Reflexion und Determination 9783110843415, 3110066173, 9783110066173


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German Pages 239 [240] Year 1976

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Table of contents :
Einleitung: Verstand und Vernunft. Möglichkeit und Wirklichkeit. Antinomik der Vernunft. Erkenntnis in der Erscheinung. Deter¬mination und Reflexion
I. Der Reflexionsbegriff als Determinationsbegriff
1. Die Skepsis: Humes Lehre von Wirklichkeit, Möglichkeit und unbestimmter Kraft
2. Der ontologische Gottesbeweis
3. Der unbedingte Glaube: das Ungenügen in sich der als Deter¬mination geschehenden Reflexion
II. Der in sich reflektierte Determinationsbegriff
1. Das Aposteriori als apriorisches Geschehen
2. Das Ungenügen der apriorischen Synthese
III. Die Reflexion auf den in sich reflektierten Determinationsbegriff
1. Der Widerstreit in der transzendentalen Reflexion
2. Der Determinationsbegriff als Hindernis des Reflexionsbegriffs
IV. Das Geschehen des Determinationsbegriffs als Reflexionsbegriff
1. Das begriffene Bestimmte als Geschehen der Reflexion
2. Die Grundmomente des Geschehens des Wissens des Bestimmten als Reflexion
3. Die transzendentale Reflexion als Bedeuten und als Verstehen
Anhang: Uber das Geschehen der transzendentalen Reflexion selbst als Auslegung dargestellt an der Lehre der Kritik der reinen Vernunft
a) Die Ausführung der transzendentalen Reflexion als wissenschaftliche Reflexion
b) Die Modifizierung des transzendentalen Begreifens
c) Die Modifizierung des Geschehens der transzendentalen Reflexion als Sichverstehen
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Reflexion und Determination
 9783110843415, 3110066173, 9783110066173

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Joachim Kopper Reflexion und Determination

W DE G

Kantstudien Ergänzungshefte im Auftrage der Kant-Gesellschaft in Verbindung mit Ingeborg Heidemann herausgegeben von Gerhard Funke und Joachim Kopper 108

Walter de Gruyter - Berlin · New York

1976

Joachim Kopper

Reflexion und Determination

Walter de Gruyter · Berlin · New York

1976

CIP-Kurztitelattfnakme

der Deutschen Bibliothek

Kopper, Joachim Reflexion und Determination. - 1. Aufl. - Berlin, New York: de Gruyter, 1976. (Kantstudien: Erg.-H.; 108) ISBN 3-11-006617-3

Copyright 1976 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung — J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung — Georg Reimer — Karl J. Trübner — Veit & Comp , Berlin 30 — Printed in Germany — Alle Rechte der Übersetzung, des Nachdrucks, der photomechanischen Wiedergabe, und der Anfertigung von Mikrofilmen — auch auszugsweise — vorbehalten. Druck: Franz Spiller, l Berlin 36 Bindearbeiten: Lüderitz & Bauer, l Berlin 61

Was den P h i l o s o p h e n betrifft, so kann man ihn gar nicht als A r b e i t e r am Gebäude der Wissenschaften, d. i. nicht als Gelehrten, sondern muß ihn als W e i s h e i t s f o r s c h e r betrachten. Es ist die bloße Idee von einer Person, die den Endzweck alles Wissens sich praktisch und (zum Behuf desselben) auch theoretisch zum Gegenstande macht, und man kann diesen Namen nicht im Plural, sondern nur im Singular brauchen (der Philosoph urteilt so oder so): weil er eine bloße Idee bezeichnet, P h i l o s o p h e n aber zu nennen eine Vielheit von dem andeuten würde, was doch absolute Einheit ist. Kant, Anthropologie § 88

Inhaltsverzeichnis Einleitung: Verstand und Vernunft. Möglichkeit und Wirklichkeit. Antinomik der Vernunft. Erkenntnis in der Erscheinung. Determination und Reflexion I. Der Reflexionsbegriff als Determinationsbegriff

l 19

l.Die Skepsis: Humes Lehre von Wirklichkeit, Möglichkeit und unbestimmter Kraft

19

2. Der ontologische Gottesbeweis

24

a) Die im Begreifen in der Determination durch Bestimmtes geschehende Reflexion

24

b) Die durch das Begreifen in der Determination als solche geschehende Reflexion

34

3. Der unbedingte Glaube: das Ungenügen in sich der als Determination geschehenden Reflexion

47

II. Der in sich reflektierte Determinationsbegriff

56

1. Das Aposteriori als apriorisches Geschehen

56

a) Die Antinomik

56

b) Erkenntnis in der Erscheinung als objektive Erkenntnis c) Das „Ich denke" als synthetisch geschehender analytischer Satz

62 71

2. Das Ungenügen der apriorischen Synthese

89

a) Das dogmatische Moment in der transzendentalen Reflexion b) Das Sidierhalten der transzendentalen Reflexion durch dieses dogmatische Moment hindurch

g9 \ QQ

III. Die Reflexion auf den in sich reflektierten Determinationsbegriff

118

1. Der Widerstreit in der transzendentalen Reflexion

118

2. Der Determinationsbegriff als Hindernis des Reflexionsbegriffs

124

a) Die Zenonischen Aporien b) Die transzendentale Antinomik

\ 24 131

VIII

Inhaltsverzeichnis

IV. Das Geschehen des Determinationsbegriffs als Reflexionsbegriff 1. Das begriffene Bestimmte als Geschehen der Reflexion

140 140

a) Der Verzicht auf das behauptende Raisonnement b) Das Geschehen des Wissens des Bestimmten als ein Wissen ohne Auslegung

140 149

2. Die Grundmomente des Geschehens des Wissens des Bestimmten als Reflexion

156

a) Das Bestimmte als Raum und Zeit Anmerkung L Zu Kants Lehre von den Wissenschaften aus reiner Anschauung Anmerkung II. Zum Begriff der Materie , b) Das Bestimmte als der Satz vom Grunde Anmerkung. Zu Kants Lehre von der Erscheinung

164 168 169 179

3. Die transzendentale Reflexion als Bedeuten und als Verstehen .

183

Anhang: Über das Geschehen der transzendentalen Reflexion selbst als Auslegung dargestellt an der Lehre der Kritik der reinen Vernunft

205

a) Die Ausführung der transzendentalen Reflexion als wissenschaftliche Reflexion b) Die Modifizierung des transzendentalen Begreifens c) Die Modifizierung des Geschehens der transzendentalen Reflexion als Sichverstehen

156

205 214 226

Einleitung: Verstand und Vernunft Möglichkeit und Wirklichkeit · Antinomik der Vernunft Erkenntnis in der Erscheinung · Determination und Reflexion „ . . . il y a un grand doute qui fait l'äme." Alain, Lettres sur la philosophic de Kant. Sixi^me Lettre. Im § 76 der Kritik der Urteilskraft, der eine „Betrachtung" enthält, „welche es gar sehr verdient, in der Transzendentalphilosophie umständlich ausgeführt zu werden", geht es Kant um das Verhältnis von Vernunft und Verstand. Die Kritik der reinen Vernunft hatte in dem Lehrstück, das von dem regulativen Gebrauch der Vernunftideen handelt, eine teilweise Korrespondenz des im Bedingten verfahrenden Verstandes und der auf das Unbedingte gehenden Vernunft festgestellt. Wieso eine solche teilweise Korrespondenz von Vermögen, die doch auch als grundsätzlich verschieden charakterisiert werden mußten, möglich sei, war dort nicht näher untersucht worden. Der § 76 der Kritik der Urteilskraft macht die Frage nach dem Verhältnis von Vernunft und Verstand zum Gegenstand einer ausdrücklichen Erörterung. „Die Vernunft ist ein Vermögen der Prinzipien und geht in ihrer äußersten Forderung auf das Unbedingte; da hingegen der Verstand ihr immer nur unter einer gewissen Bedingung, die gegeben werden muß, zu Diensten steht." Grundsätzlich also scheint der Verstand — nach dieser Stelle — der Vernunft, die auf das Unbedingte geht, zu Diensten zu stehen. Er ist nicht als ein Erkenntnisvermögen bestimmt, das dadurch charakterisiert werden müßte, daß es nur Bedingtes erkennt, sondern als ein Erkenntnisvermögen, das nur dann zur Ausübung des Erkennens gelangen kann, wenn es unter einer Bedingung, die ihm gegeben werden muß, steht. Es ist nicht davon die Rede, daß der Verstand immer nur ein Reich sich einander bedingender Erscheinungen erkenne, sondern der Verstand steht als solcher, wenn er zur Erkenntnis gelangen will, unter einer Bedingung, die ihm gegeben werden muß. Ist dem Verstand diese Bedingung gegeben, so vermag er auch auf seine Weise der auf das Unbedingte gehenden Vernunft zu entsprechen, fehlt ihm diese Bedingung, so ist ihm alles Erkennenkönnen genommen. Daß der Verstand immer nur in der Reihe der einander bedingenden Erscheinungen erkennt, das besagt unmittelbar nichts über sein Verhältnis zu der auf das Unbedingte gehenden Vernunft, ja es mag der Ausdruck eines positiven Verhältnisses des Verstandes zur Vernunft sein, was aber unmittelbar dies Verhältnis charakterisiert, ist, daß der Verstand nur unter einer Bedingung, die ihm gegeben werden muß, der Vernunft zu Gebote zu stehen l Kopper, Reflexion

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Einleitung

vermag, und daß die Vernunft selbst diese Bedingung offenbar nicht zu sein vermag. Die Vernunft erfüllt das Geben der Bedingung, die erforderlich ist, um dem Verstand wirkliches Erkennen zu ermöglichen, nicht: sie ist als Erkenntnisvermögen nicht von der Art, daß sie dem Verstand jene Bedingung sein könnte, von der aus er zum wirklichen Begreifen und Erkennen fortgehen kann. Es ist das durch eine ihm anderweitig gegebene Bedingung möglich gewordene objektive Begreifen, mit dem der Verstand auch der Vernunft zu Diensten steht, die selbst nicht die Bedingung für solches objektives Begreifen hat sein können, von der die Ermöglichung der objektiv gültigen Verstandesurteile nicht ihren Ausgang genommen hat. Wenn die Vernunft dergestalt nicht das die objektive Erkenntnis des Verstandes bedingende Prinzip sein kann, so ist sie dennoch Begreifen, aber ein Begreifen, das deswegen, weil es nicht in die Natur des Verstandes eingeht, auch nicht objektives Begreifen zu sein vermag. Diesem nicht-objektiven Begreifen, das, insofern es nicht zur Objektivität zu gelangen vermag, hinter dem Verstande zurückbleibt, vermag der Verstand seinerseits nicht zu folgen, weil er nur dann erkennen kann, wenn ihm die von außen kommende Bedingung gegeben ist. Für dieses Begreifen ist die Vernunft selbst das Prinzip, doch ohne als das den Verstand bedingende Geben fungieren zu können. Dieses Begreifen, das nicht dazu gelangen kann, objektives Begreifen zu werden, muß vom Verstande her als überschwänglich charakterisiert werden. Es ist nicht in dem Sinne überschwänglich, daß es mehr vom Verstande verlange, als dieser jemals zu leisten imstande ist, daß es auf ein Ziel ausgehe, das vom Verstande mit seinen Mitteln nicht adäquat angegangen werden kann, sondern in dem Sinne, daß es das Wesen des determinierenden objektiven Erkennens nicht in sich enthält, daß es nicht in synthetischen Urteilen a priori verfahren kann, sondern von allem objektiven Begreifen gänzlich abgelöst ist. Überschwänglich ist das Denken der Vernunft nicht wegen seiner von dem Verstande nicht erreichbaren Größe, sondern wegen seiner Mangelhaftigkeit in bezug auf objektive Erkenntnis. Kant sagt, daß der Verstand, da er mit den Begriffen der Vernunft nicht Schritt halten kann, aber doch zum Gültigseinkönnen ihres Begreifens für Objekte nötig sein würde, die Gültigkeit jener Ideen der Vernunft nur auf das Subjekt einschränke. Der Verstand, von dem gesagt worden war, daß er, um zum Erkennen gelangen zu können, unter Bedingungen, die ihm gegeben werden müssen, stehen müsse, bekommt so dessenungeachtet die Funktion, das Begreifen der Vernunft selbst einzuschränken. Eine solche Funktion, das Erkennen der Vernunft selbst einzuschränken, muß dem Verstand offenbar dadurch zukommen, daß er das Vermögen der objektiven Erkenntnis ist; sie kann nicht darin liegen, daß diese objektive Erkenntnis sich als eine solche zeigt, die dadurch eingeschränkt ist, daß der Verstand unter einer Bedingung steht, die ihm gegeben werden muß und die demzufolge als eine Erkennis bloß von Erscheinungen charakterisiert werden muß. Der Verstand, der durch die sein Erkennen ermöglichenden Bedingung zum wirklichen Begreifen gelangt ist, mißt also durch sich das der Vernunft

Einleitung

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mögliche Begreifenkönnen als ein solches, das hinter der Objektivität, die zu erreichen ihm möglich ist, zurückbleiben muß; er beurteilt das der Vernunft mögliche Begreifen und schränkt seine Gültigkeit ein, während die Vernunft selbst sich nicht zur Kritik ihres eigenen Begreifens zu erheben vermag. Dieses das Begreifen der Vernunft kritisierende Vermögen des Verstandes erscheint deswegen so bemerkenswert, weil es sich auf die Verbegrifflichung des Unbedingten durch die Vernunft richtet und also nicht nur nicht bloß im Bedingten verfährt, sondern in gewisser Weise auch in einem ursprünglichen Verhältnis zum Unbedingten stehen muß, damit es beurteilen könne, inwiefern die Vernunft dem Unbedingten, das sie begreift, doch auch unangemessen bleiben müsse. Hier also beurteilt der Verstand das Begreifen der Vernunft als bloß subjektiv und drückt dadurch aus, nicht etwa, daß die Vernunft für sich allein — etwa als bloße Form des Denkens des Unbedingten — leer sei und noch des Stoffes, diese Leere auszufüllen, bedürfe, sondern daß die Vernunft als die auf das Unbedingte sich richtende Vernunft, eben weil sie für den Verstand doch nicht von der Art der Bedingung, die es ihm ermöglicht, objektiv zu erkennen, zu sein vermag, auch nicht ein Erkenntnisvermögen sein kann, dem das Unbedingte so zugegen ist, daß es es als Spontaneität, die das Erkennen bedingt, in sich hätte. Auf die Weise des Wissens der Vernunft um das Unbedingte geschieht nicht die Gegenwart des Unbedingten selbst als Kraft, die bewirken könnte, daß der Verstand aus dem Erkennen der Vernunft selbst heraus das Unbedingte als Bedingung empfangen und aus ihm zur objektiven Erkenntnis gelangen könnte. Der Verstand erkennt die Vernunft als ein Begreifen des Unbedingten, in dem das Unbedingte nicht als objektive Erkenntnis ermöglichendes Sichgeben zugegen ist. Wenn es also heißt, daß die Vernunft sich auf bloß subjektive Weise zum Unbedingten verhalte, so bedeutet dies nicht, daß sie selbst als Vernunft das Unbedingte eigentlich objektiv erkennen müßte, sondern daß sie nicht imstande ist, durch ihr Verhältnis zum Unbedingten objektive Erkenntnis des Verstandes zu ermöglichen, die der Verstand dann leisten könnte, wenn durch die Vernunft das Unbedingte das Bedingende seiner Erkenntnis zu sein vermöchte. So wie also einerseits die kritische Vernunft in der transzendentalen Dialektik der Kritik der reinen Vernunft die Unangemessenheit zum Unbedingten des Verstandes, der auf ein Gebendes, das nicht von der Art der begreifenden Erkenntnis selbst ist, angewiesen ist, durchschaut, so kritisiert nun der auf ein solches andersartiges ihn Bedingendes angewiesene Verstand die Vernunft als ein Erkenntnisvermögen, das von bloß subjektivem Gebrauche sei, eben weil die Vernunft nicht jenes Geben des Unbedingten zu leisten vermag, aus dem objektive Erkenntnis entspringen könnte. In der Dialektik kritisiert die über sich belehrte Vernunft den Verstand, der ihr zu entsprechen sucht, wegen seines Angewiesenseins auf ein von außen kommendes Geben. Dieser wegen solchen Eingeschränktseins als bloß subjektiv beurteilte Verstand ist es, der in der „Dialektik der reinen Vernunft" als unvermögend, die von der Vernunft ihm vorgehaltene Idee des Unbedingten zu verwirklichen, angesehen wird und der

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Einleitung

durch sein Verfahren in der Reihe der einander bedingenden Erscheinungen das Unbedingte als solches nicht zu erreichen, sondern nur ihm nachzustreben vermag. Hier — im § 76 der Kritik der Urteilskraft ist es der auf eine sich ihm gebende Bedingung angewiesene und aus ihr objektiv begreifende Verstand, der die Vernunft deswegen kritisiert, weil sie nicht selbst das Gebende für ihn zu sein vermag und es damit nicht vermag, die objektive Erkenntnis zu einer in sich unbedingten Erkenntnis des Unbedingten zu machen. Hier ist die Vernunft als bloß subjektives Erkenntnisvermögen an der objektiven Erkenntnis des Verstandes gemessen, der die Vernunft nicht so zu entsprechen vermag, daß diese Erkenntnis die als Erkennen selbst geschehende objektive Erkenntnis des Unbedingten zu sein vermöchte. Während die Vernunft den Verstand kritisiert, weil er nicht durch eigene Leistung das Unbedingte zu erreichen vermag, kritisiert der Verstand die Vernunft, weil sie das Wesen des Gebens nicht an sich hat, das die objektive Erkenntnis zu einer in sich unbedingten Erkenntnis machen würde, weil die Bedingung alsdann von der Art der Erkenntnis selbst wäre. Die Vernunft verlangt eine zum Unbedingten zulangende Leistung des Verstandes, der Verstand verlangt, unabhängig davon, wie er seinerseits durch die Vernunft eingeschätzt sei, daß die Vernunft, damit ihre Erkenntnis Objektivität erlangen könne, für ihn die Bedingung sei, aus der objektive Erkenntnis entspringen kann, die alsdann als aus dem Erkennenkönnen selbst bedingte Erkenntnis in sich unbedingtes Erkennen wäre, das, weil es durch die auf das Unbedingte gehende Vernunft bedingt ist, als das unbedingte objektive Erkennen des Unbedingten bestimmt werden dürfte. Für den begreifenden Verstand ist das gerade die bloße Subjektivität der Vernunft, daß sie begreifen will, ohne dabei die für objektive Erkenntnis des Verstandes notwendige Bedingung sein zu können. Dergestalt vermag also die Vernunft nur so die den Verstand kritisierende Vernunft zu sein, daß sie darin ihrerseits auch schon für den Verstand bloß subjektives Erkennen ist, und der Verstand vermag die Vernunft nur so zu kritisieren, daß er seinerseits als der immer nur in der Reihe der einander bedingenden Erscheinungen verfahren könnende Verstand von der Vernunft durchschaut ist. Einander beurteilend berauben sich Verstand und Vernunft wechselseitig des Anspruchs, den für Erkenntnis einzig maßgeblichen Bezugsund Ausgangspunkt darzustellen. Jedes der beiden Erkenntnisvermögen steht so in einer doppelten Funktion da: der Verstand als Vermögen bloß der Erkenntnis der Reihe der einander bedingenden Erscheinungen und auch als das Vermögen der in sich objektiven Erkenntnis; die Vernunft als das Vermögen der Erkenntnis des Unbedingten und auch als bloß subjektives Erkennen. Dieses gedoppelte Zulänglichsein und Unzulänglichsein zugleich, in dem menschliches Erkennenkönnen sich verwirklicht, bewirkt eine eigentümliche Doppelung der Grundbegriffe, unter denen Erkennen geschieht und in der das Ineinander von Zulänglichkeit und Unzulänglichkeit auf für den Verstand und die Vernunft je verschiedene Weise sich ausdrückt. Die beiden Begriffe, die dergestalt in für den Verstand und die Vernunft verschiedener Zuordnung, für menschliches Erkennen

Einleitung

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konsumtiv sind, sind die Begriffe von Wirklichkeit und Möglichkeit. In der Unterscheidung von Wirklichkeit und Möglichkeit drückt sich die objektive Subjektivität oder subjektive Objektivität, die unserer Erkenntnis, in welcher Rücksicht auch immer wir sie betrachten, unvermeidlich beiwohnt, im Geschehen des Erkennens selbst unmittelbar aus. Kant betrachtet im $ 76 der Kritik der Urteilskraft die Doppelung von Möglichkeit und Wirklichkeit für das Erkennen, indem er von der Bedeutung, die diese beiden Begriffe für das Verstandeserkennen haben, ausgeht. Im Verstandeserkennen haben Möglichkeit und Wirklichkeit den Charakter von Position, aber beide Positionen sind gänzlich voneinander geschieden. Für den Verstand ist die Wirklichkeit sozusagen die Position als solche, die sich durch sich selbst als solche erweisende Position. Die Möglichkeit dagegen bedeutet Position in bezug auf das Begreifen, eine als Begreifen geschehende Position; Kant sagt: sie bedeutet „die Position der Vorstellung eines Dinges respektiv auf unsern Begriff und überhaupt das Vermögen zu denken". Die Position ist hier durch das Begreifen selbst gesetzt, sie ist nur als auf das Geschehen des Begreifens bezogen da. Diese durch das Begreifen selbst geschehende Position aber bleibt, wenn sie zu objektivem Erkennen führen soll, durch die Position der Sache selbst bedingt. Diese Unterscheidung von zweierlei Position wird von der Vernunft, die auf das Unbedingte geht, darin kritisiert und als nicht die Realität selbst ausdrückend dargetan, daß sie gegen diese Unterscheidung das unbedingt Notwendige fordert, an dem Wirklichkeit und Möglichkeit gar nicht mehr unterschieden werden sollen. Diese Forderung eines absolut notwendigen Wesens, an dem Möglichkeit und Wirklichkeit gar nicht mehr unterschieden werden sollen, erhebt die Vernunft, sofern sie sich auf den Verstand und dessen Unterscheidung von Möglichkeit und Wirklichkeit bezieht; sie sieht dabei gänzlich von ihrem eigenen Raisonieren ab, das, wenn es durchgeführt wird, auch, wenn auch auf andere Weise als der Verstand, mit der Unterscheidung von Möglichkeit und Wirklichkeit verfährt. Aus dieser Forderung der Vernunft erhellt es, daß die Erkenntnis des Verstandes, sofern er in der Unterscheidung von Wirklichkeit und Möglichkeit verfährt, eine bloß subjektive Erkenntnis ist, die nur von den Dingen, wie sie uns erscheinen, nicht „von Dingen überhaupt" gelten kann. Mit ihrer Forderung, daß der Verstand in einem in sich einigen Begreifen des absolut notwendigen Wesens seine Erkenntnis vollenden müsse, verlangt die Vernunft einen Verstand, der denkt, ohne dabei eines anderen als Bedingung zu bedürfen als des Denkens selbst, der also keines sich ihm gleichsam von außen Gebenden mehr bedürfe, um die Realität als solche zu denken. Wenn nun die Vernunft, anstatt nur an den Verstand eine Forderung zu tun, selbst angeben will, was denn der Begriff vom absolut notwendigen Wesen eigentlich bedeute, so zeigt sich, daß sie ebenso wie der Verstand auf die Unterscheidung von Möglichkeit und Wirklichkeit zurückkommen muß, die allerdings anders aufgefaßt ist als im Bereich des Verstandes und die ihrerseits durch den Verstand kritisiert wird. Die Vernunft faßt das wahre Begreifen als anschauendes Verstehen auf, in dem Wirklichkeit und Mög-

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lichkeit in dem Sinne zusammenfallen sollen, daß die Möglichkeit als solche auch schon die Wirklichkeit implizier. Das Unbedingte, das von der Vernunft in ihrer Kritik am Verstande als die Aufhebung der Unterscheidung von Möglichkeit und Wirklichkeit im Begreifen des Verstandes gemeint ist, wird von ihr selbst auf die Weise einer in sich unbedingten Bedeutung der Möglichkeit gedacht. Denken des Unbedingten durch die Vernunft bedeutet: das Denken der Möglichkeit als solches das Unbedingte sein lassen, die Überwindung der Trennung von logischer und absoluter Position als logische Position denken. Für die Vernunft soll sich die logische Position nicht als von der absoluten Position abgetrennt für sich dastehend erweisen, sondern sie soll in sich die absolute Position mit ihrem eigenen Wesen als logische Position zusammenschließen. Ein solches Denken der Vereinigung von logischer Position und absoluter Position bedeutet nicht mehr, daß ein absolut-notwendiges Wesen gedacht werden soll, wie das für die Kritik der Vernunft am Verstande der Fall war, wo logische Position und absolute Position zusammengebracht werden sollten, ohne daß ihre Koinzidenz als solche noch eine dieser Positionen gewesen wäre: für das Denken der Vernunft selbst soll die Einheit von Möglichkeit und Wirklichkeit Möglichkeit sein, die Unterscheidung selbst sowohl von Möglichkeit und Wirklichkeit als auch das Wesen der Wirklichkeit oder der absoluten Position als solches soll als Möglichkeit begriffen sein. Es soll also nicht einfach eine Möglichkeit statthaben, die als solche schon Wirklichkeit ist und die daher unvermeidlich absolute Setzung ist — absolute Notwendigkeit im Gegensatz zur bloßen Zufälligkeit, wo die Wirklichkeit nicht mit der Möglichkeit gegeben ist, — sondern es ist eine Möglichkeit gedacht, die nichts ist als Möglichkeit und darin auch die Wirklichkeit in ihrer eigenständigen Bedeutung als absolute Position, die von der Möglichkeit unterschieden ist, als Möglichkeit einbeschließt. Während die den Verstand kritisierende Vernunft irgendwie eine Synthese von Wirklichkeit und Möglichkeit vom Verstande fordert, geht es für die selbst das Unbedingte denkende Vernunft nicht um das Denken eines Seins, das Möglichkeit und Wirklichkeit in sich zusammenschließen soll und das daher im Unterschied zu den Gegenständen, für die ein solches Zusammenfallen nicht stattfindet und deren Existenz daher für ihren Begriff zufällig ist, das absolut notwendige Sein wäre, sondern es geht um das Unbedingtsein des Denkens von Realität als solches: es geht darum, daß das Denken, das Denken von Möglichkeit ist, als solches auch schon das Geschehen der absoluten Position sei. Wenn unsere Vernunft auch nicht selbst der ,intuitus originarius' ist, den sie sich als das ursprüngliche Geschehen solchermaßen anschauenden Begreifens denkt, so sucht sie doch im ontologischen Beweis, (von dem Kant hier nicht handelt), dieses Begreifen selbst zu vollziehen, eben deswegen, weil sie trotz ihrer, wie immer zu bestimmenden, Schranken das auf das Unbedingte gehende Erkenntnisvermögen ist. Dieses Denken nun einer Möglichkeit, die als solche die Wirklichkeit in sich einbeschließt, kritisiert der Verstand; er kritisiert es nicht mehr, wie es in der Kritik der reinen Vernunft der Fall zu sein scheint, dadurch, daß er auf sich

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selbst und damit auf das Faktum verweist, daß Wirklichkeit anschaulich gegeben werden müsse, welche Anschauung in dem Ideal der Vernunft nicht vorliege, weswegen die Vernunft auch nicht über die bloße Möglichkeit hinausgelangen könne: eine solche Kritik hätte dem Begreifen der Vernunft einfach nur das Begreifen des Verstandes entgegengehalten; der Verstand kritisiert die Vernunft vielmehr dadurch, daß er darauf verweist, dem Denken der Vernunft mangle die Objektivität, die nur dadurch erlangt werden könnte, daß die Vernunft in ihrem Begreifen zur Bedingung für das Erkennen des Verstandes werden könnte. Solange es der Verstand der Vernunft nicht gleich tun kann, weil er auf eine von außen kommende Bedingung angewiesen bleibt, solange die Vernunft nicht selbst die Bedingung für den Verstand ist, solange muß das Begreifen der Vernunft bloß subjektiv bleiben. Über die Art und Weise dieses Begreifens, über den Anspruch also der Möglichkeit, die Wirklichkeit in sich mitzubefassen, befindet der Verstand gar nicht, sondern nur darüber, daß diesem Begreifen die Objektivität mangelt. Die Unzulänglichkeit der Vernunft, die macht, daß ihr Begreifen als bloß subjektiv charakterisiert werden muß, liegt für den Verstand nicht darin, daß die Vernunft auf bestimmte Weise der Unterscheidung von Wirklichkeit und Möglichkeit begreift, sondern darin, daß sie nicht imstande ist, für den Verstand als die Bedingung zu fungieren, die ihn zur objektiven Erkenntnis gelangen läßt. Die Vernunft kritisiert also die Erkenntnis des Verstandes in der Trennung von Möglichkeit und Wirklichkeit deswegen, weil sie dem Unbedingten nicht entspreche; der Verstand kritisiert die in eben dieser Unterscheidung verfahrende Vernunfterkenntnis, weil die Vernunft mit ihr nicht imstande ist, ihm die Bedingung für objektive Erkenntnis zu geben. Dadurch, daß die Vernunft mit ihrem Gedanken des Unbedingten nicht das Gebende für den Verstand zu sein vermag, ist es bedingt, daß der Verstand hinter dem, was die Vernunft meint, zurückbleiben muß und den Gedanken der Vernunft nicht in objektive Erkenntnis eingehen lassen kann; eben damit aber muß der Verstand auch schon der Kritiker der Vernunft sein, die glaubt, ihr Gedanke vom Unbedingten vermöge durch sich selbst objektive Einsicht zu gewähren. Es ergibt sich Kant so für das Denkenkönnen von Möglichkeit und Wirklichkeit ein verwickeltes Verhältnis der Erkenntnisvermögen, das sich von der einfachen Struktur, in der frühere (und spätere) Denker das Verhältnis von Wirklichkeit und Möglichkeit auffassen zu können meinten, weit absondert und das sich auch von den von Kant selbst in früheren Jahren vertretenen Lehrmeinungen unterscheidet. Die rationalistische Tradition lehrte, daß der Verstand, indem er die Möglichkeit denkt, letztlich auch die Wirklichkeit durch die Möglichkeit zu erfassen vermag. Kant versuchte zunächst, diesen Anspruch des Verstandes durch eine selbständige Position der Wirklichkeit einzuschränken; er hat dann das Verstehen des Unbedingten auf die Vernunft geworfen, als auf eine Instanz, die eben durch ihr unmittelbares Verhältnis zum Unbedingten charakterisiert sei, die sich dabei aber, um ihrem Verhältnis zum Unbedingten Faßlichkeit zu verleihen, des Verstandes bedienen müsse, indem sie zugleich dessen Unzulänglichkeit ein-

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Einleitung

sieht, ihrem Verlangen Genüge zu tun; Kant hat schließlich Verstand und Vernunft wechselseitig einander kritisieren lassen, und er hat damit in gewisser — negativer — Weise dem Verstande die Dignität, daß er es sei, der über den Bezug des menschlichen Erkennens zum Unbedingten befinde, zurückgegeben, indem er doch zugleich auch die Vernunft zu einer für sich autonomen Instanz erhöhte und sie gegen den bloßen Verstand in ihrer Bedeutung erhielt. Für Leibniz ist es der reine Verstand, der als solcher durch sich selbst Gott erkennt. Indem der Verstand das Möglichsein als Möglichsein begreift, begreift er es als das in sich Unvermeidliche, er begreift es als das in sich apriorische Apriori, das als solches jene Realität besitzt, die wir unter dem Namen der absolut notwendigen Existenz fassen. In seiner Schrift über den „Einzig möglichen Beweisgrund" hat Kant diesen Anspruch des Verstandes, durch sein Begreifen der Möglichkeit das absolut notwendige Sein zu begreifen, eingeschränkt. Die Widerspruchsfreiheit gilt als Kriterium dafür, daß etwas als möglich begriffen ist. Widerspruchsfreiheit kann aber nur begriffen werden, wenn das Etwas, das als widerspruchsfrei begriffen werden soll, als solches für das Denken schon da ist, wenn es schon Denkinhalt ist, und die Widerspruchsfreiheit kann sich nur auf das Imverhältnisstehen verschiedener Momente an diesen Denkinhalten, die sich als ohne Widerspruch miteinander begriffen darstellen, beziehen. Sichnichtwidersprechen bedeutet dann einfach Miteinanderverbundensein der Strukturmomente von vorausgesetztem Denklichen. Möglichkeit und Widerspruchsfreiheit bezeichnen lediglich das Verhältnis zueinander von Merkmalen, die aus einem schon vorausgesetzten Ganzen durch Analyse, als miteinander dieses Ganze konstituierend, herausgehoben werden können. Solche als Kombination und Kombinierbarkeit von Merkmalen verstandene Möglichkeit befaßt sich nicht mit der Frage nach dem dabei vorausgesetzten Denklichen selbst. Das vorausgesetzte Denkliche kann vielleicht zunächst noch auf weitere es konstituierende Verhältnisse hin analysiert werden, aber es muß schließlich als solches vor aller Kombination für sich dastehen. Als ein solches nicht weiter zergliederbares erstes Denkliche möge etwa, so gibt Kant es als unverbindliche und nicht näher erörterte Annahme an, die Ausdehnung angesehen werden. Widerspruchsfreiheit, als Widerspruchsfreiheit der Verhältnisse von Denklichem verstanden, kann ein solches erstes Denken nicht mehr betreffen, und es ist die Frage, in welchem Sinn noch ein Begreifen eines solchen ersten Denklichen stattfinden kann. Kant sagt, „so ist alsdann hier die Frage, ob Raum oder Ausdehnung leere Wörter sind oder ob sie ewas bezeichnen." Jetzt ist das „Was" des Denklichen nicht mehr einfach vorausgesetzt und nur das „Wie" seiner Beziehungen erörtert, sondern es stellt sich die Frage, wie denn dieses erste Denkliche in sich selbst zu begreifen sei. Auf diese Frage nach dem „Wie" des vorausgesetzten ersten Denklichen selbst, das nicht mehr durch Widerspruchsfreiheit und Möglichkeit bestimmt werden kann, antwortet Kant, dieses erste Denkliche sei als „existierend" da. Verhältnisse sind möglich, das vor der Kombination der Strukturen liegende Denkliche ist existent. Von einem solchen ersten Denklichen kann man also nicht

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mehr im üblichen Sinne sagen, es ist widerspruchsfrei oder es ist möglich, sondern man muß sagen, es existiert oder es ist. Es ist, indem es als Gegenstand des Denkens da ist, in absoluter Position da. Wenn Existenz ausgesagt wird, dann wird nicht mehr wie im Bereiche der Möglichkeit von dem vorausgesetzten Denklichen eine gewisse ihm zukommende Bestimmung prädiziert, sondern das Denkliche selbst ist hier durch das Prädikat der Existenz von sich ausgesagt, sofern es in absoluter Position für das Denken gesetzt ist. Nicht auf die Weise der Möglichkeit allein begreift also der Verstand die Dinge, er begreift sie auch auf die Weise der Existenz, denn, daß ein Ding existent sei, bedeutet, es ist als solches in absoluter Position für den Verstand gesetzt. In der Existenz erschließt der Verstand das vorausgesetzte Denkliche seinem Begreifen als absolute Position. Die Existenz ist daher für den Verstand nicht ein von der Essenz abgesetzter, inhaltlich leerer Begriff, sondern er ist der Begriff der Sache selbst in ihrem Bestimmtsein, sofern sie darin als absolute Position verstanden ist. Für Kant bedeutet „Existenz" oder „absolute Position" nicht ein bloßes „Daß" der Sache, das im Unterschied zu ihrem „Was" auch noch begriffen werden müsse, sie bedeutet, wie Kant es ausdrücklich sagt, das inhaltlich bestimmte „Wie" des ersten Denklichen, das durch sich die Verhältnisse setzt, die das Reich des Möglichen ausmachen. An die Stelle eines Verstandes, dem — wie bei Leibniz — die Realität ganz in die Möglichkeit eingeht, ist so ein Verstand getreten, der für sein Begreifen die Differenz von Möglichkeit und Existenz setzt, der aber beide zu begreifen meint, und in diesem in sich gedoppelten Begreifen sich immer noch der Realität als solcher für versichert hält, was später in der Lehre von der Erkenntnis als einer Erkenntnis bloß von „Erscheinungen" nicht mehr gilt. Der dergestalt in der Doppelung von Möglichkeit und Wirklichkeit verfahrende Verstand kann sich allerdings nicht mehr so, wie der bloß in der Möglichkeit verfahrende Verstand es für Leibniz tat, als unmittelbares Begreifen der Unbezüglichkeit der Realität oder des absolut notwendigen Wesens verstehen. Für das bloß in der Möglichkeit verfahrende Denken liegt der Gottesbeweis schon darin, daß das Mögliche als solches begriffen ist als das, in bezug auf das der Widerspruch ausgeschlossen ist, daß das Mögliche durch sich selbst abweist, daß ihm widersprochen werden könne und es unbezüglich als das gilt, das es ist. Für Kant kann das Denken des Möglichen solche Bedeutung nicht haben, da es nur im Denken der Relationen von vorausgesetztem Denklichen besteht. Das Mögliche fußt auf dem vorausgesetzten Denklichen; und da der Begriff der Existenz, in dem sich dieses Denkliche dem Denken erschließt, den Charakter der Voraussetzung nicht aufhebt, sondern mit in das Begreifen hineinnimmt, so kann für das Verständnis des unbezüglichen Wesens der Realität nicht jene analytische Notwendigkeit erreicht werden, die den Leibnizschen Gottesbeweis möglich macht, für den das Mögliche, weil es möglich ist, als unbezügliche Realität jenseits alles möglichen Widerspruchs steht und so durch sich selbst die notwendige Realität schlechthin ausmacht. Für Kant denkt der Verstand als erstes Denkliches ein für die Möglichkeit Vorausgesetztes, das als solches nicht den

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Charakter der Möglichkeit und der Widerspruchsfreiheit hat, sich vielmehr solchem Begreifen gänzlich entzieht. Da es aber in Bezug auf die in Verhältnissen sich darstellende Sruktur des vorausgesetzten Denklichen Möglichkeit gibt und diese durch die Widerspruchsfreiheit charakterisiert ist, die macht, daß dieses Mögliche auf die Weise eines für das analytische Begreifen in sich Notwendigen nicht nicht sein kann, so ist es nicht möglich, diese Möglichkeit, wenn sie einmal ist, als aufgehoben oder aufhebbar zu denken; mag sie in bezug auf ihr Abhängen von einer Voraussetzung ein Moment an sich tragen, das nicht von der Art der Möglichkeit ist, so hat sie doch zugleich für den analytischen Begriff jene Notwendigkeit an sich, kraft deren sie als das gedacht werden muß, dem nicht widersprochen werden kann. Wenn auch die Möglichkeit nicht auf ein Begründetsein durch sich selbst Anspruch machen kann, so kann es doch nicht möglich sein, diese Möglichkeit, die den Widerspruch nicht kennt, als Möglichkeit, als Denkbares aufzuheben. Da diese Notwendigkeit in sich der Möglichkeit nicht ohne das sie bedingende vorausgesetzte Denkliche sein kann, so ist nach der Auffassung Kants in dieser Schrift durch die Notwendigkeit der Möglichkeit auch die Notwendigkeit des vorausgesetzten Daseins gesetzt. „Allein wodurch das Materiale und die Data zu allem Möglichen aufgehoben werden, dadurch wird auch alle Möglichkeit verneinet. Nun geschieht dieses durch die Aufhebung alles Daseins, also, wenn alles Dasein verneinet wird, so wird auch alle Möglichkeit aufgehoben. Mithin ist schlechterdings unmöglich, daß gar nichts existiere." Das Dasein hat also Notwendigkeit, d. h. es ist, obwohl selbst nicht von der Art der Möglichkeit oder der Strukturverhältnisse, doch durch die Möglichkeit, die aus ihm folgt, selbst der in der Möglichkeit liegenden Notwendigkeit teilhaftig. Das Dasein, sagt Kant, ist nicht — wie die Möglichkeit — ein Prädikat der Sache selbst, sondern des Gedankens, den man davon hat, es betrifft nicht das Begreifen der Strukturverhältnisse der als solche schon vorausgesetzten Sache, sondern das Begreifenkönnen der Sache als Sache. „Es ist aber das Dasein in denen Fällen, da es im gemeinen Redegebrauch als ein Prädikat vorkömmt, nicht sowohl ein Prädikat von dem Dinge selbst, als vielmehr von dem Gedanken, den man davon hat." Wird diesem Aussagen des Gedankens, den man von einer Sache hat, der Modus der Notwendigkeit zugesprochen, als ob es eine Bestimmung der Sache aussage, so wird es damit so aufgefaßt, als ob es die Struktur der Sache betreffe; die Feststellung, daß der die Möglichkeit begreifende Verstand durch sein analytisches Begreifen gerade nichts über das Denken der Sache selbst ausmachen kann, wird durch diese Beziehung des Daseins auf die Möglichkeit wieder zurückgenommen. Das Begreifen der Sache selbst, das nicht von analytischer Art ist und nicht unter den Satz des Widerspruchs fällt, wird dem Begreifen der Strukturverhältnisse der Sache untergeordnet, das nach dem Prinzip des Widerspruchs verfährt: der Begriff von der Sache selbst, der doch auch ein Begriff ist, wird als ein Begriff deklariert, der durch den Begriff der Möglichkeit bedingt sei, obwohl diese gerade durch die Sache, die sie voraussetzt, bedingt

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zu sein scheint. Durch ein solches Verfahren scheint man nicht zu dem Begriff von der Notwendigkeit der vorausgesetzten Sache kommen zu können, da man die Sache selbst dem Begreifen einzuordnen sucht, das nur für die Strukturverhältnisse der Sache gilt. Wenn das Dasein dennoch diesem analytischen Begreifen der Strukturverhältnisse eingeordnet werden soll, so muß der Begriff von der Modalität des Daseins, der so gewonnen wird, ein in sich „dunkler und verworrener Begriff" bleiben. Hier offenbar liegt der entscheidende Punkt, weswegen Kant sich später mit dem Beweis dieser Frühschrift nicht mehr einverstanden erklären konnte. Das als Andersartiges gegenüber der Möglichkeit erkannte Dasein, von dem, da es nicht unter das Begreifen der Möglichkeit fällt, nicht gesagt werden kann, in welchem Verhältnis es überhaupt zur Möglichkeit stehe, und das durch das in sich analytische Wesen des Begriffs der Möglichkeit nicht betroffen werden kann, wird seiner Andersartigkeit ungeachtet doch von der Möglichkeit her, d. h. auf die Weise des analytischen Begreifens verstandesmäßig behandelt und mit dem Modus der Notwendigkeit bezeichnet. Der Begriff des absolut notwendigen Daseins, der so zustande kommt, kann im alten platonischen Sinne als ein Bastardbegriff bezeichnet werden, von dem nicht auszumachen ist, auf welche Weise er eigentlich aus dem Begriff der Möglichkeit habe geboren werden können. In diesem Begriff wird das Dasein so genommen, als ob das analytische Begreifen auf es angewendet werden könne, dessen Unzulänglichkeit in bezug auf die Realität selbst die Unterscheidung von Möglichkeit und Dasein ja gerade hatte ausdrücklich machen sollen. Im Begriff vom absolut notwendigen Dasein kehrt das Dasein zur Möglichkeit, die als durch das Dasein bedingt erschienen war, zurück und sucht von ihr sein Begründetsein in sich selbst zu erlangen. Daß eine solche Rückkehr aber überhaupt möglich ist, damit erweist sich doch auch indirekt, daß die Kritik an der Möglichkeit und am analytischen Begreifen des Verstandes, die Kant hier übt, letztlich nicht eine in sich voll begründete Kritik ist, und daß sich der in der Möglichkeit begreifende Verstand gegen sie erheben und versuchen kann, das Dasein doch wieder aus der Möglichkeit zu verstehen: Erfahren dessen, daß die Möglichkeit sich letztlich nicht durch sich allein ausweisen kann und Festhalten zugleich der Möglichkeit als des wahren Ortes des Begreifens machen den analytisch begreifenden Verstand in eins zur abgeleiteten und doch auch zugleich zu der ihr eigenes Abgeleitetsein fundierenden Instanz des Denkens. Diese Doppelung des Begreifens der Möglichkeit und ein Begreifen des Daseins, in dem das Dasein einerseits die Möglichkeit fundieren soll, andererseits aber auch als durch die Möglichkeit fundiert erscheint, wobei beide Begriffe immer aufeinander verwiesen bleiben und sie nicht einfach als zwei voneinander getrennte Instanzen des Begreifens aufgefaßt werden dürfen, wird von Kant im Fortgang seines Philosophierens als dem wirklichen Geschehen des Begreifens des Realen unangemessen angesehen; er versucht, über die Position der frühen Schrift hinauszugelangen. Doch bleibt für diesen Versuch, zu einem deutlicheren

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Begreifen des in Möglichkeit und Wirklichkeit Gemeinten zu gelangen, zunächst der Verstand weiter zuständig, der beide Positionen, die der Möglichkeit wie die des Daseins, als Positionen seines Begreifens gesetzt hat und der eben dadurch, daß er das Geschehen des begreifenden Erkennens in zwei voneinander unterschiedene Positionen zerteilen mußte, zum für sich selbst nicht eindeutig ausgewiesenen Verstand geworden ist. Anderweitige Instanzen des Erkennens, wie Vernunft oder Anschauung, werden für den ersten Schritt der Fortentwicklung des Sichbegreifens des Begreifens noch nicht erfordert. In der Erstellung der Antinomien, die Kant rückblickend als Antinomien der reinen Vernunft versteht, tritt das Begreifen des Verstandes — nach der Darstellung der Dissertation von 1770 wie auch der Dialektik in der Kritik der reinen Vernunft — in den auf in sich gedoppelte Weise durchgeführten Versuch ein, die Zweiheit von Möglichkeit und Wirklichkeit auf eine einzige dieser beiden Instanzen so zurückzuführen, daß jeweils die eine Instanz in ihrer Einseitigkeit die andere miteinbegreift. Das Übereinkommen des Erkennens mit sich selbst in seinem Sichbegreifen in seinem Geschehen soll entweder dadurch erreicht werden, daß die Möglichkeit, d. h. die relationale Struktur des Realen, ins Dasein zurückgehe oder dadurch, daß das Dasein selbst nichts als bloßes Verhältnis werde. Dieser Versuch, in dem das eine Mal die Wirklichkeit als die die Möglichkeit fundierende Instanz verstanden ist und nach dem andererseits die Wirklichkeit allein auf die Weise der Möglichkeit begriffen werden kann, muß in einer unauflösbaren Antinomik verbleiben, weil die beiden Instanzen als voneinander getrennte Prinzipien aufgefaßt sind und dies Auseinanderfallen nicht durch die für jede der beiden Instanzen ausgesprochene Deklaration aufgehoben werden kann, daß sie gleichwohl die andere in sich mitbefasse. Der Versuch des Denkens, Wirklichkeit und Möglichkeit durch sie selbst zu vereinen, muß scheitern; aber es geht aus diesem Versuch und aus seinem Scheitern deutlicher hervor, daß sich das begreifende Erkennen nicht durch die beiden Prinzipien der Wirklichkeit und Möglichkeit, sofern sie als voneinander getrennte Prinzipien des Begreifens genommen sind, als solches begreifen läßt, und daß diese beiden Prinzipien des Begreifens selbst der Kritik unterzogen werden müssen. Daß das Geschehen des begreifenden Erkennens sich selbst als solches durch seine Begriffe ausdrücke, das ist es, worum es im transzendentalen Denken geht, das von der vorgängigen Position von Wirklichkeit und Möglichkeit absehen muß und vor aller Position begreifen können muß. Da jedoch der Übergang zu einem solchen Sichdarstellen des begreifenden Erkennens als Begriff in der Kritik der reinen Vernunft geschieht, ohne daß eine ausdrückliche Destruktion der Positionen von Möglichkeit und Wirklichkeit vorausginge, bleibt die Zweiheit der Instanzen des Begreifens gleichwohl die Form, in der das „Alsbegriffsein" des begreifenden Erkennens geschieht. Obwohl die Realität des Gegenstandes der Erkenntnis nicht durch die Zweiheit von Möglichkeit und Wirklichkeit begriffen ist, bleiben Wirklichkeit und Möglichkeit doch die Form, in der das Begreifen der Realität des Gegenstandes sich sich selbst darstellt. Möglichkeit und Wirklichkeit sind nicht von dem Begriff und Gegenstand, in

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dem das begreifende Erkennen es selbst als Begriff ist, getrennt, sondern jede von ihnen stellt diesen Begriff dar, der sich als das Ununterschiedene in ihm ausdrückt; beide, Wirklichkeit und Möglichkeit, sind die Apriorität des Erkennens als solche, indem sie doch Position und die voneinander besonderten Positionen sind und eben darin als ein Anderes gegenüber der Apriorität des begreifenden Erkennens als solcher sich darstellen. Ihre Apriorität ist nicht das bloße „Esselbstsein" als Begriff des begreifenden Erkennens, sondern sie ist auch eine für sich als solche geltende Apriorität, die über jene unbezügliche Bedeutung hinausgeht. Wirklichkeit und Möglichkeit sind so in der Kritik der reinen Vernunft die Formen, unter denen sich das Apriori des begreifenden Erkennens darstellt, das als solches schon für sich der Begriff ist, aber gleichsam auch noch in eine zweite Form des Begreifens eingehen muß, um sich sich selbst darzustellen, in der es sich doch auch selbst unangemessen zu werden scheint. Es ist offensichtlich, daß die Möglichkeit dabei nicht mehr die Bedeutung behalten kann, die sie für Descartes und für Leibniz hatte, (und die in eingeschränkter Weise auch noch für den „Einzig möglichen Beweisgrund" gilt), wo die Möglichkeit selbst als solche das Apriori des Begriffs sein soll. Indem das erkennende Begreifen sich selbst der Begriff ist und dieser Begriff doch auch seine Selbstdarstellung in Wirklichkeit und Möglichkeit sein muß, ist die Unterscheidung eines Begreifens der Vernunft und eines Begreifens des Verstandes angelegt, die weder der Rationalismus der Möglichkeit noch der Rationalismus der Wirklichkeit gefaßt hatte; eine Unterscheidung, die nicht nur den dialektischen, sondern auch den analytischen Teil der Kritik der reinen Vernunft bestimmt und deren Schwierigkeit das kritische Denken einen solchen Gang nehmen läßt, daß im Fortschreiten der sich kritisch beurteilenden Vernunft eigentlich gemeint ist, daß das Verhältnis von Vernunft und Verstand in sich zur Klarheit gebracht werde. Wie es schließlich im § 76 der Kritik der Urteilskraft ausgesprochen ist, scheint das Denken dabei auf das Ziel zuzugehen, daß die Unterscheidung von Möglichkeit und Wirklichkeit überhaupt nicht mehr gelte, sondern beide in eine ursprüngliche Bedeutung von Realität zurückgenommen werden. In der Dialektik der reinen Vernunft, in der Kritik am ontologischen Gottesbeweise, war das Ziel noch gewesen, zu einer Synthese von Möglichkeit und Wirklichkeit zu gelangen, welche Synthese jedoch als nur für Erfahrungsgegenstände möglich erkannt worden war. In der Kritik der praktischen Vernunft wie in der Kritik der Urteilskraft deutet es sich an, daß das transzendentale Denken auf den intelligiblen Grund der Welt und des vernünftigen Weltwesens zurückgehen müsse, wenn es zu einem als Begriff geschehenden Begreifen, zur Wahrheit der Realität gelangen will, zu einem Grund, in dem Wirklichkeit und Möglichkeit gar nicht mehr unterschieden werden können. Am Ende der Kritik der Urteilskraft zeigt der § 76, daß dieser Versuch der Transzendentalphilosophie, das begreifende Erkennen zur Übereinstimmung mit sich selbst zu bringen, ein ungenügender Versuch ist, in dem sich zwar das Bedürfnis der Vernunft ausspricht, der aber nicht

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berücksichtigt, daß das Begreifen, damit es sich sich selbst als Begreifen darstellen könne, gerade des Verstandes und der Trennung von Möglichkeit und Wirklichkeit, die er vollzieht, bedarf. Die Trennung von Möglichkeit und Wirklichkeit ist die Weise, auf die allein das Begreifen der Vernunft zu sich selbst gelangt, das Ansichsein wird immer nur auf die Weise der Erscheinung und in der Unterscheidung von Möglichkeit und Wirklichkeit, in der sich die Erscheinung konstituiert, das Geschehen seiner selbst. Nur in der Erscheinung geht das Wissen des Ansichseins als es selbst hervor und auf die Weise der Erscheinung und als sie stellt es sich als es selbst dar, so, daß es darin auch schon als unangemessen zu sich selbst gewußt ist. Diese Unangemessenheit bedeutet, daß auf die Weise der Erscheinung, eben indem sie das Hervorgehen des Begriffs und der Realität ist, in dem der Begriff sich selbst erlangt, nicht über Begriff und Realität befunden werden kann, d. h. was die Erscheinung und was die Trennung von Wirklichkeit und Möglichkeit, unter der sie sich dem Begreifen darstellt und in denen sie geschieht, als die Darstellung des Begriffes eigentlich sei, ist nicht auf die Weise des Begriffes zu erlangen. Wir begreifen es nicht, was es mit der Erscheinung auf sich hat, auch nicht, ob sie etwa nur eine vorläufige Weise des Sichdarstellens des Begreifens sei oder ob in ihr das Sichbegreifen des begreifenden Erkennens an das dem Menschen mögliche Ende gekommen ist. Die Situation der Transzendentalphilosophie am Ende der Kritik der Urteilskraft ist die, daß das philosophierende Bewußtsein darum weiß, daß für die Doktrin von der Erscheinung, wie sie sich aus dem Begreifen in Möglichkeit und Wirklichkeit konstituiert, nicht erkannt werden könne, was es mit ihr auf sich habe. Es sieht aus, als habe die Transzendentalphilosophie ganz von neuem zu beginnen, wenn sie doch noch nach Klarheit des Begreifens trachten wolle. „Wir wollen Beispiele anführen, die zwar zuviel Wichtigkeit und auch Schwierigkeit haben, um sie hier sofort dem Leser als erwiesene Sätze aufzudringen, die ihm aber Stoff zum Nachdenken geben und dem, was hier unser eigentümliches Geschäft ist, zur Erläuterung dienen können. Es ist dem Verstande unumgänglich notwendig, Möglichkeit und Wirklichkeit der Dinge zu unterscheiden." — Kants Lehre von der Erscheinung ist hier — am Ende der Kritik der Urteilskraft — als ein in sich dunkles und sich nicht über sich selbst ausweisen könnendes Begreifen, das gleichwohl bei sich selbst beharren muß, wenn überhaupt begreifendes Erkennen sein soll, aufgefaßt. Die Frage nach der Gültigkeit der Trennung von Möglichkeit und Wirklichkeit ist als solche Frage nach der Gültigkeit der Lehre von der Erscheinung, und diese Frage ist, so zeigt es sich hier, durch den langen Gang des transzendentalen Denkens noch nicht beantwortet, wenngleich es sich für die Transzendentalphilosophie als ein Faktum des Begreifens darstellt, daß unser Erkennen sich selbst als ein Erkennen in der Erscheinung und in der Trennung von Möglichkeit und Wirklichkeit begreifen muß. Die Vernunft, die, wie es in gewisser Weise in der Kritik der praktischen Vernunft und in der „Kritik der ästhetischen und der ideologischen Urteilskraft" angezeigt ist, meint, aus sich über die Trennung von Möglichkeit und Wirklichkeit hinausgehen zu können,

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ist in gewissem Maße auch eine über ihr Vermögen sich täuschende Vernunft, sie verkennt, daß sie nicht das Vermögen ist, das dem Verstand die Bedingung gibt, unter der er Realität zu denken vermag, sondern daß sie auf den anderweitig bedingten Verstand angewiesen ist, wenn immer sie zum Vernunftbegriff gelangt. Indem sie die Überwindung der Trennung von Wirklichkeit und Möglichkeit behaupten zu können meint, ist sie gerade selbst auf diese Trennung angewiesen. So vermag der Verstand der Kritiker dieser Vernunft zu sein, indem er es aufweist, daß nur durch ihn und durch die Trennung von Möglichkeit und Wirklichkeit, in der er denkt, das Begreifen dazu gelangt, sich selbst gegenwärtig zu sein. Aber dieser Verstand, auf dessen Weise allein das Begreifen als sich selbst gegenwärtiges Begreifen geschieht, vermag über das, was er selbst bedeutet, über seine Vorläufigkeit oder Endgültigkeit nicht zu befinden, und diese seine Ohnmacht ist dem erkennenden Bewußtsein aus der Vernunft enthüllt. Nach dem „Einzig möglichen Beweisgrund" ist das Dasein bestimmtes Dasein, das in seiner Bestimmtheit für das Denken gesetzt ist; dieses Dasein ist letztlich im analytischen Urteil, das, indem es die Identität der Relation, die Identität der Möglichkeit denkt, ein Notwendigsein in sich denkt, mitgarantiert. In der Kritik der reinen Vernunft, die, insofern ihr das Denken die Eröffnung „des Gegenstandes = X" ist, schon über die Scheidung von Möglichkeit und Dasein hinausgeht, bleiben Möglichkeit und Wirklichkeit doch die Weisen, unter denen sich das Gegenständliche, das vor aller Bestimmung liegt, als solches bestimmt. Auf die Weise des Bestimmtseins in Wirklichkeit und Möglichkeit erscheint, was selbst durch diese Bestimmung nicht zu betreffen ist. In Möglichkeit als Bestimmung geschieht so ein Wissen um Realität, das über alle Bestimmung hinausliegt; durch die Position geschieht ein Unbedingtes, das als solches nicht durch die Position zu begreifen ist. In bezug auf die so verstandene Bestimmung weiß die Vernunft, daß die Unterscheidung von Möglichkeit und Wirklichkeit überhaupt nicht sein soll; aber indem sie ihr Bedürfnis nach dem Begreifen des Unbedingten so als ein Verlangen ausspricht, das die Erkenntnis des Verstandes, unter der allein wir um das Gegenständliche wissen können, aufzuheben fordert, setzt sie sich gerade auch der Kritik des Verstandes aus, der Möglichkeit und Wirklichkeit als die Weisen weiß, unter denen allein wir gegenständliche Realität erkennen. Der Verstand kann feststellen, daß Wirklichkeit und Möglichkeit für die Erfahrung konstitutiv sind, aber er kann nicht angeben, auf welche Weise sich beide als solche wohl zum Unbedingten als solches verhalten möchten. Wie sich Möglichkeit und Wirklichkeit in ihrer Besonderung voneinander zum Unbedingten verhalten, das wissen wir nicht, und deswegen kann die Vernunft weder durch Bejahung noch durch Verneinung der Trennung von Möglichkeit und Wirklichkeit über das Verhältnis dieser Positionen zum Unbedingten befinden. Die Unzulänglichkeit unseres Begreifens der Realität in der Unterscheidung von Wirklichkeit und Möglichkeit erkennen wir, aber gerade diese Unzulänglichkeit verbietet es uns, ihre Bedeutung aufzufassen, als sei sie eine an sich gültige Bedeutung, über

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die von uns begreifend befunden werden könnte. Verstand und Vernunft müssen als theoretische Vermögen in diesem Nebeneinander, in dem das eine Vermögen das andere kritisiert, beharren. Der Verstand erkennt auf eine Weise, die das sich selbst begreifende Erkennen als ein Erkennen in der Erscheinung weiß, die sich als solche über sich nicht ausweisen kann, und deren Wesen gerade darin liegt, solches Sichnichtausweisenkönnen zu sein. Die Vernunft verlangt die Erkenntnis des Unbedingten und kann sie doch nur durch die Negation des Erkennens in der Erscheinung, nicht durch ein Verwandeln ihres Bedürfnisses in eigenständiges Begreifen zu erlangen versuchen. Doch außer diesem Verhältnis der beiden Erkenntnisvermögen zueinander, das durch ihr Ausgehen auf den Begriff bestimmt ist, gibt es — und Kant geht noch im § 76 zu dieser Bedeutung über — das Geschehen des Sichvollziehens des begreifenden Erkennens als solchen, und in diesem Geschehen sind Vernunft und Verstand als die Weisen, in denen es sich selbst als solches äußert, vor aller Position, wenn wir so wollen, „dynamisch", „der Kraft nach", einiges hervorbringendes Geschehen. In diesem Geschehen, im Prozeß des Begreifenkönnens als solchem, ist der Mensch das als Leben oder als Sichbedürftigerfahren geschehende Wissen des Unbedingten. Dieses Wissen ist in einem Urteil des Menschen über sich selbst, das nicht auf den theoretischen Begriff ausgeht, ein einiges Sichselbstwissen. Insofern nun aber das theoretische Moment, d. h. der als solcher bestimmte Begriff, hinzutritt, insofern geht aus diesem als Bedürfnis geschehenden Sichverstehen und Leben die Unterscheidung der Erkenntnis der in sich bedingten Erscheinung und des Vernunftbegriffes vom Unbedingten hervor und mit der Erscheinung die Unterscheidung von Möglichkeit und Wirklichkeit. Wenn aber Verstand und Vernunft, indem sie sich so voneinander abscheiden, zugleich aus dem einigen Sicherfahren des Lebens in seinem Bedürftigsein begriffen bleiben, dann kann auf die Weise des theoretischen Urteils das reflektierende Urteil geschehen, in dem das theoretische Urteil mit den Unterscheidungen, die in ihm statthaben, durch sich die Darstellung des bedürftigen Sichverstehens und Lebens ist und sich auf die Weise des Gegensatzes von Verstand und Vernunft und insbesondere wiederum des Gegensatzes von Möglichkeit und Wirklichkeit gerade das „principium generans", als das das Begreifen ist, für sich selbst darstellt. In solchem reflektierenden Urteil kann sich — in der Kritik der praktischen Vernunft — das Naturgesetz als der Typus des Vernunftgesetzes darstellen, und kann — nach der Kritik der Urteilskraft — in einem noch weiteren Begreifen die Unvereinbarkeit der Naturordnung und der Forderung der Vernunft, dadurch daß sie auf die Weise eines in sich einigen Selbstbewußtseins geschieht, den moralischen Glauben und unsere übersinnliche Bestimmung in sich selbst fundieren. Gerade indem die Unangemessenheit des theoretischen Begriffs zum Vernunftbegriff vom Unbedingten (sei es ausdrücklich oder unausdrücklich) eingesehen wird, wird der moralische Glaube (sei es als über sich selbst ausdrücklich belehrt oder auch nicht belehrt) ermöglicht, indem zugleich auch offenbar ist, daß der

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Vernunftbegriff an den theoretischen Begriff verwiesen bleibt. Das — in sich verkehrte — Bewußtsein von dem Genügen in sich des theoretischen Begreifens schließt den moralischen Glauben aus, das Bewußtsein von der Unangemessenheit aber gerade eröffnet ihn, weil darin allein das theoretische Begreifen sich selbst aus dem Unbedingten mißt und als solches die Offenbarung des Unbedingten ist. Damit aber tritt auch eine Rechtfertigung des analytischen Begreifens des Unbedingten durch das rationalistische Denken ein, das sich Kant in der Kritik der reinen Vernunft zunächst so dargestellt hatte, als könne es das Unbedingte schlechterdings nicht betreffen. Insofern dieses Begreifen in sich selbst zugleich auch Bewußtsein seiner Unzulänglichkeit zu dem von ihm eigentlich Gemeinten ist, insofern ist es auch schon Eröffnung des Unbedingten, wenngleich es sich für sich selbst als dogmatisches Behaupten will. Durch das transzendentale Denken wird es so — im Unterschied zum Selbstverständnis der Kritik der reinen Vernunft — gerade auch offenbar, daß im analytischen Urteil, wie es für die rationalistische Metaphysik und auch noch für den „Einzig möglichen Beweisgrund" gilt, das Denken der unbedingten gegenständlichen Bedeutung doch statthat. Daß dieses Sicheröffnen des Unbedingten durch den theoretischen Begriff als Sichverstehen des Denkens als Denken in seinem begreifenden Erkennen hervorgehe, das zu leisten, ist die Aufgabe des reflektierenden Denkens, das auch noch über das dogmatische Moment in der Lehre von den synthetischen Sätzen a priori hinausgehen muß. Es genügt nicht, daß die Erscheinung als Unzulänglichsein zum Ansich offenbar sei; dieser Unzulänglichkeit gewiß sein, bedeutet vielmehr, das Wissen um die Unzulänglichkeit noch als ein in sich gewisses Wissen verstehen; einem Selbstverständnis des begreifenden Erkennens, in dem das theoretische Vermögen derart seiner eigenen Situation gewiß ist, muß der moralische Glaube auch noch äußerlich bleiben. Erst wenn das als Wissen um das Erscheinen geschehende begreifende Erkennen, indem es sich auf den Vernunftbegriff bezieht, dahin gelangt, daß „im Erscheinen begreifen", bedeutet, daß das Begreifen sich von sich selbst keine letzte Rechenschaft abzulegen vermag, daß Begreifen im Erscheinen Begreifen in der Unzulänglichkeit in sich selbst ist, erst dann kann der moralische Glaube sich als ein solcher erfüllen, der gerade auch auf die Weise des theoretischen Begreifens geschieht. Der moralische Gottesbeweis aus dem bloß reflektierenden Urteil, der das theoretische Begreifen als ein wesentliches Moment des Glaubens in sich hineinnimmt, beschließt so für Kant den langen Gang der Besinnung des Erkenntnisvermögens auf sich selbst. Er geschieht durch ein theoretisches Begreifen, das als Unzulänglichkeit in sich geschehendes Erkennen ist. Verstandesbegriff und Vernunftbegriff sind beide gleichermaßen in sich eingeschränkt, und indem sie aneinander Kritik üben, offenbaren sie sich gerade auch für sich selbst in ihrer eigenen Unzulänglichkeit, und aus dieser Unzulänglichkeit sind sie die Kraft, sich auf das Unbedingte zu beziehen. Die Reflexion aber ist das Fürsichsein des erkennenden Selbstbewußtseins im ganzen dieses Geschehens. Kant geht so vom determinierenden zum reflektierenden Urteil; und könnte auch, wenn das 2 Kopper, Reflexion

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reflektierende Urteil einmal erreicht ist, dieser Gang selbst noch einmal in die Reflexion einbezogen werden und der Versuch gemacht werden, das determinierende Urteil noch einmal neu aus dem reflektierenden Urteil, zu dem es selbst hingeführt hat, zu begreifen, so würde eine solche Korrektur dennoch nicht bedeuten, daß das bestimmende erkennende Denken sich schließlich doch anders als durch sein Sichoffenbarsein als Unzulänglichsein zum Begriffe als solchem zu erheben vermöchte.

L Der ReflexionsbegriflF als Determinationsbegriff L Die Skepsis: Humes Lehre von Wirklichkeit, Möglichkeit und unbestimmter Kraft Kant sagt zu Beginn der „Prolegomena", er sei durch Hume aus seinem dogmatischen Schlummer geweckt worden. Das dogmatische Denken versteht sich für Kant selbst als ein Denken, das begreift, was Möglichkeit und Wirklichkeit bedeuten, und das daher auch beide in eine in sich eindeutige Beziehung zu setzen vermag. So hatte Kant selbst im „Einzig möglichen Beweisgrund" die Wirklichkeit als die Setzung der Sache selbst und die Möglichkeit als das Relationsgefüge, in dem die Sache sich darstellt, beschrieben und diese Beschreibung für ein Begreifen der damit gemeinten Prinzipien genommen, die alsdann auf bestimmte Weise zueinander in bezug gesetzt werden konnten. Hume leugnet, daß der Verstand fähig sei, begreifend über Wirklichkeit und Möglichkeit zu verfügen. Es gibt nach Hume für das menschliche Erkennen einerseits die Setzung der Sache als solcher, sie geschieht in den „impressions", und diese Setzung ist uns durch Wahrnehmung, nicht aber durch Denken bekannt. Es gibt zum ändern das Relationsgefüge der durch die Wahrnehmung gegebenen Dinge, das wir denkend ausdrücklich erfassen können und dessen Strukturen dem Satze vom Widerspruch unterworfen sind. Nicht aber gibt es ein Begreifen der Setzungen als solcher und ein Fürsichgelten der logischen Strukturen, das gleichursprünglich an diesen Setzungen teilnähme und auch als logische Struktur und logische Notwendigkeit schon Setzungscharakter hätte und dergestalt die in sich notwendige Möglichkeit darstellen würde. Descartes und Leibniz hatten angenommen, daß die Setzung des Realen in sich selbst von der Art eines Begriffes sei und daß das Sein nach dem Satze des Widerspruchs von uns als ein Begriff, dessen Verneinung sich durch sich selbst ausschließe, angesehen werden könne. Einem solchen Denken ist sein eigentlicher Gegenstand der Gottesbegriff, in dem das Sein selbst als solches Begriff ist und als dieser Begriff die Unmöglichkeit seiner Verneinung ist. Für Hume, dem das Wirkliche nicht mehr Begriff ist und für den die Notwendigkeit des Begriffs eine Notwendigkeit ist, die sich nur an einem Unbegriffenen darstellen kann, ist nicht mehr das Begreifen eines bestimmten Begriffs die eigentliche Aufgabe des Denkens, sondern es muß ihm um das Übereinkommen des Erkennens mit sich selbst gehen, dem in der Einheit seines Sichvollziehens doch das Wahrnehmen und das Begreifen voneinander abgesondert, ohne sich aufeinander beziehen zu können, dazustehen scheinen. Es muß darum gehen, im Erkennen und für das Erkennen eine Instanz zu erreichen, in der die Setzung, die nicht begriffen ist,

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und die logische Struktur, die nicht wahrgenommen ist, doch auch zusammenkommen können. Indem es so um ein Übereinkommen der für die Wahrnehmung gegebenen Setzung mit dem Begriffe und der Notwendigkeit des Begriffes mit der Setzung geht, das selbst weder durch die Setzung noch durch den Begriff bestimmt werden könnte, da kann es also nicht mehr darum gehen, Wirklichkeit und Möglichkeit in einem Begriffe zu denken, sondern sie müssen in einem Wissen, das ihnen voraufgeht und das vor der Anerkennung ihrer Zweiheit liegt, gegründet werden, in einem Wissen, das nicht mehr von der Art des analytischen Begreifens sein kann. Dieses andersartige Wissen aber bedarf der Erfahrung der Setzung durch die Wahrnehmung der „impressions", und es bedarf des analytischen Begreifens des Relationsgefüges, damit es als das Wissen, das vor diesem in sich gedoppelten Erkennen liegt, hervorgehen und als das dieses Erkennen begründende Wissen erscheinen könne. Dieses Wissen ist daher in seiner Andersartigkeit doch sowohl durch das Erfassen der Setzung der Wirklichkeit in den „impressions", als auch durch das Begreifen der logischen Strukturen in den „ideas" bedingt; es muß etwas von beiden an sich haben und zwar so, daß, indem es als das die in sich gedoppelte Erkenntnis begründende Wissen hervorgeht, es gerade auch als von der Voraussetzung der beiden Instanzen abhängig entstanden ist. Dieses Wissen, das sich von der vorausgesetzten Trennung von Wirklichkeit und Möglichkeit her begreifen muß und das für sich selbst an das Geschehen des Erkennens in der Trennung der beiden Instanzen gebunden bleibt, kann selbst als solches nicht eigentlich Erkennen sein, sondern es ist ein bloßes Analogen des Erkennens, das, da es sowohl etwas vom Wesen der „impressions" wie von dem der logischen Strukturen an sich hat, doch auch als ein in sich vollendetes und sich durch sich selbst ausweisendes Wissen und Verstehen angesehen werden kann. Hume begreift es als ein Wissen von der Art eines Instinktes, das als ein Wissen, das von der Wahrnehmung her entspringt, Wahrnehmen und Begreifen auf eine von deren Zweiheit her nicht mehr angehbare Weise zusammennimmt und damit in sich selbst etwas Unbedingtes, ein sich in sich selbst genügendes Wissen, das nicht mehr auf eine unbegriffene Setzung und einen für sich leeren Begriff verwiesen ist, darstellt. Dieses dem Wahrnehmen und Begreifen entzogene Wissen, das gleichwohl das Analogon beider in sich enthält, kann nicht ein Erkennen, wohl aber ein Glauben genannt werden. Insofern das instinktartige Wissen des Glaubens nur von den „impressions" und dem Begreifen her entspringen kann, insofern muß von ihm gesagt werden, daß es nicht ein angeborenes Wissen ist, sondern daß es aus der Erfahrung entspringt; es kann als ein aus der Erfahrung hervorgehendes instinktives Wissen näher als ein Wissen bestimmt werden, das durch Gewöhnung entsteht und sich als Gewohnheit darstellt. Gewohnheit ist der Name für dies instinktartige Wissen des Glaubens, welches Wissen jedoch nichts von einer rationalen Einsicht bei sich führen kann. Die Gewohnheit versichert uns dessen, daß die Erkenntnis, die Wirklichkeit und Möglichkeit trennt, das wahre Wesen der Realität nicht erreicht, sondern daß das Reale in sich selbst vor der Scheidung in diese Instanzen liegt, unter denen die

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Erkenntnis es uns eröffnet. Die Gewohnheit versichert uns der Kraft als des ursprünglichen Prinzips, das durch die Unterscheidung, unter der die Erkenntnis das Reale faßt, nicht betroffen ist und ihr vorausgeht. Von dieser Kraft kann also, sofern sie in bezug auf Wirklichkeit und Möglichkeit betrachtet wird, gesagt werden, daß die beide auch verbindet; sofern sie im instinktartigen Wissen aus sich selbst verstanden ist, muß gesagt werden, daß sie das vor den Unterscheidungen geschehende Hervorbringende ist, das vom Wahrnehmen und Begreifen als solches nicht mehr erreicht werden kann. Diese Lehre, daß wir m einem auf die Weise eines, nicht angeborenen, sondern durch Belehrung erlangten, Instinkts geschehenden Glauben um die Kraft als das ursprünglich Reale wissen, weist alle Versuche des Denkens, das Wesen der Kraft durch das Begreifen in Wirklichkeit und Möglichkeit selbst zu verstehen, als verfehlt ab. Ein Begreifen, das versuchen würde, das Wissen des Glaubens um die Kraft selbst durch Wahrnehmung und Verstand auszulegen, würde versuchen, zu dem Erkennen, das uns die Wahrnehmung und der Verstand unmittelbar gewähren, ein nur mittelbar zu erreichendes Erkennen hinzuzufügen, das weder eigentliches Erkennen werden könnte, noch auch noch das ursprüngliche Wissen des Glaubens adäquat in sich enthalten könnte. Dieser Versuch, das Wissen des Glaubens rational so zu behandeln, als ob es ein Wissen in Wahrnehmung und analytischem Begreifen sei, der geschieht, ohne daß Wahrnehmen und Begreifen wirklich hätten erweitert werden können, führt dann zu der Behauptung des Kausalgesetzes. Im Kausalgesetz sollen Wirklichkeit und Möglichkeit zusammengenommen werden und die Setzung aus ihrer Möglichkeit begriffen sein. Die Behauptung des Kausalgesetzes ist, wenn wir so sagen dürfen, der unter der Bedingung der Unterscheidung von Wahrnehmung und Begriff neu aufgenommene ontologisdie Gottesbeweis; in ihm geschieht ein unbedingtes Erkennen. Eben dies unbedingte Erkennen hat Hume zurückgewiesen. Nur auf die Weise des instinktartigen Wissens, nicht in rationaler Einsicht wissen wir um die Kraft. Der Versuch, die Wirklichkeit als eine Wirklichkeit unter dem Kausalgesetz zu verstehen, kann von der unmittelbaren Erfahrung des Wirklichen auf die Weise der „impressions" nicht bestätigt werden, denn diese unmittelbare Erfahrung bezeugt nur das Gesetztsein, das an sich selbst nichts von der Art einer in sich notwendigen Relation hat. Dieses in sich verfehlte Begreifen der auf die Weise des Glaubens gewußten Kraft muß abgewiesen werden; weder die der Wahrnehmung gegebene Setzung noch der Begriff können die Kraft verstehen lassen, die im Glauben vielmehr als ein erzeugendes Hervorbringen gewußt ist, das als Hervorbringendes das Unterschiedene ohne alle Unterscheidung in sich hält und gerade nicht von dem Unterschiedenen her begriffen werden kann, auch wenn es als Wissen der Gewohnheit sich von dem Unterschiedenen her selbst eröffnet. Es wäre sonderbar, wenn, wie man oft meint, gegen diese Einsicht Humes darein, daß das als metaphysisches Prinzip begriffene Kausalgesetz nur der ver-

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fehlte Versuch des von der Trennung von Wahrnehmung und Begriff ausgehenden Erkennens ist, sich des Wissens des Glaubens um die Kraft mit seinen Mitteln zu versichern, Kant hätte versuchen wollen, das Begreifen der Realität nach dem Kausalgesetz durch eine Deklaration darüber, daß dieses Gesetz als ein synthetischer Grundsatz a priori verstanden werden müsse, doch wieder zur Geltung zu bringen. Kants Geständnis, daß Hume ihn aus dem dogmatischen Schlummer geweckt habe, kann doch wohl nicht bedeuten, daß Kant nach Humes Destruktion der analytisch begreifenden Metaphysik selbst wieder Grundsätze dogmatisch habe behaupten wollen, seien es nun auch synthetische Sätze; es muß vielmehr bedeuten, daß Kant das durch Hume eröffnete Wissen darum, daß nicht aus analytischen Begriffen, sondern aus einem glaubenden Verstehen der Kraft gedacht werden müsse, als eine Einsicht erfuhr, die selbst noch von der dogmatischen Bindung an die Voraussetzung der Wahrnehmung und des analytischen Begriffs befreit werden müsse. Gerade das ausdrückliche Bewußtsein darüber, daß das Denken des Kausalgesetzes als eines in sich bestimmten Prinzips (wie immer man dies Prinzip dann auch näher verstehen wolle) Voraussetzungen machen muß, die nicht auf das hervorbringende Wesen der Kraft leiten können, mußte sich Kant aus Humes Lehre eröffnen: das kritische Denken kann nicht darin bestehen, die Ergebnisse des dogmatischen Denkens indirekt dadurch wieder zu restaurieren, daß es doch wieder auf in ihrer Identität vorgegebene Prinzipien ausgeht, es muß ihm vielmehr darum gehen, die Schwierigkeiten, in denen sich das erkennende Bewußtsein selbst erfährt, wenn es die Humesche Position einmal angenommen hat, in sich selbst weiter durchzuführen und dazu zu gelangen, daß abgebaut werde, was in der Humeschen Position noch an dogmatischer Voraussetzung verblieben ist. Die Schwierigkeiten aber, die in Humes Lehre liegen, sind dadurch gegeben, daß das nach Art eines Instinktes geschehende glaubende Begreifen der Kraft, so wie es von der für die Wahrnehmung gegebenen Setzung und von dem analytischen Begreifen her entstanden ist, sicK auch wieder auf die Setzung und den Begriff, auf Wirklichkeit und Möglichkeit bezieht und durch sie sich selbst gerade auch als das in in ihnen und durch ihre Doppelung nicht Faßbare darstellt. Das in dem instinktartigen Wissen des Glaubens Gewußte, das in eins das Analogen der Wirklichkeit und der Möglichkeit ist und das Wesen beider durch sich begründet, bezieht sich doch auch immer auf die erkannte Realität, für die Wirklichkeit und Möglichkeit voneinander geschieden sind, und obwohl der Glaube die Scheidung von Möglichkeit und Wirklichkeit nicht kennt, so muß sein instinktartiges Wissen doch selbst unter dieser Doppelung verstanden werden. Das Wissen um die Kraft und um das hervorbringende Erzeugen wird in die Setzungen, wie sie für die Wahrnehmung gegeben sind, selbst hineinbezogen und nach Art der Möglichkeit, nämlich auf die Weise des analytischen Begriffs als die Einheit verstanden, die die Vielheit der in der Zeit auseinanderliegenden Setzungen zu einem in sich Ganzen verbindet. Die auf die Weise eines analytischen Begriffes ausgelegte Bedeutung der Kraft erlaubt es uns, das in auseinanderliegende einzelne Setzungen zerbrochene Geschehen in der Zeit

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als ein in sich Ganzes zu denken, das in jedem seiner Teile in seinem Wesen sich gleich ist: durch diese Einheit ist das zeitliche Geschehen in seiner wahren Bedeutung verstanden und wir sind dadurch des zukünftigen Geschehens als eines solchen gewiß, das gegenüber dem Vergangenen kein Neues sein kann. So wird das Wissen aus dem Glauben als das Wissen um das Wesen der Kraft, das den Unterschied nicht kennt, zum zeitlichen Geschehen doch nur vermittelst eines Begreifens in Beziehung gesetzt, das die Bedeutung der Kraft durch die Analyse eines Geschehenszusammenhanges in der Zeit vorstellig macht. Aus der Wiederholung analytisch-rational begriffener Geschehenszusammenhänge in der Vergangenheit wird das Entstehen der Gewohnheit verstanden, und das die Zeit umfassende Wissen und damit auch das Vorwissen um das zukünftige Geschehen, das die Gewohnheit hat, muß selbst wieder durch den analytischen Begriff von den Geschehenszusammenhängen ausgelegt werden. Eine Kritik des Erkenntnisvermögens, die von dieser Situation ausgeht, kann nicht darauf gehen, zu einer Art neuer Einheit in sich des Erkennens dadurch zu gelangen, daß das instinktartige Wissen des Glaubens in der Gewohnheit selbst rationalisiert, d. h. von Wirklichkeit und Möglichkeit her verstanden wird, wobei denn das dann als synthetischer Grundsatz a priori behauptete Kausalgesetz herauskäme, sondern es muß ihr darum gehen, das Verhältnis von Wahrnehmen und Begreifen einerseits und instinktartigem Glauben andererseits in ein in sich einiges Begreifen zu führen. Es muß möglich sein, die Dreiheit von Wirklichkeit, Möglichkeit und unbestimmter Kraft auch zu überschreiten und ein Begreifen zu erlangen, das dieses Nebeneinanders dreier Instanzen nicht mehr bedarf; es muß möglich sein, die unterschiedenen Instanzen, unter denen sich hier das Erkennen noch auslegt, durch ein Begreifen des Erkenntnisgeschehens als Erkennen zu ersetzen. Das würde zugleich bedeuten, daß die Scheidung von Vergangenheit und Zukunft, die für den Gegenstand des Erkennens aus der Bestimmung der „impressions" als in sich identischer einzelner Setzungen zu folgen scheint, als das Wesen des Erkennens nicht seiner Wahrheit nach charakterisierend, nicht aufrecht erhalten werden könnte und die Gewißheit des Wissens um die Kraft also auch nicht mehr dadurch bestimmt werden könnte, daß es — über alle bloß rationale Statistik hinaus — die Zukunft aus dem Wissen um die Vergangenheit garantiere. Das instinktartige Wissen des Glaubens entsteht bei Hume so aus der Wahrnehmung und dem analytischen Begriff, daß weder Wahrnehmen noch Begreifen etwas über dies Entstehen vermögen, noch der Glaube seinerseits etwas über die Bedingungen vermag, aus denen er hervorgegangen ist. Wie sollen diese Instanzen, die zwar wechselseitig aufeinander verweisen, aber eine jede für sich abgelöst dastehen, in ein Begreifen gebracht werden können? Es scheint dabei also die Zweiteilung des Erkennens in ein — in sich selbst wieder gedoppeltes — rationales und ein irrationales Wissen aufgehoben und ein Wissen erreicht werden zu müssen, das die Unterscheidung von Rationalem und Irrationalem, von Bestimmtem und Unbestimmtem, die Unterscheidung eines Begreifens in Determination und eines Verstehens aus dem Insichstehen des Bewußtseins oder der

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Der Reflexionsbegriff als Determinationsbegriff

Reflexion nicht mehr kennt, und sich von dieser Unterscheidung unbetroffen als ein in sich ganzes Geschehen begreift. Nun war es aber offenbar auch noch die Auffassung Descartes' und Leibniz' gewesen, daß das erkennende Bewußtsein in sich von einer Art sei; und gerade durch die Doppelung der Struktur des Erkenntnisgegenstandes in Wirklichkeit und Möglichkeit glaubte man ein in sich einiges und ganzes — rationales — Erkennen zu erreichen, das keines Bezuges zu einem Irrationalen bedürfe. Wir wollen daher zunächst noch etwas näher untersuchen, auf welche Weise das Begreifen in Wirklichkeit und Möglichkeit zu der Annahme des Sichgenügens des rationalen Begreifens führen kann und worin die Schwäche dieser Annahme liegt, die dann zu Humes Kritik führen konnte. Dazu ist es nötig, auf das Problem des ontologischen Gottesbeweises einzugehen. Das Problem dieses Beweises ist es, wie denn Möglichkeit und Wirklichkeit, wenn sie als voneinander geschiedene Instanzen des Begreifens und der Realität genommen werden, zugleich als jenes Einssein begriffen werden könnten, das sie doch auch durch sich anzuzeigen scheinen.

2. Der ontologische Gottesbeweis a) Die im B e g r e i f e n in der D e t e r m i n a t i o n d u r c h Bestimmtes geschehende Reflexion Aus der bloßen Analyse des Gedankens von der in sich vollendeten Möglichkeit soll sich ergeben, daß in der inhaltlichen Bestimmung der Möglichkeit dieses Gedankens auch das Dasein des Gemeinten enthalten ist und nach dem Satze des Widerspruchs mit logischer Notwendigkeit in die Identität dieses Gedankens mit sich selbst hineingehört. Der ausdrückliche Vollzug dieser Analyse ist der Beweis, der also eigentlich gar kein Beweis, sondern nur das nach dem Satze vom Widerspruch geschehende Durchführen der Zergliederung eines Gedankens ist. Daß die in sich vollendete Möglichkeit das Sein in sich enthalte, mag dann in einer Fortführung des Beweises noch so gedacht werden, als impliziere die Notwendigkeit des Seins der absoluten Möglichkeit die absolute Apriorität dieser Möglichkeit selbst: als impliziere das Sein der göttlichen Natur das Notwendigsein dieser göttlichen Natur selbst als solcher; daß die göttliche Natur ist, impliziere, daß diese Natur selbst als Möglichkeit ein absolutes Apriori sei: nicht nicht sein könne. Gott ist nach dieser Implikation nicht nur notwendig seiend, sofern die göttliche Natur ist, sondern die göttliche Natur selbst ist aus dem Sein, das ihr durch sie selbst zukommen muß, etwas, was als diese Natur nicht nicht sein kann. In Gottes Natur ist nicht nur das Sein mit logischer Notwendigkeit enthalten, sondern weil dies Sein das in sich notwendige ist, deswegen ist durch es die göttliche Natur als eine nicht bloß faktisch angesetzte, sondern in sich

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notwendige Natur begriffen, so daß man sagen könnte, es muß sein, daß der sein müssende Gott, Gott sein muß. Die erste Frage, die sich für das Verständnis dieses Beweises ergibt, ist, was denn die in sich vollendete Möglichkeit und der Gedanke der in sich vollendeten Möglichkeit eigentlich meine. Nach Hume und nach Kants Darlegungen im „Einzig möglichen Beweisgrund" ist die Möglichkeit im Dasein fundiert und liegt lediglich in der Widerspruchslosigkeit in sich des Relationsgefüges, in dem dieses Dasein sich als solches darstellt. Hier von dem Statthabenkönnen einer in sich vollendeten Möglichkeit zu sprechen, scheint unangebracht, da alle Möglichkeit vom Dasein abhängig ist und sich nicht durch sich selbst bestimmen kann. Ihr Wesen besteht eben darin, ein bloß Abhängiges und Nachfolgendes zu sein, das sich nur auf Verhältnisse, nicht auf das Positive des Geschehens von Realität bezieht und wesentlich immer auf das Dasein zurückweisen muß. Die Möglichkeit kann gar nicht durch sich gedacht werden, sondern sie ist nur ein der Wirklichkeit Anhängendes, die ihrerseits nicht mehr durch Möglichkeit bestimmt werden kann. Diese Beschränkung der Möglichkeit darauf, daß sie nur das Relationsgefüge bedeute, das eine schon vorausgesetzte Wirklichkeit, die selbst nicht von der Art der Möglichkeit sein kann, durch sich eröffne, kann nun offenbar dem Verständnis der Möglichkeit nicht entsprechen, das die Vertreter des ontologischen Beweises von ihr gehabt haben müssen, wenn man ihrem Beweis ein Fundiertsein in sich nicht absprechen will. So wie in der Ausführung des anseimischen Beweises die Frage danach auftaucht, wie denn der „insipiens" überhaupt denken könne: „Gott ist nicht", da dies doch gar kein möglicher Gedanke sei, so ist also umgekehrt die Frage, die wir, die durch die Kritik Humes und Kants hindurchgegangen sind, an den ontologischen Beweis stellen müssen, wie man denn überhaupt Möglichkeit als ein Vollendetsein in sich denken könne, wenn sich doch der Gedanke aufdrängt, daß Möglichkeit an Relation gebunden sei und das Fundament für mögliche Relationen durch sich gerade nicht angeben könne. Wie ist es möglich, den Begriff der Möglichkeit weiter auszudehnen, sodaß die Möglichkeit in gewisser Weise befähigt scheint, ihre Bedeutung nicht aus einem Vorausgesetzten, sondern durch sich selbst zu gewinnen? Die zureichende Beantwortung dieser Frage kann dann erst die Basis dafür abgeben, daß von der Möglichkeit sogar noch verlangt werden könne, durch sich auch das Sein selbst zu begründen. Es müssen ganz andere Denkstrukturen, als sie bei Hume oder Kant vorliegen, gewesen sein, die eine positive Beantwortung dieser Frage möglich erscheinen lassen, und es ist überdies anzunehmen, daß bei den verschiedenen Vertretern des ontologischen Beweises wiederum sehr verschiedene Denkweisen diese erweiterte Bedeutung des Möglichkeitsbegriffs fundiert haben. In unserer Untersuchung wollen wir, bevor wir uns mit den Beweisen der rationalistischen Vorgänger Humes und Kants beschäftigen, doch auch kurz auf den anseimischen Beweis eingehen. Im anseimischen Beweis wird die in sich vollendete Möglichkeit auf das Denkenkönnen als solches bezogen, welcher Bezug allerdings seine Bedeutung

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Der Reflexionsbegriff als Determinationsbegriff

aus einer, wenn wir so sagen wollen, metaphorischen Anwendung, die eine Analogie voraussetzt, der zwischen bestimmten Denkinhalten und bestimmten Gefügen von Denkinhalten möglichen Vergleiche und Relationen nimmt. Denkinhalte können als Möglichkeiten bestimmten Denkens miteinander verglichen werden und im Denken umfassender und ausgebreiteter Strukturen geschieht mehr an Möglichkeitsdenken als im Denken armer und einfacher Strukturen. Zwischen den Denkinhalten läßt sich eine Rangordnung aufstellen, von dem, was die größten Denkinhalte ausmacht, bis zu dem, was das für das Denken Einfachste und Ärmste ist. Diese Ordnung, die von einem „minimum" zu einem „maximum" geht, hat immer nur relativ gültige Grenzpunkte und kann von dem Denken immer noch nach beiden Richtungen überschritten werden. Aus dieser Ordnung der Denkinhalte wird in einer Metapher, die ein analoges Verhältnis anzeigen soll, der Übergang gemacht zur Beziehung der Denkinhalte nicht mehr aufeinander, sondern auf das Denkenkönnen als solches. Es wird gesagt, so wie es ein Vergleichen der Denkinhalte untereinander gebe, so müsse es auch ein Vergleichen der Denkinhalte mit dem Denkenkönnen als solchem geben hönnen, und wie es beim Vergleich der Denkinhalte untereinander jeweils ein „maximum" gebe, so müsse es auch ein „maximum" beim Vergleich der Denkinhalte mit dem Denkenkönnen selbst geben. Die faßbaren Denkinhalte, bis hinauf zu den jeweils vorkommenden „maxima", seien nun insgesamt, wenn sie zum Denkenkönnen selbst in Bezug gesetzt würden, noch keine „maxima", es müsse aber in Beziehung zum Denkenkönnen durchaus einen Denkinhalt geben, der für das Denkenkönnen das „maximum" darstelle. Nun ist die Frage, ob eine solche Metapher, die vom Inbeziehungstehen der Denkinhalte zueinander zu ihrem Inbeziehungstehen zum Denkenkönnen als solchem übergeht und vermittelst der Analogie dazu gelangen will, nicht nur über das wechselseitige Verhältnis von Möglichem zueinander, sondern über ein Vollendetsein in sich der Möglichkeit, insofern sie nämlich als Möglichkeit gedacht werden kann, abschließend zu befinden, eigentlich eine Einsicht vermitteln könne. Das Denkenkönnen wird seiner selbst offenbar immer nur an den jeweils von ihm gedachten Inhalten inne, und es stellt an diesen Inhalten fest, daß sie als bestimmte Inhalte immer auch begrenzte Inhalte sind, die auf größere Inhalte hin überschritten werden können, die jedoch nicht in abstracto gedacht, sondern auch wieder als immer noch begrenzte Inhalte vorgestellt werden müssen. Demnach findet der Bezug der Denkinhalte zum Denken oder Denkenkönnen im Geschehen des inhaltlich bestimmten Denkens selbst schon statt und zwar so, daß sich alle möglichen Denkinhalte als solche erweisen, die das Denkenkönnen durch sich nicht festzulegen vermögen, das vielmehr imstande ist, immer neue und immer erweiterte Inhalte zu denken, wobei die Größenverhältnisse nur in bezug auf diese Denkinhalte untereinander statthaben, während alle Inhalte insgesamt sich gleichermaßen als solche darstellen, die das Denkenkönnen durch sich nicht auszufüllen vermögen: das Verhältnis zum Denkenkönnen bleibt durch das Verhältnis der einzelnen Denkinhalte zueinander unberührt, es ist vielmehr als ein

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eigentümlidies Verhältnis zu charakterisieren, das die Gesamtheit der Denkinhalte zum Denkenkönnen hat. Zwischen den einzelnen Denkinhalten lassen sich nun wechselseitige Größenverhältnisse ausmachen, und es ist möglich, in bezug auf solche Inhalte jeweils von einem — relativ — Größten zu sprechen. Das Verhältnis der Gesamtheit der Denkinhalte zum Denkenkönnen, das sich auf die Weise dieser seiner Inhalte selbst verwirklicht, ist nicht durch einen Vergleich der Denkinhalte untereinander anzugeben, da hier das Erstellen auch des größten Denkinhaltes über das Verhältnis der Denkinhalte insgesamt zum Denkenkönnen gar keine neue Einsicht liefern würde. Größtes läßt sich in bezug auf verglichene Denkinhalte angeben, aber in bezug auf das Denkenkönnen als solches nicht, da dieses eben nur in seinem Denkinhalt wirklich ist, und nur, insofern es die einzelnen Denkinhalte untereinander vergleicht, Komparative und Superlative bilden kann, aber in bezug auf sich selbst von der Gesamtheit der ihm möglichen Denkinhalte bekennen muß, daß es zu ihnen in einem Verhältnis steht, das durch Größenbetrachtung nicht angegeben werden kann, obwohl man wohl sagen könnte, daß dies Verhältnis durch ein Nichtzureichenkönnen der Denkinhalte zum Denkvermögen charakterisiert ist. Wenn es unter diesen Umständen überhaupt noch einen Sinn soll haben können, den Vergleich der Denkinhalte untereinander auf den Vergleich eines bestimmten Denkinhalts mit dem Denkenkönnen als solchem zu übertragen, so bleibt nur übrig, daß die Denkinhalte durch sich und ihr Verhältnis zueinander in gewisser Weise anzuzeigen vermögen, welches das Verhältnis des Gesamts der Denkinhalte einerseits und eines anderen Gedankens, der dann der Analogie nach als der „größte" bezeichnet wird, zum Denkenkönnen als solchem sei. Es wird angesetzt, daß das Gesamt der Denkinhalte des Denkens als ein Gesamt von für das Denkenkönnen Nicht-Größtem einem anderen Gedanken des Denkens als dem für das Denkenkönnen Größten analog so verglichen werden könne, wie zwei bestimmte Denkinhalte untereinander der Größe nach verglichen werden können. Analogie finde statt zwischen dem Vergleichen von Denkinhalten untereinander und dem Vergleichen von zwei Weisen des Denkens, in denen das Denkenkönnen sich selbst als solches verwirkliche. Entscheidend ist dabei, daß angesetzt wird, die Denkinhalte vermöchten durch Verhältnisse innerhalb ihres Bereiches verschiedene Weisen der Verwirklichung des Denkenkönnens in analoger Weise auszudrücken und zum Verständnis zu bringen. Das Denken des Größten des Denkens sollte dann der Analogie nach das vollendete und zum Abschluß in sich selbst gekommene Denkenkönnen sein, das dem Nichtvollendetsein des Denkenkönnens im Denken bestimmter Denkinhalte so verglichen werden kann, wie im Bereich der Denkinhalte, d. h. also im unvollendeten Denkenkönnen selbst, ein Größeres einem Kleineren verglichen wird. Für das, was das in sich vollendete Sicherfüllen des Denkenkönnens bedeutet, kann es also offenbar keine die Sache unmittelbar fassende Aussage geben, sondern nur die analoge Aussage ist möglich; und darüber, daß diese analoge Aussage in der Tat geeignet sein könne, über das Denken des sogenannten größten Gedankens etwas aus-

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zumachen, müßte sich das reflektierende Denken im ontologischen Beweis näher vergewissern. Es kann dies nur tun durch die Betrachtung der Leistungen des inhaltlichen Denkens, die vielleicht geeignet sein mögen, durch sich nicht nur sich selbst in ihrer Bestimmtheit, sondern auch das Denkenkönnen selbst auszudrücken, und deren Relationsgefüge im Verhältnis zueinander, das uns Komparative und Superlative bilden läßt, dann vielleicht auch Anzeige auf verschiedene Verwirklichungsmöglichkeiten des Denkenkönnens selbst zu geben vermöchte. Es verhält sich also so, daß ein relativ Größtes durch sich Anzeige auf das Größte des Denkenkönnens tun soll, das freilich durch die bloße Relativität der Denkinhalte nicht betroffen sein soll, das aber durch den Akt des Denkens, der im Denken eines — allerdings nur relativen — Superlativs geschieht, doch soll bezeichnet werden können. Wenn wir nun die Leistung des Denkens der Denkinhalte näher betrachten, die durch Analogie auf den Gedanken des für das Denkenkönnen Größten führen soll, so sehen wir, daß es für Anselm die Verbindung der Möglichkeit mit der Wirklichkeit ist, die auf die Größe der Denkinhalte führt. Der durch die analoge Aussage als das für das Denkenkönnen Größte angezeigte Gedanke soll ein Gedanke sein, in dem die Wirklichkeit nicht mehr von der Möglichkeit getrennt ist, sondern die Möglichkeit vielmehr die Wirklichkeit in sich einbeschließt. Durch diese analoge Aussage wird also das für das Denkenkönnen Größte in seiner Struktur näher bestimmt: durch das Zusammennehmen von Wirklichkeit und Möglichkeit soll es in gewisser Weise geschehen können, das anzugeben, was unter dem Denken des für das Denkenkönnen Größten gemeint ist. Unter den Denkinhalten ist der Voraussetzung nach bei sonst gleicher Bestimmung der der größere, in dem auch das Sein, d. h. in erster Linie das räumlich-materielle Bestehen der gewußten Sache erfaßt ist. Bei diesen relativ großen Denkinhalten nun scheint es sich so zu verhalten, daß immer auch die Möglichkeit besteht, die Dinge auch ohne Sein oder Bestehen im Denken aufzufassen, sodaß sie dann im Vergleich zu ihrem Aufgefaßtsein mit Bestehen als kleiner gewußt sind, wogegen für das der Analogie nach so bestimmte Größte des Denkenkönnens behauptet wird, hier könne ein Denken der Möglichkeit der Sache ohne ein Denken des Seins oder, allgemein, ein Denken der Sache als auch kleiner, als der erste Gedanke von ihr ist, nicht statthaben. Diese Nötigung für das Denken soll also gerade dadurch angezeigt werden, daß man diesen Gedanken der Analogie nach als den für das Denkenkönnen größten Gedanken bestimmt. Aus diesem Auffassen eines Größten der Analogie nach soll nun offenbar zugleich eine ebenfalls analog angewandte logische Notwendigkeit entspringen, die aber beim Auffassen von relativ Größtem keineswegs hervorgeht: daß dieses Größte nämlich in seiner — analog vorgestellten — sachhaltigen Bestimmung ein logisch notwendiges Verhältnis zu sich selbst und damit unter anderem und in erster Linie auch zu seinem Bestehen habe. Untersuchen wir dieses Problem zunächst nur in vorläufiger Weise. Ist in der analogen Aussage von einem für das Denkenkönnen Größten das Sein nach dem

