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German Pages [404] Year 2011
¨ DTEFORSCHUNG STA Vero¨ffentlichungen des Instituts fu¨r vergleichende Sta¨dtegeschichte in Mu¨nster begru¨ndet von Heinz Stoob in Verbindung mit
U. Braasch-Schwersmann, W. Ehbrecht, H. Heineberg, P. Johanek, M. Kintzinger, A. Lampen, R.-E. Mohrmann, E. Mu¨hle, F. Opll und H. Schilling herausgegeben von
We r n e r F r e i t a g Reihe A: Darstellungen Band 81
¨ NDUNGEN IM RECHTSSTADTGRU MITTELALTERLICHEN POLEN herausgegeben von E d u a r d M u¨ h l e
2011 ¨ HLAU VERLAG KO ¨ LN WEIMAR WIEN BO
Eine Publikation in Kooperation mit dem Deutschen Historischen Institut in Warschau.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet u¨ber http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Umschlagabbildung: Siegel der Stadt Krakau (14.–15. Jahrhundert) mit der Abbildung dreier Stadttu¨rme und eines großen Stadttores als Ausdruck der Autonomie einer kommunalen Rechtsstadt; neben dem mittleren Turm rechts der hl. Stanisław, links der hl. Wenzel als sta¨dtische Schutzpatrone. Die Umschrift lautet COnSVLVM ET COMVnITATIS CIVITATIS CRACOVIE. (Original im Hauptarchiv der alten Akten [Archiwum Gło´wne Akt Dawnych], Warschau, ZDP Nr. 5024)
c 2011 by Bo¨hlau Verlag GmbH & Cie, Ko¨ln Weimar Wien Ursulaplatz 1, D-50668 Ko¨ln, www.boehlau.de Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschu¨tzt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzula¨ssig. Redaktion: Institut fu¨r vergleichende Sta¨dtegeschichte, Mu¨nster http://www.uni-muenster.de/Staedtegeschichte Layout und Satz: Peter Kramer Buch & Satz, Mu¨nster Druck und Bindung: Strauss GmbH, Mo¨rlenbach Gesetzt aus der Linotype Stempel Garamond 10pt. Gedruckt auf chlor- und sa¨urefreiem Papier. Printed in Germany ISBN 978-3-412-20693-2
INHALT
Verzeichnis der Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
VII
Eduard Mu¨hle Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
Sławomir Gawlas Fu¨rstenherrschaft, Geldwirtschaft und Landesausbau. Zum mittelalterlichen Modernisierungsprozess im piastischen Polen . . . . . . . . . . . . . . . . .
13
Sławomir Gawlas Die Lokationswende in der Geschichte mitteleuropa¨ischer Sta¨dte . . . . . .
77
Marek Słon´ Fundatio civitatis. Sta¨dtische Lokation und kirchliches Stiftungsprogramm in Breslau, Krakau und Posen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
107
Jerzy Rozp˛edowski Breslau zur Zeit der ersten Lokation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
127
Jerzy Piekalski Die Lokation Breslaus als archa¨ologisches Forschungsproblem . . . . . . .
139
Mateusz Golinski ´ Zu den ra¨umlichen Vera¨nderungen Breslaus nach der Lokation . . . . . . .
157
Stanisław Rosik Zur Genese und Funktion so genannter Neusta¨dte in Schlesien im 13. und 14. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
169
˙ Mateusz Golinski ´ und Ro´scisław Zerelik Die Kontroverse um die Lokation von Liegnitz . . . . . . . . . . . . . . . .
181
VI
Inhalt
Tomasz Jurek Die Stadtlokationen auf den Gu¨tern der Herren von Pogarell im 13. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
205
Tomasz Jurek Der Posener Lokationsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
223
Jerzy Wyrozumski Eine Lokation oder mehrere Lokationen Krakaus nach deutschem Recht? .
245
Bogusław Krasnowolski Muster urbanistischer Anlagen von Lokationssta¨dten in Kleinpolen. Forschungsstand, Methoden und Versuch einer Synthese . . . . . . . . . . . .
275
Roman Czaja Sta¨dte und Bu¨rgertum in den polnischen La¨ndern an der Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
323
Andrzej Janeczek Wie oft wurde Przemy´sl gegru¨ndet? Zur Genese sta¨dtischer Gemeinden in der Haliˇcer Rus’ im 13.–14. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
339
Andrzej Janeczek Die Modernisierung der Sta¨dte Rutheniens. Die Reformen des 14.–16. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
355
Henryk Samsonowicz Wer traf die Entscheidungen in den selbstverwalteten Sta¨dten des mittelalterlichen Polen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
373
Index der Orts- und Personennamen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
385
VERZEICHNIS DER AUTOREN
Czaja, Roman, Dr. hab., Professor fu¨r Mittelalterliche Geschichte an der NikolausKopernikus-Universita¨t in Thorn. Gawlas, Sławomir, Dr. hab., Professor fu¨r Historische Hilfswissenschaften und Methodologie an der Universita¨t Warschau. Golinski, ´ Mateusz, Dr. hab., Professor fu¨r Polnische und Allgemeine Geschichte bis zum ausgehenden 15. Jahrhundert an der Universita¨t Breslau. Janeczek, Andrzej, Dr. hab., Dozent und Leiter des Seminars fu¨r Geschichte der materiellen Kultur am Institut fu¨r Archa¨ologie und Ethnologie der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Warschau. Jurek, Tomasz, Dr. hab., Professor fu¨r mittelalterliche Geschichte am Institut fu¨r Geschichte der Polnischen Akademie der Wissenschaften, Abteilung Posen. Krasnowolski, Bogusław, Dr. hab., Professor fu¨r mittelalterliche Kunstgeschichte an der Pa¨dagogischen Universita¨t und der Matejko-Kunstakademie in Krakau. Mu¨hle, Eduard, Dr. hab., Professor fu¨r Geschichte Ostmittel- und Osteuropas an der Westfa¨lischen Wilhelms-Universita¨t Mu¨nster und Direktor des Deutschen Historischen Instituts in Warschau. Piekalski, Jerzy, Dr. hab., Professor fu¨r Archa¨ologie an der Universita¨t Breslau. Rosik, Stanisław, Dr., wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl fu¨r Polnische und Allgemeine Geschichte bis zum ausgehenden 15. Jahrhundert an der Universita¨t Breslau. Rozpedowski, ˛ Jerzy, Dr. hab., em. Professor am Institut fu¨r Architekturgeschichte der Technischen Universita¨t Breslau. Samsonowicz, Henryk, Dr. hab., em. Professor fu¨r mittelalterliche Geschichte und ehemaliger Rektor der Universita¨t Warschau, Pra¨sidiumsmitglied der Polnischen Akademie der Wissenschaften, Professor an der Akademie der Geisteswissenschaften in Pułtusk. Słon, ´ Marek, Dr., wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut fu¨r Geschichte der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Warschau. Wyrozumski, Jerzy, Dr. hab., em. Professor fu¨r Geschichte des Mittelalters an der Jagiellonen-Universita¨t Krakau, Generalsekreta¨r der Polnischen Akademie der Gelehrsamkeit in Krakau und Pra¨sidiumsmitglied der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Warschau. ˙ Zerelik, Ro´scisław, Dr. hab., Professor fu¨r Geschichte des Mittelalters und Direktor des Instituts fu¨r Geschichte der Universita¨t Breslau.
EINLEITUNG von Eduard Mu¨hle
Als der hochmittelalterliche Landesausbau im 13. Jahrhundert Polen erreichte, fu¨hrte er – wie u¨berall in den von ihm erfassten europa¨ischen Landschaften – auch in den piastischen Herzogtu¨mern eine grundlegende Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft herbei. Zu den Innovationen geho¨rte, dass bestehende Markt- und Burgsiedlungen durch ‚Lokationen‘ topographisch reorganisiert, o¨konomisch zu multifunktionalen Handels- und Gewerbezentren erweitert, durch den Zustrom fremder und einheimischer Siedler ethnisch und sozial diversifiziert und mit der Adaptierung neuer Rechtsnormen und der Etablierung von Selbstverwaltungsstrukturen ¨ ber Ursachen, Formen zu kommunalen Rechtssta¨dten weiterentwickelt wurden. U und Verlauf dieses komplexen Vorgangs, der auch zur Anlage ganz neuer sta¨dtischer Siedlungen fu¨hrte, haben polnische und deutsche Historiker im vergangenen Jahrhundert lange Zeit heftig gestritten. Ihre von politischen Gegenwartsinteressen und modernen nationalistischen Voreingenommenheiten geleitete Kontroverse oszillierte zwischen der so genannten Kolonisationstheorie, die das Aufkommen der mittelalterlichen Stadt bei den Westslaven als Ergebnis eines west-o¨stlichen, in erster Linie von ‚deutschen Kulturtra¨gern‘ herbeigefu¨hrten Zivilisationsschubs deutete,1 und der so genannten Evolutionstheorie, die die polnische Stadt des Mittelalters als Produkt einer eigensta¨ndigen, autochthonen, in erster Linie sozial-o¨konomischen Entwicklung ansah.2 Die bereits in den spa¨ten 1950er Jahren, dann vor allem im Ver-
1 Vgl. etwa Georg von Below, Das a¨ltere deutsche Sta¨dtewesen und Bu¨rgertum, Bielefeld 1898, bes.
S. 17; Karl Hampe, Der Zug nach dem Osten. Die kolonisatorische Großtat des deutschen Volkes im Mittelalter, Leipzig 1921, bes. S. 41; Herman Aubin, Die geschichtliche Stellung der ostdeutschen Wirtschaft, in: Vortra¨ge zur 700-Jahrfeier der Deutschordens- und Hansestadt Elbing, hg. v. Hermann Kownatzki, Elbing 1937, S. 39–65, bes. S. 43. 2 Die von einer „Stadt zu polnischem Recht“ ausgehende Theorie wurde erstmals vertreten von Franciszek Bujak, Studia nad osadnictwem Małopolski [Studien zur Besiedlung Kleinpolens], Krako´w 1905, dann weiter entwickelt von Kazimierz Tymieniecki, Zagadnienie poczatko ˛ ´ w miast w Polsce [Das Problem der Anfa¨nge der Sta¨dte in Polen], in: Przeglad ˛ Historyczny 21 (1917–1918), S. 319–345, und Karol Maleczynski, ´ Najstarsze targi w Polsce i ich stosunek do miast przed kolonizacja˛ na prawie niemieckim, Lwo´w 1926 [deutsche Ausgabe: Die a¨ltesten Ma¨rkte in Polen und ihr Verha¨ltnis zu den Sta¨dten vor der Kolonisation nach dem deutschen Recht, Breslau 1930]. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurden diese Ansichten zu einer extremen Position zugespitzt, die die Lokationsprozesse des 13. Jahrhunderts nur noch als einen marginalen Nebenaspekt der autochthonen Stadtentwicklung ansah, etwa bei Henryk Mu¨nch, Geneza rozplanowania miast wielkopolskich XIII i XIV wieku [Die Genese der Plananlage großpolnischer Sta¨dte des 13. und 14. Jahrhunderts], Krako´w 1946, oder Andrzej W˛edzki,
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Eduard Mu¨hle
lauf der 1960er–70er Jahre sukzessive entscha¨rfte Kontroverse3 ist mit dem Wegfall des deutsch-polnischen Antagonismus in den 1980er–90er Jahren vollends obsolet geworden. Die in ihrem Verlauf vertretenen Thesen und Argumente sind unterdessen wiederholt resu¨miert4 und auch ihre geschichtspolitischen Motive und historiographiegeschichtlichen Hintergru¨nde mittlerweile in ersten traditionskritischen Analysen erhellt worden.5
´ Poczatki ˛ reformy miejskiej w s´ rodkowej Europie do połowy XIII wieku (Słowianszczyzna Zachodnia) [Die Anfa¨nge der Stadtreform in Mitteleuropa bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts (Das Westslawentum)], Warszawa 1974. 3 Die hierfu¨r maßgeblichen Beitra¨ge kamen auf der deutschen Seite von Herbert Ludat, Vorstufen und Entstehung des Sta¨dtewesens in Osteuropa. Zur Frage der vorkolonialen Wirtschaftszentren im slavisch-baltischen Raum, Ko¨ln-Braunsfeld 1955; ders., Zum Stadtbegriff im osteuropa¨ischen Bereich, in: Vor- und Fru¨hformen der europa¨ischen Stadt im Mittelalter. Teil 1, hg. v. Herbert Jankuhn u. a., Go¨ttingen 1972, S. 77–91; Walter Schlesinger, West und Ost in der deutschen Verfassungsgeschichte des Mittelalters, in: Festgabe fu¨r Paul Kirn zum 70. Geburtstag dargebracht von Freunden und Schu¨lern, hg. v. Ekkehard Kaufmann, Berlin 1961, S. 111–131; auf der polnischen Seite von Karol Buczek, Targi i miasta na prawie polskim (Okres wczesno´sredniowieczny) [Ma¨rkte und Sta¨dte zu polnischem Recht (fru¨hmittelalterliche Periode)], Wrocław 1964, und Benedykt Zientara, Przemiany społeczno-gospodarcze i przestrzenne miast w dobie lokacji, in: Miasta doby feudalnej w Europie s´ rodkowo- wschodniej. Przemiany społeczne a układy przestrzenne, hg. v. Aleksander Gieysztor/Tadeusz Rosłanowski, Warszawa 1976, S. 67–97 [deutsche Version: Die sozialen, wirtschaftlichen und ra¨umlichen Vera¨nderungen der Sta¨dte in der Zeit der Lokation, in: Altsta¨ndisches Bu¨rgertum. Band 3: Siedlungsgestalt und bauliches Geha¨use, hg. v. Heinz Stoob, Darmstadt 1989, S. 265–298]. 4 Herbert Ludat, Zur Evolutionstheorie der slavischen Geschichtsforschung am Beispiel der osteuropa¨ischen Stadt, in: Aus Natur und Geschichte Mittel- und Osteuropas, Gießen 1957, S. 96–115; Thomas Sporn, Die ‚Stadt zu polnischem Recht‘ und die deutschrechtliche Gru¨ndungsstadt, Frankfurt a. M. 1978; Jan M. Piskorski, Stadtentstehung im westslawischen Raum. Zur Kolonisations- und Evolutionstheorie, in: Zeitschrift fu¨r Ostmitteleuropa-Forschung 44 (1995), S. 317–357, bes. S. 317–338; Peter Johanek, ‚Ostkolonisation‘ und Sta¨dtegru¨ndung – Kolonialsta¨dte in Ostmitteleuropa?, in: Kolonialsta¨dte – Europa¨ische Enklaven oder Schmelztiegel der Kulturen?, hg. v. Horst Gru¨nder/ Peter Johanek, Mu¨nster 2001, S. 27–50; Winfried Schich, Die Bildung der Sta¨dte im westslawischen Raum in der Sicht der a¨lteren und ju¨ngeren Forschung, in: Konzeptionelle Ansa¨tze der Hanse-Historiographie, hg. v. Eckhard Mu¨ller-Mertens, Trier 2003, S. 115–140; Roman Czaja, Bilanz und Perspektiven der polnischen Sta¨dteforschung, in: Stadt und Region. Internationale Forschungen und Perspektiven, hg. v. Heinz Duchhardt/Wilfried Reininghaus, Ko¨ln u. a. 2005, S. 13–30, bes. S. 15–17; ´ Marta Młynarska-Kaletynowa, O procesach lokacyjnych miast w Europie Srodkowo-Wschodniej [Zu den sta¨dtischen Lokationsprozessen in Ostmitteleuropa], in: Procesy lokacyjne miast w Europie ´ Srodkowo-Wschodniej, hg. v. Cezary Bu´sko u. a., Wrocław 2006, S. 9–17. 5 Jo¨rg Hackmann/Christian Lu¨bke, Die mittelalterliche Ostsiedlung in der deutschen Geschichtswissenschaft, in: Historiographical Approaches to Medieval Colonization of East Central Europe. A Comparative Analysis against the Background of Other European Inter-Ethnic Colonization Processes in the Middle Ages, hg. v. Jan M. Piskorski, Colorado 2002, S. 179–217; Markus Krzoska, Fu¨r ein Polen an Oder und Ostsee. Zygmunt Wojciechowski (1900–1955) als Historiker und Publizist, Osnabru¨ck 2003, S. 121–130; Eduard Mu¨hle, Fu¨r Volk und Deutschen Osten. Der Historiker Hermann Aubin und die deutsche Ostforschung, Du¨sseldorf 2005, S. 499–584; Karin Reichenbach, Die schlesische Burgwallforschung zwischen 1900 und 1970. Forschungskonjunkturen und geschichtliche Diskurse, in: Politik und Wissenschaft in der pra¨historischen Archa¨ologie. Perspektiven aus Sachsen, Bo¨hmen und Schlesien, hg. v. Judith Schachtmann u. a., Go¨ttingen 2009, S. 219–235; Heiner Lu¨ck, „Deutsches Recht im Osten“. Strukturen, Kontexte und Wirkungen eines sensiblen Forschungsthemas (19. Jh. bis 1990), in: Zeitschrift fu¨r Rechtsgeschichte. Germanistische Abteilung 126 (2009), S. 175–206.
Einleitung
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Angesichts des Verblassens der einstigen Emotionen und der la¨ngst selbstversta¨ndlichen unaufgeregt-nu¨chternen Herangehensweise an das Thema mag sich gelegentlich der Eindruck einstellen, als sei das Problem der mittelalterlichen Stadtwerdung im o¨stlichen Europa bzw. im piastischen Polen als Forschungsgegenstand heute weitgehend erscho¨pft und perspektivlos geworden.6 Dieser Eindruck ta¨uscht. Gewiss hat sich – blicken wir an dieser Stelle nur auf die polnische Forschung – das stadtgeschichtliche Interesse inzwischen weit von der unproduktiven Dichotomie ‚koloniale deutsche Rechtsstadt‘ versus ‚autochthone Stadt zu polnischem Recht‘ entfernt und la¨ngst andere Fragestellungen entwickelt. Neue methodische Ansa¨tze der Media¨vistik und die erweiterten Mo¨glichkeiten der Stadtarcha¨ologie, wie sie – wenn auch zumeist nur in dem beschra¨nkten Umfang so genannter Rettungsgrabungen – im Zuge der ju¨ngeren Innenstadterneuerungen ero¨ffnet wurden,7 haben neue Probleme aufgeworfen und die Forschung in andere Richtungen gelenkt. So sind Fragen nach der sta¨dtischen Lebenswelt in Alltag und Hochkultur, nach der sozialen und sakralen Topographie, nach sta¨dtischen Nachbarschafts-, Religions- und Berufsgemeinschaften, nach der sozialen Kommunikation und politischen Repra¨sentation innerhalb und zwischen den Sta¨dten, nach ihren Eliten und deren Identita¨t vielfach in den Vordergrund des Interesses getreten.8 Dessen ungeachtet bleibt die Frage nach der mittelalterlichen Genese der polnischen Stadt, nach ihrer topographischen, sozialen und rechtlichen Formierung und Ausgestaltung ein nach wie vor attraktives, weil noch lange nicht vollsta¨ndig gelo¨stes Forschungsproblem. Die Auseinandersetzung mit diesem Problem hat in den letzten Jahren denn auch nicht nachgelassen, im Gegenteil in vieler Hinsicht neue Impulse erfahren. So wurden einzelne lokale Lokationsvorga¨nge erneut na¨her oder u¨berhaupt erstmals untersucht, fu¨r verschiedene Regionen neue zusammenfassende Gesamtdarstellungen vorgelegt und auch die besonders wichtigen Zusammenha¨nge zwischen der Intensivierung und Modernisierung der piastischen Territorialherrschaft und der Ausbildung der kommunalen Rechtsstadt sowie eines mittelalterlichen polnischen Sta¨dtenetzes eingehender beleuchtet.9
6 Vgl. den einleitenden Hinweis von Bogusław Krasnowolski, Urbanistische Anlagen von Lokati-
onssta¨dten in Kleinpolen. Forschungsstand, Methoden und Versuch einer Synthese, in diesem Band S. 275–321, hier S. 275. 7 Vgl. die vielfa¨ltigen Beispiele ju¨ngster Forschungsergebnisse in: Stan badan´ archeologicznych miast w ´ Polsce [Der Stand der archa¨ologischen Sta¨dteforschungen in Polen], hg. v. Henryk Paner u. a., Gdansk 2009. 8 Eine ausfu¨hrlichere Ero¨rterung dieser neueren Forschungstrends bei Halina Manikowska, Miasta i ´ mieszczanstwo na ziemiach Polski w s´ redniowieczu – postulaty i perspektywy badawcze [Stadt und Bu¨rgertum in Polen im Mittelalter – Postulate und Forschungsperspektiven], in: Pytania o s´ redniowiecze. Potrzeby i perspektywy badawcze polskiej mediewistyki, hg. v. Wojciech Fałkowski, Warszawa 2001, S. 99–127; Czaja, Bilanz (wie Anm. 4), S. 24–29; Młynarska-Kaletynowa, O procesach (wie Anm. 4), S. 15–17; Roman Czaja, Die Gestaltung des Stadtraumes und das Sozialgefu¨ge mittelalterlicher Sta¨dte am Beispiel Polens, in: Europa¨ische Sta¨dte im Mittelalter, hg. v. Ferdinand Opll/Christoph Sonnlechner, Innsbruck u. a. 2010, S. 203–216. 9 In Erga¨nzung zu den zahlreichen einschla¨gigen Arbeiten, die in den nachfolgenden Aufsa¨tzen dieses Bandes angefu¨hrt werden, sei hier zusa¨tzlich beispielhaft nur auf einige dort noch nicht erfasste ju¨ngste Arbeiten verwiesen: Tadeusz Nowakowski, Lokacja i układ urbanistyczny Bydgoszczy na tle prze-
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Eduard Mu¨hle
Vor diesem Hintergrund erscheint es lohnend, die allgemeine Stadtgeschichtsforschung, die in ihrer Rezeption polnischer Forschungstrends nach wie vor durch eine erhebliche Sprachbarriere behindert wird, mit der ju¨ngeren polnischen Diskussion u¨ber die Voraussetzungen, Anfa¨nge und Ausgestaltung der kommunalen Rechtsstadt im mittelalterlichen Polen na¨her vertraut zu machen. Das geschieht in diesem Band mit einer Auswahl von 16 Aufsa¨tzen aus der Feder von 13 zeitgeno¨ssischen polnischen Historikern, Archa¨ologen, Architektur- und Kunsthistorikern; 12 der Aufsa¨tze sind im polnischen Original zwischen 2002 und 2008 erschienen; in vier Fa¨llen wurde auf a¨ltere Arbeiten aus den Jahren 1994 und 1995 zuru¨ckgegriffen. Die getroffene Auswahl ist naturgema¨ß begrenzt und subjektiv. Sie ist geographisch auf das Gebiet der im 13.–14. Jahrhundert piastisch beherrschten Herzogtu¨mer beschra¨nkt, nach Osten hin aber um das von Kasimir dem Großen seit den 1340er Jahren sukzessive hinzugewonnene Ruthenien erweitert. Das zum heutigen Polen geho¨rende Gebiet des mittelalterlichen Pommern und des seit den 1230er Jahren entstandenen Deutschordenslandes bleiben dagegen weitgehend unberu¨cksichtigt; diese Gebiete ¨ berblicksbeitra¨gen von Sławomir Gawlas und geraten lediglich am Rande in den U 10 Roman Czaja mit in den Blick.
mian gospodarczych w XIV wieku, in: Kwartalnik Historii Kultury Materialnej 53 (2005), 1, S. 17–33; Bogusław Czechowicz, Watki ˛ ideowe w programowaniu lokacyjnego Wrocławia. Rola sacrum w topografii trzynasto- i czternastowiecznego miasta [Ideelle Aspekte im Programm des lokationszeitlichen Breslau. Die Rolle des sacrum in der Topographie der Stadt im 13. und 14. Jahrhundert], in: Pro´ ´ askiej cesy lokacyjne miast (wie Anm. 4), S. 167–174; Grzegorz Borowski, Poczatki ˛ Srody Sl ˛ w s´ wietle ´ ´ deł archeologicznych [Die Anfa¨nge von Neumarkt im Lichte der archa¨ologischen Quellen], in: zro ebd., S. 385–394; Feliks Kiryk, Woko´ł lokacji miasta Bochnia na tle urbanizacji Małopolski [Zur Lokation der Stadt Bochnia vor dem Hintergrund der Urbanisierung Kleinpolens], in: Miasta – Ludzie – ˙ Instytucja – Znaki. Ksi˛ega jubileuszowa ofiarowana Profesor Bozenie Wyrozumskiej w 75. rocznic˛e urodzin, hg. v. Zenon Piech, Krako´w 2008, S. 135–140; Janusz Bieniak, Poczatki ˛ miasta w Lubieniu ´ Kujawskim [Die Anfa¨nge der Stadt Lubien´ Kujawski], in: ebd., S. 141–147; Wojciech Dominiak, Sredniowieczne lokacje Opola [Die mittelalterliche Lokation von Oppeln], in: Miasto czyni wolnym. W 790. rocznic˛e lokacji Opola (ok. 1217–2007), hg. v. Anna Pobo´g-Lenartowicz, Opole 2008, S. 75–83; ´ ´ aska Rafał Eysymontt, Kod genetyczny miasta. Sredniowieczne miasto lokacyjne Dolnego Sl ˛ na tle urbanistyki europejskiej [Der genetische Code der Stadt. Die mittelalterliche Lokationsstadt in Niederschlesien vor dem Hintergrund der europa¨ischen Urbanistik], Wrocław – Marburg 2009. Vgl. auch ¨ berblick bei Christian Lu¨bke, Zur Erscheinungsweise mittelalterlicher Sta¨dte in den instruktiven U Ostmitteleuropa, in: Was machte im Mittelalter zur Stadt? Selbstversta¨ndnis, Außensicht und Erscheinungsbilder mittelalterlicher Sta¨dte, hg. v. Kurt-Ulrich Ja¨schke/Christian Schrenk, Heilbronn 2007, S. 125–150. 10 Zu Pommern vgl. die Synthesen von Jan M. Piskorski, Miasta ksi˛estwa szczecinskiego ´ do połowy XIV wieku [Die Sta¨dte des Herzogtums Stettin bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts], Warszawa/Poznan´ 22005]; Marian Rebkowski, ´ 1987 [Poznan/Szczecin ˛ Pierwsze lokacje miast w ksi˛estwie zachodniopomorskim. Przemiany przestrzenne i kulturowe [Die ersten Stadtlokationen im Herzogtum Pommern. ˙ Ra¨umliche und kulturelle Vera¨nderungen], Kołobrzeg 2001 sowie ders., Mozliwo´ sci archeologii w ˙ Bałtyku poznaniu proceso´w lokacyjnych. Na przykładzie wybranych miast południowego wybrzeza [Mo¨glichkeiten der Archa¨ologie beim Erkennen von Lokationsprozessen. Am Beispiel ausgewa¨hlter Sta¨dte an der su¨dlichen Ostseeku¨ste], in: Procesy lokacyjne miast (wie Anm. 4), S. 203–226, und die Beitra¨ge in Civitas Cholbergiensis. Transformacja kulturowa w strefie nadbałtyckiej w XIII w., hg. v. Lech Leciejewicz/Marian Rebkowski, ˛ Kołobrzeg 2005. Zur Stadtentwicklung im Deutschordensland sei aus der reichen Forschungsliteratur hier nur auf die neuesten deutschsprachigen Beitra¨ge der polnischen Forschung verwiesen: Roman Czaja, Die Formung der Sta¨dtelandschaft im Kulmerland im
Einleitung
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Der inhaltliche Schwerpunkt der ausgewa¨hlten Beitra¨ge liegt auf den Voraussetzungen, Formen und Ergebnissen der so genannten ‚Lokationen‘ bzw. ‚Rechtsstadtgru¨ndungen‘. Diese waren, wie Sławomir Gawlas in seinem weit ausholenden, einlei¨ berblick u¨ber den entscheidenden Zusammenhang von Fu¨rstenherrschaft, tenden U Geldwirtschaft und Landesausbau zeigt, gleichermaßen Teil, Folge und Voraussetzung des umfassenden hochmittelalterlichen Modernisierungsprozesses.11 Mit der Emanzipation von Kirche und Adel sahen sich die piastischen Herzo¨ge seit dem ausgehenden 12. Jahrhundert mehr und mehr vor die Situation gestellt, die wirtschaftlichen Verluste, die sie infolge der Herauslo¨sung kirchlicher und weltlicher Grundherrschaften aus ihrem herzoglichen Recht (ius ducale) hinzunehmen hatten, durch geeignete Maßnahmen zu kompensieren. Dazu intensivierten sie zuna¨chst die fiskalische Ausbeutung der Bevo¨lkerung durch eine extensive Mu¨nzpolitik. Doch konnten von der rein fiskalisch motivierten, allein den Fu¨rstenho¨fen zugute kommenden Kommerzialisierung, die den Rahmen des herko¨mmlichen ius ducale noch nicht sprengte, auf Dauer keine weiterfu¨hrenden o¨konomischen Impulse ausgehen. So mussten neue, effektivere Methoden der Ressourcenmobilisierung entwickelt werden. Ein in diesem Sinn hervorragend geeignetes Instrument war der Landesausbau, die reformatio et melioratio terrae. Der Landesausbau zielte nicht allein auf eine Steigerung des wirtschaftlichen Potentials des bereits erschlossenen Landes, sondern auch auf dessen ra¨umliche Erweiterung durch Rodung und Kolonisation. Sein eigentliches Ziel aber war eine durchgreifende Modernisierung der Grundlagen der piastischen Herzogsherrschaft. Diese zog denn auch seit dem beginnenden 13. Jahrhundert in wachsendem Maße fremde Kolonisten heran, fo¨rderte die Implementierung agrartechnischer Innovationen, nutzte neue do¨rfliche und sta¨dtische Siedlungsmuster, brachte grundlegend vera¨nderte Rechtsverha¨ltnisse zur Anwendung und gab einer neuartigen gesellschaftlichen Selbstorganisation freien Raum. All dies fu¨hrte zur so genannten „Lokationswende“, die Sławomir Gawlas im zweiten Beitrag des vorliegenden Bandes zusammenha¨ngend vorstellt und zugleich in den gro¨ßeren Kontext der mitteleuropa¨ischen Urbanisierungsvorga¨nge einordnet. Anders als der Begriff „Lokationswende“12 und die Datierungen der u¨berlieferten Lokationsurkunden suggerieren mo¨gen, war eine Rechtsstadtgru¨ndung kein 13. und 14. Jahrhundert, in: Zentrum und Peripherie in der Germania Slavica, hg. v. Doris Bulach/ Matthias Hardt, Stuttgart 2008, S. 247–263; ders., Die Kulmer Handfeste, das kulmische Recht und die Stadt Kulm. Ein Beitrag zur Gestaltung der Sta¨dtelandschaft im Ordensland Preußen, in: Sta¨dtelandschaften im Ostseeraum im Mittelalter und in der Fru¨hen Neuzeit, hg. v. Roman Czaja/Carsten Jahnke, Torun´ 2009, S. 73–85; Danuta Janicka, Die Rezeption des Sachsenspiegels und des Magdeburger Rechts am Beispiel von Thorn im Kulmer Land, in: Rechts- und Sprachtransfer in Mittel- und Osteuropa. Sachsenspiegel und Magdeburger Recht, hg. v. Ernst Eichler/Heiner Lu¨ck, Berlin 2008, S. 61–74; dies., Zur Topographie der Sta¨dte des Magdeburger Rechts in Polen: das Beispiel Kulm und Thorn, in: Grundlagen fu¨r ein neues Europa. Das Magdeburger und Lu¨becker Recht in Spa¨tmittelalter und Fru¨her Neuzeit, hg. v. Heiner Lu¨ck u. a., Ko¨ln u. a. 2009, S. 67–81. 11 Vgl. auch Sławomir Gawlas, Die zentrale Funktion der Sta¨dte in Ostmitteleuropa in der Zeit des Landesausbaus, in: Sta¨dtelandschaften im Ostseeraum (wie Anm. 10), S. 9–28. 12 Benedykt Zientara, Przełom w rozwoju miast s´ rodkowoeuropejskich w pierwszej połowie XIII wieku [Der Durchbruch in der Entwicklung der ostmitteleuropa¨ischen Sta¨dte in der ersten Ha¨lfte des 13. Jahrhunderts], in: Przeglad ˛ Historyczny 67 (1976), S. 219–243, bes. S. 230, der ihn einfu¨hrte, sprach auch von einem „revolutiona¨ren Sprung“ und einem „Durchbruch“.
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momentaner Akt. Vielmehr handelte es sich um einen la¨nger wa¨hrenden Prozess, der in den piastischen La¨ndern in erheblicher zeitlicher und regionaler Differenzierung ¨ berall setzte er sich – idealtypisch betrachtet – gleichwohl aus drei Phaverlief. U sen zusammen: einer ersten Phase, in der die Landesherren fremde, zumeist deutsche Kaufleute als „Ga¨ste“ (hospites) ansiedelten und ihnen unter der Leitung eines Schultheißen bzw. Vogtes (scultetus, advocatus) ein autonomes „Ga¨ste“- bzw. ‚deutsches‘ Recht gewa¨hrten; einer zweiten Phase, in der es zu einer ra¨umlichen Zusammenfassung der gesamten unter diesem Recht lebenden Bewohner innerhalb eines topographisch planma¨ßig reorganisierten oder ganz neu angelegten Stadtareals kam und schließlich einer dritten Phase, in der mit der Errichtung einer Scho¨ffenbank und eines Stadtrates eine kommunale Selbstverwaltung etabliert wurde. Der sich aus diesen drei Entwicklungsphasen und inhaltlichen Elementen zusammensetzende Gesamtvorgang einer Rechtsstadtgru¨ndung (Lokation) konnte im einzelnen Fall zwischen einigen Jahren und Jahrzehnten in Anspruch nehmen. Er war im mittelalterlichen Polen zuna¨chst ausschließlich das Werk der piastischen Landesherren. Diese nutzten ihre Monopolrechte, um bestehende Markt- und Verwaltungszentren umzubauen oder in deren unmittelbaren Na¨he auf ‚gru¨ner Wiese‘ neue zu errichten. Auf diese Weise suchten sie gezielt lokale Absatzma¨rkte fu¨r die im Prozess des Landesausbaus gesteigerte landwirtschaftliche Produktion zu schaffen, die Entwicklung der Geldwirtschaft zu beschleunigen und damit die eigenen herzoglichen Einku¨nfte zu maximieren. Vorreiter dieser Entwicklung war Heinrich der Ba¨rtige von Schlesien, der in Goldberg (1211) und Lo¨wenberg (1217) – nicht zufa¨llig in Bergsta¨dten, die mit ihren Silber- und Goldvorkommen besonders reiche Einnahmen versprachen – die fru¨hesten piastischen Rechtsstadtgru¨ndungen veranlasste. Inspiriert von Siedlungsmaßnahmen des Magdeburger Erzbischofs Wichmann setzte er in seinem Teilfu¨rstentum, wie Gawlas erla¨utert, eine ganzheitliche Stadt-Land-Kolonisation in Gang, bei der do¨rfliche Siedlungen und sta¨dtische Zentren von Anfang an planma¨ßig aufeinander bezogen und in einem Zuge angelegt wurden. Zur Regelung der rechtlichen Verha¨ltnisse sowohl der neuen sta¨dtischen Zentren selbst als auch der neuartigen StadtLand-Beziehungen holte der Breslauer Herzog Rechtsweisungen aus Magdeburg und Halle (1235 fu¨r Neumarkt) ein, auf deren Grundlage in der Folge vor Ort sukzessive ein eigenes Stadt- bzw. Stadt-Land-Recht (Weichbildverfassung) entwickelt wurde. Heinrichs Sohn, Heinrich II. der Fromme, und Enkel, Bolesław II. Rogatka und Heinrich III. der Weiße, setzten diese Politik, wie in den Beitra¨gen zu Breslau ´ von Jerzy Rozp˛edowski, Jerzy Piekalski und Mateusz Golinski, sowie zu Liegnitz ˙ ´ von Mateusz Golinski und Ro´scisław Zerelik unter anderem gezeigt wird, seit den 1240er Jahren konsequent fort, so dass in Schlesien allein vor der Mitte des 13. Jahrhunderts noch rund 25 Lokationen erfolgten. Wie Marek Słon´ in seinem Beitrag u¨ber die kirchlichen Stiftungsprogramme in den drei teilfu¨rstlichen Hauptzentren Breslau, Krakau und Posen zeigen kann, bestand dabei offenbar ein enger Zusammenhang zwischen sta¨dtischer Lokation und kirchlicher Stiftung; jedenfalls erweist sich seinen interessanten Beobachtungen zufolge die Errichtung neuer kirchlicher Einrichtungen (Pfarrkirchen, Klo¨ster, Spita¨ler) nicht nur in Schlesien als ein integraler Bestandteil der sich vollziehenden sta¨dtischen Transformationen.
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Diese setzten in den u¨brigen Teilfu¨rstentu¨mern mit einer gewissen Verzo¨gerung ein. Außerhalb Schlesiens kam es vor der Mitte des 13. Jahrhunderts lediglich zur Gru¨ndung erster autonomer Kaufmannssiedlungen (Krakau 1220er Jahre; Posen 1230er Jahre) und nur zu vereinzelten Rechtsstadtgru¨ndungen (Płock 1237, Inowrocław 1237/38 und Gnesen 1239). Erst in der zweiten Ha¨lfte des 13. Jahrhunderts erho¨hten sich hier die Lokationen, kamen in Großpolen 35, in Kleinpolen 30, in Ł˛eczyca-Sieradz 17, in Kujawien 8 und Masowien 4 Rechtsstadtgru¨ndungen hinzu. Zur gleichen Zeit wurden in Schlesien 75 weitere Rechtssta¨dte begru¨ndet. Wenngleich inzwischen auch kirchliche und, wie exemplarisch der Beitrag von Tomasz Jurek u¨ber die Gru¨ndungsaktivita¨ten der Herren von Pogarell zeigt, bald auch weltliche Grundherren als Sta¨dtegru¨nder hervortraten, u¨bten die Herzo¨ge weiterhin den entscheidenden Einfluss auf die Urbanisierung aus. So gingen in Schlesien 107 der 134 Gru¨ndungen des 13. Jahrhunderts, in Kleinpolen 18 von 45 bis 1315 erfolgte Lokationen auf herzogliche Initiativen zuru¨ck.13 Die Landesherren behielten damit nicht nur die Kontrolle u¨ber die allgemeinen Strukturen des entstehenden Sta¨dtenetzes und dessen funktionale Verzahnung mit der la¨ndlichen Kolonisation und do¨rflichen Siedlung. Sie unterwarfen auch die einzelne Stadt selbst mit ihren Einrichtungen, wie Tomasz Jurek und Jerzy Wyrozumski am Beispiel der Lokationen von Posen und Krakau demonstrieren, weiterhin mit Erfolg einer strikten herzoglichen Aufsicht. Sowohl die Verleihung eines besonderen sta¨dtischen Rechtes als auch die ra¨umliche Zusammenfu¨hrung der mit diesem Recht ausgestatteten Kaufleute und Handwerker auf einem exakt vermessenen, in gleich große Parzellen unterteilten Areal, dienten nicht zuletzt dem herrschaftlichen Kontrollbedu¨rfnis. Beides schuf einen klar umgrenzten, einheitlichen Rechts- und Handlungsraum, der zugleich ein leicht u¨berschaubarer Kontrollraum wurde. In ihm konnten nicht nur die einzelnen Parzellen, die 40, 80, 160 oder 200 Ha¨user, die in der Regel innerhalb einer schachbrettartigen Straßenanlage errichtet wurden, einer festen Besteuerung unterworfen werden. Der neue geometrische Stadtplan, dessen gestalterische Vielfalt, Systematik und urbanistisch-ku¨nstlerische Qualita¨ten im vorliegenden Band von Bogusław Krasnowolski am Beispiel der kleinpolnischen Stadtanlagen untersucht werden,14 ermo¨glichte es auch, sa¨mtliche Handelsaktivita¨ten der Lokationsstadt auf einen leicht zu kontrollierenden Bebauungsblock, den zentralen Marktplatz (circulus, Ring, rynek), zu konzentrieren. Die um diesen Platz herum bzw. auf ihm errichteten Handelseinrichtungen (domus mercatorum) unterstanden u¨berdies anfa¨nglich direkt dem Herzog, der alle auswa¨rtigen Ha¨ndler zwang, ihren Handel nur dort zu treiben. Auch darin manifestierte sich das zuna¨chst noch recht ausgepra¨gte fiskalische Interesse der herzoglichen Stadtgru¨nder sehr deutlich. Erst seit der zweiten Ha¨lfte des 13. Jahrhunderts traten die piastischen Rechtsstadtgru¨ndungen dank einer intensiveren Rezeption des Magdeburger Rechts allma¨hlich etwas aus dem Schatten der fu¨rstenrechtlichen Monopolanspru¨che heraus. Erst 13 Zu den Zahlen vgl. Sławomir Gawlas, O kształt zjednoczonego kro´lestwa. Niemieckie władztwo
¨ ber die Form des vereinigten Ko¨nigterytorialne a geneza społecznoustrojowej odr˛ebno´sci Polski [U reiches. Deutsche Territorialherrschaft und die Genese der sozialen und verfassungsma¨ßigen Eigenart Polens], Warszawa 22000, S. 83–85. 14 Fu¨r Schlesien leistet dies ausfu¨hrlich neuerdings Eysymontt, Kod genetyczny (wie Anm. 9).
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¨ berblick u¨ber „Sta¨dte und Bu¨rgerjetzt erhielten sie, wie Roman Czaja in seinem U tum“ und Henryk Samsonowicz mit konkreten Antworten auf die Frage, „Wer traf die Entscheidungen in den selbst verwalteten Sta¨dten des mittelalterlichen Polen“ vor Augen fu¨hren, sukzessive auch sta¨dtische Selbstverwaltungsstrukturen. Sowohl die Posener als auch die Krakauer Rechtsstadtgru¨ndung von 1253 bzw. 1257 u¨bernahm von Anfang an die zwischenzeitlich in Magdeburg weiter entwickelten Verfassungsprinzipien der kommunalen Stadt und sah – wie auch die zweite Breslauer Lokation von 1261 – die Etablierung eines sta¨dtischen Rates vor. Dieser konnte sich in der Praxis allerdings erst nach und nach einen entsprechenden Freiraum erka¨mpfen, so dass die Pra¨senz und Einflussnahme des Landesherrn bzw. seines Vogtes in der einzelnen Stadt auch weiterhin stark blieb. Die piastische Urbanisierung fu¨hrte daher keineswegs zu einer Lockerung der territorialen Zusammenha¨nge und Schwa¨chung der Teilfu¨rsten. Im Gegenteil, ebenso wie die do¨rfliche Kolonisation durch die Intensivierung der Getreide- und Geldabgaben die fu¨rstlichen Einku¨nfte erheblich vermehrte, brachte auch die Etablierung deutschrechtlicher Berg- und Handelssta¨dte den Herzo¨gen u¨ber kurz oder lang enorme wirtschaftliche Gewinne. Damit trugen die Rechtsstadtgru¨ndungen im Ergebnis eher zu einer Sta¨rkung der herzoglichen Macht und nicht wenig dazu bei, dass die Herrschaft in den polnischen La¨ndern auch unter den Bedingungen der Teilfu¨rstentu¨mer in den Ha¨nden der Piastendynastie monopolisiert blieb. Mit der Wiederherstellung des polnischen Ko¨nigreiches wa¨hrend der ersten beiden Jahrzehnte des 14. Jahrhunderts und der sich seit dem Herrschaftsantritt Kasimirs des Großen (1333) anschließenden Konsolidierung nach Innen und Außen erfuhr der Prozess der administrativen, wirtschaftlichen, sozialen und rechtlichen Modernisierung der piastischen Herrschaft und Gesellschaft einen weiteren, gewaltigen Schub. Kasimir der Große griff erneut sehr bewusst und systematisch zum Instrument der landesherrlichen Kolonisation. Das geschah nicht zufa¨llig im Zusammenhang mit dem von ihm seit den 1340er Jahren betriebenen territorialen Ausgreifen nach Osten. Das sukzessive Vorschieben von Kolonisation und Landesausbau, zuna¨chst in das Beskidenvorland su¨do¨stlich von Krakau, dann nach dem dauerhaften Gewinn des Sanoker Gebietes bis an den San und schließlich – den weiteren Eroberungen folgend – bald auch daru¨ber hinaus weit nach Ruthenien hinein, ging mit einer aktiven Sta¨dtepolitik einher. Quellenlage und Forschungsstand erlauben bis heute keine eindeutigen Aussagen u¨ber die tatsa¨chliche Zahl der von Kasimir in Kleinpolen und den o¨stlich angrenzenden polnischen Neugebieten veranlassten Stadtgru¨ndungen. Vorsichtige neuere Scha¨tzungen gehen von 29 bis 37 ko¨niglichen Gru¨ndungen in Kleinpolen (neben 14 geistlichen bzw. adligen) und 5 bis 16 in der Haliˇcer Rus’ (neben 4 geistlichen bzw. adligen) aus.15 Letzteren sind die beiden Beitra¨ge Andrzej Jane-
15 Zu den Zahlen vgl. Sławomir Gawlas, Uwagi o polityce miejskiej Kazimierza Wielkiego [Bemerkun-
gen zur Stadtpolitik Kasimirs des Großen], in: Aetas media, aetas moderna. Studia ofiarowane profesorowi Henrykowi Samsonowiczowi w siedemdziesiat˛ a˛ rocznic˛e urodzin, hg. v. Halina Manikowska u. a., Warszawa 2000, S. 25–39, hier S. 28; ders., Fu¨rstenherrschaft, Geldwirtschaft und Landesausbau. Zum mittelalterlichen Modernisierungsprozess im piastischen Polen, in diesem Band S. 69; Janusz Kurtyka, Odrodzone Kro´lestwo. Monarchia Władysława Łokietka i Kazimierza Wielkiego w s´ wietle
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czeks gewidmet, der zum einen mit Przemy´sl ein konkretes ruthenisches Lokationsbeispiel ero¨rtert, zum anderen einen Gesamtu¨berblick u¨ber den ruthenischen Urbanisierungsprozess gibt und damit den Untersuchungszeitraum in diesem Fall bis ins 16. Jahrhundert, also weit u¨ber die Zeit piastischer Ko¨nigsherrschaft hinaus erweitert. Janeczeks Ausfu¨hrungen runden das Bild von der beachtlichen Verdichtung der sta¨dtischen Siedlungspunkte im mittelalterlichen Polen fu¨r dessen Su¨dosten ab.16 Bei den meisten der seit dem 13. Jahrhundert gegru¨ndeten Rechtssta¨dte handelte es sich um agrarisch gepra¨gte Kleinsta¨dte, die als lokale wirtschaftliche und administrativ-juristische Zentren der sie umgebenden ba¨uerlichen Neusiedlung fungierten. Einzelne traten gleichwohl auch mit komplexeren Handels- und Produktionsfunktionen hervor, fu¨r die das Magdeburger Recht, auf dessen Grundlage die Lokationen in der Regel erfolgten, sowie ihre zumeist schachbrettartige topographische Anlage die angemessenen Rahmenbedingungen boten.17 Allzu große Handlungsspielra¨ume gedachte Kasimir freilich weder den einzelnen Stadtbu¨rgern noch den Sta¨dten als solchen einzura¨umen. Andererseits war ihm (wie auch seinen nichtpiastischen Nachfolgern) sehr daran gelegen, die sta¨dtische Kaufmannschaft als Vermittler im internationalen Transithandel zu fo¨rdern. Seit die piastischen La¨nder durch die Verlagerung wichtiger Handelswege im 13. Jahrhundert direkt an die großen transkontinentalen Warenstro¨me angeschlossen worden waren, stellten die aus dem Fernhandel fließenden direkten und indirekten Einnahmen eine u¨beraus attraktive ko¨nigliche Einkunftsquelle dar. Mit der territorialen Konsolidierung und Su¨dostverschie-
nowszych badan´ [Das wiedergeborene Ko¨nigreich. Die Monarchie Władysław Łokieteks und Kasimirs des Großen im Licht der neueren Forschung], Krako´w 2001, S. 70; ders., Das wiedervereinigte Ko¨nigreich Polen unter Ladislaus Ellenlang (1304/5–1333) und Kasimir dem Großen (1333–1370), in: Die ‚Blu¨te‘ der Staaten des o¨stlichen Europa im 14. Jahrhundert, hg. v. Marc Lo¨wener, Wiesbaden 2004, S. 107–142, hier S. 139; fu¨r Großpolen wird von 2 bis 3 ko¨niglichen (neben 20 geistlichen bzw. adligen), fu¨r Sieradz, Ł˛eczyca und Kujawien von 3 bis 4 (neben 12 geistlichen bzw. adligen) Stadtgru¨ndungen ausgegangen. Dagegen hat die a¨ltere deutsche Forschung Kasimir insgesamt 61 deutschrechtliche Stadtgru¨ndungen zugeschrieben, davon 48 in Kleinpolen und 7 in der Haliˇcer Rus’; Walter Kuhn, Die deutschrechtliche Siedlung in Kleinpolen, in: Die deutsche Ostsiedlung als Problem der europa¨ischen Geschichte. Reichenau Vortra¨ge 1970–1972, hg. v. Walter Schlesinger, Sigmaringen 1975, S. 369–415, hier S. 388. 16 Vgl. hierzu auch neuerdings Christoph von Werdt, Stadt und Gemeindebildung in Ruthenien. Okzidentalisierung der Ukraine und Weißrusslands im Spa¨tmittelalter und in der fru¨hen Neuzeit, Wiesbaden 2006. 17 Zur Entwicklung und Bedeutung des Magdeburger Rechts finden sich neuere, in den Beitra¨gen dieses Bandes noch nicht beru¨cksichtigte Untersuchungen in folgenden Sammelba¨nden: European Cities of Magdeburg Law. Tradition, Heritage, Identity, hg. v. Anna Biedrzycka u. a., Krako´w 2007; Krako´w: europejskie miasto prawa magdeburskiego 1257–1791. Katalog wystawy [Krakau, eine europa¨ische Stadt Magdeburger Rechts 1257–1791. Ausstellungskatalog], hg. v. Gra˙zyna Lichonczak-Nurek ´ u. a., Krako´w 2007; Rechts- und Sprachtransfer in Mittel- und Osteuropa. Sachsenspiegel und Magdeburger Recht, hg. v. Ernst Eichler/Heiner Lu¨ck, Berlin 2008; Grundlagen fu¨r ein neues Europa. Das Magdeburger und Lu¨becker Recht in Spa¨tmittelalter und Fru¨her Neuzeit, hg. v. Heiner Lu¨ck u. a., Ko¨ln u. a. 2009; sowie Margret Opladen, Magdeburger Recht auf der Burg zu Krakau. Die gu¨terrechtliche Absicherung der Ehefrau in der Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs, Berlin 2005; Andreas Ru¨ther, Stadtrecht, Rechtszug, Rechtsbuch: Gerichtsbarkeit im o¨stlichen Mitteleuropa seit dem 12. Jahrhundert, in: Grenzra¨ume und Grenzu¨berschreitungen im Vergleich. Der Osten und der Westen des mittelalterlichen Lateineuropa, hg. v. Klaus Herbers/Nikolas Jaspert, Berlin 2007, S. 123–143.
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bung des wiedervereinigten Ko¨nigreiches hatten die fraglichen Handelswege zusa¨tzliche Bedeutung gewonnen. Sie verbanden die genuesischen Kolonien am Schwarzen Meer mit dem westlichen Europa und dem Hanseraum und fu¨hrten durch Lemberg, Thorn oder Posen und vor allem durch Krakau, wo sich die Ost-West-Verbindung mit dem aus dem oberungarischen Bergbaugebiet an die Ostsee fu¨hrenden „preußischen Weg“ kreuzte. Vor diesem Hintergrund betrieben Kasimir und seine nichtpiastischen Nachfolger eine bewusste Handels- und Protektionspolitik. Sie richteten an den Handelswegen Jahrma¨rkte ein, legten den Kaufleuten Wege- und Stapelzwang auf und sperrten fremden Kaufleuten mitunter den Zugang zu bestimmten Routen und Ma¨rkten. Schon Kasimirs Ziel war es, dadurch nicht zuletzt die Einnahmen aus Zoll- und Mautgebu¨hren zu maximieren sowie die wirtschaftliche Sta¨rkung des eigenen Stadtbu¨rgertums zu befo¨rdern, damit es dem Ko¨nig ein umso potenterer Finanzpartner und Gla¨ubiger sein konnte. In diesem Zusammenhang hat Kasimir auch die Ansiedlung ju¨discher Ha¨ndler und Gemeinden gezielt gefo¨rdert; schon 1334 erneuerte er die Privilegien der großpolnischen Juden und dehnte diese 1364/67 auf das gesamte Ko¨nigreich aus. Den finanzstarken Krakauer Kaufleuten, ju¨dischen wie christlichen, vertraute Kasimir auch die Verwaltung der Mu¨nz- und Zollsta¨tten, aber auch der Bergwerke an, die eine weitere zentrale Einnahmequelle fu¨r den Ko¨nig darstellten. Die reichen Steinsalzvorkommen von Wieliczka und Bochnia sowie die Erz- und Bleilagersta¨tten von Olkusz und Ch˛eciny waren zwar bereits von Bolesław dem Schamhaften wa¨hrend der zweiten Ha¨lfte des 13. Jahrhunderts erschlossen worden. Doch erst Kasimir intensivierte ihre Ausbeutung, indem er ihre Verwaltung optimierte und Statuten fu¨r den Salzbergbau (1368) erließ. Dass diese, hier nur in allergro¨bsten Zu¨gen zu charakterisierende Entwicklung im vorliegenden Band anhand ausgewa¨hlter Beispiele und aus verschiedenen Blickwinkeln eingehender beleuchtet werden kann, ist in erster Linie den in ihm versammelten Autoren zu danken. Sie sind dem Projekt mit großem Interesse und spontaner Kooperationsbereitschaft begegnet und haben ohne Zo¨gern ihr Einversta¨nd¨ bersetzung erneut zu publizieren. Auch nis gegeben, ihre Aufsa¨tze in deutscher U den Verlagen, in denen die abgedruckten Arbeiten im Original erschienen sind, sei fu¨r ihre Einwilligung zur deutschsprachigen Nachvero¨ffentlichung herzlich gedankt. ¨ bersetzern – Heidemarie Petersen (Leipzig), Ein besonderer Dank gebu¨hrt den U Herbert Ulrich (Lublin) und Ju¨rgen Heyde (Leipzig) – fu¨r ihre kompetent-versta¨ndi¨ bertragungen. Dass diese vom Herausgeber weiter u¨berarbeitet und in einzelgen U nen Fa¨llen zum Teil geku¨rzt werden mussten, haben die Autoren mit großem Versta¨ndnis akzeptiert; auch dafu¨r sowie fu¨r die in einzelnen Fa¨llen erfolgten Aktualisierungen der Texte sei allen Autoren herzlich gedankt.18 Schließlich danke ich Mechthild Siekmann fu¨r die Endredaktion, Dieter Overhagebo¨ck fu¨r die Kartographie, Magda Dopieralska fu¨r stets verla¨ssliche bibliographische Recherchen, Kornelia Hubrich-Mu¨hle fu¨r die wie immer aufmerksamen Korrekturen und Werner Freitag
18 Angaben zu den Erstdruckorten und den U ¨ bersetzern der Beitra¨ge sowie Hinweise auf eventuelle Ku¨r-
zungen finden sich jeweils zu Beginn der einzelnen Aufsa¨tze.
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sowie den Kollegen Mitherausgebern dafu¨r, dass sie diesen Band in die Reihe „Sta¨dteforschung“ aufgenommen haben und auf diese Weise bereit waren, das Deutsche Historische Institut in Warschau in seinen Bemu¨hungen zu unterstu¨tzen, der deutschsprachigen Forschung Ertra¨ge der polnischen Media¨vistik na¨her zu bringen.
¨ RSTENHERRSCHAFT, GELDWIRTSCHAFT FU UND LANDESAUSBAU Zum mittelalterlichen Modernisierungsprozess im piastischen Polen von Sławomir Gawlas*
1. Die Kolonisation als Instrument fu¨rstlicher Territorialherrschaft
Die Integration der polnischen Territorien und der gesamten Region Ostmitteleuropas in den lateinischen Kulturkreis war zweifellos ein wesentliches Element im Entstehungsprozess des mittelalterlichen Europa und zugleich ein wichtiger Faktor fu¨r ¨ bernahme westlicher Errungendessen expansive Sta¨rke. Sie war sowohl von der U schaften und der Einebnung bestehender Unterschiede begleitet als auch von zahlreichen Pha¨nomenen einer Unterordnung der Entwicklung der La¨nder an der Peripherie unter die Bedu¨rfnisse der Zentren des Westens. Fu¨r die La¨nder des o¨stlichen Mitteleuropa war es dabei von grundsa¨tzlicher Bedeutung, dass die verschiedenen Elemente des westeuropa¨ischen Modells in einer ‚deutschen Variante‘ nach Osten vermittelt wurden. Im Rahmen des Entstehungsprozesses der Landesherrschaften und der Territorialisierung des Reiches adaptiert und transformiert, bildeten diese Elemente mit der Zeit die Grundlage der Expansionskraft der deutschen Kolonisation. Nach ihrer Anpassung an die Mo¨glichkeiten der auf einem niedrigeren Entwicklungsniveau stehenden Gebiete umfassten die Prinzipien der Herrschaftsorganisation zunehmend effektivere Methoden zur Mobilisierung der Ressourcen der Untergebenen und zur Modernisierung der Herrschaftsgrundlagen. Die dabei entstehenden Muster und Standards waren fu¨r die Nachbarn enorm attraktiv. Mit der im 12. Jahrhundert erstarkenden deutschen Landesherrschaft wurde eine der Spielarten der europa¨ischen Siedlungsbewegungen des Mittelalters in das soziale und wirtschaftliche Modell der deutschen Kolonisation transformiert. Rodungen und Landesausbau erfu¨llten u¨berall sehr bedeutende politische Funktionen, weil die auf die* Um einordnende Ausfu¨hrungen zur Verfassungs-, Wirtschafts- und Siedlungsentwicklung in West-
¨ bersetzung des Aufsatzes „Komercjalizacja jako und Mitteleuropa geku¨rzte, in Teilen aktualisierte U mechanizm europeizacji peryferii na przykładzie Polski“ (aus: Ziemie polskie wobec zachodu. Studia nad rozwojem s´ redniowiecznej Europy, hg. v. Sławomir Gawlas u. a., Warszawa 2006, S. 27–116); ¨ bersetzung von Heidemarie Petersen. U
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sem Wege angeeigneten La¨ndereien als vollsta¨ndiges Eigen betrachtet wurden. Die in dieser Situation unausweichliche Rivalita¨t um Siedler trug zur Entstehung und Pra¨zisierung von deren Freiheiten bei, aus denen im 13. Jahrhundert das so genannte deutsche Recht hervorging. Der Landesausbau war vor allem ein sehr effektives Herrschaftsinstrument – sowohl im Altreich als auch in den Gebieten der territorialen Expansion,1 u. a. in den westslawischen Territorien, insbesondere seitdem man nach dem Kreuzzug von 1147 deren Widerstand gebrochen hatte. Dieser Landesausbau la¨sst sich in Anknu¨pfung an die Narratio einer von Przemysł II. im Jahr 1292 ausgestellten großpolnischen Lokationsurkunde des Neumarkter Rechts als melioratio terrae bezeichnen.2 Auf diesen Quellenterminus hat Teodor Tyc bereits 1924 hingewiesen, als er u¨ber den Nutzen der durch die Kolonisation eingefu¨hrten Vera¨nderungen nachdachte.3 Unter dem Stichwort der „wirtschaftlichen Aufwertung des Landes (melioratio terrae)“ hat ihn Roman Grodecki dann popularisiert, der damit den Eifer Heinrichs des Ba¨rtigen bei der Anwerbung von Siedlern erkla¨rte und den Herrscher gegen den Vorwurf verteidigte, eine bewusste Germanisierung des Landes angestrebt zu haben.4 Eine solche Begru¨ndung findet sich in den Urkunden Heinrichs allerdings nicht, der seine Herrschaftsobliegenheiten anders darstellte.5 Das Motiv der melioratio terrae tauchte dennoch schon in jener Zeit auf – das erste Mal in einer Urkunde des Gnesener Erzbischofs Wincenty fu¨r Leubus aus dem Jahr 1225 und setzte sich spa¨ter in Schlesien durch.6 Die Ursachen fu¨r die Forcierung der Kolonisation durch die Fu¨rsten mit dem Nutzen zu erkla¨ren, den diese ihnen fu¨r ihre Einku¨nfte und ihre Herrschaft brachte, ist vollkommen zutreffend und ziemlich offenkundig. Benedykt Zientara hat dies so zusammengefasst: „Das wichtigste und im allgemeinen einzige Ziel der Herrscher –
1 Sławomir Gawlas, O kszałt zjednoczonego Kro´lestwa. Niemieckie władztwo terytorialne a geneza
¨ ber die Form des vereinigten Ko¨nigreiches. Deutsche Terspołeczno-ustrojowej odr˛ebno´sci Polski [U ritorialherrschaft und die Genese der sozialen und verfassungsma¨ßigen Eigenart Polens], Warszawa 22000, S. 63–64. 2 Kodeks dyplomatyczny Wielkopolski [Großpolnisches Urkundenbuch], hg. v. Ignacy Zakrzewski, Bd. 2, Poznan´ 1878, Nr. 682, S. 59–69: „reformacioni et melioracioni terre nostre nec non villarum nostrarum salubriter intendentes, ipsas in meliorem transferre duximus conditionem“. 3 Teodor Tyc, Poczatki ˛ kolonizacji wiejskiej na prawie niemieckim w Wielkopolsce (1200–1333), Poznan´ 1924 [deutsche Ausgabe: Die Anfa¨nge der do¨rflichen Siedlung zu deutschem Recht in Großpolen (1200–1333), Breslau 1930, S. 80f.]. 4 Roman Grodecki, Dzieje polityczne Sl ´ aska ˛ do roku 1290 [Politische Geschichte Schlesiens bis zum ´ aska Jahr 1290], in: Historia Sl ˛ od najdawniejszych czaso´w do roku 1400, hg. v. Stanisław Kutrzeba, Krako´w 1933, S. 155–326, hier S. 191. 5 Tomasz Nowakowski, Idee areng dokumento´w ksia˙ ˛zat ˛ polskich do połowy XIII wieku [Die Sinngehalte der Arengen der Urkunden der polnischen Fu¨rsten bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts], Bydgoszcz 1999, S. 86–132. 6 Schlesisches Urkundenbuch, Bd. 1, hg. v. Heinrich Appelt, Wien 1971, Nr. 253, S. 185; Benedykt Zientara, Heinrich der Ba¨rtige und seine Zeit. Politik und Gesellschaft im mittelalterlichen Schlesien, Mu¨nchen 2002, S. 146f., 173f.; Josef Joachim Menzel, Die schlesischen Lokationsurkunden des 13. Jahrhunderts. Studien zum Urkundenwesen, zur Siedlungs-, Rechts- und Wirtschaftsgeschichte einer ostdeutschen Landschaft im Mittelalter, Wu¨rzburg 1977, S. 184–185.
Fu¨rstenherrschaft, Geldwirtschaft und Landesausbau
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denen die Adligen folgten – war die [...] melioratio terrae, also eine bessere Bewirtschaftung von Teilen des Landes durch eine Erho¨hung der Bevo¨lkerungsdichte, eine Verbesserung der landwirtschaftlichen Anbaumethoden, eine Ordnung der Beziehungen zwischen Herren und Untertanen auf neuer Grundlage, eine Belebung des sta¨dtischen Lebens, des Handels usw. Der Herrscher identifizierte das Wohl des Landes mit seinem eigenen – so, wie er das fru¨her getan hatte; diesmal jedoch widersprach eine Verbesserung seiner eigenen Einku¨nfte nicht den Interessen der neuen Untertanen, der im Verha¨ltnis zur lokalen Bevo¨lkerung privilegierten Kolonisten. Der Fu¨rst erwarb sich die Dankbarkeit und Unterstu¨tzung der Kolonisten und konnte bei Konflikten mit den ihm nicht wohlgesonnenen Elementen unter dem alten Adel und der Geistlichkeit darauf za¨hlen.“7 Die Bezeichnung melioratio selbst hat sich hauptsa¨chlich in der polnischen Literatur verbreitet, im Allgemeinen ohne na¨here Erla¨uterungen.8 Die Kolonisation in Polen war eine Antwort auf die wirtschaftliche Entwicklung Westeuropas in der Situation der fru¨heren Adaptierung vieler ihrer Elemente im Rahmen der deutschen Territorialherrschaften und deren effektiver Expansion in die westslawischen Gebiete. Die deutschen Herrschaften lieferten ihren weiter o¨stlich gelegenen Nachbarn die entsprechenden Vorbilder. Deren Attraktivita¨t beruhte auf der kombinierten Anwendung eines ganzen Komplexes von Modernisierungsansa¨t¨ bernahme durch den Zustrom von Siedlern erleichtert wurde.9 Gleichzen, deren U zeitig weiß man, dass das in den Quellen seit Beginn des 13. Jahrhunderts auftauchende ius teutonicum in erster Linie eine Zusammenstellung von Gewohnheitsund Freiheitsrechten der Siedler war.10 Das ‚Deutsche‘ an diesem Recht erlebte in der Folgezeit zusammen mit der Entwicklung der Weichbilder und einer breiteren 7 Benedykt Zientara, Konflikty narodowo´sciowe na pograniczu niemiecko-słowianskim ´ w XIII–XIV
w. i ich zasi˛eg społeczny [Nationalita¨tenkonflikte im deutsch-slawischen Grenzgebiet im 13.–14. Jahrhundert und deren soziale Dimension], in: Przegład Historyczny 59 (1968), 2, S. 197–213, hier S. 203; Jan M. Piskorski, Kolonizacja wiejska Pomorza Zachodniego w XIII i w poczatkach ˛ XIV wieku na tle proceso´w osadniczych w s´ redniowiecznej Europie [Die do¨rfliche Kolonisation Pommerns im 13. und zu Beginn des 14. Jahrhunderts im Kontext der mittelalterlichen Siedlungsprozesse in Europa], Poznan´ ´ 1990, S. 7f.; Sławomir Mozdzioch, Dwa wielkie plany: wczesnomiejskie zespoły osadnicze a miasta ´ asku lokacyjne na Sl ˛ [Zwei große Entwu¨rfe: Fru¨hsta¨dtische Siedlungskomplexe und Lokationssta¨dte ´ in Schlesien], in: Słowianszczyzna w Europie s´ redniowiecznej, Bd. 2: Miasta i rzemiosła, hg. v. Zofia Kurnatowska, Wrocław 1996, S. 31–42, hier 39. 8 Henryk Mu ¨ nch, Melioratio terrae nostrae. Szkice z dziejo´w miast w Polsce s´ redniowiecznej [Melioratio terrae nostrae. Skizzen zur Geschichte der Sta¨dte im mittelalterlichen Polen], in: Kwartalnik Architektury i Urbanistyki 10 (1965), 2, S. 65–85, hier S. 85; Adrienne Ko¨rmendy, Melioratio terrae. Vergleichende Untersuchungen u¨ber die Siedlungsbewegung im o¨stlichen Mitteleuropa im 13.–14. Jahrhundert, Poznan´ 1995. 9 Klaus Zernack, Landesausbau und Ostsiedlung, in: Die Zeit der Staufer. Geschichte – Kunst – Kultur, Bd. 3: Aufsa¨tze, Stuttgart 1977, S. 51–57; Lothar Dralle, Die Deutschen in Ostmittel- und Osteuropa. Ein Jahrtausend europa¨ischer Geschichte, Darmstadt 1991, S. 31–32; Piskorski, Kolonizacja wiejska (wie Anm. 7), S. 241. ´ ´ dła i geneza „prawa niemieckiego“ (ius Teutonicum) na tle 10 Ebd., S. 81f.; Benedykt Zientara, Zro ruchu osadniczego w Europie zachodniej i s´ rodkowej w XI–XII w. [Quellen und Genese des „deutschen Rechtes“ (ius Teutonicum) im Kontext west- und mitteleuropa¨ischer Siedlungsbewegungen im 11.–12. Jahrhundert], in: Przeglad ˛ Historyczny 69 (1978), 1, S. 47–71; Dralle, Die Deutschen (wie Anm. 9), S. 72f.
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Rezeption geschriebenen Rechtes, vor allem des so genannten Magdeburger Weichbildes, eine Sta¨rkung.11 Ein Zusammenhang von Kolonisation und grundlegenden Vera¨nderungen in der Agrartechnik steht außer Frage, dennoch haben wir es hier mit einem la¨ngerfristigen Prozess zu tun, mit unterschiedlichen Wegen der Durchsetzung von Innovationen und mit deren Anpassung an die lokalen Bedingungen. Infolge der Kolonisation vergro¨ßerte sich der Anteil des bestellten Landes, dank der Rodungen und der Verbreitung der nach und nach durch den Flurzwang12 (den es allerdings in den in Schlesien u¨blichen Waldhufendo¨rfern nicht gab) durchgesetzten Dreifelderwirtschaft. Die Verbreitung des schweren Rollpfluges13 ermo¨glichte die Bestellung und unerla¨ssliche Entwa¨sserung lehmiger Bo¨den; die Form der Felder musste vera¨ndert werden, diese wurden pra¨ziser abgemessen. Einen bedeutenden Nutzen brachte die Verwendung von Pferdegespannen, die doppelt so produktiv waren wie Ochsen.14 Dank besserer Gera¨te und einer sta¨rkeren Du¨ngung wurde der Boden nun besser bestellt und die Ernten wurden gro¨ßer. Zweifelsohne stieg das Ausmaß der Viehhaltung,15 der Schwerpunkt lag jedoch auf der Getreideproduk-
11 Gawlas, O kształt (wie Anm. 1), S. 54–55 (dort weitere Literatur); mit dem von ihr pra¨sentierten Mate-
rial weiterhin unentbehrlich Gertrud Schubart-Fikentscher, Die Verbreitung der deutschen Stadtrechte in Osteuropa, Weimar 1942; Studien zur Geschichte des sa¨chsisch-magdeburgischen Rechts in Deutschland und Polen, hg. v. Dietmar Willoweit/Winfried Schich, Frankfurt/Main 1980; Krystyna Kaminska, ´ Lokacje miast na prawie magdeburskim na ziemiach polskich do 1370 r. (Studium historycznoprawne) [Stadtlokationen zu Magdeburger Recht in Polen bis 1370 (Eine rechtshistorische Studie)], Torun´ 1999; zuletzt Karl Kroeschell, Von der Gewohnheit zum Recht. Der Sachsenspiegel im ¨ bergang vom Mittelalter zur Neuzeit, Teil 1, hg. v. spa¨ten Mittelalter, in: Recht und Verfassung im U Hartmut Boockmann u. a., Go¨ttingen 1998, S. 68–92. 12 Die Quellen erlauben keine pra¨zisere Untersuchung der Vera¨nderungen, auch fehlt es an neueren Forschungen. Die Entstehung des Systems der kollektiven Rotation bei der Bodenbestellung datiert in die zweite Ha¨lfte des 13. Jahrhunderts – Stefan Chmielewski, Gospodarka rolna i hodowlana w Polsce w XIV i XV w. (technika i rozmiary produkcji) [Acker- und Viehwirtschaft in Polen im 14. und 15. Jahrhundert (Technologien und Produktivita¨t)], Warszawa 1962, S. 21. Zweifel an der innovativen Rolle der Kolonisation (etwa durch die Verbreitung der Dreifelderwirtschaft) a¨ußert Eike Gringmuth-Dall¨ bertragungen oder Neuentwicklungen?, mer, Innovationen der hochmittelalterlichen Ostsiedlung – U ´ in: W˛edro´wki rzeczy i idei w s´ redniowieczu, hg. v. Sławomir Mozdzioch, Wrocław 2004, S. 173–182. Ich halte dies fu¨r eine Reaktion auf die allzu schematische Interpretation der Vera¨nderungen, vor der polnische Historiker seit langem warnen; die grundlegende Rolle der Kolonisation im Umbau der Agrarstrukturen ist jedoch durch indirekte Angaben hinreichend belegt, vgl. Piskorski, Kolonizacja wiejska (wie Anm. 7), S. 243f. 13 Zofia Podwinska, ´ Technika uprawy roli w Polsce s´ redniowiecznej [Bodenbestellungstechniken im mittelalterlichen Polen], Wrocław 1962, S. 171f., 199f., 328f.; Stanisław Trawkowski, W sprawie roli kolonizacji niemieckiej w przemianach kultury materialnej na ziemiach polskich w XIII wieku [Zur Rolle der deutschen Kolonisation in den Vera¨nderungen der materiellen Kultur in Polen im 13. Jahrhundert], in: Kwartalnik Historii Kultury Materialnej 8 (1960), 2, S. 188f. 14 Jo´zef Matuszewski, Poczatki ˙ ˛ nowozytnego zaprz˛egu konnego [Die Anfa¨nge des neuzeitlichen Pferdegespannes], in: ders., Pisma wybrane, Bd. 1, Ło´dz´ 1999, S. 253f., 260f.; vgl. John Langdon, Horses, Oxen, and Technological Innovation. The Use of Draught Animals in English Farming from 1066 to 1500, Cambridge 1986. 15 Chmielewski, Gospodarka (wie Anm. 12), S. 121f.; einen indirekten Hinweis auf die wachsende Bedeutung der Rinder- und Schafzucht bietet aufgefundenes Knochenmaterial mit einer sprunghaft angestiegenen Zahl entsprechender Knochen, sowie ein sinkender Anteil von Schweineknochen in den Lokationssta¨dten; gleichwohl war der Fleischkonsum auf komplexe Weise sozial und kulturell ˙ determiniert – Jerzy Piekalski, Przyczynek do kwestii spozycia i dystrybucji mi˛esa w s´ redniowiecz-
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tion,16 das Mu¨hlenwesen entwickelte sich,17 aber die moneta¨re Form der Rente verbreitete sich nur schrittweise. Die Liste der Innovationen la¨sst sich als Programm der Kolonisation verstehen, sowohl fu¨r das bei den Vera¨nderungen fu¨hrende Schlesien als auch fu¨r andere polni¨ nderungen brachten einen grundlegenden Anstieg des Bevo¨lkesche Gebiete.18 Die A rungspotentials mit sich. Dessen umstrittenster Aspekt ist das Ausmaß der deutschen Bevo¨lkerungszuwanderung. Man weiß, dass in der ersten Phase der Anteil fla¨mischer, holla¨ndischer und friesischer Siedler auf dem Gebiet der Germania Slavica erheblich war,19 jedoch schrittweise zuru¨ckging. Lediglich in Schlesien besaß die (u¨brigens sehr fru¨he) wallonische Kolonisation gro¨ßere Dimensionen und hatte eine spezielle Bedeutung.20 Was die Ho¨he der Migration angeht, so sprechen die popula¨ren Scha¨tzungen Walter Kuhns fu¨r den gesamten Bereich der deutschen Kolonisation von etwa 2000 Personen ja¨hrlich.21 Wenngleich dies auch keine unwahrscheinliche Gro¨ßenord-
nym Wrocławiu [Zur Frage von Fleischkonsum und Fleischdistribution im mittelalterlichen Breslau], in: Kwartalnik Historii Kultury Materialnej 39 (1992), 2, S. 139–152; Marian Rebkowski, ˛ Pierwsze lokacje miast w ksi˛estwie Zachodniopomorskim. Przemiany społeczne i kulturowe [Die ersten Stadtlokationen im Fu¨rstentum Pommern. Sozialer und kultureller Wandel], Kołobrzeg 2001, S. 197f.; ˙ ´ ´ w osad przedlokaMarzena Makowiecka/Daniel Makowiecki, Pozywienie zwierz˛ece mieszkanco ´ ´ deł archeologicznych [Die tierische Nahcyjnych i okolic Starego Rynku w Poznaniu w s´ wietle zro rung der Bewohner der Vorlokationssiedlungen und auf dem Gebiet des Altmarktes von Posen im Lichte archa¨ologischer Quellen], in: Civitas Posnaniensis. Studia z dziejo´w s´ redniowiecznego Poznania, hg. v. Zofia Kurnatowska/Tomasz Jurek, Poznan´ 2005, S. 442f.; Anna Grezak, ˛ Konsumpcja mi˛esa w s´ redniowiecznym Kołobrzegu w s´ wietle badan´ szczatko ˛ ´ w zwierz˛ecych [Der Fleischkonsum im mittelalterlichen Kolberg, untersucht anhand tierischer Relikte], in: Salsa Cholbergensis. Kołobrzeg w s´ redniowieczu, hg. v. Lech Leciejewicz/Marian Rebkowski, ˛ Kołobrzeg 2000, S. 205–221; ˙ Jerzy Gawlikowski/Jerzy Stepie ˛ n, ´ Struktura spozycia mi˛esa w Elblagu ˛ w s´ wietle materiało´w archeozoologicznych [Die Zusammensetzung der fleischlichen Nahrung in Elbing im Lichte archa¨ozoologi˙ scher Materialien], in: Archaeologia et historia urbana. Pami˛eci Tadeusza Nawrolskiego, hg. v. Grazyna Nawrolska u. a., Elblag ˛ 2004, S. 269–275. 16 Stefan Chmielewski, Rodzaje ro´slin uprawianych w polu i ich przeznaczenie konsumpcyjne [Auf dem Feld angebaute und fu¨r den Verzehr vorgesehene Pflanzenarten], in: Zarys historii gospodarstwa wiejskiego w Polsce, hg. v. Janina Le´skiewiczowa, Bd. 1, Warszawa 1964, S. 336–343, hier S. 336f.; von einer ¨ berlieferungen (die erst im Spa¨tmittelalter steigenden Getreideproduktion zeugt – besser als direkte U etwas umfangreicher werden) – der strukturelle Wandel des Zinses in den Lokationsdo¨rfern zu deutschem Recht, vgl. Menzel, Die schlesischen Lokationsurkunden (wie Anm. 6), S. 239f. 17 Maria Dembinska, ˙ ´ Przetwo´rstwo zbozowe w Polsce s´ redniowiecznej X–XIV wieku [Getreideverarbeitung im mittelalterlichen Polen, 10.–14. Jahrhundert], Wrocław 1973, S. 63f.; Karol Buczek, Z dziejo´w młynarstwa w Polsce s´ redniowiecznej [Zur Geschichte des Mu¨hlenwesens im mittelalterlichen Polen], in: Studia Historyczne 12 (1969), 1, S. 17–51. 18 Stanisław Trawkowski, Rozwo´j osadnictwa wiejskiego w Polsce w XII i pierwszej połowie XIII w. [Die Entwicklung der do¨rflichen Siedlung in Polen im 12. und in der ersten Ha¨lfte des 13. Jahrhunderts], in: Polska w okresie rozdrobnienia feudalnego, hg. v. Henryk Łowmianski, ´ Wrocław 1973, ´ asku S. 99–132, hier 124f.; Roman Heck, Rozdrobnienie feudalne na Sl ˛ [Die feudale Zersplitterung in Schlesien], in: ebd., S. 35–70 hier S. 39f. 19 Piskorski, Kolonizacja wiejska (wie Anm. 7), S. 64f. 20 Benedykt Zientara, Walonowie na Sl ´ asku ˛ w XII–XIII wieku [Die Wallonen in Schlesien im 12. bis 13. Jahrhundert], in: Przeglad ˛ Historyczny 66 (1975), 3, S. 249–369. 21 Walter Kuhn, Die Siedlerzahlen der deutschen Ostsiedlung, in: Studium sociale. Ergebnisse sozialwissenschaftlicher Forschungen, hg. v. Karl Gustav Specht u. a., Ko¨ln 1963, S. 131–154; ders., Vergleichende Untersuchungen zur mittelalterlichen Ostsiedlung, Ko¨ln 1973; zu der in den schriftlichen
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nung ist, scheinen doch jene Forscher Recht zu haben, die diese Zahlen fu¨r u¨bertrieben halten.22 Hartmut Boockmann hat zu Recht die Notwendigkeit betont, Assimilationspha¨nomene zu beru¨cksichtigen, und auf die Tatsache hingewiesen, dass im Rahmen der in Etappen ablaufenden Kolonisation immer neue Siedlergenerationen zur Verfu¨gung standen.23 Von enormer Bedeutung war die Anwendung der Organisationsprinzipien der kommunalen Stadt. Sie bildeten sich schrittweise und im Vergleich mit anderen Elementen des Kolonisationsmodells mit erheblicher Verspa¨tung heraus. Dieses Problem wird in den Regionalforschungen generell wenig beru¨cksichtigt, auch wenn Benedykt Zientara bereits 1974 in weiterhin aktueller Weise darauf hingewiesen hat.24 Als Erstes kam es zur Rechtsautonomie fu¨r die Kolonien fremder Kaufleute. Spa¨ter fanden ra¨umliche Lokationen statt, die die Gesamtheit der Bevo¨lkerung unter einer Jurisdiktion zu deutschem Recht zusammenfassten, und als Letztes wurde diesem Modell der Stadtrat als Selbstverwaltungsinstitution hinzugefu¨gt.25 Dieses Bild bedarf der Erga¨nzung. Seit langem weiß man, dass die ersten Lokationen den Charakter von Marktsiedlungen hatten (villae forenses).26 Die Entstehung eines ausgereiften kommunalen Stadtmodells fiel in die erste Ha¨lfte des 13. Jahrhunderts. Sie lief im Bereich der deutschen Kolonisation in regional differenzierter Form und mit einer nicht geringen Einbeziehung heimischer Strukturen ab. Die fu¨r die polni-
Quellen nur schwach belegten ba¨uerlichen Migration vgl. die interessanten Beobachtungen von Robert Bartlett, Die Geburt Europas aus dem Geist der Gewalt: Eroberung, Kolonisierung und kultureller Wandel von 950 bis 1350, Mu¨nchen 1996, bes. § 6. 22 Stanisław Trawkowski, Przemiany społeczne i gospodarcze w XII i XIII wieku [Sozialer und wirt´ schaftlicher Wandel im 12. und 13. Jahrhundert], in: Polska dzielnicowa i zjednoczona: panstwo, ´ społeczenstwo, kultura, hg. v. Aleksander Gieysztor, Warszawa 1972, S. 63–118, hier S. 83, ha¨lt die Scha¨tzungen fu¨r „u¨berho¨ht“; Piskorski, Kolonizacja wiejska (wie Anm. 7), S. 234f. (dort weitere Literatur), ha¨lt sie fu¨r „hochgradig wahrscheinlich“. 23 Hartmut Boockmann, Die mittelalterliche Ostsiedlung. Zum Stand ihrer Erforschung und zu ihrem Platz im allgemeinen Geschichtsbewußtsein, in: Geschichte und Gegenwart. Festschrift fu¨r K. D. Erdmann, Kiel 1980, S. 131–147: Eine Beru¨cksichtigung der sta¨dtischen Migration gebiete eine Anhebung der Scha¨tzungen auf 2500 ja¨hrlich, gleichwohl brachte „die Ostsiedlung selber Ostsiedler hervor“ – ebd., S. 139. 24 Benedykt Zientara, Przemiany społeczno-gospodarcze i przestrzenne miast w dobie lokacji [Der sozioo¨konomische und ra¨umliche Wandel der Sta¨dte in der Lokationszeit], in: Miasta doby feudalnej w Europie s´ rodkowo-wschodniej. Przemiany społeczne a układy przestrzenne, hg. v. Aleksander Gieysztor/Tadeusz Rosłanowski, Poznan´ 1976, S. 67–97. 25 Knapp bei Gawlas, O kształt (wie Anm. 1), S. 34f.; Benedykt Zientara, Das deutsche Recht (ius Teutonicum) und die Anfa¨nge der sta¨dtischen Autonomie, in: Hansische Studien 6 (1979), S. 94–100; Henryk Samsonowicz, Samorzad ˛ miejski w dobie rozdrobnieniu feudalnego w Polsce [Sta¨dtische Selbstverwaltung in der Epoche der feudalen Zersplitterung Polens], in: Polska w okresie (wie Anm. 18), S. 133–158; zuletzt Jerzy Piekalski, Von Ko¨ln nach Krakau. Der topographische Wandel fru¨her Sta¨dte, Bonn 2001, bes. S. 159–160. 26 Walter Schlesinger, Forum, villa fori, ius fori. Einige Bemerkungen zu Marktgru¨ndungen des 12. Jahrhunderts aus Mitteldeutschland, in: Altsta¨ndisches Bu¨rgertum, hg. v. Heinz Stoob, Bd. 1, Darmstadt 1978, S. 304–345; ders., Der Markt als Fru¨hform der deutschen Stadt, in: Vor- und Fru¨hformen der europa¨ischen Stadt im Mittelalter, hg. v. Herbert Jankuhn u.a, Go¨ttingen 1973, S. 262–293; zuletzt Wolfgang H. Fritze, Gru¨ndungsstadt Berlin. Die Anfa¨nge von Berlin-Co¨lln als Forschungsproblem, Potsdam 2000, S. 92f.
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schen Gebiete charakteristische Verknu¨pfung eines arrondierten sta¨dtischen Rechtsbezirks mit einer schachbrettfo¨rmigen Raumordnung und die Konzentration des gesamten Handelsverkehrs auf einem ausgewiesenen Marktareal kam zuerst in Schlesien auf und fand seit etwa Mitte des 13. Jahrhunderts immer weitere Anwendung beim Umbau des gesamten Sta¨dtenetzes in den anderen polnischen Territorien.27 Infolge des Lokationsprozesses traten eine grundlegende Entwicklung des Sta¨dtenetzes, ein Anwachsen der spezialisierten Handwerksproduktion und eine Ausbreitung der Geld- und Warenwirtschaft ein. Der gegenwa¨rtige Forschungsstand zur Kolonisation erlaubt keine ausreichend zuverla¨ssigen Zahlenangaben etwa zur Zahl der Do¨rfer, zum Ansteigen der Ernteertra¨ge, der Bevo¨lkerungsdichte usw. Die vorliegenden Scha¨tzungen, darunter auch solche, die nur einzelne Regionen wie Schlesien betreffen, stu¨tzen sich im Allgemeinen auf leicht anfechtbare Pra¨missen. Einzig die Aufza¨hlungen sta¨dtischer Lokationen geben trotz verschiedener Vorbehalte eine realistische Orientierung.28 Statistische Analysen zu den Vera¨nderungen der do¨rflichen Siedlung sind allzu abha¨ngig von historiografischen Vorannahmen,29 beru¨cksichtigen nicht die ziemlich offenkundigen qualitativen Vera¨nderungen im Charakter der Do¨rfer und spiegeln im besten ¨ berlieferung wider,30 die sich durch Falle in erster Linie die zunehmende schriftliche U archa¨ologische Daten, die bisher eher auf die Untersuchung fru¨herer Siedlungspha-
27 Vgl. Slawomir Gawlas, Die Lokationswende in der Geschichte mitteleuropa¨ischer Sta¨dte, in diesem
Band, S. 77–105.
28 Marta Młynarska-Kaletynowa, Rozwo´j sieci miejskiej na Sl ´ asku ˛ na przełomie XII/XIII i w XIII
w. [Die Entwicklung des Sta¨dtenetzes in Schlesien an der Wende vom 12. zum 13. und im 13. Jahrhundert], in: Kwartalnik Historii Kultury Materialnej 28 (1980), 3, S. 349–360, und weitere Artikel im ´ selben Band; Henryk Samsonowicz/Maria Bogucka, Dzieje miast i mieszczanstwa w Polsce przedrozbiorowej [Stadt und Stadtbu¨rgertum in Polen vor den Teilungen], Wrocław 1986, S. 85f.; Walter Kuhn, Die Sta¨dtegru¨ndungspolitik der schlesischen Piasten im 13. Jahrhundert, vor allem gegenu¨ber ¨ berblick, in: Archiv fu¨r SchlesiKirche und Adel (Schluß), 5: Die schlesischen Sta¨dtegru¨ndungen im U sche Kirchengeschichte 32 (1974), S. 1–20, hier S. 15; Josef Joachim Menzel, Die mittelalterliche Sta¨dtelandschaft Schlesiens, in: Stadt und Landschaft im deutschen Osten und in Ostmitteleuropa, hg. v. Friedhelm B. Kaiser/Bernhard Stasiewski, Ko¨ln 1982, S. 44–65; Peter Johanek, Entstehung und Entwicklung des Sta¨dtenetzes in Oberschlesien, in: Stadtgeschichte Oberschlesiens. Studien zur sta¨dtischen Entwicklung und Kultur einer ostmitteleuropa¨ischen Region vom Mittelalter bis zum Vorabend der Industrialisierung, hg. v. Thomas Wu¨nsch, Berlin 1995, S. 57–74; Zbyszko Go´rczak, Najstarsze lokacje miejskie w Wielkopolsce (do 1313 r.) [Die a¨ltesten Stadtlokationen in Großpolen (bis 1313)], Poznan´ 2002, S. 197f. und die Rezension dazu von Tomasz Jurek, in: Roczniki Dziejo´w Społecznych i Gopodarczych 62 (2002), S. 248–252. 29 Historia Sl ´ aska, ˛ Bd. 1: do roku 1763 [Geschichte Schlesiens: bis zum Jahr 1763], hg. v. Karol Maleczynski, ´ Bd. 1: do połowy XIV w., Wrocław 1960. Die Intentionen des Autors gehen dahin, die Unterschiede zwischen Lokationen zu polnischem und zu deutschem Recht zu verwischen – so z. B. auf S. 303, 310, 393. Glaubwu¨rdigere Angaben macht Heck, Rozdrobnienie (wie Anm. 18), S. 38f.; ders. Okres gospodarki czynszowej (od połowy XIII do schyłku XV w.) [Die Epoche der Zinswirtschaft (von der Mitte des 13. bis zum Ende des 15. Jahrhunderts)], in: Historia chłopo´w polskich, Bd. 1: Do upadku Rzeczypospolitej szlacheckiej, hg. v. Stefan Inglot, Warszawa 1970, S. 154–246, hier S. 168f. 30 Richard C. Hoffmann, Land, Liberties, and Lordship in a Late Medieval Countryside. Agrarian Structures and Change in the Duchy of Wrocław, Philadelphia 1989, S. 64f.; Idzi Panic, Historia osadnictwa w ksi˛estwie opolskim we wczesnym s´ redniowieczu [Siedlungsgeschichte des Fu¨rstentums Oppeln im Fru¨hmittelalter], Katowice 1992.
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sen ausgerichtet waren, nicht verifizieren la¨sst.31 Daher sind wir auf deskriptive Analysen angewiesen – auf die a¨lteren und an Faktenmaterial reichen, aber durch politische Intentionen belasteten,32 und auf die neueren, die objektiver, aber oft sehr knapp und allgemein gehalten sind.33 Ein wesentliches Manko des Erkla¨rungsmodells von der deutschen Kolonisation als Instrument einer melioratio terrae ist seine Frontstellung gegenu¨ber dem einheimischen System des Fu¨rstenrechtes als einem angeblich u¨berma¨ßig statischen sozioo¨konomischen System. Dieses habe im Rahmen einer vorherrschenden, halb autarken Naturalwirtschaft funktioniert, und die von der Bevo¨lkerung eingezoge¨ berschu¨sse ha¨tten mit Hilfe einer langen Liste verschiedener Leistungen und nen U Abgaben dem kollektiven Konsum des Fu¨rsten und seiner Verwaltungselite zu dienen gehabt.34 Dieses Konzept, das sich in erheblichem Maße auf eine retrogressive Analyse von Immunita¨tsklauseln stu¨tzt, ist in der Forschungsliteratur stark verankert.35 Unterdessen wurden aber zumindest in Schlesien die Anfa¨nge der deutschen Kolonisation von einem aufkommenden, oder vielleicht vorsichtiger formuliert, von einem sich deutlicher auspra¨genden ius ducale begleitet oder sie folgten diesem in nur geringem zeitlichen Abstand nach. Die sich zur so genannten fu¨rstenrechtlichen Verfassung zusammenfu¨genden Elemente samt einer Kastellaneiorganisation waren in ihrer u¨berwiegenden Mehrheit ebenfalls das Resultat einer Adaptierung fremder, im 12. Jahrhundert entwickelter Vorbilder, vor allem des Konzeptes der Regalien als dem 31 Jerzy Lodowski, Dolny Sl ´ ask ˛ na poczatku ˛ s´ redniowiecza (VI–X w.). Podstawy osadnicze i gospodar-
cze [Niederschlesien zu Beginn des Mittelalters (6.–10. Jahrhundert). Die Grundlagen von Siedlung ´ ´ und Wirtschaft], Wrocław 1980; Sławomir Mozdzioch, Organizacja gospodarcza panstwa wczesno´ asku. piastowskiego na Sl ˛ Studium archeologiczne [Die Wirtschaftsorganisation der fru¨hpiastischen Herrschaft in Schlesien], Wrocław 1990; ders., Problemy badan´ nad poczatkami ˛ miast i wsia˛ wczesno´sredniowieczna˛ w Polsce [Die Anfa¨nge der Sta¨dte und das fru¨hmittelalterliche Dorf in Polen. Pro´ bleme der Forschung.], in: Slavia Antiqua 38 (1997), S. 39–63, hier S. 47f.; Od plemienia do panstwa. ´ ask ´ Sl ˛ na tle wczesno´sredniowiecznej Słowianszczyzny Zachodniej [Vom Stamm zum Staat. Schlesien im Kontext der fru¨hmittelalterlichen Welt der Westslawen], hg. v. Lech Leciejewicz, Wrocław 1991; ´ ask Sl ˛ około roku 1000. Materiały z sesji naukowej we Wrocławiu w dniach 14–15 maja 1999 roku [Schlesien um das Jahr 1000. Materialien einer wissenschaftlichen Tagung in Breslau, 14.–15. Mai 1999], Wrocław 2000; grundlegende Bedeutung besitzt weiterhin Zofia Podwinska, ´ Zmiany form osadnictwa ´ wiejskiego na ziemiach polskich w wcze´sniejszym s´ redniowieczu. Zreb, wie´s, opole [Der Wandel la¨nd´ licher Siedlungsformen im fru¨hmittelalterlichen Polen. Zreb, Dorf, Opole], Wrocław 1971. 32 Herbert Schlenger, Formen la¨ndlicher Siedlungen in Schlesien, Breslau 1930; Friedrich Schilling, Ursprung und Fru¨hzeit des Deutschtums in Schlesien und im Land Lebus, Leipzig 1938; Walter Kuhn, Siedlungsgeschichte Oberschlesiens, Wu¨rzburg 1954; ders., Neue Beitra¨ge zur schlesischen Siedlungsgeschichte. Eine Aufsatzsammlung, Sigmaringen 1984. 33 Winfried Irgang, Der Anteil der piastischen Landesherren an der deutschen Besiedlung Schlesiens, in: Schlesien 20 (1975), 4, S. 193–202; ders., Die mittelalterliche Besiedlung Schlesiens, in: Schlesien im Hochmittelalter. Geschichte und Kultur der Siedelzeit, hg. v. Werner Bein, Wu¨rzburg 1982, S. 11–21; ˙ nska. ´ Josef Joachim Menzel, Schlesien zur Zeit der Heiligen Hedwig, in: Ksi˛ega Jadwiza Mi˛edzyna´ eta Jadwiga w dziejach i w kulturze Sl ´ aska“, rodowe sympozjum naukowe „Swi˛ ˛ Wrocław-Trzebnica 21–23 wrze´snia 1993 roku, hg. v. Michał Kaczmarek/Marek L. Wo´jcik, Wrocław 1995, S. 32–40. 34 Karol Modzelewski, Organizacja grodowa u progu epoki lokacji [Die Burgenorganisation an der Schwelle zur Lokationsepoche], in: Kwartalnik Historii Kultury Materialnej 28 (1980), 3, S. 329–339; ders., Chłopi w monarchii wczesnopiastowskiej [Die Bauern in der fru¨hpiastischen Monarchie], Wrocław 1987. 35 Kritische Beobachtungen hierzu bei Gawlas, O kształt (wie Anm. 1), S. 65f.
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Herrscher zugeordneter Hoheitsrechte, welche vor allem den Charakter eines fiskalisch-o¨konomischen Monopols hatten. Ein Teil davon existierte mit Sicherheit schon fru¨her, aber wenn man das Gesamtkonzept aus westlicher Perspektive betrachtet, erkennt man darin deutlich ein neues Pha¨nomen. Deswegen u¨berho¨ht die Interpretierung des Fu¨rstenrechtes als gleichsam unwandelbares sozioo¨konomisches System die Modernisierungsfunktionen der deutschen Kolonisation und stellt die Bedeutung der Schwelle der Lokation in einer Weise heraus, die nicht der Realita¨t entspricht.36 Wie bereits erwa¨hnt, diente die deutsche Kolonisation nicht allein der Sta¨rkung der wirtschaftlichen Grundlagen der Fu¨rstenherrschaft. Im Umkreis von Rudolf Ko¨tzschke, dem herausragenden Kenner dieser Probleme, ist schon zu Beginn der 20er Jahre des 20. Jahrhunderts die Formulierung von einer „Herrschaftsbildung durch Kolonisation“ entstanden.37 Bisherige Forschungen haben gezeigt, dass die Teilnahme an der Kolonisation im gesamten Mittelalter eines der wichtigsten Herrschaftsinstrumente war. Die deutsche Kolonisation bezog ihre bewa¨hrten und effektiven Vorbilder aus den ostdeutschen Landesherrschaften. Fu¨r ihre Nachbarn waren Rodungen und Lokationen nur ein Element zur Modernisierung der Grundlagen fu¨rstlicher Herrschaft. Man muss sie in Verbindung mit dem Burgenbau betrachten,38 mit der Anwerbung und Fo¨rderung fremder, sich vor allem aus dem Stand der
36 Ebd., S. 79f. 37 Richard Ko ¨ tzschke/Wolfgang Ebert, Geschichte der ostdeutschen Kolonisation, Leipzig 1937, S. 68. 38 Fu¨r Schlesien wurde diese Problematik wiederaufgenommen in: Kultura s´ redniowiecznego Sl ´ aska ˛ i
Czech. Zamek [Die Kultur im mittelalterlichen Schlesien und Bo¨hmen. Die Burg], hg. v. Krzysztof Wachowski, Wrocław 1996; Artur Boguszewicz, Przemiany w XIII-wiecznym s´ laskim ˛ budownictwie obronnym [Vera¨nderungen im schlesischen Wehrbau des 13. Jahrhunderts], in: Kultura s´ rednio´ aska wiecznego Sl ˛ i Czech: „Rewolucja“ XIII wieku, hg. v. Krzysztof Wachowski, Wrocław 1998, ´ asku: S. 97–111; zuletzt Małgorzata Chorowska, Rezydencje s´ redniowieczne na Sl ˛ zamki, pałace, wie˙ze mieszkalne [Mittelalterliche Residenzen in Schlesien: Burgen, Pala¨ste, Wohntu¨rme], Wrocław 2003. Die verzo¨gerte Entwicklung einer steinernen Architektur ist die Ursache dafu¨r, dass fu¨r die anderen polnischen Territorien der Forschungsschwerpunkt auf dem Spa¨tmittelalter liegt: Leszek Kajzer, ´ Zamki i społeczenstwo. Przemiany architektury i budownictwa obronnego w Polsce w X–XVIII w. [Burgen und Gesellschaft. Vera¨nderungen in Architektur und Wehrbau in Polen, 10.–18. Jahrhundert], Ło´dz´ 1983, S. 15f.; ders./Stanisław Kołodziejski/Jan Salm, Leksykon zamko´w w Polsce [Lexi´ kon der Burgen in Polen], Warszawa 2001; Zamki i przestrzen´ społeczna w Europie Srodkowej i Wschodniej [Burgen und Sozialraum in Mittel- und Osteuropa], hg. v. Marceli Antoniewicz, War´ ˙ szawa 2002; Stanisław Kołodziejski, Sredniowieczne rezydencje obronne moznowładztwa na terenie wojewo´dztwa krakowskiego [Wehrresidenzen der Großen auf dem Gebiet der Wojewodschaft Krakau im Mittelalter], Krako´w 1994; Zamek i dwo´r w s´ redniowieczu od XI do XV wieku. Materiały XIX seminarium mediewistycznego [Burg und Hof im Mittelalter vom 11. bis 15. Jahrhundert. Materialien des 19. media¨vistischen Seminars], hg. v. Jacek Wiesiołowski/Jacek Kowalski, Poznan´ 2001; ´ Janusz Pietrzak, Zamki i dwory obronne w dobrach panstwowych prowincji wielkopolskiej. Stu˙ dium z dziejo´w siedzib obronnych na przełomie s´ redniowiecza i nowozytno´ sci [Burgen und Wehrho¨fe auf den Doma¨nen der Provinz Großpolen. Zur Geschichte der Wehrresidenzen an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit], Ło´dz´ 2003; Leszek Kajzer, Zamki i dwory obronne w Polsce centralnej [Burgen und Wehrho¨fe in Zentralpolen], Warszawa 2004. Das Forschungsproblem der polnischen Burgen ist durch die Annahme verschleiert und reduziert worden, dass im Land eine nahezu unvera¨nderliche Burgenorganisation und ein entsprechendes fu¨rstliches Regal existiert ha¨tten, ebenso wie durch eine ku¨nstliche Unterscheidung zwischen steinernen und Holz-Erdeburgen, die doch nahezu dieselben Funktionen erfu¨llten. Das Burgregal war in Polen mit Sicherheit nicht a¨lter als die Kastellanreform in der Territorialverwaltung, welche ich auf das Ende des 12. Jahrhunderts datieren wu¨rde –
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Ministerialen rekrutierender Ritter,39 mit der Exekution von Regalien, der Einfu¨hrung neuer Ansa¨tze in der Territorialverwaltung usw.40 Ganz allgemein entschied der Umfang, in dem das deutsche Modell der Landesherrschaft in Ostmitteleuropa adaptiert wurde, u¨ber die Art der Teilhabe an der Welt der mittelalterlichen Zivilisation ¨ berlagerung von u¨bernommenen Vorbildern und internen und brachte durch die U Faktoren – und gegenu¨ber der Situation im Reich zeitlich verzo¨gert – unterschiedliche Resultate hervor. In Bo¨hmen verliefen diese Prozesse in ganz natu¨rlicher Weise, und neben der Krondoma¨ne entstanden seit der zweiten Ha¨lfte des 12. Jahrhunderts Herrschaften des Hochadels, die gemeinsam mit den Burgen und der Ritterkultur ein wichtiges Element der feudalen Revolution darstellten.41 In Ungarn, wo die Situation territorial stark differenziert war und auch von anderen Einflu¨ssen abhing, kam es in der Zeit eines massenhaften Burgenbaus nach dem Mongoleneinfall im Jahr 1241 zu einer weitgehenden Oligarchisierung der Herrschaft, die zu Beginn der Anjou-Regierung gewaltsam gebrochen wurde.42
vgl. Gawlas, O kształt (wie Anm. 1), S. 43f., 74f. Zuletzt mit treffenden Anmerkungen hierzu Marcin ´ Pauk, Funkcjonowanie regale fortyfikacyjnego w Europie Srodkowej w s´ redniowieczu [Die Funktion des Festungsregals in Zentraleuropa im Mittelalter], in: Kwartalnik Historii Kultury Materialnej 51 (2003), 1, S. 3–16. 39 Erscho¨pfend, wenn auch nur fu¨r Schlesien Tomasz Jurek, Obce rycerstwo na Sl ´ asku ˛ do połowy XIV wieku [Fremde Ritter in Schlesien bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts], Poznan´ 1996; ders., Rotacja ´ asku elity dworskiej na Sl ˛ w XII–XIV w. [Die Rotation der Hofelite in Schlesien im 12.–14. Jahr´ hundert], in: Genealogia – władza i społeczenstwo w Polsce s´ redniowiecznej, hg. v. Andrzej Radziminski/Jan ´ Wroniszewski, Torun´ 1999, S. 7–26; auf der Materialebene weniger zuverla¨ssig ist Ulrich Schmilewski, Der schlesische Adel bis zum Ende des 13. Jahrhunderts. Herkunft, Zusammensetzung und politisch-gesellschaftliche Rolle, Wu¨rzburg 2001; von den a¨lteren Arbeiten weiterhin unersetzlich bleibt Stanisław Kozierowski, Obce rycerstwo w Wielkopolsce w XIII–XVI w. [Fremde Ritter in Großpolen im 13.–16. Jahrhundert], Poznan´ 1929; Sławomir Gawlas, Die Probleme des Lehnswesens und des Feudalismus aus polnischer Sicht, in: Das europa¨ische Mittelalter im Spannungsbogen des Vergleichs. Zwanzig internationale Beitra¨ge zu Praxis, Problemen und Perspektiven der historischen Komparatistik, hg. v. Michael Borgolte/Ralf Lusiardi, Berlin 2001, S. 97–123, hier S. 111f., dort weitere Literatur. 40 Gawlas, O kształt (wie Anm. 1), S. 53f.; fu¨r Schlesien weiterhin von grundlegender Bedeutung Heinrich von Loesch, Die Verfassung im Mittelalter, in: Geschichte Schlesiens, Bd. 1: Von der Urzeit bis zum Jahre 1526, hg. v. Hermann Aubin, Breslau 1938, S. 242–321, hier S. 262–292. 41 Dieses Problem wurde zuletzt umfassend analysiert von Marcin R. Pauk, Rola polityczna i pozycja ˙ czeskiej elity moznowładczej do poczatku ˛ XIV wieku [Die politische Rolle und Position der bo¨hmischen Herrschaftselite bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts], [unvero¨ffentlichte Dissertation, Waro ˇ szawa 2005]; Josef Zˇemlicka, Stoletı´ poslednı´ch Pˇremyslovcu [Das Jahrhundert der letzten Pˇremys2 ˇ liden], Praha 1998; ders., Poˇca´tky Cech kra´lovsky´ch 1198–1253. Promˇena sta´tu a spoleˇcnosti [Die Anfa¨nge des ko¨niglichen Bo¨hmen 1198–1253. Der Wandel des Staates und der Gesellschaft], Praha ˇ 2002, S. 195f., 405f.; Vratlislav Vanicek, Velke´ dˇejiny zemı´ koruny cˇ eske´, svazek 2. 1197–1250 [Große Geschichte der La¨nder der bo¨hmischen Krone, Bd, 2], Praha 2000, S. 256f. 42 Erik Fu ¨ gedi, Castle and Society in Medieval Hungary (1000–1437), Budapest 1986, S. 50f.; Gyula Kristo´, Die Arpadendynastie. Die Geschichte Ungarns von 895 bis 1301, Budapest 1993, S. 253f.: Pa´l Engel, The Realm of St Stephen. A History of Medieval Hungary, 895–1526, London 2001, S. 101f.; Stanisław Sroka, Methods of Constructing Angevin Rule in Hungary in the Light of Most Recent Research, in: Quaestiones Medii Aevi Novae 1 (1996), S. 77–90.
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Im Polen des 12. und 13. Jahrhunderts stellte die Rezeption zeitgeno¨ssischer Vorbilder den Herrschenden neue Argumente fu¨r eine fiskalische Ausbeutung der Ressourcen ihrer Untertanen im Rahmen des Fu¨rstenrechtes zur Verfu¨gung und ermo¨glichte es, das landesherrliche Monopol in den Ha¨nden der Repra¨sentanten der herrschenden Dynastie zu halten. Indirekte Indizien suggerieren, dass der Status der Ministerialen starken Einfluss auf die Position der heimischen Ritterschaft hatte.43 In der na¨chsten Phase wurden die deutsche Kolonisation und die sie begleitenden Organisationsformen im Interesse der Fu¨rstenmacht genutzt. In Schlesien kam es dazu ungewo¨hnlich fru¨h, umfassend, effektiv und im Verbund mit einer Verdra¨ngung des Adels von der Mehrzahl der Vorteile, die die neuen wirtschaftlichen Erscheinungen mit sich brachten. In anderen Gebieten Polens verbreitete sich die deutsche Kolonisation bekanntermaßen mit erheblicher Verzo¨gerung, und einzelne Landesteile wiesen auch lokale Spezifika auf.44 ¨ berall ließ man weltliche und geistliche Herren nur in beschra¨nktem Umfang an U den Vorteilen der Kolonisation teilhaben,45 und man verwehrte ihnen in effektiver Weise die Errichtung autonomer Herrschaften. Tendenzen zu deren Entstehung
43 Gawlas, Die Probleme (wie Anm. 39). S. 115f. 44 Sławomir Gawlas, Polityka wewn˛etrzna Przemysła II a mechanizmy społecznych da˙ ˛zen´ i konflikto´w
w Wielkopolsce jego czaso´w [Die Innenpolitik Przemysł II. und die Mechanismen sozialer Bestrebungen und Konflikte im Großpolen seiner Zeit], in: Przemysł II. Odnowienie Kro´lestwa Polskiego, hg. v. ˙ Jadwiga Krzyzaniakowa, Poznan´ 1997, S. 65–80; aus der enormen Literatur bietet am meisten Material Tyc, Die Anfa¨nge (wie Anm. 3); Jerzy Masłowski, Kolonizacja wiejska na prawie niemieckim w ´ wojewo´dztwach sieradzkim, ł˛eczyckim, na Kujawach i w ziemi dobrzynskiej [Die do¨rfliche Kolonisation zu deutschem Recht in den Wojewodschaften Sieradz und Ł˛eczyca, in Kujawien und im Dobriner Land], in: Roczniki Historyczne 13 (1937), S. 197–303; Antoni Gasiorowski, ˛ Ze studio´w nad szerzeniem si˛e tzw. prawa niemieckiego we wsiach ziemi krakowskiej i sandomierskiej (do roku 1333) [Zur Verbreitung des so genannten deutschen Rechtes in den Do¨rfern des Landes Krakau und Sandomir (bis 1333)], in: Roczniki Historyczne 16 (1960), S. 123–169; Jerzy Łucinski, ´ Lokacje wsi i miast monarszych w Małopolsce do 1385 roku [Die Lokationen monarchischer Do¨rfer und Sta¨dte in Kleinpolen bis 1385], in: Czasopismo Prawno-Historyczne 17 (1965), S. 93–121; Walter Kuhn, Die Erschließung des su¨dlichen Kleinpolen im 13. und 14. Jahrhundert, in: Zeitschrift fu¨r Ostforschung 17 (1968), S. 401–480; ders., Die deutschrechtliche Siedlung in Kleinpolen, in: Die deutsche Ostsiedlung als Problem der europa¨ischen Geschichte. Reichenau Vortra¨ge 1970–1972, hg. v. Walter Schlesinger, Sigmaringen 1975, S. 369–415. 45 Dies hat festgestellt Zientara, Heinrich der Ba¨rtige (wie Anm. 6), S. 199f., 267f.; ausfu¨hrlicher dazu Gawlas, O kształt (wie Anm. 1), S. 79f.; ders., Człowiek uwikłany w wielkie procesy – przykład Mus´ katy [Ein Mensch verstrickt in große Prozesse – das Beispiel Muskata], in: Człowiek w społeczenstwie s´ redniowiecznym, hg. v. Roman Michałowski, Warszawa 1997, S. 391–401; Anna Rutkowska´ ˙ ˙ Płachcinska, ´ Strzelin, Scinawa i Grodko´w: nieudane moznowładcze załozenia targowe w XIII wieku [Strehlen, Steinau und Grottkau: Fehlgeschlagene herrscherliche Marktgru¨ndungen im 13. Jahrhundert], in: Studia z dziejo´w osadnictwa, Bd. 3, Wrocław 1965, S. 39–66; Marta Młynarska-Kaletynowa, Pierwsze lokacje miast w dorzeczu Orli w XIII wieku [Die ersten Stadtlokationen im Gebiet des Flusses Orla im 13. Jahrhundert], Wrocław 1973; Tomasz Jurek, Die Stadtlokationen auf den Gu¨tern der Herren von Pogarell im 13. Jahrhundert, in diesem Band, S. 205–222; Leszek Kajzer, Z problematyki budownictwa obronnego biskupo´w włocławskich [Zum Problem der Wehrbauten der Bischo¨fe von Leslau], in: Nasza Przeszło´sc´ 82 (1994), S. 281–298; Tomasz Pietras, ‚Krwawy wilk z pastorałem‘ biskup krakowski Jan zwany Muskata˛ [‚Ein blutiger Wolf mit Bischofsstab‘. Der Krakauer Bischof Johann genannt Muskata], Warszawa 2001, S. 35, 48f., 88f., 122f.
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kamen im 13. Jahrhundert jedoch immer wieder auf, insbesondere von Seiten des Episkopats, doch keine davon, mit Ausnahme des Bistums von Breslau, endete mit einem Erfolg.46 Die sta¨rkere Betonung der soziostrukturellen Funktion der Ostkolonisation und der mit ihr zusammenha¨ngenden Instrumente einer Sta¨rkung der Territorialherrschaft ermo¨glicht eine Korrektur des Bildes von der Mittlerrolle der deutschen Landesherrschaft und erlaubt eine vollsta¨ndigere Erkundung des Europa¨isierungsprozesses der ostmitteleuropa¨ischen Peripherien. Das so modifizierte Bild liefert jedoch keine neuen Voraussetzungen, um die Kenntnis der o¨konomischen Expansionsmechanismen des Westens zu vertiefen. Wir wissen, dass hinter ihnen eine Renaissance sta¨dtischen Lebens stand, die Expansion des Fernhandels u. a. mit der Entstehung der Hanse, eine voru¨bergehende Konjunktur des Schwarzmeerhandels, die Entwicklung des Erzbergbaus, ein Netz von Handelsmessen, sowie die infolge der so genannten kommerziellen Revolution entstandenen neuen Handelstechniken, welche no¨rdlich der Alpen mit erheblicher Verzo¨gerung adaptiert wurden:47 das System von Faktoreien und Kontoren, Kredit- und Wechselbrief, Banken, doppelte Buchfu¨hrung usw. Es erhebt sich also die Frage, ob diesem Bild neue Elemente hinzugefu¨gt werden ko¨nnen.
2.
Konsum und Kommerzialisierung als Innovationsfaktoren
Betrachtet man die sozialen und o¨konomischen Mechanismen, die bei der Einbindung peripherer La¨nder in den sich im Mittelalter herausbildenden europa¨ischen Markt wirksam waren, so dra¨ngt sich als eine grundlegende Analysekategorie der Konsum, insbesondere der Konsum von Luxusgu¨tern auf.48 Fu¨r die mittelalterlichen Eliten war der Konsum von Luxusgu¨tern gleichzeitig Herrschaftsinstrument 46 Zuletzt Thomas Wu ¨ nsch, Territorienbildung zwischen Polen, Bo¨hmen und dem deutschen Reich:
Das Breslauer Bistumsland vom 12. bis zum 16. Jahrhundert, in: Geschichte des christlichen Lebens im schlesischen Raum, hg. v. Joachim Ko¨hler/Rainer Bendel, Mu¨nster 2002, S. 199–264; ders., Landesherrschaft und geistliches Territorium der Breslauer Bischo¨fe im 13. Jahrhundert – Zur Pra¨senz eines westlichen Musters in der ostmitteleuropa¨ischen Verfassungsgeschichte, in: XVI Powszechny Zjazd Historyko´w Polskich, Wrocław 15–18 wrze´snia 1999 roku, Pami˛etnik, Bd. 1, hg. v. Krzysztof Ruchniewicz u. a., Torun´ 2000, S. 155–180; Kazimierz Orzechowski, Dzieje i ustro´j ksi˛estwa bisku´ asku piego na Sl ˛ [Geschichte und Verfassung des Fu¨rstbistums in Schlesien], in: Szkice Nyskie. Studia i materiały, Bd. 3, hg. v. Zbigniew Kowalski, Opole 1986, S. 7–43. 47 Hans-Jo¨rg Gilomen, Wirtschaftliche Eliten im spa¨tmittelalterlichen Reich, in: Europa im spa¨ten Mittelalter. Politik – Gesellschaft – Kultur, hg. v. Rainer C. Schwinges u. a., Mu¨nchen 2006, S. 357–384, hier S. 362f. 48 Die Forschungsproblematik des Konsums ist weit gespannt und verbindet verschiedene Sozialwissen¨ berblick aus soziologischer Perspektive pra¨sentiert Jan Szczepanski, schaften. Einen U ´ Konsumpcja a rozwo´j człowieka. Wst˛ep do antropologicznej teorii konsumpcji [Konsum und menschliche Entwicklung. Einfu¨hrung in eine anthropologische Theorie des Konsums], Warszawa 1981, wobei einige ¨ berlegungen mit dem Niedergang des so genannten realen Sozialismus einer gewisMotive in seinen U sen Deaktualisierung unterlegen sind; Sławomir Partycki, Zarys teorii socjologii gospodarki [Abriss
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und ein o¨konomisches Problem, das mit der Notwendigkeit zusammenhing, die entsprechenden Mittel dafu¨r zu erlangen. Infolgedessen spielte er eine grundlegende Rolle in der Verteilung des Sozialproduktes. Die damit zusammenha¨ngenden Pha¨nomene nahmen in den Zentren und an der Peripherie einen je anderen Verlauf. Diese Differenzierung, und besonders der Einfluss ersterer auf die Entwicklung weniger entwickelter La¨nder ist Gegenstand lebhafter interdisziplina¨rer Diskussionen, deren Resultate eine Betrachtung lohnen. Der zur Analyse der Interdependenz von Zentren und Peripherie dienende Begriffsapparat sowie die diese Frage beru¨hrenden historischen Forschungen, die im ¨ brigen vor allem Neuzeit und Gegenwart mit Schwerpunkt auf den IndustriegeU ¨ konosellschaften betreffen,49 sind in hohem Maße durch Untersuchungen von O men und Soziologen zu den Ursachen moderner Entwicklungsunterschiede und den ¨ berwindung inspiriert. Die dort formulierten Ansichten treMo¨glichkeiten ihrer U ten in Gestalt relativ koha¨renter Theorien auf, welche die Bedeutung einzelner Termini und die Glaubwu¨rdigkeit der Verallgemeinerungen beeinflussen.50 Die fu¨r Historiker am wenigsten interessanten Elemente entha¨lt die so genannte Modernisierungstheorie. Sie bezog sich auf eine die Realita¨t in unzula¨ssiger Weise vereinfachende dichotomische Gegenu¨berstellung traditioneller und moderner Gesellschaften und nahm eine unausweichliche Wiederholung des europa¨ischen Entwicklungsmodells durch die La¨nder der Dritten Welt nach der Erfu¨llung einer ganzen Reihe von Bedingungen, die dessen Rezeption erleichtern sollten, an. Doch so ist es bekanntermaßen im Allgemeinen nicht gekommen. Dies bedeutet selbstversta¨ndlich nicht, dass man auf den Begriff der Modernisierung selbst verzichten mu¨sste.51 Gro¨ßeren Nuteiner Theorie der Wirtschaftssoziologie], Lublin 22004, S. 71f.; Czesław Bywalec/Leszek Rudnicki, Konsumpcja [Konsumption], Warszawa 2002. Gegenu¨ber der Kategorie Konsum besitzen die auf die ¨ konomie hier nur einreinen Mechanismen der Marktkalkulation gestu¨tzten Begriffe der klassischen O geschra¨nkten Wert; vgl. dazu Harry Landreth/David C. Colander, History of Economic Thought, Boston 31994; Mark Blaug, Economic Theory in Retrospect, 5., u¨berarb. Auflage London 1997. 49 Internal Peripheries in European History, hg. v. Hans-Heinrich Nolte, Go¨ttingen/Zu¨rich 1991; ders., Tradition des Ru¨ckstands. Ein halbes Jahrtausend Russland und der Westen, in: Vierteljahrschrift fu¨r Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 78 (1991), S. 1–21; Europa¨ische innere Peripherien im 20. Jahrhundert, hg. v. dems., Stuttgart 1997; Studien zum Beginn der modernen Welt, hg. v. Reinhart Koselleck, Stuttgart 1977; Stein Rokkan u. a., Centre-Periphery Structures in Europe. An ISSC Workbook in Comparative Analysis, Frankfurt/M./New York 1987. 50 Einen nu¨tzlichen U ¨ berblick u¨ber die verschiedenen Standpunkte liefern Kazimierz Krzysztofek/ ´ Marek S. Szczepanski, ´ Zrozumie´c rozwo´j. Od społeczenstw tradycyjnych do informacyjnych [Entwicklung verstehen. Von der Traditions- zur Informationsgesellschaft], Katowice 22005; Adam W. Jelonek/Krzysztof Tyszka, Koncepcje rozwoju społecznego [Konzepte der Gesellschaftsentwicklung], Warszawa 2001; Marek S. Szczepanski, ´ Modernizacja, rozwo´j zale˙zny, rozwo´j endogenny. Socjologiczne studium teorii rozwoju społecznego [Modernisierung, dependente Entwicklung, endogene Entwicklung. Eine soziologische Studie zur Theorie der Gesellschaftsentwicklung], Katowice 1989; ders./Kazimierz Krzysztofek/Andrzej Ziemilski, Kultura a modernizacja społeczna [Kultur und gesellschaftliche Modernisierung], Warszawa 1993. 51 Vgl. Sławomir Gawlas, Polska Kazimierza Wielkiego a inne monarchie Europy Srodkowej ´ ˙ – mozliwo´sci i granice modernizacji władzy [Das Polen Kasimirs des Großen und die anderen Monarchien Mitteleuropas. Mo¨glichkeiten und Grenzen der Herrschaftsmodernisierung], in: Modernizacja ´ ´ struktur władzy w warunkach opo´znienia. Europa Srodkowa i Wschodnia na przełomie s´ rednio˙ wiecza i czaso´w nowozytnych, hg. v. Marian Dygo u. a., Warszawa 1999, S. 5–34, bes. S. 5f.; Marek
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zen hat der historischen Forschung die Dependenztheorie gebracht, mit ihrer Herausstellung von Pha¨nomenen fehlender Gleichberechtigung im Austausch und der Abha¨ngigkeit der Entwicklung peripherer La¨nder von den Bedu¨rfnissen der o¨konomischen Zentren der Kolonialma¨chte. Die pessimistische Vision von einer kontinuierlichen „Entwicklung der Unterentwicklung“ vernachla¨ssigt jedoch die Analyse interner Modernisierungshindernisse, und sie wurde auch nur teilweise von der Realita¨t besta¨tigt. Gleichwohl verdienen die Bezeichnung der „dependenten Entwicklung“ selbst, als auch viele Detailbeobachtungen eine Adaptierung.52 Erst das in diesem Kontext umgesetzte Konzept eines Weltwirtschaftssystems entspricht den Erfahrungen und Bedu¨rfnissen der Historiker, da es von solchen selbst geschaffen wurde, wobei der Ansatz Fernand Braudels ungleich weiter reicht als das Konzept Immanuel Wallersteins.53 Wenn man das Problem der dependenten Entwicklung peripherer La¨nder aufgreift, erkennt man zwei grundlegende Einflussmechanismen der Zentren. Der erste ¨ bernahme und Adaptierung von Vorbildern und Standards, die an beruht auf der U die Mo¨glichkeiten vor Ort angepasst werden mu¨ssen. Hierbei scheint es gerechtfertigt, auf den Begriff des Sozialstandards zuru¨ckzugreifen.54 Er knu¨pft an das Konzept des Kulturstandards an, das im Kontext der Kulturanthropologie entstanden ist. Sozialstandard ist hier der bessere Begriff, weil er kulturelle Muster mit ihrem sozialen Hintergrund verknu¨pft. Verschiedene Beobachtungen verallgemeinernd la¨sst sich sagen, dass alle Lebensbereiche durch differenzierte Standards reguliert werden. Sie entstehen als Ergebnis der Konfrontation von Bedu¨rfnissen und vorhandenen Vorbildern ihrer Befriedigung mit den realen, durch die zur Verfu¨gung stehenden Mittel ¨ hnliche Vorbilder ko¨nnen also durch unterschiedlibeschra¨nkten Mo¨glichkeiten. A che Standards realisiert werden. Diese Situation fu¨hrt zu einer starken sozialen Dif¨ nderung der Voraussetzungen treten diese ferenzierung von Standards. Bei einer A plastisch hervor, einmal konstituiert bilden sie jedoch eine gewisse Einheit, die ein erhebliches, durch Gewohnheit sanktioniertes Beharrungsvermo¨gen zeigt. Aus diesem Grund sind Vera¨nderungen ha¨ufig mit einem Generationswechsel verbunden. Eine durch vitale Prozesse in Gang gesetzte Destabilisierung geht schnell in eine Phase der Selbstorganisation u¨ber, die die soziale Ordnung wiederherstellt und neue Standards fixiert. Ein sehr wichtiger Aspekt fu¨r das Funktionieren von Standards ist ihre Eignung zur Diffusion, insbesondere durch das Wecken von Bedu¨rfnissen und die Bereitstellung vorgefertigter Mittel zu ihrer Befriedigung.55 Dieses Pha¨nomen ist
S. Szczepanski, ´ Teorie zmian społecznych, Bd. 1: Teorie modernizacji [Theorien des gesellschaftlichen Wandels, Bd. 1: Modernisierungstheorien], Katowice 21990. 52 Krzysztofek/Szczepanski, ´ Zrozumie´c rozwo´j (wie Anm. 50), S. 97f.; Szeczepanski, ´ Modernizacja (wie Anm. 50), S. 58f.; Jelonek/Tyszka, Koncepcje (wie Anm. 50), S. 11f. 53 Ebd., S. 170f.; Krzysztofek/Szczepanski, ´ Zrozumie´c rozwo´j (wie Anm. 50), S. 125f.; Fernand Braudel, Sozialgeschichte des 15.–18. Jahrhunderts, Mu¨nchen 1985–86. 54 Gawlas, Polska Kazimierza Wielkiego (wie Anm. 51), S. 11f.; Gra˙zyna Ungeheuer, Przemiany standardu kulturowego. Z badan´ w s´ rodowisku wiejskim [Vera¨nderungen des Kulturstandards. Forschungen im la¨ndlichen Milieu], Warszawa 1974. 55 In dieser Weise verstandene Forschungen u¨ber Sozialstandards sind nur in beschra¨nktem Umfang unternommen worden, wenngleich das in der Literatur zusammengetragene Material dies durchaus
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von besonderer Bedeutung in Bezug auf die gesellschaftliche Elite, die im Allgemeinen u¨ber die gro¨ßten Mo¨glichkeiten zur Realisierung neuer Standards verfu¨gt, und ¨ bernahme gewo¨hnlich mit der Verteidigung der eigenen Position verbunden deren U ist. An der Peripherie mit ihrer geringeren Wirtschaftskraft sind die Mo¨glichkeiten zur Realisierung rezipierter Standards von Konsum und Sozialstatus an die Verteilung einer deutlich geringeren Menge an Mitteln gebunden und fu¨hren in der Regel zu einer scha¨rferen Konkurrenz um diese Mittel als in ho¨her entwickelten Regionen. ¨ berDiese Situation kann verschiedene Konsequenzen haben. Einerseits stellt die U nahme ho¨herer Standards einen Entwicklungsimpuls fu¨r die heimische Produktion dar, besonders wenn sie von einem Zustrom von Fremden begleitet wird, fu¨r die diese Standards ein selbstversta¨ndliches Element ihrer Welt sind und die gleichzeitig bessere technische Fa¨higkeiten mitbringen. Die verschiedenen Formen des mittelalterlichen Landesausbaus wurden ha¨ufig von dieser Variante begleitet.56 Gleichzeitig ko¨nnen neue Konsummuster der Elite regressive, den internationalen Austausch zusa¨tzlich erschwerende Pha¨nomene in Gang setzen. Deswegen wenden sie sich sehr ha¨ufig gegen die Gruppen der Schwa¨cheren, die in der Folge in eine noch schlechtere Position gedra¨ngt werden – so wie dies etwa bei der so genannten ‚zweiten Leibeigenschaft‘ der Fall war. Der zumeist brutale Kampf um die Verteilung des Sozialproduktes bewirkt, dass in unterentwickelten La¨ndern die Modernisierung vor allem den Interessen der heimischen Elite dient, zo¨gerlich verla¨uft und lange nur isolierten Charakter besitzt. Auf einer zweiten Ebene besitzt der Einfluss auf die Peripherie strikt o¨konomischen Charakter und ist mit deren Einbeziehung in die Spha¨re des internationalen Handels verknu¨pft, welche mit der Zeit zu einer immer gro¨ßeren Abha¨ngigkeit der Wirtschaft von den Bedu¨rfnissen der ho¨her entwickelten La¨nder fu¨hrt. Der grundlegende Mechanismus stu¨tzt sich auf eine zunehmende Rolle des Geldes, das auch innerhalb der peripheren La¨nder zu deren Kommerzialisierung fu¨hrt. Ich greife hier bewusst auf den Begriff der Kommerzialisierung zuru¨ck, die ein weiter gefasstes Pha¨nomen als die eigentliche Monetarisierung des Handels ist und dabei alle ihre Vorbedingungen und Konsequenzen fu¨r den Charakter der Sozialbeziehungen umfasst. Das Problem wird selbstversta¨ndlich seit langem eingehend erforscht, aber die Komplexita¨t des Pha¨nomens wird in der polnischen Literatur im Allgemeinen im Rahmen einer dichotomischen Unterscheidung von Naturalwirtschaft bzw. Waren- und Geldwirtschaft begriffen.57 Dieses bereits im 19. Jahrhundert entstandene und nur in allgemeinen Umrissen zutreffende Schema reicht jedoch fu¨r eine pra¨zisere Darstellung des tatsa¨chlichen Verlaufs der Vera¨nderungen nicht aus. Schließlich weiß erlauben wu¨rde, es bedu¨rfte nur einer Neuinterpretation. Vgl. Christopher Dyer, Standards of Living in the Later Middle Ages. Social Change in England c. 1200–1520, Cambridge 1989; David Crouch, The Image of Aristocracy in Britain, 1000–1300, London 1992, S. 252f. 56 Bartlett, Die Geburt Europas (wie Anm. 21). 57 Den Diskussionsstand zusammengefasst hat Aleksander Gieysztor, Gospodarka naturalna i towaro˙ [Naturalwirtschaft und Waren-/Geldwirtschaft], in: Słownik Starozytno´ ˙ ´ wo-pieni˛ezna sci Słowianskich. Encyklopedyczny zarys kultury Słowian od czaso´w najdawniejszych do schyłku wieku XII, hg. v. Władysław Kowalenko/Gerard Labuda/Tadeusz Lehr-Spławinski, ´ Bd. 2, Wrocław 1964, S. 133–136.
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man seit langem, dass auch in den am ho¨chsten entwickelten Regionen beide Wirtschaftsformen durch Jahrhunderte hindurch nebeneinander existiert haben.58 Der Begriff der Kommerzialisierung erfasst besser die sozialen Aspekte des langen Entwicklungsprozesses im Handel und in den Funktionen des Geldes59 sowie von dessen Eindringen in verschiedene Spha¨ren des wirtschaftlichen, sozialen und politischen Lebens. Die meisten verallgemeinerbaren Beobachtungen und das meiste Vergleichsmaterial stellen in der Forschungsliteratur die Arbeiten englischer Historiker zur Verfu¨gung, fu¨r die dieser Terminus ein wichtiges Analyseinstrument ist.60 Eine außergewo¨hnlich reiche Quellenbasis mit dem Domesday Book an der Spitze ermo¨glicht dessen sinnvolle Anwendung, und wichtige Impulse haben auch die langwa¨hrenden Diskussionen zur Krise des 14. Jahrhunderts und den tiefreichenden Wurzeln des Kapitalismus geliefert.61 Es lassen sich eine ganze Reihe von neuen Analysen anfu¨hren, die das Thema auf sehr inspirierende Weise problematisieren,62 sowie vergleichende, auch anthropologisches Material nutzende Ansa¨tze.63 Kommerzialisierung wird in ihnen breit verstanden. Die Untersuchungen betrachten das Problem des Geldes und der gesamten Handelsinfrastruktur mo¨glichst umfassend: das Wachstum der Bevo¨lkerungszahl und der wirtschaftlichen Produktivita¨t, die Verdichtung des Markt- und Messenetzes, die Fortschritte bei der Urbanisierung, die Entwicklung der Kommunikation und der Transportmo¨glichkeiten, die Bildung und Hierarchie der Ma¨rkte und deren Versorgung, die Spezialisierung der Produktion, die Bedeutung des Wollexports, die Monetarisierung ba¨uerlicher Frondienste und deren Entlohnung, das Wirtschaften großer Gu¨ter, die Rolle der Schrift, die Standardisierung der
58 Vielleicht mit einer gewissen U ¨ bertreibung hat dies betont Alfons Dopsch, Naturalwirtschaft und
Geldwirtschaft in der Weltgeschichte, Wien 1930, dort auf S. 253f. die allgemeinen Schlussfolgerungen.
59 Ulrich Ko ¨ hler, Formen des Handels in ethnologischer Sicht, in: Untersuchungen zu Handel und Ver-
kehr der vor- und fru¨hgeschichtlichen Zeit in Mittel- und Nordeuropa, Teil I: Methodische Grundlagen und Darstellungen zum Handel in vorgeschichtlicher Zeit und in der Antike, hg. v. Klaus Du¨wel u. a., Go¨ttingen 1985, S. 13–55; vgl. die theoretisierenden Beobachtungen bei Sławomir Partycki, Społeczne funkcje rynku [Die gesellschaftlichen Funktionen des Marktes], Lublin 1998; Jarosław Go´rniak, Pieniadz ˛ [Geld], in: Encyklopedia Socjologii, Bd. 3: O–R, Warszawa 2000, S. 105–110. 60 Einen knappen U ¨ berblick u¨ber Forschungen und Fragestellungen bei John Hatcher/Mark Bailey, Modelling the Middle Ages. The History and Theory of England’s Economic Development, Oxford/ New York 2001, S. 121f.; zuletzt Medieval Money Matters, hg. v. Diana Wood, Oxford 2004. 61 Michael M. Postan, The Medieval Economy and Society. An Economic History of Britain in the Middle Ages, London 1972; ders., Medieval Trade and Finance, Cambridge 1973; ders., Essays on Medieval Agriculture and General Problems of the Medieval Economy, Cambridge 1973; Before the Black Death. Studies in the ‚Crisis‘ of the Early Fourteenth Century, hg. v. Bruce M. S. Campbell, Manchester 1991; Anthony R. Bridbury, The English Economy from Bede to the Reformation, Suffolk 1992. 62 Richard H. Britnell, The Commercialisation of English Society 1000–1500, Cambridge 1993; A Commercialising Economy. England 1086 to c. 1300, hg. v. dems./Bruce M. S. Campbell, Manchester 1995; James Maschaele, Peasants, Merchants and Markets, London 1997; Piotr Guzowski, Gospo´ sredniowiecznej Anglii w s´ wietle najnowszych badan. ´ Problemy i metody darstwo chłopskie w po´zno´ badawcze [Die ba¨uerliche Wirtschaft im spa¨tmittelalterlichen England im Lichte der neuesten Forschung. Forschungsprobleme und -methoden], in: Roczniki Dziejo´w Społecznych i Gopodarczych 63 (2003), S. 53–71. 63 Richard Hodges, Primitive and Peasant Markets, Oxford 1988.
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Maße, das Funktionieren des Kreditwesens, die Bedeutung ju¨discher Niederlassungen, die Bedu¨rfnisse und die Handlungsweise der ko¨niglichen Administration usw. Große Aufmerksamkeit widmet man Versuchen, die in Umlauf befindlichen Geldmengen zu bestimmen. Die Rolle des Geldes wuchs kontinuierlich, und eine umfassende Kommerzialisierung des Lebens fiel in England in das 13. Jahrhundert.64 Die Expansion Europas fand in bedeutendem Maße auf o¨konomischer Ebene statt, und periphere La¨nder wie Polen befanden sich in einer Lage der dependenten Entwicklung, wodurch sich zugleich mit der inneren Kommerzialisierung des gesellschaftlichen Lebens und der Herrschaftsinstrumente auch der Einfluss wirtschaftlicher Faktoren versta¨rkte, was die Finanzen der Herrschenden in eine permanente Krise versetzte. Im Zusammenhang damit bilden Forschungen zur wachsenden Rolle des Geldes einen hervorragenden Ausgangspunkt zur Beobachtung der Mechanismen, mit denen auf den Wandel der externen wirtschaftlichen Bedingungen reagiert wurde. Eine bahnbrechende Rolle spielte die Erneuerung sta¨dtischen Lebens und die enorm wachsende Bedeutung der Geld- und Warenwirtschaft in allen Spha¨ren des Lebens und der Politik im 12. Jahrhundert.65 Ein gewisses Hindernis fu¨r vergleichende Analysen stellt die Tatsache dar, dass das Problem der Kommerzialisierung in der deutschen Literatur nicht in a¨hnlich umfassender Weise reflektiert worden ist wie in England. Selbstversta¨ndlich kann man dennoch auf verschiedene Untersuchungen zuru¨ckgreifen, etwa zum Funktionieren der Grundherrschaft mit Hilfe der ba¨uerlichen Zinsabgaben.66 Viel Material liefern auch Forschungen zum Geld und seiner Zirkulation,67 zu den finanziellen Bedu¨rfnissen der Herrschenden,68 zur so genannten Hochfinanz (Kreditierung des Herrschers).69 64 Graham D. Snooks, The Dynamic Role of Market in the Anglo-Norman Economy and Beyond,
1086–1300, in: A Commercialising Economy (wie Anm. 62), S. 27–54; Richard Britnell, Uses of Money in Medieval Britain, in: Medieval Money (wie Anm. 60), S. 16–30. 65 Gerhard Ro ¨ sch, Wirtschaftsexpansion und Mu¨nze im 12. Jahrhundert. Ein Problem der Geldge¨ sterreichische Geschichtsforschung 101 (1993), S. 17–36. schichte, in: Mitteilungen des Instituts fu¨r O 66 Werner Ro ¨ sener, Bauern im Mittelalter, Mu¨nchen 1985, S. 383f., 489f.; ders., Agrarwirtschaft, Agrarverfassung und la¨ndliche Gesellschaft im Mittelalter, Mu¨nchen 1992, S. 81f.; Franz Irsigler, Grundherrschaft, Handel und Ma¨rkte zwischen Maas und Rhein im fru¨hen und hohen Mittelalter, in: Grundherrschaft und Sta¨dteentstehung am Niederrhein, hg. v. Klaus Fink/Wilhelm Janssen, Kleve 1989, S. 52–78. 67 Handbuch der Deutschen Wirtschafts- und Sozialgeschichte, hg. v. Herman Aubin/Wolfgang Zorn, Stuttgart 1971, S. 130f., 204f.; Manfred van Rey, Einfu¨hrung in die rheinische Mu¨nzgeschichte des Mit¨ bertelalters, Mo¨nchengladbach 1983, S. 113f.; Deutsche Wirtschaftsgeschichte. Ein Jahrtausend im U blick, hg. v. Michael North, Mu¨nchen 2000, S. 76f.; Bernd Sprenger, Das Geld der Deutschen. Geldgeschichte Deutschlands von den Anfa¨ngen bis zur Gegenwart, Paderborn 32002, S. 59f. 68 Zu den finanziellen Bedu¨rfnissen Friedrich Barbarossas Johannes Fried, Die Wirtschaftspolitik Friedrich Barbarossas, in: Bla¨tter fu¨r Deutsche Landesgeschichte 120 (1984), S. 195–239; Ferdinand Opll, Stadt und Reich im 12. Jahrhundert (1125–1190), Wien 1986, S. 550f.; Karl F. Krieger, Obligatory Military Service and the Use of Mercenaries of Hohenstaufen Emperors, in: England and Germany in the High Middle Ages. In Honor of Karl J. Leyser, hg. v. Alfred Haverkamp/Hanna Volrath, New York/London 1996, S. 151–169; Peter Thorau, Der Krieg und das Geld. Ritter und So¨ldner in den Heeren Kaiser Friedrichs II, in: Historische Zeitschrift 268 (1999), S. 599–634; Eva-Maria Engel, Finanzielle Beziehungen zwischen deutschen Ko¨nigen und Sta¨dtebu¨rgertum von 1250 bis 1314, in: Jahrbuch fu¨r Wirtschaftsgeschichte 4 (1975), S. 95–113; Hagen Keller, Zwischen regionaler Begrenzung und universalem Horizont. Deutschland im Imperium der Salier und Staufer 1024–1250, Berlin 1986, S. 434f.
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3. Die Anfa¨nge der Monetarisierung im mittelalterlichen Polen
In Bezug auf die polnischen Gebiete erlauben weder die Quellenlage noch der Forschungsstand, den gesamten Fragebogen zur Kommerzialisierung zu nutzen. Eine vorrangige Aufgabe ist hier die Einbeziehung der Errungenschaften der Numismatik in die Analyse wirtschaftlicher und soziostruktureller Pha¨nomene. In Anknu¨pfung an die erwa¨hnten Untersuchungen lassen sich zuna¨chst verschiedene Etappen der Kommerzialisierung unterscheiden: der Zustrom fremder Mu¨nzen in Zusammenhang mit einer Beteiligung am internationalen Handel, die Anfa¨nge des Gebrauchs von Mu¨nzen im Binnenhandel, das Aufnehmen einer eigenen Mu¨nzproduktion, die Sa¨ttigung des Binnenmarktes mit eigenen Mu¨nzen, die Ausbildung lokaler Ma¨rkte, die wachsende Monetarisierung ba¨uerlicher Frondienste, die Unterordnung der Produktionsstrukturen unter die Bedu¨rfnisse der Sta¨dte und der Handelsmechanismen auf den regionalen Ma¨rkten sowie deren Transformierung in ein zusammenha¨ngendes Netz von Jahrma¨rkten. Die Anfa¨nge der Monetarisierung des Handels hingen mit der Integrierung der slawischen Gebiete in das internationale Handelssystem zusammen. Dieses erlebte bekanntermaßen nach dem Einfall der Araber in den Mittelmeerraum eine grundlegende Transformation, die bereits zuvor zunehmende Unterschiede weiter vertiefte. Der Charakter dieser Vera¨nderungen ist seit der Vero¨ffentlichung von Henri Pirennes bekannten Thesen70 Gegenstand grundsa¨tzlicher Diskussionen gewesen. An diese hat Michael McCormick angeknu¨pft, der in einer detaillierten und umfassenden Analyse des gesamten zuga¨nglichen schriftlichen und archa¨ologischen Quellenmaterials die Entstehung eines neuen Netzes von Kontakten und neuer Entwicklungsbedingungen fu¨r die europa¨ische Wirtschaft im Fru¨hmittelalter aufgezeigt hat.71 Die grundlegende Za¨sur fiel in das 8. Jahrhundert. Der barbarisierte Norden hatte im Tausch gegen orientalische Luxusgu¨ter nicht viel anzubieten. In dieser Situation spielte „the sale of Europeans to the more advanced economies of Africa and Asia, as well as Spain, [...] a crucial role in the early development of the European commercial economy.“72 Den grundlegenden Entwicklungsimpuls lieferte also vor allem der Export von Sklaven. McCormick ist der Ansicht, dass „the European commercial economy in the Mediterranean was born precisely in the dynamic centres of the slave trade with
69 Ernst Pitz, Hochfinanz, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 5, Mu¨nchen 1991, Sp. 57f.; Wolfgang Stro-
mer, Oberdeutsche Hochfinanz 1350–1450, Wiesbaden 1970; Hochfinanz im Westen des Reiches, hg. v. Friedhelm Burgard, Trier 1996; Hans-Jo¨rg Gilomen, Wirtschaftliche Eliten im spa¨tmittelalterlichen Reich, in: Europa im spa¨ten Mittelalter (wie. Anm. 47), S. 357–384, hier S. 361f. 70 Henri Pirenne, Mahomet et Charlemagne, Paris/Bruxelles 1937; Henryk Samsonowicz, Polens Platz in Europa, Osnabru¨ck 1997, S. 13–15. 71 Michael McCormick, Origins of the European Economy. Communications and Commerce A. D. 300–900, Cambridge 2001. 72 Ebd., S. 791.
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the Arab world, in Naples and Amalfi, and in Venice.“73 Letzteres war ein wichtiges Zentrum der ‚Veredelung‘ dieser ‚Ware‘ durch Kastration.74 Das Angebot an Sklaven wurde hauptsa¨chlich durch die slawischen Gebiete gewa¨hrleistet.75 Dies ist selbstversta¨ndlich seit langem bekannt,76 die Interdependenzen in der Entwicklung sind jedoch noch nicht explizit aufgezeigt worden. Die ho¨chste Blu¨tezeit dieses Handels, der Mitteleuropa in die Wirtschaft des Westens integrierte, waren die karolingische und die ihr folgende Epoche bis zum letzten Viertel des 11. Jahrhunderts. Man kann sogar sagen, dass dies die mit Sicherheit einzige Epoche des Mittelalters war, in der eine Ware aus Ostmitteleuropa tatsa¨chlich europa¨ische Bedeutung erlangte.77 Der Handel mit slawischen Sklaven fu¨hrte zu einem vielsagenden semantischen Wandel. Das antike Wort servus wurde durch sclavus ersetzt, das zum Ausgangswort fu¨r die Bezeichnung von Unfreien in der deutschen, englischen und franzo¨sischen Sprache wurde.78 Marian Małowist hat diese Vera¨nderungen treffend erfasst: „Die Evolution der beiden Ausdru¨cke servus und sclavus stellt quasi einen Reflex auf die sich in den Sozialbeziehungen des fru¨hmittelalterlichen Europa vollziehenden Vera¨nderungen dar, namentlich auf die schrittweise Verwandlung der fru¨heren servi in Unterta¨nige sowie auf das Entstehen von neuen Gruppen von Unfreien, die wahrscheinlich vorher auf den untersten Stufen der Sozialhierarchie nur schwach vertreten gewesen waren.“79 Eine wichtige Rolle spielte hierbei die Kirche, die den Widerstand gegen den Export von Christen in muslimische La¨nder schu¨rte,80 welcher aber in Bezug auf die heidnischen Slawen weniger ausgepra¨gt war.81 Kennzeichnend ist die Tatsache,
73 Ebd., S. 776. 74 Ebd., S. 764. 75 Ebd., S. 733f. 76 Charles Verlinden, L’esclavage dans l’Europe Me´die´vale, Bd. 1–2, Brugge/Gent 1955–1977; Andrzej
Poppe, Handel niewolnikami na Rusi [Der Sklavenhandel in der Rus’], in: Słownik (wie Anm. 5), ´ Bd. 2, S. 188–190; Tadeusz Lewicki, Handel niewolnikami słowianskimi w krajach arabskich [Der Handel mit slawischen Sklaven in den arabischen La¨ndern], in: ebd., S. 190–192 (zu beiden Stichworten umfangreiche Literaturangaben); Lutz Richter-Bernburg, Der fru¨hmittelalterliche Handel Nord- und Osteuropas nach islamischen Quellen, in: Untersuchungen zu Handel und Verkehr der vor- und fru¨hgeschichtlichen Zeit in Mittel- und Nordeuropa, Teil IV: Der Handel der Karolinger- und Wikingerzeit, hg. v. Klaus Du¨wel u. a., Go¨ttingen 1987, S. 667–685; Samsonowicz, Polens Platz (wie Anm. 70), S. 14f.; zuletzt Ahmad Nazmi, Commercial Relations Between Arabs and Slavs (9th–11th Centuries), Warszawa 1998. 77 Henryk Samsonowicz, Zum Anteil der Slaven und des vorstaatlichen Polen an der Gestaltung Europas, in: Berliner Jahrbuch fu¨r osteuropa¨ische Geschichte 1996, 1, S. 45–53, bes. S. 48f. 78 McCormick, Origins (wie Anm. 71), S. 737. 79 Iza Biezu ˙ nska-Małowist/Marian ´ Małowist, Niewolnictwo [Sklaverei], Warszawa 1987, S. 241–321, Zitat S. 267. Der in diesem Buch enthaltene Abriss ist relativ knapp, aber umfasst alle wesentlichen Fragen und gibt eingehende Antworten auf die in den Quellen schwach belegten Probleme. 80 McCormick, Origins (wie Anm. 71), S. 740; ausfu¨hrlicher zur Haltung der Kirche Hartmut Hofmann, Kirche und Sklaverei im fru¨hen Mittelalter, in: Deutsches Archiv zur Erforschung des Mittelalters 42 (1986), S. 1–23. 81 Dies betont Dusˇan Tres ˇ ˇ tı´k, „Eine große Stadt der Slawen namens Prag“. Staaten und Sklaven in Mitteleuropa im 10. Jahrhundert, in: Boleslav II. Der tschechische Staat um das Jahr 1000. Internationales Symposium, Praha 9.–10. Februar 1999, hg. v. Peter Sommer, Praha 2001, S. 93–138, hier S. 109.
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dass die theologischen Zweifel an der Slawenmission von Kyrill und Method zuerst in Venedig gea¨ußert wurden, das unmittelbar an diesem Handel interessiert war.82 Der Sklavenhandel war ein wichtiger Faktor der Herrschaftsbildung bei den Slawen. Es fehlen direkte Quellenbelege, um bereits dem Reich des Samo im 7. Jahrhundert solche o¨konomischen Grundlagen zuzuschreiben,83 und die a¨ußeren Rahmenbedingungen legen nahe, dass es dafu¨r zu fru¨h gewesen sein ko¨nnte. Die spa¨tere Blu¨te des Sklavenhandels la¨sst jedoch keinen Zweifel mehr an der Bedeutung des Exportes von Menschen fu¨r das Großma¨hrische Reich.84 Zuletzt hat Dusˇan Tˇre´stı´k dieses Problem ausfu¨hrlich am Beispiel des bo¨hmischen Reiches analysiert.85 Ein großer Sklavenmarkt war Prag, das sich an einem internationalen Handelsweg von Kiev u¨ber Krakau nach Regensburg oder Magdeburg, nach Mainz, Verdun, an die Rhoˆnemu¨ndung und von dort nach Spanien befand.86 Es ist mo¨glich, dass die Rolle dieses Weges nach der Invasion der Magyaren und der Verdra¨ngung ju¨discher Kaufleute aus ¨ berlieferungen als Radanidem Mittelmeerraum wuchs.87 Letztere, die in einigen U ten bezeichnet werden,88 spielten vom 9. bis zum 11. Jahrhundert die Rolle der wichtigsten Mittler im internationalen Sklavenhandel.89 Dieser war sehr lohnend. In Prag war ein Sklave mindestens dreimal billiger (ungefa¨hr 300 Denare, also 10 % teurer
82 Darauf weist hin McCormick, Origins (wie Anm. 71), S. 754; Lech Leciejewicz, Wielkie Morawy i
Wenecja w IX wieku [Groß-Ma¨hren und Venedig im 11. Jahrhundert], in: Slavia Antiqua 37 (1996), S. 153–162. 83 McCormick, Origins (wie Anm. 71), S. 739; Gerard Labuda, Samo, in: Słownik (wie Anm. 57), Bd. 5, S. 39f. 84 Eine solche Annahme hat zuletzt gea¨ußert Tres ˇ ˇ tı´k, „Eine große Stadt“ (wie Anm. 81), S. 105, 109f.; o Dusˇan Tres ˇ ˇ tı´k, „Trh Moravanu“ – u´stˇrednı´ trh Stare´ Moravy [„Der Markt der Ma¨hrer“ – der Hauptˇ markt Altma¨hrens], in: Ceskoslovensky ´ cˇ asopis historicky´ 21 (1973), S. 869–894; Krzysztof Polek, ´ Podstawy gospodarcze panstwa wielkomorawskiego [Die wirtschaftlichen Grundlagen des großma¨hrischen Staates], Krako´w 1994, S. 78f., bes. S. 90f. 85 Tres ˇ ˇ tı´k, „Eine große Stadt“ (wie Anm. 81), S. 93–138. 86 Ebd., S. 110f.; McCormick, Origins (wie Anm. 71), S. 762f. 87 Ebd., S. 796f.; Tres ˇ ˇ tı´k, „Eine große Stadt“ (wie Anm. 81), S. 110. 88 Nazmi, Commercial Relations (wie Anm. 76), S. 121f.; die Literatur versammelt Tres ˇ ˇ tı´k, „Eine ˙ nska-Małowist/Małowist, große Stadt“ (wie Anm. 81), S. 104f.; Biezu ´ Niewolnictwo (wie Anm. 79), ˙ ´ w w IX–XI wieku w S. 272f.; Zofia Kowalska, Handel niewolnikami prowadzonymi przez Zydo Europie [Der von Juden betriebene Sklavenhandel im Europa des 9.–11. Jahrhunderts], in: Niewol˙ ˙ nictwo i niewolnicy w Europie od starozytno´ sci po czasy nowozytne, hg. v. Danuta Quirini-Popławska, Krako´w 1998, S. 81–90, hier 82f. 89 Schon in der beru¨hmten Raffelstetter Zollordnung (um 903) werden „mercatores, id est Iudei et ceteri mercatores de ista patria [d. i. Ma¨hren]“ erwa¨hnt – Inquisitio de theloneis, in: Magnae Moraviae Fontes Historici, Bd. 4, hg. v. Lubomir Havlı´k, Brno 1971, S. 114–119, Zitat S. 119; Heinrich Koller, Die Raffelstetter Zollordnung und die Ma¨hrischen Zentren, in: Burg – Burgstadt – Stadt. Zur Genese mittelalterlicher nichtagrarischer Zentren in Ostmitteleuropa, hg. v. Hansju¨rgen Brachmann, Berlin 1995, S. 283–295, bes. 291f.; Peter Johanek, Die Raffelstetter Zollordnung und das Urkundenwesen der Karolingerzeit, in: Festschrift fu¨r Berent Schwineko¨per zu seinem siebzigsten Geburtstag, hg. v. Helmut Maurer/Hans Patze, Sigmaringen 1982, S. 87–103. Zuletzt hat die Informationen zusammengetragen Kowalska, Handel niewolnikami (wie Anm. 88), S. 81–91; McCormick, Origins (wie Anm. 71), S. 767f.; Nazmi, Commercial Relations (wie Anm. 76), S. 114f.; Olivia R. Constable, Trade and Traders in Muslim Spain. The Commercial Realignment of the Iberian Peninsula, 900–1500, Cambridge 1994, S. 60f., 85f.; fu¨r Ungarn Nora Berend, At the Gate of Christendom. Jews, Muslims and ‚Pagans‘ in Medieval Hungary c. 1000–c. 1300, Cambridge 2001, S. 60f., 75f., 110f.
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als in Skandinavien) als in Venedig und mehr als dreizehnmal billiger als in Katalonien.90 Die Einku¨nfte aus diesem Handel spielten eine große Rolle bei der Unterhaltung der fu¨rstlichen Gefolgschaft, die die Basis des bo¨hmischen Reiches war.91 Tschechische Historiker a¨ußern die Vermutung, dass Misserfolge im Norden, insbesondere der Verlust Krakaus Ende des 10. Jahrhunderts, die o¨konomischen Grundlagen der Fu¨rstenherrschaft in Gestalt von Tributen oder Abgaben beschnitten ha¨tten und die Hauptursache fu¨r eine Krise der Herrschaft gewesen seien.92 Dies erscheint sehr wahrscheinlich, doch war das Geflecht von Abha¨ngigkeiten komplexer, weil das Bild von den Details der Expansion des Piastenreiches zuletzt sehr viel komplizierter geworden ist – sowohl in Bezug auf Schlesien93 als auch auf Kleinpolen.94 Dagegen wird die Bedeutung Krakaus fu¨r den Handel indirekt durch dessen sprunghafte 90 Entsprechende Berechnungen bei Tres ˇ ˇ tı´k, „Eine große Stadt“ (wie Anm. 81), S. 125f., McCormick,
Origins (wie Anm. 71), S. 755f., der Autor scha¨tzt einen 3–4-fachen Preisanstieg; zur Kaufkraft des Silbers und zu den Preisen Wojciech Dzieduszycki, Kruszce w systemach warto´sci i wymiany społec´ zenstwa Polski wczesno´sredniowiecznej [Erze in den Wert- und Handelssystemen der fru¨hmittelalterlichen polnischen Gesellschaft], Poznan´ 1995, S. 59. 91 Tres ˇ ˇ tı´k, „Eine große Stadt“ (wie Anm. 81), S. 126f. 92 Josef Z ˇ ˇ emlicka, ˇ Expanze, krize a obnova Cech v letech 935–1055 (K syste´movy´m promˇena´m rany´ch o sta´tu ve stˇrednı´ Evropˇe) [Expansion, Krise und Erneuerung Bo¨hmens in den Jahren 935–1055 (Zu ˇ den Systemvera¨nderungen fru¨her Staaten in Mitteleuropa)], in: Cesky ´ cˇ asopis historicky´ 93 (1995), ˇ ´sˇe“ cˇ esky´ch Boleslavuo , Slavnı´kovci a biskup Vojtˇech [Das „Reich“ der bo¨hS. 205–222; ders., „Rı ´ mischen Boleslavs, die Slawnikiden und Bischof Adalbert], in: Srodkowoeuropejskie dziedzictwo s´ wi˛etego Wojciecha, hg. v. Antoni Barciak, Katowice 1998, S. 61–69; ders., Das PˇremyslidenGeschlecht an der Wende vom 10. zum 11. Jahrhundert, in: Boleslav II. Der tschechische Staat (wie Anm. 81), S. 79–91, bes. S. 85f.; Jiˇrı´ Sla´ma, Der o¨konomische Wandel im Pˇremyslidenstaat unter der Herrschaft der Nachfolger Boleslavs II., in: ebd., S. 139–149; Barbara Krzenienska, ´ Krize cˇ eske´ho ˇ sta´tu na pˇrelomu tisı´ciletı´ [Die Krise des bo¨hmischen Staates an der Jahrtausendwende], in: Ceskoslovensky´ cˇ asopis historicky´ 18 (1970), S. 497–532. 93 Sławomir Mozdzioch, ´ ask ´ Sl ˛ mi˛edzy Gnieznem a Praga˛ [Schlesien zwischen Gnesen und Prag], in: Ziemie polskie w X wieku i ich znaczenie w kszałtowaniu si˛e nowej mapy Europy, hg. v. Henryk Sam´ aska sonowicz, Krako´w 2000, S. 169–298; ders., Społeczno´sc´ plemienna Sl ˛ w IX–X wieku [Die Stam´ ask mesgesellschaft Schlesiens im 9.–10. Jahrhundert], in: Sl ˛ około roku 1000. Materiały z sesji naukowej we Wrocławiu w dniach 14–15 maja 1999 roku, hg. v. Marta Młynarska-Kaletynowa/Edmund Małachowicz, Wrocław 2000, S. 25–71; ders., Castrum munitissimum Bytom. Lokalny o´srodek ´ władzy w panstwie wczesnopiastowskim [Castrum munitissimum Beuthen. Ein lokales Herrschafts´ ask zentrum im fru¨hpiastischen Reich], Warszawa 2002, S. 64f.; ders., Sl ˛ wczesno´sredniowieczny w s´ wietle badan´ archeologicznych i historycznych – crambe bis cocta? [Das fru¨mittelalterliche Schlesien im Lichte archa¨ologischer und historischer Forschungen], in: Civitas Schinesghe cum pertinentiis, hg. v. Wojciech Chudziak, Torun´ 2003, S. 51–87. 94 Aus archa¨ologischer Perspektive Jacek Poleski, Little Poland in the Year 1000 – Change and Con´ tinuation, in: Quaestiones Medii Aevi Novae 5 (2000), S. 29–55; ders., Grody panstwowe na terenie Małopolski od XI do połowy XIII wieku [Herrscherburgen in Kleinpolen vom 11. bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts], in: Lapides viventes. Zaginiony Krako´w wieko´w s´ rednich. Ksi˛ega dedykowana Pro˙ fesor Klementynie Zurowskiej, hg. v. Jerzy Gadomski u. a., Krako´w 2005, S. 29–51; El˙zbieta Kowal´ czyk, Momenty geograficzne panstwa Bolesława Chrobrego. Na styku historii i archeologii [Geografische Aspekte des Reiches von Bolesław Chrobry. Am Schnittpunkt von Geschichte und Archa¨ologie], in: Kwartalnik Historyczny 107 (2000), 2, S. 41–76, hier S. 65f.; Andrzej Buko, Małopolska ´ „czeska“ i Małopolska „polanska“ [„Bo¨hmisches“ und „polanisches“ Kleinpolen], in: Ziemie polskie ´ (wie Anm. 93), S. 143–168. Zuletzt hat Tomasz Jasinski am Rande seiner Forschungen zur Genese der polnischen Annalistik die Glaubwu¨rdigkeit der von Kosmas gegebenen Information verteidigt, dass Kleinpolen erst im Jahr 999 in das piastische Herrschaftsgebiet eingegliedert worden sei, es wurde jedoch wahrscheinlich schon um 984 als separates Teilfu¨rstentum fu¨r Bolesław Chrobry abgetrennt –
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Entwicklung nach der Abtrennung von Bo¨hmen bezeugt – als Residenz und zweites Zentrum des Piastenreiches schon im ersten Viertel des 11. Jahrhunderts.95 Aufmerksamkeit erregen die – im Vergleich zum Umfang der Informationen u¨ber die Bedeutung Prags fu¨r den Handel – unproportional schwachen Belege fu¨r den Zustrom arabischer Mu¨nzen nach Bo¨hmen.96 Gleichzeitig erreichte die lokale Mu¨nzproduktion in den Jahren 970–1034 in der Region ungekannte Ausmaße.97 Stanisław Suchodolski neigt der Interpretation zu, dass dies ein Resultat der Umpra¨gung arabischen Silbers gewesen sei.98 Es scheint keinem Zweifel zu unterliegen, dass die Kommerzialisierung des innerbo¨hmischen Marktes (d. h. vor allem Prags) schon zu jener Zeit relativ entwickelte Formen annahm.99 Davon zeugt auch das aus dem Bericht des Ibr¯ah¯ım Ibn
Tomasz Jasinski, ´ Poczatki ˛ polskiej annalistyki [Die Anfa¨nge der polnischen Annalistik], in: Nihil ˙ superfluum esse. Studia z dziejo´w s´ redniowiecza ofiarowane Profesor Jadwidze Krzyzaniakowej, hg. v. Jerzy Strzelczyk/Jo´zef Dobosz, Poznan´ 2000, S. 129–146, bes. S. 142f.; Gerard Labuda, Bolesław Chrobry w Krakowie, czyli o rzekomej utracie Krakowa przez Czecho´w w roku 999 [Bolesław Chrobry in Krakau oder vom vermeintlichen Verlust Krakaus durch die Bo¨hmen im Jahr 999], in: ders., ´ Studia nad poczatkami ˛ panstwa polskiego, Bd. 2, Poznan´ 1988, S. 264–293. 95 Kazimierz Radwanski, ´ ´ Krako´w gło´wnym o´srodkiem organizacji protopanstwowej Wi´slan [Krakau als wichtigstes Zentrum protostaatlicher Organisation bei den Wi´slanen], in: Archeologia w teorii i w praktyce, hg. v. Andrzej Buko/Przemysław Urbanczyk, ´ Warszawa 2000, S. 535–555; Gerard Labuda, ´ Mieszko II kro´l polski (1025–1034). Czasy przełomu w dziejach panstwa polskiego [Mieszko II., Ko¨nig von Polen (1025–1034). Eine Umbruchszeit in der Geschichte des polnischen Reiches], Krako´w 1992, S. 41f.; Zbigniew Pianowski, Die a¨lteste Monumentalarchitektur Kleinpolens, in: Quaestiones Medii Aevi Novae 5 (2000), S. 209–241; Roman Michałowski, Princeps Fundator. Studium z dziejo´w kultury politycznej w Polsce X–XIII wieku [Princeps Fundator. Studie zur Geschichte der politischen Kultur in Polen, 10.–13. Jahrhundert], Warszawa 1993, S. 53f.; Zbigniew Dalewski, Władza, ´ ceremoniał. Miejsce i uroczysto´sc´ inauguracji władzy w Polsce do konca ´ XIV w. [Herrprzestrzen, schaft, Raum und Zeremoniell. Ort und Feier der Herrschaftsinauguration in Polen bis zum Ende des 14. Jahrhunderts], Warszawa 1996, S. 39f.; Janusz Firlet, Wawelska rezydencja władcy około roku 1000 [Die Herrscherresidenz auf dem Wawel um das Jahr 1000], in: Polska na przełomie I i II tysiacle˛ cia, hg. v. Szcz˛esny Skibinski, ´ Poznan´ 2001, S. 311–323; Zbigniew Pianowski, „Kto´ry Bolesław“ – problem architektury monumentalnej w Małopolsce [„Welcher Bolesław“ – das Problem der Monumentalarchitektur in Polen], in: Poczatki ˛ architektury monumentalnej w Polsce, hg. v. Tomasz Janiak/ Dariusz Stryniak, Gniezno 2004, S. 257–281. 96 Tres ˇ ˇ tı´k, „Eine große Stadt“ (wie Anm. 81), S. 121f. 97 Stanisław Suchodolski, Poczatki ´ ˛ mennictwa w Europie Srodkowej, Wschodniej i Po´łnocnej [Die Anfa¨nge des Mu¨nzwesens in Mittel-, Ost- und Nordeuropa], Wrocław 1971, S. 39f., bes. S. 97f.: „Fu¨r die Verha¨ltnisse des 10./11. Jahrhunderts scheint der Verbrauch mehrerer Tonnen Silbers fast ausschließlich durch eine Mu¨nzsta¨tte ein nicht allta¨gliches Pha¨nomen zu sein. Zwar besitzen wir keine Vergleichsangaben fu¨r andere Mu¨nzsta¨tten aus dieser Zeit; gleichwohl scheint es, als ha¨tten damals nur die gro¨ßten Mu¨nzsta¨tten wie in Ko¨ln oder Magdeburg eine ho¨here Produktion hervorgebracht.“ Vgl. ders., Spo´r o poczatki ˛ mennictwa w Czechach i w Polsce [Der Streit um die Anfa¨nge des Mu¨nzwesens in Bo¨hmen und Polen], in: Wiadomo´sci Numizmatyczne 42 (1998), 1–2 (163–164), S. 5–18; Jiˇrı´ Sejbal, Za´klady penˇezˇnı´ho vy´voje [Grundlagen der Geldentwicklung], Brno 1997, S. 77f.; Jan Sˇmerda, Dena´ry cˇ eske´ a moravske´. Katalog mincı´ cˇ eske´ho sta´tu od X. do poˇca´tku XIII. stoletı´ [Bo¨hmische und Ma¨hrische Denare. Mu¨nzenkatalog des bo¨hmischen Staates vom 10. bis 13. Jahrhundert], Brno 1996; Zdenˇek Petra´n, ˇ Problematik der Prager Mu¨nzsta¨tte in der zweiten Ha¨lfte des 10. Jahrhunderts, in: Boleslav II. Der tschechische Staat (wie Anm. 81), S. 263–273. 98 Mu¨ndliche Information. 99 Jiˇrı´ Sla´ma, Der o¨konomische Wandel im Pˇremyslidenstaat unter der Herrschaft der Nachfolger Boleslavs II., in: Boleslav II. Der tschechische Staat (wie Anm. 81), S. 147f.; Kristina Maresˇova´, Pˇredmincovnı´ platidlo ze slovanske´ho pohˇrebisˇtˇe v Uherske´m Hradisˇti-Sadech [Zahlungsmittel aus der slawi-
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¯ bekannte Funktionieren von leinenen Zahlungsmitteln, die den Bedarf kleiYa’kub nerer Transaktionen befriedigten.100 In Bezug auf die polnischen Territorien existieren ausreichend viele Voraussetzungen, die darauf hinweisen, dass der Export von Sklaven auch eine ganz wesentliche Rolle im Zustrom von Metallgeld spielte. Im Lichte des aktuellen archa¨ologischen Wissensstandes entstand das „Reich von Gnesen“ relativ schnell, die Errichtung seines Kerngebietes wurde in den Jahren 920–940 abgeschlossen.101 Das grundlegende Verfahren hierzu waren Eroberungen durch die fu¨rstliche Gefolgschaft.102 Im archa¨ologischen Material wird das Maß der organisatorischen Anstrengungen deutlich sichtbar: in Gestalt der Vernichtung alter und der Errichtung neuer Burgen, ¨ ber die fu¨rstliche Gefolgschaft sind wir dank in Bevo¨lkerungsumsiedlungen usw. U ¯ und der Chronik des Galder einander erga¨nzenden Berichte des Ibr¯ah¯ım Ibn Ya’kub lus Anonymus ziemlich gut informiert.103 Ersterem zufolge musste Mieszko I. um schen Begra¨bnissta¨tte in Uherske´ Hradisˇtˇe-Sady vor dem Mu¨nzzeitalter], in: Slovenska´ numismatika 10 (1989), S. 97–101. 100 Ibrahim ibn Jakub, Relacja z podro´zy ˙ do krajo´w słowianskich ´ w przekazie al-Bekriego [Bericht von ¨ berlieferung des Al-Bekri], hg. v. Tadeusz Kowalski, einer Reise in die slawischen La¨nder in der U ´ Krako´w 1946 (MPH, N. S., Bd. 1), S. 49; Jacek Adamczyk, Płacidła w Europie Srodkowej i Wschodniej w s´ redniowieczu [Zahlungsmittel in Mittel- und Osteuropa im Mittelalter], Warszawa 2004, S. 284f. 101 Zuletzt Zofia Kurnatowska, Proces formowania si˛e „panstwa ´ ´ gnie´znienskiego“ [Der Formierungsprozess des „Gnesener Staates“], in: Civitas Schinesghe (wie Anm. 93), S. 33–49; dies., Fru¨hsta¨dtische Entwicklung an den Zentren der Piasten in Großpolen, in: Burg – Burgstadt – Stadt (wie Anm. 89), S. 133–148; dies., The Organisation of the Polish State – Possible Interpretations of Archaeological Sources, in: Quaestiones Medii Aevi Novae 1 (1996), S. 5–25; dies., Wielkopolska w X wieku i for´ mowanie si˛e panstwa polskiego [Großpolen im 10. Jahrhundert und die Formierung des polnischen ´ nskiego ´ ´ Reiches], in: Ziemie polskie (wie Anm. 93), S. 99–117; dies., Tworzenie si˛e panstwa gnieznie w kontek´scie europejskim [Die Konstituierung des Gnesener Staates im europa¨ischen Kontext], in: Polska na przełomie (wie Anm. 95), S. 89–101. 102 Zuletzt Przemysław Urbanczyk, ´ Herrschaft und Politik im Fru¨hen Mittelalter. Ein historisch-anthropologischer Essay u¨ber gesellschaftlichen Wandel und Integration in Mitteleuropa, Frankfurt/M. u. a. 2007, S. 242–244; 258–259; Tres ˇ ˇ tı´k, „Eine große Stadt“ (wie Anm. 81), S. 126f.; Sławomir Gawlas, Der Heilige Adalbert als Landespatron und die fru¨he Nationsbildung bei den Polen, in: Polen und Deutschland vor 1000 Jahren. Die Berliner Tagung u¨ber den „Akt von Gnesen“, hg. v. Michael Borgolte, Berlin 2002, S. 193–233, hier S. 222f.; Henryk Łowmianski, ´ Poczatki ˛ Polski. Z dziejo´w Słowian w I tysiacleciu ˛ n. e. [Zur Geschichte der Slawen im 1. Jahrtausend u. Z.], Bd. 4, Warszawa, 1970, S. 150f.; Tadeusz Wasilewski, Studia nad składem społecznym wczesno´sredniowiecznych sił zbrojnych na Rusi [Studien zur Sozialstruktur des fru¨mittelalterlichen Heeres in der Rus’], in: Studia Wczesno´sred˙ niowieczne 4 (1958), S. 301–389; Andrzej W˛edzki, Druzyna [Gefolgschaft], in: Słownik (wie Anm. 57), Bd. 1, Wrocław 1961, S. 391–393. 103 Galli Anonymi Chronica et gesta ducum sive principum Polonorum, hg. v. Karol Maleczynski, ´ Krako´w 1952 (MPH, N. S., Bd. 2), Kap. I/8, S. 25f.; zuletzt Roman Barant, Siły zbrojne Bolesława Chrobrego w s´ wietle relacji Galla Anonima [Das Heer des Bolesław Chrobry im Lichte des Berichts des Gallus Anonymus], in: Przeglad ˛ Historyczny 88 (1997), 2, S. 223–235; Kazimierz Skal˙ ´ ski, Druzyna przyboczna władco´w zachodniosłowianskich, in: Z dziejo´w s´ redniowiecznej Europy ´ Srodkowowschodniej. Zbio´r studio´w [Die Leibgefolgschaft der westslawischen Herrscher, in: Zur Geschichte des mittelalterlichen Ostmitteleuropas. Gesammelte Studien], hg. v. Jan Tyszkiewicz, War˙ szawa 1998, S. 17–34; Karol Ginter, Problemy druzyny wczesno´sredniowiecznej w Polsce [Probleme ˙ der fru¨hmittelalterlichen Gefolgschaft in Polen], in: Kopijnicy, szyprowie, tenutariusze, hg. v. Błazej ˙ ´ ´ 2002, S. 51–73; Paweł Zmudzki, Sliwi nski, ´ Gdansk Najemnicy na Rusi i w krajach sasiednich ˛ w X–XII w. [Die So¨ldner in der Rus’ und ihren Nachbarla¨ndern im 10.–13. Jahrhundert], in: Kwartalnik Historyczny 111 (2004), 4, S. 5–28.
