, wiewohl formal albertinischer Lehnsmann, faktisch die sächsische Herrschaft in Friesland in Frage stellte. Vom Kaiser erwirkte Georg die Reichsacht gegen Edzard und verbündete sich zu ihrer Vollstreckung mit Graf Johann von Oldenburg und den Herzögen von Braunschweig. Der lang vorbereitete Feldzug fand im Jahre 1514 statt. Trotz anfänglicher Erfolge gelang es Georg jedoch nicht, seinen Gegner in die Knie zu zwingen. 11 Vgl. Ortulus anime to dude, Leipzig: Melchior Lotter, 1506 (VD 16 H 5106). Weitere Ausgaben von 1511, 1513, 1516, 1517 (VD 16 H 5107, 5108, 5111, 5113). Zum Inhalt vgl. Küppers. 12 Vgl. Legenda s.[an]ctissime matrone Anne genitricis v.[ir]gi.[ni]s Marie matris et Hiesu Cristi auie, Leipzig: Melchior Lotter, 1502 (VD 16 L 971). Weitere Ausgaben von 1505, 1507, 1512, 1517 (VD 16 L 972 f., 975 f.). 13 Landesordnung Kurfürst Ernsts und Herzog Albrechts vom 15. April 1482 [Leipzig: Markus Brandis, 1482] (GW Nr. 9388 f.).- Zur Diskussion um die Anfänge des Leipziger Buchdrucks vgl. Steinführer, Heilemann; Döring. 14 Siehe S. 384–397. 15 Vgl. VE 15, Einträge A-116 bis A-129 und G-49 bis G-63. 16 Vgl. Eisermann, Leipziger Einblattdrucke; ders., Typographie.

XI. Vorreformatorische Öffentlichkeit

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Als überlegen erwies sich der Albertiner aber in der propagandistischen Begleitung des Feldzuges. Sämtliche Drucke, die das Reich in den Jahren 1513/14 über die Ereignisse in Friesland informierten, schilderten den Konfl ikt aus sächsischer Perspektive. Die insgesamt sechs in Leipzig und Nürnberg erschienenen Flugschriften gingen zum Teil auf die direkte Initiative Herzog Georgs zurück.17 Eine offi zielle Rechtfertigung des Feldzuges durch Georg verließ 1513 Melchior Lotters Presse.18 Im Sommer 1514 unterrichtete eine Flugschrift mit dem einprägsamen Titel »Frieslandischer krieg« die Reichsöffentlichkeit über die militärischen Erfolge der Koalitionstruppen, zu denen insbesondere die Eroberung der Stadt Appingedam zählte. Der offiziöse Bericht, den Martin Landsberg »cum privilegio« Herzog Georgs in Leipzig druckte, endete mit der Ankündigung des nächsten Bulletins aus der albertinischen Propagandapresse: »Wie aber der storm zum Tham [= Appingedam] entlichen ergangen, wirt man kurtlichen auch yn den drugk bringen«.19

3. Die Förderung der Leipziger Frömmigkeitsliteratur Die Entwicklung Leipzigs zu einem Zentrum des Buchdrucks einerseits und das Bewußtsein der wettinischen Landesherrn für die politische Relevanz öffentlicher Kommunikation andererseits bildeten die Voraussetzungen dafür, daß die vorreformatorische Öffentlichkeit auch für die Kirchenpolitik Georgs zur Handlungsebene werden konnte. Die Quellenlage ist dabei nicht immer günstig. Denn über Entstehungsprozeß, Auftraggeber und Finanzierung früher Drucke haben sich nur sporadisch Nachrichten erhalten, und nicht jeder Druck, an dessen Entstehung der Landesherr Anteil hatte, läßt dies auch erkennen. Bei der Bestimmung der landesherrlichen Indienstnahme der Druckerpresse ist deshalb mit vielen Unbekannten zu rechnen, zuweilen können Verbindungen lediglich wahrscheinlich gemacht werden. Dies beginnt mit dem Kreis von Personen, die in Leipzig als Autoren oder Herausgeber von theologischer und Frömmigkeitsliteratur in Erscheinung traten. Auffällig viele von ihnen standen in engem Kontakt zu Herzog Georg, manche waren sogar Protagonisten seiner Kirchenpolitik. So begegnet Hieronymus Emser, Georgs langjähriger Sekretär, Hof kaplan und Hofpublizist, 17

Vgl. Möncke, 51 f. Vgl. Hirnach volget, was beschwerung und unrechten, uns, hertzog Georgen vonn Sachssen etc., von graven Edezart von Embden begegent vnd czugefugt ist [Leipzig: Melchior Lotter, 1513] (VD 16 ZV 19880). Vgl. dazu Möncke, 52 f. 19 Frieslandischer krieg. Und was der durchlaucht hochgeborne furst un.[d] herr, herr Georg hertzog tzu Sachssen [. . .] do selbst gekriegt [. . .], [Leipzig: Martin Landsberg, 1514] (VD 16 F 2893). Vgl. dazu Möncke, 53 f., dort auch die Zitate. – Zu der angekündigten zweiten Flugschrift siehe unten, Anm. 70. 18

410 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) gleich mehrfach als Autor von Schriften zu Benno von Meißen, aber auch als Herausgeber des »Enchiridion militis christiani« des Erasmus von Rotterdam. Der Leipziger Theologieprofessor Hieronymus Dungersheim, der als geistlicher Rat und Visitator für den Landesherrn tätig war, verfaßte 1514 eine gelehrte Wiederlegung hussitischer Glaubenssätze im direkten Auftrag Herzog Georgs.20 Einer seiner Vorgänger an der theologischen Fakultät, der spätere Meißner Dekan Johannes Hennig, trat 1492 mit Drucken über die spektakuläre und vielbeachtete Wiederauffi ndung des angeblich originalen Kreuztitulus (»INRI«) in der römischen Kirche S. Croce in Gerusalemme hervor und publizierte 1521 in Rom ein Summarium des Bennoprozesses.21 Zu den aktivsten Autoren gehörte der Dominikaner Markus von Weida, der Lesemeister im Paulinerkonvent war. Er gab 1512 mehrere Predigten seines Ordensbruders Nikolaus von Schönberg heraus, die er mit einem Brief an den späteren Meißner Bischof Johannes von Schleinitz einleitete.22 Sowohl Schleinitz wie Schönberg waren wichtige Ratgeber des Landesherrn und vor allem in seine kuriale Kirchenpolitik eingebunden.23 Weida selbst ist punktuell als Rat Georgs bei weltlichen Verhandlungen mit den Ernestinern nachweisbar,24 seine Verbindungen zum Hof zeigen sich aber vor allem in seinen Kontakten zu den Herzoginnen Zedena und Barbara. Von den frommen Schriften und theologischen Traktaten, die dieser Personenkreis in Leipzig zum Druck brachte, geben sich einige direkt als landesherrliche Auftragsarbeiten zu erkennen. So beginnt der an eine lateinisch gebildete Öffentlichkeit gerichtete Traktat »Confutatio apologetici cuiusdam sacre scripture falso inscripti« des Hieronymus Dungersheim mit einer langen Vorrede »ad illustrissimum principem ac dominum dominum Georgium Saxonie ducem«.25 Die Schrift, die 1514 in Leipzig gedruckt wurde, scheint die Flugschriftenkon20

Zu den Schriften der beiden Autoren siehe unten in diesem Abschnitt. Vgl. Johannes Hennig, Sermo de passione [. . .], [Leipzig: Martin Landsberg], 1492 (GW 12190 f.); [ders.] Titulus triumphalis causae passionis et mortis Christi, [Leipzig: Martin Landsberg], 1492 (VE 15 T-17). Zum Inhalt vgl. VE 15, Bd. 3, 561; [ders.] Vita beati Bennonis episcopi Misnensis ad Leonem X. pont. max., Rom 1521, 4o (benutztes Exemplar: B. A. V., Stampati, Barberini, U.VII.93). Vgl. dazu Volkmar, Druckkunst; ders., Heiligenerhebung Bennos, 99 f., 194 f. 22 Nikolaus von Schönberg, Orationes vel potius divinoru.[m] eloquioru.[m] enodatio.[n]es facundissime, pregna.[n]tissimis sente.[n]tiis referte [. . .], Leipzig: Wolfgang Stöckel, 1512. (benutztes Exemplar: UBL, Stöckel 66). – Es handelt sich um Predigten, die Schönberg als Theologieprofessor an der Sapienza und Mitglied des päpstlichen Oratoriums vor Papst Julius II. hielt. Vgl. O’Malley, 111 f.; Kalkoff, Prozeß, 393. 23 Siehe S. 125–129 und vgl. Volkmar, Kurienprokuratoren. 24 Nach freundlicher Auskunft durch Herrn Dr. Uwe Schirmer, Leipzig. 25 Hieronymus Dungersheim, Confutatio apologetici cuiusda.[m] sacre scripture falso inscripti: ad illustrissimu.[m] p.[ri]ncipem Georgium: Saxonie duce.[m] etc. a magistro Hieronymo Dungerßheym de Ochssenfart, sacre theologie professore, edita, Leipzig: Wolfgang Stöckel, 1514 (VD 16 D 2947), Bl. A IIa. 21

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troversen der Reformationszeit vorwegzunehmen. In seiner Vorrede führt der Leipziger Theologe aus, Herzog Georg selbst sei als wachsamer christlicher Fürst auf eine in Nürnberg gedruckte Apologie hussitischer Glaubenssätze aufmerksam geworden. Um seine Untertanen vor den falschen Lehren über die Heilige Schrift zu schützen, habe Georg ihn, Dungersheim, damit beauftragt, die dort verbreiteten pikardischen Häresien zu wiederlegen.26 Tatsächlich war im Jahre 1511 eine hussitische »Apologia sacrae scripturae« in Nürnberg gedruckt worden.27 Neben Herzog Georg selbst traten die beiden albertinischen Fürstinnen Zedena und Barbara als Förderer religiöser Drucke hervor. Ihr Ansprechpartner war Markus von Weida. Als der Leipziger Dominikaner Herzogin Zedena auf ihrem Witwensitz in Tharandt besuchte, fand diese Gefallen an einer deutschen Übersetzung des »Liber specialis gratiae« der Mystikerin Mechthild von Hackeborn. Auf ihren Wunsch hin besorgte Weida den Druck des Werkes, der 1503 bei Lotter erfolgte. In den nächsten Jahren kamen weitere Bücher von Mechthild und Bonaventura auf dem selben Wege zum Druck.28 Neben mystischen Erbauungsbüchern förderte Zedena auch volkssprachliche Erklärungen der kirchlichen Liturgie und Anleitungen zur Laienfrömmigkeit. Eine (ebenfalls von Weida besorgte?) Erläuterung der Messe erschien 1509 »uff anregunge unde koste der durchleuchtigisten [. . .] furstin und frauen Zdene« wiederum bei Lotter.29 Weida selbst verfaßte im Auftrag der Herzogin »Ein nutzliche lere und underweysunge, wye un.[d] was der mensch bethen solle und sond.[er]lich.[en] außlegunge.[n] des heylgen vater unßers«.30 Auch dieses Werk wünschte die fromme Fürstin – die ihren Sohn, Herzog Georg, immer wieder mit der neuesten Frömmigkeitsliteratur versorgte -31 nicht nur für ihren persönlichen Gebrauch, sondern wollte es durch den Druck verbreitet sehen. Die Intentionen, die Zedena dabei geleitet haben mögen, brachte ihre Schwiegertochter Barbara 26 »Hoc tu princeps catholice vigilanter advertens, et ob eos qui ditioni tue haud distanter incumbunt hereticos, Picardos vulgo appellatos, subditis tuis nedum de temporali pace, quod optimi p.[rae]sidis est, sed et pro tua in deum observantia, de fidei stabilitate, sine qua nec pax vera aut salus constare potest, fideliter providere volens, tractatum quendam pestiferum, apologiam sacrescripture falso et mendaciter p.[rae]titulatu.[m], Nuremberge quod plurimu.[m] miror, sed furtim ut estimo nuper impressum eorundem Picardorum heresibus totum respersum, discutere mihi demandasti.« Ebd., Bl. A IIa–A IIIa. 27 Vgl. Freudenberger, 54–56. 28 Vgl. Döring. 29 Ein sunderliche andechtige beschaulickeit von dem ampte der heiligen messe [. . .], Leipzig: Melchior Lotter, 1509 (VD 16 S 7009). Zitiert nach VD 16, 1. Abtl., Bd. 19, 294. 30 [Markus von Weida] Ein nutzliche lere und underweysunge, wye un.[d] was der mensch bethen solle und sond.[er]lich.[en] außlegunge.[n] des heylgen vater unßers, durch eynen bruder prediger ordens tzu Leyptzk geprediget unnd vordeutzscht, Leipzig: Melchior Lotter, 1502 (VD 16 M 957). Vgl. dazu Döring. 31 Vgl. Werl, Sidonia; Reichel, 8; sowie die Quellenzitate in ABKG, Bd. 1, XXV, Anm. 1.

412 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) zu Papier. Sie bat Weida, eine Anleitung zur populären Gebetspraxis des Rosenkranzes zu verfassen, »Got [und] seiner werden mutter czu lobe und eren, gemeinem volcke czu besserung unnd anreyczu.[n]g der andacht und uns czugefallen«.32 Die hier angesprochene pädagogische Zielsetzung der Frömmigkeitsliteratur, die Förderung christlicher Bildung und kirchlich orientierter Frömmigkeitspraxis bei den Laien, lag ganz auf der Linie der Kirchenpolitik Herzog Georgs, die im Bereich der Laienfrömmigkeit jene Reformideen aufgriff, die spätmittelalterliche Frömmigkeitstheologie und humanistische Reformer entwickelt hatten.33 So erscheint es fast folgerichtig, wenn Georgs Hof kaplan Hieronymus Emser 1515/16 das »Enchiridion militis christiani«, die berühmte Programmschrift einer modernen »humanistischen« Frömmigkeit, in zwei Auflagen herausbrachte. Es handelte sich dabei übrigens um die erste selbständige Ausgabe des »Handbüchleins« im deutschen Sprachraum.34 Mit diesem Vorhaben ließen sich zwei Motive elegant verbinden: Auf der persönlichen Ebene wirkte die aufwendig gestaltete Emserausgabe als Eintrittsbillet in den exklusiven Freundeskreis des Humanistenfürsten. Von nun an standen Emser und auch Herzog Georg mit Erasmus im Brief kontakt, ja es wurde von sächsischer Seite sogar ein Lehraufenthalt des Humanisten an der Leipziger Universität ins Auge gefaßt.35 Auf der inhaltlichen Ebene aber ging es nicht nur darum, der Gelehrtheit des Humanistenfürsten zu schmeicheln – dafür wären andere Schriften viel geeigneter gewesen. Wie der von Emser gewählte Titel der Ausgabe deutlich macht, war es gerade das Plädoyer des Erasmus für eine Reform der Laienfrömmigkeit, das das Werk für den albertinischen Hof kaplan interessant machte.36 Schließlich ist noch einmal die Gesamtheit der Leipziger Frömmigkeitsschriften zu betrachten. Auffällig ist, daß die Fürstinnen Zedena und Barbara ausschließlich deutschsprachige und mit praktischer Frömmigkeit befaßte Drukke förderten, während etwa Dungersheims theologischer, in Latein verfaßter Traktat im Auftrage Herzog Georgs entstand. Naheliegend ist die Vermutung, daß die Herzoginnen nur deutsche Texte lesen konnten. Doch das Gegenteil ist der Fall. Von Zedena ist bekannt, daß sie Latein verstand, und von der polnischen Königstochter Barbara ist sogar ein lateinischer Brief überliefert.37 Hier ist 32 Brief Herzogin Barbaras an Markus von Weida, Dresden, 1. Oktober 1514. Der als eigenhändig gekennzeichnete Brief ist abgedruckt auf Bl. 1b der Schrift Weidas. Vgl. Markus von Weida, Der Spiegel hochloblicher bruderschafft des Rosenkrantz Marie, der allerreinsten jungfrawen [. . .], Leipzig: Melchior Lotter, 1515 (VD 16 M 962). Der Druck liegt auch in einer modernen Edition vor. Vgl. Lee. 33 Siehe S. 345–357. 34 Zum »Enchiridion« und seiner Leipziger Ausgabe siehe S. 85 f., 347 f. 35 Siehe S. 537 mit Anm. 90. 36 Siehe S. 347 f. 37 Zu Zedena vgl. Werl, Sidonia, 15; Zu Barbara vgl. Brief Herzogin Barbaras an Bischof

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wohl subtiler zu fragen, die Antwort in den Konventionen der Zeit zu suchen. Dies legen zumindest die Drucke der Vita Bennonis von Hieronymus Emser nahe, in denen ein ähnliches Muster zu erkennen ist: Während die lateinische Originalfassung aus dem Jahre 1512 Herzog Georg als Auftraggeber gewidmet wurde, weist die fünf Jahre später erschienene deutsche Übersetzung eine Dedikation an Herzogin Barbara auf.38 Die Schriften unterscheiden sich zudem konzeptionell: Während der lateinische Druck auf gelehrt-geistliche und humanistische Interessen zugeschnitten wurde, richtet sich die gekürzte und dafür mit Wunderberichten angereicherte deutschsprachige Übersetzung an den breiteren Kreis der Laien, sollte in Emsers Worten »dem gantzen land tzu einer geistlichen froud und andacht« gereichen.39 Die Widmung an Herzog und Herzogin kann also über die Dimension persönlicher Beziehungen hinaus auch als Chiffre für die verschiedenen Rezipientenkreise in der vorreformatorischen Öffentlichkeit gelesen werden.40 Verfolgt man diesen Gedanken, so wird auch verständlich, warum Emser seine Übersetzung der berühmten antilutherischen Schrift »Assertio septem sacramentorum« Heinrichs VIII., die nachweislich im Auftrag Herzog Georgs entstand, nicht dem Auftraggeber, sondern seiner Gemahlin Barbara widmete.41 Geht man aber davon aus, daß bei den Widmungen Konventionen existierten, die bestimmten, wem welche Schriften adäquat zueignet werden konnten,42 wenn nicht sogar, wer welche Schriften zu fördern habe, so ergibt sich daraus eine neue Perspektive auf die Leipziger Frömmigkeitsliteratur. Denn dann erscheint das im Namen von Zedena und Barbara verwirklichte volkssprachliche Publikationsprogramm nicht als isolierte private Initiative, sondern als angemessene Präsentationsform für Projekte der landesherrlichen Kirchenpolitik. Damit soll das persönliche Engagement beider Fürstinnen nicht in Abrede gestellt werden. Doch mit den Augen der Zeitgenossen wird man hinter Erasmus von Cammin, o.O. [1522/23], Loc. 8994/8, Bl. 72b –73a. Das Schreiben der »Barbara dei gratia nata ex regibus Polonie« entstand im Zusammenhang mit einer Petitionskampagne Herzog Georgs zugunsten der Heiligsprechung Bennos von Meißen. An der Urheberschaft Barbaras sind deshalb Zweifel erlaubt. Doch sollte sie deshalb den lateinischen Text, der in ihrem Namen erging, nicht verstanden haben? Schließlich hätte man an den deutschstämmigen Bischof Erasmus von Manteuffel auch auf deutsch schreiben können, wie es in der Korrespondenz Georgs mit Bischöfen üblich war. Vgl. Volkmar, Heiligenerhebung Bennos, 96 f. 38 Vgl. Hieronymus Emser, Divi Bennonis Misnensis quondam episcopi vita [. . .], Leipzig: Melchior Lotter d.Ä., 1512, 2o. (VD 16 E 1117), als Mikrofiche ediert: Köhler, Flugschriften, Nr. 997, Bl. A IIa ; ders., Das heilig leben vnd legend des seligen Vatters Bennonis weylund Bischoffen tzu Meyssen: gemacht vnd in das tewtsch gebracht: durch Jeronymum Emser, Leipzig: Melchior Lotter d.Ä., 1517, 4o. (VD 16 E 1118), Bl. A I b –A IIa. 39 Emser, Heilig leben und legend, 1517 (wie Anm. 38), Bl. A IIa . 40 Vgl. Volkmar, Druckkunst. 41 Vgl. Smolinsky, Alveldt und Emser, 40. 42 Vgl. allgemein Schottenloher.

414 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) den Fürstinnen das politische Wirken des Landesherrn sehen dürfen, zumal das Beispiel der Emser-Übersetzung zeigt, daß man bewußt auf ihre Namen zurückgriff. Zusammen mit den lateinischen Traktaten, die im Auftrage Herzog Georgs entstanden, beschreiben die deutschsprachigen Drucke Zedenas und Barbaras so das Spektrum landesherrlicher Publikationsförderung in der vorreformatorischen Öffentlichkeit.

4. Landesherrliche Selbstdarstellung und kirchenpolitische Propaganda Wie der Landesherr die Druckerpresse nutzte, um seine kirchenpolitischen Ziele zu verwirklichen, läßt sich am besten am Beispiel der Heiligsprechung Bennos von Meißen verfolgen. Im Zuge des Kanonisationsprozesses, dessen treibende Kraft Herzog Georg war, entstanden zwischen 1505 und 1524 sechs Publikationen: eine lateinische und eine deutsche Heiligenvita, zwei an den Papst adressierte Summarien des Prozesses, schließlich zwei Drucke der päpstlichen Kanonisationsbulle. Sie alle lassen sich auf die Initiative des Landesherrn und seiner kirchenpolitischen Mitarbeiter zurückführen. Ihre Zielsetzung war die Popularisierung des Meißner Heiligen und die Bestätigung und Aufwertung seines Kultes durch die päpstliche Heiligsprechung.43 Über Genese und Inhalte stehen die Drucke dabei in direkter Beziehung zu den einzelnen Etappen des Kanonisationsprozesses. Mehr noch, sie waren auf spezifische Teilöffentlichkeiten zugeschnitten, denen in den jeweiligen Prozeßphasen Bedeutung zukam. So sollte das erste Summarium von 1505,44 als humanistische Elegie gestaltet, dazu dienen, den neugewählten Papst Julius II. für die Fortführung des Kanonisationsverfahrens zu gewinnen (was nicht gelang). Emsers Bennovita von 1512 reagierte auf die formalen Anforderungen des päpstlichen Verfahrens und war zugleich in inhaltlicher wie typographischer Gestaltung darauf angelegt, die gebildeten Eliten im Reich und an der Kurie für das Vorhaben zu begeistern.45 Demgegenüber zielte der deutschsprachige Vitendruck von 1517 auf die breite Popularisierung des Kultes,46 wodurch die öffentliche Unterstützung für das Anliegen der Heiligsprechung gestärkt werden sollte.47 Das durch Johannes Hennig als Prokurator Georgs in Rom zum Druck gebrachte Summarium von 1521 wiederum stellte den Versuch einer 43 Zum folgenden vgl. ausführlich Volkmar, Heiligenerhebung Bennos, 69–107, 125– 152; ders., Druckkunst. 44 Vgl. [Hieronymus Emser] Epitome ad sanctissimum dominum nostrum papam Julium secundum super vita, miraculis et testimonia divi patris Bennonis episcopi quondam insignis et ingenue ecclesie Missnensis [Leipzig: Melchior Lotter d.Ä.], 1505 (benutzte Exemplare: UBL, Off. Lips. Lo. 99/7, Off. Lips. Unbekannt 12, Poet. lat. rec. 75). 45 Vgl. Emser, Divi Bennonis vita, 1512 (wie Anm. 38). 46 Siehe oben, Abschnitt 3. 47 »da mit meniglich dester mher bewegt, seyn [= Bennos] canonisierung und erhebung

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unmittelbaren Einflußnahme auf die Entscheidungsfi ndung des Konsistoriums in der kritischen Endphase des Prozesses dar.48 Schließlich diente ein als großformatiges Plakat gestalteter Einblattdruck der Kanonisationsbulle, der im ganzen Reich verschickt wurde, der überregionalen Werbung für die mit einem päpstlichen Plenarablaß ausgestattete feierliche Erhebung der Gebeine des neuen Heiligen am 16. Juni 1524.49 Die Drucke erscheinen so als integraler Bestandteil der Bemühungen um Bennos Kanonisation, die eines der wichtigsten Vorhaben der Kirchenpolitik Herzog Georgs war. Sie zeigen beispielhaft die Möglichkeiten vorreformatorischer Landesherrschaft, ihre kirchenpolitischen Ziele mit Hilfe propagandistischer Flugschriften zu verfolgen. Doch beschränkte sich der Landesherr bei der Propagierung seiner Kirchenpolitik nicht auf die neue Technik des Buchdrucks. Wo es um die Beeinflussung lokaler Öffentlichkeiten, etwa der Untertanen einer Stadt oder eines Amtes ging, griff er auch auf andere bewährte Kommunikationsformen wie die mündliche Verkündigung und den Aushang von Mandaten zurück. Auch die hierfür verwendeten Ausschreiben und Plakate wurden zum Teil gedruckt, doch war die Vorgehensweise selbst älter und nicht an den Buchdruck gebunden.50 Noch 1498, als sich Georg nach der Einführung der Observanz im Leipziger Franziskanerkloster durch entlaufene Konventualen in seiner Klosterpolitik angegriffen sah, publizierte er seine Verteidigung in einem kanzleischriftlichen Mandat. Weil sich die Konventualen mit einem Drohbrief an die Leipziger Bürgerschaft gewendet hatten, ließ Georg ein im Namen seines Vaters an alle Leipziger adressiertes Edikt öffentlich verlesen und an die Kirchentüren schlagen. Darin verteidigte er die Einführung der Observanz als eine am Gemeinen Nutzen ausgerichtete Reformmaßnahme und warb bei den Leipzigern um Unterstützung für sein Vorgehen gegen die reformunwilligen Mönche.51

(die itzo vorhanden unnd teglich bey dem stul tzu Rom gearbeit und solicitirt wirdt) helffen tzu werden«. Emser, Heilig leben und legend, 1517 (wie Anm. 38), Bl. E Va. 48 Vgl. Hennig, Vita beati Bennonis, 1521 (wie Anm. 21). 49 Vgl. Einblattdruck Bischof Johanns VII. von Meißen, Joannes dei et apostolice sedis gracia sancte et ingenue Misnensis eccl.[es]ie episcop.[us] [. . .] Adrianus episcopus, seruus seruorum dei [. . .] Excelsus dominus [. . .], [Leipzig: Melchior Lotter d.Ä., 1523/24] (benutztes Exemplar: Loc. 8994/8, nach Bl. 94). Der Einblattdruck ist ein Auszug aus der umfangreicheren Flugschrift: [Bischof Johann VII. von Meißen] Bulla sanctissimi domini domini Adriani sexti: pontificis maximi: super canonisatione sancti patris Bennonis [. . .] Adiuncta nova hystoria de eiusdem festo per chorum et diocesim Misnensem servanda, [Leipzig: Melchior Lotter d.Ä., 1523/24] (VD 16 K 318). Zur Beschreibung beider Drucke vgl. Volkmar, Druckkunst. 50 Vgl. Honemann, Vorformen. 51 Vgl. Edikt Herzog Albrechts, Dresden, 19. Dezember 1498, CDS, II, Bd. 10, 288–290; das begleitende Edikt Herzog Georgs vom 22. Dezember 1498, ebd., 288, Anm. 1. Zur Sache siehe S. 255–259 und vgl. Volkmar, Druckkunst.

416 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) Auch die Propagierung der landesherrlichen Mandate zur Laienreform setzte auf die Kombination öffentlicher Verlesung mit dem Anschlag von Plakatdrukken an Kirchtüren oder Rathäusern. Zu dem von Albertinern und Ernestinern gemeinsam beschlossenen Mandat wider Gotteslästerung und Zutrinken vom Juni 1513 hat sich im ernestinischen Archiv ein gedrucktes Ausschreiben erhalten, das den Amtleuten den Verkündungsmodus vorgab: »Du wollest [. . .] solchs auch allen den unnsern dir ambtshalben bevolhen in offentlichen versamlungen lesen lassen, domit ein yder des wissen entphahen und sich vor schaden und straff huten und bewaren muge«.52 Hier wurde einfach die übliche Vorgehensweise bei der Verkündung weltlicher Gesetze übernommen, wie die Publikation von Münzmandaten als »offen anslagsbrief« oder Anweisungen zur öffentlichen Verkündigung und Anschlagung von Landfriedensordnungen zeigen.53 In gleicher Weise agierten auch städtische Obrigkeiten wie der Annaberger Rat, der 1519 zur Werbung für den Annaberger Jubelablaß die Bischöfe und Prälaten der sächsischen Diözesen um Anschlagung der »vorkundt zetteln« bat.54 Welche Bedeutung der Landesherr dem Buchdruck in der öffentlichen Diskussion kirchenpolitischer Themen beimaß, zeigt sich im Umkehrschluß auch am Beispiel der Zensur. Zwar gab erst das Wormser Edikt von 1521 den Landesherren eine Verantwortlichkeit in diesem Bereich, in dem es den Bischöfen und theologischen Fakultäten die Vorzensur neuer Drucke, allen Reichsständen aber die Durchsetzung des Verbotes der Schriften Luthers befahl.55 Doch schon vorher eröffnete die Zusammenarbeit mit den Bischöfen weltlichen Fürsten Eingriffsmöglichkeiten. Im Streit um die Freiberger Butterbriefe veröffentlichten 1492 die Kritiker der von Herzog Georg unterstützten Dispenskampagne eine Flugschrift in Leipzig.56

52 Ausschreiben Kurfürst Friedrichs und Herzog Johanns d.Ä. zu einem Gemeinsamen Mandat mit Herzog Georg [ Juni 1513], ThürHStA Weimar, Reg. Rr, pag. 353, Nr. 104, Bl. 1. Früher vorhandene albertinische Exemplare des Ausschreibens sind heute im SächsHStA Dresden nicht mehr auffi ndbar. Siehe S. 398, Anm. 266. 53 Gedrucktes Ausschreiben zu einem Münzmandat Herzog Georgs, Leipzig, 30. April 1515, Loc. 14954 Mandatensammlung, Faszikel »1515«; Ausschreiben zu einem gedruckten Mandat Kurfürst Friedrichs, Herzog Johanns d.Ä. und Herzog Georgs wegen des Landfriedens, Leipzig, 11. Oktober 1512, ebd., Faszikel »1512«. Vgl. dazu Richter, Landesordnungen, 18 f. und 113. – Für ein Steuerausschreiben Herzog Georgs vom 14. Januar 1515 (ebd., Faszikel »1515«) hat sich eine Notiz über die gewünschte Aufl agenhöhe von 40 Exemplaren erhalten: »diss lauts sollen xl gedruckt werden«. Hierfür wurde ein Druck aus dem Vorjahr als Vorlage verwendet, an dem handschriftlich Änderungen und die neue Datierung auf den 14. Januar 1515 angebracht wurden. Zur Aufl agenhöhe von Einblattdrucken vgl. Eisermann, Aufl agenhöhen. 54 Vgl. Wolf, Kirchliches Leben, 73 f. 55 Vgl. Edikt Kaiser Karls V., Worms, 8. Mai 1521, RTA, JR, Bd. 2, 640–659, hier 656– 658; vgl. dazu Kohnle, Art. Wormser Edikt, 288 f.; Hasse, 24 (wobei Hasses Deutung der im Edikt erwähnten »ordinarien« als weltliche Obrigkeiten als zweifelhaft erscheint). 56 Siehe S. 379 f.

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Ihr Autor, Dr. Johannes von Breitenbach, stand als Ordinarius der Leipziger Juristenfakultät bei Herzog Georg in hohem Ansehen, hatte sich aber mit der obendrein papstkritischen Schrift zu weit vorgewagt. Landesherr und Merseburger Bischof reagierten prompt. Am 30. Juni 1492 meldete Bischof Thilo dem Herzog, »das wir den drugk, von dem als doctor Breitenbach uff die bebstlichen bullen, milchwergk zugebrauchen, gemacht [. . .], bei dem drugker haben verkömmern und verbieten lassen«. Gleichzeitig fragte er beim Landesherrn an, wie mit der Forderung des Druckers nach Entschädigung umgegangen werden sollte.57 Offenbar war die enorm hohe Auflage von 5.000 Stück nicht vorfinanziert, weil der Leipziger Drucker in der aktuellen Streitfrage auf guten Absatz spekulierte. Leider ist Georgs Entscheidung in der Sache nicht überliefert.58 1511 erließ Herzog Georg im Rahmen der Universitätsreform Zensurbestimmungen für die Mitglieder der Leipziger Alma Mater.59 Die Vertrautheit des Landesherrn mit dem Instrument der Zensur, die sich hier entwickelte, sollte Martin Luther früh zu spüren bekommen.60 Neben der Propagierung konkreter kirchenpolitischer Vorhaben bot die vorreformatorische Öffentlichkeit neue Möglichkeiten für die Herrscherrepräsentation. Die zentrale Bedeutung von Repräsentation für die vormoderne Herrschaft war auch den Wettinern bewußt.61 Eine Vielzahl von Medien in Wort und Bild, vom Monument bis zur Münze, daneben das symbolische Handeln der Fürsten und ihrer Vertreter kamen dabei zum Einsatz. Für Herzog Georg verknüpft sie sich mit Blick auf die Kirchenpolitik in erster Linie mit Repräsentationsbauten wie dem Meißner Dom (Georgenkapelle, Bennotumba), dem Georgenbau des Dresdner Schlosses oder der Annaberger Pfarrkirche, aber auch mit Bildmedien, etwa Schaumünzen.62 Vorreformatorische Drucke erweiterten die landesherrliche Selbstdarstellung um ein neues Medium.63 Das Bild Herzog Georgs, das sie transportieren, zeigt ihn als frommen und rechtgläubigen Förderer, aber auch selbstbewußten Reformer der Kirche. Das augenfälligste Beispiel liefert hierfür das Titelblatt der Vita Bennonis. In beiden Ausgaben ziert es ein Holzschnitt, der die Tumba des Heiligen im Meißner Dom zeigt und an dieser in prominenter Position die 57 Brief Bischof Thilos von Merseburg an Herzog Georg, Merseburg, 30. Juni 1492, Loc. 9026/2, Bl. 1 f. 58 Erhalten hat sich nur Georgs Ankündigung einer Entscheidung. Vgl. Brief Herzog Georgs an Bischof Thilo von Merseburg, Dresden, 3. Juli 1492, ebd., Bl. 3. 59 Vgl. Gess, Leipzig und Wittenberg, 69, mit Anm. 43. 60 Siehe S. 465–473, 581–593. 61 Vgl. Streich, Hof, 468–520; Rogge, Praxis. 62 Siehe S. 82–88 sowie S. 366–371 (zu Annaberg) und S. 220–225 (zu Meißen). – Eine Studie zu den Schaumünzen Herzog Georgs wird von Herrn Prof. Dr. Enno Bünz, Leipzig, vorbereitet. 63 Verwiesen sei nur auf das bekannte Beispiel König Maximilians. Vgl. dazu zuletzt Eisermann, Imperial Representation (mit ausführlichen Literaturangaben).

418 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) Standfiguren des sächsischen Herrscherpaares. Georg und Barbara sind dabei in betender Haltung dargestellt, der Fürst hält einen Rosenkranz in Händen.64 Die Betonung der persönlichen Frömmigkeit des Fürsten verbindet sich hier mit seiner Rolle als Förderer der Laienfrömmigkeit, denn sie erinnert im Kontext der Bennovita an sein Bemühen um die Aufwertung einer der populärsten Heiligenkulte seines Landes. Die Widmungsvorrede Emsers zur lateinischen Ausgabe erweitert diesen Gedanken hin zur Darstellung Georgs als Förderer der gesamten Kirche in seinem Territorium.65 Nimmt man noch die inhaltlichen Aussagen der Emservita hinzu, in der Benno pointiert als Reformbischof dargestellt wird, läßt sich Georgs Bekenntnis zu Benno auch als Plädoyer für die Kirchenreform interpretieren.66 Dieses Bild des Kirchenreformers transportiert auch – wenngleich nicht in gedruckter Form – Georgs öffentliche Selbstdarstellung in der Auseinandersetzung mit den konventualen Franziskanern in Leipzig. Es findet sich ebenso in seinen Mandaten zur Laienreform und wird besonders im Landesordnungsentwurf von 1498 hervorgehoben.67 Mit dem Reformeifer des sächsischen Landesherrn sind wohl auch der lateinische und der deutsche Druck der päpstlichen Einladung zum Fünften Laterankonzil in Zusammenhang zu bringen, die 1511/12 in Leipzig erschienen und für das von Georg beschickte Konzil warben.68 Die Rechtgläubigkeit Herzog Georgs als eines »princeps catholice« spielt schon vor der Reformation in der Würdigung des Theologen Dungersheim eine zentrale Rolle, der in seinem Vorwort zur »Confutatio apologetici« Georgs Wachsamkeit gegenüber den Hussiten herausstreicht.69 64 Vgl. Emser, Divi Bennonis vita, 1512 (wie Anm. 38), Bl. A Ia ; ders., Heilig leben und legend, 1517 (wie Anm. 38), Bl. A Ia. 65 In seiner historisch ausgerichteten Argumentation stellt Emser zunächst fest, daß schon die alten Fürsten aus dem Hause Meißen für ihr Engagement im Bau und in der Ausstattung von Kirchen und Klöstern berühmt waren. Dann fährt er fort, auch die lebenden Herrscher – Kurfürst Friedrich, Erzbischof Ernst und Herzog Georg (nicht jedoch Herzog Heinrich!) – für ihr gleichermaßen vorbildliches Handeln zu rühmen, wobei er als Beispiele die Schloßkirche zu Wittenberg, die Kirche der Hallenser Residenz (zu denken ist wohl an die MarienMagdalenen-Kapelle der Moritzburg) und das gerade fertiggestellte Franziskanerkloster zu Annaberg anführt: »Testantur hoc, non solum veterum Misnae principum tot monimenta [sic!] per Saxoniam, Thuringiam ac Misnam, hic ide adiacentium utriusque sexus monasteriorum ac sacrarum edium, verum hac nostra etiam aetate Ernesti Magdenburgensis archantistitis ac Friderici electoris Hallensis ac Wittenburgensis humanum prope igenium excedentes ecclesiae, quibus nihil deesse passi sunt, optimi principes, quod vel ad summum domus dei ornatum, vel ad ministrorum ipsorum usum desiderari queat, nec tuae [= Herzog Georgs] etiam celsitudinis devotus erga deum animus, vel ex solo Fratrum Minorum conventu et coenobio illo, quod propria etiam impensa illis in civitate Montis sanctae Annae, efundo nuper extructum, maioribus indies donis ac beneficiis cumulas, latere potest.« Emser, Divi Bennonis vita, 1512 (wie Anm. 38), Bl. A IIa. 66 Vgl. Volkmar, Heiligenerhebung Bennos, 129–140, 152–156. 67 Siehe S. 384–403. 68 Siehe S. 159 mit Anm. 188. 69 Siehe das Zitat in Anm. 26.

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Schließlich wird die Idee des frommen Landesherrn ausgerechnet in einem der Propagandadrucke aus dem Frieslandkrieg besonders hervorgehoben. Die offi ziöse Flugschrift »Wie der Storm zum Tham in Frieslant ergangen ist« schildert den blutigen Fall der Stadt Appingedam am 5. August 1514. Bei deren Erstürmung hatten Georgs Landsknechte den größten Teil der männlichen Bevölkerung der Stadt getötet, von 1.200 Opfern ist die Rede. Die offiziöse Flugschrift, die auf einem Brief des landesherrlichen Feldkaplans Wolfgang Gulden zurückgeht, versucht denn auch nicht, die Grausamkeiten der Landsknechte zu verschleiern. In ihrem Mittelpunkt aber steht die Inszenierung des siegreichen Feldherrn. Herzog Georg wird als frommer Fürst dargestellt, dem der Anblick des Leides »vast zu hertzen gangen« sei. Trost fi ndet er erst, als man ihm berichtet, daß die Erschlagenen alle kürzlich gebeichtet hätten. Auch durch Zeichen der göttlichen Vorsehung, die »anzeygen [. . .] das soliche plag die stat hat sollen leyden« läßt der Herzog sich trösten. Schließlich gelobt er, im Andenken an den Sieg und an die Gefallenen eine fromme Stiftung für das auf den Tag der Schlacht fallende Fest Mariae Schnee in Meißen einzurichten.70 Ein verzerrtes Echo auf Georgs reuevolle Selbstdarstellung fi ndet sich noch 1539 in einer Flugschrift der Reformation.71

5. Fazit Schon vor der Reformation war Öffentlichkeit, die maßgeblich mit Hilfe des Buchdrucks hergestellt wurde, eine Handlungsebene der Kirchenpolitik Herzog Georgs. Ihre Schwerpunkte lagen auf der Förderung von Frömmigkeitsliteratur mit der Zielsetzung der Laienreform, der Propagierung kirchenpolitischer Vorhaben und der gezielten Selbstdarstellung des Fürsten als frommen, rechtgläubigen und reformorientierten Landesherrn. Die Indienstnahme der vorreformatorischen Öffentlichkeit durch die Landesherrschaft war dabei keineswegs exklusiv der Kirchenpolitik vorbehalten. Ihr sind vielmehr Herr70 Wie der Storm zum Tham in Frieslant ergangen ist [Leipzig: Martin Landsberg 1514] (VD 16 ZV 24146), Nachdruck: [Nürnberg: Jobst Gutknecht, 1514] (VD 16 W 2527), nach dem Nachdruck ediert: Möncke, 59–61. Für den Hinweis auf den kürzlich aufgefundenen Leipziger Erstdruck danke ich Frau Dr. Gisela Möncke, München. – Zur Stiftung des Festes Mariae Schnee siehe S. 436 f. 71 In der nach Georgs Tod erschienenen Flugschrift, die gegen die Reste altgläubiger Frömmigkeit im albertinischen Sachsen polemisiert, wird die Stiftung des Klosters Königstein (1516) mit Georgs Reue über das Massaker von Appingedam in Verbindung gebracht: »Der Königstein ist ein hohes haus [. . .], ein kloster ward gestifft darauff, vom Oyben münch ein guter hauff, dahin gesezt, die solten Gott, abbitten, was gesündigt hot, in Frieslandt darzu vor dem Tham, der stiffter, ich schweig sein nham«. Günter Straus, Warhafftige newe zeitung von dem abgot zu Meissen, und seinem nachbarn, dem schwartzen hergott zu Dresden, Zwickau: Wolfgang Meyerpeck, 1539, ediert: Magazin der Sächsischen Geschichte 1 (1784), 20–29. Zu den Hintergründen der Klostergründung siehe S. 251–253.

420 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) schaftstechniken aus der weltlichen Regierungspraxis an die Seite zu stellen, von denen manche für die Kirchenpolitik übernommen wurden. Wenngleich sich die vorreformatorische Öffentlichkeit oft noch aus separaten Teilöffentlichkeiten zusammensetzte und in ihrer Reichweite vom Medienereignis Luther weit übertroffen wurde, stellt sie doch eine entscheidende Voraussetzung für die Kontroversen der Reformationszeit dar. Nicht zufällig wurde Herzog Georg und der von ihm fi nanzierte Kreis albertinischer Kontroverstheologen schnell zum wichtigsten publizistischen Gegner Luthers. Das Bewußtsein des Albertiners für die Rolle öffentlicher Kommunikation und die Ressourcen, über die er im Leipziger Druckgewerbe, der Universität und seinem eigenen Personal verfügte – kurz seine Erfahrungen mit der vorreformatorischen Öffentlichkeit – machten die frühe Abwehrkampagne gegen die Wittenberger Reformation erst möglich.

XII. Kirche und Landesherr vor der Reformation. Zusammenfassung und Diskussion 1. Landesherrliches Kirchenregiment a) Funktionsweise Als wesentliches Ergebnis der bisherigen Untersuchung kann die Existenz eines landesherrlichen Kirchenregiments im albertinischen Sachsen bereits vor der Reformation nunmehr als gesichert angesehen werden. Die mit diesem Begriff erfaßte Herrschaftsbeziehung zwischen Landesherrn und Kirche übertraf in Umfang, Intensität und Verbindlichkeit den Einfluß jeder anderen Instanz auf die Ortskirche. Die Rolle der Fürsten in den Landeskirchen der Reformation stellt sich damit als direkte Fortsetzung der spätmittelalterlichen Entwicklung dar – zumindest aus der isoliert strukturgeschichtlichen Perspektive. Der Bruch zwischen Mittelalter und Neuzeit muß auf anderen Gebieten gesucht werden.1 Wie jede komplexere soziale Praxis beruhte auch das landesherrliche Kirchenregiment auf einem ganzen Bündel konkreter Handlungsstrategien, die auf unterschiedliche soziale Beziehungsnetze zurückgriffen. Seine Funktionsweise ist deshalb am besten im konkreten Fallbeispiel nachzuvollziehen, wie dies in den vorigen Kapiteln zu zeigen versucht wurde. Dabei sind auf den verschiedenen Ebenen der Kirchenpolitik überall ähnliche Grundmuster des landesherrlichen Eingreifens offenkundig geworden. Wenngleich von einer einheitlichen Beziehung des Landesherrn zu der Kirche im Territorium nicht gesprochen werden kann, weil die Vielfalt kirchlicher Institutionen fortbestand, so läßt sich doch in Perspektive und Herrschaftspraxis der landesherrlichen Zentralverwaltung eine Tendenz zur vereinheitlichten Wahrnehmung der Beziehungen zur Kirche erkennen. Dies gibt dem Versuch einer übergreifenden Charakterisierung des Kirchenregiments Berechtigung. Drei Grundmuster treten dabei besonders hervor: 1) situativer Charakter, 2) Prägung durch weltliche Herr schaftspraxis und 3) Kooperation mit der Geistlichkeit. Zum ersten blieb dem vorreformatorischen Kirchenregiment eine Institutionalisierung verwehrt, da eine rechtliche Fixierung des weltlichen Einflusses 1 Diese These wird auch von anderen Spezialstudien bestätigt. Vgl. Mikat, 309; Rankl, 272 f.; Stievermann, Landesherrschaft, 295.

422 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) gegen den Widerstand von Papsttum und Bischöfen nicht durchzusetzen war.2 Deshalb manifestierte es sich im stetigen, aber eben stetig neuen situativen Eingreifen des Landesherrn. Die Akzeptanz der landesherrlichen Einflußnahme mußte dabei von Fall zu Fall immer wieder neu hergestellt werden. Hierbei kamen, auf die konkrete Situation abgestimmt, eine Vielzahl kanonischer, weltlicher, moralischer und religiöser Legitimationsmuster zum Einsatz, die ihren Kern in der Betonung der »fürstlichen obrigkeit« der Landesherrschaft fanden.3 Weil das Kirchenregiment mangels Institutionalisierung stetig neu in der Tagespolitik durchgesetzt werden mußte, hing seine Intensität zum zweiten entscheidend vom persönlichen Regiment des Fürsten bzw. dem Einsatz seiner weltlichen Funktionseliten ab. Das Attribut »landesherrlich« ist somit nicht nur eine soziale Zuordnung, sondern gibt auch Hinweise auf den spezifisch weltlichen Charakter dieser Form von Kirchenherrschaft. Weltliche Rechtsvorstellungen und die Herrschaftspraxis des entstehenden Territorialstaats dominieren Konzeption und Umsetzung des Kirchenregiments, so daß es sich bis in die Abläufe hinein kaum von den weltlichen Zweigen der landesherrlichen Politik unterscheidet. Die Intensität des Kirchenregiments Herzog Georgs ist damit nicht zuletzt ein Ausweis für die Leistungsfähigkeit der albertinischen Landesherrschaft, deren Ressourcen, Kommunikationswege und Herrschaftsinstrumente es sich bediente. Dies beginnt bei der Monopolisierung der Entscheidungsfi ndung im landesherrlichen Hofrat, in dem weltliche Räte aus dem niederen Adel dominierten und der Einfluß gelehrt-geistlicher Räte durch Herzog Georg bald ganz beendet wurde. Ihre Fortsetzung nahm die Organisation nach weltlichem Muster im Rückgriff auf die lokalen Amtsträger der Landesherrschaft, auf die Amtleute, Stadträte und Räte von Haus aus. Ihnen kam in der Informationsbeschaffung, in Aufsicht und Kontrolle sowie nicht zuletzt in der Exekution landesherrlicher Entscheidungen eine Schlüsselrolle zu. Schließlich bediente sich das Kirchenregiment nicht nur der Strukturen der Landesherrschaft, sondern übertrug auch weltliche Herrschaftsansprüche und Herrschaftstechniken auf den kirchlichen Bereich, was insbesondere eine Nivellierung der privilegierten Sonderstellung des geistlichen Standes nach sich zog. Dies begann mit der lehnsrechtlichen Interpretation des Patronats, der Kontrolle der geistlichen Gerichtsbarkeit und der Einbindung des Weltklerus in den territorialen Untertanenverband und setzte sich in der Anwendung weltli2 Dies stellt einen wesentlichen Unterschied zum Kirchenregiment der Reformation dar. Daß die Ausbildung eigener Institutionen durchaus im Denkhorizont der Landesherren lag, belegt Herzog Georgs Ansinnen an den Papst, einem vom Landesherrn abhängigen geistlichen Richter die Jurisdiktion über den albertinischen Weltklerus zu übertragen. Siehe S. 293–299. 3 Siehe dazu unten, Abschnitt 1 b).

XII. Zusammenfassung und Diskussion

423

cher Rechtsinstrumente und Sanktionsmittel wie der Schiedsgerichtsbarkeit, der Temporaliensperre und der Sequestration fort. Ein Ende war erst bei der grundsätzlichen Anerkennung eines exklusiven geistlichen Rechtskreises und der weitgehenden Beachtung des Privilegium fori in Sicht. Der Einfluß des geistlichen Elements im Kirchenregiment ist damit nicht völlig negiert. Kanonisch und theologisch versierte Meißner Domherren wie der frühere Kanzler Dr. Nikolaus von Heinitz oder der Theologieprofessor Dr. Johannes Hennig gehörten ebenso zum geistlichen Personal der Landesherrschaft wie der Humanist und Hof kaplan Hieronymus Emser. Doch beschränkte sich ihre Rolle und der Einfluß zahlreicher weiterer Äbte, Kurienprokuratoren oder Universitätsgelehrter auf Informationsbeschaffung, Beratung sowie die Mitwirkung in Schieds- und Visitationskommissionen. Der Zugang zu den Entscheidungsprozessen aber blieb ihnen, zumindest im Falle Herzog Georgs,4 verwehrt, die maßgeblichen Köpfe und Akteure der landesherrlichen Kirchenpolitik waren weltliche Hofräte und Amtleute sowie – an erster Stelle – der Fürst selbst. Der Aspekt der geistlichen Räte verweist zum dritten auf die zentrale Bedeutung von Konsensbildung und Kooperation für das Funktionieren des Kirchenregiments. Angesichts der direkten Konkurrenz, der sich Bischöfe und Archidiakone in ihren Aufsichtsrechten über Klerus und Laienfrömmigkeit durch den Landesherrn ausgesetzt sahen, überrascht die Bereitschaft zur Kooperation mehr als ihr gelegentliches Fehlen. Tatsächlich wurden die landesherrlichen Eingriffe nirgends explizit als Übernahme episkopaler, also geistlicher Funktionen verstanden, wozu ihre Herleitung aus dem weltlichen Rechtsanspruch der Landesherrschaft beigetragen haben wird. Auch ist in diesem Zusammenhang bezeichnend, daß sich der schwere Konfl ikt zwischen Georg und Johann VI. von Meißen – der die Ausnahme von der Regel bildete und in seinem Ausgang gleichzeitig die Grenzen bischöfl ichen Widerstandes markiert – nicht am Kirchenregiment, sondern an der Konkurrenz um weltliche Landesherrschaft entzündete. Die Kooperationsbereitschaft gerade der Landesbischöfe erklärt sich positiv aus dem gemeinsamen Ziel der Kirchenreform, vor allem im Sinne einer stärkeren Durchsetzung kirchlicher Disziplin. Negativ ist sie als Reflex der machtpolitischen Realitäten zu verstehen, die durch die Mediatisierung der Bischöfe in den wettinischen Herrschaftsverband bestimmt wurden. Die Kooperation mit dem Bischöfen trug wesentlich dazu bei, dem landesherrlichen Kirchenregiment den Anschein von Legitimität zu geben. Die Bedeutung, die Herzog Georg der Pflege dieser Beziehungen beimaß, zeigt sich exemplarisch in seiner

4 Eine größere Rolle spielten gelehrt-geistliche Räte offenbar in der württembergischen Klosterpolitik. Vgl. Stievermann, Landesherrschaft, 294.

424 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) Bereitschaft, als Zeichen persönlicher Gunst den Bischöfen Pfründengeschäfte zu ermöglichen, die den Prinzipien seiner Besetzungspolitik zuwiderliefen. Doch nicht nur die Spitzen der Ortskirche, auch und vor allem der niedere Klerus mußte für die landesherrliche Einflußnahme gewonnen werden. Gerade die jüngere Forschung hat mit den Methoden der Prosopographie die Bedeutung von Personenbeziehungen für das Funktionieren der vormodernen Gesellschaft neu ins Bewußtsein gerückt. Das Durchsetzungsvermögen des Kirchenregiments hing davon ab, ob der Landesherr vom Klerus eine Loyalität einzufordern vermochte, die im Zweifelsfall sogar die Gehorsamspfl icht gegenüber den kirchlichen Vorgesetzten überspielen konnte. Hierfür waren Gunstbezeugungen, etwa die Belohnung treuer Dienste durch eine Altarpfründe oder gar ein Kanonikat, ein probates Mittel. Noch wichtiger, weil genereller Natur war die Akzeptanz eines Untertanenstatus durch den Klerus. Aus diesem leitete sich ein landesherrlicher Gehorsamsanspruch, aber auch ein Schutzversprechen für den Klerus gegen die Forderungen der eigenen kirchlichen Oberen ab. Im Ergebnis war es Herzog Georg in vielen Konfl iktfällen möglich, die kirchliche Hierarchie zu unterlaufen und seine kirchenpolitischen Anweisungen auch gegen den Willen etwa Bischof Johanns VI. durchzusetzen. Doch muß betont werden, daß sich die Stärke des Kirchenregiments Herzog Georgs gerade darin zeigt, Konsens über die eigenen Maßnahmen herzustellen. Als gezielte Konsensstrategie ist z. B. die Einbindung von Geistlichen als Agenten des landesherrlichen Kirchenregiments zu nennen. So wurden Georgs Klostervisitationen bis 1537 stets durch gemischte Kommissionen unter Beteiligung Geistlicher durchgeführt. Im Spannungsfeld zwischen geistlicher und weltlicher Rechtssphäre griff Georg auf die Möglichkeiten der Schiedsgerichtsbarkeit zurück. Auch hier kamen gemischte Kommissionen zum Einsatz. Zudem war Schiedsurteilen ein Konsenscharakter eigen, weil beide Streitparteien dem Ergebnis zustimmen mußten und Appellationen – und damit die ungeklärte Grundsatzfrage der Zuständigkeit geistlicher oder weltlicher Foren – ausgeschlossen blieben. b) Legitimation Wie kaum ein anderer Fürst seiner Zeit steht Herzog Georg für eine Kirchenpolitik, die den säkularen Trend des Ausbaus der Landesherrschaft zum Territorialstaat auf den Bereich der Kirchenpolitik überträgt. Angesichts der Dynamik dieser Machtentfaltung – und ihres Zeitpunktes unmittelbar vor und noch parallel zur Reformation – stellt sich die Frage nach der Begründung des landesherrlichen Ausgreifens auf die Kirche in besonderen Maße. In der Beantwortung dieser Frage hat sich die Forschung erst langsam von einer einseitigen Orientierung auf das Regelwerk des Kirchenrechts lösen können.

XII. Zusammenfassung und Diskussion

425

Für die heutige Ausgangsposition ist die Erkenntnis zentral, daß die Beziehungen von Kirche und weltlicher Gewalt wohl zu keinem Zeitpunkt allein vom Kirchenrecht bestimmt wurden. Zwar erhob die Kirche genau diesen Anspruch, doch war sie in der Auseinandersetzung Partei und das mit wissenschaftlicher Akribie systematisierte kanonische Recht nur ihre Programmschrift. Mancher in den Canones verankerter Rechtsanspruch der Kirche hat nie die Anerkennung der weltlichen Herrschaft gefunden. Landesherrliche Kirchenpolitik bewegte sich demnach im Spannungsfeld zweier konkurrierender Rechtssphären. Gegen das Kirchenrecht stand weltliches Recht, etwa das deutschrechtliche Eigenkirchenwesen oder das Römische Recht, das eine straffe Einordnung der Kirche in das (antike) Staatswesen vorsah. Kirchliche und weltliche Rechtssphäre waren zwar grundsätzlich als gültig anerkannt, ihre weitreichenden Überschneidungen aber blieben ein strukturelles Problem. Denn da die Rechtssysteme von getrennten Gerichtsorganisationen getragen wurden, besaß keine Instanz die Kompetenz, in Streitfragen zwischen beiden Rechtskreisen zu entscheiden. Ihr Verhältnis mußte deshalb immer wieder neu mit den Mitteln der Politik austariert werden.5 Weil das Kirchenrecht gerade bezüglich des Laieneinflusses die Maximalpositionen der hochmittelalterlichen Libertas ecclesiae-Bewegung fi xierte, fand das im Spätmittelalter sich sukzessiv herausbildende Kirchenregiment weltlicher Landesherren dort kaum Anknüpfungspunkte. Eher fungierte das kanonische Recht als Bollwerk gegen den Einfluß der Fürsten, wie noch Herzog Georg im Streit um die geistliche Gerichtsbarkeit erkennen mußte. Der Königsweg des 15. Jahrhunderts, die Aushebelung des Kirchenrechts durch päpstliche Privilegien, aber war um 1500 nicht mehr gangbar. Hinzu trat schließlich als spezifisch sächsisches Problem die geringe Zahl kirchlicher Rechtstitel, vor allem der Patronate, in der Hand des Landesherrn. In der Konsequenz konnte sich das Kirchenregiment Herzog Georgs nicht mit, sondern nur gegen das Kirchenrecht entwickeln. Dies galt um so mehr, als die albertinische Kirchenpolitik etwa auf dem Feld der Laienfrömmigkeit in Bereiche vordrang, in denen das kanonische Recht ohnehin keinerlei weltlichen Einfluß vorsah. Wie wenig Georg darauf ausgerichtet war, den Auf bau des Kirchenregiments an der Maßgabe der vorhandenen kirchlichen Rechtstitel auszurichten, zeigt eindrucksvoll der Verzicht auf den Gebrauch der päpstlichen Privilegien zur Klostervisitation. Unabhängig davon gehörte der Umgang mit dem Kirchenrecht zur selbstverständlichen Routine der landesherrlichen Politik, was, wo dies möglich war und opportun erschien, auch die Rechtfertigung des eigenen Vorgehens mit dem Kirchenrecht einschloß.6 5

Siehe S. 61–65. Beispiele für den Umgang mit dem Kirchenrecht bieten die Besetzungs- und Pfründenpolitik, die Einholung kanonischer Rechtsgutachten im Falle des Röthaer Marienkultes oder die gelegentliche Anrufung geistlicher, auch päpstlicher Gerichte. Kirchenrechtliche 6

426 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) Dennoch waren kirchliche Rechtstitel für das landesherrliche Kirchenregiment von großem Interesse. Sie glichen alten Häusern, die ihre repräsentative Fassade behielten, auch wenn sie im Inneren ihres kirchenrechtlichen Gehalts entkleidet und statt dessen mit weltlichen Rechtsinhalten neu ausgebaut wurden. An Georgs Anspruch, »oberster collator« über den Niederklerus zu sein, konnte dieser Prozeß exemplarisch nachvollzogen werden. Unter Rückgriff auf alte eigenkirchliche Vorstellungen wurde das Patronat zu einer Lehnsbeziehung zwischen Patronatsherren (kanonisch: Kollator) und Pfründeninhaber umgedeutet. Dieses »geistliche Lehen« konnte dann in Beziehung zum landesherrlichen Anspruch auf Oberlehnsherrschaft gesetzt werden. Im Ergebnis entstand der neue, kirchliche und weltliche Rechtstitel hybrid verschmelzende Legitimationsanspruch des »obersten collators«. Im Falle der Vogtei wurde der Kerninhalt des kanonischen Rechtstitels – die weltliche Vertretung und der Schutz eines Konventes durch einen adligen Vogt – schon im 13./14. Jahrhundert für die landesherrlichen Vogteien zu einer allgemeinen Schutzherrschaft umgedeutet, die die Einbindung der Klöster in den Territorialverband nach sich zog. Im nivellierenden Zugriff der Landesherrschaft wurde dieser oft als Schirm- oder Schutzvogtei bezeichnete Herrschaftsanspruch dann auch auf Konvente übertragen, an denen die Wettiner eigentliche Vogteirechte nie besessen hatten. Herzog Georg schließlich begründete mit seiner Stellung eines »schotzhern und landes fursten«7 die Anlagerung weiterer Elemente des Kirchenregiments, wie etwa des eigenständigen Anspruchs auf die Klostervisitation. Weite Bereiche des Alltags landesherrlicher Kirchenpolitik aber lagen ohnehin jenseits der kirchlichen Rechtssphäre. Maßgeblich bestimmten weltliche Rechtsvorstellungen die Herrschaftspraxis des Kirchenregiments. Wie ein roter Faden zieht sich dabei durch alle Legitimationsansätze der Anspruch auf Landesherrschaft (in der Sprache der Quellen: »fürstliche oberkeit« 8 ). Für den Historiker birgt dieser Rechtskreis die Schwierigkeit fehlender schriftlicher Fixierung. Nicht-kodifiziertes Gewohnheitsrecht verbindet sich mit den Ansprüchen einer sich zunehmend intensivierenden fürstlichen Herrschaft. Auch aus verfassungsgeschichtlicher Perspektive muß deshalb die Beobachtung der Herrschaftspraxis neben die rechtshistorische Herleitung treten.9 Der Hinweis auf die Landesherrschaft als Legitimationsquelle begegnet in allen Bereichen der Kirchenpolitik. Sie erscheint als universale Rechtfertigung Legitimationsansätze spielen in der Auseinandersetzung mit der geistlichen Gerichtsbarkeit eine gewisse Rolle. 7 Instruktion Herzog Georgs für Dr. Donat Groß, Dr. [Dietrich von] Werthern und Volkmar Koller zur Teilnahme an der Visitation des Klosters Pforte am 16. Oktober 1516, ABKG, Bd. 1, XLI, Anm. 1. 8 Für Quellenbelege siehe S. 33, Anm. 53 f. 9 Vgl. Stievermann, Landesherrschaft, 29–39.

XII. Zusammenfassung und Diskussion

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gegenüber den Vertretern der lokalen kirchlichen Hierarchie vom Altaristen bis zum Landesbischof und wird selbst dort hervorgehoben, wo spezielle Rechtstitel existieren bzw. entwickelt werden: »wir als der landesfurst und oberster collator« oder »uns als schotzhern und landes fursten« lauten dann die kumulativen Formeln.10 Nur selten wird der Gehalt von Landesherrschaft genau bestimmt, wie im Falle der Oberlehnsherrschaft über den Niederklerus. Dies liegt in der Logik der Sache, denn die Stärke dieses Herrschaftsanspruchs lag gerade in seiner Unbestimmtheit – er war das perfekte Gewand für eine sich intensivierende, neue Form von Herrschaft. Zweifellos trug der Anspruch auf »fürstliche oberkeit« deshalb nivellierende, ja zuweilen fi ktive Züge, wenn etwa die Wettiner zu behaupten begannen, die Meißner Bischofskirche sei »unser vorfarn [. . .] alt gestifft«.11 Es ist so einerseits bezeichnend, daß der Landesherr Gehorsam allein mit dem Hinweis auf die eigene Stellung einzufordern vermochte. Ohne die starke Machtposition des Fürsten ist das Funktionieren des Kirchenregiments nicht vorstellbar. Andererseits beugte gerade der Verzicht auf eine genaue Fixierung der eigenen Rechtsposition kirchlichem Widerspruch vor, schuf eine Grauzone politischer Praxis zwischen den beiden Rechtssphären. Unwidersprochene Ansprüche aber gerannen unauf haltsam zu neuem Gewohnheitsrecht. Gegenüber dem Anspruch auf Landesherrschaft tritt die Bedeutung anderer weltlicher Rechtsquellen, die in der Literatur diskutiert werden, im sächsischen Beispiel weit zurück. So fand die populäre und später für Luther so wichtige Zweigewaltenlehre, die aus dem Versagen der geistlichen Disziplinargewalt das Recht der weltlichen Seite auf subsidiäres Eingreifen folgerte, lediglich im Kontext der Landesordnungen Verwendung. Eine Herleitung fürstlicher Kirchenpolitik aus dem Römischen Recht, wie dies etwa von Justus Hashagen oder Gerda Koller diskutiert wird, läßt sich im sächsischen Fall überhaupt nicht belegen.12 Dasselbe gilt für eine Übernahme der königlichen Advocatia ecclesiae, wenngleich dieser Rechtstitel (der das Reichsoberhaupt zum Schutzherrn über

10 Brief Herzog Georgs an Bischof Johann VII. von Meißen in Rom, Dresden, 4. Januar 1523, ABKG, Bd. 1, 421–425; Instruktion Georgs, 1516 (wie Anm. 7). 11 Brief Kurfürst Ernsts und Herzog Albrechts an Melchior von Meckau, Dresden, 19. Januar 1473, CDS, II, Bd. 3, 220 f. Zur Weiterentwicklung dieses Herrschaftsanspruchs bei Herzog Georg siehe S. 220–225. – Zu Rechtsfi ktionen vgl. auch Hashagen, Staat und Kirche, 441–450; Priebatsch, Bd. 20, 344. 12 Auch Justus Hashagen und Gerda Koller können keine konkreten Belege liefern. Vgl. Hashagen, Staat und Kirche, 450–454; Koller, 43. Inwieweit das Auf kommen des Rechtstitels der »fürstlichen oberkeit« selbst eine Reflexion römisch-rechtlicher Vorstellungen darstellt, wie Volker Sellin zu bedenken gibt, kann hier nicht entschieden werden. Die neuere rechtshistorische Forschung jedenfalls beurteilt den unmittelbaren Einfluß des Römischen Rechts auf die Entstehung der Landesherrschaft skeptisch und sieht eher sekundäre Effekte, beispielsweise durch das römisch-rechtliche Studium landesherrlicher Räte. Vgl. Sellin, 393–492; Kroeschell; Willoweit, Rechtsgrundlagen.

428 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) die Reichskirche erklärte) der Sache nach durchaus das Selbstverständnis landesherrlicher Kirchenpolitik trifft.13 Schließlich läßt sich bei manchen landesherrlichen Legitimationsversuchen die Tendenz beobachten, die Argumentation gänzlich von der Frage nach ordentlichen Rechtstiteln zu entkoppeln. Statt die Rechtmäßigkeit des eigenen Vorgehens nachzuweisen, versuchte Herzog Georg, seine Eingriffe über ihren Zweck zu rechtfertigen. Der Hinweis auf die Mißstände in einem Kloster oder die Vernachlässigung des Gottesdienstes durch einen Pfarrer dient so zur Begründung des landesherrlichen Eingreifens. Statt rechtlicher werden also politische und moralische Argumente in Stellung gebracht: der gesamtgesellschaftliche Konsens über die Notwendigkeit einer Kirchenreform ebenso wie die patriarchalische Verantwortung des Landesherrn für das Seelenheil seiner Untertanen. Die Frage nach der Berechtigung des Fürsten, ein Kloster zu visitieren oder einen Pfarrer durch eine Temporaliensperre zur Räson zu bringen, tritt dabei in den Hintergrund. Besonders gern berief sich Herzog Georg in solchen Fällen auf Suppliken von Untertanen, die Mißstände beklagten und ihn um sein Eingreifen baten. Erneut kommt so die Landesherrschaft als Legitimationsansatz zum Tragen, hier jedoch nicht als Herrschaftsanspruch über Klerus und Kirche, sondern als Rechtsverpfl ichtung zu Schutz und Schirm gegenüber den Untertanen. »Das wir das arme unschuldige volgk, weyle uns das underworffen, auß dißer uncristlichen beswerung fuhren« lautet etwa die Begründung für sein Eingreifen gegen ein Interdikt über das Dorf Zschaitz.14 Die Frage nach der Rechtsbeziehung zwischen Landesherrn und Kirche war damit geschickt umgangen. Die Legitimation landesherrlicher Kirchenpolitik stützte sich so auf die weltliche Überformung kirchlicher Rechtstitel einerseits und die Übertragung weltlicher Herrschaftsansprüche auf die Kirche andererseits. Im Ergebnis entstand eine kaum systematisierte »Vielfalt echter und subsidiärer Rechtstitel«15. Moralische und religiöse Begründungen, die die hehren Ziele der landesherrlichen Eingriffe betonten, sollten Legitimationsdefizite überdecken. Dies alles diente der Rechtfertigung einer Kirchenpolitik, die das Gleichgewicht zwischen geistlicher und weltlicher Gewalt immer stärker zugunsten der letzteren 13 Wesentlich erscheint, daß Herzog Georg nie auf den Rechtstitel eines Kirchenvogts Bezug nahm. Demgegenüber führten die Kaiser den Titel weiter, so beispielsweise Karl V.: »uns alß Röm.[ischer] kayser, obersten voyt und schirmherrn der heil.[igen] Röm.[ischen] kirchen« (Urkunde Kaiser Karls V., Augsburg, 13. August 1550, Reinhard, Meditationes, 248 f.). Demgegenüber wird in der Literatur zuweilen auf die Parallelität der landesherrlichen Ansprüche mit der königlichen advocatia hingewiesen und diese etwa von Rudolf Zieschang als Ergebnis einer Übernahme gedeutet. Vgl. Koller, 40, 55; Schulze, Fürsten, 139–142; Zieschang, 11 f. 14 Brief Herzog Georgs an den Offi zial zu Stolpen, Dresden, 5. Juni 1509, Cop. 110, Bl. 158b. 15 Rankl, 272.

XII. Zusammenfassung und Diskussion

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verschob. Ihre Legitimationsstrategien waren dabei nicht auf eine juristische Argumentation im Gerichtssaal, sondern auf die Bewährung im politischen Alltagsgeschäft ausgerichtet. Oft genug galt es, nachträglich zu legitimieren, was in der Praxis bereits umgesetzt war.16 In diese Richtung zielen etwa Georgs Versuche, im Nachhinein kirchliche Instanzen zur Bestätigung landesherrlicher Maßnahmen zu bewegen. Fehlende Legitimation allein hielt die Herrschaftspraxis schon lange nicht mehr auf. Noch wichtiger als die Stichhaltigkeit der landesherrlichen Argumente waren deshalb die begleitenden Maßnahmen, die kirchlichen Widerstand zu minimieren versuchten, frei nach dem Rechtsgrundsatz: wo kein Kläger, da kein Richter. Konsensbildung erweist sich hier als zentrale Herrschaftsstrategie des Kirchenregiments. c) Kirchenregiment und Landesherrschaft Als Herrschaftsbeziehung zwischen Fürst und Kirche steht das Kirchenregiment offensichtlich in engem Verhältnis zur weltlichen Landesherrschaft. Oberflächlich betrachtet erscheint es dabei als bloßes Epiphänomen eines säkularen Prozesses fürstlichen Herrschaftsausbaus, der Metamorphose der spätmittelalterlichen Landesherrschaft zum frühmodernen Territorialstaat, die gerade in Sachsen schon vor der Reformation weit vorangeschritten war. Auf den zweiten Blick erweist sich das Verhältnis von Kirchenregiment und Landesherrschaft aber als komplexe Wechselbeziehung, die zuweilen dialektische Züge annimmt. Zum ersten, dies ist am augenfälligsten, war die Stärke der fürstlichen Landesherrschaft eine entscheidende Voraussetzung für die Entwicklung des Kirchenregiments. Die Machtposition der Wettiner ermöglichte ihnen die politische Mediatisierung der Ortskirche, von der Einbindung der großen und reichen Klöster bis hin zu den eigentlich reichsunmittelbaren Bischöfen. Selbst der Niederklerus wurde vom Streben der Landesherrschaft nach einem einheitlichen Untertanenverband erfaßt. Einmal in die Landsässigkeit gezwungen, sah sich der Klerus bald einem Kirchenregiment ausgesetzt, das sich die leistungsfähigen Strukturen der Landesherrschaft zunutze machte, um seine kirchenpolitischen Ziele – etwa die Kirchenreform – durchzusetzen. Die geklärte Machtfrage ermöglichte dabei letztlich sogar eine relativ spannungsfreie Kooperation zwischen Landesherrn und ortskirchlicher Hierarchie. Einzig auf dem Feld der geistlichen Gerichtsbarkeit stieß der landesherrliche Gestaltungsanspruch an klare Grenzen. Auf der anderen Seite ging die Kirchenpolitik weder in Mitteln noch Zielen ganz in der Landesherrschaft auf. Denn die Kirche blieb eine privilegierte Institution mit eigener Rechtssphäre, in der fürstlicher Herrschaftsanspruch oft 16

So auch die Einschätzungen bei Mikat, 309; Stievermann, Landesherrschaft, 29–39.

430 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) nur mit den indirekten, auf situative und konsensuale Konfl iktlösung ausgerichteten Methoden des Kirchenregiments umgesetzt werden konnte. Vor allem aber war das Kirchenregiment selbst eine Stütze der Landesherrschaft, denn es begründete Herrschaftsbeziehungen zu allen Teilbereichen der kirchlichen Organisation. Insbesondere Patronat und Vogtei waren für den Ausbau der Landesherrschaft von Interesse, denn sie boten Anknüpfungspunkte für die Territorialisierung fürstlicher Herrschaft. Wichtiger als ihr eigentlicher Rechtsgehalt wurde in diesem Zusammenhang die Verwendbarkeit der Rechtstitel als »dynamisierbare Bausteine« für die Zuordnung zum Territorium – also der Umstand, daß aus ihnen ein Anspruch auf die Zugehörigkeit kirchlicher Einrichtungen zum fürstlichen Herrschaftsbereich abgeleitet werden konnte. Denn dieser ließ sich politisch aufgreifen und zu einer neuen Herrschaftsbeziehung ausgestalten. Das geographische Netz solcher Zugehörigkeiten aber verdichtete sich schließlich zum Territorium. Alte Rechtstitel und aktuelle Machtfülle wurden zusammengeführt und ließen, wo niemand widersprach, ältere Differenzierungen mehr und mehr außer Gebrauch kommen.17 Auch auf der Ebene der Legitimation ist eine gewisse Dialektik nicht zu verkennen. Der Anspruch auf »fürstliche Oberkeit«, also auf Landesherrschaft, diente dem Kirchenregiment als stärkstes Argument. Auf der anderen Seite verlieh die Übernahme von Verantwortung für die Kirche und die Sorge um das Seelenheil der Bevölkerung dem fürstlichen Herrschaftsanspruch höhere Weihen. So sieht es auch Dietmar Willoweit: »Daß die Landesherrschaft seit dem frühen 14. Jahrhundert diese geistliche Dimension allmählich auszufüllen begann, hat den Schritt von der bloßen Herrschaftskumulation zur religiös-moralisch legitimierten Staatlichkeit am Ende des 15. Jahrhunderts wohl erheblich beschleunigt.«18 Gerade aus der Perspektive der mittelalterlichen Zweigewaltenlehre konnten staatliche Verdichtung und die Reform der Kirche leicht als zwei Seiten eines gesamtgesellschaftlichen Erneuerungsprozesses verstanden werden.19 Schließlich führt das Verhältnis von Kirchenregiment und Landesherrschaft zur Frage nach den Motiven landesherrlicher Kirchenpolitik. Unverkennbar prägte das Streben nach Ausbau der Landesherrschaft weite Teile der Kirchenpolitik, etwa die Versuche, die Kompetenzen der geistlichen Gerichtsbarkeit einzuschränken. Für die »gestaltete Verdichtung« (Peter Moraw) von Herrschaft 17

Vgl. Werminghoff, 89; Stievermann, Landesherrschaft, 26–39, 144–158, das Zitat

26. 18

Willoweit, Landesherrschaft, 130. Diesen Gedanken verfolgt z. B. Berndt Hamm mit seinen Konzept der »Normativen Zentrierung«. Vgl. Hamm, Prozeß, hier besonders 70 f.; zur Zweigewaltenlehre vgl. Mantey. – Mit der Reformation trat dieser Zusammenhang zwischen kirchenpolitischer Verantwortungsübernahme und Legitimation territorialstaatlicher Herrschaft noch viel deutlicher zutage. Vgl. z. B. Reinhard, Power Elites, 12; ders., Zwang zur Konfessionalisierung. 19

XII. Zusammenfassung und Diskussion

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im entstehenden Territorialstaat erschien die Durchsetzung der landesherrlichen Gerichtshoheit unerläßlich. Andererseits erschöpft sich die Kirchenpolitik eines Herzog Georgs nicht in weltlichem Machthunger, zeigt doch sein authentischer Zorn über »unchristliche« geistliche Bannstrafen oder sein unermüdlicher Eifer, die kirchliche Versorgung der Untertanen sicherzustellen, gerade die Bedeutung genuin religiöser Motive. Im Landesordnungsentwurf von 1498 oder in der Klosterpolitik gehen beide Motivreihen dann eine untrennbare Verbindung ein.20 Das Ineinandergreifen religiöser und weltlicher Motive – das unter umgekehrten Vorzeichen ja auch das Agieren geistlicher Kirchenfürsten oder der Päpste prägte – läßt sich mit Justus Hashagen als Zeichen einer spannungsvollen Beziehung zwischen geistlicher und weltlicher Sphäre begreifen.21 Doch ist hier zu fragen, ob die Wahrnehmung einer Spannung, und damit einer impliziten Unvereinbarkeit beider Motive, nicht vor allem die Befi ndlichkeit des modernen Historikers widerspiegelt, der von der Notwendigkeit einer (aufgeklärten) Trennung von säkularer Wirklichkeit und dem privaten Bereich vorbehaltener religiöser Überzeugung ausgeht. Dann aber wäre es ahistorisch, eine solche Anschauung auf eine Zeit zu übertragen, die sich – nach allem, was wir wissen – gerade durch ein gegenteilige Weltanschauung auszeichnete. Denn zweifellos war gerade der Synkretismus von geistlicher und weltlicher Sphäre, wie er in der Zweigewaltenlehre seinen Ausdruck fand, integraler Bestandteil des mittelalterlichen Weltbildes. Er gewann seine Harmonie aus dem Streben des Mittelalters nach einer Identität von göttlicher und politischer Weltordnung, die sich im Zusammenwirken und Ineinandergreifen von geistlicher und weltlicher Gewalt realisierte. Auch für Georgs Kirchenpolitik waren religiöse und weltliche Motive offenbar recht harmonisch vereinbar, ist doch in den Quellen weder ein Spannungsverhältnis noch politischer Zynismus zu greifen. d) Exkurs: Das Territorium als kirchlicher Bezugsrahmen? Die Frage nach den räumlichen Bezügen gesellschaftlicher Tatsachen ist für das späte Mittelalter keineswegs trivial. Sie kann vielmehr als Gradmesser für Entwicklung dienen. Dies gilt etwa für die räumliche Dimension von Herrschaft. Die für das Mittelalter maßgebliche personale Komponente von Herrschaftsbeziehungen verlor im Übergang zur Neuzeit sukzessive ihre Dominanz. Zur Herrschaft über einen Personenkreis trat die Idee einer Herrschaft in Räumen, 20 Letztlich spiegelt sich das Zusammenfallen von religiöser und weltlicher Perspektive sogar in der heutigen Forschungsdiskussion wieder, wenn etwa die Landesordnungen sowohl in der Diskussion um Policey und Sozialdisziplinierung als auch in der Kirchenreformdebatte zur Sprache kommen, wobei eine Diskussion, wohin der Gegenstand mit mehr Recht zuzuordnen sei, völlig an der Sache vorbeiginge. Siehe S. 384–403. 21 Hashagen, Staat und Kirche, 566–568, das Zitat 567.

432 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) die durch Grenzen markiert wurden. Für die spätmittelalterlichen Fürstentümer wird diese Entwicklung mit dem Schlagwort der Territorialisierung erfaßt. Auch in Mitteldeutschland wurden Raum und Herrschaft am Ausgang des Mittelalters zunehmend aufeinander bezogen, wie nicht zuletzt die allmähliche Übertragung des Namens Sachsen, abgeleitet aus dem höchsten Herrschaftstitel der Wettiner, auf den von ihnen beherrschten Raum belegt. Für den herrschaftlich geprägten Raum rückte der Quellenbegriff »Land« in den Vordergrund, der freilich auch andere Bedeutungsfelder kannte. Herzog Georg bezeichnete sich bereits durchgängig als »Landesfürst«. Dabei gilt die Vereinheitlichung und Nivellierung der Vielzahl älterer Herrschaftsbeziehungen als wichtiger Schritt bei der Entstehung eines räumlich defi nierten Territorialstaats.22 Wurde im vorigen Abschnitt bereits auf den Beitrag des Kirchenregiments für die Herausbildung des Territorialstaats hingewiesen, so stellt sich darüber hinaus die Frage, ob und inwiefern Territorialisierung von Herrschaft auf die Kirchenpolitik zurückwirkte. Vergegenwärtigt man sich die Pole der mittelalterlichen Universal- und der neuzeitlichen Landeskirche, wird ein gewaltiges Entwicklungspotential deutlich. Von der mittelalterlichen Ausgangslage, die Pfarreien und Klöster lediglich geistlichen Aufsichtssprengeln wie Diözesen oder Ordensprovinzen zuordnete, unterschieden sich die Landeskirchen der Reformation geradezu diametral: Eine einheitliche Kirche, die sich über einen weltlichen Herrschaftsraum defi nierte, stand nunmehr einem Fürsten gegenüber, der sich als ihr administratives Oberhaupt begriff. Wo aber ist, ausgehend von der Existenz eines spätmittelalterlichen landesherrlichen Kirchenregiments, die vorreformatorische Situation zu verorten? Am Beispiel Württembergs hat Dieter Stievermann den »inneren Wandel des Territoriums in Richtung einer relativ eigenständigen kirchlichen Einheit« beschrieben und festgestellt, »daß die Territorialstruktur als Muster für die Kirchenverfassung [. . .] weitgehend im Spätmittelalter sich vorgeprägt fi ndet«. Er sieht die Herausbildung von Landeskirchen als fortlaufenden Prozeß, der freilich erst in der Reformation zum Abschluß kam.23 Offenbar markiert dabei die vorreformatorische Situation zumindest in den großen Territorien eine Nahtstelle der Entwicklung. Um diese genauer zu erfassen, bietet sich eine analytische Trennung von zwei Teilschritten an: 1) das Territorium als kirchliche Bezugsgröße, 2) die Kirche in einem Territorium als organisatorische Einheit. Die Wahrnehmung des Territoriums als Bezugsrahmen für Kirche gehörte zu den Grundannahmen landesherrlicher Kirchenpolitik. Kirchenregiment und Kirchenreform waren für Herzog Georg immer auf das Territorium als Defi nitionsrahmen seines unmittelbaren politischen Einflußbereiches bezogen. Explizit wird dies etwa in seinem Programm zum Niederklerusregiment von 1523, 22 23

Siehe dazu S. 31–34. Vgl. Stievermann, Landesherrschaft, 144–158, die Zitate 145, 295.

XII. Zusammenfassung und Diskussion

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in der Behauptung einer Ablaßhoheit für das Territorium oder auch, wenn er in der Landesordnung von 1498 befiehlt, die Laienreform »durchs gantze land herttiglich zu gebieten«.24 Sogar die Päpste beförderten diese Wahrnehmung, indem sie den Fürsten Privilegien zur Klosterreform erteilten, die zwar Bischöfe oder Prälaten als Visitatoren vorsahen, den Geltungsbereich des Reformauftrages aber nicht über Diözesangrenzen, sondern über die Territorien definierten. Auch den Geltungsbereich des Freiberger Fastenindults von 1492 defi nierte der Papst über den weltlichen Herrschaftsbereich der Albertiner.25 Andererseits hatte der räumliche Bezug die personale (und ständisch differenzierte) Zuordnung von Herrschaft noch nicht verdrängt. Eine Verbindung beider Aspekte fi ndet sich in Georgs Supplik um ein generelles Fastenindult für seine von der Evangelischen Bewegung agitierte Bevölkerung. Dieses Privileg sollte 1523 »uf uns, alle unsre geystliche und wertliche, hoes und nyder standes, beyder geschlecht underthanen und inwoner unser furstentumb, lande und gebiete« ausgestellt werden.26 Die Wahrnehmung von Territorium und Untertanenverband als parallele Bezugsrahmen von Kirchenpolitik läßt sich auch bei anderen aktiven Kirchenpolitikern, etwa Kurfürst Albrecht Achilles von Brandenburg, nachweisen.27 Ein genauerer Einblick in die landesherrlichen Vorstellungen von der Kirche ihres Territoriums kann durch die Betrachtung von »Landeskasualien« gewonnen werden. Unter diesem Begriff werden hier landesherrliche Aufforderungen zu Totengedenken, Dankgottesdiensten, Fürbitten oder Prozessionen zusammengefaßt, die an zahlreiche Kirchen zugleich ergingen. Solche Aufträge der Fürsten an die Kirchen ihrer Lande waren am Ausgang des Mittelalters vielerorts üblich.28 Abhängig von der Bedeutung des jeweiligen Anlasses konnten einzelne Institutionen, z. B. das Meißner Domkapitel oder das Kloster Altzelle, oder die Kirchen einer ganzen Stadt angesprochen sein.29 Bei besonders wichtigen Kasualien erfolgten überregionale Aufrufe. Exemplarisch läßt sich dies am Totengedenken für Maximilian I. verfolgen. Am 29. Januar 1519, zwei Wochen nach dem Tod des Kaisers, regelte Herzog Georg in einem Rundschreiben den albertinischen Beitrag zu seiner Memoria. 24 Entwurf einer gesamtwettinischen Landesordnung [vor 9. Juli 1498], Burkhardt, Landtagsakten, 35–40. 25 Siehe S. 72 f. und S. 373, Anm. 141. 26 Brief Herzog Georgs an Johann VII., 1523 (wie Anm. 11), 422. 27 Siehe S. 49–53. 28 Vgl. z. B. Ludolphy, Friedrich 381; Streich, Hof, 482–487; Priebatsch, Bd. 19, 399, 426, Bd. 20, 344; Redlich, Kirchenpolitik, Bd. 1, 102*. 29 Vgl. Briefe der Statthalter Herzog Georgs an den Abt zu Altzelle, das Domkapitel zu Meißen, den Rat zu Freiberg und den Rat zu Meißen, Dresden, 23. Juli 1495, Cop. 105, Bl. 187 b ; Brief Herzog Georgs an den Amtmann von Annaberg, [Dresden] 9. Dezember 1508, Cop. 110, Bl. 47a. Gegenstand der Aufträge waren Vigilien und Seelenmessen, im ersten Fall für eine Landgräfi n von Hessen, im zweiten für Graf Heinrich von Stolberg.

434 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) In den Missiven werden die Adressaten beauftragt, »seyne key.[serliche] m[ajestä]t mit aller euir geistlichkeit mit vigilien, selemessen, leuten und andern herlichkeiten, wie sichs eynem Romischen keyser geburt, [zu] begehen«. Die Liste der Adressaten zeichnet ein umfassendes, aber dennoch eigenartig unvollständiges Bild von der Kirche des Territoriums: An der Spitze stehen die Bischöfe von Meißen und Merseburg, gefolgt von zehn Äbten und 19 weiteren Klostervorständen, schließlich werden 28 Städte genannt.30 Ins Auge fällt dabei weniger das Fehlen des Nebenlandes Sagan, als die eigenartige Mischung geistlicher und weltlicher Institutionen. Die beiden albertinischen Landesbischöfe stehen am Anfang der Liste, aber die anderen Oberhirten, deren Diözesen Anteil am albertinischen Territorium haben, fehlen ebenso wie die Domkapitel, Kollegiatstifte und Archidiakonate als Mittelinstanzen des Weltklerus. Die angeschriebenen Klöster sind mit zwei Ausnahmen (den Chorherrenstiften St. Thomas und St. Afra) Landklöster, städtische Konvente werden nicht genannt. Ihre Aktivierung blieb wohl als dritter Adressatengruppe den Stadträten überlassen.31 Der Schlüssel zu diesem Verteiler und damit zu der landesherrlichen Perspektive auf die Kirche im Territorium ist nicht sogleich offensichtlich. Sofort wird hingegen deutlich, daß Georg von einer Vielgestaltigkeit der Kirche ausgeht, jede Institution einzeln erreichen will bzw. muß. Gleichzeitig sind zwar Adressaten im ganzen Land angesprochen, aber es wird keine flächendeckende Aktivierung verfolgt. Denn um etwa den thüringischen Niederklerus zu erreichen, hätte man die Stufen der weltgeistlichen Hierarchie, also Kardinal Albrecht als Mainzer und Halberstädter Bischof oder den Siegler von Erfurt und das Halberstädter Domkapitel als seine Vertreter, zumindest aber die Archidiakone anschreiben müssen. Am ehesten vollständig sind die Klöster erfaßt, die als traditioneller Ort von Herrschermemoria besonders wichtig erscheinen mochten. Die eigenartige Zusammenstellung von Bischöfen, Klöstern und weltlichen Städten entspringt aber wohl ganz anderen Zusammenhängen: sie erweist sich nämlich als weitgehend identisch mit den Verteilern für albertinische Landtags30 Ausschreiben Herzog Georgs an Prälaten und Städte, Dresden, 29. Januar 1519, Loc. 9933/11, Bl. 3; der Verteiler des Ausschreibens ebd., Bl. 1 f. Angeschrieben werden in der Reihenfolge des Verteilers: die Bischöfe von Meißen und Merseburg, die Äbte zu Altzelle, Chemnitz, Pegau, Pforte, Goseck, Volkenroda, Sittichenbach, Homburg, Reinsdorf, Oldisleben, der Propst zu Mühlberg, der Guardian zu Seußlitz, die Pröpste zu Riesa, Sornzig, Döbeln, Sankt Afra zu Meißen, Heilig Kreuz bei Meißen, der General zu Großenhain, die Pröpste zu St. Thomas in Leipzig, St. Georgen vor Leipzig, Petersberg, Langendorf, Beuditz, die Äbtissin zu Weißenfels, die Pröpste zu Memleben, Hesseler, Rohrbach, Kaltenborn und Roda sowie die Städte Pirna, Annaberg, Altenburg, Großenhain, Oschatz, Döbeln, Mittweida, Geithain, Rochlitz, Chemnitz, Radeberg, Ortrand, Senftenberg, Leipzig, Pegau, Weißenfels, Zörbig, Freyburg, Mücheln, Laucha, Kindelbrück, Eckartsberga, Tennstedt, Sangerhausen, Weißensee, Langensalza, Thamsbrück und Herbsleben. – Zu den ähnlichen Maßnahmen Kurfürst Friedrichs vgl. Ludolphy, Friedrich, 349 f. 31 Dies läßt sich aus dem Titel des Verteilers schließen.

XII. Zusammenfassung und Diskussion

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und Steuerausschreiben.32 Es ist demnach schon nicht mehr die kirchliche Hierarchie, an der sich der Landesherr beim Blick auf die »geistliche Landkarte« seines Territoriums orientiert. Statt dessen wird Kirche hier in weltlichen, von der Landesherrschaft geprägten Strukturen wahrgenommen. Diese Unebenheiten sind im Blick zu behalten, wenn allgemeinere Quellenaussagen zu Landeskasualien bewertet werden. Dies gilt etwa für einen Brief Herzogin Barbaras aus der Zeit des Frieslandfeldzuges 1514. Als die Nachricht von Georgs Sieg über die Stadt Appingedam in Sachsen eintraf, ordnete die Fürstin umgehend »yn allen kerchen und kloster« Lob- und Dankgesänge an und berichtete ihrem Gatten, sie habe solches »dorch alle unser lant also bestalt«. Hier ist »land« als Bezugsrahmen für Kirchenpolitik klar erkennbar, während über die konkrete Umsetzung nichts bekannt wird, auch wenn Barbara noch ergänzt, sie habe als weiteren Akt des Gotteslobs »yn allen prozessen dorch alle unser lant eyn sunderlichen gesangke von sante Michel und den libe heylegen engellen syngen lassen«.33 In anderen Fällen wird die Umsetzung landesweiter Kasualien dann doch wieder über die Spitzen der ortskirchlichen Hierarchie gesucht, wobei aber oft nur die sächsischen Landesbischöfe angesprochen sind und damit allein das Gebiet der alten Markgrafschaft Meißen erfaßt wird. So bat Georg 1501 die Bischöfe von Meißen, Merseburg und Naumburg, »mit aller irer pristerschaft [. . .] ein gebott in iren kirchen zutun«, damit überall für den Sieg Hochmeister Friedrichs und des Deutschen Ordens gegen die Ungläubigen in Livland gebetet würde.34 Der Meißner Bischof wurde im feuchten Sommer 1495 angehalten, in den Kirchen seines Bistums Bittprozessionen gegen die Gewitter zu veranstalten, damit die Ungnade Gottes von der Ernte abgewendet werden könne.35 Aber auch die Gesamtheit der weltlichen und geistlichen Unterobrigkeiten im Lande konnte hierfür herangezogen werden. Dies belegt ein gesamtwettinisches Ausschreiben zu militärischer Bereitschaft von 1512, das mit einem Befehl zu Friedensfürbitten in den Pfarrgemeinden verbunden war und tatsächlich das gesamte Territorium abdeckte.36 32 Vgl. zu solchen Ausschreiben Goerlitz, 560–565. Gegenüber der exemplarisch herausgegriffenen Ladung zum Landtag von 1499 (ebd., Sp. 6) fehlen in der Liste von 1519 lediglich die Domkapitel von Meißen und Merseburg, die Komtureien des Deutschen Ordens (inklusive dem Propst zu Zschillen) sowie einige Städte. Das Fehlen des Stiftkapitels Freiberg erklärt sich aus der Zugehörigkeit zum Herrschaftsbereich Herzog Heinrichs. 33 Brief Herzogin Barbaras an Herzog Georg, o.O., 16. August 1514, Loc. 8498/1, Bl. 238. 34 Briefe Herzog Georgs an Bischof Johann VI. von Meißen, Bischof Tilo von Merseburg und Bischof Johannes III. von Naumburg, o.O., 16. Oktober 1501, Cop. 107, Bl. 57a. 35 Brief der Statthalter Herzog Georgs an Bischof Johann VI. von Meißen, Dresden, 25. Juni 1495, Cop. 105, Bl. 173b. 36 »Ist derhalben an euch unser gutlich begerung, hirmit ernstlich befelhend, yr wollet mit den pfarrern [tzu euwerem closter gehorende], ob yr der under euch habt, vorfugen, das die vorwandten einer yden pfarre, auff einen tag erfordert werden, und das die pfarrer auff den

436 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) Während die Landesherrschaft das eigene Territorium also klar als kirchlichen Bezugsrahmen verstand und es besondere Anlässe gab, zu denen der Fürst die Kirche zu Messe und Gebet für dieses Land heranzog, waren die Wege des organisatorischen Zugriffs oft verschlungen, verhinderten Diözesangrenzen oder die gewachsenen Differenzierungen zwischen Kern- und Nebenlanden den flächendeckenden Zugriff. Eine kirchliche Einheit, eine »Landeskirche«, gab es im albertinischen Sachsen noch nicht. Ein seltener Ansatz in diese Richtung verbindet sich erneut mit dem schweren Schicksal der friesischen Stadt Appingedam. Nach dem Massaker der albertinischen Söldner an der Stadtbevölkerung hatte Herzog Georg das Gelübde abgelegt, eine Feier des Festes Mariae Schnee, das auf den Tag der Erstürmung fiel, im Dom zu Meißen einzurichten. Mit der 1516 begründeten und mit 530 fl. überaus reich ausgestatteten Stiftung fand dieses Marienfest wohl erstmals Einführung in den mitteldeutschen Raum. Das Meißner Gedenken sollte neben dem Stifterpaar Georg und Barbara dem Seelenheil all jener gewidmet sein, die in Georgs Frieslandfeldzug und darüber hinaus in den zahlreichen Kriegen Herzog Albrechts ihr Leben für die Albertiner gelassen hatten. Auch künftige Generationen waren in das Gedenken einbezogen, das an das moderne Konzept des Volkstrauertages erinnert.37 Der territoriale Bezug wurde diesmal unmittelbar verfolgt, denn Georg plante die Stiftung am Meißner Dom, der Grablege der Dynastie, offenbar als Zentrum eines landesweiten Kultes. So führt er in einem Brief an den Bischof von Breslau aus, er habe nach der Erstürmung gelobt, die Feier des Festes Mariae Schnee in allen Kirchen seines Fürstentums einzuführen. Deshalb möge der Bischof der Geistlichkeit des Landes Sagan befehlen, besagtes Fest am 5. August »jerlichen corfeyerlich« zu halten.38 Schon ein Jahr zuvor hatte Georg von Kardinal Albrecht die Zusage zur Einführung des Festes erhalten, und zwar »in

selben tag erstlich ein erliche proceß und letanien sampt den geordenten collecten halten, und volgendt ein loblich ampt der messe von der allerheyligsten dreyfaldigkeit singen, und under dem selben ampt ein offentliche exhortation gegen dem volgk thuen, mit vormanung, Got den almechtigen inniglich tzu bitten, uns, unsern frommen underthanen, landen unnd leuten tzugut, die sachen gnediglich tzum besten tzufugen. [Des gleichen yr mit sampt euwer geistlicheit euwers closters auch thuen wollet]«. Gedrucktes Ausschreiben Herzog Georgs, Dresden, 4. Sept. 1512, Loc. 14954, Mandatesammlung, Faszikel »1512«, unfol. Bei dem zitierten Exemplar handelt es sich um eine Ausfertigung für Klöster. Die nur für diese zutreffenden Textabschnitte sind deshalb in Klammern gesetzt. Vgl. Zieschang, 88 f., zu einem ernestinischen Exemplar dieses Ausschreibens. 37 Vgl. Wie der Storm zum Tham in Frieslant ergangen ist [Leipzig: Martin Landsberg 1514] (VD 16 ZV 24146), Nachdruck: [Nürnberg: Jobst Gutknecht, 1514] (VD 16 W 2527), nach dem Nachdruck ediert: Möncke, 59–61; Stiftungsurkunde Herzog Georgs, Dresden, 17. März 1516, CDS, II, Bd. 3, 333 f. 38 Brief Herzog Georgs an Bischof Johann V. von Breslau, o.O., 28. Mai 1516, Cop. 125, Bl. 88a.

XII. Zusammenfassung und Diskussion

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yrem ertzbistumb Mentz, als weit sich unser furstenthumb des orts erstregkt«.39 Alle Teile des albertinischen Territoriums, selbst das Nebenland Sagan, waren so in einen Kultus eingebunden, der die traditionellen Diözesangrenzen unterlief. Freilich mußte Georg noch immer den Weg über die Bischöfe wählen, um den Kultus zu installieren. So zukunftsweisend das Beispiel Mariae Schnee auch sein mochte, es blieb ein Einzelfall. Die Vielzahl kirchlicher Institutionen auf dem Gebiet des Herzogtums, das an acht Diözesen Anteil hatte, bildeten am Vorabend der Reformation noch keine Einheit, weder im ideellen, noch im organisatorischen Sinne. Auch die Landesherrschaft, die diese Einheit hätte stiften müssen, verfolgte keine durchgängige Politik in diesem Sinne. Bei vielen öffentlichen Inszenierungen wurde die Kirche im Territorium nur durch einen, nämlich den meißnischen Teil repräsentiert. Dies gilt auch und gerade für kirchenpolitische Vorzeigeprojekte wie den Bau der Annaberger Pfarrkirche oder die Heiligsprechung Bennos von Meißen. So wird bei der symbolischen Verkörperung des Herzogtums im Wappenhimmel der Annenkirche die geistliche Seite nur durch die Bischöfe von Meißen und Merseburg sowie das Meißner Domkapitel und den Abt von Chemnitz repräsentiert.40 Die Prälaten der alten Kernlandschaft Meißen dominierten auch die feierliche Erhebung des heiligen Benno am 16. Juni 1524. Bei diesem kirchlichen und gesellschaftlichen Großereignis, von Freund und Feind im ganzen Reich beachtet, fehlte die Thüringer Geistlichkeit ebenso wie die Saganer. Und der Vertreter Kardinal Albrechts, als Magdeburger Domdekan ohnehin schwerlich als Gesandter des thüringischen Klerus anzusehen, war ausgerechnet ein Sprößling aus dem meißnischen Grafenhaus derer von Leisnig. Auch aus dieser Perspektive wird verständlich, warum Benno, den Herzog Georg einmal einen Heiligen für das »Meysnerlant« nannte, nicht zum Landesheiligen des gesamten albertinischen Territorialstaats werden konnte.41 Schließlich fand Herzog Georg auch bei dynastischen Kasualien am Klerus des alten Kernlandes Genüge. Zur Beisetzung seiner geliebten Gemahlin Barbara erschienen 1534 zwar aus allen Landesteilen Vertreter des Adels und der Städte. Vom Klerus aber lud Georg wiederum nur den Meißner und den Merseburger Bischof sowie die Äbte von vier traditionsreichen Klöstern der Markgrafschaft, Altzelle und Pforta, Chemnitz und Pegau.42 Im Vergleich zum Bei39 Brief Herzog Georgs an Kardinal Albrecht, o.O., 24. August 1515, ebd., Bl. 10 b –11a . – Die Tatsache, daß Kardinal Albrecht Georg in diesem Zusammenhang eine »historien desselbigen fests« (ebd.) zusandte, zeigt, daß das Fest zu diesem Zeitpunkt in Mainz bereits etabliert war. Zur Geschichte des Festes, insbesondere am Mainzer Hof vgl. Hubach. 40 Siehe S. 367 f. 41 Vgl. Volkmar, Heiligenerhebung Bennos, 110–115, 140–152. 42 Verzeichnis der geladenen Trauergäste zur Beisetzung von Herzogin Barbara in Meißen, 16. März 1534, Loc. 4381/12, Bl. 58.

438 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) spiel Württembergs tritt die albertinische Kirchenpolitik in Punkto Territorialisierung also etwas zurück. Statt dessen liefert sie eine neue Variation des alten Themas von Zentrum und Peripherie.