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Satze des Widerspruchs mit Notwendigkeit in der Möglichkeit enthalten? So kann es sich offenbar auf eindeutige Weise nicht verhalten, da die Aussage ja nur eine analoge Aussage ist. Für die relativen Denkinhalte kann ein Größeres bzw. gegebenenfalls relativ Größtes dadurch angegeben werden, daß der Gedanke bei gleicher sachlicher Bestimmung noch das Sein oder Bestehen der Sache miterfaßt. Dabei geht die Analyse, die angibt, welche Momente als zur Identität der Sache gehörig nach dem Satze des Widerspruchs mit der Sache notwendig gesetzt sind, von der Voraussetzung der Sache im Wissen aus, wobei diese Voraussetzung angibt, ob die Sache mit oder ohne Bestehen gesetzt ist. Für das auf analoge Weise ausgesagte Denken des unbedingten Gegenstandes des Denkens soll nun gelten, daß er selbst als solcher gerade auch die analytische Notwendigkeit des Begriffs ist, daß er für den Begriff nicht mehr den Charakter der Voraussetzung hat, sondern selbst schon den Charakter des Begriffs und der logischen Notwendigkeit angenommen hat. Damit aber dieser Charakter angegeben und faßlich gemacht werden könne, damit er ausgesagt werden könne, muß sich das denkende Bewußtsein wieder der analogen Bestimmungen bedienen, die — selbst nur analog verwendete — logische Notwendigkeit wird durch Bestimmungen faßlich gemacht, die den Charakter der Voraussetzung haben; die logische Notwendigkeit wird durch das notwendige Miteinanderverbundensein von Momenten angegeben, die zugleich als für sich bestehende Voraussetzungen bestimmt bleiben, die gerade kein solches logisches Aufeinanderverweisen implizieren. Der Gedanke der Voraussetzung und der Gedanke der analytischen Notwendigkeit lassen sich in dem durch inhaltliche Bestimmungen charakterisierten Denken nicht zusammenbringen, sie scheinen aber in dem von diesem inhaltlichen Denken her auf analoge Weise konzipierten Denken eines unbedingten Gedankens zusammengebracht werden zu sollen, wobei sich als Resultat ergibt, daß weder ihre Trennung, noch ihr Zusammengedachtsein als in sich ausgewiesen von uns begriffen sind. Entscheidend aber ist, daß dabei die ganze Konzeption der Struktur des Denkens von dem inhaltlich bestimmten Denken und seiner Trennung von Voraussetzung und logischer Notwendigkeit her gebildet ist. Dieser Ausgang wird, ohne daß er damit aufgehoben wäre, durch den Beweis selbst in ein Unausgewiesensein in sich selbst gerückt. Um das Denken des unbedingten Gedankens, das die Unterscheidung von Voraussetzung und logischer Notwendigkeit in sich aufzuheben sucht, auf analoge Weise erlangen zu können, müssen wir von dem inhaltlich bestimmten Denken ausgehen, das diese Unterscheidung gerade macht, und nur indem wir die Unterscheidung gerade setzen, können wir versuchen, ihr Aufgehobensein zu behaupten, welche Aufhebung selbst nur mit den Mitteln der Unterscheidung angegeben werden kann. Betrachtet man den ontologischen Beweis unter diesem Gesichtspunkt, so erscheint die Frage Gaunilos danach, ob man sich denn unter dem Gedanken des für das Denkenkönnen Größten überhaupt etwas denken könne, als der Versuch, die Eindeutigkeit des Denkens in inhaltlicher Bestimmung gegen die Fragwürdigkeit zu retten, die es aus der Reflexion des Beweises treffen mußte. In diesem

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Sinne ist seine Gegenschrift eine Apologie der Gültigkeit des inhaltlich bestimmten Denkens, gegen die Anselm deswegen nichts Entscheidendes vorbringen kann, weil er sich selbst noch dieses Denkens als der Basis für seine Reflexion bedient, sodaß er seinerseits meinen konnte, er müsse sich gegen Gaunilo verteidigen. Gaunilo also hat sich, anders als dies meist dargelegt wird, offenbar nicht dagegen gewendet, daß in dem Begriff von einem für das Denkenkönnen Größten von der bloßen Möglichkeit zum Dasein übergangen werde, er war vielmehr der Auffassung, daß dieser Begriff von Anselm nicht als ein in sich klarer Begriff dargetan werden könne. Er kann sich nicht überzeugen, daß durch diesen Begriff wirklich etwas gedacht sei. Der Begriff von einem Superlativ — er sei inhaltlich wie immer bestimmt — ist ein auf Relation gehender Begriff, und es ist nicht zu sehen, was ein solcher Begriff bedeuten solle, wenn ihm dieses relationale Moment entzogen wird, was mit ihm noch gemeint sein soll, wenn er aller inhaltlichen Beziehung entzogen wird. Indem dieser Begriff so ein unausgewiesener Begriff ist, der sich auf keine Erfahrung gründen kann, obwohl er vorgibt, ein den Erfahrungsbegriffen vergleichbarer Begriff zu sein, fällt er dem Verdacht anheim, daß er bloßer Ausdruck der in ein Wort sich legenden Einbildungskraft ist, und daß er daher noch nicht einmal so viel leisten kann wie der Begriff irgendeiner als bestehend erkannten Sache, in dem Wirklichkeit und Möglichkeit doch faktisch zusammengenommen sind, daß er vielmehr als bloßes Geschöpf der Einbildung im Bereich der bloßen Möglichkeit bleibt, ohne Zugang zu irgendeinem Sein zu haben, weder zu einem bestimmten, noch etwa gar zu einem unbestimmten und unbegrenzten. In diesem Sinne fragt Gaunilo — problematisch —, ob der Begriff vom Superlativ schlechthin nicht ein ebensolcher Begriff der Einbildungskraft sein könne, wie es etwa der Begriff einer vollkommensten Insel ist, der als bloßes Produkt der Einbildungskraft noch nicht einmal das Sein einer solchen Insel durch sich ausdrückt, das uns der Erfahrungsbegriff irgendeiner bestehenden Insel ohne weiteres gibt. Ein solcher Verdacht, nach dem der Begriff von dem für das Denken Größten noch nicht einmal ein Begriff wäre, der einen direkten Bezug zur Wirklichkeit hat, wie ihn die Erfahrungsbegriffe selbstverständlich haben, läßt sich — für Gaunilo selbst — weder als richtig bestätigen noch als falsch auflösen, eben weil der Begriff vom Superlativ schlechthin ein in sich unverständlicher Begriff, vielleicht nur ein leeres Wort, ist, von dem wir nicht angeben können, ob wir darunter etwas oder vielleicht gar nichts denken. Würde das Wort von dem für das Denken Größten nur unserer Einbildungskraft entspringen, so würde es als eine Aufforderung an das Denken dieses doch niemals das erreichen lassen, auf das es hinweist, denn die Einbildungskraft würde noch nicht einmal das Zusammenspiel der beiden verschiedenen Momente Wirklichkeit und Möglichkeit für das Denken bereitstellen können, das uns doch jeder Erfahrungsbegriff einer bestimmten Sache schon gibt. Soll aber der Superlativ des Denkenkönnens selbst ein erfahrbarer Denkinhalt sein, so muß diese Erfahrung eine in sich unverständliche Erfahrung sein, in der wir mit

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unserem sonstigen Begriffsvermögen nichts deutlich erkennen können, denn die uns bekannte und uns deutliche Erfahrung gibt uns immer nur relative Größen. Dieses Wort vermag es nicht, uns deutliche Erkenntnis zu vermitteln, es kann uns insbesondere nicht über das Sein der gemeinten Sache unterrichten; was uns bleibt, wenn wir das Sein einer Sache erkennen wollen, ist immer nur, daß wir die Sache selbst als eine bestehende erfassen: dann haben wir sie in ihrer aus Möglichkeit und Wirklichkeit gebildeten Größe. Der Verzicht dagegen auf Erfahrung beraubt uns letztlich nicht nur des Erkennens der Dinge als bestehender, er würde, indem er alle sachliche Bestimmung verschwinden macht, schließlich auch die Möglichkeit selbst zum Verschwinden bringen. So kann, wenn wir uns nur an das bloße Wort vom Denken des für das Denken Größten halten, die Größe, die wir suchen, nicht herauskommen, sei es, daß wir bei der bloßen Einbildungskraft verweilen, die doch noch nicht einmal die Größe irgendeines Daseins erreicht, oder daß wir in der Dunkelheit eines Andeutens für das Erkennen verbleiben, das keine Erkenntnis werden kann. Gaunilo glaubt nicht, daß wir die Erkenntnis eines Gegenstandes, die dieses Wort vom schlechthin Größten zu einem in sich deutlichen Begriff werden lassen würde, jemals haben können. Das in dem Wort von dem für das Denkenkönnen Größten Angezeigte kann nicht auf das Erkennen, sondern nur auf den Glauben Bezug haben, auf den es in einer Weise Anzeige tun mag, die durch das Erkennen und Begreifen nicht bestätigt werden kann. Nicht darum also geht es in Gaunilos Widerlegung, daß der Übergang vom Denken zum Sein bei Anselm nicht gegeben sei, sondern darum, daß der Begriff von dem für das Denken Größten als Begriff erst ausgewiesen werden müsse. Anselm nimmt an, daß man von den Erfahrungsbegriffen in analoger Weise zu dem Begriff aufsteigen könne, der für das Denkenkönnen der unbedingte ist. In diesem analogen Gebrauch der Erfahrungsbegriffe für das Denken des für das Denkenkönnen Größten ist impliziert, daß das Denken eines relativen Superlativs durch sich Anzeige geben könne erstens auf eine innere Einheit der Wirklichkeit und der Möglichkeit, sowie zweitens auf ein Eingehen der Voraussetzung in die logische Notwendigkeit. Gegen diese Annahme hält Gaunilo fest, daß der Erfahrungsbegriff keinerlei Hinweis darauf gebe, daß Wirklichkeit und Möglichkeit in eine Einheit zusammengehen können und daß der Charakter der Voraussetzung, der sowohl die Wirklichkeit wie die Möglichkeit betrifft, mit der logischen Notwendigkeit in eins gedacht werden könne. Gaunilo zeigt durch seine Kritik weiter, daß, wenn das Denken des relativ Größten die Fähigkeit haben solle, durch sich als Analogen auf einen Gedanken hinzuweisen, der nicht durch die Trennung von Wirklichkeit und Möglichkeit wie durch die Trennung von Voraussetzung und logischer Struktur betroffen ist, daß dann dieses gemeinte anderartige Denken jedenfalls nicht ein Denken aus der Einbildungskraft sein kann, denn ein solches Denken aus der Einbildungskraft würde das Fundament des ihm eigentümlichen Wissens gar nicht in die Gestalten, die es erbildet, einbringen können, da diese Gestalten selbst wiederum nur Gestalten nach Art der

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Erfahrungsbegriffe wären, die also nicht geeignet sein könnten, ein etwaiges höheres Begreifen der Einbildungskraft durch sich noch angemessen darzustellen. Da in Anselms Beweis eine Belehrung des analog verfahrenden Denkens über sich selbst nicht erreicht ist, kann durch diesen Beweis über die Kritik des Gaunilo nicht in dem Sinne befunden werden, daß diese Kritik der wahren Natur des Erfahrungsbegriffes nicht gerecht werde, sondern, was das Begreifen im bestimmten Erfahrungsbegriff bedeute, ist durch diesen Beweis selbst nicht einsichtig, und die Berechtigung des analogen Verfahrens, das das Denken in ihm nimmt, steht noch dahin. Entscheidend ist, daß sowohl für Anselm wie für Gaunilo der Erfahrungsbegriff selbst die Basis sowohl für das Verstehen seiner selbst wie für das Verstehen des unbedingten Gedankens abgibt. Auch Gaunilo schließt es nicht aus, daß der Erfahrungsbegriff durch sich selbst auf ein Wissen hinweisen kann, das selbst nicht mehr als ein Erfahrungsbegriff bezeichnet werden kann. Die Weise wie dieser Erfahrungsbegriff vom erkennenden Bewußtsein schon ausgelegt ist, läßt Anselm nur den Weg eines analogen Denkverfahrens finden, nach dem dieser Erfahrungsbegriff von ihm selbst her zugleich auch übertroffen werden könne. Gaunilo lehnt es ab, daß der Erfahrungsbegriff, so wie er sich ihm als der durch das erkennende Bewußtsein schon ausgelegte darstellt, von sich aus ein solches analoges Verfahren des Denkens, das über ihn hinausführt, erlauben könne. Er verwirft zugleich ein Verfahren aus der Einbildungskraft. Das Ergebnis des Beweises und seiner Kritik muß es sein, daß das erkennende Selbstbewußtsein in eine Skepsis darüber eintritt, was denn der Erfahrungsbegriff eigentlich bedeuten könne, eine Skepsis, die aber darin fundiert ist, daß der Erfahrungsbegriff tüchtig sein müsse, durch sich selbst das Denken des unbedingten Gedankens zu eröffnen. Das inhaltlich bestimmte Erkennen soll also im anseimischen Beweis durch sich als Analogon ein andersartiges Wissen eröffnen, das, eben indem es sich an die Bestimmungen des inhaltlichen Erkennens hält, doch ein Wissen sei, das über die bloß relative Größe, die die Erkenntnisinhalte nur zu haben scheinen, in irgendeiner Weise auch hinausgelangt zu einem Abschluß in sich des Denkenkönnens. Ein solches — im Ausgang von den inhaltlichen Voraussetzungen mögliches — unbedingtes Denken geschehe im Denken des Superlativs des Denkens, in dem nicht nur dieser Superlativ selbst als Gegenstand des Denkens mit logischer Notwendigkeit gedacht werde, sondern auch das Denken selbst dieses Superlativs für das Denken als ein in sich logisch notwendiges offenbar werde, sodaß dieser Superlativ also der apriorisch notwendige Gegenstand eines apriori notwendigen Denkens sei. Die Möglichkeit und die Bedeutung eines solchen analogen Denkenkönnens des Superlativs schlechthin für das Denken nun ist es, die in dem Beweis Anselms selbst undurchsichtig bleibt. Recht eigentlich im Dunkel liegt der analoge Gebrauch der Erfahrungserkenntnis, die durch sich auf ein andersartiges Denken und Erkennen leiten soll. Wir sind in der Erfahrung imstande zu vergleichen, Größeres und Kleineres im Vergleich zu bestimmen und auch zu relativ Größtem und Kleinstem zu gelangen. Wie soll nun der Begriff

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von einem relativ Größten (oder bei Nikolaus von Cues auch der von einem relativ Kleinsten) zu einem andersartigen Wissen leiten können, das durch den Gedanken von einem für das Denkenkönnen schlechthin Größten bezeichnet wird? Das Wissen vom relativ Größten muß durch sich das Wissen eröffnen, das man mit der Bezeichnung eines Wissens von dem für das Denkenkönnen Größten schlechthin angeben kann; aber es ist nicht klar, was das bedeuten soll. Es ist jedenfalls, so ergibt es sich für die faktischen Denkinhalte selbst, die Bedeutung des inhaltlich bestimmten Denkens und Erkennens nicht dadurch schon begriffen, daß man den Inhalt angibt, den man denkt und erkennt; sondern, indem das Erkennen sich als Erkennen solcher Inhalte verwirklicht, da muß darin auch schon eine Leistung des Denkens geschehen, die es ermöglicht, dann eine solche Aussage wie die von dem für das Denkenkönnen Größten, die als solche den Gottesbeweis ausmachen soll, zu bilden. Diese Leistung des inhaltlich bestimmten Denkens deutlich zu erfassen, kann aber gerade dann nicht möglich sein, wenn das Denken, wie es bei Anselm geschieht, nur in seinen Inhalten verfährt und auch das Wesen dieser Leistung selbst sich nur inhaltlich vorzustellen vermag. Die Erhellung des Wesens des ontologischen Beweises kann also offenbar nur dadurch erlangt werden, daß das Erkennen sich zu einem Sichverstehen bringt, das es von dem direkten Gebundensein seines Füresselbstseins in seine Inhalte befreit. Dieser Übergang zu einem andersartigen Sichverstehen des Erkennens kann nun sicher durch die Skepsis, in die das erkennende Bewußtsein in bezug auf sich selbst dadurch fällt, daß es sich in seinem analogen Begreifen nicht selbst zu verstehen vermag, vorbereitet werden, aber die Skepsis bringt durch sich offenbar noch keine neue Denkweise hervor. Eine andere Denkweise könnte nur entstehen durch ein Sichverfolgen des inhaltlich bestimmten Denkens in sich selbst, in seinem inhaltlichen Bestimmtsein. Die Unterschiede, die die Durchführung des ontologischen Beweises im Laufe der Geschichte gefunden hat, bestimmen sich aus der Art und Weise, wie das erkennende Bewußtsein auf das Wesen und die Bedeutung der Erkenntnisinhalte reflektiert hat. Dabei liegt zugrunde, daß die inhaltlich bestimmte Erfahrungserkenntnis an sich selbst die doppelte Charakterisierung hat, einerseits durch sich mehr anzuzeigen als ihre Bestimmung als solche herzugeben scheint, nämlich ein unbedingtes Denken und Erkennen, andererseits aber durch ihren Status als bestimmte anzuzeigen, daß sie durch sich ihre eigene Fähigkeit, solches unbedingte Erkennen zu leisten, gerade nicht erklären könne. Die Skepsis, die hier hervorgehen muß, ist also nicht eine Skepsis in bezug auf das Gültigsein als solches unseres Erkennens, sondern eine Skepsis in bezug auf unser Einsehenkönnen dessen, was eigentlich die Unzulänglichkeit unserer Erfahrungserkenntnis in bezug auf ein Insichzurvollendungkommen des Denkens ausmache. Es geht nicht etwa darum, der Erfahrungserkennnis als solcher ihre Gültigkeit zu bestreiten, sondern sie soll daraufhin in sich selbst befragt werden, wie sie denn tüchtig sein könne, durch sich auf ein unbedingtes Denken und Erkennen zu führen. 3 Kopper, Reflexion

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b) Die d u r c h das B e g r e i f e n in der D e t e r m i n a t i o n als solche geschehende Reflexion Descartes' Gotteslehre ist dadurch bestimmt, daß an ihrem Anfang das ausdrückliche Sichbefragen des in seine Inhalte gebundenen Denkens danach steht, wie es denn durch sich ein unbedingtes Denken leisten können. In seinem Zweifel an der Erfahrungserkenntnis bezweifelt Descartes nicht, daß wir überhaupt irgendetwas erkennen, sondern er zweifelt, ob diese unsere Erkenntnis objektive Gültigkeit habe. Was im anseimischen Beweise auseinandergelegt ist in das Relativ-Große und das Größte schlechthin des Denkenkönnens, das ist hier von dem Relativ-Großen der Erfahrungserkenntnis als solchem verlangt. Die Erkenntnis des relativ Großen, nämlich die bestimmte Erfahrungserkenntnis, soll in sich selbst nicht nur relative Bedeutung haben, sondern sie soll auf die Weise eines objektiven Gültigseins in sich selbst eine unbedingte Bedeutung haben. Für dieses objektive Gültigsein ergibt sich die gleiche Schwierigkeit wie für das Größte des Denkenkönnens bei Anselm: es kann nur durch die bestimmte Erfahrungserkenntnis selbst nachgewiesen werden. Die bestimmte Erfahrungserkenntnis aber gibt nichts als sich selbst in ihrem Bestimmtsein kund. Dieses vorhandene Bestimmtsein läßt sich erkennen, nicht aber läßt sich mit gleicher Gewißheit ein unbedingtes Gelten dieses Bestimmtseins, ein Zumabschlußgekommensein des Denkens in ihm erkennen. Das Gelten des Bestimmten stellt sich vielmehr immer nur so dar, daß es eben als dies Bestimmte, nicht aber gleichermaßen als das Denken eines Unbedingten sich darstellt. Der bestimmte Erkenntnisinhalt erscheint dem Denken nicht auf eindeutige Weise als etwas, wodurch es selbst ganz ausgemessen wäre, sondern er erscheint ihm eher als ein solcher, der durch ein anderes ersetzbar wäre. Während also Anselm einen besonderen unbedingten Erkenntinhalt sucht, sucht Descartes das Unbedingtsein der Erkenntnisinhalte selbst als solcher. In dieser Ausgangssituation steckt schon der ganze Unterschied. Anselm hält es für unbestreitbar, daß die Erfahrungserkennnis durch sich eine ihr analoge andere inhaltliche Erkenntnis eröffnen könne: er nimmt zwei Sphären inhaltlicher Erkenntnis an, die Erfahrungserkenntnis und das Erkennen des für das Denkenkönnen Größten. Beide Erkenntnisbereiche stellt er nebeneinander als in sich gültig hin. Gaunilo richtete sich gegen die Annahme, daß man die Erkenntnis des schlechthin Größten von der Erkenntnis des relativ Großen her gewinnen könne, hielt aber die Erkenntnis des relativ Großen als in sich klar und fraglos fest. Der Anspruch Descartes' dagegen, daß die Erfahrungserkenntnis in sich objektive Gültigkeit habe und damit das Denken in sich selbst dahinein binde, den Inhalt so zu denken, wie es ihn denkt, setzt nicht zweierlei Erkenntnis an, sondern verlangt, daß die in sich bestimmte Erkenntnis über ihr bloßes So- und Sosein hinaus noch eine andere Bedeutung habe, die mit diesem Bestimmtsein gegeben ist, aber nicht durch die jeweiligen inhaltlichen Merkmale dieses Bestimmtseins anzugeben ist. Das Erkennen stellt daher seinen Anspruch nicht durch die Unterscheidung zweier

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Erkenntnisbereiche, sondern es stellt ihn auf die Weise der Erfahrungserkenntnis selbst, die außer den inhaltlich bestimmten Merkmalen auch ein objektives Gültigsein, das das Denken bindet, durch sich ausweisen soll. Insofern diese objektive Gültigkeit anderes sein soll als die bloße inhaltliche Bestimmung, erscheint sie als das Nichtnachweisbare, denn immer nur die Bestimmungen lassen sich aufweisen. Setzung des Unbedingten und Kritik an dieser Setzung geschehen hier — im skeptischen Bewußtsein — in einem Denkprozeß, sie sind nicht mehr an zwei Untersuchungen, wie bei Anselm und Gaunilo, verteilt. Anspruch und Zurückweisen des Anspruchs geschehen in eins, und so wie sich für den Anspruch keine eigenständige Erkenntnis mehr angeben läßt, so läßt sich auch für das Zurückweisen des Anspruchs keine andere und neue bestimmte Einsicht darüber angeben, daß er zurückgewiesen werden müsse, da ja nichts vorliegt als die Frage selbst nach der objektiven Bedeutung der gegebenen bestimmten Erkenntnis. Diese Situation nun der Skepsis, in der der Anspruch auf Erkenntnis des Unbedingten und das Nichtausgewiesensein des Anspruchs so zusammengehen, daß gerade im Erkenntnisinhalt sowohl der Anspruch als auch das Nichtausgewiesensein des Ansprudis gesetzt sind, bringt Descartes in das Bewußtsein des Nichtaussagenkönnens schlechthin: weder des Anspruchs noch des Nichtausgewiesenseins des Anspruchs können wir gewiß sein, sondern eines erhebt sich immer so gegen das andere, daß weder die Behauptung noch die Leugnung des Behauptenkönnens ausgesagt werden können. Im Bewußtsein des Nichtaussagenkönnens aber macht das Erkennen eine in sich einige Erfahrung vom Geschehen seiner selbst als Erkennen, die sich als solche nicht in bestimmten Inhalten angibt, sondern ein auf die Weise der Erkenntnisinhalte geschehendes Erfahren seiner selbst ist. Der Erkenntnisinhalt mit seinem Anspruch auf objektive Gültigkeit und mit der Unausgewiesenheit dieses Anspruchs wird, ohne daß damit sein Verständnis eigentlich gewandelt wäre, auf seine Weise der Ausdruck des Geschehens von Wissen. Aus dem Gespanntsein zwischen der Tendenz zum Unbedingten und dem Nichtausweisenkönnen dieser Tendenz begründet so der Erkenntnisinhalt ein Wissen des Erkenntnisgeschehens, in dem sich auf die Weise des Erkenntnisinhalts das Geschehen des Erkennens selbst ausdrückt. Das Wissen, das so zustande kommt, ist selbst wieder ein durch das vorgängige Verständnis der Erkenntnisinhalte eröffnetes analoges Wissen, in dem sich auf die Weise dieser Erkenntnisinhalte das Geschehen des Denkens als solches ausdrücken soll. So wie bei Anselm das relativ Große das Größte denken läßt, so lassen hier die Erkenntnisinhalte in ihrem Gespanntsein zwischen Anspruch und Unausgewiesensein des Anspruchs durch sich die Erkenntnis als Geschehen wissen. Das Dahinschwinden der Möglichkeit der sicheren Aussage, sie sei positiv oder negativ, läßt das Geschehen des Denkens als dasjenige hervortreten, das durch Aussagen nicht festgelegt ist. Dieses Geschehen des Denkens und Erkennens ist als ein Geschehen, das nicht durch Aussagen über relativ Großes festzulegen ist, selbst als ein Unbedingtes erfahren; dieses Unbedingte gibt sich auf die Weise der in der inneren

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Spannung von objektivem Gültigsein und Unausgewiesensein dieses Gültigseins verstandenen Erkenntnisinhalte selbst kund. In diesem analogen Wissen, in dem also die anfänglich schon verstandenen Erkenntnisinhalte sich selbst zugleich in einem neuen Verständnis darstellen, ist mit der Wendung zum Geschehen des Erkennens als solchem ein eigentümliches Unbedingtes erreicht, das man als ein Unbedingtes der Form bezeichnen kann, wobei aber diese Form nicht als eine den Inhalten direkt zukommende Form angesehen werden kann, sondern vielmehr eine im analogen Wissen sich erbringende Form ist, die Inhalte selbst zu verstehen. Insofern aber dieses Wissen des Denkens und Erkennens selbst nur auf die Weise der Erkenntnisinhalte in ihrer Spannung ist, bleibt es auch in dieser Spannung zwischen objektivem Gültigsein und Unausgewiesensein dieses Gültigseins befangen. Das Geschehen des Denkens ist seiner selbst auf die Weise der Erkenntnisinhalte in ihrem Ungesichertsein als ein unbezügliches und unbedingtes inne: das „Cogito" ist seiner selbst in den Erkenntnisinhalten gewiß, und diese Gewißheit ist selbst bloß eine analoge, denn sie kann nur auf die Weise der vorgängigen Bedeutung der Erkenntnisinhalte als eigenständige Gewißheit fixiert werden, und sie trägt damit in sich selbst eben diese Erkenntnisinhalte als das Bestimmte, unter dem allein sie sich selbst darstellen kann. Nur auf die Weise dieses im Ungesichertsein erfahrenen Bestimmten geschieht die Erfahrung, die man als Erfahrung vom Geschehen des Denkens und Erkennens selbst, als Erfahrung des „Cogito" in seinem Unbedingtsein angeben kann. Indem also dieses Wissen um das „Cogito" in die Erkenntnisinhalte gebunden ist, durch die es sich ausdrücken muß, ist es zugleich in das skeptische Verständnis der Erkenntnisinhalte gebunden, die weder ihre objektive Gültigkeit noch das Nichtausgewiesensein eines solchen Anspruchs durch sich einsehen lassen können. Das Wissen um das „Cogito" und sein unbedingtes Gelten geschieht selbst nur in dieser Spannung zwischen Anspruch und Unausgewiesensein des Anspruchs. Das unbedingte Wesen des „Cogito" allein kann daher auch noch nicht zum Gottesbeweis führen, sondern das Unbedingtsein des „Cogito" muß durch die objektive Gültigkeit ergänzt werden, durch die allein die Erfahrung des Unbedingten in sich selbst zum Abschluß kommt. Erst in der Prozedur des Aufweisens und Ausweisens der objektiven Gültigkeit für das im unbedingten Denken Gedachte kann der Gottesbeweis hervorgehen, wobei dann auch erst einsichtig werden kann, in welcher Weise das Sicherfahren des Denkens in seinem unbedingten Wesen für das Genügenkönnen eines Gottesbeweises unabdingbar ist. Das von den Erkenntnisinhalten als Analoga her eröffnete Denken des Geschehens des Denkens muß, wenn es als unbedingtes Gültigsein, nicht nur als Form ausgewiesen sein soll, von den Erkenntnisinhalten selbst her ausgewiesen werden, so wie sie anfänglich als das Analogen des Wissens um das unbedingte Geschehen des Denkens, das uns tatsächlich gegeben ist, verstanden sind. Das analoge Wissen um das unbedingte Geschehen des Denkens muß dahin ergänzt werden, daß es als solches auch objektiv gültig sei; die Voraussetzung selbst muß in diesem

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analogen Wissen so aufgefaßt sein, daß sie durch sich auch objektives Gültigsein darzustellen vermag. Die Reflexion auf die objektive Gültigkeit des Erkenntnisinhaltes geschieht auf zwei Stufen. Das eine Moment der objektiven Gültigkeit des Erkenntnisinhaltes liegt darin, daß die inhaltliche Voraussetzung im analogen Wissen das sich durch sich selbst Verstehende und sich in sich selbst Begründende sei, was Descartes in Anlehnung an die Unterscheidungen bezüglich der Vollkommenheit der Begriffe in der Logik dadurch ausdrückt, daß er sagt, das auf die Weise der Erkenntnisinhalte geschehende Erkennen sei, insofern es aus dem „Cogito" geschieht, ein in sich klares und deutliches Erkennen. Das Sichverstehen des Erkenntnisinhaltes, als Sichverwirklichen des Geschehens des Denkens, charakterisiert das Vorausgesetzte auch als ein Voraussetzungsloses, den Erkenntnisinhalt in seiner Bestimmung auch als ein Unbestimmtes, das das einzelne Bestimmte auch schon dieses seines Einzelnbestimmtseins enthebt und es als das Sichvollziehen eines Einigen, nämlich des unbedingten Gedankens, darstellt, dessen Übereinkommen mit sich in seinem Unbestimmtsein nicht dadurch berührt wird, daß es sich unter der Vielfalt bestimmter Weisen und Inhalte der Erkenntnis selbst verwirklicht. Diese Einsicht über die Klarheit und Deutlichkeit der Erkenntnisinhalte geschieht innerhalb des analogen Wissens; sie hat also — jedenfalls unmittelbar — nichts mit den logischen Bestimmungen zu tun, die sich direkt auf die Erkenntnisinhalte richten und an diesen Erkenntnisinhalten das Besondere und das Allgemeine voneinander scheiden. Diese logischen Bestimmungen haben keinen direkten Bezug zu dem unbezüglichen Geschehen des Denkens, sondern sie beziehen sich ausschließlich auf das Denken der Erkenntnisinhalte in ihrem inhaltlichen Bestimmtsein. Wenn das analoge Wissen von den Erkenntnisinhalten ihre Klarheit und Deutlichkeit aussagen kann, so ist dies keine logische Einsicht über das Bestimmtsein der Erkenntnisinhalte im erkennenden Bewußtsein, sondern es ist die Aussage darüber, daß als die Voraussetzung oder als der Erkenntnisinhalt das Voraussetzungslose oder das unbestimmte unbezügliche Geschehen des Denkens statthabe. Das unbedingte Geschehen des Denkens ist so dadurch in den Erkenntnisinhalten ausgewiesen, daß es sich auf die Weise der einzelnen Erkenntnisinhalte als das Geschehen von Klarheit und Deutlichkeit kundgibt; das „Cogito" ist ausgelegt als die auf die Weise der Erkenntnisinhalte geschehende Klarheit und Deutlichkeit des Erkennens. Nicht das unmittelbare Erfassen des „Cogito" wird dem Geschehen des Denkens eigentlich gerecht, sondern das Erfahren des Denkens als auf die Weise der Erkenntnisinhalte geschehende Klarheit und Deutlichkeit. Descartes führt diese vom direkten Erfassen zum Begreifen des Erkenntnisgeschehens führende Wandlung im Verstehen des „Cogito" so durch, daß er die Gewißheit der Erkenntnis des „Cogito" als eines direkt Erfaßten selbst darin gründen läßt, daß diese Erkenntnis eine in sich klare und deutliche Erkenntnis ist. Wenn aber Klarheit und Deutlichkeit einmal als dasjenige erfaßt sind, was eine Erkenntnis gewiß macht, dann haben sie sich damit auch schon als dasjenige ausgewiesen, was nicht durch die einzelne Erkennt-

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nis gesetzt ist, sondern vielmehr aller einzelnen Erkenntnis in ihrer Einzelheit ihre Gewißheit verleiht: eine Gewißheit, in der das Vorausgesetzte oder der Erkenntnisinhalt objektive Gültigkeit erhält, doch nur so, daß seine Einzelheit als solche durch diese objektive Gültigkeit gerade nicht betroffen ist. Es ist also nicht mehr nur einfach der unbedingte Gedanke als etwas hingestellt, was sich durch sich selbst verstehe, sondern das analoge Wissen um diesen unbedingten Gedanken bestimmt sich als das auf die Weise der Erkenntnisinhalte sich verwirklichende Geschehen von Klarheit und Deutlichkeit. Es ist nicht mehr das „Cogito" als substantiell vorgestellter unbedingter Gedanke, sondern das Geschehen von Denken als Sichereignen von Klarheit und Deutlichkeit, als das das analoge Wissen des Unbedingten sich selbst begreift und damit für sich selbst auch ein Moment objektiver Gültigkeit erlangt hat. Das Geschehen von Klarheit und Deutlichkeit ist durch sich selbst offenbar als das unbestimmte Allgemeine, das in seiner unbestimmten Selbigkeit die Mannigfaltigkeit der Inhalte als in sich gewiß auszuweisen vermag. Auch dieses Bestimmen des unbedingten Gedankens als das Geschehen von Klarheit und Deutlichkeit kann nun aber noch nicht die ausdrückliche Formulierung des Gottesbeweises sein, denn die Erkenntnisinhalte, auf deren Weise die — im analogen Wissen gewußte — Klarheit und Deutlichkeit geschieht, haben von sich her den Charakter der Voraussetzung, die als solche durch das Unbestimmte des Geschehens von Klarheit und Deutlichkeit keine objektive Gültigkeit erlangt, und die, obwohl sie in der Klarheit und Deutlichkeit des Denkens gesetzt ist, in ihrem einzelnen Bestimmtsein nicht durch die Klarheit und Deutlichkeit verstanden ist. Soll der Gottesbeweis im Denken erreicht werden können, so muß der Erkenntnisinhalt in seinem Eingehen in die aus der Klarheit und Deutlichkeit entspringende Gewißheit zugleich auch als einzelner die objektive Gültigkeit erlangen können, der er sich, insofern er der vorausgesetzte ist, zu entziehen scheint. Der Erkenntnisinhalt in seinem Charakter als Voraussetzung hat obiektive Gültigkeit, insofern sich auf seine Weise das Geschehen des Denkens selbst darstellt, dieses objektive Gültigsein aber bleibt ihm zugleich entzogen, insofern seine Einzelnheit sich von sich selbst her als solche kundtut. Ein Fall scheint möglich zu sein, für den in der Tat innerhalb des analogen Wissens eine Übereinstimmung der Gewißheit mit der objektiven Gültigkeit des Vorausgesetzten in seinem Vorausgesetztsein erlangt werden kann, daß nämlich das Vorausgesetzte als Vorausgesetztes und auf die Weise seines besonderen inhaltlichen Bestimmtseins sich doch gerade als dasjenige darstelle, das das Geschehen des Denkens selbst ist: damit würde auf die Weise der Besonderheit des Erkenntnisinhaltes die unbestimmte Allgemeinheit des Denkens als solchen geschehen. Daß die inhaltliche Voraussetzung als solche unbedingt gelte, das läßt sich nun aber eben nicht durch ihr jeweiliges besonderes Bestimmtsein angeben, sondern nur dadurch, daß das Bestimmtsein als Bestimmtsein, — welches immer seine besondere Gestaltung sei —, eine in sich unbezügliche Bedeutung seines Erscheinens und Erkanntseins habe.

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Das besondere Bestimmtsein drückt durch sich selbst ein unbestimmtes Allgemeines aus, durch das es in seinem Bestimmtsein und als dieses in einer intelligiblen Bedeutung festgelegt ist. Diese Bedeutung, um die im analogen Wissen gewußt ist, wird in diesem Wissen als die Form des Bestimmten verstanden, in der es als das Bestimmte, das es ist, allein erscheinen könne. Das Vorausgesetzte ist in seinem Vorausgesetztsein und als ein Vorausgesetztsein auch das unbestimmte Allgemeine, und insofern geschieht die Klarheit und Deutlichkeit selbst als Voraussetzung, die darin also nicht mehr das der Klarheit und Deutlichkeit gegenüber andere, sondern ein Moment ihrer Selbigkeit ist und damit als Voraussetzung ein unbedingtes Gültigsein, das als Gültigsein des Inhalts objektives Gültigsein ist, erhält. Diese Apriorität des Erscheinens nun, die keine logischen Apriorität ist, kann nicht losgelöst vom einzelnen Erkenntnisinhalt für sich selbst als solche offenbar sein, sondern sie ist immer nur auf die Weise einzelnen Bestimmtseins faßbar. Man kann also sagen, daß innerhalb des analogen Wissens diese Apriorität der Form auf aposteriorische Weise aufgefaßt ist und nur auf solche Weise faßlich sein kann. Darin aber ist dann das Aposteriori selbst als solches auch schon apriorisch. Auf diese Weise ergibt sich innerhalb des analogen Wissens das Verständnis der Wissenschaft von der formalen Struktur des räumlichen und zeitlichen Erscheinens, in der das im Apriori des Geschehens von Klarheit und Deutlichkeit gewußte Aposteriori apriorisch verstanden ist. Die Einsichten dieser Wissenschaften sind nach dem Verständnis dieses analogen Wissens keine auf die Analyse des Bestimmten gehenden logischen Einsichten, denen ihre Notwendigkeit nach dem Prinzip vom Widerspruche zukommt, sondern sie sind Einsichten des reflektierenden Wissens, die aus dem Denken des unbedingten Gedankens auf die Weise der Voraussetzung stammen. Die logische Notwendigkeit ist letztlich immer nur eine analytische Notwendigkeit. Die Notwendigkeit der aus dem Denken des unbedingten Gedankens gewonnenen Reflexionseinsicht betrifft nicht die Identität des Bestimmten, sondern das Geschehen von Klarheit und Deutlichkeit als das Vorausgesetzte selbst. Das Bestimmte kann das Bestimmte nur sein, insofern auf seine Weise das unbestimmt Allgemeine der räumlich-zeitlichen Struktur geschieht. Zur räumlichen Struktur gehört, wie Descartes es in der fünften Meditation darstellt, etwas so Einfaches, wie das Sichdarstellen der Dinge im Aufeinanderbezogensein von Hohem und Tiefem. Solches auf die Weise des Verhältnisses von Hohem und Tiefem geschehende Sicherstrecken des Bestimmten im Raum als Struktur erkennen, die das Bestimmte mit Notwendigkeit durch sich ausdrücken muß, ist keine analytische Einsicht der Logik, die aus der gedanklichen Zergliederung eines bestimmten sich darstellenden Gegebenen folgt: dann könnte die Notwendigkeit einer solchen Einsicht nur eine Notwendigkeit für das Begreifen dieses einzelnen Bestimmten sein; sie ist vielmehr in der Reflexion aus dem analogen Wissen als eine im Erscheinenkönnen des Bestimmten als solchem liegende Notwendigkeit begriffen, die das Bestimmte in seinem Bestimmtsein als das Geschehen von Klarheit und Deutlichkeit verstehen läßt.

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Nach der Art solcher Einsicht, so gibt Descartes in der fünften Meditation an, soll nun auch das Wissen von Gott geschehen. So wie das Begreifen der Erkenntnisinhalte aus dem Denken des unbedingten Gedankens auf das Verständnis der geometrischen Einsichten führt, so soll ein solches Begreifen auch den Gottesgedanken, (den wir immer schon haben und in dem wir um Gott wissen), ausdrücklich denken und einsehen lassen. Da Descartes keine neuen, eigentümlichen Denkoperationen dafür, daß wir die Gewißheit dieses Gedankens und seine Wahrhaftigkeit deutlich einsehen können, angibt, muß dieses Gewißsein offenbar aus dem Verständnis der geometrischen Wissenschaft als eine Weise der Selbstvergewisserung des Denkens des unbedingten Gedankens mitentspringen, die sich aus dem Verständnis solchen wissenschaftlichen Denkens ergibt und, wenn sie einmal erlangt ist, das Verständnis dieses wissenschaftlichen Erkennens selbst auf seinen letzten Grund zurückzuführen kann. Dieser Gottesbeweis muß darin bestehen, daß das Vorausgesetzte nicht nur seiner Form nach als das Geschehen von Klarheit und Deutlichkeit begriffen ist, sondern daß es auch, insofern es seine besondere Inhaltlichkeit ist, als solches die Apriorität des unbedingten Gedankens sei. Dieser Schluß von der Form des Bestimmten auf seinen jeweils besonderen Inhalt scheint nun nicht gezogen werden zu können, und so scheint es aussichtslos, den Gottesbeweis, d. h. das in sich ausgewiesene Verständnis des Gottesgedankens, der Gott weiß, auf die Weise des Verständnisses der geometrischen Wissenschaft erlangen zu wollen. Es bleibt an der Voraussetzung ein Rest, der sich der objektiven Gültigkeit entzieht, und solange dieser Rest besteht, ist der Gedanke, der sich als das Geschehen des Unbedingten selbst angemessen ist, — wie es scheint —, nicht möglich. Descartes schickt nun allerdings dem Beweis der fünften Meditation den Beweis der dritten Meditation voraus, und wenn er sich auch auf diesen Beweis in der fünften Meditation nicht mehr bezieht, so kann doch dieser Beweis dazu geholfen haben, daß die Anwendung des Verständnisses der geometrischen Wissenschaft auf das inhaltliche Bestimmtsein des Vorausgesetzten in seiner Besonderheit Descartes dem Wesen des Erkenntnisinhaltes zu entsprechen schien. In der dritten Meditation reflektiert Descartes noch nicht auf die wissenschaftliche Erkenntnis der räumlichen und zeitlichen Strukturen des Erscheinenden, sondern er will das Verständnis des Gottesgedankens gewinnen, indem er die Erkenntnisinhalte lediglich als solche in ihrem Bestimmtsein betrachtet. Das Vorausgesetzte ist also noch nicht daraufhin untersucht, ob es nicht etwa durch sich selbst auch das unbedingte Denken als solches darstellen könne, es ist vielmehr in jener Spannung zwischen objektivem Gültigsein und Unausgewiesensein dieses Gültigseins genommen, die ihm als Erkenntnisinhalt anfänglich zukommt. Von den Erkenntnisinhalten wird hier gesagt, daß sie eine bestimmte sachliche, sogenannte objektive Realität enthalten. Das Geschehen des klaren und deutlichen Denkens könne diese sachliche Realität aus sich selbst verstehen, sofern es sich als auf die Weise dieser Inhalte selbst geschehend verwirklicht, es könne aber diese sachliche Realität durch sich nicht verstehen, sofern sie auf die Weise der

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Voraussetzung sei. · Nun könne man allerdings von diesem Vorausgesetzten, sofern es sich um ein bestimmtes besonderes Vorausgesetztes handle, sagen, daß seine Eigenständigkeit doch in das unbezügliche Geschehen von Klarheit und Deutlichkeit eingeordnet sei und die nähere Untersuchung seiner Natur deswegen auf sich beruhen bleiben könne; aber die Voraussetzung ist damit nicht in die Klarheit und Deutlichkeit hinein aufgehoben, und es fragt sich, ob nicht im Wesen der Voraussetzung etwas liege, was durch die Klarheit und Deutlichkeit gerade nicht anzugeben ist und sich als ein durch sich Gültiges (indem es zugleich jene Spannung zwischen objektiver Gültigkeit und Unausgewiesensein dieser Gültigkeit enthält) als auf sie nicht rückführbar darstellt. Alle wirklich auftretenden Erkenntnisinhalte sind etwas, was gegenüber dem Geschehen von Klarheit und Deutlichkeit in seiner eigenen Bedeutung vernachlässigt werden kann, aber darin, daß sie das Wesen der Voraussetzung an sich tragen, liegt gleichwohl etwas, was sich der Rückführung auf das Geschehen von Klarheit und Deutlichkeit widersetzt und für sich genommen werden muß. Dieses Wesen der Voraussetzung nun als ein in sich Unbedingtes vorzustellen, das sich ausdrücklich auf das Geschehen von Klarheit und Deutlichkeit nicht zurückführen läßt, bedarf es des Denkens dieses Vorausgesetzten als des Superlativs schlechthin. Anselm hatte die Voraussetzung im Superlativ schlechthin als das Äußerste des Denkenkönnens aufgestellt, Descartes stellt den Superlativ schlechthin als den Superlativ des Fürsichgeltens der Voraussetzung gegen die Klarheit und Deutlichkeit des Denkens auf. Während sich bei Anselm das analoge Wissen gerade in die Voraussetzung legt, legt sich dieses analoge Wissen bei Descartes, deswegen weil die Voraussetzung zwischen dem Anspruch auf objektive Gültigkeit und dessen Unausgewiesensein in der Spannung bleibt, in die Klarheit und Deutlichkeit des Geschehens des Denkens und erreicht damit auf die Weise des analogen Wissens ein solches Unbedingtes, gegen das das Vorausgesetzte als eine zweite in es nicht aufzulösende Instanz stehen bleibt. Es ist das Fürsichgelten der Voraussetzung gegen das, was man als die Leistung des klaren und deutlichen Denkens davon abheben kann, was in der Vorstellung des Superlativs schlechthin in seiner Vollendung als solches gesetzt sein soll. Dieses Fürsichgelten der Voraussetzung soll dann in eins mit dem Unbedingten des Denkens, aber als ein Anderes als dieses, das Unbedingte schlechthin eröffnen. Von dieser Position her würde jenes Unausgewiesensein des Superlativs des Denkenkönnens im anseimischen Beweise eben dadurch zu erklären sein, daß das Denken sich selbst in die Voraussetzung zu legen versuchte und das Resultat dann weder dem unbedingten Wesen des Denkens noch dem unbedingten Wesen der Voraussetzung angemessen sein konnte, da dieses Resultat das Außereinander beider Instanzen durch sich ausdrücken mußte. Dagegen kann nun das Denken autonom das Geschehen von Klarheit und Deutlichkeit sein, und zugleich ist die Voraussetzung frei dazu, sie selbst als Voraussetzung so zu sein, daß sie sich durch sich selbst ausweist, wogegen die begriffene Voraussetzung immer den Charakter des Unausgewiesenseins haben mußte.

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Da nun aber das Eintreten des Denkens in das analoge Wissen von sich selbst als Geschehen von Klarheit und Deutlichkeit so erfolgt ist, daß das Verständnis der Voraussetzung davon auch unberührt geblieben ist und sie weiter in ihrem Gespanntsein zwischen objektivem Gültigsein und Unausgewiesensein dieses Gültigseins dasteht, so bleibt auch Descartes dafür, daß er die Voraussetzung ganz zu dem machen können, was sie an sich selbst sei, kein anderer Weg übrig, als sie auf die Weise des Superlatives schlechthin zu setzen, mit dem Unterschied gegenüber Anselm, daß, was dort für das Denkenkönnen geschah, nun auf die Weise der Voraussetzung als solcher geschehen soll. Durch den Superlativ schlechthin soll die Voraussetzung dem Unvollendetsein in sich selbst entnommen werden und sich als ein in sich Unbedingtes darstellen können. Die Vorstellung vom Superlativ muß, gerade weil in ihm der Erkenntnisinhalt selbst sich als mächtig darstellt, ein Unbedingtes (auf die Weise eines Analogons der objektiven Gültigkeit, das die Unausgewiesenheit mit in sich hineingenommen hat), auszudrücken, als eine Vorstellung verstanden werden, über welche das Geschehen von Klarheit und Deutlichkeit nichts vermag, in der sich vielmehr die Eigenständigkeit der Voraussetzung, die bei den begrenzten Erfahrungsinhalten auch der Klarheit und Deutlichkeit des Denkens eingeordnet erscheinen kann, als eine für sich dastehende Instanz gegen das Denken kundgibt. Indem aber das Geschehen von Klarheit und Deutlichkeit nicht über diese Vorstellung verfügen kann, da kann auch der aus dem Superlativ vollzogene Beweis nicht mehr wie bei Anselm ein Beweis aus dem Denkenkönnen sein, sondern er muß gerade auch gegen das Unbedingte des Geschehens der Klarheit und Deutlichkeit gewonnen werden. Die sich selbst genügende Voraussetzung ist durch das Geschehen von Klarheit und Deutlichkeit, das in die in sich ungesicherte Voraussetzung gebunden bleibt, gerade nicht zu fassen. Gegenüber der Vorstellung vom Superlativ schlechthin stellt sich das „Cogito" selbst als eine Instanz dar, die nicht geeignet sein kann, diese Vorstellung vom Superlativ durch sich zu erklären, denn das „Cogito" ist möglich nur als das „Cogito" in dem Ungesichertsein der Voraussetzung, d. h. als das zweifelnde „Cogito". Das analoge Wissen, das von dem Unausgewiesensein des für das Denkenkönnen Größten zum Ausgewiesensein in sich der Klarheit und Deutlichkeit des Geschehens des Denkens gelangt ist, ist aus der vom Vorausgesetzten her geschehenden Synthese von Voraussetzung und Denken herausgetreten und steht nun, indem es zugleich doch auch in das anfänglich erfahrene unausgewiesene Vorausgesetzte gebunden bleibt, vor einem Unbedingten der Voraussetzung, über das es nichts vermag. Das „Cogito" kann die Vorstellung vom Superlativ schlechthin durch sich nicht erklären. Zugleich aber ist die Vorstellung vom Superlativ selbst, insofern sie doch von der Voraussetzung in ihrem Unausgewiesensein her gebildet ist, eine Vorstellung, die durch sich über das in ihr Gemeinte keine Rechenschaft ablegen kann. Der Superlativ schlechthin ist als eine letztlich in sich doch unausgewiesene Vorstellung nicht imstande, jenes — analog verstandene — objektive Gültigsein der Voraussetzung eigentlich zu bestimmen, das durch ihn angegeben sein soll. So ist in eins die Unzulänglichkeit

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des „Cogito" zu dieser Vorstellung und das Unausgewiesensein in sich dieser Vorstellung vom Superlativ schlechthin erfahren. Indem diese Vorstellung nicht durch das Denken begriffen werden kann, kann sie zugleich auch nicht durch sich selbst begriffen werden, sondern das in ihr Gemeinte ist, indem es auf die Weise des Superlativs bestimmt ist, als ein in sich Unausgewiesenes erfahren. Daß der Superlativ ein in sich Unbedingtes nicht auf eine in sich selbst ausgewiesene Weise auszudrücken vermag, das ist gerade durch das „Cogito", durch das Geschehen von Klarheit und Deutlichkeit offenbar, in dem — in einem analogen Wissen — das Denken von der Voraussetzung her überwunden ist. Doch dieses Denken muß sich gerade auch als ein solches bekennen, das über das Unbedingtsein in sich der Voraussetzung nichts vermag. In Descartes' Darstellung ist diese Situation des erkennenden Bewußtseins etwa auf folgende Weise vorgetragen: Das „Cogito" vermag durch sich die „realitas objectiva" des im Wissen gesetzten Superlativs schlechthin nicht zu erklären; diese „realitas objectiva" aber vermag sich als solche auch nicht durch sich selbst zu verstehen. Es ist vielmehr eine dieser „realitas objectiva" der Vorstellung vom Superlativ schlechthin gegenüber andere Realität, die das durch den Superlativ eigentlich Gemeinte ist, die durch den Superlativ schlechthin nur angezeigt, nicht durch ihn als solche ergriffen ist. Des materiellen Objektes sind wir durch die „realitas objectiva", die wir in der Vorstellung von ihm erkennen, als solchen inne, auch wenn diese „realitas objectiva" nicht durch das „Cogito" zu erklären sein sollte; diese „realitas objectiva" der Vorstellung und das in ihr ergriffene Objekt aber sind beide in sich unausgewiesene und ungesicherte Realität. Die Vorstellung vom Superlativ schlechthin meint in ihrer „realitas objectiva" die durch sich schlechthin ausgewiesene Realität, sie kann diese Realität aber nur so betreffen, daß sie als „realitas objectiva" der Vorstellung zugleich auch das in sich Unausgewiesene bleibt, und sie so durch sich selbst das in ihr Gemeinte als ein in seinem Verfaßtsein Anderes als sie selbst weiß. Die Vorstellung vom Superlativ ist selbst nur der Ausdruck einer Realität, die durch diesen Superlativ nicht angemessen erfaßt ist, aber aus der diese Vorstellung vom Superlativ in ihrem Unausgewiesensein sich selbst versteht. Dieser Gottesbeweis besagt also nicht, daß das „Cogito" Gott zwar denke, diesen Gedanken aber nicht durch sich selbst begründen könne und daß daher irgendwie eine andere Realität als die begründende angesetzt werden müsse, sondern er besagt, daß das „Cogito" nichts über die Vorstellung vom Superlativ schlechthin vermag, diese Vorstellung aber auch dem in ihr Gemeinten nicht angemessen ist und sich selbst den Ausdruck einer anderen Realität setzt, die als solche das — analog verstandene — objektive Gültigsein der Voraussetzung ist. Die Emanzipation des Denkens von der Voraussetzung befreit zugleich die Voraussetzung und setzt damit die Ohnmacht des Denkens vor der Voraussetzung, die, indem sie noch auf die Weise ihres Bedachtwerdens verstanden werden muß, doch von diesem Bedachtwerden als eine andere Instanz, der das reine Denken

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nicht gerecht zu werden vermag, frei erfahren ist. Das „Cogito" bleibt das durch den Zweifel charakterisierte „Cogito" und nur als dieses zweifelnde „Cogito" kann es das unbedingte Geschehen des Denkens sein; gegen dieses unbedingte Geschehen des Denkens steht das Unbedingte der Voraussetzung, das, indem es in der Vorstellung nur auf eine unangemessene Weise erfaßt ist, sich durch die Vorstellung als die der Vorstellung gegenüber andere Realität kundgibt. Auf solche Weise kommen wir zum Gottesbeweis des in bezug auf sein Erkennenkönnen skeptischen Bewußtseins, in dem Gott — bei vorangesetzter Ohnmacht des Denkens gegenüber der Voraussetzung — gegen das Denken, aber auch gegen die Vorstellung, die sich das Denken von ihm bildet, als freie Realität dasteht. Bei Anselm erscheint Gott im Denkenkönnen als Realität, bei Descartes ist seine Realität die durch die unangemessene Vorstellung sich anzeigende losgelöste Realität. Ohnmächtig ist das Denken vor der Gottesvorstellung: es kann sie nicht durch sich erklären; die Gottesvorstellung selbst aber kann sich auch nicht durch sich erklären, sie muß in einem Ändern begründet sein, das als vom Denken wie vom Vorstellen freie Realität doch irgendwie gewußt ist. Wie nun diese losgelöste Realität doch als unser Wissen geschehen könne, davon handelt der Beweis nicht mehr; aber der Schluß der dritten Meditation gibt doch an, daß das erkennende Ich sich in seinem Sein letztlich als das Geschehen der erschaffenden Tätigkeit Gottes verstehen müsse und so weder durch das Denken von etwas noch durch das Vorstellen von etwas Gottes ursprünglich inne werde, sondern dadurch, daß es sich in seinem Denken, Vorstellen und auch Wollen von etwas selbst als Denkenkönnen, Vorstellenkönnen, Wollenkönnen und Seinkönnen, das unbezügliche Bejahung ist, erfahre: als Erfahren seiner selbst ist es das Erfahren Gottes auf die Weise seines schaffenden Tätigseins. Zu diesem Gottesbeweis der dritten Meditation nun verhält sich der Beweis der fünften Meditation nicht als eine Art direkter Ergänzung, sondern er bringt das ganz andersartige Moment herbei, daß das unbedingte Wesen der Voraussetzung eben doch als Denken, als Geschehen von Klarheit und Deutlichkeit müsse verstanden werden können. Die radikale Trennung von Denken und Voraussetzung wird aufgehoben, wenn man begreift, wieso von dem Vorausgesetzten doch auf die Weise der Wissenschaften von Raum und Zeit gehandelt werden könne. In den reinen Raum- und Zeitverhältnissen stellt die Voraussetzung durch sich selbst als Voraussetzung die Klarheit und Deutlichkeit des Geschehens des Denkens dar. Indem so die Klarheit und Deutlichkeit des Denkens der Voraussetzung in ihrem Bestimmtsein zugeeignet wird, kann dann auch die auf analoge Weise von den bestimmten Erkenntnisinhalten her gebildete Vorstellung vom Superlativ schlechthin als eine Vorstellung gelten, die imstande ist, durch sich als Vorstellung, und d. h. auf die Weise der Voraussetzung, die Klarheit und Deutlichkeit des Denkens selbst darzustellen. Das analoge Wissen um den Superlativ müßte imstande sein, durch sich das andersartige analoge Wissen des „Cogito" auszudrücken, und auf diese Weise würde eine — analog gewußte — objektive Gültigkeit als das unbedingte Geschehen des Denkens

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offenbar sein. Der Gottesbeweis zerlegt sich also in Descartes' Denken, wie es auch in der Darstellung deutlich geschieht, in zwei voneinander verschiedene Weisen des Begreifens. Es gibt einen Beweis, der von der Andersartigkeit des Vorausgesetzten dem Denken gegenüber ausgeht, und es gibt einen Beweis, in dem das Vorausgesetzte gerade als das Unbedingte des Denkens selbst erfaßt sein soll. Dieser zweite Beweis soll ein in sich unbedingtes Denken, das als solches objektives Gültigsein ist, ergeben. Während jedoch das Verständnis der geometrischen Wissenschaft im analogen Wissen unmittelbar aus dem Vorausgesetzten als das Sichverstehen des Geschehens von Klarheit und Deutlichkeit auf die Weise dieses Vorausgesetzten erlangt werden kann, muß für den Versuch des Denkens, sich in dem Vorausgesetzten als dem objektiv Gültigen zu verstehen, die einem, im Denken des „Cogito" selbst schon abgelegten, analogen Begreifen entsprungene Vorstellung vom Größten zugrunde gelegt werden, die das in sich klare und deutliche Geschehen des Denkens also gerade als ihm nicht gemäß von sich abweisen muß. Eine ausgewiesene Durchführung dieses zweiten Beweises kann also dem Denken nicht möglich sein, obwohl es ihm auferlegt ist, ein solches Sichbegreifen in der objektiv gültigen Voraussetzung zu versuchen. Das Denken müßte sich im Superlativ schlechthin als in der Form seines Bestimmtseins, d. h. in einem Zurschauwerden, Zurdarstellungkommen begreifen, so wie es sich in der geometrischen Wissenschaft selbst in analogem Wissen begreift. Aber, die geometrische Wissenschaft setzt unmittelbar am Vorausgesetzten an, sie liegt deswegen auch als solche vor, und das „Cogito" gibt sich im analogen Wissen nur die Auslegung davon, was dies Wissen eigentlich bedeute und wie es zu verstehen sei; dagegen ist die Vorstellung vom Superlativ schlechthin selbst nur in einem analogen Wissen gebildet, sie bleibt unausgewiesen und sie kann nicht auf die Weise eines vorliegenden Vorausgesetzten, das in einer Reihe mit allen anderen Vorausgesetzten steht, erlangt werden; an einem solchen Vorausgesetzten, zu dem es sich überdies selbst nicht bekennen kann, kann sich das „Cogito" nicht selbst erschauen, es kann dies nur an dem Vorausgesetzten als solchem, wie es vor aller analogen Auslegung und unabhängig von ihr vorliegt und tatsächlich die geometrische Wissenschaft ermöglicht. In dieser Situation, in der es dem Denken verwehrt ist, sich so im Superlativ schlechthin zu verstehen, wie es sich seinem Selbstverständnis nach in den geometrischen Wissenschaften vom Vorausgesetzten her verstehen kann, in der es aber gleichwohl nach diesem Sichschauen auf die Weise der objektiven Gültigkeit des Vorausgesetzten verlangen muß, bleibt als mögliches methodisches Verfahren nur der Rückzug auf die logische Analyse des Größten, so wie sie auch im anseimischen Beweise schon hatte vorgenommen werden können. Dieses Verfahren bleibt unbefriedigend, weil es nur eine in sich aposteriorische Apriorität erbringen kann, und die apriorische Konstitution der Vorstellung selbst von dem logischen Verfahren, das sich auf sie richtet, als das ihm Voraufgehende auch getrennt bleibt. Ohne die Sache selbst in ihrer Konstitution begreifen zu können, gliedert das analytische Verfahren sie nur nachträglich in ihre Momente; dies allerdings kann sie, gleich auf welche

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Weise sich der Gegenstand als Voraussetzung dem Denken entzieht. Und da die Voraussetzung selbst ein in sich Unausgewiesenes und in ihrer Bedeutung nicht durch sich selbst Gesichertes ist, so läßt sich über die Position des analytischen Denkens zur Voraussetzung auch nichts in Klarheit und Deutlichkeit ausmachen, und es kann sein, daß das analytische Denken sehr wohl am vorausgesetzten Superlativ eine ähnliche Funktion des Begreifens erfüllen kann, wie es das Begreifen in der Geometrie am Räumlichsein des Gegegebenen tut. Es muß also die Position, die ein solches als Notbehelf herangezogenes analytisches Verfahren zur Vorstellung vom Superlativ schlechthin hat, letztlich unausgemacht bleiben, und es kann sein, daß auf diese Weise sehr wohl der Gottesgedanke in ein Begreifen eingeht, auch wenn dieses Begreifen sich nicht selbst als ein klares und deutliches Begreifen charakterisieren kann. Leibniz, von dem wir hier nicht näher handeln wollen, hat mit der Aufstellung des Prinzips vom zureichenden Grunde, daß nämlich die Voraussetzung als solche, ohne daß sie erst bis zu einem Superlativ schlechthin gesteigert werden müßte, auf Gott zurückführt, dem Beweis der dritten Meditation seinen unmittelbaren Ausdruck gegeben: daß das Vorausgesetzte durch sich ein unbedingtes objektives Gültigsein erweise, gerade indem es in seinem besonderen Bestimmtsein diesem Unbedingten nicht angemessen sein kann. Leibniz hat aber auch den Beweis der fünften Meditation, der verlangt, daß wir Gottes im Vorausgesetzten auf die Weise eines Sichschauens des Denkens als des unbedingt objektiv Gültigen innewerden, von der Zwischenstufe des Übergangs zum Superlativ schlechthin befreien und ihn aus einem unmittelbaren Verstehen der Notwendigkeit vollziehen wollen. Die Notwendigkeit, die den analytischen Wahrheiten eignet, soll hier selbst als das Prinzip dienen, das die nach Art der geometrischen Schau gefaßte Klarheit und Deutlichkeit in sich des unbedingten Vorausgesetzten hergeben kann. Descartes mußte den Superlativ schlechthin analysieren und kam so nur zur Apriorität der Struktur eines für das Denken Aposteriorischen. Leibniz, der den Superlativ vermeidet und an seine Stelle die logische Notwendigkeit des analytischen Gedankens, den das Vorausgesetzte durch sich möglich macht und bewährt, selbst als das unbedingte objektiv Gültige setzt, in dem das klare und deutliche Erkennen sich seiner selbst vergewissern könne, kann damit zwar nicht das Prinzip der geometrischen Schau als solches an das im Vorausgesetzten liegende Unbedingte herantragen, aber er kann zeigen, daß das Geschehen von Klarheit und Deutlichkeit im Vorausgesetzten ein Unbedingtes weiß, das das Wesen des Denkens nicht von sich ausschließt. Das Verhältnis der logischen Analyse zum Vorausgesetzten bleibt freilich ein in sich Ungesichertes; d. h. es kann nicht ausgemacht werden, welches eigentlich das Verhältnis der Voraussetzung zur analytischen Notwendigkeit ihrer Struktur sei; deswegen muß auch bei Leibniz der Beweis ein letztlich in sich unausgewiesener bleiben, aber es ist ein Hinweis darauf gegeben, daß Voraussetzung und Denken nicht als voneinander getrennt angesehen werden müssen, sondern miteinander übereinkommen

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können, so wie sie im naiven Verständnis des Erkenntnisinhalts, das noch nicht von der skeptischen Reflexion betroffen ist, auch schon als ein einiges Ganzes bildend verstanden sind.

3. Der unbedingte Glaube: das Ungenügen in sich der als Determination geschehenden Reflexion Das skeptische Bewußtsein erfaßt zwar ausdrücklich das Ungesichertsein in sich der begriffenen Voraussetzung, es gelangt aber nicht dazu, das Verständnis der Voraussetzung als solches zu wandeln, sondern fügt dem unmittelbaren Begreifen der Voraussetzung lediglich neue Formen des analogen Wissens hinzu. Insofern aber dieses analoge Wissen ein Wissen um das Geschehen des Denkens in Klarheit und Deutlichkeit ist und ein Verstehen aus diesem Geschehen ist, insofern ist zugleich und auch auf die Weise analogen Wissens eine Erfahrung der Voraussetzung erlangt, worin diese von dem anfänglichen Befaßtsein durch das Begreifen auch frei ist und sich losgelöst von ihrer in den Begriff eingegangenen Bedeutung darstellt. Im Geschehen von Klarheit und Deutlichkeit gibt sich die Voraussetzung dem Wissen als solche kund, und das Entbundensein des Geschehens von Klarheit und Deutlichkeit vom Begreifen von der Voraussetzung her läßt zugleich der Voraussetzung die Freiheit, sich selbst als solche im Wissen darzustellen. Descartes hat versucht, dieses Sichkundgeben des Wesens der Voraussetzung als solcher selbst wieder nach Art des alten begrifflichen Verständnissen der Voraussetzung als Bestimmtsein zu fassen und hat es durch den Superlativ schlechthin angeben wollen, der selbst nach Art eines bestimmten Vorausgesetzten aufgefaßt werden müsse; er hat dergestalt — im analogen Wissen, das als solches doch in das Begreifen der bestimmten und immer auch übersteigbaren Erkenntnisinhalte gebunden bleibt — versucht, das Wesen der Voraussetzung als solcher gleichsam neben den bestimmten Erkenntnisinhalten als ein besonderes Etwas aufzustellen. Wenn Descartes so die Voraussetzung als solche durch den Superlativ schlechthin auslegt, dann sucht er ihrem Wesen offenbar wieder auf die Weise der begriffenen Voraussetzung gerecht zu werden, und hierbei führt ihn das Verständnis der Voraussetzung in die Zweideutigkeit. Es liegt aber in der von ihm erstellten Position des Denkens schon die Möglichkeit, die Voraussetzung — im analogen Wissen — rein als solche gelten zu lassen, ohne daß das Begreifen dies Fürsichgelten schon wieder auf seine Weise verfügbar macht. In einem solchen Fürsichgelten der Voraussetzung ist dann ebensowohl ihr Ungesichertsein in sich als auch jenes unbedingte Moment, dem für das Begreifen die Steigerung zum Superlativ schlechthin entsprechen soll, enthalten. Der begrifflichen Fassung beider Momente aber ist das Vorausgesetzte, sofern es an sich selbst genommen wird, entrückt, und stellt sich so durch sich selbst als etwas dar, was durch sein Begriffensein auch verfehlt ist. Das Begreifen der Voraussetzung in festen Bestimmungen und in der Einheit fester Begriffe wird so gegen die bloße unbegriffliche Erfahrung

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der Voraussetzung als solcher als ein ihr gegenüber Andersartiges gesetzt. Ein solches Verständnis der Voraussetzung ist gleichwohl immer noch in der Bindung des Erkennens an das anfängliche Begreifen im Bestimmten als analoges Wissen der Reflexion, das auf das Unbedingte ausgeht, gebildet, und es wird daher das alte begreifende Verfahren in den Erkenntnisinhalten nicht etwa auflösen und überwinden, sondern es wird dieses Wissen nur aus seinem Einfluß auf die Reflexion verdrängen und ihm nicht erlauben, als ein Ingredienz des Wissens der Reflexion selbst zu fungieren, wie dies etwa in dem Begriffe vom Superlativ schlechthin geschieht. Daß dieses reflektierende Wissen gleichwohl des Gebundenseins des Erkennens in das Begreifen der bestimmten Erkenntnisinhalte bedarf, das der Reflexion voraufgeht, bleibt außer Frage. Der Reflexionsbegriff vom Vorausgesetzten als solchem bedarf der begrifflichen Bestimmung nicht mehr, aber das Begreifen der Erkenntnisinhalte geht der Bildung dieses Reflexionsbegriffes doch vorauf. Es muß sich dann so verhalten, daß die — in der bleibenden Bindung an die begriffenen Erkenntnisinhalte geschehende — Reflexionserfahrung von der Voraussetzung als solcher durch sich in gewisser Weise den Grund dafür anzeigt, daß im Versuche, das Wesen der Voraussetzung begrifflich in die Reflexion zu erheben, sich als gegensätzliche Momente das radikale Ungesichertsein in sich der Voraussetzung und ihr Anspruch, durch sich den Begriff von einem Superlativ schlechthin zu erbringen, ergeben. Indem das Vorausgesetzte dem Begreifen entnommen ist und für sich gilt, steht es jenseits alles begrifflichen Gesichert- oder Ungesichertseins und jenseits alles Anspruchs auf ein begriffenes Unbedingte für sich da. Die Art und Weise seines Zulänglichseins und Unzulänglichseins in sich selbst muß in ihm selbst liegen, ohne durch Begriffe dargestellt werden zu können. Doch wird allerdings das Zulänglichsein in sich selbst, das die Voraussetzung sein kann, immer schon durch das faktische Begreifen der Erkenntnisinhalte gemessen, das ja dem Reflexionswissen voraufgeht und diesem Wissen ein äußerer Maßstab seiner Gültigkeit ist. Dieses Verhältnis zu den begriffenen Erkenntnisinhalten wirkt dann auf dieses Begreifen selbst in dem Sinne zurück, daß es durch das Verständnis der Voraussetzung im Wissen der Reflexion kritisiert wird, so wie auch das Wissen der Reflexion aus diesem Begreifen kritisiert wird. Das Begreifen der Sachverhalte gibt eine begriffliche Struktur der Erkenntnisinhalte an, die, indem sie in den Bestimmungen angetroffen wird, doch von dem Sichwandeln der Bestimmungen unbetroffen bleibt, wogegen die Voraussetzung als solche gerade nur durch ihr bloßes Sichdarstellen gilt, und, wenn wir es so sagen wollen, ihr bloßes Gegenwärtigsein ist. Wenn dieses Geschehen der Voraussetzung am Begreifen der vom Sichwandeln des Bestimmtseins der Erkenntnisinhalte unabhängigen begriffenen Bedeutungen gemessen wird, so erscheint die objektive Gültigkeit, die sie gewähren kann, als eine solche, die nur in dem jeweils gegenwärtigen Sichdarstellen der Voraussetzung liegt, während die objektive Gültigkeit, die das Begreifen gewährt, eine solche ist, die

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vom Sichdarstellen her ein von der Wandelbarkeit dieses Sididarstellens unabhängiges Gelten gewährt. Dieses Bewußtsein der Unzulänglichkeit in sich des Gültigseins der Voraussetzung tritt nur auf, sofern sie am Begreifen der Erkenntnisinhalte gemessen wird, für sich selbst — ohne solchen Vergleich — wird sie von der Frage nach einem über den Wandel des jeweils Erscheinenden hinaus gültigen Bleibenden nicht betroffen, denn, indem sie nur für sich selbst und durch sich selbst ohne Begriff gilt, betrifft sie der Wandel der Bestimmungen nicht, sie gilt vielmehr als das, was sie jeweils ist. Das Sichgeben der Voraussetzung ist für dieses Verstehen als solches begriff los; mag das erkennende Bewußtsein als ein solches, das sich vorgängig vor dem analogen Wissen in begreifender Bestimmung auf die Erkenntnisinhalte richtet, auch den Mangel erfahren lassen, der in dem bloßen Gegenwärtigsein der Voraussetzung liegt, so gilt sie doch in ihrem Sichdarstellen durch sich selbst, und nur der Vergleich mit dem Begreifen, das die sich wandelnden Bestimmungen der Erkenntnisinhalte in übergreifenden Bedeutungen zusammennimmt, läßt das Gebundensein ihres objektiven Gehens an ihr jeweiliges Gegenwärtigsein als ihren Mangel und ihr Begrenztsein erscheinen. Das Messen nun des Vorausgesetzten in seinem Gegenwärtigsein an dem den Wandel der Bestimmungen übersteigenden Begreifen der Bedeutung der Sachverhalte läßt hervorgehen, daß die Voraussetzung, eben dadurch, daß sie nichts als ihr Sichdarstellen in ihrem Gegenwärtigsein sei, dem Erfordernis nicht zu genügen vermag, daß sie sich nicht nur durch sich selbst als gegenwärtig ausweise, sondern auch in ihrer Bedeutung vollendet und damit wahrhaft objektiv gültig sei. Das messende Begreifen verlangt, daß die Voraussetzung in ihrem Gegenwärtigsein ihr Wesen auch schon als Ganzes und als in sich abgeschlossen darstelle. Solange das losgelöst für sich dastehende Vorausgesetzte allein als solches genommen ist, kann diese Frage nicht auftreten; wird aber sein Gültigsein am Begreifen der Bedeutung der Sachverhalte gemessen, dann muß sie auftreten, denn dann zeigt sich das Gegenwärtigsein der Voraussetzung als etwas, das als solches die Einheit und das Abgeschlossensein seines Sichverstehens nicht in sich selbst zu haben scheint, sondern sich als das bloße Zugegensein darstellt, das kein Beschlossensein in sich erfahren läßt, sondern eben nur auf die Weise ständig sich wandelnder Präsenz erlebt werden kann. Indem die reine und bloße Voraussetzung des analogen Wissens an der in ihrer Bedeutung begriffenen Voraussetzung gemessen wird, geht es so hervor, daß sie durch sich selbst nicht verstehen lasse, was sie an sich selbst ist. Diese Erfahrung läßt so erst das Problem eigentlich hervorgehen, das zuvor in der Erkenntnis der bleibenden Bedeutungen der sich wandelnden Bestimmungen gleichsam aufgehoben war: das Problem des Wissens um das Geschehenkönnen des Zukünftigen und damit das Problem des Verstehenkönnens des zeitlichen Geschehens überhaupt. Das unmittelbar begreifende Verfahren in den Erkenntnisinhalten kennt weder ein Problem des Verstehens der Räumlichkeit der Dinge noch ein Problem des Verstehenkönnens ihrer Entwicklung in der Zeit, sondern die Strukturen des räumlichen wie des 4 Kopper, Reflexion

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zeitlichen Seins der Dinge stehen in der Verfügung des Begreifens, ohne daß die Frage nach dem Begreifenkönnen sich stellt. Das gilt auch für das analoge Wissen, das sich noch unmittelbar an das Begreifen der Dinge in ihrem Bestimmtsein hält. Erst im Durchgang durch das skeptische Bewußtsein kann sich die Frage nach dem Begreifenkönnen stellen; so stellt Descartes sie in Bezug auf die Wissenschaft vom Raum und stellt dabei fest, daß die Voraussetzung sich selbst als das Geschehen von Klarheit und Deutlichkeit darstellen könne. Das Verstehen des zeitlichen Geschehens spielt für Descartes noch keine Rolle, weil er das alte Begreifen der Erkenntnisinhalte, wenn auch im Bewußtsein ihres Ungesichertseins, noch gelten läßt und damit nicht vor das Problem der Auflösung in sich dieser in sich bestimmten Strukturen gestellt ist, das erst die Fragwürdigkeit in sich der Möglichkeit des zeitlichen Geschehens hervortreten läßt. Descartes sichert das Ungesicherte, das doch noch als solches dastehen kann, und bringt für das ungesicherte Faktum geometrischen Wissens eine apriorische Begründung herbei; es geht ihm noch nicht darum, das Auseinanderfallen der Strukturen selbst durch ein Begreifen ihres Zusammenhaltenmüssens zu retten. Das Problem des zeitlichen Geschehens tritt als eigentliches Problem erst auf, wenn das Begreifen der Voraussetzung von ihr selbst her nicht mehr den Anfang und die Grundlage für das analoge Wissen der Reflexion bildet, sondern die Voraussetzung in diesem Wissen als das dem Begriff entzogene Andere für sich selbst dasteht und gilt. Wird das so erfahrene Vorausgesetztsein an der begriffenen Voraussetzung gemessen, dann muß sich ergeben, daß die bloße Voraussetzung als solche keine das bloße Geschehen ihres Sichdarstellens übersteigende objektive Gültigkeit ausweisen kann, die sich in der Identität ihrer Bedeutung durch sich selbst verstände, eben weil das Geschehen der Voraussetzung als solcher nicht in der Einheit begrifflicher Bedeutung betreffbar ist. Das Problem des Verstehenkönnens der Zukunft und des zeitlichen Geschehens im ganzen erscheint so als das Problem des Betroffenseins der im analogen Wissen geschehenden Erfahrung von dem Wesen der Voraussetzung als solcher durch das voraufgehende Begreifen von der Voraussetzung her. Die Problematik des Raums erscheint, solange die Voraussetzung auch für die Reflexion noch als begriffene Voraussetzung gilt, die Problematik der Zeit muß der Reflexion erstehen, sofern in ihr die Voraussetzung losgelöst vom Begreifen sich selbst als solche darstellt, aber an der begriffenen Voraussetzung gemessen wird. Und so wie die Sicherung des Verstehens der räumlichen Struktur in der Geometrie durch das reflektierende Wissen zugleich eine Sicherung des zeitlichen Geschehens für das reflektierende Verstehen bedeutet, so bedeutet die Auflösung des Zusammenhangs des zeitlichen Geschehens im reflektierenden Wissen zugleich die Auflösung des Zusammenhanges der räumlichen Struktur, da es dem Verstehen nicht mehr erlaubt ist, sich auf die identischen Bedeutungen der begriffenen Voraussetzung zu beziehen. Wird die Voraussetzung in dieser Art der Reflexion rein an sich selbst ohne die Beziehung auf das Begreifen genommen, was freilich nur geschehen kann,

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sofern sich das analoge Wissen rein nur auf sich selbst zurückzieht, so wird sie offenbar weder vom Problem des Raums noch vom Problem der Zeit betroffen. Ist einmal gesetzt, daß das Begreifen nicht mehr über die Voraussetzung verfügt, so kann alles Ansetzen des Begreifens an der Voraussetzung für das analoge Wissen nicht mehr über sie bestimmen, sondern muß sie in ihrem Unbegrifflichsein belassen; das Begreifen kann lediglich als ein dem Wesen der Voraussetzung äußerliches Verfahren nachträglich und innerhalb des analogen Wissens an der für die Reflexion unbegriffenen Voraussetzung einzelne — als solche und in sich selbst dem Begreifen entzogene — Momente isolieren und kombinieren. Das so aufgefaßte Begreifen ist — als ein im analogen Wissen verstandenes Begreifen — das bloß analytische Begreifen, das zur Sache äußerlich hinzukommt, ohne über sie in ihrer Realität irgendetwas ausmachen zu können. Dieses sich selbst als analytisch verstehende Begreifen ist ein Begreifen innerhalb der Reflexion und läßt das anfängliche Gebundensein des Erkennens in das Begreifen in der Voraussetzung unberührt. Es unterscheidet sich radikal von der Funktion des Verstandes im unmittelbaren Verständnis der Voraussetzung, wo der Verstand das Vermögen ist, das von der Voraussetzung her über die räumliche Struktur und das zeitliche Geschehen im Ganzen eines Begreifens verfügt; dies Begreifen unterscheidet sich demzufolge auch von der Funktion des Verstandes, die innerhalb des analogen Wissens das Unbedingte nach Art des Begreifens in der Voraussetzung zu erfassen trachtet, wie dies etwa im ontologischen Beweise geschieht. Der als unmittelbares Begreifen der Voraussetzung operierende Verstand ist kein analytischer Verstand, sondern das Denken der Identität für sich geltender Bedeutungen, die das Vorausgesetzte durch die Mannigfaltigkeit seiner Bestimmungen und ihren Wandel hindurch hat, (welcher Verstand daher auch nicht als ein Verstand synthetischer Operationen zu charakterisieren ist, denn er setzt nichts zusammen, sondern ist das Erkennen in sich identischer Bedeutungen des mannigfaltig Bestimmten). Von diesem in der Voraussetzung begreifenden Verstande kann man am besten sagen, daß er als intuitiver Verstand zu charakterisieren sei, und so hat ihn Descartes auch noch innerhalb des analogen Wissens festhalten können. Für Hume dagegen ist der der philosophischen Spekulation sich eröffnende Verstand bloß analytischer Verstand, der als solcher nichts über die dem Begriffe fremde Voraussetzung vermag. Daher vermag dieser Verstand auch nichts in bezug auf das radikale Ungesichertsein in sich des zeitlichen Geschehens. In ihrem Ergebnis kann daher diese Philosophie als die reine Skepsis erscheinen, sie ist aber vielmehr das Herausstellen des Fürsichgeltens der Voraussetzung in ihrem Abgesondertsein vom Begreifen, wie es innerhalb der Klarheit und Deutlichkeit des reflektierenden Denkens, das das Begreifen in der Voraussetzung von sich ausschließt, zu erscheinen vermag. In der Klarheit und Deutlichkeit des Denkens wissen wir die „impression" als das, was das als solches begriffslose Gegenwärtigsein ist. Daß dieses begriffslose Gegenwärtigsein dann durch das vorausgehende Begreifen des Vorausgesetzten gemessen wird, läßt es als in sich ungesichertes bloßes Gegenwärtigsein hervorgehen, aber das reflektierende Wissen ist

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in solcher Erfahrung nicht skeptisches Wissen, sondern gerade das über sich selbst belehrte Wissen, das Verständnis der Voraussetzung als solcher. Nun aber erschöpft sich Humes Theorie nicht in dieser Betrachtung des Sichdarstellens der Voraussetzung im Geschehen von Klarheit und Deutlichkeit, sondern die in ihrem Losgelöstsein hingestellte Voraussetzung muß sich auch in dem, was sie durch sich selbst — begriffslos — meint, als solche kundtun, und sie kann dadurch auch dem — dem bloß analogen Wissen voraufgehenden — begreifenden Verfahren in der Voraussetzung eine andere Bedeutung geben. Die unbezügliche Bedeutung, die die Voraussetzung als solche hat, liegt darin, daß sie Gegenwärtigsein, Sichdarstellen ist. Diese unbezügliche Bedeutung, die das Sichdarstellen und Gegenwärtigsein an sich selbst ist, entzieht sich dem Zugriff des von außen messenden und kritisierenden, wie auch des analysierenden Begreifens. Denn in ihr gilt das Sichdarstellen nicht in der Mannigfaltigkeit seiner Weisen, sondern in einer sich durch sich ausweisenden Bedeutung, die doch keine begriffliche Bedeutung ist. Diese Bedeutung aber geschieht selbst auf die Weise des Sichdarstellens und Gegenwärtigseins und als es, sie geschieht als eine „impression" eigener Art, als die und in der der Wandel der „impressions" statthat. Im Ganzen des Gegenwärtigseins und Sichdarstellens geschehen als solches Gegenwärtigsein zugleich der Wandel des Mannigfaltigen und das Einfache, das selbst Gegenwärtigsein ist: diese „impression" ist das Lebensgefühl, das als Sichverstehen ist, eben indem das mannigfaltig sich Wandelnde sich darstellt. Dieses Lebensgefühl nun, das auf die Weise der Mannigfaltigkeit als solches einfach geschieht, kann, insofern es das Hervorgehen der Gestalten des mannigfaltig sich Wandelnden als das Sichausgestalten eines Einfachen verstehen läßt, als das Erleben der Bedeutung von Kraft charakterisiert werden. In diesem Gefühl ist die Voraussetzung so gewußt, daß die auf das zeitliche Geschehen gerichtete Kritik des in der Voraussetzung begreifenden Verstandes sie nicht zu betreffen vermag, denn dieses Gefühl hat das unbezügliche Wesen der Voraussetzung schon als ein in sich vollendetes erschlossen. In diesem Gefühl ist die Voraussetzung in ihrem sich wandelnden Sichdarstellen als eine solche gewußt, deren Wesen immer schon vollendet ist, und dieses Gefühl wird durch das Sichdarstellen der Voraussetzung in ihrem Sichwandeln in seinem Vollendetsein in sich bewährt und bestätigt; das Sichwandelnde ist so gerade als das Geschehen des Vollendetseins in sich erfahren. Daß das Sichwandelnde so als Insichvollendetsein gewußt ist, drückt sich zugleich auf die Weise des Sichwandelns so aus und wird so in Selbstverständlichkeit erfahren, daß dies Sichwandeln als solches ein Geschehen in Gleichförmigkeit ist. Diese Gleichförmigkeit, die den begriffenen Bedeutungen des in der Voraussetzung sich verwirklichenden Verstandes in diesem analogen Wissen zu entsprechen scheint, ist als das Übereinkommen mit sich des Verstehens von Kraft durch das Sichwandeln hindurch in der Klarheit und Deutlichkeit des Denkens unbegrifflich gewußt. Durch dieses Gefühl ist das Ungesichertsein in sich des zeitlichen Geschehens überwunden; es

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ist negativ überwunden dadurch, daß die Kritik des in der Voraussetzung verfahrenden Verstandes auf es keinen Zugriff hat, positiv dadurch, daß es das Sichverstehenkönnen des Menschen über das Begreifen in der Voraussetzung und damit über das selbstverständliche Gelten des Nacheinanders des Geschehens in ein Verstehen des zeitlichen Geschehens hinaushebt, in dem dessen Wesen immer schon in sich vollendet ist und als Geschehen im Sichwandeln und Sichentwickeln gerade das Geschehen des Vollendetseins ist. Insofern dieses Wissen des Gefühls kein Wissen des analytischen Begreifens und kein Wissen von Sachverhalten ist, kann es als ein Wissen, das sich in seinem Sichbezeugen versteht, das aber nicht durch Bestimmungen angegeben werden kann, als ein Wissen des Glaubens charakterisiert werden, und vom Verstande her, der aus dem Vergangenen heraus nachträglich analytisch begreift, kann es, sofern es sich als ein Wissen dartut, das sich aus der Lebenserfahrung heraus entwickelt hat, als Wissen der Gewohnheit aufgefaßt sein, wobei, wodurch solche Gewohnheit zustande kommen könne, durch das verstandesmäßige Auffassen nicht angegeben werden kann. Dieses Wissen des Gefühls, das als ein Wissen des Glaubens verstanden werden kann, belehrt uns nach Hume über eine prästabilierte Harmonie zwischen dem Wissenkönnen und der Realität: auf die Weise des Gefühls ist das Wissen ein solches, durch das sich gerade auch das Wesen der Realität als solcher eröffnet und durch das so in gewisser Weise das als Wissen geschehende objektive Gültigsein erreicht werden kann. Im analogen Begreifen des anselmischen Beweises war es angenommen, daß das in der Voraussetzung begreifende Denken durch sich selbst dazu gelangen könne, ein auf die Weise des analogen Wissens offenbares objektives Gültigsein schlechthin zu erlangen, und auch noch für Descartes geschieht das Wissen des Unbedingten aus dem Begreifen in der Voraussezung. Indem Hume — im analogen Wissen — im Geschehen von Klarheit und Deutlichkeit die Voraussetzung sich als solche darstellen läßt, ohne sie schon wieder durch den begreifenden Verstand anzugehen, indem er sie daher nicht mehr als ein bestimmtes, in seinem Bestimmtsein für sich geltendes Etwas dem „Cogito" entgegenstellt, sondern sie das eigentümliche Sichverwirklichen und Geschehen der Klarheit und Deutlichkeit selbst sein läßt, da gelangt er auf diese Weise im analogen Wissen wieder zu einer Einheit des Wissenkönnens und der Voraussetzung, die sich nun nicht mehr auf die Weise des Begreifens der Voraussetzung darstellt, sondern als die als Voraussetzung geschehende Klarheit und Deutlichkeit. Wenn dieses Wissen der Voraussetzung als solcher deswegen nicht mehr als Begreifen bestimmt werden kann, weil in ihm ein Sichverwirklichen des Verstandes von der Voraussetzung her nicht mehr statthat, so kann es doch als ein Erkennen bestimmt werden, in dem die Realität sich als solche offenbart. Dieses Erkennen ist sowohl „impression" als auch Lebensgefühl, Sichdarstellen im Wandel und zugleich Erfahrung eines in sich vollendeten Geschehens. Nicht auf die Weise des Begreifens der Voraussetzung, wohl aber auf die Weise des Geschehens der Voraussetzung in Klarheit und Deutlichkeit, das sich als das Ganze

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der „impressions" und des Lebensgefühls, die vereinigt das Wissen des Glaubens hervorgehen lassen, dartut, geschieht so das Wissen, in dem und als das sich unbedingtes objektives Gültigsein offenbart. Das Wissen des Glaubens, das Wissen der prästabilierten Harmonie von Erkennen und Realität ist, nimmt so recht eigentlich den Gottesbeweis, als das Geschehen der Einheit von Denken und Voraussetzung im analogen Wissen, wieder so auf, daß es ihn von dem Verfahren des Begreifens in der Voraussetzung auch losgelöst hat. Aber dieses Wissen kann sich gleichwohl nicht selbst als das Denken des Gottesgedankens behaupten, ja es muß diesen Anspruch von sich selbst ausdrücklich abweisen, denn das Geschehen von Klarheit und Deutlichkeit auf die Weise des Geschehens der Voraussetzung bedeutet in diesem analogen Wissen doch, daß die „impression" ein anderes ist als das Lebensgefühl und daß das Unbedingtsein des Wissens von objektivem Gültigsein nur so geschieht, daß die „impression", obwohl sie mit dem Lebensgefühl unzertrennlich verbunden ist, doch als „impression" dies Verbundensein nicht durch sich ausweisen kann, und so über das Vollendetsein in sich ihres eigenen Wesens, das als solches im Lebensgefühl gegenwärtig ist, nicht verfügt, wie andererseits das Lebensgefühl als Gefühl des Vollendetseins in sich des Wesens der Voraussetzung durch sich nicht das Verfügen darüber ist, daß dies Wesen sich als „impression" darstellt und verwirklicht. Im Geschehen der Klarheit und Deutlichkeit als Voraussetzung liegt so das Sichbilden in sich unzulänglicher Weisen des Wissens, die sich nur in einer Doppelung ergänzen können, welche Fixierung in der Doppelung macht, daß die Voraussetzung als Sichdarstellen nicht über ihr als Wissen geschehendes Wesen und daß sie als Wesen nicht über ihr Sichdarstellen verfügt. Wie sich bei Anselm die begriffene Voraussetzung nicht eindeutig über sich selbst auszuweisen vermag, so vermag sich hier das Geschehen der Voraussetzung in Klarheit und Deutlichkeit nicht eindeutig über sich selbst auszuweisen und dieses Sichnichtausweisenkönnen ist für sich selbst radikal, sodaß der ausdrückliche Anspruch, den Gottesgedanken denken zu können, für dies Denken gar nicht erst aufkommen kann: denn jetzt ist ausdrücklich erkannt, was verborgen bleibt, solange die Voraussetzung sich als solche nur darstellt, sofern sie schon in das Begreifen eingegangene Voraussetzung ist, daß nämlich die Voraussetzung an sich selbst etwas sei, das von sich selbst nicht Rechenschaft abzulegen vermag und dies deswegen nicht kann, weil sie in Weisen des Wissens geschieht, die als solche nicht das Ganze der Voraussetzung durch sich zu bewähren vermögen, obgleich sie sich in wechselseitiger Andersheit zu diesem Ganzen ergänzen. Indem so die Voraussetzung in der Klarheit und Deutlichkeit des Denkens als ein unbezügliches Sichverstehen geschieht, ist sie für sich selbst doch auch immer schon ihr Unzulänglichsein zu sich selbst. Sowohl im Lebensgefühl als auch in der „impression" ist die Voraussetzung sich in ihrer Unbezüglichkeit nur so bekannt, daß sie darin nicht über sich selbst zu verfügen vermag, indem doch zugleich auch das Zusammengeschehen beider die Einheit eines Sichgenügenkönnens wissen läßt. Der Gottesbeweis erscheint so als im theoretischen Bereiche nicht vollziehbar, obwohl nicht begriffen werden kann,

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was dies Nichtvollziehenkönnen eigentlich bedeute und obwohl zugleich ein als Fühlen geschehendes objektives Gültigsein sich als Wissen einer prästabilierten Harmonie bekundet. Daß das Begreifen, indem es von der Voraussetzung ausgeht, als solches ein als Ungewißheit geschehendes Gewißsein sei, das also von sich selbst nicht auszumachen vermag, was es eigentlich bedeute, das wäre danach die Situation des Denkens, die Kant von Hume her vorfand und die nicht dadurch hätte überwunden werden können, daß das Denken von der Voraussetzung her wieder als das in sich ausgewiesene Denken behauptet und das aposteriorische Apriori neu aufgestellt worden wäre. Kant konnte gegen Hume nicht das Fürsichgelten der begriffenen Voraussetzung wieder errichten; er konnte gerade nicht, — wie es in seinem Werke doch den Anschein hat —, ein in sich aposteriorisches System der apriorischen reinen Formen des Anschauens und Begreifens setzen, sondern er mußte das als Ungewißsein in sich geschehende Begreifen in der Voraussetzung sich in sich selbst durchführen und in sich einkehren lassen, wobei solches Sichkritisieren des Denkens doch gerade bleibend von dem Vorausgesetzten bestimmt sein mußte. Das Geständnis Kants, daß Hume ihn aus seinem dogmatischen Schlummer geweckt habe, bedeutet in diesem Sinne, daß Hume ihn dazu geführt habe, auf die Voraussetzung als solche acht zu haben und die Voraussetzung als Voraussetzung zu erkennen, wogegen das dogmatische Denken sich bei dem Faktum der begriffenen Voraussetzung beruhigt habe.