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965 seine Gefolgsleute mit Waffen ausstatten und ihnen einen Sold (und außerdem Hochzeitsgaben) aus den eingenommenen Abgaben zahlen.104 Ibr¯ah¯ım war bekanntermaßen nie in Polen, aber selbst wenn man annimmt, dass die Details ungenau sind, bleibt die Frage nach der Herkunft der Mittel zur Bewaffnung und Ausstattung der Gefolgschaft.105 Wenn es um die internen Ressourcen geht, so sind wir hinsichtlich ihrer Ho¨he trotz der Anstrengungen der Archa¨ologen auf Scha¨tzungen angewiesen, die sich eher auf la¨ngere Zeitra¨ume beziehen.106 Mit Sicherheit waren sie fu¨r die Ausstattung einer großen Fu¨rstengefolgschaft nicht ausreichend.107 Der Waffenimport und die Versuche zu seiner Beschra¨nkung stellten seit der Karolingerzeit ein wichtiges Thema im Handel mit den slawischen Territorien dar.108 Bis ins Spa¨tmittelalter hinein war in Mitteleuropa der Import von Schwertern aus dem Rheinland weit verbreitet.109 Neben der Bewaffnung mu¨ssen die Kosten fu¨r importierte Gegensta¨nde
104 Ibrahim ibn Jakub, Relacja (wie Anm. 100), S. 50; zur Datierung zuletzt Tres ˇ ˇ tı´k, „Eine große Stadt“
˙ (wie Anm. 81), S. 135f.; die Glaubwu¨rdigkeit des Berichtes zeigt Paweł Zmudzki, Mieszko i Ama˙ zonki. Wspo´lnoty wojownicze i normy zycia rodzinnego w relacji Ibrahima ibn Jakuba [Mieszko und die Amazonen. Kriegergemeinschaften und Normen des Familienlebens im Bericht des Ibr¯ah¯ım Ibn ´ ´ dła, krytyka, interpretacja, hg. v. Barbara Trelinska, ¯ Ya’kub], in: Tekst zro ´ Warszawa 2005, S. 99–126. 105 Tres ˇ ˇ tı´k, „Eine große Stadt“ (wie Anm. 81), S. 127, scha¨tzt die zur Ausstattung von 3000 Bewaffneten notwendigen Mittel auf 3,5–7,5 Tonnen Silber. 106 Historia kultury materialnej Polski, Bd. 1: Od VII do XII wieku [Geschichte der materiellen Kultur Polens, Bd. 1: 7.–12. Jahrhundert], hg. v. Maria Dembinska/Zofia ´ Podwinska, ´ Wrocław 1978; Hen´ ´ ryk Łowmianski, ´ Podstawy gospodarcze formowania si˛e panstw słowianskich [Die o¨konomischen Grundlagen zur Formierung der slawischen Reiche], Warszawa 1953; Lech Leciejewicz, Słowianie Zachodni. Z dziejo´w tworzenia si˛e s´ redniowiecznej Europy [Die Westslawen. Zur Entstehungsgeschichte des mittelalterlichen Europas], Wrocław 1989, S. 66f., 124f.; ders., Nowa posta´c s´ wiata. Narodziny s´ redniowiecznej cywilizacji europejskiej [Die neue Gestalt der Welt. Die Geburt der mittel´ alterlichen europa¨ischen Zivilisation], Wrocław 2000, S. 311f., 392f.; Mozdzioch, Organizacja (wie Anm. 31); ders., The Origins of the Medieval Polish Towns, in: Archaeologia Polona 32 (1994), S. 129–153; ders., Castrum munitissimum (wie Anm. 93), S. 195f.; Zofia Kurnatowska, Organizacja ´ gospodarcza panstwa wczesnopiastowskiego [Die Wirtschaftsorganisation des fru¨hpiastischen Reiches], in: Korzenie s´ rodkowoeuropejskiej i go´rno´slaskiej ˛ kultury gospodarczej, hg. v. Antoni Barciak, Katowice 2003, S. 13–21. 107 Andrzej Nadolski, Bron´ i stro´j rycerstwa polskiego w s´ redniowieczu [Waffen und Ru¨stung der polnischen Ritterschaft im Mittelalter], Warszawa 1979, S. 37f.; ders., Polskie siły zbrojne i sztuka wojenna ´ w poczatkach ˛ panstwa polskiego [Das polnische Heer und die Kriegskunst in den Anfa¨ngen des polni´ schen Reiches], in: Poczatki ˛ panstwa polskiego. Ksi˛ega tysiaclecia, ˛ Bd. 1: Organizacja polityczna, hg. v. Kazimierz Tymieniecki u. a., Poznan´ 1962, S. 187–211; ders., Ladowa ˛ technika wojskowa od połowy X do połowy XII wieku [Die Milita¨rtechnologie zu Lande von der Mitte des 10. bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts], in: Polska technika wojskowa do 1500 roku, hg. v. dems., Warszawa 1994, S. 31–107, hier S. 40f. 108 Krzysztof Wachowski, Kultura karolinska ´ ´ a Słowianszczyzna Zachodnia [Die karolingische Kultur und die Westslawen], Wrocław 1992; Heiko Steuer, Der Handel der Wikingerzeit zwischen Nordund Westeuropa aufgrund archa¨ologischer Zeugnisse, in: Untersuchungen zu Handel, Teil IV (wie Anm. 76), S. 151f. 109 Marian Głosek, Miecze s´ rodkowoeuropejskie z X–XV w. [Mitteleuropa¨ische Schwerter des 10.–15. Jahrhunderts], Warszawa 1984, bes. S. 122f.; Lech Marek, Wczesno´sredniowieczne miecze ´ z Europy Srodkowej i Wschodniej. Dylematy archeologa i bronioznawcy [Fru¨hmittelalterliche Schwerter aus Mittel- und Osteuropa. Dilemmata des Archa¨ologen und Waffenkundlers], Wrocław 2004.
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zur Herrschaftsrepra¨sentation sowie zur unentbehrlichen Ausstattung beim Aufbau einer Kirchenorganisation hoch gewesen sein.110 Forschungen zum Handelsaustausch,111 insbesondere solche, die sich auf die Analyse archa¨ologischen Materials stu¨tzen, beru¨cksichtigen vor allem Objekte, die sich besser erhalten: Waffen, Schla¨fenringe, Glasperlen, Spinnwirtel, Klappern usw.112 Weniger Spuren hinterlassen solche wichtigen und sogar grundlegenden Waren wie Salz, Stoffe, Pelze, Heringe oder Pferde.113 Das Material ist verstreut, und die letzte Gesamtanalyse ist vor u¨ber 40 Jahren durchgefu¨hrt worden.114 Charlotte Warnke hat zu Recht die große Bedeutung des Wachses (auch des Honigs) ins Spiel gebracht; beides wurde als Ware von relativ hohem individuellem Wert zu jener Zeit in großen Mengen exportiert.115 Es unterliegt jedoch keinem Zweifel, dass die grundlegende Ware Sklaven gewesen sein mu¨ssen. Nur sie konnten eine angemessen wertvolle Handelsmasse liefern. Henryk Samsonowicz hat die a¨ltesten Zolltarife analysiert: „Wenn (was nicht endgu¨ltig feststeht) der Zoll ad valorem erhoben wurde, und sei der Wert weiblicher Sklaven nun zwei- oder dreimal so hoch wie der ma¨nnlicher gewesen, [...] wenn man alle diese Zweifel und Vorbehalte beru¨cksichtigt, dann lassen sich folgende Schlussfolgerungen formulieren: Durch mehr als zwei Jahrhunderte hindurch stellten Menschen den gro¨ßten aus den Gebieten der entstehenden [slawischen] Staaten ausgefu¨hrten Wert dar. [...] Der Preis einer Sklavin scheint sehr hoch, aber nicht unwahrscheinlich gewesen zu sein. [...] Kein anderes nach Byzanz oder in die arabischen Kalifate ausgefu¨hrtes Produkt hatte einen gleichermaßen hohen Marktwert. Lebensmittel waren im Vergleich mit gewerblichen Erzeugnissen wesentlich billiger [...]. Wenn wir jedoch die Mu¨nzscha¨tze aus dem 10.–11. Jahrhundert sowie die Effekte
110 Piotr Skubiszewski, Katedra w Polsce około roku 1000 [Die Kathedrale in Polen um das Jahr 1000],
in: Polska na przełomie (wie Anm. 95), S. 139–196, und weitere Artikel im selben Band; Osadnictwo i ´ nskiego ´ architektura ziem polskich w dobie zjazdu gnieznie [Siedlungswesen und Architektur in Polen ´ zur Zeit des Treffens von Gnesen], hg. v. Andrzej Buko/Zygmunt Swiechowski, Warszawa 2000; Poczatki ˛ architektury (wie Anm. 95). 111 Hanna Zio ´ łkowska, Handel zewn˛etrzny, in: Słownik (wie Anm. 57), Bd. 2, S. 192–195 (dort weitere Literatur). 112 Wojciech Szymanski, ´ Kontakty handlowe Wielkopolski w IX–XI wieku [Großpolnische Handels˙ kontakte im 9.–11. Jahrhundert], Poznan´ 1958; Jan Zak, „Importy“ skandynawskie na ziemiach ´ zachodniosłowianskich od IX do XI wieku [Skandinavische „Importe“ in den westslawischen Gebie˙ ten vom 9. bis zum 11. Jahrhundert], Bd. 1–3, Poznan´ 1963–1967; Andrzej Zaki, Archeologia Małopolski wczesno´sredniowiecznej [Archa¨ologie des fru¨hmittelalterlichen Kleinpolen], Wrocław 1974, S. 430f. 113 Henryk Samsonowicz, Handel dalekosi˛ezny ˙ na ziemiach polskich w s´ wietle najstarszych taryf ´ celnych [Der Fernhandel in Polen im Lichte der a¨ltesten Zolltarife], in: Społeczenstwo, gospodarka, kultura. Studia ofiarowane Marianowi Małowistowi w czterdziestolecie pracy naukowej, Warszawa 1974, S. 289–302; ders., Handel, in: Encyklopedia historii gospodarczej Polski do 1945 roku, hg. v. Antoni Maczak, ˛ Warszawa 1981, Bd. 1: A–N, Warszawa 1981, S. 225f.; ders., Das lange 10. Jahrhun¨ ber die Entstehung Europas, Osnabru¨ck 2009, S. 104f. dert. U 114 Charlotte Warnke, Die Anfa¨nge des Fernhandels in Polen, Wu¨rzburg 1964; dazu die Rezension von Ryszard Kiersnowski in: Archeologia Polski 12 (1967), 2, S. 456–459. 115 Charlotte Warnke, Der Handel mit Wachs zwischen Ost- und Westeuropa im fru¨hen und hohen Mittelalter. Voraussetzungen und Gewinnmo¨glichkeiten, in: Untersuchungen zu Handel, Teil IV (wie Anm. 76), S. 545–569.
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in Betracht ziehen – die Finanzierung von auf der Staatsbildung beruhenden Investitionen – und annehmen, dass im Fru¨hmittelalter die Handelsbilanz fu¨r Osteuropa gu¨nstig war, dann erscheint die Ausfuhr von Sklaven als das hauptsa¨chliche Mittel, um im Fernhandel ein positives Saldo zu erreichen. Wenn die Hypothese richtig ist, dann erkla¨rt sie zudem die Entstehung der Gefolgschaften innerhalb der neuen Herrschaftsorganisationen – Einheiten, die den Zweck hatten, außer Beutegut und Tributzahlungen auch eine Ware zu beschaffen, die die Voraussetzung zur Erlangung der Mittel war, um eine neue Gesellschaftsordnung zu errichten. Sie erkla¨rt außerdem das Interesse der Herrschenden am Betreiben von Fernhandel, das Auftauchen professioneller Kaufleute, darunter auch Zuwanderer aus anderen La¨ndern – Juden, Franken, Italiener, Araber, auch Wikinger.“116 Die Existenz von Sklaven hielt sich in Polen bis zum 13. Jahrhundert.117 Gleichwohl muss ihre Bedeutung im Außenhandel seit dem Ende des 11. Jahrhunderts stark abgenommen haben, da in diesem Jahrhundert der spanische Markt zusammenbrach,118 und im 12. Jahrhundert ho¨rte die Ausfuhr auf, profitabel zu sein.119 Dies bedeutete nicht das vo¨llige Verschwinden des Sklavenhandels selbst, der wa¨hrend des gesamten Spa¨tmittelalters u¨ber das Schwarze Meer weiterlief. An diesem spa¨te¨ gypten (fu¨r die Mameluckengarden) und auch nach Italien ren Export, u. a. nach A (hauptsa¨chlich fu¨r Hauspersonal)120 war Polen selbst eher nicht beteiligt (mit Ausnahme der ruthenischen Territorien und dem Großfu¨rstentum Litauen, von wo es insbesondere Kriegsgefangene bezog).121 Hauptlieferanten waren die Steppenvo¨lker der Schwarzmeerku¨ste (Tataren, Tscherkessen), die ihre eigenen Kinder in die Sklave-
116 Henryk Samsonowicz, O dalekim handlu „Nowej Europy“ w X wieku [U ¨ ber den Fernhandel im
‚Neuen Europa‘ im 10. Jahrhundert], in: Viae Historicae. Ksi˛ega jubileuszowa dedykowana Profesorowi Lechowi A. Tyszkiewiczowi w siedemdziesiat˛ a˛ rocznic˛e urodzin, hg. v. Mateusz Golinski/Sta´ nisław Rosik, Wrocław 2001, S. 473–478, das Zitat S. 476–478. 117 Aus der neueren Literatur Karol Buczek, O chłopach w Polsce piastowskiej [U ¨ ber die Bauern im piastischen Polen], in: Roczniki Historyczne 41 (1975), S. 1–79, hier S. 37f.; Wacław. Korta, Problem niewolnictwa w Polsce wczesno´sredniowiecznej [Das Problem der Sklaverei im fru¨hmittelalterlichen ´ ´ Polen], in: Społeczenstwo Polski Sredniowiecznej. Zbio´r studio´w, hg. v. Stefan K. Kuczynski, ´ Bd. 2, ´ Warszawa 1982, S. 82–124; Jerzy Wyrozumski, Zagadnienie niewoli w po´znym s´ redniowieczu polskim [Das Problem der Sklaverei im spa¨ten polnischen Mittelalter], in: ebd., S. 125–159; ders., Zagadnienie niewolnictwa w dawnej Polsce [Das Problem der Sklaverei im alten Polen], in: Niewolnictwo i niewolnicy (wie Anm. 88), S. 131–138. 118 Constable, Trade and Traders (wie Anm. 89), S. 203f., 235f. 119 Samsonowicz, Handel dalekosi˛ezny ˙ (wie Anm. 113), S. 294f. 120 Danuta Quirini-Popławska, Włoski handel czarnomorskimi niewolnikami w po´znym ´ s´ redniowieczu [Der italienische Handel mit Sklaven aus dem Schwarzmeergebiet im spa¨ten Mittelalter], Krako´w 2002; dies., Niekto´re aspekty niewolnictwa w Republice Weneckiej XIV–XV wieku [Einige Aspekte der Sklaverei in der Republik Venedig im 14.–15. Jahrhundert], in: Niewolnictwo i niewolnicy (wie Anm. 88), S. 155–172; Charles Verlinden, Encore sur les origines de Sclavus = Esclave et a` propos de la chronologie des de´buts de la traite italienne en Mer Noire, in: Cultus et cognitio. Studia z dziejo´w s´ redniowiecznej kultury, hg. v. Stefan K. Kuczynski ´ u. a., Warszawa 1976, S. 599–609. 121 Quirini-Popławska, Włoski handel (wie Anm. 120), S. 219f.; dies., Czy w Wenecji sprzedawano poddanki Rzeczypospolitej? [Wurden in Venedig weibliche Untertanen der polnischen Rzeczpospolita verkauft?], in: Aetas media, aetas moderna. Studia ofiarowane profesorowi Henrykowi Samsonowiczowi w siedemdziesiat˛ a˛ rocznic˛e urodzin, hg. v. Halina Manikowska u. a., Warszawa 2000, S. 79–93.
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rei verkauften – aus Armut, aber nicht selten auch in der Hoffnung auf eine ku¨nftige Karriere im Kriegsdienst.122 Zur Monetarisierung des Handels ko¨nnen die Numismatiker am meisten sagen, deren enorme Forschungsertra¨ge es erlauben, die grundlegenden o¨konomischen Probleme des Handels zu erfassen.123 Trotz Auseinandersetzungen und Diskussionen sind ihre Befunde von enormem Wert, weil sie sich auf das massenhaft vorhandene Quellenmaterial der Mu¨nzfunde beziehen. Seit dem Ende des 8. Jahrhunderts fand in großem Maßstab ein Zustrom von arabischen Dirhems nach Osteuropa, u. a. auch nach Pommern und schließlich – im 10. Jahrhundert – nach Großpolen statt. Er hinterließ sehr deutliche Spuren in Gestalt von Mu¨nzscha¨tzen, die Tausende von Mu¨nzen enthalten (insgesamt mehr als 300 000, auf polnischem Gebiet ungefa¨hr 26 000).124 Das Pha¨nomen geho¨rt zu den lebhaft diskutierten und relativ gut untersuchten Problemen.125 Die Herkunft der Dirhems weist auf eine unmittelbare Integration – u¨ber die Gebiete Osteuropas (das Einzugsgebiet der Wolga) – des Ostseeraumes in das internationale Handelssystem mit den arabischen Herrschaftsgebieten des Nahen und Mittleren Ostens hin.126 Im 10. Jahrhundert war dies das u¨ber das mittelasiatische Chorasan herrschende Imperium der Samaniden, das in diesem Zusammenhang 122 Biezunska-Małowist/Małowist, ˙ Niewolnictwo i niewolnicy (wie Anm. 88), S. 285f. 123 Einen aktuellen U ¨ berblick u¨ber den Forschungsstand pra¨sentiert Stanisław Suchodolski, Dorobek
polskiej archeologii w zakresie badan´ nad historia˛ pieniadza ˛ w s´ redniowieczu [Die Leistungen der polnischen Archa¨ologie in der Erforschung der mittelalterlichen Geldgeschichte], in: Archeologia i prahistoria polska w ostatnim po´łwieczu, hg. v. Michał Kobusiewicz/Stanisław Kurnatowski, Poznan´ 2000, S. 433–444. 124 Stanisław Suchodolski, Change of Transcontinental Contacts as Indicated by Coins in the Baltic Zone Around 1000, in: Europe Around the Year 1000, hg. v. Przemysław Urbanczyk, ´ Warszawa 2001, S. 85–100, hier S. 86; allgemeiner Artur Attman, The Bullion Flow between Europe and the East 1000–1750, Go¨teborg 1981. 125 Zuletzt Władysław Łosinski, ˙ ´ W sprawie rozwoju gospodarki towarowo-pieni˛eznej na ziemiach pols˙ kich we wczesnym s´ redniowieczu w kontek´scie dziejo´w obrotu pieni˛eznego na strefie nadbałtyckiej [Zur Entwicklung der Geld- und Warenwirtschaft in Polen im fru¨hen Mittelalter im Kontext der Geschichte des Geldverkehrs im Ostseeraum], Teil 1, in: Archeologia Polona 35 (1990), 2, S. 287–309; Teil 2, in: Archeologia Polona 36 (1991), 1–2, S. 235–264; ders., Chronologia, skala i drogi napływu monet arabskich do krajo´w europejskich u schyłku IX i w X w. [Chronologie, Ausmaß und Wege des Zustroms arabischer Mu¨nzen in die europa¨ischen La¨nder an der Wende vom 9. zum 10. Jahrhundert], in: Slavia Antiqua 34 (1993), S. 2–41, ders., W sprawie „wschodniej drogi“ dopływu monet arabskich do Wielkopolski w X wieku [Zur „o¨stlichen Route“ des Zustroms arabischer Mu¨nzen nach Großpolen im 10. Jahrhundert], in: Moneta mediaevalis. Studia numizmatyczne ofiarowane Profesorowi Stanisławowi Suchodolskiemu w 65. rocznic˛e urodzin, hg. v. Borys Paszkiewicz u. a., Warszawa 2002, ˙ S. 185–192; Stanisław Suchodolski, Jeszcze o poczatkach ˛ gospodarki towarowo-pieni˛eznej na zie´ miach polskich. Uwagi na marginesie prac Władysława Łosinskiego [Noch einmal zu den Anfa¨ngen ´ der Geld- und Warenwirtschaft in Polen. Randbemerkungen zu den Arbeiten von Władysław Łosinski], in: Wiadomo´sci Numizmatyczne 39 (1995), 1–2 (151–152), S. 67–71; ders., O niekto´rych kontrowersjach archeologiczno-numizmatycznych czyli czas obiegu monet we wczesnym s´ redniowieczu [Zu einigen archa¨ologisch-numismatischen Kontroversen oder Die Zirkulationszeit von Mu¨nzen im fru¨hen Mittelalter], in: Archeologia w teorii (wie Anm. 95), S. 229–246; Marek Dulinicz, Mazowsze ´ ´ we wczesnym s´ redniowieczu. Jego zwiazki ˛ z „panstwem gnie´znienskim“ [Masowien im Fru¨hmittelalter. Seine Beziehungen zum „Gnesener Staat“], in: Civitas Schinesghe (wie Anm. 93), S. 100f. 126 Dies Problem wurde, gestu¨tzt auf eine umfangreiche Literatur, zuletzt besprochen von Dariusz Adamczyk, Orientalno-bałtycki system handlowy a proces kszałtowania si˛e Europy Wschodniej w IX i X w. [Das Handelssystem zwischen Orient und Ostsee und die Formierung Osteuropas im 9. und 10. Jahr´ hundert], in: Sredniowiecze polskie i powszechne, Bd. 2, hg. v. Idzi Panic/Jerzy Sperka, Katowice
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als der Haupthandelspartner betrachtet wird.127 Der erheblichen Intensita¨t der Kontakte entsprach das Interesse der damaligen arabischen und persischen geografischen Literatur fu¨r die Slawen, die eine Menge an konkretem Wissen zu ihnen festgehalten hat.128 Der Handel brachte der Region eine deutliche Belebung und eine Entwicklung von Handels- und Handwerkeremporien. Der entstehende polnische Staat wurde relativ spa¨t und sicher hauptsa¨chlich vermittelt u¨ber Pommern in dieses System integriert. Was den Charakter des eigentlichen Warenhandels angeht, gibt es keine u¨bereinstimmenden Meinungen. Er geho¨rte zu wesentlichen Teilen der Spha¨re des internationalen Handels an und es ist zweifelhaft, ob er sich im Falle der su¨dlichen Ostseeregion in erster Linie auf den Lebensmittelexport nach Skandinavien stu¨tzte.129 Eine grundlegende Rolle muss, wie aus der Literatur ersichtlich ist, der Sklavenhandel gespielt haben.130 Ein Wandel setzte nach 970 ein, als aus unterschiedlichen Gru¨nden der Zustrom arabischen Silbers schrittweise versiegte.131 Dieses wurde (abgesehen von einem geringen Anteil byzantinischer Mu¨nzen) durch die sehr zahlreichen deutschen, insbesondere sa¨chsischen Mu¨nzen ersetzt,132 die leichter erha¨ltlich und wahrscheinlich wegen der Entdeckung reicher Silbervorkommen in Goslar gu¨nstiger waren.133 Es ist schwer zu entscheiden, ob die Reorientierung des Handels mit der Umstellung des Sklavenexportes allein auf den spanischen Markt verbunden war und ob sie lediglich o¨konomische Ursachen hatte. Eine davon ko¨nnte das reduzierte Angebot an Silber selbst in den arabischen La¨ndern gewesen sein, es wird jedoch 2002, S. 63–88; Peter Feldbauer, Die islamische Welt 600–1250: Ein Fru¨hfall von Unterentwicklung?, Wien 1995, S. 82f.; Heiko Steuer, Die Ostsee als Kernraum des 10. Jahrhunderts und ihre Peripherien, in: Siedlungsforschung. Archa¨ologie – Geschichte – Geographie 22 (2004), S. 59–88. 127 Adamczyk, Orientalno-bałtycki system (wie Anm. 126), S. 75f. ´ ´ dła do dziejo´w s´ redniowiecznej kul128 Urszula Lewicka-Rajewska, Arabskie opisania Słowian. Zro tury [Arabische Beschreibungen der Slawen. Quellen zur Geschichte ihrer mittelalterlichen Kultur], Wrocław 2004, S. 181f. 129 So interpretiert die Ursachen u. a. Franciszek Kmietowicz, Niekto´re problemy napływu kruszcu srebrnego na ziemie polskie we wczesnym s´ redniowieczu [Einige Fragen zum Zustrom von Silber nach Polen im Fru¨hmittelalter], in: Wiadomo´sci Numizmatyczne 16 (1972), 4, S. 65–90, die Schlussfolgerungen daraus auf S. 79. 130 Władysław Łosinski, ´ Miejsce Pomorza i Wielkopolski w kszałtowaniu si˛e gospodarki towarowo-pie˙ ni˛eznej w Polsce wczesnofeudalnej [Die Stellung Pommerns und Großpolens in der Herausbildung der Geld- und Warenwirtschaft im fru¨hfeudalen Polen], in: Slavia Antiqua 37 (1996), S. 163–180, hier S. 170f.; Jan M. Piskorski, Pomorze plemienne. Historia – archeologia – j˛ezykoznawstwo [Das Pom´ mern der Sta¨mme. Geschichte – Archa¨ologie – Sprachwissenschaft], Poznan/Szczecin 2002, S. 161f. 131 Suchodolski, Change (wie Anm. 124), S. 85–100. Ich danke dem Autor fu¨r seinen Hinweis auf diesen Artikel als Zusammenfassung des Diskussionsstandes zu diesem Problem. Zuletzt Hendrik Ma¨keler, Wikingerzeitlicher Geldumlauf im Ostseeraum – Neue Perspektiven, in: Quaestiones Medii Aevi Novae 10 (2005), S. 121–149; Peter Spufford, Money and its Use in Medieval Europe, Cambridge 1988, S. 80f. 132 Ryszard Kiersnowski, Pieniadz ˛ kruszcowy w Polsce wczesno´sredniowiecznej [Metallgeld im fru¨hmittelalterlichen Polen], Warszawa 1960, S. 178f.; ders., Poczatki ˛ pieniadza ˛ polskiego [Die Anfa¨nge des polnischen Geldes], Warszawa 1962, S. 66f.; Suchodolski, Poczatki ˛ mennictwa (wie Anm. 97), S. 21f.; Spufford, Money (wie Anm. 131), S. 74f.; Bernd Kluge, Deutsche Mu¨nzgeschichte von der spa¨ten Karolingerzeit bis zum Ende der Salier (ca. 900 bis 1125), Sigmaringen 1991, S. 9f. 133 Berent Schwineko ¨ per, Ko¨nigtum und Sta¨dte bis zum Ende des Investiturstreits. Die Politik der Ottonen und Salier gegenu¨ber den werdenden Sta¨dten im o¨stlichen Sachsen und in Nordthu¨ringen, Sigmaringen 1977, S. 105f.; Spufford, Money (wie Anm. 131), S. 74f.
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auf die ungenu¨gende Begru¨ndung einer solchen Erkla¨rung und die komplexe Wechselwirkung verschiedener Faktoren hingewiesen.134 Unabha¨ngig von den Ursachen bedeutete die Reorientierung in der Ausrichtung des Fernhandels eine sta¨rkere Einbindung der polnischen Territorien in das entstehende westeuropa¨ische Handelssystem. Ein grundlegendes Problem stellt die Bedeutung der zustro¨menden Mu¨nzen als Tauschmittel fu¨r den Handel dar. Dazu zeichnen sich zwei Standpunkte ab. Der erste akzentuiert die Bedeutung des Außenhandels und die thesaurierende Funktion des Silbers, der zweite nimmt dessen Beteiligung an den Anfa¨ngen einer Geldund Warenwirtschaft auf den lokalen Ma¨rkten an. Die Literatur zu diesem Problem ist umfangreich, und fu¨r den Nichtspezialisten ist es in Hinblick auf die Bedeutung der quellenkundlichen Argumente fu¨r die eigentliche Interpretation schwierig, einen eindeutigen Standpunkt einzunehmen.135 Das Zerteilen von Dirhems oder Brakteaten in regelma¨ßige Teile ko¨nnte ebenso einen Bedarf an kleineren, dem lokalen Handel angemesseneren Zahlungseinheiten nahelegen, wie es ein Argument fu¨r die Abwicklung großer Transaktionen mithilfe gewogenen Silbers sein ko¨nnte. Wenige sichere Schlussfolgerungen hat das Thema des so genannten Totenobolusses zu dieser Diskussion beigetragen, der bloß ein u¨bernommener – u¨brigens weit verbreiteter – Brauch gewesen sein ko¨nnte und vom eigentlichen Problem der Monetarisie¨ berzeugender erscheinen rung der lokalen Ma¨rkte weitestgehend unabha¨ngig ist.136 U Argumente, die die Notwendigkeit betonen, die Funktion des Mu¨nzsilbers im weiteren Kontext der o¨konomischen Entwicklung der Region zu betrachten. Deswegen ist es einfacher, seine Rolle im lokalen Handel (wenn auch nur in begrenztem Ausmaß) einiger Zentren an der Ostsee anzuerkennen und jenen Wissenschaftlern Recht zu geben, die Zweifel in Hinblick auf eine gro¨ßere Verbreitung von Geld im internen Wirtschaftsleben Großpolens zur Zeit der ersten Monarchie anmelden.137 Dazu 134 Suchodolski, Change (wie Anm. 124), S. 96f. 135 Kiersnowski, Pieniadz ˛ kruszcowy (wie Anm. 132), S. 426; ders., Pieniadz, ˛ in: Słownik (wie Anm. 57),
Bd. 4, S. 88–90; Stanisław Suchodolski, W sprawie intensywno´sci wymiany lokalnej na ziemiach polskich w X–XI wieku [Zur Intensita¨t des lokalen Handels in Polen im 10.–11. Jahrhundert], in: Archaeologia Polona 16 (1971), 1–2, S. 503–515; ders., Poczatki ˛ mennictwa (wie Anm. 97), S. 190f.; ders., Dorobek (wie Anm. 123), S. 434. 136 Stanisław Suchodolski, Poczatki ´ ˛ obola zmarłych w Wielkopolsce, in: Kraje słowianskie w wiekach s´ rednich. Profanum i sacrum [Die Anfa¨nge des Totenobolusses in Großpolen, in: Die slawischen La¨nˇ der im Mittelalter. Profanum und sacrum], hg. v. Hanna Ko´cka-Krenz, Poznan´ 1998, S. 496–504; ˙ ders., Moneta i obieg pieni˛ezny w Europie Zachodniej [Mu¨nze und Geldzirkulation in Westeuropa], Wrocław 1982, S. 237f.; Dzieduszycki, Kruszce (wie Anm. 90), S. 93f.; Zofia Kurnatowska/Stanisław Kurnatowski, „Obol zmarłych“ w wielkopolskich zwyczajach pogrzebowych [Der „Totenobolus“ in den großpolnischen Begra¨bnisriten], in: Moneta mediaevalis (wie Anm. 125), S. 129–135; Łosinski, ´ Miejsce Pomorza (wie Anm. 130), S. 171; Ryszard Kiersnowski, Moneta w kulturze wieko´w s´ rednich [Die Mu¨nze in der Kultur des Mittelalters], Warszawa 1988, S. 57f. 137 Zuletzt Władysław Łosinski, ˙ ´ Miejsce rzemiosła w dziejach handlu dalekosi˛eznego w krajach strefy nadbałtyckiej [Die Stellung des Handwerks in der Geschichte des Fernhandels in den La¨ndern des Ostseeraums], in: Archeologia w teorii (wie Anm. 95), S. 493–506; ders., Miejsce Pomorza (wie Anm. 130); ders., W sprawie rozwoju (wie Anm. 125), Teil 2, S. 255f.; ders., W sprawie poczatko ˛ ´ w gospodarki ˙ towarowo-pieni˛eznej w Polsce wczesno´sredniowiecznej. Uwagi ciag ˛ dalszy [Zu den Anfa¨ngen der Geld- und Warenwirtschaft im fru¨mittelalterlichen Polen. Weitere Betrachtungen], in: Wiadomo´sci Numizmatycznye 39 (1995), 1–2 (151–152), S. 72–75.
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geben sowohl die Reichhaltigkeit der Mu¨nzscha¨tze, also eine (offenkundige) Thesaurierung, wie auch der beschra¨nkte Umfang des eigentlichen Mu¨nzwesens Anlass. Stanisław Suchodolski hat ku¨rzlich gezeigt, dass erst Bolesław Chrobry (der Tapfere) das Schlagen eigener Mu¨nzen aufgenommen hat, und die fru¨her Mieszko I. zugeschriebenen Emissionen als das Werk Mieszkos II. angesehen werden mu¨ssen, der sie ebenfalls in Großpolen und noch zu Lebzeiten seines Vaters schlagen ließ. Die Produktion selbst hatte begrenzte Ausmaße und eine schwache o¨konomische Basis, besaß deutlich repra¨sentative Zu¨ge, und ho¨rte um 1020 auf.138 Auch allgemeine, sich auf Vergleichsmaterial beziehende Forschungen neigen bei der Bewertung der o¨konomischen Funktion der Mu¨nzen auf den lokalen Ma¨rkten zur Vorsicht. Tadeusz Laliks Analyse der Zirkulationsmechanismen von Silber in Polen im 10.–12. Jahrhundert hat die dominierende Rolle des herrschaftlich-politischen Sektors gezeigt.139 Wojciech Dzieduszycki hat vor kurzem zu Recht eine Beru¨cksichtigung des symbolischen Wertes der Erze und der soziokulturellen Determinanten ihres Umlaufes angemahnt, und die von ihm pra¨sentierte Problematisierung des Handels erweckt keine gro¨ßeren Einwa¨nde.140 Erze besaßen eine reiche sakrale Symbolik, und allein ihr Besitz war ein Zeichen von Macht. Ostentativer Reichtum in Gestalt von Schatzvorra¨ten, Insignien, Schmuck, Armspangen, Ketten usw., verbunden mit der großen 138 Stanisław Suchodolski, Najdawniejsze monety polskie jako zro ´ ´ dło dajace ˛ pozna´c dzieje pierwszej
monarchii [Die a¨ltesten polnischen Mu¨nzen als Quelle zur Erkundung der Geschichte der ersten Monarchie], in: Aetas media (wie Anm. 121), S. 299–309; ders., Poczatki ˛ rodzinnego mennictwa [Die Anfa¨nge des heimischen Mu¨nzwesens], in: Ziemie polskie (wie Anm. 93), S. 351–360; ders., Change (wie Anm. 124), S. 92; ders., Moneta polska w X/XI wieku (Mieszko I i Bolesław Chrobry) [Polnische Mu¨nzen des 10./11. Jahrhunderts], in: Wiadomo´sci Numizmatyczne 11 (1967), S. 65–194. 139 Tadeusz Lalik, O cyrkulacji kruszco´w w Polsce X–XII wieku [Die Zirkulation von Erzen in Polen, 10.–12. Jahrhundert], in: Przeglad ˛ Historyczny 58 (1967), 1, S. 1–27. Mit Bezug auf den damaligen Forschungsstand unterscheidet der Autor drei miteinander verbundene Zirkulationsebenen: die politischherrschaftliche, die des Handels und die lokale. 140 Dzieduszycki, Kruszce (wie Anm. 90). Der Kern der Interpretation des Autors wird durch die kritischen Anmerkungen in einigen Rezensionen und die darin bema¨ngelten Ungenauigkeiten nicht entkra¨ftet vgl. die Rezensionen von Janusz Sztetyłło in: Wiadomo´sci Numizmatyczne 41 (1997), 3–4 (161–162), S. 201–206; Krzysztof Skwierczynski, ´ in: Kwartalnik Historyczny 103 (1996), 4, S. 134–137; vgl. außerdem Urbanczyk, ´ Herrschaft und Politik (wie Anm. 102), S. 240–241; Pierre Vilar, Gold und Geld in der Geschichte. Vom Ausgang des Mittelalters bis zur Gegenwart, Mu¨nchen 1984, S. 25f. Die neueste Diskussion konzentriert sich auf Grundsatzstreitigkeiten: Przemysław Urbanczyk, ´ Wczesno´sredniowieczne skarby złomu srebrnego [Fru¨hmittelalterliche Hacksilberscha¨tze], in: Moneta mediaevalis (wie Anm. 125), S. 209–222; Mateusz Bogucki, Dlaczego we wczesnym s´ redniowieczu powstawały skarby złomu srebrnego? [Warum entstanden im Fru¨hmittelalter Hacksilberscha¨tze?], in: Wiadomo´sci Numizmatyczne 48 (2004), 1 (177), S. 49–74; Przemysław Urbanczyk, ´ Kto deponował skarby zdeprecjonowanego srebra i dlaczego? [Von wem und warum wurden Scha¨tze entwerteten Silbers angelegt?], in: Wiadomo´sci Numizmatyczne 48 (2004), 2 (178), S. 167–179; Jacek Kowalewski, Dlaczego, czy i jak deponowano skarby we wczesnym s´ redniowieczu? [Ob, warum und wie im Fru¨hmittelalter Scha¨tze angelegt wurden], in: Wiadomo´sci Numizmatyczne ¨ berzeugender ist eine o¨konomische Interpretation der Funktion des Mu¨nz48 (2004), 2, S. 181–190. U bruches: Stanisław Suchodolski, Kulturowa czy ekonomiczna geneza skarbo´w epoki wikingo´w? [Kulturelle oder o¨konomische Genese der Scha¨tze der Wikingerepoche?], in: Biuletyn Numizmatyczny 3 (331) (2003), S. 185–196. Entschieden wird der Streit durch die sehr zahlreichen Funde von zu einem einheitlichen Wa¨gesystem geho¨renden Schalenwaagen und Gewichten, darunter Hunderte winziger Gewichte von unter 0,2 g. Sie erlauben es, von einer „Gewichtsgeldwirtschaft“ in den Handelsemporien zu sprechen – Steuer, Die Ostsee (wie Anm. 126), S. 64f.
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Rolle ihres zeremoniell-repra¨sentativen Austausches, spielte im o¨ffentlichen Leben eine sehr wichtige Rolle. Die Zahlungsfunktion des Silbergeldes hing mit dem Fernhandel zusammen, und dieser Handel besaß irregula¨ren Charakter und diente vor allem dem Konsum von Luxusgu¨tern. Der lokale Handel bediente sich lange Zeit eher ganz unterschiedlicher nichtmoneta¨rer Geldformen.141
4.
Soziale Konsequenzen des Systems der renovatio monetae
Die Konsumbedu¨rfnisse des Monarchen und der gesellschaftlichen Elite wirkten sich bereits in der Anfangsetappe der Monetarisierung ungu¨nstig auf eine Beteiligung der restlichen Bevo¨lkerung an Handelsaustausch und Geldumlauf aus und entschieden u¨ber den weiteren Verlauf der internen Kommerzialisierung des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens sowie der Mechanismen der Herrschaftsausu¨bung. Dieser sich u¨ber viele Jahrhunderte hinziehende Prozess erfordert einen dynamischen Forschungsansatz. Wa¨hrend bei soziostrukturellen Erscheinungen die Mo¨glichkeit, sich auf eine Adaptierung zeitlich wandelbarer Standards zu berufen, die Identifizierung von Vera¨nderungstendenzen und eine Chronologisierung der Pha¨nomene erleichtert,142 stoßen auf o¨konomische Prozesse bezogene Analysen auf grundsa¨tzlichere Hindernisse. Angesichts der enormen Schwierigkeiten bei der Gewinnung von Zahlenreihen, statistischen oder selbst von umfangreicheren deskriptiven Angaben muss man sich hauptsa¨chlich auf numismatische Forschungen stu¨tzen. Am meisten haben hierzu die Studien von Ryszard Kiersnowski, Stanisław Suchodolski und zuletzt von Borys Paszkiewicz beigetragen. Von dauerhaftem Wert bleiben auch die a¨lteren Arbeiten von Roman Grodecki.143 Leider ist die Mo¨glichkeit, von dieser Seite Hilfe zu erhalten, fu¨r das 13. Jahrhundert wegen der ungelo¨sten (oder bloß hypothetisch gelo¨sten) Probleme hinsichtlich der Identifizierung der Brakteaten und ihrer Zuschreibung zu konkreten Mu¨nzsta¨tten erheblich reduziert. Die Mo¨glichkeiten fu¨r eine genauere Untersuchung der Mu¨nzpolitik sind sehr begrenzt. Die Aufnahme einer kontinuierlichen heimischen Mu¨nzproduktion war fu¨r die Monetarisierung des Binnenhandels von grundlegender Bedeutung. In Polen kam sie ´ in Gestalt eines ja¨hen Umbruchs und fiel in die Herrschaftszeit von Bolesław Smiały (dem Ku¨hnen), die eine erneute und sofort in großem Maßstab durchgefu¨hrte 141 Dzieduszycki, Kruszce (wie Anm. 90), S. 101f., stellt eine lange Liste davon zusammen: Getreide,
Pferde, Ochsen, Kleinvieh, Schafe, Hu¨hner, Cochenille, Honig und Wachs, Heringe, Tuche, Leintu¨cher, Ma¨ntel, Goldbrokat, Seide, Tierfelle – Marder, Eichho¨rnchen, Fuchs, Iltis, Wiesel, Feh, Hermelin –, Salz in unterschiedlicher Form (Salzsteine, Siedesalz), Eisen, Glas- und Bernsteinperlen; vgl. Stanisław Ciszewski, Prace etnologiczne [Ethnologische Arbeiten], Bd. 2, Warszawa 1929; Marcin Rudnicki, Pieniadz ˛ u Słowian [Geld bei den Slawen], in: ders., Szkice z kultury lechickiej, in: Slavia Occidentalis 20 (1960), 1, S. 80–85; Adamczyk, Płacidła (wie Anm. 100). 142 Gawlas, O kształt (wie Anm. 1), S. 62f. 143 Jerzy Wyrozumski, Posłowie [Nachwort], in: Roman Grodecki, Polska piastowska, Warszawa 1969, ˙ Piasto´w, hg. v. Stanisław Szczur, Krako´w 2009. S. 723f.; Roman Grodecki, Polityka pieni˛ezna
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Mu¨nzemission brachte.144 Innerhalb von drei Jahren, von der Kro¨nung bis zu seiner Vertreibung vom Krakauer Thron wurden einige Millionen Denare geschlagen. Nach den Mu¨nzscha¨tzen zu urteilen, konzentrierte sich ihr Umlauf auf Kleinpolen. ¨ berschuss beschleunigte Die Mu¨nzen waren von Beginn an minderwertig, und ihr U einen sehr schnellen Wertverfall des Silbers (bis zu 9 %). Die fiskalischen und auch politischen Motive sind u¨beraus offensichtlich. Dennoch dra¨ngen sich Fragen auf: Waren die Ambitionen des Herrschers die einzige Ursache? Welche Rolle spielte die Erbeutung der Schatzkammer der ruthenischen Fu¨rsten, und welche die Bedu¨rfnisse des Binnenmarktes und der reduzierte Zustrom sa¨chsischen Silbers in Zusammenhang mit dem Ru¨ckgang der Fo¨rderung in Goslar nach 1040145 und womo¨glich auch mit dem bereits erwa¨hnten Zusammenbruch des Sklavenhandels nach Spanien? Der Feingehalt der Mu¨nzen Władysław Hermans war zu Beginn von dessen Herrschaft absichtlich hoch, und wenngleich er schnell eine Verschlechterung erlebte, fiel er doch nicht katastrophal, und die Emissionen erfolgten in kleinerem, aber weiterhin bedeutendem Umfang.146 ¨ bergang zur massenhaften Produktion von Silbergeld tra¨gt Zu¨ge einer Der ja¨he U von oben erzwungenen Monetarisierung auf dem Wege zielgerichteter Reformen, die die ko¨nigliche Schatzkammer fu¨llen sollten. Die Benutzung der Mu¨nzen des Monarchen durch die Bevo¨lkerung musste zwangsweise durchgesetzt werden, z. B. durch gerichtliche Strafen und Marktabgaben. Eine solche vor allem fiskalische Rolle des Mu¨nzwesens hielt sich wa¨hrend des 12. und 13. Jahrhunderts bis zur Groschenreform. „Ein neues System zur Erzielung von Mu¨nzgewinnen wendete Bolesław Krzywousty (Schiefmund) an, indem er einen periodischen Umtausch der Mu¨nzen einfu¨hrte. Dieser wurde jedoch relativ selten durchgefu¨hrt, na¨mlich nur dreimal in seiner u¨ber dreißigja¨hrigen Herrschaft. Władysław II. intensivierte dieses System erheblich [...], es ist anzunehmen, dass der Umtausch in etwa alle zwei Jahre stattfand. Und obgleich Władysław im Gegensatz zu seinen Vorga¨ngern Mu¨nzen mit hohem Feingehalt und Gewicht emittierte, muss ihr ha¨ufiges Verrufen fu¨r die Zeitgenossen schockierend gewesen sein.“147 Wir haben es hier also mit der Adaptierung des Prinzips einer periodischen Mu¨nzverrufung zu tun, einer renovatio monetae zu einem festgelegten, fu¨r die Bevo¨lkerung mehr oder minder nachteiligen Kurs. Bolesław K˛ed144 Kiersnowski, Pieniadz ˛ kruszcowy (wie Anm. 132), S. 297f.; Stanisław Suchodolski, Mennictwo
polskie w XI i XII wieku [Das polnische Mu¨nzwesen im 11. und 12. Jahrhundert], Wrocław 1973, S. 37f., 53f., 79, 98f. (dort eine Scha¨tzung der Anzahl von Pra¨gestempeln); ders., Czy moneta w Polsce wczesno´sredniowiecznej była pełnowarto´sciowa? [Waren die Mu¨nzen im fru¨hmittelalterlichen Polen vollwertig?], in: Wiadomo´sci Numizmatyczne 30 (1986), 3–4 (117–118), S. 126–133; ders., Polityka mennicza a wydarzenia polityczne w Polsce we wczesnym s´ redniowieczu [Mu¨nzpolitik und politische ´ Ereignisse in Polen im Fru¨hmittelalter], in: Społeczenstwo Polski s´ redniowiecznej 6 (1996), S. 39–52; Krzysztof Skwierczynski, ´ Tre´sci ideowe monet kro´lewskich Bolesława Szczodrego [Der Ideengehalt der ko¨niglichen Mu¨nzen Bolesławs des Großzu¨gigen], in: Wiadomo´sci Numizmatyczne 38 (1994), 3–4 (149–150), S. 141–155. Die Praktiken des Monarchen mu¨ssen in den Augen der Untertanen die ko¨nigliche Symbolik kompromittiert haben. 145 Spufford, Money (wie Anm. 131), S. 95f. 146 Suchodolski, Polityka mennicza (wie Anm. 144), S. 41f.; Kiersnowski, Pieniadz ˛ kruszcowy (wie Anm. 132), S. 304f. 147 Suchodolski, Polityka mennicza (wie Anm. 144), S. 46; ders., Mennictwo polskie (wie Anm. 144), S. 44f., Tafel 1 nach S. 56, S. 99f.; ders., Czy moneta (wie Anm. 144), S. 131f.
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zierzawy (Kraushaar) behielt dieses System bei, aber der Umtausch erfolgte nicht ha¨ufiger als alle 4–6 Jahre.148 Eine neue Phase brachte die Herrschaft Mieszkos des Alten, der nicht nur die Ha¨ufigkeit des Umtausches auf zweimal ja¨hrlich erho¨hte, sondern in den 70er Jahren des 12. Jahrhunderts auch mit der Emission von Brakteaten begann. Die Beschreibung dieses fiskalischen Mechanismus in der Chronik des Vincentius Kadłubek innnerhalb seiner Darstellung der Praktiken fu¨rstlicher Beamter im Gebiet Krakau geho¨rt zu den wichtigsten Quellenbelegen fu¨r diese Praxis.149 Die Untertanen wurden unter Androhung strenger Strafen gezwungen, die jeweils aktuellen Mu¨nzen zu benutzen, insbesondere im Kontakt mit Repra¨sentanten des Herrschers.150 Eine spa¨tere Anwendung der Umtauschpraxis – wohl bis zu dreimal im Jahr – war der Auslo¨ser einer Intervention Papst Innozenz III. in einem Brief aus dem Jahr 1207.151 Es ist zu erga¨nzen, dass die Mu¨nzpolitik Mieszkos des Alten ein Element seiner damaligen Reformen der Grundlagen fu¨rstlicher Herrschaftsausu¨bung mithilfe einer Adaptierung des Regaliensystems war.152 Das Prinzip des fiskalischen Mu¨nzumtausches entstand nicht in Polen, sondern wurde wahrscheinlich aus Deutschland u¨bernommen.153 Im Gegensatz zu Frankreich, wo es im 10. Jahrhundert zu einer weitgehenden Aufsplitterung des Mu¨nzwesens gekommen war,154 war es den Kaisern gelungen, dieses Recht in ihrer Hand zu behalten – obgleich schon Otto I. nicht mit Schenkungen an kirchliche Institutionen gegeizt hatte.155 Die Denare der ottonischen und der salischen Zeit waren vor allem auf eine Bedienung des Fernhandels ausgerichtet (Fernhandelspfennig), daher 148 Dazu zuletzt Borys Paszkiewicz, Pieniadz ˛ go´rno´slaski ˛ w s´ redniowieczu [Oberschlesisches Geld im
Mittelalter], Lublin 2000, S. 25. Der Autor zeigt, dass gegen Ende der Herrschaft von Bolesław die Ha¨ufigkeit des Mu¨nzumtausches gestiegen sein muss. 149 Magistri Vincenti dicti Kadłubek Chronica Polonorum, hg. v. Marian Plezia (MPH, N. S., Bd. 11), Krako´w 1994, Kap. IV/2, S. 130f. 150 Eine detaillierte Analyse der vom Chronisten geschilderten Situation liefert Suchodolski, Polityka mennicza (wie Anm. 144), S. 47f.; Stanisław Trawkowski, Obieg a renowacja monety w Polsce na przełomie XII i XIII wieku [Mu¨nzzirkulation und Mu¨nzerneuerung in Polen an der Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert], in: Nummus et historia. Pieniadz ˛ Europy s´ redniowiecznej, hg. v. Stefan Krzysztof Kuczynski/Stanisław ´ Suchodolski, Warszawa 1985, S. 111–118; Marian Plezia, W sprawie cz˛estotliwo´sci wymiany monety w Polsce [Zur Ha¨ufigkeit des Mu¨nzumtausches in Polen], in: Wiadomo´sci Numizmatyczne 29 (1985), 3–4, S. 221f.; zuletzt Wiesław Kopicki, Polskie brakteaty guziczkowe 2 poł. XIII w.–1 poł. XIV w. Pro´ba interpretacji [Die polnischen Knopfbrakteaten der 2. Ha¨lfte des 13.–1. Ha¨lfte des 14. Jahrhunderts. Ein Interpretationsversuch], Warszawa 1997, S. 16f. 151 Kodeks dyplomatyczny Wielkopolski (wie Anm. 2), Bd. 1, Poznan´ 1877, Nr. 51, S. 56: cum ex consuetudine regionis usualis moneta per annum apud vos tertio renovetur, et que prius in usu fuerat, demum reddatur vilior usu alterius succedente. 152 Gawlas, O kształt (wie Anm. 1), S. 79f. 153 Suchodolski, Mennictwo polskie (wie Anm. 144), S. 105f.; Spufford, Money (wie Anm. 131), S. 91f. (das System der renovatio kam zuerst in England auf); Arthur Suhle, Deutsche Mu¨nz- und Geldgeschichte von den Anfa¨ngen bis zum 15. Jahrhundert, Berlin 1955, S. 73f.; Michael North, Das Geld und seine Geschichte. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Mu¨nchen1994, S. 12f.; Sprenger, Das Geld (wie Anm. 67), S. 62f. 154 Etienne Fournial, Histoire mone´taire de l’occident me´die´val, Paris 1970, S. 65f.; Philip Grierson, The Coins of Medieval Europe, London 1991, S. 50f. 155 Kluge, Deutsche Mu¨nzgeschichte (wie Anm. 132), S. 27f.; Reinhold Kaiser, Mu¨nzprivilegien und bischo¨fliche Mu¨nzpra¨gung in Frankreich, Deutschland und Burgund im 9.–12. Jahrhundert, in: Vierteljahrschrift fu¨r Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 63 (1976), S. 289–338.
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wurden sie bis etwa 1100 in großen Quantita¨ten aus dem Reich ausgefu¨hrt. Wa¨hrend des 11. Jahrhunderts kam es zuerst im Westen Deutschlands zu einer Regionalisierung des Mu¨nzwesens. Dies ha¨ngt sowohl mit einer Entwicklung des Binnenhandels, als auch mit der fortschreitenden Ausbildung der Territorialherrschaften zusammen, was das Prinzip einer begrenzten Reichweite im Umlauf fremder Mu¨nzen zusa¨tzlich unterstu¨tzte. Sie wurden zu den lokalen Ma¨rkten nicht zugelassen, wo man seit Anfang des 12. Jahrhunderts verlangte, sie in o¨rtliche Mu¨nzen umzutauschen.156 Die Kontrolle der Mu¨nzzirkulation und deren Umtausch war schon in der Karolingerzeit eine fiskalischen Zwecken dienende Maßnahme gewesen.157 Wa¨hrend der Entwicklung lokaler Ma¨rkte gewann sie neue Bedeutung, jedoch bewirkten die jeweiligen regionalen Rahmenbedingungen eine ganz erhebliche Differenzierung der Situation. Generell wurden die Herrscher im Westen schrittweise gezwungen, dem Druck ihrer Untertanen nachzugeben, die fiskalische Verwendung der Mu¨nzverrufung einzuschra¨nken und sich zum dauerhaften Gebrauch einer bestimmten Mu¨nze zu verpflichten.158 Eine Ausnahmesituation bildete sich, wahrscheinlich vor dem Hintergrund der den Normannen gezahlten Tribute (Danegeld), in England heraus. Die Herrscher kontrollierten die Geldproduktion strikt durch ein System lokaler Mu¨nzsta¨tten und Ma¨rkte, und seit einer Reform um 973 fu¨hrten sie alle paar Jahre einen Umtausch des gesamten Metallgeldes durch. In normannischer Zeit wurde dessen Ha¨ufigkeit erho¨ht (alle 2–3 Jahre), seit der Mitte des 12. Jahrhunderts war eine weitere Beibehaltung des Umtausches nicht mehr mo¨glich.159 Generell waren eine Beibehaltung der Kontrolle u¨ber die Mu¨nze und eine Profitsteigerung aus ihrem periodischen Umtausch nicht ohne eine starke Territorialherrschaft mo¨glich.160 In Italien fu¨hrte erst Friedrich II. den Umtausch ab 1221 im Ko¨nigreich Sizilien ein.161 In Bo¨hmen ist der Umtausch bereits ab 1118 belegt, fu¨r gewo¨hnlich nicht ha¨ufiger als alle zwei Jahre.162 Eine große Vera¨nderung im Reich war um 156 Suhle, Deutsche Mu¨nz- und Geldgeschichte (wie Anm. 153), S. 39f.; van Rey, Einfu¨hrung (wie
Anm. 67), S. 61f., 111f.; Kluge, Deutsche Mu¨nzgeschichte (wie Anm. 132), S. 63f.; Klaus Petry, Moneta¨re Entwicklung und wirtschaftliche Beziehungen des oberlothringischen Raumes vom Anfang des 6. bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts, Trier 1992, S. 121f.; Sprenger, Das Geld (wie Anm. 67), S. 51f. 157 Suchodolski, Moneta i obieg (wie Anm. 136), S. 223f., 233f. 158 Thomas N. Bisson, Conservation of Coinage. Monetary Exploitation and its Restraint in France, Catalonia, and Aragon (c. A. D. 1000–c. 1225), Oxford 1979. 159 Spufford, Money (wie Anm. 131), S. 87f.; Richard H. Britnell, English Markets and Royal Administration before 1290, in: Economic History Review 31 (1978), S. 183–196; Stephen R. H. Jones, Transaction Costs, Institutional Change, and the Emergence of a Market Economy in Later Anglo-Saxon England, in: Economic History Review 46 (1994), S. 658–678; Martin Allen, The English Currency and the Commercialisation of England before the Black Death, in: Medieval Money (wie Anm. 60), S. 31–50. 160 Dies betont Spufford, Money (wie Anm. 131), S. 94f.; Philippe Contamine u. a., L’e´conomie me´die´vale, 2 e´d., Paris 1997, S. 204f.; Suchodolski, Poczatki ˛ mennictwa (wie Anm. 97), S. 180f., 223f. 161 Lucia Travini, ‚Renovatio Monetae‘ in Medieval Italy, in: Moneta mediaevalis (wie Anm. 125), S. 303–308; ders., Romesinas, provesini, turonenses ...: monete straniere in Italia meridionale ed in Sicilia (XI–XV secolo), in: Moneta locale, moneta straniera: Italia ed Europa XI–XV secolo, hg. v. dems., Milano 1999, S. 121f.; Peter Spufford, Local Coins, Foreign Coins in Late Medieval Europe: Summing up, in: ebd., S. 25–40; im selben Band viel interessantes Vergleichsmaterial fu¨r das Spa¨tmittelalter. 162 Suchodolski, Mennictwo polskie (wie Anm. 144), S. 115f.
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1130 das Aufkommen von Brakteaten, die aus sehr du¨nnem Silberblech geschlagen und nur einseitig gepra¨gt wurden. Ihre Verbreitung teilte das Gebiet Deutschlands in zwei Regionen. Im westlichen und su¨dlichen Reich schlug man weiterhin doppelseitig gepra¨gte Denare, wa¨hrend die Brakteaten im Osten Anwendung fanden, im Harz, in Thu¨ringen, Meißen, Magdeburg, Brandenburg und weiter im Norden und Osten, in Bo¨hmen, Polen, Ungarn und den skandinavischen La¨ndern.163 In Polen ließ Bolesław Krzywousty schon in den 30er Jahren des 12. Jahrhunderts die ersten Brakteaten schlagen,164 ihre eigentliche Verbreitung fiel jedoch in die Zeit Mieszkos des Alten.165 Wesentlich spa¨ter, na¨mlich erst nach 1220, kamen sie in Bo¨hmen auf.166 „Die Brakteaten waren nicht so sehr die Ursache, als vielmehr das Resultat und Produkt schwach entwickelter Geld-Waren-Beziehungen. Die Reichweite ihres Vorkommens kann als Determinante dieser Unterentwicklung dienen. Nicht zufa¨llig fand die Technologie der Brakteatenherstellung in Gebieten mit intensiverer Geldwirtschaft und in den Großhandelszentren keine Anwendung. [...] Es la¨sst sich leicht vorstellen, was dort mit vergleichbaren Blechmu¨nzen geschehen wa¨re, ha¨tte man sie in Umlauf gebracht.“167 Auch wenn man der hier angefu¨hrten Auffassung von Ryszard Kiersnowski generell zustimmt, muss man dennoch den Zusammenhang zwischen der Produktion dieser Art von Geld und den Mo¨glichkeiten zur fiskalischen Ausnutzung seines Umtausches betonen. Die Brakteaten lieferten Mu¨nzen von geringem Wert, die fu¨r Transaktionen auf dem lokalen Markt geeignet waren. Ihre Verbreitung in Polen hing eng mit der Intensivierung des Systems der renovatio monetae zusammen.168 Dies wird versta¨ndlich, wenn man die geringe Haltbarkeit dieses Geldtyps bedenkt. Ihr Austausch brauchte auch eine geringere Menge von Silber. Er fand im 12. Jahrhundert unter den Bedingungen einer zentralisierten Mu¨nzproduktion statt. Stanisław Suchodolski hat versucht zu berechnen, welche Silbermenge notwendig war, um alte gegen neue Mu¨nzen auszutauschen, und wie groß 163 Suhle, Deutsche Mu¨nz- und Geldgeschichte (wie Anm. 153), S. 77f.; Elisabeth Nau, Mu¨nzen und
Geld in der Stauferzeit, in: Die Zeit der Staufer (wie Anm. 9), S. 87–102; Spufford, Money (wie Anm. 131), S. 104f.; Ryszard Kiersnowski, Pradzieje grosza [Die Vorgeschichte des Groschen], Warszawa 1975, S. 14f.; zuletzt Norbert Kamp, ‚Moneta Regis‘. Ko¨nigliche Mu¨nzsta¨tten und ko¨nigliche Mu¨nzpolitik in der Stauferzeit, Hannover 2006; Reiner Cunz, Nachwort, in: ebd., S. 525–547, hier S. 544 ein Hinweis auf jene Forschungen, die belegen, dass die Anfa¨nge der Brakteatenpra¨gung in der Markgrafschaft Meißen und in der Lausitz um 1115/1120 lagen. 164 Ryszard Kiersnowski, O brakteatach z czaso´w Bolesława Krzywoustego i roli kultu s´ w. Wojciecha w Polsce [Die Brakteaten aus der Zeit Bolesław Schiefmunds und die Rolle des Adalbertkultes in Polen], ˙ brakteat z s´ w. in: Wiadomo´sci Numizmatyczne 3 (1959), H. 3–4, S. 147–167; Andrzej Schmidt, Duzy ´ Wojciechem moneta˛ arcybiskupa Gnie´znienskiego [Die großen Brakteaten mit dem Bildnis des Hl. Adalbert als Mu¨nze des Gnesener Erzbischofs], in: Gniezno. Studia i materiały historyczne 4 (1995), S. 179–190. 165 Zuletzt Kopicki, Polskie brakteaty (wie Anm. 150), S. 9f. 166 Paszkiewicz, Pieniadz ˛ go´rno´slaski ˛ (wie Anm. 148), S. 29f.; Sejbal, Za´klady (wie Anm. 97), S. 113f.; ˇ Roman Zaoral, Poˇca´tky braktea´tove´ mˇeny v Cecha ´ ch [Die Anfa¨nge der Brakteatenwa¨hrung in Bo¨hmen], in: Penı´ze v promˇena´ch cˇ asu, hg. v. Jan T. Sˇtefan/Toma´sˇ Krejsˇik, Ostrava 1998, S. 51–59. 167 Kiersnowski, Pradzieje grosza (wie Anm. 163), S. 25. 168 Suchodolski, Mennictwo polskie (wie Anm. 144), S. 105f.; Ryszard Kiersnowski, Wst˛ep do numizmatyki polskiej wieko´w s´ rednich [Einfu¨hrung in die polnische Numismatik des Mittelalters], Warszawa 1964, S. 177f.; Kopicki, Polskie brakteaty (wie Anm. 150), S. 16f.
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die organisatorischen Anstrengungen der Mu¨nzer, von denen es mindestens ein Dutzend gegeben haben musste, gewesen sein mu¨ssen. Der Gewinn aus jedem Umtausch, auch dem von Brakteaten, beruhte nicht hauptsa¨chlich auf einer Verschlechterung des Silberfeingehaltes (wenngleich auch das vorkam), sondern auf einem kontinuierlich ungu¨nstigen Zwangsumtausch, meistens im Verha¨ltnis vier alter gegen drei neue Mu¨nzen. Seine schnelle und effektive Durchfu¨hrung erforderte die vorausgehende Vorbereitung der Neuemission und den Einsatz von relativ großen Silbermengen. Die hohe Beteiligung ju¨discher Spezialisten am Mu¨nzwesen Mieszkos des Alten ist also nicht verwunderlich; von angenommenen 68 Mu¨nztypen hatten 16 lateinische und 52 hebra¨ische Aufschriften.169 Die Beteiligung von Juden an der Mu¨nzproduktion war damals in Ostmitteleuropa ein ha¨ufig anzutreffendes Pha¨nomen.170 Im 12. Jahrhundert wuchs die Zahl ju¨discher Gemeinden, und die Hauptbescha¨ftigung der ju¨dischen Bevo¨lkerung war das Kreditwesen. Dies bedeutete einen Wandel im Charakter ihrer Pra¨senz, die zuvor ziemlich deutlich mit dem Fernhandel verknu¨pft gewesen war.171 Die Juden befanden sich als servi camerae unter dem Schutz und der strikten Kontrolle der Herrscher. Ihre Kolonien befanden sich nur in fu¨rstlichen Zentren, und im 13. Jahrhundert regelten Statuten ihre Stellung, die nach dem Vorbild des Privilegs Friedrichs II. fu¨r die Wiener Juden von 1236 verfasst, aber an die lokalen Bedingun˙ gen angepasst worden waren. Ein von Bolesław Pobozny (dem Frommen) 1264 in Kalisz erlassenes Statut garantierte die Unabha¨ngigkeit der Judengemeinde von sta¨dtischen Selbstverwaltungsorganen und geho¨rte zu denjenigen, die am meisten vom Wiener Vorbild abwichen.172
169 Aufza¨hlung ebd., S. 16. Der Autor beru¨cksichtigt auch Mu¨nzen, die Edmund Kopicki, Skorowidz pie-
ni˛edzy polskich i z Polska˛ zwiazanych ˛ [Verzeichnis des polnischen und mit Polen zusammenha¨ngenden Geldes], Teil 1: Monety polskie [Polnische Mu¨nzen], Warszawa 1990, S. 15f., fu¨r zweifelhaft ha¨lt. Zuletzt u¨ber das Mu¨nzwesen Mieszkos des Alten Dobrochna Gorlinska, ´ Ikonografia monet Mieszka III Starego, Teil 1: Wizerunki reprezentacyjne [Ikonografie der Mu¨nzen Mieszkos III., des Alten, Teil 1: Repra¨sentative Abbildungen], in: Wiadomo´sci Numizmatyczne 45 (2001), 1 (171), S. 1–22; Teil 2: Wizerunki narracyjne i symboliczne [Narrative und symbolische Abbildungen], in: ebd., 2 (172), S. 113–142, dort die gesamte a¨ltere Literatur. Die Autorin beru¨cksichtigt 56 Mu¨nztypen, aber ohne Zahlenangabe fu¨r diejenigen mit hebra¨ischen Aufschriften. 170 Jadwiga Zakrzewska-Kleczkowska, Brakteaty z napisami hebrajskimi ze Stˇrelic [Die Brakteaten aus Stˇrelice mit hebra¨ischen Aufschriften], in: K problematice moravske´ho mincovnictvı´ 13. stoletı´, hg. v. Jiˇrı´ Sejbal, Brno 1976, S. 182–197; Christian Lu¨bke, „... und es kommen zu ihnen ... Mohammedaner, Juden und Tu¨rken ...“. Die mittelalterlichen Grundlagen des Judentums im o¨stlichen Europa, in: Juden und Antisemitismus im o¨stlichen Europa, hg. v. Mariana Hausleitner/Monika Katz, Berlin 1995, S. 39–57; Friedrich Battenberg, Das europa¨ische Zeitalter der Juden. Zur Entwicklung einer Minderheit in der nichtju¨dischen Umwelt Europas, Bd. 1: Von den Anfa¨ngen bis 1650, Darmstadt 22000, S. 97f. ˙ 171 Ebd., S. 45f.; Hanna Zaremska, Zydzi ´ w s´ redniowiecznej Europie Srodkowej w Czechach, Polsce i na W˛egrzech [Die Juden im mittelalterlichen Mitteleuropa: Bo¨hmen, Polen und Ungarn], Poznan´ 2005. ˙ ´ w w Polsce do konca 172 Roman Grodecki, Dzieje Zydo ´ XIV w. [Geschichte der Juden in Polen bis zum Ende des 14. Jahrhunderts], in: ders., Polska piastowska (wie Anm. 143), S. 604f.; zuletzt Hanna ˙ Zaremska, Uwagi o organizacji gmin zydowskich w s´ redniowiecznej Polsce [Anmerkungen zur ju¨dischen Gemeindeorganisation im mittelalterlichen Polen], in: Aetas media (wie Anm. 121), S. 147–164; ˙ dies., Rzecz skradziona w zydowskim zastawie [Bei Juden verpfa¨ndetes Diebesgut], in: Ko´scio´ł, kul˙ ´ tura, społeczenstwo. Studia z dziejo´w s´ redniowiecza i czaso´w nowozytnych, hg. v. Stanisław Bylina ˙ u. a., Warszawa 2000, S. 337–350; dies., Organizacja wczesno´sredniowiecznych gmin zydowskich w Europie s´ rodkowej: Ostrzyhom i Krako´w [Die Organisation der fru¨hmittelalterlichen Judengemein-
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Die weite Verbreitung der Brakteaten in Polen fiel in die Zeit eines regionalen Mu¨nzwesens der Teilfu¨rstentu¨mer, das seit dem Ende des 12. Jahrhunderts einsetzte.173 Die Brakteaten hatten fu¨r gewo¨hnlich keine Aufschriften, und immer ha¨ufiger wurden sie nachla¨ssig geschlagen, was ihre Zuschreibung zu einer konkreten Mu¨nzsta¨tte sehr erschwert. Dies betrifft insbesondere die seit 1260/1270 popula¨ren so genannten Knopfbrakteaten.174 Lediglich in Schlesien lassen sich, dank der Forschungen von Borys Paszkiewicz, die Entwicklungsphasen von Mu¨nzpolitik und Wirtschaft mit der Herrschaft bestimmter Fu¨rsten verknu¨pfen.175 In dieser Situation sind wir bei der Bewertung der Funktionsweise des Geldmarktes und der Kommerzialisierungsfortschritte auf mehr oder minder hypothetische Schlussfolgerungen und Annahmen angewiesen. Diese sind, bei aller Bruchstu¨ckhaftigkeit der Angaben, auf eine Rekonstruktion der grundlegenden Mechanismen ausgerichtet,176 und dabei
den in Mitteleuropa: Esztergom und Krakau], in: Ludzie, Ko´scio´ł, wierzenia. Studia z dziejo´w kultury ´ ˙ ´ i społeczenstwa Europy Srodkowej (´sredniowiecze – wczesna epoka nowozytna), hg. v. Jacek Banasz˙ ´ w. Uwagi w ˙ kiewicz u. a., Warszawa 2001, S. 303–312; dies., Statut Bolesława Poboznego dla Zydo sprawie genezy [Das Judenstatut Bolesławs des Frommen. Anmerkungen zu seiner Genese], in: Roczniki Dziejo´w Społecznych i Gopodarczych 64 (2004), S. 107–132. 173 Ryszard Kiersnowski, Poczatki ˛ s´ laskiej ˛ monety dzielnicowej – pro´ba rewizji poglado ˛ ´ w [Die Anfa¨nge eines Mu¨nzwesens in den schlesischen Teilfu¨rstentu¨mern – Versuch einer revidierten Betrachtung], Wrocław 1978, S. 49–59; Stanisław Suchodolski, Zmiany chronologii i atrybucji monet polskich z ¨ nderungen in der Chronologie und Zuschreibung polniXII/XIII w. w s´ wietle skarbu z Głogowa [A scher Mu¨nzen des 12./13. Jahrhunderts anhand eines Glogauer Schatzes], in: Wiadomo´sci Numizmatyczne 36 (1992), 3–4 (141–142), S. 105–120; Paszkiewicz, Pieniadz ˛ go´rno´slaski ˛ (wie Anm. 148), S. 27f., ¨ ber die Mutter 105f.; ders., O matce Lestka Bolesławica i poczatkach ˛ mennictwa mazowieckiego [U des Lestek Bolesławic und die Anfa¨nge des masowischen Mu¨nzwesens], in: Przeglad ˛ Historyczny 92 ˙ n´ [Einige Beobachtun(2001), S. 1–14; ders., Poczatki ˛ polskiej monety dzielnicowej: kilka spostrzeze gen zu den Anfa¨ngen des Mu¨nzwesens in den Teilfu¨rstentu¨mern], in: Wiadomo´sci Numizmatyczne 48 ˙ ˙ na ziemiach polskich [Die Geldsysteme (2004), 1 (177), S. 1–15; Zbigniew Zabi nski, ´ Systemy pieni˛ezne in Polen], Wrocław 1981, S. 36f. 174 Kopicki, Polskie brakteaty (wie Anm. 150), S. 82f.; Paszkiewicz, Pieniadz ˛ go´rno´slaski ˛ (wie Anm. 148), S. 30. 175 Borys Paszkiewicz, Mennictwo s´ laskie ˛ wobec „rewolucji handlowej“ XIII wieku [Das schlesische ´ aska Mu¨nzwesen und die „Handelsrevolution“ des 13. Jahrhunderts], in: Kultura s´ redniowiecznego Sl ˛ ´ (wie Anm. 38), S. 35–49; ders., Pieniadz ˛ go´rno´slaski ˛ (wie Anm. 148); Krzysztof Wachowski, Sredniowieczne przybory kupieckie z Trzebnicy. Przyczynek do dziejo´w wymiany w Europie w XIII w. [Mittelalterliche Kaufmannsutensilien aus Trebnitz. Ein Beitrag zur Handelsgeschichte im Europa des 13. Jahrhunderts], in: Kwartalnik Historii Kultury Materialnej 41 (1993), 1, S. 71–82; ders., Sys´ asku ˙ tem wagowo-pieni˛ezny i obrachunkowy na Dolnym Sl ˛ po reformie Henryka III Białego [Das Mu¨nz-, Wa¨ge- und Rechnungssystem in Niederschlesien nach der Reform Heinrichs III. des Weißen], ´ askie in: Wiadomo´sci Numizmatyczne 46 (2002), 1 (173), S. 59–65; ders., Sl ˛ pojemniki na brakteaty na tle poro´wnawczym [Die schlesischen Brakteatenbeha¨lter in vergleichender Sicht], in: Archaeologia Polona 47 (2002), 1–2, S. 345–354; Mirosław Marcinkowski, Wagi i brakteaty kupieckie ze Starego Miasta Elblaga ˛ [Kaufmannsgewichte und -brakteaten aus der Altstadt von Elbing], in: Kwartalnik Historii Kultury Materialnej 50 (2002), 1, S. 44–52. 176 Grundlegende Bedeutung haben weiterhin Roman Grodecki, Mincerze we wczesnym s´ redniowieczu polskim [Die Mu¨nzmeister im fru¨hen polnischen Mittelalter], Krako´w 1921; ders., Dziesi˛ecina mennicza w Polsce s´ redniowiecznej [Der Mu¨nzzehnte im mittelalterlichen Polen], in: Wiadomo´sci Numizmatyczno-Archeologiczne 8 (1918), S. 91–98, 113–119; 8 (1919), S. 1–5; ders., Polityka mennicza ksia˙ ˛zat ˛ polskich w okresie piastowskim [Die Mu¨nzpolitik der polnischen Fu¨rsten der Piastenzeit], ˙ in: Wiadomo´sci Numizmatyczno-Archeologiczne 9 (1920–1921), S. 45–72; ders., Przymus uzywania bie˙zacej ˛ monety krajowej w Polsce piastowskiej [Der Zwang zum Gebrauch der jeweils aktuellen Lan-
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schwindet die selbstversta¨ndliche Tatsache vo¨llig aus dem Blickfeld, dass diese sta¨ndigen Vera¨nderungen unterworfen waren. Es ist gut dokumentiert, dass man sich im internationalen Handel und generell bei gro¨ßeren Transaktionen nichtgemu¨nzten Silbers in Form von Barren oder Gussmetall bediente oder Mu¨nzsilber – aber dann nur gewogenes – benutzte.177 Bemerkenswert ist, dass man gleichermaßen beim Schlagen von Brakteaten und von schwereren doppelseitigen Mu¨nzen blieb,178 was einen tieferen o¨konomischen Sinn gehabt haben muss. Eine Inhaltsanalyse der Mu¨nzscha¨tze legt nahe, dass die Effektivita¨t der Mechanismen der renovatio kaum in Frage zu stellen ist.179 Diese musste jedoch in dem Maße nachlassen, in dem sich die Geldwirtschaft weiterentwickelte. 1266 verfu¨gte Leszek Czarny (der Schwarze) anla¨sslich des Verkaufes der Vogtei zu Neumarkter Recht in Radomsk, dass die lokalen Sieradzer Denare (also wahrscheinlich Brakteaten) auf dem Markt bis zur Ho¨he von einem halben Vierding (wiardunek, wahrscheinlich 36 Denare) angenommen werden mussten.180 Die umzutauschenden Mu¨nzen besaßen also in jener Zeit einen nicht geringen Wert, und sie dienten wahrscheinlich in erster Linie den niederen Schichten der Bevo¨lkerung, die den lokalen Markt nutzten und kleinere Transaktionen abwickelten.181 Die Unterordnung des Binnenhandels unter die fiskalischen Interessen des Herrschers von Beginn der Monetarisierung an sowie der Ausbau des Systems der renova¨ berwachung des Geldumlaufes mit Hilfe der tio monetae erforderten eine wirksame U 182 fu¨rstlichen Mu¨nzmeister. Die Basis eines regula¨ren Umtausches, d. h. einer Plu¨nderung der finanziellen Ressourcen der Untertanen – mit der Zeit bis zu zweimal desmu¨nzen im piastischen Polen], in: Wiadomo´sci Numizmatyczno-Archeologiczne 10 (1922–1926), S. 1–23; ders., Dzieje zwierzchno´sci menniczej w Polsce s´ redniowiecznej [Geschichte der Mu¨nzhoheit im mittelalterlichen Polen], in: Wiadomo´sci Numizmatyczno-Archeologiczne 12 (1928–1929), ˙ ´ S. 65–89; ders., Poczatki ˛ pieni˛eznego skarbu panstwowego w Polsce [Die Anfa¨nge eines reichseigenen Geldschatzes in Polen], in: Wiadomo´sci Numizmatyczno-Archeologiczne 15 (1933), S. 1–32; zuletzt ˙ (wie Anm. 143). ders., Polityka pieni˛eza 177 Ryszard Kiersnowski, Srebro czyste i najczystsze w Polsce s´ redniowiecznej [Rein- und Reinstsilber im mittelalterlichen Polen], in: Archaeologia Polona 16 (1971), S. 667–677; Marian Dygo, Mar´ asku cae argenti puri. Przyczynek do cyrkulacji srebra w Małopolsce i na Sl ˛ w XIII–XIV w. [Marcae argenti puri. Ein Beitrag zur Silberzirkulation in Kleinpolen und Schlesien im 13.–14. Jahrhundert], in: Przeglad ˛ Historyczny 69 (1978), 3, S. 405–417; Roman Grodecki, Złoto w Polsce przed wprowadzeniem w obieg floreno´w złotych [Das Gold in Polen, bevor der Goldgulden in Umlauf gebracht wurde], in: Wiadomo´sci Numizmatyczno-Archeologiczne 20 (1938–1939), S. 142–153. 178 Suchodolski, Zmiany (wie Anm. 173), S. 114f.; Paszkiewicz, Mennictwo (wie Anm. 175), S. 37f.; Kopicki, Skorowidz (wie Anm. 169), S. 18f. 179 Borys Paszkiewicz, Nowy Sacz, ˛ Trzebiato´w, „Uladizlaus“. O interpretacji brakteato´w guziczkowych [Zur Deutung der Knopfbrakteaten], in: Wiadomo´sci Numizmatyczne 41 (1997), 3–4 (181–182), S. 138f. 180 Zygmunt Mazur, Studia nad kancelaria˛ Leszka Czarnego [Studien zur Kanzlei Leszek des Schwarzen], Wrocław 1975, S. 192; Roman Grodecki, Przyczynek do dziejo´w pieniadza ˛ w Polsce XIII w. [Ein Beitrag zur Geldgeschichte im Polen des 13. Jahrhunderts], in: Wiadmo´sci Numizmatycznoarcheologiczne 19 (1937), S. 24–26; Kopicki, Polskie brakteaty (wie Anm. 150), S. 22, 96. 181 Stanisław Suchodolski, Zasoby pieni˛ezne ˙ „szarego człowieka“ w Polsce wczesno´sredniowiecznej ´ [Die Geldmittel der „einfachen Leute“ im fru¨hmittelalterlichen Polen], in: Człowiek w społeczenstwie (wie Anm. 45), S. 151–158. 182 Ders., Mennictwo polskie (wie Anm. 144), S. 77f.; Grodecki, Mincerze (wie Anm. 176); ders., Przymus (wie Anm. 176).
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im Jahr (oder noch ha¨ufiger) – war die Organisierung eines Marktnetzes unter der Kontrolle des Herrschers im gesamten Land. Leider fehlen eindeutige Voraussetzungen fu¨r eine genauere Datierung, es la¨sst sich lediglich annehmen, dass dies kein allma¨hlicher Entwicklungsprozess war und dass die Mu¨nzreformen von einem Ausbau des Marktnetzes begleitet wurden. Tadeusz Lalik hat die Zahl der Ma¨rkte im 12. Jahrhundert (ohne Pommern) auf etwa 200 gescha¨tzt.183 An diesem System waren auch die Institutionen der Taverne oder Schenke sowie (wahrscheinlich spa¨ter) der fu¨rstlichen Fleischba¨nke beteiligt.184 Die Organisationsta¨tigkeit der Piastenfu¨rsten ¨ hnlichkeiten zur Wirtschaftspolitik deutscher Landesherrschaften weist sehr viele A im 12. Jahrhundert auf, insbesondere zu den gut erforschten Anstrengungen Kaiser Friedrich Barbarossas, der in einer Situation beschleunigter Kommerzialisierung der Beziehungen im Reich auf unterschiedlichen Wegen eine Erho¨hung seiner Geldeinku¨nfte anstrebte (Aufsicht u¨ber Kaufleute und Handel, Kontrolle des Mu¨nzwesens, der Wege, Bru¨cken, Zo¨lle, Ma¨rkte und Sta¨dte, Landesausbau und Ausbau der terrae imperii, Umwandlung von Frondiensten in Geldzahlungen).185 In Polen haben wir es mit einer wesentlich radikaleren Anwendung zeitgeno¨ssischer Vorbilder bei einem deutlich niedrigeren Entwicklungsniveau zu tun. Es muss hinzugefu¨gt werden, dass dies die Zeit war, als in Europa nach der Krise der zweiten Ha¨lfte des 11. Jahrhunderts der Silbermangel infolge der Entdeckung immer neuer, reicher Vorkommen dieses Metalls seit etwa 1160 in verschiedenen Zentren (Freiberg, Steiermark, Ka¨rnten, Iglau usw.) u¨berwunden war.186 Die zu fiskalischen Zwecken erzwungene Monetarisierung erfolgte von oben und hatte enorme soziale Konsequenzen, darunter eine stark beschleunigte Stratifizierung der Bevo¨lkerung. Das System der renovatio monetae traf hauptsa¨chlich den lokalen 183 Tadeusz Lalik, Targ, in: Słownik (wie Anm. 57), Bd. 6, S. 25–32; ders., Ma¨rkte des 12. Jahrhunderts
in Polen, in: Ergon 3 (1962), S. 364–367; Karol Maleczynski, ´ Najstarsze targi w Polsce i ich stosunek do miast przed kolonizacja˛ na prawie niemieckim [Die a¨ltesten Ma¨rkte in Polen und ihre Beziehungen zu den Sta¨dten vor der deutschrechtlichen Kolonisation], Lwo´w 1926; Karol Buczek, Targi i miasta na prawie polskim (okres wczesno´sredniowieczny) [Ma¨rkte und Sta¨dte zu polnischem Recht (Fru¨hmittelalter)], Wrocław 1964, S. 37f.; Aleksander Gieysztor, From Forum to Civitas: Urban Changes in Poland in the Twelfth and Thirteenth Centuries, in: La Pologne au XIIe Congre`s International des Sciences Historiques a` Vienne, Warszawa 1965, S. 7–30; Marta Młynarska-Kaletynowa, Targ na Zie´ atki lone Swi ˛ [Der Pfingstmarkt], in: Kwartalnik Historii Kultury Materialnej 15 (1967), 1, S. 25–32; dies., Zur Bedeutung von Pla¨tzen/Ma¨rkten im Staatsbildungsprozeß bei den Westslawen, in: Burg – Burgstadt – Stadt (wie Anm. 89), S. 51–59 (dort weitere Literatur). 184 Irena Cie´slowa, Taberna wczesno´sredniowieczna w Polsce wieku X–XII [Die fru¨hmittelalterliche Taverne in Polen], in: Studia Wczesno´sredniowieczne 4 (1958), S. 159–222; dies., Karczma, in: Słownik (wie Anm. 57), Bd. 2, S. 373–375; Stanisław Trawkowski, Ołbin wrocławski w XII wieku [Der Breslauer Elbing im 12. Jahrhundert], in: Roczniki Dziejo´w Społecznych i Gospodarczych 20 (1959), S. 69–81, hier S. 73f.; ders., Taberny płockie na przełomie XI i XII wieku [Die Tavernen von Płock an der Wende vom 11. zum 12. Jahrhundert], in: Przeglad ˛ Historyczny 53 (1962), S. 731–744; Irena Rabecka-Brykczy ˛ nska, ´ Jatki rze´znicze w Polsce w XIII–XIV w. [Die Fleischba¨nke in Polen im 13.–14. Jahrhundert], in: Dies./Tadeusz Sobczak, Z problematyki badan´ nad produkcja˛ i konsump˙ cja˛ zywno´ sci w Polsce, Wrocław 1984, S. 7–125. 185 Eine umfangreiche und eingehende Analyse bietet Fried, Die Wirtschaftspolitik (wie Anm. 68), S. 196f.; Ferdinand Opll, Stadt und Reich im 12. Jahrhundert (1125–1190), Graz/Wien 1986, bes. S. 550f.; Ro¨sch, Wirtschaftsexpansion (wie Anm. 65). 186 Spufford, Money (wie Anm. 131), S. 109f.
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Handel und die einfachen Untertanen. Internationaler Handel und große Transak¨ quivalents bedienen. Dies bedeutete nicht, tionen mussten sich eines hochwertigen A dass strikte Kontrollen u¨ber Kontakte mit der Außenwelt und mit Fremden fehlten, die Wahl des Terminus hospites (Ga¨ste) zur Bezeichnung von Neuanko¨mmlingen ist keine Sache des Zufalls.187 Im Zusammenhang mit der Pflicht, mit den jeweils aktuellen Mu¨nzen Gebu¨hren, Gerichtsstrafen und Geldabgaben zu zahlen188 oder Salz zu kaufen,189 schra¨nkte die Kommerzialisierung der Beziehungen zur Herrschaft die Marktta¨tigkeit ein und begu¨nstigte gleichzeitig eine Flucht vor dem Mu¨nzgeld. Es ist zu vermuten, dass man sich, wo es nicht anders Pflicht war, gern traditioneller Geldformen jenseits von Metall bediente, die weiterhin als Tauschmittel dienten.190 Diese Frage wird zumeist unterscha¨tzt, teilweise wegen der recht mageren Quellenbelege. Sie betreffen in erster Linie die hauptsa¨chlich in den o¨stlichen polnischen Territorien als Zahlungsmittel verwendeten Pelze.191 Es kam jedoch nicht zur Ausbildung eines Geldsystems auf der Basis von Tierha¨uten a¨hnlich dem in der Rus’. In einer aktuellen Studie hat Jacek Adamczyk zu Recht auf die spezifischen Bedingungen hingewiesen, die zu dessen Entwicklung beitrugen – insbesondere ein Mangel an Metallen in Verbindung mit der großen Bedeutung des Pelzhandels sowie mit der fru¨hzeitigen und weitgehenden Adaptierung dieses Typs von Zahlungsmittel fu¨r die Bedu¨rfnisse des Herrschaftsapparates der Fu¨rstentu¨mer der Rus’.192 Ha¨ute und Pelze waren parallel mit Silber im Umlauf. Im polnischen, auf Mu¨nzgeld gestu¨tzten Handelssystem konnten sie lediglich toleriert werden, und das nicht losgelo¨st von ihrem Handelswert (wenn man das Problem der Kontakte mit der Rus’ einmal beiseite la¨sst). Etwas anders gelagert war die Situation beim Salz. Zwar besitzen wir u¨ber dessen Rolle als Zahlungsmittel noch weniger Informationen, aber diese betreffen die von ¨ berlieferung der Herrschaft sanktionierte Gerichtsstrafe der trzysta, die nach der U des a¨ltesten polnischen Rechtskodex in Salzklu¨mpchen erhoben wurde.193 In Ru¨ck-
187 Christian Lu¨bke, Multiethnizita¨t und Stadt als Faktoren gesellschaftlicher und staatlicher Entwick-
lung im o¨stlichen Europa, in: Burg – Burgstadt – Stadt (wie Anm. 89), S. 36–50; ders., Fremde im o¨stlichen Europa. Von Gesellschaften ohne Staat zu verstaatlichten Gesellschaften (9.–11. Jahrhundert), Ko¨ln 2001, S. 123f. 188 Unter anderem auch der Peterspfennig, vgl. Jo´zef Szymanski, ´ etopietrze [Peterspfennig], in: Słow´ Swi˛ nik (wie Anm. 57), Bd. 5, S. 587f.; Erich Maschke, Der Peterspfennig in Polen und dem deutschen Osten, Sigmaringen 21979, S. 47f. 189 Jerzy Wyrozumski, So´l, saliny [Salz, Salinen], in: Słownik (wie Anm. 57), Bd. 5, S. 346f.; ders., Panst´ wowa gospodarka solna w Polsce do schyłku XIV wieku [Die staatliche Salzwirtschaft in Polen bis zum Ende des 14. Jahrhunderts], Krako´w 1968. 190 Janusz Sztetyłło, Pieniadz ˛ pozakruszcowy [Nichtmetallenes Geld], in: Słownik (wie Anm. 57), Bd. 4, S. 90–94; ders., Asperiores et marca cunarum, in: Wiadomo´sci Numizmatyczne 12 (1968), S. 87–104; ders., Problematyka pieniadza ˛ pozakruszcowego w Czechach, na Rusi i w Polsce w s´ redniowieczu [Das Problem des nichtmetallenen Geldes in Bo¨hmen, der Rus’ und in Polen im Mittelalter], in: I Mi˛ed´ zynarodowy Kongres Archeologii Słowianskiej, Warszawa 14–18 IX 1965, Bd. 6, hg. v. Witold Hensel, Wrocław 1968, S. 189–204. 191 Adamczyk, Płacidła (wie Anm. 100), S. 31f., 182f. 192 Ebd., S. 33f., 69f., 147f., 318f. 193 Najstarszy Zwo´d Prawa Polskiego [Die a¨lteste Sammlung Polnischen Rechtes], hg. und bearb. v. Jo´zef und Jacek Matuszewski, Ło´dz´ 1995, § 20.2, S. 84.
Fu¨rstenherrschaft, Geldwirtschaft und Landesausbau
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griff auf die sehr umfangreiche Literatur194 zur Salzproduktion und deren Rolle bei den von der Bevo¨lkerung zu erbringenden Leistungen und bei den fu¨rstlichen Privilegien195 la¨sst sich feststellen, dass das Salz im Handel standardisierte Formen annahm, die die Funktion von Zahlungsmitteln erfu¨llen konnten.196 Der Geldwert der trzystaStrafe war im 13. Jahrhundert nicht mehr sehr hoch und ihre Bedeutung wurde geringer, sie nahm Zu¨ge einer Gerichtsgebu¨hr an. Die Genese dieser Strafe la¨sst sich jedoch in einer fru¨hen Rezeption germanischen Rechtes erblicken, das u¨ber Bo¨hmen vermittelt wurde.197 Salzproduktion und -handel besaßen eine große Bedeutung und geho¨rten zu den profitablen fu¨rstlichen Regalien. Wenn man eine Gerichtsstrafe in Salz zu entrichten hatte, dann musste man dazu das Salz, wie erwa¨hnt, beim Herrscher kaufen. Sein Wertverfall ko¨nnte mit der Tendenz zusammenha¨ngen, die rezipierten Gerichtsstrafen im Rahmen ihrer Anpassung an lokale Gegebenheiten zu reduzieren. Außerdem sank nach 1251 in Zusammenhang mit dem aufkommenden Steinsalzbergbau198 wahrscheinlich sein Preis, und der Verkauf wurde zu einem wichtigen Beschleunigungsfaktor bei der Monetarisierung des Marktes. Eine Bewertung der Rolle des Salzhandels bei der Entwicklung von Marktpha¨nomenen und der eventuellen fru¨heren Funktion des Salzes als Zahlungsmittel erfordert also, die Dynamik der ¨ berlegungen anzustellen. Vera¨nderungen zu beru¨cksichtigen und weitergehende U
194 Das Problem ist sehr umfangreich und regional differenziert: Salz von der Ostseeku¨ste, aus der Rus’,
Salzimporte aus Halle, geringe Solequellen im polnischen Tiefland und, als wichtigste Quelle, Salz aus ˙ dem Karpatenvorland. Vgl. Studia i Materiały do Dziejo´w Zup Solnych w Polsce [Studien und Materialien zur Geschichte der Salinen in Polen], Bde. 1–25, Wieliczka 1965–2007; Antonina Keckowa, ´ XIII wieku [Die Salinen der Region Krakau bis zum Ende des Saliny ziemi krakowskiej do konca 13. Jahrhunderts], Wrocław 1965; dies., Zaopatrzenie Mazowsza w so´l od XII do poczatku ˛ XVI wieku [Die Salzversorgung in Masowien vom 12. bis zum Anfang des 16. Jahrhunderts], in: Kwartalnik His˙ torii Kultury Materialnej 28 (1980), 4, S. 469–478; Antoni Jodłowski u. a., Dzieje zup krakowskich [Geschichte der Krakauer Salinen], Wieliczka 1988; Winfried Schich, Die Rolle der Salzgewinnung in der Wirtschaftsentwicklung der Ostseeslawen, in: Salsa Cholbergensis (wie Anm. 15), S. 95–107; Tomasz Jasinski, ´ Uwarunkowania lokacji Poznania [Die Voraussetzungen der Lokation von Posen], in: Civitas Posnaniensis (wie Anm. 15), S. 163–172. 195 Jerzy Grzesiowski/Jo´zef Piotrowicz, So´l małopolska w nadaniach i przywilejach dla klasztoro´w (do poczatku ˛ XVI wieku) [Das kleinpolnische Salz in klo¨sterlichen Schenkungen und Privilegien (bis zum ˙ Anfang des 16. Jahrhunderts], in: Studia i Materiały do Dziejo´w Zup Solnych w Polsce, Bd. 1, Wieliczka 1965, S. 71–189, hier S. 71f. 196 Wyrozumski, Panstwowa ´ (wie Anm. 189), S. 35f., 45f.; Antoni Jodłowski, Eksploatacja soli na terenie Małopolski w pradziejach i we wczesnym s´ redniowieczu [Die Salzgewinnung in Kleinpolen in Fru¨h˙ geschichte und fru¨hem Mittelalter], in: Studia i Materiały do Dziejo´w Zup Solnych w Polsce, Bd. 4, Wieliczka 1971, S. 113f., 125f.; ders., Technika produkcji soli na terenie Europy w pradziejach i we wczesnym s´ redniowieczu. Studium archeologiczne [Die Technologien der Salzproduktion in Europa in Fru¨hgeschichte und fru¨hem Mittelalter. Eine archa¨ologische Studie], in: Studia i Materiały do Dzie˙ jo´w Zup Solnych w Polsce, Bd. 5, Wieliczka 1976, S. 155f. 197 Juliusz Bardach, Kara „trzysta“ i opłata „trzestne“ w najdawniejszym prawie polskim [„Trzysta“Strafe und „Trzestne“-Gebu¨hr im a¨ltesten polnischen Recht], in: Czasopismo Prawno-Historyczne 18 (1966), 1, S. 45–78, bes. S. 60f. 198 Wyrozumski, Panstwowa ´ (wie Anm. 189), S. 69f.; Jo´zef Piotrowicz, Okresy rozwojowe i przemiany gospodarki solnej w Polsce od połowy XIII do poczatko ˛ ´ w XVIII wieku [Entwicklungsphasen und Wandel der Salzwirtschaft in Polen von der Mitte des 13. bis zum Anfang des 18. Jahrhunderts], in: ˙ Studia i Materiały do Dziejo´w Zup Solnych w Polsce, Bd. 9, Wieliczka 1980, S. 33–76, hier S. 33f.
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Unabha¨ngig vom Problem des engeren oder weiteren Geltungsbereiches von bestimmten Zahlungsmitteln lieferte die Kommerzialisierung in einem Fiskalsystem mit regelma¨ßigem Mu¨nzumtausch keine sta¨rkeren Impulse fu¨r autogene Entwicklungsmechanismen. Die Antwort auf die im 12. Jahrhundert beschleunigte Monetarisierung der europa¨ischen Wirtschaft musste an deren Peripherien ein generelles und langwa¨hrendes Bemu¨hen sein, Ausgaben in Metallmu¨nzen u¨berall da zu vermeiden, wo sie entbehrlich waren. Eine Mo¨glichkeit zu ihrer Vermeidung lieferten die Wiederbelebung und, soweit notwendig, der Ausbau von Frondiensten199 im Rahmen einer auf die Adaptierung des Konzeptes der Regalien200 gestu¨tzten und im 12. Jahrhundert pra¨zisierten Herrschaftsideologie.201 Die Erweiterung der Lasten des so genannten Fu¨rstenrechtes mit seinen Abgaben und Monopolen entsprach dem Bedu¨rfnis nach einer versta¨rkten Ausbeutung der Ressourcen der Untertanen.202 Sie waren nicht einfach eine Fortfu¨hrung fru¨herer Entwicklungsetappen der Herrschaftsorganisation, wie immer noch ha¨ufig angenommen wird.203 Die vom Fu¨rsten auferlegten und auf Regalien beruhenden Lasten (das so genannte Ius ducale) nahmen jedoch zum Teil traditionelle Dienstformen an. Diese Tendenz hing mit dem niedrigeren wirtschaftlichen Entwicklungsniveau zusammen und wurde durch die Finanzkrise des Herrschers noch verscha¨rft, welche sich umso mehr ausweitete, je 199 Dazu geho¨rte die so genannte Dienstorganisation der ba¨uerlichen Bevo¨lkerung, aus der man allzu kon-
sequent und anachronistisch ein einheitliches und enorm langlebiges System schuf, um die Mehrzahl der Bedu¨rfnisse des Herrschers und seines Machtapparates im Rahmen einer Naturalwirtschaft zu ˙ befriedigen. Vgl. Karol Buczek, Ksia˙ ˛z˛eca ludno´sc´ słuzebna w Polsce wczesnofeudalnej [Die fu¨rstli˙ chen Dienstleute im fru¨hfeudalen Polen], Wrocław 1958; ders., Organizacja słuzebna w pierwszych ´ wiekach panstwa polskiego [Die Dienstorganisation in den ersten Jahrhunderten des polnischen Reiches], in: Studia Historyczne 20 (1977), S. 353–376; Karol Modzelewski, Z badan´ nad organizacja˛ ˙ słuzebn a˛ w Polsce wczesnofeudalnej [Forschungen zur Dienstorganisation im fru¨hfeudalen Polen], in: ´ Kwartalnik Historii Kultury Materialnej 9 (1961), S. 703–739; ders., Organizacja gospodarcza panstwa piastowskiego X–XIII wieku [Die Wirtschaftsorganisation des piastischen Reiches im 10.–13. Jahrhundert], Wrocław 1975, bes. S. 186f., 238f.; ders., Chłopi (wie Anm. 34), S. 99f. Auch wenn ich mit der Konstruktion als Ganzer nicht einverstanden bin, halte ich doch die Beobachtung fu¨r zutreffend, dass die Frondienste „eine absichtliche Abgrenzung gegen den Markt [waren]. Geld war notwendig zum Kauf von ungarischen Reitpferden, Schwertern aus Regensburg, Brokatstoffen und Goldbrokat aus Byzanz. [...] Dies war eine politische Notwendigkeit: Die Herrschaft musste im charismatischen Glanz des Goldes strahlen. Aber es lohnte sich nicht, Denare fu¨r Tonto¨pfe auszugeben, wenn die Bauern sie kostenlos herstellen konnten“ – ebd., S. 100; vgl. Christian Lu¨bke, Arbeit und Wirtschaft im o¨stlichen Mitteleuropa. Die Spezialisierung menschlicher Ta¨tigkeit im Spiegel der hochmittelalterlichen Toponymie in den Herrschaftsgebieten von Piasten, Pˇremysliden und Arpaden, Stuttgart 1991. 200 Karol Buczek, Regalia [Regalien], in: Słownik (wie Anm. 57), Bd. 4, S. 479–484. 201 Vgl. Johannes Fried, Der Regalienbegriff im 11. und 12. Jahrhundert, in: Deutsches Archiv 29 (1973), ¨ berblick u¨ber die Diskussion zur S. 450–528; Gawlas, O kształt (wie Anm. 1), S. 19f., 79f. Einen U Genese der Burgenorganisation gibt Agnieszka Teterycz-Puzio, Geneza wojewo´dztwa sandomiers´ kiego. Terytorium i miejsce w strukturze panstwa polskiego w s´ redniowieczu [Die Genese der Wojewodschaft Sandomir. Ihr Territorium und ihre Stellung in den Strukturen des polnischen Reiches im Mittelalter], Słupsk 2001, S. 26f.; Janusz Kurtyka, Hofa¨mter, Landesa¨mter, Staatsa¨mter und ihre Hierarchien in Polen im mitteleuropa¨ischen Vergleich (11.–15. Jahrhundert), in: Das Reich und Polen. Parallelen, Interaktionen und Formen der Akkulturation im Hohen und Spa¨ten Mittelalter, hg. v. Alexander Patschovsky/Thomas Wu¨nsch, Ostfildern 2003, S. 129–213, hier S. 153f. 202 Modzelewski, Chłopi (wie Anm. 34), S. 62f.; Karol Buczek, Skarbowo´sc´ [Schatzwesen], Słownik (wie Anm. 57), Bd. 5, S. 205–210. 203 Mozdzioch, ´ Organizacja (wie Anm. 31); ders., Castrum munitissimum (wie Anm. 93), S. 108f.
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sta¨rker der Bedarf an Geldeinku¨nften zur Realisierung eines repra¨sentativen Konsums von Luxusgu¨tern wuchs. Der Mangel an Mu¨nzgeld schra¨nkte u. a. die Mo¨glichkeiten im Bereich des Steinbaus ein, worauf Tadeusz Lalik in einer eingehenden und umfassenden Studie schon vor Jahren hingewiesen hat.204 Jede Kirchenstiftung, fu¨r die importierte Spezialisten herangezogen wurden, zwang zu einer speziellen Mobilisierung von Geldmitteln oder von leicht zu Geld zu machenden Produkten. Dies hat auch Jo´zef Płocha am Beispiel der Benediktinerabtei in Mogilno gezeigt.205 Stanisław Suchodolski hat zweifelsohne zu Recht die meisten Fa¨lle, in denen Adlige oder Bischo¨fe ihre eigenen Mu¨nzen schlagen ließen, mit einer Unterstu¨tzung ihrer Bauta¨tigkeit von Seiten des Fu¨rsten in Zusammenhang gebracht.206
5. Die Modernisierungsfunktionen des Wirtschaftsmodells der deutschen Kolonisation
Es ko¨nnte scheinen, als sei die deutsche Kolonisation ein bequemes Mittel zur Lo¨sung der Probleme gewesen, die durch die Ausweitung der Lasten des so genannten Fu¨rstenrechtes geschaffen worden waren. Ihre Forcierung diente jedoch in erster Linie den Bedu¨rfnissen der fu¨rstlichen Herrschaftsausu¨bung und nicht irgendeiner allgemein verstandenen wirtschaftlichen Entwicklung. Im Lichte der bisherigen Feststellungen la¨sst sich die Kolonisation als eine Antwort auf die fortschreitende Kommerzialisierung auffassen, die Hoffnungen auf eine wesentliche Vermehrung der Einku¨nfte weckte. Deswegen fand sie in der ersten Phase nach dem Prinzip eines segregatim a Polonis statt, das von Heinrich dem Ba¨rtigen angewendet wurde, um nichts von den Vorteilen einzubu¨ßen, die er bisher aus seinen polnischen Untertanen gezogen hatte.207 Das in den Quellen gut belegte Beispiel des niederschlesischen Ortes
204 Tadeusz Lalik, Uwagi o finansowaniu budownictwa murowanego w Polsce do poczatku ˛ XIII w.
[Anmerkungen zur Finanzierung von Steinbauten in Polen bis zum Anfang des 13. Jahrhunderts], in: Kwartalnik Historii Kultury Materialnej 15 (1967), 1, S. 55–74, hier S. 70: „Wir ko¨nnen ku¨hn und mit Nachdruck betonen, dass die Grenzen bei der Entwicklung des Monumentalbauwesens in Polen in letzter Instanz durch die bescheidenen Metallressourcen und die relativ schwach entwickelte Geldund Warenwirtschaft abgesteckt wurden.“ 205 Jo´zef Płocha, Najdawniejsze dzieje opactwa benedyktyno´w w Mogilnie [A ¨ lteste Geschichte der Benediktinerabtei Mogilno], Wrocław 1969, S. 191f.; dort auch weitere Beispiele. 206 Stanisław Suchodolski, Moneta moznowładcza ˙ i ko´scielna w Polsce wczesno´sredniowiecznej [Herrscherliche und kirchliche Mu¨nzen im fru¨hmittelalterlichen Polen], Wrocław 1987, S. 66, 73f., 78f., 97f., 107f.; eher politisch motiviert waren die Mu¨nzen des Palatins Sieciech (S. 38f.), der Bischo¨fe von Krakau (S. 85f.) und wahrscheinlich auch derjenigen von Leslau (S. 88f.); vgl. Stanisław Trawkowski, Charakter denaro´w palatyna Sieciecha [Der Charakter der Denare des Palatins Sieciech], in: Moneta mediaevalis (wie Anm. 125), S. 283–290, der Autor weist dort auf die Bauta¨tigkeit des Palatins hin. 207 Zientara, Heinrich der Ba¨rtige (wie Anm. 6), S. 142f., 179f. 199f., dieses Prinzip wurde allgemein angewendet, vgl. Piskorski, Kolonizacja wiejska (wie Anm. 7), S. 76f.; in Rotreußen und Podlachien trat es als Ausschließung der Ruthenen auf, vgl. Andrzej Janeczek, Exceptis schismaticis. Upo´sledzenie Rusino´w w przywilejach prawa niemieckiego Władysława Jagiełły [Exceptis schismaticis. Die
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Trebnitz weist darauf hin, dass er gleichzeitig Maßnahmen ergriff, um die Organisation seiner von einheimischer Bevo¨lkerung besiedelten Besitzungen zu rationalisieren.208 Die von den fremden Einwanderern zu erbringenden Leistungen waren gleichwohl erheblich sta¨rker kommerzialisiert.209 Ihre Analyse stu¨tzt sich hauptsa¨chlich auf die recht einseitige Quellenbasis der Lokationsprivilegien und greift auf die begrifflichen Schemata der Natural- und Zinswirtschaft sowie dementsprechend der Natural- und Geldrente zuru¨ck. Das Problem wurde in einen engen Zusammenhang mit den großen und politisch motivierten Diskussionen zur Bedeutung der deutschen Kolonisation, der Funktion der Immunita¨t und der Genese der ‚zweiten Leibeigenschaft‘ gebracht. In der als Standard geltenden marxistischen Auffassung von Zdzisław Kaczmarczyk und Michał Szczaniecki klingt dies so: „In der Kolonisationszeit unterliegt das urspru¨ngliche System der Fron- und Naturalabgaben einer Transformation in ein Zinssystem: die Fronabgaben werden auf ein unbedeutendes Maß reduziert, dafu¨r kommt die Geldabgabe (Geldzins) auf, die neben der Naturalabgabe (Naturalzins) auftritt und weder entscheidenden Einfluss gewinnt, noch wesentliche Vera¨nderungen in den Produktionsbeziehungen zum Ausdruck bringt.“210 Dieser Standpunkt, der von kompetenten und hervorragenden Autoren vertreten wird und Forschungen der Vorkriegszeit (insbesondere von Kazimierz Tymieniecki) in einen neuen terminologischen Apparat zwingt, besitzt im Prinzip bis heute Gu¨ltigkeit und wird in zahlreichen Einzelstudien beibehalten, vor allem bei der Analyse der Ausstattung einzelner Klo¨ster und in Synthesen zur Geschichte der Bauern.211 Letztere leiden notgedrungen an einem statischen und summarischen Ansatz. Dies liegt an der Bruchstu¨ckhaftigkeit der ihnen zu Grunde liegenden Detailstudien, die in erheblichem Maße noch aus der Vorkriegszeit stammen. Ohne den Forschungsstand hier besprechen zu wollen, muss die Rolle der existierenden Begriffskonventionen betont werden, die sich aus allgemeinen Ero¨rterungen zum sozioo¨konomischen Strukturwandel des polnischen Reiches ableiten. Die Infragestellung ihrer Pra¨missen, darunter der Verweis auf die relativ junge Genese eines Teils der Regalien und ein allzu Benachteiligung der Ruthenen in den deutschrechtlichen Privilegien des Władysław Jagiełło], in: Przeglad ˛ Historyczny 75 (1984), S. 527–542. 208 Marta Młynarska-Kaletynowa, Rozwo´j maj˛etno´sci klasztoru cystersek trzebnickich w XIII w. [Die Entwicklung der Klostergu¨ter der Zisterzienserinnen von Trebnitz im 13. Jahrhundert], in: Kwartalnik Historii Kultury Materialnej 37 (1990), 3, S. 223–247; Stanisław Trawkowski, Gospodarka wielkiej ´ asku własno´sci cysterskiej na Dolnym Sl ˛ w XIII w. [Die zisterziensische Großgrundwirtschaft in Niederschlesien im 13. Jahrhundert], Warszawa 1959, S. 132f. 209 Młynarska-Kaletynowa, Rozwo´j (wie Anm. 208), S. 226f.; Historia chłopo´w, Bd. 1 (wie Anm. 29), S. 98f. (Wacław Korta), 171f., 188f. (Roman Heck). 210 Zdzisław Kaczmarczyk/Michał Szczaniecki, Kolonizacja na prawie niemieckim w Polsce a rozwo´j renty feudalnej [Die deutschrechtliche Kolonisation in Polen und die Entwicklung der Feudalrente], ˙ in: Czasopismo Prawno-Historyczne 3 (1951), S. 59–83; Kazimierz Kaczmarczyk, Ci˛ezary ludno´sci wiejskiej i miejskiej na prawie niemieckim w Polsce XIII i XIV w. [Die Abgabenlasten der la¨ndlichen und sta¨dtischen Bevo¨lkerung unter deutschem Recht im Polen des 13. und 14. Jahrhunderts], in: Przeglad ˛ Historyczny 11 (1911), S. 12–30, 144–160, 288–311, hier S. 19f. 211 Als Zusammenfassung dient die Historia chłopo´w (wie Anm. 29), hier wird auf S. 154f. nicht zufa¨llig eine „Periode der Zinswirtschaft (Mitte 13. bis Ende 15. Jahrhundert)“ ausgewiesen; vgl. Wacław Korta, Okres wczesnofeudalny (do połowy XIII w.) [Die fru¨hfeudale Epoche (bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts)], in: Historia chłopo´w polskich, hg. v. Stefan Inglot, Wrocław 1995, S. 72–138, hier S. 38f.
Fu¨rstenherrschaft, Geldwirtschaft und Landesausbau
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schematisches Versta¨ndnis des Entstehungsprozesses der Immunita¨ten, der in ho¨herem Maße Herrschaftsinstrument als Indiz erzwungener Zugesta¨ndnisse war,212 wirft den Diskussionsstand teilweise auf die spa¨ten 1970er Jahre zuru¨ck, als die vorher sehr intensiven sozioo¨konomischen Forschungen zuru¨ckzugehen begannen. Das oben vorgeschlagene Versta¨ndnis von Kommerzialisierung erlaubt es, die Monetarisierung von Abgabenleistungen als komplexen Prozess zu betrachten, ohne die Analyse in begriffliche Dilemmata zu stu¨rzen. Entsprechend dem Charakter der Vera¨nderungen, die in der do¨rflichen Wirtschaft durch die deutsche Kolonisation eingefu¨hrt wurden und die auf eine Erho¨hung der Getreideproduktion ausgerichtet waren, dominierte anfangs nicht der Geldzins, sondern die hauptsa¨chliche Abgabenlast bestand eben in Kornabgaben, am ha¨ufigsten in Gestalt von je 12 Scheffeln „dreierlei“ oder „viererlei“ Getreides (Weizen, Roggen, Hafer, Gerste). Nahezu immer war die Ho¨he des Kirchenzehnten ganz a¨hnlich,213 was die Scha¨rfe der Auseinandersetzungen um die Art seiner Erhebung erkla¨rt.214 Es la¨sst sich hinzufu¨gen, dass dies allgemein angewandte Standardverfahren waren, sowohl in Schlesien, das bei den Vera¨nderungen fu¨hrend war, als bald auch in den anderen polnischen Territorien.215 Differenzierter war der Geldzins. Stanisław Trawkowski hat vor Jahren darauf hingewiesen, dass dieser im unmittelbaren Hinterland gro¨ßerer sta¨dtischer Zentren schon vor der deutschen Kolonisation vorkam.216 Letztere bevorzugte Geldleistungen, deren Ho¨he kontinuierlich stieg,217 zweifelsohne in Zusammenhang mit der quantitativen und qualitativen Entwicklung des Sta¨dtenetzes. Das Problem ist noch ¨ brigen auch nicht in zufriedenstellender Weise erforscht worden, und dies wird im U keine leichte Aufgabe sein, da die sta¨ndigen Vera¨nderungen im Geldwert beru¨cksichtigt werden mu¨ssen218 und die neuere Literatur sich nur in Ausnahmefa¨llen fu¨r die Frage der ba¨uerlichen Abgabenleistungen interessiert.219
212 Gawlas, O kształt (wie Anm. 1), S. 82f.; ders., Polityka wewn˛etrzna (wie Anm. 44), S. 73f. 213 Roman Heck, Okres gospodarki czynszowej od połowy XIII do poczatku ˛ XIV wieku [Die Epoche
der Zinswirtschaft von der Mitte des 13. bis zum Anfang des 14. Jahrhunderts], in: Historia chłopo´w s´ laskich, ˛ hg. v. Stefan Inglot, Warszawa 1979, S. 68–105, hier S. 84f.; Menzel, Die schlesischen Lokationsurkunden (wie Anm. 6), S. 235f., 238f. 214 Zuletzt mit einem knappen U ¨ berblick u¨ber die Auseinandersetzungen mit dem Adel Jan Wroniszewski, Szlachta ziemi sandomierskiej w s´ redniowieczu. Zagadnienia społeczne i gospodarcze [Der Adel ´ der Region Sandomir im Mittelalter], Poznan/Wrocław 2001, S. 130f. Auch im Spa¨tmittelalter war der Kirchenzehnt nahezu genau so hoch wie die Abgabenverpflichtungen gegenu¨ber dem Hof. 215 Historia chłopo´w (wie Anm. 29), S. 190f.; Henryk Dabrowski, ˛ Rozwo´j gospodarki czynszowej (okres od poł. XII do poł. XIV w.) [Die Entwicklung der Zinswirtschaft (Mitte des 12. bis Mitte des 14. Jahr˙ hunderts)], in: Zarys historii (wie Anm. 16), S. 386–408, hier S. 402; Kaczmarczyk, Ci˛ezary (wie Anm. 210), S. 19f., 144f., 288f.; Tyc, Die Anfa¨nge (wie Anm. 3), S. 84–88; Masłowski, Kolonizacja (wie Anm. 44), S. 278f.; Karol Stefanski, ´ Wsie na „prawie niemieckim“ w Wielkopolsce w latach 1333–1370 [Do¨rfer zu „deutschem Recht“ in Großpolen in den Jahren 1333–1370], in: Roczniki Historyczne 37 (1971), S. 6f.; Piskorski, Kolonizacja wiejska (wie Anm. 7), S. 193f. 216 Trawkowski, W sprawie (wie Anm. 13), S. 200f. 217 Historia Sl ´ aska ˛ (wie Anm. 29), Bd. 1, S. 269f., 387f. 218 Paszkiewicz, Mennictwo (wie Anm. 175), S. 35–49; ders., Pieniadz ˛ go´rno´slaski ˛ (wie Anm. 148). 219 Anna Pobo ´ g-Lenartowicz, Uposa˙zenie i działalno´sc´ gopodarcza kanoniko´w regularnych NMP na Piasku we Wrocławiu do poczatku ˛ XVI w. [Ausstattung und Wirtschaftsta¨tigkeit der Regularkanoniker Unserer Lieben Frau auf dem Sande in Breslau bis zum Anfang des 16. Jahrhunderts], Opole
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¨ berlegungen die WirklichZwar vereinfachen die hier skizzierten modellhaften U keit, aber zugleich erlauben sie es, wichtige Aspekte dieser scheinbar gut erforschten Pha¨nomene zu Tage zu fo¨rdern. Die deutsche Kolonisation brachte zumindest in der ersten Phase keinen Bruch mit dem ausgebauten System des fu¨rstlichen Fiskalismus. Zwar bot man den Siedlern, um sie anzuwerben, immer bessere Bedingungen an, aber man erwartete im Gegenzug auch ho¨here Abgabenleistungen. Wa¨hrend des gesamten 13. Jahrhunderts funktionierte die Mu¨nzverrufung. Vera¨nderungen brachten erst die letzten Jahre dieses Jahrhunderts, als Reformen die polnischen Territorien erreichten, die „dickere“ Silbermu¨nzen mit einem festen Wert in Umlauf brachten.220 Fu¨hrend war Niederschlesien, wo Quartenses aufkamen; die Initiative zu ihrer Emission wird den Sta¨dten zugeschrieben.221 In Großpolen ließ Przemysł II. wahrscheinlich einen neuen Typ von Denaren schlagen,222 und die Fu¨rsten von Glogau fu¨hrten mo¨glicherweise nach 1306 Quartenses ein.223 In Kleinpolen knu¨pfte Wenzel II. unmittelbar an seine Groschenreform an und ließ fu¨r dieses System entsprechende Parvi schlagen.224 Die Reformen liefen zu unterschiedlichen Zeiten ab und bedeuteten nicht u¨berall einen automatischen Verzicht auf die Mu¨nzverrufung225 (der Gewinn daraus wurde
1994, S. 75f.; dies., Stosunki społeczne w dobrach klasztoru kanoniko´w regularnych NMP na Piasku ´ XV w. [Die Sozialbeziehungen auf den Klostergu¨tern der Regularkanoniwe Wrocławiu do konca ker Unserer Lieben Frau auf dem Sande in Breslau bis zum Ende des 15. Jahrhunderts], in: Klasztor ˙ ´ w społeczenstwie s´ redniowiecznym i nowozytnym, hg. v. dems./Marek Derwich, Opole/Wrocław ˙ 1996, S. 432–444; Ro´scisław Zerelik, Ze studio´w nad uposa˙zeniem klasztoru cysterso´w w Henrykowie w s´ redniowieczu. Rejestr czynszo´w opato´w henrykowskich z pierwszej połowy XIV wieku [Studien zur Ausstattung des Zisterzienserklosters Heinrichau im Mittelalter], in: Viae historicae (wie Anm. 116), S. 70–77; Historia kultury materialnej Polski, Bd. 2: Od XIII do XV wieku [Geschichte der materiellen Kultur in Polen, Bd. 2: 13.–15. Jahrhundert], hg. v. Anna Rutkowska-Płachcinska, ´ Wrocław 1978, S. 39f., S. 380f. hier die wichtigste Literatur zur spa¨tmittelalterlichen Agrarwirtschaft. 220 Ryszard Kiersnowski, Wielka reforma monetarna XIII–XIV w. [Die große Mu¨nzreform im 13.–14. Jahrhundert], Teil 1, Warszawa 1969; ders., Pradzieje grosza (wie Anm. 163), S. 47f.; Spufford, Money (wie Anm. 131), S. 225f. 221 Zuletzt Paszkiewicz, Mennictwo (wie Anm. 175), S. 48f.; ders., Pieniadz ˛ go´rno´slaski ˛ (wie Anm. 148), S. 42f.; Kiersnowski, Pradzieje grosza (wie Anm. 163), S. 150f.; ders., W sprawie genezy kwartniko´w s´ laskich ˛ [Zur Genese der schlesischen Quartenses], in: Wiadomo´sci Numizmatyczne 111 (1966), 4 (38), S. 197–220; ders., Waga i pro´ba kwartniko´w s´ laskich ˛ [Gewicht und Feingehalt der schlesischen Viertelstu¨cke], in: Wiadomo´sci Numizmatyczne 13 (1969), 4 (50), S. 211–227; ders., Wst˛ep (wie Anm. 168), S. 124f., 188f., u¨ber das Mu¨nzrecht der Sta¨dte, dazu auch Paszkiewicz, Mennictwo (wie Anm. 175), S. 64f. 222 Borys Paszkiewicz, Zagadka denara kro´la Polski z konca ´ XIII wieku [Das Ra¨tsel der Denare des polnischen Ko¨nigs vom Ende des 13. Jahrhunderts], in: Wiadomo´sci Numizmatyczne 46 (2002), 1 (173), S. 1–13. 223 Borys Paszkiewicz, Mennictwo polskie Wacława II i Władysława Łokietka. Stan i perspektywy badan´ [Das polnische Mu¨nzwesen unter Wenzel II. und Władysław Łokietek. Forschungsstand und -perspektiven], in: Prace i Materiały Muzeum Archeologicznego w Łodzi, Seria Numizmatyczna i Konserwatorska 5 (1985), Ło´dz´ 1986, S. 29–43, hier S. 29f.; ders., Reforma monetarna kro´la Wacława II w Polsce [Die Mu¨nzreform Ko¨nig Wenzels II. in Polen], in: Wiadomo´sci Numizmatyczne 45 (2001), 1 (171), S. 27. 224 Ebd., S. 23–39. 225 Vgl. die Verha¨ltnisse in Brandenburg: Tadeusz Szczurek, Czy w Brandenburgii mogła mie´c miejsce reforma monetarna? [Konnte in Brandenburg eine Mu¨nzreform stattfinden?], in: Moneta mediaevalis (wie Anm. 125), S. 327–335. Der Autor weist darauf hin, dass man dort seit der Mitte des 13. Jahrhun-
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durch eine spezielle Gebu¨hr, das Mu¨nzgeld226 ersetzt), und Mu¨nzen von geringem Wert wie die Brakteaten wurden weiterhin geschlagen, letztere ha¨ufig (wie in Großpolen) noch jahrzehntelang.227 Als Geld- und Berechnungseinheit spielte seit Beginn des 14. Jahrhunderts der Prager Groschen eine immer gro¨ßere Rolle.228 Fiskalische Motive und die Aufsicht u¨ber den Geldumlauf erkla¨ren die Genese und Popularita¨t des Prinzips einer ganzheitlichen Kolonisation, der so genannten Stadt-Landkolonisation.229 Dabei plante man die Organisierung ganzer Gu¨terkomplexe, fu¨r die von vornherein Handels- (villae forenses), Gerichts- und Verwaltungszentren festgelegt wurden. Dies bedeutete nicht nur eine dem Herrschaftsaufbau und einer rationalen Planung der Kolonisation dienende Kumulation von Kompetenzen, aus der mit der Zeit eine Weichbildverfassung erwuchs,230 sondern vor allem das Organisieren lokaler Absatzma¨rkte, die von Beginn an einer strikten Kontrolle unterworfen wurden. Daru¨ber hat Benedykt Zientara vor Jahren eingehend geschrieben.231 Als einer ihrer Begru¨nder gilt der Magdeburger Erzbischof Wichmann, und als einschla¨gige Quelle dient eine Urkunde aus dem Jahr 1174, die die Organisationsprinzipien der provincia Iutterbogk betrifft. Das als deren Zentrum vorgesehene brandenburgische Ju¨terbog wurde mit dem Magdeburger Recht ausgestattet (cum civitas ... exordium et caput sit) und weitere, fu¨r die ansa¨ssige do¨rfliche Bevo¨lkerung bestimmte Marktsiedlungen (ville fori) sollten ihm unterstellt werden.232 Wichmann war eine herausragende Gestalt, sowohl als Organisator der Kolonisation, als auch als ein eng
derts darauf verzichtete, Brakteaten zu schlagen; dies besta¨tigt Hans-Dieter Dannenberg, Die brandenburgischen Denare des 13. und 14. Jahrhunderts. Typenkatalog, Pra¨gezeiten, historische Zusammenha¨nge, Berlin 1997, S. 15. Das Prinzip des ja¨hrlichen Umtausches hielt sich bis 1369 (in einigen ´ Gebieten bis 1400) – ebd., S. 63; vgl. dazu Tadeusz Szczurek, Denary anhalckie, saksonsko-wittenberskie i magdeburskie z XIII i XIV w. Uwagi na marginesie najnowszej ksia˙ ˛zki H.-D. Dannenberga [Anhaltinische, sa¨chsisch-wittenbergische und Magdeburger Denare des 13. und 14. Jahrhunderts. Randbemerkungen zum neuesten Buch von H.-D. Dannenberg], in: Wiadomo´sci Numizmaty˙ czne 45 (2001), 2 (172), S. 207–216; zuletzt Tadeusz Szczurek, Obro´t pieni˛ezny w Nowej Marchii w okresie askanskim (ok. 1250–1319) w s´ wietle mennictwa krajo´w niemieckich [Der Geldumlauf in der Neumark in der askanischen Zeit (um 1250–1319) im Licht des Mu¨nzwesens der deutschen La¨nder], Warszawa 2007. 226 Ryszard Kiersnowski, Kwartniki s´ laskie ˛ i czeskie grosze [Schlesische Quartenses und bo¨hmische Groschen], in: Wiadomo´sci Numizmatyczne 6 (1962), 3–4 (21–22), S. 225–244. 227 Paszkiewicz, Reforma (wie Anm. 223), S. 31f.; ders., Pieniadz ˛ go´rno´slaski ˛ (wie Anm. 148), S. 42, 46f.; Kopicki, Polskie brakteaty (wie Anm. 150), S. 23, 84–87. 228 Paszkiewicz, Reforma (wie Anm. 223), S. 23–44; Ryszard Kiersnowski, Data i kształt reform monetarnych Kazimierza Wielkiego [Datum und Art der Mu¨nzreformen Kasimirs des Großen], in: Wiadomo´sci Numizmatyczne 12 (1968), 3–4 (45–46), S. 153–189. 229 Vgl. hierzu auch Gawlas, Die Lokationswende (wie Anm. 27) 230 Gawlas, O kształt (wie Anm. 1), S. 53f. (dort weitere Literatur). 231 Benedykt Zientara, Zur Geschichte der planma¨ßigen Organisierung des Marktes im Mittelalter. Wirtschaftliche Grundlagen der Weichbilder im Erzbistum Magdeburg und in Schlesien im 12.–13. Jahrhundert, in: Wirtschaftliche und soziale Strukturen im sa¨kularen Wandel, Bd. 2, hg. v. Ingmar Bog, Hannover 1974, S. 345–365. 232 Urkunden und erza¨hlende Quellen zur deutschen Ostsiedlung im Mittelalter, hg. v. Herbert Helbig/Lorenz Weinrich, Bd. 1: Mittel- und Norddeutschland, Ostseeku¨ste, Darmstadt 1968, Nr. 13, S. 78–81, Zitat S. 78.
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mit Kaiser Friedrich I. Barbarossa verbundener Politiker.233 Der Erzbischof, der sta¨ndig dringend Geld beno¨tigte, ließ eigene Brakteaten schlagen, die zweimal im Jahr umgetauscht wurden.234 Seine Rolle muss man vor dem Hintergrund der bereits o¨stlich der Elbe gesammelten Erfahrungen betrachten. Die allgemeine Anwendung der Prinzipien einer ganzheitlichen, marktdo¨rflichen Kolonisation weist darauf hin, dass diese eine wesentlich weitere Genese hatte, die aus der oben erwa¨hnten Regionalisierung des Mu¨nzwesens abzuleiten ist. Die Errichtung von Herrschaften und die unternommenen organisatorischen Anstrengungen dienten den sehr konkreten Interessen der Herrschenden. Ihre fiskalischen Bedu¨rfnisse waren in Polen noch ausgepra¨gter. Das Modell der Stadt-Landkolonisation schuf die Voraussetzungen fu¨r eine Maximierung der Einku¨nfte, indem man den ba¨uerlichen Wirtschaften die Mo¨glichkeit einra¨umte, ihre Produkte auf dem lokalen Markt abzusetzen. Dies wurde von einer Produktivita¨tssteigerung der Landwirtschaft begleitet, die durch die Dreifelderwirtschaft erzwungen wurde und sich auf die Getreidewirtschaft konzentrierte. Dem entsprach die Art der teils in „dreierlei“ (oder „viererlei“) Getreide, teils in Mu¨nzen zu erbringenden Leistungen. In Polen wandte Heinrich der Ba¨rtige dieses Modell bei der Realisierung seines großen Kolonisationsplans fu¨r die nicht bewirtschafteten Regionen seines Teilfu¨rstentums konsequent an.235 Die Bischo¨fe von Breslau versuchten ihn zu imitieren, ebenso einige Adlige – letztere jedoch anfangs wegen des Widerstandes des Herrschers ohne gro¨ßere Erfolge236 – und vor allem die anderen Piastenfu¨rsten. Die Prinzipien des Landesausbaus und der Marktorganisation wurden im Kontext des bereits funktionierenden Systems der renovatio monetae eingefu¨hrt, dessen Gewinne der Herrscher monopolisierte. Lediglich in einem Ausnahmefall, der großen Schenkung einer Wu¨stung in der Gegend von Nakel an das Kloster Leubus im Jahr 1233 durch Władysław Odonic, bei der die Gru¨ndung einer civitas und wahrscheinlich einiger Marktsiedlungen auf 2000 Hufen geplant wurde, tauchte das Recht zum Schlagen von monetam ... specialem auf.237 In der Besta¨tigung einer a¨hnlichen Schenkung von 3000 Hufen bei Wielen´ aus dem Jahr 1239 war neben Do¨rfern schon von tres ... forenses civitates cum moneta specialis die Rede, mitsamt den Einku¨nften aus diesen Mu¨nzen und den Zinsabgaben gema¨ß den von Heinrich dem Ba¨rtigen in der Gegend 233 Erzbischof Wichmann (1152–1192) und Magdeburg im Hohen Mittelalter. Stadt – Erzbistum – Reich,
Ausstellungskatalog, hg. v. Matthias Puhle, Magdeburg 1992; Dietrich Claude, Geschichte des Erzbistums Magdeburg bis in das 12. Jahrhundert, Bd. 2, Ko¨ln 1975, S. 71f. 234 Matthias Puhle, Zur Mu¨nzpolitik Erzbischof Wichmanns, in: Erzbischof Wichmann (wie Anm. 233), S. 74–79. Bekannt sind bisher 72 Mu¨nztypen. Im Erzbistum Magdeburg ließ als erster Konrad I. (1134–1142) Brakteaten schlagen – Suhle, Deutsche Mu¨nz- und Geldgeschichte (wie Anm. 153), S. 79f., 91f.; Witold Garbaczewski, Monety arcybiskupo´w magdeburskich a ikonografia brakteato´w piastowskich [Die Mu¨nzen der Magdeburger Erzbischo¨fe und die Ikonografie der piastischen Brakteaten], in: Wiadomo´sci Numizmatyczne 46 (2002), 2 (174), S. 113–142. 235 Zientara, Heinrich der Ba¨rtige (wie Anm. 6); ders., Zur Geschichte (wie Anm. 231), S. 353f.; Josef Joachim Menzel, Stadt und Land in der schlesischen Weichbildverfassung, in: Die mittelalterliche Sta¨dtebildung im su¨do¨stlichen Europa, hg. v. Heinz Stoob, Ko¨ln 1974, S. 19–38; Gawlas, O kształt (wie Anm. 1), S. 53f. 236 Vgl. oben Anm. 45 und 46. 237 Schlesisches Urkundenbuch, Bd. 2, hg. v. Winfried Irgang, Wien u. a. 1978, Nr. 37, S. 25.
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von Goldberg angewandten Prinzipien.238 Es existieren noch einige weitere Beispiele a¨hnlicher Schenkungen im Zusammenhang mit einer geplanten oder durchgefu¨hrten Kolonisation, u. a. fu¨r die Zisterzienser in Łekno 1255), fu¨r das Bistum Posen auf den Besitzungen in der Gegend von Krobia (1232), fu¨r das wahrscheinlich zur Lokation ˙ vorgesehene Dorf Buk (1257) oder fu¨r die Erzbischo¨fe von Gnesen in Znin (1284) – die Beispiele ließen sich durch eine Zuschreibung weiteren numismatischen Quellenmaterials zu konkreten Klo¨stern wahrscheinlich noch vermehren.239 Unabha¨ngig von einer eventuellen Unterstu¨tzung konkreter Bauvorhaben durch die Fu¨rsten la¨sst sich ein deutlicher Zusammenhang solcher Schenkungen mit dem Modell einer ganzheitlichen Kolonisation erkennen. Dessen auf dem Gebiet der Germania Slavica entstandene Prinzipien erwuchsen aus einer a¨hnlichen fiskalischen Denkweise wie die fru¨heren polnischen Ma¨rkte und waren im 13. Jahrhundert schon nicht mehr besonders modern – wenn auch weiterhin aktuell. In der Forschung wird sehr einseitig nur der Aspekt der Freiheiten der Neusiedler betont, und man wundert sich oft u¨ber deren weitere Evolution hin zur ‚zweiten Leibeigenschaft‘. Leider haben sehr viele Aspekte des von Heinrich dem Ba¨rtigen und seinen Nachfolgern realisierten Programms fu¨r einen inneren Umbau der Herrschaftsgrundlagen und eine Nutzung der deutschen Kolonisation keine ausreichenden Spuren in den Quellen hinterlassen. Das Problem erfordert also weitere Forschungen aus vergleichender Perspektive. Wesentliche Hinweise liefert die etwas spa¨tere Herrschaft des Deutschen Ordens in Preußen. Sie profitierte sehr von den Erfahrungen in Schlesien und dem gesamten Kolonisationsgebiet, und viele seiner Neusiedler kamen eben dorther.240 Marian Dygo hat bei der Analyse der Entstehung der Ordensherrschaft gezeigt, dass deren in der Kulmer Handfeste niedergeschriebene Grundlagen eine Mischung von Siedlungs- und Dienstrechten waren.241 Diese Schlussfolgerung la¨sst sich auf das Schlesien Heinrichs des Ba¨rtigen u¨bertragen, auch wenn die kirchlichen Herrschaften ihre eigene Spezifik hatten, weil sie in der Lage 238 Schlesisches Urkundenbuch (wie Anm. 237), Nr. 161, S. 104; Nr. 160, S. 103; Gawlas, Polityka wew-
n˛etrzna (wie Anm. 44), S. 69f., dort weitere Literatur und Diskussion zur Authentizita¨t der Privilegien des Władysław Odonic; Zientara, Heinrich der Ba¨rtige (wie Anm. 6), S. 194. 239 Suchodolski, Moneta (wie Anm. 206), S. 90f., 94f., 96f.; Gawlas, Polityka wewn˛etrzna (wie ´ Anm. 44), S. 78f.; Mieczysław Brust, Geneza i poczatki ˛ miast w dobrach biskupo´w poznanskich w Wielkopolsce (XIII–XIV wiek) [Die Genese und Anfa¨nge der Sta¨dte auf den Gu¨tern der Posener Bischo¨fe in Großpolen (13.–14. Jahrhundert)], in: Nasza Przeszło´sc´ 101 (2004), S. 79–146, hier S. 80f., 97f. 240 Tomasz Jasinski, ˙ ´ Stosunki s´ lasko-pruskie ˛ i s´ lasko-krzy ˛ zackie w pierwszej połowie XIII wieku [Die schlesisch-preußischen und schlesisch-ordensstaatlichen Beziehungen in der ersten Ha¨lfte des 13. Jahrhunderts], in: Ars historica. Prace z dziejo´w powszechnych i Polski, hg. v. Marian Biskup u. a., Poznan´ 1976, S. 393–403; ders., Die Rolle des Deutschen Ordens bei der Sta¨dtegru¨ndung in Preußen im 13. Jahrhundert, in: Stadt und Orden. Das Verha¨ltnis des Deutschen Ordens zu den Sta¨dten in Livland, Preußen und im Deutschen Reich, hg. v. Udo Arnold, Marburg 1993, S. 94–111; Benedykt Zientara, Preußische Fragen in der Politik Heinrichs des Ba¨rtigen von Schlesien, in: Der Deutschordensstaat Preußen in der polnischen Geschichtsschreibung der Gegenwart, hg. v. Udo Arnold/Marian Biskup, Marburg 1982, S. 86–102. 241 Marian Dygo, Studia nad poczatkami ˛ władztwa Zakonu Niemieckiego w Prusach (1226–1259) [Studien zu den Anfa¨ngen der Deutschordensherrschaft in Preußen (1226–1259)], Warszawa 1992, S. 87f., 159f.
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waren, u¨ber lange Zeit eine konsequente Politik im Interesse der Oberherrschaft zu betreiben.242 Der Wunsch zur Anwerbung von Siedlern bewirkte dagegen, dass der Orden einige Probleme fu¨r diese deutlich gu¨nstiger regelte. In der Kulmer Handfeste wurde die renovatio monetae auf einen Umtausch im Verha¨ltnis von 12 zu 14 Denaren alle zehn Jahre beschra¨nkt, also bis zur materiellen Abnutzung der Mu¨nzen. Dies bedeutete den faktischen Verzicht auf eine fiskalische Ausbeutung des Mu¨nzwesens.243 Eine ausgebaute fiskalische Kontrolle musste die modernisierende Wirkung der Kolonisation einschra¨nken. Die Situation in Schlesien unterlag jedoch seit der Mitte des 13. Jahrhunderts einem relativ schnellen Wandel. Der wichtigste Faktor war dabei die weitere Entwicklung der Geld- und Warenwirtschaft. Sie besaß in diesem Teilfu¨rstentum besonders starke Grundlagen. Bereits in einer fru¨hen Phase entstand hier eine Tuchproduktion in großem Maßstab,244 und gerade Tuche stellten im Mittelalter die grundlegende, fu¨r einen massenhaften Konsum bestimmte Ware dar. Ohne auf Einzelheiten einzugehen, la¨sst sich annehmen, dass die wallonische Kolonisationsta¨tigkeit hier von enormer Bedeutung war.245 Die Tuchproduktion wurde von den Fu¨rsten auch in der folgenden Entwicklungsphase forciert. Sie war u. a. der wichtigste Handwerkszweig in den auf eine Bedienung des lokalen Marktes ausgerichteten „Neusta¨dten“ in Breslau (1263), Schweidnitz, Glogau246 sowie in einigen Dut242 Gawlas, O kształt (wie Anm. 1), S. 48. 243 Krystyna Zielinska-Melkowska, ´ ´ Przywilej chełminski 1233 i 1251 [Die Kulmer Handfeste von 1233
und 1251], hg. v. Zbigniew Zdro´jkowski, Torun´ 1986, § 22, S. 46: „Statuimus denique, ut una moneta sit per totam terram, ut de puro et mundo argento fabricentur, ipsi quoque denarii in tanto valore perpetualiter perseverent, ut eorum LX solidi ponderent unam marcam, et dicta moneta non nisi semel in singulis decennis renovetur, et quociens renovata fuerit, XII novi nummi pro XIIII veteribus cambiantur. Et unusquisque libere emat quamque rem, que in foro venalis portari consuevit.“ 244 Jerzy Maik, Poczatki ˛ sukiennictwa s´ laskiego ˛ [Die Anfa¨nge der schlesischen Tuchmacherei], in: Civi´ tas et villa (wie Anm. 45), S. 457–462 (dort weitere Literatur); ders., Sredniowieczne krosno tkackie ´ w Europie Srodkowej [Der mittelalterliche Webstuhl in Mitteleuropa], in: Archaeologia et historia. ´ Ksi˛ega jubileuszowa dedykowana Pani Profesor Romanie Barnycz-Gupiencowej, hg. v. Leszek Kajzer u. a., Ło´dz´ 2000, S. 253–264. 245 Zientara, Walonowie na Slasku ´ srednio˛ (wie Anm. 20); Mateusz Golinski, ´ Socjotopografia po´zno´ wiecznego Wrocławia (przestrzen´ – podatnicy – rzemiosło) [Soziotopographie des spa¨tmittelalterlichen Breslau (Raum – Abgabenzahler – Handwerk)], Wrocław 1997, S. 187f., 476f. 246 Ebd., S. 220f.; Mateusz Golinski, ´ ´ sredniowiecznej Swidnicy ´ Woko´ł socjotopografii po´zno´ [Zur Soziotopographie des spa¨tmittelalterlichen Schweidnitz], Bd. 1, Wrocław 2000, S. 84f., 111f.; ders., Cechy a wspo´lnoty sasiedzkie ˛ w s´ redniowiecznych miastach s´ laskich ˛ (na przykładzie rzemiosł wło´kienniczych) [Zu¨nfte und nachbarliche Gemeinschaften in den mittelalterlichen schlesischen Sta¨dten (am ´ Beispiel der Tuchmacherhandwerke)], in: Studia nad dziejami miast i mieszczanstwa w s´ redniowieczu, Bd. 1, hg. v. Maria Bogucka u. a., Torun´ 1996, S. 93–108; Tadeusz Kozaczewski, Głogo´w – miasto s´ redniowieczne [Glogau – die mittelalterliche Stadt], in: Kwartalnik Architektury i Urbanistyki 18 (1973), 1, S. 3–34, S. 29; die Diskussion u¨ber den Charakter der Neustadt von Breslau zuletzt wieder aufgegriffen bei Stanisław Rosik, Wrocławskie Nowe Miasto: przegrany konkurent, zbuntowany satelita metropolii czy ... intratna posada dla Gerharda z Głogowa? [Die Breslauer Neustadt: unterlegener Konkurrent, rebellischer Satellit oder ... eintra¨glicher Besitz Gerhards von Glogau?], in: Civitas et villa (wie Anm. 45), S. 123–134; vgl. auch den Beitrag von Stanisław Rosik, Zur Genese und Funktion der so genannten Neusta¨dte in Schlesien im 13. und 14. Jahrhundert, in diesem Band, S. S. 169–179. Quelleninformationen und Vergleichsaspekte gebieten, in den Neusta¨dten vor allem Zentren der Handwerksproduktion – insbesondere der Weberei – und ein zusa¨tzliches Kontrollinstrument fu¨r den lokalen
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zend Zentren in anderen polnischen Territorien und im Ordensstaat.247 Das Aufkommen einer heimischen Tuchindustrie war ein sehr wichtiger Faktor in der Kommerzialisierung Mitteleuropas. Die Produktion fu¨r den Markt schuf einen wesentlich ho¨heren Rohstoffbedarf als die ha¨usliche Weberei. Fu¨r die großen Grundbesitzungen bedeutete die Mo¨glichkeit, Wolle abzusetzen den Zugang zu Geldeinku¨nften und zum Konsum von Luxuswaren. Im 13. Jahrhundert war dies ein kaum zu u¨berscha¨tzender Entwicklungsimpuls fu¨r die Geld- und Warenwirtschaft. Die fru¨he Entwicklung der Weberei in Schlesien spielte eine außerordentlich wichtige Rolle dafu¨r, dass diese Region in der Entwicklung eine fu¨hrende Stellung errang. Schlesien wurde schon im 13. Jahrhundert zu einem bedeutenden Produzenten (in Breslau, Schweidnitz, Striegau) relativ preiswerter und qualitativ einfacher Tuche, die in großen Mengen und wa¨hrend des gesamten Spa¨tmittelalters unter der Bezeichnung pannus polonicalis exportiert wurden.248 Die Entwicklung einer Produktion fu¨r den Markt erfasste u¨ber die Weberei viele verschiedene Bereiche249 und fand seit Mitte des 13. Jahrhunderts im Rahmen eines Netzes von Lokationen nach dem entwickelten Modell der kommunalen Stadt statt.250 Es la¨sst sich eine fortschreitende SpezialiMarkt zu sehen. Wichtige Beobachtungen zu diesem Problem zuletzt bei Marek Słon, ´ Sukiennictwo ´ w Europie Srodkowej i Wrocławskie Nowe Miasto [Die Tuchmacherei in Ostmitteleuropa und die Breslauer Neustadt], in: Sobo´tka 61 (2006), 2, S. 211–223. 247 Am umfassendsten analysiert das Problem Zenon Hubert Nowak, Neustadtgru¨ndungen des Deutschen Ordens in Preußen. Entstehung, Verha¨ltnisse zu den Altsta¨dten, Ende der Eigensta¨ndigkeit, in: Stadt und Orden (wie Anm. 240), S. 129–154. Im Ordensstaat ist das Motiv, die Expansionsmo¨glichkeiten der Altsta¨dte zu begrenzen, deutlich sichtbar, ich stimme hier nicht mit den Ausfu¨hrungen u¨ber˙ ´ ein von Antoni Czacharowski, Poczatki ˛ „Nowych Miast“ w panstwie krzyzackim [Die Anfa¨nge ´ praca w dawnych miastach. Studia ofiaroder „Neusta¨dte“ im Ordensstaat], in: Czas, przestrzen, wane Henrykowi Samsonowiczowi w sze´sc´ dziesiat˛ a˛ rocznic˛e urodzin, hg. v. Andrzej Wyrobisz u. a., Warszawa 1991, S. 47–55; zu Krakau Sławomir Gawlas, Nova Civitas in Okol. Fragment z dziejo´w ´ Krakowa [Nova Civitas in Okol. Ein Beitrag zur Geschichte von Krakau], in: Społeczenstwo Polski ´ Srednowiecznej 6 (1994), S. 101–110; meine dort enthaltene Kritik zu Waldemar Niewalda/Bogusław Krasnowolski, Układy urbanistyczne krakowskiego Okołu – pro´ba rekonstrukcji [Die sta¨dtebauliche Anlage des Krakauer Oko´ł – Versuch einer Rekonstruktion], in: Teka Komisji Urbanistyki i Architektury 15 (1981), S. 69–82, muss dahingehend korrigiert werden, dass das System zweier einander ¨ bereinstimmung mit den kreuzender Straßen als typisch fu¨r die Neusta¨dte anzuerkennen ist – in U Feststellungen von Mateusz Golinski ´ in den in Anm. 246 zitierten Arbeiten; zuletzt Bogusław Krasnowolski, Lokacyjne układy urbanistyczne na obszarze ziemi krakowskiej w XIII i XIV wieku, T. 1: Miasta ziemi krakowskiej – chronologia proceso´w osadniczych i typologia układo´w urbanistycznych [Sta¨dtebauliche Anlagen der Lokationszeit in der Region Krakau im 13. und 14. Jahrhundert, Bd. 1: Die Sta¨dte der Region Krakau – Chronologie der Siedlungsprozesse und Typologie der sta¨dtebaulichen Anlagen], Krako´w 2004, S. 37f., 111f. 122f. Das Problem bedarf weiterer Diskussionen; vgl. Mar´ cin Dmowski, Nowe Miasto w Warszawie w po´znym s´ redniowieczu [Die Neustadt in Warschau im Spa¨tmittelalter], Warszawa 2002 [Magisterarbeit]. 248 Danuta Poppe, Pannus polonicalis. Z dziejo´w sukiennictwa polskiego w s´ redniowieczu [Pannus polonicalis. Zur Geschichte der polnischen Tuchmacherei im Mittelalter], in: Kwartalnik Historii Kultury Materialnej 36 (1988), 4, S. 617–633; dies., in: Historia Kultury, Bd. 2 (wie Anm. 219), S. 109–130. 249 Am besten untersucht sind Breslau und Schweidnitz: Mateusz Golinski, ´ Podstawy gospodarcze ´ mieszczanstwa wroclawskiego w XIII wieku [Die o¨konomische Basis des Breslauer Bu¨rgertums im 13. Jahrhundert], Wrocław 1991; ders., Socjotopografia (wie Anm. 245); ders., Woko´ł socjotopografii (wie Anm. 246). 250 Młynarska-Kaletynowa, Rozwo´j (wie Anm. 162), S. 357f.; dies., Stan badan´ nad miastem s´ rednio´ asku wiecznym na Sl ˛ [Der Stand der Forschungen zur mittelalterlichen Stadt in Schlesien], in: Kultura ´ aska s´ redniowiecznego Sl ˛ i Czech. Miasto, hg. v. Krzysztof Wachowski, Wrocław 1995, S. 9–17.
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sierung einiger bedeutender Zentren beobachten, wie z. B. auf die Bierproduktion in Schweidnitz.251 Der sich abzeichnende kulturelle Umbruch252 hing zweifellos mit der starken Zuwanderung einer fremden, d. h. vor allem deutschen Bevo¨lkerung zusammen – unabha¨ngig vom sehr komplexen Problem des Selbstversta¨ndnisses der Zuwanderer, in einer Epoche, in der nationale Zugeho¨rigkeit im Allgemeinen keine verpflichtenden Loyalita¨tsnormen schuf. Unter den Faktoren, die eine Immigration stimulierten, spielte der Bergbau eine bedeutende Rolle, vor allem die Goldwa¨sche rund um Goldberg.253 Großes Gewicht ist dem massenhaften Zustrom deutscher Ritter seit der Mitte des Jahrhunderts zuzumessen.254 Mit den Zuwanderern kamen nicht nur bessere Fa¨higkeiten, sondern auch ho¨here Konsumstandards, die eine Produktion zu ihrer Befriedigung hervorbrachten. Auf diesem Gebiet mussten die sich ver¨ bernahme mehrenden Fu¨rstenho¨fe fu¨hrend sein. Den Konsum stimulierte auch die U der Vorbilder der Hofkultur, die einen unbegrenzten Bedarf an finanziellen Ressourcen hervorbrachte. Eine vollsta¨ndigere Kla¨rung der verschiedenen Aspekte ho¨fischen Lebens in Schlesien findet leider eine Einschra¨nkung in der Quellenbasis, und so kann dieses Problem in bedeutendem Maße nur indirekt untersucht werden.255
251 Zuletzt Golinski, ´ Woko´ł socjotopografii (wie Anm. 246), S. 30f.; Małgorzata Chorowska/Czesław
´ Lasota/Maciej Małachowicz, Zabudowa s´ redniowieczna kwartału zachodniego rynku w Swidnicy [Die mittelalterliche Bebauung am westlichen Ring in Schweidnitz], in: Kwartalnik Architektury i Urbanistyki 42 (1997), 3, S. 141–164. 252 Cezary Bu´sko, Sl ´ ask ˛ w XII i XIII wieku. Zderzenie kultur [Schlesien im 12.und 13. Jahrhundert. Ein ´ aska Zusammenprall der Kulturen], in: Kultura s´ redniowiecznego Sl ˛ (wie Anm. 38), S. 155–159; ausfu¨hrlicher zu diesem Problem Rebkowski, ˛ Pierwsze lokacje (wie Anm. 15), S. 197f. 253 Hier hat sicher Benedykt Zientara Recht: „Der Ruf des in Schlesien gefo¨rderten Goldes war wesentlich bedeutender als die Fo¨rderung selbst. Er war es womo¨glich, der den Unwillen deutscher Siedler gegen die Reise in solch entlegene Gegenden u¨berwand; aus anderen Zeiten und Gegenden wissen wir, welche Wanderungen das Goldfieber hervorbringen kann.“ – Ders., Heinrich der Ba¨rtige (wie Anm. 6), S. 124; vgl. zuletzt Roman Gorzkowski, Lokacyjne miasto s´ redniowieczne (XIII–XV w.) [Die mittelalterliche Lokationsstadt (13.–15. Jahrhundert)], in: Dzieje Złotoryi, hg. v. Ryszard Gladkiewicz, Złotoryja-Wrocław 1997, S. 32–66, hier S. 32f. Ich bin der Auffassung, dass die Entwicklung des Bergbaus wesentlich bedeutender war, als dies aus den schriftlichen Quellen hervorgeht, vgl. ´ asku Tadeusz Dziekonski, ´ Wydobywanie i metalurgia kruszco´w na Dolnym Sl ˛ od XIII do połowy XX wieku [Erzgewinnung und Metallurgie in Niederschlesien vom 13. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts], Wrocław 1972; zuletzt Stanisław Firszt, Go´rnictwo złota jako przyczyna powstania niek´ asku to´rych o´srodko´w miejskich na XIII-wiecznym Sl ˛ [Der Goldbergbau als Ursache fu¨r die Entstehung einiger sta¨dtischer Zentren im Schlesien des 13. Jahrhunderts], in: Centrum i zaplecze we wczes´ ´ no´sredniowiecznej Europie Srodkowej, hg. v. Sławomir Mozdzioch, Wrocław 1999, S. 273–284. 254 Jurek, Obce rycerstwo (wie Anm. 39). 255 Ebd., S. 123f.; Andrzej Grzybkowski, Sredniowieczne ´ kaplice zamkowe Piasto´w s´ laskich ˛ (XII–XIV wiek) [Die mittelalterlichen Schlosskapellen der schlesischen Piasten (12.–14. Jahrhundert)], Warszawa ˙ we Wrocławiu, in: ders., Mi˛edzy forma˛ a znac1990; ders., Fundacja i funkcja koscioła s´ w. Krzyza ´ zeniem. Studia z ikonografii architektury i rzezby gotyckiej [Stiftung und Funktion der Heiligkreuzkirche in Breslau, in: Ders., Zwischen Form und Bedeutung. Studien zur Ikonografie der gotischen Architektur und Bildhauerei], Warszawa 1997, S. 39–70; Alicja Karlowska-Kamzowa, Sztuka Piasto´w s´ laskich ˛ w s´ redniowieczu. Znaczenie fundacji ksia˙ ˛z˛ecych w dziejach sztuki gotyckiej na ´ asku Sl ˛ [Die Kunst der schlesischen Piasten im Mittelalter. Die Bedeutung fu¨rstlicher Stiftungen in der Geschichte der gotischen Kunst in Schlesien], Warszawa 1991; Chorowska, Rezydencje (wie Anm. 38).
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Heinrich III. von Breslau war ein energischer Herrscher und hatte wie die anderen Fu¨rsten seiner Generation nicht die Absicht, auf eine Kontrolle der Sta¨dte zu verzichten, gleichwohl begann er mit dem Verkauf von Handelseinrichtungen.256 Die Kommerzialisierung des gesellschaftlichen Lebens betraf selbstversta¨ndlich auch das Rittertum, das nichtsdestoweniger an wachsenden Geldeinku¨nften interessiert war.257 Das Funktionieren des Geldmarktes la¨sst sich mit der ju¨dischen Bevo¨lkerung in Zusammenhang bringen, die in Schlesien existierte.258 Außerdem sollten die o¨konomischen Fa¨higkeiten der neuen Klo¨ster, vor allem der Zisterzienser nicht in Frage gestellt werden.259 Die fiskalischen Bedu¨rfnisse der Fu¨rsten wuchsen in den folgenden Generationen kontinuierlich an, aber die Aufteilung in immer kleinere Teilfu¨rstentu¨mer kam einer auf Gewalt und Zwang gestu¨tzten politischen Einflussnahme nicht entgegen, insbesondere, da seit dem Ende des Jahrhunderts von Mauern umgebene kommunale Sta¨dte der Gegner waren.260 Fu¨rstenrechte waren schnell verkauft, und auch die Kontrolle u¨ber die fu¨rstlichen Regalien brach allgemein zusammen.261 Am Beispiel Breslaus la¨sst sich eine Expansion sta¨dtischen Kapitals beobachten, das die privilegierten Einkunftsquellen und La¨ndereien aufkaufte,262 was mit der Zeit zu
256 Andrezkj Jureczko, Henryk III Biały ksia˙ ˛z˛e wrocławski (1247–1266) [Heinrich III. d. Weiße, Fu¨rst
von Breslau (1247–1266)], Krako´w 1986, S. 128f., 102f.; Golinski, ´ Podstawy (wie Anm. 249), S. 41f., 140f. 257 Darauf hat zu Recht hingewiesen Marek Cetwinski, ´ XIII w. Pochod´ Rycerstwo s´ laskie ˛ do konca zenie – gospodarka – polityka [Die schlesische Ritterschaft bis zum Ende des 13. Jahrhunderts. Herkunft – Wirtschaft – Politik], Wrocław 1980, S. 66f., 102f., 113f., 123f. Im Rahmen seiner umstrittenen Konstruktionen hat der Autor viele interessante Beobachtungen angestellt. ˙ ´ w na Sl 258 Kazimierz Bobowski, Ze studio´w nad prze´sladowaniami i pogromami Zydo ´ asku ˛ w dobie s´ redniowiecznej [Studien zu den Judenverfolgungen und -pogromen in Schlesien im Mittelalter], in: ˙ ´ w na s´ redniowiecznym Sl ´ asku Sobo´tka 44 (1989), 1, S. 5–11; Jan Drabina, Ko´scio´ł wobec Zydo ˛ [Kirche und Juden im mittelalterlichen Schlesien], in: Sobo´tka 44 (1989), 1, S. 13–33; Mateusz Golinski/Leszek ´ ´ ˙ Ziatkowski, ˛ Sredniowieczne cmentarze zydowskie we Wrocławiu [Die mittelalterlichen ju¨dischen ˙ Friedho¨fe in Breslau], in: Sobo´tka 44 (1989), 1, S. 35–43; Mateusz Golinski, ´ Ze studio´w nad Zydami s´ widnickimi w s´ redniowieczu [Studien zu den Juden von Schweidnitz im Mittelalter], in: Z historii lud´ asku, ˙ no´sci zydowskiej w Polsce i na Sl ˛ hg. v. Krystyn Matwijowski, Wrocław 1994, S. 11–31; ders., Jews in Medieval Legnica – Their Location in the Municipal Area, in: Jews in Silesia, hg. v. Marcin Wodzinski/Janusz ´ Spyra, Cracow 2001, S. 17–32. 259 Reinhard Schneider, Vom Klosterhaushalt zum Stadt- und Staatshaushalt: Der zisterziensische Beitrag, Stuttgart 1994; S. 96f., bes. S. 139f.; Trawkowski, Gospodarka (wie Anm. 208). 260 Zur Chronologie der Errichtung der Stadtmauern gibt eine gewisse Orientierung Mirosław ´ asku. Przyłecki, ˛ Miejskie fortyfikacje s´ redniowieczne na Dolnym Sl ˛ Odnowa, konserwacja i ekspozycja [Mittelalterliche sta¨dtische Befestigungsanlagen in Niederschlesien], Warszawa 1987, S. 91f. (Katalog). Die wichtigste Za¨sur fand an der Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert statt. 261 Josef Joachim Menzel, Jura Ducalia. Die mittelalterlichen Grundlagen der Dominialverfassung in Schlesien, Wu¨rzburg 1964, S. 76f.; die Kritik von Karol Buczko, O tak zwanych prawach ksia˙ ˛z˛ecych i kro´lewskich [Zu den so genannten fu¨rstlichen und ko¨niglichen Rechten], in: Kwartalnik Historyczny 73 (1966), 1, S. 89–110, ist fu¨r die Mehrzahl der Probleme verfehlt und beru¨hrt die Aufhebung von Regalien durch die schlesischen Fu¨rsten im Spa¨tmittelalter nicht. Interessante Beobachtungen zu ¨ bernahme der iura ducalia stellt Heinrich Appelt an: Spa¨tmittelalterliche den Mechanismen bei der U Voraussetzungen der Ausbildung des Dominiums in Schlesien, in: ders., Kaisertum, Ko¨nigtum, Landesherrschaft. Gesammelte Studien zur mittelalterlichen Verfassungsgeschichte, hg. v. Othmar Hageneder/Herwig Weigel, Wien 1988, S. 351–361. 262 Golinski, ´ Podstawy (wie Anm. 249), S. 106f., 140f.; Hoffmann, Land, Liberties (wie Anm. 164),
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einer vollsta¨ndigen Dominierung des Fu¨rstentums und beinahe ganz Schlesiens durch diese Stadt fu¨hrte.263 Hinsichtlich der Entwicklung seiner Ma¨rkte war Schlesien den anderen Territorien Polens bedeutend voraus. Zwar wurde im Mittelalter das Spiel der Marktkra¨fte stark eingeschra¨nkt, aber es stellte eine Alternative zur vollsta¨ndigen Unterordnung der Wirtschaft unter die fiskalische Ausbeutung im Interesse des Luxuskonsums der ¨ ffnung auf die Außenwelt war anfangs auf sie beschra¨nkt. Die deutEliten dar. Die O sche Kolonisation war ein Instrument zur Sta¨rkung und Modernisierung der Grundlagen fu¨rstlicher Machtausu¨bung sowie eine Quelle von Geldeinku¨nften und anderen Profiten. Aus einer distanzierteren Perspektive ist sichtbar, dass die Fu¨rsten ganz konsequent immer neue organisatorische Anstrengungen zu deren Mehrung unternahmen. Relativ schnell begann sich die Kommerzialisierung der Politik und des gesellschaftlichen Lebens gegen die Herrschenden zu wenden, die dem Druck der Bedu¨rfnisse ho¨fischer Repra¨sentation nicht gerecht werden konnten, und einige von ihnen verloren bereits zur Zeit Heinrichs IV. Probus das Gefu¨hl politischer Souvera¨nita¨t und begaben sich in die Lehnsabha¨ngigkeit von ma¨chtigeren Nachbarn.264 Die sich in der Mehrzahl der Teilfu¨rstentu¨mer seit dem Ende des 13. Jahrhunderts verscha¨rfende Krise der bisherigen Grundlagen fu¨rstlicher Herrschaftsausu¨bung vergro¨ßerte die o¨konomischen Freiheiten der Sta¨dte als Zentren von Produktion und Konsum. Fu¨r die weitere wirtschaftliche Entwicklung Schlesiens war sein schnell steigender Urbanisierungsgrad von grundlegender Bedeutung. In eine andere Richtung verlief die Entwicklung in den u¨brigen polnischen Territorien. Die in den Fu¨rstensitzen der Teilfu¨rstentu¨mer vorgenommenen Lokationen nach dem schließlich um die Mitte des 13. Jahrhunderts ausgebildeten Lokationsmodell der kommunalen Stadt265 hatten wahrscheinlich unterschiedliche Voraussetzungen, die wichtigsten hingen mit einer innenpolitischen Wendung hin zu einer Bevorzugung von Geldeinku¨nften zusammen. Man kann annehmen, dass die fortschreitende Kommerzialisierung der Herrschaftsmechanismen und des Konsums
S. 157f.; ders., Wrocław Citizens as Rural Landholders, in: The Medieval City, hg. v. Harry A. Miskimin u. a., New Haven 1977, S. 293–311. 263 Gawlas, O kształt (wie Anm. 1), S. 55f. 264 Tomasz Jurek, Henryk Probus i Henryk Głogowski. Stosunki wzajemne w latach 1273–1290 [Heinrich Probus und Heinrich von Glogau. Wechselseitige Beziehungen in den Jahren 1273–1290], in: Sobo´tka 42 (1987), 4, S. 555–570; ders., Dziedzic Kro´lestwa Polskiego: ksia˙ ˛z˛e Głogowski Henryk (1274–1309) [Der Erbe des polnischen Ko¨nigreichs: Fu¨rst Heinrich von Glogau (1274–1290)], Krako´w 22006, S. 21f.; Antoni Barciak, Czechy a ziemie południowej Polski w XIII oraz w poczatkach ˛ XIV wieku. Polityczno-ideologiczne problemy ekspansji na ziemie południowej Polski [Bo¨hmen und die su¨dlichen Gebiete Polens im 13. und zu Beginn des 14. Jahrhunderts. Politisch-ideologische Probleme der Expansion auf das Territorium des su¨dlichen Polen], Katowice 1992, S. 77f. 265 Gawlas, Die Lokationswende (wie Anm. 27); Jerzy Wyrozumski, Rozwo´j sieci miejskiej w Małopol˙ sce w s´ redniowieczu i u progu czaso´w nowozytnych [Die Entwicklung des Sta¨dtenetzes in Kleinpolen im Mittelalter und an der Schwelle der Neuzeit], in: Kwartalnik Historii Kultury Materialnej 28 (1980), 3, S. 362–372, hier S. 367f.; Go´rczak, Najstarsze lokacje (wie Anm. 28), S. 86f.; Krasnowolski, Lokacyjne układy (wie Anm. 247), T. 2: Katalog lokacyjnych układo´w urbanistycznych sowie ders., Muster urbanistischer Anlagen von Lokationssta¨dten in Kleinpolen. Forschungsstand, Methoden und Versuch einer Synthese, in diesem Band S. S. 275–321.
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von Luxusgu¨tern sowie der fortwa¨hrende Geldbedarf dahin wiesen, die im Zusammenhang mit der Lokation einer großen sta¨dtischen Kommune entstehenden Mo¨g¨ bernahme dieses Typs lichkeiten zu nutzen. Eine ra¨umliche Regulierung diente der U von Einku¨nften durch den Fu¨rsten, was in der Regel von einer Beseitigung der bisherigen Eigentumsverha¨ltnisse begleitet sein musste. Dies bedurfte im Falle großer Zentren langja¨hriger Vorbereitungen. Dazu ist die sprunghafte Ausweitung von Immunita¨tsprivilegien fu¨r die Kirche zu za¨hlen. Dies la¨sst sich sowohl am Beispiel Posens wie an dem von Krakau zeigen. Die relativ ha¨ufig vorkommende ra¨umliche Translokation einer Stadt erleichterte Enteignungen, die wohl eine gro¨ßere Rolle gespielt haben als topographische Aspekte.266 Zusammen mit dem neu aufgekommenen Lokationsmodell u¨bernahm man zugleich die Verfassungsprinzipien der kommunalen Stadt. Sowohl bei der Lokation Posens von 1253 als auch bei jener von Krakau 1257 war von Beginn an die Existenz eines Stadtrates vorgesehen.267 Es muss betont werden, dass dies zwar die Anwendung eines ausgereiften Modells, aber keinen realen Einfluss der neuen Institution des Rates bedeutete. Die dominierende Rolle spielten weiterhin der Fu¨rst und sein Erbvogt.268 Die schachbrettfo¨rmige Raumaufteilung verlieh der polnischen Sta¨dtelandschaft einen kolonialen Charakter. Die massenhafte Verbreitung dieses Pha¨nomens spiegelte die relativ starke Position des Fu¨rsten sowohl gegenu¨ber den bisherigen Eigentu¨mern, als auch gegenu¨ber der entstehenden Stadtgemeinde wider, die mit dem Umfang der ihm zur Verfu¨gung stehenden Regalien zusammenhing. Das Lokationsmodell der kommunalen Stadt entwickelte sich in Polen auf der Verfassungsgrundlage des Fu¨rstenrechtes.269 Prinzipiell geho¨rte dazu die Errichtung einer Burg oder eines Fu¨rstenhofes innerhalb der sta¨dtischen Befestigungsanlagen als Gewa¨hr fu¨r die
266 Gawlas, O kształt (wie Anm. 1), S. 88f.; Tadeusz Lalik, Stare Miasto w Ł˛eczycy. Przemiany w okre-
sie poprzedzajacym ˛ lokacj˛e – schyłek XII i poczatek ˛ XIII w. [Die Altstadt in Ł˛eczyca. Vera¨nderungen in der Vorlokationszeit, Ende 12.–Anfang 13. Jahrhundert], in: Kwartalnik Historii Kultury Materialnej 4 (1956), 4, S. 631–678; analoge bo¨hmische Beispiele in: Ladislav Hosa´k, „Stare´“ a „Nove´“ mˇesto v obdobı´ stˇredovˇeke´ kolonizace na Moravˇe [„Alt“- und „Neu“stadt in der Zeit der mittelalterlichen ˇ Kolonisation in Ma¨hren], in: Historicka Geografie 4 (1969), S. 82–86; Josef Zˇemlicka, „Pra´vo nucene´ smˇeny“ pˇri zakla´da´nı´ stˇredovˇeky´ch mˇest [„Das Recht des Zwangstausches“ bei der Gru¨ndung von ˇ mittelalterlichen Sta¨dten], in: Cesky ´ cˇ asopis historicky´ 96 (1998), 3, S. 502–531. 267 Gawlas, O kształt (wie Anm. 1), S. 143, Anm. 400; Michał Patkaniowski, Krakowska rada miejska w s´ rednich wiekach [Der Krakauer Stadtrat im Mittelalter], Krako´w 1934, S. 26f.; Antoni Gasiorowski, ˛ ´ sredniowiecznego [Die spa¨tmittelalterliche Stadtverwaltung], in: Dzieje PoznaZarzad ˛ miasta po´zno´ nia, Bd. 1: Dzieje Poznania do roku 1793, hg. v. Jerzy Topolski, Poznan´ 1988, S. 233–242, hier S. 237f.; Jerzy Rajman, Krako´w. Zespo´ł osadniczy, proces lokacji, mieszczanie do roku 1333 [Krakau. Siedlungskomplex, Lokationsprozess und Bu¨rger bis zum Jahr 1333], Krako´w 2004, S. 194f. 268 Jerzy Wyrozumski, Krako´w do schyłku wieko´w s´ rednich [Krakau bis zum Ende des Mittelalters], Krako´w 1992, S. 186f.; Zdzisław Kaczmarczyk, Ustro´j miasta lokacyjnego [Die Verfassung der Lokationsstadt], in: Dzieje Poznania (wie Anm. 267), S. 183–192, hier S. 190f.; Henryk Samsonowicz, Samorzad ˛ miejski w dobie rozdrobnienia feudalnego w Polsce [Sta¨dtische Selbstverwaltung in der Zeit der feudalen Zersplitterung in Polen], in: Polska w okresie (wie Anm. 18), S. 133–159; Bogucka/Samsonowicz, Dzieje miast (wie Anm. 28). S. 57f.; zuletzt Marta Załeska, ˛ Wo´jtostwa dziedziczne w mia´ stach Małopolski w po´znym s´ redniowieczu (studium historyczno-prawne) [Die Erbvogteien in den Sta¨dten Kleinpolens im Spa¨tmittelalter (eine rechtshistorische Studie], Warszawa 2005. 269 Gawlas, Die Lokationswende (wie Anm. 27).
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Loyalita¨t der Stadtbu¨rger. Im westlichen Pommern waren die wesentlich geringer ausgebildeten Pra¨rogative im Bereich der Regalien270 zumindest eine der Ursachen, die bewirkten, dass die Arrondierung Stettins zu einer kommunalen Stadt zu Magdeburger Recht in den Jahren 1237–1243 nicht von einer ganzheitlichen Raumordnung begleitet wurde.271 Wenig spa¨ter wurde die Fu¨rstenburg beseitigt. Jan M. Piskorski, der andere Lokationen im Fu¨rstentum Stettin untersucht hat, hat festgestellt, dass die Beseitigung der Burgen ein wesentliches Element der Lokationswende in diesem Gebiet gewesen ist.272 In Polen ko¨nnen wir dieses Pha¨nomen nicht beobachten. In Kleinpolen fiel der Beginn einer gro¨ßeren Lokationsaktion in die Herrschaftszeit Bolesław V. Wstydliwys (des Schamhaften). Sie war begu¨nstigt durch die Entwicklung des Salzbergbaus, der schon Bolesław V. bedeutende Einku¨nfte und politische Handlungsmo¨glichkeiten einbrachte.273 Eine grundlegende Za¨sur fu¨r die Entwicklung der Sta¨dte und indirekt fu¨r die Entwicklungsmo¨glichkeiten der Geld- und Warenwirtschaft bildeten die Konflikte um die Verfassungsform des sich vereinenden polnischen Reiches zu Beginn des 14. Jahrhunderts. In deren Verlauf wurden die Bestrebungen der Sta¨dte nach Eigensta¨ndigkeit zunichte gemacht,274 und ihre o¨konomischen Interessen wurden strikter den fiskalischen Bedu¨rfnissen der Herrschenden unterworfen. Władysław Łokietek (Ellenlang), der mit Versuchen zur Realisierung politischer Pla¨ne befasst war, die die Mo¨glichkeiten der ihm zur Verfu¨gung stehenden Mittel u¨berstiegen, betrieb keine langfristigere Wirtschaftspolitik. Eine Untersuchung seines Mu¨nzwesens hat gleichwohl gezeigt, dass das Handeln der mit ihm verbundenen Financiers pragmatisch und kompetent war.275
270 Jerzy Walachowicz, Monopole ksia˙ ˛z˛ece w skarbowo´sci wczesnofeudalnej Pomorza Zachodniego
[Fu¨rstliche Monopole im fru¨hfeudalen Schatzwesen von Pommern], Poznan´ 1963; ders., Rozwo´j immunitetu sadowego ˛ na Pomorzu Zachodnim do 1295 r. [Die Entwicklung der Gerichtsimmunita¨t in Pommern bis 1295], in: Czasopismo Prawno-Historyczne 9 (1959), 2, S. 9–55; ders., Immunitet eko¨ konomische Immunita¨t in Pomnomiczny na Pomorzu Zachodnim w okresie wczesnofeudalnym [O mern in fru¨hfeudaler Zeit], in: Czasopismo Prawno-Historyczne 13 (1961), 1, S. 21–59; Karol Buczek, Przemiany ustrojowe na Pomorzu Zachodnim w XII i XIII wieku [Strukturwandel in Pommern im 12. und 13. Jahrhundert], in: Kwartalnik Historyczny 72 (1965), 2, S. 349–379; ders., Regalia 2. [Regalien], in: Słownik (wie Anm. 57), Bd. 4, S. 483f.; Tadeusz Lalik, Regale targowe ksia˙ ˛zat ˛ wschodniopomorskich w XII–XIII wieku [Die Marktregalien der Fu¨rsten von Pommerellen im 12.–13. Jahrhundert], in: Przeglad ˛ Historyczny 56 (1965), S. 171–201. 271 Jan M. Piskorski, Miasta ksi˛estwa Szczecinskiego ´ do połowy XIV wieku [Die Sta¨dte des Fu¨rstentums Stettin bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts], Poznan´ 1978, S. 50f., 229f.; ders./Bogdan Wachowiak/ Edward Włodarczyk, Szczecin [Stettin], Poznan´ 1993, S. 22f. 272 Piskorski, Miasta (wie Anm. 271), S. 91, 182f. 273 Gawlas, O kształt (wie Anm. 1), S. 85 (dort weitere Literatur); Krasnowolski, Lokacyjne układy (wie ´ Anm. 247), Bd. 1, S. 76f.; Wyrozumski, Panstwowa (wie Anm. 196), S. 35f., 70f.; Jo´zef Piotrowicz, ˙ Zupy krakowskie w pierwszych wiekach rozwoju od połowy XIII do poczatko ˛ ´ w XVI wieku [Die Krakauer Salinen in den ersten Jahrhunderten ihrer Entwicklung von der Mitte des 13. bis zum Anfang des 16. Jahrhunderts], in: Jodłowski u. a., Dzieje (wie Anm. 194), S. 103–154, hier S. 103f. 274 Gawlas, O kształt (wie Anm. 1), S. 93f.; Henryk Samsonowicz, Miasta wobec zjednoczenia Polski w XIII/XIV wieku [Die Sta¨dte und die Vereinigung Polens im 13./14. Jahrhundert], in: Ars historica (wie Anm. 240), S. 425–436. 275 Borys Paszkiewicz, Mennictwo Władysława Łokietka [Das Mu¨nzwesen des Wladysław Łokietek], Warszawa 1986 [= Wiadomo´sci Numizmatyczne 30 (1986), 1–2], S. 95f.; ders., Denary krakowskie
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Mit einer konsequenten und umfassenden Modernisierung der Grundlagen seiner Herrschaftsausu¨bung begann erst Kasimir der Große.276 Sie war sowohl auf eine Wiederherstellung der ko¨niglichen Autorita¨t, als auch auf eine Vermehrung der Einku¨nfte ausgerichtet. Der Ko¨nig nutzte die insbesondere im Karpatenvorland existierenden Mo¨glichkeiten zum Ausbau seiner Krondoma¨ne, um kompakte Eigentumskomplexe im Zentrum seines Herrschaftsgebietes zu organisieren. Die Kolonisation knu¨pfte an die oben erwa¨hnten Prinzipien einer ganzheitlichen Bewirtschaftung von Siedlungskomplexen an, bei der parallel zur Vermessung neuer Do¨rfer sta¨dtische Siedlungen als deren o¨konomische und administrative Zentren gegru¨ndet wurden. Die Organisierung der Krondoma¨ne wurde von Revindikationen begleitet, die eine enorme soziale Unzufriedenheit hervorriefen und in Großpolen zum Auslo¨ser des Zusammenschlusses der Konfo¨deration des Ma´cko Borkowic im Jahr 1352 wurden.277 Die sta¨dtischen Lokationen des Ko¨nigs konzentrierten sich auf Kleinpolen. Hier gru¨ndete Kasimir 36 Sta¨dte sowie 5 in Ruthenien (neben 14 privaten). In Großpolen kamen auf zwei ko¨nigliche Lokationen 20 geistliche und ritterliche, zu denen der Herrscher in 13 Fa¨llen nach 1357 die Erlaubnis erteilte. Dies veranschaulicht deutlich deren Zusammenhang mit der Pazifizierung des Teilfu¨rstentums nach der Niederschlagung der erwa¨hnten Konfo¨deration.278 In anderen Territorien wie jenen von Ł˛eczyca, Sieradz, Wielun´ oder in Kujawien entstanden 16 Sta¨dte, darunter vier ko¨nigliche. Die Angaben mo¨gen zwar im Detail strittig sein, dennoch steht das Gesamtbild außer Zweifel.279 Die Bedeutung der ko¨niglichen Sta¨dte war gro¨ßer, als dies aus ihrer Zahl hervorgeht, denn unter ihnen befand sich die u¨berwiegende
Władysława Łokietka – uzupełnienia [Die Krakauer Denare des Władysław Łokietek. Erga¨nzungen], in: Wiadomo´sci Numizmatyczne 36 (1992), 3–4 (141–142), S. 131–147; ders., Brakteaty polskie w 1. tercji XIV w. [Polnische Brakteaten im 1. Drittel des 14. Jahrhunderts], in: Wiadomo´sci Numizmatyczne 38 (1994), 1–2 (147–148), S. 1–41. 276 Ausfu¨hrlicher Gawlas, Polska Kazimierza (wie Anm. 51), S. 5–34; ders., Monarchia Kazimierza Wiel´ kiego a społeczenstwo [Die Monarchie Kasimirs des Großen und die Gesellschaft], in: Genealogia. ´ Władza i społeczenstwo w Polsce s´ redniowiecznej, hg. v. Andrzej Radziminski/Jan ´ Wroniszewski, Torun´ 1999, 197–236, hier S. 209 (dort weitere Literatur). 277 Jerzy Łojko, Konfederacja Macieja Borkowica [Die Konfo¨deration des Ma´cko Borkowic], in: Roczniki Historyczne 43 (1977), S. 29–57; Gawlas, Monarchia (wie Anm. 276), S. 221f. 278 Sławomir Gawlas, Uwagi o polityce miejskiej Kazimierza Wielkiego [Bemerkungen zur Stadtpolitik Kasimirs des Großen], in: Aetas media (wie Anm. 121), S. 25–39 (dort weitere Literatur); Anna Berdecka, Lokacje i zagospodarowanie miast kro´lewskich w Małopolsce za Kazimierza Wielkiego (1333–1370) [Lokation und Bewirtschaftung der ko¨niglichen Sta¨dte in Kleinpolen unter Kasimir dem Großen (1333–1370)], Wrocław 1982, S. 141f. 279 Feliks Kiryk, Lokacje miejskie nieudane, translacje miast i miasta zanikłe w Małopolsce do połowy XVII stulecia [Fehlgeschlagene Stadtlokationen, Stadtverlegungen und verku¨mmerte Sta¨dte in Kleinpolen bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts], in: Kwartalnik Historii Kultury Materialnej 28 (1980), 3, S. 373–383; ders., Polityka miejska Kazimierza Wielkiego w Małopolsce [Die Sta¨dtepolitik Kasimirs des Großen in Kleinpolen], in: Problemy dziejo´w i konserwacji miast zabytkowych, hg. v. Ryszard Szczygieł, Radom 1990, S. 11–22; ders., Rozwo´j urbanizacji Małopolski XIII–XVI w.: wojewo´dztwo krakowskie (powiaty południowe) [Die Entwicklung der Urbanisierung Kleinpolens im 13.–16. Jahrhundert: Wojewodschaft Krakau (su¨dliche Bezirke)], Krako´w 1985; ders., Urbanizacja Małopolski, wojewo´dztwo sandomierskie XIII–XVI wiek [Die Urbanisierung Kleinpolens, Wojewodschaft Sandomir, 13.–16. Jahrhundert], Kielce 1994.