2. Landesherrliche Kirchenreform Kirchenreform war ein zentrales Anliegen der Politik Herzog Georgs. Auf nahezu allen Ebenen der landesherrlichen Kirchenpolitik ist der Reformgedanke präsent. Schwerpunkte des landesherrlichen Engagements bildeten die geistliche Gerichtsbarkeit, die Amts- und Lebensführung des Niederklerus, die Klosterpolitik und die Laienreform. Nur in wenigen Bereichen, etwa in der dynastischen Kirchenpolitik auf Reichsebene oder bei der Patronats- und Pfründenpolitik, stand der Reformaspekt eher im Hintergrund. Die inhaltlichen Ziele der Reform sind ebenso vielfältig wie die Erscheinungsformen der spätmittelalterlichen Kirche. Sie in einem Programm zusammenzufassen heißt Rekonstruktionsarbeit leisten. Denn die landesherrliche Kirchenreform ist zuvorderst Reformpraxis. Eine eigene, gar umfassend theoretische Reformkonzeption hat sie nicht entworfen, auch die Reflexion über Quellen und Vorbilder ist ihr weitgehend fremd. Um so aufschlußreicher ist der Versuch, die landesherrlichen Reformaktivitäten mit der zeitgenössischen Kirchenreformdiskussion im Reich in Beziehung zu setzen.43 Denn dabei lassen sich zahlreiche Verbindungen erkennen. So nahm die albertinische Klosterreform Impulse aus der Observantenbewegung auf, während die in Georgs Auftrag entstandene Vita Bennonis das Bischofsideal eines Johannes Gerson aufgriff, wie es um 1500 die oberrheinischen Humanisten propagierten. Die landesherrliche Kritik am Wallfahrtswesen war von der (Erfurter) Reformtheologie eines Johannes von Paltz und von den Ideen des christlichen Humanismus eines Erasmus von Rotterdam beeinflußt, dessen »Enchiridion« unter ausdrücklicher Betonung dieses Aspekts in Leipzig gedruckt wurde. Georgs fortwährendes Konzilsengagement wiederum entspricht dem alten Reformideal einer reformatio in capite. Sein Denken erweist sich dabei bis in die Sprache hinein als von der konziliaren Reformdiskussion beeinflußt, so wenn er von der Heilung des Hauptes auch die Gesundung der Glieder erhofft.44 43

Siehe dazu S. 36–39 sowie S. 112–420, passim. Vgl. Wolgast, Art. Reform, 322. Hadrian VI. machte dieses Bild in seinem Schuldbekenntnis auf dem Nürnberger Reichstag von 1522 zusätzlich populär. Bei Herzog Georg fi ndet sich der Gedanke schon in der Vorlage zu den Wormser Gravamina von 1521 (hier im Bild von der Quelle und den Bächen: »Dieweil der brunnen also an schmack worden, so schmecken die beche, in die er fleust, auch darnach.«) und später in der Korrespondenz um das erhoffte Konzil von Mantua in den Jahren 1533/34. Vgl. Gess, Klosterreformen, 22–26; 44

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Auch methodisch knüpft die landesherrliche Reformpolitik an die Diskussionen des 15. Jahrhunderts an. So entsprach Georgs Laienreform dem Reformideal eines Gerson, das neben der institutionellen Reform die sittlich-moralischen Erneuerung des Einzelnen einforderte. Und wenn Vordenker im Klerus wie Johannes Nider oder Heinrich Tocke aus dem Scheitern des Basler Konzils die Konsequenz zogen, daß neben den Versuch einer gesamtkirchlichen Erneuerung eine Politik der kleinen Schritte auf lokaler Ebene treten müsse, so liest sich dies wie das Programm der Reformen Herzog Georgs, die gerade im unermüdlichen Eingreifen in Einzelfälle ihr Prinzip finden. Georgs Kirchenreform erweist sich so im Kern als der Versuch einer Umsetzung spätmittelalterlicher Reformansätze, der nicht nur Programm blieb, sondern die politische Praxis erreichte. Damit belegt sie die fortwährende Wirksamkeit dieses Reformansatzes bis in die Reformationszeit hinein. Wie sich der Transfer von Reformideen an den albertinischen Hof im einzelnen gestaltete, kann vielfach nur vermutet werden, denn die Quellen schweigen hier weitgehend. Lediglich die wettinischen Vorfahren werden von Georg punktuell als Gewährsmänner einer Reformtradition angeführt, wobei ihm insbesondere Herzog Wilhelm III. vor Augen gestanden haben dürfte. Man wird darüber hinaus vermuten dürfen, daß Geistliche, vor allem Personen mit entsprechenden biographischen Schnittpunkten, als Multiplikatoren in Frage kamen. Doch inwieweit etwa ein Andreas Proles Georgs Haltung zur Observanz und zur Berechtigung landesherrlicher Reformeingriffe geprägt oder ob ein Hieronymus Emser seinem Dienstherren die Ideen der oberrheinischen Humanisten zur Weltklerusreform vermittelt hat, ist letztlich nicht sicher zu belegen.45 Doch ist dies wohl auch nicht die entscheidende Frage, denn das Beschwerden Herzog Georgs wider die Geistlichkeit auf dem Reichstag zu Worms [Anfang Februar 1521], ABKG, Bd. 1, 150–153. 45 Zu Proles siehe S. 72, 81 f., 87. Die oberrheinischen Reformer um Jacob Wimpfeling und Johannes Geiler von Kaysersberg rückten den Weltklerus in das Zentrum ihrer Reformpläne. In Anlehnung an Jean Gerson wollte Wimpfeling die Reform in die Hände des Ordinarius legen, der sie durch persönliches Vorbild und exekutive Maßnahmen wie Diözesansynode und Visitation vorantreiben sollte. Exemplarisch steht Wimpfelings Unterstützung für seinen zum Bischof von Basel aufgestiegenen Freund Christoph von Utenheim, für den er 1503 u. a. eine Reformrede verfaßte, die für die Eröffnung einer Diözesansynode bestimmt war. Schon Geiler war jedoch skeptisch, ob die Bischöfe noch in der Lage seien, die Reform zu exekutieren. Der im Vergleich zum Mönchswesen geringe Organisationsgrad des Weltklerus und die geschwächte Disziplinargewalt der Bischöfe machten eine Reform aus dem Klerus heraus sehr schwierig. Einig waren sich die christlichen Humanisten darin, daß nur ein persönliches Umdenken der Weltgeistlichen nachhaltige Fortschritte zeitigen könnte. Sie propagierten nicht nur humanistische Studien, sondern vor allem die moralische Selbstverpfl ichtung des Klerus auf das Kirchenrecht: der Pfründenkumulation sollten die Priester ebenso widerstehen wie dem Konkubinat. Hieronymus Emser stand in seiner Baseler Studienzeit mit Christoph von Utenheim in Kontakt und war im Winter 1503/04, unmittelbar vor seinem Weggang nach Sachsen, für Jakob Wimpfeling in Straßburg tätig. Vgl. Mertens; Volkmar, Heiligenerhebung Bennos, 133–135.

440 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) Bewußtsein für die Notwendigkeit einer Reform war allgemein weit verbreitet. Nicht an Konzepten und Multiplikatoren herrschte Mangel, sondern an konkreten, mit politischer Durchsetzungsfähigkeit betriebenen Reformversuchen. Inhaltlich fi nden die albertinischen Reformaktivitäten in der Wiederaufrichtung kirchlicher Normen einen gemeinsamen Nenner. Ob Mönchsregel, weltgeistliches Zölibat oder das Verbot der Gotteslästerung durch die Laien, überall zielte der Landesherr im besten mittelalterlichen Verständnis von reformatio – und im Einklang mit der innerkirchlichen Reformdiskussion – auf die Befolgung von lange etablierten, aber in der Praxis wenig beachteten Regeln. Quelle dieser Normen war nicht die weltliche Gewalt selbst, sondern die kirchliche Tradition, konkret das Kirchenrecht. Deshalb mußten diese vom Landesherrn auch nicht systematisch verbreitet und begründet, sondern konnten, wie das Beispiel der Mandate zur Laienreform zeigt, von vornherein als bekannt und gültig vorausgesetzt werden. Ziel der landesherrlichen Reform war also zuvorderst eine Erneuerung im Rahmen des bestehenden System, die die Funktionsfähigkeit der Kirche in ihrer wichtigsten Aufgabe, der Sorge um das Lob Gottes und das Seelenheil der Menschen, wiederherstellte. Wie wenig Herzog Georg hingegen bereit sein wird, Luthers Schritt zur theologischen Systemüberwindung mitzugehen, kündigt sich schon in seiner selektiven, systemimmanent bleibenden Rezeption der 95 Thesen an. Veränderungen in Theologie oder Kultus waren in seiner Sicht Sache des Papstes oder des Konzils, nicht landesherrlicher Reformpolitik. Entsprechend dem Ziel, die alten Normen erneut durchzusetzen, äußerte sich die landesherrliche Reform zuvorderst in Aufsicht und Sanktionierung. Hier, in der politischen Umsetzung, war Georgs Kirchenpolitik modern und innovativ, ja in seinen Forderungen nach landesherrlicher Kontrolle über den Weltklerus oder dem eigenen Visitationsrecht über die Klöster aus der Perspektive der kirchlichen Hierarchie geradezu revolutionär. Für Strukturreformen, die mit einem beträchtlichen Machtgewinn des Landesherrn in der Kirche einhergegangen wären, fand Georg jedoch weder beim Papsttum noch bei den Bischöfen Unterstützung. Jeder Umsetzungsversuch gegen den Klerus aber mußte an den Barrieren von Kirchenorganisation und Kirchenrecht scheitern, weil der weltliche Landesherr diese aus eigener Kraft nicht zu überwinden vermochte. Ganz ähnlich lagen die Dinge auf dem Feld der Eindämmung der geistlichen Gerichtsbarkeit, das freilich neben dem Reformaspekt auch im Kontext des Ausbaus der Landesherrschaft gesehen werden muß. Hier wie dort erwiesen sich nicht grundsätzliche Strukturveränderungen, sondern die alltägliche Herrschaftspraxis des Kirchenregiments als Königsweg. Landesherrliche Kirchenreform fi ndet so ihren Kern im situativen, am konkreten Einzelfall ausgerichteten Eingreifen, das den kirchlichen Normen zur Durchsetzung verhilft. Reformatio als (Wieder-)Herstellung eines idealen, als

XII. Zusammenfassung und Diskussion

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ursprünglich verstandenen Zustandes wird hier zu einer Politik der kleinen Schritte, den Weg der Ameisen, wie ihn Johannes Nider nennt. Die Machtstellung der Landesherrschaft, die Verfügbarkeit lokaler Amtsträger und die Loyalität vieler Geistlicher gegenüber dem Landesherrn ermöglichte Herzog Georg Reformerfolge in allen Bereichen der Kirche. Die Kooperation mit den Bischöfen und geistlichen Richtern, die der Fürst dabei anstrebte, und auf die er im Bereich juristischer Sanktionen gegen reformunwillige Kleriker auch angewiesen war, führte im Idealfall nicht nur zur Wiederherstellung, sondern sogar zu einer Intensivierung der Kirchenzucht. Auch hier konnte Georg an die spätmittelalterliche Reformdiskussion anknüpfen, die den Bischof als geistlichen Leiter, als Seelsorger und Visitator seiner Kirche sah. Im albertinischen Sachsen sollte dieser freilich seine Reformarbeit unter die Kontrolle des weltlichen Landesherrn stellen, ja mußte sich sogar, wie im Falle Johanns VI., dazu verpfl ichten lassen. Andererseits eröffnete die Zusammenarbeit mit der weltlichen Gewalt einen Ausweg aus der Machtlosigkeit der bischöfl ichen Position, an der andernorts die Reform scheiterte. Gerade auf der noch jungen Ebene der Laien ist aber noch eine andere Zielsetzung der landesherrlichen Reformpolitik zu erkennen: die Erziehung des einzelnen Untertanen zu christlicher Frömmigkeit und Lebensführung. Diese zieht sich wie ein roter Faden durch die Mandate zur Laienreform, die obrigkeitlich geförderte Leipziger Frömmigkeitsliteratur oder die Kritik am Wallfahrts- und Ablaßwesen und fi ndet sich selbst in Details wie dem Programm der Annenkirche wieder. Neben traditionellen Reformfeldern wie der sittlich-moralischen Erneuerung des Weltklerus oder der Klosterzucht traten so die Laien als gleichberechtigtes Objekt von Reformbemühungen in den Fokus der landesherrlichen Kirchenpolitik. Diese Beobachtung könnte sich als Schlüssel zum Charakter der Kirchenreformpolitik Herzog Georgs erweisen. Denn das besondere Interesse an den Laien ist wohl kein Zufall, sondern scheint sich unmittelbar aus der spezifischen Perspektive des Landesherrn auf das Zeitproblem der Kirchenreform zu ergeben. Weil Georg – trotz früher kirchlicher Karriere – selbst Laie war, vor allem aber, weil er als patriarchalisch denkender Landesherr eine besondere Verantwortung für das Wohl seiner Untertanen verspürte, standen die Interessen der Laien auch im Mittelpunkt seiner kirchenpolitischen Perspektive. Die Verantwortung für die Untertanen konnte gerade für einen tiefreligiösen Fürsten, wie es Herzog Georg war, nicht auf das als Durchgangsstadium verstandene irdische Leben begrenzt bleiben. Vielmehr mußte sie als ihre Aufgabe begreifen, was schon Nikolaus von Kues eingefordert hatte: daß die soziale Ordnung ihr eigentliches Ziel darin fi ndet, dem Einzelnen den Weg zum ewigen Seelenheil zu eröffnen. Aus der Laienperspektive aber fokussierte sich das Anliegen der landesherrlichen Kirchenreform auf zwei Aspekte. An erster Stelle stand die Funktions-

442 Erster Teil: Kirchenregiment und Kirchenreform vor der Reformation (1488 – um 1521) fähigkeit der Kirche als Heilsanstalt, die sich in der Versorgung der Bevölkerung mit Gottesdienst, Sakramenten und Seelsorge realisierte. Welchen Stellenwert dieser Aspekt für Herzog Georg besaß, belegen sein Einsatz für die Klerusreform und die Förderung der Pfarrpredigt ebenso wie seine scharfe moralische Kritik an den Bannstrafen der geistlichen Gerichtsbarkeit und nicht zuletzt seine Zurückhaltung bei der Verwendung von Pfarrpfründen zur Versorgung landesherrlichen Personals. An zweiter Stelle standen Frömmigkeit und Lebensführung der Laien selbst, die der Landesherr durch Förderung, Kontrolle und Kritik in jene Bahnen lenken wollte, die die Kirche vorgab. Dies markiert ein weiteres modernisierendes Element in Georgs Kirchenpolitik. Wo frühere Konzepte der Kirchenreform am Mönchstum oder am Klerus ansetzten, zeigt sich der spätmittelalterliche Trend einer Emanzipation der Laien nun darin, daß für das patriarchalische Fürstenregiment die gesamte Bevölkerung zum Gegenstand kirchlicher Reform werden konnte, weil individuelles Seelenheil und kollektives Wohl vom normengerechten Verhalten jedes einzelnen abhängig gemacht wurden. Dem gesamtgesellschaftlichen Zugriff frühneuzeitlicher Konfessionalisierung und Sozialdisziplinierung wird hier der Weg bereitet. Die aktuelle politische Lage gab schließlich Georgs Reformprogramm eine zusätzliche Legitimation. Vor allem die wachsende Kritik der städtischen Bevölkerung an den Mißständen des Klerus ist hier zu nennen. Reflektierte diese einerseits den gesteigerten Anspruch der Laien an die Funktionsfähigkeit und Authentizität der Kirche, so brachte sie aus der landesherrlichen Perspektive andererseits eine Gefahr für die Kirche und die gesellschaftliche Ordnung mit sich. Georg selbst hat schon lange vor der und dann verstärkt in der Reformationszeit auf den Zorn des Gemeinen Mannes hingewiesen, und darin eine Begründung für die Dringlichkeit seiner Kirchenreformen gefunden, diese also als systemstabilisierende Maßnahme begriffen.46 In ihren Zielen und in ihrem Selbstverständnis gut mittelalterlich, begriff die landesherrliche Kirchenpolitik Reform also zuerst als Rückbezug auf ein vergangenes (bzw. überzeitliches) Ideal von Kirche, das nicht zuletzt im Kirchenrecht seine Grundlage fand. In ihren Methoden aber weist sie in die Zukunft: Kirchenreform mit den Mitteln des landesherrlichen Kirchenregiments, also des entstehenden weltlichen Territorialstaates, eröffnet ein neue Dimension für 46 Für Belege zu Georg siehe S. 481–486, 594–604; zur Diskussion vgl. auch Schulze, Fürsten, 192–197. Einen frühen Beleg liefern die Naumburger Verhandlungen mit Bischöfen und Archidiakonen im Jahre 1500, wo Georg eine Liste von Gravamina wider die Geistlichkeit vorlegte und in diesem Zusammenhang mahnte, »daß die geistlichen den leihen kein boße exempel und beispill geben, uff daß sy von in nicht geergert werden« (Protokoll des Rätetags zu Naumburg am 14. Juli 1500, Loc. 14950, Konzepte [. . .], 1474–1525, Faszikel »1502«, unpag.). Auch der Wimpfeling-Freund Jacobus Philippi sah 1494 in der Klerusreform eine Notwendigkeit, um »dem drohenden Aufstand der Laien gegen den Klerus zuvor[zu]kommen« (Mertens, 24).

XII. Zusammenfassung und Diskussion

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die Beziehungen von Landesherrschaft und Kirche. So paradox es klingt: um sein Ziel, die innerkirchlichen Normen des Kirchenrechts durchzusetzen, zu erreichen, unterlief Herzog Georg das Kirchenrecht in jenen Punkten, die ihm als weltlichen Fürsten die Einflußnahme auf die Kirche untersagten. Modernisierende Elemente sind außerdem in der Ausdehnung der Reform auf die Laien zu erkennen, die der spezifischen Perspektive der Landesherrschaft entsprang. Schließlich bleibt landesherrliche Kirchenreform nicht nur auf die eigenen Möglichkeiten bezogen. Der Ruf nach einer Reform der Gesamtkirche und nach Unterstützung der landesherrlichen Bemühungen durch den Papst gehört zu den Konstanten der Politik Georgs, sei es in direkter Verhandlung mit der Kurie, durch Vertretung auf dem Fünften Laterankonzil oder auf dem Umweg über die Reichstage, die Georg als Verstärker für seine Reformrufe einzusetzen hoffte.

Zweiter Teil

Die Auseinandersetzung mit der frühen Reformation (1517–1525)

I. Herzog Georg und Martin Luther: Neues zu einer alten Feindschaft »Sant Jacoff spricht, der glaub an [= ohne] dy werg ist thot, darumb must sant Jacoffs epistel ein stroen epistel sein.«1

Herzog Georg als Luthergegner – nichts hat die Geschichtsschreibung am letzten altgläubigen Herrscher Sachsens je mehr interessiert als sein Verhältnis zum Begründer der Reformation. Georgs Entscheidung gegen Luther ist oft sogar zum Angelpunkt seiner historischen Bewertung erhoben worden, galt sie doch den Nachgebornen als Versagen in der welthistorischen Stunde Mitteldeutschlands.2 Bis heute löst Georgs Haltung Fragen aus, gerade wenn man sich näher mit seiner Person auseinandersetzt: Zwar kann eine nicht länger konfessionell gebundene Historiographie ohne Aufregung konstatieren, daß die grundstürzende Reformation Luthers neben einer großen Schar von Anhängern auch eine Anzahl erbitterter Widersacher auf den Plan rief. Wieso aber wurde ausgerechnet der schärfste Kirchenkritiker und engagierteste Reformer unter den sächsischen Fürsten zum Erzfeind des sächsischen Reformators? Die politische Brisanz dieses Konfl iktes erschließt sich sofort, wenn man sich die besondere Ausgangslage Mitteldeutschlands am Ende des Mittelalters vor Augen führt. Siamesischen Zwillingen gleich waren die beiden Territorien der Wettiner miteinander verbunden, blieben trotz der Leipziger Teilung geographisch aufeinander bezogen und in ihren politischen Eliten verflochten. Wo aber kein Raum war für Distanz, mußte ein Umbruch in einem Teilstaat unmittelbar auf den anderen zurückwirken, konnte jeder Konfl ikt zur existentiellen Bedrohung werden.3 Die Auseinandersetzung zwischen Herzog Georg und Martin Luther gehört zu den am besten dokumentierten Episoden der sächsischen Reformationsgeschichte, nicht zuletzt weil sie immer wieder öffentlich mittels Flugschriften

1 Sarkastischer Kommentar Herzog Georgs zu Luthers Urteil über den Jakobusbrief als »stroherne Epistel« [o.J.], zitiert nach Gess, Klostervisitationen, 6, Anm. 3. Vgl. dazu auch das Vorwort Herzog Georgs zu Hieronymus Emsers Ausgabe des Neuen Testaments, Dresden, 1. August 1527, ABKG, Bd. 2, 775–780. 2 Siehe S. 14–19. 3 Das Bild von den Siamesischen Zwillingen prägte Otto Vossler. Vgl. Vossler, 273.

I. Georg und Luther

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ausgetragen wurde.4 Ihre ausführliche Darstellung würde eine eigene Monographie in Anspruch nehmen. Für die Unversöhnlichkeit der beiderseitigen Feindschaft gibt es wohl keinen besseren Beleg als Luthers Kommentare zu Georgs Tod, die selbst einen an den groben Ton der Reformationskontroversen gewöhnten Leser erschaudern lassen: »Ich hab den hertzog Georgen zcu tode gepett«, äußert der Reformator einmal, um an anderer Stelle hinzuzusetzen, Georgs Tod sei die gerechte Strafe für seinen Kampf gegen die Reformation, Gott werde ihn dafür in der Hölle schmoren lassen.5 Trotz der emotionalen Aufladung war die Wurzel des Konfl ikts ein Dissens in der Sache. Persönliche Abneigungen kommen als Auslöser schon deshalb kaum in Betracht, weil sich die Antipoden lediglich zweimal und dann auch nur kurz begegnet sind.6 Die folgende Darstellung kann auf dem guten Forschungstand auf bauen und muß die bekannten Pfade nur so weit verfolgen, wie es ein erstes Verständnis der Beziehung Georgs und Luthers erfordert. Ihr eigentliches Anliegen ist ein Perspektivenwechsel, durch den sich ein neuer Zugang zu einem alten Konfl ikt eröffnet. Den Ausgangspunkt bildet die Beobachtung, daß die Forschung die Auseinandersetzung in erster Linie als persönlichen Konfl ikt verstanden hat und dabei in der Regel Luthers Blickrichtung gefolgt ist. Aus Briefen und Flugschriften wurde der Schlagabtausch zweier starker Persönlichkeiten rekonstruiert, eben jene öffentliche Kontroverse, die schon bei den Zeitgenossen große Beachtung fand.7 Diese Sicht ist zweifelsohne legitim, doch ist zu fragen, ob sie auch einen geeigneten Zugang zur antilutherischen Kirchenpolitik Herzog Georgs eröffnet. Hier weckt bereits der Blick auf die Chronologie erste Zweifel. Denn als sich die persönliche Fehde zwischen Fürst und Reformator im Winter 1522/23 über Luthers Missive an Hartmut von Cronberg entzündete, waren die Weichen der Dresdner Politik schon längst auf strikt antireformatorischen Kurs gestellt. Darüber hinaus ist grundsätzlich zu fragen, welchen Stellenwert die persönliche Auseinandersetzung, ja welche Bedeutung letztlich Luthers Person überhaupt für die antireformatorische Kirchenpolitik Georgs besaß. Dabei fällt auf, daß der Albertiner im öffentlichen Schlagabtausch primär um die Wahrung seiner persönlichen Ehre bzw. um die Bloßstellung Luthers als ehrlosen Gesellen stritt, während der Kampf gegen die Reformation im Hintergrund bleibt.8 Es kann deshalb nicht von vornherein davon ausgegangen werden, daß die Be4 Vgl. Becker; Brecht, Bd. 2–3, passim; Edwards, Luther, 39–44, passim; Kunst, 288– 316; Ludolphy, Ursachen; Wartenberg, Luthers Beziehungen, 562–566. 5 Dieses und andere Zitate nach der Weimarer Ausgabe, Tischreden, zusammengestellt bei Ludolphy, Ursachen, 29. 6 Bei der Leipziger Disputation 1519 und bei Luthers Verhör auf dem Reichtags von Worms am 24. April 1521. 7 Vgl. z. B. Ludolphy, Ursachen. 8 Siehe unten, Abschnitt 3 c).

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Zweiter Teil: Die Auseinandersetzung mit der frühen Reformation (1517 – 1525)

trachtung der öffentlichen Kontroverse auch Motive, Mittel und Wege der antireformatorischen Kirchenpolitik offenlegt. Vielmehr können persönliche Auseinandersetzung und landesherrliche Tagespolitik als weithin getrennte Ebenen aufgefaßt werden. Im folgenden soll deshalb weniger der Konfl ikt zweier starker Persönlichkeiten, als die Auseinandersetzung fürstlicher Politik mit den revolutionären Thesen eines Theologen und mit der von ihm ausgelösten religiösen Bewegung im Mittelpunkt der Untersuchung stehen. Zu fragen ist, welche vertrauten Kategorien herangezogen, welche politischen Strategien eingesetzt wurden, um dem Neuen zu begegnen, daß sich aus Luthers Auftreten in so dramatischer Weise entwickelte. Die angestrebte Perspektive steht also diametral zur Lutherforschung, denn sie geht zum einen von Herzog Georg aus und stellt zum anderen die antireformatorische Politik der Dresdner Regierungsstuben in den Mittelpunkt. Aus diesem veränderten Blickwinkel, soviel sei vorweggenommen, erscheinen einige vermeintlich altbekannte Aspekte in einem neuen Licht, etwa die Bedeutung der Hussitenfrage für die Wahrnehmung Luthers und der Evangelischen Bewegung.

1. Georgs Weg zum Luthergegner: Von der Gemeinsamkeit in der Kirchenreform zum Gegensatz in Glaubensfragen (1517–1519) Auch im Zuge dieser Untersuchung muß jedoch zuerst interessieren, wann und warum sich Herzog Georg zum Gegner Luthers entwickelte, weil dies eine entscheidende Voraussetzung für seine Kirchenpolitik in der Reformationszeit darstellt. Die Forschung hat hier immer wieder einen Brief Georgs an Luther aus den letzten Tagen des ereignisreichen Jahres 1525 zitiert, in dem dieser, auf einen letzten Verständigungsversuch des Wittenbergers reagierend, rückblikkend seinen Weg zum Gegner des Reformators schildert: 9 »Do wollen wir dir nicht bergen, das wir deyner schrift erstlich, do sie ausgangen, zum teyl gut gefallen gehapt. Wir haben auch nicht ungern gehort, das die disputacion zu Leiptzigk gescheen; den wir haben gehofft wes besserung der mistbrauch under den Cristen. Wir seint auch dorbey gewest, do du von doctor Eck beschuldiget als eyn patron der Behemischen secten; das hast du die zeyt mit großer ungestumigkeyt creftiglich widerfochten, wiewol du dich horen list, etlich des Hussen artikel, darumb er vordammet, wern aufs Cristlichste. Wir haben getan als eyner, der deyne sache gern gut sege und haben dich warlich aus trauem herzen zu uns gefordert, alleyn mit dir geredt, do dir deyn gelympf und ungelympf unsers vorsehens vormeldt, dich bruderlich vormanet, dieweyl dir gar nicht gelibet die Behemischs secta, du wollest darwider schreyben [. . .]. 9

Vgl. z. B. Wolgast, Territorialfürsten, 419; Ludolphy, Ursachen, 31.

I. Georg und Luther

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Es seint auch bald darnoch schrieft von dir ausgangen, in welchen du allen irtumb Hussens, Wickleff und aller Pycarden lobest und bestetigest und alle unsere vorfarn des h. consiliums zu Costenitz lesterlich geschmeet. [. . .] Sint des sein wir deyner meynung nye holt gewest, den wir seint darbey erzogen [. . .], das alle die do handeln und tun wider den gehorsam und sundern sich von der Cristlichen kirchen, das die vor ketzer und abgesunderte geacht gewest und noch seyn, dan sie sein durch die h. consilia also erclert.«10

Will man Georgs Erzählung folgen, so führte sein Weg zum Luthergegner über drei Etappen. Hatte Luthers Auftreten zunächst »zum teyl« Georgs Zustimmung gefunden, weil er sich davon Impulse für die Kirchenreform versprach, weckte die Leipziger Disputation Zweifel an der Rechtgläubigkeit des Wittenberger Theologen, weil dieser sich nicht deutlich vom böhmischen Reformator Jan Hus distanzierte. Als Luther schließlich den gutgemeinten Rat, wider Hus zu schreiben, in das Gegenteil verkehrte, lag für Georg der Fall klar: Luther hatte sich zur böhmischen Häresie bekannt und konnte nur noch den Widerstand des kirchentreuen Fürsten erwarten. Dieser Rückblick nach Jahren erbitterter Konfl ikte kann freilich kaum für sich allein sprechen, er bedarf des Abgleichs mit früheren Quellen. Dabei ist auch eine Frage zu klären, die hier offenbleibt: Woran genau hatte Georg am frühen Luther »gut gefallen gehapt«? a) Ein hoffnungsvoller Anfang: Herzog Georg und die 95 Thesen Wie das ganze Reich, so wurde auch Herzog Georg zuerst durch Luthers Ablaßkritik auf den Wittenberger Theologieprofessor aufmerksam.11 Die Wahrnehmung des Augustiners vollzog sich dabei zunächst in vertrauten Kategorien: Es schien, als habe sich in den Chor der Mahner gegen kirchliche Mißstände und die Maßlosigkeit Roms lediglich eine weitere Stimme eingefügt. War Luthers Ton auch besonders kräftig, so sang er doch ein altbekanntes Lied. Diese Sicht dominierte noch bis zum Wormser Reichstag die öffentliche Wahrnehmung. Nicht zuletzt Luthers eigene Schriften, etwa die populäre Adelsschrift mit ihren deutlichen Anleihen an die Gravamina der deutschen Nation, trugen dazu bei.12 So verstand auch Herzog Georg die 95 Thesen anfänglich als Beitrag zur aktuellen Kirchenreformdiskussion. Noch 1527 erinnerte er sich, daß »die sach örstlich anfieng mit eym scheyn eyner vormeynten reformation und besserung der mißbreuche«.13 Mochte Luther auch besonders zugespitzt argumentieren, 10 Brief Herzog Georgs an Martin Luther, Dresden, 28. Dezember 1525, ABKG, Bd. 2, 472–478. 11 Zum Ablaßstreit und den 95 Thesen vgl. zusammenfassend Brecht, Bd. 1, 173–215. Zu Georgs Reaktion siehe ausführlicher S. 378–384. 12 Vgl. Wolgast, Territorialfürsten, 413 f.; Wohlfeil, Wormser Reichstag, 89. 13 Vorwort Georgs zum Neuen Testament, 1527 (wie Anm. 1), 776.

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Zweiter Teil: Die Auseinandersetzung mit der frühen Reformation (1517 – 1525)

die neuen theologischen Akzente in seiner Kritik nahm Georg zunächst kaum wahr. Die schnelle und positive Reaktion des Fürsten – der schon Mitte November 1517 gefaßte Entschluß, die Thesen in seinem Lande verbreiten zu lassen – erklärt sich aber nicht nur aus seinem bekannten Reformeifer. Sie war auch dem eigentlichen Anlaß der Thesen geschuldet. Denn derselbe Tetzelsche Petersablaß, gegen den sich Luthers Kritik richtete, bereitete auch Herzog Georg seit geraumer Zeit Sorgen. Zwar hatte er gemeinsam mit den Ernestinern im Frühjahr 1517 der Kampagne den Zutritt zu seinem Land verwehrt, doch war es nicht einfach, dieses Verbot gegenüber der nach Ablaß strebenden Bevölkerung tatsächlich durchzusetzen.14 Luthers Initiative kam Georg da gerade recht. Das mit dem Merseburger Bischof abgesprochene Vorgehen, die Thesen »an vil ortern« anzuschlagen, sollte einem konkreten tagespolitischen Ziel dienen: »das die arme leute, die also zulifen und die gnade suchten, vor dem betrig Tetzels vorwarnt wurden«.15 Dies war auch im Sinne Luthers, der im Begleitschreiben zu den Thesen Kardinal Albrecht aufgefordert hatte, die Ablaßinstruktionen zu überarbeiten und seinem Subkommissar Tetzel eine weniger anstößige Predigtweise zu befehlen.16 Georg rezipierte die Thesen, indem er sie allein auf die Tetzelkampagne bezog, jedoch ausgesprochen selektiv. Es ging es ihm allein um die Behinderung einer schon lange bekämpften fremden Ablaßkampagne, deren besonders marktschreierische Verkündigungspraxis nun durch die Thesen zusätzlich ins Zwielicht gerückt wurde. Seinen eigenen Petersablaß, der wenige Monate zuvor in Annaberg aufgerichtet worden war, sah Georg durch die Thesen hingegen offenbar nicht in Frage gestellt – ja diese erschienen vielmehr hilfreich, um die lästige Konkurrenz auszuschalten. Schon deshalb wäre es viel zu weit gegriffen, Georgs Reaktion als generelle Zustimmung zu Luthers theologischer Grundsatzkritik zu verstehen.17 Nicht nur gehörte die aktive Förderung von Ablässen auch weiterhin zum Instrumentarium der Kirchenpolitik Georgs. Auch der Merseburger Bischof hätte Georgs Vorgehen nicht unterstützt, wenn grundsätzliche Kritik sein Motiv gewesen wäre, wie der spätere Dissens beider über die Leipziger Disputation beweist.

14

Siehe dazu S. 378–384. Brief Cäsar Pflugs an Herzog Georg, o.O., 27. November 1517, ABKG, Bd. 1, 28 f. – Möglicherweise steht mit dem Plan eines fl ächendeckenden Anschlags der Leipziger Plakatdruck der 95 Thesen aus der Werkstatt des Jakob Thanner in Zusammenhang, der als einer von drei Drucken der Thesen noch Ende 1517, vermutlich Anfang Dezember, nach einer handschriftlichen Vorlage entstand. Allerdings gibt es für einen Auftrag Georgs oder des Merseburger Bischofs keinen Beleg, auch fehlt auf dem Druck selbst der konkrete Hinweis auf den Tetzelschen Petersablaß. Vgl. Claus, Untersuchungen, Bd. 1, 24–28, für eine Reproduktion des Thannerdrucks vgl. Marx/Kluth, 96 f. 16 Vgl. Borth, 19–21. 17 So die Interpretation bei Winterhager, Ablaßkritik. Siehe dazu S. 378–384. 15

I. Georg und Luther

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Es ist also sehr differenziert zu fragen, inwieweit Luthers theologische Kritik Georg erreichte oder gar überzeugte. Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß der Ablaß für die persönliche Frömmigkeit des Albertiners kaum eine Rolle spielte.18 Auffällig ist, daß Georg nur vom »betrig Tetzels« redet, gegen den sich die Thesen richten würden. Er sieht damit die Verkündigungspraxis einer einzelnen Ablaßkampagne als problematisch an, aber spricht sich nicht grundsätzlich gegen den Ablaß aus.19 Trotz der prompten Reaktion Georgs auf die Thesen kam es im folgenden Jahr weder zu einer persönlichen Begegnung mit dem Reformator noch zu einem inhaltlichen Austausch. Bei einem Besuch in Dresden Ende Juli 1518 traf Luther nur auf Hof kaplan Hieronymus Emser, der zwar wie sein Dienstherr die Ansicht vertrat, übereifrige Prediger fügten dem Ablaßwesen Schaden zu, gleichzeitig aber Luther mahnte, auf die Wirkung seiner Kritik bei den Laien zu achten.20 Erst als im Laufe des Jahres 1518 das Ablaßwesen immer stärker in die öffentliche Diskussion geriet, erkannte Georg das wahre Potential der Thesen. Er zeigte sich nun daran interessiert, durch eine Klärung der theologischen Streitfragen auf die Laienkritik zu reagieren, um so etwaige Mißstände im Sinne altgläubiger Kirchenreform zu beseitigen. Wenn er deshalb das Vorhaben der Leipziger Disputation unterstützte, so darf dies jedoch nicht ohne weiteres als Sympathiebekundung für Luther gedeutet werden.21 Tatsächlich spricht aus Georgs Korrespondenz mit Luther eher Zurückhaltung, so daß dieser schon vor der Disputation die Befürchtung äußerte, bei dem Albertiner in Ungnade zu sein.22 Von der Disputation erwartete Georg in erster Linie die Diskussion der Ablaßfrage, wie dies auch Johannes Eck in seiner ersten

18

Siehe S. 82–88. Zu diesem Komplex siehe ausführlicher S. 378–384. 20 Längst widerlegt ist die Ansicht der älteren Forschung, nach der Luther in Dresden Georg angetroffen hätte und dieser nach einer Predigt Luthers in der Schloßkirche bereits auf Distanz gegangen wäre. Tatsächlich weilte Georg vom 8. Mai bis 6. September auf dem Augsburger Reichstag. Auch dort »verpasste« man sich knapp, denn Georg verließ Augsburg vier Wochen vor Luthers Verhör vor Cajetan (12.–14. Oktober), das übrigens im selben Palast Jakob Fuggers stattfand, in dem Georg zuvor logiert und vermutlich auch Johannes Eck kennengelernt hatte. Zu Dresden vgl. Smolinsky, Alveldt und Emser, 34–36; Kawerau, 28 f.; die ältere These bei Dibelius; zu Augsburg vgl. ABKG, Bd. 1, 44, Anm. 1; Tewes, Luthergegner, 331–338. 21 Zur Leipziger Disputation siehe den folgenden Abschnitt. 22 In keiner Weise nimmt Georg in seiner Korrespondenz mit Luther positiv auf dessen Thesen Bezug, deutet statt dessen zumindest an einer Stelle Kritik an. Auf Luthers Frage, ob er sich die Ungnade des Fürsten zugezogen habe, antwortet er, er wisse »keyne ungenade, die wir zu euch tragen ader gefast haben solten«, fährt dann aber fort: »Wol ist uns allerleye vorkommen, dovon wir nicht ungerne mit euch wolten reden, wollen aber solchs, bis ir eyns beyn uns kommet, beruhen lassen«. Brief Herzog Georgs an Martin Luther, Dresden, 19. Mai 1519, ABKG, Bd. 1, 85 f.; die weitere Korrespondenz ebd., 72–84, passim. 19

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Zweiter Teil: Die Auseinandersetzung mit der frühen Reformation (1517 – 1525)

Anfrage betont hatte.23 In seinen Versuchen, Universität und Bischof von der Disputation zu überzeugen, weist Georg neben dem Prestigegewinn für seine Landesuniversität immer wieder auf die Bedeutung einer inhaltlichen Klärung hin.24 Direkt nimmt er dabei auf die Tetzelsche Predigtpraxis Bezug: »Hilten wir dor vor: es solt in dem, ab eynn sele kegen himel fure, wen der pfennig im begken klingt, wol zu disputiren zcu zcu lossen sein«. Tetzels Ablaßpredigt interessierte ihn nun nicht mehr als tagespolitische Konkurrenz, sondern unter dem Aspekt der Kirchenreform. Sie stand im Verdacht, Mißbrauch zu sein, an dessen Ausräumung auch dem Papst gelegen sein mußte: »Und haltens dor vor, das seiner bebestlichen he.[iligkeit] gancz nicht entkegen sey, das wir armen leyen underweist werden, wor an wir recht thun, und, ab wir ye durch dy falschen ausleger der schrifft btrogen seint, das das an tag kom.« 25 Bei aller Rücksichtnahme auf die Stimmung der Laien aber kennt Georgs Kritik am Ablaß weiterhin klare Grenzen: nicht der Ablaß an sich gilt ihm als verdächtig, sondern die »betrügerische«, weil theologisch unscharfe Verkündigungspraxis einiger Prediger, die das Geld als einzige und hinreichende Leistung des Gläubigen ausgeben und die Kirche durch ihre offenkundige Geldgier diskreditieren. Genau auf dieser Linie liegt auch Georgs Beitrag zu den Wormser Gravamina von 1521, in dem er bei aller Kritik ausdrücklich betont, daß durch Ablaßgnaden »der selen heil gescheen«.26 Gerade deshalb ist es die Forderung des Laien Georg an die Theologen, mit der Disputation jener Fundamentalkritik vorzubeugen, die sich im Reich immer stärker ausbreitet: »Denn wo sulchs nicht gschege, so wer zcu bsorgen, das es vil leut dor vor hilten, das der moß mit uns armen leyen ghandelt, das man nicht gern wolt, das an tag queme, und worden dy, so itczt ein klein zcu fall haben, ein merern erlangen.«27 Georgs Haltung zur Ablaßfrage läßt also nicht erkennen, daß er jemals ein Anhänger Luthers gewesen wäre. Als reformorientierter Laie und verantwortungsbewußter Landesherr nahm er jedoch dessen theologische Kritik ernst und forderte von der Kirche, dasselbe zu tun, um in der Fachdiskussion unter Theologen zu Klarheit in der Lehre zu gelangen. In diesem Sinne erhoffte er sich von der Leipziger Disputation »besserung der mistbrauch under den Cristen«.

23 Vgl. Brief Dr. Johannes Ecks an Herzog Georg, Ingolstadt, 4. Dezember 1518, ABKG, Bd. 1, 47 f. 24 Vgl. Briefe Herzog Georgs an Dekan und Doktoren der Theologischen Fakultät zu Leipzig und an Dr. Johannes Eck, o.O., 30./31. Dezember 1518, ebd., 52 f. 25 Brief Herzog Georgs an Bischof Adolf von Merseburg, Dresden, 17. Januar 1519, ABKG, Bd. 1, 60–62. 26 Siehe die Diskussion auf S. 378–384. 27 Brief Herzog Georgs an Bischof Adolf von Merseburg, Dresden, 17. Januar 1519, ABKG, Bd. 1, 60–62.

I. Georg und Luther

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b) Ein Verdacht entsteht: Die Leipziger Disputation und die Hussitenfrage Die Leipziger Disputation (27. Juni bis 16. Juli 1519), bei der sich Fürst und Reformator erstmals begegnet sind, verschob Georgs Sicht auf Luther nachhaltig.28 Die Frage des Ablaßwesens trat völlig in den Hintergrund, als die geschickte Diskussionstaktik Ecks die Rechtgläubigkeit Luthers ins Zwielicht rückte. Zwar wehrte sich der Wittenberger vehement gegen den Vorwurf, seine These vom irdischen Ursprung des päpstlichen Primats leiste der Position der von Rom abgefallenen Hussiten Vorschub. Doch schränkte er seine Abgrenzung selbst ein, indem er sich auf den Standpunkt stellte, daß nicht alle Lehren des Jan Hus, die das Konstanzer Konzil verurteilt habe, auch wirklich häretisch seien.29 Indem Luther den päpstlichen Primat und die Unfehlbarkeit des Konzils in Frage stellte, rüttelte er an den Grundpfeilern der mittelalterlichen Ekklesiologie. Herzog Georg, der die Redeschlacht als aufmerksamer Zuhörer verfolgte, wird dies nicht entgangen sein. Noch viel näher ging ihm die Frage der Hussiten. Seine Reaktion wird von Sebastian Fröschel, der als Leipziger Magister direkt hinter Georg im Auditorium saß, als dramatischer Höhepunkt geschildert: Als Luther Eck entgegnete: »Lieber hr. doctor, non omnes articuli Hussitici sunt haeretici«, habe Georg empört die Arme in die Seiten gestemmt und laut gerufen: »Das walt die sucht!«30 Wenngleich diese Szene allein in Fröschels erst 1566 verfaßten Bericht überliefert ist, ist an ihrer inhaltlichen Kernaussage nicht zu zweifeln. Übereinstimmend berichten Luther und Georg von einem Vier-Augen-Gespräch, in dem der Fürst dem Theologen wegen seiner Thesen zu Hus Vorhaltungen machte und ihn aufforderte, sich in einer Schrift öffentlich von den Hussiten zu distanzieren.31 Die Bilanz der ersten Begegnung war verheerend. Wenngleich es noch nicht endgültig zum Bruch kam, so wich doch in Georgs Perspektive der positive Bezug auf Luthers Reformansätze dem Verdacht, dieser leiste der böhmische Häresie Vorschub. Nach Leipzig hat Georg von Luther nichts Gutes mehr erwartet. Um Georgs Reaktion zu verstehen, muß man die Bedeutung der Hussitenfrage erfassen. Diese besaß für den Albertiner einen ganz anderen Stellenwert als für die Masse der Zeitgenossen, für die Häresien im kirchentreuen 15. Jahr28 Vgl. Selge, Weg; ders., Leipziger Disputation; Brecht, Bd. 1, 285–332; aus der älteren Literatur: Seidemann, Leipziger Disputation; Gess, Leipzig und Wittenberg, 67–71; für das Protokoll der Disputation und eine Übersicht zu den zeitgenössischen Flugschriften vgl. WA, Bd. 2, 254–435; Bd. 59, 427–605. 29 Vgl. Selge, Leipziger Disputation; siehe auch den oben im Haupttext zitierten Brief Georgs. 30 Sebastian Fröschel, Vom Königreich Christi Jhesu, Wittenberg 1566, hier zitiert nach Ludolphy, Ursachen, 33. 31 Vgl. Brief Martin Luthers an Georg Spalatin, Wittenberg, 20. Juli 1519, WABr, Bd. 1, 421–424; letztere Aussage nur im Brief Georgs, der freilich an Luther selbst gerichtet war. Siehe das Zitat oben im Haupttext.

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Zweiter Teil: Die Auseinandersetzung mit der frühen Reformation (1517 – 1525)

hundert ein Problem vergangener Tage waren.32 Selbst für Johannes Eck war die Assoziation Luthers mit den Böhmen wohl vor allem ein taktischer Schachzug gewesen, um den Gegner in Bedrängnis zu bringen. Georgs Ausgangslage unterschied sich hiervon signifi kant. In der Literatur wird in diesem Zusammenhang stets auf Georgs Mutter Zedena verwiesen, die ihren Sohn aus Gram über ihren im päpstlichen Bann gestorbenen Vater – den hussitischen Böhmenkönig Georg von Podiebrad – zu strenger Romtreue erzogen habe.33 Dies ist zweifellos richtig – aber nur die halbe Wahrheit. Mindestens ebenso schwer wog, daß Georg in seinem Herrschaftsalltag kontinuierlich mit den böhmischen Hussiten in Berührung stand: Von der Bekämpfung heimlicher Hussiten in der eigenen Geistlichkeit über antihussitische Baukunst im böhmischen-sächsischen Grenzraum bis hin zur öffentlichen Polemik gegen die utraquistische Theologie gehörte die Auseinandersetzung mit der böhmischen Sonderkirche zu den ständigen Herausforderungen der albertinischen Kirchenpolitik.34 Zudem unterhielt der Herzogshof intensive Kontakte zu den in Böhmen verbliebenen Katholiken, vor allem zu Dr. Johann Zˇak, der als Administrator des sedisvakanten Erzbistums Prag an ihrer Spitze stand.35 Ein anderer hochrangiger Verbindungsmann war Ernst von Schleinitz, der Sohn des albertinischen Obermarschalls Heinrich von Schleinitz. Seit 1506 selbst in Diensten Georgs nachweisbar, wurde Ernst 1508 zum Prager Dompropst gewählt und war seit 1524/25 Nachfolger Zˇaks als Administrator des Erzbistums. Seine Scharnierfunktion wird noch dadurch unterstrichen, daß er seit 1514 auch die Meißner Dompropstei innehatte.36 32

Vgl. Wolgast, Territorialfürsten, 409. Vgl. z. B. Ludolphy, Ursachen, 33–35; zur Sache siehe S. 79, 83 f. 34 Siehe unten, Abschnitt 2. 35 Dr. decr. Johann Z ˇ ak († 1534), ein Patriziersohn aus Leitmeritz, war seit 1508 Propst des Kollegiatstiftes St. Stephan zu Leitmeritz und 1511–1525 Administrator des Erzbistums Prag, wo er seit 1485 Domherr war. Eine Reise Hieronymus Emsers im Auftrage Georgs vor 1519 führte vermutlich zu ihm. 1523 wurde er von Herzog Georg zum Visitator des neugegründeten Cölestinerklosters auf dem Königsstein berufen. Vgl. Instruktion Herzog Georgs [Ende Juni 1523], ABKG, Bd. 1, 533–537. Zu den Kontakten zwischen Emser und Zˇak sowie zur Biographie Zˇaks vgl. Schlenz, 80–87; Thurnhofer, Emser, 14–16; Smolinsky, Alveldt und Emser, 38 f. 36 Ernst von Schleinitz († 1548) war seit 1514 auch Dompropst von Meißen. Frühester Beleg für seine Zusammenarbeit mit Herzog Georg ist seine Rolle als Bürge für einen landesherrlichen Kredit in Rom 1506 (siehe S. 152, Anm. 156). 1519 stand er vermutlich hinter der Petition des Prager Domkapitels zugunsten der Heiligsprechung Bennos von Meißen (vgl. Konsistorialprotokoll vom 5. März 1520, A. S. V., Archivio Concistoriale, Acta Vicecancellarii, Bd. 2, Bl. 143a). 1515 widmete ihm Hieronymus Emser seine frühe Ausgabe des »Enchiridion militis christiani«, der berühmten Programmschrift zur Reform der Laienfrömmigkeit. Vgl. Hieronymus Emser [Hg.], Enchiridion Erasmi Roterodami Germani de milite Christiano in quo taxatis vulgi sup.[er]stitionibus ad priscae religionis puritate.[m]: veteris aeloque.[n]tiae lituo nos prouocat [. . .], Leipzig: Valentin Schumann 1515 und 1516 (VD 16 E 2744, 2746), Bl. A I b –A IIa. Zur Zusammenarbeit in der Reformationszeit siehe 33

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Der Schutz der Untertanen vor Häresie war für Herzog Georg also kein abstraktes Herrschaftsziel, sondern gerade mit Blick auf die Hussiten eine aktuelle Herausforderung der Kirchenpolitik. In diesen hochbrisanten Kontext rückten Ecks Angriffe nun auch Luther. Welch empfi ndlicher Nerv dabei bei Georg getroffen wurde, belegt nicht nur der von Fröschel überlieferte Ausruf, sondern zeigen auch die Aktivitäten, die Georgs Hof kaplan Hieronymus Emser gleich nach der Disputation entfaltete. Schon am 13. August 1519 publizierte Emser einen offenen Brief an den Prager Administrator Johann Zˇak. Darin nahm er zu der öffentlichen Unterstützung Stellung, die Luther bei den Hussiten erfahren hatte. Gerüchten zufolge sollten einige böhmische Hussiten sogar heimlich nach Leipzig gekommen sein, um Luther sprechen zu hören.37 Vor diesem Hintergrund betonte Emser, Luther habe sich bei der Disputation offen gegen die Hussiten und ihre Abspaltung von Rom ausgesprochen, deshalb sollten die Ketzer nicht zu früh frohlocken. Die Stellungnahme des Dresdner Hof kaplans wurde zugleich bei Lotter in Leipzig in den Druck gegeben. Die hohe Auflage von 1.000 Exemplaren zeigt die Bedeutung antihussitischer Propaganda für Herzog Georg, in dessen Kirchenpolitik der Brief des Hof kaplans eingeordnet werden kann.38 Ihr erklärtes Ziel war es, einen Schulterschluß zwischen Luther und den Hussiten zu verhindern, indem die Unterschiede betont wurden. Keinesfalls sollte über Luthers Popularität die hussitische Bewegung Auftrieb gewinnen, wofür man in Dresden schon die ersten Anzeichen zu registrieren meinte.39 Klar ist hier die kirchenpolitische Dimension des albertinischen Antihussitismus zu sehen: Die Hussiten wurden als akute Gefahr für das Seelenheil der eigenen Bevölkerung angesehen, die sie zu unterwandern drohten. Emsers Aktivitäten hatten schließlich auch einen wohl unbeabsichtigten Nebeneffekt. Denn Luther fühlte sich von Emsers herablassender Darstellung, die ihn als in Widersprüchen verfangenen Querkopf erscheinen ließ, derartig provoziert, daß er Ende September 1519 mit der polemischen Schrift »Ad aegocerotem Emserianum M. Lutheri additio« den Flugschriftenkrieg mit Emser eröffnete. Mit seiner im November erschienenen Gegenschrift ging Georgs Hof kaplan offen ins Lager der Luthergegner über.40 unten. Zur Person vgl. Loose, Domklerus, 358; Gess, Ablaß, 539, Anm. 2; ABKG, Bd. 1, 114, Anm. 1. 37 Vgl. Thurhofer, Emser, 14, Anm. 1. – Als Zuhörer soll der Prager Organist Jakub der Disputation beigewohnt und dabei den briefl ichen Kontakt zwischen Luther und den hussitischen Geistlichen Johann Poduska, Pfarrer an der Teinkirche zu Prag, und Magister Wenzel Rozˇdalovsky vermittelt haben. Vgl. Schlenz, 85 f. 38 Hieronymus Emser, De disputatione Lipsicensi, quantum ad Boemos obiter deflexa est, Leipzig: Melchior Lotter d.Ä. 1519, Thurnhofer, Emser, 27–41, sowie die Einleitung, ebd., 14–16. 39 Siehe unten, Anm. 80. 40 Vgl. Hieronymus Emser, A venatione Luteriana aegocerotis assertio [Leipzig: Martin

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c) Der Verdacht bestätigt sich: Luthers »Sermon von dem hochwürdigen Sakrament des heiligen wahren Leichnams Christi« So hatte sich das Verhältnis zu Luther weiter verschlechtert, als Herzog Georg in den Weihnachtstagen desselben Jahres Luthers »Sermon von dem hochwürdigen Sakrament des heiligen wahren Leichnams Christi« in die Hände bekam.41 Diese kleine, für Luthers Entwicklung eher sekundäre Flugschrift sollte Georgs Urteil über den Reformator endgültig festlegen. Die Reaktion des Fürsten bietet nicht zuletzt ein Lehrstück über die zeitgenössische Rezeption von Reformationspropaganda, vor allem in Bezug auf das in der Forschung vieldiskutierte Verhältnis von Wort und Bild.42 Auf den ersten Blick nimmt sich der Text der kleinen Predigt, die in pastoraltheologischer Manier eine Anleitung zum richtigen Verständnis der Eucharistie gibt, eher gemäßigt aus. Nachdrücklich bekennt sich Luther zu den kirchlichen Lehren der Realpräsenz und der Konkomitanz, nach der Brot und Wein »yhe ein volkomens sacrament odder zeychen gebe«. Folgerichtig bezeugt er, daß die gängige Communio sub una specie vollgültig sei.43 Erst in dieses Bekenntnis eingebettet wird dann der Wunsch nach dem Laienkelch formuliert: »Es ist aber bey mir fur gut angesehen, das die kirch yn eynem gemeyn concilio widderumb verordenete, das man allen menschen beyder gestalt gebe [. . .] nit darumb, das eyne gestalt nit gnug sey [. . .] sondernn das es zimlich und feyn were«.44 Indem er die bisherige Lehre und Praxis bestätigt und eine etwaige Änderung einem Konzil anheimstellt, ordnet Luther sein Plädoyer für den Laienkelch in den Rahmen der gängigen Kirchenreformdiskussion ein. Dennoch könnte Georgs Reaktion schärfer nicht ausfallen. Kaum hatte er die neu erschienene Flugschrift »obersehen und etwas oberlessen«, schien sich sein Verdacht, Luther entwickle sich zum Wortführer der Hussiten, auf das Schlimmste zu bestätigen. Denn anstatt, wie von Georg gefordert, gegen Hus zu schreiben, empfahl der Wittenberger mit dem Laienkelch das zentrale Erkennungsmerkmal der Utraquisten als Vorbild für die gesamte Christenheit. Angesichts dieses Tabubruchs drang Luthers ausgewogene theologische Argumentation bei dem Fürsten offenbar gar nicht durch. Für die Perspektive des Theologen Luther, der mit überzeitlichem Anspruch um Reinheit und Authentizität des Glaubens rang, zeigte der Kirchenpolitiker Georg, der seinen Glauben im Schoß der Kirche sicher wußte, kein Verständnis. Aus Georgs Reaktion spricht vielmehr der Fürst, für den Kirchenpolitik immer unmittelbar auf das Seelenheil Landsberg 1519], Thurnhofer, Emser, 42–99; zur Einordnung vgl. ebd., 11–21; WA, Bd. 2, 655–657; Smolinsky, Alveldt und Emser, 37 f.; Kawerau, 31–33. 41 Martin Luther, Ein Sermon von dem hochwürdigen Sakrament des heiligen wahren Leichnams Christi und von den Brüderschaften (1519), WA, Bd. 2, 738–758. 42 Vgl. Scribner, Simple Folk; Köhler, Fragestellungen. 43 Luther, Sermon, 1519 (wie Anm. 41), 742, 749. 44 Ebd., 742.

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der eigenen Bevölkerung bezogen bleibt. Von dieser Warte aber war Luthers Plädoyer kein bedenkenswerter Reformvorschlag, sondern eine Steilvorlage für die Propaganda der Hussiten. Die von Luther intendierte und die von Georg rezipierte Botschaft lagen also weit auseinander, wie die aufgeregte Reaktion des Albertiners zeigt: »Ein sterg der Bheimschen ketzer«, die »im grunt vil ketczerey und ergerniß mit sich brengen« wird, so lautete seine Einschätzung.45 Auf Luthers Text allein bezogen, mag Georgs hartes Ketzerurteil überraschen, betont der Reformator doch ausdrücklich die Lehrautorität der Kirche. Fraglos spielen in der Reaktion des Albertiners antihussitische Reflexe eine Rolle, die beim Thema Laienkelch sofort aktiviert wurden, um so mehr nachdem durch die Leipziger Disputation ein Verdacht auf Luther gefallen war. Doch es steckt noch mehr dahinter. Betrachtet man Georgs Aussagen genauer, so gehen sie weit über die Textebene hinaus, beleuchten vielmehr die Gesamtwirkung der Flugschrift in der sich herausbildenden »Reformatorischen Öffentlichkeit«. Georgs erster Blick fiel eben nicht auf Luthers Worte, sondern auf den Titelholzschnitt des Wittenberger Drucks von Johann Grünenberg. Dieser aber zeigte, wie Georg selbst beschreibt, »an der ersten seyten eyne monstranz mit eyner hostien, an der andern auch eyn monstranz, darinnen mitten eyn trinkgeschirre stehit«.46 Mit dieser hochgradig konstruierten, gleichzeitig in ihrer Symbolik für jedermann verständlichen Bildkomposition rückte das Thema Laienkelch von vornherein in den Mittelpunkt, ohne daß dabei etwas von Luthers vorsichtigausgewogener Argumentation zu spüren war. In Georgs Beschwerde an Friedrich den Weisen rückt das Titelbild im wahrsten Sinne des Wortes in den Vordergrund: »Den bey fi ln wert es dor vor angsehen, das dy figur der beyden monstrancen und och dy schriffte soln anzcegung geben ein zcufal den, dy under beyder gstalt sein«.47 Auch Bischof Adolf, von Georg alarmiert, hatte keine Zweifel an der Botschaft des Holzschnittes: »Was darmit gemeynt, ist scheynbarlich, das er dem gemein volke ergernis bringen moge«.48 Der mehrfache Tabubruch dieser Darstellung (weder gehörten zwei Monstranzen auf einem Altar, noch durfte in diesen statt der Hostien das Trinkgeschirr auf bewahrt werden) empörte Georg mehr als alles andere, »vil ergernis und argwan« verband er damit.49 Immer wieder kommt er auf das Titelblatt zurück, das für ihn

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Brief Herzog Georgs an Kurfürst Friedrich, Dresden, 27. Dezember 1519, ABKG, Bd. 1,

110 f. 46 Briefe Herzog Georgs [an Bischof Johann VII. von Meißen und Bischof Adolf von Merseburg, Dresden], 27. Dezember 1519, ABKG, Bd. 1, 111 f. 47 Brief Georgs an Friedrich, 1519 (wie Anm. 45). 48 Brief Bischof Adolfs von Merseburg an Herzog Georg, Merseburg, 20. Januar 1520, ebd., 116. 49 Ebd.

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zugleich die Hauptaussage der Schrift transportierte.50 Botschaft und Wirkung der Flugschrift waren in seinen Augen eben weniger von Feinheiten der theologischen Argumentation als von der Symbolik abhängig. »Sunderlich dy weil es vordeutcz und also under den gmein armen eynfeldigen brocht«, fürchtete er, sie würde jenen Zulauf bringen, »dy under beyder gstalt sein«, also letztlich seine Untertanen den Hussiten in die Arme treiben.51 Insofern ist es symptomatisch, daß das auf Georgs Initiative zurückgehende Mandat Johanns VII. davon ausging, daß durch Luthers Sermon Zweifel an der Suffizienz der Communio sub una entstanden seien.52 Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Tatsache, daß trotz eines Druckverbots für den Sermon, welches Georg schon am 13. Januar 1520 ankündigte, in diesem Jahr noch zwei Leipziger Nachdrucke erscheinen konnten, ohne daß es auch nur eine Reaktion aus Dresden gab.53 Ein Blick auf die Titelblätter zeigt freilich, daß die Leipziger Drucker jede visuelle Provokation vermieden und statt dessen versuchten, die Flugschrift gerade für einen oberflächlichen Betrachter, etwa Kontrolleure des Leipziger Rates, harmlos erscheinen zu lassen. Statt den Wittenberger Holzschnitt nachzuempfi nden, verwendeten sie Bildstöcke mit traditionellen Motiven, die zwar auf die Eucharistie, aber in keiner Weise auf Luthers revolutionäre Ideen Bezug nahmen und so den strittigen Aspekt der Schrift eher verschleierten. So zeigt der Druck von Wolfgang Stöckel einen Priester im Habit, der einem Laien lediglich die Communio sub una reicht.54 Noch einen Schritt weiter ging Valentin Schumann. Er verzichtete nicht nur auf die Nennung des Autors Luther, sondern verwendete einen Holzschnitt, der ursprünglich für Dungersheims »Confutatio Apologetici« hergestellt worden war.55 Damit aber zierte sich die Leipziger Ausgabe des in Georgs Augen prohussitischen Sermons ausgerechnet mit einer Abbildung aus einer antihussitischen Flugschrift, die Herzog Georg selbst in Auftrag gegeben hatte! Luthers Sermon bewirkte nichts weniger als die endgültige Entscheidung Herzog Georgs gegen ihn. Wenige Tage später setzte bereits eine antilutherische Kirchenpolitik ein. Ihre Maßnahmen lassen keinen Zweifel, daß sich der 50 Vgl. ebd.; Brief Georgs an Friedrich, 1519 (wie Anm. 45); Brief Herzog Georgs an Bischof Adolf von Merseburg, Dresden, 13. Januar 1520, ebd., 115 f. 51 Brief Georgs an Friedrich, 1519 (wie Anm. 45). 52 Siehe Anm. 89. 53 Siehe dazu ausführlicher S. 581–586. 54 Martin Luther, Eyn Sermon von dem Hochwirdigen Sacrament des heyligenn waren Leichnamß Christi. Unnd von den Brüderschafften. Doctoris Martini Luther Augustiners, [Leipzig: Wolfgang Stöckel 1520] (VD 16 L 6392), Bl. A Ia. 55 Martin Luther, Eyn Sermon von dem Hochwirdigen Sacrament des heyligen waren Leychnamß Christi. Und von den Bruderschafften. D. M. L. A., Leipzig: Valentin Schumann 1520. (VD 16 L 6391), Bl. A Ia. Statt des Autorennamens fi ndet sich im Titel das interessierten Lesern verständliche Kürzel »D. M. L. A.« – Für den Hinweis auf die Herkunft des Holzschnittes danke ich Herrn Thomas Döring, Leipzig.

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Albertiner bereits um den Jahreswechsel 1519/20 gegen Luther entschieden hatte.56 Ja, Georg selbst sah nun rückblickend schon die Leipziger Disputation als erste Maßnahme gegen Luther, weil sie Eck Gelegenheit gegeben hatte, den Wittenberger zu widerlegen und jene Kritik öffentlich zu machen, die zuvor nur »heymlich im winkel und ime [= Luther] im rucken mag beschen seyn«.57 Deshalb kann der häufig zitierte Kommentar Georgs zu Luthers Adelsschrift aus dem Oktober 1520 – »wy wol es dennoch nicht alles unwar ist, so dor in stet, och nicht unnot, das es an tag kompt«58 – meines Erachtens nicht mehr als proreformatorische Meinungsäußerung oder auch nur als Ausdruck einer ambivalenten Haltung verstanden werden.59 Sie ist vielmehr im Kontext der romkritischen Aussagen Georgs im selben Brief ein klarer Beleg dafür, daß der Albertiner auch über die entschiedene Ablehnung Luthers ein anderes Hauptziel seiner Kirchenpolitik nicht aus den Augen verlor: die altgläubige Kirchenreform.60 Was auf der Leipziger Disputation noch Verdacht war und sich mit der Hoffnung auf Distanzierung verband, hatte mit Luthers Schrift zum Laienkelch Gewißheit gewonnen: Luther war ein Hussit, zumindest in den Augen Herzog Georgs. So fi ndet sich der dreistufige Weg, den Georg rückblickend beschrieben hat, eindrücklich in den Quellen bestätigt. Auch in anderen Briefen, wie jenem an Heinrich VIII. von England aus dem Jahre 1523, hält Georg diesen Gang der Entscheidungsfi ndung fest.61 Nicht die Leipziger Disputation, sondern erst der kleine, unscheinbare Sermon vom Dezember 1519 markiert also den Bruch zwischen Luther und seinem wichtigsten Gegner unter den deutschen Fürsten. Und wie so oft in der Reformationsgeschichte brachte auch hier die Abendmahlsfrage die Entscheidung.

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Siehe unten, Abschnitt 3. Brief Herzog Georgs an Bischof Adolf von Merseburg, Dresden, 13. Januar 1520, ABKG, Bd. 1, 115 f. 58 Brief Herzog Georgs [an Dr. Johannes Hennig in Rom, 10.–15. Oktober 1520], ABKG, Bd. 1, 138 f. 59 So deutete sie zuletzt Siegfried Hoyer, der Georg noch bis zum Wormser Reichstag in seiner Haltung zu Luther unentschieden sieht. Vgl. Hoyer, Georg, 102. Doch kommt Georgs grundsätzliche Ablehnung der Adelsschrift auch im Kontext des Zitats zum Ausdruck. Georg betont ausdrücklich, »das mir das ni glibet«, und kündigt an, den Nachdruck der Schrift zu verbieten. Bereits kurz nach dem Erscheinen der Adelschrift im August hatte Georg den Meißner Bischof zu Beratungen über Maßnahmen gegen eine Lutherschrift aufgefordert, wobei wahrscheinlich die Adelsschrift gemeint war. Vgl. Brief Bischof Johanns VII. von Meißen an Herzog Georg, Stolpen, 6. September 1520, ABKG, Bd. 1, 132. 60 Vgl. Brief Herzog Georgs [an Dr. Johannes Hennig in Rom, 10.–15. Oktober 1520], ABKG, Bd. 1, 138 f. 61 Vgl. Brief Herzog Georgs an König Heinrich VIII. von England, Quedlinburg, 9. Mai 1523, ABKG, Bd. 1, 504–509. 57

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2. Die Gleichsetzung Luthers mit Hus und ihre Konsequenzen Schon früh hat die Forschung erkannt, daß Luthers Verteidigung hussitischer Thesen während der Leipziger Disputation die Entscheidung Georgs gegen ihn maßgeblich beeinflußte. Die ablehnende Reaktion des Fürsten ist dabei stets auf den prägenden Einfluß der böhmischen Mutter zurückgeführt worden.62 Dieser Zusammenhang ist gut belegt und entspricht zweifellos den Tatsachen. Doch ist die Signifi kanz des Themas Hus für Georg mit dem Rekurs auf Herkunft und Erziehung auch erschöpfend geklärt? Schon die obigen Ausführungen über Georgs politische Kontakte zu den böhmischen Katholiken wecken Zweifel, verweisen sie doch auf bislang unbeachtet gebliebene Zusammenhänge.63 Um ihnen nachzugehen erscheint es fruchtbar, die traditionelle Perspektive, aus der Georgs Stellungnahme gegen Luther als persönliche Gewissensentscheidung erscheint, um die politische Ebene zu erweitern. Denn betrachtet man die Konsequenzen einer Gleichsetzung Luthers mit Hus vor dem Hintergrund der landesherrlichen Kirchenpolitik, eröffnen sich völlig neue Implikationen. Die Zusammenschau vorreformatorischer Kirchenpolitik mit der Entwicklung in der Reformationszeit, die den Kernansatz dieser Studie bildet, macht deutlich, daß die Auseinandersetzung mit den böhmischen Hussiten weit über die kindliche Erziehung hinaus den Herrschaftsalltag des Albertiners prägte. Tief hatten sich die Hussiteneinfälle der 1430er Jahre in das kollektive Gedächtnis der Mark Meißen eingebrannt. Solche Invasionen waren zwar nicht mehr zu befürchten, doch bildeten insbesondere die wichtigen Bergstädte am Erzgebirgskamm eine brisante Kontaktzone zu Böhmen und seiner Ketzerbewegung.64 Welch ein Schock mußte es da für den jungen Landesherrn sein, als 1501 ausgerechnet Dr. Johann Pfennig, der erste Pfarrer seiner umhegten Neugründung Annaberg, als heimlicher Hussit enttarnt wurde! Pfennig, der auch die Würde eines Weihbischofs von Vernau besaß, floh nach Böhmen, wo er seine Unterstützung für die Häresie öffentlich machte, indem er mehreren hussitischen Geistlichen die Priesterweihe erteilte.65 Doch auch in Böhmen entkam Pfennig dem langen Arm des albertinischen Kirchenregiments nicht. Herzog 62

Vgl. z. B. Ludolphy, Ursachen, 33–35; Vossler, 285 f. Auf die Kontakte Emsers zu den böhmischen Katholiken machte jüngst Heribert Smolinsky aufmerksam, doch lag Georgs vorreformatorische Kirchenpolitik gegen die Hussiten außerhalb seiner Untersuchung, so daß auch er Georgs Reaktion nur auf die »von seiner Mutter anerzogene antihussitische Haltung« zurückführt. Vgl. Smolinsky, Alveldt und Emser, 36–39, das Zitat 314. 64 Eine Abschottung war schon wegen des intensiven Handelsverkehrs über den Erzgebirgskamm unmöglich. Georg sah sich deshalb trotz seiner Hussitenfeindschaft gezwungen, für seine Untertanen beim Papst die Erlaubnis für Handelskontakte mit den Ketzern einzuholen. Siehe S. 155, Anm. 169. 65 Für die Hussiten war dies bedeutsam, weil sie an der Priesterweihe festhielten, aber 63

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Georg ließ ihn durch Häscher gefangennehmen und übergab ihn dem Meißner Bischof. Darauf hin erwirkte er vom Papst ein Breve, das sein Vorgehen rechtfertigte und einen Häresieprozeß anordnete, dessen Durchführung Georgs Wünschen gemäß den Bischöfen von Merseburg und Naumburg übertragen wurde. Bis zu seinem Tode im Jahre 1506 verblieb Pfennig in bischöfl icher Haft, seine Annaberger Pfarrei wurde erst durch Vikare verwaltet und dann 1504 neu vergeben.66 Im Fall Pfennig mußte Herzog Georg zum ersten Mal konkret auf die Hussitengefahr reagieren. In der Folgezeit verband er die Förderung des kirchlichen Lebens in Annaberg explizit mit einer antihussitischen Zielsetzung. Die prunkvolle Hauptkirche der Stadt sollte mit ihrem didaktischen Programm Rechtgläubigkeit und Überlegenheit der Römischen Kirche unter Beweis stellen. Damit hoffte Georg nicht nur die Annaberger Bevölkerung gegen hussitische Einflüsse zu immunisieren, sondern auch manchen Böhmen für die alte Kirche zurückzugewinnen, wie er es 1508 dem Papst schilderte.67 Ein anderes Instrument der kirchenpolitischen Auseinandersetzung, die Propaganda mittels theologischer Streitschriften, gehörte ebenfalls zum Arsenal der antihussitischen Kirchenpolitik Herzog Georgs. Noch bevor die Flugschriften in der Reformation beherrschende Bedeutung erlangen sollten, widerlegte der Leipziger Theologe Hieronymus Dungersheim 1514 im direkten Auftrag Georgs eine in Nürnberg erschienene Apologie der hussitischen Lehren.68 Dieselbe antihussitische Stoßrichtung verfolgte noch Emsers oben beschriebene Flugschrift an Johann Zˇak zur Leipziger Disputation. Ketzerabwehr gehörte für Georg also ebenso zum kirchenpolitischen Alltag wie das Kirchenregiment oder die Reformpolitik. So war es nur folgerichtig, wenn er sich bei seinen Versuchen, die Ernestiner gegen Luther einzunehmen, auf diese Tradition wettinischer Kirchenpolitik berief. Mehrfach spielte er auf den Blutzoll an, den die Vorfahren im Kampf gegen die Hussiten erbracht hatten.69 Damit bezog er sich nicht auf irgendeine Schlacht längst vergangener Tage. Vielmehr kam den Hussitenkriegen, wie ein Blick in die meißnische Chronistik zeigt, eine zentrale Rolle für das Selbstverständnis der Wettiner zu: keine eigenen Bischöfe besaßen, so daß sie auf auswärtige Bischöfe angewiesen blieben. Vgl. Brecht, Bd. 2, 79. 66 Vgl. Breve Papst Alexanders VI. an Herzog Georg, Rom, 10. August 1501, O. U., Nr. 9425; Bericht Dr. Günther von Bünaus zu Schkölen an Herzog Georg [1505/06], ABKG, Bd. 1, LXIII, Anm. 1 und LXIV f.; Richter, Chronica, Bd. 2, 43 f. 67 Siehe S. 142–149, 357–371. 68 Vgl. Hieronymus Dungersheim, Confutatio apologetici cuiusda.[m] sacre scripture falso inscripti: ad illustrissimu.[m] p.[ri]ncipem Georgium: Saxonie duce.[m] etc. a magistro Hieronymo Dungerßheym de Ochssenfart, sacre theologie professore, edita, Leipzig: Wolfgang Stöckel, 1514 (VD 16 D 2947). Siehe dazu S. 410 f. 69 Vgl. Briefe Herzog Georgs an Herzog Johann d.Ä., Schellenberg, 21. November 1521, und Coburg, 26. Dezember 1521, ABKG, Bd. 1, 208–211, 237–241. Siehe dazu ausführlicher S. 492–496.

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Auf die Bewährung Friedrichs des Streitbaren im Ketzerkrieg führte man den Erwerb der sächsischen Kurwürde zurück.70 Die Ketzerabwehr war also eine höchst signifi kante Kontinuitätslinie, ein verpfl ichtendes Vermächtnis wettinischer Politik. 1529 stellte der Chronist Johannes Lindner die Kirchenpolitik Herzog Georgs unmittelbar in diese Tradition: »Vilgnanter durchlauchter gotsforchtiger furst bleivet unvorwant in cristlichen fusphat seyner vorfaren, die das margraftum zcu Meisen und das herczogtum czu Sachssen wider di heiden und Hussitische keczirn mit furstlichen und cristlichen getaten obirkommen«.71 Von einem militärischen Ketzerkampf konnte bei Georg freilich nicht die Rede sein: es war die antilutherische Kirchenpolitik, die Lindner hier als Fortsetzung des Hussitenkampfes verstand. Durch den Vorwurf des Hussitismus rückte Luther also in einen Kontext, der für Georg von praktischer politischer Relevanz war wie vielleicht für keinen anderen Reichsfürsten seiner Zeit. Die Kontroverse um den »Sermon vom heiligen Sakrament« bestätigte den Albertiner in seinen schlimmsten Befürchtungen. Luther schien sich offen als Anhänger der verhaßten böhmischen Ketzerei zu erkennen zu geben. Gegenüber dieser Wahrnehmung trat alles andere zurück. Dies bedeutet nicht, daß Georg Luthers weitere Entwicklung nicht verfolgt hätte,72 doch blieb die einmal erkannte Verbindung zu Hus immer präsent. Die Übernahme der Häresie von den Böhmen bildete fortan das primäre Erklärungsmuster für Luther und die Reformation. Zu einer Revision dieser Wahrnehmung gab weder Luther jemals Anlaß, noch hatte Georg, der Politiker und nicht Theologe war, Grund, nach den allmählich deutlich werdenden Unterschieden zwischen hussitischer und lutherischer Lehre zu fragen. Denn Georgs Einschätzung konnte sich auf die mittelalterliche Überzeugung stützen, daß alle Häresien im gemeinsamen Ursprung teufl ischen Wirkens miteinander verbunden waren. Gegenüber den Ernestinern versucht Georg diese Überzeugung sogar mit einer (fi ktiven) historischen Beweisführung zu belegen: Wiclif selbst habe als Beichtvater einer böhmischen Königin seine Ketzerei nach Böhmen gebracht und genauso würde die Häresie nun durch Luther von Böhmen nach Sachsen getragen.73 Die Überzeugung, Luther sei ein Hussit, blieb nicht Georgs private Meinung. Generationen altgläubiger Flugschriften aus dem albertinischen Sachsen trugen sie ins Reich: »Das du [. . .] unns Teutschen die lang vordampte ketzerey Joannis 70 Die meißnischen Chronisten des 15. Jahrhunderts sahen die Hussiten darüber hinaus in erster Linie als militärische Bedrohung. Freundliche Auskunft von Herrn Dr. Mathias Kälble, Jena. 71 Lindner, Sp. 1474. 72 So wurde Georgs Urteil über Luther in den späteren Jahren z. B. stark von dessen Abschied vom Mönchsstand geprägt. Siehe dazu S. 521–527. 73 Vgl. Brief Dr. Georg Brücks an Herzog Johann d.Ä., [23.–25. Dezember 1521], ABKG, Bd. 1, 232–235; Brief Herzog Georgs an Herzog Johann d.Ä., Coburg, 26. Dezember 1521, ebd., 237–241.

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Hussen ouch gern beybringen und eyn alt erloschen feur widerumb auß der aschen außtrechen woltest«, lautete Emsers Hauptvorwurf gegen Luther.74 Nicht zufällig arbeiteten die albertinischen Propagandisten dabei eng mit den böhmischen Katholiken zusammen: man sah in Luther und den Hussiten nur einen, den gemeinsamen Feind.75 Noch in der 1528 erschienenen Flugschrift »Widder Luthers trostung« zeichnete Georg dieses Bild von Luther und seiner Bewegung: Luther habe die Abendmahlslehre der böhmischen Ketzer gepredigt und seine Anhänger sie in die Praxis umgesetzt. Wie aber dem Auftreten von Jan Hus letztlich die Hussitenkriege folgten, so waren Gewalt und Tod auch die Früchte der Ketzerei Luthers. In Georgs Augen markierte deshalb der Laienkelch den Anfang einer Entwicklung, an deren Ende die Massaker des Bauernkrieges standen.76 Auch die befreundeten böhmischen Katholiken teilten die Vorstellung von der Identität hussitischer und lutherischer Häresie. Der Prager Administrator Johann Zˇak brachte kurz nach dem Wormser Reichstag in einem Brief an Emser die Befürchtung zum Ausdruck, daß sich der »lutherische Wahnsinn« nun im Reich genauso verbreite wie zuvor in Böhmen. Er warnte vor dieser (geistigen) Nahrung, von der man in Böhmen schon seit über hundert Jahren sage, sie führe nicht zum Gedeihen, sondern zum Untergang des Königreiches. Auch fürchte er, daß die Deutschen wegen ihres scharfen Verstandes, wenn sie einmal durch dieses Unheil befleckt seien, noch viel heftiger in dieser Krankheit entbrennen würden als die schlichten Böhmen.77 Auch Zˇak betonte die enge Verbindung zum albertinischen Sachsen im gemeinsamen Kampf, wenn er gerade 74

Hieronymus Emser, An den stier zu Wiettenberg (1521), Enders, Bd. 2, 1–8, hier 5. Siehe S. 567–569. 76 »Schaue nur zu, was jammer du myt deyner lehre angericht, das umb dye osterliche zeyt im 25. jar in Deuczschenn landen nahe 100.000 streytbarer menschen haben must umbracht werden. Was ist anders ursach, dan dye unwyrdige handelung des h. sacraments?« Konzept Herzog Georgs zur Flugschrift »Widder Luthers trostung ann die Christen zu Hall« [November 1527], ABKG, Bd. 2, 818–836, hier 830. Für ausführliche Analysen dieser Schrift vgl. Becker, 198–216; Smolinsky, Alveldt und Emser, 328–332. – Tatsächlich beherrschte das Argument von Gewalt und Aufruhr als Früchte der Ketzerei schon vor dem Bauernkrieg die antilutherische Propaganda. Schon 1521 mahnte Emser mit Blick auf Hus: »Und frage dich Luter, die weyl weder du noch ich auff gemeltem concilio [zu Konstanz] gewest, oder die sach gesehen haben, wy konden wir sie dann gewisser erkunden oder erlernen, dann auß dem werck an ym selber und was hernach darauß erwachssen ist? Spricht nicht Christus, auß yren fruchten werden yr sie erkennen. Wo du nun deyne ougen auff thon wilt, unnd ansehen den elenden jamer, mißglouben, ketzerey unnd yrthumb, item mordt, todtschleg und tylkkung Gottes dinst unnd ehr, die den Bohemen auß Hussen leer entstanden sint und ein solich edell konigreych vorwust [. . .]«, Hieronymus Emser, Auff des stieres tzu Wiettenberg wiettende replica (1521), Enders, Bd. 2, 25–44, hier 41. 77 »[. . .] magis timemus, qui speramus, licet Luterana vesania [. . .] non tamen tam grata existit in Boemiam, quae iam nauseat super cibo huiusmodi, quo a centum annis et supra iam vexata experimento didicit, quale alimentum attulit, non vitale regno, sed mortale. [. . .] Et vereor, quanto nobiliora Alamanorum sicut ingenia, tanto labe huiusmodi polluta erunt ferociora, Bohemi uti rudiores iam reposcunt, in tali insania, diutinus usque ad nauseam 75

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Zweiter Teil: Die Auseinandersetzung mit der frühen Reformation (1517 – 1525)

im Zusammenhang mit Häresiebekämpfung und Kirchenreform den Prager (und Meißner) Dompropst Ernst von Schleinitz lobend erwähnt.78 Die früh gewonnene Überzeugung, Luther verbreitete die böhmische Ketzerei, hatte prägenden Einfluß auf Georgs Kirchenpolitik in der Reformationszeit. Während der Rest des Reiches noch fasziniert auf Luthers Reformanklagen gegen Rom hörte und die Front seiner Unterstützer immer weiter anschwoll, nahm Georg bereits den Kampf gegen die vermeintlich vertraute böhmische Gefahr auf, nur jetzt mit Stoßrichtung gegen Wittenberg. Getrieben von der konkreten Furcht vor einer Ausbreitung der Häresie im eigenen Lande, wandte er sich an Kurfürst Friedrich und versuchte seinen Cousin davon zu überzeugen, daß der »doctor zcu Witenberg« in Wirklichkeit wie ein »bischoff ader heresyarcha zcu Prage« agiere. Als Belege dienten dabei nicht nur Luthers Schriften, sondern auch dessen persönlichen Beziehungen zu den Hussiten: Über seine eigenen böhmischen Kontakte wußte Georg etwa vom Besuch einer utraquistischen Delegation in Wittenberg.79 Eindringlich warnte er den Kurfürsten von den Gefahren für die gemeinsam regierten Lande. Schon würden ihn Berichte erreichen, daß seit dem Auftreten Luthers mehr als 6.000 Menschen in Böhmen zum Hussitentum konvertiert seien.80 Anhaltspunkte für seine Befürchtungen konnte Georg in diesen Jahren auch vor der eigenen Haustür fi nden. Von den Augustinereremiten im Kloster Altendresden, das direkt gegenüber der Residenz des Albertiners am anderen Elbufer lag, wußten Georg und Emser 1521, daß dort Wiclif und Hus als Tischlektüre gelesen wurden. Georgs Reaktion ist bezeichnend: er hielt den Mönchen vor, sie würden dem Beispiel ihrer Wittenberger Brüder folgen.81 Zwei Jahre später übertrug sich diese Wahrnehmung von der Person Luthers auf die Evangelische Bewegung, die im Winter 1521/22 in aller Breite in Kursachsen in Erscheinung trat. In Wittenberg, so registrierte Georg alarmiert, reiche man den Kelch, »wy dy ketczer zu Bhemen pflegen«. Den Ursprung sah er nach wie vor in Böhmen. Den Ernestinern versuchte er gar mit dem Hinweis auf die Geographie Mut zum Widerstand gegen die Häresie zu machen. Denn wenn es ihm gelänge, die Ketzerei zu unterdrücken, obwohl seine eigenen Unversati Theotoni vero initio fervent.« Brief Dr. Johann Zˇaks an Hieronymus Emser, Leitmeritz, 2. August 1521, B. A. V., Cod. Vat. lat. 6199, Bl. 17. 78 »[. . .] pluries adhortabar dominum Ernestum prepositum nostrum [. . .] non ex vano id agi praeposito, sed causa reformationis, fructus ecclesie«. Ebd. 79 Brief Georgs an Friedrich, 1519 (wie Anm. 45). – Tatsächlich unterhielt Luther seit der Leipziger Disputation Kontakte zu hussitischen Geistlichen, die sich in den Folgejahren noch intensivierten. Vgl. WA, Bd. 2, 656, Anm. 1; Brecht, Bd. 1, 316; Bd. 2, 78–82; Schlenz, 85 f. Zur Auseinandersetzung mit Hus und den Hussiten in evangelischen Flugschriften vgl. Hoyer, Hus. 80 Brief Georgs an Friedrich, 1519 (wie Anm. 45). 81 Vgl. Brief Herzog Georgs an Kanzler Dr. Johann Kochel, Schellenberg, 2. Dezember 1521, ABKG, Bd. 1, 215 f.; Hieronymus Emser, Quadruplica auff Luters jungst gethane antwurt, sein reformation belangend (1521), Enders, Bd. 2, 129–183, hier 176 f.

I. Georg und Luther

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tertanen »der sachen baß gsessen sein, den dy von Zwigk ader Wittenberg«, müßte dies auch den Ernestinern möglich sein.82 Durch die Häresie sah Georg das Seelenheil der ihm anvertrauten Bevölkerung in akuter Gefahr. Planitz zitiert seine Befürchtungen zu den Folgen des Auftreten Luthers: »wue sein f. g. nicht mit der tatt und gewalt darzu thett, wurde seiner g. lant schir gar keczerisch, wolden alle die Behemische weiß an sich nemen und sub utraque specie communiciren«.83 Gleichzeitig aber verband sich mit der Parallelisierung Luthers und Hussens aber auch das Wissen, wie der Gefahr begegnet werden könne: mit den erprobten Mitteln des Kirchenregiments. Wie Georg in den Jahren zuvor erfolgreich den Hussiten entgegengetreten war, gedachte er nun mit Luthers Anhängern zu verfahren. Damit war das Grundmuster für eine Kirchenpolitik gegen die Reformation bereits vorgegeben. Die Gleichsetzung Luthers und der von ihm entfachten Bewegung mit den Hussiten entpuppt sich so als ein Erklärungsmodell, das über die persönliche Entscheidung hinaus auch das politische Handeln Herzog Georgs gegenüber der Reformation zu erhellen vermag. Sie bot Georg ein Wahrnehmungsmuster für die Einordnung Luthers und – wenig später – der gesamten Evangelischen Bewegung. Für Georg war die Gleichsetzung keine bloße Metapher, sondern Ausdruck der Überzeugung, daß beide Bewegungen in einem unmittelbaren Zusammenhang stünden. Dies erklärt, warum Georg so früh vom häretischen Kern der Lehre Luthers und der mit ihr verbundenen Gefahr überzeugt war. Gleichzeitig macht der Blick auf die vorreformatorische Hussitenabwehr die Entschlossenheit der antilutherischen Kirchenpolitik Georgs verständlich und gibt letztlich sogar Aufschlüsse über die Methoden, mit denen Georg der vermeintlich vertrauten Gefahr zu begegnen gedachte.

3. Der Beginn der antilutherischen Kirchenpolitik (1519–1521) Mit dem offenen Bekenntnis für den Laienkelch war Luther in Georgs Augen bereits zum Ketzer geworden, noch bevor er sein theologisches und ekklesiologisches Reformprogramm in den Schriften des Jahres 1520 voll entwickelt hatte. Während Luthers Ansehen als Stimme der Kirchenreform und Romkritik überall im Reich wuchs, bezog Georg als erster Reichsfürst offen gegen ihn Position. Diese Entscheidung hatte weitreichende Konsequenzen, denn Georg beließ es nicht bei der persönlichen Ablehnung. Ohne daß ihn eine äußere Verpfl ichtung gedrängt hätte, begann Georg aus eigenem Entschluß, Kirchenpolitik gegen Luther zu betreiben. Dabei war ihm zuerst am Schutz des eigenen 82 Brief Herzog Georgs an Herzog Johann d.Ä., Schellenberg, 21. November 1521, ebd., 208–211. 83 Brief des Hans von der Planitz an Kurfürst Friedrich, Nürnberg, 2. Januar 1522, Virck/ Wülcker, 58–62.

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Landes vor den Lehren des Ketzers gelegen. Sein Engagement ging aber weit über das Territorium hinaus. Aus Verantwortung für das Gesamthaus versuchte er, die Ernestiner von der Gefährlichkeit ihres Universitätsprofessors zu überzeugen. Schließlich ist Georgs starkes persönliches Interesse an den von Luther angeschnittenen Sachfragen als Motiv in Betracht zu ziehen. Sein Streben nach einer Reform der Kirche war es erst gewesen, die ihn die 95 Thesen verbreiten und die Leipziger Disputation gegen Widerstände durchsetzen ließ. Nun mußte sich Georg fragen, ob er mit seinem Engagement der Kirche geschadet hatte, indem er einem Ketzer ein Forum bot. Um so mehr schien ihm nun daran zu liegen, den einmal entdeckten Irrlehrer aus dem Verkehr zu ziehen – zumal man im Reich nach wie vor der Illusion anzuhängen schien, daß dieser Luther die gewünschte Reform und Gesundung der Kirche bringen würde. In dieser frühen Phase antireformatorischer Politik richtete sich die Aufmerksamkeit ganz auf Luthers Person. Die Verurteilung des Wittenberger Mönches als Ketzer und – in der Zwischenzeit – das Verbot seiner Schriften im eigenen Land waren Georgs erste Ziele. Von Anfang an verfolgte er diese auf verschiedenen kirchenpolitischen Ebenen. Um Luther direkt zu schaden, waren in erster Linie diplomatische Offensiven gefragt: die ernestinischen Vettern, das Reich und die Kurie kamen als Ansprechpartner in Betracht. Aber auch auf der territorialen Ebene ließ sich gegen Luther vorgehen. Hier konzentrierten sich die ersten Maßnahmen auf das Verbot seiner Schriften, von denen nicht wenige im albertinischen Sachsen gedruckt wurden. Das Auftreten der Evangelischen Bewegung im Winter 1521/22 markiert den Endpunkt dieser ersten Phase, denn damit erreichte die Bedrohung eine neue Dimension. a) Erste Maßnahmen gegen Luthers Sermon Die ersten politischen Maßnahmen Herzog Georgs gegen Luther schließen sich unmittelbar an die Sermon-Affäre an. Ihren Anfang markiert der oben zitierte, eigenhändige Brief an Kurfürst Friedrich vom 27. Dezember 1519, in dem Georg auf den hussitischen Geist des Sermons hinweist. Eindringlich sucht er Luther als böhmischen Ketzer zu überführen und warnt den Kurfürsten vor den Gefahren, die den wettinischen Landen aus ihm erwachsen.84 Beschwerden und Beeinflussungsversuche bei den ernestinischen Vettern gehörten in der Folgezeit zum Standardrepertoire der antilutherischen Kirchenpolitik Herzog Georgs. Sie fanden ihren Höhepunkt im Frühjahr 1522, als der inzwischen gebannte und geächtete Luther von der Wartburg nach Wittenberg zurückkehrte. Wenngleich Georg seine Ziele nicht erreichte, so belegt doch andererseits die Korrespondenz Friedrichs des Weisen, wie sehr sich dieser durch den Vetter unter

84

Brief Georgs an Friedrich, 1519 (wie Anm. 45).

I. Georg und Luther

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Druck gesetzt fühlte.85 An eine persönliche Auseinandersetzung mit Luther dachte Georg hingegen nicht. Hierin liegt der Grund, warum der Reformator erst mit einer gewissen Verzögerung wahrnahm, daß der Albertiner gegen ihn arbeitete.86 Die zweite Maßnahme des Dezembers 1519 stand deutlich in der Tradition des vorreformatorischen Kirchenregiments: Georg organisierte sein innenpolitisches Vorgehen gegen Luthers Sermon unter Rückgriff auf die Landesbischöfe. Beiden Oberhirten stellte der Fürst ein Exemplar der Lutherschrift zu und forderte sie auf, mit ihren Domkapiteln geeignete Maßnahmen zu erörtern, um sich dann mit dem Landesherrn abzustimmen.87 Insbesondere Johann VII. von Meißen erwies sich erneut als kooperativer Partner der landesherrlichen Kirchenpolitik. Auf seinen Vorschlag hin trafen Bischof und Domkapitel zu Beratungen mit dem Fürsten in Dresden zusammen, wobei der Bischof die Domherren bezeichnenderweise nicht selber lud, sondern den Fürsten bat, einen Abgesandten des ihm ergebenen Kapitels an den Hof zu beordern. Außerdem wurde der Prager und Meißner Dompropst Ernst von Schleinitz als Experte in Hussitenfragen hinzugezogen, ein weiteres Indiz für die Wahrnehmung Luthers in diesen Bahnen.88 Im Ergebnis des landesherrlichen Engagements entstand noch im Januar ein Mandat des Bischofs, das die Einziehung aller Exemplare des Sermons durch die Geistlichkeit der Meißner Diözese verfügte. Es markiert die erste antilutherische Maßnahme eines deutschen Bischofs überhaupt. Der Bischof begründet die Maßnahme dabei u. a. mit der besonderen Gefährdung seiner Diözese, die in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Hussiten läge (»potissimum diocesi nostra, quae terris illius scismaticis et damnati erroris vicina existit«), wodurch der Zusammenhang mit der antihussitischen Kirchenpolitik Herzog Georgs hervorgehoben wird.89 Erwogen wurde außerdem ein Verbot des Verkaufs der Lutherschrift auf dem Leipziger Neujahrsmarkt sowie das Verbot von Nachdrucken durch die Leipziger Drucker.90 Etwas zurückhaltender reagierte Adolf von Merseburg auf Georgs Vorstoß – hier wirkte noch die Verstimmung über die 85

Siehe S. 492–496. Die ersten Belege stammen aus dem Oktober/November 1520. Vgl. Kunst, 289. 87 Briefe Georgs an Johann VII. und Adolf, 1519 (wie Anm. 46). – Dieses Vorgehen wiederholte sich z. B. im September 1520, nun vermutlich mit Bezug auf Luthers Adelsschrift. Vgl. Brief Bischof Johanns VII. von Meißen an Herzog Georg, Stolpen, 6. September 1520, ABKG, Bd. 1, 132. 88 Brief Bischof Johanns VII. von Meißen an Herzog Georg, Stolpen, 1. Januar 1520, ebd., 114. 89 Mandat Bischof Johanns VII. von Meißen, Stolpen, 24. Januar 1520, WA, Bd. 6, 151– 153 (überliefert im Anhang der gegen das Mandat gerichteten Verteidigungsschrift Luthers »Ad schedulam inhibitionis [. . .]«, ebd., 142–153).Vgl. auch Lobeck, 54–59. 90 Vgl. Brief Bischof Johanns VII. von Meißen an Herzog Georg, Stolpen, 1. Januar 1520, ABKG, Bd. 1, 114; Brief Herzog Georgs an Bischof Adolf von Merseburg, Dresden, 13. Januar 1520, ebd., 115 f. 86

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Leipziger Disputation nach.91 In welchem Maße hinter dem Handeln des Meißner Bischofs Herzog Georg als graue Eminenz stand, ahnte selbst Luther nicht, als er Johanns Mandat mit einer Flugschrift spöttisch zurückwies. Doch zeigen die Dresdner Akten klar, wer Roß und wer Reiter war. Als Luthers Spottschrift in Dresden bekannt wurde, verfaßte Herzog Georg persönlich das Konzept zu einer Antwort des Bischofs und dieser übernahm, was ihm von Herzog Georg in die Feder diktiert wurde.92 Das Verbot des Sermons wies den Weg für die weitere Zensurpolitik Herzog Georgs, die Druckverbot, Handelsverbot und die Einziehung von Lutherschriften bei den eigenen Untertanen miteinander verband. Dieser restriktiven Politik trat bald auch die Förderung antilutherischer Flugschriften durch Herzog Georg zur Seite, die den Kampf um die Köpfe gegen Luther aufnahmen.93 b) Die Begleitung des päpstlichen Ketzerprozesses und der Reichstag von Worms Das andere Ziel der antilutherischen Kirchenpolitik Herzog Georgs war die Verurteilung Luthers als Ketzer. Dabei war, als sich Georg Ende 1519 gegen Luther entschied, der römische Ketzerprozeß bereits eingeleitet. Es gab deshalb für den Albertiner zunächst keinen Anlaß, in dieser Angelegenheit selbst an die Kurie heranzutreten. Sein Beitrag zur Verketzerung Luthers bestand vielmehr darin, daß er die Beurteilung der Leipziger Disputation durch die Theologischen Fakultäten von Paris und Erfurt betrieb, wobei er die nicht unerheblichen Kosten des Pariser Verfahrens übernahm. Während sich die Erfurter auf Ausflüchte zurückzogen, verurteilte die Sorbonne am 15. April 1521 Luthers Lehren.94 Entgegen der Darstellung Martin Brechts erscheint meines Erachtens nach der Bezug des Pariser Urteils auf die Leipziger Disputation eindeutig gegeben, die Disputation erfuhr somit tatsächlich eine Beurteilung zumindest durch eine der beiden vorgesehenen Schiedsrichterinstanzen.95 91

Adolf verzichtete auf administrative Maßnahmen und wandte sich statt dessen direkt an Luther, dem er die Beunruhigung des gemeinen Mannes vorwarf. Vgl. Brief Martin Luthers an Bischof Adolf von Merseburg, Wittenberg, 4. Februar 1520, WABr, Bd. 2, 24–27 (Antwort auf einen verlorenen Brief des Bischofs); Brief Bischof Adolfs an Martin Luther, Merseburg, 25. Februar 1520, ebd., 52 f. – Inhaltlich unterschied sich Adolfs Einschätzung dabei kaum von der Position Georgs. Vgl. Brief Bischof Adolfs an Herzog Georg, Merseburg, 20. Januar 1520, ABKG, Bd. 1, 116. Dies zeigen auch die Einlassungen über den Bischof in einem Brief des kursächsischen Kanzlers Dr. Gregor Brück an Kurfürst Friedrich aus dem April 1522. Vgl. Fraustadt, Einführung, 38. 92 Vgl. Aufzeichnung Georgs für den Bischof von Meißen [nach dem 17. Februar 1520], ABKG, Bd. 1, 116 f.; vgl. auch Lobeck, 57–60. 93 Siehe S. 554–581. 94 Vgl. Brecht, Bd. 1, 321 f. – Auf diese Urteilsinstanzen hatten sich die Disputanten selbst geeinigt, die Einholung der Urteile aber war offenbar, wie auch die Protokolle der Disputation, Herzog Georg überlassen worden. 95 Der auf ein Schreiben Herzog Georgs bezugnehmende Eintrag in den Pariser Fakultäts-

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Das Voranschreiten des römischen Prozesses im Jahre 1520 begleitete Georg mit Wohlwollen. Da auch die Landesbischöfe dieser Linie folgten, hatte Johannes Eck anders als in Oberdeutschland keine Schwierigkeiten, die Bannandrohungsbulle Ende September 1520 an die Pforten der Domkirchen von Meißen und Merseburg anschlagen zu lassen.96 Nur die Universität Leipzig erhob formale Bedenken wegen der mangelhaften Beglaubigung des ihr zugestellten Exemplars.97 Als die Widerrufsfrist verstrichen war, verfügten die Landesbischöfe die Abgabe aller Lutherschriften. Am 23. Januar 1521 brannten Luthers Bücher in Merseburg, während sie gleichzeitig in Leipzig noch öffentlich verkauft wurden.98 In enger Abstimmung zwischen herzoglichen Räten und Bischof Adolf wurde schließlich auch in der Universitätsstadt die Exekution des Bannes und

akten zum 17. Juli 1520 (vgl. ABKG, Bd. 1, 144, Anm. 1) spricht klar von den »librorum et disputationum Leuter« sowie von dem »libellus disputationum«, also dem von Georg im Oktober 1519 nach Paris gesandten Disputationsprotokoll, als Grundlage der Urteilsfi ndung. Demnach muß Georg die im Dezember 1519 von seinem Prokurator Thomas Gramaye aufgezeigten Unkosten für die Drucklegung der Disputationsakten und die Gebühren der Pariser Kommission (25–30 Goldkronen für jeden der 24 Mitglieder) übernommen haben, denn sonst wäre die Fakultät nicht aktiv geworden und Georg hätte das Urteil nicht im November 1520 energisch einfordern können. Vgl. Brief Herzog Georgs an die Universität Paris, Dresden, 4. Oktober 1519, ebd., 100 f.; Brief Thomas Gramayes an Herzog Georg, Antwerpen, 26. Dezember 1519, ebd., 109 f.; Brief dess. an die Theologische Fakultät zu Paris, Antwerpen, 10. November 1520, ebd., 144–146. 96 Vgl. Kohnle, Reichstag, 49 f. 97 Der Universität war neben einem Druck der Bulle nur ein einfacher Brief Ecks zugegangen. Zweifel erweckte außerdem, daß im Text der Bulle nur die Domkirchen von Brandenburg, Meißen und Merseburg als Publikationsorte erwähnt waren. Herzog Georg, dem die Dokumente vorgelegt wurden, erkundigte sich deshalb schriftlich bei dem päpstlichen Nuntius nach der Authentizität, »dieweyl wir nicht anders wissen, dann das solche bullen nicht durch slechte missiven, sundern durch glaubwirdigen scheyn und mit geburlicher solemnitet, notarien und gezeugen etc. insinuirt werden sollen« (Brief Herzog Georgs an Dr. Johannes Eck, Leipzig, 18. Oktober 1520, ABKG, Bd. 1, 140 f.). Das Motiv für diese Verzögerung ist wohl weniger in einer kritischen Einstellung Georgs gegenüber dem päpstlichen Urteil zu suchen (wie dies Armin Kohnle als Möglichkeit erwägt), als in dem Umstand, daß Luther überall verkündete, die Bannbulle sei von den Dominikanern widerrechtlich erschlichen worden. Wegen dieser Gerüchte erschien es geboten, jedem Zweifel an ihrer Authentizität vorzubeugen, zumal es in Leipzig manchen Anhänger Luthers gab. Auch an eine lutherische Provokation dachte Georg, wie er Eck entschuldigend schreibt: »haben also eyn beysorge gehapt, das villeychte dis eyn zugericht thun seyn mochte«. Ecks umgehende Antwort wird die Zweifel Georgs zerstreut haben, doch ist nicht bekannt, ob die Bulle darauf hin sofort in Leipzig publiziert wurde. Sicher ist ihr Anschlag aber für den 6. April 1521 bezeugt. Vgl. Brief Dr. Johannes Ecks an Herzog Georg, Ingolstadt, 30. Oktober 1520, ebd., 143 f.; Brief der Herzöge Johann d.J. und Friedrich d.J. an den Rat zu Leipzig, Dresden 6. April 1521, ebd., 161; Kohnle, Reichstag, 50. 98 Vgl. Brief Bischof Adolfs von Merseburg an Cäsar Pflug, Merseburg, 17. Januar 1521, ABKG, Bd. 1, 147 f.; Mandat und Notariatsinstrument dess., Merseburg, 16. und 23. Januar 1521, Grundig/Klotzsch, Bd. 2, 309–311. – Im selben Jahr verbrannte der Erzpriester von Dresden, Georgs ehemaliger Kanzleischreiber Gregor Walther, Luthers Schriften in Dresden. Vgl. ABKG, Bd. 1, 255, Anm. 1.