. Der in sich reflektierte Determinationsbegriff 1. Das Aposteriori als apriorisches Geschehen a) Die A n t i n o m i k Daß das Denken sich als Denken in der Voraussetzung selbst durchführe und nicht bei einem für die Reflexion Ungewissen Gewißsein beharre, bedeutet, daß es sich sowohl in den beiden durch Hume voneinander abgehobenen Momenten der „impressions" und des Lebensgefühls als auch im in sich einigen Geschehenkönnen solcher Doppelung selbst durchführen muß, und man könnte die drei Kritiken Kants wohl als Stufen der Durchführung eines solchen Versuchs, die Voraussetzung als solche in einem reflektierenden Denken zu denken, das von der begriffenen Voraussetzung seinen Ausgang nehmen muß, vorstellen. Seinen Anfang muß dieses Sichdurchführen des Denkens von den „impressions" nehmen, in denen sich das Vorausgesetzte als das Unmittelbare darstellt. Die „impression" ist nach Hume das Vorausgesetzte, über das der Verstand gleichwohl nicht zu befinden vermag, sondern das er lediglich nachkommend in seiner Struktur analysieren kann. Es scheint aber die „impression" Humes, auch wenn Hume selbst alles Begreifen von ihr als solcher abweist, dem Begreifen doch nicht völlig entzogen zu sein, denn sie scheint doch als ein mit sich Identisches aufgefaßt zu sein. Die „impression" ist als ein Etwas aufgefaßt, das der anfängliche Gegenstand unseres Wissens ist. Von diesem in seiner Identität gesetzten Etwas wird dann allerdings geleugnet, daß es begriffen sei; es geschehe das Wissen um die „impression" als ein unbegreifliches und unbegriffenes Wissen. Indem diese Situation des Erkennens, wonach also die „impression" als Identität mit sich begriffen ist und Begreiflichkeit und Begriffensein doch zugleich auch von ihr geleugnet sind, als ganze in der Reflexion aufgefaßt ist, da ergibt sich, daß das Begreifen der „impression" als identisches Etwas durch die Unbegreiflichkeit des Geschehens von Anschauung widerlegt ist und daß das unbegreifliche Geschehen von Anschauen durch das Begreifen des Gegebenen als eines identischen Etwas in sein Gegenteil gewendet ist. Dieses Aneinandermessen der beiden Weisen des Wissens um die „impression", die zugleich ein identisches Etwas und doch auch ein Unbegreifliches ist, das Hume selbst nicht mehr durchführt, nimmt Kant in der Antinomik der theoretischen Vernunft (dem Ausgangspunkte der kritischen Philosophie) auf die Weise des Begreifens in der Voraussetzung, d. h. aus dem Ineinander von Identität und Begriffslosigkeit heraus, vor. Ohne daß das Auffassen der „impression" eigentlich in sich gewandelt wäre, wird es in dem Widerstreit in sich, den es für die Reflexion enthält, verfolgt, und man kann sagen, daß die Vernunft in ihrer

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Dialektik die Unvereinbarkeit des Begreifens in der Identität und des unbegreiflichen Geschehens von Anschauen so feststellt, daß diese Feststellung selbst im Verbleiben im Denken in der Voraussetzung geschieht. Daß das Geschehen der Erkenntnis auf die Weise der „impressions" in sich selbst verständlich werde, darum geht es in der Antinomik der theoretischen Vernunft. Es geht nicht um eine Analyse, die der Verstand am Material der „impressions" vornehmen würde, indem er zugleich die Identität der „impression" und ihr unbegreifliches Anschaulichsein als solche in ihrem Vorausgesetztsein beließe, sondern es geht um das Geschehen der „impression" als solches: das Vorausgesetzte soll als solches verstanden werden. Das Problem der analytischen Urteile, ob diese nicht im Erkennen über das bloße Geschehen der „impressions" hinausführen, bleibt unerörtert; es geht nur um das Verstehen des Geschehens der „impressions" selber. Der Widerstreit von Begriff und Unbegreiflichkeit, der nichts mit dem analytischen Begreifen, wie Hume es auffaßt, zu tun hat, wird vollzogen, indem es dabei um das Verstehen der Erfahrung, d. h. um das Weltverständnis als solches geht. Diese Reflexion auf die Erkenntnis ist vor aller Analyse in sich antinomisch, da sie den Widerstreit der Erkenntnismomente, die in der „impression" liegen, dazu benützen muß, das Geschehen des Erkennens als solches in sich einsichtig zu machen. Dieser Widerstreit des Begriffes und des Unbegreiflichen, der selbst auf die Weise des Begreifens in der Voraussetzung entwickelt werden muß, beinhaltet also, daß das bestimmte Etwas, indem es sich als Etwas darstellt, gerade dadurch und darin das Unbegreifliche sei, sodaß ein gedoppeltes Wissen des Gewußten statthabe, wobei jedes der beiden Momente auch wieder den Anspruch erheben müsse, durch sich das Ganze des Erkennens auszudrücken. Um die Aufhebung dieser Unangemessenheit zu sich selbst des Erkennens muß es in der Reflexion gehen. Der Versuch, die Überwindung des Widerstreits zu leisten, kann aber nur so geschehen, daß dabei gerade von den unvereinbaren Wissensweisen ausgegangen wird und versucht wird, sie durch sich selbst zur Einheit zu bringen. Dieser Versuch muß im vorhinein als auswegslos und in sich verfehlt durchschaut sein; aber er muß doch durchgeführt werden, da keine andere Möglichkeit gegeben zu sein scheint, die Unangemessenheit des als Anschauen geschehenden Wissens zu sich selbst zu überwinden. Die Durchführung der Antinomik ist die Ausführung dieses Versuchs, durch die besonderen Weisen, das Vorausgesetzte zu wissen, die Einheit, die sie bedeuten sollen, zu erlangen. Er führt zu einander entgegengesetzten Behauptungen, in denen die Antinomik sich darstellt, und in denen jeweils das eine Moment als Extrem das andere Moment durch sich mitausdrücken soll. In der These beansprucht der Begriff als solcher auch das Unbegreifliche zu sein; das unbegreifliche Geschehen von Erscheinen soll durch die Setzung des mit sich identischen Etwas als solches erfaßt und begriffen sein. In der Antithese erhebt das unbegreifliche Geschehen des Erscheinens den Anspruch, als solches auch das Gesetztsein von Etwas zu sein. Damit aber dieser wechselseitige Anspruch aus-

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drücklich erhoben werden könne, dazu genügt es nicht, daß das eine Extrem sich das andere selbst einfach zuspreche, denn darin bliebe es ja gerade bei ihrer Unvereinbarkeit, sondern jedes der Extreme muß sich in sich selbst dazu erweitern, das andere in sich hineinzunehmen. Diese Erweiterung kann von den beiden voneinander geschiedenen Momenten nur dadurch geleistet werden, daß jedes sich in sich als das ganze Wesen des Erkennens erfährt, und aus diesem Wissen darum, das Ganze zu sein, das andere als in sich mitenthalten weiß. In der These liegt der Anspruch des Begriffs, durch sich das Erkennen als solches auszudrücken und deswegen in sich das unbegreifliche Geschehen von Anschauung mitzubefassen. Durch das Geschehen der Setzung eines bestimmten Etwas soll das unbegreifliche Wesen des Geschehens von Erscheinen als solches mitausgedrückt und als solches erfaßt sein. Wenn dergestalt das Gesetztsein von Etwas in seiner Identität das Geschehen von Erscheinen durch sich miterklärt und es in sich mitbefaßt, dann ist das Gegebene und d. h. die erscheinende Welt als solche auf die Weise des Gesetztseins von Etwas in sich selbst begriffen, in sich beschlossen und begründet. Daß die Welt in der Zeit und im Räume ein Nacheinander und Nebeneinander von einzelnen Gegebenheiten zuläßt, hindert nicht, daß sie sich in einem gesetzten Etwas als solche verstehen läßt, daß das Gesetztsein sein Sichbegründen durch sich, daß es ein Unbedingtes ist, In diesem Sinne ist die Welt als Gesetztsein in sich selbst beschlossen, sowohl ihrer Größe wie den Elementen ihres Bestehens nach. Die Welt ist sowohl ihrer Ausdehnung im Räume und in der Zeit nach als auch ihrer räumlich-zeitlichen Materie nach durch das in seiner Identität gegebene Etwas als solche zu verstehen. Demgegenüber beansprucht das unbegreifliche Anschauen in der Antithese, daß alles Geschehen von Setzung sich aus ihm heraus so ereigne, daß es in seiner Unvordenklichkeit immer schon vorausgesetzt sei und das Begreifen von Etwas nur sein Ausdruck sei. Nach dieser Gegenthese ist das Geschehen des Erscheinens früher als alle Angabe durch das bestimmte Etwas, und die Welt ist als solche, obwohl sie sich auf die Weise des in seiner Identität gesetzten Mannigfaltigen im Räume und in der Zeit darstellt, durch die Setzung nicht betreffbar. Räumliches und zeitliches Erscheinen ist unbedingt auf die Weise seines Unvordenklichseins, und in diesem Sinne ist die Welt im Räume und in der Zeit anfangslos immer schon da und ist das materielle Bestehen früher und ursprünglicher als alle Setzung, in der es begriffen werden kann, obwohl es nur in solcher Setzung ausdrücklich gefaßt werden kann. So soll in der These durch die Setzung des mit sich identischen Etwas das Geschehen von Anschaulichsein mitverstanden sein und soll in der Antithese das Geschehen von Anschaulichsein durch sich die Setzungen verstehen lassen. Es geschieht ein wechselseitiges Sichhineinstellen der unterschiedenen Momente der Voraussetzung ineinander, in dem jedes der Momente in seinem selbstverständlichem Gelten das andere mitzubefassen scheint. Daß nun dergestalt jedes der beiden Momente als in das andere zurückgenommen und aus ihm "verstehbar

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erscheint, ohne daß dabei doch die Weise, beide Momente als Momente der Voraussetzung aufzufassen, eigentlich gewandelt wäre, das bedeutet, daß das Sichverstehen der Erkenntnis nur in der Einseitigkeit erlangt werden kann, entweder auf die Weise des Verstehens aus dem gesetzten Etwas oder auf die Weise des Verstehens aus dem unbegreiflichen Geschehen von Anschauen. Hume hatte dafür gehalten, daß die „impression" von allem Begriffe völlig losgelöst sei. Kant, der erkennt, daß in der „impression" der Begriff und das unbegreifliche Geschehen zusammenkommen, muß versuchen, den Begriff und das unbegreifliche Geschehen einander zu integrieren, aber er führt damit gerade das Begreifen in der Voraussetzung in das Verstehen der Voraussetzung selbst ein, das Hume ja aus diesem Verstehen herausgehalten hatte. Dem rationalistischen Denken hatte sich die Voraussetzung selbst auf die Weise des analytischen Begreif ens eröffnet; es hatte das Vorausgesetzte selbst auf die Weise des analytischen Begriffs und seiner Notwendigkeit fassen wollen. Hume verzichtet auf alles analytische Verfahren im Sichgeben des Erscheinenden und glaubt, das Erscheinende sei als solches dem Begreifen ursprünglich entnommen. Kant aber erkennt, daß, auch wenn keine auf die Weise des Begreifens geschehende Reflexion über das Erscheinende stattfindet, das Erscheinende doch unabhängig davon in sich selbst auch schon begrifflicher Natur sei und keineswegs, wie Hume gemeint hatte, dadurch, daß es von der auf die Weise des Begreifens geschehenden Reflexion entbunden wird, auch an sich selbst schon ohne allen Begriff sei. Wenn aber im Erscheinenden zugleich der Begriff und das Unbegreiflichsein liegen, dann kann ein Verstehen des Erscheinenden nur dadurch erlangt werden, daß beide Momente zur Übereinkunft gebracht werden; doch diese Übereinkunft zu erlangen, muß wieder mit den Mitteln des Begreifens in der Voraussetzung versucht werden, d. h. es kann gerade nicht so versucht werden, wie es dem Wissen der Reflexion entsprechen würde, ja, dieser Versuch muß darüber hinaus auch die Erfahrung des unbegreiflichen Moments im Erscheinen wieder auf die Weise des Begreifens angehen. So kommt es zu der Entgegensetzung von These und Antithese, in denen die Reflexion sich selbst wieder auf die Weise des Begreifens in der Voraussetzung auslegt und sowohl die Setzung von Etwas wie das unbegreifliche Geschehen von Anschaulichsein auf die Weise des analytischen Begreifens fixiert und beide aus der Reflexion als Setzungen erscheinen läßt. Dieser Versuch, das Denken in der Voraussetzung, wie es sich in das rationalistische und in das sensualistische Verstehen zerteilt hat, zur Übereinstimmung mit sich selbst zu bringen, kann so nicht zu einem eigentlichen Ergebnis gelangen, weil die Reflexion jeweils nur auf die Weise der einseitigen Setzung das Ganze zu verstehen versuchen kann. Bei dem Auseinanderlegen des Gegebenen in zwei voneinander getrennte Instanzen, den Begriff, der das Geschehen von Erscheinen enthält, und das Geschehen von Erscheinen, das den Begriff in sich enthält, kann das reflektierende Denken nur verharren, wenn es das in sich gedoppelte Raisonnement in seinen einseitigen Ergebnissen nicht mehr den Anspruch auf das Geschehen der Erfahrung als solches

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erheben läßt und nicht mehr erwägt, was es bedeute, daß in der gedoppelten Form doch nur ein Geschehen statthabe, das sich durch diese Doppelung für das Verstehen zur Übereinkunft mit sich selbst zu bringen sucht. These und Antithese behalten so nur die Bedeutung, die Weisen zu sein, in denen sich das Wissen um die Einheit in sich des Erkennens auf die Weise des — durch das Begreifen in der Voraussetzung vollzogenen — einseitigen Ausgehens entweder vom Begriff oder vom Anschaulichsein jeweils unangemessen darstellt, die Thesen widerlegen einander, und auf die Weise ihrer Behauptung und ihres wechselseitigen Sichwiderlegens konstituiert sich das reflektierende Wissen um das Ganze der Erfahrung, indem es sich darin der Unangemessenheit, die es zu dem durch es Gemeinten ist, unmittelbar bewußt ist. Das erkennende Selbstbewußtsein, das danach verlangt, sich in seinem Erkennen als Erkennen zu verstehen, vermag dieses Verlangen nur so zu verwirklichen, daß es darin doch nicht zur Übereinstimmung mit sich selbst gelangen kann, sondern in einem Widerspruch der Instanzen, unter denen es versteht, befangen bleibt. Indem sich aber das Verstehen für sich selbst in diesem Widerstreit erhält, da hat es darin doch auch die Einheit eines Verstehens, das sich sich selbst jedoch immer nur einseitig faßlich machen kann. Dieses Sichverstehen des Erkennens im Widerstreit seiner Behauptungen über sich selbst läßt das Gelten des Begriffs und die Gewißheit der Anschauung als solche unberührt, es hebt nicht das Sichverstehen des Erkennens in diesen Instanzen, sondern nur die Gültigkeit des Anspruchs dieser Instanzen, durch sich das Ganze der Erkenntnis zu befassen, auf. Wenn aber der Gegensatz des Begriffs und des Anschauens dergestalt gültig bleibt, dann kann auch die Lösung des Problems der Erkenntnis nur auf die Weise dieses Widerstreits und in der Einseitigkeit der Thesen gesucht werden; das Begreifen in der Voraussetzung muß dann für die Reflexion die Methode abgeben, unter der die Unzulänglichkeit des Sichverstehens des erkennenden Selbstbewußtseins von dem Begreifen in der Voraussetzung her überwunden werden soll. Indem es um das Sichverstehen des Erkennens als das Geschehen, das es ist, geht, wird in der Antinomik in dem Versuche, dies Geschehen sich selbst als solches offenbar sein zu lassen, doch nur erreicht, daß ein Zustandekommen der Einheit der beiden wechselseitig einander ausschließenden Instanzen auf die Weise dieser einseitigen Instanzen selbst gedacht wird, was in die Auswegslosigkeit führen muß. Das Sichverstehen des Erkennens wird auf die Weise eines ursprünglichen Übereinkommens von Anschauung und Begriff gesucht; aber indem so über das dogmatische Denken hinausgegangen werden soll, ist die Form, unter der dies geschehen soll, gerade das Verfahren in diesem dogmatischen Denken, das den Begriff und die Anschauung als Setzungen hinstellt und sie für sich gelten läßt. Hume hatte dieses Verhältnis von Begriff und Anschauung als ein bloßes Nebeneinander, in dem jede Instanz unabhängig von der ändern für sich bestünde, vorgestellt; Kant aber zeigt, daß die beiden Instanzen, indem sie sich jede als für sich gültig in der Reflexion darstellen, doch nicht für sich im Erken-

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nen vorkommen, sondern in ihm unlöslich ineinander gebunden sind. Er hebt nun aber den Reflexionsbegriff, der die Doppelung setzt, nicht in einem neuen Verstehen des Erkennens auf, sondern sudit ihn durch sich selbst der Einheit des Erkenntnisgeschehens gemäß zu machen. Damit geht er gleichwohl, in der Weise zu reflektieren, über Hume hinaus. Die Antinomik stellt nicht einfach gegen Hume fest, daß es doch ein Übereinkommen von Eindruck und Begriff gebe, sondern in ihr geht das reflektierende Denken hinter das Nebeneinander der Instanzen, das Hume konstatiert hatte, auf das Geschehen der Erkenntnis als Erkenntnis zurück, das sich in diesem Nebeneinander dem Sichverstehen des erkennenden Selbstbewußtseins darstellt; aber indem es der Reflexion um dieses Verstehen des Erkennens als Erkennen geht, da hebt sie die Doppelung der Instanzen des Wissens, seine Zerlegung in das Anschauen und in das Begreifen doch nicht auf, sondern sucht die Einheit des schon Zerteilten so zu erreichen, daß sie jedes der beiden Momente für tüchtig erklärt, das andere in sich mitzubefassen. Darin scheint das kritische Denken in gewisser Weise selbst dogmatisch zu bleiben und vielleicht sogar durch sein Verstehenwollen selbst auch wieder hinter Hume zurückzufallen. Indem das reflektierende Denken so in dem Widerstreit von These und Antithese, in dem das Gegebensein der „impression" und der analytische Begriff nicht zur Übereinkunft zu bringen sind, befangen bleibt und daran verzweifeln muß, zu dem Sicherkennen des Erkennens als Erkennen zu gelangen, ergibt sich für es die Einsicht, daß das Geschehen des Erkennens als solches durch die Setzung der „impression" einerseits und durch den Vollzug des Begreifens andererseits nicht verstanden werden kann, sondern vielmehr nur als die durch die Erkenntnisinstanzen, in denen es sich verwirklicht, selbst nicht zu begreifende und deswegen auf die Weise der Erkenntnisse selbst nicht aufzuschließende, unerkennbare Bedingung der Möglichkeit der Erkenntnisse charakterisiert werden kann, die auf die Weise der Erkenntnisse ihr Sichbezeugen ist, aber in solchem Sichbezeugen nicht sie selbst als solche ist. Das Geschehen des Erkennens ist das selbst als solches unerkennbare Bedingende der Erkenntnise, das sich auf die Weise des durch es Bedingten als in seiner zu ihm selbst als solchem unzulänglichen Erscheinungsform kundgibt. Eindruck und Begriff sind so in der Reflexion aus der Bedingung ihrer Möglichkeit erfahren, indem sie zugleich die Instanzen darstellen, in denen allein diese Bedingung Sichbezeugen und damit Dasein ist. Die Bedingung der Möglichkeit der Erkenntnis ist auf die Weise der beiden Erkenntnisinstanzen und muß von ihnen her als die Einheit ihrer Zweiheit gedacht werden, indem zugleich einsichtig ist, daß solche Einheit nicht das Möglichsein in sich des Erkennens, sondern nur sein Dasein betreffen kann, und daß die Reflexion, indem sie das Geschehen des Erkennens als solches verstehen will, sich damit begnügen muß, es in seinem Sichbezeugen zu verstehen, worin eben das Geschehen als solches nicht angemessen erlangt werden kann. Von den beiden Instanzen der Erkenntnis her auf eine Einheit in sich des Erkennens ausgehen, bedeutet, das Geschehen des Erkennens als solches von vornherein auf eine ihm

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unangemessene Weise der Auslegung beziehen. Eine solche Auslegung der Bedingung der Möglichkeit des Erkennens muß aber auch das Sichbezeugen des Erkennens selbst verstellen, das ja von sich her gerade die Trennung der beiden Instanzen, die nicht aufeinander rückführbar sind, aufweist. Da sich die Einheit, die nun proklamiert wird, nicht anders fassen läßt, als durch die beiden sich voneinander ausschließenden Instanzen, in denen das Erkennen sein Erscheinen hat, kann sie daher auch nur gegen die Dialektik der theoretischen Vernunft und ihre Einsicht von der Unvereinbarkeit der einander entgegengesetzten Thesen behauptet werden, indem nämlich nun von den beiden voneinander getrennten Instanzen her doch wieder ihr Übereinkommen behauptet werden muß. Daher lassen sich die Analytik der theoretischen Vernunft und ihre Dialektik auch nicht eigentlich zusammendenken, sondern die Dialektik behauptet ihr eigentümliches Recht, auch wenn die Analytik den Anspruch erhebt, eine ganz andere Gewißheit dagegen zu setzen.

b) E r k e n n t n i s in der E r s c h e i n u n g als o b j e k t i v e Erkenntnis Gegen die Dialektik sind in der Analytik der theoretischen Vernunft aus dem Wissen um das Geschehen des Erkennens beide Erkenntnisinstanzen für tüchtig gehalten, durch sich das Geschehen des Erkennens auszudrücken, indem doch zugleich auch ihre Zweiheit bleibe, die aber im Geschehen des Erkennens selbst auch zur Einheit zusammengefaßt sei. Auf die Weise der beiden Instanzen findet eine Einheit in sich des Erkennens statt, die doch als solche unerkannt bleibt. So sind, indem das reflektierende Verstehen sich von der Antinomik auf das Geschehen der Erkenntnis als solches zurückzieht, die beiden Instanzen, unter denen das Erkennen begriffen wird, nicht gewandelt, sondern sie sind nur, indem sie als solche für das Verstehen des Erkennens gesetzt bleiben, auf das Erkennen als Erkennen zurückbezogen, das in ihnen sein Sichdarstellen findet und sein „ist" erlangt. Beide Instanzen aber können nun nicht mehr sich anfänglich durch sich verstehende identische Gegebenheiten sein, sondern, indem sie sich von sich her, d. h. schon als Selbigkeiten zeigen, da offenbaren sie sich doch als Selbigkeiten, die sich nicht durch sich verstehen können, sondern die aus einer unerkennbaren Möglichkeit, die in ihnen erscheinend „ist", verstanden werden müssen. Die Setzung der Erkenntnisinstanzen in ihrer Selbigkeit ist nicht mehr einfach eine sich durch sich verstehende Setzung, sondern sie ist das Geschehen dessen, was sich durch Setzung nicht verstehen läßt, durch Setzung von Selbigkeit. Dies gilt so für die Anschauung wie für den Begriff. Insofern aber auch jede der Instanzen beanspruchen muß, durch sich in ihrer Selbigkeit die andere Instanz mitzubefassen — indem sie diese doch zugleich in ihrer Selbständigkeit beläßt — da muß sich das Erkennen auch als eine Vermittlung der beiden Instanzen darstellen, auf

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die jede der Instanzen innerlich angelegt sei, die aber doch nur von ihrer Besonderung her verstanden werden könne. Mit dieser Lehre von dem Geschehen der Erkenntnis setzt Kant nicht einfach gegen Hume das dogmatische Begreifen der Erkenntnis wieder in Gültigkeit, auch wenn es sich so verhält, daß er Anschauen und Begriff nur behauptend wieder miteinander vereint. Wohl sind die Instanzen der Erkenntnis nicht auf eine neue Weise verstanden, aber sie sind doch nicht mehr einfach faktisch aufeinander bezogen, wodurch Hume zu seinem Skeptizismus geführt worden war, sondern, indem sich das Geschehen des Erkennens selbst durch sie ausdrückt, sind sie in ihrer Selbigkeit immer schon der Ausdruck dieses Geschehens und so auf eine Weise, die nicht mehr durch eine Bestimmung und daher auch nicht durch ihr eigenes Bestimmtsein anzugeben ist, aus ihrem Voneinandergetrenntsein herausgenommen. Im Bereich des bloßen Erscheinens meint das Anschauen, indem es nur Anschauen ist, doch auch schon das, was das Wesen des Begreifens ist, und das Begreifen befaßt, indem es nur Begreifen ist, doch auch schon das, was Anschauung meint. Dieses Übereinkommen beider Instanzen in der Selbigkeit einer jeden von ihnen bedeutet auch Unangemessenheit des Geschehens des Erkennens zu sich selbst in seinem Sichbezeugen, denn indem jede der beiden Instanzen ihr besonderes Bestimmtsein hat, da nötigt sie das Geschehen des Erkennens, aus dem auch die andere Instanz zu verstehen ist, unter dies ihr besonderes Bestimmtsein. Indem aber dies Unangemessensein des Sichbezeugens des Erkennens zum Geschehen des Erkennens als solchem, obwohl es von seinem besonderen Bestimmtsein her aufgefaßt wird, in der Reflexion doch aus diesem unbezüglichen Geschehen gewußt und verstanden ist, da geschieht in der dogmatischen Form der Darstellung doch ein Wissen, das durch diese Form nicht betroffen werden kann; unter der Form einer Behauptung, die hinter Hume zurückzufallen scheint, geschieht eiö Wissen, das durch diese Behauptung nicht als solches angegeben ist, und sich daher selbst auch, sofern es in dies Behaupten gebunden ist, als in sich unzulänglich erfährt. Darin, daß in diesem Wissen aus dem Geschehen der Erkenntnis als solchem das Anschauen in seiner Selbigkeit doch die Bedeutung des Begreifens in sich halten kann und das Begreifen die Bedeutung des Anschauens in sich trägt, liegt die Überwindung der bloßen dogmatischen Setzung von Anschauen und Begreifen; unter der Form solcher Setzung drückt sich ein unbezügliches Wissen aus, das in seiner unbezüglichen Bedeutung in diesen Setzungen selbst gegenwärtig ist. Nicht in der Trennung von Anschauen und Begreifen, sondern in ihrer Vereinigung drückt sich daher das eigentliche Anliegen der transzendentalen Erkenntnislehre aus. Im Grundsatz der Kausalität wird so aus dem mit analytischer Notwendigkeit erkannten „post hoc" das Geschehen der Voraussetzung selbst in seiner zeitlichen Struktur; aus der analytischen Notwendigkeit des — in der Vergangenheit festgestellten — Nacheinander, das für die Zukunft nichts bedeuten kann, wird das als anschauliches Nacheinander notwendige Geschehen des Werdens des Erschei-

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nenden. Der Grundsatz, der die bloß nachkommende Notwendigkeit der Analyse in eine Seinsnotwendigkeit verwandelt, ist nicht einfach eine bloße dogmatische Gegenbehauptung gegen Humes Skeptizismus, in der der alte Anspruch des analytischen Begriffes, auch das Sein der durch ihn begriffenen Sache mitzubefassen, wieder aufgenommen wäre, sondern der Vollzug des Begriffes geschieht im Grundsatze eben so, daß er die Anschauung, die für sich selbst gilt, zugleich auch als durch ihn selbst bewirkt erkennt. Im Kausalgesetz wird die Notwendigkeit nicht aus dem Aufeinanderfolgen der einzelnen Zustände abgenommen, die Notwendigkeit wird nicht durch nachfolgende Analyse erfaßt, sondern das anschaulich Gegebene ist selbst die — auf die Weise des Nacheinander sich darstellende — in sich begriffliche unbezügliche Notwendigkeit. Das Erscheinen ist als Erscheinen Gesetz, das anschauliche Gegebensein geschieht als solches als die in sich beschlossene Notwendigkeit des Begreifens, wobei sich dieses Begreifen selbst allerdings immer noch nach der Form des analytischen Begreifens versteht. Solche Verwandlung also des analytischen Urteils und seiner Notwendigkeit in das Gesetz, als das die Erscheinung selbst geschieht, findet nur statt, indem die Gegenüberstellung und das wechselseitige Unterschiedensein von Anschauung und Begriff zugleich als der Anfang, von dem die ganze Bewegung des transzendentalen Begreifens ihren Ausgang nimmt, festgehalten sind. Das transzendentale Verstehen ist durch das Fürsichgelten des anschaulichen Gegebenseins einerseits und des analytischen Begreifens andererseits als durch die Art und Weise seines Faßlichwerdens bleibend bestimmt, obwohl es als Verstehen über dieses Vorfinden bestimmter gesetzter Momente des Erkennens auch hinausgegangen ist. Das Gesetz erfüllt sich selbst auf die Weise der gegebenen Anschauung und des analytischen Begreifens, ohne daß diese Instanzen durch sich, in ihrem Bestimmtsein, das Gesetz als Gesetz offenbaren könnten. Indem im transzendentalen Verstehen das Übereinkommen von anschaulichem Gegebensein und analytischem Begreifen geschieht, da bleiben das anschauliche Gegebene und das analytische Begreifen zugleich unabhängig von solchem Übereinkommen für sich stehen und schließen sich darin auch wechselseitig aus. Wie das Gesetz sich in gewisser Weise als solches in Anschauen und Begreifen ausdrückt, so liegen beide als voneinander isolierte Instanzen, von denen das Erkennen herkommen muß, vor dem Gesetze und bleiben von ihm unabhängig. Dadurch daß Anschaulichsein und Begreifen als Weisen des Geschehens des Erkennens als Erkennen bestimmt sind, haben sie freilich anfänglich schon das Wesen des Gesetzes, das die als Geschehen sich ereignende in sich beschlossene Einheit von Erscheinen meint, in sich, aber dieses Verstehen von Anschauen und Begreifen hebt ihr bloß faktisches Sichdarbieten nicht auf. Hume nimmt die „impression" wie den analytischen Begriff in ihrer mit sich identischen Bedeutung. Kant läßt in dieses in sich analytische Auffassen von Bedeutung ihr Verständnis als Geschehen von Erkennen eingehen, aber diese Bedeutung bleibt durch das vorgängige analytische Erfassen bedingt. Das in analysierendem Verstehen aufgefaßte Anschaulichsein und Begreifen soll auch als Gesetz verstanden werden, aber indem sie als Gesetz

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verstanden sind, bleiben beide Instanzen in ihrem Bestimmtsein auch unbegreiflich und ohne Bestätigung durch das wirkliche Geschehen des Erscheinens. Das apriorische Wissen der Reflexion ist an seine eigene Aposteriorität verwiesen, und an dieser Aposteriorität nehmen ebensowohl die Anschauung wie der analytische Begriff teil. Hume hatte die „impressions", die er als „ideae innatae" ansah, ebenso wie den analytischen Begriff als in sich apriorischen Wesens verstanden; für Kant aber muß das Gegebensein und die Bindung des Begreifens an das Gegebensein — seine Festlegung darauf, bloß analysierendes Begreifen zu sein — die Aposteriorität in sich des Erkennens bedingen, daß Erkennen nur sein kann, indem es das Erkannte in dem Geschehen des Erkennens auch als das Vorausgesetzte erfahren muß. Anschauung wie Begriff sind ebenso in sich apriorisches Geschehen wie gesetztes Vorhandensein. Aber beider Aposteriorität kann nicht als ein anderes gegenüber ihrer Apriorität bestimmt werden, sondern sie kommt mit der Apriorität überein, doch kann dieses Übereinkommen weder in der Apriorität noch von der Aposteriorität her bestätigt werden. Für Hume eröffnete sich die Reflexion im Wissen des Glaubens auf eine unbegreifliche Weise als Übereinkommen von Gegebensein und Begreifen. Für Kant soll sich das Erkennen als solches in diesem Übereinkommen verstehen, aber vom bestimmten Geschehen des Erkennens her kann dieses Verstehen nicht bestätigt werden. Im transzendentalen Verstehen vermögen sich das Apriorische und das Aposteriorische durcheinander zu deuten; von sich selbst her aber vermag das Aposteriorische das Apriori nicht zu bezeugen. Die Zweiheit, in der sich Anschauen und Begreifen füreinander darstellen, wird so von der Zweiheit von Apriorität und Aposteriorität durchdrungen, durch die jede dieser Instanzen, sofern sie aus dem transzendentalen Verstehen aufgefaßt ist, charakterisiert wird. In dem Versuch des transzendentalen Verstehens, das Übereinkommen des anschaulichen Gegebenseins und des analytischen Begreifens zu erlangen, entwickelt sich so für die Reflexion eine mehrschichtige Struktur des auf die Weise der Voraussetzung geschehenden Erkennens. In diesem Fortgang über Hume hinaus wird das selbstverständliche Fürsichgelten der „impressions" aufgelöst. Indem, obzwar in Unzulänglichkeit, eine Übereinkunft des Gegebenseins und des Begreifens erlangt werden soll, ist es nicht mehr möglich, die „impression" als ein für sich bestehendes — vom Begriff getrenntes — identisches Etwas anzusetzen, das sich durch sich selbst versteht: denn es zeigt sich ja vielmehr, daß die Gegebenheit gerade auf die Weise des Begriffes geschieht. Nur aus der Verbindung von Anschauen und Begreifen geht das Erscheinende hervor; für sich allein genommen geben weder die Anschauung noch der Begriff ein Etwas. Wohl muß das transzendentale Verstehen, indem es von dem Begreifen in der Voraussetzung ausgeht, Anschauen und Begreifen als Anschauen und Begreifen von Etwas verstehen, aber dadurch ist nur die Aposteriorität dieses Erkennens bezeichnet; insofern das Erkennen in sich apriorisch ist, geht es über das Etwas auch hinaus. In dieser Rücksicht ist es daher auch nicht möglich, das sinnliche Anschauen so zu charakterisieren, als ob es Anschauen von Etwas sei, das Etwas geht vielmehr nur in der 5 Kopper, Reflexion

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tatsächlichen aposteriorischen Erkenntnis hervor. Sofern die Erkenntnis als in sich aposteriorisch verstanden ist, ist das Etwas zwar als das immer schon Vorausgesetzte da; aber sofern die Erkenntnis nach ihrem in sich apriorischen Wesen genommen ist, ist das Etwas gerade das Geschehen von Anschauen und Begreifen in ihrer Vereinigung. Für das apriorische Verstehen ist es das Zusammenkommen des Anschauens und des Begreifens in ihrem Sichverstehen durcheinander und in ihrem wechselseitigen Anderssein, das allererst macht, daß aposteriorisch das Etwas erkannt werden kann. Anschauen wie Begreifen aber sind dabei auf die Weise der Voraussetzung des Etwas im aposteriorischen Wissen aufgefaßt. So ist das Erkennen für das reflektierende Wissen durch die doppelte Bedeutung des Etwas charakterisiert, welche Doppelung als solche hingenommei»" werden muß und nicht auf eine Einheit zurückgeführt werden kann. In dieser Doppelung ist die Selbstverständlichkeit in sich des Begreifens von der Voraussetzung her zersetzt; sie bewirkt aber zugleich, daß das transzendentale Verstehen seiner selbst als Verstehen nicht gewiß zu sein vermag. Für die Aposteriorität des Erkennens ist das Erscheinende als das mit sich identische Etwas auch schon vorausgesetzt, dennoch soll das mit sich identische Etwas auch frei von aller Voraussetzung aus dem in sich apriorischen Wesen des Erkennens selber fließen; eines aber kann das andere nicht entbehren, und so sind sowohl das unmittelbare Auffassen des Erkannten wie das Sichverstehen des Erkennens in sich selber in ein offenbares Wissen um ihre Unzulänglichkeit gestellt. Sowohl für die rationalistische wie für die skeptische Erkenntnistheorie war es keinem Zweifel unterworfen, daß das Gegebene nach Art eines mit sich identischen Etwas eindeutig verstanden werden könne. Wie auch die Erkenntnis ausgelegt wurde, so war doch klar, was das Etwas als Etwas bedeute. Das Erkennen ist, wie immer es verstanden und erfahren sein mag, doch als Erkennen von Etwas bestimmt. Im kantischen Denken wird diese Selbstverständlichkeit des Vorausgesetzten in seinem Gegebensein aufgehoben; das Vorausgesetzte gibt sich der Reflexion nicht mehr auf eine in sich eindeutige Weise kund, sondern das Wissen um die Realität geschieht in mehreren Weisen des Erfassens, die sich durcheinander nicht bestätigen, die aber, indem sie sich einander ausschließen, gemeinsam gerade die Realität der Erkenntnis geschehen lassen. Das Wissen um die Realität geschieht so, daß es auf die Weise der einander einschränkenden Instanzen geschieht, und sowohl das Ganze des Erkennens wie das Gültigsein der einzelnen Instanzen ist durch dieses wechselseitige Sicheinschränken bestimmt. Das Wissen um die Realität hat daher weder den Charakter einer in sich selbstverständlichen Eindeutigkeit, noch ist es eigentlich zweideutig; es ist vielmehr dadurch charakterisiert, daß es ihm nicht möglich ist, sich in den Weisen, unter denen es sich versteht, selbst als durch sie bestimmt zu erfassen. Dieses Erkennen ist für sich selbst weder ein in sich gesichertes, noch ein in sich ungesichertes Erkennen, denn die Weisen, in denen es sich versteht und für sich selbst ist, sind nicht imstande, durch sich das Geschehen des Erkennens, das sich sich in ihnen selbst darstellt, als sich genügend auszudrücken. Daß das Erkennen ein "solches sei,

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das sich auf unbezügliche Weise in sich selbst weiß und doch in den Bestimmungen, unter denen es sich faßt, sich selbst nicht als solches zu verstehen vermag, das macht die Eigentümlichkeit der transzendentalphilosophischen Reflexion auf das Erkennen aus, und das Mißverständnis des dogmatischen Denkens über sich selbst würde danach darin bestehen, daß es glaubt, sich in einem bestimmten Ausdruck seiner selbst als solches verstehen zu können, verstehe es sich nun darin als ein in sich gesichertes oder als ein in sich ungesichertes Wissen. Diesem dogmatischen Verständnis des Erkennens gilt das im Erkennen Gewußte als das Geschehen des Wissens als solchen; das Gewußte vermag durch sich, durch sein Bestimmtsein das Wesen des Wissens festzulegen, gleich, ob das auf die Weise dieses Gewußten erscheinende Wissen als ein in sich gesichertes oder als ein in sich ungesichertes Wissen erfahren sei. Wenn das Wissen sich so im Gewußten selbst verstehen zu können meint, dann ist ihm das Gewußte das unbezügliche Sichoffenbaren oder das Ansich. Und ein solches Ansich ist dann ebensowohl die „res cogitans" oder die „res extensa" Descartes' wie die „impression" Humes. Gnoseologischer Idealismus wie gnoseologischer Realismus gehen gleichermaßen auf das Gewußte als auf ein Ansich, sei dieses Ansich als Sphäre des Subjekts oder als Sphäre des Objekts bestimmt. Der Transzendentalphilosophie ist das Behaupten des Gewußten als eines Ansich nicht mehr möglich. Wie immer das Gewußte ist, das Wissen versteht sich in ihm wohl als in seinem Ausdruck, aber als Wissen versteht es sich in ihm nicht. Das Gewußte ist der Ausdruck der Unbezüglichkeit in sich des Wissens nur so, daß das Wissen sich in diesem seinem Ausdruck gerade nicht als solches zu erlangen vermag. Indem so das Wissen zwar auf die Weise des Gewußten ist, das Gewußte aber nicht durch sich das Sichverstehen des Wissens als Wissen zu sein vermag, da gilt das Gewußte nicht mehr an sich selbst als sich unbezüglich durch sich ausweisende Realität, (diese Realität mag nun in sich gesichert sein oder nicht), sondern es gilt nur als der Ausdruck des Unbezüglichen, in dem das Unbezügliche ist, ohne daß es sich als solches darin zu verstehen vermöchte. Insofern hat das Gewußte nicht mehr die Bedeutung eines — realistich oder idealistisch verstandenen — Ansichseins, sondern es ist bloß das Erscheinen des Unbedingten, in dem die Realität so zugegen ist, daß sie sich doch nicht als solche verstehen kann. Erkenntnis von Ansichsein kann nur im dogmatischen Verstehen des Erkennens behauptet werden und ist ein Mißverständnis des Erkennens in bezug auf sich selbst. Das Verständnis der Voraussetzung als Erscheinung ist dann erreicht, wenn in der Reflexion offenbar ist, daß das Wissen der Realität sich zwar auf die Weise von Bestimmtsein äußert, daß aber das Gewußte als Bestimmtes gerade nicht imstande sein kann, das Wissen um Realität als solches als Sichverstehen hervorgehen zu lassen. Indem das Bestimmte als Erscheinen gewußt ist, da ist es so gewußt, daß es das Geschehen des Erkennens zwar durch sich ausdrückt, es aber nicht durch sich als Erkennen verstehen lassen kann. (Dieses Verstehen des Gegebenen als Erscheinung ist dann schon wieder dogmatisch verstellt, wenn dieses Gegebene doch als unbezügliches Esselbstsein verstanden werden soll, das das Esselbstsein der Realität schlechthin durch sich

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auf eine unzulängliche Weise anzeige: die Erscheinung ist alsdann selbst wieder nach der Art eines Ansich begriffen). Wenn das Gewußte so nicht mehr als ein Ansich das Sichverstehen des Wissens durch sich angeben soll, sondern nur die Darstellung des Wissens ist, in der das Wissen sich doch nicht selbst als Wissen zu verstehen vermag, so bedeutet dies, daß das Erkannte und Gewußte auch nicht mehr durch sich anzugeben vermag, was es selbst eigentlich bedeute; da aber das Erkennen keine andere Bestimmung hat als eben die, die durch das in ihm Gewußte zustandekommt, so kann letztlich überhaupt nicht angegeben werden, was Erkennen eigentlich bedeute, oder, wenn eine solche Angabe aus dem Geschehen des Erkennens doch versucht werden soll, so muß sie in gewisser Weise ohne Bestätigung bleiben. Das dogmatische Denken hat es immer geradezu mit der objektiven Gültigkeit der Erkenntnisurteile zu tun, mag dies objektive Gültigsein nun behauptet, eingeschränkt behauptet oder geleugnet werden. Das dogmatische Erkenntnisurteil bezieht sich immer auf die als Realität an sich aufgefaßte Sache. Je nachdem, ob die im Erkennen in ihrer mit sich identischen Bedeutung aufgefaßte Realität als sich in sich selbst begründend oder als sich nicht durch sich selbst begründen könnend verstanden wird, wird den Erkenntnisurteilen die objektive Gültigkeit zu- oder abgesprochen. Die im synthetischen Urteil a priori gewußte Notwendigkeit ist eine sich in sich begründende Notwendigkeit, aber diese Notwendigkeit bleibt auf ein Wissen bezogen, das sich in dem von ihm Gewußten nicht als solches zu verstehen vermag. Das durch die synthetischen Urteile a priori Gewußte ist zwar als ein in sich Notwendiges gewußt, aber ein Sichverstehen des Wissens in dieser Notwendigkeit, als die es selbst sich darstellt, findet nicht statt. Die Objektivität der Erkenntnisurteile kann nun nicht mehr direkt im Gewußten, sofern dieses als sich durch sich verstehend und damit an sich selbst Realität darstellend aufgefaßt ist, gefunden werden, sondern sie muß selbst erscheinungshaft verstanden werden; die Objektivität der Erkenntnisurteile kann nicht eine Objektivität sein, die Ansichsein meint, sie ist eine Objektivität, die auf das Geschehen von Erscheinen geht. Objektivität der Erkenntnisurteile muß bedeuten, daß das Wissen seiner selbst in seinem unbezüglichen Geschehen als solches innewerden kann, gerade indem es sich auf die Weise des Gewußten nur darstellen, aber nicht als solches verstehen kann. Daß das Wissen im Gewußten, auch wenn es sich in ihm nicht als solches verstehen kann, seiner selbst doch in seiner Unbezüglichkeit als Geschehen inne sein könne, darin muß die Objektivität, das unüberholbare Gültigsein der Erkenntnisurteile liegen. Dieses Sichausweisen der objektiven Bedeutung des Gewußten kann dann gerade nicht mehr durch das Gegebensein des Erkannten in seinem mit sich identischen Bestimmtsein geschehen: das synthetische Urteil a priori garantiert dem in ihm Gewußten die Objektivität, die das analytische Urteil für das dogmatische Denken dem in seinem Bestimmtsein gewußten Vorausgesetzten garantiert, gerade nicht mehr. Für das synthetische Urteil a priori liegt die Notwendigkeit nicht in der Identität mit sich des Vorausgesetzten, sondern darin, daß auf die Weise des Gewußten, in dem es sich darstellt, das

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Wissen selbst geschieht. Für das dogmatische Denken geht das Erkenntnisurteil auf ein Gewußtes, das an sich selbst gilt, das Vorausgesetzte stellt sich als das durch sich selbst auf unbezügliche Weise Notwendige dar. Dieses Ansichsein des Gewußten wird daraufhin erörtert, ob es sich durch sich selbst ausweise oder nicht. Die transzendentalphilosophische Reflexion geht nicht mehr vom Gewußten, sondern vom Geschehen des Wissens aus, und das Gewußte gilt ihr nicht durch sich selbst und durch die Identität seines Bestimmtseins mit sich. Wird die Objektivität der Erkenntnisurteile nicht mehr als eine auf Ansichsein, sondern auf Erscheinen gehende Objektivität verstanden, dann geht es nicht mehr um das Gegebene in seinem Bestimmtsein, sondern darum, daß die transzendentale Einheit der Apperzeption sich im Geschehen des Erkennens so zu sich selbst verhalte, daß sie ihrer selbst in dem Gewußten, in dem sie sich nicht als solche zu verstehen vermag, doch als Sichvollziehen inne sei. Diese Objektivität geht nicht auf Sachen, sondern sie geht auf das Geschehen von Erscheinen, sie meint die unbezügliche Bedeutung, die so statthat, daß sie sich, ohne sich selbst als solche verstehen zu können, doch auf die Weise von Gegebenem darstellt. Das unbezügliche Geschehen des Erkennens drückt sich als solches auf die Weise eines Gegebenen aus, das in seinem Bestimmtsein gerade nicht das Sicheröffnen für sich selbst dieses Wissens zu sein vermag. Das Wissen weist sich nicht mehr auf die Weise der Notwendigkeit nach dem Satze der Identität, sondern durch sein unbezügliches Geschehen selbst aus, das als solches sein Sichverstehen ist, obgleich es sich nur auf die Weise des Gewußten, in dessen Bestimmtsein es sich nicht als solches versteht, darstellt. Es findet ein Sichbezeugen des unbezüglichen Geschehens von Erkennen so statt, daß es seiner selbst gewiß ist, indem es sich doch auf die Weise des Gewußten nicht als solches für sich selbst bestätigen kann. Das in bezug auf Erscheinen geschehende objektive Erkenntnisurteil hat die Objektivität darin, daß das Erkennen seiner selbst als Geschehen inne ist und seiner selbst als Erkennen unbezüglich gewiß ist, indem doch das bestimmte Erkannte, in dem dieses Erkennen sich sich selbst darstellt, nicht geeignet ist, dies unbezügliche Wesen des Erkennens als solches durch sich auszudrücken. Die objektive Gültigkeit des Erkenntnisurteils kann also nicht auf die Weise des Gegebenseins des Vorausgesetzten angegeben werden; die Notwendigkeit in sich des Erkenntnisurteils ist nicht die Notwendigkeit einer nach dem Satze der Identität vollzogenen Einsicht analysierenden Begreifens, sondern sie ist eine Notwendigkeit, die durch das synthetische Urteil a priori verstehen läßt, was Voraussetzung, was Gegebensein eigentlich bedeute, ohne daß diese unbezügliche Bedeutung selbst auf die Weise des Bestimmtseins des Gegebenen bestätigt werden könnte. Die objektive Gültigkeit der synthetischen Urteile a priori kann nicht darin liegen, daß diese Urteile das Bestimmtsein des Gegebenen als in sich auf apriorische Weise ausgewiesen hervorgehen lassen könnten; darin daß diese Urteile in der transzendentalphilosophischen Reflexion als synthetische Urteile verstanden sind, liegt vielmehr gerade das Wissen darum, daß das Wissen sich im Bestimmtsein des Gegebenen nicht für sich selbst als solches

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Der in sich reflektierte Determinationsbegriff

bestätigen kann, daß es ein Wissen in bloßer Erscheinung ist: aber indem sich das Erkennen in solchem Wissen selbst als Erkennen zu verstehen vermag, da ist es eben darin das in sich objektive Wissen schlechthin, denn es ist die Erkenntnis selbst, die auf die Weise des Erscheinens als Fürsichsein geschieht. So wird in der transzendentalphilosophischen Reflexion das Übereinkommen der Erkenntnis und der Voraussetzung so erlangt, daß das Erkennen sich nicht mehr als Voraussetzung versteht, sondern umgekehrt die Voraussetzung als Erkennen verstanden ist. Der Sinn der „kopernikanischen Revolution" des metaphysischen Denkens, von der Kant in der Vorrede zur 2. Auflage der Kritik der reinen Vernunft spricht, liegt nicht darin, daß sich nunmehr das Objekt der Erkenntnis nach dem erkennenden Subjekt richten müsse, während dies Verhältnis bislang immer auf umgekehrte Weise verstanden worden sei: eine solche Wendung hätte an der dogmatischen Verfassung des metaphysischen Begreif ens nichts geändert; die Wendung der metaphysischen Reflexion liegt vielmehr darin, daß, anstatt daß das Erkennen sich aus dem für sich gesetzten Erkannten begreife, nunmehr das Erkannte an sich selbst als das unbezügliche Wesen des Erkennens verstanden ist. Die Objektivität der Erkenntnisurteile geht weder auf das Gegebensein noch auf das Verfahren des Begreifens in diesem Gegebensein, sie geht vielmehr auf das unbezügliche Geschehen von Erkennen selbst, das sich in den synthetischen Urteilen a priori auf die Weise des Erkannten äußert, ohne daß doch das Erkannte von sich her etwas anderes aufzuweisen vermöchte als eben sich selbst in seinem Gegebensein. Auf die Weise des Aposteriorischen, das sich immer nur in seiner Aposteriorität kundgeben kann, geschieht im objektiven Erkenntnisurteil das Sichbezeugen für sich selbst des Geschehens von Erkennen, das das Aposteriorische durch sich auf unbezügliche Weise verstehen läßt, ohne daß es doch durch sich dieses Geschehen als solches bezeugen könnte. Die Objektivität des Erkenntnisurteils, als die das Erkennen sich selbst schon weiß, wenn immer es sich vollzieht, wird in der transzendentalen Reflexion der Bindung an das Vorausgesetzte entnommen und als Sichverstehen des Erkennens in seinem Geschehen unbezüglich offenbar. Das dogmatische Denken dagegen sucht die unbezügliche Bedeutung des Geschehens von Erkennen auf die Weise des Vorausgesetzten selbst als Sichverstehen zu erlangen und muß dergestalt versuchen, das Unbedingtsein in sich des Erkennens in der Notwendigkeit des Identischseins mit sich selbst vom Gegebenen her zu erfassen. Für das dogmatisch-metaphysische Denken aber wie für die transzendentalphilosophische Reflexion gilt, daß, wie sich das Erkennen seines jeweiligen konkreten Inhalts versichere, ganz von der Frage nach der Objektivität der Erkenntnis abgetrennt werden muß; daß das Erkennen darüber ins klare komme, was von dem Gegenwärtigsein eines Gegebenen (etwa eines Hauses oder eines Schiffes auf dem Strom) im ganzen wie im einzelnen in bezug auf seine Struktur zu halten sei, betrifft nicht die Objektivität des Urteils, sondern die Vollkommenheit und Klarheit des empirischen Erfassens, die ihre eigentümliche — aposteriorische — Gültigkeit hat, aber nicht von der Art des — in sich apriorischen — Gehens des Sichverstehens des Erkennens als Erkennen,

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(das sich als Geschehen des Vorausgesetzten als Notwendigkeit kundtut), sein kann. Nicht in der Besonderheit des besonders Bestimmten liegt für das metaphysisch-dogmatische Denken das Wesen von Realität, sondern in dem Identischsein mit sich von Bestimmung überhaupt; und nicht in der Festlegung des besonderen Ablaufs der Sachverhalte liegt für die transzendentale Reflexion die Objektivität der Erkenntnisurteile, sondern im Begreifen von Sachverhalten überhaupt unter der Notwendigkeit von Gesetzen. Das Auffassen der Sachverhalte ist als solches das Aposteriorische, das durch sich keine in sich beschlossene Bedeutung erbringen kann; die in sich beschlossene Bedeutung erbringt für das dogmatische Denken das metaphysische Prinzip und für die transzendentale Reflexion das Gesetz, in dem das Erkennen sich selbst auf die Weise des Erkannten als solches versteht. Die Unterscheidung etwa von Wachen und Traum ist eine empirische Unterscheidung, die in sich selbst von vornherein dadurch bezeichnet ist, daß sie nicht zu einer in sich unbedingten Entscheidung, sondern nur zu einer Entscheidung durch selbst wieder empirische Festlegung gebracht werden kann; die Objektivität der Erkenntnis wird dadurch nicht betroffen: sie richtet sich weder für das faktische Erkennen, noch für seine metaphysisch-dogmatische, noch für seine transzendentale Auslegung auf ein Fixieren des besonderen Bestimmten in seinem Bestimmtsein als eines Unbedingten, sondern auf das Sichverstehen von Erkennen als Erkennen, das zwar in diesem Besonderen statthat, aber in ihm sich selbst nicht auf die Weise seiner Besonderung, sondern auf die Weise seiner Bedeutung meint. c) Das » I c h d e n k e " als s y n t h e t i s c h a n a l y t i s c h e r Satz

geschehender

Mit seiner Lehre vom „Cogito" hat Descartes versucht, die Objektivität der Erkenntnis dem bloßen faktischen Geschehen von Vorstellen und der bloßen begrifflichen Bearbeitung dieses Vorstellens zu entziehen; aber er vermochte die objektive Gültigkeit der Erkenntnis nur anzugeben, indem er sich zugleich weiter an das vorstellende Auffassen des Vorausgesetzten in seinen faktischen Verhältnissen hielt. Descartes leugnet, daß in bezug auf das besondere Bestimmtsein des in der Vorstellung Gegebenen eine objektive Erkenntnis erlangt werden könne; aber nur von der Bindung an dies besondere Bestimmtsein der gegebenen Vorstellungsinhalte her kann das „Cogito" seiner selbst gewiß sein. Indem die gegebenen Inhalte des Vorstellens für das reflektierende Denken gerade kein Gültigsein in sich und durch sich, d. h. keine objektive Gültigkeit ausweisen können, da findet auf die Weise solcher Negation der Objektivität, die von dem Bestimmtsein des Vorgestellten her gefunden werden könne, das Wissen um die in sich unbedingte Bedeutung statt, die das Geschehen von Erkennen durch sich selbst hat, sodaß auf die Weise des Ungewißseins über das Bestimmte die Gewißheit in sich des „ego sum, ego existo" in der Reflexion erfahren werden kann.

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Der in sidi reflektierte Determinationsbegriff

Auf die Weise des Ungewißseins in sich der bestimmten Inhalte des Vorstellens geschieht für die Reflexion die in sich unbedingte Gewißheit des Geschehens des Erkennens als Erkennen. Dies Geschehen des Erkennens aber wird im cartesischen Denken selbst wieder von dem Vorausgesetzten her durch analytisches Begreifen fixiert. Das Prinzip der Identität, das in einem sozusagen naiven dogmatischen Denken das Unbedingte unmittelbar im Vorausgesetzten entdeckt, ist hier die Form, unter der das Geschehen des Erkennens, das seiner selbst als solches inne ist, sich sich selbst von dem bestimmten Vorgestellten her, in dem es sich darstellt, faßlich macht. So geht das Erkennen, indem es sich als solches versteht, für sich selbst als die mit sich selbst identische Substanz des „Cogito" hervor; im „Cogito" faßt sich das seiner selbst gewisse Erkennen selbst im gegebenen Vorgestellten, und auf die Weise der Identität mit sich dieses Vorgestellten weiß es sich selbst als das Identische. Deswegen ist auch nach der Darstellung der zweiten Meditation das „Cogito" seiner selbst als solches nur gewiß, indem es das Vorgestellte durch den Begriff der Identität denkt. So ergibt sich ein Verständnis der Objektivität des Erkenntnisurteils, in dem die Objektivität wohl der Bindung an das jeweilige besondere Bestimmtsein des Vorgestellten entnommen ist, aber gleichwohl doch nur von diesem Bestimmtsein her angegeben werden kann; das Vorausgesetzte eröffnet durch sich die Möglichkeit, daß das Erkennen als Erkennen faßlich sei. So wird das „Cogito", obwohl es in ihm um das Sichverstehen des Erkennens als Erkennen geht, doch vom Gegebenen her als „Cogito", als denkende Substanz bestimmt. In der kantischen Lehre dagegen soll das Sichverstehen des Erkennens sich auch das Gegebene als Gegebenes zueignen, damit das Ausgehenmüssen der Reflexion vom Fürsichgelten des Gegebenen aufgehoben werden und dagegen ein reflektierendes Begreifen statthaben kann, das als das Geschehen des Gegebenen sich selbst als solches vollzieht. Das Erkennen versteht sich nicht mehr vom Fürsichgelten des Gegebenen her, sondern das Geschehen von Erkennen ist es selbst als das Geschehen des Gegebenen. Realität versteht sich im Geschehen der transzendentalen Einheit der Apperzeption, insofern sie als Apriori durch das Aposteriorische charakterisiert ist. Erkenntnisurteile sind deswegen objektiv gültig, weil sie das in sich unbezügliche Geschehen von Erkennen so durch sich darstellen, daß es als solches auch schon das Gegebene in sich beschließt, wenngleich das Gegebene von seinem Bestimmtsein her, d. h. in seiner Aposteriorität dies Geschehen von Erkennen nicht als Sichverstehen zu bezeugen vermag. Weder das bloße sinnliche Gegebensein, noch das analysierende Urteil vermögen die Objektivität der Erkenntnis durch sich zu begründen, aber, insofern das Begreifen als Begreifen in den synthetischen Urteilen a priori und damit aus der transzendentalen Einheit der Apperzeption geschieht, insofern enthält es, losgelöst von aller vom Bestimmtsein des Gegebenen ausgehenden Bezeugung, in sich die objektive Gültigkeit, eben weil das Geschehen des Gegebenseins als solches das Geschehen des Erkennens ist. In den synthetischen Urteilen a priori wird die objektive Erkenntnis aus der transzendentalen Einheit der Apperzeption so erlangt, daß sowohl der Begriff als

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auch das Eindruckshafte in seiner Andersheit gegenüber dem Begriff auf das Geschehen des Wissens als Wissen zurückgeführt werden. Doch das Zurücknehmen des Erscheinens in das unbezügliche Geschehen des Erkennens, das für das reflektierende Denken in den synthetischen Urteilen a priori statthat, bleibt in diesem Denken zugleich an das Vorausgesetztsein des Gegebenen gebunden; das aposteriorische Moment am Erkannten bestimmt durch sich das Erkennen als solches, und dies macht, daß zwischen dem sog. subjektiven Erkenntnisurteil und dem objektiven Erkenntnisurteil keine Brücke gefunden werden kann, ja sie, wenn sie doch geschlagen werden sollte, nur vom subjektiven Urteil her (durch dessen vergleichsweise allgemeines Gelten) gebaut werden könnte. Obgleich für das Verstehen der Objektivität der Erkenntnisurteile das Ausgehen von der Voraussetzung aufgehoben ist, geht die Voraussetzung doch auch noch unaufgehoben in das Sichverstehen des Erkennens durch sich selbst ein; daraus ergibt sich, daß sowohl das objektive Erkenntnisurteil als auch das subjektive Erkenntnisurteil nach der Art von Setzungen verstanden werden müssen, und daß eine Vermittlung zwischen diesen beiden Setzungen nicht möglich ist. So kann sich das erkennende Bewußtsein im Verstehen der Erkenntnis unter der Form der synthetischen Urteile a priori doch selbst nicht genügen, denn es kann das unbezügliche Gelten, das es meint, doch nur angeben, indem es sich schon wieder auf das Vorausgesetzte und sein Gegebensein bezieht. So bedeutsam auch der Unterschied zwischen der Begründung der Erkenntnis im „Cogito" und ihrer Begründung in der transzendentalen Einheit der Apperzeption sein mag, so kommen diese beiden Begründungen doch darin überein, daß es in ihnen einerseits um das Sichverstehen des Erkennens als Erkennen geht und daß andererseits dies Verstehen sich selbst doch nur erlangen kann, indem es dabei in die Voraussetzung gebunden bleibt. Die Objektivität der Erkenntnis bleibt damit auch ein in sich selbst verworrener Begriff, sei es, daß sie, wie bei Descartes, letztlich doch wieder auf die Weise des analytischen Begriffs ausgemacht werden soll, sei es, daß sie, wie bei Kant, in der Gegenüberstellung des objektiven und des subjektiven Erkenntnisurteils gedacht werden muß, in der das objektive Urteil doch auch immer von dem subjektiven Urteil abhängig bleibt. Die transzendentale Reflexion bleibt dadurch bestimmt, daß sie die Voraussetzung, obwohl sie sie in das Geschehen des Erkennens zurücknimmt, nicht als solche aufgehoben hat. Wohl wird das Erkannte aus der transzendentalen Einheit der Apperzeption begriffen, aber indem es so begriffen ist, bleibt es doch auch das bloß Gegebene, und damit bleibt an ihm auch der Unterschied des Eindruckshaften und des Begriffs, von welchem Unterschied her alsdann die synthetische Erkenntnis a priori selbst begriffen werden muß. Die Gesetzmäßigkeit in sich des objektiven Erkenntnisurteils muß so selbst nach der Art des Auffassens im subjektiven Erkenntnisurteil verstanden werden, indem doch zugleich festgehalten wird, daß es die Bedingung der Möglichkeit für das Geschehenkönnen des subjektiven Erkenntnisurteils selbst abgebe. Wenn Kant erklärt, daß Hume ihn aus dem dogmatischen Schlummer geweckt habe, so soll dies offenbar besagen, daß er erst durch Hume der eigentlichen

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Der in sich reflektierte Determinationsbegriff

Bedeutung des Problems der Objektivität der Erkenntnis gewahr geworden sei. Dem philosophischen Reflektieren auf das Problem der Erkenntnis, das im dogmatischen Schlummer befangen ist, stellt sich das Problem der Objektivität der Erkenntnis nicht als ein Problem des Erkennens selbst, sondern als ein Problem von im Erkennen auftretenden Verhältnissen. Wenn das dogmatische Denken die Frage nach der Objektivität der Erkenntnis stellt, dann stellt es sie als die Frage nach dem Verhältnis zwischen dem erkennenden Ich und den erkannten Dingen, es stellt sie nicht als eine Frage nach dem Beschaffensein des Erkennens in sich selbst. Eine positive Beantwortung der Frage nach der Objektivität des Erkennens ist dabei für das dogmatische Denken ebensowohl realistisch wie idealistisch möglich; es kommt nicht darauf an, welches der beiden Relata das bestimmende ist, sondern darauf, daß das Verhältnis als ein Verhältnis der Übereinstimmung aufgefaßt werden können (veritas est adaequatio intellectus et rei). Findet eine solche Übereinstimmung nicht statt, dann kann Erkenntnis nicht zur Objektivität gelangen. Alle diese Erkenntnistheorieen sind Träume des dogmatischen Schlummers; aus diesem Schlummer fährt Hume auf, und durch seine Lehre weckt er auch Kant. Hume weist die Raisonnements ab, unter denen das dogmatische Denken sich vorstellig machen wollte, was das Erkennen sei und bedeute, und versucht, ohne sich dieser Methoden zu bedienen, unmittelbar vor das Geschehen des Erkennens als solches zu kommen. Das bedeutet aber nur ein bloßes Aufschrecken aus dem Schlummer, dem ein Zustand des Wachseins folgt, das gleichsam noch Benommensein in sich selbst ist, und in dem die philosophische Reflexion zwar dem träumenden Begreifen abgesagt hat, aber noch nicht weiß, wie sie denn nun wach begreifen solle. Kant beruhigt sich nicht bei dem bloßen Aufschrecken aus dem Schlummer; er ist der Auffassung, daß das Denken über Hume hinaus zu einem eigentlich wachen Wachsein gelangen müsse. Hume konnte davon, daß er sich in seiner Reflexion unmittelbar auf das Geschehen des Erkennens als Erkennen bezog, nur auf negative Weise Rechenschaft geben; dadurch daß er angab, das eigentliche Wesen des Erkennens liege vor dem Verhältnis, daß das begreifende Subjekt zu etwas von ihm Erkannten haben könne; alles Begreifen betreffe gar nicht mehr das Erkennen als solches, sondern bedeute nur eine nachfolgende Strukturierung des vorausgehenden, durch diese Struktuierung nicht betreffbaren Erkenntnisgeschehens. Die einzige Operation, die dem erkenntnistheoretischen Raisonnieren mit Recht in bezug auf dieses ursprüngliche Erkenntnisgeschehen zugestanden werden könne, sei die Unterscheidung von Eindruck und Begriff in ihrem Abgesondertsein voneinander. Die Dogmatiker setzten voraus, daß die Erfahrung in sich selbst begrifflich strukturiert sei, und versuchten von dieser Voraussetzung aus in der erkenntnistheoretischen Reflexion das Erkennen unter dem Verhältnis des erkennenden Ichs und der erkannten Sache zu begreifen. Hume hebt diese Form der erkenntnistheoretischen Reflexion auf; aber indem er sie aufhebt, muß er damit alle begriffliche Bedeutung des Erkenntnisgeschehens mitaufheben, die eben in diese Form

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der Reflexion eingegangen war, wobei er dann doch zugestehen mußte, daß es das Begreifen gebe, er ihm aber seine Bedeutung absprechen, bzw. sie auf die nachträgliche Analyse reduzieren mußte. Die falschen Anmaßungen des begreifenden Verstandes und auch sein berechtigtes analytisches Verfahren stellte er dann allerdings doch wieder nach dem alten Schema des Verhältnisses von erkennendem Ich und erkannter Sache dar, eben weil er die alte Form der Reflexion nur durch Abtun, nicht durch eine neue Weise zu begreifen, aufgehoben hatte. Das wahrhaft wache Wachsein der Reflexion auf das Erkennen, wie Kant es erreichen will, kann sich nicht dabei zufrieden geben, daß das Erkenntnisgeschehen einerseits dem Begreifen gänzlich entzogen werden soll, andererseits aber das Begreifen doch als faktisch vorkommend und als eine nach der dogmatischen Weise der Reflexion zu verstehende Leistung des erkennenden Ichs zugestanden wird, wenn auch seine Anmaßung, es leiste durch sich das Erkennen, abgewiesen werden soll: hier ist nur ein Wachsein erreicht, das sich noch den alten Träumen zuwendet. Was erreicht werden muß, ist, daß die Aufhebung der alten dogmatischen erkenntnistheoretischen Reflexion so geschehe, daß nicht nur, ohne eigentliche Änderung des Begreifens, ihre Aufhebung deklariert werde, sondern daß das Erkennen sich, indem die alten Formen der Reflexion, es zu begreifen, abgetan werden, aus sich selbst und als sich selbst in der Reflexion eröffne. Hätte diese Aufgabe wirklich in vollkommener Weise gelöst werden können, so wäre dazu wohl erforderlich gewesen, daß die alten Formen, das Erkennen begreifend zu verstehen, in sich selbst bearbeitet und überwunden worden wären. Ein solches Unternehmen liegt in der Kantischen Transzendentalphilosophie nicht vor; sie stützt sich vielmehr auf die alten Weisen der philosophischen Reflexion, das Erkennen zu verstehen, indem sie aber doch beansprucht, nur von einer solchen Reflexion auszugehen, die nicht von den begrifflichen Setzungen, sondern allein aus dem Geschehen des Erkennens selbst ihren Ausgang nimmt. Indem es darum geht, daß das Erkennen als Erkennen verstanden sei, muß diese Reflexion so gleichwohl in einer Methode verfahren, die dem in ihr Gemeinten nicht eigentlich angemessen sein kann, aber es doch ausdrückt, ohne sich anzumaßen, durch sich erst die wahre Bedeutung des Gemeinten hervorgehen zu lassen. Diese — obzwar nur nachfolgende — Diskrepanz zwischen dem eigentlichen Wissen der Reflexion und ihrer Methode mußte für die Ausarbeitung der transzendentalphilosophischen Lehre selbst Schwierigkeiten darin, sich ihren angemessenen Ausdruck zu geben, zur Folge haben. Hume hatte das Geschehen des Eindruckshaften einerseits und das Begreifen, das im analytischen Urteil auf dies Eindruckshafte angewandt werden kann, andererseits jedes für sich stehen und für sich gelten lassen; seine Reflexion war insofern in der Auslegung ihres neuen Verstehens der Erkenntnis dogmatisch geblieben, indem sie nämlich das Geschehen der Erkenntnis doch wieder unter Setzungen verstand, die durch ihr Gegebensein und ihr Verhältnis dieses Geschehen verständlich machen sollten. Der Kritizismus leugnet, daß Setzungen durch sich das Geschehen des Erkennens auslegen könnten, es müsse vielmehr das

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Geschehen des Erkennens, das als solches Verstehen ist, durch sich den Reflexionsbegriff von sich selbst eröffnen. Die Setzungen bleiben allerdings, und zwar auch in der Weise, in der sie durch das dogmatische Denken aufgefaßt wurden, die Weisen, unter denen dieses Geschehen des Erkennens als solches seine Bestimmung erhält, aber diese Bestimmungen sind die Erfüllung des Verstehens, als das das Erkennen es selbst ist. Wir können auch sagen, der Reflexionsbegriff wird auf die Weise der Determinationen und durch sie als solcher faßlich, während im dogmatischen Denken der Reflexionsbegriff selbst als für sich geltende Determination hervorgehen sollte. In der kritischen Reflexion auf das Erkennen geht es darum, daß das Erkennen nicht auf die Weise des gesetzten Erkennenden und des gesetzten Erkannten, sowie ihres Verhältnisses begriffen sei, sondern daß es, auch in seinem Geschehen in Bestimmungen, als das Verstehen, das es ist, verstanden sei. Hume hatte die Reflexion vor dies unbezügliche Geschehen des Erkennens gebracht, es aber wieder mit den alten Mitteln ausgelegt; die transzendentale Besinnung erhält sich selbst in diesem unbezüglichen Geschehen, muß es dann allerdings aus diesem Innestehen auch wieder mit den Mitteln des dogmatischen Denkens faßlich machen; doch vermag das dogmatische Begreifen, obwohl es die Methode der Reflexion abgibt, das transzendentale Wissen als solches nicht eigentlich mehr zu verstellen. Die transzendentale Reflexion ist das Geschehen des Erkennens als Verstehen selbst, sofern dies Verstehen, das das Erkennen ist, seiner selbst auch im Bestimmtsein und als das Bestimmtsein, das die Erkenntnis auch ist, inne ist. Die transzendentale Reflexion, in der das Erkennen, das Verstehen ist, auch sein Bestimmtsein als Verstehen ist — anstatt sich vom Bestimmtsein her in seinem Verstehen auszulegen, — muß von Hume, ja von der ganzen Tradition des dogmatischen Denkens her, ihr Wissen in einer Methode des Begreifens des Bestimmten faßlich machen, die das Bestimmtsein des Erkennens in zwei Setzungen auseinanderlegt, in das sinnliche Mannigfaltige oder das Eindruckshafte einerseits und in das Begreifen und Urteilen andererseits. So wie das Urteilen das unbezügliche Wesen des Erkennens ist, so ist auch das Eindruckshafte dies in sich unbezügliche Wesen des Erkennens, beide sind — auf verschiedene Weise, doch gleichermaßen — für die transzendentale Reflexion, indem sie als Setzungen aufgefaßt sind, doch das ungeteilte Geschehen des Erkennens, das als solches Verstehen ist. In den Setzungen geschieht das Erkennen, das Verstehen ist, als Bestimmtheit. — Im sinnlichen Mannigfaltigen ist es als Kundgabe, als Verstehen, das auf die Weise des Sichdarstellens ist. Das Erkennen ist in diesem sinnlichen Mannigfaltigen es selbst gleichsam als ein Vorausgesetztes, es ist im Gegebensein, geschieht als Bekanntsein. In diesem Sinne ist das Erkennen es selbst als reine Rezeptivität, die als Setzung erscheint, die aber meint, daß das Erkennen auf solche Weise als es selbst, als Erkennen, das Verstehen ist, geschehe. Wie für Hume die „impressions" „ideae innatae" sind, so ist für Kant das anschauliche Gegebensein in sich apriorischer Natur, es ist das unbezügliche Geschehen des Erkennens selbst, das als dieses Gegebensein statthat; im Unterschied aber zu

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Hume wird nun nicht mehr durch das Eindruckshafte das Geschehen von Erkennen angegeben, so daß die Setzung durch sich das Erkennen begreifen läßt, sondern das Erkennen ist in der philosophischen Reflexion im Eindruckshaften als das Verstehen, das es ist, so, daß das Eindruckshafte in seinem Gesetztsein selbst als Verstehen geschieht. Das sinnliche Mannigfaltige gibt nicht durch sein Bestimmtsein die Apriorität des Erkennens an, sondern die Apriorität in sich des Erkennens stellt sich als das sinnliche Mannigfaltige in seinem Bestimmtsein dar.— Wie im Anschauen so geschieht auch im Begreifen und Urteilen das unbezügliche Wesen des Erkennens so, daß darin das Erkennen als Erkennen Verstehen ist, doch so, daß das Erkennen sich darin nicht als Rezeptivität, sondern als Spontaneität in bezug auf sein Sein als Rezeptivität erfährt. Indem das sinnliche Mannigfaltige und das Begreifen so vom dogmatischen Denken her nach der Art von Setzungen angegeben sind, zugleich aber doch auch die transzendentale Reflexion, in der das Erkennen in seinem Bestimmtsein als Verstehen geschieht, durch sich ausdrücken sollen, muß sich in der Durchführung des transzendentalen Systems die Nötigung ergeben, von diesen Setzungen selbst her die Doppelung der Setzung auch wieder aufzuheben und verstehen zu lassen, daß nur das in sich unbezügliche Geschehen des Erkennens statthabe. Dies muß — um es in nur vorläufiger Weise auszudrücken — bedeuten, es könne die transzendentalphilosophische Reflexion nur so geschehen, daß ihr das Anschauen auch schon als Denken und das Denken auch schon als Anschauen geschehe. Sofern diese Aufgabe der transzendentalphilosophischen Reflexion von der Anschauung her aufgefaßt wird, stellt sie keine Schwierigkeit dar; denn, daß das Erkennen, wenn immer es geschieht, irgendwie als Zugegensein, als Kundgabe es selbst sei und daß auch das Begreifen selbst nur aus solcher Kundgabe geschehen können, das ist aus dem Sichbezeugen, das das Erkennen als Verstehen ist, unmittelbar einsichtig. Die eigentliche Schwierigkeit stellt sich dar für das Begreifen, das in seiner Spontaneität auf die Rezeptivität verwiesen ist, und das nun einerseits als Spontaneität die Rezeptivität, deren es bedarf, durch sich soll verstehen lassen, das andererseits ebenso sich selbst in der Rezeptivität verstehen soll; das in dem ersten Fall, eben weil es ursprünglich Verwiesensein auf die Rezeptivität ist, vor seine eigene Grenze gestellt ist, und das in dem anderen Falle sich selbst wie auch das Anschauen sich selbst entfremdet und das Erkennen, indem es auf die Weise des Begriffs geschieht, als Zufälligsein erscheinen läßt. Dem dogmatischen Denken stellte sich das Problem der Objektivität der Erkenntnis als Problem des Verhältnisses des erkennenden Verstandes zu den erkannten Sachen: Objektivität der Erkenntnis war erlangt, wenn dies Verhältnis als ein Verhältnis des Übereinkommens dargetan werden konnte. Hume sah ein, daß das Erkennen mißverstanden werde, wenn man es aus einem Verhältnis von Setzungen erklären wolle, daß sich das Erkennen vielmehr durch sich selbst in seiner Unbezüglichkeit bezeugen müsse, weil es als solches Verstehen ist. Indem aber Hume gleichwohl das Begreifen in den Setzungen nicht aufzuheben vermochte, mußte er die Setzungen für die Unbezüglichkeit des Erkennens so zu-

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lassen, daß jede von ihnen durch sich in ihrer Isolation das unbezügliche Wesen des Erkennens darstellte, wobei das Eindruckshafte, in dem das Erkennen als Kundgabe, als Vorausgesetztsein ist, recht eigentlich die Basis abgeben mußte. Das Problem der Objektivität der Erkenntnis konnte sich hier nicht stellen, da der Bezug zwischen den beiden Setzungen geleugnet war und jede für sich unmittelbar ihre unbezügliche Bedeutung hatte. Für Kant ist es nicht mehr möglich, das Wissen um das unbezügliche Geschehen der Erkenntnis doch wieder von den Setzungen her für das Verstehen aufzuschließen. Der Reflexionsbegriff von der Erkenntnis ist vielmehr der, in dem die Erkenntnis auch in dem Bestimmtsein, als das sie ist, für sich selbst als Verstehen geschieht. Indem nun aber dies Geschehen der Erkenntnis, das im Bestimmtsein selbst als Verstehen ist, der Methode des Begreifens nach dennoch mit den Mitteln des in Setzungen verfahrenden Begreifens faßlich gemacht werden muß, da tritt in der transzendentalphilosophischen Reflexion auch das Problem der Objektivität der Erkenntnis wieder auf, das für Hume keine Bedeutung gehabt hatte. In der unbezüglichen Einheit des Erkenntnisgeschehens muß das Verstehen die Setzungen, die Hume einfach in ihrer Isolation als unmittelbaren Ausdruck unbezüglicher Bedeutung hingestellt hatte, wieder zur Einheit zusammenschauen. Indem sie sich als die Manifestation des unbezüglichen Wesens des Erkennens darstellt, muß jede Setzung in sich auch schon das Wesen der von ihr abgetrennten Setzung enthalten, die Spontaneität muß die Rezeptivität und die Rezeptivität die Spontaneität durch sich ausdrücken. Das Problem der Objektivität der Erkenntnis tritt damit wieder auf; nicht mehr als ein Problem des Verhältnisses von Erkennendem und Erkanntem, sondern als Problem des Übereinkommenkönnens des Erkenntnisgeschehens mit sich selbst. Dabei ergibt es sich aber, daß das Problem der Objektivität der Erkenntnis sich nicht direkt als das Problem des Ineinsseins von Spontaneität und Rezeptivität stellt, sondern daß es vielmehr als Problem des Ubereinkommenkönnens mit sich der auf die Rezeptivität bezogenen Spontaneität erscheint. Von der Rezeptivität her stellt sich das Problem nicht: indem das Erkennen als Anschauen ist, da ist es in seinem unbezüglichen Wesen als dies Anschauen da, und die Spontaneität liegt schon in diesem Dasein; daß das in reinem Anschauen geschehende Erkennen objektives Erkennen sei, steht durch das Anschauen selbst fest; für die transzendentale Ästhetik ist das Problem der Objektivität der Erkenntnis von vornherein gelöst. Der Verstand dagegen, der auf die Rezeptivität verwiesen ist, tritt in eine Diskrepanz mit sich selbst ein, sofern er sein Ineinssein mit der Rezeptivität sowohl aus seiner reinen Spontaneität als auch von dem Verwiesensein seiner Spontaneität an die Rezeptivität her durch sich ausdrücken soll. Erst wenn er diese beiden Seiten seiner Selbstverwirklichung in bezug auf sein Ineinssein mit der Rezeptivität hat zur Übereinstimmung bringen können, kann der Verstand in der transzendentalen Reflexion das Problem der Objektivität zum Abschluß bringen, indem er alsdann erst das Problem seines Ineinsseins mit der Rezeptivität als solches sich vorstellig machen und es ins Verstehen erheben kann. Hieraus ergibt sich das lange und

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umständliche Verfahren der transzendentalen Analytik, das für Kant einer ständigen Verbesserung bedurfte, während die transzendentale Ästhetik von vornherein in knapper Form in sich gegründet dastand. Kant hat, soweit ich sehe, in der 1. Auflage der Kritik der reinen Vernunft, in den Prolegomena und in der 2. Auflage der Kritik in verschiedener Weise zur Auflösung der Frage nach der Objektivität des Erkenntnisurteils zu gelangen versucht. In der 1. Auflage der Kritik meint er, das im sinnlichen Mannigfaltigen geschehende Begreifen unmittelbar in eine Einheit mit dem aus reiner Spontaneität geschehenden Begreifen stellen zu können; in den Prolegomena scheint er zu behaupten, daß die transzendentalphilosophische Reflexion durch ihr bloßes Geschehen die Einsicht darüber hergebe, daß das von der Rezeptivität her geschehende Urteil und das aus reiner Spontaneität geschehende Urteil, obwohl sie nicht aufeinander rückführbar sind, doch übereinkommen müßten und dies Übereinkommen, sofern es durch den Akt des spontanen Begreifens mitgesetzt wird, alsdann die Objektivität des Erkenntnisurteils ergebe; in der 2. Auflage der Kritik der reinen Vernunft versucht er es, aus der Einheit des Erkenntnisgeschehens ein Verstehen zu erlangen, das dieser Diskrepanz in sich des Begreifens überhoben ist. Nach der 1. Auflage soll das aus reiner Spontaneität geschehende Urteil von dem aus dem sinnlichen Mannigfaltigen geschehenden Urteil her in der Weise gefunden werden, daß schon dieses Urteil durch sich selbst die reine Spontaneität dartue. Eine solche Erhöhung des vom Mannigfaltigen ausgehenden Urteils zum Urteil aus reiner Spontaneität verlangt, daß das bestimmte Eindruckshafte, das sinnliche Mannigfaltige und Gegebene sich als solches als die Spontaneität des Begreifens dartue. Das im Gegebensein geschehende Urteilen muß durch sich selbst das Urteil aus dem reinen Verstandesbegriff eröffnen, vom Geschehen des empirischen Vorstellens selbst her soll der reine Begriff erlangt werden. Kant gibt die Möglichkeit, daß vom begriffenen sinnlichen Mannigfaltigen zum reinen Begriff dergestalt übergegangen werden könne, so an: Wenn durch die Mannigfaltigkeit der aufeinander folgenden Eindrücke ein gleichförmiges Sichdarstellen geschieht und dadurch in diesem Mannigfaltigen eine mit sich identische Sache aufgefaßt werden kann, dann verweist das empirische Urteil, in dem wir dies auffassen, durch sich selbst auf die Spontaneität des Begriffs, in der das Begreifen die Rezeptivität in sich hineingezogen hat. Das empirische Urteil zeigt durch sich selbst als seine Wahrheit das synthetische Urteil a priori an. Für die Reflexion eröffnet das Urteilen so, indem es vom Eindruckshaften ausgeht, als mit ihm übereinkommend auch die reine Spontaneität des Urteilens und garantiert auf diese Weise die Objektivität der Verstandeserkenntnis. Urteilen von der Rezeptivität her und Urteilen aus reiner Spontaneität kommt von dem in Gleichförmigkeit sich darstellenden sinnlichen Mannigfaltigen her als ein in sich einiges Geschehen zusammen. Es ergibt sich aber, daß, wenn das gleichförmige Erscheinen dergestalt die objektive Verstandeserkenntnis hervorgehen lassen soll, diese Erkenntnis selbst

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einseitig vom Eindruckshaften her bestimmt bleibt und das Übereinkommen in sich des Verstandes nicht eigentlich verstehen lassen kann. Durch das gleichförmige Erscheinen soll die Bestimmung einer Sache als einer im räumlich-zeitlichen Ausgedehntsein doch mit sich identischen möglich sein (was auch Hume zugestanden hatte, was aber über die Empirizität des Urteils nicht hinausführt); dadurch soll nun aber ein Fürsichgelten der Spontaneität des Begreifens angezeigt sein, die aus sich geschehe und in reiner Reproduktion und Rekognition das Mannigfaltige ursprünglich synthesiere. Doch das Auffassen der durch die Gleichförmigkeit des Erscheinens bezeichneten Sache ermöglicht es nicht, einzusehen, daß sie in ihrem konkreten Bestimmtsein aus der durch die reine Spontaneität geschehenden Synthesis zu verstehen sei. Die Gleichförmigkeit des sinnlichen Erscheinens bleibt eine faktisch erfahrene Gleichförmigkeit, die durch sich reine Spontaneität nicht erkennen läßt. Die Objektivität der Verstandeserkenntnis kann auf diese Weise nicht genugtuend dargelegt werden. Die transzendentalphilosophische Reflexion erhebt wohl den Anspruch, die Objektivität der Verstandeserkenntnis verstehen zu lassen, aber man kann nicht sagen, daß es ihr hier gelungen sei, dies Verständnis zu erlangen. Es ist dabei interessant zu sehen, daß Kant nicht einfach vom sinnlichen Mannigfaltigen, sondern von der Gleichförmigkeit des sinnlichen Mannifaltigen ausgeht, was Hume auch getan hatte, aber aus dieser Gleichförmigkeit die Möglichkeit objektiver Verstandeserkenntnis gerade nicht zu entnehmen vermocht hatte. Kant faßt — in der transzendentalen Reflexion — die Gleichförmigkeit freilich von vornherein auf andere Weise als Hume. Für ihn ist sie nicht einfach eine Weise des Eindruckshaften sich darzustellen, sondern, daß das Erscheinende gleichförmig ist, bezeugt, daß das Mannigfaltige als solches schon das in sich Gleiche in sich aufgenommen hat; auf die Weise des Begreifens in der Rezeptivität selbst geschieht es, daß das Erscheinende sich als aus der reinen Spontaneität des Begreifens bestimmt erweisen kann. Diese Position setzt also, daß Spontaneität und Rezeptivität von vornherein als in sich einiges Geschehen erfahren sind, das allerdings von der Rezeptivität her als Sichdarstellen ist, und sich dergestalt als das begriffene sinnliche Mannigfaltige kundgibt, das in Gleichförmigkeit geschieht. Aber dies Geschehen der Reflexion als Verstehen einer anfänglichen Einheit von Rezeptivität und Spontaneität ändert nichts daran, daß das in Gleichförmigkeit Erscheinende eben das sinnliche Mannigfaltige ist und die Gleichförmigkeit gerade nicht in einem Gleichsein in sich aufgehen läßt, sondern sie als diese bestimmte sinnliche Gestalt vorstellig macht, die durch die reine Spontaneität des Begreifens in ihrem Bestimmtsein nicht eigentlich erschlossen werden kann. Die Gleichförmigkeit bleibt ein besonderer Zug am sinnlichen Mannigfaltigen selbst und nur im Ausgehen von diesem sinnlichen Mannigfaltigen hat sie ihre Bedeutung; durch ein gleichförmiges Erscheinendes wird die reine Spontaneität des Denkens um nichts mehr bezeugt als durch ein ungleichförmiges. Das Übereinkommen des Urteilens in sich selbst kann, wenn das Begreifen von dem faktischen Sichdarstellen des sinnlichen Mannigfaltigen ausgeht, nicht erlangt

Das Aposteriori als apriorisches Geschehen

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werden. Das objektive Erkenntnisurteil läßt sich durch das Ausgehen vom Begreifen des Mannigfaltigen, auch wenn dieses in der besonderen Bestimmung der Gleichförmigkeit genommen wird, gerade nicht erreichen. Für die 1. Auflage der Kritik der reinen Vernunft verhält es sich also so, daß das Begreifen im sinnlichen Mannigfaltigen — dieses Mannigfaltige sei nun durch Gleichförmigkeit bestimmt oder auch nicht — der Reflexion wohl die Anzeige auf das objektive Erkenntnisurteil, in dem das Ausgehen des Begreifens von der Rezeptivität und sein Geschehen aus reiner Spontaneität übereinkommen, gibt, daß aber diese Anzeige nicht durch das Geschehen des Begreifens selbst ausgewiesen werden kann. Das Begreifen in der Rezeptivität tut Anzeige auf die objektive Erkenntnis, aber diese Anzeige gibt die Sache selbst nicht. Damit die Sache selbst für das Begreifen gegeben werden könne, dazu muß man sich auf die reine Spontaneität des Begreifens berufen; aber dieses reine Begreifen vermag sich durch sich wieder nicht auf das konkrete Bestimmtsein des sinnlichen Mannigfaltigen zu beziehen, so daß wohl im Verstehen der Reflexion beides vereint ist, aber jede der beiden Instanzen des Begreifens für sich die andere durch sich nicht verständlich machen kann: Objektivität der Erkenntnis also wohl gewußt sein, nicht aber auf die Weise des Begreifens selbst aufgewiesen werden kann. Auf diese Weise ist also wohl darauf hingedeutet, daß die Aufhebung der Diskrepanz in sich des Erkennens sein solle, aber wie sie möglich sei, das ist dadurch doch nicht gezeigt, und man wird zugestehen müssen, daß das Verständnis der Objektivität der Erkenntnisurteile, das in der 1. Auflage der Kritik der reinen Vernunft vorgetragen ist, nicht eigentlich geeignet sein konnte, Humes Skeptizismus nicht nur dem Anspruch nach, sondern auch im Begreifen zu überwinden. Die Korrektur, die die Prolegomena an der Darstellung der 1. Auflage der Kritik anbringen, geht dahin, daß, wenn eine Übereinstimmung des Urteils aus der Rezeptivität und des Urteils aus der reinen Spontaneität im Ausgang von der Rezeptivität, an die das Begreifen immer verwiesen bleibt, nicht zu erreichen sei, daß dann im Bereich des Urteilens jene Isolation der Instanzen voneinander (die Hume für das Verhältnis des Eindruckshaften und des Begreifens schlechthin behauptet hatte) eben festgehalten werden müsse, und bekannt werden müsse, daß gerade auf die Weise dieser Doppelung des Urteilens die objektive Erkenntnis geschehe. Gegen die Ausweglosigkeit der 1. Auflage stellt Kant hier gleichsam ein „credo quia absurdum" auf, das sich zur Objektivität der Erkenntnis bekennt, gerade weil sie auf die Weise der Doppelung des Begreifens geschieht. Hatte Kant in der Kritik versucht, sich die objektive Bedeutung der Erkenntnisurteils vom sinnlichen Mannigfaltigen selbst her geben zu lassen, so geht er in den Prolegomena so vor, daß er, ohne eine solche Legitimierung der objektiven Erkenntnis vom Eindruckshaften her zu verlangen, das Zustandekommen der Objektivität für den Fall behauptet, daß im Ausgang vom Begreifen in dem sinnlichen Mannigfaltigen — das Kant jetzt das subjektive Urteil nennt — 6 Kopper, Reflexion

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Der in sieb reflektierte Determinationsbegriff

der Akt eines Begreifens aus der reinen Spontaneität des Denkens statthat, das losgelöst für sich gilt, wie auch das subjektive Urteil für sich gilt. Nur vom subjektive Urteil zurück und verlangt nicht, von ihm her bestätigt zu werden. Denkens möglich, aber in seiner Eigentümlichkeit bezieht er sich nicht auf das subjektive Urteil zurück und verlangt nicht von ihm her bestätigt zu werden. Die objektive Erkennnis kommt durch diesen Akt reinen Denkens zustande; aber es wäre nicht richtig zu sagen, daß sie nur in ihm bestünde; sie geht vielmehr aus dem Zusammenkommen des subjektiven Urteils und dieses Aktes reinen Denkens hervor, so daß der spontane Akt dabei das Geschehen des Erkennens als objektives Begreifen zustande bringt. Man kann es zugestehen, daß in der 1. Auflage das Begreifen im sinnlichen Mannigfaltigen so etwas wie eine leitende Funktion für das Entdecken der objektiven Erkenntnis hat, in den Prolegomena ist diese leitende Funktion ganz eindeutig an den Akt des reinen Denkens übergegangen. Aber diese Frage ist nicht die entscheidende; entscheidend ist, daß sowohl für die 1. Auflage wie für die Prolegomena die Diskrepanz in sich des Begreifens besteht, und daß sie für die Prolegomena noch verschärft ist, indem eingesehen ist, daß von der Rezeptivität her, von der das Begreifen seinen Ausgang nehmen muß, die Übereinstimmung des Begreifens in sich selbst nicht gefunden werden kann. Davon ist dann auch die Folge, daß von der reinen Spontaneität des Denkens her das subjektive Urteil als in sich selbst bloß zufällig erfahren sein muß und das für die Objektivität der Erkenntnis entscheidende Moment allein beim reinen Verstande gesucht werden muß. Der Fortschritt aber der Prolegomena gegenüber der ersten Auflage ist nicht hierin zu erblicken, sondern darin, daß deutlicher erkannt ist, als es dort noch geschehen konnte, die Objektivität der Erkenntnis legitimiere sich durch sich selbst, ihre Legitimation könne nicht eigentlich von den Weisen des Begreifens her gefunden werden, sondern die Objektivität der Erkenntnis sei eigentlich das den auseinanderfallenden Weisen des Begreifens gegenüber Vorgängige. Damit zeigt sich die Möglichkeit zu verstehen an, die dann das Raisonnement der 2. Auflage leiten wird, daß nämlich das Geschehen der objektiven Erkenntnis als Sichbezeugen in sich selbst ergriffen werde und die diskrepanten Weisen des Begreifens in das Geschehen dieses Sichbezeugens der objektiven Erkenntnis selbst zurückgenommen werden. Kant hat das „credo quia absurdum", das in den Prolegomena steckt, nicht zugestehen, sondern seine Einsicht faktisch legitimieren wollen. Die Prolegomena sind kein Bekenntnis zur reinen Mathematik und Naturwissenschaft, diese Wissenschaften sind hier noch nicht einmal die Krücken, mit deren Hilfe sich das Raisonnement — wie durch das gleichförmige Erscheinen in der Kritik — zum Verstehen der Objektivität der Erkenntnis hintasten will, diese Wissenschaften dienen, mitsamt der angeblich analytischen Methode der Reflexion, die von ihnen ausgeht, nur dazu, zu verschleiern, daß sich die Reflexion zur Objektivität der Erkenntnis nur wie zu einem Unbegreiflichen bekennen kann. Von der consensu omnium vorausgesetzten apriorischen Gültigkeit der Erkenntnisse der reinen Mathematik und Naturwissenschaft führt um nichts mehr ein Weg zur Einsicht

Das Aposteriori als apriorisches Geschehen

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der Reflexion in das Wesen und die Möglichkeit objektiver Erkenntnis als von jedem beliebigen aposteriorischen Urteil, das wir durch Feststellung bilden. Daß jene Urteile sich auf bestimmte Sachverhalte von in sich apriorischer Struktur beziehen, das dient zum angeblichen Ausweis ihres objektiven Charakters; aber, wenn man hier überhaupt von Objektivität sprechen will, so betrifft diese Objektivität gerade nicht die in der Reflexion geschehende Diskrepanz des Begreifens in sich selbst, sondern nur das Begreifen von determinierten Strukturen. Von der Bezugnahme auf die Gleichförmigkeit des Erscheinens in der 1. Auflage konnte man sagen, daß sie in der Tat helfen sollte, die Objektivität der Erkenntnis verstehen zu lassen; von der Bezugnahme auf die objektiven Urteile der reinen Mathematik und Naturwissenschaft in den Prolegomena muß man gestehen, daß durch die Behauptung angeblich in diesen Wissenschaften vorzufindender objektiver Urteile nur verhüllt wird, daß die Objektivität der Erkenntnis gerade nicht durch Vorfmdlichkeit bezeichnet werden kann. Das objektive Urteil, auf das das reflektierende Denken geht, ist nicht auf bestimmte angebbare Strukturen bezogen, sondern es ist das Geschehen des Erkennens selbst, sofern es im Bestimmten als Verstehen ist; es bezieht sich nicht etwa auf das Begreifen des Erscheinenden unter bestimmten Gesetzen, sondern meint die Bedeutung, die das Erkennen als Verstehen auf die Weise des bestimmten Erscheinenden ist. (Das Urteil: die Sonne erwärmt den Stein, das Kant als Beispiel für ein objektives Urteil nimmt, wird nicht als naturwissenschaftliche Einsicht vorgestellt — die könnte es sein, ohne objektiv zu sein —, sondern als ein Urteil, in dem offenbar wird, daß die Erfahrung, die hier gemacht wird, Erfahrung von einem Sachverhalt ist, der sich durch sich ausweist.) Hat Kant mit der in den Prolegomena erreichten Position Hume überwunden? Man kann es bejahen, wenn man sich in die transzendentale Reflexion versetzt und darin unmittelbar erkennt, daß das Erkennen in seinem unbezüglichen Geschehen die auseinanderfallenden Momente des Begreifens zusammenhalte und dergestalt das Übereinkommen des Begreifens mit sich selbst möglich sei, das die Objektivität der Erkenntnis ausmacht, wogegen für Hume der Begriff von einer Objektivität der Erkenntnis keinen eigentlichen Sinn haben konnte. Aber die transzendentale Reflexion bleibt doch darin gebunden, daß das subjektive Urteil außerhalb des spontanen Aktes des Begreifens, der zum objektiven Urteil führt, für sich dasteht und in seiner Andersartigkeit gegenüber dem aus dem Akt des reinen Begreifens hervorgehenden objektiven Urteile keineswegs aufgehoben ist, so daß die transzendentale Reflexion also immer noch nicht die Diskrepanz des Begreifens in sich selbst überwinden kann, und Humes — in gewisser Weise einfachere — Behauptung, daß das Eindruckshafte vom Verstande schlechthin geschieden sei, doch auch in Kraft bleibt. Weder in der 1. Auflage der Kritik noch in den Prolegomena hat Kant das erreicht, was er sich eigentlich vorgenommen hatte: die Objektivität der Erkenntnis so zu erlangen, daß nicht nur die transzendentale Reflexion ihrer im Verstehen gewiß sei, sondern daß sie sich auf die Weise des Begreifens und als das Begreifen selbst bezeuge. Die 6·

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Der in sidi reflektierte Determinationsbegriff

Reflexion ist der Objektivität der Erkenntnis gewiß; sie nimmt in sich das Begreifen aus der Rezeptivität und das Begreifen in reiner Spontaneität so zusammen, daß jedes der beiden Momente, in seiner Weise zu geschehen, auch schon die eigentliche Bedeutung des anderen ist; aber durch das Geschehen des Begreifens selbst in den voneinander unterschiedenen Momenten kann dieses Versammeltsein-in-sich des Erkennens nicht bestätigt werden. Es mußte daher für Kant immer noch die Aufgabe bleiben, zu einem Verständnis der Objektivität der Erkenntnis zu gelangen, in dem das Erkennen als Verstehen so geschieht, daß die verschiedenen Weisen des Begreifens als der unmittelbare Ausdruck dieses Verstehens hervorgehen und dadurch in ihrem Verschiedensein auch schon als Eines bedeutend verstanden sind. Das Anliegen der in der 2. Auflage der Kritik der reinen Vernunft an der ursprünglichen Darstellung der Analytik des reinen Verstandes vorgenommenen Korrekturen mußte es sein, zu zeigen, daß das Verstehen der Reflexion sich als solches vermittelst der bestimmten Weisen des Begreifens bezeugen, diese Weisen dadurch als solche für das Verstehen selbst in ihrem ursprünglichen Übereinkommen und Ineinssein offenbar machen und dadurch die Objektivität der Erkenntnis auf eine auch durch das Begreifen bestätigte Weise einsichtig machen könne. Während die 1. Auflage der Kritik und die Prolegomena von der Unterscheidung des Anschauens und des Denkens ausgingen und insofern die alte Humesche Zweiteilung übernahmen, wenn diese Doppelung auch von vornherein in die Einheit des Erkenntnisgeschehens zurückgenommen war, geht Kant in der Analytik der 2. Auflage zurück auf die transzendentale Einheit der Apperzeption, die ihr unbezügliches und in sich beschlossenes Geschehen sowohl als Anschauen als auch als Denken ist. Das reine „Ich denke" ist ebensowohl Anschauen als Begreifen, in jedem der beiden Momente geschieht das Ganze des Erkennens. Davon aber kann man sich nicht dadurch genügend Rechenschaft ablegen, daß man Anschauen und Denken von ihrem Unterschiedensein her aufeinander bezieht und erklärt, es geschehe also das Anschauen auch schon als Begreifen und das Begreifen auch schon als Anschauen. Auf diese Weise kann man dem Geschehen der transzendentalen Einheit der Apperzeption sowohl als Anschauen als auch als Denken nicht gerecht werden; es muß sich vielmehr so verhalten, daß Anschauen wie Begreifen nur durch einen nachgeordneten Prozeß des reflektierenden Begreifens in dem in sich beschlossenen Geschehen des Erkennens voneinander abgesondert werden, wogegen das Geschehen des Erkennens als Sichvollziehen, das in der transzendentalen Reflexion für sich als Verstehen ist, dieser Unterscheidung voraufliegt. So kann man zwar nicht im Anschauen das Begreifen und im Begreifen das Anschauen finden, aber man kann sagen, daß eben das Wesen des Erkennens, das im Begreifen geschieht, als solches auch im Anschauen geschieht, daß in der Spontaneität eben dies als Verstehen geschehende Erkennen statthat, das sich auch in der Rezeptivität vollzieht. Wenn es so ebendasselbe Wesen der transzendentalen Einheit der Apperzeption ist, das als Anschauen wie

Das Aposteriori als apriorisches Geschehen

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als Denken geschieht, dann kann es auch für das Begreifen selbst nicht mehr gelten, daß das von der Rezeptivität her geschehende Begreifen und das als die reine Spontaneität des Denkens sich vollziehende Begreifen von ihrem Unterschiedensein her verstanden werden müssen, sondern dann müssen sie als in der transzendentalen Einheit der Apperzeption ursprünglich übereinkommend aufgefaßt werden. Damit wäre es dann dem reflektierenden Verstehen möglich, die Objektivität der Erkenntnis durch das Begreifen selbst und in ihm zu erfassen; dann wäre erreicht, daß im Begreifen selbst das anschaulich sich darstellende Mannigfaltige und das Denken der unbedingten Bedeutung sich als eins und dasselbe erweisen könnten. Wie in der 1. Auflage der Kritik und in den Prolegomena so stellt sich auch in der 2. Auflage die Frage nach der Objektivität der Erkenntnis nicht für die transzendentale Ästhetik. Daß im Sichkundgeben das ganze Wesen des als Verstehen geschehenden Erkennens liegt und daß dies Geschehen des Erkennens als Kundgabe vor der Unterscheidung von Anschauen und Denken als Setzungen liegt, das ist im Geschehen der Erkenntnis unmittelbar offenbar, und die 2. Auflage braucht diese anfängliche Gewißheit der transzendentalen Reflexion nur ausdrücklich auf die transzendentale Einheit der Apperzeption zu beziehen. Die Problematik stellt sich auch hier nur für das Begreifen, durch das das Kundgeben, das das Erkennen ist, sich als Bezeichnetsein und Bestimmtsein darstellt. Daß dieses Begreifen nicht als Setzung verstanden werde, die sich dann wiederum in die doppelte Setzung des Begreifens von der Rezeptivität her — im subjektiven Urteil — und des Begreifens aus reiner Spontaneität — das zum objektiven Urteil führt — spaltet, sondern daß die Bedeutung von Begreifen selbst aus der transzendentalen Einheit der Apperzeption eröffnet werde, darum muß es in der Korrektur der alten Darstellung der transzendentalen Analytik gehen. Anschauung und Denken stellen sich in der transzendentalen Reflexion zunächst als Setzungen dar, die durch ihre Doppelung wiederum eine Doppelung in sich des Begreifens hervorrufen. Aber das Geschehen des Erkennens, das Verstehen ist, ist früher als diese aus der Methode des reflektierenden Begreifens entspringenden Setzungen und fordert, daß das Begreifen unter diesen Setzungen auch wieder korrigiert werde. Das methodische Begreifen gibt, indem es in den Setzungen verfährt, nicht wieder, was das Wissen der transzendentalen Reflexion schon ist; die Methode muß dahin verbessert werden, daß es vielmehr das unbezügliche Beschlossensein in sich des Erkennes, das Verstehen ist, sein müsse, von dem aus auch das Verstehen des Begreifens geschieht. Das unbezügliche Beschlossensein in sich des Erkennens, die transzendentale Einheit der Apperzeption, ist das Apriori schlechthin, von dem aus die Reflexion sich vollziehen muß. Dies Apriori schlechthin des Erkennens, das vor der Unterscheidung von Anschauen und Begreifen liegt, aber geschieht als bloßes Erscheinen, als Bestimmtsein, das sich von sich her nur als ein Gefüge von Beziehungen erweist. Das Apriori schlechthin ist seine Apriorität als Aposteriori. Dies Wissen der transzendentalen Reflexion um das Geschehen der Erkenntnis auf die Weise der Erscheinung hatten die 1. Auflage

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Der in sich reflektierte Determinationsbegriff

und die Prolegomena von den Setzungen her begreiflich machen wollen; indem in der 2. Auflage die Reflexion auch der Methode nach aus dem Erkennen selbst verfährt, ist es Einsicht in das unbezügliche Apriori des Erkennens selbst, daß es bloß als Erscheinung, daß es als Aposteriori sei. Daß das Apriori schlechthin als Aposteriori geschehe, ist die Wirklichkeit oder das Esselbstsein des Erkennens, und d. h. des Erscheinens oder der Welt (wenn man im Verstehen von dem aposteriorischen Momente ausgehen will). Aus diesem Sein des Apriori als Aposteriori muß es sich ergeben, daß es als das Verstehen, das es ist, Momente seines Sichdarstellens in sich enthält, die in seinem Esselbstsein, in seiner Wirklichkeit als die Struktur liegen, in der diese Wirklichkeit selbst ist. Insofern das aposteriorische Geschehen des Apriori der Erkenntnis, insofern das unbezügliche Geschehen des Verstehens als Erscheinen unter dieser Struktur in der transzendentalen Reflexion verstanden wird, insofern wird es unter den Bedingungen der Möglichkeit seines aposteriorischen Wirklichseins aufgefaßt. Die Bedingungen der Möglichkeit der Erfahrung sind keine Setzungen, sondern die Verstehensstrukturen, in denen das Apriori schlechthin der Erkenntnis sich selbst — und damit auch für die transzendentale Reflexion — aposteriorisch verwirklicht. Diese Verstehensstrukturen, als die das Geschehen des Erkennens ist, sind in der Einheit der Wirklichkeit der Erkenntnis ineinander gebunden. Insofern das Erkennen seine als Aposteriori geschehende Apriorität in den Bedingungen der Möglichkeit der Erfahrung als den Strukturen seines Verstehens ist, insofern geschieht es als apriorische Synthese, als die das Erkennen sich also nur in der transzendentalen Reflexion selbst ausdrücklich versteht. Das Erkennen weiß sich als apriorische Synthese, sofern es das Geschehen seiner Apriorität als Aposteriori apriorisch zu sein vermag. Die apriorische Synthese ist die Apriorität des aposteriorisch geschehenden Erkennens, sofern dies Erkennen Verstehen ist, und als dies Verstehen ist sie die Bedingung der Möglichkeit des Erkennens. (Die „Bedingung der Möglichkeit" ist also, wenn wir es so ausdrücken wollen, ein Reflexionsbegriff, sie ist nicht ein Begriff des determinierenden Denkens.) Indem das dogmatische Denken das Wesen des Erkennens mit Hilfe des determinierenden Denkens fassen wollte, das seine eigentliche Anwendung nur auf die im Erscheinenden sich darstellenden Beziehungen hat, da mußte es im Aposteriorischen das Anschauen als die Basis des Erkennens fixieren und zu diesem Anschauen dann das Denken als die apriorische Leistung des Erkennens in eine — wie immer zu bestimmende — Beziehung setzen. Hume behielt dieses Schema bei; indem er aber in der Reflexion gleichwohl in das Geschehen des Erkennens selbst eintritt, da wird ihm die Aposteriorität des Anschauens auch das Apriori des Erkennens schlechthin und das Apriori des Denkens sinkt auch zum Aposteriori herab. Die transzendentale Reflexion der 2. Auflage der Kritik geht, wenn sie die Bedingungen der Möglichkeit der Erfahrung bestimmt, nicht mehr so vor, daß sie von den Setzungen des determinierenden Denkens ihren Ausgang nimmt, sie kann deswegen die Bedingungen der Möglichkeit der Erfahrung auch nicht

Das Aposteriori als apriorisches Geschehen

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eigentlich mehr durch Anschauen und Denken angeben, sondern sie muß die Verstehensstruktur des Erkennens so fassen, daß das Erkennen als in seiner Unbezüglichkeit vor der Unterscheidung von Anschauen und Denken, die aus dem determinierenden Begreifen stammt, stehend, in seiner Einheit sein aposteriorisches Geschehen als Bedingung von dessen Möglichkeit ist. Die Unterscheidung von Anschauung und Denken, die die 1. Auflage der Kritik und die Prolegomena übernommen und sie dann allerdings in ihrer bloßen Vorläufigkeit hatten hervorgehen lassen, muß in der Methode des Begreifens selbst auch überhöht werden. Dies kann für Kant, der die Anmaßung des determinierenden Begreifens ja nicht in sich selbst aufgelöst hat, nur geschehen, indem er dies determinierende Begreifen ganz das Wissen der transzendentalen Reflexion sein läßt und ihm den Anspruch, dies Wissen durch sich, durch sein Bestimmtsein, auch auszulegen, zugleich gänzlich verweigert. Da ergibt es sich nun, daß das Geschehen der transzendentalen Einheit der Apperzeption als ein Geschehen, das aposteriorisch das Apriori schlechthin ist, es selbst nur so sein könne, daß es Verstehen ist, das für sich selbst als Bedeutung geschehendes Bestehen ist, d. h. das sein Geschehen als Verstehen so ist, daß dies Verstehen auch schon als Bestimmung ist. Daß das Verstehen als Bestimmung ist, das bedeutet, daß das Apriori schlechthin seine Apriorität so ist, daß sie als ein Zukommendes ist. Und insofern ist die Weise der Apriorität, schlechthin sie selbst zu sein, die Aposteriorität. Daraus, daß das Verstehen in seiner unbezüglichen Einheit, daß die transzendentale Einheit der Apperzeption als eine Bedeutung geschieht, die besteht, folgt als innere Verstehensstruktur die apriorische Synthese, in der das Aposteriori als das Esselbstsein des Apriori verstanden ist, so daß diese Verstehensstruktur als Bedingung der Möglichkeit der Erfahrung nur in der Einheit der Wirklichkeit des Erkennens statthat. Die apriorische Synthese aber muß, nicht als Setzung, sondern als Weise des Verstehens, die beiden Momente zu verstehen in sich tragen, daß Bedeutung bestehe und daß Bestehen bedeute; und es muß damit in ihr die Reflexion so geschehen, daß sie als solche die Form der Determination annimmt, das Apriori muß bestimmend werden, es muß in sich selbst die Aposteriorität als seinen Vollzug hineinnehmen. Indem das als Verstehen geschehende Erkennen Bedingung der Möglichkeit der Erfahrung oder apriorische Synthese ist, die in das determinierende Begreifen eingehen muß, ist es, sofern der Reflexionsbegriff Prinzip des Determinationsbegriffes ist, dergestalt sowohl das Bestehen, das Bedeutung ist, als auch die Bedeutung, die besteht und aus beiden als Bedingungen der Möglichkeit die Wirklichkeit des Erscheinens. Das Bestehen, das Bedeutung ist, kann in Bestimmung angegeben werden als das Dasein der Dinge im Räume; die Bedeutung, die besteht, kann in Bestimmung verstanden werden als das System der Begriffe, in dem Verstehen geschieht. Sowohl das Dasein der Dinge im Räume wie das System der reinen Begriffe sind Bedingungen der Möglichkeit der Erfahrung, sind bestimmte Verstehensstrukturen, auf deren Weise das Wirklichsein von Erkennen geschieht. Beide sind

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Der in sich reflektierte Determinationsbegriff

Reflexionsbegriffe, die auf die Weise determinierender Begriffe geschehen, und insofern sind sie von der Determination her auch voneinander unterschieden, und das Dasein der Dinge im Räume ist nicht das durch die Kategorie bestimmte Dasein. Sofern aber das Verstehen beide Momente von ihrem Determiniertsein her in sich zur Einheit zusammennimmt, insofern geschieht es — in Bestimmung verstanden — als zeitliches Verstehen, in dem im Erkennen das Bestehen der Dinge im Räume und das Begreifen im System der Begriffe zusammengenommen ist als das, was sich nicht durcheinander verstehen läßt und so die Zufälligkeit in sich des Erkennens ergibt. So wird in der Widerlegung des Idealismus die Objektivität des Erkenntnisurteils im Erkennen selbst unmittelbar einsichtig. Nicht mehr Setzungen, sondern das Verstehen selbst ist hier das Prinzip der Auslegung des als Verstehen geschehenden Erkennens, das sich in der transzendentalphilosophischen Reflexion als dies Verstehen weiß. Damit fällt das Auseinanderfallen der Aposteriorität und der apriorischen Synthesen dahin. Das Wissen aus den apriorischen Synthesen ist nicht mehr gegen ein Aposteriori, das von sich her die Wirklichkeit offenbare, abgesetzt, sondern die apriorischen Synthesen sind aus dem Apriori schlechthin, das als solches vor aller Synthese liegt, die Bedingungen der Möglichkeit seines Sichdarstellens in bloßer Erscheinung, die das Apriori als Zufallen ist. Insofern das Apriori schlechthin des Erkennens sich in apriorischer Synthese als Bedingung der Möglichkeit des Erscheinens darstellt, insofern ist es auch das Bestehen der Dinge im Raum, das mit der anderen Bedingung, dem System der Begriffe, gleichursprünglich ist. Das Bestehen der Dinge im Raum bedeutet so nicht einfach mehr das Bestehen in einer apriorischen Form der Anschauung, der doch ein immer bloß subjektives Erfahren zugrundeliegen muß und die selbst wieder von diesem subjektiven Erfahren abgehoben werden muß, sondern das Bestehen von Dingen im Raum gibt ebenso wie das System der Begriffe die ursprüngliche unbezügliche Bedeutung von Realität selbst. Durch diese Bearbeitung der transzendentalphilosophischen Reflexion ist sowohl der Auffassung der 1. Auflage, daß nämlich das unbedingte Wesen der Wirklichkeit auch vom sinnlichen Mannigfaltigen her geschehe, als auch der Auffassung der Prolegomena, daß die objektive Erkenntnis nur durch den reinen Begriff geschehe, wie auch der Zusammenstellung beider in der Entwicklung der transzendentalphilosophischen Reflexion genug getan, dadurch genug getan, daß die Reflexion über das Begreifen der transzendentalen Einheit der Apperzeption aus den einseitigen Setzungen des Anschauens und des Denkens hinaus sich für die Methode ihres Begreifens in diese ursprüngliche Einheit des Erkenntnisgeschehens selbst stellt. Das methodische Verfahren von den Setzungen des determinierenden Begreifens her ist zugunsten einer transzendentalen Durchführung der transzendentalen Reflexion überwunden, die Wirklichkeit durch die Bedingungen ihrer Möglichkeit gedacht und die Erscheinung als das Sichdarstellen von gegenständlicher Bedeutung verstanden, in dem das Apriori des Erkennens seine Apriorität als Aposteriori ist. Kant konnte mit Recht für sich in Anspruch nehmen, mit der Widerlegung des Idealismus

Das Ungenügen in der apriorischen Synthese

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Humes Zweifellehre (nicht seinen Subjektivismus, denn Hume vertrat keinen Subjektivismus) im Wissen der transzendentalen Reflexion, das durch sich Erkenntnis als objektiv verstehen läßt, überwunden zu haben.