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Mehrheit der bedeutenderen Zentren. Es ist zu betonen, dass Kasimir eine deutliche Qualita¨tsanhebung in der Urbanisierung anstrebte. Etwa 30–35 Sta¨dte erhielten Stadtmauern.280 Der Ko¨nig verzichtete auf das a¨ltere Neumarkter Stadtrechtsmodell zugunsten des Magdeburgischen, das fu¨r Zentren mit komplexen Handels- und Produktionsfunktionen angemessener war.281 Leider wissen wir sehr wenig u¨ber die Art der Unterstu¨tzung fu¨r das Handwerk. Aufmerksamkeit verdienen gleichwohl die vorhandenen Informationen u¨ber die Entwicklung der sta¨dtischen Tuchmacherei.282 Deren gro¨ßere Zentren waren die zweite Krakauer Stadt Kazimierz und Biecz,283 ¨ brigen von geringer Qualita¨t – verbreitete sich insbesonaber die Produktion – im U dere in Kleinpolen in vielen Sta¨dten.284 Die Innenpolitik der letzten Piasten war von einem weit fortgeschrittenen Fiskalismus gekennzeichnet. Aus einem Privileg von Buda aus dem Jahr 1355 erfahren wir, dass die den Untertanen auferlegten außerordentlichen Kollekten sehr belastend waren.285 Davon zeugt auch die Tatsache ihrer Umwandlung in eine Steuer von 2 Groschen je Hufe im Privileg von Kaschau von 1374.286 Laut einer Analyse von Jacek Matuszewski la¨sst sich kaum bezweifeln, dass dies ein Erfolg Ludwigs war, dem es gelang, sich aus fru¨heren Zugesta¨ndnissen zuru¨ckzuziehen und eine kontinuierliche Belastung in Ho¨he von etwa 20 % des damals u¨blichen geldlichen Zinses einzufu¨hren.287 Gegen Ende von Kasimirs Herrschaft reservierte er in einer Ordination fu¨r seine Starosten alle Geldeinku¨nfte aus seinen Landgu¨tern fu¨r sich.288 Deren wichtigste Quelle waren jedoch die Regalien. Der Ko¨nig konzentrierte mithilfe von Zo¨llen und Wegezwang den Fernhandel der Schwarzmeerroute und des Thorner Handelsweges in Krakau und versuchte, fremden Kaufleuten den Zugang zur Rus’ zu ver-
280 Gawlas, Uwagi (wie Anm. 278), S. 28f.; Jarosław Widawski, Miejskie mury obronne w Polsce Kazi-
mierza Wielkiego [Sta¨dtische Wehrmauern im Polen Kasimirs des Großen], in: Kwartalnik Histo´ rii Kultury Materialnej 20 (1972), 1, S. 41–60; ders., Miejskie mury obronne w panstwie polskim do poczatku ˛ XV wieku [Sta¨dtische Wehrmauern im polnischen Reich bis zum Beginn des 15. Jahrhunderts], Warszawa 1973; ders., Fortyfikacje, in: Polska technika (wie Anm. 107), S. 300–340. 281 Vgl. Gawlas, Uwagi (wie Anm. 278), S. 33f. 282 Jerzy Wyrozumski, Tkactwo małopolskie w po´znym ´ s´ redniowieczu [Die kleinpolnische Weberei im Spa¨tmittelalter], Krako´w 1972; ders., Tkactwo w Polsce w X–XIII wieku [Weberei in Polen im 10.–13. Jahrhundert], in: Kwartalnik Historii Kultury Materialnej 13 (1965), 3, S. 499–519; Danuta Poppe, in: Historia kultury, Bd. 2 (wie Anm. 219), S. 124f. 283 Wyrozumski, Tkactwo małopolskie (wie Anm. 282), S. 35f., 43. 284 Ebd., S. 34f.; Antoni Maczak, ˛ Sukiennictwo wielkopolskie XIV–XVII wieku [Die großpolnische Tuchmacherei im 14.–17. Jahrhundert], Warszawa 1955, S. 244f. 285 Wybo´r zro ´ ´ deł do historii ustroju Polski, Bd. 1: Epoka piastowska [Ausgewa¨hlte Quellen zur Verfassungsgeschichte Polens, Bd. 1: Die piastische Epoche], hg. v. Stanisław Kutrzeba, Krako´w 1928, Nr. 57, S. 88. 286 Kodeks dyplomatyczny Wielkopolski (wie Anm. 2), Bd. 3, Nr. 1709, S. 424–427. 287 Jacek S. Matuszewski, Przywileje i polityka podatkowa Ludwika W˛egierskiego w Polsce [Privilegien und Steuerpolitik Ludwigs von Anjou in Polen], Ło´dz´ 1983, S. 32f., 80f. 288 Wybo´r zro ´ ´ deł (wie Anm. 285), Nr. 63, S. 101; Roman Grodecki, Działalno´sc´ gospodarcza Kazimierza Wielkiego [Die Wirtschaftsta¨tigkeit Kasimirs des Großen], in: ders., Polska piastowka (wie Anm. 143), ´ XIV wieku do 1526 roku [Das masowiS. 535f.; Jerzy Senkowski, Skarbowo´sc´ Mazowsza od konca sche Schatzwesen vom Ende des 14. Jahrhunderts bis 1526], Warszawa 1965, S. 35f.
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sperren. Unter besonderer Aufsicht befanden sich die Salzbergwerke in Bochnia und Wieliczka, deren Organisierung eine Ordination aus dem Jahr 1368 regelte, sowie die Fo¨rderung von Blei in Olkusz und wahrscheinlich auch die Kupferfo¨rderung in der Gegend von Ch˛eciny. Kasimir unterhielt enge Beziehungen mit einer Gruppe von Financiers: Krakauer Kaufleuten und Ratsherren, die die ko¨niglichen Bergbauunternehmen, Mu¨nzsta¨tten oder Zolleinnahmen zur Verwaltung ad fideles manus (seltener zur Pacht) erhielten.289 In ihrem Interesse und dem der ko¨niglichen Kammer wurden mehrere Kursa¨nderungen des Denars im Verha¨ltnis zum Groschen durchgefu¨hrt. Erst um 1365–1367 wurde eine Mu¨nzreform durchgefu¨hrt, die darauf beruhte, dass man dickere Mu¨nzen – Groschen und Quartenses – in Umlauf brachte. Sie misslang u¨brigens wegen mangelnder gro¨ßerer Metallressourcen und nicht ohne die Schuld des Ko¨nigs.290 Scha¨tzungen zu den Ausgaben fu¨r Bauta¨tigkeiten291 zeigen, dass der Monarch einen bedeutenden Teil des in Umlauf befindlichen Geldes an sich gerissen hatte.292 Wir kennen zwar nicht die Gro¨ße der Krondoma¨ne, aber eine Analyse der zugeho¨rigen sta¨dtischen Zentren und Burgen zeigt, dass diese Art von Bauinvestitionen sich auf die Hauptorte der verschiedenen Landesteile und auf die Gerichtsorte konzentrierte, was die Schlussfolgerung erlaubt, dass die Herrschaftsfunktionen der Krondoma¨ne bewusst ausgebaut wurden. Bis zum Ende des Mittelalters blieb die Krondoma¨ne die Basis ko¨niglicher Machtausu¨bung. Die Gro¨ße der monarchischen Gu¨ter unterschied sich gewiss in den einzelnen Landesteilen293 und vera¨nderte sich
289 Gawlas, Monarchia (wie Anm. 276), S. 212f.; zuletzt Danuta Molenda, Polski oło´w na ryn-
´ kach Europy Srodkowej w XIII–XVII wieku [Polnisches Blei auf den Ma¨rkten Mitteleuropas im 13.–17. Jahrhundert], Warszawa 2001. 290 Kiersnowski, Data i kształt (wie Anm. 228); ders., Grosze Kazimierza Wielkiego [Die Groschen Kasimirs des Großen], in: Wiadomo´sci Numizmatyczne 17 (1973), 4 (66), S. 193–219; ders., Pradzieje grosza (wie Anm. 163), S. 212f.; ders., Mennictwo Kazimierza Wielkiego [Das Mu¨nzwesen Kasimirs des Großen], in: Prace i Materiały (wie Anm. 223), S. 45–52; zuletzt Borys Paszkiewicz, De moneta in regno currente. Mennictwo polskie Kazimierza Wielkiego [Das polnische Mu¨nzewesen Kasimirs des Großen], in: Roczniki Historyczne 74 (2008), S. 321–354. 291 Jan Szymczak, Koszty murowanego budownictwa obronnego w Polsce do XVI w. [Die Kosten steinerner Wehrbauten in Polen bis zum 16. Jahrhundert], in: Kwartalnik Historii Kultury Materialnej 36 (1988), 2, S. 233–275; ders., Zamki i pieniadze ˛ w s´ redniowiecznej Polsce [Burgen und Geld im mittelalterlichen Polen], in: Zamki i przestrzen´ (wie Anm. 38), S. 13–21. 292 Zuletzt zu den Geldeinku¨nften Kasimirs des Großen Jacek Matuszewski, Uwagi wprowadzajace ˛ – poczatki ˛ skarbowo´sci publicznej [Einfu¨hrende Bemerkungen zu den Anfa¨ngen eines o¨ffentlichen ´ Schatzwesens], in: Studia z dziejo´w panstwa i prawa polskiego, Bd. 8: Stan badan´ nad dziejami polskiej skarbowo´sci, Ło´dz´ 2003, S. 9–18. Der Autor bema¨ngelt zu Recht die zweifelhaften Grundlagen der u¨blicherweise wiederholten Scha¨tzungen von Zdzisław Kaczmarczyk, Monarchia Kazimierza Wielkiego [Die Monarchie Kasimirs d. Großen], Bd. 1, Poznan´ 1939, S. 157f., gleichwohl scheint er den Grad der Leistungsfa¨higkeit des ko¨niglichen Finanzapparates zu unterscha¨tzen. 293 Jerzy Lucinski, ´ Majatki ˛ ziemskie panujacego ˛ w Małopolsce do 1385 roku [Die herrscherlichen Landgu¨ter in Kleinpolen bis 1385], Poznan´ 1967; Leon Polaszewski, Własno´sc´ feudalna w wojewo´dztwie Kaliskim w XVI wieku [Feudaleigentum in der Wojewodschaft Kalisz im 16. Jahrhundert], Poznan´ 1976; Urszula Piotrowska, Struktura i rozmieszczenie własno´sci feudalnej w wojewo´dztwie poz´ nanskim w 2 połowie XVI wieku [Struktur und Verteilung des Feudaleigentums in der Wojewodschaft ´ Posen in der 2. Ha¨lfte des 16. Jahrhunderts], in: Społeczenstwo Staropolskie. Studia i szkice, hg. v. Anna Izydorczyk/Andrzej Wyczanski, ´ Bd. 4, Warszawa 1986, S. 19–31.
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im Laufe der Zeit, doch zufriedenstellende Scha¨tzungen fehlen.294 Im 16. Jahrhundert umfasste die Krondoma¨ne nach vielen Vera¨nderungen weiterhin etwa 30 % des Landesterritoriums.295 Um 1500 geho¨rten dem Ko¨nig 285 Sta¨dte (40,4 %), darunter die Mehrzahl der bedeutenderen Zentren. Im Besitz des Adels befanden sich 299 (42,3 %) und in dem der Kirche 122 (17,3 %) Sta¨dte.296 In dieser Situation entschied ein Zugriff auf die Krondoma¨ne durch das System der Verpfa¨ndungen u¨ber soziale Positionen.297 Wesentliche Bedeutung hatte auch die Beteiligung einiger Familien an den Einku¨nften der Krakauer Salinen.298 Es kann keinen Zweifel geben, dass im Spa¨tmittelalter weiterhin große Mo¨glichkeiten zu einer extensiven Entwicklung bestanden. Die Transformierung der inneren Beziehungen nach dem Vorbild des deutschen Landesausbaus wurde fortgesetzt, die Bevo¨lkerungszahlen stiegen und erlebten nahezu eine Verdoppelung299, neue Stadtlokationen wurden durchgefu¨hrt. Auch die Spezialisierung des Handwerks nahm zu, das nur teilweise in den Rahmen einer Zunftorganisation eingebunden wurde.300 Die detaillierten Forschungen von Jan Szymczak zur Waffenproduktion erlauben einen gewissen Einblick in die Geographie der Produktion, in der Krakau hervorstach.301 294 Jerzy Lucinski, ´ Rozwo´j kro´lewszczyzn w Koronie od schyłku XIV wieku do XVII wieku [Die Ent-
wicklung der Krondoma¨nen im Ko¨nigreich Polen vom Ende des 14. bis zum 17. Jahrhundert], Poznan´ 1970. 295 Anna Sucheni-Grabowska, Kro´lewszczyzna [Krondoma¨ne], in: Encyklopedia Historii Gospodarczej (wie Anm. 113), Bd. 1: A–N, S. 389–391. 296 Ryszard Szczygieł, Lokacje miast w Polsce w XVI wieku [Stadtlokationen in Polen im 16. Jahrhundert], Lublin 1989, S. 19–30; Bogucka/Samsonowicz, Dzieje miast (wie Anm. 28), S. 114f. 297 Wroniszewski, Szlachta (wie Anm. 214), S. 85f.; Jacek S. Matuszewski, Die Verpfa¨ndung der Krongu¨ter und das Nutzungssystem der Herrschaftsgu¨ter der Regierenden im Polen des 15. und 16. Jahr¨ sterreich im 16. Jahrhundert, hg. v. Walter Leitsch/Stanisław Trawkowhunderts, in: Polen und O ski, Wien 1997, S. 47–64 (der Autor versammelt hier fru¨here Beobachtungen); ders., Le roˆle du gage dans la politique de disposition du domaine royal des Jagellons, in: Acta Poloniae Historicae 45 (1982), S. 30–47; Michael Ludwig, Besteuerung und Verpfa¨ndung ko¨niglicher Sta¨dte im spa¨tmittelalterlichen Polen, Berlin 1984; Jacek S. Matuszewski/Tadeusz Szulc, Opodatkowanie i polityka zastawu miast kro´lewskich w Polsce za Jagiellono´w. Uwagi w zwiazku ˛ z ksia˙ ˛zka˛ Michaela Ludwiga [Politik der Besteuerung und Verpfa¨ndung ko¨niglicher Sta¨dte im Polen der Jagiellonen. Anmerkungen zum Buch von Michael Ludwig], in: Czasopismo Prawno-Historyczne 41 (1989), 2, S. 175–192; zuletzt Marcin Sepiał, Zastaw na dobrach ziemskich i dochodach kro´lewskich w okresie panowania Władysława ´ III Warnenczyka na W˛egrzech (1440–1444) [Verpfa¨ndung ko¨niglicher Landgu¨ter und Einku¨nfte in ´ Ungarn unter der Herrschaft Władysławs III. Warnenczyk (1440–1444), Krako´w 1998, S. 35–49. 298 Stanisław Gaweda, ˙ ˙ krakowskich w XIV ˛ Udział moznowładztwa małopolskiego w dochodach z zup i XV wieku [Die Beteiligung der kleinpolnischen Großen an den Einku¨nften der Krakauer Salinen im ˙ 14. und 15. Jahrhundert], in: Studia i Materiały do Dziejo´w Zup Solnych w Polsce, Bd. 2, Wieliczka 1968, S. 235–249. Das Problem wa¨re eine genauere Untersuchung wert. 299 Henryk Samsonowicz, Probe einer demographischen Einscha¨tzung Polens um das Jahr 1500, in: Studia Historiae Oeconomicae 22 (1997), S. 17–24; Andrzej Wyczanski/Cezary ´ Kuklo, in: Historia Polski w liczbach. Ludno´sc´ , terytorium [Geschichte Polens in Zahlen. Bevo¨lkerung und Territorium], hg. v. Andrzej Jezierski, Warszawa 1994, S. 28f. 300 Henryk Samsonowicz, Cechy rzemie´slnicze w s´ redniowiecznej Polsce. Mity i rzeczywisto´sc´ [Die Handwerkszu¨nfte im mittelalterlichen Polen. Mythos und Wirklichkeit], in: Przeglad ˛ Historyczny 75 (1984), 3, S. 551–565; Bogucka/Samsonowicz, Dzieje miast (wie Anm. 28), S. 200f.; Historia kultury, Bd. 2 (wie Anm. 219). 301 Jan Szymczak, Produkcja i koszty uzbrojenia rycerskiego w Polsce XII–XV w. [Produktion und Kosten der Bewaffnung der Ritter in Polen, 12.–15. Jahrhundert], Ło´dz´ 1989; ders., Organizacja produkcji
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Forschungen zum Kunsthandwerk zeigen, dass im Spa¨tmittelalter ein ganz bedeutender Fortschritt in der Produktion von Luxusgu¨tern erfolgte, deren Zentren jedoch wiederum die gro¨ßten Sta¨dte waren.302 Die unbezweifelbare Produktivita¨tsentwicklung des sta¨dtischen Handwerks a¨ndert nichts am allgemeinen Bild. Die Qualita¨t der Urbanisierung blieb weiterhin niedrig und es u¨berwogen weiterhin definitiv die kleinen Zentren.303 Sie schufen keinen umfangreicheren Markt fu¨r die landwirtschaftliche Produktion. Scha¨tzungen ´ von Andrzej Wyczanski zeigen, dass die ba¨uerliche Wirtschaft kaum Warencharakter besaß und das Erzielen von Geldeinku¨nften großer Anstrengungen bedurfte.304 Es ist den ju¨ngst von Jan Wroniszewski vorgestellten Argumenten zuzustimmen, dass nicht der Druck des Adels zum Ausbau der Gutswirtschaft, sondern der Geldmangel auf den Ma¨rkten die Flucht der Bauern vor dem Geldzins verursachte. Sie bevorzugten
i ceny uzbrojenia [Produktionsorganisation und Preise der Bewaffnung], in: Uzbrojenie w Polsce s´ redniowiecznej 1350–1450, hg. v. Andrzej Nadolski, Ło´dz´ 1990, S. 208–382, hier S. 208f.; ders., Organizacja zaopatrzenia [Nachschuborganisation], in: Polska technika (wie Anm. 267), S. 273f.; ders., Poczatki ˛ broni palnej w Polsce (1383–1533) [Die Anfa¨nge der Feuerwaffen in Polen (1383–1533)], Ło´dz´ 2004. 302 Jan Samek, Polskie rzemiosło artystyczne. Sredniowiecze ´ [Das polnische Kunsthandwerk. Mittelalter], Warszawa 2000 (dort weitere Literatur); Bolesław Przybyszewski, Złoty dom kro´lestwa. Studium z dziejo´w krakowskiego cechu złotniczego od czasu jego powstania (ok. 1370) do połowy wieku XV [Das goldene Haus des Ko¨nigs. Studie zur Geschichte der Krakauer Goldschmiedezunft seit ihrer Entstehung (um 1370) bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts], Warszawa 1968; Jerzy Pietrusinski, ´ Złotnicy krakowscy XIV–XVI wieku i ich ksi˛ega cechowa [Die Krakauer Goldschmiede im 14.–16. Jahrhundert und ihr Zunftbuch], Bd. 1–2, Warszawa 2000. 303 Samsonowicz, Probe (wie Anm. 300), S. 23; am meisten u¨ber kleine Sta¨dte findet sich bei dems., Wytwo´rczo´sc´ rzemie´slnicza małych miast Polski XV w. [Die Handwerksproduktion kleiner Sta¨dte ´ in Polen im 15. Jahrhundert], in: Ko´scio´ł, kultura, społeczenstwo. Studia z dziejo´w s´ redniowiecza i ˙ czaso´w nowozytnych, hg. v. Wojciech Brojer, Warszawa 2000, S. 331–336; ders., Elita władzy w ´ małych miastach Polski w po´znym s´ redniowieczu [Die Machtelite in den kleinen Sta¨dten Polens im Spa¨tmittelalter], in: Genealogia – kr˛egi zawodowe i grupy interesu w Polsce s´ redniowiecznej na tle poro´wnawczym, hg. v. Jan Wroniszewski, Torun´ 1989, S. 145–159; ders., Struktura zawodowa ´ mieszczanstwa w dawnej Polsce [Die Berufsstruktur des Bu¨rgertums im alten Polen], in: Historia i archiwistyka. Ksi˛ega pamiatkowa ˛ ku czci Profesora Andrzeja Tomczaka, hg. v. Jerzy Dygdala/ Bolesław Woszczynski, ´ Torun´ 1992, S. 43–51; u¨ber die Gesellschaft mittlerer Sta¨dte Urszula Sowina, ´ Sieradz. Układ przestrzenny i społeczenstwo miasta w XV–XVI w. [Sieradz. Sta¨dtische Raumstruktur und Gesellschaft im 15.–16. Jahrhundert], Warszawa-Sieradz 1991; Agnieszka Bartoszewicz, Warta. ´ Społeczenstwo miasta w II połowie XV i na poczatku ˛ XVI wieku [Warta. Die sta¨dtische Gesellschaft in der 2. Ha¨lfte des 15. und zu Beginn des 16. Jahrhunderts], Warszawa 1997; Jacek Wiesiołowski, Sie´c ´ miejska w Wielkopolsce w XIII–XVI wieku. Przestrzen´ i społeczenstwo [Das Sta¨dtenetz in Großpolen im 13.–16. Jahrhundert. Raum und Gesellschaft], in: Kwartalnik Historii Kultury Materialnej 28 (1980), 3, S. 385–399; Andrzej Janeczek, Town and Country in the Polish Commonwealth, 1350–1650, in: Town and Country in Europe, 1300–1800, hg. v. Stephan R. Epstein, Cambridge 2001, S. 156–175. 304 Andrzej Wyczanski, ´ Uwagi o utowarowienie gospodarki chłopskiej w dawnej Polsce [Bemerkungen zum Warencharakter der ba¨uerlichen Wirtschaft im alten Polen], in: Nummus et historia (wie Anm. 150), S. 303–307; ders., Gospodarka wiejska w Polsce XIV wieku w uj˛eciu liczbowym (pro´ba oceny) [Die do¨rfliche Wirtschaft im Polen des 14. Jahrhunderts in Zahlen gefasst (Versuch einer Bewertung)], in: Roczniki Dziejo´w Społecznych i Gospodarczych 62 (2002), S. 167–187; zuletzt Piotr ˙ Guzowski, Chłopi i pieniadze ˛ na przełomie s´ redniowiecza i czaso´w nowozytnych [Bauern und Geld an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit], Krako´w 2008.
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kleinere Wirtschaften von nur einer halben Hufe und eine Abgabenleistung in Form von Frondiensten.305 Dieses Problem betraf den Adel, aber das alte Wirtschaftsmodell und die mit ihm zusammenha¨ngende Organisierung von Ma¨rkten fu¨r die eigenen Gu¨ter durch neue Lokationen und eine Verdichtung des Handelsnetzes blieben weiterhin gu¨ltig.306 Trotz der Entwicklung lokaler Kreditma¨rkte wurden zumeist nur geringe Summen verliehen und es bestand ein permanenter Hunger nach Geld.307 Es fehlten substantiellere Fortschritte bei den Formen der Kapitalakkumulation und bei den Kreditquellen,308 und Polen geho¨rte zu den La¨ndern, in denen sich nur eine geringe Geldmenge im Umlauf befand.309 Es sind keine effektiven Anstrengungen in gro¨ßerem Maßstab weder von Seiten des großen, noch des kleineren Grundbesitzes sichtbar, um auf andere Weise die Geldeinku¨nfte zu erho¨hen. Das do¨rfliche Handwerk diente 305 Wroniszewski, Szlachta (wie Anm. 214), S. 43f., bes. S. 57f., 66f.; ders./Krzysztof Mikulski, Das
Vorwerk und die Wandlungen der wirtschaftlichen Konjunktur in den polnischen La¨ndern im 14.–17. Jahrhundert, in: Ostmitteleuropa im 14.–17. Jahrhundert. Eine Region oder Region der Regionen?, hg. v. Marian Dygo, Warszawa 2003, S. 115–126. 306 Zbigniew Morawski, Ziemia, urz˛edy, pieniadze ¨ mter, Geld], Warszawa 1993, S. 153f.; Maria ˛ [Land, A Haubrichowa, Wolnice czyli wolne targi w miastach polskich do poczatko ˛ ´ w XVII wieku [Die Freima¨rkte in den polnischen Sta¨dten bis zum Beginn des 17. Jahrhunderts], in: Roczniki Dziejo´w Społecznych i Gopodarczych 4 (1935), S. 21–69; Jo´zef Maroszek, Targowiska wiejskie w Koronie Polskiej w drugiej połowie XVII i w XVIII wieku [Dorfma¨rkte im Ko¨nigreich Polen in der zweiten Ha¨lfte des 17. und im 18. Jahrhundert], Białystok 1990, S. 31f. Der Bedarf einer weiteren Verdichtung des Netzes von Handelszentren durch neue Marktzentren fu¨r die Landgu¨ter existierte in der Neuzeit fort, dazu hier zusammenfassende Anmerkungen auf S. 185. 307 Morawski, Ziemia (wie Anm. 307), S. 49f.; Adam Rutkowski, Kredyt zydowski ˙ na rynku lokalnym Warszawy w pierwszej połowie XV wieku [Ju¨dische Kredite auf dem lokalen Markt von Warschau in der ersten Ha¨lfte des 15. Jahrhunderts], in: Przeglad ˛ Historyczny 70 (1979), 2, S. 267–283; Marek Urbanski, ´ Niekto´re problemy ruchu kredytowego w ziemi sanockiej w XV w. [Einige Probleme des Kreditverkehrs in der Region Sanok im 15. Jahrhundert], in: Przeglad ˛ Historyczny 70 (1979), 4, S. 627–651; ders., Stosunki kredytowe w Polsce południowo-wschodniej (wojewo´dztwo ruskie) w XV oraz poczatkach ˛ XVI wieku [Die Kreditbeziehungen im su¨do¨stlichen Polen (Wojewodschaft Rus’) im 15. und zu Beginn des 16. Jahrhunderts], Warszawa 1982 (unpublizierte Doktorarbeit, in der Bibliothek des Historischen Instituts der Universita¨t Warschau); Urszula Łydkowska-Sowina, Ruch kredy´ sredniowiecznym Sieradzu – pozyczki ˙ ˙ [Der Kreditverkehr im spa¨tmittelaltertowy w po´zno´ pieni˛ezne ´ lichen Sieradz – Geldanleihen], in: Szkice z dziejo´w materialnego bytowania społeczenstwa polskiego, Wrocław 1989, S. 119–135 (dort weitere Literatur); Henryk Samsonowicz, Local Credits in Medieval Poland, in: Studia Historiae Oeconomicae 21 (1994), S. 51–57. 308 Der Forschungsstand hierzu ist nicht besonders fortgeschritten, vgl. Krzysztof Olendzki, Moralno´sc´ i kredyt. Kontrakt kupna-sprzeda˙zy w traktatach uczonych s´ rodkowoeuropejskich z przełomu XIV i XV wieku [Moral und Kredit. Der An- und Verkaufsvertrag in den Traktaten mitteleuropa¨ischer Gelehrter von der Wende des 14. zum 15. Jahrhundert], in: Roczniki Dziejo´w Społecznych i Gospodarczych 56–57 (1996–1997), S. 27–67; ders., Wizja male ablatum w zapisach czternasto- i pi˛etnastowiecznego ustawodawstwa synodalnego polskiej prowincji ko´scielnej [Die Idee des male ablatum in der aufgezeichneten Synodalgesetzgebung der polnischen Kirchenprovinz im 14. und 15. Jahrhundert], in: Roczniki dziejo´w społecznych i gopodarczych 63 (2003), S. 7–51; Marcin Bukała, Zagadnie¨ ko´ ´ nia ekonomiczne w nauczaniu wrocławskiej szkoły dominikanskiej w po´znym s´ redniowieczu [O nomische Fragen in der Lehre der Breslauer Dominikanerschule im Spa¨tmittelalter], Wrocław 2004. 309 Diese Situation spiegelte sich in der geringen Ho¨he der Abgaben an die pa¨pstliche Kurie wider, vgl. Stanisław Szczur, Annaty papieskie w Polsce w XIV wieku [Die pa¨pstlichen Annaten in Polen im 14. Jahrhundert], Krako´w 1998, S. 174f.; zuletzt ders., Skarbowo´sc´ papieska w Polsce w latach 1378–1431 [Das pa¨pstliche Finanzwesen in Polen in den Jahren 1378–1431], Krako´w 2008.
Fu¨rstenherrschaft, Geldwirtschaft und Landesausbau
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eher dazu, Ausgaben zu sparen.310 Die Teichwirtschaft entwickelte sich, Investitionen in diese erfreuten sich großen Interesses, und Fische geho¨rten zu den gefragten Waren. Der Absatzmarkt wurde jedoch vor allem durch die Nachbarschaft zu einer gro¨ßeren Stadt gesichert, und die Blu¨tezeit der Fischzucht fiel erst in das 16. Jahrhundert.311 Die Produktion von Glas brachte nach Einscha¨tzung von Spezialisten im Spa¨tmittelalter keine gro¨ßeren Einku¨nfte.312 Lediglich das Eisengewerbe nahm von außen betrachtet bedeutende Ausmaße an, aber die Preise fielen,313 und die Produktion war wahrscheinlich auf den Binnenkonsum ausgerichtet.314 Das deutsche Modell der Kolonisation entstand in den schwach entwickelten o¨stlichen Territorien des Reiches in einer fru¨hen Entwicklungsphase der Geldwirtschaft. Es erwuchs aus einer a¨hnlichen Denkweise wie die fru¨heren polnischen Ma¨rkte und war im 13. Jahrhundert schon nicht mehr besonders zeitgema¨ß, wenngleich gut an die Modernisierungsbedu¨rfnisse der peripheren La¨nder angepasst. Marktsiedlungen, Dreifelderwirtschaft, Brakteaten und renovatio monetae als Entwicklungsrezept veralteten schnell, insbesondere wenn sie nicht von anderen Unternehmungen begleitet wurden, die die handwerkliche Produktion fu¨r den Markt oder den Ausbau des eine Vermehrung des Geldumlaufs begu¨nstigenden Erzbergbaus forcierten. In den 310 Henryk Samsonowicz, Rzemiosło wiejskie w Polsce XIV–XVI w. [Das Dorfhandwerk in Polen im
14.–16. Jahrhundert], Warszawa 1954, S. 23–78; Wyrozumski, Tkactwo małopolskie (wie Anm. 282), S. 68f. Das Problem muss noch weiter erforscht werden. 311 Marek Urbanski, ´ Gospodarka rybna okolic Lwowa w drugiej połowie XV i w poczatkach ˛ XVI wieku [Die Fischereiwirtschaft in der Umgebung von Lemberg in der zweiten Ha¨lfte des 15. und zu Beginn des 16. Jahrhunderts], in: Kwartalnik Historii Kultury Materialnej 29 (1981), 2, S. 141–160; Chmielewski, Eksploatacja laso´w i wo´d [Wald- und Gewa¨ssernutzung], in Zarys (wie Anm. 16), S. 364–378, S. 371f.; Wojciech Szczygielski, Gospodarka stawowa [Teichwirtschaft], in: Zarys historii (wie Anm. 16), Bd. 2, S. 250–262, hier S. 250; ders., Gospodarka stawowa na ziemiach południowozachodniej Rzeczypospolitej w XVI–XVII wieku. Studium z dziejo´w post˛epu w dawnym gospodarstwie wiejskim [Die Teichwirtschaft in den su¨dwestlichen Regionen der Rzeczpospolita im 16.–17. Jahrhundert. Eine Studie zur Geschichte des Fortschritts in der alten Dorfwirtschaft], Ło´dz´ 1965. 312 Andrzej Wyrobisz, Szkło w Polsce od XIV do XVII w. [Glas in Polen vom 14.–17. Jahrhundert], Wrocław 1968, S. 98f.; ders., Wytwo´rczo´sc´ szklarska od połowy XII do połowy XVII wieku, [Die Glaserzeugung von der Mitte des 12. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts] in: Polskie szkło do połowy XIX wieku, hg. v. Zofia Kamienska, ´ Wrocław 21987, S. 48–62, hier 48f.; Jacek Laberschek, Huty szkła ´ XVI w. [Die Glashu¨tten in der Region Krakau vom 14. bis zum w ziemi krakowskiej od XIV do konca ´ Ende des 16. Jahrhunderts], in: Teki Krakowskie 12 (2000), S. 115–128; Dorota Bienias, Srodowisko geograficzne s´ redniowiecznych hut szkła w wojewo´dztwie kieleckim [Das geografische Umfeld der mittelalterlichen Glashu¨tten in der Wojewodschaft Kielce], in: Archeologia Historica Polona 6 (1997), S. 207–268. 313 Rolf Sprandel, Das Eisengewerbe im Mittelalter, Stuttgart 1968, S. 177f., 183f., 217f., 293, 312f.; ˙ Benedykt Zientara, Dzieje małopolskiego hutnictwa zelaznego XIV–XVII w. [Geschichte des klein´ polnischen Eisenhu¨ttenwesens im 14.–17. Jahrhundert], Warszawa 1954; Jacek Laberschek, Kuznice ˙ zelazne w ziemi krakowskiej w s´ redniowieczu [Die Eisenschmieden in der Region Krakau im Mittelalter], in: Teki Krakowskie 3 (1996), S. 97–115. In Polen gab es große Rasenerzvorkommen, und der Landesausbau wurde von ihrer sich entwickelnden Ausbeutung begleitet – darauf hat hingewiesen El˙zbieta ˙ Kowalczyk, Dzieje granicy mazowiecko-krzyzackiej (mi˛edzy Drw˛eca˛ a Pisa) ˛ [Geschichte des Grenzgebietes von Masowien und dem Ordensstaat (zwischen Drewenz und Pisa)], Warszawa 2003, S. 66f.; ˙ vgl. Tadeusz Ratajczak/Janusz Skoczylas, Polskie darniowe rudy zelaza [Das polnische Rasenerz], Krako´w 1999. 314 Szymczak, Produkcja (wie Anm. 302), S. 19f., betont die Notwendigkeit, hochwertige Rohstoffe aus Bo¨hmen, Ungarn und Schlesien zu importieren.
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Sta¨dten ordnete die Kontrolle der Handelseinrichtungen die Entwicklung des Handels den fiskalischen Bedu¨rfnissen der Herrschenden unter und engte deren wirtschaftliche Eigensta¨ndigkeit ein. Seit der Mitte des 13. Jahrhunderts gewa¨hrleistete das neue Magdeburger Stadtmodell wesentlich bessere Bedingungen und eine kommunale Autonomie, aber das alte Lokationsmodell, das auf der Organisierung kleiner Absatzma¨rkte beruhte und im Rahmen des Neumarkter Rechtes kodifiziert wurde, bewahrte eine erhebliche Vitalita¨t. Eine wichtige Vera¨nderung waren die Reformen, die das Geldsystem auf den Groschen stu¨tzten. Das Modell eines ganzheitlichen Landesausbaus behielt im 14. Jahrhundert weiterhin seine Gu¨ltigkeit. Im folgenden Jahrhundert war der Besitz einer eigenen Stadt oder eines Marktes (neben Burg und Pfarrkirche) ein begehrtes Element in der Organisation adliger Gu¨terkomplexe.315 Die mit der Dreifelderwirtschaft zusammenha¨ngende Bevorzugung des Getreideanbaus machte in Verbindung mit dem niedrigen Urbanisierungsgrad des Ko¨nigreichs Polen die Agrarproduktion weniger widerstandsfa¨hig gegen die Krise des Spa¨tmittelalters. Je spa¨ter es zu einer inneren Transformierung gema¨ß den Prinzipien der deutschen Kolonisation kam, desto weniger Chancen bot sie fu¨r eine intensivere Entwicklung der Geld- und Warenwirtschaft. Die Adaptierung des Magdeburger Rechts selbst fu¨r die kleinsten Lokationen von Ackerbu¨rgersta¨dten a¨nderte die Situation nicht. Im Westen suchte man damals einen Ausweg aus der Einku¨nftekrise der Landwirtschaft, indem man auf den Flurzwang verzichtete, von der reinen Getreideproduktion abging und auf Viehzucht, Obst- und Gemu¨seproduktion oder Rohstoffe fu¨r das verarbeitende Gewerbe setzte.316 In Polen o¨ffnete die verspa¨tete Anwendung des einfachen Modells der Getreideproduktion keine ausla¨ndischen Absatzma¨rkte und begu¨nstigte eine Evolution der Landwirtschaft in Richtung einer Gutswirtschaft auf Basis der ‚zweiten Leibeigenschaft‘. Es scheint kein Zufall zu sein, dass solche Tendenzen in der Neuzeit beinahe auf dem gesamten Gebiet der deutschen Kolonisation o¨stlich der Elbe aufkamen.
315 Wroniszewski, Szlachta (wie Anm. 214), S. 20f.; Dariusz Karczewski, Rozwo´j sieci miast klasz-
tornych w Polsce do połowy XVI wieku [Die Entwicklung des klo¨sterlichen Sta¨dtenetzes in Polen ˙ bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts], in: Klasztor w mie´scie s´ redniowiecznym i nowozytnym, hg. v. Marek Derwich/Anna Pobo´g-Lenartowicz, Wrocław-Opole 2000, S. 137–147; Janusz Kurtyka, ˙ ´ ´ T˛eczynscy. Studium z dziejo´w polskiej elity moznowładczej w s´ redniowieczu [Die Familie T˛eczynski. Eine Studie zur Geschichte der polnischen Herrschaftselite im Mittelalter], Krako´w 1997, S. 265f., ´ 425f.; ders., Latyfundium t˛eczynskie. Dobra i wła´sciciele (XIV–XVII wiek) [Die Latifundien der ´ Familie T˛eczynski. Die Gu¨ter und ihre Besitzer (14.–17. Jahrhundert)], Krako´w 1999; Anna Marciniak-Kajzer, Fundacje architektoniczne małopolskich Leliwito´w [Die architektonischen Stiftungen der kleinpolnischen Leliwiten], Ło´dz´ 2001; fu¨r eine spa¨tere Zeit Andrzej Wyrobisz, Rola miast prywatnych w Polsce w XVI i XVII wieku [Die Rolle der Privatsta¨dte in Polen im 16. und 17. Jahrhundert], in: Przeglad ˛ Historyczny 65 (1974), 1, S. 19–46; Kazimierz Ku´snierz, Miejskie o´srodki gospodarcze wielkich latyfundio´w południowej Polski w XVI oraz XVII wieku [Die sta¨dtischen Wirtschaftszentren der großen Latifundien im su¨dlichen Polen im 16. und 17. Jahrhundert], Krako´w 1989; Szczygieł, Lokacje (wie Anm. 296), S. 89f. 316 Deutsche Wirtschaftsgeschichte (wie Anm. 67), S. 44f.; Hermann Kellenbenz, Die Wiege der Moderne. Wirtschaft und Gesellschaft Europas 1350–1650, Stuttgart 1991, S. 184f.
DIE LOKATIONSWENDE IN DER GESCHICHTE ¨ DTE MITTELEUROPA¨ ISCHER STA von Sławomir Gawlas*
Die mit der Umgestaltung des mitteleuropa¨ischen Sta¨dtenetzes zusammenha¨ngenden Vera¨nderungen nach von der deutschen Kolonisation eingefu¨hrten Prinzipien werden in der polnischen Forschungsliteratur ha¨ufig mit dem Begriff der Lokationswende benannt.1 Eine Analyse des Charakters und der Bedeutung dieser Wende ¨ bernahme des Modells der deutschrechtlichen Stadt muss das Ausmaß der mit der U zusammenha¨ngenden Vera¨nderungen ebenso beru¨cksichtigen, wie die gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen, die u¨ber Reichweite und Art dieser Adaptierung entschieden. Das Modell selbst war nicht homogen, es entwickelte sich weiter, und erst um die Mitte des 13. Jahrhunderts kam es zur Ausformung eines vollsta¨ndigen Programms fu¨r die Lokation einer kommunalen Stadt. Es erhebt sich also die Frage, inwieweit es lediglich zu einer Rezeption bereits existierender Vorbilder kam, und inwieweit lokale Bedingungen und Bedu¨rfnisse vor Ort – vor allem die Interessen der jeweiligen Herrscher und anderer Territorialherren – die Gestalt der Lokationssta¨dte beeinflusst haben. Die Art und Weise, wie diese Probleme beim gegenwa¨rtigen Diskussionsstand aufgefasst werden, spiegelt die Bezeichnung „Lokationsschwelle“ wider, die die bahnbrechende Bedeutung der deutschen Kolonisation fu¨r die Geschichte der Sta¨dte in Mitteleuropa betont.2 Diese Situation ist das Resultat einer langwa¨hrenden, sehr ausfu¨hrlichen und teilweise noch nicht abgeschlosse¨ brigen nen Auseinandersetzung mit der deutschen Forschung. Letztere erfu¨llt im U * Um Duplizierungen gegenu¨ber dem Aufsatz „Fu¨rstenherrschaft, Geldwirtschaft und Landesausbau“
¨ bersetzung des Aufsatzes „Przełom lokacyjny w dziejach miast geku¨rzte, teilweise aktualisierte U s´ rodkowoeuropejskich“ (aus: Civitas Posnaniensis. Studia z dziejo´w s´ redniowiecznego Poznania, hg. ¨ bersetzung von Heidemarie Peterv. Zofia Kurnatowska/Tomasz Jurek, Poznan´ 2005, S. 133–162); U sen. 1 Benedykt Zientara, Przełom w rozwoju miast s´ rodkowoeuropejskich w pierwszej połowie XIII wieku [Der Durchbruch in der Entwicklung der ostmitteleuropa¨ischen Sta¨dte in der ersten Ha¨lfte des 13. Jahrhunderts], in: Przeglad ˛ Historyczny 67 (1976), S. 219–243, hier S. 219. 2 Ebd., S. 230: „Die sogenannte ‚Lokationsschwelle‘ – die Einfu¨hrung deutschen Rechtes, die Regulierung des Stadtraumes und seine Umschließung durch eine Mauer, die sta¨dtische Selbstverwaltung – ist ein revolutiona¨rer Sprung, der die polnischen Sta¨dte in ihrer Entwicklung nicht bloß mindestens zwei Schritte nach vorne bringt, sondern diese Entwicklung auf ein anderes Gleis stellt“; vgl. z. B. Jan M. ´ Piskorski, Miasta ksi˛estwa szczecinskiego do połowy XIV wieku [Die Sta¨dte des Herzogtums Stettin bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts], Poznan´ 1987, S. 13, 18, 85f., 221.
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auch die Rolle eines wichtigen Vermittlers im Wissensaustausch u¨ber entsprechende Pha¨nomene in anderen La¨ndern Mitteleuropas. Das nach dem Zweiten Weltkrieg in der Polemik gegen die These von einer kolonialen Genese der Sta¨dte entwickelte Konzept von Sta¨dten zu polnischem Recht hat – wie bekannt – Karol Buczek mit der 1964 publizierten Monografie „Ma¨rkte und Sta¨dte zu polnischem Recht“ zum Einsturz gebracht.3 Er hat den Charakter der fru¨hsta¨dtischen Zentren auf seine tatsa¨chlichen Dimensionen zuru¨ckgefu¨hrt und gezeigt, dass sie keine eigensta¨ndigen Institutionen hervorgebracht und ihre Bewohner der Kastellangerichtsbarkeit unterstanden haben. Ma¨rkte zu polnischem Recht waren keine eigensta¨ndigen Siedlungen, sondern Rechtsinstitutionen. Im Zusammenhang damit galt das Marktrecht – das ius fori, eine Jurisdiktion spezialisierter Richter sowie die Rechte von Mu¨nzmeistern und Zolleintreibern – nur an den Markttagen fu¨r den jeweiligen Ort des Handels.4 Vierzig Jahre nach seinem Erscheinen muss man Buczeks Buch ru¨ckblickend als herausragend bewerten; die in ihm enthaltenen scharfsinnigen Beobachtungen werden heute allgemein anerkannt.5 Dennoch ist zu erga¨nzen, dass sich die Kraft und Kompromisslosigkeit von Buczeks analytischen Schlussfolgerungen auf eine gesamtheitliche Sicht der fu¨rstenrechtlichen Verfassung stu¨tzen, deren Pra¨missen angreifbar sind.6 Buczek konzentriert sich darauf, nach Unterschieden zwischen den Institutionen des polnischen und des deutschen Rechts zu suchen. Die Verleihung des Letzteren habe bedeutet, dass Rechtsimmunita¨t erteilt sowie „ein einheitlicher Rechtsraum geschaffen wurde, dank dessen sich Markt (forum) und Marktsiedlung (locus forensis) zu einer villa oder civitas forensis genannten Einheit verbanden“. La¨ngere Zeit hindurch ha¨tten Ma¨rkte zu polnischem Recht mit o¨konomischer und in Ausnahmefa¨llen auch gerichtlicher Immunita¨t neben Ma¨rkten zu deutschem Recht existiert. „Letztere waren, wo es um ihre Organisation geht, den polnischen sehr a¨hnlich, denn sie gingen unmittelbar aus ihnen hervor und u¨bernah-
3 Karol Buczek, Targi i miasta na prawie polskim (okres wczesno´sredniowieczny) [Ma¨rkte und Sta¨dte
zu polnischem Recht (Fru¨hmittelalter)], Krako´w 1964.
4 Ebd., S. 36–68; Karol Buczek, Z problematyki osiedli wczesnomiejskich w Polsce [Zur Problematik
der fru¨hmittelalterlichen Siedlungen in Polen], in: Studia Historyczne 19 (1976), S. 325–333.
5 Zientara, Przełom (wie Anm. 1), S. 231; ders., Przemiany społeczno-gospodarcze i przestrzenne
miast w dobie lokacji [Der sozioo¨konomische und ra¨umliche Wandel der Sta¨dte in der Lokationszeit], in: Miasta doby feudalnej w Europie s´ rodkowo- wschodniej. Przemiany społeczne a układy przestrzenne, hg. v. Aleksander Gieysztor/Tadeusz Rosłanowski, Warszawa 1976, S. 67–97, hier S. 72f., 81f.; Karol Modzelewski, Organizacja grodowa u progu epoki lokacji [Die Burgorganisation an der Schwelle zur Lokationsepoche], in: Kwartalnik Historii Kultury Materialnej 28 (1980), S. 329–339, hier S. 333; Piskorski, Miasta (wie Anm. 2), S. 33f.; Marta Młynarska-Kaletynowa, Die Bedeutung von Pla¨tzen/Ma¨rkten im Stadtbildungsprozeß bei den Westslawen, in: Burg – Burgstadt – Stadt. Zur Genese mittelalterlicher nichtagrarischer Zentren in Ostmitteleuropa, hg. v. Hansju¨rgen Brachmann, Berlin 1995, S. 51–59; Andrzej W˛edzki, Die polnische media¨vistische Forschung zu Fragen der Genese und Entwicklung der Stadtformen in der Vorlokationszeit (eine Forschungsbilanz), in: ebd., S. 27–35, hier S. 32f. 6 Sławomir Gawlas, O kształt zjednoczonego kro´lestwa. Niemieckie władztwo terytorialne a geneza ¨ ber die Form des vereinigten Ko¨nigreiches. Deutsche Terspołeczno-ustrojowej odr˛ebno´sci Polski [U ritorialherrschaft und die Genese der sozialen und verfassungsma¨ßigen Eigenart Polens], Warszawa 22000, S. 65f.
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men die Mehrheit ihrer Einrichtungen inklusive einer Marktabgabe (forale, teloneum forense).“7 Solche Formulierungen geben den Charakter der a¨ltesten deutschen Lokationen ada¨quat wieder, aber der Autor hat die Fragestellung nicht weiter vertieft, auch wenn er seine Argumente vor allem aus den Quellen der Lokationszeit bezog. Im Zusammenhang damit muss man wahrscheinlich die Zahl der Quellenbelege fu¨r so genannte polnischrechtliche Sta¨dte weiter reduzieren, insbesondere, da ein besonders wichtiges Beispiel, wie die auf Wunsch Konrads von Masowien erteilte Urkunde des Bischofs Piotr fu¨r Płock aus dem Jahr 1237,8 ohne Zweifel die Lokation einer deutschen Stadt betraf.9 Die lang andauernden Schwierigkeiten mit der Realisierung jenes Lokationsvorhabens verweisen zugleich auf die mit der Transformation solch großer Zentren einhergehenden Probleme bei der Enteignung kirchlichen Eigentums.10 Buczeks Kritik zielte generell auf eine evolutiona¨re Auffassung des Urbanisierungsprozesses und betonte die bahnbrechende Bedeutung der Rezeption von Vorbildern der Kolonisation. Doch begu¨nstigte sie, dass die Entwicklung des deutschrechtlichen Lokationsmodells selbst unterscha¨tzt wurde. Letzteres Problem ist in den Materialien eines speziellen Kolloquiums auf dem 11. Polnischen Historikertag in Thorn im Jahr 1974 substantiell beleuchtet worden. Fast 30 Jahre danach wird sichtbar, dass damals insbesondere im Referat von Benedykt Zientara ein Versta¨ndnis der Urbanisierungsprozesse erarbeitet wurde, das bis heute aktuell ist. In seiner Analyse der Vera¨nderungen der Lokationsepoche hat er den dynamischen Charakter dieser Prozesse erkannt und betont, dass „im Moment der einsetzenden Rezeption deutschen Rechtes in Polen dieses Recht noch kein geschlossenes System darstellte, welches im Ganzen ha¨tte u¨bernommen werden ko¨nnen“.11 Der Terminus der „Lokation“ selbst sei aus Quellen u¨bernommen worden, in denen er die Gru¨ndung einer Siedlung, eine Transformation der Raumordnung einer schon bestehenden Siedlung oder auch einen Rechtsakt bezeichnen konnte, mit dem deren Bewohner unter
7 Buczek, Targi (wie Anm. 3), S. 56f. 8 Beste Edition in: Zbio´r dokumento´w i listo´w miasta Płocka [Sammlung der Urkunden und Briefe der
Stadt Płock], hg. v. Stella M. Szacherska, Bd. I, Warszawa 1975, Nr. 9, S. 14–17; Buczek, Targi (wie Anm. 3), S. 52, 94f., 108f.; ders., Sprawa lokacji miasta Płocka [Die Frage der Lokation der Stadt Płock], in: Kwartalnik Historyczny 74 (1967), S. 1013–1026. 9 Dies hat in einer u¨berzeugenden und eingehenden Analyse nachgewiesen Stella M. Szacherska, Płock – civitas vetus czy civitas cathedralis? [Płock – civitas vetus oder civitas cathedralis?], in: Społe´ czenstwo Polski s´ redniowiecznej 5 (1992), S. 175–188; unabha¨ngig davon hat Marian Dygo, „Hospites eciam eo iure fruantur, quo et milites Mazouienses“. W sprawie lokacji Płocka w 1237 roku [Zur Frage der Lokation von Płock im Jahr 1237], in: Kwartalnik Historyczny 100 (1993), 3, S. 3–17, gezeigt, dass mit der Gewa¨hrung des Ritterrechtes fu¨r die „Ga¨ste“ (hospites) lediglich die Ho¨he des Wergeldes in ¨ bereinstimmung mit Magdeburger und Kulmer Recht festgelegt wurde. Sie war also „eine GarantieU rung desselben Rechtsstatus’, den sie in Deutschland, im sich konstituierenden Ordensstaat in Preußen und ho¨chstwahrscheinlich auch in den Gebieten Polens, die bereits von der sta¨dtischen Kolonisation zu deutschem Recht erfasst worden waren, erlangt hatten“ – ebd., S. 9. 10 Den hartna¨ckigen Widerstand der bischo¨flichen Stadt, die erst in Zusammenhang mit dem 1353 begonnenen Bau der Stadtmauern durch Kasimir den Großen fiel, hat Szacherska, Płock (wie Anm. 9), S. 183f., gezeigt. 11 Zientara, Przemiany (wie Anm. 5), S. 67–111, das Zitat S. 74.
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deutschrechtliche Jurisdiktion gestellt wurden.12 Ein solcher Umbau verlief in mehreren Phasen. In der ersten wurde Kolonien fremder Kaufleute (hospites) unter der Hoheit eines eigenen Schultheißen Rechtsautonomie erteilt. In der zweiten Phase folgte die ra¨umliche Lokation, durch die die gesamte unter deutschrechtlicher Jurisdiktion stehende Bevo¨lkerung zusammengefasst wurde.13 Zientara betont, dass die Grenze zwischen Stadt und Dorf anfangs fließend gewesen sei. Dies habe in der Terminologie der Quellen seinen Niederschlag gefunden: „In den ersten schlesischen Lokationsurkunden taucht statt civitas oder oppidum der Begriff villa forensis oder schlicht forum zur Bezeichnung einer Lokationssiedlung sta¨dtischen Charakters zu deutschem Recht auf.“ Nur zo¨gerlich ha¨tten die Herrscher den Bu¨rgern eigene Freiheiten erteilt. Eine Stadt habe auch nach ihrer Lokation noch pra¨kommunalen Charakter besessen14 und erst nach der Mitte des 13. Jahrhunderts ausgebildete Selbstverwaltungsinstitutionen erhalten.15 Wesentliche Erga¨nzungen lieferte auch der Artikel von Tadeusz Lalik, der die Unterschiede in Funktion und Genese zwischen großen, mit dem Großhandel und der Produktion fu¨r den Export verbundenen und dem Netz kleiner, einen lokalen Markt bedienender Sta¨dte betonte. Letztere seien zwar aus einem Netz von Ma¨rkten hervorgegangen, aber in ihrer Mehrzahl erst in der Lokationsepoche entstanden und seien „eines der Elemente zur Schaffung großer dominialer Besitzungen“ gewesen.16 Die Unterschiede ha¨tten bereits die Schreiber der Urkunden erkannt. „Eine solche, in den Quellen ha¨ufig villa fori oder villa forensis genannte Siedlung, konnte im Kontext einer erst geringen Urbanisierung zum Ausgangspunkt einer kleinen Stadt werden. Und auch eine kleine Stadt konnte auf der Grundlage eines Lokationsprivilegs den Status einer zu deutschem Recht konstituierten Gemeinde erlangen.“17 Die oben angefu¨hrte Auffassung der Lokationswende hat Henryk Samsonowicz in seiner Synthese zur Geschichte der polnischen Sta¨dte u¨bernommen.18 Nicht igno¨ berpru¨fung dieses Problems durch Jan M. riert werden darf auch die umfassende U Piskorski anhand des Materials der Sta¨dte im Herzogtum Stettin.19 Er tendiert dazu, die Tragweite der mit der Lokationsschwelle einhergehenden Vera¨nderungen hervorzuheben, die im verspa¨teten Einsetzen des Vorgang selbst und in den Spezifika ¨ berlegungen schließt sich, der Region begru¨ndet sei. Der Autor der vorliegenden U
12 Ebd., S. 78f.; der Autor knu¨pft dort an die Analyse von Richard Koebner, Locatio. Zur Begriffsspra-
che und Geschichte der deutschen Kolonisation, in: Zeitschrift des Vereins fu¨r Geschichte Schlesiens 63 (1929), S. 1–32, an. 13 Zientara, Przemiany (wie Anm. 5), S. 82f. 14 Ebd., S. 80f. 15 Dieses Problem skizziert bei Benedykt Zientara, Das deutsche Recht (ius Teutonicum) und die Anfa¨nge der sta¨dtischen Autonomie, in: Hansische Studien 6 (1979), S. 94–100; Gawlas, O kszałt (wie Anm. 6), S. 38, dort weitere Literatur. 16 Tadeusz Lalik, Geneza sieci miasteczek w Polsce s´ redniowiecznej [Die Genese des Netzes von Kleinsta¨dten im mittelalterlichen Polen], in: Miasta doby feudalnej (wie Anm. 5), S. 113–136, das Zitat S. 136. 17 Ebd., S. 130. 18 Maria Bogucka/Henryk Samsonowicz, Dzieje miast i mieszczanstwa ´ w Polsce przedrozbiorowej [Geschichte der Sta¨dte und des Stadtbu¨rgertums im Polen der Vorteilungszeit], Wrocław 1986, S. 45f. 19 Piskorski, Miasta (wie Anm. 2), S. 38f., bes. S. 79f.
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gestu¨tzt auf umfangreiches Vergleichsmaterial, dem Standpunkt von Benedykt Zientara an. Er hat bereits an anderer Stelle die schrittweise Entwicklung eines vollsta¨ndigen deutschrechtlichen Lokationsmodells betont und auf die relativ spa¨te Entstehung des Prinzips einer schachbrettartigen Gestaltung des Stadtraumes hingewiesen. Das Verleihungsdatum eines Privilegs kann lediglich der Orientierung dienen, da die Gru¨ndung einer neuen Stadt ein la¨ngerer Prozess war, der zwischen einigen Jahren und einigen Jahrzehnten dauern konnte.20 Die hier angefu¨hrten, das Wissen u¨ber die Vera¨nderungen der Lokationsprinzipien synthetisierenden Beobachtungen sind in der Regionalforschung und in Studien zu einzelnen Zentren nur teilweise rezipiert worden. Dabei u¨berwiegen eklektische Ansa¨tze und die Tendenz, die Befunde der a¨lteren und neueren Literatur einfach zusammenzufassen.21 Lakonische Quellenzeugnisse werden nach einem stereotypen Schema erga¨nzt, das die schlichte Frage der Datierung einer Lokation in den Vordergrund ru¨ckt, die als Anfang einer Stadt behandelt wird, ohne sich in deren Charakteristika zu vertiefen. Dies ist besonders gefa¨hrlich fu¨r die erste Ha¨lfte des 13. Jahrhunderts, als ein Modell fu¨r die Transformationen gerade erst entstand. Dies macht ¨ berlieferungen schwierig und verringert die Glaubwu¨rdigeine Interpretation der U keit der Befunde. In dieser Situation spielen die Forschungen zu einigen großen Zentren eine Schlu¨sselrolle, wo die Anwendung vergleichender Methoden, die relative Datenfu¨lle sowie das Zusammenwirken vieler wissenschaftlicher Disziplinen mit der Archa¨ologie an der Spitze es erlauben, tiefer in die Pha¨nomene einzudringen. Besonders bedeutende Resultate haben die Forschungen zu Breslau erbracht.22 Die erwa¨hnten Unklarheiten im Versta¨ndnis der Lokationsschwelle sind nicht ohne Einfluss auf die historisch-sta¨dtebaulichen Analysen der regelma¨ßigen Grundrisse der Kolonisationssta¨dte geblieben. Sie haben sich zu einer eigenen Forschungsrichtung entwickelt,23 die eine gewisse Autonomisierung der eigenen Ergebnisse
20 Gawlas, O kształt (wie Anm. 6), S. 26f.; ders., Ulica a zmiany krajobrazu miejskiego w okresie lokacji
[Die Straße und die Vera¨nderung der Sta¨dtelandschaft in der Lokationszeit], in: Kwartalnik Historii Kultury Materialnej 47 (1999), S. 3–25. 21 Dies la¨sst sich beobachten bei dem ansonsten interessanten und nu¨tzlichen Buch von Zbyszko Go´rczak, Najstarsze lokacje miejskie w Wielkopolsce (do 1314 r.) [Die a¨ltesten Stadtlokationen in Großpolen (bis 1314)], Poznan´ 2002; vgl. die Rezension von Tomasz Jurek in: Roczniki dziejo´w społecznych i gospodarczych 62 (2002), S. 248–252, und die folgende Polemik ebd., 63 (2003), S. 212–220. Wenn man sich nur auf die ju¨ngsten Beispiele beschra¨nkt, kann man z. B. sehen, dass Zdzisław Zarzycki, Targ i osada targowa w okresie lokacyjnym. Przykład Koprzywnicy [Markt und Marktsiedlung in der Lokationszeit. Das Beispiel Koprzywnica], in: Studia Historyczne 44 (2001), S. 367–384, die Entwicklung des Lokationsmodells nicht beru¨cksichtigt. 22 Cezary Bu´sko u. a., Historia Wrocławia, Bd. I, Wrocław 2001; Marta Młynarska-Kaletynowa, Wrocław w XII–XIII wieku. Przemiany społeczne i gospodarcze [Breslau im 12.–13. Jahrhundert. Gesellschaftliche und wirtschaftliche Vera¨nderungen], Wrocław 1986; dies., Przemiany przestrzenne Wrocławia w wiekach XII–XIII [Die ra¨umlichen Vera¨nderungen Breslaus im 12.–13. Jahrhundert], in: Architektura Wrocławia. Bd. 2: Urbanistyka, hg. v. Jerzy Rozpedowski, ˛ Wrocław 1995, S. 9–26. 23 Teresa Zarebska, ˛ Badania historyczno-urbanistyczne metoda˛ analiz przestrzennych [Historischurbanistische Untersuchungen mit Hilfe von Raumanalysen], in: Kwartalnik Historii Kultury Materialnej 48 (1995), S. 15–24.
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befo¨rdert24 und die Tendenz verfestigt hat, ein hypothetisches Lokationsdatum mit dem existierenden Grundriss einer Stadt in eins zu setzen. Ein besonders krasser Ausdruck dieser Tendenz ist die wiederholte Bezugnahme auf ein vermeintliches Raumprogramm in Trebnitz, die sich auf eine Urkunde aus dem Jahr 1224 stu¨tzt,25 die in Wirklichkeit eine wesentlich spa¨tere Fa¨lschung ist. Daran hat Buczek gleich im ersten Absatz seines Buches erinnert.26 Die bedeutsamste Leistung solcher Vermessungsanalysen stellen die eingehenden Forschungen von Jan Pudełko zur Gro¨ße der Grundstu¨cksparzellen schlesischer Lokationssta¨dte und der modularen Grundlagen ihrer gesamten Raumordnung dar.27 Das Problem der Parzellen wird weiterhin intensiv erforscht.28 Wesentliche Informationen u¨ber die Art ihrer Nutzung und deren Wandel liefern Forschungen zum sta¨dtischen Hausbau.29 Nicht ignoriert werden du¨rfen auch die Konferenzen der Kommission fu¨r Stadtgeschichte beim Komitee der Historischen Wissenschaften der Polnischen Akademie der Wissenschaften (Komisja Historii Miast przy Komitecie Nauk Historycznych PAN).30 Als Zusammenfassung der Ergebnisse und Erkenntnismo¨glichkeiten historisch-sta¨dtebaulicher 24 Dies hat zu solchen Absurdita¨ten gefu¨hrt wie der, in der regelma¨ßigen Anlage den fru¨hesten Grundriss
einer Stadt sehen zu wollen, z. B. Tadeusz Kozaczewski, Głogo´w – miasto s´ redniowieczne [Glogau – die mittelalterliche Stadt], in: Kwartalnik Architektury i Urbanistyki 18 (1973), 1, S. 3–33, hier S. 32: „Glogau ist ein hervorragendes Beispiel fu¨r die Verbindung einer neuen sta¨dtischen Raumkonzeption mit dem einheimischen Recht“; ders., Przej´scie od miasta wczesno´sredniowiecznego do miasta ´ aski ¨ bergang von der fru¨hmittelalterlichen zur mittelalterlichen Stadt], in: Sl ˛ s´ redniowiecznego [Der U Kwartalnik Historyczny Sobo´tka 44 (1989), S. 511–524. 25 Zuletzt Mieczysław Ksia˛zek, ˙ ´ XV Zarys zabudowy miast s´ redniowiecznych w Polsce do konca wieku [Das Bebauungsprofil der mittelalterlichen Sta¨dte in Polen bis zum Ende des 15. Jahrhunderts], Krako´w 21994, S. 58ff.; Franciszek Bujak, Studia nad osadnictwem Małopolski [Studien zur Besiedlung Kleinpolens] Krako´w 1905, S. 225; Kazimierz Dziewonski, ´ Geografia Trzebnicy i ujazdu trzebnickiego w okresie wczesno´sredniowiecznym [Die Geographie von Trebnitz und Ujest-Trebnitz im Fru¨hmittelalter], in: Studia Wczesno´sredniowieczne 1 (1952), S. 25–34. 26 Buczek, Targi (wie Anm. 3), S. 5. 27 Insbesondere Janusz Pudełko, Pro´ba pomiarowej metody badania plano´w niekto´rych miast s´ redniowiecznych [Versuch einer vermessungsmethodischen Untersuchung der Grundrisse einiger mittelalterlicher Sta¨dte], in: Kwartalnik Architektury i Urbanistyki 9 (1964), 1, S. 3–26; ders., Działka lokacyjna w strukturze przestrzennej s´ redniowiecznych miast s´ laskich ˛ XIII wieku [Die Lokationsparzelle in der Raumstruktur schlesischer mittelalterlicher Sta¨dte des 13. Jahrhunderts], in: ebd., 2, S. 115–137; ders., Zagadnienie wielko´sci powierzchni s´ redniowiecznych miast s´ laskich ˛ [Das Problem der Fla¨chengro¨ße mittelalterlicher schlesischer Sta¨dte], Wrocław 1967. 28 Vgl. die Konferenzmaterialien: Sredniowieczna ´ ´ asku działka miejska na Sl ˛ [Die mittelalterliche Stadtparzelle in Schlesien], in: Kwartalnik Historii Kultury Materialnej 43 (1995), 3 sowie 44 (1996), 1; Winfried Schich, Zur Gro¨ße der Area in den Gru¨ndungssta¨dten im o¨stlichen Mitteleuropa nach den Aussagen der schriftlichen Quellen, in: Vera Lex Historiae. Studien zu mittelalterlichen Quellen. Festschrift fu¨r Dietrich Kurze zu seinem 65. Geburtstag am 1. Januar 1993, Ko¨ln 1993, S. 81–115; methodisch weiterhin vorbildlich die Arbeit von Anna Rogalanka, O układzie i wielko´sci parcel w s´ rednio¨ ber Form und Gro¨ße der Parzellen im mittelwiecznym Poznaniu (pro´ba rozpoznania problemu) [U alterlichen Posen], in: Poczatki ˛ i rozwo´j Starego Miasta w Poznaniu w s´ wietle badan´ archeologicznych i urbanistyczno-architektonicznych, hg. v. Włodzimierz Błaszczyk, Warszawa/Poznan´ 1977, S. 323–376. 29 Zuletzt Jerzy Piekalski, Wczesne domy mieszczan w Europie Srodkowej. ´ Geneza – Funkcja – Forma [Fru¨he Bu¨rgerha¨user in Mitteleuropa. Genese – Funktion – Form], Wrocław 2004 (dort weitere Literatur). 30 Darunter: Funkcje i formy placo´w miejskich w s´ redniowiecznej Polsce [Funktionen und Formen der Stadtpla¨tze im mittelalterlichen Polen], in: Kwartalnik Historii Kultury Materialnej 40 (1992),
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Forschungen ist das neueste Buch von Bogusław Krasnowolski u¨ber die strukturellen Wandlungen kleinpolnischer Lokationssta¨dte anzusehen.31 Diese Arbeit beru¨cksichtigt 64 Zentren (darunter einige in der Region Sandomir und in Schlesien), also hauptsa¨chlich das Sta¨dtenetz der Region Krakau, und bringt das Wissen u¨ber diese Fragen in ganz wesentlicher Weise voran. Bei aller Wertscha¨tzung fu¨r den Autor kann man sich dennoch manchmal nicht des Eindrucks erwehren, dass bei ihm weiterhin eine gewisse Unsicherheit in der Begru¨ndung der Datierung verschiedener Siedlungs¨ brigen mit dem Wissensstand und dem Fehlen von schichten besteht. Dies ha¨ngt im U ¨ ndeausreichend aufgearbeitetem Vergleichsmaterial zusammen. Eine wesentliche A rung werden hier die Arbeiten am Historischen Atlas der Polnischen Sta¨dte bringen, die in Thorn und Breslau durchgefu¨hrt werden.32 In den letzten Jahren werden die Forschungen der Historiker zunehmend durch die Resultate archa¨ologischer Ausgrabungen unterstu¨tzt und in gewissem Maße sogar besta¨tigt. Sie bieten die Mo¨glichkeit, Angaben schriftlicher Quellen zu verifizieren und zu erga¨nzen. Der aktuelle Forschungsstand, wie er sich in hunderten von Bu¨chern und Artikeln darstellt, wird zu einem gewissen Grad in den neuesten Arbeiten von Jerzy Piekalski und Marian R˛ebkowski geordnet und systematisiert. Die erste davon (erschienen 1999) entha¨lt (anhand ausgewa¨hlter Beispiele aus dem Gebiet zwischen Rhein und Weichsel) eine Analyse des topographischen Strukturwandels großer Sta¨dte von der Spa¨tantike bis zur kommunalen Stadt.33 Die weitgefasste Perspektive dokumentiert Pha¨nomene der Siedlungskontinuita¨t und die weite Verbreitung polyzentrischer Strukturen auf bessere Weise und zeigt, dass viele Entwicklungsvarianten hin zur kommunalen Stadt existieren, wobei „sich von West nach Ost eine Tendenz zu immer gro¨ßerer Regelma¨ßigkeit entwickelte und ihren Kulminationspunkt in der Mitte des 13. Jahrhunderts erreichte.“34 Der andere Autor beschra¨nkt sich (2001) auf das Fu¨rstentum Pommern35 und stellt den Charakter
S. 3; Ulica jako przestrzen´ społeczno-kulturowa w miastach polskich [Die Straße als sozio-kultureller Raum in den polnischen Sta¨dten], in: Kwartalnik Historii Kultury Materialnej 47 (1999), S. 1–2; ´ Sredniowieczna działka (wie Anm. 28). 31 Bogusław Krasnowolski, Lokacyjne układy urbanistyczne na obszarze ziemi krakowskiej w XIII– XIV wieku, Bd. 1: Miasta ziemi krakowskiej, chronologia proceso´w osadniczych i typologia układo´w urbanistycznych; Bd. 2: Katalog lokacyjnych układo´w urbanistycznych [Sta¨dtebauliche Anlagen der Lokationszeit in der Region Krakau im 13. und 14. Jahrhundert, Bd. 1: Die Sta¨dte der Region Krakau – Chronologie der Siedlungsprozesse und Typologie der sta¨dtebaulichen Anlagen; Bd. 2 : Katalog der sta¨dtebaulichen Anlagen], Krako´w 2004. Der Autor hat hierfu¨r unpublizierte, historisch-sta¨dtebauliche Studien der Werksta¨tten der Denkmalpflege (Pracownie Konserwacji Zabytko´w) genutzt. 32 Atlas historyczny miast polskich, Bd. 1: Prusy Kro´lewskie i Warmia [Historischer Atlas polnischer Sta¨dte, Bd. 1: Das ko¨nigliche Preußen und Ermland], H. 1–5, Torun´ 1993–2003 (Elbing, Thorn, Kulm, Graudenz, Marienburg); Bd. 2: Kujawy [Kujawien], H. 1, Torun´ 1997 (Bromberg); Bd. 3: Mazury ´ ask [Masuren], H. 1 (Lo¨tzen); Bd. 4: Sl ˛ [Schlesien], H. 1–4, Wrocław 2001–2003 (Breslau, Schlesisch Neumarkt, Trebnitz, Nimptsch); vgl. Roman Czaja, Atlas historyczny miast europejskich [Historischer Atlas europa¨ischer Sta¨dte], in: Kwartalnik Historii Kultury Materialnej 40 (1992), S. 399–405. 33 Jerzy Piekalski, Von Ko¨ln nach Krakau. Der topographische Wandel fru¨her Sta¨dte, Bonn 2001. 34 Ebd., S. 246–247. 35 Marian Rebkowski, ˛ Pierwsze lokacje miast w ksi˛estwie zachodniopomorskim. Przemiany przestrzenne i kulturowe [Die ersten Stadtlokationen im Fu¨rstentum Pommern. Sozialer und kultureller Wandel], Kołobrzeg 2001.
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der die fru¨hen Lokationen begleitenden ra¨umlichen Vera¨nderungen und die Tragweite verschiedener Aspekte des mit dem Kolonistenzustrom verbundenen kulturellen Umbruchs dar. Die Fokussierung der Aufmerksamkeit in beiden Arbeiten auf die großen Zentren verflacht jedoch etwas das Bild der Lokationswende. Anknu¨pfend an diese notwendigerweise sehr knappe Charakterisierung des gegenwa¨rtigen Forschungsstandes la¨sst sich der Schluss ziehen, dass ein recht ansehnliches Wissen u¨ber jene Prozesse angesammelt worden ist, die zusammen genommen die Lokationswende ergaben, wobei weiterhin gewisse Unsicherheiten bezu¨glich ihres Versta¨ndnisses und verschiedener mit ihr zusammenha¨ngender Pha¨nomene bestehen. Dabei muss unterstrichen werden, dass die Detailstudien in ungenu¨gender Weise an die aktuellen Ansa¨tze zum Versta¨ndnis des Gesamtproblems anknu¨pfen. Der Umbau des Sta¨dtenetzes in Polen und Mitteleuropa war nur ein kleiner Teil¨ berall wurde aspekt eines großen Prozesses von gesamteuropa¨ischer Reichweite.36 U die evolutiona¨re Entwicklung alter sta¨dtischer Zentren von der Bildung neuer urbaner Schwerpunkte begleitet. Tadeusz Rosłanowski hat vor einigen Jahrzehnten das o¨stliche Mitteleuropa mit den Lokationen in England, Wales und der Gascogne verglichen37 und „an beiden Flanken des mittelalterlichen Europa [...] eine u¨berraschende Synchronie beider Pha¨nomene“ erkannt. Trotz versta¨ndlicher Unterschiede (im Westen waren die neuen Sta¨dte in der Regel nachgeordnete Zentren) existierten viele Parallelen in den gefundenen Lo¨sungen. Unter den Unterschieden fa¨llt, „gemessen an uns oder unseren Nachbarn, speziell in England ein frappierender Mangel an Marktpla¨tzen“ auf.38 Tatsa¨chlich ließen sich die Parallelen zwischen bastides oder burgi novi sowie villae forenses und Lokationssta¨dten vervielfachen – insbesondere hinsichtlich ihres Status und ihrer Funktion.39 Eine na¨here Betrachtung des zuga¨nglichen Vergleichsmaterials40 erlaubt es gleichzeitig, die Komplexita¨t sta¨dtischer Entstehungsprozesse und die weitreichende regionale Differenzierung der gefundenen 36 Edith Ennen, Die europa¨ische Stadt des Mittelalters, Go¨ttingen 31979, S. 100f.; Anthony E. J. Mor-
ris, A History of Urban Form. Before the Industrial Revolutions, New York 31994, S. 119f.; Jacques ˆ ge en Occident. Paysages, pouvoirs et conflicts, Paris 1990, S. 96f.; Enrico Heers, La ville au Moyen A Guidoni, Storia dell’urbanistica. Il Medioevo: secoli VI–XII, Bari 1991, S. 147f. 37 Tadeusz Rosłanowski, Z zagadnien´ poro´wnawczych lokacji miejskich w Europie Zachodniej i Srod´ kowo-Wschodniej w s´ redniowieczu [Vergleichende Fragen der sta¨dtischen Lokationen in West- und Ostmitteleuropa im Mittelalter], in: Studia nad etnogeneza˛ Słowian i kultura˛ Europy wczesno´sredniowiecznej, Bd. 2, hg. v. Gerard Labuda/Stanisław Tabaczynski, ´ Wrocław 1988, S. 119–123. 38 Ebd., S. 123. 39 Peter Erlen, Europa¨ischer Landesausbau und mittelalterliche deutsche Ostsiedlung. Ein struktureller Vergleich zwischen Su¨dfrankreich, den Niederlanden und dem Ordensland Preußen, Marburg/Lahn 1992, S. 134f., 164f.; Charles Higounet, Zur Siedlungsgeschichte Su¨dwestfrankreichs vom 11. bis zum 14. Jahrhundert, in: Die deutsche Ostsiedlung des Mittelalters als Problem der europa¨ischen ˆ ge. Recueil Geschichte, Sigmaringen 1975, S. 657–694; ders., Paysages et villages neufs du Moyen A d’articles, Bordeaux 1975. 40 Fu¨r England besonders John Schoffield/Alan Vince, Medieval Towns, London 1988, S. 12f., bes. S. 28f.; grundlegend Maurice Beresford, New Towns of the Middle Ages. Town Plantation in England, Wales and Gascony, Gloucester 21988; Colin Platt, The English Medieval Town, London 1976, S. 23f.; Tahdy O’Keeffe, Medieval Ireland. An Archeology, Stroud 2001, S. 90f.; fu¨r Frankreich auch ˆ ge, Alain Lauret/Raymond Malebranche/Gilles Seraphin, Bastides: villes nouvelles du Moyen A Toulouse 1988; Heers, La ville (wie Anm. 36), S. 106f.; fu¨r Italien Charles Higounet, La place dans les villes neuves de l’Italie me´die´vale, in: Journal des Savants, Juillet-De´cembre 1989, S. 217–239; mir
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Lo¨sungen sowie die Rolle lokaler organisatorischer Anstrengungen zu erkennen, die von den vorhandenen Rechtsgrundlagen und den Handlungsmo¨glichkeiten des jeweiligen Herrschers bestimmt wurden. Innerhalb des deutschen Kolonisationsgebietes ist es, trotz einer a¨hnlichen Richtung der Vera¨nderungen und zahlreicher Parallelen,41 gleichermaßen schwierig, von einer Rezeption eines einheitlichen Musters sta¨dtischer Lokationen zu sprechen, und die formulierten Verallgemeinerungen sind entweder fragwu¨rdig42 oder allzu oberfla¨chlich.43 Dies wird versta¨ndlich, wenn man bedenkt, dass die Urbanisierung ein Prozess war, dessen Forcierung in den einzelnen Regionen in unterschiedliche Zeitra¨ume fiel, und dass sich die gefundenen Lo¨sungen nur entsprechend der jeweiligen regionalen Rahmenbedingungen verbreiteten. Generell betrachtet, muss man im deutschen Kolonisationsgebiet drei Zonen unterscheiden: den Ostseeraum, eine mittlere sowie die su¨ddeutsche Zone. Es gab also keinen einheitlichen Einfluss auf die o¨stlichen Nachbarn des Reiches. Das in Konferenzsprachen zuga¨ngliche Vergleichsmaterial zu Ungarn erlaubt nur eine allgemeine Charakterisierung, aber es weist darauf hin, dass dieses Land zum su¨ddeutschen (auch schweizerischen und o¨sterreichischen) Einflussgebiet geho¨rte.44 Die ersten Gruppen fremder Kaufleute bildeten hier, neben Juden und Muslimen,45 romanische latini, deutsche Zuwanderer tauchten seit der Mitte des 12. Jahrhunderts auf, und der Ho¨hepunkt ihres Zustroms fiel in die zweite Ha¨lfte des folgenden Jahrhunderts.46 Die Vera¨nderungen besaßen vorwiegend
nicht zuga¨nglich war David Friedman, Florentine New Towns: Urban Design in the Late Middle Ages, Cambridge Mass. 1988. Zum Thema der Raumordnung vgl. auch John Bradley, The Role of Town-Plan Analysis in the Study of the Medieval Irish Town, in: The Built Form of Western Cities, hg. v. Terry R. Slater, Leicester 1990, S. 39–59; Terry R. Slater, English Medieval New Towns with Composite Plans: Evidence from the Midlands, in: ebd., S. 60–82. 41 Als bester Gesamtu¨berblick weiterhin Andrzej W˛edzki, Poczatki ´ ˛ reformy miejskiej w Srodkowej Europie do połowy XIII wieku [Die Anfa¨nge der Stadtreform in Mitteleuropa bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts], Poznan´ 1974, trotz der zutreffenden Vorwu¨rfe von Zientara, Przełom (wie Anm. 1), S. 219–241; vgl. zuletzt Winfried Schich, Die Bildung der Sta¨dte im westslawischen Raum in der Sicht der a¨lteren und ju¨ngeren Forschung, in: Konzeptionelle Ansa¨tze der Hanse-Historiographie, Trier 2003, S. 115–140. 42 Harald Keller, Die ostdeutsche Kolonialstadt des 13. Jahrhunderts und ihre sta¨dtischen Vorbilder, Wiesbaden 1979. 43 Charles Higounet, Die deutsche Ostsiedlung im Mittelalter, Berlin 1986, S. 272f. 44 Erik Fu ¨ gedi, Die Entstehung des Sta¨dtewesens in Ungarn, in: Alba Regia 10 (1969), S. 101–118; ders., Der Stadtplan von Stuhlweissenburg und die Anfa¨nge des Bu¨rgertums in Ungarn, in: ders., Kings, Bishops, Nobles and Burghers in Medieval Hungary, London 1986, S. 103–134; Andras Kubinyi, Die Anfa¨nge Ofens, Berlin 1972; W˛edzki, Poczatki ˛ (wie Anm. 41), S. 166f.; Martin C. Rady, Medieval Buda: A Study of Municipal Government and Jurisdiction in the Kingdom of Hungary, New York 1985; Towns in Medieval Hungary, hg. v. La´szlo´ Gerevich, Budapest 1990; Gyula Kristo´, Die Arpaden-Dynastie. Die Geschichte Ungarns von 895 bis 1301, Budapest 1993, S. 227f.; Jo´zsef La´szlovszky, Fru¨hsta¨dtische Siedlungsentwicklung in Ungarn, in: Burg – Burgstadt – Stadt (wie Anm. 5 ), S. 307–316: Katalin Go¨nczi, Ungarisches Stadtrecht aus europa¨ischer Sicht. Die Stadtrechtsentwicklung im spa¨tmittelalterlichen Ungarn am Beispiel Ofen, Frankfurt/Main 1999. 45 Nora Berend, At the Gate of Christendom. Jews, Muslims and „Pagans“ in Medieval Hungary, c. 1000–c. 1300, Cambridge 2001, S. 60f., 109f. 46 Go ¨ nczi, Ungarisches Stadtrecht (wie Anm. 44), S. 15f.; Erik Fu¨gedi, Das mittelalterliche Ko¨nigreich Ungarn als Gastland, in: Die deutsche Ostsiedlung (wie Anm. 39), S. 471–507, hier S. 479f.; Andra´s
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evolutiona¨ren Charakter. Sie vollzogen sich auf dem Wege vereinzelter Zugesta¨ndnisse, und im Allgemeinen wurden sie nicht von einer weitgehenden Beseitigung a¨lterer Strukturen begleitet. Die Za¨sur einer Entwicklung hin zur Rechtsautonomie fiel in die Zeit Be´las IV. (1235–1270), und die Vergabe von Privilegien versta¨rkte sich nach dem Mongoleneinfall im Jahr 1241. Auffa¨llig ist der fortdauernde Dualismus einiger Dutzend Sta¨dte (civitates) als Fernhandels- und teilweise Bergbauzentren und einiger hundert Marktsiedlungen (oppida), die sich in ihrer Gro¨ße und dem Grad ¨ sterihrer Rechtsautonomie unterschieden.47 Dies erinnert an die Verha¨ltnisse in O reich, wo sich bis heute ein rechtlicher Unterschied zwischen beiden Siedlungstypen erhalten hat.48 Besser zuga¨ngliche Informationen u¨ber das Gebiet der heutigen Slowakei weisen auf einen a¨hnlichen Verlauf, eine a¨hnliche Chronologie des Urbanisierungsprozesses hin,49 jedoch waren dort stadtra¨umliche Lokationen nach dem Muster einer Marktstraße (und nur ausnahmsweise mit einem regelma¨ßigen Grundriss) ha¨ufiger,50 und im Norden tauchten auch schlesische Einflu¨sse auf, die seit dem Ende des 13. Jahrhunderts sta¨rker wurden.51
Kubinyi, Zur Frage der deutschen Siedlungen im mittleren Teil des Ko¨nigreichs Ungarn (1200–1541), in: ebd., S. 527–566, hier S. 527. 47 Erik Fu ¨ gedi, Die Ausbreitung der sta¨dtischen Lebensform – Ungarns Oppida im 14. Jahrhundert, in: Stadt und Stadtherr im 14. Jahrhundert, Linz/Donau 1972, S. 165–192; Andra´s Kubinyi, Urbanisation in the East-Central Part of Medieval Hungary, in: Towns in Medieval Hungary (wie Anm. 44), S. 103–149, hier S. 120f.; in knapper Form Go¨nczi, Ungarisches Stadtrecht (wie Anm. 44), S. 29f. 48 Herbert Knittler, Sta¨dtewesen, Handel und Gewerbe, in: O ¨ sterreich im Hochmittelalter (902 bis ¨ sterreichs. Eine Studie zu ihren 1246), Wien 1991, S. 473–495; Willibald Katzinger, Die Ma¨rkte O ¨ sterAnfa¨ngen im 13. und 14. Jahrhundert, in: Forschungen zur Geschichte der Sta¨dte und Ma¨rkte O reichs, Linz/Donau 1978, S. 69–150. 49 Rudolf Marsina, Vy´voj spra´vy miest v stredoveku [Die Entwicklung der Stadtverwaltung im Mittelalter], in: Vy´voj spra´vy miest na Slovensku, Banska´ Bystrica 1984, S. 21–49, sowie weitere Artikel im selben Bd.; ders., Mesto a trh na Slovensku do konca 13. storoˇcia [Stadt und Markt in der Slowakei bis zum Ende des 13. Jahrhunderts], in: Historicky´ cˇ asopis 26 (1978), 1, S. 77–95; ders., O katego´ria´ch ¨ ber die Kategorien und Arten von Sta¨dten in a typoch miest na Slovensku do polovice 14. storoˇcia [U der Slowakei bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts], in: Folia Historica Bohemica 10 (1986), S. 107–136; ˇ ˇ Poˇciatky stredoveke´ho mesta na u´zemı´ Slovenska [Die Anfa¨nge der mittelalterliDusˇan Caplovi c, chen Stadt auf dem Gebiet der Slowakei], in: Archaeologia historica 20 (1995), S. 247–266; Alexander Ruttkay, Genese und Typologie der mittelalterlichen Sta¨dte im Gebiet der Slowakei vor dem 14. Jahrhundert, in: Burg – Burgstadt – Stadt (wie Anm. 5), S. 296–306; Vy´sady miest a mesteˇciek na Slovensku (1238–1350) [Die Privilegien von Sta¨dten und Kleinsta¨dten in der Slowakei (1238–1350)], hg. v. Lubomir Juck, Bratislava 1984. 50 Tibor Zalcı ˇ ´k, Urbanizmus stredoveke´ho mesta na Slovensku. Vy´sady miest a mesteˇciek na Slovensku (1238–1350) [Der Urbanismus mittelalterlicher Sta¨dte in der Slowakei. Die Privilegien von Sta¨dten und ´ vahy o najstarsˇom u´zemSta¨dtchen in der Slowakei (1238–1350)], Bratislava 1973; Jozef Duchon, ˇ U ¨ berlegungen u¨ber die nom vy´voji mesta Kosˇ´ıc Vy´sady miest a mesteˇciek na Slovensku (1238–1350) [U a¨lteste Gebietsentwicklung der Stadt Kaschau. Die Privilegien von Sta¨dten und Sta¨dtchen in der Slowakei (1238–1350)], in: Historicky´ cˇ asopis 39 (1991), S. 294–315. 51 Adrienne Ko ¨ rmendy, Melioratio terrae. Vergleichende Untersuchungen u¨ber die Siedlungsbewegung im o¨stlichen Mitteleuropa im 13.–14. Jahrhundert, Poznan´ 1995, S. 237 (leider bescha¨ftigt sich die Autorin nur mit do¨rflichen Siedlungen); einige Beobachtungen fu¨r die Zips liefert Henryk Rucin´ ski, Prowincja saska na Spiszu do 1412 [Die sa¨chsische Provinz in der Zips bis 1412], Białystok 1983, S. 305f.
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Ungleich umfangreicher ist das bo¨hmische Vergleichsmaterial, das zudem ju¨ngst in den Synthesen von Frantisˇek Hoffmann52 und Josef Zˇemliˇcka53 sowie in einer grundlegenden rechtshistorischen Monografie von Jiˇrı´ Kejˇr54 zusammengefasst worden ist. Die Forschungen und Diskussionen besitzen hier ihre eigene Tradition und Spezifik.55 Leider ist ein detaillierterer Vergleich mit der Situation in Polen im Rahmen des vorliegenden Beitrags nicht mo¨glich. Trotz vieler a¨hnlicher Pha¨nomene und ¨ bereinstimmungen sind die Unterschiede deutlich: Die Entstehung der zeitlicher U bo¨hmischen Sta¨dte verlief in deutlich evolutiona¨rerer Weise, was Einfluss auf das Versta¨ndnis von der Lokationswende hat. Kejˇr schla¨gt die Verwendung des Terminus der „institutionalisierten Stadt“ vor, welcher vor allem Rechtsautonomie und korporative Verfassung bezeichnet.56 In diesem Zusammenhang ist eine Lokation mit der Erteilung von Privilegien verknu¨pft.57 Im Allgemeinen wurden sie nicht von ra¨umlichen Vera¨nderungen begleitet, und die alten Zentren bewahrten in der Regel ihre bisherige, unregelma¨ßige Struktur. Eine Vereinheitlichung des Stadtgebietes ermo¨g¨ bernahme kirchlichen (ab 1253 auch adligen) Eigentums, das zwangslichte die U weise umgetauscht wurde.58 Die Wende besaß hier also vor allem rechtlichen Charakter. Das Beispiel von Bru¨nn zeigt, dass das 1243 erteilte Privileg die Grundlage zur Entwicklung einer eigenen Stadtrechtsversion wurde.59 Die Mo¨glichkeit, eine Stadt
52 Frantisˇek Hoffmann, Ceske ˇ ´ mˇesto ve stˇredovˇeku [Die bo¨hmische Stadt im Mittelalter], Praha 1992. 53 Josef Z ˇ ˇ emlicka, ˇ Poˇca´tky Cech kra´lovsky´ch 1198–1253. Promˇena sta´tu a spoleˇcnosti [Die Anfa¨nge des
ko¨niglichen Bo¨hmens 1198–1253. Der Wandel des Staates und der Gesellschaft], Praha 2002, S. 218f., o 263f.; ders., Stoletı´ poslednı´ch Pˇremyslovcu [Das Jahrhundert der letzten Pˇremysliden], Praha 21998, ˇ S. 114f., 273f.; ders., Cechy v dobˇe knı´zˇecı´ (1034–1198) [Bo¨hmen in der Fu¨rstenzeit (1034–1198)], ˇ Praha 1997, S. 297f.; eine Menge Informationen zu den Sta¨dten auch bei Vratislav Vanı´cek, Velke´ ˇ dˇejiny zemı´ Koruny Ceske ´ [Große Geschichte der La¨nder der bo¨hmischen Krone], Bd. 2, Praha 2000, S. 272f.; Bd. 3, Praha 2002, S. 231f., 527f. 54 Jiˇrı´ Kejr, ˇ Vznik mˇestske´ho zˇrı´zenı´ v cˇ esky´ch zemı´ch [Die Entstehung der Stadtordnung in den bo¨hmischen La¨ndern], Praha 1998. Das Buch versammelt die Beobachtungen einer ganzen Reihe von Unter¨ bersetzung: ders., Die mittelalterlichen Sta¨dte in den bo¨hmischen La¨nsuchungen des Autors, dt. U dern. Gru¨ndung – Verfassung – Entwicklung, Ko¨ln u. a. 2010. 55 Dorota Le´sniewska, Kolonizacja niemiecka i na prawie niemieckim w s´ redniowiecznych Czechach i na Morawach w s´ wietle historiografii [Die deutsche Kolonisation und Kolonisation zu deutschem ´ Recht im mittelalterlichen Bo¨hmen und Ma¨hren im Licht der Historiographie], Poznan/Marburg 2004, S. 166f. (zum letzten Diskussionsstand u¨ber die Genese der Sta¨dte). 56 Kejr, ˇ Vznik (wie Anm. 54), S. 30, fu¨hrt vier konstituierende Elemente fu¨r das Rechtsversta¨ndnis an: „Stadtfriede, Stadtfreiheit, Stadtrecht und Stadtverfassung auf der Grundlage von Gemeinde und Gesellschaft“. Der Autor knu¨pft hierbei an an Gerhard Dilcher, Rechtshistorische Aspekte des Stadtbegriffs, in: Bu¨rgerrecht und Stadtverfassung im europa¨ischen Mittelalter, Ko¨ln 1996, S. 65–92; Le´sniewska, Kolonizacja (wie Anm. 55), S. 168. 57 Kejr, ˇ ˇ Vznik (wie Anm. 54), S. 113f.; Zˇemlicka, Die Anfa¨nge (wie Anm. 53), S. 224f., 279f. 58 Ebd., S. 279ff.; ders., „Pra´vo nucene´ smˇeny“ pˇri zakla´da´nı´ stˇredovˇeky´ch mˇest [„Das Recht des ˇ Zwangstauschs“ bei der Gru¨ndung von mittelalterlichen Sta¨dten], in: Cesky ´ cˇ asopis historicky´ 96 (1998), S. 502–531; ders., Zwangsumtausch als Instrument der ko¨niglichen Sta¨dtegru¨ndungspolitik in Bo¨hmen und Ma¨hren, in: Landesgeschichte als Herausforderung und Programm. K. Blaschke zum 70. Geburtstag, Stuttgart 1997, S. 157–166; Kejr, ˇ Vznik (wie Anm. 54), S. 119f. 59 Miroslav Flodr, Brnˇenske´ mˇestske´ pra´vo. Zakladatelske´ obdobı´ (–1359) [Das Bru¨nner Stadtrecht. Die Gru¨ndungszeit (–1359)], Brno 2001.
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zu gru¨nden, geho¨rte zu den exklusiven Kompetenzen des Ko¨nigs, 60 und erst nach 1253 verbreiteten sich auch Lokationen in den adligen Herrschaften.61 Die Begru¨ndung neuer Zentren fand seit den 20er Jahren des 13. Jahrhunderts vor allem an den Siedlungsperipherien statt.62 Die Quellenterminologie betont den Marktcharakter der meisten von ihnen, die am ha¨ufigsten verwendete Bezeichnung war villa forensis (spa¨ter auch oppidum forense). Kejˇr hat den sta¨dtischen Charakter dieser Art von Siedlungen entschieden in Frage gestellt. Er ha¨lt sie fu¨r eine Zwischenstufe zwischen Stadt und Dorf (Minderstadt).63 Die Quellenu¨berlieferung ist jedoch nicht so eindeutig, und ein Teil jener Marktsiedlungen entwickelte sich mit der Zeit zu vollwertigen Sta¨dten. Der Grundriss der neuen Zentren stu¨tzte sich auf eine Marktstraße oder einen regelma¨ßig angelegten Marktplatz, wobei geometrische Strukturen seit Mitte des Jahrhunderts Verbreitung fanden, aber die Sta¨dtelandschaft nicht dominierten.64 Polen geho¨rte zur weiter no¨rdlich gelegenen deutschen Kolonisationszone. Wa¨hrend jedoch das Brandenburg betreffende Vergleichsmaterial teilweise in den scharfsinnigen Arbeiten von Winfried Schich zusammengetragen worden ist,65 besitzen die zuga¨nglichen Informationen u¨ber die Situation in den wettinischen Territorien, im
60 Kejr, ˇ Vznik (wie Anm. 54), S. 121f. 61 Vanı´cek, ˇ Velke´ dˇejiny (wie Anm. 53), Bd. 3, S. 231f.; Toma´sˇ Velimsky´, Hrabisˇici. Pa´ni z Ry´zmburka
[Die Hrabischitzer. Herren von Riesenburg], Praha 2002, S. 93f.; Jan Urban, Lichtenburkove´. Vzestupy a pa´dy jednoho panske´ho rodu [Die Lichtenburger. Aufstieg und Fall eines Herrengeschlechts], Praha 2003, S. 81f. 62 Josef Z ˇ emlicka, ˇ Pˇremysl Otakar I. Panovnı´k, sta´t a cˇ eska´ spoleˇcnost na prahu vrcholne´ho feudalismu [Pˇremysl Otakar I. Herrscher, Staat und die bo¨hmische Gesellschaft an der Schwelle des Hochfeudalismus], Praha 1990, S. 160f. 63 Kejr, ˇ ˇ Vznik (wie Anm. 54), S. 39f., 72f., 197f.; ders., Trhy a trhove´ vsi v Cecha ´ ch a na Moravˇe [Ma¨rkte und Marktdo¨rfer in Bo¨hmen und Ma¨hren], in: Pravne´-historicke´ studie 28 (1987), S. 9–44; u¨bereinˇ stimmend Zˇemlicka, Poˇca´tky (wie Anm. 53), S. 268f.; weitere Beobachtungen und einige Korrekturen bei Jindˇrich Thomas, Civitas – villa ve vy´znamu pra´vnı´ho mˇesta v cˇ esky´ch zemı´ch v prve´ polovinˇe 13. stoletı´ [Civitas – villa in der Bedeutung der Rechtsstadt in den bo¨hmischen La¨ndern], in: Civitas ´ et villa. Miasto i wie´s w s´ redniowiecznej Europie Srodkowej, hg. v. Cezary Bu´sko/Jan Klapsˇte/Lech ˇ ´ Leciejewicz/Mozdzioch Sławomir, Wrocław 2002, S. 17–24. 64 Dobroslav Libal, Rozwo´j miast czeskich od XI w. do rewolucji husyckiej [Die Entwicklung der bo¨hmischen Sta¨dte vom 11. Jahrhundert bis zur hussitischen Revolution], in: Kwartalnik Architektury o i Urbanistyki 3 (1958), S. 241–266; Ladislav Hosak, Pozna´mky k pudorysu stˇredovˇeke´ho moravske´ho mˇesta [Anmerkungen zum Grundriss der mittelalterlichen ma¨hrischen Stadt], in: Acta Universiˇ tatis Palackianae Olomucensis, Historia 4 (1963), S. 143–172; Hoffmann, Ceske ´ mˇesto (wie Anm. 52), S. 101f.; Martin Jezˇek, Archeologia na rynku małego miasta w Czechach [Marktplatzarcha¨ologie ´ ´ ask der Kleinstadt in Bo¨hmen], in: Sredniowieczny Sl ˛ i Czechy. Centrum s´ redniowiecznego miasta. ´ Wrocław a Europa Srodkowa, hg. v. Jerzy Piekalski/Krzysztof Wachowski, Wrocław 2000, S. 21–46. 65 Als Zusammenfassung zahlreicher fru¨herer Publikationen Winfried Schich, Berlyn, Struzberch, Vrankenvrode ... et alia loca plurima exstruxerunt. Zum Bau der Sta¨dte in der Mark Brandenburg im 13. Jahrhundert, in: Mitteleuropa¨isches Sta¨dtewesen in Mittelalter und Fru¨hneuzeit. Edith Ennen gewidmet, Ko¨ln 1999, S. 105–140; ders., Die Herausbildung der mittelalterlichen Stadt in der Mark Brandenburg. Der Wandel der Topographie, Wirtschaft und Verfassung im 12./13. Jahrhundert, in: Stadtkernforschung, hg. v. Helmut Ja¨ger, Ko¨ln 1987, S. 213–243; ders., Die Entstehung des Sta¨dtewesens im Havelland: Die großen Sta¨dte, in: Das Havelland im Mittelalter. Untersuchungen zur Strukturgeschichte einer ostelbischen Landschaft in slawischer und deutscher Zeit, hg. v. Wolfgang Ribbe, Berlin 1987, S. 341–381; Heidemarie Anderlik, Entstehung und fru¨he Entwicklung der havella¨ndischen Kleinsta¨dte, in: ebd., S. 383–408; Gawlas, O kszałt (wie Anm. 6), S. 140 (Anm. 387).
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Pleißenland oder in der Lausitz einen ziemlich allgemeinen Charakter.66 Unabha¨ngig davon ist in diesem gesamten Bereich der Marktcharakter der fru¨hen Lokationen sehr deutlich sichtbar.67 Im Norden weist der Ostseeraum mit einer fru¨h entwickelten kommunalen Selbstverwaltung und der Rolle der Ha¨fen fu¨r die Topographie der Sta¨dte eigensta¨ndige Merkmale auf.68 Im Vergleich zu anderen La¨ndern Ostmitteleuropas zeichnet sich die Situation in Polen durch eine weitreichende Einheitlichkeit und Regelma¨ßigkeit der Sta¨dtelandschaft sowie eine große Gleichfo¨rmigkeit in den Mustern der Kommunalverfassung aus. Bei einer Analyse der Lokationswende ist also in gro¨ßerem Maße als bisher die Rolle der existierenden Verfassungsgrundlagen des so genannten Fu¨rstenrechtes zu beru¨cksichtigen. Allerdings wu¨rde es zu weit gehen, dieses in einem Gegensatz zur deutschen Kolonisation zu sehen. Letztere war eine Erscheinung des Territorialisierungsprozesses im Deutschen Reich und des aufkommenden Modells der Territorialherrschaft, welches sta¨ndigen Vera¨nderungen unterlag, die seine Effektivita¨t erho¨hten.69 Bereits vor einer Rezeption der Prinzipien der mit dem Zustrom großer Siedlergruppen verknu¨pften Kolonisation u¨bte die Adaptierung von Elementen einer fru¨heren Etappe deutscher Herrschaftsentwicklung Einfluss auf die Situation in Polen aus. Unter dem Druck der im 12. Jahrhundert immer zahlreicher werdenden Fu¨rstenho¨fe wurden die neuen Vorbilder mit einheimischen Mitteln umgesetzt und lieferten den Piasten die Begru¨ndung fu¨r eine umfassendere fiskalische Ausbeutung der Ressourcen ihrer Untertanen im Rahmen der fu¨rstenrechtlichen Verfassung (ius ducale), die als eine lokale Version des Konzeptes der Regalien interpretiert werden kann.70 In einer weiteren Phase (in Schlesien schon seit dem Ende des 12. Jahrhunderts) u¨bernahmen die deutsche Kolonisation und die mit ihr einhergehenden Organisationsund Verfassungsmuster die Rolle des wichtigsten fu¨rstlichen Herrschaftsinstrumentes. Die fu¨hrende Rolle Schlesiens bewirkte, dass die Entwicklung der Rechtsinstitution des ius ducale hier von der deutschen Kolonisation u¨berlagert wurde. Mit ihrer Tendenz zur Intensivierung der Getreide- und Geldabgaben bot sie den Teilfu¨rsten die Chance einer zusa¨tzlichen Vermehrung ihrer Einku¨nfte. Sie la¨sst sich als eine Antwort auf die fortschreitende Kommerzialisierung verstehen.71 Tatsa¨chlich bildeten die Kontrolle u¨ber den Geldumlauf und die fiskalische Rolle des Mu¨nzwesens den entscheidenden Rahmen fu¨r die Stadtentwicklung in der Lokationsepoche – und dies bis zur Groschenreform Ende des 13. Jahrhunderts. Die Genese der Lokation neuer Sta¨dte wird in der Forschungsliteratur aus den bis in 66 Zusammengetragen bei Karlheinz Blaschke, Geschichte Sachsens im Mittelalter, Berlin 1990, S. 115f.
¨ berblick u¨ber die Regionalforschungen wu¨rde den Rah(dort weitere Literatur). Ein genauerer U men der vorliegenden Ero¨rterungen u¨bersteigen, vgl. Gawlas, O kszałt (wie Anm. 6), S. 141–142 (Anm. 391). 67 Schich, Berlyn (wie Anm. 65), S. 108f. 68 Gawlas, O kszałt (wie Anm. 6), S. 35, 132 (Anm. 324), S. 139 (Anm. 376). 69 Die Frage des Herrschaftsmodells analysiere ich ebd., Kap. 6–10. 70 Ebd., S. 79f. 71 Zur Kommerzialisierung und Rolle der Mu¨nzpolitik der piastischen Fu¨rsten ausfu¨hrlich Sławomir Gawlas, Fu¨rstenherrschaft, Geldwirtschaft und Landesausbau. Zum mittelalterlichen Modernisierungsprozess im piastischen Polen, in diesem Band, S. 13–76.
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die Zeit der spa¨ten Karolinger zuru¨ckreichenden Marktprivilegien abgeleitet.72 Im 12. Jahrhundert hatten Siedlungen des Typs bastide oder burgus in Westeuropa vor allem Marktcharakter.73 Auch im Gebiet o¨stlich der Elbe, Brandenburg eingeschlossen, hatten die ersten Lokationen (z. B. Brandenburg oder Stendal) den Charakter einer villa fori.74 Die gegru¨ndeten Zentren verwandelten sich erst nach einer gewissen Zeit in civitates, aber dies war nicht die Regel. Der Charakter der im Osten des Reiches angewandten Muster ist seit langem bekannt.75 Ihm entsprach der begrenzte Maßstab der ersten polnischen Lokationen und generell der kleinen Sta¨dte.76 Allerdings wird dies in den Regionalforschungen nicht ausreichend beru¨cksichtigt. Die Lokationen betrafen anfangs vor allem die Kolonisationsgebiete. Ihren Funktionen fu¨r den Agrarhandel entsprachen die großen Parzellen urbaren Landes, die zum sta¨ndigen Element sta¨dtischer Lokationen wurden.77 In großem Maßstab nahm bekanntlich Heinrich der Ba¨rtige (1202–1238) seit Beginn seiner Herrschaft eine deutsche Kolonisation nach einem gesamtheitlichen Modell vor. Die zunehmende Bedeutung des Magdeburger Rechtes, die in seinem Geltungsbereich wachsende Eigensta¨ndigkeit der Bu¨rger und deren Ru¨ckwirkung auf das ius fori waren wahrscheinlich die Ursache fu¨r den Konflikt dieses Fu¨rsten mit Magdeburg und fu¨r sein in den Jahren 1223–1229 in großem Maßstab angelegtes Siedlungsexperiment, das sich am Beispiel des schlesischen Neumarkt orientierte.78 Weil 72 Traute Endemann, Markturkunde und Markt in Frankreich und Burgund vom 9. bis 11. Jahrhundert,
Konstanz 1964; zuletzt Evamarie Engel, Die deutsche Stadt des Mittelalters, Mu¨nchen 1993, S. 17f.; dies., Wege zur mittelalterlichen Stadt, in: Burg – Burgstadt – Stadt (wie Anm. 5), S. 9–26. 73 Edith Ennen, Die sog. „Mindersta¨dte“ im mittelalterlichen Europa, in: dies., Gesammelte Abhandlungen zum europa¨ischen Sta¨dtewesen und zur rheinischen Geschichte, Bd. 2, Bonn 1987, S. 70–85; Rosłanowski, Z zagadnien´ poro´wnawczych (wie Anm. 37); Gawlas, O kszałt (wie Anm. 6), S. 26f. (dort weitere Literatur); ders., Ulica (wie Anm. 20), S. 7f. 74 Schich, Berlyn (wie Anm. 65), S. 108f.; ders., Die Gru¨ndung von deutschrechtlichen Marktorten und Sta¨dten o¨stlich der Elbe im 12. und 13. Jahrhundert, in: Hausbau und Raumstruktur fru¨her Sta¨dte in Ostmitteleuropa, hg. v. Hansju¨rgen Brachmann/Jan Kla´psˇte, ˇ Praha 1996, S. 7–16. 75 Eine grundlegende Analyse bei Walter Schlesinger, Forum, villa fori, ius fori. Einige Bemerkungen zu Marktgru¨ndungen des 12. Jahrhunderts aus Mitteldeutschland, in: Altsta¨ndisches Bu¨rgertum, Bd. 1, hg. v. Heinz Stoob, Darmstadt 1978, S. 304–345; ders., Der Markt als Fru¨hform der deutschen Stadt, in: Vor- und Fru¨hformen der europa¨ischen Stadt im Mittelalter, Go¨ttingen 1973, S. 262–293; zuletzt Wolfgang H. Fritze, Gru¨ndungsstadt Berlin. Die Anfa¨nge von Berlin-Co¨lln als Forschungsproblem, Potsdam 2000, S. 92f. 76 Lalik, Geneza sieci (wie Anm. 16), S. 124f., 130f. 77 W˛edzki, Poczatki ˛ (wie Anm. 41), S. 211f.; Josef Joachim Menzel, Stadt und Land in der schlesischen Weichbildverfassung, in: Die mittelalterliche Sta¨dtebildung im su¨do¨stlichen Europa, hg. v. Heinz Stoob, Ko¨ln 1977, S. 19–38, S. 35f.; Hans Ju¨rgen Reimers, Die Stadtdo¨rfer der mittelalterlichen Ostsiedlung in Polen, Marburg/Lahn 1976, S. 94f.; Anna Berdecka, Wielko´sc´ i parcelacja grunto´w miast zakładanych w latach 1333–1370 w Małopolsce [Gro¨ße und Parzellierung der Grundstu¨cke von in den Jahren 1333–1370 in Kleinpolen angelegten Sta¨dten], in: Kwartalnik Historii Kultury Materialnej 24 (1976), S. 553–566; dies., Lokacje i zagospodarowanie miast kro´lewskich w Małopolsce za Kazimierza Wielkiego (1333–1370) [Lokation und Bewirtschaftung der ko¨niglichen Sta¨dte in Kleinpolen unter Kasimir dem Großen (1333–1370)], Wrocław 1982, S. 44f.; Piskorski, Miasta (wie Anm. 2), S. 108f.; Krasnowolski, Lokacyjne układy (wie Anm. 31), S. 223f. 78 Benedykt Zientara, Heinrich der Ba¨rtige und seine Zeit. Politik und Gesellschaft im mittelalterlichen Schlesien, Mu¨nchen 2002, S. 185ff.; Zbigniew Zdro´jkowski, Geneza prawa s´ redzkiego i jego rola dziejowa (1223–1511) [Die Genese des Neumarkter Rechts und seine historische Rolle], in: Studia
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sich das dort angewandte fla¨mische Recht wahrscheinlich als unzureichend erwies, wandte sich der Herzog 1235 aber nicht an Magdeburg, sondern an Halle, um eine Rechtsweisung zu erhalten.79 Diese enthielt Vorschriften, die die grundlegenden Probleme einer Stadtgemeinde regelten. Das Neumarkter Recht kannte jedoch keine Institutionen kommunaler Selbstverwaltung und billigte Vo¨gten und Schultheißen nur eingeschra¨nkte Kompetenzen im Bereich des Strafrechtes zu. Im 13. Jahrhundert war es ein effektives Instrument zur Verwaltung großer Besitzungen. Am Ende des ´ Jahrhunderts wurde Erzbischof Jakub Swinka auf dieses Recht aufmerksam. Auf den Gu¨tern des Erzbistums und auch des Bistums Posen wurde das Neumarkter Recht mit Hilfe von Ignoranzklauseln weiter eingeschra¨nkt und besser an die Erfordernisse der großen kirchlichen Besitzungen angepasst.80 Im 14. Jahrhundert wurde es in Polen weiterhin ziemlich ha¨ufig angewandt,81 wenngleich schon Kasimir der Große begann, darauf zu verzichten; wir kennen sechs Fa¨lle, in denen der Status ko¨niglicher Sta¨dte vom Neumarkter zum Magdeburger Recht wechselte.82 Bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts begru¨ndete eine Lokation zu Neumarkter Recht die Entstehung der villae forensis, fu¨hrte also nicht zur Entstehung von Sta¨dten, sondern von Marktsiedlungen.83 Neumarkt selbst erwuchs aus der Anlage einer großen Marktstraße, was die u¨bliche Raumlo¨sung fru¨her Lokationen war und in Su¨ddeutschland weiterhin gut funktionierte. Anscheinend wurde diese Lo¨sung in Schlesien jedoch schon im zweiten Viertel des 13. Jahrhunderts von einer Schachbrettanlage rund um einen rechteckigen Marktplatz abgelo¨st. Schrittweise glichen sich die Lokationen von Marktsiedlungen an das entstehende Modell der Stadtgemeinde an, aber ihr Maßstab a¨nderte sich dadurch nicht. In einem a¨lteren Artikel habe ich versucht zu zeigen, dass im gesamten Mittelalter die Marktstraße die grundlegende sta¨dtebauliche Ausfu¨hrung der villae forenses und generell der fru¨hen Lokationen war.84
´ ´ askiej, z dziejo´w Srody Sl ˛ regionu i prawa s´ redzkiego, hg. v. Ryszard Gładkiewicz, Wrocław 1990, ´ ´ askiej ˙ S. 53–67; Ro´scisław Zerelik, Uwagi nad dziejami Srody Sl ˛ w s´ redniowieczu [Bemerkungen zur Geschichte von Neumarkt im Mittelalter], in: ebd., S. 35–51. 79 Schlesisches Urkundenbuch, Bd. 2, hg. v. Winfried Irgang, Wien u. a. 1978, Nr. 104. 80 Jo´zef Matuszewski, Die Ignoranzklausel der Schultheißprivilegien, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung fu¨r Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung 93 (1976), S. 154–183; ders., Motywacja ignoracyjna w dokumentach prawa niemieckiego [Die Ignoranzformel in Urkunden deutschen Rechts], in: ´ Studia historica w 35-lecie pracy naukowej Henryka Łowmianskiego, hg. v. Aleksander Gieysztor, Warszawa 1958, S. 167–179; Zdro´jkowski, Geneza (wie Anm. 78), S. 64. 81 Zbigniew Zdro ´ jkowski, Lokacje osad targowych klasztornych i miast na prawie s´ redzkim (1223–1477) [Die Lokation klo¨sterlicher Marktsiedlungen und von Sta¨dten zu Neumarkter Recht], ´ in: Studia z dziejo´w Srody (wie Anm. 78), S. 215–242. 82 Sławomir Gawlas, Uwagi o polityce miejskiej Kazimierza Wielkiego [Bemerkungen u¨ber die Stadtpolitik Kasimirs des Großen], in: Aetas media, aetas moderna. Studia ofiarowane Henrykowi Samsonowiczowi w siedemdziesiat ˛ a˛ rocznic˛e urodzin, hg. v. Halina Manikowska u. a., Warszawa 2000, S. 25–41, hier S. 33f. 83 Schlesisches Urkundenbuch, Bd. 1, hg. v. Heinrich Appelt, Wien u. a. 1971, Nr. 225: in Ujest (Ujazd) war vorgesehen, einen locum forensem zu Neumarkter Recht zu gru¨nden (1223); Nr. 297: in Skronskau (Zarzysk) ein forum liberum (1228); Bd. 2, hg. v. Winfried Irgang, Wien u. a. 1978, Nr. 322: in Kreu˙ zenort (Krzyzanowice) eine villa forensis (1247); vgl. Zdro´jkowski, Lokacje (wie Anm. 81), S. 222f. ˙ (dort weitere Quellennachweise); Zerelik, Uwagi (wie Anm. 78), S. 36f. 84 Gawlas, Ulica (wie Anm. 20), S. 3–24.
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Ich habe die Vermutung gea¨ußert, dass dieser Grundrisstypus in Polen bedeutend ha¨ufiger aufgetreten und mit der Verbreitung des Neumarkter Rechtes einhergegangen sein ko¨nnte. In spa¨terer Zeit habe es, je nach der Entwicklung des Lokationsmodells und der langwierigen Transformation der entstehenden Zentren, durch einen Schachbrettgrundriss ersetzt werden ko¨nnen. Ich halte dies weiterhin fu¨r ein reales Pha¨nomen, muss jedoch die Rigorosita¨t, in der ich diese Meinung formuliert habe, zuru¨cknehmen. Zwar wird sie durch umfangreiches Vergleichsmaterial aus fast ganz Europa gestu¨tzt (darunter auch Meißen und Brandenburg), das sich weiter vermehren ließe.85 Im Reich, insbesondere in seinem su¨dlichen Teil, war der auf einer Hauptstraße aufbauende Grundriss im 13. Jahrhundert immer noch produktiv.86 Fu¨r Polen fehlt eine hinreichend vollsta¨ndige Dokumentation in Gestalt von Stadtpla¨nen. Mitunter vorkommende Beispiele sind allzu spa¨rlich und betreffen das Spa¨tmittelalter. Es ist schwierig, sie unmittelbar mit dem Neumarkter Recht in Verbindung zu brin¨ bergen87 und ha¨ufig erweisen sich die an einer Straße orientierten Strukturen als U 88 reste des Grundrisses einer fru¨heren do¨rflichen Siedlung. Dies kann kein Zufall sein. Die Neumarkter Raumordnung bleibt in diesem Kontext weiterhin ra¨tselhaft. Sie scheint am ehesten eine nicht allzu ha¨ufige Ausnahme dargestellt zu haben, fu¨r die unser Wissensstand verschiedene Interpretationen zula¨sst.89 Es ist sogar mo¨glich, dass die bestehende Stadt erst nach ihrer Zersto¨rung durch Bolesław Rogatka trassiert wurde – a¨hnlich wie das nach 1260 gegru¨ndete bo¨hmische Domazˇlice.90 Fu¨r
85 Schoffield/Vince, Medieval Towns (wie Anm. 40), S. 28f.; Bradley, The Role (wie Anm. 40),
S. 39–59; Slater, English Medieval New Towns (wie Anm. 40), S. 60–82. 86 Hans-Ju¨rgen Nitz, Die mittelalterlichen Gru¨ndungsanlagen von Freiburg i. Br. und Heidelberg.
Metrologische Analyse und Interpretation, in: Aus Landesgeschichte und Landeskunde. Festschrift fu¨r Meinrad Schaab, hg. v. Hansmartin Schwarzmaier u. a., Stuttgart 1999, S. 79–112, hier S. 82: „Es kann also keine Rede davon sein, daß dieser Grundrißtyp sta¨dtebaulich weniger zweckma¨ßig war als der Schachbrettgrundriß mit kompakt-rechteckigem Zentralmarkt. Das beweist seine bis ins 14. Jahrhundert anhaltende Bevorzugung in Su¨ddeutschland. Der langrechteckige Markplatz, in seiner besonders langen und schmalen Ausfu¨hrung als Marktstraße, hatte m. E. sogar den Vorzug, daß auf ihm nebeneinander die verschiedenen Handelssparten u¨bersichtlich angeordnet werden konnten.“ 87 Henryk Mu ¨ nch, Geneza miast wielkopolskich XIII i XIV wieku [Die Genese der großpolnischen Sta¨dte des 13.–14. Jahrhunderts], Krako´w 1946, Tab. 39: Mogilno (Lokation 1398), Tab. 5: Czempin´ (vor 1403), Tab. 31: Ko´rnik (vor 1450), Tab. 47: Pako´sc´ (1359). Grundlage des Marienburger Stadt´ ´ Sredniowieczne plans war die Marktstraße, dazu zuletzt Adam Che˛ c, fortyfikacje miejskie Malborka [Die mittelalterlichen Stadtbefestigungen Marienburgs], in: Archaeologia Historica Polona 13 (2003), S. 237–242; Antoni Czacharowski/Roman Czaja, Atlas historyczny miast polskich [Historischer Atlas polnischer Sta¨dte], Bd. 1, Heft 1: Malbork [Marienburg], Torun´ 2003. 88 Mariusz Kulesza, Slady ´ wczesnomiejskich osad targowych w planach niekto´rych miast Wschodniej Wielkopolski (dawna ziemia ł˛eczycka i sieradzka) [Spuren fru¨hsta¨dtischer Marktsiedlungen in den Grundrissen einiger westgroßpolnischer Sta¨dte (das alte Land Ł˛eczyca und Sieradz)], in: Zagadnienia geografii historycznej osadnictwa w Polsce, hg. v. Marek Koter/Jan Tkocz, Torun´ 1994, S. 89–101; ´ ders., Morfogeneza miast na obszarze Polski Srodkowej. Dawne wojewo´dztwa ł˛eczyckie i sieradzkie [Morphogenese der Sta¨dte auf dem Gebiet Mittelpolens], Ło´dz´ 2001, S. 106f. 89 Dieses Problem erscho¨pfend ero¨rtert haben Rafał Eysymontt/Mateusz Golinski, ´ Atlas historyczny ´ ´ aska miast polskich [Historischer Atlas polnischer Sta¨dte], Bd. 4, Heft 2: Sroda Sl ˛ [Neumarkt], Wrocław 2003, S. 7f. 90 Sławomir Gawlas, Nova Civitas in Okol. Fragment z dziejo´w Krakowa [Ein Fragment der Geschichte ´ Krakaus], in: Społeczenstwo Polski s´ redniowiecznej 6 (1996), S. 101–110, hier S. 104f.; Vladislav
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wahrscheinlicher halte ich jedoch eine wesentlich fru¨here Genese des Stadtplans, und ich vermute, dass schon im zweiten Viertel des 13. Jahrhunderts auch bei kleineren Marktsiedlungen ein auf einem rechteckigen Marktplatz aufbauender Grundriss verwendet worden sein ko¨nnte.91 Eine Untersuchung der Transformationen des Lokationsmodells wird durch das Fehlen einer umfassenden Analyse der Quellenterminologie erschwert. Zwar bildet diese keine allzu zuverla¨ssige Basis, aber man muss auch entschieden dagegen auftreten, sie gering zu scha¨tzen und als bloß zufa¨llig zu behandeln.92 Existierende Aufstellungen93 erlauben die Feststellung, dass es in Polen relativ wenige Quellenbelege fu¨r Bezeichnungen wie villa forensis, locum (oppidum) forense, forum liberum usw. gibt, insbesondere gemessen an der geringen Gro¨ße der Lokationen. Auch bei Verleihungen des Neumarkter Rechtes, das im Allgemeinen sicher keine weit entwickelte Lokation markierte, sondern eher eine kleine Markt- und Ackerbu¨rgerstadt (das suggeriert schließlich schon der Name Novum Forum), beginnt seit der Mitte des 13. Jahrhunderts die Bezeichnung civitas zu u¨berwiegen.94 Die erwa¨hnte Rechtsweisung von 1235 verbesserte deren Status; vielleicht sahen die Zeitgenossen ihn als ausreichend an und reduzierten ihre Erwartungen an eine Lokation. Die Konsequenz war, dass sich der Unterschied zwischen der Gru¨ndung einer Marktsiedlung und der Lokation einer Stadt verwischte.95 Dazu trug mo¨glicherweise auch die Verbreitung eines neuen Typs von sta¨dtischem Grundriss bei. Das Problem der Terminologie erfordert eine umfassende Untersuchung. Man darf nicht vergessen, wie unzuverla¨ssig es ist, bloß aufgrund der Erwa¨hnung eines Schultheißen oder Vogtes auf das Datum einer fru¨hen Lokation zu schließen. Die Lokationsschwelle wurde in Polen um die Mitte des 13. Jahrhunderts u¨berschritten, also in etwa derselben Zeit wie in Ungarn und Bo¨hmen. Dies beruhte auf der Nutzung eines voll entwickelten sta¨dtischen Lokationsprogramms fu¨r den
ˇ Razı´m, Pˇremyslovske´ hradby mˇesta Domazˇlic [Die Pˇremyslidischen Stadtmauern Taus], in: Casopis ˇ Na´rodnı´ho muzea, Rada historicka´ 158 (1989), 1–2, S. 1–27. In der Slowakei waren solche Grundrisse ha¨ufiger, vgl. das vielleicht etwas fru¨here Kaschau (vgl. dazu Anm. 50). 91 Berent Schwineko ¨ per, Die Problematik von Begriffen wie Staufersta¨dte, Za¨hringersta¨dte und a¨hnlichen Bezeichnungen, in: Su¨dwestdeutsche Sta¨dte im Zeitalter der Staufer, hg. v. Erich Maschke/Ju¨rgen ¨ berlegungen zum Problem Haldensleben. Zur AusbilSydow, Sigmaringen 1980, S. 95–172; ders., U dung des Straßen-Gitternetzes geplanter deutscher Sta¨dte des hohen Mittelalters, in: Civitatum communitas. Studien zum europa¨ischen Sta¨dtewesen. Festschrift Heinz Stoob zum 65. Geburtstag, hg. v. Helmut Ja¨ger u. a., Ko¨ln 1984, S. 213–253. In diesem Fall wu¨rden die Ansichten von Janusz Pudełko besta¨tigt (vgl. Anm. 27). 92 Marie Bla´hova´, Terminologie sı´dlisˇt’ ve vypra´vˇecı´ch pramenech prvnı´ cˇ tvrtiny 12. stoletı´ [Die Siedˇ lungsterminologie in den erza¨hlenden Quellen der ersten Ha¨lfte des 12. Jahrhunderts], in: Ceskoslovensky cˇ asopis historicky´ 26 (1978), S. 249–278; dies., Evropska´ sı´dlisˇtˇe v latinsky´ch pramenech obdobı´ rane´ho feudalismu. Terminologicky´ rozbor [Europa¨ische Siedlungen in lateinischen Quellen aus der Zeit des fru¨hen Feudalismus. Eine terminologische Analyse], Praha 1986; Kejr, ˇ Vznik (wie Anm. 54), S. 67f.; weitere Literatur bei Gawlas, O kszałt (wie Anm. 6), S. 143–144 (Anm. 405). 93 Vor allem Walter Kuhn, Die deutschrechtlichen Sta¨dte in Schlesien und Polen in der ersten Ha¨lfte des 13. Jahrhunderts. II. Teil, in: Zeitschrift fu¨r Ostforschung 15 (1966), S. 457–507. 94 Zdro ´ jkowski, Lokacje (wie Anm. 81), S. 223f.; bo¨hmische Analogien bei Thomas, Civitas (wie Anm. 63). 95 Eine a¨hnlich Verwischung der Unterschiede ist in Bo¨hmen zu beobachten, vgl. ebd., S. 20f.
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Umbau des Sta¨dtenetzes. Dessen Entstehung war ein Resultat der zuga¨nglichen Vorbilder zusammen mit der Stadtrechtsentwicklung in der gesamten mitteleuropa¨ischen Region, der fortschreitenden Privilegierung und Eigensta¨ndigkeit der Kolonien fremder Kaufleute in einigen großen Zentren und der Verwendung des Schachbrettgrundrisses zur Vereinheitlichung des Stadtraumes. Dahinter standen die Entscheidungen und das Handeln der Fu¨rsten. Ein wichtiges und bislang ungelo¨stes Problem bleibt die Frage nach der Genese des Schachbrettgrundrisses selbst. Es existierten verschiedene Mo¨glichkeiten, die auf einer Marktstraße aufbauenden Gru¨ndungen weiter umzugestalten96 – durch deren Erga¨nzung durch Parallel- oder durch eine Reihe von Querstraßen wie etwa im 1237 gegru¨ndeten Elbing.97 Im Su¨den des Reiches erschienen um 1200 Grundrisse, die auf zwei einander u¨berkreuzenden Marktstraßen aufbauten;98 diesen Ausfu¨hrungstyp kann man z. B. auch in der Neustadt (nova civitas) Brandenburg sehen (Ende 12. Jahrhundert).99 Spa¨ter wurde auch in den kleinen (und rechtlich nicht eigensta¨ndigen) Gru¨ndungen der Neusta¨dte von Breslau, Schweidnitz, Glogau100 und Krakau101 ein Straßenkreuz trassiert. Der auf einer Hauptstraße aufbauende Grundrisstyp fu¨hrte jedoch nicht unmittelbar zu dem fu¨r das entwickelte Modell der Lokationsstadt spezifischen Schachbrettgrundriss mit einem zentral gelegenen Marktplatz. Leider kann man fu¨r eine pra¨zisere Untersuchung des Problems nur auf wenige Beispiele zuru¨ckgreifen, die gut untersucht sind und relativ sichere Informationen liefern. Zu ihnen geho¨rt u. a.
96 Gawlas, Ulica (wie Anm. 20), S. 13f.; Schwineko ¨ per, Die Problematik (wie Anm. 92); Thomas Hall,
¨ bersicht der Entwicklung in Deutschland und FrankMittelalterliche Stadtgrundrisse. Versuch einer U reich, Stockholm 1978, S. 122f. 97 Roman Czaja, Socjotopografia miasta Elblaga ˛ w s´ redniowieczu [Sozialtopographie der Stadt Elbing im Mittelalter], Torun´ 1992, S. 14f.; ders./Tadeusz Nawrolski, Pierwotny Elblag, ˛ in: Historia Elblaga ˛ [Das urspru¨ngliche Elbing], Bd. 1: (do 1466 roku) [bis zum Jahr 1466], hg. v. Stanisław Gierszewski/ ´ 1993, S. 60–130, hier S. 71f. Andrzej Groth Gdansk 98 Schwineko ¨ per, Die Problematik (wie Anm. 91), S. 154f.; Gawlas, Ulica (wie Anm. 20), S. 13. 99 Schich, Die Herausbildung (wie Anm. 65), S. 218f.; ders., Die Anfa¨nge der Neustadt Brandenburg und das Neusta¨dter Heiliggeistspital, in: Vero¨ffentlichungen des Brandenburgischen Landesmuseums fu¨r Ur- und Fru¨hgeschichte 31 (1997), S. 95–110. 100 Mateusz Golinski, ´ ´ sredniowiecznej Swidnicy ´ Woko´ł socjotopografii po´zno´ [Zur Sozialtopographie des spa¨tmittelalterlichen Schweidnitz], Bd. 1, Wrocław 2000, S. 84f., 111f.; ders., Cechy a wspo´lnoty sasiedzkie ˛ w s´ redniowiecznych miastach s´ laskich ˛ (na przykładzie rzemiosł wło´kienniczych) [Zu¨nfte und nachbarliche Gemeinschaften in den mittelalterlichen schlesischen Sta¨dten (am Beispiel der Tuch´ macherhandwerke)], in: Studia nad dziejami miast i mieszczanstwa w s´ redniowieczu, Bd. 1, hg. v. Maria Bogucka u. a., Torun´ 1996, S. 93–108. In der a¨ltesten der Neusta¨dte in Breslau (1263), gab es einen ´ srednioGrundriss mit zwei Paaren einander kreuzender Straßen, vgl. ders., Socjotopografia po´zno´ wiecznego Wrocławia (przestrzen´ – podatnicy – rzemiosło) [Sozialtopographie des spa¨tmittelalterlichen Breslau (Raum – Abgabenzahler – Handwerk)], Wrocław 1997, S. 220f. 101 Krasnowolski, Lokacyjne układy (wie Anm. 31), S. 121f. Die gegenwa¨rtige Datierung des Grundrisses (die u¨brigens beeinflusst von meiner Kritik vorgenommen wurde, die wiederum durch neuere Befunde in einigen Details zu korrigieren ist – Gawlas, Nova Civitas [wie Anm. 90], S. 102f.) auf 1335 ist mehr als strittig (a¨hnlich wie ein ganzes Bu¨ndel an Hypothesen zur Krakauer Neustadt). Die Gru¨ndung muss eher in das 13. Jahrhundert verlegt werden. Zur kreuzfo¨rmigen Anlage der Krakauer Marktbuden einige scharfsinnige Beobachtungen bei Przemyslaw Tyszka, Obraz przestrzeni miejskiej Kra´ ´ w [Das Bild des Stadtraumes von Krakau im kowa XIV–XV wieku w s´ wiadomo´sci jego mieszkanco 14.–15. Jahrhundert im Bewusstsein seiner Einwohner], Lublin 2001, S. 103f.
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Thorn. Sehr interessante Beobachtungen liefert die ku¨rzlich von Krzysztof Mikulski erbrachte Lokalisierung der Thorner „Insel“ (Werder).102 Sie hat sich wegen des konservativen Systems, Dinge auf Wachstafeln aufzuzeichnen, in spa¨tmittelalterlichen Steuerlisten der Thorner Bu¨rger erhalten. Der Werder bildete den Kern der 1236 aus Alt Thorn verlegten Siedlung, die um die von den Pruzzen zersto¨rten, mit Postolsko identifizierten Burg entstanden war. Dieser Werder nahm einen Baublock no¨rdlich der Johanniskirche ein. Mikulski nimmt an, dass „dieser Bereich in der Anfangszeit der Existenz der Stadt als ihr a¨ltester Marktplatz diente“. Spa¨ter ha¨tten sich dort die Fleischba¨nke befunden,103 die nach der Verlegung des Handels auf den nach 1252 entstandenen Markplatz und das nach 1259 gebaute domus forensis – das spa¨tere Rathaus – wahrscheinlich am alten Platz blieben.104 Falls der Werder nicht bloß eine tempora¨re Lo¨sung im Zusammenhang mit der Notwendigkeit war, die Handelseinrich¨ berfa¨llen der Pruzzen zu sichern,105 dann dra¨ngt sich der fast gleichtungen vor den U zeitige Theinhof in Prag als Analogie auf.106 In diesem Fall wu¨rde es sich um eine Form der Kontrolle u¨ber die fremden Kaufleute und den Fernhandel handeln, fu¨r die sich weitere Parallelen im Fondaco dei Tedeschi in Venedig oder im Olafs- und spa¨ter im Peterhof in Novgorod finden ließen.107 Fu¨r eine solche Annahme spricht die Rolle Thorns im Fernhandel. Dies ist jedoch nicht die einzige Mo¨glichkeit. Ich
102 Krzysztof Mikulski, Problem tzw. „Wyspy“ torunskiej ´ ´ deł podatkowych z konca ´ ´ XIV w s´ wietle zro
i pierwszej połowy XV wieku [Das Problem der so genannten Thorner ‚Insel‘ im Licht der Steuerquellen vom Ende des 14. und aus der ersten Ha¨lfte des 15. Jahrhunderts], in: Zapiski Historyczne 61 (1996), 1, S. 7–24. 103 Ders., Przestrzen´ i społeczenstwo ´ ´ XIV do poczatku Torunia od konca ˛ XVIII wieku [Raum und Gesellschaft Thorns vom Ende des 14. bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts], Torun´ 1999, S. 23f., das ´ Zitat S. 30; Tomasz Jasinski, ´ Torun´ XIII–XIV wieku – lokacja miast torunskich i poczatki ˛ ich rozwoju (1231-około 1350) [Thorn im 13.–14. Jahrhundert – Die Lokation der Thorner Sta¨dte und die Anfa¨nge ihrer Entwicklung (1231– um 1350)], in: Historia Torunia, Bd. 1: W czasach s´ redniowiecza (do roku 1454), hg. v. Marian Biskup, Torun´ 1999, S. 100–166, hier S. 105f. 104 Ebd., S. 152f.; Mikulski, Przestrzen´ (wie Anm. 103), S. 33f.; Eugeniusz Gasiorowski, ˛ Ratusz staromiejski w Toruniu w okresie s´ redniowiecza [Das Altsta¨dter Rathaus in Horn im Mittelalter], Torun´ 1971, S. 88. 105 Mikulski, Problem (wie Anm. 102), S. 23, verweist auf Analogien zu Marienwerder (Kwidzyn) und anderen, weniger u¨berzeugenden Beispielen hin. 106 Mateusz Golinski, ´ ´ Ku rekonstrukcji pierwotnych funkcji Tynskiego Dworu w Pradze [Zur Rekon´ ´ ask struktion der urspru¨nglichen Funktionen des Teynhofes in Prag], in: Sredniowieczny Sl ˛ (wie Anm. 64), S. 127–137, meint, dass nichts darauf hinweise, dass der Hof fu¨r die fremden Kaufleute „fru¨her als in den 30er Jahren des 13. Jahrhunderts entstanden sein ko¨nnte. Seine Konstituierung hing wahrscheinlich mit der damals durchgefu¨hrten kommunalen Reform des Siedlungskernes der ku¨nftigen Altstadt zusammen. Der Zweck des Bestehens des Hofes war die Umsetzung des sog. Gastrechtes“ (S. 137). Vgl. ders., Praski Tyn wobec skutko´w XIII-wiecznej transformacji miasta [Der Prager Teynhof und die Folgen der Transformation der Stadt im 13. Jahrhundert], in: ebd., S. 139–145, hier S. 143: „Im Lichte archa¨ologischer Forschungen umgab den Teynhof anfangs ein breiter Graben sowie eventuell eine Palisade und eine Wand von ho¨lzernen Bauten, die sich am Graben entlangzogen, anderen Ergebnissen zufolge ein provisorischer Holzzaun“. 107 Anna L. Chorosˇkevic, ˇ Der deutsche Hof in Novgorod und die deutsche Herberge (Fondaco dei Tedeschi) in Venedig im 13./14. Jahrhundert. Eine vergleichende Vorstudie, in: Zwischen Lu¨beck und Novgorod. Wirtschaft, Politik und Kultur im Ostseeraum vom fru¨hen Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert. Norbert Angermann zum 60. Geburtstag, hg. v. Ortwin Pelc/Gertrud Pickhan, Lu¨neburg 1996, S. 67–87.
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meine, dass die Blockbebauung der Lokationssta¨dte rund um einen zentralen Marktplatz der plausiblere Bezugspunkt fu¨r den Thorner Werder ist. Die Kulmer Handfeste, die in ihrer Entstehungszeit eine relativ konservative Mischung von Dienst- und Niederlassungsrechten war,108 sah von Beginn an die Gru¨ndung einer civitas vor.109 Der Orden scho¨pfte aus den schlesischen Erfahrungen Heinrichs des Ba¨rtigen (unter anderem mit Neumarkt)110 und zog viele Siedler von dort an, denen er wesentlich bessere Bedingungen bot.111 In der Kulmer Handfeste wurde die renovatio monetae auf einen Mu¨nzumtausch alle zehn Jahre (also erst nach deren physischer Abnutzung) in einem gu¨nstigen Verha¨ltnis von 12:14 Denaren beschra¨nkt.112 Die vorgesehene Berufung eines Stadtrates wird im Allgemeinen mit dem Einfluss Lu¨becks in Verbindung gebracht, wo er schon seit ziemlich langer Zeit ein voll ausgebildetes Element der sta¨dtischen Verfassung darstellte.113 Die urspru¨ngliche sta¨dtische Siedlung in Thorn umfasste einen relativ kleinen, an der Weichselbo¨schung gelegenen Bereich, womo¨glich mit einer ebenfalls auf einer verbreiterten Hauptstraße aufbauenden Anlage.114 Die Vergro¨ßerung der Stadt in den 50er Jahren des 13. Jahrhunderts war mit einer Nivellierung des Gela¨ndes und der Trassierung eines nahezu regelma¨ßigen Marktplatzes verbunden, an dem binnen kurzem der erwa¨hnte Kaufmannshof, das spa¨tere Rathaus, entstand.115 Die durch eine schnelle Entwicklung des Zentrums, a¨hnlich wie bei der letzten Translokation von Kulm116 ermo¨glichten Vera¨nderungen, weisen darauf hin, dass man auf pra¨zisierte
108 Marian Dygo, Studia nad poczatkami ˛ władztwa Zakonu Niemieckiego w Prusach (1226–1259) [Stu-
dien zu den Anfa¨ngen der Herrschaft des Deutschen Ordens in Preußen], Warszawa 1992, S. 87f., 159f.
109 Krystyna Zielinska-Melkowska, ´ ´ Przywilej chełminski 1233 i 1251 [Die Kulmer Handfeste von 1233
und 1251], Torun´ 1986, S. 34f.
110 Zdro ´ jkowski, Geneza (wie Anm. 78), S. 64f. 111 Tomasz Jasinski, ˙ ´ Stosunki s´ lasko-pruskie ˛ i s´ lasko-krzy ˛ zackie w pierwszej połowie XIII wieku [Die
schlesischen-preußischen und schlesisch-ordensritterlichen Beziehungen in der ersten Ha¨lfte des 13. Jahrhunderts], in: Ars historica, hg. v. Marian Biskup u. a., Poznan´ 1976, S. 393–403; ders., Die Rolle des Deutschen Ordens bei der Sta¨dtegru¨ndung in Preußen im 13. Jahrhundert, in: Stadt und Orden. Das Verha¨ltnis des Deutschen Ordens zu den Sta¨dten in Livland, Preußen und im Deutschen Reich, hg. v. Udo Arnold, Marburg 1993, S. 94–111; Benedykt Zientara, Sprawy pruskie w polityce Henryka Brodatego [Die preußischen Fragen in der Politik Heinrichs des Ba¨rtigen], in: Zapiski Historyczne 41 (1976), 4, S. 27–42. 112 Zielinska-Melkowska, ´ Przywilej (wie Anm. 109), § 22, S. 46. 113 Ebd., § 5, S. 38; Jerzy Lucinski, ´ ´ Przywilej chełminski z 1233 r., jego tre´sc´ oraz dzieje jego postanowien´ [Die Kulmer Handfeste, ihr Inhalt und die Geschichte ihrer Entstehung], in: Studia Culmen´ sia historico-juridica, czyli ksi˛ega pamiatkowa ˛ 750-lecia prawa chełminskiego, Bd. 1, hg. v. Zbigniew Zdro´jkowski, Torun´ 1990, S. 81–144, hier S. 91, 93f.; Bernhard am Ende, Studien zur Verfassungsgeschichte Lu¨becks im 12. und 13. Jahrhundert, Lu¨beck 1975, S. 211f.; Lu¨beckische Geschichte, Lu¨beck 1988, S. 106ff. Der Stadtrat selbst entstand einige Zeit spa¨ter, um die Mitte des 13. Jahrhunderts – Jasin´ ski, Torun´ (wie Anm. 103), S. 135f. 114 Mikulski, Przestrzen´ (wie Anm. 103), S. 30f. 115 Ebd., S. 33f. 116 Jan Zobolewicz, Układ przestrzenny s´ redniowiecznego Chełmna [Raumordnung des mittelalterlichen Kulm], in: Zeszyty Naukowe Uniwersytetu Mikołaja Kopernika w Toruniu, Zabytkoznawstwo ´ XVIII wieku i Konserwatorstwo 3 (1968), S. 3–59; Zenon Hubert Nowak, Dzieje Chełmna do konca [Geschichts Kulms bis zum Ende des 18. Jahrhunderts], in: Dzieje Chełmna. Zarys monograficzny, hg. v. Marian Biskup, Poznan´ 1987, S. 63–128, hier S. 63f.; ders., Przyczynek do układu przestrzen-
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stadtra¨umliche Standards zuru¨ckgriff, darunter auch den zentral gelegenen rechteckigen Markplatz. Die Intensivierung des Handelsaustausches trug zur Entstehung einer entsprechenden, ihm dienenden Infrastruktur bei. Die Konzentration der Transaktionen auf Handelseinrichtungen, die dem Herrscher geho¨rten, war eine alte, schon in der Antike bekannte und in verschiedener Form seit der Karolingerzeit genutzte Lo¨sung, die eine effektive fiskalische Kontrolle ermo¨glichte. Im Stadtraum tauchten spezielle Geba¨ude wie Handels- und Tuchhallen auf. Fu¨r die Bedu¨rfnisse des Fernhandels wurden Kaufmannsho¨fe errichtet.117 In Mitteleuropa erfu¨llten ha¨ufig Kirchen die Funktion von Warenmagazinen.118 Fu¨r den lokalen Handel reichten mobile Ba¨nke und Buden aus, die auf der Hauptstraße aufgestellt wurden.119 Der Status fremder Kaufleute als Ga¨ste (hospites) gab dem Herrscher die Mo¨glichkeit, sie zu beaufsichtigen und ein starkes Kontrollrecht auszuu¨ben.120 Im Polen des 12. Jahrhunderts erfu¨llten fu¨rstliche Tavernen und Schenken eine wichtige Funktion im Handel.121 Fleischba¨nke tauchen in den Quellen im 12. Jahrhundert bereits als funktionierende Institutionen auf,122 deren Existenz in jener Zeit kaum anzuzweifeln ist.123 nego s´ redniowiecznego Chełmna [Ein Beitrag zur Raumordnung des mittelalterlichen Kulm], in: Historia i archiwistyka. Ksi˛ega pamiatkowa ˛ ku czci profesora Andrzeja Tomczaka, hg. v. Jerzy Dygdała/ Bolesław Woszczynski, ´ Torun´ 1992, S. 309–316. 117 Gerhard Nagel, Das mittelalterliche Kaufhaus und seine Stellung in der Stadt. Eine baugeschichtliche Untersuchung an su¨dwestdeutschen Beispielen, Berlin 1971; Jacques Le Goff, L’apoge´e de la France urbaine me´die´vale, in: La ville me´die´vale des Carolingiens a` la Renaissance (Histoire de la France urbaine 2), Paris 1980, S. 189–405, hier S. 222f.; Cord Meckseper, Kleine Kunstgeschichte der deutschen Stadt im Mittelalter, Darmstadt 1982, S. 162f., 168f.; Heers, La ville (wie Anm. 36), S. 165f.; Schoffield/Vince, Medieval Towns (wie Anm. 40), S. 48f., 135f. 118 Paul Johansen, Die Kaufmannskirche im Ostseegebiet, in: Studien zu den Anfa¨ngen des europa¨ischen Sta¨dtewesens. Reichenau-Vortra¨ge 1955–1956, hg. v. Theodor Mayer, Konstanz 1958, S. 499–525; ders., Die Kaufmannskirche, in: Die Zeit der Stadtgru¨ndung im Ostseeraum, hg. v. Ma˚rten Stenberger, Uppsala 1965, S. 85–134. 119 Beispiele bei Nagel, Das mittelalterliche Kaufhaus (wie Anm. 117), S. 66f.; Schwineko ¨ per, Die Problematik (wie Anm. 91), S. 118f. 120 Zum Status der Ga¨ste Christian Lu¨bke, Multiethnizita¨t und Stadt als Faktoren gesellschaftlicher und staatlicher Entwicklung im o¨stlichen Europa, in: Burg – Burgstadt – Stadt (wie Anm. 5), S. 36–50; ders., Fremde im o¨stlichen Europa. Von Gesellschaften ohne Staat zu verstaatlichten Gesellschaften ´ ´ dłach pisanych (9.–11. Jahrhundert), Ko¨ln 2001, S. 123f.; Dariusz Gło´wka, Hospites w polskich zro XII–XV wieku [Hospites in den polnischen Schriftquellen des 12.–15. Jahrunderts], in: Kwartalnik Historii Kultury Materialnej 32 (1984), S. 379f. 121 Irena Cie´slowa, Taberna wczesno´sredniowieczna w Polsce wieku X–XII [Die fru¨hmittelalterliche Taverne im Polen des 10.–12. Jahrhunderts], in: Studia Wczesno´sredniowieczne 4 (1958), S. 159–222; ˙ ´ dies., Karczma, in: Słownik Starozytno´ sci Słowianskich. Encyklopedyczny zarys kultury Słowian od czaso´w najdawniejszych do schyłku wieku XII, hg. v. Władysław Kowalenko u. a., Bd. 2, Wrocław u. a. 1964, S. 373–375; Stanisław Trawkowski, Taberny płockie na przełomie XI i XII wieku. W sprawie ¨ bergang vom 11. zum 12. Jahrhundert. Zur Frage zakresu obrotu towarowego [Płocker Tavernen am U des Bereichs des Warenumschlags], in: ders., Opuscula Medievistica. Studia nad historia˛ społeczna˛ Polski wczesnopiastowskiej, Warszawa 2005, S. 207–221; ders., Ołbin wrocławski w XII wieku, in: ebd., S. 222–255. 122 Irena Rabecka-Brykczy ˛ nska, ´ Jatki rze´znicze w Polsce w XIII–XIV w. [Fleischba¨nke in Polen im 13.–14. Jahrhundert], in: Dies./Tadeusz Sobczak, Z problematyki badan´ nad produkcja˛ i konsump˙ cja˛ zywno´ sci w Polsce, Wrocław 1984, S. 7–125. 123 Rabecka-Brykczy ˛ nska, ´ Jatki (wie Anm. 122), S. 12f., bezweifelt die Glaubwu¨rdigkeit der a¨ltesten Erwa¨hnungen in einer gefa¨lschten Urkunde des Klosters Tyniec aus den Jahren 1123–1125 (zwei
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Im 13. Jahrhundert waren die sta¨dtischen Fleischba¨nke Gegenstand des fu¨rstlichen Monopols.124 Die entstehenden sta¨dtischen Zentren und die sich in ihnen befindenden Handelseinrichtungen waren einer ziemlich rigorosen fu¨rstlichen Aufsicht unterworfen. Die Bedeutung, die die polnischen Herzo¨ge dem aus den Handelseinrichtungen zu ziehenden Nutzen und einer Kontrolle der entsprechenden Einnahmequellen zumaßen, ist am Beispiel Breslaus deutlich sichtbar. Breslau bietet dank einer relativ ergiebigen Quellenu¨berlieferung und eingehender Forschungen125 maßgebliches Material fu¨r die Untersuchung der Transformationen innerhalb einer entstehenden Stadt. Heinrich der Ba¨rtige kaufte und liquidierte hier von Beginn seiner Herrschaft an Eigentumsrechte kirchlicher Institutionen und nahm wahrscheinlich schrittweise den Ausbau der Stadt in Angriff.126 Die Intentionen des Fu¨rsten beleuchtet fu¨r die 1230er Jahre ein bekannter Brief der Magdeburger Scho¨ffen und burgenses, die ihm u. a. vorwarfen, dass entgegen den damaligen Magdeburger Gepflogenheiten, welche einen freien Warenverkauf in den Ha¨usern vorsahen, auswa¨rtige Kaufleute gezwungen wu¨rden, ihren Handel ausschließlich im Kaufmannshof auszuu¨ben.127 Vielleicht ging es hier um die Tuchhallen, die fu¨r viele schlesische Sta¨dte seit den 40er Jahren des 13. Jahrhunderts belegt sind und dort im Allgemeinen zu den a¨ltesten Steinbauten geho¨ren.128 Fleischba¨nke in Krakau) und der Stiftungsurkunde des Klosters Leubus aus dem Jahr 1175 (Zinseinnahmen von 300 Denaren aus den Fleischba¨nken von Breslau). Eine a¨hnliche Ansicht hat bezogen auf Krakau ku¨rzlich gea¨ußert Jerzy Rajman, Krako´w: zespo´ł osadniczy, proces lokacji, mieszczanie do roku 1333 [Krakau. Siedlungskomplex, Lokationsprozess, Bu¨rger bis zum Jahr 1333], Krako´w 2004, S. 175. Solche Meinungen halte ich fu¨r unbegru¨ndet, die Existenz von Fleischba¨nken entspricht den organisatorischen Mo¨glichkeiten des 12. Jahrhunderts. Das Problem bedu¨rfte einer vergleichenden Analyse, wie sie innerhalb dieses Beitrags nicht zu leisten ist, vgl. Stanisław Trawkowski, Ołbin wrocławski w XII wieku [Der Breslauer Elbing im 12. Jahrhundert], in: Roczniki dziejo´w społecznych i gospodarczych 20 (1959), S. 69–103, hier 73f. 124 Rabecka-Brykczy ˛ nska, ´ Jatki (wie Anm. 122), S. 21f. 125 Młynarska-Kaletynowa, Wrocław (wie Anm. 22), S. 80f.; dies., Najdawniejszy Wrocław [Das a¨lteste Breslau], Wrocław 1992, S. 75f. 126 Zuletzt Bu´sko u. a., Historia Wrocławia [Geschichte Breslaus], Bd. I, Wrocław 2001, S. 85f. Ich denke, dass die Lokalisierung der ersten sta¨dtischen Entwicklungsphase rund um den Neumarkt sehr begru¨ndet ist. Plausibel ist auch die Vermutung, „dass die Bezeichnung Neumarkt in dem Moment aufkam, als Heinrich der Ba¨rtige auf dem Gebiet der Lokationsstadt einen neuen Handelsplatz schuf“ (ebd., S. 87). 127 Schlesisches Urkundenbuch Bd. 1 (wie Anm. 83), Nr. 321: Noverit igitur vestre nobilitatis benignitas, quod quilibet burgensis aut propriam habens aream vel domum quarumcumque rerum venalium habuerit, eas in domo propria libere vendere potest aut pro aliis rebus commutare. De domo quoque, quam ad augmentandum censum vestrum in communi foro frequentari et per singulas mansiunculas inhabitari statuistis, scire debetis indubitanter, quod si dominus noster archiepiscopus hoc in nostra civitate attemptaret, penitus deficeret. Vgl. Zientara, Heinrich der Ba¨rtige (wie Anm. 78), S. 142f.; Młynarska-Kaletynowa, Wrocław (wie Anm. 22), S. 106f. 128 Mateusz Golinski, ´ Die Anfa¨nge der Kaufha¨user und Reichskra¨me in den schlesischen Sta¨dten, in: Zeitschrift fu¨r Ostforschung 42 (1993), S. 1–20; ders., Ze studio´w nad poczatkami ˛ sukiennic w Pol´ ´ sce [Studien u¨ber die Anfa¨nge der Tuchhallen in Polen], in: Monastycyzm, Słowianszczyzna i panstwo polskie. Warsztat badawczy historyka, hg. v. Kazimirz Bobowski, Wrocław 1994, S. 130–143; ders., Hala kupiecka – sukiennice – ratusz [Kaufhaus – Tuchhalle – Rathaus], in: Ratusz w miastach po´łnoc´ 1997, S. 49–51, hier 49ff.; Nagel, Das mittelalterliche nej Europy, hg. v. Stanisław Latour, Gdansk Kaufhaus (wie Anm. 117).
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Auf der damaligen Stufe der Herrschaftsorganisation war die effektivste Art, Nutzen aus dem Handel zu ziehen, die ihm dienenden Einrichtungen zu beaufsichtigen. In Polen geschah dies besonders restriktiv und betraf zuerst Schenken und Ma¨rkte, dann (lange vor der Lokationswende) Fleischba¨nke und Kramla¨den,129 in den Sta¨dten aber alle Einrichtungen, darunter auch die Waren in Kaufmannsho¨fen, Tuchhallen usw.130 Eine angemessene Bewertung des Pha¨nomens wu¨rde vergleichendes Material aus dem gesamten deutschen Kolonisationsgebiet erfordern. Bisher ist dem Problem keine eigene Studie gewidmet worden. Die Frage betrifft nicht so sehr die Existenz der Einrichtungen selbst – sie waren wahrscheinlich im Prinzip u¨berall a¨hnlich – als vielmehr die Frage, wer sie zur Lokationszeit besaß. Denn fu¨r spa¨ter ist die Mo¨glichkeit anzunehmen, dass sie bald von der Stadtgemeinde gekauft wurden. In Bo¨hmen geho¨rten, wie es scheint, Marktba¨nke und Marktsta¨nde den Sta¨dten und wurden schon im 14. Jahrhundert von den Marktpla¨tzen entfernt.131 Kaufmannsho¨fe waren ein seltenes Pha¨nomen – außer dem Theinhof in Prag ist fu¨r das 13. Jahrhundert nur ein Privileg aus dem Jahr 1261 zum Bau eines theatrum sive domus communis, que in vulgo chaufhus dicitur in Olmu¨tz bekannt.132 In Brandenburg existierte bereits 1188 ein Kaufhaus in Stendal, 1232 in Spandau, 1233 in Salzwedel, 1251 war ein Bau in Prenzlau vorgesehen und 1253 in Frankfurt/Oder.133 Interessante Beobachtungen liefert das bereits erwa¨hnte Beispiel Thorn, wo die Fleischba¨nke (auf dem Werder) bis 1309 dem Orden geho¨rten.134 Eine solche Situation war offenbar – ebenso wie in Polen – in der Entstehungszeit einer Stadt Standard. Einen Kaufmannshof konnten die Bu¨rger dagegen 1259 bereits selbst errichten.135 Die weitere Reglementierung der Anwesenheit fremder Kaufleute sollte den Interessen der Thorner Bu¨rger dienen, deren Bemu¨hungen mit der Zeit zur Erlangung des Stapelrechtes fu¨hrten.136 Die besonders große Reichweite der Kontrollen, auch des lokalen Handels, in den schlesischen und dann den polnischen Sta¨dten war eine Fortsetzung des fu¨rstenrechtlichen Monopols und schlug sich in einer spezifischen Entwicklung der Blockbebauung am Markt nieder. Dies war weder Zufall noch eine Rezeption fertiger Vorbilder,
129 Buczek, Targi (wie Anm. 3), S. 78f.; u¨bereinstimmend Roman Grodecki, Poczatki ˙ ˛ pieni˛eznego
´ skarbu panstwowego w Polsce [Die Anfa¨nge eines staatlichen Geldschatzes in Polen], in: Wiadomo´sci Numizmatyczno-Archeologiczne 15 (1933), S. 1–32, hier S. 10f. 130 Rafał Czerner, Zabudowy rynko´w. Sredniowieczne ´ ˙ bloki rynkowe wybranych duzych miast ´ aska Sl ˛ [Marktbebauungen. Die mittelalterlichen Marktblo¨cke ausgewa¨hlter großer Sta¨dte Schlesiens], Wrocław 2002. Der Autor zieht darin weitere eigene Publikationen heran, vgl. ders./Czesław Lasota, ´ ´ asku Sredniowieczne sukiennice na Sl ˛ [Die mittelalterlichen Tuchhallen in Schlesien], in: Kultura s´ red´ aska niowiecznego Sl ˛ i Czech. Miasto, hg. v. Krzysztof Wachowski, Wrocław 1995, S. 51–60. 131 Jezˇek, Archeologia (wie Anm. 64), S. 36. 132 Codex diplomaticus et epistolaris regni Bohemiae, Bd. 5, Teil 1, hg. v. Jindˇrich Sˇeba´nek/Sa´sˇa Dusˇkova´, Praha 1974, Nr. 295; Jindˇrich Sˇeba´nek, K ota´zce kupecke´ho domu v Olomouci [Zur Frage des Kaufmannshauses in Olmu¨tz], in: Slezsky´ sbornı´k 61 (1963), 1, S. 46–60; Kejr, ˇ Vznik (wie Anm. 54), S. 216ff. fu¨hrt die Privilegien fu¨r Bautzen (1284), Leobschu¨tz (1298) sowie weitere Beispiele an. 133 Schich, Die Herausbildung (wie Anm. 65), S. 237. 134 Mikulski, Przestrzen´ (wie Anm. 103), S. 30. 135 Vgl. Anm. 104. 136 Marian Magdanski, ´ ´ Organizacja kupiectwa i handlu torunskiego do roku 1403 [Die Organisation der Kaufmannschaft und des Thorner Handels bis zum Jahr 1403], Torun´ 1939.
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da die Konzentration von Handelseinrichtungen (Tuchhallen, Fleischba¨nke, La¨den, Ba¨nke usw.), die so typisch fu¨r die schlesischen Sta¨dte und bald auch fu¨r das Lokationsmodell in den anderen polnischen Territorien war, keine Vorbilder besaß.137 Es ließe sich noch erga¨nzen, dass auch der Name dieses Platzes – circulus, Ring, rynek – „nicht durch die deutsche Bevo¨lkerung nach Polen gebracht wurde, da in ihren Herkunftsla¨ndern diese Bezeichnung nicht in derselben Bedeutung benutzt wurde“. Er entstand eher „erst in Polen unter dem Einfluss der einheimischen Verha¨ltnisse“. Leider ist trotz der Analyse des Problems durch Przemysław Tyszka der semantische Ursprung der Bezeichnung weiterhin unklar.138 In der Konzentration der Handelseinrichtungen ist (neben der Standardisierung der Parzellen als Mittel der Abgabenerhebung) einer der Faktoren zu sehen, die die Entwicklung eines regelma¨ßigen, schachbrettfo¨rmigen Grundrisses der Lokationsstadt begu¨nstigten und u¨ber dessen Popularita¨t entschieden. Eine solche Raumkonzeption sicherte am besten die Interessen des Herrschers. Die fiskalischen Ziele des Fu¨rsten, der eine mo¨glichst vollsta¨ndige Kontrolle u¨ber die Einku¨nfte aus der Stadt anstrebte, traten wa¨hrend der Umgestaltung Breslaus klar zutage.139 Heinrich der Ba¨rtige hat westlich des Marktes, der am Oderu¨bergang lag und spa¨ter als Neumarkt erwa¨hnt wurde, in den 20–30er Jahren des 13. Jahrhunderts eine große Stadt nach deutschem Recht mit dem großen Ring, dem Salzring und der Pfarrkirche der hl. Elisabeth errichtet.140 Wie erwa¨hnt, verbot der Fu¨rst den Handel in den Ha¨usern der Bu¨rger und zwang sie, sein Kaufhaus zu benutzen.141 Die ra¨umlichen Pla¨ne Heinrichs fu¨r Breslau waren sehr großfla¨chig und deckten sich mit dem spa¨teren zweiten Mauergu¨rtel. Die so genannte ‚große Lokation‘ nach dem Tatareneinfall im Winter 1242 verkleinerte wahrscheinlich das Stadtgebiet nur.142 Die Bu¨rger nutzten die damalige Schwa¨che der fu¨rstlichen Gewalt zur Aneignung der Ga¨rten ante civitatem iacentibus infra fossata prime locationis. Die Besitztstreitigkeiten erledigte Heinrich III.
137 Darauf weist hin Gra˙zyna Balinska, ´ Rozwo´j urzadze ˛ n´ handlowych i administracyjnych w blokach
´ XV w. [Die Entwicklung der Handels- und Verwaltungseins´ ro´drynkowych miast s´ laskich ˛ do konca richtungen auf den Zentralmarktblo¨cken schlesischer Sta¨dte bis zum Ende des 15. Jahrhunderts], in: Kwartalnik Architektury i Urbanistyki 26 (1981), 2, S. 127–157. 138 Tyszka, Obraz (wie Anm. 101), S. 71f., 86. 139 Bu´sko u. a., Historia Wrocławia (wie Anm. 126), S. 85–87; Młynarska-Kalentynowa, Wrocław (wie Anm. 22), S. 80f. 140 Ich korrigiere hier meine fru¨heren Vorstellungen, dass der Stadtgrundriss von Breslau erst wa¨hrend der so genannten ‚großen Lokation‘ 1242 entstand; einige Archa¨ologen betonen seit einem Jahrzehnt, dass die Vermessung des Rings in den 1220er–1230er Jahren erfolgte; vgl. vor allem Jerzy Piekalski, Die Lokation Breslaus als archa¨ologisches Forschungsproblem, in diesem Band, S. 139–155; ders., ´ ask Wrocław – miasto Henryka IV. [Breslau – die Stadt Heinrichs IV.], in: Sl ˛ w czasach Henryka IV ´ Prawego, hg. v. Krzysztof Wachowski, Wrocław 2005, S. 39–48; ders., Zakonczenie [Schluss], in: Rynek wrocławski w s´ wietle badan´ archeologicznych. Bd. 2, hg. v. Jerzy Piekalski, Wrocław 2002, S. 287–291. 141 Vgl. Anm. 127. 142 Fu¨r weniger wahrscheinlich halte ich jetzt die Mo¨glichkeit, dass die Berater des jungen Fu¨rsten Bolesław Rogatka die Verwirrung nach der Zersto¨rung durch den Mongoleneinfall ausnutzten, um den Platz fu¨r den Markt, ein regelma¨ßiges Straßennetz und eine Blockbebauung zu trassieren.
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im Privileg von 1261 u¨ber das Magdeburger Recht.143 Der schachbrettartige Stadtgrundriss von Breslau entstand stufenweise, wenigstens in drei Etappen. In Krakau war der Bereich des Marktes auch bereits fru¨her besiedelt gewesen und wa¨hrend der Lokation von 1257 ein neuer Marktplatz und ein regelma¨ßiges Straßennetz vermessen worden.144 Bald nach Breslau wurde die regelma¨ßige ra¨umliche Lokation auch in den Hauptsta¨dten anderer schlesischer Fu¨rstentu¨mer wie Glogau145 und Liegnitz146 angewendet. Insbesondere die Informationen u¨ber den Verlauf der Lokation von Glogau im Jahr 1253 zeigen, welch bedeutende Angelegenheit die Eliminierung der bisherigen Eigentumsrechte war, in erster Linie derjenigen der Kirche. Im Austausch gegen einen Verzicht auf die Einku¨nfte de tabernis, macellis, decimis foris et nonis et quibusdam aliis in dieser Stadt sollten sich das Bistum Breslau und die o¨rtliche Kollegiatskirche perpetua libertate und detailliert aufgefu¨hrter Befreiungen von den im polnischen Recht vorgesehenen Fu¨rstendiensten erfreuen.147 Offensichtlich war die Immunita¨t fu¨r die Kirchengu¨ter eine Entscha¨digung fu¨r die Enteignungen. Im Falle Breslaus hatten die Verleihung des Magdeburger Rechtes im Jahr 1261 und eine entsprechende Rechtsweisung aus Magdeburg148, wo sich in den 30er Jahren des 13. Jahrhunderts endgu¨ltig ein Stadtrat herausgebildet hatte149, grundlegende Bedeutung fu¨r seinen Transformationsprozess hin zu einer kommunalen Stadt. 143 Schlesisches Urkundenbuch, Bd. 3: 1251–1266, hg. v. Winfried Irgang, Ko¨ln 1984, Nr. 373: vgl.
Mateusz Bu´sko u. a., Historia Wrocławia (wie Anm. 126), S. 100f.; Młynarska-Kaletynowa, Wrocław (wie Anm. 22), S. 107f. 144 Rajman, Krako´w (wie Anm. 123), S. 162f.; Krasnopolski, Lokacyjne układy (wie Anm. 31), S. 88f. 145 Ro´scisław Zerelik, ˙ ´ W ramach panstwa polskiego [Im Rahmen des polnischen Staates], in: Materiały do dziejo´w Głogowa, Wrocław 1989, S. 19–46, bes. S. 30f.; Marian Kutzner, Głogo´w [Glogau], in: Studia nad poczatkami ˛ i rozplanowaniem miast nad s´ rodkowa˛ Odra˛ i dolna˛ Warta,˛ Bd. 2, hg. v. Zdzisław Kaczmarczyk/Andrzej W˛edzki, Zielona Go´ra 1970, S. 135–210. Viel Material, aber schwer zu akzeptierende Hypothesen zur anfa¨nglichen Gestalt der Lokationsstadt Glogau entha¨lt der Artikel von Tadeusz Kozaczewski, Glogo´w – miasto s´ redniowieczne [Glogau – die mittelalterliche Stadt], in: Kwartalnik Architektury i Urbanistyki 18 (1973), 1, S. 3–34; vgl. Mieczysław Kaczkowski, Pro´ba rekonstrukcji rozwoju układu przestrzennego Ostrowa Tumskiego w Głogowie [Versuch einer Rekonstruktion der Entwicklung der Raumorganisation auf der Dominsel in Glogau], in: Szkice Legnickie 12 (1984), S. 27–46. 146 Eine erscho¨pfende Darstellung des Diskussionsstandes bei Mateusz Golinski/Ro´ ˙ ´ scisław Zerelik, Kontroversen um die Lokation von Liegnitz, in diesem Band, S. 181–204; vgl. Marta Młynarska´ asku Kaletynowa, Rozwo´j sieci miejskiej na Sl ˛ na przełomie XII–XIII i w XIII [Die Entwicklung des Sta¨dtenetzes in Schlesien an der Wende vom 12. zum 13. und im 13. Jahrhundert], in: Kwartalnik Historii Kultury Materialnej 28 (1980), S. 349–361, hier S. 357. 147 Schlesisches Urkundenbuch, Bd. 3 (wie Anm. 143), Nr. 103. 148 Ebd., Nr. 373, 381; Młynarska-Kaletynowa, Wrocław (wie Anm. 22), S. 162f.; dies., Najdawniejszy Wrocław (wie Anm. 125), S. 119f. 149 Den Entstehungsprozess des Rates in Magdeburg erkla¨rt am u¨berzeugendsten Ju¨rgen Weitzel, Zum Rechtsbegriff der Magdeburger Scho¨ffen, in: Studien zur Geschichte des sa¨chsisch-magdeburgischen Rechts in Deutschland und Polen, hg. v. Dietmar Willoweit/Winfred Schich, Frankfurt am Main 1980, S. 62–93, hier S. 77f.; vgl. Theodor Goerlitz, Die Anfa¨nge der Scho¨ffen, Bu¨rgermeister und Ratmannen in Magdeburg, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung fu¨r Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung 65 (1947), S. 70–85; Geschichte der Stadt Magdeburg, Berlin 21977, S. 53f.; Krystyna Kaminska, ´ Lokacje miast na prawie magdeburskim na ziemiach polskich do 1370 r. (Studium historycznoprawne) [Die Sta¨dtelokation zu Magdeburger Recht in den polnischen La¨ndern bis 1370. Eine rechtshistorische Studie], Torun´ 1990, S. 37f.
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Die Integration eines kommunalen Selbstverwaltungsorgans in das Lokationsmodell kann als Abschluss der Lokationswende betrachtet werden. Im fru¨h ausgebauten Breslau verlief dieser Prozess in Etappen150, wa¨hrend bei der Lokation Posens (1253) oder Krakaus (1257) von Beginn an die Existenz eines Stadtrates vorgesehen war.151 ¨ bernahme eines bereits entwickelten Modells, Es muss betont werden, dass dies die U aber keinen tatsa¨chlichen Einfluss der neuen Institution des Rates bedeutete, denn der Fu¨rst und insbesondere der Erbvogt behielten weiterhin ihre dominierende Bedeutung.152 Die Transformation der Hauptsta¨dte der Teilfu¨rstentu¨mer nach einem um die Mitte des 13. Jahrhunderts pra¨zisierten Lokationsmodell einer kommunalen Stadt hatte mit Sicherheit verschiedene Gru¨nde. Der wichtigste hing mit der Wendung hin zu einer Bevorzugung von Geldeinku¨nften in der Innenpolitik zusammen. Man kann vermuten, dass die fortschreitende Kommerzialisierung der Herrschaftsmechanismen und des Konsums von Luxusgu¨tern sowie der unaufho¨rliche Bedarf an Bargeld die Neigung befo¨rderten, jene Mo¨glichkeiten zu nutzen, die im Zusammenhang mit der Entwicklung existierender Vorbilder entstanden. Die ra¨umliche Regu¨ bernahme von Einku¨nften lierung vereinheitlichte das Stadtgebiet und diente der U durch den Fu¨rsten, und in der Regel muss sie von einer Beseitigung der bisherigen Eigentumsverha¨ltnisse begleitet gewesen sein – was bei großen Zentren jahrelanger Vorbereitungen bedurfte. Darin ist ein Zusammenhang mit der Sta¨rkung der kirchlichen Immunita¨tsprivilegien zu sehen. Dies la¨sst sich sowohl fu¨r Krakau als auch fu¨r Posen zeigen.153 Erleichtert wurden die Enteignungen durch eine in Polen relativ ha¨ufige Translozierung der Stadt. Topographische Gru¨nde halte ich dabei fu¨r weniger ausschlaggebend.154 Die schachbrettfo¨rmige Regulierung des Stadtraumes inten150 Auch in Krakau lassen sich kaum wahrnehmbare Entwicklungsphasen einer deutschen Gemeinde
erkennen, vgl. Rajman, Krako´w (wie Anm. 123), S. 173f.