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die Einziehung aller Lutherschriften verkündet, wobei allerdings aus Sorge vor öffentlichem Unmut auf Prozessionen und Glockengeläut verzichtet wurde.99 Auf dem Reichstag von Worms mußte Herzog Georg erkennen, wie wenig seine strikt antilutherische Haltung unter den Ständen des Reiches mehrheitsfähig war. Zwar machte der Kaiser mit der Vorlage eines Achtmandats schon zu Beginn deutlich, daß er gewillt war, die reichsrechtlichen Konsequenzen aus dem päpstlichen Ketzerurteil zu ziehen. Die Stände aber forderten eine Anhörung Luthers, teils, wie Kursachsen, in der Hoffnung auf eine grundsätzliche Verhandlung des Ketzereivorwurfs, teils aus der taktischen Überlegung heraus, Luther könne als Sprachrohr der Kirchenreform gerettet werden, wenn er zu einem Teilwiderruf in Glaubensfragen zu bewegen wäre.100 Die von der kursächsischen Diplomatie bewußt betonte und durch Luthers Adelsschrift in der öffentlichen Wahrnehmung verankerte Verknüpfung der Causa Lutheri mit dem allgemeinen Wunsch nach Kirchenreform beherrschte so auch die Diskussionen auf dem Reichstag, wie Nuntius Girolamo Aleander alarmiert nach Rom meldete.101 Die Position Herzog Georgs, die eine klare Entscheidung gegen Luther mit einer ebenso vehementen Forderung nach Kirchenreform und Konzil verband, lag dazu völlig konträr. Unter den Ständen war der Albertiner damit weitgehend isoliert. Allein mit dem Kaiser konnte Georg sich grundsätzlich einig wissen, doch dieser war gezwungen, in der Lutherfrage diplomatisch zu lavieren.102 In welchem Maße Georgs Forderung »Reform statt Luther« auf verlorenem Posten stand, zeigte nicht zuletzt Aleanders irritierte Reaktion, als sich der Herzog maßgeblich an den Gravamina wider Rom beteiligte. Dies trug dem Albertiner ein Mahnschreiben des Papstes ein, indem ausgerechnet er angehalten wurde, in Sachen Luther treu zu Rom zu stehen. Hier wird deutlich, wie wenig auch die päpstliche Seite zwischen Reform- und Lutherfrage differenzierte, geschweige denn in dieser Situation zu Zugeständnissen in der Reformfrage bereit war.103 Unter diesen Umständen blieb Georgs Einfluß auf die Entscheidungsfi ndung des Reichstags gering, obwohl er in das leitende Gremium der Stände, den Großen Ausschuß, gewählt worden war.104 Immerhin nahm er die Gelegenheit war, am (ergebnislosen) zweiten Verhör Luthers durch die Stände am 24./25. April teilzunehmen. Wo er konnte, ergriff er für das päpstliche Urteil Partei, 99

Vgl. Kohnle, Reichstag, 50 f. Zum Wormser Reichstag vgl. Borth, 110–115; Kohnle, Reichstag, 85–104; Wohlfeil, Wormser Reichstag; sowie die weiteren Beiträge im Sammelband von Reuter. Zu Georgs Rolle siehe auch S. 176–179. 101 Vgl. Scheible, Fürsten, 392. 102 Vgl. Scheible, Fürsten, 393; Luttenberger, 297 f.; Wohlfeil, Wormser Reichstag. 103 Vgl. Breve Papst Leos X. an Herzog Georg, Rom, 16. März 1521, ABKG, Bd. 1, 159 f. 104 Vgl. Scheible, Fürsten, 372 f. 100

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wofür er schließlich von Aleander vor allen Fürsten gelobt wurde.105 Konnte Georg in den Ergebnissen des Reichstages, den Gravamina wie dem Wormser Edikt, eine Bestätigung seiner Politik sehen, so wurde doch gleichzeitig deutlich, welche Schwierigkeiten einer reichsweiten Umsetzung der Verketzerung Luthers im Wege standen: Friedrich der Weise, den das Edikt in erster Linie betraf, hatte erreicht, daß es ausgerechnet ihm nicht zugestellt wurde, und der Kaiser, der zu den wenigen Verfechtern einer harten Linie gehörte, verließ das Reich bald darauf, weil er dem Krieg gegen Frankreich höhere Priorität beimaß.106 c) Die Anfänge der öffentlichen Auseinandersetzung mit Luther Die öffentliche Auseinandersetzung zwischen Luther und Georg begann erst Ende 1522 mit dem Streit um Luthers Missive an Hartmut von Cronberg. An Georgs kirchenpolitischen Prämissen hat sie nichts geändert. Denn Georg ging es vor allem um die Verteidigung seiner persönlichen Ehre, die er durch Luther angegriffen sah. Luther hatte sich kurz nach dem Erscheinen des Regimentsmandats in einem Brief an Hartmut von Cronberg sehr abfällig über die antireformatorische Politik Herzog Georgs geäußert. In der bald erschienenen Druckfassung war allerdings die Namensnennung vermieden und nur von der »wasser blase N.« gesprochen worden. Im Dezember 1522 tauchte nun ein Straßburger Druck auf, in dem (wohl ohne Luthers Wissen) im Klartext von der »wasser blase hertzog Jörg zu Sachsen« zu lesen war, die »trotz dem hymmel mitt yrem hohenn bauch, und hat dem ewangelio entsagt, hats auch im synn, er woell Christum fressen, wie der wolff eyn mucken«.107 Der empörte Albertiner betrachtete diese Flugschrift als Angriff auf seine persönliche Ehre als Fürst und Christ und forderte umgehend eine Stellungnahme des Wittenbergers ein, »domit wir uns unser ehren notturft dornoch wissen zu richten«.108 Luthers stolze, alle Formen mißachtende Antwort machte jedoch deutlich, daß eine Entschuldigung nicht zu erwarten war.109 Seine verletzte Ehre hat Georg darauf hin mit einer umfänglichen Rufreinigungskampagne wiederherzustellen gesucht. Dem Reichsregiment, den Ernes105 Georgs Teilnahme am Verhör Luthers durch die Ständevertreter ist durch mehrere Berichte vom Reichstag belegt. Vgl. RTA, JR, Bd. 2, 584, 602, 872, 897. Zum Lob Aleanders vgl. ebd., 561, Anm. 1; vgl. dazu auch Breve Papst Leos X. an Herzog Georg, Villa Magliana, 4. Mai 1521, ABKG, Bd. 1, 163 f. 106 Vgl. auch Wolgast, Territorialfürsten, 414 f.; Luttenberger, 301–307. 107 Martin Luther, Ein Missive allen denen, so von wegen des Wortes Gottes Verfolgung leiden, tröstlich (1522), WA, Bd. 10/2, 53–60; hier der spätere Straßburger Druck zitiert nach ABKG, Bd. 1, 401, Anm. 3. Zur Sache vgl. Kunst, 289 f. 108 Brief Herzog Georgs an Martin Luther, Dresden, 30. Dezember 1522, ABKG, Bd. 1, 407 f. (dort irrtümlich: 28. Dezember). 109 Vgl. Brief Martin Luthers an Herzog Georg, Wittenberg, 3. Januar 1523, ebd., 418.

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Zweiter Teil: Die Auseinandersetzung mit der frühen Reformation (1517 – 1525)

tinern und sogar seinem sonst kaum als Ratgeber geschätzten Bruder Heinrich brachte er Luthers Brief zur Anzeige und verband damit die Bitte, ihm Maßnahmen zu seiner Ehrenrettung zu raten. In allen Einzelheiten schilderte er Friedrich dem Weisen Luthers Beleidigungen »unser sel, ere und guten leumadt betreffend« und hob eine besonders hervor, »die wir am meisten zu herzen ziehen: do doctor Lutter schreibt, das wir dem h. ewangelio entsagt etc. Wo das also ware, so wern wir ein ketzer«.110 Natürlich wagte niemand, nicht einmal die Ernestiner, Luther recht zu geben.111 Damit gelang es Georg nicht nur, seinen Ruf zu wahren, sondern gleichzeitig die Ernestiner unter Druck zu setzen. Nach monatelangen Ausflüchten sah sich Friedrich der Weise schließlich gezwungen, den von Georg eingeforderten Ratschlag gegen Luther zu erteilen. Wie schwer dies dem Schutzherrn Luthers fiel, zeigt seine gewundene Antwort: Wenn Luther tatsächlich, wie von Georg behauptet, ein überführter Ketzer und meineidiger Mönch sei – so schreibt der Kurfürst als wäre ihm der Wittenberger Professor unbekannt – dann könne Georg von der Auseinandersetzung mit ihm auch nicht mehr als Ehrverletzung erwarten! 112 Georg verstand es also letztlich, aus der persönlichen Auseinandersetzung mit Luther sogar politisches Kapital zu schlagen, in dem er den politischen Druck auf die Ernestiner erhöhte. In späteren Kontroversen mit Luther ging er dazu über, seinen Standpunkt selbst mit Flugschriften vor der Reichsöffentlichkeit zu verteidigen.113 Ein konspiratives Vorgehen gegen Luthers Person – seine Entführung aus Wittenberg oder ein Anschlag auf sein Leben – hat Georg hingegen immer abgelehnt. Als ihm seine Räte 1523 diese Möglichkeit andeuteten,114 ging er nicht darauf ein. Und 1529 verwahrte er sich gegen Luthers Unterstellung, daß er ihm die Fehde angesagt habe. Wenn er dies getan hätte, so Georg, wäre es ihm längst ein leichtes gewesen, Luther ein Leid antun zu lassen. Angesichts der Tatsache, daß Georg über Spione in Wittenberg verfügte, war dies sicher keine Übertreibung.115 Freilich mußte Luther auf seinen Reisen nun das albertinische Sachsen peinlich meiden. Ein ausdrücklicher Haftbefehl gegen ihn lag schon 110

Brief Herzog Georgs an Kurfürst Friedrich, Dresden, 17. Januar 1523, ebd., 438–440. Vgl. Brief Herzog Georgs an Statthalter und Reichsregiment, Dresden, 4. Februar 1523, ebd., 456–458; Brief des Reichsregiments an Herzog Georg, Nürnberg, 28. Februar 1523, ebd., 472 f.; Brief Herzog Heinrichs an Herzog Georg, Freiberg, 10. Februar 1523, 460–462; Brief Herzog Johanns d.Ä. an Herzog Georg, Weimar, 11. Februar 1523, ebd., 462 f. 112 Siehe dazu S. 492–496. 113 Vgl. Becker, 219–238. – Zum weiteren Verlauf der Kontroversen zwischen Luther und Georg siehe die Literatur in Anm. 4. 114 »Es ist auch bedacht, das man yme [Luther] nachtrachten und unvormeldet s. f. g. zu handen bringen mochte.« Gutachten herzoglicher Räte für Herzog Georg [3.–17. Januar 1523], ABKG, Bd. 1, 419–421. 115 Vgl. Becker, 238. 111

I. Georg und Luther

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1522 in Leipzig vor.116 An der kirchenpolitischen Lage änderten die Wortfehden zwischen Fürst und Reformation letztlich nichts, weil die inhaltlichen Gegensätze zwischen beiden jenseits persönlicher Animositäten lagen. Deshalb konnte auch Luthers bekannter Entschuldigungsbrief von 1525 keine Gesprächsbasis herstellen.117 Die Kirchenpolitik Georgs ist durch die persönliche Auseinandersetzung mit Luther niemals wesentlich beeinflußt worden. Die Bilanz der frühen Kirchenpolitik Herzog Georgs gegen Luthers Person fällt gemischt aus. Mit der Verketzerung und Ächtung Luthers wurde ein Hauptziel des Albertiners erreicht, ohne daß Georg in die Position kam, dazu Entscheidendes beizutragen. Doch war er nicht tatenlos geblieben und konnte mit der Verurteilung Luthers durch die Sorbonne und dem Vollzug der Bannbulle in seinen Landen greif bare Ergebnisse vorweisen. Auch die Unterbindung des Drucks von Lutherschriften in Leipzig seit 1521 war ein deutliches Zeichen. Konterkariert wurden all diese Erfolge durch die offensichtliche Mißachtung aller Ketzerurteile durch die Ernestiner, an der auch Georgs Druck auf die Vettern nichts zu ändern vermochte. Georg mußte deshalb – wenn nicht tatenlos, so doch machtlos – zusehen, wie sich die isolierte Kontroverse um den Theologen Luther seit 1521 rasch zu einem religiösen und sozialen Massenphänomen ausweitete. Für Georg war die Perspektive dabei von Anfang an eindeutig: von Wittenberg ging jetzt eine Ketzerbewegung ungekannten Ausmaßes aus, die sein eigenes Territorium unmittelbar bedrohte. Das Ziel, gegen Luthers Person vorzugehen, trat demgegenüber immer mehr in den Hintergrund. Angesichts der unnachgiebigen Haltung der Ernestiner hat Georg die Auslieferung Luthers (an den Kaiser) nach 1522 nicht mehr ernsthaft betrieben, was freilich nichts an seinem Urteil über ihn änderte. Für die Kirchenpolitik Georgs gegen die Reformation war wichtiger noch als die Frage nach den Erfolgen die Tatsache, daß Georg früh mitten in die Arena des Kampfes getreten ist, früher wohl als jeder andere Fürst des Reiches.118 Hier bereitete sich seine Rolle als entschiedener Gegner der Evangelischen Bewegung im eigenen Lande vor. Die Reformation im albertinischen Sachsen mußte deshalb von Anfang an mit scharfem Gegenwind leben.

116 Den Hintergrund bildeten Gerüchte, Luther hätte sich inkognito in Leipzig aufgehalten. Vgl. Brief Herzog Georgs an Herzog Johann d.J. und Herzog Friedrich d.J., Nürnberg, 5. Februar 1522, ABKG, Bd. 1, 264–268. 117 Vgl. Brief Martin Luthers an Herzog Georg, [Wittenberg] 21. Dezember 1525, ABKG, Bd. 2, 459–461; Brief Herzog Georgs an Martin Luther, Dresden, 28. Dezember 1525, ebd, 472–478. Vgl. dazu Kunst, 292–294. 118 Selbst die Herzöge von Bayern sahen Luther lange als Protagonisten von Romkritik und Kirchenreform und entschieden sich erst nach dem Wormser Reichstag gegen ihn. Vgl. Kohnle, Reichstag, 137 f.

II. »Die verdammte lutherische Sekte«. Georgs Sicht auf die Evangelische Bewegung1 »Der brauch ist nun zcu dißer zceit/ durchs teuffels gspenst eingefurt/ daß sich auß bitterlichen neit/ deß vater art itcz in den rurt. Dy alle welt nach sich wollen reformieren/ und konnen dach daß winiglest glit ireß leybeß nicht regiren. Den eß ist in gancz angeborn/ ligen und trigen zcu tichten/ ir vater hat Gotteß hold verlorn/ mit dergleicher falscher art ausrichten/ da bey sy sich lossen kennen/ wy lugenhafft sy ummber sein/ mus mann sy ewangelisten nennen/ under dessenn edlen name brengen sy iren gifft an tag/ der warheit tun sy mestrauen/ es helfe sy gleich waß eß mag. So werd mancher btrugen wy hy ach offenbar gschicht/ ir gticht ist all erlogen.« 2

1. Die Evangelische Bewegung im albertinischen Sachsen Wann begann die Reformation? Versteht man sie als eine religiöse Massenbewegung, die auf einem veränderten Glaubensverständnis eine erneuerte Kirche aufzubauen suchte, so muß man ihre eigentliche Geburtsstunde in den Winter 1521/22 verlegen. Damals wurde die kirchliche Erneuerung in Wittenberg 1 Der zitierte Ausdruck fi ndet sich wiederholt in der Korrespondenz Herzog Georgs. So warf er z. B. 1524 den Herren von Minckwitz zu Sonnewalde vor, »das yr der verdampten Luteryschen sect anhengig und nachfolgig seyt«. Brief Herzog Georgs an die Gebrüder von Minkwitz zu Sonnewalde, Dresden, 5. Dezember 1524, ABKG, Bd. 1, 771 f. 2 Lied Herzog Georgs, o.J., Loc. 8994/11, Bl. 1. Das Autograph Herzog Georgs trägt den Titel »Ein neu lid von den ungschwnden lugen der jenen, dy vom bischoff von Meyßen gthicht haben, als solt her zcu possen dy wort haben außglest: Gotes wort bleybet ewiglich«. Anlaß der Textentstehung sind offenbar evangelische Angriffe auf den Bischof von Meißen, möglicherweise im Zusammenhang mit dessen Vorgehen gegen die Evangelische Bewegung im Verbund mit Herzog Georg. Zu den verschiedenen Deutungen der unklaren Formulierung »zcu possen« vgl. Lobeck, 33, Anm. 55; Becker, 164–166.

II. Georgs Sicht auf die Evangelische Bewegung

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erstmals zur Angelegenheit breiter Kreise, bewog Geistliche und Laien zu gemeinsamem Handeln: die Evangelische Bewegung war geboren.3 Von Karlstadt angeführt gingen die Wittenberger Neuerer vom Wort zur Tat über, erreichte die Reformation durch Tabubrüche in der Liturgie und Provokationen gegen altgläubige Geistliche eine neue Qualität. Bald folgte Gabriel Zwilling in Eilenburg dem Wittenberger Vorbild, während in Zwickau radikale Chiliasten, die »Zwickauer Propheten«, auftraten. Wenig später sorgten auch im albertinischen Sachsen die ersten »junger Martini«4 für Aufsehen. Hier, in Georgs Herzogtum, hatten Luthers Lehren schon vorher Verbreitung gefunden. Die räumliche Nähe zu Wittenberg und die Verzahnung der beiden wettinischen Territorien begünstigten dies. Bereits Ende 1517 wurde in Leipzig eine erste Ausgabe der 95 Thesen gedruckt, sogar bevor man in Wittenberg daran dachte. In den folgenden Jahren gehörte die Pleißestadt zu den wichtigsten Druck- und Verteilungszentren für Luthers Schriften.5 Die Leipziger Disputation gab 1519 den führenden Köpfen des Landes Gelegenheit, Luther persönlich in Augenschein zu nehmen. Mancher wurde dabei für ihn gewonnen, so der Rektor der Thomasschule Johannes Poliander oder der Arzt und Humanist Heinrich Stromer von Auerbach.6 Im Winter 1521/22 erfaßte die Evangelische Bewegung die großen und kleinen Städte des Herzogtums.7 Fast immer läßt sich die Entstehung lokaler Keimzellen mit dem Auftreten eines von Luther begeisterten Geistlichen in Zusammenhang bringen. Pfarrer, Prediger, Schulmeister, Altaristen, wandernde Magister oder entlaufene Mönche verkündeten die evangelische Botschaft. Als frühes und besonders vitales Zentrum der Bewegung ist Leipzig hervorzuheben, wo neben zahlreichen Bürgern auch Studenten und Magister der Universität für Luther Partei ergriffen. Deutlich ruhiger blieb es im mittleren Elberaum, in Dresden oder Meißen, wo bis in die 1530er Jahre hinein die Bevölkerungsmehrheit dem alten Glauben treu geblieben zu sein scheint. Wo evangelische Prediger auf dem Lande auftraten, stand hinter ihnen meist ein adliger Patronatsherr, wie im Falle der Minckwitze von Sonnewalde.8 Für eine 3

Vgl. Mau; Müller, Wittenberger Bewegung; Bubenheimer. Brief Herzog Georgs an Herzog Johann d.Ä., Schellenberg, 21. November 1521, ABKG, Bd. 1, 208–211. 5 Siehe S. 581–586. 6 Vgl. Bornkamm, Reformation in Leipzig, 143–147. 7 Zum folgenden vgl. insbesondere Wartenberg, Landesherrschaft, 23–63. Durch eine nach Ämtern gegliederte Übersicht hat Günther Wartenberg insbesondere die lokalen Unterschiede in der Evangelischen Bewegung aufzeigen können. Er weist auch die umfangreiche lokalgeschichtliche Literatur nach. Vgl. weiterhin Ludolphy, Kampf; Junghans, Ausbreitung; Hoyer/Schwarz. 8 Zur Einführung der Reformation in der niederlausitzischen Herrschaft Sonnewalde und den Gegenmaßnahmen Herzog Georgs vgl. Welck, 106–110; Lehmann, Lausitz, 208 sowie ABKG, Bd. 1, passim. 4

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Zweiter Teil: Die Auseinandersetzung mit der frühen Reformation (1517 – 1525)

Gemeindereformation süddeutschen Typus gab es in Sachsen hingegen kaum Anknüpfungspunkte.9 Umfang und Stärke der Evangelischen Bewegung unterschied sich von Ort zu Ort zum Teil erheblich. Mit Recht hat Günther Wartenberg betont, daß die in den Worten von Franz Blanckmeister kanonisch gewordene These, »das ganze Land« sei »im geheimen lutherisch« gewesen, eine unzulässige Verallgemeinerung darstellt.10 Sozialgeschichtliche Kategorien allein vermögen die regionalen Abweichungen kaum zu erklären. Während sich unter den Bergknappen der Boomtown St. Annaberg zahlreiche Sympathisanten Luthers fanden, blieb die ostsächsische Bergstadt Altenberg ein Zentrum der Altgläubigen. Ein wichtiger Faktor scheint die räumliche Entfernung zu den ernestinischen Landesteilen gewesen zu sein. Lagen Dresden und Meißen weitab von Kursachsen, befanden sich Leipzig oder das bischöfl iche Stiftsland um Wurzen in deutlich exponierterer Lage. Herzog Georg selbst sah seine Abwehrmaßnahmen in Annaberg durch die unmittelbare Nachbarschaft des ernestinischen Buchholz in Frage gestellt: »allein auf Santt Annabergk«, so zitiert ihn Planitz, »konde ers nicht woll vorhutten, den das Buchholcz were im vast nahen«.11 Ihre größte Dynamik entfaltete die Evangelische Bewegung in den Jahren 1521–1525. Die Dramatik der Entwicklung spiegelt sich nicht zuletzt in der Korrespondenz Herzog Georgs, wo Formulierungen wie »in disen geschwinden leuften«12 dem Gefühl sich überschlagender Ereignisse Ausdruck verleihen. In ganz ähnlicher Weise spricht die moderne Revolutionsforschung von der »enorme[n] Beschleunigung der Zeit, die alle Revolutionen kennzeichnet«.13 Die Formulierung Herzog Georgs läßt sich also als Wahrnehmung eines revolutionären Umbruchs deuten. Für die Erfolgsaussichten der Bewegung sollten die landesherrlichen Gegenmaßnahmen Herzog Georgs eine entscheidende Rolle spielen. Doch wäre es zu kurz gegriffen, allein das Repressionspotential der antilutherischen Obrigkeit als Gegenkraft zur Evangelischen Bewegung in Betracht zu ziehen. Nicht nur unterstützte die Mehrheit der albertinischen Stände und die Leipziger Universität den herzoglichen Kurs.14 Auch das Festhalten weiter Bevölkerungskreise an überkommener Frömmigkeit und altem Kirchenwesen muß als gesellschaftliches Faktum ernstgenommen werden – egal ob unreflektierter Konservativis9

Vgl. Blickle, Gemeindereformation. Blanckmeister, 119; vgl. dazu Wartenberg, 24. 11 Brief des Hans von der Planitz an Kurfürst Friedrich, Nürnberg, 2. Januar 1522, Virck/ Wülcker, 58–62. 12 Brief Herzog Georgs an den Amtmann von Sangerhausen, Dresden, 16. Juli 1524, ABKG, Bd. 1, 704–706. – 1524 führt Georg den Untergang des Klosters Königstein lakonisch auf die »itzigen weltleuften« zurück. Brief Herzog Georgs an Prior und Konvent der Cölestiner zu Oybin, Dresden, 16. Mai 1524, ABKG, Bd. 1, 671 f. 13 Meuschel, 5. – Zu dieser Wahrnehmung vgl. auch Schubert, Fürstenreformation. 14 Vgl. Wartenberg, Luthers Beziehungen, 563; ders., Landesherrschaft, 60–63. 10

II. Georgs Sicht auf die Evangelische Bewegung

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mus oder eine bewußte Entscheidung für den alten Glauben dahinter standen. Unter dem Schutz des altgläubigen Landesherren blieb die Kontinuität spätmittelalterlicher Frömmigkeit vielerorts noch gewahrt. Erst die obrigkeitliche Einführung der Reformation in den Jahren nach 1539 setzte ihr ein Ende. Bekannt ist das Beispiel der Heiligenverehrung Bennos von Meißen, die erst 1524 mit der aufwendigen Feier seiner päpstlichen Heiligsprechung ihren Höhepunkt erreichte. Der Kult blieb bis zur Zerstörung des Heiltums durch Heinrich den Frommen in Übung.15 Auch die Zahl der altgläubigen Meßstiftungen wuchs, wie Beispiele aus Leipzig oder Dresden zeigen, noch bis in die 1530er Jahre hinein weiter an.16 Und die Bergstadt Altenberg bemühte sich noch 1523 um die Verlängerung ihrer päpstlichen Fastendispens und die Verleihung eines Jubelablasses zur Finanzierung ihres Kirchenbaus – als ob es keine reformatorische Kritik an Papst und Ablaß gäbe. Herzog Georg unterstützte die Altenberger Supplik übrigens ausdrücklich, »in ansehung, das dieselbtigen noch bisher keynen mit dem Lutterischen gift befleckt bey ynen haben dulden ader leyden wollen«.17 Mancherorts wurde sogar eine offene Feindschaft gegenüber Luther deutlich. Der Leipziger Welserfaktor Hieronymus Walter ließ 1535 an seinem Wohnhaus in der Katherinenstraße ein Steinrelief anbringen, das den Triumph von Papst und Kaiser über Luther beschwor.18 Und auch die Altenberger bezogen öffentlich gegen Luther Position. Ganz ähnlich wie die evangelisch gesinnte Bevölkerung im kursächsischen Buchholz, die 1524 die Erhebungsfeier Bennos mit einer Spottprozession verhöhnt hatte, bedienten sich auch die altgläubigen Altenberger einer ritualisierten Inszenierung.19 Am Sonntag Lätare 1522 führten »man und weip, junck und alt« eine Lutherpuppe vor ein eigens inszeniertes Ketzergericht, um sie nach ordentlicher Verurteilung auf dem höchsten Berg der Gegend zu verbrennen.20 15

Vgl. Volkmar, Heiligenerhebung Bennos. Zu Dresden vgl. Butte, 188 f.; zu Leipzig vgl. Domstiftsarchiv Merseburg, Cod. 174, Confi rmationes Geistlichen Lehn [. . .], 1454–1540 und siehe S. 349 f. zum Beispiel der Wiedebachschen Stiftung. 17 Brief Herzog Georgs an Bischof Johann VII. von Meißen in Rom, Dresden, 4. Januar 1523, ABKG, Bd. 1, 421–425. 18 Abbildung bei Hoyer/Schwarz, vor S. 99. 19 Zur Buchholzer Spottprozession vgl. Volkmar, Heiligenerhebung Bennos, 172–180. 20 »Anno Cristi 1522 namen yhn vor man und weip, junck und alt, samptlich, den nauen uncristlichen yrtums Mertin Luters höchsten vermögens zu vordamen, richten ein bild czu, becleit wi Luter, furten vor Gerichte, do richter und schepphen daczu verordent auf anclage yn vorteilten czum feuer (wie einen erb houpt keczir), den sie in seiner gstalt mit grossem schall auf den allerhöchsten umbligenden bergk gebunden gefurt nach form gerichtshaltung, do si dafur 25 fuder holcz vorschaft, verbranten suntags Letare czu der 7. hor dasselb bilde, wart fern in Behmen und der rouch gesehenn.« Lindner, Sp. 1529. – Felician Gess, der die Altenberger Vorgänge für schlecht belegt hielt (vgl. ABKG, Bd. 1, 424, Anm. 1), hat den Eintrag in der Chronik des Monachus Pirnensis offenbar übersehen. Trotz mancher Unge16

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Zweiter Teil: Die Auseinandersetzung mit der frühen Reformation (1517 – 1525)

Evangelischer Auf bruch und altgläubige Beharrungskraft bildeten so die Antipoden in einer offenen historischen Situation, in der die zukünftige konfessionelle Ausrichtung Sachsens noch unentschieden war. Das Heft des Handelns lag dabei eindeutig in der Hand der Evangelischen. Insofern unterschied sich die Lage im Herzogtum Sachsen kaum von jener in den anderen Territorien des Reiches. Hier wie dort kam nun vieles auf die Haltung des Landesherrn an.

2. Der Entschluß zum Ketzerkampf Herzog Georg blieben die Entwicklungen des Winters 1521/22 nicht verborgen. Alarmiert nahm er wahr, wie sich die isolierte Causa Lutheri zu einer breiten religiösen Bewegung ausweitete.21 Schon im November 1521 warnte er die Ernestiner vor den Konsequenzen dieser neuen Entwicklung. Als Gegner erschienen nun nicht mehr nur Luther und seine Weggefährten, sondern eine unüberschaubar große, an vielen Orten gleichzeitig auftretende Zahl von Priestern, Mönchen und Laien. Damit erreichte der Konfl ikt in jeder Hinsicht eine neue Dimension. Georgs Haltung zu dieser Entwicklung wurde schnell deutlich und ließ an Klarheit nichts zu wünschen übrig. Weil Luther ein Prophet der böhmischen Häresie war, mußte auch der von seinen Lehren inspirierte Auf bruch eine Ketzerbewegung sein.22 Als Beweis für den hussitischen Geist der Evangelischen galt ihm die neue Abendmahlspraxis in Wittenberg: dort reiche man jetzt »das heilig sacrament under beyder gstalt [. . .] wy dy ketczer zu Bhemen pflegen«. In welchem Maße der Kausalzusammenhang Hussiten-Luther-Evangelische Bewegung Georgs Wahrnehmung prägte, zeigt die eigentümliche Aussage, seine eigenen Untertanen seien »der sachen baß gsessen sein, den dy von Zwigk ader Wittenberg«, also wegen der Grenzlage zu Böhmen eigentlich noch viel mehr gefährdet, durch die Ketzerei kontaminiert zu werden.23 Plastisch kommt hier die Überzeugung zum Ausdruck, daß die gesamte Reformation eigentlich aus Böhmen stamme. Diese Schlußfolgerung hatte weitreichende Konsequenzen, denn sie zeichnete Herzog Georgs Reaktion auf die Evangelische Bewegung vor. Im Unterschied zu den meisten seiner Standesgenossen besaß er praktische Erfahrungen im Umgang mit Häretikern, und zwar gerade mit der Abwehr der Hussiten im nauigkeit seiner Chronik ist dem Pirnaer Dominikaner kaum zu unterstellen, daß er die Vorgänge im nahegelegenen Altenberg einfach erfunden hätte. 21 Die veränderte Sicht Georgs wird zuerst in den im folgenden zitierten Briefen an Herzog Johann d.Ä. aus dem November 1521 deutlich. 22 Zur Wahrnehmung der Evangelischen als neue Hussiten siehe S. 460–465. 23 Brief Herzog Georgs an Herzog Johann d.Ä., Schellenberg, 21. November 1521, ABKG, Bd. 1, 208–211.

II. Georgs Sicht auf die Evangelische Bewegung

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böhmisch-sächsischen Grenzraum.24 An diese Erfahrungen und Erfolge des landesherrlichen Kirchenregiments konnte nun angeknüpft werden, sie stellten eine direkte Vorlage für eine Kirchenpolitik gegen die Reformation bereit. Schon mit dem ersten Auftreten der Evangelischen zeigte sich Georg deshalb entschlossen, in den Grenzen seines Territoriums auch mit den Mitteln obrigkeitlicher Gewalt gegen die neuen Ketzer vorzugehen. Nach einem Gespräch in Nürnberg am Neujahrstag 1522 gab Planitz Georgs Sicht der Dinge wieder: »wue sein f. g. nicht mit der tatt und gewalt darzu thett, wurde seiner g. lant schir gar keczerisch, wolden alle die Behemische weiß an sich nemen und sub utraque specie communiciren. Er gedecht es aber mit gewalt zu weren.« 25 Nach Luthers Erinnerung soll Georg sogar schon auf dem Wormser Reichstag in diese Richtung argumentiert haben: »Es sol, lieben herren, in meinem landt wol geweret werden«, zitiert er ihn später.26 Mit modernem Toleranzdenken sind solch kompromißlose Aussagen kaum zu vereinbaren, sie erinnern vielmehr an den blinden Eifer religiöser Fundamentalisten. Doch Georg als extrem zu qualifizieren, hieße ahistorisch urteilen. Denn sein Standpunkt konnte im Europa des frühen 16. Jahrhunderts noch als mehrheitsfähig gelten. Häresie durfte nicht toleriert werden – dies war nicht nur der Standpunkt der Altgläubigen, sondern auch die Sicht lutherischer Obrigkeiten, wie das Vorgehen beider Seiten gegen die Täuferbewegung belegt.27 Erst die permanent werdende Glaubensspaltung schuf im Laufe des 16. Jahrhunderts Raum für neue Vorstellungen von Abgrenzung, Koexistenz und schließlich Toleranz – oft freilich nur dort, wo eine gewaltsame Lösung keinen Erfolg mehr versprach. Lutherfreundliche oder neutrale Reichsfürsten unterschieden sich von Herzog Georg also keineswegs in ihrer grundsätzlichen Einstellung zur Häresie, sondern nur in ihrer konkreten Beurteilung Luthers und seiner Lehre. Hier lag die eigentliche Bedeutung der Identifi kation Luthers mit den Hussiten, weil sie Georg so früh und entschieden wie kaum einen anderen Fürsten in die Bahnen des Ketzerkampfes gegen die Evangelische Bewegung lenkte. Von welchen Voraussetzungen aber konnte ein solcher Kampf überhaupt ausgehen? Die mittelalterliche Tradition hielt klare Regeln bereit. Gestützt auf Passagen des Alten Testaments sah man die Christenheit dann zur Gewalt aufgerufen, wenn aus der eigenen Mitte Ketzer auftraten und nicht zum Widerruf zu bewegen waren. Christliche Obrigkeiten waren demnach aus Verantwortung vor Gott und aus Fürsorge für die eigenen Untertanen zur Intoleranz gegenüber Häresie geradezu verpfl ichtet. Im Vorgehen gegen den Ketzer als Verbrecher, als »Seelenmörder«, hatte die weltliche Obrigkeit dabei mit der kirch24

Siehe S. 460–465. Brief des Hans von der Planitz an Kurfürst Friedrich, Nürnberg, 2. Januar 1522, Virck/ Wülcker, 58–62. 26 Zitiert nach Scheible, Fürsten, 397. 27 Vgl. Gregory, 74–96. 25

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Zweiter Teil: Die Auseinandersetzung mit der frühen Reformation (1517 – 1525)

lichen Justiz zusammenzuarbeiten und die Rolle des Brachium saeculare zu übernehmen: Hilfe bei der Strafverfolgung, Übergabe von Delinquenten an das geistliche Gericht, Vollstreckung von Leibesstrafen.28 Es wird freilich genau zu untersuchen sein, inwieweit Herzog Georg dieser Tradition im Umgang mit der Reformation gefolgt ist. Dazu fordert schon allein die Beobachtung auf, daß kein einziger Lutheranhänger im albertinischen Sachsen seine Glaubensüberzeugungen mit dem Tode büßen mußte.29 Greif bar wird ein Bezug auf die mittelalterliche Tradition zuerst in der Motivation der landesherrlichen Kirchenpolitik. Betrachtet man Georgs Aussagen, so lassen sich beide genannten Argumentationsstränge wiederfi nden: Die Verantwortung des Fürsten vor Gott und die patriarchalische Fürsorge gegenüber den eigenen Untertanen. Das Motiv der Fürsorge für das Seelenheil der Laien spielte in der albertinischen Kirchenpolitik bereits vor der Reformation eine zentrale Rolle. Mit derselben Argumentation versuchte Herzog Georg jetzt den Einfluß reformatorischer Ideen auf seine Untertanen zu begrenzen.30 Die Verantwortung der weltlichen Obrigkeit für das christliche Gemeinwesen scheint im Falle Herzog Georgs noch verstärkt worden zu sein durch das Bewußtsein für die Möglichkeiten des landesherrlichen Kirchenregiments. In seinen Briefen an die Ernestiner aus dem Winter 1521/22 kommt dies deutlich zur Sprache. Mit seiner abwartenden Haltung, so hält Georg Friedrich dem Weisen vor, gefährde der Kurfürst sein eigenes Seelenheil, weil er seiner fürstlichen Verantwortung vor Gott nicht nachkomme: »Und bsorg, unsser her Got wert von den, dy es billich weren solten und nicht thun, groß rach fordern.« 31 Denn es stand für Georg außer Frage, daß Friedrich die Macht besäße, die Reformation zu verhindern! Explizit wirft er dem Kurfürsten im Februar 1522 vor, »das sulchs von a. l. gstat werd [. . .] den leuten, welchen doch a. l. wol staueren kont, mit dem wenigisten, wo sy nur vormerkten, das es a. l. nicht haben wolt.«32 Ins Positive übersetzt fi ndet sich dieser Anspruch Georgs bei seinem Einschreiten gegen die reformationsfreundlichen Herren von Minckwitz zu Sonnewalde, bei dem er sich darauf berief, daß »uns, als zu werentlicher oberkeyt von Gott geordentem gehorsamen fursten, des evangelii Chrysti zu hanthaben und solchen misbreuchen und ketzereyen zu steurn und nicht uberhandzunemen lassen, in alle wege zustehen und gebuhren will«.33 28

Vgl. Gregory, 78–90; Feine, Bd. 1, 389–391; Fürst, Sp. 537. Siehe dazu S. 528–542. 30 So z. B. in der oben zitierten Begründung zum Verbot des Septembertestaments. Vgl. Vorwort Herzog Georgs zu Hieronymus Emsers Ausgabe des Neuen Testaments, Dresden, 1. August 1527, ABKG, Bd. 2, 775–780. 31 Brief Herzog Georgs an Kurfürst Friedrich [Schellenberg, nach 13. November 1521], ebd., Bd. 1, 206–208. 32 Brief Herzog Georgs an Kurfürst Friedrich, Nürnberg, 2. Februar 1522, ebd., 260– 262. 33 Brief Georgs an die Gebrüder Minkwitz, 1524 (wie Anm. 1); vgl. dazu fast wortgleich 29

II. Georgs Sicht auf die Evangelische Bewegung

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Unbestreitbar traf Georg damit auf der politischen Ebene den Kern der Sache: Zwar mag man bezweifeln, ob selbst Friedrich der Weise 1521 noch in der Lage gewesen wäre, die Reformation zu stoppen. Doch sicher ist, daß erst Friedrichs abwartende Haltung der Evangelischen Bewegung den Freiraum eröffnete, sich voll zu entfalten.34 Diese faktische Aussetzung des landesherrlichen Kirchenregiments war vielleicht der wichtigste Beitrag des weisen Kurfürsten zur Reformation. Schon sein Nachfolger Johann reaktivierte das Kirchenregiment, nun um mit seiner Hilfe die Fürstenreformation durchzusetzen. Herzog Georg hingegen hatte sich nicht nur für den Ketzerkampf gegen die Evangelischen entschieden, sondern meinte mit dem landesherrlichen Kirchenregiment auch über die geeigneten Mittel zu verfügen, um den Sieg zu sichern. Das Machtinstrument Kirchenregiment versetzte den Landesherrn in seinen Augen in die Lage, nicht nur bei der Durchsetzung von Reformen in der Kirche, sondern auch im Kampf gegen häretische Abweichungen eine entscheidende Rolle zu spielen.

3. Georgs Gegenstrategien: Sanktionen, Gegenpropaganda und Kirchenreform Die Wahrnehmung der Evangelischen Bewegung durch Herzog Georg beschränkte sich jedoch nicht auf den Vorwurf der Häresie, wie oft auch Sanktionsmaßnahmen im Vordergrund standen. Sein Feindbild von der »vordamten Luteryschen sect«35 besaß noch weitere Facetten. Erst aus dem Gesamtbild ist die Kirchenpolitik des Albertiners wirklich zu verstehen. Denn auch ein Feindbild ist Ergebnis einer Reflexion, und ausgehend von seiner Ursachenanalyse entwickelte Herzog Georg Gegenstrategien, die über den bloßen Ketzerkampf weit hinauswiesen.36 Worin sah also Herzog Georg die Ursachen für den plötzlichen Zuspruch zu einer Häresie im Heiligen Römischen Reich? Drei eng miteinander verbundene Aspekte lassen sich herausarbeiten: 1) Der Unmut der Laien über die Mißstände in der Kirche und im Klerus, 2) die Versuchung, die kirchliche und weltliche Ordnung abzuschütteln, 3) das Streben vieler Geistlicher, den Regeln ihres Standes wie Zölibat und Mönchsgelübde zu entfl iehen. Freilich wäre es eine grobe Verkürzung, Georgs Ursachenanalyse allein auf solch rationale Überlegungen zu beschränken. Denn für den spätmittelalterlichen Menschen war auch die Verführungskraft des Teufels eine reale Größe, mit der zu rechnen war. Gerade bei der Entscheidung für die Häresie mußte das Brief Herzog Georgs an die Stadtgemeinde zu Kölleda, Sangerhausen, 6. Mai 1523, ABKG, Bd. 1, 502 f. 34 Vgl. Kirn, hier v. a. 150–164; Bornkamm, Friedrich; Pallas, Visitationsreise, 67–80. 35 Brief Georgs an die Gebrüder Minkwitz, 1524 (wie Anm. 1). 36 Zur Wahrnehmung der Evangelischen Bewegung siehe auch S. 567–569.

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Zweiter Teil: Die Auseinandersetzung mit der frühen Reformation (1517 – 1525)

Böse am Werke sein, galt Ketzerei doch per se als Werk Satans, der die Menschen durch einen verfälschten Glauben um ihr Seelenheil zu bringen suchte. Auch Herzog Georg sah die Evangelischen als Kinder des Leibhaftigen, wie das eingangs zitierte Gedicht zeigt. Dies muß nicht weiter überraschen, gehörte doch die »Verteufelung« des Gegners zum Standardrepertoire der konfessionellen Polemik.37 Doch gilt es zu betonen, daß dahinter mehr stand als eine bloße Metapher. Die Vorstellung vom Wirken böser Mächte in der Welt fand ihren Weg bis in die Tagespolitik hinein. So erkundigte sich Herzog Georg Anfang 1522 nach dem Schicksal einer Frau aus der Nähe von Eilenburg, »die sol am neuen jarstag under baider gestalt communicirt haben und sey alsbald vom teufel besessen«. Der Fürst zeigte nicht etwa Zweifel an der Geschichte, sondern sorgte sich um die kompetente Durchführung eines Exorzismus, denn dabei kämen oft Scharlatane zum Einsatz. Er empfahl einen erfahrenen Dominikaner aus Pirna und erhoffte sich von der Austreibung des unreinen Geistes sogar »Insiderinformationen« über die Evangelischen: »so verhofen wir, durch den Geist [. . .] solle erfaren werden, was böser hendel die neuen Mammlucken treiben«.38 Wie Martin Luther 39 war auch Herzog Georg in seinem Denken fest in der spätmittelalterlichen Mentalität verankert und nahm deshalb das Wirken des Teufels bei der Abendmahlsfeier Zwillings in Eilenburg für bare Münze, wobei die Gleichsetzung der Evangelischen mit der Gottesgeißel des Türken die Aussage noch verstärkt: Luthers Bewegung ist die neue Gottesgeißel, Prüfung und Strafe für die Christenheit. Bezeichnend ist dabei, wie die Frau aus Wölpern schließlich Heilung erfuhr: Ein Wallfahrtsgelübde, also eine altgläubige Buße für ihre ketzerische Handlung, soll sie wieder zu Verstand gebracht haben.40 Doch woher kam die offenbar gestiegene Bereitschaft, der teufl ischen Verführung zur Ketzerei nachzugeben? Ähnlich wie moderne Historiker zog Herzog Georg eine ganze Bandbreite nicht-religiöser Motive in Betracht, von denen die Entscheidung für die neue Lehre begleitet wurde. Eine naheliegende Erklärung war der Unmut der Laien über die Mißstände im Klerus, ein Phänomen, das häufig mit dem mißverständlichen Schlagwort »Antiklerikalismus« bezeichnet wird.41 Niemand sah dies deutlicher als der Albertiner, eben weil er 37

Vgl. Volkmar, Heiligenerhebung Bennos, 171 f. (mit weiterführender Literatur). Brief Herzog Georgs an die Herzöge Johann d.J. und Friedrich d.J., Nürnberg, 5. Februar 1522, ABKG, Bd. 1, 264–268. 39 In der metaphysischen Einschätzung des Gegners war Georg in bester Gesellschaft mit Luther. Der Reformator meinte nicht nur Georgs Tod auf göttliches Eingreifen zurückführen zu können, sondern hatte auch keine Schwierigkeiten, den Geschichten Glauben zu schenken, die von Teufelserscheinungen beim Tode seines Widersachers Karlstadt berichteten. Vgl. Gordon, Malevolent Ghosts, 87–89 und siehe S. 447 mit Anm. 5. 40 Vgl. Brief der Herzöge Johann d.J. und Friedrich d.J. an Herzog Georg, Dresden, 12. März 1522, ebd., 288–290. 41 Das in der Reformationsgeschichte traditionell verwendete Konzept des Antiklerikalis38

II. Georgs Sicht auf die Evangelische Bewegung

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selbst zu den schärfsten Kritikern gehörte. Luther war auf diesen Zug aufgesprungen und von der Ablaßkritik bis hin zur Adelsschrift hatte ihm der allgemeine Wunsch nach Kirchenreform breite Aufmerksamkeit gesichert. In Georgs Augen mißbrauchte Luther die berechtigte Kritik freilich, indem er die gesamte Kirche in Frage stellte und die Menschen zur Häresie verführte.42 Doch am Erfolg seiner Strategie war nicht zu zweifeln. Die weit verbreitete Unzufriedenheit drohte Fürsten und gemeinen Mann gleichermaßen in die Arme der Ketzerbewegung zu treiben. Jedoch es war nicht nur der Ärger über Mißstände, der die Menschen nach Georgs Meinung dazu brachte, auf Luthers Spiel einzugehen. Er sah sie auch von Motiven getrieben, die alles andere als ehrenwert waren. Wenn die Reformatoren evangelische Freiheit und die Rechtfertigung allein aus dem Glauben predigten, verstand Georg dies als Einladung zu Sittenlosigkeit und Laxheit, ja als Verführung zum Ausbruch aus der kirchlichen Ordnung, die die niedrigsten Instinkte ansprach. In der Schwäche des Menschen sah Georg deshalb Luthers besten Verbündeten, ganz ähnlich übrigens, wie Papst Hadrian VI. es 1522 in seinem berühmten Schuldbekenntnis formulierte.43 Den gemeinen Mann reize die Aussicht auf ein Ende der Fastengebote, der Kaufmann greife erfreut nach einer Ausrede, um die Kosten für die guten Werke einzusparen, den Fürsten treibe die Gier nach dem kirchlichem Besitz. Solche Motive wogen nach Georgs Einschätzung weit schwerer als der gerechte Zorn über die Reformunfähigkeit der Kirche. Den evangelisch gesinnten Reichsfürsten unterstellte er: »Und ist zu besorgen, das vil meher yn gelibet haben das fleisch und die langen dorfer der geistlichen, dan in misfallen [haben] der mißbrauch, darvon ym

mus (vgl. zuletzt Oberman, Anticlericalism; am Bsp. Sachsens Blaschke, Antiklerikalismus) ist in jüngster Zeit von Seiten der Mediävistik stark in die Kritik geraten, wobei auf seine z. T. anachronistischen Implikationen (Säkularisierungstendenzen) und nicht zuletzt auf seinen Entstehungskontext im Kulturkampf des 19. Jahrhunderts aufmerksam gemacht wird. Im Kern stellt sich die Frage, ob »antiklerikale« Proteste als Zeichen einer Entfremdung der Laien von der Kirche und ihrem Wunsch nach Emanzipation von klerikaler »Bevormundung« zu werten sind, oder als systemimmanente Kritik verstanden werden sollten, die darauf zielte, den Klerus zu reformieren, damit dieser seiner zentralen Funktion als Vermittler kirchlicher Gnaden (wieder) gerecht werden konnte. Vgl. Elm, Antiklerikalismus; Schreiner, Antiklerikalismus; für die Reformationsgeschichte rezipiert bei Hamm, Bürgertum, 72 f. 42 Rückblickend formulierte Georg diesen Gedankengang in seiner Vorrede zum Emsertestament: »Dann wie wiewol Luther die sach örstlich anfieng mit eym scheyn eyner vormeynten reformacion und besserung der mißbreuche, so bey geystlichen und weltlichen eyngewurzelt seyn solten, so hat er sich doch folgend mit worten und werken vernhemen lassen, das sein gemüet nit gewest, die sachen zu bessern, sonder gar umbzustoßen.« Vorwort Georgs zum Neuen Testament, 1527 (wie Anm. 30). 43 Vgl. Instruktion Papst Hadrians VI. für Nuntius Francesco Chieregati auf dem zweiten Reichstag zu Nürnberg, [Rom, September 1522], RTA, JR, Bd. 3, 390–399.

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Martinus Luther erstlich den anfang gemacht hat«.44 Schließlich – und dies war Georgs geheime Sorge – war mit der Ablehnung der kirchlichen Ordnung auch der Weg frei für einen Aufstand gegen die weltliche Gewalt. »Nit aleyn eyn fleischliche, sonder auch ein tierisch und teufelische freyheit, [. . .] ungehorsam und blutige aufruhr«45 waren für ihn die Früchte der lutherischen Lehre. Eine Unterstützung für die Reformation assoziierte Georg also eng mit moralischem Verfall. Luther selbst galt ihm dabei als bester Beweis: »Es erscheint auch clerlich in dem, das Martinus vorworfen hat den monchestand und also die monche aus dem closter zu Wittenbergk, daß er destomeher raum hat, mit seyner Kethen zu wohnen; davon sich vor ein ganz convent hat nehren mogen, bekomt ym wol, das er sich selbander in fleischlicher wollust doruf nere. Als der meister, so tuen die schuler«.46 Wie dem Reformator unterstellte Georg allen evangelischen Geistlichen Sittenlosigkeit und Unfähigkeit zum geistlichen Lebenswandel als Motiv für ihre Rebellion gegen die Kirche. Die Mönche würden an ihren Gelübden meineidig, gingen über zur »ablegung yrs habits samt aller zucht, scham und gottesforcht«.47 Die Weltpriester ihrerseits seien nicht im Stande, das Zölibat zu halten, kleideten sich weltlich und gäben sich den Vergnügungen des Wirtshauses hin.48 Seine Untertanen wiederum schätzte Georg als »bose und leichfertig« genug ein, der Verführung nachzugeben.49 Die Anliegen der Evangelischen sah Georg deshalb schon durch ihre moralische Unzulänglichkeit diskreditiert: »Dy alle welt nach sich wollen reformieren / und konnen dach daß winiglest glit ireß leybeß nicht regiren«, wie es im eingangs zitierten Gedicht heißt. Doch ging es Georg nicht allein darum, den Gegner schlechtzumachen. Er verstand seine Vorwürfe, sein Feindbild, auch als eine Problemanalyse, glaubte darin tiefere Ursachen für den Erfolg der Reformation gefunden zu haben. Aus Georgs Wahrnehmung der Evangelischen Bewegung läßt sich deshalb unmittelbar erklären, warum sich seine Politik gegen die Reformation nicht auf obrigkeitliche Sanktionen reduzierte. Denn er leitete aus ihr weitere Gegenstrate-

44 Vgl. Instruktion Herzog Georgs für Dr. Otto Pack zum Augsburger bzw. Speyerer Reichstag, Dresden, 26. Dezember 1525, ABKG, Bd. 2, 461–471. 45 Vorwort Georgs zum Neuen Testament, 1527 (wie Anm. 30). 46 Instruktion Georgs, 1525 (wie Anm. 44). – Zu diesem Aspekt siehe ausführlicher S. 521–527. 47 Vorwort Georgs zum Neuen Testament, 1527 (wie Anm. 30). 48 Einen der ersten evangelischen Priester im albertinischen Sachsen, Jakob Seidel, charakterisiert Georg als einen »maynaydigen pfaffen, der wider sein ayde und gelubde, die er seinem obersten gethan, gehandelt, sich auch rumt, er [habe] sein dirn zu der ehe, [. . .] der sein platten hat verwachsen lassen, einem gemainen layen gleich gangen, mit spilen und zechen auch ander leichtfertigkeit sich [. . .] oftmals erzaiget«. Brief Herzog Georgs an Rat und Gemeinde zu Döbeln, Schellenberg, 9. Dezember 1521, ABKG, Bd. 1, 227 f. 49 Brief Herzog Georg an Herzog Johann d.Ä., Schellenberg, 21. November 1521, ABKG, Bd. 1, 208–211.

II. Georgs Sicht auf die Evangelische Bewegung

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gien ab, mit der er der Evangelischen Bewegung den Nährboden zu entziehen suchte: Weil er sich der Attraktivität der lutherischen Bewegung und ihres propagandistischen Geschicks bewußt war, bemühte sich der Herzog Georg zum einen, die Reformation durch Gegenpropaganda als falsche Alternative zu entlarven. Da »manich fromm, eynfeltig mensch betrogen und verfurt«50 werde, galt seine besondere Aufmerksamkeit den Massenmedien der Zeit, der Predigt und der gedruckten Flugschrift, mit deren Hilfe er den Kampf um die Köpfe aufzunehmen gedachte.51 Inhaltlich verband sich dabei die positive Darstellung der alten Kirche und ihrer Lehre mit Angriffen auf die Ketzerei der Evangelischen und die moralische Fragwürdigkeit ihrer Protagonisten.52 Zum anderen aber war sich Georg bewußt, daß ein bloßes »Weiter so« kaum genügen konnte, wo der Gegner den Auf bruch zu einer besseren Kirche versprach. Angesichts der offensichtlichen Probleme mußte eine erfolgreiche Abwehrpolitik ein echtes Gegenangebot mit konkreten Lösungsvorschlägen für die allgemein beklagten Mißstände bereithalten. Als Strategie zur Krisenbewältigung setze Georg deshalb neben der Stärkung der kirchlichen Ordnung auf eine umfassende Kirchenreform: »dyweyl leyder beyde stende, geistlich und wertlich, dermaßen aus christlicher ordenung kommen [sind], das es an beyden enden einer zymlichen reformacion bedarf«.53 Reform statt Reformation lautete also sein Angebot. Dieses Programm konnte der Albertiner als bekannter Kritiker der kirchlichen Mißstände durchaus glaubhaft vertreten. Georgs altes Ziel der Reform von Kirche und Klerus bekam im Kampf gegen Luther und seine Lehre so plötzlich eine neue Dringlichkeit, wurde gar mitentscheidend für ihren Erfolg. Um die Abwendung der Laien von der alten Kirche zu verhindern, war der Appell zur Kirchenreform, waren auch die konkreten Maßnahmen des Landesherrn zu verstärken. Fast stereotyp fi ndet sich diese Argumentation in Georgs Missiven: Kirchliche Mißstände können »in zeiten diser vorfolgung der kirchen und geistlickeit« nicht mehr toleriert werden, weil »dadurch viel leut, so noch bestendig, geergert werden«, weil sonst die Lutheraner leichtes Spiel haben.54 Eine solche Reform mußte dabei alle Glieder der Kirche umfassen, auch und nicht zuletzt die Laien selbst: »Beyde stende, geistlich und wertlich« wollte Georg reformiert sehen. Eine solche Reform war nicht nur Gegenangebot zur Reformation, sie ver50

Vorwort Georgs zum Neuen Testament, 1527 (wie Anm. 30), 775, 780. Zur zentralen Rolle von Buchdruck und Predigten in der Kommunikation der evangelischen Botschaft vgl. Köhler, Meinungsprofi l, 244–248 (mit Zusammenfassung der maßgeblichen Literatur von Bernd Moeller und Robert W. Scribner). 52 Siehe dazu S. 543–593. 53 Instruktion Georgs, 1525 (wie Anm. 44). 54 Brief Herzog Georgs an Bischof Adolf von Merseburg, Dresden, 12. April 1524, ABKG, Bd. 1, 650 f. 51

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sprach gleichzeitig auch jenen moralischen Verfall von Klerus und Laien zu stoppen, der die Anfälligkeit für die ketzerischen Lehren Luthers erst bedingte und so für den Erfolg der Evangelischen Bewegung mitverantwortlich erschien. Ganz im Sinne der vorreformatorischen Debatten 55 verstand Herzog Georg Reform dabei nicht nur als eine Abfolge administrativer Maßnahmen, sondern als Aufruf zur sittlichen Erneuerung des Einzelnen in der Ausrichtung an den göttlichen und kirchlichen Geboten. Herzog Georg nahm die Evangelischen also nicht nur von Anfang an als eine hussitische Ketzerbewegung wahr, er verstand es auch als seine landesherrliche Aufgabe, sie zu bekämpfen. Dabei konnte er auf die Tradition der mittelalterlichen Ketzerabwehr, aber auch auf konkrete eigene Erfahrungen mit den Hussiten im Erzgebirge zurückgreifen. Der Rückbezug auf die vorreformatorische Kirchenpolitik blieb dabei nicht auf das landesherrliche Kirchenregiment, auf harsche Verfolgungs- und Unterdrückungsmaßnahmen beschränkt. Von Anfang an erkannte der Albertiner, daß ein wirksamer Kampf gegen die Reformation auch jenseits obrigkeitlicher Sanktionen geführt werden mußte. Deshalb gehörten diplomatische Initiativen im Reich und bei benachbarten Fürsten ebenso zur antireformatorischen Politik Herzog Georgs wie Propaganda und Zensur in der reformatorischen Öffentlichkeit. Hinzu trat auf allen Ebenen die energische Fortsetzung der altgläubigen Kirchenreformpolitik, die eine positive Alternative zur Reformation aufzeigen sollte.

55

Vgl. Wolgast, Art. Reform, 321 f.

III. Kirchenpolitik gegen die Reformation auf der Reichsebene (1522–1525) »Wir befi nden, das man draussen im reich vorm Lutter eyn groß entsetzen hat [. . .]. Wollet euch hirumb erkünden, was die ursach sey. Dan wo es redlich und kristlich ursach hette, [. . .] so theten wir thoerlich, das wir also nahe bey ime sitzen und teglich mandat wider yn lassen ausgehen, auch diejenigen in straf nehmen, die seyne lere fordern ader der anhangen.«1

1. Reichstag und Reichsregiment a) Das Regimentsmandat vom 20. Januar 1522 Mit dem Wormser Edikt war Georgs antilutherische Politik zur offiziellen Linie des Reiches geworden.2 Weil Luther durch die Entführung auf die Wartburg von der Bildfläche verschwand, entfiel jedoch zunächst weiterer reichspolitischer Handlungsbedarf. Dies änderte sich im November 1521, als in Dresden jene Vorgänge bekannt wurden, die als »Wittenberger Bewegung« in die Reformationsgeschichte eingegangen sind.3 Im Vorgehen gegen die neue Evangelische Bewegung, die bald auch im albertinischen Sachsen auftrat, hatte zunächst die Einflußnahme auf die Ernestiner für Herzog Georg oberste Priorität – schließlich besaßen sie als Landesherren unmittelbaren Einfluß auf die Vorgänge in Kursachsen. Noch auf dem Weg nach Nürnberg, wo er zum Januar 1522 in das neue Reichsregiment eintreten sollte, verhandelte Georg deshalb mit dem ernestinischen Kanzler Georg Brück.4 Erst als die innerwettinischen Verhandlungen keine Ergebnisse brachten, entschied er sich, seine Ziele auch über das Reich zu 1 Brief Herzog Georgs an Dr. Dietrich von Werthern, seinen Gesandten auf dem zweiten Reichstag zu Nürnberg, Dresden, 11. Dezember 1522, ABKG, Bd. 1, 394–399. 2 Vgl. Edikt Kaiser Karls V., Worms, 8. Mai 1521, RTA, JR, Bd. 2, 640–659; dazu: Kohnle, Art. Wormser Edikt; ders., Reichstag, 85–104. 3 Siehe S. 474–481. 4 Vgl. Brief Dr. Georg Brücks an Herzog Johann d.Ä., [23.–25. Dezember 1521], ABKG, Bd. 1, 232–235; Brief Herzog Georgs an die Herzöge Johann d.J. und Friedrich d.J., Coburg, 25. Dezember 1521, ebd., 235–237.

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verfolgen – ohne den Gesprächsfaden nach Weimar und Wittenberg abreißen zu lassen.5 Dabei ging es ihm auch um die Auswirkungen auf sein eigenes Land. Angesichts der täglichen Nachrichten vom Auftreten der Evangelischen hatte Georg Sachsen nur ungern verlassen, denn er befürchtete ein Übergreifen der Bewegung auf die albertinischen Untertanen, sobald man ihn außer Landes wußte.6 Seinen zu Statthaltern ernannten Söhnen schärfte er äußerste Wachsamkeit gegen die Neuerer ein und ließ sich ständig berichten, griff auch von Nürnberg aus in die heimische Kirchenpolitik ein. So ist es wenig verwunderlich, daß er im Reichsregiment die Vorgänge in Sachsen sogleich auf die Tagesordnung brachte. Der Kampf gegen die Reformation wurde jetzt zum beherrschenden Thema des politischen Agierens Herzog Georgs im Reich. Dabei waren ihm schnell beachtliche Erfolge vergönnt. Binnen weniger Tage gelang es ihm, das Regiment zur Aufgabe seiner bisherigen Zurückhaltung in der Religionsfrage zu bewegen.7 Schon am 20. Januar 1522 erließ es ein Mandat gegen die Evangelischen, das Punkt für Punkt genau jenen Katalog von Neuerungen verurteilte, den Herzog Georg aus den Berichten über die Vorgänge in Kursachsen zusammengestellt hatte.8 Auch in der Folgezeit ließ Georg keine Möglichkeit ungenutzt, um unter den Räten und Fürsten in Nürnberg Stimmung gegen Luther zu schüren.9 Das Regimentsmandat war der erste greif bare Erfolg des reichspolitischen Engagements Herzog Georgs.10 Erstmals richtete sich ein Reichsgesetz gegen die Reformation als Bewegung und benannte ihre konkrete Erscheinungsformen in Liturgie, sozialer Praxis und Kirchenordnung. So erhielt die Bedrohung ein Gesicht, wurde über eindeutig identifi zierbare Symbole und Handlungen greif bar – vor allem für weltliche Obrigkeiten. Dies trägt die Handschrift Georgs.11 Es unterscheidet das Regimentsmandat deutlich vom Wormser Edikt, in dem nur von der falschen Lehre Luthers die Rede gewesen war, die er und seine »mitverwandten, anhengern, [. . .] gönnern und nachvolgern« vertreten würden.12 Vor allem aber erreichte das Regimentsmandat im Gegensatz zum Wormser Edikt den Ursprung der Neuerungen, denn es wurde auch Friedrich dem Weisen zugestellt, was diesen in ernste Sorge versetzte. Von Planitz informiert, 5 So fanden schon am 22. Januar 1522 erneut Verhandlungen zwischen Räten beider Linien statt. Vgl. Protokoll über einen Rätetag zu Naumburg, 22. Januar [1522], ebd., 252 f. 6 Vgl. Brief Georgs an Johann d.J. und Friedrich d.J., 1521 (wie Anm. 4). 7 Offi ziell brachte Georg seine Beschwerden am 14. Januar im Regiment vor. Vgl. Briefe des Hans von der Planitz an Kurfürst Friedrich, Nürnberg, 2./16. Januar 1522, Virck/ Wülcker, 58–62, 67–69. 8 Vgl. Mandat des Reichsregiments, Nürnberg, 20. Januar 1522, ABKG, Bd. 1, 250–252. Zum Katalog der Neuerungen und seiner Bedeutung siehe S. 500–508. 9 Vgl. z. B. Brief des Hans von der Planitz an Kurfürst Friedrich, Nürnberg, 28. Januar 1522, Virck/Wülcker, 71–75. 10 Vgl. auch Kohnle, Reichstag, 105–107; Schulze, Berichte, 68–72; Borth, 131 f. 11 Siehe dazu ausführlicher S. 500–508. 12 Edikt Kaiser Karls V., Worms, 8. Mai 1521, RTA, JR, Bd. 2, 640–659, hier 655.

III. Kirchenpolitik gegen die Reformation auf der Reichsebene

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wußte der Kurfürst um Georgs tragende Rolle und erwartete weitere Angriffe seines ruhelosen Cousins: »Wir besorgen, man wäre uns gerne zu; der man zu Nürenberg feihert [= zaudert] nicht«.13 Es ist als konkretes Zugeständnis an dieses Mandat zu werten, daß der Kurfürst im Sommer 1522 die Visitationsreise des Bischofs von Meißen durch die meißnischen Teile Kursachsens erlaubte.14 Mit dem Regimentsmandat gelang es Georg also erstmals, erfolgreich Druck auf die Ernestiner auszuüben. Erneut bewährte sich die in der Reformpolitik erprobte Strategie, das Reich als Transmissionsriemen für die eigenen Ziele zu nutzen.15 Freilich waren dabei Kompromisse unvermeidbar. So entfernte sich das Regimentsmandat von der härteren Position Georgs, indem es die Neuerungen nicht explizit als Ketzerei verdammte und die Gültigkeit der Verbote bis zu den Entscheidungen eines zukünftigen Konzil terminierte.16 Für die albertinische Kirchenpolitik selbst blieb das Regimentsmandat hingegen ohne Belang. Zur Grundlage für die Verfolgung der Evangelischen Bewegung im Herzogtum Sachsen wurde statt dessen das landesherrliche Religionsmandat vom 10. Februar 1522, das Herzog Georg parallel zu den Verhandlungen am Reichsregiment konzipierte hatte.17 Weniger als Rechtsbasis für die Ketzerbekämpfung im eigenen Land, sondern vor allem als Versuch einer reichsweiten Kirchenpolitik gegen die Reformation ist Georgs Einsatz für das Regimentsmandat zu verstehen, und tatsächlich erreichte es neben den Ernestinern auch Kurfürst Joachim von Brandenburg, Pfalzgraf Friedrich, die Herzöge von Bayern sowie eine Reihe von Bischöfen.18 b) Dresdner Reichspolitik bis zum Bauernkrieg Auch nach seinem Aufenthalt im Reichsregiment19 blieb Herzog Georg einer der Protagonisten antilutherischer Reichspolitik. In Armin Kohnles Untersuchung über die Entwicklung der Religionsfrage auf der Bühne des Reiches erscheint Georg immer wieder in der Rolle des einsamen Mahners, der von Dresden aus versuchte, Reichsregiment und Reichstage zu Maßnahmen gegen 13 Brief Kurfürst Friedrichs an Haubold von Einsiedel, 12. Februar 1522, zitiert nach Pallas, Visitationsreise, 74. 14 Vgl. Kohnle, Reichstag, 109–112; Schulze, Berichte, 70. 15 Siehe S. 173–179. 16 Auch die Anzeige der Vorgänge durch das Regiment beim Kaiser, zu der Georg das Regiment bewegen wollte, unterblieb. Vgl. Kohnle, Reichstag, 106 f. 17 Zum Verhältnis von Reichsgesetzgebung und landesherrlichen Mandaten siehe S. 502– 504. 18 Vgl. Kohnle, Reichstag, 107 mit Anm. 13, 143. 19 Georg gehörte dem Regiment im ersten Quartal 1522 an. In seiner zweiten Amtsperiode, dem dritten Quartal 1523, reiste er zwar zweimal nach Nürnberg, nahm seinen Platz im Regiment jedoch nicht dauerhaft ein. Zum Frühjahr 1525 stellte er nur noch einen Regimentsrat. Vgl. ABKG, Bd. 1, passim; Kohnle, Reichstag, 130.

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Luther anzustacheln.20 Regelmäßig korrespondierte er mit dem Regiment, brachte ihm skandalöse Schriften Luthers zur Kenntnis,21 wies auf die Bedrängung altgläubiger Geistlicher durch die Evangelischen hin 22 und drängte vor allem immer wieder auf ein entschlosseneres Vorgehen. Nachdem Luther im März 1522 nach Wittenberg zurückgekehrt war, forderte Georg ein konsequentes Einschreiten des Reiches gegen ihn: »Ich hette gedacht, itzundt were die rechte zeyt darzu, dieweyl man weiß, wo er ist«. Den ausweichenden Antworten des Regiments setzte Georg entgegen, daß man Gott mehr fürchten müsse als Luther und die Evangelischen.23 Auch auf den Nürnberger Reichstagen drängte der Dresdner Landesherr auf eine Umsetzung des Wormser Edikts. In diesem Sinne solle das Reich Kurfürst Friedrich anweisen, den gegen den Willen des Landesherren zurückgekehrten Luther zu verhaften und auszuliefern, auch gemäß des Regimentsmandats vom 20. Januar gegen evangelische Priester, Mönche, Nonnen und Laien vorzugehen und schließlich durch eine gegenreformatorische Predigtkampagne dafür zu sorgen, »das man den gemainen mann mit gute darvon [= der evangelischen Lehre] [. . .] weise und fure«.24 Die Wechselsprünge der Reichstage in der Lutherfrage hat Georg hingegen kaum rezipiert. Den Nürnberger Reichsabschied und das Regimentsmandat vom 6. März 1523 ließ er zwar auf einem Landtag zu Leipzig verkünden, interpretierte aber dabei die ambivalenten, andernorts lutherfreundlich ausgelegten Formulierungen unbeirrt im Sinne des Wormser Edikts.25 Entsprechend reagierte er auch auf die Beschlüsse des 3. Nürnberger Reichstages. Er schärfte seinen Untertanen das bestätigte Wormser Edikt ein, unterstützte seine Verbreitung durch mehrere Drucke und veranlaßte Universität und Bischöfe zu den geforderten Vorarbeiten für das geplante Nationalkonzil in Speyer.26 Genau wie die evangelischen Fürsten rezipierte Herzog Georg die Beschlüsse des Reiches nur insoweit, als sie seinen eigenen Kurs zu legitimieren schienen.27 20

Vgl. Kohnle, Reichstag, 105–115, 128–131, 135–137, 228–235. Armin Kohnle liefert damit zugleich eine chronologische Übersicht der Reichspolitik Herzog Georgs in den Jahren 1522–25, auf die hier ergänzend verwiesen sei. Vgl. auch Borth. 21 Vgl. Briefe Herzog Georgs an das Reichsregiment, Dresden, 30. April und 3. November 1522 sowie 4. Februar 1523, ABKG, Bd. 1, 315–317; 378 f.; 456–458. 22 Vgl. Brief Herzog Georgs an das Reichsregiment, Langensalza, 3. Februar 1524, ebd., 606. 23 Vgl. Brief Herzog Georgs an Pfalzgraf Friedrich, Statthalter im Reichsregiment, o.O., 4. Juni 1522, ebd., 327–329. 24 Instruktion Herzog Georgs für seine Vertreter auf dem 1. Reichstag zu Nürnberg [Nürnberg, Ende März 1522], ebd., 298–300; vgl. Instruktion dess. für Dr. Dietrich von Werthern und Dr. Otto Pack als Gesandte auf dem 2. Reichstag zu Nürnberg [Leipzig, 27. August 1522], ebd., 342–344. 25 Vgl. Kohnle, Reichstag, 135–137. 26 Vgl. ebd., 230 f.; Aurich, 93–95. 27 Siehe auch S. 502–504.

III. Kirchenpolitik gegen die Reformation auf der Reichsebene

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c) Primat der Innenpolitik: Georgs Verzicht auf weitere Reichstagsbesuche Angesichts des Engagements Herzog Georgs im Kampf gegen die Reformation überrascht die Tatsache, daß der Albertiner nach Worms allen Reichstagen der 1520er Jahre fern blieb und sich lediglich durch Gesandte vertreten ließ. Erst auf dem Augsburger Reichstag von 1530 legte Georg erneut sein persönliches Gewicht für die altgläubige Partei auf die Waagschale. Armin Kohnle hat darauf hingewiesen, daß Rangstreitigkeiten mit dem Haus Wittelsbach um den Vorrang auf der Fürstenbank maßgeblichen Anteil an dieser Abstinenz hatten. Tatsächlich führte Georg den 1521 eskalierten Sessionsstreit zwischen den Nebenlinien der Kurhäuser Pfalz und Sachsen mehrfach als Begründung für seine Abwesenheit an, weil dadurch ganz konkret die Arbeitsfähigkeit des Fürsten auf dem Reichstag in Frage gestellt war.28 Daneben stand aber auch noch ein zweites Motiv. Je stärker die Evangelische Bewegung in Sachsen wurde, desto mehr sah Georg in seiner persönlichen Herrschaftsausübung die Voraussetzung für eine erfolgreiche Abwehr. Schon seinen Dienst im Reichsregiment 1522 hatte er deshalb nur ungern angetreten.29 Seinen nächsten Turnus im Herbst 1523 brach er dann mit der Begründung ab, daß »uns doch groß von noten sein [will], der Lutterischen irrung halben, die bey unsern ansytzenden nackbarn teglich ye mehr und swynder einwurzelen, anheyms zu bleyben, domit wir denselbigen irtum und emporung in unsern landen furkomen [. . .] mogen.«30 Tatsächlich hat er in den folgenden Jahren sein Land nicht mehr verlassen. Ende 1525 begründete er seinen Verzicht auf eine persönliche Teilnahme am geplanten Reichstag zu Augsburg explizit mit der Furcht, daß Luther und sein Anhang nur auf eine solche Gelegenheit warten würden, um im Albertinischen einen Aufstand anzuzetteln.31

28

Vgl. Kohnle, Reichstag, 130, 228, 231 und siehe S. 173–179. – Eine plastische Beschreibung des Sessionsstreits auf dem 2. Nürnberger Reichstag liefert Georgs Gesandter Dietrich von Werthern (vgl. Brief Dr. Dietrich von Wertherns an Herzog Georg, Nürnberg, 29. Dezember 1522, ABKG, Bd. 1, 408–412). Für den auf Martini 1525 ausgeschriebenen Reichstag zu Augsburg verweigerte Georg mit Hinweis auf den Sessionsstreit sogar die Bestallung von Gesandten. Siehe Anm. 31. 29 »Dieweil wir uns den itzunt aus gehorsam ksl. mt. und bwilligung der stande des heiligen reichs aus unserm furstentumb begeben musten, welchs wir nicht mit cleiner bswerunge dieser sache halben [= die Wittenberger Unruhen] teten [. . .]«. Brief Georgs an Johann d.J. und Friedrich d.J., 1521, (wie Anm. 4). 30 Brief Herzog Georgs an Statthalter und Reichsregiment, Leipzig, 1. August 1523, ebd., 545 f. 31 Vgl. Instruktion Herzog Georgs für Johann Spiegel zu einer Werbung an Erzherzog Ferdinand von Österreich, Dresden, 8. Oktober 1525, ebd., Bd. 2, 407 f.; Instruktion Herzog Georgs für Dr. Otto Pack zum Augsburger bzw. Speyerer Reichstag, Dresden, 26. Dezember 1525, ebd., 461–471. – Eine ähnliche Begründung liefert Georg schon für sein Fernbleiben vom 2. Nürnberger Reichstag. Vgl. Brief Herzog Georgs an Dr. Dietrich von Werthern, Dresden, 11. Dezember 1522, ebd., 394–399.

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Zweiter Teil: Die Auseinandersetzung mit der frühen Reformation (1517 – 1525)

Deutlich spricht aus diesen Aussagen ein Primat der Innenpolitik bei der Abwehr der Reformation: Angesichts der Möglichkeiten des Territorialstaats kam dem Reich trotz des Bedeutungszuwachses, den es durch die häufigen Reichstage zweifellos erhielt, eben nur sekundäre Bedeutung zu. Dies galt jedenfalls für eine altgläubige Politik, die mit dem Wormser Edikt und dem Regimentsmandat auf eine grundsätzliche Festlegung des Reiches im Sinne der eigenen Linie verweisen konnte und angesichts der zunehmenden Spaltung von den zukünftigen Reichstagen eher weniger als mehr erwarten mußte. Georgs Prioritätensetzung steht in dabei direkter Kontinuität zu seiner vorreformatorischen Kirchenpolitik. Sie entsprach seinem Sinn für die Verantwortung des Fürsten für die Kirche in seinem Territorium ebenso wie seinem Vertrauen in die Leistungsfähigkeit des landesherrlichen Kirchenregiments als politischem Instrument. Daß dabei auch Enttäuschungen über die uneindeutige oder unentschlossene Haltung vieler Reichsstände mitschwangen, wie sie Georg in Worms 1521 und später im Reichsregiment erlebt hatte, soll damit nicht ausgeschlossen werden.32

2. Jenseits des Reichstags: Einflußversuche auf die Religionspolitik anderer Reichsfürsten a) Die Ernestiner Kaum war die Evangelische Bewegung als neuer Gegner identifi ziert, nahm Georg den innen- wie außenpolitischen Kampf gegen sie auf. Wie in der Luthersache, galten seine ersten Bemühungen dem Versuch, die ernestinischen Vettern von einer antireformatorischen Politik zu überzeugen. Weil das Verhältnis zu Friedrich dem Weisen schon spürbar gespannt war, konzentrierte er seine Bemühungen auf Johann den Beständigen, wohl wissend, daß über diesen auch der Kurfürst zu erreichen war.33 In mehreren Briefen versuchte Georg den drei Jahre älteren Cousin davon zu überzeugen, daß sich die Neuerer mit ihren offenen Verstößen gegen Ritus und kirchliche Ordnung endgültig als Anhänger längst verurteilter Ketzerei zu erkennen gegeben hätten. In seiner Kritik 32

Vgl. Kohnle, Reichstag, 130. »So hab ich nicht underlossen mogen, auer [lib] frauntlich zu schreiben, des selben zcuerinnern, ab a. l. bdoch[t], meynem vettern dem kurfursten wes do von bricht zcu thun [. . .]. Ich wer och unbschwert, neben auer lib mit seyner lib [= Kurfürst Friedrich] dor von zcu handeln, wo ich nicht schauen het, sein lib mocht es von mir nicht zcum besten vorstehen.« Brief Herzog Georgs an Herzog Johann d.Ä., Schellenberg, 21. November 1521, ABKG, Bd. 1, 208–211. Die Entfremdung beider Fürsten spricht auch aus dem Kommentar des Kurfürsten zur Ankunft Herzog Georgs auf dem Wormser Reichstag: »Ich wais in warheit nicht, wie ich mich in disses manes wessen richten sal; weld Got und himel, wir stünden allenthalben in einem besseren vortraun gegen einander«. Brief Kurfürst Friedrichs an Herzog Johann d.Ä., Worms, 16. Dezember 1520, RTA, JR, Bd. 2, 775, Anm. 1. 33

III. Kirchenpolitik gegen die Reformation auf der Reichsebene

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beruft er sich aber nicht einfach auf das Wormser Edikt, sondern entfaltet eine komplexe Beweisführung. Historische, theologische und politische Argumente legen Georgs Wahrnehmung der frühen Evangelischen Bewegung offen. Als Ausgangsthese diente ihm seine 1519 gewonnene Erkenntnis, daß Luther und seine Anhänger unmittelbar an die böhmischen Lehren anknüpften.34 Gleichzeitig bemühte sich Georg als theologisch versierter Laie, die Selbstdarstellung der Evangelischen zu entzaubern. So sei es schlicht unwahr, wenn Luthers Anhänger behaupteten, »das ewangelium sey bey iren gzceiten wider an tag kommen«, denn er sei bereits in seiner Jugend vor vierzig Jahren darin unterwiesen worden.35 Auch solle man Karlstadt nicht glauben, wenn er vorgibt, die Messe nach Art der Apostel halten zu wollen, denn wie diese gefeiert worden sei, gehe aus der Heiligen Schrift gar nicht hervor.36 Der Versuch, die ernestinischen Vettern zum Einschreiten gegen die Reformation zu bewegen, gipfelt schließlich in einem Appell an Fürstenpfl icht und Familienehre. »Unsser eldern und vorfarn«, so mahnt Georg den Cousin, hätten »mit irem leib und gut [. . .] och mit vorgissung ires bluttes«37 gestritten »wider die keczerey, das sacrament in beiden gestalten zu nhemen«, so daß sich die Frage ergäbe: »sult es nun gut seyn, so musten e. g. eltern unrecht gehandelt haben«.38 Wenn Kurfürst Friedrich nicht endlich eingreife, so warnt er, setze dieser nicht nur sein eigenes Seelenheil aufs Spiel, sondern auch das Wohl des Landes. Als mahnendes Beispiel erinnert der Albertiner an Georg von Podiebrad, seinen Großvater, der im Bann sterben mußte, weil er das Abendmahl unter beiderlei Gestalt genommen hatte. Aber er wird noch konkreter: Mit »fride, reichthum und meyrung der bergwerg« habe Gott die Wettiner für ihren Kampf gegen die Hussiten belohnt, nun sei dies alles in Gefahr, denn Häresie bringe unweigerlich Gottes Ungnade, wie das böhmische Beispiel zeige.39 Georgs Warnungen an die Ernestiner künden nicht nur von seiner ehrlichen Empörung über die neuen Hussiten in den eigenen Landen. Sie sind vor allem von der Überzeugung getragen, daß die weltlichen Landesherren in der Pfl icht seien, mit den Mitteln des Kirchenregiments gegen die religiösen Neuerungen vorzugehen.40 Aus Georgs Briefen spricht dabei die Hoffnung, daß sich die Vettern angesichts der neuen Dimension und der zunehmenden Radikalität der 34 Brief Herzog Georgs an Herzog Johann d.Ä., Schellenberg, 21. November 1521, ABKG, Bd. 1, 208–211. 35 Brief dess. an dens., Coburg, 26. Dezember 1521, ebd., 237–241. 36 Brief Brücks an Johann d.Ä., 1521 (wie Anm. 4). Brück gibt hier die mündlichen Aussagen Herzog Georgs wieder. 37 Brief Herzog Georgs an Herzog Johann d.Ä., Schellenberg, 21. November 1521, ABKG, Bd. 1, 208–211. 38 Brief Brücks an Johann d.Ä., 1521 (wie Anm. 4). 39 Brief Herzog Georgs an Herzog Johann d.Ä., Coburg, 26. Dezember 1521, ebd., 237– 241. 40 Siehe S. 478–481.

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Reformation schließlich von Luther abwenden würden. Aufmerksam registriert er mögliche Anzeichen für einen solchen Gesinnungswandel.41 Doch die Ernestiner reagierten auch auf die neuen Mahnungen Georgs mit der in der Luthersache erprobten Hinhaltetaktik. Dies rief in Dresden schließlich eine gewisse Ermüdung hervor. Georg fand keine Möglichkeit, mit seinen Argumenten bei den Vettern durchzudringen, weil diese den spätmittelalterlichen Konsens über Kirchenwesen und Kirchenregiment aufgekündigt hatten. Nachdem er im März 1522 anläßlich der Rückkehr Luthers nach Wittenberg noch einmal alle Neuerungen der Evangelischen angeprangert und Friedrichs Einschreiten gefordert hatte,42 vermied Georg in der Folge grundsätzliche Anklagen, die offenkundig wenig fruchteten, aber das wichtige innerwettinische Verhältnis immer mehr belasteten. So blieben in den nächsten Jahren selbst ausgesprochen alarmierende Nachrichten über die Entwicklung der ernestinischen Kirchenpolitik ohne Kommentar aus Dresden.43 Statt dessen konzentrierten sich Georgs Beschwerden nun auf jene Aktivitäten der Evangelischen, die vom ernestinischen Sachsen ausgehend unmittelbar auf seinen eigenen Machtbereich zurückwirkten, gegen die er also als Betroffener um so schärfer argumentieren konnte. Diese Beschwerden sind somit schon im Kontext der territorialen Kirchenpolitik Georgs zu sehen. Anlaß gab vor allem das Auftreten evangelischer Prediger im gemeinsam regierten Schneeberg oder in exponierten ernestinischen Exklaven wie dem Städtchen Buchholz in der Nachbarschaft von St. Annaberg. Als prototypisch kann auch die erste Beschwerde dieser Art gelten, bei der Georg Anfang Mai 1522 eine Supplik des albertinischen Propstes zum Petersberg zum Anlaß nahm, um beim Kurfürsten über die Bedrängung der dem Propst unterstehenden Geistlichkeit im ernestinischen Eilenburg Klage zu führen.44 Dies bedeutete freilich keineswegs, daß Georg seine Vetter grundsätzlich aus der Verantwortung für die Reformation entlassen hätte, wie schon seine oben skizzierten Forderungen an Reichstage und Reichsregiment gezeigt haben. 41 Hoffnungsvoll vermerkte Georg etwa das Befremden Kurfürst Friedrichs über die Neuerungen der Wittenberger Augustinereremiten in der Messe (vgl. Brief Herzog Georgs an Herzog Johann d.Ä., Schellenberg, 21. November 1521, ebd., 208–211) und knüpfte an Friedrichs Vorgehen gegen einen Störer der Messe in der Schloßkirche die Hoffnung, dieser habe nun »sauberlich angfangen«, gegen die Reformation vorzugehen. Brief dess. an dens., Coburg, 26. Dezember 1521, ebd., 237–240. 42 Vgl. Brief Herzog Georgs an Kurfürst Friedrich [Nürnberg, 21. März 1522], ebd., 293– 295. 43 Als Beispiel genannt sei ein Bericht des Leipziger Juristen Georg von Breitenbach, der als Syndikus mehrerer ernestinischer Klöster und Stifte aus erster Hand über die zunehmend klosterfeindliche Politik des Wittenberger Hofes nach dem 3. Nürnberger Reichstag zu berichten wußte. -Vgl. Brief Dr. Georgs von Breitenbach an Herzog Georg, Leipzig, 7. April 1524, ebd., 638–640. 44 Vgl. Brief Herzog Georgs an Kurfürst Friedrich, Leipzig, 8. Mai 1522, ABKG, Bd. 1, 324. Vgl. Kirn, 115 f.

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Kurfürst Friedrich sah Georgs Aktivitäten denn auch mit weitaus mehr Sorge, als dieser ahnte. Über seine (gewohnt ausweichende) Antwort auf Georgs erneute Forderung nach Auslieferung Luthers im März 1522 machte der Kurfürst seinem Bruder folgende Mitteilung: »Ich habe meinem Vetter wieder geschrieben, und wollte Gott, ich hätte es wohl getroffen. Wäre meine Notdurft wohl. Man sagt mir seltsam Ding, was man vielleicht gegen mich vornehmen will als einen, der in des Kaisers Acht sein soll, darum, dass doctor Martinus zu Wittenberg ist«.45 In der Folgezeit verdichteten sich die Gerüchte um einen päpstlichen Ketzerprozeß gegen Friedrich und den Plan, ihn der Kurwürde zu entsetzen. Tatsächlich wurden sowohl in Rom als auch am Hofe Erzherzog Ferdinands in Innsbruck solche Ideen diskutiert.46 Entgegen des Generalverdachts des Kurfürsten gibt es für eine Beteiligung Herzog Georgs an einer solchen Verschwörung jedoch keinerlei Hinweise. Wenn er Planitz im Juli 1523 auf diese Gefahren hinwies, so geschah dies wohl aus echter Sorge um das Wohl der Dynastie und gleichzeitig aus dem Streben heraus, den Druck auf die Ernestiner in der Luthersache zu erhöhen.47 Freilich ist dieser Verdacht auch von Historikern immer wieder gern aufgegriffen worden.48 Zu groß scheint die Faszination, die Konfl iktstellung des Schmalkadischen Krieges auf die vorige Generation zu übertragen. Doch bleibt die Tatsache, daß die überaus dichte Überlieferung von Briefen, Memoranden und Konzepten aus Georgs Kanzlei, vor allem auch die in den Jahren 1522/23 intensive Korrespondenz mit Prokuratoren und Kurialen in Rom, keinen einzigen Beleg für diese These liefert.49 Die späteren Ambitionen seines Neffen Moritz lagen Herzog Georg offenbar fern. Eine Erhöhung des politischen Drucks auf Kursachen war auch Georgs Interesse in der umfangreichen Korrespondenz, die er Anfang 1523 mit den Ernestinern um den ersten persönlichen Angriff Luthers auf seine Person in der Missive an Hartmut von Cronberg führte.50 Auf Empfehlung seiner Räte wandte

45 Brief Kurfürst Friedrichs an Herzog Johann d.Ä., 9. April 1522, zitiert nach Pallas, Visitationsreise, 74. In einem weiteren Schreiben vom 25. Mai 1522 heißt es: »mögen wir wohl glauben, daß unser Vetter in dem und andern unsern Unglimpf und Nachteil sucht« (zitiert nach ebd.). 46 Vgl. Schulze, Berichte, 76–86; Kirn, 147–149; Pallas, Visitationsreise, 74–76, Kalkoff, Prozeß, 406–409. 47 Vgl. Brief des Hans von der Planitz an Kurfürst Friedrich, Nürnberg, 15. Juli 1523, Virck/Wülcker, 488–490. – Noch im Herbst 1524 warnte Georg am Rande der Hochzeit seiner Tochter Magdalena den ernestinischen Rat Friedrich von Thun, der Kaiser wolle den baldigen Frieden mit Frankreich dazu nutzen, gemeinsam mit dem Papst Krieg gegen den Kurfürsten zu führen und der Dynastie die Kur zu nehmen. Vgl. Brief Herzog Johanns d.Ä. an Kurfürst Friedrich, Weimar, 20. November 1524, ABKG, Bd. 1, 767 f. 48 Vgl. z. B. Borth, 143. 49 Vgl. ABKG, passim. 50 Siehe S. 471–473.

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sich Georg deshalb an Friedrich den Weisen.51 Seiner neuen Taktik entsprechend, enthält das Schreiben aber keine direkte Forderung, gegen Luther vorzugehen. Vielmehr akzeptiert Georg vordergründig Friedrichs »Neutralität«, um diesen gleichzeitig zu nötigen, als Familienoberhaupt Rat zu erteilen, wie Georg seine Ehre gegen Luther verteidigen könne! Diesen Rat geben zu müssen, hat Friedrich in langer Hinhaltetaktik zu vermeiden versucht. Georg ließ jedoch nicht locker und hielt den Wittenberger Hof unter Druck.52 Zwei Monate und zahlreiche Ausflüchte später erteilte Friedrich schließlich seinen wohlformulierten Ratschlag für den Lutherfeind Georg. In geradezu grotesker Weise verleugnet Friedrich dabei jede eigene Position zu Luther. Als wäre er nicht selbst Landesherr zu Wittenberg bezieht er sich lediglich auf die Informationen, die Georg ihm gab: Da Georgs Räte mitgeteilt hätten, so schreibt Friedrich der Weise, »das doctor Martinus ain abtrunniger verlaufner munch, declarirter ketzer, [und] von bebstlicher haylichkeit verbant« sei, sei dieser offenbar so ehrlos, daß ein gerichtliches Vorgehen gegen ihn zu Herstellung von Georgs Ehre unnötig erscheine.53 Georg bemühte sich also auf vielfältige Weise, die Ernestiner wegen ihrer Haltung zu Luther und zur Evangelischen Bewegung unter Druck zu setzen. Was er erreichte, war eine gewisse Beunruhigung bei den politischen Köpfen wie Planitz oder dem Kurfürst selbst, die sich zuweilen in der Mahnung an Luther niederschlug, den Albertiner zu schonen.54 Die grundsätzliche Einstellung der Vettern zu ändern und ihnen seine eigenen kirchenpolitischen Prämissen aufzunötigen, gelang Georg freilich nicht einmal im Ansatz. b) Andere Reichsstände Auch andere Reichsfürsten versuchte Herzog Georg immer wieder für seinen antireformatorischen Kurs zu gewinnen. Bekannt ist sein Briefwechsel mit dem Schwiegersohn Philipp von Hessen, bei dem die persönlichen Glaubensüberzeugungen ausführlich zur Sprache kamen.55 Aber auch auf den Hochmeister Albrecht von Brandenburg versuchte er Einfluß zu nehmen, indem er ihn über seinen Bruder warnte, eine Hinneigung zum Luthertum würde dem Orden die

51 Vgl. Brief Herzog Georgs an Kurfürst Friedrich, Dresden, 17. Januar 1523, ABKG, Bd. 1, 438–440; Gutachten herzoglicher Räte [3.–17. Januar 1523], ebd., 419–421. 52 Vgl. ebd., 444–474, passim. 53 Brief Kurfürst Friedrichs an Herzog Georg, Lochau, 4. März 1523, ebd., 474–476. 54 Vgl. Schulze, Berichte; Kunst, 288–316. 55 Der Briefwechsel ist nach älteren Zusammenstellungen von Seidemann und Friedensburg am bequemsten in den ABKG zu benutzen. Vgl. Seidemann, Briefwechsel; Friedensburg, Georg und Philipp; ABKG, passim. Zur Interpretation vgl. zuletzt Wolter, Religionsgespräche.

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Unterstützung des Reiches und damit im Kampf mit dem Königreich Polen das politische Überleben kosten.56 Wo es ihm möglich war, erweitete Georg sein Werben durch handfesten Druck. Unter der Federführung Kardinal Albrechts beteiligte er sich an der Anzeige der Stadt Magdeburg wegen Mißachtung des Wormser Edikts vor dem Reichskammergericht.57 Als der böhmische Graf Sebastian Schlick 1522 in seiner Pfandherrschaft Elbogen eine lutherisch geprägte Kirchenordnung erließ, reagierte Herzog Georg mit fi nanziellen Pressionen. Er konfrontierte Schlick, den er noch 1504 bei einem Aufstand der verpfändeten Königsstadt Elbogen militärisch unterstützt hatte, mit der Rückforderung seiner Kredite, falls er die obrigkeitliche Einführung der Reformation fortsetze.58 Gleichzeitig ließ Georg zu, daß mit Unterstützung seines Hof kaplans Emser eine Widerlegung der Elbogener Kirchenordnung in Dresden gedruckt wurde.59 Dem Grafen Albrecht von Mansfeld verweigerte er 1526 wegen seines Bekenntnis zu Luther sogar die Belehnung mit dem Besitz eines verstorbenen Vetters. Noch 1534 bemühte sich der Mansfelder vergebens um das Lehen.60 Letztlich scheint es Georg jedoch in keinem Fall gelungen zu sein, einen seiner Fürstenkollegen umzustimmen. Gerade Georgs Beziehung zu Philipp von Hessen macht dabei deutlich, welche Brisanz die Religionsfrage bald für die politische Tektonik des Reiches entwickelte.61 Binnen weniger Jahren wurden die Konstellationen in Mitteldeutschland durch sie grundstürzend umgekehrt. In der Vorreformation war die Erbverbrüderung zwischen den hessischen Landgrafen und den Wettinern eine politische Konstante der Region gewesen.62 Auf die Probe gestellt wurde sie zuletzt, als das Haus Brabant 1509 mit dem frühen Tod Wilhelms II. in eine Herrschaftskrise geriet. In dieser Situation trug Herzog Georg durch ein 1514 geschlossenes Bündnis maßgeblich dazu bei, die angefochtene Position der Landgrafenwitwe Anna von Mecklenburg und ihres unmündigen Sohnes Philipp zu festigen.63 Die Ernestiner hingegen ergriffen für die ständische Opposition Partei, worauf hin Anna und Philipp zu ihnen auf deutliche Distanz gingen. Das Bündnis Marburg-Dresden hingegen wurde bald durch eine Doppelehe zusätzlich betont: Philipps Schwester Elisabeth heiratete 1515 Georgs ältesten Sohn Johann, während Philipp selbst sich 1524 mit Georgs Tochter 56 Vgl. Brief Herzog Georgs an Markgraf Kasimir von Brandenburg [Dresden], 2. Januar 1524, ABKG, Bd. 1, 599 f. Zu Georgs Beziehungen zum Deutschen Orden siehe S. 179–189. 57 Vgl. Kohnle, Reichstag, 232 (mit Angabe der Quellenstücke in den ABKG). 58 Vgl. Brief Herzog Georgs an die Grafen Sebastian und Albrecht Schlick [Meißen, 21. März 1524], ABKG, Bd. 1, 621 f. Vgl. Rogall; Clemen, Elbogener Kirchenordnung. 59 Siehe S. 586. 60 Vgl. Bräuer, Konfl ikt, 285, 297 f. 61 Zu Philipp vgl. zuletzt Heinemeyer, Philipp; Cahill; Braasch-Schwersmann/ Schneider/Winterhager. 62 Vgl. Rudersdorf, Erbverbrüderung, 35–38. 63 Vgl. Bündnisgesuch Landgräfi n Annas, 25. März 1514, Glagau, Bd. 1, 355–359.

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Zweiter Teil: Die Auseinandersetzung mit der frühen Reformation (1517 – 1525)

Christine verband. Die zeitweilige Anwesenheit des albertinischen Prinzen Johann am hessischen Hof stützte Annas Vormundschaftsregierung.64 Georgs Diplomatie, die sich auf thüringisch-hessische Adlige wie Sittich von Berlepsch d.J. stützte,65 hatte das Bündnis mit Hessen also festigen können, durchaus mit einer Spitze gegen die Ernestiner. Noch im Sommer 1523 berichtete Planitz dem Kurfürsten in besorgtem Ton über Gerüchte, nach denen eine von Georg und Philipp geleitete Reichsexekution gegen Kursachsen im Raum stünde.66 Die Entscheidung des Landgrafen für die Reformation im Sommer 1524 war für ihn ebenso eine Überraschung wie für Georg.67 Einmal eingeleitet aber verkehrte Philipps Hinwendung zum Luthertum die politische Konstellationen binnen kürzester Zeit ins Gegenteil. Während das Vertrauensverhältnis zum Schwiegervater Georg in einem zweijährigen Briefwechsel über die Religionsfrage zerbrach, wurden Philipp und Kurfürst Johann enge politische Partner. Die Entscheidung pro oder contra Luther erwies sich als das Kraftfeld, in dem sich die politischen Allianzen nach dem Primat des Religiösen neu auszurichten hatten. c) Der Bauernkrieg Den Bauernkrieg von 1525, der vor allem weite Teile Thüringens erschütterte und mit der Zerstörung zahlreicher Klöster einherging, hat Herzog Georg als Auf begehren der Evangelischen Bewegung verstanden, die damit endgültig ihre Maske abnahm und sich als aufrührerisch zu erkennen gab. Daß die Nordthüringer Bauern durch die chiliastischen Prediger Heinrich Pfeiffer und Thomas Müntzer geführt wurden, verstärkte diesen Eindruck. Ihr Aufstand galt Georg als schlechte Frucht der Lehre Luthers, als letzter Beweis für die Irrigkeit der Reformation.68 Tatsächlich hatte Herzog Georg schon längere Zeit mit der 64

Vgl. Rudersdorf, Hessen, 261; Werl, Elisabeth, 55–63. – Mit Hinweis auf die unsichere politische Situation in Hessen versuchte Landgräfi n Anna, den Aufenthalt Johanns in Marburg zu verlängern: »Lassen wir uch wiessen, das es unns beswerlich ist, dennselbigen unnsern leibenn sone [= Herzog Johann] zu dieser zceit unnd inn dießenn leufftenn, die itzt allennhalbenn unnd sonderlich dem furstenthumb zu Hessen zuenntkegenn vor augen sein, von unns unnd unserm lieben sone lanndtgrave Philippsen zuschicken«. Brief Landgräfi n Annas von Hessen an die albertinischen Räte Christoph von Taubenheim und Hermann von Pack [1516/17], StA Marburg, Bestand 2 (Politisches Archiv), III. B. 55a), unpag. – Eine eingehendere Untersuchung dieser für die Reformationsgeschichte bedeutsamen politischen Konstellationen wird vom Verfasser vorbereitet. 65 Zu Berlepsch siehe S. 103–108. 66 Vgl. Schulze, Berichte, 85. 67 Vgl. z. B. Brief Sittich von Berlepschs an Herzog Georg, [Langensalza] 25. Februar 1522, ABKG, Bd. 1, 280–283. 68 »Schaue nur zu, was jammer du myt deyner lehre angericht, das umb dye osterliche zeyt im 25. jar in Deuczschenn landen nahe 100.000 streytbarer menschen haben must umbracht werden. Was ist anders ursach, dan dye unwyrdige handelung des h. sacraments?« Konzept Herzog Georgs zur Flugschrift »Widder Luthers trostung ann die Christen zu Hall« [Novem-

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Möglichkeit eines Aufstandes gerechnet, wobei er gerade Müntzers Wirken in Allstedt als besondere Gefahr ansah.69 Ein Religionsmandat von 1524 forderte bereits besondere Wachsamkeit gegenüber jenen, die »under der gemeyne der dörffer [. . .] emporung und auffrur wyder die oberkeyt yn ungehorsam zuerwecken« versuchten.70 Dem militärischen Kampf gegen den Aufruhr hat sich Herzog Georg mit großer Energie angenommen, wobei noch einmal die alte Allianz mit Hessen zum Tragen kam. Für dieses eine Mal schienen auch Georgs Appelle an die Ernestiner, gemeinsam gegen die Reformation vorzugehen, auf fruchtbaren Boden zu fallen, zwar nicht beim todkranken Kurfürsten, aber bei seinem Weimarer Bruder Johann.71 Doch das letzte Zusammengehen der konfessionellen Gegner währte nur so lang wie die unmittelbare Gefahr für ihre Herrschaft. Den Sieg von Frankenhausen am 15. und die Hinrichtung Müntzers am 27. Mai 1525 versuchte Georg als Gottesurteil gegen die Reformation zu deuten.72 Weder Philipp von Hessen noch Kurfürst Johann waren freilich bereit, Georgs Sichtweise zu teilen. Dem Dessauer Bündnis vom 19. Juli 1525, in dem Georg die Fürsten gegen einen erneuten Bauernaufstand einen und auf seinen antireformatorischen Kurs verpfl ichten wollte, traten sie nicht bei, sondern begründeten im folgenden Jahr ein Gegenbündnis in Torgau – die Epoche konfessioneller Bündnisse im Reich hatte begonnen.73 Dennoch bemühte sich Georg wo er konnte, den Sieg gegen die Bauern für seine antireformatorische Politik zu instrumentalisieren, sei es als Argument in der reformatorischen Öffentlichkeit, sei es als konkrete Chance zur Gegenreformation, die er 1525 in der Reichstadt Mühlhausen ergriff.74

ber 1527], ABKG, Bd. 2, 818–836, hier 830; »[. . .] wen seynt mehr emporung wider die obrikeyt gescheen, den aus deynem ewangelio? [. . .] Hirumb eben die frucht, die machen uns eyn großen grau und abschau deyner lehr und ewangeliums«. Brief Herzog Georgs an Martin Luther, Dresden, 28. Dezember 1525, ebd., 472–478. Siehe auch S. 463, Anm. 76. 69 Vgl. Brief Herzog Georgs an den Amtmann zu Sangerhausen, Dresden, 16. Juli 1524, ABKG, Bd. 1, 704–706. 70 Gedrucktes Ausschreiben Herzog Georgs [1524], Loc. 10300/2, Bl. 25b –26 a . 71 Als klassische Darstellung zum Bauernkrieg vgl. noch immer Franz; zum Einstieg in die Forschung vgl. Blickle, Bauernkrieg; Press, Bauernkrieg. Zum Bauernkrieg in Mitteldeutschland vgl. die Quelleneditionen Merx/Franz/Fuchs; ABKG, Bd. 2; Held/Hoyer (mit dem neuesten Literaturüberblick); exemplarisch für die Forschungen zur »Frühbürgerlichen Revolution« in der DDR, hier mit Bezug auf das albertinische Sachsen: Steinmetz/ Czok. 72 »Es ist offenbar am tag, was grausamer ufruhr in unsern landen entstanden aus dem Lutherischen ewangelio, den der almechtige Got durch sein gotlich gnad vormittelst unser person und unser hern und frund, auch unser getrauen undertanen hulf gewendt.« Instruktion Georgs für Otto Pack, 1525 (wie Anm. 31). 73 Vgl. Abschied zu Dessau [19. Juli 1525], ebd., 352 f.; Rabe, 317 f. 74 Siehe S. 567–569, zu Mühlhausen siehe S. 552 f.

IV. Landesherrliche Mandate: Die Grundlagen der Verfolgung im albertinischen Sachsen »Ist not disem irtumb zu widerstehn mit allen kreften, mit allem vermogen und aller macht bis in tod. Denn Got hat uns allen dise handlung vor verkundt und endlich beslossen, wer da verhar und bestendig pleib bis an das end, der werd selig [Mt 10,22].«1

1. Der Bedrohung ein Gesicht geben Für Georgs Umgang mit der Reformation wurde der Rückgriff auf das vor der Reformation entwickelte landesherrliche Kirchenregiment zum zentralen Ansatz. Die erprobte Zusammenarbeit von landesherrlicher Zentrale, lokalen Amtsträgern und geistlichen Instanzen, die sich etwa bei der Disziplinierung des Niederklerus bewährt hatte, sollte nun für den Kampf gegen die Evangelische Bewegung zum Einsatz kommen. Doch wenn die weltlichen Amtsträger der Landesherrschaft gegen die neuen Ketzer vorgehen sollten, mußte erst eine entscheidende Voraussetzung geklärt werden: Woran war der Gegner für sie, die über keine theologische oder kirchenrechtliche Bildung verfügten, sicher zu erkennen? Diese Frage wog um so schwerer, als die Unterschiede zwischen Reformation und altgläubiger Kirchenreform den Zeitgenossen erst langsam bewußt wurden. Nur wenn die Bedrohung für die Amtleute und Stadträte defi niert und dadurch operationalisierbar gemacht werden konnte, bestand die Hoffnung, daß sie ihre Rolle als Augen, Ohren und Arm des Landesherrn erfüllen konnten. Davon aber hing die Effizienz des Kirchenregiments in entscheidenden Maße ab. Das Wormser Edikt half hier jedoch kaum weiter, denn es sprach nur von den Irrlehren des Martin Luther. Wie aber sollte ein weltlicher Amtsträger einen Verdächtigen sicher als Lutheraner überführen, wenn selbst der Schlachtruf der Bewegung – die Forderung nach der Verkündigung des Evangeliums – kei-

1 Instruktion Herzog Georgs für seine Vertreter auf dem 1. Reichstag zu Nürnberg [Nürnberg, Ende März 1522], ABKG, Bd. 1, 298–300.