2. Das Ungenügen in der apriorischen Synthese a) Das d o g m a t i s c h e M o m e n t in der transzendentalen Reflexion Für das aus der transzendentalen Einheit der Apperzeption geschehende Verstehen sind es nicht mehr eigentlich die Formen des Begreifens, um die es in der Frage nach der Objektivität der Erkenntnis geht, — diese drängen sich der Reflexion nur auf, sofern sie weiter durch den Determinationsbegriff bestimmt bleibt —, es geht vielmehr um das Geschehen der Erkenntnis selbst als Verstehen, es geht darum, daß das Erkennen als Erkennen geschehe und sei. In dies Geschehen der als Erkennen geschehenden Erkenntnis legt Kant in der Fassung der Deduktion nach der 2. Auflage noch eine — in ihrer Bedeutung bloß nachträgliche — Bestimmung, daß nämlich das Erkennen als Bestehen geschehe. Im bloßen — in der Reflexion offenbaren — Geschehen des Erkennens liegt diese seine Bestimmung durch das Bestehen nicht, das Erkennen geschieht nicht als Sein, somiern eben als Geschehen von Erkennen. Die Reflexion, die, wenngleich sie sich für sich selbst aus der transzendentalen Einheit der Apperzeption vollzieht, doch noch unter das Ausgehen vom Bestimmten gestellt bleibt, trägt in das unbezügliche Geschehen, als das Erkennen stattfindet, in der Darstellung der 2. Auflage, dadurch, daß sie das Geschehen des Erkennens als Bestehen erfährt, auf dessen Weise das Erkennen für sich selbst sei, eine Doppelung hinein. Das Verlangen nach diesem Fürsichsein des Erkennens als Bestehen drängt sich in der — noch unter dem Denken in der Determination stehenden — Reflexion vom faktischen Geschehen des Erkennens her auf; für eine Reflexion, die sich von der Determination her versteht, ist das Erkennen es selbst als das determinierte, als das bestimmte Erkannte. Das bestimmte Erkannte aber stellt sich in seinem Bestimmtsein, es stellt sich als dies bestimmte Gegebene dar, sodaß das Geschehen des Erkennens für die von der Determination ausgehende Reflexion von dem Sichdarstellen des Bestimmten übermächtigt zu sein scheint. Die unter dem Herkommen vom Bestimmtsein stehende Reflexion muß danach verlangen, daß das Geschehen des Erkennens sich durch sich selbst für sich selbst, daß es sich als Fürsichsein ausweise, eben weil sie vom Bestimmten her versteht und dergestalt in dem Wissen, das sie aus der transzendentalen Einheit der Apperzeption ist, mit sich selbst nicht übereinzukommen vermag. Die an das Begreifen unter dem Bestimmten gebundene Reflexion, die verlangt, daß das Erkennen im Bestimmten für sich als das Verstehen hervorgehe, das es in seinem Geschehen faktisch auch schon ist, kann sich des Geschehens des Erkennens als Verstehen nur dadurch

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Der in sich reflektierte Determinationsbegriff

versichern, daß sie es als das im Bestimmtsein geschehende Fürsichsein oder Esselbstsein faßt, welches Fürsichsein oder Esselbstsein des Erkennens dann, weil es unter dem Fürsichgelten des Bestimmten gefaßt ist, in einer Doppelung erscheinen muß: als die Bedeutung, die besteht, die da ist und in solchem Dasein sich selbst zu ergreifen und für sich zu sein vermag, und als das Bestehen, das Bedeutung ist, das Etwas meint und in dieser Bedeutung seiner selbst als Bestehen inne ist. Das Fürsichsein oder Esselbstsein des Erkennens geschieht in der durch die Determination bestimmten Reflexion, sofern sie selbst doch aus dem unbezüglichen Geschehen des Erkennens hervorgeht, eben damit weiß sich das Erkennen auf die Weise der unmittelbaren Doppelung seiner selbst. Diese Doppelung hängt also immer noch davon ab, daß die Reflexion in ihrer Methode von dem Begreifen unter der Determination bestimmt ist, aber sie ist darin doch das Geschehen des Erkennens als Verstehen. Das Esselbstsein oder Fürsichsein des Erkennens ist so ein Geschehen in einer doppelten Einseitigkeit; in jedem der beiden Momente geschieht es als solches, doch so, daß es dabei auf eine Weise bestimmt ist, in der das Verstehen, indem es als solches geschieht, sich doch nicht als Verstehen, sondern als für sich geltendes Etwas meint. Das Geschehen des Erkennens als Esselbstsein und Fürsichselbstsein ist so es selbst als kontingentes Dasein, und diese Kontingenz zeigt sich wiederum als die apriorische Form einerseits und die aposteriorische Empfindung andererseits. Keines der beiden Momente kann in seiner Einseitigkeit durch sich angeben, welches eigentlich sein Verhältnis zu dem anderen Momente sei, denn als das Geschehen des Erkennens als Esselbstsein ist es einerseits das Wesen des Erkennens schlechthin, andererseits aber das auf sich selbst gestellte, mit sich identische Bestimmtsein. Das System der apriorischen Formen einerseits, wie das empfindungsmäßige Bestehen andererseits sind das Geschehen des Erkennens als solches, das, insofern es in diesen Momenten als Esselbstsein geschieht, als Besonderes und Kontingentes festgelegt ist. Das bedeutet, daß das Geschehen des Erkennens, sofern es in der Reflexion unbezüglich offenbar ist, auch als seinem Esselbstsein voraufgehend und in gewisser Weise durch es in seiner Ursprünglichkeit nicht als solches angegeben, festgehalten werden muß, was wiederum nur durch das Begreifen von der Determination her geschehen kann, wobei sich als das dritte und oberste Prinzip des Erkennens die transzendentale Einheit der Apperzeption ergibt. Wohl geschieht das Erkennen für die Reflexion nur in der gedoppelten Erfahrung seines Esselbstseins in Einseitigkeit, — das Geschehen des Erkennens als Verstehen ist durch das Angeben seines Esselbstseins immer nur in der Kontingenz bezeichnet —, doch unter solchem Geschehen des Erkennens als Esselbstsein und als Kontingenz offenbart sich das Geschehen des Erkennens als Verstehen. Dabei kann aber die transzendentale Einheit der apriorischen Formen verstanden werden, indem doch zugleich offenbar ist, daß in jedem der beiden Momente ihr Geschehen nur auf die Weise der Unzulänglichkeit zu sich selbst Faßlichsein geworden ist. Indem die transzendentale Einheit der Apperzeption in den Begriff erhoben ist, ist in die Reflexion auch schon wieder ein

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Moment dogmatischen Denkens eingegangen. In der Bestimmung des Erkennens als Einheit oder Identität vollzieht sich die transzendentale Reflexion auch schon auf dogmatische Weise. Für das metaphysische Denken, das in der Determination begreift, für das dogmatische Denken in seiner engeren Bedeutung also, eröffnet sich aus dem urteilenden Erfassen der Identität einer Sache mit sich selbst ein Moment der inneren Notwendigkeit der Sache, die zunächst das Esselbstsein des Bestimmten in seinem Bestimmtsein meint, die dann aber darüber hinaus, sofern es in diesem Esselbstsein des Bestimmten um das unbezügliche Geschehen von Wissen geht, auch ein Durchsichgelten des Notwendigen meint. Dem dogmatischen metaphysischen Denken hat die Identität nicht nur als die Identität des besonderen Bestimmten, sondern auch als das Geschehen ihrer selbst Bedeutung, und ebenso gilt ihm die Notwendigkeit unbezüglich durch sich selbst. So führen die Begriffe der Identität und der Notwendigkeit auf den ontologischen Gottesbeweis, wie wir anfangs von ihm gehandelt haben. Auch der Begriff der transzendentalen Einheit der Apperzeption eröffnet sich vom Bestimmten her im tautologischen Urteil, aber damit ist zugleich eine Bedeutung erfahren, die nicht auf die Weise des Begriffes angegeben werden kann. Auf die Weise des Begreifens der Identität manifestiert sich das Geschehen des Erkennens als Verstehen als solches, so, daß dieses Begreifen, indem es die Bedingung dieser Manifestation ist, zugleich als Unzulänglichkeit zu dem durch sie Gemeinten offenbar ist. Indem es an die Determination verwiesen ist, mißt das Wissen der Reflexion sein Begreifen in der Identität doch schon an dem Geschehen des Erkennens als Verstehen und erfaßt so den Begriff, den es durch die Identität von sich selbst hat, als sein Geschehen in der Unzulänglichkeit, d. h. im „bloßen" Erscheinen; in welchem Nichtgenügenkönnen nun aber auf die Weise der Notwendigkeit in sich des Bestimmten doch das Unbedingte schlechthin liegen soll, so allerdings, daß es nur auf die Weise des bloßen Erscheinens statthat. Die transzendentale Einheit der Apperzeption ist daher die im Ausgang von der Erscheinung und in ihr geschehende Überwindung der „bloßen" Erscheinung, welches Geschehen als solches jedoch nicht auf begriffliche Weise einsichtig gemacht werden kann. Da aber das Verständnis der transzendentalen Einheit der Apperzeption auf das Verständnis der Bedingungen der Möglichkeit der Erfahrung, das unmittelbar aus dem Wissen der transzendentalen Reflexion fließt, keinen Einfluß hat, kann dies, daß sie im Geschehen des Erscheinens über alles „bloße" Erscheinen hinausliegt, doch nur von der Erscheinung selbst her festgehalten werden. Die Prinzipien der Möglichkeit der Erfahrung, in denen die Erfahrung eine Erfahrung bloß von Erscheinendem ist, sind zugleich die Prinzipien für das Begreifen der transzendentalen Einheit der Apperzeption, in der doch das „bloße" Erscheinen auch schon aufgehoben ist. An dem dogmatischen Begreifen des Erkennens hatte Hume insofern eine Korrektur angebracht, als er es, ohne noch eine neue Weise des reflektierenden Begreifens zu entwickeln, nicht mehr für zulässig hielt, daß das reflektierende

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Begreifen vom Begreifen in der Determination her geschehe. Indem aber die Reflexion so aus dem Begreifen in der Determination herausgezogen wurde und so, ohne sich selbst im Begreifen auszudrücken, gleichsam nur als Haltung des Wissens für das tatsächliche Geschehen des Begreifens den Grund des Verstehens abgab, bekam dieses tatsächliche Geschehen des Begreifens im Bestimmten unbedingte Bedeutung, ohne daß doch diese unbedingte Bedeutung durch die bestimmte Erkenntnis selbst hätte angegeben werden können. Das bestimmte Gegebene wird so für Hume als solches das Unbedingte; das Geschehen der „ideae adventitiae" wird als solches zum Apriori schlechthin, zum Geschehen der „ideae innatae". Aber dieses Apriori ist durch das Bestimmtsein, auf dessen Weise es sich gibt, nicht bewährbar, sondern dieses gibt immer nur sich selbst als solches an, ohne über das Unbedingte durch sich etwas ausmachen zu können. Zugunsten des bloßen Wissens um die Apriorität in sich der „ideae adventitiae" werden damit die alten metaphysischen Begriffe ihrer Bedeutung beraubt. Weder die Materie noch das Denken können als ein in sich unbedingtes Bestehen gelten, sie können in ihrem Bestimmtsein nicht mehr als Reflexionsbegriffe fungieren, die unbedingte Bedeutung geschieht vielmehr nur in einem unbezüglichen Geschehen des — substanzlosen — Erkennens als Verstehen, wonach das Gegebene (die „impressions", die die Unterscheidung von Materie und Begriff nicht kennen,) als solches Apriorität ist, ohne daß sein bestimmtes Sichdarstellen mit dieser Apriorität in ein Verhältnis gebracht werden könnte. Das Unbedingte geschieht als Sichverstehen in sich des Wissens, nicht als Begreifen, und die Reflexionsbegriffe des alten metaphysischen Denkens sind auf das bloße unbestimmte Geschehen der Reflexion zurückgeführt. Indem das Wissen der Reflexion sich im Gegebenen, in den „impressions" selbst versteht, stellen sich die „impressions" unmittelbar als das Unbedingte dar, das Gegebensein hat in sich apriorischen Charakter, den Charakter der „ideae innatae", und es ist nicht mehr nötig, dies Unbedingte auf die Weise des Bestimmten, den Reflexionsbegriff als Determinationsbegriff, so zu erreichen, daß das Bestimmte in sich selbst den Widerstreit des Notwendigen schlechthin und der bloßen Kontingenz darstellt. Dies gilt sowohl für das materielle Bestehen, dessen unbedingte Bedeutung doch nur in seinem besonderen Sichdarstellen gefunden werden konnte, als auch für die Notwendigkeit in sich des Begreifens, die ebenso im Besonderen geschieht, ohne sich in ihm und als es erkennen zu können. Das Verstehen des Gegebenseins im Wissen der Reflexion läßt das Gegebensein selbst als das Unbedingte hervorgehen, ohne daß dies Unbedingtsein durch das Begreifen in der Bestimmung geprüft, widerlegt oder bestätigt werden könnte. Indem sich aber das Gegebene so selbst nur in seinem Bestimmtsein kundgibt, das durch sich sein apriorisches Wesen nicht bewähren kann, da muß an die Stelle des theoretischen Wissens um das Unbedingte das Geschehen des Wissens um das Unbedingte als das bloße Sichverstehen des Menschen in der Welt treten: an die Stelle der im metaphysischen Begreifen eingesehenen Notwendigkeit tritt das Sichverstehen des Menschen als eines Weltwesens in der Notwendigkeit, welches Verstehen sich

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als fühlendes Sichwissen offenbart. Das Wissen der Reflexion geschieht nicht mehr als Begreifen, sondern als das Sichfühlen des Menschen, welches Fühlen, im Unterschiede zu dem alten metaphysischen Begreifen, das Besondere als Besonderes in sich hineinnimmt und es Verstehen sein läßt. Daß dieses fühlende Wissen um Notwendigkeit nur aus der Gleichförmigkeit und Wiederholung der Erfahrung des Bestimmten entspringen kann, das liegt eben daran, daß die Reflexion das Bestimmte nicht aus sich zu verstehen vermag, sondern sich auf das Bestimmte als auf ein Vorausgesetztes beziehen muß, das von sich her eröffnen muß, daß es als dies besondere Bestimmte doch der unmittelbare Ausdruck des Wissens der Reflexion ist. Die Gleichförmigkeit und Wiederholung zeigen an, daß das bestimmte Besondere an sich selbst und als solches nichts ist als eben das unbedingte Wissen der Reflexion, das immer schon geschieht, und eröffnen dieses Wissen so als weltliche Struktur, ohne daß doch das Raisonnement zu dieser Struktur einen Zugang gewinnen könnte. Kant hat versucht, diese Position Humes dadurch weiterzuführen und zu überwinden, daß die Determination doch auch als solche aus der Reflexion verstanden würde; er konnte aber nicht dazu gelangen, das Begreifen in der Determination als solches aus dem Wissen der Reflexion neu zu gestalten, sondern ließ das Begreifen in der Determination als sich durch sich und für sich ausweisend fortbestehen, indem er nur den Anspruch erhob, daß dieses Begreifen unmittelbar als solches die Gestalt des Wissens der Reflexion sein sollte. Auf die Weise des Begreifens in der Determination selbst sollte die Bestätigung des unbedingten Wissens der Reflexion und auf diese Weise die Übereinkunft des Erkennens in sich selbst erlangt werden, die Hume dem Begreifen versagt hatte. Für Kant soll das Bestimmte, indem es als sich durch sich ausweisend aufgefaßt ist, in seinem Bestimmtsein doch das Wissen der Reflexion als solches darstellen, das Bestimmte soll als Bestimmtes das Geschehen des Wissen als Wissen, d. h. das in sich apriorische Apriori sein. Indem aber dem Bestimmten so doch der Charakter des für sich geltenden Vorausgesetzten bleibt, kann sich das in sich apriorische Apriori doch nur in der Form der Behauptung geben, d. h. es bleibt in der Weise seines Sichdarstellens doch durch das Aposteriori oder die Kontingenz gekennzeichnet. Nur auf die Weise der Behauptung kann das Raisonnement ausdrücken, daß das Bestimmte als solches das Geschehen des Wissens der Reflexion sei. Im transzendentalen Begreifen liegt so ein Mißverhältnis zwischen dem unmittelbaren Sichbegreifen des Wissens der Reflexion als das Sichdarstellen des Bestimmten und dem Geschehen, der Durchführung dieses Begreifens vom Bestimmten her, die auf die Weise der bloßen Behauptung, d. h. unter dem Fortbestehen des Begreifens des Bestimmten als Voraussetzung geschehen muß. Kant ist nicht durch eine Verwandlung des Begreifens über Hume hinausgegangen, sondern nur so, daß er das Geschehen des Wissens um das Unbedingte und das Notwendige auf die Weise des Fühlens selbst wieder im Wissen des Unbedingten

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gewußt hat und so da, wo bei Hume nur Hingabe an das Bestimmte möglich war, wieder das metaphysische Raisonnement möglich machte. Indem sich ihm aber nun, im Unterschied zu dem alten metaphysischen Denken, das Wissen der Reflexion als solches an seinem Geschehen auf die Weise des Raisonnements mißt, da tritt als das eigentliche Problem dieses Denkens, sofern es theoretisches Denken ist, das Problem der Objektivität des Erkenntnisurteils auf, das für das alte metaphysische Denken keine Rolle hatte spielen können, da dieses Denken das Unbedingte ja gerade nur auf die Weise der sich sich durch sich ausweisenden Voraussetzung hatte. Das Problem der Objektivität der Erkenntnisurteile muß so auftreten, daß es in gewisser Weise immer schon gelöst ist, weil das in sich apriorische Wissen sich ja im Bestimmten als es selbst versteht, daß es aber zugleich auch immer ungelöst bleiben muß, weil das Bestimmte doch nicht davon entbunden werden kann, auf die Weise der Voraussetzung zu geschehen. Das synthetische Urteil a priori bedarf als seiner Voraussetzung immer des empirischen Urteils, und es erweist dies empirische Urteil als das in sich apriorische Urteil nur, indem es es zugleich das bloß empirische Urteil sein lassen muß. Das Erkenntnisurteil ist so als Urteil seine eigene Objektivität, indem es zugleich von sich bekennen muß, daß es auch aus dieser seiner eigenen Objektivität herausfalle. In der Umgestaltung seiner theoretischen Philosophie von der 1. Auflage der Kritik der reinen Vernunft über die Prolegomena zur 2. Auflage ist Kant den Weg gegangen, diese Diskrepanz in sich des Erkenntnisurteils dadurch in ihrer Bedeutung zu vermindern, daß er immer mehr das Gewicht darauf legte, es geschehe eben auf die Weise des empirischen Urteils doch die in sich apriorische Apriorität als solche, auf die Weise des empirischen Urteils geschehe das „Ich denke" in seiner Unbezüglichkeit. Damit aber bleibt das empirische Moment im Erkenntnisurteil gerade auch als solches für sich stehen; es wird vernachlässigt, daß das in sich apriorische Wesen des Wissens gerade auf die Weise des empirischen Bestimmtseins es selbst ist. Die Behauptung über das in sich apriorische Wesen des „Ich denke" aber muß dann in der Weise ihres Ausgesagtseins gerade auch von diesem Fürsichgelten des Vorausgesetzten bestimmt sein, und die transzendentale Reflexion nimmt so in der 2. Auflage etwas von einem dogmatischen Charakter an, von dem sie in der 1. Auflage noch frei ist. In der „Widerlegung des Idealismus" hebt Kant diese Dogmatisierung der transzendentalen Reflexion auf, indem er das Empirische neu als das in sich apriorische Geschehen des Wissens aufnimmt und dergestalt nicht nur das für sich bestehende „Ich denke" der 2. Auflage aufgibt, sondern auch die Zuwendung zum Geschehen der sinnlichen Wahrnehmung, die die 1. Auflage noch bezeichnet, verwandelt in das bezugslose Geschehen des Sinnlichen als solchen. Nicht dadurch, daß er es aufgegeben hätte, das Wissen der Reflexion durch das Begreifen in der Determination zu gestalten, sondern dadurch, daß er dies Faßlichmachen des Wissens der Reflexion durch das Begreifen in der Determination selbst als Vollzug des Beisichseins des Wissens der Reflexion geschehen läßt, gelangt Kant über das Verständnis der Erkenntnis in den apriorischen Synthesen

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hinaus zu einem Verstehen, in dem das Erkennen auf die Weise des Gegebenen für sich ist und sich damit als solches in seinem Vollzuge nicht nach Art eines Etwas, sondern als Geschehen von Erkennen unmittelbar zugegen ist. Das eben macht das Problem der Objektivität der Erkenntnis für die kritische Philosophie aus, daß das Erkennen sich in seinem Vollzuge als das Gegebene selbst erfährt, indem es zugleich vom Gegebenen als dem Vorausgesetzten, in dem das Geschehen des Erkennens nicht als Verstehen zu sein vermag, abhängig bleibt. In der „Widerlegung des Idealismus" versteht sich das Wissen der Reflexion nicht mehr in den apriorischen Synthesen, die sich auf ein Gegebenes beziehen, das sie dann zugleich durch sich verstehen lassen, sondern dies Wissen geschieht so, daß es es selbst als solches als Gegebensein ist. Das Verstehen in den apriorischen Synthesen vollzieht sich dann nur nachträglich aus dieser ursprünglichen Gewißheit und als die räsonnierende Bestätigung ihres Geschehens. Die ursprüngliche Gewißheit des Wissens der Reflexion, die den apriorischen Synthesen vorausgeht und sie aus sich geschehen lassen kann, liegt darin, daß das Geschehen des Erkennens als solches als Gegenwärtigsein, als Erscheinen sei, das als solches das Geschehen des Verstehens als Sichbezeugen ist, das sich selbst als das Begreifen von Bestimmtem darstellt. Daß das Geschehen des als Verstehen geschehenden Erkennens auf die Weise des Gegenwärtigseins und Erscheinens sich nur auf die Weise des Begreifens von Bestimmtem vollziehen könne, bedeutet, daß das Geschehen des Erkennens als Verstehen sich zu sich selbst nur so verhalten könne, daß es darin, obwohl es als Verstehen es selbst ist, doch nur als Sichvollziehen unter der Voraussetzung sei, d. h. so daß das Verstehen auf die Weise des Bestimmten als Verstehen ist, ohne das Bestimmte als Verstehen verstehen zu können. Das Geschehen des Erkennens als eines in sich objektiven Erkennens, das doch als solches Erkennen von „bloßer" Erscheinung ist, wäre also dadurch anzugeben, daß das als Verstehen geschehende Erkennen, indem es als solches als Gegenwärtigsein, Erscheinen ist, darin doch nicht die Möglichkeit hat, sich als Verstehen zu verstehen, sondern vielmehr als Verstehen in einem Bestimmten geschieht, in dem das Verstehen sich nicht als Verstehen erfaßt. Daß das Erkennen nur so als Verstehen statthat, daß es als Verstehen doch nur unter der Weise des bestimmten Etwas für sich ist, das macht, daß die Erkenntnis, indem sie als solche objektive Erkenntnis ist, doch als bloßes Erscheinen geschehende Erkenntnis ist. Das Begreifen des Bestimmten ist die Weise, wie das als Verstehen geschehende Erkennen, das als solches Gegenwärtigsein, Erscheinen ist, seiner selbst als solches inne wird, aber diese Weise des Innewerdens bleibt doch eine Weise des unbezüglichen Geschehens des Erkennens, auch wenn das Erkennen nur in ihr, in der es als das durch sich geltende Bestimmte es selbst ist, zu sein vermag. Das Geschehen des Erkennens ist als Erkennen von Bestimmtem, es ist auf die Weise des Begreifens in der Determination, aber das Geschehen hat als Geschehen die unbezügliche Gewißheit seiner selbst, die, obwohl sie nur so stattfinden kann, daß sie auf die Weise des Begreifens Faßlichsein ist, doch deswegen nicht durch das Begreifen als durch eine selbständige Instanz bedingt ist, sondern dies Begrei-

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fen vielmehr als Weise, sie selbst zu sein, ohne sich gemäß sein zu können, an sich hat. Begreifen von Bestimmtem ist der Vollzug des als Verstehen geschehenden Erkennens, doch so, daß in diesem Vollzug das Verstehen, indem es geschieht, es selbst doch nur als das Bestimmte, als das Etwas sein kann. Das Etwas ist das Verstehen, das so geschieht, daß es doch nur als das Bestimmte Verstehen sein kann, daß seine Weise zu sein das begriffene Bestimmte ist. Die Welt, die so erkannt ist, ist „bloße" Erscheinung, aber daß sie eine Welt der bloßen Erscheinung ist, betrifft sie nur als begriffene Welt, es betrifft sie nicht, sofern sie als Gegenwärtigsein, als Erscheinen ist. Daß Gegenwärtigsein, Erscheinen statthat, darin geschieht vielmehr unbezüglich die Objektivität der Erkenntnis, die als unbezügliche Bedeutung nicht dadurch betroffen werden kann, daß das „objektive" Erkenntnisurteil nur in der Bindung an das „bloße" Erscheinen, d. h. nur in der Bindung an das Vorausgesetzte geschieht. Das Erkennen ist in eins unbezügliches Geschehen und Sichfassen auf die Weise des vorausgesetzten Bestimmten. Als Sichverfassen vermag es dem, was es als unbezügliches Geschehen ist, nicht zu genügen, dennoch kann das als Verstehen geschehende Erkennen seiner selbst als solches nur innesein, indem dies Sicherfassen, das als das Begreifen im Bestimmten geschieht, statthat. Das Sichverhalten des Erkennens zu sich selbst geschieht als das Begreifen von Bestimmung, es weiß sich darin als das unbezügliche Geschehen, doch nur so, daß dies Wissen darin nicht als Übereinkommen in sich selbst für sich selbst zu sein vermag. So kann das Problem der Objektivität des Erkenntnisurteils nur auftreten, indem in der Reflexion auch schon ein Wissen darum statthat, daß diese Frage nach der Objektivität nur der vorläufiige — noch durch die dogmatische Methode der Reflexion bestimmte — Ausdruck dafür ist, daß es dem Erkennen darum geht, sich im Begreifen des Bestimmten als Erkennen zu verstehen. Das erkenntnistheoretische Problem tritt nur so auf, daß es durch sich von vornherein seine Überwindung als Problem mitmeint, denn es ist dadurch bestimmt, daß das Begreifen nicht mehr den Anspruch erheben kann, durch sich über das Erkennen zu befinden, sondern sich in das Geschehen des Erkennens als Erkennen hinein aufheben muß. Die Durchführung dieser Aufhebung der erkenntnistheoretischen Problematik ist am Ende der Verbesserungen der 2. Auflage der Kritik der reinen Vernunft die Widerlegung des Idealismus. Das reflektierende Wissen geschieht, indem es das Begreifen in der Determination aus dem als Verstehen geschehenden Vollzug des Erkennens so stattfinden läßt, daß es, indem das Nichtübereinkommenkönnen des Wissens mit sich selbst als solches fortgeschieht, doch nicht mehr von diesem Nichtübereinkommen her die Auslegung seiner selbst sucht. Die Widerlegung des Idealismus bedeutet, daß das dogmatische Begreifen des in der transzendentalen Reflexion als Erkennen in der Erscheinung gewußten Erkennens zugunsten eines Wissens aufgegeben ist, das sich im unbezüglichen Geschehen des Erkennens erhält, ohne es schon von vornherein auf die Weise des Bestimmten festzulegen. Die Lehre von den apriorischen Synthesen stellt jenes eigentümliche Mixtum im Verstehen des Erkennens dar, in welchem das

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Begreifen in der Determination, indem es aus der transzendentalen Einheit der Apperzeption verstanden ist, doch zugleich auch die Auslegung der transzendentalen Einheit der Apperzeption durch sich zu geben sucht. Die Widerlegung des Idealismus hebt diesen Anspruch des Begreifens in der Determination auf das Wissen der Reflexion auf, ohne doch das Verhältnis von Reflexion und determinierendem Begreifen eigentlich zu wandeln. Kant kommt in gewisser Weise zu dem begriffslosen Wissen Humes zurück, doch so daß in diesem begriffslosen Wissen die begriffliche Struktur, in der die transzendentale Reflexion sich darstellt, auch erhalten bleibt. So ist das Geschehen des Erkennens als Faßlichsein als etwas, was durch Bestimmung nicht ausgelegt werden darf, im Verstehen offenbar, indem das Faßliche doch zugleich als das bestimmte Vorhandene hingestellt bleibt und als dieses bestimmte Vorhandene den Ort für das Geschehen des Erkennens ausmacht. Geschehen des Erkennens als Verstehen findet statt, aber sein Faßlichsein bleibt dem Verstehen doch ein bloßes Faktum. Indem das Geschehen des Erkennens als Verstehen durch das vorhandene Bestimmte, das als solches für sich dasteht, angegeben werden muß, wird es als ein Wissen angegeben, das sich aus dem Bestehen der materiellen Dinge im Raum ereignet. Für die Widerlegung des Idealismus geschieht das Erkennen als solches in einem materiellen Apriori. Das Wissen geschieht als Wissen aus dem Dasein der materiellen Dinge im Raum. Dieses Dasein der materiellen Dinge im Raum ist nicht „bloße" Erscheinung, die aposteriorisch erfahren wird, sondern es ist das unbezügliche, als solches apriorische Geschehen des Erkennens selbst, das aus diesen Gegenständen es selbst als sich verstehendes Wissen ist. Über den Begriff der Materie läßt sich dabei nicht raisonnieren, er ist ja ein Bestandstück der alten dogmatischen metaphysischen Reflexion; hier, in der Widerlegung des Idealismus, genügt es, daß das bestimmte Erscheinende es selbst als solches in seinem Bestimmtsein ist, und daß als dies Bestimmte das Geschehen des Wissens als Verstehen ist. Wohl läßt sich sagen, das Bestehen der materiellen Dinge im Raum sei das als Sichbezeugen geschehende Verstehen, aber dieses Wissen läßt sich nur auf die Weise des Gegebenseins der bestimmten Dinge im Raum auf sich selbst beziehen: es gibt keinen Reflexionsbegriff der Materie, in dem das Begreifen in der Determination in das Geschehen des Erkennens als Verstehen hineinbezogen wäre. Indem das Bestehen der Dinge im Räume das in sich apriorische Geschehen des Wissens als Wissen ist, da vermag sich dies in sich apriorische Geschehen in diesem Bestehen selbst doch immer nur als ein Faktum zu ergreifen. Diese Diskrepanz zwischen Bedeutung und Ergreifen kann nicht aufgehoben werden, wollte das Denken sie raisonnierend aufheben, so müßte es wieder zur dogmatischen Auslegung des Erkennens in den apriorischen Synthesen zurück. In der „Widerlegung des Idealismus" ist die Leistung des Begreifens nicht mehr als Leistung von apriorischen Synthesen zu verstehen; das Begreifen, das weiterhin ein Begreifen im Vorausgesetzten ist, erhebt nicht mehr den Anspruch, durch sich das Wissen der Reflexion auszulegen, es ist nur das Geschehen seiner selbst, eben das Begreifen im Bestimmten, das sich durch sich selbst und für sich selbst 7 Kopper, Reflexion

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ausweist. Das Begreifen des Bestimmten gilt als es selbst, und es ist darin das Geschehen des Wissens der Reflexion als Faßlichsein, aber das Wissen der Reflexion wird nicht selbst wieder von diesem seinem Faßlichsein her ausgelegt. Jene Äußerung in der zweiten Fassung der transzendentalen Analytik, daß die Zeit sich nicht verlaufe, führt, nachdem das Verständnis von Raum und Zeit in den Prolegomena und in der zweiten Fassung der Ästhetik gerade vom Begreifen im Bestimmten her ausgelegt worden war, zu dem eigentlichen Wissen der transzendentalen Reflexion zurück, daß nämlich das Vorausgesetzte als solches als Bedeutung, als das unbedingte Wesen des Wissens geschehe. Und damit eröffnet sich dann auch die Möglichkeit für die Widerlegung des Idealismus. Auf die Weise des Vorausgesetzten und d. h. als Räumlichkeit und Zeitlichkeit geschieht das Wissen als die unbedingte Bedeutung, die es als Innesein ist. Und die Widerlegung des Idealismus zeigt an, daß nur aus diesem Geschehen heraus, als seine Ausgestaltung, nicht aber als dieses Geschehen selbst, die Begriffe statthaben, unter denen wir dieses Geschehen fixieren, wozu auch der Begriff des Ichs selbst gehört. Das Geschehen des Wissens, wie es als Geschehen von Raum und Zeit statthat, ist als solches immer auch schon das Geschehen des Begreifens, aber es ist damit nicht auch schon ursprünglich als das Geschehen des „Ich denke" bestimmt, sondern das „Ich" tritt in das Geschehen des Wissens nur ein, sofern es sich selbst auf die Weise des Bestimmtseins fixiert: das Geschehen des Wissens als solches, das wohl auch Denken und Begreifen ist, nämlich das auf die Weise des Vorausgesetzten, auf die Weise von Räumlichkeit und Zeitlichkeit geschehende Begreifen kann als solches nicht durch das „Ich" charakterisiert werden, das vielmehr erst in diesem Geschehen selbst als eine besondere Bestimmung, die in seiner Durchführung auch auftritt, vorkommt. Das „Ich denke", auf das die 2. Auflage auch das Geschehen des Wissens als Raum und Zeit hatte zurückführen wollen, wird in der „Widerlegung des Idealismus" selbst zu einem Moment innerhalb des räumlichen und zeitlichen Geschehens des Wissens, das als solches nicht allein durch das „Ich denke" verstanden werden kann, da das „Ich denke" vielmehr nur ein Moment im Geschehen des Wissens als solchen ist. Das Problem der Objektivität der Erkenntnis, das mit der Bestimmung des Geschehens des Erkennens durch das „Ich denke" erst recht eigentlich auftaucht, wird in der „Widerlegung des Idealismus" aus dem Verstehen heraus aufgelöst, das zwar in der transzendentalen Reflexion immer schon statthat, das aber durch die Auslegung in Bestimmungen, die dieses Wissen sich selbst in der Durchführung der Doktrin gibt, in voneinander besonderte Setzungen zerteilt ist, aus dem Verstehen nämlich, in dem das begriffene Vorausgesetzte als solches als das Geschehen der unbedingten Bedeutung des Wissens offenbar ist, nicht aber ihm diese unbedingte Bedeutung selbst zusätzlich noch nach Art begriffener Bestimmung durch das „Ich denke" ausgelegt werden muß. Wenn der Determinationsbegriff als solcher als der Reflexionsbegriff offenbar ist, dann fällt es hinweg, daß das Geschehen des Wissens sich noch durch das Begreifen vom Vorausgesetzten her über sich Rechenschaft ablegen müsse, sondern das unbedingte Ge-

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schelien des Wissens ist als Geschehen von Raum und Zeit unmittelbar sein Sichverstehen. Die Apriorität in sich des Begreifens im Bestimmten, wie sie hier verstanden ist, ist auch nicht die immanente Apriorität des bloß analytischen Begreifens; sie ist eine Apriorität, die weder als synthetisch noch als analytisch bestimmt werden kann, sondern die die Apriorität ist, die dem Begreifen zukommt, sofern es das Geschehen des Vollzugs des Wissens der Reflexion selbst als Faßlichsein ist, sodaß es, ohne in seinem Charakter gewandelt zu sein, unmittelbar das unbezügliche Statthaben des als Sichbezeugen geschehenden Verstehens ist. Das Begreifen des Bestimmten ist dann seine eigene Bedeutung, es bedarf keines von ihm unterschiedenen Unbezüglichen mehr, aus dem es sich in seiner Bedeutung bestimmte. Der Determinationsbegriff bestimmt nicht mehr die Reflexion, aber er geschieht als ihre unmittelbare Manifestation. Indem so auf die dogmatische Auslegung des Wissens der Reflexion durch das Begreifen im Bestimmten verzichtet ist, schwindet auch die Hypostasierung der Zeit, die zuvor in der transzendentalen Reflexion eine so große Rolle spielt. Es wird nun das Geschehen des Wissens als solches vor die Zeit gerückt, und es ist erkannt, daß die Bedeutung der Zeit gerade darin liegt, daß das Wissen als Faßlichsein für sich selbst unzulänglich bleibt, daß es nicht als Übereinkommen schlechthin geschehen kann. Sofern das Wissen, das Erkennen im Bestimmten ist, Unzulänglichkeit zu sich selbst ist, sofern erscheint es zeitlich als das, das ist, ohne seiner selbst je mächtig .sein zu können. Der Versuch einer Auslegung dieser Ohnmacht des Wissens in bezug auf sich selbst muß wieder in dogmatischer Methode erfolgen, und dann erscheint das Wissen, indem es ein Wissen aus dem Bleibenden des materiellen Bestehens ist, als ein Wissen, das sich doch nur im Nacheinander und deswegen immer nur in Vorläufigkeit des Bleibenden versichern kann. Sowohl unter der Vorstellung des Bleibenden wie unter der Vorstellung des materiellen Bestehens (wie auch unter der Vorstellung „Ich denke") ist das Wissen der Reflexion dann aber schon wieder unter der Determination begriffen und damit das eigentliche Verstehen, das in der „Widerlegung des Idealismus" statthat, schon wieder verfehlt und durch das Begreifen, das es erklären soll, sich selbst unverständlich gemacht. In der Widerlegung des Idealismus hat Kant so der transzendentalen Einheit der Apperzeption und dem Begreifen jene Hypostasierung genommen, die macht, daß das Erkennen selbst wie ein Gegebenes angesehen wird, auf das dann sein Gegenstand als ein anderes Gegebenes bezogen werden müsse. Die Widerlegung des Idealismus verleiht dem Bestehen der materiellen Dinge im Raum eine in sich unbedingte Bedeutung, an die das „bloße" Erscheinen nur nachträglich durch das „Ich denke" herangebracht wird. Damit ist auch der Anspruch der transzendentalen Reflexion hinfällig, das Wesen des Erkennens durch das „Ich denke" und durch sein Begreifen angeben und bestimmen zu können. Indem das Wissen der Reflexion das Erkennen aus dem Fürsichgelten des materiellen Bestehens weiß, kann ihm das Wesen des Erkennens nicht mehr aus dem Begriffe des 7»

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„Ich denke" und aus einer dem „Ich denke" folgenden begrifflichen Struktur hervorgehen, sondern das „Ich denke" und das Begreifen sind nur Momente des Geschehens von Erkennen, das als solches nicht durch diese Momente angegeben werden kann. In der Reflexion vollzieht sich so ein Wissen des Erkennens, das sich als solches nicht aussagen läßt, sondern das nur im besonderten Festhalten seiner beiden Momente, nämlich des materiellen Bestehens und des „Ich denke", bezeichnet werden kann, wobei das Fürsichgelten des materiellen Bestehens das Bedingende ist. Wenn aber auch das Ganze dieses Wissens nicht begriffen werden kann, so kann es doch als das Geschehen von Erkennen bezeichnet werden, wobei also weder der Begriff vom Bestehen materieller Dinge noch der Begriff vom „Ich" oder vom „Ich denke" und seinem Begreifen dieses Geschehen durch sich genügend angeben kann. Das Geschehen von Erkennen wird weder durch das materielle Bestehen noch durch das „Ich denke" genügend bezeichnet, obwohl es beide als seine Momente in sich enthält. Daß aber das Wissen der Reflexion nicht als Begreifen ist, sondern nur als Sichvollziehen und Sichbezeichnen geschieht, das liegt eben daran, daß es sich selbst nur in der Bindung an das Vorausgesetzte faßlich werden kann, in der Bindung an welches es doch schon für sich selbst Unzulänglichkeit ist. Das Geschehen des Wissens vollzieht sich aus der Voraussetzung; es ist so, daß es als das Vorausgesetzte ist. Das Vorausgesetzte ist also nicht ein Vorausgesetztes für das Wissen, sondern das Wissen geschieht als solches als Vorausgesetztsein. Es ist es selbst auf die Weise des bestimmten Gegebenen und als sein Begriffensein. Man würde sich auch nicht richtig ausdrücken, wenn man nur sagte, daß das Wissen für sich selbst als dieses Bestimmtsein oder Vorausgesetztsein ist, denn dann wäre das Wissen immer noch als etwas, das auch vor diesem Bezüge auf sich selbst ist, konzipiert; das Geschehen des Wissens geht aber vielmehr, ohne noch etwas darüber hinaus sein zu können, in dem Bestimmtsein und Vorausgesetztsein auf.

b) Das S i c h e r h a l t e n der t r a n s z e n d e n t a l e n Reflexion durch dieses dogmatische Moment hindurch Was die Transzendentalphilosophie leistet und was in der „Widerlegung des Idealismus" seinen abschließenden Ausdruck findet, ist nichts als die transzendentale, d. h. von dem als Verstehen geschehenden Wissen in sich selbst vollzogene, Analyse dessen, was dies Dastehen oder Vorausgesetztsein, das das Geschehen von Wissen ist, als Wissen besage, wobei sich dann ergibt, daß dieses Bestimmtsein oder Vorausgesetztsein, ohne sich aufzuheben oder zum bloßen Momente herabgesetzt zu werden, aus sich selbst die Bedeutungen hervorgehen läßt, die, indem das Bestimmtsein als sie ist, doch nicht auf die Weise des Bestimmten angegeben werden können, vielmehr das Geschehen des Wissens als Verstehen durch die Angabe des Etwas hindurch als solches bezugslos meinen. Das Erkennen ist als Sichverstehen, ohne daß es durch ein Etwas, weder durch

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das materielle Bestehen, noch durch das „Ich denke", als solches angegeben werden könnte, obwohl es nur in diesen Momenten als bestimmten für sich selbst ist. Die Reflexion muß sich damit begnügen, das Geschehen des Erkennens als Verstehen zu benennen und seine Bestimmungen seine bloßen Bestimmungen sein zu lassen, die für sich gelten, aber das Wissen nicht auf die Weise des Zulänglichseins zu sich selbst bezeichnen. Das reflektierende Wissen ist diese Situation. In dieser Situation ist nicht gesetzt, daß sich das als Verstehen geschehende Erkennen selbst verfehle, wohl aber ist gesetzt, daß es ein Geschehen sei, das nicht als Übereinkommen ist, das, indem es sich als das Vorausgesetzte und als das „Ich denke" bestimmt, in seinem Geschehen als Verstehen auch ein dem Verstehen Anderes ist. Wie hier das Nichtübereinkommen des Erkennens geschehe, kann nicht etwa dadurch näher einsichtig werden, daß die beiden Momente auf ein drittes bezogen oder in einem Dritten — als umgreifendem Horizont — verstanden würden; diese Unzulänglichkeit geschieht vielmehr nur auf die Weise des Bestimmtseins des Erkennens, sie ist als der Vollzug des Erkennens selbst da, und das Raisonnement kann nur von ihr fortführen, nicht aber sie besser verstehen lassen. Daß das Wissen der Reflexion nicht über diese Situation hinauskann, liegt eben daran, daß es allein auf die Weise des Vorausgesetztseins bei sich selbst, für sich selbst ist. Die Ausfaltung, die dieses Denken sich selbst gibt, ist die Entwicklung des Geschehens seiner selbst, insofern es auf die Weise des Vorausgesetztseins ist. Es ist dies sein Sichdarstellen als Esselbstsein, das ebensowohl das materielle Bestehen der Dinge im Raum wie die transzendentale Einheit der Apperzeption und das Begreifen aus der transzendentalen Einheit der Apperzeption in sich enthält. Da für dieses Wissen das Gegebene in seinem Bestimmtsein die Grundlage seines Sichfaßlichseins ausmacht, können das materielle Bestehen wie die transzendentale Einheit der Apperzeption nur aus dem unmittelbaren Sichdarbieten dieses Gegebenseins hervorgehen, so daß sie erst die wahre, d. h. als Verstehen geschehende Bedeutung dessen ausmachen, was in der Unmittelbarkeit des Gegebenseins als Befangensein des Verstehens in der Andersheit zu sich selbst geschieht. Weil aber das Geschehen des Wissens als Vorausgesetztsein die Basis der kritischen Reflexion ausmacht, deswegen müssen auch die Instanzen des Wissens, die in der Reflexion aus dem unmittelbaren Sichdarbieten des Gegebenen als Momente des Geschehens des Wissens als Verstehen hervorgehen, nämlich die transzendentale Einheit der Apperzeption und das Begreifen, wieder auf das Gegebene zurückbezogen werden, wenn sie in der Reflexion ausgewiesen werden sollen, d. h. wenn das Wissen der Reflexion, (das als solches nicht Begriff ist, sondern sich nur selbst benennen kann), sich selbst als solches faßlich werden soll. Das Wissen der Reflexion ist an sein Geschehen als Vorausgesetztsein verwiesen, so daß es das, was es in der transzendentalen Einheit der Apperzeption und im Begreifen meint, gerade als Gegebenes zu erlangen suchen muß. Das aber zeichnet dabei die Reflexion der transzendentalen Analytik aus, daß die Reflexion doch nicht durch ihr Geschehen auf die Weise des Vorausgesetztseins als Reflexion bestimmt ist, sondern sich,

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obz-war auf unbegriffene Weise, im Bestimmten als das Gelten in sich des Verstehens vollzieht. So ergibt es sich, daß das als Verstehen geschehende Erkennen in der Unzulänglichkeit zu sich selbst doch Verstehen ist, auch wenn es dieses Verstehen als Begreifen von Vorausgesetztem ist, und so allein ergibt sich die Einsicht, daß das Wissen als das Erscheinende Wissen ist. Der dogmatischen Reflexion, die sich als Verstehen ihrem Geschehen auf die Weise des Vorausgesetzten übergeben hat, ist das gegebene Bestimmte das Unbedingte oder das Ansich, das zwar als solches immer mit Unzulänglichkeit seines Seins behaftet bleibt, das darin aber doch immer das für sich und durch sich unbedingt Geltende ist, von dessen unbedingter Geltung das Denken seinen Ausgang zu nehmen habe, auch wenn es sich darin selbst nicht als solches erkennen sollte. Der transzendentalen Reflexion dagegen hat, obzwar sie sich nur im Vorausgesetzten und als das Vorausgesetzte entdecken kann, das Geschehen des Verstehens als solches die unbedingte Bedeutung, aus welcher — unbegriffenen — unbedingten Bedeutung es hervorgeht, daß ihr Sieselbstsein als Vorausgesetztsein ihr Geschehen als Wissen, das in sich selbst durch das bloße Erscheinen bezeichnet ist, ist. Es kann nicht unser Anliegen sein, die transzendentale Reflexion in dem Fortgang, den sie in der dogmatischen Reflexion, die aus ihr entsprungen ist, nehmen mußte, zu verfolgen. Der dogmatischen Reflexion muß trotz aller Einsichten, die sich ihr als einbildender Reflexion eröffnen mögen, doch zugrunde liegen, daß das Geschehen des Wissens als Verstehen sich sich selbst dadurch eröffne, daß es sich an sein Faßlichsein im Bestimmten hingibt. In ihrer dogmatischen Fortentwicklung vermag so die transzendentale Reflexion als Raisonnement ihrem eigenen Wesen nicht mehr zu entsprechen; sie behauptet vielmehr im Raisonnement ein Geschehen des Wissens auf die Weise des Bestimmten, von dem sie, ohne dies auf die Weise der Doktrin aussprechen zu können, weiß, daß sie es so nicht meint. In der transzendentalen Reflexion Kants dagegen ist das Geschehen des Wissens als Verstehen sich selbst unbezüglich zugegen; deswegen bleibt die transzendentale Analytik von der Heuchelei, die dann, wenn die Reflexion sich selbst in ihrem Raisonnieren als solche auslegt, notwendig entspringen muß, frei. Die transzendentale Reflexion besitzt diese Freiheit des Geschehens des Wissens als Verstehen gegenüber seinem Bestimmtsein durch das Vorausgesetzte dadurch, daß das reflektierende Wissen in der transzendentalen Antinomik erkannt hat, es könne sich als Übereinkommen weder dadurch erlangen, daß es sich selbst als das bestimmte Vorausgesetzte behaupte, noch dadurch, daß es sich als bestimmtes Begreifen abgesondert vom Vorausgesetzten für sich setzt. Kant hat die transzendentale Antinomik, die die unmittelbare Selbstverwirklichung der Vernunft in ihrem metaphysischen Anliegen darstellt, als einen Teil der transzendentalen Dialektik angesehen. Diese metaphysischen Operationen der Vernunft machen selbst unmittelbar als solche einen Teil der kritischen Philosophie aus. Die Kritik des reinen Erkenntnisvermögens teilt sich als transzendentale Logik in die transzendentale Analytik und die transzendentale

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Dialektik, nur die transzendentale Analytik, nicht die transzendentale Dialektik wird von Kant als die Durchführung seiner besonderen transzendentalphilosophischen Lehrposition angesehen. Die transzendentale Analytik analysiert das im Erkennen stattfindende Begreifen, sie bringt den erkennenden Verstand zum Bewußtsein über sich selbst. Die transzendentale Dialektik analysiert nicht; es findet in der transzendentalen Dialektik nicht eine Analyse des dialektischen Verfahrens der Vernunft statt, sondern es soll das in sich dialektische Verfahren der Vernunft, das sich als solches selbst bekannt ist und das sich durch sich selbst versteht, ausdrücklich vorstellig gemacht werden, wobei dann eine Kritik seiner Ergebnisse aus der Position der transzendentalen Analytik hinzugefügt wird. Die Darstellung ist dabei in der Art und Weise, in der sie vorgenommen wird, schon durch die Position der Analytik mitbestimmt. Entscheidend aber bleibt, daß die transzendentalphilosophische Reflexion eine Analyse nur in Bezug auf das Erkennen des Verstandes vornimmt, wogegen die Vernunft sich in ihrer Dialektik in ihrem metaphysischen Bemühen unmittelbar darstellt und die transzendentalphilosophische Reflexion hier gerade darin besteht, die Vernunft dies ihr Sichdarstellen in ihrer Dialektik sein zu lassen. Die Vernunft aber ist ihrerseits in ihrem dialektischen Vollzuge beschlossen, sie kann sich nicht zu dem, was die transzendentalphilosophische Analysis durch sich aufweist, erweitern. Analytik und Dialektik bleiben unverbunden nebeneinander stehen und können nur äußerlich aneinander gemessen werden. Die Dialektik besitzt die menschliche Vernunft unmittelbar durch sich selbst, die transzendentale Analytik dagegen besitzt das menschliche Erkenntnisvermögen nicht unmittelbar durch sich selbst, die kann nur durch eine besondere philosophische Reflexion erlangt werden. Das Raisonnieren der transzendentalen Dialektik, das metaphysische Raisonnement, gehört — ohne alle philosophische Theorie — der Vernunft als solcher zu, in ihrer Dialektik ist die Vernunft als solche kritische Besinnung auf sich selbst. Dieses Raisonnieren der Vernunft kann auch durch das Wissen, das die philosophische Reflexion in der transzendentalen Analytik erwirbt, nicht ausgeschaltet, umgewandelt oder eingeschränkt werden, sondern es gilt durch sich selbst und bezeugt sich durch sich selbst und für sich selbst, wenngleich es sich mit den Einsichten der Analytik nicht so zusammennehmen läßt, daß das Wissen dieser Analytik und die unmittelbare Selbstverwirklichung der Vernunft als Dialektik als Übereinkommen zu geschehen vermöchten. Die Lehre der transzendentalen Analytik, daß unser Erkennen ein Erkennen in bloßer Erscheinung sei, läßt sich mit dem Verfahren der Vernunft in der transzendentalen Dialektik und insbesondere in der Antinomik nicht vereinbaren, sondern weist dieses Verfahren als in bezug auf das Verständnis seines Gegenstandes verfehlt und als in seinem Ansprüche leer auf; aber dieses Verfahren der Vernunft, das die Vernunft vor aller transzendentalen Analytik schon geübt hat, besteht gleichwohl, indem es sich durch sich selbst in seiner Geltung erhält, im Denken fort, und die philosophische Reflexion muß es von ihrer in der transzendentalen Analytik gewonnenen Einsicht her, die sie der unmittelbaren

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Reflexion der Vernunft überordnet, als durch einen betrüglidien Schein, der die Vernunft ständig äffe, verursacht ansehen. In diesem Reflektieren der Vernunft, von dem Kant dafür hält, daß es im Wesen des reinen Vernunftvermögens selbst liegt, und das durch die Einsichten der transzendentalen Analytik nicht aufgehoben wird, aber auch nicht zur Übereinstimmung mit diesen Einsichten gebracht werden kann, soll das Wissen, das als Wissen, das auf die Weise der Voraussetzung ist, geschieht, dazu gelangen, nicht nur auf die Weise der gewußten Gegenstände zu sein, sondern in ihnen es selbst als Wissen zu sein. Auf die Weise der Gegenstände soll das Wissen sich als Selbst, d. h. als das Unbedingte und Unbezügliche erlangen, wogegen doch die transzendentale Analytik es gerade abweisen muß, daß das Unbedingte als Unbedingtes gegenständlich hervorgehen könne. Daß das Wissen auf die Weise des Vorausgesetzten als Wissen geschieht, dazu genügt es nicht, daß bestimmte Gegenstände (als erkannte) da sind, zu einem solchen auf die Weise der Voraussetzung geschehenden Sichwissen des Wissens als Wissen gehört darüber hinaus noch, daß der bestimmte (erkannte) Gegenstand in seinem Bestimmtsein selbst als solcher das unbezügliche Geschehen, das Unbedingte, das als solches Verstehen ist, sei. Indem der Gegenstand als der bestimmte da ist, da meint die Vernunft in diesem Gegenstand eben das Beschlossensein in sich des Wissens als Wissen, das Geschehen des Unbedingten als solchen. Ihr Wissen aber bleibt dabei dennoch darin gebunden, daß der bestimmte Gegenstand sich von sich her nur in dem besonderen Bestimmtsein, das er ist, kundgibt. Das natürliche Reflektieren der Vernunft besteht daher eigentlich darin, zu erlangen, daß das Bestimmte, das sie als das Unbedingte meint, durch sich in seinem Bestimmtsein und als dies Bestimmtsein das Unbedingte eröffne. In der Antinomik will die Vernunft das Bestimmte in seinem Bestimmtsein als das Unbedingte begreifen, sie kann dies aber immer nur auf eine einseitige Weise, in der ein Ungenügen bleibt. Sie kann entweder meinen, das Bestimmte sei als solches das Geschehen des Wissens als Wissen, d. h. das Unbedingte schlechthin; oder sie kann meinen, das Wissen geschehe auf die Weise des Bestimmten als unbezügliches und unbedingtes Wissen; in keinem der beiden Fälle kann sich das Bestimmte in seinem Bestimmtsein als das Fürsichsein des Wissens als des Unbedingten darstellen. Die einseitigen Meinungen der Vernunft stellen sich, indem sie — schon unter dem Einfluß der philosophischen Reflexion — fixiert werden, in miteinander unvereinbaren Sätzen dar, in denen das eine Mal das Bestimmte das Subjekt, das andere Mal das Prädikat ist, ohne daß man weiter angeben könnte, warum diese Sätze sich nicht vereinigen lassen. Es gelingt so der Vernunft nicht, das von ihr Gemeinte in einem in sich eindeutigen Begreifen zum Ausdruck zu bringen. Die Bedeutung ihrer Operationen bleibt sich vielmehr selbst als solche unangebbar. Diese Bedeutung, die als solche nicht angegeben werden kann, findet eine Äußerung darin, daß das Denken versucht, die beiden voneinander geschiedenen Sätze des Wissens um das Geschehen des Unbedingten auf die Weise des Bestimmten zur Übereinkunft

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zu bringen; aber indem das Übereinkommen der Sätze selbst immer nur auf die Weise der Einseitigkeit in sich des Wissens, d. h. auf die Weise der Reduktion des Wissens auf einen der beiden einseitigen Sätze gesucht werden kann, da bleibt die Bestimmung dieses Verlangens seiner Bedeutung selbst unangemessen, und das Geschehen des Wissens ist immer auch schon das Offenbarsein dieser Unangemessenheit. Gleichwohl kann nur durch das Verfahren in der Einseitigkeit die Bedeutung des Verlangens der Vernunft zum Ausdruck gebracht werden. Es besteht also ein eigentümliches Verhältnis des Verwiesenseins der Vernunft auf das Bestimmte, das als solches ihr unbedingtes Wesen zum Fürsichsein bringt, und der Unangemessenheit, in der allein dies Sichausdrücken des Unbedingten geschehen kann. Die Bedeutung der Operationen der Vernunft bleibt sich so selbst das Unbestimmte, sie kann als solche nicht durch das, worin sie sich darstellt, erlangt werden, sie geht aber als das Unbestimmte gleichwohl nur auf die Weise des Bestimmten hervor und geschieht nur in ihm. Was sie meine, kann die Vernunft sich selbst mit den Mitteln des Denkens, das auf die Weise des Vorausgesetzten geschieht, nicht eigentlich angeben. Die einseitigen Sätze, in denen sie sich ausspricht, heben einander auf, aber diese Sätze sind eben immer nur die einseitige Offenbarung des von der Vernunft Gemeinten, welche Einseitigkeit zu ihr gehört, aber durch welche sie sich in ihrem Meinen nicht als zu ihrem Geschehen als Übereinkommen gelangt angeben kann. Ein positives Wesen dessen, was die Vernunft meint, läßt sich nicht angeben, aber es läßt sich angeben, daß die Verwirklichung, die ihre Reflexion in den einseitigen Sätzen findet, als solche das Geschehen ihres Meinens auf die Weise des Nichtgenügens ist. In den einseitigen Sätzen, in denen sie sich in der Antinomik darstellt, geschieht die Vernunft als solche und in sich als Unzulänglichkeit. Im Begreifen auf die Weise des Bestimmten bleibt die Vernunft sich selbst das Unbestimmte, das doch als solches gerade auf das Bestimmte verwiesen ist und nur durch es und als es geschieht. In diesem Sinne kann man sagen, daß die theoretische Vernunft als solche Bedürfnis sei. In den Operationen der Vernunft kann so gar nicht offenbar werden, was ihr Geschehen als Bedürfnis eigentlich meine. Die Vernunft bringt sich begrifflich in den einseitigen Sätzen zur Darstellung, eben in dieser Operation aber erfährt sie sich als Bedürfnis, ohne mehr angeben und aussagen zu können als das, was das Denken des Bestimmten angeben kann. Das Geschehen der Vernunft als Bedürfnis geschieht im Begreifen des Bestimmten und als dies Begreifen, ist aber als solches nicht auf Begriffe zu bringen. Das Ergebnis, das durch die antinomischen Sätze erzielt wird und das allerdings als ein Scheitern des Versuchs der Vernunft, das Geschehen des Wissens als Übereinkommen zu erlangen, verstanden werden muß, kann dennoch nicht ausweisen, was das dialektische Verfahren der Vernunft eigentlich bedeute. Kant geht es in der Entwicklung der transzendentalen Analytik, die sich ihm als philosophische Reflexion doch erst aus der unmittelbaren Reflexion der Vernunft ergibt, nicht darum, daß die Vernunft ihrer selbst nur als Bedürfnis inne

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wird, sondern es geht ihm, indem er diese Situation der Vernunft als unabänderlich voraussetzt, darum, daß die Vernunft sich gleichwohl auf die Weise des Vorausgesetzten faßlich werde. In der Dialektik stellt sich die Vernunft dar, sofern sie unmittelbar als solche Reflexion ist und im Erkennen das Unbedingte als Unbedingtes zu erlangen trachtet. Die transzendentale Analytik ist Ausdruck und Ergebnis einer philosophischen Reflexion. Hier geht es nicht mehr darum, daß das Wissen sich im Erkennen selbst als Wissen verstehe, sondern unter der Voraussetzung dieses seines Bemühens und aus diesem Bemühen, das in seinem Ergebnis gescheitert ist, heraus, das es nun als solches charakterisiert, sucht sich das reflektierende Wissen selbst als solches auf die Weise des Vorausgesetzten, des bestimmten Erkannten auszudrücken und darzustellen. Die philosophische Reflexion, die sich in der transzendentalen Analytik Gestalt gibt, kann als Wissen nicht mehr sein, als das aus der Antinomik hervorgegangene Wissen der Vernunft schon ist: sie ist die Gestaltung dieses Wissens selbst, sofern es sich nämlich als solches, in seinem Unbestimmtsein und als das Bedürftigsein, das es ist, durch das erkannte Vorausgesetzte selbst darzustellen versucht. Das Geschehen des Wissens, das in den Operationen der dialektischen Vernunft ein für sich Unbestimmtes bleibt, soll als solches durch das erkannte Vorausgesetzte in Faßlichkeit eingehen. Solches Faßlichsein aber, in dem es für sich selbst als Bestimmtes hervorgeht, wird das Wissen der Vernunft nur dadurch, daß es sich in der unbestimmten Bedeutung, in der es sich aus der Antinomik weiß, als das bestimmte Erkannte selbst meint, das dergestalt zum Esselbstsein des Wissens der Vernunft in seiner unbestimmten unbedingten Bedeutung wird, so daß diese Bedeutung sich dabei von dem Durchsichgelten des Bestimmten her und als dies sein Durchsichgelten darstellt. Die philosophische Reflexion, wie sie hier vorgenommen wird, besteht also darin, daß das Wissen der Vernunft, indem es als die unbestimmte Bedeutung und als das Bedürfnis ist, in dem es selbst schon aus dem Vorausgesetzten geschieht, diese seine unbestimmte Bedeutung als das Vorausgesetzte Faßlichsein werden läßt, welches Faßlichsein als solches durch das Fürsichgelten des Vorausgesetzten bestimmt ist und dadurch selbst in sich so etwas wie eine dialektische Struktur gewinnt. Die Strukturen des Erkennens und seines Gegenstandes, die die transzendentale Analytik aufweist, sind das Ergebnis des Versuches des Wissens der Vernunft, die unbestimmte Bedeutung, in der es aus dem Vorausgesetzten heraus geschieht, in dem Bestimmtsein des Vorausgesetzten und als dieses Bestimmtsein festzulegen und faßlich zu machen, so daß das Erkenntnisvermögen für sich selbst auf die Weise des Bestimmten da sei. Das Wissen der Vernunft gibt sich, ohne daß es in der Reflexion auf sein Geschehen als solches zurückkommen könnte, selbst auf die Weise des Begreifens des Bestimmten Faßlichkeit. Die philosophische Reflexion ist also nicht eigentlich eine Reflexion, die über das unmittelbare Reflektieren, das die Vernunft an sich selbst ist, noch hinausginge, sondern sie ist nur das Verweilen in dieser ursprünglichen Reflexion, das sich nun als solches, ohne noch Bewegung in sich selbst zu sein, in das bestimmte Begreifen legt. Kant meint daher, daß die philosophische

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Reflexion den Schein, dem die Vernunft in ihrer Antinomik unterliegt, nicht eigentlich auflösen und aufheben kann, aber dem Sichverstehen des erkennenden Bewußtseins doch eine neue Dimension eröffne, in der es sich anbauen und Festigkeit im Verstehen seiner selbst gewinnen könne. Das Sichverstehen des Wissens, das sich in der natürlichen Reflexion der Vernunft im Raisonnieren im Bestimmten ein Unbestimmtes geblieben ist, das sich selbst nur im Ungenügen in der Einseitigkeit der einander entgegengesetzten Sätze als Wissen gegenwärtig ist, dieses Sichverstehen des Wissens legt sich aus sich in das Begreifen im Bestimmten hinein und erfährt sich in ihm in der Festlegung seiner selbst. Während es also in der transzendentalen Dialektik dem reflektierenden Denken darum geht, daß das Wissen, indem es im Vorausgesetzten begreift, für sich selbst als Verstehen sei, ist in der transzendentalen Analytik die Position, in der das Wissen sich aus diesem Bemühen heraus selbst findet, als solche zugrundegelegt, und eben in dieser Position und als diese Position sucht das Wissen auf die Weise des Vorausgesetzten für sich selbst als Faßlichsein hervorzugehen. Das Sichverstehen des Wissens, wie es im Wissen um die Antinomik erlangt ist, soll im begriffenen Vorausgesetzten sich selbst als Gestalt gewinnen. Das begriffene Bestimmte ist der transzendentalen Analytik das durch die Antinomik getragene unbedingte Geschehen des Wissens, gerade indem es nichts ist als das begriffene Bestimmte. Indem dergestalt das Vorausgesetzte durch sich dieses durch die Antinomik getragene unbestimmte Geschehen des unbedingten Wesens des Wissens ausdrückt, muß es in sich selbst jene Doppelung sein, die die sozusagen dialektische Struktur der Analytik selbst begründet, wonach es das unbestimmte Unbedingte nur sein kann, indem es sich gerade in seinem bloßen Fürsichgelten behauptet und beides doch wiederum nur ein einziges unbestimmtes Meinen besagt. In den Korrekturen, die Kant in der 2. Auflage der Kritik der reinen Vernunft anbringt, vornehmlich in der dort ausgeführten Lehre von der transzendentalen Einheit der Apperzeption, sucht er innerhalb der Position der philosophischen Reflexion, die sich in der Analytik darstellt, deutlicher, als dies in der 1. Auflage geschehen war, zum Ausdruck zu bringen, daß es das unbestimmte Sichverstehen der Vernunft (wie es durch die Antinomik gegeben ist) selbst ist, das sich in den Strukturen der Analytik zur Darstellung bringt. Die reine Anschauung und der reine Verstand behalten ihre Funktion, durch sich das Geschehen des Wissens als Wissen auszudrücken, sie haben aber ihre Bedeutung nur im Geschehen des Wissens als solchem, das sich nicht eigentlich als etwas angeben läßt; das weder durch das reine Anschauen noch auch durch die Formen des reinen Denkens bezeichnet ist, obgleich es sich nur in ihnen bezeugt. Mit dieser Lehre von der transzendentalen Einheit der Apperzeption wird das Problem der Objektivität der Erkenntnisurteile wieder ein nachgeordnetes Problem, weil nämlich die Bedeutung von Erkenntnis zuoberst nicht mehr von ihren Momenten her, sondern aus dem unbedingten Geschehen des Wissens selbst verstanden ist, das durch die aus dem Begreifen im Bestimmten fließenden Unterscheidungen nicht eigentlich als solches ausgedrückt werden kann. Indem die Bestimmungen

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des Anschauens und des Denkens die Weisen werden, wie sich das unbestimmte Wesen der transzendentalen Einheit der Apperzeption selbst als Darstellung ausweist und darin Fürsichsein gewinnt, ist in die transzendentale Analytik das Moment eingebracht, das sie selbst in ihrer Möglichkeit als philosophische Reflexion bedingt. Die Bestimmung des Wesens der Erkenntnis bloß vom Vorausgesetzten her, die zu der Lehre von der Erkenntnis als einer Erkenntnis von „bloßer" Erscheinung führen mußte, wird zurückgenommen in eine Erfahrung vom Geschehen des Erkennens, das sich als solches nicht mehr dadurch, daß es Erkennen bloß von Erscheinendem sei, bezeichnen läßt. Die Lehre von der transzendentalen Einheit der Apperzeption gibt es an, daß das Erkennen des Bestimmten das Geschehen des unbestimmten Wesens des Wissens selbst ist; das Unbestimmte, das nach der 1. Auflage noch als das X aus dem Gegensatz des Bestimmten und des Geschehens des Wissens angegeben werden mußte, ist jetzt der unbestimmte Anfang, aus dem ebensowohl das Geschehen des Erkennens wie das Fürsichgelten des Vorausgesetzten, als das dies Geschehen ist, sich verstehen lassen. Freilich, das unbestimmte Wesen der transzendentalen Einheit der Apperzeption muß selbst vom Begreifen im Bestimmten her angegeben und fixiert werden; und so erscheint es auch als die dritte Instanz, die macht, daß das Geschehen des Erkennens hypostasiert erscheint und als solches den Charakter des Vorausgesetzten gewinnt. Aus diesem Zurückgehen der philosophischen Reflexion in die transzendentale Einheit der Apperzeption ergibt sich schließlich als ihre äußerste Ausführung die „Widerlegung des Idealismus", in der darauf verzichtet wird, das unbestimmte Geschehen des Wissens selbst noch als solches zu hypostasieren und es als die transzendentale Einheit der Apperzeption zu setzen; in der vielmehr dies unbestimmte Geschehen als das nicht Angebbare, nicht Hypostasierbare gewußt ist, das sich selbst im gegebenen Bestehen wie im Anschauen und Denken zum Fürsichsein bringt. Das unbestimmte Geschehen des Wissens, wie es aus der Antinomik heraus statthat, das kein „Ich denke", aber auch keine Erscheinung und kein Ansichsein kennt, wird hier zur Basis eines Verstehens des Geschehens von Erkennen, das sich selbst im Vorausgesetzten fixiert, das aber in diesem seinem Faßlichsein nun nicht mehr als das durch sich geltende Faßliche, sondern gerade als das unbestimmte Geschehen, das es ist, sein Fürsichsein gewinnt. Das Problem der Objektivität der Erkenntnisurteile wird damit endgültig abgetan; es ist ein Problem, das sich ergibt, solange die Momente der Fixierung des Geschehens des Wissens durch das Vorausgesetzte für sich abgesondert dastehen und von sich her das Geschehen verstehen lassen sollen. Versteht sich das Geschehen des Erkennens in den Momenten seiner Bestimmung durch das Vorausgesetzte als das unbestimmte Geschehen, das es ist, dann ist das Geschehen des Erkennens durch sich selbst in sich gesichert und alle Unterscheidungen finden nur innerhalb dessen statt, daß das Geschehen des Erkennens als solches die Gewißheit des Verstehens ist. Doch wie in der Lehre von der transzendentalen Einheit der Apperzeption, so bleibt das Wissen der philosophischen Reflexion

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auch hier noch dadurch bezeichnet, daß es sich dem Vorausgesetzten ursprünglich als einem nur durch sich und für sich Geltenden zuwenden muß, das das Wissen der natürlichen Reflexion der Vernunft durch sich fixieren soll, ohne daß man angeben könnte, welches sein Verhältnis zu diesem Wissen sei. Was materielles Bestehen und was Begreifen bedeutet, das ist im Vollzug der unbestimmten Bedeutung des Wissens als Sichbezeugen wohl als Verstehen offenbar, im Bestimmten aber ist diese Bedeutung nur auf die Weise des Vorausgesetzten und damit in einem Ungenügen des Verstehens zu sich selbst, in dem die Bedeutung nur noch auf die Weise des festgestellten Bestimmten faßbar ist. So bleibt die Reflexion, die in der transzendentalen Analytik statthat, auch in der äußersten Ausführung, die sie in der Widerlegung des Idealismus findet, durch das Fürsichgelten des Vorausgesetzten bestimmt, das schon am Grunde des Sichverstehens der Vernunft in der transzendentalen Antinomik liegt und dem sich das Denken in seinem Versuche, sich für sich selbst zur Faßlichkeit zu bringen, neu übergeben hat. In der transzendentalen Antinomik geschieht die natürliche Reflexion aus dem Bestimmten als dem durch sich geltenden Vorausgesetzten; in der transzendentalen Analytik legt sich der philosophischen Reflexion das Geschehen des Wissens, das sich in der Antinomik selbst in unbestimmter Bedeutung erfahren hat, im Vorausgesetzten selbst aus; in beiden Formen der Reflexion bleibt so das Geschehen des Wissens durch das Fürsichgelten der Voraussetzung bestimmt. Die kritische Philosophie bleibt so als ganze dadurch gezeichnet, daß sich für sie das Geschehen des Wissens als Verstehen, das sie erlangt, doch nur so vollziehen kann, daß es sich selbst auf die Weise des Vorausgesetzten erlangt und so das Verstehen es selbst als Verstehen nur ist, indem es darin zugleich das unbestimmte Ungenügen in sich selbst ist. Die transzendentale Analytik geht also wohl darin, daß die Reflexion sich selbst als solche faßlich werden soll, über die transzendentale Antinomik hinaus. Doch, indem das Geschehen des Wissens sich selbst so auf die Weise des Vorausgesetzten zu meinen sucht, da gibt es sich, weil das Vorausgesetzte in seinem Fürsichgelten als Vorausgesetztes nicht aufgehoben ist, in dies Fürsichgelten, von dem es nicht weiß, was es bedeute, hinein. Indem das Wissen als das Vorausgesetzte es selbst ist, da geschieht damit gerade, daß das Fürsichgelten des Vorausgesetzten als Vorausgesetztes die Bedeutung des Unbedingten schlechthin erlangt, das Wissen ist sein Esselbstsein als Vorausgesetztsein. Damit aber ist es sein Geschehen als Verstehen so, daß es sich als Verstehen nur faßt, indem das, worin es sich faßt, sich gerade nur in seinem Fürsichgelten ausweist. So bildet sich von der transzendentalen Analytik her eine gänzlich neue Weise der philosophischen Reflexion aus. Vor Kant meint sich die reflektierende Vernunft in dem Bestimmtsein, das aus ihrem Sichübergebenhaben an das Vorausgesetzte folgt, selbst als Vorausgesetztes, während sich in der kritischen Transzendentalphilosophie und den Formen des Denkens, die aus ihr folgen, die Vernunft, die sich dem Vorausgesetzten übergeben hat, als das unbezügliche Geschehen des Bedürfnisses weiß, das sich doch nachträglich selbst seine Aus-

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legung auf die Weise des Vorausgesetzten gibt. Vor Kant weiß sich die Vernunft in ihrem Sidiverstehen so, daß sie sich selbst auf die Weise des bestimmten Etwas meint; von der transzendentalen Analytik ab weiß sie sich so, daß sie, indem sie sich auf die Weise des bestimmten Etwas auslegt, ihrer selbst schon vorgängig als Geschehen in unbestimmter Bedeutung inne ist, das aus dem Vollzug der transzendentalen Antinomik fließt und das durch sein Sichübergeben an das Bestimmte nicht gebunden werden kann. Die Position, von der die kritische und die nachkritische Philosophie ihren Ausgang nehmen muß, ist die Position der transzendentalen Antinomik, die selbst nicht eigentlich eine Position der philosophischen Reflexion ist, sondern das Ihrerinnesein und das Verweilen der Vernunft in ihrem Geschehen, sofern es sich aus der Bindung in das Vorausgesetzte heraus vollzieht. Darin, daß so die natürliche Reflexion der Vernunft vor aller philosophischen Reflexion für sich gelten kann, liegt der Umschwung des Denkens in bezug auf die Metaphysik, in der zuvor die natürliche Reflexion der Vernunft immer schon durch das Vorausgesetzte festgelegt und damit zur Behauptung raisonnierenden Philosophierens gemacht worden war. In der vorkantischen Philosophie ist die natürliche Reflexion der Vernunft unmittelbar philosophische Reflexion, d. h. sie geschieht als im Vorausgesetzten verfahrendes Raisonnement. Von Kant ab sind die natürliche Reflexion und die philosophische Reflexion getrennt. In der natürlichen Reflexion kommt die Vernunft als Bedürfnis zu sich selbst; in der philosophischen Reflexion sucht diese bedürftige Vernunft sich selbst die Gestalt des in sich fixierten Faßlichseins zu geben, und die philosophische Reflexion kann dies nur tun, indem sie sich darin schon in der Täuschung über sich selbst weiß. Damit tritt für das ausdrückliche Sichverstehen die Trennung des Sichverstehens des Menschen im gelebten Leben von seinem Sichverstehen in der aus diesem gelebten Leben und als von ihm selbst verlangt entspringenden philosophischen Theorie ein. Man kann also wohl sagen, daß die kritische und die nachkritische Philosophie darin grundsätzlich über die ältere Metaphysik hinausgehen, daß das Wissen sich im Vorausgesetzten selbst als Wissen, als als Bedürfnis geschehende Vernunft, meint, daß aber diese Philosophie doch zugleich hinter dieser älteren Metaphysik darin zurückbleiben muß, daß sich die Reflexion der geheimen Übereinkunft zwischen ihr und dem Vorausgesetzten nicht mehr anvertrauen kann, sondern ihr Sichverstehen auf die Weise des Vorausgesetzten gerade so entwickeln muß, daß sie das Vorausgesetzte dabei als das ihr genügende nur nimmt, indem sie es schon als das ihr nicht genügende weiß und sich gerade an dies Nichtgenügenkönnen hält. Die alte Metaphysik konnte das Vorausgesetzte als das Geschehen des Unbedingten als Sichbezeugen begreifen, auf die Weise des bestimmten Bestehens konnte ihr die unbedingte Bedeutung geschehen. Dabei wurde das Verhältnis, in dem das bestimmte Gegebensein und die unbedingte Bedeutung stehen, selbst nicht zum Gegenstand einer Frage. Die transzendentale Antinomik hebt es auf, daß dieses Verhältnis als ein in sich eindeutiges bestehe und daß es sich von selbst verstehe; sie tut dies aber nicht dadurch, daß sie die philosophische Reflexion der Metaphysik in

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sich selbst verfolgte, sondern nur dadurch, daß die Vernunft, ohne zum in sich einsichtigen Wissen über sich selbst kommen zu können, dem Denken im Vorausgesetzten die Befugnis entzieht, durch sich das unbedingte Wesen des Wissens eindeutig auszudrücken, sodaß an die Stelle der metaphysischen Behauptung der Verzicht auf das Behauptenkönnen tritt, der doch über die Gültigkeit der alten Behauptungen nichts ausmachen kann und die Methode der philosophischen Reflexion, die nun allerdings in das vorgängige Sichverfahren der Vernunft im Bedürfnis gebunden bleibt, auch nicht eigentlich wandeln kann. Das alte Begreifen wird nicht in sich selbst fortentwickelt, sondern gleichsam nur von außen abgetan und verdrängt, ohne als solches für ungültig erklärt werden zu können; es bleibt also unausgewiesen, aber auch unaufgehoben stehen, doch so, daß die philosophische Reflexion sich in ihrem neuen Verstehen auf es nicht mehr zurückbeziehen kann und sich nicht mehr in es zu versetzen vermag. Kant hat in der Kritik der reinen Vernunft die theoretischen Gottesbeweise widerlegt. Diese Widerlegung der theoretischen Gottesbeweise, die Kant der transzendentalen Dialektik ebenso zuordnet wie die Antinomik, folgt jedoch einesteils schon aus der Position Humes, und folgt zum anderen — im Unterschied zur Antinomik — der transzendentalen Analytik erst nach und stellt eine Kritik der Ergebnisse der alten Metaphysik, d. h. der dogmatischen philosophischen Reflexion von den Ergebnissen dieser Analytik aus dar. In der Antinomik wird das auf die Weise des Vorausgesetzten geschehende Wissen als solches als das Sicherfahren der Vernunft im Bedürfnis verstanden, in dem die Vernunft sich in ihrem Wissen gerade nicht fixiert und als fixiert auslegt. In den theoretischen Gottesbeweisen der Metaphysik findet Kant ein solches fixiertes Ergebnis der Reflexion der Vernunft, von dem die sich in der Antinomik verstehende Vernunft also a priori weiß, daß es ihr nicht entspringt und daß es da behauptet, wo die Vernunft sich selbst nicht auf die Weise der Behauptung verstehen kann. Diese Gottesbeweise, die so als die Behauptung einer Auflösung der Dialektik der Vernunft verstanden sind, zu der die Vernunft durch sich nicht gelangen kann, werden aber in der „Dialektik der reinen Vernunft" nicht in sich selbst untersucht, sondern sie werden von den Ergebnissen der transzendentalen Analytik her verstanden und kritisiert. Aus dem Sichverstehen der Vernunft als Bedürfnis, wie es in der transzendentalen Antinomik statthat, geht unmittelbar hervor, daß es für uns keine theoretischen Gottesbeweise geben kann, aber es geht nur auf die Weise hervor, daß die Vernunft eben Bedürfnis sein muß, es geht nicht so hervor, daß die Vernunft die metaphysischen Beweise aus einem ihr eigenen Standpunkte kritisieren und ablehnen könnte. Die Vernunft weiß nur, daß man auf die Weise der Behauptungen sich nicht über das Unbedingte genugtuend erklären könne, sie weiß nicht, welches die verborgene Bedeutung solcher Behauptungen sei. Wenn die Vernunft von den Ergebnissen der transzendentalen Analytik her zu einer behauptenden Kritik der theoretischen Gottesbeweise gelangen will, dann wird dadurch die Position, die die Vernunft in der transzendentalen Antinomik erlangt hat, zwar nicht eigentlich gewandelt

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oder ergänzt, aber ihr Wesentliches, nämlich das Sicherhalten der Vernunft im Unbestimmten und in der Bescheidung in ihrem Bedürftigsein wird für die Gegenargumentation doch zugunsten des Behauptens aufgehoben, eines Behauptens, das aus der Fixierung folgt, die die Vernunft sich in der philosophischen Reflexion der transzendentalen Analytik gegeben hat und das die natürliche Reflexion der Vernunft gar nicht mehr als solche ausdrückt. Die eigentliche Stellungnahme zu den alten theoretischen Beweisen bringt, selbst wenn diese Beweise darin gar nicht verstanden sind, die Antinomik selbst, die nichts behauptet. Die Widerlegung der Gottesbeweise ist nicht die Widerlegung dieser alten metaphysischen Behauptungen, die die Vernunft, die sich in der transzendentalen Reflexion erhält, gar nicht mehr als solche vollzieht, sondern sie ist die aus dem Ergebnis der transzendentalen Analytik — dogmatisch — geführte Kritik an der im Denken immer noch liegenden Versuchung, mit seinen Mitteln — dogmatisch — das Unbedingte zu behaupten. Es liegt auch in der philosophischen Reflexion, die das Erkennen als ein Erkennen bloß von Erscheinendem behauptet, doch noch die Versuchung, durch das Vorausgesetzte das Unbedingte als solches zu erlangen. Das Vorausgesetzte, das ja als solches in seinem Fürsichgelten bleibt, kann immer noch als das begriffen werden, das durch sich selbst das Unbedingte als solches eröffnet. Diese Versuchung, die im Geschehen des Begreifens im Vorausgesetzten als solchem liegt, wird aus dem Ergebnis der Lehre der transzendentalen Analytik nicht so abgewiesen, daß sie direkt aus diesem Ergebnis widerlegt wird, sondern so, daß ihr die Behauptungen, in denen dies Ergebnis sich darstellt, als die in sich ausgewiesene Lehre der philosophischen Reflexion entgegengesetzt werden. Der transzendentalen Analytik ist das Vorausgesetzte nicht der Ort des Geschehens der Reflexion der Vernunft, es ist ihr vielmehr bloßes Fürsichgelten in seinem Bestimmtsein, in seiner Identität, in der sich die Bedeutung, die die Vernunft in ihrer natürlichen Reflexion in der Antinomik gewonnen hat, selbst dogmatisch fixiert. Die Lehre von der Erkenntnis als einer Erkenntnis von „bloßer" Erscheinung ist der Ausdruck dieser Fixierung der als Bedürfnis geschehenden Vernunft im Fürsichgelten des Vorausgesetzten. Die Vernunft weiß sich mit dieser Lehre, in der sie ihr Geschehen als Bedürfnis auf dogmatische Weise im Vorausgesetzten fixiert hat, auch in der Täuschung über sich selbst. In solcher Selbsterfahrung erlebt sie auch die Versuchung, sich selbst durch das bloße Begreifen im Vorausgesetzten Befriedigung zu beschaffen, eine Befriedigung, die sie ablehnen muß, eben weil sie nur Bedürfnis sein kann, die sie aber mit dogmatischem Fanatismus behauptend ablehnt, eben weil sie sich in — durchschauter — Täuschung an das Ergebnis der transzendentalen Analytik verloren hat. In der Durchführung der Kritik drückt sich dies so aus, daß behauptet wird, alle die Reflexion des Wissens auf sich selbst betreffenden Aussagen könnten nur aus dem Ergebnis der transzendentalen Analytik gemacht werden; Aussagen, die diesen Anspruch, die Reflexion selbst zu betreffen, erheben, ohne aus

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der transzendentalen Analytik hervorzugehen, wären gar nicht Aussagen, die die Reflexion betreffen, sondern beträfen nur Strukturverhältnisse an dem für sich geltenden Vorausgesetzten als solchem. Daß die Vernunft versucht, im Begreifen des Vorausgesetzten doch das Unbedingte als Unbedingtes zu meinen, wird übergangen und nur diese Nebeneinanderstellung eines Denkens, das bloß Strukturverhältnisse im Vorausgesetzten zum Gegenstande hat, und eines Denkens, dem es im Vorausgesetzten um das Sichverstehen der Vernunft als Vernunft geht, vorgenommen. Was das Denken dazu bewegt, den theoretischen Gottesbeweis zu versuchen, kann im Rahmen solcher Reflexion überhaupt nicht untersucht werden, obwohl sie selbst die Versuchung zu einem solchen Denken in sich erfährt. Indem aber die Widerlegung auf die Weise der Behauptung vorgenommen wird, kann sie nur so geschehen, daß die philosophische Reflexion, wie sie in der transzendentalen Analytik durchgeführt ist, sich in ihrem Ergebnis selbst behauptet, indem sie auf das metaphysische Anliegen gar nicht eingehen kann, sondern vielmehr dies Verfahren als das in sich unverständliche Ausgehen eines Begreifens der Strukturen des Vorausgesetzten auf ein gegebenes Unbedingtes bestimmen muß. So führt die Widerlegung der theoretischen Gottesbeweise nicht über das Wissen der transzendentalen Antinomik hinaus, sie verstellt vielmehr durch ihre Behauptungen die Bescheidung, die die Vernunft in der transzendentalen Antinomik ist, daß sie sich nämlich nur als Bedürfnis selbst erfahren könne, das sich gerade nicht in Behauptungen darstellen kann. Was Kant selbst so deutlich ausgesprochen hat, daß nämlich die ganze kritische Philosophie als die Auflösung des dem Denken durch die transzendentale Antinomik aufgegebenen Problems anzusehen sei, das muß in dem Sinne näher bestimmt werden, daß diese Auflösung nicht etwa durch eine diese Antinomik — unabhängig von ihr — von außen begutachtende Vernunft, die selbst gleichsam bloße — als solche inhaltsleere — Urteilskraft wäre, vorgenommen ist, sondern daß es der Vollzug des Geschehens des Wissens in dieser Antinomik selbst ist, der, indem das Wissen sich in ihm als in sich noch nicht beschlossen erfährt, unvermeidlich seine Fortentwicklung enthält, in der das Wissen dazu zu gelangen sucht, es selbst als Übereinkommen zu sein. In der transzendentalen Antinomik geschieht die Vernunft als Bedürfnis, in dem Geschehen des Wissens als Bedürfnis aber liegt es, daß es durch den Vollzug und die Verwirklichung, in denen es sich selbst findet, als Geschehen von Verstehen nicht in sich beschlossen sei, daß es über das unmittelbare Geschehen seines Vollzuges noch hinausgehen müsse, damit das Verstehen nicht nur im Fürsichgelten des Bestimmten verstehe, sondern sein Geschehen im Bestimmten als solches Geschehen als Verstehen sei. Aus der Position der transzendentalen Antinomik, in der das Geschehen des Wissens sich dergestalt im Bestimmten selbst ein Unbestimmtes bleibt, muß das Denken daher gleichwohl auf das Vorausgesetzte zurückkommen und versuchen, in dem, was es auf unbestimmte Weise in sich selbst meint, in diesem Vorausgesetzten und als es Faßlichkeit zu gewinnen. Das Vorausgesetzte ist so als der Ort einer unbestimmten unbedingten Bedeutung gemeint, die es als solches durch sich ausdrücken 8 Kopper, Reflexion

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Der in sidi reflektierte Determinationsbegriff

müsse, wenngleich die Vernunft, die sich schon aus ihm versteht, sie nur auf die Weise des Bedürfnisses zu sein vermag. Dieses Sichbeziehen nun der Vernunft in ihrem unmittelbaren Sichverstehen, wie es aus ihrem Sicherfahren vom Bestimmten her gegeben ist, auf das Fürsichgelten des Vorausgesetzten ist nicht mehr nur bloßer Vollzug der natürlichen (transzendentalen) Reflexion der Vernunft aus ihrer weltlichen Situation heraus, sondern bedarf einer Verwirklichung der Vernunft als in sich unbestimmte Urteilskraft, wodurch sie sich aus dem natürlichen Sichverstehen, als das sie als solche geschieht, auf das für sich geltende Vorausgesetzte als das ihr Entsprechende bezieht. Dieser Akt der als unbestimmte Urteilskraft geschehenden Vernunft ist der Akt der philosophischen Reflexion, der sich als Raisonnement im Vorausgesetzten entfaltet. Ursprüngliche Gewißheit dieser philosophischen Reflexion, die sich in ihrem Raisonnement auch anfänglich darstellt, muß es sein, daß die gegenständliche Bedeutung des gegebenen Vorausgesetzten als das unbestimmte unbedingte X eben das sei, was die unbestimmte Bedeutung des Geschehens der Vernunft auf die Weise des Bedürfnisses ist. Eben das Vorausgesetzte, das macht, daß die Vernunft in der natürlichen Reflexion der unbedingten Bedeutung nur auf die Weise des Bedürfnisses inne sein kann, ist es auch, das der Vernunft die Möglichkeit gibt, aus ihrem Sicherfahren als Bedürfnis heraus philosophische Reflexion zu sein und das Geschehen der unbedingten Bedeutung als solches zu meinen. Doch auch diese Möglichkeit gibt es der Vernunft nur, indem es zugleich das bloße Fürsichgelten bleibt. Und als dieses Fürsichgelten grenzt sich das Vorausgesetzte gerade von der unbestimmten unbedingten gegenständlichen Bedeutung, als die die Vernunft sich in der philosophischen Reflexion aus ihm meint, als sich nur als sein Bestimmtsein darstellend aus. Es findet so durch die philosophische Reflexion eine Entwicklung des Geschehens des Wissens statt, in der das Wissen in gewisser Weise dazu gelangt, sich selbst zu entsprechen, und so nicht mehr nur Bedürfnis ist. Das Wissen der Vernunft bleibt gleichwohl auch Bedürfnis, denn das Vorausgesetzte, in dem die Vernunft Wissen ist, vermag dadurch, daß es doch imstande ist, das Geschehen des Wissens als Sichverstehen durch sich zur Übereinkunft gelangen zu lassen, das Geschehen des Wissens nicht eigentlich zu wandeln. Das Ineinsgehen des Fürsichgeltens des Vorausgesetzten und des Geschehens des Wissens als unbedingte Bedeutung auf die Weise des Vorausgesetzten, welche Bedeutung doch durch das Fürsichgelten nicht dargetan werden kann, geht auch in der philosophischen Reflexion nicht als Verstehen hervor. Wenn auch die Unangemessenheit in sich der Vernunft durch die philosophische Reflexion in gewisser Weise überwunden wird, so geschieht doch diese Überwindung gerade nur aus dem Unangemessenen heraus und als die Verwirklichung dieses Unangemessenen selbst. Und die Täuschung der Vernunft über sich selbst, in der sie sich immer auch schon durchschaut, besteht gerade darin, daß sie vorgibt, durch ihr Eingehen in das Fürsichgelten des Vorausgesetzten das unbestimmte Wesen ihres Bedürftigseins selbst auf die Weise des Bestimmten ausdrücken zu können. Die philosophische

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Reflexion vollendet die als Bedürfnis geschehende Vernunft nicht so in sich selbst, daß dabei der Vollzug des Wissens sich sich selbst in seinem Geschehen als Verstehen eröffnet, sondern so, daß diese Vollendung aus dem Geschehen der Vernunft in der Unzulänglichkeit zu sich selbst vollzogen ist und so die aus der Unzulänglichkeit der Vernunft zu sich selbst statthabende Zuwendung der Vernunft zu ihrem Geschehen als Übereinkommen ist. In der transzendentalen Analytik gelangt das Wissen der Vernunft über die Antinomik dadurch hinaus, daß es sich doch auf die Weise des Vorausgesetzten als Wissen selbst verstehend erlangt, während es in der Antinomik nur die Erfahrung der Unzulänglichkeit seiner selbst macht. Aber daß das Wissen sich im Vorausgesetzten dergestalt selbst als Übereinkommen erlangen kann, das hebt die Unzulänglichkeit in sich des Wissens, das sich in der Antinomik findet, und hebt die Unzulänglichkeit des Vorausgesetzten in seinem Fürsichgelten zum Geschehen des Wissens als Verstehen nicht auf, sondern bedeutet nur, daß das Wissen sich gleichwohl im Vorausgesetzten als sein Geschehen als Esselbstsein weiß, wenn es auch die Unzulänglichkeit, d. h. das Unbestimmtsein und Ungenügen, auf deren Weise es dies Esselbstsein ist, unaufhebbar miterfährt. Die transzendentale Antinomik und die transzendentale Analytik machen so zusammen das Geschehen des Wissens als Verstehen aus, wie es als Reflexion, d. h. sofern es sich als Verstehen meint, vom Vorausgesetzten her möglich ist. Indem die transzendentale Analytik der transzendentalen Antinomik hinzugefügt wird, da geht das Wissen über sein Geschehen als Bedürftigsein zu dem hinaus, was es in der Antinomik noch nicht ist, nämlich zu dem auf die Weise des Vorausgesetzten für die Vernunft selbst geschehenden Übereinkommen; doch es kann dies Fortgehen nur sein, indem es darin Unangemessenheit bleibt, und es ist darin zugleich Sichhingeben an die Täuschung über sich selbst, denn das Vorausgesetzte ist von seinem Bestimmtsein her gerade auch nur das Fürsichgelten in seinem besonderen Gegebensein. Das Geschehen des Wissens erfährt sich in der Antinomik selbst als Unangemessenheit und meint sich in der Analytik als Übereinkommen; aber beide Male gibt es sich nicht als solches, sondern es gibt sich durch das Fürsichgelten des Vorausgesetzten an. In dem, was das Wissen in der Reflexion über sich angibt, ist es so doch nicht als solches und für sich selbst bezeichnet. Indem das Wissen sich selbst immer nur auf die Weise des Vorausgesetzten angeben kann, bleibt es zugleich das unbestimmte Geschehen einer Bedeutung, die sich als solche nicht für sich fassen und aussagen kann. Die transzendentale Antinomik kann dann auch von den Ergebnissen der Analytik her in ihrer Bedeutung bestimmt und kritisiert werden; und so kann über sie befunden werden, daß die Vernunft das Unbedingte im Bedingten wohl meinen könne, daß das Bedingte aber von sich her immer nur Bedingtes offenbaren könne, da ja vielmehr das Unbedingte, das in ihm auch liegt, sich nur in der philosophischen Reflexion der transzendentalen Analytik und auf ihre Weise eröffne, sich aber keineswegs vom Vorausgesetzten in seinem Fürsichgelten her darstellen könne. So wird die Antinomik aus ihrem ursprünglichen Anliegen, 8»

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Der in sich reflektierte Determinationsbegriff

daß nämlich auf die Weise des Wissens der Welt das in sich unbedingte Wissen geschehe, heruntergebracht dazu, dieses Anliegen in einem Wissen auszudrücken, das schon darauf festgelegt ist, daß es ihm nicht entsprechen kann, sondern es immer nur auf die Weise des Fürsichgeltens des Bedingten ausweisen kann. Das Geschehen ohne Ergebnis, das die Vernunft ursprünglich in der Antinomik ist, wird auf das Fürsichgelten des Vorausgesetzten angewandt und wird so zu einem Geschehen, dessen Bedeutung vom Vorausgesetzten her — verworren — angegeben wird und dessen Ergebnis negativ ist. Die Vernunft meint das Unbedingte im Bedingten, aber das Bedingte kann sich nmmer nur in seinem Bedingtsein darstellen.1

Daß Kant die transzendentale Dialektik noch in eine Widerlegung der ,metaphysica specialis' ausgestaltet hat und dabei audi die transzendentale Antinomik auf eine ausdrückliche Widerlegung der metaphysischen Kosmologie hin durdigeführt hat, das ist nicht eigentlich mehr die transzendentale Doktrin selbst, sondern ist der Versuch ihrer Anwendung auf die alten metaphysischen Lehren, die in dieser Art der transzendentalen Reflexion, die sich ihr Wissen selbst noch auf die Weise bestimmender Aussagen vorstellig machen muß, die also selbst noch durch das Fürsichgelten des begriffenen Bestimmten bezeichnet ist, gar nicht begriffen werden können, da sich diese Doktrin, eben dieser Bindung an das Fürsichgelten des Bestimmten wegen, in dem sie dann als Verstehenkönnen festgelegt ist, gar nicht in die Möglichkeiten versetzen kann, die dem Geschehen des Determinationsbegriffes als Reflexionsbegriff außerhalb dieser Art der transzendentalen Reflexion auch noch offenstehen, so wenig wie die metaphysischen Lehren, eben weil auch sie die Reflexion auf die Weise des Fürsichgeltens des Bestimmten festlegen, dies leisten könnten. Die Lehren der Metaphysik werden so in der transzendentalen Dialektik als etwas, was sie gar nicht sind, nämlich als die Behauptung, daß das Bestimmte als Bestimmtes das Geschehen der unbedingten Bedeutung des Wissens sei (welche Behauptung nur eine doktrinäre Fiktion sein kann, von der, daß sie so gar nicht geschehen könne, im transzendentalen Wissen auch immer schon durchschaut ist), widerlegt; doch sie werden nicht so widerlegt, daß sie unmittelbar am transzendentalen Wissen, an der transzendentalen Doktrin gemessen wären, sondern so, daß diese Doktrin sidi selbst diesen — angeblichen — Lehrstücken der ,metaphysica specialis' entgegensetzt und sich so selbst als die Lehre davon darstellt, daß die unbedingte Bedeutung des Wissens nur auf die Weise des faktisch aufgefaßten begriffenen Bestimmten statthaben könne. Damit aber wird in dieser der transzendentalen Dialektik hinzugefügten Kritik der ,metaphysica specialis' gerade die entscheidende Einsicht der transzendentalen Doktrin preisgeben, daß nämlich der transzendentalen Reflexion das Begriffene nicht einfach nur in seinem Bestimmtsein gilt und gegeben ist, sondern daß ihr dieses Bestimmtsein als solches gerade schon das Geschehen des Reflexionsbegriffes, daß es ihr als solches gerade schon die unbedingte Bedeutung des Wissens selbst ist. Durch ihre Bindung in das Fürsichgelten des Bestimmten nimmt sich die transzendentale Doktrin die Möglichkeit, anders auslegen zu können als so, daß sie sich selbst in dieser Auslegung zu einem bloßen Sichhingeben des Denkens an die bestimmte Erfahrung macht. Nur in ihrem unmittelbaren Vollzuge ist die transzendentale Doktrin eigentlich transzendental. Sobald sie als Prinzip der Auslegung gelten soll, muß sie sich selbst in den bestimmenden Aussagen, auf deren Weise sie sich vollzieht, als in faktisch gültigen Aussagen festlegen. So kann also etwa in der Widerlegung des ontologischen Gottesbeweises nicht nur nicht ein Verständnis dessen erlangt

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Das Geschehen des Wissens ist also weder durch das Unangemessensein, das es in der Antinomik ist, noch durch die Faßlichkeit und Angebbarkeit, die es in der Analytik ist, noch auch durch die Unzulänglichkeit, in der es sich durch eben dies sein Faßlichsein erfährt, als solches offenbar. Es geht als Geschehen ebensowohl über die natürliche Reflexion der transzendentalen Antinomik wie über die philosophische Reflexion der transzendentalen Analytik hinaus. In der Kritik der praktischen Vernunft und in der Kritik der Urteilskraft trägt es sich als Geschehen selbst in die philosophische Reflexion hinein, überwindet damit die Grenzen der theoretischen Philosophie, aber übergibt sich ebendann auch als Geschehen dem Fürsichgelten des Vorausgesetzten, sodaß die Vernunft sowohl als praktische Vernunft als auch als Urteilskraft in den Widerstreit mit sich selbst eintreten muß, indem sie sich in ihrem Verhältnis zum Vorausgesetzten zugleich als die unbedingte Preisgabe ihrer selbst und als die Offenbarung ihrer selbst weiß. So kann das Geschehen des Wissens in der kritischen Philosophie letztlich nirgendwo für sich selbst rein als Verstehen geschehen, obgleich es auf die Weise des Vorausgesetzten auch Verstehen ist.

werden, was das metaphysische Denken eigentlich in diesem Beweise meinte, sondern es muß überdies die transzendentale Doktrin auf diesen Beweis so bezogen werden, daß sie dabei den Charakter einer Lehre annimmt, nadi der alle Gültigkeit der Erkenntnis allein aus der Erfahrung entspringe. Man kann sagen, daß die transzendentale Doktrin selbst, sofern sie unmittelbarer Vollzug ist, die transzendentale Wendung der metaphysischen Gottesbeweise ist, daß aber die Widerlegung dieser Beweise, wie sie in der künstlichen Fortgestaltung der Dialektik gegeben wird, die Verzerrung der transzendentalen Doktrin zu einer Dogmatik der bloßen Erfahrung ist.