151 Gawlas, O kształt (wie Anm. 6), S. 143 (Anm. 400); Michał Patkaniowski, Krakowska rada miejska w
s´ rednich wiekach [Der Krakauer Stadtrat im Mittelalter], Krako´w 1034, S. 26f.; Antoni Gasiorowski, ˛ ´ sredniowiecznego [Die spa¨tmittelalterliche Stadtregierung], in: Dzieje Poznania, Zarzad ˛ miasta po´zno´ Bd. 1, Teil 1, hg. v. Jerzy Topolski, Poznan´ 1988, S. 233–244, hier 237f. 152 Jerzy Wyrozumski, Krako´w do schyłku wieko´w s´ rednich [Krakau bis zum Ausgang des Mittelalters], Krako´w 1992 [Dzieje Krakowa, Bd. 1], S. S. 186f.; Zdzisław Kaczmarczyk, Ustro´j miasta lokacyjnego [Verfassung der Lokationsstadt], in: Dzieje Poznania, Bd. 1, Teil 1, S. 193–208, hier S. 190f.; Henryk Samsonowicz, Samorzad ˛ miejski w dobie rozdrobnienia feudalnego w Polsce [Die sta¨dtische Selbstverwaltung im Zeitalter der feudalen Zersplitterung], in: Polska w okresie rozdrobnienia feudalnego, hg. v. Henryk Łowianski, ´ Wrocław 1973, S. 133–159; Bogucka/Samsonowicz, Dzieje miast (wie Anm. 18), S. 57f.; zuletzt Marta Załeska, ˛ Wo´jstostwa dziedziczne w miastach Małopolski w ´ po´znym s´ redniowieczu (Studium historyczno-prawne) [Die Erbschulzena¨mter in den Sta¨dten Kleinpolens im Spa¨tmittelalter (eine historisch-rechtliche Studie)], Warszawa 2005. 153 Sławomir Gawlas, Polityka wewn˛etrzna Przemysła II a mechanizmy społecznych da˙ ˛zen´ i konflikto´w w Wielkopolsce jego czaso´w [Die Innenpolitik Przemysłs II. und die Mechanismen sozialer Bedu¨rfnisse und Konflikte im Großpolen seiner Zeit], in: Przemysł II: odnowienie Kro´lestwa Polskiego, Poznan´ 1997, S. 65–80, S. 73f.; ders., Człowiek uwikłany w wielkie procesy – przykład Muskaty [Ein ´ Mensch verstrickt in große Prozesse – das Beispiel Muskata], in: Człowiek w społeczenstwie s´ redniowiecznym, hg. v. Roman Michałowski, Warszawa 1997, S. 391–401, hier S. 396. 154 Ders., O kształt (wie Anm. 6), S. 88; vgl. das Material bei Tadeusz Lalik, Stare Miasto w Ł˛eczycy. Przemiany w okresie poprzedzajacym ˛ lokacj˛e – schyłek XII i poczatek ˛ XIII w. [Die Altstadt in Ł˛eczyca. Vera¨nderungen in der Vorlokationszeit, Ende 12.–Anfang 13. Jahrhundert], in: Kwartalnik His-
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sivierte die Wirkung der Lokationsschwelle und verlieh der polnischen Sta¨dtelandschaft einen kolonialen Charakter. Die Ha¨ufigkeit dieses Pha¨nomens spiegelte die relativ starke Position der Herrscher wider, sowohl gegenu¨ber den bisherigen Eigentu¨mern, als auch gegenu¨ber der entstehenden Gemeinde. Diese Position erwuchs aus den Pra¨rogativen des Fu¨rstenrechtes und dem Spektrum der dem Fu¨rsten zur Disposition stehenden Regalien. Prinzipiell geho¨rte auch die Errichtung von Stadtmauern und eines Fu¨rstenschlosses oder -hofes innerhalb der Stadtbefestigungen zum Programm einer kommunalen Lokation.155 Die Konsolidierung des entstandenen Lokationsmodells hatte zur Folge, dass der schon in der zweiten Ha¨lfte des 13. Jahrhunderts unter dem Druck finanzieller Erfordernisse beginnende Ausverkauf der Handelseinrichtungen zugunsten der Sta¨dte keinen entscheidenden Einfluss ausu¨bte.156 Der Verlauf der Lokationswende und die dabei angewandten Lo¨sungen hingen eindeutig von den existierenden Verfassungsgrundlagen und Machtverha¨ltnissen ab. In Pommern schwa¨chten eine spa¨te Herrschaftsbildung und wesentlich geringer ausgebaute Pra¨rogativen im Bereich der Regalien157 die Position der Fu¨rsten gegenu¨ber den entstehenden Stadtgemeinden. Eine gewisse Bedeutung hatten auch die Verzo¨gerung der Wende selbst und die vollsta¨ndigere Auspra¨gung des Lokationsmodells,
torii Kultury Materialnej 4 (1956), S. 631–678; bo¨hmische Analogien bei Ladislav Hosa´k, „Stare´“ a „Nove´“ mˇesto v obdobı´ stˇredoveke´ kolonizace na Moravˇe [„Alt-“ und „Neu“stadt in der Zeit der mitˇ telalterlichen Kolonisation in Ma¨hren], in: Historicka´ geografie 4 (1969), S. 82–86; Zˇemlicka, „Pra´vo nucene´ smˇeny“ (wie Anm. 58). 155 Gawlas, O kształt (wie Anm. 6), S. 30, 89. In Polen hat dies als Standard in gro¨ßerem Umfang erst Kasimir der Große eingefu¨hrt, vgl. Gawlas, Uwagi (wie Anm. 82), S. 28f.; Leszek Kajzer/Jan Salm, Burg und Stadt im mittelalterlichen Polen, in: Castrum bene, Bd. 6: Burg und Stadt, hg. v. Toma´sˇ Durdı´k, Praha 1999, S. 113–152. 156 Am fru¨hesten in Breslau – Mateusz Golinski, ´ ´ Podstawy gospodarcze mieszczanstwa wrocławskiego w XIII wieku [Die wirtschaftlichen Grundlagen des Breslauer Bu¨rgertums im 13. Jahrhundert], Wrocław 1991, S. 106f., 140f.; Richard C. Hoffmann, Land, Liberties and Lordship in a Late Medieval Countryside. Agrarian Structures and Change in the Duchy of Wrocław, Philadelphia 1989, S. 157f.; ders., Wrocław Citizens as Rural Landholders, in: The Medieval City, New Haven 1977, S. 293–311. In Schlesien mussten die Fu¨rsten im 14. Jahrhundert auf noch weitere Regalien verzichten, vgl. Josef Joachim Menzel, Die mittelalterlichen Grundlagen der Dominialverfassung in Schlesien, Wu¨rzburg ¨ bernahme von iura ducalia bei 1964, S. 76f. Interessante Beobachtungen zu den Mechanismen der U Heinrich Appelt, Spa¨tmittelalterliche Voraussetzungen der Ausbildung des Dominiums in Schlesien, in: Ders., Kaisertum, Ko¨nigtum, Landesherrschaft. Gesammelte Studien zur mittelalterlichen Verfassungsgeschichte, Wien 1988, S. 351–361. 157 Jerzy Walachowicz, Monopole ksia˙ ˛z˛ece w skarbowo´sci wczesnofeudalnej Pomorza Zachodniego [Fu¨rstliche Monopole im fru¨hfeudalen Schatzwesen von Pommern], Poznan´ 1963; ders., Rozwo´j immunitetu sadowego ˛ na Pomorzu Zachodnim do 1295 r. [Die Entwicklung der Gerichtsimmunita¨t in Pommern bis 1295], in: Czasopismo Prawno-Historyczne 9 (1959), 2, S. 9–55; ders., Immuni¨ konomische Immunita¨t in tet ekonomiczny na Pomorzu Zachodnim w okresie wczesnofeudalnym [O Pommern in fru¨hfeudaler Zeit], in: Czasopismo Prawno-Historyczne 13 (1961), 1, S. 21–59; begru¨ndete Korrekturen beigetragen hat Karol Buczek, Przemiany ustrojowe na Pomorzu Zachodnim w XII i XIII wieku [Strukturwandel in Pommern im 12. und 13. Jahrhundert], in: Kwartalnik Historyczny ˙ ´ 72 (1965), S. 349–379; ders., Regalia [Regalien], in: Słownik Starozytno´ sci Słowianskich. Encyklopedyczny zarys kultury Słowian od czaso´w najdawniejszych do schyłku wieku XII, hg. v. Władysław ˛ Kowalenko/Gerard Labuda/Tadeusz Lehr-Spławinski, ´ Bd. 4, Wrocław u. a. 1970, S. 483f.; Tadeusz Lalik, Regale targowe ksia˙ ˛zat ˛ wschodniopomorskich w XII–XIII wieku [Die Marktregalien der Fu¨rs˛ Historyczny 56 (1965), S. 171–201. ten von Pommerellen im 12.–13. Jahrhundert], in: Przeglad
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aber auch die gro¨ßere Eigensta¨ndigkeit der Sta¨dte im Lu¨becker Einflussgebiet. Die Transformation Stettins in eine kommunale Stadt zu Magdeburger Recht (1237–1243) wurde nicht von einer umfassenden Regulierung des Stadtraumes begleitet.158 Wenig spa¨ter wurde die Fu¨rstenburg geschleift, und auch weitere Sta¨dte ka¨mpften fu¨r eine Zersto¨rung der Burgen in ihrer Nachbarschaft.159 Bei anderen Lokationen kam es im Allgemeinen zu einer Verlegung des Zentrums,160 aber in den Sta¨dten gab es kein ¨ hnFu¨rstenschloss, und sie erlangten sehr schnell ihre politische Eigensta¨ndigkeit. A liche Tendenzen zur Beseitigung der Fu¨rstenschlo¨sser zeigten sich auch in Brandenburg.161 In Bo¨hmen dagegen hatte die Mehrzahl der ko¨niglichen Sta¨dte eine Burg.162 Bei der Vereinheitlichung der alten, zentralen Bereiche kam es hier ohne eine Regulierung des Stadtraumes zum erwa¨hnten forcierten Eigentumstausch.163 Die Lokationswende war ein la¨ngerer Prozess, von der Rezeption des Vorbildes einer Marktsiedlung (villa forensis) bis hin zur Entstehung des Modells einer kommunalen Stadt um die Mitte des 13. Jahrhunderts. Im Verlauf dieses Prozesses entstand die Tendenz, die Lokationen fu¨r beide Siedlungstypen einander anzugleichen. Doch noch la¨ngere Zeit wurden zwei grundlegende Verfassungsmodelle nebeneinander verwendet: ein a¨lteres, das mit der Verbreitung des Neumarkter Rechtes zusammenhing, sowie ein neueres, das auf Magdeburger Recht aufbaute, das den gro¨ßeren Dimensionen einer Lokationsstadt ada¨quater war. Dieses zweite, den Bu¨rgern mehr Autonomie gewa¨hrende Modell entsprach Zentren mit komplexen Handelsund Produktionsfunktionen weit besser. Generell ist fu¨r Polen von einer (im Vergleich zu Schlesien) geringen Qualita¨t des Urbanisierungsprozesses zu sprechen, dessen fiskalischer Hintergrund und enge Verknu¨pfung mit dem Bedarf an Absatzmo¨glichkeiten fu¨r landwirtschaftliche Produkte einer sta¨dtischen Handwerksproduktion wenig entgegenkamen. Im 15. Jahrhundert geho¨rte der Besitz einer eigenen Stadt oder eines Marktes (neben dem Besitz einer Burg und einer eigenen Pfarrkirche) weiterhin zu den grundlegenden Organisationsprinzipien adliger Gu¨terkomplexe. Dies hat Jan Wroniszewski ku¨rzlich aufgezeigt.164 Der nicht nur quantitative, sondern auch qualitative Wandel, welchen die Sta¨dtepolitik Kasimirs des Großen mit sich brachte, war 158 Piskorski, Miasta (wie Anm. 2), S. 50f., 229f.; Henryk Lesinski, ´ Ukształtowanie si˛e samorzadu ˛ gospo-
darczego i ustrojowego 1237–1295 [Die Herausbildung der wirtschaftlichen und verfassungsma¨ßigen Selbstverwaltung], in: Dzieje Sczecina, hg. v. Gerard Labuda, Warszawa 21985, S. 56–95, hier S. 65f. 159 Eugeniusz Cnotliwy, Poczatki ˛ i rozwo´j s´ redniowiecznej siedziby ksia˙ ˛z˛ecej w Szczecinie [Anfa¨nge und Entwicklung des mittelalterlichen Fu¨rstensitzes in Stettin], in: Zamek ksia˙ ˛z˛ecy w Szczecinie, hg. v. Janina Kochanowska, Szczecin 1992, S. 12f.; Piskorski, Miasta (wie Anm. 2), S. 182f. 160 Ebd., S. 82f.; Rebkowski, ˛ Pierwsze lokacje (wie Anm. 35), S. 40f. 161 Schich, Berlyn (wie Anm. 65), S. 137f. 162 Toma´sˇ Durdı´k, Kra´lovske´ hrady a kra´lovska´ mˇesta v Cecha ˇ ´ ch 13. stoletı´ [Ko¨nigliche Burgen und Sta¨dte in Bo¨hmen im 13. Jahrhundert], in: Archaeologia historica 20 (1995), S. 331–337, hat festgestellt, dass in 29 von 35 Sta¨dten eine Burg existierte; ders., Die Burgen in den bo¨hmischen mittelalterlichen Sta¨dten, in: Castrum bene (wie Anm. 155), S. 41–71; vgl. die Polemik und Korrekturen von Vladislav ˇ Razı´m, K problematice vztahu hrad – kra´lovske´ mˇesto v Cecha ´ ch [Zur Problematik des Verha¨ltnisses von Burg und ko¨niglicher Stadt in Bo¨hmen], in: Archaeologia historica 27 (2002), S. 307–326. 163 Vgl. Anm. 58. 164 Jan Wroniszewski, Szlachta ziemi sandomierskiej w s´ redniowieczu. Zagadnienia społeczne i gospodarcze [Der Adel des Landes Sandomir im Mittelalter. Gesellschaftliche und wirtschaftliche Probleme], ´ Poznan/Wrocław 2001, S. 20f.
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vor allem fu¨r die ko¨niglichen Gu¨ter von Bedeutung.165 Die Bevorzugung des Getreideanbaus zusammen mit der Dreifelderwirtschaft bewirkte, dass die do¨rfliche Produktionsentwicklung und die Marktfunktionen der Sta¨dte weniger widerstandsfa¨hig gegen die spa¨tmittelalterliche Krise bei den landwirtschaftlichen Einku¨nften waren. Die Anwendung Magdeburger Rechts und eines Schachbrettgrundrisses noch bei den kleinsten Lokationen von Ackerbu¨rgersta¨dten konnte die Situation nicht in gro¨ßerem Maße beeinflussen.
165 Vgl. Anm. 82.
FUNDATIO CIVITATIS Sta¨dtische Lokation und kirchliches Stiftungsprogramm in Breslau, Krakau und Posen von Marek Słon´ *
Man muss heutzutage niemanden mehr davon u¨berzeugen, dass die Lokation eines großen sta¨dtischen Zentrums ein langwieriger und komplexer Vorgang war. Sie bedeutete im Grunde die Schaffung eines neuen, sich durch eine enorme Dynamik auszeichnenden sozialen und wirtschaftlichen Organismus. Die Gru¨ndung einer Stadt gab einem Herrscher die Hoffnung, aus dieser binnen Kurzem bedeutenden finanziellen Nutzen ziehen zu ko¨nnen. Es waren auch politische Gru¨nde, die die Fu¨rsten zu solchem Handeln veranlassten, wie etwa die Sta¨rkung ihrer Hoheitsgewalt u¨ber die Hauptstadt ihres Fu¨rstentums1 oder die Schaffung einer neuen, ihnen gewogenen Kraft im Spiel um die Macht.2 Um der neuen Gemeinde eine schnelle Entwicklung zu ermo¨glichen und damit zu erreichen, dass sich die in sie gesetzten Hoffnungen erfu¨llten, war man bemu¨ht, ihr bestmo¨gliche Bedingungen zu gewa¨hrleisten. Die Lokationsprivilegien offenbaren die vollzogenen rechtlichen Vera¨nderungen, von denen die Zusicherung sta¨dtischer Autonomie von besonderer Bedeutung war. Parallel dazu fu¨hrte man eine Reorganisation des sta¨dtischen Siedlungsraumes durch. Analysiert man die Gesamtheit der die Lokationen begleitenden, vom Herrscher selbst oder auf seine Anregung hin vollzogenen Vera¨nderungen, dann la¨sst sich noch eine weitere wichtige Stoßrichtung seines Handelns aufzeigen: die Schaf¨ berfung neuer, sta¨dtischer Kirchenstrukturen. Eben diesen sind die vorliegenden U legungen gewidmet. Ich schlage eine na¨here Betrachtung der kirchlichen Stiftungen *U ¨ bersetzung des Aufsatzes „Fundatio civitatis. Program fundacyjny procesu lokacyjnego na przy-
´ kładzie Wrocławia, Krakowa i Poznania“ (aus: Procesy lokacyjne miast w Europie SrodkowoWschodniej. Materiały z konferencji mi˛edzynarodowej w Ladku ˛ Zdroju 28–29 pa´zdziernika 2002 ¨ bersetzung von Heidemarie Petersen. roku, hg. v. Cezary Bu´sko u. a., Wrocław 2006, S. 227–245); U 1 So im Falle Breslaus, vgl. Halina Manikowska, La topographie sacre´e de la ville: le cas de Wrocław du XIIe au XVe sie`cle, in: Anthropologie de la ville me´die´vale, hg. v. Michał Tymowski, Warszawa 1999, S. 66–71; dies., Princeps fundator w przedlokacyjnym Wrocławiu. Od Piotra Włostowica do Henryka Brodatego [Princeps fundator im Breslau der Vorlokationszeit. Von Peter Wlast zu Heinrich dem ˙ Ba¨rtigen], in: Fundacje i fundatorzy w s´ redniowieczu i epoce nowozytnej, hg. v. Edward Opalinski/ ´ Tomasz Wi´slicz, Warszawa 2000, S. 37–57, bes. S. 49, 57. 2 So im Fall von Sandomierz, vgl. Tadeusz Lalik, Lokacja Sandomierza w roku 1286 [Die Lokation von ´ Sandomierz im Jahr 1286], in: Dzieje Sandomierza [Geschichte Sandomierzs]. Band 1: Sredniowiecze [Mittelalter], hg. v. Henryk Samsonowicz, Warszawa 1993, S. 99–114, hier S. 99–102.
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vor, welche die Lokation der Hauptsta¨dte Krakau, Breslau und Posen begleiteten. Diese drei Sta¨dte liefern ein außergewo¨hnlich reichhaltiges und interessantes Material. Dafu¨r ausschlaggebend sind nicht nur die relativ ergiebigen Quellen, sondern auch ein avancierter Forschungsstand. Noch wichtiger ist aber, dass gerade die in diesen Zentren gesammelten Erfahrungen die in Polen Mitte des 13. Jahrhunderts entwickelten Vorstellungen davon, was eine Lokation sei, in bedeutendem Maße beeinflussten. Gleichzeitig bewirkten die engen Beziehungen, welche die politischen und kirchlichen Eliten Schlesiens, Klein- und Großpolens verbanden, dass Lo¨sungen, die in einer der drei Sta¨dte realisiert wurden, sich auf die beiden anderen auswirkten. Dies erlaubt es, in dem umgesetzten Stiftungsprogramm ein relativ einheitliches Modell zu sehen. Aus den Forschungen der vergangenen Jahrzehnte zeichnet sich erst allma¨hlich die erste Lokationsphase der wichtigsten Zentren der Piastenmonarchie ab. Dieses Problem birgt weiterhin viele Ra¨tsel in sich; wir haben es hier mehr mit Hypothesen und Polemiken zu tun als mit gut dokumentierten Befunden. Von der Existenz einer neuen Gemeinde zeugen in erster Linie Erwa¨hnungen eines sta¨dtischen Schultheißen. ¨ berlieferungen gibt es fu¨r Breslau (1214, 1229), Krakau (Erwa¨hnung Entsprechende U eines villicus 1220, eines scultetus 1228, 1230), und Danzig (1227); plausibel ist eine Erwa¨hnung fu¨r Posen (vor 1253). Der Schultheiß war ein vom Herrscher bestimmter Amtstra¨ger, dem die innerhalb der Stadtbevo¨lkerung rechtlich separierte Gruppe der Kaufleute unterstand.3 Die Auseinandersetzungen um eine Lokalisierung dieser Gruppe im sta¨dtischen Raum dauern an. Versuche, die Abmessungen der einzelnen Parzellen zu rekonstruieren, beruhen auf einer spa¨rlichen Quellenbasis.4 Wichtigster Anhaltspunkt bleibt die Lokalisierung der Kirchen. Es lassen sich solche benennen, 3 Dazu allgemein Anna Rutkowska-Płachcinska, ´ Gmina miejska w poczatku ˛ XIII w. w Polsce [Die
Stadtgemeinde in Polen zu Beginn des 13. Jahrhunderts], in: Wieki s´ rednie. Prace ofiarowane Tadeuszowi Manteufflowi w sze´sc´ dzsiesiat˛ a˛ rocznic˛e urodzin, hg. v. Aleksander Gieysztor, Warszawa 1962, S. 143–150; Benedykt Zientara, Przemiany społeczno-gospodarcze i przestrzenne miast w dobie lokacji [Der sozioo¨konomische und ra¨umliche Wandel der Sta¨dte in der Lokationszeit], in: Miasta doby feudalnej w Europie s´ rodkowo-wschodniej. Przemiany społeczne a układy przestrzenne, hg. v. Aleksander Gieysztor/Tadeusz Rosłanowski, Warszawa 1976, S. 67–97, hier S. 82–84; Krystyna Kaminska, ´ Lokacje miast na prawie magdeburskim na ziemiach polskich do 1370 r. (studium historyczno-prawne) [Stadtlokationen zu Magdeburger Recht in Polen bis 1370 (Eine rechtshistorische Studie)], Torun´ 1990, S. 130; zu Breslau Marta Młynarska-Kaletynowa, Wrocław w XII–XIII w. Przemiany społeczne i osadnicze [Breslau im 12.–13. Jahrhundert. Gesellschaftliche und wirtschaftliche Vera¨nderungen], Wrocław 1986, S. 79f.; zu Krakau Jerzy Wyrozumski, Dzieje Krakowa. Krako´w do schyłku wieko´w s´ rednich [Geschichte Krakaus bis zum Ausgang des Mittelalters], Krako´w 1992, S. 153f.; Sławomir Gawlas, Nova Civitas in Okol. Fragment z dziejo´w Krakowa [Ein Fragment der ´ ´ Geschichte Krakaus], in: Społeczenstwo Polski Sredniowiecznej 6 (1994), S. 101–110; zu Posen Anna Rogalanka, Lokacja miasta na lewym brzegu Warty [Die Lokation der Stadt auf dem linken WartheUfer], in: Dzieje Poznania, Band 1: Do 1793 r. [Bis zum Jahr 1793], hg. v. Jerzy Topolski, Poznan´ 1988, S. 146–208, hier S. 147f.; in den angegebenen Arbeiten jeweils auch die a¨ltere Literatur. 4 Zu Breslau Marta Młynarska-Kaletynowa, Od poczatko ˛ ´ w do okresu lokacji miasta na prawie niemieckim [Von den Anfa¨ngen bis zur Lokation der Stadt zu deutschem Recht], in: Atlas historyczny ´ ask, miast polskich, hg. v. Antoni Czacharowski, Band 6: Sl ˛ Teil 1: Wrocław, Wrocław 2001, S. 5–7, ˙ hier S. 6; Cezary Bu´sko, Elementy struktury osadniczej lewobrzeznego miasta około połowy XIII w. [Elemente der Besiedlungsstruktur der linksufrigen Stadt um die Mitte des 13. Jahrhunderts], in: ebd., Tab. 2c.
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die besonders eng mit der entstehenden Stadtgemeinde verbunden waren. In Breslau war dies die Adalbertkirche, in Krakau die Dreifaltigkeitskirche und in Posen – nach den u¨berzeugenden Ausfu¨hrungen von Anna Rogalanka – die am rechten Wartheufer gelegene Margarethenkirche.5 Es lohnt sich, die in den Quellen benutzten Bezeichnungen na¨her zu betrachten: civitas circa ecclesiam sancte Margarethe6 (Posen), ad sanctam trinitatem de civitate7 (Krakau), ecclesiam beati Adalberti in civitat˛e8 (Breslau). In allen drei Fa¨llen handelt es sich um eine der ersten Erwa¨hnungen der neuen civitas. Die in den Annalen notierte Aussage zur Krakauer Dreifaltigkeitskirche geht u¨ber die bloße Lokalisierung und Konstatierung einer ra¨umlichen Na¨he von Stadt und Kirche hinaus. Die Kirche erscheint hier eher als integraler Teil der Stadtgemeinde.9 Frappierend sind auch die Resultate der in Breslau durchgefu¨hrten archa¨ologischen Untersuchungen. In Grabungsschichten, die um die Wende vom 12. zum ¨ bergang u¨ber die Oder 13. Jahrhundert datieren, ist man zwischen dem wichtigsten U und der Adalbertkirche auf Spuren einer entwickelten Handwerksproduktion gestoßen. In unmittelbarer Nachbarschaft der letzteren wiederum befand sich ein pra¨chtiges, reichhaltig ausgestattetes Geba¨ude, das außer Wohnzwecken auch dem Handelsaustausch gedient haben ko¨nnte.10 Dafu¨r spricht unter anderem seine Lage genau an der Kreuzung der wichtigsten Verkehrswege. Ein wesentlicher Umstand ist, dass wir es in allen drei Fa¨llen mit Parochialkirchen zu tun haben. Die Lokalisierung einer Kaufmannssiedlung um eine Pfarrkirche herum ist fu¨r einige gro¨ßere Hafensta¨dte an
5 Rogalanka, Lokacja (wie. Anm. 3), S. 148–162. Die Autorin kehrt hier zu den Thesen von Hen-
´ ´ dka [Die Fu¨rstenstadt Sro ´ ´ dka], Poznan´ 1922, zuru¨ck und entkra¨fryk Likowski, Miasto ksia˙ ˛z˛ece Sro tet in u¨berzeugender Weise die dagegen gerichtete Polemik von Zdzisław Kaczmarczyk, Przywilej lokacyjny dla Poznania z r. 1253 [Das Lokationsprivileg fu¨r Posen aus dem Jahr 1253] in: Przeglad ˛ Zachodni 1965, S. 142–166, hier S. 150–154. 6 Rocznik kapituły poznanskiej ´ 965–1309 [Die Annalen des Posener Domkapitels], in: Monumenta Poloniae historica. NS 6, hg. v. Brygida Ku¨rbis, Warszawa 1962, S. 23–78, hier S. 32: [...] de civitate – Srothda circa ecclesiam sancte Margarethe; Kodeks dyplomatyczny Wielkopolski [Großpolnisches Urkundenbuch], Bd. 2, Poznan´ 1877, Nr. 625 (1288): civitas – sita circa ecclesiam sancte Margarethe; ebd., Nr. 694 (1293): locus apud ecclesiam sancte Margarethe. 7 Rocznik kapitulny krakowski [Annalen des Krakauer Kapitels], in: Monumenta Poloniae historica. NS 5, hg. v. Zofia Kozłowska-Budkowa, Warszawa 1978, S. 21–105, hier S. 73: „1222 per eundem Iuo¨ berblick nem ordo Predicatorum ad Sanctam Trinitatem de civitate – statuitur.“ Einen ausfu¨hrlichen U u¨ber die Quellenaufzeichnungen zur Ankunft der Dominikaner in Krakau bietet Dariusz A. Dekan´ ski, Poczatki ˛ zakonu dominikano´w prowincji polsko-czeskiej. Pokolenie s´ w. Jacka w zakonie [Die Anfa¨nge des Dominikanerordens in der polnisch-bo¨hmischen Provinz. Die Generation des Hl. Hya´ 1999, S. 55–58. zinth im Orden], Gdansk 8 Schlesisches Urkundenbuch, Bd. 2, hg. v. Winfried Irgang, Wien 1977, Nr. 266 (1226). 9 Zofia Kozłowska-Budkowa hat die Vermutung gea¨ußert, dass „die Bezeichnung civitas schon von einem Chronisten aus den 70er Jahren des 13. Jahrhunderts“ stammen ko¨nnte (wie Anm. 7), S. 73. Sie hat diese Ansicht jedoch nicht bewiesen – wahrscheinlich hat sie die heutzutage von niemandem mehr in Frage gestellte Existenz einer Stadtgemeinde vor 1257 in Zweifel gezogen. 10 Młynarska-Kaletynowa, Wrocław (wie Anm. 3), S. 48. Dieses Objekt la¨sst sich mit dem Hof eines gewissen Gerung in Verbindung bringen, nach Zientara wahrscheinlich ein deutscher „Gast“ (d. i. Kaufmann) – Benedykt Zientara, Heinrich der Ba¨rtige und seine Zeit. Politik und Gesellschaft im mittelalterlichen Schlesien, Mu¨nchen 2002, S. 163–164. Zugleich spricht der Umstand, dass jene curia damals dem Kloster von Leubus u¨bertragen wurde, gegen die Existenz einer autonomen Kaufmannsgemeinde schon zu jener Zeit.
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der Ostsee belegt (Danzig, Stolp, Stettin).11 In seiner Analyse sta¨dtischer Gemeinschaften in Polabien hat Walter Schlesinger die entscheidende Rolle von Kaufmannskirchen, die zugleich die Funktion einer Pfarrkirche erfu¨llten, fu¨r die Herausbildung und Emanzipierung jener Gruppen aufgezeigt.12 Um sie herum konzentrierte sich das Leben der entstehenden Gemeinden. Sie waren das Zentrum der neuen Niederlassung, die Zugeho¨rigkeit zur Pfarrgemeinde war die Basis fu¨r die Herausbildung einer kollektiven Identita¨t und rechtlicher Eigensta¨ndigkeit. Ha¨ufig brachten Gruppen von Siedlern auch ihren eigenen Kaplan mit. In Bezug auf die drei hier analysierten Sta¨dte erlauben die u¨beraus lakonischen Quellen keine eindeutige Feststellung solch starker Bindungen zwischen Kaufmannsgemeinde und Pfarre. Der sta¨dtische Charakter jener Kirchen wird zusa¨tzlich durch die Tatsache betont, dass gerade sie den Dominikanern u¨bertragen wurden. In Krakau und Breslau besteht daran kein Zweifel, in Posen ist dies mit hoher Wahrscheinlichkeit der Fall.13 Bevor wir zur Ero¨rterung der Mendikantenkonvente u¨bergehen, wollen wir noch einen Augenblick bei den Pfarrkirchen bleiben. So wie die Pfarre das Aufkeimen der sta¨dtischen Gemeinschaft begleitete, so wurde sie auch zu einem unverzichtbaren Element der weiteren Lokationsphasen.14 In Posen sicherte sich der großpolnische Fu¨rst Przemysł I. bereits ein Jahr vor der Lokation die Mo¨glichkeit, dort eine Pfarre zu schaffen, wobei er betonte, dass er dies wegen der geplanten Lokation tue, und eben im Lokationsprivileg fand sich seine Zustimmung zur Errichtung einer Pfarrkirche.15 Die ju¨ngeren Posener Annalen (Rocznik poznanski ´ II – młodszy) datieren die Errichtung der Pfarrkirche in dasselbe Jahr (1253) wie die Lokation, was – ent¨ berlieferung der Großpolnischen Chronik (Kronika Wielkopolska), die gegen der U 1263 angibt – plausibel erscheint.16 Interessanterweise wird der Gemeinschaft in der Lokationsurkunde gleich von Beginn an erlaubt, an den entsprechenden Tagen cum 11 Henryk Samsonowicz/Maria Bogucka, Dzieje miast i mieszczanstwa ´ w Polsce przedrozbiorowej
[Geschichte der Sta¨dte und des Stadtbu¨rgertums im Polen der Vorteilungszeit], Wrocław 1986, S. 47.
12 Walter Schlesinger, Sta¨dtische Fru¨hformen zwischen Rhein und Elbe, in: Studien zu den Anfa¨ngen
des europa¨ischen Sta¨dtewesens, Lindau 1958, S. 297–362, hier S. 334f., 344.
13 Rogalanka, Lokacja (wie Anm. 3), S. 161. 14 Der Befund von Wi´sniowski, dass es fu¨r Polen so gut wie keine Untersuchungen zur Entwicklung
des Netzes von Pfarreien in den Sta¨dten gebe, bleibt weiterhin hochaktuell – Eugeniusz Wi´sniowski, Rozwo´j sieci parafialnej w s´ redniowiecznym Poznaniu [Die Entwicklung des Pfarreinetzes im mittelalterlichen Posen], in: Poczatki ˛ i rozwo´j Starego Miasta w Poznaniu w s´ wietle badan´ archeologicznych i urbanistyczno-architektonicznych [Anfa¨nge und Entwicklung der Altstadt in Posen im Licht der archa¨ologischen und urbanistisch-architektonischen Forschungen], hg. v. Włodzimierz Błaszczyk, Warszawa/Poznan´ 1977, S. 390–410, hier S. 392; ebd., S. 391–404, findet sich das vollsta¨ndigste Bild dieses Pha¨nomens fu¨r Posen. Fu¨r Breslau: Młynarska-Kaletynowa, Wrocław (wie Anm. 3), S. 74f., 77, 88, 91f., 103ff.; fu¨r Krakau: Wyrozumski, Dzieje Krakowa (wie Anm. 3), S. 120–123, 126–131. 15 Kodeks dyplomatyczny Wielkopolski [Großpolnisches Urkundenbuch], Bd. 1, Poznan´ 1877, Nr. 302 (24. April 1252); Nr. 321 (1253): Concessimus eciam de consensu sepedicti domini Boguphlai episcopi Posnaniensis civibus in eadem civitate ecclesiam construere, que in divino officio debet regnare et diebus debitis cun cruce circuire. 16 Rocznik Poznanski ´ II (młodszy) 1241–1501 [Die (ju¨ngeren) Posener Annalen], in: Monumenta Poloniae historica, NS 6, hg. v. Brygida Ku¨rbis, Warszawa 1962, S. 135–141, hier, S. 137: [Ecclesia parochialis fund]ata MCCLIII – et sanctus Stanislaus canonisatus – [in civitate Posnani]a nomine capituli et sequenti anno per episcopum [Boguphalum] hospitale sancti Spiritus; dazu S. 139f., Anm. 7f.; Kronika Wielkopolska [Großpolnische Chronik], in: Monumenta Poloniae historica, NS 8, hg. v. Brygida Ku¨r-
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cruce circuire. Die Rolle von Prozessionen fu¨r die Identita¨tsbildung einer Gemeinde ist nicht zu unterscha¨tzen.17 Fu¨r Krakau und Breslau besitzen wir keine so eindeutigen Zeugnisse. Fu¨r den links der Oder gelegenen Teil der schlesischen Agglomeration wissen wir erst aus der zweiten Ha¨lfte des 13. Jahrhunderts von einem Netz von Pfarrkirchen. Die Adalbertkirche mit dem Dominikanerkloster besaß damals schon nicht mehr die Funktion einer Pfarrkirche. Die Spitalskirche zum Heiligen Geist – eine Stiftung aus dem Jahr 1214 – wurde zur Pfarrkirche der 1263 gegru¨ndeten Neustadt. Die Altstadt wurde in zwei Pfarreien aufgeteilt. Sitz der ersten war die MariaMagdalenenkirche, die erstmals 1267 (Gru¨ndung der Pfarrschule) erwa¨hnt wird, aber auf Grundlage archa¨ologischer und bauhistorischer Forschungen auf das Ende des 12. Jahrhunderts datiert wird. Die zweite Pfarrkirche war St. Elisabeth, zum ersten Mal und dabei gleich in dieser Funktion belegt fu¨r das Jahr 1253. Wenn die Datierung auf der Grundlage bauhistorischer Analysen pra¨zise ist (es sind nur Relikte der Fundamente erhalten), dann wurde sie in den dreißiger Jahren des 13. Jahrhunderts errichtet, also vor der Lokation in den Jahren 1241/42. Ihre Stiftung als neue Pfarrkirche sollte man jedoch eher im Zusammenhang mit der Vorbereitung jener Reorganisationsphase der Stadt sehen als mit der so genannten ersten Lokation unter Heinrich dem Ba¨rtigen. Jedenfalls besteht kein Zweifel daran, dass dies gleichzeitig mit der Festlegung des Marktplatzes und des neuen Straßennetzes geschah. Letztere Unternehmung sorgt immer noch fu¨r lebhafte Auseinandersetzungen, die an dieser Stelle nicht erscho¨pfend pra¨sentiert werden ko¨nnen. Als grundlegendes Argument dient gegenwa¨rtig die wachsende Zahl dendrochronologischer Datierungen, die aber bisher keineswegs die Existenz eines regelma¨ßigen Stadtplans westlich des Marktes vor 1241/42 belegen konnten (wo sich u. a. die Elisabethkirche befindet). Es scheint plausibel, dass eine Aufteilung des Stadtraumes auf drei Pfarreien endgu¨ltig erst im Zusammenhang mit der nach dem Mongoleneinfall durchgefu¨hrten Lokation erfolgte. In Bezug auf Krakau ist die Angelegenheit noch komplizierter. Hier haben wir es na¨mlich mit einem außergewo¨hnlich gut entwickelten Netz von Pfarrkirchen zu tun, die zudem fu¨r die Zeit vor der Lokation nur schwach belegt sind. Als Ausgangspunkt wa¨hlt man am besten jene Urkunde aus dem Jahr 1327, die die Aufteilung
bis, Warszawa 1970, S. 117f. Es ist schwer vorstellbar, dass die Bu¨rger die ersten zehn Jahre nach der Lokation ohne eigene Pfarrkirche geblieben sein sollen, obwohl sie bereits eine entsprechende Erlaubnis der weltlichen und geistlichen Herrschaft besaßen. Dass man sie sofort beno¨tigte, belegt die Sorge darum schon im vorherigen Jahr. Es ist zu bezweifeln, dass die Notiz in den sta¨dtischen Annalen einzig das Lokationsprivileg sowie die Großpolnische Chronik zur Grundlage hat (so argumentiert Jo´zef ´ Nowacki, Dzieje archidiecezji poznanskiej [Geschichte des Erzbistums Posen], Poznan´ 1964, S. 607, und ihm folgend Wi´sniowski, Rozwo´j (wie Anm. 14), S. 397), da die Erwa¨hnung der Stiftung des Heilig-Geist-Spitals ein integraler Teil der Notiz ist, die in der Urkunde fehlt und in der Chronik abweichend datiert ist (d. h. nicht im selben Jahr wie die Pfarrkirche, sondern ein Jahr spa¨ter). Das Problem bedarf weiterer Forschungen. 17 Andrea Lo ¨ ther, Prozessionen in spa¨tmittelalterlichen Sta¨dten. Politische Partizipation, obrigkeitliche ˙ Inszenierung, sta¨dtische Einheit, Ko¨ln 1999; Hanna Zaremska, Procesje Bozego Ciała w Krakowie w XIV–XVI wieku [Die Fronleichnamsprozessionen in Krakau im 14.–16. Jahrhundert], in: Kultura ´ elitarna a kultura masowa w Polsce po´znego s´ redniowiecza, hg. v. Bronisław Geremek, Wrocław 1978, S. 25–40.
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der Stadt intra muros auf vier Pfarreien beschreibt: Allerheiligen, St. Marien, Heiligkreuz und St. Stephan. Auf dieser Liste fehlt die 1222 als Parochialkirche ausgewiesene Dreifaltigkeitskirche, sie muss also vor der Ausstellung der Urkunde diesen Status verloren haben. Das der Dreifaltigkeitskirche unterstehende Gebiet wurde dabei wahrscheinlich zwischen zwei anderen Gottesha¨usern aufgeteilt. Der su¨dliche, vor allem den Stadtteil Oko´ł umfassende Teil wurde (wahrscheinlich 1222) der dem Dominikanerkloster gegenu¨ber liegenden Kirche Allerheiligen untergeordnet, die 1227 erwa¨hnt wird. Den no¨rdlichen Teil der fru¨heren Dreifaltigkeitspfarre nahm dagegen spa¨testens 1224 die neue Marienkirche ein. Die beiden anderen 1327 ausgewiesenen Pfarrkirchen befanden sich noch weiter no¨rdlich davon. Die Heiligkreuz¨ bertragung an den Heilig-Geist-Orden in den kirche taucht 1244 anla¨sslich ihrer U Quellen auf. Długosz erwa¨hnt, gestu¨tzt auf eine verlorene Urkunde des Bischofs Prandota, schon fu¨r diese Zeit die Existenz einer Pfarrkirche. Die zeitgeno¨ssische ¨ berlieferung bezeichnete den o¨rtlichen Geistlichen jedoch mit dem Begriff capelU lanus, was die Information des Chronisten aus dem 15. Jahrhundert in Frage stellt. ¨ bertragung der Kirche, die zu den a¨ltesten Pfarren Krakaus Długosz wusste von der U geho¨rte, und zog also wahrscheinlich den Schluss, dass sie diesen Status bereits 1244 besessen habe. Die Stephanskirche ist erst fu¨r Anfang des 14. Jahrhunderts belegt, aber archa¨ologische Untersuchungen haben das Vorhandensein eines Friedhofs an dieser Stelle spa¨testens in der Mitte des 13. Jahrhunderts aufgezeigt.18 Wir wissen also mit Sicherheit von der Existenz zweier Pfarrkirchen vor 1257: der Dreifaltigkeitsund der Marienkirche. Der Ausbau des Netzes der Parochialkirchen in jener Gestalt, wie sie aus der Urkunde von 1327 bekannt ist, erfolgte wahrscheinlich um eben dieses Jahr 1257 herum. Davon zeugt nicht allein der Status der Heiligkreuzkirche im Jahr 1244, sondern vor allem ihre Eingliederung in die als Resultat der Lokation Bolesławs ¨ hnlich wie im Falle Breslaus des Schamhaften geschaffene sta¨dtische Raumordnung. A besitzt die hier vorgenommene Rekonstruktion lediglich hypothetischen Charakter. Die plausibelste Version scheint fu¨r beide Sta¨dte ein grundlegender Umbau der Parochialstrukturen gewesen zu sein, der in einem engen Zusammenhang mit der zweiten Lokationsphase, d. h. mit der Verleihung der Rechtsautonomie fu¨r einen abgegrenzten Bereich und einer neuen ra¨umlichen Gestalt mit einem regelma¨ßigen Straßennetz stand. Im Falle Posens ist ein solcher Zusammenhang nicht bloß hypothetisch, sondern eine unter anderem im Lokationsprivileg eindeutig belegte Tatsache. Die Stiftungen der Mendikanten in den drei hier behandelten Zentren sind schon vielfach Gegenstand des Forschungsinteresses gewesen, was nicht bedeutet, dass ihre Hintergru¨nde bereits zufriedenstellend gekla¨rt wa¨ren. Die wenigsten Fragen wirft der Verlauf der Ereignisse in Breslau auf. 1226 u¨bernahm Bischof Laurentius die Adalbertkirche aus den Ha¨nden der Regularkanoniker und u¨bergab sie an die Dominikaner. Vor 1238 holte Heinrich der Fromme die Franziskaner in die schlesische Hauptstadt und siedelte sie an einer der Kirchen vor der Stadt an, wahrscheinlich
18 Henryk Mu ¨ nch, Krako´w do roku 1257 włacznie ˛ [Krakau bis zum Jahr 1257 einschließlich], in: Kwar-
talnik Historii Architektury i Urbanistyki 3 (1958), 1, S. 1–40, hier 24ff.; Wyrozumski, Dzieje Krakowa (wie Anm. 3), S. 120–123, 126–131.
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an seiner eigenen Hofkapelle. 1240 u¨bernahmen sie die fu¨r sie errichtete Jakobskirche. 1256/57 entstand daneben das Klarissenkloster mit einer eigenen, den Heiligen Damian und Klara geweihten Kirche.19 Nach Krakau kamen die Dominikaner 1222 und erhielten die Parochialkirche zur Hl. Dreifaltigkeit. Als Gru¨ndungsdatum des Franziskanerkonventes wird u¨bereinstimmend das Jahr 1237 angenommen, wa¨hrend die Person des Stifters kontrovers ist. Es soll sich dabei um Heinrich den Ba¨rtigen handeln (es fehlen jedoch Zeugnisse fu¨r seine Unterstu¨tzung dieses Ordens), um seinen Sohn Heinrich den Frommen (der jedoch damals nicht in Krakau regierte) oder um den Krakauer Wojewoden Teodor-Czader ˛ (der in dieser Funktion lediglich in ¨ berlieferungen belegt ist).20 Es scheint nicht, als wu¨rden die erhalteneuzeitlichen U nen Quellen es erlauben eindeutig zu kla¨ren, wem die Initiative zuzuschreiben ist. Dagegen lassen sie ein Zusammenwirken aller drei Personen plausibel erscheinen. Am umstrittensten ist die Frage der Ansiedlung der Dominikaner in Posen. Außer Zweifel steht, dass sie 1244 die am linken Wartheufer gelegene St. Gotthardkirche u¨bernahmen. Hypothetisch bleibt dagegen eine fru¨here Anwesenheit im Stadtteil ´ ´ dka. Sie wird von zwei Quellen besta¨tigt: 1) durch eine Information bei Długosz, Sro dass Bischof Paweł am 22. Oktober 1231 ein Kloster der Predigerbru¨der an der Margarethenkirche gestiftet habe; 2) durch eine Urkunde von 1254, der zufolge Władysław Odonic auf Bitten der Posener Dominikaner den Kaufleuten, die am Tag des Hl. Dominicus und in der Oktave dieses Feiertags in die Stadt kommen, ein Privileg erteilt habe.21 Ohne an dieser Stelle in die Diskussion um die Glaubwu¨rdigkeit
19 Młynarska-Kaletynowa, Wrocław (wie Anm. 3), S. 90f., 138–147; Adam Zurek, ˙ Wrocławska kap-
lica s´ w. Marcina w s´ redniowieczu [Die Breslauer St. Martins-Kapelle im Mittelalter], Wrocław 1996, ´ asku S. 60–66; Jerzy Kłoczowski, Dominikanie polscy na Sl ˛ w XII–XIV wieku [Die polnischen Dominikaner in Schlesien im 12.–14. Jahrhundert], Lublin 1956, S. 291; Gabriela Was, ˛ Klasztory francisz˙ ´ kanskie w miastach s´ laskich ˛ i go´rnołuzyckich XIII–XVI wieku [Die Franziskanerklo¨ster in den schlesischen und oberlausitzischen Sta¨dten im 13.–16. Jahrhundert], Wrocław 2000, S. 79–84; Dekanski, ´ ´ asku Poczatki ˛ (wie Anm. 7), S. 72f., 80–84; Marek Słon, ´ Franciszkanie i pierwsze lokacje miast na Sl ˛ [Die Franziskaner und die ersten Stadtlokationen in Schlesien], in: Wkład ko´scioło´w i zakonu franciszkano´w w kultur˛e Katowic, hg. v. Antoni Barciak, Katowice 2003, S. 242–253. 20 Gerard Labuda, Kto był fundatorem-załozycielem ˙ klasztoru franciszkano´w w Krakowie? [Wer war der Fundator-Gru¨nder des Franziskanerklosters in Krakau?], in: Franciszkanie w Polsce s´ redniowiecznej, Band 1: Franciszkanie na ziemiach polskich [Die Franziskaner im mittelalterlichen Polen. Band 1: Franziskaner in den polnischen La¨ndern], hg. v. Jerzy Kłoczowski, Lublin 1982, S. 369–380; Wyrozumski, Dzieje Krakowa (wie Anm. 3), S. 123–126: ders., Krako´w w poczatku ˛ działalno´sci dominikano´w w Polsce, in: Dominikanie w s´ rodkowej Europie w XIII–XIV w.: aktywno´sc´ duszpasterska i kultura intelektualna [Die Dominikaner in Mitteleuropa im 13.–14. Jahrhundert. Seelsorge und ˙ Poznan´ 2002, S. 17–24; Mu¨nch, intellektuelle Kultur], hg. v. Jerzy Kłoczowski/Jan Andrzej Spiez, ˙ Krako´w (wie Anm. 18), S. 25; Zofia Kozłowska, Załozenie klasztoru OO. Dominikano´w w Krakowie [Die Gru¨ndung des Dominikanerklosters in Krakau], in: Rocznik Krakowski 20 (1926), S. 1–19; Dekanski, ´ Poczatki ˛ (wie Anm. 7), S. 55–67. 21 Kłoczowski, Dominikanie (wie Anm. 19), S. 295f.; Rogalanka, Lokacja (wie Anm. 3), S. 161; Likowski, Miasto (wie Anm. 5), S. 20; Włodzimierz Błaszczyk, Location of Main Dominican Convents in Poland in Relation to Settlements Developing before the Magdeburgian Urban Reform and to Towns Founded on this Law as Shown by the Development of Old City in Poznan´ until the 13th Century, in: Rapports du IIIe Congre`s International d’Arche´ologie Slave, Bratislava 1979, S. 51–63; Jacek Wiesiołowski, Klasztory s´ redniowiecznego Poznania [Die Klo¨ster des mittelalterlichen Posen], in: Poczatki ˛ i rozwo´j Starego Miasta (wie Anm. 14), S. 405–407.
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¨ berlieferungen einsteigen zu wollen, sei hier auf eine Mo¨glichkeit hingewiesen: der U Władysław Odonic gru¨ndete das Posener Kloster, und Bischof Paweł besta¨tigte die Gru¨ndung, doch knapp drei Jahre spa¨ter verlor der Fu¨rst die Herrschaft u¨ber den links der Warthe gelegenen Teil Großpolens und u¨ber Posen selbst. Die Hauptstadtfunktion u¨bernahm in dieser Situation Gnesen, Odonic verlor das Interesse an der ´ ´ dka und die Stiftung verfiel, bevor sie vom Generalkapitel besta¨tigt werStadt in Sro den konnte. In einem solchen Falle – und er besitzt eine gewisse Plausibilita¨t – ga¨be es keinerlei Widerspruch zwischen den oben angefu¨hrten Erwa¨hnungen und einem 1244 vollzogenen Gru¨ndungsakt, wie er auch im Ordensregister des Bernardus Gui¨ berlegungen donis verzeichnet ist. Diese Version legen wir auch den vorliegenden U zugrunde, ohne dabei ihren hypothetischen Charakter außer Acht zu lassen. Der Zusammenhang zwischen den Stiftungen der Bettelorden und der Welle von Lokationen in Polen ist in der Literatur unterschiedlich interpretiert worden. In der Vergangenheitsform la¨sst sich heute bereits von der Vorstellung sprechen, dass der Konvent schon in der ersten Ha¨lfte des 13. Jahrhunderts einen durch und durch sta¨dtischen Charakter besessen habe: Aus jenem Milieu seien die Spenden zu seiner Unterhaltung geflossen, aus ihm habe er neue Mitbru¨der rekrutiert, und Zeit und Energie der Mo¨nche seien von der Seelsorge fu¨r die Kaufmanns- und Handwerkergemeinde absorbiert worden. Das Vorhandensein eines Mendikantenklosters wa¨re dieser Auffassung nach ein Beweis fu¨r eine bereits bestehende Stadtgemeinde. Dies ist eine aus den Verha¨ltnissen Westeuropas oder – fu¨r Polen – aus jenen spa¨terer Jahrhunderte u¨bernommene Vorstellung.22 Die dominierende Rolle des bischo¨flichen und fu¨rstlichen Hofes beim Ausbau des Klosternetzes in Polen sowie das ga¨nzliche Fehlen bu¨rgerlicher oder kommunaler Stiftungen sind erwiesene Tatsachen. Die Bindungen der Ordensbru¨der an die Zentren der weltlichen und geistlichen Macht blieben auch in den folgenden Jahrzehnten eng. Demgegenu¨ber war das sich erst formierende bu¨rgerliche Milieu in dieser Zeit nicht in der Lage, eine a¨hnliche Rolle zu spielen. Mehr als einmal ging der Stiftungsakt insbesondere bei den Dominikanern der sta¨dtischen Lokation voraus. Auch ist auf die Lage der neuen Ordensha¨user außerhalb des Zentrums der Lokationsgemeinde hingewiesen worden, ebenso schließlich auf die geringen Dimensionen der ersten Minoritenkirchen. Diese Feststellungen haben es einigen Forschern erlaubt, einen Zusammenhang zwischen der Stiftung von Dominikaner- und Franziskanerkonventen und der Lokationswende eindeutig zu verneinen.23
22 Gleichwohl ist sie im Bewusstsein der Historiker so stark verwurzelt, dass sich ihr Reflex sogar in
Arbeiten von Forschern findet, die sie an anderer Stelle und zu Recht der Kritik unterziehen, so z. B. auch Kłoczowski, Dominikanie (wie Anm. 19), S. 73f., 295; ders., Zakon braci kaznodziejo´w w Polsce 1222–1972. Zarys dziejo´w [Der Predigerorden in Polen. Abriss der Geschichte], in: Studia nad historia˛ dominikano´w w Polsce 1222–1972, hg. v. dems., Band 1, Warszawa 1975, S. 19–158, hier S. 30; ders., Bracia mniejsi w Polsce s´ redniowiecznej [Die Minoriten im mittelalterlichen Polen], in: Franciszkanie (wie Anm. 20), S. 13–94, hier S. 22; Wiesiołowski, Klasztory (wie Anm. 21), S. 405ff. 23 Vor allem Kłoczowski, Dominikanie (wie Anm. 19), S. 73f., 295; Was, ´ ˛ Klasztory franciszkanskie (wie Anm. 19), S. 20f., 80–84, hat dagegen den sta¨dtischen Charakter der Franziskanerklo¨ster des 13. Jahrhunderts generell in Frage gestellt. Die umfangreiche Literatur zum sta¨dtischen Charakter der Mendikantenorden findet aus den oben genannten Gru¨nden nur begrenzte Beachtung, vgl. Marek Derwich,
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Betrachten wir noch einmal die in dieser Diskussion vorgebrachten Argumente.24 Die Gro¨ße einer Kirche scheint ein eher schwaches Indiz zur Bestimmung des potentiellen Kreises der Gla¨ubigen zu sein, die am Gottesdienst teilnahmen. Die Mehrzahl der damaligen Pfarrkirchen konnte nicht alle Gemeindemitglieder fassen; es war eine u¨bliche Praxis, beim Gottesdienst auf dem Vorplatz der Kirche zu bleiben. Beide Sei¨ bereinstimmung bzw. Differenz ten haben sich derselben Daten bedient, um eine U von Lokations- und Stiftungszeitpunkt zu demonstrieren.25 Darin liegt ein gewisses Missversta¨ndnis. Die Gru¨ndung eines Klosters war kein einmaliger Akt. Im Falle der Bettelordenskonvente dauerte sie mehrere Jahre.26 Noch wesentlich la¨nger dauerte der Lokationsprozess, insbesondere in solch großen Zentren wie den hier besprochenen. Er nahm praktisch die gesamte erste Ha¨lfte des 13. Jahrhunderts ein. In Breslau stammt die erste Erwa¨hnung eines Schultheißen aus dem Jahr 1214, aber das zweite Lokationsprivileg wurde 1261 erteilt. Ein Krakauer villicus Piotr taucht 1220 auf, aber die grundlegende Umgestaltung des Stadtraumes erfolgte erst 1257. Die Loka´ ´ dka in den 30er Jahren des 13. Jahrhunderts tion der ersten Posener Gemeinde in Sro bleibt hypothetisch, ebenso wie die dortige dominikanische Stiftung; dagegen ist der Zusammenhang zwischen der Ansiedlung der Dominikanerbru¨der am linken Wartheufer im Jahr 1244 mit der ebendort durchgefu¨hrten Lokation im Jahr 1253 nicht in Frage zu stellen. Dies bedeutet, dass man fu¨r alle Stiftungen konventualfranziskanischer und dominikanischer Ma¨nnerkonvente in den drei genannten Sta¨dten das ¨ bereinstimmung anfu¨hren kann; aber es ist ein ziemlich Argument der zeitlichen U schwaches Argument. Ein spezieller Zusammenhang zwischen Dominikanern und erster Lokationsphase (in Krakau, Breslau und wahrscheinlich auch Posen), sowie Franziskanern und der zweiten (in Breslau, vielleicht auch in Krakau) scheint ein Werk des Zufalls zu sein. Die vom Dominikanerorden selbst unternommene Expansion nach Polen fiel schlicht mit jener Phase im Urbanisierungsprozess des Landes zusammen. Dennoch ¨ bereinstimmung durch die lokalen Elila¨sst sich eine bewusste Ausnutzung dieser U ten nicht ausschließen. Die Lokalisierung der jeweiligen Stiftungen weist gemeinsame Zu¨ge auf. Die Dominikanerkonvente waren wa¨hrend der ersten Lokationsphase wahrscheinlich in unmittelbarer Nachbarschaft des Zentrums der Kaufmannsgemeinde angesiedelt. Sie waren in allen drei Fa¨llen die hier bereits vorgestellten Pfarreien der neuen Kaufmannsgemeinden. Es sei lediglich daran erinnert, dass die Lokalisierung der letzteren hypothetisch bleibt und dass es eben die den Predigerbru¨dern Klasztor a miasto w s´ redniowieczu w historiografii europejskiej. Pro´ba podsumowania [Kloster und Stadt im Mittelalter in der europa¨ischen Historiographie. Versuch einer Bilanz], in: Klasztor w mie´s˙ cie s´ redniowiecznym i nowozytnym, hg. v. dems./Anna Pobo´g-Lenartowicz, Wrocław/Opole 2000, S. 21–50, hier S. 43–47. 24 Ich habe dieses Problem ku¨rzlich in Bezug auf die franziskanischen Stiftungen in Schlesien in der ersten Ha¨lfte des 13. Jahrhunderts ero¨rtert: Słon, ´ Franciszkanie (wie Anm. 19). 25 John B. Freed, Dzieje saskiej prowincji franciszkano´w w XIII wieku [Geschichte der sa¨chsischen Provinz der Franziskaner im 13. Jahrhundert], in: Franciszkanie (wie Anm. 20), S. 195–225, hier S. 208ff.; ´ Was, ˛ Klasztory franciszkanskie (wie Anm. 19), S. 21; Słon, ´ Franciszkanie (wie Anm. 19); fu¨r Bo¨hmen ˇ vgl. Ludˇek Jira´sko, Kla´sˇtery ve mˇestech v Cecha ´ ch a na Moravˇe ve 13. stoletı´ [Die Klo¨ster in den Sta¨dten Bo¨hmens und Ma¨hrens im 13. Jahrhundert], in: Hospoda´rˇ ske´ dˇejiny 4 (1979), S. 143–152. 26 Kłoczowski, Dominikanie (wie Anm. 19), S. 43–48.
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u¨bertragenen Kirchen sind, die den Ausgangspunkt fu¨r ihre Rekonstruktion bilden. Dahinter verbirgt sich die Annahme, dass eine Institution, die das geistige und vielleicht auch organisatorische und rechtliche Zentrum einer Gemeinde darstellte, auch in ra¨umlicher Hinsicht zentral gelegen gewesen sein mu¨sse. Zumindest in Bezug auf Breslau ist eine solche Auffassung wohl verfehlt – das Siedlungszentrum lag in der Na¨he des Oderu¨bergangs, und die Adalbertkirche befand sich eindeutig an dessen Peripherie.27 Dieser sowie weiter unten genannte Umsta¨nde gebieten es, nur mit Vorsicht aus der Topographie der fru¨hsta¨dtischen Zentren auf den Charakter und die Bedeutung der Mendikantenstandorte zu schließen. Zudem war die Lage der ersten Dominikanerkonvente in Hinblick auf die endgu¨ltigen Abmessungen der Lokation – mit Ausnahme Posens – nur sekunda¨r. Es ist auffa¨llig, dass sie trotzdem in allen drei Sta¨dten a¨hnlich ist: auf dem Gebiet der neuen Gemeinde, aber an deren Peripherie. Zudem gilt diese Gesetzma¨ßigkeit nicht nur im Falle der hier behandelten Sta¨dte, sondern allgemein fu¨r Ostmitteleuropa. Die Ha¨user der Bettelorden wurden in dicht besiedelten Zonen, aber in gewisser Entfernung vom Hauptplatz einer Lokationssiedlung errichtet. Im westlichen Teil des Reiches dagegen, wo die Mendikanten wesentlich enger mit dem bu¨rgerlichen Milieu verbunden waren, besetzten sie in der Regel kaum bewirtschaftetes, ha¨ufig außerhalb des Stadtgebietes gelegenes Terrain.28 Man erkla¨rt dies mit dem Mangel an freien Pla¨tzen innerhalb der Stadtmauern, was wohl nicht ga¨nzlich u¨berzeugend ist. Schließlich ha¨tte man ihnen bereits bebaute Grundstu¨cke zuweisen ko¨nnen, so wie dies in vielen Fa¨llen in Polen geschah. Eine Analyse der Lokalisierung der franziskanischen Stiftungen in Breslau und Krakau und derjenigen der Dominikaner in Posen fu¨hrt zu interessanten Beobachtungen. Denn sie alle liegen zwischen der Burg des Fu¨rsten und dem Marktplatz, fast genau auf einer den Herrschersitz und das spa¨tere Rathaus verbindenden Linie. Wenn wir die rechtlich-administrative Situation dieser Standorte in Betracht ziehen, die kirchliches, dem Einfluss des Monarchen unterworfenes Eigentum waren und sich gleichzeitig im sta¨dtischen Rechtsbezirk befanden, dann sagt eine solche ra¨umliche Anordnung viel aus. Sie bezeugt Verbindungen sowohl zur Lokationsgemeinde als auch zum Stiftermilieu. Letzteres beschra¨nkte sich auf die Machteliten und ist eines der wichtigsten Argumente fu¨r die Gegner der These vom sta¨dtischen Charakter der hier behandelten Stiftungen. Man muss jedoch die Frage stellen, wem die Sta¨dte selbst, oder genauer: die mit Autonomie ausgestatteten Stadtgemeinden ihre Entstehung verdankten. Wa¨hrend man im Falle der Klo¨ster gelegentlich zweifeln kann, in welchem Maße der Wille des Herrschers u¨ber eine Stiftung entschied, so ist im Falle der Lokationen die Sache klar: Sie wurden vom Fu¨rsten durchgefu¨hrt – mit Beteiligung des Bischofs, anderer kirchlicher Wu¨rdentra¨ger und des Adels; aber nicht der Bu¨rger. Auch wenn die hier behandelten Zentren zu den am besten entwickelten in Polen za¨hlten, stellte doch keines von ihnen in der Mitte des 13. Jahrhunderts eine
27 Młynarska-Kaletynowa, Wrocław (wie Anm. 3), S. 49f. 28 Jerzy Piekalski, Von Ko¨ln nach Krakau. Der topographische Wandel fru¨her Sta¨dte, Bonn 2001, S. 229.
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politische Kraft dar, die fa¨hig gewesen wa¨re, effektiv Druck auf den Fu¨rsten auszuu¨ben.29 Letzterer hatte sowohl in Fragen der sta¨dtischen Selbstverwaltung, als auch der Entwicklung kirchlicher Infrastrukturen die Initiative. Wenn wir annehmen wu¨rden, dass ein Fu¨rst oder Bischof als Stifter einer bestimmten kirchlichen Einrichtung deren Verbindung zur Stadt zweifelhaft werden la¨sst, dann mu¨ssten wir konsequenterweise auch den sta¨dtischen Charakter einer Lokationsgemeinde in Frage stellen. Abgesehen von den oben angefu¨hrten Voraussetzungen sollte man auch den Charakter der beiden Orden beachten.30 In der wissenschaftlichen Auseinandersetzung konstatieren beide Seiten deren enge Bindung an die kommunale Stadt in Su¨d- und Westeuropa; in Polen dagegen erfuhren die Ordensbru¨der Unterstu¨tzung durch die Umgebung des Herrschers, den Bischof und den Adel. Das bedeutete keineswegs, dass sie auf den Versuch verzichteten, in das bu¨rgerliche Milieu vorzudringen. Man muss auch den zentralisierten Charakter dieser Orden bedenken, der die Bedeutung polnischer Besonderheiten abschwa¨chte. Beide Orden wa¨hlten fu¨r ihre Sitze die gro¨ßten und sich am schnellsten entwickelnden fru¨hsta¨dtischen Zentren aus. Dies ist kaum verwunderlich – die neuen Einrichtungen wurden aus dem Zustrom von Ordensbru¨dern aus den Mutterla¨ndern des jeweiligen Ordens gespeist. Die aber suchten hier Bedingungen, die sie aus ihrer Heimat kannten. Sie kannten die kommunale Stadt besser als jede andere Bevo¨lkerungsgruppe in Polen, man ko¨nnte sagen, dass sie ausgezeichnete Spezialisten auf diesem Gebiet waren. Als solche betrachteten sie auch ihre polnischen Fo¨rderer. Ihre Ansiedlung bei den entstehenden sta¨dtischen Gemeinden weist daher Anzeichen einer zielgerichteten, durchdachten Politik auf. Die schnelle Entwicklung einer sta¨dtischen Kommune in einigen kleineren Zentren wie etwa Goldberg in Schlesien, oder eine Lokation aus ‚wilder Wurzel‘ wie in Schweidnitz31 zeugen wohl von den in die Mendikantenbru¨der gesetzten Hoffnungen. Eine Verbindung zwischen Dominikanern und einer jungen Kaufmannsge¨ brigen durch eine zeitgeno¨ssische Quelle besta¨tigt, auch wenn diese meinde wird im U von den Forschern angezweifelt wird. Strittig ist jedoch lediglich die Interpretation des Textes – die Urkunde selbst wird u¨bereinstimmend als authentisch anerkannt. Dabei handelt es sich um das bereits erwa¨hnte, auf 1234 datierte (und durch eine zwanzig Jahre ju¨ngere Urkunde u¨berlieferte) Privileg des Fu¨rsten Władysław Odonic fu¨r das Posener Dominikanerkloster.32 Dass gerade diejenigen Kaufleute besondere Freiheiten erhielten, die am Tag des Ordenspatrons in die Stadt kamen, zeugt von Beziehungen, die sowohl die wirtschaftliche, als auch die religio¨se Spha¨re umfassten.
29 Ohne die interessante Hypothese von Wyrozumski, Dzieje Krakowa (wie Anm. 3), S. 163f., in Frage
zu stellen, dass es die Krakauer Bu¨rger selbst gewesen seien, die sich beim Fu¨rsten darum bemu¨ht ha¨tten, im Lokationsprivileg eine Klausel zur Berufung eines Stadtrates einzufu¨gen, darf man daraus nicht ablesen, dass der Herrscher zu dieser Entscheidung gezwungen worden sei. Hinter ihr stand eher der Wunsch, der Stadt optimale Entwicklungsbedingungen zu sichern oder ein Gegengewicht zur starken Position des erblichen Amtes des Vogtes zu schaffen, vgl. ebd., S. 150. 30 Vgl. Anm. 23; außerdem die interessante Skizze bei Wiesiołowski, Klasztory (wie Anm. 21), S. 405ff. 31 Młynarska-Kaletynowa, Wrocław (wie Anm. 3), S. 174; Mateusz Golinski, ´ Woko´ł socjotopografii ´ ´ sredniowiecznej Swidnicy po´zno´ [Zur Sozialtopographie des spa¨tmittelalterlichen Schweidnitz], Band 1, Wrocław 2000, S. 96, dort weiterfu¨hrende Literatur. 32 Vgl. Anm. 21.
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Zusammenfassend la¨sst sich sagen, dass sich die Mendikantenstiftungen in das Lokationsprogramm der drei hier behandelten Sta¨dte einfu¨gten. Ihre Verbindungen zum bu¨rgerlichen Milieu waren dagegen in jener Zeit erst ein Vorhaben, eine Aufgabe, vor der die neuen Konvente standen. Die ersten Spuren einer Realisierung dieser Pla¨ne und ihrer spa¨teren Weiterentwicklung du¨rfen auf keinen Fall generalisiert oder auf fru¨here Zeiten u¨bertragen werden. Der Lokationsprozess in Krakau, Breslau und Posen wurde von der Entstehung einer weiteren Art kirchlicher Institution begleitet – den Spita¨lern. Die Armenha¨user werden in den Forschungen zur sta¨dtischen Reform bislang kaum beru¨cksich¨ bertragung der Realien des 14. auf das tigt. Wa¨hrend im Falle der Bettelorden eine U vorhergehende Jahrhundert eines der grundlegenden Probleme darstellte, das inzwischen u¨brigens weitestgehend u¨berwunden ist, zeugt diese Art von Missversta¨ndnis in Bezug auf die Wohlta¨tigkeitsinstitutionen noch von einem relativ hohen Niveau der entsprechenden Arbeit. Wesentlich ha¨ufiger trifft man auf einen noch viel ausgepra¨gteren Anachronismus – die Betrachtung der Lokationsperiode durch das Prisma einer modernen Wirklichkeit (das Spital als Teil eines o¨ffentlichen Wohlfahrtssystems) oder gar des 19. Jahrhunderts (das Spital als Krankenhaus).33 Die europa¨ische Historiografie ist noch weit davon entfernt, ein ada¨quates Modell dieser Institution fu¨r das lateinische Europa des 12.–15. Jahrhunderts pra¨sentieren zu ko¨nnen, und die Forschungsfortschritte auf diesem Gebiet finden unter polnischen Historikern kaum Widerhall.34 Die Frage nach dem Zusammenhang zwischen der Lokation einer Stadt und der Stiftung eines Armenhauses hat bisher keinerlei synthetische Bearbeitung erfahren, und die polnische Historiografie bildet da keine Ausnahme.35 In Ein¨ bereinstimmung dieser Fakten zelstudien ist gelegentlich auf die chronologische U 33 Die beste Einfu¨hrung in dieses Thema bieten Siegfried Reicke, Das deutsche Spital und sein Recht im
Mittelalter, Bd. 1–2, Stuttgart 1932 [Neudruck Amsterdam 1961]; Jean Imbert, Les hoˆpitaux dans le droit canonique, Paris 1947; Ju¨rgen Sydow, Spital und Stadt in Kanonistik und Verfassungsgeschichte des 14. Jahrhunderts, in: Der deutsche Territorialstaat im 14. Jahrhundert, hg. v. Hans Patze, Sigmaringen 1986, S. 175–195; eine kompakte und leicht subjektive Sicht auf das Spital des Mittelalters bei Marek Słon, ´ Die Spita¨ler Breslaus im Mittelalter, Warszawa 2001, S. 12–33. 34 Die Hauptstro¨mungen der zeitgeno¨ssischen Forschung bespricht Peter Johanek, Einleitung, in: Sta¨dtisches Gesundheits- und Fu¨rsorgewesen vor 1800, hg. v. dems., Ko¨ln 2000, S. VII–XVII; vgl. den wa¨h¨ berblick u¨ber die polnische Forschung: Szpitalrend einer Konferenz im Jahr 1994 pra¨sentierten U nictwo w dawnej Polsce, hg. v. Maria Dabrowska/Jerzy ˛ Kruppe, Warszawa 1998. 35 Im Rahmen des Sonderforschungsbereiches „Zwischen Maas und Rhein, Teilprojekt 11: Hospita¨ler“ an der Universita¨t Trier untersucht Michael Pauly zur Zeit die Rolle der Spitalsstiftungen bei der Formierung der kommunalen Stadt, vgl. ders., Les de´buts des institutions hospitalie`res au pays de Luxembourg aux XIII–XIVe sie`cles, in: Annales de l’Institut arche´ologique du Luxembourg 126–127 (1995–1996), S. 93–126, hier S. 119. Ein Zusammenhang mit den sta¨dtischen Reformen wird selbst in Bezug auf die spektakula¨rsten „Lokationsstiftungen“ wie etwa in Lu¨beck (Heilig-Geist-Spital, 1227) oder in Wien (Bu¨rgerspital, vor 1257) nicht gesehen: Ilka S. Minnecker, Repra¨sentation und sakrale Legitimation. Maiestas Domini und Bu¨rgermedaillons im Heilig-Geist-Spital zu Lu¨beck, in: Zeitschrift des Vereins fu¨r Lu¨beckische Geschichte und Altertumskunde 79 (1999), S. 29–36; Brigitte Pohl-Resl, Rechnen mit der Ewigkeit. Das Wiener Bu¨rgerspital im Mittelalter, Wien 1996; vgl. Marek Słon, ´ Fundacje szpitalne władz komunalnych jako centra kultu miejskiego [Kommunale Spitalstif˙ tungen als Zentren des sta¨dtischen Kultes], in: Ecclesia et civitas. Ko´scio´ł i zycie religijne w mie´scie s´ redniowiecznym, hg. v. Halina Manikowska/Hanna Zaremska, Warszawa 2002, S. 361–373, wo der Autor versucht hat, den Lokationsprozess mit einer spezifischen Kategorie von Spitalsstiftungen in Zusammenhang zu bringen.
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sowie auf die topographische Lage der karitativen Einrichtung gegenu¨ber der neuen Gemeinde hingewiesen worden. Doch dies ist nicht immer der Fall – so la¨sst sich zum Beispiel keine einzige Arbeit finden, die im Kontext der Posener Lokation von 1253 das wenig spa¨ter dort gegru¨ndete Heiliggeistspital erwa¨hnt ha¨tte.36 Eine sorgfa¨ltige Analyse der Stellung der Spitalsstiftung im sta¨dtischen Transformationsprozess hat dagegen Marta Młynarska-Kaletynowa pra¨sentiert. Mit der Problematik der Breslauer Spita¨ler hat sich auch der Autor dieses Textes bescha¨ftigt.37 ¨ berlegungen wollen wir deshalb die Hauptstadt Als Ausgangspunkt unserer U Schlesiens wa¨hlen. Das dortige Spital wurde 1214 von Witosław, dem Abt des Klosters der Regularkanoniker auf der Sandinsel gestiftet, wenn auch unter erheblicher Mitwirkung Heinrichs des Ba¨rtigen. Eben in der Gru¨ndungsurkunde dieser Einrichtung erscheint zum ersten Mal in den Quellen ein Breslauer Schultheiß. 1223 wird sie als hospitale sancti spiritus dicte civitatis Wratislauensis bezeichnet,38 also als ein integraler Teil der Stadt. Ein zweites Breslauer Spital stiftete die Fu¨rstin Anna gleichzeitig mit der so genannten zweiten Lokation der Stadt (1241–1242).39 Es war Bestandteil eines monumentalen Komplexes fu¨rstlicher Stiftungen nach Prager Vorbild. In Posen existierte das 1187 den Johannitern anvertraute Michaelsspital schon vor 1172, also bevor der Lokationsprozess begonnen hatte.40 Eine zweite wohlta¨tige Einrichtung wurde wahrscheinlich fast gleichzeitig mit der Lokation am linken Wartheufer im Jahr 1254 gestiftet.41 Krakau dagegen erhielt im Lokationszeitraum nur eine Einrichtung dieser Art, das vom Heilig-Geist-Orden gefu¨hrte Heiliggeistspital. Es wurde 1220 vom Krakauer Bischof Iwo in Pradnik ˛ bei Krakau gegru¨ndet und 1244 auf das Gebiet der ku¨nftigen Lokationsstadt verlegt.42 Alle drei Sta¨dte weisen hier gewisse gemeinsame Merkmale auf; sie werden deutlicher, wenn wir die topographische Lage der Wohlta¨tigkeitsinstitutionen betrachten. Spita¨ler haben bereits die erste Lokationsphase begleitet. Mehr noch – sie sind die a¨ltesten Stiftungen, die sich mit der Reorganisation der Stadt nach den neuen Prinzipien in Zusammenhang bringen lassen. Fu¨r Breslau besteht in dieser Hinsicht – im 36 Ich danke Prof. Jacek Wiesiołowski fu¨r seinen Hinweis auf die U ¨ berlieferung in den ju¨ngeren Pose-
´ ner Annalen (Rocznik Poznanski II), vgl. Anm. 15. Die Notiz in den Annalen ist glaubwu¨rdig, u¨brigens a¨hnlich wie die entsprechende Erwa¨hnung in der Großpolnischen Chronik, nur dass Letztere sich wahrscheinlich auf die Weihe des Kirchengeba¨udes oder des Armenhauses selbst nach der Beendigung der Bauarbeiten bezieht. 37 Młynarska-Kaletynowa, Wrocław (wie Anm. 3), S. 77f.; 147–153; Słon, ´ Die Spita¨ler (wie Anm. 33), S. 34–37, 87f., 92f., 102, 133–136; dort weiterfu¨hrende Literatur. 38 Schlesisches Urkundenbuch, Bd. 2 (wie Anm. 8), Nr. 237. 39 Marek Słon, ´ Breslauer Hospitalsstiftungen, in: Archiv fu¨r schlesische Kirchengeschichte 56 (1998), S. 173–185, hier S. 178f. 40 Maria Starnawska, Mi˛edzy Jerozolima˛ a Łukowem. Zakony krzyzowe ˙ na ziemiach polskich w s´ redniowieczu [Zwischen Jerusalem und Łukowo. Die Orden der Kreuzherren in den polnischen La¨ndern im Mittelalter], Warszawa 1999, S. 36; Wi´sniowski, Rozwo´j (wie Anm. 14), S. 400–404; dort die a¨ltere Literatur. 41 Vgl. Anm. 16. 42 Klara Antosiewicz, Zakon Ducha Swi˛ ´ etego de Saxia w Polsce s´ redniowiecznej [Der Heilig-GeistOrden de Saxia im mittelalterlichen Polen], in: Nasza Przeszło´sc´ 23 (1966), S. 167–174; Kazimierz ˙ ´ g, Miejska topografia klasztorna s´ redniowiecznego Krakowa [Die sta¨dtische Klostertopographie Ozo des mittelalterlichen Krakau], in: Klasztor w mie´scie (wie Anm. 23), S. 217–234, hier S. 223f.
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¨ berlieferungen – nicht der geringste Zweifel. Es ist Lichte der oben angefu¨hrten U daher beachtenswert, dass sich das Armenhaus auch hier nicht bloß in einiger Entfernung von der Lokationssiedlung befand, sondern zudem durch den Fluss von ihr getrennt wurde. Dennoch stellte dies keinerlei Hindernis fu¨r seine Integration in die Breslauer civitas dar. Diese war ideeller Art – das Spital und die Kaufmannsgemeinde bildeten jedoch keine gemeinsame Siedlung. Das Posener Michaelsspital befand sich beinah einen Kilometer von der Burg entfernt. In seiner Entstehungszeit befand sich dort wahrscheinlich ein nicht bewirtschafteter Streifen Landes. Erst die sich rund um die Margarethenkirche herausbildende Siedlung fu¨llte diesen teilweise aus. Die dortige Gemeinde erhielt keine separate Wohlta¨tigkeitseinrichtung. Man kann daher vermuten, dass ihr in irgendeiner Form das Armenhaus der Johanniter zugewiesen wurde. Dennoch ist zu betonen, dass ein solcher Zusammenhang im Gegensatz zu Breslau nicht in den Quellen belegt ist. In Krakau liegt Pradnik ˛ beinahe vier Kilometer vom Wawel entfernt und nur wenig na¨her an der Siedlung rund um die Dreifaltigkeitskirche. Dennoch war dies weniger als die Entfernung, welche die Burg des Monarchen von der in etwa zur selben Zeit gestifteten Zisterzienserabtei in Mogiła oder vom alten benediktinischen Tyniec trennte, die schließlich beide eng mit Krakau verbunden waren.43 Eine gewisse Voraussetzung, um die Stiftung des Heilig-GeistOrdens an die Kaufmannsgemeinde anzubinden, ist deren spa¨tere Verlegung auf das ¨ bereinstimmung zwischen dem Datum Gebiet der ku¨nftigen Lokationsstadt. Die U der Erwa¨hnung des villicus Piotr und der Konventsgru¨ndung (1220) ko¨nnte ebenfalls von Bedeutung sein, wenngleich hier ein Zufall nicht auszuschließen ist. Insgesamt erscheint es plausibel, dass der Besitz eines Spitals schon in der ersten Lokationsphase ein konstituierendes Element im Modell einer „großen Stadt“ war. Auf alle Fa¨lle bildeten karitative Einrichtung und Kaufmannssiedlung keine Einheit, sondern separate Teile eines Zentrums. In der zweiten Phase des Lokationsprozesses zeichnet sich bereits deutlich eine Verbindung zwischen Armenhaus und kommunaler Stadt ab, die zugleich einen neuen Charakter annimmt. Das Armenhaus wird zum Bestandteil der Lokationsstadt selbst. Dies belegt vor allem die Topographie. Jedes der drei behandelten Zentren erha¨lt ein Spital innerhalb der Stadtmauern oder in deren unmittelbaren Na¨he. Alle diese Einrichtungen sind in die neue Raumordnung eingefu¨gt und entstehen im ¨ brigen – im Falle Breslaus und vielleicht auch Posens – zur gleichen Zeit. Die chroU ¨ bereinstimmung von Lokation und Stiftung ist ein wichtiger Beleg fu¨r nologische U ihre gegenseitige Verbundenheit. Interessante Schlussfolgerungen erlaubt auch die Lokalisierung des Krakauer Spitals. Es wurde an eine Stelle verlegt, die sich hervorragend in den Grundriss der sieben Jahre spa¨ter realisierten Stadt einfu¨gte. Es sieht danach aus, als sei diese Unternehmung mit großer Voraussicht geplant worden, und als sei die Errichtung des Armenhauses die erste uns bekannte Phase ihrer Realisierung gewesen. Bezeichnend ist auch die Tatsache der Verlegung selbst – schließlich ging es nicht darum, den vorherigen Platz zu ra¨umen, sondern um die Notwendigkeit, eine solche Institution genau dort zu haben, wo sie dann lokalisiert wurde. In
43 Ebd., S. 221; Kłoczowski, Zakon braci (wie Anm. 22), S. 28.
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Breslau haben wir es mit einer besonderen Situation zu tun. Die Stadt hatte bereits ein Spital. Doch entsprach es nicht dem neuen Rang eines hauptsta¨dtischen Zentrums, wurde dem Anspruch, die Rolle eines „zweiten Prag“ zu spielen, nicht gerecht. Die Breslauer Lokationsgemeinde brauchte nicht bloß irgendeine karitative Einrichtung. Sie brauchte eine Institution, die ihren Bestrebungen entsprach. Wir haben drei Arten kirchlicher Institutionen analysiert, deren Stiftung die sta¨dtischen Lokationen begleitete. Fu¨r jede von ihnen ließ sich ein Zusammenhang mit den sich vollziehenden Transformationen der Stadt zeigen. Dieser wird noch deutlicher, wenn wir uns die Verbindungen zwischen den bisher separat betrachteten Kategorien von Einrichtungen ansehen. Eine allen drei behandelten Sta¨dten gemein¨ bertragung der Pfarrkirchen an die Dominikaner. Dies geschah same Regel ist die U kraft der Entscheidung des jeweiligen Stifters. Ich denke nicht, dass dem ein sozialer Druck der wachsenden Schar von Gla¨ubigen zugrunde lag, die eine bessere seelsorgerische Betreuung forderten. Die Annahme einer solchen Genese der Entscheidungen wa¨re eine Ableitung aus der bereits erwa¨hnten anachronistischen Vorstellung, dass die Stadt bereits zu Beginn ihrer durch die Lokation begru¨ndeten Transformation bestanden ha¨tte. Die Stiftungen gingen der ra¨umlichen Expansion der Stadt und dem damit zusammenha¨ngenden intensiveren Zustrom von Siedlern voraus. Es ging also eher darum, eine Situation zu schaffen, die nicht nur den Ordensbru¨dern den Start in die neue Wirklichkeit erleichtern, sondern auch ihr Engagement fu¨r die Belange der sta¨dtischen Gesellschaft stimulieren wu¨rde. Das Fehlen eines entwickelten bu¨rgerlichen Milieus einerseits und die Anwesenheit großzu¨giger Unterstu¨tzer andererseits bargen das Risiko einer relativen Isoliertheit des Konventes. Auf alle Fa¨lle zeigt die Tatsache, dass den Dominikanern die Pfarrkirchen anvertraut wurden, eindeutig, dass ihre Hauptaufgabe in den Augen der Stifter nicht die Betreuung des Hofes war. Umso weniger plausibel erscheint eine solche Rolle fu¨r die Franziskaner. Die Entstehung ihrer Klo¨ster fiel schließlich in eine Zeit, als die Krakauer und Breslauer Stadtgemeinden wesentlich weiter entwickelt waren. Die Spita¨ler hingen nicht so eng mit dem Netz der Pfarrkirchen zusammen wie die Dominikanerkonvente, nichtsdestoweniger zeichnen sich auch diese Bindungen sehr deutlich ab. Dabei sei angemerkt, dass diese nicht – wie im Falle der Predigermo¨nche – die fru¨he, sondern die Schlussphase der Lokationen betreffen. Das Breslauer Heilig-Geist-Spital erhielt zum Zeitpunkt seiner Stiftung nicht die Rechte einer Pfarrei. Dies geschah wahrscheinlich 1241 als Folge der so genannten zweiten Lokation. Die um den Augustinerkonvent konzentrierte Ansiedlung wurde damals von der eigentlichen Stadt getrennt. Die Ausu¨bung der cura animarum durch die Heilig-Geist-Kirche la¨sst sich seit der Lokation der Neustadt im Jahre 1263 als sicher ansehen. Die neu entstandene Gemeinde hatte generell nur ein Gotteshaus, dem Pfarrei, Kloster und Spital zugeordnet waren. Das zweite Breslauer Armenhaus St. Elisabeth (spa¨ter St. Matthias) erhielt 1253 eine der Hauptpfarrkirchen der Stadt, womit der Stiftungsprozess dieser wohlta¨tigen Einrichtung abgeschlossen wurde. In Krakau erhielten die Heilig-GeistBru¨der nach ihrer Verlegung von Pradnik ˛ 1244 die Heilig-Kreuz-Kirche, die wahrscheinlich 1257 zugleich mit der Lokation die Rechte einer Pfarrkirche erhielt. In Breslau lassen sich Verbindungen zwischen Spital und Franziskanerkonvent aufzeigen. Doch handelt es sich hier um einen Sonderfall und es gibt keine Grundlage,
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diese Verbindungen als ein Element des Lokationsprogrammes anzusehen, wie jene von Dominikanern und Pfarrei sowie wahrscheinlich von Parochialkirche und Spital. Das Breslauer Beispiel einer Realisierung franziskanischer Ideale durch die Stiftung einer wohlta¨tigen Institution ist in anderer Hinsicht wichtig. Es ist ein vorzu¨gliches Beispiel dafu¨r, wie man durch eine Stiftung an ein sta¨dtisches Vorbild anknu¨pfte. Die bo¨hmische Fu¨rstin Agnes hatte in Prag einen Komplex von drei Institutionen gestiftet: ein Franziskanerkloster, ein Klarissenkloster und ein Spital der Franziskus-Laienbru¨der. Sie selbst trat in den Frauenkonvent ein und fungierte als dessen Vorsteherin. Die das Armenhaus leitende Korporation wandelte sich bald zu einem neuen Orden, der das Statut des Prager Klosters als Ordensregel annahm.44 Schon vor diesem Ereignis begann die Schwester der Fu¨rstin Agnes, die schlesische Fu¨rstin Anna, gemeinsam mit ihrem Mann Heinrich dem Frommen einen a¨hnlichen Komplex in Breslau zu errichten.45 Auch er bestand aus einem franziskanischen Ma¨nnerund einem Frauenkloster sowie einem Bru¨derspital; Mutterha¨user aller drei Gemeinschaften waren die Prager Stiftungen der Fu¨rstin Agnes. Wieder aufgenommen wurde auch das Patrozinium des Franziskanerkonventes (St. Jakob), wa¨hrend die Patrozinien der Klarissen (St. Franziskus in Prag, St. Klara in Breslau) und der Armenha¨user (St. Franziskus in Prag, St. Elisabeth in Breslau) eine Weiterentwicklung der Prager Vorbilder waren. Beide Schutzherrinnen der Breslauer Einrichtungen lebten noch, als Agnes ihre Stiftungen in der Hauptstadt Bo¨hmens realisierte. Beide Fu¨rstinnen unterhielten Kontakte zur Hl. Elisabeth von Thu¨ringen, und Agnes auch zur Hl. Clara. Das im Folgenden von Elisabeth in Marburg perso¨nlich gegru¨ndete und geleitete Spital war dem Hl. Franziskus geweiht. Das hier pra¨sentierte Beispiel ist keine bloße Forschungshypothese. Die Nutzung Prager Vorbilder bei der Realisierung der Breslauer Gru¨ndungen, in der Literatur seit langem angenommen, la¨sst keinerlei Zweifel zu. Es kann also als Ausgangspunkt fu¨r weitere Schlussfolgerungen dienen. Bevor wir jedoch zu diesen kommen, lohnt es sich, noch einmal auf den Zusammenhang solcher Nachahmungen mit der Lokationswende zuru¨ckzukommen. Die monumentale Prager Gru¨ndung fand zu Beginn der 30er Jahre des 13. Jahrhunderts statt, wobei die Jahre 1233–1234 von entscheidender Bedeutung waren: In diesen Jahren fielen der Bau des neuen Franziskanerklosters, die Ankunft der Ordensschwestern aus Assisi und die Konfirmation ihrer Gemeinschaft, die Entstehung des Spitals und die Besta¨tigung der Statuten seiner Bruderschaft. Im Jahr 1234 gab Wenzel I. das Lokationsprivileg fu¨r Prag aus.46 Unab¨ bereinstimmung ein Werk des Zufalls oder ha¨ngig davon, ob diese chronologische U einer bewussten Politik des Ko¨nigs und seiner frommen Schwester war – in Breslau wiederholte sie sich, und zu Recht ko¨nnen wir darin das Werk einer durchdachten
44 Josef Ha´jek, Bracia Mniejsi w Czechach i na Morawach w XIII–XIV w. [Die Minoriten in Bo¨hmen
und Ma¨hren im 13.–14. Jahrundert], in: Franciszkanie (wie Anm. 20), S. 263–266, hier S. 264; Pavel o ˇ Vlcek/Petr Sommer/Dusˇan Floty´n, Encyklopedie cˇ esky´ch kla´sˇteru, Praha 1998, S. 508. 45 Willy Lorenz, Die Kreuzherren mit dem roten Stern, Ko¨nigstein/Ts. 1964, S. 22; Młynarska-Kaletynowa, Wrocław (wie Anm. 3), S. 151; Starnawska, Mi˛edzy Jerozolima,˛ (wie Anm. 40), S. 118. 46 Piekalski, Von Ko¨ln (wie Anm. 28), S. 166–167.
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Entscheidung der Fu¨rstin Anna sehen. Die Lokation der Stadt im Jahr 1241 bezeichnet auch fu¨r ihre Stiftungen die wichtigste Za¨sur. Die Franziskaner wurden 1240 an ihren neuen Sitz auf dem Gebiet der Lokationsgemeinde verlegt, und vor dem Ma¨rz 1242 entstand das Elisabethspital. Diese beiden Einrichtungen bildeten den ra¨umlichen Rahmen eines ganzen Komplexes, zu dem auch das einige Jahrzehnte spa¨ter errichtete Klarissenkloster geho¨ren sollte. Das Wirken der Fu¨rstin Anna knu¨pfte also nicht nur an Prag an, sondern auch an die dort vollzogene Lokation, deren Element die monumentale Stiftungsgru¨ndung sein sollte. Das Pha¨nomen selbst – sich das Vorbild einer anderen Stadt, die man fu¨r besser und wu¨rdiger hielt, zu vergegenwa¨rtigen – ist gut bekannt. Ko¨ln und Trier konkurrierten miteinander um den Titel „Zweites Rom“.47 Auf dasselbe Ideal bezog sich Konstanz im 10. und 11. Jahrhundert.48 Fu¨r Polen hat Roman Michałowski den Versuch nachgewiesen, in Krakau das Beispiel Aachens nachzuahmen.49 Solche Verbindungen lassen sich an einer Analyse der Stiftungen ablesen: ihrer Chronologie, Topographie, ihrer Patronate, ihrer Ausstattung mit Reliquien und dem Charakter der gegru¨ndeten Einrichtungen. Dort, wo solche Bestrebungen von den Zeitgenossen artikuliert wurden, begru¨ndete man sie mit einem Netz an kirchlichen Institutionen, die man besitzen wu¨rde. Sie waren es, die u¨ber den Status der jeweiligen Stadt entscheiden sollten.50 Die Position Magdeburgs als Metropolitansitz erforderte sowohl eine entsprechende Zahl und Art von Einrichtungen wie auch deren Ausstattung mit Reliquiensammlungen.51 Dieses Pha¨nomen geht u¨ber den Rahmen einer Nachahmung von Zentren, die man als herausragend und heilig ansah, hinaus. Die Bamberg umgebenden Kirchen stellten dessen Schutzschild dar.52 Der von Krzysz´ tof Skwierczynski unternommene Versuch, a¨hnliche Vorgehensweisen in den polnischen Bischofssitzen zu finden, ist nicht ga¨nzlich u¨berzeugend.53 Bewa¨hrt haben sich dagegen die a¨lteren und vorsichtigeren Schlussfolgerungen von Marian Morelowski
47 Alfred Haverkamp, „Heilige Sta¨dte“ im hohen Mittelalter, in: Mentalita¨ten im Mittelalter. Methodi-
sche und inhaltliche Probleme, hg. v. Frantisˇek Graus, Sigmaringen 1987, S. 119–156, hier S. 126–131. 48 Helmut Maurer, Konstanz als Bischofssitz. Zum Selbstversta¨ndnis geistlichen Fu¨rstentums im
10. Jahrhundert, Go¨ttingen 1973, S. 70–77; ders., Kirchengru¨ndung und Romgedanke am Beispiel des ottonischen Konstanz, in: Bischofs- und Kathedralsta¨dte des Mittelalters und der Fru¨hen Neuzeit, hg. v. Franz Petri, Ko¨ln 1976, S. 47–59. 49 Roman Michałowski, Princeps fundator. Studium z dziejo´w kultury politycznej w Polsce X–XIII wieku [Eine Untersuchung zur Geschichte der politischen Kultur im Polen des 10.–13. Jahrhunderts], Warszawa 1993, S. 71–88. 50 Haverkamp, „Heilige Sta¨dte“ (wie Anm. 47), S. 136: „Tatsa¨chlich galt die sakrale Ausstattung auch sonst als wesentlicher Gradmesser fu¨r die Stadtqualita¨t“. 51 Roman Michałowski, Translacja pi˛eciu braci polskich do Gniezna. Przyczynek do dziejo´w kultu relikwii w Polsce s´ redniowiecznej [Die Translation der polnischen fu¨nf Bru¨der nach Gnesen. Ein Beitrag zur Geschichte des Reliquienkultes im mittelalterlichen Polen], in: Peregrinationes. Pielgrzymki w kulturze dawnej Europy, hg. v. Halina Manikowska/Hanna Zaremska, Warszawa 1995, S. 173–184, hier S. 177–180. 52 Krzysztof Skwierczynski, ´ Custodia civitatis. Sakralny system ochrony miasta w Polsce wcze´sniejszego s´ redniowiecza na przykładzie siedzib biskupich [Das Sakralsystem der Stadtverteidigung im fru¨hmittelalterlichen Polen am Beispiel der Bischofssitze], in: Kwartalnik Historyczny 103 (1996), 3, S. 3–51, hier S. 5. 53 Ebd., S. 18–21, 47f.; Manikowska, Princeps (wie Anm. 1), S. 40ff.
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zum so genannten Wegekreuz.54 Halina Manikowska hat ein weiteres Mal die Breslauer Stiftungen analysiert. Sie hat die Datierung der dortigen custodia civitatis sowie die Ansicht in Frage gestellt, dass die Piastendynastie deren Scho¨pfer gewesen sei.55 Die eigentliche Idee der Rangerho¨hung einer Stadt durch religio¨se Stiftungen hat sie dagegen nicht in Frage gestellt. Obwohl fu¨r das Posen vor der Lokation gleichermaßen eindeutige Schlussfolgerungen fehlen, la¨sst sich fu¨r Polen insgesamt besta¨tigen, dass eine Stadt, insbesondere im Fall der hauptsta¨dtischen Zentren, nach ihren Kirchen beurteilt wurde. Keine der hier behandelten Sta¨dte erhielt den Titel einer sancta civitas; aber so wurde ja schon Prag, das man als unmittelbares Vorbild nutzte, bezeichnet.56 Der Begriff der civitas war also an der Schwelle des 13. Jahrhunderts im hier ¨ ber den Status einer behandelten Gebiet stark von sakralen Elementen durchsetzt. U Stadt entschieden in bedeutendem Maße deren kirchliche Strukturen, die wiederum auf der Grundlage eines Vergleichs mit einem als vorbildlich geltenden Zentrum oder mit einem allgemeinen Modell bewertet wurden. Die erste Variante – die Bezugnahme auf ein konkretes Zentrum – ist zwar am Beispiel Breslaus ganz offenkundig, aber ¨ berlegung, ob wir es hier nicht mit der zugleich speziell. Wesentlicher erscheint die U zweiten Mo¨glichkeit zu tun haben. Eine Lokation bedeutete schließlich den Umbau oder sogar die Neuerrichtung einer Stadt nach dem aus Westeuropa bekannten Vorbild der kommunalen Stadt. Auf rechtlicher Ebene berief man sich vor allem auf Magdeburg, aber diese Haltung betraf nicht nur das Recht und nicht nur Magdeburg. Es erscheint plausibel, dass man sich bemu¨hte, auch die einem entwickelten sta¨dtischen Zentrum eigenen kirchlichen Strukturen zu kopieren. Welche Elemente waren dabei fu¨r die sich schnell entwickelnden Sta¨dte Italiens, der Niederlande und des Reiches charakteristisch, und welche fehlten in den Zentren Polens vor ihrer Lokation? Eine vollsta¨ndige und sorgfa¨ltig dokumentierte Antwort auf diese Frage ist beim gegenwa¨rtigen Forschungsstand nicht mo¨glich, auch wu¨rde sie den Rahmen des vorliegenden Aufsatzes sprengen. Doch selbst eine erste Orientierung macht deutlich, welche dies waren: ein geordnetes, ausgebautes Netz von Pfarrkirchen, Spita¨lern und Mendikantenkonventen. Die damaligen politischen Eliten, die sich daran machten, das Land zu urbanisieren, mussten auch einen Umbau der kirchlichen Strukturen vornehmen. Eine Ausrichtung an den Sta¨dten Westeuropas und deren Gottesha¨usern scheint eine gute Erkla¨rung fu¨r das bei uns realisierte Stiftungsprogramm der Lokationen zu sein. Dennoch bleibt dies eine Hypothese, deren Verifizierung wesentlich weiter gefasster ¨ berlegungen darstellen. Untersuchungen bedarf, als es die vorliegenden U Die Betrachtung des Lokationsprozesses in sakralen Kategorien ist keine mehr oder minder koha¨rente, auf indirekte Hinweise gestu¨tzte Konstruktion. Sie findet ihre Besta¨tigung in den Quellen, in den Lokationsprivilegien selbst. Es sind wenige,
54 Marian Morelowski, Poczatki ˛ s´ wiadomej my´sli urbanistycznej w Polsce przed kolonizacja˛ XIII w.
[Die Anfa¨nge eines bewussten urbanistischen Denkens in Polen vor der Kolonisation im 13. Jahrhundert], in: Sztuka i historia. Ksi˛ega pamiatkowa ˛ ku czci profesora Michała Walickiego, hg. v. Jan Białostocki u. a., Warszawa 1966, S. 39. 55 Manikowska, Princeps (wie Anm. 1), S. 42f. 56 Haverkamp, „Heilige Sta¨dte“ (wie Anm. 47), S. 139.
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herausragende Fa¨lle, so dass mit Schlussfolgerungen Vorsicht geboten ist. Die Tatsache, dass Lokationen mit dem Begriff fundatio benannt wurden, ist in der Literatur registriert worden, ein Versuch zu ihrer Interpretation wurde jedoch nicht unternommen.57 Der Terminus der fundatio wurde im weltlichen Sinne (das Legen von Fundamenten) benutzt, aber dies war eine erst fu¨r das Ende des 15. Jahrhunderts belegte Nebenbedeutung.58 Sein eigentlicher Sinn liegt in religio¨sen Kategorien: es konnte sich dabei um die Bestellung eines bescheidenen Altardienstes oder selbst einer Totenmesse handeln, aber das eigentliche Bedeutungsfeld betraf die Begru¨ndung einer kirchli¨ berzeugung erblicken, dass es chen Institution. Zu Recht ko¨nnen wir darin die U einen integralen Zusammenhang zwischen dem Anlegen einer Stadt und der Gru¨ndung ihrer Kirchen gab. Mit anderen Worten: die Konstituierung einer Stadt (locatio) bestand auch darin, sie mit einem sakralen Fundament zu versehen, und eine der vielen Bezeichnungen, die benutzt wurden, um die stattfindenden Vera¨nderungen auszudru¨cken, stellt eben diesen Aspekt an die vorderste Stelle. Das relativ seltene Auftreten des Begriffes fundatio in dieser Bedeutung beweist zugleich, dass in der allge¨ berzeugung die weltlichen Elemente dominierten. meinen U Ziel dieses Aufsatzes war es zu zeigen, dass die Errichtung neuer kirchlicher Einrichtungen ein integraler Bestandteil der sich vollziehenden sta¨dtischen Transformationen war. Rufen wir uns jene Lo¨sungen in Erinnerung, die allen drei hier behandelten Zentren gemeinsam zu sein scheinen. Mit der ersten Lokationsphase war die Errichtung einer Parochialkirche verbunden, die womo¨glich der Kaufmannsgemeinschaft einen rechtlichen und organisatorischen Rahmen gab. Diese Pfarrei wurde spa¨ter von den Dominikanern u¨bernommen. Solche Stiftungen wurden innerhalb einer bereits existierenden Siedlung realisiert. Es ist nicht sicher, ob man schon mit dieser Phase der Vera¨nderungen ein funktionierendes, im Verha¨ltnis zur Lokationsgemeinde peripher gelegenes Spital verbinden muss. Die zweite Lokationsphase wurde von der Gru¨ndung eines Franziskanerkonventes (in Posen dagegen spielte die, vielleicht wiederholte, Stiftung eines Klosters von Predigerbru¨dern eine a¨hnliche Rolle) und der Errichtung eines Spitals ero¨ffnet, diesmal auf dem fu¨r die neue Gemeinde vorgesehenen Terrain oder in seiner unmittelbaren Nachbarschaft. Wahrscheinlich wurden der Stadt zur gleichen Zeit ein regelma¨ßiger Grundriss und die Lokation verliehen und die Aufteilung des Stadtraumes in Pfarreien durchgefu¨hrt – in Posen war dieser Schritt gleichbedeutend mit der Errichtung einer neuen Pfarrkirche; in Krakau und Breslau existierte zumindest ein Teil der Gottesha¨user, denen man in die-
57 Der Autor hat einen solchen Versuch unternommen, wenn auch nur fu¨r einen sehr begrenzten Bereich:
Słon, ´ Franciszkanie (wie Anm. 19); Richard Koebner, Locatio. Zur Begriffssprache und Geschichte der deutschen Kolonisation, in: Zeitschrift des Vereins fu¨r Geschichte Schlesiens 63 (1929), S. 1–32; Jiˇrı´ Kejr, ˇ Vznik mˇestske´ho zˇrı´zenı´ v cˇ esky´ch zemı´ch [Die Entstehung der Stadtordnung in den bo¨h¨ bersetzung: ders., Die mittelalterlichen Sta¨dte in den bo¨hmischen mischen La¨ndern], Praha 1998, dt. U La¨ndern. Gru¨ndung – Verfassung – Entwicklung, Ko¨ln u. a. 2010; Schlesisches Urkundenbuch, Bd. 2 (wie Anm. 8), Nr. 156 (1238), 409 (1250); Bd. 3, hg. v . Winfried Irgang, Wien u. a. 1984, Nr. 103 (1253). 58 Słownik łaciny s´ redniowiecznej w Polsce [Wo¨rterbuch des Mittellatein in Polen], hg. v. Marian Plezia, Bd. 4, Warszawa u. a. 1975–1977, Sp. 439f.
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sem Moment die seelsorgerische Arbeit anvertraute, schon fru¨her (was nicht ausschließt, dass einige von ihnen zu genau diesem Zweck ins Leben gerufen worden waren). Bezeichnenderweise wurde der Abschluss des Lokationsprozesses in jeder der behandelten Sta¨dte von einer Stiftung begleitet: in Breslau des Mattha¨usspitals, in Krakau des Markusklosters der Bru¨der des Hl. Cyriakus, in Posen wahrscheinlich der Pfarrkirche der Hl. Maria Magdalena.59 In diesem Akt la¨sst sich der Wille erkennen, dem Vorhaben des Stadtumbaus den Stempel des sacrum zu verleihen. Das hier pra¨sentierte Modell eines Zusammenhangs zwischen kirchlicher Stiftung und sta¨dtischer Lokation weist eine wesentliche Einschra¨nkung auf. In vielen Punkten besitzt es lediglich hypothetischen Charakter. Es wurde auf der Basis von Angaben rekonstruiert, die sich auf die erste Ha¨lfte des 13. Jahrhunderts beziehen; wahrscheinlich unterlag es im Laufe der Zeit einem tiefen Wandel. Interessant wa¨re zum Beispiel ein Vergleich mit den unter Kasimir dem Großen gefundenen Lo¨sungen. ¨ berlegungen das Stiftungsprogramm der Vor allem aber ist der Gegenstand unserer U Hauptzentren, der zumindest im regionalen Maßstab großen Sta¨dte gewesen. Auch wenn die Lokation kleiner und mittlerer Sta¨dte wahrscheinlich unter dem Einfluss der Vorbilder von Breslau, Krakau und Posen blieb, konnten diese ho¨chstens in reduzierter Form reproduziert werden. Die wichtigste Schlussfolgerung, die sich aus den ¨ berlegungen ergibt, ist jedoch der eigentliche Zusammenhang zwivorliegenden U schen Lokation und Stiftung, den es selbst dort geben konnte, wo das einzige Gotteshaus eine kleine ho¨lzerne Pfarrkirche war.
59 Diese Datierung fu¨r die Stiftung des Markusklosters hat nachgewiesen Starnawska, Mi˛edzy Jerozo-
˙ ´ g, Miejska (wie Anm. 42), S. 224; zum Mattha¨usspital und lima˛ (wie Anm. 40), S. 147f.; vgl. auch Ozo der Pfarrkirche in Posen vgl. Anm. 15f. Die Datierung der Posener Pfarrkirche auf 1253 bleibt hypothetisch, es besteht jedoch kein Zweifel, dass es der Wille des Fu¨rsten war, die Stiftung gleichzeitig mit der Verleihung des Lokationsprivilegs an die Gemeinde durchzufu¨hren.
BRESLAU ZUR ZEIT DER ERSTEN LOKATION von Jerzy Rozp˛edowski*
Studien zur ra¨umlichen Entwicklung Breslaus werden seit Jahrzehnten angestellt. Frappierend ist dabei, dass sowohl in der Literatur der Vorkriegszeit, als auch in ju¨ngsten Arbeiten das Problem der großen organisatorischen Stadtreform, welches der Lokationsprozess darstellte, von den Autoren nicht in vollem Umfang gewu¨rdigt und manchmal sogar klein geredet wird.1 Ha¨ufig wird die erste Lokation als „Prozess“ behandelt, als ein bestimmter Zeitabschnitt, und ein Glied in einer langen Kette von Siedlungsentwicklungen, die in klar abgegrenzten Sequenzen aufeinander folgten. Mit dem ersten Lokationsakt wird in der Regel lediglich ein kleiner Teil des Stadtraumes in Verbindung gebracht, der mit nachfolgenden Privilegien um weitere Territorien erweitert wurde, bis hin zu jener Fla¨che, die den damaligen sozioo¨konomischen Rahmenbedingungen optimal entsprach.2 Ich bin der Ansicht, dass die Stadtreform fu¨r die damaligen Menschen in ihren Auswirkungen schockierend gewesen sein muss. Sie verursachte Vera¨nderungen von bis dahin ungekanntem Ausmaß und Format. Neu waren die Einfu¨hrung regelma¨ßiger Parzellen und des Schachbrettgrundrisses fu¨r eine Siedlung, die Festsetzung eines regelma¨ßig gestalteten Marktplatzes (Ring), die Verleihung eines einheitlichen Rechtes fu¨r die auf einem bestimmten Territorium ansa¨ssige Bevo¨lkerung, die Ausbildung * Vom Autor aktualisierte und erga¨nzte U ¨ bersetzung des Aufsatzes „Wrocław pierwszej lokacji“ (aus:
Architektura Wrocławia. Band 2: Urbanistyka, hg. v. Jerzy Rozpedowski, ˛ Wrocław 1995, S. 41–51); ¨ bersetzung von Heidemarie Petersen. U 1 Marta Młynarska-Kaletynowa, Wrocław w XII–XIII wieku, przemiany społeczne i osadnicze [Breslau im 12.–13. Jahrhundert. Gesellschaftliche und wirtschaftliche Vera¨nderungen], Wrocław 1986, S. 123, gibt an, „die Anfa¨nge der großen Stadtreform in Breslau dagegen besaßen, wie es scheint, einen wesentlich bescheideneren territorialen und materiellen Umfang.“ Es sei betont, dass die Untersuchungen dieser Autorin zu Breslau besonders gru¨ndlich sind. Literatur findet sich ebendort. Eine Zusammenfassung der Forschungen zu Breslau pra¨sentiert auch Hugo Weczerka, Wachstumsphasen der Stadt Breslau, Altenbeken 1989, der seine Ausfu¨hrungen auch mit Stadtpla¨nen illustriert hat. 2 Auch wenn wir die Richtigkeit der allgemeinen Theorie von einer evolutiona¨ren Entwicklung der Sta¨dte anerkennen (vgl. Andrzej W˛edzki, Poczatki ˛ reformy miejskiej w s´ rodkowej Europie do połowy XIII wieku [Die Anfa¨nge der Stadtreform in Mitteleuropa bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts], Warszawa 1974), in die sich auch die Genese Breslaus einfu¨gt, wenden wir uns gegen die Ansichten zur Formierung der Stadt in den ersten drei Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts. Marta Młynarska-Kaletynowa, Przemiany przestrzenne Wrocławia w wiekach XII–XIII [Ra¨umliche Vera¨nderungen Breslaus im 12.–13. Jahrhundert], in: Architektura Wrocławia. Band 2: Urbanistyka, hg. v. Jerzy Rozpedowski, ˛ Wrocław 1995, S. 9–28; Hanna Kozaczewska-Golasz, Wrocław w latach 1204–1263 [Breslau in den Jahren 1204–1263], in: ebd., S. 53–64.
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einer gesonderten politischen Struktur, die Aufteilung in Parochien, Kloster-, Spitalsund andere Stiftungen. Neu war schließlich auch ein organisiertes Verteidigungssystem. Die parallel ablaufenden Vera¨nderungen in der Geld- und Warenwirtschaft beschleunigten den Warenumschlag, stimulierten die Entwicklung des Handwerks und neuer Technologien. Dies fu¨hrte in der Folge dazu, dass die Basis fu¨r die Schaffung jener neuen Gesellschaftsschicht gelegt wurde, zu der sich das Bu¨rgertum entwickelte. Die Initiative zu solch weit reichenden Entwicklungen konnte zur damaligen Zeit einzig ein herausragender Herrscher mit der no¨tigen Tatkraft ergreifen. Ein solcher war Fu¨rst Heinrich der Ba¨rtige, der Schlesien in den Jahren 1201–1238 regierte, ein Mensch mit weitem Horizont. Er ist derjenige, der im schlesischen Teilfu¨rstentum do¨rfliche und sta¨dtische Lokationsprozesse in Gang brachte, wobei er an westeuropa¨ische Vorbilder anknu¨pfte, die ihm auch aus dem Bauwesen und aus der Architektur gut bekannt waren (dies belegen seine zahlreichen prachtvollen Stiftungen, unter anderem in Glogau, Liegnitz und Breslau).3 Die topographische Struktur der linksufrigen Stadt, Urkunden des 13. und 14. Jahrhunderts sowie indirekte Quelleninformationen zur fru¨hen Entstehung und Entwicklung der Stadt erlauben die Hypothese, dass es ein urspru¨ngliches „großes Breslau“ gegeben hat, in dessen Zentrum sich der Ring befand. Das Stadtgebiet nahm eine große „Terrasse“ von 1200 × 800 Metern ein, die im Su¨den von einem Graben begrenzt wurde, der entlang des alten Bettes eines der Oderarme verlief. Die zweite Lokation nach 1241, ho¨chstwahrscheinlich verursacht durch die katastrophalen Auswirkungen des Mongoleneinfalls, beruhte auf einer Reduktion des urspru¨nglichen Stadtgrundrisses, der an die von der kleineren Flussbiegung gezogenen Terrassenbegrenzung angepasst wurde.4 Verkleinerungen und Zusammenlegungen sind uns aus der mittelalterlichen Architektur, der sakralen wie der weltlichen, allgemein bekannt. Seltener dagegen lassen sie sich auf dem Gebiet der Stadtplanung beobachten. Doch auch hier lassen sich Beispiele anfu¨hren, wie etwa die ra¨umliche Entwicklung von
3 Benedykt Zientara, Heinrich der Ba¨rtige und seine Zeit. Politik und Gesellschaft im mittelalterlichen
Schlesien, Mu¨nchen 2002.
4 Diese These habe ich samt ihrer Begru¨ndung in meinem am 25. Mai 1971 in der Kunsthistorischen
´ Gesellschaft vorgetragenen Referat „Sredniowieczne fortyfikacje Wrocławia“ pra¨sentiert. Dort habe ich zur Vereinfachung der Ausfu¨hrungen fu¨r den a¨ußeren Graben die Bezeichnung „großer Altarm“ und fu¨r den inneren die Bezeichnung „kleiner Altarm“ verwendet. Wie sich herausgestellt hat, war dies unzutreffend, da die Befestigungsgra¨ben durch nach Hochwassern entstandene Senken gefu¨hrt wurden, dazu Henryk Chmał/Irena Czerwinska/Janusz ´ Czerwinski/Andrzej ´ Tkaczyk, Geologiczno´ geomorficzna charakterystyka rejonu prac archeologicznych na placu Dominikanskim [Geologischgeomorphe Gebietscharakteristika der archa¨ologischen Arbeiten auf dem Dominikanerplatz], in: Silesia Antiqua 35 (1993), S. 382–400. Meinen Ansatz, dass sich Breslau nach dem Mongoleneinfall im Rahmen einer territorialen Verkleinerung weiterentwickelt hat, greift auch Ołgierd Czerner, Rynek wrocławski [Der Breslauer Ring], Wrocław 1976, S. 17, 21, auf. Dem oben erwa¨hnten Ansatz von Młynarska-Kaletynowa, Wrocław (wie Anm. 1), S. 34, billigt er eine gewisse Plausibilita¨t zu. Die These in vollem Umfang akzeptiert hat Edmund Małachowicz, Stare Miasto we Wrocławiu [Die Altstadt in Breslau], Warszawa 1976, S. 18, ohne dabei jedoch auf den Autor Bezug zu nehmen. Die Publikation ´ von Małachowicz wird wiederum von Mateusz Golinski zitiert. Die den Dominikanerplatz untersu¨ bernahme der Bezeichnungen chenden Geomorphologen haben Małachowicz allerdings fu¨r seine U „großer/kleiner Altarm“ kritisiert.
Breslau zur Zeit der ersten Lokation
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Płock, oder auch zahlreiche gescheiterte Stadtlokationen, von denen keinerlei Spuren in Form von Pla¨nen erhalten geblieben sind. Ein Teil davon wurde zu Do¨rfern reduziert.5 Meine Analyse der Entwicklung Breslaus stu¨tzt sich auf schriftliche Quellen, Kartenmaterial und die Ergebnisse archa¨ologischer Forschungen zur Besiedlung und zu bedeutenderen Bauten in der Stadt. In den schriftlichen Quellen begegnet der Name der Stadt 1204 erstmals als civitas Vratislaviensis.6 Vier Jahre spa¨ter (1208) verleiht Heinrich der Ba¨rtige der Abtei Unserer Heiligen Jungfrau auf der Sandinsel die Kurie in foro Vratislaviensis.7 1211 (?) stellt Magdeburg dem Breslauer Fu¨rsten eine Rechtsunterweisung aus, in der Scho¨ffen, ein Richter, waffentragende Bu¨rger, ein Eigentumsrecht an Haus und Grund sowie ein Kaufmannshof erwa¨hnt werden.8 Drei weitere Jahre spa¨ter (1214) bestimmt eine Urkunde die Lage der Spitalsstiftung zum Hl. Geist, wobei als Zeuge erstmals ein Breslauer Schultheiß namens Godinus auftritt.9 1226 wird die Adalbertskirche den Dominikanern u¨bertragen; dabei werden die Grenzen der Parochie neu festgelegt und die Kurien der Priester Peter und Otto sowie die Mauritiusbru¨cke erwa¨hnt. Die Stadt wird als civitas Vratislavia bezeichnet.10 1229 erwa¨hnt eine Urkunde einen scultetus de Wratisl[avia] namens Alexander.11 Drei Jahre spa¨ter (1232) wird der Jahrmarkt in die linksufrige Stadt verlegt.12 Erst 1261 wird die Stadt zu Magdeburger Recht privilegiert; bei dieser Gelegenheit wird auch die erste Lokation von Breslau explizit erwa¨hnt.13 Zwei Jahre spa¨ter (1263)
5 Anna Rutkowska-Płachcinska, ´ Gmina miejska w poczatkach ˛ XIII w. w Polsce [Die Stadtgemeinde
zu Beginn des 13. Jahrhunderts in Polen], in: Wieki s´ rednie – Medium aevum, hg. v. Aleksander Gieysztor/Marian Henryk Serejski/Stanisław Trawkowski, Warszawa 1962, S. 143–150; Mateusz Skib´ Poznan´ 1987, S. 8, niewski, Opactwo Benedyktyno´w w Lubiniu [Das Benediktinerkloster in Lubin], Abb. 2. Forschungen von Zofia Hilczer-Kurnatowska und Stanisław Kurnatowski zufolge wurde die entdeckte Kirche aus der Mitte des 11. Jahrhunderts, eine 34 Meter breite und 50 Meter lange Basilika, in der ersten Ha¨lfte des 12. Jahrhunderts zu einem einschiffigen Gotteshaus verkleinert, dazu Zygmunt ´ Swiechowski, Zagadnienie redukcji i koniunkcji na przykładzie architektury wczesno´sredniowiecznej [Das Problem der Reduktion und Konjunktion am Beispiel der fru¨hmittelalterlichen Architektur], in: Kwartalnik Architektury i Urbanistyki 4 (1959), 3–4, S. 113–124; Hans Joachim Mrusek, Wyniki badan´ nad zamkami obronnymi w s´ rodkowej cz˛es´ ci obszaru mi˛edzy Łaba˛ a Saala˛ [Untersuchungsergebnisse zu den Verteidigungsburgen im mittleren Elbe-Saale-Gebiet], in: ebd., 5 (1960), 3, S. 335–356.; auf S. 354 stellt der Autor hier fest: „Zuerst wurde die befestigte Siedlung verkleinert, und dann wurde sie wieder vergro¨ßert.“ 6 Codex diplomaticus nec non epistolaris Silesiae, Band. 1, hg. v. Karol Maleczynski, ´ Wrocław 1951, Nr. 107. 7 Ebd., Nr. 127. 8 Ebd., Band. 2, Nr. 147. Das Dokument wurde im Archiv von Goldberg aufbewahrt, weshalb einige Forscher der Ansicht sind, es beziehe sich auf Goldberg, wenn es auch mehrheitlich Breslau zugeschrieben wird. Es wird auf den Zeitraum zwischen 1211 und 1238 datiert. 9 Ebd., Band. 2, Nr. 163. 10 Ebd., Band 3, Nr. 326. 11 Schlesisches Urkundenbuch, Bd. 1, hg. v. Heinrich Appelt, Wien 1971, Nr. 305. 12 Ebd., Band 2, Nr. 26. 13 Ebd., Band 3, Nr. 373f. Die Urkunde wurde in zwei Fassungen ausgestellt, dazu Karol Maleczyn´ ´ ´ dłowe do historii Wrocławia. Bd. 1: Do konca ´ XVIII w. [Quellentexte zur ski/Jan Reiter, Teksty zro Geschichte Breslaus. Bd. 1: Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts], Wrocław 1951 [= Sobo´tka 2 (1951), 12], S. 22f.; Młynarska-Kaletynowa, Wrocław (wie Anm. 1), S. 100f.
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erfolgt die Lokation der Breslauer Neustadt14; 1268 die Ausstattung der Klarissen mit einer Kurie inter duo fossata.15 Aus dem Jahr 1272 stammt ein fu¨rstliches Privileg zum Bau fester Ha¨user in der Stadt und infra fossata exteriora.16 Schließlich wird 1291 der Fluss Ohle in die Befestigungsgra¨ben eingeleitet.17 An kartografischen Quellen stehen uns neben der Axonometrie Breslaus von Barthel Weyhner von 156218 ein Stadtplan Breslaus von Friedrich Gross aus dem Jahr 158119 sowie geomorphologische Karten von Breslau aus den Jahren 1901–1993 zur Verfu¨gung.20 Die Archa¨ologen21 haben unterdessen fu¨r das 13. Jahrhundert neben zwei ju¨dischen Grabsteinen, die in die Jahre 1201 und 1246 datiert werden ko¨nnen22, einigen in die Jahre 1205, 1222, 1228 und 1237 datierten Brunnen am Ketzerberg (heute Go´rka Kacerska)23, Fachwerkha¨user aus den Jahren 1236 und 1241 entdeckt
14 Schlesisches Urkundenbuch, Bd. 3, Nr. 436. 15 Regesten zur schlesischen Geschichte, Band 1: bis 1300, hg. v. Colmar Gru ¨ nhagen, Breslau 1886,
Nr. 1301. 16 Breslauer Urkundenbuch, hg. v. Georg Korn, Breslau 1879, Nr. 39. 17 Regesten zur schlesischen Geschichte (wie Anm. 15), Nr. 2181; Breslauer Urkundenbuch (wie
Anm. 16), Nr. 61. 18 Das Original ist nicht vollsta¨ndig erhalten, ein Faksimile der zweiten Fassung befindet sich im Besitz
des Instituts fu¨r Architektur- und Technikgeschichte der Technischen Hochschule Breslau.
19 Erhalten sind Fragmente des Plans mit eingezeichneten Projektionen der Kirchen; Małachowicz,
Stare Miasto (wie Anm. 4), S. 27, Zeichnung 12.
20 Richard Leonhard, Die Entwicklung der Stromlage der Oder bei Breslau, in: Breslau. Lage, Natur
und Entwicklung. Eine Festgabe dem XIII. Deutschen Geographentage dargeboten vom Ortsausschusse, Breslau 1901, S. 39–47 (Umgebungsplan von Breslau im Maßstab 1 : 50 000); Oskar Tietze, Geologische Karte von Preussen und den benachbarten deutschen Landen, 1 : 25 000, Blatt Deutsch Lissa, 1908; Blatt Breslau-Nord, Berlin 1942. Der Plan wurde wiedervero¨ffentlicht in: Chmał, Geologiczno-geomorficzna charakterystyka (wie Anm. 4); eine hypsometrische Karte des urspru¨nglichen Altstadtgebietes von Breslau findet sich bei Tadeusz Kozaczewski, Poczatki ˛ i rozwo´j Wrocławia do roku 1263 [Anfa¨nge und Entwicklung Breslaus bis zum Jahr 1263], in: Kwartalnik Architektury i Urbanistyki 4 (1959), 3–4, S. 171–185. Zur geomorphologischen Untersuchung des Dominikanerplatzes im Jahr 1993 vgl. Anm. 4. 21 Aus dem umfangreichen Komplex archa¨ologischer Forschungsergebnisse habe ich lediglich die wesentlichsten der wa¨hrend der Ausgrabungen identifizierten Objekte ausgewa¨hlt. Langja¨hrige Forschungen zur Besiedelung Breslaus hat Jo´zef Ka´zmierczyk durchgefu¨hrt, vgl. ders.: Wrocław lewobrze˙zny we wczesnym s´ redniowieczu [Das linksufrige Breslau im fru¨hen Mittelalter], Bd. 1–2, Wrocław 1966/1970; ders.: Ku poczatkom ˛ Wrocławia [Zu den Anfa¨ngen Breslaus], Bd. 1–3, Wrocław 1991, 1993, 1995. 22 Zur ju¨dischen Ansiedlung in Breslau und der Lokalisierung des Friedhofes jenseits des a¨ußeren Grabens in der Nachbarschaft der Mauritiussiedlung vgl. Młynarska-Kaletynowa, Wrocław (wie Anm. 1), bes. S. 51. 23 Die dendrochronologische Datierung der wa¨hrend der Untersuchung des Dominikanerplatzes entdeckten Brunnen dokumentiert bei Marek Krapiec, ˛ Analiza dendrochronologiczna drewna z placu ´ Dominikanskiego [Dendrochronologische Analyse eines Holzes vom Dominikanerplatz], in: Silesia Antiqua 35 (1993), S. 364–381. Siedlungsspuren, darunter Brunnen aus Eichenholz, haben sich an der Außenseite des inneren Grabens im Su¨dteil der Stadt vor der 1226 erwa¨hnten Mauritiusbru¨cke erhalten. Hier befanden sich entsprechend der Interpretation einer Urkunde die Kurien der Priester Peter und Otto. Es sei hervorgehoben, dass die hoch entwickelte Technik der ho¨lzernen Konstruktion zur Annahme der Hypothese veranlasst, dass die Siedlung in diesem Teil Breslaus von Zuwanderern aus dem Westen stammte.
Breslau zur Zeit der ersten Lokation
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(Nadlergasse/ul. Igielna).24 Ins erste Drittel bzw. die erste Ha¨lfte des 13. Jahrhunderts werden die Pfarrkirchen St. Magdalenen25 und St. Elisabeth26, die Klosterkirchen der Franziskaner (St. Jakob27 und St. Klara28) sowie der Dominikaner (St. Adalbert)29, aber auch die linksufrige Fu¨rstenburg30 sowie eine Reihe von Bu¨rgerha¨usern und der Kaufmannshof datiert.31 In die zweite Ha¨lfte des 13. Jahrhundert geho¨rt der Neumarkt.32
24 Zu den von Marek Krapiec ˛ dendrochronologisch untersuchten Fachwerkha¨usern Jerzy Piekalski,
Ze studio´w nad drewniana˛ zabudowa˛ Wrocławia [Studien zum Breslauer Holzbau], in: Architektura Wrocławia, Band 1: Dom [Die Architektur Breslaus. Das Haus], Wrocław 1995, hg. v. Jerzy Rozpe˛ ´ dowski u. a., Wrocław 1995, S. 75–85; Małgorzata Chorowska, Sredniowieczna kamiennica miesz´ czanska we Wrocławiu [Das mittelalterliche Bu¨rgerhaus in Breslau], Wrocław 1994, S. 79. 25 Tadeusz Broniewski/Tadeusz Kozaczewski, Pierwotny ko´scio´ł s´ w. Marii Magdaleny we Wrocławiu [Die urspru¨ngliche St. Maria-Magdalenen-Kirche in Breslau], in: Kwartalnik Architektury i Urbanistyki 12 (1967), H. 3–4, S. 3–22. 26 Czesław Lasota/Jerzy Rozpedowski, ´ i s´ w. El˙zbiety we Wrocła˛ Ko´scio´ł parafialny s´ w. Wawrzynca wiu [Die Pfarrkirche St. Laurentius und St. Elisabeth in Breslau], in: Prace naukowe Instytutu Historii Architektury, Sztuki i Techniki Politechniki Wrocławskiej 13 (1980), S. 61–65. 27 Tadeusz Kozaczewski, Pierwotny ko´scio´ł franciszkanski ´ we Wrocławiu [Die urspru¨ngliche Franziskanerkirche in Breslau], in: Rozprawy Komisji Historii Sztuki Wrocławskiego Towarzystwa Naukowego 3 (1963), S. 199–370; Czesław Lasota/Jerzy Rozpedowski, ˛ Rozwo´j przestrzenny ko´scioła Franciszkano´w we Wrocławiu [Die Raumentwicklung der Franziskanerkirche in Breslau], in: Prace naukowe Instytutu Historii Architektury, Sztuki i Techniki Politechniki Wrocławskiej 15 (1981), S. 53–64. 28 Jerzy Rozpedowski, ˛ Rozwo´j przestrzenny ko´scioła Klarysek we Wrocławiu [Raumentwicklung der Klarissenkirche in Breslau], in: Prace naukowe Instytutu Historii Architektury, Sztuki i Techniki Politechniki Wrocławskiej 2 (1972), S. 109–115, hier S. 110f. 29 Edmund Małachowicz, Wczesno´sredniowieczna architektura ko´scioła Dominikano´w we Wrocławiu [Die fru¨hmittelalterliche Architektur der Dominikanerkirche in Breslau], in: Kwartalnik Architektury i Urbanistyki 20 (1975), 1, S. 11–50. Die ju¨ngsten am Dominikanerplatz durchgefu¨hrten Forschungen haben die Entdeckung eines Friedhofes aus dem 12. Jahrhundert erbracht, der im Zusammenhang mit der Errichtung der Wehrmauern von Su¨den her verkleinert wurde. 30 Jo´zef Kazmierczyk, ´ ´ Wyniki badan´ wykopaliskowych na dziedzincu uniwersytetu we Wrocławiu ´ aska [Ergebnisse der Ausgrabungen auf dem Hof der Universita¨t in Breslau], in: Archeologia Sl ˛ 2 (1959), S. 223–244, hier S. 243; ders., Wrocław lewobrze˙zny (wie Anm. 21), Band 1, S. 46. Der Autor lokalisiert eine ju¨dische Niederlassung unterhalb des Fu¨rstenschlosses. 31 Die Forschungen zu den Breslauer Ha¨usern wurden von Olgierd Czerner, Tadeusz Kozaczewski, Jerzy Rozp˛edowski, Czesław Lasota und Małgorzata Chorowska durchgefu¨hrt, die Dokumentation findet sich im Instytut Historii Architektury, Sztuki i Techniki Politechniki Wrocławskiej; vgl. ´ auch Olgierd Czerner/Mirosław Przyłecki/Jerzy ˛ Wiklend, Dwie kolumny romanskie odnalezione we Wrocławiu [Zwei in Breslau gefundene romanische Sa¨ulen], Wrocław 1955 [= Sprawozdania Wrocławskiego Towarzystwa Naukowego 5 (1955), dodatek 5], S. 9; Małgorzata Chorowska/Czesław Lasota, O s´ redniowiecznej kamienicy wrocławskiej [Zum mittelalterlichen Breslauer Wohnhaus], in: Architektura Wrocławia (wie Anm. 2) S. 49–73; Tadeusz Kozaczewski, Murowane domy z XIII wieku we Wrocławiu [Gemauerte Ha¨user in Breslau aus dem 13. Jahrhundert], in: ebd., S. 9–50; Małgorzata Chorowska/Czesław Lasota/Jerzy Rozpedowski, ˛ Blok zachodni Rynku wrocławskiego w okresie s´ redniowiecza [Der Westblock des Breslauer Rings im Mittelalter], in: Kwartalnik Architektury i Urbanistyki 30 (1994), 4, S. 285–290; Piekalski, Ze studio´w (wie Anm. 24), S. 76–87. 32 Forschungen im Bereich des Neumarktes hat in den 60er Jahren durchgefu¨hrt Jo´zef Kazmierczyk, ´ Z badan´ nad kształtowaniem si˛e wczesno´sredniowiecznego o´srodka miejskiego na lewym brzegu Odry we Wrocławiu [Forschungen zur Ausbildung des fru¨hmittelalterlichen Stadtzentrums auf dem linken Oderufer in Breslau], in: Sobo´tka 20 (1965), S. 137–170. Der Autor hat festgestellt, dass es 1. unterhalb der Stadtmauer eine Aufschu¨ttung gibt (S. 150); 2. dass der Neumarkt fru¨her von einem im drit-
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Jerzy Rozp˛edowski
Ausgehend von einer topographischen Analyse des Bereiches, auf dem sich die Siedlung Breslau herausbildete, ist festzustellen, dass die hier dank des ma¨andernden Verlaufes von Oder und Ohle entstandenen natu¨rlichen Inseln sowie die nach Hochwassern entstandenen Terrassen schon seit dem fru¨hen Mittelalter genutzt wurden. So befanden sich die erste mittelalterliche Burg, im Folgenden die im Burgbezirk errichtete Kathedrale sowie die aus Stein errichtete Burg auf der Dominsel. Die Abtei Unserer Heiligen Jungfrau der Regularkanoniker wurde im 12. Jahrhundert auf der Sandinsel gegru¨ndet. Die Heiliggeistkirche nahm gemeinsam mit dem Spital vielleicht die Insel zwischen Ohle und Oderarm ein. Die von Heinrich dem Ba¨rtigen 1263 gegru¨ndete Neustadt wurde auf einer Insel jenseits der Mauern der alten Stadt situiert. Insofern ko¨nnte auch die erste Lokationsstadt eine natu¨rlich entstandene Insel eingenommen haben, die – wie aus ju¨ngsten Untersuchungen hervorgeht – von einem su¨dlichen Oderarm umflossen wurde, der durch ein Hochwasser ausgespu¨lt und zusa¨tzlich durch die nicht weit entfernt einmu¨ndende Ohle gespeist wurde. Dieser breite Arm, den ich seinerzeit einmal als „großen Altarm“ bezeichnet habe, wurde als ¨ berschwemmungen verbliebenen U ¨ berBefestigungsgraben genutzt.33 Seine nach U reste verzeichnete Weyhner 1562, als er eine erste Axonometrie der Stadt zeichnete. Die Breite des Grabens, wie sie auf Pla¨nen des 16. Jahrhunderts dargestellt ist, weist auf dessen natu¨rlichen Ursprung hin, da die im Mittelalter um Sta¨dte herum ausgehobenen Gra¨ben gewo¨hnlich schmaler waren. Eine a¨hnliche Situation haben wir beim zweiten, inneren Befestigungsgraben, den ich der Einfachheit halber „kleinen Altarm“ genannt habe.34 ¨ berlegungen zur Gro¨ße der ersten Lokationsstadt sind die Fu¨r unsere weiteren U Urkunden, insbesondere jene aus den Jahren 1261, 1268 und 1272, sowie die von Theodor Goerlitz durchgefu¨hrte Analyse von Dokumenten aus dem 14. und 15. Jahrhundert von ebenso großer Bedeutung.35 Wesentlich sind auch die Ergebnisse der archa¨ologischen Forschungen am Dominikanerplatz, am Ketzerberg und an der Altbuser Ohle (heute ulica Kazimierza Wielkiego) sowie die Axonometrie der Stadt von Weyhner aus dem Jahr 1562. Die Urkunde aus dem Jahr 1261 wurde zu einer Zeit ausgestellt, als das verkleinerte Stadtgebiet bereits von einer Wehranlage in Gestalt von Graben und Mauern umgeben war. In dieser Urkunde halten die Fu¨rsten dem Vogt und der Bu¨rgergemeinde der Stadt ein Unrecht vor, das diese in ihrer Jugendzeit in den diesseits des
ten Viertel des 13. Jahrhunderts angelegten Bohlendamm durchschnitten wurde, und der Platz selbst in der zweiten Ha¨lfte des 13. Jahrhunderts angelegt worden sein ko¨nnte (S. 158). 33 Die Geomorphologen nehmen an, dass fu¨r die Anlage des a¨ußeren Grabens eine infolge einer ¨ berschwemmung entstandene Senke genutzt wurde. Chmał, Geologiczno-geomorficzna charakteU rystyka (wie Anm. 4), S. 389, Abb. 4 und 5. 34 Ebd., S. 394: „Der Grabenverlauf wurde durch eine optimale Ausnutzung der Morphologie und des geologischen Gela¨ndeaufbaus ausgefu¨hrt.“ Fu¨r die weitere Verlaufsfu¨hrung wurde der Rand eines Erosionsrestberges in der Gegend des Dominikanerplatzes durchgraben. 35 Theodor Goerlitz, Die Breslauer Wollwebersiedlung Alte Stadt, in: Beitra¨ge zur Geschichte der Stadt Breslau 2 (1936), S. 110–123.
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Grabens der ersten Lokation gelegenen Fleischba¨nken und Ga¨rten begangen ha¨tten (ortis ante civitatis iacentibus infra fossata prime locacionis). Weiter bestimmen die Fu¨rsten, folgende Personen der sta¨dtischen Jurisdiktion zu unterstellen: die in aggere beate Marie wohnenden sowie die, die sich in der Siedlung des Hl. Mauritius aufhalten, und alle, die vor der Stadt diesseits des Grabens der ersten Lokation Kurien oder Ga¨rten besitzen (omnesque curias sive ortis habentes ante civitatem infra fossata prime locacionis).36 Die Urkunde aus dem Jahr 1268 erwa¨hnt die Vergabe einer zwischen beiden Gra¨ben (inter duo fossata) gelegenen Kurie an den Klarissenorden. Aus der Topographie der Stadt geht, u¨bereinstimmend mit dem Inhalt einer Quelle aus dem Jahr 1261, hervor, dass diese Kurie sich „diesseits des Grabens der ersten Lokation“ befand.37 Ein wegen der Feuergefahr ausgegebenes Privileg Heinrichs IV. fu¨r Breslau aus dem Jahr 1272 fordert zur Errichtung von Geba¨uden aus Stein und Ziegeln innerhalb der Mauern und zwar dies- wie jenseits des a¨ußeren Grabens auf (infra muros et extra et infra fossata exteriora)38 und erlaubt dafu¨r, kleine und große Kurien mit einer Steuer zu belasten, die nicht ho¨her sein du¨rfe als die seit jeher fu¨r die Grundstu¨cke angenommene area. Die Aussage der oben angefu¨hrten Urkunden ist eindeutig: Die erste Lokation fand vor 1242 statt, und das Stadtgebiet wurde von Westen und Su¨den her beschnitten, wobei die erste Verteidigungslinie in Gestalt von Wall und Graben erhalten blieb. Bartholoma¨us Stein vermerkt in seiner Beschreibung Breslaus aus den Jahren 1512/15, dass zahlreiche Anzeichen darauf hinwiesen, dass der innere Teil der Stadt einst Vorsta¨dte besessen habe; diese ha¨tten sich jenseits der Stadttore befunden und seien von einer Seite durch die Stadtmauer, von der anderen aber durch einen
36 Die Urkunde wird sehr unterschiedlich interpretiert. Doch keine einzige Interpretation betrachtet das
Breslau der ersten Lokation als eine Stadt, die gro¨ßer war als die nach 1241 durch die Befestigungsanlagen trassierte. Im besten Falle spricht man von einem Gebiet, das sich nicht mit der Ausdehnung der ersten Lokation decke. Dazu Młynarska-Kaletynowa, Wrocław (wie Anm. 1), S. 101ff. Kozaczewski, Poczatki ˛ i rozwo´j Wrocławia (wie Anm. 21), sieht in einer unmittelbaren Lesart der Urkunde eine Bedrohung fu¨r seine Hypothese von einer etappenweisen Vergro¨ßerung Breslaus und verwirft eine solche Erkla¨rung als falsch, was die Sicht auf die ra¨umliche Struktur der ersten Stadt radikal a¨ndert. Umstritten ist auch die Erwa¨hnung des aggere beate Marie in der Urkunde aus dem Jahr 1261. Młynarska-Kaletynowa, Wrocław (wie Anm. 1), S. 69ff., bezieht diese Nachricht auf eine Siedlung an ¨ gypten, die sie somit an der Stelle der heutigen Christophoruskirche der Kirche der Hl. Maria von A lokalisiert. Es handelt sich hier um den ersten Hinweis auf den Standort der Kirche der Hl. Maria von ¨ gypten. Aus dem Inhalt der Urkunde geht hervor, dass diejenigen das Stadtrecht erhalten, die jenseits A des von der ersten Lokation eingenommenen Gebietes wohnen, aber Eigentum diesseits des a¨ußeren ¨ gypten zwischen den Gra¨Grabens haben. Wenn also die Siedlung an der Kirche der Hl. Maria von A ben lag, dann ha¨tte die Urkunde sie nicht erwa¨hnt; richtiger ist eine Interpretation dieser Erwa¨hnung, welche sie auf die Siedlung an der Kirche Unserer Heiligen Jungfrau auf der Sandinsel bezieht. Ich danke Mateusz Golinski ´ fu¨r seine Hilfe bei der Analyse der Urkunden von 1261 und 1272. 37 Theodor Goerlitz, Der Hof zwischen den beiden Gra¨ben. Ein Beitrag zur Ortskunde von Breslau im 13. Jahrhundert, in: Beitra¨ge zur Geschichte der Stadt Breslau 1 (1935), S. 84–91. Meiner Ansicht nach lokalisiert der Autor die Kurie fa¨lschlicherweise in der Na¨he des Klarissenklosters. Vgl. dazu Młynarska-Kaletynowa, Wrocław (wie Anm. 1), S. 117ff. 38 Die Bezeichnung „a¨ußerer Graben“ taucht hier zum ersten Mal auf und ist gleichbedeutend mit dem ¨ berlieferung aus dem Jahr 1261 erwa¨hnten Graben der ersten Lokation. Eine indirekte Besta¨in der U tigung dafu¨r la¨sst sich in der Urkunde von 1226 erblicken, welche die Mauritiusbru¨cke erwa¨hnt.
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Graben abgeschlossen worden.39 In a¨hnlicher Weise liefern die Untersuchungsergebnisse von Theodor Goerlitz eine gewisse Besta¨tigung fu¨r ein urspru¨ngliches Stadtgebiet, das u¨ber die Mauern aus dem Jahr 1242 hinausreichte. Sie weisen darauf hin, dass die entlang der Goldenen Radegasse (ul. Złote Koło) und der Neue Weltgasse ´ (ul. Nowy Swiat) gelegenen Grundstu¨cksparzellen gema¨ß den Steuerregistern des 14. und 15. Jahrhunderts zur Aldstadt geho¨rten. Goerlitz hat diesen Bereich mit der ersten Lokationsstadt gleichgesetzt, wobei er deren Gebiet auf den westlichen, zwischen den Gra¨ben liegenden und bis zum Ufer der Oder reichenden Teil eingrenzte. Der Autor hat dort auch eine Burg an der Stelle des spa¨teren Arsenals gesehen, wobei er sich auf die alte Bezeichnung Burkwal bezog, die auf Weyhners Plan zu sehen ist.40 Betrachtet man die Ausfu¨hrungen von Goerlitz, dann ist festzustellen, dass an der su¨dlichen Seite der Stadt eine a¨hnliche Situation auftritt wie an der Goldenen Radegasse und der Neue Weltgasse. Die Parzellen an der Su¨dseite der Junkernstraße (ul. Ofiar O´swi˛ecimskich), zum Beispiel die einem Heinrich Rybisch geho¨rige (vgl. den Plan Weyhners), durchschnitten den Graben und reichten in das Gela¨nde infra fossata prime locacionis hinein. Die archa¨ologischen Untersuchungen am Dominikanerplatz liefern die Erkla¨rung solcher Anomalien, und hier stoßen wir auch auf das 1261 erwa¨hnte „Unrecht“, das nach der Lokation von 1242 geschehen sei. Der etwa 45 Meter breite Graben, wahrscheinlich entlang einer Senke trassiert und im Osten durch einen Restberg hindurch gegraben, verletzte den alten Stadtgrundriss, verkleinerte den Friedhof an der Adalbertkirche und durchschnitt die fru¨her abgesteckten Parzellen rund um die verkleinerte Stadt. Dieser Streifen entlang der Mauern, insgesamt etwa 80 Meter breit, wurde spa¨ter zu beiden Seiten des inzwischen durch Vermauerungen verengten Grabens besiedelt. Siedlungsspuren, darunter solche, die sich auf die Jahre 1205, 1222 und 1228 datieren lassen, hat man am Ketzerberg jenseits des inneren Grabens an der Su¨dseite festgestellt. Hier befanden sich gema¨ß Aufzeichnungen einer Urkunde aus dem Jahr 1226 die Kurien der Priester Peter und Otto sowie die weiter su¨do¨stlich gelegene Mauritiusbru¨cke, die u¨ber den ersten Graben auf der Achse der Ohlauer Straße (ul. Oławska) errichtet worden war. Es ist anzunehmen, dass rund um den gesamten inneren Graben eine a¨hnliche Transformation wie am Ketzerberg stattfand. Dies besta¨tigen auch die an der Altbuser Ohle und der Altbu¨ßerstraße (ul. Łaciarska) durchgefu¨hrten archa¨ologischen Forschungen, und die den westlichen Teil der Stadt betreffenden juristischen Komplikationen, die Goerlitz entdeckt hat, ko¨nnten auch den gesamten Streifen entlang des Grabens betroffen haben. Deswegen mo¨chte ich noch einmal,
39 Bartłomieja Steina Renesansowe opisanie Wrocławia [Die Renaisssancebeschreibung Breslaus von
˙ Bartholoma¨us Stein], bearb. und hg. v. Ro´scisław Zerelik und u¨bers. v. Marek Krajewski, Wrocław 1995, S. 26. Ich bin der Meinung, dass es sich bei diesen „zahlreichen Anzeichen“ um eine erhaltene ¨ berlieferung zur alten, von Heinrich dem Ba¨rtigen durch Lokation gegru¨ndeten Stadt handelt, die U in den von Theodor Goerlitz analysierten Steuerdokumenten ebenfalls als Altstadt vermerkt wird. Mateusz Golinski, ´ Zu den ra¨umlichen Vera¨nderungen in Breslau nach der Lokation, in diesem Band, S. 157–168, erwa¨hnt die Braurechte der im Gebiet zwischen den Gra¨ben wohnenden Bu¨rger. 40 Goerlitz, Die Breslauer Wollwebersiedlung (wie Anm. 35).
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Glogau
Breslau zur Zeit der ersten Lokation
Dominsel Sandinsel Oder Frstl. Terrain
Neustadt 1263
Liegnitz
Altstadt
Civitas Vratislavensis 1204
Ihle
Oppeln
Gebiet innerer Graben Fossa
ta prim
e loca
cionis
exteriora
Schw eid nitz -
Fossata
archologisch nachgewiesene Wallreste archologisch nachgewiesene Grabenufer nach Tomasz A.Kastek
Abb. 1: Breslau 1204–1236 1 – Rechtsufrige Burg, 2 – Linksufrige Burg, 3 – Judenansiedlung, 4 – Haus der Kaufleute, 5 – Hof des Gerung, 6 – Hof des Priesters Peter, 7 – Hof Ottos, 8 – Mauritius-Bru¨cke, 9 – Ju¨discher Friedhof, 10 – wallonische Ansiedlung, 11 – Burgkapelle St. Martin, 12 – Kloster der Regularkanoniker mit der Kirche St. Maria auf dem Sande, 13 – St. Petri und Pauli, ¨ gidius, 15 – Domkirche St. Johannes der Ta¨ufer und Bischofshof, 14 – Stiftskirche St. A 16 – St. Matthias (Kreuzherren), 17 – Klarissenkloster und -kirche, 18 – St. Jakobi Kloster und Kirche (Franziskaner), 19 – Pra¨monstratenserkloster, 20 – St. Elisabeth, 21 – St. Maria Magdalena, 22 – Adalbertkloster und -kirche (Dominikaner), ¨ gyptischen Maria 23 – St. Mauritius, 24 – Kirche der hl. A
indem ich den Text der ero¨rterten Urkunden den archa¨ologischen Forschungsergebnissen gegenu¨berstelle, betonen, dass meiner Ansicht nach das gesamte Gebiet jenseits des inneren Grabens zur ersten Lokationsstadt geho¨rte und sich bis zum a¨ußeren Graben erstreckte, der durch eine nach Hochwassern entstandene Senke gefu¨hrt wurde. Dieser Graben wurde auch nach der Verkleinerung der Stadt und dem Anlegen eines neuen, inneren Grabens beibehalten, ebenso, wie die schließliche Ru¨ckkehr zu den alten Stadtgrenzen Ende des 13. Jahrhunderts und die Errichtung der neuen
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Jerzy Rozp˛edowski
a¨ußeren Mauern um 1300 nicht zu einer Beseitigung der inneren Befestigungsanlagen fu¨hrten, die noch bis 1866 existierten. Wenn wir nun in die Zeit der ersten Lokation zuru¨ckkehren, stellen wir – auf der Grundlage indirekter Quellenzeugnisse – fest, dass die wahrscheinlich 1226 durchgefu¨hrte Aufteilung in zwei Pfarrbezirke seit der Entdeckung der zwei spa¨tromanischen Kirchen St. Elisabeth und St. Maria Magdalena plausibler geworden ist. Die Anzeichen einer sich formierenden neuen sta¨dtischen Selbstverwaltung verweisen darauf, wie berechtigt Vermutungen sind, dass die in Goldberg aufbewahrte so genannte Magdeburger Rechtsbelehrung Breslau gegolten habe, und dass wir es hier schon 1211 mit 12 Scho¨ffen und einem in einem Kaufmannshof organisierten Handel zu tun hatten. Die Erwa¨hnungen von Schultheißen in den Jahren 1214 und 1219 konzentrieren den Kreis solcher Vermutungen u¨ber eine fru¨he sta¨dtische Organisation Breslaus auf das erste Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts. Die Gru¨ndung des Heiliggeist-Spitals im Jahr 1214 wie auch die Verlegung des Marktes in die linksufrige Stadt im Jahr 1232 besta¨tigen diese These ebenfalls. Nicht ohne Bedeutung ist die Ansiedlung des Dominikaner- und des Franziskanerordens in der Stadt in den 30er Jahren des 13. Jahrhunderts, deren Gottesha¨user mithilfe archa¨ologischer Methoden fu¨r diese Zeit belegt werden konnten. Und schließlich ko¨nnte auch der nicht ganz sichere, aber mit einer Reorganisation der Stadt zu verknu¨pfende Gebrauch der Bezeichnungen civitas und forum in den Jahren 1204 bzw. 1208 ebenfalls auf eine fru¨he Lokation der Stadt hinweisen. Wenn man sich schließlich mit dem Grundriss Breslaus zur Zeit der ersten Lokation befasst, dann ist zu betonen, dass sich in seiner Schachbrettanlage der u¨berproportional große Ring im Zentrum der Anlage am Kreuzungspunkt mehrerer Straßen befand. Von Su¨den fu¨hr´ ´ ten die Schweidnitzer Straße (ul. Swidnicka) und die Schmiedebru¨cke (ul. Kuznicza) zum Oderu¨bergang; an ihrer Einmu¨ndung zum Fluß hin wurde die neue Fu¨rstenburg errichtet. Die Ost-West-Trasse fu¨hrte durch die Wallonensiedlung an der Mauritiuskirche vorbei und weiter durch die Ohlauische- und die Reuschenstraße (ul. Ruska). Hier, an der Ecke zum Ring entstand ein weiterer, Salzmarkt (auch Salzring/Rynek Solny) genannter Platz. Der a¨lteste, parallel zum oben erwa¨hnten verlaufende NordSu¨d-Weg existierte schon seit dem fru¨hen Mittelalter und fu¨hrte an der Adalbertkirche vorbei zur Sandinsel und zu einem weiteren Oderu¨bergang. Er bestand nach der Lokation weiter fort und verband die Sandinsel sowie die auf der Dominsel gelegene Kathedrale und die Fu¨rstenburg mit der linksufrigen Stadt, deren Eingang von dieser Seite das u¨ber der Oder gelegene Sandtor bewachte. Die neben dem Schloss und ´ an der Einmu¨ndung der Oderstraße (ul. Odrzanska) angelegten Tore weisen auf den ¨ berlieferungen Bau eines weiteren Oderu¨bergangs hin, von dem wir aus spa¨teren U wissen. Das vom linksufrigen Breslau eingenommene Gebiet hatte die Form eines la¨nglich abgerundeten Vierecks. Wenn man das an der Oder gelegene und von der Ursulinenstraße (ul. Uniwersytecka) und dem Ritterplatz (plac Nankiera) begrenzte fu¨rstliche Terrain abzieht, dann la¨sst sich das Stadtgebiet su¨dlich davon in ein Rechteck in den Proportionen von 2 : 3 einschließen. Dieses Gebiet wurde ho¨chstwahrscheinlich vollsta¨ndig parzelliert. Ich bin der Ansicht, dass die Blockstruktur rund um den Ring ein Relikt dieser ersten Aufteilung ist. Diese Vorstellung leitet sich aus den Untersu-
Breslau zur Zeit der ersten Lokation
137
chungen von Janusz Pudełko ab,41 die er zur Parzellierung und zu den Grundrissen der Lokationssta¨dte im Mittelalter durchgefu¨hrt hat. Beachtung verdient die Tatsache, dass sich im so umrissenen Stadtgebiet der Alte Ring im Zentrum befand. Zwischen dessen Rand und die westliche Stadtmauer passten sechs Blocks, eine a¨hnliche
14.Jh.
Wa
llre
ste
1
14. Wallreste 2 Jh. 13.Jh.
Graben
reste 1
Grabenreste 2
archologisch nachgewiesene Wallreste archologisch nachgewiesene Grabenufer nach Tomasz A.Kastek Kartengrundlage: Deutscher Stdteatlas (IV-5-1989) - BRESLAU - Tafel 1
Abb. 2: Verlauf der su¨dlichen Befestigungsanlage Quelle: nach Tomasz A. Kastek
Zahl ergibt sich vom o¨stlichen Rand bis zur erhaltenen Mauer an der Weißen Ohle (ul. Janickiego). Vom no¨rdlichen Rand bis zum fu¨rstlichen Terrain sind es drei Blocks, und ebenso viele vom su¨dlichen Rand bis zu den entlang der Linie des Zwingerplatzes (ul. Teatralna) verlaufenden Mauern. Marta Młynarska-Kaletynowa hat vor nicht langer Zeit die hier dargelegte These von einem „großen Breslau“ aufgegriffen und erkla¨rt, dass das Problem auf dem Feld der Archa¨ologie inzwischen gelo¨st sei.42 Im Zuge verschiedener in den letzten Jahren ¨ berreste der ersten Wehranlagen durchgefu¨hrter Notgrabungen wurden deutliche U entlang des inneren Senkenrandes entdeckt.43 Dieser Wall musste alt sein, da auf ihm 41 Janusz Pudełko, Metody badania plano´w niekto´rych miast s´ redniowiecznych w oparciu o zagadnie-
niach działki [Methoden der Grundrissforschung einiger mittelalterlicher Sta¨dte in Anlehnung an die Parzellenproblematik], in: Kwartalnik Architektury i Urbanistyki 9 (1964), 1, S. 3–27. 42 Marta Młynarska-Kaletynowa, Dzieje i rozwo´j przestrzenny Wrocławia od poczatku ˛ do lokacji miasta na prawie niemieckim [Geschichte und Entwicklung Breslaus vom Anbeginn bis zur Lokation der Stadt zu deutschem Recht, in: Atlas historyczny miast polskich, Bd. 1: Wrocław [Historischer Atlas polnischer Sta¨dte, Bd. 1: Breslau], Wrocław 2001, S. 6. 43 Roland Mruczek/Michał Stefanowicz, Południowy pas obwarowan´ i fortyfikacji Wrocławia w rejonie obecnego pl. Wolno´sci, na tle przemian przestrzennych i prawnych miasta s´ redniowiecznego i ˙ nowozytnego [Der su¨dliche Befestigungsgu¨rtel Breslaus im Bereich des heutigen pl. Wolno´sci vor dem Hintergrund der ra¨umlichen und rechtlichen Vera¨nderungen der mittelalterlichen und neuzeitlichen Stadt], Wrocław [im Druck]; Tomasz A. Kastek, Obwarowania Wrocławia pierwszej lokacji [Die Befestigung des Breslaus der ersten Lokation], Wrocław [im Druck].
138
Jerzy Rozp˛edowski
(ohne ihn vollsta¨ndig zu durchschneiden) die spa¨teren Befestigungsmauern errich´ tet wurden. In der Schweidnitzer Straße (ul. Swidnicka) wurden jenseits der ersten Befestigungslinie auf der Ho¨he der Corpus-Christi-Kirche ein zusa¨tzlicher Wall und ein Graben entdeckt, die entweder das erweiterte Vortor des Schweidnitzer Tors oder den Anfang der Befestigungen darstellen, die den Platz jenseits der Mauern umgaben, auf dem die Corpus-Christi-Kapelle der Johanniter errichtet wurde.44 Ein weiterer, in Richtung Speicher (Arsenal) am Nikolaitor verlaufender Wall ist mo¨glicherweise mit der auf dem Stadtplan von Weyhner zu sehenden und dort als Burkwal bezeichneten Anlage identisch. Im Norden sind im Zuge der Untersuchungen am Schloss ebenfalls Wallanlagen zutage getreten, die leider nicht vollsta¨ndig erkundet sind.45 Als erstes wurde ein Abschnitt unterhalb der Wehrmauern in der ´ Gegend des Neumarktes entdeckt; ihr Entdecker Jo´zef Kazmierczyk hat diese mit der Siedlung an der Adalbertkirche in Verbindung gebracht.46 Bei einer erneuten Pru¨fung aller Ausfu¨hrungen zur ersten Lokation von Breslau ¨ berzeugung besta¨tigt, dass eine Reduktion des finde ich mich immer mehr in der U Stadtgebietes noch wa¨hrend der Regentschaft Heinrichs des Ba¨rtigen stattgefunden hat. Die Magdeburger Rechtsbelehrung (zwischen 1211 und spa¨testens 1238) spricht von einer Verletzung der Rechte der Bu¨rger. Deren Protest wa¨re angesichts eines so drastischen Eingriffs des Fu¨rsten in ihren Besitz berechtigt gewesen; die Erkla¨rung zeitgeno¨ssischer Historiker, dass die Missachtung der bestehenden Parzellengrenzen mit der Errichtung von Befestigungen fu¨r das Schloss zusammenha¨nge, ist umso weniger u¨berzeugend, als der Fu¨rst in diesem Fall nicht auf sta¨dtischem, sondern auf seinem eigenen, an der Oder gelegenen Territorium agiert ha¨tte.
44 Jerzy Rozpedowski, ˙ ˛ Rozwo´j przestrzenny joannickiego ko´scioła p.w. Bozego Ciała we Wrocławiu
[Die ra¨umliche Entwicklung der Johanniterkirche Corpus Christi in Breslau], in: Prace Naukowe Instytutu Historii Architektury, Sztuki i Techniki Politechniki Wrocławskiej 22 (1989), S. 163–174. Die Situierung des a¨ltesten Kirchenbaus im o¨stlichen Teil der heutigen Kirche ist besta¨tigt worden durch die Forschungen von Roland Mruczek/Michał Stefanowicz, Badania archeologiczno-architekto˙ niczne w ko´sciele p.w. Bozego Ciała we Wrocławiu Instytutu Historii Architektury, Sztuki i Techniki Politechniki Wrocławskiej [Archa¨ologisch-architektonische Untersuchungen in der Corpus ChristiKirche in Breslau des Instituts fu¨r Architektur- Kunst- und Technikgeschichte der Technischen Hoch´ askie schule Breslau], in: Sl ˛ Sprawozdania Archeologiczne 43 (2001), S. 365–372. 45 Czesław Lasota/Paweł Konczewski/Jerzy Piekalski, Zamek ksia˙ ˛z˛ecy na lewym brzegu Odry we Wroclawiu w s´ wietle badan´ z lat 2005–2006 [Das Herzogschloss auf dem linken Oderufer in Breslau ´ askie im Licht der Forschungen der Jahre 2005–2006], in: Sl ˛ Sprawozdania Archeologiczne 49 (2007), S. 225–251, hier S. 238. 46 Kazmierczyk, ´ Z badan´ (wie Anm. 32), S. 137–170.
DIE LOKATION BRESLAUS ¨ OLOGISCHES FORSCHUNGSPROBLEM ALS ARCHA von Jerzy Piekalski*
Die stadtgeschichtliche Forschung besitzt bekanntlich keine universale und allgemein akzeptierte Definition der Stadt. Auch nach jahrelang gefu¨hrten Kontroversen1 kann man sich der Schlussfolgerung von Ernst Pitz nicht entziehen, dass der Begriff der Stadt keiner pra¨zisen Bestimmung unterliegt.2 Dabei betrifft die Unterscheidung der Stadt von anderen Siedlungsstrukturen nicht allein das Mittelalter, sondern stellt ein fu¨r die gesamte Urbanisationsgeschichte charakteristisches Problem dar.3 Die mitunter nicht emotionsfrei gefu¨hrten Diskussionen zur Stadtdefinition ¨ berzeugung von der großen inneren Differenzierung des bekra¨ftigen immerhin die U Pha¨nomens ‚Stadt‘. Sie verweisen auch auf die Wandlungen der Siedlungsstrukturen infolge sich vera¨ndernder Bedingungen. Die fu¨r die Geschichte der Sta¨dte typischen wirtschaftlichen Konjunkturschwankungen haben ebenso wie demographische und ethnische Vera¨nderungen, drastische politische Ereignisse oder auch Naturkatastrophen stets eine Anpassung der Stadtstruktur an die neue Wirklichkeit bewirkt. Die Wandlungen konnten dabei einen negativen Charakter besitzen oder den einer vehementen Entfaltung; sie konnten die bisherige Stadtstruktur reduzieren, sie weiterentwickeln oder auch radikal umgestalten. Gar nicht selten waren auch Fa¨lle, in denen die Reorganisation einer Stadt mit ihrer topographischen Verlagerung (mitunter um mehrere Kilometer) verbunden war. Solche Vera¨nderungen konnten einen so einschneidenden Verlauf nehmen, dass gelegentlich die Frage nach der Kontinuita¨t der
* Um einige Abbildungen geku¨rzte U ¨ bersetzung des Aufsatzes „Lokacja Wrocławia jako problem bada-
´ wczy archeologa“ (aus: Civitas et villa. Miasto i wie´s w s´ redniowiecznej Europie Srodkowej, hg. v. ¨ bersetzung von Herbert Ulrich. Cezary Bu´sko u. a., Wrocław 2002, S. 49–62); U 1 Die Diskussion u¨ber die Definition der Stadt ist mir am besten aus der Literatur u¨ber die mittelalterlichen Sta¨dte Europas no¨rdlich der Alpen bekannt, siehe Jerzy Piekalski, Uwagi o problemie definicji ´ sredniowieczny model osadnictwa miejs´ redniowiecznego miasta. Struktury wczesnomiejskie i po´zno´ skiego [Bemerkungen zum Problem der Definition der mittelalterlichen Stadt. Fru¨hsta¨dtische Struk´ turen und spa¨tmittelalterliches Modell der Stadtsiedlung], in: Kraje słowianskie w wiekach s´ rednich. ˇ Profanum i sacrum, hg. v. Hanna Ko´cka-Krenz/Władysław Łosinski, ´ Poznan´ 1998, S. 349–356. 2 Ernst Pitz, Europa¨isches Sta¨dtewesen und Bu¨rgertum. Von der Spa¨tantike bis zum hohen Mittelalter, Darmstadt 1991. 3 Neil Christie/Simon T. Loseby, Towns in Transition: Urban Evolution in Late Antiquity and the Early Middle Ages, Aldershot 1996.
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Jerzy Piekalski
Existenz des betreffenden Zentrums berechtigt erscheint.4 Man kann also von einer mehrfachen Gru¨ndung einer Stadt am gleichen Ort oder von ihrer aus der notwendigen Anpassung an neue Bedu¨rfnisse resultierenden Transformation sprechen. Der zweite Ansatz akzeptiert im Unterschied zum ersten die ganze Komplexita¨t des Problems und bietet die Grundlage fu¨r eine Analyse der Ursachen und des Verlaufs der jeweiligen Wandlungen.5 Sichtet man die umfangreiche Literatur u¨ber die Stadt Breslau, so zeigt sich, dass das vielschichtige Problem von Kontinuita¨t, Diskontinuita¨t oder Transformation auch diese Stadt betrifft.6 In ihrer Entwicklung zeichnen sich im weiteren Sinne zwei Phasen ab, die jeweils unterschiedliche Siedlungs-, wirtschaftliche, rechtliche und demographisch-ethnische Strukturen repra¨sentieren.7 Dabei muss unterstrichen werden, dass sich Versuche einer Analyse der ju¨ngeren Phase ohne Beru¨cksichtigung der a¨lteren um die Mo¨glichkeit einer komplexen Untersuchung der Grundlagen der Entwicklung der kommunalen Stadt bringen und deshalb keine brauchbaren Resultate erzielen. Die erste Entwicklungsphase wurde von jenem Siedlungskomplex bestimmt, der sich vom 11. bis zum Beginn des 12. Jahrhunderts entwickelte und der als ‚Protostadt‘, ‚Fru¨hstadt‘ oder ‚Vorlokationsstadt‘ bezeichnet wird. Der Komplex besaß eine polyzentrische Struktur, die auf natu¨rliche Weise entstanden und nicht geplant worden war. Zu seinen Merkmalen geho¨rten das Fehlen einer genau bestimmten territorialen Grenze und einer Bu¨rgergemeinde mit eigenen Rechten. Die einzelnen Elemente dieser Struktur erga¨nzten einander in funktioneller Hinsicht. Das weltliche Machtzentrum und das wichtigste kirchliche Zentrum befanden sich in der Burganlage auf der Dominsel. Hauptsa¨chlich aus schriftlichen Quellen kennen wir die Sitze der Großen, von denen die Ho¨fe der Familie Włostowic im o¨stlichen Teil des Elbing sowie jene des Kastellans Mikora, die ebenfalls am rechten Oderufer lagen, die bedeutendsten waren. Ein wichtiges Element der Struktur dieser fru¨hen Stadt bildeten die Klo¨ster der Benediktiner auf dem Elbing und der Regularkanoniker auf der Sandinsel. Sie erfu¨llten wichtige Funktionen in der wirtschaftlichen Organisation der Siedlung. Offene Siedlungen befanden sich auf dem Elbing bei der Abtei und beim Geho¨ft
4 Przemysław Urbanczyk, ´ The origins of Towns on the Outskirts of Medieval Europe – Poland, Nor-
way and Irleand, in: Archeologia Polona 32 (1994), S. 109–127; Hansju¨rgen Brachmann, Kontinuita¨t und Diskontinuita¨t in der Geschichte der ostmitteleuropa¨ischen fru¨hen Stadt und der „Faktor der o Macht“, in: Zˇivot v archeologii stˇredovˇeku. Sbornı´k pˇrı´spˇevku vˇenovany´ch Miroslavu Richterovi a ˇ Zdenku Smeta´nkovi, hg. v. Jana Kubkova´ u. a., Praha 1997, S. 53–66. 5 Der komplexe Charakter des Problems der Kontinuita¨t wird auch in den Untersuchungen der Sta¨dte von der Wende von Antike und Mittelalter erkannt, siehe Hermann Aubin, Zur Frage der historischen Kontinuita¨t im Allgemeinen, in: Ders., Vom Altertum zum Mittelalter, Mu¨nchen 1949, S. 33–73; Richard Reece, Models of Continuity, in: Oxford Journal of Archaeology 8 (1989), S. 231–236. 6 Marta Młynarska-Kaletynowa, Wrocław w XII–XIII wieku. Przemiany społeczne i osadnicze [Breslau im 12.–13. Jahrhundert. Gesellschaftliche und siedlungsma¨ßige Wandlungen], Wrocław 1986; dort a¨ltere Literatur. 7 Młynarska-Kaletynowa, Wrocław (wie Anm. 6), 1986; Cezary Bu´sko/Jerzy Piekalski/Paweł ´ Rzeznik, Wrocław/Breslau – eine mittelalterliche Agglomeration, in: Slavia Antiqua 36 (1995), S. 105–119; Jerzy Piekalski, Topographische Struktur Breslaus (Wrocław): zwei Typen der mittelalterlichen Stadt im mitteleuropa¨ischen Binnenland, in: Urbanism in Medieval Europe, Bd. 1, hg. v. Guy De Boe/Frans Verhaeghe, Zelik 1997, S. 219–226.
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Die Lokation Breslaus als archa¨ologisches Forschungsproblem
14 13 5 11
4
21
1 19 17
10
Nabitin Tschepine
20
insel
16
Falkenhorst
Siedlungszone nach archol. Untersuchungen Siedlungszone nach Schriftquellen ungefhrerer Verlauf der Flsse Burgwall Hauptstra§en Kirche, Lage sicher Kirche, Lage unsicher Friedhfe Schnken nach Schriftquellen 0 Herrenhfe nach Schriftquellen
Sand-
12
6
Dominsel 2
3
22
15 7 pons Sancti Mauritii 9
8 18 500m
Abb. 1: Breslau im 12. Jahrhundert 1 – Burg mit Burgkapelle, 2 – Kathedrale St. Johannes, 3 – Augustinerabtei mit Kirche Unsere Liebe Frau, 4 – Norbertinerabtei mit St. Vinzenz, 5 – St. Michaelis, 6 – St. Petri, 7 – St. Adalbert, ¨ gypten, 9 – St. Mauritius, 10 – St. Nikolai, 11 – Elbinger Jahrmarkt vor der 8 – St. Maria von A St. Vinzenz-Kirche, 12 – Markt in der Siedlung am linken Oderufer, 13 – Hof der Familie Włostowic, 14 – Hof des Mikora, 15 – Hof des Gerung, 16 – Siedlung ad sanctum Adalbertum, 17 – ju¨dische Siedlung, 18 – wallonische Siedlung, 19 – Nabitin-Scha¨nke, 20 – Birvechnik-Scha¨nke, 21 – Scha¨nke ad finem pontis, 22 – Scha¨nke des Augustinerklosters Quelle: Versuch einer Rekonstruktion nach Marta Młynarska-Kaletynowa, mit Erga¨nzungen des Autors (Zeichnung Lenkow/Limisiewicz)
der Włostowics sowie auf dem linken Oderufer. In der Endzeit der Fru¨hstadtphase, zu Beginn des 13. Jahrhunderts, erstreckte sich das Siedlungsgebiet am linken Ufer ¨ bergang u¨ber die Oder u¨ber hauptsa¨chlich entlang der Fernverkehrswege, die am U die Sandinsel zusammenliefen. Der gegenwa¨rtige Stand der archa¨ologischen Untersuchungen zeigt, dass die gro¨ßte Intensita¨t der Gela¨ndenutzung entlang des Weges nach Su¨den erreicht wurde, vom Oderu¨bergang bis zur St. Adalbert-Kirche und dem dort existierenden Friedhof. Die archa¨ologischen Funde und Befunde belegen den handwerklichen Charakter dieser Siedlung.8 Sie wird mit der im Jahre 1202 erwa¨hn8 Jo´zef Kazmierczyk, ´ Wrocław lewobrze˙zny we wczesnym s´ redniowieczu [Das linksufrige Breslau im
fru¨hen Mittelalter], Bd. 2, Wrocław 1970, S. 22–335.
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Jerzy Piekalski
ten Siedlung ad sanctum Adalbertum gleichgesetzt.9 Hinter dem Friedhof teilte sich die Straße in Wege nach Su¨den (nach Bo¨hmen) und nach Su¨dosten (nach Krakau). Am su¨do¨stlichen Weg wurde eine Siedlung wallonischer Weber mit der St. Mauritius-Kir¨ gypten che gegru¨ndet. Am Weg nach Bo¨hmen entstanden die Kirche St. Maria von A und gleich daneben eine kleine Enklave mit Holzbebauung, die durch die dort entdeckte Kulturschicht besta¨tigt wurde.10 Vom Oderu¨bergang nach Westen verlief eine Straße nach Liegnitz und weiter bis in die Lausitz und nach Thu¨ringen. Die Reichweite des Auftretens dieser Kulturschicht zeigt, dass sie entlang des Flusses verlief. Den westlichen Rand des geschlossenen Siedlungsgebietes bezeichnete die Kolonie der ju¨dischen Gemeinde, die an der Wende des 12./13. Jahrhunderts auf dem Gela¨nde der heutigen Universita¨t entstanden war,11 sowie die dort befindliche Scha¨nke Birvechnik.12 Weiter nach Westen, im Bewusstsein der Zeitgenossen schon außerhalb der civitas Vratislaviensis, befanden sich an derselben Straße die Siedlungen Falkenhorst und Tschepine mit der St. Nikolai-Kirche und Nabitin mit einer Scha¨nke. Besondere Bedeutung kam auf dem linken Oderufer jenem Bereich zu, der an den Oderu¨bergang angrenzte. Es ist anzunehmen, dass sich dort, wo die Hauptstraßen zusammenliefen (d. h. an der Stelle der heutigen Verbindung von Plac Biskupa Nankiera/Ritterplatz und Ulica Piaskowa/Sandstraße), vor der Lokation der Marktplatz befand.13 Die zweite Phase der Stadtentwicklung betrifft die kommunale Stadt, deren Entwicklung vor der Mitte des 13. Jahrhunderts auf dem linken Oderufer begann (vgl. ´ Abb. 1 im Beitrag Golinski). Zu den wichtigsten Merkmalen, die sie von der alten Struktur unterschieden, geho¨rten: 1. das rechtlich geregelte Vorhandensein einer Bu¨rgergemeinde, 2. ein genau abgestecktes und von Befestigungsanlagen umgebenes Stadtgebiet, 3. eine regelma¨ßige Anlage der Straßen, Pla¨tze und Bebauungsblo¨cke sowie 4. die Ausgliederung vererbbarer Bu¨rgerparzellen gegen Mietzins.14 9 Schlesisches Urkundenbuch, Bd. 1, hg. v. Heinrich Appelt, Wien 1971, Nr. 77; Młynarska-Kalety-
nowa, Wrocław (wie Anm. 6), 1986, S. 48.