IV. Landesherrliche Mandate

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neswegs eine eindeutig ketzerische Aussage darstellte, weil sie ebenso zu den erklärten Zielen der albertinischen Kirchenpolitik gehörte? 2 Herzog Georg hat dieses Problem früh erkannt und sich darum bemüht, dem Gegner ein klares Gesicht zu geben. Zwar war er persönlich sehr wohl in der Lage, Luthers Lehren auf der theologischen Ebene zu identifi zieren, doch in seinen Richtlinien für das Kirchenregiment verengte er den Blick wohl ganz bewußt auf die für jedermann sichtbaren Äußerlichkeiten. Ausgehend von konkreten Berichten, wie sie ihm etwa über die Neujahrsmesse Gabriel Zwillings in Eilenburg vorlagen, entwarf Georg im Winter 1521/22 eine Art Steckbrief des neuen Gegners, in welchem er ihn über ein Set äußerer Merkmale und symbolischer Handlungen defi nierte: Danach tragen evangelische Mönche weltliche Kleidung, evangelische Priester nehmen Frauen, evangelische Laien empfangen den Kelch. Dies waren freilich nicht bloße Äußerlichkeiten, sondern zugleich handfeste Verstöße gegen die christliche Religion, wie sie sich in der Tradition der Kirche manifestierte. Georgs Katalog der Neuerungen fi ndet sich zuerst in den Briefen an die Ernestiner aus dem November 1521, dann in seiner Beschwerde beim Reichsregiment am 14. Januar 1522.3 Durch das Mandat des Reichsregiments vom 20. Januar 1522 erreichte der Albertiner die Aufnahme seines Katalogs von Erkennungsmerkmalen in die antilutherische Reichsgesetzgebung. Das Wormser Edikt wurde so gleichsam um einen Steckbrief der Evangelischen Bewegung erweitert. An die eigenen Amtleute schließlich gab Georg den Katalog im landesherrlichen Mandat vom 10. Februar weiter.4 Um im Auftrage Herzog Georgs Ketzer aufzuspüren, mußte man von nun an kein Theologe mehr sein. Jeder weltliche Amtsträger konnte Augenmerk haben auf Mönche, die ihre Klöster verließen und weltliche Kleider trugen oder Priester, die Frauen zur Ehe nahmen. Die Verwendung der deutschen Sprache in der Liturgie, der Verzicht auf Meßgewand und geweihtes Meßgeschirr oder eine Kinderkommunion ließen sich durch einen einfachen Kirchenbesuch auf2

Vehement wehrte sich Herzog Georg gegen die Vereinnahmung der Vokabeln »Evangelium« und »evangelisch« durch Luther und die Reformation. Vgl. z. B. Brief Herzog Georgs an Herzog Johann d.Ä., Coburg, 26. Dezember 1521, ebd., 237–241. Ein neuentdecktes Mandat Herzog Georgs aus dem Jahre 1524 konnte deshalb ausdrücklich fordern, »das das heylig ewangelium und wort Gots dem volcke geprediget sal werden«, ohne das Georg damit eine Annäherung an die Reformation verbunden hätte (Gedrucktes Ausschreiben Herzog Georgs [1524], Loc. 10300/2, Bl. 25b –26a). Auf dieser Linie liegt auch der Entschluß zur Publikation des Emsertestaments (siehe S. 577–579) und die unten in Abschnitt 4 angeführte Äußerung Sittich von Berlepschs. 3 Vgl. z. B. Brief Herzog Georgs an Herzog Johann d.Ä., Schellenberg, 21. November 1521, ABKG, Bd. 1, 208–211. Zu Georgs Eingabe beim Reichsregiment vgl. Briefe des Hans von der Planitz an Kurfürst Friedrich, Nürnberg, 2./16. Januar 1522, Virck/Wülcker, 58–62, 67–69. Daneben liegen dem Katalog Berichte über die Neujahrsmesse Gabriel Zwillings auf dem Schloß zu Eilenburg zugrunde. Vgl. dazu ABKG, Bd. 1, 247, Anm. 3. 4 Vgl. Gedrucktes Ausschreiben Herzog Georgs, Nürnberg, 10. Februar 1522, ABKG, Bd. 1, 269–271.

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decken. Und jeder Amtmann wußte nun, woran er war, wenn ein Priester den Laien das Sakrament in beiderlei Gestalt, ohne vorherige Beichte oder gar nach einer Mahlzeit reichte.5 Eine effektive Kontrolle des Verbots durch die weltliche Obrigkeit wurde so erst möglich.

2. Reichsgesetzgebung vs. landesherrliche Mandate Für die Verfolgung der Evangelischen im albertinischen Sachsen blieb das Mandat des Reichsregiments, das Herzog Georg vor allem als Druckmittel gegen die Ernestiner einsetzte,6 von untergeordneter Bedeutung. Statt dessen entwarf der Albertiner zur selben Zeit ein erstes landesherrliches Religionsmandat, das allein die Grundlage für die Sanktionspolitik im Territorium wurde. Im Entwurf am 10. Januar 1522 – also noch vor dem Regimentsmandat – vorliegend, wurde es am 10. Februar 1522 verkündet.7 Auch das landesherrliche Mandat beginnt mit einem Steckbrief der Evangelischen Bewegung. Doch in seiner Gangart war es noch deutlich härter. Durch die ausdrückliche Bezugnahme auf Bannbulle und Wormser Edikt ließ das Februarmandat keinen Zweifel daran, daß die aufgeführten Neuerungen in direkter Verbindung zur verurteilten Häresie Martin Luthers standen und damit als ketzerisch anzusehen waren. Hier wich Georg klar vom Kompromißcharakter des Reichsregimentsmandats ab, das den Ketzereivorwurf vermied und die Prüfung (und damit die mögliche Bestätigung) der Neuerungen durch ein Konzil in Aussicht stellte.8 Der Umgang Herzog Georgs mit dem Reichsregimentsmandat, das er selbst erwirkt hatte, wirft in aller Schärfe die Frage nach dem Verhältnis von Reichsgesetzgebung und landesherrlicher Kirchenpolitik auf. Angesichts der antireformatorischen Einstellung Herzog Georgs scheint seine Haltung zu den antilutherischen Reichsgesetzen eigentlich vorgezeichnet. Wenn irgend jemand, mußte nicht er daran interessiert sein, das Wormser Edikt und das Regimentsmandat Punkt für Punkt in seinem Territorium umzusetzen? Doch die Tatsachen sprechen eine andere Sprache: Beide Reichsgesetze sind in Herzog Georgs Landen nicht einmal veröffentlicht worden! 9 5 Vgl. ebd.; Mandat des Reichsregiments, Nürnberg, 20. Januar 1522, ABKG, Bd. 1, 250– 252. 6 Siehe S. 487–489. 7 Vgl. Ausschreiben Georgs, Februar 1522 (wie Anm. 4); Zur Datierung des Entwurfs vgl. Brief Herzog Georgs an Herzog Johann d.J. und Herzog Friedrich d.J., Nürnberg, 10. Januar 1522, ABKG, Bd. 1, 247 f. 8 Siehe S. 487–489. 9 Erst im Sommer 1524 hat Herzog Georg auf ausdrücklichen kaiserlichen Befehl das vom 3. Nürnberger Reichstag bestätigte Wormser Edikt publiziert, beim Reichsregimentsmandat unterblieb dies gänzlich. Auf das Ausbleiben einer früheren Publikation verweist z. B. das Fehlen von landesherrlichen Begleitausschreiben, Drucken oder Verteilerlisten, wie sie dann

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Statt dessen zeigt Georgs Beispiel, daß auch die Luthergegner unter den deutschen Fürsten die Reichsgesetzgebung nur als grobe Richtschnur für ihre Kirchenpolitik ansahen und sie keinesfalls unmittelbar umsetzten – selbst wenn sie inhaltlich mit ihr übereinstimmten.10 Die Rechtsbasis für den Umgang der landesherrlichen Amtsträger mit der Evangelischen Bewegung bildeten statt dessen die landesherrlichen Mandate. Mit ihnen trat der Landesherr aus eigenem Recht und nicht als bloßer Exekutor des Reichswillens in Erscheinung. Dabei wurden die Reichsgesetze zwar zur Legitimation herangezogen, inhaltlich aber oft nur selektiv rezipiert. So beruft sich Georg im Februarmandat auf das Wormser Edikt und das Regimentsmandat, ignoriert aber völlig die weichere Linie des letzteren. Statt dessen führt er die päpstliche Bannbulle als zusätzliche Rechtsquelle an, weil sie seine harte Haltung deckt. Welch großen Handlungsspielraum die landesherrliche Kirchenpolitik gegenüber der Reichsgesetzgebung besaß, zeigt sich bei Herzog Georg immer wieder. Das päpstliche Verbot des Drucks von Luthers Schriften setzte er bereits im Frühjahr 1521 durch, noch bevor das Wormser Edikt dazu aufforderte.11 Den zweideutigen Abschied des 2. Nürnberger Reichstags hingegen, der von Kursachsen sogar als Auf hebung des Wormser Edikts interpretiert wurde, hat Herzog Georg zwar auf einem Landtag zu Leipzig verkünden lassen, doch ist jeder mäßigende Einfluß auf seine strikt antilutherische Politik zu vermissen.12 Eine unmittelbare Bezugnahme auf die Reichsgesetze läßt sich nur außerhalb des eigenen Territoriums feststellen, wenn Georg mit anderen Fürsten verhandelte. Insbesondere den Ernestinern hat Herzog Georg die Reichsgesetzgebung immer wieder vorgehalten und sie in konkreten Streitfällen, etwa im gemeinsam regierten Schneeberg, zur Unterstützung seines antilutherischen Kurses zitiert.13 Diese indirekte und selektive Rezeption belegt das hohe Maß an Eigenständigkeit, das gerade die mächtigen weltlichen Fürsten gegenüber Kaiser und Reich besaßen. Praktisch sorgte dies dafür, daß von den Wechselsprüngen der Reichstage in der Religionsfrage auf der Ebene der Territorien kaum etwas zu spüren war. Statt dessen waren die Landesherren in der Lage, ihren eigenen Kurs in der Lutherfrage zu fahren und diesen beinahe nach Gutdünken mit passenden Reichsabschieden zu legitimieren. für die 1524 angeordnete Verkündung vorliegen (siehe unten). Zusätzlich legt ein Beschluß des Leipziger Stadtrates aus dem April 1522 nahe, daß das Wormser Edikt 1521 nicht verbreitet wurde. Denn der Rat, beauftragt das landesherrliche Religionsmandat vom 10. Februar 1522 zu verkünden, entschließt sich hier – gewissermaßen erläuternd – das Wormser Edikt zu veröffentlichen, auf das sich das Februarmandat bezieht. Vgl. Beschluß des Rates zu Leipzig, Leipzig, 7. April 1522, Thieme, Dokumente, 122. 10 Ähnlich handelten, gerade in Bezug auf das Regimentsmandat, auch die Herzöge von Bayern. Vgl. Kohnle, Reichstag, 146 f. 11 Siehe S. 581–593. 12 Vgl. Kohnle, Reichstag, 135–137. 13 Vgl. ebd., 135–137, 231 f.

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3. Die Grundlagen der Verfolgung Nicht das Regimentsmandat vom 20. Januar, sondern das landesherrliche Februarmandat bildete also in der Folgezeit die rechtliche Grundlage für den Umgang mit der Evangelischen Bewegung im albertinischen Sachsen. Ausgehend von der steckbriefartigen Beschreibung der Evangelischen Bewegung formulierte es ein Aktionsprogramm, das drei klar defi nierte Personengruppen in den Mittelpunkt der landesherrlichen Verfolgungsmaßnahmen stellt: 1. Weltpriester, die entsprechend der Merkmale des Steckbriefes14 als Anhänger Luthers zu erkennen sind, 2. »ausgelaufene« Mönche und 3. Laien, die das Sakrament unter beiderlei Gestalt empfangen haben.15 Dazu trat als ergänzende Maßnahme der Befehl, alle einheimischen Studenten von der Universität Wittenberg zurückzurufen, weil dort »dyse unchristliche werk gelernet und geubt werden«.16 Auch hier reagierte Herzog Georg auf einen konkreten, erst wenige Wochen zurückliegenden Vorfall: drei Studenten aus Annaberg hatten in Wittenberg unter beiderlei Gestalt kommuniziert.17 Wie das Beispiel der Stadt Meißen zeigt, wurde dieses Verbot in der Folgezeit konsequent beachtet.18 Das Februarmandat rechtfertigte nicht nur die bisherigen Maßnahmen Herzog Georgs, sondern verpfl ichtete vor allem die gesamte landesherrliche Amtsträgerschaft zur eigenverantwortlichen Verfolgung evangelischer Mönche, Priester und Laien. Auch die Landesbischöfe forderte Georg in gewohnter Weise zur Durchsetzung des Mandats in ihren Hochstiften auf.19

14 Als Erkennungszeichen genannt werden die Priesterehe sowie die Propagierung folgender liturgischer Neuerungen: Laienkelch, volkssprachliche Messe, Verzicht auf die Beichte oder das Fasten vor der Kommunion. Vgl. Ausschreiben Georgs, Februar 1522 (wie Anm. 4). 15 »Ist derhalben an euch unser beger, yr wollet [. . .] wo yr solche ausgelaufene monche in weltlichen kleidern, desgleichen weltliche priester oder andere, die sich mit Martini Lutters oder seiner junger vorboten unchristlichen lere, wie berurt, eure underthanen zu vorfuren vornemen, oder yemants, der sich, das heilige sacrament under beyder gestalt zu nemen, understunde, aldo bey euch oder in euern gerichten ankommen und befynden wurdet, die wollet alle gefenklich annemen und bis auf unsern fernern befel, damit wir gepurliche strafe an yn zu bekommen, wolvorwart enthalden und in keinem wege von euch kommen lassen«. Ebd. 16 Ebd. Vgl. auch ABKG, Bd. 1, 271, Anm. 1. 17 Vgl. Brief Herzog Georgs an Herzog Johann d.J. und Herzog Friedrich d.J., Nürnberg, 2. Januar 1522, ebd., 241 f.; Brief ders. an Herzog Georg, Dresden, 12. März 1522, ebd., 288–290. 18 Vgl. Bünz, Reformation in Meißen, 283. 19 Vgl. Brief Herzog Georgs an Bischof Adolf von Merseburg, Nürnberg, 10. Februar 1522, Loc. 9026/3, Bl. 6. Abgesehen von den einem Bischof zustehenden Courtoisieformeln entspricht der Brief wortwörtlich dem Februarmandat. Dies war die übliche Form, in der

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Gleichwohl war Herzog Georg daran interessiert, die reichsrechtliche Dekkung seiner Religionspolitik zu betonen, nicht zuletzt weil auch die evangelische Seite behauptete, mit dem Reichsrecht im Einklang zu stehen. Einen besonderen Anlaß bot sich dazu im Sommer 1524. Auf Forderung Karls V. hatte der 3. Nürnberger Reichstag am 18. April 1524 beschlossen, daß das Wormser Edikt erneut zu verkünden und zu diesem Zwecke an alle Reichsstände zu versenden sei. Die scheinbar klare Entscheidung gegen Luther wurde freilich durch den berühmten Zusatz relativiert, die Reichsstände sollten dem Edikt »sovil inen muglich« nachkommen, was den Vollzug letztlich mehr denn je ins Belieben jedes Fürsten stellte.20 In dieser Situation entschied sich Herzog Georg, durch eine großangelegte Propagierung des Wormser Edikts ein Zeichen zu setzen und dessen volle Gültigkeit zu betonen. Schon wenige Tage nach dem Erhalt des Edikts erließ er ein Publikationsmandat, mit dem er die Befolgung des Edikts nicht nur seinen Amtsträgern einschärfte, sondern direkt »allen und itzlichen [. . .] unsern underthanen und vorwanten« befahl.21 Zwei Tage später wies ein Ausführungsmandat Amtleute und Stadträte an, sie sollten das Wormser Edikt »uff taffeln [. . .] uffleymen, am tage aushengen und des Abendts widder eyennehmen lassen« – letzteres, um nächtlichen Unmutsäußerungen vorzubeugen.22 Zum Zweck dieser Plakatierung ließ Georg in der Emserpresse einen großformatigen Einblattdruck des Wormser Edikts samt des Nürnberger Publikationsbefehls herstellen. Zusätzlich entstanden zwei Drucke im Flugschriftenformat. Das entscheidende Reichsgesetz gegen Luther wurde so nicht nur überall im albertinischen Sachsen, sondern auch in der reformatorischen Öffentlichkeit verbreitet – tatsächlich dauerte es nur wenige Wochen, bis Luther mit einer Gegenschrift auf die Ediktdrucke reagierte.23 Die Veröffentlichung des Wormser Edikts drei Jahre nach der Ächtung Luthers war also in erster Linie eine geschickte Propagandamaßnahme, die sich in ähnliche Vorgänge des Sommers 1524 wie die feierliche Heiligenerhebung Bennos von Meißen und den sich daran anschließenden Flugschriftenkrieg einreiht.24 Ein erst jetzt im Dresdener Hauptstaatsarchiv aufgefundenes zweites Mandat Herzog Georgs erlaubt nun aber auch, die Konsequenzen dieser Kampagne für die landesherrliche Kirchenpolitik genauer zu bestimmen. Das Ausschreiben vom 9. September 1524 und seine zwei Begleitschreiben machen mit einer albertinische Mandate auf die mediatisierten Hochstifter Meißen und Merseburg übertragen wurden. 20 Vgl. Borth, 144–153, das Zitat ebd., 149; Kohnle, Reichstag, 230–235. 21 Vgl. Gedrucktes Ausschreiben Herzog Georgs, Dresden, 20. Juli 1524, ABKG, Bd. 1, 706 f. 22 Ausschreiben Herzog Georgs, Dresden, 22. Juli 1524, Seyffarth, 136. 23 Vgl. Aurich, 46–49, 93–95. 24 Vgl. Volkmar, Heiligenerhebung Bennos.

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überraschenden Entwicklung vertraut, die sich offenbar aus der massiven Propagierung des Wormser Edikts ergeben hatte. Georg bekundet darin die Sorge, »das etliche leichtferttige personen sein, die den innhalt solhs edicts zu irem vorthail verstehn und darauf mit der that [. . .] mißbrauch uben mochten«.25 Wir greifen hier, wenngleich indirekt, ein Klima der Hetze und Verdächtigungen gegen tatsächliche und vermeintliche Lutheraner, das nicht durch die landesherrliche Obrigkeit, sondern durch Teile der altgläubigen Bevölkerung geschürt wurde. Zur Wurzel des Problems führt ein genaues Studium des Wormser Edikts. Dort fi ndet sich, wenngleich an wenig prominenter Stelle, eine Passage, die jedermann freistellte, die Anhänger Luthers als ipso facto vom Reich Geächtete anzugreifen »und ire güeter zu eurn handen [zu] nemen und die in eurn aigen nutz [zu] wenden und [zu] behalten«.26 Das nun überall angeschlagene Edikt erlaubte also, Evangelische als vogelfrei zu betrachten und sich an ihrem Besitz zu bereichern. Als Hinweis darauf, daß das Edikt von Georgs Untertanen in dieser Weise verstanden wurde, kann eine Anfrage des Albertiners beim Reichsregiment verstanden werden, die Rat im Umgang mit ebenjener Passage erbat.27 Nachdem die Antwort des Regiments wenig hilfreich ausfiel,28 belegt das jetzt aufgefundene Mandat, wie Herzog Georg mit Landesrecht auf die offenkundigen Schwächen eines tatsächlich in die Praxis umgesetzten Wormser Edikts (das freilich die Existenz einer breiten lutherischen Bewegung nicht vorausgesehen hatte) reagierte: Damit niemand »in schein berurts edicts« gewaltsam gegen Unschuldige vorginge, ordnete Georg an, alle Anklagen gegen Lutheraner seien zunächst den landesherrlichen Amtsträgern anzuzeigen. Erst wenn diese die Beweise geprüft und für stichhaltig befunden hätten, könnten die Ankläger gemeinsam mit den landesherrlichen Behörden gegen die Evangelischen vorgehen.29 Georgs Ausführungsmandat wurde genauso wie vorher das Wormser Edikt überall verkündigt und angeschlagen.30 Ganz offenkundig 25 Brief Herzog Georgs an Bischof Adolf von Merseburg, Dresden, 9. September 1524, Loc. 14950, Konzepte [. . .], 1474–1525, Fasz. »1524«,unpag. 26 Vgl. Edikt Kaiser Karls V., Worms, 8. Mai 1521, RTA, JR, Bd. 2, 640–659, hier 655. 27 Georg ging es genau um die Frage, ob Anhänger Luthers ipso facto als Geächtete anzusehen seien oder erst gerichtlich zu verurteilen waren: »[. . .] ab man von stund an allen andern rechtlichen proceß und vor[ur]teylung wider denselbigen inhalts des edicts vorfahren und yhnen keyne eynrede [. . .] vorstatten, ader yhme in die acht vor[ur]teylen und alsdann wider yhne als eynen echtiger sich halten soll«. Instruktion Herzog Georgs zu einer Werbung an Erzherzog Ferdinand und das Reichsregiment, Dresden, 26. Juli 1524, ABKG, Bd. 1, 711–713. 28 Vgl. Antwort des Reichsregiments an Herzog Georg, Esslingen [nach 29. August 1524], ebd., 730 f. 29 Ausschreiben Herzog Georgs, Dresden, 9. September 1524, Loc. 14950, Konzepte [. . .], 1474–1525, Fasz. »1524«, unpag. 30 Vgl. Begleitschreiben zum Ausschreiben Herzog Georgs, Dresden, 9. September 1524,

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verfolgte es das Ziel, das Monopol des Landesherren auf die Verfolgung der Evangelischen zu sichern und damit gleichzeitig zentrale Ansprüche des Territorialstaats wie Landfrieden und Rechtssicherung aufrechtzuerhalten.

4. Das Funktionieren des Steckbriefs Der Steckbrief der Evangelischen Bewegung, der durch das Regimentsmandat reichsrechtlich sanktioniert und durch das Februarmandat vom Landesherrn an die Lokalverwaltung ausgegeben worden war, erwies sich schnell als effizientes Instrument. Noch im März 1522 wurden in Leipzig mehrere Laien wegen der Kommunion unter beiderlei Gestalt belangt. Der Leipziger Rat verhaftete dabei einen Kaufmannsdiener mit direktem Bezug auf das neue landesherrliche Mandat, obwohl dieser den Laienkelch noch vor dem Erlaß des Mandats (nämlich bei der von Herzog Georg so alarmiert aufgenommenen Neujahrsmesse Gabriel Zwillings in Eilenburg) empfangen hatte.31 Die gewissenhafte Anwendung des Februarmandats durch den Leipziger Rat belegt auch ein Brief an den Bischof von Merseburg, in dem diesem erläutert wird, warum ein sich als Priester ausgebender Verdächtiger bislang noch nicht an die kirchlichen Gerichte überstellt worden sei (wie es das Privilegium fori forderte): Das Februarmandat gebiete, so der Rat, »wo wir eyn ausgelaufen monch ader prister in ungeburlichem habit ader wesen bey uns antreffen wurden, das wir den gefenglich annehmen« und Herzog Georg die weitere Entscheidung überlassen – eine präzise Wiedergabe der Mandatsbestimmungen.32 Die äußeren Merkmale und symbolischen Handlungen, die der Steckbrief festhielt, galten hinfort im albertinischen Sachsen als justitiable Beweise für die Zugehörigkeit zur Evangelischen Bewegung. 1523 forderte Herzog Georg etwa von der Stadt Kölleda die Verhaftung ihres Predigers allein mit der Begründung, dieser sei »eyn ausgelaufener monch, der in keynem geistlichen kleyd befunden«.33 Eifrige albertinische Amtleute kontrollierten sogar die Reisenden. Im strikt altgläubigen Altenberg wurde im April 1522 ein Priester nur deshalb als Lutheraner verhaftet, weil er »seyne platte und antlicz hat lassen vorwach-

Loc. 14950, Konzepte [. . .], 1474–1525, Fasz. »1524«, unpag. Nachweis eines Druckexemplars bei Aurich, 62 f. (Nr. 19). 31 Vgl. Briefe des Rates zu Leipzig an Herzog Johann d.J. und Herzog Friedrich d.J. bzw. an Herzog Georg, [Leipzig], 9., 16. und 21. März 1522, ABKG, Bd. 1, 287 f., 290 f., 296; Brief Herzog Johanns d.J. und Herzog Friedrichs d.J. an Georg Reychenberger zu Leipzig, Dresden, 19. März 1522, ebd., 293. 32 Brief des Rates zu Leipzig an Bischof Adolf von Merseburg, [Leipzig] 20. Januar 1523, ebd., 443 f. 33 Vgl. Brief Herzog Georgs an die Gemeinde zu Kölleda, Sangerhausen, 6. Mai 1523, ebd., 502 f.

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sen«. Der Unglückliche, der als Bote eines böhmischen Adligen unterwegs war, hätte wohl besser eine andere Straße über das Erzgebirge nehmen sollen.34 Damit soll nicht gesagt werden, daß es Äußerlichkeiten und Symbole allein waren, auf die weltliche Amtsträger zu achten vermochten. Engagierte Luthergegner wie der Thüringer Amtmann Sittich von Berlepsch hatten sich hinreichend mit den Lehren des Wittenbergers beschäftigt, um sie auch in subtileren Varianten wiederzufi nden. Im Herbst 1522 verhaftete Berlepsch einen Augustinermönch aus Eisleben, der drei Gastpredigten in der Langensalzaer Augustinerkirche gehalten hatte. Berlepsch hatte die Predigten selbst gehört und sich umfangreiche Notizen über die »Martinischen reyzungen« des Mönches gemacht, die er als Beweise nach Dresden einschickte: Geringschätzung des Papstes, Kritik an Bettelmönchen, prunkvollen Messen und der Heiligenverehrung, schließlich die Aussage, das Altarsakrament sei nur ein Zeichen und keine Realie (freilich eine eher zwinglianische Position). Im Verhör konfrontierte Berlepsch den Augustiner mit »angezeigte[n] Martinischen materien«. Johann Heyses Versuch, seine Predigten »nach seiner vorkarten meynung ewangelisch [zu] deuten« ließ Berlepsch nicht gelten. Schließlich begründete er die Verhaftung auch mit den Reaktionen der Langensalzaer Bevölkerung, die in Scharen zu den Predigten Heyses gekommen war und auf den Gassen über sie sprach, so »das wir boser ergerung daraus besorgen und bedacht«.35 Die Laien blieben als Träger der Evangelischen Bewegung stets im Blickfeld der landesherrlichen Amtsträger.

34 Vgl. Brief Dr. Johann Kochels an den Amtmann zu Altenberg, Dresden, 18. April 1522, ebd., 306 f. 35 Brief Sittich von Berlepschs an Herzog Georg, [Langensalza] 4. November 1522, ebd., 379–382.

V. Der Einsatz des Kirchenregiments gegen den evangelischen Niederklerus 1. Gegen die Lutheraner und für die Reform: Die doppelte Stoßrichtung des Kirchenregiments Mit dem Februarmandat machte Herzog Georg die Verfolgung evangelischer Priester zur Aufgabe der lokalen weltlichen Amtsträger. Stadträte, Gerichtsherren und Amtleute waren angehalten, verdächtige Geistliche zu verhaften, um dann dem Landesherrn das weitere Vorgehen zu überlassen. Zahlreiche Beispiele belegen die Umsetzung dieser Anordnung. Wie bisher respektierte Herzog Georg dabei die Zuständigkeit der geistlichen Gerichtsbarkeit und überstellte die verhafteten Kleriker den Bischöfen, mit denen er eng zu kooperieren suchte. Was vorreformatorische Praxis des landesherrlichen Kirchenregiments in Fällen schwerer Straftaten gewesen war, wurde so auf den Tatbestand der Ketzerei übertragen. Exemplarisch läßt sich das Vorgehen am Schicksal des Jakob Seidel illustrieren. Seit 1519 Pfarrer von Glashütte im Osterzgebirge,1 gehörte er zu den ersten offenen Unterstützern Luthers im albertinischen Klerus. Weil er Luther gelehrt und sich verheiratet hatte, wurde er im Sommer 1521 auf Bitten Bischof Johanns VII. durch den Landesherrn verhaftet und in das bischöfl iche Gefängnis auf dem Stolpen verbracht.2 Über den Fortgang des Prozesses gegen ihn korrespondierten Herzog und Bischof.3 Trotz zahlreicher Fürsprecher, von seiner Gemeinde über die Wittenberger Karlstadt, Melanchthon und Agricola bis hin zu Kurfürst Friedrich, mußte Seidel mehrere Monate Haft erdulden, bis er gegen Bürgen und unter Suspendierung von allen priesterlichen Ämtern freigelassen wurde.4 1 Vgl. Präsentationsschreiben Herzog Georgs für Jakob Seidel, o.O., 24. Oktober 1519, ABKG, Bd. 1, 172, Anm. 1. 2 Vgl. Brief der Herzöge Johann d.J. und Friedrich d.J. an Richter, Geschworene, Knappschaft und Gemeinde zu Glashütte, o.O., 29. Mai 1521, ebd., 171 f. 3 Vgl. Brief Herzog Georgs an Bischof Johann VII. von Meißen, Dresden, 21. Juni 1521, ebd., 174. 4 Vgl. Brief Johanns d.J. und Friedrich d.J. an die Gemeinde zu Glashütte, 1521 (wie Anm. 2); Brief Kurfürst Friedrichs an Herzog Georg, Lochau, 29. Oktober 1521, ABKG, Bd. 1, 199 f.; sowie ebd., 199, Anm. 2.

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Bald darauf begann er in Döbeln erneut lutherisch zu predigen und eine Gemeinde zu versammeln. Das harte Vorgehen des Landesherrn gegen die Döbelner Evangelischen verschonte auch ihren Prediger nicht, der Ende 1521 wiederum in bischöfl iche Haft überführt wurde.5 Nach einem Fluchtversuch wurde Seidel durch Amtleute Georgs in Böhmen aufgespürt und erst im Frühjahr 1523 aus der Haft entlassen. Dabei suchte der Bischof nicht zuletzt den in evangelischen Kreisen kursierenden Gerüchten entgegenzuwirken, Seidel sei heimlich hingerichtet worden. Bei seiner Haftentlassung mußte Seidel schwören, das Priesteramt aufzugeben und nicht nur das Herzogtum, sondern sogar das Reich zu verlassen.6 Seine Pfarrpfründe in Glashütte verlor er wohl entschädigungslos, sie wurde im Juni 1523 als vakant wiederbesetzt.7 Ein Nachspiel nahm der Fall dann von Nürnberg aus, wo Seidel sichere Zuflucht fand. Offenbar öffnete ihm sein Schicksal in der evangelisch gesinnten Reichstadt zahlreiche Türen und so gelang es ihm, durch Fürsprache ein Schreiben Erzherzog Ferdinands und des Reichsregiments zu erlangen, das den Meißner Bischof um die Auf hebung der harten Auflagen bat. Der Bischof überließ es Herzog Georg, in seinem Namen eine Antwort zu verfassen. Dieser verwahrte sich vehement gegen den Versuch, seine antilutherische Religionspolitik zu konterkarieren. Doch auch ein weiteres Schreiben Georgs an den Erzherzog konnte nicht verhindern, daß Seidel die Bitte des Regiments als Rehabilitation auslegte: Im Sommer 1524 wußten Georgs Diplomaten zu berichten, daß Seidel (erneut?) geheiratet hatte und wieder als Prediger tätig war – zwar nicht in Sachsen, aber in einem Spital der Reichsstadt Nürnberg.8 Tatsächlich ist die Kontinuität zum vorreformatorischen Umgang mit straffälligen Geistlichen nicht zu übersehen. Das etablierte Kirchenregiment über den Niederklerus blieb funktionsfähig und erwies sich als der neuen Situation gewachsen. Wo dennoch Veränderungen in Reaktion auf die Herausforderungen der Reformation feststellbar sind, knüpfen diese bezeichnenderweise an vorreformatorische Entwicklungen an. So erweiterte Herzog Georg die Priestereide, die bei der Verleihung landesherrlicher Patronatspfründen bezeugt 5

Siehe S. 528–530. Vgl. die Quellenbelege in Anm. 8. Zu den Gerüchten um Seidels Ermordung vgl. Lobeck, 64, Anm. 26. 7 Vgl. Präsentationsschreiben Herzog Georgs für Thomas Hoetzsch, o.O., 19. Juni 1523, ABKG, Bd. 1, 172, Anm. 1. 8 Vgl. Brief Erzherzog Ferdinands, Statthalter, und des Reichsregiments an Bischof Johann VII. von Meißen, Nürnberg, 14. Dezember 1523, ebd., 581–583; Briefwechsel zwischen Herzog Georg und Bischof Johann VII. von Meißen, Dresden/Stolpen, 27.–31. Dezember 1523, ebd., 593 f.; Brief Bischof Johanns VII. von Meißen an Erzherzog Ferdinand und das Reichsregiment, Stolpen, 31. Dezember 1523, ebd., 594–596; Brief Herzog Georgs an Erzherzog Ferdinand, Dresden, 2. Januar 1523, ebd., 597 f. – Zur Reaktion des Reichsregiments vgl. Brief Dr. Otto Packs an Herzog Georg, Nürnberg, 19. Januar 1524, ebd., 602 f.; zu Seidels Leben in Nürnberg vgl. Brief Thomas von der Haydens an Herzog Georg, Esslingen, 14. August 1524, ebd., 723–726. 6

V. Niederklerus

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sind, um das Verbot der Lehre Luthers. War früher die Residenz der wichtigste Inhalt der Eide gewesen, so wollte Herzog Georg jetzt seine Patronatsgeistlichen auf die alte Lehre verpfl ichten: Magister Vitus Keller wurde die naumburgische Pfarre Kunitz 1522 nur unter der Bedingung geliehen, »wy er auch gelobt und zugesagt, innerhalb eynes jars uff die pfarre zu tzihen unnd darnach stetigs und allweg daruff personlich zu residiren, ßich auch keyner neuerung, ßo ytzo vorhanden ßeyn, ßundern kristlich guther lere zu fleyssigen«.9 Bei der Neubesetzung landesherrlicher Patronatspfründen wurde die Treue der Kandidaten zur alten Kirche jetzt schnell zum entscheidenden Auswahlkriterium.10 Die Dynamik der Evangelischen Bewegung ließ Georg aber auch über eine Weiterentwicklung seines Kirchenregiments nachdenken. Als die Wahl eines deutschen Papstes Hoffnungen weckte, die Kurie würde dem Kampf gegen die Reformation von nun an höhere Priorität einräumen, bat Georg in seiner Supplik vom Januar 1523 unter anderem um Sondervollmachten bezüglich des Weltklerus. Sie sollten ihm ermöglichen, ketzerische Weltgeistliche eigenständig abzusetzen, ohne erst einen geistlichen Prozeß mit seinem unsicheren Ausgang abwarten zu müssen. Gleichzeitig strebte der Landesherr an, als »oberster collator« die Pfarren in Abstimmung mit den Patronatsherren neu besetzen zu dürfen. Tragweite und revolutionäres Potential dieses Vorschlags für das landesherrliche Kirchenregiment sind bereits erörtert worden.11 Für den gegenwärtigen Kontext ist bedeutsam, welcher Probleme Georg auf diese Weise Herr werden wollte. Denn nicht nur auf die lutherische Häresie, sondern auch die Reformbedürftigkeit vieler altgläubiger Priester zielte Georgs Vorstoß. Der Kampf gegen die Reformation und die altgläubige Kirchenreform gehen hier Hand in Hand.12 Eine Umsetzung der Forderungen hätte die Durchsetzungsfähigkeit des Landesherrn in beiden Feldern beträchtlich erhöht, weil sie ihn vom Privilegium fori und damit von den geistlichen Gerichten unabhängig gemacht hätte, wie er es im Bereich der Laien schon war.13 Wenngleich die Kurie nicht auf Georgs Forderungen einging, gibt es doch Hinweise darauf, daß der Albertiner genau diese weitreichenden Eingriffe tatsächlich in die Praxis umzusetzen vermochte. Dies zeigt sich etwa bei der Absetzung des Michael Kromer, der von 1522 bis 1524 Pfarrer im oben erwähnten Dorf Kunitz war. Dabei wird nicht völlig klar, ob der Geistliche ein Anhänger 9 Präsentationsschreiben Herzog Georgs an Wolfgang von Stolberg, Dompropst zu Naumburg, o.O., 11. Mai 1522, Loc. 10335/29, Bl. 1a, teilediert: ABKG, Bd. 1, 760, Anm. 4. Zu den Priestereiden siehe S. 269 mit Anm. 24. 10 Siehe das Fallbeispiel Sangerhausen, S. 276 f. 11 Siehe S. 293–299, 326–334. 12 Brief Herzog Georgs an Bischof Johann VII. von Meißen in Rom, Dresden, 4. Januar 1523, ABKG, Bd. 1, 421–425. 13 Siehe S. 528–537.

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Luthers war oder sich einen unpriesterlichen Lebenswandel zu Schulden kommen ließ – in den Augen des Landesherrn waren beide Vergehen ohnehin verwandt.14 Herzog Georg jedenfalls ließ den Pfarrer durch den Amtmann von Dornburg verhaften und an das bischöfl iche Gericht nach Zeitz überstellen. Ohne das Ergebnis des geistlichen Prozesses abzuwarten, ernannte er gleichzeitig einen neuen Pfarrer, den der Amtmann in die Pfarrei einführen sollte.15 Dabei gestaltete sich die Neubesetzung einfach, weil Herzog Georg selbst das Pfarrpatronat innehatte.16 Ein Beispiel aus Nordthüringen bestätigt, daß Herzog Georg dazu überging, Geistliche bei Häresieverdacht ipso facto ihrer Benefi zien für verlustig zu erklären. Als Simon Hartung, Pfarrer zu Edersleben, im Frühjahr 1533 begann, das Sakrament unter beiderlei Gestalt zu reichen, wurde er vom Sangerhäuser Amtmann vermahnt. Kurz darauf entzog er sich durch Flucht der von Herzog Georg angeordneten Verhaftung.17 Als der Landesherr davon erfuhr, behandelte er die Pfarrei einfach als erledigt – »per inobedientiam Simonis Hartung vacantem«, wie es im Präsentationsbuch vermerkt ist – und besetzte sie umgehend neu.18 Ein ähnliches Muster fi ndet sich auch in einem Befehl Herzog Georgs an den Amtmann Friedrich von Witzleben aus dem Jahre 1534. Der Fürst ordnete darin an, die Pfarrer und Prediger in den Gemeinden Ober- und Niederdorla bzw. Langula wegen lutherischer Gesinnung abzusetzen.19 Dieser Vorgang ist schon an sich bemerkenswert, weil die drei Ortschaften zur Ganerbschaft Treffurt gehörten, deren Herrschaft sich Georg mit den Ernestinern, Hessen und Kurmainz teilen mußte. Dieser Umstand hatte Georgs frühere Versuche, gegen die seit 1524 nachweisbare Evangelische Bewegung vorzugehen, stark behindert.20 Um so erstaunlicher ist sein Vorgehen im Jahre 1534, als er mit der Schutzbehauptung »dieweil sie [die Dörfer] im kraysse unsers furstenthumbs gelegen«, die komplizierte Herrschaftsteilung ignorierte und hart durchgriff.21 Seinen Amtmann beauftragte er, die lutherischen Geistlichen zu vertreiben und ganz entsprechend der Programmatik von 1523 in Absprache mit den Patronatsherren neue Pfarrer einzusetzen. Dabei fügte es sich günstig, daß das Patronat über die Pfarren von Ober- und Niederdorla beim Propst des im albertinischen Lan14 Vgl. Brief Herzog Georgs an den Amtmann von Dornburg, Dresden, 1. November 1524, ABKG, Bd. 1, 760–762. 15 Vgl. ebd. 16 Vgl. ebd., 760, Anm. 4. 17 Vgl. Briefe Melchior von Kutzlebens, Amtmann von Sangerhausen, an Herzog Georg, [Sangerhausen] 12. und 31. Mai 1533, ABKG, Ms. Werl, Nr. 2546, 2566. 18 Präsentationsschreiben Herzog Georgs an den Propst zu Jechaburg, o.O., 7. Juni 1533, ebd., Anm. 1. 19 Vgl. Brief Herzog Georgs an Friedrich von Witzleben, Amtmann von Langensalza und Thamsbrück, Dresden, 23. Dezember 1534, Loc. 8200/9, Bl. 22. 20 Vgl. ABKG, Bd. 1 und 2, passim; Küch/Heinemeyer, Bd. 3, 140 u. ö. 21 Brief Georgs an Friedrich von Witzleben, 1534 (wie Anm. 19).

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gensalza angesiedelten Kollegiatstifts St. Peter und Paul lag und dieser gleichzeitig als Archidiakon der geistliche Kollator war, dem die neuen Geistlichen zu präsentieren waren.22 Die Gemeinde von Langula, die selbst das Pfarrpatronat besaß, zwang Herzog Georg zur Kooperation, in dem er drohte, andernfalls ohne ihr Einverständnis zu handeln und ihr »hinfurder an solchen lehen nichts gestendigk zußein«, also der Gemeinde das Patronatsrecht faktisch zu entziehen. Schließlich mahnte Herzog Georg den Amtmann nachdrücklich, er solle nach der Vertreibung der Lutheraner die neueingeführten altgläubigen Geistlichen »bey solchem irem pfarr und predig ampt und den gaystlichen ceremonien schutzen und handthabenn«. Zu diesem Zwecke schwebte Georg eine Art weltlicher Pfarrvisitation vor, die der Amtmann zusammen mit dem lokalen Adel in landesherrlichem Auftrag durchführen sollte: »dartzu wir dann kurtzlichenn euch unsere eynspennige wollen zuferttigen, das ir mitt derselbigen sampt den schrifft und amptsassen umb euch angetzaygtte ortter beraystet, lager da halttet und darob seyt, das diesem unserm bevelh stracks nachgegangen, und ob von den leuthen ettwas darwider wolt understanden werden, das ir sie zu gepurlicher straffe last gefencklichen annehmen, und wie es darumb gelegen uns antzaygen«.23 Landgraf Philipp und Kurfürst Johann Friedrich beließen es bei diplomatischen Protesten gegen Georgs eigenmächtiges Vorgehen.24 Parallel zu den antireformatorischen Maßnahmen ist eine Verstärkung der landesherrlichen Bemühungen um Kirchenreform zu beobachten. Auch die Reform des Niederklerus war bereits ein Ziel der vorreformatorischen Kirchenpolitik gewesen, aber nun wurde der landesherrliche Zugriff noch entschlossener und härter. Dies war kein Zufall. Vielmehr sprach daraus das Bewußtsein Herzog Georgs für jene Faktoren, die den Aufstieg der Evangelischen Bewegung begünstigten. Vor allem die schon lange virulente Kritik an den Mißständen im Klerus hatte sich in den Händen der Evangelischen zu einem schlagkräftigen Propagandaargument entwickelt. Die weit verbreitete Unzufriedenheit über den Verfall der Lebensführung und die Vernachlässigung der Seelsorge im Klerus drohte nun den gemeinen Mann in die Arme der Ketzerbewegung zu treiben. 22 »Ir wollett [. . .] mitt dem probste, stifft und capitel zu Salza vorfuegenn, dieweil die pfarren zu Obern und Nydern Dorlla von inen zu lehen ruren, daß sie dieselbigenn mitt gepurlichern priestern vorsehenn«, ebd. – Der Sitz des Archidiakonats Oberdorla, das das westliche Thüringen umfaßte, befand sich bis 1472 in Oberdorla selbst und wurde vom Propst des dortigen Kollegiatstifts St. Peter und Paul ausgeübt. Mit der Verlegung des Stifts in die wettinische Stadt Langensalza wurde auch der Sitz des Archidiakonats, nicht aber der Name, übertragen. Vgl. Bünz, Kommunikation, 92. 23 Brief Georgs an Friedrich von Witzleben, 1534 (wie Anm. 19). 24 Vgl. Klageartikel aus der ernestinischen Kanzlei [Lochau, 4. August 1536], ABKG, Ms. Werl, Nr. 3461; Brief des Georg von Karlowitz an den ernestinischen Hofmeister Caspar von Minkwitz, Dresden, 21. August 1536, ebd., Nr. 3468.

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Vor dem Hintergrund der Reformation bekam Georgs altes Ziel einer Klerusreform so einen ganz neuen Stellenwert. Reform statt Reformation lautete jetzt Georgs Motto. »Dieweil denn bemelter priester sundlichs und strafwirdigs begynnen in ytzigen der welt irsal und zwyspeldigkeiten dem gemainen man merglichs ergernus und bos exempel gibt«, heißt es in einem Brief über zwei Altaristen aus Großenhain vom August 1524, sollten ihre Sittenvergehen hart bestraft werden.25 Und im Juni desselben Jahres mahnt Herzog Georg die erzbischöfl ich-mainzischen Behörden zur Reform der Konkubinarier unter den Stiftsgeistlichen von Langensalza, weil dort der Zorn der Laien immer weiter zunehme »allain aus dem, das die gaistliche unzuchtige und verdechtige weibspersonen offentlich ane abscheue, dem gemainen man nit zu geringem ergernus und zu raizung angezaigts begynnen, bey inen hetten«. Sollten die Geistlichen »kunftiglich dem gemainen man in disen schweren louften zu noch mer unlust und aufrur bewegen«, warnt Georg, könne die weltliche Obrigkeit für ihren Schutz nicht mehr garantieren.26 In dieser Krisensituation versprach sich Herzog Georg vom Abschreckungseffekt schärferer Sanktionen Abhilfe. Die eben angesprochenen Großenhainer Altaristen etwa, denen die Schändung von Jungfrauen vorgeworfen wurde, sollte das Gericht des Bischofs von Meißen nach dem Willen der Landesherrschaft »nit an gelt ader irem gut, soundern am leib strafen, damit [. . .] solhs auch bey andern ein forcht erwegk«.27 In einem anderen Fall aus dem Jahre 1525 verweigerte Herzog Georg gegenüber dem landesfremden, zum ernestinischen Klientelverband gehörenden Naumburger Bischof sogar gänzlich die Beachtung des Privilegium fori. Dieses habe, so schreibt Herzog Georg den bischöfl ichen Räten, der schwer straffällige Propst des Klosters Frauenprießnitz durch die Umstände seiner Tat verwirkt, weshalb er nicht an das geistliche Gericht übergeben, sondern durch das weltliche Gericht bestraft werden solle: »Nachdem aber gnantes probsten geubte getat an gmelten Mattes Miltenberg ganz mutwillig und aus geferlichen bosen gemut gescheen, dorumb er och unsers achtens die zeit geistlicher freihet wenig vhehig gewesen, achten wirs dovor, das seiner vorwirkunge nach sulche seine geubte mishandlunge unserm amtman, und also von der weltlichen oberkeit zu strofen, wol geborn solle«.28

25 Brief Herzog Georgs an die Räte Bischof Johanns VII. von Meißen, Dresden, 3. August 1524, ABKG, Bd. 1, 716. – Vgl. ebd., Anm. 1, zur Tat der Altaristen, die »etzliche personen geschwecht« haben sollen, was mit Schändung, Entjungferung zu übersetzen ist. Vgl. Baufeld, 213. 26 Brief Herzog Georgs an den Siegler zu Erfurt, Dresden, 1. Juni 1524, ABKG, Bd. 1, 678 f. 27 Brief Herzog Georgs an die Räte Bischof Johanns VII. von Meißen, Dresden, 3. August 1524, ebd., 716. 28 Brief Herzog Georgs an Statthalter und Räte des Bischofs von Naumburg zu Zeitz, Dresden, 18. März 1525, ebd., Bd. 2, 83.

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2. Sanktionen und Visitationen: Die Kooperation mit den Bischöfen Das verschärfte Vorgehen des weltlichen Landesherrn zielte jedoch nicht auf eine weitere Schwächung der bischöfl ichen Position. Im Gegenteil, die antireformatorische Politik Herzog Georgs ist durch die enge Kooperation des wettinischen Landesherrn mit den Landesbischöfen geprägt. Die Bischöfe von Meißen und Merseburg sahen in der kirchenpolitischen Dominanz Herzog Georgs keine Bedrohung, sondern einen Rückhalt für die alte Kirche. Der Konfrontationskurs eines Johann VI. war längst Geschichte. Dies zeigt nicht zuletzt der kurze Konfl ikt um die Leipziger Disputation, eben weil er die Zusammenarbeit Adolfs von Merseburg mit Herzog Georg zu keinem Zeitpunkt ernsthaft in Frage stellte.29 Die engste Kooperation ist dabei nicht zufällig im Bereich des Niederklerus festzustellen. Hier war, anders als bei den Orden, die bischöfl iche Zuständigkeit unbestritten und gleichzeitig verhinderte das Privilegium fori landesherrliche Alleingänge, wie sie bei der Verfolgung evangelischer Laien die Regel waren. Das oben beschriebene Vorgehen gegen den lutherischen Priester Jakob Seidel kann exemplarisch für die tagespolitischen Realitäten stehen. Schon vor der Reformation war das Verhältnis zwischen Landesherr und Bischof von Ungleichheit geprägt gewesen: der Bischof war mehr Agent als Partner einer vom Landesherrn dominierten und gesteuerten Kirchenpolitik. Folgt man der Einschätzung Albrecht Lobecks, so setzte sich dieser Trend jetzt fort: »Man muß sogar sagen, daß es eigentlich dieser [= Herzog Georg] war, der den ganzen Kampf gegen die Lutherischen in seinem Lande führte und den Bischof nur, sobald es ihn gut dünkte, zur Unterstützung dieses Kampfes heranzog«.30 Es hat den Anschein, daß die bischöfl iche Kooperationsbereitschaft vor dem Eindruck der Reformation sogar noch zunahm. Dies war nicht zuletzt eine Frage der Personen: sowohl Johann VII. von Meißen als auch Adolf von Merseburg unterstützten Georgs Kurs gegen die Evangelische Bewegung rückhaltlos. Eine engere Bindung eines Bischofs an einen weltlichen Fürsten, als sie Johann VII. zeigte, ist kaum vorstellbar. Schon als Domherr im Auftrag des Landesherrn tätig, war er auch als Bischof so sehr ein Diener Georgs, daß dieser ihn sogar beauftragen konnte, beim Papst als Prokurator für die oben erwähnte Supplik vom Januar 1523 einzutreten – eine Supplik wohlgemerkt, deren Erfüllung zwar den Kampf gegen die Reformation erleichtert, aber auch Johanns eigene bischöfl iche Rechte dramatisch beschnitten hätte! Welches Vertrauen der Bischof in die Führungsqualitäten und vor allem in die politische Erfahrung Herzog Georgs setzte, zeigt sich wohl nirgends deutlicher als 1520, als er den Fürsten bat, die bischöfl iche Antwort auf einen Angriff Luthers zu formulie29 30

Zu Johann VI. siehe S. 193–204, zu Adolf siehe S. 448–460, 466–468. Lobeck, 66.

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ren.31 Auch bei der Korrespondenz mit dem Reichsregiment im Falle Seidel führte die Dresdner Kanzlei dem Bischof die Feder.32 Dabei fehlt eine eigenständige Reformpolitik der Bischöfe nicht völlig. Genau wie Herzog Georg versuchte auch Johann VII., den alten Glauben und seine Kirche zu stabilisieren. In mehreren Hirtenbriefen ermahnte er zu Buße, Fasten und Gebet. Sein Reformengagement zeigt ein Mandat gegen das Konkubinat vom 15. Juni 1523, das betont, wie sehr die mangelnde Sittenzucht die Kirche in Mißkredit bringe. Eine zukunftsträchtige Reformmaßnahme war auch die Stipendienstiftung für junge Priesterkandidaten, die der Bischof einrichtete.33 Wie gering Johann VII. jedoch seine eigene Disziplinargewalt und wie hoch demgegenüber die Durchsetzungskraft des landesherrlichen Kirchenregiments veranschlagte, zeigen schließlich seine Pläne für die Zukunft der bischöfl ichen Stiftslande um Wurzen. Weil diese an drei Seiten an Kursachsen grenzten, fürchtete Johann offenbar, der Evangelischen Bewegung nicht Herr werden zu können, obwohl er im Hochstift Bischof und Landesherr zugleich war. Deshalb beriet er mit Herzog Georg die Möglichkeit, die Stiftslande an ihn abzutreten. Als Gegenleistung wünschte der Bischof lediglich einen angemessenen Besitz im albertinischen Territorium. In der langen Sicht, so befürchteten es zumindest die Ernestiner, arbeitete Johann darauf hin, »das des stiffs gutter alle under herzog Jorgen legen«, plante also nichts weniger als die völlige Aufgabe der eigenständigen bischöfl ichen Landesherrschaft, um die noch sein Vorgänger so erbittert mit Herzog Georg gerungen hatte.34 Die Abwicklung des Hochstifts nach der Reformation verlief übrigens in ganz ähnlichen Bahnen. 1559 nötigte Kurfürst August den altgläubigen Meißner Bischof, seine reichsunmittelbare Herrschaft um Stolpen gegen die Landsässigkeit im Amt Mühlberg einzutauschen.35 Solch radikale Konsequenzen aus der Bedrohung durch die Evangelischen zu ziehen, lag dem Fürstensohn Adolf von Anhalt zwar fern, aber auch der Merseburger Oberhirte kooperierte aufs engste mit Herzog Georg.36 Deutlich schwieriger gestaltete sich hingegen die Zusammenarbeit mit den auswärtigen Bischö31

Siehe S. 466–468. Siehe oben, Abschnitt 1. 33 Vgl. Lobeck, 69–72. 34 Brief des Hans von der Planitz an Kurfürst Friedrich, Nürnberg, 1. November 1521, Virck/Wülcker, 21–27. Planitz hatte vom Wurzener Dekan und kursächsischen Vertreter am Reichskammergericht Dietrich von Techwitz vertrauliche Informationen über den Plan erhalten. Als ersten Schritt auf diesem Wege war offenbar vorgesehen, die Präsentationsrechte für alle Kanonikate des Stifts Wurzen in den päpstlichen Monaten für Herzog Georg zu erwerben. Vgl. auch Lobeck, 66 f. – Zur Rolle Johanns VI. siehe S. 193–204. 35 Vgl. Groß, Sachsen, 79 f. 36 Anstatt dutzendfacher Einzelfälle, wie sie in den ABKG enthalten sind, sei auf die weiter unten angeführten Beispiele der Visitationen von 1522 und 1524 bzw. der Prediger in Leipzig und Pegau verwiesen. 32

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fen, die nicht unter der albertinischen Landesherrschaft standen. Ein Kardinal Albrecht oder ein Bischof von Breslau waren unabhängige Fürsten, bei denen Georg nur um Kooperation werben, nicht aber sie einfordern konnte. Noch komplizierter lagen die Dinge bei Naumburg, das zur ernestinischen Klientel gehörte. Ansätze zu einem gemeinsamen Kampf gegen die Evangelische Bewegung lassen sich im Falle Kardinal Albrechts beobachten, litten aber unter der schwankenden und wenig entschlossenen Haltung des Bischofs gegenüber der Reformation.37 Es ist daher wohl kein Zufall, daß viele der Fälle, in denen Georgs Maßnahmen gegen evangelische Geistliche die bischöfl ichen Kompetenzen verletzten, jene Landesteile betrafen, die nicht unter der Jurisdiktion von Meißen und Merseburg lagen. Dies gilt für die oben beschriebenen Absetzungen der Pfarrer von Kunitz und in der Ganerbschaft Treffurt ebenso wie für die verweigerte Auslieferung des Propstes von Frauenprießnitz an den Bischof von Naumburg, dem einzigen Fall, in dem Herzog Georg das Privilegium fori in der Reformationszeit bewußt ignorierte. Schließlich wurde im Zeichen des Kampfes gegen die Reformation sogar das alte Aufsichtsinstrument der bischöfl ichen Visitation unter Georgs Zutun reaktiviert. Die Pfarrvisitation war im Spätmittelalter auch in Meißen und Merseburg weitgehend aus der Übung gekommen.38 Zwar fanden in Sachsen – entgegen landläufiger Forschungsmeinung – noch recht regelmäßig Diözesan- und Archidiakonatssynoden statt,39 aber für Visitationsreisen der Bischöfe fi nden sich in den Quellen keine Anhaltspunkte. In der zeitgenössischen Kirchenreformdiskussion aber blieb die Idee der bischöfl ichen Visitation lebendig.40 Auch im Umkreis Herzog Georgs war sie keineswegs vergessen. Der Leipziger Schiedsspruch von 1511, der den Streit Georgs mit Johann VI. beendete, nahm immerhin den landesherrlichen Wunsch nach einer Reform und Visitation der Nonnenklöster in die Einigung auf.41 In der zur gleichen Zeit im Auftrag Herzog Georgs entstandenen Vita Bennonis wird als wichtiges Merkmal der bischöfl ichen Amtsführung die jährliche Pfarrvisitation hervorgehoben und so dem gegenwärtigen Meißner Bischof das Ideal seines heiligen Vorgängers vor 37 Ein Beispiel für das Lavieren Kardinal Albrechts gibt der Umgang mit lutherischen Augustinermönchen. Auf eine albertinische Anfrage an ihn als Ortsbischof Anfang 1522, wie mit einem gefangenen Mönch aus Eisleben zu verfahren sei, gab Albrecht zunächst seine Erlaubnis, diesen in Gewahrsam zu halten. Wenige Monate später aber erklärte er sich im gleich gelagerten Fall zweier Mönche aus Langensalza mit dem Hinweis auf den exemten Status der Augustinereremiten für unzuständig. Vgl. Briefe Kardinal Albrechts an Herzog Johann d.J., Halle, 4. Februar 1522, ABKG, Bd. 1, 263 f.; Brief dess. an Herzog Georg, Nürnberg, 24. November 1522, ebd., 392 f. 38 Zu einem der seltenen Gegenbeispiele, der Regensburger Visitation von 1508, vgl. Mai/Popp. 39 Vgl. ABKG, Bd. 1, LXXXV; Wiegand, Statutengesetzgebung Meißen; ferner: ders., Diözesansynoden. 40 Vgl. Jedin, Bischofsideal, 77–84; Logan. 41 Siehe S. 204.

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Augen geführt. Der Autor der humanistischen Vita, Georgs Hof kaplan Emser, war als früherer Mitarbeiter Jakob Wimpfelings durch die Kirchenreformvorstellungen des oberrheinischen Humanismus geprägt.42 Konkrete Beispiele für Pfarrvisitationen fi nden sind in Georgs Kirchenpolitik. Erinnert sei an Georgs Aufforderung an Kardinal Albrecht aus dem Jahre 1520, zwei Pfarrer an der Saale, über deren Seelsorge sich die Gemeinden beschwert hatten, durch eine gemeinsame bischöfl ich-landesherrliche Kommission visitieren zu lassen. Auch in Senftenberg setzte der Landesherr 1517 auf eine Visitation der Pfarre durch eine gemischte Kommission.43 Vergegenwärtigt man sich, daß die Visitation im 16. Jahrhundert in beiden Konfessionen zu einem zentralen Instrument der kirchlichen Erneuerung wurde,44 erscheint die albertinische Reformpolitik einmal mehr als ausgesprochen modern. Angesichts des breiten Zuspruchs zur Evangelischen Bewegung im Klerus wurde das Reforminstrument der bischöfl ichen Visitation in Sachsen 1522 reaktiviert. Entscheidenden Anteil daran hatte Herzog Georg. Das von ihm erwirkte Mandat des Reichsregiments vom Januar 1522 rief die mitteldeutschen Bischöfe ausdrücklich auf, gegen die Neuerer im Klerus disziplinarisch vorzugehen. Noch im selben Jahr kündigte der Meißner Bischof Johann VII. mit Bezug auf dieses Mandat eine Visitationsreise an. Sein Reiseplan ist höchst bemerkenswert: Denn mit den Stationen Torgau, Herzberg, Lochau, Schmiedeberg, Leisnig und Colditz wollte der Bischof nur zwei der insgesamt neun Archidiakonate seines Bistums besuchen und auch dabei ließ er wichtige Orte, etwa seine Nebenresidenz Wurzen, außen vor. Die Lösung des Rätsels ist so einfach wie aufschlußreich: Im Fokus der Visitation lagen nur jene Randbereiche des großen Meißner Bistums, die unter ernestinischer Landesherrschaft standen! Hingegen blieb eine Visitation des albertinischen Gebietes oder der Lausitzen aus. Ähnlich lagen die Dinge in Merseburg, wo die Visitation von 1524 zwar das gesamte, freilich sehr viel kleinere Bistum umfaßte, darüber hinaus aber wiederholte Versuche des Bischofs wahrnehmbar sind, gezielt evangelische Geistliche aus dem ernestinischen Landesteil vor das bischöfl iche Gericht zu zitieren.45 Die Visitationen der albertinischen Landesbischöfe entpuppen sich so nicht nur als Instrument von Kirchenreform und Ketzerkampf, sondern vor allem als Versuch »außenpolitischer« Einflußnahme. Sie strebten nichts weniger an als die Eindämmung der Reformation in Kursachsen. Angesichts der wiederholten Einmischungsversuche Georgs bei den Ernestinern einerseits und seines Ein42

Vgl. Volkmar, Heiligenerhebung Bennos, 129–140. Siehe S. 308 f. (Dornburg und Vierzehnheiligen) und S. 403 (Senftenberg). 44 Vgl. Molitor/Zeeden; Peters. 45 Zu den Visitationen im ernestinischen Sachsen vgl. zuletzt Kohnle, Reichstag, 108– 112. Aus der älteren Literatur vgl. Pallas, Visitationsreise; Pallas, Merseburg; Fraustadt, Einführung; Lobeck, 64–66; als Quellenedition vgl. Pallas, Briefe und Akten. 43

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flusses auf Johann und Adolf andererseits wird man daher vermuten dürfen, daß er auch die besondere Ausrichtung der immerhin von ihm initiierten Visitationen mit beeinflußt hat. Die Visitationen ließen sich dann als Versuch einer Fortsetzung landesherrlicher Kirchenpolitik jenseits der eigenen Territorialgrenzen verstehen.46 Ein durchschlagender Erfolg blieb ihnen freilich verwehrt. Zwar sah sich Kurfürst Friedrich, dem auf Georgs Betreiben das Regimentsmandat ebenfalls zugegangen war, gezwungen, die Bischöfe gewähren zu lassen. Doch stellte er ihnen ernestinische Amtleute an die Seite, deren Auftrag weniger die Unterstützung als die Kontrolle der Bischöfe war.47 Gezielt visitierten die Bischöfe evangelische Geistliche und versuchten daneben, durch altgläubige Predigten die Laien zu erreichen. Zwei der erfahrendsten Prediger aus Georgs Landen, die Theologieprofessoren Johannes Hennig und Hieronymus Dungersheim, übernahmen diese Aufgabe.48 Das Ergebnis der Visitationen war jedoch eine klare Niederlage für die altgläubige Seite. Zwar erließen die Bischöfe Meß- und Predigtverbote gegen mehrere evangelische Priester und forderten sie auf, das Bistum zu verlassen. Doch weil ihnen die landesherrliche Gewalt jede exekutive Unterstützung versagte, blieben sie letztlich machtlos. Adolf von Merseburg versuchte sogar, die Schutzbehauptung der Ernestiner, sie seien in geistlichen Dingen unzuständig, durch die Übertragung von bischöfl ichen Aufsichtsrechten auszuhebeln! Doch diese Stärkung seines Kirchenregiments lehnte Kurfürst Friedrich vehement ab – wobei er sich, Ironie der Geschichte, hinter dem Kanonischen Recht verschanzte.49 Die evangelischen Geistlichen konnten so ihren Bischof straflos ignorieren, geschützt und bestärkt durch die ernestinischen Amtleute in der Visitationskommission, die ausdrücklichen Befehl hatten, bischöfl iche Verhaftungen zu verhindern.50 Vom Eindruck, den die albertinischen Visitationsversuche nichtsdestoweniger hinterließen, zeugt die Reaktion Luthers. In seiner noch 1522 erschienenen Schrift »Wider den falschgenannten Stand des Papstes und der Bischöfe« verwarf er die bischöfl iche Disziplinargewalt als nicht schriftgemäß, was ihn freilich nicht daran hinderte, das Visitationsinstrument nur wenige Jahre später dem evangelischen Landesherrn als »Notbischof« anzutragen.51 Vielleicht wird man auf der Ebene des praktischen Ablaufs einer Visitation sogar gewisse Kontinuitäten zwischen den bischöfl ichen Visitationen von 1522/24 und den ersten 46

Siehe S. 492–499. Vgl. die Literatur in Anm. 45. 48 Vgl. Freudenberger, 171–184. 49 Vgl. Pallas, Merseburg, 13 f. 50 Vgl. Pallas, Visitationsreise, 40 f. 51 Vgl. Kawerau, 42. Zu Luthers (späterer) Haltung zum Visitationswesen vgl. Brecht, Bd. 2, 253–266. 47

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evangelischen Visitationen in Kursachsen entdecken können, etwa bei der Zusammensetzung der Kommissionen aus Geistlichen und landesherrlichen Räten, wie sie übrigens auch bei den Klostervisitationen üblich war. Für die albertinische Seite beeilte sich im übrigen Hieronymus Emser, das wertvolle Reforminstrument Visitation gegen Luthers Angriffe zu verteidigen.52 Für den Kampf gegen die Reformation im albertinischen Territorium spielten die bischöfl ichen Visitationen hingegen insgesamt nur eine untergeordnete Rolle. Die enge Zusammenarbeit zwischen Kirchenregiment und bischöfl icher Gerichtsbarkeit war im Tagesgeschäft wohl ohnehin viel effi zienter, als es punktuelle Visitationen sein konnten. Ob es im Meißner Landesteil überhaupt eine bischöfl iche Visitation gegeben hat, ist unklar.53 Sicher wissen wir nur von der Merseburger Visitation von 1524, die lediglich einen sehr kleinen Teil des albertinischen Territoriums betraf, sowie von einer Visitation der Universität Leipzig durch den Merseburger Bischof 1522. Über beide Reisen erstattete der Bischof dem Herzog ausführlich Bericht, der seinerseits seinen lokalen Amtsträgern die Unterstützung Adolfs anbefahl.54 Die Überprüfung der Universität fand die Dozenten frei von lutherischer Häresie, führte aber – auch mit Blick auf die weniger zuverlässigen Studenten – zu einem Mandat über den Umgang mit häretischen Büchern, das Bischof und Landesherr gemeinsam erließen.55 Bei der Visitation von 1524 befragte der Bischof Weltgeistliche, Klostervorstände und sogar Stadträte und ging – immer in Abstimmung mit den landesherrlichen Räten – gegen verdächtige Geistliche vor. Während mehrere Priester ihre lutherischen Bücher abgeben mußten, wurde einem Altaristen in Rochlitz nur noch eine Frist gesetzt, um sein Benefizium einzutauschen und das Bistum zu verlassen.56 So wertvoll der bischöfl iche Bericht als punktuelle Bestandsaufnahme ist – die bei der Visitation beschlossenen Maßnahmen ragen weder in Art noch Umfang aus dem kirchenpolitischen Tagesgeschäft jener Jahre heraus.

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Vgl. Kawerau, 42 f. Entsprechende Angaben in der älteren Literatur (vgl. Flathe, 685) sind sehr unsicher. Weder die Auswertung der ABKG noch die vom Verf. durchgeführten Archivrecherchen in Dresden und Meißen erbrachten Hinweise auf eine angeblich im Albertinischen durchgeführte Meißner Visitation von 1524. Vgl. auch Lobeck, 72. 54 Vgl. Ausschreiben Herzog Georgs, Dresden, 17. April 1524, Loc. 9033/2, Bl. 4 und 7. Als Adressaten sind für die jeweiligen Stationen der bischöfl ichen Reise genannt: Dr. Georg von Breitenbach und Georg von Wiedebach für Leipzig, der Amtmann von Rochlitz, Georg von der Pforten, für Rochlitz und Geithain, der Burggraf von Leisnig für Penig und Cäsar Pflug für Pegau (letztere als lokale Gerichtsherren). 55 Siehe S. 589 f. 56 Vgl. Visitationsbericht Bischof Adolfs von Merseburg an Herzog Georg, Merseburg, 13. Mai 1524, ABKG, Bd. 1, 664–671. Vgl. auch Pallas, Merseburg. 53

VI. Der Einsatz des Kirchenregiments gegen evangelische Mönche »[. . .] und wolt gerne seen, wo im ewangelio stet, ein monch ader non, dy kauschheit globett hat, das der ader dy aussem kloster lauffen moge und sich vorelichen. [. . .] Dy weil gschriben stet: globet und halcz, und Got spricht: auer wort soln ja ja sein, nein nein; dy weil Got wil ja und nein ghalten haben, vil mir wil her dy eyde ghalten haben. [. . .] Wy fi l hat auer lib fromer ausgloffener monch funden ader nonen; seint nicht gmeinlich hurn und buffen doraus worden?«1

Die Ablehnung des Mönchtums durch die Reformation markiert eine Zäsur in der europäischen Kulturgeschichte. Luthers Theologie traf das Mönchtum von innen, weil sie auf monastischen Idealen auf baute und sie dann überwand.2 Die Leistungsfrömmigkeit von »religiösen Virtuosen«, wie Max Weber das abendländische Mönchtum charaktersierte,3 vertrug sich nicht mit dem Erlösungsweg sola gratia, sola fide, den Luther aufzeigte. Das massenhafte Auslaufen der Mönche und Nonnen in der frühen Reformation erscheint als »eine Art Abstimmung mit den Füßen« (Enno Bünz).4 Die unmittelbar Betroffenen zogen die Konsequenzen aus Luthers Kritik am monastischen Lebensentwurf. Ihre Gewissensentscheidung war eines der deutlichsten äußeren Zeichen jenes theologischen Umbruchs, der die europäische Gesellschaft grundlegend verändern sollte.5 Herzog Georg beobachtete die Vorgänge in den Klöstern seines Landes genau, aber wie schon bei den Klosterreformen der Vorreformation blieb sein Standpunkt der Blick von außen. Die Konsequenzen der theologischen Kritik Luthers zu erfassen hat er sich geweigert. Deshalb fi ndet sich bei ihm auch kein Rezept gegen die Infragestellung des Mönchtums, ja er hat eine solche Vertei1

Brief Herzog Georgs an Landgraf Philipp von Hessen [Dresden, 27. Februar 1525], ABKG, Bd. 2, 52–57. 2 Vgl. Brecht, Bd. 1. 3 Vgl. Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, 327 f. 4 Bünz, Ende, 83. 5 Zum Forschungsstand vgl. Schilling, Klöster und Mönche; am Beispiel Sachsen: Bünz, Ende; Köhler, Nimbschen, 117–136.

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digung wohl gar nicht für nötig erachtet und es anderen überlassen, mit apologetischen Flugschriften hervorzutreten.6 Georgs Antwort ist hier einmal nicht vom Grundsatz »Reform statt Reformation« geprägt, zumal die meisten Klöster seines Landes gerade eben erfolgreich reformiert worden waren. Nein, der Albertiner kennt nur den Weg obrigkeitlicher Aufsicht und Sanktionierung. Erst unter den veränderten Bedingungen der späten 1530er Jahren traten Klosterreformen erneut in den Blickpunkt, jetzt vorrangig mit dem Ziel, die wirtschaftliche Substanz des angeschlagenen Klosterwesens zu sichern.7 Georgs grundsätzliche Ablehnung der Reformation wurde dabei noch von seinem ausgeprägten Rechtsempfi nden verstärkt. Denn das Mittelalter betrachtete die Profeß der Klosterinsassen als rechtlich bindenden Eid, der weitreichende Konsequenzen, etwa den Verlust der weltlichen Rechtsfähigkeit, mit sich brachte. Allein der Papst konnte von diesem Gelübde dispensieren.8 Mit dem Austritt aus dem Kloster brachen Luthers Anhänger also mit geistlichen wie weltlichen Rechtsvorstellungen. So verwundert es nicht, daß Klosteraustritten traditionell eine kriminelle Motivation unterstellt wurde. Auch Georg griff diesen Topos auf und behauptete, daß sich Klosterausläufer stets als Huren und Spitzbuben entpuppt hätten.9 Der Bruch eines eigentlich unwiderrufl ichen Eides machte die Auslaufenden in seinen Augen ehrlos. Georg weigerte sich deshalb konsequent, entlaufene Mönche als rechtsfähig anzuerkennen. Dies galt für einen Erbfall in Pirna10 ebenso wie für die Zeugenaussage des ehemaligen Priors des Klosters Königstein: »Und ob es gleich sein handschrift und zeugnus were«, so lautete Georgs Kommentar, sei das Zeugnis wertlos, denn wer könne wissen »was einem sollichen man, der in vergessung seiner gelubd und gehorsams seinen habit und orden abgelegt, zu vortrauen und glauben sey«.11 Welches Gewicht der Eidbruch in Georgs Augen für die Beurteilung einer Person besaß, zeigt nicht zuletzt die Auseinandersetzung mit Luther. Seit dem Jahreswechsel 1522/1523 begann Herzog Georg, dem Kanon seiner Argumen6

Etwa den unmittelbar betroffenen Äbten der Klöster Altzelle und Pegau. Vgl. Paul Bachmann, Czuerrettung den schwachen ordens personen [. . .], Dresden [Emserpresse] 1524 (VD 16 B 29); Simon Blick, Verderbe vnd schade der lande vnd leuthen am gut, leybe, ehre vnd der selen seligkeit ausz Lutherischen vnnd seins anhangs lehre zugewant, Leipzig: Wolfgang Stöckel, 1524 (VD 16 B 5731). Vgl. dazu Smolinsky, Alveldt und Emser, 358–363, 380. 7 Vgl. Gess, Klostervisitationen. 8 Vgl. Bünz, Ende, 80 f. 9 Siehe das Zitat am Anfang des Kapitels. – Den topischen Charakter dieses Arguments betont Felician Gess mit dem Verweis auf die Meißner Synodalstatuten von 1504. Vgl. Gess, Klostervisitationen, 14 f. Zu den Statuten vgl. zuletzt Wiegand, Statutengesetzgebung Meißen. 10 Vgl. Brief Herzog Georgs an den Rat zu Pirna, Dresden, 22. November 1523, ABKG, Bd. 1, 566 f. 11 Brief Herzog Georgs an Siegmund von Arras zu Thürmsdorf, Dresden, 23. Dezember 1524, ABKG, Bd. 1, 784.

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te gegen Luther den Vorwurf hinzuzufügen, dieser sei ein »abtronniger, vorlaufener monch«.12 Für den Zeitpunkt dieses Angriffs gibt es keinen offensichtlichen Anlaß, denn Luthers Schrift »De votis monasticis« war schon 1521 erschienen und öffentlich hat der Wittenberger die Mönchskutte erst 1524 abgelegt.13 Ausschlaggebend war vielleicht der Kontext des Vorwurfs (Luthers Angriffe auf Georgs Ehre in der Missive an Hartmut von Cronberg), der Georg danach trachten lassen mochte, Luthers eigene Ehrlosigkeit nachzuweisen.14 Bemerkenswert ist allemal, daß Georg von nun an regelmäßig auf Luthers Meineidigkeit zurückkam, wog doch eigentlich seine Verurteilung durch Papst und Kaiser, ja überhaupt der Vorwurf der Ketzerei viel schwerer. Offenbar sah Georg in der Tatsache, daß Luther durch die Aufgabe des Mönchslebens meineidig geworden sei, einen Beweis für den persönlichen moralischen Verfall, der mit den falschen Lehren der Reformation einherging. Dies galt ihm um so sicherer seit Luthers Heirat mit Katharina von Bora. Nun konfrontierte Georg den Reformator mit der Schwäche seines Fleisches und rechnete ihm vor, er habe wegen der Heirat mit einer Nonne gleich zwei Gelübde auf dem Gewissen.15 Doch steht hinter Georgs Vorwürfen mehr als bloße Gehässigkeit. Das solcherart gezeichnete Persönlichkeitsprofi l Luthers entsprang vor allem dem Zerrbild, das Georg vom Inhalt der reformatorischen Botschaft besaß. Wie im Aufstand des Bauernkrieges16 entdeckte Herzog Georg auch in der vermeintlichen Ehr- und Sittenlosigkeit Luthers die Früchte seiner Lehre, an denen er deren wahren Ursprung zu erkennen glaubte: In der Rechtfertigung allein aus der Gnade, der Betonung der evangelischen Freiheit und schließlich der Ablehnung des Papsttums und des Kirchenrechts sah Georg den Versuch, unter dem Deckmantel des Evangeliums Laxheit und Sittenlosigkeit zu propagieren, ja bei vielen Anhängern vermutete er moralischen Verfall als eigentliches Motiv für die Hinwendung zur Reformation.17 Luther selbst schien das Exempel zu setzen: »Es erscheint auch clerlich in dem, das Martinus vorworfen hat den monchestand und also die monche aus dem closter zu Wittenbergk, daß er destomeher raum hat, mit seyner Kethen zu wohnen; davon sich vor ein ganz convent 12 Brief Herzog Georgs an Kurfürst Friedrich, Dresden, 27. Januar 1523, ebd., 451 f. Vgl. auch schon Brief Herzog Georgs an Dr. Dietrich von Werthern, Dresden, 11. Dezember 1522, ebd., 394–399. 13 Vgl. Brecht, Bd. 2, 30–34, 99–108. 14 Siehe dazu S. 471–473, 495 f. 15 Vgl. Brief Herzog Georgs an Martin Luther, Dresden, 28. Dezember 1525, ABKG, Bd. 2, 472–478. 16 Zur Bedeutung des Bauernkrieges als »Beweis« für den Vorwurf, die Reformation schüre unchristlichen Ungehorsam und Aufsässigkeit wider die Obrigkeit siehe S. 567–569. 17 Konzis zusammengefaßt fi nden sich diese Gedankengänge in einer eigenhändig von Herzog Georg verfaßten Reichstagsinstruktion vom Jahresende 1525, die eine Art Generalabrechnung mit der Reformation nach dem Sieg im Bauernkrieg darstellt. Vgl. Instruktion Herzog Georgs für Dr. Otto Pack zum Augsburger bzw. Speyerer Reichstag, Dresden, 26. Dezember 1525, ABKG, Bd. 2, 461–471. – Siehe auch S. 481–486.

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hat nehren mogen, bekomt ym wol, das er sich selbander in fleischlicher wollust doruf nere. Als der meister, so tuen die schuler«. Und so würden die Lutheraner nun »mit drau ewiger pein der hellen [und] mit vorheyschung fleischlicher und ewiger wollust und selikeyt« die Klosterinsassen zur Flucht aus ihren Konventen treiben. Vor diesem Hintergrund konnte Luthers Bruch des Mönchsgelübdes für Herzog Georg schließlich zum Generalargument gegen die gesamte Reformation werden, denn sie erfolge »allein uf eynes ausgelaufen abtronnigen monchs angeben, so er spricht, es sey das ewangelium.«18 Weil sich aber der Glaubensstreit letztlich an der richtigen Auslegung des Evangeliums entzündet habe, so Georg, sei die Reputation des Auslegers ein entscheidender Fingerzeig dafür, auf wessen Seite die göttliche Wahrheit zu fi nden sei.19 Im Fokus des landesherrlichen Kampfes gegen die Reformation standen seit dem Februarmandat alle ausgelaufenen Mönche, nicht zuletzt, weil sie als potentielle Multiplikatoren der lutherischen Ideen galten. Ihre Verfolgung durch die landesherrlichen Amtsträger gestaltete sich wohl noch effizienter als beim Weltklerus. Denn gegen einen klosterflüchtigen Mönch mußten nicht erst Beweise lutherischer Gesinnung gesammelt werden, er war ipso facto überführt. Wie bei den Weltgeistlichen beachtete die Landesherrschaft dabei das Privilegium fori und übergab die Gefangenen ihren Ordensoberen.20 Im Falle der Augustinereremiten brach man allerdings in den Jahren 1522/23 mit dieser Regel, weil mit dem Observantenvikar Wenzeslaus Link ein erklärter Lutherfreund an der Spitze der Ordenskongregation stand, von dem eine Bestrafung der Gesinnungsgenossen nicht zu erwarten war. Da Kardinal Albrecht die Verantwortung für gefangene Augustiner aus Eisleben und Langensalza nicht übernehmen wollte, blieben sie in weltlicher Haft.21 Bei Angehörigen nicht-exemter Orden schaltete Herzog Georg regelmäßig die Bischöfe ein, wobei er Diözesangrenzen auch schon einmal ignorierte, um sich ein größtmögliches Maß an Kontrolle über die geistlichen Gerichtsverfah18

Instruktion Georgs, 1525 (wie Anm. 17). So argumentierte Herzog Georg auf den Augsburger Reichstag 1530 gegen die Confessio Augustana. Weil beide Seiten sich auf das Evangelium beriefen, müßte die Reputation der Ausleger über die Lehre entscheiden. Hier stünden auf altkirchlicher Seite die Kirchenväter, für die neue Lehre aber nur ein »außglofener monch Martin Lutter, der umb seines leybes wollost wil meyneydig worden«. Konzept Herzog Georgs zu einem Redebeitrag auf dem Reichstag zu Augsburg [Augsburg, September 1530], ABKG, Ms. Werl, Nr. 2051. 20 So übersandte Georg einen in Chemnitz verhafteten, aber aus Düren am Niederrhein stammenden Karmeliter an den Provinzial in Köln, den entlaufenen ehemaligen Propst der Propstei Memleben wiederum wollte er dem Abt des Mutterklosters Hersfeld zur Bestrafung übergeben. Vgl. Briefe Herzog Georgs an den Provinzial der Karmeliter zu Köln und an den Rat zu Chemnitz, Dresden, 27. Dezember 1522, ABKG, Bd. 1, 405 f.; Brief dess. an Dr. Dietrich von Werthern, Dresden, 26. Mai 1524, ebd., 676. 21 Vgl. Briefe Kardinal Albrechts an Herzog Johann d.J., Halle, 4. Februar 1522, ebd., 263 f.; Brief dess. an Herzog Georg, Nürnberg, 24. November 1522, ebd., 392 f. 19

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ren zu sichern.22 Zur Abschreckung ging er auch gegen jene Laien vor, die entlaufene Mönche unterstützten.23 Es hat den Anschein, daß sich angesichts des ernormen Verfolgungsdrucks kaum ein ausgelaufener Klosterinsasse längere Zeit im albertinischen Sachsen halten konnte. Viele von ihnen handelten wie der Prior des Klosters Königstein und flohen gleich nach Wittenberg, weshalb Herzog Georg die Stadt einmal als Sammelpunkt aller Abtrünnigen seines Landes bezeichnete.24 Neben die Verfolgung der Ausgelaufenen traten Versuche der Prävention. Selbst die sächsischen Augustinereremiten, die sich unter Luthers persönlichem Einfluß wie kein anderer Orden der Reformation zuwanden, gab Georg nicht verloren. Tief griff er dabei in die Autonomie der Konvente ein, ganz in der Tradition der vorreformatorischen Klosterreformen, wenn auch jetzt ohne die Zustimmung der Ordensleitung. Schon im Dezember 1521 warnte er die Mönche in Altendresden, dem schlechten Beispiel ihrer Wittenberger Brüder zu folgen und drohte, ihren Konvent andernfalls mit zuverlässigeren Personen zu besetzen. Die Augustiner versicherten darauf hin, bei der alten Kirche bleiben zu wollen.25 In Langensalza plante Georg die Verhaftung des prolutherischen Priors und setzte bei nächster Gelegenheit dessen Abwahl durch. Und als ihm zu Ohren kam, der Vikar Link plane ein Kapitel der Kongregation, auf dem jedem Mönch der Austritt aus dem Orden freigestellt werden sollte, verbot er kurzerhand den albertinischen Konventen die Teilnahme an dieser Versammlung. Eine Genugtuung war es ihm, als 1524 der neugewählte Vikar um seine Mithilfe bei der Wiederbesiedelung des Klosters Sangerhausen bat.26 Insgesamt ist Georgs Erfolg durchaus eindrucksvoll. Während sich die Augustinerklöster allerorten auflösten, stabilisierten sich die vier albertinischen Konvente und bestanden noch beim Tode des Albertiners im Jahre 1539.27 22

So zeigte der Bischof von Breslau 1524 den Abt des Augustinerchorherrenstifts Sagan (Bistum Breslau) bei Herzog Georg als Lutheraner an, worauf hin Georg dem Saganer Amtmann befahl, den Abt zu verhaften und in das Gefängnis des Bischofs von Meißen nach Stolpen zu überführen. Die Verhaftung unterblieb, weil sich der Abt glaubhaft als verleumdet verteidigen konnte. Vgl. Brief Seifried von Necherns, Amtmann von Sagan, an Herzog Georg, [Sagan], 5. April 1524, ebd., 637; sowie ebd., passim. 23 Vgl. z. B. Brief Herzog Georgs an Heinrich von Schönberg, Amtmann von Schellenberg, Dresden, 12. März 1523, ebd., 480 f. 24 »Darzu hast du zu Wittenberg eyn asylum angericht, das alle monche und nonnen, so uns unser kirchen und closter berauben mit nhemen und stelen, die haben bey dir zuflucht, ufenthalt, als wer Wittenberg, hofl ich zu nennen, eyn janerbenhaus aller abtrunniger unser land.« Brief Georgs an Luther, 1525 (wie Anm. 15). 25 Vgl. Brief Herzog Georgs an Kanzler Dr. Johann Kochel, Schellenberg, 2. Dezember 1521, ABKG, Bd. 1, 215 f.; Brief der Herzöge Johann d.J. und Friedrich d.J. an Herzog Georg, Schellenberg, 7. Januar 1522, ebd., 244 f. 26 Vgl. Brief Herzog Georgs an Amtmann und Rat zu Sangerhausen, Dresden, 7. Mai 1524, ebd., 661 f. 27 Vgl. Gess, Klostervisitationen, 16–20. Zum Kontext vgl. Kunzelmann, Bd. 5.

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Weniger Glück hatte Georg mit seiner eigenen Gründung Königstein. Nachdem er bei einem Besuch im Kloster die Sympathien vieler Mönche für Luther verspürt hatte, regte der Fürst Mitte 1523 eine Visitation des Königsteiner Konvents und seines Mutterklosters Oybin an, wofür er noch einmal die Verbindung zum Prager Administrator Johannes Žak aktivierte. Nach Georgs Vorstellung sollte ein neuer Prior eingesetzt, alle lutherischen Bücher konfisziert und zudem die Zusammensetzung der Konvente durch den Austausch von Mönchen verändert werden.28 Die Visitation des Königsteins hat der Landesherr dann im Herbst 1523 zusammen mit dem Meißner Bischof persönlich vorgenommen, wobei er sich besonders um den Prior Johannes Mantel bemühte, dem er Emsers Kritik des Septembertestaments schenkte.29 Doch schon Wochen später floh Mantel in weltlichen Kleidern nach Wittenberg.30 Im folgenden Jahr verließen schließlich weitere fünf Mönche den Königstein und erfüllten dabei alle Negativklischees: Noch im Kloster hatten sie sich teure weltliche Kleidung besorgt und die beim Weggang veruntreuten Klostergelder verpraßten sie bei einem Besäufnis in einer Dorfschenke, wobei sie zum Scherz Meßgesänge anstimmten und Herzog Georg und den Meißner Bischof verspotteten.31 Zwei der Ausläufer konnte ein wachsamer Amtmann des Herzogs in Senftenberg verhaften. Herzog Georg ließ sie durch seinen Kanzler verhören und dann in das Mutterkloster Oybin bringen. Die Königsteiner Stiftung, in der ein einziger Mönch verblieben war, löste er auf.32 Trotz mancher Erfolge des Landesherrn wurde das albertinische Klosterwesen durch die Reformation schwer erschüttert. Zu den personellen Probleme traten wirtschaftliche, bedingt durch die Zerrüttung der Konvente, aber auch die gewandelte Haltung vieler Laien zum Klosterwesen, die sich im Rückgang von Almosen für die Bettelorden ebenso ausdrückte wie im Versuch, verbriefte Abgaben an die großen Landklöster abzuschütteln. Dies galt insbesondere für die Einnahmen albertinischer Klöster aus den ernestinischen Landesteilen. Eine besondere Krisensituation schuf 1525 der Bauernkrieg in Thüringen. Die Konvente flohen vor den Bauern ins Meißnische, viele Klöster auf dem Lande wurden völlig zerstört. Dennoch hat Georg auch hier bereits unmittelbar nach dem Sieg von Frankenhausen mit Wiederauf baumaßnahmen begonnen. Konvente 28

Vgl. Instruktion Herzog Georgs [Ende Juni 1523], ABKG, Bd. 1, 533–537. Vgl. Brief Herzog Georgs an Prior und Konvent des Cölestinerklosters auf dem Königstein, [Dresden] 4. Dezember 1523, ebd., 578 f. sowie ebd., Anm. 3 und 4. 30 Vgl. Brief des Hans Karras, Landvogt von Pirna, an Herzog Georg, o.O., 8. November 1523, ebd., 563–565. 31 Vgl. Brief dess. an dens., Pirna, 24. April 1524, ebd., 658 f. sowie den Bericht ebd., 659, Anm. 1. 32 Vgl. Brief Bartel Prasslers, Amtmann zu Senftenberg, an Herzog Georg, o.O., 11. Mai 1524, ebd., 662 mit Anm. 3; Brief Herzog Georgs an Prior und Konvent des Cölestinerklosters zu Oybin, Dresden, 16. Mai 1524, ebd., 671 f. Zur Geschichte des Klosters siehe auch S. 251–253. 29

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wurden wieder angesiedelt, andere zusammengelegt, überall Rechtstitel und Besitz der Klöster zur Sicherung der Ansprüche aufgezeichnet.33 Der vorreformatorische Trend zur landesherrlichen Aufsicht über die Klosterwirtschaft wurde dadurch noch verstärkt. Einen weiteren Schub erhielt er dann durch die Visitationen der Jahre 1535–1539.34 Fragt man nach der Bedeutung der landesherrlichen Kirchenpolitik für das albertinische Klosterwesen in der Reformationszeit, dann lag diese wohl vor allem im klaren Bekenntnis der Landesherrschaft zur religiösen Aufgabe wie zum weltlichen Besitzstand der Klöster. Diese verhinderte die völlige Selbstauflösung des albertinischen Klosterwesens, führte zu einer gewissen Stabilisierung und gab ihm eine Chance auf Zukunft – immer abhängig von der weiteren Politik der Landesherren.

33 34

Vgl. Gess, Klostervisitationen, 20 f.; Bünz, Ende, 85. Vgl. Gess, Klostervisitationen, 22–45; Kühn, 11–17.

VII. Der Einsatz des Kirchenregiments gegen evangelische Laien »Es weren meyn underthan wol so bose und leichfertig, als greit vor augen ist, wo sy nicht ein schauen vor mir hetten und bsorgeten, ich word es nicht leyden, sy worden disser sach och anfahen und anhangen.«1

In den Jahrzehnten vor der Reformation waren die Laien verstärkt in den Fokus der landesherrlichen Kirchenpolitik getreten. Das gottgefällige Verhalten seiner Untertanen galt Herzog Georg als eine Grundlage für das Wohl des Landes und seiner Kirche. Die Aufmerksamkeit für Frömmigkeit und normgerechtes Verhalten der Laien konnte zwar nicht auf die spezifische Herausforderung der Reformation vorbereiten, schärfte aber den Blick für ihren Einfluß. Auch in dieser Hinsicht war Herzog Georg durch seine vorreformatorische Kirchenpolitik gut gerüstet. Mit Blick auf die Reformation hieß dies, daß der Albertiner nicht nur Priester und Mönche, sondern auch die Laien als Träger der Evangelischen Bewegung wahr- und ernstnahm. Er erkannte, daß eine der schärfsten Waffen der Reformation gerade ihre Attraktivität für die Laien war. Mit seinem Engagement in der reformatorischen Öffentlichkeit versuchte er, den Kampf um die Köpfe der Laien auf gleicher Augenhöhe aufzunehmen, etwa mit volkssprachlichen Flugschriften oder altgläubigen Bibelübersetzungen. Im eigenen Territorium, wo ihm alle Mittel des Kirchenregiments zur Verfügung standen, griff er aber auch sogleich zu Sanktionen.

1. Die Verfolgung der lutherischen Untertanen Schon vor dem Erlaß des Februarmandats ging Herzog Georg auf der Grundlage des Wormser Edikts mit obrigkeitlicher Härte gegen Laien vor, die sich der neuentstehenden Evangelischen Bewegung anschlossen. Dies mußten Ende 1521 die Bürger der Stadt Döbeln am eigenen Leib erfahren. Mit Unterstützung des Rates hatte im Oktober 1521 der lutherische Priester Jakob Seidel auf dem 1 Brief Herzog Georgs an Herzog Johann d.Ä., Schellenberg, 21. November 1521, ABKG, Bd. 1, 208–211.

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Döbelner Rathaus zu predigen begonnen.2 Rasch kam es zu verbalen Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern Seidels und dem altgläubigen Klerus der Stadt, wobei letzterer offenbar den Landesherrn alarmierte. Die Verhöre, welche zwei Räte Herzog Georgs kurz darauf in Döbeln durchführten, brachten das ganze Ausmaß der evangelischen Neigungen in Bürgerschaft und Rat zum Vorschein. Seidels Predigten hatten sogar den Pfarrer und den Stadtschreiber aus dem benachbarten Roßwein angelockt. In Döbeln selbst waren Klerus und Bürgerschaft in eine evangelische und eine altgläubige Partei gespalten.3 Am 9. Dezember 1521 hielt Herzog Georg sein Strafgericht über die Stadt. Mit Hinweis auf die päpstliche Bannbulle und das Wormser Edikt warf er den Döbelnern vor, sie hätten Seidel angehangen, obwohl dieser – durch weltliche Kleidung und verwachsene Tonsur klar erkennbar – kein Priester nach kirchlicher Ordnung gewesen sei. Wie so oft brachte Georg dabei evangelische Gesinnung mit moralischem Verfall in Beziehung: Seidel habe »sein dirn zu der ehe« genommen, um Geld gespielt und gezecht und sei außerdem meineidig geworden, weil er gegen die bischöfl iche Auflage wieder als Priester gewirkt habe. Der eigentliche Vorwurf aber richtete sich gegen die Ehrbarkeit von Döbeln, die Seidel trotz seiner zweifelhaften Erscheinung und ungeachtet der Ablehnung der Ortsgeistlichkeit die Predigt im Rathaus ermöglicht hatte: »Dieweil euch ein solch man vom rechten weg fuhren mag, was wolt geschehn, wenn der anticrist quem und gelt streuet? Wir konnen [. . .] nit anders abnemen, denn das aller gehorsam der Cristlichen kirchen bey euch erloschen und seyt am sprung, die nau vordampt, vorprant, ketzerisch Martinisch und seiner junger lere anzunehmen und wolt ketzer gescholden und geacht werden«.4 Georg sah also im Handeln der Döbelner Laien eine freie Entscheidung für die Ketzerei, für die er sie zur Verantwortung zog. Während Seidel für weitere zwei Jahre im bischöfl ichen Turm verschwand, entfernte der Fürst seine Anhänger aus ihren Funktionen in Rat und Stadtgericht. Jeder, der die evangelischen Predigten gehört hatte, mußte eine mindestens einwöchige Haft bei Wasser und Brot absitzen und danach vom Meißner Bischof Absolution erbitten.5 In Gruppen von 13 Personen wurden die Döbelner inhaftiert, »bis ßo lange sie alle gestrafft wurden, die des orts dem prister anhengig gewest«, wie Planitz es von Herzog Georg in Nürnberg hörte.6 Den Gehorsam der Döbelner erzwang der Fürst mit dem Hinweis auf das Wormser Edikt. Dieses erlaube ihm, sie alle als 2

Zum Fall Seidel siehe S. 509 f. Vgl. Bericht der Räte Bartel Prassler und Thomas von der Heyde an Herzog Georg, Döbeln, 4. Dezember 1521, ABKG, Bd. 1, 217–226. 4 Brief Herzog Georgs an Rat und Gemeinde zu Döbeln, Schellenberg, 9. Dezember 1521, ebd., 227 f. 5 Vgl. Briefe der Herzöge Johann d.J. und Friedrich d.J. an Kanzler Dr. Johann Kochel, Schellenberg, 22. Dezember 1521 und 5. Januar 1522, ebd., 231 f., 242 f. 6 Brief des Hans von der Planitz an Kurfürst Friedrich, Nürnberg, 2. Januar 1522, Virck/ Wülcker, 58–62. 3

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gebannt und geächtet zu behandeln, seine Strafe sei da noch eine gnädige.7 Das Exempel zeigte Wirkung; für die restliche Regierungszeit Georgs hören wir nichts mehr von Evangelischen in Döbeln.8 Im Spektrum der Verstöße gegen die kirchliche Ordnung, mit denen albertinische Untertanen ihre Entscheidung für Luthers Lehre bekundeten, waren der Empfang des Abendmahls unter beiderlei Gestalt oder das Auslaufen zu (bzw. im Falle Döbelns: die Organisation von) evangelischer Predigt nur die auffälligsten Formen. Als geradezu prototypisches Zeichen für die Hinwendung zur Evangelischen Bewegung können auch Verstöße gegen die Fastengebote gelten.9 Sie waren, wie manch andere Veränderungen im Lebenswandel der Laien, direkt von der Idee evangelischer Freiheit motiviert. Von der neuen Selbstbestimmung zeugten auch Eheschließungen von Laien mit entlaufenen Ordensangehörigen, Mönchen wie Nonnen.10 Offenbar lutherisch motiviert war ebenso die Weigerung einer Wöchnerin aus Delitzsch, sich dem Ritual des Einleitens in die Kirche zu unterziehen.11 Schließlich entlud sich der Eifer der neuen Bewegung in Angriffen auf altgläubige Priester: öffentliche Verleumdungen, Schmähbriefe und nächtens eingeworfene Fensterscheiben waren gerade im heißen Winter 1521/22 keine Seltenheit.12 Das persönliche Interesse Herzog Georgs an der Bestrafung der Laien, das seine ausführliche Schilderung gegenüber Hans von der Planitz belegt, läßt sich immer wieder beobachten. Oft behielt sich der Fürst selbst die Urteilsfi ndung vor. In der Regel wurden die Delinquenten zunächst durch die lokale Obrigkeit verhaftet, dann zuweilen gegen die Stellung von Bürgen freigelassen, bis aus Dresden das Urteil kam. Als in den Jahren 1524/25 zahlreiche Annaberger ins 7 Vgl. Brief Herzog Georgs an Rat und Gemeinde zu Döbeln, Schellenberg, 9. Dezember 1521, ebd., 227 f. 8 Vgl. Wartenberg, Landesherrschaft, 39–41. 9 Exemplarisch genannt sei ein Fastenverstoß (Bratwurstessen) in Leipzig während des Neujahrsmarktes, aufgrund dessen der Wirt Wolfgang Puschinger auf Befehl Herzog Georgs im Februar 1522 vom Leipziger Rat verhaftet wurde und – wie eine Petition seiner Ehefrau zeigt – und noch bis mindestens Anfang März in Haft blieb. Vgl. Brief Herzog Georgs an Herzog Johann d.J. und Herzog Friedrich d.J., Nürnberg, 5. Februar 1522, ABKG, Bd. 1, 264–268; Brief Herzog Johanns d.J. und Herzog Friedrichs d.J. an Herzog Georg, Dresden, 3. März 1522, ebd., 283 f. 10 So z. B. der Fall der Verehelichung des Hans Marschall zu Löbnitz mit einer ehemaligen Nonne in Jahre 1523. Vgl. Instruktion Herzog Georgs für die Statthalter bei seiner Abreise zum Reichsregiment zu Nürnberg [Ende Juni 1523], ebd., 533–537. Anläßlich der Ehe der entlaufenen Nonne Christine von Honsberg, deren Ehemann von der Familie der Frau sogar Ehesteuer nachforderte, betonte Herzog Georg die Ungültigkeit solcher Verbindungen. Vgl. Brief Herzog Georgs an Richter und Beisitzer des Oberhofgerichts, Dresden, 14. September 1525, ebd., 397 f. 11 Vgl. Brief Herzog Georgs an den Rat zu Delitzsch, Leipzig, 9. Januar 1525, ebd., Bd. 2, 5. 12 Vgl. Wartenberg, Landesherrschaft, 23–59; ABKG, Bd. 1, passim. Beispiele ließen sich etwa für Leipzig, Dresden, Oschatz und Annaberg anführen.

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benachbarte ernestinische Buchholz gingen, um Friedrich Mykonius predigen zu hören,13 nahm sich der Fürst ihrer persönlich an. 40 Männer, größtenteils Handwerker, »so inn Buchholtz zur predige und messe gewest«, mußten vor dem Herzog erscheinen, weil dieser selbst über ihr Strafmaß befi nden wollte. Vier Stunden nahm sich Georg Zeit, um den in kleine Gruppen aufgeteilten Delinquenten nacheinander ins Gewissen zu reden.14 Als diese von der Strafe hörten, baten sie inständig um eine Frist zur Bewährung: Denn Georg konfrontierte sie mit der Ausweisung aus seinem Land! 15 Der übrigen Annaberger Bevölkerung ließ Herzog Georg das Verbot, die Buchholzer Predigten zu besuchen, auf die denkbar konsequenteste Art einschärfen. Ratsherren und Viertelsmeister mußten »von haus zu hause geheen« und jedem Einwohner der Stadt das Verbot persönlich kundtun.16 Freilich blieb die Evangelische Bewegung in Annaberg so stark wie vielleicht in keiner anderen albertinischen Stadt. Georgs Maßnahmen vermochten, wie er schon 1522 befürchtet hatte, wegen der geographisch exponierten und durch soziale Konfl ikte zusätzlich angespannten Lage der Stadt lediglich die oberflächliche Ruhe zu sichern.17 Wie der geschilderte Fall belegt, griff Herzog Georg also nicht erst in den 1530er Jahren, als es in Folge des Edikts vom 20. September 153218 vor allem in Leipzig zum Massenexodus kam, zu großangelegten Ausweisungen gegen den harten Kern der Evangelischen Bewegung. Anders als noch von Günther Wartenberg vermutet, fand die Verbannung als härteste Waffe im Ketzerkampf be-

13

Zum Kontext vgl. Moeller, Annaberg, 107–110. Namensverzeichnis Annaberger Bürger [2. Jahreshälfte(?) 1524], Loc. 9827/27, Bl. 7– 9, ediert: (unter dem Datum 7. April 1524) Seidemann, Erläuterungen, 103 f. Die undatierte Quelle ist nicht ohne weiteres mit dem benachbarten Aktenstück vom 7. April 1524 zeitlich gleichzusetzen, wie dies Seidemann tat, aber schon Gess vermied (vgl. ABKG, Bd. 1, 637 f.). Vermutlich ist das Stück eher in die zweite Jahreshälfte 1524 zu datieren. Dafür spricht nicht nur die von den Bürgern erbetene Bewährungsfrist bis zur nächsten Fastnacht, sondern auch eine vielleicht auf den Annaberger Fall zu beziehende Erwähnung einer Ausweisungsdrohung gegen 40 Bürger in einem Brief vom Dezember 1524 (siehe folgende Anm.). 15 »[. . .] mein g. h. wil den meren teyl in straff nehmen und dieselbigen inen nach seyner f. g. gelegeneyt aufflegen, derein sie sich auch begeben, aber mit dem achten, wil sein f. g. mit der vorweysung zwuschen hier und fastnacht stylle stehen und besehen wie sie sich wollen anlassen«. Zeitgenössischer Dorsualvermerk zum Annaberger Namensverzeichnis, Loc. 9827/27, nach Bl. 9. – Die hier angesprochene »vorweysung« ist im Sinne von »Ausweisung, Vertreibung« zu verstehen (vgl. Baufeld, 87). Dies korrespondiert mit der Erwähnung einer Ausweisungsdrohung Herzog Georgs gegen 40 Personen Ende 1524, wiewohl hier der örtliche Bezug – Freiberg oder Annaberg – nicht eindeutig ist. Vgl. Brief Valentin Elners an Magister Stephan Roth in Wittenberg, Freiberg, 11. Dezember 1524, ABKG, Bd. 1, 774– 776. 16 Brief des Matthes Pusch, Bergvogt zu Buchholz, an Kurfürst Friedrich, Zwickau, 22. August 1524, ebd., 727–730. 17 Vgl. Moeller, Annaberg, 107–110. Für Georgs Aussagen über Annaberg siehe S. 476. 18 Vgl. Lobeck, 74. 14

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reits in der frühen Reformationszeit Anwendung.19 Schon 1523/24 traf sie mehrere Handwerker aus Leipzig und wurde jenen Bürgern von Sangerhausen angedroht, die Thomas Müntzers Predigten in Allstedt gehört hatten. Wie wirksam diese Drohung war, zeigte sich bei den Sangerhäusern, die vor Herzog Georg in Dresden erschienen und »umb gnedig verzeihung« baten.20 Andere Lutheraner mußten, je nach Schwere des Vergehens, mit Geldbußen und Haftsstrafen büßen. Mehrere Bürger aus Chemnitz, die der Beihilfe zur Klosterflucht überführt waren, ließ Herzog Georg wählen: »entzwar 4 wochen im thorm gefenklich zu lygen [. . .], ader aber 10 gute schock [Groschen] uns zu vorgenugen«.21 Generell ging es ihm darum, mit harten Strafen abzuschrecken. Exemplarisch schildert er 1522 seinem Reichstagsgesandten: »Wir haben noch heut eynen Lotters halben in straf genommen; er wirdets mit 1000 gulden kaum abeleschen.« 22 Hinrichtungen von Lutheranhängern hat es im albertinischen Sachsen hingegen nie gegeben; die zwei Todesurteile, die oft mit Georgs Kampf gegen die Reformation in Verbindung gebracht werden, ergingen nicht wegen Häresie, sondern wegen Aufruhrs.23 Der Verzicht auf Ketzerverbrennungen mag auf den ersten Blick erstaunen, gilt Georg doch als einer der schärfsten Gegner der Reformation unter den deutschen Fürsten. Doch wäre es verfehlt, darin ein Zeichen von Toleranz, politischer Rücksichtnahme auf die Reformationsfürsten oder gar geheimen Zweifeln am häretischen Charakter der Evangelischen Bewegung zu sehen. Nein, die Verbannung war für den weltlichen Landesherrn einfach nur die billigere und leichter verfügbare Alternative zur Hinrichtung. Schon im Mittelalter galt die Ausweisung als typische Gnadenstrafe für zum Tode Verurteilte. Für Herzog Georg bot sie den Vorteil, daß sie in seine eigene Kompetenz als oberster weltlicher Richter im Territorium fiel, während die Hinrichtung eines Ketzers einen kirchlichen Prozeß voraussetzte.24 Zwar arbeitete der Albertiner eng mit den sächsischen Bischöfen zusammen, doch hatte sich der Papst die Ketzerverfahren gegen Luther und seine Anhänger reserviert, so daß Johann VII. von Meißen 1523 erst um die Erlaubnis zur Durchführung von Prozessen und 19 Vor 1525 sind Ausweisungen von Bürgern wegen ihrer prolutherischen Haltung nicht bekannt.« Wartenberg, Landesherrschaft, 61. 20 Vgl. Briefe Herzog Georgs an den Rat zu Leipzig, Dresden, 29. September 1523 und 12. April 1524, ebd., 553 f., 647 f.; Briefe dess. an Amtmann und Rat zu Sangerhausen, Dresden, 2. August und 5. September 1524, ebd., 714–716, 733. 21 Brief Herzog Georgs an Heinrich von Schönberg, Dresden, 12. März 1523, ebd., 480 f. 22 Brief Herzog Georgs an Dr. Dietrich von Werthern, Dresden, 11. Dezember 1522, ebd., 394–399. 23 Zur Hinrichtung Michael Rumpfers vgl. Hoyer/Schwarz, 114–116; Steinmetz/ Czok; zum Fall Hans Hergots vgl. Hoyer, Hinrichtung, 130. Siehe auch S. 587 f. 24 Vgl. Schwerhoff.