III. Die Reflexion auf den in sich reflektierten Determinationsbegriff 1. Der Widerstreit in der transzendentalen Reflexion Kant hat in der transzendentalen Antinomik das Wissen der Reflexion im Ausgang von dem Begreifen im Bestimmten seine Verwirklichung finden lassen wollen, ohne daß er dabei das Begreifen im Bestimmten als solches selbst wieder zum Gegenstand der Reflexion gemacht hätte. Die Reflexion verwirklicht sich vielmehr nur im unmittelbaren Ausgang vom Begreifen im Bestimmten. In diesem unmittelbaren Sichverwirklichen der Reflexion auf die Weise des Begreifens des Bestimmten ergibt sich eine Bewegung in sich dieses Begreifens, die sich aus ihm selbst nicht verstehen läßt, die aber in ihrem Faßlichsein allein durch das Begreifen selbst angegeben ist. In dieser Situation versteht sich die Vernunft als Geschehen von Verstehen, das doch Unangemessensein ist, und dies ihr Geschehen als Sichverstehen, das doch Unangemessenheit ist, drückt sich in dem Begreifen im Bestimmten dadurch aus, daß dieses Begreifen einerseits in seinem Fürsichgelten das Geschehen des Wissens als Verstehen bedeutet und daß es sich andererseits nur als Begreifen im bloßen Fürsichgelten des Bestimmten darstellt. Die Bedeutung des Begreifens im Bestimmten oder des Vorausgesetzten, wie sie hier statthat, ist also keineswegs mehr die, die dieses Begreifen hat, sofern es sich nur als Begreifen des bestimmten Gegenstandes verwirklicht und es ihm nur um das Begreifen dieses Gegenstandes geht. Das Begreifen ist, sofern es durch sich die Reflexion nicht ausdrückt, nur mit seinem bestimmten Gegenstande befaßt und hat seine Bedeutung allein in seinem Bestimmtsein. Tritt die Reflexion in dieses Begreifen ein, so wird seine Bedeutung in sich selbst verwandelt. Da die Reflexion selbst nur auf die Weise des Bestimmten geschieht und nicht für sich selbst als ein Angebbares dasteht, ist diese Verwandlung, die mit dem Begreifen des Bestimmten vor sich geht, selbst nur auf die Weise des Begreifens im Bestimmten anzugeben, sodaß eine neue Bedeutung dieses Begreifens der alten gegenübersteht, ohne daß man über das Geschehen dieser Verwandlung weiter etwas angeben könnte. Das Begreifen, in dem es zuvor nur um das Bestimmte in seinem Bestimmtsein ging, ist nun, indem es durchaus nicht mehr geworden ist als eben Begreifen im Bestimmten, eben darin ein auf die Weise des Bestimmten geschehendes Meinen des Geschehens des Verstehens als Verstehen geworden, für das das Bestimmte als solches, in seinem Bestimmtsein, das unbedingte Geschehen von Erkennen und Verstehen ist. Aus dieser in sich gedoppelten Bedeutung des Begreifens im Bestimmten geht die Antinomie der Vernunft hervor.

Der Widerstreit in der transzendentalen Reflexion

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Während also das einfach für sich geltende Begreifen über seinen Bezug zum Geschehen des Wissens als in sich unbedingtes Verstehen gar nichts ausmacht, sondern sich lediglich an das Bestimmtsein hält, in dem es Begreifen ist, gibt die reflektierende Vernunft in das Begreifen diesen Bezug zum Verstehen hinein, und in dieser Rücksicht erweist sich das Begreifen sowohl als irgendwie geeignet, durch sich selbst und als es selbst das unbedingte Geschehen des Erkennens als Verstehen darzustellen, als es auch darauf zurückgeworfen ist, als Begreifen im Bestimmten immer nur die Verhältnisse in sich des Bestimmten, d. h. bloß des durchgängig Bedingten meinen zu können. Beide Bedeutungen sind, obwohl sie im Bestimmten geschehen, dadurch daß es in ihnen um das Geschehen des Bestimmten als Verstehen geht, in sich unbestimmte Bedeutungen; als das Begreifen des Bestimmten geschieht ein Wissen, das durch die Bestimmung als solche nicht angegeben werden kann. Es läßt sich an dieser Stelle der Unterschied der Transzendentalphilosophie von der alten Metaphysik besonders bemerklich machen. Das metaphysische Denken faßte die Identität, in der sich das Bestimmte durch sich in der Reflexion anzeigt, unmittelbar als das unbedingte Geschehen des Erkennens auf, sodaß das positive Verhältnis des Bestimmten zum Verstehen als solches im Wissen der Identität erscheinen konnte. Eine Antinomik der Vernunft kann sich da nicht entwickeln, sondern das Unbedingte wird unmittelbar aus dem Bestimmten gewußt. Der ontologische Gottesbeweis mußte gleichwohl auch im metaphysischen Denken selbst deswegen wieder bestritten werden, weil das Wissen der Identität doch immer nur auf die Weise des Bestimmten und seines besonderen Bestimmtseins geschieht. Während aber das metaphysische Denken so das Unbedingte entweder bejaht oder leugnet, zeichnet sich die transzendentale Reflexion eben dadurch aus, daß sie im Sichverstehen des Erkennens als Erkennen beides zusammennimmt. Die erste Stufe aber dieses Wissens ist die transzendentale Antinomik. Der Widerstreit in sich der Reflexion tritt hervor, wenn es auf die Weise des Begreifens des Bestimmten, auf die Weise der Erkenntnis des Bedingten, um das unbedingte Geschehen des Erkennens als es selbst geht, wenn es die Frage ist, was es bedeute, daß auf die Weise des Bedingten und als es das Unbedingte als solches geschehen könne. Die kritische Philosophie ist dadurch charakterisiert, daß sie in dieser Position des Hervorgehens der Reflexion aus dem Begreifen im Bestimmten verbleibt. Das Begreifen im Bestimmten gilt durch sich selbst, die Reflexion erfüllt sich in ihm, ohne daß sie imstande sein könnte, auf dieses Begreifen selbst zurückzukommen, es als solches das Geschehen der Reflexion als Reflexion sein zu lassen. Der kritischen Reflexion geschieht das Begreifen im Bestimmten als das Vorausgesetzte, über das als solches sie nicht mehr befindet, sondern von dem her sie vielmehr ihren Ausgang nimmt und sich von ihm her als das Geschehen von Verstehen, das sie ist, ausdrückt. Aus der kantischen Transzendentalphilosophie heraus aber, nicht insofern sie erst erstellt werden muß, sondern sofern sie aus dem Verstehen, das sie ist, verstanden werden kann, sofern also das Verstehen, das sie vom Bestimmten her

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Die Reflexion auf den in sidi reflektierten Determinationsbegriff

ausdrückt, selbst wieder verstehend gewußt ist, ist es möglich, auch das Geschehen des Begreifens im Bestimmten selbst aus der Reflexion und als sie zu verstehen. Solche Reflexion kann in der kantischen Philosophie selbst nicht vollzogen werden, sie kann aber für ein reflektierendes Denken, das selbst aus der kantischen Transzendentalphilosophie seinen Ausgang nimmt, möglich sein. Das Denken, das aus der Transzendentalphilosophie seinen Ausgang nimmt, ist der Vollzug der Antinomik der Vernunft nicht mehr so, daß es dabei — wie dies in der transzendentalen Dialektik der Kritik der reinen Vernunft statthat — das Begreifen im Bestimmten als solches einfach gelten läßt, sondern es übernimmt das Begreifen im Bestimmten aus dem Geschehen des Verstehens, wie es in der Transzendentalphilosophie erreicht ist. Das bedeutet also, das Denken muß seinen Ausgang zwar auch weiterhin von dem Begreifen des Bestimmten nehmen, aber dieses Begreifen im Bestimmten ist ihm das Vorausgesetzte so, daß es dabei doch schon in der Reflexion gewußt ist. Es besteht also für dieses Denken nicht etwa eine anfängliche Überwindung des Vorausgesetzten als solchen, aber das Vorausgesetzte ist doch als etwas, als das das Geschehen von Reflexion statthat, erfahren. Aus dieser Situation des Wissens kann das Denken im Vorausgesetzten in der philosophischen Reflexion so übernommen werden, daß es der Reflexion auf die Weise des Vorausgesetzten um sich selbst als solche geht. Man kann also sagen, es gehe in der nachkantischen Philosophie der philosophischen Reflexion darum, daß sie sich selbst als solche auf die Weise des Begreifens im Bestimmten verstehe, in dem sie sich doch, indem sie als Verstehen geschieht, selbst als Verstehen entzogen zu sein scheint. Die kantische Philosophie ist das Geschehen der Reflexion, die sich als das Vorausgesetzte weiß, auf die Weise des Fürsichgeltens des Vorausgesetzen, die nachkantische Philosophie kann auch das Fürsichgelten des Vorausgesetzten, durch das die Reflexion ausgelegt wird, noch aus der Reflexion verstehen. Das bestimmende Begreifen, das in der transzendentalen Ästhetik und in der transzendentalen Analytik das Geschehen der Reflexion auf die Weise des Vorausgesetzten noch auslegt, kann in der nachkantischen Philosophie als solches als das Geschehen der Reflexion verstanden sein. Daß die Reflexion sich selbst so auf die Weise des Vorausgesetzten verstehe, das kann alsdann so durchgeführt sein, daß das Vorausgesetzte durch sich selbst als solches angeben soll, was das Geschehen der Reflexion bedeutet: in dieser Gestalt ist das reflektierende Denken es selbst als die als Sichdurchschauen geschehende Täuschung über sich selbst. Die Versuchung zu diesem Denken ist das eigentliche Verhängnis der nachkantischen Philosophie. Die Behauptung der Reflexion darüber, daß sie sich selbst im Begreifen entspreche, geschieht hier als Unaufrichtigkeit. Was die Reflexion, indem es ihr so darum geht, daß sie auf die Weise des Vorausgesetzten sie selbst als Sichverstehen sei, eigentlich meint, ist nicht, daß das Vorausgesetzte als solches das Wesen der Reflexion annehme, sondern daß das Geschehen von Reflexion sich selbst als solches als das Vorausgesetzte angebe. Die Reflexion läßt das Vorausgesetzte nicht als sie selbst offenbar

Der Widerstreit in der transzendentalen Reflexion

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werden, sondern sie versteht sich in ihrem Geschehen selbst auf die Weise des Vorausgesetzten und als es. Das Fürsidigelten des Vorausgesetzten nimmt so als solches den Charakter der Reflexion an. Die Reflexion, die das Begreifen im Bestimmten in sich versteht, stellt sich sich selbst auf die Weise des Fürsichgeltens des Vorausgesetzten dar, das sie ja als ihr angeeignet weiß, das sie aber gleichwohl als solches — als das Fürsichgelten, das es ist — als das Material ihres Sichverstehens nimmt. In der kantischen Philosophie legt sich das Wissen der Reflexion, das sich auf die Weise des Vorausgesetzten doch selbst als solches weiß, auf die Weise des Fürsichgelten des Begreif ens im Bestimmten sich noch in der kantischen Philosophie kann es dieses einfache Fürsichgelten des Begreifens im Bestimmten nicht mehr geben, sondern das Fürsichgelten des Begreifens hat hier selbst schon die Bedeutung des Geschehens der Reflexion. Die Selbstverständlichkeit, in der das Fürsichgelten des Begreifens im Bestimmten sich noch in der kantischen Philosophie darstellt, muß dahinfallen, wenn dieses Fürsichgelten selbst schon als das Geschehen der Reflexion erfahren ist. Auf die Weise des Begreifens im Bestimmten und seines Fürsichgeltens geht es dann so um die unbedingte Bedeutung des Wissens, daß diese unbedingte Bedeutung sich selbst auf die Weise des Fürsichgeltens des Vorausgesetzten und als es darstellen soll. Das Begreifen im Bestimmten gilt als solches als das Geschehen der Reflexion, es ist als es selbst das Geschehen des Bestimmungslosen, dessen, was durch Bestimmung nicht als solches angegeben werden kann. Das Denken hat so nicht mehr die Bedeutung der alten metaphysischen Reflexion, der das Vorausgesetzte durch sein Bestimmtsein eine unbedingte Bedeutung angab, die selbst nicht mehr als ein besonderes Bestimmtes, wohl aber nur durch das Bestimmtsein verstanden werden konnte; es ist auch ein anderes als das der kantischen Transzendentalphilosophie, der das Wissen der Reflexion aus der Antinomik heraus für sich selbst und durch sich selbst gilt und sich auf die Weise des Begreifens im Bestimmten nachträglich sein Faßlichsein gibt. Diesem Denken ist das Vorausgesetzte in seinem Bestimmtsein als solches der Vollzug des unbedingten Geschehens des Verstehens. Während also in der Metaphysik im Vorausgesetzten selbst zu einer Bedeutung übergegangen wird, die als solche nicht mehr als das Vorausgesetzte angegeben werden kann, während sich in der kantischen Transzendentalphilosophie durch das Begreifen im Bestimmten das Wissen der Reflexion, das aus dem Fürsichgelten des Vorausgesetzten heraus als solches gilt, nur selbst auf die Weise des Vorausgesetzten neu bestätigt, soll in der nachkantischen Transzendentalphilosophie das Vorausgesetzte in seinem Bestimmtsein gerade selbst die unbedingte Bedeutung der Reflexion sein. Sowohl in der Metaphysik als auch in dem kantischen Denken ist die unbedingte Bedeutung als eine solche erfahren, der das Vorausgesetzte, durch das sie sich darstellt, doch auch unangemessen bleibt; in dem nachkantischen Transzendentalismus dagegen geht es darum, daß das Vorausgesetzte gerade als solches, in seinem Bestimmtsein, das Geschehen der unbedingten Bedeutung als solcher ist.

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Die Reflexion auf den in sich reflektierten Determinationsbegriff

Es gilt für das metaphysische Denken, und es gilt auch — der Methode des Raisonnements nach — für die Durchführung der transzendentalen Reflexion, wie Kant sie in der transzendentalen Ästhetik und in der transzendentalen Analytik vornimmt, daß das Geschehen der Reflexion von dem Begreifen in der Determination, durch das es dargestellt werden muß, doch auch unabhängig bleibt, daß, um es in der Anlehnung an die kantische Ausdrucksweise zu sagen, der logische und der transzendentale Vernunftgebrauch in ihrer Bedeutung voneinander geschieden sind, auch wenn der transzendentale Gebrauch sich des logischen zu seiner Darstellung bedienen muß. Die neue Weise des Denkens verlangt, daß das Geschehen der Reflexion als solches durch das Begreifen in der Determination ausgedrückt werde. Der logische Vernunftgebrauch soll selbst der transzendentale Vernunftgebrauch sein. Das Vorausgesetzte soll als solches das unbedingte Geschehen des Wissens sein. Die philosophische Reflexion befriedigt sich nicht damit, aus dem Vorausgesetzten ihren Ausgang zu nehmen, worin sie freilich gebunden bleibt, sondern sie will sich selbst als das Vorausgesetzte. Auf die Weise des Vorausgesetzten, als das Fürsichgelten des Begreifens im Bestimmten soll das Wissen der Reflexion es selbst sein. Man könnte sagen, daß die metaphysische Reflexion und auch die kritische Philosophie Kants einen dogmatischen Charakter dadurch haben, daß auf die Weise des Bestimmten ein Wissen gemeint ist, das das Bestimmtsein gerade übersteigt, daß dagegen das nachkantische Denken das unbestimmte Wesen der Reflexion selbst auf fixe und statische Begriffe bringt, die dann als in sich dynamische Begriffe dargestellt werden müssen: es ist der fixe Begriff, m dem die Reflexion sich für dieses Denken vergewissern muß, daß das Begreifen im Bestimmten tatsächlich ihr Sichverstehen als solches sei. So entwickelt sich dieses Denken als ein System der ständig sich erneuernden Selbstbestätigung der Reflexion in statischer Setzung, deren Prozeß als ein in sich absolutes Geschehen verkündet wird. Das bedeutet den Verzicht auf alle metaphysische und transzendentalphilosophische Aussage zugunsten der Gewißheit des reflektierenden Denkens darüber, daß das auf die Weise des Wissens des Vorausgesetzten geschehende unbestimmte Wesen der Reflexion gerade das Vorausgesetzte in seinem Bestimmtsein selbst sei, und diese Gewißheit ist selbst nicht mehr einer über das Begreifen im Bestimmten hinausgehenden Aussage fähig. Was es bedeutet, daß das Begreifen im Bestimmten so selbst das Geschehen des Wissens in seiner unbestimmten Bedeutung sei, das kann immer nur durch das Begreifen im Bestimmten selbst deutlich gemacht werden und zwar nur so, daß gegen die Unzulänglichkeit zur Reflexion, die das Bestimmte als bloßes Fürsichgelten ist, immer neu angezeigt wird, das Begreifen des Bestimmten sei tatsächlich das Geschehen der Reflexion als solcher. Was die aus dem Begreifen im Bestimmten geschehende Reflexion als Reflexion bedeute, das wird hier auf die Weise des Fürsichgeltens des Bestimmten selbst beantwortet. Auf die Weise des Bestimmten selbst soll damit erlangt werden, was dem metaphysischen Denken und auch der kantischen Philosophie als eine

Der Widerstreit in der transzendentalen Reflexion

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Bedeutung galt, die, obwohl sie nur durch das Vorausgesetzte erfaßt werden kann, sich als das Geschehen, das sie ist, durch sich selbst ausweist. Daß die transzendentale Reflexion zu einer Durchführung ihrer selbst auf die Weise des Begreifens im Bestimmten gelange, in der sie sich sich selbst nicht mehr auf die Weise des Fürsichgeltens dieses Begreifens darstellt, sondern dies Begreifen durch sich selbst, aber von ihm her, in sich hineinnimmt, das ist die eigentliche Aufgabe, die der nachkantischen Philosophie — über jene dogmatischen Versuche, die Reflexion durch das Vorausgesetzte selbst als solche anzugeben, hinaus — gestellt ist. Das Unzulängliche, in dem das Denken der Metaphysiker, Humes und Kants (in der Antinomik der Vernunft) gleichermaßen verharrt, ist, daß das Fürsichgelten des Begreifens im Bestimmten als der dem Geschehen der Reflexion selbstverständlich vorgegebene Ausgangspunkt ihres Raisonnements über sich selbst genommen ist, wogegen sich in einer aus der transzendentalen Reflexion selbst geschehenden Fortführung dieser Reflexion in das Begreifen hinein, verstehen lassen müßte, daß das reflektierende Denken sich in dem Fürsichgelten des Begreifens im Vorausgesetzten gar nicht als solches verstehen kann. Es gibt einerseits das Fürsichgelten des Begreifens im Bestimmten, das sich in seinem Vollzuge unmittelbar durch sich selbst ausweist. Es gibt andererseits die Bedeutung, die dieses Fürsichgelten des Begreifens im Bestimmten in der Reflexion haben kann. In dieser Rücksicht ist das unbestimmte Geschehen der Reflexion selbst als solches das im Begreifen Bestimmte, sodaß also das reflektierende Denken als dies Bestimmte geschieht und sich als solches versteht, indem ihm dieses Bestimmte doch auch das ihm Unangemessene bleibt, das von sich her die Bedeutung, die es darstellt, nicht verstehen zu lassen vermag. Die Metaphysik und die transzendentale Antinomik kommen darin überein, daß sie die Reflexion im Ausgang von dem unmittelbaren Fürsichgelten des Begreifens im Bestimmten geschehen lassen, ohne darauf zurückzukommen, daß die Reflexion sich in diesem Begreifen nicht versteht und sich in ihm selbst unangemessen bleibt. Indem die Reflexion sich selbst als das Vorausgesetzte meint, wird es einsichtig, daß das Vorausgesetzte im reflektierenden Denken nicht durch sich als unbedingtes Bedeuten, als Beschlossensein in sich gelten kann, wie es die Reflexion in der Metaphysik und auch noch — der Methode des Raisonnierens nach — bei Kant genommen hatte. Die Metaphysik geht aus von dem begriffenen Bestimmten (dem Dinge, dem Gegebenen) und findet in ihm die Identität und damit die Notwendigkeit und daraus den theoretischen Gottesbeweis; für Hume findet sich das reflektierende Denken auf die Weise des Ungenügens zu sich selbst in den „impressions", geht aber nicht über dieses Ungenügen hinaus, sondern hält sich an die „impressions" als das Gegebene; die transzendentale Reflexion Kants schließlich gewinnt das Sichverstehen der Reflexion, doch — in der Antinomik — nur unter der Form des bleibenden Gehens des Vorausgesetzten, und sie führt in der transzendentalen Ästhetik und der transzendentalen Analytik das Wissen

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Die Reflexion auf den in sich reflektierten Determinationsbegriff

der Reflexion wieder in einem Raisonnement aus, das sich des Begreifens im Bestimmten als eines für sich. Selbstverständlichen bedient.2

2. Der Determinationsbegriff

als Hindernis des

Reflexionsbegriffes

a) Die Z e n o n i s c h e n A p o r i e n Die Fortentwicklung des kantischen Transzendentalismus, in der sich die transzendentale Reflexion nicht wieder dem Begreifen im Bestimmten übergibt, sondern in der sie vielmehr versucht, in diesem Begreifen im Bestimmten ihr Geschehen als Sichverstehen zu sein, kann das Begreifen im Bestimmten nicht als solches für sich gelten lassen. Auf die Weise des Vorausgesetzten muß vielmehr hervorgehen, daß das reflektierende Denken im Bestimmten als Bedürftigsein es selbst ist, daß es in ihm sich selbst gerade dadurch meint, daß es das Unangemessensein zu sich selbst ist. Das Bestimmte muß die Weise sein, als die die unbestimmte Bedeutung des Wissens sie selbst ist, und das eben bedeutet, die Erfahrung der Vernunft von sich selbst muß als eine Erfahrung des Bedürftig-

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Das Vorausgesetzte bleibt dabei immer in dem unmittelbaren Fürsidigelten, das es im Begreifen im Bestimmten ist, stehen. Für Hume etwa verhält es sidi so, daß die .impressions' in Selbstverständlichkeit als das Etwas gelten, das sich durch sich in seinem Bestimmtsein ausweist. Es ist dieses in seinem Bestimmtsein als selbstverständlich geltende Etwas, auf das für Hume kein Denken angewendet werden darf, das an ihm auf die Weise der alten Metaphysik ein durch das Bestimmtsein sich ausdrückendes Geschehen des Wissens als Wissen entdeckte; es gibt keine Gesetze, keine Notwendigkeit, wohl auch keine Identität, die in den .impressions' waltete, aber die .impressions' selbst bleiben dabei unbefragt das als das Bestimmte Vorausgesetzte, in dem das reflektierende Denken sich selbst versteht. Die Einsicht, daß in den .impressions' keine Notwendigkeit walten könne, wird gerade nur gewonnen, indem die .impressions' in ihrem Bestimmtsein das sind, was als die Basis für die Frage nach der Notwendigkeit von dieser Frage ausgenommen bleibt. So ergibt sich die merkwürdige Position, daß die Frage nach der Notwendigkeit wohl für den Zusammenhang zwischen den einzelnen in ihrem besonderen Bestimmtsein für sich geltenden ,impressions' gestellt wird, daß aber diese .impressions' selbst, die in bestimmter Gegebenheit als vorausgesetzt aufgenommen sind, nicht wieder auf die Notwendigkeit ihres Zusammenhangs in sich, ihres Ausgedehntseins und ihrer Dauer, untersucht werden, sondern eben als das hingestellt sind, von dem die auf notwendigen Zusammenhang ausgehende Untersuchung als von dem, was in Selbstverständlichkeit da ist, ihren Ausgang zu nehmen habe. Ein notwendiger Zusammenhang der in ihrem Bestimmtsein als voneinander abgesetzt aufgefaßten Bewegungen läßt sich nicht begreifen, sondern es gibt nur das unverbundene Nacheinander dieser einzelnen Bewegungen; der Zusammenhang in sich der als solche in ihrem von anderen Begebnissen abgesetzten Bestimmtsein aufgefaßten einzelnen Bewegungen bestimmter Dinge ist von vornherein als ein Vorausgesetztes festgehalten und aufgefaßt, er wird selbst nicht der Frage nach der notwendigen Verknüpfung unterworfen.

Der Determinationsbegriff als Hindernis des Reflexionsbegriffes

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seins so geschehen, daß das Geschehen des Wissens gerade als dieses Bedürftigsein es selbst als Verstehen ist. Indem es das Sichvollziehen des Geschehens der Reflexion ist, bleibt das bestimmende Begreifen auf sich selbst, auf die Position, in der es anfänglich schon als solches dasteht, auf sein Fürsichgelten bezogen; als das begriffene Bestimmte muß es durch sich selbst und in sich selbst angeben, was das unbestimmte Geschehen des reflektierenden Denkens bedeute: es kann dies aber nur so tun, daß es diese unbestimmte Bedeutung durch sich als das Bestimmte, durch sein Bestimmtsein angibt. So wird die Problematik der Antinomik und der zenonischen Aporien neu aufgenommen. Zeno hatte seine Raisonnements freilich nicht in dem Sinne vollzogen, daß das Geschehen der Reflexion auf die Weise des Begreifens im Bestimmten dazu gelangen sollte, als Übereinkommen zu sein, für ihn gibt es nicht das Sichverstehen des Wissens durch sich selbst, wie es aus der transzendentalen Antinomik heraus möglich ist, sondern ihm geht es nur darum, daß das Geschehen der Reflexion auf die Weise des Begreifens im Vorausgesetzten seinen Ausdruck finde. Das Vorausgesetzte ist also nicht im vorhinein als das Geschehen der Reflexion selbst gewußt, sondern es ist als solches in seinem Fürsichgelten aufgefaßt, soll aber durch sich das Geschehen der Reflexion ausdrücken. Es ist für Zeno einfach das Bestimmte, das als solches auf die absolute Grenze befragt wird, nicht etwa soll das Bestimmte durch sich dazu gebracht werden, die unbedingte und unbestimmte Bedeutung der Reflexion in sich als Bestimmung darzustellen. Zeno, der das Fürsichgelten des Bestimmten gar nicht in Frage stellt, sondern nur will, daß auf die Weise dieses Fürsichgelten das Geschehen der Reflexion als solches faßlich wird, kann durch seine Raisonnements zu dem Ergebnis kommen, daß das unmittelbare Fürsichgelten des Gegebenen das, was die Reflexion in ihm meint, nicht ausdrücken könne; es sei daher, bloß deswegen, weil es dies nicht könne, als das Falsche, als das, was der Gedanke nicht ist, zu betrachten, dagegen sei das von der Reflexion auf die Weise des Vorausgesetzten Gemeinte (als das sich das Vorausgesetzte also gerade nicht darstellt) so das Wahre, daß es die Bedeutung angebe, die im Vorausgesetzten immer schon liegt und die dann auf die Weise des Fürsichgeltens des Vorausgesetzten selbst ausgesagt werden kann, doch ohne daß mit dieser Aussage wieder ein Raisonnement verbunden wäre: hier findet einfach die Aussage der in der Reflexion gemeinten Bedeutung auf die Weise des ihr nicht eigentlich angemessenen Fürsichgeltens des Bestimmten statt. Diese Bedeutung wird so — auf die Weise des Vorausgesetzten — ausgesagt als das eine, in sich einfache, umfassende Sein, als das das Denken es selbst sei. Die Problematik der zenonischen Raisonnements ist in näherer Ausführung die folgende. Das Fürsichgelten des Begreifens im Bestimmten, d. h. des Vorausgesetzten, findet als solches anfänglich statt. Dieses Begreifen im Bestimmten geht sich in der Reflexion mit seinen eigenen Mitteln daraufhin an, durch sich das in sich unbedingte Geschehen des Wissens darzustellen. Dieses Geschehen des Be-

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Die Reflexion auf den in sich reflektierten Determinationsbegriff

stimmtseins als das unbedingte Verstehen wird nicht erlangt, während doch, ohne daß man zu dem Geschehen des Bestimmten als Verstehen gelangt wäre, das unmittelbare Begreifen des Bestimmten in seinem Fürsichgelten auf seine Weise eben das Wissen, das von ihm selbst her auch als Sichverstehen erlangt werden sollte, auch schon verwirklicht hat. Auf die Weise des unmittelbaren Begreifens im Bestimmten ist das Ausgedehnte oder die Bewegung in Selbstverständlichkeit als in sich vollendet und beschlossen gewußt, welche Vollendung doch nicht so erlangt werden kann, daß das Bestimmte darin selbst als Sichverstehen des Wissens wäre. Hieraus ergibt sich dann, daß das unmittelbare Geschehen des Begreifens im Vorausgesetzten, gerade indem es sich als solches ausweist und darstellt, das Falsche sein muß. Es vermag das Wissen, das das reflektierende Denken von ihm her verlangt, nämlich das als Sichverstehen geschehende Wissen, durch sich nicht zu geben, obwohl es doch durch sich die Möglichkeit eines solchen Wissens überhaupt erst anzeigt. Diese Behauptung, daß das Vorausgesetzte als solches falsch sei, trifft also nicht etwa nur das unmittelbare Geschehen des Begreifens im Vorausgesetzten, sondern sie trifft auch die Anwendung dieses Begreifens auf sich selbst, wie sie aus der Reflexion heraus geschieht. Das in Raum und Zeit Gegebene und die Bewegung sind deshalb falsch, weil sie sich sowohl unmittelbar als auch im Raisonnement so durch sich selbst darstellen, daß dem reflektierenden Denken nicht Genüge getan werden kann, dem dergestalt seine eigenen Raisonnements als falsch, als Geschehen des in sich Widersinnigen, erscheinen müssen. Die Behauptung darüber, daß alles in Raum und Zeit Erscheinende falsch sei, erfolgt nicht aus dem unmittelbaren Auffassen der Dinge und ihrer Bewegung, sondern nur aus der Entwicklung der Reflexion selbst, wie sie in den Raisonnements statthat. Nicht deswegen sind die Dinge und ihr Bewegtsein und auch das Begreifen falsch, weil das Aufgefaßte sich unmittelbar als ein Falsches darstellte, sondern deswegen, weil die Behauptungen des reflektierenden Denkens über Ausgedehntsein und Bewegung sich in der raisonnierenden Durchführung der Reflexion nicht halten lassen. Daß eine Bewegung an ihr Ende kommen könne, wird im Raisonnement nur so widerlegt, daß im Anfange dieses Raisonnements Anfang und Ende der Bewegung schon vorausgesetzt sind. Die Operation des Denkens, die von dieser ersten Setzung des Raisonnements ausgeht und die ihrerseits kein Ende der Bewegung finden kann, soll dann gegenüber der ersten Annahme zu der Behauptung als einer wahren führen, daß die Bewegung kein Ende haben könne. Aber die Möglichkeit dieser Behauptung ist dadurch bedingt, daß die Bewegung schon als eine Bewegung mit Anfang und Ende vorausgesetzt ist. Was das Raisonnement in seinem Ergebnis leugnet, kann es nur leugnen, indem es das Geleugnete schon vorausgesetzt hat. So ergibt sich die Struktur des Erscheinenden als Falschsein in sich, und das Wissen um dieses Falschsein ist selbst nicht wieder eine Behauptung des vom Bestimmten ausgehenden Raisonnements, sondern die Bedeutung, die das Raisonnement und das heißt auch das gegebene Bestimmte für das Denken selbst ist. Sofern es das über das Ausgedehnte und Bewegte

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raisonnierende Denken ist, insofern ist das reflektierende Denken für sich selbst falsches und auswegloses Denken. Für die kritische Untersuchung der zenonischen Aporien scheint zu folgen, daß die Reflexion nicht von dem Begreifen im Bestimmten her eingesetzt werden dürfte, sondern daß, — indem das Begreifen im Bestimmten in seinem Fürsichgelten statthat —, ihr Verstehen als eine dem Vorausgesetzten in seinem Bestimmtsein unmittelbar innewohnende unbedingte Bedeutung genommen werden müsse. So sei die Bewegung, die weiterhin mit Anfang und Ende begriffen ist, wonach aber nun im Raisonnement nicht weiter gefragt wird, eben als solche ihr eigenes unbezügliches Geschehen, das als solches unbedingte Bedeutung sei. Im Begreifen der Bewegung, das seine alte Struktur behält, findet diese Bedeutung, als zu dem vorausgesetzten Begriffe ^anzukommend, auch noch statt; Begreifen und Bedeutung können nicht in ein bestimmtes Verhältnis gebracht werden, aber beide charakterisieren die Bewegung ursprünglich. Diese Auffassung führt, wenn sie wieder dogmatisch fixiert wird, zu der bis heute anerkannten Lehre von dem Geschehen der Bewegung und dem Sein des Ausgedehnten als Kontinuum, das durch das bestimmende Messen als solches nicht anzugeben sei. Diese Auflösung der zenonischen Aporien, die auf Aristoteles zurückgeführt wird, kann man als die, noch nicht durch neuerliches Raisonnement überbaute, Basis des metaphysischen Denkens überhaupt ansehen. Die Reflexion wird nicht so angesetzt, daß sich das Begreifen im Bestimmten durch sie in sich selbst aufhöbe, sondern sie kommt, indem sie das Begreifen im Bestimmten als solches stehen läßt, in diesem Begreifen selbst in ihrer Eigentümlichkeit zum Austrag. An die Stelle der Auseinandersetzung des Begreifens in sich selbst tritt eine Entwicklung des Wissens der Reflexion, die aus dem Verzicht auf diese ursprüngliche Auseinandersetzung des Begreifens mit sich selbst vollzogen wird; dieses Denken läßt die Inkonsequenz in sich selbst, die das Wissen der Reflexion erfährt, wenn es sich aus dem Fürsichgelten des Begreifens im Bestimmten heraus verwirklicht, auf sich beruhen. Es hält sich an eine andersartige Gewißheit, daß nämlich das Fürsichgelten des Vorausgesetzten doch gerade auch der Ort des Wissens der Reflexion sei. Hieraus entspringen als die Prinzipien der Metaphysik, die dann durch das Raisonnement in eine Lehre von der Struktur der Seienden ausgestaltet werden, der Satz vom Widerspruch und der Satz der Identität, in denen sich ausdrückt, daß das reflektierende Denken darauf verzichtet hat, sich im Begreifen im Bestimmten in sich selbst zu verfolgen, sondern einfach für sich auf die Weise des Bestimmten dasteht und auf die Weise dieses unmittelbaren Dastehens die unbedingte Bedeutung des Wissens geschehen läßt. Auf die Weise des Etwas, das in einer Reflexion, die sich im Begreifen nicht weiter nachfragt, aufgefaßt ist, findet das Wissen des Absoluten statt. Und es ist interessant zu sehen, daß es gerade die zenonischen Aporien sind, die auf diese Fixierung des Absoluten geführt haben, und daß das dergestalt Widerspruchsfreie und mit sich Identische zuerst die als Kontinuum verstandene Bewegung ist, über die nämlich das Bewußtsein besteht, daß das Begreifen darauf verzichten müsse, sich in bezug

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Die Reflexion auf den in sich reflektierten Determinationsbegriff

auf sie in sich selbst zu verfolgen. Noch das nachkantische metaphysische Denken wird man in dem Sinne verstehen dürfen, daß es eigentlich von dem Werden, das unter den Satz vom Widerspruch und den Satz der Identität gestellt ist, ausgehe, indem nämlich das aus der transzendentalen Antinomik herkommende Denken, das darum weiß, daß das Begreifen im Bestimmten dem Wissen der Reflexion, das sich durch es verwirklicht, doch nicht gemäß sein kann, statt die Reflexion im Begreifen des Bestimmten sich selbst durchführen zu lassen, ihr unbestimmtes Geschehen als bestimmt erlangen will, wo dann das Vorausgesetzte, indem die Reflexion in ihm ihr Sichverstehen als Unangemessensein ist, als das Werden, Fließen usw. nach dem Prinzip der Widerspruchsfreiheit und Identität fixiert wird, aus welcher Fixierung dann allererst die Begriffe des Seins, des Nichts — als der Anfang des eigentlichen metaphysischen Raisonnements — gewonnen werden. Aus dem in der Identität begriffenen Werden verstehen sich das Sein und das Nichts, die dann im metaphysischen Raisonnement durch sich auch das Werden noch einmal verstehen lassen, und aus dem so ausgelegten Werden kann dann die Struktur des Seins in der ganzen Fülle ihrer Momente weiter abgeleitet werden: denn das metaphysizierte Vorausgesetzte ist ja schon da. Diese ganze Entwicklung der Metaphysik aus den zenonischen Aporien beruht aber eben darauf, daß an diese Aporien ein Verständnis herangetragen ist, das ihnen nicht eigentlich mehr entspricht, sondern das das ursprüngliche Fürsichgelten des Begreifens im Bestimmten, d. h. des Vorausgesetzten, von der Bewegung des Raisonnements abtrennt, durch die dieses — im ersten Akte der Reflexion schon auf Anfang und Ende hin festgelegte — Fürsichgelten des Begreifens im Bestimmten dazu gebracht werden soll, durch sich auszuweisen, daß es als Verstehen, d. h. als unbedingte Bedeutung sei, und die Reflexion nun — ohne alles weitere Raisonnement — als Bedeuten in dem Begreifen im Bestimmten statthaben läßt, welches Bedeuten selbst nicht auf die Weise des Begreifens im Bestimmten vollzogen wird, d. h. nicht eigentlich in eine begreifende Aussage erhoben wird, sondern vielmehr nur, indem das Fürsichgelten des Bestimmten und sein Ausgesagtsein als solches fortdauert, in einer nennenden Verkündigung geschieht, die nicht in die Operation des Begreifens, unter der sie geschieht, eingehen kann. Indem sie als solche im bestimmenden Begreifen aufgefaßt ist, wird die Bewegung ebendarin aus der Reflexion als Kontinuum, als Werden verkündet; und auf dieser Verkündigung wird dann mit den alten Mitteln des Begreifens im Bestimmten, sofern es doch schon unter dem ersten Akt des metaphysischen Raisonnements, das es als Dieses und Jenes festlegt, steht, das Gebäude der Seinswissenschaft erstellt. Solche Auslegung der zenonischen Aporien und die daraus entspringende Stellungnahme treffen schwerlich, was Zeno eigentlich gemeint hat. Für ihn ist das aus der Reflexion im Bestimmten verfahrende Raisonnement nicht von der ersten raisonnierenden Bestimmung der Reflexion, daß das Vorausgesetzte als solches in sich beschlossen sei, daß es als ein Bestimmtes mit Anfang und Ende

Der Determinationsbegriff als Hindernis des Reflexionsbegriffes

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sei, abgesetzt, sondern das aus der Reflexion geschehende Denken, das für die Bewegung, die schon mit Anfang und Ende gesetzt ist, keinen Anfang oder kein Ende finden kann, ist gerade der Vollzug des Begreifens, das die Bewegung anfänglich schon als eine begrenzte Bewegung, als eine Bewegung mit Anfang und Ende gesetzt hat. Das Denken zeigt es, daß Raum, Zeit und Bewegung etwas in sich Falsches sind; es zeigt es aber nicht so, daß es als das sich in der Evidenz seines Verfahrens durch sich selbst ausweisende auf ein ihm Vorgegebenes richtete und dessen Falschsein aufwiese, also z. B. zeigte, daß das, was als begrenzt aufgefaßt ist, gar keine Grenzen zulasse; das aus der Reflexion geschehende Raisonnement ist vielmehr die eigentümliche Weise, in der das Begreifen im Vorausgesetzten, d. h. das Begreifen des Ausgedehnten und der Bewegung mit ihren Grenzen, sich als solches für sich selbst entwickelt und darin des Falschseins, das es selbst ist, inne wird. Daß es dieses seines Falschseins inne wird, das ist die — auf die Weise des Falschseins geschehende — Wahrheit, in der das Denken sich durch den Vollzug seines Raisonnements erfährt. Diese Wahrheit geht in der Tat allein durch das Denken hervor. Aber sie geht eben nicht so hervor, daß dessen raisonnierendes Verfahren im Bestimmten das Wahre wäre, sondern sie geht dadurch hervor, daß das reflektierende Denken sich im bestimmenden Begreifen selbst nachgeht, dadurch des Falschseins in sich seines Geschehens inne wird und in diesem Wissen um das Falschsein seines eigenen Geschehens sich gerade auch in seinem Beisichselbstsein weiß und darin ein sozusagen bloß formales Wissen der Wahrheit ist. Das Denken, das sich selbst nicht auf solche Weise nachgeht, bleibt so in der Falschheit, daß es sich darüber für sich selbst keine Rechenschaft ablegen kann. Freilich kann dann, wenn das Denken auf den Fortgang im raisonnierenden Begreifen verzichtet, deutlicher hervortreten, daß im Gegebensein als solchem — des Ausgedehnten oder der Bewegung — das unbedingte Geschehen von Wissen sich schon bezeugt. In dieser Situation eines in sich falschen Begreifens, dem die Reflexion nicht nachgeht und eines Wissens zugleich um die unbedingte Bedeutung von Gegebensein, das sich durch sich selbst ausweist, steht das reflektierende Denken, das von der Bewegung als einem Kontinuum und von dem Werden ausgeht: von diesem Ausgang her versteht sich die Metaphysik. Das aus der Reflexion geschehende raisonnierende Denken führt also nach Zeno zur Wahrheit; die Wahrheit aber, die es gewinnt, ist gerade die, daß es die Falschheit der Behauptung, in der es sich verwirklicht, indem es in ihr verbleibt, durchschaut und sich darin als Falschsein erkennt. Es wird also nicht etwa eine Behauptung, in der das Wahre ausgesagt wäre, aufgestellt, sondern es wird nur erkannt, daß das behauptende Denken falsch ist. Es wird nicht etwa der Behauptung, daß die Bewegung in Grenzen eingeschlossen sei, die Behauptung entgegengesetzt, daß sich für die Bewegung keine Grenze finden ließe, sondern es wird gezeigt, daß das Verfahren des Begreifens, das über begrenzte Bewegungen aussagt, in sich falsch ist, ohne daß jedoch damit eine inhaltlich neue Aussage auftreten könnte. Das Denken zeigt es, daß Raum, Zeit und Bewegung falsch 9 Kopper, Reflexion

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Die Reflexion auf den in sidi reflektierten Determinationsbegriff

sind, d. h. daß das Begreifen im Vorausgesetzten falsch ist; es zeigt es dadurch, daß es auf die Weise dieses Begreifens geschieht und dadurch im Wissen offenbar werden läßt, daß das Erkennen in diesem Begreifen nicht als Übereinkommen geschieht. So weiß das Denken das Gegebene und sich selbst als das Falsche, ohne daß dies Wissen um das Falsche selbst eine Behauptung über das Gegebene und über das Denken wäre, sondern nur das Sichverstehen des reflektierenden Denkens selber ist. Als Geschehen des Denkens offenbart sich die Wahrheit, indem und dadurch daß die Behauptung dieses Denkens in ihrem Geschehen in sich selbst als falsch offenkundig wird. Dieses Offenbarwerden des Falschen aber nun geschieht, weil die Behauptung sich immer nur selbst als solche darstellen kann, nicht direkt, sondern es geht im Raisonnement ausdrücklich nur hervor, daß jede Behauptung über das Begrenztsein des Ausgedehnten und der Bewegung durch eine weitere Aussage über das Begrenztsein des Ausgedehnten oder der Bewegung als noch nicht vollzogen vorgestellt werden muß. Über die Reihe dieser das unmittelbare Gültigsein aufhebenden Aussagen besteht das Bewußtsein, daß sie als solche nicht überschritten werden kann, sondern vielmehr selbst das Vorausgesetzte ist. Das bedeutet aber, das Falschsein in sich des Raisonnierens ist nur so einsichtig, daß es nicht etwa als begründetes Falschsein, sondern gerade als Grundlosigkeit in sich des Denkens erscheint, denn nicht durch das Begreifen wird das Begreifen im Bestimmten als falsch aufgewiesen, sondern durch ein Offenbarwerden des Vorausgesetzten in der Reflexion, das selbst nicht durch das Begreifen gefaßt werden kann, obwohl es sich immer nur durch dies Begreifen darstellt. Dieses in der Reflexion gewußte Falschsein des Begreifens im Bestimmten geht nur hervor, indem das Begreifen im Bestimmten in seinem Fürsichgelten gerade auch als solches stehen bleibt, — im Begreifen im Bestimmten entspringt der erste Akt der Reflexion, der dem Raisonnement bleibend zugrunde liegt, wonach das Ausgedehnte oder die Bewegung mit Anfang und mit Ende als in sich beschlossen begriffen sind —, und nur sofern dieses Geschehen des Begreifens in seinem Fürsichgelten bleibend und unbefragt statthat, kann das Raisonnement und kann damit auch das Begreifen im Bestimmten als in sich falsch, nämlich als ein Aussagen und Behaupten, da wo keine Aussage stattfinden kann, angesehen werden. Daß das Begreifen im Bestimmten als solches falsch und daß das Wissen um dies Falschsein in der Reflexion gerade das Geschehen der Wahrheit ist, das bedeutet dann auch, daß das — unausgewiesene — Falschsein eine ursprünglich positive Beedutung hat. Als Wissen um das Falschsein des Begreifens geschieht die wahre Erkenntnis des Gegebenen. Daß das Gegebene und das Begreifen des Gegebenen als falsch offenbar sind, darin liegt etwas vom Wesen des Erkennens als solchem. Aus dieser Situation, in der also durch das Geschehen des Denkens das Falschsein des Gegebenen und des Begreifens eben dadurch hervorgeht, daß das reflektierende Denken selbst in diesem Begreifen als in es gebunden verfährt, in der also nicht etwa das Denken eine in sich selbst wahre Einsicht erlangt, sondern in der vielmehr nur — unbezüglich und unausgewiesen, nicht etwa an

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einem Kriterium des Wahren meßbar — das Begreifen im Bestimmten als falsches Begreifen geschieht, bleibt dem Denken eigentlich nur der Verzicht auf alle Aussage, in welchem Verzicht allein es sich als Wissen der Reflexion selbst ausdrücken kann. Das Denken gelangt nicht dazu, auf die Weise der Bestimmung Übereinkommen zu sein, und das Erfahren dieser Unzulänglichkeit ist gerade die Weise, in der es sich aus sich als Übereinkommen verhält und bezeugt. Zeno selbst ist nicht zu diesem Verzicht auf alle Aussage fortgegangen, er hat gemeint, die Wahrheit des Denkens, die also nicht im Inhalte seiner Operationen, sondern in seinem Geschehen als Verstehen liegt, selbst doch wieder auf die Weise des Begreifens von Bestimmtem angeben und sie dem im Begreifen erscheinenden Falschen entgegensetzen zu können. So finden seine Aporien in der Behauptung ihre Lösung, daß das Erscheinende und das Begreifen des Erscheinenden als solches das Falsche, daß dagegen das Geschehen des Denkens als solchen das Wahre sei. Raum und Zeit, das Ausgedehnte in ihnen und die Bewegung sind falsch, das Unbezügliche und Unbedingte aber, das sich durch das Geschehen des Denkens ausspricht, ist das Wahre: und als das Unbezügliche und Unbedingte kann es auch als das in sich Beschlossene, Einfache und Eine verstanden werden. Durch diese Auflösung der Aporetik bringt Zeno selbst schon ein metaphysisches Moment in sein Denken hinein, zwar nicht in dem Sinne, daß die Reflexion sich selbst auf die Weise des Vorausgesetzten begreifend verwirkliche, aber doch so, daß sie sich selbst in ihrem Geschehen — ohne Raisonnement — aus dem Vorausgesetzten versteht. Das Geschehen der Reflexion ist seiner selbst auf die Weise des Vorausgesetzten gewiß, doch in einem Wissen, das zu dem bestimmenden Begreifen nicht in Beziehung gesetzt werden kann. Das metaphysische Denken im genaueren Sinne unterscheidet sich von dieser Einsicht in das in sich beschlossene Eine, das als solches Denken und Sein ist, dadurch, daß es sich, ohne sich vorher in das radikale Wissen um das Falschsein des Denkens zu stellen, dem Gegebensein zuwendet, in ihm das unbedingte Geschehen des Wissens erfaßt und nun zu einem Raisonnieren übergehen kann, das von diesem Gegebenen selbst her das Unbedingte aussagt und bestimmt.

b) Die t r a n s z e n d e n t a l e A n t i n o m i k Es wird nützlich sein, zum Abschluß dieser Erörterung die Position der zenonischen Aporien mit der Position der transzendentalen Antinomik etwas näher zu vergleichen. In den zenonischen Aporien geht ein in sich einiger Prozeß des Raisonnements vor sich, der von dem Gesetztsein des Ausgedehnten oder der Bewegung anhebt und nun an diesem Gesetztsein selbst das Unbedingte begreifen will, obgleich immer schon ein Wissen darum besteht, daß das Unbedingte am Ausgedehnten nicht begriffen werden kann, da das Ausgedehnte für das Wissen immer das Vorausgesetzte bleiben muß, das durch das Raisonnement in seiner

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Die Reflexion auf den in sich reflektierten Determinationsbegriff

Natur überhaupt nicht geändert wird. Obgleich aber das Wissen darum besteht, daß das Unbedingte als Unbedingtes am Ausgedehnten oder an der Bewegung nicht begriffen werden kann, unternimmt das Denken an dem Ausgedehnten oder an der Bewegung doch das Ausgehen auf das Begreifen des Unbedingten, und aus dem Ganzen dieser Situation kommt das reflektierende Bewußtsein zu der Einsicht, daß es sowohl als Wissen 'des Gegebenen als auch als raisonnierendes Denken falsch sei und das wahre Wesen des Seins nicht erfasse. Was nun dies Falschsein eigentlich meine, davon ist in den zenonisdien Aporien nicht mehr die Rede, sondern es ist als solches als der Habitus, in dem sich das reflektierende Bewußtsein für sich selbst vorfindet, behauptet und nicht weiter untersucht. Gegen dies Falschsein wird aber das Wissen um das Wahre behauptet, das also im reflektierenden Bewußtsein auch noch vorkommt. Dieses Wissen soll ein Wissen von der Einheit in sich, von dem Einen, das die Wahrheit des Seins und des Denkens ausmacht, sein. Das reflektierende Denken bleibt hier also für sich selbst in eine Doppelung gestellt, dessen, was es als das in sich falsche Auffassen und Denken weiß, und dessen, was ihm das wahre Denken ist: zwischen beiden Weisen des Denkens aber gibt es keine Verbindung. Diese Verbindung kann es nicht geben, weil die Reflexion ihren Ausgang nur von dem Fürsichgelten des Vorausgesetzten nehmen kann und nur auf die Weise dieses Fürsichgeltens, d. h. also nur auf die Weise des Vorausgesetztseins von zweierlei verschiedenem Wissen sich selbst gegeben ist, ohne als Geschehen zwischen diesen beiden Weisen zu wissen, — dem Wissen des Falschen und dem Wissen des Wahren — vermitteln zu können. Das Wissen um das Wahre läßt nicht aus sich verstehen, wie das Wissen des Falschen geschehen könne, denn es ist selbst auch von dem Fürsichgelten des Vorausgesetzten her aufgefaßt, nämlich als das Geschehen des Denkens, sofern es sich als Wissen aus dem Vorausgesetzten zugegen ist, welches Geschehen sich aus dem der Wahrnehmung Gegebenen und in ihr schon Begriffenen heraus als das Eine und Gleiche weiß. Von diesem Gleichen als dem Wahren ist das Mannigfaltige und Verschiedene als das Falsche dem begriffenen Gegebensein nach unterschieden, und diese beiden Gegebenen müssen als solche jedes für sich festgehalten werden. Beide Positionen können eben deswegen, weil sie von dem Fürsichgelten des Vorausgesetzten her abgenommen sind, nicht weiter in sich selbst befragt werden, sondern haben ihre eigentümliche Gültigkeit, wonach sich in der einen das falsche, in der anderen das wahre Denken darstellt, auf die Weise des Vorausgesetztseins an sich selbst und für sich selbst. Daß beide Positionen doch zusammen das Geschehen eines Wissens ausmachen, kann durch dieses Denken, das in seinen Positionen festgelegt ist, nicht weiter verfolgt werden; was „falsch" und was „wahr" eigentlich meine, kann nicht auf das Geschehen des Wissens als „falsch" oder „wahr" bezogen werden. In der Reflexion der transzendentalen Antinomik liegt dagegen von vornherein das Erfahren dessen, daß das Wissen für sich selbst auf die Weise des Vorausgesetzten als Wissen geschehe, daß es sich im Vorausgesetzten und als es

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selbst erlangt. Die Reflexion geht nicht so vom Ausgedehnten oder von der Bewegung aus, daß sie an diesem Ausgedehnten das Unbedingte noch als etwas sucht, was das Denken in der Tat an diesem Ausgedehnten suchen müsse, von dem es aber im vorhinein auch weiß, daß es es an ihm nicht finden könne. Dieser Reflexion ist das Vorausgesetzte, eben das Ausgedehnte oder das Bewegte, als solches immer schon das Geschehen des Unbedingten, das Geschehen des Wissens als Wissen selbst. Sie braucht daher das Unbedingte nicht mehr vom Vorausgesetzten her zu suchen, denn das Vorausgesetzte ist das Unbedingte ja schon; das Gegebene als solches meint das Unbedingte. Die Reflexion, die sich nur an das Begreifen des Vorausgesetzten hält, um auf die Weise dieses Begreifens das Unbedingte zu meinen, kann des Unbedingten nicht gewiß werden, weil das Begreifen immer schon den Charakter des Vorausgesetzten hat, in dem das Wissen sich nicht als Wissen versteht; dasjenige Denken aber, dem das Vorausgesetzte, und das Begreifen des Bestimmten und das Gegebensein, vorgängig schon das Geschehen des Wissens als Wissen ist, ist, losgelöst von allem Sichbemühen des Wissens der Reflexion um sich auf die Weise dieses Begreifens, in diesem Vorausgesetzten schon es selbst. Das Gegebene und Ausgedehnte ist ihm nicht das, an dem das Unbedingte gesucht werden muß, es ist das, das selbst das Unbedingte ist. Um das Ausgedehnte als das Unbedingte zu erlangen, ist das zenonische Denken genötigt, nach der Grenze des Ausgedehnten zu suchen; für das Wissen der transzendentalen Antinomik ist das Unbedingte auf die Weise des Ausgedehnten schon da. Die These gilt daher für sich selbst. Das Denken des begriffenen Vorausgesetzten ist nicht in sich falsches Denken, sondern es ist wahres Denken; und daß das Denken in den zenonischen Aporien auf die Weise des Vorausgesetzten nach dem Unbedingten suchen muß, versteht sich von hierher gerade daraus, daß auf die Weise des begriffenen Vorausgesetzten und als es das Unbedingte immer schon geschieht. Die Aussage der These darüber, daß das begriffene Vorausgesetzte das Unbedingte ist, gilt dabei nicht etwa wie in den zenonischen Aporien für ein bestimmtes Ausgedehntes oder eine bestimmte, einzelne Bewegung, sie gilt für die Welt als solche. Die Welt als ganze ist das Geschehen des Unbedingten auf die Weise des Vorausgesetztseins; und hierin ist die Welt nun allerdings, genau wie dies für das bestimmte Ausgedehnte oder die bestimmte Bewegung in dem ersten Akt des Raisonnements in den zenonischen Aporien gilt, als ein in sich beschlossenes Ganzes, das dem Räume und der Zeit nach in Grenzen eingeschlossen ist, aufgefaßt. Aus dem Wissen der Reflexion, für das das Vorausgesetzte als solches das Geschehen des Wissens ist, ist vom Vorausgesetzten her die Position des Begreifens aufgenommen, die das Raisonnement auch in den zenonischen Aporien zu seinem Ausgang hat. Aber während bei Zeno das Begreifen des Bestimmten in seinen Grenzen der Ausgang für das Raisonnement ist, das nach dem Unbedingten sucht, kann dieses Begreifen sich hier, sofern es auf das Gegebensein als solches, auf die Welt als ganze geht, als den Ausdruck des Wissens nehmen, daß das Vorausgesetzte in der Tat das Geschehen des Unbedingten sei. Dadurch wird diese — für die Welt als ganze

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Die Reflexion auf den in sich reflektierten Determinationsbegriff

ausgesprochene — Behauptung nicht zu einer in sich einsichtigen Behauptung, aber sie ist doch der Ausdruck einer Bedeutung des Gegebenen, die in den zenonischen Aporien noch nicht stattfinden konnte, einer Bedeutung, die aber immer noch unter den Formen des Begreifens angegangen wird, die auch für das zenonische Denken gelten. Das metaphysische Denken bildet die Vermittlung zwischen dem Denken Zenons und dem Denken Kants, wie wir es in der transzendentalen Antinomik finden. Zeno hält sich, um dem Anspruch der Reflexion gerecht werden zu können, allein an das Raisonnement; das metaphysische Denken, das die Weise des Begreifens nicht ändert, läßt doch das Gegebensein durch sich selbst sprechen und das Unbedingte ausdrücken und baut darauf das Raisonnement auf, indem es das Gegebene dabei immer rein nur durch sich gelten läßt; für Kant soll das Gegebene in seinem Gegebensein und als solches das Wissen der Reflexion selbst sein. Damit es nun aber diese Bedeutung durch sich angeben kann, dazu muß es aus diesem Wissen heraus als solches und als ganzes wieder durch den Akt des Begreifens angegangen werden, den wir als den Ausgangspunkt der zenonischen Aporien gefunden haben, wonach es als solches das in sich beschlossene Bestimmte, das in Grenzen eingeschlossene begriffene Ausgedehnte ist. Die Metaphysik stellte diese Frage nicht, ihr bezeugte das begriffene Bestimmte als solches und auf seine Weise das Unbedingte: dieses Zeugnis wies sich durch sich selbst aus, es brauchte nicht mehr der Gegenstand eines auf das Unbedingte gehenden Raisonnements zu werden. Erst die Antinomik, in der das Vorausgesetzte als das Unbedingte des Wissens selbst gemeint ist, muß von dem Begreifen im Vorausgesetzten wieder verlangen, daß es durch sich angebe, was denn die unbedingte Bedeutung sei, die da in ihm statthaben soll. Der Unterschied aber zu Zenon ist dabei, daß es um das Gegebensein als solches geht, während für Zeno das Gegebensein nicht als solches, sondern nur unter der Form des besonderen Begriffenseins gemeint sein konnte. Aber dieses Wissen, das in der These liegt, ist zugleich in der These selbst deswegen immer schon wieder in Frage gestellt, weil das Vorausgesetzte sich eben nur als es selbst in dem Durchsichgelten seines Bestimmtseins darstellt. Daß die These, indem sie in sich selbst sicher ist, so doch auch in Frage gestellt werde, dazu bedarf es nicht der Antithese, sondern dies Infragestellen liegt im Wesen der These selbst: in der Behauptung darüber, daß das Gegebene an sich selbst das Unbedingte sei, liegt für die Reflexion zugleich auch die Nötigung, im Raisonnement über die Setzung dieses Gegebenen hinauszugehen. Daraus folgt dann aber nicht das Bewußtsein, daß das Gegebene und das Denken in sich falsch seien, wie dies für die zenonischen Aporien deswegen folgen muß, weil das reflektierende Denken sich hier überhaupt noch nicht selbst im Begreifen des Bestimmten erkennt, sondern es folgt das Bewußtsein, daß das Denken sich, obwohl es sich schon als das wahre Denken weiß, seiner selbst in seiner Wahrheit nicht vergewissern kann, d. h. es folgt jenes Bewußtsein von dem Geschehen der Wahrheit des Denkens als Unzulänglichkeit, durch sie und in ihr, das dann

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seinen — in gewisser Weise dogmatischen — Ausdruck in der Lehre der transzendentalen Ästhetik und der transzendentalen Analytik davon findet, daß alle unsere Erkenntnis eine Erkenntnis nur von bloßer Erscheinung sei. So scheint also die Antithese gar nicht nötig zu sein, damit die These in der Haltlosigkeit, durch die sie doch auch bezeichnet ist, herausgestellt wird; sondern die These leitet, wenn sie ins Raisonnement aufgenommen ist, d. h. wenn das Begreifen die äußere oder innere Grenze des Gegebenen zu bestimmen sucht, von selbst auf die Haltlosigkeit, die sie charakterisieren muß, sofern sie von dem Vorausgesetztsein des begriffenen Bestimmten her gefaßt ist. In diesem Sinne sind auch die zenonischen Aporien so durchgeführt, daß ihre Entwicklung in einem einzigen in sich zusammenhängenden Raisonnement erfolgt und sie keineswegs zweier verschiedener Denkweisen bedürfen, um die in sich haltlose Struktur des begriffenen Ausgedehnten hervorgehen zu lassen. Daß Kant nun glaubt, der These, die doch allein schon die ganze Entwicklung des Raisonnements — auch auf die Haltlosigkeit des durch sie Behaupteten hin — enthält, doch die Antithese entgegenstellen zu müssen und aus ihr ableiten zu sollen, daß die These hinfällig sei, wogegen er dann auch die These wieder die Antithese widerlegen läßt, das kann nicht daran liegen, daß er sich — im Unterschied zu Zenon — über das Begreifen in der These hinaus willkürlich auch noch in eine andere Art zu raisonnieren versetzt hätte, die dann durch einen glücklichen Zufall sich als genaue Ergänzung des Raisonnements der These erwiesen hätte, sondern es muß sich so verhalten, daß im Raisonnement der These selbst schon das Prinzip für die Antithese liegt. Dem Denken, dem das Vorausgesetzte doch auch schon das Geschehen des Wissens als Wissen ist, muß auch die Haltlosigkeit des Begreifens, die sich in der Durchführung des Raisonnements entdeckt, wieder zum Geschehen des Wissens als Wissen werden, sie muß selbst ein unbedingtes Gelten erlangen. Für Zeno konnte das Raisonnement nur zu dem Bewußtsein darüber führen, daß das Gegebene und das Denken in sich falsch seien; hier muß das Raisonnement, indem in ihm die Haltlosigkeit des Begreifens hervorgeht, gerade auf die Weise dieser Haltlosigkeit schon wieder das Geschehen des Unbedingten selbst hervorgehen lassen. Im Raisonnement drückt es sich aus, daß das reflektierende Denken sich über sich selbst auf die Weise des Begreifens im Bestimmten zu vergewissern sucht. Durch dieses Begreifen muß die Reflexion darauf hingeleitet werden, daß ihr Anspruch, des Unbedingten auf die Weise des Gegebenen gewiß zu sein, hinfällig ist, aber, auf die Weise des Begreifens im Bestimmten führt sich doch gerade durch, daß das Geschehen des Wissens auf die Weise des Vorausgesetzten es selbst als solches ist. Während Zeno im Raisonnement nur die Destruktion erfahren konnte, die freilich im Gegebensein des Ausgedehnten und der Bewegung immer schon angelegt war, muß das Raisonnement hier als solches, als Vollzug des Begreifens im Bestimmten, gerade das Sichvollziehen und ständige Sichdarstellen des unbedingten Wissens sein. Im Raisonnement, wie es im Rahmen der These geführt wird, geht also — direkt — die Unzulänglichkeit des Voraus-

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Die Reflexion auf den in sidi reflektierten Determinationsbegriff

gesetzten zum unbedingten Geschehen des Wissens hervor, weil das vorausgesetzte Bestimmte sich eben immer nur als das Bestimmte, das es ist, bezeugen kann. Indem aber das Bestimmtsein so im Begreifen als bloßes Fürsidhgelten hervorgeht, da liegt in diesem Fürsichgelten gerade auch die unbedingte Bedeutung des Wissens, und das, was sich dem unmittelbaren Geschehen des Wissens als Wissen auf die Weise des Vorausgesetzten entgegensetzt, ist das Geschehen des Wissens als Wissen auf die Weise des Vorausgesetzten selbst, sofern es aus dem Vorausgesetzten seinen Ausgang nimmt. Die Destruktion des Anspruchs der These bekommt so eine unbedingte Kraft und Gültigkeit und steht darin für sich auf die Weise des Vorausgesetzten da, in ihr erstellt sich das unbedingte Wissen selbst neu. Die Destruktion bekommt als solche absolute Bedeutung: sie wird nicht mehr wie bei Zeno im Durchlaufen einzelner Schritte des Raisonnements vom gegebenen Vorausgesetzten her durchgeführt, sondern das Geschehen der Reflexion auf die Weise des Begreifens vom Vorausgesetzten her ist als die Natur, als das Wesen des Vorausgesetzten selbst offenbar, das sonach, wenn es sich einmal als Gegebenes, als Ausgedehntes, als Bewegung dargestellt hat, an sich selbst gerade nichts anderes sein kann als ein unbedingtes Verweisen auf sich selbst, es gehe dieser Prozeß des Verweisens nun nach außen oder nach innen. Daß das Begreifen im Bestimmten dieses unbedingte Verweisen auf sich selbst ist, das ist, wenn wir so sagen wollen, ein in sich analytisches Wissen der Reflexion, in dem nichts anderes liegt als das, daß das begriffene Vorausgesetzte es selbst eben als begriffenes Vorausgesetztes ist, d. h. das „immer schon" und „immer noch" an sich hat und nur so Geschehen von Begreifen ist. Das Ausgedehnte und das Bewegte können das Unbedingte, das sie — nach dem Wissen der These — sind, gerade nicht so abgeben, daß es durch einen bestimmten Akt des reflektierenden Begreifens, der aus diesem Wissen des Unbedingten geschieht, gehalten würde, in jedem solchen Akte muß vielmehr das Vorausgesetztsein als bloßes Vorausgesetztsein hervorgehen, aber indem es so hervorgeht, da hat es — in einem in sich selbst analytischen Wissen der Reflexion — als solches eben die unbedingte Bedeutung, die das Geschehen des Gegebenseins als solches in der Thesis hatte. Die Antithese setzt es, daß das Begreifen des Vorausgesetzten als Vorausgesetztes in sich selbst unbezüglich als solches gilt und darin die unbedingte Bedeutung hat, die nicht überschritten werden kann. Die Antithese ist das Geschehen des Begreifens im Vorausgesetzten selbst, sofern es als Sichbezeugen in sich unbedingter Bedeutung offenbar ist. Dieses Sichbezeugen tritt dem unmittelbaren Geschehen des Ausgedehnten oder der Bewegung als unbedingtes Wissen so entgegen, daß es doch nur dies unbedingte Wissen des Vorausgesetzten selbst ist. Was es aufhebt und zwar mit unbedingter Geltung aufhebt, ist nicht das Geschehen des Wissens selbst, sondern ist der Anspruch der Reflexion, durch einen Akt des Begreifens im Bestimmten das unbedingte Geschehen des Wissens auf die Weise des Vorausgesetzten als solches zu fassen. Der einzelne Akt des Begreifens muß das Wissen gerade verkehren und er muß aufgehoben werden;

Der Determinationsbegriff als Hindernis des Reflexionsbegriffes

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was aber dem unmittelbaren Geschehen des Wissens entspricht, ist das Gelten in sich selbst, in dem allein — und nicht in seinen einzelnen Akten — die wahre Bedeutung des reflektierenden Begreifens sich offenbart. So läßt sich die Behauptung der These nach der Methode des Begreifens, die auch für die zenonischen Aporien gültig ist, in sich selbst auf ihre Aufhebung hin fortführen, und so geht hervor, daß das reflektierende Wissen, wenn es sich durch das Begreifen über sich selbst zu vergewissern trachtet, sich selbst nicht entsprechen kann; zugleich aber geht, indem die Behauptung der These so begreifend durchgeführt wird, die Antithese hervor, nach der dieses Begreifen, eben weil es der Ausdruck des Geschehens der Reflexion ist, als solches unbedingte Bedeutung hat. Auf die Weise des Begreifens selbst vollzieht sich das Geschehen des Wissens als Wissen; es hat selbst gerade die unbedingte Bedeutung, die das Gegebensein im Wissen der Reflexion auch hat. Eben kraft dieser unbedingten Bedeutung bewirkt die Antithese die Aufhebung nicht der These, d. h. nicht der unbedingten Bedeutung, die im Geschehen von Gegebensein liegt, sondern des reflektierenden Begreifens, in dem die These sich über sich selbst zu vergewissern sucht. Der einzelne Akt des Begreifens, durch den die äußere oder innere Grenze gesichert werden soll, muß aufgehoben werden, weil er die Bedeutung des Begreifens selbst dadurch verkehrt, daß er sich an das Fürsichgelten des Vorausgesetzten bloß als solches hält und auf die Weise dieses Fürsichgeltens seine eigene Bedeutung fassen zu können meint. Diese totale Aufhebung des Anspruchs des einzelnen Aktes reflektierenden Begreifens aber geschieht nur, indem die eigentliche Bedeutung des Begreifens schon offenbar ist, daß nämlich das begriffene Bestimmte oder das Fürsichgelten des Vorausgesetzten das unbedingte Geschehen des Wissens selbst seien. Das Fürsichgelten des Vorausgesetzten stellt sich wohl als solches dar, aber es hat in der Reflexion auf die Weise seines besonderen Bestimmtseins die Bedeutung des unbedingten Geschehens des Wissens, und der Fehler der Behauptung der These ist eben, daß sie die Bedeutung des aus der Reflexion geschehenden Begreifens auf die Weise des bloßen Fürsichgeltens des Bestimmten in seinem besonderen Bestimmtsein zu fassen sucht. In den zenonischen Aporien bleibt im Verworrenen, was denn die Suche nach der äußeren oder inneren Grenze eigentlich bedeute, und dieses Verworrensein sucht das reflektierende Denken durch die Behauptung, Gegebensein und Begreifen seien falsch — wiederum behauptend — abzutun; in der Antinomik dagegen zeigt es sich, daß sowohl die Gegebenheit als auch das Begreifen das Geschehen des Wissens als Wissen sind, d. h. daß sie die Wahrheit sind, daß diese Wahrheit, die das Gegebensein und das Begreifen sind, sich aber in sich selbst zum radikal Falschen darin verkehrt, daß die Reflexion sich selbst auf die Weise des Begreifens von Bestimmtem meinen muß, und dies auch, wenn das bestimmte Begreifen zugleich schon in sich selbst als das Geschehen des Wissens der Reflexion offenbar ist. Gegebensein und Begreifen sind, sofern sie das Geschehen der Reflexion selbst als Manifestation sind, wahr; aber die Weise, wie das reflektierende Begreifen durchge-

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Die Reflexion auf den in sidi reflektierten Determinationsbegriff

führt werden muß, ist falsch und kehrt sich gegen das Wissen der Wahrheit. Die Wahrheit aber kann in der Antinomik sie selbst ohne das Falsche nicht sein; die unbedingte Bedeutung, als die das Begreifen geschieht, kann nur durch die besonderen Akte des Begreifens hervorgehen, in denen diese unbedingte Bedeutung sich selbst gerade auch entgegengesetzt ist. Das besondere Begreifen ist wohl der Ort des Wesens des Begreifens, aber es ist der Ort dieses Wesens nur, indem es in ihm gerade auch nur es selbst ist und — in der Antithese — aus diesem Wesen heraus selbst als die Verkehrung der Wahrheit verworfen werden muß. Die Antithese ist so, genau wie die These es ist, das Geschehen des unbedingten Wesens des Wissens selbst; und wie die These in diesem Geschehen über sich selbst unausgewiesen bleibt und damit zur Antithese hinleitet, weil nämlich das begriffene Bestimmte sich selbst immer nur in seinem Bestimmtsein bezeugt, so ist umgekehrt die Antithese dadurch in sich selbst ungesichert, daß sie allein aus den besonderen Akten reflektierenden Begreifens für sich selbst hervorgehen kann. Die These kann nicht dazu gelangen, sich für sich selbst zu bestätigen, die Antithese gelangt nicht dazu, ihrer selbst in ihrem Geschehen sicher zu sein. So wie für die These der — vergebliche — Versuch entspringen mußte, ihr Wissen auf die Weise des Begreifens im Bestimmten festzuhalten, so muß es dem Wissen der Antithese darum gehen, sich seines Geschehenkönnens als solchen zu versichern. Aber dieses Verlangen muß ein bloßes Verlangen bleiben, denn das Begreifen ist in sich selbst zuende gekommen, es hat alles erreicht, was es zu erreichen vermöchte. Daher kann es in der Behauptung der These wohl den Prozeß geben, durch den das Begreifen fortlaufend nach der äußeren oder der inneren Grenze sucht. Für die Antithese gibt es nur das Verlangen danach, daß die unbedingte Bedeutung als Sichbezeugen für sich sie selbst als solche sei: es muß aber dabei bleiben, daß sie durch das Begreifen im Bestimmten nicht ausgewiesen werden kann. Hier gibt es einen Prozeß fortlaufender Akte des Begreifens nicht, sondern hier gibt es nur das Ungenügen in sich selbst, das das unbedingte Wissen in seinem Geschehen als reflektierendes Begreifen ist. Indem aber so im Geschehen des reflektierenden Begreifens selbst das Wissen seines Ungenügens liegt, da geht eben darin zugleich die unbedingte Bedeutung des Gegebenen oder des Vorausgesetzten hervor, denn es geschieht in der Reflexion, daß das unbedingte Geschehen des Wissens sich gerade auf die Weise des Fürsichgeltens des Vorausgesetzten, als das es geschieht, selbst bezeugt. In dem Versuch aber des Begreifens, sich aus dem Fürsichgelten des Vorausgesetzten, das es aus der Reflexion gerade verwerfen muß, doch über sich selbst zu vergewissern, geht die Gewißheit der These hervor, daß nämlich das Bestimmtsein als solches die Wahrheit, die Wahrheit auch des Begreifens ist. So führt das Wissen der Antithese auf die These: sie muß in dem Fürsichgelten des Vorausgesetzten, das sie im reflektierenden Begreifen gerade als den Ausdruck des Unbedingten verwerfen muß, das Unbedingte meinen. Das Wissen der These ist so die Bestätigung des Wissens der Antithese;

Der Determinationsbegriff als Hindernis des Reflexionsbegriffes

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aber die Durchführung des Wissens der These im Begreifen muß gerade wieder die Gegenbehauptung gegen die Antithese sein, so wie die Antithese die Aufhebung der Behauptung der These war. Für sich stehen These und Antithese beide in ihrer Wahrheit da; aber in der Durchführung des Begreif ens wird die These zur Gegenbehauptung gegen die Antithese, und die Antithese wird zur Aufhebung des Behauptens der These. So tritt an die Stelle der Verworrenheit, in der das Gegebene und das Raisonnement in den zenonischen Aporien gehalten war, das Wissen darum, daß sowohl das begriffene Gegebene als auch das reflektierende Raisonnement das Geschehen des unbedingten Wesens des Wissens sind, doch so, daß dies Wissen sich im Vollzug des Begreifens selbst aufheben muß, in einem Aufheben, das als solches schon wieder die Bedeutung des unbedingten Wissens der Reflexion hat, so daß also an die Stelle des Verworrenen oder des Falschen, von dem Zenon sprach, ein — in sich gedoppeltes — Geschehen der Wahrheit oder der unbezüglichen Evidenz des Wissens tritt, das sich doch immer wieder aufheben muß, eben darin aber und als dieses Aufheben selbst das unbedingte Geschehen des Wissens immer neu gewinnt. Das Wissen darum, daß das unbedingte Geschehen des Wissens auf die Weise des Vorausgesetzten so statthabe, daß es seiner selbst erst durch das Gegeneinander von These und Antithese ausdrücklich inne wird, findet seinen Ausdruck dann in der Lehre davon, daß alle unsere Erkenntnis eine Erkenntnis nur von bloßer Erscheinung sei, worin einerseits ausgedrückt ist, daß das Erkennen seiner selbst im Gegebenen als das unbedingte Geschehen des Wissens inne ist und worin andererseits auch liegt, daß dies unbedingte Geschehen seiner selbst im Gegebenen doch nur so inne ist, daß es sich darin nicht selbst als solches fassen kann. Solches Erkennen bloßen Erscheinens aber geschieht als Anschauen und als Begreifen, deren transzendentale Doktrin aus dem Wissen der These und dem Wissen der Antithese erstellt werden kann. Die Antinomik selbst aber kann dann auch von dieser Lehrer von der Erscheinung her begriffen werden und stellt sich dann als ein Unterfangen des Denkens dar, in dem sich in der These wie in der Antithese das Wesen der Vernunft selbst ausdrückt, ohne sich doch, wie es es möchte, auf die Weise der Behauptung selbst darstellen zu können.

IV. Das Geschehen des Determinationsbegriffes als ReflexionsbegrifF 1. Das begriffene a)

Der

Verzicht

Bestimmte als Geschehen der Reflexion

auf

das

behauptende

Raisonnement

Die Aporetik des Zenon ist dadurch bestimmt, daß sich die Reflexion in ihr unmittelbar in dem Begreifen des Bestimmten verwirklicht, während die Reflexion, wie sie im Ausgang von der kantischen Transzendentalphilosophie im Vorausgesetzten vollzogen werden muß, auf die Weise des Fürsichgeltens des Vorausgesetzten sich selbst als Geschehen aufnimmt. Auf die Weise des Fürsichgeltens des Vorausgesetzten muß es geschehen, daß dies Denken sich selbst als unbedingte Bedeutung erlangen will, aber dieses Fürsichgelten des Vorausgesetzten ist dabei es selbst schon als das Geschehen der Reflexion. Die Weise, auf die das Denken sich in dem Vorausgesetzten, das als solches schon das Geschehen der Reflexion ist, selbst meint, kann freilich immer noch nur die sein, daß auf die Weise des Begreifens im Bestimmten selbst die unbedingte Bedeutung, die das Bestimmte ist, hervorgehen soll, wie dies auch für die zenonischen Aporien schon gilt. Aber indem das reflektierende Denken weiß, daß es ihm auf die Weise des Vorausgesetzten um sein Sichverstehen in seinem Geschehen selbst geht, durchschaut es sich immer schon in der Unangemessenheit seines Verfahrens, doch so, daß das Unangemessensein ihm zugleich auch die Angemessenheit zu sich selbst ist, denn auf die Weise des Vorausgesetzten ist die Reflexion ihr Geschehen als sie selbst. In diesem Ineinandersein von Angemessenheit und Unangemessensein geschieht das reflektierende Denken für sich selbst als Wissen. Das Wissen aber ist an sich selbst Verlangen danach, als Übereinkommen zu sein. Das Wissen oder die Vernunft, die sie selbst als dieses Verlangen ist, kann nicht ein bloßes Verweisen und Sicherfahren im Fürsichgelten des Vorausgesetzten sein, sie ist dieses Innesein vielmehr als das Ungenügen an sich selbst; und das Verlangen nach dem Genügen muß sich gerade auf die Weise des Begreifens im Bestimmten und des Fürsichgeltens des Vorausgesetzten Gestalt geben. Der anfängliche Unterschied zwischen der dogmatischen Fortentwicklung der Transzendentalphilosophie und einem solchen Geschehen der im Vorausgesetzten begreifenden Reflexion als Verlangen nach dem Übereinkommen würde also darin bestehen, daß in dem dogmatischen Denken das Vorausgesetzte, obwohl es als der Ort der Reflexion gewußt ist, doch zugleich auch bloßes unmittelbares Fürsichgelten bleibt: die Reflexion, die ihrer selbst im Begreifen inne ist, versteht sich selbst durch das begriffene Vorausgesetzte als solches; dagegen würde, die transzendentale Reflexion als solche transzendental geschehen lassen, bedeuten,

Das begriffene Bestimmte als Geschehen der Reflexion

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daß die Reflexion, die um die bloße Erscheinungshaftigkeit ihres Wissens weiß, das Fürsichgelten des Vorausgesetzten selbst ersdieinungshaft zu wissen sucht und damit das Wesen des Erkennens in der Erscheinung von dem Charakter des bloßen Fürsichgeltens des Vorausgesetztseins befreit. Es ist die Bedeutung der Erscheinungshaftigkeit des Erkennens im Bestimmten selbst, deren die Reflexion auf die Weise des Bestimmten und als es inne zu werden suchen muß. Das Geschehen des Wissens als ein Wissen von Erscheinung soll sich nicht nur auf die Weise des Fürsichgeltens des Vorausgesetztseins als solches verwirklichen, sondern das Fürsichgelten des Vorausgesetzten soll sich als solches und durch sich gerade als das Geschehen des erscheinungshaften Wissens selbst dartun. Das Wissen der Reflexion meint sich selbst als das Fürsichgelten des Vorausgesetzten, und das Fürsichgelten des Vorausgesetzten muß durch sich selbst und als es selbst bezeugen, daß es das Geschehen dieses Wissens der Reflexion sei. Das Fürsichgelten des Vorausgesetzten soll so selbst die Weise werden, wie Erscheinungshaftigkeit ist. Es ist das Fürsichgelten des Vorausgesetzten, in dem und als das die Vernunft als Verlangen geschieht; die unbestimmte Bedeutung des Geschehens der Reflexion als Sichverstehen soll sie selbst gerade als dies Fürsichgelten des Bestimmten sein. Daß das Geschehen der Reflexion dergestalt als Fürsichgelten sei, bedeutet aber gerade, daß es als das Begreifen des Bestimmten es selbst sei, daß die Reflexion sie selbst als Determination sei. Das Fürsichgelten des Vorausgesetzten soll sich im Begreifen so darstellen, daß es als das Fürsichgelten, das es ist, gerade auch das Geschehen der Reflexion selbst bedeute, daß es als solches die unbestimmte Bedeutung der Reflexion, die Bedeutung des bloß Erscheinungshaften habe. Wenn aber auch das Fürsichgelten des Vorausgesetzten so durch sich selbst und als es selbst das Geschehen des Wissens der Reflexion darstellen soll, so kann es darin von sich her doch nicht mehr geben und darstellen als eben im Geschehen von Bestimmtsein liegt. Es ist also in dieser Situation der Reflexion aufgehoben, daß vom Vorausgesetzten her noch metaphysische Aussagen in der Art gemacht werden könnten, daß durch das Vorausgesetzte das Unbedingte selbst als solches faßlich würde, aber das Vorausgesetzte selbst ist dadurch nicht eigentlich gewandelt oder zu neuen Bestimmungen erweitert, und die Reflexion, der das Vorausgesetzte sie selbst sein soll, ist vielmehr gerade ganz auf das bloße Bestimmtsein des Bestimmten zurückgeworfen. Das bedeutet also, daß die Erfahrung des Vorausgesetzten, die in diesem Wissen der Reflexion gemacht wird, weder mehr durch das bloße Feststellen des Bestimmten angegeben werden kann, — wie dies ganz unabhängig von dieser Position der Reflexion immer schon im Begreifen geschieht —, noch auch durch eine unbedingte Bedeutung, die das Vorausgesetzte durch sich als Vorausgesetztes anzeige — wie dies das metaphysische Denken meint —, angegeben werden kann. Das Vorausgesetzte, das als solches die Reflexion ist, ist vielmehr so gewußt, daß das Bestimmtsein, in dem es sich darstellt, ohne sich als Bestimmtsein zu erweitern, doch das Offenbarsein unbedingter und unbestimmter Bedeutung, das

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Das Geschehen des Determinationsbegriffes als Reflexionsbegriff

Offenbarsein des Geschehens der Vernunft als Bedürfnis ist. Es können also in dieser Erfahrung die Aussagen über das Bestimmte als Bestimmtes so stattfinden, wie sie unabhängig von aller Reflexion durch sich selbst gelten; auf die Weise dieses Begreifens und dieser Aussagen geschieht aber zugleich auch schon eine Reflexionsbedeutung, die nicht für sich angegeben werden kann, sondern die eben nur auf die Weise dieses Begreifens und dieser Aussagen ist, die diese Aussagen selbst ist, sofern sie schon das Geschehen der Reflexion sind. Diese Bedeutung, die nicht als für sich bestehende Bedeutung ausgesagt werden kann, sondern die als das Begreifen des Bestimmten selbst geschieht, meint, daß das Aussagen von Bestimmtem als solches ein Geschehen von Verstehen sei, das aber als Verstehen für sich selbst Unzulänglichkeit und Bedürfnis bleibt. Das Aussagen des Bestimmten selbst ist in seinem Bestimmtsein der Vollzug dieses Wissens, das als solches nicht noch einmal ausgesagt werden kann, also nicht in einer bestimmten metaphysischen oder auch transzendentalphilosophischen Aussage zu dem unmittelbaren Begreifen des Bestimmten noch hinzugefügt werden kann. Auf die Weise des Begreifens des Bestimmten geschieht die unbestimmte Bedeutung der Reflexion. Die Aussage des Bestimmten ist daher auch schon das Geschehen der Reflexion auf die Weise der Aussage und in ihr. Es findet dabei keine Verwandlung des Aussagens des Bestimmten statt, denn die Reflexion geschieht ja gerade durch das Bestimmte und durch sein Ausgesagtsein. Aber das Aussagen des Bestimmten ist jetzt als solches das Geschehen der unbedingten Bedeutung oder des Verstehens. Es muß dabei bleiben, daß das Begreifen als Begreifen des Vorausgesetzten geschieht. Es sind die Dinge, die mit ihren Zuständen und Veränderungen im Nebeneinander und Nacheinander aufgefaßt sind, auf deren Weise die unbedingte Bedeutung des Wissens der Reflexion geschieht. An dieses Begreifen werden nicht mehr die Raisonnements der zenonischen Aporien herangetragen, durch die die Reflexion vom Fürsichgelten des Vorausgesetzten her der Bedeutung inne werden will, die sie auf die Weise des Begreifens im Bestimmten hat. Und an dieses Begreifen werden auch nicht die metaphysischen Behauptungen herangetragen, in denen die raisonnierende Reflexion aus dem Bewußtsein der Unlösbarkeit der zenonischen Aporien heraus, jedoch ohne daß sie auf den ersten Akt ihres Raisonnements, durch den das Vorausgesetzte in der Reflexion als ein in sich beschlossenes und damit in Grenzen eingeschlossenes Bestimmtes gesetzt ist, zurückkommt, Sein und Denken trennt, aber doch in beidem als Bestimmtem das Unbedingte findet. Das Begreifen des Bestimmten dagegen, wie es als das Geschehen der Reflexion selbst statthat, ist nichts als es selbst; es ist befreit von jedem Akt der Reflexion, wodurch diese sich schon in das Fürsichgelten des Vorausgesetzten gelegt hätte und versucht hätte, von diesem Fürsichgelten her sie selbst als Bestimmung zu sein. Die Reflexion ist im Begreifen im Bestimmten nicht sie selbst auf die Weise eines Bestimmten, sondern das Begreifen des Bestimmten geschieht nur als es selbst, hat aber darin die unbedingte Bedeutung, die das Wissen der Reflexion ist. In den zenonischen Aporien meint sich die

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Reflexion selbst unmittelbar als begriffenes Bestimmtes. Sie geht unmittelbar in das Vorausgesetzte als solches, d. h. in das begriffene Bestimmte, als das die Dinge der Welt sich darstellen, ein; und das begriffene Bestimmte, das so die Reflexion durch sich selbst angeben soll, erweist sich dann als nicht imstande, durch sich dieses Wesen der Reflexion, das es dem ersten Akt der Reflexion nach schon durch sich darstellt, so auszudrücken, daß das Begreifen im Bestimmten dabei Angemessensein zu sich selbst sein könnte. Das reflektierende Denken tritt damit in das Bewußtsein ein, daß das Gegebene und das raisonnierende Begreifen des Gegebenen falsch seien. Sowohl in der Durchführung des Raisonnements als auch in dem Bewußtsein von dem Falschsein in sich des Gegebenen wie des raisonnierenden Begreifens, das ihr Ergebnis ist, ist das begriffene Bestimmte oder das Vorausgesetzte dabei in Selbstverständlichkeit als das genommen, was es ist, eben als das Vorausgesetzte, das als solches da ist und das sich als solches und als ganzes über sich ausweist. Das Scheitern der zenonischen Raisonnements führt dann dazu, daß, indem der erste Akt des Raisonnements, durch welchen die Reflexion sich als solche auf die Weise des Bestimmten setzt, beibehalten bleibt, doch die weitere Durchführung des Raisonnements als eine solche, die dem Wissen um das Unbedingte, das in diesem ersten Akt der Reflexion schon im Bestimmten gefunden wird, nicht gerecht werden kann, sondern vielmehr auf das Falsche führen muß, von jenem ersten Wissen abgetrennt wird und dieses nur für sich gilt, als ein Wissen, das das Unbedingte schon in sich trägt. Während sich für Zeno aus dem Erfahren des Falschen zugleich ein Wissen des Wahren eröffnete, das dem, was im Bereiche des Falschen sich als Gegebensein und als Raisonnement darstellte, gleichermaßen entsprach und deswegen als das Eine gewußt werden konnte, was in seiner Einheit ebensowohl die Wahrheit des Denkens wie die Wahrheit des Seins befaßte, wird die neue metaphysische Lehre eine Lehre vom Seienden, das als solches für sich dasteht und in diesem seinem bloßen Dastehen schon die Wahrheit enthält. Das so vorgestellte Seiende ist aber das Vorausgesetzte, so wie es sich schon nicht mehr rein als solches, sondern vielmehr unter dem ersten Akt der Reflexion darstellt, die sich als solche auf die Weise des Bestimmten zu fassen sucht. Von diesem so unter dem ersten Akt der Reflexion gefaßten Vorausgesetzten ist nun das fortlaufende Raisonnement abgehalten, und es stellt sich im Wissen der Reflexion als das in sich beschlossene Gegebene dar, das als solches schon unbedingte Bedeutung hat. Dieses so verstandene Gegebene, von dem das weiterlaufende Raisonnement entfernt bleibt, ist als das wahrhaft Seiende verstanden, und so bekommen Gegebensein und Vorhandensein im metaphysischen Denken die unbedingte Bedeutung, die sie bis hin zur Lehre der transzendentalen Ästhetik bewahren konnten. Es ist aber dieses wahrgenommene Gegebene wohl von dem Raisonnement befreit, in dem die Reflexion sich selbst in dem schon von ihr erfaßten Vorausgesetzten verfolgt und zum Scheitern in sich selbst geführt wird, keineswegs aber von dem ersten Akt der Reflexion selbst und keineswegs auch von dem Geschehen des Begreifens, als das das Vorausgesetzte immer schon ist,

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Das Geschehen des Determinationsbegriffes als Reflexionsbegriff

ganz unabhängig davon, auf welche Weise die Reflexion dann von dem Vorausgesetzten noch Besitz ergreift. Dem Seienden, das sich als das wahrgenommene Gegebene darstellt, wird dann aber in der Metaphysik das Raisonnement, in dem es der Reflexion auf die Weise des Bestimmten um sich selbst geht, doch auch wieder beigefügt; auch in der Metaphysik verlangt das reflektierende Denken danach, sich sich selbst als solches auf die Weise des begriffenen Bestimmten vorstellig zu machen. Auf die Weise des Gegebenen ist die unbedingte Bedeutung des Wissens schon da, aber sie muß auch selbst als ein bestimmtes Gegebenes faßlich gemacht werden können. Das Denken, das sich auf diese Weise in das — schon bestimmte — Gegebene legt, geht nicht über das Gegebene hinaus, sondern sagt es nur noch einmal als das aus, das als Bestimmtsein das Unbedingte ist. In diesem Raisonnieren, das, wie gesagt, seine obersten Prinzipien in dem Satz des Widerspruchs und in dem Satze der Identität hat, verzichtet die Reflexion darauf, sich selbst als solcher in dem Gegebenen, d. h. in dem begriffenen Bestimmten, nachzufragen; es ist ihr genug, daß in dem Gegebenen schon die unbedingte Bedeutung liegt, und sie wiederholt diese unbedingte Bedeutung nur noch einmal als das Geschehen von Bestimmtem. Die Metaphysik übergeht das zenonische Anliegen, und sie kann dies tun, eben weil das Gegebene ihr immer schon das Unbedingte als solches ausweist, wogegen Zeno, der noch nicht von einer nur aus dem Scheitern möglichen Einkehr ausgehen konnte, vom Begreifen des Vorausgesetzten her suchen mußte, was denn die unbedingte Bedeutung, die sich in ihm anzeigt, eigentlich meine. Aber wenn auch die Metaphysik so des Unbedingten im Gegebenen gewiß sein kann, so bleibt es doch, daß das Raisonnement, sofern es sich an das Bestimmte hält, über die unbedingte Bedeutung des Bestimmten immer auch ungewiß bleiben muß, so daß das metaphysische Denken in allen seinen Behauptungen notwendig etwas von Unaufrichtigkeit enthalten muß, die dann das metaphysische Denken dazu treibt, sich selbst weiterzuentwickeln. Für das metaphysische Denken aber muß ganz allgemein gelten, daß es das Wahrnehmen und das Denken in seiner Reflexion unterscheidet, der Akt des metaphysischen Begreifens steht nicht in einem unmittelbaren Bezug zum Akt des Wahrnehmens, sofern er in seiner metaphysischen Bedeutung genommen ist. Während sich bei Zeno das Raisonnement aus dem ersten Akt des Sichbegreifens der Reflexion im Vorausgesetzten unmittelbar fortentwickelt als der Ausdruck dieses ersten Aktes, ist im metaphysischen Denken das Vorausgesetzte, in dem die Reflexion sich begreift, sofern es das Wahrgenommene ist, der Ort des Geschehens des unbedingten Wissens der Reflexion, sofern es aber das Gedachte ist, nimmt sich die Reflexion in ihm als Bestimmtsein auf, so daß, wenn man es bildlich ausdrücken wollte, die Reflexion im metaphysischen Wahrnehmen und im metaphysischen Denken in zwei einander genau entgegengesetzten Richtungen verfährt. Die Wahrnehmung meint Offenbarung: sie bleibt unbeweglich stehen; das Denken aber meint Vergewisserung und in ihm geschieht insofern alle Bewegung der Metaphysik in sich selbst, wodurch diese sich zugleich selbst zu ihrer Aufhebung