10 Diese Kulturschicht wurde innerhalb der Kirche ermittelt; siehe Jolanta Bresch/Cezary Bu´sko,
Ko´scio´ł s´ w. Krzysztofa w s´ wietle badan´ archeologiczno-architektonicznych w 1997 r. [Die ´ asSt. Christophorus-Kirche im Lichte der archa¨ologisch-architektonischen Forschungen], in: Sl ˛ kie Sprawozdania Archeologiczne 40 (1998), S. 401–419, hier S. 416; sowie su¨dlich von ihr, in der ul. Wierzbowa 4, festgestellt (Untersuchungen von Przemysław Guszpit). Allerdings muss hinzugefu¨gt ¨ berreste der urspru¨nglichen Kirche entdeckt wurden. Wir kennen werden, dass damit nicht die U also nicht den Zeitpunkt ihrer Entstehung und in den schriftlichen Quellen tritt sie erst im Jahre 1268 in Erscheinung, siehe Schlesisches Urkundenbuch, Bd. 4, hg. v. Winfried Irgang, Wien 1988, Nr. 47–48. Die These von der Zugeho¨rigkeit dieser Kirche zur fru¨hsta¨dtischen Agglomeration vertritt Młynarska-Kaletynowa, Wrocław (wie Anm. 6), S. 67–71. 11 Auf eine solche Chronologie deuten die a¨ltesten Schichten hin, die wa¨hrend der dort unter Leitung von Krzysztof Wachowski durchgefu¨hrten Untersuchungen entdeckt wurden. 12 Schlesisches Urkundenbuch, Bd. 2, hg. v. Winfried Irgang, Wien 1978, Nr. 131; Młynarska-Kaletynowa, Wrocław (wie Anm. 6), 1986, S. 112. 13 Gema¨ß der von Hermann Markgraf, Breslau als deutsche Stadt vor dem Mongolenbrande von 1241, in: Zeitschrift des Vereins fu¨r Geschichte und Altertum Schlesiens 15 (1881), S. 532–534, aufgestellten Konzeption. Vgl. die Bemerkungen von Młynarska-Kaletynowa, Wrocław (wie Anm. 6), 1986, S. 49, 111. Zu den Marktpla¨tzen am Zusammenlauf von Straßen siehe Henryk Mu¨nch, Geneza rozplanowania miast wielkopolskich XIII i XIV wieku [Genese der Plananlage der großpolnischen Sta¨dte des 13. und 14. Jahrhunderts], Krako´w 1946. 14 Mateusz Golinski, ´ ´ Podstawy gospodarcze mieszczanstwa wrocławskiego w XIII wieku [Die wirtschaftlichen Grundlagen des Breslauer Bu¨rgertums im 13. Jahrhundert], Wrocław 1991; Mateusz
Die Lokation Breslaus als archa¨ologisches Forschungsproblem
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Die Za¨sur zwischen den beiden Entwicklungsphasen wird gewo¨hnlich als „Lokation“ der Stadt bezeichnet. Diese gilt als der Beginn der spa¨tmittelalterlichen Stadt und manchmal geradezu als Beginn der sta¨dtischen Entwicklung Breslaus u¨berhaupt.15 Der Begriff locatio la¨sst sich nicht einfach u¨bersetzen und besitzt keine einfache Entsprechung im Polnischen. Das Wo¨rterbuch des mittelalterlichen Lateins u¨bersetzt locatio, locaccio, locacio in Bezug auf Do¨rfer und Sta¨dte als Situierung, Gru¨ndung, Einsetzung oder auch Ansiedlung. Eine andere Bedeutung betrifft die Verpachtung.16 Die Interpretationsmo¨glichkeiten dieses Begriffes sind recht breit, und die umfangreiche Geschichte der Erforschung mittelalterlicher Sta¨dte kennt Warnungen vor seinem schematischen Versta¨ndnis.17 Fu¨r Schlesien hat Adrienne Ko¨rmendy die Bedeutung des Begriffes der ‚Lokation‘ beleuchtet.18 Dabei hat sie an Untersuchungen Benedykt Zientaras angeknu¨pft19 und betont, dass die Begriffe locare und locator zur Zeit Herzog Heinrichs des Ba¨rtigen aus den elbslawischen Gebieten u¨bernommen worden seien. Sie ha¨tten in einem engen funktionalen Zusammenhang mit dem ius teutonicum gestanden, das die rechtliche Grundlage fu¨r die Reorganisation und Entwicklung der Ansiedlung darstellte. Locatio bedeutet also die rechtliche Regelung der Ta¨tigkeit bereits anwesender oder aus dem Westen nach Schlesien herbeigeholter Siedler. Dieser Begriff kann auch als Gru¨ndung eines Dorfes oder einer Stadt verstanden werden,20 als rechtliche Grundlage fu¨r die Restrukturierung einer bestehenden Siedlung oder als Vergro¨ßerung der bestehenden Siedlungsstruktur um einen abgetrennten und der neu organisierten Gemeinde u¨bergebenen Teil.21 Wegen des großen Gewichts dieses Problems sowie der breiten Interpre-
´ sredniowiecznego Wrocławia [Die Sozialtopographie des spa¨tmitGolinski, ´ Socjotopografia po´zno´ telalterlichen Breslau], Wrocław 1997. 15 Hans Planitz, Die deutsche Stadt im Mittelalter, Graz 1954; Heinz Stoob, Die Ausbreitung der abendla¨ndischen Stadt im o¨stlichen Mitteleuropa, in: Zeitschrift fu¨r Ostforschung 10 (1961), S. 25–48. 16 Słownik łaciny s´ redniowiecznej w Polsce [Wo¨rterbuch des Mittellatein in Polen], hg. v. Marian Plezia, Bd. 5, Wrocław 1984, S. 1486–1488; siehe auch Witold Wołodkiewicz, Prawo rzymskie. Słownik encyklopedyczny [Ro¨misches Recht. Enzyklopa¨disches Wo¨rterbuch], Warszawa 1986, S. 96. 17 U ¨ ber die Vera¨nderungen der Interpretation des Begriffes „Lokation“ schrieb anla¨sslich seiner Stu´ dien u¨ber die pommerschen Sta¨dte Jan M. Piskorski, Miasta ksi˛estwa szczecinskiego do połowy XIV wieku [Die Sta¨dte des Herzogtums Stettin bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts], Warszawa-Poznan´ 1987, S. 79–89. 18 Adrienne Ko ¨ rmendy, Melioratio terrae. Vergleichende Untersuchungen u¨ber die Siedlungsbewegung im o¨stlichen Mitteleuropa im 13.–14. Jahrhundert, Poznan´ 1995, S. 96–98. 19 Benedykt Zientara, Heinrich der Ba¨rtige und seine Zeit. Politik und Gesellschaft im mittelalterlichen Schlesien, Mu¨nchen 2002, S. 183–184. 20 Dies wird gewo¨hnlich in der traditionellen deutschen Literatur angenommen, wo locatio als „Stadtgru¨ndung“ u¨bersetzt wird, siehe z. B. Planitz, Die deutsche Stadt (wie Anm. 15); Stoob, Die Ausbreitung (wie Anm. 15); Carl Haase, Die Stadt des Mittelalters, Bd. 1: Entstehung und Ausbreitung, Darmstadt 1965. Eine Kritik des schematischen Begriffs der „Stadtgru¨ndung“ pra¨sentierte dagegen Karlheinz Blaschke, Stadtgrundriß und Stadtentwicklung. Forschungen zur Entstehung mitteleuropa¨ischer Sta¨dte, Ko¨ln/Wien 1997, bes. S. 74–75. Siehe auch Heiko Steuer, Freiburg und das Bild der Sta¨dte um 1100 im Spiegel der Archa¨ologie 1995, in: Freiburg 1091–1120. Neue Forschungen zu den Anfa¨ngen der Stadt, hg. v. Hans Schadek/Thomas Zotz, Sigmaringen 1995, S. 78–123, hier S. 122–123. 21 Marta Młynarska-Kaletynowa, Rozwo´j sieci miejskiej na Sl ´ asku ˛ na przełomie XII/XIII i w XIII ¨ bergang vom 12. zum 13. Jahrhundert und im w. [Die Entwicklung des Sta¨dtenetzes in Schlesien am U 13. Jahrhundert], in: Kwartalnik Historii Kultury Materialnej 28 (1980), 3, S. 349–361. Die verschwin-
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Jerzy Piekalski
tationsmo¨glichkeiten bildet die Lokation einer Stadt immer den Untersuchungsgegenstand von Spezialisten, die mehrere Wissenschaftsdisziplinen repra¨sentieren. Die Differenzierung der Methoden und der den einzelnen Wissenschaftszweigen eigenen Quellen fu¨hrt allerdings dazu, dass bei der Analyse der mit der Lokation verbundenen Pha¨nomene die Untersuchungsfragen unterschiedlich formuliert werden. Die wichtigste Rolle in den Untersuchungen zur Lokation Breslaus haben bisher die Historiker und Architekturhistoriker gespielt. Den Historiker interessiert die Lokation als Rechtsregelung, die die Entwicklung der Stadt ero¨ffnet. Im Falle von Breslau werden zwei oder drei solcher Rechtsakte angenommen. Der erste von ihnen, der nicht durch schriftliche Quellen bezeugt ist, wird aufgrund indirekter Pra¨missen angenommen und soll in der Zeit von Heinrich I. dem Ba¨rtigen oder Heinrich II. dem Frommen erfolgt sein. Die Lokalisierung und die Formen der Siedlung, die dieser Vertrag betroffen haben soll, sind unbekannt. Der zweite, aus indirekten Nachrichten bekannte Rechtsakt erfolgte nach dem Tatareneinfall im Jahre 1241 und vor dem 10. Ma¨rz 1242 durch Herzog Bolesław Rogatka. Diese Regelung konnte den Grund fu¨r die Entstehung eines regelma¨ßigen Stadtplans um den heutigen Marktplatz herum gelegt haben. Der dritte Rechtsakt wurde 1261 von Herzog Heinrich III. und seinem Bruder Władysław erlassen. Er ist zugleich der erste, von dem wir mit Sicherheit wissen, dass er schriftlich ausgefertigt wurde. Sein Inhalt ist den Historikern bekannt; er betrifft die Regelung der Beziehungen zwischen der Gemeinde und dem Herzog, liefert jedoch keine direkten Informationen u¨ber die ra¨umliche Struktur der Stadt.22 Die Architektur- und Stadtplanungshistoriker interessiert die Lokation einer Stadt vor allem als eine ra¨umliche Regelung. Diese habe in der Absteckung der Stadt¨ bergabe ihres Terrains an die Bu¨rgergemeinde und in der pra¨zisen Plagrenzen, der U nung der Straßen, Pla¨tze und der in gleich große Parzellen aufgeteilten Bebauungsblo¨cke bestanden. Die Untersuchungen haben gewo¨hnlich eine Verbindung zwischen der regelma¨ßigen Stadtplanung und einem der erwa¨hnten Rechtsakte nachzu¨ bereinstimweisen versucht. Dabei haben die Architekturhistoriker jedoch keine U mung daru¨ber erzielt, ob die topographische Anlage und die innere Struktur der Stadt im Gefolge lediglich einer solchen rechtlichen Regelung oder mehrerer entstanden sind.23 Die Archa¨ologen haben bisher keine selbsta¨ndigen Untersuchungen zur Stadtlokation durchgefu¨hrt, vielmehr entweder die von den Historikern oder die von den
dend geringe Zahl erhaltener Lokationsurkunden suggeriert, dass ein Vertrag zwischen dem Lokator und der Gemeinde auch mu¨ndlich geschlossen werden konnte, siehe Jiˇrı´ Kejr, ˇ Die mittelalterlichen Sta¨dte in den bo¨hmischen La¨ndern. Gru¨ndung – Verfassung – Entwicklung, Ko¨ln u. a. 2010, S. 145–175. 22 Młynarska-Kaletynowa, Wrocław (wie Anm. 6), S. 100–121. 23 Rudolf Stein, Die Siedlungsgeschichte Breslaus bis 1263 vom Stadtplan aus beurteilt, in: Beitra¨ge zur Geschichte der Stadt Breslau 1 (1935), S. 51–83; Tadeusz Kozaczewski, Poczatki ˛ i rozwo´j Wrocławia do roku 1263 [Die Anfa¨nge und Entwicklung Breslaus bis zum Jahr 1263], in: Kwartalnik Architektury i Urbanistyki 4 (1959), S. 171–185; Hans-Ju¨rgen Nitz, Vermessung und Maßproportionen der hochmittelalterlichen Stadtplanung am Beispiel von Breslau und Kulm, in: Mainzer Geographische Studien 40 (1994), S. 35–44. Jerzy Rozpedowski, ˛ Breslau zur Zeit der ersten Lokation, in diesem Band S. 127–138.
Die Lokation Breslaus als archa¨ologisches Forschungsproblem
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Architekturhistorikern entwickelten Konzeptionen u¨bernommen.24 Dabei sind sie von der richtigen Voraussetzung ausgegangen, dass die Archa¨ologie weder u¨ber die Methode noch u¨ber die Quellen verfu¨gt, mit deren Hilfe die Diskussion u¨ber den Rechtsakt entschieden werden ko¨nnte. Es scheint, dass zur Erfassung des Problems der Lokation Breslaus durch archa¨ologische Analysen die Fragen unbedingt so formuliert werden mu¨ssten, dass die Antwort darauf nicht im Bereich der realen Interpretationsmo¨glichkeiten des Erforschers materieller Relikte liegt. Die Archa¨ologen sollten sich hauptsa¨chlich auf eigene Quellen stu¨tzen und auf deren Grundlage ihre eigenen Schlu¨sse ziehen, anstatt sich auf die Besta¨tigung oder Verwerfung solcher bereits existierender Konzeptionen zu beschra¨nken, die mitunter auf recht bescheidenen Voraussetzungen basieren. Dabei muss unterstrichen werden, dass die Thesen, die sich auf die schriftlichen Quellen stu¨tzen, in der einschla¨gigen Literatur bereits vor fast anderthalb Jahrhunderten aufgestellt worden sind.25 Das Fehlen definitiver Schlussfolgerungen resultiert also nicht etwa aus einem zuru¨ckgebliebenen Forschungsstand, sondern aus dem geringen Umfang der durch diese Quellen u¨bermit´ telten Informationen. Wie unla¨ngst Mateusz Golinski hervorgehoben hat, kann die richtige Auswertung der Grabungsergebnisse die Chance fu¨r die Vera¨nderung der bisherigen Konzeptionen ero¨ffnen.26 Die Historiker und Architekturhistoriker stimmen darin u¨berein, dass die Umwandlung der Stadt im Zusammenhang mit der Ankunft von Kolonisten aus deutschsprachigen Gebieten stand. Allerdings ist nicht auszuschließen, dass sich die Herausbildung der ersten Stadtgemeinde u¨ber eine la¨ngere Zeit erstreckt hat bzw. dass sie von Kaufleuten und Handwerkern fremder Herkunft gebildet wurde, die bereits vorher im Breslauer Siedlungskomplex ansa¨ssig und ta¨tig waren. Die Analyse der Phase unmittelbar vor der Lokation erlaubt die Vermutung, dass das Breslauer Siedlungsgebiet schon damals einen multiethnischen Charakter besaß. Wahrscheinlich waren schon in den letzten Jahrzehnten des 12. Jahrhunderts wallonische Weber in die Stadt gekommen.27 Dabei muss bemerkt werden, dass sie aus Gebieten kamen, 24 Wenn man versucht, eine der bestehenden Konzeptionen zu beweisen, dann fa¨llt es schwer, eine Selek-
tion der Argumente oder eine solche Auswahl mo¨glicher Interpretationen zu vermeiden, die auf die Richtigkeit der gewa¨hlten These verweisen wu¨rden. Siehe dazu die Verteidigung der Konzeption u¨ber den Ort der ersten Lokation um den Neuen Markt herum auf der Grundlage der Mu¨nz-Chronologie bei Jerzy Niegoda, Zmiany w strukturze lokacyjnego Wrocławia [Vera¨nderungen in der Struktur der Lokationsstadt Breslau], in: Mediaevalia Archaeologica, Bd. 1, hg. v. Martin Jezˇek/Jan Kla´psˇte, ˇ Praha-Wrocław 1999, S. 51–55, hier S. 53. Zum Problem der Datierung der Mu¨nzen aus der ul. Drewniana vgl. auch Borys Paszkiewicz, Mennictwo s´ laskie ˛ wobec „rewolucji handlowej“ XIII wieku [Das schlesische Mu¨nzwesen und die ‚Handelsrevolution‘ des 13. Jahrhunderts], in: Kultura s´ redniowiecz´ aska nego Sl ˛ i Czech. „Rewolucja“ XIII wieku, hg. v. Krzysztof Wachowski, Wrocław 1998, S. 35–49, hier S. 40–43, Anm. 33, 44. 25 Die ersten Arbeiten, die zweifelsohne als wissenschaftlich anerkannt werden mu¨ssen, lieferte Colmar Gru¨nhagen, vgl. Colmar Gru¨nhagen, Breslau unter den Piasten als deutsches Gemeinwesen, Breslau 1861. 26 Golinski, ´ Socjotopografia (wie Anm. 14), S. 6, 8f. Charakteristisch fu¨r die Arbeiten dieses Forschers ist die aufmerksame Auswertung der Untersuchungsergebnisse der Archa¨ologen und Architekturhistoriker. 27 Benedykt Zientara, Walonowie na Sl ´ asku ˛ w XII i XIII wieku [Die Wallonen in Schlesien im 12. und 13. Jahrhundert], in: Przeglad ˛ Historyczny 66 (1975), 3, S. 349–369, hier S. 349–357; Młynarska-
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in denen schon entwickelte Stadtgemeinden funktionierten.28 Seit wann sich ju¨dische Kaufleute sta¨ndig in Breslau aufhielten, wissen wir nicht. Ihr Friedhof existierte ganz gewiss schon seit 1203.29 An dieser Stelle muss hinzugefu¨gt werden, dass Untersuchungen u¨ber die ethnische Zugeho¨rigkeit der materiellen Quellen zu den schwierigsten methodischen Problemen geho¨ren und ihre Ergebnisse gewo¨hnlich mit dem Risiko von Vereinfachungen und Irrtu¨mern behaftet sind.30 Die mit der ethnischen Interpretation von Keramikgegensta¨nden verbundenen Probleme betreffen auch das Mittelalter. Sebastian Brather weist in seinen Arbeiten u¨berzeugend nach, dass es auch hier keine einfachen Lo¨sungen gibt.31 Aber der Archa¨ologe kann den Versuch unternehmen, in der materiellen Kultur zwischen autochthonen und zugewanderten Elementen zu unterscheiden. Solche Mo¨glichkeiten existieren auch fu¨r Breslau. Die Identifizierung der Keramik aus der ersten Ha¨lfte des 13. Jahrhunderts wurde hauptsa¨chlich (bzw. in hohem Maße) dank dendrochronologischer Daten mo¨glich.32 Mit ihrer Untersuchung befasste sich auch ´ Paweł Rzeznik, der in zwei mustergu¨ltigen Studien Betrachtungen u¨ber die Vera¨nderungen in der Technik der Gefa¨ßherstellung anstellte und einige ihrer Formen analy-
Kaletynowa, Wrocław (wie Anm. 6), S. 59. Die Information u¨ber die Ehe einer Breslauer Wallonin mit dem Vater Alberts des Ba¨rtigen bezeugt, dass dies keine hermetisch abgeschlossene Gruppe war. Im Zusammenhang damit kann ihr Anteil an der Formierung der ersten Breslauer Bu¨rgergemeinde nicht ausgeschlossen werden 28 Leonardo Benevolo, Die Geschichte der Stadt, Frankfurt/New York 2000, S. 411–430; Marc Boone, Bru¨gge und Gent um 1250. Die Entstehung der fla¨mischen Sta¨dtelandschaft, in: Die europa¨ische Stadt um die Mitte des 13. Jahrhunderts, hg. v. Wilfried Hartmann, Regensburg 1995, S. 97–109; Dirk van Eenhooge, A 12th-century patricians domain in Bruges?, in: Urbanism in Medieval Europe (wie Anm. 7), S. 291–195. 29 Hermann Markgraf, Die Straßen Breslaus nach ihrer Geschichte und ihren Namen, Breslau 1896, ´ ´ S. 225–226; Jo´zef Kazmierczyk, Wyniki badan´ wykopaliskowych na dziedzincu uniwersyteckim we Wrocławiu [Die Ergebnisse der Grabungsforschungen auf dem Universita¨tshof in Breslau], ´ aska in: Archeologia Sl ˛ 2 (1959), S. 223–245, hier S. 245; Młynarska-Kaletynowa, Wrocław (wie Anm. 6), S. 51–58; Marcin Wodzinski, ´ Hebrajskie inskrypcje na s´ lasku ˛ XIII–XVIII wieku [Hebra¨ische Inschriften in Schlesien im 13.–18. Jahrhundert], Wrocław 1996, S. 39, 163, 167–172. 30 Die Diskussion u¨ber die Mo¨glichkeiten ethnischer Interpretationen in der Archa¨ologie bespricht u. a. Kazimierz Godłowski, Spo´r o Słowian [Der Streit u¨ber die Slawen], in: Narodziny s´ redniowiecznej Europy, hg. v. Henryk Samsonowicz, Warszawa 1999, S. 52–85. 31 Sebastian Brather, „Germanische“, „slawische“ und „deutsche“ Sachkultur des Mittelalters – Probleme ethnischer Interpretation, in: Ethnographisch-archa¨ologische Zeitschrift 37 (1996), S. 177–216; ders., „Gru¨ndungssta¨dte“ oder Anknu¨pfung an slawische Siedlungen? Die Aussagekraft der hochmittelalterlichen Bodenfunde zum Verha¨ltnis von Slawen und Deutschen, in: Centrum s´ redniowiecznego ´ miasta. Wrocław a Europa Srodkowa, hg. v. Jerzy Piekalski/Krzysztof Wachowski, Wrocław 2000, S. 113–126. 32 Die richtige Anwendung der Dendrochronologie erfordert von den Archa¨ologen eine große Dosis an Skeptizismus. Die betra¨chtlichen Beschra¨nkungen dieser Methode, die hauptsa¨chlich aus dem Erhaltungszustand des Baumes resultieren, die Mo¨glichkeiten seiner Wiederverwendung sowie die nicht immer klare stratigraphische Position und zeitliche Beziehung zu anderen Objekten, z. B. zur Keramik in einem Brunnen, bilden allesamt Warnungen vor der Annahme einer pra¨zisen Datierung. Trotzdem muss die Dendrochronologie, insbesondere bei der Nutzung la¨ngerer Versuchsserien, als eine sehr wertvolle Pra¨zisierung der Datierung anerkannt werden, die fu¨r fru¨here archa¨ologische Quellen nicht zuga¨nglich war. Alle bisherigen dendrochronologischen Analysen fu¨r Breslau wurden von Prof. Marek Krapiec ˛ durchgefu¨hrt.
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sierte.33 In den Untersuchungen dieser Formen weckte besonders ein als pokalfo¨rmiger Topf bezeichnetes Gefa¨ß seine Aufmerksamkeit. Wir wissen, dass dieser im Spektrum der Breslauer Keramikformen ein neues, auf die ersten Jahrzehnte des 13. Jahrhunderts datiertes Element darstellte. Seine Genese in Breslau wurde zwar nicht klar bestimmt, aber es gibt Hinweise dafu¨r, dass sein Urbild in sa¨chsischen Sta¨dten gesucht werden kann. Ein Beispiel dafu¨r liefert die Entdeckung pokalfo¨rmiger To¨pfe in der Gebirgsstadt Freiberg, die Analogien zu denen aus Breslau aufweisen. Aus einer Grube, die durch eine um 1200 gepra¨gte Mu¨nze datiert werden kann (Obermarkt 16/17, Grube 3) stammen gut erhaltene Gefa¨ße.34 Die Bestimmung der Chronologie auf die Wende des 12./13. Jahrhunderts kann also anna¨hernd mit den a¨ltesten Breslauer Funden korreliert werden, die in den ersten Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts datieren. Umfassendere Vergleichsuntersuchungen der aus sa¨chsischen, thu¨ringischen und schlesischen Sta¨dten stammenden Keramikfunde aus dem 13. Jahrhundert wu¨rden es ermo¨glichen, auf die Ansichten aus der historischen Literatur Bezug zu nehmen, die auf Mitteldeutschland als das Gebiet verweisen, aus dem Kolonisten nach Breslau kamen.35 Eine weitere Kategorie historischer Objekte, die zur Beurteilung des Vorhandenseins kulturell fremder Elemente geeignet sind, bilden die Holzbauten. Bei der Analyse der Wandlungen auf diesem Gebiet, genauer gesagt, der Einfu¨hrung neuer Konstruktionen, ko¨nnen wir jedoch keine regionalen Vergleichsstudien durchfu¨hren. Der Erhaltungs- und Untersuchungsstand der Baurelikte, sowohl in Schlesien als auch in anderen weiter westlich gelegenen Orten, ermo¨glicht keine Unterscheidung regionaler Merkmale. Wir ko¨nnen sagen, dass die Pfostenkonstruktionen mit Unterzugriegeln und die Riegelkonstruktion in allen ihren Varianten (auch als Skelettkonstruktion oder als Fachwerk bezeichnet) aus dem Westen eingefu¨hrt wurden.36 Aber wir wissen nicht bestimmt, ob dies das Resultat einer Kolonisierungsaktion mit einmaligem Charakter war, die in mehreren einzelnen Etappen durchgefu¨hrt wurde,
33 Paweł Rzeznik, ´ Przemiany wytwo´rczo´sci garncarskiej s´ redniowiecznego Wrocławia w czasie wiel-
kiej reformy miejskiej [Wandlungen im To¨pferhandwerk des mittelalterlichen Breslau zur Zeit der ´ aska ´ großen Stadtreform], in: Kultura s´ redniowiecznego Sl ˛ (wie Anm. 24), S. 121–153; Paweł Rzeznik, Lokalne i ponadregionalne akcenty przemian ceramiki w XIII-wiecznym Wrocławiu [Lokale und u¨berregionale Akzente in den Wandlungen der Keramik im Breslau des 13. Jahrhunderts], in: Mediaevalia Archaeologica (wie Anm. 24), S. 125–136. Einen a¨hnlichen Versuch fu¨r Bo¨hmen unternahm Jan Kla´psˇte´, Die Anfa¨nge der ju¨ngeren mittelterlichen Keramik in Bo¨hmen als kulturhistorisches Problem, in: Archeologicke´ rozhledy 50 (1998), S. 138–158. 34 Arndt Gu ¨ hne, Stadtarcha¨ologie in Freiberg. Holzfunde, Berlin 1991, S. 15–17. 35 Allgemein kann man feststellen, dass das Problem der Herkunft der Ansiedler im 13. Jahrhundert in Schlesien nicht hinreichend durch schriftliche Quellen beleuchtet wird, siehe Die deutsche Ostsiedlung des Mittelalters als Problem der europa¨ischen Geschichte, hg. v. Walter Schlesinger, Sigmaringen 1975; Friedrich-Wilhelm Hennig, Die mittelalterliche Ostkolonisation in Schlesien, in: Jahrbuch der Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universita¨t zu Breslau 38/39 (1997–1998), S. 43–66. 36 Jerzy Piekalski, Poczatki ´ ˛ budynko´w o konstrukcji szkieletowej na terenie Srodkowej Europy [Die Anfa¨nge der Geba¨ude mit Geru¨stkonstruktion auf dem Gebiet Mitteleuropas], in: Archaeologia Historica Polona 3 (1996), S. 73–86; den Untersuchungsstand der Riegelkonstruktionen in Breslau pra¨sen´ sredniowieczne budownictwo drewniane we Wrocławiu [Der spa¨ttierte Krzysztof Jaworski, Po´zno´ mittelalterliche Holzbau in Breslau], in: Mediaevalia Archaeologica (wie Anm. 24), S. 73–82.
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oder aber einer permanenten, die Ansiedler aus verschiedenen Gebieten des Deutschen Kaiserreiches umfasste. In einem u¨berregionalen Marktzentrum wie Breslau konnte es Fachwerkha¨user schon im 12. Jahrhundert gegeben haben. Wir verfu¨gen u¨ber Informationen u¨ber das Geho¨ft (curia) eines Gerung, der seinem Namen nach ein Zuwanderer aus dem Westen war. Es lag in der Siedlung an der St. Adalbert-Kirche. Zudem haben wir Nachrichten u¨ber wallonische Weber.37 Im 13. Jahrhundert tauchten die neuen Konstruktionen im Gebiet von ganz Breslau auf. Auf dem Gebiet der alten Siedlung auf dem linken Oderufer aus der Zeit vor der Lokation verdra¨ngten sie die autochthonen Bausysteme. In der neu besiedelten Zone erschienen sie zuerst, wobei sie von Kamm- und Flechtwerkbauten als Hilfsobjekten begleitet wurden.38 Zu Beginn des 13. Jahrhunderts kamen in Breslau in gro¨ßerem Umfang Brunnen auf.39 Entdeckt wurden sie auf dem Dominikanerplatz in einer Anordnung, die suggeriert, dass sie im Bereich der Parzellen funktionierten. Somit verweist nicht nur die in ihnen enthaltene Keramik darauf, dass sie im damaligen Breslau ein neues, mit der zugewanderten Bevo¨lkerung verbundenes Element darstellten.40 Beim Versuch, die territoriale Entwicklung der Handwerker- und Marktsiedlung am linken Oderufer in Breslau in den ersten Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts aufgrund archa¨ologischer Quellen zu bestimmen, kann die Ausbreitung der so datierten Kulturschichten und der mit ihnen verbundenen Objekte genutzt werden. Wie bereits betont wurde, bilden pokalfo¨rmige To¨pfe und manchmal dendrochronologisch datierte Holzkonstruktionen – Geba¨ude und Brunnen – die Grundlage fu¨r ihre Identifizierung. Sie entstanden im ersten Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts außerhalb des Su¨drandes der alten Siedlung und des sie von Su¨den abschließenden Friedhofs an der St. Adalbert-Kirche.41 In der su¨dwestlich und westlich der alten Siedlung gelegenen Zone wurden sie bei Grabungen in der Bischofstraße (ul. Biskupia), an
37 Im Jahre 1202 verlieh Heinrich der Ba¨rtige dem Kloster zu Leubus (Lubia˙ ˛z) curiam Gerungi ad sanc-
tum Adalbertum in Wratzlau, Młynarska-Kaletynowa, Wrocław (wie Anm. 6), S. 49, 51, 59–67, dort eine Anmerkung zur Quelle 38 Jerzy Piekalski, Alte und neue Holzbauten in den mittelalterlichen Rechtssta¨dten Schlesiens, in: Hausbau und Raumstruktur fru¨her Sta¨dte in Ostmitteleuropa, hg. v. Hansju¨rgen Brachmann u. a., Praha 1996, S. 101–112. 39 Auf das 12. Jahrhundert ist in Breslau nur ein Brunnen aus der Abtei St. Vinzenz in Elbing (Ołbin) datiert, siehe Jerzy Piekalski, Wrocław s´ redniowieczny. Studium kompleksu osadniczego na Ołbinie w wiekach XIII–XVII [Das mittelalterliche Breslau. Untersuchung eines Siedlungskomplexes auf dem Elbing im 13. bis 17. Jahrhundert], Wrocław 1991, S. 129–130. 40 Leszek Berduła/Mariusz Karst/Wojciech Fabisiak/Stefan Zalewski, Wynik badan´ archeologiczno-architektonicznych na posesjach Kacerska Go´rka nr 6, 8, 10, 12, 14 i 16 i Zaułek Koci nr 17, 19, 21, 23, 25, 27 [Das Ergebnis der archa¨ologisch-architektonischen Forschungen auf den Grundstu¨cken Kacerska Go´ra Nr. 6, 8, 10, 12, 14 i 16 und Zaułek Koci Nr. 17, 19, 21, 23, 25, 27], in: Silesia Antiqua 35 (1993), S. 102–129, hier S. 106–108; Cezary Bu´sko/Jerzy Piekalski, Stratygrafia nawarstwien´ w obr˛e´ bie parceli mieszczanskiej Go´rka Kacerska 8/Zaułek Koci 29 we Wrocławiu [Die Stratigraphie der Kulturschichten im Bereich der Wohnparzellen Go´rka Kacerska 8/Zaułek Koci 29 in Breslau], in: Slavia Antiqua 35 (1993), S. 130–151, hier 131–132. 41 Zu diesem Friedhof siehe Wiesław Piszczałowski/Zbigniew Lissak/Mariusz Karst/Stefan Zalew´ ski, Sprawozdanie z badan´ w obr˛ebie dawnych posesji Plac Dominikanski nr 3, 5, 7/9 oraz Zaułek ´ niski nr 6, 8, 10, 12 [Bericht u¨ber die Forschungen im Bereich der alten Grundstu¨cke Plac Dominikanski Nr. 3, 5, 7/9 und Zaułek niski Nr. 6, 8, 10, 12], in: Silesia Antiqua 35 (1993), S. 35–61, hier S. 36–46.
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Abb. 2: Breslau. Entwicklung des Siedlungsgebietes bis in die dreißiger Jahre des 13. Jahrhunderts 1 – archa¨ologische Grabungen, 2 – Handwerker- und Marktsiedlung bis Ende 12. Jahrhundert, 3 – in den ersten drei Dekaden des 13. Jahrhunderts besiedelte Zone, durch archa¨ologische Quellen bezeugt A – St. Adalbert, B – St. Maria-Magdalena ´ Quelle: Ausschnitt aus dem Altstadtplan mit Straßennetz von 1938. Bearbeitung: Kaminski/Piekalski
der Schuhbru¨cke, Oelsner- und Albrechtstraße (ul. Szewska/Oławska/Wita Stwosza) und am Hu¨hnermarkt (Kurzy Targ) entdeckt. Die am Hu¨hnermarkt gewonnene Datierung verlegt die Anfa¨nge der Ansiedlung in das zweite Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts.42 Auf das vierte Jahrzehnt dage42 Roland Mruczek, Kurzy Targ we Wrocławiu. Uwagi o pierwotnym planie miasta [Der Hu¨hner-
markt in Breslau. Bemerkungen zum urspru¨nglichen Stadtplan], in: Centrum s´ redniowiecznego (wie Anm. 31), S. 259–278, hier S. 270–271.
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gen wird die Besiedlung des Gebietes der heutigen Nadlergasse (ul. Igielna) datiert.43 Ein gesondertes Problem bildet die Entwicklung der Ansiedlung in der Zone an der Oder. Die besondere Bedeutung dieses Gebiets resultiert aus dem Problem der Lokalisierung der Siedlung ju¨discher Kaufleute. Hervorgehoben werden muss auch, dass im Zentrum der Siedlung vor der Lokation pokalfo¨rmige To¨pfe ein so seltenes Pha¨´ nomen darstellen, dass Jo´zef Kazmierczyk sie in seiner Klassifizierung der Gefa¨ße aus der am linken Oderufer gelegenen Stadt gar nicht erfasst hat.44 Ihr Vorkommen betrifft hauptsa¨chlich die in den ersten Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts neu besiedelte Zone. Ein ungelo¨stes Forschungsproblem bildet somit die Art und Weise der Liquidierung oder des Verschwindens der vor der Lokation existierenden Siedlung ¨ bernahme der Zone an der heutigen Sandstraße (ul. Piaskowa) und am und der U Neumarkt (pl. Nowy Targ) durch die kommunale Stadt.45 Die bis in die dreißiger Jahre des 13. Jahrhunderts besiedelte Zone, die die Grenzen der alten Siedlung u¨berschritt, kann als Landstreifen mit einer Breite von nicht mehr als 200 Metern beschrieben werden, der von Su¨den und Su¨dwesten an diese angrenzte. Wesentlich ist, dass das neu besiedelte Gebiet nach Su¨den u¨ber die Grenze hinausreichte, die durch die spa¨teren (so genannten inneren) Stadtbefestigungen abgesteckt wurde, welche wahrscheinlich nach 1242 errichtet wurden.46 Diese Befestigungsanlagen entstanden nach der Liquidierung des beschriebenen Siedlungsgebietes und bildeten die erste uns bekannte Regelung der ra¨umlichen Stadtstruktur. Innerhalb dieses neu besiedelten Landstreifens befand sich die St. Maria-Magdalena-Kirche. Die schriftlichen Quellen beleuchten ihre Fru¨hgeschichte nicht hinreichend. Sie erlauben aber mit hoher Wahrscheinlichkeit zu behaupten, dass diese damals bereits existierende Kirche im Jahre 1226 mit den Rechten und Pflichten einer Pfarrei betraut wurde, die zuvor der St. Adalbert-Kirche gebu¨hrten, welche den Augustinern auf der Sandinsel geho¨rt hatte und in diesem Jahr den Dominikanern u¨bergeben wurde.47 In den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts durchgefu¨hrte Grabungen besta¨tigten im Inneren dieser Kirche Reste fru¨herer Bauwerke, deren a¨ltestes auf die zweite Ha¨lfte des 12. Jahrhundert datiert wird. Wegen des rudimenta¨ren Erhaltungszustandes der Stein- und Ziegelfundamentrelikte erwies sich eine Rekonstruktion der Gro¨ße und Form dieses Bauwerkes als unmo¨glich. Seine Chronolo-
43 Jerzy Niegoda/Jerzy Piekalski, Z badan´ s´ redniowiecznej ceramiki wrocławskiej. Materiały z działki
´ mieszczanskiej przy ul. Igielnej 8 [Aus den Forschungen u¨ber die mittelalterliche Breslauer Keramik. Materialien von der Bu¨rgerparzelle an der ul. Igielna 8], in: Studia Archeologiczne 29 (1997), S. 169–191, hier S. 170. 44 Kazmierczyk, ´ Wyniki (wie Anm. 29), S. 272–329. 45 Sicher werden die vor kurzem abgeschlossenen Grabungen von Cezary Bu´sko und Jerzy Niegoda neues Licht auf dieses Problem werfen. 46 Mateusz Golinski, ´ Fortyfikacje miejskie Wrocławia w XIII–XIV w. [Die Stadtbefestigungen Breslaus im 13.–14. Jahrhundert], in: Studia i Materiały do Historii Wojskowo´sci 29 (1986), S. 23–41; Czesław Lasota/Zdzisław Wi´sniewski, Badania fortyfikacji miejskich Wrocławia z XIII wieku [Forschungen u¨ber die Stadtbefestigungen Breslaus seit dem 13. Jahrhundert], in: Silesia Antiqua 39 (1998), S. 9–32. 47 Schlesisches Urkundenbuch, Bd. 1 (wie Anm. 9), Nr. 266. Die Maria-Magdalena-Kirche selbst wird von schriftlichen Quellen allerdings erst fu¨r 1267 bezeugt, s. Schlesisches Urkundenbuch, Bd. 4 (wie Anm. 10), Nr. 7; Młynarska-Kaletynowa, Wrocław (wie Anm. 6), S. 90.
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gie stu¨tzt sich auf die stratigraphische Position und die Merkmale der die Fundamente begleitenden Gefa¨ßkeramik. Seine sakrale Funktion wird durch die mit ihm verbundenen Gra¨ber bestimmt.48 Es kann hinzugefu¨gt werden, dass die Verwendung von Ziegelsteinen in den Fundamenten sowie die fehlende Ausstattung bei den entdeckten Skeletten eine Datierung auf den Beginn des 13. Jahrhunderts zulassen oder geradezu nahe legen. Die Obergrenze wu¨rde das bereits erwa¨hnte Jahr 1226 bilden, nach dem der Bau der zweiten Kirche begann, wobei die a¨lteren Gra¨ber teilweise zersto¨rt wurden.49 Ein Friedhof funktionierte auch außerhalb der Kirche aus der a¨ltesten Phase. Wenn wir versuchen, seine Ausdehnung zu bestimmen, dann stehen uns nur wenige erhaltene Gra¨ber zur Verfu¨gung, die in den sechziger Jahren des 20. Jahrhun´ derts sowie 1999 entdeckt wurden. Einige der von Jo´zef Kazmierczyk registrierten Gra¨ber, die von ihm auf die erste Ha¨lfte des 13. Jahrhunderts datiert wurden, befinden sich in einer Entfernung von etwa 70 Metern no¨rdlich der urspru¨nglichen Kirche.50 Die Entfernung der auf der spa¨teren Parzelle in der Albrechtstraße (ul. Wita Stwosza) 4 entdeckten Gra¨ber von der 1962 registrierten Mauer der Kirche betrug etwa 100 Meter. Daher wissen wir, dass der Friedhof mindestens das no¨rdlich und nordwestlich der Kirche gelegene Gebiet umfasst hat und seine Ausdehnung mindestens 70 Meter erreichte.51 Die anthropologische Analyse der Skelette aus der Albrechtstraße 4 ergab, dass die hier begrabenen Personen beide Geschlechter in verschiedenen Altersgruppen repra¨sentierten.52 Das Vorhandensein loser menschlicher Knochen von einigen Ske¨ berlagerung der Gra¨ber und bekra¨ftigt letten in den Grabho¨hlen zeugt von einer U ¨ berzeugung, dass diese Nekropole mindestens ein gutes Dutzend Jahre damit die U lang funktioniert haben muss. Im Schutt der Grabho¨hlen fanden sich Klumpen von Mauermo¨rtel, die eine Bauta¨tigkeit, wahrscheinlich den Bau der Kirche besta¨tigen. Die Gra¨ber wurden in der a¨ltesten Siedlungsstufe entdeckt, die der Absteckung der Bu¨rgerparzellen vorausging, sowie – was besonders wichtig ist – in der Schuhbru¨cke (ul. Szewska). Die Kirche und der Friedhof sind also a¨lter als das regelma¨ßige Straßennetz dieses Teils der Stadt. Die schriftlichen Quellen informieren nicht u¨ber die Rolle der St. Maria-Magdalena-Kirche in ihrer a¨ltesten Phase. Versuche ihrer Charakterisierung ko¨nnen nur auf indirekte Voraussetzungen aufbauen. Als Ausgangspunkt fu¨r unsere Betrachtungen
48 Tadeusz Broniewski/Tadeusz Kozaczewski, Pierwotny ko´scio´ł s´ w. Marii Magdaleny we Wrocławiu
´ [Die urspru¨ngliche St. Maria-Magdalena-Kirche in Breslau (Forschungsergebnisse)], (wyniki badan) in: Kwartalnik Architektury i Urbanistyki 12 (1967), 3–4, S. 3–22, hier S. 9–13. Die Chronologie der Keramik und der Gra¨ber bestimmte Jo´zef Ka´zmierczyk. 49 Broniewski/Kozaczewski, Pierwotny (wie Anm. 48), hier S. 12–16. 50 Kazmierczyk, ´ Wrocław (wie Anm. 8), Bd. 1, Wrocław 1966, S. 24. 51 Rafał Czerner/Andrzej Jastrzebski/Jerzy ´ ˛ Piekalski/Irena Wysocka, Działki mieszczanskie przy ul. Wita Stwosza 4–5/Szewskiej 71–74 na Starym Mie´scie we Wrocławiu [Die Bu¨rgerparzellen an der ´ askie ul. Wita Stwosza 4–5/Szewskiej 71–74 in der Breslauer Altstadt], in: Sl ˛ Sprawozdania Archeologiczne 42 (2000), S. 227–236, hier S. 228–230. 52 Diese Analyse wurde von Stanisław Gronkiewicz aus dem Anthropologischen Institut der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Breslau durchgefu¨hrt.
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kann die Ansicht dienen, dass die kirchliche Organisation in der hochmittelalterlichen Stadt mit ihrer territorialen Entwicklung verbunden war. Die Planung der Kirchen spiegelt in hohem Maße die aufeinander folgenden Etappen der Entstehung der Stadtstruktur wider. Unter Berufung auf die Arbeiten von Karlheinz Blaschke kann festgestellt werden, dass die Anwesenheit mehrerer Kirchen nicht aus der großen Zahl von Einwohnern der Stadt resultierte, sondern aus ihrer mehrstufigen Entwicklung. Sie illustriert die Einteilung in Zonen, die zu verschiedenen Zeitpunkten entstanden sind oder von verschiedenen Gemeinden genutzt wurden.53 Als Kirche, die die Bewohner des linken Oderufers von Breslau integrierte, fungierte bis zur Wende des 12./13. Jahrhunderts die erwa¨hnte Adalberts-Kirche, die spa¨testens in den vierziger Jahren des 12. Jahrhunderts am Su¨drand der Siedlung entstanden war.54 Ebenfalls auf das 12. Jahrhundert datiert wurden die a¨ltesten Gra¨ber des hier angelegten, wahrscheinlich zur Protopfarrei geho¨renden Friedhofs sowie des spa¨teren Pfarrfriedhofs.55 Der Bau der Maria Magdalena Kirche in der neu besiedelten Zone und die Anlegung eines neuen Friedhofes gleich daneben scheinen eine Widerspiegelung der sich zu Beginn des 13. Jahrhunderts in Breslau absondernden neuen Gemeinschaft zu sein. Dabei kann die Feststellung riskiert werden, dass dies die a¨lteste Gemeinde war, die die deutschsprachigen Ga¨ste vereinigte. Von einer weiteren Etappe der Ausdehnung der Siedlung nach Westen und der Herauskristallisierung des na¨chstfolgenden Gemeinwesens wu¨rde die St. Elisabeth-Kirche zeugen. Die a¨ltesten, spa¨tromanischen Relikte dieser Kirche werden auf die dreißiger Jahre des 13. Jahrhunderts datiert. Wir wissen aber, dass diese Kirche auf einem bereits existierenden Friedhof errichtet wurde, der allgemein auf die erste Ha¨lfte des 13. Jahrhunderts datiert wird und mit der Kolonisation in Zusammenhang gebracht wird.56 Vom Gesichtspunkt der Interpretationsmo¨glichkeiten der Archa¨ologie scheint die Frage nach der ersten Lokation Breslaus, ihrer pra¨zisen Situierung in Zeit und Raum, nicht gut gestellt zu sein. Ziel der archa¨ologischen Forschung ist eher die Rekonstruktion der schrittweisen, komplizierten Umgestaltung dieser Stadt in eine
53 Karlheinz Blaschke, Kirchenorganisation und Kirchenpatrozinien als Hilfsmittel der Stadtkernfor-
schung, in: Stadtkernforschung, hg. v. Helmut Ja¨ger, Ko¨ln 1987, S. 23–57.
54 Wir wissen, dass Bogusław, der Bruder von Piotr Włostowic, diese Kirche im Jahre 1149 der Abtei
Unserer Lieben Frau auf der Sandinsel geschenkt hat, siehe Młynarska-Kaletynowa, Wrocław (wie Anm. 6), S. 44, dort auch eine Anmerkung zur Quelle. 55 Piszczałowski u. a., Sprawozdanie (wie Anm. 41). Zur Forschungsgeschichte u¨ber die Anfa¨nge der Pfarreien in Polen siehe Eugeniusz Wi´sniowski, Badania nad poczatkami ˛ i rozwojem s´ redniowiecznej sieci parafialnej na ziemiach polskich [Forschungen u¨ber die Anfa¨nge und die Entwicklung des mittelalterlichen Pfarrnetzes in den polnischen La¨ndern], in: Annales Universitatis Mariae Curie-Skłodowska. F: Historia 45 (1992), S. 43–55; vgl. auch die Bemerkungen u¨ber die Anfa¨nge der Pfarreien in Breslau vor der Lokation bei Piekalski, Wrocław (wie Anm. 39), S. 61–62. 56 Czesław Lasota/Jerzy Rozpedowski, ´ ˛ Pierwotny ko´scio´ł parafialny s´ w. Wawrzynca i s´ w. El˙zbiety w s´ wietle dotychczasowych badan´ archeologicznych [Die urspru¨ngliche St. Laurentius und St. Elisabeth-Kirche im Lichte der bisherigen archa¨ologischen Forschungen], in: Prace Naukowe Instytutu Historii Architektury, Sztuki i Techniki 13 (1980), S. 61–65; Czesław Lasota/Jerzy Piekalski, St. Elisabeth zu Breslau (Wrocław) – die Pfarrkirche der mittelalterlichen Stadt im Lichte der archa¨ologischen Untersuchungen, in: Zˇivot v archeologii (wie Anm. 4), S. 11–15.
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rechtlich geregelte kommunale Form. Der Verlauf und die Merkmale dieser Transformation beeinflussten die Gestalt und den spezifischen Charakter der Stadt, der aus den besonderen Bedingungen resultierte, unter denen sie entstand und funktionierte. 1. Die von uns als kommunal bezeichnete Stadt entwickelte sich in Breslau am Rande des fru¨hsta¨dtischen, polyzentrischen Siedlungskomplexes. Noch im 13. Jahrhundert gewann sie ihre dominierende Position in wirtschaftlicher und rechtlicher Hinsicht und trug zum Untergang oder zum Funktionswandel der a¨lteren Siedlungselemente bei. Die heute zuga¨nglichen historischen und archa¨ologischen Quellen veranlassen zu der Schlussfolgerung, dass mehrfache Regelungen der Beziehungen zwischen dem Herzog und der Bu¨rgergemeinde erfolgten, deren ra¨umliche Folgen allerdings kaum rekonstruiert werden ko¨nnen. Wir wissen nicht, ob einer dieser Rechtsakte fu¨r das Wesen der kommunalen Stadt von entscheidender Bedeutung war oder ob die jeweiligen Vertra¨ge zwischen dem Herzog und den Bu¨rgern die unabha¨ngige Struktur der Stadt diesem Gemeinwesen eher untergeordnet haben. Die Siedlungstransformation Breslaus im 13. Jahrhundert besaß jedenfalls einen mehrstufigen Charakter. 2. In den ersten drei Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts erfolgte eine Vergro¨ßerung der Fla¨che der bereits bestehenden Handwerker- und Marktsiedlung, d. h. der ‚Vorlokationsstadt‘ nach Su¨den und nach Westen hin. Dies geschah ohne Absteckung eines regelma¨ßigen Straßennetzes und ohne den Bau von Befestigungsanlagen. Das in der neu besiedelten Zone entdeckte umfangreiche archa¨ologische Material zeigt gegenu¨ber dem fu¨r die a¨ltere Siedlung typischen Bild prinzipielle Unterschiede. Die Holzkonstruktionen verweisen auf eine westliche Herkunft, und die Keramikgefa¨ße besitzen nahe Analogien in den Sta¨dten Sachsens. Es ist anzunehmen, dass das neu besiedelte Gebiet die von der Gemeinde der von einem Schultheißen repra¨sentierten deutschen Ga¨ste bewohnte Zone absteckte.57 Integriert wurde die Gemeinde durch die neuerbaute St. Maria-Magdalena-Kirche. Die archa¨ologischen Quellen erlauben keine wirklich sichere Korrelierung der Entstehung und Entwicklung der neuen Siedlungszone mit den von den Historikern analysierten Rechtsregelungen (Lokationen). Die Siedlung der ersten Kolonisten aus deutschen Gebieten kann nicht eindeutig der Agglomeration vor der Lokation oder der kommunalen Stadt zugerechnet werden. Ihre Position in Bezug auf diese beiden Strukturen widerspiegelt vielmehr die hochgradige Kompliziertheit der Vera¨nderungen. 3. Die fu¨r das topographische Bild des kommunalen Breslau typischen Merkmale, hauptsa¨chlich das regelma¨ßige Straßennetz und die genau abgesteckte und befestigte Stadtgrenze, traten erst auf der na¨chsten Entwicklungsstufe in Erscheinung. 57 Młynarska-Kaletynowa, Wrocław (wie Anm. 6), S. 78–80, dort Anmerkung u¨ber die Quelle. Siehe
auch die Bemerkungen von Benedykt Zientara, Przemiany społeczno-gospodarcze i przestrzenne miast w dobie lokacji [Die sozio-o¨konomischen und ra¨umlichen Wandlungen der Sta¨dte zur Zeit der Lokation], in: Miasta doby feudalnej w Europie s´ rodkowo-wschodniej. Przemiany społeczne a układy przestrzenne, hg. v. Aleksander Gieysztor/Tadeusz Rosłanowski, Warszawa/Poznan´ 1976, S. 67–97 und Sławomir Gawlas, Ulica a zmiany krajobrazu miejskiego w okresie lokacji [Die Straße und die Vera¨nderungen der Stadtlandschaft in der Lokationszeit], in: Kwartalnik Historii Kultury Materialnej 47 (1999), 1–2, S. 3–25, hier S. 3.
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Wir verbinden diese mit der Besiedlung der Zone um den heutigen Marktplatz, mit dem Bau der St. Elisabeth-Kirche und der so genannten inneren Befestigungsanlagen. Auf der Grundlage archa¨ologischer Quellen ko¨nnen diese Ereignisse auf die dreißiger bis vierziger Jahre des 13. Jahrhunderts datiert werden. 4. Der komplexe Transformationsprozess von der fru¨hen Stadt hin zur kommunalen Form betraf nicht nur Breslau, sondern alle gro¨ßeren fru¨hsta¨dtischen Siedlungskomplexe Mitteleuropas. In den westlich der Elbe gelegenen Gebieten verliefen die Umwandlungen alter Zentren gewo¨hnlich auf evolutiona¨rem Wege, wobei der Plan des auf natu¨rliche Weise entstandenen Straßennetzes akzeptiert oder unbedeutend reguliert wurde. Im o¨stlichen Mitteleuropa wurde nicht ein einziges, allgemein angewandtes Transformationsschema geschaffen. Die alten Handwerkerund Marktsiedlungen konnten in der weiteren Entwicklung der Stadt akzeptiert und genutzt, außerhalb des neuen Zentrums belassen oder auch zersto¨rt werden, um Raum fu¨r die Neubebauung zu gewinnen.58 Es gab auch Zwischenstufen der Entwicklung und in die fru¨hsta¨dtische Agglomeration aufgenommene Kolonistensiedlungen, die aber nicht die Grundlagen fu¨r die Schaffung neuer Stadtstrukturen bildeten. Dazu geho¨rt zum Beispiel die Siedlung deutscher Kolonisten mit der Petruskirche in Poritsch in Prag, die von Nordosten an die hauptsa¨chliche Handwerker- und Marktsiedlung angrenzte. In den siebziger Jahren des 12. Jahrhunderts verlieh Herzog Sobˇeslav II. den Kolonisten ein Privileg, das ihnen rechtliche Eigensta¨ndigkeit garantierte.59 Auch die in den dreißiger Jahren des 13. Jahrhunderts organisierte so genannte Gallus-Stadt wurde in die Altstadt eingefu¨gt, obwohl sie eine eigene Gemeinde und die Anfa¨nge einer regelma¨ßigen Bebauung schuf.60 In Krakau suggeriert der bereits um 1223 begonnene Bau der Marienkirche und a¨hnlich wie in Breslau die Anwesenheit eines Schultheißen das Vorhandensein einer deutschen Gemeinde vor der großen Lokation von 1257.61 Die
58 Jerzy Piekalski, Von Ko¨ln nach Krakau. Der topographische Wandel fru¨her Sta¨dte, Bonn 2001,
S. 90–123; 159–181.
59 Svˇetlana Krsˇa´kova´, Z dˇejin svatopetrske´ osady [Aus der Geschichte der Heiligen Petrus Siedlung], in:
Zpravodaj prazˇske´ho stˇrediska sta´tnı´ pama´tkove´ pe´cˇ e a ochrany pˇrı´rody 20 (1983), S. 10–16; Ladislav ˇ Sˇpacek, Archeologicky´ vy´zkum Petrske´ cˇ tvrti [Archa¨ologische Untersuchungen des Petrusviertels], o in: Zpravodaj dobrovolny´ch aktivu sta´tnı´ pama´tkove´ pe´cˇ e a ochrany pˇrı´rody 20 (1983), S. 1–9; Jindˇrich Tomas, Problematika studia dˇejin Prahy v obdobı´ rane´ho feudalismu – vy´voj prazˇske´ ranˇe feuda´lnı´ mˇestske´ aglomerace [Die Problematik des Studiums der Geschichte Prags im Zeitalter des Fru¨hfeudalismus – Die Entwicklung der Prager fru¨hfeudalen Stadtagglomeration], in: Archaeologica Pragensia ˇ 5 (1984), S. 35–56, hier S. 49–50; Michal Buresˇ/Vojtech Kasˇpar/Ladislav Sˇpacek/Pavel Vareka, ˇ The 13th century pre-urban settlement complex near the St. Peter’s church in Prague, in: Urbanism (wie Anm. 7). o 60 Kejr, ˇ Vznik (wie Anm. 21); Va´clav Huml, K poˇca´tkum Havelske´ho mˇesta. (Pˇredbˇezˇna´ zpra´va o vy´zkumu na Ovocne´m trhu v letech 1985–1988) [Zu den Anfa¨ngen der Havel-Stadt. (Ein vorla¨ufiger Bericht u¨ber die Untersuchung am Obstmarkt in den Jahren 1985–1988)], in: Archaeologia Historica 17 (1992), S. 63–82; Va´clav Huml, K osı´dlenı´ Ovocne´ho trhu na Stare´m Mˇestˇe prazˇske´m [Zur Besiedlung des Obstmarktes in der Prager Altstadt], in: Archaeologica Pragensia 12 (1996), S. 247–272. 61 Jo´zef Lepiarczyk, Fazy budowy ko´scioła Mariackiego w Krakowie (wiek XIII–XV) [Die Bauphasen der Marienkirche in Krakau (13.–15. Jahrhundert], in: Rocznik Krakowski 34 (1959), 1, S. 120; Jerzy Wyrozumski, Dzieje Krakowa do schyłku wieko´w s´ rednich [Geschichte Krakaus bis zum Ausgang des Mittelalters], Krako´w 1992, S. 147–160.
Die Lokation Breslaus als archa¨ologisches Forschungsproblem
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Absteckung der damals besiedelten Zone wird erschwert durch das Fehlen archa¨o´ ´ dka auf dem logischer Untersuchungen auf breiter Ebene.62 Auch in Posen, in Sro 63 rechten Wartheufer, muss die Existenz einer Bu¨rgergemeinde vermutet werden, die 1253 in das Stadtgebiet auf dem linken Wartheufer verlegt wurde.
62 Kazimierz Radwanski, ´ Krako´w przedlokacyjny. Rozwo´j przestrzenny [Das Krakau der Vorlokati-
onszeit. Die ra¨umliche Entwicklung], Krako´w 1975, S. 169–195. 63 Brygida Ku ¨ rbis, Poznan´ jako gro´d rezydencjonalny i osada z ko´sciołami [Posen als Residenzburg
und Siedlung mit Kirchen], in: Dzieje Poznania, Bd. 1, hg. v. Jerzy Topolski, Warszawa/Poznan´ 1988, S. 72–79, hier S. 78.
¨ UMLICHEN VERA ¨ NDERUNGEN BRESLAUS ZU DEN RA NACH DER LOKATION ´ * von Mateusz Golinski
Es steht wohl außer Zweifel, dass bis zur Beseitigung des einengenden Korsetts der Befestigungsanlagen die aus der Lokation resultierenden Transformationen das wichtigste Ereignis in der Entwicklungsgeschichte des Breslauer Stadtraumes waren. Dieser Transformationsprozess endete jedoch nicht mit der Durchfu¨hrung der großen Stadtreform und wurde nicht erst im 19. Jahrhundert wieder aufgenommen. Er dauerte, wenn auch in weniger spektakula¨rer Weise, die ganze Zeit hindurch an. Genau jenen Vera¨nderungen und Innovationen der Zeit nach der Lokation ist der vorliegende Beitrag gewidmet. Das Wissen um den erst wenig fortgeschrittenen Forschungsstand zu diesem Thema erlaubt es jedoch nicht, den Versuch einer Zusammenfassung oder Synthese zu unternehmen. Es sollen hier also lediglich ausgewa¨hlte Probleme angedeutet werden. Ein sta¨dtebauliches Pha¨nomen besonderer Art im spa¨tmittelalterlichen Breslau waren die von Mauern umgebenen „Vorsta¨dte“. Das Wort „Vorsta¨dte“ in Anfu¨hrungszeichen zu setzen hat selbstversta¨ndlich seinen Grund. Formal betrachtet stellte niemand den sta¨dtischen Charakter der Bereiche zwischen der Schwarzen Ohle und ¨ ußeren Graben in Frage, und die dortigen Grundstu¨ckseigentu¨mer genossen dem A ebenso Stadtrecht wie ihre Mitbu¨rger im Zentrum der Altstadt. Die Art der Bewirtschaftung des Gela¨ndes zwischen den Gra¨ben, das dort schwa¨cher entwickelte Straßen„netz“, die geringere Dichte und der eher a¨rmliche Charakter der Bebauung, der augenfa¨llige Anteil von Obst- und Gemu¨sega¨rten (vgl. die Stadtansichten aus dem 16.–18. Jahrhundert) sowie die sto¨renden gewerblichen Einrichtungen (Ma¨lzereien) und sogar die Meinungen der Zeitgenossen selbst scheinen diesen Umstand jedoch in Zweifel zu ziehen. Erinnert sei nur an den Autor des ersten Teils eines Strafregisters aus dem Jahr 1564, der die in der stadt gelegenen Abschnitte der Schweidnitzer-, Reuschen- und Nikolaistraße von jenen in dem als vorstadt bezeichneten Bereich unterschied.1 In beiden Fa¨llen ging es selbstversta¨ndlich um die so genannten inneren * Um einige Abbildungen geku¨rzte U ¨ bersetzung des Aufsatzes „Woko´ł przemian przestrzennych polo-
kacyjnego Wrocławia“ (aus: Architektura Wrocławia. Band 2: Urbanistyka, hg. v. Jerzy Rozpedowski, ˛ ¨ bersetzung von Heidemarie Petersen. Wrocław 1995, S. 29–40); U 1 Archiwum Panstwowe ´ Wrocław, Akta miasta Wrocławia [Staatsarchiv Breslau, Akten der Stadt Breslau], K 85.
158
´ Mateusz Golinski
bzw. a¨ußeren Abschnitte der erwa¨hnten Hauptstraßen, wobei das Unterscheidungskriterium nicht der – seit mindestens 200 Jahren bestehende – aktuelle Verlauf der sta¨dtischen Befestigungsanlagen, die ja den gesamten Raum umfassten, war, sondern der alte, noch aus dem 13. Jahrhundert stammende Verlauf der ersten Stadtmauern. Die strenge Sicht des Autors wurde auch nicht durch die Tatsache abgea¨ndert, dass in diesem Bereich sowohl die „Stadt“ als auch die „Vorstadt“ zu ein und demselben Reuschenviertel gerechnet wurden.2 Der a¨ußere Streifen der mittelalterlichen Befestigungsanlagen wurde zweifelsohne „auf Zuwachs“ errichtet (in der ersten Ha¨lfte oder um die Mitte des 14. Jahrhunderts),3 gewissermaßen als Rate auf ku¨nftige Bedu¨rfnisse der sich entwickelnden Stadt. Die zur Realisierung dieser mutigen Investition anfallenden Kosten und der Arbeitsaufwand waren erheblich, die Entscheidung, wie die Mauern verlaufen sollten, durfte also nicht voreilig gefa¨llt werden. Das vorhandene Quellenmaterial aus dem Spa¨tmittelalter legt auch keinen bedeutenden Siedlungsru¨ckgang nahe (wie er kleinere Orte betraf), der zu einer Degradierung der peripheren Stadtteile Breslaus ha¨tte fu¨hren ko¨nnen. Also veranlassten entweder ein aktueller Bauboom sowie der Zustrom neuer Bewohner in die Stadt4 den Rat zu einer allzu optimistischen Zukunftsvision (man wollte dabei die Fehler der Vorva¨ter vermeiden, die den Befestigungsring allzu schnell und den ra¨umlichen Bedu¨rfnissen der Kommune inada¨quat errichtet hatten), oder u¨ber die Lokalisierung der a¨ußeren Mauer und des Befestigungsgrabens entschieden uns unbekannte Faktoren, die die Gestalt des Gela¨ndes oder auch die Eigentumsverha¨ltnisse betrafen. Schon Bartholoma¨us Stein, der Autor einer im ersten Viertel des 16. Jahrhunderts entstandenen Beschreibung Breslaus, vermutete, dass es sich bei dem a¨ußeren Teil der Stadt um die einstigen Vorsta¨dte handle.5 Jedenfalls unterschied sich das spa¨tmittelalterliche Breslau von der Mehrzahl der zeitgeno¨ssischen mitteleuropa¨ischen Sta¨dte. Diese waren na¨mlich in der Regel von einem breiten Ring offener Vorsta¨dte umgeben oder bildeten im besten Falle zusammen mit letzteren eine Agglomeration – das Konglomerat einiger, jeweils von eigenen Mauern umgebener Stadtgemeinden und sich ihnen zugesellender Vorsta¨dte (z. B. Danzig, Thorn oder Krakau). Die Bevo¨lkerungszahl und -dichte der Vorsta¨dte ko¨nnen oft als einfacher Indikator fu¨r die Entwicklung eines gegebenen Ortes dienen, a¨hnlich wie deren Verschwinden in der Regel eine historische Katastrophe widerspiegelt.6 Wa¨hrenddessen wurden die Mo¨glichkeiten des Breslauer Stadtgebietes innerhalb der Befestigunganlagen (und auf den zwei besiedelten Oderinseln) zur Unterbringung der wachsenden Bevo¨lkerung und von deren Arbeitssta¨tten wa¨hrend
2 Der Genauigkeit halber sei hinzugefu¨gt, dass die Autoren der restlichen Teile des Verzeichnisses keine
solche Unterscheidung gemacht haben.
3 Mateusz Golinski, ´ Fortyfikacje miejskie Wroclawia XIII–XIV w. [Die Stadtbefestigungen Breslaus
des 13.–14. Jahrhunderts], in: Studia i Materiały do Historii Wojskowo´sci 29 (1986), S. 27–32.
4 Wir du¨rfen nicht vergessen, dass die Bevo¨lkerungszahl der mittelalterlichen Stadt nicht so sehr vom
natu¨rlichen Wachstum, als vielmehr vom Grad der Zuwanderung abhing.
5 Bartłomieja Steina renesansowe opisanie Wrocławia [Die Renaissancebeschreibung Breslaus von Bar-
˙ tholoma¨us Stein], bearb. und hg. v. Ro´scisław Zerelik und u¨bers. v. Marek Krajewski, Wrocław 1995, S. 26. 6 Vgl. die Pla¨ne der Vorsta¨dte schlesischer Sta¨dte vor und nach dem 30-ja¨hrigen Krieg.
Zu den ra¨umlichen Vera¨nderungen Breslaus nach der Lokation
159
des gesamten Mittelalters nicht ausgescho¨pft. „Klassische“, offene Vorsta¨dte bildeten sich im Verha¨ltnis zum Zentrum in nur geringem Maß aus, und ihre wirtschaftliche Rolle war zu vernachla¨ssigen. Daher stoßen wir in der alten Siedlung rund um die Mauritiuskirche oder auch am rechten Oderufer, auf dem Elbing, im 15. Jahrhundert weder (wie in Thorn) auf einen Kaufmannssohn, der versucht ha¨tte, jenseits der Stadtmauern seine ersten, selbsta¨ndigen Gescha¨fte zu machen, noch treffen wir (wie in Danzig) auf eine Siedlung von Patriziern, die inmitten der alten Ga¨rten nach Erholung vom La¨rm und der Enge der Innenstadt suchten.7 Auch gab es hier keine Ansammlung von armen, zunftfreien Handwerkern. Es dominierten vor allem Ga¨rten, Felder und Weiden samt der zu ihnen geho¨rigen Wirtschaftsgeba¨ude sowie der weit verstreuten Wohnha¨user von Ga¨rtnern und Fischern.8 Wie in der Literatur zum Thema bereits nachgewiesen, erfu¨llten die Vorsta¨dte ungewo¨hnlich wichtige soziale Funktionen im Entwicklungsprozess insbesondere von gro¨ßeren Orten.9 Wenn die Breslauer ihre unmittelbaren Vorsta¨dte mit Mauern umgaben, sie also fraglos in die eigentliche Stadt integrierten, dann ko¨nnten sie dabei, wie ich bereits festgestellt habe, aus unterschiedlichen Beweggru¨nden gehandelt haben. Gleichwohl konnten sie auf die soziale Funktion der Vorsta¨dte nicht verzichten. Irgendein Gebiet musste seit der Mitte des 14. Jahrhunderts die Aufgaben eines unmittelbaren Hinterlandes der Stadtgemeinde fortsetzen oder u¨bernehmen. Die Rolle jenes spezifischen „Warteraums“ fu¨r den Do¨rfler, der sein Glu¨ck machen und Bu¨rgerrecht erlangen wollte; fu¨r den Tagelo¨hner, der auf Bescha¨ftigung auf irgendeiner Baustelle wartete; fu¨r den debu¨tierenden Ha¨ndler, der – fern vom wachsamen Auge der Stadt- und Zunftoberen – eine Gelegenheit suchte, schnell zu Vermo¨gen zu kommen und langfristig in die Reihen des Patriziats aufzusteigen. Es scheint daher vollkommen gerechtfertigt, die Hypothese aufzustellen, dass diese Funktionen von eben jenen „Vorsta¨dten“ zwischen den Mauern und von der Neustadt erfu¨llt wurden, die anfangs eine eigensta¨ndige Gemeinde war, aber nach 1327 zu einem der a¨ußersten Stadtteile von Breslau wurde (ihr „vorsta¨dtischer“ Charakter wurde durch die fehlenden Mauern betont, was gerade in Hinblick auf die außergewo¨hnlich verschwenderischen Investitionen in die Verteidigungsanlagen rund um die Altstadt bemerkenswert erscheint). Ein Beleg fu¨r die komplexe Binnenstruktur Breslaus nach der Lokation ist seine Unterteilung in Quartiere, also „administrative“ Stadtviertel.10 Mit einem Quartier, also einem im wo¨rtlichen Sinne Viertel (quartale) haben wir es lediglich im „Zentrum“ zu tun, dem durch den ersten Mauerverlauf aus dem 13. Jahrhundert abgeschlossenen inneren Teil der Stadt. Als Beru¨hrungspunkt dieser vier Stadtteile –
7 Tomasz Jasinski, ´ Przedmie´scia s´ redniowiecznego Torunia i Chełmna [Die Vorsta¨dte des mittelalter-
lichen Thorn und Kulm], Poznan´ 1982, S. 87 und weitere; Maria Bogucka/Henryk Samsonowicz, ´ Dzieje miast i mieszczanstwa w Polsce przedrozbiorowej [Die Geschichte der Sta¨dte und des Stadtbu¨rgertums im Polen der Vorteilungszeit], Wrocław 1986, S. 139 und weitere. 8 Bartłomieja Steina (wie Anm. 5), S. 26. 9 Bogucka/Samsonowicz, Dzieje (wie Anm. 7), S. 101ff., 142. 10 Abgesehen von den in den Quellen angefu¨hrten steuerpolitischen und in der Neuzeit auch milita¨rischen Funktionen ist die Rolle der Quartiersaufteilung in Breslau noch nicht restlos gekla¨rt.
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´ Mateusz Golinski
„Viertel“ (Kaufmannsviertel, Alte Fleischba¨nke vulgo Fleischerviertel, Großes Viertel und Schmiedeviertel) wurde die nordo¨stliche Ecke des Ringes bestimmt, von dort aus liefen ihre Grenzen kreuzfo¨rmig auseinander, entlang der Nikolaistraße, der
Sandinsel
Neustadt
Metzge
viertel Kaufleu Mlz
er-
viertel
te-
r-
Gro§es
Neustadt
Viertel Krsch
ner-
viertel Walvierte
l
lonen-
viertel
Abb. 1: Einteilung der Stadtgemeinde in Viertel, 2. Ha¨lfte 14.–Anfang 15. Jahrhundert (Stadtplan Breslaus nach Edmund Małachowicz)
´ Schmiedebru¨cke (ul. Kuznicza), der Albrecht- (´sw. Wojciecha) und der Schweidnitzer Straße. Die Quartiere unterschieden sich durch ihre Bebauung und ihren Charakter voneinander. Einen bedeutenden Prozentsatz des patrizischen Kaufmannsviertels nahm der fu¨r den Handel reservierte Bereich des Rings und des Salzmarktes (plac Solny) ein. Das Große Viertel ko¨nnte wiederum die Funktionen eines eigensta¨ndigen sta¨dtischen Zentrums erfu¨llt haben, mit einem großen Marktplatz, Fleischba¨nken, einigen Dutzend Blocks mit Wohnbauten und ganzen sechs Gottesha¨usern, einigen Klo¨stern und einem Spital (Abb. 1). Eine Unterteilung in Quartiere wird bereits durch Quellen aus dem Jahr 1302 besta¨tigt.11 Damals unterschied man auch „a¨ußere“ 11 Henricus Pauper, hg. v. Colmar Gru ¨ nhagen, Breslau 1860, S. 9 und passim.
Zu den ra¨umlichen Vera¨nderungen Breslaus nach der Lokation
161
Quartiere jenseits der Mauern, deren Ausdehnung wir wegen der wahrscheinlich noch nicht existierenden zweiten Befestigungsanlagen nicht bestimmen ko¨nnen. Die Gro¨ße des schließlich ca. 80 % des Gela¨ndes zwischen den Mauern einnehmenden Ma¨lzerviertels weist auf die dort anfa¨nglich geringe Besiedelungsdichte und deren relativ einheitlichen Charakter hin, was die Notwendigkeit zu kleineren Aufteilun¨ stlich der Weidenstraße (ul. Wierzbowa) erstreckte sich ein weiteres gen ausschloss. O peripheres Stadtviertel, das Wallstraßenviertel (auch als Wallonenviertel bezeichnet), welches eine ungewo¨hnliche Struktur besaß, denn es umfasste sowohl Bereiche der eigentlichen Stadt, als auch der offenen Vorstadt. Die Urspru¨nge des Viertels lagen in einer Wallonensiedlung bei der Mauritiuskirche, die noch aus der Vorlokationszeit stammte. Die Mehrheit der sie bewohnenden Weber wurde im Verlauf des 14. Jahrhunderts na¨her am neuen Grabenverlauf – dem Flussbett der Schwarzen Ohle – auf ein durch den a¨ußeren Mauerring abgeschlossenes Gebiet umgesiedelt.12 Die Einheit des Quartiers wurde weder dadurch beeintra¨chtigt, dass es vom Befestigungsstreifen durchschnitten wurde, noch von der Tatsache, dass die Vorstadt bei der Mauritiuskirche auf dem Grund des Archidiakonats lag. Der Bu¨rgersiedlung auf der Sandinsel, die endlose Eigentumsstreitigkeiten mit dem Augustinerkloster begleiteten, sind bisher noch keine historischen Einzeluntersuchungen gewidmet worden.13 Solche ko¨nnten aber womo¨glich deren Rolle kla¨ren und entscheiden, ob es sich dabei eventuell um eine sta¨dtische oder doch eine vorsta¨dtische Siedlung handelte. Die schon zu Beginn des 14. Jahrhunderts als eigenes Quartier behandelte Sandinsel stand bis 1327 am Ende der Liste der Viertel der Breslauer Stadtgemeinde. Danach kam nur noch die Neustadt hinzu, ein ebenso wenig untersuchtes und wahrscheinlich uneinheitliches Gebiet. Dass es als Hinterlassenschaft der einstigen formalen Eigensta¨ndigkeit (1263–1327) eine spezifische Sonderstellung beibehielt, belegen unter anderem die Sitzungen des Breslauer Scho¨ffengerichtes, die dort mehrmals im Jahr abgehalten wurden (judicium in nova civitate).14 Die Quartiersaufteilung umfasste die offenen o¨stlichen Vorsta¨dte mit der Wallstraße, der Langestraße, den Straßen ‚Vor dem Taschentor‘ und ‚Am Anger‘ (der spa¨teren Ohlauer Straße und die Anfa¨nge der Schweidnitzer Vorstadt) sowie eine noch vor der Mitte des 16. Jahrhunderts wieder verschwundene Straße der Ga¨rtner und Fischer 12 Die diesbezu¨glich von Theodor Goerlitz auf der Grundlage schriftlicher Quellen vorgebrachten Ideen
scheinen durch das Ausgrabungsmaterial in vollem Umfang besta¨tigt zu werden, vgl. Theodor Goerlitz, Das Breslauer Wallonenviertel, in: Beitra¨ge zur Geschichte der Stadt Breslau 3 (1937), S. 77–106; Zdzisław Wi´sniewski, Kompleksowe badania archeologiczno-architektoniczne w obr˛ebie wschodniej ´ cz˛es´ ci placu Dominikanskiego w latach 1992–1993 [Komplexe archa¨ologisch-architektonische Untersuchungen im Bereich des o¨stlichen Teiles des Dominikaner-Platzes in den Jahren 1992–1993], in: Silesia Antiqua 35 (1993), S. 13–23, sowie die u¨brigen Artikel ebd.; Mateusz Golinski, ´ Cechy a wspo´lnoty sasiedzkie ˛ w s´ redniowiecznych miastach s´ laskich ˛ (na przykładzie rzemiosł wło´kienniczych) [Zu¨nfte und Nachbarschaftsgemeinschaften in den mittelalterlichen schlesischen Sta¨dten (am Beispiel des Tex´ tilhandwerks)], in: Studia nad dziejami miast i mieszczanstwa w s´ redniowieczu, Bd. 1, hg. v. Maria Bogucka/Antoni Czacharowski, Torun´ 1996, S. 93–108. 13 Marta Młynarska-Kaletynowa, Wrocław w XII–XIII wieku. Przemiany społeczne i osadnicze [Breslau im 12.–13. Jahrhundert. Gesellschaftliche und siedlungsma¨ßige Wandlungen], Wrocław 1986, S. 67ff. 14 Paul Rehme, U ¨ ber die Breslauer Stadtbu¨cher, Halle 1909, S. 62–65.
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´ Mateusz Golinski
zwischen Mauer und Oder, an der Stelle der heutigen ul. Grodzka (der dem Fleischerviertel zugerechneten Burgstraße).15 Die sich am rechten Oderufer, auf dem Elbing entwickelnden Vorsta¨dte umfasste sie dagegen nicht. Zugleich mit den sich verwischenden Unterschieden zwischen den historischen Stadtteilen wurde auch die hier beschriebene Struktur zu einem Anachronismus, und mit Sicherheit war sie zu kompliziert fu¨r einen Ort mit etwa 20 000 Einwohnern. Deswegen wurden irgendwann in der ersten Ha¨lfte des 15. Jahrhunderts an drei der vier innensta¨dtischen Quartiere – das Kaufmanns-, das Fleischer- und das Schmiedeviertel – einfach die benachbarten Teile der peripheren Stadtviertel angegliedert. Auf diese Weise durchschnitten die entlang der a¨ußeren Abschnitte der Nikolai- und der Schweidnitzer Straße gefu¨hrten Grenzen das einstmals integrale Territorium des Ma¨lzerviertels und ignorierten zugleich die traditionelle Sonderstellung des „Wallonenviertels“. Als fu¨nftes Quartier Breslaus blieben die Neustadt und die Sandinsel, die miteinander verbunden waren.16 Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Liquidierung der organisatorischen Sonderstellung der Weberzunft des „Wallonenviertels“ (auf dem Ketzerberg), die 1430 in die Neusta¨dter und 1435 in die altsta¨dtische Zunft integriert wurde, ein Reflex auf die oben dargestellten Vera¨nderungen und womo¨glich auch auf die Unentschlossenheit bei der Wahl der nutzbringendsten Option war.17 Die logische Aufteilung in Viertel wurde der Gemeinde erst im 16. Jahrhundert zuru¨ckgegeben, als die Neustadt zwischen den zwei Quartieren des Großen (spa¨ter Neusta¨dter genannten) und des Ohlauer Viertels aufgeteilt wurde. Die neuen Namen der u¨brigen lauteten nun Reuschen- und Oderviertel.18 Vielleicht ist es in diesem Kontext mehr als bloßer Zufall, dass man genau im ersten Viertel des 16. Jahrhunderts darauf verzichtete, in der Neustadt gesondert Gericht zu halten?19 Eines der grundlegenden Attribute einer vollberechtigten bu¨rgerlichen Lokationsparzelle war das Brauprivileg, in Breslau auch als Schankrecht bezeichnet. Tra¨gt man in den Stadtplan diejenigen Bereiche ein, in denen solche Parzellen nicht vorkamen, dann kann dies interessante Resultate fu¨r die Chronologie, die Genese und den Charakter der Parzellierung der einzelnen Stadtviertel erbringen.20 Wegen des fehlenden Raums werden wir uns hier nur auf einige allgemeine Aussagen zur Situation zu Beginn des 15. Jahrhunderts konzentrieren. Wie auf Abbildung 2 sichtbar, bildeten
15 Archiwum Panstwowe ´ Wrocław, Akta miasta Wrocławia [Staatsarchiv Breslau, Akten der Stadt Bres-
lau], K 6, K 8; Hermann Markgraf, Die Strassen Breslaus nach ihrer Geschichte und ihren Namen, Breslau 1896, S. 63ff. 16 Archiwum Panstwowe ´ Wrocław, Akta miasta Wrocławia [Staatsarchiv Breslau, Akten der Stadt Breslau], K 31, K 32, K 33. 17 Goerlitz, Das Breslauer (wie Anm. 12), S. 103; Golinski, ´ Cechy (wie Anm. 12). 18 Archiwum Panstwowe ´ Wrocław, Akta miasta Wrocławia [Staatsarchiv Breslau, Akten der Stadt Breslau], K 11, K 85. Im 17. Jahrhundert wurden dem Oderviertel die Vorsta¨dte auf dem Oderwerder, in Olbin und die Nikolaivorstadt, und im 18. Jahrhundert auch diejenige auf dem Schweidnitzer Anger zugerechnet. Wła´sciciele budynko´w we Wrocławiu w latach 1671 i 1726 [Die Geba¨udebesitzer in Breslau in den Jahren 1671 und 1726], hg. v. Kazimierz Orzechowski, Wrocław 1993, S. 44f., 94ff. 19 Rehme, Breslauer Stadtbu¨cher (wie Anm. 14), S. 62–65. 20 Auf der Grundlage der (unvollsta¨ndigen) Angaben des Schossregisters von 1403; Archiwum Panst´ wowe Wrocław, Akta miasta Wrocławia [Staatsarchiv Breslau, Akten der Stadt Breslau], K 8.
Zu den ra¨umlichen Vera¨nderungen Breslaus nach der Lokation
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die vollberechtigten Parzellen mit Schankrecht die Grundlage fu¨r die Parzellierung des gesamten Innenstadtbereiches innerhalb der Mauern aus dem 13. Jahrhundert. Abweichungen von dieser Regel traten vor allem bei Teilungen der urspru¨nglichen
Abb. 2: Stadtteile ohne Grundstu¨cke mit Braugerechtigkeit (schraffiert) am Beginn des 15. Jahrhunderts
Parzellen auf, wenn also aus großen Parzellen ein Streifen kleiner und nicht sehr tiefer Parzellen herausgeschnitten wurde, die mit ihrer Front zur Seite des einstigen Blockes blickten (zum Beispiel am Salzmarkt, am Hu¨hnermarkt und am vorderen Abschnitt der Schmiedegasse).21 Ein anderer Grund konnte die Abteilung kleiner Bodenstu¨cke von der Parzelle sein, die fu¨r ru¨ckwa¨rtige Geba¨ude fu¨r die arme Bevo¨lkerung bestimmt waren (an der Nadelgasse?), oder eine sekunda¨re Parzellierung von Randbereichen, die an der Stadtmauer lagen oder einen schlechten Ruf hatten und wo man eine vermehrte Ansiedlung unvermo¨gender Schichten (Stockgasse, Messergasse, Gerbergasse usw.) 21 Małgorzata Chorowska, Sredniowieczna ´ ´ kamienica mieszczanska we Wrocławiu [Das mittelalterli-
che Bu¨rgerhaus in Breslau], Wrocław 1994, Abb. 70–73.
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´ Mateusz Golinski
und von gewerblichen Objekten (Bu¨ttnerstraße, Kuhgasse) vorgesehen hatte, ganz zu schweigen von besonderen Bebauuungsformen wie etwa die an die Umfriedung des zur Pfarrkirche St. Elisabeth geho¨renden Friedhofes „angeklebten“ Hu¨tten. Die umgekehrte Situation bot sich in den jenseits der ersten Mauern gelegenen Quartieren. Hier war das Fehlen von Schankrechten die Regel (die Abweichungen von dieser Regel warten noch auf eine eingehende Analyse). Frappierend ist zum Beispiel das Vorkommen entsprechend privilegierter Parzellen im Gebiet zwischen den Gra¨ben an nur drei analogen Punkten entlang der a¨ußeren Abschnitte der Ausfallstraßen Ohlauer, Schweidnitzer, Nikolai- und Reuschenstraße. Die Begru¨ndung fu¨r eine solche Lo¨sung la¨sst sich in einer Einstellung der genannten Verkehrstrassen auf eine umfassende Versorgung des durch sie hindurchfließenden Verkehrs suchen, wir haben jedoch keine Antwort auf die Frage, wann, auf welchem Wege und auf welcher Grundlage dies geschah. Auf der Sandinsel waren ebenfalls die an der Haupt- und Durchgangsstraße gelegenen Immobilien vollberechtigt; benachteiligt blieben dagegen die ru¨ckwa¨rtigen Bereiche. Eine kompliziertere, wenn nicht ra¨tselhafte Situation begegnet uns in der Neustadt. Hier na¨mlich hingen die Braurechte an den Parzellen, die su¨dlich des Heiliggeist-Spitals und der HeiliggeistKirche sowie wahrscheinlich auf der Nordseite des mittleren Abschnitts der Breitestraße lagen. Womo¨glich mu¨sste man die Erkla¨rung in uns unbekannten Details der Geschichte der Neustadt im 13. Jahrhundert suchen, in erster Linie aber wohl in ihren immer noch unbekannten Abmessungen zur Zeit ihrer Lokation. An dieser Stelle kommen wir zu dem wichtigen Problem der Differenz zwischen den urspru¨nglichen Abmessungen der Lokationsstadt und der tatsa¨chlichen Bewirtschaftung des Stadtgebietes. Diese Frage erhebt sich zum Beispiel im Zusammenhang mit der Bebauung des Platzes rund um die beiden Pfarrkirchen St. Elisabeth und St. Maria Magdalena. Nach den, wenn auch bruchstu¨ckhaften, Forschungen von Cezary Bu´sko und Jerzy Piekalski zur Nordseite der ersten dieser beiden Kirchen dauerte die intensive Besiedelung des uns interessierenden Bereiches, verbunden mit einer ho¨lzernen Bebauung, bis etwa in die Mitte des 14. Jahrhunderts an, als zugleich mit der Errichtung des jetzigen Gotteshauses der umliegende Friedhof erweitert wurde.22 Vergessen wir jedoch nicht, dass in der traditionellen Rekonstruktion des Lokationsgrundrisses die gesamte Fla¨che der die Pfarrkirchen umgebenden Blocks fu¨r deren Bedu¨rfnisse reserviert wurde.23 Es ist also nicht ausgeschlossen, dass wir ein weiteres Mal auf einen Beleg dafu¨r stoßen, wie irrig Erwartungen sein ko¨nnen, die sich an den Abmessungen des neuzeitlichen Stadtplans orientieren (in den Forschungen zu Breslau hat das bekannte Problem des Neumarktes dies gezeigt), oder dass wir uns davon
22 Jerzy Piekalski, Stratygrafia nawarstwien´ kulturowych w ko´sciele Sw. ´ El˙zbiety we Wrocławiu [Die
´ askie Stratigraphie der Kulturschichten in der St. Elisabethkirche in Breslau], in: Sl ˛ Sprawozdania Archeologiczne 35 (1994), S. 393–400, hier S. 399. 23 Tadeusz Kozaczewski, Rozplanowanie, układ przestrzenny i rozwo´j miasta s´ redniowiecznego [Plananlage, Raumstruktur und Entwicklung der mittelalterlichen Stadt], Wrocław 1973, Abb. 19, 25–29; ´ Bogucka/Samsonowicz, Dzieje (wie Anm. 7), S. 98f.; Chorowska, Sredniowieczna kamienica (wie Anm. 21), Abb. 42.
Zu den ra¨umlichen Vera¨nderungen Breslaus nach der Lokation
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u¨berzeugen lassen, dass Vermessungsarbeiten und Vera¨nderungen in den Eigentumsverha¨ltnissen nicht notwendiger Weise etwas miteinander zu tun haben mu¨ssen. Den hier angefu¨hrten archa¨ologischen Forschungsresultaten la¨sst sich noch hinzufu¨gen, was sich aus den Schriftquellen ergibt. So u¨bertrug zum Beispiel im Jahr 1349 der Bu¨rgermeister im Namen des Rates dem Stadtschreiber Heinrich ein kleines Stu¨ck des neben dessen Immobilie gelegenen Friedhofes, damit er dort eine Kammer (stobe) anbauen ko¨nne, unter der Bedingung, dass er einen freien Zugang zum Friedhof gewa¨hrleiste. 1354 u¨bertrug ein Nickil Rychil der Kirche St. Maria Magdalena einen auf ihrem Friedhof liegenden vleckin sins erbis, um diesen dem Friedhof anzugliedern.24 Wie man sieht, verfu¨gte die Pfarrei nicht allein u¨ber den Grund rund um die Kirche, es gab hier sowohl Bu¨rger- als auch kommunales Eigentum. Die Vergro¨ßerung des Maria Magdalenen-Friedhofes fu¨hrte jedoch nicht zur Beseitigung der privaten Bebauung zwischen Friedhof und Adalbertgasse (heute ul. Wita Stwosza), die sich bis in das 20. Jahrhundert erhielt. Ein anderes gewichtiges Argument, das fu¨r eine notwendige Revision der Ansichten zur Beteiligung der Kirche an der Eigentumsaufteilung zur Zeit der Lokation spricht, ist die Lage kirchlichen Besitzes, u. a. des Pfarrhauses, inmitten eines bu¨rgerlichen Bebauungsblocks auf der dem Kirchenvorplatz entgegengesetzten Straßenseite. Im Falle der Elisabethpfarre waren dies die Parzellen an der Herrenstraße 21/22 (heute ul. Kiełba´snicza) sowie an der Bu¨ttnerstraße ´ 12/13 (heute ul. Rzeznicza) (d. h. zwei parallele komplette urspru¨ngliche Kurien), analog fu¨r St. Maria Magdalena an der Altbu¨ßerstr. 7–9 (heute ul. Łaciarska) und an der Bischofsstraße 14 (wahrscheinlich mehr als zwei urspru¨ngliche Parzellen).25 Eine der interessantesten und zugleich unerforschten Bewirtschaftungsformen fu¨r Lokationsparzellen war die Errichtung standardisierter Handwerkerha¨user. Indirekt wurde dieses Problem erstmals in Zusammenhang mit der Entdeckung der Relikte von fu¨nf gotischen Ha¨usern an der no¨rdlichen Straßenfront der Messergasse aufgeworfen. Sie waren nicht unterkellert und bestanden aus nur einem Raum zwischen 5,25 m und 6,25 m Breite (nach Ansicht von Małgorzata Chorowska und Czesław Lasota wurden sie einem urspru¨nglichen Hausmodul von 20 Fuß Breite entsprechend geplant).26 Ihr Erdgeschoss, das einen quadratischen Raum mit einer Fla¨che zwischen 16 und 36 m2 fasste, entsprach dem einfachsten Standard eines Steinbaus in den Grenzen der inneren Mauern. Aufgrund eines Registers aus dem Jahr 1564 wissen wir, dass wir es hier mit einer Serie von insgesamt 9 normierten Parzellen einer durchschnittlichen Breite von 9 Ellen (zwischen 8,25 und 9,25 Ellen) zu tun haben, die, nach einem Schossregister aus dem Jahr 1403, mit großer Wahrscheinlichkeit der Sitz der eine gemeinsame Zunft bildenden Messer- und Schwertschmiede waren 24 Archiwum Panstwowe ´ Wrocław, Akta miasta Wrocławia [Staatsarchiv Breslau, Akten der Stadt Bres-
lau], G 1,1, fol. 119r, 276r; Rehme, Breslauer Stadtbu¨cher (wie Anm. 14), S. 180, 203, Nr. 166, 246.
25 Entsprechend den Adressen des 19. Jahrhunderts, die seit der Mitte des 18. Jahrhunderts direkt und
seit dem 16. Jahrhundert indirekt belegt sind. Zu den urspru¨nglichen Abmessungen der Parzellen vgl. ´ Chorowska, Sredniowieczna kamienica (wie Anm. 21), Abb. 42. 26 Ebd., S. 93 und Abb. 65; Małgorzata Chorowska/Czesław Lasota, O s´ redniowiecznej kamienicy ¨ ber das mittelalterliche Breslauer Wohnhaus vor wrocławskiej na tle socjotopografii Starego Miasta [U dem Hintergrund der Sozialtopographie], in: Architektura Wrocławia, Band 1: Dom, hg. v. Jerzy Rozpedowski, ˛ Wrocław 1995, S. 51–74, hier S. 65, Abb. 14.
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(die Zahl der Mieter u¨berstieg dabei deutlich diejenige der Besitzer).27 Außer Zweifel steht dagegen, dass der erste Abschnitt der no¨rdlichen Straßenfront der Schmiedegasse (zwischen Ring und Nadelgasse) im Spa¨tmittelalter von Schlossern (daher die im 16. Jahrhundert u¨bliche Bezeichnung Vnder den Schlossern) gemeinsam mit „verwandten“ Berufsgruppen belegt wurde: Waffenschmieden, Harnischmachern, Messerschmieden, Messerschleifern und Helmschmieden. Hier (unmittelbar neben dem Ring!) muss es auch zu einer gleichzeitigen und planma¨ßigen Aufteilung der Lokationsparzellen auf einen Komplex von 11 a¨hnlichen Immobilien gekommen sein, mit einer durchschnittlichen Breite von 10 Ellen (zwischen 8 und 12 Ellen, oder von 10, wenn man die Halben und Vielfachen nicht mitrechnet).28 Die hier angefu¨hrte Standardisierung der Grundstu¨cke (die fu¨r Breslau insgesamt so untypisch ist) in Verbindung mit der einheitlichen Berufsstruktur der Bewohner la¨sst einen die Hypothese aufstellen, dass die Zunftorganisationen nicht nur am Ansiedlungsvorgang, sondern auch an der bewussten Parzellierung und Bebauung der Stadt beteiligt waren. Die Situation in der Schmiedegasse und eventuell auch in der Messergasse la¨sst sich bis zu einem gewissen Grad mit den wahrscheinlich seit Beginn des 14. Jahrhunderts in der westlichen Vorstadt, entlang des Grabens (der Ohle), in der Weißgerberstraße (ul. Białosko´rnicza) durchgefu¨hrten Siedlungsaktionen vergleichen. Initiator oder zumindest Hauptbeteiligter war die Stadtgemeinde selbst. Der Baugrund wurde hier na¨mlich zu Ungunsten der Stadtbefestigung, innerhalb der Befestigungsanlagen (zwischen der ersten Mauer und dem Graben) trassiert, und zudem sollte er Eigentum der Kommune bleiben, deren Kontrahenten die Vertreter der damals nicht organisierten (zunftfreien) Berufsgruppen der Stellmacher und To¨pfer waren. Auch die dort entstandenen Geba¨ude waren Eigentum und Einkommensquelle der Stadt. Unter den Quellen, von denen Mietzins eingezogen wurde, befanden sich 1315 elf Ha¨user (domunculis) von To¨pfern und 23, die wahrscheinlich Stellmacher bewohnten. Um die Mitte des 14. Jahrhunderts wuchs die Zahl der als To¨pfer bezeichneten Mieter auf 16, die der Stellmacher (wayner) auf 25.29 1403 wurde auf keine der Besitzungen in der Weißgerberstraße (damals unterteilt in Albicerdones – Weißgerber, Currifices – Stellmacher und Toppern – To¨pfer) Schossgeld erhoben, sie waren also alle noch in sta¨dtischem Besitz. 1564 lag die Breite von 16 aus 23 Immobilien an der To¨pfergasse (dem su¨dlichen Abschnitt der Weißgerberstraße) zwischen 8 und 12,5 Ellen (im Durchschnitt nicht ganz 10 Ellen), bei den u¨brigen betrug sie 9–9,5 Ellen
27 Archiwum Panstwowe ´ Wrocław, Akta miasta Wrocławia [Staatsarchiv Breslau, Akten der Stadt Bres-
lau], K 85, fol. 36r, Nr. 247–255; K 8, fol. 12v–13r. 28 Archiwum Panstwowe ´ Wrocław, Akta miasta Wrocławia [Staatsarchiv Breslau, Akten der Stadt Bres-
lau], K 8, fol. 10v–11r; K 85, fol. 38r-v, Nr. 299–309.
29 Henricus Pauper (wie Anm. 11), S. 39; Mateusz Golinski/Ro´ ˙ ´ scisław Zerelik, Wrocławska miejska
ksi˛ega czynszo´w z połowy XIV wieku [Das Breslauer Schossbuch aus der Mitte des 14. Jahrhunderts], in: Acta Universitatis Wratislaviensis No 1386: Historia 101: Studia s´ redniowieczne (1992), hg. v. Wacław Korta, S. 3–28, hier S. 8f., dort wird die alternative Lesart inter currifices statt inter carnifices ´ ´ dłach pisanych (XIII–XVI w.) [Die vorgeschlagen; Mateusz Golinski, ´ Działka miejska w s´ laskich ˛ zro sta¨dtische Parzelle in den schlesischen Schriftquellen (13.–16. Jahrhundert)], in: Kwartalnik Historii Kultury Materialnej 43 (1995), 3, S. 333–342.
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oder jeweils ein Vielfaches davon. „Unter den Weißgerbern“ betrug die durchschnittliche Breite bei 24 von 26 Grundstu¨cken genau 10 Ellen, die u¨brigen betrugen Vielfache von etwa 9 Ellen.30 Auffa¨llig ist also nicht nur die Beibehaltung der urspru¨nglichen, standardisierten Parzellen in den meisten Fa¨llen, sondern auch die Anpassung ihrer Frontbreite an die Normen fu¨r „Handwerkerha¨user“, wie sie typisch fu¨r den Bereich innerhalb der Lokationsstadt waren (und dies trotz der geringen Tiefe der Grundstu¨cke an der Ohle). Einer Serie von 13 gleichen Parzellen einer Breite von 10–11 Ellen (20 Fuß), aber mit der „vollen“ Grundstu¨ckstiefe wie innerhalb der Lokationsstadt begegnen wir auch an der su¨dlichen Straßenfront der inneren Ohlauer Straße (damals Nr. 13–22), auf deren hinterem Abschnitt nahe dem Stadttor.31 Und auch hier, auf ¨ berreste eines kleinen dem Grundstu¨ck der heutigen Hausnummer 21, hat man U gotischen Geba¨udes mit einfachem Grundriss ermittelt, mit einem Raum im Erdgeschoss und wahrscheinlich zwei weiteren Geschossen. Genau diese Art von Grundriss schreibt Chorowska der Handwerkerschicht zu.32 Leider sind wir im Falle der Ohlauer Straße nicht in der Lage, eindeutig den Urheber sowie den Adressaten dieser Art von Bewirtschaftung beinah eines ganzen bu¨rgerlichen Bebauungsblocks zu bestimmen. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass dieser Bereich der Ba¨ckerzunft anvertraut wurde, vielleicht auch der Schneiderzunft, wobei diese Zusammenstellung fu¨r sich genommen eine interessante Kombination wa¨re.33 Das Auftauchen von Schneidern, a¨hnlich wie der weiter oben erwa¨hnten Messerschmiede, in einer gemeinschaftlichen Wohnsituation gebietet es, nicht nur nach ihrer Organisierung in Zu¨nften, sondern auch in Bruderschaften zu fragen. Denn auch in den Bruderschaften, die fu¨r genau diese Berufsgruppen schon fu¨r den Beginn des 15. Jahrhunderts belegt sind, la¨sst sich ein eventueller Organisator solcher Wohnungen sehen.34 Dieses Thema ließe sich noch weiter ausfu¨hren, indem man Beispiele anfu¨hrt, die hervorragend die Richtigkeit der These belegen, dass „der mittelalterliche Stadtplan einem einer sta¨dtischen Elite untergeordneten sozialen Programm entsprach, deren Bedeutung auf feudalen Korporativprivilegien beruhte“.35 Die Interessen der herrschenden Elite waren jedoch wandelbar, sie waren das Resultat aufeinander treffender, unterschiedlicher Kra¨fte und Tendenzen – ebenso, wie man die Details des Stadtplans im Rahmen des Mo¨glichen an die sich wandelnde Konjunktur anpasste. Vergessen wir nicht, dass gerade in Breslau schon seit dem letzten Viertel des 13. Jahrhunderts die Grenzen der Toleranz gegenu¨ber den im Rathaus herrschenden Machtverha¨ltnissen manchmal sehr schmal waren, und das Konflikte zwischen dem Patriziat 30 Archiwum Panstwowe ´ Wrocław, Akta miasta Wrocławia [Staatsarchiv Breslau, Akten der Stadt Bres-
lau], K 8, fol. 54v–56r; K 85, fol. 16v–17v, Nr. 255–276, fol. 30r–31r, Nr. 129–153.
31 Archiwum Panstwowe ´ Wrocław, Akta miasta Wrocławia [Staatsarchiv Breslau, Akten der Stadt Bres-
lau], K 85, fol. 44v, Nr. 14–24. Bis 1564 wurden nur zwei Grundstu¨ckspaare zusammengelegt.
32 Chorowska, Sredniowieczna ´ kamienica (wie Anm. 21), S. 38f.; Chorowska/Lasota, O s´ rednio-
wiecznej kamienicy (wie Anm. 26), S. 64.
33 Archiwum Panstwowe ´ Wrocław, Akta miasta Wrocławia [Staatsarchiv Breslau, Akten der Stadt Bres-
lau], K 8, fol. 37v–38r.
34 Archiwum Panstwowe ´ Wrocław, Akta miasta Wrocławia [Staatsarchiv Breslau, Akten der Stadt Bres-
lau], G 1,9, fol. 130v, 156v, 197v, 223r.
35 Bogucka/Samsonowicz, Dzieje (wie Anm. 7), S. 103.
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und den Anspru¨chen der Bu¨rgerschaft und der Zu¨nfte ein nahezu permanentes Pha¨nomen waren, da Letztere ebenso dazu neigten, die Gemeinde als Mittel zur Realisierung ihrer eigenen Interessen zu behandeln. Das grundlegende Problem in den Untersuchungen zur fru¨hmittelalterlichen sowie der spa¨teren Stadt der Lokationszeit sind die sehr spa¨rlichen Quellen oder vielmehr deren wissenschaftliche Auswertung. Ein Fortschritt auf diesem Gebiet hing und ha¨ngt im Wesentlichen von der Arbeit der Archa¨ologen ab. Auch ohne sensationelle Entdeckungen zu erwarten oder Ausgrabungsarbeiten in großem Umfang zu fordern, kann man annehmen, dass eine baldige Verifizierung der hier vorgestellten Rekonstruktionen und Hypothesen immer realistischer wird. Und dies sowohl auf dem Wege so genannter „Schreibtischstudien“ als auch durch eine Perfektionierung der Forschungsmethoden. Eine außergewo¨hnliche Chance fu¨r interdisziplina¨res Arbeiten bietet dagegen das Spa¨tmittelalter. Der fu¨r Historiker, Archa¨ologen, Architektur- und Kunsthistoriker verfu¨gbare Quellenbestand ist schon heute so enorm und erga¨nzt sich so gut, dass das grundlegende Problem einer effektiven Arbeit darin bestehen wird, die jeweils eigenen und gemeinsamen Forschungsziele festzulegen.
ZUR GENESE UND FUNKTION SO GENANNTER NEUSTA¨ DTE IN SCHLESIEN IM 13. UND 14. JAHRHUNDERT von Stanisław Rosik*
Die vorliegende Untersuchung bezieht sich nicht auf alle als „Neusta¨dte“ bezeichnete Siedlungen, sondern lediglich auf jene verha¨ltnisma¨ßig kleinen Neusta¨dte, die in unmittelbarer Nachbarschaft großer Sta¨dte errichtet worden und mit der Zeit in jenen aufgegangen sind. Vor mehr als zwanzig Jahren hat Karlheinz Blaschke gezeigt, dass im Mittelalter eine Entwicklung europa¨ischer Sta¨dte nach dem Schema „Altstadt“ – „Neustadt“ – „Vorstadt“ recht typisch war.1 Im Fall Schlesiens la¨sst sich in den schriftlichen Quellen die Existenz dreier solcher im 13.–14. Jahrhundert funktionierender Neusta¨dte nachweisen, und zwar bei Breslau, Glogau und Schweidnitz. ¨ bereinstimmung mit der von Blaschke aufgezeigten Tendenz – in Alle drei sind – in U den sich entwickelnden großen Nachbarn aufgegangen. In Polen erlebten Studien zu den mittelalterlichen Neustadt-Lokationen seit Beginn der 1990er Jahre einen Aufschwung. Ein wichtiger Impuls ging dabei von den Thorner Forschern aus, die sich mit Wirtschaft und Gesellschaft des Deutschordensstaates bescha¨ftigen. Von Beginn dieser neuen Diskussion an wurde dabei auch das Problem der schlesischen Neusta¨dte in die Betrachtung miteinbezogen. Antoni ¨ berzeuCzacharowski nahm auf ihr Beispiel Bezug, um die allgemein verbreitete U gung zu u¨berpru¨fen, man habe diese Neusta¨dte angelegt, um „die Entwicklung und u¨berma¨ßige Vormacht der großen sta¨dtischen Zentren zu begrenzen.“2 Er zog damit die These in Zweifel, die Lokation der Neusta¨dte sei in Konkurrenz zu den Altsta¨dten erfolgt. Anstelle dessen schlug er vor, die neusta¨dtischen Zentren als handwerksorientierte Tochtersiedlungen der a¨lteren Sta¨dte zu begreifen.3 *U ´ asku ¨ bersetzung des Aufsatzes „W sprawie genezy i funkcji tzw. nowych miast na Sl ˛ w XIII–XIV
´ wieku“ (aus: Procesy lokacyjne miast w Europie Srodkowo-Wschodniej. Materiały z konferencji mi˛edzynarodowej w Ladku ˛ Zdroju 28–29 pa´zdziernika 2002 roku, hg. v. Cezary Bu´sko u. a., Wrocław ¨ bersetzung von Ju¨rgen Heyde. 2006, S. 247–256); U 1 Karlheinz Blaschke, Altstadt – Neustadt – Vorstadt. Zur Typologie genetischer und topographischer Stadtgeschichtsforschung, in: Vierteljahrschrift fu¨r Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 57 (1979), S. 350–362. 2 Antoni Czacharowski, Poczatki ˙ ´ ˛ „Nowych Miast“ w panstwie krzyzackim [Die Anfa¨nge der Neusta¨dte im Deutschordensstaat], in: Czas – Przestrzen´ – Praca w dawnych miastach. Studia ofiarowane Henrykowi Samsonowiczowi w sze´sc´ dziesiat˛ a˛ rocznic˛e urodzin, Warszawa 1991, S. 47–56. 3 Angeregt zur Revision der These von der Konkurrenz der Neusta¨dte gegenu¨ber den Altsta¨dten wurde ˙ Czachorowski durch die Studie von Jan Dabrowski, ˛ Czy Kazimierz i Kleparz załozono jako miasta
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Stanisław Rosik
Im Sinne dieser Konzeption ha¨tten die Altsta¨dte mit der staatlichen Obrigkeit bei der Anlage der Neusta¨dte zusammengearbeitet oder gar selbst die Initiative fu¨r solche Lokationen ergriffen. Zentrale Grundlage fu¨r Czacharowskis These ist die ¨ berzeugung, dass die Neusta¨dte stark eingeschra¨nkte Handelsrechte besaßen. Auf U diese Weise sicherten sich die altsta¨dtischen Patrizier die unangefochtene o¨konomische Stellung als Großha¨ndler, die beim Absatz der neusta¨dtischen Handwerkserzeugnisse vermittelten. Gleichzeitig konnten sie Probleme vermeiden, die sich aus einer zu großen Konzentration armer Bevo¨lkerungsgruppen in ihren Stadtmauern ergaben, die in den Neusta¨dten dominierten. Denn auf der Obrigkeit dieser Siedlungen lasteten die Jurisdiktionsgewalt und die Pflicht zur Lo¨sung der gesellschaftlichen Probleme.4 Die Diskussion u¨ber die schlesischen Neusta¨dte bewegt sich somit zwischen zwei ¨ berzeugung vom Konkurrenzcharakter gegenu¨ber den Polen – der erste ist die U Altsta¨dten, der zweite ihre Anerkennung als Filialgru¨ndungen, die unselbststa¨ndig und streng der Metropole untergeordnet und wirtschaftlich mit ihr verwoben waren. Das Quellenmaterial pra¨sentiert sich recht bescheiden und a¨ußerst ungleichma¨ßig. Entschieden am besten zeichnet sich in den Quellen die Breslauer nova civitas ab. Hier verfu¨gen wir u¨ber das 1290 angefertigte Transsumpt der Lokationsurkunde von 1263,5 seine Besta¨tigung aus dem Jahre 1311,6 sowie u¨ber Urkunden, die von den Herzo¨gen fu¨r die Breslauer Altstadt ausgestellt wurden und die in den Bereich der im Lokationsprivileg garantierten Freiheiten eingriffen.7 Bezeugt wurde schließlich die Aufhebung der Eigensta¨ndigkeit der Breslauer neusta¨dtischen Gemeinde in den Jahren 1327–1329.8 konkurencyjne dla Krakowa? [Wurden Kazimierz und Kleparz als konkurrierende Sta¨dte zu Krakau angelegt?], in: Prace z dziejo´w Polski feudalnej ofiarowane Romanowi Grodeckiemu w 70. rocznic˛e urodzin, Warszawa 1960, u¨ber die Beziehungen von Kleparz und Kazimierz zu Krakau. In Bezug auf ´ sredniowiecznego Wrocławia (przestrzen´ – Breslau teilte Mateusz Golinski, ´ Socjotopografia po´zno´ podatnicy – rzemiosło) [Sozialtopographie des spa¨tmittelalterlichen Breslau (Raum – Steuerzahler – Handwerk)], Wrocław 1997, S. 222f., 232, und ders., Wrocław od połowy XIII do poczatko ˛ ´ w XVI wieku [Breslau von der Mitte des 13. bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts], in: Cezary Bu´sko u. a., Historia Wrocławia, Bd. 1, Wrocław 2001, S. 107, diesen Ansatz und korrigierte damit seine Ansich´ ten aus a¨lteren Arbeiten, z. B. ders., Podstawy gospodarcze mieszczanstwa wrocławskiego w XIII ¨ konomische Grundlagen des Breslauer Stadtbu¨rgertums im 13. Jahrhundert], Wrocław 1991, wieku [O ´ ´ sredniowiecznej Swidnicy S. 37; in Bezug auf Schweidnitz vgl. ders.: Woko´ł socjotopografii po´zno´ [Zur Sozialtopographie des spa¨tmittelalterlichen Schweidnitz], Teil 1, Wrocław 2000, S. 122. 4 Czachorowski, Poczatki ˛ (wie Anm. 2), S. 54f. 5 Breslauer Urkundenbuch, hg. v. Georg Korn, Breslau 1870, Nr. 24; Katalog dokumento´w przechowy´ aska ´ wanych w Archiwach Panstwowych Dolnego Sl ˛ [Katalog der in den Staatsarchiven Niederschlesiens aufbewahrten Urkunden], Bd. 1, bearb. von Roman Stelmach, Wrocław 1991, Nr. 421; Schlesisches Urkundenbuch, Bd. 3, hg. v. Winfried Irgang, Ko¨ln 1984, Nr. 436; Regesten zur schlesischen Geschichte, hg. v. Colmar Gru¨nhagen, Breslau 1875; Bde. 16, 18, 22 hg. v. Colmar Gru¨nhagen/Konrad Wutke, Breslau 1892, 1892, 1903; Bd. 29 hg. v. Konrad Wutke, Breslau 1923, Nr. 1158. 6 Breslauer Urkundenbuch (wie Anm. 5), Nr. 94; SR, Nr. 3241; Katalog dokumento´w (wie Anm. 5), Bd. 2, Nr. 250, S. 62. 7 Breslauer Urkundenbuch (wie Anm. 5), Nr. 76 (Verbot des Zuschnitts und Verkaufs von Tuchen in der Neustadt 1305), Nr. 79 (Erwa¨hnung von Spannungen zwischen der Neustadt und Breslau 1306), Nr. 80 (Einschra¨nkung der Handelsrechte in der Neustadt sowie der Vielfalt der Handwerke 1306). 8 Breslauer Urkundenbuch (wie Anm. 5), Nr. 132; Regesten zur schlesischen Geschichte (wie Anm. 5), Nr. 4669; Katalog dokumento´w (wie Anm. 5), Bd. 2, Nr. 749 (Vereinigung Breslaus und der Neustadt
Zur Genese und Funktion so genannter Neusta¨dte in Schlesien im 13. und 14. Jahrhundert
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Eine interessante Quelle stellt die Instruktion der Breslauer Ratsherren vom 6. Oktober 13159 an ihre Kollegen in Glogau dar. Sie entha¨lt Informationen u¨ber die Anlage der Breslauer Neustadt, in der sich ein im Vergleich zur Gru¨ndungsurkunde recht bescheidenes Programm abzeichnet. Die Instruktion stellt zudem die erste, wenn auch nur mittelbare, Besta¨tigung fu¨r die Existenz der Glogauer neusta¨dtischen Gemeinde dar. Ob es dabei um die Anlage der dortigen Neustadt oder um ein fu¨r die Altstadt gu¨nstiges Transformationsprogramm ging, la¨sst sich nicht eindeutig entscheiden. Wahrscheinlicher ist die zweite Lo¨sung, denn bereits im Jahre 1337 wurde die Glogauer nova civitas in die Altstadt Glogau integriert. Somit erscheint die Anlage einer neuen Gemeinde fu¨r einen solch kurzen Zeitraum als ein wenig zielfu¨hrendes Unterfangen. Die Auflo¨sung der Glogauer Neustadt besta¨tigt eine Urkunde Johanns von Luxemburg, in der zum einzigen Mal expressis verbis die Existenz dieses Zentrums besta¨tigt wird.10 Fu¨r die Schweidnitzer Neustadt stammt der a¨lteste Beleg aus dem Jahre 1313.11 Dabei handelt es sich nicht um die Lokationsurkunde, sondern um die Verleihung von Einku¨nften aus dieser Gemeinde an das niedergebrannte Schweidnitz fu¨r den Wiederaufbau. Der zweite erhaltene Beleg erscheint im Zinsbuch und spricht von der Stadtmauer gegenu¨ber der Neustadt.12 Schließlich gibt es noch die Urkunde Bolkos II. von 1336, das die Einbeziehung der „Vorstat, di genannt ist di Nuewstat“ nach Schweidnitz bestimmt.13 Auffa¨llig ist hier die Bezeichnung der Neustadt als Vorstadt,14 was mit der bereits erwa¨hnten allgemeinen Konzeption Blaschkes zur Stadtentwicklung u¨bereinstimmt. Die Problemstellung des vorliegenden Beitrags ist bestimmt von der bisherigen, fast zweihundertja¨hrigen Diskussion u¨ber die schlesischen Neusta¨dte (besonders die Breslauer Neustadt), in der u¨ber viele Jahrzehnte die Ansicht vom Konkurrenzcharakter solcher Lokationen u¨berwog.15 Genese und Funktion erschienen in diesen 1327); Breslauer Urkundenbuch (wie Anm. 5), Nr. 137; Regesten zur schlesischen Geschichte (wie Anm. 5), Nr. 4793; Katalog dokumento´w (wie Anm. 5), Bd. 3, Nr. 20 (Verkauf der Vogtei in der Neustadt an den Breslauer Rat 1329). 9 Breslauer Urkundenbuch (wie Anm. 5), Nr. 100. 10 Die Inventare der nichtstaatlichen Archive Schlesiens. Teil 2: Kreis und Stadt Glogau [Codex Diplomaticus Silesiae, Bd. 28], hg. v. Konrad Wutke, Breslau 1915, S. 22, Pt. 67. Johann von Luxemburg unterstellte die so genannte Neustadt der Stadt Glogau zusammen mit der Gerichtsbarkeit, allen Rechten und Gefa¨llen (mit Ausnahme des Rechts zum Fischfang). 11 Regesten zur schlesischen Geschichte (wie Anm. 5), Nr. 3360. Vgl. Golinski, ´ Woko´ł socjotopografii (wie Anm. 3), S. 122. 12 Regesten zur schlesischen Geschichte (wie Anm. 5), Nr. 4901. Vgl. Golinski, ´ Woko´ł socjotopografii (wie Anm. 3), S. 122. 13 Gustav Adolf Tzschoppe/Gustav Adolf Stenzel: Urkundensammlung zur Geschichte des Ursprungs der Sta¨dte und der Einfu¨hrung und Verbreitung deutscher Kolonisten und Rechte in Schlesien und der Oberlausitz, Hamburg 1832, Nr. 541–542. 14 Golinski, ´ Woko´ł socjotopografii (wie Anm. 3), S. 122. 15 U ¨ ber diese Diskussion vgl. Stanisław Rosik, Wrocławskie Nowe Miasto: przegrany konkurent, zbuntowany satelita metropolii czy ... intratna posada dla Gerharda z Głogowa? [Die Breslauer Neustadt. Geschlagener Konkurrent, aufsta¨ndischer Satellit der Metropole oder ... eintra¨gliche Stellung fu¨r Gerhard von Glogau?], in: Civitas et villa. Miasto i wie´s w s´ redniowiecznej Europie s´ rodkowej (Ksi˛ega Jubileuszowa ku czci Prof. Marty Młynarskiej-Kaletynowej), hg. v. Cezary Bu´sko u. a., Wrocław/ Praha 2002, S. 123–130.
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Stanisław Rosik
¨ berlegungen auf das engste miteinander verwoben; mehr noch, das Wort „FunkU tion“ bezeugt in diesem Kontext, dass man diese Zentren als eine Art Werkzeug zum Erreichen von Zielen ansah, die von Akteuren außerhalb der Neusta¨dte gesetzt worden waren. Im Fall der Konkurrenztheorie wa¨re dies die Herzogsmacht gewesen,
Neustadt
Abb. 1: Breslau mit der Neustadt A = Markt, B = Salzplatz, C = Neumarkt, D = Herzogsbesitz Quelle: nach Eysymontt, Kod genetyczny miasta, S. 625
die der Entwicklung der an Macht gewinnenden altsta¨dtischen Siedlung, die politischen Druck auf den Herzog auszuu¨ben drohte, „Steine in den Weg“ legte. Hingegen ru¨ckten im Fall der Theorie der Neustadt als Satellit der Altstadt die o¨konomischen Interessen des altsta¨dtischen Patriziats in den Vordergrund. In beiden Ansa¨tzen traten neusta¨dtische Faktoren – der Vogt oder die ihm unterstellte Gemeinde – zuru¨ck. Beide Ansa¨tze stimmen darin u¨berein, dass die Neusta¨dte de facto nur eingeschra¨nkte wirtschaftliche Freiheiten genossen. Dies zeigt die bereits erwa¨hnte Instruktion der Breslauer Ratsherren fu¨r Glogau vom 6. Oktober 1315.16 In ihr erla¨uterten die Breslauer die Grundsa¨tze fu¨r die Anlage der Breslauer Neustadt: Danach
16 Breslauer Urkundenbuch (wie Anm. 5), Nr. 100.
Zur Genese und Funktion so genannter Neusta¨dte in Schlesien im 13. und 14. Jahrhundert
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besaß sie einen erblichen Vogt, doch gab es in ihr weder Fleisch- noch Schusterba¨nke. Auf der Grundlage spa¨terer Breslauer Stadtpla¨ne hat man zudem aufgezeigt, dass die Neustadt keinen Marktplatz besaß. Auch die Schweidnitzer Neustadt, die unla¨ngst ´ von Mateusz Golinski besprochen worden ist,17 verfu¨gte nicht u¨ber einen Marktplatz. Wie die Lage in Glogau war, ist nicht bekannt. Bevor man allerdings – per analogiam – automatisch annimmt, dass es auch hier keinen solchen Handelsplatz gegeben habe, sei auf das Beispiel des bo¨hmischen Prag verwiesen. Die dortige Neustadt, sechs Jahre a¨lter als die Breslauer und ein mo¨gliches Vorbild fu¨r die dortige Gru¨ndung, besaß ein solches Forum.18 ´ Daru¨ber hinaus hat Mateusz Golinski am Beispiel der Breslauer neusta¨dtischen Siedlung auf die um die Ha¨lfte gro¨ßeren Maße der Breiten Straße verwiesen. Dies la¨sst sich so interpretieren, als seien dieser Straße nicht allein kommunikative Funktionen zugewiesen worden. Vielmehr ha¨tten hier gut die Vogtsba¨nke stehen ko¨nnen19 und vielleicht hat die Breite Straße urspru¨nglich als Ersatz fu¨r einen Marktplatz fungiert. Angesichts der geringen Ausmaße der Neustadtinsel mag eine solche Lo¨sung tatsa¨chlich den Markt ersetzt haben. Zudem darf man im Falle Breslaus nicht den Neumarkt vergessen, der innerhalb der Altstadt an der Peripherie lag, aber dafu¨r in der Na¨he des Tors zur Neustadt. Dies ko¨nnte die Entstehung eines eigenen neusta¨dtischen Forums verhindert haben. Die Beschra¨nkungen oder die Unterentwicklung des neusta¨dtischen Handels (besonders das Fehlen eines Marktplatzes) entsprechen dem faktischen Zustand. Waren sie aber auch geplant und im Moment der Lokation rechtlich sanktioniert? Von den Lokationsurkunden der schlesischen Neusta¨dte kennen wir, wie erwa¨hnt, nur die Breslauer, und auch diese lediglich als Transsumpt.20 Datiert auf den 9. April 1263 bezeugt sie die Verleihung der Insel „zwischen der St. Adalberts- und der Heiliggeistkirche, und den Burgmauern ... Breslaus und dem Flussufer der Ohle“ durch Herzog Heinrich III. den Weißen von Schlesien an „seinen gescha¨tzten und treuen Diener“ Gerhard von Glogau zum Zweck der Lokation zu Magdeburger Recht nach dem Vorbild Breslaus. Den sich dort niederlassenden Siedlern wurden fu¨nf Freijahre zugesichert. Vogt Gerhard und seine Nachfolger erhielten zu Erbrecht ein Drittel der Einku¨nfte aus dem Gericht und die Gerichtshoheit in Fa¨llen jeglicher Schwere, nach dem Vorbild des Breslauer Erbvogts, zudem das Recht auf den Besitz des Bades, von Marktba¨nken, eine Mu¨hle an der Ohle und andere Vorrechte, wie sie „unseren“ (d. h. herzoglichen) Vo¨gten bei Lokationen nach deutschem Recht zustanden. Die Feststellung, dass die Neustadt-Lokation so erfolgen sollte wie jene Breslaus, und dass als Unterschied lediglich die Privilegien des Lokators und zugleich Vogts hervorgehoben wurden, la¨sst kaum darauf schließen, dass die o¨konomischen
17 Golinski, ´ Woko´ł socjotopografii (wie Anm. 3), S. 122f. 18 Darauf verweist Golinski, ´ Woko´ł socjotopografii (wie Anm. 3), S. 220. 19 Ebd., S. 232. 20 Breslauer Urkundenbuch (wie Anm. 5), Nr. 24; Katalog dokumento´w (wie Anm. 5), Bd. 1, Nr. 421;
Schlesisches Urkunenbuch (wie Anm. 5), Bd. 3, Nr. 436; Regesten zur schlesischen Geschichte (wie Anm. 5), Nr. 1158.
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Freiheiten der Siedlung bereits zu Beginn ihrer Existenz rechtlich beschra¨nkt werden sollten.21 Ganz im Gegenteil. Somit dra¨ngt sich die Folgerung auf, dass es erst aufgrund von Maßnahmen Breslaus zu einer Einschra¨nkung der neusta¨dtischen Handelsrechte kam. Als ersten Hinweis auf derartige Bestrebungen ist die Erlangung des Meilenrechts durch die Altstadt anzusehen, die es 1266 teilweise22 und 1272 oder 1290 vollsta¨ndig zugesprochen bekam.23 Diese Beschra¨nkungen belasteten die Neustadt gewissermaßen von außen und so konnte sie sich ihnen auf der Grundlage der eigenen Lokationsprivilegien widersetzen. Die Lage a¨nderte sich allerdings mit der herzoglichen Entscheidung, die alten Freiheiten der Neustadt aufzuheben, zu der es in den Jahren 1305–1306 kam.24 Den Erfolg, den die Breslauer Neusta¨dter mit der Erneuerung ihres Lokationsprivilegs im Jahre 1310 errangen, konnten diese wohl nicht vollsta¨ndig nutzen. Darauf verweist auch die Instruktion fu¨r die Glogauer Ratsherren von 1315, die zugleich eine gewisse Vorstellung von der Lage der Glogauer Neusta¨dter vermittelt. Die Beschra¨nkung der Handelsfreiheiten ging einher mit einer sehr weitgehenden Vereinheitlichung des Neusta¨dter Handwerks. Im Falle von Breslau und Schweidnitz ist bekannt, dass die Neustadtgemeinden in erster Linie Webersiedlungen darstellten. In den Diskussionen u¨ber die Anfa¨nge der Breslauer Neustadt wurde wiederholt die ¨ berzeugung gea¨ußert, dass diese im Hinblick auf die dort bereits ansa¨ssigen oder U dorthin umgesiedelten Weber angelegt worden sei.25 Selbst wenn diese nach der retrogressiven Methode entwickelte These sich als schlu¨ssig erweisen sollte, so muss doch 21 Eine Beurteilung der Rechtslage der Neustadtlokation in Breslau wird durch Zweifel an dem bespro-
chenen Transsumpt der Lokationsurkunde vom 9. August 1290 erschwert. Einen Monat zuvor hatte Breslau eine Besta¨tigung seiner gesamten Privilegien erhalten, darunter das Meilenrecht in einem auf 1272 datierten Dokument, so dass die erwa¨hnte Urkunde fu¨r die Neustadt als eine Gegenmaßnahme dazu erscheint. Ihr Ziel bestand in der Verteidigung der eigenen Privilegien, die mit dem Breslauer Privileg kollidierten, dessen Verleihung bereits im Jahre 1272 zweifelhaft erscheint (s. unten Anm. 23). Wenn es 1290 also zu einer Verfa¨lschung der Breslauer Tradition in der Urkunde, welche die Lokation besta¨tigte, kam, so konnten die Neusta¨dter einen a¨hnlichen Schritt vornehmen. Es ist somit nicht auszuschließen, dass das Transsumpt von 1290 den damals aktuellen Besitzstand der Neustadt und die aktuellen Befugnisse seines Vogtes wiedergab, und nicht den im Original der Lokationsurkunde garantierten (vor allem im Hinblick auf die Verkaufspunkte). Gestu¨tzt wird dieser Zweifel in gewisser Weise durch die fu¨r eine so verdiente Perso¨nlichkeit marginale Erwa¨hnung der Existenz des Lokators, Gerhard von Glogau – einmal gerade in der Lokationsurkunde und ein zweites Mal, jetzt nur noch vermut´ lich, in einer Urkunde von 1264 (s. Mateusz Golinski, ´ Biogramy mieszczan wrocławskich do konca XIII w. [Biogramme Breslauer Bu¨rger bis zum Ende des 13. Jahrhunderts], Wrocław 1995, S. 16). Die gea¨ußerten Zweifel haben den Charakter von Indizien und Spekulationen, daher kann man auf ihrer Grundlage nicht die Authentizita¨t der Urkunde von 1263 in Frage stellen, allerdings muss man in diesem Kontext umso mehr beachten, dass die Quellengrundlage aus dem Jahre 1290 in einigen Einzelheiten einen anderen Stand wiedergeben ko¨nnte als der 30 Jahre zuvor ausgefertigte Lokationsakt. 22 Breslauer Urkundenbuch (wie Anm. 5), Nr. 38. 23 Die Erlangung des vollen Meilenrechts durch Breslau im Jahre 1272 hat unla¨ngst Zweifel geweckt – man verweist auf die Urkunde von 1290, in dem das verda¨chtige Transsumpt der auf 1272 datierten Urkunde enthalten ist (Schlesisches Urkundenbuch [wie Anm. 5], Bd. 5, Nr. 461), als die erste rechtliche Besta¨tigung dieses Privilegs, vgl. Golinski, ´ Podstawy gospodarcze (wie Anm. 3), S. 121; Rosik, Wrocławskie Nowe Miasto (wie Anm. 15), S. 123. 24 Siehe Anm. 7. 25 Friedrich Gustav Adolf Weiss, Chronik der Stadt Breslau, Breslau 1888, S. 71; Theodor Goerlitz, Die Breslauer Wollwebersiedlung Alte Stadt, in: Beitra¨ge zur Geschichte der Stadt Breslau 2 (1936), S. 110–123, hier S. 121.
Zur Genese und Funktion so genannter Neusta¨dte in Schlesien im 13. und 14. Jahrhundert
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deutlich unterstrichen werden, dass die rechtliche Beschra¨nkung der handwerklichen Vielfalt auf der Neustadtinsel im Widerspruch zum Inhalt der Lokationsurkunde von 1263 stand. Noch fu¨r das ausgehende 13. Jahrhundert gibt es Hinweise darauf, dass in der Neustadt Gerber ta¨tig waren.26 Vom Herzog ausgehende Beschra¨nkungen der Anzahl der Handwerkszweige in der Siedlung begegnen erstmals zum Jahr 1306.27 In diesem Zusammenhang ging die Tendenz zur Vereinheitlichung der Berufsstruktur der Neustadt mit der Einschra¨nkung der Handelsprivilegien einher. Ohne ¨ berzeugung vom U ¨ berwiegen der somit die aus der Retrogressive gewonnene U Weber in der Breslauer (und vermutlich auch der Schweidnitzer28) Neustadt in Frage zu stellen, ist mit Nachdruck zu unterstreichen, dass sich keinesfalls nachweisen la¨sst, dass es sich dabei im Sinne des Gru¨nders von Anfang an um eine beruflich einheitliche Siedlung gehandelt hat. Mehr noch, die fragmentarischen Quellenbefunde29 und die deutliche Tendenz, eine solche Einheitlichkeit auf rechtlichem Wege herzustellen, spricht fu¨r die entgegengesetzte These. Damit ist die Geschichte der Breslauer Insel als blockierte Entwicklung hin zu einer „normalen“ Stadt zu deuten. Nicht weniger kontrovers erscheint die Schweidnitzer nova civitas. Ku¨rzlich hat ´ sie Mateusz Golinski zu einem der typischsten Beispiele fu¨r eine „Neustadt“ (im Sinne der Theorie Antoni Czacharowskis) gerechnet.30 Sein Urteil begru¨ndet der Autor mit der Tatsache, dass Herzog Bolko II. im Jahre 1336 den Einwohnern jegliche Handelsta¨tigkeit und Produktion mit Ausnahme des Tuchhandwerks verbot, und dass am Ende des 14. Jahrhunderts alle Schweidnitzer Wollweber ausschließlich in dieser Vorstadt gewohnt ha¨tten.31 Doch muss man beru¨cksichtigen, dass diese einzige rechtskra¨ftige Einschra¨nkung der Schweidnitzer Neusta¨dter nach der Aufhebung der verfassungsma¨ßigen Eigensta¨ndigkeit erfolgte, wir somit ihren urspru¨nglichen Charakter und die Rechte in der Phase der Lokation nicht kennen. Daher ist zu beachten, dass der Status der Schweidnitzer Neustadt mo¨glicherweise deshalb mit der „Satellitentheorie“ u¨bereinstimmte, weil er auf Aktionen der Schweidnitzer Bu¨rger zuru¨ckgegangen sein mag, denen es gelang, die o¨konomischen Freiheiten der Nachbargemeinde einzuschra¨nken. Dabei gewannen sie mehr als die Breslauer, die fu¨r die Inkorporation des neusta¨dtischen Organismus dessen Bewohnern eigene Rechte und Freiheiten zugestehen mussten.32 26 Im Jahre 1299 zahlten die neusta¨dtischen Gerber fu¨r einen Platz auf dem Breslauer Markt, wie ein
Eintrag im sta¨dtischen Rechnungsbuch belegt; s. Henricius Pauper, Rechnungen der Stadt Breslau 1299–1358 [Codex Diplomaticus Silesiae, Bd. 3], hg. v. Colmar Gru¨nhagen, Breslau 1860, S. 2. 27 S. Anm. 7. 28 Golinski, ´ Woko´ł socjotopografii [wie Anm. 3], S. 122. 29 Etwa die Erwa¨hnung der Gerber (s. Anm. 26) oder die Zustimmung zum Verbleib einiger nicht mit dem Weberhandwerk verbundenen Berufe im Jahre 1306 laut Breslauer Urkundenbuch (wie Anm. 5), Nr. 80. 30 Golinski, ´ Woko´ł socjotopografii (wie Anm. 3), S. 122f.; dort auch der aktuelle Forschungsstand zur Schweidnitzer Neustadt. 31 Vgl. Anm. 17 sowie Golinski, ´ Woko´ł socjotopografii (wie Anm. 3), S. 122. 32 Das Breslauer Urkundenbuch (wie Anm. 5), Nr. 132, verku¨ndet, dass die Vereinigung auf Bitten der gesamten Gesellschaften Breslaus und der Neustadt vollzogen worden sei. Nach der Annullierung der neusta¨dtischen Rechte wurden die Bewohner beider Sta¨dte demselben Recht unterstellt, um Frieden, Freundschaft und Eintracht zu sichern.
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¨ berblick u¨ber die Problematik der rechtlichen Einschra¨nkung Dieser kurze U der neusta¨dtischen Handwerks- und Handelsfreiheiten in Schlesien belegt meiner Ansicht nach hinreichend, dass die Genese der Neusta¨dte nicht allein nach dem Konkurrenz- oder Satellitenmodell erkla¨rt werden kann. Es la¨sst sich zwar nicht leugnen, dass es zu durchaus erbitterten Rivalita¨ten zwischen den benachbarten sta¨dtischen Zentren kam, wie besonders das Beispiel Breslaus verdeutlicht. Doch konnte die Schaffung einer solchen Konkurrenzsituation das grundlegende Motiv fu¨r die Herzogsmacht sein, die Lokation einer Neustadt zu betreiben? Das bescheidene Lokationsprogramm der neusta¨dtischen Siedlung bot praktisch keine Mo¨glichkeiten, die Entwicklung der benachbarten Metropole zu sto¨ren.33 Zudem war der Handelsaustausch mit dem starken Nachbarn fu¨r die Bewohner der Neustadt zum einen unausweichlich und zum anderen ho¨chst vorteilhaft. Mit dieser Tatsache la¨sst sich erkla¨ren, warum die im Breslauer Lokationsprivileg garantierte Mo¨glichkeit zur Anlage eines Marktplatzes in der Neustadt nicht genutzt wurde. Die zweite Frage und zugleich ein Zweifel lautet: Konnte sich der schlesische Herzog bereits wa¨hrend der Zeit der Lokation Breslaus durch die Macht der Bu¨rger bedroht fu¨hlen, und wollte er diese daher schwa¨chen? Dem widersprechen bestimmte Tatsachen, wie z. B. der Verkauf von Marktsta¨nden auf dem Neumarkt an Breslauer Patrizier im Jahre 1266 durch Heinrich III. – nur drei Jahre nach Gru¨ndung der Neustadt. So erscheint die These, die schlesischen Neusta¨dte seien bewusst gegru¨ndet worden, um dem ma¨chtigen Nachbarn gegenu¨ber eine Konkurrenz zu schaffen, als wenig wahrscheinlich. Die andere Lo¨sung, wie sie Antoni Czacharowski vorgeschlagen hat, gru¨ndet auf ¨ berzeugung, dass die Produktion bereits zur Zeit der Lokation in der Filider U alsiedlung verortet war, und der Handelsaustausch der fertigen Produkte auf dem Marktplatz der Metropole stattfand. Der Lokationsakt der Breslauer neusta¨dtischen Gemeinde widerspricht dieser These, und die geschichtliche Entwicklung folgt dem Inhalt der Urkunde. Man sollte eher davon sprechen, dass die Neustadt in die Rolle eines „Satelliten“ gelangte, weil die altsta¨dtische Seite durch praktische o¨konomische Maßnahmen und die Erlangung immer weiterer Privilegien von der Herzogsmacht daraufhin abzielte. Diese Tendenz wird in jedem der drei besprochenen Zentren deutlich. ¨ berzeugung anzuzweifeln, dass die Faktoren, die in der Somit ist auch die U Geschichte dieser neusta¨dtischen Organismen zu Tage traten – Konkurrenz oder dienende Stellung gegenu¨ber der Altstadt –, die Entscheidung des Herzogs zur Lokation beeinflusst ha¨tten. Um aus dieser Sackgasse herauszukommen, in welche uns die vorgestellten beiden Hauptlinien der Forschung gefu¨hrt haben, schlage ich vor, die darin implizit enthaltene Voraussetzung aufzugeben, die rechtliche Genese und das spa¨tere Funktionieren der schlesischen Neusta¨dte ha¨tten in einem engen Zusammenhang miteinander gestanden.
33 Marta Młynarska-Kaletynowa, Wrocław w XII–XIII wieku. Przemiany społeczne i osadnicze
[Breslau im 12.–13. Jahrhundert. Gesellschaftliche und siedlungsma¨ßige Wandlungen], Wrocław 1986, S. 170; Golinski, ´ Podstawy gospodarcze (wie Anm. 3), S. 167.
Zur Genese und Funktion so genannter Neusta¨dte in Schlesien im 13. und 14. Jahrhundert
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So hat dies einst bereits Theodor Goerlitz34 getan; er sah die Breslauer Neustadt als eine typische Filialsiedlung an, die sich dank der in der Lokationsurkunde gewa¨hrten Garantien als Textilstadt entwickelt habe. Doch sei diese Entwicklung zu Beginn des 14. Jahrhunderts durch Gegenmaßnahmen Breslaus gesto¨rt worden. Diese Einscha¨tzung kollidiert nicht mit den vorhandenen Quellen, doch es bleibt noch ein wesentlicher Zweifel aufzulo¨sen. Man ko¨nnte geradezu sagen, dass sie der Entscheidung des Herzogs unausgesprochen Unbeku¨mmertheit und mangelnde Vernunft unterstellt. So jedenfalls ko¨nnte man aus Sicht der o¨konomischen Rivalita¨t den Umstand deuten, dass die Lokation einer kleinen Siedlung in der Na¨he einer erheblich gro¨ßeren Stadt mit den gleichen Rechten ausgestattet wurde. Zur Kla¨rung der Genese der schlesischen Neusta¨dte schlage ich daher vor, das Problem nicht la¨nger aus der Perspektive der o¨konomischen Rivalita¨t zwischen beiden sta¨dtischen Zentren zu betrachten, denn im Wesentlichen ließ sich der Herzog nicht von diesen Regeln leiten, als er sich zur Lokation entschloss. Im Lokationsakt von 1263 ist keine Rede von einer Initiative der Altstadt in der Frage der Lokation, oder auch nur von der Beachtung ihrer Rechte.35 Eng mit dem Herzog arbeitete bei diesem Werk vielmehr der Lokator und erste Vogt der Neustadt zusammen – „der treue und liebe Vasall“ Gerhard aus Glogau. Er fungierte als „Lehnsmann und erblicher Beamter des Stadtherrn.“36 Er war auch der gro¨ßte Nutznießer der Lokation. Der Herzog ha¨tte na¨mlich auch dann Einku¨nfte aus Steuern und Gerichtsabgaben erhalten, wenn er das Gebiet der Insel und die sich dort niederlassende Bevo¨lkerung direkt an die Stadt Breslau angeschlossen ha¨tte. Wir du¨rfen das Problem der Neustadtlokation aus der Perspektive Herzog – Lokator nicht allein in Kategorien des kurzfristigen Interesses betrachten. Die Neustadtlokation stellte eine von vielen Handlungen der Herzogsmacht im Rahmen der melioratio terrae dar, die unter Beru¨cksichtigung des epochenspezifischen und in der Mentalita¨t verwurzelten Modells der Organisation von Staat und Gesellschaft durchgefu¨hrt wurden. Das Vogtsamt wurde zu einem Glied in der Kette von Lehensabha¨ngigkeiten, und die Siedlung selbst zu einem Lehen (beneficium) fu¨r den herzoglichen Vasallen. Die Interessen der feudalen Welt standen hier an erster Stelle,37 und
34 Theodor Goerlitz, Verfassung, Verwaltung und Recht der Stadt Breslau, Bd. 1: Mittelalter, Wu¨rzburg
1962, S. 14, 25.
35 Zudem wurden sie damals in keiner Weise verletzt, da die Breslauer Bu¨rger die erste Besta¨tigung des
teilweisen Meilenrechts im Jahre 1266 erhielten (Breslauer Urkundenbuch (wie Anm. 5), Nr. 38), vgl. Golinski, ´ Podstawy gospodarcze (wie Anm. 3), S. 162. 36 Młynarska-Kaletynowa, Wrocław (wie Anm. 33), S. 170. 37 Das Problem der herrschaftlichen Oberhoheit und der Lokationsinitiative als Verwirklichung vor allem ihrer Interessen spielte vermutlich eine gewisse Rolle bei der Entstehung der Thorner Neustadt. ´ ´ XIV do poczatku Krzysztof Mikulski, Przestrzen´ i społeczenstwo Torunia od konca ˛ XVIII wieku [Raum und Gesellschaft Thorns vom Ende des 14. bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts], Torun´ 1999, S. 38–40 hat (angeregt durch die Thesen Zenon Hubert Nowaks, Neustadtgru¨ndungen des Deutschen Ordens in Preußen. Entstehung, Verha¨ltnisse zu den Altsta¨dten, Ende der Eigensta¨ndigkeit, in: Stadt und Orden. Das Verha¨ltnis des Deutschen Ordens zu den Sta¨dten in Livland, Preußen und im Deutschen Reich, hg. v. Udo Arnold, Marburg 1993, S. 129–142) die konstitutionelle Selbststa¨ndigkeit der neusta¨dtischen Zentren mit ihrer Zugeho¨rigkeit zum Ordensstaat in Verbindung gebracht und ging davon aus, dass sie urspru¨nglich Burgvorsta¨dte gewesen seien. Die Thorner Neustadt spielte eine wich-
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bei diesem Ansatz sind auch die aus o¨konomischer Perspektive kurzsichtige Anlage einer Filialsiedlung neben der Metropole sowie das spa¨tere schwankende und opportunistische Verhalten der Herzogsmacht angesichts der Rivalita¨t zwischen den Sta¨dten erkla¨rbar, das sich zu Anfang des 14. Jahrhunderts in Breslau beobachten ließ. In dieser Lage verteidigte die o¨konomisch sta¨rkere altsta¨dtische Seite die eigenen Interessen, indem sie erfolgreich versuchte, die Rechte der Neusta¨dte einzuschra¨nken. Diese Tendenz beobachten wir nicht allein in Breslau, sondern auch in Glogau. Den endgu¨ltigen Sieg in der Rivalita¨t fu¨r die altsta¨dtische Seite brachte die Aufhebung der rechtlichen Eigensta¨ndigkeit der neusta¨dtischen Gemeinden und die vollsta¨ndige wirtschaftliche Abha¨ngigkeit ihrer Einwohner, der Handwerker. In Schweidnitz wurde diese vollsta¨ndige Aufhebung der Handelsrechte und der beruflichen Vielfalt der Neusta¨dter erst nach der Auflo¨sung ihrer verfassungsma¨ßigen Selbststa¨ndigkeit urkundlich greifbar. Der Kampf der Metropolen gegen die Neusta¨dte ging nicht zufa¨llig einher mit den Bemu¨hungen um die Emanzipation der Sta¨dte von der feudalen Herrschaft. Ein wesentliches Element dieser Bemu¨hungen bestand im Auskauf der Vogteien der Altund Neustadt durch den Rat in den Jahren 1324–1329.38 Auf diese Weise wurde das System enger Abha¨ngigkeit der Sta¨dte vom Feudalherren (repra¨sentiert durch den Vogt) u¨berwunden und mit ihm – als eines von dessen Elementen – die Eigensta¨ndigkeit der Neusta¨dte unmittelbar hinter den Mauern der Altsta¨dte. ¨ berzeugung, dass man vor ArguDer hier gemachte Vorschlag erwa¨chst aus der U menten auf der Basis von Analogien und allgemeinen Konzeptionen, die man nicht vernachla¨ssigen darf,39 oder auch auf der Grundlage des Schweigens der Quellen, erst einmal die verfu¨gbaren Quellen gru¨ndlich fu¨r die Analyse nutzen muss, selbst wenn es verha¨ltnisma¨ßig wenige sind. In Bezug auf Schlesien ermo¨glichen diese Quellen eine Korrektur der Konzeption von Antoni Czacharowski zur Gru¨ndung und Funktion der „Satelliten“ der wichtigsten Kaufmannssta¨dte. Die Korrektur bezieht sich unmittelbar auf die Anlage solcher Zentren, und dies lediglich im Hinblick auf die drei besprochenen Bespiele, fu¨r die wir die a¨ltesten urkundlichen Belege besitzen.40
tige Rolle in der Kommunikation des Schlosses mit der Außenwelt, denn durch sie fu¨hrten die wichtigsten Wege vom Schloss nach Kulm und weiter nach Marienburg. Allerdings kann man hier nicht von einer vo¨lligen Analogie zu Breslau sprechen, denn der Ohle-Insel la¨sst sich nur schwerlich irgendein Kommunikationswert zusprechen. 38 Den Auskauf der Vogteien von Breslau und der Neustadt bespricht Golinski, ´ Wrocław (wie Anm. 3), S. 136f.; s. auch Anm. 8. 39 Hierbei sind unter anderem auch die Lo¨sung von demographischen Problemen, der Jurisdiktion u¨ber die arme Bevo¨lkerung außerhalb der Stadtmauern, die Existenz von Siedlungen, die nicht in die Lokation der eigentlichen Stadt einbegriffen waren, usw. zu beachten, und zugleich die vielschichtigen Motive der Herrschaft, die schon aus Prestigegru¨nden die Lokation von Sta¨dten betreiben konnte, und ihre Anlage in unmittelbarer Na¨he einer Metropole ko¨nnte ein psychologischer Faktor erkla¨ren – ein gewisses Vertrauen in das Gelingen einer weiteren Lokation auf bereits bewa¨hrtem Gebiet. Von wesentlicher Bedeutung erscheint auch die Beru¨cksichtigung von vergleichendem Material aus der Neuzeit wie aus dem Altertum. 40 Als Neusta¨dte bezeichnete Vorsta¨dte existierten auch in anderen schlesischen Zentren, z. B. in Beuthen an der Oder, doch ist nicht bekannt, ob es sich dabei urspru¨nglich um eigene sta¨dtische Gemeinden handelte.
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Der im Zuge der beschriebenen Ereignisse entstandene Typ der „Satelliten“-(Neu-)Stadt geriet nach seinem Aufgehen in der Metropole nicht in Vergessenheit, sondern verfestigte sich in Beziehung zu Siedlungen außerhalb ihrer unmittelbaren Nachbarschaft. So stellt sich im Lichte der Forschungen Mateusz ´ Golinskis der Status des noch im 13. Jahrhundert lozierten Freiburg dar,41 wobei nicht zu kla¨ren ist, ob es von Anbeginn an durch rechtliche Regelungen in wirtschaftlicher Abha¨ngigkeit vom nahegelegenen Schweidnitz stand.
41 Mateusz Golinski, ´ Przyczynek do dyskusji o podstawach gospodarczych miasta s´ redniowiecznego
´ asku na Sl ˛ [Ein Beitrag zur Diskussion u¨ber die o¨konomischen Grundlagen der mittelalterlichen Stadt in Schlesien], in: Korzenie s´ rodkowoeuropejskiej i go´rno´slaskiej ˛ kultury gospodarczej, hg. v. Antoni Barciak, Katowice 2003, S. 267f.
DIE KONTROVERSE UM DIE LOKATION VON LIEGNITZ ˙ * ´ von Mateusz Golinski und Ro´scisław Zerelik
Die im Mittelalter in Polen durchgefu¨hrte, im 13. Jahrhundert in Schlesien begon¨ bernahme nene Sta¨dtereform manifestierte sich in den von ihr erfassten Orten in der U deutscher, u¨berwiegend Magdeburger Rechtsmuster und in den so genannten Lokationen. Was aber meint dieser Begriff? Nach Henryk Samsonowicz war die urspru¨ngliche Bedeutung des Wortes locare ‚an einem Ort unterbringen, ansiedeln‘. Demnach bedeutete locare civitatem in Cracovia (wie es in der Krakauer Lokationsurkunde von 1257 hieß) die Unterbringung von Menschen aus verschiedenen Gegenden (ex diversis climatibus), welche dann eine neue Gemeinde bildeten, an einem bestimmten Ort. Eine solche Aktion betraf also sowohl die Menschen, als auch das von ihnen besiedelte Land.1 Die Herkunft der ersten Kolonisten ist fu¨r Polen noch immer unbekannt. Wir ko¨nnen lediglich mutmaßen, dass sie sich sowohl aus lokalen Kaufleuten zusammen¨ berfu¨hrung bereits existierender Marktsiedlungen in deutsetzten (dies belegen die U sches Recht und eine teilweise Respektierung der Eigentumsverha¨ltnisse der Vorlokationszeit, d. h. Unregelma¨ßigkeiten in den Pla¨nen der Lokationssta¨dte) als auch aus Zuwanderern aus Deutschland und freien Bauern der Umgebung.2 Sie erhielten gema¨ß den deutschrechtlichen Lokationsprivilegien eine eigene Gerichtsbarkeit, verschiedene wirtschaftliche Privilegien, die das Betreiben von Handel und Handwerk erleichterten (wie z. B. einen freien Markt), eine tempora¨re Abgabenbefreiung (die so genannten Freijahre) sowie, besonders wichtig, Land. Dieses Land wurde zu einem Teil unter den Siedlern in individuelle, erbliche Parzellen aufgeteilt. Ein anderer Teil blieb kommunales Gemeineigentum fu¨r die Bedu¨rfnisse der gesamten Gemeinde (Straßen, Pla¨tze, Gemeindeanger, Felder zur Bewirtschaftung, Gewa¨sser
*U ¨ bersetzung des Aufsatzes „Kontrowersje woko´ł lokacji Legnicy“ (aus: Szkice Legnickie 15 [1994],
¨ bersetzung von Heidemarie Petersen. S. 9–33); U
1 Maria Bogucka/Henryk Samsonowicz, Dzieje miast i mieszczanstwa ´ w Polsce przedrozbiorowej
[Geschichte der Sta¨dte und des Stadtbu¨rgertums im Polen der Vorteilungszeit], Wrocław 1986, S. 49; zum Terminus „locare“ Richard Koebner, Locatio. Zur Begriffssprache und Geschichte der deutschen Kolonisation, in: Zeitschrift des Vereins fu¨r Geschichte Schlesiens 63 (1929), S. 1–32; Stanisław Kura´s, Przywileje prawa niemieckiego miast i wsi małopolskich XIV–XV wieku [Die Privilegien des deutschen Rechts der kleinpolnischen Sta¨dte und Do¨rfer des 14.–15. Jahrhunderts], Wrocław 1971, S. 92–112. 2 Ebd., S. 51.
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˙ ´ Mateusz Golinski und Ro´scisław Zerelik
usw.). Ein bestimmter Anteil des sta¨dtischen Territoriums wurde der Verfu¨gungsgewalt des Feudalherrn und seines Lokators bzw. Vogtes vorbehalten, die anschließend u¨ber die Zinseinku¨nfte aus den dort entstehenden, strikt reglementierten Wirtschaftseinrichtungen (wie Mu¨hlen, Schlachthof, Fleischba¨nke, La¨den oder Tuchhallen) verfu¨gen konnten. Eine Stadt zeichnete sich also durch ein genau festgelegtes Gebiet aus, dessen Grenzen zugleich die Grenzen zweier Rechtsbezirke waren, na¨mlich eines deutschen und des ihn umgebenden polnisch-fu¨rstenrechtlichen Bezirks. Die strikte Unterteilung des Stadtgebietes in einen zentralen Bereich (die eigentliche, spa¨ter dann von Mauern umgebene Stadt) – aufgeteilt auf individuelle Siedlungsparzellen, die Kommunikationswege zwischen diesen sowie Handelspla¨tze – und eine mit dem ba¨uerlichen Hinterland verbundene Peripherie schlug sich in der Ausbildung einer bestimmten Raumordnung, dem so genannten Lokationsstadtplan, nieder. Eine von Henryk Samsonowicz zitierte Notiz in den Annalen des Krakauer Domkapitels, die die Folgen des bereits erwa¨hnten Lokationsprivilegs von 1257 kommentiert, ha¨lt dazu lapidar fest: „Die Stadt wurde deutschem Recht unterstellt, und die Lage des Marktes, der Ha¨user und Ho¨fe von den Vo¨gten vera¨ndert“.3 Nach einem neuen Plan entstanden also nicht nur Lokationssta¨dte „aus dem Nichts“, sondern auch solche, die inmitten fru¨hsta¨dtischer Agglomerationen und auf Kosten der alten Niederlassungen ihren Platz fanden. Die Entstehung eines regelma¨ßigen Straßennetzes, das geschlos¨ brigen eine sene, rechteckige oder quadratische Bebauungsblocks absteckte, war im U Konsequenz der Aufteilung des fu¨r den Individualbesitz vorgesehenen Gebietes in einheitliche Bu¨rgerparzellen, und nicht bloß die Umsetzung einer bestimmten Raumvorstellung. Damit ist der allgemeine Rahmen des im Titel genannten Themas abgesteckt. Denn dort, wo wir fu¨r einen gegebenen Ort keine eindeutig formulierte Lokationsurkunde besitzen und die Quellen zur Stadtreform u¨berdies Vorbehalte erwecken, mu¨ssen wir den Forschungsgegenstand erst noch genauer bestimmen. Im Falle von Liegnitz, fu¨r das entweder kein Lokationsprivileg existiert hat oder dasselbe fru¨h vernichtet worden ist (wahrscheinlich infolge des Rathausbrandes vom 25. Mai 1338), haben wir keinen Zweifel, dass eine Lokation, so wie sie eingangs skizziert worden ist, im Mittelalter tatsa¨chlich stattgefunden hat. Urkunden belegen die Tatsache, dass der Stadt im 13. Jahrhundert Magdeburger Recht verliehen wurde, wobei dieser Vorgang in Quellen aus den Jahren 1264 und 1280 auch direkt als Lokation bezeichnet wird. Sie belegen zudem, dass in Liegnitz auch entsprechende Rechts- und Selbstverwaltungsorgane ta¨tig waren und auch, dass fu¨r einen reformierten Ort typische Wirtschaftseinrichtungen (wie ein Schlachthof oder Tuchhallen) existierten. Das historische Zentrum von Liegnitz wiederum verra¨t Merkmale der als „Lokationsstadtplan“ bezeichneten sta¨dtebaulichen Anlage. Im Lichte des vorhandenen Quellenmaterials la¨sst sich jedoch nicht sagen, ob die „Rechtslokation“ und die ra¨umlichen Vera¨nderungen parallel oder unmittelbar nacheinander stattfanden. Andererseits gibt es auch
3 Ebd., S. 92.
Die Kontroverse um die Lokation von Liegnitz
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um 1280 um 1338 nach 1345 um 1420
Abb. 1: Rekonstruierter Grundriss von Liegnitz 1 – Petri-Kirche, 2 – Marienkirche (Unserer Lieben Frau), 3 – Dominikanerkloster, 4 – Franziskanerkloster, 5 – Rathaus, 6 – Burg, 7 – Breslauer Tor, 8 – Glogauer Tor, 9 – Haynauer Tor, 10 – Goldberger Tor, 11 – Pforte des Neuen Tores Quelle: nach Eysymontt, Kod genetyczny miasta, S. 369
keine expliziten Gru¨nde dafu¨r, eine solche herko¨mmliche Reihenfolge in Abrede zu stellen.4 4 Es besteht hier kein Anlass, der Feststellung von Benedykt Zientara, Heinrich der Ba¨rtige und seine
Zeit. Politik und Gesellschaft im mittelalterlichen Schlesien, Mu¨nchen 2002, S. 145, zu folgen, wonach sich der Begriff ‚Lokation‘ „aber bald von seiner ersten Bedeutung“ lo¨ste und „auch gebraucht wurde, wenn in einer Siedlung keine Lokation im urspru¨nglichen Sinn vorgenommen wurde, wenn also einfach das deutsche Recht auf einen seit langem existierenden Ort u¨bertragen wurde, auch ohne dass seine ra¨umliche Gestalt vera¨ndert wurde.“
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Die Historiker, die sich seit dem 19. Jahrhundert mit diesem Thema befasst haben, haben sich bis in die 30er Jahre des 20. Jahrhunderts hinein innerhalb eines „Quellendreiecks“ bewegt, das von drei Urkunden aus den Jahren 1252, 1264 und 1280 gebildet wird. Die erste dieser drei Urkunden spricht davon, dass Bolesław II. Rogatka seinem Truchsess Radwan die Erbvogtei von Liegnitz mitsamt einer sehr reichen Pfru¨nde verliehen habe.5 Die Existenz einer sta¨dtischen Vogtei wird allgemein als Beleg dafu¨r genommen, dass an einem Ort deutsches Recht galt. Daraus hat man den einzig logischen Schluss gezogen, dass die Lokation von Liegnitz vor oder parallel zur Ausstellung der Urkunde von 1252 erfolgt sein mu¨sse. In der zweiten Urkunde vom 6. Juli 1264 besta¨tigte Bolesław II. dem Bistum und drei Liegnitzer Pfarrkirchen die Vergabe von Einku¨nften aus der dortigen Mu¨nzsta¨tte in Ho¨he von 18 Silbermark als Entscha¨digung fu¨r andere Einku¨nfte, die diese seit langem besessen, aber wegen der von ihm durchgefu¨hrten deutschrechtlichen Lokation von Liegnitz verloren ha¨tten.6 Besa¨ßen wir nicht die Urkunde von 1252, mu¨sste man denken, dass im Sommer 1264 eine Lokation stattfand, die unmittelbar eine Umgestaltung der Eigentumsverha¨ltnisse nach sich zog. Vor dem Hintergrund beider Urkunden la¨sst sich dieses Ereignis nur in die Regierungszeit Bolesławs II., d. h. nach dem Ma¨rz 1242, aber nicht spa¨ter als 1252 datieren. Die Vermutung, es habe mehrere aufeinander folgende Lokationsakte gegeben (so wie fast zeitgleich in Breslau), wird durch die explizite Feststellung im Privileg von 1264 ausgeschlossen, dass das deutsche Recht das bisherige polnische Recht und die daraus abgeleiteten Abgaben ersetze. Die dritte der erwa¨hnten Urkunden vom 25.–30. Juni 1280 ist hilfsweise herangezogen worden. Im Inhalt der ersten a¨hnlich, wenn auch mit Unterschieden in den Details der Pfru¨nde, besta¨tigt sie den Verkauf der Liegnitzer Vogtei durch Heinrich den Dicken an Friedrich und Helbold, Bu¨rger von Jauer.7 Die fru¨heste Phase der Forschungen zur Lokationsreform von Liegnitz hat zu Beginn des 20. Jahrhunderts Arnold Zum Winkel in seinen Studien resu¨miert. Er weist auf die deutlichen Unregelma¨ßigkeiten hin, die sich im Stadtplan fu¨r den o¨stlichen Teil der Altstadt beobachten lassen, der sich zwischen dem Piastenschloss und der Liebfrauenkirche (im Bereich der fru¨heren Gerbergasse/ul. Garbarska) erstreckt. Diese Unregelma¨ßigkeiten hat Zum Winkel als Relikte einer „polnischen Siedlung“ der Vorlokationszeit interpretiert.8 Eine materielle Stu¨tze dieser Hypothese ist dabei auch das Alter der Pfarrkirche Unserer Lieben Frau in der Unterstadt. Zweifelsfrei existierte sie schon 1203, zu welchem Jahr sie erstmals Erwa¨hnung in den Quellen findet.9 Nach Meinung von Zum Winkel wurde sie als steinernes romanisches Gotteshaus bereits im 12. Jahrhundert von Bolesław dem Langen gestiftet.10 Erst nach 5 Schlesisches Urkundenbuch, Bd. 3, hg. v. Winfried Irgang, Wien 1984, Nr. 563. 6 Ebd., Nr. 481. 7 Schlesisches Urkundenbuch, Bd. 4, hg. v. Winfried Irgang, Wien 1988, Nr. 394. 8 Arnold Zum Winkel, Die Stadt Liegnitz im Mittelalter, in: Mitteilungen des Geschichts- und Alter-
tums-Vereins fu¨r die Stadt und das Fu¨rstentum Liegnitz 2 (1906–1908), S. 1–78, hier S. 2.
9 Im Zusammenhang mit der Stiftung des Klosters Trebnitz wird der der Pfarrkirche „in Legnich beate
´ aska Marie“ zustehende Zehnte erwa¨hnt; Kodeks dyplomatyczny Sl ˛ [Schlesisches Urkundenbuch], Bd. 1, hg. v. Karol Maleczynski, ´ Wrocław 1951, Nr. 103. 10 Arnold Zum Winkel, Zur Geschichte der Liebfrauenkirche in Liegnitz, in: Mitteilungen des Geschichts- und Altertums-Vereins fu¨r die Stadt und das Fu¨rstentum Liegnitz 1 (1904–1905),
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dem Mongoleneinfall im Fru¨hjahr 1241 sei die spa¨tere Oberstadt oder „deutsche Siedlung“ um die damals ho¨lzerne Pfarrkirche St. Peter entstanden. Die umstrittene Frage, aus welchem Baumaterial der Vorga¨ngerbau der heutigen Peter und Paul-Kirche errichtet gewesen sein ko¨nnte, einmal beiseite gelassen, fa¨llt auf, dass Zum Winkel nicht auf die Tatsache eingegangen ist, dass dieses Gotteshaus in den Quellen bereits 1208 erwa¨hnt wird.11 Die Vergabe der Liegnitzer Vogtei an den fu¨rstlichen Truchsess Radwan schließlich, so Zum Winkel, setze die vorausgegangene Durchfu¨hrung einer sta¨dtischen Lokation voraus, die im selben Jahr 1252 oder etwas fru¨her geschehen sein mu¨sse, jedoch schon nach dem Tod Kaiser Friedrichs II. von Hohenstaufen (13. Dezember 1250).12 Letzteres Originaldatum a¨nderte Zum Winkel schließlich jedoch auf etwa 1248 um: Da nach der Urkunde von 1264 Bolesław II. als Urheber ¨ bernahme des Fu¨rsder Lokation in Erscheinung tritt, konnte sie nicht vor dessen U 13 tentums Liegnitz (1248) stattgefunden haben. Einen grundlegenden Wandel im Herangehen an das hier untersuchte Thema brachten erst die Quellenstudien von Heinrich von Loesch, der die Urkunde von 1252 als nichtauthentisch und unglaubwu¨rdig verwarf. Die Konsequenz dieser Entdeckung war jedoch nicht, dass er sich fu¨r das in diesem Falle einzige authentisch dokumentierte Datum (1264) aussprach, sondern stattdessen seine Aufmerksamkeit auf einen fru¨heren Zeitraum richtete, na¨mlich den Wiederaufbau nach den Zersto¨rungen durch den Mongoleneinfall. Die Lokation habe danach irgendwann zwischen 1242 und etwa 1250 stattgefunden.14 Die Ablehnung des Ritters Radwan, samt der ganzen Urkunde, als potentiellen Lokator machte es notwendig, einen neuen Loka-
S. 71–101, hier S. 72. Er verwirft zugleich die Information, die Friedrich Lucae, Curieuse Denkwu¨rdigkeiten von Ober- und Niederschlesien, Frankfurt/Main 1689, u¨ber eine Stiftung im Jahr 1192 bringt, als irrefu¨hrend. 11 Im Zusammenhang mit den Pfru¨nden des Klosters Trebnitz wird eine Mu¨hle iuxta sanctum Petrum in Legnic erwa¨hnt; Kodeks (wie Anm. 9), Bd. 2, hg. v. Karol Maleczynski/Anna ´ Skowronska, ´ Wrocław 1959, Nr. 129, 130. Wir du¨rfen jedoch nicht vergessen, dass, wa¨hrend die parallel erwa¨hnte Liebfrauenkirche der Mittelpunkt einer Pfarrgemeinde war (vgl. ebd., Nr. 130, 193), wir u¨ber den Status der Kirche St. Peter nichts wissen. Eine Rangangleichung beider Kirchen besta¨tigt erst ein Dokument aus dem Jahr 1264 – damals erhielten sie je 1,5 Silbermark ja¨hrlich als Entscha¨digung fu¨r die aus der Lokation resultierenden Einnahmeverluste, wa¨hrend die Grabeskirche 8 und der Bischof 7 Silbermark erhielten; Schlesisches Urkundenbuch (wie Anm. 5), Nr. 481. Der unmittelbare Beweis, dass an St. Peter ein Pfarrer wirkte, stammt dabei erst vom 22. Oktober 1295, wenngleich der dort genannte Leonhard schon am 21. Mai 1291 als Liegnitzer Pfarrer auftritt; Regesten zur schlesischen Geschichte (Codex Diplomaticus Silesiae, Bd. 7/3), hg. v. Colmar Gru¨nhagen, Breslau 1866, Nr. 2194, 2381. Eine eventuelle Vermehrung der Pfarrgemeinden in der Vorlokationszeit erscheint umso zweifelhafter, als wir schon am 15. Juni 1233 vom Pfarrer der Gemeinde „sancti sepulcri de Legniz“ ho¨ren, also der ku¨nftigen Stiftskirche in der nordo¨stlichen Vorstadt; Schlesisches Urkundenbuch, Bd. 2, hg. v. Winfried Irgang, Wien 1978, Nr. 32. 12 Zum Winkel, Die Stadt Liegnitz (wie Anm. 8), S. 3. 13 Theodor Scho ¨ nborn, Die Stadtwerdung von Liegnitz in ihrer Bedeutung fu¨r die deutsche Ostlandbewegung, in: Liegnitz. 700 Jahre einer Stadt deutschen Rechts, hg. v. Theodor Scho¨nborn, Breslau 1942, S. 1–12, hier S. 6. 14 Heinrich von Loesch, Zur Fru¨hgeschichte der Stadt Liegnitz, in: Liegnitz. 700 Jahre (wie Anm. 13), ¨ hnlich legt Hugo Weczerka, Handbuch der historischen Sta¨tten. Schlesien, StuttS. 13–23, hier S. 14. A gart 1977, S. 284, die Lokation, die er Bolesław II. zuschreibt, in die Jahre 1242–1252.
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tor der Stadt zu benennen. Die einzige Person, die zu dieser Rolle zu passen schien, war Volkmar, der vermutlich erste Vogt von Liegnitz.15 Von seiner Existenz wissen wir nur aus indirekten Quellenzeugnissen. Am 27. Februar 1253 u¨bertrug Bolesław Wstydliwy vier Lokatoren die Lokation der Stadt Bochnia in Kleinpolen. Unter ihnen war ein Nicolaus filius Volkmari quondam civis de Legnicz, dem der Krakauer Fu¨rst zudem die Vogtei von Bochnia anvertraute.16 Es ist insofern eine unbestreitbare Tatsache, dass Liegnitz schon vor dem 27. Februar 1253 eine deutschrechtliche Gemeinde war, da der erwa¨hnte Nikolaus zu diesem Zeitpunkt als deren ehemaliger Bu¨rger (civis) auftrat. Auch ist anzunehmen, dass sich die Wahl seiner Person als Lokations-Spezialist auf irgendwelche Nachweise stu¨tzte, dass er auf diesem Gebiet qualifiziert war (gleichwohl sollte das Vorbild fu¨r das in Bochnia anzuwendende Magdeburger Recht nicht Liegnitz, sondern Breslau sein). Der uns aus ¨ berlieferung bekannte Nekrolog von Leubus notiert unter dem der neuzeitlichen U 22. Juli: Ob. Volckmarus advocatus de Legnicz, Joannes, Conradus, Nicolaus, (filii) eius, Radomilus frater eius.17 Wir kennen keinen Liegnitzer Vogt dieses Namens unter den seit 1280 in diesem Amt bezeugten Personen. Volkmar war also fru¨her ta¨tig, und sein in derselben Notiz genannter Sohn Nikolaus ko¨nnte mit dem Vogt von Bochnia identisch sein. Eine chronologische Auflo¨sung findet sich im Leben der Hl. Hedwig, einem hinsichtlich der in ihm vorkommenden Personalien insofern glaubwu¨rdigen Werk, als es sich auf die Anho¨rungsprotokolle des Kanonisierungsprozesses stu¨tzte. Unter den Personen, deren Geschichte einer wundersamen Heilung am Grab der Heiligen dort erza¨hlt wird, findet sich eine Adelheydis, relicta Volkmari de Legnicz.18 Das Wunder vollzog sich irgendwann zwischen dem Zeitpunkt des Todes der Fu¨rstin (14. Oktober 1243) und dem Aufzeichnungsdatum der Zeugenaussagen (die Anho¨rungen wurden vom 7. November 1262 bis zum 12. August 1264 in Trebnitz und Breslau durchgefu¨hrt). Wenn Adelheid die Frau des uns interessierenden Volkmar war,19 dann muss dieser spa¨testens vor dem August 1264 gestorben sein. Doch wann begann er seine Arbeit als Vogt? Heinrich von Loesch hat darauf hingewiesen, dass das Leben der Hl. Hedwig die Geheilte als eine Person beschreibt, die der
15 Loesch, Zur Fru¨hgeschichte (wie Anm. 14), S. 17; Paul Bretschneider, Der Schilter Henko, in: Zeit-
schrift des Vereins fu¨r Geschichte und Alterthum Schlesiens 73 (1939), S. 87–102, hier S. 101f. Trotzdem hielten auch spa¨ter viele deutsche Historiker dieses Dokument fu¨r glaubwu¨rdig und nahmen die Information u¨ber den Vogt als ersten Vermerk u¨ber die Stadtgru¨ndung, vgl. Quellen zur Schlesischen Handelsgeschichte bis 1525, Bd. 1, Lieferung 1, bearb. v. Marie Scholz-Babisch/Heinrich Wendt, Breslau 1940, Nr. 154; Walter Kuhn, Die deutschrechtlichen Sta¨dte in Schlesien und Polen in der ersten Ha¨lfte des 13. Jahrhunderts. II. Teil, in: Zeitschrift fu¨r Ostforschung 15 (1966), S. 457–510, hier S. 470f., vgl. unten. 16 Schlesisches Urkundenbuch (wie Anm. 5), Nr. 62. 17 Monumenta Lubensia, hg. v. Wilhem Wattenbach, Breslau 1861, S. 48. 18 Vita Sanctae Hedwigis, hg. v. Aleksander Semkowicz, in: Monumenta Poloniae historica, Bd. 4, Lwo´w 1884, S. 501– 642, hier S. 599. 19 Womo¨glich ist von ihr im Nekrolog von Leubus unter dem 24. Juni die Rede: Item ob. Adelheidis civissa Legnic quae comparavit lapidem de sepo annuatim; wie Anm. 17, S. 46. Die Verbuchung von einem Stein Talg wa¨re fu¨r die Witwe des Vogtes umso einfacher gewesen, als diese Art von Einku¨nften aus den Fleischba¨nken zu den Privilegien des Vogtes geho¨rte.
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Fu¨rstin noch zu Lebzeiten nahegestanden habe, mithin in der Zeit vor 1243.20 Vergessen wir jedoch nicht, dass dies in keiner Weise mit der Person und Stellung des Volkmar zusammenha¨ngen musste.21 Am Rande der hier angefu¨hrten Beobachtungen findet sich noch ein weiterer Quellennachweis: In der Liste der Zeugen einer Urkunde Heinrichs III. vom 22. Februar 1255 zur Lokation von Oels findet sich ein Berwig, Vogt von Liegnitz.22 Seine Anwesenheit ko¨nnte also den terminus ante quem des Todes seines Vorga¨ngers Volkmar festlegen. Es sei jedoch hinzugefu¨gt, dass Winfried Irgang diese Frage ku¨rzlich definitiv mit dem Hinweis entschieden hat, dass Berwicus advocatus de Legnicz der Vogt des nicht weit von Oels entfernten Bernstadt (das urspru¨nglich Liegnitz hieß) gewesen sei und nicht der Vogt des außerhalb des Teilfu¨rstentums Heinrichs III. liegenden Liegnitz.23 Die Verneinung einer ‚zivilisatorischen‘ Rolle des polnischen Ritters Radwan, der durch den zweifelsfrei deutschen Volkmar ersetzt wurde,24 und die Verschiebung des Lokationszeitpunktes in die Zeit einer gleich nach dem ‚Ansturm aus dem Osten‘ vermuteten großen deutschen Kolonisation passten ideal zu den Bedu¨rfnissen einer nationalistischen Propaganda und wurden von dieser auch ausgenutzt. 1942 feierte man den 700. Jahrestag der Verleihung deutschen Rechtes in Liegnitz. Theodor Scho¨nborn war bemu¨ht, diesen Jahrestag zu begru¨nden. Nachdem er die oben angefu¨hrten, in ihrer Substanz uneindeutigen Forschungsresultate seiner Vorga¨nger angefu¨hrt hatte, griff er zu Argumenten, die weniger durch Quellen belegt als logisch waren und fu¨r eine Lokation im Jahr 1242 sprechen sollten. Er behauptete, dass nach dem Niederbrennen der offenen Siedlungen von Liegnitz (nur das Piastenschloss blieb erhalten) durch die Mongolen im April 1241 die deutsche Gemeinde (deren Existenz er a priori voraussetzt) nicht lange „ohne Dach u¨ber dem Kopf“ habe bleiben ko¨nnen. Die Art des Wiederaufbaus des Ortes sei durch die parallel in den Nachbarsta¨dten durchgefu¨hrten Lokationen vorgegeben worden, wa¨hrend die vorhandenen Zersto¨rungen mehr denn je eine neue Raumordnung erleichtert ha¨tten. Man sei also im Sommer 1241 an die „Lokations“arbeit gegangen, und die formale Loka¨ bernahme tionsurkunde sei spa¨testens 1242 ausgestellt worden, gleich nach der U einer eigensta¨ndigen Regentschaft im noch vereinten schlesischen Fu¨rstentum durch
20 Wahrscheinlich hat er dies aus den ersten Worten des dort angefu¨hrten Gebetes der Adelheid geschlos-
sen: beate Hedwigis! Tu me dilexisti, dum viveres; wie Anm. 18, S. 599; vgl. Loesch, Zur Fru¨hgeschichte (wie Anm. 14), S. 17. 21 Einmal außer Acht gelassen die Tatsache, dass Hedwig sich nach dem Tode ihres Mannes im Jahr 1238 aus dem o¨ffentlichen Leben zuru¨ckzog und sich beim Kloster Trebnitz niederließ. 22 Schlesisches Urkundenbuch (wie Anm. 5), Nr. 147. 23 Ebd. 24 Den slawischen Namen seines Bruders Radomił hat man mit einer bei der Abschrift des Nekrologs entstandenen Textlu¨cke erkla¨rt – Loesch, Zur Fru¨hgeschichte (wie Anm. 14), S. 17. Dabei darf man auch nicht ignorieren, dass das Namenskriterium eine sehr unzuverla¨ssige Methode zur Bestimmung der Nationalita¨t ist, vgl. Marek Cetwinski, ´ Polak Albert i Niemiec Mroczko. Zarys przemian etnicznych i kulturalnych rycerstwa s´ laskiego ˛ do połowy XIV w. [Der Pole Albert und der Deutsche Mroczko. Abriss der ethnischen und kulturellen Vera¨nderungen des schlesischen Rittertums bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts], in: Polska – Niemcy w s´ redniowieczu, hg. v. Jerzy Strzelczyk, Poznan´ 1986, S. 157–169.