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Verhängung von Todesurteilen supplizieren mußte – ob er sie erhielt, ist unklar.25 Das Instrument der Ausweisung war für Georg also schlicht effizienter, es erforderte nicht einmal einen Prozeß. Funktional versprach es ohnehin den gleichen Erfolg: der verstockte Häretiker wurde aus der christlichen Gemeinschaft entfernt und diese konnte wieder vor Gott bestehen. Schließlich war die Verbannung durch Tit 3,10–11 auch als biblische Strafe gegen Häretiker legitimiert.26 Nicht zuletzt mag der Verzicht Georgs auf Feuertode auch als Zeichen politischer Klugheit gewertet werden. Gerade weil der Albertiner den Kampf gegen die Reformation als Kampf um die Köpfe seiner Untertanen führte, mochte er sich hüten, der gegnerischen Propaganda Märtyrergeschichten in die Hände zu spielen. Auch im übrigen Reich verzichteten altgläubige Obrigkeiten weitgehend auf Hinrichtungen, lediglich in den habsburgischen Niederlanden und in Bayern wurden 1522/23 einzelne Lutheraner als Ketzer verbrannt.27 Der Regensburger Fürstenkongress sah 1524 die Ausweisung als Standardstrafe gegen Häretiker an und verständigte sich darauf, daß Verbannungen aus einem Territorium für alle Bundesfürsten verbindlich sein sollten.28 Der kritische Faktor für die Schlagkraft des landesherrlichen Kirchenregiments war die Zusammenarbeit zwischen landesherrlicher Regierung und den lokalen Amtsträgern und Obrigkeiten. Das Bewußtsein für dieses Zusammenhang zeigt sich bei Herzog Georg vor allem dann, wenn die Kooperationsbereitschaft ausblieb, weil die lokalen Führungsschichten selbst mit der Evangelischen Bewegung sympathisierten. Wo immer der Fürst in dieser Richtung Verdacht schöpfte, griff er energisch durch. 1522 schickten die Dresdner Statthalter den Amtmann von Meißen nach Oschatz, nicht nur um das Auftreten der Evangelischen in der Stadt zu untersuchen, sondern auch, um festzustellen, ob der Stadtrat und der Vogt des Amtes »umb dise handlung wissen gehapt, das doch vorschwigen und nit angesagt«.29 Das Unvermögen der Oschatzer Ratsherren, die Namen der Evangelischen zu nennen, trug ihnen alsbald den Vorwurf ein, »das dieselbigen [. . .] under euch im rate seyn mussen«,30 eine War-

25 Vgl. Denkschrift Bischof Johanns VII. an Papst Hadrian VI. [Rom 1523], Postina, 340–346. 26 Vgl. Gregory, 83. 27 Vgl. Wolgast, Territorialfürsten, 422. 28 »Und so yemandt umb der luterischen und ketzerischen handlung verprechung gestrafft und des lands verwisen wirdt, dem soll [. . .] unser aller und unser yedes furstentumb, land, provinz, bisstumb, obrigkait und gebiett verbotten werden.« Regensburger Einung, Regensburg, 6. Juli 1524, Pfeilschifter, Bd. 1, 329–334. 29 Instruktion der Herzöge Johanns d.J. und Friedrichs d.J. an Georg von der Pforten, Amtmann von Meißen, [vor dem 7. März 1522], ABKG, Bd. 1, 284. 30 Brief ders. an den Rat zu Oschatz, Dresden, 7. März 1522, ebd., 284 f.

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nung, die ihren Effekt auf die Kooperationsbereitschaft des Rates nicht verfehlte.31 Auch von lokalen Obrigkeiten, die nicht wie Amtleute oder Stadträte unmittelbar vom Landesherrn eingesetzt wurden bzw. von seiner Bestätigung abhängig waren, verlangte Herzog Georg im Vorgehen gegen die Reformation Gehorsam. Für die evangelischen Aktionen der Einwohner von Nebra an der Unstrut machte er ihren Gerichtsherrn, den Schriftsassen Wolf von Nissmitz, verantwortlich, und forderte ihn auf, sie den landesherrlichen Religionsmandaten gemäß zu strafen, wollte er nicht selbst gemeinsam mit ihnen den Zorn des Fürsten zu spüren bekommen.32 Als in der Stadt Kölleda, die dem thüringischen Adligen Hans von Werthern als Erbherrn unterstand, ein entlaufener Mönch zu predigen begann, schickte Herzog Georg einen Amtmann, um diesen zu verhaften. Doch die Kölledaer Stadtväter verweigerten mit Hinweis auf ihren Erbherrn die Kooperation und ließen den Mönch entkommen. Dies war ein Vabanquespiel, zumal Werthern selbst albertinischer Amtmann und enger Vertrauter des Fürsten war. Herzog Georg reagierte auf diese Infragestellung seiner Landesherrschaft und seines Kirchenregiments mit aller Schärfe.33 Ultimativ forderte er die Stadtgemeinde auf, die gesamte Führungsschicht – Bürgermeister, Ratsherren, Schultheiß, Stadtschreiber und Schulmeister – an ihn auszuliefern, sonst würde er die ganze Stadt »an leyb und gut strafen«. Nachdem die Kölledaer Ehrbarkeit vor dem Landesherrn erschienen war, wurde sie Werthern zur Bestrafung übergeben.34 Der Wille des Fürsten, die kirchliche Ordnung mit den Mitteln landesherrlicher Gewalt aufrecht zu erhalten, machte auch vor lokalen Immunitäten nicht halt. Als sich die Ratsherren von Thamsbrück beschwerten, daß der Amtmann von Langensalza unter Mißachtung der städtischen Gerichtshoheit einen Fastenbrecher in ihrer Stadt verhaftet habe, rechtfertigte Georg das Eingreifen seines Vertrauten Berlepsch mit der aktuellen Ausnahmesituation, vor der die städtischen Immunitätsrechte zurücktreten müßten: »Dieweyl dan dis eyn ganz neuer und schwerer fall, der bey unser vorfarn zeiten nit mehr geubt, sich auch die zeit, als euch die privilegien, der yr euch ruhmet, gegeben, nyman vorsehen, das der furfalen würde, und gedachter unser amtman aus obrikeit an unser stadt [. . .] den euren zu strafen, genug vorursacht ist, konnen wir nit ermessen, 31 Vgl. Brief ders. an dens., Dresden, 9. März 1522, ebd., 285; Brief ders. an Bischof Johann VII. von Meißen, Dresden, 18. März 1522, ebd., 292 f. 32 Vgl. Brief Herzog Georgs an Wolf von Nissmitz zu Nebra, Dresden, 22. Juni 1524, ebd., 691 f. 33 »Dieweyl dann uns geburt, ufsehen zu haben, das misbrauch wider die Cristliche kirche und solche ketzerische eynf hurung vorhut werden und unser gehorsam bey unsern underthanen erhalten«. Brief Herzog Georgs an die Stadtgemeinde zu Kölleda, Sangerhausen, 6. Mai 1523, ebd., 502 f. 34 Ebd. Vgl. Brief Herzog Georgs an Hans von Werthern, Dresden, 2. Juni 1523, ebd., 514.

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das euch an euern privilegien vorkurzung gescheen sey.«35 So trug der Kampf gegen die Reformation dazu bei, lokale Rechte zu nivellieren und die Durchsetzungsfähigkeit des Territorialstaats zu stärken. Im Reigen der Fallbeispiele aus Thüringen fi ndet sich aber auch das andere Extrem. In Langensalza unterstützten nicht nur der Amtmann Sittich von Berlepsch und der Propst des Stifts, sondern auch der Stadtrat auf das energischste Georgs antilutherische Religionspolitik.36 Exemplarisch für die Eigeninitiative des Rates bei der Aufrechterhaltung der altgläubigen Ordnung in der Stadt kann ein Vorgang aus dem Jahre 1528 stehen, als dem zugezogenen Gothaer Schuster Jost Reymann das Bürgerrecht verweigerte wurde, »weyll wir [. . .] wißßenn, alls jderman sagt, das er der Lutterischen ketzery fast anhengig«. Ausführlich erläuterte der Rat dem Landesherrn, was man über die Verbindungen zwischen Reymann und den nach dem Bauernkrieg aus Langensalza geflohenen Evangelischen in Erfahrung gebracht hatte.37 Gleichzeitig erkundigten sich Stadtrat und Amtmann in Dresden über die Wege, in einem schwierigen Ehefall eine päpstliche Dispens zu erhalten, was das Festhalten an der altkirchlichen Ordnung nachdrücklich unterstreicht.38 Die gegensätzlichen Haltungen der lokalen Obrigkeiten machen so nicht nur den unterschiedlichen Einfluß der Evangelischen Bewegung im albertinischen Sachsen deutlich, sondern zeigen in der Konsequenz auch die Fähigkeit des Landesherrn, seine Religionspolitik im Territorium durchzusetzen. Der direkte Sanktionszugriff des Landesherrn auf die Laien hatte seine Vorbilder schon in der vorreformatorischen Praxis. Damals wie jetzt wurde die kirchliche Gerichtsbarkeit von Herzog Georg systematisch ignoriert, wenn es sich um die Verfolgung von Laien handelte, obwohl die Zuständigkeit der geistlichen Richter ratione rerum bei Vergehen gegen die kirchliche Ordnung, wie sie Fastenbruch oder Kelchkommunion darstellten, eigentlich außer Frage stand.39 Zugleich setzte sich Georg nun auch über die kirchliche Zuständigkeit für die Ketzerinquisition hinweg. Klar trennte der Fürst hier ratione personarum zwischen Klerus und Laien. Bei letzteren beschränkte er sich nicht auf die Rolle des Brachium saeculare, sondern nahm das gesamte Verfahren in die Hand. Als Ausnahme erscheint der Fall zweier Leipziger, die Herzog Georg dem Bischof von Merseburg zum Prozeß überantwortete, weil sie »dem prediger zu st. Georgen 35 Brief Herzog Georgs an den Rat zu Thamsbrück, Dresden, 11. Februar 1525, ebd., Bd. 2, 39. 36 Siehe die Beispiele in diesem Kapitel und S. 107 f. zu Berlepsch. Vgl. auch ABKG, passim. 37 Brief des Rates zu Langensalza an Herzog Georg, Langensalza [25. Januar 1528], Loc. 7444/6, Bl. 62. 38 Brief dess. an dens., Langensalza, 25. Januar 1528, ebd., Bl. 60 f.; Brief dess. und Sittich von Berlepschs an Kanzler Dr. Simon Pistoris, Langensalza, 5. August 1528, ebd., Bl. 63 f. 39 Siehe S. 226–250. – Vgl. auch schon Lobeck, 66: »den Bischöfen überließ er Urteilsspruch und Strafvollzug anscheinend nur, wenn es sich um Geistliche handelte«.

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doselbst in der prediget offentlich sollen widersprochen haben«.40 Offenbar sah Georg hier ein weltliches Gericht nicht für kompetent an, weil die Beweisführung nicht über äußere Zeichen und Symbole, wie sie die landesherrlichen Religionsmandate unter Strafe stellten, sondern über ketzerische Lehrinhalte geführt werden mußte. Überblickt man das Quellenmaterial, so wird man sagen können, daß die Verfolgung der evangelischen Laien maßgeblich in der Hand des Landesherren lag, während die Bischöfe als Partner im Ketzerkampf vor allem die unbotmäßigen Geistlichen im Blick hatten. Diese Perspektive spricht auch aus dem Gutachten Johanns VII. für Papst Hadrian VI., wenn der Meißner Bischof »precipue tamen sacerdotes et presbiteri [. . .] ac omnium ordinum religiosi« als Anhänger Luthers ausmacht.41 Freilich blieben kirchliche Instanzen auch bei der Verfolgung lutherischer Laien nicht gänzlich außen vor. Denn Herzog Georg wollte nicht nur strafen, er wollte die von Luther Verführten vor allem wieder mit der Kirche versöhnen. Dies aber konnte, weil jeder Anhänger der Ketzerei durch die Bannbulle ipso facto exkommuniziert war,42 nur durch den geistlichen Akt der Absolution geschehen. Als zuständige Instanz sah die Landesherrschaft dabei die Bischöfe an. Schon im Falle Döbelns wurde von den Bürgern verlangt, sich nach der Haftstrafe »alsden dem bischofe zu Meyssen pro absolucione [zu] gestellen«.43 Um eine praktikable Lösung bemüht, ignorierte Herzog Georg die durch die Bannbulle »Decet Romanum Pontificem« verkündete päpstliche Reservation der Absolution. Derart großzügig konnten die sächsischen Landesbischöfe freilich nicht mit dem Kirchenrecht verfahren. Sie handelten aber im Sinne Georgs, indem sie den Papst um Vollmachten für die Ketzerabsolution baten. Adolf von Merseburg konnte Herzog Georg am 25. September 1522 den Erhalt einer entsprechenden Erlaubnis vermelden, wobei er hervorhob, daß diese angesichts der Dringlichkeit der Sache vom Konsistorium sogar in Abwesenheit des noch ungekrönten Papstes und unter Verzicht auf die üblichen Gebühren erteilt worden sei.44 Wenige Monate später suchte auch Johann VII. von Meißen im Rahmen seiner Denkschrift an Hadrian VI. um solche Absolutionsgewalt nach und hat 40 Brief Herzog Georgs an Bischof Adolf von Merseburg, Dresden, 31. Januar 1523, ABKG, Bd. 1, 454. 41 Denkschrift Bischof Johanns VII. an Papst Hadrian VI. [Rom 1523], Postina, 340– 346, hier 344. 42 Dies betont der Meißner Bischof in seiner Bitte um Erteilung der durch die Bannbulle dem Papst reservierten Absolutionsgewalt: »quare hi omnes ultra ius commune vigore bulle Leonis pape x. pie defuncti excommunicati sunt«. Ebd. 43 Brief der Herzöge Johann d.J. und Friedrich d.J. an Kanzler Dr. Johann Kochel, Schellenberg, 22. Dezember 1521, ABKG, Bd. 1, 231 f. 44 Vgl. Brief Bischof Adolfs von Merseburg an Herzog Georg, Merseburg, 25. September 1522, ebd., 361.

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sie auch erhalten.45 Schon vorher mögen die Bischöfe Absolutionen erteilt haben, etwa im Falle der Döbelner Bürger. Jedenfalls gibt es in der dichten Korrespondenz Herzog Georgs keinerlei Hinweise darauf, daß 1521/22 Wiederaufnahmen in die Kirche verweigert worden wären. Die Aufgabenteilung bei der Bekämpfung der Evangelischen Bewegung unter den Laien war so eindeutig. Der Landesherr übernahm das Überwachen und Strafen, der Bischof aber wies den Weg zurück in die alte Kirche, den – aus Furcht oder Überzeugung – zahlreiche von Luther begeisterte Laien in diesen Jahren tatsächlich gingen.

2. Sanktionen und positives Gegenangebot: Die innere Verbindung von Verfolgung und Kirchenreform Herzog Georgs Kirchenpolitik gegen die Reformation erschöpfte sich aber keineswegs in Sanktionen. Statt dessen verband er diese immer wieder mit einer positiven Darstellung der alten Kirche, mit Mahnungen, mit altgläubiger Propaganda, mit Reformanstrengungen – kurz mit einem möglichst attraktiven Gegenangebot, das die Zweifler und Unentschlossenen bei der alten Kirche halten sollte. Dies zeigt sich exemplarisch in Georgs Umgang mit Luthers Neuem Testament, das der Fürst zunächst aus Fürsorge seinen Untertanen verbot, um dann den Laien doch noch das Wort Gottes in ihrer Sprache zu präsentieren – in Gestalt der kirchentreuen Ausgabe Emsers. So konnte Georg seinen Untertanen letztlich die Lektüre der deutschen Bibel genauso »zu yhr seelen selickeit« anempfehlen wie die evangelische Seite.46 Immer wieder versuchte Herzog Georg, positiv zu benennen, was er von seinen Untertanen erwartete, wie sie in Treue zur alten Kirche leben sollten. Dies zeigt sich etwa in der fi nanziellen Förderung der katechetischen Flugschriften des Petrus Sylvius, die jede antireformatorische Polemik beiseite ließen, um den Laien die rechte Lehre der alten Kirche nahezubringen.47 Im administrativen Bereich stellte das Ostermandat des Jahres 1522 einen frühen Versuch dar, die Verfolgungsmaßnahmen gegen die Evangelischen mit der Festigung des alten Glaubens zu verbinden. Albrecht Lobeck nennt es zutreffend »eine Art Hirtenbrief, aber ganz ohne Beteiligung der Geistlichkeit erlassen«.48 Da durch das Auftreten der Evangelischen »manich from Christlich herz« [. . .] in zweifel gefuret« worden sei, befiehlt Georg allen weltlichen Amtsträgern, der Bevölkerung kurz vor dem höchsten Fest der Christenheit die Gültigkeit »alter Christlicher gewonheyt« vor Augen zu halten. Dabei ging es ihm um die öster45

Vgl. Postina, 339 f.; Lobeck, 69 f.; Machatschek, 676. Vorwort Herzog Georgs zu Hieronymus Emsers Ausgabe des Neuen Testaments, Dresden, 1. August 1527, ABKG, Bd. 2, 775–780. Siehe dazu S. 577–579. 47 Siehe ebd. 48 Lobeck, 66. 46

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liche Kommunion, die traditionell die einzige Laienkommunion im Jahr darstellte. Niemand sollte auf den Gedanken verfallen, diese nach Art der Evangelischen ohne Beichte oder unter beiderlei Gestalt zu nehmen. Freilich, von der Ermahnung zur Überwachung ist es hier nur ein kleiner Schritt. Denn alle Übertreter sollten die Amtleute sogleich verhaften.49 Georgs Bild von den Laien bleibt von der Fürstenperspektive geprägt: er fordert treue und gehorsame Untertanen. Eine andere Herangehensweise erprobte im folgenden Jahr eine Supplik an den Papst. Wegen des Erstarkens des »Lutterisch irtumb« fürchtete Georg, »das uf künftige fasten viel vormesselich ubertretung gescheen« werde. Deshalb bat er Hadrian VI. um eine generelle Fastendispens für alle seine Untertanen. Was als Einknicken vor der Evangelischen Bewegung und Eingeständnis des Scheiterns interpretiert werden könnte, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als konsistente Gegenstrategie. Denn die Dispens soll nicht allgemein gelten, sondern muß von jedem Interessenten persönlich beim zuständigen Ortsbischof beantragt werden.50 Fürsorge für das Seelenheil der verirrten Untertanen, denen Georg mit der Dispens die Konsequenzen ihres Irrglaubens ersparen wollte, verbindet sich so mit einem didaktischen Moment: Durch die Betonung der bischöfl ichen Aufsicht soll die Autorität der Kirche gestärkt werden, während gleichzeitig die flexible, ohne weiteres mit dem Kirchenrecht zu vereinbarende Lösung der Fastenfrage die Attraktivität der altgläubigen Seite im Kampf um die Köpfe der Laien zu erhöhen verspricht. Freilich hoffte Georg auch diesmal vergebens auf Unterstützung aus Rom. Die Verbindung von altgläubiger Kirchenreform und antilutherischer Verfolgung zeigt sich schließlich geradezu idealtypisch in einem bisher unbeachtet gebliebenen Mandat Herzog Georgs, das sich seinem Inhalt nach speziell an die ländliche Bevölkerung richtete. Auf das undatiert gedruckte Ausschreiben hat vor kurzem Frank Aurich erstmals aufmerksam gemacht, der es im Rahmen seiner Drucktypenanalyse zur Emserpresse auf das Jahr 1524 datieren konnte.51 Im Stil der Landesordnungen setzt es positives wie negatives Religionsrecht: Gleich am Anfang steht die Zusage Georgs, »als ein christlicher furst« dafür Sorge tragen zu wollen, »das das heylig ewangelium und wort Gots dem volcke geprediget sal werden«. Ein jeder Laie soll es in seiner Pfarrkirche hören können. Die Predigt müsse dabei freilich »nach auslegung der doctores, die die heylige christenliche kirche angenomen« erfolgen, auch dürften nicht Schank49

Gedrucktes Ausschreiben Herzog Georgs, Dresden [9. April] 1522, ABKG, Bd. 1, 302 f. 50 Vgl. Brief Herzog Georgs an Bischof Johann VII. in Rom, Dresden, 4. Januar 1523, ebd., 421–425. 51 Vgl. Aurich, 62 f. – Viele gedruckte Ausschreiben wurden erst nachträglich von Hand datiert, solche Datierungen fehlen aber bei den bekannten Exemplaren dieses Ausschreibens.

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häuser und Spinnstuben mit den legitimen Stätten der Verkündigung verwechselt werden. Darauf hin betont der Fürst die Gültigkeit der althergebrachten kirchlichen Gebräuche und fordert, daß diese weder verändert noch abgeschafft werden dürften.52 Der zweite Teil des Mandats benennt in gewohnter Manier die Erkennungszeichen der Evangelischen, widmet sich aber auch klassischen Themen der Laienreform wie der Gotteslästerung. Hervorzuheben ist dabei vor allem das Bestreben, alle Untertanen in den Kampf gegen Ketzerei und Gottesfrevel einzubinden. Nicht mehr nur die lokalen Amtsträger der Landesherrschaft, sondern jede einzelne Dorfgemeinde wird als Agent der landesherrlichen Religionspolitik verpfl ichtet. Die Bevölkerung selbst ist dafür verantwortlich, Anhänger Luthers dingfest zu machen und den landesherrlichen Amtsträgern zu übergeben: »Welcher das ubergehet, sall von der gemeyne eyns ytzlichen dorffs yn unser ampt, dorynne das dorff gelegen, tzur straff gefurt werden, bey vormeydung unser schweren ungnade.« Um die Überwachung zu perfektionieren, werden die Gemeinden zudem zu regelmäßigen Nachtwachen angehalten, weil die evangelischen Aktivisten oft im Schutz der Dunkelheit operieren würden (erinnert sei an die Berichte über eingeschlagene Fensterscheiben an Priesterhäusern und nächtens mit Schmutz beworfene landesherrliche Mandate). Schließlich wird in einem gesonderten Artikel – wir befi nden uns kurz vor dem Bauernkrieg – vor möglichen Aufrührern gegen die Obrigkeit gewarnt, »die bei der straff leibs und guts« dem Landesherrn zu melden sind. Der Wille, jeden einzelnen Untertanen zu erreichen und zu verpfl ichten, fi ndet in den Publikationsbestimmungen seinen Ausdruck. »Damit sie eynem itzlichen wol eyn gepildet und festigklich gehalten«, sollen die Bestimmungen des Mandats »von eynem itzlichen unserm amptman adder oberkeyt, dem sie tzukommen, yn allen dorffern alle vier wochen ein mall der gemeyne vorkundiget unnd gelesen« werden.53 Die offensive, selbstbewußte Behauptung der alten Kirche und der besondere Fokus auf die Laien bestimmt die positive Seite von Georgs Gegenstrategie, die die Verfolgung ergänzen sollte. Maßnahmen wie die gezielte Förderung altgläubiger Flugschriften oder die besonders prunkvolle Ausgestaltung und offensive Bewerbung der Heiligenerhebung Bennos von Meißen 1524 sind ebenso in diesem Kontext zu sehen wie die kirchlichen Reformmaßnahmen Herzog Georgs, etwa die Förderung der altgläubigen Predigt und der bischöfl ichen Visitationen, um nur die wichtigsten zu nennen.54 Die enge Verbindung von Verfolgung und Reform war dabei – zumindest in den Augen Herzog Georgs – weniger Taktik als sachliche Notwendigkeit. Denn 52 Gedrucktes Ausschreiben Herzog Georgs [1524], Loc. 10300/2, Bl. 25b –26 a (2. Exemplar ebd., Bl. 27a, 24b). Zum Kontext vgl. jetzt die Beiträge in Rau/Schwerhoff. 53 Ebd. 54 Siehe S. 446–612 und vgl. Volkmar, Heiligenerhebung Bennos, 101–120.

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Georg sah einen inneren Zusammenhang zwischen dem moralischen Verfall der Laien, dem durch Reform zu begegnen war, und ihrer Empfänglichkeit für die Lehren der Reformation. Nirgends wird dies deutlicher als dort, wo der Fürst Maßnahmen gegen die Evangelische Bewegung aus eigenem Antrieb mit Aufrufen zur Laienreform verknüpfte: So ließ er 1522 den wegen Schmähbriefen gegen die Geistlichkeit verhafteten Dresdner Bürger Jobst Weißbrot auch nach dem Vergehen des Ehebruchs befragen. Tatsächlich gestand Weißbrot im Verhör Ehebruch und Hurerei. Ob dies der Wahrheit entsprach, sei dahin gestellt, zeugt doch ein Bittbrief seiner Ehefrau Gertrud und seiner Nachbarn aus der Dresdner Seegasse davon, daß sein unmittelbares soziales Umfeld loyal zu ihm stand.55 Herzog Georg jedenfalls, der persönlich großen Anteil an der Verhaftung und Aburteilung Weißbrots nahm, nutzte das Forum der öffentlichen Bestrafung Weißbrots auf dem Dresdner Markt am 14. Juli 1522 nicht zu einer Brandrede gegen die »lutherische Sekte«, sondern zu einer Demonstration des landesherrlichen Engagements für die Laienreform. Sein Herold begründete die Bestrafung Weißbrots nicht nur mit dessen Schmähbriefen, sondern wies auch explizit darauf hin, daß der Delinquent »eyn offentlicher eheprecher und uberhurer« sei. Wie zur Bekräftigung dieser Aussage stellte man zusammen mit Weißbrot einen (anderen) überführten Ehebrecher, den Leiermacher Hans Krauß, an den Pranger. Schließlich verkündete der Gerichtsdiener Lorenz ein Mandat Herzog Georgs gegen den Ehebruch,56 in dem der Landesherr ankündigte, diesen zukünftig »mit scherfe der rechte« bestrafen zu wollen.57 In die gleiche Richtung zielte die Argumentation Herzog Georgs in seinem Antwortschreiben auf die bekannte Petition der 105 Leipziger um die Anstellung des evangelischen Predigers Andreas Bodenschatz vom April 1524.58 Das an den Leipziger Rat adressierte, aber an die gesamte Leipziger Einwohnerschaft gerichtete Schreiben ist ein Schlüsseldokument zur Haltung Herzog Georgs gegenüber den Laien. Wie zu erwarten, hat das Gesuch beim Herzog keine Chance. Den Leipziger Bürgern spricht er dabei rundheraus die Fähigkeit ab, über die Qualität eines Predigers zu urteilen und verweist dabei auf ihren wiederholten Einsatz für lutherische Kandidaten. Unvermittelt verknüpft er dann die antireformatorische Maßnahme mit der Ermahnung der Laien zur Reform. Die Händler sollen Wucher und »bose wechselmunz« meiden, die Handwerker ehrliche Arbeit leisten und ihren Nächsten nicht betrügen. Und mit Worten des

55 Brief Gertrud Weißbrots und der Nachbarschaft der Dresdner Seegasse an Herzog Georg, Dresden, 14. März 1522, ABKG, Bd. 1, 332, Anm. 2. 56 Siehe zu diesem Problem ausführlicher S. 397–401. 57 Aufzeichnung über die Bestrafung Jobst Weißbrots auf dem Markt zu Dresden am 14. Juli 1522, ABKG, Bd. 1, 331–333. 58 Siehe dazu ausführlicher S. 546 f.

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Dekalogs läßt Georg auch eine sittliche Ermahnung folgen: man solle »des nehsten weip und kynd zu uneheren nicht begere[n] ader gebrauche[n]«.59 Die angeführten Beispiele zeigen, wie Herzog Georg selbst den Zusammenhang zwischen der Bekämpfung der Evangelischen Bewegung und der Laienreform herstellte, ohne daß dieser sich durch die äußere Entwicklung aufgedrängt hätte. Die Motivation hinter dieser Verknüpfung wird verständlich, wenn man sich die Wahrnehmung der Evangelischen Bewegung durch den albertinischen Landesherrn vergegenwärtigt. Herzog Georg verband diese mit Unordnung und Chaos und sah in der Sympathie für sie ein Zeichen von moralischem Verfall.60 Beide Phänomene – Evangelische Bewegung und Unsittlichkeit der Laien – speisten sich also in seinen Augen aus einer gemeinsamen Wurzel, sie waren im Grundmotiv der (teufl isch inspirierten) Unordnung miteinander verbunden. Paradigmatisch sichtbar wurde diese Verbindung in Personen wie Jobst Weißbrot. Daher konnten auch die Maßnahmen gegen beide Mißstände als Aspekte des einen Kampfes zum Erhalt der christlichen Ordnung, der vornehmsten Aufgabe des Fürsten, zusammengedacht werden. Daß Herzog Georg von einer solchen Verknüpfung ausging, zeigt sich etwa in dem impliziten Vorwurf an die Leipziger Bittsteller, sie riefen nach evangelischen Predigern, weil ihnen die Mahnungen der altgläubigen Prediger zur Laienreform nicht gefielen, suchten also Unordnung und Laxheit.61 Es erscheint demnach schlüssig, daß sich mit dem Bewußtsein für die von der Evangelischen Bewegung ausgehenden Gefahr auch das Engagement Herzog Georgs in Sachen Laienreform verstärkte. Dies zeigt nicht nur das erwähnte Mandat gegen den Ehebruch, sondern auch ein gedrucktes Ausschreiben vom 30. März 1523, das im Stile der vorreformatorischen Landesordnungen klassische Themen der Laienreform – Gotteslästerung, Spiel um Geld, Verschuldung bei Schankwirten, Bettelwesen – ansprach, ohne die Evangelische Bewegung auch nur zu erwähnen.62 Zudem lassen sich in den frühen 1520er Jahren Einzelaktionen des Landesherrn nachweisen, die viele verschiedene Bereiche der Laienreform berührten, ohne daß die Verstöße einen evangelischen Hintergrund zwingend vermuten lassen. Dies gilt für drei Fälle aus dem Jahre 1523: einen Prozeß um Gotteslästerung in Pirna,63 ein kirchenrechtlich-rituelles Vergehen 1523 in Großenhain 59 Brief Herzog Georgs an den Rat zu Leipzig, Dresden, 12. April 1524, ABKG, Bd. 1, 648–650. 60 Siehe S. 481–486. 61 »Und die, so inen [den Laien] prediger vororden sollen, die werden sie auch myt cristlichen und nicht mit Lotterischen predigern vorsehen. Sy sollen sich allein auch noch irer lere halten und nicht thuen, wie vorweilen gescheen, do der prediger zun barfusern vom wucher geprediget, das dye kyrche geraume wart und etlich nicht meher horen wolten.« Brief Georgs an den Rat zu Leipzig, 1524 (wie Anm. 59). 62 Zu beiden Mandaten siehe die Tabelle S. 398. 63 Vgl. Instruktion Herzog Georgs für die Statthalter bei seiner Abreise zum Reichsregi-

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(Empfang der Kommunion unter einer Gestalt, aber ohne vorherige Beichte) 64 und einen Fall von Bigamie in der Umgebung von Chemnitz.65 Dabei schwang mitunter etwas von der Beunruhigung mit, die das Auftreten der Evangelischen Bewegung ausgelöst hatte. Im Fall des ungebeichtet kommunizierenden Bauern aus Großenhain etwa hielt es Herzog Georg für angezeigt, ein Gutachten der Leipziger Juristenfakultät einzuholen, um auf dieser Grundlage von Nürnberg aus, wo er im Reichsregiment saß, das Urteil zu sprechen. Die Leipziger Doktoren verwiesen auf den Kompetenzbereich des geistlichen Gerichts und die Strafe einer kirchlichen Buße, empfahlen aber auch, daß diese Buße »umb gelegenhayt willen der zeyt und itziger leufte wol so vil herter« ausfallen sollte.66 Im Denken der albertinischen Obrigkeit bildeten so der Kampf gegen die Evangelische Bewegung und die altgläubige Laienreform zwei Seiten einer Medaille. Während die Maßnahmen gegen die Ausbreitung des »lutherischen Gifts« 67 das weitere Abrutschen der Laien in den moralischen Verfall verhindern sollten, diente das Engagement für die Laienreform der Besserung des moralischen Zustandes der Laien. Die Zweigleisigkeit von antireformatorischer Unterdrückung und altgläubiger Reform in Georgs Kirchenpolitik war so kein Zufall, sondern konsistentes Programm – nicht nur mit Blick auf die Laien.

ment zu Nürnberg [Ende Juni 1523], ABKG, Bd. 1, 533–537. Aus dem eingeholten Rechtsgutachten des Leipziger Schöffenstuhls (vgl. ebd., Anm. 1) geht hervor, daß die Hans Wolf aus Pirna zu Last gelegte Blasphemie gegen die Person Jesu Christi keinen unmittelbaren Bezug zur evangelischen Lehre hatte. 64 Vgl. ebd., 535 mit Anm. 2. 65 Vgl. Brief Herzog Georgs an den Offi zial zu Chemnitz, Dresden, 22. Juni 1523, ebd., 519 f. 66 Brief des Seniors und der Doktoren der Juristenfakultät zu Leipzig an Herzog Georg, Leipzig, 21. Juni 1523, ebd., 535, Anm. 2. 67 »Lotterische gyft«, ebd.

VIII. Der Streit um das verkündigte Wort »Erstlich wollen wir als ein christlicher furst, das das heylig ewangelium und wort Gots dem volcke geprediget sal werden nach auslegung der doctores, die die heylige christenliche kirche angenomen. Und was wyder die ordenung der heyligen cristenlichen kirchen ist, nicht darunder zuvormischen, und das solchs eyn itzlicher yn seyner pfarkirchen, wie sich das gebürt, höre, unnd nicht yn schenckheusern adder spinstoben, wie uns vorkompt tzu tzeyten geschiet.«1

Eine der wichtigsten Maßnahmen der antireformatorischen Kirchenpolitik Herzog Georgs war das rigorose Vorgehen gegen lutherische Predigten in seinem Land. Sie verfolgte dasselbe Ziel wie das Verbot des reformatorischen Buchdrucks: die Verbreitung der Ketzerei durch die Massenmedien der Zeit sollte verhindert werden. In beiden Fällen bildete offensive altgläubige Propaganda das Gegenstück zu den Sanktionen. Altgläubige Flugschriften und altgläubige Predigten sollten Köpfe und Seelen der Untertanen gegen das »Lotterische gyft« 2 immunisieren und sie bei der alten Kirche halten.

1. Georgs Kampf gegen die evangelische Predigt: Das Beispiel Leipzig Wie eng weltliche Obrigkeit, kirchliche Hierarchie und altkirchlich gesinnte Laien zusammenwirkten, um lutherische Predigten zu verhindern, läßt sich am Beispiel Leipzigs illustrieren. Drei evangelische Prediger traten hier in der frühen Reformationszeit auf – und wurden schnell wieder vertrieben. Ungeachtet früher Sympathien der Leipziger für Luther und spontaner Aktionen gegen seine Widersacher Eck und Emser hören wir erst im Sommer 1522 von einem evangelisch gesinnten Prediger an der Pleiße.3 Die Predigten, die der gerade zum Magister promovierte Stephan Schönbach in der Vorstadtkirche St. JohanGedrucktes Ausschreiben Herzog Georgs [1524], Loc. 10300/2, Bl. 25b –26a. Dies ist eine häufig gebrauchte Metapher Georgs. Vgl. z. B. Brief Herzog Georgs an den Rat zu Leipzig, Dresden, 12. April 1524, ABKG, Bd. 1, 648–650. 3 Zur frühen Reformationsgeschichte Leipzigs vgl. Bornkamm, Reformation in Leipzig; Hoyer/Schwarz; Wustmann, Geschichte, Bd. 1, 361–415; für eine Zusammenstellung von Quellen vgl. Thieme, Dokumente. 1 2

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nes hielt, erregten Aufsehen, waren aber gleichzeitig vorsichtig genug gehalten, um zwei Überprüfungen durch Theologen des Merseburger Bischofs folgenlos überstehen zu können.4 Die starke altgläubige Partei in der Stadt gab sich damit aber nicht zufrieden, sondern beschwerte sich bei Herzog Georg. Dieser drängte den Bischof zur Einleitung eines geistlichen Verfahrens und wies gleichzeitig den Stadtrat an, auf Schönbachs Unterstützer achtzuhaben. Dennoch war er um Augenmaß bemüht: Bei aller Wachsamkeit gegen die Ketzerei dürfe niemand »wider die warheit beswert werden«, warnte er die kirchlichen Behörden.5 Dem Bischof gelang es, das Problem wenige Monate später auf ruhige Weise zu lösen; Schönbach ging ins böhmische Joachimsthal.6 Für ein halbes Jahr blieb die Evangelische Bewegung in Leipzig ohne geistliche Führung. Dann gelang es, einen anläßlich des Michaelismarktes in die Stadt gekommenen Wittenberger Prediger, den ehemaligen Leipziger Studenten Sebastian Fröschel, zum Bleiben zu bewegen. Drahtzieher waren die Spitalmeister des Georgenhospitals, zwei evangelisch gesinnte Laien, die im Auftrag der Stadt das Hospital verwalteten und auch den offenbar erst kürzlich eingerichteten Predigtstuhl an der Hospitalskapelle besetzen durften.7 Sie markierten die soziale Spitze der evangelischen Partei: Der Wollhändler Andreas Drembeck residierte als mehrfacher Hausbesitzer in der Hainstraße, der Kaufmann Martin Leubel galt als zweitreichster Bürger der Stadt.8 Schon bei den Predigten Schönbachs an der Johanniskirche könnten die »kirchveter zu St. Jorgen«9 ihre Hände im Spiel gehabt haben. Dies wäre der Fall, wenn die These zutrifft, daß Schönbach als Prediger am Georgenhospital 4 Vgl. Brief des Leipziger Rates an Herzog Georg, Leipzig, 18. Oktober 1522, Thieme, Dokumente, 122. 5 Briefe Herzog Georgs an den Rat zu Leipzig und an Bischof Adolf von Merseburg, Dresden, 19. September 1522, ABKG, Bd. 1, 359 f. 6 Vgl. Wustmann, Geschichte, Bd. 1, 392 f. Leider ist Adolfs Lösungsvorschlag, für den er Herzog Georgs Zustimmung einholte, nicht mehr im Detail nachzuvollziehen. Vermutlich wurde Schönbach nahegelegt, seine Predigtpfründe (im Georgenhospital?) zu resignieren. Vgl. Brief Herzog Georgs an Bischof Adolf von Merseburg, Dresden, 17. Januar 1523, ABKG, Bd. 1, 436–438. 7 Die ausführliche Darstellung Carly Seyfarths zum Georgenhospital berichtet zwar von sechs Altarbenefi zien (die zum Teil in das Versorgungssystem der Universität integriert waren), aber nicht über einen Predigtstuhl. Vgl. Seyfarth, Bd. 1, 26–40. Auch das Register zur neuen Edition der Leipziger Ratsbücher bis 1500 gibt weder für das Johannes- noch das Georgenhospital Hinweise auf eine Predigerstelle. Vgl. Steinführer, Leipziger Ratsbücher. Die Existenz einer solchen im Jahre 1523 steht jedoch nach dem in Anm. 9 zitierten Beleg außer Frage. Vielleicht erfolgte die Einrichtung des Predigtstuhls kurz nach 1512, als der Theologieprofessor Hieronymus Dungersheim mit dem Plan einer entsprechenden Stiftung an den Rat herantrat, das Vorhaben jedoch zunächst an der Frage des Patronats (Rat oder Thomasstift) scheiterte. Vgl. Wustmann, Geschichte, Bd. 1, 414. 8 Vgl. Hoyer/Schwarz, 111; Seyfarth, Bd. 1, 43 f. 9 Brief Herzog Georgs an Bischof Adolf von Merseburg, Dresden, 17. Januar 1523, ABKG, Bd. 1, 436–438.

VIII. Predigten

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angestellt und in dieser Eigenschaft zu Diensten in der Hospitalkirche St. Johannis verpfl ichtet war.10 Dafür spricht, daß Herzog Georg im März 1523 zu dem ungewöhnlichen Schritt griff, den Spitalmeistern an St. Georgen das Präsentationsrecht für ihren Predigtstuhl kraft landesherrlicher Gewalt zu entziehen, um es dem Merseburger Bischof zu übergeben. Denn als Begründung führt Georg an, die Kirchväter hätten im Georgenhospital einen lutherischen Prediger beschäftigt – hier käme, soweit bekannt, nur Schönbach in Frage.11 Den Entzug des Präsentationsrechts haben Leubel und Drembeck offenbar ignoriert. Jedenfalls begann Fröschel auf ihre Veranlassung hin in den Vorstadtkirchen zu predigen, am Sonntag nach dem Michaelismarkt im Georgenhospital und am folgenden in St. Johannis. Doch schon am 21. Oktober 1523, seit der ersten Predigt waren gerade zehn Tage vergangen, griff die geistliche Obrigkeit ein. Der Propst des Thomasstiftes, oberster Seelsorger der Stadt, ließ die Johanniskirche einfach versperren. Fröschel mußte die zur Predigt gekommene Menge nach Hause schicken und nur die herbeigeeilten Ratsherren vermochten einen spontanen Aufruhr zu verhindern.12 Nun kam die Verfolgung in Gang. Der Thomaspropst zeigte Fröschel beim Bischof an, der wiederum umgehend Herzog Georg um sein Eingreifen bat.13 Dieser kam persönlich nach Leipzig, ließ den bereits vom Bischof verhörten Fröschel verhaften und befragte ihn Anfang November auf der Pleißenburg. Seine Verteidigung vor Bischof und Herzog schildert Fröschel in seinem autobiographisch gefärbten Rückblick »Vom Königreich Christi Jesu« in bühnenreifen Dialogen. Die Zuverlässigkeit dieser zur Erbauung eines protestantischen Publikums Jahrzehnte später entstandenen Erzählung läßt sich – anders als Fröschels Bericht über die Leipziger Disputation – nicht mehr überprüfen. Sicher ist jedenfalls, daß Herzog Georg, der angeblich schon Fröschels weltliche Kleidung als Beleg für seinen Abfall von der Kirche nahm, den Wittenberger Prediger umgehend des Landes verwies.14 Das offensive Auftreten der Evangelischen Bewegung zur Unterstützung Fröschels hatte sich also nicht ausgezahlt, statt dessen verstärkte Herzog Georg 10 Einen Beleg für die Verpfl ichtung des Georgenpredigers zu Predigten in St. Johannes gibt es nicht, doch scheinen die alternierenden Predigten Fröschels in beiden Kirchen auf eine solche Verbindung hinzuweisen. Beide Hospitäler unterstanden dem Stadtrat. 11 Vgl. Brief Herzog Georgs an Martin Leubel und Andreas Drembeck, Dresden, 14. März 1523, ebd., 481 f. 12 Zu den Vorgängen vgl. Brief Dr. Ulrich Pfi sters, Propst von St. Thomas zu Leipzig, an Bischof Adolf von Merseburg, Leipzig, 23. Oktober 1522, ebd., 557 f.; Brief Herzog Georgs an Rat und Gemeinde zu Leipzig, Leipzig, 13. Februar 1523, ebd., 607 f. 13 Vgl. Brief Bischof Adolfs von Merseburg an Herzog Georg, Merseburg, 24. Oktober 1522, ebd., 558 f. 14 Vgl. Wustmann, Geschichte, Bd. 1, 394–396, mit ausführlicher Auswertung der Darstellung Fröschels. Zu Fröschels Werk und seiner Schilderung der Leipziger Disputation siehe S. 453. Georgs Anwesenheit in Leipzig ist für den 5.–11. November urkundlich belegt. Vgl. ABKG, Bd. 1, 559–566.

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seine Aufsicht und schärfte dem Leipziger Rat noch einmal äußerste Wachsamkeit ein. Der Hinweis auf die Bildung nicht-öffentlicher Gebetsgemeinschaften (»conventikula«) läßt sich schon als partieller Rückzug der Lutheranhänger in den privaten Raum interpretieren.15 Zwei Monate später versuchten die Evangelischen noch einmal, ihr Ziel auf dem Weg braver Untertanen zu erreichen. In einer Supplik an den Leipziger Rat baten 105 namentlich bekannte Unterzeichner (darunter Leubel und Drembeck) kurz nach Ostern 1524 um die Anstellung des Andreas Bodenschatz als Prediger an einer der Pfarrkirchen. Bodenschatz, ebenfalls ein junger Magister, hatte den gesamten Winter 1523/24 in der Kirche des vorstädtischen Nonnenklosters St. Georg (also nicht im gleichnamigen Hospital) gepredigt, ohne öffentliches Aufsehen zu erregen. Nun war er angeblich ohne Anstellung. Betont zurückhaltend sprachen die Bittsteller von ihrem Wunsch nach Predigern, »dye das gotliche wort lauter und rein predigen« und verwiesen auf die entsprechenden Zusagen von Kaiser und Landesherrn. Daß sie die reine Lehre des Evangeliums in Wittenberg erfüllt sahen, verraten lediglich ihre Seitenhiebe auf die altgläubigen Prediger der Stadt.16 Doch noch bevor der Stadtrat das Gesuch am 9. April an Herzog Georg weiterleitete,17 kannte dieser das Ansinnen bereits. Unaufgefordert hatte der Leipziger Ordinarius und landesherrliche Rat Georg von Breitenbach seinem Dienstherrn am 7. April einen ausführlichen Insiderbericht über die Leipziger Vorgänge geliefert. Bei seinem Besuch in der Kirche des Georgenklosters, so meldete Breitenbach nach Dresden, habe Bodenschatz »das ordentlich evangelium mit keynem wort« erwähnt, sondern »fast prechtlich Martinus tractat von der anbetung der hayligen referirt, [. . .] derwegen ich hynfurt sein predig gemieden.« Das Volk aber werde durch das »so gar subtile gift« seiner Predigten aufgewiegelt, schon würden die Evangelischen versuchen, Bodenschatz den Predigtstuhl in der Nikolaikirche zu verschaffen, »und sonderlich so seint etlich, dye ayn register umbtragen und stymmen dorzu vorsammeln.« Breitenbach mahnte deshalb den Fürsten zum baldigen Einschreiten und lieferte auch gleich die Argumentationsstrategie zur Ablehnung des Gesuchs: Die vorhandenen altgläubigen Prediger, etwa in der Dominikanerkirche, würden »nichtes anders dan Paulum« predigen, und deshalb sei klar, daß die Bittsteller »nicht getreue ausleger der schrift suchen, bsondern dye, welche uns den neuen fi rwitz vormalen und predigen«.18 15 Brief Herzog Georgs an Rat und Gemeinde zu Leipzig, Leipzig, 13. Februar 1523, ebd., 607 f. 16 Petition von 105 Bürgern und Einwohnern Leipzigs an den Rat zu Leipzig, Leipzig, 2. April 1524, ebd., 628–633. Eine sozialgeschichtliche Analyse der Bittsteller bei Hoyer/ Schwarz, 109–114. 17 Vgl. Beschluß des Rates zu Leipzig, Leipzig, 9. April 1524, Thieme, Dokumente, 128. 18 Brief Dr. Georg von Breitenbachs an Herzog Georg, Leipzig, 7. April 1524, ABKG, Bd. 1, 638–640.

VIII. Predigten

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Tatsächlich hat Herzog Georg in diesem Sinne das Gesuch abschlägig beschieden und die Gelegenheit zu einer Generalabrechnung mit den Evangelischen genutzt. Dieselben, die jetzt nach Bodenschatz riefen, hätten zuvor Stephan Schönbach und Sebastian Fröschel unterstützt und damit bewiesen, daß es ihnen an »guten vorstand [. . .] tugeliche prediger zu erwelen« mangele. Statt Richter zu spielen, sollten sie den Mahnungen jener vier Prediger folgen, die in der Stadt das Evangelium im Einklang mit der kirchlichen Lehre verkünden würden. An die Abwehr schließt sich so unvermittelt die Forderung nach kirchlicher Reform an, und kann dies tun, weil beides für Georg so untrennbar verbunden ist: Ihre eigene Lebensführung sollten Handwerker und Kaufleute reformieren, statt nach einer Reformation zu rufen, von der sie sich insgeheim nur Laxheit und Sittenlosigkeit erhofften.19 Aber nicht nur an die Laien richtet sich der Ruf nach Reform. Noch am selben Tag verließ die Dresdner Kanzlei auch ein Brief an den Merseburger Bischof, in dem Georg den Umgang der geistlichen Gerichtsbarkeit mit den Huren von Leipzig scharf kritisierte.20 So endet die Geschichte der evangelischen Predigt im frühreformatorischen Leipzig, noch ehe sie die Hauptkirchen der Stadt überhaupt erreichen konnte. Als die Kirchväter des Georgenhospitals Bodenschatz am 24. April 1524 ein letztes Mal, nun in ihrer Kapelle, predigen ließen, mußten sie sich dafür persönlich vor Breitenbach und dem Merseburger Bischof verantworten. Drembeck mußte Leipzig verlassen, Martin Leubel entging dank einer Intervention des Rates der Bestrafung, mußte aber sein Amt als Spitalmeister niederlegen.21 Gegen das konzertierte Vorgehen von weltlicher und geistlicher Obrigkeit, informiert und beraten durch die altgläubige Partei vor Ort, blieben die Evangelischen in Leipzig chancenlos. Mit der Unterbindung der lutherischen Predigt wurde die Evangelische Bewegung zwar nicht ausgelöscht, aber ihre Dynamik gebrochen. Denn ohne öffentliche Werbung für ihre Sache konnte das Häuflein der Evangelischen nicht wachsen, blieben auch einige hundert Menschen, für die 105 Unterzeichner stehen mochten, unter 8000 Einwohnern klar in der Minderheit – wie nicht zuletzt Herzog Georg selbst betonte.22 Hinzu trat das harte Vorgehen des Lan19

Brief Herzog Georgs an den Rat zu Leipzig, Dresden, 12. April 1524, ebd., 648–650. Brief Herzog Georgs an Bischof Adolf von Merseburg, Dresden, 12. April 1524, ABKG, Bd. 1, 650 f. 21 Vgl. Brief Dr. Georg von Breitenbachs an Herzog Georg, Leipzig, 28. April 1524, ebd., 660 f.; Seyfarth, Bd. 1, 44. Obwohl Breitenbach von der »St. Georgen kirchen« spricht, meint er offenbar Kapelle des Georgenhospitals, die er von der vorherigen Predigtstätte des Bodenschatz »in dem jungfrauencloster« klar trennt. Auch hatten Leubel und Trembach, die Bodenschatz noch einmal predigen ließen, eben nur Zugang zur Hospitalkapelle. – Drembeck wurde 1532 ernestinischer Amtmann in Gotha und kehrte erst 1539 nach Leipzig zurück. Vgl. ebd. 22 In seiner Ablehnung der Bodenschatzsupplik argumentiert der Landesherr: »Wir achtens auch gar unbequem, das eyner solchen großen vorsammelung, als Got lob zu Leiptzigk ist, nicht meher solt stadtgeben werden (dy sust all an yren geordenten predigern wohl zufry20

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desherrn gegen jene Leipziger, die sich durch rituelle Verstöße offen zur neuen Lehre bekannten.23 Verhaftungen und Ausweisungen legten die Latte für den individuellen Bekenntnismut hoch. Andererseits blieb der wohl prominenteste Lutherfreund Leipzigs, der Medizinprofessor Heinrich Stromer aus Auerbach, unbehelligt, wohl weil er vorsichtig jedes öffentliche Bekenntnis vermied.24 So mußten die Evangelischen in Leipzig bald alle Hoffnungen begraben, die Stadt aus eigener Kraft in ein reformatorisches Gemeinwesen umzuwandeln. Der verzweifelte Versuch eines öffentlichen Umsturzes, sozial nur noch von ein paar Dutzend Handwerkern, nicht aber mehr den einflußreichen Kaufleuten getragen, endete 1525 in der Katastrophe der Rumpfer-Verschwörung mit der Hinrichtung des Anführers wegen Aufruhrs.25 Manch früher Wortführer der Evangelischen schein sogar seinen Frieden mit der alten Kirche gemacht zu haben. Der 1533 verstorbene Martin Leubel stiftete in seinem Testament eine mit 30 fl. dotierte Altarpfründe an der Thomaskirche, deren Inhaber jede Woche vier Messen für Leubels Seelenheil zu lesen hatte.26 Den verbliebenen Leipziger Lutheranhängern blieb für einige Jahre nur der Weg in die innere Emigration, das Abducken in die nicht-öffentliche Existenz einer religiösen Minderheit, bis sie unter den veränderten Rahmenbedingungen der 1530er Jahre zu neuer Stärke fand.

den seynd), und allein hunderten und vieren ein sonderlichs solt gemacht werden« (Brief Herzog Georgs an den Rat zu Leipzig, Dresden, 12. April 1524, ABKG, Bd. 1, 648–650). – Die Stärke der Evangelischen in Leipzig läßt sich allenfalls näherungsweise bestimmen. Die 105 namentlich bekannten Unterzeichner der Petition von 1524 stehen als Hausvorstände sicherlich für einige hundert Menschen, hinzu kommt eine unbekannte Zahl von Unterzeichnern, die wegen ihres geringen sozialen Status in den erhaltenen Abschriften der Petition weggelassen wurden. Bei ihnen ist nicht mehr sicher von Hausvorständen auszugehen. Michael Rumpfer gab 1525 die Zahl der Sympathisanten seiner Verschwörung mit 300 an. Auch in den 1530er Jahren ist von ähnlichen Größenordnungen auszugehen, so wurden 1533 70 bis 80 evangelische Bürger und ihre Familien ausgewiesen. Vgl. Hoyer/Schwarz, 110– 112; Wartenberg, Landesherrschaft, 33–37; zur Einwohnerzahl Leipzigs vgl. Steinführer, Leipziger Ratsbücher, Hbd. 1, XVII. 23 Siehe S. 528–537. 24 Stromer, den Herzog Georg nicht zuletzt als Leibarzt schätzte, blieb unbehelligt, obwohl der Merseburger Bischof in seinem Visitationsbericht von 1524 eindringlich auf seine Multiplikatorfunktion – er verlieh unter der Hand lutherische Flugschriften – hinwies. Vgl. Visitationsbericht Bischof Adolfs von Merseburg an Herzog Georg, Merseburg, 13. Mai 1524, ABKG, Bd. 1, 664–671; Wustmann, Wirt; Clemen, Stromer. 25 Vgl. Hoyer/Schwarz, 114–116; Steinmetz/Czok, Leipziger Land. 26 Vgl. Bestätigung Bischof Sigismunds von Merseburg für die Meßstiftung des Martin Leubel, 29. Oktober 1535, Domstiftsarchiv Merseburg, Cod. 174, Bl. 172b –174b ; zur Stiftung vgl. Kroker, 73–80. – Noch 1520, offenbar vor seiner Entscheidung für Luther, hatte Leubel in der Stadtkirche St. Michael zu Jena zwei Bildtafeln gestiftet und sich als Stifter mit dem Hl. Andreas als Schutzheiligen darstellen lassen. Vgl. Bünz, St. Michael in Jena, 127 f.

VIII. Predigten

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2. Gegenoffensive mit dem Wort Gottes: Die Förderung altgläubiger Predigt Die Förderung der Predigt war schon vor der Reformation eine zentrale Forderung der Kirchenreform und fand – wie so vieles – auch in der Kirchenpolitik Herzog Georgs Beachtung. Aus der landesherrlichen Perspektive erschien sie zunächst vor allem als fi nanzielle und organisatorische Aufgabe, die sich mit der Schaffung neuer Predigerstellen oder der Umwidmung von Altarpfründen lösen ließ.27 Die Reformation aber brachte ganz neue Herausforderungen. Überall begannen entlaufene Mönche, Magister und Schulmeister die neue Lehre zu predigen und vielerorts erprobten sogar Laien auf der Straße und in den Wirtshäusern Luthers Vision von einem Priestertum aller Gläubigen. Doch die große Schar der neu Berufenen war evangelisch. Hingegen blieben fähige Wortverkünder in der alten Kirche weiterhin rar. Neben den Bettelmönchen waren es vor allem die Inhaber von Prädikaturen an den Dom- und Stadtkirchen, die als Gegenspieler der Reformation in Frage kamen (soweit sie sich ihr nicht selbst zuwandten), während die große Schar der Meßpriester die Predigt nicht zu ihren Aufgaben zählte.28 Diejenigen altgläubigen Geistlichen, die sich der Herausforderung stellten, sahen sich ganz ähnlichen Problemen gegenüber wie die Autoren altgläubiger Flugschriften. Auf der inhaltlichen Ebene verlangte die Auseinandersetzung geistige Beweglichkeit und theologischen Sachverstand, denn die traditionelle Pfarrpredigt mit ihrem Schwerpunkt auf Legenden und Exempla konnte in der Argumentation gegen die Reformation kaum weiterhelfen. Im Alltag aber mußten sie zudem mit dem Zorn der evangelischen Laien rechnen. Zumindest hier konnte der Landesherr unterstützend eingreifen. In Oschatz wurde 1522 eine Untersuchung gegen 20 Einwohner eingeleitet, weil sie den dortigen Prediger geschmäht und bedroht hatten, »darumb, das er wider Martini Lutters unkristlich lehr predige«.29 Gleichzeitig hielt der Landesherr den Klerus an, den öffentlichen Raum nicht den Evangelischen zu überlassen. Nach einer rituellen Kirchenschändung in Senftenberg rügte er den Pfarrer, weil dieser nicht gegen die Täter predigen ließ.30 Der Erfolg altgläubiger Predigtförderung durch den Landesherrn wurde jetzt zunehmend eine Frage der richtigen Personen. Denn nicht nur fiel es mit dem Fortgang der Reformation immer schwerer, altgläubigen Predigernachwuchs 27

Siehe S. 293. Vgl. Neidiger, Wortgottesdienst; Signori, 18–35; Menzel, 368–384; Thayer; für ein mitteldeutsches Beispiel vgl. Bünz, St. Michael in Jena, 128 f. 29 Instruktion der Herzöge Johann d.J. und Friedrich d.J. für Georg von der Pforten [vor 7. März 1522], ABKG, Bd. 1, 284. 30 Vgl. Brief Herzog Georgs an den Pfarrer und den Rat zu Senftenberg, Dresden, 3. Februar 1523, ebd., 456. Der Pfarrer hatte 1519 mit Unterstützung Herzog Georgs eine Predigerstelle eingerichtet. Vgl. Urkunde Herzog Georgs, Dresden, 27. Januar 1519, ebd., 65 f. 28

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zu fi nden. Herzog Georg mußte auch schmerzlich erfahren, daß das einmal rekrutierte Personal unter der Hand die Seiten wechselte. Christoph Ering etwa hatte als Hof kaplan und Hofprediger jahrelang das besondere Vertrauen seines Fürsten genossen. 1525/26 entsandte ihn Georg sogar als Prediger nach Annaberg, um in dieser Hochburg der Evangelischen Bewegung die altgläubige Seite zu stärken. Bald aber verärgerte Ering seinen Fürsten mit der Empfehlung des aus Leipzig vertriebenen Andreas Bodenschatz nach Freiberg und näherte sich immer mehr der Reformation an. 1529 entfernte ihn Georg schließlich aus dem Predigtamt und entzog ihm alle seine Pfründen, weil er »under dem scheyn, das gotliche wort zu vorkundigen, dye vordamte Lutterysche sect« einführen wolle.31 Trotz solcher Enttäuschungen versuchte Herzog Georg alles in seiner Macht stehende, um die altgläubige Predigt zu fördern. Nach wie vor unterstützte er die Einrichtung und Ausstattung von Predigtstühlen, so 1521 in Annaberg, 1523 in Sagan oder 1526 in Leipzig.32 Die Predigtstiftung der reichen Leipziger Witwe Apollonia von Wiedebach für die beiden Leipziger Hauptkirchen ist oft als verkappter Versuch einer Förderung der Reformation gesehen worden.33 Dagegen spricht jedoch nicht nur ihre Einbettung in ein umfangreiches altgläubiges Seelgerät, sondern vor allem der Umstand, daß die Wiedebach Herzog Georg zu ihrem Testamentsvollstrecker machte.34 Tatsächlich wäre die Predigerstelle ohne die Einschaltung des Landesherrn vielleicht nie eingerichtet worden. Denn um die mit 100 fl. Jahresgehalt bestens dotierte Pfründe entbrannte noch zu Lebzeiten der Witwe ein Streit zwischen dem Leipziger Rat, dem die Stifterin das Patronat übertragen hatte, und den Chorherren zu St. Thomas, die ihr Monopol auf die Pfarrseelsorge in Leipzig bedroht sahen. Erst als Herzog Georg persönlich seine landesherrliche Autorität in die Waagschale warf, gab der vom Merseburger Bischof unterstützte Propst des Thomasstiftes nach und willigte in einen Kompromiß ein. Eine Urkunde Herzog Georgs vom 17. April 1526 dokumentierte die Einigung und machte den Weg für die Einrichtung des Predigtstuhles frei.35 Dem Problem des rechtgläubigen Personals versuchte Georg dabei Rechnung zu tragen, indem er den

31 Brief Herzog Georgs an Magister Christoph Ering, Schellenberg, 8. September 1529, ABKG, Ms. Werl, Nr. 1898. – Zum Werdegang Erings siehe S. 282 f. 32 Zu Annaberg siehe S. 293, 366; zu Sagan siehe S. 293 mit Anm. 136. 33 Vgl. z. B. Wustmann, Geschichte, Bd. 1, 411–415. 34 Zur Stiftung siehe S. 349 f. 35 Der Kompromiß sah ein Vetorecht des Thomaspropstes gegen den Vorschlag des Rates und die Unterordnung des Predigers unter dessen pfarrherrliche Aufsicht vor. Wenn keine Einigung zwischen Rat und Propst möglich erschien, sollten der Bischof von Merseburg und der Landesherr gemeinsam über die Besetzung entscheiden. Vgl. Urkunde Herzog Georgs, Leipzig, 17. April 1526, CDS, II, Bd. 9, 402 f. – Die Verhandlungen sind durch die Aufzeichnungen eines Kämmerers des Thomasstiftes dokumentiert, vgl. ebd., 398–402.

VIII. Predigten

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Bischof (und sich selbst) als oberste Wächter über die Bestallung einsetzte – ähnlich wie im oben geschilderten Falle des Predigers am Georgenhospital. Fähige altgläubige Prediger waren Schlüsselfiguren im Kampf gegen die Reformation. Immer wieder nahm sich Herzog Georg deshalb persönlich solcher Bestallungen an. Als 1523 ein Prediger in Annaberg wegen lutherischer Neigungen verhaftet wurde, empfahl Herzog Georg dem Rat, den Altenburger Domprediger abzuwerben, denn dieser habe »eyn gut lob seyns lebens und auch der lere halben, sunderlich in dysen schwynden louften«.36 Zwei Jahre später entsandte er, wie gesehen, seinen eigenen Hofprediger nach Annaberg. In Leipzig protegierte Herzog Georg den Prediger Johannes Koß, der 1525 im Zuge des Bauernkrieges aus dem hennebergischen Römhild nach Leipzig geflohen war.37 Seine kraftvollen Predigten an der Nikolaikirche, die später auch im Druck erschienen, machten Koß schnell bekannt.38 Weder ließ dieser sich von den Drohungen evangelischer Leipziger einschüchtern, noch scheute er sich, mit sozialkritischen Thesen beim Leipziger Rat anzuecken.39 Herzog Georgs protegierte persönlich die Karriere des Koß und half ihm über manche formale Hürde. Als sich die Theologische Fakultät 1527 weigerte, ihn zum Lizentiaten zu promovieren, solange er nicht die dazu erforderlichen Pfl ichtvorlesungen gehalten habe, führte Herzog Georg dagegen seine Verdienste als Prediger ins Feld: »und achtens darvor, das seyne predigen dem, das andere in schulen uben, wol gleych und des doctorats wyrdig seyn.« Die Fakultät versuchte zwar, auf ihren Statuten zu beharren, mußte aber schließlich klein beigeben.40 1529 ließ der drohende Weggang von Koß nach Bamberg Herzog Georg erneut aktiv werden. Er stellte dem Prediger eine Pfründe in Aussicht und schickte niemand Geringeren als Georg von Breitenbach nach Bamberg, um das dortige Domkapitel zu bitten, Koß von seiner Zusage zu entbinden.41 Zu den Freunden des Predigers gehörte übrigens der Leipziger Welserfaktor Hieronymus Walter, einer der Stützen der altgläubigen Partei in der Leipziger Bürgerschaft. Walter verwaltete auf Befehl Herzog Georgs auch den Nachlaß 36 Brief Herzog Georgs an den Rat zu Annaberg, Dresden, 26. Juni 1523, ABKG, Bd. 1, 520. Vgl. auch ebd., Anm. 2. 37 Zu Koß vgl. Clemen, Pfarrprediger Koß; Freudenberger, 346 f.; Smolinsky, Alveldt und Emser, 339 f. 38 Vgl. Clemen, Pfarrprediger Koß, 177–183. 39 1526 bestrafte der Leipziger Rat mehrere Bürger, »so wider den prediger zu s. Niclas geredt und sust gehandelt«. Beschluß des Rates zu Leipzig, 2. September 1526, ABKG, Bd. 2, 617 f.; Zu den Predigten von Koß gegen die »großen hansen«, bei der er ungerechte Besteuerung und die Flucht der Leipziger Oberschicht in Pestzeiten anprangerte, vgl. Brief des Rates zu Leipzig an Herzog Georg, Leipzig, 21. März 1530, ABKG, Ms. Werl, Nr. 2001; Brief Herzog Friedrichs d.J. an Johannes Koß, [Dresden], 21. September 1530, ebd., Nr. 2046. 40 Briefe Herzog Georgs an Dekan und Doktoren der Theologischen Fakultät zu Leipzig, Dresden, 2. und 15. Dezember 1527, ABKG, Bd. 2, 836 f., 840 f. 41 Brief Dr. Georg von Breitenbachs an Herzog Georg, Leipzig 6. Mai 1529, ABKG, Ms. Werl, Nr. 1830.

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des Koß, als dieser nach einem Schlaganfall auf dem Predigtstuhl der Nikolaikirche Anfang 1533 verstarb.42 In Ansätzen versuchte Herzog Georg sogar, mit altgläubigen Predigern »Gegenreformation« zu betreiben. Dies war etwa seine Intention, als er nach der Verhaftung eines lutherisch predigenden Franziskaners in Sagan der Stadt versprach »euch mit eynem gelerten und cristlichen guten prediger zu versorgen, [. . .] damit euch allen die ware geschrift und die gerechte baen der selickayt furgebildet werde«.43 Am ambitioniertesten erscheint der Versuch der Rekatholisierung von Mühlhausen nach dem Bauernkrieg, zumal der Aufstand ja im Verbund mit den Reformationsfürsten niedergeschlagen worden war. Geschickt nutzte Herzog Georg den Moment des Sieges, um Tatsachen zu schaffen. Keine fünf Tage nach der Hinrichtung Thomas Müntzers schickte er zwei seiner besten Theologen, den Leipziger Professor Hieronymus Dungersheim und den Hofprediger Alexius Chrosner,44 in die Reichsstadt. Sie sollten in den beiden Hauptkirchen den Gottesdienst »nach ordenunge der h. cristlichen kyrchen wyderumb aufrichten« und die Seelsorge erneut in altgläubige Bahnen lenken. Dabei verzichtete Georg sogar auf eine ordentliche Bestallung seiner Missionare: sie sollten in Mühlhausen lediglich verpflegt und gegen etwaige Angriffe geschützt werden, bis der Rat mit Zustimmung Herzog Georgs wieder eine eigene altgläubige Geistlichkeit in der Stadt installiert habe.45 Da sich Georgs Einfluß in Mühlhausen auf die traditionelle wettinische Schutzherrschaft stützte, diese aber jährlich zwischen Ernestinern und Albertinern alternierte, bemühte sich der Albertiner Ende 1525 im Zusammenspiel mit dem Ortsbischof, Kardinal Albrecht, sogar um ein kaiserliches Mandat, um die Gegenreformation in der Reichsstadt abzusichern.46 Luther war über Georgs altgläubige Offensive so erbost, daß er sich in Flugschriften zu dem absurden Vorwurf verstieg, Dungersheim habe in Mühlhausen zu Wiedertaufen gegriffen.47 An Dungersheim wiederum läßt sich abschließend noch einmal zeigen, welchen Stellenwert die altgläubige Predigt für Herzog Georg besessen haben muß. Als der langgediente Theologe den Fürsten 1536 um die Genehmigung bat, gegen die bestehenden Ordnungen sein Begräbnis in einer Sakristei der Niko42

Vgl. Clemen, Pfarrprediger Koß, 178–190. Brief Herzog Georgs an Seifried von Nechern, Amtmann von Sagan, und den Rat zu Sagan, Dresden, 17. Dezember 1525, ABKG, Bd. 2, 455 f. 44 Vgl. Freudenberger, 394. Nach einer anderen Angabe war der zweite Prediger neben Dungersheim ein gewisser Magister Dietrich Pusch. Vgl. ABKG, Bd. 2, 267, Anm. 2. 45 Brief Herzog Georgs an den Rat zu Mühlhausen, Langensalza, 2. Juni 1525, ebd., 267 f. 46 Vgl. Instruktion Herzog Georgs für Dr. Georg von Breitenbach zu einer Werbung an Kardinal Albrecht, Dresden, 20. November 1525, ebd., 428 f.; Brief Kardinal Albrechts an Kaiser Karl V., Halle, 12. Dezember 1525, ebd., 451–453. 47 Vgl. Freudenberger, 394–397. 43

VIII. Predigten

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laikirche zu gestatten, wies er auf seine Verdienste hin. Doch weder seine jahrzehntelange Tätigkeit als Professor und Dekan der Theologischen Fakultät, noch seine Dienste als Rat des Fürsten waren ihm Erwähnung wert. Einzig durch seine Erfolge als Prediger gegen die Lutheraner, erst in St. Nikolai und St. Thomas zu Leipzig und dann in Mühlhausen, meinte er die besondere Gnade des Herzog Georgs verdient zu haben.48

48 Vgl. Brief Hieronymus Dungersheims an Herzog Georg, Leipzig, 20. Juni 1536, ABKG, Ms. Werl, Nr. 3429. – Zum Kontext, der Begräbnisordnung Herzog Georgs von 1536 und der darum sich entspinnenden Kontroverse vgl. Koslofsky, 54–77.

IX. Der Streit um das gedruckte Wort »Ich armer Arnoldy, dorff pfarer zcu Collen an der Elben [. . .]«.1

1. Offensive: Landesherrliche Propaganda gegen die Reformation a) Reformatorische Öffentlichkeit und altgläubige Kontroversliteratur Ohne Buchdruck keine Reformation – Bernd Moellers berühmt gewordene These bringt die Rolle des gedruckten Wortes als Conditio sine qua non der Reformation auf den Punkt. Schon die nackten Zahlen machen den Umbruch deutlich, der sich seit 1518 in atemberaubendem Tempo vollzog: Das weniger in seiner Struktur als in seiner Dimension neuartige Medienereignis, das wir »Reformatorische Öffentlichkeit« nennen, nahm Gestalt an in einer schlagartigen Überflutung des Reiches mit Flugschriften.2 Erschienen 1517 die 95 Thesen in drei Ausgaben, informierten in den Jahren 1518/19 bereits Drucke mit einer Gesamtauflage von geschätzten 250.000 Exemplaren die Einwohner des Reiches über das Anliegen des Wittenberger Mönches. Mit jedem weiteren Jahr stieg die Produktion exponentiell: Bis 1526, als der Höhepunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit überschritten war, überschwemmten etwa 11.000 mehrheitlich deutschsprachige Flugschriften in geschätzten 11 Millionen Exemplaren das Reich: Rein rechnerisch kamen damit auf jeden Lesekundigen 20 Drucke. Nicht minder revolutionär war der Inhalt der Botschaft: Noch nie hatte es einen vergleichbaren Aufruf zur öffentlichen Diskussion jener Grundlagen individuellen und gesellschaftlichen Lebens gegeben, die zu entscheiden sich bislang die Kirche als mächtigste Institution Europas vorbehalten hatte. Nun verkündeten Millionen von Drucken die Funda-

1 Beginn einer Flugschrift Herzog Georgs, die unter dem Pseudonym eines Pfarrers erschien. Vgl. Eigenhändiges Konzept Herzog Georgs zur Flugschrift »Wider des Luthers Warnung an die Deutschen« [1531], Loc. 10300/2, Bl. 13–23, hier Bl. 13a. Die Flugschrift erschien unter dem Titel: Franziskus Arnoldi, Wider des Luthers Warnung an die Deutschen, Dresden: Wolfgang Stöckel/Leipzig: Melchior Lotter, 1531. Vgl. dazu Becker, 251–263. 2 Zu den strukturellen Voraussetzungen siehe S. 406–409, 419 f.

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mentalkritik an dieser Kirche und die neue Lehre Luthers – zum erheblichen Teil von ihm selbst verfaßt.3 Der große Reigen evangelischer Schriften, der von den Druckerpressen überall im Reich seinen Ausgang nahm, wurde zunächst kaum von Gegenstimmen gestört. Gerade in den frühen Jahren fiel ihr Anteil an der Flugschriftenproduktion fast nicht ins Gewicht. Obwohl fähige Publizisten wie der Ingolstädter Theologe Dr. Johannes Eck oder der Straßburger Humanist, Theologe und Satiriker Dr. Thomas Murner für die alte Kirche zur Feder griffen, fanden sie für ihre Botschaft in der reformatorischen Öffentlichkeit nur wenig Resonanz. Gerade einmal 296 Ausgaben altgläubiger Flugschriften hat Mark U. Edwards für die Jahre 1518–1524 ermitteln können, wobei auch eine vergleichsweise geringe Anzahl von Nachdrucken darauf hindeutet, daß das Interesse an diesen Schriften begrenzt blieb.4 Soweit das Bild in der reichsweiten Überschau. Wird nun die Perspektive wieder auf das albertinische Sachsen verengt, sind erstaunliche Abweichungen zu konstatieren. Dies betrifft freilich nicht das Interesse an Martin Luther, das hier ebenso groß war wie andernorts. Leipzig, dank der Universität bereits eines der größeren Druckzentren im Reich, gehörte bis 1521 zu den führenden Produktionsstätten evangelischer Literatur. Bei Melchior Lotter d.Ä. und seinen Kollegen erschienen so viele Erstausgaben des Reformators wie sonst nur in Wittenberg, und gemessen an der Gesamtproduktion seiner Schriften war Leipzig in diesen ersten Jahren sogar die Lutherpresse Nummer Eins im Reich.5 Eine besondere Rolle aber nahm die Stadt auch in anderer Hinsicht ein. Wenn irgendwo, so trifft hier die Metapher vom »Flugschriftenkrieg« nicht nur auf den verbalen Schlagabtausch zwischen beiden Seiten zu, sondern spiegelt sich in der Druckproduktion wieder. Denn in Leipzig erschienen auch viele der ersten Schriften gegen Luther, trugen die ortsansässigen Pressen das Pro und Contra rund um die Leipziger Disputation fast gleichberechtigt in die Welt.6 3

Aus der umfangreichen Literatur vgl. Edwards, Printing; Moeller, Kommunikationsprozeß; ders., Stadt und Buch; Köhler, Meinungsprofi l; ders., Fragestellungen; Hamm, Medienereignis; Pettegree, Books; Wohlfeil, Reformatorische Öffentlichkeit; sowie die Beiträge in: Köhler, Flugschriften als Massenmedium; Gilmont; als neuere Fallstudie: Brockmann; als moderne Überblicksdarstellungen: Burkhardt, Reformationsjahrhundert; Pettegree, Culture of Persuasion. 4 Vgl. Edwards, Printing, 28–37, 57–82, bzw. ders., Catholic Controversial Literature. Zum Phänomen der altgläubigen Kontroversliteratur vgl. Jedin, Kontroversliteratur; Bagchi, Earliest Opponents; ders., Catholic Opponents; Smolinsky, Alveldt und Emser; Crofts; Weiß; sowie die fünf bändige Gruppenbiographie: Iserloh, Katholische Theologen. Zum Einstieg in die Quellen vgl. Klaiber; Köhler, Flugschriften; Laube/Weiß. 5 Nach den Zahlen von Mark Edwards entfielen in den Jahren 1516–1520 von 539 reichsweit erschienenen Drucken Luthers 156 auf Leipzig, 125 auf Augsburg und 113 auf Wittenberg. Vgl. Edwards, Printing, 22. Helmut Claus ordnet Leipzig hingegen knapp hinter Wittenberg ein. Vgl. Claus, Druckschaffen, 10. 6 Vgl. Claus, Untersuchungen, Bd. 1, 24–72.

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Nach 1521 baute Leipzig seine Sonderrolle unfreiwillig weiter aus. Wie nirgends sonst wurde das vom Papst verhängte Verbot der Schriften Luthers gerade in ihrer einstigen Hochburg in die Praxis umgesetzt. Parallel dazu entwickelte sich Leipzig neben Köln zum führenden Zentrum altgläubiger Kontroversliteratur im Reich. Mit 60 Drucken in den Jahren 1518–1524 und weiteren 234 Ausgaben im Zeitraum 1525–1539 erschienen in Leipzig (zu dem sich seit 1524 Dresden gesellte) so viele altgläubige Drucke wie sonst nirgendwo im Reich. Gerade bei den auf Breitenwirkung berechneten volkssprachlichen Kontroversflugschriften zeigt sich das Gewicht der albertinischen Pressen, »Leipzig« wurde in der reformatorischen Öffentlichkeit zu einem Synonym für antilutherische Haltung.7 Während in Köln nach wie vor die gelehrt-theologische Literatur überwog, lieferten Leipzig und Dresden vorrangig polemische Flugschriften: In den 1530er Jahren stammte jede zweite altgläubige Antwort auf Luther von hier.8 Diese beispiellose Entwicklung kann auf eine einzige Ursache zurückgeführt werden: das Wirken Herzog Georgs. Die Bedeutung, die seine Kirchenpolitik für die reformatorische Öffentlichkeit im Reich erlangte, bringt Mark Edwards prononciert auf den Punkt: »Were it not for the efforts of Duke Georg of Albertine Saxony and his stable of publicist, the Evangelical media campaign would have been almost unopposed in the vernacular.«9 Von Einzelbeiträgen in der älteren Forschung abgesehen, haben vor allem Helmut Claus und Heribert Smolinsky versucht, Georgs Rolle genauer herauszuarbeiten.10 Ist über Georgs Einflußnahme auf die altgläubige Publizistik in seinem Lande damit schon Wesentliches bekannt, kann sich die Argumentation im folgenden darauf konzentrieren, Georgs Engagement in der reformatorischen Öffentlichkeit in den Kontext seiner Kirchenpolitik einzuordnen. Dabei wird deutlich werden, was angesichts der Neuartigkeit des Medienereignisses Luther zunächst gar nicht zu erwarten wäre: daß nämlich Georgs antilutherische Kirchenpolitik auch auf diesem Gebiet maßgeblich von ihrem vorreformatorischen Entwicklungsstand profitieren konnte.

7 Dies belegt ein Ausspruch des Zwickauer Predigers Johann Sylvius Egranus, der vor der zunehmenden Spaltung warnte: »We should not be divided into sects so that we say, I am a Martinian, I am a Eckite, I am an Emserite, I am a Philippist, I am a Karlstadter, I am a Leipziger, I am a papist«. Zitiert nach Karant-Nunn, What was preached, 84. 8 Vgl. Edwards, Printing, 28–37. 9 Ebd., 37. 10 Vgl. Claus, Untersuchungen, Bd. 1; Smolinsky, Alveldt und Emser, 310–374. – Darüber hinaus ist aus der älteren Forschung die Arbeit von Hans Becker über Georgs antilutherische Schriften zu nennen. Vgl. Becker.

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b) Herzog Georg und die reformatorische Öffentlichkeit Die Bedeutung Herzog Georgs für die Blüte antilutherischer Kontroversliteratur in Sachsen läßt sich am besten durch einen Vergleich mit der Situation im übrigen Reich ermessen: Schon lange hat sich die Forschung mit der Frage beschäftigt, warum die altgläubige Publizistik gerade in den ersten Jahren der Reformation nur eine geringe Wirkung entfalten konnte. So hat etwa die kirchengeschichtliche Forschung aus dem Vergleich altgläubiger Traktate mit den Schriften Luthers auf ein niedriges sprachliches und intellektuelles Niveau der altgläubigen Publizistik geschlossen und damit ihre geringe Resonanz zu erklären versucht.11 Mag dies im Einzelfall zutreffen, so erscheint es doch als Gesamtansatz unzureichend, vor allem wenn man die Antworten jenseits akademischer Qualitätsmaßstäbe vermutet. Auch das konfessionell geprägte Zerrbild, nach dem die Luthergegner alternde Mönche waren, die die Zeichen der Zeit nicht mehr erkannten, ist längst widerlegt.12 Denn es fi nden sich unter den literarischen Gegnern Luthers viele reformorientierte Humanisten, nach langem Zögern sogar Erasmus selbst.13 Auch die beiden führenden albertinischen Kontroverstheologen, Emser und Cochlaeus, waren humanistisch gesinnte Weltgeistliche mit einem starken Interesse für Kirchenreform. Schließlich wurde vielfach die These vertreten, daß der Einsatz der Flugschrift und das Spiel mit der reformatorischen Öffentlichkeit eine Innovationsleistung Luthers darstellte, die die altgläubigen Traditionalisten erst langsam zu kopieren lernten. Auch diese These ist in letzter Zeit durch Forschungen zur Vorreformation widerlegt worden, zeigt sich doch gerade an Beispielen wie dem albertinischen Sachsen, daß die Technik und Konzepte der druckgestützten Propagandakampagne bereits um 1500 vollständig entwickelt waren.14 Neuere Ansätze suchen die Antwort deshalb nicht länger in einer wie auch immer gearteten geistigen Unterlegenheit der altgläubigen Protagonisten, sondern lenken das Augenmerk auf die strukturellen Rahmenbedingungen, die sich aus einer hochgradig ungleichen Kommunikationssituation für beide Seiten ergaben.15 Nicht nur war Luthers Aufruf zur Reform von Kirche und Glauben im neuen Licht des Evangeliums wie geschaffen für eine öffentliche Verbreitung. Die über den Buchdruck erreichbare Öffentlichkeit erwies sich für den gebannten Ketzer auch als überlebenswichtig, wollte er nicht das Schicksal manches mittelalterlichen Vorgängers teilen. So baute Luther ganz auf die 11

Vgl. Köhler, Fragestellungen, 7; als Beispiel vgl. Smolinsky, Alveldt und Emser. Vgl. Bagchi, Catholic opponents, 98 f. Freilich konnte auch Konservativismus ein Motiv für die Entscheidung gegen Luther sein. Vgl. Fraenkel. 13 Vgl. Augustijn, Stellung der Humanisten. 14 Siehe dazu S. 406–420. 15 Für das folgende vgl. Edwards, Printing, 57–82; Bagchi, Catholic Opponents, 99– 102; Laube, Cochlaeus/Dietenberger. 12

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Überzeugungskraft des gedruckten Wortes. Den Gegnern hingegen fiel es vor allem in den ersten Jahren – als Luthers Lehre und die allgemeine Kirchenkritik noch vielen als ein und dasselbe galten – sichtlich schwer, gegen die romkritische Grundstimmung Gehör zu fi nden. Ohnehin konnte die neue Botschaft grundsätzlich auf mehr Interesse als das Altbekannte rechnen.16 Schließlich schwächten auch die inhaltlichen Aussagen der Verteidiger ihre eigene Position, lief doch etwa ihr Beharren auf der Lehrautorität der Kirche darauf hinaus, die von ihnen adressierte Laienöffentlichkeit sogleich wieder in Frage zu stellen. Neben den Rezipienten aber sahen sich die Gegenspieler Luthers auch noch einer zweiten Front gegenüber: Geistliche Standesgenossen und kirchliche Obere begrüßten keineswegs einhellig ihr Engagement. Kirchliche Grundsätze wie das exklusive Recht des Klerus auf die Diskussion theologischer Fragen oder das Prinzip, jede Diskussion mit überführten Häretikern zu vermeiden, sprachen eindeutig dagegen, eine öffentliche Debatte über die Berechtigung der päpstlichen Verurteilung Luthers oder verwandte Fragen zu führen, noch dazu wenn dies in der Volkssprache geschehen sollte. Erst in den 1530er Jahren begann sich die Einstellung der Kurie langsam zu wandeln. Ebenso war sich die Kirchenspitze über die Tragweite der Luthersache lange nicht im Klaren. Vor und nach dem Ketzerurteil behandelte die Kurie die Causa Lutheri vorrangig als disziplinarisches Problem. Sogar der deutschlanderfahrene Nuntius Aleander konnte 1521 die Klagen eines Cochlaeus über mangelnde Unterstützung mit der Aussage zurückweisen, theologische Disputationen wären unnötig, denn Luther sei keine religiöse Herausforderung, sondern lediglich ein politisches Problem.17 Selbst wenn die potentiellen literarischen Gegner Luthers ihre theologischen Bedenken und das Mißtrauen ihrer Standesgenossen überwanden, sahen sie sich mit handfesten ökonomischen Problemen konfrontiert. Weil die Kirche den Sinn ihres Vorhabens nicht anerkannte, versagte sie ihre Unterstützung. Daraus resultierte erstens eine mangelnde Koordination der altgläubigen Propaganda und zweitens ihre unzureichende Finanzierung, was angesichts eines eher geringen Käuferinteresses doppelt ins Gewicht fiel. Schließlich machte die fehlende Rückendeckung noch empfindlicher für die harten Schmähungen der evangelischen Gegner: Aus den Briefen altgläubiger Autoren spricht so oft die Frustration von Einzelkämpfern, die sich auf verlorenem Posten sahen. So verwundert es kaum, daß die Mehrzahl von ihnen schon nach einer einzigen Schrift gegen Luther ihr Engagement wieder aufgab.18

16

Vgl. Köhler, Fragestellungen, 7. Vgl. Jedin, Kontroversliteratur; Laube, Cochlaeus/Dietenberger, 124–126; Bagchi, Catholic Opponents; die Aussage Aleanders ebd., 101 f., nach der Edition: Friedensburg, Briefwechsel (siehe dazu unten, Anm. 31). 18 Vgl. Bagchi, Catholic Opponents, 99; Laube, Cochlaeus/Dietenberger, 119–122. 17

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Wenn aber mangelnde Unterstützung von oben ein fundamentales Problem der frühen Luthergegner war, liegt die Vermutung nahe, daß der Kirchenpolitik Herzog Georgs eine entscheidende Bedeutung für die Blüte antilutherischer Propaganda19 in seinem Lande zukam. Tatsächlich scheint sie jene günstigen Rahmenbedingungen geschaffen zu haben, die den Verteidigern der alten Kirche andernorts fehlten: obrigkeitliche Anerkennung und Patronage, eine zentrale Koordinierung der Propagandabemühungen und nicht zuletzt die Finanzierung der Autoren und ihrer Werke. Was Georg von anderen Fürsten des Reiches unterschied, war neben seiner frühen Entscheidung gegen Luther auch sein ausgeprägtes Bewußtsein für die Bedeutung der Öffentlichkeit im Kampf gegen ihn. Gerade weil Georg selbst als engagierter Kirchenpolitiker und Anwalt umfassender Reformen aufgetreten war, kannte er die breite Resonanz für Romkritik und Reformforderungen und war in der Lage, die politische Sprengkraft der Botschaft Luthers zu ermessen. Zudem besaß er als Laie weniger Scheu als mancher Bischof, die Debatte um die Zukunft der Kirche in einer Laienöffentlichkeit zu führen. Seine Diskussionen mit den ernestinischen Vettern und die Erfahrungen mit den eigenen Untertanen brachten ihn früh zu der Überzeugung, daß die Auseinandersetzung mit Luther einen Kampf um die Köpfe der Laien, einen Wettstreit um populäre Unterstützung für den rechten Weg der Reform einschließen mußte. Ein solcher Zugang entsprach nicht zuletzt den Grundsätzen seiner vorreformatorischen Kirchenpolitik, bei der die Laien und ihr Seelenheil bereits im Zentrum gestanden hatten.20 Dieser Geist spricht aus den Worten, mit denen Herzog Georg 1526 Erasmus von Rotterdam für dessen antilutherischen Traktat »Hyperaspistes diatribae« dankte. Der Fürst verband seinen Dank sogleich mit der Ankündigung, die Schrift umgehend ins Deutsche übersetzen und drucken lassen zu wollen, damit auch die Schuster und Gerber, die sprichwörtlichen niederen Handwerkerschichten, Erasmus verstehen und sich durch die Lektüre von den lutherischen Irrlehren abwenden würden.21

19 Propaganda wird hier als wertungsfreier Arbeitsbegriff gebraucht, mit dem der Versuch einer »Beeinflussung der Überzeugung« einer Öffentlichkeit bezeichnet wird (Köhler, Fragestellungen, 3, Anm. 5), oder umfangreicher, der »Versuch, Wahrnehmungen zu formen, Erkenntnisse zu manipulieren und Verhalten zu lenken, um eine Reaktion zu erlangen, die die vom Propagandisten erwünschte Zielsetzung unterstützt« (Hruza, Propaganda Einleitung, 13). 20 Siehe S. 421–443. 21 »Ceterum ne te cerdonum et coriariorum invidia premat, curabimus, quod liber tuus debeat Germanica lingua donari atque ab illis intelligi. Nihilque dubitamus, quin permulti non solum in hoc dogmate sed et in omnibus aliis damnatis ab illius [gemeint ist Luther] sententia sint discessuri palamque videbunt te non frustra hucusque tacuisse«. Brief Herzog Georgs an Erasmus von Rotterdam, Leipzig, 16. April 1526, ABKG, Bd. 2, 527 f./Allen, Ep. 1691. Vgl. auch das eigenhändige Konzept Georgs ebd., 528, Anm. 1. – Zu Georgs Haltung vgl. auch Smolinsky, Alveldt und Emser, 386.

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Zum Bewußtsein für die reformatorische Öffentlichkeit traten Georgs umfangreiche Erfahrungen und Ressourcen im Umgang mit ihr. Für das Verständnis seiner Politik ist die Einsicht zentral, daß sich der Albertiner hier auf vertrautem Terrain bewegen konnte, ein Sachverhalt, der in der Forschung bislang in seiner Tragweite noch nicht erkannt wurde. Wie die hier vorgelegte Untersuchung seiner vorreformatorischen Kirchenpolitik belegt, hatte Herzog Georg bereits vor dem Auftreten Luthers umfangreiche Erfahrungen in der propagandistischen Nutzung des Buchdrucks sammeln können, auch und gerade in kirchenpolitischen Angelegenheiten. Dazu zählten die jahrelange Kampagne zur Heiligsprechung Bennos von Meißen, die Förderung laienorientierter Frömmigkeitsliteratur in Leipzig, der öffentliche Konfl ikt um die Reform des Leipziger Franziskanerklosters, aber auch die umfangreiche propagandistische Begleitung des Frieslandfeldzuges von 1514. In den Leipziger Druckern und in einem Kreis von Autoren, die über die Leipziger Universität oder – wie der Hof kaplan Hieronymus Emser – über den Fürstendienst mit ihm verbunden waren, verfügte Georg über jederzeit einsatzbereite Ressourcen, um Propaganda im Rahmen der Kirchenpolitik zu betreiben.22 Daß er als einer der reichsten Fürsten im Reich auch über den notwendigen fi nanziellen Spielraum verfügte, versteht sich ohne weiteres. Schließlich zeigt seine Zensurpolitik, daß Georg sich der Bedeutung einer aktiven Öffentlichkeitspolitik im offensiven wie im defensiven Bereich bewußt war.23 Vor diesem Hintergrund wird deutlich, daß der Umgang mit Flugschriften und den Spielregeln der Öffentlichkeit keine fremde oder neuartige Strategie war, die man im albertinischen Sachsen erst mühsam von Luther hätte lernen müssen. Nachdem sich Herzog Georg gegen Luther entschieden hatte, konnten daher Propaganda und Zensur von Anfang an integrale Bestandteile seiner antilutherischen Kirchenpolitik bilden. Selbst für die spezifische Herausforderung, die Luther in Georgs Augen darstellte, nämlich für die öffentliche Auseinandersetzung mit einem hussitischen Ketzer, verfügte er über erprobte Handlungsmuster. Erst 1514 war in seinem Auftrag ein Traktat in Leipzig erschienen, der sich gegen eine 1511 in Nürnberg gedruckte Verteidigung hussitischer Lehrsätze richtete.24 Und auch die erste öffentliche Auseinandersetzung mit Luther, Hieronymus Emsers im Spätsommer 1519 erschienene »De disputatione Lipsicensi, quantum ad Boemos obiter deflexa est«, stand noch unmittelbar in dieser Tradition. Zwar setzte sich Emsers in 1000 Exemplaren verbreitete Flugschrift kritisch mit Luthers ambivalenten Aussagen bei der Leipziger Disputation auseinander, ihrer Intention nach aber war sie – wie schon Titel und Adressat verraten 22

Siehe S. 406–420. Siehe ebd. und unten, Abschnitt 2. 24 Hieronymus Dungersheim, Confutatio apologetici [. . .], Leipzig: Wolfgang Stöckel, 1514 (VD 16 D 2947). Siehe dazu S. 410 f. 23

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– in erster Linie ein offener Angriff auf die Hussiten.25 Erst Luthers zornige Reaktion und Herzog Georgs wenige Monate später gefallene Entscheidung gegen Luther ließen sie retrospektiv zum Beginn der antireformatorischen Kontroverspublizistik werden – antihussitische und antilutherische Propaganda gingen hier fl ießend ineinander über. Das Bild wird schließlich abgerundet durch die in der Forschung vielbeachtete persönliche Engagement Georgs als Autor gegen Luther. Dieses rückt ihn in eine Reihe mit so bedeutenden Zeitgenossen wie Heinrich VIII. von England und legt Zeugnis ab vom ungewöhnlichen theologischen Sachverstand und vom tiefen persönlichen Interesse, mit denen der Wettiner seinen Kampf für die alte Kirche in der reformatorischen Öffentlichkeit führte.26 Nicht zuletzt zeugt es von dem bemerkenswerten Selbstbewußtsein des Laien Georg, daß er in der Auseinandersetzung mit Luther mehrfach Schriften verfaßte, die dann unter dem Namen von Geistlichen erschienen. Ob er Bischof Johann VII. 1520 eine Rüge Luthers in die Feder diktierte27 oder im Namen des Pfarrers Arnoldi aus Cölln bei Meißen eine Flugschrift veröffentlichte – immer war der Fürst bemüht, Luther auf gleicher Augenhöhe entgegenzutreten, selbst wenn er dafür seine Texte mit einer Selbstverleugnung beginnen mußte.28 Das Bewußtsein für die Bedeutung der öffentlichen Auseinandersetzung, die Fokussierung der Propaganda auf die Laien und eine obrigkeitliche Steuerung und Finanzierung der Kontroverstheologie waren die Parameter einer modernen landesherrlichen Kirchenpolitik, die wie keine zweite im Reich den Kampf mit Luther auf gleicher Augenhöhe aufnahm. So ist zu bestätigen, was Mark Edwards auf der Grundlage der Statistiken noch als These formulierte: »Duke Georg of Saxony appears to have understood and exploited the press in the Catholic cause more than any other Catholic ruler, including the various ecclesiastical princes.« 29 c) Landesherrliche Patronage: Förderung altgläubiger Autoren und Drucke Die Ignoranz der Kurie und vieler Bischöfe gegenüber dem Anliegen der altgläubigen Kontroversschriftsteller beeinträchtigte nicht nur deren Motivation, sondern war vor allem verantwortlich für ihre prekäre fi nanzielle Lage. Da viele Drucker den Markt für antilutherische Flugschriften negativ einschätzten, sahen sich die potentiellen Luthergegner in der Situation, die Kosten für den Druck ihrer Texte teilweise oder vollständig übernehmen zu müssen. Selbst dann war es zuweilen schwierig, einen Drucker zu fi nden, wie Cochlaeus 25 26 27 28 29

Siehe S. 453–455. Vgl. Becker; Smolinsky, Alveldt und Emser, 323–336. Siehe S. 468. Siehe Anm. 1. Edwards, Printing, 36.

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1521/22 erfahren mußte. So blieben viele antilutherische Traktate lange Zeit ungedruckt – manchmal auch für immer.30 Als 1521 die Causa Lutheri in Worms ihrem vorläufigen Höhepunkt entgegenstrebte, wandten sich Autoren wie Cochlaeus und Emser mit der Bitte um Patronage an den Nuntius Aleander, wohl in der Hoffnung, dieser würde aus seiner besseren Kenntnis der Situation im Reich auch ein Interesse für die antilutherische Publizistik entwickeln. Besonders drastisch schildert Cochlaeus in seinen Briefen die Lage, wobei er auch die Rolle Hieronymus Emsers hervorhebt, den er als letzten Mahner wider Luther im Reich bezeichnet. Doch sahen sich sowohl Cochlaeus als auch Emser in ihren Hoffnungen auf Geld und logistische Unterstützung (gewünscht wurde insbesondere eine vor lutherischer Spionage sichere Postverbindung) arg enttäuscht. Die Kurie, an der Jahr für Jahr tausende Expektanzen und Reservationen vergeben wurden, war nicht bereit, die Ressourcen auch nur eines deutschen Benefi ziums für den Kampf gegen Luther einzusetzen.31 Um so größere Bedeutung kam der Patronage weltlicher Fürsten zu. Herzog Georg vermochte den Luthergegnern beides zu geben: Muße zum Schreiben durch ein festes Einkommen und fi nanzielle Unterstützung beim Druck ihrer Werke. Freilich machte auch der Landesherr graduelle Unterschiede. Am meisten profitierten die Hof kapläne Emser und Cochlaeus von der Förderung.32 Sie wurden mit Pfründen versorgt, um als Publizisten von Georgs Gnaden eigene Schriften zu verfassen, daneben aber auch Übersetzungsaufträge und schließlich Herausgebertätigkeit für andere Autoren zu übernehmen. Von ihren Einnahmen fi nanzierten sie z.T. auch Druckkosten.33 Darüber hinaus diente Emser seinem Fürsten als Organisator der nach ihm benannten ersten Druckerpresse von Dresden. Mit der Emserpresse, die Herzog Georg aller Wahrscheinlichkeit nach mitfi nanzierte, entstand eine »fast vollständig religionspolitisch funktionalisierte Druckerei«.34 30

Vgl. Laube, Cochläus/Dietenberger, 119–135; Edwards, Printing, 76–82; Bagchi, Catholic Opponents, 101 f. 31 Erhalten haben sich diese Schreiben in einem Eingangs- und einem Ausgangsregister Aleanders, die in der Vatikanischen Bibliothek auf bewahrt werden. Vgl. B. A. V., Cod. Vat. lat. 6199, 8075. Vgl. dazu die Editionen: Friedensburg, Aleander; ders., Briefwechsel, dort zu Cochlaeus: Bd. 18 (1898), 106–131, 233–297, 420–463, 596–636; Vgl. insbesondere Brief des Johannes Cochlaeus an Nuntius Girolamo Aleander, Frankfurt, 27. September 1521, ebd., 119–126; Brief Hieronymus Emsers an dens., Leipzig, 10. März 1521, Friedensburg, Aleander, 329. Vgl. dazu auch Laube, Cochlaeus/Dietenberger, 119, 124–126; Kawerau, 106 f. – Zum Problem unsicherer Postverbindungen vgl. Tewes, Luthergegner. 32 Zu ihrer Ausstattung siehe S. 279–281. 33 Zu Emser vgl. Kawerau, 129, Anm. 209; zu Cochlaeus siehe unten die Quellen in Anm. 43. – Emser erhielt auch von der Fürstin Margarethe von Anhalt Geld für seine Publikationen. Vgl. Smolinsky, Alveldt und Emser, 43. 34 Vgl. Smolinsky, Alveldt und Emser, 40–47; 324–328; Kawerau, 58–54; Aurich, 117 f., das Zitat 105.

IX. Reformatorische Öffentlichkeit

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Bemerkenswert ist, daß Emser die Position eines landesherrlichen Publizisten schon innehatte, bevor die Reformation begann. Georg hatte ihn, wie Emser selbst mehrfach betonte, bereits im Zuge der Heiligsprechungskampagne Bennos mit Pfründen versorgt und für die kirchenpolitische »Öffentlichkeitsarbeit« freigestellt.35 Diese besondere Ausgangslage dürfte nicht zuletzt Emsers frühes und nachhaltiges Engagement gegen Luther erklären. Zu relativieren sind in diesem Zusammenhang seine offensichtlich interessengeleiteten Klagen über seine schlechte Finanzlage, die er bei Nuntius Aleander führte. Mochten Emsers Jahreseinnahmen von 80 fl. einem italienischen Kurialen ärmlich erscheinen, gehörte der Hof kaplan damit doch zu den wohlhabenderen Vertretern des sächsischen Niederklerus – und konnte sich außerdem des geneigten Ohrs seines Fürsten sicher sein.36 Emsers kontinuierliche Produktivität und zusätzliche Aktivitäten wie die Dresdner Presse belegen, daß er im ganzen unter günstigen Rahmenbedingungen arbeitete. Als Emser 1527 starb, begab sich Herzog Georg auf die Suche nach einem Nachfolger. Interessanterweise fiel seine Wahl nicht auf einen altgedienten sächsischen Geistlichen, sondern auf einen Fremden mit ganz besonderer Reputation. Niemand anderes als Johannes Cochlaeus, von den Päpsten geschätzter Theologe und einer der profi liertesten Luthergegner im Reich, übernahm die Stellung seines Freundes Emser. Schon Mark Edwards hat vermutet, daß es seine Flugschriften waren, die Cochlaeus für den Titel eines albertinischen Hof kaplans qualifizierten.37 Der oberste Geistliche am herzoglichen Hof war längst zu einer Art Propagandabeauftragter und damit, wenn man so will, zum Leiter der von Lazarus Spengler beschworenen »herzog Georgischen canzlei schmiedten« geworden.38 Aber auch jenseits des Hofes konnte die Bereitschaft, gegen Luther zu schreiben, im Lande Herzog Georgs zum Karrieresprungbrett werden. Im Jahre 1525 35

Vgl. dazu die übereinstimmenden Aussagen Emsers zur Freistellung »ad literarum« aus der Widmung der Vita Bennonis (1512) und aus seiner ersten Flugschrift gegen Luther (1519): »Divi Bennonis Missnensis quondam antistitis vitam, clarissime, potentissimeque princeps, [. . .] illustri tuae claritati humiliter offero ac dedico, tum quod tua liberalitate et claementia id tandem scribendi ocius nactus sum, tum quod neminem magis deceat, eius libri dedicatio.« Hieronymus Emser, Divi Bennonis Misnensis quondam episcopi vita [. . .], Leipzig: Melchior Lotter d. Ä., 1512. (VD 16 E 1117), Bl. A IIa. »Ita nunc quintumdecimum inter Misnenses ago annum, e quibus in sextum usque illustrissimo ac clementissimo principi meo ab epistolis inserviens duobus donatus sacerdotiis, ipso bene favente, ad literarum ocia redii.« Ders., A venatione Luteriana aegocerotis assertio [Leipzig: Martin Landsberg 1519], Thurnhofer, Emser, 42–99, hier 93. 36 Zu Emsers Einnahmen siehe S. 279–281. 37 Vgl. Edwards, Printing, 36. – Zu Cochlaeus vgl. Bäumer. 38 Brief Lazarus Spenglers an Veit Dietrich, Nürnberg, 8. Februar 1534, ABKG, Ms. Werl, Nr. 2705. – Dieses Spengler-Zitat fi ndet sich in der Literatur häufig in leicht verfälschter Form. Vgl. z. B. »Georgische cantzley und schmidten« bei Ludolphy, Kampf, 175, dort zitiert nach Flathe, 686. Es bringt plastisch die Vorstellung der Evangelischen zum Ausdruck, die albertinischen Kontroversschriften entstünden auf direkten Befehl Georgs.