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hinführt. Eben darin muß aber das Denken als die Leistung des Erkennens erscheinen, auf die die Metaphysik sich wesentlich gründe. Aber die kantische Position führt zugleich über die Metaphysik und führt auch über Zeno insofern hinaus, als sie — im Durchgang durch die Antinomik — dazu gelangt ist, das Wissen der Reflexion auf die Weise des Vorausgesetzten es selbst als solches sein zu lassen, es als das Vorausgesetzte sein Geschehen sein zu lassen, ohne daß es sich dabei sich selbst schon wieder als ein bestimmtes Vorausgesetztes vorstellig zu machen suchte. Auf diese Weise geht es hervor, daß das Vorausgesetzte als solches, in seinem bloßen Vorausgesetztsein und als es, schon das unbestimmte und unbedingte Geschehen des Wissens der Reflexion ist, und in diesem Wissen sind Wahrnehmen und Denken, wie sie in der metaphysischen Reflexion als voneinander unterschieden gesetzt worden sind, nicht nur wieder zusammengenommen, sondern in einem in sich einigen Geschehen des Wissens gegründet, das ihre Unterscheidung nicht kennt. In der kantischen Lehre muß sich die transzendentale Reflexion dabei selbst wieder auf die Weise des metaphysischen Begreifens darstellen, so daß die transzendentale Reflexion eigentlich nie als solche auftritt, sondern nur unter ihren Lehrstücken erscheint, wie sie sich analog auch im metaphysischen Denken finden lassen und durch sich auch das in sich einige Geschehen der transzendentalen Reflexion auslegen. In der Fortführung der transzendentalen Reflexion, um die es uns hier geht, muß diese Auslegung ihres Wissens durch das Fürsichgelten des gegebenen Vorausgesetzten hinfallen, und die Reflexion ist in ihrem Sichverstehen allein darauf verwiesen, daß sie auf die Weise des Vorausgesetzten sie selbst als solche ist. Das Vorausgesetzte ist — so wie es sich schon von der Antinomik her ergab — nicht mehr unter den ersten Akt einer als Raisonnement geschehenden Reflexion gestellt, sondern gilt einfach als solches, als begriffenes Bestimmtes, und eben als solches ist es das Geschehen der Reflexion. Das transzendentale Denken gibt damit nicht nur die Unterscheidung von Wahrnehmen und Denken, wie die Metaphysik sie macht, auf, sondern es macht sich auch von dem ersten Akt der raisonnierenden Reflexion, wie er den Ausgang für die zenonischen Aporien und auch für das metaphysische Denken abgibt, los, d. h. die Reflexion meint sich überhaupt nicht mehr als ein bestimmtes Gegebenes, sondern sie ist nichts als das Geschehen des Vorausgesetzten selbst. Die zenonischen Raisonnements und das metaphysische Denken haben dies gemeinsam, daß die Reflexion sich selbst als ein Determiniertes meint, der transzendentalen Reflexion, von der wir hier handeln, ist das Determinierte als solches das Geschehen der Reflexion. Wenn aber die Reflexion so selbst als das Vorausgesetzte geschieht, das als nichts anderes gilt als als es selbst in seinem Vorausgesetztsein und Bestimmtsein, dann muß dieses Bestimmte nun doch als es selbst unmittelbar die unbedingte Bedeutung hergeben, die es zwar immer schon ist, die sich aber, solange die Reflexion noch in die metaphysische Position gebunden ist, nicht unverstellt als solche ausdrücken kann. Die Reflexion geschieht nicht mehr als Raisonnement und als 10 Kopper, Reflexion

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raisonnierendes Fragen nach sich selbst, das Vorausgesetzte ist als solches unmittelbar ihr Geschehen; aber die Reflexion findet sich in diesem Zustand nicht etwa dadurch, daß sie die alten Fragen überwunden und aufgelöst hätte, sondern eben nur dadurch, daß sie aufgehört hat, vom Vorausgesetzten her zu geschehen, sich selbst als Bestimmtes zu meinen, da ihr vielmehr das Vorausgesetzte ihr Geschehen als sie selbst ist. Daß die Reflexion sich selbst als solche auf die Weise des Vorausgesetzten findet, bedeutet so zugleich, daß sie sich nicht etwa als Verfügen, sondern — obzwar ohne Raisonnement — als Bekennen findet. Insofern die Reflexion so als Bekennen geschieht, da ist sie darin — ohne alles Raisonnement über sich selbst — das Fürsichgelten des Begreifens im Bestimmten, das das Vorausgesetzte immer schon ist, und erlangt so — als Bekennen — in diesem Fürsichgelten ihr Geschehen als Übereinkommen. Das Geschehen des Wissens als Bekennen ist selbst sein Geschehen als Übereinkommen. Daß das Wissen als Übereinkommen geschieht, das hebt sein anfängliches Sicherfahren im Vorausgesetzten nicht auf und verändert sein Geschehen als Vorausgesetztsein als solches nicht; aber es fügt dem Geschehen des Wissens als Vorausgesetztsein doch dies hinzu: daß das Wissen als das Vorausgesetzte, als das es ist, sein Geschehen als Verstehen sei. Insofern aber das Wissen der Reflexion in seiner unbedingten Bedeutung gerade nur als Fürsichgelten des Vorausgesetzten es selbst als Aussage und darin es selbst als Übereinkommen ist, insofern stellt es sich auch allein im Bestimmten dar, das allein durch sich gilt und durch das allein das Wesen der Reflexion als solches hervorgehen kann. Ist die Reflexion, die als Bekennen geschieht, selbst das unmittelbare Fürsichgelten des Vorausgesetzen, ist es offenbar, daß die unbedingte und unbestimmte Bedeutung, die sie meint, gerade als dieses Fürsichgelten geschehe, dann ist damit der Widersreit, der zwischen diesem Fürsichgelten und dem Geschehen der Reflexion entstehen konnte, wohl überwunden, — das reflektierende Denken kann nicht mehr aporetisch sein —, aber er ist nicht dadurch überwunden, daß die Reflexion durch ihr raisonnierendes Verfahren im Vorausgesetzten zur Übereinkunft gelangt sei, sondern nur dadurch hat dieser Widerstreit schließlich abgetan werden können, daß die Reflexion, statt sich selbst als Geschehen des Wissens durch das Vorausgesetzte und von dem Vorausgesetzten her erlangen zu wollen, als das Vorausgesetzte sie selbst ist. Der Prozeß des aus der Reflexion geschehenden Raisonnierens ist nicht als solcher und durch sich selbst zu einem Ende gebracht worden, sondern dieses Raisonnieren ist aufgegeben worden; die Reflexion sucht sich nicht mehr im Vorausgesetzten, sondern in ihrem Geschehen weiß sie sich selbst als das Vorausgesetzte in seinem Fürsichgelten. Nicht durch die Auflösung der Fragen des Raisonnements, sondern durch eine Haltung des Wissens, die von dem Raisonnieren und Fragen abgegangen ist, wird das Geschehen des Wissens als Übereinkommen erlangt. Da die neue Position der Reflexion aber doch bedeutet, daß die alte Weise metaphysischen Raisonnierens aufgegeben sei, wenn das neue Wissen auch nicht im direkten

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Fortgang aus dem Raisonnement entwickelt werden konnte, so kann man gleichwohl sagen, es sei durch diese letzte Position die Unzulänglichkeit und der Mangel, durch die die Reflexion zuvor bezeichnet war, — ihre Aporetik —, nicht einfach liegengelassen, sondern doch auch aufgehoben, insofern aus dem Gange des Raisonnements und aus der Wendung, zu der er führt, dies hervorgegangen ist, daß das Vorausgesetzte in seinem Fürsichgelten nicht etwa das der Reflexion Entgegengesetzte — das Falsche — sei, sondern vielmehr durch sich gerade das Geschehen der Reflexion, die in ihm sie selbst als Bekennen ist, ermögliche. Durch das Raisonnement wird die Reflexion zu einer Weise des Sichverwirklichens geführt, in der sie als Übereinkommen geschehen kann, zu einem Geschehen, in dem sie sich selbst nicht vom Vorausgesetzten her meint, sondern das Fürsichgelten des Vorausgesetzten als sich selbst weiß. Dieses Fürsichgelten des Vorausgesetzten aber bleibt in seinem Bestimmtsein eben das, was sich unbezüglich nur für sich selbst und an sich selbst als das Vorausgesetztsein und Bestimmtsein, das es ist, ausweist. Das Sichverstehen der Reflexion als das Fürsichgelten des Vorausgesetzten findet so nur in Aussagen statt, in denen sich das unmittelbare Gelten des Begreifens im Bestimmten darstellt. Daß die Reflexion selbst als dies Fürsichgelten des Begreifens im Bestimmten geschehe, liegt im Begreifen nur als die neue Bedeutung, die es angenommen hat, ohne daß seine unmittelbare Aussage durch diese neue Bedeutung irgendwie geändert wäre. Die Reflexion, die sich selbst als das Fürsichgelten des Vorausgesetzten weiß, legt ihr Geschehen nicht mehr so, wie es von Zeno bis zur Kritik der reinen Vernunft hin gilt, in ein besonderes Aussagen, sonderen sie ist nur noch als Bedeutung in dem Aussagen, das das Geschehen des Begreifens im Vorausgesetzten unmittelbar für sich selbst ist. Und indem darin für die Reflexion das Bewußtsein liegt, alles bestimmende Raisonnement als ein Verfehlen ihrer selbst meiden zu müssen, da ist dieses Geschehen der Reflexion, dieses Geschehen des Wissens als Übereinkommen für sich selbst ein solches, das als Bedeutung nur in besonderen bestimmten Aussagen vorstellig gemacht werden kann, dessen Bedeutung sich aber nicht selbst in einer bestimmten Aussage als solche darstellen kann, denn ausgesagt werden kann immer nur das besondere Bestimmte, die Bedeutung aber ist nicht selbst auch noch wieder ein Bestimmtes, sie geschieht auf die Weise des besonderen Bestimmten, das als solches immer nur sein Fürsichgelten in seinem besonderen Bestimmtsein sein kann. Das Geschehen des Wissens als Übereinkommen kann so auch als das Wissen der Bescheidung verstanden werden, in dem durchschaut ist, alle Behauptung über das Unbedingte, sie sei metaphysisch oder transzendental, sei in sich ungültig und verfehlt; es gebe für das Aussagen immer nur das Fürsichgelten des vorausgesetzten Bestimmten und das Wissen der Reflexion könne nur auf die Weise dieses Fürsichgeltens, das immer nur sich selbst als solches zu bezeugen vermag, als Bedeutung geschehen. Das Wissen der Reflexion, in dem das Wissen als Übereinkommen geschieht, sei Bescheidung, und nur als diese Bescheidung, in der das Wissen sich als das weiß, das nicht behauptet werden kann, da vielmehr

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alle Behauptung in das Raisonnieren zurückleiten müßte, kann das Wissen als Übereinkommen geschehen. Daß das reflektierende Denken weiß, es könne nicht behauptend über sich befinden, dies Bewußtsein erstreckt sich ebensowohl auf sein unmittelbares Geschehen, wie auch auf das Raisonnement, aus dem es herkommt und von dem es weiß, daß es sich durch sich selbst nicht auflösen kann, daß aller Versuch, die Reflexion auf die Weise der bestimmenden Aussage in ihrer Bedeutung zu fassen, in sich selbst befangen bleiben muß. Im Geschehen der Reflexion als das Fürsichgelten des Vorausgesetzten liegt der Verzicht auf solches Aussagen, ohne daß über diesen Verzicht noch befunden werden könnte, denn dies Befinden könnte wieder nur auf die Weise des Raisonnements geschehen. Das Geschehen des Wissens als Übereinkommen weist sich wohl über sich selbst aus, aber es kann dies nicht durch das Raisonnement im Bestimmten tun, sondern es tut dies allein durch sein Geschehen, in dem es, sofern es sich in ihm als die unbestimmte und unbedingte Bedeutung unter der Form des Aussagens im Bestimmten für sich selbst darstellt, als Bescheidung geschieht. Die Bescheidung ist die Weise, auf die die Reflexion sich selbst als Reflexion bezeugt. Daß aber das Geschehen des Wissens als die Reflexion, die sie selbst als das Fürsichgelten des Begreifens im Bestimmten ist, die Bescheidung ist, in der es der Verzicht auf alles Raisonnieren ist, das bedeutet gerade, daß dies Geschehen des Wissens als ein Urteilen geschieht, das für sich selbst als Urteil ist. Solange das Aussagen nur ein Aussagen von Bestimmtem ist, solange ist das Urteil selbst in das Vorausgesetzte und Bestimmte gebunden, auch als metaphysisches Urteil bleibt es dem Vorausgesetzten gerade unterworfen; die Bescheidung aber macht es, daß das Urteil, nämlich das Wissen, das als solches Bedeutung ist, für sich selbst als solches geschehe, wenngleich es ihm damit auferlegt ist, daß es als solches nicht als Aussage geschehen könne. Im Denken der Metaphysik und auch noch der transzendentalen Ästhetik und Analytik versucht die Reflexion das Geschehen des Wissens als Verstehen auf die Weise des Fürsichgeltens des Begreifens im Bestimmten zu erlangen, so daß dieses Begreifen auf die Weise des Bestimmten, das es begreift, gerade auch die unbedingte Bedeutung als solche weiß. So soll etwa auf die Weise des begriffenen Bestimmten die unbedingte Bedeutung so hervorgehen, daß das Bestimmte als solches das mit sich Identische sei; in dieser Identität läßt sich dann wieder die Notwendigkeit in sich (das Nicht-nicht-sein-können), d. h. die als Notwendigkeit geschehende Notwendigkeit und damit der theoretische Gottesbeweis erlangen. Die Reflexion dagegen, die sich selbst als das Fürsichgelten des Begreifens im Bestimmten weiß, die sich selbst also nicht mehr als Reflexion aussagen kann, sondern die sich nur durch das Aussagen des Bestimmten darzustellen vermag, ist keiner Theorie der unbedingten Bedeutung mehr fähig, aber ihr ist das Begreifen des Bestimmten als solches das Geschehen des Wissens als Verstehen. Die Reflexion sucht hier nicht mehr, sich selbst als solche durch ein zu dem Gediehen des Begreifens im Bestimmten auf die Weise des Begreifens im Bestimmten selbst noch hinzukommendes Aussagen darzustellen, sondern sie

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geschieht als solche unmittelbar im Geschehen des Begreifens im Bestimmten; dieses Begreifen selbst und das Aussagen, in dem es geschieht, ist als solches das Sichvollziehen der Reflexion. Das unmittelbare Aussagen hat als solches die Bedeutung des Geschehens des Wissens als Verstehen, die sich selbst nicht mehr in einer besonderen Aussage darstellen kann, sondern im unmittelbaren Aussagen des Bestimmten aufgeht, dafür aber dieser unmittelbaren Aussage verleiht, in sich selbst und für sich selbst als das Geschehen des Wissens als Wissen zu sein. Wenn die Reflexion dergestalt als das unmittelbare Fürsichgelten des Vorausgesetzten ist, so daß sie also nicht mehr als besondere Aussage geschehen kann, sondern nichts ist als das Geschehen der unbestimmten unbedingten Bedeutung durch das unmittelbare Aussagen selbst, so ist auch keine Theorie vom Wissen der Reflexion mehr möglich: selbst eine Theorie vom Geschehen des Wissens, wie die kantische sie ist, die das Geschehen des Wissens als unbedingtes Bedeuten zwar schon ganz in die Erfahrung bindet, es darin aber — eben im Ausgang von dem Fürsichgelten des Vorausgesetzten — auf eine bestimmte Weise angibt, die zu dem Fürsichgelten des Vorausgesetzten noch hinzukommt, so daß sich in der philosophischen Doktrin die Bedeutung der Erfahrung auch als von ihrem unmittelbaren Geschehen auch unterschieden darstellen muß, kann jetzt nicht mehr möglich sein, sondern das Wissen der Reflexion ist es selbst nur als das unmittelbare Geschehen des Begreifens des Vorausgesetzten als solches. Als dieses Begreifen ist die unbedingte Bedeutung des Wissens, und es stellt sich nur im unmittelbaren Ausagen dieses Begreifens dar, ohne noch als ein Wissen, das als solches gefaßt werden könnte, in eine besondere Aussage eingehen zu können. b) Das G e s c h e h e n des Wissens des B e s t i m m t e n Wissen ohne Auslegung

als ein

Wenn aber die Reflexion als solche nicht mehr als Raisonnement geschehen kann, da ihr das Fürsichgelten des Vorausgesetzten von sich her nicht mehr die unbestimmte unbedingte Bedeutung eröffnen kann, da es vielmehr selbst als solches unbezüglich das Geschehen ihrer Bedeutung ist, so liegt darin doch, daß die Reflexion, indem sie als dieses Begreifen geschieht, sich auf die Weise des unmittelbaren Geschehens dieses Begreifens sich selbst als Reflexion kundgeben müsse. Die Reflexion kann sich nicht mehr so verwirklichen, daß sie im Fürsichgelten des Vorausgesetzten dazu gelangen suchte, auf die Weise der Aussage von Bestimmten sie selbst als Reflexion zu sein, aber, indem sie als das Geschehen dieses Fürsichgeltens ist, da kann das Aussagen dieses Fürsichgeltens nicht mehr nur so geschehen, daß es sidi in der Unmittelbarkeit seines Bestimmtseins als Dieses und Jenes darstellt, sondern das Dieses und Jenes muß jetzt in seinem Bestimmtsein selbst unmittelbar als das Geschehen der unbedingten Bedeutung hervortreten. Diese unbedingte Bedeutung liegt immer schon in dem begriffenen Bestimmten, ganz gleich, welches die Position der Reflexion ist; aber erst dann, wenn die Reflexion sie selbst als die Bescheidung ist, kann sie ausdrücklich

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hervortreten, sonst ist sie schon wieder durch das Angeben von Bestimmtem verstellt, sei es, daß dieses Angeben von Bestimmtem selbst der Ausdruck der Reflexion ist, sei es auch nur, daß das Begreifen, ohne ausdrücklich auf die Reflexion auszugehen, sich nur mit dem Fürsichgelten des Bestimmten befaßt. Wenn aber die Reflexion in den Zustand der Bescheidung eingetreten ist und sich selbst nicht mehr in besondere vom Bestimmten her geschehende Aussagen legt, dann kann das Bestimmte auch nicht mehr so für sich gelten, daß die unbestimmte unbedingte Bedeutung, die immer schon in ihm liegt, in seinem Bestimmtsein nicht ausdrücklich offenbar wäre, sondern das Begreifen des Bestimmten ist dann in seinem Bestimmtsein und als es das offenbare Geschehen dieser unbedingten Bedeutung. Und diese Bedeutung findet nicht als Theorie statt, sondern als das tatsächliche Erkenntnisgeschehen selbst, das, weil es Urteil ist, als solches auch schon das Geschehen seiner selbst als Sichverstehen und das Benennenkönnen dieses Verstehens ist. Die Reflexion legt sich also nicht mehr in besondere vom Bestimmten her geschehende Aussagen, aber daß sie geschieht, das gibt das Bestimmte durch sich selbst und als es selbst ausdrücklich an, indem es sein Bestimmtsein selbst als das Geschehen der unbedingten Bedeutung ausdrücklich hervorgehen läßt, die es immer schon ist, die aber nur in der Bescheidung unverstellt durch sich selbst sprechen kann. Durch eine solche Angabe geht die Reflexion nicht in eine besondere Aussage ein, sie geschieht vielmehr weiter nur auf die Weise des Fürsichgeltens des Begreifens im Bestimmten, aber dieses Begreifen stellt es doch auf seine Weise selbst dar, daß es das Geschehen der Reflexion ist. Nicht also findet die Reflexion eine besondere Aussage, sondern das Geschehen des Bestimmten in der Reflexion drückt es auf die Weise des Bestimmtseins selbst aus, daß es das Geschehen der Reflexion sei. Daß es noch zu diesem Ausdruck komme, durch den die Reflexion also nicht etwa als solche festgelegt wird, sondern in dem das Bestimmte auf seine eigene Weise, d. h. in Bestimmung, die Bedeutung angibt, die es ist, das gehört allerdings zu dem Geschehen der Reflexion als das Fürsichgelten des Bestimmten, d. h. zu dem Geschehen des Wissens als Übereinkommen mit hinzu, dem das Erfahren als solches schon die Reflexion ist. Das Bestimmte muß es auf die Weise seiner selbst, auf die Weise des unmittelbaren Fürsichgeltens, das es ist, angeben, was es bedeute, daß es das Geschehen der Reflexion sei. An die Stelle der Versuche, die Reflexion selbst in die bestimmte Aussage eingehen zu lassen, tritt das Wissen darum, daß das Geschehen der Reflexion als solches nicht in eine besondere Aussage eintreten könne, daß aber das Bestimmte, in dessen Fürsichgelten sich die Reflexion hineingegeben hat, ohne damit als solche Aussage werden zu können, auf die Weise seines Bestimmtseins selbst es darstelle, daß es das Geschehen der Reflexion ist. Es bleibt damit dabei, daß die Reflexion als solche nicht Aussage werden kann, sondern daß die Aussage immer nur von dem Fürsichgelten des Vorausgesetzten stattfinden kann, das für die Reflexion das Vorausgesetzte bleibt, auch wenn das Vorausgesetzte als sie selbst geschieht. Aber indem das Vorausgesetzte doch auf seine Weise und als es selbst darstellt,

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daß es das Geschehen der Reflexion ist, da findet die Reflexion auf diese Weise selbst das Ausgesagtsein, worin sie zwar nicht als solche, sondern nur als das bestimmte Ausgesagte ausgesagt ist, darin aber eben als das unbedingte Geschehen, das sie ist, statthat. Daß die Reflexion als das unmittelbare Fürsichgelten des Begreifens im Bestimmten sie selber sei, das findet als das Geschehen der Erfahrung selbst statt, und dieses Erfahren erfüllt sich als solches unmittelbare Begreifen des gegebenen Bestimmten, das auf die Weise des Gegebenen die unbedingte Bedeutung selber hält. Daß sich das Geschehen des Wissens als Verstehen auf eine solche Weise vollzieht, daß eine unbedingte Bedeutung, die ihrer selbst inne ist, als das Begreifen des Bestimmten statthat, daß muß das Bestimmte durch sich selbst darstellen, und die Aussage des Bestimmten muß diese unbedingte Bedeutung schon mitbeinhalten, die in dem Bestimmten immer schon liegt, die aber doch nicht als solche hervortreten kann, solange es im Begreifen nur um das Fürsichgelten des Bestimmten geht. Das Begreifen des Bestimmten selbst also wandelt sich in seiner Bedeutung, indem es doch nichts anderes ist, als eben Begreifen des Bestimmten, und diese Bedeutung kann nun auf die Weise des Bestimmtseins ausdrücklich hervortreten. Für das Aussagen des Bestimmten, das als solches nicht aufgegeben oder überschritten werden kann, bedeutet dies, daß es, sofern es Aussagen der unbedingten Bedeutung ist, Bestimmtes nicht immer schon wieder auf Bestimmtes bezieht, sondern als Geschehen von Wissen verstanden ist und auf die Weise seines Bestimmtseins selbst hervorgehen läßt, was die unbedingte Bedeutung meine, die es als solches ist. Wenn das Vorausgesetzte als solches das Geschehen der Reflexion ist, dann ist es nicht nur die Beziehung von Bestimmtem auf Bestimmtes, dann ist es nicht nur das Geschehen des Raisonnements, das sich an Bestimmtes hält und von Bestimmtem zu Bestimmtem immerfort weitergeht, sondern es ist auch das Verweilen in sich selbst, das Geschehen seiner selbst als solches als Verstehen, und es kann in diesem seinem bloßen Geschehen ausgesagt werden. Das Begreifen geht nicht nur im Raisonnement in Setzungen und in den Verhältnissen des Gesetzten fort, sondern das Vorausgesetzte stellt sich in ihm auch in der unbedingten Bedeutung dar, die es ist. Diese unbedingte Bedeutung weist es durch die Weise aus, wie es sich selbst als solches als das Bestimmte darstellt, in dem Bestimmtsein, das es als solches ist, das aber schon nicht mehr als solches angegeben wird, sofern das Raisonnement und die Aussage, in der es sich darstellt, nur auf die Verhältnisse gehen, in denen Bestimmtes auf Bestimmtes bezogen ist. Durch sich selbst als Bestimmtes muß das Bestimmte auch noch angeben können, daß es als solches das Geschehen der Reflexion ist; daß es dies durch sich selbst angibt, ist nicht etwas Neues an ihm, sondern liegt immer schon in ihm, kann aber erst dann ausdrücklich in die Aussage erhoben werden, wenn das Begreifen im Bestimmten für sich selbst das Geschehen der Reflexion ist. Es gibt nicht ein Geschehen der Reflexion als solcher auf die Weise der Aussage; die Reflexion kann nur auf die Weise des Fürsichgeltens des Vorausgesetzten geschehen. Nur indem das Bestimmte in seinem Bestimmtsein gefaßt

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und ausgesagt wird, geschieht auch die Reflexion selbst; die Reflexion gilt auf die Weise des Bestimmten, nicht aber kann die Reflexion als das Bestimmte sie selbst als solche sein, als solche auf die Weise eines Bestimmten angegeben und ausgesagt werden. Aber insofern das Geschehen der Reflexion, das Geschehen des Wissens als Verstehen, auf die Weise des Vorausgesetzten ausdrücklich statthat, sofern sich die Reflexion als das Vorausgesetzte in ihrer unbedingten Bedeutung vollzieht, sofern kann unverstellt, nämlich nicht mehr durch den Anspruch einer Reflexion verstellt, die sich selbst als Bestimmtes meint, im Wissen und als Wissen hervorgehen, was Bestimmtsein eigentlich ist und bedeutet. Das Bestimmtsein kann sich selbst als das kundgeben, was es als Wissen ist, und es ist nicht schon wieder eine Auslegung durch die Reflexion in es hineingetragen, in der es als solches gerade das unbedingte Unbestimmte sein soll. Das Begreifen im Bestimmten gilt unabhängig von aller philosophischen Reflexion und damit unabhängig auch von aller geschichtlichen Entwicklung dieser Reflexion, sofern es, nur sich selbst ausführend und durchführend, in den Strukturen und Verhältnissen verfährt, die durch es schon gesetzt sind. Ist es jedoch als das Geschehen des Wissens der Reflexion selbst genommen, so geschieht es damit als Sichverstehen in sich selbst; und dies Sichverstehen in sich selbst des Begreifens im Bestimmten ist verstellt, solange seine unbedingte Bedeutung selbst als ein besonderes Bestimmtes erlangt werden soll; es tritt aber in seiner unverstellten Bedeutung hervor, wenn das Begreifen im Bestimmten als solches das Geschehen der Reflexion sein kann. Damit erst ist die Möglichkeit gegeben, daß das Begreifen im Bestimmten als das Bestimmtsein, das es ist, für sich in seiner Wahrheit hervorgehe, und überhaupt erst ein in sich verständliches Wissen darüber erlangt wird, was Bestimmtsein bedeute, ein Wissen, das als dieses Bestimmtsein selbst geschieht. Das Vorausgesetzte, das als solches immer nur für sich selbst in seinem Bestimmtsein gilt, muß auf die Weise dieses Bestimmtseins und als dies Bestimmtsein selbst angeben, daß es als solches das Geschehen der Reflexion ist, und es gibt sich selbst darin seiner Wahrheit nach an. Indem das Fürsichgelten des Bestimmten als solches das Geschehen der Reflexion ist, da ist es damit als es selbst die Bedeutung als solche; es ist sich selbst unbezüglich Geschehen von Wissen und gewinnt damit erst für sich selbst ganz den Charakter, Bestimmtsein und nichts als Bestimmtsein zu sein. Daß das Bestimmtsein sich so erst ganz als das darstellt, was Bestimmtsein meint, und dies Sichdarstellen als Sichverstehen ist, das eben charakterisiert dann auch das Aussagen in sich selbst, denn es ist das begriffene Bestimmte selbst und nichts als dies Bestimmte, das sich hier darstellt. Kant mußte, indem er das Wissen der transzendentalen Reflexion wieder als solches durch das Vorausgesetzte auszulegen und auszusagen versuchte, theoretisches, praktisches und reflektierendes Urteilen unterscheiden; die Reflexion, von der wir hier handeln, kann diese Unterscheidungen nicht mehr kennen, eben weil das Wissen der Reflexion sich selbst nicht mehr vom Vorausgesetzten her und durch es als solches vorstellig zu machen sucht, sondern sich als das Voraus-

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gesetzte weiß, woraus es sich ergibt, daß alle Aussagen des reflektierenden Denkens theoretische Aussagen sind, theoretisch im Sinne einer sich aus dem begriffenen Bestimmten verstehenden Reflexion, daß aber in allen solchen Aussagen das Fürsichgelten des Vorausgesetzten eben nur als solches die Reflexion bezeugt, daß das Wissen der Reflexion niemals als solches, sondern eben immer nur als das begriffene Bestimmte gilt, das sich aber darin auch ganz als das darstellen kann, was es an sich selbst ist. Die theoretische Einsicht über das Wesen der Reflexion ist so nicht mehr eine Theorie vom Geschehen des Wissens als solchem; jeder Versuch der Reflexion, sich als solche in die Theorie zu erheben, ist vielmehr gerade als das Unterfangen der Reflexion durchschaut, sich sich selbst als begriffenes Bestimmtes vorstellig zu machen, als das sie sich selbst nicht entsprechen kann; die theoretische Einsicht, als die die Reflexion geschieht, ist vielmehr das Geschehen des begriffenen Bestimmten selbst, das als solches immer auch schon unmittelbar Aussage zu sein vermag, eben weil es das Wissen des Bestimmten ist. Die philosophische Doktrin ist nichts als das Geschehen des Erfahrene selbst, sofern es sich auf die Weise der Aussagen in der Ordnung darstellt, die im Fürsichgelten des Vorausgesetzten für das Sichverstehen selbst liegt. Das Begreifen im Bestimmten, in dem es sich darstellt, daß das Bestimmte der Ort des Geschehens der Reflexion ist, ist von aller metaphysischen Bedeutung frei; es kann nur angeben, wie das Bestimmte durch sich selbst eine Bedeutung offenbare, die auf die Weise des Fürsichgeltens des Begreifens im Bestimmten schon geschieht und im Bestimmten schon als Geschehen des Wissens als Verstehen vollzogen ist. Das Begreifen im Bestimmten kann in verschiedener Weise zum Ausdruck bringen, daß es das Geschehen des Wissens der Reflexion sei, aber immer wird die reflektierende Erkenntnis, die so zustande kommte, theoretische Erkenntnis sein. Die Doktrin, die daraus noch möglich ist, daß das Bestimmte durch sich und als solches die Reflexion darstellt und auf die Weise der Aussage zum Ausdruck bringt, kann nicht mehr eine Doktrin derart sein, daß sie das Bestimmte selbst wieder aus Bestimmtem, in dem sich die Reflexion als Reflexion verstehe, begreift und begründet, sondern sie kann nur zeigen, daß das Begreifen des Bestimmten, wie es immer schon geschieht, als das Bestimmtsein selbst, das es ist, die Darstellung des unbedingten Wissens der Reflexion ist. Das Bestimmte muß so für sich selbst ganz in dem hervorgehen, was Bestimmtsein eigentlich ist. Und es muß dabei hervorgehen, daß Bestimmung nicht als Faktum verstanden werden kann, — daß dies vielmehr schon wieder eine Auslegung des Bestimmtseins ist, in der es der Reflexion auf die Weise des Bestimmten um sich selbst als solche geht, — sondern daß die Bestimmung an sich selbst von der Art des Urteils ist: nämlich als Wissen geschieht, das sich selbst als Wissen versteht. Für Kant geschieht in der transzendentalen Analytik die Erkenntnis schon als Urteil, nämlich als Wissen geschieht, das sich selbst als Wissen versteht. Für Kant nach faßt er das Geschehen der Erfahrung als Urteil noch in faktischen Bestimmungen; für die Reflexion, die sich selbst als das Fürsichgelten des Begreifens

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im Bestimmten vollzieht, fällt diese Bindung an den faktischen Begriff hinweg, ihr ist das Bestimmte als solches das Geschehen von Urteil. Die Reflexion, die sich selbst als das Fürsichgelten des Vorausgesetzten weiß, ist dessen überhoben, sich selbst in einem Urteil auszusagen, das seinen Ausgang von für sich geltenden Begriffen nimmt, sondern das Vorausgesetzte stellt sich in seinem Bestimmtsein selbst als die unbedingte und unbestimmte Bedeutung des Wissens dar, es ist als solches Urteil. Das Bestimmtsein, das als solches den Charakter des Begriffes hat, hat zugleich als es selbst auch den Charakter des Urteils, und dieser Charakter muß sich durch sein Gegebensein und als dieses Gegebensein unmittelbar eröffnen. Das Bestimmte bleibt immer das Vorausgesetzte, aber als Vorausgesetztsein geschieht das Wissen selbst als Wissen. Das Urteil ist also als solches Gegebensein; das Sichdarstellen des Bestimmten ist selbst Urteil, und in diesem Charakter muß es sich unmittelbar als solches aussagen lassen, denn das Wissen geschieht als Bestimmtsein. Und dieses Aussagen des Bestimmten ist nur das Aussagen dessen, was im Bestimmten immer schon liegt, was aber durch die metaphysische Aussage dem Urteil entfremdet und als ein bloß faktisches Vorhandensein vorstellig gemacht wird. Das Vorausgesetzte ist das begriffene Bestimmte, es ist aber als solches auch schon das Geschehen des Wissens als Verstehen, es ist Urteil und das begriffene Bestimmte muß selbst als solches als Urteil geschehen. Sofern das Begreifen nur auf die Strukturen und Verhältnisse der Dinge in der Welt geht, sofern braucht es das Geschehen des Urteils immer nur um des Begreifens willen einzusetzen, es geschieht nur die Durchführung in sich des Begreifens, seine Durchführung im Bestimmten, das als solches immer schon begriffen ist. In der Metaphysik geht das Geschehen des Begreifens als Urteil selbst in das Begreifen ein; der transzendentalen Reflexion, wie wir sie hier erwägen, ist das Begreifen als solches das Geschehen des Urteils; das Begreifen des Bestimmten gewinnt in sich und als solches den Charakter des Geschehens von Verstehen, es geht damit für sich selbst erst ganz und ausdrücklich in dem hervor, was Bestimmtsein meint, und es kann mit diesem Charakter unmittelbar in die Aussage eingehen. Das muß also bedeuten, daß das begriffene Bestimmte nicht nur den Charakter der Besonderheit und der Allgemeinheit, die sich aus dem Besonderen heraus verstehen läßt, hat, sondern daß Bestimmtsein als solches, als Sichdarstellen, auch schon ein Geschehen von Bedeutung ist, das als solches durch die logischen Bestimmungen der Begriffe, das durch Besonderheit und Allgemeinheit gar nicht betroffen werden kann. Das Vorausgesetzte ist als Sichdarstellen: es ist darin begriffenes Bestimmtsein, und aus diesem begriffenen Bestimmtsein lassen sich die Strukturen und Verhältnisse der Dinge und Zustände in der Welt erfassen; es ist als dieses Sichdarstellen zugleich aber auch Urteil, und insofern ist es als solches unbedingte Bedeutung, die unmittelbar als Sichdarstellen geschieht. Das Sichdarstellen des Vorausgesetzten nimmt damit, indem die Erkenntnis in dem begriffenen Bestimmten als solche statthat und fortgeht, für sich selbst zugleich den Charakter einer

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Manifestation, die als Verstehen geschieht, an, indem das Gegenwärtigsein des Vorausgesetzten sich als ein in sich unbedingtes und durch metaphysische Bestimmungen nicht angebbares Geschehen darstellt, das als Sichbezeugen es selbst ist. Als Urteil ist das Erscheinende in der Beschaffenheit, in der es sich darstellt, das bloße — bezugslose — Geschehen seiner selbst als Wissen und Verstehen; es ist, indem es zugleich auch das Fürsichgelten seines begriffenen Bestimmtseins ist, das bloße Geschehen von Manifestation, die Verstehen ist. Das Bestimmtsein ist das Geschehen dieser Manifestation, die es als Bestimmtsein ebensosehr an sich selbst ist, wie es das Begriffensein und damit Besonderes und Allgemeines, wie es aus diesem Begreifen hervorgeht, ist. Indem das Vorausgesetzte als das begriffene Bestimmte ist, da ist es darin nicht nur die logische Bestimmung, die man für das Begreifen der Strukturen und Verhältnisse der Dinge in der Welt braucht, sondern es ist als das begriffene Bestimmte das Geschehen von Manifestation, die als Sichverstehen ist, und darin hat sich das Wissen, das als das begriffene Bestimmte geschieht, für ich selbst erst zu einer ganzen Bedeutung erweitert. Aristoteles versuchte den Aporien des Zenon dadurch zu begegnen, daß er sich über die Problematik der Grenze der Bewegung (die schon eine metaphysische Problematik ist, nicht mehr nur das bloße Bestimmtsein betrifft) dadurch hinaussetzte, daß er angab, die Bewegung sei an ihr selbst reines Kontinuum. Damit hatte er die Aporien nicht eigentlich aufgehoben, sondern es nur aufgegeben, daß die Reflexion sich selbst im Begreifen austrage, und die Bewegung blieb immer noch unter einem metaphysischen Begriffe vorausgesetzt. Wenn das Geschehen der Bewegung als Urteil selbst nicht mehr auf die Weise eines metaphysischen Begriffes, sondern als das unmittelbare Geschehen der Bewegung selbst gefaßt wird, dann wird dadurch gar nicht berührt, daß die Bewegung immer schon begriffenes Bestimmtes ist, vielmehr stellt sich das begriffene Bestimmtsein, das die Bewegung ist, an sich selbst gerade auch als das Geschehen des Urteils dar. Aber die Reflexion sucht sich nicht selbst auf die Weise des Begreifens im Bestimmten zu erlangen, die Bewegung wird gerade nicht als das auf seine Grenze hin befragte in sich beschlossene Unbedingte genommen, sondern sie gilt in ihrem Bestimmtsein nur für das Erfassen der Dinge und Zustände in der Welt, eben darin aber hat sie auch diesen Charakter, als Urteil zu geschehen, und alles, was sich an bestimmten Bewegungen und Verhältnissen in unserem Erfahren abspielt, hat diesen Charakter, als Urteil zu geschehen, und als dieser Charakter zeigt sich das begriffene Bestimmte selbst. Im Begreifen ist das Vorausgesetzte als das Bestimmte erfaßt; die metaphysische Reflexion sucht auf die Weise des begriffenen Bestimmten selbst die unbestimmte und unbedingte Bedeutung zu erlangen, wodurch sich allererst die Begriffe der absoluten Grenze, der Identität, schließlich des absoluten Seins ergeben; die transzendentale Reflexion, von der wir hier handeln, läßt das Vorausgesetzte selbst auch die unbestimmte unbedingte Bedeutung sein und hält diese Bedeutung im Vorausgesetzten als das Geschehen des Vorausgesetzten selbst in seinem Bestimmtsein fest.

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2. Die Grundmomente des Geschehens des Wissens des Bestimmten als Reflexion a) Das B e s t i m m t e als R a u m und Zeit Das reflektierende Denken, von dem wir hier handeln, kommt wieder zu der einfachen zenonisdien Position zurück, doch so, daß es sich nicht mehr aus dem Vorausgesetzten als solches meint, sondern vielmehr sich selbst als Vorausgesetztsein nimmt. Dabei stellt sich das Vorausgesetzte als das begriffene Bestimmte dar, in dessen Fürsichgelten das Wissen als Wissen geschieht, das also als solches das Geschehen des Verstehens ist, gleichviel, wie weit es in seinem Bestimmtsein deutlich begriffen und gegliedert sei. Das Vorausgesetzte ist nicht irgendein Unbestimmtes, sondern es ist Bestimmtsein, Begriffensein, wie rudimentär dieses Bestimmtsein sich darstellen möge und wie sehr es noch vervollkommnungsbedürftig sei. Dieses Vorausgesetzte oder begriffene Bestimmte aber bedeutet an sich selbst immer schon, gleichviel welches die Position der Reflexion auch sei, Geschehen der unbedingten Bedeutung als Sichbezeugen, als das sie sich als solche auch entzogen ist; doch daß es dies bedeute, dies tritt deutlich nur hervor, wenn die Reflexion für sich selbst als das Vorausgesetzte geschieht. Dann nämlich zeigt es sich, daß das Wissen, das — unabhängig von aller Auslegung, die das metaphysische Denken ihm dann noch hinzufügt — immer schon als das Vorausgesetzte geschieht, sich als das begriffene Bestimmte darstellt, das sich in seinem bloßen Fürsichgelten zeigt, daß aber dieses bloße Fürsichgelten als solches eben schon Bedeutung, Sichverstehen des Wissens als Wissen ist, und daß es, sofern es diese Bedeutung ist, als solches das Geschehen der unbedingten Bedeutung als Sichbezeugen ist, in welchem Sichbezeugen die unbedingte Bedeutung sich bejaht, indem sie sich als solche entzogen ist. Unter dem Aspekt der Bejahung aber ist das Sichbezeugen sein Geschehen als das Vorausgesetzte als Ausgedehntsein, unter dem Aspekt, daß es in der Bejahung seiner selbst sich selbst als solches gerade entzogen ist, ist es Zeitlichkeit. Das begriffene Bestimmtsein meint, daß das Wissen in ihm immer nur als das begriffene Gegebensein geschieht, als das es sich darstellt. Zeitlichkeit und Ausgedehntsein meinen, daß auf die Weise dieses Fürsichgeltens und als es das Wissen sich doch als Wissen versteht, daß als dieses Fürsichgelten die unbedingte Bedeutung geschieht. Das begriffene Bestimmte ist daher allen Manipulationen der Reflexion entzogen; es gilt durch sich selbst, und alles Wissen kann nur auf seine Weise geschehen. Zeitlichkeit und Ausgedehntsein dagegen betreffen das Fürsichgelten des Vorausgesetzten, sofern es das Geschehen des Sichverstehens des Wissens als Wissen ist, sie fallen daher der Verstellung durch die Reflexion anheim, die sich selbst als unbedingtes Geschehen auf die Weise des begriffenen Bestimmten, als begriffenes Bestimmtes meint. In den zenonischen Raisonnements sollen Zeitlichsein und Ausgedehntsein als ein angebbares Bestimmtes gefaßt werden, und im metaphysischen Denken gehen sie als die unbedingte Bedeutung, die sie sind, in das begriffene Bestimmte ein. Diese Weisen der Reflexion, Zeitlichkeit und Ausgedehntsein zu verstehen, müssen aber

Die Grundmomente des Geschehens des Wissens des Bestimmten als Reflexion

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verfehlt sein, weil sie die Bedeutung, die das begriffene Bestimmte hat, als das bloße Sichdarstellen des Fürsichgeltens fassen -wollen. Auf diese Weise kann nicht nur die unbedingte Bedeutung nicht als solche erreicht werden, das Fürsichgelten des begriffenen Bestimmten verliert auch — in der Reflexion — jene Selbstverständlichkeit des Bedeutens, die es durch sich selbst ist. Das Vorausgesetzte ist also, wenn wir so sagen wollen, als Sichdarstellen im Fürsichgelten Determinationsbegriff oder begriffenes Bestimmtes, als Geschehen des Sichverstehens des Wissens als dieses Fürsichgelten aber Reflexionsbegriff oder Zeitlichkeit und Vorliegen. Als Reflexionsbegriff ist das Vorausgesetzte der Manipulation durch die philosophische Reflexion fähig, und insofern können Zeitlichkeit und Ausgedehntsein, obwohl sie ihrer Wahrheit nach im Wissen immer gleich bestehen bleiben, in der Reflexion, die sie selbst im Vorausgesetzten als solche bestimmen will, mißverstanden sein, während das begriffene Bestimmte bei all diesen Manipulationen und unabhängig von allen metaphysischen Theorien, die auf dem ersten Mißverständnis aufgebaut sein können, immer aller Reflexion als solches zugrunde liegt. Zeitlichkeit und Vorliegen aber sind als der Reflexionsbegriff des Vorausgesetzten, anders als die metaphysischen Theorien es meinen, im Geschehen des Wissens unabhängig von der bestimmenden Ausgestaltung des Determinationsbegriffes vom Vorausgesetzten, obwohl sie dieser Ausgestaltung immer zugrunde liegen. Die Lehre von der Bewegung gehört zum Determinationsbegriff und wird nur im metaphysischen Mißverständnis auf den Reflexionsbegriff des Vorausgesetzten bezogen. Das Geschehen des Wissens ist seiner selbst als solches inne, doch so, daß dies Innesein als das Bestimmtsein geschieht, das sich gerade immer nur als solches, als Bestimmtsein, anzuzeigen vermag. Indem aber das Bestimmte so durch sich selbst und an sich selbst das Geschehen des Wissens als Fürsichsein ist, da ist es in sich selbst, als das Bestimmtsein, das es ist, als ein Geschehen charakterisiert, das in seiner Bedeutung durch die bloße Angabe von Verhältnissen gerade nicht bezeichnet werden kann. Im Determinationsbegriff ist das Bestimmte erfaßt, sofern es sich in seinem Bestimmtsein, als gegebenes Bestimmtes darstellt, aber in diesem Begreifen liegt auch immer schon die Bedeutung, die das Bestimmte damit hat, daß es das Geschehen des Wissens als Wissen ist. Diese Bedeutung kann als solche nicht dadurch hervorgehen, daß das Bestimmte in seinem Bestimmtsein angegeben und festgestellt ist: das Geschehen von Zeit und Raum kann nicht durch das messende Begreifen der Bewegung des Bewegten angegeben werden. Dennoch ist das Bestimmte diese unbedingte Bedeutung immer schon, doch es ist sie so, daß sie in der Aussage über die Verhältnisse im Bestimmten gerade nicht als solche hervorgehen kann. Das Bestimmte kann an sich selbst, als das Bestimmtsein, das es ist, und in dem Begriffe, als der dies Bestimmtsein geschieht, die Bedeutung, die es selbst als solches ist, doch nicht als solche angeben: eben darin ist es räumlich-zeitliches Geschehen. Daß das Bestimmte eben darin, daß es sidi nur in seinem Bestimmtsein darstellt, doch das Geschehen der unbedingten Bedeutung ist, das eben macht es aus, daß es als das Geschehen von Raum und Zeit es selbst ist.

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Das Geschehen des Determinationsbegriffes als Reflexionsbegriff

Versteht das reflektierende Wissen sich selbst unter der Gestalt des Begreifens in der Determination, so muß es sich von Zeit und Raum im Ausgehen von dem Begreifen der Bewegung Rechenschaft abzulegen versuchen. Daß dagegen das Bestimmte, und d. h. das Begreifen im Bestimmten für sich selbst als solches als das Zeitlichsein und Räumlichsein, das es ist, hervorgehe, das kann nur möglich sein, wenn der Determinationsbegriff als solcher das Geschehen des Wissens der Reflexion ist. Dann aber geht es hervor, daß das Bestimmte als Bestimmtes an sich selbst die Bedeutung des Geschehens des Wissens als Wissen ist, die es doch dadurch, daß es sich im Determinationsbegriff und als Determinationsbegriff darstellt, nicht als solche hervorgehen lassen kann. Das Bestimmte ist gerade darin, daß es sich in seinem Bestimmtsein darstellt, in ihm begriffen und ausgesagt ist, das Geschehen der unbedingten Bedeutung, und eben darin ist es Zeitlichsein und Räumlichsein. Das Wissen um das Zeitlichsein und Räumlichsein des Bestimmten kann unverstellt, losgelöst von dem Begreifen, das seinen Ausgang von der Bewegung nimmt, nur hervorgehen, wenn der Reflexionsbegriff selbst als der Determinationsbegriff geschieht. Es geht dann auf die Weise des Determinationsbegriffes, in dem allein das Wissen sich als Aussage Gestalt geben kann, selbst hervor, daß das Bestimmte als Aussagbares und Ausgesagtes gerade das Geschehen der unbedingten Bedeutung ist, die doch dadurch, daß das Bestimmte als solches sein begriffenes Bestimmtsein ist, nicht als solche ausgesagt und angegeben werden kann. Solches ausdrückliche Hervorgehen aber läßt es einsehen, daß das räumliche und zeitliche Geschehen des Determinationsbegriffes nicht selbst durch Determination angegeben werden kann, da es vielmehr das Geschehen des Bestimmten als die unbedingte Bedeutung, die es ist, ist. Indem die unbedingte Bedeutung des Bestimmten als solche offenbar ist, da bleibt also das Bestimmte, insofern es das Aussagbare und Ausgesagte ist, d. h. sofern es der Determinationsbegriff ist, als der allein es sein Geschehen als Sichausweisen über sich selbst ist, bloßes Fürsichgelten; es geschieht als ein solches, das nichts ist als das Gelten in seinem Bestimmtein, und nur als dies bloße Fürsichgelten in seinem Bestimmtsein ist es das Geschehen der unbedingten Bedeutung. Das Verstehen der unbedingten Bedeutung des Wissens geschieht so als dies bloße Fürsichgelten des Bestimmten selbst und hat nur als dies Fürsichgelten statt. Dieses Sichaufgeben des Verstehens in das Fürsichgelten des Bestimmten ist es, von dem das Erfahren von Raum und Zeit seinen Ausgang nehmen muß. Es ist ein unverstelltes Erfahren, wenn ihm das Fürsichgelten des Bestimmten als solches das Geschehen der Reflexion zu sein vermag, es bleibt ein im Mißverständnis seiner selbst befangenes Verstehen, wenn es das Wesen von Raum und Zeit selbst auf die Weise besonderer Bestimmung angeben will. Dann ist es das bestimmte Nebeneinander und Nacheinander, aus dem heraus das Wesen von Raum und Zeit verstanden werden soll. Diese Position ist, sofern sie sich in sich selbst daraufhin verfolgt, daß das Nebeneinander und Nacheinander durch sich selbst das Wesen der Zeit und des Raumes angebe, die Position der zenonischen Aporien, — die dann in umgeformter Weise wieder in der kantischen Antinomik

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erscheint —, und sie ist, sofern sie das Nebeneinander und Nacheinander als den Ausdruck des — als solches durch das wissenschaftliche Begreifen nicht zu erschließenden — Kontinuums versteht, die Position der metaphysischen Reflexion. Indem Zeit und Raum auf diese Weise von dem Bestimmten, sofern es das Aussagbare und Ausgesagte ist, her gefaßt werden, da müssen sie als die Formen eines in sich unzulänglichen Bestehens erscheinen, das nicht imstande ist, durch sich die unbedingte Bedeutung zu erlangen, auf die es doch immer schon Anzeige gibt. Insofern können Raum und Zeit als falsch oder als die Formen bloß endlichen Seins oder auch als die Formen eines Seins, das, indem es erscheint, doch nicht das Bestehen als solches, das Ding an sich, zu geben vermag, verstanden werden. Wenn dagegen dem Denken der Determinationsbegriff als solcher der Reflexionsbegriff ist, dann ist das Verständnis von Zeit und Raum nicht mehr im Ausgang von dem Fürsichgelten des Determinationsbegriffes, sondern als das Geschehen dieses Fürsichgeltens selbst gewußt, dann muß der Determinationsbegriff durch sich selbst und als solcher auch schon die Bedeutung hergeben, die er auf die Weise der Angabe dieser Bedeutung durch ein besonderes Bestimmtes gerade nicht als solche angeben kann. Die Reflexion geht dann gerade nicht auf eine zusätzliche besondere Aussage aus, sondern das Bestimmte ist an sich selbst unmittelbar als das Geschehen der unbedingten Bedeutung und damit als Raum und Zeit offenbar. Raum und Zeit sind nicht das Fürsichgelten des Determinationsbegriffes, sondern sie sind der Determinationsbegriff, insofern er auch schon der Reflexionsbegriff ist; und wenn das Wissen für sich selbst als dieses Geschehen des Determinationsbegriffes als Reflexionsbegriff ist, (wenn also die Reflexion sich selbst nicht mehr durch das Fürsichgelten des Bestimmten selbst auf die Weise eines gegebenen Bestimmten angibt), dann kann das Bestimmte in seinem Bestimmtsein unmittelbar als das Geschehen von Raum und Zeit in seiner unbedingten Bedeutung hervorgehen. Zeit und Raum werden dann also gerade nicht mehr als die Ordnungen des Nacheinanders und Nebeneinanders, des Verfließens und des Auseinanderstehens verstanden, sondern sie sind das unbedingte Geschehen des Wissens, das als solches seiner selbst inne ist, selbst, doch so, daß dies unbedingte Geschehen sich selbst immer nur auf die Weise des Fürsichgeltens des Bestimmten in seinem Bestimmtsein faßlich und aussagbar wird. Daß das unbedingte Geschehen des Wissens, das als solches seiner selbst inne ist, nur so geschieht, daß es auf die Weise des Fürsichgeltens des Bestimmten ist, das bedeutet gerade nicht, daß die Zeit auf die Weise des ständigen Verfließens, des Zeitstromes, und daß der Raum auf die Weise des Außereinanderstehens und des ständigen Fortgehens in diesem Außereinander erfahren ist, — in solcher Feststellung wird das unbedingte Geschehen des Wissens vielmehr in metaphysischer Reflexion vom Fürsichgelten des Bestimmten her angegangen —, es bedeutet nichts anderes als dies, daß das unbedingte Geschehen des Wissens das Geschehen seiner selbst als Wissen gerade so ist, daß es sich nur als das Fürsichgelten des Bestimmten faßt, und indem es nur unter der Gestalt des Bestimmten und seiner Verhältnisse — und das heißt für das wissenschaftliche

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Das Geschehen des Determinationsbegriffes als Reflexionsbegriff

Begreifen auch, nur durch das Nacheinander der Dinge und Zustände in der Zeit und durch ihr Nebeneinander im Räume — angebbar und aussagbar ist, doch nicht selbst als ein besonderes Bestimmtes anzugeben ist, sondern vielmehr das Geschehen des Bestimmten in seinem Bestimmtsein selber ist. Das Wissen der Reflexion, das als Wissen um Raum und Zeit geschieht, weiß das Geschehen des Vorausgesetzten als ein in sich beschlossenes Geschehen, das immer schon in sich vollendet ist, das aber in diesem Vollendetsein dadurch bezeichnet ist, daß es nur auf die Weise des Fürsichgeltens des Bestimmten in seinem Bestimmtsein es selbst als Faßlichsein ist. Raum und Zeit sind keine Determinationsbegriffe, sie sind Reflexionsbegriffe, die aber, da ja das Wissen als Wissen des Vorausgesetzten es selbst ist, nur als Determinationsbegriffe für sich selbst da sind und Faßlichsein sind. Der Determinationsbegriff kann bloß als solcher, als das begriffene Bestimmtsein, das er meint, genommen werden: dann ist er der Begriff von den bestimmten Dingen und ihren Verhältnissen und insbesondere der Begriff von Bewegung und Bewegtem; er ist Begriff vom Nebeneinander und Nacheinander der Dinge und ihrer Zustände und darin tritt das Verstehen der Zeit und des Raumes als solches nicht ein. Wenn es aber dem Wissen von diesem Begreifen im Bestimmten her um sich selbst als das Innesein, das es ist, geht, dann geht das Verstehen von Raum und Zeit als das Verstehen der unbedingten Bedeutung von Realität hervor, ein Verstehen, das, solange das Begreifen dabei doch auch Begreifen im Bestimmten zu sein sucht, Verstehen nach der Weise der zenonischen Aporien oder des metaphysischen Denkens ist. Und dem Denken, das auf die Weise der zenonischen Aporien verfährt, muß sich dabei ergeben, daß Raum und Zeit falsch sind: denn das unbedingte Geschehen des Wissens ist hier auf die Weise des Fürsichgeltens des Begreifens im Bestimmten gemeint, das sich doch immer nur als solches ausweisen kann und die unbedingte Bedeutung, die durch es gemeint sein soll, gerade nicht hergibt: weswegen denn die unbedingte Bedeutung Raum und Zeit ganz abgesprochen werden muß. Das metaphysische Denken, wie es aus der zenonischen Aporetik als ihre Folge hervorgehen kann, legt zum Grunde, daß das unbedingte Geschehen des Wissens sich für sich selbst als solches auf die Weise des Bestimmten bezeuge und läßt dies Geschehen durch das Fürsichgelten des Bestimmten seinen Ausdruck finden. Daß das Fürsichgelten des Begreifens im Bestimmten diesen Anspruch nicht zu erfüllen vermag, dem forscht es nicht nach, sondern begnügt sich damit, daß dies Fürsichgelten doch immer schon als das Geschehen der unbedingten Bedeutung des Wissens offenbar ist. So werden Raum und Zeit im metaphysischen Denken in ihrer unbedingten Bedeutung erhalten und sind als solche für das Denken wahr, indem sie doch zugleich unter der Form des Begreifens des Nacheinanders und Nebeneinanders aufgefaßt sind und dem nicht nachgegangen wird, daß dieses Begreifen doch durch sich der unbedingten Bedeutung nicht gemäß sein kann. Gleichwohl sind Raum und Zeit durch das Geschehen des Wissens selbst in ihrer Wahrheit bezeugt, wie unzulänglich auch die Weise des Begreifens sei, in der das Wissen sich für sich

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selbst durchführt. Dagegen ist, wenn das Fürsichgelten des Bestimmten als solches als der Reflexionsbegriff geschieht, dem Denken das unbedingte Geschehen des Wissens als solches unmittelbar das Geschehen von Zeit und Raum; es wird — als reflektierendes Denken — des Raumes und der Zeit nicht mehr auf die Weise einer Auslegung, die von dem Fürsichgelten des Bestimmten herkommt, inne, es eröffnet sich das Wesen von Raum und Zeit, — das das Wissen als solches immer schon ist, auch dann, wenn es im Erkennen des Bestimmten, als das es geschieht, sich selbst als Verstehen nicht gemäß ist —, nicht durch ein vom Bestimmten her vollzogenes Raisonnement, sondern es ist sein Geschehen als Verstehen unmittelbar als Geschehen von Raum und Zeit; als das Wissen, das als Determination ist, ist es schon das Geschehen von Verstehen, das für sich selbst als Zeit und Raum ist. Das Geschehen des Wissens ist hier sein Geschehen als Sichverstehen auf die Weise des begriffenen Bestimmten unmittelbar als Zeit und Raum; Zeit und Raum sind ausdrücklich als das Geschehen der Reflexion, — das das Wissen ist, wenn immer es ist, auch dann, wenn es darin versucht, sich sich selbst durch den Determinationsbegriff faßlich zu machen —, gewußt, und dies Wissen geschieht gerade auf die Weise des Bestimmten und des Gegebenseins, das das begriffene Bestimmte ist. Wenn wir oben sagten, in der transzendentalen Reflexion ist das unbedingte Geschehen des Wissen es selbst als Bekennen, so können wir weiter sagen, dieses Wissen, das als Bekennen geschieht, ist es selbst als das Geschehen von Raum und Zeit; und dies Geschehen, — als das das Wissen ist, wenn immer es ist, mag es sich auch als Verstehen nicht gemäß sein —, ist in der transzendentalen Reflexion für sich selbst so, daß es von aller Auslegung, durch die es sich sich selbst angäbe, frei ist. Wenn das Denken in den zenonischen Aporien nicht dazu gelangen kann, zu begreifen, wie etwas anfangen könne, sich zu bewegen, dann befaßt dieses Denken sich gar nicht mehr mit dem Begreifen der Bewegung als solcher, sondern es befaßt sich, indem es die Bewegung bereits als begriffen vorliegen läßt, damit, daß das begriffene Bestimmte in seinem Bestimmtsein und in seinem Ausgesagtsein der unbedingten Bedeutung, die durch es gemeint ist, nicht angemessen ist, eben indem es doch der Ausdruck dieser unbedingten Bedeutung ist; darin geschieht das reflektierende Denken, und es geschieht als Bedürfnis, das die Reihe der bestimmenden Aussagen, in der allein es dem Suchen der unbedingten Bedeutung Ausdruck verleihen kann, fordert. Dieses Forschen nach der unbedingten Bedeutung ergibt sich ebenso, wenn das Raisonnement von dem Bewegten und der Bewegung ausgeht, wie wenn es vom bloßen Ausgedehntsein ausgeht, weswegen auch die zenonischen Aporien in eins auf das Falschsein von Raum, Zeit und Bewegung führen. Das Geschehen des Wissens auf die Weise des Bestimmten sucht sich in diesen Aporien selbst dadurch auszulegen, daß es sich auf die Weise eines Bestimmten und als Bestimmtes angibt; hierin kann es nicht an ein Ende kommen und kann nicht zur Bestätigung seines Geschehens als Innesein gelangen. Wenn dagegen im reflektierenden Denken der Determinationsbegriff als solcher das Geschehen des Reflexionsbegriffes ist, dann ist das Geschehen des Wissens 11 Kopper, Reflexion

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Das Geschehen des Determinationsbegriffes als Reflexionsbegriff

davon befreit, für sich selbst auf die Weise der Auslegung seiner selbst sein zu müssen, welche Auslegung immer nur so geschehen kann, daß der Reflexionsbegriff sich selbst auf die Weise eines Bestimmten in seinem Bestimmtsein darstellen muß, daß er sich durch solches Bestimmtsein selbst angeben zu können meint und darin gerade verfehlt: er verfehlt es, daß das Bestimmte als solches, in dem Fürsichgelten, das es ist, das Geschehen der unbedingten Bedeutung des Wissens ist. Nur dann, wenn das Wissen darüber hinausgelangt ist, sich in seiner unbedingten Bedeutung auf die Weise der Auslegung zu meinen, wenn es — frei von aller Auslegung — als das Begreifen des Bestimmten sein Geschehen als Innesein ist, nur dann geschieht das Wissen so, daß es als Gemäßsein es selbst ist, denn nur dann faßt es sich nicht an einem Vorausgesetzten, in dem es sich nicht als solches versteht, sondern ist als das Vorausgesetzte sein Geschehen als Verstehen. Wenn aber dies statthat, dann kann das Geschehen des Wissens als Geschehen von Zeitlichkeit und Räumlichkeit für sich selbst nicht mehr durch das Nacheinander und Nebeneinander angegeben werden, sondern als das Erscheinen und Dasein des Vorausgesetzten selbst, wie dies als solches immer schon begriffen ist, ist es es selbst als Innesein. Wie weit immer dieses Begreifen reiche, es geschehe im bloßen Lebensgefühl oder als wissenschaftliches Raisonnement, das unbedingte Geschehen des Wissens findet immer schon als das Geschehen von Zeit und Raum statt: in der transzendentalen Reflexion aber ist dies Statthaben auch als ausdrückliches Verstehen, indem nämlich das Vorausgesetzte selbst als solches als das Geschehen der unbedingten Bedeutung, das es ist, offenbar ist und alle begriffliche Manipulation, durch die diesem Geschehen des begriffenen Bestimmten als unbedingte Bedeutung Rechenschaft getragen werden soll, als Auslegung, die trügen muß, weggefallen ist. Das Verstehen geschieht dann nicht mehr durch den bloßen Determinationsbegriff, sondern es ist der Determinationsbegriff selbst, sofern er als solcher der Reflexionsbegriff ist. Der Reflexionsbegriff ist also, was sein Bestimmtsein angeht, unmittelbar das Geschehen des begriffenen Vorausgesetzten, so wie es vor aller Manipulation durch das reflektierende Begreifen ist, und zu diesem Bestimmtsein tritt durch die Reflexion keineswegs etwas hinzu, sondern die Reflexion ist als dies Bestimmtsein sie selbst. Das begriffene Bestimmte ist damit die unbedingte Bedeutung, die es immer schon ist, selbst als unmittelbares Geschehen von Verstehen, das durch die begriffliche Auslegung dieser Bedeutung, wie sie im metaphysischen Begreifen statthat, unmöglich jemals in seiner Unmittelbarkeit erlangt werden könnte. Daß das begriffene Bestimmte ausdrücklich als der Reflexionsbegriff hervorgeht, das eben bedeutet, daß Raum und Zeit unmittelbar als das Geschehen, das sie sind, verstanden sind; die Räumlichkeit und Zeitlichkeit des begriffenen Bestimmten kann nicht selbst durch begriffliche Manipulation angegeben werden, sie kann nicht durch Bestimmungen angegeben werden, sondern sie gibt sich unverstellt nur darin, daß das Vorausgesetzte als es selbst das Geschehen der unbedingten Bedeutung des Wissens als Verstehen ist, daß m. a. W. das Begreifen des Bestimmten als solches als transzendentale Reflexion geschieht. Wenn aber das Geschehen des

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Vorausgesetzten als Räumlichkeit und Zeitlichkeit dergestalt unverstellt offenbar ist, dann geschieht eben darin das Sichverstehen des Erkennens als Bekennen. Kant sagt, daß sich zwar mancherlei in der Zeit verlaufe, die Zeit selber aber sich nicht verlaufe; mit dieser Aussage wird die transzendentale Doktrin dem gerecht, was die aus der Antinomik der reinen Vernunft herkommende transzendentale Reflexion immer schon weiß, (obgleich nur, indem sie zugleich auch unter die Form der begrifflichen Auslegung ihrer selbst gebunden bleibt), daß nämlich Zeit und Raum das Geschehen der unbedingten Bedeutung des Wissens selbst sind, sofern es auf die Weise des Vorausgesetzten geschieht, und daß diese unbedingte Bedeutung gerade nicht durch bloße sekundäre Determination, durch begriffliche Manipulation des schon begriffenen Vorausgesetzten angegeben werden kann, sondern daß es eben das Geschehen des begriffenen Vorausgesetzten als unbedingte Bedeutung ist, was das Geschehen von Zeit und Raum ausmacht: sie sind als Bestimmung geschehendes Verstehen, das nicht durch Bestimmtes ausgelegt werden kann. Raum und Zeit meinen das Geschehen des Determinationsbegriffes als Reflexionsbegriff, keineswegs aber sind sie durch bestimmte begriffene Strukturen als solche anzugeben, diese Strukturen geben nicht das Geschehen des Bestimmten als unbedingte Bedeutung, sondern lassen die Bedeutung selbst schon wieder als ein Bestimmtes ausgelegt sein. Daß alles begriffene Bestimmte gerade als solches das Geschehen der unbedingten Bedeutung des Wissens, das Geschehen des Wissens als Innesein und Verstehen ist, das eben macht die Räumlichkeit und Zeitlichkeit, als die das begriffene Bestimmte geschieht, aus. Diese Räumlichkeit und Zeitlichkeit ist das begriffene Bestimmte, wenn immer es ist, aber in der transzendentalen Reflexion ist es sie auf die Weise des Verstehens, das Gemäßsein ist, in einem Verstehen, in dem das Wissen nicht nur Sichhineingeben in das Bestimmte ist, auch nicht auf die Weise begriffenen Bestimmtseins sich selbst gemäß zu sein sucht, sondern als das begriffene Bestimmte es selbst als Innesein ist und darin in sich beschlossen ist. So ist also das Determinationsurteil, in dem über Raum, Zeit und Bewegung befunden wird, immer nur ein Urteil, in dem Bestimmtes auf Bestimmtes bezogen und miteinander verglichen wird. Für solches Begreifen sind das räumlich und zeitlich Gegebene und die Bewegung mit Anfang und Ende gesetzt. All solches Erstellen von Determinationsurteilen aber geschieht innerhalb dessen, daß das begriffene Bestimmte als solches das Geschehen der unbedingten Bedeutung ist, die auf die Weise des Bestimmten die Bejahung ihrer selbst so ist, daß sie sich als solche darin entzogen bleibt. Das Begreifen des Bestimmten ist als solches das Geschehen des Reflexionsurteils, und eben damit ist es es selbst als das Geschehen von Räumlichkeit und Zeitlichkeit. Dieses Geschehen von Räumlichkeit und Zeitlichkeit kann nicht durch Determinationsurteile, durch Messen, angegeben werden, sondern es liegt allem Vergleichen von Bestimmtem, allem Messen, als das, wodurch dies allererst ermöglicht wird, zugrunde. Als das Geschehen des Bestimmten als Reflexionsurteil sind Raum und Zeit das Erkennen, das als Bekennen sein 11·

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Das Geschehen des Determinationsbegriffes als Reflexionsbegriff

Geschehen als es selbst ist, und hierüber kann durch das Verfahren in Bestimmungen, in dem sich dieses Geschehen des Wissens nur in einer besonderen Weise selbst zur Anwendung bringt, indem es als solches dabei immer schon vorausgesetzt ist, nicht befunden werden. Weil das Denken seiner selbst nur im Ausgang von dieser seiner Durchführung als Begreifen des Bestimmten inne werden kann, so muß es auch in der Besinnung auf das Geschehen seiner selbst als unbedingte Bedeutung davon den Ausgang nehmen, daß es sich in dieser Bedeutung auf die Weise eines Bestimmten zu behaupten sucht. So geschieht es in den zenonischen Aporien und im metaphysischen Denken. In der transzendentalen Antinomik wird es einsichtig, daß die unbedingte Bedeutung des Wissens auf die Weise des begriffenen Bestimmten geschieht, aber nicht selbst als ein begriffenes Bestimmtes behauptet werden kann. Diese Einsicht geht aus dem Widerspiel von These und Antithese hervor, wo in der These das Bestimmte die unbedingte Bedeutung, als die es geschieht, durch sich nicht in der Behauptung festhalten kann, und die Antithese das Geschehen der unbedingten Bedeutung, das ihr das Bestimmte ist, durch das Bestimmte nicht bestätigen kann. Aus dem Ganzen dieses in sich aporetischen Wissens geht als die Durchführung, die dieses in sich beschlossene Wissen sich aus sich selbst gibt, die transzendentale Ästhetik hervor: das Wissen um das Geschehen des Erkennens als Anschauen, als Rezeptivität, welches Schauen und welche Rezeptivität das Geschehen des Erkennens als Verstehen meinen, das Bekennen ist. Für die transzendentale Ästhetik ist, ohne daß das Wissen noch auf die Weise des Bestimmten ausgesagt würde, das Bestimmte als solches das Geschehen der unbedingten Bedeutung, die als es unbezüglich in sich selbst beschlossen ist; (so daß Kant hier auch mit Recht sagen kann, Raum und Zeit seien unendliche Größen, ohne daß doch diese Aussage — wie etwa Schopenhauer es meint — die Behauptung der Antithese wieder aufnehmen würde, vielmehr ist sie das — positive — Ergebnis des Widerstreits von These und Antithese, in dem das Reflexionsurteil auf die Weise des Bestimmten in seiner unbezüglichen Bedeutung ohne Behauptung sein Gelten durch sich selbst ist). Anmerkung I Zu Kants Lehre von den Wissenschaften aus reiner Anschauung Raum und Zeit sind das Geschehen des Vorausgesetzten als Bedeutung, eben deswegen können sie als solche nicht selbst durch besondere Strukturen und durch besonderes Bestimmtsein angegeben werden. Daher sind Raum und Zeit auch nicht als solche die Prinzipien bestimmter in sich apriorischer Wissenschaften, denn diese Wissenschaften können immer nur auf den Determinationsbegriff gehen, nicht aber das Geschehen des Determinationsbegriffes als unbedingte Bedeutung durch sich unmittelbar als solches meinen. Geometrie und Arithmetik sind als apriorische Wissenschaften keineswegs der unmittelbare Ausdruck des Geschehens des Bestimmten als unbedingte Bedeutung, sondern sie sind eine

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besondere Durchführung dieses Geschehens auf die Weise des Fürsichgeltens des begriffenen Bestimmten. Sie gehen auf die Determination als solche und drücken es als das Fürsichgelten des Determinierten aus, daß der Determinationsbegriff als solcher immer schon das Geschehen des Reflexionsbegriffes ist. Kant hat gemeint, die Sätze dieser Wissenschaften als den unmittelbaren Ausdruck des Geschehens von Raum und Zeit auffassen zu sollen und dessen Apriorität unmittelbar als Determination vorstellig machen zu sollen. Indem er diese Sätze als synthetische Sätze a priori bestimmte, hat er das Reflexionsurteil als solches wieder nach Art des Determinationsurteils angeben und festhalten wollen. Es geht aber in dem Begreifen dieser Wissenschaften nicht mehr um das Geschehen des Wissens als solches, d. h. darum daß der Determinationsbegriff als solcher der Reflexionsbegriff sei, — gleich ob das Wissen sich selbst in diesem Geschehen gemäß ist oder ob es sich selbst auslegt und darin Unangemessenheit ist oder ob es sich einfach nur im Bestimmten und als das Bestimmte vollzieht —, sondern es geht darum, daß dieses Geschehen des Wissens als solches und als schon vollzogen sich auf die Weise von Bestimmung und als Bestimmung ausgedrückt finde und die besondere Bestimmung als die Darstellung seiner selbst wisse. Man wird daher von den Sätzen dieser apriorischen Wissenschaften weder sagen können, daß sie analytische Sätze seien, noch daß sie synthetische Sätze a priori seien. Die Analyse geht bloß auf die Feststellung des Bestimmtseins, aber hier geht es darum, daß das Begreifen im Bestimmten durch sich und auf seine Weise das Geschehen des Wissens, d. h. das Geschehen des Determinationsbegriffes als Reflexionsbegriff zum Ausdruck bringe; es geht also gerade nicht um das Bestimmte als Bestimmtes, sondern darum, daß das Bestimmte als solches das unbedingte Geschehen des Wissens als Darstellung sei, daß das Geschehen der Determination als Reflexion als bloße Determination vorstellig gemacht werde. Die Sätze dieser Wissenschaften sind daher, indem sie sich auf das besondere Bestimmte beziehen, doch, insofern sie das Geschehen des Wissens ausdrücken, notwendig und allgemeingültig, aber diese Notwendigkeit und Allgemeingültigkeit ist keine Notwendigkeit und Allgemeingültigkeit der Analyse, sondern meint das Sichdarstellen der unbedingten Bedeutung des Wissens auf die Weise der Determination. Die Sätze dieser Wissenschaften sind keine bloßen Determinationsurteile, sondern sie sind als Determinationsurteile geschehende Reflexionsurteile, Reflexionsurteile, in denen es nicht mehr darum geht, daß auf die Weise der Determination die Reflexion als solche geschehe, — dies ist vorausgesetzt und macht das Geschehen des Wissens und des Erkennens selbst aus —, sondern darum, daß das Geschehen des Determinationsbegriffes als Reflexionsbegriff selbst wieder auf die Weise des Bestimmtsein gefaßt und durch es vorstellig gemacht werde. Auf die Weise des Bestimmtseins ist die unbedingte Bedeutung offenbar, die das Bestimmte als solches immer schon ist. In diesem Sinne hat auch Kant die Erkenntnis der reinen Geometrie und Arithmetik als Erkenntnisse, die auf Anschauung gegründet sind, offensichtlich zunächst noch von dem bloßen Geschehen von Raum und Zeit und dem unver-

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Das Geschehen des Determinationsbegriffes als Reflexionsbegriff

stellten Erfahren dieses Geschehens in der transzendentalen Reflexion unterschieden. Doch glaubt er — in den Prolegomena und in der zweiten Fassung der transzendentalen Ästhetik — die Sätze dieser Wissenschaften als synthetische Sätze a priori charakterisieren zu müssen, in denen sich das reine Anschauen als solches ausdrücke, womit erst diese Sätze dazu erhoben sind, Auslegung von Raum und Zeit zu sein, wodurch sowohl das Wesen von Raum und Zeit, wie auch — in dem ungerechtfertigten Anspruch — die Natur dieser Sätze selbst mißverstanden wird. Die Sätze dieser Wissenschaften sollen synthetische Sätze a priori sein, in denen das Prädikat notwendig und allgemeingültig Bestimmungen gibt, die im Subjekte des Satzes nicht enthalten sind. Das Subjekt des Satzes aber ist für sich als ein Bestimmtes genommen, das nur sich selbst in seinem Bestimmtsein angibt, nicht aber verstehen läßt, daß das Bestimmte als solches immer schon das Geschehen der unbedingten Bedeutung ist. Diese unbedingte Bedeutung soll vielmehr selbst wieder als Bestimmung aufgefaßt werden, die in ihrer Besonderheit von dem unmittelbaren Bestimmtsein des Subjekts abgesetzt ist, die als eine neue, in sich notwendige und allgemeingültige Bestimmung zu dem in sich beschlossenen Bestimmtsein des Subjekts hinzukommt. Auf diese Weise wird das Geschehen der Determination als Reflexion in eine Verbindung von vorausgesetztem in sich beschlossenem Bestimmtsein mit einer in der Aussage zu diesem Bestimmtsein hinzugefügten, ebenso in sich beschlossenen, Bestimmung gesetzt, und dies — da in dieser Verbindung dem Prädikat Notwendigkeit und Allgemeingültigkeit zukommt — als Geschehen einer Synthesis a priori gefaßt, wobei die Bedeutung, die die Synthesis a priori in der transzendentalen Ästhetik und in der transzendentalen Analytik ursprünglich hat, daß nämlich die Einheit des Wissens gerade auf die Weise der Unangemessenheit zu sich selbst, auf die Weise desjenigen, das — wie Kant es vom Bestimmten her ausdrückt — Mannigfaltiges schlechthin ist, geschehen müsse, zugunsten einer abgeleiteten begrifflichen Fixierung dieser Unzulänglichkeit verlassen ist, daß nämlich das Bestimmte immer auch als bloßes Sichdarstellen in seinem Bestimmtsein und zugleich als das Geschehen einer — ebenfalls bestimmten — notwendigen strukturellen Bedeutung verstanden werden kann: womit sich die Reflexion ihre Auslegung durch das bestimmende Begreifen gibt, doch das Geschehen des wissenschaftlichen Begreifens als solches gerade nicht auf die Weise des Verstehens dargetan ist. Die eigentliche Bedeutung also der transzendentalen Synthesis (deren Verständnis in der transzendentalen Ästhetik und der transzendentalen Analytik immer auch in das Ausgehen des Begreifens von dem Fürsichgelten des begriffenen Bestimmten gebunden bleibt), ist in der Lehre von den synthetischen Sätzen a priori der reinen Wissenschaften, in denen sie sich selbst darstellen solle, nicht mehr enthalten. Hier legt sich vielmehr die transzendentale Reflexion durch die wissenschaftliche Erkenntnis, die als solche nur auf die Determination geht, selbst aus, und so kann sie weder sich selbst recht verstehen, noch das rechte Verstehen dieser Wissenschaften sein, die sich vielmehr als solche auch nur aus dem unver-

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stellten, von aller Auslegung freien Geschehen des Determinationsbegriffes als Reflexionsbegriff in ihrer Bedeutung verstehen lassen können. Daß es überhaupt allgemeine und notwendige Sätze der reinen Wissenschaften gibt, das folgt freilich daraus, daß der Determinationsbegriff als Reflexionsbegriff geschieht, was Kant, indem er sich in der transzendentalen Reflexion zugleich noch an das Fürsichgelten des Bestimmten hält, durch das Geschehen der Erkenntnis in apriorischer Synthesis angibt. Aber von diesem ursprünglichen Geschehen der Erkenntnis als Synthesis a priori ist die wissenschaftliche Erkenntnis nur eine besondere Ausgestaltung, in der das Erkennen sich selbst auf die Weise des Bestimmten darstellt. Diese Ausgestaltung, in der die Erkenntnis sich in sich selbst ihr eigenes Wesen auf die Weise des Bestimmtseins darstellt, ist nicht mehr unmittelbar dieses Geschehen als solches, sondern nur eine besondere Weise dieses Geschehens, in der es sich sich selbst auf die Weise des Fürsichgeltens des Bestimmten als solches vorstellig macht. Wohl also kann die den reinen Wissenschaften eigentümliche Reflexion nur aus der transzendentalen Reflexion in ihrer Bedeutung verstanden werden, und die transzendentale Reflexion der Kritik der reinen Vernunft mußte auf ein solches Verstehen der reinen Wissenschaften leiten; aber es entspricht der transzendentalen Reflexion der Kritik der reinen Vernunft schon nicht mehr, so, wie es in den Prolegomena und in der zweiten Fassung der transzendentalen Ästhetik geschieht, die Sätze der reinen Wissenschaften selbst als synthetische Sätze a priori zu deuten. Die erste Fasung der transzendentalen Ästhetik hat diese Auslegung der Sätze der reinen Wissenschaften noch vermieden und diese Sätze offenbar nur als Folge aus der transzendentalen Synthesis aufgefaßt, als die das Erkennen als solches geschehe; die transzendentale Synthesis ist daher für diese Sätze immer schon vorausgesetzt und wird keineswegs etwa durch diese Sätze gestaltet, die vielmehr selbst nur eine besondere Gestaltung der Synthesis a priori, die das Erkennen als solches ist, darstellen. Diese Ausgestaltung der transzendentalen Reflexion gilt Kant in den Prolegomena und in der zweiten Auflage als das Geschehen des Wissens und damit der transzendentalen Reflexion selbst, das sich in diesen Sätzen selbst als solches verstehe. Dabei findet er dann die transzendentale Synthesis, als die er das Geschehen des Wissens bestimmt hatte, gerade durch das bloße Bestimmtsein angegeben und ausgedrückt. Indem aber in den Prolegomena und in der zweiten Auflage die Sätze der reinen Wissenschaften darauf festgelegt sind, synthetische Sätze a priori zu sein, da sind sie damit auch erst eigentlich darauf festgelegt, durch sich die reinen Anschauungsformen als solche auszudrücken und sie als solche zu bestimmen, wonach dann insbesondere die Zeit durch das Aufeinanderfolgen von Einem auf Eines und damit durch das Zählen angegeben werden soll. Eine solche Fixierung des Geschehens des Erkennens auf die Weise von Raum und Zeit gibt es in der ersten Auflage noch nicht, aber Raum und Zeit werden doch auch dort schon vom Fürsichgelten des Bestimmten her als Formen der Einheit des Mannigfaltigen gefaßt und damit als bestimmte Formen, von denen dann die Formen des Begreifens unterschieden werden, gesetzt.

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Das Geschehen des Determinationsbegriffes als Reflexionsbegriff

Anmerkung II Zum Begriff der Materie Das begriffene Vorausgesetzte — so ist es in der transzendentalen Reflexion einsichtig — geschieht als solches räumlich und zeitlich und ist darin das Geschehen der unbedingten Bedeutung des Wissens. In der transzendentalen Reflexion ist dieses Geschehen des Determinationsbegriffes als Reflexionsbegriff, als das das Wissen immer schon statthat, es selbst als ausdrückliches Verstehen seines Geschehens als Innesein. In der transzendentalen Reflexion ist es daher auf die Weise des Geschehens des Wissens selbst unmittelbar offenbar, daß das Vorausgesetzte, daß das Begreifen im Bestimmten nicht noch in eine andere Realität überschritten werden kann, da es vielmehr als solches das Geschehen der unbedingten Bedeutung des Wissens ist. Die metaphysische Auslegung des Wissens sucht das unbedingte Geschehen des Wissens selbst auf die Weise des Fürsichgeltens eines begriffenen Bestimmten anzugeben. So ergibt sich für das metaphysische Denken, daß die unbedingte Bedeutung des begriffenen Bestimmten selbst als ein Bestimmtes gefaßt werden soll, von dem dann doch zugleich gesagt werden muß, daß es durch das besondere Bestimmtsein der Dinge nicht angegeben werden kann, so daß es, sofern es doch von dem Bestimmten in seiner Besonderheit her angegangen wird, als das unbestimmte Allgemeine des Bestehens angegeben werden muß. In diesem Sinne gibt das metaphysische Denken die Materie als das Prinzip des Bestehens der Dinge in der Ordnung des Raumes und der Zeit an; das Geschehen der unbedingten Bedeutung ist von dem Gegebensein der Dinge in ihrem Bestimmtsein her erfahren. Kant hat Raum und Zeit als die Formen der Rezeptivität der Anschauung bestimmt. In der transzendentalen Reflexion ist der Begriff der Rezeptivität bezugslos, d. h. ohne ein Verhältnis von Aufnehmendem und Aufgenommenem zu meinen, rein als das Charakteristikum des auf die Weise des Vorausgesetzten geschehenden Wissens oder Schauens genommen. Anschauen ist als solches; es ist sein Geschehen als Statthaben, es ist bedeutet: Das Erkennen, das als Bekennen ist, findet als es selbst statt. Wenn der transzendentalen Reflexion das begriffene Vorausgesetzte so das Geschehen der unbedingten Bedeutung des Wissens ist, wenn die unbedingte Bedeutung als die Rezeptivität des Anschauens statthat, dann kann allerdings die unbedingte Bedeutung, die das Vorausgesetzte ist, nicht mehr von dem Vorausgesetzten selbst her nach Art des Bestimmten als ein unbestimmtes Allgemeines des Bestehens angegeben werden, da vielmehr das bloße Geschehen des Wissens als das Vorausgesetzte schon das Geschehen der unbedingten Bedeutung ist. Der Begriff der Materie spielt daher für die transzendentale Reflexion keine Rolle, und auch in den Metaphysischen Anfangsgründen der Naturwissenschaft hat Kant den Begriff der Materie auflösen wollen. Auch die Kategorie der Substanz und die erste Analogie der Erfahrung gehen nicht etwa darauf, das anschauliche Gegebensein als solches auf die Weise eines Bestimmten anzugeben und so zur Materie als dem allgemeinen Substrat des Gegebenen zu gelangen; sie setzen das

Die Grundmomente des Geschehens des Wissens des Bestimmten als Reflexion

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anschauliche Gegebensein vielmehr als etwas, was sich durch sich selbst versteht, und wenden das Begreifen nur auf dies Vorausgesetzte an. Die Kategorie der Substanz und der ihr entsprechende Grundsatz weisen die Möglichkeit, das Gegebensein der Dinge als materielles Bestehen zu verstehen, gerade ab, da das Gegebensein allein dem Anschauen anheimfällt und sich durch dessen Geschehen als Rezeptivität versteht, wogegen der Begriff nur Bestimmungen gibt, die gar nicht mehr auf das Gegebensein als solches gehen. Im materiellen Bestehen der Dinge, wie es die Metaphysik auffaßt, ist gemeint, daß ihr Gegebensein selbst als solches den Charakter einer — unbestimmt allgemeinen — Bestimmung habe; die Kategorie der Substanz dagegen und der Grundsatz, der auf ihr aufbaut, sind Leistungen, in denen das Denken aus sich an das Gegebensein herantritt und die zu einem Begreifen führen, in dem sich das Gegebensein gerade nicht mehr als solches darstellt, das also nicht die Rezeptivität des Anschauens meint und erst recht nicht das unbestimmte Allgemeine der Materie, in der das metaphysische Denken des Wesen des Gegebenseins verstand. Die Kategorien und Grundsätze sind gerade Leistungen, in denen sich das „Ich denke" als solches darstellt und zwar auf eine solche Weise darstellt, daß es darin schon nicht mehr gewiß sein kann, ob es überhaupt dem Wesen des Gegebenseins entspreche, weswegen — am deutlichsten in den Prolegomena — die Objektivität der aus dieser Leistung entspringenden Verstandesurteile allein in das Geschehen des Urteilens selbst gesetzt wird, das bezugslos für sich gilt und von dem Geschehen des Gegebenseins als solchem abgehoben bleibt. Was in solchen objektiven Erkenntnisurteilen ausgesagt wird, kann daher auch nicht etwa eine Aussage über das unbedingte Wesen des Bestehens sein, sondern ist vielmehr der Versuch, auf die Weise des Begreifens im Bestimmten selbst das Geschehen der unbedingten Bedeutung des Wissens anzugeben. (Es sind, wenn wir es in einer Analogie so sagen wollen, nicht Gattungsbegriffe, sondern allein Artbegriffe, von denen die transzendentale Analytik in ihrer Ausführung handelt; und die Entsprechung zum Gattungsbegriff ist ganz der transzendentalen Ästhetik zugewiesen. Die eigentümliche Position, die die transzendentale Reflexion dann in der zweiten Fassung der transzendentalen Deduktion annimmt, ist, daß die Anschauung selbst noch auf das „Ich denke" zurückgeführt werden soll, daß also, der Analogie nach zu sprechen, der Gattungsbegriff selbst durch den Artbegriff verstanden werden soll; die Rezeptivität des Anschauens soll selbst noch in der Spontaneität des Denkens gründen. Es ist dieser Anspruch des „Ich denke", wie er in der transzendentalen Doktrin selbst entsteht, der dann in der „Widerlegung des Idealismus" wieder zurückgewiesen werden muß.)

b) Das B e s t i m m t e als der S a t z vom G r u n d e Im Geschehen des Fürsichgeltens des begriffenen Bestimmten als die unbedingte Bedeutung des Wissens liegt es, daß die unbedingte Bedeutung des Wissens ihr Geschehen als Innesein immer nur auf die Weise des Bestimmten, das sich

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Das Geschehen des Determinationsbegriffes als Reflexionsbegriff

selbst als solches ausweist, ist. Das Bestimmte gibt sich als Bestimmtes an, und eben damit geschieht die unbedingte Bedeutung des Wissens als Innesein, aber diese unbedingte Bedeutung kann nicht dadurch angegeben werden, daß man das Bestimmte in seinem Bestimmtsein feststellt, angibt und aussagt, daß man dies Bestimmte in seiner Struktur aufweist und untersucht, da es vielmehr das unbezügliche Wesen des Bestimmten selbst ist, daß es das Geschehen dieser unbedingten Bedeutung sei, und alle Manipulation des Bestimmten dies Geschehen der unbedingten Bedeutung schon voraussetzt und nur aus ihr heraus operiert. Die unbedingte Bedeutung, die das begriffene Bestimmte ist, ist nicht selbst wieder als ein Bestimmtes anzugeben, das, sofern es nur im Fürsichgelten des Bestimmtseins genommen wäre, gerade das eigentliche Geschehen des Bestimmten als unbedingte Bedeutung wieder verstellen würde. Alle Behauptungen über die unbedingte Bedeutung, als die das begriffene Bestimmte geschieht, fallen gerade hinter das Sichvollziehen dieses Geschehens als Verstehen zurück. Das Vorausgesetzte selbst ist die unbedingte Bedeutung des Wissens, und dieses sein Sein als die unbedingte Bedeutung des Wissens kann nicht wieder durch das Fürsichgelten von Bestimmtem fixiert, festgestellt werden. Übergibt sich die Reflexion diesem Fürsichgelten des Bestimmten, so gerät das Geschehen des Wissens aus dem Bekennen und aus der Bescheidung, die es darin ist, daß es als das Vorausgesetzte geschieht, in die Aporetik. Die transzendentale Reflexion muß sich in dem Wissen erhalten, daß die unbedingte Bedeutung des Wissens gerade auf die Weise des begriffenen Vorausgesetzten geschieht; sie muß sich damit gegen die Versuchung stellen, als Reflexion so an das begriffene Bestimmte zu verfallen, daß sie sich auf die Weise seines Fürsichgeltens dieser unbedingten Bedeutung als einer als solche festgestellten und aussagbaren versichere. Die transzendentale Reflexion ist nichts als dies, daß das Geschehen des begriffenen Vorausgesetzten als die unbedingte Bedeutung des Wissens es selbst als Verstehen, als unmittelbares Innesein sei; und das ist eben auch das unbezügliche Gelten in sich des Geschehens des Wissens als Bekennen und als Bescheidung. Wenn diese Situation des Wissens in einem selbst nicht eigentlich transzendentalen, sondern metaphysischen Verstehen so fixiert wird, daß das Bestimmte dabei doch wieder, insofern es in seinem Bestimmtsein für sich gilt, als der Ort des Geschehens der unbedingten Bedeutung gefaßt ist, dann kann man sagen, mit dem Geschehen des Wissens verhalte es sich so, daß das Begründete als solches das Geschehen der unbedingten Bedeutung des Grundes sei, oder daß das Zufällige, das, was sich einfach nur als Faktum darstellt, in dem das Wissen sich nicht als solches versteht, als solches das Geschehen des Notwendigen schlechthin sei. In diesem Sinne ist also das unbedingte Geschehen des Wissens es selbst als der Satz vom Grunde, den man von der — durch metaphysische Reflexion gewonnenen — Bindung auch immer freistellen und das Geschehen des Wissens als dieser Satz auch so ausdrücken kann: das begriffene Bestimmte gebe dadurch, daß es sich in seinem Fürsichgelten angibt, gerade auch schon das Geschehen der unbedingten Bedeutung des Wissens als Innesein an. Daß das Wissen das Geschehen

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seiner selbst als Bekennen und als Bescheidung ist, das versteht die transzendentale Reflexion gerade darin, daß das Geschehen des Wissens in seiner unbedingten Bedeutung als das bloße Fürsichgelten des Vorausgesetzten und damit als der Satz vom Grunde statthat. Das Bestimmte ist, wenn immer es sich darstellt (und welches auch immer die Auslegung sei, in der das Wissen, das schon statthat, sich selbst versteht), als das Begründete gewußt, als das der Grund geschieht, der aber durch das Angeben irgendeines Bestimmten, man möge diesem Bestimmten in der Reihe der Gründe so lange nachforschen, wie immer man will, als die Bedeutung, als die Begründetsein ist, doch nicht faßlich gemacht werden kann. Vielmehr geschieht das Bestimmte selbst als solches als diese Bedeutung, nicht aber kann sie als das Geschehen eines Bestimmten in seinem Fürsichgelten ausgewiesen werden. Das eben zeigt die transzendentale Antinomik an, daß aus dem immer fortgehenden Suchen nach der Bestimmung, in der das Geschehen des Bestimmten als unbedingte Bedeutung selbst auf die Weise des Fürsichgeltens eines Bestimmten festgehalten werden könnte, gerade das Wissen darum hervorgeht, daß das Bestimmtsein als solches, als es selbst, Begründetsein bedeutet, das als es selbst Wissen des Grundes ist, daß auf die Weise des Bestimmtseins und als es schon die unbedingte Bedeutung des Wissens geschieht. Diese Bestimmung des Erkennens als Geschehen des Satzes vom Grunde, die insofern in das metaphysische Denken gebunden bleibt, als sie die unbedingte Bedeutung des Geschehens des Wissens auf die Weise des Vorausgesetzten doch immer nur in der Auslegung durch das Fürsichgelten des Bestimmten angeht, drückt es doch aus, daß es das Determinationsurteil selbst ist, das als solches, als das Geschehen von Urteilen, das es ist, auch schon das Geschehen des Reflexionsurteils und der unbedingten Bedeutung des Wissens ist. In diesem Sinne hat schon Leibniz das Wesen der denkenden Monade dadurch bestimmt, daß es das Geschehen des Wissens als Satz vom Grunde sei. Das Begründete ist als solches das Geschehen des Grundes, ohne daß es doch jemals etwas anderes als sich selbst in seinem Bestimmtsein zur Darstellung und zur Aussage bringen könnte. Leibniz hält dies Wissen auf die Weise einer Auslegung durch das Begreifen im Bestimmten fest und gibt deswegen auch einen für sich bestehenden bestimmten Grund für das Begründete an. In solcher metaphysischen Reflexion enthält das Bestimmte den Widerspruch in sich, daß es einerseits nur das Bedingte sei und den Grund durch sich gerade nicht angebe, und daß sich durch es und auf seine Weise doch gerade auch das Unbedingte, der Grund schlechthin offenbare. Es ist dieser Widerspruch und diese Doppelung der Bedeutung, die die transzendentale Antinomik nicht stehen läßt und dadurch zur transzendentalen Reflexion führt. Indem das begriffene Bestimmte als solches erfahren ist, das selbst das Geschehen der unbedingten Bedeutung des Wissens ist, da soll es gerade auch als das Bestimmte diese unbedingte Bedeutung hergeben; es soll, um es im Ausgang von der metaphysischen Reflexion, aus der ja die Antinomik entsprigt, auszudrücken, als das Begründete der Grund und der Grund als das Begründete sein. Daraus entspringen, als Versuche, den Reflexionsbegriff als Determinations-

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Das Geschehen des Determinationsbegriffes als Reflexionsbegriff

begriff zu fassen, die These und die Antithese, in denen das Begründete sich als der Grund und das Wissen des Grundes sich als solches als das Begründete darstellen sollen. Es geht darum, daß das Wissen, das auf die Weise des Begreifens des Bestimmten ist, es selbst als Übereinkommen sei, und die Einsicht der Antinomik besteht schließlich darin, daß das Begreifen des Bestimmten nicht dazu zulänglich sein kann, das, was es als Geschehen meint und bedeutet, durch das Fürsichgelten seines Bestimmtseins anzugeben und dies Fürsichgelten dazu zu erheben, daß es auf die Weise seiner selbst das Geschehen des Verstehens als Innesein darstelle. Daraus entspringt dann die transzendentale Reflexion, der das begriffene Bestimmte als solches das Geschehen der unbedingten Bedeutung des Wissens ist, die das Fürsichgelten des Bestimmten als solches schon als das Geschehen der unbedingten Bedeutung des Wissens weiß, so daß sich also am Begreifen des Bestimmten und an dem Aussagen dieses Begreifens gar nichts ändert, aber dieses Begreifen und die Aussage selbst schon die unbedingte Bedeutung des Geschehens des Wissens hat, was eben das Geschehen der Reflexion selber ist, die das begriffene Bestimmte nicht auslegt, sondern nichts ist als das Geschehen des Wissens, das sich auf die Weise des begriffenen Bestimmten vollzieht, als unmittelbares Verstehen. Daraus ergibt es sich dann, daß die unbedingte Bedeutung des Geschehens des Wissens ebensowohl als das Fürsichgelten des Bestimmten erfahren wird, als auch als das Geschehen des Satzes vom Grunde auf die Weise dieses Bestimmten und als es. Daß das Geschehen des Wissens Geschehen des Satzes vom Grunde sei, kann in der transzendentalen Reflexion nicht bedeuten, daß das Begründete durch sich auf einen unbedingten Grund als auf ein Bestimmtes leite, wie Leibniz dies dargestellt hat, und es kann des näheren nicht bedeuten, daß es gerade die „contingentia mundi" als solche sei, die durch sich den unbedingten Grund als existierend angebe. Das ist ja das Eigentümliche des sog. kosmologischen Gottesbeweises, daß nach ihm die Existenz Gottes gerade nur dann eingesehen und erwiesen werden kann, wenn „contingentia" statthat; nur die als kontingent verstandene Welt ist imstande, das Begreifen auf den existierenden Gott zu führen, d. h. also dem Begreifen durch sich den existierenden Gott anzuzeigen, wogegen z. B. eine Welt, die selbst als notwendig daseiend gefaßt wäre, diese Fähigkeit gerade nicht hätte: also offenbar weder Gott wäre, noch auch imstande wäre, durch sich Gott anzuzeigen. Zwar pflegt man zu meinen, daß eine notwendig existierende Welt einen notwendig existierenden Urheber nicht mehr nötig habe, wogegen eine bloß zufällige, also der Notwendigkeit entbehrende und insofern mangelhafte, Welt, die sich nicht aus sich selbst erklären kann, einen solchen Urheber allerdings erfordere. Aber nach dieser Meinung ist das Notwendige nur als faktisch, d. h. begriffslos Notwendiges gefaßt, und dann ist die in sich notwendige Welt allerdings vorzüglicher als eine entsprechend als faktisch zufällig verstandene Welt, und man könnte meinen, daß diese schlechtere Welt eines notwendig existierenden Wesens als ihres Urhebers bedürfe, während jene vollkommenere, nämlich in sich

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schon notwendige Welt einen solchen Urheber nicht nötig hätte. Aber dieser Urheber der schlechteren Welt wäre dann auch nur ein faktisch Notwendiges, und mit allen drei Instanzen, der zufälligen Welt, der notwendigen Welt und dem notwendigen Urheber der zufälligen Welt, wäre man gar nicht zu dem gekommen, worum es eigentlich geht, nämlich zu dem Notwendigen, das als solches als Wissen ist, und so das Geschehen unbedingten Bedeutens als Innesein ist. Während aber eine als notwendig verstandene Welt immer nur in diesem faktischen Auffassen verstanden werden kann, so kann dagegen eine als zufällig begriffene Welt das Geschehen jener Notwendigkeit, die sie selbst als Wissen ist, durch sich begreifen lassen, da hier das Bestehen im Begreifen von dem Anspruch befreit ist, auf die Weise des begriffenen Gegebenseins die Notwendigkeit als solche anzugeben; und in diesem Sinne liegt im Begreifen der „contingentia mundi" allerdings ein deutlicheres Verstehen der unbedingten Bedeutung als im Begreifen der Welt als einer als Bestehen notwendigen Welt, und so kann die als kontigent begriffene Welt für das Begreifen befähigt sein, es auf den existierenden Gott zu leiten. In diesem Sinne kann man sagen, daß in der Lehre von dem notwendigen Bestehen der Welt die Reflexion noch ganz durch die Determination befangen bleibt, während in dem Begreifen der Welt als einer in sich zufälligen schon das Wissen darum hervorgegangen ist, daß das Fürsichgelten des begriffenen Bestimmten durch sich das Geschehen einer unbedingten Bedeutung meint, die aber doch immer nur so gefaßt werden kann, daß das Bestimmte allein sich selbst in seinem Bestimmtsein für das Begreifen gibt. Damit aber liegt in diesem Wissen, wie sehr es sich dann auch wieder in metaphysischer Auslegung darstelle, doch schon das Erfahren des Unbedingten als Geschehen von Bedeutung, und eine Welt, die in diesem Sinne als zufällige Welt verstanden ist, ist im Begreifen vorzüglicher als eine Welt, die als eine im Begreifen notwendige Welt vorgestellt ist, die das Geschehen der unbedingten Bedeutung immer nur auf die Weise des bloßen Fürsichgeltens von Bestimmtem faßlich machen kann. Ob nun aber die Welt als eine zufällige oder als eine in ihrem Bestehen notwendige Welt begriffen sei, so handelt es sich in jedem Falle um eine metaphysische Reflexion, für die der Reflexionsbegriff sich unter der Gestalt des Determinationsbegriffes gewinnt. Von solcher Reflexion und von all diesen metaphysischen Beweisen aber sind die Beweise zu unterscheiden, in denen — als in einer Folgeerscheinung des kantischen Denkens — die transzendentale Reflexion sich selbst wieder als metaphysische Reflexion darzustellen sucht, und wo dann der Grundzug des Denkens der sein muß, daß die unbedingte Bedeutung schlechthin ihrer selbst gerade als Bestehen inne ist, so daß das Bestehen als Bestehen die unbestimmte Bedeutung der Notwendigkeit schlechthin bekommt, die, eben weil sie als Bestehen ist, als solche auch das Grundlose schlechthin, das Absurde etc. ist. Was die metaphysische Reflexion angeht, so ist sie bei Leibniz schon zu der Stufe erhoben, daß der notwendige Grund nicht einfach mehr nur als bestehend dem zufälligen Gegebensein der Welt vorgesetzt wird, sondern seine Setzung durch die „contingentia" und in ihr selbst erkannt ist; das zufällig Gegebene ist