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Bolesław Rogatka25 Die Stadtreform in Liegnitz sei parallel zu der in Breslau durchgefu¨hrt worden (dort im Ma¨rz 1242), der zweiten Hauptstadt des Fu¨rstentums. Eine solche Darstellung des Problems widersprach keiner der bekannten Quellen, mehr noch, sie begru¨ndete am besten die in der Urkunde von 1280 enthaltene Information, dass Liegnitz ab antiquo deutsches Recht besessen habe. Aber es spricht auch keinerlei Beweis fu¨r sie, wenn man nicht das schwache, aus einer eventuellen Bekanntschaft der Adelheid mit der Fu¨rstin Hedwig vor 1243 resultierende Indiz mitrechnen will. Es sei erga¨nzt, dass nach Meinung von Scho¨nborn Liegnitz nicht ga¨nzlich zur „Kolonisationsstadt“ wurde, da die vom Lokator festgelegte Raumordnung an die alten Strukturen der Siedlung angepasst werden musste. Diese ha¨tten sich 1241 folgendermaßen dargestellt: das Piastenschloss als zentraler Punkt, unmittelbar daneben von Su¨dosten die ju¨dische Siedlung, dahinter eine sich bis zur Liebfrauenkirche erstreckende Siedlung, von Su¨dwesten die Siedlung um die Peterskirche und entlang einer dem spa¨teren Verlauf der Goldberger und Marienstraße (ul. Złotoryja/ul. Panny Marii) entsprechenden Verkehrsader sowie eine eventuelle Bebauung an einem parallel verlaufenden Weg – der spa¨teren Haynauer und Burgstraße (ul. Chojnowska/ul. Grodzka) – dazwischen aber ein leerer Platz, um Markt halten zu ko¨nnen. Die Tendenz der polnischen Wissenschaft der Nachkriegszeit, mit Nachdruck zu betonen, wie weit die einheimischen sta¨dtischen Zentren der Vorlokationszeit bereits entwickelt waren, und zugleich den kolonisatorischen Charakter der eigentlichen Lokationsreform zu negieren, hat auch im Falle von Liegnitz ihren Widerhall ¨ berreste einer fru¨hmittelalterlichen Burganlage gefunden. Bis zur Entdeckung der U auf dem Schlossberg (gegen Ende der 1950er Jahre) verfu¨gte man jedoch lediglich u¨ber wenig aussagekra¨ftige Quelleninformationen u¨ber ein seit dem 12. Jahrhundert in Liegnitz existierendes Herrschaftszentrum, einen Markt und einige Kirchen. Es verwundert also nicht, dass die Pionierstudie von Władysław Dziewulski de facto nicht u¨ber einige Korrekturen an den selektiv wiederholten Resultaten der letzten deutschen Forschungen hinausgeht.26 Abgesehen von der uns hier nicht interessierenden (da außerhalb des engeren, ku¨nftigen Stadtgebietes gelegenen) Ansiedlung im Burgbezirk und bei der Grabeskapelle sieht er die a¨lteste vorsta¨dtische Siedlung in der Na¨he der Liebfrauenkirche, wo sich ein fru¨her Markt befunden habe. Ein ju¨ngerer Teil dieser Siedlung, der sich dann zu der Bebauung rund um den spa¨teren Ring entwickelt habe, sei „wahrscheinlich zur Zeit des Schlossausbaus“ rund um das andere Gotteshaus der Vorlokationszeit, die Kirche St. Peter, und einen neuen, gro¨ßeren Markt entstanden.27 Jener Ausbau habe, so legt es die Arbeit von Dziewulski nahe, unter Bolesław dem Langen (letztes Viertel des 12. Jahrhunderts) stattge25 Scho ¨ nborn, Die Stadtwerdung (wie Anm. 13), S. 6. Er meint außerdem, dass der Sohn des Volk-
mar, Nikolaus mindestens 10 Jahre praktische Erfahrung als Mitarbeiter eines Lokators gehabt haben ¨ hnlich datiert die Lokation von mu¨sse, um eine solche Stellung in Bochnia einnehmen zu ko¨nnen. A Liegnitz Karl Joseph Schuchard, Die Stadt Liegnitz, ein deutsches Gemeinwesen bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts, Berlin 1868; vgl. Quellen zur Schlesischen Handelsgeschichte (wie Anm. 15), S. 113f., Nr. 154. 26 Władysław Dziewulski, Legnica [Liegnitz], in: Studia z historii budowy miast polskich. Prace Instytutu Urbanistyki i Architektury 6 (1957) 2 (17), S. 151–174. 27 Ebd., S. 151.
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funden (eben diese Annahme macht den prinzipiellen Unterschied zu den Urteilen der a¨lteren Autoren aus). Im Weiteren folgte Dziewulski jedoch Theodor Scho¨nborn, indem er dessen Ansichten u¨ber die Gestalt von Liegnitz im Jahr 1241 aufnahm und behauptete, dass Bolesław Rogatka den Ort „kurz“ nach der durch den Mongoleneinfall verursachten Katastrophe in deutsches Recht u¨berfu¨hrt habe. „Zu jener Zeit wurde wahrscheinlich das Netz der Straßen und Pla¨tze neu abgesteckt“, wenngleich „die Lokationsstadt ein schon fru¨her besiedeltes, durch das Piastenschloss, die Marien- und Peterskirche markiertes Gebiet einnahm.“28 ´ Neue Vorschla¨ge brachte Jo´zef Kazmierczyk ein, dessen Ausgangspunkt die Resultate der ersten Grabungen im Schlossbezirk und in der Altstadt waren. Mit Ru¨cksicht auf das vorhandene archa¨ologische Material konzentrierte er seine Aufmerksamkeit jedoch vor allem auf die vor dem 12. Jahrhundert entstandene Liegnitzer Burg und den Burgbezirk, also auf das spa¨ter vom Piastenschloss eingenommene Gebiet. Die schon im 12. Jahrhundert jenseits des Burgbezirks existierende Besiedelung bezeichnete er als periphere Streusiedlung. Eine „verdichtete Besiedelung“ habe dort zu Beginn des 13. Jahrhunderts zugleich mit der Errichtung neuer Sakralbauten eingesetzt, d. h. in dem Moment, als Burg und Burgbezirk geschleift wurden.29 Bei letzteren handelt es sich natu¨rlich um die seit 1203 bzw. 1208 in den Quellen erscheinenden Kirchen Unserer Lieben Frau (auch als Marienkirche bezeichnet) und St. Peter, die wahrscheinlich nicht im Zentrum der Siedlung lagen, sondern an deren Peripherie, a¨hnlich wie die aus dem 12. Jahrhundert stammende Grabeskapelle und die Kapelle St. Benedikt. Der zwischen dem a¨ltesten Liegnitzer Gotteshaus St. Benedikt und Laurentius und der offenen Siedlung hergestellte Zusammenhang resultierte daraus, dass man auf dem Gela¨nde der Burg und des Burgbezirks zuna¨chst ¨ berreste dieser Kirche fand.30 Spa¨ter hat man diese Auffassung keine unmittelbaren U verworfen und die romanische Schlosskapelle als unmittelbare Nachfolgerin jenes ¨ hnlich verha¨lt es sich wahrscheinlich mit der Datierung Gotteshauses angesehen.31 A der bereits erwa¨hnten intensivierten Besiedelung in das beginnende 13. Jahrhundert. Wir erinnern uns, dass der erste Punkt, auf den sich diese These stu¨tzt, die Beseitigung der Burg und des Burgbezirks ist – und als deren Konsequenz eine Umsiedlung der Bevo¨lkerung in neue Niederlassungen (die Einwohnerzahl der Burg und des Burgbezirks um das 12. Jahrhundert wird von den Archa¨ologen auf 600–850 Personen gescha¨tzt32). Dies geschah in dem Moment, als der Neubau des Piastenschlosses ¨ bereinstimmung mit ´ begonnen wurde, und diesen Zeitpunkt hat Kazmierzcyk in U der bisherigen Auffassung fu¨r das Ende des 12. oder den Beginn des 13. Jahrhunderts 28 Ebd., Abb. 1. 29 Jo´zef Kazmierczyk, ´ Z badan´ wczesno´sredniowiecznej Legnicy [Aus den Forschungen zum fru¨hmit-
telalterlichen Liegnitz], in: Szkice Legnickie 3 (1966), S. 117–132, hier 127f.
30 Ebd., S. 129. 31 Jerzy Rozpedowski, ´ ˛ Zamek romanski w Legnicy [Die romanische Burg in Liegnitz], in: Szkice Leg-
nickie 6 (1971), S. 5–45, hier 13f.; Czesław Lasota, Legnica we wczesnym s´ redniowieczu [Liegnitz im fru¨hen Mittelalter], Wrocław 1980 (unvero¨ffentlichte Dissertation, Bibliothek des Instituts fu¨r Geschichte der Architektur, Kunst und Technik der Technischen Hochschule Breslau), S. 34 passim, bemerkt sogar Spuren vom Abriss der Burgkapelle. 32 Kazmierczyk, ´ Z badan´ (wie Anm. 29), S. 125.
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angenommen.33 Inzwischen hat man das Errichtungsdatum des imposanten romanischen Palas, der Kapelle und der zwei ma¨chtigen Tu¨rme auf der Grundlage architektonischer Analysen auf die 20er und 30er Jahre des 13. Jahrhunderts festgelegt, als Heinrich der Ba¨rtige auf den Bau einer „Ko¨nigsresidenz“ in Heinrichau verzichtete.34 Der zweite Punkt, auf den sich die These stu¨tzt, ist das Auftauchen beider Altsta¨dter Pfarrkirchen in den Quellen seit dem Beginn des 13. Jahrhunderts. Doch auch hier haben es Ausgrabungsarbeiten ermo¨glicht, die Datierung der Liebfrauenkirche weit ¨ brigen den Vorstellungen deutin das 12. Jahrhundert zuru¨ckzuverlegen,35 was im U scher Historiker seit dem 17. Jahrhundert entspricht. ´ In seinen weiteren Ausfu¨hrungen hat Kazmierczyk es bei der allgemeinen Feststellung belassen, dass das 13. Jahrhundert „eine hohe Dichte an Holzbauten“ und einen „erheblichen Zuwachs an Kulturschichten“ mit sich gebracht habe, und am Ende hat er sich fu¨r eine „spa¨te Lokation“ in der zweiten Ha¨lfte des 13. Jahrhunderts ausgesprochen. Dabei stamme der Schachbrettgrundriss der Stadt jedoch erst vom Ende des 13. Jahrhunderts, da „erhebliche Investitionen in die a¨ltere Raumordnung [...] spa¨te sta¨dtebauliche Vera¨nderungen“ bewirkt ha¨tten.36 Genauere Begru¨ndungen fu¨r diese Feststellungen sind leider nicht vero¨ffentlicht worden. Ausschließlich auf der Grundlage schriftlicher Quellen hat Walter Kuhn die Frage der Lokation von Liegnitz behandelt. Dabei beschra¨nkte er sich de facto auf eine Aufza¨hlung der schon durch Heinrich von Loesch festgehaltenen Hinweise.37 Ein grundlegender Unterschied bestand darin, dass er die Urkunde von 1252 als glaubwu¨rdig anerkannte und folglich den Truchsess Radwan und nach ihm Berwig zu Nachfolgern Volkmars in der Vogtei erhob. Volkmar selbst sei demnach schon tot gewesen, als sein Sohn als Vogt von Bochnia erwa¨hnt wurde (27. Februar 1253). Das Lokationsdatum wurde auf diese Weise auf „vor 1252“ festgelegt, unter dem Vorbehalt, dass die Lokation nicht vor 1242 (Herrschaftsu¨bernahme Bolesławs II.) erfolgt sein ko¨nne.38 Neue Anmerkungen und Hypothesen zu den uns interessierenden Fragen hat Janina Gilewska-Dubis beigetragen. Ihren Ausgangspunkt bildete eine Definition von Liegnitz als bedeutendem Siedlungsmittelpunkt „sta¨dtischen Charakters lange vor seiner Lokation zu deutschem Recht“.39 Im Anschluss an die Feststellungen von ´ Jo´zef Kazmierczyk und Władysław Dziewulski verwies sie auf die Errichtung der beiden Pfarrkirchen Unserer Lieben Frau und St. Peter und Paul als Indiz fu¨r eine sich bereits in der Vorlokationszeit entwickelnde „Stadt“. Erinnert sei an dieser Stelle gleichwohl an die strittige Frage, ob letztere im behandelten Zeitraum tatsa¨chlich
33 Ebd., S. 130f. 34 Rozpedowski, ˛ Zamek (wie Anm. 31), S. 17. 35 Lasota, Legnica (wie Anm. 31), S. 36. 36 Kazmierczyk, ´ Z badan´ (wie Anm. 29), S. 127f., 131. 37 Kuhn, Die deutschrechtlichen Sta¨dte (wie Anm. 15), S. 470f. 38 Walter Kuhn, Die deutschrechtlichen Sta¨dte in Schlesien und Polen in der ersten Ha¨lfte des 13. Jahr-
hunderts. III. Teil, in: Zeitschrift fu¨r Ostforschung 15 (1966), S. 704–743, hier S. 725, 737.
39 Janina Gilewska-Dubis, Poczatki ˛ Legnicy i jej podstawy ustrojowe [Die Anfa¨nge von Liegnitz und
seine Verfassungsgrundlagen], in: Legnica. Monografia historyczna miasta, hg. v. Marian Haisig, Wrocław 1977, S. 26–36, hier S. 32.
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eine Pfarrkirche war. Nach Gilewska-Dubis soll die romanische Liebfrauenkirche zudem konkret im Jahr 1203 entstanden sein,40 was wiederum ein offenkundiger Irrtum ist. Des Weiteren sei diese Kirche im Zusammenhang mit dem in der Na¨he gelegenen a¨ltesten Marktplatz gegru¨ndet worden, was wiederum bloß eine apriori¨ bernahme der Hypothesen ihrer Vorga¨nger darstellt. Potentiell habe in Liegsche U nitz schon Mitte des 12. Jahrhunderts ein Markt existieren ko¨nnen, aber er sei, wie Gilewska-Dubis weiter annimmt, durch die Quellen erst fu¨r das Jahr 1213 belegt.41 Hier sei gleich gekla¨rt, dass es dabei um eine Fa¨lschung geht, die zwar die Jahreszahl 1214 tra¨gt, aber erst um die Mitte des 13. Jahrhunderts ausgefertigt wurde. Die darin erwa¨hnten 1/9 der Einnahmen aus dem Liegnitzer Markt ko¨nnten den Breslauer Pra¨monstratensern zwar tatsa¨chlich verliehen worden sein, aber nur irgendwann zwi¨ berschwemmungsgebiet geleschen 1232 und 1248.42 Der vermeintliche alte, auf U gene Marktplatz habe sich mit der Zeit als zu klein erwiesen und sei durch einen neuen in der Gegend des heutigen Ringes ersetzt worden. Im Zusammenhang mit der Gru¨ndung des neuen Marktes sei wiederum die zweite, seit 1208 belegte Pfarrkirche St. Peter und Paul entstanden. Die hier angefu¨hrten Darlegungen sollen offensichtlich die oben erwa¨hnten Widerspru¨che in der alten Hypothese von Zum Winkel auflo¨sen, ´ die dann zu den Schlussfolgerungen von Kazmierczyk passen wu¨rde, und außerdem, wie die Autorin betont, ko¨nnten sie „die koloniale Theorie von der Entstehung von Liegnitz“ widerlegen.43 Das ist natu¨rlich etwas u¨bertrieben – die „koloniale Theorie“ ko¨nnte nur durch eine ausreichende Zahl von Schriftquellen und Artefakten widerlegt werden, aber nicht durch weitere Hypothesen. Nach Meinung von Gilewska-Dubis besaß Liegnitz als vitales fru¨hmittelalterliches Handelszentrum das Marktrecht, welches es vom Rest des fu¨rstlichen Territoriums separiert habe (sie bezeichnet es sogar als „erstes Stadtrecht“).44 In der Historiografie nimmt man an, dass Verbindungen zwischen Kastellanei (und das war Liegnitz mit Sicherheit), Markt und ius fori existiert haben,45 wenngleich man sich in diesem Fall mit der Festlegung von Details zuru¨ckhalten sollte. Zuna¨chst, so GilewskaDubis, habe es in der weiteren Entwicklung von Liegnitz eine Lokation „zu polnischem Recht“ gegeben. Worauf eine solche Lokation beruhte, wissen wir nicht, aber sie sei durch die bereits erwa¨hnte Urkunde aus dem Jahr 1264 belegt, die mitteile, dass Liegnitz, bevor es zu deutschem Recht gegru¨ndet worden sei, nach polnischem Recht regiert wurde (quod, cum locaremus civitatem nostram Ligniz iure Theutonico, pro
40 A ¨ hnlich Jan Drabina, Miasta s´ laskie ˛ w s´ redniowieczu [Die schlesischen Sta¨dte im Mittelalter], Kato-
wice 1987, S. 217.
41 Gilewska-Dubis, Poczatki ˛ (wie Anm. 39), S. 31. 42 Kodeks dyplomatyczny Sl ´ aska, ˛ Bd. 2 (wie Anm. 11), Nr. 248; zuletzt Marta Młynarska-Kalety-
nowa, Wrocław w XII–XIII wieku. Przemiany społeczne i osadnicze [Breslau im 12.–13. Jahrhundert. Die gesellschaftlichen und siedlungsma¨ßigen Vera¨nderungen], Wrocław 1986, S. 110f. Einige wie etwa Lasota, Legnica (wie Anm. 31), S. 36, stellen generell einen Zusammenhang dieser Erwa¨hnung mit Liegnitz in Frage (das Problem des „zweiten“ Liegnitz, Bernstadt/Bieruto´w). 43 Gilewska-Dubis, Poczatki ˛ (wie Anm. 39), S. 32. 44 Ebd., dort die Darstellung eines solchen Rechtes. 45 Bogucka/Samsonowicz, Dzieje (wie Anm. 1), S. 37.
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iure omni et solutionibus universis, quas ibidem, cum esset Polonica).46 Offensicht¨ berzeugung resultiert, lich haben wir es hier mit einem Irrtum zu tun, der aus der U dass eine gewisse, in der polnischen Historiografie inzwischen aufgegebene Hypo´ these (auf Liegnitz wurde sie von Karol Maleczynski angewandt47) zutreffe, aber nicht aus einer Analyse der konkreten Quelle (wo polnisches Recht einfach nur polnisches Recht ist, und nicht „polnisches Stadtrecht“ oder eine „Lokation zu polnischem Recht“).48 Die Lokation zu Magdeburger Recht, so Gilewska-Dubis weiter, sei eine weitere Entwicklungsphase gewesen, die bedeutete, dass deutsches Recht in Kraft trat (ra¨umliche Vera¨nderungen ha¨tten also nicht stattgefunden?). Hier spricht sie sich fu¨r die Glaubwu¨rdigkeit der Urkunde von 1252 aus (a¨hnlich wie Kuhn, ohne die Fa¨lschungsvorwu¨rfe zu pru¨fen), und in der Folge nimmt sie den Zeitabschnitt zwischen „nach 1242“ und 1252 als den Zeitraum an, in dem die verloren gegangene Lokationsurkunde ausgestellt worden sei.49 Ein ganz wesentliches Problem bleibt jedoch die Frage, warum in einem solchen Fall die Urkunde vom 6. Juli 1264, die die aus der Lokation resultierenden Eigentumsfragen zwischen dem Fu¨rsten und Bischof Thomas I. regelte, von Bolesław Rogatka erst 12 bis 22 Jahre nach dem Eintreten des Problems ausgestellt wurde. Die Erkla¨rung, so die Autorin, sei in den Beziehungen zwischen Bolesław und Thomas zu suchen – von Beginn der Herrschaft des Fu¨rsten bis 1262 habe sich zwischen ihnen ein Kampf um die Immunita¨tsprivilegien der Kir¨ bertrieben vorsichtig in der Formulierung von Schlussfolgerunche hingezogen.50 U gen hat sich wiederum Marta Młynarska-Kaletynowa gezeigt, die die Lokation von Liegnitz auf „vor 1264“ datiert. Sie verknu¨pfte dieses Ereignis mit den um die Mitte des 13. Jahrhunderts in den großen burgsta¨dtischen Zentren durchgefu¨hrten Lokationsaktionen,51 was wohl als Stimme gegen die Hypothese von einer fru¨hen Loka-
46 Schlesisches Urkundenbuch (wie Anm. 5), Nr. 481; Gilewska-Dubis, Poczatki ˛ (wie Anm. 39), S. 32f.
¨ hnlich sah es bei der Lokation von Glogau im Jahr 1253 aus; Schlesisches Urkundenbuch (wie A Anm. 5), Nr. 103. 47 Historia Sl ´ aska ˛ [Geschichte Schlesiens], Bd. 1, T. 1, hg. v. Karol Maleczynski, ´ Wrocław 1960, S. 310f. Die dort pra¨sentierten Ansichten sind als Irrtum zu betrachten. Wenngleich sie in der neueren Literatur keine Beachtung gefunden haben, ist Janina Gilewska-Dubis, Poczatki ˛ Legnicy [Die Anfa¨nge von Liegnitz], in: Ziemia Legnicka. Jednodnio´wka Towarzystwa Przyjacio´ł Nauk w Legnicy z okazji 734 rocznicy bitwy pod Legnica,˛ Legnica o. J., S. 8, bei ihren Hypothesen geblieben. 48 Mit der These von polnischrechtlichen Sta¨dten hat sich abschließend auseinandergesetzt Karol Buczek, Targi i miasta na prawie polskim (okres wczesno´sredniowieczny) [Ma¨rkte und Sta¨dte zu polnischem Recht (Fru¨hmittelalter)], Krako´w 1964; vgl. Kura´s, Przywileje (wie Anm. 1), S. 94–103. 49 Gilewska-Dubis, Poczatki ˛ (wie Anm. 39), S. 33. 50 Ebd., S. 33f. Trotzdem stellte Bolesław Rogatka zwischen 1243 und 1260 zugunsten des Bistums Breslau und des Bischofs Thomas I. ganze 13 Urkunden aus, darunter viele Immunita¨tsverleihungen, vgl. Andrzej Wałko´wski, Dokumenty i kancelaria ksi˛ecia Bolesława II Rogatki [Urkunden und Kanzlei des Fu¨rsten Bolesław II. Rogatla], Zielona Go´ra 1991, S. 19f. 51 Marta Młynarska-Kaletynowa, Rozwo´j sieci miejskiej na Sl ´ asku ˛ na przełomie XII/XIII w. i w XIII w. [Die Entwicklung des Sta¨dtenetzes in Schlesien an der Wende vom 12. zum 13. und im 13. Jahrhundert], in: Kwartalnik Historii Kultury Materialnej 28 (1980), 3, S. 357. Schon fru¨her hat Josef Joachim Menzel, Die schlesischen Lokationsurkunden des 13. Jahrhunderts, Wu¨rzburg 1977, S. 312f. die Urkunde von 1252, wenn auch unter Vorbehalten, als Fa¨lschung des 14. Jahrhunderts bezeichnet.
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´ tion zu werten ist. Das Jahr 1264 wird auch von Krystyna Kaminska als Datum angenommen.52 Eine erneute Rekonstruktion der Entwicklungsetappen des fru¨hmittelalterlichen Liegnitz hat Czesław Lasota im Jahr 1980 gestu¨tzt auf archa¨ologisch-architektonische Forschungsresultate vorgenommen. Wenngleich das zentrale Thema seiner Arbeit (Burg und Burgbezirk) von unseren Interessen abweicht, sind doch einige in ihr enthaltene Feststellungen von grundsa¨tzlicher Bedeutung. Erstens weist Lasota darauf hin, dass sich unter dem heutigen Niveau der Altstadt drei Erhebungen (mit einer relativen Ho¨he von bis zu 2 m) verbergen, auf denen das Schloss und die Kirchen Unserer Lieben Frau und St. Peter und Paul errichtet wurden.53 Wir mo¨chten erga¨nzen, dass deren Standorte durch eben diese Gela¨ndevoraussetzungen determiniert wurden, und nicht durch Faktoren wie etwa die Lage neben den mutmaßlichen Marktpla¨tzen. Die von Lasota auf dem heutigen Schlossgela¨nde durchgefu¨hrten Grabungen haben Spuren einer Burgsiedlung seit dem 8./9. Jahrhundert bis 1220/30 und einer Siedlung in der Na¨he der Liebfrauenkirche aus dem 12. bis in die erste Ha¨lfte des 13. Jahrhunderts nachgewiesen. Rund um die Kirche St. Peter und Paul sind zudem ¨ berreste einer Siedlung entdeckt worden, die in das 12. bis erste Ha¨lfte des 13. JahrU hunderts datiert werden.54 Es la¨sst sich daher nicht beurteilen, ob eine der außerhalb der Burg liegenden Siedlungszonen a¨lter ist als die andere. Dies ist unserer Auffassung nach die zweite grundsa¨tzliche Feststellung. Eine dritte haben die Untersuchungen in den Gottesha¨usern selbst beigetragen. Unter dem Bau der heutigen Marienkirche hat ¨ berreste zweier fru¨herer Kirchen gefunden: einer ersten, aus Sandsteinquadern man U errichteten einschiffigen romanischen Kirche; und einer zweiten aus Ziegeln im so genannten wendischen Verblendverband errichteten Kirche, die mit einem dreischiffigen Korpus und einem verla¨ngerten Presbyterium ausgestattet war.55 Lasota hat das a¨lteste Gotteshaus, gestu¨tzt auf eine Analyse der Bauschmuckelemente (kleine Fries´ arkaden und profilierte Sockelquader), die nach Meinung von Zygmunt Swiechowski fru¨hestens um die Mitte des 12. Jahrhunderts entstanden sein ko¨nnen, auf das 12. Jahrhundert datiert.56 Der Nachfolgebau sei, so Jerzy Rozp˛edowski, bereits an eine Siedlung sta¨dtischen Typs angepasst und stamme, so Teresa Chołubek, die ihn als fru¨hgotische Basilika bezeichnet, aus der ersten Ha¨lfte des 13. Jahrhunderts (wenn man ihre Formulierung von „der Monarchie der schlesischen Heinriche“ wo¨rtlich nimmt, dann la¨sst sich annehmen, dass sie zumindest den Baubeginn in die Zeit vor
52 Krystyna Kaminska, ´ Lokacje miast na prawie magdeburskim na ziemiach polskich do 1370 r. (Studium
historycznoprawne) [Stadtlokationen nach Magdeburger Recht in den polnischen La¨ndern bis 1370 (Eine rechtshistorische Studie)], Torun´ 1990, S. 80 (wo sie auch erkla¨rt, dass die erste Erwa¨hnung eines Stadtrechtes und der Ta¨tigkeit eines Richters aus dem Jahr 1252 stamme), außerdem Tab. 1, Pos. 57. 53 Lasota, Legnica (wie Anm. 31), S. 24. 54 Ebd., S. 5f., 25. 55 Jerzy Rozpedowski, ˛ Ko´scio´ł Mariacki w Legnicy [Die Marienkirche in Liegnitz], in: Szkice Legnickie 8 (1974), S. 229–230, hier S. 230; Teresa Chałubek, Rozwo´j architektoniczny ko´scioła NM Panny w Legnicy [Die architektonische Entwicklung der Kirche Unserer Lieben Frau in Liegnitz], in: Szkice Legnickie 14 (O. J.), S. 17–38, hier S. 20f. 56 Lasota, Legnica (wie Anm. 31), S. 36, 65.
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1241 legt).57 Mo¨glicherweise spiegeln also Entstehung und Umbau der Liebfrauenkirche die Entwicklungsphasen der ihr benachbarten Siedlung wider. Spa¨tere Untersuchungen von Lasota und Rozp˛edowski scheinen die Richtigkeit der a¨lteren Auffassung zu besta¨tigen, dass die Kirche St. Peter und Paul etwas ju¨nger war. Dem heutigen Bau sei ein romanischer Ziegelbau vorausgegangen, der vielleicht in fru¨hgotischer Zeit (!) umgestaltet worden sei. Die Tatsache, dass man nur auf die Apsis und wahrscheinlich die Sakristei gestoßen ist, hat deren Entdecker davon abgehalten, Schlussfolgerungen u¨ber das Aussehen des Gesamtbaus zu ziehen oder diesen mit dem 1208 erwa¨hnten Gotteshaus gleichzusetzen (obwohl dies theoretisch mo¨glich wa¨re).58 Wir mo¨chten jedoch zu den fru¨heren Befunden zuru¨ckkehren. Der Fund von gerade einmal vier Bauteilen in der großen Grabung bei der Kirche St. Peter und Paul sowie deren Anordnung deuten, so Lasota, auf eine periphere Siedlungszone an dieser Stelle hin. Wa¨hrenddessen hat man rund um die Liebfrauenkirche eine intensivere Besiedelung festgestellt, deren Kulturschichten aus dem 12. bis zur ersten Ha¨lfte des 13. Jahrhunderts sogar auf einer ku¨nstlich entstandenen Aufschu¨ttung entstanden sind.59 Dies la¨sst sich als ein Hinweis auf Verteilung und Charakter der Besiedelung lesen. Bei der Marienkirche existierte auch einer der vier fu¨r diese Phase der fru¨hmittelalterlichen Agglomeration belegten Friedho¨fe, wa¨hrend das Fehlen eines solchen (jedenfalls wurde bisher keiner gefunden) an der damaligen Peterskirche (Kapelle?) unserem Empfinden nach besta¨tigt, dass es problematisch ist zu bestimmen, ab wann diese als Pfarrkirche fungierte. Unbekannt ist dagegen – dies mo¨chten wir betonen – wo sich der Markt befand.60 Nach Lasota steht die Region Liegnitz hinsichtlich der gefundenen Silberscha¨tze und Kaufmannsutensilien nach Breslau und Glogau an dritter Stelle in Schlesien. Wenn wir dem noch die gefundenen Gegensta¨nde fremder Herkunft hinzufu¨gen, dann muss Liegnitz schon im 11. Jahrhundert in den Rang eines bedeutenderen Handelszentrums gekommen sein.61 Letzterer Befund erlaubt es, die bisherigen Vorstellungen von der Rolle und Gro¨ße des Liegnitzer Marktes auch weiterhin ernst zu nehmen. Ebenso kann er dazu dienen, Vermutungen u¨ber eine fru¨he Anwesenheit von Handel treibenden „Ga¨sten“ und Juden zu begru¨nden. Die von Lasota wiederholte Einscha¨tzung seiner Vorga¨nger, dass die Kirchen Unserer Lieben Frau und St. Peter und Paul ein unterhalb der Burg gelegenes Siedlungsgebiet markieren, das schon in der zweiten Ha¨lfte des 12. Jahrhunderts seine maximale territoriale Ausdehnung erreichte und es so mo¨glich gemacht habe, „einen bedeutenden Teil des im fru¨hen Mittelalter besiedelten Gela¨ndes innerhalb des Lokationsgrundrisses von Liegnitz“ zu bewirtschaften, schließt er jedoch mit der ehrlichen Feststellung ab, dass wir u¨ber die Bebauung des Burgbezirkes nichts zu sagen 57 Rozpedowski, ˛ Ko´scio´ł Mariacki (wie Anm. 55), S. 230 (ohne Datierung); Chołubek, Rozwo´j (wie
Anm. 55), S. 21.
58 Jerzy Rozpedowski, ´ Piotra i Pawła w Legnicy [Die Peter und Paul-Kirche in Liegnitz], ˛ Ko´scio´ł Sw.
in: Szkice Legnickie 8 (1974), S. 231; Czesław Lasota/Jerzy Rozpedowski, ˛ Badania archeologiczne w ´ Piotra i Pawła w 1989 r. [Archa¨ologische Untersuchungen in der Peter und Paul-Kirche ko´sciele Sw. im Jahr 1989], in: Szkice Legnickie 14 (o. J.), S. 99–102, hier S. 101. 59 Lasota, Legnica (wie Anm. 31), S. 36. 60 Ebd., S. 36f. 61 Ebd., S. 172, 175.
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vermo¨gen, da wir nur Bruchstu¨cke von ihr kennen.62 Zur eigentlichen Lokation bekommen wir ebenso neue, wie inkoha¨rente Hypothesen geliefert. Einerseits na¨mlich fu¨hrt Lasota die Auffassung von einer Lokation im Zeitraum zwischen 1242 und 1252 an, was nahe legt, dass er dieser zustimmt. Andererseits bringt er aber die (in den ´ Arbeiten von Kazmierczyk und Rozp˛edowski postulierte) Umsiedlung der Bewohner der alten Burg an eine andere Stelle der Agglomeration, welche vor 1241 stattgefunden habe, offen „mit der Schaffung eines Lokationsgrundrisses“ in Zusammenhang.63 Mehr noch, diese letztere, ohnehin schon ku¨hne Datierung scheint nur die tatsa¨chliche chronologische Konsequenz der von ihm vorgeschlagenen Ansicht zu verdecken. Vergessen wir nicht, dass eine Aussiedlung der Bewohner von Burg und Burgbezirk gleich zu Beginn der Schlossbauarbeiten erfolgt sein muss (die Ausgrabungen haben gezeigt, dass die alte Bebauung durch eine Bauhu¨ttensiedlung ersetzt wurde). Lasota selbst behauptet, dass der Abriss des Burginneren zwischen 1220 und 1230 stattgefunden habe.64 Wir ha¨tten es hier also mit einer ra¨umlichen Reorganisation zu tun, die viele Jahre vor der Verleihung des deutschen Rechtes durchgefu¨hrt oder zumindest begonnen worden wa¨re (die „ra¨umliche“ Lokation ermo¨glichte eine „rechtliche“)! ¨ berblick u¨ber die Quellen und ihre Interpretationen ko¨nnen Diesem kritischen U wir nicht mehr viel hinzufu¨gen, weder an Urkunden-, noch an zuga¨nglichem Ausgrabungsmaterial. Die archa¨ologischen Untersuchungen des Altstadtgebiets in Liegnitz waren in erster Linie Notgrabungen und besaßen also zufa¨lligen und fragmentarischen Charakter.65 Daru¨ber hinaus mangelt es spu¨rbar an Bearbeitungen des entdeckten spa¨tmittelalterlichen Materials und an einer zusammenfassenden Analyse der vorhandenen architektonischen und archa¨ologischen Daten zur sta¨dtischen Raumentwicklung u¨ber das gesamte Mittelalter hinweg. Es la¨sst sich sogar sagen, dass diese Situation in deutlichem Kontrast zur Zahl und Qualita¨t der Arbeiten steht, die basie¨ berresten der Burg und des inzwischen beru¨hmten romanischen Piasrend auf den U tenschlosses entstanden sind. ´ In dieser Situation hat die 1966 publizierte Ansicht von Kazmierczyk nicht an Aktualita¨t verloren, dass eine Verleihung des deutschen Rechtes im Jahr 1252 „keinen sta¨rkeren Widerhall im archa¨ologischen Material gefunden hat“.66 Fu¨r die Anha¨nger der einen Hypothese wird dies ein Signal sein, dass es damals keine Lokation gegeben hat; fu¨r die Anderen, dass die archa¨ologischen Artefakte zu diesem Thema nichts auszusagen vermo¨gen. In dem uns interessierenden Bereich begann man erst zu Beginn der 1960er Jahre mit Ausgrabungsarbeiten, die vor der Errichtung neuer Bauten an Stelle der abgetragenen Ruinen des historischen Zentrums von Liegnitz durchgefu¨hrt wurden. Neben den hier besprochenen Untersuchungen zu den Kir-
62 Ebd., S. 35–37, 63. 63 Ebd., S. 37f. An anderer Stelle (S. 2) behauptet er, dass die ra¨umliche und wirtschaftliche Reorganisation
von Liegnitz in der ersten Ha¨lfte des 13. Jahrhunderts eingesetzt habe. 64 Ebd., S. 61. 65 Eine knappe Zusammenfassung der archa¨ologischen Arbeiten in Liegnitz entha¨lt ein unvero¨ffentlich-
ter Artikel von Stanisław Firszt, den die Redaktion der Zeitschrift Silesia Antiqua besitzt. 66 Kazmierczyk, ´ Z badan´ (wie Anm. 29), S. 132.
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¨ berreste der mittelalterlichen hatten nur einige davon den beabsichtigten Effekt, U chen Bebauung aufzudecken. Wir mo¨chten hier sowohl die in den Studien der bereits genannten Autoren benutzten Funde und Befunde anfu¨hren, als auch die neuesten ´ aus den 1980er Jahren. Grzegorz Domanski ist bei Ausgrabungen im geschlosse´ nen Block zwischen den heutigen Straßen ul. Rosenbergo´w – Srodkowa – Rynek – Paderewskiego auf Spuren von drei unterschiedlichen Phasen ho¨lzerner Bebauung gestoßen. Phase I (Schicht A) bestimmte er als Wirtschafts- und Sanita¨rgeba¨ude des 14.–17. Jahrhunderts, wahrscheinlich ru¨ckwa¨rtige Geba¨ude steinerner Wohnbauten. Phase II (Schichten B und C) sah er als Wirtschafts- und Wohngeba¨ude des 13. und 14. Jahrhunderts; die a¨lteste Phase III (Schicht D) deutete er als ein Wohngeba¨ude und eine Umza¨unung aus dem 12. Jahrhundert. Die auf der Grundlage dieses Materials ´ entdeckte permanente Siedlung des 12. Jahrhunderts definierte Domanski als offen und peripher, diejenige aus dem 13. Jahrhundert dagegen als sta¨dtisch.67 Erga¨nzend la¨sst sich fu¨r das 14. Jahrhundert eine Verlegung der Wohngeba¨ude aus der Tiefe der Parzellen (?) an deren Front feststellen. Basierend auf Untersuchungen an der Grabungsstelle beim Kaufhaus in der Na¨he der Liebfrauenkirche (zwischen den heuti´ gen Straßen ul. Srodkowa, Szpitalna und Rosenbergo´w) hat Lasota fu¨r das 12. Jahrhundert eine Siedlung offenen Typs festgestellt. „Die unter der a¨ltesten Schicht liegende, 1,27 m ma¨chtige Aufschu¨ttung ist ein Ausdruck ihrer intensiven Entwicklung, die schon damals dazu zwang, von Natur aus ungu¨nstiges Gela¨nde zu besiedeln und dafu¨r erhebliche Mu¨hen zu investieren“.68 Eine Grabung an der Su¨dseite der heutigen ¨ berschwemmungsgebiet ul. Rosenbergo´w (fru¨her Liebfrauenstraße), also in der als U ausgewiesenen Gegend des Mu¨hlgrabens (Młyno´wka), hat Stanisław Firszt die Feststellung erlaubt, dass dieser Straßenzug schon in der Vorlokationszeit bewohnt und dicht bebaut gewesen sei. Je na¨her am Mu¨hlgraben (den Dziewulski als urspru¨ngliche Stadtgrenze annimmt), desto ju¨nger und du¨nner wird die Bebauung – die Mehrzahl der dortigen historischen Bauten stammt aus dem spa¨teren Mittelalter. Firszt hat in 17 ku¨nstlichen Schichten graben lassen und konnte dabei Holzkonstruktionen auf acht Niveaus unterscheiden. Eine steinerne Bebauung reichte u¨ber 7 Schichten aus dem 14. Jahrhundert, fu¨r das außerdem ein weiteres Niveau mit einem ho¨lzernen Bohlenweg nachgewiesen wurde. Niveau I der Holzkonstruktionen (Schichten 8–9) bestand aus einem Bohlenweg, dessen Verlauf der heutigen ul. Naj´swi˛etszej Marii Panny entsprach. Niveau II (Schichten 10–11) enthielt Fragmente einer Bebauung parallel zum „alten Straßenverlauf“, Niveau III (Schicht 12) ein Wohngeba¨ude, Niveau IV (Schicht 13) ein Geba¨ude, eine Grube und Spuren einer Schuhmacherwerkstatt, auf dem Niveau V (Schicht 14) fehlten jegliche Konstruktionen, auf dem Niveau VI (Schicht 15) fanden sich Ha¨user mit Flechtwerkkonstruktion, auf dem Niveau VII (Schicht 16) ein Haus mit Kammkonstruktion und einer Ein-
67 Grzegorz Domanski, ´ Z badan´ archeologicznych Legnicy – miasta [Aus den archa¨ologischen For-
schungen von Liegnitz-Stadt], in: Szkice Legnickie 2 (1965), S. 123–135, hier S. 126, 134. 68 Czesław Lasota, Sprawozdania z badan´ wykopaliskowych w Legnicy w 1973 r. [Bericht u¨ber die Aus-
´ askie grabungen in Liegnitz im Jahr 1973], in: Sl ˛ Sprawozdania Archeologiczne 16 (1974), S. 62–65, hier S. 64.
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friedung, und schließlich auf dem Niveau VIII (Schicht 17) Pfahl- und Flechtwerkkonstruktionen auf einem bisher nicht bewohnten Gela¨nde sowie Geschirrfragmente aus dem 11. Jahrhundert. Die fu¨r uns wichtigsten Niveaus I–VII datierte Firszt leider nur allgemein auf das 12.–13. Jahrhundert (Niveau I datiert er inzwischen auf das 13./14. Jahrhundert).69 Wie bereits erwa¨hnt waren nicht alle Forschungen und Untersuchungen gleichermaßen erfolgreich. Bei einer Grabung an der Su¨dseite der heutigen ul. Chojnowska, an ihrer Einmu¨ndung in den Rynek (Ring) ist man z. B. nur auf eine Freifla¨che zwischen Wohn- oder Wirtschaftsgeba¨uden gestoßen, die zur Entsorgung von Abfa¨llen genutzt wurde (14.–Anfang 15. Jahrhundert).70 Am einstigen Standort des Dominikanerklosters hat man statt der erwarteten Relikte der Heiligkreuzkirche Fragmente eines zur Liebfrauenkirche geho¨renden Friedhofes aus dem 15.–16. Jahrhundert und neuzeitliche Mauern gefunden.71 Aus Mitteilungen von Andrzej Kudła geht hervor, dass er fast ausschließlich Relikte alter Wasserleitungen entdeckt hat: an der ul. Młynarska Endstu¨cke ho¨lzerner Rohre, Keramik aus dem 13.–14. Jahrhundert und Brocken von Glas- und Eisenschlacke (!); neben der Kirche St. Peter und Paul Tonro¨hren vom Anfang des 14. Jahrhunderts; und an vier weiteren Standorten verschiedene Arten von Wasserleitungen vom 14. Jahrhundert bis hinein in die Neu˙ Luksemburg und Murarska ist zeit.72 Zwischen den Straßen ul. Partyzanto´w, Ro´zy man auf eine lockere ho¨lzerne Bebauung aus dem 14.–15. Jahrhundert gestoßen.73 Zweifelsohne frappierend ist die Tatsache, dass man nur aus einem Teil der Stadt, na¨mlich aus dem Bezirk zwischen den beiden historischen Pfarrkirchen, wirklich ¨ brigen auch am intensivsten wertvolles Material gewinnen konnte (dort hat man im U gesucht). Obwohl die Lokation von Liegnitz sowie dessen Bedeutung im fru¨hen Mittelalter außer Frage stehen, la¨sst sich der signifikante Mangel an Schriftquellen des 13. Jahrhunderts u¨ber das Leben in der Stadt nicht leugnen. Sie tauchen praktisch erst im letzten Viertel des 13. Jahrhunderts auf, und in gro¨ßerer, den anderen fu¨hrenden Orten 69 Stanisław Firszt, Wst˛epne wyniki ratownicze badan´ archeologicznych przeprowadzonych w 1985
r. na ul. Rosenbergo´w w Legnicy [Erste Ergebnisse der 1985 in der ul. Rosenbergo´w in Liegnitz ´ askie durchgefu¨hrten Rettungsgrabungen], in: Sl ˛ Sprawozdania Archeologiczne 28 (1989), S. 64–67, hier S. 64, 66; ders., Wybrane zagadnienia z badan´ archeologicznych przeprowadzonych w 1986 r. przy ul. Rosenbergo´w w Legnicy [Ausgewa¨hlte Fragen der im Jahr 1986 in der ul. Rosenbergo´w in ´ askie Liegnitz durchgefu¨hrten archa¨ologischen Untersuchungen], in: Sl ˛ Sprawozdania Archeologiczne 29 (1989), S. 99–103, hier S. 99. 70 Zbigniew Trudzik, Ratownicze badania wykopaliskowe w Legnicy przy ul. Chojnowskiej [Rettungsgrabungen in Liegnitz an der ul. Chojnowska], in: Informator konserwatora zabytko´w archeologicznych na wojewo´dztwo wrocławskie 1965, Wrocław 1965, S. 75–77, hier S. 75–77. 71 Stanisław Firszt, Wyniki badan´ wykopaliskowych przeprowadzonych w piwnicy I Liceum Ogo´lnokształcacego ˛ w Legnicy [Ergebnisse der im Keller des Ersten Allgemeinbildenden Lyzeums in Liegnitz durchgefu¨hrten Ausgrabungen], in: Informator Okr˛egowego Muzeum Miedzi w Legnicy 1983/1, S. 8. 72 Andrzej Kudła, Legnica ul. Młynarska [Liegnitz Mu¨hlstraße], in: Informator Archeologiczny. Badania 1970 r., Warszawa 1971, S. 237; ders., Legnica [Liegnitz], in: Informator Archeologiczny. Badania rok 1973, Warszawa 1974, S. 255. 73 Krystyna Jacyk, Sprawozdanie Działu Archeologii Okr˛egowego Muzeum Miedzi za rok 1986 [Bericht der archa¨ologischen Abteilung des Gebietsmuseums Miedz fu¨r das Jahr 1986], in: Silesia Antiqua 30 (1988), S. 174–177, hier S. 174; vgl. auch weitere Berichte dieses Museums.
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Schlesiens vergleichbarer Ha¨ufigkeit erst im zweiten Jahrzehnt des folgenden Jahrhunderts. Dies la¨sst sich entweder mit der Zersto¨rung des Rathausarchivs bei einem Feuer im Jahr 1338 erkla¨ren; vielleicht gab es aber auch eine Krise, die die Umsetzung der sich aus einer Lokationsreform ergebenden Vera¨nderungen blockiert hatte.74 Zwischen den indirekten oder auch strittigen Erwa¨hnungen einer Vogtei von etwa der Mitte des 13. Jahrhunderts und den nachfolgenden aus dem Jahr 1280 liegen 30 ¨ berlieferungen zu verschiedenen Liegnitzer Bu¨rgern. Jahre. Dasselbe gilt fu¨r die U Wenn es nicht die Nennung des Nikolaus, Sohn des Volkmar, in jener kleinpolnischen Urkunde aus dem Jahr 1253 ga¨be, wa¨ren die ersten uns bekannten Bu¨rger dieser Stadt die Zeugen der Urkunde aus dem Jahr 1280 u¨ber den Verkauf der Vogtei.75 Auch von diesen wissen wir nicht, ob sie dort kraft eines Amtes (etwa als Scho¨ffen) in Erscheinung traten,76 oder nur aus einer informellen Position innerhalb der Gemeinde heraus. Die Gemeinde als eigensta¨ndiges, wenngleich nicht direkt benanntes Rechtssubjekt tritt erst unter dem 11.–16. Juli 1281 auf, als Henryk V. den Bu¨rgern (cives) von Liegnitz ein Feld als Viehweide verkaufte.77 Wir du¨rfen jedoch nicht vergessen, dass Lokationen erst in der zweiten Ha¨lfte des 13. Jahrhunderts automatisch mit einer Zuerkennung von Autonomie (insbesondere auf dem Gebiet der Gerichtsbarkeit) verknu¨pft wurden.78 Bei einer fru¨hen (?) Lokation war es also normal, wenn anfa¨nglich eine solche Autonomie fehlte. Ein Beleg fu¨r eine auf Lokation gegru¨ndete „Urbanita¨t“ kann auch das Vorhandensein privilegierter Handels- und Dienstleistungseinrichtungen sein. Wie bereits erwa¨hnt, ist in der kontroversen Urkunde von 1252 und dann 28 Jahre spa¨ter in der analogen Urkunde von 1280 von solchen die Rede. Die letztere Urkunde nennt als vermutlich vorhanden: einen Schlachthof, ein Badehaus und Fleischba¨nke – aus diesen stammen die pra¨zise festgelegten Einku¨nfte der Vogtei. Eine vollsta¨ndigere Liste, die einen Schlachthof, Verkaufssta¨nde fu¨r Brot, Fleisch und Schuhe, Ba¨der, La¨den, „Ladenkammern“ und „andere“ umfasst, wird dagegen im Absatz zur Gerichtsbarkeit und den nicht na¨her bestimmten Einku¨nften aus Einrichtungen, die die Vo¨gte in Zukunft gru¨nden ko¨nnen, genannt.79 Sollte also eine Bewirtschaftung des Marktplatzes am Ring (mit Tuchhalle, La¨den und Verkaufssta¨nden fu¨r Schuhmacher und Ba¨cker) so verzo¨gert im Verha¨ltnis zur Lokation stattgefunden haben? Es sei erga¨nzt, dass weitere Erwa¨hnungen solcher Einrichtungen erst vom Anfang des 14. Jahrhunderts stammen und dann im zweiten Jahrzehnt desselben ha¨ufiger werden.80 Ein wei-
74 Drabina, Miasta (wie Anm. 40), S. 219–221, vermutet etwa eine „dunkle Zeit“ im Leben der Stadt wa¨h-
rend der Regentschaft des Bolesław Rogatka (1248–1278) im Schloss.
75 Iohannes de Woizechisdorfh, Ludwicus de Giten, Ludwicus de Rademinz, Bertoldus Kleinkoufh,
Kunradus de Alzena; Schlesisches Urkundenbuch (wie Anm. 7), Nr. 394. 76 Die Liegnitzer Scho¨ffenbank ist erstmals fu¨r den 16. Juni 1306 in den Quellen belegt, also spa¨ter als der
Rat, der fu¨r den 10. August 1301 begegnet; Regesten zur schlesischen Geschichte (Codex Diplomaticus Silesiae, Bd. 16), hg. v. Colmar Gru¨nhagen/C. Wuttke, Breslau 1892, Nr. 2656, 2896. 77 Schlesisches Urkundenbuch (wie Anm. 7), Nr. 421. 78 Zientara, Heinrich der Ba¨rtige (wie Anm. 4), S. 145f. 79 Schlesisches Urkundenbuch (wie Anm. 7), Nr. 394. 80 Regesten (wie Anm. 76), Nr. 2653, 2896, 3238, 3245, 3251, 3306, 3379, 3509; Bd. 18, Breslau 1898, Nr. 3575, 3696, 3723, 3724, 3769 etc.
Die Kontroverse um die Lokation von Liegnitz
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teres Zeichen von Autonomie, wenngleich nicht in jeder Stadt, waren Befestigungsmauern. Auch diese sollten in Liegnitz relativ spa¨t entstehen. Diese Frage ist als noch ungenu¨gend erforscht zu betrachten, aber man nimmt an, dass mit der Errichtung der Stadtmauern nicht vor 1281 begonnen wurde, und das ihr Bau im ersten Viertel des 14. Jahrhunderts noch andauerte.81 ¨ hnlich wie das Problem der Lokation oder der Stadtmauern stellt sich auch die A Frage nach der Ankunft der „Bettelorden“ und der von ihnen in Liegnitz eingenommenen Objekte als nicht endgu¨ltig gekla¨rt dar. Dies ist fu¨r uns insofern von Bedeutung, als wir die Existenz eines Klosters eines solchen Ordens als eine Besta¨tigung fu¨r den sta¨dtischen Charakter einer Ortschaft ansehen. Auf jeden Fall soll Bolesław II. Rogatka 1277 das Dominikanerkloster und dessen Heiligkreuzkirche gestiftet haben, um dort ein Jahr spa¨ter den Ort seiner ewigen Ruhe zu finden. Die Franziskaner erhielten die Parzelle zum Bau ihres Klosters (und eventuell der Kirche Johannes des Ta¨ufers) erst 1284 von Heinrich V. dem Dicken.82 Zugegebenermaßen korrelieren beide Daten seltsam gut mit den oben aufgeworfenen Fragen. Wenn wir allen bisherigen Ausfu¨hrungen noch die Polemik hinzufu¨gen, die sich ˙ in den letzten Jahren zwischen Winfried Irgang und Ro´scisław Zerelik um die geradezu grundsa¨tzliche Frage nach der Authentizita¨t und Glaubwu¨rdigkeit der Urkunde aus dem Jahr 1252 entfaltet hat,83 dann ko¨nnte sich erweisen, dass wir nach vielen Jahren der Forschung nahezu am selben Punkt stehen wie zu deren Anfang. Wir mo¨chten hinzufu¨gen, dass dies eine gewisse Berechtigung besa¨ße, denn die Frage der Lokation anderer niederschlesischer Sta¨dte derselben Gro¨ßenordnung (Schweidnitz, Glogau) ist a¨hnlich umstritten. Die Frage nach der Authentizita¨t der schon vielfach erwa¨hnten Urkunde des Bolesław Rogatka aus dem Jahr 1252 ist fu¨r das Thema der Stadtlokation von Liegnitz insofern von erstrangiger Bedeutung, als diese in den Schriftquellen die erste indirekte Information u¨ber eine Lokation der Stadt liefert. Die eigentliche Tatsache einer Lokation scheint unterdessen außer Zweifel zu stehen, denn sie wird durch zwei voneinander unabha¨ngige Quellen besta¨tigt, die Liegnitz als Stadt bzw. einen Liegnitzer Bu¨rger erwa¨hnen.84 Die erste davon haben wir bereits erwa¨hnt: Am 27. Februar 81 Zum Winkel, Die Stadt Liegnitz (wie Anm. 8), S. 66f.; Marian Haisig, Zabudowa miasta. Jego fortyfi-
kacje i obronno´sc´ [Die Bebauung der Stadt. Ihre Fortifikations- und Befestigungsanlagen], in: Legnica (wie Anm. 39), S. 50–52, hier S. 51. Die erste Erwa¨hnung von Stadtmauern am Katzbach stammt aus dem Jahr 1312, des Glogauer Tors von 1313 und des Haynauer Tors von 1315; Regesten (wie Anm. 76), Nr. 3306, 3359, 3524. 82 Tadeusz Guminski, ´ Bracia mniejsi w Legnicy (1284–1947) [Die Minoriten in Liegnitz], in: Szkice Legnickie 14 (o. J.), S. 73–86, hier S. 75f., dort weitere Literatur. 83 Ro´scsław Zerelik, ˙ Uwagi nad najnowszymi edycjami kodekso´w s´ laskich ˛ [Bemerkungen zu neuesten Editionen schlesischer Urkundenbu¨cher], in: Sobo´tka 41 (1986), 1, S. 117–127, hier S. 123, und die Erwiderung von Winfried Irgang, Vom sorgsamen Umgang mit den Quellen. Zur Frage der Echtheit einiger schlesischer Urkunden des 13. Jahrhunderts, in: Zeitschrift fu¨r Ostforschung 37 (1988), S. 361–363. Wałko´wski, Dokumenty (wie Anm. 50), S. 8f., hat dem nichts Neues hinzugefu¨gt. 84 Trotz der Einwa¨nde von Kaminska, ´ Lokacje (wie Anm. 52), S. 16, dass die Bezeichnung civitas im 13. Jahrhundert ebenso eine Burgsiedlung oder kirchliche Niederlassung bezeichnen konnte, und erst ab dem Beginn des 14. Jahrhunderts mit Sicherheit eine deutschrechtliche Stadt meinte (dabei beruft sie sich auf Kura´s, Przywileje [wie Anm. 1], S. 103, der aber von civitas in Gegenu¨berstellung zur vermeintlichen polnischrechtlichen Stadt spricht).
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1253 erlaubte der Krakauer Fu¨rst Bolesław Wstydliwy vier Lokatoren nach Breslauer Vorbild eine Lokation von Bochnia zu deutschem Recht. Unter ihnen war ein Nicolaus filius Volkmari quondam civis de Legnicz.85 In der zweiten Urkunde vom 28. Oktober 1255 u¨bertrug Bolesław Rogatka den Bru¨dern Siegfried und Ernst das Dorf Kroitsch sitam super civitatem Legnicz in fluvio Kazbach.86 Diese in Liegnitz ausgestellte Urkunde wurde von einem dominus Henricus advocatus dictus de Ronowe beglaubigt. Dabei handelt es sich ho¨chstwahrscheinlich, wenn nicht sicher, um den Vogt von Liegnitz.87 Die Urkunde fu¨r Radwan aus dem Jahr 1252 ist im Original bzw. dem vermeintlichen Original nicht erhalten.88 Bis in unsere Zeit hat sie in einem Transsumpt der Liegnitzer Fu¨rstin Elisabeth vom 9. Februar 1442 u¨berdauert, das bis heute im Staatsarchiv Liegnitz im Aktenbestand der Stadt aufbewahrt wird. Es wurde nicht vom Original transsumiert, sondern von einer Eintragung in einem fu¨rstlichen Kanzleibuch (cancellarie ducatus Legnicensis registrum). Dies ko¨nnte beweisen, dass die Urkunde schon vor 1442 verloren gegangen ist, ihr Inhalt aber in einem Kanzleiregister des Fu¨rstentums Liegnitz u¨berdauert hat. Dieses Register kennen wir nicht. Ebenfalls unbekannt sind die Umsta¨nde, unter denen die Urkunde in das Register aufgenommen wurde, bei dem es sich wahrscheinlich um ein ‚Confirmationsbuch‘ gehandelt hat. Solche Bu¨cher kommen in Schlesien seit der Mitte des 14. Jahrhunderts vor (Breslau, Oels nach 1374). Daher ko¨nnte die Urkunde fu¨r Radwan in der zweiten Ha¨lfte des 14. Jahrhunderts in das Kanzleiregister eingetragen worden sein.89 Das Fehlen des (vermeintlichen) Originals macht es unmo¨glich, die a¨ußeren Merkmale des Schriftstu¨ckes wie Schrift, Pergament oder Siegel zu begutachten. Es bleibt also nur eine Inhaltsanalyse des Privilegs fu¨r den Truchsess Radwan. In dieser Urkunde verlieh der schlesische Fu¨rst Bolesław dem Liegnitzer Truchsess Radwan die Vogtei (iudicium) in Liegnitz und 100 Flurstu¨cke rund um die als civitas bezeichnete Stadt, einen Hof in der Stadt, ein Drittel der Einku¨nfte aus der sta¨dtischen Gerichtsbarkeit, je eine halbe Silbermark bei Appellationen an das fu¨rstliche Hofgericht, von jedem Pferd einen Vierdung (d. h. etwa 1/4 Silbermark), von jedem Erbfall einen halben Vierdung, zwei Badeha¨user, einen Schlachthof, vier Flurstu¨cke zum Vorwerk, 19 zinsbare Flurstu¨cke sowie 65 Silbermark Zins aus Kammern und La¨den der Kra¨mer sowie aus den Verkaufssta¨nden der Ba¨cker, Fleischer und Schuhmacher. Alles dies erhielt er als Lehen (ius et titulo pheodali), ganz wie andere Feudalherren (pheodales) auch. Wenn jemand in der Stadt einen Schlachthof oder ein Badehaus ha¨tte errichten wollen, dann ha¨tte er die Zustimmung von Radwan einholen
85 Schlesisches Urkundenbuch (wie Anm. 5), Nr. 62. 86 Ebd., Nr. 161. 87 Dies vermutet auch Winfried Irgang in Schlesisches Urkundenbuch (wie Anm. 5), S. 424. 88 Es ist vielfach publiziert worden, zuletzt in Schlesisches Urkundenbuch (wie Anm. 5), Nr. 563). 89 Nach Auffassung von Irgang, Vom sorgsamen Umgang (wie Anm. 83), S. 363, wurde die Urkunde
wahrscheinlich gefa¨lscht, nachdem die Stadt die Vogtei fu¨r sich und fu¨r das Liegnitzer Land erhalten hatte (1351–1373). Und wenngleich er den Fa¨lscher der Urkunde nicht benennt, legt uns diese Information nahe, ihn im Umfeld der Liegnitzer Stadtoberen zu sehen und die Vorbilder fu¨r die Fa¨lschung im sta¨dtischen Archiv zu suchen.
Die Kontroverse um die Lokation von Liegnitz
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mu¨ssen. Bei einer Vergro¨ßerung der Stadt Liegnitz sollte der jeweilige Vogt (also nicht notwendigerweise Radwan) zehn Ho¨fe erhalten, die a¨hnlich wie die anderen Pfru¨nde des Vogtes von der sta¨dtischen Gerichtsbarkeit ausgenommen sein sollten. Schließlich erhielten Radwan bzw. seine Nachfolger die Obergerichtsbarkeit (ius supremum scilicet super collum et manus iudicare) und sollten selbst allein dem Fu¨rsten unterstehen. Als Zeugen traten die folgenden Personen auf: palatinus Iko, Budziwoj, iudex Czesław, Jan Torigia, Enymerus, magister Nikolaus, P˛ecien der Ka¨mmerer und Polonus mit seinen Bru¨dern. ¨ ber die Befugnisse des Liegnitzer Vogtes erfahren wir auch aus der auf den U 25.–30. Juni 1280 datierten Urkunde, mit welcher der Liegnitzer Fu¨rst Heinrich V. der Dicke den Bu¨rgern von Jauer Friedrich und Hellenbold die Erbvogtei samt ihren Pfru¨nden verkaufte.90 Zu diesen geho¨rten: Jeder dritte Denar aus der Gerichtsbarkeit, ein Vorwerk von vier Flurstu¨cken, ein Wohnhof in Liegnitz, 8 1/2 Flurstu¨cke, ein Schlachthof, 55 Stein Talg von den Fleischba¨nken, ein sta¨dtisches Badehaus mit 10 Silbermark Einku¨nften, daru¨ber hinaus 1/2 Pfund Silber. Sollten Friedrich und Hellenbold in Zukunft in Liegnitz einen zur Vogtei geho¨renden Schlachthof, Verkaufssta¨nde fu¨r Fleischer, Ba¨cker oder Schuhmacher, Badeha¨user oder Kaufmannsla¨den und -kammern errichten wollen, dann sollten sie die Zustimmung des Fu¨rsten einholen. Bei einem Ausbau von Liegnitz sollten sie 10 Ho¨fe erhalten. Daru¨ber hinaus bekamen sie die volle Gerichtsbarkeit u¨ber 100 Flurstu¨cke, die seit der Lokation zur Vogtei geho¨rten. Auch konnten sie fu¨r eigenes Geld kaufen, was einstmals zur Vogtei geho¨rt hatte. Der Landrichter durfte die Vo¨gte nicht behindern; er konnte drei Gerichtssitzungen abhalten, die u¨brige Gerichtsbarkeit unterstand den Vo¨gten, die Halsgerichtsbarkeit aber dem Landrichter. Alle diese Befugnisse besaßen die Vo¨gte auf Grundlage des Magdeburger Rechtes, das der Stadt bei ihrer Lokation verliehen worden sei. Sowohl die Vo¨gte, als auch ihre Nachfolger durften die Erbvogtei zum Lehen geben, verkaufen oder tauschen. ¨ hnlichkeiten zwischen beiden Urkunden existieren doch ziemlich Trotz vieler A gewichtige Unterschiede: die Einku¨nfte aus Appellationsfa¨llen, von Pferden und Erbfa¨llen, die gro¨ßere Zahl von Flurstu¨cken, die Einku¨nfte aus La¨den und Fleischba¨nken, der Besitz der Vogtei zu Lehen und die ho¨here Gerichtsbarkeit. Diejenigen Historiker, die die Urkunde von 1252 fu¨r eine Fa¨lschung halten (Heinrich von Loesch, Winfried Irgang), meinen, dass das Schriftstu¨ck von 1280 als Vorbild fu¨r die Anfertigung des vermeintlichen Originals fu¨r den Truchsess Radwan gedient habe und dabei um die oben angefu¨hrten Unterschiede erga¨nzt worden sei. Fu¨r die Authentizita¨t der Urkunde von 1252 ist die Analyse der darin auftretenden Personen von großer Bedeutung. Keine von diesen tritt in der im Liegnitzer Stadtarchiv aufbewahrten und uns bis heute bekannten Urkunde von 1280 auf. Nach Ansicht von Winfried Irgang tritt die Mehrheit von ihnen um 1265 in Erscheinung. Drei von ihnen, na¨mlich Jan Torigia, Enymerus und Polonus sind nur aus die¨ brigen treten ziemlich ha¨ufig in den Quellen sem einen Schriftstu¨ck bekannt. Die U
90 Schlesisches Urkundenbuch (wie Anm. 7), Nr. 394. Dieses Dokument wurde bis zum Krieg im Stadt-
archiv von Liegnitz aufbewahrt. Es wurde ebenfalls am 9. Februar 1442 von Fu¨rstin Elisabeth besta¨tigt.
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auf. Der Adressat der Urkunde ist der Truchsess Radwan, der in schlesischen Quellen (abgesehen von unserer) seit 1261 als Zeuge ohne Amt91 und zwischen 1265 und 1272 als Untertruchsess auftritt.92 Danach verschwindet er aus den Quellen. Wir treffen ihn auch in einer Urkunde vom 7. Dezember 1259, die Irgang als nicht authentisch ansieht. Es ist also zu pru¨fen, ob es mo¨glich war, dass Radwan 1252 das Amt des Truchsess’ ausgeu¨bt hat. Die Quellen sind in dieser Hinsicht leider außergewo¨hnlich du¨rftig. Sie erwa¨hnen lediglich drei Personen dieses Amtes: Radwan, Przybko (1263) und Bertold von Bohrau (1290–1294).93 Der Liegnitzer Truchsess (Untertruchsess) Przybko tritt in den Jahren 1261–1263 als Zeuge auf und ist wahrscheinlich mit dem Zeugen ohne Amt Przybko, genannt Sisnaua identisch, der in einem von Irgang ebenfalls als Fa¨lschung angesehenen Schriftstu¨ck vom 10. August 1255 auftritt.94 Seiner Meinung nach ist es ganz und gar unwahrscheinlich, dass Radwan 1252 der Truchsess von Liegnitz gewesen sein kann, da dieses Amt danach verschwand und erst um 1266 wieder eingefu¨hrt wurde. Diese Argumentation schließt jedoch nicht eindeutig die Mo¨glichkeit aus, dass Radwan das Amt des Truchsess ausgeu¨bt haben ko¨nnte. Der erste Zeuge, der palatinus Iko Mironowic, tritt in schlesischen Quellen zwischen 1247 und 1278 auf.95 1256 war er Ka¨mmerer und seit 1259 palatinus von Liegnitz. In der Zwischenzeit trat er als camerarius magnus auf, und obwohl Simon Gallicus spa¨ter einen a¨hnlichen Titel trug, ha¨lt Irgang dies fu¨r einen Einzelfall, den man nicht verallgemeinern du¨rfe. Der na¨chste Zeuge Czesław war sicher zwischen 1267 und 1272 Richter, und in den Quellen tritt er bis 1277 auf; Urkunden aus den Jahren 1255 und 1259 (in letzterer tritt er als Richter auf) werden von Irgang als nicht authentisch betrachtet.96 Außer Czesław kennen wir aus dieser Zeit einen Liegnitzer Richter Kielec, der dieses Amt zwischen 1261 und 1264 ausu¨bte.97 Aus der Zeit vor 1261 kennen wir keinen anderen Beamten in der Funktion des Richters, aber es ist kaum anzunehmen, dass Bolesław II. ohne einen solchen auskam. Der Zeuge P˛ecien tritt in den Dokumenten seit 1265 und ab 1267 als Ka¨mmerer auf,98 danach verschwindet er aus den Quellen. Vor ihm tritt 1247 ein Liegnitzer Ka¨mmerer auf, und nach ihm 91 Schlesisches Urkundenbuch (wie Anm. 5), Nr. 382, 524 (13. September 1265). 92 Ebd., Nr. 554; Schlesisches Urkundenbuch (wie Anm. 7), Nr. 2, 40, 70, 162. 93 Marek Cetwinski, ´ XIII w. Biogramy i rodowody [Das schlesische Ritter´ Rycerstwo s´ laskie ˛ do konca
tum bis zum Ende des 13. Jahrhunderts. Biogramme und Stammba¨ume], Wrocław 1982, S. 227.
94 Schlesisches Urkundenbuch (wie Anm. 5), Nr. 382, 437, 573 (Fa¨lschung). 95 Cetwinski, ´ Rycerstwo (wie Anm. 93), S. 120f.; Irgang, Vom sorgsamen Umgang (wie Anm. 83),
S. 361. 96 Schlesisches Urkundenbuch (wie Anm. 5), Nr. 573, 578. 97 Ebd., Nr. 382, 481. Unter Beru¨cksichtigung der Forschungsresultate von Jerzy Mularczyk, O urz˛e-
¨ ber schlesische A ¨ mter und Amtstra¨ger des 13. Jahrhundach i urz˛ednikach s´ laskich ˛ XIII wieku [U derts], in: Sobo´tka 38 (1983), S. 153–172, ko¨nnen wir die Mo¨glichkeit annehmen, dass mehrere Perso¨ mter ausu¨bte. Einen Teil seiner Argumente hat nen gleichzeitig ein Amt, oder eine Person mehrere A ¨ ber ˙ Bogucki, O starszenstwie, ´ Ambrozy komasacji i podzielno´sci urz˛edo´w s´ laskich ˛ w XIII wieku [U ¨ mter im 13. Jahrhundert], in: Sobo´tka 40 (1985), Rang, Anha¨ufung und Teilbarkeit der schlesischen A S. 471–490, tatsa¨chlich entkra¨ftet; aber er hat nicht – wie Irgang schreibt – nachgewiesen, dass seine Argumentation als solche unbegru¨ndet sei. 98 Schlesisches Urkundenbuch (wie Anm. 5), Nr. 524; Schlesisches Urkundebuch (wie Anm. 7), Nr. 40, 42. Ein Dokument von 1255, in dem er ebenfalls als Ka¨mmerer auftaucht (Nr. 573), ha¨lt Irgang fu¨r eine Fa¨lschung.
Die Kontroverse um die Lokation von Liegnitz
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wieder 1266. Dies schließt die Mo¨glichkeit nicht aus, dass P˛ecien dieses Amt schon zu Beginn der 60er Jahre ausu¨bte. Es bleiben noch Budziwoj und der magister Nikolaus. Im Jahr 1239 tritt in einer Urkunde Heinrichs des Frommen ein Liegnitzer Untermundschenk Budziwoj Stefanowic auf.99 Da in den Jahren 1248 und 1253 Peter und Heinrich de Sagor die Liegnitzer Mundschenken waren, ist anzunehmen, dass er in dieser Zeit kein Amt ausu¨bte. Zwischen 1272 und 1279 tritt in den Urkunden des Bolesław Rogatka ein Budziwoj als Zeuge auf.100 Es spricht nichts dagegen, beide als identisch anzunehmen. Den magister Nikolaus kann man dagegen mit dem aus den Jahren 1272–1278 bekannten Notar Bolesławs gleichsetzen. Nach Meinung von Andrzej Wałko´wski erscheint derselbe Nikolaus 1255 im Umfeld der Breslauer Fu¨rstin Anna .101 Aus der Analyse der Zeugen geht nach Meinung von Irgang hervor, dass sie mehrheitlich erst nach 1265 in Erscheinung traten. Zugleich stellt er aber nicht fest, dass sie bald wieder aus den schlesischen Quellen verschwinden. Die politisch aktive Zeit eines Mitgliedes der schlesischen Ritterschaft dauerte indes wesentlich la¨nger.102 Sa¨mtliche Zweifel zur Dauer des Auftretens jener Zeugen in den Quellen lassen sich mit dem Bestand an erhaltenen Quellen erkla¨ren. Auch ist zu betonen, dass einige der Zeugen in Schriftstu¨cken aus den Jahren 1255–1259 auftreten, die Irgang fu¨r nicht authentisch ha¨lt.103 Wenn wir noch bedenken, dass diese in unterschiedlichen Umgebungen gefa¨lscht worden sein sollen, dann ist es doch erstaunlich, dass in die Urkunde ein und dieselben Zeugen eingefu¨gt wurden. Nach Meinung von Heinrich von Loesch und Winfried Irgang war in der Mitte des 13. Jahrhunderts eine Vergabe von ho¨herer Gerichtsbarkeit und Vogtei an einen Ritter zu Lehen nicht mo¨glich, und außerdem sei eine Reihe von in der Urkunde von 1252 enthaltenen Begriffen in anderen Quellen nicht vor 1281 aufgetreten. Man muss objektiv zugeben, dass man in schlesischen Urkunden tatsa¨chlich nicht auf solche Vergaben trifft. Eine Ausnahme ist eine Urkunde des Bolesław Rogatka aus dem Jahr 1255 (nach Meinung von Irgang eine etwa um 1309, also fru¨h entstandene Fa¨lschung), in der er einem Iko fu¨r bestimmte Gu¨ter die Fu¨rstenrechte verlieh. Dies sei, so Irgang, ein Argument, das fu¨r eine Fa¨lschung spreche. Es ist aber zu betonen, dass der Terminus pheodales, wenngleich in der Mitte des 13. Jahrhunderts in Schlesien nicht gebra¨uchlich, aus klein- und großpolnischen Quellen gut bekannt ist, in denen er schon 1238 auftaucht.104 99 Schlesisches Urkundenbuch (wie Anm. 11), Nr. 164. 100 Schlesisches Urkundenbuch (wie Anm. 7), Nr. 181, 349, 380, als Untermundschenk bzw. Mundschenk
Nr. 162, 336.
101 Wałko ´ wski, Dokumenty (wie Anm. 50), S. 169. 102 Marek Cetwinski, ´ Kryterium chronologiczne i zagadnienia pokrewne w genealogii [Das chronologi-
sche Kriterium und Verwandtschaftsfragen in der Genealogie], in: Genealogia – problemy metodyczne ´ w badaniach nad polskim społeczenstwem s´ redniowiecznym na tle poro´wnawczym, hg. v. Jacek Hertel, Torun´ 1982, S. 48–71, hier S. 67 legt sie auf 20–30 Jahre fest. Seiner Auffassung nach vollzog sich in Niederschlesien etwa um 1248 und 1278 ein Generationswechsel; ders./Jerzy Maron, ´ Od „grande arme´e“ do patrolu. Liczebno´sc´ armii mongolskiej i polskiej w bitwie pod Legnica˛ 9 kwietnia 1241 roku [Von der ‚grande arme´e‘ zur Patrolie. Die Zahlensta¨rke der mongolischen und polnischen Armee in der Schlacht von Liegnitz vom 9. April 1241], Wrocław 1993, S. 99f. 103 Schlesisches Urkundenbuch (wie Anm. 5), Nr. 573, 578. 104 Słownik łaciny s´ redniowiecznej w Polsce [Wo¨rterbuch des Mittellatein in Polen], hg. v. Marian Plezia, Bd. 4, Wrocław 1975, S. 150–157.
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Alles bisher Gesagte entscheidet nicht u¨ber die Authentizita¨t der Urkunde von 1252. Außerdem gibt es keine ausreichenden Voraussetzungen, um ihre Glaubwu¨rdigkeit zu verteidigen. Hingegen erheben sich Zweifel methodischer Natur. Authentizita¨t untersucht man, indem man ein Wissen nutzt, das durch die bekannten Quellen aus einer bestimmten Zeit und durch ein auf deren Grundlage erarbeitetes Schema umrissen wird. Falls dann eine Urkunde nicht in das einmal festgelegte Schema passt – umso schlimmer fu¨r die Urkunde. Gleichzeitig wissen wir jedoch genau, dass die uns bekannten Quellen nur jenen Teil dessen darstellen, was im Mittelalter hervorgebracht wurde, der bis in unsere Zeit u¨berdauert hat. Außerdem beschra¨nken wir uns in unseren Forschungen auf nur ein Fu¨rstentum, obwohl Lehnsrecht und Magdeburger Recht allgemeine Gu¨ltigkeit besaßen, und es ist nicht ausgeschlossen, dass ¨ fteren korrigiert werden wird. Zudem mangelt es an ada¨quaunser Wissen noch des O ten Arbeiten zur mittelalterlichen Rechtsterminologie.105 ¨ berlegungen zur deutschrechtlichen Lokation von Wenn wir die bisherigen U Liegnitz zusammenfassen, ko¨nnen wir feststellen, dass, selbst wenn wir die in ihrer Glaubwu¨rdigkeit zweifelhafte Urkunde von 1252 fu¨r Radwan verwerfen, wir in anderen Schriftstu¨cken Informationen finden, die besta¨tigen, dass Liegnitz in den Jahren 1253–1255 bereits eine Lokationsstadt war: 1253 wird ein Nicolaus filius Volkmari quondam civis de Legnicz erwa¨hnt. Volkmar war nach dem Nekrolog von Leubus advocatus de Legnicz. 1255 wiederum verkauft Bolesław Rogatka Do¨rfer zur Lokation, die supter civitatem Legnicz in fluvio Kazbach lagen. Die entsprechende Urkunde wird von einem dominus Henricus advocatus dictus de Ronowe beglaubigt. Weitere Urkunden aus den Jahren 1264 und 1280 liefern bereits Details der Lokation, welche die Pfru¨nde des Vogtes und der Geistlichkeit von Liegnitz betrafen. Die Resultate der in der Stadt durchgefu¨hrten archa¨ologischen Untersuchungen sind sehr unterschiedlich. Einige Forscher sehen schon fu¨r die Zeit vor 1241 Spuren einer Lokationsstadt. Andere behaupten schlicht, dass es kein archa¨ologisches Material gebe, das eine deutschrechtliche Lokation im Jahr 1252 beweise, und verlegen diese weit in die zweite Ha¨lfte des 13. Jahrhunderts. Die Ursache so verschieden lautender Meinungen liegt vor allem im Fehlen systematisch durchgefu¨hrter archa¨ologischer Forschungen.
105 Zu einer neuen Sicht auf das Problem der Fa¨lschungen vgl. Konstanty K. Jazd ˙ zewski, ˙ Poglady ˛ s´ red-
niowiecza na fałszowanie dokumento´w (w zwiazku ˛ z czterema falsyfikatami przywileju fundacyjnego dla cysterso´w w Lubia˙ ˛zu z 1175 r.) [Ansichten des Mittelalters u¨ber Urkundenfa¨lschungen (im Zusammenhang mit den vier Falsifikaten der Leubuser Gru¨ndungsurkunde von 1175)], in: Sprawozdania Wrocławskiego Towarzystwa Naukowego 33 (1978), S. 66–71.
¨ TERN DIE STADTLOKATIONEN AUF DEN GU DER HERREN VON POGARELL IM 13. JAHRHUNDERT von Tomasz Jurek*
Der Prozess der Herausbildung des Sta¨dtenetzes in Schlesien, der schon vor Ende des 13. Jahrhunderts abgeschlossen war, kann in seinen allgemeinen Zu¨gen als gut erforscht angesehen werden.1 Wir kennen die Zahl, die Verteilung und die Chronologie der Lokationen. Bekannt sind ihre Verbindungen mit den Handelsstraßen. Bekannt sind auch die Prinzipien der „Lokationspolitik“ der Herzo¨ge, die konsequent eine Monopolisierung der Stadtlokationen in ihrer Hand anstrebten, sowie die damit konkurrierenden Bemu¨hungen anderer Vertreter – kirchlicher Einrichtungen sowie weltlicher Magnaten (adliger Grundherren) –, die an den Vorteilen teilhaben wollten, welche die neuen Stadtgru¨ndungsprozesse zweifellos mit sich brachten. Aber nicht alle Aspekte dieser komplizierten Prozesse sind hinreichend erforscht. Unvollsta¨ndig sind weiterhin unsere Kenntnisse u¨ber die privaten Lokationsinitiativen der Ritterschaft. Hierbei handelt es sich um kleinere Sta¨dte, die nur verha¨ltnisma¨ßig schwach von schriftlichen Quellen beleuchtet werden und infolgedessen immer noch unklar sind. Aber gerade sie stellen ein besonders wichtiges Objekt der Beobachtung dar. Denn auf ihrer Grundlage kam es zur Konfrontation zwischen den gegensa¨tzlichen Interessen der Herzo¨ge und des Adels, mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen. Die Verfolgung der Schicksale dieser Kleinsta¨dte ermo¨glicht somit zugleich eine Verfolgung der „Sta¨dtepolitik“ und damit ein Eindringen in die Mechanismen des Funktionierens der herzoglichen Macht, ihrer Manifestierung und Vollstreckung gegenu¨ber den Untertanen. Die Bedeutung dieser Problematik wurde in der Historiographie durchaus gewu¨rdigt. Fu¨r Marta Młynarska-Kaletynowa bildete sie eines der Hauptthemen ihrer hervorragenden Arbeit u¨ber die Stadtlokationen im Grenzgebiet von Großpolen (Provinz Posen) und Schlesien (1973). Die gleiche Problematik stand auch im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit von Walter Kuhn,
*U ¨ bersetzung des Aufsatzes „Trzynastowieczne lokacje miejskie w dobrach Pogorzelo´w“ (aus: Civitas
´ et villa. Miasto i wie´s w s´ redniowiecznej Europie Srodkowej, hg. v. Cezary Bu´sko u. a., Wrocław 2002, ¨ bersetzung von Heidemarie Petersen. S. 89–98); U 1 Marta Młynarska-Kaletynowa, Rozwo´j sieci miejskiej na Sl ´ asku ˛ na przełomie XII/XIII i w XIII w. ¨ bergang vom 12. zum 13. und im 13. Jahrhun[Die Entwicklung des Sta¨dtenetzes in Schlesien am U dert], in: Kwartalnik Historii Kultury Materialnej 28 (1980), 3, S. 349–361.
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der die Stadtlokationen im gesamtschlesischen Maßstab untersucht hat.2 Dieser Frage ´ widmete Anna Rutkowska-Płachcinska einen gesonderten, wichtigen Artikel in dem sie drei (eigentlich vier, wenn man den im Titel genannten noch das nur am Rande erwa¨hnte Prieborn hinzufu¨gt) gleichsam modellhafte Beispiele adliger Lokationsinitiativen analysiert, die dann von den Herzo¨gen u¨bernommen oder aber unterdru¨ckt wurden.3 Da diese auf eine nicht immer eindeutige Quellengrundlage gestu¨tzten Analysen zur Exemplifizierung wichtiger allgemeinerer Urteile dienten, mu¨ssen diese und andere Beispiele sicher noch einmal einer genauen Betrachtung unterzogen werden. Aber wir vera¨ndern ihre Auswahl etwas. Denn es scheint angebracht zu sein, sie nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Sta¨dte selbst zu untersuchen, sondern auch der sie organisierenden Grundherren. Der vorliegende Beitrag wird sich daher den innerhalb der Gu¨ter nur einer Adelsfamilie gelegenen Sta¨dten widmen. Es handelt sich um die Magnaten von Michelau und Pogarell, die spa¨ter unter dem Namen von Pogarell bekannt waren.4 Diese Familie bildete einen Zweig des auch in Großpolen ansa¨ssigen Adelsgeschlechts der Grzymała, denen im 13. Jahrhundert in Schlesien – wie es scheint – hinsichtlich der Ausdehnung ihrer Landgu¨ter und der Stabilita¨t ihrer politischen Einflu¨sse (trotz vorkommender, manchmal sogar gewaltsamer Konflikte mit den Herzo¨gen) niemand das Wasser reichen konnte. Ihre außergewo¨hnliche Position wurde auch durch eine außergewo¨hnliche Aktivita¨t auf dem Gebiet der Kolonisierungsinitiativen unterstrichen. Mit der Familie von Pogarell ko¨nnen drei Stadtlokationen im 13. Jahrhundert in Verbindung gebracht werden. Und zwar handelt es sich um Grottkau, Prieborn und Lo¨wen. Grottkau war der alte Adelssitz der Ritter von Pogarell. Schon das Stiftungsdokument des Klosters in Kamenz aus dem Jahre 1210 erwa¨hnt diesen Ort – neben Michelau – als Herrschaftszentrum der dieser Familie geho¨renden Landgu¨ter.5 In der ersten Ha¨lfte des 13. Jahrhunderts fiel Grottkau als Familienanteil an den Glogauer Kastellan Przecław/Preczlaus gest. nach 1228), und danach erbten es seine So¨hne Mroczek und der Geistliche Gerlach. Grottkau wurde zum eigentlichen Sitz: In einer Urkunde
2 Walter Kuhn, Die deutschrechtlichen Sta¨dte in Schlesien und Polen in der ersten Ha¨lfte des 13. Jahr-
hunderts. II. Teil, in: Zeitschrift fu¨r Ostforschung 15 (1966), S. 457–507; ders., Die Sta¨dtegru¨ndungspolitik der schlesischen Piasten vor allem gegenu¨ber Kirche und Adel, in: Archiv fu¨r schlesische Kirchengeschichte 29 (1971), S. 32–67; 30 (1972), S. 33–69; 31 (1973), S. 1–35; 32 (1974), S. 1–20. 3 Anna Rutkowska-Płachcinska, ´ ˙ ˙ ´ Strzelin, Scinawa i Grodko´w: nieudane moznowładcze załozenia targowe w XIII wieku [Strehlen, Steinau und Grottkau: Fehlgeschlagene herrscherliche Marktgru¨ndungen im 13. Jahrhundert], in: Studia z dziejo´w osadnictwa, Bd. 3, Wrocław 1965, S. 39–66. 4 Auch wenn sich der Name erst im 14. Jahrhundert herausgebildet hat und fu¨r die Zeit davor im Prinzip einen Anachronismus darstellt, soll er hier dennoch als eine bequeme und in der Historiographie bereits seit langem verwendete Bezeichnung benutzt werden. Zur Genealogie der Familie, ihrer Geschichte und ihren Gu¨tern vgl. Tomasz Jurek, Rodowod Pogorzelo´w [Sippengeschichte der Pogarell], Krako´w 2005; dort die vollsta¨ndige Dokumentation der hier nur angedeuteten Zusammenha¨nge. Von der a¨lteren Literatur siehe Karl Eistert, Beitra¨ge zur Genealogie des Breslauer Bischofs Preczlaus von Pogarell, in: Archiv fu¨r schlesische Kirchengeschichte 20 (1962), S. 226–290; Marek Cetwinski, ´ ´ XIII wieku. Biogramy i rodowody [Das schlesische Rittertum bis zum Rycerstwo s´ laskie ˛ do konca Ende des 13. Jahrhunderts. Biogramme und Stammba¨ume], Wrocław 1982, S. 18–19, Tafel 14. 5 Schlesisches Urkundenbuch, Bd. 1, hg. v. Heinrich Appelt, Wien u. a. 1971, Nr. 122.
Stammtafel Pogarell
Przecław v. Pogarell Bf. v. Breslau † 1376
Szymon v. Michelau 1276
Budziwoj 1239–61 † 1276
Stefan v. Michelau 1276–88
Mirzan v. Pogarell 1314–61 † 1361/67
Bogusz v. Pogarell 1273–1309 † 1309/14
Mikołaj v. Fro¨beln 1257
Henryk v. Pogarell 1302–43
Przecław v. Michelau 1237–62 † 1273
Bogusław v. Fro¨beln 1235–61
Jarosław 1202–32
Gunter v. Pogarell 1329–45 † 1345/49
Tomek v. Habendorf 1314
.. ... . . . . . . . .. . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . ... . . . Budek Janusz Bogusz v. Michelau v. Michelau v. Michelau 1301–02 1293 Kanoniker in † 1302/14 Breslau 1295–1315
Janusz v. Michelau 1243–77
Jarosław (Jaracz) 1175–1202
Jarosław
Jarosław v. Habendorf 1269–96 oo El˙zbieta v. Strehlen
Janusz 1216–35 Archidiakon in Breslau † 1249/53
Henryk
Jarosław v. Michelau 1300–30
Wincenty 1269
Markward 1269
Gerlach 1234–75 Scholastiker in Lebus, Propst in Breslau † 1275/76
Wincenty Propst in Kamenz, Abt auf der Sandinsel † 1251/53
Przecław v. Rosomanka 1269–92
Mroczek v. Grottkau 1234–71
Przecław 1202–28
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wird Mroczek als dictus comes de Grodcov bezeichnet, was eine bereits fortgeschrittenere Form der Herausbildung des Ortsnamens darstellt.6 Im Jahre 1278 stellte Heinrich IV. ein Lokationsdokument zu Ha¨nden des Vogtes Heinrich aus.7 Es steht jedoch außer Zweifel, dass es sich damals nur um eine Erneuerung der Lokation gehandelt hat, die Stadt selbst dagegen schon viel fru¨her entstan´ den war. Anna Rutkowska-Płachcinska war der Ansicht, dass dies eine Privatlokation des o¨rtlichen Gutsherren Mroczek war, die um 1250 entstanden war, als dieser das Amt des Kastellans von Ritschen bekleidete (1244–1253), wobei sich Grottkau sicher innerhalb der Grenzen des Territoriums dieser Kastellanei befand.8 Erst nach Mroczeks Tod (nach 1271) entzog der Herzog den Pogarell die Stadt. Dies geschah im Zusammenhang mit einem nicht na¨her bekannten Streit mit dieser Familie (1277 wurde Janusz von Michelau, Mroczeks Vetter, gefangen gesetzt). Den Hintergrund ¨ bernahme Grottkaus durch den dieser Entscheidung ko¨nnte die Furcht vor einer U Breslauer Bischof gebildet haben, mit dem der Herzog in heftigen Konflikt gera¨ berlegungen enthielten jedoch mehr als einen Irrtum. Als verfehlt ten war. Diese U muss ganz sicher der Versuch gewertet werden, die Beschlagnahme durch den Streit mit dem Bischof zu erkla¨ren, der immerhin erst einige Jahre spa¨ter entbrannte. Vor allem u¨bersah die Autorin, dass Grottkau bereits 1276 als herzogliche Stadt bezeichnet wurde, als Heinrich IV. das nostre civitati und ihren Bewohnern den Besitz des Waldes besta¨tigte, den ihnen sein Oheim, der Salzburger Bischof Władysław, ver¨ berlieferung die Entkauft hatte.9 Da Władysław 1270 gestorben ist, datiert diese U stehung des herzoglichen Grottkau erheblich zuru¨ck. Diese Tatsache wurde dagegen von Walter Kuhn beru¨cksichtigt.10 Mehr noch, er verwies auf ein weiteres Dokument Heinrichs IV., der 1274 den Bewohnern von Halbendorf, eines in der Na¨he von Grottkau gelegenen Dorfes, die Freistellung von allen Abgaben besta¨tigte, welche ihnen nicht nur der uns bereits bekannte Oheim Władysław gewa¨hrt hatte, sondern auch der Vater von Heinrich.11 Es muss zugegeben werden, dass bereits der Name dieses Dorfes auf ein typisches „Stadtdorf“ verweist, das im Zusammenhang mit der Lokation der nahegelegenen Stadt entstanden war.12 Diese Lokation muss daher schon in die Zeit des 1266 verstorbenen Herzogs Heinrich III. zuru¨ckdatiert werden. Andererseits stammt eine in Grottkau von Mroczek ausgestellte Urkunde noch aus dem Jahre 1264.13 Kuhn meinte daher, diese Stadt sei eine herzogliche Lokation, die in den Jahren zwischen 1264 und 1266 von Heinrich III. auf dem von ihrem vorherigen Besitzer – auf unbekannte Weise – u¨bernommenen Grund und Boden durchgefu¨hrt wurde.
6 Vgl. Susanne Baudisch, Lokaler Adel in Nordwestsachsen. Siedlungs- und Herrschaftsstrukturen
vom spa¨ten 11. bis zum 14. Jahrhundert, Ko¨ln/Weimar/Wien 1999, S. 251–252.
7 Schlesisches Urkundenbuch, Bd. 4, hg. v. Winfried Irgang, Wien 1988, Nr. 342. 8 Rutkowska-Płacinska, ´ Strzelin (wie Anm. 3), S. 64. 9 Schlesisches Urkundenbuch (wie Anm. 7), Nr. 284. 10 Kuhn, Die Sta¨dtegru¨ndungspolitik 29/1971 (wie Anm. 2 ), S. 58–61. 11 Schlesisches Urkundenbuch (wie Anm. 7), Nr. 299. 12 Kuhn, Die Sta¨dtegru¨ndungspolitik 29/1971 (wie Anm. 2 ), S. 43–44. 13 Schlesisches Urkundenbuch, Bd. 3, hg. v. Winfried Irgang, Wien 1984, Nr. 499.
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Wir verfu¨gen also – nach Korrektur der offensichtlichen Ungenauigkeiten von ´ Rutkowska-Płachcinska – u¨ber zwei Hypothesen: entweder (1) Grottkau wurde von Graf Mroczek gegru¨ndet, und danach (vor 1266) wurde ihm die Stadt weggenommen, oder (2) diese war von Anfang an eine herzogliche Lokation auf dem Territorium von Mroczeks privaten Gu¨tern. Im Lichte des von beiden Autoren angefu¨hrten Materials ist jede dieser Mo¨glichkeiten zula¨ssig. Fu¨r die Hypothese von der Privat´ lokation Mroczeks spricht, was schon Rutkowska-Płachcinska nachdru¨cklich unterstrichen hat,14 der allgemeine Kontext der wirtschaftlichen Aktivita¨t dieses Magnaten. Eine Reihe von Quellen zeigt Mroczek na¨mlich als Pionier der Kolonisierung. Außerordentlich interessant ist, dass er sich auch außerhalb seiner eigenen Gu¨ter mit Siedlungsunternehmungen bescha¨ftigt hat. Er fu¨hrte die Lokation von Zielenzig im Grenzgebiet zwischen dem Lebuser Land und Großpolen durch,15 und im Auftrag der Abtei in Groß Rauden bewirtschaftete er die Do¨rfer um Stanitz.16 Daher muss er als ein außerordentlich ru¨hriger Siedlungsunternehmer gegolten haben. Die Lokation einer Stadt im Zentrum der eigenen Gu¨ter wu¨rde hervorragend zu diesem Bild seines Wirkens passen. Umso mehr, als von ihm Dorflokationen in der Umgebung von Grottkau bekannt sind. Ein besonders wichtiges Zeugnis liefert eine Urkunde aus dem Jahre 1250: Mroczek verlieh sich damit das Amt des Schultheißen in Droitzdorf (heute Teil von Alt-Grottkau), und zwar nach denselben Grundsa¨tzen, denen die Lokation seiner anderen Do¨rfer um Grottkau folgte (quemadmodum alie ville nostre circa Grodcov sunt locate).17 Es lohnt den Versuch, die Lokationen um Grottkau zu identifizieren. Das Netz der umgebenden Siedlungen ist ausdru¨cklich in einer Urkunde von 1316 beschrieben, in der der Bischof der Abtei in Kamenz den Besitz des ihr bei der Stiftung des Klosters gewa¨hrten Zehnten besta¨tigt.18 Die erwa¨hnten Do¨rfer waren also – weil Kamenz urspru¨nglich ja von den Pogarell ausgestattet worden war – Gu¨ter dieser Familie. Fu¨r die Herrrschaft Grottkau nennt die Urkunde folgende Do¨rfer: Guhlau, Dimidia villa (uns bereits als Halbendorf bekannt), Sors advocatorum (?), Nova villa (Klein Neudorf), Drogotyndorf (Drogocina), Alt-Grottkau, villa Cesaris (?) und advocati villa (Wo´jtowice). Lehrreich sind schon die Namen: Hier gibt es eine ganze Reihe von Do¨rfern, deren Entstehung mit der Lokation der nahegelegenen Stadt verbunden gewesen sein musste. Von Halbendorf war bereits die Rede,19 und die Aussage der vom Amt des Vogtes abgeleiteten Namen ist offensichtlich.20 Aller Wahrscheinlichkeit nach mu¨ssen sich zumindest einige von ihnen hinter den 1250 anonym erwa¨hnten
14 Rutkowska-Płacinska, ´ Strzelin (wie Anm. 3), S. 62–63. 15 Schlesisches Urkundenbuch, Bd. 2, hg. v. Winfried Irgang, Wien 1978, Nr. 224. 16 Schlesisches Urkundenbuch (wie Anm. 13), Nr. 463; Schlesisches Urkundenbuch (wie Anm. 7), Nr. 93. 17 Schlesisches Urkundenbuch (wie Anm. 15), Nr. 388. 18 Urkunden des Klosters Kamenz, hg. v. Paul Pfotenhauer (Codex diplomaticus Silesiae, Bd 10), Bres-
lau 1881, Nr. 103.
19 Seine Lokalisierung nordwestlich der Stadt bezeugt eine Urkunde von 1282, in dem von einem Wald
zwischen diesem Dorf und der Stadt rechts von der Straße nach Breslau die Rede ist, Schlesisches Urkundenbuch, Bd. 5, hg. v. Winfried Irgang, Wien 1993, Nr. 6. 20 Vgl. Walter Kuhn, Die Stadtdo¨rfer der mittelalterlichen Ostsiedlung, in: Zeitschrift fu¨r Ostforschung 20 (1971), S. 1–69, hier S. 44–46.
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Do¨rfern verbergen. Das ist fu¨r uns von entscheidender Bedeutung, denn das Vorhandensein dieser Do¨rfer impliziert ja bereits zum damaligen Zeitpunkt die Existenz der Stadt selbst. Dabei steht außer Zweifel, dass dies eine Privatlokation Mroczeks gewesen sein musste, weil die um die Stadt herum gelegenen Do¨rfer zu ihr geho¨rten. Die Lokation Grottkaus erfolgte somit vor 1250. Ho¨chstwahrscheinlich muss sie auf die Jahre nach dem Mongoleneinfall datiert werden, in der stu¨rmischen Jugendzeit der So¨hne Heinrichs des Frommen (1241–1248), als – wie der Autor des Heinrichauer Gru¨ndungsbuches schrieb – „jeder machte, was er wollte“ (post paganos unusquisque militum rapuit, quod voluit et quantum voluit).21 Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass diese Lockerung die Belebung privater Siedlungsinitiativen fo¨rderte.22 Einen begu¨nstigenden Umstand mag tatsa¨chlich – wie Rutkowska-Płach´ cinska suggerierte – die Bekleidung des Amtes des Kastellans von Ritschen durch Mroczek (seit 1244) dargestellt haben. Eine erste Spur der mit der Lokationsreform verbundenen ra¨umlichen Vera¨nderungen finden wir schon im Jahre 1234, als Mroczek und Gerlach den Schultheißen Gumprecht – wohl ihr ritterlicher Schildknappe aus der Meißener Familie von Schlieben23 – mit der Lokation von 100 Hufen in Grodcov novo et antiquo beauftragten.24 Die Unterscheidung von Alt- und Neu- in den Ortsnamen stellt eine mit den Lokationen einhergehende typische Erscheinung dar. Antiqum Grodcov ist selbstversta¨ndlich das spa¨tere Alt-Grottkau, das als die urspru¨ngliche Siedlung vor der Lokation angesehen werden muss. Dagegen ist novum Grodcov das spa¨tere KleinNeudorf. Im Jahre 1271 bekundete der gemeinsame Schultheiß Hermann, d. h. eine zweifellos hervorragend orientierte Person, dass Alt-Grottkau, Neudorf und Drogocina (de antiquo et novo Grodcov et in Drogociz) insgesamt 118 Hufen umfassten, wovon 19 Hufen freies Land des Schultheißen waren. Mit Sicherheit verbergen sich hinter diesem Areal die 1234 erwa¨hnten 100 Hufen sowie die 18 Hufen von Drogocina, das – spa¨ter von Alt-Grottkau einverleibt – keine große Siedlung gewesen sein kann. Eine solche Schlussfolgerung besta¨tigt die Berechnung der Ausdehnung der Amtsbereiche der Schultheißen: der Schultheiß aus Alt- und Neu-Grottkau sollte gema¨ß den Bestimmungen von 1234 15 Hufen bekommen, der von Drogocina (nach der Lokationsurkunde von 1250 fu¨r dieses Dorf) dagegen nur vier25 – was insgesamt die 19 Hufen ergibt, die Hermann besaß. Somit wurde das 1234 zur Lokation vorgesehene Gebiet von 100 Hufen von Alt-Grottkau und Neudorf vollsta¨ndig ausgefu¨llt (da letzteres 34 Hufen besaß26, mussten auf Alt-Grottkau 66 Hufen entfallen). Diese 21 Liber fundationes claustri sanctae Marie virginis in Heinrichow czyli Ksi˛ega Henrykowska [Das Hein-
richauer Gru¨ndungsbuch], hg. v. Roman Grodecki, Poznan´ 1949, S. 296.
22 Winfried Irgang, Auswirkungen des Mongoleneinfalls auf die Siedlungsentwicklung in Schlesien, in:
Bitwa legnicka. Historia i tradycja, hg. v. Wacław Korta, Wrocław/Warszawa 1994, S. 221–238, hier S. 235–236. 23 Der ansonsten seltene Name Gumprecht war in eben dieser Familie ha¨ufig, die spa¨ter auch den fu¨r die Herren von Pogarell typischen Vornamen Jarosław zu verwenden begann, Tomasz Jurek, Obce ´ asku rycerstwo na Sl ˛ do połowy XIV wieku [Das fremde Rittertum in Schlesien bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts], Poznan´ 1996, S. 282. 24 Schlesisches Urkundenbuch (wie Anm. 15), Nr. 88. 25 Ebd., Nr. 388. 26 Schlesisches Urkundenbuch, Bd. 6, hg. v. Winfried Irgang, Wien 1998, Nr. 11.
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Berechnungen fu¨hren ganz offensichtlich zu dem Schluss, dass die Stadt nicht auf dem 1234 vermessenen Territorium Platz haben konnte. Aus der Urkunde der Lokationserneuerung von 1278 wissen wir genau, dass sie damals 67 Hufen umfasste.27 Aus dieser Urkunde geht außerdem hervor, dass die Stadt schon vorher existiert haben muss, d. h. sicher noch vor dem Zeitpunkt der urspru¨nglichen Lokation durch Mroczek, und zwar an derselben Stelle (civitas – collanda in eodem loco, ubi nunc dinoscitur situata). Im u¨brigen ist nicht auszuschließen, dass die Stadt danach noch verlegt (transloziert) wurde, worauf eine Transaktion von 1353 zu verweisen scheint, als ein kleines, nur 3,5 Mark (grzywna) wertes, direkt vor Grottkau gelegenes und als Altstadt bezeichnetes Objekt verkauft wurde (Antiqua civitas que vulgariter nuncupatur Aldinstat).28 Diese Angaben erlauben es, sich die aufeinander folgenden Etappen von Mroczeks Unternehmungen vorzustellen. Wohl schon vor 1254 siedelte er in Grottkau irgendwelche Kolonisten an (daher novum Grodcov), und dann gestaltete er auch die urspru¨ngliche Siedlung zu einem Lokationsdorf um (Alt-Grottkau). Erst danach fu¨hrte er neben diesen Do¨rfern noch eine Stadtlokation durch. Der erwa¨hnte Hermann wird in der zitierten Urkunde von 1271 als scultetus de antiquo Gridcov Mrocziconis bezeichnet.29 Unabha¨ngig davon, ob wir den Namen Mroczek hier auf den Schultheißen (Mroczeks Schultheiß in Grottkau) beziehen oder auf den Ortsnamen (Mroczeks Grottkau), ergibt sich daraus eindeutig, dass unser Graf damals die Kontrolle u¨ber die Do¨rfer behielt, in denen Hermann als Schultheiß fungierte. Dagegen war die Stadt – wie wir uns erinnern – sicher schon damals herzoglich. Somit erweist sich, dass die Ingerenz des Herzogs keine Beschlagnahme aller Gu¨ter Mroczeks bei Grottkau bedeutet hat. Heinrich III. u¨bernahm offensichtlich nur die Kontrolle u¨ber die Stadt selbst, ohne die umliegenden Do¨rfer anzutasten. Es scheint außer Zweifel zu stehen, dass dies mit dem aus den Quellen erkennbaren – wenn auch von Anna Rut´ kowska-Płachcinska nicht wahrgenommenen – Streit des Herzog mit Mroczek im Zusammenhang stand. Jedenfalls kam es 1253 oder 1254 zu einem ja¨hen Bruch zwischen Heinrich III. und dem Grafen von Grottkau. Noch am 31. Juli 1253 trat Mroczek an der Seite des Herrschers als Kastellan von Ritschen in Erscheinung, d. h. als einer der ho¨chsten Wu¨rdentra¨ger des Landes.30 Dagegen fand am 4. Juni 1254 in Breslau eine Ratsversammlung statt, auf der bereits u¨ber seine Befreiung aus dem Gefa¨ngnis diskutiert wurde (colloquium cum de libertacione comitis Mrozconis tractaretur)31, in das er zweifellos auf Veranlassung von Heinrich III. gekommen war.32 Denn von diesem Augenblick an verließ Mroczek den Breslauer Hof und trat in die Dienste
27 Schlesisches Urkundenbuch (wie Anm. 7), Nr. 342. 28 Regesty s´ laskie/Regesten ˛ zur schlesischen Geschichte, Bd. 2, hg. v. Wacław Korta, Wrocław 1984,
Nr. 941.
29 Schlesisches Urkundenbuch (wie Anm. 7), Nr. 156. 30 Schlesisches Urkundenbuch (wie Anm. 13), Nr. 105. 31 Ebd., Nr. 124, 125. 32 Vgl. Janusz Bieniak, Jeszcze w sprawie genezy rodo´w rycerskich w Polsce [Noch einmal zur Frage
´ der Genese der Rittergeschlechter in Polen], in: Społeczenstwo Polski s´ redniowiecznej, Bd. 5, hg. v. Stefan K. Kuczynski, ´ Warszawa 1992, S. 45–56, hier 53–54.
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des Oppelner Herzogs Władysław 33 Ab 1258 trat er dann schon mit dem Titel eines Oppelner Palatins in Erscheinung, und dieses Amt bekleidete er ganz sicher bis zu seinem Tode (nach 1271). Die Verbindung mit Oppeln hinderte ihn u¨brigens nicht, in seinen Grottkauer Gu¨tern zu verweilen und zu wirtschaften. Die Ursache des Streits ist unbekannt. Ho¨chstwahrscheinlich wird es aber wohl ¨ bernahme der Stadt in Grottkau durch den Herzog gegangen sein, welche um die U gewiss unter Verletzung des Rechts und der Interessen des bisherigen Besitzers vonstatten ging. Es ist aber auch mo¨glich, dass Mroczek seine Lokation ohne die in derartigen Angelegenheiten grundsa¨tzlich erforderliche Zustimmung des Herzogs vollzo¨ bernahme Grottgen hatte. Wenn der Streit einen anderen Grund gehabt und die U kaus durch den Herzog die Strafe fu¨r irgendein Verschulden des Grafen dargestellt ha¨tte, dann wa¨re wohl eher die Beschlagnahmung aller seiner Gu¨ter in Frage gekommen – was jedoch, wie wir wissen, nicht der Fall war. Ra¨tselhaft bleiben dagegen die weiteren Geschicke der Gu¨ter von Grottkau. Nach Mroczeks Tod traten seine Nachkommen hier nicht mehr in Erscheinung. Sie ließen sich in einem anderen, zwischen Frankenstein und Reichenbach gelegenen Komplex der va¨terlichen Gu¨ter nieder. Einer von Mroczeks So¨hnen, Jarosław, nannte sich nach dem Ort Habendorf, ein anderer, Przecław, nach dem benachbarten Rosomanka; zwei weitere So¨hne, Vinzenz und Markward, sind uns nicht na¨her bekannt. Gewisse Anteile in einigen der fru¨heren Do¨rfer Mroczeks bei Grottkau (in Guhlau und in Alt-Grottkau) besaß dagegen spa¨ter sein Neffe zweiten Grades Bogusz von Pogarell (gest. 1309–1314)34 – allerdings ist nicht bekannt, auf welchem Wege diese Gu¨ter in die Ha¨nde einer anderen Familienlinie geraten sind. Die bisherigen Betrachtungen zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Lokation der Stadt in Grottkau vor 1250 von Graf Mroczek vollzogen wurde und dass sie kurz darauf (1253/54) von Herzog Heinrich III. u¨bernommen wurde; seitdem blieb Grottkau eine herzogliche Stadt. Prieborn war eine kurzlebige Stadt und hinterließ nur sehr geringe Spuren in der Geschichte. Der Strehlener Vogt Raszek besta¨tigte am 6. Juni 1297 dem Kloster in Heinrichau den Besitz bestimmter Fleischba¨nke und erinnerte bei dieser Gelegenheit an ihre Geschicke.35 Die Zisterzienser besaßen einst (quondam) zwei Fleischba¨nke „im alten Prieborn“ (in antiquo Preworn) und eine in Strehlen. „Aber als diese Sta¨dte miteinander verbunden wurden“ (Cum autem civitates coniugerentur), wurden alle diese Fleischba¨nke nach Strehlen verlegt. Walter Kuhn fand noch andere Spuren der Existenz einer Stadt in Prieborn. In der Nachbarschaft befand sich die Siedlung Siebenhufen, die einen fu¨r Do¨rfer in unmittelbarer Stadtna¨he charakteristischen Namenstyp repra¨sentierte.36 In der Fundationsurkunde der Stiftskirche vom Heiligen Kreuz aus dem Jahre 1288 wurden fu¨r den Domherren (succentor) die Mietzinsen
33 Vgl. Dieter Veldtrup, Prosopographische Studien zur Geschichte Oppelns als herzoglicher Residenz-
stadt im Mittelalter, Berlin 1995, S. 448–449.
34 Diese Gu¨ter sind im 14. Jahrhundert bezeugt als im Besitz seiner Enkel (von verschiedenen So¨hnen)
befindlich, was darauf verweist, dass schon Bogusz in ihrem Besitz gewesen sein muss.
35 Schlesisches Urkundenbuch (wie Anm. 26), Nr. 308. 36 Kuhn, Die Stadtdo¨rfer (wie Anm. 20), S. 51–52.
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„von den Zinshufen vor Prieborn“ festgelegt (in mansis censualibus ante Prewozn).37 Eine solche Beschreibung ihrer Lage scheint tatsa¨chlich typisch fu¨r eine Stadtsiedlung gewesen zu sein. Vor 1288 entstand also in Prieborn eine Stadt, die schon vor 1297 wieder liquidiert und – was als Umsiedlung der Bevo¨lkerung zu verstehen ist – mit Strehlen verbunden wurde. ´ Sowohl Rutkowska-Płachcinska als auch Kuhn nahmen an, dass Prieborn eine Lokation der ma¨chtigen Gutsbesitzer von Strehlen war, wobei erstere dafu¨r eine fru¨here Datierung (vor 1264) suggerierte.38 Diese Chronologie stu¨tzte sich lediglich auf eine willku¨rliche Vermutung und besitzt keinerlei Begru¨ndung; Kuhn blieb bei der vagen Datierung vor 1288. Vor allem aber muss bezweifelt werden, dass die Lokation von Prieborn selbst den Gutsherren von Strehlen zuzuschreiben ist. Das war eine sehr bekannte Familie, ihr entstammte Bischof Thomas II.39 Ihr Werk war auch die Lokation von Strehlen. Spa¨ter war dies zwar eine herzogliche Stadt, aber ihre Anfa¨nge waren ganz gewiss mit der Familie dieser Gutsbesitzer verbunden. Darauf verweist schon der Name des bereits erwa¨hnten Strehlener Vogtes – derselbe, der sich (in Form von Racław oder Raszek) bei den adligen Herren von Strehlen oft wiederholte. ¨ bereinstimmung bot u¨brigens den Anlass dafu¨r, dass der Vogt irrtu¨mlicherDiese U weise dieser ritterlichen Familie zugeza¨hlt wurde.40 In einer spa¨teren Urkunde finden wir schließlich die ganz eindeutige Feststellung, Herzog Bolko habe diese Stadt dem Grafen Bogusz von Strehlen abgekauft.41 Die Chronologie dieser Lokation ist zwar unklar, und gegenwa¨rtig besteht auch keine Aussicht auf ihre Pra¨zisierung – außer der sehr allgemeinen Datierung vor 1292 (als diese Stadt ganz sicher schon in herzoglichem Besitz war). Wahrscheinlich aber muss sie mit der Person des Racław Drzemlik eines Bruders von Bischof Thomas) in Verbindung gebracht werden, der in den Jahren 1260–1288 bezeugt ist.42 Darauf scheint seine herausragende Position am Breslauer Hof sowie der bereits erwa¨hnte Vorname des Vogtes zu verweisen. Auf jeden Fall scheint es unmo¨glich zu sein, dass die Herren von Strehlen zwei Lokationsunternehmungen gleichzeitig geplant und realisiert ha¨tten. Private Lokationen stellten ja u¨berhaupt ein seltenes Ereignis dar. Ganz gewiss erforderten sie ungeheure finanzielle Aufwendungen. Zusa¨tzlich standen Strehlen und Prieborn – wie ihre weiteren Schicksale zeigten – in gegenseitiger Konkurrenz zueinander. Vo¨llig unbegreiflich wa¨re es, beide einem gemeinsamen Gru¨nder zuzuschreiben. Auch die Erkla¨rung
37 Schlesisches Urkundenbuch (wie Anm. 19), Nr. 367. 38 Rutkowska-Płacinska, ´ Strzelin (wie Anm. 3), S. 49; Kuhn, Die Sta¨dtegru¨ndungspolitik 30/1972 (wie
Anm. 2), S. 66.
39 Die von Fedor von Heydebrand und der Lasa, Die Herkunft der Breslauer Bischo¨fe Thomas I.
und Thomas II, in: Zeitschrift des Vereins fu¨r Geschichte Schlesiens 51 (1917), S. 134–163 sowie Cetwinski, ´ Rycerstwo (wie Anm. 4), Tafel 1; die hier gebotenen Genealogien erfordern Korrekturen und ´ – ro´d biskupa wrocławskiego Erga¨nzungen; siehe auch Tomasz Jurek, Slesie stirps nobilissima. Jelency ´ – die Sippe des Breslauer Bischofs Thomas I.], in: Roczniki Historyczne 50 Tomasza I [Die Jelency (1992), S. 23–58, hier S. 53–55. 40 Siehe Anm. 61. 41 Regesty (wie Anm. 28), Nr. 3553. 42 Michał Kaczmarek, Radsław zwany Drzemlikiem [Radsław genannt Drzemlik], in: Polski słownik biograficzny 29 (1986), S. 757–759.
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Kuhns, es habe sich um Initiativen zweier verschiedener Familienlinien gehandelt, u¨berzeugt nicht.43 Die Familie war keineswegs so zahlreich – in dem uns interessierenden Zeitraum, d. h. in der zweiten Ha¨lfte des 13. Jahrhunderts, lebten die Bru¨der von Bischof Thomas II. Racław Drzemlik und Bogusław der Ju¨ngere (der in Prieborn und Steinkirche Erbherr war), sowie ihr Vetter, der fru¨h verstorbene Adalbert (nach 1253 taucht er in den Quellen nicht mehr auf); und in der na¨chsten Generation sind Racławs So¨hne bekannt: Raszek Drzemlik, Nikolaus (ein Breslauer Kustos), Peter (ein Breslauer Domherr), Czenke und sicher auch Bogusz. In einem so engen Kreis ist kein Raum fu¨r o¨konomische Konkurrenz erkennbar. Dagegen lohnt es sich, die Geschicke der Besitzverha¨ltnisse von Prieborn na¨her zu verfolgen. Diese Gu¨ter befanden sich – zusammen mit den nahegelegenen Orten Steinkirche und Dobergast44 – im Besitz des bereits erwa¨hnten Bogusz des Ju¨ngeren und bildeten nach dessen Tod ein Streitobjekt zwischen der Tochter des Verstorbenen, Elisabeth, und seinem Bruder, Bischof Thomas II. Entschieden wurde dieser Streit am 19. April 1284 durch den Urteilsspruch der von beiden Seiten bestellten Vermittler.45 Es kam zu einem Kompromiss, in dem Steinkirche Elisabeth und ihrem Mann Jarosław von Habendorf, Dobergast dagegen Thomas zugeteilt wurde; der Bischof sollte auch Prieborn „mitsamt allen Anliegenschaften“ bekommen, aber dafu¨r musste er seiner Nichte die betra¨chtliche Summe von 200 Mark (grzywna) bezahlen. In seinem kurz vor seinem Tode im Jahre 1292 ausgestellten Testament verfu¨gte Thomas II. tatsa¨chlich schon u¨ber Prieborn, welches er den Breslauer Domvikaren vermachte.46 Aber die wirklichen Geschicke des uns hier interessierenden Ortes waren viel komplizierter. Am 2. April 1296 verzichtete Jarosław von Habendorf in seinem eigenen Namen und dem seiner Gattin erneut auf die Gu¨ter in Prieborn, die er zum Schaden der Domvikare seit langem besetzt gehalten hatte, weshalb er sogar mit dem Bann belegt worden war. Er verpflichtete sich, diese Gu¨ter innerhalb von zwei Wochen zu ra¨umen, d. h. in ku¨rzester Zeit, und alle seine Sachen von dort mitzunehmen, „mit Ausnahme der Geba¨ude, falls er solche dort errichtet hat“ (salvis edificiis, si que fecit in illa), und keinerlei Anspru¨che bezu¨glich der bereits geta¨tigten Aussaat zu erheben.47 Aber nicht einmal diese eindeutigen Beschlu¨sse konnten den Streit beenden. Denn 1333 u¨berließen die Domvikare im Austausch gegen den Zins vom Ohlauer Zoll dem Ritter Merbot von Hain alle ihre Rechte auf Prieborn, die Jarosław von Habendorf und seine So¨hne lange besetzt gehalten hatten und die ihnen schließlich der erwa¨hnte Merbot abkaufte.48 Dieser Aufkauf muss viel fru¨her stattgefunden haben, da Merbot bereits im Jahre 1318 als Herr dieser Gu¨ter in Erscheinung trat.49 Daher hat es den Anschein, dass weder Bischof Thomas noch die Vikare Prieborn 43 Kuhn, Die Sta¨dtegru¨ndungspolitik 30/1972 (wie Anm. 2), S. 66. 44 Entgegen der Meinung von Rutkowska-Płachcinska, ´ Strzelin (wie Anm. 3), S. 44, kann es sich hier
wohl kaum um Dobrischau/Dobroszo´w handeln, da dieses zwischen mehrere Gutsherren aufgeteilt war; vgl. Schlesisches Urkundenbuch (wie Anm. 26), Nr. 22; Regesty (wie Anm. 28), Nr. 2776, 2786. 45 Schlesisches Urkundenbuch (wie Anm. 19), Nr. 86. 46 Schlesisches Urkundenbuch (wie Anm. 26), Nr. 47. 47 Ebd., Nr. 251. 48 Regesty (wie Anm. 28), Nr. 5193. 49 Ebd., Nr. 3847.
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jemals wirklich besessen haben, das der widerspenstige Gatte der Nichte des Bischofs sta¨ndig „okkupiert“ hatte. Diese Ermittlungen fu¨hren uns zur Person des Gru¨nders der Stadt in Prieborn. Dies kann nur Jarosław von Habendorf gewesen sein – ein Vertreter des Geschlechts von Pogarell, der Sohn des uns bereits bekannten Mroczek von Grottkau. Noch zu Lebzeiten seines Vaters (1269) begann er am herzoglichen Hof zu verkehren und beglaubigte dann oft die Urkunden des jungen Heinrich IV.50 Er wurde 1283 auch Burggraf von Groß Wartenberg.51 Von seiner emotionalen Bindung an den Herzog zeugt die Tatsache, dass er einem seiner So¨hne den Namen Heinrich gab. Danach findet seine Karriere ein plo¨tzliches Ende, denn Jarosław verschwindet aus den Zeugenlisten der herzoglichen Urkunden, in denen er nur noch zweimal vorkommt.52 Nicht zufa¨llig scheint dieser Karriereabsturz mit dem erwa¨hnten Streit um Prieborn zusammenzuha¨ngen. Obwohl Jarosławs Gegner der mit dem Herzog zerstrittene Bischof war, handelte es sich schließlich um die Familiengu¨ter der Herren von Strehlen, von denen Racław Drzemlik damals die entscheidende Rolle am Hofe spielte. Deshalb kann vermutet werden, dass sein Festhalten an Prieborn, das den Bedingungen des Vergleichs widersprach, Jarosław mit der gesamten Familie seiner Frau und zugleich mit dem Herzog entzweite. Recht klar zeichnen sich die Motive ab, von denen sich der Gru¨nder des neuen Sta¨dtchens leiten ließ. Es ist zu bezweifeln, dass dabei irgendwelche rein o¨konomischen Gru¨nde im Spiel waren. Prieborn war kein Zentrum eines gro¨ßeren Gu¨terkomplexes. Es lag außerdem in der Na¨he bereits existierender Orte: des herzoglichen Mu¨nsterberg, des privaten Strehlen, des bischo¨flichen Wansen und des jetzt ebenfalls herzoglichen Grottkau. Sie alle lagen im Umkreis von nur 13–16 km von Prieborn entfernt. Nicht ohne Bedeutung war auch die Na¨he zum (nur 12 km entfernten) Kloster in Heinrichau, welches ja ebenfalls einen wichtigen wirtschaftlichen Faktor darstellte. Eine weitere Stadt in dieser Umgebung ha¨tte keine Daseinsberechtigung besessen, was sich u¨brigens in der Zukunft sehr bald erweisen sollte. Die Stadt konnte dagegen von Anfang an als Konkurrenz gedacht worden sein – wohl kaum fu¨r das starke, herzogliche Mu¨nsterberg, sondern eher fu¨r Strehlen oder Grottkau. Diese Absicht erscheint vo¨llig versta¨ndlich. Jarosław ra¨chte sich auf diese Weise dafu¨r, dass seinem Vater Grottkau weggenommen worden war, und wollte damit zugleich die untereinander zerstrittenen Verwandten seiner Frau a¨rgern. Neben diesen negativen Motiven ko¨nnen auch solche vermutet werden, die auf rein perso¨nlichem Ehrgeiz beruhten. Und wenn Jarosław eine Stadt haben wollte, dann konnte er diese nur in Prieborn gru¨nden. Denn sein Erbgut Habendorf, das ja sehr nahe an den ziemlich großen herzoglichen Sta¨dten lag: nur 5–6 km von Reichenbach und 10 km von Frankenstein entfernt, eignete sich zu einer solchen Rolle u¨berhaupt nicht. Es ist schwierig, den Zeitpunkt zu bestimmen, zu dem Jarosław die Lokation von Prieborn vollzogen haben mochte. Zusammen mit seiner Gattin weilte er sicher
50 Schlesisches Urkundenbuch (wie Anm. 7), Nr. 95–96, S. 163, 424, 426; (wie Anm. 19), Nr. 9. 51 Ebd., Nr. 52. 52 Ebd., Nr. 320.
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¨ bernahme dieser Gu¨ter wurde durch den schon vor 1284 dort. Der Augenblick der U Tod seines Schwiegervaters bestimmt. Elisabeths Vater, Bogusław der Ju¨ngere von Strehlen, trat in den Quellen mit Sicherheit in den Jahren 1248–1264 in Erscheinung, als er Heinrich III. in seiner Jugend als Ka¨mmerer (Palatin) diente.53 Danach (1262) war er wohl Kastellan von Bardo.54 Seine letzten sicheren Erwa¨hnungen in den Quellen fallen in das Jahr 126455 (wenn hier nicht von seinem Namensvetter, dem Ka¨mmerer des Bischofs Thomas II., die Rede war56). Wahrscheinlich ist er daher erst zwischen 1280 und 1284 gestorben, obwohl es auch mo¨glich ist, dass er bereits 1264 nicht mehr lebte. Dagegen bedeutet die Liquidierung Prieborns auf dem Wege der Einverleibung nach Strehlen zweifellos einen terminus ante quem seiner Lokation. Diese Einverleibung geschah sicher vor 1297, denn in einer Urkunde des Vogtes Raszek wird diese als bereits vollendete Tatsache bezeugt. Aller Wahrscheinlichkeit nach muss die Liquidierung mit den Vera¨nderungen in Zusammenhang gebracht werden, die gleichzeitig in Strehlen selbst stattfanden. Dieser Ort geriet na¨mlich in den Besitz des Herzogs. Herzog Bolko gru¨ndete mit einer Urkunde vom 30. November 1292 eine Vogtei in Strehlen, das ausdru¨cklich als „neue Stadt“ bezeichnet wurde (advocatus in Strelyn civitate nostra novella).57 Recht a¨hnlich a¨ußert sich die einige Wochen spa¨ter verfasste Urkunde, die die Verleihung von Rechten an Strehlen nach dem Vorbild von Schweidnitz besta¨tigt, und zwar aus Anlass der „neuen Lokation“ (ex nova plantacione et locatione).58 Diese Formulierungen deuten darauf hin, dass die vom Herzog durchgefu¨hrte Lokation mit betra¨chtlichen ra¨umlichen Vera¨nderungen einherging. Sicher wurde die Stadt damals von ihrer urspru¨nglichen Stelle, die spa¨ter als Altstadt bezeichnet wurde, zum no¨rdlichen, linken Ufer der Ohle hin verschoben. In ´ den Kontext dieser Vera¨nderungen wu¨rde (wie schon Anna Rutkowska-Płachcinska annahm) auch die Lo¨sung der Angelegenheit von Prieborn durch eine coniunctio civitatum passen. Anla¨sslich des erneuten Verzichts von Jarosław im Jahre 1296 ist von Prieborn nur noch als Dorf (villa) die Rede. In der zitierten Verleihung der Vogtei von 1292 wurde die Zahl der Fleischba¨nke und Ba¨ckerla¨den aufgefu¨hrt, sowohl jene die den Vo¨gten als auch jene, die allen anderen in der Stadt zuerkannt waren, und zwar unter dem Vorbehalt, dass diese Zahl nicht u¨berschritten werden du¨rfe. Diese Beschlu¨sse zeigen wohl, dass die Aktion der Verlegung der fru¨her in Prieborn existierenden Einrichtungen nach Strehlen – wie sie in der Urkunde des Vogtes Raszek aus dem Jahre 1297 beschrieben wurde – schon vorher stattgefunden haben muss. Die neue Lokation von Strehlen war das Werk von Bolko I., bis kurz zuvor Herzog von Jauer. Die su¨dlichen Gebiete des Herzogtums Breslau – wo Strehlen lag –
53 Schlesisches Urkundenbuch (wie Anm. 15), Nr. 342; (wie Anm. 13), Nr. 22, 37, 43, 50, 60, 61. 54 Ebd., Nr. 421. 55 Ebd., Nr. 468; in der Urkunde vom 24. Januar 1264 wird der Konsens seines Sohnes Racław erwa¨hnt.
Dieser ist ansonsten nicht bekannt und verstarb sicher fru¨h, denn aus dem Vergleich von 1284 ergibt sich, dass Bogusław nur seine Tochter Elisabeth hinterließ. 56 Schlesisches Urkundenbuch (wie Anm. 7), Nr. 213. 57 Schlesisches Urkundenbuch (wie Anm. 26), Nr. 78. 58 Ebd., Nr. 85.
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besetzte er erst wa¨hrend der nach dem Tode Heinrichs IV. des Gerechten entstandenen Wirren im Herbst 1290.59 Bolko war ein energischer, strenger Herrscher mit unbestreitbaren wirtschaftlichen Talenten. Die schonungslose Regelung der Angelegenheit von Strehlen nach rein o¨konomischem Ermessen und unter Verletzung der Interessen der bisherigen Besitzer passt hervorragend zu seiner Person. Wir wissen nicht, welche Druckmittel der Herzog damals angewandt hat. Strehlen wurde dem bisherigen Gutsherrn abgekauft. Noch nach Jahren entstanden allerdings Zweifel u¨ber das Patronatsrecht der Pfarrkirche, und man erinnerte sich damals daran, dass Bolko, der die Stadt Bogusz von Strehlen abgekauft hatte, damit auch dieses Patronat erworben hatte.60 Die Sache war jedoch nicht ganz eindeutig. Denn besagter Bogusz – sicher der Sohn von Racław Drzemlik und wohl der letzte Nachkomme der Herren von Strehlen61 – verließ danach diese Gegend und begab sich in den Dienst der Bolko feindlich gesinnten Herzo¨ge aus der Glogauer Linie.62 Bis zu seinem Tode im Jahre 1315/16 versuchte er seine Rechte auf das Patronat der Strehlener Pfarre geltend zu machen, die ihm „seit undenklichen Zeiten“ zustanden.63 Er beklagte sich, dass schon bei der vorherigen Vakanz ein Pfarrer unter Anwendung von „Druck und Gewalt“ eingesetzt worden sei. Diese Haltung scheint darauf zu verweisen, dass er weiterhin unter dem Gefu¨hl erlittenen Unrechts litt – somit war Herzog Bolko Bogusz sicher dadurch losgeworden, dass er ihn zum Verkauf aller Gu¨ter zwang, denn im Jahre 1301 war Mojek von Baitzen schon im Besitz von Steinkirche und Gambitz.64 In Prieborn verlief die Sache anders. Wir wissen mit Sicherheit, dass Jarosław nicht alles verloren hatte. Ganz offensichtlich wurde ihm nur die Stadt selbst weggenommen (abgekauft?), wa¨hrend ihm das Dorf Prieborn verblieb, auf das er im Jahre 1296 erneut verzichtete, das aber auch danach noch im Besitz seiner Kinder war. Es muss wohl auch ohne allzu drastischen Druck durch den Herzog abgegangen sein. Denn noch spa¨ter, im Jahre 1293, zeigte sich Jarosław an Bolkos Seite und u¨bernahm mit dessen Mandat sogar die Rolle eines Richters in der Sache von Wiesenthal, wo der Herzog den vorherigen Besitzer ebenfalls zum Verkauf gezwungen
59 Tomasz Jurek, Dziedzic Kro´lestwa Polskiego. Ksia˙ ˛z˛e głogowski Henryk (1274–1309) [Der Erbe des
Ko¨nigreichs Polen. Herzog Heinrich von Glogau], Poznan´ 1993, S. 18. 60 Regesty (wie Anm. 28), Nr. 3553. 61 Generell wird angenommen, dass der fu¨r 1297 bezeugte Raszek identisch war mit Raszek, dem Sohn
von Racław Drzemlik, ‘so dass das Amt des Vogtes letztendlich zu den fru¨heren Herren zuru¨ckkehrte“, was als Teil der Abrechnungen mit Herzog Bolko verstanden werden kann; vgl. Marek Cet´ XIII wieku. Pochodzenie – gospodarka – polityka [Das schlesiwinski, ´ Rycerstwo s´ laskie ˛ do konca sche Rittertum bis zum Ende des 13. Jahrhunderts. Herkunft – Wirtschaft – Politik], Wrocław 1980, S. 196–197; Cetwinski, ´ Rycerstwo (wie Anm. 4), S. 173; Kaczmarek, Radsław (wie Anm. 42), S. 759. Diese Gleichsetzung ist jedoch falsch, denn der Vogt Raszek fu¨hrte ein anderes Wappen (dreieckfo¨rmig angeordnete Beine) als die Herren von Strehlen (ein aus den Wellen aufsteigender Lo¨we). Die Wiederholung des Namens des Stadtherrn stellte in der Familie des Vogtes keine Seltenheit dar; das deutlichste Beispiel dafu¨r liefert der Posener Vogt Przemek. 62 Regesty (wie Anm. 28), Nr. 2664, 3354; die erste dieser Urkunden wurde zwar vom Oppelner Herzog ausgestellt, aber auf einer Ratsversammlung, an der Heinrich von Glogau teilnahm. 63 Ebd., Nr. 3466, 3553. 64 Regesty (wie Anm. 28), Nr. 2661.
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hatte.65 Als Lokator der Stadt in Prieborn fungierte also, fassen wir die vorstehenden Ausfu¨hrungen zusammen, Jarosław von Habendorf, ho¨chstwahrscheinlich in der neunten Dekade des 13. Jahrhunderts. Als Grund fu¨r diese Lokation darf perso¨nlicher Ehrgeiz angenommen werden. In den Jahren 1290–1292 wurde die Stadt jedoch von Herzog Bolko u¨bernommen, der sie liquidierte und mit dem nahegelegenen Strehlen verband. Lo¨wen lag am Ufer der Neiße, direkt an der Grenze zwischen Schlesien und dem Oppelner Land. Diese Gegend geho¨rte zweifellos zum a¨ltesten Grundstock der Gu¨ter der Familie von Pogarell. In der ersten Ha¨lfte des 13. Jahrhunderts fielen sie in den Teilungen zwischen Przecław dem Vater von Mroczek) und dem Ritschener Kastellan Jarosław dem letzteren zu, mitsamt der ganzen Herrschaft Michelau. Die fru¨he Geschichte von Lo¨wen ist in den Quellen nur schwach belegt. Zur Stadt erhoben wurde Lo¨wen zweifellos noch vor dem 29. November 1284, als Bogusz von Pogarell den als Bu¨rger von Lo¨wen (civibus Lewinensibus) bezeichneten Bru¨dern Tylon und Konrad bestimmte La¨ndereien ante civitatem verkaufte.66 Walter Kuhn meinte, dies sei die einzige glaubwu¨rdige Erwa¨hnung u¨ber die Anfa¨nge der Stadt, und desavouierte damit alle Versuche ihrer fru¨heren Datierung.67 Aber diesem Standpunkt kann wohl kaum zugestimmt werden. Eine erste Information u¨ber Lo¨wen liefert na¨mlich bereits eine Urkunde aus dem Jahre 1257. Nikolaus, der Sohn des Bogusław von Fro¨beln und hier als Ritter des Herzogs von Oppeln bezeichnet, bezeugt darin den Verkauf einer Mu¨hle an der Neiße mitsamt anliegender Wiese an die Johanniter von Lossen sowie an Walter, einen Mu¨nzer de Lewin.68 Zwar wird die Stadt hier niemals ausdru¨cklich genannt. Wesentlich scheint jedoch bereits das Nebeneinanderauftreten zweier Namen zu sein: Lo¨wen und Fro¨beln. Fro¨beln war danach ein nahe der Stadt gelegenes Dorf, das die Rolle einer Vorstadt erfu¨llte (auf den heutigen Landkarten ist es gar nicht mehr als solches verzeichnet). Deshalb entsteht der unwiderstehliche Eindruck, dass dieses Fro¨beln die urspru¨ngliche Siedlung vor der Lokation gebildet hat, auf deren Boden dann die Lokation der Stadt Lo¨wen erfolgte. Diese Lo¨sung ist u¨brigens keineswegs neu.69 Besta¨tigt werden ko¨nnte sie durch die Annahme, dass Lo¨wen ein deutscher Name ist (d. h. erst in der Zeit der Kolonisierung entstand), aber es muss wohl doch eher ihr slawischer Charakter anerkannt werden: denn allein in Bo¨hmen gibt es sieben Do¨rfer mit dem Namen Levin, der als Possessivform des Namens Lev erkla¨rt wird.70 Dafu¨r kann man sich auf zusa¨tzliche Indizien berufen, die bereits die Existenz einer Stadt begru¨nden. Charakteristisch ist der Beruf des erwa¨hnten Walter. Zwar wissen wir nicht genau, was der Begriff monetarius bedeutet – einen Handwerker oder eher einen die Marktgebu¨hren einkassierenden
65 Schlesisches Urkundenbuch (wie Anm. 26), Nr. 91, 257; vgl. Cetwinski, ´ Rycerstwo (wie Anm. 61),
S. 187. 66 Schlesisches Urkundenbuch (wie Anm. 19), Nr. 159. 67 Kuhn, Die Sta¨dtegru¨ndungspolitik 30/1972 (wie Anm. 2), S. 51–52. 68 Schlesisches Urkundenbuch (wie Anm. 13), S. 258. 69 Vgl. Handbuch der historischen Sta¨tten. Schlesien, hg. v. Hugo Weczerka, Stuttgart 1977, S. 295. 70 Antonin Profous, Mı´stnı´ jme´na v Cecha ˇ ´ ch [Stadtnamen in Bo¨hmen], Bd. 2, Praha 1947–1960,
S. 512–513.
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Beamten71 – aber auf jeden Fall verra¨t er den handwerklichen oder Handelscharakter des Ortes. Und schließlich besta¨tigt auch der in der Urkunde vorgesehene Termin der Zinszahlung, der dem Vorbild der Zahlungsbegriffe in Breslau folgte (sicut in termino Wratislauiensi in censu solvet), den lokalen Einfluss sta¨dtischer Bra¨uche. Wer der Stadtgru¨nder war, ist nicht leicht zu sagen. Kuhn nahm aufgrund der Tatsache, dass Lo¨wen spa¨ter eine Privatstadt war, eine von den Herren von Pogarell selbst vollzogene Lokation an. Wenn man dieser Hypothese folgt, muss die Initiative – auch wenn Kuhn keine konkrete Person nennen wollte – dem Vater des Ausstellers der zitierten Urkunde, Bogusław von Fro¨beln, zugeschrieben werden. Er war der a¨lteste Sohn des Ritschener Kastellans Jarosław. In den Quellen wird er in den Jahren 1235–1261 erwa¨hnt.72 Im Ergebnis der Teilungen mit den ju¨ngsten Bru¨dern Przecław, Budziwoj und Janusz bekam er Fro¨beln und u¨berließ ihnen dafu¨r den Hauptsitz der ¨ ber seine Karriere wissen wir nicht viel. Charakteristisch ist, Familie in Michelau. U dass der schon erwa¨hnte Verkauf der Mu¨hle von seinem Sohn Nikolaus besta¨tigt und der abwesende Vater als Ritter des Herzogs von Oppeln bezeichnet wurde. Daraus folgt, dass Bogusław das Herzogtum Breslau verlassen hatte – sicher infolge irgendeines Konflikts mit dem Herzog Heinrich III. Wahrscheinlich bestand ein Zusammenhang zwischen dieser Transaktion und der fast gleichzeitig (1253–1254) erfolgten Inhaftierung des Mroczek von Grottkau. Man ko¨nnte daher annehmen, dass auch der Hintergrund des Streites ein a¨hnlicher war – d. h. der Herzog u¨bernahm die Kontrolle u¨ber die von Bogusław gegru¨ndete Stadt. Eine Spur dafu¨r ko¨nnte die Anwesenheit des erwa¨hnten Walter in Lo¨wen darstellen, der ein herzoglicher Beamter gewesen sein kann. Und wenn wir schon den Weg dieser Hypothese beschreiten, dann erscheint es nicht einmal mehr als notwendig, eine Privatlokation anzunehmen. Vielleicht hatte der Herzog die Stadt auf den La¨ndereien des Bogusław von Fro¨beln gegru¨ndet, was dann zum Konflikt fu¨hrte. Aber im Lichte der weiteren Geschicke von Lo¨wen erscheint eine solche Lo¨sung weniger wahrscheinlich, denn schon im Jahre 1284 besta¨tigt die zitierte Urkunde des Bogusz von Pogarell, dass die Stadt sich im Besitz der Pogarell befand. Viel wahrscheinlicher ist, dass Bogusz vom Herzog die ihm einst weggenommene Stadt zuru¨ckerhalten hat, als dass er ihn dazu bewogen ¨ berhaupt scheint es ha¨tte, ihm eine von Anfang an herzogliche Stadt zu schenken. U zweifelhaft, dass Bogusz von Heinrich IV. so außerordentlicher Gnadenerweise ha¨tte teilhaftig werden ko¨nnen. Er war ja damals noch jung (die Urkunde von 1284 ist seine erste selbsta¨ndige Rechtshandlung), und seine Verbindungen zum Hofe sind außerhalb desselben noch nicht erkennbar. Erst kurz zuvor, im Jahre 1277, war sein Oheim Janusz von Michelau sogar von Heinrich IV. inhaftiert worden,73 was darauf hindeutet, dass die Beziehungen zwischen diesem Herzog und den Pogarell wiederum gespannt und argwo¨hnisch waren. Von den verschiedenen hier ero¨rterten Mo¨glichkeiten muss deshalb als die wahrscheinlichste angenommen werden, dass Lo¨wen ganz einfach die ganze Zeit u¨ber eine Privatstadt war. 71 Borys Paszkiewicz, Pieniadz ˛ go´rno´slaski ˛ w s´ redniowieczu [Das oberschlesische Geld im Mittelalter],
Lublin 2000, S. 137, 219.
72 Schlesisches Urkundenbuch (wie Anm. 15), Nr. 103; (wie Anm. 13), Nr. 367, 377. 73 Długosz, Joannis Dlugossii Annales seu Cronicae incliti Regni Poloniae, lib. 7, Warszawa 1975, S. 197.
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Es ist schwer, das genaue Datum der Lokation zu bestimmen. Auch sie kann – a¨hnlich wie die Entstehung der Stadt in Grottkau – hypothetisch auf die unruhigen ¨ bereinstimmung mit den Geschicken von Jahre 1241–1248 bezogen werden. Die U ¨ brigen kein Zufall gewesen zu sein. Bogusławs Vorgehen darf Grottkau scheint im U als eine Nachahmung von Mroczeks Vetter angesehen werden – als dieser sich seine eigene Stadt gru¨ndete, wollte der Vertreter der anderen Familienlinie nicht hinter ihm zuru¨ckstehen. Auch hier tritt wieder das Motiv perso¨nlichen Ehrgeizes in Erscheinung. Bogusz von Pogarell, der Sohn des Przecław, war ein Neffe des Bogusław von Fro¨beln. Lo¨wen u¨bernahm er ho¨chstwahrscheinlich nach dem Tode von Nikolaus Bogusławowic, der nach 1259 nicht mehr in den Quellen erscheint und wohl auch keine Nachkommen hinterließ. Bogusz muss die um 1285 vollzogene Stiftung des Dominikanerklosters in Lo¨wen zugeschrieben werden.74 Dieser Akt deutet darauf hin, dass der neue Grundherr mit dieser Stadt irgendwelche ernsthaften Pla¨ne verbunden haben muss. Wahrscheinlich sah er sie als neues Herrschaftszentrum der Familie. Boguszs Verdienst war es, die durch die fru¨heren Teilungen zersplitterten Gu¨ter der Pogarell wieder zu vereinen. Nach dem Tod des Nikolaus hatte er Lo¨wen geerbt, und nach dem Tode der anderen Vetter (der So¨hne von Budziwoj und Janusz) fielen ihm alle Anteile in der Herrschaft Michelau zu, und er u¨bernahm sogar einen Teil der fru¨heren Grottkauer Gu¨ter (wovon weiter oben bereits die Rede war). Dieses große und in sich geschlossene Besitztum sollte einen entsprechenden Mittelpunkt bekommen. Als einzige Stadt in Boguszs La¨ndereien war Lo¨wen dazu besonders geeignet. Dennoch entwickelte sie sich nicht seinen Erwartungen gema¨ß. Die Daseinsberechtigung von Lo¨wen bestand in seiner Lage an der Grenzu¨berfahrt u¨ber die Neiße, an der „Hohen Straße“, d. h. an der internationalen Verkehrsader von Deutschland u¨ber Breslau und Oppeln bis nach Krakau und weiter nach Ruthenien.75 ¨ bergang in Gleich nebenan existierte jedoch noch ein anderer, konkurrierender U Schurgast. Dort befand sich eine Bru¨cke (dieser Ort hieß urspru¨nglich na¨mlich Skorogosto´w Most).76 Vor 1271 hatten die Norbertinerinnen von Czarnowanz dort eine Stadt gegru¨ndet.77 In einer Urkunde aus dem Jahre 1310, die die Straße nach Brieg beschreibt, wird Schurgast vor Lo¨wen genannt, was wohl den Maßstab ihrer Bedeutung widerspiegelt.78 Von der Attraktivita¨t dieses Punktes zeugt auch, dass die Stadt spa¨ter vom Falkenberger Herzog Bolesław besetzt wurde, der 1328 das Kloster gegen eine Entscha¨digung dazu zwang, auf die Stadt zu verzichten.79 Sicher hat gerade diese 74 Jerzy Kłoczowski, Dominikanie polscy na Sl ´ asku ˛ w XIII–XV wieku [Die polnischen Dominikaner
in Schlesien im 13.–15. Jahrhundert], Lublin 1956, S. 56, 305.
75 Janina Nowakowa, Rozmieszczenie komo´r celnych i przebieg dro´g handlowych na Sl ´ asku ´ ˛ do konca
XIV wieku [Die Verteilung der Zollsta¨tten und der Verlauf der Handelswege in Schlesien bis zum Ende des 14. Jahrhunderts], Wrocław 1951, S. 62–64. 76 Schlesisches Urkundenbuch (wie Anm. 5), Nr. 223. 77 Schlesisches Urkundenbuch (wie Anm. 7), Nr. 146. 78 Regesty (wie Anm. 28), Nr. 3461. 79 Regesty (wie Anm. 28), Nr. 4773; Liber fundationis episcopatus Vratislaviensis [Codex diplomaticus Silesiae, Bd. 14], hg. v. Hermann Markgraf/Wilhelm Schulte, Breslau 1889, S. 81; vgl. Kuhn, Die Sta¨dtegru¨ndungspolitik 29/1971 (wie Anm. 2), S. 56.
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Konkurrenz – und außerdem wohl auch der u¨berwa¨ltigende Einfluss des herzoglichen Brieg – der Entwicklung von Lo¨wen ein Ende bereitet. Die Pogarell unternahmen im 13. Jahrhundert drei Stadtlokationen. In Anbetracht der generellen Seltenheit von Privatsta¨dten im damaligen Schlesien ist das viel. Nach Berechnungen Walter Kuhns waren von den 134 schlesischen Sta¨dten des 13. Jahrhunderts nur 6 Lokationen ritterlicher Herkunft (allerdings beru¨cksichtigte Kuhn Grottkau nicht).80 Aufgrund unserer Ermittlungen mu¨ssen außerdem noch zwei Lokationen wahrscheinlich bis vor 1250 ru¨ckdatiert werden. Kuhn notierte fu¨r diesen Zeitraum nur eine adlige Stadt: das oberschlesische Leschnitz, fu¨r das im ¨ brigen nur eine Genehmigung zur Lokation aus dem Jahre 1217 bekannt ist, deren U Authentizita¨t noch dazu zweifelhaft erscheint.81 Die Unternehmungen der Ritter von Pogarell waren daher wirklich außerordentlich, was jedoch im außerordentlichen Rang dieser Familie seine Erkla¨rung findet. Erwa¨hnt werden muss auch, dass die Stiftung gleich zweier Klo¨ster (in Kaminietz sowie des Dominikanerklosters in Lo¨wen) durch ihre Vertreter im 13. Jahrhundert ein ebenso außerordentliches Verdienst darstellt. Auch auf dem Gebiet des Landesausbaus waren die Pogarell außerordentlich aktiv, und zwar von Anfang an.82 Die untersuchten Beispiele verdeutlichen auch die „Sta¨dtepolitik“ dieser Magnaten. Erkennbar sind wiederholte Bestrebungen zur Gru¨ndung einer eigenen Stadt. Dieses Streben muss wohl als Ausdruck adligen Ehrgeizes interpretiert werden. Der Besitz einer Stadt bildete zweifellos eine wesentliche Form der Manifestierung ihrer eigenen Macht, d. h. ihrer Gleichstellung mit den Herzo¨gen. Erkennbar sind auch – wie ich bemu¨ht war aufzuzeigen – innerfamilia¨re Formen der Nachahmung, der Konkurrenz und sogar des simplen Neides. Allerdings stellt sich die Frage, warum diese Bestrebungen zu einem bestimmten Zeitpunkt abbrachen. Bogusz von Pogarell, der die Familiengu¨ter erneut in seiner Hand vereinigte, versuchte Lo¨wen noch einmal zu beleben, unternahm aber keine Versuche einer Lokation der alten Residenzen in Michelau und in Pogarell mehr, obwohl er doch gerade letzteres als Hauptsitz der Familie gefo¨rdert hatte. Vermutlich war er der fru¨heren Erfahrungen mit seiner Familie u¨berdru¨ssig geworden. Alle vorherigen Initiativen waren ja immer auf herzogliche Gegenaktionen gestoßen. Abschreckenden Einfluss hatte auch die Beobachtung der allgemeinen Bedingungen: Am Ende des 13. Jahrhunderts war die Welle der Lokationen schon deutlich zuru¨ckgegangen und das Sta¨dtenetz war sozusagen gesa¨ttigt.83 Eine Lokation von Pogarell oder Michelau besaß deshalb keinerlei Aussichten mehr. Aber es blieben ja noch andere Formen zur Befriedigung des perso¨nlichen Ehrgeizes und der Rivalita¨t mit den Herzo¨gen. Sicher 80 Kuhn, Die Sta¨dtegru¨ndungspolitik 32/1974 (wie Anm. 2), S. 125. 81 Kuhn, Die deutschrechtlichen (wie Anm. 2), S. 145; Schlesisches Urkundenbuch (wie Anm. 5), Nr. 165. 82 Bereits im Jahre 1210 ist die Anwesenheit von Deutschen in Kittelau/Kietlin bezeugt, das den Pogarell
geho¨rte; Schlesisches Urkundenbuch (wie Anm. 5), Nr. 122; vgl. Rutkowska-Płachcinska, ´ Strzelin (wie Anm. 3), S. 61; dagegen meinte Benedykt Zientara, Heinrich der Ba¨rtige und seine Zeit. Politik und Gesellschaft im mittelalterlichen Schlesien, Mu¨nchen 2002, S. 135, zu Unrecht, dass es sich hierbei um herzogliche Gu¨ter handelte. Aber dafu¨r bemerkt er richtig, dass die Deutschen, da sie ja den Zehnten abfu¨hrten, schon seit la¨ngerer Zeit an diesem Ort ansa¨ssig sein mussten. Sie mu¨ssen daher schon im 12. Jahrhundert angesiedelt worden sein. 83 Kuhn, Die Sta¨dtegru¨ndungspolitik 32/1974 (wie Anm. 2 ), S. 9 und das Diagramm nach S. 16.
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war es gerade Bogusz, der sich in Meristau ein Schloss errichtete, welches erstmals im Jahre 1284 erwa¨hnt wird und wahrscheinlich in der Na¨he von Guhlau und Osseg bei Grottkau gelegen war.84 Man darf darin wohl eine Reaktion auf das nicht viel fru¨her erbaute und nur wenige Kilometer entfernt gelegene herzogliche Schloss Tiefensee erkennen. Die Untersuchung der Schicksale einiger Adelslokationen ermo¨glichte die Korrektur einer Reihe von Feststellungen der a¨lteren Literatur. Unangebracht scheinen ´ auch manche der von Anna Rutkowska-Płachcinska verwendeten Kategorien zu sein. Sie sprach unno¨tigerweise von der Gru¨ndung von „Marktobjekten“ in den Rittergu¨tern. Im Lichte der Quellen handelt es sich dabei jedoch zweifellos ganz einfach um Lokationssta¨dte. Irrefu¨hrend erscheint auch der von ihr eingefu¨hrte Begriff der „misslungenen Lokation“. In allen behandelten Fa¨llen bestand das Problem na¨mlich nicht darin, dass die Versuche einer Stadtgru¨ndung nicht zustande gekommen wa¨ren, sondern in ihren weiteren Schicksalen. Alle hier geschilderten Lokationen sind durch herzogliche Ingerenzen verdorben worden – wobei wir einen ganzen Fa¨cher von Mo¨glichkeiten kennen lernen konnten: von der Liquidierung einer unbequemen Pri¨ berfu¨hrung in herzogliches Eigentum bis hin zur Begu¨nstigung vatstadt u¨ber ihre U der Konkurrenz. In der herzoglichen Politik ist jedenfalls eine große Konsequenz und das Bewusstsein o¨konomischer Ziele erkennbar: der Gewa¨hrleistung von Entwicklungsbedingungen fu¨r die eigenen Sta¨dte durch „Entladung“ der allzu starken Verdichtung des Sta¨dtenetzes, zu welcher eine unkontrollierte Entwicklung von Privatsta¨dten ha¨tte fu¨hren ko¨nnen. In Schlesien gelang es – anders als in den u¨brigen pol¨ berfu¨llung zu vermeiden.85 nischen Gebieten –, diese U Somit a¨ndert sich das insbesondere von Walter Kuhn skizzierte Bild nicht grundsa¨tzlich: Privatlokationen waren in Schlesien eine Seltenheit, und die Herzo¨ge vermochten dank ihrer entschiedenen Politik den Urbanisierungsprozess beinahe zu monopolisieren. Aber gerade die detaillierte Verfolgung der Schicksale einzelner Privatsta¨dte erlaubt ein besseres Eindringen in die Mechanismen, die dieses interessante Pha¨nomen bestimmten.
84 Eben diese Do¨rfer werden im Liber fundationis (wie Anm. 79), S. 165, als zu Meristau geho¨rend
erwa¨hnt. 85 Peter Johanek, Entstehung und Entwicklung des Sta¨dtenetzes in Oberschlesien, in: Stadtgeschichte
Oberschlesiens, Berlin 1995, S. 55–74; vgl. auch Jerzy Wyrozumski, Rozwo´j sieci miejskiej w Mało˙ polsce w s´ redniowieczu i u progu czaso´w nowozytnych [Die Entwicklung des Sta¨dtenetzes in Kleinpolen im Mittelalter und an der Schwelle zur Neuzeit], in: Kwartalnik Historii Kultury Materialnej 28 (1980), S. 363–372; Jacek Wiesiołowski, Sie´c miejska w Wielkopolsce w XIII–XVI wieku. Przestrzen´ ´ i społeczenstwo [Das Sta¨dtenetz in Großpolen im 13.–16. Jahrhundert. Raum und Gesellschaft], in: Kwartalnik Historii Kultury Materialnej 28 (1980), S. 385–399.
DER POSENER LOKATIONSPROZESS von Tomasz Jurek*
Die Lokation einer Stadt, insbesondere einer großen, war kein einmaliger Akt, sondern ein la¨ngerer Prozess.1 Zumeist gelingt es aber nicht, diesen Prozess in seiner ganzen Komplexita¨t zu verfolgen, da in der Regel nur bruchstu¨ckhafte Quellenangaben zur Verfu¨gung stehen. Meistens handelt es sich um die Lokationsurkunde selbst, wobei es oft schwer ist zu bestimmen, ob diese den endgu¨ltigen Abschluss einer Lokation markiert oder nur deren Beginn, gibt es doch Privilegien fu¨r niemals realisierte Lokationen, aber auch solche, die erst Jahrzehnte nach dem Einsetzen der Lokationsreformen ausgestellt worden sind. Im Falle Posens befinden wir uns jedoch in einer relativ komfortablen Situation. Wir verfu¨gen hier na¨mlich nicht bloß u¨ber eine untadelig authentische Lokationsurkunde aus dem Jahr 1253,2 sondern auch u¨ber einige andere, den Lokationsverlauf indirekt illustrierende Urkunden3 *U ¨ bersetzung des Aufsatzes „Przebieg lokacji Poznania“ (aus: Civitas Posnaniensis. Studia z dziejo´w
s´ redniowiecznego Poznania, hg. v. Zofia Kurnatowska/Tomasz Jurek, Poznan´ 2005, S. 173–191); ¨ bersetzung von Herbert Ulrich. U 1 Aus der umfangreichen Literatur zum Thema der Lokationen seien hier nur die folgenden erwa¨hnt: Richard Koebner, Locatio. Zur Begriffssprache und Geschichte der deutschen Kolonisation, Go¨rlitz 1929; Benedykt Zientara, Przemiany społeczno-gospodarcze i przestrzenne miast w dobie lokacji [Der sozioo¨konomische und ra¨umliche Wandel der Sta¨dte in der Lokationszeit], in: Miasta doby feu´ dalnej w Europie Srodkowo-Wschodniej, Warszawa 1976, S. 67–97; ders., Przełom w rozwoju miast s´ rodkowoeuropejskich w pierwszej połowie XIII wieku [Der Durchbruch in der Entwicklung der ostmitteleuropa¨ischen Sta¨dte in der ersten Ha¨lfte des 13. Jahrhunderts], in: Przeglad ˛ Historyczny 67 ´ (1976), S. 219–241; Jan M. Piskorski, Miasta ksi˛estwa szczecinskiego do połowy XIV wieku [Die Sta¨dte des Herzogtums Stettin bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts], Warszawa/Poznan´ 1987, S. 79ff.; Sławomir Gawlas, O kszałt zjednoczonego Kro´lestwa. Niemieckie władztwo terytorialne a geneza ¨ ber die Form des vereinigten Ko¨nigreiches. Deutsche Terspołecznoustrojowej odr˛ebno´sci Polski [U ritorialherrschaft und die Genese der sozialen und verfassungsma¨ßigen Eigenart Polens], Warszawa 1996, S. 26–37. 2 Kodeks dyplomatyczny Wielkopolski [Großpolnisches Urkundenbuch], Bd. I–XI, Poznan´ 1877–1999, hier Bd. 1, Nr. 321: Przywileje miasta Poznania XIII–XVIII wieku [Die Privilegien der Stadt Posen des 13.–18. Jahrhunderts], hg. v. Witold Maisel, Poznan´ 1994, Nr. 3. Die Urkunde ist heute in drei Prima¨rkopien bekannt: 1) als Eintrag in das sta¨dtische Kopiar vom Ende des 14. Jahrhunderts, 2) als Transsumpt Władysław Łokieteks aus dem Jahr 1298, erhalten in einem Transsumpt Ko¨nig Władysławs III. von 1443, schließlich 3) als Eintrag in den Posener Gro´dakten aus dem Jahr ¨ berlieferungen vgl. Antoni Gasiorowski, 1721; zu den Wechselbeziehungen der einzelnen U ˛ Dokumenty wielkopolskie XIII wieku [Großpolnische Urkunden des 13. Jahrhunderts], in: Kwartalnik Historyczny 75 (1968), S. 105–114, hier S. 111. 3 Dabei handelt es sich um u¨berlieferte Originaldokumente aus den Jahren 1244 und 1252; Kodeks (wie Anm. 2), Bd. 1, Nr. 243, 302 bzw. Przywileje (wie Anm. 2), Nr. 1–2.
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und schließlich u¨ber unabha¨ngige Erwa¨hnungen historiografischer Art.4 Es scheint, dass im polnischen Vergleich die Posener Lokation eine der quellenma¨ßig am besten erhellten ist. Dies macht den Stellenwert der am Beispiel Posens gewonnenen Erkenntnisse fu¨r die Konstruktion eines zuverla¨ssigen Modells des Lokationsprozesses aus. Daraus resultiert das große Interesse der Historiker an diesem Vorgang. Tatsa¨chlich ist u¨ber die Lokation von Posen bereits viel geschrieben worden. Es liegt eine ganze Reihe monografischer Studien vor5 und zahlreiche bedeutende Befunde wurden am Rande anderer Themen aufgestellt.6 Dessen ungeachtet ist der Stand der (im ¨ brigen schon seit la¨ngerer Zeit eingeschlafenen) Forschungen immer noch unbefrieU digend. Es scheint na¨mlich, dass sich die Historiker, verfu¨hrt von der Reichhaltigkeit der Details, eine recht oberfla¨chliche Auswertung der verfu¨gbaren Quellen gestattet und deren tiefer gehende quellenkritische Reflexion vernachla¨ssigt haben. Doch ero¨ffnet dies auch die Chance, neue Elemente in das Bild von der Formierung der Posener Lokationsstadt einzubringen.
4 Dies sind Aufzeichnungen der so genannten Annalen der Domkapitel von Posen und Gnesen, die aus
Manuskripten des 15. Jahrhunderts bekannt sind (publiziert in Monumenta Poloniae historica. Seria nova, Bd. 6, Warszawa 1962) sowie der in denselben Manuskripten erhaltenen Großpolnischen Chronik, die im Wesentlichen Ende des 13. Jahrhunderts redigiert, aber im folgenden Jahrhundert noch umgearbeitet wurde (publiziert in Monumenta Poloniae historica. Seria nova, Bd. 8, Warszawa 1970). Sowohl die beiden Annalen, als auch die Chronik stu¨tzen sich auf Aufzeichnungen eines verloren gegangenen Annalenwerkes, das im 13. Jahrhundert im Umfeld des Posener Doms fortlaufend gefu¨hrt worden ist. Bisherige Forschungen (z. B. Brygida Ku¨rbiso´wna, Dziejopisarstwo wielkopolskie XIII i XIV wieku [Die großpolnische Geschichtsschreibung des 13. und 14. Jahrhunderts], Warszawa 1959, S. 71f.) haben deutlich gezeigt, dass die erhaltenen Annalen die urspru¨ngliche Vorlage besser bewahrt haben, wa¨hrend der Autor der Chronik sie stark umgeformt hat. Die fu¨r uns entscheidenden Eintra¨ge (aus den Jahren 1249, 1253 und 1263) sind in der Großpolnischen Chronik in der Tat durch spa¨tere Hinzufu¨gungen entstellt worden (vgl. die Anm. 29, 50, 54, 58, 63, 76). 5 Victor Friese, Zur Gru¨ndungsurkunde von Posen (1253), in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung fu¨r Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung 26 (1905), S. 91–164; Zdzisław Kaczmarczyk, Przywilej lokacyjny dla Poznania z r. 1253 [Das Lokationsprivileg fu¨r Posen aus dem Jahr 1253], in: Przeglad ˛ ´ Zachodni 9 (1953), 6–8, S. 142–166; Maria Szymanska, ´ Wo´jtostwo poznanskie 1253–1386 [Die Posener Vogtei 1253–1386], in: ebd., S. 167–193; Poczatki ˛ i rozwo´j Starego Miasta w Poznaniu w s´ wietle badan´ archeologicznych i urbanistyczno-architektonicznych [Anfa¨nge und Entwicklung der Altstadt in Posen im Licht der archa¨ologischen und stadtplanerisch-architektonischen Forschungen], hg. v. Włodzimierz Błaszczyk, Warszawa/Poznan´ 1977; Anna Rogalanka, Poznan´ u progu lokacji [Posen an der Schwelle der Lokation], in: Dzieje Poznania, Bd. 1, T. 1, hg. v. Jerzy Topolski, Warszawa/Poznan´ 1988, S. 146–183 (dort ausfu¨hrliche Zusammenfassung der Forschungen zu den Lokationsreformen); Zdzisław Kaczmarczyk, Ustro´j miasta lokacyjnego [Verfassung der Lokationsstadt], in: ebd., ˙ S. 183–193; Anna Rogalanka, Wytyczenie miasta lewobrzeznego [Die Absteckung der linksufrigen Stadt], in: ebd., S. 193–208. 6 Hanna Zio ´ łkowska, Czas powstania i osoba fundatora Zamku na Go´rze Przemysława w Poznaniu [Die Entstehungszeit und der Gru¨nder der Burg auf dem Przemysław-Berg in Posen], in: Studia i Materiały do Dziejo´w Wielkopolski i Pomorza 2 (1956), 2 (4), S. 7–24; Walter Kuhn, Die deutschrechtlichen Sta¨dte in Schlesien und Polen in der ersten Ha¨lfte des 13. Jahrhunderts, Marburg/Lahn 1968, S. 44f.; Henryk Łowmianski, ´ Poczatki ˛ Polski [Die Anfa¨nge Polens], Bd. 6, Warszawa 1985, S. 709f.; Eugeniusz Linette, Zamek w Poznaniu [Die Burg in Posen], Warszawa/Poznan´ 1981, S. 28f.; Bronisław Nowacki, Przemysł I, syn Władysława Odonica, ksia˙ ˛z˛e wielkopolski 1220/1221–1257 [Przemysł I., der Sohn von Władysław Odonic, großpolnischer Herzog], Poznan´ 2003, S. 160f.
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Die Welle sta¨dtischer Lokationen erreichte Großpolen im zweiten Viertel des 13. Jahrhunderts.7 Die ersten großpolnischen Lokationen stehen in Verbindung mit dem Fu¨rsten Władysław Odonic (gest. 1239). Zahlreiche Urkunden zeigen seine – u¨berwiegend erfolglosen – Versuche, die im Verlauf der sich schneller entwickelnden Kolonisation Schlesiens ausgearbeiteten Muster auf großpolnischen Boden zu verpflanzen. Der Fu¨rst fu¨hrte Lokationen fu¨r einige kleinere Sta¨dte durch, aber seine Absicht war es mit Sicherheit, auch eine Lokation der Hauptzentren seines Territoriums durchzufu¨hren. In seinen letzten Lebensjahren gelang ihm dies fu¨r Gnesen.8 Nach einem verlorenen Krieg gegen die schlesischen Fu¨rsten verlor Odonic jedoch alle Besitzungen links der Warthe; Kalisz fiel daher weg, wa¨hrend Posen – das sich schon damals aus Siedlungen zusammensetzte, die zu beiden Seiten des Flusses lagen – von einer politischen Grenze durchschnitten wurde.9 Dies erschwerte sa¨mtliche Lokationspla¨ne, aber Fu¨rst Władysław unternahm dennoch den Versuch, auf seinem Ufer o¨stlich der Kathedrale eine Stadt zu begru¨nden. Dies war die Genese von ´ ´ dka, das mo¨glicherweise auf einer fru¨heren Marktsiedlung aufbaute, deren ExisSro tenz allein schon der Name zu suggerieren scheint. Das Funktionieren eines sta¨dti´ ´ dka schon vor der Lokation am linken Wartheufer wird von schen Organismus in Sro ´ ´ dka11 ist vielen Quellen belegt.10 Neben Informationen u¨ber eine „Stadt“ (civitas) Sro die Erwa¨hnung einer Mu¨hle „des alten Schultheißen“ in der Lokationsurkunde von ´ ´ dka beziehen la¨sst,12 und dessen Amt auf 1253 zu nennen, welche sich nur auf Sro die Existenz von Organisationsstrukturen hinweist, wie sie typisch fu¨r eine Lokationsgemeinde sind. Schließlich ist bekannt, dass sich schon unter Odonic die ersten
7 Kuhn, Die deutschrechtlichen Sta¨dte (wie Anm. 6), S. 106f.; Zbyszko Go ´ rczak, Najstarsze lokacje
miejskie w Wielkopolsce (do 1314 r.) [Die a¨ltesten Stadtlokationen in Großpolen (bis zum Jahr 1314)], Poznan´ 2002, S. 87f. 8 Kuhn, Die deutschrechtlichen Sta¨dte (wie Anm. 6), S. 108; Dzieje Gniezna [Geschichte Gnesens], hg. v. Jerzy Topolski, Poznan´ 1965, S. 133f. 9 Kodeks (wie Anm. 2), Bd. 1, Nr. 168, 173, vgl. auch Nr. 194 (Besta¨tigung, dass die Posener Burg auf ´ aska der Dominsel bei Odonic verblieb); Roman Grodecki, Dzieje polityczne Sl ˛ do 1290 r. [Politische ´ aska Geschichte Schlesiens bis zum Jahr 1290], in: Historia Sl ˛ od najdawniejszych czaso´w do roku 1400, Bd. 1, hg. v. Stanisław Kutrzeba, Krako´w 1933, S. 216; Benedykt Zientara, Heinrich der Ba¨rtige und seine Zeit. Politik und Gesellschaft im mittelalterlichen Schlesien, Mu¨nchen 2002, S. 288. 10 Ausfu¨hrlich Rogalanka, Poznan´ (wie Anm. 5), S. 148–162; aus der a¨lteren Literatur Wilhem Schulte, Die Schrodka. Ein Beitrag zur a¨ltesten Geschichte der Stadt Posen, in: Zeitschrift der Historischen ´ ´ dka Gesellschaft fu¨r die Provinz Posen 22 (1907), S. 237–276; Henryk Likowski, Miasto ksia˙ ˛z˛ece Sro [Die Fu¨rstenstadt Neumarkt], Poznan´ 1922; Kuhn, Die deutschrechtlichen Sta¨dte (wie Anm. 6), S. 45f. ´ ´ dka eine polnische Marktsiedlung Nicht u¨berzeugen ko¨nnen die Argumente der Forscher, die in Sro erblicken, die niemals eine Lokation zu deutschem Recht durchlaufen habe; ging es ihnen doch darum, auf diese Weise einen Beleg dafu¨r zu finden, dass die Lokationsstadt Posen hauptsa¨chlich von einheimischer Bevo¨lkerung besiedelt worden sei; vgl. Henryk Mu¨nch, Geneza rozplanowania miast wielkopolskich w XIII–XIV wieku [Die Genese des Grundrisses der großpolnischen Sta¨dte des 13.–14. Jahrhunderts], Krako´w 1946, S. 68f., 150f.; Kaczmarczyk, Przywilej (wie Anm. 5), S. 150f. 11 Vgl. Anm. 29, 54. 12 Dort stand na¨mlich jene Mu¨hle, deren zweifelsfreie Lokalisierung ein Dokument aus dem Jahr 1288 leistet, mit dem ein Vogt Reinold (ho¨chstwahrscheinlich der Sohn des Lokators Tomasz) eine Mu¨hle ´ ´ dka gemeint sein kann; Kodeks (wie Anm. 2), in antiqua civitate Poznaniensi verkaufte, womit nur Sro Bd. 2, Nr. 633–634.
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´ ´ dka niederließen,13 deren AnwesenDominikaner an der Margarethenkirche von Sro heit immer auf eine Ansiedlung sta¨dtischen Charakters verweist. Im Jahr 1241 a¨nderten sich die politischen Rahmenbedingungen, als nach dem Tode Heinrichs des Frommen in der Schlacht bei Liegnitz gegen die Mongolen das große „Reich der schlesischen Heinriche“ zerfiel und die ju¨ngeren So¨hne des Odonic, Przemysł und Bolesław der spa¨ter der Fromme genannt werden sollte) alle Besitzungen des Vaters zuru¨ckbekamen und Großpolen wiedervereinten.14 Ganz Posen zu beiden Ufern der Warthe unterstand jetzt wieder einer Herrschaft. Die gewandelte Situation illustriert eine Urkunde aus dem Jahr 1244.15 Fu¨rst Przemysł I. besta¨tigte ¨ bertragung eines Grundstu¨ckes an der Warthe samt der St. Gotthard-Kirdarin die U che an die Dominikaner, die sie vom Bischof im Austausch fu¨r die Adalbertkirche erhalten hatten. Das Gotteshaus des Hl. Gotthard stand ohne Zweifel an der Stelle des spa¨teren Dominikanerklosters.16 Sehr wahrscheinlich im 12. Jahrhundert gegru¨n13 1254 besta¨tigte Przemysł I. auf Bitten der Posener Dominikaner (die damals schon am linken Warthe-
ufer lebten) die Zollbefreiung, die seine Eltern Władysław Odonic und Jadwiga denjenigen gewa¨hrt hatten, die wa¨hrend der Oktave des Hl. Dominik nach Posen kamen; Kodeks (wie Anm. 2), Bd. 1, Nr. 324. Długosz wiederum vermerkt unter dem 22. Oktober (undecimo Kalendas Novembris) 1231 ´ ´ dka durch den Posener Bischof Paweł (Ioannis Dlugodie Gru¨ndung des Dominikanerklosters in Sro ssii Annales seu cronicae incliti Regni Poloniae, lib. VI, Warszawa 1973, S. 262). Diese einem Regest ta¨uschend a¨hnliche Chroniku¨berlieferung stu¨tzt sich zweifelsohne auf die Autopsie einer entsprechenden Urkunde, a¨hnlich wie Długoszs Vermerke u¨ber die Verlegung der Dominikaner an die Kirche St. Gotthard und u¨ber die Stiftung der Dominikanerinnen (ebd., lib. VII, 1975, S. 47f., 227), fu¨r die wir die entsprechenden Urkunden kennen; Kodeks (wie Anm. 2), Bd. 1, Nr. 243; VI, Nr. 29. In der bisherigen Forschung ist also fa¨lschlicher Weise hierin ein verloren gegangenes Annalenwerk der Dominikaner vermutet worden; Gerard Labuda, Zaginiona kronika z pierwszej połowy XIII wieku w Rocznikach Kro´lestwa Polskiego Jana Długosza [Eine verlorene Chronik aus der ersten Ha¨lfte des 13. Jahrhunderts in den Annalen des Polnischen Ko¨nigsreiches des Johannes Długosz], Poznan´ 1983, S. 88; Dariusz A. Dekanski, ´ Poczatki ˛ zakonu dominikano´w prowincji polsko-czeskiej. Pokolenie s´ w. Jacka w zakonie [Die Anfa¨nge des Dominikanerordens in der polnisch-bo¨hmischen Provinz. Die Genera´ 1999, S. 160f.). Mit den Anfa¨ngen des Posener Ordenshaution des Hl. Hyazinth im Orden], Gdansk ses in Zusammenhang steht wahrscheinlich die Anwesenheit des ku¨nftigen Heiligen Jacek Odrowa˙ ˛z an der Seite des Fu¨rsten Odonic in Gnesen am 15. Februar 1238 (Kodeks [wie Anm. 2], Bd. 1, Nr. 207), wo man sicher Ordinis predicti durch Ordinis Predicatorum ersetzen muss, vgl. Preußisches Urkundenbuch, Bd. I, T. 1, Ko¨nigsberg 1882, Nr. 127. Es scheint jedoch, dass diese erste Niederlassung der Dominikaner noch keinen Konvent bildete. Aus dem Platz, den Posen im Ordensregister des Bernard Guy einnimmt, geht hervor, dass der dortige Konvent erst in der Mitte der 50er Jahre des 13. Jahrhun´ asku derts organisiert wurde; Jerzy Kłoczowski, Dominikanie polscy na Sl ˛ w XIII–XIV wieku [Die polnischen Dominikaner in Schlesien im 13.–14. Jahrhundert], Lublin 1956, S. 295f.; vgl. auch Jacek Wiesiołowski, Klasztory s´ redniowiecznego Poznania [Die Klo¨ster des mittelalterlichen Posen], in: Poczatki ˛ i rozwo´j (wie Anm. 5), S. 405–407, hier S. 406. 14 Poloni – adheserunt filiis quondam Wladislai filii condam Odonis, Przemisl videlicet et Boleslao, qui veri heredes Polonie fuerunt; Monumenta (wie Anm. 4), Bd. 6, S. 6; vgl. Grodecki, Dzieje polityczne (wie Anm. 9), S. 234f. 15 Aream supra litus Warte in Poznan fratribus ordinis predicatorum contulimus [...] ad augendam vero aream fundamento claustri locum quam ecclesiam Sancti Gothardi a domino Boguphalo episcopo Poznaniensi obtinuimus, ecclesiam Beati Alberti, que sita est in monte, pro eodem commutando et ius patronatus eidem condonando; Kodeks (wie Anm. 2), Bd. 1, Nr. 243 bzw. Przywileje (wie Anm. 2), Nr. 1 (nach einem nicht indizierten Original). 16 Włodzimierz Błaszczyk, Wyniki badan´ archeologicznych w strefie osady Sw. ´ Gotarda na Starym Mie´scie w Poznaniu [Ergebnisse der archa¨ologischen Untersuchungen im Bereich der St. GotthardSiedlung in der Altstadt von Posen], in: Poczatki ˛ i rozwo´j (wie Anm. 5), S. 165–181.
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Der Posener Lokationsprozess
det, vielleicht schon vor der Herrschaft des Bolesław Schiefmund der 1135 die ersten Reliquien des kurz zuvor kanonisierten Gotthard nach Polen gebracht hatte)17, stand sie in offenkundigem Zusammenhang mit der Ansiedlung, die sich an der Kreuzung der von Westen nach Posen fu¨hrenden Wege am Wartheu¨bergang konzentrierte. STETTIN NAKLO
DANZIG GNESEN
St. Adalbert
« SRîDKA
St. Gotthard
Bogdanka
LECZYCA , Dominsel
KALISZ KRAKîW Cybina
St. Martin
RYBAKI
G LOGîW WROCLAW
Warthe
Abb. 1: Der Posener Siedlungskomplex mit der Rechtsstadtgru¨ndung auf dem linken Wartheufer Quelle: Civitas Posnaniensis, Poznan´ 2005, S. 239
Diese Lage wies ihr eine besondere Rolle im Kreise der Siedlungen am linken Warthe´ ´ dka hierher ufer (St. Martin, St. Adalbert) zu. Die Verlegung der Dominikaner von Sro verweist darauf, dass sich der demografische Schwerpunkt der gesamten Agglomeration hierher verschoben hatte – gingen die Predigerbru¨der doch immer dort hin, ´ ´ dka dagegen gab es tatsa¨chlich keine wo sich die Bevo¨lkerung konzentrierte. In Sro
17 Teodor Tyc, O ko´scio´łku Sw. ´ Gotharda i kulcie tego s´ wi˛etego [U ¨ ber die St. Gotthard-Kirche und
den Kult dieses Heiligen], in: Kronika Miasta Poznania 2 (1924), S. 125–133 (wieder abgedruckt in: ´ Kronika Miasta Poznania 1990, Nr. 3/4, S. 33–39); Jo´zef Nowacki, Dzieje archidiecezji poznanskiej [Geschichte der Erzdio¨zese Posen], Bd. 2, Poznan´ 1964, S. 355; Marta Młynarska-Kaletynowa, O ¨ ber den St. Gotthard-Kult im Polen des 12. und kulcie s´ w. Gotharda w Polsce XII i XIII wieku [U ´ 13. Jahrhunderts], in: Społeczenstwo Polski s´ redniowiecznej 6 (1994), S. 75–91, hier S. 78f.