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Zweiter Teil: Die Auseinandersetzung mit der frühen Reformation (1517 – 1525)

befahl der Fürst der Leipziger Theologischen Fakultät, die antilutherischen Schriften des zuvor in Wittenberg immatrikulierten Magister Heinrich Lutterfeld zu prüfen. Sollten sie sich als rechtgläubig und nützlich erweisen, so Georg weiter, habe die Universität für ihren Druck zu sorgen und solle Lutterfeld zur Belohnung gestatten, in Leipzig Vorlesungen über Mathematik anzubieten.39 Andere Autoren wie der Dresdner Schloßkaplan Wolfgang Wulffer oder der Leipziger Theologieprofessor Hieronymus Dungersheim standen bereits in landesherrlichen Diensten, als sie gegen Luther zu schreiben begannen. Schließlich gab es unter den albertinischen Autoren auch zahlreiche Ordensmitglieder, etwa Augustin von Alveldt, Jakob Schwederich oder Johannes Lindner, die einer direkten Versorgung durch den Landesherrn nicht bedurften. Die Prälaten Simon Blick und Paul Bachmann, Äbte der reichen Klöster Pegau und Altzelle, dürften auch die Kosten ihrer Drucke selbst getragen haben.40 Sie alle aber wußten sich, wenn sie gegen Luther zur Feder griffen, des Wohlwollens ihres Fürsten sicher. Nachdem die Leipziger Drucker anfänglich, etwa im Kontext der Leipziger Disputation, Luthers Schriften und die Pamphlete seiner Gegner gleichermaßen gedruckt und verkauft hatten,41 häuften sich in den Jahren nach dem Verbot des Lutherdrucks in Leipzig ihre Klagen über das geringe Interesse an altgläubigen Schriften, auf deren Produktion sie sich nun beschränken mußten.42 Zunehmend gingen sie dazu über, antilutherische Schriften nur noch auf Kosten der Auftraggeber zu drucken.43 Leider schweigen die landesherrlichen Quellen über die fi nanzielle Seite der landesherrlichen Druckförderung, was damit in Zusammenhang stehen könnte, daß Herzog Georg seine Ausgabenkasse persönlich und deshalb ohne Rechnungslegung verwaltete.44

39 Vgl. Brief Herzog Georgs an Dekan und Doktoren der Theologischen Fakultät zu Leipzig, Dresden, 7. März 1525, ABKG, Bd. 2, 62. 40 Zu den albertinischen Kontroverstheologen, soweit sie in diesem Kapitel nicht näher behandelt sind, vgl. Smolinsky, Alveldt und Emser, 337–374. 41 Vgl. Claus, Untersuchungen, Bd. 1, 24–43, 62–72. 42 Vielzitiert (vgl. z. B. Edwards, Printing, 14) ist die Klage der Leipziger Drucker von 1524, die freilich von dem Wunsch diktiert war, dem Fürsten ihren drohenden Ruin möglichst drastisch vor Augen zu führen: »Es haben sich auch die buchdrucker itzundt und zuvorn oftmals kegen uns heftig beclagt, das yne yre nahrunge ganz darnyderlige, [. . .] indeme das sie nichts neues, das zu Wittenberg ader sust gemacht, alhir drugken und vorkaufen dörfen. Dann welchs man gerne kouft und darnach die frage ist, mussen sie nit haben noch vorkaufen; was sie aber mit großen houfen bey sich liegen haben, dasselbig begert nymands und wenn sie es auch umbsust geben wolten.« Brief des Rates zu Leipzig an Herzog Georg, [Leipzig] 7. April 1524, ABKG, Bd. 1, 640–644. 43 Noch in den 1530er Jahren klagte Cochlaeus über dieses Verhalten, das er als vorsätzliche Behinderung seiner Arbeit betrachtete. Vgl. Brief des Johannes Cochlaeus an Thomas More, Dresden, 29. Juni 1531, Pollen, 46–49; Brief dess. an Kardinal Albrecht, Dresden, 9. Juli 1531, ABKG, Ms. Werl, Nr. 2185. Vgl. auch Claus, Untersuchungen, 201–204. 44 Vgl. Schirmer, Kursächsische Staatsfi nanzen.

IX. Reformatorische Öffentlichkeit

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So bedarf es alternativer Überlieferung, um einen Blick hinter die Kulissen landesherrlicher Druckprojekte zu werfen. Für das Jahr 1529 läßt sich ein direkter Auftrag Herzog Georgs in einem Briefwechsel zwischen dem Leipziger Drucker Melchior Lotter und dem Zwickauer Schulmeister Stephan Roth fassen. Der Fürst hatte Lotter demnach befohlen, eine nicht näher bezeichnete Übersetzung einer Flugschrift auf seine Kosten zu drucken und hatte auch gleich die Auflagenhöhe vorgegeben. Wenige Tage später holte der als altgläubiger Parteigänger bekannte Leipziger Ratsherr Hieronymus Walter sämtliche 450 Exemplare bei Lotter ab und lieferte sie in einem Faß dem Schösser des Leipziger Schlosses, der den Transport nach Dresden übernahm. Eine Handvoll der (lateinischen?) Drucke, die nicht mehr in das Faß hineinpaßten, verschickte Walter (der als Faktor der Welser eine Poststation betrieb) an einige bedeutende alt- wie neugläubige Humanisten im Reich: an Christoph Scheurl, Willibald Pirckheimer und Lazarus Spengler in Nürnberg, Conrad Peutinger in Augsburg und Johannes Fabri in Wien. Nur der Drucker, der 100 Exemplare hatte behalten wollen, ging offenbar leer aus.45 Über solche direkte Aufträge des Landesherrn hinaus enthalten eine Reihe albertinischer Drucke Hinweise auf eine fi nanzielle Förderung Herzog Georgs. Besonders deutlich wird die Bedeutung des Landesherrn im Falle des Petrus Sylvius (Peter Penick aus Forst/Niederlausitz).46 Der ehemalige Leipziger Dominikaner, der sich (wie Erasmus) vom Ordensleben dispensieren ließ, hatte bereits seit 1519 gegen Luther geschrieben, konnte aber seine Schriften nicht drucken lassen, weil er weder über einen geneigten Drucker noch über ein ausreichendes Einkommen verfügte. Erst als er 1525 Herzog Georg empfohlen wurde, ermöglichte ihm dieser, die ersten drei Traktate zu veröffentlichen – weitere zwei Dutzend lagen noch in seiner Schublade.47 Nachdem er einmal die Gnade des Landesherrn gewonnen hatte, stellte ihm auch der Leipziger Rat Gelder zur Verfügung, mit denen er die Druckkosten mehrerer Flugschriften bestreiten konnte, »dieweil sie kein Buchdrucker auf sein eigen Expens zu drukken sich hat wollen unterstehen«.48 Schließlich versorgte der Herzog Sylvius mit einer Pfründe und gab ihm so eine fi nanzielle Grundlage für sein weiteres kontroverstheologisches Schaffen, wofür sich dieser in einer Widmung ausführlich bedankte: »Weme kan ich aber die ersten eylff buchleyn billicher zuschreyben [. . .] dan dem durchleuchtigem hochgebornen fursten und herrn, herrn Georg hertzogen zu Sachssen [. . .] 45

Vgl. Briefe Melchior Lotters d.Ä. an Stephan Roth, Leipzig, 7./13. November 1529, ABKG, Ms. Werl, Nr. 1944, 1948; Brief Hieronymus Walters an Herzog Georg, Leipzig, 13. November 1529, ebd., Nr. 1949. 46 Zu Sylvius vgl. Smolinsky, Alveldt und Emser, 346–356. 47 Vgl. Smolinsky, Alveldt und Emser, 346–348; Laube, Cochlaeus/Dietenberger, 123, Anm. 14. 48 Zitiert nach: Claus, Untersuchungen, Bd. 1, 151.

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[da] seyne f. g. mich armen, durfftigen, unwirdigen priester von anfang meynes schreybens mit hulffe und rath genediglich angebligkt und entlich lauther von Gottis wegen mit eynem geistlichen lehen [. . .] versorget hat«.49

Keinen Erfolg hatte hingegen die Bitte des Monachus Pirnensis, des Pirnaer Dominikaners Johannes Lindner um die Drucklegung seines »chronicken wergks«. Das in der Forschung unter dem Titel »Onomasticum mundi generale« bekannte Buch wollte freilich aufgrund seines chronikalisch-lexikalischen Zuschnitts nicht recht in das etablierte Programm antireformatorischer Publizistik passen, wiewohl es mit Spitzen gegen Luther nicht sparte.50 Im Ergebnis der Förderpolitik Georgs entstanden im albertinischen Sachsen denkbar günstige Rahmenbedingungen für antilutherische Publizistik. Viele der unter seinem Schutz aktiven Luthergegner nahmen dauerhaft den öffentlichen Kampf auf und zählten bald zu den wichtigsten Widersachern der Reformation im Reich. Wie die Beispiele Cochlaeus, Lutterfeld oder Sylvius zeigen, konnte das Engagement gegen Luther dabei sogar zum positiven Karrierefaktor werden. Von den sechs produktivsten antilutherischen Autoren im Reich hatten so gleich vier – Emser, Cochlaeus, Sylvius und Georg Witzel 51 – ihre Wirkungsstätte im Sachsen Herzog Georgs.52 Auch Autoren aus der zweiten und dritten Reihe wie Augustin von Alveldt, Hieronymus Dungersheim oder der Altzeller Abt Paul Bachmann schrieben über einen längeren Zeitraum immer wieder gegen Luther.53 Zwar blieben auch die albertinischen Luthergegner nicht von persönlichen Angriffen verschont. Zu den gegenseitigen Beleidigungen in der Flugschriften traten handfeste Einschüchterungsversuche durch lutherisch gesinnter Laien. Anfang 1521 etwa sagten zwanzig Leipziger Studenten Emser die Fehde an, weil er »Martino Luthero, innocentissimo theologo« beleidigt habe.54 Im glei49 Petrus Sylvius, Die andern acht hinderstelligen bucher [. . .], Leipzig 1528, zitiert nach: Smolinsky, Alveldt und Emser, 346. 50 »[. . .] so nehme ich an [. . .] e. f. g. als meinen gnedigen hern und lands-fursten czu einem gnedigen und hochgunstigen heupt patron und hanthaber solichs ausgeedirten chronikken wergks, [. . .] gantz underthenig und demutigk bitend, [solches] aus furstlicher milte und gutherczigkeit gnedigen willens [. . .] anczunemben und czu mercklichen gedeyhe gemeinem nutz in druck czu verfertigen foddern verhelfen«. Johannes Lindner, Widmung des sog. »Onomasticum mundi generale« an Herzog Georg, 1529, Lindner, Vorwort, unpag. 51 Zu Witzel vgl. Henze. 52 Vgl. Edwards, Printing, 36. Dies gilt sogar, obwohl als Stichjahr dieser Statistik 1555 gewählt wurde, während in Sachsen nur bis 1539 altgläubige Schriften entstanden. 53 Zum Überblick über die albertinischen Kontroversschriftsteller vgl. Smolinsky, Alveldt und Emser, 337–374. Der Leipziger Franziskaner Alveldt, einer der ersten literarischen Gegner Luthers, verfaßte allein 1520 neun Flugschriften gegen die aktuellen Lehren aus Wittenberg. Vgl. ebd., 20. 54 Fehdebrief »Viginti nobiles adulescentes Emsero bellum« [Anfang 1521], ABKG, Bd. 1, 146, Anm. 3. Der Fehdebrief polemisiert auch gegen den Angriff weiterer »Antichristi apostolorum« und nennt namentlich Johannes Eck, Girolamo Aleander und den Leipziger Luthergegner Augustin von Alveldt.

IX. Reformatorische Öffentlichkeit

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chen Jahr warfen Unbekannte an seinem Wohnhaus in Dresden Fensterscheiben ein.55 Doch in all diesen Anfeindungen konnte der schwäbische Humanist auf die Rückendeckung seines Dienstherrn vertrauen. Als Herzog Georg von dem Leipziger Fehdebrief hörte, gab er vom Wormser Reichstag aus umgehend die Order, gegen die Urheber vorzugehen, als ob es »unser person selbst belangte«.56 d) Die inhaltlichen Aussagen der albertinischen Propaganda Die inhaltlichen Kernaussagen der albertinischen Kontroversschriften sind schnell skizziert. Im Zentrum ihrer Angriffe stand Luther selbst, weil er eine von der Kirche verurteilte Häresie verbreitete. In einem heilsgeschichtlichen Kontext wurde er als Werkzeug oder sogar als Inkarnation des Teufels bzw. des Antichristen dargestellt. Verurteilt wurde insbesondere sein aggressives Auftreten gegen die geistliche und weltliche Obrigkeit, das die soziale Ordnung zerstöre und den gemeinen Mann zum Aufruhr anstifte. Der Bauernkrieg wird den Altgläubigen dann als Erfüllung ihrer schlimmsten Prophezeiungen gelten. Ein dritter Schwerpunkt der Kritik bewegte sich auf der pastoraltheologischen Ebene. Hier konzentrierten sich die Vorwürfe auf Luthers Gnadenlehre und die damit verbundene Entwertung der guten Werke als Mittel zum Seelenheil. Dies sei, meinten die albertinischen Autoren, nicht nur falsch, sondern eine Verführung des Teufels, weil die Laien die Betonung von Glaube und Gnade als Erlaubnis auffassen würden, auf gute Werke gänzlich zu verzichten. Statt dessen würden sie nun mit gutem Gewissen sündigen und dadurch ihr Seelenheil aufs Spiel setzen. In diesem Zusammenhang galten Luthers Ratschläge gegen das Mönchsgelübde und für die Priesterehe als Belege dafür, daß er die Sittenlosigkeit sogar offen propagiere.57 Als Besonderheit der sächsischen Perspektive erscheint die starke Betonung der Abhängigkeit der Reformation von den Hussiten. Schon 1520 griff Augustin von Alveldt die »neuen Hussiten« an, wobei nicht einmal Luthers Name fiel. In den Jahren bis zum Bauernkrieg gehörte die Warnung, Luther wolle alle Deutschen zu Hussiten machen, zu den Hauptaussagen albertinischer Flugschriften.58 Programmatisch stellt Emser die These, Luther lehre Hus, an die 55

Vgl. Smolinsky, Alveldt und Emser, 43. Brief Herzog Georgs an Herzog Friedrich d.J. und die Räte zu Dresden, Frankfurt, 9. Januar 1521, ABKG, Bd. 1, 146 f. – Siehe dazu ausführlicher unten, Abschnitt 2 a). 57 Vgl. Edwards, Printing, 149–162; Smolinsky, Alveldt und Emser, 375–384; daneben auch Volkmar, Heiligenerhebung Bennos, 169–172; zu Georgs Einschätzung Luthers siehe auch S. 521–527. – Die Argumente unterscheiden sich nicht vom generellen Tenor der altgläubigen Verteidiger. Vgl. z. B. Bagchi, Catholic Opponents, 102–107. 58 Vgl. Smolinsky, Alveldt und Emser, 251–253; 376–381. – Erst in der zweiten Hälfte der 1520er Jahre wurden auch im albertinischen Sachsen Stimmen laut, die zwischen Luther und Hus differenzierten, freilich um daran die Botschaft zu knüpfen, Luther sei der noch viel 56

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Zweiter Teil: Die Auseinandersetzung mit der frühen Reformation (1517 – 1525)

Spitze seiner umfangreichen Schrift »Wider das unchristenliche buch« von 1521, die eine Antwort auf Luthers Adelsschrift darstellt. Der an zahlreichen Einzelpunkten – z. B. Sakramentenlehre, Priestertum, Messe – geführte Nachweis der Abhängigkeit zieht sich durch die ganze Flugschrift und steigert sich schließlich zu der Behauptung, Luther schreibe nur, um den Hussiten in Böhmen zu gefallen.59 Fragt man nach dem Motiv der albertinischen Autoren, so verband sich mit der Argumentation wohl mehr als nur der Versuch, Luthers Lehre als längst verurteilte Häresie zu entlarven.60 Denn schon 1520/21 war ein solcher Umweg durch die Bannbulle gegen Luther unnötig geworden. Nein, mag die Behauptung von der Kontinuität Hus-Luther dem Historiker auch weit hergeholt erscheinen, aus der spezifisch sächsischen Sicht ist sie als Analyse durchaus wörtlich zu nehmen! Sie entsprach nicht nur dem mittelalterlichen Topos von der Abhängigkeit aller Häresien voneinander, sondern war als Ausdruck konkreter Hussitenfurcht fest in der altgläubigen Lebenswelt Sachsens verankert. Indem sie einen neuen mit einem alten Gegner identifi zierte, diente diese These zur propagandistischen Flankierung der erst gegen die Hussiten und nun gegen Luther gerichteten Kirchenpolitik Herzog Georgs, dem viele der Autoren eng verbunden waren.61 Die Wahrnehmung eines Zusammenhangs zwischen Luther und den Hussiten wurde nicht nur durch die Meldungen über Kontakte zwischen Böhmen und Wittenberg genährt, sondern auch von den böhmischen Katholiken geteilt. Insofern war der fortwährende Kontakt der albertinischen Luthergegner mit den Katholiken in Böhmen nur folgerichtig.62 Der Prager Administrator Johannes Žak stand nicht nur mit Emser im Briefwechsel über den gemeinsamen Kampf, er nutzte auch die albertinischen Ressourcen. 1524 druckte die Emserpresse seine deutschsprachige Widerlegung der Elbogener Kirchenordnung.63 Auch hier wird die untrennbare Verquickung antilutherischer und antihussitischer Propaganda augenscheinlich. Das Prager Domkapitel, geistliches Bollwerk des böhmischen Katholizismus gegen die Hussiten, beauftragte Žak mit der Widerlegung der Kirchenordnung, obgleich diese sich nicht als hussitisch, sondern als lutherisch verstand. Žak erhielt dabei, wie Heribert Smolinsky glaubhaft machen kann, Hilfe von seinem Freund Emser.64 Und während Herzog Georg den Grafen Schlick, die in Elbogen die Reformation einführen wollschlimmere Ketzer, mit dem selbst die Böhmen nichts zu tun haben wollten. So äußerte sich etwa der spätere Wiener Bischof Johannes Fabri in einer 1527/28 bei Schumann in Leipzig gedruckten Flugschrift. Vgl. Smolinsky, Alveldt und Emser, 381; Hoyer, Hus, 304–306. 59 Vgl. Smolinsky, Alveldt und Emser, 251–253. 60 Dieses Argument betont z. B. Smolinsky, Alveldt und Emser, 379. 61 Siehe S. 460–465. 62 Siehe ebd. 63 Vgl. Aurich, 64, 103; Clemen, Elbogener Kirchenordnung. 64 Vgl. Smolinsky, Alveldt und Emser, 38, Anm. 123.

IX. Reformatorische Öffentlichkeit

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ten, mit politischen Konsequenzen drohte,65 wurde Žaks Widerlegung auf der von ihm geförderten Dresdner Presse gedruckt, um die böhmischen Freunde im Kampf gegen den gemeinsamen Feind zu unterstützen. Insgesamt gesehen beeindruckt, in welch hohem Maße die Argumentation der Flugschriften von Emser und Co. mit der Sicht Herzog Georgs auf die Reformation übereinstimmt. Als einzige Differenz zwischen Emser und Georg läßt sich gerade einmal eine (freilich erst nachträglich geäußerte) kritische Einstellung des Hof kaplans zur Leipziger Disputation erkennen.66 Dies führt unmittelbar zu der Frage, wer wen beeinflußte. Diese läßt sich freilich nur punktuell beantworten. Im Zusammenhang mit der vorreformatorischen Vita Bennonis wurde gezeigt, daß Emser und Georg bereits vor dem Beginn ihrer Zusammenarbeit ähnliche Vorstellungen über Notwendigkeit und Wege der Kirchenreform teilten und daß diese Eingang in die Lebensbeschreibung des heiligen Bischofs fanden.67 Mit Blick auf Luther fällt auf, daß ein von Georg verwendetes und seinem Wesen nach klar den fürstlichen Blickwinkel widerspiegelndes Argument – daß nämlich das Vorbild der wettinischen Vorfahren zum Widerstand gegen die Hussiten verpfl ichte – auch in den Schriften Emsers, Alveldts und Bachmanns verarbeitet wurde.68 Allgemein scheint das Verhältnis des Fürsten zu »seinen« Kontroverstheologen von grundsätzlicher Übereinstimmung und einer gegenseitigen Befruchtung geprägt.69 e) Das publizistische Programm der albertinischen Propaganda Im Rahmen der albertinischen Kirchenpolitik erfüllte antilutherische Propaganda eine ganze Bandbreite von Funktionen, die sich zu einem Programm gezielter Beeinflussung der reformatorischen Öffentlichkeit zusammenfügen. Viele der Flugschriften, die im albertinischen Sachsen entstanden, gingen direkt auf Weisungen des Landesherrn zurück. Schon der ständige Schlagabtausch mit Luther ist ohne ein gewisses Maß an zentraler Steuerung kaum zu denken. Dies war auch die Wahrnehmung der Gegner. Lazarus Spengler beschreibt den Standpunkt einer Flugschrift Georg Witzels lakonisch mit dem Hinweis, sie sei »in der herzog Georgischen canzlei schmiedten geschmidet«.70 Damit soll keineswegs 65

Siehe S. 497. Zu Emsers vgl. Smolinsky, Alveldt und Emser, 225. – Zu Georgs Sicht auf die Disputation siehe S. 453–456. 67 Vgl. Volkmar, Heiligenerhebung Bennos, 129–140. 68 Zu Georg siehe S. 462. In den Flugschriften erscheint das Argument mit allgemeinem Bezug auf den Kaiser und die Reichsfürsten. Vgl. Smolinsky, Alveldt und Emser, 123, 249, 277, 363, 388 f. 69 So auch die Einschätzung bei Smolinsky, Alveldt und Emser, 416. 70 Brief Lazarus Spenglers an Veit Dietrich, Nürnberg, 8. Februar 1534, ABKG, Ms. Werl, Nr. 2705. 66

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Zweiter Teil: Die Auseinandersetzung mit der frühen Reformation (1517 – 1525)

der Eindruck erweckt werden, jeder einzelne der 294 altgläubigen Drucke, die aus Georgs Regierungszeit bekannt sind, verdanke seine Existenz einer direkten Order des Fürsten.71 Vielmehr ist die selbständige Initiative der Autoren ebenso zu betonen wie die Koordinationsfunktion der Hof kapläne Emser und Cochlaeus auf der mittleren Ebene. Die Grenzen der landesherrlichen Steuerung zeigt eine Anfrage Georgs beim Leipziger Rat wegen einiger neuer Flugschriften, aus deren Beantwortung er erst Kenntnis davon erlangte, daß zwei dieser Schriften vom Dresdner Schloßkaplan Wolfgang Wulffer 72 stammten.73 Methodisch stellt sich wie bei der Betrachtung der vorreformatorischen Öffentlichkeit das Problem, daß die Beteiligung des Landesherrn an der Entstehung eines Drucks nur selten sicher nachweisbar ist. Oft kann ein Zusammenhang nur wahrscheinlich gemacht werden, wie im Falle der »Determinatio« der Pariser Sorbonne über die Leipziger Disputation. Hier ist einerseits belegt, daß Herzog Georg das Urteil der Pariser Theologen selbst in Auftrag gab und fi nanzierte,74 andererseits ist bekannt, daß der Leipziger Drucker Martin Landsberg das am 15. April 1521 ergangene Pariser Votum noch im selben Jahr druckte.75 Zu vermuten ist, daß Georg das ihm zugegangene Pariser Urteil gegen Luther nach Leipzig bringen ließ und selbst Auftraggeber des Landsberg-Drucks war. Dennoch gibt es hinreichend sichere Belege, aus denen sich die Muster der landesherrlichen Einflußnahme rekonstruieren lassen. Im unmittelbaren Auftrag Herzog Georgs arbeitete etwa Hieronymus Emser. Ungeachtet der Eigendynamik, die Emsers Flugschriftenwechsel mit Luther entfaltete, lassen sich immer wieder direkte Aufträge zu Schriften, Übersetzungen oder Herausgebertätigkeiten fassen. Emser selbst weist in seinen Schriften mehrfach auf die obrigkeitliche Unterstützung hin.76 Selbst Luther ging davon aus, daß Emser in der Regel im Auftrage Georgs schrieb.77 Auch Emsers wichtigstes Werk, die deutsche Ausgabe des Neuen Testaments, war eine Auftragsarbeit im Dienste der landesherrlichen Kirchenpolitik. Die Förderung altgläubiger Propaganda durch Herzog Georg läßt sich in vier Schwerpunkten zusammenfassen: 71

Zu den Zahlen vgl. Edwards, Printing, 33. Zu Wulffer als Kontroversschriftsteller vgl. Smolinsky, Alveldt und Emser, 367–369; Butte, 190; zu seiner Biographie und seinen Benefi zien vgl. ABKG, Bd. 1, 313, Anm. 2. Dort nicht erwähnt ist Wulffers unter landesherrlichem Patronat stehendes Altarlehen »beym furstenstule uffm schlosse«, dem er die Bezeichnung als Schloßkaplan verdankte. Es wurde 1536 auf 40 fl. sowie »eyn frey hauss in der Elbgasse« taxiert. Einnahmeverzeichnis der Altarbenefi zien zu Dresden, 24. Februar 1536, Loc. 9837/20, Bl. 1–11, hier Bl. 2a. Nach Georg Müller befand es sich seit 1519 in Wulffers Besitz. Vgl. Müller, Art. Wulfer. 73 Vgl. Brief des Rates zu Leipzig an Herzog Georg, [Leipzig] 25. April 1522, ABKG, Bd. 1, 312 f. 74 Siehe S. 468. 75 Vgl. Claus, Untersuchungen, Bd. 1, 50 f. 76 Vgl. Smolinsky, Alveldt und Emser, 247, 276. 77 Vgl. ebd., 247. 72

IX. Reformatorische Öffentlichkeit

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1. direkte Widerlegungen Luthers, 2. Übersetzungen von antilutherischen Traktaten auswärtiger Autoren, 3. die Dokumentation aktueller politischer Vorgänge und 4. Katechese und die Übersetzung des Neuen Testaments. Erkennbar ist eine mehrgleisige Strategie, die genau auf Bedürfnisse und Möglichkeiten der reformatorischen Öffentlichkeit abgestimmt war. Zielsetzung der Flugschriften albertinischer Autoren war es zunächst, möglichst zeitnah auf alle Schriften Luthers zu reagieren, um den evangelischen Pamphleten altgläubige Antworten entgegenzustellen. Zu diesem Zweck unterhielt Georg sogar Spione in den Wittenberger Druckerwerkstätten, die ihn noch vor dem Erscheinen über neue Schriften informieren sollten.78 Zuweilen gingen die albertinischen Autoren aber auch in die Offensive und versuchten, vermeintliche Schwächen des Gegners auszunutzen, so 1525 im Spott über Luthers Eheschließung und in scharfen Anklagen wegen des Bauernkrieges.79 Zum zweiten war Georg zu zeigen bemüht, daß die Christenheit außerhalb des Reiches Luther einmütig verdammte, um seine Landsleute von der Häresie »ihres« Luther zu überzeugen. Hierzu bediente er sich des Autoritätenbeweises. Die antilutherischen Stellungnahmen so unterschiedlicher Persönlichkeiten wie Heinrich VIII. von England, John Fisher oder Erasmus von Rotterdam ließ er übersetzen und drucken, sichtlich bemüht, diesen Stimmen von außen in der (mittel-)deutschen Debatte Aufmerksamkeit und damit seiner Position Rückendeckung zu verschaffen. Besonders deutlich wird hierbei die zentrale Bedeutung, die Georg als gebildeter Laie der deutschen Sprache beimaß, weil sich nur so die Laien erreichen ließen.80 Es kann deshalb nicht zuletzt seinem Einfluß zugesprochen werden, wenn sich die Flugschriften aus Leipzig und Dresden gerade durch den überwiegenden Gebrauch der Volkssprache von der übrigen altgläubigen Publizistik abheben.81 Ausdruck fand diese Überzeugung in der vielleicht revolutionärsten Entscheidung der herzoglichen Propagandapolitik, dem Projekt einer altgläubigen Bibelübersetzung. Schließlich diente die Herausgabe aktueller Korrespon78 Vgl. Becker, passim. Ein solcher anonymer Bericht, und zwar über die Predigten, die Luther nach seiner Rückkehr gegen die Auswüchse der Wittenberger Bewegung richtete (sog. Invokativpredigten), erreichte Cäsar Pflug und landete schließlich in den Dresdner Akten. Vgl. Bericht an Cäsar Pflug, o.J., Loc. 10299/7, Bl. 71–82. 79 Vgl. Smolinsky, Alveldt und Emser, 345. 80 Siehe oben, Anm. 21. – In den Briefen des Humanisten Emser ist hingegen ein gewisses Bedauern über den Trend hin zur Volkssprache nicht zu überhören. Aber auch er war von der Notwendigkeit dieses Vorgehens überzeugt, eben weil Luther sich der Volkssprache bediente und es darum ging, die einfachen und ungebildeten Leute zu überzeugen: »Quid enim ille tibi profuerit, cum Luthero plebeculam vulgari lingua inficienti coactus sim et ipse vernacula occurrere? Quod nisi plaebis indoctae rationem habuissem, majorem forte gratiam iniissem apud litteratos si latine scripsissem.« Brief Hieronymus Emsers an Erasmus von Rotterdam, Dresden, 25. Dezember 1526, ABKG, Bd. 2, 671 f./Allen, Ep. 1773. 81 Vgl. Edwards, Printing, 31, 34 f.

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Zweiter Teil: Die Auseinandersetzung mit der frühen Reformation (1517 – 1525)

denz der gezielten Beeinflussung der Öffentlichkeit in ihrer Bewertung der religionspolitischen Vorgänge in Sachsen und im Reich. In alledem verfolgte Herzog Georg das Ziel, der altgläubigen Partei eine vernehmbare Stimme in der reformatorischen Öffentlichkeit zu verleihen, die Luther aktuell, breitenwirksam und mit geballter geistlicher Autorität entgegentrat und so verhinderte, daß die Evangelischen die öffentliche Debatte unwidersprochen beherrschen konnten. In der Praxis waren die genannten Funktionen albertinischer Propaganda eng miteinander verbunden. Dies zeigt sich etwa an Luthers Streit mit Heinrich VIII. von England. Die Übersetzung der berühmten »Assertio septem sacramentorum« des englischen Königs ist ein frühes Beispiel für Georgs Doppelstrategie, Luther mit deutschsprachigen Schriften anzugreifen und zugleich die Kritik von außen publik zu machen. Ihr Zustandekommen wirft darüber hinaus ein bezeichnendes Licht auf Georgs Engagement. Dem Fürsten war zu Ohren gekommen, daß ein gewisser Dr. Lange, der offenbar in Sachsen Station gemacht hatte, ein für den Bischof von Breslau bestimmtes Exemplar der »Assertio« mit sich führte. Georg bestand darauf, die Schrift zu sehen und war von ihrem Inhalt offenbar so angetan, daß er Emser sofort mit einer Übersetzung beauftragte. Erst als diese erstellt war, ließ er Lange mit der »Assertio«, Emsers Übersetzung und einem Entschuldigungsschreiben an den Bischof weiterreisen. Unterdessen wurde die deutsche Fassung der »Assertio« in zwei Auflagen gedruckt.82 Der Bischof – es handelte sich um den im Kampf gegen Luther engagierten Jakob von Salza – akzeptierte übrigens nicht nur Georgs Entschuldigung, sondern versprach auch, dessen Einsatz bei seinem bevorstehenden Rombesuch lobend zu erwähnen.83 Die folgenden Ereignisse zeigen, wie Georg durch die gezielte Herstellung von Öffentlichkeit bemüht war, aus der Lutherfeindschaft des englischen Königs weiteres Kapital zu schlagen. Bekanntlich antwortete Luther dem König mit einer scharfen Gegenschrift, die – in Reaktion auf Georgs deutsche Übersetzung – neben der lateinischen Fassung auch in deutscher Sprache erschien. Georg zögerte darauf hin nicht, Luther wegen Majestätsbeleidigung beim Reichsregiment anzuzeigen.84 Doch auch Heinrich selbst reagierte, und zwar mit einem Brief an die sächsischen Fürsten, den ein Herold im Frühjahr 1523 persönlich in Wittenberg und Leipzig überreichte. Während die Ernestiner wie gewohnt lavierten, nutzte Georg die Gelegenheit, um in einer ausführlichen Antwort nicht nur König Heinrich für seine Schrift zu loben, sondern auch seinen eigenen Kampf gegen Luther in aller Breite darzustellen. Mit Blick auf 82

Vgl. Kawerau, 40, 121. Vgl. Brief Bischof Jakobs von Breslau an Herzog Georg, Neiße, 6. August 1522, ABKG, Bd. 1, 334 f. 84 Vgl. Brief Herzog Georgs an das Reichsregiment, Dresden, 3. November 1522, ebd., 378 f. 83

IX. Reformatorische Öffentlichkeit

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die reformatorische Öffentlichkeit hob er dabei Übersetzung und Druck der »Assertio« sowie sein Verbot von Luthers Septembertestament hervor, eine Maßnahme, die auch König Heinrich gefordert hatte. Beide Briefe – Georgs Antwort datiert vom 9. Mai – ließ der Albertiner wiederum drucken, schon am 23. Mai erschien in Leipzig die von Emser besorgte Ausgabe.85 Diesmal war ein gelehrtes Publikum Adressat des lateinischen Drucks, und tatsächlich lobte niemand anderes als Erasmus Herzog Georg für »tuam eruditissimam epistolam«.86 Auch der englische König wußte Georgs Engagement im Kampf gegen Luther zu schätzen. Als Heinrich Anfang Dezember 1526 in Reaktion auf einen versöhnlichen Brief Luthers eine zweite Schrift gegen den Wittenberger veröffentlichte, gingen Georg schon vorab Exemplare zu, die der Albertiner dazu verwendete, um umgehend einen lateinischen Druck und eine deutsche Übersetzung des Briefwechsels erscheinen zu lassen.87 Noch 1529 korrespondierten Herzog und König über den Kampf gegen die Reformation.88 Von einer anderen Seite beleuchtet Georgs Korrespondenz mit Erasmus von Rotterdam die überregionale Bedeutung der albertinischen Propagandapolitik.89 Der Briefwechsel, der als die umfangreichste Korrespondenz des großen Gelehrten mit einem Fürsten gilt, war 1517 als Folge einer Einladung des Erasmus an die Leipziger Universität in Gang gekommen.90 Seit 1520 fokussierte 85

Vgl. ABKG, Bd. 1, 499, Anm. 1; Brief Herzog Georgs an König Heinrich VIII. von England, Quedlinburg, 9. Mai 1523, ebd., 504–509. Vgl. auch Kawerau, 40 f. 86 Brief des Erasmus von Rotterdam an Herzog Georg, Basel, 6. September 1524, ABKG, Bd. 1, 734/Allen, Ep. 1495. 87 Das Vorwort der deutschen Übersetzung ist datiert auf den 7. Januar 1527. Vgl. Collected Works of Erasmus, Bd. 12, 423, Anm. 7; Nachweis der Drucke auch bei Aurich, 109. 88 Im August 1529 kündigte Johannes Cochlaeus dem König einen Gesandten Herzog Georgs an, der dem König vom Fortgang des Kampfes gegen Luther berichten sollte. Vgl. Brief Johannes Cochlaeus an König Heinrich VIII. von England, Dresden, 26. August 1529, Pollen, 43–46. Anders als John H. Pollen (ebd., 46, Anm. 1) vermutet, kam diese Gesandtschaft tatsächlich zustande. Christoph von Carlowitz reiste nach England, wo er u. a. nach Otto von Pack fahnden sollte. Vgl. Brief Herzog Georgs an König Heinrich VIII. von England, Dresden, 6. August 1529, ABKG, Ms. Werl, Nr. 1873 sowie ebd., Anm. 1, zum Reisebericht des Carlowitz. 89 Zu diesem Thema liegen nur zwei ältere, in Ansatz wie Ergebnissen überholte Arbeiten vor. Vgl. Lehmann, Briefwechsel; Reichel (zu ersterem vgl. den kritischen Kommentar von Felician Gess [ABKG, Bd. 1, 350, Anm. 1; 734, Anm. 1]). Für die Edition des nicht vollständig erhaltenen Briefwechsels zwischen Georg und Erasmus vgl. ABKG; Allen. Nützlich wegen des neueren Kommentars ist auch die englische Studienausgabe zu Allens Edition. Vgl. Collected Works of Erasmus, Bd. 4–12. Vgl. zuletzt auch Ribhegge. 90 Diese Einladung wird in zwei Briefen Hieronymus Emsers ausgesprochen, die gleichzeitig den Anfang des Kontakts zwischen Emser und Erasmus markieren. Bei ersterem handelt es sich um einen Brief an Willibald Pirckheimer, in dem Emser diesen um Vermittlung des Kontakts zu Erasmus bittet. Das andere Schreiben, den ersten direkten Brief an Erasmus, gab Emser dem kurzzeitig in Leipzig lehrenden Gräzisten Richard Croke (Crocus) bei dessen Rückkehr nach Cambridge im Frühjahr 1517 mit auf den Weg. Darin erwähnt er seine Editionen des »Enchiridion militis christiani« (siehe S. 347 f., 412) und wiederholt die Einladung

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sich der Austausch auf die Luthersache, daneben beriet Erasmus den Fürsten bei der Etablierung der studia humanitatis an der Leipziger Alma Mater. Neben Georg waren auch Emser, der Leipziger Gräzist Petrus Mosellanus sowie seit der zweiten Hälfte der 1520er Jahre Georgs Kanzler Dr. Simon Pistoris Briefpartner des Humanistenfürsten.91 Da Georg – bei allem Wohlwollen für die neue Gelehrsamkeit – kein Humanist war, blieb der Brief kontakt mit der Autorität Erasmus für ihn nie Selbstzweck, sondern verfolgte konkrete politische Ziele. Ins Zentrum rückte schnell der Wunsch, den großen Erasmus für den publizistischen Kampf gegen Luther zu gewinnen. Schon der zweite erhaltene Brief Georgs vom 9. Juli 1522 konzentriert sich auf dieses Vorhaben. Georg äußert die Vermutung, Erasmus sei der wahre Autor der »Assertio« Heinrichs VIII., und schlägt so die Brücke zu seiner Bitte, der größte Gelehrte seiner Zeit möge nun auch offen gegen Luther Stellung beziehen. Als Material sendet er ihm sogleich zwei aktuelle Flugschriften Luthers zu, wobei es sich bezeichnenderweise um deutsche Drucke handelt.92 Erasmus freilich, lange um den Erhalt einer Verständigungsbasis mit den Evangelischen bemüht und von der Härte der beiderseitigen Polemik abgeschreckt, entzog sich dieser Vereinnahmung zunächst. Die Schutzbehauptung des in Basel lebenden Philologen, er sei nicht im Stande, Luthers deutsche Schriften zu lesen, bleibt ein Kuriosum.93 Als Erasmus dann schließlich »De libero arbitrio diatribe« veröffentlichte, war Georg des Lobes voll – und sandte zugleich zwei neue, diesmal lateinische Schriften Luthers, um Erasmus zu weiterer Kontroverstheologie anzuregen.94 Bald beschwerte sich Erasmus, weder Papst noch Kaiser würden ihn so sehr zum Kampf gegen Luther drängen wie der sächsische Herzog.95 nach Leipzig im Namen Herzog Georgs. Vgl. Brief Willibald Pirckheimers an Erasmus von Rotterdam [Nürnberg, Februar 1517?], Allen, Ep. 527/Collected Works of Erasmus, Bd. 4, 214; Brief Hieronymus Emsers an dens., Dresden, 15. März 1517, Allen, Ep. 553/Collected Works of Erasmus, Bd. 4, 284–286. Croke hatte auch Briefe von Hieronymus Dungersheim und Petrus Mosellanus an Erasmus im Gepäck (vgl. Allen, Ep. 554, 560). – Hingegen beschränkt sich Herzog Georg in seinem ersten Brief, der nur als Konzept überliefert ist, auf den Wunsch, Erasmus persönlich kennenzulernen. Ob Erasmus diesen Brief erhielt, scheint zweifelhaft. Vgl. Brief Herzog Georgs an Erasmus von Rotterdam [ Januar 1517], ABKG, Bd. 1, 350, Anm. 1/Allen, Ep. 514. – Abgesehen von lobenden Aussagen über Georgs Förderung der Wissenschaften an der Leipziger Universität hat Erasmus nie auf diese Einladung Bezug genommen. 91 Siehe die Literatur in Anm. 89. 92 Vgl. Brief Herzog Georgs an Erasmus von Rotterdam, Dresden, 9. Juli 1522, Allen, Ep. 1298/Collected Works of Erasmus, Bd. 9, 119 f. [dieser Brief fehlt in den ABKG]. 93 Vgl. Brief des Erasmus von Rotterdam an Herzog Georg, Basel, 3. September 1522, ABKG, Bd. 1, 350–355/Allen, Ep. 1313. 94 Vgl. Brief Herzog Georgs an Erasmus von Rotterdam, Leipzig [3.–8. Oktober] 1524, ABKG, Bd. 1, 753 f./Allen, Ep. 1503. 95 Vgl. Brief des Erasmus von Rotterdam an Herzog Georg, Basel, 12. Dezember 1524, ABKG, Bd. 1, 777–782/Allen, Ep. 1526.

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Hier zeigen sich deutlich die Grenzen der Zusammenarbeit zwischen den Briefpartnern. Anders als Emser oder Cochlaeus war Erasmus nicht bereit, sich von Georg als Vollzeitpublizist einspannen zu lassen, anders als der Fürst bewahrte er sich eine differenzierte Sicht Luthers und auch eine gewisse Skepsis gegenüber der Wirkung der antilutherischen Polemik.96 Georg seinerseits erweist sich als energischer Organisator antilutherischer Propaganda, der selbst den in ganz Europa hofierten Humanistenfürsten nicht schont: Im Selbstverständnis eines, der an vorderster Front gegen Luther kämpft, beschwört er Erasmus, nicht auf seinen anklagenden Ton, sondern auf sein von Herzen kommendes Interesse an der Christenheit zu achten: »Attamen si quis molestie inde tibi accessit, depone et animum meum, non verba explora, qui in hoc totus est inclinatus, ut bene reipublicae Christiane, nec facile potest ea, quae novant et invertunt bene constituta ferre.«97 Ungeachtet aller Differenzen drückt sich in der fortwährenden Korrespondenz die gegenseitige Wertschätzung aus. Gerade bezüglich der öffentlichen Auseinandersetzung mit Luther blieb die »Georgische canzlei schmiedten« auch für Erasmus eine wichtige Stütze. Nur weil ihm aus Leipzig (wohl von Georgs Kanzler Simon Pistoris) umgehend Luthers langerwartete Antwort »De servo arbitrio« zugesandt worden war, sah sich Erasmus in der Lage, noch rechtzeitig zur Frankfurter Messe den ersten Teil seiner Entgegnung »Hyperaspistes diatribae« zu verfassen.98 Erneut sorgte Georg durch Übersetzung und Druck dafür, daß dieses »Schutzbüchlein der Diatribe« den Laien bekannt wurde.99 Für die enge Anbindung der albertinischen Propaganda an den Herzogshof spricht auch die Einrichtung der ersten Druckerpresse von Dresden, die nach ihrem Betreiber (nicht aber: Drucker) Hieronymus Emser die ›Emserpresse‹ genannt wird. Trotz einer schlechten Quellenlage zu dieser Presse wird mit dem ersten Blick auf ihr Druckprogramm evident, wie eng ihre Gründung mit Georgs Kirchenpolitik in Zusammenhang gesehen werden muß. Unmittelbar kommt die Nähe zum Fürsten im Druck von landesherrlichen Mandaten zum Ausdruck. Durch solche offiziellen Aufträge, die vorher an Lotter in Leipzig gegangen waren, verschaffte Herzog Georg der Dresdner Presse eine gewisse fi nanzielle Grundlage. Neben zahlreichen Schriften albertinischer Kontroverstheologen wie Emser, Sylvius, Bachmann, Alveldt oder Wulffer wurden in der Emserpresse auch auswärtige Autoren verlegt. 1525 erschien eine von Emser 96 Vgl. z. B. Brief dess. an dens., Basel, 21. September [1524], ABKG, Bd. 1, 745 f./Allen, Ep. 1499 und Brief Hieronymus Emsers an Erasmus von Rotterdam, Dresden, 16. Februar 1525, ABKG, Bd. 2, 43 f./Allen, Ep. 1551. 97 Brief Herzog Georgs an Erasmus von Rotterdam, Dresden, 13. Februar 1525, ABKG, Bd. 2, 39–41/Allen, Ep. 1550. 98 Vgl. Collected Works of Erasmus, Bd. 12, 36–40, 81, Anm. 9. 99 Siehe oben, Anm. 21. Der Titel der 1526 in Leipzig veröffentlichten Übersetzung Emsers lautete: »Schirm und schutzbuchlein der Diatribe«. Vgl. ABKG, Bd. 2, 528, Anm. 1.

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redigierte Übersetzung einer Schrift des englischen Bischofs John Fisher.100 Ebenso ließ Emser die lateinischen Lutherkritiken des polnischen Bischofs Andrzej Krzycki und des italienischen Theologen Lanceloto Politi drucken. Die rege antilutherische Presse wurde auch von anderen altgläubigen Fürsten genutzt, wie der Fall einer Übersetzung von Erasmus’ Paraphrase des Johannesevangeliums durch den Pirnaer Altaristen Michael Risch zeigt, die laut Vorrede im Auftrag Kardinal Albrechts entstand.101 In der Emserpresse erschienen darüber hinaus Drucke, die die reformatorische Öffentlichkeit über aktuelle politische Entwicklungen informieren sollten. Hierzu zählen (neben zum Anschlag vorgesehenen Einblattdrucken landesherrlicher Mandate) drei kurze Flugschriften aus dem Sommer 1524, die für den offenen Buchmarkt bestimmt waren. Die erste enthält das auf dem 3. Nürnberger Reichstag soeben bestätigte Wormser Edikt, eine weitere den Abschied des Regensburger Fürstenkonvents, die dritte schließlich beide Texte, vermehrt um das Nürnberger Publikationsmandat des Edikts und das damit korrespondierende Exekutionsmandat Herzog Georgs vom 20. Juli 1524.102 Gemeinsam dokumentieren die Flugschriften, deren Erscheinungszeitpunkt mit einer großangelegten Kampagne Georgs zur Veröffentlichung des Wormser Edikts im albertinischen Sachsen korrespondiert, den sich organisierenden Widerstand gegen Luther im Reich, der auch Georgs Kampf gegen die Evangelische Bewegung neuen Elan verlieh.103 Luther selbst reagierte empfi ndlich auf diese publizistische Offensive und veröffentlichte noch im Herbst höhnische Glossen zu beiden Mandaten.104 Der vielleicht interessanteste Punkt in Georgs Programm ist die positive Darstellung der altgläubigen Lehre. Flugschriften aus dem albertinischen Sachsen suchten nicht nur die Irrigkeit Luthers zu beweisen, sie wollten den Laien auch die rechte Lehre der Kirche nahebringen. Besonders deutlich wird dieser Ansatz in den Schriften des Petrus Sylvius. Ein Beispiel liefert seine erste im Druck erschienene Schrift, »Eyne verklerunge des eynigen waren apostolischen christlichen gloubens« von 1525.105 Ungeachtet einiger Seitenhiebe auf die Lutheraner fällt das Werk durch seine gemäßigte Sprache und den katechetischen An100 Vgl. John Fisher, Was die christelichen alten von der beycht haben gehalten [. . .], Dresden: Emserpresse 1525 (VD 16, F 1225). Zur Rolle Emsers vgl. Clemen, Rothschitz. 101 Vgl. Aurich, 93–106. – Emser berichtet von letztgenanntem Druck in einem Brief an Erasmus, jedoch ohne einen Auftrag Albrechts zu erwähnen. Vgl. Brief Hieronymus Emsers an Erasmus von Rotterdam, Dresden, 16. Februar 1525, ABKG, Bd. 2, 43 f./Allen, Ep. 1551. 102 Vgl. Aurich, 48–51 (Nr. 6–8). 103 Zum Kontext siehe S. 504–507. 104 Vgl. Aurich, 93 f. 105 Petrus Sylvius, Eyne verklerunge des eynigen waren apostolischen christlichen gloubens und lere zu erkennen und tzu vermeyden allen vertumlichen irthum, tzwytracht, kettzerey und ungloben der werlt [. . .], Dresden: Emserpresse 1525 (VD 16, P 1303).

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satz auf, eine Auslegung des Glaubensbekenntnisses für die Laien zu liefern. Diese spricht der Autor am Beginn eines Traktats direkt an: »Allen und itzlichen, so den rechten waren lebendigen heyligen christlichen glauben begeren zu erkennen, durch welchen sie alleyn mugen seligk werden, entbiete ich, m.[agister] Petrus Sylvius, ein evangelischer christlicher prister, götliche gnade, trost, hilffe und seligkeit«. In zwölf Kapiteln, die den Sinnabschnitten des Apostolicum folgen, liefert Sylvius eine Auslegung des Glaubensbekenntnisses. Geschickt bemüht sich die Schrift, den neuen Ansprüchen der Laienöffentlichkeit gerecht zu werden, wenn der »evangelische« Priester Sylvius seine Katechese mit zahlreichen Schriftzitaten belegt. Gleichzeitig stellt Sylvius selbstbewußt seine Treue zur alten Kirche heraus. Ausdrücklich verweist er auf die kirchliche Vorzensur, die die Rechtgläubigkeit seiner Lehre bestätige: »[. . .] besichtiget allesampt und zugelassen durch die ordinarien und doctores dorzu verordent«.106 Noch weitaus ambitionierter erscheint der Versuch, Luthers »most influential work«,107 nämlich seiner Bibelübersetzung, etwas gleichwertiges entgegenzustellen. Als 1522 Luthers Septembertestament erschienen war, hatte Georg es sofort verboten.108 Natürlich warf der Reformator dem Albertiner sogleich öffentlich vor, er unterdrücke das heilige Evangelium.109 Georg reagierte, indem er Emser den Auftrag erteilte, das Verbot durch eine Kritik der Lutherübersetzung zu rechtfertigen, was noch 1523 geschah.110 Dennoch blieb die deutsche Bibel für Georg ein Thema. Es war wohl weniger die Anklage Luthers als die Einsicht in die Bedeutung, die das in hunderttausenden Exemplaren verbreitete Neue Testament Luthers für die Meinungsbildung der Laien gewonnen hatte, die Georg dazu brachte, selbst für den Druck einer kirchentreuen Bibelübersetzung Sorge zu tragen. Wieder wurde Emser für diesen Auftrag ausgewählt. Er sollte aber keine eigene Übersetzung anfertigen, sondern lediglich den Luthertext emendieren.111 Diese Vorgabe lag ganz auf der Linie des Mandates von Ebd., Bl. A Ia–b, D III b. Edwards, Printing, 12. 108 Siehe unten, Abschnitt 2. 109 Vgl. Martin Luther, Von weltlicher Obrigkeit, wie weit man ihr Gehorsam schuldig sei (1523), WA, Bd. 11, 245–281, hier 267. 110 Vgl. Hieronymus Emser, Auß was grund vnnd vrsach Luthers dolmatschung vber das nawe testament dem gemeinen man billich vorbotten worden sey, Leipzig: Wolfgang Stökkel, 1523. (VD 16 E 1089). 111 Vgl. Vorwort Herzog Georgs zu Hieronymus Emsers Ausgabe des Neuen Testaments, Dresden, 1. August 1527, ABKG, Bd. 2, 775–780. – Emser folgte den Vorgaben seines Fürsten. Die angeblich 1400 Korrekturen, die er an Luthers Septembertestament anbrachte, betrafen vor allem die Glossen. In den Text griff er nur an den Stellen ein, wo Luther – der neuen kritischen Ausgabe des Erasmus folgend – vom Sinngehalt der Vulgata abgewichen war. Hier orientierte sich Emser, kirchliche Tradition über humanistische Textkritik stellend, durchgängig an der Vulgata. Im Ergebnis reproduzierte das Emsertestament fast vollständig den Luthertext. Sogar einige Bildstöcke Cranachs fanden, aus Wittenberg angekauft 106 107

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1522, in dem Georg darauf hingewiesen hatte, daß nicht die Bibelübersetzung als solche, sondern die ketzerischen Glossen und Bilder, mit denen Luther den Text kommentiert hatte, für das Verbot ausschlaggebend waren.112 Erst durch Emsers Schrift erfuhr er, daß Luther auch im Text von der traditionellen Vulgatafassung abgewichen war. Mit dem Emsertestament verfolgte Georg nichts weniger, als das Ziel, Luther die Deutungshoheit über das Evangelium streitig zu machen. Persönlich verfaßte der weltliche Landesherr das Vorwort zu dieser ersten und einflußreichsten altgläubigen Laienbibel der Reformationszeit. Darin klagt er Luther an, dieser habe das Neue Testament »an vil orten verkert, [. . .] mit vergiften und ketzerischen glosen berandet, etzliche ganze bücher daraus verworfen [. . .], damit er seyn fürnhemen und gotlose lehr under dem scheyn des evangelions und wort Gotes bementeln und den leuten dester bas beybringen und autorisirn möchte [. . .] dadurch manich fromm, eynfeltig mensch betrogen und verfurt ist«. Deshalb sei Georg seiner patriarchalischen Fürsorgepfl icht nachgekommen, als er seinen »lieben und getrauen undertanen zu vermeydung straf und schadens leybs und der seelen ganz väterlicher [. . .] und guter meynung« die Lutherbibel verboten habe. Nun aber wolle er ihnen das wahre Wort Gottes übergeben, »damit sich hynfurt niemand aus den unsern beklagen dörf, das yhm das ewangelion oder wort Gottes verhalten oder gewegert werde«.113 Es ist bezeichnend für das Selbstbewußtsein des Laienchristen Georg, daß der weltliche Fürst hier die Heilige Schrift selbst in sein Propagandaprogramm gegen die Reformation aufnahm. Die klerikalen Skrupel, die der Priester Emser noch am Ende seiner Ausgabe gegenüber der Bibellektüre von Laien äußerte,114 waren seinem Fürsten völlig fremd, wie auch schon das Mandat von 1522 gezeigt hatte. Vielmehr ermunterte Georg seine Untertanen ausdrücklich, das Neue Testament zu lesen und für ihr Seelenheil daraus Frucht zu ziehen, und versicherte ihnen, sie würden damit den Wunsch ihres Fürsten erfüllen und seine Gnade erlangen.115 Ungeachtet der schweren Klagen, die Luther in seinem »Sendbrief vom Dolmetschen« über das Plagiat des »sudlers von Dresden« erhob, wurde das Emsertestament ein publizistischer Erfolg.116 Rasch war die erste Ausgabe vergriffen und »gereinigt«, erneute Verwendung. Vgl. Kawerau, 58–74; Smolinsky, Alveldt und Emser, 324–328. 112 Siehe unten, Abschnitt 2. 113 Vorwort Georgs zum Neuen Testament, 1527 (wie Anm. 111), 775, 780. 114 Vgl. Kawerau, 71. Zum Kontext vgl. Schreiner, Laienbildung. 115 »Es tuen uns auch die unsern, so dis rechtfertig nau testament und warhaftig wort Gottes gehorsamlich annehmen und lesen werden, so vil größern gefallen, in gnaden und allen guten zu erkennen, so vil größer nutz und frommen zu yhr seelen selickeit sie unsers verhoffens daraus schöpfen werden.« Vorwort Georgs zum Neuen Testament, 1527 (wie Anm. 111), 780. 116 Vgl. Kawerau, 72–74.

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und bereits im Folgejahr erschien die von Valentin Schumann in Leipzig gedruckte zweite Auflage, diesmal im handlichen Oktavformat.117 Privilegien Herzog Georgs, die Nachdrucke oder den Handel mit ihnen mit der exorbitanten Strafe von 200 Rh.fl. belegten, sollten das unternehmerische Risiko der Drucker weiter verringern.118 Die Tatsache, daß im Laufe des Jahrhunderts 43 Auflagen des Emsertestaments erschienen, zeigt aber, daß für altgläubige Bibeldrucke durchaus rege Nachfrage bestand – vielleicht auch, weil sich die Heilige Schrift nicht auf einen Parteistandpunkt verlegen ließ und so jedem, noch dazu in der kraftvollen Übersetzung Martin Luthers, das Wort Gottes zur selbstbestimmten Aneignung darbot.119 f) Wie erfolgreich war die antireformatorische Propaganda? Auf die Frage nach dem Erfolg der landesherrlichen Propagandapolitik kann es keine schnelle Antwort geben. Zwar erscheint der Umfang der altgläubigen Flugschriftenproduktion in Sachsen – auch im Verhältnis zum evangelischen Schrifttum – als beachtlich. Doch wird die alte Faustformel der Forschung, nach der vom Produktionsumfang auf das Rezipienteninteresse geschlossen werden kann, durch jene Quellenbelege in Zweifel gezogen, die von Vorfi nanzierung, ja sogar vom Verzicht auf den freien Verkauf berichten (wenngleich auch eine verschenkte Flugschrift ihre Leser gefunden haben mag). Zusammen mit den angeführten Klagen der Leipziger Drucker über das fehlende Interesse der Laien an den altgläubigen Drucken lassen sie die Schwierigkeiten der Luthergegner erahnen, mit ihrer Botschaft die Menschen zu erreichen, selbst wenn die Rahmenbedingungen für die Produktion von Propaganda so günstig waren wie unter Herzog Georg. Aus heutiger Sicht ist freilich festzuhalten, daß unabhängig vom schwer abschätzbaren Einfluß auf die öffentliche Meinungsbildung die historische Bedeutung der albertinischen Propaganda bereits darin lag, den neuen Lehren aus Wittenberg überhaupt eine kontinuierliche, koordinierte und kommunikationstechnisch konkurrenzfähige Antwort entgegenzustellen – und zwar quasi stellvertretend für die gesamte altgläubige Partei im Reich. Denn dies deutet darauf hin, daß es eben doch vor allem der Inhalt der Botschaft Luthers und nicht eine überlegene kommunikationstechnische Präsentation war, die ihre Wirkung bestimmte. Demgegenüber erscheinen Spekulationen müßig, inwieweit etwa die relative Schwäche der Evangelischen Bewegung im albertinischen Sachsen oder der Widerstand gegen die Einführung der Reformation nach 117 Vgl. Privileg Herzog Georgs für die zweite Aufl age des Neuen Testaments von Hieronymus Emser, Dresden, 25. Januar 1528, ABKG, Ms. Werl, Nr. 1536. 118 Vgl. ebd.; Vorwort Georgs zum Neuen Testament, 1527 (wie Anm. 111). 119 Vgl. Volz, Deutsche Bibel, 18.

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Georgs Tod auf den Erfolg der albertinischen Beeinflussungsversuche via Flugschrift zurückgeführt werden können. Völlig wirkungslos war die altgläubige Propaganda aus Sachsen dabei sicherlich nicht: Nicht nur Luther selbst hat ihre Bedeutung hoch genug eingeschätzt, um sich immer wieder Zeit für die Auseinandersetzung mit seinen Gegnern in Dresden und Leipzig zu nehmen. Auch Lazarus Spengler bezeugt, daß die Autoren der »Georgischen canzley schmidten« ihr Handwerk verstanden und gerade die Laien zu erreichen vermochten. Bezeichnend ist sein Kommentar über die Flugschriften Georg Witzels. Diese argumentierten, so Spengler frustriert, »fur den gemainen, unverstenndigen man so scheinlich [. . .] das sie vil einfeltigs volcks zweifelig machen«. Gleichzeitig ist die Tatsache, daß nach Spenglers Bericht in Nürnberg sowohl Lutheraner wie Altgläubige die Leipziger Drucke rezipierten, ein wichtiger Hinweis auf die Außenwirkung albertinischer Propaganda.120 In diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, daß sich Herzog Georg aktiv bemühte, die Rezeption der unter seiner Patronage entstandenen antilutherischen Propaganda zu fördern und zu steuern. Besonders eindrucksvoll geschah dies im Kontext der Pack’schen Händel. Die Flugschrift »Welcher Gestalt« ließ Georg 1528 in der exorbitanten Auflage von 8.000 Stück drucken und verschickte dann Exemplare an die Stände des Reiches und einflußreiche Multiplikatoren wie die Fugger. Damit verband sich die Aufforderung, die Schriften weiterzuverbreiten, nachzudrucken oder öffentlich anzuschlagen, was teilweise auch geschah.121 Eine vergleichbare reichsweite Kampagne hatte schon 1524 die Heiligenerhebung Bennos von Meißen so intensiv beworben, daß sich Luther zu einer Gegenschrift veranlaßt sah.122 Schließlich dürfte spätestens seit der Kontroverse zwischen Bernd Moeller und Bob Scribner klar geworden sein, daß Flugschriften nicht das einzige Medium der reformatorischen Öffentlichkeit darstellten. Ausgehend von den Erkenntnissen der Kommunikationswissenschaft gehen Flugschriftenforscher wie Hans-Joachim Köhler und Mark U. Edwards heute von einem Zweistufenmodell aus, das Buchdruck und orale Verständigung zu einem Kommunikationsprozeß zusammenführt. Danach gehörten zu den wichtigsten Rezipienten gedruckter Schriften jene gebildeten Multiplikatoren, die dann über orale Kommunikationsformen, etwa die Predigt, die Massen erreichten.123 Daß den Zeitgenossen dieser Zusammenhang durchaus bewußt war, zeigt wiederum die Kirchenpolitik Herzog Georgs, die auf die Unterbindung evangelischer Predigt 120 Brief Lazarus Spenglers an Veit Dietrich, Nürnberg, 8. Februar 1534, ABKG, Ms. Werl, Nr. 2705. 121 Vgl. Becker, 230 f., 239–243. 122 Vgl. Volkmar, Heiligenerhebung Bennos, 101–110. 123 Vgl. Köhler, Meinungsprofi l, 244–248 (mit Zusammenfassung der Moeller-ScribnerKontroverse); ders., Fragestellungen; Edwards, Printing, 37.

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ebenso Wert legte wie auf die Förderung der altgläubigen Wortverkündigung, wie im vorigen Kapitel dargestellt wurde.124 Den Entwicklungsstand des albertinischen Propagandaprogramms beleuchtet schließlich noch einmal der Blick auf eine römische Quelle, und zwar auf ein Reformgutachten, das Johannes Cochlaeus im Jahre 1524 Papst Clemens VII. vorlegte. Darin empfahl der Frankfurter Dekan mit Blick auf die öffentliche Kontroverse im Reich eine Publikationskampagne mit zwei Schwerpunkten. Zum einen sollten antilutherische Pamphlete die Irrlehren der Evangelischen aus der Schrift widerlegen, zum anderen volkssprachliche Erbauungsbücher und Katechismen den Laien ein positives Bild der altgläubigen Lehre vermitteln. Ferner forderte er von den Bischöfen eine konsequente Zensur gegen Luther und die Förderung altgläubiger Autoren.125 Vergleicht man, was Cochlaeus hier als Ideal formulierte, mit der Praxis der albertinischen Kirchenpolitik, so sind die Übereinstimmungen nicht zu übersehen. Keine Frage, daß Georgs Einsatz in der reformatorischen Öffentlichkeit auf der Höhe seiner Zeit stand.

2. Defensive: Landesherrliche Zensurpolitik a) Buchproduktion: Blüte und Katastrophe des evangelischen Buchdrucks in Leipzig Reformatorische Öffentlichkeit und Zensur – dies scheint auf den ersten Blick ein Widerspruch in sich. Gerade die völlige Abwesenheit jeder offiziellen Regulierung kennzeichnete den chaotisch-freien Kommunikationsprozeß der frühen Reformation. Doch diese Freiheit von der Zensur war nicht von vornherein gegeben, sie war vielmehr ein Sieg des öffentlichen Interesses über die Unfähigkeit der kirchlichen und das Desinteresse vieler weltlicher Behörden, die bestehenden Zensurbestimmungen durchzusetzen. Die weite Verbreitung der Schwarzen Kunst und die politische Zersplitterung des Reiches beförderten den Sieg der Marktkräfte.126 Die Realität der reformatorischen Öffentlichkeit stand damit in krassem Widerspruch zur geltenden Rechtslage, wie sie 1521 das Wormser Edikt markierte. Dieses folgenreichste unter den nicht befolgten Gesetzen in der deutschen Geschichte enthielt neben der Acht Luthers auch umfangreiche Bestimmungen zur Zensur. Verfaßt vom päpstlichen Nuntius Aleander in Anlehnung an die Bannbulle gegen Luther, verbot das Edikt Besitz und Verbreitung der Schriften Luthers (Nachzensur) und unterwarf zusätzlich sämtliche neuen Druckerzeugnisse der Vorzensur durch die Ortsbischöfe (die sich dazu der theologischen Fakultäten bedienen sollten). Die weltlichen Obrigkei124

Siehe S. 543–553. Vgl. Bäumer, 26 f., 121. 126 Vgl. Pettegree/Hall; zur Rolle der verfassungsgeschichtlichen Faktoren vgl. Press, Reformatorische Bewegung. 125

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ten waren zur Durchsetzung der Nachzensur und speziell zur Vernichtung »obbestimpt des Luthers vergift schriften und bücher« angehalten.127 Während das Wormser Edikt von den meisten Reichsständen gar nicht oder nur halbherzig umgesetzt wurden, lagen die Dinge im albertinischen Sachsen erneut anders. Herzog Georg betrieb eine aktive Zensurpolitik, mit einschneidenden Konsequenzen für seine Untertanen. Nichts zeigt dies eindrücklicher als der Fall Leipzigs. Im Zentrum des albertinischen Buchdrucks, das bis 1520 neben Wittenberg der wichtigste Druckort für Luthers Schriften im Reich gewesen war, erschien nach dem Jahr 1521 keine einzige Schrift des Reformators mehr.128 Doch der Zusammenhang mit dem Wormser Edikt, der sich aus dieser zeitlichen Koinzidenz zu ergeben scheint, erweist sich bei genauer Betrachtung als vordergründig. Tatsächlich reichte Georgs Vertrautheit mit dem Instrument der Zensur weit in die vorreformatorische Kirchenpolitik zurück. Zwar galt die Zensur als Vorrecht der geistlichen Behörden,129 doch in der für seine Kirchenpolitik typischen Weise hatte Georg schon 1492 mit dem Merseburger Bischof in Zensurfragen zusammengearbeitet.130 Der enge Kontakt setzte sich in der Reformationszeit fort. Unabhängig von ihren Differenzen über die geplante Leipziger Disputation legte Bischof Adolf dem Landesherrn nahe, die eifrige Produktion von Lutherdrucken in Leipzig zu unterbinden, indem er die Drucker anweise, »nichts zu drucken anzunehmen, es sey dann zuvor durch e. l. vorordnete doctores mit fleyse ubirsehen und zu drucken zugelassen«.131 Georg jedoch, in seiner Haltung zu Luther unentschieden und gleichzeitig von den Leipziger Theo-

127 Vgl. Edikt Kaiser Karls V., Worms, 8. Mai 1521, RTA, JR, Bd. 2, 640–659, hier 655– 658; Kohnle, Art. Wormser Edikt, 288 f.; Hasse, 24. Hasses Versuch, die im Edikt mit der Vorzensur beauftragten »ordinarien« als weltliche Obrigkeiten zu deuten, erscheint problematisch, zumal das Edikt selbst zwischen diesen »ordinarien« und denen, »so oberkeit und gerichtszwang haben« und mit der Nachzensur beauftragt sind, unterscheidet. Auch ist kaum anzunehmen, daß Aleander als Verfasser den kirchlichen Anspruch auf die Vorzensur (siehe dazu Anm. 129) derart unterminiert hätte. – Die Durchführung der Vorzensur durch den Merseburger Bischof ist gut belegt, zum Teil nahm sie direkt Bezug auf das Wormser Edikt. Vgl. Brief des Rates zu Leipzig an Bischof Adolf von Merseburg, [Leipzig] 12. September 1524, ABKG, Bd. 1, 737; Brief des Abtes Simon (Blick) von Pegau an dens., Pegau, 31. Januar 1525, ebd., Bd. 2, 25. Siehe auch oben, S. 577, zu Petrus Sylvius. 128 Siehe oben, Abschnitt 1. 129 Die 1501 für die deutschen Kirchenprovinzen eingeführte Vorzensur aller theologischen Schriften durch die Ortsbischöfe wurde 1515 durch das Fünfte Laterankonzil bestätigt. Vgl. Rees. Zur Zensur im europäischen Kontext vgl. Pettegree/Hall; Higman. – Die erstmals 1496 in Straßburg greif bare kaiserliche Zensur, die 1512 mit dem Verbot einiger Schriften Reuchlins hervortrat, hatte in Sachsen keinen erkennbaren Einfluß. Vgl. Hasse, 24 f.; Eisenhardt; zum Reuchlin-Pfefferkorn-Streit vgl. Meuthen, Epistolae obscurorum. 130 Siehe S. 416 f. 131 Brief Bischof Adolfs von Merseburg an Herzog Georg, Merseburg, 11. Januar 1519, ABKG, Bd. 1, 54 f.

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logen wegen ihrer Verweigerung der Disputation enttäuscht, mochte Anfang 1519 noch nicht in dieser Konsequenz vorgehen.132 Bald jedoch änderte sich seine Haltung. Nachdem er sich Ende 1519 endgültig gegen Luther entschieden hatte, gehörte die Einschränkung der öffentlichen Wirksamkeit des Wittenbergers zu den ersten und wichtigsten Zielen der Kirchenpolitik Herzog Georgs. Erneut in enger Abstimmung mit den Bischöfen ergingen 1520 die ersten Verbote von Lutherschriften. Ein Mandat des Meißner Bischofs vom 24. Januar 1520 verfügte die Einziehung aller Exemplare von Luthers Sermon über die Eucharistie,133 gleichzeitig scheint Georg dessen Nachdruck in Leipzig vorbeugend verboten zu haben.134 Da ein Verbot durch den Merseburger Bischof unterblieb, ergab sich aber insgesamt noch ein uneinheitliches Bild. Im Herbst beriet sich Georg mit den Bischöfen über ein Vorgehen gegen Luthers Adelsschrift.135 Schon im Oktober 1520, noch bevor der Kirchenbann gegen Luther endgültig ausgesprochen war, plante er das Verbot etwaiger Nachdrucke in Leipzig.136 Auf ihr Geschäft bedacht, waren die Leipziger Drucker jedoch wenig geneigt, den Verboten bereitwillig Folge zu leisten. Von beiden genannten Schriften erschien 1520 noch je ein Nachdruck bei Valentin Schumann und Wolfgang Stöckel, wobei bei den Drucken der Adelsschrift allerdings offen bleibt, ob sie vor oder nach Georgs Verbot hergestellt wurden.137 Erst zu Beginn des Jahres 1521, also noch vor Erlaß des Wormser Edikts, wurde Leipzigs Druckern mit ganzer Schärfe bewußt gemacht, daß sie nicht mehr die Freiheit haben sollten, den Marktgesetzen der reformatorischen Öffentlichkeit zu folgen. Auf direktes Geheiß der herzoglichen Regierung wurden Anfang Februar Valentin Schumann und sein Geselle, kurze Zeit später sogar der inoffizielle Hofdrucker (und Verleger Luthers) Melchior Lotter d.Ä. verhaftet, weil sie lutherfreundliche Schriften gedruckt hatten.138 Zwar handelte es sich nicht um Lutherschriften, 132

Vgl. Brief Herzog Georgs an Bischof Adolf von Merseburg, Dresden, 17. Januar 1519, ebd., 60–62. 133 Siehe S. 466–468. – Dabei bezog sich der Bischof auf die Zensurbestimmungen des gerade zuende gegangenen Fünften Laterankonzils. Vgl. Lobeck, 58, Anm. 92. 134 So ist wohl Georgs Äußerung zu verstehen: »Und wiewol dieser tractat zu Leypzigk nicht gedrugkt, haben wir dennoch zuvorn so vil dohinne verfuget, das derwegen keyn weyter ergernis entstehen wirdet«. Brief Herzog Georgs an Bischof Adolf von Merseburg, Dresden, 13. Januar 1520, ABKG, Bd. 1, 115 f. 135 Vgl. Brief Bischof Johanns VII. von Meißen an Herzog Georg, Stolpen, 6. September 1520, ebd., 132. 136 »Ich wil och, so vil an mir ist, [. . .] so bald ich kein Leipczig kom, [. . .] vor fugen, das es in meynem lant nicht muß gdrugkt werden«. Brief Herzog Georgs [an Dr. Johannes Hennig in Rom, 10.–15. Oktober 1520], ebd., 138 f. 137 Zum »Sermon« siehe S. 466–468; zur Adelsschrift vgl. Claus, Untersuchungen, Bd. 1, 75. 138 Vgl. Brief Cäsar Pflugs an Kanzler Dr. Kochel in Leipzig, [Dresden], 29. Januar 1521, ABKG, Bd. 1, 149; Briefe Herzog Friedrichs d.J. an Herzog Georg und an den Rat zu Leipzig, Dresden, 9./14. Februar 1521, ebd., 154 f.

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aber die Drucke waren mindestens genauso unerwünscht, zeigten sie doch die offene Sympathie, die Luther auch im albertinischen Leipzig zufiel. Lotter hatte eine Verteidigung Luthers durch Johann Cellarius, dem ersten an der Leipziger Universität tätigen Hebraisten, unter die Presse genommen.139 Schumann wiederum wurde für jenen oben erwähnten Schmähbrief zur Verantwortung gezogen, mit dem 20 junge Adlige (wohl Leipziger Studenten) Hieronymus Emser die Fehde ansagten, weil dieser gegen Luther geschrieben hatte.140 Vor allem das Pamphlet gegen seinen Hof kaplan empörte Georg zutiefst, richtete es sich doch letztlich gegen seine eigene Kirchenpolitik. Die Lutherfreunde hatten sogar gewagt, es am Neujahrstag an der Kanzel der Thomaskirche anzuheften, was bei Georg schlechte Erinnerungen an die Schmähkampagne der Leipziger Franziskanerobservanten im Jahre 1498 ausgelöst haben dürfte.141 Als ob es »unser person selbst belangte«, befahl er hartes Vorgehen gegen die Urheber, doch nur der Drucker ließ sich ausfi ndig machen.142 Erst nach mehreren Petitionen, darunter vom geschädigten Emser selbst, wurde Schumann Hafterleichterung und schließlich Haftentlassung gewährt, doch mußte der Drucker neben mehreren Monaten Arbeitsausfall wohl auch in den Druck einer Erwiderung Emsers einwilligen. Melchior Lotter hingegen kam mit kurzer Haft davon, hatte jedoch vor dem Merseburger Bischof wegen des Verstoßes gegen die Vorzensur Abbitte zu leisten.143 So erfuhren die Leipziger Drucker im Frühjahr 1521 am eigenen Leib, wie ernst es Herzog Georg mit der Zensurpolitik nahm – noch bevor es mit dem Wormser Edikt eine entsprechende Reichsgesetzgebung gab. Mehr als alles andere, mehr auch als das erst im Mai verabschiedete und in Sachsen nicht vor dem Sommer 1524 veröffentlichte Wormser Edikt,144 war diese landesherrliche Machtdemonstration verantwortlich für das Ende des Lutherdrucks in Leipzig! Das Wormser Edikt selbst wurde von Georg auch in der Folgezeit nur gelegentlich für die Begründung seiner Zensurpolitik herangezogen. Während in einer Weisung an die Stadt Delitzsch jeder Hinweis fehlt,145 wird in Georgs erstem Religionsmandat vom 10. Februar 1522 darauf verwiesen, daß nun sowohl die päpstliche Bannbulle als auch das Wormser Edikt gleichermaßen gebieten wür139 Vgl. ebd., 157, Anm. 1; zur Identifi kation Lotters als Drucker vgl. Claus, Untersuchungen, Bd. 1, 48 f. 140 Vgl. Fehdebrief, Anfang 1521 (wie Anm. 54). Vgl. dazu Kawerau, 34. 141 Siehe S. 255–259, 414–419. 142 Brief Georgs an Friedrich d.J. und die Räte zu Dresden, 1521 (wie Anm. 56). 143 Vgl. Brief Herzog Friedrich d.J. an Herzog Georg, Dresden, 4. März 1521, ABKG, Bd. 1, 155–158, zur Petition Emsers ebd., 156, Anm. 2; Briefe der Herzöge Johann d.J. und Friedrich d.J. an den Rat zu Leipzig, Dresden, 6. und 25. April 1521, ebd., 162 f.; Claus, Untersuchungen, Bd. 1, 47–50. 144 Siehe S. 502–504. 145 Vgl. Brief Herzog Georgs an den Rat zu Delitzsch, Schellenberg, 21. Dezember 1521, ABKG, Bd. 1, 231.

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den, »das sich ein ytzlicher seiner [= Luthers] schrift zu lesen enthalden, dieselbigen auch nicht meher in druck gebracht werden sollen«.146 Zwar mag es übertrieben erscheinen, derart konsequent zwischen den Zensurbestimmungen des Landesherrn und der Wirkung des Wormser Edikts differenzieren zu wollen, schließlich zielten beide in die gleiche Richtung. Doch für die Bewertung der landesherrlichen Politik ist es nicht unwichtig, festzuhalten, daß die antilutherische Reichsgesetzgebung selbst bei einem dezidiert altgläubigen Fürsten wie Georg keinen unmittelbaren Einfluß auf die landesherrliche Kirchenpolitik besaß: Der Landesherr trat aus eigenem Recht und nicht als bloßer Exekutor des Reichswillens gegen Luther in Erscheinung.147 Wenn nach einem auswärtigen Einfluß auf Georgs Vorgehen gegen die Leipziger Drucker gefragt wird, dann ist am ehesten an die päpstliche Bannandrohungsbulle zu denken. Schließlich war dort jenes Verbot der Schriften Luthers festgeschrieben, welches das Wormser Edikt übernahm. Die Exekution der Bulle nach Ablauf der Widerrufsfrist durch die sächsischen Bischöfe fiel zeitlich mit der Verhaftung von Schumann und Lotter zusammen. Adolf von Merseburg stand dabei in engem Austausch mit den landesherrlichen Räten, auch über Fragen der Zensur. Und schließlich fand die Exekution der Bulle ihren symbolischen Höhepunkt in der Verbrennung einiger Bücher Luthers.148 Die Leipziger Drucker sahen sich durch Georgs hartes Vorgehen in ihrer Existenz bedroht. Der einstmals florierende Buchdruck ging quantitativ nach 1521 deutlich zurück, die altgläubige Kontroversliteratur konnte den Wegfall der Lutherschriften nicht wettmachen.149 Überzeugt, daß der Fürst den Druck von evangelischen Schriften in seinen Landen nicht mehr dulden würde, suchten mehrere Drucker ihr Heil in der Eröffnung von Filialen im Ernestinischen. Melchior Lotter hatte bereits 1519 auf Luthers Wunsch eine Presse in Wittenberg eingerichtet, nun versuchten auch Valentin Schumann in Grimma (1522) und Wolfgang Stöckel in Eilenburg (1523) ihr Glück. Auch die 1524 kurzzeitig in Allstedt aktive Presse Thomas Müntzers arbeitete mit Drucktypen aus Stöckels Besitz.150 1523 bat Schumann den Leipziger Rat sogar offiziell um Erlaubnis, in Wittenberg eine Filiale einrichten zu dürfen, ohne sein Leipziger Bürgerrecht aufgeben zu müssen. Doch scheiterte dies am Verbot Herzog Georgs, der Schumann mahnte, »redlich sachen« könne er genausogut in Leipzig drucken.151 146 Vgl. Gedrucktes Ausschreiben Herzog Georgs, Nürnberg, 10. Februar 1522, ebd., 269–271. 147 Siehe S. 502–504. 148 Siehe S. 468–471 und die folgenden Abschnitte b) und c). 149 Vgl. Claus, Untersuchungen, Bd. 1, 86–89. 150 Vgl. Claus, Druckschaffen, 11; ders., Untersuchungen, Bd. 1, 75–154. 151 Vgl. Brief Herzog Georgs an den Rat zu Leipzig, Dresden, 11. April 1523, ABKG, Bd. 1, 493 f.

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Aufmerksam überwachte Georg das Druckverbot, verfolgte etwa 1524 den Hinweis, ein in Allstedt gepredigter Sermon des Simon Haferitz sei in Leipzig gedruckt worden. Ein Verhör vor dem Leipziger Rat brachte ans Licht, daß sich die Leipziger Drucker auf einem schmalen Grat zwischen Gesetzestreue und Geschäftssinn bewegten – die Flugschrift war zwar mit Lettern Wolfgang Stöckels gedruckt worden, doch diese befanden sich formal im Besitz einer neuen Eilenburger Presse, die von Stöckels Sohn Jakob und Nikolaus Wiedemar betrieben wurde. Vor den eindringlichen Klagen der Leipziger Drucker, die im Ausschluß vom florierenden Markt der Reformationsdrucke ihren wirtschaftlichen Ruin erblickten, verschloß Herzog Georg die Ohren.152 Universitätsdrukke, landesherrliche Mandate und die umfangreiche, teilweise vorfinanzierte altgläubige Propagandaliteratur hielten die Leipziger Drucker in den folgenden Jahren zwar über Wasser, reich wie die Wittenberger aber wurden sie nicht.153 b) Die Kontrolle des Buchhandels Wesentlich schwieriger als die Kontrolle der einheimischen Druckproduktion gestaltete sich das Vorgehen gegen den Handel mit reformatorischen Büchern. Inwieweit dieser durch Verbote und Sanktionen unterbunden werden konnte, ist letztlich schwer zu beantworten. In jedem Falle blieb die Kontrolle des Buchhandels eine ständige Herausforderung, schon weil er weitgehend in der Hand von Buchführern lag, die – wie schon ihr Name verrät – als mobile Händler agierten.154 Erschwerend trat das große Volumen des Warenumschlags auf den Leipziger Märkten hinzu, die nicht erst seit der Verleihung des Reichsmesseprivilegs von 1497 überregionale Bedeutung besaßen.155 152 Siehe das Zitat in Anm. 42. – Nikolaus Wiedemar war im Vorjahr als Faktor für Valentin Schumann in Grimma in Erscheinung getreten. Vgl. Claus, Druckschaffen, 11. 153 Vgl. Claus, Untersuchungen, Bd. 1, 75–154; Zur ökonomischen Bedeutung Luthers für die Drucker Wittenbergs vgl. Pettegree, Books, 111–116; ders., Culture of Persuasion, 128–155. – Ab 1525 versuchte ein neuer Drucker, Michael Blum, noch einmal, in Leipzig evangelische Schriften zu drucken, die er allerdings anonymisiert erscheinen ließ. Dennoch traf ihn schon bald die Macht der Zensurbehörden mit voller Wucht. Ende 1525 wurde er vom Leipziger Rat verhaftet und kam erst nach einer Petition an Herzog Georg wieder auf freien Fuß. Nach der Haft modifi zierte er sein riskantes Geschäftsmodell und bemühte sich bei seinem Verbindungsmann, dem Zwickauer Schulmeister Stephan Roth, um gemäßigte Schriften, die nicht sofort als evangelisch zu erkennen waren. Dabei gab er selbst an, »der buchlynn keynn vorstandt« zu haben, weshalb er sich auf Roth verließ, ihm keine Schriften zu senden, die »scheltwortt« oder Plädoyers für Veränderungen im kirchlichen Ritus enthielten. 1527 unterlief ihm aber ein schwerwiegender Fehler, als er im Auftrag des Nürnberger Buchführers Hans Hergot die Schrift »Von der neuen Wandlung« druckte. Während Hergot hingerichtet wurde, mußte Blum für zwei Jahre die Stadt verlassen. Erst 1530 konnte er seine Arbeit wieder aufnehmen, nun druckte auch er nur noch altgläubige Literatur. Vgl. Claus, Untersuchungen, Bd. 1, 124–130, dort auch die Zitate. 154 Vgl. Edwards, Printing, 15 f. 155 Vgl. die Beiträge in: Zwahr/Topfstedt/Bentele; eine aktuelle Zusammenstellung

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Eine Durchsetzung der geltenden Verbote forderte Anfang 1521 der Merseburger Bischof von den herzoglichen Statthaltern ein, weil »noch teglich allerlay puchlein und schrieft Martini Lotters gein Leiptzck gepracht und verkauft werden sollen, das dan bebstlicher bullen und gepote entgegen, auch zuvorsichtig [. . .] herzogen Georgen gefallen nicht sey«.156 Ein energisches Durchgreifen des Leipziger Rates gegen auswärtige Buchführer läßt sich erstmals auf dem Michaelismarkt des Jahres 1521 nachweisen. Dabei wurde bereits davon ausgegangen, daß evangelische Schriften nur unter der Hand angeboten werden konnten.157 Auch die (freilich offensichtlich interessengeleitete) Beschwerde der Leipziger Drucker von 1524 spricht davon, daß lutherische Bücher »heymlich under dye leute geschoben« werden.158 Wohl um den Handel mit Wittenberg weiter einzuschränken, schärfte Herzog Georg im Dezember 1521 dem Rat der nördlich von Leipzig gelegenen Stadt Delitzsch ein, weder Druck noch Handel der Schriften Luthers, Huttens und Karlstadts sowie generell von Büchern ohne bischöfl iche Druckerlaubnis zu gestatten.159 Die obrigkeitlichen Sanktionen in Leipzig erlebten 1527 einen traurigen Höhepunkt, als der Nürnberger Buchführer Hans Hergot wegen des Vertriebs einer täuferisch-chiliastischen Flugschrift auf dem Marktplatz hingerichtet wurde. Das seltene Todesurteil erging freilich nicht wegen Ketzerei, sondern wegen Aufruhrs – niemand anderes als der lutherische Kurfürst Johann d.Ä. hatte die

der Literatur bei Steinführer, Leipziger Ratsbücher, Hbd. 1, XIII. Zur Rolle der Frankfurter und Leipziger Messen für die Buchproduktion vgl. Fried. 156 Brief Bischof Adolfs von Merseburg an Cäsar Pflug, Merseburg, 17. Januar 1521, ABKG, Bd. 1, 147 f. 157 Dies belegt der Fall des Buchführers Peter Hesseler aus Mücheln, der in Leipzig eine lateinische Satire auf das Urteil der Sorbonne über Luther mit dem Titel »Determinatio secunda« verkaufte, die auch Herzog Georg verhöhnte (vgl. ABKG, Bd. 1, 197, Anm. 2; Claus, Untersuchungen, Bd. 1, 50 f.). Der Rat erkannte den polemischen Inhalt der Schrift, informierte Herzog Georg und verhörte den Buchführer auf dem Rathaus. Dieser gab an, er »zyhe itzunt hyn und wider und suche seyne nahrung mit buchern, dye er auf seynem halse tregt«. In seiner Verteidigung leugnete er, die Schrift (durch seine Frau) heimlich zum Verkauf angeboten zu haben und behauptete statt dessen, ihr verdächtiger Inhalt sei »yme unbewust [. . .] dann er sey nicht gelart und vorstehe keyn latein«. Nachdem der Rat die unverkauften Exemplare der Schrift beschlagnahmt hatte, wurde Hesseler entlassen, mußte sich aber auf dem Neujahrsmarkt unaufgefordert wieder beim Rat einstellen (Brief des Rates zu Leipzig an Herzog Georg, [Leipzig] 13. Oktober 1521, ABKG, Bd. 1, 197 f.). – Auch in Dresden wurden 1521 zwei fremde Buchführer (Andreas Reyßner aus Naumburg und Lorenz Trosche aus Erfurt) wegen des Verkaufs lutherischer Schriften verhaftet. Vgl. Butte, 190 f. 158 Brief des Rates zu Leipzig an Herzog Georg, [Leipzig] 7. April 1524, ebd., 640–644. 159 Delitzsch war zwar die größte albertinische Stadt zwischen Leipzig und Wittenberg, lag aber abseits der großen Handelsstraße, die über Düben nach Wittenberg und weiter zur Ostsee führte. Möglicherweise ging Georg jedoch davon aus, daß Wittenberger Buchführer gerade die Nebenstrecke über Delitzsch nutzen könnten. Vgl. Brief Herzog Georgs an den Rat zu Delitzsch, Schellenberg, 21. Dezember 1521, ABKG, Bd. 1, 231; zu den Handelsstraßen im Mitteldeutschland des frühen 16. Jahrhunderts vgl. Straube.

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albertinischen Behörden auf das »ufrurisch buchleyn« hingewiesen.160 1528 beschlagnahmte der Leipziger Rat die Bestände von drei Wittenberger Buchführern, die »in etzlichen gewelben alhier vorbotene bucher« auf bewahrten. Die Schutzbehauptung der Wittenberger, sie handelten nur wie ihre Leipziger Kollegen auch, konnte der Rat widerlegen, da er »alle gewelbe und buchladen alhier« hatte durchsuchen lassen und die einbestellten Leipziger Drucker und Buchführer mit ihrem Schwur bekräftigten, daß sie lutherische Bücher weder herstellten noch verkauften. Als sich die ertappten Buchführer mit Unterstützung des Wittenberger Rates um die Freigabe ihrer Bücher zur anstehenden Frankfurter Messe bemühten, überließ der Leipziger Rat Herzog Georg die Entscheidung.161 Dennoch blieben die Leipziger Märkte ein Umschlagplatz für evangelische Drucke, wie schon die Publikationspraxis Luthers zeigt, der bei der Fertigstellung von Flugschriften wiederholt auf die Leipziger Markttermine Rücksicht nahm.162 Andererseits ist damit noch nicht gesagt, daß die lutherischen Schriften in Leipzig jedermann zum Kauf angeboten wurden. Es scheint vielmehr, daß die Leipziger Messe in erster Linie als ein Umschlagplatz für den Großhandel fungierte, auf dem größere Chargen Wittenberger und Erfurter Drucke unter der Hand an Buchführer verkauft wurden, um dann überall im Reich vertrieben zu werden.163 c) Die Untertanen im Visier: Lutherischer Buchbesitz im albertinischen Sachsen Als besonders ambitioniert erscheinen die Versuche der albertinischen Landesherrschaft, jeglichen Besitz lutherischer Schriften durch die eigenen Untertanen zu verhindern und die Gedanken des Reformators so ganz aus dem Territorium zu verbannen. Es ist wohl sicher davon auszugehen, daß dies zu keinem Zeitpunkt vollständig gelang, schon weil sich jederzeit heimliche Anhänger Luthers im Lande hielten. Gleichzeitig ist im Blick zu behalten, daß nicht jeder Besitzer 160

Brief Herzog Georgs an Kurfürst Johann, Großenhain, 2. April 1527, ebd., Bd. 2, 741 f. Vgl. auch Hoyer, Hinrichtung. 161 Brief des Rates zu Leipzig an Herzog Georg, [Leipzig] 18. März 1528, Seidemann, Leipziger Buchdrucker, 266 f. Zur Beweisaufnahme hatte der Leipziger Rat je ein Exemplar jeder verdächtigen Schrift durch den Dominikanerprovinzial Hermann Rab und den Thomasprediger verzeichnen und begutachten lassen. Vgl. ebd. 162 Allein für die gegen Herzog Georg gerichteten Schriften Luthers läßt sich in zwei Fällen die Orientierung des Erscheinungstermins an Leipziger Märkten, konkret am Neujahrsmarkt 1529 bzw. an der Ostermesse 1531, nachweisen. Vgl. Becker, 231, 258. 163 Diese Geschäftspraxis belegt ein Schreiben des Leipziger Rates, der auf dem Neujahrsmarkt 1531 die Waren mehrerer Erfurter und Wittenberger Buchführer konfiszierte, die »in mergklicher zahl Martinische bucher, als postillen, testament, cathecismus, auch eczliche psalmen u. a. bey sich gehabt« hatten. Der Rat betont, die Bücher beschlagnahmt zu haben, obwohl die Buchführer angaben, daß sie diese ausschließlich in großen Chargen an andere Buchhändler veräußern wollten. Vgl. Brief des Rates zu Leipzig an Herzog Georg, [Leipzig] 4. Januar 1531, ABKG, Ms. Werl, Nr. 2093.

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evangelischer Schriften auch reformatorisch gesinnt war. Noch heute zeugen etwa mehrere Sammelbände mit Flugschriften aus den 1520er Jahren, die die Universitätsbibliothek Leipzig auf bewahrt, vom Sammeleifer des Leipziger Dominikanerprovinzials und erklärten Luthergegners Hermann Rab, der in diesen Bänden den Gang der Kontroverse dokumentierte und seinem Konvent damit Argumentationshilfen lieferte.164 Notwendigerweise besaßen die albertinischen Kontroversschriftsteller die Schriften ihrer Gegner, und auch Herzog Georg versorgte Gleichgesinnte häufiger mit Exemplaren der anstößigen Schriften.165 Einen Einblick in den weit verbreiteten Besitz von Lutherschriften liefert der Visitationsbericht des Merseburger Bischofs aus dem Jahre 1524. Obwohl, oder gerade weil der Bischof nur die Geistlichen befragte, wurde er fast an jedem Ort fündig. In Leipzig besaßen ein Chorherr zu St. Thomas und ein Magister der Universität lutherische Bücher, in Rochlitz gab ein Altarist zu, »vil Luterische bucher zuvor und nach bebstlichen, kayserlichen, auch e. l. (= Herzog Georgs) verboten zu sich erkoufet und gelesen« zu haben. Auch der Pfarrer von Penig besaß evangelische Schriften und der Prediger zu St. Otto in Pegau gab in zeitüblicher Weise den Umfang seines Buchbesitzes über den Kaufpreis an (der sich nach der Papiermenge richtete): »anegeferlich vor 8 gulden Lutherische bucher«, das entsprach mehreren dicken Foliobänden.166 Mit Unterstützung durch die landesherrliche Gewalt zwang der Bischof alle Delinquenten zur Abgabe der Schriften, wobei nur dem Pfarrer von Penig, der beteuerte, »solche bucher nicht anders, dan zu erkundung der Lutherischen yrtumb« gebraucht zu haben, mit Hinweis auf seine Armut (!) der Kaufpreis erstattet wurde.167 Wollten die Geistlichen zukünftig über Luthers Lehre kundig bleiben, mußten sie ihr Wissen aus altgläubigen Gegenschriften schöpfen. Der aktive Merseburger Bischof hatte seit dem Verbot der Schriften Luthers durch den Papst bereits mehrere Versuche unternommen, die Bevölkerung zur 164

Vgl. z. B. UB Leipzig, Kirchg. 966. Zu diesem Bestand vgl. Alschner, 131–171. Hieronymus Emser z. B. quittierte 1523 dem Meißner Amtmann für den Empfang eines der von ihm konfi szierten Septembertestamente, offenbar jenes Exemplar, daß er später seiner eigenen Ausgabe des Neuen Testaments zugrunde legte. Vgl. Brief Wolf von Schönbergs an Herzog Georg, 27. Januar 1523, ABKG, Bd. 1, 452 f. – Herzog Georg wiederum schickte den Bischöfen von Meißen und Merseburg 1519/20 Exemplare von Luthers »Sermon des heiligen wahren Leichnams« zu. Vgl. Briefe Herzog Georgs [an Bischof Johann VII. von Meißen und Bischof Adolf von Merseburg, Dresden], 27. Dezember 1519, ebd., 111 f.; Brief dess. an Bischof Adolf von Merseburg, Dresden, 13. Januar 1520, ebd., 115 f. 166 Als Vergleichswerte können die Preise des 224 Blatt Folio umfassenden Septembertestaments dienen, die nach den unten (Anm. 177–179) zitierten Berichten zwischen 15 und 36 Groschen, also ca. 0,75 bis 1,75 Rh. fl. schwankten. Deutlich niedriger veranschlagt Hans Volz den Preis eines Exemplars in Wittenberg mit einem halben Gulden. Vgl. Volz, Wittenberger Bibeldruck, 19. In der Differenz kommen wohl schon die hohen Transportkosten, vielleicht aber auch ein »Gefahrenzuschlag« zum Ausdruck. 167 Visitationsbericht Bischof Adolfs von Merseburg an Herzog Georg [Merseburg, 13. Mai 1524], ABKG, Bd. 1, 666–671. 165

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Abgabe ihrer Lutherschriften zu bewegen. Im Zuge der Exekution des päpstlichen Banns am 16. Januar 1521 erließ er ein entsprechendes Mandat für sein Stiftsterritorium »per et prope civitatem nostram Merssburg«. Eine Woche später, bei der symbolischen Verbrennung der Bücher Luthers in Merseburg, konnte er freilich lediglich drei Schriften den Flammen überantworten.168 Ein Jahr später sehen wir Adolf im Kampf gegen die Lektüre Luthers in den Studierstuben der Leipziger Universität. Nach einer ausgiebigen Visitation der Alma Mater ließ er in Abstimmung mit Herzog Georg ein Mandat anschlagen, das allen Mitgliedern der Universität Lektüre und Besitz lutherischer Bücher bei Strafe der Exkommunikation und des Verweises aus Universität und Diözese verbot.169 Herzog Georg selbst nahm das päpstliche und kaiserliche Verbot der Lektüre Luthers in sein Religionsmandat vom 10. Februar 1522 auf. Einen großangelegten Anlauf zur Umsetzung unternahm er, als Luther sein Septembertestament auf den Markt brachte. Bereits am 7. November 1522, also wenige Wochen nach dem Erscheinen der Lutherübersetzung, erließ Georg ein Verbotsmandat. Schon die Inscriptio macht deutlich, daß sich der Landesherr bemühte, jedem einzelnen seiner Untertanen sein Anliegen nahezubringen. Statt wie sonst üblich an die örtlichen Obrigkeiten wendet sich das Mandat direkt »allen und itzlichen unsern underthanen und verwandten« zu, unabhängig davon, »was stands, wirden ader wesens die sein«. Diese direkte Ansprache eines jeden Untertanen hat Georg in der Folge bei Religionsmandaten wiederholt gewählt.170 Ausführlich erläutert der Landesherr, warum er gegen Luther Übersetzung einschreite. Mit dem Hinweis auf frühere Übersetzungen des Neuen und des Alten Testaments versucht er das Argument zu entkräften, Luther brächte das verleugnete Evangelium erst wieder ans Licht. Im Zentrum seiner Kritik steht dabei nicht, wie die Forschung oft annahm, die Übersetzung Luthers an sich. Vielmehr ist es die Ausstattung des Drucks mit »sonderlichen postillen auf dem rande, auch mit etlichen schmehlichen figuren bebstlicher heiligkeit zu schmehe und zu bekreftigunge seiner lere«, die Georg erbost. Denn Luther bringt damit den Laien nicht nur die Bibel, sondern verknüpft diese durch Glossen und Bilder unmittelbar mit seiner eigenen Auslegung. Das Buch der Bücher wird so zur lutherischen Parteischrift.171 Auffällig ist Georgs Mandat schließlich durch 168 Mandat Bischof Adolfs von Merseburg, Merseburg, 16. Januar 1521, Grundig/ Klotzsch, Bd. 2, 309 f.; Notariatsinstrument dess., Merseburg, 23. Januar 1521, ebd., 310 f. 169 Vgl. Brief Bischof Adolfs von Merseburg an Herzog Georg, Merseburg, 29. Dezember 1522, ABKG, Bd. 1, 412; Brief Herzog Georgs an Bischof Adolf, Dresden, 17. Januar 1523, ebd., 436–438; das nicht erhaltene Mandat Adolfs in einer späteren Übersetzung ebd., 436, Anm. 2. Vgl. auch Gess, Leipzig und Wittenberg, 79. 170 Vgl. Gedrucktes Ausschreiben Herzog Georgs, Dresden, 20. Juli 1524, ABKG, Bd. 1, 706 f.; Gedrucktes Ausschreiben dess., Dresden, 9. September 1524, Loc. 14950, Konzepte [. . .], 1474–1525, Faszikel »1524« (unpag.). 171 Vgl. Edwards, Printing, 39, 167.

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das Fehlen des üblichen klerikalen Arguments, die heilige Schrift gehöre nur in die Hände studierter Theologen. So ist Georgs Vorstoß eine Mahnung von Laien für Laien, die geistlichen Behörden wurden vorher weder konsultiert, noch sind sie im Text erwähnt.172 Derartig begründet, verlangte Georg unter Bezug auf das päpstliche, kaiserliche und landesherrliche Verbot der Schriften Luthers die Abgabe aller Exemplare des Septembertestaments an die Ämter. Als Anreiz war eine Erstattung des nicht unerheblichen Kaufpreises vorgesehen. Allen Untertanen, die dem Befehl nicht bis Weihnachten Folge leisten würden, drohte der Landesherr harte Strafen an.173 Glücklich konnte sich der Leipziger Hofdrucker Melchior Lotter d.Ä. schätzen, denn Herzog Georg war nicht bewußt, daß das ohne Drukkersignet erschienene Septembertestament aus der Wittenberger Filiale Lotters stammte.174 Dem Mandat folgte die übliche Bitte an Herzog Heinrich und die Bischöfe, in ihren Gebieten ebenso zu verfahren.175 Die theologische Fakultät zu Leipzig bestätigte im Nachhinein die landesherrlichen Bedenken und stellte ihrerseits ein Gutachten über die Rechtgläubigkeit der »vortolmetschung« in Aussicht.176 Vom bescheidenen Erfolg der Aktion künden die Berichte der Amtleute, die die konfiszierten Bücher an Herzog Georg weitergaben. Während in der Kleinstadt Mücheln Anhänger Luthers das Verbotsmandat heimlich abrissen, gaben in Leipzig vor allem Honoratioren wie der angesehene Jurist Georg von Breitenbach oder der Amtmann selbst Bücher ab, insgesamt kamen jedoch gerade einmal vier Exemplare zusammen.177 Der Amtmann von Meißen nahm ebenfalls vier Septembertestamente in Empfang, die alle von Mitgliedern des Domklerus, darunter drei Domherren, stammten. Sie gaben an, die Bände vor einer Schenke auf dem Burgberg von einem Buchführer erworben zu haben.178 Im Amt Weißenfels wurden schließlich gar keine Bücher abgegeben, obwohl der Geleitsmann alle Adligen und den Stadtrat persönlich aufgesucht hatte und das Mandat öffentlich verlesen und anschlagen ließ.179 172 Gedrucktes Ausschreiben Herzog Georgs, Dresden, 7. November 1522, ABKG, Bd. 1, 386 f. Zu einer Abbildung des Einblattdrucks vgl. Volz, Deutsche Bibel, 198. 173 Vgl. ebd. 174 Vgl. Volz, Deutsche Bibel, 94 f., 104; zu Lotter vgl. Wustmann, Bibeldrucker. 175 Vgl. Brief Herzog Heinrichs an Herzog Georg, Freiberg, 9. November 1522, ABKG, Bd. 1, 387 f.; Brief Herzog Georgs [an die Bischöfe von Meißen und Merseburg], Dresden, 9. November 1522, ebd., 387, Anm. 1. 176 Brief des Dekans und der Doktoren der theologischen Fakultät zu Leipzig an Herzog Georg, Leipzig, 6. Januar 1523, ebd., 425 f. 177 Vgl. Brief Herzog Georgs an den Rat zu Mücheln, Dresden, 28. Dezember 1522, ebd., 406 f.; Brief Georg von Wiedebachs an Herzog Georg, Leipzig, 19. Januar 1523, ebd., 441– 443. 178 Brief Wolf von Schönbergs an Herzog Georg, Meißen, 27. Januar 1523, ebd., 452 f. 179 Brief Merten Channachers an Herzog Georg, [Weißenfels] 9. Februar 1523, ebd., 459 f.