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Das Geschehen des Determinationsbegriffes als Reflexionsbegriff

als solches als das Begründete erfahren, d. h. aber als dasjenige, was an sich selbst und durch sich selbst schon die unbedingte Bedeutung, aus der es sich versteht, angibt, wenngleich so, daß dieser Grund eben nur auf die Weise desjenigen statthat, was sidi allein als es selbst in seinem Bestimmtsein bezeugt und sich insofern als das darstellt, das als es selbst auf die Weise des anderen ist, und das will sagen, das das Begründete ist; woraus dann aber in der metaphysischen Reflexion folgt, daß die Setzung des unbedingten Grundes selbst als solchen noch zu diesem Begründeten hinzugefügt werden muß. Der transzendentalen Reflexion drückt sich im Geschehen der unbedingten Bedeutung des Wissens als Satz vom Grunde dies aus, daß das Fürsichgelten des Bestimmten als es selbst, als das besondere Bestimmtsein, das es ist, das Geschehen der unbedingten Bedeutung des Wissens ist. Diese Bedeutung, die in der transzendentalen Reflexion als ein besonderes Moment des Geschehens des Wissens ausdrücklich herausgehoben wird, liegt immer schon im unmittelbaren Geschehen dieses Wissens als Raum und Zeit, und d. h. — da das Wissen als Verstehen ist — als Bekennen und als Bescheidung. Diese Bedeutung geschieht hier nicht mehr in der Gestalt metaphysischer Setzung, sondern eben als das begriffene Bestimmte selbst, sofern es sein Sichdarstellen in seinen Bestimmungen unmittelbar als das Geschehen des Wissens als Innesein ist. Das Geschehen des Wissens auf die Weise der Räumlichkeit und Zeitlichkeit ist es selbst als Geschehen des Satzes vom Grunde, sofern es wieder auf die Weise der Bestätigung durch das begriffene Bestimmte aufgenommen ist, d. h. sofern das begriffene Bestimmte, das als solches das Geschehen der unbedingten Bedeutung des Wissens und insofern Räumlichkeit und Zeitlichkeit ist, sich als dieses sein Geschehen selbst unter der Gestalt seines Bestimmtseins aufnimmt und, indem es sich aufnimmt, das Geschehen der unbedingten Bedeutung als Innesein ist. Aus der Einsicht der Reflexion darüber, daß das begriffene Bestimmte als solches das Geschehen des Satzes vom Grunde ist, kann so gerade keine sich in Bestimmungen ergehende Doktrin entspringen, wie auch aus dem Wissen der Reflexion darum, daß das Fürsichgelten des Bestimmten die unbedingte Bedeutung gerade als Fürsichgelten darstellt, eine solche Doktrin nicht entspringen kann. Daß das Fürsichgelten des begriffenen Bestimmten gerade als es selbst die unbedingte Bedeutung sei, das stellt sich in der metaphysischen Reflexion im unbestimmten Begriffe von der Materie und — in der Kritik der reinen Vernunft — als das Geschehen von Rezeptivität dar; Materie wie Rezeptivität entziehen sich gleichermaßen der Bestimmbarkeit: sie sind in der Reflexion unmittelbar als Geschehen gewußt, das benannt werden kann, das aber nicht in Bestimmungen vorstellig gemacht werden kann. Diesem Wissen um die Materie aber oder um die Rezeptivität entspridit das Wissen um den Satz vom Grunde, als das das menschliche Erkennen ebenso wie als Rezeptivität immer schon geschieht, auch dann, wenn dieses Wissen nicht als metaphysische oder als transzendentale Reflexion geschieht, sondern einfach nur dem Bestimmten hingegeben ist. Im Wissen

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der Materie oder in der Rezeptivität geschieht das Fürsichgelten des begriffenen Bestimmten als solches als Verstehen, ist es Anschauen, das sich als Bekennen weiß; im Wissen des Satzes vom Grunde geschieht das Fürsichgelten als solches Bekennen, sofern es sich in diesem seinem Geschehen als Bekennen und als es als das Bestimmte, das es ist, darstellt. Für das metaphysische Denken erfüllt sich dieses Wissen als Wissen der „contingentia mundi", für das transzendentale (obzwar metaphysisch gewendete) Denken geschieht es als Erkennen im Satze vom Grunde. Dieses Geschehen des — auf die Weise des begriffenen Bestimmten sich vollziehenden — Wissens als Satz vom Grunde, diese Erfahrung von der Erscheinungshaftigkeit der Welt ist also im Bestimmtsein nicht noch durch weitere Bestimmungen anzuzeigen, sondern ist die Bedeutung von Bestimmtsein selbst, die die Weise, wie das begriffene Bestimmte Wissen ist, meint, nicht aber wieder selbst eine besondere Struktur des Bestimmten sein kann. So wenig also der Satz vom Grund auf eine Erkenntnis von Bestimmten, nämlich des Begründeten und des Grundes, leiten kann, so wenig kann er auch auf eine Bestimmung des Geschehens des Wissens als Wissen leiten. Daß das Begreifen des Bestimmten als solches das Geschehen des Satzes vom Grunde sei, das fügt zu diesem Begreifen keine neue Bestimmung hinzu, sondern gibt lediglich die unbedingte Bedeutung an, die das begriffene Bestimmte eben als Bestimmtes hat. Insofern das begriffene Bestimmte es selbst als diese unbedingte Bedeutung ist, insofern ist es über allen Versuch hinausgehoben, sich von sich selbst noch durch die Angabe von Bestimmungen Rechenschaft abzulegen, denn dadurch würde die unbedingte Bedeutung, die das Fürsichgelten des begriffenen Bestimmten schon ist, nur wieder zugunsten des Verfahrens des Begreifens in diesem Fürsichgelten verstellt; das begriffene Bestimmte ist unbezügliches Offenbarsein als die Bedeutung, die es ist; zu welchem Offenbarsein es sich nicht auf die Weise des Verfahrens in seinem Bestimmtsein verhalten kann, da vielmehr alles solche Verfahren immer nur ein Sichgestalten des Bestimmten in der unbedingten Bedeutung, als die es immer schon ist, zu sein vermöchte, nicht aber das begriffene Bestimmte darin auf sich selbst als das Geschehen der unbedingten Bedeutung, das es ist, zurückkommen könnte. Es liegt also im Geschehen des Wissens als Satz vom Grund, wenn wir es so sagen wollen, nur das positive Wissen vom Geschehen der unbedingten Bedeutung auf die Weise des Vorausgesetzten, so, daß dieses Geschehen sich selbst als das Fürsichgelten des Vorausgesetzten darstellt, welches Wissen als solches kein negatives Moment enthält. Wenn aber dieses Wissen sich unter dem metaphysischen Anspruch des Denkens äußert, der sich aus dem bloßen Verfahren des reflektierenden Begreifens im Bestimmten ergibt, — und der sich zunächst im Denken unter den zenonischen Aporien, dann aber als Metaphysik im engeren Sinne, die das Unbedingte auf die Weise der — positiven oder negativen — Behauptung nimmt —, darstellt, dann ist es damit schon einem zusätzlichen Prozesse des Begreifens unterworfen, in dem das bloße Fürsichgelten des Determinationsbegriffes durch sich auch das Geschehen des Determinationsbegriffes als

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Reflexionsbegriff ausdrücken soll. Durch diese Einseitigkeit des Begreifens aber kann das Geschehen des Wissens nicht berührt werden. Alle metaphysische Auslegung, die das Geschehen des Wissens sich selbst gibt, ist nur das Inswerksetzen des ursprünglichen Geschehens von Bedeutung, das es selbst als Bestimmtsein ist; durch diese Auslegung kann es zwar dazu kommen, daß das unbedingte Geschehen sich selbst noch als Bestimmtsein festlegen zu können meint und darin die Verfälschung seiner selbst ist, aber auch in dieser Verfälschung ist es doch es selbst als das Geschehen, das es ist. Das Begründete, das sich als solches als unbedingte Realität darstellt, ist im metaphysischen Denken zugleich als dasjenige offenbar, das durch sich dem absoluten Grunde nicht gerecht wird. Und auch darin geschieht die unbedingte Bedeutung des Wissens, so wie sie auch in der Anmaßung des Begreifens im Bestimmten geschieht. Sowohl darin, daß das Begründete sich als das Unbedingte behauptet, als auch darin, daß es im Begreifen von sich selbst behauptet, nicht der Grund zu sein, liegt es, daß der Determinationsbegriff als solcher der Reflexionsbegriff ist, daß das Vorausgesetzte als solches das Geschehen der unbedingten Bedeutung ist; und dies im Geschehen des Erkennens unmittelbar, unabhängig davon, was eine philosophische Reflexion, sie sei metaphysisch oder transzendental, daraus machen mag. Die metaphysische Reflexion legt dies Geschehen auf die Weise des Behauptens von Bestimmtem aus, in welcher Setzung es sich selbst nicht gemäß sein kann, denn das Geschehen des Determinationsbegriffes als Reflexionsbegriff kann nicht auf die Weise einer besonderen Determination gefunden werden. Daß der Determinationsbegriff als Reflexionsbegriff geschehe, das kann er nicht dadurch angeben, daß er den Reflexionsbegriff selbst als ein Bestimmtes vorstellig macht, sondern nur dadurch, daß er durch sich sein Geschehen als unbedingte Bedeutung ist. So entspringt im metaphysischen Denken aus der Auslegung des Geschehens des Wissens als Satz vom Grund durch ein Begreifen, das den Reflexionsbegriff als Determinationsbegriff nimmt, sowohl das unbedingte Gelten des Gesetztseins des Gegebenen als auch die Behauptung darüber, daß das Gegebene als solches das Unbedingte nicht sei, welche Behauptungen beide der Ausdruck des unbedingten Geschehens des Wissens sind, aber beide zugleich auch als Behauptungen und Setzungen dem unbedingten Geschehen des Wissens nicht gemäß sein können. Das unbedingte Geschehen des Wissens „ist" das Bestimmte und es „ist nicht" das Bestimmte und „weder ist" es das Bestimmte „noch ist es nicht" das Bestimmte; alle diese Aussagen rühren daher, daß das Geschehen des Determinationsbegriffes als Reflexionsbegriff durch das bloße Fürsichgelten des Determinationsbegriffes ausgelegt ist, und daß der Mangel, der in jeder dieser Aussagen, indem sie in gewisser Weise gilt, doch auch liegen muß, selbst wieder auf die Weise des Determinationsbegriffes korrigiert wird. Diese metaphysischen Bestimmungen entfallen, wenn das Geschehen des Wissens als Satz vom Grunde als das Geschehen des Reflexionsbegriffes auf die Weise des Determinationsbegriffes verstanden ist, worin das begriffene Bestimmte als das Bestimmtsein, das

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es ist, als das Geschehen der unbedingten Bedeutung offenbar ist. Eben in dem, als was das begriffene Bestimmte an sich selbst gilt, ist es dann als das Geschehen der unbedingten Bedeutung, die es immer schon ist, auch in der philosophischen Reflexion offenbar. In den zenonischen Aporien und im metaphysischen Denken ist die Auslegung des Geschehens des Wissens als Satz vom Grunde durch den Determinationsbegriff so gewonnen, daß das begriffene Bestimmte unmittelbar auf die Weise seines Fürsichgeltens als Bestimmtes, durch sein Gelten als es selbst, dieses Geschehen angeben soll, so daß also das Geschehen des Satzes vom Grunde — positiv oder negativ — durch das Sichdarstellen des begriffenen Bestimmten verstanden wird. In der Kritik der reinen Vernunft ist diese Weise, das Geschehen des Wissens als Satz vom Grunde zu verstehen, dergestalt in die transzendentale Reflexion hineingenommen, daß das transzendentale Verständnis des Satzes vom Grunde, wodurch also das Geschehen des Determinationsbegriffes als Reflexionsbegriff sich selbst in der Determination und als Determination meint, selbst noch auf die Weise der metaphysischen Auslegung geschieht, die dies Wissen nach Art des für sich geltenden Bestehens vorstellig macht. Das — positive und negative — Wissen um das Geschehen des Grundes auf die Weise des Begründeten wird hier zur Durchführung des Wissens darum, daß das begriffene Bestimmte als solches das Geschehen des Wissens als Satz vom Grunde ist. Das begriffene Bestimmte ist unmittelbar das Geschehen der unbedingten Bedeutung des Wissens als Satz vom Grunde, aber das Begreifen gibt dies Geschehen doch wieder noch auf die Weise von besonderem Bestimmtsein an, so daß also, indem das metaphysische Begreifen überwunden ist und das Vorausgesetzte als solches als der Reflexionsbegriff gilt, dieses Gelten doch wieder noch in besonderen bestimmten Aussagen dargestellt werden muß. Das transzendentale Wissen, d. h. das ausdrückliche Geschehen des Vorausgesezten als die unbedingte Bedeutung des Wissens, stellt sich also als solches doch wieder noch auf die Weise einer besonderen Doktrin vor, die Analogie zum metaphysischen Begreifen hat, indem dem Fürsichgelten des Bestimmten doch gerade aller metaphysische Anspruch genommen ist. Diese Auslegung vermag nichts über das transzendentale Wissen als solches, aber sie bringt es in die Gestalt des begriffenen Bestimmten. In den metaphysischen Lehren geht das reflektierende Denken, in sozusagen naiver Weise, unmittelbar von dem Geschehen des Erkennens auf die Weise des begriffenen Bestimmten aus; auch ihnen gilt daher der Determinationsbegriff als das Geschehen des Reflexionsbegriffes, aber sie suchen dies Geschehen selbst wieder auf die Weise der Determination festzulegen. Die transzendentale Reflexion, die aus der transzendentalen Antinomik herkommt, hat zu ihrem Ausgang die Aufhebung der metaphysischen Position, daß nämlich das Geschehen des Determinationsbegriffes als Reflexionsbegriff nicht auf die Weise des Fürsichgeltens des Determinationsbegriffes ausgelegt werden könne. Wenn diese Doktrin nun ihr transzendentales Wissen doch wieder auf die Weise des Fürsichgeltens des Determinationsbegriffes vorstellig macht, dann können ihre bestimmenden Aussagen nicht mehr jene unbedingte Bedeutung 12 Kopper, Reflexion

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haben, die sie im metaphysischen Denken mit einem gewissen Recht beanspruchen konnten, sondern diese Aussagen sind gleichsam nur Formeln, in denen sich der Vollzug eines philosophischen Denkens darstellt, dessen Grund vor diesen Formeln liegt. Die Bestimmungen, in denen die philosophische Reflexion verfährt, partizipieren an dem Charakter unserer Erkenntnis, daß sie Erkenntnis bloß von Erscheinung sei und haben selbst nur eine Gültigkeit, die bloß erscheinungshaft ist, obgleich die Aussagen, in denen sie sich vorstellen, den Anschein erwecken, es handele sich um Bestimmungen, die sich als solche in sich selbst genügen. Die transzendentale Ästhetik handelt davon, daß das begriffene Bestimmte unmittelbar als das Reflexionsurteil gilt, daß es als solches als Geschehen von Raum und Zeit ist. In der transzendentalen Logik stellt sich das begriffene Bestimmte in der Bestimmtheit, die es ist, und als dieses Bestimmtsein als die unbedingte Bedeutung dar. Sofern das Reflexionsurteil sich so sich selbst als das besondere Bestimmte vorstellig macht, insofern geschieht es als Denken, und dieses Denken ist an sich selbst das Geschehen des Satzes vom Grunde, als das sich das begriffene Bestimmte nun selbst darstellt. Auf die Weise des Gegenstandes und als er ist das Wissen als Geschehen der unbedingten Bedeutung für sich selbst da: auf die Weise des Gegenstandes ist die Bedingung der Möglichkeit der Erfahrung für sich selbst, und dies ist eben das Geschehen des Satzes vom Grunde als das Geschehen der unbedingten Bedeutung auf die Weise des Fürsichgeltens des begriffenen Bestimmten selbst. Das Geschehen des Determinationsurteils als Reflexionsurteil ist Rezeptivität und es ist Satz vom Grunde; es ist der Satz vom Grunde so, daß dieser aus der Rezeptivität als ihr Sichgestalten auf die Weise des Bestimmten folgt. So folgt die transzendentale Analytik auf die transzendentale Ästhetik, die sich ihrerseits als Doktrin aus der transzendentalen Antinomik ergibt. Sowohl die Ästhetik als durch sie auch die Analytik beziehen sich auf das aporetische Ergebnis der Antinomik als solches und haben nicht auf die Antithese bzw. These, in denen sich das reflektierende Begreifen als behauptendes Begreifen selbst verfolgt, jeweils besonderen Bezug. Die Unterscheidung zwischen dem Geschehen des Wissens als Rezeptivität und als Satz vom Grunde ist auch nicht die eines Gegensatzes, sondern die eines Folgens auseinander. Die eigentliche Einsicht der transzendentalen Reflexion liegt nicht darin, daß nun zwei Erkenntnisvermögen unterschieden wären, wo man zuvor nur eines anerkannt hätte, sondern darin, daß die Reflexion, statt sich durch Behaupten über sich selbst Rechenschaft abzulegen, für sich selbst ihr Sichvollziehen auf die Weise des Bestimmten ist, wo dann das bloße Geschehen des Unbedingten, das zuvor im Begreifen immer als sein unbegriffener Grund gegenwärtig war, im Wissen den Anfang seines Sichverstehens bilden kann. (Weil die Unterscheidung zwischen transzendentaler Ästhetik und transzendentaler Analytik nur eine solche relative Unterscheidung ist, deswegen konnte sich Kant auch in der Kritik der praktischen Vernunft — offensichtlich ohne Bedenken — mit der Bezeichnung Analytik auf beide beziehen.)

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Anmerkung Zu Kants Lehre von der Erscheinung Der Begriff der Erscheinung steht in der Lehre der Kritik der reinen Vernunft bezugslos für sich selbst da; er bedarf — seiner positiven Bedeutung nach — nicht des Seins oder des Seins an sich als seines Gegenbegriffs, sondern er geschieht als das Sichausweisen der unbedingten Bedeutung des Wissens selbst. Der Begriff vom Sein oder vom Sein an sich wäre vielmehr nur ein Begriff, der innerhalb des Geschehens des Wissens auf die Weise der Erscheinung in einem in sich verfehlten dogmatischen Behaupten fingiert werden würde. Nur als Erscheinung, als das Geschehen des Wissens auf die Weise von Begründetsein kann unbedingte Bedeutung stattfinden, als sich selbst genügendes Sein kehrt die — als Erscheinung geschehende — unbedingte Bedeutung sich gegen sich selbst und kann sich selbst nicht mehr verstehen. In diesem Sinne kann man sagen, daß in der Kritik der reinen Vernunft vom Ding oder Sein an sich ursprünglich nur in dem Sinne geredet wird, daß das Geschehen der unbedingten Bedeutung des Wissens nicht auf die Weise eines Verstehens der unbedingten Bedeutung als das bloße Fürsichgelten des Bestimmten mißverstanden werden dürfe, daß also dieser Begriff des Dinges an sich aus der Erkenntnislehre abgewiesen werden müsse. In diesem Sinne liegt im Begriffe der Erscheinung der Begriff des Dinges an sich im negativen Verstande so, daß das Geschehen des Wissens allein als ein Geschehen des Wissens in der Erscheinung verstanden werden dürfe, und daß die Erscheinung den Begriff des Dinges an sich von sich gerade abweisen müsse, daß sie sich selbst nicht unter diesem Begriffe verstehen dürfe, in dem das Geschehen des Wissens sich nicht mehr selbst als solches begreifen kann. Wenn von der Erscheinung gesagt wird, daß sie nicht Ding an sich sei, dann wird sie dadurch nicht auf ein ihr gegenüber anderes Ding an sich bezogen, sondern es wird nur angegeben, daß die Erscheinung nicht in einem dogmatischen Verstehen so aufgefaßt werden dürfe, als könne auf die Weise des Fürsichgeltens ihres Bestimmtseins die unbedingte Bedeutung von Bestehen angegeben werden. Dabei ist der Begriff der Erscheinung dann allerdings selbst schon in gewisser Weise dogmatisch gefaßt, nämlich so, daß das gegebene Bestimmte aus seinem Fürsichgelten heraus als zu der unbedingten Bedeutung unzulänglich aufgefaßt ist. In diesem Sinne kann also von der selbst schon in dogmatischer Setzung als der positive Ausdruck des Geschehens des Wissens aufgefaßten Erscheinung gesagt werden, daß sie gerade nicht Ding an sich sei und daß durch das Ding an sich das Geschehen der unbedingten Bedeutung des Wissens gerade nicht verstanden werden könne. Das Erkennen bekennt sich dazu, Erkennen nur in der Erscheinung zu sein, wogegen das Ding an sich nur einem in sich verfehlten dogmatischen Begreifen entspringe, das auf die Weise des erscheinenden Bestimmten doch die unbedingte Bedeutung als solche festhalten wolle. Der Begriff des Dinges an sich hat so mit dem Geschehen des Wissens als Satz vom Grunde nur negativ und nur in einer schon durch dogmatisches Verstehen bezeichneten Weise zu tun. 12*

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Das Geschehen des Determinationsbegriffes als Reflexionsbegriff

In diesem Sinn also steht das Ding an sich eigentlich überhaupt nicht im Bezug zur Erscheinung, sondern stellt nur eine zu dem Begriff der Erscheinung äußerlich hinzukommende Setzung des dogmatischen Begreifens dar, die in die Transzendentalphilosophie als solche überhaupt nicht eintritt. Der Begriff eines Noumenon im negativen Verstande dagegen betrifft innerhalb der Transzendentalphilosophie die Erscheinung selbst; die Erscheinung ist sie selbst als bloße Erscheinung, sie selbst ist das Geschehen des Wissens als Wissen des Noumenon, das so geschieht, daß es sich als das Wissen weiß, das auf die Weise des gegebenen Bestimmten und so, daß nur dies gegebene Bestimmte angegeben werden kann, die unbedingte Bedeutung hält. Auch hierin bleibt die Erscheinung von ihrem Fürsichgelten her aufgefaßt und damit in gewisser Weise dogmatisch bestimmt und als das, das sich durch sich selbst ausweist, hingestellt, aber der Begriff der Erscheinung ist hier doch als das Geschehen des Satzes vom Grunde gefaßt und das Geschehen der unbedingten Bedeutung des Wissens auf die Weise des Fürsichgeltens des Bestimmten als solches angegeben. Diese Lehre vom Geschehen der Erscheinung als Noumenon im negativen Verstande gehört so zur Lehre der Kritik der reinen Vernunft von der Erscheinung wesentlich hinzu. Die Behauptung des Dings an sich, in der das Ding an sich in dogmatischer Setzung der Erscheinung entgegengestellt wird, hat für die Lehre von der Erscheinung gerade keine Bedeutung, sondern wird nur äußerlich an diese Lehre herangetragen; die Lehre vom Noumenon im negativen Verstande dagegen drückt es aus, daß die Lehre von dem Geschehen des Erkennens als einem Erkennen in bloßer Erscheinung gerade das Geschehen des Wissens als Geschehen des Satzes vom Grunde meint. Die Lehre vom Noumenon im negativen Verstande bedeutet die Erfahrung von der Erscheinung selbst: sie meint das Geschehen der unbedingten Bedeutung des Wissens als Innesein auf die Weise des Fürsichgeltens des Bestimmten, durch es und als es. Es gilt nun aber ohne Zweifel schon für die Kritik der reinen Vernunft selbst, daß sie die Lehre vom Geschehen der Erscheinung als Noumenon im negativen Verstande nicht rein durchgehalten hat, sondern dieses Wissen in der Durchführung der Lehre selbst wieder in einer Weise der dogmatischen Auslegung genommen hat, die doch in der transzendentalen Antinomik und in der transzendentalen Ästhetik so deutlich als der transzendentalen Reflexion nicht angemessen aufgewiesen ist. Daß das Geschehen der Erscheinung Noumenon im negativen Verstande sei, wird, wenn das Begreifen die dogmatische Setzung der Erscheinung als solche festhält, zu der Behauptung, daß die Erscheinung als das Bestehen, das für sich gilt, das Noumenon nicht sei, was dann weiter zur Hypostasierung des Noumenon selbst, als desjenigen, was unbedingtes Bestehen, aber nicht Erscheinung sei, führt. Daraus ergibt sich dann wieder, daß wohl das „Daß" des Noumenons gewußt sei, aber nur die Erscheinung das „Was" des Erkennens liefern könne. Von dem auf die Weise der bestimmten Erscheinung geschehenden Wissen kann so gesagt werden, es geschehe als Wissen vom Noumenon als ein bloßes Wissen des „Daß", als Wissen des erscheinenden Bestimmten aber geschehe

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es als ein Wissen des „Was". Während also im eigentlichen Gang der transzendentalen Reflexion das Wissen um das Noumenon im negativen Verstande, das auf die Weise des Geschehens des Wissens als eines Wissens von bloßer Erscheinung statthat, das Geschehen der Apriorität in sich des Wissens, das als der Satz vom Grunde ist, meint, kommen wir in der Auslegung, die das Noumenon verselbständigt, von dieser seiner Bedeutung als des Geschehens der bezugslosen Apriorität, die das Wissen als die unbedingte Bedeutung, die Innesein ist, ist, ganz ab zugunsten des Verstehens des Unbedingten auf die Weise begriffenen Bestehens. In diesem Verstehen ist das Noumenon als ein Bestehen bestimmt, das als solches statthat, wenngleich die Bestimmungen, unter denen es sich darstellt, nicht als seine Bestimmungen gelten können, sondern in ihrem Fürsichgelten vielmehr nur sich selbst ausweisen. Im Geschehen der bloßen Erscheinung als Noumenon im negativen Verstande hat das Noumenon keine positive Bestimmungen, eben darin aber ist die Erscheinung in ihrem Bestimmtsein selbst im negativen Verstande, d. h. als Wissen darum, daß sie sich selbst immer nur als sich selbst in ihrem Bestimmtsein ausweisen kann, als Noumenon verstanden und in sich selbst und als solche als das Geschehen der unbezüglichen. Apriorität des Wissens offenbar. In der dogmatischen Auslegung der transzendentalen Lehre von der bloßen Erscheinung wird das Noumenon ein unbedingtes Bestehen, das als solches ist, ohne daß man doch etwas anderes als bestehend anzugeben vermöchte als das Bestimmtsein des Gegebenen als solches. So ist die positive Lehre vom Ding an sich, wie sie sich in der Kritik der reinen Vernunft darstellt, in keinem ihrer Stücke eine metaphysische Lehre, und wenn in der Fortgestaltung der transzendentalen Reflexion durch die auf Kant folgenden Denker dem Ding an sich wieder eine metaphysische Bedeutung gegeben wurde, so konnte diese Bedeutung doch nicht mehr dem Denken der alten Metaphysik entsprechen. In der Lehre der Kritik der reinen Vernunft vom Ding an sich geht es nicht mehr darum, daß auf die Weise des Bestimmten die unbedingte Bedeutung gefaßt werde, sondern aus der transzendentalen Reflexion, die sich dessen bewußt ist, daß die unbedingte Bedeutung nicht als ein besonderes Bestimmtes gefunden werden kann, da ja vielmehr das Vorausgesetztsein als solches als Geschehen der unbedingten Bedeutung verstanden ist, soll das bloße Fürsichgelten des Bestimmten in seinem Bestimmtsein, eben indem es nur als es selbst gilt, die unbedingte Bedeutung sein. Das Bestimmte soll nicht mehr wie in der Metaphysik durch sich die unbedingte Bedeutung geben, sondern das Bestimmtsein des Bestimmten soll als solches, als es selbst, die unbedingte Bedeutung sein, die unbedingte Bedeutung als solche als Bestimmtsein geschehen. Indem so das Fürsichgelten des Determinationsbegriffes als der Reflexionsbegriff gilt, ist dem Fürsichgelten des Bestimmten aller Bezug zur metaphysischen Bedeutung gerade genommen. Was der Intention der alten metaphysischen Lehren in der transzendentalen Reflexion entspricht, ist daher nur die Lehre vom Noumenon im negativen Verstande, daß die unbedingte Bedeutung auf die Weise der Erscheinung geschehe; in der selbständigen Setzung des Dinges an sich, wie sie in der Kritik der reinen Vernunft auch angegeben ist, kann

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Das Geschehen des Determinationsbegriffes als Reflexionsbegriff

diese Entsprechung nicht liegen. Die selbständige Setzung des Dinges an sich kann das unbedingte Geschehen des Wissens, wie es in der transzendentalen Reflexion statthat, nicht unmittelbar, sondern immer nur in der Verkehrung angeben, in einer Verkehrung, die sich gegen die transzendentale Reflexion selbst richtet, indem sie das Unbedingte durch das Bestimmtsein angeben will. Deswegen muß diese Behauptung auch immer schon in der transzendentalen Reflexion selbst als falsch durchschaut sein; sie kann dem Bestimmten in seinem Bestimmtsein nicht die unbedingte Bedeutung verleihen, wie dies dem metaphysischen Denken möglich war, sondern sie kann nur im Widerspruch verfahren, indem ihr einerseits das Fürsichgelten des Bestimmten bloßes Fürsichgelten bleibt, und sie andererseits dieses Fürsichgelten selbst doch auch als die unbedingte Bedeutung behauptet, von der es als bloßes Fürsichgelten doch auch wieder abgesetzt sei, so daß das Ding an sich die unbekannte Realität der Erscheinung sei. In einer solchen in sich verfehlten Reflexion kann das Bestimmte nicht die Bedeutung des Wissens der Reflexion durch sich erfüllen, wie dies im metaphysischen Denken statthatte, sondern die Reflexion will sich selbst als das bloße Fürsichgelten des Bestimmten, indem sie sich zugleich darin als in einer Verkehrung ihrer selbst durchschaut. Das Ding an sich behält daher auch den Charakter eines bloßen Dinges, dem das reflektierende Denken sich hingibt, ohne sich darin ernst nehmen zu können, weswegen sich denn auch die Auslegungen dieser Lehre als bloße Erkenntnistheorie verstehen, zu der dann die eigentliche philosophische Reflexion in anderen Disziplinen erst noch hinzukommen müsse. In der Lehre vom Noumenon im negativen Verstande dagegen ist das Wissen der transzendentalen Analytik zusammengenommen, welche Lehre gerade nicht in Bestimmungen verfahren kann, sondern notwendig unbestimmt bleiben muß, da sie nichts anderes angibt als dies: das Geschehen des Determinationsbegriffes als Reflexionsbegriff bedeute auch, die unbedingte Bedeutung geschehe nur so, daß sie auf die Weise des Bestimmtseins des Bestimmten sie selbst sei. Damit ist keine neue Bestimmung gegeben, sondern nur die Bedeutung, die das Bestimmte in seinem Bestimmtsein, das für sich selbst als solches gilt, immer schon hat, als solche in einem sie in das transzendentale Verstehen erhebenden, sie aber nicht weiter bestimmenden, Urteil ausgesagt. In diesem Sinne meint die Lehre der transzendentalen Analytik vom Geschehen des Wissens als Wissen in bloßer Erscheinung, das als solches Wissen vom Noumenon im negativen Verstande ist, eigentlich nur das rechte Verstehen der unbedingten Bedeutung des Geschehens des Wissens auf die Weise des begriffenen Bestimmten, und sie muß darin mit der Lehre der transzendentalen Ästhetik, auch insofern sie die Empfindung als das Substrat der Anschauung setzt, unmittelbar übereinstimmen; denn daß das Geschehen des Bestimmten in seinem Bestimmtsein die unbedingte Bedeutung selbst sei und daß das Bestimmte sich in dieser unbedingten Bedeutung immer nur als Bestimmtsein angeben könne, das bedeutet nur die auf die Weise der aus dem Vorausgesetzten begreifenden Reflexion geschehende Darstellung dessen, daß die unbedingte Bedeutung des Wissens als das Vorausgesetzte ist. Das reflektierende Raisonnement, das vom Vor-

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ausgesetzten selbst ausgeht, findet darin, daß das Vorausgesetzte das unbedingte Geschehen des Wissens im Fürsichgelten seines besonderen Bestimmtseins ist, die Bestätigung der unbedingten Bedeutung, die das auf die Weise des Empfindens geschehende Anschauen hat, durch das begriffene Fürsichgelten des Bestimmten selbst. In diesem Sinne stellt sich also für das Verhältnis der transzendentalen Ästhetik und der transzendentalen Analytik das Problem der Objektivität der Erkenntnis nicht, das vielmehr nur auftreten kann, sofern Bestimmungen, die unverbunden nebeneinander gesetzt sind, doch aufeinander bezogen werden und eine Bedeutung ausmachen sollen. Hier liegt nur ein Geschehen des Bestimmten vor, das sich durch sich selbst ausweist und aus dem heraus das reflektierende Raisonnement die Momente entwickelt, in denen es sich als das Geschehen der unbedingten Bedeutung des Wissens ausweist.

3. Die transzendentale Reflexion als Bedeuten und ah Verstehen transzendental, ist das Wissen auf die Weise des Begreifens in der Determination seiner selbst als Wissen inne. Auf die Weise der Empfindung ist es als das Geschehen von Raum und Zeit, und eben als dies Geschehen ist es für sich selbst als der Satz vom Grunde, der besagt, daß das Bestimmte es selbst als das Geschehen der unbedingten Bedeutung gerade nur so ist, daß es diese Bedeutung als sein Bestimmtsein angibt. Dieses Geschehen nun des Determinationsbegriffes als Reflexionsbegriff oder m. a. W. dieses Geschehen von Raum und Zeit und des Satzes vom Grunde aber geschieht in der transzendentalen Reflexion als Verstehen seiner selbst. Das unmittelbare Geschehen des Wissens, wie es von aller philosophischen Reflexion frei ist, geht ausdrücklich nur auf das Fürsichgelten des Bestimmten als solches, das Wissen geht in dem begriffenen Bestimmten auf und hat das Erfahren des Geschehens seiner selbst als Innesein nur auf die Weise des Begreifens des Bestimmten. Doch muß in diesem unmittelbaren Vollzug des Wissens die philosophische Reflexion immer schon angelegt und mitgemeint sein, auch wenn sich nur das Verfahren des Begreifens im Bestimmten zum Ausdruck bringt. Die philosophische Reflexion, sofern sie ausdrücklich geschieht, sucht als metaphysische Reflexion das Geschehen des Wissens als unbedingte Bedeutung selbst auf die Weise des begriffenen Bestimmten anzugeben. Diese metaphysische Reflexion kann sich selbst nicht genügen, da das begriffene Bestimmte, sofern sein Geschehen als unbedingte Bedeutung sich durch sich selbst als Bestimmtsein angibt, immer nur sein Fürsichgelten ausdrücklich auszuweisen vermag. Der Übergang von der metaphysischen zur transzendentalen Reflexion kann nur dadurch geschehen, daß die philosophische Reflexion sich in ihrer metaphysischen Position so verfolgt, daß sie jede Behauptung des Unbedingten negiert, aber sie nach dieser Negation und aus ihr heraus auch wieder neu setzt, eben weil das Verhältnis des Fürsich-

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Das Geschehen des Determinationsbegriffes als Reflexionsbegriff

geltens des Bestimmten zum Geschehen dieses Bestimmten als unbedingte Bedeutung durch das Fürsichgelten selbst nur auf diese Weise ausgeschöpft und angegeben werden kann. Indem sie sich in diesem Verfahren erhält, gelangt die philosophische Reflexion zur Einsicht darein, daß auf die Weise des Fürsichgeltens des begriffenen Bestimmten und als es die unbestimmte unbedingte Bedeutung immer schon geschehe, daß sie aber gerade nicht auf die Weise des Bestimmtseins selbst behauptend angegeben werden könne. Was dann bleibt, ist das Geschehen des Fürsichgeltens des Bestimmten als solchen als die unbestimmte unbedingte Bedeutung des Wissens, da, wo die philosophische Reflexion zuvor angetrieben hatte, das Unbedingte als Bestimmtsein zu behaupten, aber mit diesem Unterfangen nicht zu Ende gekommen war. Das Wissen, als das das Fürsichgelten des Bestimmten so nach der Auflösung auch der metaphysischen Reflexion geschieht, ist also nicht das Wissen eines behaupteten Unbedingten, und es ist auch nicht die Leugnung eines solchen behaupteten Unbedingten, sondern es ist — von dem Behaupten aus gefaßt — die bloße Bedingung der Möglichkeit dafür, daß aus dem Fürsichgelten des Bestimmten heraus sowohl das Behaupten als auch das Leugnen in einem von dem Bestimmten ausgehenden Begreifen statthaben kann; diese Bedingung aber kann selbst nicht auf die Weise der Behauptung angegeben werden, da sie sich selbst nicht mehr als ein besonderes Bestimmtes darstellt, sondern das Geschehen des Fürsichgeltens des Bestimmten als solches als das Geschehen dieser Bedeutung meint. Auf die Weise des Fürsichgeltens des begriffenen Bestimmten, das als solches nicht aufgehoben ist und auch nicht aufgehoben werden kann, da es vielmehr die Art und Weise des Wissens zu sein selbst ist, das in ihm es selbst als Vorausgesetztes ist, findet so das Geschehen des Wissens als ein in sich beschlossenes Innesein statt. In der transzendentalen Reflexion ist die Bedingung der Möglichkeit dafür, daß in der metaphysischen Reflexion auf die Weise des begriffenen Bestimmten ein Absolutes schlechthin verlangt wird, von dem diese Reflexion zugleich bekennen muß, daß es nicht gefunden werden könne, als das unbestimmte unbedingte Geschehen des Wissens offenbar, als das das Fürsichgelten des begriffenen Bestimmten als solches statthat. Dieses in sich beschlossene Geschehen des Wissens als Wissen, das als solches ein unbestimmtes unbedingtes Geschehen ist, ist es selbst als Geschehen von Verstehen und Bedeutung, und als dieses Verstehen und Bedeuten hat das begriffene Bestimmte in seinem Bestimmtsein statt. Die transzendentale Reflexion ist nichts anderes als dies Geschehen des begriffenen Bestimmten, so daß es sich, gerade indem es das begriffene Bestimmte ist, als das Geschehen der unbedingten Bedeutung des Wissens und Verstehens darstellt. Die transzendentale Reflexion ist damit sozusagen Einkehr in das unmittelbare Geschehen des Begreifens, Einkehr in das, als was das Begreifen immer schon geschieht, denn in ihm geschieht nichts anderes als das Fürsichgelten des begriffenen Bestimmten als solchen, das als es selbst die in sich beschlossene Bedeutung ist. Diese philosophische Reflexion enthält so keine Interpretation mehr, die sich als ein bestimmtes Wissen dem unmittelbaren Geschehen des Wissens noch

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hinzufügte. Der Unterschied zwischen der transzendentalen Reflexion und dem unmittelbaren Geschehen des Wissens als das Fürsichgelten des begriffenen Bestimmten liegt nur darin, daß es in dem unmittelbaren Geschehen des Wissens nur um das Bestimmtsein des Bestimmten geht und daß das Verstehen nur als das Sichbezeugen des Bestimmten in seinem Bestimmtsein statthat, wogegen in der transzendentalen Reflexion des Fürsichgelten des begriffenen Bestimmten, eben indem es sich nur als solches bezeugt, in sich selbst und als solches und d. h. für sich selbst schon das Geschehen der unbedingten Bedeutung des Wissen und Verstehens ist. Im unmittelbaren Vollzuge des Begreifens geht es nur um das Bestimmte in seinem Bestimmtsein, und nur auf die Weise des Verfahrens des Wissens in der Bestimmung und um der Bestimmung willen findet das Wissen als das unbedingte Geschehen von Verstehen statt; in der transzendentalen Reflexion ist das Fürsichgelten des Bestimmten, indem es nichts anderes bezeugt als sich selbst, als solches das Geschehen der unbestimmten unbedingten Bedeutung, das Geschehen des Fürsichseins des Wissens als Wissen. Die unbedingte Bedeutung mangelt auch in dem unmittelbaren Begreifen nicht, aber sie ist alsdann nur auf die Weise gegenwärtig, daß das Wissen sich selbst auf die Weise des Bestimmtseins des Bestimmten meint. In der transzendentalen Reflexion eröffnet sich das Bestimmte in seinem Bestimmtsein als solches als das unbedingte Geschehen des Wissens auf die Weise des Bestimmten, und als es meint sich das Wissen hier als sein unbedingtes Geschehen. Damit hat sich die Weise, wie das begriffene Bestimmte es selbst als begriffenes Bestimmtes ist, gewandelt, ohne daß doch im Wissen mehr geschehen könnte als gerade das begriffene Bestimmte selbst. Im unmittelbaren Begreifen gilt das begriffene Bestimmte um seiner selbst willen, indem darin doch zugleich ein Ungenügen des Wissens in sich statthat, das macht, daß es sich aus diesem unmittelbaren Begreifen zur philosophischen Reflexion erhebt; in der transzendentalen Reflexion ist das begriffene Bestimmte, eben indem es nichts anderes sein kann als sein Fürsichgelten, als solches das Geschehen der unbedingten Bedeutung oder des Verstehens. Im unmittelbaren Begreifen gibt das Bestimmte auf die Weise seines Bestimmtseins und als es das Geschehen des Wissens an, und das Ungenügen, das in diesem Begreifen liegt, ist ein Ungenügen, das nur auf die Weise des bloßen Fürsidigeltens des Bestimmten stattfindet, und das dann aus sich auf die philosophische Reflexion leiten muß, die es nicht vermeiden kann, zunächst auf die Weise der Auslegung des Wissens durch das begriffene Bestimmte zu geschehen. Die Unzulänglichkeit der metaphysischen Reflexion liegt, genau wie die Unzulänglichkeit der ersten philosophischen Auslegung des Geschehens des begriffenen Bestimmten als die unbedinge Bedeutung des Wissens durch dies Bestimmte selbst, nicht etwa darin, daß die unbedingte Bedeutung des Wissens auf die Weise des Bestimmtseins statthat, sondern sie liegt darin, daß sie selbst als ein Bestimmtes behauptet ist. Daß die unbedingte Bedeutung auf die Weise des begriffenen Bestimmten, auf die Weise des Gegebenen, des Vorausgesetzten geschehe, das macht das Geschehen der unbedingten Bedeutung selbst aus, sodaß

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Das Geschehen des Determinationsbegriffes als Reflexionsbegriff

gerade nur auf die Weise des Gegebenen und des begriffenen Bestimmten diese Bedeutung statthaben kann: der Gottesbeweis der metaphysischen Reflexion kann immer nur als ein Beweis im begriffenen Bestimmten und als ein Beweis, der ausdrücklich auf das begriffene Bestimmte selbst geht, vollzogen werden. Indem aber die metaphysische Reflexion die Bedeutung, als die sie das begriffene Bestimmte erkennt, selbst doch auch wieder nur auf die Weise des Fürsichgeltens des Bestimmten in seinem Bestimmtsein auffassen kann, da wiederholt sie nur die Unzulänglichkeit der philosophischen Reflexion, die sich noch unmittelbar durch das gegebene Bestimmte selbst erfüllt, daß sich ihr nämlich das Bestimmte nur in seinem Bestimmtsein und als solches gerade nicht selbst als das Geschehen der unbedingten Bedeutung angibt. Aus der metaphysischen Reflexion folgt die transzendentale Reflexion durch die Einsicht, daß es nicht möglich sein könne, die unbedingte Bedeutung, die das Wissen auf die Weise seines Geschehens als das begriffene Bestimmte ist, als das Fürsichgelten des Bestimmten in seinem Bestimmtsein und durch es anzugeben, sondern daß diese unbedingte Bedeutung nur dann als solche und unverstellt geschehen könne, wenn sich das begriffene Bestimmte als es selbst, als das Geschehen von Bestimmtsein, das es ist, auch schon als das Geschehen der unbedingten Bedeutung des Wissen angebe. Nur dann, wenn das begriffene Bestimmte das Geschehen des Wissens als es selbst und für sich selbst so ist, daß es darin nicht auch schon wieder als das Bestimmte, das es ist, die Auslegung dieses unbedingten Geschehens ist, nur dann ist in der Reflexion das Geschehen des Wissens die Bedeutung, die es ist, als solche für sich selbst. In der transzendentalen Reflexion ist das begriffene Bestimmte das Geschehen der unbedingten Bedeutung des Wissens, ohne daß dies Geschehen schon wieder als solches nach Art eines Bestimmten ausgelegt wäre; als es selbst und für sich selbst ist das begriffene Bestimmte das Geschehen der unbedingten Bedeutung. Die philosophische Reflexion muß sich von dem Genötigtsein zur Auslegung, das aus dem Geschehen des Wissens auf die Weise des Fürsichgeltens des begriffenen Bestimmten entspringt, dahin befreien, daß ihr das Fürsichgelten des begriffenen Bestimmten, ohne durch sich einen Anspruch auf das Geschehen der unbedingten Bedeutung des Wissens, das es selbst ist, zu erheben, als es selbst und auf die Weise seines Fürsichseins das Geschehen dieser unbedingten Bedeutung wird. In diesem Sinne ist der Weg der philosophischen Reflexion der Weg des begreifenden Denkens von dem, was es aus sich selbst macht, zu dem hin, für sich selbst ausdrücklich das zu sein, was es immer schon ist. Es wird durch den ganzen Gang der Geschichte des Denkens kein neues positives Wissen erreicht, sondern nur dies, daß das Geschehen des Wissens sich für sich selbst von dem, wozu es sich schon gemacht hat, zu dem hin befreie, was es als sein Geschehen immer schon ist. Was der Gang der Geschichte des philosophischen Denkens bringt, ist eigentlich nur dies, daß das Denken sich über die Versuchung dazu, sich in seiner unbedingten Bedeutung zugunsten des Bestimmten zu verkennen, schließlich erhebe.

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In der transzendentalen Reflexion ist es einsichtig, daß das Geschehen des Wissens, wie es als das Geschehen von Räumlichkeit und Zeitlichkeit und als das Geschehen des Satzes vom Grunde ist, weder durch ein Determinationsurteil verstanden werden kann, noch auch durch ein angeblich für sich geltendes Reflexionsurteil begriffen ist, daß es vielmehr an sich selbst das Geschehen des Determinationsurteils als Reflexionsurteil ist, daß es das Geschehen von Bestimmtsein ist, das als solches das Geschehen der unbedingten Bedeutung ist. Wenn immer Erfahrung ist, dann ist sie das sich durch die Empfindung vollziehende Geschehen von Raum und Zeit und das Geschehen des begriffenen Bestimmten als Satz vom Grunde. Allein in der transzendentalen Reflexion geschieht es jedoch, daß das Fürsichgelten des Bestimmten, indem es es selbst als solches ist, gerade dadurch auch schon das Sichbezeugen der Bedeutung ist, als die Raum und Zeit in der Empfindung sind und als die das Geschehen des Bestimmten als Satz vom Grunde ist. In dem Begreifen des Bestimmten, wie es sich, — wenn man die philosophische Reflexion, die doch immer schon in ihm geschieht, außer Acht läßt, — bloß als das darstellt, was in sich selbst und für sich selbst gilt, geht das Geschehen des Wissens als Raum und Zeit und als Satz vom Grunde nicht als solches hervor, da es in ihm vielmehr immer nur um das Bestimmtsein als solches geht. Raum und Zeit und der Satz vom Grunde erscheinen in diesem Begreifen nur durch das Bestimmtsein des Bestimmten, das begriffene Bestimmte ist als solches nicht in seiner Bedeutung offenbar. Das Bestimmte gilt nur, insofern es das Bestimmte ist; und es mag zwar, und es muß in gewisser Weise in diesem Begreifen zugleich die Bedeutung von Raum und Zeit und des Satzes vom Grunde offenbar sein, so geht das Begreifen im Bestimmten doch nicht ausdrücklich als diese seine Bedeutung hervor, sondern gibt sie immer nur durch das für sich geltende Bestimmtsein an. In ihrem Beginn stellt sich die philosophische Reflexion gegen diese im Begreifen liegende Nötigung, daß es in ihm immer nur um das Fürsichgelten des Bestimmten als Bestimmten gehe, dadurch, daß sie eben dieses Bestimmte auch mit einer unbedingten Bedeutung ausstattet, die dieses Bestimmte als solches sei und meine, sodaß also auf die Weise dieses Bestimmten selbst das Vorausgesetzte als das Geschehen der unbedingten Bedeutung des Wissens gewußt wird und das Bestimmte als solches als Bedeutung hervorgeht, d. h. als solches das offenbare Geschehen von Raum und Zeit und des Satzes vom Grunde ist. In der metaphysischen Reflexion wird dieses Geschehen des begriffenen Bestimmten als Bedeutung von dem unmittelbaren Verfahren des Begreifens im Bestimmten abgetrennt und als ein besonderes Bestimmtes vorstellig gemacht, z. B. als das für das Denken Größte schlechthin. Dieses abgesondere Bestimmte, z. B. dieses Größte schlechthin des Denkens, kann allerdings auch nur auf die Weise des begriffenen Bestimmten, auf die Weise des Vorausgesetzten gemeint werden; aber es ist doch in einem gegenüber der unmittelbaren Verfahren des Begreifens im Bestimmten neuen Akt des Begreifens, der von dem Geschehen des Bestimmten als Bedeutung seinen Ausgang nimmt, konzipiert und für sich hingestellt, sodaß also in diesem

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Das Geschehen des Determinationsbegriffes als Reflexionsbegriff

Bestimmten des metaphysischen Denkens, z. B. in dem für das Denken Größten schlechthin, das Geschehen des begriffenen Bestimmten als Bedeutung, d. h. das Geschehen von Raum und Zeit und des Satzes vom Grunde als solches als ein besonderes Bestimmtes vorstellig gemacht ist. So ist es wohl einsichtig, daß das Geschehen des Wissens als Raum und Zeit und als der Satz vom Grunde nicht einfach auf die Weise eines Bestimmten angegeben werden kann, aber diese Einsicht kann doch selbst wieder nur durch ein Denken auf die Weise des Bestimmten faßlich gemacht werden, wobei für das Begreifen im Bestimmten, das durch sich das Geschehen von Raum und Zeit und des Satzes vom Grunde als Bedeutung zum Ausdruck bringen soll, der Satz vom Widerspruch und der Satz der Identität die obersten Prinzipien sind, durch die das Bestimmte, das sich in seinem Bestimmtsein als das Geschehen in sich unbedingter Bedeutung darstellt, sich selbst in seiner bezugslosen Notwendigkeit ausweist. Der transzendentalen Reflexion gilt das Verfahren des Begreifens im Bestimmten als solches als die unbedingte Bedeutung, es ist ihr als solches das Geschehen von Raum und Zeit und des Satzes vom Grunde. Das bedeutet nicht, daß das Begreifen im Bestimmten nicht weiterhin für sich gelten könne als ein solches, das nichts anderes ist als eben Verfahren in Bestimmungen. Aber die philosophische Reflexion sondert sich von diesem Begreifen, das als Verfahren in Bestimmung seine Bedeutung für sich selbst hat, nicht mehr auf die Weise einer Auslegung ab, die die unbedingte Bedeutung, die dieses Begreifen als solches ist, selbst auf die Weise eines begriffenen Bestimmten vorstellig macht. Die philosophische Reflexion geschieht als das begriffene Bestimmte selbst. Der Denkvollzug, durch den die transzendentale Reflexion dahin gelangt, der der Akt des Übergangs von der metaphysischen zur transzendentalen Reflexion ist und den wir in Kants transzendentaler Antinomik ausgedrückt gefunden haben, ist ein Akt, der nur die philosophische Reflexion betrifft und der das unmittelbare Geschehen des Begreifens im Bestimmten das sein läßt, was es ist, wenn immer es ist. Nicht sofern es im Begreifen im Bestimmten bloß um das Bestimmtsein des Bestimmten geht, sondern sofern dieses Begreifen als es selbst immer auch schon die philosophische Reflexion ist, in der es ihm um sich selbst als das Geschehen der unbestimmten unbedingten Bedeutung geht, nur insofern tritt das Begreifen darein ein, für sich selbst auf die Weise der Auslegung zu sein, in der es sich von seinem unmittelbaren Geschehen dadurch absetzt, daß es sich in seiner Bedeutung noch einmal als ein Bestimmtes setzt. Die transzendenale Reflexion bedeutet, daß das Begreifen im Bestimmten sich, sofern es als solches immer schon philosophische Reflexion ist, nicht mehr von seinem unmittelbaren Vollzug absondert und nochmal als Bestimmtsein setzt, sondern unmittelbar das Geschehen der Bedeutung, die es ist, als es selbst und d. h. für sich selbst ist. Die transzendentale Reflexion kommt nicht noch, indem sie sich in bestimmten Aussagen fixiert, zu dem unmittelbaren Geschehen des Begreifens hinzu, sondern sie ist das unmittelbare Geschehen des Begreifens im Bestimmten als solches, wie es in sich selbst und für sich selbst geschehen kann, wenn die philosophische Reflexion

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nicht mehr auf die Weise der Auslegung des Begreifens sie selbst ist, sondern in das Geschehen des Begreifens als solches so eingeht, daß dieses Geschehen als das, was es unmittelbar in sich selbst und für sich selbst ist, auch schon das Geschehen der philosophischen Reflexion ist. Im Wesen des Begreifens im Bestimmten liegt es, daß die philosophische Reflexion, die dieses Begreifen immer schon auch ist, sich zunächst als Auslegung der Bedeutung des Begreifens, die vom Bestimmten her auf die Weise des Bestimmten geschieht, vom unmittelbaren Geschehen dieses Begreifens abheben muß; in der transzendentalen Reflexion geschieht das Begreifen im Bestimmten als solches und für sich selbst als die philosophische Reflexion, die es immer schon ist, das Geschehen des Begreifens ist ohne Auslegung für sich selbst als die unbestimmte unbedingte Bedeutung, die es immer schon ist. Das Begreifen im Bestimmten kann sein Geschehen als unbedingte Bedeutung als es selbst und d. h. für sich selbst und in sich selbst nicht sein, solange es diese Bedeutung noch in der Auslegung durch sich selbst auf die Weise eines besonderen Bestimmten angibt; es wird dadurch dazu frei, diese Bedeutung für sich selbst zu sein, daß es sich in die transzendentale Antinomik hineinbegibt, in der es für sich als unzulänglich zu der Anmaßung, in der es sich selbst als philosophische Reflexion verstanden hat, hervorgeht. Indem es für sich selbst in dieser Unzulänglichkeit offenbar ist, da kann es für sich selbst das Geschehen der unbestimmten unbedingten Bedeutung des Wissens sein, das es immer schon ist, ohne daß es sich doch darin auch als es selbst hätte verstehen können; diese Einsicht aber ist die transzendentale Reflexion. Im genauen Verstande stellt sich die transzendentale Reflexion also nicht eigentlich als eine Doktrin dar, (wenn wir dieses Wort auch für den ausdrücklichen Vortrag dieser Reflexion beibehalten wollen), sondern sie ist nichts als das Geschehen des Begreifens des Bestimmten selbst, sofern es es selbst unmittelbar, ohne noch einer Auslegung auf die Weise des begriffenen Bestimmten zu bedürfen, als Geschehen der unbedingten Bedeutung des Wissens und Verstehens ist. Und dieses Geschehen des Begreifens als Bedeutung ist ebenso imstande, sich selbst auszusagen, wie es das Begreifen vermag, sofern es ihm nur um das Bestimmtsein des Bestimmten geht. Die Sprache, die sich selbst ja auch auf die Weise des Fürsichgeltens des begriffenen Bestimmten darstellt, ist im Geschehen des Wissens dadurch bezeichnet, daß sich in ihr das Fürsichgelten des begriffenen Bestimmten, wie es in Unmittelbarkeit statthat, selbst wieder als ein Bestimmtsein angebe, sofern es sein Geschehen als es selbst als Reflexion, (nicht als die philosophische Reflexion, die auf die unbedingte Bedeutung geht), ist. Das Begreifen des Bestimmten ist als solches immer schon Reflexion, es geschieht als solches als Verstehen; daß das Begreifen dieses Geschehen von Verstehen ist, wird in der Sprache selbst wieder auf die Weise von Bestimmtsein festgehalten und vorstellig gemacht. Das Geschehen des Begreifens als Reflexion gibt sich in der Sprache selbst wieder durch Bestimmtsein an. Darauf, daß sich das Geschehen des Begreifens im Bestimmten so selbst wieder in der Gestalt eines Bestimmten angebe, läßt sich dann nicht abermals anwenden, daß dieses Bestimmte doch als solches auch in der Reflexion verstanden

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sei, in welcher Rücksicht es auch wieder ausgesagt werden müßte, usf. ins Unendliche, sondern das Geschehen des Wissens ist mit diesem einmaligen Sichangeben des Geschehens des begriffenen Bestimmten als Verstehen auf die Weise eines Bestimmten an sein Ende gekommen; die Sprache schafft kein neues Verstehen, sondern stellt nur das Verstehen, das schon statthat, auf die Weise des Bestimmten fest. (So kann es allerdings eine Untersuchung der Sprache, die selbst in der Sprache vorgenommen wird, geben, aber das ist dann nicht ein Verstehen sozusagen in zweiter Potenz, sondern immer noch ein Sprechen in der ersten Potenz, das das als Sprache vorliegende Bestimmte zu seinem Material hat, so, daß die Äußerung über dieses Material auf die Weise des gleichen Materials angegeben wird.) Die Darstellung des Verstehens, das das Begreifen im Bestimmten ist, auf die Weise des Fürsichgeltens eines begriffenen Bestimmten, wie es in der Sprache statthat, ist das Sichgestalten des Wesens des Wissens aus sich auf die Weise, in der allein es sich gestalten kann, nämlich auf die Weise des Bestimmtseins und Vorausgesetztseins selbst. Die Sprache ist das Moment im Begreifen, in dem das Geschehen des Wissens auf die Weise des Vorausgesetzten sich in sich selbst beschließt, sich als das Verstehen, das es ist, selbst in Bestimmtsein angibt; durch sie kommt nichts zum Geschehen dieses Wissens hinzu, es wird durch sie nichts eigentlich erzeugt oder gar erst offenbart; in der Sprache stellt sich vielmehr nur dar, daß das begriffene Bestimmte als solches das Geschehen von Wissen ist, daß das Begreifen in sich selbst den Charakter der Reflexion hat, und diese Darstellung erfolgt durch das bestimmte Wort. Daß das Geschehen von Wissen es selbst dergestalt auch als Geschehen von Sprache ist, das bewirkt für das bloße Geschehen des begriffenen Bestimmten in seinem Fürsichgelten, daß es als solches ausdrücklich in die bestimmte Bedeutung gestellt werden kann, die es als solches ist, daß es in seinem Bestimmtsein Verstehen ist, kann so selbst als Bestimmtsein vorstellig gemacht werden. Damit wird also zu dem Geschehen des begriffenen Bestimmten in seinem Fürsichgelten nichts hinzugefügt, sondern es bleibt ganz und gar nur das, was es schon ist; aber durch die Sprache wird es auch auf die Weise von Bestimmtsein faßlich, daß das unmittelbare Geschehen des begriffenen Bestimmten also solches die Natur des Wissens und Verstehens hat. Das Geschehen der Sprache selbst ist dabei weder abstrakt noch konkret, sondern das Abstrakte und das Konkrete, das liegt schon — auch ohne den ausdrücklichen Vollzug der Sprache —im Geschehen des Wissens auf die Weise des begriffenen Bestimmten als solchem. Obwohl nun aber die Sprache als solche nicht selbst das Geschehen des begriffenen Bestimmten als Wissen ist, es daher auch nicht verwandelt, sondern es nur auf die Weise von Bestimmtsein nachträglich festlegt, so kann sie doch, wenn sie sich auf die philosophische Reflexion richtet, durch die Weise, wie sie diese Reflexion, wenn sie als Auslegung geschieht, darstellt, eine Rückwirkung auf das Geschehen des Denkens selbst ausüben. Die philosophische Reflexion nimmt ja das begriffene Bestimmte nicht als das Bestimmtsein, das es ist, sondern sie nimmt es als das Geschehen der unbestimmten Bedeutung. Dieses Geschehen des begriffenen Bestimmten als unbedingte

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Bedeutung wird nun allerdings, solange die philosophische Reflexion noch nidit transzendentale Reflexion ist, selbst auf die Weise eines begriffenen Bestimmten vorstellig gemacht. Indem nun die Sprache dieses begriffene Bestimmte gerade von seinem Bestimmtsein aus angibt und es als Bestimmtsein aussagt, da verändert sie zwar das Geschehen des Verstehens als solches nicht, aber sie regt durch sich doch ein zusätzliches Verstehen an, in dem das Geschehen der unbedingten Bedeutung von dem Bestimmten aus gefaßt und verstanden wird, das sie durch ihre bestimmte Aussage als solches hingestellt hat. So macht sich die Reflexion, sowohl für ihren Urheber selbst, leichter aber noch für ihren Interpreten, sich selbst von der Aussage eines Bestimmten her in ihrer Bedeutung vorstellig, so sucht sie sich also im anseimischen Gottesbeweis etwa sich selbst aus dem für das Denken Größten, das so durch die Sprache als ein Bestimmtes hingestellt ist, einsichtig zu machen. Indem das für das Denken Größte durch die Sprache ausgesagt und als ein Bestimmtes hingestellt ist, da verleitet es die Reflexion dazu, sich selbst von diesem Bestimmten aus nachzusinnen, und da gilt dieses Bestimmte für den Ausleger als das von sich her in dieser Reflexion Gemeinte. Das für das Denken Größte ist nicht mehr aus dem Geschehen der Reflexion, die das Geschehen des begriffenen Bestimmten als die unbedingte Bedeutung des Wissens, die m. a. W. das Geschehen des begriffenen Bestimmten als Raum und Zeit und als Satz vom Grunde doch wieder auf die Weise selbst eines Bestimmten vorstellig machen mußte, verstanden, sondern dies Bestimmte steht für sich selbst in seinem Bestimmtsein da. Und von diesem Bestimmten in seinem Fürsichgelten her soll nun das Geschehen der unbedingten Bedeutung des Wissens festgehalten werden. So bewirkt die Sprache, daß ein neuer Akt des Verstehens gesetzt werde; sie ist nicht dieser Akt des Verstehens, aber sie führt ihn herbei, dadurch, daß sie das Geschehen der unbedingten Bedeutung, das auf die Weise eines Bestimmten ausgelegt ist, als das bloße Fürsichgelten eines Bestimmten erscheinen läßt. Deswegen konnte schon Gaunilo Anselms Meinung nicht mehr verstehen, und Anselm selbst mußte sich, wie auch sonst das metaphysische Denken, in das Schweigen flüchten, wo allein die Wahrheit dessen, was auch mit der Aussage gemeint war, offenbar bleiben konnte. Durch die Sprache erst kommt die Doktrin zustande, in der die für sich bestehende Auslegung des Geschehens der unbedingten Bedeutung durch das begriffene Bestimmte sich für sich selbst in fixen Aussagen vorstellig macht. Wenn das Geschehen des begriffenen Bestimmten auf die Weise der Auslegung statthat — und in einer solchen Auslegung geschieht die metaphysische Reflexion —, dann ist die Reflexion für sich selbst als Unangemessensein, als Sichnichtgemäßsein; sie ist als solche, durch die Weise, wie sie sich durch das begriffene Bestimmte vollzieht, nicht genügend angegeben und meint mehr als das, was sie sich vorstellig machen kann. Aber dies Geschehen der Reflexion als Auslegung ist doch ihr Geschehen als Vollzug; sie ist selbst als solche auf die Weise dieser Auslegung da und vollendet sich als Bedeutung gerade auf die Weise dieser Auslegung. In der Auslegung weiß sich die Reflexion wohl als Unangemessensein, aber sie ist sie

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selbst nur als Auslegung und geht als solche in ihr Geschehen als Auslegung ein. Die Sprache macht aus diesem Geschehen der Reflexion als Auslegung das Geschehen der Reflexion auf die Weise des Vorliegens von begriffenem Bestimmtem, und sie gibt damit die Möglichkeit, diese — als Auslegung geschehende — Reflexion selbst von dem durch sie ausgesagten Bestimmten her zu verstehen, und läßt sie so unverständlich werden. Die philosophische Reflexion der ersten Stufe, die sich selbst auf die Weise des begriffenen Bestimmten darstellt, kann durch die Sprache nur in der eigentümlichen Art von Auslegung, die sie ist, bestätigt werden. Die metaphysische Reflexion, der das begriffene Bestimmte, indem es sich als solches darsellt, doch als das Geschehen der unbedingten Bedeutung des Wissens gilt, wird durch die Aussage auf das Fürsichgelten des begriffenen Bestimmten als solchen festgelegt, von dem her sich dann auch die unbedingte Bedeutung, als von ihm ausgesagt, eröffnen soll, was von der Reflexion einen neuen Akt des Denkens verlangt, in dem sie ihre eigene Auslegung des Geschehens der unbedingten Bedeutung verstehen will, doch ohne sich selbst eigentlich wiedererlangen zu können. So hat auch Descartes darüber geklagt, daß das Wissen der Reflexion sich selbst entgleitet, sobald das Denken sich nicht mehr darin erhält, sie ausdrücklich zu vollziehen, und nur auf die Ergebnisse angewiesen ist, in denen es sich ausgesagt hat. Neben dem Geschehen der Reflexion als Auslegung steht dann noch die Doktrin für sich da, doch so, daß sie im Denken von dem eigentlichen Geschehen der Reflexion nicht abgetrennt werden kann, da ja die metaphysische Reflexion an das Fürsichgelten des begriffenen Bestimmten hingegeben bleibt und daher nicht die Möglichkeit hat, sich als Reflexion über die eigentümliche Weise ihres Geschehens als Sprache zu erheben, wenngleich sie sich der Unzulänglichkeit der Sprache zu dem, was sie an sich selbst ist, bewußt ist und daher das Schweigen als die reine Form ihres Geschehens weiß. Die transzendentale Antinomik stellt den Übergang von der metaphysischen zur transzendentalen Reflexion in dem Sinne dar, daß in ihr das Denken die Zulänglichkeit und Unzulänglichkeit zugleich, die das begriffene Bestimmte in der metaphysischen Reflexion zum Geschehen der unbedingten Bedeutung ist, im begriffenen Bestimmten selbst verfolgt. Die Zweideutigkeit in sich ihres Verstehens steht in der metaphysischen Reflexion da, ohne aufgelöst zu werden; in der Antinomik geht die Reflexion ausdrücklich auf die Unzulänglichkeit zu sich selbst, die sie in dieser Situation ist (welches Begreifen, wenn es sich selbst dogmatisch setzt, auf den Skeptizismus Humes führt), und im Erfahren der Unzulänglichkeit hält sie fest, das eben darin das begriffene Bestimmte doch auch Zulänglichsein zu der unbedingten Bedeutung sei. In der metaphysischen Reflexion gibt das begriffene Bestimmte sich einerseits unmittelbar selbst als solches an, es ist andererseits aber als es selbst und auf die Weise seiner selbst gerade auch das Angeben der unbestimmten unbedingten Bedeutung des Wissens. Man kann sagen, daß das begriffene Bestimmte in diesem Sinne ebensowohl als Begriff des Besonderen als als Gattungsbegriff diene, wobei also das begriffene Bestimmte, insofern es das Geschehen der unbedingten Bedeutung meint, als Gattungsbegriff

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genommen ist. So ist im anseimischen Gottesbeweis der Begriff von dem für das Denken Größten, indem er der Begriff von einem Bestimmten sein soll, seiner Bedeutung nach Gattungsbegriff, in dem auf die Weise des Superlativs (der als solcher Begriff vom Einzelnen ist und deswegen zum Geschehen der Reflexion auch unzulänglich bleiben muß), die unbedingte Bedeutung des Wissens als solche gemeint ist, was darin angegeben ist, daß es sich um den Superlativ schlechthin des Denkenkönnens handle, welcher Bezug auf das Denkenkönnen das ausmacht, was man das Gattungshafte dieses Begriffs nennen kann. Eben diese Doppelung tritt aber für die metaphysische Reflexion bei jedem beliebigen Begriffe auf, wenn er in der Reflexion gefaßt wird, so daß also in solcher Reflexion der Begriff des Pferdes ebensowohl der Begriff eines Einzelnen als auch Gattungsbegriff ist, in welchem das begriffene Bestimmte als solches das Geschehen unbedingter Bedeutung ist, was macht, daß in dieser Reflexion jeder Begriff eines Einzelnen, indem er sich selbst auch schon als Gattungsbegriff darstellt, durch sich auf den kosmologischen Gottesbeweis leitet, (nämlich in einem Erfassen des Unbedingten aus dem Gattungsbegriff, das nichts mit einem Rückgehen in der Reihe der Ursachen bis hin zu einem Ersten zu tun hat). Diese Position wird nun in der transzendentalen Antinomik völlig verändert. Das begriffene Bestimmte ist einerseits das Geschehen des Wissens der Reflexion als Unzulänglichkeit, es ist aber andererseits durch sich selbst und als solches gerade auch ihr Geschehen als Zulänglichkeit. Es findet also die Reflexion nicht mehr nur durch eine einzige Art, das Bestimmte zu begreifen, statt, innerhalb deren sich dann der Begriff vom Einzelnen und der Gattungsbegriff herausbilden könnten, sondern es gibt auf die Weise des Fürsichgeltens des begriffenen Bestimmten selbst für das Geschehen des Wissens der Reflexion eine doppelte Weise zu begreifen, in der sich das begriffene Bestimmte in der Reflexion zum einen als das zum Geschehen der Reflexion Unzulängliche, zum ändern als das zu ihr Zulängliche darstellt. In der Antinomik geschieht das Wissen der unbedingten Bedeutung nicht mehr auf die Weise der Auslegung durch das Fürsichgelten des begriffenen Bestimmten, sondern die Reflexion nimmt das Fürsichgelten des Bestimmten, ohne daß noch eine Auslegung möglich wäre, als das Geschehen der unbedingten Bedeutung, und darin offenbart sich nun diese Fürsichgelten als Unzulänglichkeit und als Zulänglichkeit zugleich zu diesem Geschehen der unbedingten Bedeutung, das es selbst ist. Das Begreifen der Reflexion, das in der These stattfindet, ist also etwas ganz anderes als das Begreifen in der Unzulänglichkeit des Einzelnen (des bloß relativ Großen), wie es in der metaphysischen Reflexion statthat. Hier steht das Fürsichgelten des begriffenen Bestimmten als solches nicht einfach als das Geschehen des Wissens der Reflexion in Unzulänglichkeit da, (das dann die Zulänglichkeit, die das begriffene Bestimmte doch auch ist, auf die Weise eines anderen Bestimmten setzen läßt), sondern hier ist es als diese Unzulänglichkeit gerade das Sichbekennen der Reflexion zu sich selbst, ihr Geschehen als Sieselbstsein. Man könnte — von der metaphysischen Reflexion her gesehen — sagen, hier geschieht die Unzulänglichkeit des begriffenen Bestimmten zur unbe13 Kopper, Reflexion

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dingten Bedeutung in eins als der Begriff des Einzelnen und als der Gattungsbegriff, und deswegen geht hier die Unzulänglichkeit, indem sie sich behauptet, gerade auch als das Zulängliche hervor. Als sein Unzulänglichsein meint das Wissen der Reflexion sich selbst als solches. Der Begriff ist so nicht einfach mehr der Begriff vom besonderen Bestimmten, sondern als der Begriff vom besonderen Bestimmten enthält er es mit, daß dies gerade das Geschehen der unbedingten Bedeutung selbst sei, daß die Reflexion als solche gerade auf die Weise des Unzulänglichseins ihr Sieselbstsein habe. Gerade aber indem das Fürsichgelten des begriffenen Bestimmten das Geschehen des Wissens der Reflexion als Unzulänglichkeit ist, da ist es auch — und dies macht erst die ganze Bedeutung der These aus — sein Geschehen als Zulänglichsein. Gerade als das Geschehen des Fürsichgeltens des begriffenen Bestimmten ist die unbedingte Bedeutung des Wissens sie selbst; daß der Begriff des Einzelnen und der Gattungsbegriff nicht mehr getrennt seien, das ist, eben indem es als die Unzulänglichkeit der Reflexion zu sich selbst geschieht, auch ihr Geschehen als Zulänglichsein. Das Fürsichgelten des begriffenen Bestimmten ist als solches dazu erhoben, das Geschehen der unbedingten Bedeutung zu sein; das findet für den Begriff des Einzelnen in der metaphysischen Reflexion nicht statt, und im Gattungsbegriffe ist das besondere Bestimmte eben nur als das vorgestellt, was dem Geschehen der unbedingten Bedeutung als dem Zulänglichen in Unzulänglichkeit Ausdruck verleiht. So begreift das Denken in der metaphysischen Reflexion immer nur auf die Weise des Aposteriori, in der transzendentalen Antinomik aber wird das Aposteriori als solches, als das Erfahrungsgeschehen, das es ist, das Apriori. Dieses Begreifen geschieht in der These, insofern es auf die Weise des Fürsichgeltens des begriffenen Bestimmten statthat. Die These aber muß sich selbst als die Antithese darstellen, sofern das Fürsichgelten des begriffenen Bestimmten, das sich selbst als das Geschehen der unbedingten Bedeutung des Wissens ausweist, sein Fürsichgelten selbst auch schon als dies Geschehen des Unbedingten sein muß. Man kann sagen, die Aufhebung der Trennung des Begriffes des Einzelnen und des Gattungsbegriffes bewirke nicht nur, daß das Einzelne als solches schon gattungshaft geschehe, sondern sie bewirke auch, daß die Bedeutung von Einzelnsein als solche immer schon gattungshaft ist. Das Bestimmtsein des Bestimmten geschieht an sich selbst schon als das Geschehen der unbedingten Bedeutung. Daß die Reflexion sich selbst auch in der Antithese versteht, das ist das eigentlich Neue, auf das die transzendentale Reflexion in ihrem Ansätze hinführt. Nicht mehr gibt das Fürsichgelten des Bestimmten von sich her und durch sich das Geschehen der unbedingten Bedeutung des Wissens an, wie dies — obwohl in gegenüber der metaphysischen Reflexion gewandelter Weise — auch die These tut, sondern das Fürsichgelten des begriffenen Bestimmten ist in sich selbst und meint sich selbst schon als das Geschehen der unbedingten Bedeutung: es ist als solches selbst bedeutungshaft geworden. Daß das begriffene Bestimmte geschieht, das ist selbst das Geschehen der unbedingten Bedeutung; das Vorausgesetzte ist als Geschehen von Unbedingtsein da.

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Daß das Fürsichgelten, indem es sich selbst behauptet, es selbst schon als das Geschehen der unbestimmten unbedingten Bedeutung ist, das macht die Antithese aus, als die dergestalt die These selbst geschieht, die ausdrücklich selbst als Antithese hervortritt, gerade indem das Denken die Behauptung der These vollzieht. In der Antithese geht das begriffene Bestimmte so als die in sich vollendete und in sich beschlossene unbedingte Bedeutung hervor, es ist es selbst als diese Bedeutung. Und in dieser Rücksicht, daß es nämlich das in sich vollendete und in sich beschlossene Geschehen der unbedingten Bedeutung des Wissens sei, die bezugslos für sich selbst gilt, ist das begriffene Bestimmte nun eigentlich in der Bedeutung des Vorausgesetzten oder des Gegebenen offenbar. In der Antithese ist das begriffene Bestimmte als das Gegebene gewußt, d. h. sein Geschehen ist als solches als das Geschehen der unbedingten Bedeutung da. In der Metaphysik ist das Unbedingte immer nur von dem Fürsichgelten des begriffenen Bestimmten her gemeint, und von diesem Fürsichgelten her werden auch der Begriff des Einzelnen und der Gattungsbegriff gebildet. Diesem Verfahren der Metaphysik entspringt so, daß das Fürsichgelten als es selbst und durch sich selbst auch das Geschehen der unbedingten Bedeutung zu sein beansprucht, das Denken der These. In ihr gehen der Begriff vom Einzelnen und der Begriff von der Gattung in sich zusammen, doch so, daß die Reflexion dabei Ausgehen von dem Fürsichgelten des begriffenen Bestimmten bleibt. In der Antithese dagegen geschieht ein Denken, das in der Metaphysik gar nicht stattfinden konnte, nämlich das Wissen, daß das Geschehen des Fürsichgeltens des Begriffenen als solches schon das Geschehen von Bedeutung sei, daß es in sich selbst und als solches Bedeutung sei und zwar die in sich beschlossene unbedingte Bedeutung; das Fürsichgelten des begriffenen Bestimmten als diese Bedeutung erfahren, das meint, es als das Geschehen von Gegebensein erfahren. Daß das Bestimmtsein so als solches schon es selbst als Geschehen eines unbedingten Bedeutens sei, das ist es, was die transzendentale Reflexion in ihrem Anfange schon als ein neues Wissen zu aller früheren philosophischen Reflexion hinzubringt, und worauf sich dann das Wissen gründen kann, daß das begriffene Bestimmte es selbst als Geschehen von Erscheinen ist, wodurch nicht wieder eine Bestimmung angegeben ist, sondern das, was das Esselbstsein des begriffenen Bestimmten meint, sofern es als solches, als das Vorausgesetztsein, das es ist, das Geschehen in sich unbedingter Bedeutung ist. Das Gegebene ist nicht mehr durch Möglichkeit und Wirklichkeit anzugeben, es ist nicht mehr als Determinationsbegriff geschehender Reflexionsbegriff; Gegebensein meint, daß das Bestimmte, indem es für sich selbst gilt, und als dieses Fürsichgelten in sich beschlossenes Geschehen unbedingten Bedeutens ist. Daß das Bestimmte so als es selbst das Geschehen der unbedingten Bedeutung ist, das kann man auch ausdrücken, indem man sagt, daß das Aposteriori als solches apriori sei, daß die Erfahrung als solche reine Erkenntnis sei. Eben damit aber ist das Gegebene es selbst als solches als das Geschehen des — wenn wir so sagen wollen — unvordenklichen Gesetzes: Gegebensein meint an sich selbst, als das Gegebensein, 13*

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das es ist, das Gesetz. Das Geschehen des Vorausgesetzten ist es selbst als Geschehen unbedingter Bedeutung, die bezugslos gilt, über die selbst nicht mehr auf die Weise von Verhältnissen im Bestimmten befunden werden kann, sondern als die vielmehr alles Bestimmte sich vollzieht, eben indem es geschieht. Die Antithese sagt daher, daß das Gegebene als solches das Gesetz und daß das Gesetz ewig sei. In der transzendentalen Antinomik kann die Sprache nicht mehr auf jene verstellende Weise wirksam werden, wie dies in der metaphysischen Reflexion stattfinden kann. In der Antinomik geschieht der Determinationsbegriff als solcher als Reflexionsbegriff, d. h. das Geschehen der Reflexion ist für sich selber auf die Weise des Bestimmten da. Das aber beschließt ein, daß die Sprache, die das Bestimmte in seinem Bestimmtsein angibt, hier mit dem, was sie aussagt, dem Geschehen der Reflexion selbst angemessen ist. Weil die Reflexion hier als solche als das Bestimmte geschieht, deswegen kann sie in der Sprache ein Ausgesagtsein finden, das ihr unmittelbar gerecht wird. In der transzendentalen Antinomik kann die Sprache nicht eigentlich eine besondere Doktrin bilden, denn, da die Reflexion hier selbst als das begriffene Bestimmte geschieht, so drückt sie es unmittelbar aus, wie die Reflexion sich vollzieht. Daß aber die transzendentale Antinomik der Sprache so entgegenkommt, daß hier die philosophische Reflexion in der Sprache erscheinen kann, ohne daß dabei, eine vom eigentlichen Geschehen der Reflexion abweichende Doktrin zu bilden, möglich würde, das beruht nun allerdings darauf, daß die transzendentale Antinomik sich gerade an das Fürsichgelten des begriffenen Bestimmten hält, und darauf beruht es dann auch wieder, daß die transzendentale Antinomik sich selbst nicht genügen kann, sondern noch in einem transzendentalen Begreifen fortgesetzt werden muß, in dem aufgelöst ist, daß das Fürsichgelten des begriffenen Bestimmten das Geschehen der unbedingten Bedeutung auf die Weise dieses seines Fürsichgeltens und als es angebe, sondern für das vielmehr das Geschehen des Fürsichgeltens des Bestimmten als solches schon das Geschehen der Reflexion ist. Die metaphysische Reflexion geht in eine Doktrin ein, die durch das, was sie aussagt, ein Verstehen bewirken kann, das sich von dem unterscheidet, was eigentlich in der Reflexion gemeint ist. Diese Doktrin ist aber selbst nur der Ausdruck davon, daß in der metaphysischen Reflexion die unbedingte Bedeutung des Wissens für sich selbst auf die Weise der Auslegung durch das Bestimmte ist. In der transzendentalen Antinomik, in der das Geschehen des begriffenen Bestimmten als unbedingtes Wissen sich selbst als das begriffene Bestimmte meint, ist die Sprache nur die Bestätigung dieser Reflexion selbst, durch die sie sowohl in ihrem Dogmatismus, wie in der Zerstörung dieses Dogmatismus aufgenommen ist. Von der transzendentalen Antinomik ist also — innerhalb der philosophischen Reflexion — keine Doktrin, die durch die Sprache erzeugt wäre, möglich, da die Sprache hier nur die Betätigung des Geschehens der Reflexion selbst ist. Der transzendentalen Reflexion schließlich in ihrer eigentlichen Durchführung ist das begriffene Bestimmte als solches unmittelbar das Geschehen der unbedingten

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Bedeutung des Wissens. Die Sprache, in der sich das Geschehen des Wissens auf die Weise auf die Weise von Bestimmten und in Bestimmung selbst darstellt, kann nun wohl durch Aussagen des Bestimmten das Geschehen des Bestimmten als Bedeutung, d. h. das Geschehen der transzendentalen Reflexion selbst unmittelbar angeben, aber indem sie darin das Bestimmte als Bestimmtes vorstellig macht, bietet sie damit wieder Anlaß zu einem neuen andersartigen, vom Bestimmtsein als solchem ausgehenden Verstehen, das sich aus der Sprache heraus der transzendentalen Reflexion auferlegt und sie so verstellt, wie die aus der Sprache gebildete Doktrin auch die metaphysische Reflexion verstellt. Einzig für die Antinomik besteht, weil die philosophische Reflexion in ihr selbst dem Bestimmten hingegeben ist, die Möglichkeit nicht, daß durch die Sprache zu dem ursprünglichen Geschehen des Verstehens noch ein domatisches Verstehen hinzugefügt wird. In der Antinomik gibt sich die philosophische Reflexion selbst keine Auskunft, sondern sie verfolgt sich nur im begriffenen Bestimmten; sowohl in der metaphysischen als auch in der transzendentalen Reflexion gelangt das Denken zu einem Ergebnis, das auf die Weise des Fürsichgeltens des begriffenen Bestimmten angegeben werden muß, sei es daß — in der metaphysischen Reflexion — dies begriffene Bestimmte die unbedingte Bedeutung selbst als ein besonderes Bestimmtes angibt, sei es daß — in der transzendentalen Reflexion — das begriffene Bestimmte als solches als die unbedingte Bedeutung gilt. Wenn aber das begriffene Bestimmte so als es selbst festgehalten ist, um durch sich die unbedingte Bedeutung anzugeben, und nicht, wie in der Antinomik, darin selbst auch schon wieder zersetzt wird, dann hat die Sprache die Möglichkeit, von diesem Fürsichgelten des Bestimmten aus ein Verstehen entstehen zu lassen, in dem sich die philosophische Reflexion sich selbst von dem Bestimmten aus angibt. In der transzendentalen Reflexion geht die Versuchung, die durch die Sprache geschieht, in ihrer Macht darin sogar noch über die Versuchung hinaus, die durch die Sprache für die metaphysische Reflexion statthat, daß es nicht nur eine Aussage ist, die durch das Verstehen, das die Sprache hinzubringt, verstellt wird, wobei die Reflexion doch für sich selbst fortgilt, sondern daß es die transzendentale Reflexion als solche ist, die hier durch das falsche Verstehen getroffen wird, da sie als solche auf die Weise des begriffenen Bestimmten geschieht. An sich aber kann die Sprache hier allein, eben weil die Reflexion auf die Weise des begriffenen Bestimmten geschieht und also keine Auslegung stattfindet, der adäquate Ausdruck des Geschehens der Reflexion als solcher sein. Freilich muß sie das begriffene Bestimmte, indem sie es als solches angibt, als das Geschehen der unbedingten Bedeutung, die es ist, angeben. Dies kann nicht eigentlich durch das bloße Aussagen des Bestimmten und der Verhältnisse, durch die es zu begreifen ist, statthaben, sondern nur durch ein vermittelst des Aussagens geschehendes Benennen. So wie die transzendentale Reflexion das begriffene Bestimmte als solches in seiner Struktur auffaßt, es ihr eben darin aber das Geschehen der unbedingten Bedeutung des Wissens ist, so ist auch die Sprache, in der die transzendentale Reflexion sich darstellt, indem sie auf die Weise des Aussagens und als es verfährt, zugleich

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auch das Benennen, durch das sie dem Geschehen des begriffenen Bestimmten als unbedingte Bedeutung Ausdruck gibt. Die Sprache, die selbst nur auf die Weise des Angebens von Bestimmtem (im Wort) verfahren kann, gibt dem Geschehen des begriffenen Bestimmten als unbedingte Bedeutung so Ausdruck, daß sie es in seinem Bestimmtsein aussagt, zugleich aber auch als die Bedeutung, die es darin ist, benennt. Es findet also in der transzendentalen Reflexion ein Gebrauch der Sprache statt, der zwei Momente enthält: einerseits das ausdrückliche Vorstelligmachen der Struktur des begriffenen Bestimmten, d. h. das Aussagen in seiner üblichen Bedeutung, und zweitens das Verlautbaren dessen, daß das dermaßen Ausgesagte als solches das Geschehen der unbestimmten unbedingten Bedeutung sei, was nun in der Sprache auch auf die Weise des Angebens von Bestimmtsein geschehen muß, aber eines Bestimmtseins, das nicht mehr für Strukturen gilt, sondern Bedeutung meint, das also das Geschehen des Wissens, das statthat, als solches benennt. Sofern sich also die transzendentale Reflexion in diesem zweiten Moment ihres Geschehens als Sprache Ausdruck gibt, so geschieht hier immer noch ein Aussprechen des begriffenen Bestimmten, denn als das begriffene Bestimmte ist das Geschehen des Wissens; aber es geht darin, wie die transzendentale Reflexion sich in der Sprache Gestalt gibt, nicht mehr um das Bestimmtsein dieses Bestimmten, sondern es geht darum, daß es als solches Bedeutung sei, was die Sprache der transzendentalen Reflexion dadurch erreicht, daß sie das Ausgesagte noch in eine zweite Aussage stellt, die doch keine neue Bestimmung angibt, sondern nur die alte Bestimmung als Bedeutung wiederholt. Das Gesamte der Sprache der transzendentalen Reflexion ist daher ein Aussagen, das als Benennen geschieht, oder, wenn wir es im Hinblick auf das Geschehen der Sprache selbst sagen wollen, ein Sprechen, das sich sprechend selbst als Sprechen versteht. Alle Bestimmung, die im Aussagen als in sich bezüglich genommen ist, ist doch auch als das unbezügliche Geschehen des Wissens gesagt, sodaß das Geschehen des Fürsichgeltens des Bestimmten als unbedingte Bedeutung sich auch auf die Weise der Sprache als solches darstellt. Daß aber das Benennen, das in solchem Geschehen des Wissens als Sprache durch das Aussagen auch geschieht, in dem, was es meint, verstanden werden könne, das verlangt, daß das Verstehen in der transzendentalen Reflexion geschehe, und ist dann möglich, weil die Sprache durch sich nicht eigentlich etwas zu dem Geschehen der Reflexion hinzufügt, sondern auf die Weise des Bestimmten nur das angibt, was als das Wissen der Reflexion schon geschieht. So ist die transzendentale Reflexion nichts anderes als das Geschehen des begriffenen Bestimmten selbst, insofern es als solches das Geschehen der unbestimmten und unbezüglichen Bedeutung des Wissens ist. Und dies Geschehen kann sich selbst durch die Sprache vorstellig machen, ohne daß doch mehr statthätte als dies Geschehen des begriffenen Bestimmten selbst, sofern es sein Geschehen als Innesein seiner selbst durch das Wort zu sein sucht. Wenn also in der transzendentalen Reflexion das Wissen so für sich selbst als Aussprechen ist, dann bedeutet

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dies gerade nicht, daß über das Wissen wie über einen Gegenstand ausgesagt werde, sondern es bedeutet, daß das Gesdiehen des Wissens als Innesein es selbst auf Weise des Sprechens ist. In der metaphysischen Reflexion geschieht die Doktrin nach Art des Aussagens über Gegenstände, in der transzendentalen Reflexion meint sich das Geschehen des Wissens selbst als Aussprechen. Nur einer dogmatischen Interpretation der transzendentalen Reflexion kann die Frage auftauchen, was das denn auch wieder für ein Wissen sei, das hier vom Wissen handle, ohne dabei von sich selbst, als von dem, was so über das Wissen befindet, handeln zu können. Der transzendentalen Ästhetik und der transzendentalen Analytik ist das Geschehen der transzendentalen Reflexion nicht die Doktrin eines für sich selbst verborgenen Wissens über das ihm vorliegende Erkennen, sondern sie ist nichts als das Geschehen des Erkennens selbst, sofern es als das Geschehen der unbedingten Bedeutung des Wissens es selbst ist; und daß dies Geschehen sich hier als solches ausspricht, bringt zu ihm nichts Neues gleichsam als eine Beurteilung, die ihm aus einem anderen Wissen widerfahren wäre, hinzu. Indem das begriffene Bestimmte als solches das Geschehen der unbedingten Bedeutung des Wissens ist, da kann die Reflexion nicht nur nicht mehr für sich selbst auf die Weise der Auslegung geschehen, sondern, da ja die Auslegung nicht statthat, kann — für das transzendentale Verstehen — auch durch die Sprache keine Doktrin mehr gebildet werden. Für die transzendentale Reflexion kann auch ihr Geschehen als Sprache nicht zu einer Auslegung des Erkennens und Wissens werden, es kann ihr nicht zu einer Doktrin über das Wissen und Erkennen werden, sondern sie ist sich auch als Sprache das tatsächliche Geschehen des Wissens oder Erkennens selbst, das für sich selbst so ist, daß das Geschehen des Bestimmten in seinem Bestimmtsein sich selbst als den Vollzug der unbedingten Bedeutung des Wissens meint. Die Darstellung dieses Geschehens des begriffenen Bestimmten als unbedingte Bedeutung, sofern das begriffene Bestimmte dieses Geschehen auf die Weise seines Fürsichgeltens darstellt, macht das System — wenn wir so sagen wollen — des Wissens der transzendentalen Reflexion aus. Die transzendentale Reflexion bildet insofern gleichsam ein System, als das Fürsichgelten des begriffenen Bestimmten das Geschehen der unbedingten Bedeutung des Wissens immer nur auf die Weise sein kann, daß es dies Geschehen durch sich selbst angibt, dabei aber sein Geschehen als Bedeutung in verschiedenen Momenten, die ein einiges Geschehen ausmachen, auf die Weise seiner selbst und als es selbst dartun und bewähren muß. Die beiden grundlegenden Momente aber, in denen das Fürsichgelten des begriffenen Bestimmten durch sich sein Geschehen als unbedingte Bedeutung angibt, sind so, wie Kant dies in der Kritik unterschieden hat, sein bloßes Sichdarstellen in seinem Bestimmtsein und das Erweisen der unbedingten Bedeutung, die es so ist, als das Bestimmtsein, das es ist. Das Wissen des begriffenen Bestimmten findet in der transzendentalen Reflexion statt als ein Wissen des Geschehens des begriffenen Besimmten als Gegebensein, welches Geschehen des Wissens als solches das Geschehen von Raum und Zeit ist; und es findet statt als das Sichangeben des Geschehens des begriffenen Bestimmten, —

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sofern es dergestalt Raum und Zeit ist, sofern es also als solches als die unbedingte Bedeutung geschieht —, als das bestimmte Dasein, das es ist, und dieses Geschehen des Wissens ist ein Geschehen als Satz vom Grunde, wobei also das begriffene Bestimmte selbst dieses Geschehen des Wissens, d. h. der Satz vom Grunde ist. In beiden Momenten aber ist das Wissen das Geschehen seiner selbst als das Aposteriori, das als es selbst das Apriori ist, was man mit Kant dadurch ausdrücken kann, daß das Wissen sein Geschehen als Wissen als ein Geschehen von Wissen in bloßer Erscheinung sei. Das bedeutet wieder, daß das Wissen, das sich in der transzendentalen Reflexion selbst versteht, als solches nicht den Charakter der Behauptung über sich selbst haben kann, daß es also in sich selbst und als solches nicht von dogmatischer Natur sein kann, sondern seiner selbst immer nur so inne ist, daß es sich als nichts anderes angeben kann, denn als Bestimmtsein und immer nur als dies Besimmte, das nur sich selbst als solches ausweist, sich selber hält. Die Natur des Wissens, wie sie in der transzendentalen Reflexion für sich selbst offenbar ist, ist die als Einsicht in sich selbst geschehende Bescheidung. Als das begriffene Bestimmte selbst finden die verschiedenen Weisen statt, als die das begriffene Bestimmte es selbst als Bedeutung ist; in diesen Weisen und als diese Weisen ist das begriffene Bestimmte es selbst als Verstehen, und in diesen Weisen kann es sich selbst durch die Sprache darstellen, wobei die Sprache der transzendentalen Reflexion, indem sie als Aussagen des begriffenen Bestimmten verfährt, doch nicht nur die Bestimmungen des Bestimmten und die Verhältnisse, die zwischen den Bestimmungen herrschen, meinen kann, sondern auch das begriffene Bestimmte als Bedeutung meint. Die so verfahrende Sprache kann sich aber immer nur auf das begriffene Bestimmte als solches richten, und sie kann daher das Geschehen des begriffenen Bestimmten selbst als unbedingte Bedeutung immer nur metaphorisch angeben. Die Sprache der transzendentalen Reflexion ist rein metaphorisch, wobei die Metaphern also auch abgewandelt werden könnten, da sie in der Tat nur die Sprache betreffen, die nun, indem sie sich an Bestimmtes halten muß, mit ihren Mitteln so gut wie möglich ausweisen soll, was es bedeute, daß das begriffene Bestimmte als die unbedingte Bedeutung geschieht, wobei die entsprechenden Akte einer nichtphilosophischen Reflexion auf die philosophische Reflexion bezogen werden. Der metaphysischen Reflexion dagegen hat die Metapher zugleich Behauptungscharakter, bedeutet zugleich direkte Aussage, da die unbedingte Bedeutung als ein besonderes Bestimmtes vorstellig gemacht werden soll. Um das Geschehen des begriffenen Bestimmten als Bedeutung anzuzeigen, welches Geschehen eigentlich nur benannt, nicht aber ausgesagt werden kann, muß sich das Denken doch auch in der transzendentalen Reflexion bestimmter Aussagen bedienen, die, indem sie aus dem Bereich des Begreifens des Bestimmten in seinem Bestimmtsein genommen sind, geeignet scheinen, das in der Reflexion Gemeinte auszudrücken, die sich also auf Bereiche des Bestimmten beziehen, in denen das Bestimmte selbst gleichsam eine Widerspiegelung seines Geschehens als unbedingte Bedeutung gibt. (Die Möglichkeit solcher Widerspiege-

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lung selbst zu verstehen, das wäre dann wieder ein Gegenstand der transzendentalen Reflexion, zu welchem Verstehen Kant selbst mit der dritten Kritik den Grund gelegt hat.) Das gegebene Bestimmte ist, so können wir es hier, ohne eine Untersuchung vorzunehmen, ansetzen, in seinem Bestimmtsein offenbar nach einer Ordnung verfaßt, die die Ordnung der Momente des Geschehens des Bestimmten als unbedingte Bedeutung auf ihre Weise, eben auf die Weise des Bestimmtseins und der Verhältnisse zwischen Bestimmtem, wiederholt. Und durch diese Beziehungen eben, die im Bestimmten selbst statthaben und die sich aussagen lassen, vollzieht die Sprache die metaphorische Darstellung der unbedingten Bedeutung, als die das begriffene Bestimmte nach verschiedenen Momenten geschieht. Wenn wir dies, wenigstens in der Andeutung durch ein Beispiel, auf die kantische Lehre beziehen wollen, so können wir etwa sagen, daß die Kritik der reinen Vernunft metaphorisch (in einer Metapher, die vielleicht auch ein gewisse Abwandlung vertrüge) von produktiver Einbildungskraft sprechen kann, indem Kant sich dabei auf die reproduktive Einbildungskraft bezieht, die im Bereiche des Bestimmten in gewisser Weise zu wiederholen scheint, was in der transzendentalen Reflexion als ein Moment des Geschehens des begriffenen Bestimmten als unbedingte Bedeutung auch schon vor diesem Aussagen durch die Metapher verstanden ist; hiermit hängt es dann zusammen, daß in ebenfalls metaphorischer Benennung unser Wissen als ein Wissen in der Erscheinung charakterisiert werden kann. Und so geschieht es auch nicht ohne Metapher, wenn wir sagen, das erste und grundlegende Moment der transzendentalen Lehre sei es, daß das Vorausgesetzte als das Vorausgesetzte, das es ist, und auf die Weise seiner selbst das Geschehen der unbedingten Bedeutung sei, daß es als es selbst das unbedingte Geschehen des Wissens sei. In solcher Aussage geht die Sprache immer nur auf das Bestimmte und die Aussage ist als ganze in metaphorischer Bedeutung genommen, aber die Metaphern sind doch geeignet, anzugeben, was das in der transzendentalen Reflexion Gemeinte, das nicht eigentlich in eine Aussage eingehen kann, an sich selbst sei. So gehört es zur transzendentalen Reflexion und d. h. zu dem Wissen, das sich selbst darin versteht, daß es nicht Behauptung über sich selbst, sondern nur das Geschehen seines Vollzuges auf die Weise des begriffenen Bestimmten sein kann, hinzu, daß die Sprache, in der es sich darstellt, eine rein metaphorische Sprache ist. Metaphorisch sprechen wir vom Vorausgesetzten, metaphorisch von dem Gegebensein und von der Erscheinung, metaphorisch auch von dem Aposteriori und dem Apriori, vom Faktum und von der Gattungshaftigkeit usf. Metaphorisch ist es gesagt, wenn wir vom Wissen der transzendentalen Reflexion sagen, daß es für sich selbst nicht als Behauptung über sich selbst geschehen können, daß es sich selbst immer nur als ein Bestimmtes angeben könne und deswegen für sich selbst unmöglich jemals den Charakter haben könne, als Ausgewiesensein in sich zu geschehen. Daß aber die Sprache so metaphorisch sein muß, das hat auf das Geschehen der transzendentalen Reflexion als solches keinen Einfluß, sondern ist im Verhältnis zur Reflexion etwas Nachfolgendes; es bedarf aber eines zusätz-

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liehen eigentümlichen Aktes der Reflexion, damit für die Sprache die Worte und Sätze gewählt werden, die geeignet sind, das Wissen der transzendentalen Reflexion anzugeben, d. h. es bedarf, damit die philosophische Reflexion in die Sprache eingehen könne, auch noch der besonderen Bemühung darum, die Bereiche und Verhältnisse des Bestimmten aufzuspüren, die die Momente, unter denen das begriffene Bestimmte die unbedingte Bedeutung durch sich angibt, aus ursprünglicher Zuordnung widerspiegeln. Der Akt der philosophischen Reflexion geht voraus und gilt für sich selbst; der besondere Akt der Reflexion, der dieser philosophischen Reflexion ihre Sprache verschafft, (ein Akt der selbst auf ausdrückliche philosophische Reflexion gegründet sein kann, aber nicht auf sie gegründet zu sein braucht), tritt zu dieser Reflexion hinzu, ohne sie als solche zu bereichern, aber doch so, daß er zugleich auch ihre Beziehung zu den besonderen Verhältnissen im Bestimmten hervortreten läßt. Und so fügen auch die Aussagen über die Sprache der transzendentalen Reflexion nicht eigentlich über das Geschehen der Reflexion in der Sprache etwas hinzu, aber sie bereichern das Verständnis von sich selbst, in dem die Reflexion steht, doch dadurch, daß sie das Verhältnis der Reflexion zu ihrer Sprache auch noch auf seine Entsprechung im Reich des Bestimmten beziehen. Wenn immer das begriffene Bestimmte ist, dann ist es es selbst als das Geschehen der unbedingten Bedeutung des Wissens. Aber es braucht im Begreifen nicht um dieses Geschehen des Bestimmten als unbedingte Bedeutung zu gehen, sondern das Begreifen kann sich allein mit dem Bestimmtsein des Bestimmten befassen. Die philosophische Reflexion beginnt als eine Reflexion, die das Geschehen des begriffenen Bestimmten als unbedingte Bedeutung selbst unter der Gestalt eines Bestimmten meint; solange die philosophische Reflexion noch an des Bestimmtsein gebunden ist, solange versteht sie die unbedingte Bedeutung gerade von diesem Anspruch des Fürsichgeltens des Bestimmten her, (weswegen die transzendentale Ästhetik erst in der transzendentalen Reflexion Kants als das fundamentale Moment des Geschehens des Wissens erkannt ist). Erst die transzendentale Reflexion leistet es — aus der Antinomik heraus —, daß das Wissen sich in dem Vollzug, der es immer schon ist, als solches versteht, daß das begriffene Bestimmte, indem es das Geschehen der unbedingten Bedeutung des Wissens ist, es selbst als diese Bedeutung sei, d. h. in seinem Geschehen als diese Bedeutung für sich sei. Die Einsicht darein, daß alles Wissen als Wissen im Erscheinen geschieht und daß das Erscheinende das Geschehen des Satzes vom Grunde ist, sind die grundlegenden Momente dieser Reflexion, die sich nicht zum tatsächlichen Geschehen des Wissens und Erkennens hinzufügt, sondern dieses Geschehen selbst ist. Grundlegend sind diese Momente in der transzendentalen Reflexion insofern, als es in ihnen darum geht, daß das Fürsichgelten des begriffenen Bestimmten durch sich sein Geschehen als die unbedingte Bedeutung des Wissens ausweise. Aber das Fürsichgelten des begriffenen Bestimmten ist die unbedingte Bedeutung nicht nur, sofern es sie als es selbst bezeugt, sondern es ist, indem es solches Bezeugen ist, auch sein Statthaben als das unbezügliche Geschehen dieser unbestimmten unbe-

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dingten Bedeutung, und so geht die transzendentale Reflexion, indem sie das Geschehen der theoretischen Erkenntnis als Verstehen ist, immer auch schon auf das Sichverstehen des Menschen als solches. Daß das Sichverstehen des Menschen sich selbst unverstellt einsichtig sei, das kann ohne die Reflexion auf das theoretische Erkennen nicht sein, aber diese Reflexion ist auch nicht für sich abgesondert, sondern enthält die ganze Weite der transzendentalen Reflexion in sich.3 Daß aber die transzendentale Reflexion, obgleich sie in ihrem Anfange schon in gewisser Weise in sich beschlossen ist, doch eines langwierigen Ganges bedarf, sich selbst ganz zu verstehen, das liegt daran, daß das begriffene Bestimmte gegen die Tendenz, die in ihm liegt, sich gerade immer nur in seinem Bestimmtsein darzustellen, darauf angegangen werden muß, daß es sich als das Geschehen der unbedingten Bedeutung, das es ist, ausdrücklich kundgebe. Diese Tendenz ist es auch, die macht, daß die philosophische Reflexion erst an ihrem Ende transzendentale Reflexion werden kann, und daß in der transzendentalen Reflexion selbst dann auch wieder die Versuchung liegen muß, daß sie sich als solche durch das Bestimmte verstehe. Und hier zeigt sich auch die Schwierigkeit an, die für die Lehre der Kritik der reinen Vernunft dadurch entstanden ist, daß die transzendentale Antinomik nur die Anmaßung des begriffenen Bestimmten auf das Geschehen der unbedingten Bedeutung des Wissens aufzuheben vermochte, es nicht aber eigentlich aufhob, daß doch nur auf die Weise des Begreifens von Bestimmtem von dem Geschehen des Wissens als das begriffene Bestimmte Einsicht gewonnen und Rechenschaft abgelegt werden könne. Daraus mußte sich ein Einfluß dieses Begreifens auf die transzendentale Reflexion selbst in dem Sinne ergeben, daß die Operationen des Verstandes im eigentlichen Sinne, die nur auf das Bestimmtsein des Bestimmten gerichtet sind, selbst auch als Operationen des transzendentalen Wissens dargetan werden sollen, so als ob dieses Wissen selbst 3

Vgl. Kant: Verkündigung des nahen Abschlusses eines Traktats zum ewigen Frieden in der Philosophie: „Vermittelst der Vernunft ist der Seele des Menschen ein Geist (mens, ) beigegeben, damit er nicht ein bloß dem Mechanism der Natur und ihren technisch-praktischen, sondern auch ein der Spontaneität der Freiheit und ihren moralisch-praktischen Gesetzen angemessenes Leben führe. Dieses Lebensprinzip gründet sich nicht auf Begriffen des Sinnlidjen, welche insgesamt zuvörderst (vor allem praktischen Vernunftgebrauch) Wissenschaft, d. i. theoretisches Erkenntnis, voraussetzen, sondern es geht zunächst und unmittelbar von einer Idee des Übersinnlichen aus, nämlich der Freiheit, und vom moralischen kategorischen Imperativ, welcher diese uns allererst kund macht; und begründet so eine Philosophie, deren Lehre nicht etwa (wie Mathematik) ein gutes Instrument (Werkzeug zu beliebigen Zwecken), mithin bloßes Mittel, sondern die sich zum Grundsatz zu machen an sich selbst Pflicht ist." Vgl. Alain: Lettres sur la philosophic de Kant. Sixieme lettre: II se confirme, en ces chapitres de la Critique, que la morale kantienne est dejä fondee, chose remarquable, sur la negation attentive de tout dogmatisme. Ainsi sont eclaircis les concepts de croyance, de science et de foi, et une sorte d'asc tisme de la pensee a l'egard d'ellememe. Ces idees sont rarement comprises. C'est qu'il faut les prendre dans la Methodologie transcendantale.