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Voraussetzungen fu¨r eine ada¨quate Entwicklung einer gro¨ßeren Stadt. Die Schwierigkeiten zeigt ein Fall aus dem Jahr 1245, als die Nutzung der ihnen vom Fu¨rs´ ´ dka vom Bischof ten zugewiesenen sta¨dtischen Weiden durch die Bewohner von Sro und dem Domkapitel blockiert wurde, die vor dem fu¨rstlichen Tribunal nachwiesen, dass es sich dabei um Kirchengrund handelte.18 Die Verlegung der Dominikaner nach St. Gotthard im Jahr 1244 wird zugleich als erster Schritt im Rahmen eines offensichtlich existierenden fu¨rstlichen Plans gesehen, am linken Ufer der Warthe eine Stadt zu organisieren. Gleichwohl lassen sich keine handfesten Grundlagen fu¨r eine solche Interpretation erkennen, betraf die Transaktion doch ho¨chstwahrscheinlich nur die Kirchen und die zugeho¨rigen Patronatsrechte. Außerdem entfernte sich in ihrer Folge der Schwerpunkt der Pfarrgemeinde von der Kaufmannssiedlung, wobei wir nicht wissen, ob auf die Anho¨he von St. Adalbert (wie es die Logik des Tausches geboten ha¨tte) oder eher an die Martinskirche (wie es wiederum deren spa¨tere Zusta¨ndigkeit fu¨r die gesamte Umgebung der Stadt links der Warthe nahe legt).19 Es ist ¨ bernahme der Siedlung bei der dort aber nicht ausdru¨cklich die Rede von einer U St. Gotthardkirche durch den Fu¨rsten – der in der Urkunde erwa¨hnte locus meint wohl schlicht ein Grundstu¨ck.20 Denn eine große Kirche und ein Kloster fu¨r die Dominikaner beno¨tigten mehr Platz als die alte romanische Kirche bis dahin eingenommen hatte. Die Siedlung St. Gotthard blieb also ho¨chstwahrscheinlich zuna¨chst dem Bischof unterstellt. Die Urkunde aus dem Jahr 1244 selbst verra¨t also wohl nur das Interesse des Fu¨rsten an der Siedlung links der Warthe, aber noch keinen konkreten Plan zu deren weiterer Entwicklung. Eine solche Interpretation wird durch die Tatsache besta¨tigt, dass eine weitere Erbteilung unter den Fu¨rstenbru¨dern Posen erneut durch eine Grenze entlang des Flusses zerschnitt. Davon erfahren wir aus einer Urkunde von 1257, in der erwa¨hnt wird, dass Bolesław zu der Zeit, als er gema¨ß der bru¨derlichen Erbteilung „von jenseits der Warthe“ geherrscht habe, die neben ihrem Kloster liegende Rudnik-Mu¨hle an die Dominikaner vergeben habe.21 Zu diesem Vorgang existierte ¨ berlieferung in Anlehnung daran eine Urkunde Bolesławs und womo¨glich hat die U 18 Homines de Srodka voluerunt obtinere, quod usus fructuum de planicie auctoritate ducis possiderent,
tam in pastu pecudum, quam in aliis utilitatibus exinde provenientibus, quibus dominus Boguphalus episcopus cum capitulo suo se opponens in uidicio obtinuit taliter, quod dominus prepositus, scolasticus, custos et alii tres canonici iuraverunt idem planicies ad ecclesiam pleno iure pertinere; Monumenta (wie Anm. 4), Bd. 6, S. 8. 19 Die Pfarrgemeinde St. Martin umfasste im 15. Jahrhundert den Stadtteil Garbary bis hin zum Fluss Flisa-Bogdanka in der Na¨he des Dominikanerklosters; Nowacki, Dzieje (wie Anm. 17), S. 355. 20 Gegen die Auslegung, dass locus die Siedlung sei, hat sich entschieden ausgesprochen Rogalanka, Poznan´ (wie Anm. 5), S. 164f., dort auch a¨ltere Literatur. Zuru¨ckzuweisen sind dagegen ihre Zweifel, ob es sich um das Grundstu¨ck oder eher um das Kloster (der locus sollte schließlich erst noch dessen Errichtung dienen!) oder ein Spital handelte (u¨ber das es keinerlei Angaben gibt). 21 Kodeks (wie Anm. 2), Bd. 1, Nr. 352, wo der Text jedoch nach einer Kopie mit einigen grundlegenden Fehlern wiedergegeben ist. Tatsa¨chlich muss es heißen: nos Przemisl – postquam veraciter percepimus, quod frater noster illustris dux Boleslauus molendinum, quod situm est super flumen, qui Rudnik dicitur, prope Poznan, dederat fratribus Ordinis Predicatorum in Poznan, fratre nostre B. terram, que ex illa parte Varte sita est, tunc tenente, intelligentes eciam, quod iidem fratres Ordinis Predicatorum molendinum illud dedissent cuidam civi de Poznan nomine Conrado – et hoc de consensu simul et auctoritate fratris nostri, cum eadem pars terre divisione inter nos denuo facta ad nostrum dominium devenisset,
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die Vergabe um das Jahr 1249 datiert.22 In jedem Fall mu¨ssen die Aufteilungen nach 1244 stattgefunden haben (also nach dem Umzug der Dominikaner auf das linke Ufer), und ho¨chstwahrscheinlich sind sie mit der in den Quellen fu¨r 1247 beschriebenen Erbteilung in Zusammenhang zu bringen.23 Die Erbteilung wurde ho¨chstwahrscheinlich durch Vermittlung des Adels und der Bischo¨fe vollzogen (Boguchwał von Posen sollte fu¨r die Festsetzungen der Erbteilung bu¨rgen und jeden mit dem Kirchenbann bedrohen, der sie verletzen wu¨rde). Doch schon Anfang 1249 a¨nderte Przemysł – u¨brigens ohne auf Widerstand zu stoßen – die Festlegungen der Erbteilung und ta¨tigte sofort erhebliche Bauinvestitionen in Posen.24 Der Vorgang verra¨t zudem, dass zwischen 1247 und 1249 endgu¨ltig der Gedanke reifte, die Stadt auf das linke Ufer der Warthe zu verlegen. Dies war aber offenkundig noch mit einer anderen Absicht Przemysłs verknu¨pft: Im Rahmen der erneuten Erbteilung gab er zum ersten Mal die Hauptstadt – wie ein Chronist sie nennt – Gnesen (Gneznam metropolim Polonie) an seinen Bruder ab. Dies zeigt, dass Posen zur neuen Hauptstadt werden sollte. Tatsa¨chlich begann Przemysł von diesem Zeitpunkt an, hauptsa¨chlich dort zu residieren.25 Vielsagend ist auch die Tatsache, dass er jetzt begann, Posener Beamte
´ ´ Dominikadonacionem ipsam – ratam habendes; Originalurkunde, Archiwum Panstwowe Poznan, nie Poznan´ D 8, ehem. A1a; vgl. Maria Bielinska, ´ Kancelarie i dokumenty wielkopolskie XIII wieku [Kanzlei und Urkunden in Großpolen im 13. Jahrhundert], Wrocław 1967, S. 262, Nr. P 75. 22 So datiert von Jo´zef Łukaszewicz, Obraz historyczno-statystyczny miasta Poznania w dawniejszych czasach [Historisch-statistisches Bild der Stadt Posen in den a¨ltesten Zeiten], Bd. 1, Poznan´ 1838 [Reprint 1998], S. 190; ders., Kro´tki opis historyczny ko´scioło´w parochialnych w dawnej diecezji poz´ nanskiej [Kurze historische Beschreibung der Pfarrkirchen in der alten Dio¨zese Posen], Bd. 1, Poznan´ 1858, S. 90. Der Autor stu¨tzt sich dabei zweifelsohne auf dominikanische Handschriften. Vgl. auch Bielinska, ´ Kancelarie (wie Anm. 21), S. 300, Nr. B 1. In der ersten Ha¨lfte des 17. Jahrhunderts existierte die Urkunde von Bolesław jedoch nicht mehr, zu dieser Zeit wurde im Kopiar des Klosters folgendes notiert: donationis a Boleslao duce factae non extant ullae literae, nisi mentio sola in lite´ ris donacionis iteratae a duce Praemislao a. D. M.CC.L.VII. Posnaniae datis; Archiwum Panstwowe ´ Dominikanie Poznan´ 72, S. 136. Poznan, 23 Aus den Berichten der Annalen des Domkapitels (Monumenta (wie Anm. 4), Bd. 6, S. 9) und der Großpolnischen Chronik (Kap. 81, Monumenta (wie Anm. 4), Bd. 8, S. 91) geht jedoch hervor, dass die ´ Grenze des Erbteils von Bolesław von Srem bis Obra in der Na¨he von Ko´scian und weiter bis Przem˛et verlief. Zugunsten einer weitaus gro¨ßeren Reichweite der Herrschaft von Bolesław scheint jedoch die Tatsache zu sprechen, dass dessen Ka¨mmerer in Kalisz, Benjamin Zar˛eba, zwischen dem 20. April und dem 24. August 1249 zum Burggrafen in Radzimie (an der Warthe no¨rdlich von Posen) befo¨rdert wurde, vgl. Jan Pakulski, Rola polityczna Beniamina Zaremby w drugiej połowie XIII wieku [Die politische Rolle des Benjamin Zar˛eba in der zweiten Ha¨lfte des 13. Jahrhunderts], in: Zeszyty Naukowe Uniwersytetu Mikołaja Kopernika w Toruniu. Nauki Humanistyczno-Społeczne 35, Historia 5 (1969), S. 21–32, hier S. 22f. Zweifelhaft ist dagegen, ob es sich um eine weitere, in den Annalen gar nicht erwa¨hnte Erbteilung vor 1247 gehandelt haben ko¨nnte – gegen deren Existenz spricht die Tatsache, dass in jenem Zeitraum die Fu¨rsten die Mehrzahl der Urkunden gemeinsam signierten; vgl. Bielinska, ´ Kancelarie (wie Anm. 21), S. 236f. Geringe Spuren einer eigensta¨ndigen Regentschaft von Bolesław in Posen im Jahr 1245 hat gefunden Witold Rubczynski, ´ Wielkopolska pod rzadami ˛ syno´w Władysława Odonicza (1239–1279) [Großpolen unter der Herrschaft des So¨hne des Władysław Odonic], in: Rocznik Filarecki 1 (1886), S. 233–330, hier S. 271. 24 Monumenta (wie Anm. 4), Bd. 6, S. 26; Bd. 8, S. 93 (Kap. 87); vgl. Anm. 57–62. 25 Die Aufenthaltsorte des Fu¨rsten verraten vor allem seine Urkunden. Zwischen 1242 und 1249 stellte Przemysł I. 24 (mit Angabe des Ausstellungsortes) aus, davon 11 (46 %) in Gnesen, 5 (21 %) in Posen und 8 (33 %) an anderen Orten. Von 1250–1257 gibt es dagegen 43 Urkunden, von denen nur 7 (16 %) in Gnesen, aber 21 (49 %) in Posen und 15 (35 %) an anderen Orten ausgestellt wurden (nach Bie-
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jenen aus Gnesen als Zeugen seiner fu¨rstlichen Urkunden vorzuziehen.26 Die Lokation zeichnet sich so als Teil eines gro¨ßeren Planes ab, aus Posen ein neues Machtzentrum zu machen.27 Wenn Fu¨rst Przemysł jedoch die Kontrolle u¨ber die Entwicklung des sta¨dtischen Zentrums Posen behalten wollte, musste er eine grundsa¨tzliche Entscheidung tref´ ´ dka setzen, was erfordern wu¨rde, der Kirche die umliefen: sollte er weiterhin auf Sro genden Grundstu¨cke abzunehmen; oder sollte er eher auf die St. Gotthard-Siedlung am linken Flussufer setzen, was ebenfalls die Notwendigkeit nach sich ziehen wu¨rde, Kirchengrund zu enteignen. Die natu¨rliche Entwicklung und die spontanen Prozesse (wie sie sich in der Abwanderung der Dominikaner 1244 niederschlugen) wiesen eindeutig darauf hin, dass die Zukunft Posens am linken Ufer der Warthe lie´ ´ dka – erforderte jedoch gen wu¨rde. Jede Lo¨sung – ob am linken Flussufer oder in Sro ¨ bereinkunft mit dem Bischof und dem Domkapitel. Schließlich waren sie es, eine U die u¨ber die Grundstu¨cke verfu¨gten, auf denen sich die Stadt wu¨rde entwickeln mu¨ssen, auch u¨ber die am linken Wartheufer. Dem Bischof geho¨rte ho¨chstwahrscheinlich die St. Gotthard-Siedlung, dem Domkapitel dagegen die Siedlung St. Martin. Eine Urkunde aus dem Jahr 1252, mit der wir uns gleich noch genauer befassen werden, besta¨tigt, dass der Bischof dem Fu¨rsten ein Grundstu¨ck zwischen den Kirchen St. Adalbert und St. Martin abtrat.28 Die Großpolnische Chronik schließlich berichtet ganz klar – mit dem zeitlichen Abstand von einigen Jahrzehnten – dass die Stadt am linken Flussufer auf einer kirchlichen „Besitzung“ entstanden sei.29 Zu einer Schlu¨sselfigur bei der Errichtung der Stadt wurde also der damals (ab 1242) der Dio¨zese Posen vorstehende Bischof Boguchwał. Er war eine dem Fu¨rsten ergebene Person, mit dem ihn auch perso¨nliche Freundschaft, gegru¨ndet auf gemeinsame kulturelle Interessen und die Liebe zu den Bu¨chern, verband.30 Im Falle Posens hatte er dagegen zweifelsohne auch ein perso¨nliches Interesse. Eine Verlegung des Schwerpunktes der Posener Agglomeration von der alten Burg auf eine Lokationsstadt musste na¨mlich – wie es das Beispiel anderer Zentren gelehrt hatte – einen
linska, ´ Kancelarie (wie Anm. 21), S. 236–263; vgl. auch Zio´łkowska, Czas (wie Anm. 6), S. 22, die jedoch nicht u¨ber alle heute bekannten Dokumente verfu¨gte). Die zentrale Bedeutung des Jahres 1249 ist hier ganz deutlich sichtbar. 26 Zio ´ łkowska, Czas (wie Anm. 6), S. 12. 27 Als ein Element dieser Absichten sollte man auch die Stiftung des in gesellschaftlicher Hinsicht wichti´ gen Zisterzienserinnen-Klosters in Owinskie bei Posen sehen, die Przemysł 1250 vornahm (Franciszek ´ ´ dłoznawcze 9 [1964], ´ Sikora, Uwagi o dokumentach klasztoru cysterek w Owinskach, in: Studia Zro S. 61–73, bes. S. 65, zur Anfrage des Fu¨rsten beim Ordenskapitel im Jahr 1250). 28 Kodeks (wie Anm. 2), Bd. 1, Nr. 302 bzw. Przywileje (wie Anm. 2), Nr. 2; vgl. Anm. 43. 29 Der Fu¨rst u¨bergab der Posener Kirche Sro ´ ´ dka loco predii, in quo civitatem – situavit – Monumenta (wie Anm. 4), Bd. 8, S. 100 (Kap. 100). 30 Zum Bischof vgl. Nowacki, Dzieje (wie Anm. 17), Bd. 2, S. 56. In den Annalen des Domkapitels ist ihm ein interessanter Nekrolog gewidmet, in dem hervorgehoben wird, dass er delectebatur nocte et die legendo in libris divinis – –, quos in tantum dilexit, quod pre amore eorum thezaurum rerum mundanarum pro nichilo reputabat – Monumenta (wie Anm. 4), Bd. 6, S. 30f.; ku¨rzer in der Großpolnischen Chronik, Kap. 97, Monumenta (wie Anm. 4), Bd. 8, S. 98f. Eine a¨hnliche Charakterisierung finden wir in einer Laudatio auf Przemysł I. in derselben Quelle, ebd. S. 107f. (Kap. 118); Monumenta (wie Anm. 4), Bd. 6, S. 43.
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beschleunigten Ru¨ckzug des Fu¨rsten von der Dominsel nach sich ziehen.31 Ho¨chstwahrscheinlich wu¨nschte der Bischof auch, sich des fu¨rstlichen Einflusses auf die ´ ´ dka zu entledigen (es sei an den Grenzstreit nahe der Kathedrale gelegene Stadt Sro von 1245 erinnert oder an das Interesse, welches die Annalen der Kathedrale danach ´ ´ dka zeigten, und schließlich an die spa¨an der Umsiedlung der Bevo¨lkerung von Sro ´ ¨ bernahme von Sro´dka durch das Bistum).32 Dies waren die wichtigsten Intertere U essen, fu¨r die Boguchwał bereit war, Pla¨ne zu einer Lokation am linken Wartheufer zu unterstu¨tzen – sogar um den Preis eines Verzichts auf die dortigen Grundstu¨cke, ¨ brigen vom Fu¨rsten eine angemessene Rekompensation aushandeln fu¨r den man im U konnte. ¨ hnliche Schwierigkeiten hatten alle Herrscher, die sich an sta¨dtische LokatioA nen in den gro¨ßeren Burgzentren mit ihren komplizierten Eigentumsverha¨ltnissen machten. Eine Rekompensation fu¨r die Kirche konnten andere Gu¨ter oder Einku¨nfte sein, oder auch ein Abtreten von Rechten, die der weltliche Herrscher an Kirchengu¨tern besaß.33 Im Großpolen der Mitte des 13. Jahrhunderts war die Frage der kirchlichen Immunita¨t eines der brennendsten Probleme.34 Władysław Odonic hatte dem Posener Bischof erhebliche Privilegien verliehen (1232, 1237),35 aber dies stieß auf Seiten der weltlichen Untertanen auf wenig Anerkennung. Unter der Herrschaft der jungen Fu¨rsten Przemysł und Bolesław erzwang ein allgemeiner Widerspruch „aller Polen“ 1244 eine Aussetzung der zugesprochenen Erleichterungen. Zwar besta¨tigten die Fu¨rsten schon im folgenden Jahr das va¨terliche Privileg, aber – was u¨beraus kennzeichnend ist – sie stellten zu diesem Zweck keinerlei Urkunde aus, sondern verfu¨gten lediglich, ihre Entscheidung auf den Ma¨rkten zu verku¨nden.36 Darin ist eine Vorsichtsmaßnahme zu sehen. Die Lokationsfrage war also mit den schwierigen Beziehungen des Fu¨rsten zur Kirche einerseits sowie zum Adel und zur Ritterschaft andererseits verkettet – dies umso mehr, als die weltlichen Herren gewiss befu¨rchteten, dass die Lokation einer großen Stadt in gefa¨hrlicher Weise die Macht des Fu¨rsten sta¨rken wu¨rde. Probleme konnte es schließlich auch mit der Enteignung privater Besitzungen geben, die doch wahrscheinlich neben dem Kirchengrund im linksufrigen Posen lagen (denn in der Regel waren die wichtigen Burgzentren von Adelsho¨fen 31 Die Details dieses Vorganges in Posen sind nicht klar, vgl. Zio ´ łkowska, Czas (wie Anm. 6), S. 19f. 32 Vgl. Anm. 18, 29, 54. 33 Analogien finden sich in der Lokation von Glogau im Jahr 1253, wo der Fu¨rst der Kirche als Ersatz fu¨r
die Einku¨nfte des Bischofs und des Kollegiatkapitels aus den fu¨r die Lokation vorgesehenen La¨ndereien eine umfassende Immunita¨t verlieh; Schlesisches Urkundenbuch, Bd. 3, hg. v. Winfried Irgang, Ko¨ln/Wien 1984, Nr. 103. 34 Kazimierz Jasinski, ´ Studia nad wielkopolskim stronnictwem ksia˙ ˛z˛ecym w połowie XIII w. Wspo´łpracownicy Przemysła I do 1253 r. [Studien zur großpolnischen Fu¨rstenpartei um die Mitte des 13. Jahr´ hunderts. Die Mitarbeiter Przemysłs I. bis 1253], in: Społeczenstwo Polski s´ redniowiecznej 1 (1981), S. 161–201, hier S. 180f. 35 Kodeks (wie Anm. 2), Bd. 1, Nr. 174 (fu¨r Gnesen), 203 (fu¨r Posen); Monumenta (wie Anm. 4), Bd. 6, S. 3f., 7f.; Monumenta (wie Anm. 4), Bd. 8, S. 84, Kap. 65, dort zusammenha¨ngend Informationen, die in den Annalen unter verschiedenen Daten gegeben werden. Zu den Wechselbeziehungen zwischen ¨ berlieferungen vgl. Kazimierz Tymieniecki, Przywilej biskupstwa poznanskiego ´ den verschiedenen U z r. 1232 na tle rozwoju immunitetu w XIII w. [Das Privileg des Posener Bischofs aus dem Jahr 1232 vor dem Hintergrund der Immunita¨tsentwicklung im 13. Jahrhundert], Poznan´ 1934. 36 Monumenta (wie Anm. 4), Bd. 6, S. 7f.; Monumenta (wie Anm. 4), Bd. 8, S. 90, Kap. 78.
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umgeben).37 Es ist womo¨glich kein Zufall, dass just aus der Zeit der Maßnahmen rund um die Lokation im Jahr 1252 eine große Schenkung Przemysłs I. fu¨r den Grafen ¨ brigen eher mit Bolesław dem Frommen verbunBenjamin Zar˛eba stammt (der im U den war) – wer weiß, ob es sich hier nicht um eine großzu¨gige Rekompensation fu¨r Posener Grundstu¨cke gehandelt hat.38 Schließlich war die Lokationsfrage auch mit den nicht immer einfachen Beziehungen zwischen den Fu¨rstenbru¨dern verknu¨pft. Im Juni 1250 okkupierte Przemysł das Teilfu¨rstentum von Bolesław und nahm ihn gefangen.39 Dieser Umstand vergiftete sicher die Beziehungen des a¨lteren Bruders zur Kirche (auch wenn wir nichts daru¨ber wissen, dass Bischof Boguchwał mit den fu¨r einen solchen Fall vorgesehenen Sanktionen hervorgetreten wa¨re) sowie zum Adel und zur Ritterschaft, unter denen der gefangen genommene Bruder ja auch Anha¨nger gehabt haben muss.40 Wohl nicht zufa¨llig dauerte die Gefangenschaft von Bolesław bis zum Fru¨hjahr 1253 an – also bis zu dem Zeitpunkt, als die mit der Lokation Posens verknu¨pften Fragen abschließend entschieden waren. Der eigentliche Preis fu¨r die Zustimmung des Bischofs zur Lokation war zweifelsohne die endgu¨ltige schriftliche Besta¨tigung seiner Immunita¨tsrechte. Die diesbezu¨gliche Urkunde ist mit dem Datum des 24. April 1252 versehen,41 aber sie wurde sicher erst im folgenden Jahr ausgestellt, gleichzeitig mit dem Lokationsprivileg.42 Schon dies macht den evidenten Zusammenhang beider Fragen deutlich. Im Immuni¨ brigen ein Abschnitt enthalten, der unmittelbar die Grundta¨tsprivileg selbst ist im U stu¨cke betrifft, die Przemysł fu¨r die Lokation der Stadt vom Bischof erhielt.43 Weil aber der Fu¨rst versprochen hatte, dafu¨r eine angemessene Wiedergutmachung zu leisten, behielt er dem Bischof die o¨stliche Ha¨lfte der Warthe zusammen mit der Ha¨lfte der Einku¨nfte aus dem Flussu¨bergang vor. Die Bedingungen dieser schließlichen Abmachung wurden zwischen Fu¨rst und Bischof auf der ja¨hrlichen Adelsversammlung am St. Adalbertstag in Gnesen im Jahr 1252 festgelegt, was vielleicht auf eine no¨tige Vermittlung des Erzbischofs hinweist. Die zeitliche Verzo¨gerung in der Ausstellung des Privilegs dagegen, sofern sie nicht aus rein technischen Gru¨nden resultierte (Urkunden wurden ha¨ufig viele Monate nach Erledigung des jeweiligen Vorgangs ausgestellt), scheint auf einen immer noch starken Widerstand des Adels hin-
37 Halina Manikowska, L’aristocrazia nelle sedes regni principales della Polonia del secolo XII, in: Studi
sulle societa` e le culture del Medioevo per Girolamo Arnaldi, Roma 2002, S. 341–358. 38 Kodeks (wie Anm. 2), VI, Nr. 9; zur Frage der Authentizita¨t Franciszek Sikora, Przywileje rycers-
kie syno´w Władysława Odonica. Krytyka autentyczno´sci [Die Ritterprivilegien der So¨hne von Władysław Odonic. Echtheitspru¨fung], in: Roczniki Historyczne 34 (1968), 9–48, hier S. 19–21. 39 Monumenta (wie Anm. 4), Bd. 6, S. 28; Monumenta (wie Anm. 4), Bd. 8, S. 95, Kap. 91. 40 Jasinski, ´ Studia (wie Anm. 34), S. 169f. 41 Kodeks (wie Anm. 2), Bd. 1, Nr. 302 bzw. Przywileje (wie Anm. 2), Nr. 2; Tymieniecki, Przywilej (wie Anm. 35), S. 20f. 42 Die umfassendste quellenkundliche Analyse der Wechselbeziehungen zwischen beiden U ¨ berlieferungen bei Jasinski, ´ Studia (wie Anm. 34), S. 184f. 43 Et quia reverendus pater noster, episcopus Bogufalus una cum suo capitulo cesserunt nobis de fundo Beati Martini et Sancti Adalberti, in quo civitatem ponere disposuimus et locare, eis bona fide promisims compensacionem facere competentem, reservantes ecclesie fluvium Wartem dimidium versus ipsorum planiciem defluentem, qui fluvius si inundaverit, naulum dimidium habebit ecclesia, pro civitate vero aliam partem reservamus.
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zuweisen.44 Das Immunita¨tsprivileg wurde gleichzeitig mit der Lokationsurkunde ausgestellt. Sie besitzen verblu¨ffend a¨hnliche Schlussformeln45 und vor allem eine nahezu identische Liste von Zeugen,46 die – wie man aus einer Analyse der ange¨ mter sehen kann – allerfru¨hestens fu¨r Ende 1252 in Frage kommen (so gebenen A tritt etwa schon der Wojewode von Posen Przedpełk als Zeuge auf, dessen Vorga¨nger Bogumił erst in den letzten Tagen jenes Jahres gestorben war).47 Fu¨r eine pra¨zisere Bestimmung der Zeit der Niederschrift dieser Urkunden besitzen wir leider zwei einander widersprechende Hinweise: Das Lokationsprivileg wurde im Namen beider großpolnischer Fu¨rsten, Przemysłs und Bolesławs, ausgestellt, aber der ju¨ngere von ihnen wurde bis Ostern (20. April) 1253 von seinem Bruder gefangen gehalten;48 andererseits erwa¨hnt die Urkunde den Bischof Boguchwał (gest. am 9. Februar 1253),49 ohne die bei der Erwa¨hnung Verstorbener u¨blichen Wendungen zu benutzen. Es la¨sst sich nicht eindeutig entscheiden, welcher der Umsta¨nde hier wichtiger war. Man ko¨nnte die Ausstellung beider Urkunden mit einer ganzen Serie gemeinsamer Urkunden von Przemysł und Bolesław in Zusammenhang bringen, die im Mai 1253 wa¨hrend einer großen Adelsversammlung in Pogorzelica ausgestellt wurden, auf der u¨ber eine Verso¨hnung der Bru¨der, eine neue Aufteilung des Landes und eine Beilegung aller strittigen Fragen in Großpolen beraten wurde.50 Es war jedoch auch
44 Vgl. die Meinung von Franciszek Sikora, angefu¨hrt von Jasinski, ´ Studia (wie Anm. 34), S. 186f. 45 Sie stammen von Konrad, dem Schreiber der fu¨rstlichen Kanzlei, der die Lokationsurkunde aufsetzte;
˙ vgl. Franciszek Sikora, Dokumenty i kancelaria Przemysła I. oraz Bolesława Poboznego 1239–1279 na tle wspo´łczesnej dyplomatyki wielkopolskiej [Urkunden und Kanzlei Przemysłs I. und Bolesławs des Frommen 1239–1279 vor dem Hintergrund der zeitgeno¨ssischen großpolnischen Diplomatik], Wrocław 1969, S. 120f.; Bielinska, ´ Kancelarie (wie Anm. 21), S. 88f. Das Immunita¨tsprivileg wurde jedoch außerdem noch im Umkreis der Kathedraladministration redigiert und abgeschrieben (Sikora a. a. O., S. 84, 154; Bielinska, ´ a. a. O., S. 167), also mu¨ssen die Schlussformeln spa¨ter zum fertigen Text hinzugefu¨gt worden sein. 46 Im Privileg fu¨r den Bischof: Pretpolco palatinus Poznaniensis, Dirzicragius palatinus Gneznensis, Bogufalus castellanus Poznaniensis, Domaradus iudex cuire, Pacozlaus filius Sederici, Evstachius filius Johannis quondam. In der Lokationsurkunde: Pretpolco palatinus Posnaniensis, Dirsicraius palatinus Gneznensis, Domaratus iudex curie, Boguphalus castellanus Poznaniensis, Eustachius filius Johannis, Pacoslaus filius Cedrici. Zu den einzelnen Personen Jasinski, ´ Studia (wie Anm. 34), S. 190f. 47 In einem am 21. Dezember 1252 ausgestellten Dokument tritt er noch auf, Kodeks (wie Anm. 2), Bd. 1, Nr. 256; Emendation der Datierung bei Bielinska, ´ Kancelarie (wie Anm. 21), S. 253, Nr. P49; seinen Tod vermerken dagegen die Annalen des Domkapitels als letztes Ereignis des Jahres 1252, Monumenta (wie Anm. 4), Bd. 6, S. 30. 48 Dieses Datum der Freilassung von Bolesław geben die Annalen des Domkapitels und die Großpolnische Chronik an; Monumenta (wie Anm. 4), Bd. 6, S. 32; Bd. 8, S. 99. 49 Dieses Datum (V Idus Februarii) geben die Annalen des Domkapitels und die Großpolnische Chronik an, Monumenta [wie Anm. 4], Bd. 6, S. 30; Bd. 8, S. 98). 50 Kodeks (wie Anm. 2), Bd. 1, Nr. 310 (Pogorzelica, 7. Mai), 311 (Gnesen, 11. Mai), 315 (Pogorzelica, 20. Mai), 316 (Pogorzelica, ohne Datum). Aus der Zusammenstellung der Daten geht hervor, dass die Versammlung entweder unterbrochen wurde oder eine zusa¨tzliche Sitzung in Gnesen stattfand; Monumenta (wie Anm. 4), Bd. 6, S. 32f.: Eodem anno nobiles viri duces Polonie, videlicet Przemisl et Boleslaus, convenerunt in castellaniam de Gedcz et habuerunt inter se tractatum de divisione terre sue, ad quem tractatum dominus Fulcus archiepiscopus Gneznensis et multi nobiles Polonie convenerunt; ku¨rzer die Großpolnische Chronik (Monumenta [wie Anm. 4], Bd. 8, S. 99), die die Nachrichten u¨ber die Freilassung Bolesławs und die Adelsversammlung in einem Eintrag zusammenfasst und statt in castellanum de Gedcz in castro Gedcz notiert. Eine vermeintlich am 15. Mai 1253 in Dłusk ausgestellte
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schon vorher gelegentlich vorgekommen, dass Bolesław trotz seiner Gefangenschaft von seinem Bruder an der Ausstellung von Urkunden beteiligt worden war51 – diese kann also nicht allzu streng gewesen sein (man muss sie sich wohl eher so vorstellen, dass er in einer Art Hausarrest der Kontrolle seines Bruders unterstand). In unserem Fall wollte Przemysł – der noch keinen Sohn hatte – aber vielleicht auch sicherstellen, dass sein Bruder nach seinem Tod die Bestimmungen des Lokationsaktes respektieren wu¨rde. Auf alle Fa¨lle verlieh die Beteiligung beider Bru¨der dem ganzen Unternehmen mehr Gewicht.52 Wir haben also die Wahl zwischen einer Ausstellung der Posener Lokationsurkunde im Zeitraum zwischen dem 25. Juli 1252 und dem 9. Februar 1253, oder wa¨hrend der Adelsversammlung in Pogorzelica im Mai 1253 (wobei dem die Tatsache nicht entgegensteht, dass als Ausstellungsort der Urkunde Posen angegeben ist, was sich jedoch auf den eigentlichen Rechtsakt [actum] bezieht und nicht auf die Ausfertigung der Urkunde selbst). Einstweilen muss man wohl beide Mo¨glichkeiten gleichberechtigt behandeln.53 Die relativ bescheidene Zeugenliste scheint jedoch darauf hinzuweisen, dass die Urkunde nicht auf einer so großen Versammlung verku¨ndet wurde, wie sie in Pogorzelica zusammengekommen war. Zugunsten einer Datie-
eigensta¨ndige Urkunde von Bolesław ist dagegen eine Fa¨lschung; Kodeks (wie Anm. 2), Bd. 1, Nr. 313; Bielinska, ´ Kancelarie (wie Anm. 21), S. 269, Nr. B9; Sikora, Dokumenty (wie Anm. 45), S. 30f. Zur Versammlung vgl. Jasinski, ´ Studia (wie Anm. 34). Pogorzelica war ein Dorf der Posener Johanniter am linken Wartheufer unweit von Pyzdry (also im Burgbezirk von Giecz). 51 Jasinski, ´ Studia (wie Anm. 34), S. 189; Sikora, Przywileje (wie Anm. 38), S. 20f.; Kodeks (wie Anm. 2), Bd. 1, Nr. 301 (eine von Bolesław besiegelte Urkunde, was jedoch auch spa¨ter stattgefunden haben kann); Nr. 303 (mit dem Vermerk unacum fratre nostro Boleslao contulimus in der Narratio, der sich auch auf eine irgendwann fru¨her gemeinsam vollzogene Schenkung beziehen kann); Nr. 308 (ein im Kloster im schlesischen Heinrichau von einem Mo¨nch redigiertes Dokument, in dem Przemysł und Bolesław gemeinsam als Ausstellende figurieren); VI, Nr. 9 (Vermerk in der Narratio: consensu – fratris nostri – contulimus, was sich wiederum auf eine vergangene Handlung beziehen kann). 52 Vgl. die Lokationsurkunde fu¨r Glogau aus dem Jahr 1253 (wie Anm. 33 und 102). 53 Eine Chronik des 16. Jahrhunderts u¨ber Peter Wlast (auch Piotr Włostowic Dunin, Piotr Włast o. Włost) schreibt u¨ber Posen, dass civitas vero Posnaniensis necdum fundata fuerat [...] anno Domini 1253 in vigilia sancti Bartholomei [23. August] per illustres principes et fratres germanos Przemislaum et Boleslaum [...] tempore Bogufali episcopi Posnaniensis, Monumenta (wie Anm. 4), Bd. 3, S. 3. Es scheint, als sei dieser Satz von einem Posener eingefu¨gt worden, womo¨glich von dem im 16. Jahrhundert in Breslau wirkenden Benedikt von Posen (zu ihm vgl. Lech Krzywiak, Benedykt z Poznania. Slaski ˛ miło´snik historii z poczatku ˛ XVI wieku [Benedikt von Posen. Ein schlesischer Liebhaber der Geschichte am Beginn des 16. Jahrhunderts], in: Roczniki Historyczne 57 (1991), S. 73–116), dessen Quelle die verloren gegangene Chronik des Stadtschreibers Bernard z Pyzdr vom Anfang des 15. Jahrhunderts gewesen sein ko¨nnte. Deren erhaltenes Anfangsfragment (wiedergegeben in: Władze miasta Poznania [Die Regierungen der Stadt Posen], Bd. 1, hg. v. Jacek Wiesiołowski/Zofia Wojciechowska, Poznan´ 2003, S. 8) klingt na¨mlich ganz a¨hnlich: Primo civitas Poznaniensis est locata per illustres duces et dominos Przemislaum et Boleslaum fratres uterinos anno Domini millesimo CC quingentesimo tercio, aber bricht genau an der Stelle ab, an der das Datum ha¨tte folgen mu¨ssen. Dann wiederum wurde am 23. April 1753 der 500. Jahrestag der Lokation begangen (Witold Maisel, Data przywileju lokacyjnego Poznania [Das Datum der Lokationsurkunde Posens], in: Poczatki ˛ i rozwo´j [wie Anm. 5], S. 111–114); es ist unklar, woher diese beiden unterschiedlichen Traditionen stammen, aber es ist unmo¨glich, dass sich eine von ihnen auf die noch im 18. Jahrhundert existierende originale Lokationsurkunde gestu¨tzt haben ko¨nnte. Es steht na¨mlich außer Zweifel, dass schon das Original kein Tagesdatum hatte – es fehlt in sa¨mtlichen Kopien (vgl. Anm. 2) – und zudem war das Auslassen einer exakten Datierung die Gewohnheit des Schreibers Konrad, der das Dokument redigierte; vgl. Sikora, Dokumenty (wie Anm. 45), S. 123; Bielinska, ´ Kancelarie (wie Anm. 21), S. 89.
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rung auf den Mai 1253 ko¨nnte andererseits aber eine Notiz in den Annalen des Dom´ ´ dka „in eine andere Stadt“ kapitels sprechen, wonach 1253 die Bevo¨lkerung aus Sro umgesiedelt worden sei, die der Fu¨rst zuvor am linken Ufer der Warthe neben der Martinskirche gegru¨ndet habe.54 Es geht hier offensichtlich um Vera¨nderungen im Zusammenhang mit der Lokation. Aus der Abfolge der Eintra¨ge – zwischen Nachrichten u¨ber die Freilassung von Bolesław und u¨ber die erneute fu¨rstliche Erbteilung – ist aber zu ersehen, dass die Angelegenheit ho¨chstwahrscheinlich in Pogorzelica entschieden wurde. Unabha¨ngig von der eigentlichen Datierungsfrage des Lokationsprivilegs ist jedoch erkennbar, dass die Posener Lokation vor das Forum jener großen Adelsversammlung der Großpolen gebracht wurde und dort wahrscheinlich die abschließende Billigung von allen interessierten Betroffenen fand. Die hier angefu¨hrte Notiz in den Annalen ist fu¨r uns u¨brigens noch in anderer Hinsicht von enormer Bedeutung. Entgegen ziemlich weit verbreiteter Interpretationen betrifft sie nicht die Lokation selbst, sondern bloß die Umsiedlung der Bewohner ´ ´ dka, die den Autor aus dem Umfeld der Kathedrale besonders interessierte. von Sro Die eigentliche Lokation hatte na¨mlich schon fru¨her stattgefunden. Der Annalist sagt ja doch vollkommen eindeutig, dass jene „andere Stadt“ jenseits der Warthe, in die die ´ ´ dka ziehen sollten, schon „zuvor gegru¨ndet“ worden sei und der Bewohner von Sro Fu¨rst sie „mit Palisaden und Gra¨ben [habe] befestigen“ lassen. Diese mit der Loka¨ brigen keinesfalls erst nach der tion zusammenha¨ngenden Arbeiten konnten im U Ausstellung der Lokationsurkunde durchgefu¨hrt worden sein. Weiß man doch dank der Aufzeichnungen desselben Annalisten, dass es 1253 zwischen Ostern (20. April) und dem Tag des Hl. Jakob (25. Juli) pausenlos, Tag und Nacht, heftig regnete und ¨ berschwemmungen kam.55 Offenkundig wa¨ren unter soles zu ungewo¨hnlichen U chen Bedingungen auf dem ohnehin u¨berschwemmten Gela¨nde der neu gegru¨ndeten Stadt Vermessungsarbeiten schwierig gewesen. Wann also fand die Lokation statt? Anzunehmen ist das Jahr 1252, gleich nach dem Abschluss der Vertra¨ge mit dem Bischof im Fru¨hjahr. Dennoch ist mit der Mo¨glichkeit zu rechnen, dass es damals in Gnesen lediglich zu einer abschließenden Versta¨ndigung u¨ber die Rekompensation fu¨r die schon fru¨her vollzogene Gebietsabtretung des Bischofs kam. Die Urkunde selbst spricht u¨brigens in der Vergangenheitsform u¨ber die Absicht zur Stadtgru¨ndung: civitatem ponere disposuimus. Die eigentliche Lokation ha¨tte also auch vor 1252 stattgefunden haben ko¨nnen. Auf die Notwendigkeit, sie auf einen mo¨glichst fru¨hen Moment zu verschieben, weist auch ein bestimmtes genealogisches Detail hin: 1288 erscheinen in Posen ein Ratsherr Ludwik und ein Scho¨ffe Tylo als So¨hne 54 Eodem anno [1253] illustris princeps Przemisl ad instanciam cuiusdam civis de Gubyn movit cives suos
de civitate, que erat sita in area, que vocatur Srothda, circa ecclesiam sancte Margarethe, et transtulit eos ex alia parte Warthe prope de ecclesia sancti Martini, ubi fuerat alia civitas primitus locata, quam idem dux fecit de blancis et fossatis muniri – Monumenta (wie Anm. 4), Bd. 6, S. 32; a¨hnlich die Großpolnische Chronik (cap. 100: Monumenta [wie Anm. 4], Bd. 8, S. 99f.), aber mit einer ex post Einfu¨gung ´ ´ dka von der Kirche u¨bernommen worden sei (vgl. Anm. 29). Eine Besta¨tider Information, dass Sro ´ ´ dka an das Bistum bringen erst Urkunden Przemysłs II. aus den Jahren gung der Schenkung von Sro 1288 und 1292; Kodeks (wie Anm. 2), Bd. 2, Nr. 625, 694 bzw. Przywileje (wie Anm. 2), Nr. 8–9; vgl. Zio´łkowska, Czas (wie Anm. 6), S. 23. 55 Monumenta (wie Anm. 4), Bd. 6, S. 33; Monumenta (wie Anm. 4), Bd. 8, S. 100.
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eines Przemysł, der ho¨chstwahrscheinlich aus der Familie eines Vogtes stammt.56 Als Amtstra¨ger mussten sie schon erwachsen gewesen sein, also kann ihr Vater nicht nach 1252 geboren worden sein – aber wie sein Name zeigt, wurde er bereits in Posen geboren. Wir gehen also weiter zuru¨ck, wo das Jahr 1249 besonders beachtenswert ist. Fu¨r jenes Jahr na¨mlich sprechen die Annalen des Domkapitels in einem Atemzug davon, dass Przemysł „Posen gebaut“ und seinem Bruder Bolesław ein neues Teilfu¨rstentum zugewiesen, ihm also zugleich das alte weggenommen habe, zu dem, wie erwa¨hnt, auch das linksufrige Posen geho¨rte.57 Dieselbe Notiz aus den urspru¨nglichen, verloren gegangenen Annalen der Kathedrale u¨berliefert auch die Großpolnische Chronik, doch mit der Pra¨zisierung, dass Przemysł ‘Burg und Stadt Posen rund um die ´ ´ dka). Bei Kathedrale wiedererrichtet“58 habe (also geht es hier wahrscheinlich um Sro der Differenz zwischen Annalen und Chronik muss man ersteren den Vorrang einra¨umen, wenn man annimmt, dass der mindestens einige Jahrzehnte spa¨ter schreibende Chronist seiner Gewohnheit gema¨ß einfach einen eigenen Kommentar hinzugefu¨gt hat: Er wusste von der Lokation am linken Flussufer im Jahr 1253 und nahm also an, dass der fru¨here „Bau“ sich auf ein anderes Objekt beziehen mu¨sse. In jedem Fall klingt die Notiz u¨ber Burg und Stadt bei der Kathedrale sehr inkoha¨rent. Bei ´ ´ dka als „die Stadt bei der Kathedrale befand sich nur die Burg,59 wa¨hrend man Sro 60 der Margarethenkirche“ bezeichnete, wo es wiederum keine Burg gab, und generell scheint es zweifelhaft, dass Przemysł damals noch gleichzeitig in einen Wieder´ ´ dka investiert aufbau der alten Burg auf der Dominsel und in den Ausbau von Sro 61 haben soll. Wenngleich die Sache hypothetisch bleibt, weist dennoch alles darauf hin, dass die Posener Bauta¨tigkeit aus dem Jahr 1249 sich auf die Stadt am linken Ufer bezog62 – was wohl auch besser in den Kontext der damaligen politischen Situa¨ bernahme von dessen tion passt: Przemysł baute Posen im Zusammenhang mit der U linksufrigem Teil von seinem Bruder auf. Jenes „Bauen“ ist aber eben als ein Abste-
56 Kodeks (wie Anm. 2), Bd. 2, Nr. 633; die dortige Schreibung Pribyslai fu¨r Przemysł ist ein typischer
Fehler deutscher Schreiber, vgl. ebd., Nr. 855: Lodovicus Premislay; vgl. Anm. 86. Auf die Frage der ˙ Chronologie hat bereits hingewiesen Kazimierz Jasinski, ´ Rola polityczna moznowładztwa wielkopolskiego w latach 1284–1314 [Die politische Rolle des großpolnischen Magnatentums in den Jahren 1284–1314], in: Roczniki Historyczne 29 (1963), S. 215–250, hier S. 48f. Er behandelt sie jedoch nur als Beitrag zur Frage der Rekonstruktion der Genealogie der Vo¨gte. 57 Dux Premisl Polonie edificavit Poznan et fratri suo Boleslauo dedit Gneznam metropolim Polonie et alia castra – Monumenta (wie Anm. 4), Bd. 6, S. 26. Zu den Umsta¨nden der Erbteilung vgl. Anm. 21–24. 58 Dux Przemisl Polonie reedificavit castrum et civitatem Poznaniensem circa ecclesiam maiorem et fratri suo Boleslao dedit Gneznam und weitere Burgen – Monumenta (wie Anm. 4), Bd. 8, S. 93. 59 Nicht akzeptabel erscheint die Idee, dass civitas noch in der Mitte des 13. Jahrhunderts schlicht die Burg auf der Dominsel bezeichnet haben ko¨nnte; Kaczmarczyk, Przywilej (wie Anm. 5), S. 154; Rogalanka, Poznan´ (wie Anm. 5), S. 147f. 60 Zio ´ łkowska, Czas (wie Anm. 6), S. 23. 61 Linette, Zamek (wie Anm. 6), S. 29. 62 Schon Schulte, Die Schrodka (wie Anm. 10), S. 244, hielt eine solche Interpretation fu¨r besonders naheliegend, anerkannte aber schließlich, dass fu¨r das Jahr 1249 keine Rede von einer Lokation am linken Flussufer sein ko¨nne, da der Fu¨rst erst 1252 die entsprechenden Grundstu¨cke vom Bischof u¨bernahm.
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¨ brigen durchaus mit der cken der neuen Stadt im Gela¨nde zu verstehen,63 was im U Errichtung von ersten Ha¨usern fu¨r die erwarteten Siedler einhergehen konnte.64 Da die erneute fu¨rstliche Erbteilung ho¨chstwahrscheinlich im Fru¨hjahr stattfand,65 und Przemysł im August in den Krieg nach Schlesien zog,66 wurden die Lokationsarbeiten ho¨chstwahrscheinlich zwischen April und Juli ausgefu¨hrt. ´ ´ dka enthaltene Die in der Notiz u¨ber die Umsiedlung der Bevo¨lkerung von Sro Erwa¨hnung u¨ber die Errichtung von Befestigungsanlagen weist darauf hin, dass man der Stadt von Anfang an eine endgu¨ltige ra¨umliche Gestalt verlieh. Die Erwa¨hnung der Martinskirche belegt deren Ausdehnung. Darin ist wohl ein weiteres Argument gegen die These von der Beschra¨nkung der ersten Lokation auf den no¨rdlichen Teil der Stadt zwischen dem Fluss Rudnik (Flisa, Bogdanka) und dem Dominikanerkloster sowie dem Markt zu sehen.67 Sie stu¨tzt sich einzig auf die Verknu¨pfung der a¨ltesten Pfarrei mit der Kirche der um 1280 angesiedelten Dominikanerinnen (deren Kloster mit Sicherheit von Beginn an am no¨rdlichen Rand der Lokationsgru¨ndung stand).68 Die Tatsache, dass die Dominikanerinnen das Patronat u¨ber die Pfarrkirche erhielten, berechtigt jedoch nicht im Geringsten zu der Vorstellung, dass sie sich bei ihr niederließen. Die vor relativ Kurzem vero¨ffentlichte Stiftungsurkunde der Dominikanerinnen aus dem Jahr 1282 oder 1283 la¨sst keinen Zweifel daran, dass die Klos-
63 Angenommen, der urspru¨ngliche Eintrag in den Annalen (vgl. Anm. 57–58) hat vom Bau einer „Burg
und Stadt“ gesprochen, dann wu¨rde dies zugleich das Problem der Genese der Burg auf dem Przemysł-Hu¨gel (Go´ra Przemysława) lo¨sen – wir ha¨tten dann den Beweis, dass sie von Przemysł I. errichtet wurde (vgl. Anm. 99). Dies ist jedoch wenig plausibel, denn ho¨chstwahrscheinlich stand – wie ein Vergleich der Annalen mit der Chronik zeigt – im urspru¨nglichen Eintrag nur edificavit Poznan. 64 Die Unterstu¨tzung der Bauarbeiten geho¨rte prinzipiell zu den Pflichten des Stadtherrn; Anna Berdecka, Lokacje i zagospodarowanie miast kro´lewskich w Małopolsce za Kazimierza Wielkiego (1333–1370) [Lokation und Bewirtschaftung der ko¨niglichen Sta¨dte in Kleinpolen unter Kasimir dem Großen (1333–1370)], Wrocław 1982, S. 115. Das konnte sich auch so gestalten, dass der Stadtherr einfach Ha¨user baute, die er dann den Siedlern fertig u¨berließ. Dies beschreibt z. B. eine Lokationsurkunde von Lissa aus dem Jahr 1561: Mein Herr Vater (hat) – die Stadt Lissa zu bauen angefangen und die neuen erbauten Ha¨user ehrlichen, frommen christlichen Menschen verkauft auch zum Theil seinen Dienern geben – Heinrich Wuttke, Sta¨dtebuch des Landes Posen, Leipzig 1864, Nr. 112. 65 In den Annalen ist dies die erste Nachricht jenes Jahres. Am 13. April 1249 besta¨tigte Przemysł den Templern bereits die Schenkung auf dem einstigen Territorium seines Bruders; Kodeks (wie Anm. 2), ´ Bd. 11, Nr. 1704. Die Urkunde wurde in Owinskie wa¨hrend eines Treffens des Fu¨rsten mit seiner Mutter ausgestellt, was in Zusammenhang mit einem Vertrag u¨ber die Erbteilung gestanden zu haben scheint, der ho¨chstwahrscheinlich kurz zuvor abgeschlossen worden war. Die Urkunde wurde von zwei Posener Dominikanern bezeugt, was darauf hinweisen ko¨nnte, dass man auch u¨ber die Lokation sprach. 66 Sein Beginn erforderte ho¨chstwahrscheinlich die Anwesenheit des Fu¨rsten auf einer Adelsversammlung in Zduny im Grenzgebiet am 24. August 1249; Kodeks (wie Anm. 2), Bd. 1, Nr. 278; vgl. Tomasz Jurek, Geneza ksi˛estwa głogowskiego [Die Genese des Herzogtums Glogau], in: Przeglad ˛ Historyczny 78 (1987), S. 79–92, hier S. 83f. 67 Szcz˛esny Skibinski, ´ Gotycka architektura ko´scioła farnego pod wezwaniem Marii Magdaleny w Poznaniu [Die gotische Architektur der Pfarrkirche Maria-Magdalena in Posen], in: Poczatki ˛ i rozwo´j (wie Anm. 5), S. 421–438, hier S. 422f. Diese Idee hat den Widerspruch von Eugeniusz Linette und Antoni Gasiorowski ˛ hervorgerufen (vgl. ebd., S. 470, 475f.), Rogalanka, Wytyczenie (wie Anm. 5), S. 193f., hat sie dagegen nicht beru¨cksichtigt. 68 Kodeks (wie Anm. 2), Bd. 2, Nr. 743, 767.
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terkirche Unserer Lieben Jungfrau (die spa¨ter u¨brigens einen anderen Namen trug) eine ga¨nzlich andere war als die Pfarrkirche der Hl. Maria Magdalena.69 Die hier behandelten Vorga¨nge der Jahre 1249 oder 1252 stellten jedoch nur einen Akt im Werk der Lokation dar: die Planung der Stadt. Er wurde ho¨chstwahrscheinlich vom Lokator selbst vollzogen,70 dem in der Lokationsurkunde erwa¨hnten Thomas. Seine Identita¨t mit einem „gewissen Bu¨rger aus Guben“, auf dessen Bitten hin ´ ´ dka umsiedelte, stand immer außer Zweifel. Die der Fu¨rst die Bevo¨lkerung von Sro benutzte Bezeichnung – er wurde ja weder als Vogt, noch auch nur als Posener Bu¨rger benannt – belegt, dass es sich bei ihm um einen relativ neuen Zuwanderer gehandelt haben muss.71 Die Herkunft des Lokators selbst aus Guben weist wohl darauf hin, dass eine gro¨ßere Gruppe von Siedlern von dort gekommen sein muss.72 Außer den Gubenern gab es ho¨chstwahrscheinlich auch Zuwanderer aus Schlesien – darauf la¨sst sich aus den spa¨ter belegten Bu¨rgernamen73 wie auch aus der Tatsache schließen, dass die Parochialkirche genauso wie die Pfarrei in Breslau unter den Schutz der Hl. Maria Magdalena gestellt wurde. Ohne Zweifel zog man auch die Bevo¨lkerung der a¨lteren Siedlungen vom linken Wartheufer heran, deren Territorium jetzt von der ´ ´ dka weist jedoch Stadt eingenommen wurde. Die Umsiedlung der Bewohner von Sro darauf hin, dass die Siedler wohl nur langsam ankamen und zuna¨chst nicht in der Lage
69 Kodeks (wie Anm. 2), Bd. 6, Nr. 29. Aus einer Urkunde von Władysław Łokietek vom 6. Dezember
1297 geht jedoch hervor, dass neben der Pfarrkirche der Bau eines neuen Frauenklosters geplant war: Premisl secundus rex Polonie – contulit ecclesiam beate Marie Magdalene sitam in civitate Poznaniensi cum area iuxta eandem ecclesiam pro claustro edificando quantacunque fuerit necessaria, Kodeks (wie Anm. 2), Bd. 2, Nr. 767. Auch wenn der Ausstellende sich auf eine von Przemysł II durchgefu¨hrte Schenkung beruft, ging es wahrscheinlich eigentlich um eine neue Idee. Der Bau eines Klosters wird na¨mlich weder in den Urkunden von Przemysł erwa¨hnt (Kodeks [wie Anm. 2], Bd. 6, Nr. 29; II, Nr. 743), noch in einer fru¨heren Besta¨tigung von Władysław vom 1. Januar 1297 (Kodeks [wie Anm. 2], Bd. 6, Nr. 53). Die Idee entstand also im Laufe des Jahres 1297. 1304 wurde Ko¨nig Wenzel jedoch eine Urkunde von Przemysł II. zur Besta¨tigung vorgelegt; Kodeks (wie Anm. 2), Bd. 2, Nr. 884. Zur Geschichte des Patronats der Pfarrkirche vgl. Anm. 77. 70 Dass die Durchfu¨hrung einer Lokation auf dem dafu¨r vorgesehenen Territorium die spezielle Aufgabe des Lokators war, besta¨tigen ganz klar die Annalen des Krakauer Domkapitels, die fu¨r das Jahr 1257 notieren, dass die Vo¨gte die Lage des Marktes und der Straßen vera¨ndert ha¨tten, Monumenta (wie Anm. 4), Bd. 5, S. 86. 71 Die Vermutung von Kaczmarczyk, Przywilej (wie Anm. 5), S. 158, dass Tomasz ein ehemaliger Bewohner der deutschen Kolonie von Posen gewesen sein ko¨nnte, ist also nicht haltbar. 72 Von dort stammte sicher auch Herman, genannt Gubinko, der als Ratsherr fu¨r die Jahre 1288 und 1302 belegt ist; Kodeks (wie Anm. 2), Bd. 2, Nr. 633, 855. Auf eine Verbindung zum Gubener Salzhandel weist der Beiname eines Jan, genannt Salsa, Salsus oder Salsicz hin, der in den Jahren 1297–1313 auftaucht, ebd. Nr. 870, 938; VI, Nr. 54, 82. Es ist auch darauf hingewiesen worden, dass die in der Lokationsurkunde enthaltene Reduzierung der nach Magdeburger Recht vorgesehenen Gerichtsstrafen um die Ha¨lfte eine Entsprechung in der Lokationsurkunde von Guben findet; Friese, Zur Gru¨ndungsurkunde (wie Anm. 5), S. 16; Kaczmarczyk, Ustro´j (wie Anm. 5), S. 189. 73 Dies sind fu¨r 1288: Hermann aus Neumarkt, Heinrich aus Glogau, Walter de Lesna (Leschnitz/Le´snica?), Kodeks (wie Anm. 2), Bd. 2, Nr. 633; fu¨r 1302: Bruno aus Neumarkt, ebd. Nr. 855); fu¨r 1303: ´ Heinrich, ehemals Vogt von Auschwitz, ebd. Nr. 870; fu¨r 1310: Nikolaus aus Steinau (Scinawa), ebd. Nr. 938; vgl. Walter Kuhn, Die Entstehung des mittelalterlichen schlesischen Kraftfeldes, in: ders., Beitra¨ge zur schlesischen Siedlungsgeschichte, Mu¨nchen 1971, S. 9–31, hier S. 21.
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waren, die trassierte Stadt zu fu¨llen. Noch ein halbes Jahrhundert spa¨ter gab es innerhalb ihrer Grenzen immer noch reichlich freien Platz.74 Diese Beobachtungen erlauben es, die Bedeutung der Lokationsurkunde von 1253 angemessen zu beurteilen. Sie ist als bloßer Abschluss und Besta¨tigung von schon zuvor, na¨mlich 1249 oder auch erst 1252 aufgenommenen und durchgefu¨hr¨ bereinstimmung ten Aktivita¨ten zu sehen. Gleichzeitig jedoch ko¨nnte die zeitliche U zwischen der Ausstellung der Urkunde und den ebenfalls 1253 vollzogenen Bevo¨lkerungsverschiebungen belegen, dass man eben damals endgu¨ltig die Stadtgemeinde organisierte, indem man ihre vielfa¨ltigen Elemente zusammenfu¨gte. Schon mit dem Jahr 1253 setzen Erwa¨hnungen der „Stadt Posen“ als Rechtssubjekt ein – in den Lokationsurkunden der Orte Schrimm (1253) und Exin (1262) finden sich Bezugnahmen auf das Recht, welches „unsere Stadt Posen und ihre Bu¨rger“ praktizieren.75 Aber gerade die Genese einer Bu¨rgergemeinde – communitas civium – und nicht das Abstecken von Straßen und Grundstu¨cken bezeichnet den Grad der Stadtentwicklung. Selbstversta¨ndlich ist es schwierig zu behaupten, dass die Stadtentstehung damals endgu¨ltig abgeschlossen worden sei. Schließlich war dies ein fortwa¨hrender Prozess. Dessen weitere, unmittelbar nach 1253 folgende Phasen sind jedoch in den Quellen sehr schwach belegt. Die na¨chste klar belegte Tatsache ist erst die Stiftung der Pfarrkirche der Hl. Maria Magdalena im Jahr 1263 und des Heilig-Geist-Spitals ein Jahr spa¨ter.76 ¨ brigen das Domkapitel auf, und als Stifter In der Rolle des Kirchenstifters trat im U ¨ bereindes Spitals der Bischof selbst. In den Ha¨nden der Kanoniker blieb auch, in U stimmung mit den Pla¨nen vor der Lokation, das Patronatsrecht u¨ber die neue Pfarrei77 74 In den Urkunden fu¨r die Dominikanerinnen ist davon die Rede, dass sie fu¨r den Bau des neuen Klosters
bei der Pfarrkirche soviel Boden nehmen ko¨nnten, wie sie nur brauchen wu¨rden (vgl. Anm. 69).
75 Kodeks (wie Anm. 2), Bd. 1, Nr. 322, 401. 76 Die Großpolnische Chronik vermerkt die Stiftung der Pfarrkirche fu¨r 1263 (fundata est ecclesia par-
ochialis in civitate Poznaniensi nomine capituli Poznaniensis) und des Spitals fu¨r 1264 (fundatum est hospitale infirmorum in honorem Sancti Spiritus foris civitatem Poznanien semper Bogufalum episcopum), Monumenta (wie Anm. 4), Bd. 8, S. 117f. Sie ist als Quelle ho¨her zu bewerten als die Posener Annalen des 15. Jahrhunderts (Monumenta [wie Anm. 4], Bd. 6, S. 137), die die Daten 1253 bzw. 1254 angeben, zu denen aber die Person des Bischofs Boguchwał nicht passt, und es wa¨re merkwu¨rdig, wenn die Annalen des Domkapitels diese Fakten ausgelassen ha¨tten, die in ihrer uns heute bekannten Form fu¨r jene Jahre sehr pra¨zise Angaben machen (dagegen in den 60er Jahren große Lu¨cken haben). Długosz bringt beide Stiftungen im Jahr 1264 unter (Ioannis Dlugossii Annales, lib. VII, S. 143). Vgl. Nowacki, Dzieje (wie Anm. 17), Bd. 2, S. 607, 651; Tomasz Jurek, Woko´ł zagadek najdawniejszych dziejo´w poz´ nanskiej fary [Zu den Ra¨tseln der a¨ltesten Geschichte der Posener Pfarrkirche], in: Kronika Miasta Poznania 2003, Nr. 3, S. 46–62, hier S. 48. Es sei auch noch angemerkt, dass die in der Chronik angegebenen Details, wonach die Bewohner des neuen sta¨dtischen Pfarrbezirks dazu verpflichtet worden seien, an den Domprozessionen teilzunehmen und ihre Kinder in die Domschule zu schicken, im Kontext der Auseinandersetzungen zu verstehen sind, die es an der Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert um eben diese Fragen gab; vgl. die Entscheidung des Bischofs aus dem Jahr 1302, Kodeks (wie Anm. 2), Bd. 2, Nr. 855 bzw. Przywileje (wie Anm. 2), Nr. 14. Sie sind ohne Zweifel eine Hinzufu¨gung eines Autors aus eben jener Zeit, was fu¨r die Diskussionen um die Genese der Chronik von Bedeutung ist. 77 Schon eine Urkunde aus dem Jahr 1252 sah vor, dass ius conferendi talem ecclesiam circa episcopum et capitulum perpetuo remanebit, Kodeks (wie Anm. 2), Bd. 1, Nr. 302 bzw. Przywileje (wie Anm. 2), Nr. 2. Nach der Stiftung nomine capituli u¨bernahm jedoch unter nicht na¨her bekannten Umsta¨nden der Fu¨rst das Patronat. 1282 (oder 1283?) u¨bergab Przemysł II. es den Dominikanerinnen, Kodeks
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¨ brigen umso natu¨rlicher war, als sie aus dem Zusta¨ndigkeitsbereich der zum (was im U Domkapitel geho¨renden Martinskirche herausgelo¨st worden war); das Patronat des Spitals dagegen geho¨rte danach dem Stadtrat (obgleich dies erst fu¨r das 15.Jahrhundert belegt ist).78 Es sieht also so aus, als sei in keine der beiden Investitionen Kapital von ¨ brigen der Umstand selbst, dass Bu¨rgern eingebracht worden. Bedenkenswert ist im U eine eigene sta¨dtische Kirche – deren Gru¨ndung angesichts der fremden Herkunft der Siedler eine Selbstversta¨ndlichkeit war und die tatsa¨chlich bereits in den mit der Lokation zusammenha¨ngenden Urkunden der Jahre 1252 und 1253 vorgesehen war – erst entstand, als die Stadt schon mindestens zehn Jahre existierte. Dies scheint auf viele Entwicklungsschwierigkeiten der jungen Gemeinde hinzuweisen. Allein das Fehlen von Quellenbelegen u¨ber die Stadt und ihre Bu¨rger scheint ein ziemlich aussagekra¨ftiger Beleg ihrer Schwa¨che zu sein.79 Zwar sehen wir schon 1257 einen gewissen Konrad aus Posen als wohlhabenden Bu¨rger in Thorn,80 aber dies Beispiel ist zweischneidig – Konrad ko¨nnte Posen als einen Ort, der ihm keine angemessenen Perspektiven anbot, verlassen haben. Erst fu¨r 1267 besitzen wir klare Informationen u¨ber die wirtschaftliche Aktivita¨t Posener Bu¨rger, als zwei von ihnen vom Fu¨rsten das bei Posen gelegene Spytko´w kauften.81 Dies war eines der in der Lokationsurkunde aufgeza¨hlten 17 Do¨rfer, die der Stadt „verliehen“ worden waren. Der Charakter dieser Verleihung bleibt unklar – ein Teil jener Do¨rfer geho¨rte schon damals zu den Gu¨tern des Domkapitels82 – aber es besteht kein Zweifel, dass es sich dabei um mehr handelte als eine Festlegung der Gerichtskompetenzen des Vogtes (wie Anm. 2), Bd. 6, Nr. 29; Bd. 2, Nr. 743, was in den Jahren 1296, 1297 und 1304 besta¨tigt wurde; vgl. Anm. 69, dort auch zum Plan, an der Pfarrkirche ein neues Kloster anzusiedeln. Spa¨ter befand sich das Patronat erneut in den Ha¨nden des Bischofs und des Domkapitels, gegen die die Dominikanerinnen einen Prozess vor Ko¨nig Kasimir dem Großen anstrengten, indem sie sich auf die Schenkung von Przemysł beriefen. Die Beklagten erwiderten, dass sie seit undenklichen Zeiten die strittige Kirche und den Pfarrbezirk besessen ha¨tten. Nach vielen Auseinandersetzungen sprachen die ko¨niglichen Kommissare den Dominikanerinnen die Pfarrkirche zu, wiesen sie jedoch an, die bisher von ihnen genutzte Klosterkirche St. Paul abzutreten; Kodeks (wie Anm. 2), Bd. 6, Nr. 118–119). Hier scheint also der Gedanke wiederaufzutauchen, das Kloster an die Maria Magdalena-Kirche zu verlegen. Im 15. Jahrhundert nahm der Dekan selbst die Rechte des Domkapitels wahr; aktuell waren weiterhin die Rechte der Dominikanerinnen, aber um die Jahrhundertmitte u¨bernahm der Ko¨nig das Patronat. Zur Geschichte des Patronats vgl. Jurek, Woko´ł zagadek (Anm. 76), S. 54ff. 78 Przywileje (wie Anm. 2), Nr. 66 zu 1463: Der Bischof erneuert auf Bitten der Ratsherren als dessen Patrone die Stiftung des Spitals. 79 Schon Szymanska, ´ Wo´jtostwo (wie Anm. 5), S. 184, hat konstatiert, dass das Lokationsvorhaben „nicht ganz gelungen“ sei und „die Stadt sich nicht angemessen entwickelte“, wa¨hrend Rogalanka, Diskussionsbeitrag in: Poczatki ˛ i rozwo´j (wie Anm. 5), S. 473, zugestand, dass eine „gewisse o¨konomische Krise“ um 1280 das Resultat der „allzu groß angelegten Lokation“ gewesen sei. 80 Preußisches Urkundenbuch, hg. v. August Seraphim, Bd. 1, T. 2, Ko¨nigsberg 1909, Nr. 37: zum 30. November 1257: Kunegunda, Frau des Konrad de Poznan, Bu¨rgers von Thorn, und Witwe des Jan, genannt Turbatsch, u¨berschreibt nach ihrem Tode dem Kreuzritterorden 50 Mark. 81 Kodeks (wie Anm. 2), Bd. 1, Nr. 430. 82 Es handelt sich dabei um Ninikowo (Minikowo) und Wierzbice, die dem Domkapitel 1235 geschenkt wurden und dauerhaft in dessen Besitz blieben; Kodeks (wie Anm. 2), Bd. 1, Nr. 184; Słownik his´ toryczno-geograficzny wojewo´dztwa poznanskiego w s´ redniowieczu, Bd. 1–4, hg. v. Antoni Gasio˛ rowski, Wrocław/Poznan´ 1982–2003, hier Bd. 3, S. 291f. Die Do¨rfer Spytko´w, Piatkowo, ˛ Je˙zyce und Winiary wiederum waren schon im 13. Jahrhundert in fu¨rstlichem Besitz; ebd., Bd. 2, S. 84; Bd. 3, S. 644; Kodeks (wie Anm. 2), Bd. 1, Nr. 520. Dagegen ging Staroł˛eka spa¨testens zu Beginn des 14. Jahr-
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(wie u¨blicherweise angenommen wird).83 Wenn man sich genau an den Text des Privilegs ha¨lt, dann muss man annehmen, dass jene Do¨rfer eine vorsta¨dtische Zone bildeten, in der es dem Vogt erlaubt war, 30 Flurstu¨cke fu¨r den eigenen Bedarf und 20 weitere fu¨r die Weiden der Bu¨rger abzustecken, und innerhalb derer der Vogt außerdem das Monopol zur Ansiedlung fremder Siedler, zum Bau von Mu¨hlen und zur Jagd hielt. Der Verkauf von Spytko´w durch den Fu¨rsten an eine private Kompanie zweier Bu¨rger weist darauf hin, dass 1267 das Abstecken der Flurstu¨cke fu¨r den Vogt und die Stadt bereits abgeschlossen war. Ob es dabei tatsa¨chlich gelang, die bei der Lokation gemachten Zusagen einzuhalten, ist nicht bekannt, denn wir besitzen keine Angaben u¨ber die Einku¨nfte des Vogtes im 13. Jahrhundert (die Anfang des 14. Jahrhundert ¨ brigen kamen die a¨ußeren Rahmenbevom Herrscher konfisziert wurden).84 Im U dingungen der Stadt nicht entgegen. Der Handelsweg zwischen Thorn und Guben, auf dem die Bedeutung Posen als Stadt beruhte, verlor bald zugunsten der Wege zwischen Breslau und Thorn an Bedeutung.85 Vor allem aber nahm der Tod Przemysł I. im Jahr 1257 der Stadt alsbald einen guten Stadtherrn. Dass die Posener Bu¨rger eine gute Erinnerung an ihn bewahrten, belegt die Tatsache, dass sein Name noch in einigen der folgenden Generationen der Vogtsfamilie vergeben wurde.86 Der nach ihm hunderts in adligen Besitz u¨ber, Kodeks (wie Anm. 2), Bd. 2, Nr. 982. Geringere Bedeutung haben die seit der Mitte des 14. Jahrhunderts beobachtbaren Besitzverha¨ltnisse (fu¨r diese Zeit sind Rataje und ˙ Zegrze als ko¨nigliche, Szydło´w als bischo¨fliches, und Niestachowo und Piotrowo als adlige Do¨rfer belegt). Sie ko¨nnten das Resultat von Vera¨nderungen im Zusammenhang mit den Unruhen der Jahre 1313/14 sein. Auch das seit dem 14. Jahrhundert belegte sta¨dtische Eigentum an den Do¨rfern Winiary und Je˙zyce kann nicht bis in die Lokationszeit zuru¨ckreichen; Kodeks (wie Anm. 2), Bd. 3, Nr. 1665, ¨ ber Bogucice und P˛ecław wissen wir nichts. 1882; Słownik a. a. O., Bd. 2, S. 95. U 83 Antoni Gasiorowski, ˛ Diskussionsbeitrag in: Poczatki ˛ i rozwo´j (wie Anm. 5), S. 139; Kaczmarczyk, Ustro´j (wie Anm. 5), S. 188. Keine eindeutige Antwort gibt Hans Ju¨rgen Reimers, Die Stadtdo¨rfer der mittelalterlichen Ostsiedlung in Polen, Marburg/Lahn 1976. Im Lichte seiner Forschungen bleibt der Fall Posen weiterhin unklar und vor allem im gesamtpolnischen Vergleich eine Ausnahme; keine andere Stadt hatte mehr als ein paar „Stadtdo¨rfer“. 84 Nach einem Dokument aus dem Jahr 1358 bestanden die Einku¨nfte des Vogtes nur und ausschließlich in den Gerichtseinnahmen; Kodeks (wie Anm. 2), Bd. 3, Nr. 1373 bzw. Przywileje (wie Anm. 2), Nr. 17). Man darf wohl annehmen, dass jene Flurstu¨cke des Vogtes sich in Umułto´w, welches die Vo¨gte bis 1310 besaßen und in Kokundorf befanden. Letzteres ist in der Lokationsurkunde noch nicht erwa¨hnt, entstand aber womo¨glich schon im 13. Jahrhundert; Kodeks (wie Anm. 2), Bd. 2, Nr. 938, 962; Słownik (wie Anm. 82), Bd. 2, S. 239f. 85 Stefan Weymann, Ze studio´w nad zagadnieniem dro´g w Wielkopolsce od X do XVIII wieku [Studien zum Problem der Wege in Großpolen vom 10. bis 18. Jahrhundert], in: Przeglad ˛ Zachodni 9 (1953), 6–8, S. 193–253, hier S. 248f.; Janina Nowakowa, Rozmieszczenie komo´r celnych i przebieg ´ asku ´ XIV wieku [Die Verteilung der Zollsta¨tten und der Verlauf der dro´g handlowych na Sl ˛ do konca Handelswege in Schlesien bis zum Ende des 14. Jahrhunderts], Wrocław 1951, S. 51f.; Andrzej W˛edzki, Ze studio´w nad procesami osadniczymi ziem Polski Zachodniej. Wybrane zagadnienia [Studien zu den Siedlungsprozessen der westpolnischen La¨nder. Ausgewa¨hlte Probleme], Wrocław 1987, S. 115f. 86 Eine Genealogie der Vogtsfamilie liefert Karol Potkanski, ´ Walka o Poznan´ (1306–1312) [Kampf um Posen], in: ders., Lechici, Polanie, Polska. Wybo´r pism, Warszawa 1965 (Erstdruck 1898), S. 474–505, hier S. 493f., die von Szymanska, ´ Wo´jtostwo (wie Anm. 5), S. 185f., prinzipiell besta¨tigt wird. Der unsicherste Punkt ist die Abstammung der Familie des Tomasz von Guben. Es kam na¨mlich ha¨ufig vor, dass ein Lokator nach Abschluss seiner Arbeit die Vogtei gewinnbringend verkaufte; so beispielsweise in Krakau: advocati in sua advocatia modicum duraverunt, Monumenta (wie Anm. 4), Bd. 5, S. 86. Auf alle Fa¨lle muss die Vogtsfamilie von jemandem abstammen, der zum Zeitpunkt der Lokation zugewandert war (vgl. Anm. 56).
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ganz Großpolen regierende Bolesław der Fromme favorisierte Posen jedenfalls nicht mehr, sondern residierte lieber in Kalisz oder Gnesen.87 Hinzu kamen die Verwu¨stungen des brandenburgischen Feldzuges aus dem Jahr 1274, als „die Deutschen Posen niederbrannten“, wie ein Annalist lakonisch notierte.88 Auch ist womo¨glich die Fest¨ bertreibung, dass die Stadt stellung in einer Urkunde von 1283 keine rhetorische U „zu ihrem großen Teil zunichte gemacht wurde“.89 Deutlich bessere Zeiten kamen erst nach 1280. Zu dieser Zeit erscheinen plo¨tzlich massenhaft Erwa¨hnungen, die eine Entwicklung der Stadt belegen: von La¨den und Fleischba¨nken, die nun von der sta¨dtischen Selbstverwaltung aus den Ha¨nden des Fu¨rsten u¨bernommen wurden,90 von Zollbefreiungen fu¨r ihre Bu¨rger,91 vom Aufkaufen von Ga¨rten im nahe gelege˙ nen Dorf Jezyce durch Bu¨rger,92 von Investitionen in umliegenden Do¨rfern,93 von bu¨rgerlichen Verma¨chtnissen zugunsten der Dominikaner,94 dann etwas spa¨ter von Stadtmauern,95 von einem Rathaus,96 einer Pfarrschule und deren anspruchsvollem Lehrplan.97 Diese Vera¨nderungen sind sicherlich mit der Regentschaft Przemysłs II. (1274–1296) in Verbindung zu bringen. In diesem nachgeborenen Sohn des Stadtgru¨nders fand Posen erneut einen fu¨rsorglichen Stadtherrn, der hier das Zentrum sei-
87 Eine Analyse der Ausstellungsorte der fu¨rstlichen Urkunden liefert Karol Modzelewski, Organizacja
´ gospodarcza panstwa piastowskiego X–XIII wieku [Die Wirtschaftsorganisation des piastischen Staates 10.–13. Jahrhundert], Wrocław 1975, S. 46f.; vgl. auch Zio´łkowska, Czas (wie Anm. 6), S. 22. 88 Theutonici Poznaniam comburunt, Monumenta (wie Anm. 4), Bd. 6, S. 125 (Spominki poznanskie); ´ Jo´zef Spors, Agresja brandenburska wobec Wielkopolski do 1278 roku [Die brandenburgische Aggression gegenu¨ber Großpolen bis zum Jahr 1278], in: Roczniki Historyczne 40 (1974), S. 107–121, hier S. 119. 89 Statum civitatis nostre, que proxima parte in nichilum redegit, cupimus in melius reformare, Kodeks (wie Anm. 2), Bd. 1, Nr. 519 bzw. Przywileje (wie Anm. 2), Nr. 6 (7. Ma¨rz 1283: Zollbefreiung der Bu¨rger). Dabei scheint das nicht in den Kontext passende Wort proxima ein Fehler des Kopisten zu sein, statt pro maxima oder in maxima. Die Besta¨tigung der Zollfreiheit aus dem Jahr 1298 entha¨lt wiederum eine a¨hnliche, aber stilistisch abweichende Formulierung: statum nostre civitatis Poznaniensis, que in magna sua parte per gwerras est viciata, cupimus in melius reformare, Kodeks (wie Anm. 2), Bd. 2, Nr. 773 bzw. Przywileje (wie Anm. 2), Nr. 11. Dies scheint darauf hinzuweisen, dass es sich hier nicht um eine mechanisch angewandte Formulierung handelt; Jasinski, ´ Rola polityczna (wie Anm. 56), ´ S. 233, sowie die Erwiderung von Władysław Karasiewicz, W odpowiedzi K. Jasienskiemu na temat: ˙ ´ Rola polityczna moznowładztwa wielopolskiego w latach 1284–1314 [Antwort auf K. Jasinski zum Thema: Die politische Rolle des großpolnischen Adels in den Jahren 1284–1314], in: Roczniki Historyczne 31 (1965), S. 261–270, hier S. 269f. 90 Kodeks (wie Anm. 2), Bd. 1, Nr. 494 bzw. Przywileje (wie Anm. 2), Nr. 5 (31. Ma¨rz 1280). 91 Kodeks (wie Anm. 2), Bd. 1, Nr. 519 bzw. Przywileje (wie Anm. 2), Nr. 6 (7. Ma¨rz 1283); Kodeks (wie Anm. 2), Bd. 2, Nr. 773 bzw. Przywileje (wie Anm. 2), Nr. 11 ( Besta¨tigung vom 27. Februar 1298). 92 Kodeks (wie Anm. 2), Bd. 2, Nr. 683 (26.–31. Mai 1292: der Fu¨rst verfu¨gt, dass im Dorf Je˙zyce Bu¨rger, ¨ cker erhalten sollen); vgl. auch ebd., Nr. 684. die dort nicht selbst wohnen, A 93 Kodeks (wie Anm. 2), Bd. 1, Nr. 520 (28. Ma¨rz 1283: der Fu¨rst vergibt an den Bu¨rger Bartłomiej 4 Flur˙ stu¨cke in Winiary und 5 Fleischba¨nke in der Stadt im Austausch gegen dessen Anteil am Dorf Zabikowo), Nr. 547 (11. November 1284: der Fu¨rst u¨bertra¨gt dem Bu¨rger Henryk de Thonch die Lokation des Dorfes Go´rczyn, Przywileje (wie Anm. 2), Nr. 7). 94 Kodeks (wie Anm. 2), Bd. 1, Nr. 484 (10. Juli 1278). 95 Kodeks (wie Anm. 2), Bd. 2, Nr. 768 (20. Dezember 1297). Zio ´ łkowska, Czas (wie Anm. 6), S. 18 behauptet zu Recht, dass die Mauern noch zu Zeiten Przemysłs II. entstanden sein mu¨ssen. 96 Kodeks (wie Anm. 2), Bd. 2, Nr. 938 (31. August 1310: actum et datum in Poznania in domo consulum). 97 Kodeks (wie Anm. 2), Bd. 2, Nr. 855 bzw. Przywileje (wie Anm. 2), Nr. 14 (30. Juni–5. Juli 1302).
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ner Herrschaft installierte,98 eine repra¨sentative Burg errichtete99 und verfu¨gte, hier beigesetzt zu werden. Er sorgte aber dafu¨r, dass, wie es in einer Urkunde heißt, „die Stadt von Tag zu Tag ihre Ma¨ngel zum Besseren korrigierte“.100 In der Geschichte der Stadt brach eine einige Jahrzehnte wa¨hrende Zeit der Prosperita¨t an, die erst von den stu¨rmischen Ereignissen im Zusammenhang mit den Ka¨mpfen um die Vereinigung des Landes zu Beginn des 14. Jahrhunderts unterbrochen wurde, als im Herbst 1313 die Anha¨nger des Władysław Łokietek Posen eroberten und niederbrannten, das bis zum Schluss die niedergehende Herrschaft der Fu¨rsten von Glogau verteidigte.101 Der von uns hier rekonstruierte Verlauf der Posener Lokation erlaubt es, zumindest einige Probleme allgemeinerer Natur deutlicher zu erkennen. Man sieht, wie wichtig dieser Vorgang war: Mit anderen politischen Fragen verflochten, fesselte er fu¨r eine Reihe von Jahren die Aufmerksamkeit des Fu¨rsten und seiner Barone und wurde zum Gegenstand von Auseinandersetzungen, Verhandlungen und Beratungen auf den Versammlungen des Adels. Dies macht ein weiteres Mal bewusst, welch ein schwieriges Unterfangen das Durchfu¨hren einer Lokation in den großen Burgzentren mit ihren komplizierten Eigentumsverha¨ltnissen war. Die Hauptschwierigkeit stellten dabei wahrscheinlich nicht die Landgewinnung, die Durchfu¨hrung von Enteignungen und das Abstecken der Stadt dar, sondern die rechtliche Absicherung der vorgenommenen Vera¨nderungen. Die verspa¨tete Ausstellung der Lokationsurkunde fu¨r Posen resultiert ho¨chstwahrscheinlich aus den Schwierigkeiten, die Zustimmung der Gesellschaft fu¨r die festgesetzten Rekompensationen fu¨r die Kirche zu gewinnen. Eine Lokation stellte also auch einen gewichtigen politischen Akt dar – nicht zufa¨llig fu¨hrte Fu¨rst Konrad (u¨brigens der Schwager unseres Przemysł) seine Lokation Glogaus im selben Jahr 1253 wa¨hrend einer feierlichen Zusammenkunft mit allen seinen Bru¨dern (mit denen er ansonsten nicht gut stand) und dem Breslauer Bischof durch.102 In der Lehrbuchmeinung wurde eine Lokationsstadt fu¨r zuwandernde Siedler geschaffen. In unserem Fall haben wir es eher mit einer abweichenden Abfolge von Erscheinungen zu tun. 1249 oder 1252 wurde mit großem Aplomb eine Stadt trassiert, fu¨r die es, wie es scheint, an menschlichem Material fehlte. Es
98 Anotoni Gasiorowski, ˛ Gniezno monarsze i Gniezno biskupie w s´ redniowieczu. Problemy rezydo-
wania [Das monarchische Gnesen und das Gnesen des Bischofs im Mittelalter. Probleme des Residie´ rens], in: 1000 lat Archidiecezji Gnie´znienskiej, hg. v. Jerzy Strzelczyk/Janusz Go´rny, Gniezno 2000, S. 143–164, hier S. 147; Jan Pakulski, Itinerarium ksia˙ ˛z˛eco-kro´lewskie Przemysła II. [Das herzoglich´ ´ dłoznawcze 39 (2001), S. 69–94, hier S. 84. ko¨nigliche Itinerar Przemysłs II.], in: Studia Zro 99 Zio ´ łkowska, Czas (wie Anm. 6), S. 16f.; Linette, Zamek (wie Anm. 6), S. 30f.; Zygmunt Dolczewski, Cesarskie palatium kro´la Przemysła (uwagi dyskusyjne) [Das kaiserliche Palatium Ko¨nig Przemysłs (Diskussionsbemerkungen)], in: Przemysł II. Odnowienie Kro´lestwa Polskiego, hg. v. Jadwiga ˙ Krzyzanowska, Poznan´ 1997, S. 333–337. 100 Ut dicta civitas de die in diem semper in melius in suis defectibus emendetur, Kodeks (wie Anm. 2), ´ Bd. 1, Nr. 494; Kazimierz Jasinski, ´ Stosunki Przemysła II. z mieszczanstwem [Die Beziehungen Prze´ praca w dawnych miastach. Studia ofiarowane mysłs II. mit den Stadtbu¨rgern], in: Czas, przestrzen, Henrykowi Samsonowiczowi w sze´sc´ dziesiat˛ a˛ rocznic˛e urodzin, hg. v. Andrzej Wyrobisz u. a., Warszawa 1991, S. 319–328, hier S. 327f. 101 Tomasz Jurek, Dziedzic Kro´lestwa Polskiego. Ksia˙ ˛z˛e głogowski Henryk (1274–1309) [Der Erbe des Polnischen Ko¨nigreiches. Herzog Heinrich von Glogau], Poznan´ 1993, S. 128. 102 Vgl. Anm. 33.
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war einfacher, Straßen zu planen und Ha¨user zu bauen, als Menschen zu gewinnen. Im gesamten Vorgang ist vor allem die Absicht des Fu¨rsten Przemysł I. zu erkennen, der beschlossen hatte, in Posen eine ziemlich große Stadt zu gru¨nden, entsprechend seinem Ehrgeiz, hier ein neues Zentrum seiner Herrschaft zu befestigen. Dieselbe Absicht erkennt man spa¨ter in den Maßnahmen seines Sohnes Przemysł II., dem die ¨ berwindung ihrer Kinderkrankheiten verdankt, welche im U ¨ brigen noch Stadt die U auf eine gesonderte und eingehende Erforschung warten. Die Politik beider Przemysłs im Verlauf eines halben Jahrhunderts war entscheidend dafu¨r, dass Posen – und nicht die mit ihm im 13. Jahrhundert konkurrierenden Sta¨dte Gnesen oder Kalisz – fu¨r die folgenden Jahrhunderte zur fraglosen Hauptstadt der Region wurde und dies bis heute geblieben ist.103 Ebendies ist das gro¨ßte Verdienst jener beiden Fu¨rsten und Namensvetter fu¨r die Stadt Posen.
103 Jacek Wiesiołowski, Miasto w przestrzeni społecznej po´znego ´ s´ redniowiecza [Die Stadt im sozialen
´ Raum des spa¨ten Mittelalters], in: Społeczenstwo Polski s´ redniowiecznej 3 (1985), S. 314–347.
EINE LOKATION ODER MEHRERE LOKATIONEN KRAKAUS NACH DEUTSCHEM RECHT? von Jerzy Wyrozumski*
Die polnischen Sta¨dtehistoriker verwenden im Allgemeinen den Begriff „Lokation“, unter dem sie eine wichtige oder sogar prinzipielle Schwelle der Entwicklung einer Stadtsiedlung verstehen, aber nicht ihren Beginn, so wie dies in der ga¨ngigen Meinung assoziiert werden ko¨nnte. Der Begriff ist weder ein Produkt der fru¨heren noch der heutigen Geschichtsschreibung. Er wurde direkt aus den Lokationsurkunden oder auch -privilegien abgeleitet, in denen er einen klaren Inhalt besitzt, auch wenn sein Bedeutungsumfang dort nicht genu¨gend pra¨zisiert wird. Seine Etymologie steht außer Zweifel: locus ist in seiner Grundbedeutung ein „Ort“, und locare heißt soviel wie „platzieren“. Wie jedoch stellte sich die reale Bedeutung dieses Begriffes und des damit verbundenen Verbs dar? Zur Kla¨rung dieser Frage soll hier nur auf die a¨ltesten Aufzeichnungen zuru¨ckgegriffen werden. Im Jahre 1228 erlaubte Heinrich der Ba¨rtige den Breslauer Regularkanonikern, in ihrem Dorf Zarzysko einen freien Markt nach deutschem Recht zu veranstalten oder zu organisieren (iure Theutonico locare forum liberum).1 1242 kaufte Herzog Bolesław Rogatka, ein Sohn Heinrichs des Frommen, den Trebnitzer Zisterzienserinnen fu¨r einen bestimmten Erbzins einige Wirtsha¨user und Krambuden in Breslau ab mit dem Ziel der Lokation Breslaus, das nach deutschem Recht gegru¨ndet worden sei (propter locationem civitatis Wratislavie, quam iure Teutonico locavimus). Die Motivation dazu lautete, dass ohne diesen Tausch die Lokation auf keine Weise zustande gebracht werden konnte (locatio nullo modem perduci poterat ad effectum).2 Im Jahre 1250 betraute der Breslauer Herzog Heinrich III. drei namentlich erwa¨hnte Vo¨gte mit der Lokation „unserer Stadt auf dem Hohen Ufer“ (civitatem nostram in Alta ripa) nach deutschem Recht (iure Teutonico locandam), und dies sollte jenes Recht sein, nach dem auch die Stadt Neumarkt gegru¨ndet und ange-
*U ¨ bersetzung des Aufsatzes „Lokacja czy lokacje Krakowa na prawie niemieckim?“ (aus: Krako´w.
¨ bersetzung Nowe studia nad rozwojem miasta, hg. v. Jerzy Wyrozumski, Krako´w 2007, S. 121–152); U von Herbert Ulrich. 1 Urkundensammlung zur Geschichte des Ursprungs der Sta¨dte, hg. v. Gustav Adolf Tzschoppe/ Gustav Adolf Stenzel, Hamburg 1832, Nr. 11. 2 Ebd.
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legt worden war (quo civitas Noviforensis fundata est pariter et locata).3 Bemerkenswert ist, dass in der Urkunde, die Brieg an der Oder betrifft, der Begriff „Lokation“ von seiner Bedeutung her der „Stiftung“ nahesteht, ja geradezu als deren Synonym erscheint. In der Lokationsurkunde von Bochnia aus dem Jahr 1253 erkla¨rte der Aussteller Bolesław der Schamhafte zwar, dass er beabsichtigte, die Stadt Bochnia zu stiften und zu erbauen (locare et construere), aber der Vogt Nikolaus, der Sohn des Volkmar, und seine Genossen wurden hier als locatores civitatis bezeichnet.4 Im Lokationsprivileg von Posen aus dem gleichen Jahr u¨bergaben die Herzo¨ge Przemysł I. und Bolesław der Fromme „die Stadt, die gemeinhin Posen genannt wird, zur Lokation nach deutschem Recht“ (civitatem que Poznan vulgariter nuncupatur iure Theutonico collocandam).5 Man ko¨nnte noch mehr Beispiele anfu¨hren, aber das wa¨re u¨berflu¨ssig, denn alle fu¨hren zu der Schlussfolgerung, dass der Begriff locatio und sein Verba¨quivalent locare die Gru¨ndung einer Stadtgemeinde in einer bereits bestehenden Siedlung mit (im wirtschaftlichem Sinne) oft schon sta¨dtischem Charakter bedeutete. In der Sprache der Lokationsurkunden hat der uns interessierende Begriff manchmal noch eine andere Bedeutung. Er bezieht sich dann nicht auf die gesamte soziale und wirtschaftliche Struktur, sondern konkret auf die Menschen als Objekt des Lokationsprozesses. So verleiht zum Beispiel das Privileg des Oppelner Herzogs Kasimir von 1222 dem Breslauer Bischof die volle Freiheit, auf dem Territorium von Ujest „Deutsche oder andere Ga¨ste nach deutschem Recht oder auf andere Weise anzusiedeln“ (ad locandum Theotonicus vel alios hospites in iure Theutonico vel alio modo). Im Ergebnis wurde Ujest zu einer Kleinstadt.6 In einer Urkunde von Boleslaw Rogatka und Heinrich III. von 1247 fu¨r das Kloster der Regularkanoniker in Breslau, die zwar nicht die Lokation einer Stadt, sondern bestimmter Do¨rfer betraf, ist von einer Lokation von Polen nach deutschem Recht die Rede (Polonos iure Teutonico locabunt).7 Und in dem bereits zitierten Lokationsprivileg von Posen aus dem Jahre 1253 erwa¨hnen die Aussteller einen Vogt, der Deutsche in die der Stadt geschenkten Do¨rfer ruft und sie dort ansiedelt (advocaverit et locaverit Theutonicos). Da wir es also mit der „Lokation“ einer Stadt oder eines Dorfes und analog dazu mit der „Lokation“ von Menschen zu tun haben, muss angenommen werden, dass der uns interessierende Begriff als „Ansiedlung“ verstanden wurde; davon stammt in unserer Sprache dann der Begriff „Siedlungswesen“, der den Prozess der Gru¨ndung, Umgestaltung und Entwicklung von Siedlungssta¨tten unter ihren wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedingungen bedeutet. Die Gru¨ndung von Stadtgemeinden war im o¨stlichen Mitteleuropa gerade mit der Umgestaltung von Ansiedlungen verbunden, denen ein regelma¨ßiger Grundriss verliehen wurde, wa¨hrend die bisherigen
3 Ebd. 4 Kodeks dyplomatyczny Małopolski [Kleinpolnisches Urkundenbuch], hg. v. Franciszek Piekosinski, ´
Bd. 2, Krako´w, Nr. 439.
5 Kodeks (wie Anm. 4), Nr. 321. 6 Urkundensammlung (wie Anm. 1), Nr. 6. 7 Ebd., Nr. 27.
Eine Lokation oder mehrere Lokationen Krakaus nach deutschem Recht?
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Ansiedler umziehen mussten und manchmal auch neue von außerhalb herbeigerufen wurden, bis der Siedlung dann schließlich in gro¨ßerem oder geringerem Umfang das Recht zur Selbstverwaltung verliehen wurde. Das alles bedeutete „Lokation“ und „ansiedeln“. ¨ quivalent in Westeuropa besitzt. Charakteristisch ist, dass dieser Begriff kein A Das franzo¨sische Wort location oder das italienische locazione bedeuten beide „Vermietung“ und wurden nie zur Benennung der „Platzierung“ einer Stadt oder eines Dorfes verwendet; sie sind in Bezug auf diesen Vorgang nicht versta¨ndlich. Nur in der deutschen Sprache existiert der Terminus Lokation als ein historischer Begriff mit einer a¨hnlichen Bedeutung und Anwendung wie in Polen. Er wurde in Polen tatsa¨chlich aus dem deutschen Zivilisationsbereich u¨bernommen. Dagegen entspricht er u¨berhaupt nicht der historischen Wirklichkeit Italiens, Frankreichs oder Flanderns, wo sich die sta¨dtischen Strukturen im blutigen Kampf mit der feudalen Oberherrschaft bereits einen Selbstverwaltungsstatus erka¨mpft hatten. Der Begriff entspricht vielmehr dem fu¨r Mitteleuropa charakteristischen Prozess der Organisation der Stadtgemeinden „von oben“ in erst entstehenden urbanistischen Anlagen. Es ist offensichtlich, dass auch im Bereich der slawischen Gebiete nicht nur wirtschaftliche Stadtstrukturen spontan entstanden, sondern auch die Anfa¨nge ihrer rechtlichen Organisation. Diese einheimische Evolution wurde allerdings infolge der Rezeption fertiger Vorbilder in Gestalt des deutschen Stadtrechts gestoppt.8 Gewiss beschleunigte dies den Urbanisierungsprozess und somit auch die zivilisatorische Entwicklung, aber dies ging nicht ohne Kosten ab, die genau abzuscha¨tzen schwierig ist. Urspru¨nglich wurde das deutsche Recht fu¨r Kolonien oder Enklaven deutscher Bevo¨lkerung in den slawischen Gebieten angewandt. Ein Beispiel hierfu¨r ist Prag. Der bo¨hmische Ko¨nig Sobeslav II. (1173–1178) stellte eine Urkunde fu¨r die in Prag siedelnden Deutschen aus, in der er ihnen erlaubte, nach dem Recht und der Gerechtigkeit der Deutschen zu leben (in vivere secundum legem et iusticiam Thetonicorum), so wie ihnen dies Sobeslavs Vetter Vladislav (1140–1173) gewa¨hrt hatte. Als Motivation wurde genannt, dass sich die Deutschen von den Bo¨hmen (Tschechen), da sie sich von ihnen in ihrer Nationalita¨t unterschieden, wohl auch hinsichtlich der Gesetze und Gebra¨uche unterscheiden sollten.9 Analog dazu brachten deutsche Ansiedler deutsches Recht fu¨r den eigenen Gebrauch nach Schlesien mit, als sie dort seit Beginn des 13. Jahrhunderts auftauchten (zuerst in Leubus, Hundsfeld) und sich mit Erlaubnis von Herzog Heinrich dem Ba¨rtigen in Sta¨dten wie Goldberg und Lo¨wenberg in den Sudeten und einigen anderen niederließen.10 Im Jahre 1247 aber erlaubten die Herzo¨ge Bolesław Rogatka und Heinrich III. den Breslauer Regularkanonikern, auch Polen in bestimmten polnischen Do¨rfern nach deutschem Recht
8 Vgl. Marian Friedberg, Kultura polska a niemiecka [Die polnische und die deutsche Kultur], Bd. 1,
Poznan´ 1946, S. 358–359.
9 Quellen zur Geschichte der ostdeutschen Kolonisation im 12. bis 14. Jahrhundert, hg. v. Rudolf
Ko¨tzschke, Leipzig und Berlin 1932, Nr. 32.
10 Benedykt Zientara, Heinrich der Ba¨rtige und seine Zeit. Politik und Geschichte im mittelalterlichen
Schlesien, Mu¨nchen 2002, insbesondere die Kapitel „Die wirtschaftlichen Anfa¨nge“ und „Der große Plan“.
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anzusiedeln (Polonos iure Teutonico locabunt). Das bereits erwa¨hnte Lokationsprivileg der Stadt Brieg besagte 1250, dass sowohl die in dieser Stadt ansa¨ssigen Polen als auch die Vertreter jeder anderen Sprache deutschem Recht unterstanden (ius Thetonicum paciatur). Bald wurde dies selbstversta¨ndlich und erforderte dann auch keine besonderen Urkundenklauseln mehr. Wir haben einen klaren Beweis dafu¨r, dass sich auch Leszek der Weiße, Herzog von Krakau und Sandomierz und Zeitgenosse Heinrichs des Ba¨rtigen, von a¨hnlichen Gru¨nden leiten ließ wie Vladislav und Sobeslav von Bo¨hmen sowie die schlesischen Herzo¨ge. Ihm wird die Einfu¨hrung des deutschen Rechts in Krakau zugeschrieben. In einer undatierten Urkunde, die aus dem Zeitraum zwischen 1218 und 1224 stammt, u¨bertrug der Herzog dem Krakauer Bistum auf seinem Herrschaftsgebiet genau bestimmte Einku¨nfte aus dem Bergbau. Die Bergleute, seien es Romani seu Theutonici oder andere Neuanko¨mmlinge (hospites), sollten zusammen mit den Orten, in denen sie sich angesiedelt hatten (ipsi et loca eorum), die Gebra¨uche ihres Herkunftslandes wahren, sich zusammen mit ihren Vorgesetzten (cum suis rectoribus) nach eigenen Gesetzen regieren und gema¨ß dem Brauch ihres Landes auch den Zins entrichten. Im Fall eines feindlichen Angriffes waren sie jedoch alle verpflichtet, das Land zu verteidigen, in das sie gekommen waren.11 Selbstversta¨ndlich betraf diese Bergordnung nicht direkt Krakau. Sie zeugt allein davon, dass die Aktivita¨ten Heinrichs des Ba¨rtigen in Schlesien, der fremde, hauptsa¨chlich deutsche Ansiedler ins Land holte, keinen Ausnahmefall darstellten. Auch Leszek der Weiße unternahm solche Schritte, wenn auch gewiss in geringerem Ausmaße, vielleicht sogar inspiriert vom schlesischen Piasten, mit dem er 1217 ein Bu¨ndnis einging.12 Es ist eher einem Zufall zu verdanken, dass wir gerade von den damals in Kleinpolen angesiedelten „romanischen“ und „deutschen“ Bergleuten wissen. Wichtig ist, dass sie in Gruppen oder Gru¨ppchen zuwanderten, dass sie ihre eigenen Vorgesetzten/Anfu¨hrer hatten und mit ihnen zusammen Siedlungsgemeinschaften bildeten, die sich nach eigenen ¨ hnlich muss sich zu Beginn die Ankunft von Gruppen sta¨dGesetzen regierten. A tischer Ansiedler dargestellt haben, die in fremder Umgebung siedelten und Garantien fu¨r ihre eigenen Rechtsgewohnheiten und Gebra¨uche forderten. Mitunter waren auch jene, die sie ins Land holten, selbst darum bemu¨ht, sie durch solche Garantien zur Ansiedlung zu bewegen. Ob die erste Krakauer Stadtsiedlung im Gefolge des Herbeiholens einer bestimmten Gruppe deutscher Ansiedler geboren wurde, denen ihr deutsches Recht und ihre Gebra¨uche garantiert wurden (fu¨r deren Kenntnis sie selbst Sorge tragen mussten), oder ob sie auf dem Wege einer heimischen Evolution entstand, das sind Fragen, auf die keine erscho¨pfende Antwort gegeben werden kann. Wegen des Fehlens entsprechender Quellenmaterialien ko¨nnen lediglich mehr oder weniger wahrscheinliche Vermutungen angestellt werden. Tatsache ist, dass es im Jahre 1228 einen in Krakau bezeugten Schultheißen gab, eine Institution, die zumindest vom Namen her
11 Kodeks dyplomatyczny katedry krakowskiej s´ w. Wacława [Urkundenbuch der Krakauer Kathedrale
des Heiligen Wacław], hg. v. Franciszek Piekosinski, ´ Bd. 1, Krako´w 1874, Nr. 12.
12 Zientara, Heinrich der Ba¨rtige (wie Anm. 10), S. 213.
Eine Lokation oder mehrere Lokationen Krakaus nach deutschem Recht?
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typisch ist fu¨r das deutsche Recht. Unter diesem Datum na¨mlich stellte Petrus solthetus Cracoviensis eine Urkunde aus, die den Verkauf des bei Prandocin im Kern der urspru¨nglichen Klosterausstattung gelegenen Dorfes Trusino´w durch ihn an den Zisterzienserabt des Klosters Mogiła betraf.13 Dieser Schultheiß Petrus wiederum erscheint in einer Urkunde des Krakauer ¨ bergabe des Kaufpreises Wojewoden Markus aus dem Jahre 1230. Sie betraf die U fu¨r den Ankauf des dem Kloster benachbarten Dorfes Zrasowa durch das Kloster an die Rechtsnachfolger des verstorbenen Besitzers, den Grafen von Ratibor. Petrus fiel dabei die Rolle eines Sachversta¨ndigen zu, der seitens des Klosters die Gu¨ltigkeit der ausgezahlten Mu¨nzen pru¨fte oder genauer gesagt, fu¨r deren Gu¨ltigkeit bu¨rgte. Fu¨r die Empfa¨nger dieser Summe trat in der Rolle eines solchen Experten der Krakauer Kaufmann Dionysius auf. Den Akt der eigenha¨ndigen Bargeldu¨bergabe selbst bezeugten: Petrus in Gesellschaft seiner Beamten Mattha¨us und Nikolaus, der bereits erwa¨hnte Kaufmann Dionysius, der Geistliche Wojsław, der Vertreter der Witwe des Ratiborer Grafen, Wi˛ecemil, sowie die Kaufleute Hildebrand, Bertold, Gosław und Wilkin.14 Aufmerksamkeit verdient hier das unzweifelhafte Prestige des Schultheißen, der dem Kaufmannsstand angeho¨rt haben muss. Bemerkenswert ist auch, dass er zusammen mit seinen Beamten (ministri soltheti) auftrat, die ebenfalls ihr Prestige gehabt haben mu¨ssen, jedenfalls u¨bten sie nicht nur einfache Dienste aus. Mit diesem auf unbestrittene Weise bezeugten Petrus ist folgendes Problem verbunden. In einer Urkunde von 1220, das den Verkauf des Dorfes Glew bei Igołomia betrifft, tritt inmitten eines guten Dutzends von Zeugen ebenfalls ein Petrus villicus auf.15 Es ist sehr wahrscheinlich, dass es sich bei diesem villicus (Vogt) und dem Schultheißen Petrus um die gleiche Person gehandelt hat. Darauf scheint seine Pra¨senz beim Krakauer Wojewoden und in der Krakauer Gegend hinzudeuten, wo der Schultheiß Petrus u¨ber Landbesitz verfu¨gte (das Dorf Trusino´w); aber das allein wa¨re ein zu schwaches Argument. Zu Hilfe kommen uns Urkunden, die das Kloster der Ritter zum Heiligen Grab in Miecho´w betreffen. Im Jahre 1228 bezeugte Grzymisława, die Witwe Leszeks des Weißen in Skaryszo´w bei Radom eine gewisse Schenkung an das Kloster zu Miecho´w. Unter den Zeugen dieses Rechtsaktes befand sich auch ein Sivridus villicus de Scaresov. 16 Zwei Jahre spa¨ter tritt in einer in Skaryszo´w von einem gewissen Ritter (nobilis) Jakub ausgestellten Urkunde, die seine Schenkung eines bestimmten Dorfes an das Kloster zu Miecho´w betrifft, wieder Sifridus villicus Scharesoviensis als Zeuge auf, nun aber cum omnibus burgensibus de Scharesovia.17 Daher besteht kein Zweifel, dass er das Stadtoberhaupt von Skaryszo´w war. Ob es sich dabei um eine Stadt nach deutschem Recht gehandelt hat, daru¨ber besteht allerdings keine Gewissheit. Siegfried konnte na¨mlich im Auftrag des Klosters zu Miecho´w, zu dem Skaryszo´w geho¨rte, als Oberhaupt dieser Siedlung fungieren, die
13 Zbio´r dyplomo´w klasztoru Mogilskiego, hg. v. Eugeniusz Janota, Krako´w 1867 [= Cz˛es´ c´ II. in:
Monografia opactwa cysterso´w we wsi Mogile, hg. v. der Akademia Krakowska, Krako´w 1867], Nr. 8.
14 Ebd., Nr. 11. 15 Ebd., Nr. 1. 16 Kodeks (wie Anm. 4), Nr. 395. 17 Ebd., Nr. 401.
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wirtschaftliche Zu¨ge trug und sta¨dtische Funktionen erfu¨llte. Wie Karol Buczek auf sehr schlu¨ssige Weise festgestellt hat, unterschied sich eine Stadt nach so genanntem polnischem Recht, das es in Wirklichkeit gar nicht gab, von einer Stadt nach deutschem Recht durch das Fehlen einer souvera¨nen Selbstverwaltung.18 Ein villicus, der im Auftrag eines Feudalherren als Vogt einer solchen Stadtsiedlung fungierte, wa¨re vollkommen versta¨ndlich. Aber der Name Zygfryd/Siegfried verweist auf seine deutsche Herkunft, was wiederum fu¨r das deutsche Recht sprechen ko¨nnte. Nach ihrer Entvo¨lkerung und Zersto¨rung infolge des Tatareneinfalls im Jahre 1241 wurde der Stadt Skaryszo´w von Herzog Bolesław dem Schamhaften mit einer Urkunde von 1264 expressis verbis deutsches Recht (ius Theutonicum) verliehen, wobei wiederum ein villicus auftritt, zweifellos schon ein Vogt oder Schultheiß.19 Daraus folgt, dass es sich bei unserem Krakauer Petrus villicus ebenfalls um einen Schultheißen nach deutschen Recht gehandelt haben kann – in einer Situation, als die mit dem Stadtrecht verbundene lateinische Terminologie erst im Entstehen begriffen war. Aber dies kann auch eine gewisse Evolution in den Realien Krakaus widerspiegeln: von einer Stadt ganz ohne Selbstverwaltung zu einer Stadt mit den Anfa¨ngen einer Selbstverwaltung, wie sie das damalige deutsche Recht in seiner Magdeburger Form bot, d. h. mit eigener Gerichtsbarkeit des Vogtes (oder des Schultheißen) unter Beteiligung sta¨dtischer Scho¨ffen. Es ist nicht zu u¨bersehen, dass der Schultheiß Petrus – da er als Gutachter in Geldangelegenheiten auftrat – eher der Kaufmannschaft als dem Ritterstand angeho¨rte, obwohl er auch als Ritter ha¨tte Schultheiß sein ko¨nnen. Man ko¨nnte sich sogar des Arguments bedienen, dass er ein Landgut besaß (Trusino´w). Aber das konnte er selbstversta¨ndlich auch ka¨uflich erworben haben, so wie er es im Jahre 1228 dann ja auch wieder verkaufte. Unmo¨glich zu u¨bersehen ist auch, dass als Zeitgenossen des Schultheißen Petrus und sogar direkt in seiner Umgebung mehrere Kaufleute auftreten, von denen einige ausdru¨cklich deutsche Namen tragen. In der zitierten, von Petrus ausgestellten Urkunde von 1228 werden zwei Kaufleute als Zeugen erwa¨hnt, und beide tragen germanische Namen: Burchardt und Arnold. Und in der ebenfalls bereits zitierten Urkunde von 1230 tritt als Geldsachversta¨ndiger neben dem Schultheißen Petrus der Krakauer Dionysius (Dyonisius) auf; die Geldu¨bergabe fu¨r den Verkauf der Liegenschaft wird von mindestens zwei Kaufleuten bezeugt: Gosław und Wilkin (Vilkynus), und vielleicht waren Hildebrand und Bertold ebenfalls Kaufleute.20 Insgesamt haben wir es hier also mit fu¨nf sicheren und zwei unsicheren Kaufleute zu tun. Von diesen fu¨nf tragen drei deutsche Namen, einer einen slawischen, also wahrscheinlich einen polnischen, und einer, na¨mlich Dionysius, sicher einen romanischen. Das ist nicht verwunderlich, da es damals in Polen auch Bergleute romanischer Herkunft gegeben haben muss. Von den zwei unsicheren Kaufleuten ko¨nnte Hildebrand ein Deutscher und Bertold sowohl ein Deutscher als auch ein Vertreter der romanischen Welt gewesen sein. 18 Karol Buczek, Targi i miasta na prawie polskim (okres wczesno´sredniowieczny) [Ma¨rkte und Sta¨dte
nach polnischem Recht (fru¨hes Mittelalter)], Wrocław u. a. 1964, S. 106, 111–112.
19 Kodeks (wie Anm. 4), Nr. 472. 20 Zbio´r dyplomo´w (wie Anm. 13), Nr. 11.
Eine Lokation oder mehrere Lokationen Krakaus nach deutschem Recht?
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Dass es unter den Krakauer Kaufleuten der zwanziger und dreißiger Jahre des 13. Jahrhunderts Deutsche gab, steht außer Zweifel. Es sei daran erinnert, dass sich unter den Zeugen der Wunder des hl. Stanisław, die im Zusammenhang mit seinem Heiligsprechungsprozess im Jahre 1252 angeho¨rt worden sind, auch Deutsche befanden: Adleyta Teutonica, Wykerus Teutonicus (erwa¨hnt wurden seine beiden So¨hne Gerardus und Richoldus), Detricus Teutonicus und Rinerus civis Cracoviensis. Auch von einem Bo¨hmen und einem Ungarn ist die Rede.21 Bemerkt werden muss auch, dass wir in den Zeugenlisten der Mogiła-Urkunden (anderer als der oben zitierten) aus der Zeit vor 1257 sporadisch auf Deutsche und einen Bo¨hmen stoßen.22 Deren Zahl muss offensichtlich gro¨ßer gewesen sein als die der unter vollkommen zufa¨lligen Umsta¨nden sporadisch angefu¨hrten Personen. Wenn dies der Fall ist, dann besitzt die Vermutung eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass das von Leszek dem Weißen sicher noch vor 1220 eingefu¨hrte deutsche Recht nur auf die deutsche Kolonie in dieser Stadt angewandt wurde. Dies erga¨be sich aus der a¨hnlichen Privilegierung, die zur gleichen Zeit die deutschen und „romanischen“ Bergleute im Herzogtum Leszeks des Weißen in Anspruch nehmen konnten. Das deutsche Stadtrecht war na¨mlich in der Fru¨hphase seiner Rezeption mit der ethnischen Gruppe der Deutschen verbunden, und man begann erst mit der Zeit damit, es auf alle Bewohner der Stadtsiedlung auszudehnen. Benedykt Zientara nahm an, dass sich dieses Recht in Schlesien um die Mitte der dreißiger Jahre des 13. Jahrhunderts „von seinem ethnischen Boden losgelo¨st“ hat.23 Die Deutschen schufen zuerst ihren vicus mit einer eigenen Kirche und mit einem eigenen Recht, wozu der Herrscher selbstversta¨ndlich sein Einversta¨ndnis geben musste. Der Schultheiß musste – wie sein erster Name villicus zeigt – aber ein herzoglicher Beamter gewesen sein, zugleich das Oberhaupt der ganzen Stadtsiedlung und nicht nur des deutschen Stadtbezirks. Hier muss erwa¨hnt werden, dass der Schultheiß Petrus in Krakau keine kurzlebige Erscheinung war, sondern dass er in der Person Salomons einen Nachfolger fand (ob einen unmittelbaren, ist nicht bekannt), der in einer Urkunde Bolesławs des Schamhaften aus dem Jahre 1250 erwa¨hnt ist, die eine andere, einige Jahre zuvor ausgestellte Urkunde zitiert wird; in der Zeugenliste der letzteren findet sich ein gewisser Salomon scultetus Cracoviensis.24 Die Anwesenheit des Krakauer Richters Nikolaus Godula in dieser Liste, der in dieser Funktion in den Jahren 1246–1258 bezeugt ¨ berzeugung, dass die Stadt den Tatareneinfall von 1241 mit ist, besta¨rkt uns in der U einem zumindest eingeschra¨nkten deutschen Recht u¨berlebt hat.25 Unabha¨ngig davon, ob das um 1220 in Krakau zugelassene deutsche Recht nur fu¨r die deutsche Kolonie galt oder aber fu¨r die ganze Siedlung mit sta¨dtischen Merkmalen und Funktionen, steht außer Zweifel, dass der vicus, in dem sich diese Kolonie befand,
21 Miracula Sancti Stanislai, hg. v. Wojciech Ketrzy ˛ nski ´ [Monumenta Poloniae historica, Bd. 4], Lemberg
1884, S. 289–291.
22 Zbio´r dyplomo´w (wie Anm. 13), Nr. 14, 17, 23. 23 Zientara, Heinrich der Ba¨rtige (wie Anm. 10), S. 184. 24 Zbio´r dyplomo´w (wie Anm. 13), Nr. 22. 25 Urz˛ednicy małopolscy XII–XIV wieku. Spisy [Kleinpolnische Amtstra¨ger im 12.–14. Jahrhundert.
Indexe], hg. v. Antoni Gasiorowski, ˛ Wrocław u. a. 1990 S. 109 (Nr. 359).
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lediglich eine Enklave in der großen Krakauer Siedlungsagglomeration darstellte, die sich hier seit einigen Jahrhunderten entwickelt hatte. Ohne an dieser Stelle auf Einzelheiten einzugehen, muss festgestellt werden, dass die Ausmaße dieser Agglomeration von ihren fru¨hen Sakralbauten abgesteckt wurden. Um die Mitte des 13. Jahrhunderts betrug die Zahl solcher Objekte mindestens 28, die Holzkirchen nicht mitgerechnet, von denen weder irgendwelche archa¨ologische Spuren noch schriftliche Zeugnisse erhalten geblieben sind. Ganz oben auf dem Wawel-Hu¨gel, auf dem sich die urspru¨ngliche Burg des Herzogs mitsamt einer herrschaftlichen Vorstadt befand, standen ho¨chstwahrscheinlich acht Sakralbauten, die sich auf das 10./11. Jahrhundert datieren lassen.26 Angesichts der beschra¨nkten Fla¨che der Wawelvorstadt entwickelte sich schon im 11. Jahrhundert eine zweite Vorstadt am Fuße des Wawels in Oko´ł. Sie hatte herrschaftlich-ritterlichen und zum Teil auch handwerklichen und Dienstleistungscharakter,27 schon wegen der Bedu¨rfnisse der hier wohnenden Eliten. In Oko´ł entstand im 11. Jahrhun¨ gidius, die spa¨ter dem hl. dert die von den Toporczyks gestiftete Kirche des hl. A Andreas geweiht wurde.28 Spa¨testens zu Beginn des 13. Jahrhunderts wurde die Kirche des hl. Martin errichtet, die in der Tradition mit den Geschlechtern der Greifen und der Osto´js verbunden wurde.29 Kurz darauf entstand die Maria Magdalena-Kirche, deren Stifter unbekannt ist.30 Noch fru¨her stand hier die St. Petri-Kirche.31 Von Oko´ł aus entwickelte sich in no¨rdlicher Richtung ein weiterer Siedlungspunkt, wie die mindestens bis ins 12. Jahrhundert zuru¨ckreichende Dreifaltigkeitskirche,32 die spa¨testens in den zwanziger Jahren des 13. Jahrhunderts entstandene Allerheiligenkirche33 und die Kirche des hl. Franziskus mit Baubeginn im Jahre 123734 bezeugen. Weiter in derselben Richtung stoßen wir auf einige kleinere sowie auf einen gro¨ßeren, ziemlich verstreuten Siedlungspunkt. In diesem Gebiet finden wir die sehr alte – als Holzkirche bis ins 11. Jahrhundert zuru¨ckreichende – St. Adalbert-Kirche,35
26 Zbigniew Pianowski, Z dziejo´w s´ redniowiecznego Wawelu [Aus der Geschichte des mittelalterlichen
Wawels], Krako´w 1984, S. 27–71.
27 Kazimierz Radwanski, ´ Krako´w przedlokacyjny. Rozwo´j przestrzenny [Krakau vor der Lokation. Die
ra¨umliche Entwicklung], Krako´w 1975. 28 Zofia Kozłowska-Budkowa, Z dziejo´w kolegiaty s´ w. Andrzeja w Krakowie [Aus der Geschichte der
Stiftskirche des hl. Andreas in Krakau], in: Studia Historyczne 10 (1967), 1/2, S. 23–30.
29 Jan Długosz, Liber beneficiorum dioecesis Cracoviensis, Bd. 2, Krako´w 1864, S. 19. 30 Teresa Lenkiewicz, Ko´scio´ł Marii Magdaleny w Krakowie w s´ wietle ostatnich odkry´c archeologicz-
nych [Die Maria-Magdalena-Kirche in Krakau im Lichte der neuesten archa¨ologischen Entdeckungen], in: Biuletyn Krakowski 1 (1959), S. 78–98. 31 Radwanski, ´ Krako´w (wie Anm. 27), S. 108–109. 32 Najdawniejsze roczniki krakowskie i kalendarz [Die a¨ltesten Krakauer Annalen und der Kalender], hg. v. Zofia Kozłowska-Budkowa [Monumenta Poloniae historica. Series Nova, Bd. 5], Warszawa 1978, S. 73. 33 Długosz, Liber beneficiorum (wie Anm. 29), S. 6–7. 34 Rocznik krakowski [Das Krakauer Jahrbuch], hg. v. August Bielowski [Monumenta Poloniae historica, Bd. 2], Krako´w 1872, S. 838. 35 Kazimierz Radwanski, ´ ´ Budowle drewniane odkryte pod poziomami romanskimi ko´scioła s´ w. Wojciecha w Krakowie [Holzbauwerke entdeckt unterhalb der ro¨mischen Kirche des hl. Adalbert in Krakau], in: Materiały Archeologiczne 11 (1970), S. 7–23.
Eine Lokation oder mehrere Lokationen Krakaus nach deutschem Recht?
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Abb. 1: Der Krakauer Siedlungskomplex vor der Lokation A– In den Schriftquellen und durch archa¨ologische Untersuchungen nachgewiesene Kirchen, B – Kirchen vermutlich fru¨hmittelalterlichen Ursprungs, C – weltliche und klo¨sterliche Baulichkeiten; 1 – Wawel, 2 – Oko´ł, 3 – Allerheiligenkirche, 4 – St. Maria Magdalena, 5 – Franziskanerkirche und -kloster, 6 – St. Adalbert, 7 – Marienkirche, 8 – St. Johannes, 9 – Heilig-Kreuz, 10 – St. Stephanus, 11 – St. Nikolaus, 12 – St. Florian, 13 – St. Philippus und Jakobus (?), 14 – St. Maria-in-Arena, 15 – St. Michael, 16 – St. Jakobus, 17 – St. Laurentius, 18 – St. Benedikt, 19 – Salvatorkirche, 20 – St. Augustinus und St. Johannes ´ Quelle: Krako´w w chrze´scijanskij Europie X–XIII w., S. 186
weiter die Marienkirche, deren Baubeginn in die zwanziger Jahre des 13. Jahrhunderts fiel;36 die heute nicht mehr vorhandene Stephanskirche, die noch in der ersten 36 Marian Friedberg, Załozenie ˙ i poczatkowe ˛ dzieje ko´scioła N. Panny Marii w Krakowie (XIII–XV
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Ha¨lfte des 13. Jahrhunderts errichtet wurde;37 die auf die Mitte des 12. Jahrhunderts datierte Johanniskirche38 und die unweit davon gelegene, erstmals 1244 erwa¨hnte Heilig-Kreuz-Kirche.39 Die jeweiligen Siedlungen mussten sich um Kirchen gruppieren: St. Nikolai, erstmals 1229 erwa¨hnt40, und die St. Florian-Kirche auf dem Terrain ¨ berfu¨hrung der Gebeine diedes spa¨teren Kleparz, die im Zusammenhang mit der U ses Heiligen nach Krakau im Jahre 1184 erbaut und 1216 geweiht wurde.41 In betra¨chtlicher Entfernung von den genannten Kirchen wurde auf dem spa¨ter dem seligen Bronisław geweihten Hu¨gel die Salvatorkirche errichtet, die 1148 geweiht wurde.42 Bald darauf, noch in der zweiten Ha¨lfte des 12. Jahrhunderts, entstand ganz in der Na¨he die Kirche der Pra¨monstratenserinnen.43 Su¨do¨stlich vom Wawel befanden sich auf einer von dem sich gabelnden Weichselflussbett gebildeten Insel, dort wo im 14. Jahrhundert die Stadt Kazimierz entstand, drei fru¨here Kirchen: auf dem Skałka-Hu¨gel die schon im 11. Jahrhundert vorhandene Michaeliskirche44 sowie im ehemaligen Dorf Bawo´ł die heute nicht mehr existierenden Eigenkirchen St. Jakobus45 und St. Laurentius.46 Auf dem Lasota-Hu¨gel schließlich, im heutigen Stadtteil Podgo´rze, befand sich die sehr alte Kirche des hl. Benedikt mit Spuren eines vorromanischen Rotundenbaus. Sie du¨rfte aber eher nicht einen Siedlungsmit¨ berrest einer benediktinischen Einsiedelei telpunkt dargestellt, sondern wohl den U dargestellt haben.47 Aufmerksamkeit verdient endlich der so genannte Gro´dek, dessen Funktion erst in Bezug auf das Krakau des 14. Jahrhunderts erkennbar wird, der aber zweifellos ein
w.) [Die Gru¨ndung und Anfangsgeschichte der Kirche der Hl. Jungfrau Maria in Krakau (13–15. Jahrhundert)], Krako´w 1928. 37 Radwanski, ´ Krako´w (wie Anm. 27), S. 214–215. 38 Wiktor Zin/Władysław Grabski, Wczesno´sredniowieczne budowle Krakowa w s´ wietle ostatnich badan´ [Fru¨hmittelalterliche Bauwerke Krakaus im Lichte der ju¨ngsten Forschungen], in: Rocznik Krakowski 38 (1966), S. 33–73, bes. S. 57–59. 39 Zbio´r dyplomo´w (wie Anm. 13), Nr. 19. 40 Kodeks dyplomatyczny klasztoru tynieckiego (Das diplomatische Gesetzbuch des Klosters Tyniec), hg. v. Wojciech Ketrzy ˛ nski/Stanisław ´ Smolka, Lemberg 1875, Nr. 11 b. 41 Jerzy Wyrozumski, Skad pochodził krakowski s´ w. Florian? [Woher stammte der Krakauer Heilige Florian?], in: Rocznik Krakowski 64 (1998), S. 53–58. 42 Teresa Radwanska, ´ Krakowski ko´scio´ł s´ w. Salwatora po badaniach archeologicznych w latach osiemdziesiatych ˛ [Die Krakauer Kirche des hl. Salvator nach archa¨ologischen Forschungen der 80er Jahre], Krako´w 1993 [= Materiały Archeologiczne 27 (1993), 1]. 43 Jerzy Rajman, Klasztor norbertanek na Zwierzyncu ´ w wiekach s´ rednich [Das Kloster der Norbertanerinnen in Zwierzyniec im Mittelalter], Krako´w 1993. 44 Maria Krasnopolska/Irena Kmietowicz-Drathowa, Krakowska Skałka: topografia i zabudowa [Die Krakauer Skałka-Kirche. Topographie und Bebauung], in: Studia Claromontana 17 (1997), S. 201–274, bes. S. 231–232. 45 Kodeks dyplomatyczny miasta Krakowa [Urkundenbuch der Stadt Krakau], hg. v. Franciszek Piekosinski, ´ Bd. 2, Krako´w 1882, Nr. 369; vgl. auch Radwanski, ´ Krako´w (wie Anm. 27), S. 239. 46 Das Dorf Bawo´ł wird zum Jahr 1198 als Besitz der Familien Miecho´w bezeugt, Kodeks (wie Anm. 4), Nr. 375. 47 Andrzej Zaki, ˙ ´ ´ deł archeologicznych i ´ Poczatki ˛ chrze´scijanstwa w Polsce południowej w s´ wietle zro pisanych [Die Anfa¨nge des Christentums in Su¨dpolen im Licht der archa¨ologischen und schriftlichen Quellen], in: Symposiones 1 (1978/1981), S. 9–108.
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viel a¨lteres Objekt bzw. einen topographischen Punkt dargestellt hat. Das folgt daraus, dass er die Ursache fu¨r eine gewisse Deformierung des nach dem Lokationsplan von 1257 geschaffenen regelma¨ßigen Stadtplanes war. Die urspru¨ngliche Rolle von Gro´dek ist weiterhin ra¨tselhaft. Doch du¨rfte er mit Sicherheit gleichfalls ein wichtiges Element der Krakauer Siedlungsagglomeration gebidlet haben.48 Vor dem Hintergrund des bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts erkennbaren Zustandes der Krakauer Siedlungsagglomeration stellen sich zwei wesentliche Fragen: 1) Wenn die Krakauer Siedlung mit sta¨dtischen Merkmalen und Funktionen auf evolutiona¨rem Wege entstanden ist – wie mu¨sste dann ihre Lokalisation innerhalb dieser Agglomeration ausgesehen haben? 2) Wenn das um 1220 in Krakau eingefu¨hrte deutsche Recht mit der Kolonie deutscher Ansiedler verbunden war – wo ko¨nnte sich dann dieser deutsche vicus befunden haben? In der ersten wissenschaftlichen Arbeit zur Geschichte des mittelalterlichen Krakau fragte Jo´zef Szujski noch nicht nach der Lage der Krakauer Stadtsiedlung vor 1257, obwohl er sich daru¨ber im klaren war, dass „das Privileg von 1257 nicht die erste deutsche Lokation in Krakau ist.“49 Diesen Gedanken weiterentwickelnd, stellte er jedoch fest: „Die fru¨here Stadt hatte wahrscheinlich die Form eines aus vier sich kreuzenden Straßen entstandenen Kreuzes, und insofern musste die neue Lokation diesen Grundriss nicht vera¨ndern.“50 Vielleicht u¨bersah er die Information der Annalen des Krakauer Domkapitels, die im Zusammenhang mit der Lokation von 1257 ausdru¨cklich festhielten: situs fori per advocatus et domorum et curiarum immutatur,51 dass also nicht nur eine neue Bebauung entstand, sondern auch die Lage des Marktes vera¨ndert wurde und sich infolgedessen die Lage der Ha¨user und Ho¨fe verschob. Erst vor genau hundert Jahren a¨ußerte Stanisław Zachorowski, der die heute verworfene These vertrat, der Krakauer Bischof Iwo Odrowa˛z˙ habe die erste Stadtlokation in Krakau vollzogen (also von ¨ berzeugung die Vereinem bischo¨flichen Charakter der Stadt ausging), mit starker U mutung, der heutige Kleine Markt sei der urspru¨ngliche Krakauer Ringplatz gewesen.52 Diese Frage wurde von Klemens Bakowski, ˛ dem Autor einer umfangreichen Arbeit zur Geschichte Krakaus vor der Lokation von 1257, nicht behandelt.53 Auch Jo´zef Mitkowski hat sie nach dem Krieg nicht beru¨cksichtigt. Seines Erachtens hat es im Prinzip nur eine Lokation Krakaus gegeben. Diese habe allerdings einen mehrere Jahrzehnte andauernden Prozess dargestellt.54 Erst Henryk Mu¨nch nahm in einer 48 Stefan Swiszczowski, ´ Gro´dek i mury miejskie mi˛edzy Gro´dkiem a Wawelem [Gro´dek und die Stadt-
mauern zwischen Gro´dek und Wawel], Krako´w 1950 [= Rocznik Krakowski 32 (1950), 1].
49 Jo´zef Szujski, Krako´w a˙z do poczatko ˛ ´ w XV-go wieku. Wst˛epne słowo do najstarszych ksiag ˛ tego
miasta [Krakau bis zum Beginn des 15. Jahrhunderts. Vorwort zu den a¨ltesten Bu¨chern dieser Stadt], in: Najstarsze ksi˛egi i rachunki miasta Krakowa od r. 1300 do 1400, hg. v. Franciszek Piekosinski/Jo ´ ´ zef Szujski, Krako´w 1878, S. IX–LXXXIII, hier S. XVII. 50 Ebd. 51 Najdawniejsze roczniki (wie Anm. 32), S. 86. 52 Stanisław Zachorowski, Krako´w biskupi [Das bischo¨fliche Krakau], in: Rocznik Krakowski 8 (1906), S. 103–127. 53 Klemens Bakowski, ˛ Krako´w przed lokalizacja˛ z roku 1257 [Krakau vor der Lokation vom Jahr 1257], Krako´w 1935. 54 Jo´zef Mitkowski, Krako´w lokacyjny [Krakau nach der Lokation], in: Krako´w. Studia nad rozwojem miasta, hg. v. Jan Dabrowski, ˛ Krako´w 1957, S. 117–139.
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1958 vero¨ffentlichten Arbeit an, dass die Stadtsiedlung vor der Lokation von 1257 im Gebiet der Dreifaltigkeits- und der Allerheiligenkirche gelegen haben muss.55 Mit der Zeit hat Mu¨nch diese Ansicht noch weiter zugespitzt.56 Dagegen sprach sich Maria Borowiejska-Birkenmajerowa entschieden fu¨r Oko´ł als Lokalisation der Stadtsiedlung vor 1257 aus.57 Zu den drei angefu¨hrten Mo¨glichkeiten, die Lage der urspru¨nglichen Stadtsiedlung in Krakau zu lokalisieren, muss festgestellt werden, dass mit der Verwerfung der These vom „bischo¨flichen Krakau“ auch jene Option ihre Daseinsberechtigung verloren hat, die das Zentrum dieser Siedlung mit dem Kleinen Markt verbindet. Sie ergab sich na¨mlich aus der Konzeption, dass die Stadt auf den vom Pradnik ˛ bis zur Dreifaltigkeitskirche reichenden La¨ndereien der Familie Odrowa˛z˙ entstanden sei und Bischof Iwo Odrowa˛z˙ eben hier die Stadt angelegt habe. Wenn der Kleine Markt das Zentrum der urspru¨nglichen Stadt Krakau dargestellt haben sollte, dann ha¨tte im u¨brigen die Marienkirche, mit deren Bau um 1220 begonnen wurde, mit dem Ru¨cken zum zentralen Platz, den jede Stadtsiedlung besitzen musste, gestanden, was wiederum vollkommen der ga¨ngigen Praxis widersprochen ha¨tte. Was die Option betrifft, die urspru¨ngliche Stadt mit dem Oko´ł zu verbinden, so erheben sich Zweifel anderer Natur. Im Oko´ł besaßen na¨mlich vor allem, wenn nicht u¨berwiegend, Magnaten und Ritter Besitztu¨mer, wovon die privaten Kirchenstiftungen zeugen. Gegen Oko´ł spricht auch der hier zu beobachtende betra¨chtliche kirchliche Besitz, da gerade hier zahlreiche Ha¨user der Krakauer Domkanoniker entstanden. Der Oko´ł stellte in gewissem Sinne eine Verla¨ngerung des Wawel dar. Daran a¨ndert auch der Umstand nichts, dass bei archa¨ologischen Untersuchungen auf diesem Gebiet Spuren handwerklicher Produktion gefunden wurden. Unter den Bedingungen einer Wirtschaft mit niedriger Warenkapazita¨t stellte diese geradezu eine unerla¨ssliche Basis fu¨r die Magnaten- oder Ritterho¨fe dar, zeugt aber noch keinesfalls von einer ausgebildeten sozialen und wirtschaftlichen Stadtstruktur. Als begru¨ndet bleibt jene dritte Option u¨brig, die die urspru¨ngliche Stadtsiedlung in Krakau mit dem an die Dreifaltigkeits-, die Allerheiligen- und die Franziskanerkirche anstoßenden Gebiet verbindet. Dafu¨r sprechen sehr gewichtige Gru¨nde. Erstens – und schon dieses Argument wa¨re ausreichend – ist die Dreifaltigkeitskirche in Bezug auf 1222 durch eine gute lokale Quelle, na¨mlich die Annalen des Krakauer Domkapitels, als Stadtkirche bezeugt (Sancta Trinitas de civitate).58 Zweitens – und auch dies ist nicht ohne Bedeutung – bezeichnete Jan Długosz, der (obwohl er im 15. Jahrhundert lebte) gut mit der Krakauer kirchlichen Tradition vertraut war, diese Kirche als die „Mutter und den Ursprung aller Pfarreien“ (matrix et origo
55 Henryk Mu ¨ nch, Krako´w do roku 1257 włacznie ˛ [Krakau bis zum Jahr 1257 einschließlich], in: Kwar-
talnik Architektury i Urbanistyki. Teoria i historia 8 (1958), 1, S. 1–40. 56 Henryk Mu ¨ nch„ Podstawowe problemy urbanistyczne przedlokacyjnego Krakowa [Grundlegende
urbanistische Probleme Krakaus vor der Lokation], in: Teka Komisji Urbanistyki i Architektury PAN 2 (1968), S. 171–185. 57 Maria Borowiejska-Birkenmajerowa, Kształt s´ redniowiecznego Krakowa [Die Gestalt des mittelalterlichen Krakau], Krako´w 1975. 58 Najdawniejsze roczniki (wie Anm. 32), S. 73.
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omnium parochiarum).59 Das bedeutet, dass dies ein sehr altes Sakralobjekt war, das mit der gro¨ßten Menschenansammlung der Krakauer Siedlungsagglomeration verbunden war. Und drittens entstanden in eben diesem Gebiet die Mendikantenklo¨ster der Dominikaner und Franziskaner fu¨r die sta¨dtische Seelsorge; in der Anfangsphase ihrer Ta¨tigkeit, wa¨hrend derer sie auch nach Krakau gekommen waren, ließen sich diese Bettelorden in der Regel im Zentrum des sta¨dtischen Lebens nieder und nicht an seinen Peripherien. Aus all dem wird ersichtlich, dass sich die Krakauer Stadt fru¨h herausgeformt hatte, ganz sicher schon im 12. Jahrhundert, vielleicht sogar in seiner ersten Ha¨lfte, noch ehe sich die ostdeutschen Stadtrechte herauskristallisierten, d. h. das Magdeburger und das Lu¨becker Recht. Dafu¨r sprechen fru¨here Quellenerwa¨hnungen von ¨ gidius, die Fleischba¨nken in Krakau. So unterscheidet eine Urkunde des Legaten A den Besitzstand des Klosters zu Tyniec besta¨tigte, zwei Fleischba¨nke in Krakau (duo macella in Cracovia), die den Benediktinern von Tyniec geho¨rten.60 Und aus einer Urkunde Bolesławs des Schamhaften von 1264 fu¨r die Stiftskirche St. Michael auf dem Wawel erfahren wir, dass diese sehr fru¨h gestiftete Kirche seit jeher (ab antiquo), ja von Anfang an (a fundacione ipsius ecclesie), ihren Unterhalt aus zwei Fleischba¨nken, drei Parzellen und dem Zins von Scha¨nken bestritt. Da die Abgabe dieser Leistungen an die Stiftskirche durch die Lokation von 1257 gesto¨rt wurde, gewa¨hrte Bolesław ihr eine finanzielle Entscha¨digung aus sta¨dtischen Zinsen in der betra¨chtlichen Ho¨he von fu¨nf Mark ja¨hrlich.61 Unterstu¨tzung fu¨r die Vermutung, dass es bereits in der ersten Ha¨lfte des 12. Jahrhunderts eine Stadtsiedlung in Krakau gab, finden wir in einer deutschen Quelle, die unter dem Namen „Nienburger Fragment“ bekannt ist. Hierbei handelt es sich um ein unvollsta¨ndiges Inventarverzeichnis des Klosterbesitzes zu Nienburg an der Saale, das auf etwa 1150 datiert wird. Es entha¨lt bestimmte Ausstattungsposten aus Schlesien, der Lausitz und wahrscheinlich auch aus Krakau. Der betreffende Abschnitt lautet: „... Liegnitz Markt und Kirche, Strehlen Markt und zwei Kirchen, Stadt Krakau Markt und Kirche, Cottbus Kirche und Markt ...“ (Leghinici mercatus et ecclesia, Zrale mercatus et ecclesie due, Cracovva urbs ecclesia et mercatus, Cotibus ¨ quivalent fu¨r den ecclesia et mercatus).62 Es ist versucht worden, in der Lausitz ein A Namen Cracovva zu finden, aber da hier urbs ins Spiel kommt, muss angenommen werden, dass damit eher Krakau an der Weichsel gemeint war. Eine Versorgung des Nienburger Klosters durch das polnische Krakau erscheint vor Mitte des 12. Jahrhunderts nicht unmo¨glich, wenn man in Betracht zieht, dass Władysław Herman die Tochter Kaiser Heinrichs III. und Schwester Heinrichs IV. zur Frau hatte, dass Bolesław Schiefmund mit Salomea, der Tochter des Grafen von Berg, verheiratet war
59 Jan Długosz, Annales seu cronicae incliti Regni Poloniae, Teil V–VI, Warszawa 1973, S. 235. 60 Album Palaeographicum, hg. v. Stanisław Krzyzanowski, ˙ Krako´w 21960, Nr. 18. Die Urkunde tra¨gt
zwar das fehlerhafte Datum von 1105, du¨rfte aber sicher in den Jahren 1123–1125 ausgestellt worden ¨ gidius fiel. sein, in die die polnische Legatur des A 61 Kodeks (wie Anm. 4), Nr. 471. 62 Quellen zur schlesischen Handelsgeschichte bis 1525, Bd. I/1, hg. v. Maria Scholz-Babisch/Heinrich Wendt, Breslau 1940, Nr. 25.
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und Schiefmunds a¨ltester Sohn Władysław der Vertriebene, der als Großherzog Kra¨ sterreich, Leokau besaß, durch seine Frau Agnes, die Tochter des Markgrafen von O polds III., ebenfalls bedeutende deutsche Verbindungen besaß. Da wir unschlagbare Beweise dafu¨r haben, dass sich in der Krakauer Siedlungsagglomeration bereits in der ersten Ha¨lfte des 12. Jahrhunderts eine Siedlung mit deutlichen sta¨dtischen Merkmalen und Funktionen herausgeformt hatte, mu¨sste diese eigentlich als eine Stadt nach polnischem Recht bezeichnet werden. Aber wenn wir uns an die bereits zitierte Warnung von Karol Buczek erinnern, dann hat es ein solches Stadtrecht in Wirklichkeit nicht gegeben.63 Bekannt ist dagegen, dass es ein Recht auf die Abhaltung von Markttagen gab, das der Herzog entsprechend entwickelten Siedlungen zuerkannte; dass es einen herzoglichen Schutz dieser Ma¨rkte gab, den sogenannten Marktfrieden, der mit der Vollstreckung des Rechts durch ein entsprechendes herzogliches Gerichtsorgan verbunden war; dass es außerdem einen Wegefrieden gab, der die sichere Fortbewegung auf den o¨ffentlichen Verkehrswegen garantierte. Der Herzog fungierte sicher auch als Garant der Freiheit der Bewohner der Stadt- oder Marktsiedlungen, die nicht den Status von jemandes Untertanen besaßen. Dagegen gab es in diesen Siedlungen ganz gewiss keine Selbstverwaltungsstrukturen, weder auf dem Gebiet der Gerichtsbarkeit noch der Verwaltung. Eine solche Selbstverwaltung sollte erst das deutsche Recht mit sich bringen, und was dessen Magdeburger Variante betrifft, auch erst in einer spa¨teren Entwicklungsphase dieses Rechts. In eine so geformte Stadtsiedlung begannen mindestens schon seit Beginn des 13. Jahrhunderts – wie in Schlesien – fremde Ansiedler einzustro¨men. Das waren vor allem deutsche, die sogenannten Ga¨ste (hospites), wenngleich nicht nur Zuwanderer anderer Nationalita¨t so bezeichnet wurden. Die Deutschen sind recht gut bezeugt, wovon bereits die Rede war, auch wenn die sie bezeugenden Quellen vo¨llig zufa¨llig sind. Bei der Heranziehung dieser Deutschen musste Leszek der Weiße deren eigenes, d. h. das deutsche Recht zulassen, so wie er es auch fu¨r die „teutonischen und ¨ hnlich war es in der zweiten Ha¨lfte romanischen“ Bergleute zugelassen hatte.64 A des 12. Jahrhunderts in Prag und so geschah es wa¨hrend der ersten Jahrzehnte des 13. Jahrhunderts auch in Schlesien. Erst in einer zweiten Phase wurde dieses Recht dann auch auf die einheimische Bevo¨lkerung ausgedehnt. Eben wegen der Deutschen musste ein herzoglicher villicus-Schultheiß ernannt werden, der fa¨hig war, sowohl die Deutschen nach ihrem Recht als auch die o¨rtliche Bevo¨lkerung nach dem polnischen Gewohnheitsrecht zu richten. Wenn wir also davon ausgehen, dass die urspru¨ngliche Krakauer Stadt sich in einem la¨ngeren Evolutionsprozess herausgeformt hat, noch bevor das deutsche Siedlungsrecht seine Expansion gen Osten begann, dann wa¨re es schwierig, dem ethnischen deutschen Element die Rolle der Stadtgru¨nder zuzuschreiben. Zweifellos tauchten die deutschen Ansiedler hier schon verha¨ltnisma¨ßig fru¨h auf, vielleicht sogar schon zu Beginn des 13. Jahrhunderts. Aber mit voller Gewissheit schufen sie hier, nicht anders als in Prag, zuna¨chst eine gewisse Siedlungsenklave, einen eigenen vicus.
63 Vgl. Anm. 18. 64 Vgl. Anm. 11.
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Da bekannt ist, dass sich das Zentrum dieser urspru¨nglichen Stadtsiedlung in der Na¨he der Dreifaltigkeits-, der Allerheiligen- und der Franziskanerkirche befand, mu¨ssen wir auf die bereits formulierte Frage zuru¨ckkommen, die sich die Historiographen Krakaus bisher nicht gestellt haben, na¨mlich wo sich dieser vicus in der Topographie der damaligen Stadt denn nun eigentlich befand. Am Beispiel anderer Sta¨dte kann nachgewiesen werden, dass ein solcher vicus, zumindest in der Anfangsphase, eine Art ethnische Gemeinschaft darstellte, die eine eigene Kirche besaß und gegenu¨ber der Außenwelt gewissermaßen separiert lebte. In Prag, wo bereits Fu¨rst Vladislav (1140–1173) und nach ihm Sobeslav (1173–1178) den ortsansa¨ssigen Deutschen vivere secundum legem et iustitiam Theutonicorum erlaubt hatte, befand sich der deutsche vicus im Ufergebiet nahe der Kirche St. Petri.65 Das multiethnische Lemberg, das von dem aus dem Westen kommenden Urbanisierungsprozess erst spa¨ter erreicht wurde, besaß unter Fu¨rst Lev Daniloviˇc (1264–1300) eine Vogtei, d. h. in gewissem Umfang deutsches Recht66, wa¨hrend die eigentliche Lokation nach diesem Recht erst im Jahre 1356 von Kasimir dem Großen vollzogen wurde.67 Dabei wurde zugleich das Stadtzentrum, d. h. der Markt, an die heutige Stelle versetzt. Die urspru¨ngliche Stadt befand sich im heutigen Stadtteil Podzamcze, der in den Rang einer Vorstadt herabsank. Hier lebten unterschiedliche ethnische Gruppen nebeneinander. Am zahlreichsten waren selbstversta¨ndlich die Ruthenen vertreten, die in der Nachbarschaft einiger orthodoxer Kirchen lebten, nahe der Burg des Lev, die sich auf dem Kahler Berg genannten Hu¨gel befand. Um die Kirche St. Maria vom Schnee siedelten die Deutschen und nahe der dem hl. Johannes dem Ta¨ufer gewidmeten Kirche die Polen. Außerdem besaß auch der nach den Ruthenen am zahlreichsten vertretene armenische vicus seine eigene Kirche. Mit hoher Wahrscheinlichkeit kann nachgewiesen werden, wo die Tataren, Kara¨er und Juden siedelten. Als Kasimir der Große die neue Lokation der Stadt nach Magdeburger Recht vollzog und die bisherigen iura Ruthenicalia außer Kraft setzte, d. h. das ruthenische Recht generell, gewa¨hrte er den in Lemberg lebenden ethnischen Gruppen (den Armeniern, Juden, Sarazenen, Tataren und Ruthenen) jeweils die Wahrung ihrer eigenen religio¨sen Ordnung und ihres eigenen Rechts.68 In der Praxis sollte das so aussehen, dass diejenigen, die sich dem Magdeburger Recht nicht unterstellen wollten, nach ihrem eigenen Recht gerichtet werden konnten, aber vor einem Stadtgericht unter Vorsitz des Vogtes. Tatsa¨chlich in Anspruch genommen wurde diese Ausnahmeregelung von den Armeniern, die ihr eigenes schriftlich fixiertes Rechtsstatut (Datastanagirk) besaßen.69
65 Josef Janacek, ˇ Dzieje Pragi [Geschichte Prags], Warszawa 1977, S. 46–47. 66 Akta grodzkie i ziemskie z czaso´w Rzeczpospolitej Polskiej [Die Burg- und Landakten aus der Zeit
der polnischen Adelsrepublik], Bd. 2, Lemberg 1870, Nr. 1; vgl. auch Jerzy Wyrozumski, Krako´w i Lwo´w w s´ redniowiecznej Europie [Krakau und Lemberg im mittelalterlichen Europa], in: Krako´w i Lwo´w w cywilizacji europejskiej, hg. v. Jacek Purchla, Krako´w 2003, S. 35–45. 67 Akta grodzkie i ziemskie (wie Anm. 66), Bd. 3, Lemberg 1872, Nr. 5. 68 Ebd.; vgl. Wyrozumski, Krako´w i Lwo´w (wie Anm. 66). 69 Krzysztof Stopka, Ko´scio´ł ormianski ´ na Rusi w wiekach s´ rednich [Die armenische Kirche in der Rus’ ´ im Mittelalter], in: Nasza Przeszło´sc´ 62 (1984), S. 27–95; vgl. auch Oswald Balzer, Statut ormianski w
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In Krakau kam es erst mit der Zeit zu einer gewissen Assimilation der Neuanko¨mmlinge mit der einheimischen Bevo¨lkerung. Das war u. a. die Folge von Mischehen zwischen den sogenannten Ga¨sten und den Einheimischen. Das wird aus dem bereits zitierten Protokoll u¨ber die Untersuchung der Wunder des hl. Stanisław aus dem Jahre 1252 ersichtlich, in dem wir auf Spuren solcher Mischehen stoßen. So hatte der Wykerus Teutonicus Marota die Tochter der Bogdana, zur Frau, und ein anderer civis Cracoviensis Rinerus (Reiner) war mit Radlavam verheiratet – sicher Radosława, da ihre Tochter den Namen Przybysława trug.70 Das a¨ndert jedoch nichts an der Tatsache, dass die deutsche Kolonie in Krakau in der Anfangszeit einen gesonderten vicus gebildet haben muss, so wie dies zuvor auch in Prag und spa¨ter in Lemberg der Fall war. Und weil das deutsche Recht urspru¨nglich in der Regel nur fu¨r die Deutschen galt, selbstversta¨ndlich nur mit Genehmigung des Herrschers, lohnt es sich zu wissen, welches Gebiet oder die Nachbarschaft welcher Kirche dieser vicus betreffen konnte, auch wenn sich die Jurisdiktion des herzoglichen Schultheißen u¨ber die gesamte Stadtsiedlung erstreckt haben muss. Aus den Betrachtungen wa¨re der Oko´ł auszuschließen, sowohl wegen des herrschaftlich-ritterlichen als auch des kirchlichen Charakters dieser Siedlung, obwohl nur von zwei Kirchen bekannt ist, dass sie Privatstiftungen waren, wa¨hrend wir von den beiden u¨brigen u¨berhaupt nichts wissen. Auszuschließen wa¨re auch ein Zentrum der damaligen Stadtsiedlung mit der a¨ltesten Pfarrkirche, die von den Dominikanern u¨bernommen wurde, mit der Allerheiligenkirche als einer ritterlichen Stiftung und mit der Franziskanerkirche, mit deren Bau erst 1237 begonnen wurde. Am wahrscheinlichsten erscheint die Kirche im erst entstehenden neuen Stadtzentrum und wenn diese Vermutung angenommen wird, dann mu¨sste dies die Marienkirche sein, mit deren Bau – wie wir annehmen – um 1220 begonnen wurde, auch wenn ein fru¨heres Datum nicht ausgeschlossen werden kann; fu¨r 1224 ist sie jedenfalls schon als Pfarrkirche bezeugt.71 Mit der Zeit sollte sie dann die wichtigste der insgesamt vier Stadtpfarrkirchen werden. Wenn man bedenkt, dass unter den am fru¨hesten bezeugten Deutschen in Krakau zahlreiche Kaufleute waren, muss dies eine wohlhabende ethnische Gruppe gewesen sein, die somit durchaus ein Sakralobjekt errichten konnte, zu dem hin sich das Stadtzentrum dann verschieben sollte. Fassen wir die Ausfu¨hrungen zusammen, die die so genannte erste Lokation Krakaus nach deutschen Recht betreffen, als deren Spuren die Schultheißen Petrus und Salomon anzusehen sind, so neige ich – entgegen meiner eigenen fru¨heren Annahme – der hypothetischen und daher heute noch nicht sehr kategorischen Feststellung zu, dass es eine solche erste Lokation u¨berhaupt nicht gegeben hat. Die Stadtsiedlung selbst entstand in einem la¨ngeren Geschichtsprozess und war ein einheimisches Gebilde, das weder auf dem Gebiet des Gerichtswesens noch der Verwaltung Selbstverwaltungsstrukturen besaß. Diese Siedlung zog – a¨hnlich wie Prag – deut-
zatwierdzeniu Zygmunta I. z r. 1519 [Das armenische Statut in der Besta¨tigung durch Sigismud I. vom Jahr 1519], Kapitel II und III. 70 Vgl. Anm. 21. 71 Kodeks dyplomatyczny katedry (wie Anm. 11), Nr. 13 und 14.
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sche Ansiedler an, die hier auch ihren vicus gehabt haben mu¨ssen. Auf ihren Wunsch und zu ihrem Nutzen genehmigte – nicht verlieh – Leszek der Weiße das deutsche Recht, und sein villicus-Schultheiß erhielt auch ihnen gegenu¨ber Gerichtsbefugnisse. Um die Kenntnis des deutschen Rechts mussten sie sich selber ku¨mmern. Die damalige Stadt war in urbanistischer Hinsicht noch nicht abgesteckt und besaß sicher noch keine festgelegten Grenzen. Die gesamte Bevo¨lkerung, die nicht der herrschaftlichen oder kirchlichen Jurisdiktion unterlag und nicht zur ausgesonderten deutschen Volksgruppe geho¨rte, unterstand ganz einfach der herzoglichen Gerichtsbarkeit nach dem polnischen Gewohnheitsrecht, d. h. dem herzoglichen Vogt (villicus). Sowohl der Markt- und Wegefrieden als auch die Gerichtsbefugnisse in Bezug auf die Marktteilnehmer blieben entsprechend dem polnischen Recht in Kraft. Dieser Zustand muss bis 1257 angedauert haben. Unter den Bedingungen des wirtschaftlichen Wachstums Polens im 13. Jahrhundert und in einer Situation fortschreitender Expansion des deutschen Siedlungsrechts, ¨ berdas sich von seinem ethnischen Hintergrund bereits losgelo¨st hatte, kam es zur U tragung des deutschen Rechts auf Krakau, d. h. zu einer neuen Siedlungsregelung, die als Lokation nach deutschem Recht bezeichnet wird. Der Tatarenu¨berfall im Jahre 1241, der in der a¨lteren Literatur oft als Grund fu¨r diesen Akt angesehen wird (weil er Krakau gleichsam entvo¨lkert habe72), hatte in diesem Prozess keine gro¨ßere Bedeutung; ho¨chstens erleichterte er die Absteckung des neuen Stadtplanes, weil die Feuersbrunst ja einen betra¨chtlichen Teil der alten Holzbebauung vernichtet hatte. Aber auch diese Ansicht mu¨sste betra¨chtlich abgeschwa¨cht werden, weil die sechzehn ¨ berfall bis zur Lokation vergangen waren, doch ausgereicht Jahre, die von diesem U haben mu¨ssten, um zumindest einen Teil der Bebauung wiederherzustellen. Wie auch immer diese Umsta¨nde beurteilt werden, die Tatsachen sahen im Lichte der Quellen wie folgt aus: In den Annalen des Krakauer Domkapitels wurde unter dem Datum 1257 festgehalten, dass „die Stadt Krakau dem deutschen Recht unterstellt wurde; die Lage des Marktes, der Ha¨user und Ho¨fe wurde von den Vo¨gten vera¨ndert, aber diese Vo¨gte blieben nur kurz in ihrem Amt“ (Caracoviensis civitas iuri Theutonico traditur et situs fori per advocatos et domorum et curiarum immutatur, sed iidem advocati in sua advocacia modicum duraverunt).73 Diese Notiz ist dem Akt der Lokation selbst zeitlich sehr nahe, vielleicht sogar ganz zeitgeno¨ssisch, denn derjenige Teil der Notiz, der vom schnellen Abgang der Vo¨gte handelt, konnte entsprechend spa¨ter hinzugefu¨gt worden sein. Die Handschrift der Annalen erlaubt es nicht, diese Frage zu beantworten, denn sie wurde 1266 kopiert und etwas umredigiert. Auf jeden Fall ist diese Information von erstrangiger Bedeutung, da wir aus dem bloßen Lokationsprivileg nichts von den hier bezeugten Vera¨nderungen erfahren ha¨tten, die fu¨r die Entwicklung der Stadt doch von so großer Bedeutung waren. Außerdem zeugt sie davon, dass die Bedeutung dieses Ereignisses bereits von den Zeitgenossen erkannt worden ist.
72 Szujski, Krako´w (wie Anm. 49), S. XVI. 73 Najdawniejsze roczniki (wie Anm. 32), S. 86.
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Das Lokationsprivileg wurde am 5. Juni 1257 auf der Versammlung in Kopernia bei Szydłowiec ausgestellt.74 Aussteller war Bolesław der Schamhafte mit seiner Mutter Grzymisława und seiner Gattin Kinga (hl. Kunigunde von Polen). Die an diesem Akt teilnehmende Versammlung der Wu¨rdentra¨ger sowie – dem Brauch entsprechend – die Anwesenheit der sicher zahlreichen Ritterschaft verlieh diesem Privileg den ho¨chsten Rang eines o¨ffentlichen Aktes. Und die ihm angeha¨ngten Siegel des Herzogs als Aussteller, des Krakauer Bischofs, des Krakauer Domkapitels sowie der ho¨chsten weltlichen Wu¨rdentra¨ger des Landes, d. h. des Kastellans und des Wojewoden bekra¨ftigen diesen besonderen Rang noch. Das Privileg selbst ist im Original erhalten geblieben und befindet sich heute im Staatlichen Archiv in Krakau.75 Von den fu¨nf Siegeln, die in seiner entsprechenden Formel aufgeza¨hlt wurden, sind bis heute nur zwei erhalten geblieben: das des Krakauer Kastellans und das des Krakauer Wojewoden. In formaler Hinsicht weckt die Urkunde keinerlei Einwa¨nde. In letzter Zeit wurde ihr – wie es scheint zu Recht – ein im Archiv lose aufgefundenes Siegel Bolesławs des Schamhaften angeha¨ngt. Den ideologischen Sinn der Lokation, in deren Ergebnis eine bestimmte Gemeinschaft von Menschen entstand, beleuchtet die Arenga der Urkunde. Sie ist insofern wichtig, als sie uns das Versta¨ndnis des Lokationsvorgangs durch die Zeitgenossen na¨her bringt; sie entha¨lt folgende Botschaft u¨ber diese Unternehmung: „Wenn also eine Gemeinde von Menschen, die natu¨rlich ist und als solche bezeichnet wird, auf Erden Recht setzt, dann ist, wie das Recht fu¨r alle fo¨rderungswu¨rdig ist, auch die Gemeinde gleicherweise [fo¨rderungswu¨rdig].“76 Diese Gemeinde, die neue Gemeinschaft, sollte selbstversta¨ndlich die selbstverwaltete Stadtgemeinde sein, die es bis dahin in Krakau tatsa¨chlich nicht gegeben hatte. Neben diesem allgemeinen Grund ku¨ndigte der Aussteller der Lokationsurkunde auf dem Boden der lokalen Realien an, dass er locare civitatem in Cracovia (die Lokation einer Stadt in Krakau) anstrebe, was die Krakauer Siedlungswirklichkeit sehr pra¨zise wiedergab. Der Name „Krakau“ bedeutete weder fru¨her noch spa¨ter nur die bloße Stadtsiedlung, denn er umfasste auch den Wawel, den Skałka-Hu¨gel sowie den St. Bronisław-Hu¨gel; auch die Krakus-Aufschu¨ttung befand sich in Krakau usw. – mit einem Wort, dies war der Name der gesamten Siedlungsagglomeration. Innerhalb dieser existierte die urspru¨ngliche Stadtsiedlung an der Dreifaltigkeitskirche und in ihrem Bereich fand die Lokation der Stadt im Jahre 1257 statt. Als Ziel der Unternehmung nannte der Aussteller die Vereinigung (congregare) der Menschen aus verschiedenen Regionen oder La¨ndern (de diversis climatibus) auf dem Gebiet der Stadt. Den Sinn dieser Formulierung, die auf den ersten Blick als hohle Rhetorik erscheinen mag, erkla¨rt eine der Klauseln der Urkunde, die sich darauf zuru¨ckfu¨hren la¨sst, dass die Vo¨gte die ku¨nftigen Bewohner nicht aus der schollengebundenen herzoglichen, kirchlichen oder irgendeiner anderen Bevo¨lkerung anwerben, aber – mehr noch – auch keinen freien Polen (Polonum liberum) zu ihrem Mit74 Kodeks dyplomatyczny katedry (wie Anm. 11), Nr. 1. 75 Album (wie Anm. 60), Nr. 2. 76 Deutsch zitiert nach Urkunden und erza¨hlende Quellen zur deutschen Ostsiedlung im Mittelalter, hg.
v. Herbert Helbig/Lorenz Weinrich, Bd. 2, Darmstadt 1970, S. 291.
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bu¨rger machen durften, der bisher auf dem Land gelebt hatte (qui in rure hactenus habitavit), was damit motiviert wurde, dass andernfalls die Landgu¨ter vero¨den wu¨rden. Darin kam nicht nur das Interesse des Herzogs, sondern auch der Kirche, der Magnaten und der Ritterschaft zum Ausdruck, woraus hervorgeht, dass das Krakauer Lokationsprivileg durch einen Versammlung beschlossen worden ist. Dies erkla¨rt uns zugleich auch einerseits den Zustrom fremder, besonders deutscher Bevo¨lkerung in viele dem Lokationsprozess unterworfene Sta¨dte und andererseits die Zuru¨ckgebliebenheit vieler anderer, besonders wenn als deren Vo¨gte Vertreter der Ritterschaft fungierten. Das erweist auch den Sinn der Lokation von Privatsta¨dten, die meistens ohne die Ansiedlung Fremder auskamen, weil solche Sta¨dte oder Sta¨dtchen ja vorwiegend auf dem Wege gewisser demographischer Verschiebungen und einer beruflichen Restrukturierung innerhalb der eigenen Landgu¨ter entstanden.77 Die Lokationsprivilegien, denen wir gewo¨hnlich die wichtigsten Informationen u¨ber die Lokation der betreffenden Siedlung entnehmen, sind hinsichtlich ihres Inhaltes in der Regel beschra¨nkt. Das kommt daher, dass sie in u¨berwiegendem Maße eine Art Vertrag zwischen den staatlichen Machthabern bzw. den Territorial- oder Grundherren und dem sogenannten Lokator darstellten, d. h. dem Organisator und zugleich Investor einer Stadtgemeinde oder auch eines Dorfes. Infolgedessen wurde in ihnen hervorgehoben, was die Interessen dieser beiden Seiten garantierte, wa¨hrend Angelegenheiten der inneren Organisation der betreffenden Siedlungseinheit in diesen Vertra¨gen nur in beschra¨nktem Ausmaß geregelt wurden. In dieser Hinsicht verließ man sich auf den Brauch oder auf ein Vorbild, dessen man sich bei der Lokation bediente. Daher finden wir z. B. im Krakauer Privileg keine Angaben u¨ber die Verschiebung des Marktes an eine andere Stelle, und wenn es nicht die recht zufa¨llige Notiz der Annalen des Krakauer Domkapitels ga¨be, wu¨rden wir u¨berhaupt ¨ hnlich finden wir in den sta¨dtischen Lokationsprivilegien in nichts davon wissen. A der Regel keine Informationen u¨ber die Absteckung des urbanistischen Plans, die doch ein sehr wichtiger Bestandteil der Lokation gewesen sein muss, da die meisten Sta¨dte ihre dauerhafte regelma¨ßige Raumplanung dem Lokationsprozess zu verdanken hatten. Im Krakauer Lokationsprivileg fehlt die Immunita¨tsklausel, ohne die keine Stadtgemeinde entstehen konnte, weder auf herzoglichen noch kirchlichen oder privaten Gu¨tern. Wenn das Gebiet einer Siedlungseinheit, sei es einer sta¨dtischen oder einer la¨ndlichen, dem deutschen Recht unterstellt werden sollte, dann musste es zuerst sowohl aus der Jurisdiktion der staatlichen Amtstra¨ger als auch aus dem Fiskalsystem des polnischen Rechts herausgelo¨st werden. Anders konnte weder eine selbstverwaltete Gemeinde gegru¨ndet noch ein der Ware-Geld-Wirtschaft angemessenes Leistungssystem eingefu¨hrt werden, welches das deutsche Recht ja schuf – gerade dies war entscheidend fu¨r seine Anziehungskraft, sowohl in den Augen der Feudalobrigkeit als auch ihrer Untertanen. Im Fall der Krakauer Lokationsurkunde fand sich nur
77 Vgl. Maria Bogucka/Henryk Samsonowicz, Dzieje miast i mieszczanstwa ´ w Polsce przedrozbio-
rowej [Geschichte der Sta¨dte und des Stadtbu¨rgertums im Polen vor der Teilungszeit], Wrocław u. a. 1986, S. 56.
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ein die Immunita¨t betreffendes Element, na¨mlich dass sowohl die Vo¨gte als auch die Bu¨rger einstweilen und auch in Zukunft von der Pflicht entbunden seien, außerhalb der Grenzen des Herzogtums Milita¨rdienst zu leisten, sei es im Angriffs- oder im Verteidigungsfall. Implizit musste aber verstanden werden, dass eine solche Freistellung nicht fu¨r den Fall der Selbstverteidigung galt und auch nicht gelten konnte, d. h. die Bu¨rger fu¨r die Verteidigung der Stadt und des Landes zur Verfu¨gung stehen mussten, wie dies auch im Privileg Leszeks des Weißen fu¨r die Bergleute pra¨zisiert wurde.78 Es stellt sich jedoch die berechtigte Frage, warum der Aussteller diese fu¨r die Schaffung einer Stadtgemeinde grundsa¨tzliche Immunita¨tsklausel u¨berging. Das war wohl kein bloßes Versehen der Kanzlei, da die der Krakauer Urkunde zeitlich nahe stehenden Lokationsprivilegien desselben Herzogs fu¨r Bochnia (1253)79 und Skary¨ brigen wurde sie im Krakauer Privileg szo´w (1264)80 solche Klauseln enthielten. Im U in Bezug auf die Landschenkung von 30 fra¨nkischen Hufen, sicher Ackerbo¨den, an die Vo¨gte verwendet. Am rationalsten wu¨rde sich dieser Umstand durch die These erkla¨ren lassen, dass die Stadt in der Krakauer Siedlungsagglomeration eine solche Immunita¨t schon vorher genoss. Allerdings la¨sst sich weder beweisen noch aufzeigen, dass die teilweise Verlegung der Stadt an eine andere Stelle hierfu¨r ohne Bedeutung war. Im Lokationsprivileg der Krakauer Stadtgemeinde berief sich sein Aussteller auf das Vorbild Breslaus (eo iure eam locamus, quo Wratislaviensis civitas est locata). Aber gleich nach dieser Klausel stoßen wir auf den recht enigmatisch gea¨ußerten Willen des Herzogs, dass es in Krakau nicht so zugehen solle wie in Breslau, sondern nach Magdeburger Recht und Form (ut non quod ibi fit, sed quod ad Magdyburgensis civitatis ius et formam fieri debeat), und falls diesbezu¨glich Zweifel auftra¨ten, sollten sich die Zweifler auf das schriftliche Recht berufen (ad ius scriptum a dubitantibus recurratur). Hier wurden zwei fu¨r die Ordnung und das Funktionieren der Stadt sehr wesentliche Angelegenheiten angesprochen. Die erste betraf die Unterschiede in der Stadtordnung von Breslau und Magdeburg; sie blieb vo¨llig unpra¨zisiert. Die zweite betraf das ius scriptum und wurde so unklar formuliert, dass wir nicht wissen, ob es sich hierbei ebenfalls um die Stadtordnung handelte oder um die mit der Gerichtsbarkeit verbundenen Rechtsnormen. Auf diesem Gebiet sind wir auf Vermutungen angewiesen. Sodann haben wir eine inhaltsleere Notiz, die gleichsam die sta¨dtische Mu¨nzpra¨geanstalt betraf, aus der der Zehnte an den Krakauer Bischof gezahlt werden sollte, obwohl die Mu¨nzpra¨gung bekanntlich ein herzogliches Monopol darstellte. Wahrscheinlich war dies eine Absicherung im Voraus fu¨r den Fall, dass die Stadt nach deutschem Vorbild die Mu¨nzpra¨geanstalten erhielt. Bevor wir im Einzelnen genauer auf den Inhalt des Krakauer Privilegs eingehen, muss die Frage beantwortet werden, was das Breslauer Vorbild damals mit sich brachte und in welchem Umfang von einer Abweichung von diesem Vorbild u¨berhaupt die Rede sein konnte. Hier entsteht ein Problem, weil wir das deutsche
78 Kodeks dyplomatyczny katedry (wie Anm. 11), Nr. 11. 79 Kodeks (wie Anm. 4), Nr. 439. 80 Ebd., Nr. 472.
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Recht, dessen sich Breslau bediente, erst aus dem Jahr 1261 kennen. Es wurde ihm damals von den Herzo¨gen Heinrich III. und seinem Bruder Władysław verliehen, die gemeinsam den Breslauer Landesteil regierten.81 Dies soll selbstversta¨ndlich nicht bedeuten, dass Breslau erst damals mit diesem Recht in Beru¨hrung kam. Denn da Herzog Heinrich der Ba¨rtige schon 1214 die Anwendung des deutschen Rechts durch die Deutschen in den zum Breslauer St. Vinzenz-Kloster der Regularkanoniker geho¨renden Do¨rfern Kostomłoty und Ujo´w erlaubt hatte, ist unvorstellbar, dass von einem solchen Recht nicht auch die Breslauer Deutschen Gebrauch gemacht ha¨tten, die in dieser Stadt damals sicher schon ihre Kolonie besaßen. Außerdem wissen wir aus einer Erwa¨hnung in einer Urkunde Bolesław Rogatkas vom 10. Ma¨rz 1242, dass Breslau die Lokation nach deutschem Recht (quam iute Teuthonico locavimus) gerade diesem Herzog verdankte.82 Das Lokationsprivileg selbst kennen wir jedoch nicht. Die ra¨tselhafte Angelegenheit des Bruchs mit dem Breslauer Vorbild zugunsten von Magdeburg im Krakauer Privileg hat schon vor fast hundert Jahren Stanisław Estreicher treffend gekla¨rt.83 Und zwar verwies er darauf, dass im Jahre 1244 in Magdeburg ein Stadtrat entstanden war,84 den das 1242 nach Magdeburger Recht gegru¨ndete Breslau selbstversta¨ndlich noch nicht haben konnte. In Krakau dagegen entstand ein solcher Rat ho¨chstwahrscheinlich schon ganz am Beginn der Stadtgemeinde, da dieser in verha¨ltnisma¨ßig wenigen und vo¨llig zufa¨lligen Krakauer Quellen aus dieser Zeit schon fu¨r 1264 bezeugt ist.85 Was dagegen das geschriebene Recht (ius scriptum) anbelangt, auf das man sich im Zweifelsfalle berufen sollte, so ist diese Sache viel komplizierter. Aus dem Kontext scheint sich zu ergeben, dass solche Zweifelsfa¨lle Ordnungsangelegenheiten betreffen sollten, aber in diesem Fall wissen wir u¨berhaupt nicht, um welches geschriebene Recht es sich hier handeln ko¨nnte. Die Stadtordnung wurde na¨mlich vom Leben selbst gestaltet und nicht durch irgendein geschriebenes Recht. Viel wahrscheinlicher ist es wohl, dass hier das Gerichtsrecht gemeint war. Aus der spa¨teren Praxis ist bekannt, dass man sich wegen sogenannter Willku¨ren, d. h. Urteilsvorschla¨gen in komplizierten Angelegenheiten, tatsa¨chlich nach Magdeburg wandte, aber diese ¨ brigen Willku¨ren basierten nicht unbedingt direkt auf geschriebenem Recht. Im U besaß Magdeburg Mitte des 13. Jahrhunderts noch kein kodifiziertes eigenes Recht. Stattdessen war eine in den Jahren 1221–1224 geschriebene private Handschrift des sa¨chsischen Gewohnheitsrechts in Gebrauch, dessen Autor Eike von Repgow (Reppichau bei Dessau) war.86 Aber das war noch nicht das Magdeburger Recht. Und das sogenannte Magdeburger Weichbildrecht, das aus einer Verbindung des Traktats u¨ber
81 Urkundensammlung (wie Anm. 1), Nr. 57. 82 Ebd., Nr. 22. 83 Stanisław Estreicher, Krako´w i Magdeburg w przywileju fundacyjnym krakowskim [Krakau und
Magdeburg im Krakauer Gru¨ndungsprivileg], Krako´w 1911, S. 11–17. 84 Urkundenbuch der Stadt Magdeburg, Bd. I (bis 1403), hg. v. Gustav Hertel, Halle 1892, Nr. 107. 85 Kodeks (wie Anm. 4), Nr. 471. 86 Der Sachsenspiegel in Bildern, hg. v. Walter Koschorreck, Frankfurt am Main 1976; Sachsenspiegel
und Magdeburger Recht. Grundlagen fu¨r Europa – Saxon Mirror and Magdeburg Law. The Groundwork for Europe, Magdeburg 2005.
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das Stadtrecht mit dem Magdeburger Scho¨ffenrecht entstand, stammt aus der zweiten Ha¨lfte des 13. Jahrhunderts und ist mit Sicherheit spa¨ter als die Lokation Krakaus.87 Das ius scriptum bleibt somit auch weiterhin nicht vo¨llig gekla¨rt. Nach Stanisław Estreicher konnte es sich dabei sowohl um eine besondere Anweisung gehandelt haben, die von Magdeburg fu¨r Krakau erlassen worden war, als auch um irgendwelche Texte von Privilegien oder vielleicht auch um Anweisungen, die in Magdeburg aufbewahrt wurden, mit dem Privileg von Erzbischof Wichmann aus dem Jahre 1188 an der Spitze.88 Als positiver Inhalt des Krakauer Lokationsprivilegs treten nicht so sehr die Pflichten als vielmehr die Rechte der Vo¨gte in den Vordergrund. Tatsa¨chlich waren es drei Vo¨gte: Gedko Siltvoyt, Jakub einst Richter (Schultheiß) in Neiße (quondam iudex de Nysa) und Dethmar Wolk. Alle stammten aus Schlesien und waren Kolonisationsunternehmer. Sie alle sind auch aus anderen Quellen bekannt.89 Zwei von ihnen: Gedko Stilvoyt und Dethmar Wolk, stammten aus Breslau, und Jakub – wie aus dem Privileg selbst hervorgeht – aus Neiße. Wie lange sie in der Krakauer Vogtei geblieben sind, la¨sst sich nicht feststellen; diesbezu¨glich bleibt uns nichts weiter u¨brig, als den Annalen des Krakauer Domkapitels zu vertrauen, denen zufolge dies nicht lange gedauert hat. Da wir wissen, dass die Annalen im Jahre 1266 umredigiert und abgeschrieben wurden und die Information u¨ber den kurzen Aufenthalt der Vo¨gte in Krakau nicht von fremder Hand hinzugefu¨gt worden ist, muss angenommen werden, dass sie nicht la¨nger als bis 1266 in der Krakauer Vogtei geblieben sind. Es wa¨re sinnlos zu spekulieren, warum sie die so reichlich ausgestattete Krakauer Vogtei so schnell verlassen haben. Falls sie Kolonisationsunternehmer waren, werden sie, nachdem sie ihre Vogtei in Krakau verkauft hatten, fu¨r ihr Kapital und ihr Unternehmertum wohl ein anderes wirtschaftliches Ta¨tigkeitsfeld gefunden haben. Bleiben wir bei der Ausstattung der Vogtei. Zuna¨chst muss festgestellt werden, dass die Ausstattung der Vo¨gte – der deutschen Rechtsnorm gema¨ß – erblich war und die Grundlage ihres Vasallenverha¨ltnisses gegenu¨ber der feudalen Obrigkeit bildete, d. h. in diesem Falle gegenu¨ber dem Herzog. Ohne sich an die Reihenfolge im Privileg zu halten, mu¨ssen an erster Stelle die umfangreichen Landschenkungen in Form von 30 fra¨nkischen Hufen erwa¨hnt werden – das waren etwa 700–750 Hektar Land. Nach unseren heutigen Vorstellungen war dies unwahrscheinlich viel. Dieses Land war frei von jeglichen Abgaben, Zinsen und Lasten des herzoglichen Rechts. Den Vo¨gten standen die gesamten Einku¨nfte aus den Fleischba¨nken sowie den Ba¨cker- und Schusterla¨den zu, um die sie sich – nach dem Brauch anderer Sta¨dte – selbst ku¨mmern mussten. Diese betrafen drei fu¨r das Funktionieren der Stadtgemeinschaft grundsa¨tzliche Handwerke und die ihnen entsprechenden Verkaufsstellen. Allerdings machte
87 Stanisław Kutrzeba, Historia zro ´ ´ deł dawnego prawa polskiego [Geschichte der Quellen des alten pol-
nischen Rechts], Bd. 2, Warszawa 1926, S. 208–211. 88 Estreicher, Krako´w (wie Anm. 83), Kapitel V. 89 Mieczysław Niwinski, ´ Wo´jtostwo krakowskie w wiekach s´ rednich [Das Krakauer Schulzenamt im
Mittelalter], Krako´w 1938, S. 39–40; Krystyna Pieradzka, Gedko Stilvogt, in: Polski Słownik Biograficzny, Bd. 7, Krako´w u. a. 1948–1958, S. 370; Jo´zef Mitkowski, Jakub z Nysy [Jacob von Neisse], ebd., Bd. 10, Krako´w u. a. 1962–1964, S. 361–362.