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Wenngleich Georgs Vorstoß nicht völlig vergebens war – eine Dunkelziffer dürfte sich in den nicht überlieferten Berichten der vielen anderen Ämter verbergen – blieb ein durchgreifender also Erfolg aus. Obwohl das Mandat z. B. in Leipzig einige Handwerker bewog, sich auch von ihren anderen Lutherschriften zu trennen,180 erreichte Georg letztlich wohl nur die ohnehin altgläubig Gesinnten. In der Folgezeit hat es erst 1529 wieder eine landesherrliche Abgabekampagne gegeben, die sich gegen eine anonyme Flugschrift zum zwinglianischen Abendmahlverständnis richtete.181 Angesichts der Fülle reformatorischer Flugschriften mag dies als Eingeständnis eines Fehlschlages gedeutet werden. Wenn 1524 die alarmierende Meldung Bischof Adolfs, daß der bekennende Lutherfreund Heinrich Stromer von Auerbach sämtliche Schriften Luthers und Melanchthons besitze und diese nachts heimlich an Bürger und Universitätsangehörige verleihe, ohne erkennbare Reaktion aus Dresden blieb,182 so spricht dies wohl für eine gewisse Resignation vor dem Umfang der Aufgabe – oder half Stromer hier seine angesehene Stellung als Leibarzt des Fürsten? Die gelegentliche obrigkeitliche Kontrolle zwang die Besitzer von Lutherschriften zwar zur Geheimhaltung, die Rezeption der neuen Lehre im albertinischen Sachsen konnte sie aber nicht verhindern. d) Fazit: Landesherrliche Zensur im Kampf gegen die Reformation Ausgehend von der päpstlichen Banngesetzgebung und in enger Kooperation mit den bischöfl ichen Behörden bediente sich Herzog Georg früh der Zensur als Instrument im Kampf gegen Luther und die Evangelische Bewegung. Seine vorreformatorischen Erfahrungen mit Buchdruck und Öffentlichkeit ermöglichten eine im Reich weitgehend beispiellose Zensurpolitik, die sogar dem Wormser Edikt vorausging. Um einen umfassenden Zugriff bemüht, versuchte Georg, die Verbreitung der evangelischen Botschaft in seinem Territorium auf allen Ebenen zu behindern: von der Buchproduktion über den Handel bis hin zum privaten Besitz lutherischer Bücher. Der Erfolg war dabei so unterschiedlich wie die Möglichkeiten vormoderner Herrschaft. Eine effiziente Kontrolle vermochte der Landesherr insbesondere gegenüber den ortsansässigen Druckern auszuüben. Die Folgen seiner Politik werden im Wandel Leipzigs von einer mit Wittenberg konkurrierenden Hoch180 Vgl. Brief Georg von Wiedebachs an Herzog Georg, Leipzig, 19. Januar 1523, ebd., 441–443. 181 Vgl. Gedrucktes Ausschreiben Herzog Georgs, Dresden, 29. Oktober 1529, Loc. 14954 Mandatensammlung, Faszikel »1529«, unpag. Das gegen die anonyme Flugschrift »Warhafftig ursache das der leib Christi nicht in der creatur des broets, aber durchs wort Gottes im nachmael und hertzen der glaubigen sey« (1529) gerichtete Mandat folgt in Formular und Inhalt dem Vorbild des Verbots des Septembertestaments. 182 Vgl. Brief Bischof Adolfs von Merseburg an Herzog Georg, Merseburg, 13. Mai 1524, ABKG, Bd. 1, 664–666.

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burg des Lutherdrucks zum Zentrum der altgläubigen Kontroversliteratur im Reich exemplarisch sichtbar. Dies war um so bedeutender, als die druckgeschichtliche Forschung herausgearbeitet hat, daß der Buchmarkt im 16. Jahrhundert im wesentlichen durch das Angebot der lokalen Druckzentren bestimmt wurde, während der Handel über größere Distanzen gerade bei den Flugschriften eine sekundäre Rolle spielte.183 Im Zusammenspiel mit obrigkeitlichen Sanktionsmaßnahmen zur Unterbindung des öffentlichen Handels mit Lutherschriften führte dies dazu, daß die Möglichkeiten zur Verbreitung der evangelischen Botschaft im albertinischen Sachsen spürbar eingeschränkt wurden. Andererseits gelang es der Landesherrschaft weder, den heimlichen, von mobilen Buchführern getragenen Handel mit Lutherschriften zu unterbinden, noch den Besitz lutherischer Schriften durch die Untertanen wirksam zu sanktionieren. Wie ein kürzlich in der Universitätsbibliothek Leipzig aufgefundener Brief an einen Meißner Buchbinder belegt, war es auch 1530 noch möglich, im albertinischen Sachsen Schriften Luthers unter der Hand zu erwerben.184 Vor drakonischen Maßnahmen wie der Todesstrafe für verbotenen Buchbesitz, die in den Niederlanden oder Frankreich zur Anwendung kamen, schreckte Georg zurück.185 Wenngleich Luthers Schriften damit nach 1521 im albertinischen Sachsen wohl schwerer zu bekommen waren als anderswo im Reich, blieb sein Gedankengut ohne Frage auch hier präsent.

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Vgl. Pettegree/Hall; Edwards, Printing, 8 f. Unklar bleibt freilich, ob der Kunde, ein Mönch aus dem Kloster Altzelle, die Schriften Luthers zur eigenen Erbauung erwarb, oder der Ankauf im Zusammenhang mit der antilutherischen Publizistik seines Abtes Paul Bachmann stand. Vgl. Brief Sebastian Daniels an Meister Georg, Buchbinder zu Meißen, 16. Februar [1530], UB Leipzig, Ms 1710b. Eine Publikation der in einem Bucheinband entdeckten Geschäftsbriefe an Meister Georg befi ndet sich durch Herrn Thomas Döring und Herrn Dr. Falk Eisermann (beide Leipzig) in Vorbereitung. 185 Vgl. Pettegree, Books, 117–121. 184

X. Reform statt Reformation »[. . .] dyweyl leyder beyde stende, geistlich und wertlich, dermaßen aus christlicher ordenung kommen, das es an beyden enden einer zymlichen reformacion bedarf. [. . .] Ist zu vorhoffen, so in solcher reformation Gottes zorn vorsuhnet, es sall denn auch sein gnad erlanget werden, den Turcken und allen anfechtern christlichs glaubens widerstand zu tuen.«1

1. Kirchenreform als Strategie im Kampf gegen die Reformation Zwei Großereignisse bestimmen die Reformgeschichte der römischen Kirche am Ausgang des Mittelalters: die Konzilien von Konstanz und Basel am Beginn des 15. und die Synode von Trient in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Zwischen ihnen klafft in den gängigen Darstellungen eine große Lücke (wenn nicht gar ein Abgrund): Die Reformation. Die Reformation ging nicht nur aus der spätmittelalterlichen Reformdiskussion hervor, sie bewirkte durch ihre neuartige Antwort auf die Probleme der Kirche auch einen rapiden Klimawandel. Die Radikalität ihrer Veränderungsvorschläge diskreditierte in den Augen vieler Altgläubiger das Anliegen der Reform an sich. Andererseits brachen die Evangelischen selbst alle Brücken zur mittelalterlichen Reformtradition ab. So gerieten die Protagonisten einer altgläubigen Reform in der Reformationszeit vielerorts zwischen die Fronten – kein Geringerer als Erasmus steht exemplarisch für ihr Schicksal.2 Die Fortsetzung altgläubiger Reformbemühungen auch in der frühen Reformationszeit, wie sie die Kirchenpolitik Herzog Georgs auszeichnet, ist so schon für sich genommen bemerkenswert. Offenbar stellte der Aufstieg der Reformation für den Albertiner keinen Grund dar, das Anliegen der Kirchenreform in Frage zu stellen. Während Luthers Vorschläge für die Erneuerung der Kirche überall im Reich Aufnahme fanden, weigerte sich der entschiedene Luthergegner Georg, die hussitischen Irrlehren der Wittenberger überhaupt als Diskussionsbeitrag zur Reformproblematik anzuerkennen. Statt dessen verstärkte die 1 Instruktion Herzog Georgs für Dr. Otto Pack zum Augsburger bzw. Speyerer Reichstag, Dresden, 26. Dezember 1525, ABKG, Bd. 2, 461–471. 2 Vgl. Augustijn, Stellung der Humanisten; Seidel-Menchi. Siehe auch S. 2–19.

X. Reform statt Reformation

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Reformation noch Georgs Engagement für eine altgläubige Kirchenreform: Er plädierte nicht nur für ihre Fortsetzung, sondern erklärte sie zu einer Säule seiner Politik gegen die Reformation. Tatsächlich kam der Kirchenreform im Rahmen der antireformatorischen Politik Georgs eine tragende Rolle zu: Sie sollte der Reformation eine positive Alternative gegenüberstellen.3 Herzog Georg wußte aus eigener Erfahrung, wie groß der Unmut der Laien über die Mißstände in der Kirche war, und vor allem, wie man damit Politik machen konnte. Mehr als einmal hatte er selbst gegen die Geistlichkeit gewettert und Reformen eingefordert: »Das grost verdampnis armer selen erwechst aus ergernis, so man von geistlichen bekompt; darumb von noten, das ein gemein reformacion geschiet« lautete der Schlußsatz seines Beitrages zu den Wormser Gravamina von 1521.4 In Luther und den Evangelischen sah er gefährliche Verführer, die den Wunsch der Laien nach Kirchenreform ausnutzten, um sie unter dem »scheyn eyner vormeynten reformacion und besserung der mißbreuche« fatal in die Irre zu führen.5 Wollte man Luther Paroli bieten, durfte man diesen Zusammenhang nicht ignorieren: nur eine altgläubige Kirchenreform konnte eine glaubwürdige Alternative bieten und den Abfall von der alten Kirche stoppen. Es war der tagtägliche Umgang mit der Dynamik der Evangelischen Bewegung, der Georgs Perspektive prägte. Zwar wußte man auch in Rom oder am Kaiserhof um den Reformbedarf in der Kirche, doch meinte man dort noch, die Bedingungen selbst bestimmen zu können: erst nach der Ausrottung der Ketzerei sollte über Kirchenreform verhandelt werden.6 Georg hingegen hatte früh einsehen müssen, daß an eine Unterdrückung der Reformation nicht zu denken war, solange namhafte Reichsstände Luther mit Hinweis auf die Reformfrage protegierten. Im Kampf um die Köpfe der Laien, um die Treue seiner eigenen Untertanen zur alten Kirche, setzte er deshalb auf die Kirchenreform als Alternative zur Reformation. Der Reichstagsgesandte Otto Pack brachte die Hoffnungen 1526 auf den Punkt: Wenn von den »mißbreuchen« der Geistlichen »etwas wurd abgestellet, das solt bey dem gemeynen man vil guts gehorsams wirken«.7 Als Gegenstrategie zur Reformation durfte sich die Kirchenreform dabei in Georgs Augen nicht auf die Mißstände im Klerus beschränken. In seinem Reformkonzept spielte ebenso die sittlich-moralische Erneuerung der Laien eine zentrale Rolle. Diese sollte die Menschen gegen die Versuchung der Reformation 3

Siehe S. 481–486. Beschwerden Herzog Georgs wider die Geistlichkeit auf dem Reichstag zu Worms [Anfang Februar 1521], ABKG, Bd. 1, 150–153 (= RTA, JR, Bd. 2, 662–666). 5 Vorwort Herzog Georgs zu Hieronymus Emsers Ausgabe des Neuen Testaments, Dresden, 1. August 1527, ABKG, Bd. 2, 775–780; Vgl. auch Brief Herzog Georgs [an Dr. Johannes Hennig in Rom, 10.–15. Oktober 1520], ebd., Bd. 1, 138 f. 6 Siehe S. 176–179, 468–471. 7 Brief Dr. Otto Packs an Herzog Georg, Speyer, 2. Juli 1526, ABKG, Bd. 1, 565–569. 4

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immunisieren, die in Georgs Augen an die niedersten Triebe appellierte.8 Schließlich waren die Kirchenreform und der Sieg über die Reformation in Georgs Denken auch auf der metaphysischen Ebene eng verknüpft. Die lutherische Ketzerbewegung erschien ihm als apokalyptischer Gegner, der ähnlich wie die Türken das Heilige Römische Reich in seiner Existenz bedrohte. Als Gottesgeißel war sie vom Allmächtigen zugelassen worden, um die sündhafte Christenheit zu strafen.9 Ohne die Gnade Gottes konnten die teufl ischen Mächte daher auch nicht besiegt werden. An dieser Stelle wurde die Kirchenreform zum entscheidenden Akt, um Kirche und Christenheit in der Ausrichtung an Gottes Geboten zu erneuern und damit Gottes Gunst zurückzugewinnen: »Ist zu vorhoffen, so in solcher reformation Gottes zorn vorsuhnet, es sall denn auch sein gnad erlanget werden, den Turcken und allen anfechtern christlichs glaubens widerstand zu tuen.«10

2. Fallbeispiel: Die Reform der geistlichen Gerichtsbarkeit Die Intensivierung der Reformpolitik in der Reformationszeit und ihre antireformatorische Stoßrichtung läßt sich exemplarisch an der Diskussion um die Reform der geistlichen Gerichtsbarkeit aufzeigen. Schon im späten Mittelalter war die kirchliche Rechtspraxis in den Fokus der Laienkritik geraten. Vor allem das Ausgreifen kirchlicher Gerichte auf weltliche Streitfälle und der routinemäßige Einsatz schwerer kirchlicher Zwangsmittel wie Bann und Interdikt trafen auf zunehmendes Unverständnis. Auch Herzog Georg wetterte gegen manch »uncristliche beswerung«, die seinen Untertanen auferlegt wurde. Vertrug es sich noch mit dem Auftrag der Kirche als Heilsanstalt, wenn ein ganzes Dorf um die Osterkommunion gebracht wurde, nur weil der Erbherr seine privaten Schulden nicht zahlte? Fahrlässig, so sahen es die Laien, setzten die Offiziale die Kernaufgaben der Kirche aufs Spiel.11 8

Vgl. z. B. Instruktion Herzog Georgs für seine Vertreter auf dem 1. Reichstag zu Nürnberg [Nürnberg, Ende März 1522], ebd., 298–300. Hier wird Luthers Lehre nicht nur als Irrtum, sondern auch als »liederlich« charakterisiert. Neben antireformatorischen Maßnahmen rät Georg deshalb zur Reform der Laien, zu ihrer Ermahnung durch altgläubige Prediger und zum Festhalten an Prozessionen und Zeremonien. – Siehe auch S. 481–486. 9 Vgl. Instruktion Georgs, März 1522 (wie Anm. 8). Vgl. auch die Bezeichnung der Evangelischen als die »neuen Mammlucken«. Brief Herzog Georgs an die Herzöge Johann d.J. und Friedrich d.J., Nürnberg, 5. Februar 1522, ABKG, Bd. 1, 264–268. 10 Instruktion Georgs, 1525 (wie Anm. 1). – Daß mit den »anfechtern Christlichs glaubens« tatsächlich die Evangelischen gemeint waren, erhellt aus der parallelen Formulierung in einer früheren Instruktion, wo von »bösen Christen« die Rede ist: »Es solte auch trestlich und gewißlich zu hoffen sein, das Got der almechtige alsdann uns Cristen wider den Turken, auch die bose Cristen, so vil meher gnade, sterke und sig vorleihen [. . .] solde.« Instruktion dess. für Dr. Dietrich von Werthern und Dr. Otto Pack zum 2. Reichstag zu Nürnberg [Leipzig, 27. August 1522], ABKG, Bd. 1, 342–344. 11 Siehe S. 226–250.

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Wollte man also die Kirchenkritik des gemeinen Mannes ernstnehmen, so war hier ein Feld, auf dem man ansetzen mußte. Herzog Georg sah dies deutlich und scheute sich auch nicht, den Zusammenhang zwischen Laienkritik und Reformation herzustellen. »In zeiten diser vorfolgung der kirchen und geistlickeit« sei es unverzeihlich, so beschwerte er sich 1524 über die Rechtspraxis des Erzpriesters zu Leipzig, »das die cristgleubigen [. . .] alleyne umb geldes willen von den h. sacramenten gedrungen, dadurch viel leut, so noch bestendig, geergert werden und am tag befi nden, das nicht der sehlen hayl, sunder das gelt gesucht wirdet«.12 Georgs selbstbewußte Kritik zeigt exemplarisch, wie weit sich die Vorstellungen der Laien bezüglich christlicher Moral und den Aufgaben der Kirche von den kirchenrechtlichen Normen entfernt hatten, auf denen die geistliche Rechtsprechung auf baute. Denn der geistliche Richter handelte formal korrekt, als er fünf Leipziger Prostituierte nicht zu Osterkommunion zuließ, weil sie die für ihren Lebenswandel jährlich »fällige« Geldbuße nicht entrichtet hatten. Der Leipziger Rat und Herzog Georg aber sahen diesen Handel mit der geistlichen Absolution als verwerfl ich an, weil die Kirche vom moralischen Mißstand der Hurerei fi nanziell profitierte, statt zur Umkehr zu mahnen: »wie christlich solchs seyn mag, ist gut zu bedenken«.13 So unternahm Herzog Georg in der frühen Reformationszeit einen neuen Anlauf, die Reform der geistlichen Gerichtsbarkeit im großen Stil voranzutreiben. Die Grundsätze des landesherrlichen Reformprogramms stammten dabei schon aus der Vorreformation.14 1518 und 1521 brachte er das Thema auf den Reichstagen zur Sprache. In Augsburg forderte der Albertiner eine klare Trennung von geistlicher und weltlicher Rechtssphäre, wobei er »in des reychs ordnung« den Grundsatz verankert wissen wollte, daß jedes Gericht nur in seinem Rechtsbereich tätig werden durfte. In Worms brachte er einen Katalog von Klagen über die Rechtspraxis der kirchlichen Gerichte in die Gravamina nationis germanicae ein.15 Als sich Kardinal Albrecht im Sommer 1521, wegen der aufgeheizten Stimmung in seinen Bistümern besorgt, um Beistand an Herzog Georg wandte, versicherte dieser zwar seine Unterstützung. Gleichzeitig aber mahnte er Reformen an, um die Kritik der Laien, wie sie in »grosser clage auf ytzt gehaltenem reichstag zu Wurmbs [. . .] der geistlichen und irer official halben« ihren Ausdruck gefunden habe, zu befriedigen. Er selbst, Georg, sei für Verhandlungen zur Abstellung der Mißstände offen.16 12 Brief Herzog Georgs an Bischof Adolf von Merseburg, Dresden, 12. April 1524, ABKG, Bd. 1, 650 f. 13 Brief des Rates zu Leipzig an Herzog Georg, Leipzig, 7. April 1524, ebd., 640–644. – Zum Kontext solcher Klagen siehe S. 226–250. 14 Siehe ebd. 15 Memorandum Herzog Georgs für Kurfürst Friedrich [Augsburg, vor 6. September 1518], ABKG, Bd. 1, 44. – Siehe S. 173–179. 16 Antwort Herzog Georgs auf eine Werbung Kardinal Albrechts, Dresden, 12. August 1521, ABKG, Bd. 1, 182–184.

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An Momentum gewann das landesherrliche Engagement wohl nicht zufällig zu Beginn des Jahres 1522. Parallel zu den Religionsmandaten, die die Grundlage für das Durchgreifen gegen die Evangelische Bewegung schufen, schob der Landesherr grundsätzliche Verhandlungen über die geistliche Rechtspraxis an. In einem Rundbrief an die Bischöfe von Meißen, Merseburg, Naumburg, Magdeburg, Halberstadt und Mainz forderten Georgs Söhne im Namen des im Reichsregiment sitzenden Vaters den grundsätzlichen Verzicht auf die Verwendung des Banns in weltlichen Angelegenheiten. Nicht nur bei den bischöfl ichen Gerichten, sondern auch bei den unteren Instanzen sei dieser »mißprauche des bannes« sofort abzustellen.17 Flankierend dazu versuchte die Landesherrschaft in bisher ungekanntem Maße, das Funktionieren der geistlichen Gerichtsorganisation zu behindern. An jeden albertinischen Amtmann erging der Befehl, »allen pfarhern in deynem amt an[zu]sagen, das sie hinfure keynen banbrief umb weltliche sachen annhemen, exequiren ader bescheen lassen« sollten. Damit traf der Landesherr die kirchliche Justiz an ihrer empfindlichsten Stelle, denn den Pfarrern kam die Aufgabe zu, die Ladungen, Urteile und Bannsprüche der Offiziale zu verkünden, wodurch diese überhaupt erst wirksam werden konnten. Der Landesherr machte sich dabei zu nutze, daß der Niederklerus in viel größerem Maße als die Offi ziale seinem Zugriff ausgesetzt war. Er drohte den Pfarrern einfach mit der Sperre ihrer Einkünfte.18 Auf diesen Druck hin kamen erstmals seit mehr als zwanzig Jahren Verhandlungen zwischen Bischöfen und Landesherrn in Gang. Im Vergleich zu den Gesprächen der Jahre 1498/1500 zeigten sich die Bischöfe deutlich zugänglicher. Der Verzicht auf den von der Laienseite bitter beklagten vorschnellen Bann erschien angesichts der explosiven Stimmung im Lande als weiser Rat. Die drei sächsischen Bischöfe akzeptierten die Forderung und baten um Hinweise auf konkrete Problemfälle, die Naumburger Statthalter befahlen ihrem Offi zial sogar, »sich furtan werntlichen sachen zu eussern« und entsprachen damit der grundsätzlichen Forderung des Albertiners auf einen Verzicht auf weltliche Rechtssprechung.19 Freilich war das Entgegenkommen der Bischöfe vor allem taktisch motiviert. Evangelische Bewegung und Kleruskritik bewogen die Bischöfe zur Vorsicht, kaum aber die rechtstheoretische Argumentation des

17 Brief Herzog Johanns d.J. und Herzog Friedrichs d.J. an Kardinal Albrecht und die Bischöfe von Meißen, Merseburg und Naumburg, Schellenberg, 15. Februar 1522, ebd., 272. 18 Ausschreiben Herzog Johanns d.J. an alle Amtleute [Sangerhausen, 2. Februar 1522], ebd., 263. – Zum Zwangsmittel der Temporaliensperre siehe S. 105 f., 302 f. 19 Vgl. Brief Bischof Johanns VII. von Meißen an Herzog Johann d.J. und Herzog Friedrich d.J., Stolpen, 16. Februar 1522, ABKG, Bd. 1, 277; Brief Bischof Adolfs von Merseburg an dies., Merseburg, 19. Februar 1522, ebd., 277 f.; Brief der Statthalter des Administrators von Naumburg, Bischof Philipp von Freising, an dies., [Zeitz] 20. Februar 1522, ebd., 278; Brief Kardinal Albrechts an dies., Halle, 20. Februar 1522, ebd., 278 f.

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Landesherrn. Hier lag man nach wie vor weit auseinander, wie abschließend die Verhandlungen mit Halberstadt zeigen können. Mit der kleinen Harzdiözese, zu der die thüringischen Ämter Freyburg und Sangerhausen gehörten, hatten die Wettiner 1439 zu Eisleben einen Vertrag über die geistlichen Gerichte abgeschlossen.20 Inzwischen aber – und hier wird, bei allem Gleichklang der Probleme, auch einmal der Fortschritt sichtbar, den die weltliche Landesherrschaft im Laufe des 15. Jahrhunderts erzielt hatte – entsprachen die Vereinbarungen nicht mehr dem Interessenstand Herzog Georgs. Das Kernproblem war auch hier der Anspruch des kirchlichen Forums auf Rechtsprechung in weltlichen Streitsachen. Der alte Vertrag sah lediglich vor, daß der weltliche Richter diese Fälle vom geistlichen Forum abfordern könne. Tat er dies, mußte er die Verfahren aber innerhalb von nur sechs Wochen zum Abschluß bringen, sonst konnte der geistliche Richter wiederum aktiv werden.21 Georg wollte nun auch gegenüber Halberstadt den grundsätzlichen Verzicht auf weltliche Fälle durchsetzen und ließ dazu Rechtsgutachten der Leipziger Juristenfakultät anfertigten, die mit Belegstellen aus dem kanonischen Recht gegen die Halberstädter Position angingen.22 Im September 1522 begannen die Verhandlungen und erreichten in zwei Rätetagen zu Merseburg am 26. Juni und 22. Dezember 1523 ihren Höhepunkt.23 Kardinal Albrecht hielt sich dabei zurück und überließ dem Halberstädter Domkapitel die Verteidigung der alten Rechte. Dieses erwies sich als überaus hartnäckig. Nachdem zähe Verhandlungen auf dem ersten Rätetag den Verzicht der Geistlichkeit auf die Rechtsprechung in weltlichen Fällen in Aussicht stellten,24 lehnte das Halberstädter Kapitel auf dem zweiten Rätetag den erreichten Kompromiß ab und beharrte auf dem alten Vertragstext und der Anerkennung ihrer iurisdictio in causis prophanis. Darauf hin kam es zum Eklat, die Verhandlungen scheiterten in gegenseitigen Vorwürfen.25 An eine Einigung war nun nicht mehr zu denken. 1529 verklagte 20 Vertrag der Herzöge Friedrich d.J. und Wilhelm mit dem Bischof und dem Domkapitel von Halberstadt, Eisleben, 23. September 1439, Müller, Reichstagstheatrum Maximilian, Bd. 2, 69–72. Vgl. Wintruff, 10–20; Diestelkamp, Geistliche Gerichtsbarkeit, 214–234. 21 Vgl. Vertrag von Eisleben, 1439 (wie Anm. 20), maßgeblich hier die deutsche Übertragung für die Verhandlungen 1522. Vgl. ABKG, Bd. 1, 525, Anm. 1. 22 Vgl. Gutachten des Dr. Simon Pistoris, Ordinarius, und des Dr. Heinrich Scheibe, Senior der Juristenfakultät zu Leipzig [2. Hälfte 1522], Loc. 7418/4, Bl. 35–39, in Auszügen ediert: ABKG, Bd. 1, 571, Anm. 1. 23 Die Verhandlungen begannen im September 1522 und sind umfangreich dokumentiert. Vgl. Brief Herzog Georgs an Kardinal Albrecht, Leipzig, 1. September 1522, ebd., 349 f. Neben den im folgenden zitierten Stücken vgl. Loc. 7418/4, Bl. 8–50; Loc. 8937/9, Bl. 19– 27, 47–51; ABKG, Bd. 1, passim. 24 Vgl. Bericht Dr. Georg von Breitenbachs vom (1.) Rätetag zu Merseburg am 26. Juni 1523, Leipzig, 28. Juni 1523, Loc. 7418/4, Bl. 10–15, teilediert: ABKG, Bd. 1, 522–532. 25 Vgl. Bericht Cäsar Pflugs und Dr. Georg von Breitenbachs vom (2.) Rätetag zu Merseburg am 22. Dezember 1523, Loc. 7418/4, Bl. 46–49; Vgl. auch Brief Cäsar Pflugs an Herzog Georg, o.O., 26. Dezember 1523, ABKG, Bd. 1, 592 f.

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das Halberstädter Domkapitel Herzog Georg sogar wegen »entsetzter jurisdiktion und possession« vor dem Reichskammergericht.26 Herzog Georg intensivierte also unter dem Eindruck der Reformation seine Reformbemühungen, ohne das es ihm gelungen wäre, seine Reformforderungen gegenüber den geistlichen Behörden vollständig durchzusetzen. Trotzdem waren die Zugeständnisse der Bischöfe im Jahre 1522 ein bemerkenswerter Erfolg der landesherrlichen Reformpolitik. Festzuhalten ist aber auch, daß Herzog Georg bei aller Reformrhetorik einen radikalen Bruch, eine eigenmächtige Veränderung der kirchlichen Ordnung, kategorisch ausschloß. Gegenüber Philipp von Hessen betonte er das alte Herkommen der kirchlichen Justiz.27 In der Tagespolitik unterstrich er ihre grundsätzliche Anerkennung durch die Beachtung des Privilegium fori beim Vorgehen gegen evangelische Geistliche. Tatsächlich galten ihm die geistlichen Gerichte als unverzichtbare Partner im Kampf gegen die Reformation. In diesem Sinne machte er sich auch 1523 gegen das vom böhmischen König Ludwig für die Lausitzen verkündete Verbot geistlicher Ladungen stark und warnte, daß durch eine Beseitigung der kirchlichen Justiz »christlicher glaube fast geschwecht« und statt dessen »der Luther mit seynem anhang aufs hochste gesterckt« werden würde.28

3. Möglichkeiten und Grenzen der Reformpolitik Georgs in der Reformationszeit Auf die Herausforderung der Reformation reagierte Herzog Georg mit neuem Schwung, aber nicht mit einem neuen Konzept altgläubiger Reform. Die »nawe ernstliche reformation« 29 der Kirche, die Hof kaplan Emser 1521 als Alternative zu Luther postulierte, war letztlich eine intensivierte Weiterführung der vorreformatorischen Reformpolitik. Dies gilt ebenso für die inhaltlichen Schwerpunkte wie für die Ziele und Strategien der landesherrlichen Einflußnahme. Kirchenreform wurde im mittelalterlichen Sinne als die erneute Durchsetzung der gültigen kirchlichen Normen im Klerus und bei den Laien verstanden, wobei die modernen Machtinstrumente des Territorialstaats die dysfunktionale 26

Vgl. Diestelkamp, Geistliche Gerichtsbarkeit, 233. »Das ich ober der geistlichen jurisdiccion halt, ist orsach, das ich weiß, das ich iuden und heiden bey recht schoczen sal; dy weil dan die geistlichen janicht weniger den iuden und heiden sein, so muß ich sy bey dem, das sy in langem gbrauch her brocht und noch nicht vor unrecht erkant, schotczen und hant habben; vorhoff, ich thu Got ein gfal dor an, es gfal den Luterisch, wy es wol.« Brief Herzog Georgs an Landgraf Philipp [Dresden, 27. Februar 1525], ABKG, Bd. 2, 52–57. 28 Brief Herzog Georgs an König Ludwig II. von Ungarn und Böhmen, Dresden, 19. Februar 1523, ebd., 467 f. Siehe dazu ausführlicher S. 250. 29 Hieronymus Emser, Wider das vnchristenliche buch Martini Luters Augustiners an den Tewtschen adel außgangen (1521), Enders, Luther und Emser, Bd. 1, 1–143, hier 17 f. 27

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kirchliche Disziplinargewalt substitutiv ergänzten und in der Tendenz zunehmend ersetzten. Die traditionelle Programmatik einer reformatio, die die Grenzen der mittelalterlichen Kirchenverfassung als verbindlich anerkannte, verband sich so mit einer innovativen und zukunftsträchtigen Praxis, dem landesherrlichen Kirchenregiment.30 Den besonderen Charakter der Reformpolitik Georgs prägte dabei einerseits das gleichberechtigte Nebeneinander der »reformacion geistlichs und wertlichs standen«, also der Klerus- und der Laienreform.31 Er ergab sich andererseits aus der unmittelbaren Verbindung von Kirchenreform und antilutherischen Sanktionen in der Tagespolitik, die vom Fürsten zum Teil bewußt herbeigeführt wurde: Strafe und Mahnung zum Besseren bildeten eine innere Einheit. Diesem Strukturmerkmal wurde durch die gemeinsame Diskussion beider Aspekte in den vorigen Kapiteln Rechnung getragen. Konfrontiert mit der Dynamik der Evangelischen Bewegung erhöhte Herzog Georg in vielen Bereichen den Reformdruck, indem er den besonderen Ernst der Situation betonte und zu schärferen Sanktionen gegenüber den Verletztern der gültigen Normen griff. Dies gilt etwa für die Reform der Lebensführung und der Seelsorge im Bereich des Niederklerus. Auch die generelle Androhung der Temporaliensperre gegen Pfarrer in der Auseinandersetzung um die geistliche Gerichtsbarkeit kann hier genannt werden. Entsprechend lassen sich inhaltliche Neuansätze vor allem bei den Instrumenten des landesherrlichen Kirchenregiments beobachten. Am weitesten ging der Vorstoß an der Kurie im Frühjahr 1523, der mittels päpstlicher Privilegierung eine direkte Disziplinaraufsicht des Landesherrn über den Niederklerus etablieren wollte. Ausdrücklich sollte diese Maßnahme gleichermaßen dem Vorgehen gegen lutherische Geistliche wie der Reform des altgläubigen Weltklerus dienen. Die Bedrohung durch die Reformation suchte Georg hier als Chance für den Ausbau des landesherrlichen Kirchenregiments zu nutzen, freilich nicht zum Selbstzweck, sondern zur Stärkung der altgläubigen Widerstandskraft.32 Doch fehlen auch neue Reforminhalte nicht völlig. Vor dem Eindruck der lutherischen Bibelübersetzung und des Rufs der Laien nach dem Evangelium betrieb Herzog Georg die Erarbeitung und Verbreitung einer konkurrenzfähigen altgläubigen Bibelausgabe. Genauso wie es Erasmus von Rotterdam in seinem Enchiridion militis Christiani empfahl, verstand auch Georg die Bibellektüre der Laien als Weg zum Seelenheil, solange diese in allen Zweifelsfragen der Auslegung der Kirchenväter folgte. Aus Georgs Haltung spricht das hohe Selbstbewußtsein des Fürsten, der sich aus Verantwortung für das Seelenheil seiner

30

Siehe dazu ausführlicher S. 438–445. Entwurf Herzog Georgs zu einer Antwort der Stände [Augsburg, 5.–27. August 1518], ABKG, Bd. 1, 41–43. 32 Siehe S. 509–520. 31

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Untertanen mit dieser kontroversen Entscheidung über die Bedenken der Geistlichkeit hinwegsetzte.33 Zu den Maßnahmen im Territorium traten die Aufrufe zu einer Reform der Gesamtkirche, deren fi naler Adressat die Kurie war. Als Kommunikationskanal und Verstärker versuchte Georg dabei die Reichstage zu nutzen. Schon 1518 – gerade erst war das von Georg in Eigeninitiative beschickte Fünfte Lateranum ohne Auf bruchssignal zu Ende gegangen – verfolgte der Albertiner den Plan einer Kirchenreform durch ein neues Konzil, ohne jedoch die Unterstützung des Augsburger Reichstages zu finden. Georg nahm damit den in den folgenden Jahren überall im Reich erschallenden Ruf nach einem Konzil vorweg, freilich noch gänzlich ausgerichtet auf die Reform-, und nicht auf die Glaubensfrage.34 Auf ein gesamtkirchliches Konzil hat der Wettiner dann Zeit seines Lebens mit zunehmender Verbissenheit hingearbeitet; immer wieder findet sich diese Forderung in den Instruktionen seiner Reichstagsgesandten, immer wieder war sie Thema seiner diplomatischen Korrespondenz mit der Kurie.35 Schon der Wormser Reichstag von 1521 zeigte freilich, daß Georg mit seinem kirchenpolitischen Programm auf der Reichsebene zunehmend zwischen den Stühlen sitzen würde. Mit seinem Beitrag zu den Gravamina, der im erneuten Ruf nach einem Reformkonzil gipfelte, verschreckte er den päpstlichen Nuntius Aleander, der in diesen Tagen hinter jeder Romkritik die lutherische Häresie witterte. Aber auch bei den Reichsständen konnte Georg mit seiner rückhaltlosen Befürwortung des päpstlichen Ketzerurteils kaum auf breite Zustimmung hoffen. Die von den Unterstützern Luthers und von der Kurie gleichermaßen betriebene Verknüpfung der Causa Lutheri mit der Reformfrage, also die Gleichsetzung von Reformation und Reform, ließ kaum mehr Spielräume für altgläubige Reformversuche auf der Reichsebene. Georgs Konzept von »Reform statt Reformation« konnte in dieser Situation kaum auf Zustimmung hoffen, weder im Reich noch an der Kurie.36 Damit kommen die Grenzen der albertinischen Reformpolitik in der frühen Reformationszeit in den Blick. Auch sie sind weitgehend die alten. Für Georg 33 Siehe S. 569–579. Zur vorreformatorischen Diskussion um die volkssprachliche Bibel vgl. Schreiner, Laienbildung; Signori, 20–22 (mit weiterer Literatur); Zur Haltung des Erasmus vgl. Desiderius Erasmus, Enchiridion militis christiani (1503), Welzig, Bd. 1, 56– 375, hier 74–100. 34 Vgl. Brockmann. 35 Nach den Konzilsrufen auf dem Augsburger und dem Wormser Reichstag 1518/21 (siehe S. 173–179) forderte Georg in seiner Instruktion für den 1. Nürnberger Reichstag 1522 erstmals, »dieweil Got die gnad Deutscher nacion geben, das wir ain Teutschen babst haben«, ein Konzil nicht nur für die Kirchenreform, sondern auch zur Bekämpfung des lutherischen Irrtums. Instruktion Georgs, März 1522 (wie Anm. 8). Weitere Konzilsrufe enthalten die Instruktionen für Augsburg/Speyer 1525/26 sowie Georgs Stellungnahmen auf dem Augsburger Reichstag 1530. Vgl. Instruktion Georgs, 1525 (wie Anm. 1); Cardauns, 105. – Zu Georgs späterer Konzilspolitik vgl. Cardauns; Gess, Klostervisitationen, 23–26. 36 Siehe S. 173–179, 468–471.

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selbst bildete die gültige kirchliche Ordnung den entscheidenden Markstein, weil er sich durch das Wort Gottes an sie gebunden sah. Die Gestalt der Kirche zu verändern kam ihm nicht zu, dies durften nur Papst oder Konzil. An dieser religiösen Überzeugung hielt Georg fest, im vollen Bewußtsein, damit seinem Reformstreben klare Grenzen zu setzen. Rückblickend formuliert er 1537: »dan hette ich befi nden können auß dem worthe Gottes, ader auß dem heyligen evangelio gegrundt befunden, ader aus nachlassung bebstlicher heylickeit ader kay.[serlicher] ma.[jestä]t befehll, das ich uber die geistlichen ader kirchenordnung zu gebiethen hette, ich wolte forlangst die mißbrauche, die ich mich hette düncken lassen, unrecht weren, abgeschaft haben.«37 Landesherrliche Reform konnte deshalb nur einen Beitrag zur kirchlichen und gesellschaftlichen Erneuerung leisten, aber selbst im günstigsten Falle die innerkirchliche Reform nie ersetzen. Georgs Reformprogramm blieb beschränkt auf die Durchsetzung der gültigen Normen bei Klerus und Laien mit Hilfe des Kirchenregiments und auf die Werbung für ein Reformbewußtsein im Lande und darüber hinaus. Zwar stand es in jeder Hinsicht auf der Höhe der Reformdiskussion seiner Zeit,38 aber es konnte schon vom Ansatz her das Endziel einer umfassenden kirchlichen Erneuerung nicht aus eigener Kraft erreichen. Deshalb die Rufe nach dem Konzil, deshalb die Gravamina und die Bitten um päpstliche Reformprivilegien. Gerade an der Unterstützung aus Rom aber gebrach es bekanntlich. Hoffnungsvolle Signale wie das sogenannte Schuldbekenntnis Hadrians VI., das das Haupt der Kirche als Quelle der Mißstände benannte und nach dem Prinzip Purga Romam, purgatur mundus eine Kurienreform als Auftakt einer umfassenden kirchlichen Erneuerung in Aussicht stellte, blieben Episode.39 Georgs Petitionen um Sondervollmachten im Kampf gegen die Reformation aber wiesen die Päpste zurück, wohl weil sie anders als zu Zeiten des Konziliarismus nicht mehr bereit waren, den Einfluß weltlicher Obrigkeiten auf die Ortskirchen weiter zu steigern.40 Trotz dieser Rückschläge und dem Druck der Reformation aber lehnte Georg eigenmächtige Eingriffe in die kirchliche Ordnung weiterhin strikt ab. Als auf dem ersten Reichstag zu Speyer die evangelischen Stände eine vorläufige Kirchenordnung ins Spiel brachten, um schon vor dem Konzil Mißstände anzugehen, schickten die Ernestiner auch nach Dresden, um die Möglichkeiten für eine gesamtwettinische Lösung im Stile früherer Landesordnungen auszuloten. 37 Brief Herzog Georgs an Herzog Heinrich, o.O., 23. Mai 1537, ABKG, Ms. Werl, Nr. 3661. 38 Siehe dazu S. 605–612. 39 Vgl. Instruktion Papst Hadrians VI. für Nuntius Francesco Chieregati auf dem zweiten Reichstag zu Nürnberg, [Rom, September 1522], RTA, JR, Bd. 3, 390–399. Herzog Georg erhielt von seinem Reichstagsgesandten eine Abschrift der Botschaft. Vgl. Brief Dr. Dietrich von Wertherns an Herzog Georg, Nürnberg, 12. Januar 1523, ABKG, Bd. 1, 429–434. 40 Siehe S. 162–168.

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In einem abendlichen Wortwechsel mit Hans von der Planitz erteilte Herzog Georg jedoch allen territorialen Alleingängen eine kategorische Absage. Auf die Mißstände bei den Geistlichen angesprochen, mahnte er, »man sall darumb den baum mit der wurzel nicht ausreißen«. Dann versetzte ihn die Andeutung, Kurfürst und Herzog könnten mit ihren Räten selbst eine Gottes Wort gemäße Kirchenordnung fi nden, vollends in Rage: »Do sprach er zorniglichen«, berichtet Planitz, »Ja, ir und ich verstehen und wissen wol, was dem ewangelio gemeß sei oder nicht!« Trotz allen Reformengagements verstand sich Herzog Georg noch immer als Laie, dem die Entscheidung über die kirchliche Ordnung nicht zukam. Das landesherrliche Kirchenregiment blieb für ihn Ordnungsinstrument, nicht Quelle der Kirchenverfassung. Für Planitz hatte er deshalb an diesem Abend nur ein konservatives Schlußwort übrig: »Man kan kein besser ordnung machen, dan die, so hievor gewest«.41 Konnte Georgs Reformprogramm also überhaupt eine Alternative zur Reformation darstellen? Ohne Frage hatte es der grundstürzenden Botschaft Luthers und dem mit ihr verbundenen religiösen Auf bruch nichts Gleichwertiges entgegenzusetzen. Es vermochte so wohl nur jene zu erreichen, denen die Wittenberger Neuerungen zu radikal waren und die gleichzeitig das Vertrauen in das Papsttum noch nicht völlig verloren hatten. Ihnen versuchte er mit dem albertinischen Reformeifer Hoffnung zu geben, daß auch die Gesamtkirche zur Erneuerung fähig sei. Bei der Bewertung gilt es also im Blick zu behalten, daß Georgs Reformpolitik nie den Anspruch erhob, eine ähnlich umfassende Lösung anzubieten wie die Reformation. Um es in jenes Bild zu kleiden, das seit dem Konziliarismus die Kirchenreformdiskussion beherrschte und das auch Herzog Georg gern benutzte: 42 Der Leib Christi, die Kirche, war lebensbedrohlich krank. Was er brauchte, war eine ganzheitliche Therapie, eben die Reformatio in capite et membris. Der berufene Arzt war der Papst. Mit der Hilfe Gottes und der Kirche konnte er die Operationen durchführen, die die Kirche gesunden ließen. Herzog Georg hingegen konnte nicht Arzt sein, sondern nur ein Pfleger am Leib der Kirche. Seine Medizin heilte nicht, sie dämpfte lediglich die Symptome. Georgs Kirchenreform wollte den Zustand der Kirche stabilisieren, um diese am Leben zu halten, bis der Arzt zur Stelle war. Dies war in seinen Augen allemal besser als die Quacksalberei Luthers, die mit ihren teufl ischen Giften die Kirche zu töten drohte. Es war aber auch viel bescheidener: Niemals hoffte Georg, durch seine Reformmaßnahmen die Kirche völlig gesunden zu lassen, bewußt beschränkte er sich auf die Pflege, griff nicht tiefer ein und rief beharrlich nach Papst und Konzil, die allein wirkliche Heilung versprachen. 41 Brief des Hans von der Planitz an Herzog Johann Friedrich, Grimma, 21. Juli 1526, ABKG, Bd. 2, 588–590. 42 Vgl. Wolgast, Art. Reform, 322. Zum Gebrauch durch Herzog Georg vgl. Gess, Klostervisitationen, 22.

XI. Kirchenpolitik gegen die Reformation: Erfolge, Grenzen, Perspektiven 1. Georgs Kampf gegen die Reformation als Erfolgsmodell? Herzog Georgs Politik gegen die frühe Reformation läßt sich als das Zusammenspiel von drei Gegenstrategien beschreiben: Sanktionen, Propaganda und Kirchenreform. Obrigkeitliche Sanktionen richteten sich gegen die Protagonisten der Evangelischen Bewegung. Mit den Machtmitteln des landesherrlichen Kirchenregiments ging Herzog Georg gegen Geistliche und Laien vor, energisch bemüht, die Ketzerbewegung in seinem Land zu unterdrücken. Die landesherrliche Propagandapolitik war geleitet von einem geschärften Bewußtsein für die reformatorische Öffentlichkeit und die Wirkung der Massenmedien ihrer Zeit. Herzog Georg erkannte die zentrale Bedeutung der Flugschriften, aber auch der Predigt, für die Entscheidung der Menschen zwischen Luther oder der alten Kirche. Im Kampf um die Köpfe verband er antireformatorische Propaganda und die positive Selbstdarstellung der alten Kirche in Flugschriften und Predigten mit einer scharfen Zensurpolitik, die sich gegen lutherische Buchproduktion, Buchhandel und Buchbesitz richtete. Die dritte Gegenstrategie bestand in der Intensivierung einer altgläubigen Reformpolitik, die den Menschen eine Alternative zu Luthers radikalem Systembruch anbieten sollte. Mit Reformmaßnahmen im eigenen Territorium, aber auch mit diplomatischen Initiativen im Reich und an der Kurie setzte sich der Albertiner für eine umfassende Erneuerung der Kirche ein, um seine Untertanen vom Irrweg der Ketzerei zu bewahren. Zu betonen ist dabei die enge Zusammenarbeit des Fürsten mit den sächsischen Landesbischöfen. Gerade die auf Georgs Initiative zurückzuführenden bischöfl ichen Visitationen von 1522/24 spiegeln mit ihrer programmatischen Verbindung von Ketzerverfolgung, Kirchenreform und altgläubiger Predigtkampagne das antireformatorischen Programm des Landesherrn in nuce wider. Schon ein kurzer Rundblick im Reich genügt, um sich die exzeptionelle Stellung der albertinischen Kirchenpolitik in jenen Jahren vor Augen zu führen. Georg machte diese Erfahrung auf dem Wormser Reichstag von 1521, als er mit seinem Credo »Reform statt Luther« völlig isoliert war. Selbst die wenigen Reichsfürsten, die sich wie Joachim von Brandenburg früh auf eine antilutherische Haltung festgelegt hatten, beschränkten ihre Abwehrpolitik in der

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Regel auf mehr oder minder entschlossene Unterdrückungsmaßnahmen.1 Sucht man hingegen Parallelen zum umfassenden albertinischen Gegenprogramm, so wird man nur bei einigen wenigen Vordenkern fündig. So läßt sich Georgs Kirchenpolitik etwa an den Reformvorschlägen messen, die Johannes Cochlaeus 1524 in einem Gutachten für Papst Clemens VII. zusammenstellte. Nach Vorstellung des Frankfurter Dekans sollten die weltlichen Fürsten zum Ketzerkampf aufgefordert werden, während die Bischöfe die Reform des Klerus voranzutreiben hätten. Durch die Anstellung von tadellosen altgläubigen Predigern hoffte er die Gläubigen besser im alten Glauben zu unterweisen. Aber auch die öffentliche Kontroverse im Reich nahm Cochlaeus in den Blick und forderte eine scharfe Zensur, die Unterstützung altgläubiger Kontroverstheologie und die Verbreitung volkssprachlicher Erbauungsbücher und Katechismen, die den Laien ein positives Bild der altgläubigen Lehre vermitteln sollten.2 Wenngleich Georg das Reformgutachten seines späteren Hofkaplans zu diesem Zeitpunkt sicherlich nicht kannte, erfüllte seine Kirchenpolitik bereits in den frühen 1520er Jahren viel von dem, was Cochlaeus als Ideal formulierte. Freilich entsprang in seinem Falle alles der einen, der landesherrlichen Hand. Unter den Reichsfürsten der frühen Reformationszeit läßt sich vor allem die Kirchenpolitik der Bayernherzöge mit der Konzeption Herzog Georgs vergleichen. Dies ist zugleich ein wichtiger Hinweis für die Einordnung der albertinischen Politik, gelten die Wittelsbacher doch als die erfolgreichsten Vorkämpfer der altgläubigen Partei im Reich. Herzog Georg muß den Vergleich nicht scheuen, entschied er sich doch sogar noch früher als die Bayernherzöge für eine Politik gegen Luther.3 In der Münchner und Dresdner Politik der Jahre 1521–1525 werden schnell erstaunliche Parallelen sichtbar. Dies beginnt schon mit der Chronologie, fallen doch die ersten bayerischen Maßnahmen gegen die Evangelische Bewegung ebenfalls in das Frühjahr 1522. Viel wesentlicher ist die identische konzeptionelle Ausrichtung: In beiden Territorien wurden Sanktionsmaßnahmen von Anfang an mit dem positiven Gegenentwurf einer altgläubigen Reformpolitik verbunden. Bis in die Einzelmaßnahmen läßt sich das Vorgehen parallelisieren. Während die Wittelsbacher in Februar 1522 Reformverhandlungen mit dem bayerischen Episkopat beschlossen, konfrontierte Georg die mitteldeutschen Bischöfe mit seinem Reformkonzept für die geistliche Gerichtsbarkeit. Die Bestimmungen des bayerischen Religionsmandats vom 5. März 1522 entsprechen bis ins Detail 1

Vgl. Rudersdorf/Schindling, 39 f.; Winterhager, Kurbrandenburg. Vgl. Bäumer, 26 f., 121. Cochlaeus war 1523 noch von Hadrian VI. in eine Reformkommission an der Kurie berufen worden, die Vorschläge für eine Erneuerung der Kirche im Reich erarbeiten sollte. 3 Eine antilutherische Haltung nahmen die Bayernherzöge erst nach dem Wormser Edikt ein. Vgl. Kohnle, Reichstag, 137 f. 2

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jenen in Georgs Februarmandat – auch insofern, als die bayerische Verordnung ebenfalls unabhängig vom Mandat des Reichsregiments erging, das in Bayern als »zu leyß gemacht« kritisiert wurde.4 Und schließlich bemühten sich Johannes Eck und Bischof Johann VII. im gleichen Jahr bei Hadrian VI. um Sonderprivilegien für den Ketzerkampf und die Kirchenreform ihrer Dienstherren – wenngleich mit sehr unterschiedlichem Erfolg.5 Einen Höhepunkt der bayerischen Religionspolitik markierte die Regensburger Einung vom 6. Juli 1524, das Abschlußpapier des von Österreich, Bayern und den süddeutschen Reichsbischöfen beschickten Regensburger Konvents. Auf massiven Druck Bayerns wurden dort Evangelische Bewegung und Reformfrage gemeinsam behandelt.6 Der Vertrag, der sich als Ausführungsbestimmung zum Wormser Edikt und den Beschlüssen des dritten Nürnberger Reichstags verstand, weist unverkennbare Parallelen zum kirchenpolitischen Programm Herzog Georgs auf: Sanktionen gegen Laienkelch und Fastenbrechen, Priesterehe und Klosterflucht, Luthers Schriften und den Besuch der Universität Wittenberg stehen die Förderung der altgläubigen Predigt, eine umfangreiche Reformordnung für den Niederklerus und die Bestätigung der kirchlichen Zeremonien gegenüber. Die Exekution der Ordnung durch die weltlichen Amtsträger der Landesherren erinnert ebenso an Georgs Kirchenregiment wie die Ausweisung als Standardstrafe für hartnäckige Lutheraner.7 Bezeichnend ist, daß die Regensburger Fürsten den Plan verfolgten, Herzog Georg in ihr Bündnis aufzunehmen. Dieser reagierte jedoch in ganz eigener Weise: Noch 1524 erschienen in der Emserpresse zwei Drucke der Regensburger Einung, vermutlich auf der Grundlage jener Abschriften, die Georgs Esslinger Reichsregimentsrat Thomas von der Hayden im August nach Dresden geschickt hatte.8 Das Motiv der Publikationen bringt Emsers Begleittext auf den Punkt: In Dresden wollte man der reformatorischen Öffentlichkeit vorführen, daß man mit der entschlossenen Linie gegen die Reformation nicht allein stand.9 4 So der Kommentar des bayerischen Rates Leonard von Eck. Zitiert nach Kohnle, Reichstag, 143. 5 Zur Religionspolitik Bayerns vgl. Lutz/Ziegler, 337–351; Pfeilschifter, Bd. 1, hier 1–5; Wolgast, Territorialfürsten, 420–423; Kohnle, Reichstag, 137–147; Rößler, 8 f.; als Quelleneditionen: Pfeilschifter, Bd. 1; Kopfmann. – Zu Hadrians päpstlichen Privilegien für Bayern siehe S. 166 f. 6 Vgl. Pfeilschifter, Bd. 1, 294–297; Lutz/Ziegler, 347 f. Zum Überblick vgl. noch immer Friedensburg, Regensburger Convent. 7 Vgl. Regensburger Einung, Regensburg, 6. Juli 1524, Pfeilschifter, Bd. 1, 329–334; Regensburger Reformordnung, Regensburg, 7. Juli 1524, ebd., 334–344. 8 Vgl. Brief Thomas von der Haydens an Herzog Georg, Esslingen, 14. August 1524, ABKG, Bd. 1, 723–726. 9 »Dann es hat vil ein ander meynung / und fi ndt sich clar auß diser eynung«. Aynung und vorbundnis etzlicher großmechtigen fursten [. . .], [Dresden: Emserpresse 1524]. (VD 16 ZV 5045), hier Bl. B I b. Der zweite Druck als Teil der Flugschrift: Hierin fi ndest du das kaiser-

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So zeigt das bayerische Beispiel, daß die Formel »Reform statt Reformation« gerade bei den Vorreitern der altgläubigen Partei als zukunftsträchtig galt. Gleichzeitig läßt die weitere Entwicklung Bayerns die Vermutung zu, daß sich dieser Ansatz langfristig als Erfolgsrezept erweisen konnte. Mit der Verbindung von obrigkeitlichen Sanktionen, altgläubiger Reform und antilutherischer Propaganda setzten die Bayernherzöge und der Albertiner als einzige Reichsfürsten bereits in den ersten Jahren der Reformation einen umfassenden Gegenentwurf in die praktische Politik um. Dabei gaben die in beiden Territorien gleichermaßen rezipierten reichsrechtlichen Bestimmungen nur den groben Rahmen vor. Eine Abstimmung zwischen den Fürsten hat es nicht gegeben, wohl aber strukturelle Parallelen: das stark ausgebaute Kirchenregiment, die intensiven diplomatischen Kontakte zur Kurie und eben die entschieden altgläubige Haltung der Fürsten. Bayern und das albertinische Sachsen markieren so das Maximum antilutherischer Territorialpolitik in der frühen Reformation.

2. Das albertinische Sachsen im Jahre 1525: Eine offene Zukunft Gestützt auf das vorreformatorische Kirchenregiment war es Herzog Georg gelungen, eine umfassende kirchenpolitische Strategie gegen die Reformation zu entwickeln, die genau jene Ansätze in die Tat umsetzte, von denen sich die Gegner Luthers überall im Reich den Sieg erhofften. Vor Luthers Haustür war so eine erste Gegenreformation in Gang gekommen, die zuweilen sogar schon bemüht war, verlorenes Terrain zurückzugewinnen, wie das Beispiel Mühlhausen oder die meißnisch-merseburgischen Visitationsversuche in Kursachsen zeigen. Ihr Hauptziel aber blieb es, das albertinische Sachsen für die alte Kirche zu sichern. Vom Jahr 1525, dem Endpunkt unseres Untersuchungszeitraums betrachtet, konnte die Bilanz der antireformatorischen Politik Herzog Georgs dabei beachtliche Erfolge aufweisen. Mit der Niederschlagung des Bauernaufstandes hatte die Reformation von unten einen herben Rückschlag erlitten. Nicht nur im unmittelbar vom Bauernkrieg betroffenen Thüringen, sondern überall im albertinischen Territorium war die Evangelische Bewegung in die Defensive geraten. Der Sturm der ersten Jahre ging vorüber, ohne daß es den Evangelischen gelungen wäre, die Reformation in Herzog Georgs Landen auch nur punktuell durchzusetzen. In ihrer einstigen Hochburg Leipzig hatte bereits Georgs konsequentes Vorgehen gegen die lutherische Predigt die Dynamik der Reformation spürbar gebremst. Nun zerbrach mit der Niederschlagung der lich mandat zu Nurenberg [. . .], [Dresden: Emserpresse 1524]. (VD 16 D 1042). Zu beiden Drucken vgl. Aurich, 48–51 und siehe S. 576.

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Rumpfer-Verschwörung die vorläufig letzte Hoffnung auf eine Durchsetzung der neuen Lehre in der wichtigsten Stadt des Landes.10 Hier wie andernorts mußten die Lutheraner die öffentliche Auseinandersetzung vorerst verloren geben und sich in den privaten Raum zurückziehen. Winkelpredigten, geheime Konventikel und die private Lektüre von Lutherschriften hielten die neue Lehre zwar bei vielen lebendig. Doch die Straßen und Plätze vermochten die Evangelischen nicht mehr zu beherrschen, mußten statt dessen als religiöse Minderheit im Untergrund auf bessere Zeiten hoffen. Religionssoziologisch gesehen hatten sie damit das Vermögen eingebüßt, als Kirche die Gesellschaft zu prägen, waren beschränkt auf die Rolle der Sekte, die sich von der Mehrheitsgesellschaft isolieren muß, um zu überleben.11 Der altgläubige Charakter der albertinischen Gesellschaft war damit vorläufig gesichert. Erst als in den 1530er Jahren in den ernestinischen Dörfern um Leipzig fähige evangelische Prediger die neue Lehre zu verkünden begannen, fanden auch die Leipziger Lutheraner zu neuem Selbstbewußtsein.12 Von den Erfolgen seines Kampfes gegen die Reformation legt nicht zuletzt Herzog Georg selbst Zeugnis ab. Im Jahre 1529 führt er in der Narratio eines Religionsmandats aus, daß dank seiner antireformatorischen Politik und »durch [. . .] göttliche vorleyhung derhalb ein zeit here in unsern fürstenthumben zimliche guthe ruhe gewesen« sei.13 Die Jahre nach dem Bauernkrieg erscheinen also in den Worten Georgs als eine Zeit, in der die Evangelische Bewegung in seinem Land kaum mehr in Erscheinung trat. Dies korrespondiert mit den Ergebnissen von Günther Wartenberg, der erst mit der Konsolidierung des Luthertums in Kursachsen nach 1532 ein erneutes Aufleben der Reformation im Albertinischen beobachtet.14 Mit der Durchsetzungskraft des landesherrlichen Kirchenregiments war es Herzog Georg demnach gelungen, die revolutionäre Dynamik der frühen Reformation unter Kontrolle zu bringen und die Anhänger Luthers außer Landes oder zumindest in den Untergrund zu drängen. Aber nicht nur obrigkeitlicher Zwang hielt die Reformation auf. Entschlossene Reformpolitik und eine selbstbewußte Propaganda stärkten die Position der Altgläubigen. Mitten in den Sturmjahren der Reformation legten Ereignisse wie die vielbeachtete und bestens besuchte Heiligenerhebung Bennos von Meißen Zeugnis davon ab, das die alte Kirche in allen Bevölkerungsschichten, im Adel, im Bürgertum und auf 10

Siehe S. 474–478, 528–537, 543–549. Zur religionssoziologischen Typologie von Kirche und Sekte vgl. Troeltsch, 360–375; Bainbridge; Stark/Bainbridge. Dabei weiche ich von Troeltsch ab, der behauptet, das Luthertum könne nicht im Sektentypus auftreten, hierfür aber nur eine theologische und keine soziologische Begründung liefert. Vgl. Troeltsch, 482. 12 Vgl. Wartenberg, Landesherrschaft, 33–37; Hoyer/Schwarz, 99, 114–116. 13 Gedrucktes Ausschreiben Herzog Georgs, Dresden, 29. Oktober 1529, Loc. 14954, Mandatensammlung, Faszikel »1529«. 14 Vgl. Wartenberg, Landesherrschaft, 60. 11

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dem Lande, nach wie vor Zustimmung fand.15 Beides zusammen sicherte nicht nur die momentane Existenz des altgläubigen Kirchenwesens im albertinischen Sachsen, sondern eröffnete ihm eine Chance auf Zukunft. Trotz der denkbar exponierten Lage zu Kursachsen war es der Kirchenpolitik Georgs gelungen, den Erfolg der Reformation im Albertinischen zu verhindern und das Territorium statt dessen zu einem Vorposten der romtreuen Partei auszubauen. Doch wird hier, mag man einwenden, die Lage nicht zugunsten der herrschenden Altgläubigen schöngefärbt? Wieso sollte man überhaupt die Überlebenschancen der alten Kirche in Sachsen im Jahre 1525 mühsam abzuschätzen versuchen, wenn die Bilanz des Jahres 1539 so viel eindeutiger ausfällt? Nicht nur das fortwährende Auftreten von Lutheranern in den 1530er Jahren, sondern vor allem die rasche Einführung der Reformation nach Georgs Tod sind schließlich von Generationen von Historikern als Beweis dafür angesehen worden, daß der Albertiner einen »unmöglichen Kampf gegen eine mit geschichtlicher Nothwendigkeit sich vollziehende Neugestaltung« geführt habe.16 Doch wird man heute diese Frage vorsichtiger beurteilen müssen, als es die Tradition der evangelischen Kirchen- (und Landes-)Geschichtsschreibung mit teleologischem Sendungsbewußtsein getan hat. Dabei sind nicht nur das erneute Erstarken der von Kursachsen gezielt geförderten Reformation, sondern auch die reichsweit schwieriger werdende Lage des alten Kirchenwesens in den 1530er Jahren in Betracht zu ziehen.17 Eine Neubewertung der späten Jahre Herzog Georgs wird freilich sinnvoll erst vorzunehmen sein, wenn die im Entstehen begriffenen Quellenbände zu Georgs Kirchenpolitik für die Jahre 1528– 1539 erschienen sind.18 Ein Faktum sollte aber schon heute festgehalten werden: Das Frühjahr 1539 sah keine protestantische Revolution von unten, sondern eine Fürstenreformation von oben. Nicht das endgültige Scheitern landesherrlicher Unterdrükkungspolitik an der Dynamik der Evangelischen Bewegung, sondern schlicht die Übernahme der Landesherrschaft durch einen evangelischen Fürsten brachte den schnellen Sieg für die Reformation. Heinrich der Fromme hat, mit breiter Unterstützung, aber durchaus auch gegen Widerstände, der Reformation mit den selben landesherrlichen Machtmitteln zur Durchsetzung verholfen, mit denen sie sein Bruder jahrzehntelang zu verhindern gewußt hatte.19

15 Vgl. Volkmar, Heiligenerhebung Bennos; vgl. auch Wartenberg, Landesherrschaft, 62 f.; ders., Luthers Beziehungen, 563. 16 Flathe, 687. 17 Vgl. Rabe, 302–344; Ziegler, Territorium und Reformation II. 18 Zu diesem Vorhaben siehe S. 40 mit Anm. 86. 19 Vgl. Wartenberg, Landesherrschaft, 94–103; ders., Entstehung; ders., Theologische Fakultät; Brandenburg; Clemen, Einführung; Bünz/Volkmar, Albertinische Herzöge, 85–89.

XI. Kirchenpolitik gegen die Reformation

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Genau dieser dynastische Wechsel war aber 1525 noch alles andere als absehbar. Für die Zukunft und auch für das Selbstvertrauen der altgläubigen Partei war vielmehr entscheidend, daß die Kontinuität der Kirchenpolitik Herzog Georgs lange Zeit gesichert schien. Mit Johann d.J. (1498–1537) und Friedrich d.J. (1504–1539) standen zwei erwachsene Söhne für die Nachfolge bereit, die beide früh in die Regierungstätigkeit eingewiesen wurden. Eine evangelische Nachfolge im Albertinischen war deshalb 1525 ungefähr so wahrscheinlich wie das Aussterben der ernestinischen Kurlinie.20 Als Nachfolger baute Herzog Georg seinen Sohn Johann auf, der seit 1515 mit Elisabeth von Hessen verheiratet war. Er hatte 1516/17 in Marburg erste politische Erfahrungen gesammelt und 1521 den Vater auf den Wormser Reichstag begleitet.21 In den folgenden Jahren setzte ihn Herzog Georg mehrfach als Statthalter oder Vertreter ein, so etwa während des Bauernkrieges als Organisator der Rüstungen in Dresden.22 In kirchenpolitischen Fragen handelte der junge Fürst stets im Sinne seines Vaters. In Wittenberg machte man sich deshalb keine Hoffnungen, daß eine Nachfolge Johanns einen Kurswechsel bringen würde: »Wenn sein Vater ihm ein eiserner Gegner gewesen, so wolle er ihm ein stählerner sein«, soll er Luther angekündigt haben.23 Johanns zum Luthertum neigende Gemahlin Elisabeth vertraute den evangelischen Verwandten an, daß ihr Mann sie in der Religionsfrage noch stärker bedrängen würde als Herzog Georg.24 Auch noch nach Johanns plötzlichem und kinderlosen Tod im Jahre 1537 schien eine Fortsetzung der Kirchenpolitik Georgs möglich, denn Friedrich d. J. war zwar kränklich, aber nicht schwachsinnig, wie es die Parteigänger Heinrichs des Frommen aus durchsichtigen Motiven kolportierten und Historiker ungeprüft weitergetragen haben.25 20 Diese hing nach dem erbenlosen Tod Friedrichs des Weisen 1525 an Kurfürst Johann d.Ä. und seinen beiden Söhnen Johann Friedrich und Johann Ernst. Zu bedenken ist weiterhin, daß Heinrich der Fromme zu diesem Zeitpunkt den antireformatorischen Kurs seines Bruders Georg noch mittrug. – Zum Stellenwert des dynastischen Denkens für die Politik der Reformationszeit vgl. Schubert, Fürstenreformation, 33–35; allgemein: Weber, Dynastiesicherung; am Beispiel der Wettiner: Rogge, Herrschaftsweitergabe. 21 Siehe S. 496–498 und vgl. ABKG, Bd. 1, 146, Anm. 2. 22 Vgl. Instruktion für Herzog Johann d.J. und mehrere Räte für den Landtag zu Leipzig, Dresden, 11. Juni 1523, ebd., Bd. 1, 516–518; Brief Herzog Johanns d.J. an Herzog Georg, Dresden, 5. Mai 1525, ebd., Bd. 2, 180–182. 23 Schulze, Ehrenrettung, 7. Vgl. dazu Tischrede Martin Luthers [1537], WA Ti, Bd. 3, 380 (Nr. 3531). – Zu Johanns Regierungshandeln vgl. ABKG, passim. 24 Vgl. Brief Herzogin Elisabeths an Kurfürst Johann Friedrich, [Dresden] 12. April 1533, ABKG, Ms. Werl, Nr. 2504. 25 Schon Friedrichs Rolle als Statthalter und seine Teilnahme am Augsburger Reichstag 1530 belegen seine Regierungsfähigkeit. Über jeden Zweifel erhaben ist das Urteil des ernestinischen Kanzlers Brück, der Friedrich 1537 mit Bedauern als verständig und ehefähig beschreibt, weshalb die Versuche Heinrichs des Frommen, den Brüderlichen Vertrag zu aktivieren, vergeblich seien: »dan ich hab die unsynnige geberde nicht bey ime mugen vormercken«. Denkschrift Dr. Gregor Brücks für Kurfürst Johann Friedrich, Wittenberg, 19. April

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Zweiter Teil: Die Auseinandersetzung mit der frühen Reformation (1517 – 1525)

Schon deshalb wird eine ex-post Beurteilung, die die Reformation im albertinischen Sachsen als unauf haltsam charakterisiert, der Komplexität und Offenheit der historischen Situation nicht gerecht. Aus der Sicht des Jahres 1525 läßt sich keineswegs sicher ausschließen, daß die Entwicklung im albertinischen Sachsen nicht genauso wie in Bayern oder Österreich hätte verlaufen können, wo die Evangelischen ihre Hochzeiten hatten, aber ihnen letztlich der Erfolg versagt blieb. Bedenkt man die Parallelen zwischen der bayerischen und der albertinischen Religionspolitik und die Erfolge, die beide Landesherren im Kampf gegen die frühe Reformation errangen,26 so muß man zu der Schlußfolgerung gelangen, daß zumindest der Ansatz der albertinischen Kirchenpolitik zukunftsträchtig war. Tatsächlich waren die Erfolge Georgs eindrucksvoll, besonders wenn man den gegenüber Bayern ungleich stärkeren Einfluß der frühen Reformation im albertinischen Sachsen bedenkt. Das bayerische Beispiel zeigt andererseits auch, daß eine einmal erfolgte Eindämmung der Evangelischen Bewegung keine Garantie für dauerhafte Ruhe war: Erst in der zweiten Jahrhunderthälfte erreichten die Evangelischen in Bayern den Höhepunkt ihres Einflusses.27 Ähnlich kann das Erstarken der Lutheraner in Sachsen in den späten 1530er Jahren als eine solche Konjunktur gesehen werden. Sie war eine erneute Herausforderung, keinesfalls aber der Beweis für das Versagen der vorherigen Politik. Der Vergleich mit Bayern zeigt deshalb letztlich, daß die Politik Georgs eben nicht von vornherein zum Scheitern verurteilt war. Weder die neue Dynamik der Reformation in den 1530er Jahren, noch die dynastischen Zufälle, die den kinderreichen Herzog Georg erbenlos zurückließen, waren 1525 abzusehen.

1537, ABKG, Ms. Werl, Nr. 3617. Vgl. auch ebd., Nr. 2028, Anm. 1 sowie jetzt Hoyer, Georg II, 139–141. 26 Zu Bayern vgl. Kohnle, Reichstag, 144. 27 Vgl. Lutz/Ziegler; Rößler.

Zusammenfassung In selektiver Traditionsbildung an die wettinische Kirchenpolitik des 15. Jahrhunderts anknüpfend, erreichte das landesherrliche Kirchenregiment in Sachsen unter Herzog Georg ein Niveau, das auch im reichsweiten Vergleich führend zu nennen ist. In Zielen und Ausrichtung typisch für die fürstliche Kirchenpolitik seiner Zeit, profitierte das albertinische Kirchenregiment von den günstigen strukturellen Rahmenbedingungen im mitteldeutschen Raum, insbesondere von der Mediatisierung der sächsischen Bischöfe. Der fortschreitende Ausbau des Kirchenregiments durch Herzog Georg war kein revolutionärer Vorgang, aber er verschob die Balance in dem so engen Beziehungsgefüge von Kirche und Welt kontinuierlich zugunsten der Territorialgewalt. Nicht der Papst und auch kein Bischof, sondern der weltliche Landesherr stellte um 1500 für den Klerus in Sachsen die einflußreichste obrigkeitliche Instanz dar. Trotz der mangelnden Institutionalisierung dieser Herrschaftsbeziehung war die alltägliche Einflußnahme, die Problemlösungskompetenz und die Durchsetzungskraft des Fürsten für den Klerus nicht zu ignorieren, im positiven wie im negativen Sinne. Denn der Landesherr forderte nicht nur Gehorsam ein, wenn es um die Umsetzung von Reformmaßnahmen oder die Einbindung in den territorialen Untertanenverband ging, er eröffnete dem Klerus auch neue Möglichkeiten, seine eigenen Interessen zu verfolgen: Deshalb setzten die Führer der Observantenbewegung bei ihren Reformplänen auf die Hilfe des Fürsten, deshalb bauten sächsische Pfarrer in ihren materiellen Ansprüchen gegenüber ihren Pfarrgemeinden und selbst gegenüber ihren eigenen Bischöfen auf die Unterstützung des Landesherrn. Da viele Probleme des Klerus letztlich Kirche und Welt berührten, war es auch für ihn erfolgversprechend, auf jene Instanz zu setzen, die in beiden Bereichen über Einfluß verfügte. Seine Durchsetzungskraft bezog das landesherrliche Kirchenregiment aus den leistungsfähigen Strukturen der wettinischen Landesherrschaft. Weltliche Rechtsvorstellungen und die Herrschaftspraxis des entstehenden Territorialstaats dominierten Konzeption und Umsetzung des Kirchenregiments, so daß sich dieses bis in die Abläufe hinein kaum von den anderen Zweigen der landesherrlichen Politik unterschied. Dies begann bei der Monopolisierung der kirchenpolitischen Entscheidungsfi ndung im landesherrlichen Hofrat, in dem weltliche Räte aus dem niederen Adel die Leitlinien bestimmten, während der Einfluß gelehrt-geistlicher Räte durch Herzog Georg bald ganz beendet wurde.

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Ihre Fortsetzung nahm die Organisation nach weltlichem Muster im Rückgriff auf die lokalen Amtsträger der Landesherrschaft, auf die Amtleute, Stadträte und Räte von Haus aus. Schließlich übertrug das Kirchenregiment weltliche Herrschaftsansprüche und Herrschaftstechniken auf den kirchlichen Bereich, was sukzessive eine Nivellierung der Sonderstellung des geistlichen Standes und seine Integration in den territorialen Untertanenverband nach sich zog. Sichtbar wird der Einzug weltlicher Politik in den Raum der Kirche im Umgang mit kirchlichen Benefizien nach den Kategorien des Lehnsrechts oder in der Anwendung weltlicher Rechtsinstrumente und Sanktionsmittel wie der Schiedsgerichtsbarkeit, der Temporaliensperre und der Sequestration. Die Intensität des Kirchenregiments Herzog Georgs ist damit nicht zuletzt ein Ausweis für die Leistungsfähigkeit der albertinischen Landesherrschaft. Wie seine Vorgänger bemühte sich auch Herzog Georg, den landesherrlichen Machtzuwachs durch päpstliche Privilegien abzusichern. Doch die alte Allianz zwischen Papsttum und deutschen Fürsten trug um 1500 nicht mehr weit. Georgs kühne Wünsche und Pläne stießen bei den Renaissancepäpsten auf taube Ohren. Eine Weiterentwicklung des Kirchenregiments war so nur gegen das Kirchenrecht möglich. Dieses konnte der Landesherr zwar nicht außer Kraft setzen, wohl aber auf politischem Wege aushöhlen, indem er Klerus und geistliche Gerichtsbarkeit dazu brachte, seinen Wünschen zu entsprechen und die Bastionen des Kirchenrechts freiwillig zu räumen. Die Akzeptanz für die landesherrliche Einflußnahme war dabei in jedem Einzelfall wieder neu herzustellen. Hierbei kamen eine Vielzahl kanonischer und weltlicher, moralischer und religiöser Legitimationsmuster zum Einsatz, die ihren Kern in der Betonung der »fürstlichen obrigkeit«, also der Landesherrschaft, fanden. Vorreformatorisches Kirchenregiment manifestierte sich also vor allem im stetig neuen situativen Eingreifen. Es kann deshalb nicht an Rechtstexten studiert, sondern muß aus der fürstlichen Herrschaftspraxis rekonstruiert werden. Dabei ist die landesherrliche Kirchenpolitik auf den verschiedenen Kontaktund Handlungsebenen getrennt zu betrachten, da die Vielfalt kirchlicher Institutionen mit ihren jeweils spezifischen Rechtsbeziehungen fortbestand. Von einer einheitlichen Beziehung des Landesherrn zu der Kirche im Territorium kann also um 1500 noch nicht gesprochen werden, wenngleich sich die Tendenz erkennen läßt, einen einheitlichen Hoheitsanspruch gegenüber Kirche und Klerus im Territorium aufzubauen, etwa wenn der »eigene« Klerus vor »ausländischen« geistlichen Gerichten in Schutz genommen wurde. Wesentlich erscheint, daß Herzog Georg sein Eingreifen nicht als bloßes Substitut für eine fehlende geistliche Aufsicht ansah. Sein Kirchenregiment gründete sich also nicht, wie später bei Luther, auf der in der Zweigewaltenlehre angelegten Idee vom Landesherrn als »Notbischof« (wiewohl ihm dieses Argument bekannt war). Vielmehr verstand sich Georg als zweite Aufsichtinstanz neben oder sogar über den Bischöfen, unabhängig davon, wie diese ihren Auf-

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gaben nachkamen. Legitimiert aus dem eigenen Recht der Landesherrschaft beaufsichtigte er die Amtsführung des Niederklerus und die Wirtschaftsführung der Klöster ebenso wie er als Genehmigungsinstanz für geistliche Stiftungen, Testamente und Bruderschaften, Almosensammlungen oder Ablaßkampagnen, Prozessionen, Begräbnisse und Wallfahrten auftrat. Die Selbstverständlichkeit, mit der der Landesherr in das kirchliche Leben eingriff und die Akzeptanz, die er dabei im lokalen Klerus fand, können letztlich sogar als typisch mittelalterlich gelesen werden, als Ausweis für die Verschränkung von Kirche und Welt. Das Verhältnis der beiden Sphären war stets im Fluß, nie völlig im Gleichgewicht, und nun schlug das Pendel einmal mehr zugunsten der weltlichen Gewalt aus. Die landesherrlichen Eingriffe in die Kirche wurden von den Zeitgenossen jedenfalls kaum grundsätzlich in Frage gestellt – sie erschienen ihnen offenbar weit weniger brisant als modernen Historikern. Selbst die Bischöfe lernten, mit dem Kirchenregiment zu leben. Der gescheiterte Versuch Johanns VI. von Meißen, sich von der wettinischen Landesherrschaft zu befreien, zeigte nur die Unumkehrbarkeit der Mediatisierung. Alle anderen Amtsträger in den »Landesbistümern« Meißen und Merseburg akzeptierten den Führungsanspruch Herzog Georgs. So übertrug Johann VII. von Meißen dem Landesherrn die Entscheidung über strittige Patronatsangelegenheiten und über die Zusammenlegung von Pfründen, und gab damit faktisch seine geistlichen Aufsichtsrechte zugunsten des neuen Anspruchs Georgs auf, als »oberster collator« eine Oberlehnsherrschaft über alle Benefi zien im Lande auszuüben. Auch als der Pfarrer von Rochlitz bei Adolf von Merseburg um Beurlaubung nachsuchte, bat der Bischof den Fürsten um Entscheidung, obwohl dieser keinerlei Rechte an der Pfarrei besaß. Der Bischof erscheint hier vollends als untergeordnete Instanz des landesherrlichen Kirchenregiments, selbst in Angelegenheiten wie der geistlichen Versorgung einer Gemeinde. Die geklärte Machtfrage ermöglichte letztlich sogar eine relativ spannungsfreie Kooperation zwischen Landesherrn und ortskirchlicher Hierarchie. Denn Herzog Georg zielte nicht darauf, die Bischöfe als geistliche Aufsichtsinstanz zu verdrängen, sondern wollte sie und mit ihnen die Instrumente der bischöfl ichen Kirchenzucht in das landesherrliche Kirchenregiment einbinden. Eine Charakterisierung des Kirchenregiments Herzog Georgs wäre aber unvollständig, ohne den individuellen Einfluß der Fürstenpersönlichkeit zu berücksichtigten. Die albertinische Kirchenpolitik lebte vom persönlichen Interesse Herzog Georgs an der Reform der Kirche. Die geistliche Bildung und die moderne, verinnerlichte Frömmigkeit des Fürsten beeinflußten die Ausrichtung der landesherrlichen Kirchenreform ebenso, wie die Intensität seines Kirchenregiments durch die Entschlossenheit seiner persönlichen Herrschaftsausübung bestimmt wurde.

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Die Bedeutung des persönlichen Faktors zeigt nicht zuletzt der direkte Vergleich mit Kurfürst Friedrich dem Weisen, der von ähnlichen strukturellen Bedingungen ausgehend ein wesentlich schwächeres Kirchenregiment führte, ja dessen Kirchenpolitik in den Schlüsseljahren der Reformation sich gerade durch den Verzicht auf landesherrliche Einflußnahme auszeichnete. Herzog Georg fand dabei in der Kirchenpolitik auch ein Feld, um im innerwettinischen Prestigestreit zu punkten, etwa, indem er die Wahrung der wettinischen Interessen im Erzstift Magdeburg übernahm. Kirchenreform war ein zentrales Anliegen Herzog Georgs. Eine umfassende Reform erhoffte er sich, wie viele seiner Zeitgenossen, von einem Konzil. Deshalb begrüßte er die Eröffnung des Fünften Lateranums und unterstützte es durch Flugschriften und Prokuratoren, obwohl er nicht einmal geladen war. Auf dem Augsburger Reichstag von 1518 warb er sogar dafür, der päpstlichen Bitte um Türkensteuer zu entsprechen, um im Gegenzug die Kurie auf ein neues Reformkonzil zu verpfl ichten. Doch der Versuch, das Reich als Kommunikationskanal für die eigene Kirchenpolitik zu nutzen, schlug fehl. Georgs Reformkurs war unter den Reichständen nicht mehrheitsfähig, hier ebensowenig wie 1521 in Worms. Für die Kirchenreform im eigenen Land brauchte Georg das Reich jedoch nicht. Auf nahezu allen Ebenen der Kirchenpolitik ist der Reformgedanke präsent. Dabei greift die landesherrliche Politik Anregungen aus der innerkirchlichen Reformdiskussion – Konziliarismus, Frömmigkeitstheologie, christlicher Humanismus – auf, ohne selbst ein umfassendes Reformprogramm zu entwickeln. Denn landesherrliche Kirchenreform ist zuvorderst Reformpraxis, ist der Versuch, die gelehrte Diskussion in konkrete Politik zu übertragen. Damit belegt sie die Attraktivität des spätmittelalterlichen Reformansatzes bis in die Reformationszeit hinein. Inhaltlich fi nden die albertinischen Reformaktivitäten in der Wiederaufrichtung kirchlicher Normen ihren gemeinsamen Nenner. Ob Klosterdisziplin, weltgeistliches Zölibat oder das auf die Laien zielende Verbot der Gotteslästerung, überall strebte der Landesherr im besten mittelalterlichen Verständnis von reformatio nach der Durchsetzung von lange etablierten, aber in der Praxis wenig beachteten Regeln. Quelle dieser Normen war nicht die weltliche Gewalt, sondern die kirchliche Tradition. Ziel der landesherrlichen Reform war also eine Erneuerung im Rahmen des Bestehenden. Wie wenig Herzog Georg hingegen bereit sein wird, Luthers Schritt zur theologischen Systemüberwindung mitzugehen, kündigte sich schon in seiner selektiven Rezeption der 95 Thesen an. In ihren Methoden aber weist die landesherrliche Reformpolitik in die Zukunft: Das Machtpotential des Territorialstaats wird für das Ziel aktiviert, Klerus und Laien zur Befolgung der kirchlichen Normen zu bringen. Paradoxerweise sah sich der Fürst dabei gezwungen, selbst gegen das Kirchenrecht zu

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verstoßen, wo es ihm als weltlichen Fürsten die Einflußnahme untersagte. Entsprechend ihren Zielen äußerte sich die landesherrliche Reform zuvorderst in Aufsicht und Sanktionierung. Hier, in der politischen Umsetzung, drängte Georgs Kirchenpolitik auf Veränderung, rüttelte mit der Forderung nach landesherrlicher Disziplinargewalt über den Niederklerus, Beschränkung der geistlichen Gerichtsbarkeit oder Visitationsrecht über die Klöster an den Grundpfeilern kirchlicher Autonomie. Für solche Strukturveränderungen fand Georg freilich weder beim Papsttum noch bei den Bischöfen Unterstützung. Auch landesherrliche Kirchenreform mußte sich so auf das situative Eingreifen in den konkreten Einzelfall konzentrieren. Der »Weg der Ameisen«, wie ihn Johannes Nider nannte, wurde hier zum Königsweg der Kirchenreform. Von der wettinischen Reformtradition des 15. Jahrhunderts hebt sich Georgs Kirchenpolitik durch eine neue Schwerpunktsetzung ab. Namentlich die Unterstützung der Observanz, wie sie zeitgleich noch Friedrich der Weise mit Energie betrieb, stand nach zahlreichen Erfolgen nicht mehr im Zentrum. An die Spitze der Agenda rückten hingegen die kirchliche Versorgung der Bevölkerung durch den Niederklerus und die Frömmigkeit und Lebensführung der Laien. Gerade die Ausdehnung der Reform auf die Laien ist als modernisierendes Element zu werten. Wo frühere Reformkonzepte am Mönchstum oder am Klerus ansetzten, zeigt sich die Emanzipation der Laien nun auch darin, daß für das patriarchalische Fürstenregiment die gesamte Bevölkerung zum Gegenstand kirchlicher Reform werden konnte. Aus der Verantwortung für die Untertanen leitet der Landesherr als Aufgabe ab, was schon Nikolaus von Kues eingefordert hatte: daß die soziale Ordnung ihr eigentliches Ziel darin fi nden müsse, dem Einzelnen den Weg zum Seelenheil zu eröffnen. Dem gesamtgesellschaftlichen Zugriff frühneuzeitlicher Konfessionalisierung und Sozialdisziplinierung wird hier der Weg bereitet. Aus der Konzentration auf die Laien fokussierte sich das Anliegen der landesherrlichen Kirchenreform auf zwei Aspekte. An erster Stelle stand die Versorgung der Bevölkerung mit Gottesdienst, Sakramenten und Seelsorge, kurz die Funktionsfähigkeit der Kirche als Heilsanstalt. Dem entsprach Herzog Georg durch seinen Einsatz für die Klerusreform und die Förderung der Pfarrpredigt ebenso wie durch seine scharfe Kritik an den Bannstrafen der geistlichen Gerichtsbarkeit (weil Interdikte den Gottesdienst verhinderten), schließlich auch durch die Schonung von Pfarrpfründen bei der Versorgung landesherrlichen Personals. An zweiter Stelle standen Frömmigkeit und Lebensführung der Laien selbst, die der Landesherr durch Förderung und Kontrolle zu steuern suchte, wobei er auch Ansätze der humanistischen und frömmigkeitstheologischen Kritik aufgriff. Dabei kam ein weiterer individueller Zug Georgs zum Tragen, seine außergewöhnliche geistliche Bildung, durch die er sich im Stande sah, selbst in die Sphäre geistlicher Ordnung einzugreifen, etwa wenn er am Bischof vorbei die theologische Überprüfung einer Wallfahrt anordnete.

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Dennoch strebte der Landesherr nach Kooperation mit den Bischöfen. Nicht Verdrängung, sondern Mediatisierung auch im Bereich der Kirchenreform lautete das Motto landesherrlicher Politik. Den Bischöfen eröffnete die Zusammenarbeit einen Ausweg aus ihrer eigenen Machtlosigkeit, an der die Reform andernorts scheiterte. Der Bischof als Agent der Kirchenreform entsprach dem spätmittelalterlichen Reformideal, doch stellt sich die Frage, ob die starke Position des Landesherrn noch damit vereinbar war. Das Tridentinum zumindest sollte dies verneinen und auf die autonome Selbsterneuerung einer vom Papsttum gesteuerten Kirche setzen. In seiner von Laieneliten bestimmten Perspektive und seinem Rückgriff auf die Machtmittel des Territorialstaats steht die landesherrliche Kirchenreform eines Herzog Georgs so für einen dritten Weg zwischen Tridentinum und Reformation. Da der Landesherr keine Strukturreformen durchsetzen konnte, bleibt es schwierig, den Erfolg seiner Reformpolitik abzuschätzen. Sicher erscheint, daß der landesherrliche Einsatz den Reformdruck auf den Klerus intensivierte und der Bevölkerung über den Weg der Supplik ein effi zientes Mittel in die Hand gab, gegen lokale Mißstände in der Seelsorge vorzugehen. Auch zeigt die umfangreiche landesherrliche Überlieferung, daß einmal erkannte Problemfälle in der Regel bis zum Erfolg verfolgt wurden. Grundsätzlich ist aber mit Dieter Stievermann zu betonen, daß für den Entwicklungsstand landesherrlicher Kirchenpolitik beim Auftreten Luthers weniger die Erfolgsbilanz der Reformen entscheidend ist, als die Tatsache, daß die Landesherren die Kirchenreform als Aufgabe der weltlichen Obrigkeit begriffen.1 Auch wenn Georgs Gegnerschaft zu Martin Luther schon häufig im Fokus der Reformationsforschung stand, so erscheint sie doch in einem neuen Licht, wenn sie aus der Perspektive seiner vorreformatorischen Kirchenpolitik betrachtet wird. Die erste Erkenntnis lautet dabei, daß die persönliche Auseinandersetzung zwischen Fürst und Reformator seit 1522/23 letztlich keinerlei Bedeutung für dessen Kirchenpolitik gegen die Reformation besaß. Damit korrespondiert die zweite Einsicht, daß sich Herzog Georg nämlich schon viel früher endgültig gegen Luther entschied, als dieser selbst (und mit ihm die Forschung) wahrgenommen hat: Bereits im Dezember 1519, noch vor dem Abschluß des päpstlichen Ketzerprozesses, brachte Luthers Plädoyer für den Laienkelch Georg zu der Überzeugung, daß der Wittenberger Theologe der hussitischen Häresie verfallen sei. Unmittelbar darauf setzte eine gegen ihn gerichtete Kirchenpolitik ein. Die frühe Festlegung des sonst so reformorientierten Albertiners erklärt sich aus einer Besonderheit seiner Kirchenpolitik, der Auseinandersetzung mit den böhmischen Hussiten. Schon lange vor der Reformation führte Georg den 1

Vgl. Stievermann, Landesherrschaft, 293 f.

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Kampf gegen die häretischen Nachbarn mit allen Mitteln des Kirchenregiments und der Propaganda, getrieben von der konkreten Furcht vor einem Übergreifen der Ketzerei auf das eigene Land. Als Luther in diesen Kontext rückte, war Georgs Haltung gegen ihn entschieden. Wie Georgs Aussagen zeigen, glaubte er fest daran, Luther sei tatsächlich Hussit geworden und die Reformation stelle den Versuch dar, die Lehren des Jan Hus im Reich heimisch zu machen. Diese Meinung teilten im übrigen auch die böhmischen Katholiken, mit denen sich Georg zum gemeinsamen Ketzerkampf verbündete. Georgs Entscheidung gegen Luther ist also weit mehr als persönliche Abneigung und auch nicht allein auf die Prägung durch seine böhmische Mutter zurückzuführen. Sie erscheint vielmehr als politisch motivierte Abwehrmaßnahme, die sich folgerichtig aus der vorreformatorischen Kirchenpolitik ergab. Die vorreformatorische Kirchenpolitik aber bestimmte nicht nur die Perspektive, sie stellte auch die Strategien bereit, mit denen Herzog Georg der neuen Bedrohung entgegentrat. Dabei beschränkte sich die Abwehr nicht allein auf Sanktionen. Sie läßt sich vielmehr als Zusammenspiel von drei Gegenstrategien beschreiben: Sanktionen, Propaganda und Kirchenreform. Mit den Machtmitteln des landesherrlichen Kirchenregiments ging Herzog Georg gegen lutherische Priester, Mönche und Laien vor, energisch bemüht, die neue Lehre in seinem Land zu unterdrücken. Gezielt verpfl ichtete der Fürst die lokalen Amtsträger bis hinab zu den einzelnen Dorfgemeinden auf die Verfolgung der Evangelischen. Dabei spielten Religionsmandate eine zentrale Rolle. Sie defi nierten die religiösen Neuerer über ein Set leicht erkennbarer äußerer Merkmale und gaben den lokalen Amtsträgern so einen Steckbrief an die Hand, der selbst theologisch ungebildeten Laien eine effi ziente Verfolgung möglich (und Ausflüchte schwierig) machte. Die Reichsgesetze in der Luthersache rezipierte Georg hingegen nur dort, wo sie seine Position unterstützten. Auch sein Fernbleiben von den Reichstagen der 1520er Jahre spricht eine deutliche Sprache: Auf der Ebene der Territorien, nicht im Reich, fielen die politischen Richtungsentscheidungen für oder wider die Reformation. Bei der Verfolgung evangelischer Geistlicher setzte Georg zunächst auf die eingespielten Mechanismen vorreformatorischer Klerusreform. Die weltlichen Behörden überwachten und verhafteten, die geistlichen Behörden führten die Prozesse durch. Schon 1523 aber trat der Fürst mit dem Wunsch an den Papst heran, die Disziplinaraufsicht über den Weltklerus als »landesfurst und oberster collator« 2 vollständig in die eigene Hand zu nehmen, um die Durchsetzungsfähigkeit des Kirchenregiments zu erhöhen. Ungeachtet des fehlenden Entgegenkommens der Kurie für diese weitere Entmachtung der Bischöfe ging Herzog Georg in der Folgezeit wiederholt in dieser Weise vor, und zwar gerade im 2 Brief Herzog Georgs an Bischof Johann VII. von Meißen in Rom, Dresden, 4. Januar 1523, ABKG, Bd. 1, 421–425.

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thüringischen Landesteil, der nicht der Jurisdiktion der loyalen Landesbischöfe von Meißen und Merseburg unterstand. Bei den Laien nahm der Landesherr die Verfolgung von vornherein selbst in die Hand. Dabei ist die bisherige Forschung zu korrigieren, wenn sie die landesherrlichen Repressionen in den frühen Jahren im wesentlichen auf den Klerus beschränkt sieht. Nicht nur Haftstrafen, wie sie 1521 zahlreiche Bürger von Döbeln antreten mußten, sprechen hier eine andere Sprache. Bislang ist auch unbeachtet geblieben, daß Georg schon 1523/24 Landesverweise gegen evangelische Untertanen aussprach. Die bereits im Neuen Testament als Strafe für Häretiker belegte Verbannung stellte für die Landesherrschaft eine attraktive Alternative zur Ketzerverbrennung dar, nicht zuletzt weil sie vollständig ihrer Kontrolle unterlag. Die Gemeinden konnten so vom Makel der Häresie (und ihren Multiplikatoren) befreit werden, ohne erst kirchliche Prozesse abwarten zu müssen. Dabei kann der Verzicht auf Feuertode auch als Zeichen politischer Klugheit gewertet werden. Gerade weil Georg die Auseinandersetzung mit der Reformation als Kampf um die Köpfe und Herzen seiner Untertanen führte, mochte er sich hüten, der gegnerischen Propaganda Märtyrergeschichten in die Hände zu spielen. Die erprobte Zusammenarbeit von landesherrlicher Zentrale, lokalen Amtsträgern und geistlichen Instanzen verlieh dem Kirchenregiment gegen die Evangelische Bewegung erhebliche Schlagkraft. Von Amtsträgern, dem romtreuen Klerus und auch altgläubigen Laien über die Lage vor Ort informiert, nutzte der Landesherr seine Machtmittel, um entschlossen durchzugreifen. Der Wille des Fürsten, die kirchliche Ordnung aufrechtzuerhalten, machte selbst vor lokalen Immunitätsrechten nicht halt. So trug der Kampf gegen die Reformation auch dazu bei, die Durchsetzungskraft des Territorialstaats durch die Nivellierung überkommener Einzelrechte weiter zu stärken. Im Ergebnis gelang es Herzog Georg, einen schnellen Sieg der Evangelischen Bewegung selbst in ihren städtischen Hochburgen Leipzig und Annaberg zu verhindern und jeden lokalen Versuch einer Einführung der Reformation zu unterbinden. Zwar fand Luther überall im Lande Anhänger, doch im öffentlichen Raum konnten sie sich zunächst nicht behaupten. Eine hervorstechende Besonderheit der Politik Georgs war das wache Bewußtsein dafür, daß eine erfolgreiche Auseinandersetzung mit Luther nicht allein obrigkeitliche Härte, sondern auch einen Wettstreit der Überzeugungen erforderte. Gerade weil er selbst als Anwalt umfassender Reformen auftrat, konnte Georg die politische Sprengkraft der reformatorischen Botschaft ermessen. Dabei zeigte der theologisch gebildete Fürst großen persönlichen Einsatz, sei es als Autor von Flugschriften, sei es in der direkten Ansprache, wenn er lutherischen Mönchen oder Laien überall im Land ins Gewissen zu reden suchte. Auf bauen konnte Georg dabei auf Erfahrungen, die er bereits vor dem Auftreten Luthers mit dem Einsatz des Buchdrucks für die Kirchenpolitik gesammelt hatte. Im Ergebnis entstanden im altgläubigen albertinischen Sachsen mehr

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antilutherische Schriften als sonst irgendwo im Reich. Flugschriften und Predigten sollten die Untertanen gegen das »Lotterische gyft«3 immunisieren und bei der alten Kirche halten. Zuweilen versuchte Herzog Georg sogar, durch Predigtkampagnen gezielt »Gegenreformation« zu betreiben. Ergänzt wurden diese Maßnahmen durch eine konsequente Zensur und ein rigoroses Vorgehen gegen lutherische Prediger, um die Verbreitung der Ketzerei mit den Massenmedien der Zeit zu verhindern. Wie kein zweiter Fürst im Reich setzte der Wettiner so die Waffen der Reformation gegen diese ein. Die dritte Gegenstrategie bildete die altgläubige Reformpolitik, mit der Georg den Menschen eine Alternative zu Luthers radikalem Systembruch aufzeigen wollte. Auf die Herausforderung der Reformation reagierte der Fürst mit neuem Schwung, aber nicht mit einem neuen Konzept altgläubiger Reform. Der Charakter seiner Reformpolitik war geprägt durch die »reformacion geistlichs und wertlichs standen«,4 also die Integration von Klerus- und Laienreform. Die Intensivierung der Reformbemühungen zeigt sich etwa im Bereich des Niederklerus, wo Georg jetzt zu noch schärferen Sanktionen griff. Auch das Aufsichtsinstrument der bischöfl ichen Visitation wurde nun mit Georgs Unterstützung reaktiviert, ein zukunftsweisendes Moment, hält man sich seine Bedeutung für die kirchliche Erneuerung in beiden Konfessionen vor Augen. Sogar in der bislang reformresistenten dynastischen Interessenpolitik, dem Erwerb kirchlicher Würden für das eigene Haus, ist nun ein Umdenken zu beobachten. Auch sein Vorgehen gegen evangelische Laien verband Georg mit positiven Gegenangeboten, so wenn ein Mandat allen Untertanen versprach, »das das heylig ewangelium und wort Gots dem volcke geprediget sal werden«5 oder wenn nach dem Verbot des Septembertestaments Hieronymus Emser den Auftrag erhielt, eine altgläubig zensierte Fassung der Lutherübersetzung zu veröffentlichen, deren Lektüre Georg seinen Untertanen zu ihrem Seelenheil ausdrücklich empfahl. Die enge Verbindung von Verfolgung und Reform war dabei – zumindest in den Augen Herzog Georgs – weniger Taktik als sachliche Notwendigkeit. Denn zum einen vermutete er in der Unzufriedenheit des gemeinen Mannes über den Klerus ein Hauptmotiv für die Hinwendung zur Reformation, zum anderen sah er einen inneren Zusammenhang zwischen moralischem Verfall bei Klerus und Laien und der Empfänglichkeit für die Lehren Luthers. Mit der Reform hoffte Georg letztlich die Ursachen der Reformation zu bekämpfen.

3 Vgl. Brief Herzog Georgs an den Rat zu Leipzig, Dresden, 12. April 1524, ABKG, Bd. 1, 648–650. 4 Entwurf Herzog Georgs zu einer Antwort der Stände [Augsburg, 5.–27. August 1518], ABKG, Bd. 1, 41–43. 5 Gedrucktes Ausschreiben Herzog Georgs [1524], Loc. 10300/2, Bl. 25b –26 a .

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Aus religiöser Überzeugung setzte er der eigenen Reformpolitik aber klare Grenzen. Die kirchliche Ordnung oder gar die Lehre zu verändern, verstand er als Vorrecht von Papst und Konzil. Das landesherrliche Kirchenregiment war für ihn ein Weg der Reform, nicht aber die Grundlage einer neuen Kirchenverfassung, wie es die Fürsten der Reformation praktizierten. Eine umfassende Erneuerung konnte Georg deshalb nie aus eigener Kraft erreichen, denn er verstand sich, um mit der Sprache der Reformrhetorik zu reden, nur als Pfleger, nicht aber als Arzt am kranken Leib der Kirche. Im Rückblick auf den Ausgangspunkt dieser Studie, auf die Erzähltraditionen der Reformationsgeschichte, eröffnet das Fallbeispiel Herzog Georgs von Sachsen so eine Reihe neuer Perspektiven, die Ergänzungen, wenn nicht gar Korrekturen, nahelegen. Dies betrifft zum einen die Rolle des Territorialstaats in der Reformation. Das Beispiel Georgs bestätigt die zentrale Bedeutung der landesherrlichen Politik für den Erfolg der Reformation – aber von ganz unerwarteter Seite. Nicht nur wird deutlich, daß das landesherrliche Kirchenregiment eben keine Erfi ndung der Reformation, sondern eine Realität des Spätmittelalters war. Das albertinische Beispiel zeigt vor allem, daß es nicht nur für, sondern auch gegen die Reformation erfolgreich eingesetzt werden konnte. Mit der Durchsetzungskraft des landesherrlichen Kirchenregiments gelang es Herzog Georg trotz der unmittelbaren Nähe zu Wittenberg, die revolutionäre Dynamik der frühen Reformation im albertinischen Sachsen zu brechen und die Anhänger Luthers außer Landes oder in den Untergrund zu drängen. Darüber hinaus erscheinen vor dem Hintergrund der albertinischen Kirchenpolitik auch die Motive Friedrichs des Weisen in schärferem Licht. Georgs Mahnungen an seinen Vetter, den kirchlichen Neuerungen mit den Mitteln des Kirchenregiments ein Ende zu bereiten, machen deutlich, daß die frühe Reformation weniger von landesherrlicher Unterstützung, als vielmehr von der Abwesenheit obrigkeitlicher Aufsicht profitierte. Die zeitweilige Aussetzung des landesherrlichen Kirchenregiments war vielleicht der wichtigste Beitrag des weisen Kurfürsten zur Reformation, weil erst dies der Evangelischen Bewegung den Freiraum eröffnete, ihre neue Vision von der Kirche zu entwickeln und zu erproben. Umgekehrt entlastet dies die Reformationsfürsten von dem Vorwurf (oder der staatsverherrlichenden Unterstellung), mit ihrem Einsatz für die neue Lehre in erster Linie die säkularen Interessen territorialstaatlicher Herrschaft verfolgt zu haben. Denn diese Argumentation verkennt, wie weit das Kirchenregiment gerade in den großen Territorien bereits vor dem Auftreten Luthers entwickelt war. Nicht erst Luthers Lehre vom Notbischof eröffnete der weltlichen Herrschaft also den Zugriff auf die Kirche. Eine Betrachtung der Territorien in der Reformation muß zukünftig den jeweiligen Entwicklungsstand des landesherrlichen Kirchenregiments mit in Betracht ziehen, zumal aktive Kirchenpolitik, wie das

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Beispiel Herzog Georgs eindrucksvoll zeigt, keineswegs ein Vorrecht der Reformationsfürsten war. Das voll ausgeprägte Kirchenregiment der Vorreformation, wie es Herzog Georg betrieb, markiert dabei einen Übergang. Den Mediävisten mag das Ausmaß des territorialstaatlichen Einflusses in der Kirche erstaunen, den Frühneuzeithistoriker an die evangelischen Landeskirchen erinnern. Dennoch, der Weg zur Reformation, zur Reform der Lehre, ist kein direkter, er liegt in keiner Weise in der Konsequenz des landesherrlichen Kirchenregiments. Im Sinne der Tiefenschärfe historischer Perspektive sollte deshalb der Versuchung widerstanden werden, aus strukturgeschichtlichen Parallelen ereignisgeschichtliche Zusammenhänge oder gar Kausalitäten zu konstruieren. Verengt man den Blick noch einmal auf die sächsische Geschichte, führt er schließlich zurück auf die eingangs aufgeworfene Frage: Eröffnete die Kirchenpolitik Herzog Georgs eine Alternative zur Reformation? Ohne Zweifel: Der Sprengkraft der innovativen Botschaft Luthers, der neuen Lehre von der Beziehung zwischen Gott und dem Menschen, hatte Georg nichts gleichwertiges entgegenzusetzen. Er wollte eine Reform der Kirche im restaurativen Sinne des Mittelalters und hatte keinerlei Verständnis für Luthers Reform des Glaubens. Innovativ waren weniger seine Ziele als sein Weg: die Durchsetzung der kirchlichen Erneuerung mit den Mitteln des Territorialstaats – hier traf er sich mit der Reformation und unterschied sich von Trient, markierte damit einen dritten Weg. Dieser Weg nach der Formel »Reform statt Reformation« aber besaß durchaus eine Chance auf Zukunft, konnte Alternative sein. Dies zeigt nicht zuletzt der Vergleich mit der ganz ähnlich angelegten Kirchenpolitik der Herzöge von Bayern. Denn nicht nur mit obrigkeitlichem Zwang trat er der Reformation entgegen. Entschlossene Reformpolitik und eine selbstbewußte Propaganda stärkten die Position der Altgläubigen. Mitten in den Sturmjahren der Reformation legten Ereignisse wie die zwar umstrittene, aber auch bestens besuchte Heiligenerhebung Bennos von Meißen Zeugnis davon ab, daß selbst in Sachsen die alte Kirche in allen Bevölkerungsschichten nach wie vor Anhänger fand. An diese Kreise richtete sich Georgs Reformpolitik, ihre Zustimmung sicherte die Existenz des altgläubigen Kirchenwesen im albertinischen Sachsen. Freilich mußte Georg auch erfahren, daß die Kurie die Lage noch längst nicht so kritisch beurteilte und nicht bereit war, den sächsischen Außenposten des alten Glaubens in seinem Ringen um ein Modell altgläubiger Erneuerung wirksam zu unterstützen. Für einige Jahre schien dieser Weg dennoch mit Erfolgen verbunden. Daß die Evangelische Bewegung im albertinischen Sachsen präsent blieb, daß schließlich der dynastische Zufall den kinderreichen Herzog Georg ohne altgläubigen Nachfolger zurückließ, sind historische Tatsachen, aber keineswegs Belege für die Chancenlosigkeit einer politischen Konzeption. Und so sah das Frühjahr 1539 auch nicht das endgültige Scheitern seiner Kirchenpolitik in ei-

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ner protestantischen Revolution von unten, sondern schlicht die Übernahme der Landesherrschaft durch einen evangelischen Fürsten und die folgende Einführung der Reformation von oben. Weiterführend ist letztlich aber weniger eine Diskussion, zu welchem Zeitpunkt Sachsen endgültig für die Reformation gewonnen war, als die Einsicht in die Offenheit der historischen Situation und die Vielfältigkeit ihrer Perspektiven, die sich aus dem Fallbeispiel der Kirchenpolitik Georgs ergibt. Sie läßt entdecken, daß selbst im Mutterland der Reformation alternative Antworten auf die Zukunftsfragen der Zeit formuliert und in der Praxis erprobt wurden. Gegenreformation und katholische Reform setzten eben nicht, wie lineare Geschichtsdarstellungen suggerieren, erst mit mehreren Jahrzehnten Verzögerung und fernab von Wittenberg ein. Nein, bereits unmittelbar nach dem Auftreten Luthers formulierten altgläubige Protagonisten in Sachsen eine zukunftsträchtige Antwort auf die Herausforderungen der Zeit, eine Antwort ganz ähnlich jener, die der alten Kirche in anderen Teilen des Reiches und Europas Erneuerung und Überleben ermöglichte. In dieser Hinsicht war Sachsen nicht nur das Mutterland der Reformation, sondern tatsächlich, wie Otto Vossler einmal formulierte, ein »Geburtsland der Gegenreformation«, wie wir sie heute verstehen. Stand Georgs Programm auch in unüberwindlicher Feindschaft zu Reformation, war es dennoch mehr als ein reaktionärer Versuch, die Zeit zurückzudrehen. Wie die Reformation wurde es getragen von Geistlichen und Laien, die eine umfassende Reform der Kirche anstrebten und auf dem Weg dorthin die öffentliche Auseinandersetzung nicht scheuten. Die Tragik der Kirchenpolitik Georgs ist deshalb, wenn überhaupt, nicht in seiner Distanz zu Luther und wohl nicht einmal in der fehlenden Unterstützung Roms zu suchen, sondern im religiös überhöhten Wahrheitsanspruch beider Seiten, weil er die Spielräume für ein Zusammengehen der Reformkräfte einengte und statt dessen mit innerer Logik zur gegenseitigen Verketzerung führte. Sie ist damit schlicht die Tragik der religiösen Spaltung Europas. Dennoch, aus heutiger Perspektive erscheinen Reformation und katholische Reform als Teil eines religiösen Auf bruchs, der auf getrennten Wegen das gemeinsame Ziel einer besseren Christenheit verfolgte – und dabei einen grundlegenden Wandel der europäischen Gesellschaft bewirkte.