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ein Wissen von Bestimmtem wäre. Darüber will ich nun in Kürze noch in einem Anhange handeln. Die eigentliche Gefahr aber für die transzendentale Reflexion liegt nicht in diesem sozusagen bescheidenen Ansprüche des Verstandes, in seinen Bestimmungen selbst transzendentale Reflexion zu sein, sondern sie liegt darin, daß das Geschehen der transzendentalen Reflexion sich selbst als solches als Verstand und als das Begreifen des Bestimmten, das er ist, behaupte. Eine solche Metaphysik, (wenn man ein solches Denken Metaphysik nennen darf), ist nicht eigentlich mehr Auslegung, wie es die Metaphysik vor Kant gewesen ist, sondern sie ist der Ausdruck eines Hanges der über sich selbst schon belehrten Vernunft und transzendentalen Reflexion, sich nicht in der Bescheidung, d. h. auch in dem Unausweisbarsein, worin allein sie sie selbst sein kann, zu erhalten, sondern sich selbst doch als Behauptung zu meinen, indem sie sich dem Positiven, das das Fürsichgelten des begriffenen Bestimmten doch ist, so übergibt, daß sie als es sie selbst sei. Dadurch aber, daß die transzendentale Reflexion sich selbst aus dem Vertrauen heraus, das sie ist, als Ihrerselbstsichersein meint und beschränkt, kommt es dazu, daß sie sich selbst als Angst durchführen muß, in der sie sich zugleich in ihrer Unaufrichtigkeit durchschaut. Von dieser Position aber der nachkantischen Philosophie, in der sich die transzendentale Reflexion in ihrem Geschehen als solche an das begriffene Bestimmte hingibt, können wir im Rahmen dieser Ausführungen, die nur dem Geschehen des Wissens als solchen, nicht aber den besonderen Formen, in die das Wissen dann, aus diesem seinem Geschehen heraus, noch für sich selbst eingehen kann, gewidmet sein soll, nicht im einzelnen handeln.

Anhang: Über das Geschehen der transzendentalen Reflexion selbst als Auslegung dargestellt an der Lehre der Kritik der reinen Vernunft a) Die A u s f ü h r u n g der t r a n s z e n d e n t a l e n R e f l e x i o n wissenschaftliche Reflexion

als

Es liegt in der transzendentalen Doktrin der Kritik der reinen Vernunft, eben deswegen, weil sie in ihrem Wissen an das Fürsichgelten des Bestimmten gebunden bleibt, immer auch noch die Tendenz, daß sie sich sich selbst noch wieder auf die Weise bestimmter Aussagen vorstellig mache und gegeben sei. Die transzendentale Reflexion kann in der Situation, in der sie in der Kritik der reinen Vernunft dasteht, — um es gleichsam mit den Worten Kants selbst anzugeben —, einem Hange des Denkens nicht entgehen, der sie dazu bewegt, das Wissen des Satzes vom Grunde, das sie ist, als Wissen um unbedingte Bedeutung auf dogmatische Weise vom Erscheinenden selbst her darzutun und auszusagen. Indem das Denken diesem Hange, über den es als transzendentale Reflexion zugleich auch erhoben bleibt, nachgibt, tritt es in ein eigentümliches Auffassen des Bestimmten in seinem Bestimmtsein ein, in dem dieses nicht etwa mehr als solches auch schon das Geschehen der unbedingten Bedeutung des Wissens sein soll, — dieses Verstehen findet in der transzendentalen Reflexion vielmehr vorgängig schon statt, eben indem das begriffene Bestimmte als bloße Erscheinung gewußt ist —, sondern vielmehr die unbedingte Bedeutung selbst als Bestimmtsein aufweisen soll. Es geht in diesem dogmatischen Raisonnement nicht um Metaphysik, nicht darum, daß das Bestimmte als solches als die unbedingte Bedeutung geschehe, es geht vielmehr darum, daß das Bestimmte die unbedingte Bedeutung, die es selbst ist, nochmals als das bloße Fürsichgelten von Bestimmung darstelle. Daß ein dogmatisches Raisonnement eine in dieser Weise unmetaphysische unbedingte Bedeutung habe, das ist überhaupt nur in dieser Situation der transzendentalen Reflexion möglich, wo nämlich das Bestimmte als solches schon das Geschehen der unbedingten Bedeutung ist, wo der Determinationsbegriff der Reflexionsbegriff ist und der Reflexionsbegriff dabei doch durch das Fürsichgelten des Bestimmten ausgelegt wird, so daß dann auf die Weise des Fürsichgeltens des Bestimmten selbst gesucht werden muß, was sein Geschehen als unbedingte Bedeutung eigentlich sei, und sich so die Auslegung der transzendentalen Reflexion durch sich selbst als dogmatische Reflexion ergibt, die gar nicht mehr das transzendentale Anliegen ausdrückt, sondern ein Sichhingeben des transzendentalen Wissens an des begriffene Bestimmte darstellt, in dem dieses Wissen sich selbst notwendig zugunsten bloßer Behauptungen, deren Ungenügen es zugleich durchschaut, entgegen sein muß.

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Indem in der transzendentalen Reflexion das Fürsichgelten des Bestimmten schon als die unbedingte Bedeutung offenbar ist, ist die dogmatische Reflexion im vorhinein als verfehlt durchschaut und ihr alle Anwendung genommen. Findet der Versuch des Denkens, die unbedingte Bedeutung als ein Bestimmtsein zu verstehen, dennoch statt, so kann er gar nicht mehr auf das Geschehen der unbedingten Bedeutung als solches gehen, sondern nur darauf, daß diese unbedingte Bedeutung doch als aussagbares Bestimmtes faßlich sein müsse: es ist das Verfallensein des Denkens, das das Bestimmte schon als die unbedingte Bedeutung weiß, an das Fürsichgelten des Bestimmtseins, das sich in diesem Raisonnement Ausdruck gibt. Aus dieser Situation des Denkens tritt nun in der transzendentalen Analytik zu der Lehre von dem Geschehen des Wissens als einem Wissen in bloßer Erscheinung, die als solche begriffslos bleiben muß, eine Lehre von den Bestimmungen hinzu, in denen und als die das Geschehen des Wissens als ein Wissen in bloßer Erscheinung sich darstelle. Diese Bestimmungen können nicht der transzendentalen Reflexion selbst entspringen; diese ist in sich abgeschlossen. Sie entspringen dem Fürsichgelten des Begreifens im Bestimmten, wie sie auch für das eigentliche metaphysische Denken diesem Fürsichgelten entspringen. Aber während im metaphysischen Denken mit diesem Fürsichgelten das Ausgehen der Reflexion auf die unbedingte Bedeutung verbunden ist, drückt es hier nur den Hang des reflektierenden Denkens aus, sich als solches auf die Weise des Fürsichgeltens des begriffenen Bestimmten und als es zu fixieren. Dazu allerdings muß dieses Verfahren des Begreifens im Fürsichgelten des begriffenen Bestimmten geeignet sein; und es ist dazu geeignet, — sowohl in der Metaphysik, als auch in der Auslegung der transzendentalen Reflexion, wie sie in der transzendentalen Analytik geschieht —, weil im Wesen des Wissens, — gleichviel, wie das Wissen sich selbst darin verstehe und auslege, — der Determinationsbegriff immer schon der Reflexionsbegriff ist, die Bestimmung also immer schon als die unbedingte Bedeutung geschieht und dies ihr Geschehen als unbedingte Bedeutung gerade auch von dem Fürsichgelten des Bestimmten in seinem Bestimmtsein her und durch es angegeben werden kann. Das Wesen des Erkennens ist, daß der Determinationsbegriff als solcher der Reflexionsbegriff sei; daß aber die unbedingte Bedeutung, die der Determinationsbegriff so ist, selbst als das Fürsichgelten des Bestimmten vorstellig gemacht werde, das ist nicht mehr einfach das Geschehen des Erkennens und damit des begriffenen Bestimmten selbst, sondern das ist eben das Meinen der unbedingten Bedeutung aus dem Hange des reflektierenden Bewußtseins, sich selbst auf die Weise des Bestimmten zu fixieren, in welchem Hang das Erkennen das Verstehen, das es ist, nicht unmittelbar für sich selbst zu sein vermag, sondern dieses Verstehen auf die Weise der Auslegung seiner selbst durch das Bestimmte, in dem es sich selbst angebbar wird, ist. Die unbedingte Bedeutung des Erkennens findet statt, und als transzendentale Reflexion ist das Erkennen auch für sich selbst unmittelbar sein Geschehen als Verstehen, doch in diesem Geschehen sucht es sich für sich selbst als Bestimmtsein anzugeben und ein solches

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Raisonnement ist auch möglich, eben weil das Bestimmte als solches das Geschehen der unbedingten Bedeutung ist. Aber in diesem Raisonnement ist das Erkennen für sich selbst auf die Weise der Auslegung, einer Auslegung, die, sofern sie sich auf die Weise des Bestimmten angibt, zu der unmittelbaren Welterfahrung noch als ein neues, angebbares Wissen hinzukommt, wogegen die transzendentale Reflexion nichts anderes ist als diese Welterfahrung selbst, sofern sie für sich selbst als unmittelbares Geschehen von Verstehen ist. So gibt es also in der transzendentalen Analytik ein gleichsam potenziertes Denken des Begreifens in der Bestimmung, ein als Bestimmung geschehendes Denken des Geschehens des Denkens in der Bestimmung. Die transzendentale Reflexion ist sie selbst als Hingabe an das Bestimmte. Es geht nicht mehr darum, daß auf die Weise des Bestimmten und durch es die unbedingte Bedeutung erlangt würde, wie es sich für das metaphysische Denken verhalten hatte; es geht darum, daß das Geschehen des Vorausgesetzten als unbedingte Bedeutung (welches Geschehen statthat, wenn immer Erkenntnis ist, das sich aber darüber hinaus in der transzendentalen Reflexion selbst ausdrücklich als solches versteht), sich selbst als Bestimmtsein angebe: dieser Anforderung zu entsprechen, ist das begriffene Bestimmte tüchtig, da es eben als solches unbedingte Bedeutung ist, aber dieses Entsprechen geschieht dann als die bloße Realisierung eines Raisonnements im Bestimmten, nicht als das unmittelbare Geschehen des Erkennens selbst. Daß das Geschehen des Determinationsbegriffes als Reflexionsbegriff durch das Raisonnement selbst wieder auf die Weise von Bestimmtsein und als es dargestellt werde, das kann nur so geschehen, daß das begriffene Bestimmte durch sich selbst das Geschehen der unbedingten Bedeutung angibt. Der Akt des Begreifens, durch den die unbedingte Bedeutung, als die das Bestimmte geschieht, selbst als Bestimmtsein festgestellt wird, ist der Akt des Messens. Im Messen wird das Begreifen des gegebenen Bestimmten in der unbedingten Bedeutung, die es ist, selbst wieder auf die Weise der Bestimmung dieses in seiner unbedingten Bedeutung erkannten Bestimmten angegeben. Im Messen geht es also — ganz unabhängig von aller philosophischen und insbesondere auch von aller transzendentalen Reflexion — darum, daß die unbedingte Bedeutung, die im begriffenen Bestimmten liegt, selbst an diesem Bestimmten als seine Bestimmung angegeben werde. Das Messen ist so die Grundlage und das Wesen der wissenschaftlichen Erkenntnis, sofern es nicht nur das Bestimmte und die Beziehungen zwischen Bestimmtem auffaßt, sondern am Bestimmten selbst seine unbedingte Bedeutung durch Bestimmung zum Ausdruck bringt. Als das Prinzip der wissenschaftlichen Erkenntnis hat das Messen als solches mit der philosophischen Reflexion nichts zu tun, aber die philosophische Reflexion kann sich in ihrem Bemühen, den Determinationsbegriff als Reflexionsbegriff zu verstehen, des messenden Begreifens bedienen und versuchen, durch das Messen nicht nur auszudrücken, daß das Bestimmte als solches unbedingte Bedeutung hat, sondern überdies darzustellen, daß das Bestimmte als solches das Geschehen des Erkennens als Verstehen ist, daß der Determinationsbegriff der Reflexionsbegriff ist. Dann geht es nicht nur darum,

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das Fürsichgelten des Bestimmten in seiner unbedingten Bedeutung selbst wieder auf die Weise einer Bestimmung des Bestimmten vorstellig zu machen, es geht dann auch darum, daß auf die Weise einer solchen Bestimmung des Bestimmten das Bestimmtsein als solches als Bedeutung zum Ausdruck gebracht werde. Das wissenschaftliche Begreifen bezieht sich im Messen immer nur darauf, daß das Bestimmte, insofern es Bestimmtes ist, und auf die Weise seines Bestimmtseins eine unbedingte Bedeutung darstellt, die selbst wieder durch Bestimmung gefaßt werden kann; die philosophische Reflexion, die sich dieses wissenschaftlichen Begreifens bedient, geht darauf, daß sie das Geschehen von Bestimmtsein selbst, daß sie das Geschehen des Vorausgesetzten als solches auf die Weise der Bestimmung des Bestimmten verstehe. Es ist offensichtlich, daß die Weise, wie die metaphysische Reflexion oder gar die Reflexion, wie sie in den zenonischen Aporien statthat, sich dem messenden Begreifen zuwendet, eine andere sein muß, als sie aus dem transzendentalen Begreifen heraus stattfindet und wie wir sie so in der transzendentalen Analytik finden. Das metaphysische Denken wendet das messende Begreifen so an, daß es durch das Messen bestätigt sehen will, das gegebene Bestimmte sei als solches das Geschehen der unbedingten Bedeutung. Deswegen spielt auch die Zahl und insbesondere die Einheit in dem metaphysischen Denken eine so große Rolle, sofern nämlich durch das Messen angegeben werden soll, daß das gegebene Bestimmte nicht etwa nur als das Bestimmtsein, das es ist, unbedingt gelte, sondern dies sein Bestimmtsein selbst als das Geschehen unbedingter Bedeutung sei. In diesem Sinne kann man vielleicht sagen, daß der Grundgedanke aller Metaphysik der Gedanke der Monade sei. Der Bezug, den die transzendentale Reflexion auf das messende Begreifen hat, unterscheidet sich von dieser Position des metaphysischen Denkens wesentlich. Die transzendentale Reflexion versteht den Determinationsbegriff schon als Reflexionsbegriff, es kann ihr daher gar nicht mehr darum gehen, auf die Weise des messenden Begreifens dieses Geschehen des Determinationsbegriffes als Reflexionsbegriff zu meinen, und sie kann auch nicht glauben, daß sie durch dieses messende Begreifen, das ja selbst die Bestimmung wieder nur als bloßes Fürsichgelten nimmt, diesem Geschehen gerecht werden könnte. Wenn die transzendentale Reflexion sich dem messenden Begreifen zuwendet, um sich durch es ihre Auslegung zu geben, dann kann dies nur bedeuten, daß sie das Wissen um das Geschehen des Determinationsbegriffes als Reflexionsbegriff, das sie schon ist und das sich als solches aller Auslegung versagt, da es das Geschehen des Erkennens als Verstehen selber ist, selbst wieder als Faßlichsein halten will. Die durch das messende Begreifen gegebene Bestimmung, in der das transzendentale Begreifen alsdann verfährt, wird daher gerade nicht — wie in der Metaphysik — den Charakter haben, durch sich das Geschehen der unbedingten Bedeutung als solcher anzugeben, sondern die Bestimmung wird hier gerade als Bestimmung gelten, und es wird gerade das bloße Bestimmtsein als solches, das nichts als eben Bestimmtsein ist, sein, das durch sich und als es selbst die Darstellung der unbedingten Bedeutung sein soll. Im metaphysischen Denken belädt

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sich das Bestimmte mit der unbedingten Bedeutung, im transzendentalen Denken wird das Bestimmte aus dem Wissen der unbedingten Bedeutung heraus aufgenommen und soll nun in dieser Bedeutung gerade nichts sein als es selbst in seinem bloßen Bestimmtsein. Die unbedingte Bedeutung soll als nichts anderes gelten denn als das Geschehen von bloßem Bestimmtsein. Und in dieser Position muß sich das transzendentale Denken zugleich durchschauen und kann in ihm von sich selbst nicht überzeugt sein. Sowohl die zenonischen Aporien als auch das metaphysische Denken gehen vom wissenschaftlichen Begreifen aus und suchen durch dies wissenschaftliche Begreifen das begriffene Bestimmte als das Geschehen der unbedingten Bedeutung zu erlangen. In den zenonischen Aporien verfolgt sich der Reflexionsbegriff in seinem Anspruch, als das begriffene Bestimmte und als das Gemessene er selbst zu sein, im unmittelbaren Gegebensein des Gemessenen auf sich sich selbst hin. Daß in den zenonischen Aporien das unmittelbare Gegebensein des Gemessenen und sein Geschehen als die unbedingte Bedeutung des Wissens nicht als Übereinkunft erlangt werden können, führt dahin, daß Raum, Zeit und Bewegung als Formen des Erkennens, die in ihrer Bedeutung unter dem Prinzip des Messens verstanden werden müssen, als in sich selbst falsch, nämlich als Formen, unter denen das Wissen nicht als Übereinkunft geschehen könne, behauptet werden. — Das metaphysische Denken geht vom messenden Begreifen aus, indem es in dieses messende Begreifen vorgängig schon die Bedeutung des Reflexionsbegriffes hineinsteckt, daß nämlich das begriffene Bestimmte als solches das Geschehen der unbedingten Bedeutung sei; und es nimmt das Verfahren der Reflexion im messenden Begreifen lediglich als die Bestätigung eines Wissens um das Unbedingte, das es vorweg schon besitzt, so daß ihm also das messende Begreifen das Wissen um das Geschehen des begriffenen Bestimmten als unbedingte Bedeutung lediglich aufschlüsselt und auf die Weise der Bestimmung noch einmal ausdrücklich faßlich macht. Mit all diesen Unternehmungen der Reflexion, in denen die Reflexion sich selbst auf die Weise des wissenschaftlichen Begreifens auszudrücken sucht und in denen es nur darum geht, daß das begriffene Bestimmte auch als solches, als unmittelbares Sichgeben, sein Geschehen als unbedingte Bedeutung hervorgehen lasse, damit diese unbedingte Bedeutung so sie selbst als Übereinkommen sei, hat die Reflexion der transzendentalen Analytik nichts mehr gemein, sondern hier geht es darum, daß die Reflexion sie selbst als solche als wissenschaftliches Bewußtsein sei. Das wissenschaftliche Raisonnement ist hier nicht die Weise, unter der die Reflexion sich selbst als solche zum Ausdruck zu bringen sucht, sondern die Reflexion gilt schon für sich, und sie will sich zusätzlich als wissenschaftliches Bewußtsein, damit sie sie selbst als bloßes Gelten von Bestimmtsein sei. Was die Reflexion hier erstrebt, ist also nicht etwa, daß sie sich durch das wissenschaftliche Begreifen selbst als Verstehen zuteil werde, sondern dies, daß ihr Geschehen als solches bloßes Geschehen wissenschaftlichen Begreifens sei. Dies kann dann nicht dadurch geschehen, daß so, wie es in den zenonischen Aporien oder wie es auch noch im metaphysischen Denken geschieht, das wissenschaftliche Begreifen 14 Kopper, Reflexion

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sich vom gegebenen Bestimmten her in sich selbst verfolgt, sondern das messende Begreifen muß als solches, als Faktum, das sich durch sich selbst versteht, genommen und als solches als das Geschehen des Reflexionsbegriffes behauptet werden. Das messende Begreifen selbst und seine für sich geltenden Resultate werden als solche als das Geschehen und als die Durchführung des Reflexionsbegriffes, d. h. also als das Geschehen des Determinationsbegriffes als Reflexionsbegriff behauptet. In der Doktrin der Kritik der reinen Vernunft ist die transzendentale Reflexion erlangt; die transzendentale Reflexion geht ihrer Zuwendung zum messenden Begreifen selbst vorauf. Der Determinationsbegriff ist als Reflexionsbegriff offenbar, das Wissen geschieht als Übereinstimmung und ist insofern von aller Auslegung seiner selbst als Wissen frei. Der Versuch des Denkens, im Ausgang vom wissenschaftlichen Begreifen zum Verstehen des Determinationsbegriffes als Reflexionsbegriff zu gelangen, kann also gar nicht mehr unternommen werden, sondern die Zuwendung des Denkens zum messenden Begreifen kann nur bedeuten, daß die transzendentale Reflexion sich selbst auf die Weise des wissenschaftlichen Begreifens als solche zu meinen sucht, daß sie sich selbst als messendes Begreifen, d. h. als die Darstellung der unbedingten Bedeutung des Bestimmten durch Bestimmung, zu verstehen sucht. Die Einsichten, die dabei hervorgehen und die die Ausführung der transzendentalen Analytik ausmachen, können also nicht mehr die metaphysische Bedeutung haben, daß es in ihnen um das Geschehen des Reflexionsbegriffes als Determinationsbegriff gehe, sondern sie sind, wenn wir es einmal so ausdrücken dürfen, ein Spiel, dem sich zu überlassen, die Reflexion sich genötigt erfährt, und in dem sie danach verlangt, sie selbst als Darstellung zu sein. In diesem Unternehmen kann die Reflexion nur in Behauptungen verfahren, in denen dem messenden Begreifen, gerade indem es nur als solches gilt, zugesprochen wird, das Geschehen der transzendentalen Reflexion selber zu sein. Das transzendentale Wissen bleibt aber zugleich auch von dieser seiner Auslegung unbetroffen. Der Rekurs auf das wissenschaftliche Begreifen ergänzt das transzendentale Wissen nicht, und das wissenschaftliche Begreifen seinerseits kann durch das transzendentale Wissen, zu dem es in seinem Fürsichgelten keine unmittelbare Beziehung hat, nicht ergänzt und verwandelt werden; sondern das wissenschaftliche Begreifen ist für die transzendentale Reflexion gleichsam nur das Material, nämlich das angebbare Bestimmen, an dem es sich sich selbst vorstellig zu machen sucht. Kant hat die Weise, wie er die transzendentale Reflexion in Bestimmungen gefaßt hat, als die Widerlegung der Humeschen Zweifellehre angesehen. In Humes Denken hatte sich das metaphysische Denken in dem Sinne in Frage gestellt, daß es sich für sich selbst auf die Weise des begriffenen Bestimmten, aus dem heraus es das Verstehen der unbedingten Bedeutung war, zu bestätigen suchte. In Humes Denken geschieht nicht etwa schon vorgängig eine transzendentale Reflexion, die ihrer selbst als solche gewiß wäre, sondern hier geschieht noch das metaphysische Begreifen, das die unbedingte Bedeutung aus dem begriffenen

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Bestimmten heraus meint, aber nun dies Geschehen der unbedingten Bedeutung auf die Weise des begriffenen Bestimmten und als es selbst auszuweisen sucht. Dieser Versuch des metaphysischen Denkens, sich für sich selbst auf die Weise des begriffenen Bestimmten in seinem Verstehen zu bezeugen, ist dabei nicht in der Konsequenz durchgeführt, die — innerhalb des metaphysischen Denkens — der Durchführung der zenonischen Aporetik entsprochen hätte: daß sich nämlich dem reflektierenden Denken in jeder Behauptung über das Geschehen des begriffenen Bestimmten als unbedingte Bedeutung auf die Weise ihres Ungenügens gerade das Genügen dieser Behauptung ausgeführt und bestätigt hätte. Jedes Gemessene hätte dann zwar als Gegebensein die unbedingte Bedeutung verleugnet, aber eben dies Verleugnen wäre der Ausdruck dessen gewesen, daß das Gemessene als diese unbedingte Bedeutung gemeint ist, und so hätte darin, daß jedes Gemessene noch immer wieder meßbar ist, die unbedingte Bedeutung sich im Messen „in infinitum" weiter verfolgen müssen. Hume hat es vernachlässigt, daß sich auf die Weise des Ungenügens der Behauptung über das Unbedingte gerade dies durchführt, daß das begriffene Bestimmte dem Unbedingten auch genügt; er hat die Negation der unbedingten Bedeutung, die aus dem Gegebensein, insofern es bloßes Fürsichgelten in seinem Bestimmtsein ist, auch abgenommen werden kann, so hingestellt, als ob sie sich als Negation durch sich selbst endgültig ausweise und hat darauf verzichtet, in der Negation der unbedingten Bedeutung wieder auf ihre Bejahung auszugehen. Anstatt das begriffene Bestimmte von der ersten Negation der unbedingten Bedeutung aus weiter darauf zu befragen, ob es durch sich nicht doch das Geschehen des Wissens als unbedingte Bedeutung angeben könne, läßt er es, nachdem er seine Unzulänglichkeit einmal glaubt haben feststellen zu können, in seinem Fürsichgelten als das Unzulängliche stehen und hält die Behauptung fest, daß auf die Weise des begriffenen Bestimmten das Geschehen der unbedingten Bedeutung nicht stattfinden könne. Das metaphysische Denken verfolgt sich hier also nicht konsequent in sich selbst, es müßte sich immer neu dem messenden Begreifen übergeben, dadurch dieses immer neu aufwerten und zugleich sich selbst immer neu in Frage stellen und in seiner Gewißheit aufheben; daß es dies nicht tut, bewirkt, daß das begriffene Bestimmte bloß negativ angegeben bleibt und daß anderererseits die metaphysische Reflexion sich selbst nicht weiter in Frage stellt und insofern hinter der vordergründigen Skepsis ihrer selbst gewiß bleibt; weswegen dann die Humesche Lehre auf jenen Glauben hinausgehen kann, der recht eigentlich das Wesen aller Metaphysik ausmacht. Die transzendentale Antinomik führt die Problematik des Humeschen Denkens eigentlich durch. In ihr treibt sich das metaphysische Denken, das sich auf die Weise des begriffenen Bestimmten selbst als solches bestätigen will, im Raisonnement tatsächlich bis dahin weiter, daß es auf alle behauptende Aussage verzichtet. Die Antinomik führt dazu, auf alle Behauptungen, — sie seinen positiver oder negativer Art —, darüber zu verzichten, daß das begriffene Bestimmte als solches die Darstellung der unbedingten Bedeutung des Wissens sein könne. Damit geschieht in der Antinomik die Überwindung des Humeschen Problems, in der 14»

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zugleich die transzendentale Reflexion selber entspringt. Diese Überwindung liegt nicht etwa darin, daß nun behauptet würde, es gebe allerdings das Geschehen des begriffenen Bestimmten als unbedingte Bedeutung: diese unbedingte Bedeutung jedoch sei nicht die unbedingte Bedeutung von Dingen an sich selbst, sondern sie sei die unbedingte Bedeutung des Geschehens des Erkennens als solchen, die das Erkannte als das durch die Erkenntnis Konstituierte durch sich bewähren müsse. Wird die transzendentale Doktrin so verstanden, so bringt sie die Überwindung der Humeschen Skepsis gerade nicht, denn die unbedingte Bedeutung ist dann immer noch nur auf die Weise der Behauptung gesetzt, und es macht nichts aus, ob ich sie den Dingen unmittelbar oder nur vermittelst des Erkennens zusprechen will: das begriffene Bestimmte weist sie durch sich nicht eindeutig aus, und die Skepsis ist nur durch Deklaration abgewiesen. Die Überwindung der Humeschen Skepsis, die durch die Antinomik erlangt wird, geschieht gerade nicht durch eine bestimmte Aussage, sie geschieht vielmehr durch den Verzicht auf alle Aussage. Nur dieser Verzicht läßt das begriffene Bestimmte als solches die unbedingte Bedeutung sein und legt das Geschehen des begriffenen Bestimmten als unbedingte Bedeutung nicht schon wieder auf die Weise des Fürsichgeltens des Bestimmten, das doch immer nur sich selbst ausweisen kann, fest. Diese Position des Denkens, die in dem Verzicht auf alle bestimmende Aussage hervorgeht, ist selbst schon die Position der transzendentalen Reflexion, sie ist das Geschehen des begriffenen Bestimmten als das in sich beschlossene Geschehen des Wissens als Innesein. Zu dieser Überwindung des Humeschen Problems, die nichts anderes ist als die konsequente Durchführung des Humeschen Problems selbst und die in den Verzicht darauf führen muß, die unbedingte Bedeutung durch eine bestimmende Aussage zu fixieren, kann kein weiteres Raisonnement mehr hinzutreten. Der Versuch, gegen Humes Zweifel das Geschehen des Unbedingten auf die Weise von Bestimmung zu setzen, führt nicht etwa auf metaphysische Einsicht, sondern bedeutet gerade, daß das Anliegen des metaphysischen Denkens, das sich in Humes Zweifel äußert, aufgehoben wird; der metaphysische Zweifel soll dadurch befriedigt werden, daß man ihn zugunsten der Position des Denkens, aus der er seinen Ausgang genommen hat, verleugnet. Die Auflösung der Humeschen Problematik kann nur dann geschehen, wenn eingesehen wird, dem metaphysischen Bedürfnis könne durch das Verfahren im wissenschaftlichen Begreifen gerade nicht Rechnung getragen werden. Dieses wissenschaftliche Begreifen, das — in seiner Anwendung durch den Reflexionsbegriff — in den zenonischen Aporien für falsch erklärt, aber nicht aufgehoben wurde, und das dann im metaphysischen Denken das Verstehen des Geschehens des begriffenen Bestimmten als unbedingte Bedeutung weiter ausgelegt hat, kann, weil es sich an das Fürsidigelten des Bestimmten in seinem Bestimmtsein hält, das Geschehen des begriffenen Bestimmten als unbedingte Bedeutung gerade nicht als solches eröffnen; die Aussagen, die durch es gewonnen werden, müssen das metaphysische Anliegen gerade verkehren. Der Verzicht auf das bestimmende wissenschaftliche Aussagen ist die einzige

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Weise, wie das Denken aus dem metaphysischen Anliegen heraus dazu gelangen kann, sich selbst gemäß zu sein; es wird darin zur transzendentalen Reflexion, die als solche nicht auf die Weise der bestimmenden wissenschaftlichen Aussage geschehen kann, obwohl sie nur auf die Weise des begriffenen Bestimmten geschieht. In diesem Sinne also ist die transzendentale Antinomik, indem sie offenkundig macht, daß das Geschehen des Wissens als unbedingte Bedeutung gerade nicht auf die Weise der Bestimmung angegangen und — sei es positiv oder negativ — angegeben werden könne, die Überwindung der negativen Aussage Humes, seines Skeptizismus, der behauptet, daß das Bestimmte durch sich das Geschehen der unbedingten Bedeutung nicht angeben könne. Durch die transzendentale Antinomik und die aus ihr hervorgehende Doktrin ist Humes Skeptizismus überwunden. Aber er ist nicht auf die Weise der bestimmenden Aussage überwunden, sondern so, wie es allein in der transzendentalen Reflexion geschehen kann, dadurch nämlich, daß das begriffene Bestimmte als es selbst als das Geschehen der unbedingten Bedeutung offenbar ist. Die transzendentale Doktrin stellt dies in der Lehre von Raum und Zeit und in dem Wissen darum dar, daß alle unsere Erkenntnis Geschehen des Satzes vom Grund und damit Erkenntnis in bloßer Erscheinung ist. Durch diese Lehre von der Räumlichkeit und Zeitlichkeit des Erkennens, von seinem Geschehen als Satz vom Grunde und in bloßem Erscheinen ist an die Stelle des Sichbegreifens der Reflexion in — gemessenen — identischen Zuständen, die die unbedingte Bedeutung des Gegebenen hergeben sollen und es doch nicht zu können scheinen, das Geschehen des Gegebenseins des Gegebenen selbst als unbedingte Bedeutung getreten. Die Frage danach, ob ein Zustand B einem ihm voraufgehenden Zustande A notwendig verbunden sein könne, die von Hume negativ beantwortet wird, die aber von dem metaphysischen Denken, das sich bei ihm dann wieder im metaphysischen Glauben ausspricht, doch auch positiv beantwortet werden zu müssen scheint, tritt also in der transzendentalen Doktrin gar nicht mehr auf, da nämlich nicht mehr von gemessenen Zuständen ausgegangen wird und das Geschehen nicht mehr aus voneinander isolierten Zuständen (obgleich auch nicht als Kontinuum) verstanden wird. Das eben ist ja die Leistung der Antinomik, daß sie im isolierten gemessenen Zustand doch auch die unbedingte Bedeutung weiß, darin die Humesche Behauptung als voreilig weiß, und dann doch diese unbedingte Bedeutung nicht im Raisonnement festlegen kann, sondern doch auch auf sie verzichten muß, worin eben sie doch auch schon wieder hervortritt. Jeder isolierte Zustand ist noch einmal die ganze Welt, die sich als in sich beschlossene unbedingte Bedeutung darstellt und die in isolierte Zustände zerschlagen werden muß, die sich abermals als die ganze in sich beschlossene Welt darstellen. Dieser Gang des Raisonnements führt in den Verzicht auf alle bestimmende Aussage über die unbedingte Bedeutung. In diesem Verzicht stellt sich die Welt dann nicht mehr unter dem Prinzip des messenden Begreifens für die Reflexion dar, sondern sie ist das begriffene Vorausgesetzte, das als solches das Geschehen der unbedingten Bedeutung des Inneseins ist und an dem alle Operationen des bestimmenden Begreifens, sei es, daß sie um ihrer

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selbst willen, sei es, daß sie für die Reflexion gelten sollen, nur nachträglich ansetzen können. Diese nachträglichen Operationen bestimmenden Begreifens sind es, die überhaupt erst Bewegungen als solche fixieren, die sie in aufeinanderfolgende Zustände zerlegen oder sie auch als Kontinuum auffassen, wobei diese letztere Auffassung lediglich gegen die bereits gesetzte Isolation und in ihr das Beschlossensein in sich des Geschehens geltend macht, das Hume dann mit Recht auf rationale Weise nicht hat feststellen können. Die transzendentale Reflexion führt also gerade dadurch, daß sie in jeder Isolation die unbedingte Bedeutung doch wieder gefaßt hat, und sie dann doch auch wieder zugunsten der Isolation hat aufheben müssen, in den Verzicht auf alle für die Reflexion gültige bestimmende Aussage und damit auf die Überwindung der aus dem messenden Begreifen — das auf die Isolation der Zustände führt — geschehenden Metaphysik und hebt auf diese Weise die Humesche Position als solche auf, ohne doch eine solche Aufhebung etwa auf die Weise bestimmender Aussage vornehmen zu können. Daß alles — positiv oder negativ behauptete — Eingehen des Reflexionsurteils in das Determinationsurteil abgewiesen sei, bedeutet aber nicht, daß das Determinationsurteil als solches und in sich ausdrücklich als das Geschehen des Reflexionsurteils vollzogen sei. Die Überwindung der Humeschen Skepsis geschieht in der Antinomik und in der daraus entspringenden transzendentalen Doktrin nur so, daß das raisonnierende Begreifen in seinem Bemühen, auf die Weise des begriffenen Bestimmten das Unbedingte zu erlangen, auf sich verzichtet; sie geschieht nicht so, daß dieses Begreifen sich als solches in seinem Anspruch auf das Reflexionsurteil aufgelöst hätte (weshalb auch nach Kant der Hang zu diesem metaphysischen Raisonnement aller Kritik ungeachtet unaufhörlich fortbesteht und uns immer weiter äfft). Deswegen bleibt der transzendentalen Reflexion dann auch die Nötigung, sich ihr Wissen um sich selbst auf die Weise des Fürsichgeltens des begriffenen Bestimmten vorstellig zu machen. So geschieht es denn auch in der eigentlichen Lehre sowohl der transzendentalen Ästhetik als auch der transzendentalen Analytik. Zugleich aber entspringt dem Denken aus dieser Nötigung auch der — von ihm auch immer schon durchschaute — Hang, sich als die transzendentale Reflexion, die es ist, selbst auf die Weise des Fürsichgeltens des Bestimmten darzustellen. Daß aber das begriffene Bestimmte seine unbedingte Bedeutung selbst als Bestimmung darstelle, das geschieht durch das messende Begreifen, dessen sich schon die metaphysische Reflexion in ihrem Versuche, das Bestimmte als unbedingte Bedeutung zu verstehen, bedienen mußte und das die transzendentale Reflexion jetzt neu aufnimmt, um sich selbst als solche durch es zu verstehen.

b)Die Modifizierung des transzendentalen Begreifens Der Bescheidung der transzendentalen Reflexion steht der Hang dieser Reflexion selbst zur bestimmenden Aussage entgegen. Es kommt durch die Doktrin

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der transzendentalen Analytik zu der Überwindung der Humeschen Skepsis noch ein Moment hinzu, das in der Antinomik und der transzendentalen Reflexion, die aus ihr hervorgeht, ursprünglich nicht enthalten ist. Das transzendentale Wissen soll doch selbst auch noch wieder auf die Weise des messenden Begreifens, auf die Weise der Bestimmung des Bestimmten hervorgehen. Wohl verhält es sich nicht mehr so, daß sich das Reflexionsurteil auf die Weise des messenden Begreifens als solches positiv zur Darstellung bringen könnte: das eben hatte Hume ja abgewiesen; aber die transzendentale Reflexion, d. h. das Geschehen des Determinationsurteils als Reflexionsurteil, das durch die transzendentale Antinomik erlangt ist, bestätigt sich selbst als bloßes Determinationsurteil, indem zugleich offenbar ist, daß die Determination von sich her die unbedingte Bedeutung nicht bezeugen könne. Das Determinationsurteil wird aus der transzendentalen Reflexion als der Ort ihrer unbedingten Bedeutung festgehalten, gerade indem seine metaphysische Bedeutung abgewiesen und seine Unzulänglichkeit zu solcher Bedeutung erkannt ist. Obwohl und indem es das für die Reflexion Unzulängliche ist, soll das durch das Messen Begriffene als solches, in seinem unmittelbaren Sichdarstellen, das Geschehen der unbedingten Bedeutung des Wissens selbst sein. Das begriffene Bestimmte kann diese Bedeutung nur auf die Weise des bloßen Fürsichgel tens haben; damit aber weist es nicht nur alle metaphysische Bedeutung von sich ab, sondern es ist auch im Geschehen seiner Durchführung selbst schon als ein bloßes Spiel des raisonnierenden Denkens durchschaut, das nicht mehr das Geschehen des Erkennens selbst ist — dessen Statthaben auf die Weise unverstellten Fürsichseins (ohne alle verstellende Auslegung) eben die transzendentale Reflexion ist. In diesem Spiel aber, das sie selbst auch durchschaut, geht die transzendentale Reflexion für sich selbst wieder in die Auslegung ein, die zu dem unmittelbaren Geschehen des Erkennens, das sie selbst als solche, sofern es für sich als Verstehen ist, ist, noch hinzukommt (und die selbst aus diesem Geschehen, als eine seiner Möglichkeiten, sich zu entwickeln, verstanden werden müßte, die aber selbst nicht durch die Bestimmungen, die sie angibt und die aus dem Erkenntnisgeschehen selbst hervorgebracht sind, auf dies Geschehen als solches zurückkommen kann). Die Bestimmungen, in denen sich die transzendentale Reflexion auslegt, haben nur die Bedeutung bloßen Fürsichgeltens, das durch sich gerade nichts geben kann als sich selbst und sich selbst gerade nicht als das Geschehen der unbedingten Bedeutung als solcher bezeugt. Das macht die Ambivalenz der Lehre von den Kategorien und von den Grundsätzen aus, daß sie alle metaphysische Bedeutung von sich abweisen, daß sie nichts sind, als der Versuch der transzendentalen Reflexion, sich selbst als solche auf die Weise des bloßen Fürsichgeltens des begriffenen Bestimmten, wie es durch das messende Begreifen gesetzt ist, darzustellen; daß aber darin doch auch immer der Schein der Bestätigung der transzendentalen Reflexion für sich selbst liegen muß, eben weil das begriffene Bestimmte, auch wenn es sich nur als bloßes Fürsichgelten darstellt, darin doch immer das Geschehen der unbedingten Bedeutung des Wissens ist. Das aber war eben Humes Angriff auf die philosophische

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Reflexion, wie sie im metaphysischen Denken statthat, gewesen, daß dieses Geschehen des begriffenen Bestimmten als unbedingte Bedeutung auf die Weise seines Bestimmtseins nicht ausgemacht werden könne. In der Lehre von den Kategorien und von den Grundsätzen meint sich die transzendentale Reflexion auf die Weise des messenden Begreifens. Die transzendentale Reflexion kann sich auf die Weise dieser Bestimmungen selbst meinen, denn das begriffene Bestimmte ist in seinem Fürsichgelten immer schon das Geschehen der unbedingten Bedeutung des Wissens, aber es gibt sich in dieser unbedingten Bedeutung eben doch nur als sein Fürsichgelten an. In der Auslegung, die sie sich durch das messende Begreifen selbst gibt, kann sich die transzendentale Reflexion daher für sich selbst nicht bestätigen. Sie liegt vielmehr in der Lehre von Raum und Zeit und in der Lehre vom Geschehen des Wissens als Satz vom Grunde, wonach das Erkennen als ein Erkennen in bloßer Erscheinung Wissen des Noumenons im negativen Verstande ist, als solche vor und ist darin in sich beschlossen. Die Auslegung, die sich die transzendentale Reflexion durch die Lehre von den Kategorien und von den Grundsätzen gibt, fügt sich ihr nur äußerlich hinzu, ohne daß sie auf die Reflexion selbst, sie erweiternd und ergänzend, wirken könnte. Sie besteht lediglich darin, daß die Operationen des messenden Begreifens als solche vorgeführt werden und von ihnen insgesamt behauptet wird, sie seien als solche das Geschehen der transzendentalen Reflexion als Sichbestätigen. Die Operationen des messenden Begreifens, die sich aus der Unterscheidung von Messendem und Gemessenem und ihrer Zusammenfassung in dem Akte des Messens von selbst in eine Dreiheit gliedern, die dann wiederum nach der Art, wie ein Bewußtein vom Messen besteht, vierfach gegliedert werden können — Vollzug des Messens als Akt, Wissen um die Bedingungen des Aktes, Reflexion auf das Bewußtsein von dem Vollzug des Aktes, Reflexion auf die Bedingungen dieses Bewußtseins — werden im System vorgeführt, ohne daß auf dieses System nun irgendwie ein Einfluß der transzendentalen Reflexion geschähe oder auch nur geschehen könnte. Ohne in ihren bestimmenden Aussagen die transzendentale Reflexion angeben zu können, werden diese Operationen doch alle auf die gleiche Weise als das Geschehen der transzendentalen Reflexion behauptet, das nun also allen diesen Operationen und den in ihnen erkannten Bestimmungen gleichermaßen seinen Charakter als des Geschehens der unbedingten Bedeutung des Wissens zuerkennt und sich selbst in ihnen zu finden vorgibt. So bekommen wir eine gänzlich neue transzendentale Logik, die nicht nur nichts mit dem Verständnis der Logik, das die Metaphysik entwickelt hat, zu tun hat, sondern auch aus dem Bereich des faktischen Begreifens der Dinge nur einen Ausschnitt darbietet, da sie allein die Struktur des messenden Begreifens gibt, das nun aber als solches die Bedeutung der transzendentalen Reflexion haben soll. Zwar wird in der Tafel der Urteile noch auf die Struktur des Begreifens der Dinge Bezug genommen, aber in der Tafel der Kategorien sind diese Strukturen allein auf das messende Begreifen abgestellt, denn durch das Messen ge-

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schiebt es, daß die unbedingte Bedeutung des Wissens, die das begriffene Bestimmte ist, sich selbst wieder als Bestimmung des Bestimmten darstellt. Das messende Begreifen, das wissenschaftliches Begreifen ist, geht auf das Unbedingte; aber es geht nicht wie die philosophische — die metaphysische und die transzendentale — Reflexion darauf, daß das begriffene Bestimmte als solches als das Geschehen der unbedingten Bedeutung offenbar sei, sondern daß die unbedingte Bedeutung des begriffenen Bestimmten sich an diesem Bestimmten selbst auf die Weise einer durch das Messen erstellten Bestimmung darstelle. Es ist dieses wissenschaftliche Bewußtsein, als das das transzendentale Bewußtein sich sich selbst in der Lehre von den Kategorien und den Grundsätzen vorstellig zu machen sucht. Die Auslegung des Begreifens, wie sie die Metaphysik in ihrer Lehre vom Begriffe darin gegeben hat, daß sie die Begriffe des Einzelnen, der Art und der Gattung aufstellte, geht auch vom messenden Begreifen aus, aber im metaphysischen Denken geht es nicht darum, daß die philosophische Reflexion für sich selbst als messendes Begreifen sei, sondern aus dem messenden Begreifen heraus soll sich die unbedingte Bedeutung des Wissens im Bestimmten als solche darstellen; auf die Weise des messenden Begreifens und als es soll es hervorgehen, daß das begriffene Bestimmte als solches unbedingte Bedeutung hat. Die transzendentale Reflexion dagegen, wie sie in der Kritik der reinen Vernunft statthat, hat die Bindung der philosophischen Reflexion an das messende Begreifen gerade überwunden und weiß — ohne alle Auslegung — das begriffene Bestimmte als das Geschehen der unbedingten Bedeutung des Wissens; als diese vom messenden Begreifen befreite philosophische Reflexion aber tritt sie in der Lehre von den Kategorien und Grundsätzen darein ein, sich selbst als solche, d. h. das in sich selbst einsichtige Geschehen des begriffenen Bestimmten als unbedingte Bedeutung, als messendes Begreifen zu meinen und vorstellig zu machen. Die Metaphysik verfährt bestimmend, messend und vergleichend in den Begriffen des Einzelnen, der Art und der Gattung und erlangt aus diesen Begriffen die unbedingte Bedeutung als unbedingte Bedeutung des Bestehenden. Die transzendentale Reflexion weiß das begriffene Bestimmte als das Geschehen der unbedingten Bedeutung des Wissens, und dies Geschehen des Wissens ist als Wissen in sich selbst offenbar als Zeitlichsein und Räumlichsein, als Erscheinen und als Noumenon im negativen Verstande, ohne daß darin irgendwie das messende und vergleichende Begreifen eingetreten wäre: Es ist das begriffene Bestimmte als solches, das unmittelbar es selbst als dieses Geschehen von Wissen ist. Dieses Geschehen aber, das das begriffene Bestimmte selbst ist, entbehrt als Bedeutung der bestimmenden Aussage; soll es dennoch in die bestimmende Aussage eingehen, so kann es sich nicht mehr so verhalten, daß aus der bestimmenden Aussage die unbedingte Bedeutung als solche hervorgeht, sondern die Reflexion muß sich selbst als Aussage so meinen, daß das begriffene Bestimmte darin gerade nur als es selbst gilt und die Reflexion sich selbst auch schon als sich unangemessen durchschaut.

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Aus dieser Verfassung der transzendentalen Logik heraus sucht Kant nun auch das Humesche Problem ausdrücklich zu lösen, das in der Grundposition der transzendentalen Reflexion ja recht eigentlich schon überwunden ist, doch so, daß diese Überwindung dabei nicht auf die Weise einer ausdrücklichen Auflösung der Humeschen Position einsichtig gemacht werden konnte. Die transzendentale Reflexion bleibt in der Kritik der reinen Vernunft in ihrer Selbstdarstellung doch noch an das Fürsichgelten des begriffenen Bestimmten gebunden und ist dadurch genötigt, sich des gegebenen Begriffenen zur Vorstellung ihrer selbst zu bedienen; sie macht sich sich selbst in der Form bestimmenden Begreifens vorstellig, für das Hume das Geschehen der unbedingten Bedeutung gerade geleugnet hatte. Das Humesche Problem hat in dem metaphysischen Denken, solange es seiner selbst noch gewiß war, gar nicht auftreten können, da ja das Einzelne als solches schon aus dem Art- und aus dem Gattungsbegriff verstanden war und so durch sein besonderes Geschehen gerade immer auch als allgemeingültige Bedeutung begriffen war. Das Problem konnte sich erst für ein Denken ergeben, dem sich das metaphysische Begreifen daraufhin in sich selbst verfolgte, ob denn das begriffene Bestimmte durch sich die unbedingte Bedeutung und ob es insbesondere den Art- und den Gattungsbegriff angeben könne. Damit allein konnte für die philosophischen Reflexion das Problem der Naturkausalität entstehen, denn zuvor war das Einzelne als solches auch als das Geschehen des Gesetzes (das dann allerdings gattungshaft gefaßt war) begriffen. Dieses Humesche Problem der Naturkausalität ist durch die transzendentale Reflexion der Kritik der reinen Vernunft gelöst, dadurch eben, daß in der Antinomik die Humesche Skepsis als solche durchgeführt und zu Ende gebracht ist; und diese Widerlegung geschieht nicht durch bestimmende Aussage und kann so auch nicht geschehen, da die Überwindung des Humeschen Problems eben nur so geschehen kann, daß die philosophische Reflexion von ihrer Bindung an das messende Begreifen losgelöst ist. Aber diese Überwindung, die durch die transzendentale Reflexion der Kritik der reinen Vernunft tatsächlich statthat, muß zugleich den Anschein haben, keine wahre Überwindung, sondern nur eine Gegenbehauptung zu sein, da diese Reflexion sich selbst in bestimmenden Setzungen vorstellig macht. Und Kant selbst meint denn auch, die eigentliche Überwindung des Humeschen Problems erst dadurch liefern zu können, daß er die transzendentale Reflexion sich als solche wieder dem messenden Begreifen übergeben läßt und sie dadurch als Behauptung eine solche Gewißheit in sich selbst gewinnen läßt, daß sie auch als bloße Behauptung und damit bloß indirekte Widerlegung unangreifbar sei. Die logische Überwindung des Humeschen Problems, die gar keine Überwindung ist, besteht dann darin, daß die transzendentale Reflexion, d. h. das auf die Weise des begriffenen Bestimmten statthabende Geschehen der unbedingten Bedeutung des Wissens als Verstehen, sich selbst als das messende Begreifen des außereinander befindlichen und aufeinander folgenden Vielen versteht und so das Geschehen der transzendentalen Einheit der Apperzeption als Akt des Messens als die Einheit des Vielen es selbst sein läßt. Die Aufeinanderfolge wird als das Geschehen der Einheit des Wissens behauptet;

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die sie selbst als solche gerade nur als das — im Messen vollzogene — Geschehen von Aufeinanderfolge sei, so daß also die Aufeinanderfolge als solche, als sie selbst, das Geschehen unbedingter Einheit oder Gesetz sei. So bekommt das messende Begreifen, wie es in bezug auf das aufeinanderfolgende Viele als der Akt des Begreifens selbst genommen ist, die Bedeutung, das Geschehen der transzendentalen Reflexion, d. h. das Geschehen des Erkennens als Verstehen zu sein, und die begriffene Aufeinanderfolge ist so an sich selbst das offenbare Gesetz. Hume hatte es deutlich gesehen, daß das messende Begreifen gerade nur für sich selbst gilt und gerade nicht die Funktion haben kann, durch sich die metaphysische Reflexion auszudrücken; Kant läßt das messende Begreifen als solches die philosophische, nun transzendentale, Reflexion sein, und erhebt damit das messende Begreifen auf die Weise der Behauptung wieder zu der Gültigkeit für die philosophische, nun allerdings in ihrer Einstellung gewandelte, Reflexion, die Hume gerade nicht mehr hatte bestätigt finden können. Die Befreiung der philosophischen Reflexion vom messenden Begreifen und ebenso des messenden Begreifens von der philosophischen Reflexion, die durch Hume eingeleitet und durch die transzendentale Reflexion vollzogen ist, ist so in ein Sichmeinen der philosophischen Reflexion als das messende Begreifen selbst verkehrt. Es soll gerade das messende Begreifen sein, auf dessen Weise das begriffene Bestimmte als die unbedingte Bedeutung des Wissens geschehe: eine Behauptung, die die transzendentale Reflexion zugleich als haltlos durchschauen muß und der sie sich doch übergibt, weil das messende Begreifen allein ihr die Möglichkeit gibt, sich auf die Weise der Bestimmung selbst zu fassen und auszusagen. Und damit taucht nun eben, lediglich in der Folge dieser Ausgestaltung durch das messende Begreifen, die sich die transzendentale Reflexion selbst gibt, nicht durch das unmittelbare Geschehen der transzendentalen Doktrin selbst, das Problem der Objektivität der Erkenntnis auf, das darin besteht, wie denn das angebliche Geschehen des Wissens der transzendentalen Reflexion auf die Weise der Kategorien und Grundsätze überhaupt noch auf das unmittelbare Geschehen der transzendentalen Reflexion, wie es als das Geschehen des begriffenen Bestimmten als die unbedingte Bedeutung des Wissens statthat, bezogen werden könne. Das erkennende Wissen geschieht auf die Weise des Erfahrens von Raum und Zeit, das als Empfindung ist und darin es selbst als Geschehen des Satzes vom Grunde ist. Dieses Geschehen des Vorausgesetzten als die unbedingte Bedeutung des Wissens soll durch die Kategorien und Grundsätze als solches angegeben sein. Darin, daß das Erkennen räumlich und zeitlich geschieht, daß es auf die Weise des Empfindens ist und daß das Wissen in ihm als Satz vom Grunde ist, kann es für die transzendentale Reflexion kein Problem der Objektivität der Erkenntnis geben, denn darin ist das Geschehen des begriffenen Vorausgesetzten gerade als es selbst das unbedingte Geschehen des Wissens. Das Bestimmte selbst ist als solches das Geschehen des Wissens und seiner unbedingten Bedeutung; und daß das Bestimmte im Prozeß der Erkenntnis immer deutlicher

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erkannt werden kann, daß es z. B. auch im messenden Begreifen weiter erkannt und bestimmt werden kann, daß in diesem Prozeß Irrtümer berichtigt werden können usw., das alles beinhaltet nicht etwa ein Problem der Objektivität der Erkenntnis, das darauf ginge, wie dem Wissen fremde Gegenstände durch das von ihnen abgesonderte Wissen aufgefaßt und erschlossen werden könnten, sondern meint nur die fortgehende Ausgestaltung des Vorausgesetztseins selbst, als das das Geschehen des Wissens ist, und das als solches, eben weil es als Vorausgesetztsein ist, nie abgeschlossen sein und auch nie über eine Natur hinausführen kann, aber immer das Geschehen des Gegenstandes selbst, der als solcher das unbedingte Geschehen des Wissens ist, ist. Das Problem der Objektivität der Erkenntnis tritt für die transzendentale Reflexion nur darin auf, daß auf dieses Geschehen des Vorausgesetzten als das unbedingte Wesen des Wissens jene Auslegung angewendet werden muß, die die transzendentale Reflexion sich selbst im System der Kategorien und Grundsätze gibt. Das System der Begriffe, in dem die transzendentale Reflexion sich selbst verstehen will, dieses System muß auf das Geschehen des Wissens, das die transzendentale Reflexion als solche, unabhängig von aller Auslegung, ist, bezogen werden. Das Problem der Objektivität der Erkenntnis tritt also in der transzendentalen Reflexion nicht etwa für den das wirkliche Erkennen, wie es tatsächlich stattfindet, auf, denn dieses tatsächliche Erkennen ist nur das Sichfortgestalten in sich des begriffenen Bestimmten. Das Problem der Objektivität der Erkenntnis tritt nur für die Auslegung durch das messende Begreifen auf, die sich die transzendentale Reflexion, welche selbst das Geschehen des Erkennens in seinem unverstellten Sichverstehen ist, von sich selbst gibt. Und in bezug auf diese Auslegung, in der sie sich sich selbst vorstellig macht, kann die transzendentale Reflexion, die das Geschehen des Erkennens selbst ist, dessen nicht mehr gewiß sein, daß sie das Geschehen des Vorausgesetzten als die unbedingte Bedeutung des Wissens ist, d. h. das das Erkennen in ihr so geschehe, daß es darin als Übereinkommen, als Angemessensein geschieht. Erkennen ist das Geschehen des begriffenen Bestimmten als die unbedingte Bedeutung des Wissens, und die Frage nach der Objektivität der Erkenntnis meint m bezug auf die Auslegung, die die transzendentale Reflexion sich selbst gibt, d. h. in bezug auf ihr vorgebliches Geschehen in den Kategorien und Grundsätzen, öS das Erkennen diese seine eigene Bedeutung auf die Weise des Entsprechens sein könne, ob es in dieser Auslegung für sich selbst als Gemäßsein sein könne. Diese Frage ist durch die transzendentale Analytik selbst nicht zu beantworten, weil das Erkennen, um sie beantworten zu können, nur sich selbst in der Gestalt zur Verfügung hat, die es sich selbst gegeben hat, unter der es es selbst als Sichverstehen ist. Die transzendentale Reflexion ist ja nicht eine von außen geschehende Beurteilung des Erkennens, sondern sie ist das Erkennen selbst, das es selbst als Verstehen ist, und als dieses Geschehen des Erkennens als Verstehen hat sie sich die Auslegung durch die Kategorien und Grundsätze gegeben, in die sie damit gebunden ist und über die sie sich selbst nicht mehr erheben kann. Indem sie in dieser Auslegung geschieht, kann die transzendentale Reflexion nicht

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zugleich der Maßstab dieser Auslegung sein, sondern sie ist, indem sie sich bleibend in dieser Auslegung vollzieht, immer nur die Durchführung dessen, daß sie darin als Nichtgemäßsein ist. Für dieses Unsichersein in sich des transzendentalen Wissens aber gibt es keine eigene Bestimmung, sondern es geschieht auf die Weise des Vollzugs der Selbstauslegung; die Selbstauslegung hat in sich selbst den Charakter der Ungewißheit. Das reflektierende Bewußtsein kann in dieser Situation nichts anderes tun, als die Übereinstimmung der Erkenntnis durch die Kategorien und Grundsätze, die nach der Auslegung, die es sich von sich selbst gibt, stattfindet, mit dem transzendentalen Verstehen der Erkenntnis, d. h. ihre Objektivität, zu behaupten. Die Kategorien und Grundsätze müssen als die Durchführung der Erkenntnis in der Erscheinung, wie sie aus dem Empfinden heraus statthat, behauptet werden. Diese Behauptung hat einen Grund der Rechtmäßigkeit darin, daß auch auf die Weise der durch das messende Begreifen gesetzten Bestimmung die unbedingte Bedeutung geschieht, sie steht aber zugleich auch gegen das transzendentale Verstehen, weil sie ein Fürsichgelten des Bestimmten angibt und so dem Geschehen des Wissens, das aus dem Empfinden als ein Wissen in der Erscheinung das Geschehen der unbedingten Bedeutung ist, nicht gemäß zu sein vermag. Die Kategorien und Grundsätze treten zu dem in der transzendentalen Reflexion offenbaren Geschehen des Wissens, das im Empfinden räumlich und zeitlich als Wissen von Erscheinung statthat, immer nur von außen durch Deklaration hinzu, ohne unmittelbar das Geschehen dieses Wissens selbst sein zu können. Indem aber so die Erkenntnis durch die Kategorien und Grundsätze als die objektive Erkenntnis behauptet wird, da kann es dann dazu kommen, wie es in den Prolegomena geschieht, daß gegen diese objektive Erkenntnis die Erkenntnis in der Empfindung als eine bloß subjektive Erkenntnis abgesetzt wird, die mit der objektiven Erkenntnis letztlich überhaupt nicht zusammenkommen könne. Diese bloß subjektive Erkenntnis wird von der behaupteten objektiven Erkenntnis selbst her als das verstanden, was durch die objektive Erkenntnis nicht angegeben werden kann, und die Trennung zwischen objektiven und subjektiven Erkenntnisurteilen wird so zu einer endgültigen Unterscheidung. Sofern in der transzendentalen Reflexion offenbar ist, daß das Geschehen des Wissens es selbst als Wissen von bloßer Erscheinung sei, sofern ist das Wissen unmittelbar sein Geschehen als Sichbezeugen in seiner gegenständlichen Bedeutung; das Noumenon im negativen Verstande ist gerade die Weise, wie das Wissen sein Geschehen als unbedingte gegenständliche Bedeutung unbezüglich ist. Aber sofern dieses Geschehen für sich selbst in die Auslegung durch die Kategorien und Grundsätze eingeht, insofern vermag es das Verstehen, als das es es selbst ist, nicht mehr als Entsprechen, als Gewißsein zu sein, und es ist es selbst als ein Geschehen von Objektivität der Erkenntnis, das es selbst nicht als sein Sichbestätigen zu sein vermag und das aus diesem Mangel heraus immer auch noch Frage nach der Objektivität der Erkenntnis ist, eine Frage, die es durch sich selbst nicht beantworten kann. Das Wesen der transzendentalen Re-

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flexion selbst macht es aus, daß sie auch in der Auslegung, die sie sich selbst in den Kategorien und Grundsätzen gibt und in der sie sich selbst nicht gemäß zu sein vermag, doch immer als gegenständliche Bedeutung geschieht. Aber die Frage nach der Objektivität der Erkenntnis stellen und den Versuch ihrer Beantwortung machen, muß, sofern sie aus der Auslegung der transzendentalen Reflexion durch die Kategorien und Grundsätze entspringt, gerade bedeuten, daß die transzendentale Reflexion sich an das bloße Fürsichgelten des Bestimmten so hingibt, daß sie sich darin selbst nicht mehr versteht und ihr Geschehen als Verstehen sich selbst nur als ein Geschehen von Behaupten hervorbringt. In dieser Position befestigt sich die transzendentale Doktrin in der zweiten Fassung der transzendentalen Deduktion, in der sich die Kategorien und Grundsätze nicht mehr nur als Weisen des Begreifens aus der transzendentalen Reflexion heraus erstellen, sondern in der sie von sich selbst aus auch als die Weisen, in denen das Erkennen als gegenständliches Bedeuten sich selbst entspreche, selbst als Gemäßsein sei, ausgewiesen und festgestellt werden sollen. Die transzendentale Reflexion soll hier von den schon erstellten Kategorien und Grundsätzen aus selbst als solche bestimmt und es damit festgestellt sein, daß das Begreifen unter den Kategorien und Grundsätzen als solches das Sichvollziehen des Erkennens als das unbedingte und unbezügliche Geschehen gegenständlicher Bedeutung sei. Die transzendentale Reflexion, die für das Begreifen der transzendentalen Analytik anfänglich schon statthat, gibt sich selbst als solche in ihr Sichmeinen auf die Weise des messenden Begreifens, d. h. in ihr Sichmeinen auf die Weise der Kategorien und Grundsätze hinein, so daß also diese Kategorien und Grundsätze nicht mehr nur die Weise sind, auf die die transzendentale Reflexion sich sich selbst vorstellig macht, indem sie sich dabei doch auch als solche in ihrer Bedeutung erhält, sondern darüber hinaus die transzendentale Reflexion, die sich in ihnen auslegt, durch sich selbst als das Geschehen, das sie ist, auslegen. Die Auslegung ist so nicht nur die Gestalt, die sich die Reflexion gibt, indem sie doch auch als solche der gestaltlose Ursprung bleibt, sondern sie gestaltet durch sich auch diesen Ursprung, ihr Geschehenkönnen selbst. Das bedeutet, daß die Kategorien und Grundsätze mit einer neuen Bedeutung beladen werden, die ihnen zunächst, sofern sich nämlich in ihnen nur das Geschehen der unbedingten Bedeutung des Wissens als solches unter der Gestalt des messenden Begreifens zum Ausdruck bringt, nicht zukommen kann, daß sich nämlich die transzendentale Reflexion nicht nur durch die Kategorien und Grundsätze gestalte, sondern sich selbst in ihrem Geschehen und als solche durch sie und von ihnen aus angebe. Die Kategorien und Grundsätze geschehen nicht nur aus der transzendentalen Reflexion heraus als ihr Sichgestalten, sondern sie geben als die Formen, in denen die transzendentale Reflexion sich die Auslegung ihrer selbst gegeben hat, auch an, was denn die transzendentale Reflexion als solche sei. Die Form, in der die transzendentale Reflexion sich auslegt, soll nicht nur für sich selbst und als solche gelten, sondern diese Auslegung, die die transzendentale Reflexion sich gibt, soll durch sich selbst auch noch das Geschehen der transzendentalen Reflexion selbst

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auslegungsartig hervorgehen lassen und faßbar machen; die transzendentale Reflexion soll durch die Auslegung, die die sich gegeben hat, selbst als solche in ihrem Geschehen als Verstehen bestimmt sein. Daß die transzendentale Reflexion sich selbst als die Fürsichgelten, das das begriffene Bestimmte im messenden Begreifen hat, angebe und ihr Geschehen als Verstehen in den Bestimmungen des messenden Begreifens sei, das bedeutet also, daß das Geschehen des Vorausgesetzten als die unbedingte Bedeutung des Wissens selbst als Bestimmung des begriffenen Bestimmten ausgesagt werden soll. Die unbedingte Bedeutung des Geschehens des Wissens soll also nicht wie im metaphysischen Denken auf die Weise des begriffenen Bestimmten erlangt werden, sondern sie soll als eine Bedeutung, die sich in der transzendentalen Reflexion selbst schon auf die Weise des Geschehens des Determinationsbegriffes als Reflexionsbegriff erlangt hat, sie selbst doch als das bloße Fürsichgelten des durch das messende Begreifen Bestimmten sein. Daß die transzendentale Reflexion nicht nur das unmittelbare Geschehen des Determinationsbegriffes als Reflexionsbegriff, sondern daß sie auch ihre eigene Auslegung auf die Weise der Bestimmung des begriffenen Bestimmten durch das messende Begreifen sei, das stellt sich in der transzendentalen Doktrin so dar, daß das begriffene Bestimmte doppelt gesetzt wird, einmal im Geschehen der transzendentalen Reflexion selbst, zum zweiten in ihrer Selbstauslegung durch das messende Begreifen. In dieser zweiten Bedeutung aber ist das begriffene Bestimmte auf die Weise einer es als ganzes umfassenden Bestimmung gesetzt. Diese Bestimmung kann selbst nicht mehr durch die besonderen Kategorien und Grundsätze angegeben werden, in denen sich die transzendentale Reflexion ihre Auslegung zunächst gibt, diese Bestimmung, in der das Geschehen der transzendentalen Reflexion als solches auf die Weise der Auslegung sein soll, muß selbst wieder die Bedingung der Möglichkeit für das Sichdarstellen des begriffenen Bestimmten unter den Kategorien und Grundsätzen sein. Diese Bestimmung, aus der sich die Bestimmungen, in denen die Kategorien und Grundsätze stattfinden, selbst erst verstehen, kann von diesen Kategorien und Grundsätzen her nur als das Abstrakt-Allgemeine angegeben werden, das ihnen allen zukomme; dies Abstrakt-Allgemeine aber geht dann gerade auf das Geschehen der transzendentalen Reflexion als solches. Dieses Abstrakt-Allgemeine, diese Bestimmung, die jedem Begriffenen zukommt, sofern es unter den Kategorien und Grundsätzen begriffen ist, ist die Bestimmung, daß es als Begriffenes das Geschehen des „Ich denke" sei. In den Kategorien und Grundsätzen legt die transzendentale Reflexion sich durch das messende Begreifen zunächst nur aus, sofern sie auf die Weise des Fürsichgeltens des begriffenen Bestimmten und als dies Fürsichgelten sie selbst ist; im „Ich denke" legt sie sich aus, sofern sie das Geschehen des Determinationsbegriffes als Reflexionsbegriff ist; sie legt sich in ihrem Geschehen als solchem aus. Dieser zweite Akt der Auslegung kann aber nur von der ersten Auslegung, wie sie durch die Kategorien und Grundsätze statthat, her geschehen; und von hier aus kann sie nur so geschehen, daß die Kategorien und Grundsätze

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von sich aus in das Abstrakt-Allgemeine erhoben werden, das sie alle in ihrem Bestimmtsein charakterisiert. Das metaphysische Denken konnte im begriffenen Bestimmten zur unbedingten Bedeutung des Wissens dadurch gelangen, daß es vom Einzelnen zum Gattungsbegriff und schließlich zum Begriffe der Identität aufstieg; die transzendentale Reflexion, die sich selbst durch das messende Begreifen auslegt, kann das Geschehen der unbedingten Bedeutung als solches nur meinen, indem sie sich von dem bloßen Fürsichgelten des begriffenen Bestimmten, als das diese Bedeutung in den Kategorien und Grundsätzen ist, zu der als Fürsichgelten gesetzten allgemeinen Bestimmung dieses Fürsichgel tens erhebt. Diese allgemeine Bestimmung des in den Kategorien und Grundsätzen angegebenen Bestimmten ist, daß es das Geschehen der transzendentalen Einheit der Apperzeption oder des „Ich denke" sei. Diese Einheit ist daher eine noch höhere Bestimmung, als sie in den Kategorien und Grundsätzen angetroffen werden kann. Aber diese höhere Einheit ist nur eine Einheit der Abstraktion, durch die das Geschehen der transzendentalen Reflexion als bloßes Fürsichgelten des begriffenen Bestimmten gar nicht gewandelt wird. So wie schon die Kategorien und Grundsätze als Bestimmungen des messenden Begreifens nicht eigentlich mehr durch ein „Was", sondern nur durch das „Daß" eben der durch das Messen am Bestimmten gesetzten Bestimmung (als einer gesetzlichen Bestimmung) angegeben werden, so kann auch diese höhere Einheit nur als ein „Daß", nicht aber als ein Etwas angegeben werden. Die transzendentale Einheit der Apperzeption oder das „Ich denke" ist nicht ein Etwas, sondern findet nur als ein „Daß" am „Was" des begriffenen Bestimmten statt. Dieses „Daß" aber des „Ich denke" ist nichts als die abstrakt allgemeine Setzung des „Daß", das schon in den Kategorien und Grundsätzen liegt, sofern sie durch das messende Begreifen als Bestimmungen am begriffenen Bestimmten gesetzt sind. Allerdings, auch in dieser Setzung des „Daß" des „Ich denke" durchschaut sich die transzendentale Reflexion selbst. Und daß sie so über die Auslegung, die sie sich selbst gegeben hat, immer auch erhoben ist, das kann nun auf die Weise der Auslegung selbst auch noch zum Ausdruck kommen. So finden sich in der transzendentalen Doktrin in bezug auf das Geschehen der transzendentalen Reflexion als solcher gleichsam drei einander überlagernde Schichten. Der Vollzug der transzendentalen Reflexion geschieht als solcher; die transzendentale Reflexion legt sich selbst durch das messende Begreifen als die höhere Einheit des „Ich denke" aus; diese höhere Einheit des „Ich denke" ist, ohne daß dazu noch ein besonderer Akt des Raisonnements geschähe, als Übereinkommen mit dem unmittelbaren Vollzug der transzendentalen Reflexion gesetzt, der als solcher auch von der Auslegung, die er sich selbst gegeben hat, unberührt bleibt, und diese Setzung des Übereinkommens wird selbst auf die Weise der Auslegung der transzendentalen Reflexion durch das „Ich denke" vorstellig gemacht: Insofern das „Ich denke" doch auch Übereinkommen mit dem Geschehen der transzendentalen Reflexion ist, — und es kann dies sein, da das begriffene Bestimmte doch immer auch das Geschehen der unbedingten Bedeutung in sich hält —, und insofern es

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diese Übereinkunft von sich her, d. h. in seiner Unangemessenheit zum Geschehen der transzendentalen Reflexion, darstellt, insofern kann sich das „Ich denke" selbst als das unbedingte Bestehen angeben, dessen „Daß" nicht einfach ein „Daß" der Abstraktion sei, sondern das begriffene Bestimmte selbst als solches bedeute. Diese Übereinkunft des „Daß" des „Ich denke" und des Sichvollziehens der transzendentalen Reflexion als das begriffene Bestimmte geschieht unmittelbar und ohne Raisonnement, und es kann über ihr Geschehen in der transzendentalen Doktrin nichts ausgesagt werden. So tritt aus der Mischung des unmittelbaren Vollzuges der transzendentalen Reflexion und der Auslegung, die sie sich selbst gibt, indem diese sich auch noch zum Erklärungsprinzip des Vollzuges, der als solcher ungehindert fortbesteht, macht, das merkwürdige Resultat des Begreifens auf, daß ein Abstraktum, eine „höhere Einheit", nämlich das bloße „Daß" des „Ich denke" sich selbst zugleich auch als ein unbedingtes Bestehen dartut, ohne daß dies durch das Begreifen näher erschlossen werden könnte. Daß eine Abstraktion gerade dadurch, daß sie Abstraktion ist, das Sichangeben unbedingten Bestehens ist, das ist der letzte Schritt, den die transzendentale Reflexion, die sich selbst durch das messende Begreifen auslegt, machen kann. Hier bekommt ein Akt des abstrakten Begreif ens unmittelbar dingliche Bedeutung, und diese dingliche Bedeutung gibt er, obwohl sie nicht in ihn eingehen kann, doch von sich her als Bestehen überhaupt an. Das „Ich denke" wird auf diese Weise ein bestehendes „Daß", das doch kein „Was" ist, und in dem auf die Weise der Abstraktion doch gerade dasjenige angegeben ist, was für alles abstrakte Begreifen die vor ihm liegende Bedingung seiner Möglichkeit ist. Dieses Erstellen des „Ich denke" als eines unbedingten Bestehens, das doch kein Etwas, sondern nur ein „Daß" ist, ist kein Akt metaphysischer Reflexion, und es ist ebenso kein Akt der transzendentalen Reflexion. Die metaphysische Reflexion leitet allerdings auf das „Ich denke" als auf ein unbedingtes Bestehen, aber sie tut dies nicht durch Abstraktion, sondern indem sie im begriffenen Bestimmten und als es das Geschehen der unbedingten Bedeutung des Wissens erfährt. Der transzendentalen Reflexion kann das Geschehen der unbedingten Bedeutung des Wissens überhaupt nicht als ein besonderes Bestimmtes erscheinen, da ihr vielmehr die Determination als solche das Geschehen der Reflexion ist. Nur die Auslegung, die die transzendentale Reflexion sich selbst durch das messende Begreifen gibt, kann dadurch, daß sie das Geschehen des Determinationsbegriffes als Reflexionsbegriff durch ein vom Fürsichgelten des begriffenen Bestimmten hergenommenes Abstraktum auslegt, auf ein unbedingtes Bestehen führen, das doch nur ein „Daß" und eine bloße „Form" sei. — Gerade diese Selbstauslegung der transzendentalen Reflexion aber ist es, die das nachkantische Denken bestimmt hat, und die die Subtilität dieses Denkens, das auf die Weise der Abstraktion das unbedingte Bestehen findet, ausmacht. Das Verfahren des Raisonnements ist dabei immer nur ein Verfahren im messenden Begreifen und d. h. im bloßen Fürsichgelten des begriffenen Bestimmten, das nichts anderes meint als eben sich selbst in seinem Bestimmtsein. Aber dieses bloße Fürsichgelten eines Raisonnierens des wissenschaftlichen Bewußtseins ist doch 15 Kopper, Reflexion

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geeignet, durch sich das Geschehen der transzendentalen Reflexion, das Geschehen des Determinationsbegriffes als Reflexionsbegriff anzugeben, wenngleich, wie es dies könne, durch das Begreifen gerade nicht mehr hervorgehen kann. Und es ist offensichtlich, daß diese Art zu denken, sich dahin bewegen muß, daß ihr schließlich das Geschehen des unbedingten Bestehens gerade unter einem abstrakten Weltverständnis, das auf das Absurde und auf die Zufälligkeit schlechthin geht, erscheinen muß. c) Die M o d i f i z i e r u n g des G e s c h e h e n s der t r a n s z e n d e n t a l e n R e f l e x i o n als Sich v e r st e h e n Es ist, so scheint es, diese Situation der transzendentalen Reflexion, die Kant überhaupt erst dazu genötigt hat, die transzendentale Doktrin der Kritik der reinen Vernunft durch eine Doktrin der praktischen Vernunft so zu ergänzen, daß diese Doktrin der praktischen Vernunft von der der reinen Vernunft abgetrennt bleiben mußte. Die transzendentale Antinomik und die daraus sich ergebende transzendentale Doktrin, die Lehre von Raum und Zeit, von dem Geschehen des Wissens als Satz vom Grunde und damit als Wissen in der Erscheinung und als Noumenon im negativen Verstande scheinen sich doch ohne alle Trennung und gleichsam von selbst in eine Lehre auch von der praktischen Vernunft eben deswegen erweitern zu müssen, weil es ja um das Geschehen des Vorausgesetzten als die unbedingte Bedeutung des Wissens geht, und diese unbedingte Bedeutung des Wissens sich ebensowohl aus dem Fürsichgelten des begriffenen Bestimmten heraus und als es offenbart, wie auch das Fürsichgelten als Fürsichgelten schon das Geschehen der unbedingten Bedeutung sein muß. Was immer auch die Welt ist und was in ihr geschehen kann, ist das Geschehen des Vorausgesetzten als die unbedingte Bedeutung des Wissens, und alle Unterscheidungen, die dann für das Sein und für das Tun noch vorgenommen werden können, betreffen nur die besondere Durchführung der transzendentalen Reflexion, die das als Wissen stattfindende Weltgeschehen als solches ist, sofern es es selbst als Verstehen ist. Da lassen sich dann wohl für das strukturierende Begreifen, wie Kant dies auch in der Vorrede zur Grundlegung der Metaphysik der Sitten anzeigt, eine Metaphysik der Natur und eine Metaphysik der Sitten mit ihren besonderen Inhalten vorstellig machen, aber eine theoretische und eine praktische Vernunft lassen sich gerade nicht voneinander absondern, da vielmehr alle Unterscheidungen, die sich im Geschehen des Wissens als Verstehen überhaupt machen lassen, das Geschehen des Vorausgesetzten als die unbedingte Bedeutung des Wissens nur nach den Momenten erschließen, die in dem Ganzen dieses Geschehens immer schon liegen. Die Metaphysik der Natur und die Metaphysik der Sitten geben nur die Gestalten an, in denen sich dieses Geschehen, das in seiner Bedeutung immer schon in sich beschlossen ist, erfüllt; sie geben diese Gestalten in der transzendentalen

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Reflexion so an, daß sie nicht mehr unter der Form einer besonderen Auslegung der Welt und der Welterfahrung des Menschen erscheinen, sondern nur das ausdrückliche Sichvorstelligmachen des Wissens im Vorausgesetzten in seinen Strukturen selber sind, in den Strukturen, in denen sich das Dasein des Menschen als Wissen der Welt als solches erfüllt. Die Welt ist als ganze, als das Gegebensein der Dinge wie als das Tun der Menschen, das Geschehen des Vorausgesetzten als die unbedingte Bedeutung des Wissens, die sie selbst als Verstehen ist. Als dieses Geschehen ist sie das Sichdarstellen des Vorausgesetzten in den bestimmten Gestalten, aus denen heraus und in denen und als deren Fürsichgelten sich diese Bedeutung vollzieht. Was dann das Tun des Menschen in der Welt betrifft, so kann auch es immer nur Gestaltung des Geschehens des Determinationsbegriffes als Reflexionsbegriff sein, das ja eben das Dasein der Welt und das Dasein des Menschen in der Welt selbst ist, und die Metaphysik der Sitten, sofern sie aus der transzendentalen Reflexion entspringt, ist nichts als das Wissen dieses Tuns, sofern es es selbst als unverstelltes Verstehen ist. Innerhalb des in sich einigen Geschehens der transzendentalen Reflexion schließt sich so die Metaphysik der Sitten an die Metaphysik der Natur an. Sowohl die Metaphysik der Natur als auch die Metaphysik der Sitten zeigen an, wie das Geschehen der unbedingten Bedeutung des Wissens, das Verstehen ist, auf die Weise der Voraussetzung von dem Fürsichgelten des Bestimmten her in bezug auf dies Fürsichgelten und als es zum Austrag gebracht werden müsse, d. h. wie diese Bedeutung, die als solche in sich beschlossen und vollendet ist, sich als auf die Weise der Welt und des Daseins des Menschen in der Welt geschehendes Verstehen zur Durchführung bringt und darstellt. Eine neue oder erweiterte Lehre von dem Geschehen der transzendentalen Reflexion als solchem kann durch die Ausführung der transzendentalen Reflexion in den Gestaltungen, die sich das Verstehen im Vorausgesetzten auf die Weise des Vorausgesetzten selbst gibt, gerade nicht Zustandekommen. Im Verstehen geschieht vielmehr nur die Entfaltung des Geschehens der unbedingten Bedeutung des Wissens als die Gestalten, in denen es sich auf die Weise des Vorausgesetzten als es selbst vollzieht. Eine Unterscheidung der theoretischen und der praktischen Vernunft kann die transzendentale Reflexion als solche nicht in sich enthalten, sondern sie enthält in ihrer Ausführung nur die einzelnen Weisen, in denen die unbedingte Bedeutung des Wissens auf die Weise des Fürsichgeltens des Vorausgesetzten bestimmt ist. Kant fand sich eben deswegen genötigt, seine Lehre von der transzendentalen Reflexion in eine Lehre von der reinen theoretischen und eine Lehre von der praktischen Vernunft aufzugliedern, weil er die transzendentale Reflexion in den Kategorien und Grundsätzen und im „Ich denke" durch das messende Begreifen auf die Weise des Fürsichgeltens des Bestimmten festgelegt hatte und der transzendentalen Reflexion dadurch die Möglichkeit genommen hatte, sich rein und umfassend — ohne die Einschränkung auf das Bestimmtsein des Bestimmten — als das Geschehen der unbedingten Bedeutung des Wissens, das als Verstehen ist, auf die Weise der Voraussetzung zu erfahren. Die transzendentale Reflexion bringt 15·

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sich vielmehr selber durch die Auslegung, die sie sich in den Kategorien und Grundsätzen und im „Ich denke" gibt, in das bloße Fürsichgelten des begriffenen Bestimmten hinein und muß sich selbst durch das begriffene Bestimmte beschränken und fixieren. Auf diese Weise kann sie nun allerdings immer noch in gewissem Maße von dem Geschehen des Fürsichgeltens des begriffenen Bestimmten als die unbedingte Bedeutung des Wissens Rechenschaft ablegen, aber sie ist — in dieser Auslegung, die sie sich so gegeben hat —, nicht mehr dazu imstande, dem gerecht zu werden, daß das Fürsichgelten des Bestimmten gerade auch als solches das Geschehen des Verstehens in seiner unbedingten Bedeutung ist. Nur in einem neuen Ansätze des transzendentalen Raisonnements, das sich doch zugleich auch der Auslegung, die die transzendentale Reflexion sich selbst schon gegeben hat, als der Basis seines Begreifenkönnens bedienen muß, kann die Besinnung darauf, daß das Geschehen des begriffenen Bestimmten als solches das Geschehen der unbedingten Bedeutung ist, aufgefaßt und durchgeführt werden. Die Unterteilung also des Vernunftvermögens in eine theoretische und in eine praktische Vernunft, wie Kant sie vornimmt, betrifft so nicht eigentlich mehr die transzendentale Reflexion als solche, sondern ist der Ausdruck und die Folge der eigentümlichen Auslegung, die die transzendentale Reflexion sich in der Kritik der reinen Vernunft auferlegt und die macht, daß eine Unterscheidung, die als Unterscheidung der Metaphysik der Natur und der Metaphysik der Sitten nur eine Unterscheidung in der nachfolgenden Ausführung der in ihrer Bedeutung in sich beschlossenen transzendentalen Reflexion sein kann, in das Geschehen der transzendentalen Reflexion selbst hineingelegt werden muß, und dies nicht mit jener nachgeordneten Bedeutung bloß des Sichgestaltens der Reflexion im Vorausgesetzten, sondern als Charakteristikum für das Geschehen der transzendentalen Reflexion als solches. Da die transzendentale Reflexion sich in der Auslegung, die sie sich selbst in der transzendentalen Analytik gibt, immer auch schon durchschaut, so ist es ihr auch offenbar, daß die Unterscheidung der theoretischen von der praktischen Vernunft nur eine Unterscheidung ist, die aus dieser Auslegung fließt und die im Wesen der Vernunft als solcher letztlich nicht gegründet ist; aber die Durchführung der Doktrin kann nicht ohne diese Unterscheidung geschehen, die sogar durch ihre Durchführung immer mehr befestigt werden muß, wenngleich in eins damit auch das Bewußtsein darüber sich stärkt, daß diese Unterscheidung gar nicht sein dürfe. Die Durchführung aber der Lehre von der praktischen Vernunft muß durch die Auslegung, die sich die transzendentale Reflexion in der transzendentalen Analytik gegeben hat, bezeichnet bleiben, d. h. auch die Kritik der praktischen Vernunft kann in ihrer Lehre immer nur so verfahren, daß sie dem Geschehen der transzendentalen Reflexion, das hier das Geschehen des Bestimmtseins als unverstelltes Sichverstehen ist, eine Auslegung gibt, die durch das Fürsichgelten des begriffenen Bestimmten im messenden Begreifen bezeichnet ist. Daß das Geschehen des begriffenen Bestimmten als solches das Geschehen der unbedingten Bedeutung des Wissens, das es selbst als Verstehen ist, sei, das kann nur dadurch vorstellig gemacht werden, daß das

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Vorausgesetze auf die Weise seines Bestimmtseins dies sein Geschehen als die unbedingte Bedeutung des Wissens, die Verstehen ist, angibt. Dadurch aber ist das moralische Selbstbewußtsein, indem und obwohl es sein Sichverstehen in sich selbst, das als solches Weltbewußtsein ist, als in sich beschlossen ist, für sich selbst doch an die begriffene und verglichene besondere weltliche Konstellation, in der es sich vorfindet, gebunden, und seine Moralität wird ihm — der Auslegung nach — zur Nötigung, allgemeingültiges Handeln aus der Bindung an das Gelten einer besonderen Situation zu verstehen und hervorgehen zu lassen, in der der Mensch für sich selbst — seiner Selbstauslegung nach — als bloßes Individuum festgelegt ist. So ist das moralische Handeln zugleich das Handeln in der Vereinzelung und im Leiden an der Einsamkeit, aus der heraus der Mensch allein gut sein kann. Und es ist diese Vereinzelung des sittlich guten Menschen, die die Lehre von der praktischen Vernunft als im Wesen der Sittlichkeit selbst liegend vorstellig machen muß und die das Korrespondens zu der Lehre vom „Ich denke" darstellt, unter der sich die transzendentale Reflexion in der transzendentalen Analytik auslegt. Daß die transzendentale Reflexion sich auf das „Ich denke" festgelegt hat, nötigt sie dazu, nicht nur das Sichverstehen und Tun des Menschen von seinem Erkennen der Welt in der transzendentalen Doktrin abzusondern, sondern den Menschen auch zu einem Wesen werden zu lassen, das das Subjekt des kategorischen Imperativs nur aus der Vereinzelung heraus sein kann und in allem sittlichen Tun, worin sich ihm sein Sichverstehen als Mensch bestätigt, immer auch gerade diese Vereinzelung aushaken und übernehmen muß. Der Hang der Vernunft, der in der transzendentalen Analytik auf das „Ich denke" führt, der führt in der Kritik der praktischen Vernunft zu dem Leiden des Menschen an seiner Vereinzelung und an dem Verfallensein an diese Vereinzelung. Zugleich aber bleibt bestehen, daß dies immer nur die Auslegung betreffen kann, die die transzendentale Reflexion sich selbst gibt und in der sie sich selbst auch durchschaut, so daß sowohl das Geschehen des Erkennens als auch das Sichverstehen des Menschen und sein Tun zugleich auch in ihrer unbedingten Bedeutung durch sich unmittelbar so gelten, daß der Determinationsbegriff als solcher der Reflexionsbegriff ist, d. h das das Gegebensein der Welt und des Daseins des Menschen in ihr unmittelbar und ohne alle Auslegung durch ein besonderes Bestimmtes das Geschehen der unbedingten Bedeutung des Wissens als Verstehen ist. Und dies geschieht allerdings, aller Auslegung, die das Verstehen sich zusätzlich geben mag, unbeschadet, immer schon, wenn überhaupt der Mensch ist, aber in der transzendentalen Reflexion geschieht es eben so, daß dabei die falsche Auslegung für das Verstehen selbst schon fortgenommen ist, und wenn, wie es sich in der transzendentalen Doktrin der Kritik der reinen Vernunft und der Kritik der praktischen Vernunft verhält, eine solche Auslegung sich der transzendentalen Reflexion doch noch hinzufügt, so ist sie doch zugleich auch in der transzendentalen Reflexion selbst überwunden und das Verstehen ist doch als solches es selbst. Ihre eigentümlichen Schwierigkeiten sind der kantischen Transzendentalphilosophie dadurch erwachsen, daß sie es nicht vermeiden konnte, sich selbst auf die

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Weise der Kategorien und Grundsätze und des „Ich denke" auszulegen. Daß sie durch diesen Hang, sich selbst auszulegen, bestimmt ist, liegt aber daran, daß im Durchgang durch die transzendentale Antinomik die transzendentale Reflexion nur erlangt werden konnte, indem das Begreifen sich doch auch noch an das Fürsichgelten des Bestimmten in seinem Bestimmtsein hält und dies Verfahren, in dem die transzendentale Reflexion sich in gewisser Weise auch unangemessen bleiben muß, nicht überschritten werden kann. Die transzendentale Reflexion findet in gewisser Weise immer nur in der Unangemessenheit zu sich selbst statt. Aus dieser Unangemessenheit zu sich selbst, in der die transzendentale Reflexion befangen bleiben muß, entspringt dann ihr Hang, sich selbst auf die Weise des begriffenen Bestimmten auszulegen, und in diesem Hang, in dem es ihr um sich selbst als solche geht (während die Unangemessenheit zu sich selbst, in der sie sich anfänglich schon befindet, nur ihre Ausführung im begriffenen Bestimmten betrifft), muß dann liegen, daß sie sich in gewisser Weise gegen sich selbst kehrt, so daß sie sich darin selbst auch immer schon durchschaut. Durch diesen Hang aber der transzendentalen Reflexion, sich selbst auf die Weise des begriffenen Bestimmten auszulegen, tritt die philosophische Reflexion nun bleibend in die Versuchung ein, daß das Geschehen der unbedingten Bedeutung des Wissens sich als solches gegen sich selbst kehre und sich selbst als solches — in der unbedingten Bedeutung, die es ist — als ein Bestimmtes vorstellig machen zu können glaubt. Dieser Anspruch kann freilich immer nur im Denken, in der philosophischen Reflexion, geschehen, und er ist in dieser Reflexion auch immer schon durchschaut, aber er erlegt sich dem Sichverstehen des Menschen doch auf, der nun das unmittelbare Geschehen seines Daseins als Verstehen nicht mehr sein kann, ohne daß er in diesem Verstehen auch den Wahn, den er zugleich auch durchschaut, mittragen müßte. Der metaphysischen Reflexion ging es immer nur darum, die unbedingte Bedeutung auf die Weise des Vorausgesetzten recht zu verstehen; wenn sie dabei in der Unangemessenheit des Verstehens blieb, so ging es dem Verstehen doch immer nur darum, daß es rechtes Verstehen sei. In der nachkantischen dinglich gewendeten Transzendentalphilosophie aber sucht die als Verstehen geschehende unbedingte Bedeutung des Wissens sich selbst als solche auf die Weise des begriffenen Bestimmten zu fassen; das Verstehen, das seiner selbst in seiner unbedingten Bedeutung schon als solches inne ist, will sich selbst in der unbedingten Bedeutung, die es ist, und als sie als das bloße Fürsichgelten des Bestimmten, in dem das Verstehen geschieht, ohne als solches für sich sein zu können. Das begriffene Bestimme aber bekommt so den Charakter des in sich unbedingten Bestehens und dieses unbedingte Bestehen ist es, als das die philosophische Reflexion sich in ihrem Hang selbst will, indem sie zugleich durchschaut, daß sie über diesen ihren Hang immer auch erhoben ist. Die nachkantische Philosophie aber steht in dieser Versuchung anders, als es für die kantische Transzendentalphilosophie selbst gilt. Im kantischen Denken erwirbt sich die transzendentale Reflexion aus der transzendentalen Antinomik heraus, aus dieser ihrer Entstehung heraus ist diese philosophische Reflexion ihres trän-

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szendentalen Charakters immer unmittelbar inne und kann ihn auch dann, wenn sie der bestimmenden Auslegung nachgibt, nicht als dieses unmittelbare Geschehen verlieren. Dem nachkantischen Denken dagegen geht die transzendentale Reflexion, auf der heraus es sich anfänglich schon versteht, als solche immer schon in den Hang zur Auslegung durch das begriffene Bestimmte ein; hier gibt es keinen Zustand der transzendentalen Reflexion, in dem sie von dieser Auslegung noch frei wäre und dessen sie sich auch im Vollzug solcher Auslegung immer noch erinnern müßte, sondern hier will sich die philosophische Reflexion als solche als dieser Hang und weiß sich als das Bekenntnis zu diesem Hang. Und nur indem sie als dieses Bekenntnis ist und sich als dieses Bekenntnis will, da durchschaut sie sich auch selbst und weiß, daß sie durch diesen Hang nicht gebunden ist, aber sie kann diesem Wissen auf die Weise des Vollzugs der Reflexion selbst keinen Ausdruck verleihen. Die Reflexion ist das Bekenntnis, das unwahr ist, und gegen dieses Bekenntnis steht nur das Bekenntnis, das das Leben selbst ist, das immer schon an dieser Reflexion leidet und, indem es sie erträgt, doch auch von ihr los ist.

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Gerhard Funke Joachim Kopper (Herausgeber)

Inge Krebs

\Äer de Gruyter Berlin-Newark Kant-Studien Philosophische Zeitschrift der Kantgesellschaft In Verbindung mit Ingeborg Heidemann und unter Mitwirkung von L. W. Beck, . Beiaval, O. F. Bollnow, D. P. Dryer, H.-G. Gadamer, H. Glockner, F. Grayeff, H. Heimsoeth, F. Kaulbach, R. Klibansky, L. Landgrebe, G. Lehmann, R. Malter, R. M. Martin, E. Ortigues, H. Plessner, P. Ricoeur, F.-J. von Rintelen, P. A. Schupp, G. Schischkoff, G. Schrader, J. R. Silber, G. Tonelli, H. J. de Vleeschauwer, H. Wagner, W. H. Walsh. Erscheinungsweise: jährlich l Band mit 4 Heften Format: 16,5x23,5 cm. Umfang: 512 Seiten pro Band. Bandpreis: DM 76,-; Einzelheft: DM 21,1976: Band 67.

Paul Natorps Ästhetik Groß-Oktav. XII, 327 Seiten. 1976. Ganzleinen DM 72,ISBN 3 11 006587 8 (Kant-Studien-Ergänzungsheft 109)

Rainer Stuhlmann-Laeisz

Kants Logik Eine Interpretation auf der Grundlage von Vorlesungen, veröffentlichten Werken und Nachlaß Groß-Oktav. VIII, 123 Seiten. 1976. Ganzleinen DM 52,ISBN3 11 005840 5 (Quellen und Studien zur Philosophie, Band 9)

Kants Werke Akademie-Textausgabe Unveränderter photomechanischer Abdruck des Textes der von der Preußischen Akademie der Wissenschaften 1902 begonnenen Ausgabe von Kants gesammelten Schriften. 9 Bände. Oktav. 1968. Kartoniert zusammen DM 140,— ISBN 3 11 001433 5 Die Bände sind auch einzeln lieferbar. Preise zwischen DM 10,70 und DM 17,80 Preisänderungen vorbehalten.