Quellen- und Literaturverzeichnis Alle Archivaliensignaturen, die nicht mit einer Archivsigle gekennzeichnet sind, beziehen sich auf das Sächsische Hauptstaatsarchiv Dresden. Für alte Drucke, die nicht in einer der gängigen Bibliographien (GW, VE 15, VD 16) verzeichnet sind, wird die Bibliotheks- bzw. Archivsignatur des benutzten Exemplars nachgewiesen. Siehe-Vermerke bei Siglen verweisen auf die entsprechenden Einträge im alphabetischen Quellen- und Literaturverzeichnis. Angehörige des Hauses Wettin erscheinen in der gesamten Arbeit ohne den Zusatz »von Sachsen«. Herzog Georgs Söhne, die Herzöge Johann und Friedrich, werden mit dem Zusatz »d.J.« geführt, um sie von Georgs Bruder Herzog Friedrich d.Ä. (Hochmeister des Deutschen Ordens) bzw. vom ernestinischen Herzog und Kurfürsten Johann d.Ä. (dem Beständigen) zu unterscheiden. Die Arbeit folgt den Regeln der deutschen Rechtschreibung nach Maßgabe der staatlichen Rechtschreibkonferenz von 1901.

1. Siglen und Abkürzungen Siglen A. S. V. ABKG ABKG, Ms. Werl Acta Pontificum Danica ADB ARG B. A. V. CDS GW HRG HZ KLK LCI LexMA LThK 3 NASG NDB Pollet

Archivio Segreto Vaticano siehe Gess, Felician siehe Gess/Werl siehe Krarup/Lindbaek siehe Allgemeine Deutsche Biographie Archiv für Reformationsgeschichte Bibliotheca Apostolica Vaticana siehe Ermisch, Hubert; Gersdorf, Ernst Gotthelf; PosernKlett, Karl Friedrich von siehe Gesamtverzeichnis der Wiegendrucke siehe Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte Historische Zeitschrift Katholisches Leben und Kirchenreform im Zeitalter der Glaubensspaltung siehe Lexikon der christlichen Ikonographie siehe Lexikon des Mittelalters siehe Lexikon für Theologie und Kirche Neues Archiv für Sächsische Geschichte siehe Neue Deutsche Biographie siehe Pflug, Julius

626 QFIAB PKMS RGG RQ RST RTA, JR SächsHStA StA SVRG ThürHStA TRE UB UBL VD 16 VE 15 WA WA Br WA Ti ZfG ZHF ZKG ZRGKanAbt

Quellen- und Literaturverzeichnis

Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken siehe Politische Korrespondenz des Herzogs und Kurfürsten Moritz von Sachsen siehe Religion in Geschichte und Gegenwart Römische Quartalschrift für christliche Altertumskunde und Kirchengeschichte Reformationsgeschichtliche Studien und Texte siehe Kluckhorn/Wrede/Kühn Sächsisches Hauptstaatsarchiv Staatsarchiv Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte Thüringisches Hauptstaatsarchiv siehe Theologische Realenzyklopädie Universitätsbibliothek Universitätsbibliothek Leipzig siehe Verzeichnis der im deutschen Sprachbereich erschienenen Drucke [. . .] siehe Eisermann, Falk siehe Luther, Martin siehe Luther, Martin siehe Luther, Martin Zeitschrift für Geschichtswissenschaft Zeitschrift für Historische Forschung Zeitschrift für Kirchengeschichte Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Kanonistische Abteilung

Abkürzungen Abb. Anm. Art. Aufl. Bacc. theol. Bd./Bde. Bearb./bearb. Bl. B. M. V. Cod. Cop. d. d.Ä. d.J. dies./ders. Diöz. Dr. Dr. decr.

Abbildung Anmerkung Artikel Aufl age Baccalaureus theologiae (Bakkalaureus der Theologie) Band/Bände Bearbeiter/bearbeitet Blatt Beatae Mariae Virginis Kodex Kopial Denarii (Pfennige) der Ältere der Jüngere dieselbe/derselbe Diözese Doktor Doctor decretorum (Doktor des Kirchenrechts)

Quellen- und Literaturverzeichnis

Dr. theol. Dr. utr. iur. duc. ebd. e.f.g. e.l. et al. f./ff. Fasz. fl. gr. Habil.-Schr. Hbd./Hbde. hg./Hg./Hgg. hl. Hs. Jes Kap. lb. Lic. in decr. Loc. m.g.h. M. A. Mag. theol. Ms. Mt ND N. F. N. N. Nr./No. OFM o.J. o.O. OESA OP OT p.a. Phil. Diss. Phil Prof. theol. reg. Rh. fl. s.f.g. sog. Sp. SS Tit u. a.

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Doctor theologiae (Doktor der Theologie) Doctor utriusque iuris (Doktor beider Rechte) Dukaten ebenda Euer fürstliche Gnaden Euer Lieb et alii und die (das) folgende(n) Faszikel Gulden Groschen Habilitationsschrift Halbband/Halbbände herausgegeben/Herausgeber heilige, heiliger Handschrift Jesaja Kapitel Pfund Licenciatus in decretis (Lizentiat des Kanonischen Rechts) Lokat mein gnädiger Herr Magister artium (Magister der Künste) Magister theologiae (Magister der Theologie) Manuskript Matthäus-Evangelium Neudruck Neue Folge Nomen nescio [Name unbekannt] Nummer Ordinis Fratrum Minorum ohne Jahr ohne Ort Ordinis Fratrum Eremitarum S. Augustini Ordinis Praedicatorum Ordinis Theutonicorum per annum Philosophiae Dissertatio (Philosophische Dissertation) Brief des Paulus an die Philipper Professor theologiae (Professor der Theologie) regierte Rheinische Gulden Seine Fürstliche Gnaden sogenannt Spalte(n) Sommersemester Brief des Paulus an Titus und andere

628 U. L. F. unpag. Verf. vgl. WS

Quellen- und Literaturverzeichnis

Unser lieben Frauen unpaginiert Verfasser vergleiche Wintersemester

2. Ungedruckte Quellen Archivio Segreto Vaticano Archivio Concistoriale, Acta Vicecancellarii, Bde. 1–2 Archivum Arcis, Arm. I–XVIII, No. 745 Arm. XLIV, Bd. 5 Br. Min., Bd. 3, Nr. 118 Cam. Ap., Div. Cam., Bd. 57 Indices, No. 337–344, 346–363, 368 Penitenzieria Apostolica, Reg. Matrim. et Div. 67 [1521/22] Reg. Lat. 939, 980, 1023, 1043, 1101, 1138, 1151, 1199, 1204, 1206A Reg. Vat. 1204 Segretaria di Stato, Principi, Bde. 2, 6

Bibliotheca Apostolica Vaticana Cod. Vat. lat. 6199, 8075

Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden Findbuch Kopiale, bearb. von Horst Schlechte, 1951, Ms. 10001, Ältere Urkunden, O. U., Nr. 8578, 8996, 9052, 9053, 9055, 9061–9066, 9145, 9360, 9406c, 9425, 9875, 9920, 10200, 10219; O. U., DpO (Depositum des Rates zu Oschatz), Nr. 89–91, 104, 105; O. U., Dep. Mittweida (Depositum des Rates zu Mittweida), Nr. 42. 10003, Diplomatarien und Abschriften, A 55. 10004, Kopiale, Cop. 105–126, 1293. 10024, Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 4381/12, 4485/11, 4511/6, 4516/1, 7282/28, 7282/29, 7283/5, 7283/6, 7418/4, 7437/6, 7440/7, 7440/8, 7440/11, 7444/6, 7447/3, 8185/8, 8200/9, 8233/1, 8378/2, 8497/6, 8498/1, 8678/20, 8918/23, 8920/11, 8937/9, 8941/28, 8941/29, 8941/30, 8949/2, 8952/4, 8954/9, 8954/10, 8954/22, 8961/16, 8961/25, 8982/5, 8983/11, 8985/4, 8985/5, 8985/6, 8985/23, 8985/24, 8985/26, 8987/3, 8987/35, 8987/37, 8987/38, 8987/41, 8994/8, 8994/9, 8994/11, 9014/5, 9024/13, 9026/2, 9026/3, 9033/2, 9135/10, 9349/13, 9481/3, 9703/10, 9703/12, 9703/14, 9718/1, 9827/22, 9827/27, 9837/18, 9837/20, 9853/5, 9889/16, 9933/11, 10041/9, 10041/10, 10297/10, 10297/13, 10297/15, 10299/7, 10300/1, 10300/2, 10300/3, 10300/4, 10335/29, 10336/2, 10337/39, 10508/4, 10511/2, 10520/15, 10534/9, 14950, Konzepte [. . .], 1474–1525, 14954 Mandatensammlung, 1434–1540.

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Archiv des Hochstifts Meißen C 2801a C 2803

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Zeeden, Ernst Walter: Grundlagen und Wege der Konfessionsbildung in Deutschland im Zeitalter der Glaubenskämpfe, in: ders., Konfessionsbildung, 67–112, zuerst erschienen in: HZ 185 (1958), 249–299. [zit. Zeeden, Grundlagen] Ziegler, Walter: Territorium und Reformation. Überlegungen zur Entscheidung der deutschen Länder für oder gegen Luther, in: Walter Brandmüller/Herbert Immenkötter/Erwin Iserloh (Hgg.), Ecclesia militans. Studien zur Konzilien- und Reformationsgeschichte. Remigius Bäumer zum 70. Geburtstag gewidmet, Paderborn 1988, Bd. 2, 161–177. [zit. Ziegler, Territorium und Reformation I] Ziegler, Walter: Nieder- und Oberösterreich, in: Schindling/Ziegler, Bd. 1, 118–134. [zit. Ziegler, Nieder- und Oberösterreich] Ziegler, Walter: Altgläubige Territorien im Konfessionalisierungsprozeß, in: Schindling/Ziegler, Bd. 7, 67–90. [zit. Ziegler, Altgläubige Territorien] Ziegler, Walter: Territorium und Reformation. Überlegungen und Fragen, in: Historisches Jahrbuch 110 (1990), 52–75. [zit. Ziegler, Territorium und Reformation II] Ziegler, Walter: Kritisches zur Konfessionalisierungsthese, in: Peer Fries/Rolf Kießling (Hgg.), Konfessionalisierung und Region (Forum Suevicum; 3), Konstanz 1999, 41–53. [zit. Ziegler, Konfessionalisierungsthese] Zieschang, Rudolf: Die Anfänge des landesherrlichen Kirchenregiments in Sachsen am Ausgang des Mittelalters, in: Beiträge zur sächsischen Kirchengeschichte 23 (1909), 1–156. Zimmermann, Wolfgang: Rekatholisierung, Konfessionalisierung und Ratsregiment. Der Prozeß des politischen Wandels in der österreichischen Stadt Konstanz 1548– 1637 (Konstanzer Geschichts- und Rechtsquellen; 34), Sigmaringen 1994. Zwahr, Hartmut/Topfstedt, Thomas/Bentele, Günter (Hgg.): Leipzigs Messen 1497–1997. Gestaltwandel, Umbrüche, Neubeginn (Geschichte und Politik in Sachsen; 9), 2 Bde., Köln/Weimar/Wien 1999.

Register der Orts- und Personennamen Das Register erfaßt Orte, Personen und Institutionen, die im Haupttext und im Fließtext der Anmerkungen genannt werden. Wenn Begriffe auf einer Seite nur im Fließtext der Anmerkungen vorkommen, wurde die Seitenzahl mit (*) gekennzeichnet. Nicht aufgenommen wurden die Ortsbetreffe Herzogtum Sachsen und das Reich, die Personen und Institutionen Georg von Sachsen, Papst und Kurie sowie die Familienbezeichnungen Wettiner und Albertiner, ferner als Synonyme verwendete Ortsnamen (z. B. Rom, Dresden). Päpste, Erzbischöfe und Bischöfe sowie Kaiser, Könige und Fürsten sind unter ihrem (Vor-)Namen zu fi nden, desgleichen Heilige. Alle anderen Personen wurden unter ihren Familiennamen oder unter ihrer Amtsbezeichnung eingeordnet. Originalschreibweisen und historische Ortsnamen sind durch kursive Type gekennzeichnet. Als Abkürzungen werden zusätzlich verwendet: Kard. (Kardinal), Ebf. (Erzbischof ), Bf. (Bischof ), Dh. (Domherr), Pf. (Pfarrer), Ks. (Kaiser), Kg. (König), Kf. (Kurfürst), Hzg. (Herzog), Lgf. (Landgraf ), Mgf. (Markgraf ), Bgf. (Burggraf ), Gf. (Graf ), Amtm. (Amtmann), albert. (albertinisch), ernest. (ernestinisch), wett. (wettinisch), altgl. (altgläubig), ev. (evangelisch), Hist. (Historiker/-in). Adolf von Anhalt, Bf. von Merseburg (1514–1526) 96, 188, 210, 213, 241, 284, 307 f., 364*, 378, 389, 450, 452, 457, 467, 468*, 469, 504, 507, 515 f., 518–520, 535 f., 544 f., 547, 548*, 582–585, 587, 589 f., 591 f., 598, 615 Agricola, Johann 509 Aleander, Girolamo, päpstl. Nuntius 167, 176, 179, 470 f., 558, 562 f., 566, 581 f., 602 Albert III. (Albert von Leisnig), Bf. von Meißen 320 Albrecht von Brandenburg, Ebf. von Magdeburg und Mainz, Administrator von Halberstadt, Kard. (1513/14–1545) 52*, 80, 84, 105, 128, 145, 153, 160, 178, 192, 212*, 242, 247, 283, 308, 312, 346, 355 f., 372, 375, 377, 381*, 434, 436 f., 450, 497, 517 f., 524, 552, 576, 597–599 Albrecht von Brandenburg(-Ansbach), Hochmeister des Dt. Ordens 187 f., 496 Albrecht von Sachsen, Administrator von Mainz 79, 180, 186 Albrecht (der Beherzte), Hzg. von Sachsen 67, 73, 75, 84*, 89, 104, 115, 117, 123, 156, 180–182, 188, 215, 220 f., 222*, 256 f., 260, 266*, 267, 269*, 271, 278 f., 313, 334, 379, 380*, 390, 396, 408

Albrecht III., Hzg. von Bayern-München 49*, 73 Albrecht IV., Hzg. von Bayern-München 82, 328* Albrecht V., Hzg. von Österreich 53, 164 Albrecht Achilles, Kf. von Brandenburg 51–53, 61, 82*, 165, 433 Alexander III., Papst 63, 267 Alexander VI., Papst 114*, 119, 123*, 135, 173, 257, 461 Allstedt, Stadt 108, 499, 532, 585 f. Alnpeck, Georg, Vorsteher des Brückenamtes Dresden 156* Altzelle, Zisterzienserkloster 214*, 251, 290, 301, 433, 434*, 437, 564, 593* – Abt Martin 118*, 368* – Abt Paul siehe Bachmann Altenberg, Bergstadt 378, 383, 476 f., 507 – Pfarrkirche St. Nikolai 155, 349, 378, 383 Altenburg, Stadt 434* – Kollegiatkapitel; Prediger 271, 551 – Weihbischof (Offi zial?) 248 Altenburger Land, Landschaft 266 Altendresden, Dreikönigskirche 349 – Augustinereremitenkloster 256, 464, 525 Alveldt, Augustin von, OFM, altgl. Flugschriftenautor 564, 566 f., 569, 575

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Register der Orts- und Personennamen

Ambrosius, Hl. 370* Andalusien 89 Andreas, Hl. 86*, 548* Andrzej Krzycki, Bf. von Przemysl 576 Anna, Hl. 86, 357*, 360, 369, 371, 408 Anna (von Mecklenburg), Lgf.in von Hessen 52*, 108, 497 f. (St.) Annaberg, Bergstadt und Bürgerschaft 125–129, 142–149, 151, 154*, 155, 164, 171, 186, 235, 242, 282, 298, 356–372, 377 f., 404, 434*, 460 f., 476, 494, 530 f., 620 – Amt 106 siehe auch Schreibersdorf – Rat 143, 145*, 151, 269, 291, 293*, 350, 360, 365 f., 402, 416, 531, 551 – Bergmeister und Knappschaft 291 – Stadtkirche St. Anna 43, 87, 95*, 143, 152, 293*, 349, 359–363, 366–372, 417, 437, 461 – Pfarrei, Pf. und Pfarrvikare 106, 238*, 242, 293, 303, 323, 365 f., 371, 461 siehe auch Messerschmidt; Pfennig – Prediger 282*, 283, 293, 350, 366, 370, 550 f. siehe auch Ering – Altarbenefi zien 268 f., 291, 350 – Annenbruderschaft 360, 362 f. – Heiltum und Jubelablaß 86, 125–129, 133, 138, 141–149, 151, 165, 187, 220, 362, 363*, 371 f., 373*, 375, 377, 380, 383, 416, 450 – Bergkirche 360 – Franziskanerkloster 95*, 147*, 156*, 252, 257, 293*, 359 f., 363, 418* – Dreifaltigkeitshospital und Friedhof 359 f., 366 Antwerpen, Stadt 348 Appenrode, Propstei 269* Appingedam (Tham), Stadt in Friesland 409, 419, 435 f. Arcimboldi, Johannes, päpstl. Ablaßkommissar 373*, 375 Arnoldi, Pfarrer zu Cölln a.d. Elbe (Synonym Hzg. Georgs) 554, 561 Augsburg, Stadt 146, 367, 555*, 565 – Reichstag (1500) 173 – Reichstag (1510) 174*, 218 – Reichstag (1518) 147*, 162, 174–179, 245, 271, 282, 367, 387*, 451*, 597, 602, 616 – geplanter Reichstag (1525) 491, 602* – Reichstag (1530) 99, 172*, 387*, 491, 524*, 602*, 611* – Karmeliterkirche St. Anna, Fuggerkapelle 367

August, Kf. von Sachsen 16, 516 Augustinus, Hl. 354*, 370* Aurich, Frank, Hist. 538 Bach, Johann Sebastian 18 Bachmann, Paul, Abt zu Altzelle 522*, 564, 566, 569, 575, 593* Backofen, Christoph, Pf. zu Oederan 304 f. Backofen, Johann, Pf. zu Oederan 305 Bamberg, Bistum 126 – Bf.e und Domkapitel 51, 551 – Stift St. Stefan 126 Barbara (von Sandomierz), Hzg.in von Sachsen († 1537, Gemahlin Hzg. Georgs) 78, 86*, 115, 158, 218, 252*, 274, 280, 360, 370, 402, 410–414, 418, 435–437 Basel, Stadt 348, 439*, 574 – Bf.e siehe Christoph, Bf. – Konzil von 37, 48, 52, 68, 158, 173, 313*, 439, 594 Bast, Robert, Hist. 91* Bautzen, Kollegiatstift 129 – Kanonikate und Dignitäten 140, 215*, 288* – Offi zial der Propstei 197, 213, 288 f. – Geistlichkeit 314 – Gürtlergesellen 402 Bayern, Herzogtum und Hzg.e 8, 13*, 14*, 20, 23, 29, 48*, 50, 52–56, 58–61, 64, 66, 93, 164, 166, 170, 174, 190, 260, 286, 287*, 288, 296*, 298, 320*, 321, 327, 334, 337–339, 388*, 473*, 489, 533, 606–608, 612, 623 – siehe auch Albrecht III., Hzg. – siehe auch Albrecht IV., Hzg. – siehe auch Georg, Hzg. – siehe auch Ludwig, Hzg. Becker, Hans, Hist. 556* Beichlingen, Gf.en von 122 – Adam, Gf. 395* Beichlingen, Hermann von, wett. Prokurator 122 Bendorff, Georg von, Amtm. zu Delitzsch 107, 229, 282 f. Benno von Meißen, Bf. und Hl. 23*, 43, 82, 86, 101 f., 118 f., 123, 125–129, 131 f., 142, 151 f., 155, 161*, 163*, 166, 168, 171*, 172, 185, 208 f., 220, 224, 279*, 296, 348, 349*, 354, 361, 371 f., 377, 404, 410, 413–415, 417 f., 437 f., 454*, 477, 505, 517, 539, 560, 563, 580, 609, 623 Berger, Gertrud 115*

Register der Orts- und Personennamen Berlepsch, Sittich (d.Ä.) von, hessischer Erbkämmerer und Hofmeister 107 Berlepsch, Sittich (d.J.) von, albert. Amtm. und Rat 95*, 102, 107 f., 237, 238*, 249, 498, 501*, 508, 534 f. Berlin, Stadt 59, 258 Bernstein, Peter von 116* Berthold von Henneberg, Ebf. von Mainz 181 Betzschitz (auch: Peschwitz), Christoph von, Lic. utr. iur., Generaloffi zial zu Stolpen (1509–1520) 200 f., 239, 250 Dr. Wilhelm von, Generaloffi zial zu Stolpen (1501–1507?) 285 f. Beuditz (Beutitz), Nonnenkloster; Propst 254*, 434* Bibra, Stift 244* Bischofswerda, Stadt 196, 198, 219 Bismarck, Otto von 27 Blasbalg, Jakob, albert. Landrentmeister 350 Blaschke, Karlheinz, Hist. 3, 13, 18, 29*, 33*, 36, 103 Blanckmeister, Franz, Hist. 18, 476 Blick, Simon, Abt zu Pegau 522*, 564 Blum, Michel, Drucker zu Leipzig 586* Bodenschatz, Andreas, ev. Prediger zu Leipzig 101, 282*, 540, 546 f., 550 Böhmen, Königreich 125, 143, 155, 169, 214, 215*, 316, 360*, 370 f., 454, 457, 460–463, 477*, 478 f., 508, 510, 560, 568, 618 – Kg.e 67, 71*, 200, 214, 218, 285, 462 – siehe auch Georg von Podiebrad, Kg. – siehe auch Ludwig II., Kg. – siehe auch Wladislaw II., Kg. - verbliebene Katholiken 460, 463, 568 f., 619 Bolmulrius [?], Anna 115* Bogislaw X., Hzg. von Pommern 193 Bologna, Universität 79 Bonifaz VIII., Papst 229 Bonifaz IX., Papst 67 Bonaventura, OFM, Hl. 411 Boockmann, Hartmut, Hist. 7*, 13, 286* Bora, Hans von 243 Bora, Katherina von 484, 523 Borgia, Giovanni, Kard. 126, 132 Brabant, Dynastie siehe Hessen Brachtbeck, Paul, Lic. iur. 119* Brady, Thomas A., Hist. 6* Brandenburg, Bistum und Bf.e 51, 53 f., 192*

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– Dom 469* – Kurfürstentum und Kf.en 8, 20, 29, 49*, 50, 51, 54*, 56, 58*, 59, 73, 91*, 113*, 152, 170 f., 187, 192*, 337 f., 382 – siehe auch Albrecht Achilles, Kf. – siehe auch Friedrich II., Kf. – kurfürstlicher Hof 80 Brandenburg-Ansbach, Mgf.en von 341 – siehe auch Casimir, Mgf. Brandis, Markus, Drucker zu Leipzig 408 Braunschweig, Hzg.e von 408 Brecht, Martin, Hist. 378*, 468 Brehna, Augustinerchorfrauenstift 251* Breitenau, Dorf (wüst) 329 Breitenbach, Dr. Georg von, Ordinarius der Juristenfakultät zu Leipzig 101, 494*, 520*, 546, 551, 591 – Dr. Johannes von, Ordinarius der Juristenfakultät zu Leipzig 101, 379*, 417 Breslau, Bistum und Bf.e 191, 316, 436, 517, 525*, 572 – Stift St. Egidien 129 Brixen, Stadt 119 – Bistum 136 f. – Bf.e siehe Melchior von Meckau Brück, Dr. Gregor, ernest. Kanzler 468*, 487, 493*, 611* Brügge, Stadt 188 Brühl, Heinrich Gf. von, sächs. Premierminister 96 Brunner, Otto, Hist. 31, 32*, 253* Buchholz, Bergstadt 371, 476 f., 494, 531 Buchner, Erhardt, Dh. zu Wurzen 323 Bünau (zu Schkölen), Dr. Günther von, albert. Prokurator 119, 122, 125, 130*, 132, 134 f., 142 f., 148, 150, 152*, 216, 220–222, 231, 235* – (zu Schkölen?), Heinrich von 231* – (zu Elsterberg), Dr. Günther von, OT, Bf. von Samland, albert. Prokurator 122*, 127, 134 f., 142, 149, 150*, 152, 183–186, 187*, 381* Bünz, Enno, Hist. 255*, 521 Burkhardt, Carl August Hugo, Hist. 385*387*, 391* Bursfelde, Benediktinerkloster 260 Busch (Pusch), Familie aus Großenhain 138 – siehe auch Pusch, Georg – Gregor, Geistlicher 138* – Matthes, Bergvogt zu Buchholz 138* Butte, Heinrich, Hist. 16, 79

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Register der Orts- und Personennamen

Calixt III., Papst 374 Cambridge, Universität 573* Camburg (a.d. Saale), Amt; Priesterschaft 318 Cammin siehe Kammin Cajetan siehe Vio, Thomas de Capistrano (Capestrano), Johannes, OFM 66, 389, 397 Capua, Erzbistum 128 Carafa, Gian Pietro, Kard. 9 Carlowitz, Geschlecht 114 – Christoph von, albert. Rat 573 – Georg von, albert. Rat 96, 115* Casimir, Mgf. von BrandenburgAnsbach 325 Cellarius, Johann, Hebraist an der Universität Leipzig 584 Chemnitz, Stadt, Bürgerschaft und Rat 126 f., 299, 311, 434*, 524*, 532, 542 – Benediktinerkloster 126 f., 157*, 333*, 434*, 437 – Abt Heinrich 368, 437 – Archidiakonat 333*, 368 – Pfarrei St. Jacob, Pf. 157*, 299, 311 – Franziskanerkloster 256 Christine (von Sachsen), Lgf.in von Hessen (1505–1549, Tochter Hzg. Georgs) 498 Christoph von Utenheim, Bf. von Basel 439* Chrosner, Alexius, albert. Hofprediger 552 Claus, Helmut, Hist. 555*, 556 Clemens VII., Papst 114*, 118, 157, 166*, 172, 207, 581, 606 siehe auch Medici, Giulio de Cleve, Hzg.e von 52 Cochlaeus, Johannes 10, 87, 97, 101, 279*, 280 f., 557 f., 561–563, 564*, 566, 570, 573*, 575, 581, 606 Cölln (a. d. Elbe), Dorf bei Meißen 554, 561 Cölln (a. d. Spree), Stadt 59 Colditz, Stadt 518 Collm (bei Oschatz), Pfarrei und Pf. 303, 306 Contarini, Gasparo, Kard. 9, 208 Cottbus, Geistlichkeit zu 314 Cramer, G. L., Archivar 42 Cranach d.Ä., Lucas 86, 88, 577* Croke (Crocus), Richard, Gräzist 573* Cronberg, Hartmut von 99*, 447, 471, 495, 523 Cyprian, Hl., Kirchenlehrer 83

Danzig, Pfarrei 131 Daucher, Adolf, Bildhauer 87 Dehn, Caspar, Kaplan des Bf.s von Merseburg 284 Delitzsch, Stadt und Rat 229 f., 242, 282 f., 355 f., 399, 584, 587 – Amt 107, 191, 377 – Pfarrkirche und Pf. 229, 283, 355 f. – Altarbenefi zien am Hospital 276, 282 f., 328 – Bergerin, N. N., Wöchnerin zu Delitzsch 394*, 530 Deutsche Demokratische Republik (DDR) 40, 76, 499 Deutscher Orden 363, 374, 435, 497 – Hochmeister siehe Albrecht; Friedrich – (General-)Prokuratoren an der Kurie 122*, 129, 152* – Landkomtur der Ballei Thüringen 312*, 324 f. – Komtureien 435* siehe auch Griefstedt, Nägelstedt, Welsbach, Zschillen, Zwätzen Dickens, Arthur Geoffrey, Hist. 4* Dieskau, Hans von 107 Diestelkamp, Adolf, Hist. 246* Diether von Isenburg, Ebf. von Mainz 406* Dietrich III. (Dietrich von Schönberg), Bf. von Meißen 73, 262 Dietrich IV., Bf. von Naumburg (1480–1492) 73 Ditmar, Johannes, Kuriale 122 Dixon, Scott, Hist. 17, 23 Dobeneck, Hiob von, OT, Propst zu Zschillen 187, 243 f., 308 Dobrilugk, Zisterzienserkloster 251*, 260 Döbeln, Stadt und Bürgerschaft 93*, 229, 238*, 289 f., 434*, 510, 527–529, 536 f., 620 – Rat 289, 527 f. – Schulmeister 289 – Geistlichkeit 529 – Benediktinerinnenkloster; Propst 289 f., 434* Döring, Matthias, OFM 72* Dohna, Pfarrei und Hospital 266 f., 274, 330 – Kirchväter 274 – Kapelle an der Pfarrkirche, Benefi zium 329 Donath, Matthias, Hist. 223

Register der Orts- und Personennamen Dornau, Urban, albert. Kaplan, Pf. zu Radeberg und Dresden 274*, 276*, 279 Dornburg, Pfarrei, Pf. und Pfarrgemeinde 104, 308, 518 – Amt und Amtm. siehe Molau; Pflug Drachsdorf, Veit von, Amtm. zu Quedlinburg 106 Drembeck, Andreas, Wollhändler zu Leipzig 544–547 Dresden, Stadt und Bürgerschaft 15, 23, 69, 83*, 100, 123, 198 f., 236, 265, 279 f., 316, 398, 451, 467, 469, 475–477, 530*, 532, 540, 556, 567, 580, 587*, 611, 613 siehe auch Altendresden – herzoglicher Hof 39, 87, 89, 219, 563, 565, 575 – herzoglicher Hofrat bzw. Statthalter 41, 44, 92–98, 106, 108–110, 271, 289, 320, 533, 587, 611 – Hof kapläne und -prediger siehe Chrosner; Cochlaeus; Emser; Ering; Georg; Gulden – herzogliches Schloß (Georgenbau) 43, 83, 88, 367, 269, 417 – Schloßkapelle 236*, 247*, 451*, 570 siehe auch Wulffer – Amt 106 – Gerichtsdiener Lorenz 540 – Pf. und Pfarrkirche zum Hl. Kreuz 128, 156*, 274*, 281, 287, 349 – Altarbenefi zien an der Kreuzkirche 279–281 – Erzpriester 243* siehe auch Walther – Jakobshospital 253, 349 – Franziskanerkloster 256 – Drucker (Emserpresse) 497, 556, 562 f., 568 f., 571, 575, 607 – Marktplatz 540 – Zunft der Gürtler 402 – Einwohner der Seegasse 540 Düben, Stadt 587* Düren, Stadt am Niederrhein 524* Dürkop, Dr. Eggert, Bf. von Schleswig, Auditor an der Rota 134, 380 Dungersheim, Dr. Hieronymus, Prof. theol. an der Universität Leipzig 101, 410, 412, 418, 458, 461, 519, 544*, 552 f., 564, 566, 573* Eberhard I. (im Barte), Hzg. von Württemberg 53*, 82* Eberlein, David, Altarist zu Geyer 288*, 320

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Ebersbach, Pf. und Kirchväter 376 Ebersdorf (bei Chemnitz), Stiftskirche 299* Eck, Dr. Johannes 10, 78, 166 f., 216, 315*, 448, 451, 453–455, 459, 543, 555, 556*, 566*, 607 Eckartsberga, Stadt 434* Edersleben, Pfarrei 512 Edwards Jr., Mark. U., Hist. 23, 555 f., 561, 563, 580 Edzard, Gf. von Ostfriesland 408 Eggert, Bf. von Schleswig siehe Dürkop Egranus, Johann Sylvius, Prediger zu Zwickau 556* Eichsfeld (Amtsbezirk des Erzstifts Mainz) 79, 180 Eichstätt, Bf.e von 217* Eilenburg, Stadt 475, 482, 494, 501, 507, 585 f. Einsiedel, Haugold von, Kandidat für ein Kanonikat zu Meißen 218 Eisenberg, Nonnenkloster 251* – Pflege (Amt); Priesterschaft 319 Eisleben, Stadt 599 – Augustinereremitenkloster; ev. Mönche 508, 517*, 524 Elbogen, Stadt und Herrschaft in Böhmen 497, 568 Elisabeth (von Hessen, genannt von Rochlitz), Hzg.in von Sachsen 83*, 90, 115, 497, 611 Eltz, Georg von, Generalprokurator des Dt. Ordens 152* Elsterwerda, Stadt und Adelssitz 201 – Pf. 201, 310* Emser, Hieronymus 16, 87, 97 f., 101, 127, 166, 209, 279–281, 348, 409, 412–414, 418, 423, 439, 451, 454*, 455, 460*, 461, 463, 497, 518, 520, 526, 537, 543, 556*, 557, 562 f., 566–570, 571*, 573*, 575– 578, 584, 589*, 600, 621 Enckenvoirt, Wilhelm von, Kard. 100, 118*, 129, 141, 150* England, Königreich 169 – siehe auch Heinrich VIII., Kg. – Herold des Kg.s 572 Erasmus (von Rotterdam) 10, 38 f., 82, 85, 87, 98*, 347 f., 357, 410, 412, 438, 557, 559, 565, 571, 573–576, 594, 601 Erasmus von Manteuffel, Bf. von Kammin 413* Erfurt, Stadt und Bürgerschaft 5, 260, 349*, 406*, 587*, 588

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Register der Orts- und Personennamen

– erzbischöfl icher Hof; Provisor 79, 180 – erzbischöfl icher Hof; Siegler (Offi zial) 212, 231, 244, 249, 306, 308, 351, 434, 514 – Rat 100* – Stift St. Marien; Dekan 100*, 124, 230* – Stift St. Severi; Dekan 122, 158*, 271* – Schottenkloster; Abt 235* – Universität 100*, 355, 468 Ering, Christoph, Hof kaplan Hzg. Georgs 282 f., 550 Ermland, Dekanat zu 131 Ernst von Bayern, Kandidat für das Erzbistum Magdeburg 188 Ernst von Sachsen, Ebf. von Magdeburg, Administrator von Halberstadt (1476– 1513) 84, 102, 152, 157, 180–188, 210, 234, 360*, 418* Ernst, Kf. von Sachsen 67, 73, 75, 84*, 115, 117, 215, 220 f., 256, 260, 267, 288*, 334, 390, 396, 408 Erolt, genannt Königsberger, Dr. Johann, albert. Kanzler 96, 316* Erzgebirge 460, 486, 508 Euba, Pfarrei und Pf. 308 Eugen IV., Papst 68 Fabricius, Georg, Hist. 79 Feine, Hans Heinrich, Hist. 62 Felix V., (Gegen-)Papst 68 f., 313 Ferber, Johann, Geistlicher 272* Ferdinand, Erzhzg. von Österreich 172, 495, 510 Ferratinus, Bartholomeus, Leiter der Fabrik des Petersdomes 147* Fischer, Andreas, Bacc., Geistlicher zu Leipzig 275 Flathe, Theodor, Hist. 18 Flöha, Pfarrei und Pf. 308 Förster, Johann, Altarist zu Radeberg 292*, 293 Franken, Landschaft 50, 312, 325, 328*, 339*, 341, 407 Frankenhausen, Stadt 499, 526 Frankfurt a. d. Oder, Universität 56 Frankfurt a. Main, Reichsstadt; Messe 575, 587*, 588 – Liebfrauenstift; Dekan 281, 581 Frankreich, Königreich 10, 113, 159, 169, 255, 312, 372, 471, 495*, 593 – Kg.e 169*, 172, 240 Franziskanerorden 101, 259

– Provinzialminister der sächsischen Provinz 255, 258 – Reformpartei der Martinianer 256 f. Franziskus, Hl. 347* Frauenhain, Dorf 321 Frauenprießnitz, Nonnenkloster; Propst 514, 517 Fraustadt, Albert, Hist. 158* Freiberg, Bergstadt 132, 155, 373*, 379, 416 f., 433, 531* – Kollegiatstift U. L. F. und Dom St. Marien 132, 266 f., 274, 288, 370*, 379, 435* – Kanonikate und Dignitäten 126, 132, 278, 316 – Jakobikirche, Altar Corporis Christi 290 – Dominikanerkloster 256 – Franziskanerkloster 256 – Magdalenerinnenkloster, Prediger 282*, 550 Freising, Bistum und Bf.e 53, 60, 137* – siehe auch Philipp, Bf. – Domherren 137* – Diözesanklerus 328* Freyburg/Unstrut, Stadt und Rat 191, 300*, 399, 434* – Amt 107, 191, 599 – Pf. 300*, 399 f. – Schloß Neuenburg, Kapelle St. Nikolai 271, 278* Freydinger, Bernhard, Kammerschreiber 90 Friedrich III., Ks. 52, 54*, 73, 81*, 169, 312 Friedrich II., Kf. von Brandenburg 53, 55 Friedrich I. (der Streitbare), Kf. von Sachsen 67, 70, 196, 462 Friedrich II. (der Sanftmütige), Kf. von Sachsen 55, 74, 374, 396* Friedrich III. (der Weise), Kf. von Sachsen 5, 21 f., 29, 67, 80*, 84 f., 98, 105, 118 f., 122, 128 f., 132, 135, 164, 170, 175, 180, 182, 187 f., 220–222, 246, 254*, 258, 263, 266*, 299, 336 f., 346, 356, 360*, 368*, 372, 377, 382, 398, 418*, 434*, 457, 464, 466, 468*, 471 f., 480 f., 488–490, 492–496, 499, 501, 509, 513, 519, 604, 611*, 616 f., 622 Friedrich (der Friedfertige), Hzg. von Sachsen, Lgf. in Thüringen 71 Friedrich d.Ä., Hzg. von Sachsen, Hochmeister des Dt. Ordens (1474–1510, Bruder Hzg. Georgs) 79, 80*, 95,

Register der Orts- und Personennamen 125–127, 130, 149, 152, 157, 169*, 171, 180–189, 244*, 377*, 435 Friedrich d.J., Hzg. von Sachsen (1504– 1539, Sohn Hzg. Georgs) 78, 128, 277, 314, 611 Friedrich II. (der Ernsthafte), Mgf. von Meißen 69 Friedrich (II.) von der Pfalz, Pfalzgf. und Regent der Oberpfalz 174, 489 Friedrich, Hans, Zehntner zu Geyer 287, 288* Friesland, Herzogtum 78, 95, 169*, 196, 271, 313, 329, 360, 408 f., 419, 435 f., 560 Fröschel, Sebastian, ev. Prediger 453, 455, 544 f., 547 Fugger, Bankhaus 141, 145–147, 205, 362*, 383, 580 – Faktorei in Rom 145–147, 149, 151*, 152, 383 – Jakob (der Reiche) 118*, 147, 174*, 367, 451* Gaëta, Bistum 128 Gebeltzyk, Nikolaus, Pf. zu Sorau 288* Gebhard, Nikolaus, Pf. zu Seelitz 324 Geertz, Clifford, Ethnologe 45* Geiler von Kaysersberg, Johannes 38, 209, 439* Geithain, Stadt und Rat 291, 434*, 520* – Altar der Kalandsbruderschaft 290 f. Georg von Podiebrad, Kg. von Böhmen 79*, 454, 493 Georg, Hzg. von Bayern-Landshut 126, 164, 170 Georg von Blumenthal, Bf. von Lebus 172 Georg, Hof kaplan Hzg. Georgs 281 Georg, Meister, Buchbinder zu Meißen 593* Gerbstedt, Benediktinerinnenkloster; Propst 251*, 324 Gersdorf (Amt Tharandt), Pf. zu 243 Gerson, Johannes ( Jean) 37, 87, 208, 438, 439* Gertewitz, Jakob, albert. Prokurator 122*, 129, 139, 161*, 273 Gess, Felician, Hist. 12, 17*, 21 f., 24*, 40, 98*, 142*, 146*, 182*, 193*, 251, 255*, 298*, 305*, 373, 375*, 377*, 531* Geyer, Pfarrei und Vikarien 287 – Zehntner siehe Friedrich, Hans Giese, Thomas, Kuriale 124* Giustiniani, Tommaso, Kamaldulenser 162*

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Glashütte, Pfarrei 509 f. Göde, Dr. Henning, albert. Rat 100, 353 f. Görlitz, Geistlichkeit zu 314 Goerlitz, Woldemar, Hist. 396 Gollma (bei Landsberg), Dorfgemeinde 300* Goseck, Benediktinerkloster; Abt 434* Gotha, Amt 547* Günstedt, Dorfgemeinde 106*, 303 Gramaye, Thomas, albert. Prokurator an der Universität Paris 469* Gratian 267 Grau, Elisabeth, Bürgerstochter zu Leipzig 247 f. Grauschwitz, Balthasar von, Amtm. zu Dresden 194 Gregor der Große, Hl., Papst 370* Grempler, Ulrich, Geistlicher 277 Griefstedt, Komturei des Dt. Ordens 106, 254*, 303 Grimma, Stadt 585, 586* Grimmenthal, Wallfahrtsort 124, 347, 353 Groningen, Stadt 125 Groß, Dr. Donat, Dh. und Prokurator 100, 126, 130, 132, 134–136, 140*, 145, 152* Großenhain (Hain), Stadt 109, 136, 138, 434*, 541 f. – Rat 254*, 274, 287, 377, 399 – Altarbenefi zien und Altaristen 274, 306, 514 – Magdalenerinnenkloster 254* – General zu 434* – Bauern 542 Großenhain-Zscheila, Stift; Propstei und Archidiakonat 215* Großerkmannsdorf, Dorf bei Radeberg 279 Grünenberg, Johann, Drucker zu Wittenberg 457 Grünhain, Stadt 363 Gulden, Wolfgang, Hof kaplan Hzg. Georgs 282*, 419 Guttenberg, Georg von, böhmischer Adliger 196 Habsburg, Dynastie siehe Österreich Hackeborn siehe Mechthild Hadrian VI., Papst 114*, 141, 150*, 166, 192*, 297 f., 331, 438*, 483, 515, 536, 538, 603, 606 f. Haferitz, Simon, ev. Prediger 586 Hain siehe Großenhain

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Register der Orts- und Personennamen

Halberstadt, Bistum 96, 110*, 126, 160*, 187, 191 f., 210, 599 – Bf.e und Administratoren 71, 110*, 178, 232, 234*, 434, 598–600, 606 – siehe auch Albrecht, Administrator – siehe auch Ernst, Administrator – Domkapitel 110*, 234, 434, 599 f. – Offi zial siehe Horn, Heinrich Halle, Stadt 84, 150*, 185*, 186 – Neues Stift, Heiltumschatz 371 f. – Moritzburg, Marien-MagdalenenKapelle 418* Hamm, Berndt, Hist. 8, 346, 406, 430* Hartenstein, Herrschaft 329 Hartung, Simon, Pf. zu Edersleben, ev. Prediger 512 Hashagen, Justus, Hist. 13, 49, 62, 153 f., 162, 265, 327, 331*, 427, 431 Hasse, Hans-Peter, Hist. 582* Havelberg, Bistum und Bf.e 51, 53, 54*, 161, 192* Hayden, Thomas von der, albert. Rat im Reichsregiment 607 Hecker, Oswald A., Hist. 18 f. Heiliges Land 360* Heilmann, Jakob, Steinmetz 367 Heinitz (Heynitz), Dr. Nikolaus von, albert. Kanzler, Dh. zu Meißen 96 f., 100*, 140, 185, 205, 215*, 218 f., 275, 276*, 368, 423 Heinrich VIII., Kg. von England 169*, 413, 459, 561, 571–574 Heinrich (der Fromme), Hzg. von Sachsen (1474–1541, Bruder Hzg. Georgs) 78, 84*, 89, 172, 195, 282*, 368, 418*, 435*, 472, 477, 591, 610 f. Heinrich der Erlauchte, Mgf. von Meißen 198 Helbig, Herbert, Hist. 32* Heisterbach, Caesarius von 354* Henil, Lukas, albert. Prokurator 122–124, 126, 132 Henneberg, Grafschaft und Gf.en 124, 551 Hennig, Dr. Johannes, Domdekan zu Meißen 100*, 101, 119, 129, 157, 216, 219–221, 275*, 279*, 362, 410, 414, 423, 519 Henning, Ludwig, OFM, Provinzialminister 258 Herbsleben, Stadt und Amt 104, 332*, 434* Hergot, Hans, Buchführer aus Nürnberg 532*, 586*, 587

Hermsdorff, Dr. Nikolaus von, genannt Kißling, albert. Prokurator 116*f., 128, 139 f., 142–151, 273 Hermsdorff, N. N. von, albert. Lehnsmann 238* Herrnschwende, Dorfgemeinde 106*, 303 Hersfeld, Benediktinerkloster; Abt 524* Herzberg, Stadt 518 Hesseler, Kloster; Propst 434* Hesseler, Peter, Buchführer aus Mücheln, und Ehefrau 587* Hessen, Landgrafschaft 29, 49*, 50, 52, 57, 58*, 60, 107, 269*, 498 f., 512 – Lgf.en 52, 170, 257, 269*, 433*, 497 – siehe auch Anna, Lgf.in – siehe auch Philipp, Lgf. – siehe auch Wilhelm I.-III., Lgf.en Hettersberg, Peter 402 Heyse, Johann, OESA, ev. Prediger 508 Hieronymus, Hl. 370* Hildesheim, Bistum 128 Hinschius, Paul, Hist. 329 Hohenlohe, Grafschaft 50, 265, 269*, 328*, 330, 341 Hohenzollern, Dynastie siehe Brandenburg Homburg, Benediktinerkloster; Abt 254*, 260, 261*, 434* Honsberg, Christine von, ev. Nonne 530* Horn, Heinrich, Offi zial zu Halberstadt 242, 250 Hoyer, Siegfried, Hist. 23, 459* Huizinga, Jan, Hist. 6 Hus, Jan 448 f., 453, 456, 460–465, 567 f., 619 Hussiten 74, 143, 323*, 360*, 365, 370 f., 374, 380*, 410 f., 418, 448, 453–467, 478 f., 486, 493, 560 f., 567–569, 594, 618 f. Hutten, Ulrich von 174, 587 Iglau, Abt Martin von der 368* Ilfeld, Kloster 51 Indersdorf, Johann von 49* Innichen (Tirol), Stift St. Candidus, Propstei 136 f., 205 Innozenz VIII., Papst 73, 114*, 221, 373*, 379 Italien 113, 159 Jagiellonen, Dynastie siehe Polen Jakob von Salza, Bf. von Breslau 572 Jakobus d.Ä., Hl. 86 Jakobus d.J., Hl. 446

Register der Orts- und Personennamen Jakub, N. N., Organist zu Prag 455* Janssen, Wilhelm, Hist. 59* Jedin, Hubert, Hist. 9, 11 Jena, Stadtkirche St. Michael 548* Jerusalem, Stadt 84 Joachim I., Kf. von Brandenburg 80*, 153, 160 f., 172*, 489, 605 Joachimsthal, Stadt in Böhmen 544 Jödicke, Ansgar, Hist. 344 Johanek, Peter, Hist. 249 Johann VI. ( Johannes von Salhausen), Bf. von Meißen (1487–1518) 51*, 88 f., 95, 99, 106, 119*, 122, 157, 161*, 192*, 193– 205, 208–213, 215*, 219 f., 222–225, 230*, 236, 247*, 255, 259*f., 266*, 286, 288–290, 296, 299, 304 f., 308, 314, 320– 324, 336 f., 339, 360*, 364 f., 373*, 423 f., 435, 441, 461, 515, 517, 615 Johann VII. ( Johannes von Schleinitz), Bf. von Meißen (1518–1537) 127, 131, 136– 140, 150, 167, 192*, 205 f., 212 f., 273, 289–292, 296, 300*, 306, 308, 314, 316, 322, 331, 332*, 410, 458, 459*, 467–469, 509 f., 515 f., 518 f., 526, 532, 536, 561, 583, 589*, 591, 598, 607, 615 Johann d.Ä. (der Beständige), Hzg. und Kf. von Sachsen 3, 182, 266*, 299, 356*, 368*, 398, 478*, 481, 492–495, 498 f., 501, 587, 611* Johann d.J., Hzg. von Sachsen (1498–1537, Sohn Hzg. Georgs) 78, 86, 95*, 115, 271, 277, 314, 368, 497 f., 611 Johann, Gf. von Oldenburg 408 Johann Ernst, Hzg. von Sachsen (Sohn Kf. Johanns d.Ä.) 611* Johann Friedrich (der Großmütige), Kf. von Sachsen 611* Johannes III. (von Schönburg), Bf. von Naumburg (1492–1517) 209, 259 Johannes Fabri, Bf. von Wien 565, 567* John Fisher, Bf. von Rochester 571, 576 Juden 395, 600* Jülich-Berg, Herzogtum und Hzg.e 12, 29, 49*, 50, 58*, 59 f., 66, 265, 288, 337, 338*, 388* – siehe auch Wilhelm IV., Hzg. Julius II., Papst 114*, 125, 135, 143, 159, 204, 216, 220, 230*, 235, 410 Julius Pflug, Bf. von Naumburg 96*, 128, 157, 207, 214 Junghans, Helmar, Hist. 17, 40*

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Kachelofen, Konrad, Drucker zu Leipzig 379*, 380 Kalkoff, Paul, Hist. 22 Kaltenborn, Kloster; Propst 434* Kamenz, Franziskanerkloster 376 Kammin (Cammin), Bistum und Bf. e 163*, 172, 193 Karl IV., Ks. 82, 294* Karl V., Ks. 118*, 129, 141, 172, 176 f., 428*, 471, 477, 489*, 495, 505 Karl I., Hzg. von Schlesien-Münsterberg 172 Karlstadt, Andreas Bodenstein zu 475, 482*, 493, 509, 556*, 587 Kassel, Stadt 52, 60 Kawerau, Gustav, Hist. 279 Keller, Vitus, Pf. zu Kunitz 277, 511 Kemberg, Stadt bei Wittenberg 215* Kere, Georg von der, Dh. 182*, 198, 304 Kertzsch (zu Wunschwitz), Hans 229, 335* Kindelbrück, Stadt 434* Kirchhain, Sedes im Archidiakonat Niederlausitz 229* Kirn, Paul, Hist. 21 Kitzscher, Dr. Johannes von, albert. Prokurator 127 Kleinröhrsdorf, Pf. zu 292*, 293 Kleinschmidt, Peter, Dekan zu Zerbst 284 Klutczer, Valentin, Geistlicher 273 Kochel, Dr. Johann, albert. Kanzler 97, 99*, 107, 145, 165* Köckeritz (zu Promnitz), Georg von, albert. Rat 201 – (zu Elsterwerda), Jakob von 200 f., 310* Köhler, Hans-Joachim, Hist. 580 Kölleda, Stadt und städt. Amtsträger 507, 534 Köln, Stadt 556 – Kurfürstentum 49* – Ebf.e 52, 58 – Dom; Kanonikate und Dignitäten 80, 180 f., 376 – Stift St. Georg 127 – Reichstag (1505) 174 – Provinzial der Karmeliter 524* König, Dr. Kilian, albert. Kanzler 97 Königsberg, Stadt in Preußen 182, 184 Königstein, Cölestinerkloster; Prior 252, 318, 419, 454*, 476*, 522, 525 f. Kösnitz, Dorf bei Apolda 303 Kohnle, Armin, Hist. 489, 490*, 491 Kolberg, Propstei 127 Koller, Gerda, Hist. 62, 427

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Register der Orts- und Personennamen

Konstantin, Ks. 345 Konstanz, Stadt und Rat 337* – Bistum 127 – Konzil von 37, 48, 158, 173, 228, 449, 453, 463*, 594 – Reichstag (1507) 174 Korner, Peter, Prediger zu St. Lorenz in Pegau 96 Koß, Johannes, altgl. Prediger zu Leipzig 551 f., 588* Kottwitz, Heinrich von, Dh. zu Bautzen, Pf. zu Senftenberg 403 Krähe (Crae), Wilhelm, Geleitsmann zu Leipzig 198* Krauenwinkel, Heinrich, Landkomtur von Thüringen 325* Krauß, Hans, Leiermacher zu Dresden 540 Krell, Dr. Nikolaus, Kanzler 95 Kriebstein, Amt 200* Krögis, Pfarrei 275 Kromer, Michael, Pf. zu Kunitz 511 f., 517 Krüger, Kersten, Hist. 388* Krumhermsdorf, Pfarrei und Pf. 306 Kues (Cusanus), Nikolaus von, Kard. 388, 441, 617 Kunitz, Dorf und Pfarrei bei Jena 254, 269*, 277, 511 f., 517 Kurze, Dietrich, Hist. 337* Landsberg, Amt 191 – Pfarrgemeinde 300* Landsberg, Martin, Drucker zu Leipzig 409, 570 Lange, Dr. N. N. 572 Langendorf, Nonnenkloster; Propst 254*, 434* Langensalza (Salza), Stadt 108, 212, 254*, 350 f., 434*, 535 – Amt und Amtm. 107 f., 260, 269*, 306* siehe auch Berlepsch; Spitznas; Witzleben – Schosser des Amts 249 – Rat 110, 147*, 269*, 535 – Kollegiatstift St. Petri, Pauli (et Stephani); Propst und Archidiakon von Oberdorla 269*, 351, 513 f., 535 – Prediger 108 – Augustinereremitenkloster; Prior 256, 525 – ev. Augustinermönche 508, 517*, 524 f. – Franziskanerkloster 252, 256 – Nonnenkloster St. Bonifazius 351 – Pfarrkirche und -gemeinde St. Bonifazius 351

Langhennersdorf, Pfarrei bei Freiberg 290, 301 Langula, Dorfgemeinde und Pf. 512 f. Langweber, Balthasar, Altarist zu Mittweida 320* Laterankonzil, Viertes (1215) 269*, 294 – Fünftes (1512–1517) 128, 158–162, 226, 418, 443, 582*f., 602, 616 Laucha, Stadt 434* Lauenburg, Stadt in Pommern 131 Lausitzen siehe Oberlausitz und Niederlausitz Lebus, Bistum und Bf.e 51, 53, 54* – siehe auch Georg, Bf. Lehnin, Zisterzienserkloster 260 Leipzig, Stadt, Bürgerschaft und Märkte 23, 84, 94, 96 f., 99*, 101, 119, 151*, 156, 159, 191, 203, 230*, 254*, 257, 348, 381, 402*, 415, 434*, 438, 448, 453–455, 467, 469, 473, 475–477, 507, 530*, 531 f., 535, 540 f., 543–548, 550 f., 555 f., 572, 580–592, 608 f., 620 – Amt und Amtm. 104*, 377 siehe auch Wiedebach – Schloß (Pleißenburg) 453, 545, 565 – Schloßkapelle, Altarbenefi zium 276, 317 – Landtag (1488) 77* – Landtag (1523) 490, 503 – Oberhofgericht 95, 126, 379* – Rat und Rathaus 95*, 109 f., 241, 374, 458, 502*, 507, 530*, 540, 544*, 546, 550 f., 565, 570, 585 f., 587 f., 597 – Universität 39, 56, 70, 79, 87, 99, 123, 154, 193, 206*, 267, 270, 379 f., 412, 417, 420, 452, 469, 475 f., 490, 520, 555, 560, 573 f., 584, 586, 589 f. – Universitätskanonikate 56*, 215 – Artistenfakultät 270 – Juristenfakultät 97, 101, 281, 379*, 542, 599 – Theologische Fakultät 379*, 551, 553, 564, 582 f., 591 – Schöffenstuhl 328, 541 – Fürstenkollegien 270 – Studenten der Universität 238, 475, 520, 566 f., 584 – Erzpriester 241, 597 – Augustinerchorherrenstift St. Thomas; Propst 197, 210*, 230, 235, 251, 255*, 364*, 434, 544*, 545, 550, 589 – Pfarrkirche St. Thomas 350, 546–548, 550, 553, 584

Register der Orts- und Personennamen – Pfarrkirche St. Nikolai 350, 546 f., 550– 553 – Prediger an St. Thomas und St. Nikolai 350, 546, 550 f., 588* siehe auch Koß – Katherinenkirche 275 – Peterskirche, Altarbenefi zium 281 – Franziskanerkloster 156*, 256 f., 377, 415, 418, 560, 584 siehe auch Alveldt – Prediger am Franziskanerkloster 541* – Dominikanerkloster St. Pauli 197, 254*, 256, 381*f., 410, 546, 565 siehe auch Sylvius; Rab; Tetzel; Weida – Nonnenkloster St. Georg; Propst und Prediger 260*, 352, 434*, 546, 547* – Johanniskirche und -hospital 543–545 – Georgenhospital; Spitalmeister und Prediger 544 f., 547, 551 – ev. Prediger 516*, 543–548 siehe auch Bodenschatz; Fröschel; Schönbach – Drucker 379*, 380, 407–414, 418, 420, 450*, 458, 467, 475, 555 f., 560, 564 f., 570, 579–588, 592 siehe auch Blum; Brandis; Kachelofen; Landsberg; Lotter; Schumann; Stöckel; Thanner – Prostituierte 597 Leisnig, Stadt 518 – Bgf.en von 373*, 437, 520* – Alexander, Bgf. 373* – Eustachius, Bgf., Domdekan zu Magdeburg 437 – Johanna, Bgf.in 373* Leitmeritz, Stadt in Böhmen 454* – Kollegiatstift St. Stephan 454* Leo X., Papst 114*, 116, 118, 129, 138*, 143, 157, 159–161, 163*, 165, 179, 204, 364, 373*, 470, 532, 536* Leubel, Martin, Kaufmann zu Leipzig 544–548 Leuchtenburg, Pflege (Amt); Priesterschaft 319 Leynen (Leina bei Gotha?), Pf. zu 324 Limbach, Pf. zu 248 Lindner, Johannes, genannt Monachus Pirnensis, Chronist 252*, 462, 477*, 564, 566 Link, Wenzeslaus, OESA 524 f. Livland 181, 363, 374, 377, 435 List, Christoph, Dh. zu Meißen 215* Lobeck, Albrecht, Hist. 69, 515, 537 Lochau, Stadt 518 Löser, Dr. Thamo, Dh. zu Meißen 100*, 115

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Lommatzsch, Stadt und Bürgerschaft 281 – Pfarrkirche und Altarbenefi zium 281 Lose, Jakob, Offi zial zu Meißen 245* Loss, Jakob, albert. Gesandter 139 Lotter d.Ä., Melchior, Drucker zu Leipzig 209*, 396*, 407, 409, 411, 455, 555, 565, 575, 583–585, 587, 591 Ludolphy, Ingetraut, Hist. 18 Ludwig II., Kg. von Böhmen und Ungarn 96, 200, 250, 599 Ludwig, Hzg. von Bayern-Landshut 60 Lübben, Stadt 231, 285 Lübeck, Domstift, Kanonikate und Dignitäten 131, 134* Lück, Heiner, Hist. 246* Lüttich, Bistum 126, 128 f. Lüttichau, Heinrich von, Amtm. zu Ortrand 403 Lützen, Stadt 381* Lund, Erzbistum 172* Luther, Martin 2–5, 9, 10, 11*, 12 f., 16–20, 78 f., 83–85, 91, 97 f., 99*, 116, 153, 166 f., 169*, 174, 176 f., 228, 344*, 347, 357, 378, 381–384, 388, 406, 417, 427, 446–473, 475, 477–479, 482–488, 490, 492–498, 500–505, 509–512, 519–526, 529 f., 532, 536 f., 546, 548*, 549, 552, 554–595, 600, 602, 604–609, 611, 614, 616, 618–624 Lutheraner (Evangelische Bewegung) 17, 473–487, 500–513, 515–550, 579–581, 584, 588–593, 595, 598, 601, 605–612, 619–623 Lutterfeld, Heinrich, altgl. Flugschriftenautor 564, 566 Luxemburger, Dynastie siehe Böhmen, Kg.e Luzius, N. N., Magister, Pf. zu Radeberg 324 Lyrer, Jakob, Pf. zu Treffurt 269* Machilek, Franz, Hist. 372 Magdalena (von Sachsen), Mgf.in von Brandenburg (Tochter Hzg. Georgs) 495* Magdeburg, Stadt 497 – Kirchenprovinz 163*, 375 – Erzbistum 67, 95, 156, 160*, 170, 180– 189, 191 f., 204, 355, 381, 404, 616 – Hochstift 210, 382, 616 – Ebf.e 71, 178, 212, 229, 232, 234, 248, 283, 354*, 598, 600, 606 – siehe auch Albrecht, Ebf.

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Register der Orts- und Personennamen

– siehe auch Ernst, Ebf. – Koadjutorie 126–129, 149, 150*, 152, 171, 180–189 – Domkapitel 80*, 182*, 183 – Kanonikate und Dignitäten 125, 127, 134*, 235*, 437 – Offi zial 235*, 248 – Schatzmeister des Ebfs. 381* – Vikarien 131 – Stift St. Nikolaus, Kanonikate 284 Magirius, Heinrich, Hist. 370 Mainz, Kirchenprovinz 375 – Kurfürstentum 49*, 170, 269*, 407, 512 – Erzbistum 160*, 186, 191 f., 204, 212, 231, 260, 268, 404, 407, 437 – Ebf.e 52, 71, 79*, 132, 153, 178, 212, 232, 234, 269*, 271*, 288*, 311*, 434, 598, 600, 606 – siehe auch Berthold, Ebf. – siehe auch Diether, Ebf. – Domkapitel 80, 181 – Kanonikate und Dignitäten 79, 180 f. Maltitz, Hans von, Domdekan zu Meißen 100* Mamelucken, türkische Militärsklaven 482 Mansfeld, Gf.en von 330* – Albrecht, Gf. 497 – Wilhelm, Gf. 206 Mantel, Johannes, Prior des Cölestinerklosters Königstein 525 f. Mantua, Fürstentag von 54*, 55 – geplantes Konzil (1533/34) 438* Manuel, Don Juan, ksl. Gesandter in Rom 118* Marburg, Stadt 498*, 611 – Franziskanerkloster 257 Margarethe, Fürstin von Anhalt 562* Maria, Hl. 357* Marschall zu Löbnitz, Hans 530* Martin V., Papst 116, 257* Mathei (Mathesius), Lucas, Vikar zu Seelitz 272 f., 284, 304, 307 Mathesius, Familie aus Rochlitz 307 Mattorff, Friedrich, Dh. zu Frankfurt 271* Maurenbrecher, Wilhelm, Hist. 12 Maximilian I., Kg. und Ks. 77, 95, 118 f., 137, 143, 169*, 170*, 171–173, 176, 185, 187 f., 244, 288*, 345*, 359*, 373*f., 375, 387*, 417*, 433 Mecheln, Stadt in Flandern 278 Mechthild von Hackeborn, Mystikerin 411 Meckau zu Limbach, Dietrich von 23*, 332 f.

Medici, Giulio de, Kard. 129, 138, 150*, 205 siehe auch Clemens VII. Meinheringer, Dynastie siehe Meißen, Bgf. en Meisner, Heinrich Otto, Hist. 42* Meißen, Stadt und Rat 23, 83*, 96*, 119, 154, 192, 220–225, 256, 294, 349, 399, 475 f., 504, 591 – Bistum 67–69, 71*, 114 f., 119, 126–129, 157, 161, 163*, 191 f., 204–225, 252, 272*, 373*, 374 f., 404, 467, 517, 537 – Hochstift 194 f., 220, 313*, 504*, 516 siehe auch Wurzen – Bf.e 54*, 68, 73, 96, 98*, 170, 172, 178, 193–213, 222 f., 232 f., 260, 288, 299, 303, 311, 318, 364 f., 368, 375 f., 397, 434 f., 437, 474*, 490, 514–520, 529, 591, 598, 600, 605 f., 608, 613, 620 – siehe auch Albert III., Bf. – siehe auch Benno, Bf. – siehe auch Dietrich, Bf. – siehe auch Johann VI., Bf. – siehe auch Johann VII., Bf. – siehe auch Withego I., Bf. – bischöfl. Schloß 223–225 – Generaloffi zial des Bf. siehe Stolpen, Generaloffi zial – Domkapitel 67 f., 70, 100, 102, 119*, 123, 132, 139 f., 151, 154, 194, 197, 199, 202, 205, 214–222, 230*, 239, 274, 285, 305, 317, 368, 433, 435*, 437, 467, 591 – Kanonikate und Dignitäten 80, 117*, 125–129, 132, 139–142, 148, 150, 182*, 207, 214–221, 278, 281, 282*, 288* – Dompropst siehe Melchior von Meckau; Schleinitz – Dompropstei, Archidiakonatsbezirk 290 – Offi zial der Dompropstei 229, 243–245 – Domdekan siehe Hennig; Maltitz; Wolfersdorf – Dom 82–84, 220–225, 265, 280, 285*, 417, 419, 427, 436, 469 – Tumba und Heiltum des hl. Benno 86, 196, 223*, 372, 374*, 377, 417 – Vikarien am Dom 123, 194, 265, 268, 270, 272*, 275, 279 f., 282 f. – Fürstenkapelle am Dom 223 f., 275, 280* – Georgenkapelle am Dom 86 f., 367, 417 – Markgrafschaft 32*, 82, 183, 191, 205, 266, 435, 460, 462, 526 – Mgf.en 214, 222 – siehe auch Friedrich II., Mgf.

Register der Orts- und Personennamen – siehe auch Wilhelm I., Mgf. – siehe auch Wilhelm II., Mgf. – herzogl. Schloß (heute: Albrechtsburg) 99, 202, 220–225 – Amt und Amtm. 200*, 589*, 591 siehe auch Pforten; Schönberg – Bgf.en 222 f. – Augustinerchorherrenstift St. Afra; Propst 244*, 255*, 434 – Franziskanerkloster 256 – Nonnenkloster zum Hl. Kreuz; Propst 211, 251*, 434* – Buchbinder und -führer 591, 593 Melanchthon, Philipp 4, 509, 556*, 592 Melchior von Meckau, Bf. von Brixen, Kard. 100, 118, 128, 136 f., 141, 216 f., 221, 349* Memleben, Benediktinerpropstei; Propst 434*, 524* Merseburg, Stadt 122*, 234*, 469, 590, 599 – Bistum 68 f., 114, 157, 161, 191 f., 204, 206–214, 217, 272*, 373*, 374, 381 f., 404, 517 f., 520, 590 – Hochstift 504* – Bf.e 54*, 68, 73, 158*, 161, 170, 178, 206–213, 230*, 232 f., 256, 260, 271*, 299, 318, 325, 368, 397, 434 f., 437, 461, 490, 515–520, 537, 544 f., 550, 582–585, 587, 589, 591, 598, 600, 605 f., 608, 613, 620 – siehe auch Adolf, Bf. – siehe auch Thilo, Bf. – siehe auch Vinzenz, Bf. – Koadjutorie 206 f., 214 – Domkapitel 70, 124, 155*, 157, 207, 214, 435* – Kanonikate und Dignitäten 124–126, 128, 132–136, 141, 207, 278, 288* – Offi zial 134* – Dom 469 – Stift St. Sixti; Dekan 135, 241 – St. Peter vor Merseburg; Abt 235* Merz, Johannes, Hist. 34* Messerschmidt, Wolfgang, Pf. zu Annaberg 242 Meusel, Martin, Pf. zu Lommatzsch 281 Meuthen, Erich, Hist. 112, 166 Michael, Hl. (Erzengel) 435 Mikat, Paul, Hist. 227 Mildenau, Pfarre und Pf. 320, 322 Militzer, Klaus, Hist. 376 Miltenberg, Mattes, Gewaltopfer 514

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Miltitz, Karl von, Kuriale, Prokurator 129, 138–142, 150, 216* Miltitz, Margarethe von 248 Minckwitz (Minkwitz), Hans von, albert. Obermarschall 97, 285 – Nickel von 169* – zu Sonnenwalde, Herren von 474*, 475, 480 Mittelfrohna, Dorf 333 Mittweida, Stadt 244*, 434* – Pf. 244* Moeller, Bernd, Hist. 4, 370, 485*, 554, 580 Möller, Lucas, Pf. zu Struppen 317 Molau, Thomas von, Amtm. zu Dornburg 104, 512 Mor, Caspar, Geistlicher 135 Moraw, Peter, Hist. 29, 31, 430 Moritz, Hzg. und Kf. von Sachsen 24*, 93, 96*, 99*, 187, 192*, 329*, 495 Morone, Giovanni, päpstl. Nuntius 17 Morung, Dr. Dietrich, albert. Prokurator 126, 130 f. Mosellanus, Petrus (Peter Schade) 87, 573*, 574 Moskau, Zar von 169* Mücheln, Stadt 434*, 587*, 591 Mühlberg (a. d. Elbe), Nonnenkloster; Propst 204*, 259*f., 434* – Amt 516 Mühlhausen, Reichsstadt; Pfarrkirchen 101, 499, 552 f., 608 München, Stadt 52 Münster, Bistum 182 Müntzer, Thomas 108, 498 f., 532, 552, 585 Murner, Dr. Thomas 555 Mykonius, Friedrich, ev. Prediger 531 Nägelstedt, Komturei des Dt. Ordens 254* Naendrup-Reimann, Johanna, Hist. 309 Naumburg, Stadt 188, 207, 228*, 233 f., 299, 442*, 587* – Bistum 68 f., 123, 125, 127, 191 f., 204, 252, 277 – Bf.e 68 f., 178, 203*, 207–209, 232 f., 256, 259, 299, 435, 461, 514, 517, 598, 600, 606, 613 – siehe auch Dietrich, Bf. – siehe auch Johannes III., Bf. – siehe auch Julius, Bf. – siehe auch Philipp, Bf. von Freising – Statthalter Bf. Philipps 598

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Register der Orts- und Personennamen

– Domkapitel 70 – Kanonikate und Dignitäten 123, 125–127, 132, 134* – Offi zial siehe Zeitz – Stift St. Marien 123, 126 – Stift St. Petri und Pauli; Kantor 231 – St. Moritz vor Naumburg; Propst 235* – wett. Landtag (1498) 232, 391, 394 Nebra a.d. Unstrut, Dorfgemeinde 534 Nehsdorf, Dorf bei Finsterwalde 229 – Pfarrkirche St. Katherinen 229 Neidiger, Bernhard, Hist. 57 Neuenkirchen, Pfarrkirche 243 Neurer, Franz, Kandidat für die Propstei des Klosters Weißenfels 255 Neuwerk (vor Halle), Augustinerchorherrenstift; Propst 311, 324 – Offi zial des Propstes/Archidiakonats 107, 246 Neuzelle, Zisterzienserkloster 251* Nider, Johannes, OP 38, 439, 441, 617 Niederdorla, Dorf und Pfarrei 512 Niederfrohna, Dorf und Pfarrei 33*, 333 Niederlande 77, 313, 533, 593 Niederlausitz, Markgrafschaft und Landvogtei 96, 231, 250, 285, 377*, 600 – Archidiakonat und Offi zialat 96*, 115, 210, 215*, 229*, 231, 285, 518 Niederschlesien, Herzogtum 316* – Obersthauptmann 316 Niklashausen, Pfeifer von 347 Nimbschen, Zisterzienserinnenkloster 251* Nisan, Archidiakonat 215*, 229*, 274 Nissmitz, Wolf von, Gerichtsherr zu Nebra 534 Nordhausen, Reichsstadt 108, 237 Nürnberg, Reichsstadt 307, 409, 411, 487–489, 510, 560, 565, 580, 586*, 587 – Reichsregiment 119, 487–492, 510, 516, 518, 529, 542, 572 – Reichstag (1487?) 173 – Reichstag (1491) 81* – Reichstag (1501) 173 – Reichstage (1522/23) 192*, 490, 494*, 502*, 503, 505, 576, 602*, 607 Oberdorla, Dorf und Pfarrei 512 – Kollegiatstift (bis 1472) und Archidiakonat 306*, 513* siehe auch Langensalza Oberlausitz, Markgrafschaft 96, 250, 377*, 600 – Archidiakonat 215*, 518 Oberman, Heiko A., Hist. 6*

Oberrhein, Landschaft 518 Ochsenfurt, Stadt in Mainfranken 100 Oederan, Stadt und Rat 399 – Pf. und Kirchväter 304 f., 376 Österreich, (Erz-)Herzogtum 13*, 20, 29, 49*, 50, 54*, 58*, 66, 388*, 607, 612 – Ks., Kg.e, Hzg.e und Erzhzg.e 10, 52*, 170 – siehe auch Albrecht V. – siehe auch Ferdinand – siehe auch Friedrich III. – siehe auch Karl V. – siehe auch Maximilian I. – siehe auch Sigismund Oestreich, Gerhard, Hist. 384, 388* Oldisleben, Benediktinerkloster; Abt 260, 434* Orter, Dr. Georg, OP, Theologe an der Universität Leipzig 379* Ortrand, Stadt 434* – Amt und Amtm. 403 – Pfarrei und Pf. 201, 310* Oschatz, Stadt und Rat 23, 83*, 102, 109, 392, 398, 434*, 530*, 533 f., 549 – Vogt (Amtm.) 303, 533 – Pfarrei 102, 139, 285*, 318 – Annenaltar der Schusterbruderschaft 320* – Franziskanerkloster 256 Osterland, Landschaft 32*, 102, 191 Oybin (bei Zittau), Cölestinerkloster 253, 526 Pack, Dr. Otto (von), albert. Rat 573*, 580, 595 Paltz, Johannes von, OESA 38, 87, 347, 355, 438 Paris, Universität, Theologische Fakultät (Sorbonne) 82, 468, 473, 570, 587* Pasig, Julius Leopold, Hist. 193* Passau, Bistum 53 Passerinus, Sylvius, päpstl. Datar 144, 146, 148 Paulus, Hl. 86*, 546 Paul III., Papst 9, 114* Paul IV., Papst siehe Carafa, Gian Pietro Pegau, Stadt und Rat 300*, 434*, 520* – Benediktinerkloster; Abt 434*, 437, 564 – Abt Georg (II.) 122*, 125, 156, 300*, 321 – Abt Georg (III.) 160*, 161, 210* – Abt Simon siehe Blick

Register der Orts- und Personennamen – Pf. und Prediger 96, 300*, 516*, 589 siehe auch Korner Penig, Stadt und Herrschaft 373*, 520* – Pf. 589 Peraudi, Raimund, Kard. 95, 100, 119, 125, 154, 157, 173, 185 f., 196 f., 207, 235, 255 f., 294, 298*, 373*, 374 f., 377 Perugia, Universität 122 Petersberg, Augustinerchorherrenstift 251, 255* – Propst und Archidiakon 107, 434*, 494 Petrus, Hl. 86* Peutinger, Conrad 565 Pfalz, Kurfürstentum 49*, 50, 52, 265, 327*, 341, 491 – siehe auch Friedrich, Pfalzgf. Pfalz-Neuburg, Herzogtum 50* Pfennig, Dr. Johannes, Pf. zu Annaberg 125, 158*, 304*, 323, 365, 371, 460 f. Pfefferkorn, Johann 407 Pfeiffer, Heinrich, ev. Prediger 498 Pfi ntzigk, Melchior, Propst zu Nürnberg 307 Pflock, Lorenz, Ratsherr zu Annaberg 350, 366 Pflug, Geschlecht 114 – Andreas, Amtm. zu Dornburg 104, 115 – Anna (Tochter des Cäsar Pflug, Gattin des Georg von Carlowitz) 115* – Cäsar, albert. Rat 94–96, 99, 102, 188, 271, 353*, 378, 381, 520*, 571* – Hans 321 – Julius siehe Julius, Bf. von Naumburg – Dr. Siegmund, albert. Kanzler 96, 100*, 134, 218 – Wolf, Gerichtsherr zu Rötha 352 Pforte (Pforta), Zisterzienserkloster; Abt 132, 188*, 254*, 260, 262*, 434*, 437 Pforten, Georg von der, Amtm. 200, 520*, 533 Philipp, Bf. von Freising, Bf. von Naumburg (1517–1541) 247*, 248*, 598 Philipp II., Kg. von Spanien 89 Philipp (der Großmütige), Lgf. von Hessen 3, 83*, 98, 107, 496–499, 513, 600 Philippi, Jacobus, Drucker zu Paris 442* Pikarden (nordfrz. Sekte, davon übertragen auf radikalen Zweig der Hussiten) 411, 449 Pirckheimer, Willibald 565, 573*

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Pirna, Stadt 191, 194, 349, 434*, 522, 541 – Amt 252 – Pfarrei und Pf. 282* siehe auch Walther – Markus von, Baumeister 252 – Peter von, Werkmeister 367 – Dominikanerkloster 256, 311, 482 – Monachus Pirnensis siehe Lindner, Johannes Pirstyn, Matern, Altarist 197, 323 Pisa, Konzilsversuch (Conciliabulum) (1511) 159 Pistoris, Dr. Simon, albert. Kanzler 96–98, 147*, 574 f. Pius II., Papst 116 Pius III., Papst 114*, 118 siehe auch Todeschini-Piccolomini Planitz, Hans von der, ernest. Gesandter am Reichsregiment 465, 476, 479, 488, 495 f., 498, 516*, 529 f., 604 Plauen, Vögte von 223* Poduska, Johann, Pf. an der Teinkirche zu Prag 455* Pole, Reginald, Kard. 9 Polen, Königreich 78, 169, 181, 497 – siehe auch Sigismund, Kg. Polenz, Christoph von, albert. Amtm. 115 f. Poliander, Johannes, Rektor der Thomasschule zu Leipzig 475 Politi, Lanceloto, italien. Flugschriftenautor 576 Pollen, John H., Hist. 573* Pomesanien, Bistum 184*, 187* – Bf.e siehe Dobeneck, Hiob von Pommern, Herzogtum und Hzg.e 49*, 50 f., 193 – siehe auch Bogislaw X., Hzg. Porstendorf, Kloster 254* Potken, Dr. Johannes, albert. Prokurator 127, 143* Prag, Stadt 200, 455* – Erzbistum 67, 191, 252, 454 siehe auch Žak – Domkapitel 454*, 568 – Kanonikate und Dignitäten 454 Press, Volker, Hist. 29 Preußen, Territorium des Dt. Ordens 181, 186, 187*, 377* Priebatsch, Felix, Hist. 62 Priebus, Nebenland des Herzogtums Sachsen 316* Proles, Dr. Andreas, OESA 72, 81, 87, 100, 255*, 263, 355*, 439

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Register der Orts- und Personennamen

Pulgerini, Salvio de, Bankier zu Rom 152 Pucci, Dr. Lorenzo, Kard. 144 Pusch, Dietrich, altgl. Prediger(?) 552* Pusch (Busch), Dr. Georg, Kuriale 100, 122*, 129, 136–141, 144–146, 152*, 206, 216* Puschinger, Wolfgang, Wirt zu Leipzig, und Ehefrau 530* Queckborn, Wallfahrtskapelle bei Dresden 128, 156* Quedlinburg, Amt und Amtm. 106, 356 Querini, Vincenzo, Kamaldulenser 162* Rab, Hermann, OP, Dominikanerprovinzial zu Leipzig 588*, 589 Rabenstein, Nikolaus, Pf. zu Dohna 274* Radeberg, Stadt und Rat 292, 324, 434* – Pfarrei, Pf. und Schulmeister 276, 324 – Benefi zien 291–293, 316, 332* Ragkwitz, Balthasar, Geistlicher 287 Rainald von Dassel, Ebf. von Köln 328 Rankl, Helmut, Hist. 26*, 116*, 327, 334 Ratzeburg, Bistum 172 Redlich, Otto R., Hist. 12, 59 Regensburg, Stadt 533 – Bistum 53, 517* – Fürstenkonvent (1524) 576, 607 Reibisch, Philipp von, Amtmann von Herbsleben 332* Reich, Hl. Römisches Deutscher Nation nicht aufgenommen – Reichskammergericht 600 – Reichsregiment siehe Nürnberg – Reichstage siehe Augsburg; Köln; Konstanz; Nürnberg; Speyer; Worms Reichenbach, Caspar, Bürger zu Leipzig 109, 241 Reinhard, Wolfgang, Hist. 6*, 141* Reinhart, Simon 115* Reißen, Klosterhof 254* Repgen, Konrad, Hist. 11 Reinhardsbrunn, Benediktinerkloster 260 Reinsdorf, Benediktinerkloster; Abt 434* Reuchlin, Johannes 407, 582* Reymann, Jost, ev. Schuster zu Gotha 535 Reyßner, Andreas, Buchführer aus Naumburg 587* Rhodos 360* Riarius, Rafael, Kard. 160* Ried, Benedikt, Steinmetz 367 Riesa, Nonnenkloster; Propst 434* Riesenburg, Bf.ssitz in Preußen 187

Ringleben, Dorf 104 Risch, Michael, Altarist zu Pirna 576 Rochlitz, Stadt und Burg 181, 187, 307, 434*, 520*, 589 – Archidiakonat 243, 272* – Pf. siehe Schmauß – Prediger und Altaristen 373*, 520, 589 Rochsburg, Amt; Priesterschaft 313 Roda, Prämonstratenserkloster; Propst 434* Römhild, Stadt 551 Rötha, Wallfahrtskirche St. Marien 352–354, 425* Rogge, Jörg, Hist. 76* Rohrbach, Kloster; Propst 434* Rom, Stadt 84, 112–124, 130–153, 156, 184–186, 188, 192*, 205, 215*, 217, 219, 271*, 272 f., 347*, 375, 383, 414, 454* – Papst und Kurie nicht aufgenommen – Rota 157, 273, 380 – Pönitentiarie 231* – Petersdom; Fabrik 144 f., 147*, 375, 383 – Kirche S. Croce in Gerusalemme 410 – Hospital S. Maria dell’Anima 116, 122, 123*, 131 f. – Hospital S. Spiritu in Sassia 375, 380 – Universität La Sapienza 410* Rosenkranzbruderschaft 376 Roskilde, Offi zialat zu 131 Roßwein, Pfarrei und Pf. 288, 529 – Stadtschreiber 529 Roth, Stephan, Schulmeister zu Zwickau 565, 586* Rotschitz, Georg von, Kanzler des Bf.s von Meißen 292 Roždalovsky, Wenzel, Magister zu Prag 455* Rudolf, Kunz, Amtm. zu Herbsleben 104 Rüdiger (von Görlitz), Dr. Andreas, Dh. zu Meißen 316* Rumpfer, Michael, Führer des Aufruhrs von 1525 in Leipzig 548, 609 Sachsen, Kurfürstentum und Herzogtum (vor 1485) nicht aufgenommen – Kf.en und Hzg.e (vor 1485) siehe Friedrich I.; Friedrich II.; Friedrich (der Friedfertige); Wilhelm III. Sachsen, Kurfürstentum ernest. Linie 265 f., 476, 487–489, 498, 503, 518–520, 585, 608–610 – Kf.en und Hzg.e 69, 90, 199, 203, 207, 221, 222*, 232–234, 265 f., 390–392, 416,

Register der Orts- und Personennamen 466, 487, 492–496, 498, 512, 516, 518, 552, 559, 572, 603, 611 – siehe auch Ernst, Kf. – siehe auch Friedrich III., Kf. – siehe auch Johann d.Ä., Kf. – siehe auch Johann Friedrich, Kf. Sachsen, Herzogtum albert. Linie nicht aufgenommen - Hzg.e siehe Albrecht; Heinrich; Moritz; siehe auch August, Kf. – Hzg. Georg nicht aufgenommen – Hof siehe Dresden – Landstände 476 Sachsenburg, Amt und Amtm. 260, 303 Sack, Ulrich, ernest. Prokurator 122*, 148, 221 Sadoleto, Jacopo, Kard. 9 Sagan, Nebenland des Herzogtums Sachsen 314, 434, 436 f., 552 – Stadt und Rat 191, 293 – Amt und Amtm. 191, 525* – Augustinerchorherrenstift, Abt 293, 525* – Franziskanerkloster 256, 552 – Prediger 293, 550 Salhausen, Caspar von, Dh. zu Meißen 205, 239 Salza siehe Langensalza Salzburg, Erzbistum 53 Samland, Bistum 184* – Bf.e siehe Bünau zu Elsterberg, Günther Sangerhausen, Stadt und Bürgerschaft 191, 434*, 532 – Amt und Amtm. 104*, 191, 512, 599 – Rat 110*, 234*, 277, 289 – Pfarrei St. Jacobi 277, 289 – Augustinereremitenkloster 256, 258, 525 – Zisterzienserinnenkloster, Äbtissin 277, 289 Santiago de Compostela, Wallfahrtsort 84, 115, 347* Sauer, Angelus, Faktor der Fugger in Rom 146* Schanz, Dr. Johann, Ordinarius der Juristenfakultät zu Leipzig 281 Scheible, Heinz, Hist. 91 Schellenberg, Schloß (heute: Augustusburg) 93*, 105, 282, 289 – Amt und Amtm. 303, 319 – Priesterschaft des Amts 319 Scheurl, Dr. Christoph, Prof. an der Universität Wittenberg 258, 565 Schilling, Heinz, Hist. 6*, 13

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Schindling, Anton, Hist. 6* Schirnding, Christoph von, Kuriale 140* Schkeuditz, Stadt 381* Schlesinger, Walter, Hist. 31, 32 f. Schleinitz, Geschlecht 114 – Barbara von 115* – Dietrich von, albert. Hofmeister 97, 182 f. – Elisabeth von, Wittwe des Hugold 275 – Ernst von, Dompropst zu Prag und Meißen 100*, 152*, 454, 464, 467 – Georg von 115* – Heinrich von, albert. Obermarschall 77*, 88 f., 91, 94–97, 106*, 138, 185, 187 f., 275, 303, 391, 454 – Hugold von, wett. Obermarschall 275 – Johannes von siehe Johann VII., Bf. – (zu Ragewitz), Wolf von, albert. Rat 102 – Wolfgang von, Dh. zu Meißen 275 Schlick, Gf.en von 568 – Sebastian, Gf. 497 Schmalstieg, Ernst, Bürger zu Treffurt(?) 238*, 248, 269* – Ernst, Pf. zu Treffurt 104, 248, 269*, 299* Schmauß, Johannes, Pf. zu Rochlitz 325, 615 Schmiedeberg, Stadt 518 Schneeberg, Bergstadt 392, 494 Schneider, Joachim, Hist. 329 Schönbach, Stephan, ev. Prediger zu Leipzig 543–545, 547 Schönberg, Dietrich von, albert. Hofmeister 97 – Jakob von, albert. Hofmarschall 102 – (zu Reinsberg), Hans von, albert. Rat und Prokurator 127, 142, 149, 152, 184–186 – (zu Stollberg), Heinrich d.J. von, albert. Hofmarschall 158 – Nikolaus von, OP, Kard. 118, 128, 138, 143*, 144–146, 155*, 160, 167, 207, 410 – Wolf von, Amtm. zu Meißen 589*, 591 Schönburg, Veit von 329 Schönfeld, Barbara von 158 Schreibersdorf, Albrecht von, Amtm. zu Annaberg 238*, 242, 291, 356, 402 Schreiner, Klaus, Hist. 344 Schubert, Ernst, Hist. 4, 27, 31 f., 35 Schuchard, Christiane, Hist. 121, 130*, 133* Schütze, Hans, Bürger zu Chemnitz 247 f.

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Register der Orts- und Personennamen

– Johannes, albert. Prokurator 127 Schulte, Aloys, Hist. 142*, 146*, 362* Schulze, Adolf Moritz, Hist. 22 Schulze, Manfred, Hist. 5, 7*, 73*, 309, 390* Schumann, Valentin, Drucker zu Leipzig 458, 567*, 579, 583–585, 586* Schwarz, Uta, Hist. 23 Schwederich, Jakob, OFM, altgl. Flugschriftenautor 564 Schweiz 229* Schwertfeger, Dr. Andreas, OESA 81 Scribner, Robert W., Hist. 485*, 580 Sculteti (Schulz), Antonius Nikolaus, Prokurator 122* – Dr. Bernhard, Kuriale, Prokurator 126, 130–132, 134–136, 138, 146 – Hieronymus, Offi zial des Archidiakonats Niederlausitz 285* Seeburg, Dr. Johannes, albert. Rat 100, 286* Seelitz, Dorf bei Rochlitz, Pfarrei, Pf. und Pfarrvikar 272 f., 324 – Altarbenefi zium B. M. V. 129, 272, 284, 307 Seidel, Jakob, Pfarrer von Glashütte, ev. Prediger 484*, 509 f., 515 f., 527 f. Seidemann, Johann Karl, Hist. 531* Senftenberg, Stadt und Rat 285, 302, 434*, 549 – Schloß, Amt und Amtm. 285, 526 – Pfarrei, Pf., Prediger und Pfarrgemeinde 285 f., 293, 302, 403, 518, 549 – Schusterinnung (Laienbruderschaft) 318 Seußlitz, Klarissenkloster; Guardian 251*, 258, 434* Seyfarth, Carly, Hist. 544* Seyffarth, Carl Friedrich, Hist. 118* Sieglerschmidt, Jörn, Hist. 286 Siena, Erzbistum 118* – Universität 79 Sigismund, Kg. von Polen 169* Sigismund, Erzhzg. von Österreich 137 Sittichenbach, Kloster; Abt 254*, 262*, 434* Sixtus IV., Papst 70, 215 f., 220 f., 235, 236* Smolinsky, Heribert, Hist. 23, 460*, 556, 568 Smydt, Valentin, Lic. utr. iur. 198* Sohn, Andreas, Hist. 121 Somsdorf (bei Tharandt), Pfarrei 300* Sonnewalde, Herrschaft 475

Sorau, Stadt und Amt 191 – Pfarrei und Geistlichkeit 266*, 288, 314 Sornzig, Nonnenkloster; Propst 434* Spalatin, Georg 97 Spengler, Lazarus 563, 565, 569, 580 Speyer, Bistum 52 – geplantes Nationalkonzil (1524) 490 – Reichstag (1526) 602*, 603 Spiegel, Anne, Hofjungfrau 218 – (zu Neuhaus und Paupitzsch), Georg, albert. Schriftsasse 106* Spitznas, Albrecht, Amtm. zu Langensalza 104, 269* Staubner, Reinhard, Hist. 170 Staucha, Dorf in der Lommatzscher Pflege; Kirchväter 349* Staupitz, Johann von, OESA 87, 188, 258 f. Stebener, Caspar, Pfarrvikar zu Chemnitz 299 Steche, R., Hist. 369 Stein, Eitelwolf vom, Domkustos zu Breslau 115 Steinbrecher, Georg, Geistlicher 136* Steinberger, Dr. Wolfgang, Pf. zu Chemnitz 157*, 299* Stettin, Propstei St. Marien 135 – Dekanat zu 131 Steude, Sebastian, Geistlicher 272 Stievermann, Dieter, Hist. 35, 63, 180, 253, 261, 341, 432, 618 Still, Johannes, Pf. zu Dohna 274 Stilling, Bernhard, Dekan von St. Sixti zu Merseburg 241 Stöckel, Jakob, Drucker zu Eilenburg 586 Stöckel, Wolfgang, Drucker zu Leipzig 458, 583, 585 f. Stolberg, Gf.en von 51 – Heinrich (d.J.), Gf. 95*, 433* Stolpen, Stadt und Burg 196, 198, 203, 225, 286, 321, 323*, 509, 525*, 529 – Amt 200 – Altarbenefi zium auf der Burg 197 – Generaloffi zial des Bf. von Meißen 238*, 242, 285, 335 siehe auch Betzschitz, Wilhelm; Betzschitz, Christoph Storz, Andreas, Stifter eines Benefi ziums zu Annaberg 269* Straßburg, Reichsstadt und Drucker 439*, 471, 582* Stromer zu Auerbach, Dr. Heinrich, Prof. an der Universität Leipzig 475, 548, 592 Struppen (bei Pirna), Pfarrei und Kirchväter 318, 349*

Register der Orts- und Personennamen Stutz, Ulrich, Hist. 62, 328, 341 Sueln, Altarbenefi zium zu 305 Sylvius, Petrus (Peter Penick aus Forst), altgl. Flugschriftenautor 537, 565 f., 575–577, 582* Taubenheim, Christoph von, albert. Rat 102, 107, 185*, 188 Tauler, Johannes, OP 83 Techwitz, Dietrich von, Dekan zu Wurzen 282*, 516* – Johann von, Geistlicher 272 f. Tennstedt, Stadt 434* – Pfarrei 128, 158*, 271* Teschel, Valentin, Geistlicher 274 Tetleben, Dr. Valentin von, albert. Prokurator 122, 128, 158* Tetzel, Johannes, OP 145, 165*, 363, 380–383, 450–452 Tewes, Götz-Rüdiger, Hist. 112, 153*, 163* Thamsbrück, Stadt, Rat und Amt 108, 254*, 434*, 534 Thanner, Jakob, Drucker zu Leipzig 450* Tharandt, Schloß und Amt 243, 411 Thüringen, Landgrafschaft 32*, 66, 95*, 102, 107 f., 183, 237, 266, 268, 280*, 312, 387, 437, 498, 535, 608 – siehe auch Friedrich (der Friedfertige), Lgf. – siehe auch Wilhelm III., Lgf. – Bauernhaufen im Bauernkrieg (1525) 108, 498 f., 526 Thilo von Trotha, Bf. von Merseburg (1466–1514) 122, 193*, 199, 352, 354, 379*, 380 f., 417, 582 Thomas, N. N., Geistlicher zu Frauenhain 321 Thomas von Aquin, Hl. 354* Thomson, John A. F., Hist. 153 f. Thun, Friedrich von, ernest. Rat 495 Thurnhofer, Franz Xaver, Hist. 279 Tocke, Heinrich, Kanoniker zu Magdeburg 38, 354*, 439 Todeschini-Piccolomini, Francesco, Kard. 118, 156 siehe auch Pius III. Torgau, Stadt 499, 518 Tracy, James D., Hist. 6* Treffurt, Ganerbschaft (Vogtei) 269*, 332, 512, 517 – Pfarrei 104, 248, 269* – Hospital; Vikarie 271

699

Trient, Konzil von 2, 9–12, 167, 208 f., 594, 618, 623 Troeltsch, Ernst, Theologe und Soziologe 28, 609* Trosche, Lorenz, Buchführer aus Erfurt 587* Tübingen, Universität 56 Türken 166*, 175 f., 594, 596 Überacker, Christoph, Altarist zu Leipzig 275, 317, 328 Ulbrich, Tobias, Hist. 35, 341 Ulrich, Hzg. von Württemberg 53* Ungarn, Königreich 169 Utenbach (bei Apolda), Johanniterkomturei; Propst 303 Uttenrode, Nikolaus von, OT, Landkomtur von Thüringen 325* Vernau, Weihbischof von siehe Pfennig Vicecomitis, Leodigarius, Kuriale 140 Vierzehnheiligen, Pfarrei, Pf. und Pfarrgemeinde 104, 308, 518 Vinzenz von Schleinitz, Bf. von Merseburg (1526–1535) 136*, 206 f., 325* Vio, Thomas de, genannt Cajetan, OP 128, 159 f., 162, 174 f., 204, 451* Vischer, Erasmus, Sekretär Hzg. Georgs 98 Vogtland, Landschaft 266 Volkenroda, Kloster; Abt 254*, 434* Volz, Hans, Hist. 589* Vossler, Otto, Hist. 22, 86, 346, 624 Wachsenburg, Amt und Amtm. 356 Walbeck, Propstei 131 Waldheim, Augustinereremitenkloster 256 Walter, Hieronymus, Faktor der Welser in Leipzig 147*, 477, 551, 565 Walther, Gregor, Pf. zu Pirna, Erzpriester zu Dresden 311, 469* Wandelburg, St., Lokalwallfahrt bei Langhennersdorf 290, 301 Wartburg (Burg bei Eisenach) 466, 487 Wartenberg, Dorf 354* Wartenberg, Günther, Hist. 23, 475*, 476, 531, 609 Weber, Max, Soziologe 24 f., 28, 31*, 35*, 39, 45*, 384, 521 Wegel, Mathes, Gerber und Ratsherr zu Leipzig 241 – Veronika, Ehefrau des Mathes 241 Weida, Markus von, OP 410–412 Weimar, Franziskanerkloster 252

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Register der Orts- und Personennamen

Weiß, Sabine, Hist. 116* Weißbrot, Jobst, Bürger zu Dresden, und Ehefrau 540 f. Weiße, Johannes, Prof. an der Universität Leipzig 406* Weißenbach, Hans von, Patronatsherr zu Sueln 305 Weißenbach, Otto von, Dh. von Meißen 210, 285 Weißenfels, Stadt und Rat 147*, 149, 434*, 591 – Amt 191, 591 – Geleitsmann 591 – Klarissenkloster; Propst 251*, 254*, 255, 258, 434* Weißensee, Stadt 254*, 434* – Johanniterhof 72, 254* Welsbach, Komturei des Dt. Ordens 254* Welser, Bankhaus 147*, 565 siehe auch Walter Wenglmant, Johann, OFM, Theologe an der Universität Leipzig 379* Werl, Elisabeth, Hist. 40* Wengemayer, Johann, Mordopfer 363 Werminghoff, Albert, Hist. 14* Wertheim, Grafschaft 269* Werthern, Dr. Dietrich von, albert. Reichstagsgesandter 101, 181, 188, 491*, 532 – Hans von, albert. Rat und Amtm. 102, 244*, 255, 271, 278*, 534 Westfälische Femegerichte 235 Weze, Johann, designierter Erzbf. von Lund 172 Wiclif (Wyclif ), John 449, 462, 464 Wiedebach, Apollonia von (geb. Alnpeck, verwitwete Blasbalg) 350, 550 – Georg von, albert. Landrentmeister 350, 520*, 591 Wiedekind, N. N., Wittwe zu Leipzig 343, 349* Wiedemar, Nikolaus, Drucker zu Eilenburg 586 Wien, Stadt 565 – Bistum und Bf.e 52 siehe auch Johannes Fabri Wiener Neustadt, Bistum 52 Wilhelm I., d.Ä., Lgf. von Hessen 269* Wilhelm II., Lgf. von Hessen 107, 182, 497 Wilhelm III., Lgf. von Hessen 107 Wilhelm IV., Hzg. von Jülich-Berg 53, 60 Wilhelm I. (der Einäugige), Mgf. von Meißen 67, 71, 218

Wilhelm II. (der Reiche), Mgf. von Meißen, L fg. in Thüringen 319 Wilhelm III., Hzg. von Sachsen, Lgf. in Thüringen 66 f., 71 f., 73–75, 82, 105, 122, 237, 239*, 242, 245, 252, 255 f., 294, 309, 334, 387, 389, 396 f., 401*, 439 Wilhelm, Gf. von Henneberg 353 Willoweit, Dietmar, Hist. 31*, 34*, 430 Wilsnack, Wallfahrtsort 84*, 347 Wimpfeling, Jakob 38, 62*, 174, 176, 208 f., 439*, 518 Winterhager, Wilhelm Ernst, Hist. 6*, 378, 383 Wirsberg, Dr. Johann von, Dh. zu Eichstätt 216 f. Withego I., Bf. von Meißen 69 Wittelsbach, Dynastie siehe Bayern und Pfalz Wittenberg, Stadt 84, 119*, 230, 464–466, 472 f., 474 f., 478, 490, 494–496, 525 f., 546, 568, 572, 585, 587 f., 622, 624 – Schloßkirche und Allerheiligenstift 100*, 371 f., 418* – Rat 588 – Universität 87, 100*, 258, 504, 564 – Augustinereremitenkloster; Wohnstätte Luthers 484, 494*, 523 – Drucker und Buchführer 457 f., 555, 571, 577*, 582, 585 f., 588, 591 f. Witzel, Georg, altgl. Flugschriftenautor 566, 569, 580 Witzleben, Dietrich von, albert. Rat und Prokurator 102, 126, 300*, 399 – Friedrich von, Amtm. von Langensalza und Thamsbrück 512 f. Wladislaw II., Kg. von Böhmen 200 Włocławek (Leslau), Bistum 126, 131 Wölpern (bei Eilenburg), Dorf 482 Wohlfeil, Rainer, Hist. 407 Wolf, Bernhard, Hist. 362* Wolf, Hans, Bürger zu Pirna 542 Wolfersdorf (Wolffersdorf), Heinrich von 115* – Ulrich von, Domdekan zu Meißen 100* Wolfsgruber, Karl, Hist. 137* Wolgast, Eike, Hist. 22, 30* Wolkenstein, Amt und Amtm. 320 Worms, Bistum 52 – Reichstag (1495) 173, 387* – Reichstag (1521) 21, 169, 174, 176–179, 284, 301, 328, 383, 438*, 447*, 449, 452, 459*, 463, 468, 470 f., 473*, 491 f., 562, 567, 595, 597, 602, 605, 611, 616

Register der Orts- und Personennamen Württemberg, Herzogtum 29, 48*, 49*, 50, 57–61, 63 f., 66, 98, 244, 253, 260 f., 265 f., 327*, 341, 423*, 432, 438 – siehe auch Eberhard I. (im Barte), Hzg. – siehe auch Ulrich, Hzg. Würzburg, Bf.e von 51, 353 – Kanonikate und Dignitäten 182 Wulffer, Wolfgang, Schloßkaplan zu Dresden 564, 570, 575 Wurzen, Stadt und Schloß 193, 196 f., 203, 225, 323, 518 – Amt (Teil des Hochstifts Meißen) 193, 476, 516 – Kanonikate und Dignitäten 129 Wustmann, Gustav, Hist. 350* Wyclif siehe Wiclif Zadel, Pfarrei 214* Žak, Dr. Johann, Administrator des Erzbistums Prag 454 f., 461, 463, 526, 568 f. Zedena (Zdena oder Sidonia von Podiebrad), Hzg.in von Sachsen († 1510, Mutter Hzg. Georgs) 77, 79, 81, 83 f., 243*, 410–414, 454, 460, 619 Zeeden, Ernst Walter, Hist. 6*, 45* Zeitz, Stadt 101*, 237 – Stift, Kanonikate und Dignitäten 136, 288*

701

– Offi zial und Gericht des Bf.s von Naumburg 247 f., 512, 598 Ziegler, Christoph, Amtm. zu Meißen 218 – Christoph, Kandidat für ein Kanonikat zu Meißen 218 Ziegler, Walter, Hist. 6*, 13*, 30* Zieschang, Rudolf, Hist. 22, 264*, 334, 428* Zimmern, Dorf bei Langensalza 303 Zink, Johannes, Faktor der Fugger in Rom 146* Zörbig, Stadt und Amt 191, 434* Zschaitz (bei Döbeln), Dorfgemeinde 229, 239, 241, 335, 428 Zscheila siehe Großenhain Zschernitz, Dorf 107 Zschillen (heute: Wechselburg), Augustinerchorherrenstift, dann Komturei des Dt. Ordens 251, 325* – Propst 243, 272 f., 435* siehe auch Dobeneck – Archidiakonat 243, 272* Zwätzen, Komturei des Dt. Ordens 254* siehe auch Deutscher Orden, Landkomtur Zwenkau, Stadt 381* Zwickau, Stadt 97, 465, 475, 478 – Zwickauer Propheten 475 Zwilling, Gabriel, ev. Prediger 475, 482, 501, 507