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der Herzog eine Ausnahme mit den Tuchla¨den und den anderen allgemein als institae und in unserem Privileg als camerae institorum bezeichneten Buden, die er den Vo¨gten nicht u¨berließ. Sie entsprachen den spa¨teren „reichen La¨den“. Der Herzog selbst soll sie auf eigene Kosten errichtet und den Vo¨gten im Sinne eines besonderen Gnadenerweises ein Sechstel von den aus ihnen fließenden Einku¨nften garantiert haben. Diese Ausnahmeregelung muss als Auswirkung bestimmter Erfahrungen in der urspru¨nglichen Stadt angesehen werden, die dem herzoglichen Fiskus gerade in dieser Zeit betra¨chtliche Einku¨nfte erbracht haben muss. Dies zeigt wohl auch, in welchen Handelsgescha¨ften Krakau schon vor der Lokation eine betra¨chtliche Rolle gespielt hat. Das muss ein Handel in denselben Branchen gewesen sein, fu¨r die die Stadt auch in ihrer Blu¨tezeit beru¨hmt war. Zur Ausstattung der Vogtei sollte auch der mit keinerlei Abgaben an den Herzog belastete sta¨dtische Schlachthof geho¨ren. Allerdings sollte dieser erst noch erbaut werden. Außerdem u¨berließ der Herzog den Vo¨gten seine beiden eigenen Mu¨hlen am Pradnik-Fluss ˛ sowie zwei weitere – eine geho¨rte fru¨her den Rittern zum Heiligen Grab in Miecho´w und die andere Mu¨hle den Zisterziensern aus J˛edrzejo´w. Wahrscheinlich hatte sie der Herzog durch Kauf oder Tausch erworben, um das Gela¨nde fu¨r die Lokation zu bereinigen. Auf a¨hnliche Weise hatten in Breslau Bolesław Rogatka und Heinrich III. in Vorbereitung auf die 1242 vollzogene Lokation den Trebnitzer Zisterzienserinnen deren Buden und Fleischba¨nke in Breslau fu¨r die hohe Summe von 21 Mark abgekauft, von denen er sagte, dass die Lokation der Stadt ohne sie unmo¨glich sei.90 Unabha¨ngig von diesen vier Mu¨hlen durften die Vo¨gte noch weitere errichten, allerdings unter der Bedingung, dass sie damit niemandem schadeten. Von jedem Mu¨hlrad der ihnen geschenkten Mu¨hlen sowie von all denen, die sie in Zukunft noch besitzen wu¨rden, sollten sie dem Herzog jedoch einen Vierdung in damals im Umlauf befindlichen Silbermu¨nzen zahlen. Daru¨ber hinaus erhielten die Vo¨gte das Recht zur Nutzung der Weichsel von den Grenzen von Zwierzyniec bis zum Zisterzienserkloster in Mogiła. Hier konnten sie fischen, allerdings ohne Exklusivrechte. Auch hier durften sie drei Mu¨hlen errichten, die – im Unterschied zu den Mu¨hlen an der Rudawa – vo¨llig von Zinsen befreit sein sollten, dafu¨r aber verpflichtet waren, das herzogliche Getreide zu mahlen und die herzoglichen Bedu¨rfnisse in der Stadt und ihrer Umgebung, im Umkreis von drei Meilen, zu befriedigen. Schließlich sollte zur Ausstattung der Vo¨gte noch jeder sechste Hof, der in der Stadt errichtet wurde, fu¨r ewige Zeiten geho¨ren, was ein Sechstel aller Einku¨nfte aus den besiedelten Stadtparzellen bedeutete. Zwar betonte der Herzog erneut, dass er dies nicht kraft geltenden Rechts tue, sondern als besonderen Gnadenerweis, aber das war nicht nur eine allgemein verwendete, sondern auch eine von wirtschaftlichen Gru¨nden diktierte Norm. Denn infolge ihrer Anwendung waren die Vo¨gte unmittelbar daran interessiert, mo¨glichst viele Ansiedler in die Stadt zu holen. Zur Kategorie der Ausstattung geho¨rte außerdem die den Vo¨gten gewa¨hrte ewige vo¨llige Zollfreiheit auf dem Gebiet des Krakauer und Sandomierzer Landes, d. h. im Machtbereich Bolesławs des Schamhaften.
90 Urkundensammlung (wie Anm. 1), Nr. 22.
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Die Bewohner der neu angelegten Stadt erhielten vor allem eine sechsja¨hrige Befreiung von allen Zinsen und Leistungen an den Herzog. Eine solche Freistellung, wenn auch mit unterschiedlichen Jahresfristen, wurde im deutschen Siedlungsrecht allgemein praktiziert. Auch das einheimische Siedlungsrecht kannte sie. Dementsprechend sollten die Vo¨gte die erwa¨hnten Einku¨nfte der Vo¨gte in Ho¨he eines Sechstels der Besteuerung der Ho¨fe auch erst nach Ablauf dieser sechs freien Jahre erhalten. Unabha¨ngig davon gewa¨hrte der Herzog den Stadtbewohnern wie den Vo¨gten auf dem Gebiet seines Herzogtums Zollfreiheit. Wa¨hrend diese aber fu¨r die Vo¨gte ein ewiges Privileg darstellte, sollten die Stadtbu¨rger nur fu¨r eine auf zehn Jahre befristete Zeitspanne in ihren Genuss kommen. Zum Nutzen ihrer Bewohner erhielt die Stadt auf ewig – denn so muss die hier verwendete Formulierung iure hereditario (durch Erbrecht) verstanden werden – ausgedehnte La¨ndereien, die fu¨r die Landwirtschaft, fu¨r Viehweiden und andere Zwecke (pro aratura et pascuis et aliis usibus) bestimmt waren. Dazu geho¨rten das Dorf Rybitwy mit allem was dazugeho¨rte (cum omnibus eiusdem ville pertinenciis) und im Umkreis (per gyrum) das gesamte Territorium zwischen diesem Dorf und dem Fluss Pradnik ˛ mit dem Dorf Krowodrza und allem, was dazugeho¨rte; im Osten ˙ reichten diese bis Czyzyny, das im Lokationsprivileg nicht genannt wird, aber das sich aus der Besta¨tigung der Rechte und des Besitzstandes Krakaus durch Kasimir den Großen im Jahre 1358 ergibt.91 Der Aussteller des Privilegs machte hier zwei Ausnahmen. Im Dorf Rybitwy gab es einen See (lacus) oder vielleicht eher einen Teich. Wie der vom Dienstpersonal des Herzogs gepra¨gte Ortsname besagt, musste das Dorf Fische fu¨r die Bedu¨rfnisse des herzoglichen Hofes liefern, und diese Pflicht wurde sicher in Kraft gelassen. Das muss so verstanden werden, dass diese Ausnahme auch die Fischer selbst betraf, denn andernfalls wa¨ren sie unter die sta¨dtische Jurisdiktion gekommen, was der generellen Absicht des Ausstellers widersprochen ha¨tte, dass die Vo¨gte keine polnische Bevo¨lkerung zu Stadtbewohnern machen sollten. Die andere Ausnahme betraf die bischo¨flichen Rechte in Krowodrza, sowohl auf die La¨ndereien und Mu¨hlen als auch auf den Fluss Pradnik. ˛ Aber andere Ausnahmen, die heute als selbstversta¨ndlich erscheinen, za¨hlt der Aussteller nicht auf. Auf dem bogenfo¨rmig vom Dorf Rybitwa u¨ber ´ Czyzyny nach Krowodrza abgesteckten Gebiet befanden sich private und ko¨nigliche Besitztu¨mer, in deren Besitz Krakau erst mit der Zeit gelangte. Es handelt sich um Grzego´rzki und Dabie. ˛ Das erste haben die Krakauer Ratsherren Piotr und Jan, den So¨hnen des Sandomierzer Truchsessen Jan Burek, erst 1388 fu¨r die Stadt abgekauft.92 Das zweite ging 1348 aus der Hand Kasimirs des Großen an das Kloster zu Mogiła u¨ber.93 Die Stadt hatte sich damals offensichtlich noch nicht dafu¨r interessiert. Erst 1389 fand eine weitere Transaktion mit dem Kloster zu Mogiła statt: Fu¨r die hohe Summe von 400 Mark erwarb die Stadt Krakau fu¨r das Kloster das Dorf Muniako-
91 Kodeks dyplomatyczny katedry (wie Anm. 11), Nr. 32. 92 Ebd., Nr. 66. 93 Zbio´r dyplomo´w (wie Anm. 13), Nr. 67.
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wice im Pfarrbezirk Prandocin sowie das Dorf Ł˛eg bei Mogiła und u¨bernahm dafu¨r das einst ko¨nigliche und dann klo¨sterliche Dabie, ˛ das Eigentum der Stadt wurde.94 In der Schenkung Bolesławs des Schamhaften an die Stadt verdient die Formulierung per gyrum (im Umkreis) Aufmerksamkeit. War die Lokationsstadt wirklich von solch einem Umkreis umgeben? Das Dorf Rybitwy liegt am rechten Weichselufer o¨stlich der Stadt, mit geringer Neigung gen Su¨den. Krowodrza dagegen befindet sich auf der Nordseite mit Neigung nach Westen. Die Schenkung wu¨rde die Stadt somit kaum halbkreisfo¨rmig umfassen. Man darf jedoch nicht vergessen, dass die Krakauer Vo¨gte kraft desselben Lokationsprivilegs das Recht erhalten hatten, die Weichsel von den Grenzen von Zwierzyniec bis zum Kloster in Mogiła zu nutzen, und zwar auf beiden Weichselufern (cum ripa utraque). Diese Schenkung muss mit der Landschenkung u¨bereingestimmt haben. Anders la¨sst sich das nicht erkla¨ren. Daher musste das Gebiet des Dorfes Rybitwy nicht nur von Osten an die Stadt heranreichen, sondern es na¨herte sich auf dem rechten Weichselufer von Su¨den dem Dammplatz (Plac na Groblach). Schließlich verlieh Bolesław Wstydliwy fu¨r ewige Zeiten den gesamten Chwacymech genannten Wald im oberen Teil der Weichsel usibus eiusdem civitatis omnibus (zu jeglicher Nutzung dieser Stadt). Es gibt gewisse Schwierigkeiten mit der Identifizierung dieses Namens. Weichselaufwa¨rts gelangen wir zu dem Ort Facimiech, der in sprachlicher Hinsicht problemlos mit Chacimiech identifiziert werden kann, aber er liegt ein gutes Dutzend Kilometer von Tyniec entfernt, was allzu weit von Krakau entfernt wa¨re. Aber gema¨ß dem Lokationsprivileg ist Chwacimiech der Name eines Waldes, welcher durchaus ein gro¨ßeres Gebiet umfasst haben ko¨nnte, das vielleicht ¨ berrest dann von der Zwierzyniec-Seite bis nach Krakau heranreichte und dessen U der heutige Wolski-Wald wa¨re. Im u¨brigen wa¨re die Formulierung im Privileg silvam totam in superiore parte Wisle, que Chwacymech vulgariter appellantur anders wohl kaum zu verstehen. Wenn das zutrifft, dann wu¨rden diese Besitztu¨mer die Stadt noch mehr von Westen umgeben. Hier stellt sich das Problem der Inbesitznahme der Auen von Błonia durch die Stadt Krakau, aber auch von Czarna Wie´s, das schon fast an Krowodrza grenzt. Beide wu¨rden na¨mlich den Ring des Landbesitzes der Lokationsstadt schließen, und erst ein solcher Zustand wu¨rde der Bezeichnung per gyrum voll gerecht werden. Bekanntlich aber war das Gebiet an der Weichsel zu Fu¨ßen des Wawel herzogliches Eigentum. Dort befand sich – sicher auch schon damals – ein Flusshafen, der neben den gewo¨hnlichen Hafenfunktionen auch der Abnahme des Holzzehnten (decima lignorum) von allem geflo¨ßten Holz diente.95 Weiter entstand entlang der Weichsel mit der Zeit ein ko¨niglicher Tiergarten, dem dieser Teil Krakaus seinen Namen Zwierzyniec verdankt. Die Angelegenheit der Inbesitznahme von Błonia durch die Stadt oder umfassender: des gesamten zwischen Zwierzyniec und Krowodrza gelegenen Gebietes, wird uns durch das große Privileg Kasimirs des Großen fu¨r die Stadt Krakau aus dem Jahre
94 Kodeks dyplomatyczny katedry (wie Anm. 11), Nr. 67. 95 Jerzy Wyrozumski, O kongregacji wło´czko´w krakowskich [U ¨ ber die Vereinigung der Krakauer Flo¨-
ßer], in: Małopolskie Studia Historyczne 1958, 1, S. 29–43.
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1358 na¨hergebracht. Indem es die Reichweite der sta¨dtischen Jurisdiktion in den Vorstadtgebieten festlegt, d. h. definiert, was im Privileg von 1257 fehlte, beruft es sich auf die seit langem festgelegten Grenzen (gades ab antiquo distinctos), auch wenn es sich diesbezu¨glich nur dort bei Einzelheiten aufha¨lt, wo bestimmte Ausnahmeregelungen ins Spiel kommen. So geho¨rten nach dem Privileg von 1358 zum Jurisdiktionsbereich der Stadt alle Vorstadtbewohner (suburbani), mit Ausnahme der Stadtbu¨rger (cives), die an der St. Florians-Kirche (ad sanctum Florianum) wohnten, des weiteren mit Ausnahme der Bewohner von Czarna Wie´s (Nigravilla) und Czarna Ulica (Nigraplathea) sowie der Personen, die am Weichselufer in Richtung Zwierzyniec (versus Swerzinciam) wohnten und die – wie allgemein bekannt war – als ko¨nigliche Untertanen, wło´czkowie genannt, den Flusshafen (Holzhafen) bedienten. Aber gleich danach erwa¨hnt das Privileg die Weiden in Richtung Zwierzyniec (versus Swerzinciam) bis an die schon gezogenen oder noch zu ziehenden Grenzen – bis zum Fluss Pradnik, ˛ d. h. bis nach Krowodrza – als zur Stadt geho¨rende Gebiete. Hier erwa¨hnt das Privi˙ leg nur ganz knapp das sich nach Czyzyny hinziehende Stadtgebiet, mit Ausnahme von Grundstu¨cken, die dem Heilig-Geist-Orden geho¨rten. Das Krakauer Stadtgebiet zog sich bis zur Weichsel hin und stieß an Kazimierz, genauso wie sich dies aus dem Privileg von 1257 ergibt, obwohl es diese Stadt damals noch nicht gab. Die Information, dass die Grenzen, von denen im Privileg von 1358 die Rede war, ab antiquo festgelegt waren, erlaubt zu vermuten, dass sich Błonia und die bis nach Krowodrza hinziehenden Grundstu¨cke sogar schon 1257 in den Ha¨nden der Stadt befunden haben ko¨nnten, auch wenn diese Gebiete nicht im einzelnen erwa¨hnt wurden, weil sie nur Su¨mpfe und Brachland darstellten. Ein solcher Sachverhalt wu¨rde jedenfalls die Bezeichnung per gyrum rechtfertigen. Falls diese Vermutung abgewiesen werden muss, dann wa¨re anzunehmen, dass das erwa¨hnte Gebiet zwischen Zwierzyniec und Krowodrza schon bald nach dem Lokationsakt von 1257 in die Ha¨nde der Stadt u¨berging. Hier stellt sich das Problem des sogenannten Weichbildes. Dieser Begriff besteht aus zwei Gliedern: Weich und Bild. Das erste Glied, aus altdeutschen Aufzeichnungen auch als Wich oder Wik bekannt, entspricht dem lateinischen vicus = Siedlung, Ensemble von Wohnobjekten. Das zweite Glied bedeutet soviel wie Abbild = Widerspiegelung, Widerschein.96 So wie ein Spiegel kann es das Recht widerspiegeln und als dessen Synonym gelten. Eben diesen Sinn haben die Begriffe Sachsenspiegel oder Schwabenspiegel. Umgangssprachlich bedeutet „Weichbild“ im heutigen Deutsch den Kreis, das Gebiet einer Stadt einschließlich des diese Stadt umgebenden Gebietes. In seiner historischen Bedeutung bildete es vor allem einen Jurisdiktionsbezirk. Dieser Begriff war so weitgehend mit der Gerichtsbarkeit verbunden, dass die in der zweiten Ha¨lfte des 13. Jahrhunderts entstandene und im Lateinischen als ius municipale Magdeburgense bezeichnete grundlegende Sammlung des Magdeburger Rechts unter dem deutschen Namen „Magdeburger Weichbild“ funktionierte. Wa¨hrend jedoch die Stadt selbst der Gerichtsbarkeit des Vogtes bzw. des Vogtes und der 96 Weichbild, in: Handwo¨rterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, hg. v. Adalbert Erler u. a., Bd. 5,
Berlin 1998, Sp. 1209–122; Jacob Grimm/Wilhelm Grimm, Deutsches Wo¨rterbuch, Bd. 14/1, Leipzig 1955 (Neuauflage), Sp. 474.
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sta¨dtischen Scho¨ffenbank unterstand, befand sich dieser Bezirk unter der Oberhoheit eines Landvogtes, der zugleich gegenu¨ber dem Stadtvogt als Richter in zweiter Instanz fungierte.97 Manchmal war ein solcher Bezirk sogar ziemlich groß. Ein solches gerichtliches Weichbild entstand in Krakau nicht. Im Krakauer Lokationsprivileg von 1257 stoßen wir sogar auf ein Versprechen des Herzogs Bolesławs des Schamhaften, zu dem er zweifellos durch die bereits erwa¨hnten Lokatoren, d. h. die Vo¨gte, geno¨tigt worden war, dass er keinen Vogt u¨ber sie setzen wu¨rde, weder einen „speziellen“ noch einen „generellen“ (nullum eis praeficiemus advocatum, nes specialem, nec generalem). Falls sich jedoch Gerichtssachen ergeben sollten, die eine ho¨here Instanz erforderten, dann sollte entweder der Herzog selbst oder eine von ihm bestimmte Person daran teilnehmen. Aber das Leben verlief in anderer Richtung. Das bereits zitierte große Privileg Kasimirs des Großen fu¨r die Stadt Krakau von 1358 besagt sehr deutlich, dass alle Vorstadtbewohner (omnes suburbani ad omnia iura civitatis obligentur) der sta¨dtischen Jurisdiktion Krakaus unterstanden. Hierbei gab es keinerlei Ausnahmen auf dem Gebiet der Rechtsmaterie, ausgeschlossen waren dagegen bestimmte Pla¨tze mit bereits ausbedingter anderer Jurisdiktion. Es muss hervorgehoben werden, dass dies die Stadtbu¨rger (cives) waren, die nahe der St. Florians-Kirche (ad sactum Florianum) wohnten, weiterhin die Bewohner von Czarna Wie´s und Czarna Ulica sowie diejenigen, die am Weichselufer in Richtung Zwierzyniec (versus Swerzinciam) siedelten. Besonders unterstrichen werden muss der Umstand, dass hier von „Stadtbu¨rgern“ an der St. Florians-Kirche die Rede ist, die daher damals in einem eigenen Jurisdiktionsbezirk gelebt haben mu¨ssen, und dass der formale Akt der Lokation dieses zuerst Florencja und erst viel spa¨ter Kleparz genannten Gebietes nach sta¨dtischem Recht erst 1366 ausgestellt wurde.98 Die u¨brigen drei Siedlungspunkte unterstanden damals der ko¨niglichen Gerichtsbarkeit. Aber bereits 1363 verkaufte Kasimir der Große Czarna Wie´s und Czarna Ulica ˙ an die sowie den sich in der Na¨he des Schustertors befindlichen Stadtteil Pobrzeze Stadt und unterstellte sie somit ebenfalls der sta¨dtischen Gerichtsbarkeit. Der Stadtrat konnte fu¨r diese Do¨rfer eigene Vo¨gte bestimmen. Was die Bewohner des Weichselufers betraf, die das ko¨nigliche Flusspersonal bildeten, welches den Holzhafen bediente (die so genannten wło´czkowie), so unterstanden sie von nun ab einer doppelten Jurisdiktion: der ko¨niglichen in Gerichtssachen, die auf dem Wasser, und der sta¨dtischen Gerichtsbarkeit in solchen, die auf dem Land entstanden waren.99 Im Jahre 1378 schließlich erlaubte Ko¨nig Ludwig von Anjou der Stadt Krakau, allen Landbesitz im Umkreis von zwei Meilen ihrer Jurisdiktion nach deutschem Recht zu unterstellen.100 Auf diese Weise entstand im Verlauf von nicht viel mehr als hundert Jahren so etwas wie ein Krakauer Weichbild deutschen Rechts. Ausgeschlossen blieben davon Kazimierz und Kleparz, die beide ihre eigene volle Selbstverwaltung besaßen.
97 Urkundensammlung (wie Anm. 1), S. 210–212. 98 Kodeks dyplomatyczny katedry (wie Anm. 11), Nr. 37. 99 Ebd., Nr. 35. 100 Ebd., Nr. 53.
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Dabei hatte die Stadt Kazimierz, die 1357 das Dorf Zabłocie erwarb und dessen Bu¨rger Jan 1370 auf den vom Ko¨nig erworbenen La¨ndereien das Dorf Janowa Wola gru¨ndete, die Jurisdiktion u¨ber diese beiden Do¨rfer.101 Es ist leicht festzustellen, dass sich dieses vermutliche „Krakauer Weichbild“, das ja in keiner Quelle unter einem solchen Namen auftaucht, auf sehr wesentliche Art vom Magdeburger Weichbild unterschied. Hier bildete sich nie die Institution eines Landvogtes heraus, der als oberste Instanz und Appelationsbeho¨rde gegenu¨ber den Vo¨gten von Krakau, Kazimierz und Kleparz oder auch den Dorfvo¨gten fungiert ha¨tte. Die Stadtvo¨gte waren formal gleichberechtigt und gegenseitig voneinander abha¨ngig. Allein der Rat der Stadt Krakau konnte – wie das schon erwa¨hnte Privileg Kasimirs des Großen von 1363 besagt – seine Vo¨gte (die Gerichtsvo¨gte, nicht die erblichen) in die zu ihm geho¨renden Do¨rfer delegieren, aber diese sollten dann nur dem Rat unterstehen und nicht dem Krakauer Vogt. Auf die im Titel dieses Beitrages gestellte Frage, ob es im Lichte der durchgefu¨hrten Analyse sowohl der Quellen als auch des historischen Hintergrundes und der Begleitumsta¨nde zwei Lokationen der Stadt Krakau gegeben hat oder nur eine, ist im Lichte der voranstehenden Ausfu¨hrungen zu antworten, dass wir es in Krakau mit nur einer Lokation zu tun haben, und zwar mit der von 1257. Aber das deutsche Recht war hier schon einige Jahrzehnte vorher bekannt. Allerdings fand es zuna¨chst nur auf die Gruppe der deutschen Ansiedler Anwendung, die – sei es innerhalb der Stadt oder an deren Rand – einen eigenen vicus bildeten. Dieses Recht war auf evolutiona¨rem Wege entstanden und baute auf einem polnischen Recht in Gestalt des herzoglichen Marktrechts, des Marktfriedens und des Wegefriedens sowie auf der Oberhoheit des Herzogs u¨ber die eigene Bevo¨lkerung auf. Dieser u¨bte – nicht nur im Falle Krakaus – auch in Bezug auf die deutsche Siedlergruppe, die sich ihres eigenen Rechts bediente, die Funktion eines Schultheißen aus. Die Stadt „nach polnischem Recht“ muss sich urspru¨nglich in unmittelbarer Na¨he der a¨ltesten „Stadtkirche“ befunden haben – der Dreifaltigkeitskirche, die 1222 den Dominikanern anvertraut wurde. Die Mendikantenorden der Dominikaner und Franziskaner waren ja mit Blick auf eine Ta¨tigkeit in den Sta¨dten entstanden und hatten sich daher auch inmitten der urspru¨nglichen Krakauer Stadt niedergelassen. Die Lokation von 1257 stellte nicht nur aus historischer Perspektive, sondern auch in den Augen der Zeitgenossen einen Akt von enormer Bedeutung dar. Davon zeugt der hohe Rang des Lokationsbeschlusses und der ihn betreffenden Urkunde, aber auch die fast zeitgeno¨ssische Notiz in den Annalen des Krakauer Domkapitels. Kraft der Lokationsurkunde wurde ein neuer urbanistischer Plan geschaffen, der sich sowohl als u¨beraus funktional als auch als dauerhaft erwies. Die am Rande des neuen Stadtplanes gelegenen Schenkungen an die Vo¨gte und an die Stadt selbst ero¨ffneten Perspektiven fu¨r die Entwicklung einer ganzen Reihe von Vorstadtsiedlungen, die schon im Mittelalter zu Krakauer Vorsta¨dten mit manchmal außerordentlich wichtigen wirtschaftlichen Funktionen wurden oder wie im Falle von Kazimierz und Kleparz zu eigenen Sta¨dten.
101 Ebd., Nr. 30 und 40.
Eine Lokation oder mehrere Lokationen Krakaus nach deutschem Recht?
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Abb. 2: Die Lokationsstadt Krakau Mitte 14. Jahrhundert 1 – Ko¨nigsschloss, 2 – Kathedrale, 3 – Rotunde St. Felix und Adaukt, 4 – St. Michael, ¨ gidius, 7 – St. Martin, 8 – St. Andreas, 9 – Allerheiligenkirche, 5 – St. Georg, 6 – St. A 10 – Franziskanerkirche und -kloster, 11 – Dominikanerkirche und -kloster, 12 – St. Adalbert, 13 – Marienkirche, 14 – Rathaus, 15 – Tuchhallen und Kramla¨den, 16 – Große Waage, 17 – St. Stephanus, 18 – St. Markus, 19 – St. Johannes, 20 – Heiligkreuz, 21 – Hl. Geist, 22 – St. Hedwig, 23 – Kloster und Kirche auf dem „Felsen“, 24 – St. Laurentius, 25 – Corpus Cristi-Kirche und -Kloster (im Bau), 26 – St. Jakobus, 27 – St. Maria-in-Arena und Karmelitenkloster, 28 – St. Florian, 29 – St. Nikolaus
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Jerzy Wyrozumski
Die wirtschaftliche und ra¨umliche Entwicklung Krakaus wurden durch die neue Qualita¨t des kollektiven Lebens stimuliert: zu Beginn durch die Befreiung von Zinsen, Steuern und anderen Leistungen sowie durch die Zollfreiheit, und mit der Zeit durch ein schon entfaltetes und auch Wirkungen zeigendes Unternehmertum, vor allem aber durch die Selbstverwaltung und Mitverantwortung fu¨r die eigenen Geschicke. Der Lokationsakt gab den Bu¨rgern das gesamte sie betreffende Gerichtswesen in die Hand. In Angelegenheiten geringeren Gewichts wurde dieses zwar noch vom Vogt als Vasall des Monarchen ausgeu¨bt, aber an wichtigeren Gerichtssachen nahmen Scho¨ffen als Vertreter der Bu¨rgerschaft teil. Zum ersten Mal wurde fu¨r Polen im Krakauer Lokationsprivileg das außerordentlich sinnreiche Prinzip der entstehenden Sta¨ndegesellschaft formuliert, dass der Kla¨ger vor jenem Gericht stehen sollte, das fu¨r den Beklagten zusta¨ndig ist (actor forum rei sequi debeat). Vor allem aber wurde schon ganz zu Beginn ein Stadtrat eingefu¨hrt, d. h. ein beschließendes Selbstverwaltungsorgan. Trotz aller seiner Schwa¨chen, in erster Linie seiner starken Oligarchisierung, stellte der Stadtrat eine wichtige soziale Errungenschaft dar. Man darf nicht vergessen, dass es die unverwirklichte Idee Kasimirs des Großen war, dass dieses Organ zur Ha¨lfte aus Kaufleuten und zur anderen aus Handwerkern bestehen sollte.102 Die Stadt begann sehr schnell auch eine wichtige kulturelle Rolle zu spielen, da sie zur Mitbegru¨nderin der Krakauer Universita¨t wurde.103 Einen eher negativen Aspekt des ¨ ffnung der neuen StadtLokationsaktes erblicken wir dagegen in der weitgehenden O gemeinde fu¨r deutsche Ansiedler, aber wir mu¨ssen dabei auch das herzogliche Verbot in Erinnerung behalten, polnische Ansiedler – sowohl Untertanen als auch Freie – aus der Umgebung in die Stadt zu holen, und zwar aus Furcht vor einer Vero¨dung der ko¨niglichen, kirchlichen und ritterlichen Landgu¨ter.
102 Starodawne Prawa Polskiego Pomniki [Altertu¨mliche Denkma¨ler des Polnischen Rechts], Bd. 1, hg. v.
Antoni Zygmunt Hencel, Krako´w 1856, S. 226.
103 Stanisław Krzyzanowski, ˙ Poselstwo Kazimierza Wielkiego do Awinionu i pierwsze uniwersyteckie
przywileje [Die Gesandtschaft Kasimirs des Großen nach Avignon und die ersten Universita¨tsprivilegien], in: Rocznik Krakowski 4 (1900), S. 1–112, hier S. 94–96 [Dok. Nr. 4].
MUSTER URBANISTISCHER ANLAGEN VON LOKATIONSSTA¨ DTEN IN KLEINPOLEN Forschungsstand, Methoden und Versuch einer Synthese von Bogusław Krasnowolski*
Die Forschungen zu den Lokationssta¨dten sind heute so weit fortgeschritten, dass bereits Stimmen laut werden, weitere Studien seien nicht mehr zielfu¨hrend, da sie nur zu einer Wiederholung bereits bekannter Thesen fu¨hrten.1 Man mag dieser Einscha¨tzung – wenn auch nicht ohne Einschra¨nkungen – zustimmen, soweit es um die Analyse von Lokationsurkunden, um die Chronologie der Lokationsprozesse oder ihre rechtlichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen geht.2 Was die urbanistischen Anlagen und ihre Planung betrifft, so sind unsere Kenntnisse aber nach wie vor begrenzt. Nach wie vor liegen zu ihnen eher analytische Detailstudien und noch keine Synthesen vor.3 Lu¨cken in grundlegenden Forschungsbereichen existieren in besonderem Maße fu¨r Kleinpolen.4 Dabei repra¨sentieren die fast 200 hier im Mittelalter gegru¨ndeten Sta¨dte (darunter u¨ber 100 bis zum Ende der Regierungszeit
* Um zahlreiche Abbildungen und einleitende Literaturhinweise geku¨rzte U ¨ bersetzung des Aufsatzes
´ postulaty bada„Wzorce lokacyjnych układo´w urbanistycznych w Małopolsce: stan i metody badan, ´ wcze, pro´ba syntezy“ (aus: Procesy lokacyjne miast w Europie Srodkowo-Wschodniej. Materiały z konferencji mi˛edzynarodowej w Ladku ˛ Zdroju 28–29 pa´zdziernika 2002 roku, hg. v. Cezary Bu´sko ¨ bersetzung von Ju¨rgen Heyde. u. a., Wrocław 2006, S. 65–137); U 1 Jacek Matuszewski, Ius Teutonicum. Sredniowieczna ´ reforma rolna w Polsce [Ius teutonicum. Die mittelalterliche Agrarreform in Polen], in: Zagadnienia prawa konstytucyjnego. Ksi˛ega pamiatkowa ˛ ku czci Profesora Tadeusza Szymczaka, hg. v. Michał Domagała, Ło´dz´ 1994, S. 158–164. 2 Die hier zu nennenden grundlegenden Arbeiten werden in den u¨brigen Beitra¨gen dieses Bandes wiederholt zitiert und mu¨ssen hier nicht noch einmal aufgelistet werden. 3 Urbanistische Anlagen wurden in einer ganzen Reihe unvero¨ffentlichter historisch-urbanistischer Studien analysiert, die in den Archiven der Wojewodschafts-Denkmalkonservatoren zuga¨nglich sind; dieses umfangreiche, mit unterschiedlicher Gru¨ndlichkeit und verschiedenen Methoden bearbeitete Material erfordert eine ganzheitliche Neuinterpretation. 4 Der vorliegende Beitrag entstand im Zusammenhang mit einer synthetischen Arbeit: Bogusław Krasnowolski, Lokacyjne układy urbanistyczne Ziemi Krakowskiej w XIII i XIV w. [Urbanistische Lokationsanlagen des Krakauer Landes im 13. und 14. Jahrhundert], Teil I: Miasta Ziemi Krakowskiej: chronologia proceso´w osadniczych i typologia układo´w urbanistycznych [Die Sta¨dte des Krakauer Landes: Chronologie der Besiedlungsprozesse und Typologie der urbanistischen Anlagen], II: Katalog lokacyjnych układo´w urbanistycznych [Katalog der urbanistischen Lokationsanlagen], Krako´w 2004.
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Bogusław Krasnowolski
Kasimirs des Großen) ganz verschiedenartige urbanistische Lo¨sungen, die sich aus unterschiedlichen Mustern und Programmen ergeben. Der vorliegende Beitrag soll die fu¨r das mittelalterliche Kleinpolen charakteristischen urbanistischen Anlagen von Lokationssta¨dten identifizieren. Dies geschieht auf der Grundlage der gesamten bisherigen Forschung und eigener Analysen. Der Rahmen dieser Ausfu¨hrungen legt es nahe, sich auf die Siedlungszentren an sich zu konzentrieren, ohne das mit ihnen integral verbundene Umfeld in Gestalt der Vorsta¨dte, Felder (mit den Ausstattungen fu¨r den Vogt oder die Kirche), Weiden, Wa¨lder und ‚Industrieanlagen‘ zu beru¨cksichtigen. Typologien zu bestimmen ist in der Regel eine eher theoretische Ta¨tigkeit. Die kompositorischen Feinheiten in der Vermessung der Stadtzentren haben sich nicht in den schriftlichen Quellen niedergeschlagen. Sie mu¨ssen daher als heutige wissenschaftliche Spekulation betrachtet werden, als eine Arbeitsklassifikation, die dazu dient, Unterschiede und Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten sowie eine pra¨zise Terminologie zu formulieren. Dennoch ist es allem Anschein nach der richtige Weg, um in hypothetischer Form die Muster der unterschiedlichen Lo¨sungen sowie die Zeit ihrer Wirkungsma¨chtigkeit zu benennen. Den zeitlichen Rahmen dieser Untersuchung bilden ungefa¨hr die Jahre von 1220 bis 1380. Wa¨hrend das erste Datum – welches anna¨hernd dem Auftreten der ersten deutschen Gemeinde in Krakau und somit mo¨glicherweise der ersten Lokation Krakaus entspricht, die wahrscheinlich auf Anregung Leszeks des Weißen vorgenommen wurde – keine Zweifel erregen du¨rfte, la¨sst sich u¨ber das Enddatum durchaus diskutieren. Hier wurde das Todesjahr von Elisabeth Łokietko´wna 1380) zu Grunde gelegt, das eine wichtige Phase im Zusammenhang mit der Wiederbegru¨ndung des Ko¨nigreichs in der Zeit der letzten Monarchen aus der Piastendynastie abschließt. Bekanntlich kam in diesem Zusammenhang den Besiedlungsaktionen eine besondere Bedeutung zu. Das Jahr 1380 stellt auch fu¨r die Architekturgeschichte Kleinpolens eine wichtige Za¨sur dar, besonders fu¨r die Architektur, die sich im Umkreis von Initiativen des Ko¨nigs5 und des Krakauer Bu¨rgertums6 entwickelte. Zugleich kann es keinem Zweifel unterliegen, dass die Urbanisierungsprozesse im Kleinpolen des 15. und 16. Jahrhunderts in erheblichem Maße auf den Pha¨nomenen des 14. Jahrhunderts aufbauten, und die damaligen Scho¨pfungen – in Gestalt kleiner Privatsta¨dte – 5 Dieses Datum hat als Enddatum fu¨r die Analyse der ko¨niglichen Bauhu¨tte in der Zeit Kasimirs des
Großen angenommen Paul Crossley, Gothic Architecture in the Reign of Kasimir the Great. Church Architecture in Lesser Poland 1320–1380, Krako´w 1985. 6 Die ju¨ngste und vollsta¨ndigste Charakteristik der bu¨rgerlichen Architektur im mittelalterlichen Krakau gibt Waldemar Komorowski, Najstarsze kamienice krakowskie [Die a¨ltesten Krakauer Bu¨rgerha¨user], in: Kwartalnik architektury i urbanistyki 42 (1997), S. 107–119; ders., Krakowski ratusz w s´ redniowieczu i Dwo´r Artusa w Krakowie [Das Krakauer Rathaus im Mittelalter und der Artushof in Krakau], in: Rocznik Krakowski 64 (1998), S. 7–34; ders., Kamienice i pałace Rynku krakowskiego w ´ s´ redniowieczu [Bu¨rgerha¨user und Pala¨ste des Krakauer Marktes im Mittelalter], in: Sredniowieczny ´ ask Sl ˛ i Czechy. Centrum s´ redniowiecznego miasta. Wrocław a Europa s´ rodkowa, hg. v. Jerzy Piekalski/Krzysztof Wachowski, Wrocław 2000, S. 311–329; Waldemar Komorowski/Bogusław Krasnowolski, Architektoniczny pejza˙z Krakowa około roku 1400 [Krakaus architektonische Landschaft um 1400], in: Sztuka około 1400. Materiały Sesji Stowarzyszenia Historyko´w Sztuki, hg. v. Teresa Hrankowska, Bd. 1, Warszawa 1996, S. 105–125.
Muster urbanistischer Anlagen von Lokationssta¨dten in Kleinpolen
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in jeder Hinsicht von fru¨heren Traditionen abhingen: in rechtlicher, funktionaler wie auch kompositorischer Hinsicht.7 Ohne Zweifel sind die regelma¨ßigen urbanistischen Anlagen der mittelalterlichen Sta¨dte Schlesiens, Bo¨hmens, Ma¨hrens, Kleinpolens, Großpolens und Ungarns auch in europa¨ischer Perspektive einzigartig, sowohl durch ihre große Zahl als auch durch den Umfang an herausragenden Realisierungen. Die Perfektion der urbanistischen Scho¨pfungen der mittelalterlichen „idealen Sta¨dte“8 in Mitteleuropa im Vergleich zu Westeuropa ergibt sich aus der unterschiedlichen Geschichte des „a¨lteren“ und „ju¨ngeren“ Europa.9 Sie war fu¨r die Verschiedenheit der urbanistischen Prozesse in beiden Teilen des Kontinents verantwortlich. Wa¨hrend die unregelma¨ßigen urbanistischen Anlagen der westeuropa¨ischen Sta¨dte, die in Ausmaß und Anzahl die regelma¨ßigen u¨berwogen, ha¨ufig in Verbindung mit der Gestaltung der sta¨dtischen Freiheiten „von unten“ als Ergebnis von Auseinandersetzungen und einer langen Evolution standen, gingen die urbanistischen Idealkonstruktionen der mitteleuropa¨ischen Sta¨dte auf die Lokation als einer „von oben“ gesteuerten rechtlichen Regulierung zuru¨ck, mit der rechtliche Vorbilder aus dem Westen u¨bernommen wurden, die im Laufe jener Ka¨mpfe entwickelt worden waren.10 Wa¨hrend im „a¨lteren Europa“ das sich erst formierende Bu¨rgertum die treibende Kraft bildete, waren es im „ju¨ngeren Europa“ die Feudalherren, vor allem die Monarchen, seltener Ritter oder Geistliche, die als Aussteller von Lokationsurkunden die Dienste von aus dem Westen „importierten“ professionellen Spezialisten – Siedlungsunternehmern und Kolonisten – in Anspruch nahmen. Zugleich sei betont, dass die westlichen Sta¨dte bereits vor der Herausbildung des Stadtrechts durch eine dauerhafte Steinbebauung „petrifiziert“ waren, die grundlegende ra¨umliche Regulierungen unmo¨glich machte; die Umsetzung solcher Zentren, selbst wenn sie theoretisch mo¨glich war, ha¨tte die Aufgabe von intensiv bewirtschafteten Grundstu¨cken – die somit einen hohen finanziellen Wert darstellten – zugunsten von Investitionen „auf der gru¨nen Wiese“, die erst ha¨tten entstehen mu¨ssen und damit unsicher waren, bedeutet. In Mitteleuropa existierten solche Dilemmata – mit wenigen Ausnahmen, darunter Prag – nicht, oder sie besaßen 7 Zu den Urbanisierungsprozessen in Kleinpolen vom 13. bis zum 16. Jahrhundert als ein einheitli-
ches Pha¨nomen vgl. Jerzy Wyrozumski, Rozwo´j sieci miejskiej w Małopolsce w s´ redniowieczu i u ˙ progu czaso´w nowozytnych [Entwicklung des Sta¨dtenetzes in Kleinpolen im Mittelalter und an der Schwelle zur Neuzeit], in: Kwartalnik Historii Kultury Materialnej 28 (1980) 3, S. 363–371; Feliks Kiryk, Rozwo´j urbanizacji Małopolski XIII–XV w. Wojewo´dztwo krakowskie (powiaty południowe) [Entwicklung der Urbanisierung Kleinpolens im 13.–15. Jahrhundert. Wojewodschaft Krakau (su¨dliche Kreise)], Krako´w 1985. 8 Der Begriff der „idealen Stadt“ wird in der Regel mit Bezug auf die neuzeitliche Urbanistik angewandt, die sich in Anknu¨pfung an theoretisch-philosophische Spekulationen zu Ordnung und Harmonie, welche sich in der Vollkommenheit geometrischer Figuren und rechnerischer Proportionen zeigen, herausgebildet hat. Es gibt aber keinen Grund, ihn nicht auch auf die regula¨ren urbanistischen Anlagen der mittelalterlichen Sta¨dte anzuwenden, solange man die abweichenden, ha¨ufiger o¨konomischen als a¨sthetischen Bedingungen fu¨r die Gestaltung der mittelalterlichen Stadt beru¨cksichtigt. 9 Den Begriff des „ju¨ngeren Europa“ hat gepra¨gt Jerzy Kłoczowski, Młodsza Europa. Europa Srod´ ´ kowo-Wschodnia w kr˛egu cywilizacji chrze´scijanskiej s´ redniowiecza [Das ju¨ngere Europa. Ostmitteleuropa im Umfeld der christlichen Zivilisation des Mittelalters], Warszawa 1998. 10 Henryk Samsonowicz, La conception de l’espace dans la cite´ me´die´vale, in: Quaestiones Medii Aevi 1 (1977), S. 163–177, hier S. 167.
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Bogusław Krasnowolski
nur nachrangige Bedeutung: die ho¨lzerne Bebauung der protosta¨dtischen Zentren stellte keinen so großen Wert dar, dass man zugunsten der alten Bebauung auf eine Translation oder – in selteneren Fa¨llen – auf die Anlage eines vo¨llig neuen Organismus verzichtet ha¨tte. Der sich im einmaligen Lokationsakt artikulierende scho¨pferische Wille des Feudalherrschers und die nur geringen oder ga¨nzlich fehlenden ra¨umlichen Einschra¨nkungen waren die beiden grundlegenden Faktoren, die dazu fu¨hrten, dass gerade das „neue“ und nicht das „alte“ Europa der mittelalterlichen Zivilisation die beeindruckendsten urbanistischen Anlagen bescherte, die in perfekter Weise das damalige Streben nach einer rationalen Ordnung der Welt umsetzten. Das ideale Modell einer regula¨r geplanten mittelalterlichen Stadt, das in Gestalt eines bewussten Plans einer neuen Ordnung in zuvor nicht gekannte urbanistische Formen eingeschrieben wurde,11 traf in Mitteleuropa auf ideale Bedingungen fu¨r seine Verwirklichung. Die im Folgenden angewandte Untersuchungsmethode besteht darin, in die zeitgeno¨ssischen, genauen Situations- und Ho¨hengrundrisse sa¨mtliche Informationen einzubeziehen, die sich aus den schriftlichen, archa¨ologischen, architektonischen und sta¨dteplanerischen Quellen ergeben.12 Einen archivalischen Stadtplan gilt es als besonders wertvolle Quelle zu behandeln, die natu¨rlich – wie jede Quelle – der Kritik bedarf. Ein großer Vorteil stadtplanerischer Quellen ist ihre „Anpassung“ an die Bedu¨rfnisse der urbanistischen Analyse, ein Mangel hingegen ihre spa¨te Entstehungszeit (in der Regel im 19. Jahrhundert). Die Kritik einer stadtplanerischen Quelle muss daher die sekunda¨ren Verunstaltungen des Plans eliminieren. Besonders wichtig fu¨r die Analyse ist es, auf der Grundlage mo¨glichst umfassender Quellenbelege die Maße im Lokationsplan festzustellen, um auf dieser Basis diese Maße auch in den archivalischen und heutigen Pla¨nen zu identifizieren. Aus dieser Forderung folgt, dass die Bedeutung einer stadtplanerischen Quelle dort einsetzt, wo eine modulare Stadtplanung beginnt. Das betrifft die mittelalterlichen Lokationsanlagen (aber auch spa¨tere, etwa fru¨hneuzeitliche oder rationalistische aus der Zeit der Aufkla¨rung) in ihrem ganzen Umfang. Es bezieht sich aber nicht auf Anlagen, die natu¨rlich und ohne Stu¨tze auf rechtliche Eigentumsgarantien gewachsen waren, also u. a. die vorlokationszeitlichen Anlagen. In diesem Fall stellt die mitunter umfassende Anwendung stadtplanerischer Quellen einen eindeutigen methodologischen Missgriff dar.13
11 Henryk Samsonowicz, Kultura miejska w Polsce po´znego ´ s´ redniowiecza [Sta¨dtische Kultur im Polen
des Spa¨tmittelalters], in: Kwartalnik Historyczny 90 (1983), 4, S. 771–789, hier S. 772.
12 Eine ausfu¨hrliche Beschreibung der Methode bei Bogusław Krasnowolski, Z badan´ nad urbanistyka˛
lokacyjnego Krakowa i miast Ziemi Krakowskiej [Studien zur Urbanistik der Lokationsstadt Krakau ´ ´ ask und der Sta¨dte des Krakauer Landes], in: Sredniowieczny Sl ˛ i Czechy (wie Anm. 6), S. 75–95. 13 Es gibt keine inhaltliche Grundlage, stadtplanerische Quellen bei der Analyse vorlokationszeitlicher Anlagen heranzuziehen. Dies ergibt sich aus den heute allgemein anerkannten Thesen von Karol Buczek, Targi i miasta na prawie polskim (okres wczesno´sredniowieczny) [Ma¨rkte und Sta¨dte zu polnischem Recht (die fru¨hmittelalterliche Periode)], Wrocław u. a. 1964, der die Anwendbarkeit deutschrechtlicher Begrifflichkeiten fu¨r die Phase vor der deutschrechtlichen Kolonisation bzw. Lokation zu Recht verneint hat. Eine Vertiefung der Thesen Buczeks im Bereich der urbanistischen Analysen brachte die Arbeit von Ewa Heczko, Uwagi o tak zwanych miejskich planach owalnicowych [Bemerkungen zu den so genannten ovalfo¨rmigen Stadtpla¨nen], in: Teka Komisji Urbanistyki i Architektury
Muster urbanistischer Anlagen von Lokationssta¨dten in Kleinpolen
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Komplexe Quellenanalysen, die mit stadtplanerischen Materialien abgestimmt wurden, liegen bislang nur fu¨r wenige kleinpolnische Sta¨dte vor. Besonders schwer wiegen das Fehlen von Gela¨ndeuntersuchungen und die „Inkompatibilita¨t“ ihrer Bearbeitungsmethoden mit urbanistischen Analysen. Ein grundlegendes Postulat fu¨r die Forschung sollte daher die sukzessive Sammlung analytischer Materialien unter dem Gesichtspunkt einer ganzheitlichen Synthese sein, also das Erstellen eines Katalogs historischer urbanistischer Anlagen, der eine Interpretation der klar umrissenen Quellenu¨berlieferungen auf stadtplanerischer Grundlage ermo¨glicht.14 Bei der Untersuchung der einzelnen urbanistischen Anlagen besteht die optimale Lo¨sung in einer detaillierten Rekonstruktion der Grundlagen der bei der Lokation vorgenommenen Raumplanung. Diese Grundlagen umfassen sowohl die allgemeine Komposition der urbanistischen Anlage, bei der sich das Siedlungszentrum in der Regel in ein modulares Quadratnetz einschreiben la¨sst, als auch die Beschreibung der Planung der einzelnen Elemente dieser Anlage außerhalb des Zentrums. Die sich hier stellende – im vorliegenden Beitrag nicht verfolgte – Aufgabe ist fu¨r Untersuchungen zur modularen Regulierung eines Zentrums nicht ohne Bedeutung. Letzteres wurde, wenn es zusammen mit dem landwirtschaftlichen Umfeld abgesteckt wurde, in der Regel in Anlehnung an dieselben Maßeinheiten gestaltet.15 Wenn wir vom Siedlungszentrum sprechen, mu¨ssen wir sowohl die Mo¨glichkeit einer stufenweisen (etwa im Ergebnis zweier aufeinander folgender Regulierungen vorgenommenen) Ausgestaltung als auch die Mo¨glichkeit einer einheitlichen Gestaltung ins Auge fassen. Somit haben wir es mit einer Art von „stratigraphischer Schichtung“ des Stadtplans zu tun, die auf der Basis sa¨mtlicher Quellenu¨berlieferungen erstellt wird und die Phasen der ra¨umlichen Umgestaltungen herausarbeitet. Die Beschreibung der Vera¨nderungen, die nach der Lokation stattfanden, beeinflusst natu¨rlich unmittelbar die Rekonstruktion der
3 (1969), S. 27–43; die Autorin weist die These zuru¨ck, die fu¨r zahlreiche mittelalterliche Stadtpla¨ne ¨ berreste vermeintlicher vorlokationszeitlicher ovalfo¨rmiger charakteristischen Verkru¨mmungen als U Pla¨ne zu interpretieren. Die intensive Nutzung des archivalischen Plans als Quelle fu¨r urbanistische Untersuchungen schlug u. a. vor Karlheinz Blaschke, Studien zur Fru¨hgeschichte des Sta¨dtewesens in Sachsen, in: Festschrift fu¨r Walter Schlesinger, hg. v. Helmut Beumann, Bd. 1, Ko¨ln-Wien 1973, S. 333–381; ders., Stadtgrundriss und Stadtentwicklung. Forschungen zur Entstehung der mitteleuropa¨ischen Sta¨dte. Ausgewa¨hlte Aufsa¨tze von Karlheinz Blaschke, hg. v. Peter Johanek, Ko¨ln u. a. 1997; vgl. die Kritik von Marta Młynarska-Kaletynowa, W sprawie poczatko ˛ ´ w miast saskich w XII w. Uwagi na marginesie pracy K. Blaschkego [Zu den Anfa¨ngen der sa¨chsischen Sta¨dte im 12. Jahrhundert. Bemerkungen zur Arbeit von K. Blaschke], in: Kwartalnik Historii Kultury Materialnej 26 (1978), 1, S. 577–582. 14 Die Grundlagen der Verbindung verschiedenartiger Quellenu¨berlieferungen mit stadtplanerischen Materialien charakterisiert Teresa Zarebska, ˛ Badania historyczno-urbanistyczne metoda˛ analiz przestrzennych [Historisch-urbanistische Untersuchungen als Methode ra¨umlicher Analysen], in: Kwartalnik Historii Kultury Materialnej 43 (1995), 1, S. 15–32. Zur Registrierung von Quellenu¨berlieferun´ gen auf Pla¨nen bei der Untersuchung eines Grundstu¨cks vgl. Urszula Sowina, Sredniowieczna działka ´ ´ deł pisanych [Die mittelalterliche Stadtparzelle im Lichte schriftlicher Quellen], miejska w s´ wietle zro in: Kwartalnik Historii Kultury Materialnej 43 (1995), 3, S. 323–331, hier S. 326. 15 Erfolgte eine Stadtlokation auf der Grundlage einer fru¨heren Dorflokation (z. B. Lipnica Murowana, Dukla), so konnte die im Rahmen der a¨lteren Lokation vermessene landwirtschaftliche Fla¨che auch durch andere Maßeinheiten bezeichnet werden als sie beim Abstecken des Stadtzentrums angewandt wurden.
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Lokationsanlage. Wenn wir den urbanistischen Plan des Siedlungszentrums untersuchen, mu¨ssen wir sowohl die allgemeine Konstruktion des Plans als auch die Konstruktion seiner einzelnen Elemente beru¨cksichtigen, d. h. der Pla¨tze (des Marktplatzes, mitunter auch eines Hilfsplatzes) zusammen mit der Art ihrer Bewirtschaftung; der die Bebauungsblo¨cke bildenden Parzellen in ihrer differenzierten oder einheitlichen Anlage; der Kirche (oder Kirchen), die gleichzeitig mit der Lokation errichtet, aus der vorlokationszeitlichen Siedlung u¨bernommen oder nach der Lokation eingefu¨gt wurden;16 der Verteidigungslinie, die unabha¨ngig vom Bau einer Befestigung ein deutlich gekennzeichnetes Element darstellte und mit der mitunter eine Burg verbunden war. Beim Versuch einer Identifikation der im Lokationsplan angewandten La¨ngen- und Fla¨chenmaße mu¨ssen wir uns allerdings der Mo¨glichkeit von Fehldeutungen bewusst sein, besonders angesichts der verschwindend geringen Zahl sicherer – und nicht bloß hypothetischer – Elemente der Lokationsplanung.17 Eine verla¨ssliche Hilfe bieten dauerhafte, gemauerte Bewirtschaftungselemente, die in den Lokationsplan eingeschrieben und erhalten oder aufgedeckt und auf der Grundlage von Gela¨ndestudien datiert sind. Leider stellen diese gemauerten Elemente aus der Zeit der Lokation bei den in aller Regel ho¨lzernen Kleinsta¨dten Kleinpolens eine Ausnahme dar. Bevor wir versuchen, die Typologie der lokationszeitlichen urbanistischen Anlagen zu beschreiben, sei die Einschra¨nkung vorausgeschickt, dass der Forscher in vielen Fa¨llen gezwungen ist, sich auf hypothetische Rekonstruktionen zu stu¨tzen, deren vollsta¨ndige Dokumentation beim jetzigen Stand der Forschung nicht mo¨glich ist. Als entscheidende Kriterien fu¨r die Bezeichnung der einzelnen Typen lassen sich benennen: 1. allgemeine Einteilung der lokationszeitlichen urbanistischen Anlagen nach ihren grundsa¨tzlichen Lo¨sungen: Straßen- bzw. Schachbrettanlage oder eine andere, nicht in diese Einteilung passende Lo¨sung; 2. allgemeine Komposition: Anwendung oder Nichtanwendung von parallelen Blockstreifen; 3. allgemeine Komposition: La¨ngsform (bei Straßen- und einem Teil der Schachbrettlo¨sungen) oder zentralisierend (bei einem Teil der Schachbrettlo¨sungen); 4. Grad der Komplexita¨t: einzelne oder vielfache Elemente (hauptsa¨chlich Bebauungsblo¨cke), die die Straßen (bei der Straßenanlage) oder den Markt (bei einer Schachbrettlo¨sung) umfassen;
16 Charakter und Entstehung der Kirche hatten wesentlichen Einfluss auf ihre Lage im Lokationsplan;
dieses umfassende Problem u¨berschreitet den Rahmen des vorliegenden Beitrags.
17 Auf die Gefahr von Fehlern bei der Ausarbeitung theoretischer Rekonstruktionen von Lokationsanla-
gen verwiesen schon Stefan Golachowski/Janusz Pudełko, O analizie metrologiczno-geometrycz¨ ber die metrologisch-geometrische Analyse der Pla¨ne mittelnej plano´w osiedli s´ redniowiecznych [U alterlicher Siedlungen], in: Kwartalnik Architektury i Urbanistyki 8 (1963), 3–4, S. 287–298; vgl. auch Janusz Pudełko, Zagadnienia urbanistyczne s´ redniowiecznej Legnicy w s´ wietle spisu czynszowego z roku 1451. Pro´ba rekonstrukcji parcelacji [Urbanistische Fragen des mittelalterlichen Liegnitz im Lichte des Zinsverzeichnisses von 1451. Versuch der Rekonstruktion der Parzellierung], in: Kwartalnik Architektury i Urbanistyki 16 (1974), 4, S. 249–266.
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5. Pra¨senz oder Abwesenheit von Achsenelementen und ihr Charakter (einzelne Achse, Achsenpaar in kreuzweiser Anordnung); 6. Symmetrie bzw. ihr Fehlen; 7. Konstruktion der Bebauungsblo¨cke; 8. Lage der Kirche (bzw. der Kirchen); 9. Verbindung der Anlage mit der Verteidigungslinie (bzw. das Fehlen einer solchen Verbindung). Die Muster der als gewisse typische Lo¨sungen verstandenen urbanistischen Anlagen ergaben sich in hohem Maße aus u¨bernommenen Programmen, die in Kleinpolen in der Regel einfach, mitunter aber auch sehr komplex waren. Letztere geho¨rten zu den Ausnahmen; sie operierten mit einem komplexen Block in der Mitte des Marktes, auf dem sich verschiedene Aspekte des sta¨dtischen Lebens konzentrierten, mit einer Vielzahl von Gottesha¨usern unterschiedlicher Kategorien, die ein differenziertes religio¨ses Leben um sich konzentrierten, mit einem unter Prestigeaspekten vielfach geschichteten Raum, der der sozialen Differenzierung des Bu¨rgertums entsprach.18 Diese Differenzierung spiegelte sich nur sporadisch in der Gro¨ße der Grundstu¨cke wider (Nowy Sacz), ˛ ha¨ufiger ließ sie sich jedoch an sekunda¨ren Teilungen ablesen (Krakau). Die lokationszeitliche urbanistische Anlage stellte vor allem ein Programm fu¨r die Stadt dar, das ihre weitere demographische, wirtschaftliche, kulturelle und religio¨se Entwicklung prognostizierte. Sie war das Werk eines Spezialisten, eines Siedlungsunternehmers, der auf der Grundlage eines Vertrages mit dem Eigentu¨mer, vorwiegend dem Monarchen, ta¨tig wurde. Wie jede Prognose traf auch diese nicht immer zu. Und dabei geht es nicht um fehlgeschlagene Lokationen und im Ergebnis verschwundene Sta¨dte,19 sondern auch um solche Sta¨dte, die ihre Privilegien nicht vollsta¨ndig umzusetzen vermochten; um Sta¨dte, deren vollkommene, ja geradezu perfekte urbanistische Pla¨ne von einer u¨beraus bescheidenen, u¨berwiegend ho¨lzernen sta¨dtischen und bu¨rgerlichen Bebauung ausgefu¨llt wurden; um Sta¨dte, die – einer im Lokationsplan deutlich vorgezeichneten Grenze des Siedlungszentrums zum Trotz – von keiner Befestigung geschu¨tzt wurden, da es an Mitteln fu¨r ihren Bau fehlte.20 Der Kontrast zwischen dem urbanistischen Plan (dem ideellen Programm) und der Bebauung (seiner Umsetzung) ist ein charakteristisches Merkmal der ra¨umlichen Anlagen bei den Sta¨dten Kleinpolens. Sichtbar war dies noch im 18 Vgl. Mateusz Golinski, ˙ ´ ´ dła podatkowe. Wybrane problemy na ´ Socjotopografia duzego miasta a zro
´ przykładzie Wrocławia i Swidnicy w XIV–XV wieku [Die Sozialtopographie der großen Stadt und die Steuerquellen. Ausgewa¨hlte Probleme am Beispiel von Breslau und Schweidnitz im 14.–15. Jahrhundert], in: Kwartalnik Historii Kultury Materialnej 43 (1995), 1, S. 43–53; Jacek Wiesiołowski, Socjoto´ sredniowiecznego Poznania [Die Sozialtopographie des spa¨tmittelalterlichen Posens], pografia po´zno´ Poznan´ 1997. 19 Feliks Kiryk, Lokacje miejskie nieudane, translacje miast i miasta zanikłe w Małopolsce do połowy XVII stulecia [Misslungene Stadtlokationen, Sta¨dtetranslationen und verschwundene Sta¨dte in Kleinpolen bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts], in: Kwartalnik Historii Kultury Materialnej 28 (1980), 3, S. 373–384. 20 Vgl. Jan Szymczak, Koszty murowanego budownictwa obronnego w Polsce do XVI wieku [Die Kosten der gemauerten Verteidigungsbauten in Polen bis zum 16. Jahrhundert], in: Kwartalnik Historii Kultury Materialnej 36 (1988), 2, S. 233–275.
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15. Jahrhundert, als Enea Silvio Piccolomini, der spa¨tere Papst Pius II., schrieb: civitates Poloniae praeter Cracoviam parum nitidae.21 Gegenstand des vorliegenden Beitrags sind jedoch nicht die Kontraste zwischen dem Plan und der ihn ausfu¨llenden Architektur. Hier geht es im Grunde nur um die urbanistischen Anlagen (d. h. die Programme, nicht ihre Umsetzung) der kleinpolnischen Sta¨dte, wobei wir uns auf die Anlagen der Siedlungszentren beschra¨nken. Der Beitrag versucht, eine Charakteristik der Problematik der kleinpolnischen urbanistischen Lo¨sungen, und damit eine Beschreibung ihrer Typologie sowie der Voraussetzungen der einzelnen Typen zu geben. Auf der Grundlage von Kriterien der allgemeinen Komposition la¨sst sich die Typologie der urbanistischen Anlagen in Form einer Tabelle darstellen (Tab. 1). A. Der Straßen-Streifentyp zeichnete sich dadurch aus, dass die urbanistische Anlage einer vom Verlauf des wichtigsten Handelsweges vorgegebenen Hauptrichtung untergeordnet war, die der Anlage einer breiten Straße entsprach. Diese u¨bernahm zugleich die Rolle eines Platzes, der die Handelseinrichtungen gruppierte; in ihrem Umfeld, an ihrem Ende oder in ihrer Nachbarschaft gab es Raum fu¨r die Pfarrkirche. Die Siedlungsgrundstu¨cke wurden auf beiden Seiten dieser Straße abgemessen, im Rahmen von verla¨ngerten Blo¨cken mit einer Front. Dieser Typus erschien in Kleinpolen nur selten, war aber nicht vo¨llig unbekannt. Wenn er auftrat, dann grundsa¨tzlich nur bei relativ fru¨hen Realisierungen aus dem 13. Jahrhundert, die zuweilen im Ergebnis spa¨terer Regulierungen aus dem 14. Jahrhundert verschwanden, zumindest ¨ bertragung Magdeburger Rechts auf fru¨her teilweise im Zusammenhang mit der U lozierte Sta¨dte. Im Ergebnis ist in Kleinpolen – im Gegensatz zu Schlesien, Bo¨hmen, Ma¨hren oder Ungarn – fast keine derartige urbanistische Lo¨sung vollsta¨ndig erhalten geblieben, und die Mehrzahl der wenigen Beispiele ist nur aus mehr oder weniger gut dokumentierten hypothetischen Rekonstruktionen bekannt.22 In ihnen scheinen Einflu¨sse schlesischer Muster aus der ersten Ha¨lfte des 13. Jahrhunderts sichtbar zu ¨ bernahme des ungarisein; in einem Fall haben wir es mit einer offensichtlichen U schen Modells zu tun. Die a¨lteste auf einer Lokation beruhende urbanistische Anlage Kleinpolens ko¨nnte das Krakau der ersten Lokation von um 1220 gewesen sein. Falls diese Anlage u¨berhaupt formiert wurde,23 dann la¨sst sich als ihr Relikt der – an den Plan der
21 Zitiert nach Krystyna Pieradzka, Krako´w w relacjach cudzoziemco´w X–XVII wieku [Krakau in
Berichten von Ausla¨ndern im 10.–17. Jahrhundert], in: Rocznik Krakowski 28 (1937), S. 185–224 hier S. 187. 22 Die Entfernung a¨lterer „Straßen“-Anlagen durch spa¨tere Schachbrettregulierungen erwa¨hnt Sławomir Gawlas, O kształt zjednoczonego kro´lestwa. Niemieckie władztwo terytorialne a geneza społeczno¨ ber die Form des vereinigten Ko¨nigreichs. Deutsche Territorialherrustrojowej odr˛ebno´sci Polski [U schaft und die Genese der gesellschaftlichen und verfassungsma¨ßigen Sonderstellung Polens], Warszawa 1996, S. 88–89, ohne Angabe konkreter Beispiele. 23 Henryk Samsonowicz, Rezension zu Jerzy Wyrozumski, Krako´w do schyłku wieko´w s´ rednich [Krakau bis zum Ende des Mittelalters], in: Przeglad ˛ Historyczny 84 (1994), S. 109–110 hat die Frage gestellt: „Mussten die Ga¨ste aus dem 12.–13. Jahrhundert einen abgetrennten Bereich haben, auf dem sie sich niederlassen konnten? (...) Bedeutete ganz zu Beginn der Kolonisation die Gemeinde nicht
B. Schachbrettanlagen
A. Straßen-/Streifenanlagen
3. zentralisierend
2. la¨nglich
1. streifenfo¨rmig
Tab. 1: Typologie der urbanistischen Anlagen
3.1.1. ohne Achse 3.1.2. mit einem Paar sich kreuzender Achsen 3.2.1. ohne Achse 3.2.2. mit gekreuzter Achse
3.2. komplex
2.2.1. ohne Achse 2.2.2. mit Achse
2.2. komplex 3.1. einfach
2.1.1. ohne Achse 2.1.2. mit Achse
1.2.1. ohne Achse 1.2.2. mit Achse
1.2. komplex (zumindest fu¨nfstreifig) 2.1. einfach
1.1.1. ohne Achse 1.1.2. mit Achse
2.1. ohne Achse 2.2. mit Achse
2. komplex 1.1. einfach (dreistreifig)
1.1. ohne Achse 1.2. mit Achse
1. einfach
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Abb. 1: Einige Typen urbanistischer Straßen-Streifenanlagen 1 – einfach, 2 – mit Querachse, 3 – komplex
„großen Lokation“ von 1257 angepasste – Zug der Straßen ul. Stolarska und Mały Rynek ansehen. Als Argumente dafu¨r ko¨nnen der Bezug zum System der Kirchen, der Pfarrkirche St. Marien und der den Dominikanern u¨bergebenen Dreifaltigkeitskirche angefu¨hrt werden. Bei einer solchen Hypothese ha¨tten wir es mit dem Einfluss
eine Gemeinschaft von Menschen, die immer durch das Wohnen an einem abgemessenen, klar bezeichneten Ort verbunden waren?“ In diesem Zusammenhang sollte man sich auf die Analysen bei Karol Modzelewski, Organizacja grodowa u progu epoki lokacji [Die Burgorganisation an der Schwelle der Lokationszeit], in: Kwartalnik Historii Kultury Materialnej 28 (1980), S. 329–339, beziehen, fu¨r den die ¨ bernahme des deutschen Rechts – charakteristisch fu¨r die Anfa¨nge der Regiefru¨heste Etappe der U rung Heinrichs des Ba¨rtigen in Schlesien – durch die rechtliche Heraushebung der „Ga¨ste“-Gemeinden markiert war, an deren Spitze Schulzen als Lehensleute des Herzogs standen; es war eine Gemeinde im rechtlichen, aber vermutlich noch nicht im territorialen Sinn.
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der im schlesischen Neumarkt gefundenen Lo¨sung zu tun, die angesichts der Beziehungen Leszeks des Weißen zu Heinrich dem Ba¨rtigen nachvollziehbar erscheint. Eine derartige urbanistische Konstruktion konnte in zahlreichen Variationen auf¨ hnlichkeit zum Zentrum treten. Ihr charakteristisches Merkmal bestand in der A
Abb. 2: Nowy Targ in Kleinpolen vor der ra¨umlichen Regulierung. Plan von 1784 Quelle: Original: Wien, Hofkammerarchiv, Sign. 0.40
eines Lokationsdorfes, was in einigen Fa¨llen aus dem Fehlen einer klaren rechtlichen Unterscheidung zwischen sta¨dtischen und do¨rflichen Siedlungen in der Fru¨hphase der Kolonisation zu deutschem Recht herru¨hren konnte.24 Sławomir Gawlas bezieht die schlesischen Gru¨ndungen dieser Art auf das Neumarkter Recht, das kein Selbstverwaltungsorgan in Gestalt eines Stadtrats vorsah.25 Die Differenzierung der Stra-
24 Vgl. Jacek Wiesiołowski, Sie´c miejska w Wielkopolsce w XIII–XIV wieku. Przestrzen´ i społe-
´ czenstwo [Das Sta¨dtenetz in Großpolen im 13.–14. Jahrhundert. Raum und Gesellschaft], in: Kwartalnik Historii Kultury Materialnej 28 (1980), S. 385–399, hier S. 386. 25 Sławomir Gawlas, Ulica a zmiany krajobrazu miejskiego w okresie lokacji [Die Straße und die Vera¨nderung der sta¨dtischen Landschaft in der Lokationszeit], in: Kwartalnik Historii Kultury Materialnej 47 (1999), 1–2, S. 3–25, hier S. 23.
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ßenpla¨ne a¨ußerte sich nicht allein im Vorhandensein oder Fehlen weiterer Straßen (dies ergab sich aus dem Programm und der Gro¨ße der Stadt), sondern auch in den allgemeinen Konstruktionsgrundsa¨tzen. In einfachster Form ist diese Anlage auf drei Streifen beschra¨nkt (Tabelle: A.1.1.), von denen der mittlere Streifen als Platz angelegt und die seitlichen als Blo¨cke mit den
a
d
b
e f
c
A
Abb. 3: Wojnicz, Analyse der urbanistischen Anlage Elemente der Lokationsplanung der Stadt (drei Streifen mit je 3 × 36 „Krakauer“ Ellen a` 0,586 m): a, c – Randstreifen mit Siedlungsparzellen, b – Straßen-Platz. Elemente der Planung von Zamo´sc´ , der Lokationsvorstadt: d, f – Randstreifen mit Siedlungsparzellen (a` 3 × 36 Ellen), e – Mittelstreifen (1,5 × 36 Ellen); 1 – Umwallung der Lokationsstadt, 2 – vorlokationszeitlicher Burgwall, 3 – Flussbo¨schung, 4 – erhaltene Elemente, welche die Rekonstruktion besta¨tigen, 5 – theoretische Linien der Vermessung der Streifenanlage; A – Pfarrkirche Quelle: Rekonstruktion des Autors, Zeichnung M. Goras
Siedlungsgrundstu¨cken. Eine einfache Straßendisposition ko¨nnte die a¨lteste urbanistische Anlage von Nowy Targ in Kleinpolen besessen haben, die nach 1254 und vor 1327 abgemessen wurde; sie mag, wie aus archivalischen stadtplanerischen Quellen aus der Zeit vor der Regulierung in den 1780er Jahren hervorzugehen scheint, ihren Niederschlag in der Schachbrettanlage der Lokation von 1336 gefunden zu haben. Dieser Typ wird – wie es scheint – auch in der urbanistischen Anlage von Muszyna repra¨sentiert, die eine Kirche am Ende des Straßenplatzes im Bereich des mittleren Streifens besaß. Zur Zeit der Lokation der Stadt (nach 1356, als ein Vogt erwa¨hnt
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wurde, und vor 1364, als die Stadt als Nova Civitas bezeichnet wurde)26 musste diese Lo¨sung bereits sehr archaisch gewesen sein. Daher kann man die Hypothese wagen, dass diese Anlage das Ergebnis einer fru¨heren Lokation war, die mo¨glicher¨ bergangs von Muszyna in den Besitz des Krakauer Bischofs Paweł weise infolge des U von Przemanko´w im Jahre 1288 durchgefu¨hrt wurde. Lokationsanlagen mit einem Zentrum in Gestalt einer Allmende-Wiese (u¨blicherweise mit einem Teich oder Wasserlauf), senkrecht dazu stehenden Siedlungsgrundstu¨cken und Wirtschaftswegen auf ¨ hnlichkeit mit urbanistischen Straderen Ru¨ckseite standen trotz ihrer formalen A ßenanlagen im Zusammenhang mit der do¨rflichen Kolonisation. Eine solche Komposition weisen Hunderte von Lokationsdo¨rfern in Kleinpolen auf, die seit der zweiten Ha¨lfte des 13. Jahrhunderts und besonders ha¨ufig im 14. Jahrhundert, in der Zeit Kasimirs des Großen, gegru¨ndet wurden. In der direkten Umgebung Krakaus wurde eine Reihe solcher Anlagen nach der „großen Lokation“ vermessen. Als Beispiele lassen sich die bis heute erkennbaren do¨rflichen Raumanlagen in Bawo´ł (Lokation um 1276, im Jahre 1340 an Kazimierz angeschlossen), Bronowice Wielkie (1274), Bronowice Małe (1294)27 und Olszanica anfu¨hren. Selbst die einfachste dreistreifige Anlage konnte u¨ber eine akzentuierte Querachse, z. B. in Gestalt einer Straße (eines Wegs) verfu¨gen (Tabelle: A.1.2.). Das besterhaltene Relikt dieser Form von urbanistischer Anlage scheint Wojnicz zu sein, wo die Lokation (zu Neumarkter Recht?) vor 1278, mo¨glicherweise 1277 stattfand, als die Vorstadt von Wojnicz, Zamo´scie, Neumarkter Recht und Raumordnung erhielt.28 Wie archa¨ologische Forschungen ergeben haben, war die Stadt von einem Wall umgeben, der an die erheblich a¨lteren Wallanlagen der Kastellaneiburg angrenzte.29 Damit lassen sich hypothetisch die modularen Grundlagen der Vermessung dieser unkomplizierten fru¨hen urbanistischen Anlage beschreiben. Eine Variante mit zentral gelegener Pfarrkirche im Bereich der Straße (Tabelle: A.1.2.1.) trat sehr ha¨ufig im 13. Jahrhundert und mitunter auch zu Beginn des 14. Jahrhunderts auf, sowohl in sta¨dtischen als auch in do¨rflichen Anlagen, in Ungarn und in Ma¨hren, seltener in Bo¨hmen.30 Charakteristisch war mitunter eine mit einem Wasserlauf (Mu¨hlgraben) 26 Kazimierz Dziwik, Sadecczyzna ´ ´ deł i ´ XIII wieku) w s´ wietle zro ˛ wczesno´sredniowieczna (do konca
dotychczasowego stanu badan´ [Das Sandezer Land im fru¨hen Mittelalter (bis zum Ende des 13. Jahrhunderts) im Lichte der Quellen und des bisherigen Forschungsstandes], in: Rocznik Sadecki ˛ 3 (1957), S. 317–346,; Kodeks dyplomatyczny Katedry Krakowskiej [Urkundenbuch des Krakauer Doms], hg. v. Franciszek Piekosinski, ´ Warszawa 1965, Bd. 1, Nr. 325. 27 Zbigniew Beiersdorf/Mikołaj Kornecki/Bogusław Krasnowolski, Bronowice Małe jako przykład badawczej i konserwatorskiej problematyki wsi podkrakowskiej [Bronowice Małe als Beispiel fu¨r die Forschungs- und Konservationsproblematik eines Dorfs in der Na¨he von Krakau], in: Teka Komisji Urbanistyki i Architektury 17 (1983), S. 211–218; Artikel Bawo´ł, Bronowice Małe, Bronowice Wielkie, Olszanica, in: Encyklopedia Krakowa [Krakauer Enzyklopa¨die], hg. v. Antoni Henryk Stachowski, Warszawa/Krako´w 2000, S. 50, 85–86, 699–700. 28 Zbigniew Perzanowski, Wojnicz w s´ redniowieczu [Wojnicz im Mittelalter], in: Zeszyty Wojnickie 3 (1993), 2, S. 1–4. 29 Andrzej Cetera/Jerzy Okonski, ´ Historia i stan badan´ archeologicznych na terenie gminy Wojnicz [Geschichte und Stand der archa¨ologischen Untersuchungen auf dem Gebiet der Gemeinde Wojnicz], in: Zeszyty Wojnickie 4 (1995), 1, S. 1–5; 2, S. 1–5; 3, S. 1–5, hier S. 5, Abb. 4b. 30 Als Beispiele lassen sich die urbanistischen Anlagen von Lokationssta¨dten in der Slowakei anfu¨hren ¨ hnliche (Lewocza, Bardio´w, Slovenska Lupˇca, Podoliniec, Preszo´w, Sabino´w, Spiska Nowa Wie´s). A
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A
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m Abb. 4: (Stary) Sacz, ˛ urspru¨ngliche urbanistische Anlage A – Pfarrkirche St. Margarethe und Elisabeth; B – Klarissenkloster, C – Franziskanerkloster mit Stanislauskirche, D – Teich, der den Mu¨hlgraben speist, m – Mu¨hlgraben Quelle: Rekonstruktion Zbigniew Beiersdorf und Autor
ra¨umliche Ordnungen und ein a¨hnliches Verha¨ltnis zwischen dem Platz und der Kirche zeichnen auch die Pfarrdo¨rfer in der Zips aus, darunter die in den heutigen Grenzen Polens liegenden (Frydman, ˇ Urbanizmus stredovekˇeho mesta na Slovensku Krempachy, Niedzica, Nowa Biała); vgl. Tibor Zalcik, [Die Urbanita¨t der mittelalterlichen Stadt in der Slowakei], Bratislava 1973; Bogusław Krasnowolski, Z badan´ nad kompozycja˛ wiejskich, lokacyjnych układo´w osadniczych na granicy Podhala i Spisza [Forschungen zur Komposition do¨rflicher, lokationszeitlicher Siedlungsanlagen an der Grenze zwischen Podhale und Zips] (Sprawozdania z Posiedzen´ Komisji PAN, I–VI [1996]), Krako´w 1997; Adrienne Ko¨rmendy, Kształtowanie si˛e organizacji parafialnej na Spiszu w XIII wieku a rozwo´j społecz-
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F E
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m Abb. 5: Sacz ˛ urbanistische Anlage nach Schachbrettregulierung A – Pfarrkirche, B – Klarissenkloster, C – Franziskanerkloster, D – Markplatz, E – vermutliche Lage der Vogtei, F – Teich, der den Mu¨hlgraben speist, G – Mu¨hle beim sta¨dtischen Abhang, m – Mu¨hlgraben Quelle: Rekonstruktion Zbigniew Beiersdorf und Autor
verbundene Querachse.31 Als vereinzeltes Beispiel fu¨r aus Ungarn kommende Einflu¨sse dieses Musters im Krakauer Land kann man dem von Beiersdorf glaubwu¨rdig no-gospodarczy regionu [Die Herausbildung der Pfarrbezirksorganisation in der Zips im 13. Jahrhundert und die sozioo¨konomische Entwicklung der Region], in: Kwartalnik Historyczny 103 (1986), 2, ˇ ˇ Mˇesta a mˇesteˇcka v Cechach, S. 377–398; Karel Kuca, na Moravˇe a v Slezku [Sta¨dte und Keinsta¨dte in Bo¨hmen, Ma¨hren und Schlesien], Bd. 1 Praha 1996, S. 690–693, 725–729, 737–738, 759–761; T. 2: Praha 1997, S. 188–191, 204–209, 492–495; Bd. 3, Praha 1998, S. 264–267. 31 In Ma¨hren zeichnet eine solche Fu¨hrung des Mu¨hlgrabens z. B. die Lokationspla¨ne der Do¨rfer (und ˇ Mˇesta (wie Anm. 30), T. 3, S. 400–405; T. 4, spa¨teren Sta¨dtchen) Letovice und Morkovice aus; Kuca,
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rekonstruierten a¨ltesten Plan von Sacz ˛ ansehen,32 das zwischen 1267 und 1273 auf Anregung der Herzogin Kinga loziert worden ist. Die ungarischen Einflu¨sse erkla¨ren sich hier aus dem politischen Kontext: Die ungarische Fu¨rstin u¨bte die Herrschaft im Land Sacz ˛ kraft Verleihung ihres Ehemanns, Bolesławs des Schamhaften aus. Diese Anregungen beeinflussten nicht nur das Patrozinium der Pfarrkirche (die hl. Margarethe war die Schwester, die hl. Elisabeth die Tante Kingas), sondern auch ihre Lokalisierung in der Mitte eines deutlich verla¨ngerten Platzes, der – gema¨ß dem Zipser Modell einer deutschrechtlichen Lokationssiedlung – das Zentrum der Siedlung bildete. Ein weiteres wichtiges Element der Planung bildete der Mu¨hlgraben, der die urbanistische Anlage rechtwinklig durchschnitt. Das im Jahre 1280 durch Kinga gegru¨ndete Klarissenkloster33 befand sich in angrenzender Stellung zur Lokationsanlage und wies vermutlich auch Verteidigungsqualita¨ten auf (Sicherung der Stadt von der Seite des Poprad-Tals). Die urbanistische Lo¨sung als Straßenanlage blieb vermutlich bis zur na¨chsten Lokation nach Magde¨ btissin der Klarisburger Recht bestehen, welches der Stadt 1357 durch Konstanze, A sen von Stary Sacz, ˛ verliehen und im folgenden Jahr durch ihren ko¨niglichen Bruder, Kasimir den Großen, besta¨tigt wurde. Im Ergebnis dieses Aktes kam es wahrscheinlich zu einer Schachbrett-Regulierung, durch die Sacz ˛ einen urbanistischen Grundriss erhielt, der mit dem Charakter der damaligen kleinpolnischen Lo¨sungen u¨bereinstimmte. Eine solche Regulierung bildete in Mitteleuropa keine Seltenheit. Eine analoge Umgestaltung einer spindelfo¨rmigen urbanistischen Anlage aus der zweiten Ha¨lfte des 13. Jahrhunderts (mit zentral gelegener Kirche) in eine Schachbrettanlage, bei der die urspru¨ngliche Lage des Gotteshauses beibehalten wurde, die nicht von der Regulierung erfasste Ha¨lfte der Spindel hingegen zur Vorstadt wurde – erfolgte im bo¨hmischen Ko¨nigstadtl.34 Bei den ho¨her entwickelten Lo¨sungen in Schlesien (das klassische Beispiel ist Neumarkt) konnte der Straßen-Streifenplan in komplexerer Form auftreten, mit zur Hauptachse (sekunda¨r angelegten?) parallelen Straßen, die a¨hnlich wie diese eine Bebauung in Siedlungsparzellen aufnahmen (Tabelle: A.2.) Rechtwinklig zur Hauptachse konnten kleine Gassen als Verbindungspfade verlaufen, die keine Bebauung oder einen der Handelstrakte trugen (wenn die Stadt an einer Wegekreuzung loziert wurde). Eine solche urbanistische Lo¨sung mochte auch der erste geometrische Plan des Krakauer Oko´ł dargestellt haben, der vermutlich in Verbindung mit der Einbeziehung dieses Gebiets in die Stadt Krakau zwischen 1312 und 1321 vermessen wurde. In diesem Fall ging es allerdings nicht um eine eigensta¨ndige sta¨dtische Gemeinde, Praha 2000, S. 157–161; in Bo¨hmen u. a. das Sta¨dtchen Ostrov; zu den spa¨testen Scho¨pfungen dieses ˇ Typs wu¨rde das Sta¨dtchen Dolnı´ Bukowsko za¨hlen, welches erst im Jahre 1323 gegru¨ndet wurde; Kuca ebd. T. 1, S. 688–693. 32 Zbigniew Beiersdorf/Bogusław Krasnowolski, Stary Sacz, ˛ zarys historii rozwoju przestrzennego [Alt Sandez, Abriss der Geschichte der ra¨umlichen Entwicklung], Krako´w 1985. 33 Vgl. Zbigniew Beiersdorf/Bogusław Krasnowolski, Architektura ko´scioła i klasztoru Sio´str Klarysek w Starym Saczu ˛ [Die Architektur der Kirche und des Klosters der Klarissenschwestern in Alt Sandez], in: Currenda Nr. 5–8, Tarno´w 1981. 34 Kuca, ˇ Mˇesta (wie Anm. 30), Bd. 3, S. 830–835.
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sondern um eine strategisch motivierte Erweiterung Krakaus (eine Verbindung der Stadt mit der Wawelburg). Bezeichnenderweise bestand die Adaption von lokationszeitlichen do¨rflichen Siedlungszentren bei einer spa¨teren Stadtlokation (Sławko´w, im 16. Jahrhundert Zakliczyn) nicht in einer Funktionsa¨nderung des verla¨ngerten Dorfplatzes im Bereich des Krakau - Okl
Rekonstruktion der Anlage I
Tor vor 1257 Markt Tor vor der ÒNova CivitasÓ
Tor nach 1257
Tor bis Ende 13.Jh. Burg Konrads um 1246
Schlesien
Abb. 6: Die a¨lteste urbanistische Anlage des Krakauer Oko´ł nach Waldemar Niewalda ´ Die fru¨heren, hier hervorgehobenen Befestigungen (Wall, Graben – Verlauf nach Kazimierz Radwanski) wurden vermutlich im Zusammenhang mit der Vermessung der Anlage planiert
Angers, sondern in einer schachbrettartigen Raumregulierung. Darin zeigt sich ein in Kleinpolen zumindest seit dem 14. Jahrhundert anzutreffendes gedankliches Stereotyp: eine Stadt muss einen rechteckigen Markt besitzen, sein Fehlen ist charakteristisch fu¨r ein Dorf (vgl. unten die Charakteristik der Schachbrettpla¨ne). Aus demselben Grund konnte sich die a¨lteste urbanistische Anlage in Sacz ˛ nicht lange halten. Die Seltenheit urbanistischer Straßenanlagen in Kleinpolen und ihre Na¨he zu do¨rflichen Lokationsanlagen spiegelten sich anscheinend bereits in Texten aus dem 13. Jahrhundert u¨ber diese Stadt mit ihrer in jener Zeit untypischen Raumordnung: Im Jahre 1283 war die Rede von der Verleihung der villam Sandecz, que civitas vulgariter nuncupatur,35 an die Klarissen, im Jahre 1298 hingegen vom oppidum seu locum forensem dictum Sandec.36 35 Kodeks dyplomatyczny Małopolski [Kleinpolnisches Urkundenbuch], Bd. 1: 1178–1386, hg. v. Fran-
ciszek Piekosinski, ´ Krako´w 1876, Nr. 102. 36 Ebd., Bd. 2, Krako´w 1886, Nr. 526.
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B. Ein schachbrettartiger Plan im Zentrum einer Lokationsstadt trat in zahlreichen Varianten auf, die grundsa¨tzlich mit dem Programm der Stadt verbunden waren: als „Programm fu¨r die Organisation des gesellschaftlichen und beruflichen Lebens.“37 Die entschiedene Dominanz Krakaus u¨ber die anderen Sta¨dte Kleinpolens, die ohne Parallele in den benachbarten La¨ndern und Regionen (Schlesien, Bo¨hmen,
Abb. 7: Typen urbanistischer Anlagen links: Schachbrett-Streifenanlagen (1 – einfach, 2 – mit Querachse, 3 – komplex) Mitte: La¨ngliche Schachbrettanlagen (1 – „windmu¨hlenartig“, 2 – neunfeldrig, 3 – mit Querachse) rechts: Zentrale Schachbrettanlagen (1–2 – neunfeldrig, 3–4 – mit gekreuzten Achsen: einfach/komplex)
Ungarn, Großpolen) war, dru¨ckte sich auf urbanistischer Ebene in der Einzigartigkeit des Plans der Großen Lokation Krakaus von 1257 aus (vgl. Abb. 2 im Beitrag Wyrozumski, S. 273).38 Alle anderen Varianten von Schachbrettanlagen in Kleinpolen waren erheblich bescheidener. Nur manche Sta¨dte erhielten hier urbanistische Pla¨ne mit ausgepra¨gten a¨sthetischen Ambitionen, wie sie sich im Streben nach Symmetrie und in einer kreuzfo¨rmigen Anlage ausdru¨ckten.39 In wenigen Orten traten konsequent eingesetzte Unterschiede bei der Gestaltung solcher Elemente wie Straßen (mit 37 Samsonowicz, Kultura miejska (wie Anm. 11), S. 772. 38 Vgl. die Analyse des urbanistischen Plans von Krakau aus der Großen Lokation bei Bogusław Kras-
nowolski, Rynek Gło´wny w Krakowie: kompozycja i funkcja na tle regularnych układo´w urbanistycznych s´ redniowiecznej Europy [Der Hauptmarkt in Krakau: Komposition und Funktion vor dem Hintergrund regula¨rer urbanistischer Anlagen im mittelalterlichen Europa], in: Krzysztofory. Zeszyty Naukowe Muzeum Historycznego Miasta Krakowa 30 (2010) [im Druck]. 39 Vgl. Wojciech Kalinowski, Krzyzowe ˙ układy miast polskich i ich s´ redniowieczna geneza [Die Kreuzanlagen polnischer Sta¨dte und ihre mittelalterliche Genese], in: Studia i Materiały do Teorii i Historii Architektury i Urbanistyki 9 (1971), S. 73–85.
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in Abha¨ngigkeit von ihrer Bedeutung unterschiedlicher Breite) und Parzellen (mit ihrem sozialen Prestige entsprechenden differenzierten Abmessungen) auf. Der Schachbrett-Typ (in der Literatur auch Block-Schachbrett-Typ genannt) zeichnete sich durch einen quadratischen oder rechteckigen Marktplatz im Zentrum aus, wo sowohl die Handelsbebauung als auch der Sitz des Stadtrats – das Rathaus – angesiedelt waren. An allen vier Seiten des Marktplatzes, in den ho¨her entwickelten Typen auch in den Straßen, befanden sich rechteckige, in Parzellen eingeteilte Baublo¨cke. Die sich aus dem sta¨dtebaulichen Programm ergebende Differenzierung der Schachbrettpla¨ne, die erheblich weiter ging als bei den Straßenanlagen, spiegelte sich in der Zahl und Differenzierung der einzelnen Bewirtschaftungselemente: der Pla¨tze (neben dem Marktplatz konnte auch ein Hilfsplatz auftreten), der Straßen (in der einfachsten Ausfu¨hrung knu¨pften sie nur – und nicht immer genau – an die Ecken des Marktplatzes an, in komplexeren konnten sie auch die Mitte der Marktseiten akzentuierende Achsen und Straßenzu¨ge ohne Verbindung zum Marktplatz bilden) und ihre Kategorien (in erweiterten Anlagen zeichnete sich eine vielstufige Einteilung ab), schließlich der Ha¨userblo¨cke, ihrer Lage und Konstruktion sowie der Kirchen. Sławomir Gawlas hat diese Art von schlesischen Lo¨sungen, deren a¨lteste im urbanistischen Plan Breslaus aus dem Jahr 1241/42 gesehen werden kann, in eine Verbindung mit dem Funktionieren des Magdeburger Rechts gestellt, das einen Stadtrat vorsah. In Kleinpolen fa¨llt ebenso wie in Großpolen, aber im Gegensatz zu den u¨brigen Nachbarterritorien die entschiedene Dominanz der Schachbrettanlagen ins Auge. Im Ergebnis unterschied sich die kleinpolnische Lokationsstadt deutlich vom Lokationsdorf: und dies nicht so sehr in symbolischer, politischer, ideeller oder milita¨rischer Hinsicht40 (diese Faktoren lassen sich nur in wenigen großen Sta¨dten Kleinpolens deutlich beobachten), sondern vor allem im Konstruktionsplan des urbanistischen Zentrums. Die Schachbrettkonstruktion mit rechteckigem Marktplatz als dem zentralen Mittelpunkt unterschied sich in seinen programmatischen Grundlagen deutlich von den do¨rflichen Lokationsanlagen mit verla¨ngertem, platzartigem Anger. Durch die typologische Trennung der sta¨dtischen und do¨rflichen Anlagen unterschied sich Kleinpolen von den fru¨hen Lokationspla¨nen der schlesischen Siedlungen (der ersten Ha¨lfte des 13. Jahrhunderts), von zahlreichen bo¨hmischen und ma¨hrischen Sta¨dten des 13. Jahrhundert, aber auch von den zu Beginn des 14. Jahrhunderts formierten ungarischen Siedlungen, wo das allgemein angewandte Platz-(Straßen-)Schema die Unterschiede zwischen Stadt und Dorf vo¨llig verwischte. So entstand ein Paradox. Kleine, ho¨lzerne kleinpolnische Sta¨dte, die sich in der Praxis in wirtschaftlicher Hinsicht nicht wesentlich von Do¨rfern unterschieden, setzten sich von jenen hauptsa¨chlich durch das im Plan festgeschriebene funktionale Programm ab; die reicheren schlesischen und ungarischen Sta¨dte, die in ihren urbanistischen Pla¨nen an Do¨rfer erinnerten, unterschieden sich von jenen mit ihrer beeindruckenden, gemauerten Bebauung gerade in funktioneller und wirtschaftlicher Hinsicht. In Kleinpolen zeigte der urbanistische Plan, a¨hnlich wie in anderen Regionen Polens außer Schlesien, wie Henryk Samsonowicz treffend bemerkt hat, ha¨ufiger lediglich „die
40 Auf diese Faktoren verweist u. a. Samsonowicz, Kultura miejska (wie Anm. 11), S. 772.
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Bestrebungen und beschra¨nkten Mo¨glichkeiten zur Gestaltung des Raums“ durch den Menschen als die vollsta¨ndige Umsetzung seines Willens.41 Die Dominanz des Schachbrett-Typus u¨ber den Straßentypus ergab sich in Kleinpolen aus der Verspa¨tung der Urbanisierungsprozesse. La¨sst man die wenigen Versuche aus der ersten Ha¨lfte des 13. Jahrhunderts außer Acht (welche nicht zur Vermessung urbanistischer Anlagen gefu¨hrt haben mussten), so entfallen die a¨ltesten kleinpolnischen Realisierungen auf die zweite Ha¨lfte des 13. Jahrhunderts und somit auf einen Zeitraum, in dem in Schlesien bereits Schachbrettanlagen existierten und zugleich die Bedeutung des Neumarkter Rechts zuru¨ckging. Die entscheidenden Kriterien, nach denen man die unterschiedlichen Typen von Schachbrettlo¨sungen definieren kann, sind folgende: 1. allgemeine Komposition der Anlage (in der Regel unabha¨ngig vom Programm): streifenfo¨rmig (angena¨hert an Straßenlo¨sungen), la¨nglich oder zentral, mit akzentuierter Achse (bei zentralen Anlagen: Achsen) oder ohne; 2. Programm: Lo¨sungen, die nur die Grundelemente (Markt, vier Blo¨cke an den Seiten und vier Eckblo¨cke, Pfarrkirche; noch einfacher die Windmu¨hlendisposition: Marktplatz und vier Blo¨cke) aufweisen bis hin zu komplexeren, in denen z. B. zusa¨tzliche Blo¨cke oder Blockzu¨ge, ein zusa¨tzlicher Platz, eine zweite Kirche, eine Burg einbezogen werden; 3. die aus dem Programm erwachsende Weise der hierarchischen Differenzierung des sta¨dtischen Raums; 4. die Lage der Bebauungsblo¨cke zu Marktplatz und Straßen; die Konstruktion der Blo¨cke; 5. die Lage der Pfarrkirche; 6. die Art der Verbindung des Marktplatzes (und eventuell eines weiteren Platzes) mit den Straßen (dieses Kriterium erscheint – abgesehen von Anlagen, bei denen die Symmetrie stark akzentuiert ist – als nicht so entscheidend, weil die Lage der Straßenmu¨ndung im Verha¨ltnis zur Ecke des Marktplatzes vom Verha¨ltnis zwischen der La¨nge der Marktseite und dem Vielfachen der Breite des am Markt gelegenen Siedlungsgrundstu¨cks abha¨ngt); 7. die Differenzierung der Straßen. Die solchermaßen analysierte Typologie der Schachbrettanlagen betrifft grundsa¨tzlich ihre zweidimensionale Skala, also eher die programmatischen Vorgaben zur Zeit der Lokation als deren Realisierung, die mit der Einfu¨hrung der Bebauung in den Bereich des Plans verbunden ist, und daher eine dreidimensionale Analyse erfordert. Solche Analysen mu¨ssen sich angesichts des Mangels an Quellen oder ihrer nicht hinreichenden Zahl notwendigerweise auf die Nachlokationsperiode, vor allem das 15. und 16. Jahrhundert konzentrieren. Die einzelnen nach den oben erwa¨hnten Kriterien differenzierten Typen der schachbrettfo¨rmigen Siedlungszentren erfordern eine eingehendere Charakteristik.
41 Ebd.
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Der Schachbrett-Streifengrundriss (Tabelle: B.1.; Abb. 7, links) kann als Zwischenform zwischen den Straßen-Streifenpla¨nen und den Schachbrettpla¨nen gelten. Seine Affinita¨t zu den Straßenpla¨nen besteht in einer a¨hnlichen Struktur der Streifen, also in der offensichtlichen Dominanz einer Richtung (in der Regel verbunden mit der Orientierung des Hauptweges) u¨ber die andere und in der deutlichen Verla¨ngerung des Plans; die Differenz hingegen darin, dass im Schachbrett-Streifenplan ein rechteckiger (seltener quadratischer) Marktplatz hervorgehoben und das Straßennetz sta¨rker ausgebaut war. Unter den vom Marktplatz abgehenden Straßen stechen in der Regel zwei, mit seinen Ecken (und den Seiten) verbundene Paare heraus, welche sowohl der Einteilung in Streifen als auch der dominierenden Richtung entsprechen. Solche Pla¨ne waren in Kleinpolen fu¨r viele fru¨he Lokationen (vor dem Ende des 13. Jahrhunderts) charakteristisch, im darauffolgenden Jahrhundert traten sie seltener auf, vor allem im Su¨dosten des Krakauer Landes, wo Biecz als lokales Vorbild gedient haben mag. Im Unterschied zur Straßen-Streifen-Anlage trat im Schachbrett-Streifen-Schema eine Differenzierung des sta¨dtischen Raums auf. Diese beschra¨nkte sich im Grunde auf zwei Kategorien (abgesehen von den Vorsta¨dten): a) Grundstu¨cke in den Blo¨cken am Markt (zweifellos prestigetra¨chtiger, in der Neuzeit verbunden mit einer Bogengang-Bebauung, die aus der Tradition des mittelalterlichen Vorschwellens erwuchs) und b) die Grundstu¨cke an den Transitstraßen, die vom Markplatz abgingen; in Abha¨ngigkeit von der Gestalt des Terrains und der Tendenz, die genannten Straßenpaare am Ende der Anlage (oder jenseits davon) zusammenlaufen zu lassen, wiesen diese Grundstu¨cke mitunter eine geringere als die modulare Tiefe auf. Der Schachbrett-Streifentyp wies deutliche Differenzierungen auf. Als eines der Kriterien kann die Zahl der Streifen angesehen werden (drei in den einfachsten Ausfu¨hrungen, mindestens fu¨nf in den komplexeren), als ein anderes – die Anwesenheit oder das Fehlen einer Querachse (Straße), die den Markt durchschneidet; weitere Kriterien sind die Konstruktion der Blo¨cke und die Lage der Kirche. Einen dreistreifigen Schachbrettplan (Tabelle: B.1.1.1.) ohne Querachse erhielt Biecz. Diese verha¨ltnisma¨ßig fru¨he urbanistische Anlage kann man hypothetisch als Ergebnis einer Lokation betrachten, die bereits in der Zeit Bolesławs des Schamhaften durchgefu¨hrt wurde.42 Sie erstreckte sich nicht nur in der Line der Kommunikationswege, sondern auch parallel zum Flusslauf, und wies im Zentrum einen Marktplatz auf, der im Einklang mit der allgemeinen Disposition des Plans gestreckt war. Weitere Elemente waren Blo¨cke, die hinter den direkt am Markt (zur Straße hin und somit vermutlich doppelfrontig) gelegenen Blo¨cken lagen sowie Randlagen mit der Pfarrkirche im Westen und der (sekunda¨r lokalisierten?) Burg im Osten. Man kann lediglich vermuten, dass der schwer zu beschreibende Plan von Bochnia aus dem Jahre 1253 eine a¨hnliche Komposition auf gewiesen haben mag. Darauf wu¨rde die entschiedene Dominanz der a¨quatorialen Ausrichtung des im o¨stlichen, auf einer Anho¨he gelegenen Teils der Stadt hindeuten, der mit der damaligen
42 Kiryk, Rozwo´j (wie Anm. 7), S. 33f.
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1
Abb. 8: Biecz, urbanistische Lokationsanlage Vermessung in Schnur und Fuß (1 Schnur = 150 „Krakauer“ Fuß a` 0,293 m); Vermessung in west-o¨stlicher Linie: 1 – Kirchgela¨nde (4 Schnu¨re), 2 – westlicher Block (1 Schnur), 3 – Gasse hinter dem Block am Markt (6 Fuß), 4 – westlicher Block am Markt (1 Schnur zusammen mit der erwa¨hnten Gasse), 5 – Ga¨sschen (6 Fuß), 6 – Marktplatz in west-o¨stlicher Linie (2,5 Schnu¨re), 7 – Ga¨sschen (6 Fuß), 8 – Gasse hinter dem Block am Markt (6 Fuß), 9 – o¨stlicher Block am Markt (1 Schnur zusammen mit der erwa¨hnten Gasse), 10 – o¨stlicher Block (1 Schnur); Vermessung in nord-su¨dlicher Linie: a,b – Nordstreifen mit Bebauungsblo¨cken (1 Schnur, darin die Gasse an der Mauer 6 Fuß), c–c” – Mittelstreifen mit dem Marktplatz (1 und 2/3 Schnu¨re, darin zwei Straßen und acht Grundstu¨cksparzellen mit einer Breite von je 25 Fuß), d, e – Su¨dstreifen mit Bebauungsblo¨cken (1 Schnur, darin die Gasse an der Mauer 6 Fuß); Planungselemente nach J. Bogdanowski: A – Verteidigungswall (Ende 13. Jh.) nahe der Pfarrkirche, A’ – Verteidigungswall, B – su¨dlicher Teil des Friedhofs bei der Kirche, der bis an die heutige Kirche heranreicht, C – Verteidigungsmauer (13./14. Jahrhundert), errichtet an Stelle des Walls A’, D – Verteidigungsmauer (a¨lteste Fragmente aus dem 13./14. Jahrhundert?); andere Elemente: E – Pfarrkirche, F – Block in der Mitte des Marktplatzes Quelle: Rekonstruktion des Autors auf der Grundlage der Untersuchungen von Jan Barut (Registrierung der Keller) und Janusz Bogdanowski (Verteidigungslinien)
Lokation in Verbindung gebracht wird,43 sowie die zentrale Lage des heutigen obe¨ berbleibsel des Lokationsmarktplatzes interpretiert wird. ren Marktplatzes, der als U 43 Vgl. Mieczysław Ksia˛zek, ˙ Charakterystyka układu przestrzennego Wieliczki i Bochni oraz wpływ
go´rnictwa solnego na ich rozwo´j przestrzenny w wiekach s´ rednich [Charakteristik der ra¨umlichen Anlage Wieliczkas und Bochnias sowie der Einfluss des Salzbergbaus auf ihre ra¨umliche Entwicklung im Mittelalter], in: Studia i Materiały do Dziejo´w Nauki Polskiej. Seria D (1958), 1, S. 165–184; Maria Borowiejska-Birkenmajerowa, Bochnia, studium historyczno-urbanistyczne [Bochnia, historisch-urbanistische Untersuchung], Maschinenschrift, Pracownie Konserwacji Zabytko´w, War-
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Abb. 9: Wieliczka, urbanistische Lokationsanlage mit spa¨teren Elementen Verteidigungslinie, Ausbau des Schlosses Quelle: Rekonstruktion Zbigniew Beiersdorf und Autor
Die Pfarrkirche (bis heute in unvera¨nderter Lage) ha¨tte sich hinter dem unmittelbar am Markt gelegenen Block, am Rande der Anlage und am Ende des Mittelstreifens
szawa 1958; Zbigniew Beiersdorf/Bogusław Krasnowolski, Bochnia, studium historyczno-urbanistyczne [Bochnia, historisch-urbanistische Untersuchung], Maschinenschrift, Pracownie Konserwacji Zabytko´w Krako´w 1983–1984.
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befunden. Ihr Gegenstu¨ck auf der Westseite wa¨re ein an einem Abhang gelegenes, mit der Verteidigungslinie verbundenes Grundstu¨ck mit einer unbestimmten urspru¨nglichen Funktion gewesen, auf dem im 14. Jahrhundert das Bergwerksspital errichtet wurde. Dies ist aber nur eine Arbeitshypothese, eine theoretische Mo¨glichkeit. Der urbanistische Plan der damaligen Lokationsstadt wurde bislang nicht u¨berzeugend rekonstruiert, was auf unzureichende archa¨ologische Untersuchungen zuru¨ckzufu¨hren ist. Fu¨r die Hypothese der Verlagerung des Lokationszentrums der Stadt nach Osten spricht die Bezeichnung des heutigen (unteren) Marktplatzes im 15. Jahrhundert als „neuer“ Markt.44 Eine dreistreifige Anlage hat sich in einer weiteren Salinenstadt erhalten, im 1290 lozierten Wieliczka, das die erweiterten Funktionen einer Bergwerksstadt mit den Komplexen des Salinenschlosses, der Kirche und dem Hof des Bergmeisters am Nordrand der Anlage u¨bernahm. Bei der Ausgestaltung der Details (Blocktypen) zeigte sich hier sehr deutlich die Anknu¨pfung an den anders konstruierten Plan der Großen Lokation Krakaus. Bezu¨ge zum Lokationsplan von Biecz lassen sich in den urbanistischen Lokati˙ onsanlagen von Sta¨dten auf dem Gebiet der Kastellanei Biecz finden : Zmigro ´ d Nowy (vor 1325–1327; und Bobowa (vor 1339), mit anderer Lage der Kirchen (an der Ecke der Anlage). In diesen beiden Sta¨dten lokalisierte man, a¨hnlich wie in Biecz, ein verla¨ngertes Siedlungszentrum, parallel zum Flusslauf, oberhalb des Abhangs zur Bucht ˙ mit Verteidigungsqualita¨t. In Zmigro ´ d mochte die Rolle der mit dem sta¨dtischen Verteidigungssystem verbundenen Burg die vermutete vorlokationszeitliche kleine Burg gespielt haben,45 wa¨hrend auf der anderen Seite der Anlage der Geba¨udekomplex der Dominikaner lag. In Tarno´w (1330) kann man den Mittelteil der dreistreifig-schachbrettfo¨rmigen Anlage als neunfeldrig interpretieren. Am Nordostrand des Krakauer ˙ Landes scheint das zwischen 1323 und 1340 lozierte Zarnowiec eine schachbrettfo¨rmig-dreistreifige Disposition besessen zu haben, wobei die dort anzutreffende urbanistische Lo¨sung eher fu¨r ein fru¨hes Datum spricht. Ein schachbrettfo¨rmig-dreistreifiger Plan mit akzentuierter Querachse (Tabelle: B.1.1.2.) erschien schon fru¨h, vielleicht bereits um 1268, in der Zisterzienserstadt Jasło. Die stark in die La¨nge gezogene Anlage la¨sst sich ebenso als Anknu¨pfung an das ebenfalls von Zisterziensern gegru¨ndete Koprzywnica wie an das nahe gelegene Biecz interpretieren. Als sekunda¨r getilgte Querachse, welche den Markplatz mittig mit den Seitenproportionen 2:1 durchschnitt, kann man eine Straße ansehen, deren ¨ berreste sich in einem Weg auf der Su¨dseite der Anlage erhalten haben mo¨gen (und U der auf archivalischen Pla¨nen deutlich erkennbar ist).46 44 Kiryk, Lokacje miejskie nieudane (wie Anm. 19), S. 376; Zbigniew Wojas, Najstarsza zachowana
ksi˛ega ławnicza miasta Bochni [Das a¨lteste erhaltene Scho¨ffenbuch der Stadt Bochnia], in: Rocznik ´ Bochenski 2 (1994), S. 55–64, hier S. 60. ˙ ˙ 45 Rafał Wnorowski, Nowy Zmigro ´ d. Studium historyczno-urbanistyczne [Nowy Zmigro ´ d. Historisch-urbanistische Untersuchung], Maschinenschrift, Pracownie Konserwacji Zabytko´w Rzeszo´w 1981. 46 Rekonstruktion von Barbara Bosak/Antoni Bosak, Jasło. Studium historyczno-urbanistyczne centralnej cz˛es´ ci miasta [Jasło. Urbanistische Untersuchung des zentralen Teils der Stadt], Maschinenschrift, 1997–1998, Urzad ˛ Miasta w Ja´sle.
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Ein weniger ausgepra¨gter Plan dieser Art erscheint in Czcho´w (1335), wo man den zentralen Teil der urbanistischen Anlage zugleich als schachbrettfo¨rmig-neunfeldrig ansehen kann, mit der Kirche an der Ecke des Marktplatzes. Es ist nicht auszuschließen, dass wir es hier mit der Adaption eines a¨lteren Dorfangers zu tun haben
Abb. 10: Jasło, urbanistische Lokationsanlage modulares Netz in Schnu¨ren (1 Schnur = 150 Krakauer Fuß a` 0,293 m?) Quelle: Rekonstruktion Antoni Bosak
(Lokation nach Neumarkter Recht, durchgefu¨hrt durch die Benediktiner aus Tyniec, gestu¨tzt auf ein allgemeines Privileg Leszeks des Schwarzen von 1288?47). Auf eine Querachse scheint eine bis heute vorhandene Straße zu verweisen, die die Su¨dostseite des Marktes durchschneidet und mit einem lokalen Weg verbunden ist. Beispielhaft fu¨r einen elaborierten schachbrettfo¨rmig-vielstreifigen Plan (Tabelle: B.1.2.) ist die urbanistische Anlage von Nowy Sacz ˛ (1292). Hier treten fu¨nf Streifen in Erscheinung, wobei im Bereich des mittleren Streifens ein rechteckiger, im Einklang mit der Komposition der Anlage verla¨ngerter Markt mit den Proportionen 4:3 angelegt wurde. An den Seiten befinden sich die vermutlich mit Bedacht in die Verteidigungslinie eingebundenen sakralen Komplexe: die Pfarrkirche und die Franziskanerkirche. Die Burg am Ende der Anlage erinnert an die Urbanistik von Biecz;
47 Zbigniiew Beiersdorf/Bogusław Krasnowolski, Czcho´w, studium historyczno-urbanistyczne
[Czcho´w. Historisch-urbanistische Untersuchung], Maschinenschrift, Pracownie Konserwacji Zabytko´w Krako´w 1980.
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ein grundlegender Unterschied in Nowy Sacz ˛ liegt jedoch in der betonten Asymmetrie der Lo¨sung. Die Querachse wurde nicht vollsta¨ndig konsequent durch Gassen akzentuiert, die (asymmetrisch) die la¨ngeren Seiten des Markplatzes durchschneiden. An die Urbanistik von Nowy Sacz ˛ – aber auch an die a¨ltere Straßen-Streifenanlage – scheint die urbanistische Regulierung von Stary Sacz ˛ (s. Abb. 5) anzuknu¨pfen, die in die Jahre 1357–1358 datiert wird.48 Der la¨nglich-schachbrettfo¨rmige Typus (Tabelle: B.2.; Abb. 7, Mitte) ist dem schachbrett-streifenfo¨rmigen verwandt, unterscheidet sich von diesem jedoch durch das Fehlen einer sichtlichen Dominanz der einen Straßenausrichtung u¨ber die andere, also das Fehlen von Streifen. Damit a¨hnelt er der schachbrettfo¨rmig-zentralen Anlage. In seinem (wenn auch nicht geometrischen, so doch ideellen) Zentrum liegt ein rechteckiger Marktplatz, dessen Ausrichtung in der Regel nicht mit dem Verlauf ¨ hnlich wie die andeder wichtigsten Kommunikationsader in Verbindung steht. A ren Lo¨sungen weist auch dieser Typus eine beachtliche Differenzierung auf. Die einfachsten Anlagen (z. B. neunfeldrige oder windmu¨hlenartige) beschra¨nken sich auf den Markplatz und die ihn umgebenden Bebauungsblo¨cke sowie die Kirche; in komplexen Anlagen wa¨chst die Zahl der Blo¨cke und nicht selten auch der anderen Programmelemente (Kirchen, Pla¨tze). Ein wesentliches Unterscheidungskriterium ist auch die Anwesenheit bzw. das Fehlen einer Querachse. Eine einfache, neunfeldrige Anlage mit dem Marktplatz im Zentrum ohne Querachse (Tabelle: B.2.1.1.) repra¨sentiert eine Reihe kleiner Sta¨dte, bei denen das Siedlungszentrum etwas mehr als 10 bis 50 Quadratschnu¨re misst. Dazu geho¨ren My´sle˙ nice (um oder nach 1342); Brzesko (das alte Brzezek; um oder nach 1344)49, D˛ebowiec 50 (vor 1349) , Chrzano´w (um die Mitte des 14. Jahrhunderts), Lanckorona (1366)51 ¨ berbleibsel eines Ga¨sschens, das die Su¨dsowie wohl auch Tucho´w (1340), wo das U seite des Marktes durchschneidet und etwas gegen die Symmetrieachse verschoben ist, auf einem Katasterplan erkennbar ist. Auf diese Weise gilt es auch die Anlage von Ja´sliska (1366) zu interpretieren, bei der Unregelma¨ßigkeiten aus einer im Verlauf der Lokationsplanung erfolgten Korrektur des Schnurnetzes, andere aus der gegenu¨ber der Lokationsanlage sekunda¨r vera¨nderten Lage der Kirche und des Verteidigungsrings resultierten. Trotz spa¨terer Vera¨nderungen sollte man so auch die urbanistische Anlage von Dukla (um 1380–1402) deuten, wo der erhaltene, sehr regelma¨ßige Marktplatz in den Proportionen 3:2 auf eine nicht weniger regula¨re Gesamtkomposition zu verweisen scheint. Unter den stark vera¨nderten und daher nur schwerlich pra¨zise zu rekonstruierenden Anlagen sollte man vermutlich Osiek (1363–1365) und Grzybo´w (1340) zu diesem
48 Beiersdorf/Krasnowolski, Stary Sacz ˛ (wie Anm. 32). 49 Wenn man die beiden randsta¨ndigen Blockreihen – von Norden und Su¨den – als Gartengrundstu¨cke
und nicht als Siedlungsparzellen annimmt.
50 Die Lage der Pfarrkirche hinter dem Block am Markt, auf der Achse der la¨nglichen Anlage, ko¨nnte an
eine dreistreifige Anlage erinnern, diese Disposition ist jedoch das Ergebnis der fru¨heren Errichtung der Kirche (im Zusammenhang mit der Lokation eines a¨lteren Dorfes). 51 Ohne Beru¨cksichtigung des Kirchenkomplexes und der mit seiner Lage verbundenen Parzellenreihe – als vermutlich aus einer a¨lteren Dorflokationsanlage u¨bernommene Elemente.
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Abb. 11: Nowy Sacz, ˛ urbanistische Lokationsanlage Vermessung in „kleinen“ Schnu¨ren = 125 Fuß, 1 Fuß = 0,314 m; 1, 2, 4, 5 – Streifen mit Parzellen (a` 1 1/2 Schu¨re), 3 – Streifen mit Marktplatz (3 Schnu¨re); a – Reihe mit der Straße „an der Mauer“ (1/2 Schnur), b, d – Reihen mit Bo¨cken am Markt (a` 1 1/2 Schnu¨re), c – Reihe mit Marktplatz (4 Schnu¨re), e, f – Reihen mit Bebauungsblo¨cken (a` 2 Schnu¨re), g – Schlossgela¨nde (3 Schnu¨re); A – Pfarrkirche, B – Klosterkomplex der Klarissen-Franziskaner, Region des bischo¨flichen Hofs Quelle: Rekonstruktion Zbigniew Beiersdorf und Autor; Verlauf der Verteidigungsmauer nach Jarosław Widawski
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Abb. 12: My´slenice, urbanistische Lokationsanlage 1 – Schnurnetz; Absta¨nde jede halbe Schnur (1 Schnur = 150 Fuß a` ca. 0,315–0,32 m), 2 – Korrektur des Netzes, 3 – erhaltene oder erkennbare modulare Einteilungen der Parzellen; 4 – Lage der Bebauung (mit dunkleren Flecken wurde die mit modularen Parzellen verbundene Bebauung gekennzeichnet), 5 – Ru¨ckraum der Siedlungsparzellen, 6 – Grenzen des Siedlungszentrums (hypothetische Verteidigungsline), 7 – Wege; Grenzen der Dienstgrundstu¨cke: 8 – des Pfarrers, 9 – des Vogtes, 10 – Stadta¨cker Quelle: Rekonstruktion Autor, Zeichnung M. Goras
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Typus rechnen, wenn man eine sekunda¨re Zersto¨rung des o¨stlichen, am Markt gelegenen Blocks durch den Starosteikomplex annimmt. In diesem letzten Fall wa¨re die Anlage durch eine Reihe von Osten her verla¨ngert worden, welche die Pfarrkirche an der Nordecke und vermutlich den Vogtei- (spa¨ter Starostei-)Komplex im Su¨den aufgenommen ha¨tte.
Abb. 13: Kro´scienko, Katasterplan von 1846 ´ Quelle: Archiwum Panstwowe w Krakowie
Eine einfache Windmu¨hlenanlage (mit Marktplatz im Zentrum und nur vier Blo¨cken, die ein wenig neben den Ecken des Marktes liegen) ist, wie aus archivalischen stadtplanerischen Materialien hervorgeht, in zwei im Jahre 1348 lozierten Karpatensta¨dtchen vertreten: in Kro´scienko und Piwniczna. Einfache Anlagen mit Querachse (Tabelle: B.2.1.2) erscheinen in fast identischer Form in Skała 1267) und Olkusz, womo¨glich einer Lokation aus der Zeit Bolesławs des Schamhaften. Beide Sta¨dte repra¨sentieren mit ihrer genauen Symmetrie, Achsenhaftigkeit und Geometrisierung, die jegliche Zufallseinflu¨sse ausschließen, bewusste urbanistische Kompositionen von hoher a¨sthetischer Qualita¨t. Die urbanistische
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Anlage von Olkusz geho¨rt zu den herausragendsten Werken der mittelalterlichen Urbanistik in Kleinpolen.52 Dem zentral gelegenen rechteckigen Marktplatz entspricht der rechteckige Umriss der gesamten Anlage (erhalten durch die Verteidigungslinie). Die Symmetrieachse wurde hier durch ein Straßenpaar akzentuiert, das die la¨ngeren Seiten des
Abb. 14: Olkusz, theoretisches Schema der modularen Lokationsplanung nach Zbigniew Beiersdorf und Janina Zgrzebnicka Modulares Netz in Schnu¨ren (Schnur = 150 Fuß a` 0,30 m)
Marktes durchschneidet. Trotz der vergleichsweise geringen Fla¨che (weniger als 30 Quadratschnu¨re) erhielt das Zentrum von Olkusz ein relativ reichhaltiges Programm, zu dem vermutlich auch eine Burg (an der Stelle des spa¨teren Augustinerklosters?) geho¨rte.53 Unter Beru¨cksichtigung etwas anderer Proportionen und Maße wurde ein fast identisches Schema in Skała realisiert, das von der seligen Salomea, einer Klarissin und Schwester Bolesławs des Schamhaften, im Jahre 1267 aus wilder Wurzel gegru¨ndet wurde. Im Unterschied zu Olkusz, dessen spa¨tere erfolgreiche Entwicklung als Bergstadt die Regelma¨ßigkeit der urspru¨nglichen urbanistischen Konzeption hervorragend „konservierte“, wurde die ra¨umliche Anlage in Skała weitgehend zersto¨rt. Sie la¨sst sich daher nur hypothetisch rekonstruieren, hauptsa¨chlich gestu¨tzt auf 52 Zbigniew Beiersdorf, Olkusz, studium historyczno-urbanistyczne [Olkusz, historisch-urbanisti-
sche Untersuchung], Maschinenschrift, Pracownie Konserwacji Zabytko´w Krako´w 1972.
53 Auf die Mo¨glichkeit einer solchen Lage der Burg verwies Beiersdorf, Olkusz (wie Anm. 52); bislang
haben archa¨ologische Untersuchungen das Problem nicht gekla¨rt.
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¨ berlieferungen (aus den Jahren 1851 und 1875). Mit Olkusz spa¨te sta¨dtebauliche U u¨bereinstimmende Elemente sind die allgemeine Konzeption des Plans mit einem rechteckigen Markt in der Mitte und rechteckigem, durch die Reichweite der einfrontigen Bebauungsblo¨cke definiertem Umriss; die Anwesenheit einer Symmetrieachse in Gestalt von Straßen, die die la¨ngeren Seiten des Marktes durchschneiden; die analoge Lage der Kirche an der Ecke des Marktes und zugleich an der Ecke der ¨ hnlichAnlage. Zugleich weist die urbanistische Anlage von Skała eine erstaunliche A keit mit Krakau auf, die sich nicht allein in den vermutlich identischen Maßen, sondern auch in den identischen Grundstu¨cksfla¨chen a¨ußerte (trotz anderer Ausmaße ergeben 36 × 72 Ellen in Krakau und 24 × 108 Ellen in Skała die gleiche Fla¨che). Dies ko¨nnte das Ergebnis des Wirkens der herzoglichen Geschwister, aber auch desselben Lokators (Dytmar Wołek) und des geringen zeitlichen Abstandes beider Lokationen gewesen sein. Es scheint, als ha¨tte auch Sandomierz im Ergebnis der Lokation von 1286 eine solche urbanistische Anlage erhalten; man muss jedoch einschra¨nken, dass die genaue Rekonstruktion durch sekunda¨re Umgestaltungen erschwert wird. Das wahrscheinlich la¨ngliche Lokationszentrum, mit einem rechteckigen Markt in der Mitte und ihn umgebenden Blo¨cken, wurde vermutlich in ein Rechteck oder eine anna¨hernd rechteckige Form eingeschrieben; seine Reichweite wird anscheinend durch die entdeckten Spuren der a¨ltesten Verteidigungslinie dokumentiert.54 Vermutlich wurde eine Querachse akzentuiert; davon wu¨rde die erhaltene Gasse zeugen, welche die Westseite des Marktes durchschneidet. In dieser Anlage fa¨llt das Fehlen der Pfarrkirche auf, was mo¨glicherweise in Kontrast zu den Pla¨nen Leszeks des Schwarzen steht.55 In den Achsenanlagen, die im Grunde eine Reduktion der Kreuzanlage darstellen, lassen sich bo¨hmische Inspiˇ rationen aus der Zeit Pˇremysl Otakars II. entdecken (Jiˇcı´n, Kolı´n, Caslav, Vysoke´ 56 My´to, Jeviˇcko). Aufgrund spa¨terer Verunstaltungen weniger klar pra¨sentiert sich eine a¨hnliche Anlage im kleinen Jodłowa Go´ra oder Tymbark (1353), mit außergewo¨hnlich tiefen Blo¨cken (Bau- und Gartengrundstu¨cke?) und einer Querachse, die in einem Weg/einer Straße erkennbar ist, der/die die Su¨dseite des Marktes durchbricht. In der unregelma¨ßigen ra¨umlichen Disposition von Kłobuck um 1339–1344) ko¨nnte die Akzentuierung der Querachse das Ergebnis der Adaption einer a¨lteren do¨rflichen Lokationsanlage gewesen sein. Ein Programm mit einer Querachse (Tabelle: B.2.2.2.), das – wie Hinweise auf archivalischen Pla¨nen andeuten – nur um Blockreihen erweitert wurde, die auf zwei ˙ Seiten an den Enden lokalisiert waren, scheinen Ci˛ezkowice (1348) und Opoczno (vor der Mitte des 14. Jahrhunderts) erhalten zu haben. Ein deutlich erweitertes Pro54 Andrzej Buko, Sandomierz wczesnopiastowski [Das fru¨hpiastische Sandomierz], in: Dzieje Sando-
´ mierza, Bd. 1: Sredniowiecze, hg. v. Stanisław Trawkowski, Warszawa 1993, S. 59–87; ders., Poczatki ˛ Sandomierza [Die Anfa¨nge von Sandomierz], Warszawa 1998, S. 86, Abb. 43, S. 124, Abb. 75. 55 Tadeusz Lalik, Lokacja Sandomierza w roku 1286 [Die Lokation von Sandomierz im Jahre 1286], in: Dzieje Sandomierza (wie Anm. 54), S. 99–114. 56 Vgl. Dobroslav Lı´bal, Rozwo´j miast czeskich od XI wieku do rewolucji husyckiej [Die Entwicklung der bo¨hmischen Sta¨dte vom 11. Jahrhundert bis zur hussitischen Revolution], in: Kwartalnik Architektury i Urbanistyki 3 (1958), 3–4, S. 241–268.
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Abb. 15: Sandomierz, urbanistische Lokationsanlage Modulares Netz in 36–Fuß-Einheiten (1 Fuß = 0,293 m): 1, 3 – Streifen mit Bebauungsblo¨cken (je 4 Einheiten), 2 – Streifen mit Marktplatz (8 1/2 Einheiten); a, c – Reihen mit Bebauungsblo¨cken (je 8 Einheiten), b – Reihe mit Marktplatz (11 1/2 Einheiten); Disposition der Vollparzellen (72 × 144 Fuß) und Halbparzellen (72 × 144 Fuß); A – a¨ltere Verteidigungslinie (Graben, nach 1320 Wall, nach Ł. Rejniewicz und M. Florek), B – Verteidigungsmauer nach der Mitte des 14. Jahrhunderts (nach denselben), C – Pfarrkirche (zuvor Burgkirche) (nach M. Florek); D – Spitalkirche, E – an die Dominikaner u¨bergebenes Gela¨nde, Grundriss der Kirche nach M. Florek, F – Stiftskirche St. Marien, G – Rathaus nach M. Florek, H – Burg nach M. Florek Quelle: Rekonstruktion Autor
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Augustinerkloster mit Katharinenkirche
2
Bischofshof
Pfarrkirche Corpus Christi
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Bischofsgrund
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Vieh-
Markt
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markt
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Abb. 16: Kazimierz bei Krakau, theoretisches Schema der modularen Lokationsplanung Einteilung in Schnu¨ren (Schnur = 150 Fuß; Fuß = 0,314 m) Quelle: Rekonstruktion: Autor
gramm mit einer Querachse erhielt Kazimierz (1335) bei Krakau; die Verschiebung der Achse resultierte wie in Olkusz vermutlich aus der ungeraden Anzahl der Grundstu¨cke auf beiden Marktseiten. Wie reich der Plan von Kazimierz war, belegen der zusa¨tzliche Platz (Rynek Bydl˛ecy), die beiden monumentalen gotischen Sakralbauten (Pfarr- und Klosterkirche) und die differenzierte (vierstufige!) Abstufung der Straßen. Das fu¨r diesen Plan charakteristische Fehlen von Symmetrie, das sich sowohl in der Komposition des Zentrums (einer gebrochenen Achse und einer an Windmu¨hlenanlagen angena¨herten Disposition) als auch in der Gesamtheit der Anlage ausdru¨ckte, war typisch fu¨r Realisierungen großen Ausmaßes.
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Meter Schnur
Abb. 17: Gorlice, urbanistische Lokationsanlage Vermessung in Anlehnung an die Schnur zu 150 Fuß a` ca. 0,30 m. Modulares Netz aus neun Quadraten mit Seitenla¨ngen von 2 Schnu¨ren
Die Tendenz zur Schaffung einer symmetrischen Anlage mit Akzentuierung einer Achse, die den Marktplatz ha¨lftig durchschnitt, la¨sst sich auch in Schlesien (Brieg, Oels, Mu¨nsterberg, Frankenstein,) und in Großpolen (Kalisz57) beobachten. In Bo¨h-
57 Gawlas, O kształt (wie Anm. 22), S. 142, Anm. 394. Die heutige urbanistische Anlage von Kalisz
˙ gestaltete sich erst im 14. Jahrhundert; Maria Zemigała, Datowanie planu Kalisza w s´ wietle
Muster urbanistischer Anlagen von Lokationssta¨dten in Kleinpolen
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men bildet das in der Zeit Wenzels II. lozierte Pilsen (um 1295) ein hervorragendes Beispiel. Zentralisierende Schachbrettanlagen (Tabelle B.3.; Abb. 7, rechts) weisen eine a¨hnliche Vielgestaltigkeit auf; von den oben erwa¨hnten unterschieden sie sich, indem sie die Grundformen (vor allem des Marktplatzes, mitunter auch des Umrisses) zum Quadrat zusammenzogen. In den einfachsten Beispielen trat eine neunfeldrige oder eine Windmu¨hlenkomposition auf, in den komplexesten wurden sich auf dem Markt kreuzende Straßen-Achsen akzentuiert. In den einfachsten Anlagen (Tabelle: B.3.1.) traten im Prinzip die beiden erwa¨hnten Varianten auf. Die neunfeldrige Variante (mit dem Marktplatz, vier Blo¨cken an den Seiten und vier Eckblo¨cken, von denen einer durch den Pfarrkirchenkomplex eingenommen werden konnte; Tabelle: B.3.1.1.) wird nur durch wenige Beispiele repra¨sentiert. Vermutlich als Netz von neun Quadraten zu interpretieren sind – wenn man sekunda¨re Deformationen ausschließt – die urbanistischen Lokationsanlagen von Gorlice (Mitte 14. Jahrhundert) und Pierzchnica (1359–1370).58 Bei letzterem mag die Lage der Kirche außerhalb der regelma¨ßigen Quadratanlage auf die Adaption einer a¨lteren do¨rflichen Lokationsanlage zuru¨ckgegangen sein. Eine Variante mit quadratischem Markplatz, aber rechteckigen Blo¨cken an seinen Seiten ist in zahlreichen Sta¨dten anzutreffen. In Lipnica Murowana (1326 ) wurde diese Anlage vermutlich infolge der Bewirtschaftung der zwischen ihr und der Verteidigungsmauer gelegenen Grundstu¨cke erweitert; dort befand sich auch die Pfarrkirche (in Verbindung mit einer fru¨heren Dorflokation). Zu einer Erweiterung der Anlage zwischen dem regula¨r abgemessenen Zentrum und der an ein Oval angena¨herten Verteidigungslinie kam es auch in Lelo´w (Lokation in der Zeit 1341–1343); in der Reihe auf der Nordseite befanden sich zwe i Sakralkomplexe: der franziskanische und der pfarrkirchliche. In Pilzno (1354) erkla¨ren sich die Unregelma¨ßigkeiten der Anlage vermutlich daraus, dass die Anlage auf einen a¨lteren Lokationsanger „aufgelegt“ wurde. In Słomniki um 1350–1358) kann man die außergewo¨hnlich großen Maße des Marktplatzes (3 × 3 Schnu¨re) mit der Lage der Stadt an der Salzstraße in Verbindung bringen. Ein anderes Beispiel ist B˛edzin (1358). Die Blockreihen außerhalb der neunfeldrigen Anlage mo¨gen hier etwas spa¨ter abgemessen worden sein, vermutlich im Zusammenhang mit dem Befestigungsbau, die untypische Lage der Kirche erga¨be sich aus ihrer fru¨heren Genese. Komplexere Anlagen mit einem reichhaltigeren Programm (Tabelle: B.3.2.) operieren mit mehreren Reihen von Blo¨cken um den Marktplatz herum; ein zusa¨tzliches Element stellen in den pra¨chtigsten Realisierungen sich kreuzende Achsen dar. Die Anlage ohne akzentuierte Achsen, mit Blo¨cken in zwei Reihen (Tabelle: B.3.2.1.), fand ihren vollsta¨ndigsten und vermutlich auch fru¨hesten Ausdruck im urbanistischen Plan des bischo¨flichen Sławko´w 3. Viertel 13. Jahrhundert?). Dabei handelte es najnowszych badan´ archeologicznych [Die Datierung des Plans von Kalisz im Lichte neuester archa¨ologischer Untersuchungen], in: Kwartalnik Architektury i Urbanistyki 28 (1993), 2, S. 119–124. 58 Anna Berdecka, Lokacje i zagospodarowanie miast kro´lewskich w Małopolsce za Kazimierza Wielkiego (1333–1370) [Lokationen und Bewirtschaftung der ko¨niglichen Sta¨dte in Kleinpolen unter Kasimir dem Großen (1333–1370)], Wrocław 1982, S. 167 und Abb. 47, 48.
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Ma§ zu 0,45 m Meter
Abb. 18: Lipnica Murowana, urbanistische Lokationsanlage Ein Quadrat im modularen Netz entspricht einer Einheit = 72 × 0,45 m bzw. 3 × 36 Fuß a` 0,30 m Quelle: Rekonstruktion nach W. Niewalda mit Korrekturen durch Autor, Zeichnung nach M. Goras
sich zugleich um eine Variante des neunfeldrigen Plans, mit neun modularen Quadraten, von denen der Marktplatz das mittlere bildete, die u¨brigen hingegen in rechteckige Blo¨cke geteilt und in zwei Reihen angeordnet waren. Die in dieser Anlage fehlende Verbindung mit der Kirche wu¨rde sich aus ihrer fru¨heren Genese erkla¨ren; die
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gewisse Verformung der Blo¨cke zwischen Markt und Kirche scheint aus der Adaption eines do¨rflichen Lokationsangers herzuru¨hren. Eine a¨hnliche Komposition aus neun identischen Quadraten, von denen das mittlere den Marktplatz bildet, zeigt der erheblich spa¨tere Plan von U´scie Solne (um oder vor 1360). Anscheinend waren
Abb. 19: Wolbrom, theoretisches Schema der modularen Lokationsplanung Teilung in Fuß = 0,30 m Angesichts von sekunda¨ren Umbauten (vor allem an den Ra¨ndern der Anlage) stellt diese Rekonstruktion nur eine Hypothese dar. Quelle: Rekonstruktion Autor, Zeichnung M. Goras
auch hier die Quadrate jenseits des Marktplatzes in zwei Reihen rechteckiger Blo¨cke aufgeteilt, wie man bis heute auf der Nordseite erkennen kann. Das Ga¨sschen, ¨ berbleibsel einer das die Su¨dseite des Marktes durchschneidet, mag entweder ein U Kreuzteilung sein oder lediglich aus der Lage der Kirche im Ru¨ckraum des Su¨dquadrats resultieren. Aufmerksamkeit erregen die außergewo¨hnlich großen Abmessungen des Marktplatzes (3 × 3 Schnu¨re), die sich vermutlich auf die Funktion der Stadt als Stu¨tzpunkt an der Salzstraße zuru¨ckfu¨hren lassen. Einen a¨hnlich großen Marktplatz erhielten – wie erwa¨hnt – das ebenfalls an der Salzstraße gelegene Słomniki, dessen urbanistische Anlage als Reduktion des in U´scie angewendeten Musters erscheint (Fehlen der zweiten Blockreihe). Diese formalen und funktionalen Analogien, die nahe beieinander liegenden Lokationsdaten beider Sta¨dte, ihr analoger Besitzstatus und die – wie es scheint – identischen Maße bei der Ausfu¨hrung beider urbanistischer Anlagen sprechen wohl fu¨r eine vergleichbare Genese beider Lokationen im Rahmen
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der ko¨niglichen Salzpolitik. In Bo¨hmen bietet Neutitschein ein Beispiel fu¨r eine a¨hnliche Lo¨sung. Eine etwas ‚verstu¨mmelte‘ Form der zentralisierenden Anlage mit zwei Blockreihen scheint Wolbrom (1327–1348) zu repra¨sentieren, bei dem auf der Ostseite nur eine einzelne Reihe ausgefu¨hrt wurde. Eine Anlage mit akzentuierten Achsen, die als Kreuz den quadratischen Marktplatz durchschneiden, und mit im Prinzip zwei Blockreihen (Tabelle: B.3.2.2.), wird am vollsta¨ndigsten und beeindruckendsten im Plan der Großen Lokation Krakaus (1257) abgebildet, bereichert noch durch die Anwesenheit des unterstu¨tzenden Kleinen Marktes. Ausmaß und Programm dieser monumentalen Anlage haben nirgends eine Wiederholung gefunden, lediglich einzelne Elemente wurden andernorts ebenfalls angewandt: der Hilfsmarktplatz (in Kazimierz), die Komposition von vielfrontigen quadratischen Blo¨cken (in Wieliczka), die Anlage von sich kreuzenden Achsen (in Skawina?), die Fla¨che des „Kuriengrundstu¨cks“ (in Skała). Unter den deutlich bescheideneren Umsetzungen zieht die urbanistische Anlage in Skawina (1364) Aufmerksamkeit auf sich. Ihre sorgfa¨ltige Komposition, die trotz sekunda¨rer Verunstaltungen immer noch erkennbar ist, hat eher zentralisierenden als zentralen Charakter und scheint an das zuvor in Sławko´w angewandte Modell anzuknu¨pfen. Ein fast quadratischer Markt in streng zentraler Lage wurde mit zwei Reihen rechteckiger Blo¨cke umgeben, das Ganze hingegen wurde in ein fast quadratisches Rechteck eingeschrieben. Das Straßensystem am Stadtrand scheint fu¨r die Hypothese zu sprechen, dass man hier eine Kreuzdisposition zweier Achsen eingefu¨hrt hat, die die Marktseiten durchschneiden. Schachbrett-Kreuzanlagen repra¨sentieren in der bo¨hmischma¨hrischen Urbanistik des 13. Jahrhunderts u. a. Novy´ Bydzˇov (um 1290), Litovel und Moravska´ Tˇrebova´. C . Eine absolute Ausnahme in der kleinpolnischen Urbanistik stellen Kreuzanlagen dar. Eine solche begegnet in der ju¨ngeren urbanistischen Anlage des Krakauer Oko´ł. Die Inspiration fu¨r diese (vermutlich in Verbindung mit dem Lokationsprivileg Kasimirs des Großen fu¨r die Neustadt von 1335 entstandene59) Planung ist schwer zu bestimmen. Sie entha¨lt eher ideelle als funktionale Aussagen. Die seltenen, von Tadeusz Zagrodzki mit der ro¨mischen Tradition des cardo und decumanus in Verbindung gebrachten60 Kreuzanlagen besitzen wenige Entsprechungen; so in der Umgebung von Florenz in Castelfranco di Sotto, Castelfranco di Sopra, Terranuova; auch in Citadella bei Padua; in Deutschland in den urbanistischen Anlagen von Dresden von ca. 1300, Rottweil, Villingen und Kenzingen. Zwischen den einzelnen Typen von lokationszeitlichen urbanistischen Lo¨sungen und der Chronologie der Besiedlungsprozesse lassen sich charakteristische Abha¨ngigkeiten feststellen. Lo¨sungen nach dem Straßen-Streifen-Schema, wie sie in Schle-
59 Jerzy Wyrozumski, Krako´w do schyłku wieko´w s´ rednich [Krakau bis zum Ausgang des Mittelalters],
Krako´w 1992, S. 259–264. 60 Tadeusz Zagrodzki, Regularny plan miasta s´ redniowiecznego a limitacja miernicza [Der regula¨re Plan
der mittelalterlichen Stadt und die messtechnische Limitierung], Warszawa 1962, S. 90.
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sien fu¨r die Lokationen aus der ersten Ha¨lfte des 13. Jahrhunderts eigentu¨mlich waren und in Ungarn bis zu Beginn des 14. Jahrhunderts angetroffen wurden, sind in Kleinpolen vermutlich deswegen selten, weil die Lokationen nach deutschem Recht hier zu einer Zeit einsetzten, als dieses Modell in Schlesien allma¨hlich bereits u¨berholt war
Krakau - Okl
Rekonstruktion der Anlage II
Markt Burgtor nach 1311
Seitentor
Schlesien
Abb. 20: Der Krakauer Oko´ł, Rekonstruktion der vermuteten urbanistischen Anlage Nova Civitas nach Waldemar Niewalda
und Schachbrettlo¨sungen Einfluss erlangten. Anknu¨pfend an die Hypothese von Sławomir Gawlas ko¨nnte man diese Dominanz der Schachbrettanlagen u¨ber die Straßentypen mit der Verbreitung nicht nur einer vollkommeneren urbanistischen Kreation (vielleicht unter dem Einfluss des urbanistischen Plans von Breslau aus der zweiten Lokation vom Jahreswechsel 1241/1242), sondern auch eines ho¨her entwickelten Rechtssystems ansehen, das sich direkt auf das Magdeburger Recht stu¨tzte und einen Stadtrat beru¨cksichtigte. Doch la¨sst sich in Kleinpolen – im Gegensatz zu Schlesien – kein Zusammenhang zwischen dem Neumarkter Recht und der Straßen-Streifenform feststellen. Ganz im Gegenteil, die nach Neumarkter Recht lozierten Sta¨dte Miecho´w (1290), Skała und Lipnica Murowana erhielten (a¨hnlich wie das nach fra¨nkischem Recht gegru¨ndete Wieliczka) Schachbrettpla¨ne. Wenn wir davon ausgehen, dass der urbanistische Plan von Muszyna mit der Lokation von vor 1358 in Verbindung stand, wa¨re anzunehmen, dass Straßenlo¨sungen in Kleinpolen von Fall zu Fall noch in der Mitte des 14. Jahrhunderts angewandt wurden. Mo¨glicherweise ist dies auf den Einfluss des nahe gelegenen Ungarn zuru¨ckzufu¨hren, vielleicht haben wir es
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aber auch mit den Auswirkungen einer nicht dokumentierten a¨lteren Lokation (auf Initiative des Krakauer Bischofs unmittelbar nach 1288?) zu tun.61 Die Zusammenstellung der Anlagen aus den Siedlungslokationen der Zeit Boleslaws des Schamhaften in Kleinpolen belegt die Unterschiede in der Planung der Siedlungszentren von Sta¨dten und Do¨rfern; die Lokation von (Stary) Sacz ˛ aus der Zeit zwischen 1267 und 1273 bildet hier eine vo¨llige Ausnahme, die sich aus der Genese der Stadt erkla¨rt: die hl. Kinga war na¨mlich eine ungarische Prinzessin. In den Sta¨dten u¨berwog eindeutig der Schachbrett-Typ, in den Do¨rfern operierte man mit einem Anger, einem kurzen bei einer Flureinteilung der Felder, einem langen bei Waldhufendo¨rfern. Dieser grundlegende planerische Unterschied wurde bis hin zu den neuzeitlichen Gru¨ndungen des 16. und 17. Jahrhunderts beibehalten. Bereits in der zweiten Ha¨lfte des 13. Jahrhunderts, insbesondere in der Zeit Bolesławs des Schamhaften, aber auch unter der Regierung Leszeks des Schwarzen, Przemysłs II. und Wenzels II. fanden in Kleinpolen eine Reihe verschiedener Typen von Schachbrettanlagen Anwendung, die sich durch reichhaltige Programme und ehrgeizige Kompositionen auszeichneten. Der Zentralplan mit deutlich akzentuierter Kreuzachsenanlage erschien sofort in vollkommener Form in der urbanistischen Anlage der Großen Lokation von Krakau; der Zentralplan auf der Grundlage eines Netzes von neun identischen Quadraten dagegen im bischo¨flichen Sławko´w. Ein la¨nglicher Plan mit genauer symmetrischer und geometrischer Komposition, mit akzentuierten Symmetrieachsen wurde in Skała, Olkusz und vielleicht in Sandomierz angenommen. Ausgefu¨hrt wurden auch Schachbrett-Streifen-Lo¨sungen, wie sie z. B. in Biecz, Jasło, Wieliczka, Nowy Sacz ˛ und mo¨glicherweise in ihrer a¨ltesten Anwendung im Lokationsplan von Bochnia vertreten sind. Die urbanistische Anlage von Wieliczka scheint auf dreistreifige Kompositionen, wie sie in Kleinpolen bekannt sind (Biecz, vielleicht Bochnia), und das Krakauer Vorbild zuru¨ckzugehen, mit dem es durch die komplexe Struktur der Blo¨cke verwandt ist. Einige herausragende Werke der Urbanistik entstanden kurz nach der Wiederbegru¨ndung des Ko¨nigreichs Polen, am Ende der Regierungszeit Władysław Łokieteks und zu Beginn der Herrschaft Kasimirs des Großen. Zu diesen za¨hlt die sorgfa¨ltige, zentralisierende neunfeldrige Komposition des Plans von Lipnica Murowana, besonders aber die Ausfu¨hrungen im Zusammenhang mit der ra¨umlichen Entwicklung des Krakauer Sta¨dtekomplexes in der Zeit Kasimirs des Großen: der reiche sowie in seinem Programm und seiner urbanistischen Struktur differenzierte Plan von Kazimierz und der außergewo¨hnliche Kreuzplan der Neustadt auf dem Oko´ł. In etwas spa¨terer Zeit erschien die aus Sławko´w bekannte Komposition in Skawina und U´scie Solne. Dabei handelte es sich jedoch um Ausnahmeerscheinungen. Mit der wachsenden Zahl von Lokationsanlagen in der Zeit Kasimirs des Großen nahm auch die Zahl von Kleinsta¨dten zu, welche mit den einfachsten Varianten von Schachbrettanla˙ gen operierten. Schachbrett-Streifen-Anlagen wurden auf einfachem Niveau in Zmi-
61 Marian Kornecki, Z dziejo´w sztuki „panstwa ´ ´ muszynskiego“ dawnego dominium biskupo´w kra-
kowskich w Beskidzie Sadeckim ˛ [Aus der Kunstgeschichte des „Staates Muszyna“, des ehemaligen Dominiums der Krakauer Bischo¨fe in den Sandezer Beskiden], in: Teki Krakowskie 3 (1996), S. 25–72.
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˙ gro´d Nowy, Bobowa, Zarnowiec, Tarno´w oder Czcho´w realisiert, in ansprechenderer Form hingegen in Stary Sacz. ˛ Es dominierten einfache neunfeldrige Anlagen, vor allem in la¨nglicher Form (My´slenice, Brzesko, D˛ebowiec, Chrzano´w, Lanckorona, Ja´sliska, Dukla), seltener zentralisierend (Gorlice, Słomniki); auch Windmu¨hlenlo¨sungen fanden Anwendung (Kro´scienko, Piwniczna). Relativ selten akzentu¨ berwiegend ordnete man sich den ierte man, wie es scheint, die Symmetrie (Dukla). U Erfordernissen der Landschaft unter, was Korrekturen in Gestalt von zusa¨tzlichen Netzen (z. B. My´slenice, Lanckorona, Ja´sliska) erforderte. Weit verbreitet waren Sto¨rungen der Komposition durch das ‚aneinander Vorbeilaufen‘ der Ecken des Marktes und der Straßen (vor allem der kleinen Ga¨sschen). Dieses Pha¨nomen zeugt davon, dass funktionalen Erfordernissen (als entscheidend ist die Vermessung einer entsprechenden Anzahl identischer Siedlungsgrundstu¨cke am Markt anzusehen) Vorrang gegenu¨ber der allgemeinen Komposition eingera¨umt wurde. Will man die Stellung Kleinpolens in der mittelalterlichen Urbanisierung Mitteleuropas umfassend beschreiben, muss man die Urbanisierungsprozesse analysieren, die am Ende des 12. Jahrhunderts in den deutschen Landen begannen und sich seit dem 13. Jahrhundert in den Nachbarla¨ndern und -regionen entwickelten: in Schle¨ berlegungen kann sien, Großpolen, Bo¨hmen und Ma¨hren sowie Ungarn. Bei diesen U man grundsa¨tzlich Norddeutschland, Pommern, die La¨nder des Deutschen Ordens und u¨berhaupt des Ostseegebiets beiseite lassen, denn dort wurden weite Gebiete auf der Grundlage anderer rechtlicher und ra¨umlicher Muster als in Kleinpolen integriert. Diese Muster stammten z. B. aus Lu¨beck und verbreiteten sich u¨ber die Hansesta¨dte. Die Lo¨sung des so gestellten Problems sto¨ßt jedoch auf erhebliche Schwierigkeiten. Wie eingangs bereits erwa¨hnt, stehen den weit fortgeschrittenen Studien zur Chronologie der Siedlungsprozesse in den einzelnen La¨ndern und Regionen sowie zu ihren politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Bedingungen nur in geringem Maße vergleichende Untersuchungen urbanistischer Anlagen und der mit ihnen in urspru¨nglicher und nicht sekunda¨rer Gestalt verbundenen Bebauung gegenu¨ber. Demzufolge wurden die Vorbilder der einzelnen urbanistischen Typen von Lokationssta¨dten, ihre Genese, ihre eventuellen Verbindungen mit konkreten Rechtskonzeptionen, ihre Verbreitung und territoriale Reichweite oder Chronologie bislang nicht hinreichend deutlich beschrieben. Der vorliegende, auf Kleinpolen beschra¨nkte Beitrag kann diese betra¨chtliche Lu¨cke nicht schließen, lediglich auf sie aufmerksam machen und jenes weite Feld fu¨r weitere Forschungen aufzeigen, auf dem eine fu¨r die Arbeitsweise des Kunsthistorikers angemessene vergleichende Methode in Verbindung mit Quellenstudien interessante Ergebnisse hervorbringen kann. Die Urbanistik der kleinpolnischen Lokationssta¨dte verdankt Schlesien sicherlich am meisten. Von dort kamen zusammen mit den Lokatoren die rechtlichen und ra¨umlichen Vorbilder. Schlesische Vorbilder hatte vermutlich Leszek der Weiße vor Augen, als er in Kleinpolen die ersten Lokationsinitiativen anstieß, aber auch seine Nachfolger, die von den Versuchen zu systematischem Handeln u¨bergingen: Bolesław der Schamhafte und Leszek der Schwarze. Zusammen mit dem schlesischen Bu¨rgertum, das in der Folge der Stadtlokationen von Schlesien nach Kleinpolen zog, wurden die fru¨hesten Muster sta¨dtischer und bu¨rgerlicher Architektur verpflanzt (in erster
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Linie in das Krakau der Großen Lokation): Markthallen (besonders Tuchhallen), Ratha¨user, Bu¨rgerha¨user, Vogteisitze. Schlesiens fu¨hrende Rolle in der mitteleuropa¨ischen Urbanistik endete im Grunde in der Mitte des 13. Jahrhunderts, auch wenn sich die geschlossenen Komplexe von Lokationssta¨dten und -do¨rfern in der Region bis zum Ende des Jahrhunderts noch weiter verdichteten.62 Als die Bedeutung Schlesiens nachließ wuchs die Rolle des Ko¨nigreichs Bo¨hmen. Wa¨hrend im zweiten Viertel des 13. Jahrhunderts in Bo¨hmen und Ma¨hren schlesische Muster in Gestalt verschiedener Formen von Streifenanlagen eine wichtige Stellung einnahmen, wurden hier in der Mitte und im dritten Viertel des Jahrhunderts, besonders jedoch unter der Regierung Pˇremysl Otakars II., der die Urbanisierung und Kolonisierung seines Landes als eine der wichtigsten Aufgaben seiner Regierung begriff,63 nicht nur a¨ltere Lo¨sungen fortgeschrieben, sondern die wohl herausragendsten Werke der mittelalterlichen Urbanistik hervorgebracht. Das geschah zugleich in großer Zahl und Differenzierung; a¨sthetische Tendenzen zeigten sich darin in der Akzentuierung der Symmetrie (zentrale, neunfeldrige Lo¨sungen wie in Budweis, Klatovy oder dem kleinen Novy´ Jiˇcı´n), mitunter mit herausgehobener Achse (Jevı´cˇ ko, Ostrava) oder einem Paar sich kreuzender Achsen (Litovel, Moravska´ Tˇrebova´, Vysoke´ My´to). Die Fortsetzung und im Grunde der Abschluss der intensiven bo¨hmischen Urbanisierungsprozesse steht im Zusammenhang mit der Regierungszeit Wenzels II. Vermutlich brachten die Neunzigerjahre des 13. Jahrhunderts hier eine so bedeutende Scho¨pfung wie Novy´ Bydzˇov hervor, wo die Perfektion der geometrischen Lo¨sung auf der Basis konzentrischer Quadrate, die durch sie kreuzende Achsen verbunden wurden, die Errungenschaften der fru¨hneuzeitlichen Urbanistik vorwegnahm (und sie zugleich u¨berragte). Weitere Forschungen werden zeigen mu¨ssen, ob Scho¨pfungen dieser Art zusammen mit den herausragendsten schlesischen (das Breslau der Lokation von 1241/1242) und kleinpolnischen (das Krakau der großen Lokation) Realisierungen homogene, miteinander verbundene Pha¨nomene in Mitteleuropa darstellten. Vermutlich war es genau so, denn die Mentalita¨t Bolesławs des Schamhaften, Kingas und Grzymisławas, aber auch der schlesischen Piasten bildete sich in Anlehnung an die gleichen Vorbilder heraus, die auch die Grundlage der hohen Kultur am Hof der Pˇremysliden Wenzels I., Pˇremysl Otakars II. und seiner Gattinnen Margarethe und Kinga sowie Wenzels II. darstellten.64 Eine a¨hnliche Begeisterung fu¨r die Ideen der Franziskaner, eine a¨hnliche Verbindung zwischen fu¨rstlichen Stiftungen von Minoritenklo¨stern und der sta¨dtischen und staatlichen Politik, ein a¨hnliches Streben nach Glorifizierung nationaler Patrone – dies sind neben den familia¨ren und politischen ¨ bereinstimmungen, die zumindest von einer, um mit den Verbindungen nur einige U Worten Erwin Panofskys zu sprechen65, gemeinsamen „geistigen Neigung“ Pˇremysl
62 Vgl. die Zusammenstellung der schlesischen Lokationsdaten bei Jan Drabina, Historia miast s´ laskich ˛
w s´ redniowieczu [Geschichte der schlesischen Sta¨dte im Mittelalter], Krako´w 2000, S. 17–26. 63 Vgl. Jiˇrı´ Kuthan, Pˇremysl Ottokar II. Ko¨nig, Bauherr und Ma¨zen. Ho¨fische Kunst im 13. Jahrhun-
dert, Wien u. a. 1996, S. 39, 57ff., 218–224. 64 Ebd., S. 378–386. 65 Erwin Panofsky, Architektura gotycka i scholastyka [Gotische Architektur und Scholastik], in: ders.,
Studia z historii sztuki, hg. v. Jan Białostocki, Warszawa 1971, S. 39.
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Otakars II. und Bolesławs des Schamhaften sowie ihrer Umgebung zeugen. Natu¨rlich konnte der schwache Herzog von Krakau und Sandomierz an Macht nicht den bo¨h¨ sterreich, Norditalien und Baymischen Ko¨nig erreichen, dessen Einfluss bis nach O ern reichte, der als Kandidat zum Ro¨mischen Ko¨nig in Erwa¨gung gezogen wurde. Die Realisierungen Bolesławs des Schamhaften nehmen sich daher gegenu¨ber den gleichzeitigen bo¨hmischen Unternehmungen gema¨ß den sich aus den politischen und wirtschaftlichen Mo¨glichkeiten des Piasten ergebenden Proportionen dementsprechend bescheiden aus. Doch ihr Geist ist der gleiche, und Bolesławs Krakau der Großen Lokation von 1257 reichte nicht nur an die Realisierungen des erheblich ma¨chtigeren bo¨hmischen Monarchen derselben Epoche heran, sondern u¨bertraf sie noch. Wenzels II. gescheiterter, auf die bo¨hmische Herrschaft gestu¨tzte Versuch, die polnischen Lande zu einigen und das Ko¨nigreich wieder zu begru¨nden, brachte urbanistische und architektonische Realisierungen hervor, die man als unmittelbaren ‚Transfer‘ bo¨hmischer Traditionen begreifen kann. Unter den traditionellen Lo¨sungen ragt Nowy Sacz ˛ mit seiner streifenfo¨rmigen urbanistischen Struktur und dem besonderen Bemu¨hen um die Ausnutzung der natu¨rlichen Verteidigungsqualita¨ten hervor. Bei den Realisierungen von herausragendem a¨sthetischem Ehrgeiz ru¨ckt die Bergstadt Olkusz an die Spitze (soweit sie nicht als das Ergebnis einer Lokation Bolesławs des Schamhaften angesehen werden muss). Indem sie die Symmetrieachse akzentuiert, scheint sie an die genannten bo¨hmischen Vorbilder anzuknu¨pfen (aber auch an die Anlage von Skała aus der Zeit Bolesławs, die aus derselben Zeit stammt, wie jene Vorbilder). Auf bo¨hmische Tradition sind vermutlich die a¨ltesten sta¨dtischen Verteidigungsmauern in Kleinpolen zuru¨ckzufu¨hren. Einen deutlichen Quellenbeleg gibt es dafu¨r nur in Krakau, doch ko¨nnen wir a¨hnliche Realisierungen auch in anderen Sta¨dten vermuten: Nowy Sacz, ˛ Olkusz, vielleicht auch in Biecz und Sławko´w. Mo¨glicherweise entstanden manche gemauerten Burgen aus dieser Tradition (Czcho´w?). Wenn man angesichts der Beziehungen Kleinpolens zu Schlesien sowie – in geringerem Maße – zu Bo¨hmen und Ma¨hren von einem Einfluss dieser La¨nder auf die kleinpolnische Urbanistik und sta¨dtische Architektur des 13. Jahrhunderts sprechen kann, so muss man in den Beziehungen zwischen Kleinpolen und Großpolen gleichzeitige Entwicklungen sehen, die eher ohne gegenseitige Einflu¨sse abliefen. Großpolen geho¨rte na¨mlich ebenso wie Kleinpolen zum schlesischen Einflussgebiet. Die Erforschung der mittelalterlichen Urbanistik Ungarns ist geringer entwickelt als die Bo¨hmens. Anscheinend traten ungarische Einflu¨sse in Kleinpolen nur kursorisch auf. Im Lichte der bisherigen Forschungen mu¨sste man sie auf die urspru¨ngliche urbanistische Gestalt von (Stary) Sacz ˛ im Kontext der Lokation der ungarischen Prinzessin, der hl. Kinga, beschra¨nken. In quantitativer Hinsicht erscheint die kleinpolnische Urbanistik des 13. Jahrhunderts im Vergleich zu Schlesien oder Bo¨hmen, wo gerade in dieser Zeit die Kolonisation zu deutschem Recht ihren Ho¨hepunkt erreichte, außerordentlich bescheiden. Die kleinpolnischen Realisierungen der Zeit Bolesławs des Schamhaften sowie – in geringerem Maße – Leszeks des Schwarzen, Przemysł II. und Wenzels II. standen aber in kompositorischer Hinsicht den urbanistischen Anlagen in den Nachbarla¨ndern nicht nach. Im Gegenteil, gerade zu jener Zeit brachte die kleinpolnische Urbanistik ihre herausragendsten, und zugleich differenziertesten Werke hervor: der monumentale Plan Krakaus der Großen Lokation,
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die Achsenprinzipien in Skała, Olkusz und vermutlich Sandomierz, die neunfeldrige Anlage in Sławko´w, die Streifenkonstruktionen in Biecz und Nowy Sacz, ˛ der originelle Plan von Wieliczka, in dem Streifen- und Schachbrettelemente verbunden wurden. Aufgrund der erheblichen Verspa¨tung Kleinpolens gegenu¨ber der Lokationsurbanisierung Schlesiens bedienten sich die kleinpolnischen Lokationssta¨dte u¨berwiegend bewa¨hrter und bereits ausgereifter Vorbilder. Vo¨llig fremd waren in Kleinpolen irregula¨re urbanistische Anlagen (in Bo¨hmen in erster Line von Prag bekannt, aber auch in Olmu¨tz oder Bru¨nn anzutreffen), bei denen die ersten ra¨umlichen Regulierungen im Zusammenhang mit der Anwendung des deutschen Rechts auf erheblich fru¨here Siedlungsstrukturen aufgelagert wurden. Selbst die Fru¨hform des urbanistischen Plans in Gestalt einer Handelsstraße war in Kleinpolen im Gegensatz nicht nur zu Schlesien, sondern auch zu Bo¨hmen oder Ungarn eine Seltenheit. Auch wenn sie in Lokationssta¨dten des 13. Jahrhunderts erschien, wurde sie in der Regel im darauf folgenden Jahrhundert durch Schachbrett-Regulierungen ersetzt. Im Ergebnis wurden unterschiedliche Schachbrettanlagen mit rechteckigem Marktplatz im (wenn nicht kompositorischen, so doch ideellen) Zentrum und rechteckigen Bebauungsblo¨cken bereits im 13. Jahrhundert (und endgu¨ltig im folgenden Jahrhundert) nicht nur zur dominierenden, sondern zur einzigen Erscheinung in der kleinpolnischen Sta¨dtelandschaft. Vielleicht wirkte hier das herausragende Beispiel Krakaus sowie einiger weiterer Vorbilder mit a¨lteren Entsprechungen sowohl in Schlesien als auch in Bo¨hmen: Sandomierz, Biecz, Nowy Sacz, ˛ Olkusz. Das 14. Jahrhundert brachte einen Einschnitt in der Entwicklung der europa¨ischen Kultur, darunter auch der Sta¨dteentwicklung. Von den verschiedenen politischen und wirtschaftlichen Gru¨nden spielte der in der Jahrhundertmitte grassierende ‚Schwarze Tod‘ eine besondere Rolle. Die krisenhaften Ereignisse fielen in den Nachbarla¨ndern – in Deutschland, Bo¨hmen, Schlesien, Ungarn – mit dem Ende der mittelalterlichen Urbanisierung zusammen. Diese hatte bis zur Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert zusammen mit der zur selben Zeit verlaufenden Dorfkolonisation ein vollsta¨ndiges Netz von Sta¨dten ausdifferenzierter Gro¨ße, Reichweite und Funktion nebst den sie begleitenden Do¨rfern hervorgebracht. Der Schlusspunkt der intensiven mittelalterlichen Urbanisierung am Beginn des 14. Jahrhunderts betraf nicht Kleinpolen. Dort konnte unter dem Patronat der Monarchen die Energie der Lokatoren-Stadtgru¨ndungsspezialisten auf natu¨rliche Weise ein Ventil finden. Schon die Sta¨dtepolitik Wenzels II. richtete sich an der Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert auf das bislang im Ru¨ckstand befindliche Kleinpolen, das im 14. Jahrhundert – neben Großpolen – zum wichtigsten Schauplatz der mitteleuropa¨ischen Siedlungsaktivita¨ten wurde. Mit der dauerhaften Wiederbegru¨ndung des Ko¨nigreichs Polen im Jahre 1320 und der damit verbundenen Stabilisierung begann eine in der fru¨hen Geschichte Polens einzigartige kulturelle Blu¨te, die in der hervorragenden Entwicklung der Architektur und bildenden Kunst scho¨n dokumentiert ist. Zu den wichtigsten Elementen dieser Blu¨te – und zugleich der Sta¨dtepolitik der beiden letzten Piasten auf dem polnischen Thron – za¨hlte das Aufholen des Ru¨ckstandes bei der Stadt- und Dorfkolonisation. Gleichzeitig war es eine Zeit, in der deutlich weniger ‚Bedarf‘ an großen und mittleren Sta¨dten bestand als im 13. Jahrhundert, eine Zeit, in
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der das Gesicht Mitteleuropas immer deutlicher von einem Netz kleiner Sta¨dte mit einfachen, unkomplizierten funktionalen Programmen und Pla¨nen gepra¨gt wurde, in der es keine Ausnahme, sondern die Regel war, dass sich Bu¨rger fu¨r Landwirtschaft interessierten.66 Zu der Zeit als am Ende der Herrschaftszeit Kasimirs des Großen jenes von Hunderten von Hufendo¨rfern erga¨nzte Netz lu¨ckenlos die Fla¨che des Ko¨nigreichs Polen bedeckte, endete hier – 100 Jahre spa¨ter als in Schlesien und Bo¨hmen – der Prozess der melioratio terrae. Abgesehen von Ausnahmeerscheinungen in Gestalt der Krakauer Satelliten (Oko´ł, Kazimierz, Kleparz) stellten die urbanistischen Lo¨sungen in Dutzenden kleinpolnischer Sta¨dte, deren Lokation zwischen der Kro¨nung Władysław Łokieteks und der Herrschaft Ludwigs von Ungarn fiel, unterschiedliche, in der Regel aber einfachste Varianten von neunfeldrigen und dreistreifigen Anlagen dar. Durch ihre Schachbrettkonstruktion unterschieden sie sich deutlich von den gleichzeitig entstehenden do¨rflichen Lokationsanlagen, in denen ein kleines um einen Anger gruppiertes Siedlungszentrum im Grunde, wenn auch bei geringerem Maßstab an den Straßen-Streifen-Typus in der Urbanistik erinnert. Dieser außergewo¨hnlich klare Unterschied zwischen der Lokationsanlage selbst der kleinsten Stadt und der ra¨umlichen Ordnung eines Lokationsdorfes, die sich aus den vorausgesetzten Funktionen dieser Siedlungen ergab und sich in den Lokationsprivilegien spiegelte, war in vielen a¨lteren bo¨hmischen und besonders ungarischen Sta¨dten gar nicht so selbstversta¨ndlich. Dort waren große Gru¨ndungen mit gemauerten Pfarrkirchen inmitten la¨nglicher Pla¨tze sowohl in der Mehrzahl der Sta¨dte als auch der Do¨rfer anzutreffen. Wa¨hrend somit in Kleinpolen (darunter auch im Krakauer Land) der Statuswechsel einer Siedlung vom Dorf zur Stadt immer mit einer ra¨umlichen Regulierung verbunden war, musste dieser Zusammenhang in Bo¨hmen und Ungarn nicht auftreten. Ein Spezifikum des sta¨dtischen Lebens im mittelalterlichen Kleinpolen stellte die konkurrenzlose Dominanz des hauptsta¨dtischen Krakau dar. Diese kam sowohl in der Gro¨ßenordnung der urbanistischen Anlage als auch in der Differenziertheit der von der Stadt ausgefu¨llten Funktionen sowie in der Mannigfaltigkeit der gemauerten Architektur zum Ausdruck, die sich infolge der Lokation herausbildete und die Lokationsanlage in den folgenden Jahrhunderten ausfu¨llte. Diese Dominanz – die sich noch im 15. Jahrhundert im erwa¨hnten Ausspruch des Enea Silvio Piccolomini ausdru¨ckte – besaß in den Nachbarla¨ndern im Grunde kein Gegenstu¨ck. Kleinpolen u¨bernahm die rechtlichen und ra¨umlichen Vorbilder fu¨r die Lokationssta¨dte aus Schlesien; ra¨umliche Vorbilder mit komplexerer Genese (sowohl schlesischer als auch bo¨hmischer Herkunft) wurden vor Ort ha¨ufig modifiziert. Bereits im zweiten Jahrzehnt nach der Großen Lokation Krakaus wurden die kleinpolnischen, wenn auch aus Schlesien stammenden Bu¨rger selbst als Organisatoren weiterer Lokationen im Teilfu¨rstentum aktiv. Bei der Erweiterung des Ko¨nigreichs um das ruthenische Fu¨rstentum Haliˇc-Wolhynien in der Zeit Kasimirs des Großen wurden die kleinpolni66 Vgl. Hartmut Boockmann, Die Stadt im spa¨ten Mittelalter, Mu¨nchen 1986, S. 48. Das Pha¨nomen der
Kleinsta¨dte im spa¨tmittelalterlichen Europa besitzt eine breite Literatur; 90 % der sta¨dtischen Bevo¨lkerung in Deutschland lebte in Sta¨dtchen mit nicht mehr als 2000 Einwohnern; vgl. Evamaria Engel, Die deutsche Stadt des Mittelalters, Mu¨nchen 1993, S. 38.
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schen Erfahrungen bei den Lokationen ruthenischer Sta¨dte genutzt. Von der wirtschaftlichen Bedeutung des Siedlungswerks sprach Władysław von Oppeln im Lokationsprivileg fu¨r Rymano´w: Terram nostram Russiae per civitatum locacionem [...] reformare.67 Die Muster der kleinpolnischen urbanistischen Lokationsanlagen scheinen bis hin zum 1374 lozierten Kamieniec Podolski gewirkt zu haben, dessen Plan – mit einem großangelegten, durch eine Straße in Achsen geteilten Marktplatz von 3 × 3 Schnu¨ren Ausmaß – zu den vollkommensten urbanistischen Kreationen seiner Zeit geho¨rt.68 Kleinpolen bildete somit ein wichtiges Zentrum der Urbanisierung Mitteleuropas. Die wenigen Realisierungen des 13. Jahrhunderts standen, auch wenn sie programmatisch den schlesischen und bo¨hmischen gleichkamen, aufgrund des noch geringen Umfangs der damaligen kleinpolnischen Urbanisierung noch in deren Schatten: Doch bereits im folgenden Jahrhundert, besonders in der Epoche Kasimirs des Großen, trat Kleinpolen an die Spitze der Urbanisierungsprozesse. Den Schlusspunkt dieser Prozesse bildeten die von Kasimir erworbenen ruthenischen Gebiete des Ko¨nigreichs Polen, die die rechtlichen und ra¨umlichen Vorbilder – so wie Kleinpolen einst aus Schlesien – aus Kleinpolen u¨bernahmen. Die geometrischen Pla¨ne und Programme der Lokationssta¨dte entstanden zweifellos als ein Spiegel der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verha¨ltnisse. Man kann allerdings, ohne andere Aspekte zu u¨berscha¨tzen, die Frage aufwerfen, ob die unzweifelhaften a¨sthetischen Werte dieser regelma¨ßigen Anlagen, die von den heutigen Menschen so lebhaft rezipiert werden, fu¨r ihre Scho¨pfer und ihre Einwohner im Mittelalter vielleicht unversta¨ndlich waren? Wurde die ra¨umliche Ordnung, die durch die modulare Anlage eingefu¨hrt wurde, als eine Abwehr von Unordnung und Chaos verstanden? Fu¨r eine positive Antwort spricht deutlich das große Privileg Kasimirs des Großen fu¨r Krakau aus dem Jahr 1358, in dem eventuelle Aktionen „der Erweiterung der Einku¨nfte der Stadt“ (pro utilitatibus civitatis ampliandis) mit der beachtenswerten Bemerkung versehen wurden, „auf dass die Stadt jedoch nicht an ihren herausragenden Pla¨tzen durch ungeordnete Bauwerke verschandelt werde“ (dummodo civitas in locis celeberimus per inordinata edificia occupata non detureptur).69 Der Begriff der geometrischen Proportionen als Quelle der Scho¨nheit, der sich ¨ sthetikdoktrinen herleitet, war dem Mittelalter nicht fremd. Fru¨h schon aus antiken A
67 Vgl. Andrzej Janeczek, Die Modernisierung der Sta¨dte Rutheniens. Die Reformen des 14.–16. Jahr-
hunderts, in diesem Band, S. 355–371, hier S. 356. 68 Eine Analyse des zentralen Teils der urbanistischen Anlage von Kamieniec bietet Marek Łukacz, Polo-
´ Podolskim w s´ wietle wpływo´w zachodnioeurokacyjna zabudowa przy Rynku Polskim w Kamiencu pejskich [Die nachlokationszeitliche Bebauung am Polnischen Markt in Kamieniec Podolski im Lichte westeuropa¨ischer Einflu¨sse], in: Kamieniec Podolski. Studia z dziejo´w miasta i regionu [Kamieniec Podolski. Studien zur Geschichte der Stadt und Region], hg. v. Feliks Kiryk, Bd. 1, Krako´w 2000, S. 111–126; zum politischen Kontext der kleinpolnischen Einflu¨sse in Podolien in der zweiten Ha¨lfte des 14. Jahrhunderts vgl. Janusz Kurtyka, Podole mi˛edzy Polska˛ a Litwa˛ w XIV i w 1. połowie XV wieku [Podolien zwischen Polen und Litauen im 14. und der 1. Ha¨lfte des 15. Jahrhunderts], ebd. S. 16–22. 69 Zitiert und u¨bersetzt nach Dwa wielkie przywileje s´ redniowiecznego Krakowa [Zwei große Privile˙ gien des mittelalterlichen Krakau], hg. v. Bozena Wyrozumska, Krako´w o. J. [1998], S. 14, 15.
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spiegelte er sich in einer der Urbanistik verwandten Disziplin wider: in der Architektur. Zweifelsohne orientierten sich die mittelalterlichen Baumeister nicht nur an Funktionalita¨t, sondern auch an Symbolik, wenn sie z. B. Sakralbauten errichteten.70 Geometrische, wiederholte und doch individuelle Strukturen bildeten hier die Ordnung der Scho¨pfung, die Ordnung des Kosmos ab.71 Anscheinend hat das von der scholastischen Philosophie entworfene vollsta¨ndige Weltbild jene „sta¨ndige geistige Bereitschaft“72 hervorgebracht, auf dessen Grundlage man nach der Abbildung der kosmischen Harmonie in menschlichen Werken strebte, nach ‚ganzheitlichen‘ und definitiven Lo¨sungen. Wenn man die franzo¨sische Kathedralkirche der Hochgotik als Entsprechung der scholastischen summa ansehen kann,73 dann kann ein solcher Vergleich auch auf die hervorragendsten schlesischen und kleinpolnischen Werke der damaligen Urbanistik angewendet werden,74 besonders auf die seit den Lokationen Breslaus (1241/1242, 1261) und Krakaus (1257) herausgebildeten komplexen Schachbrettanlagen; Werke von hoher Komplexita¨t, zugleich aber einfach und versta¨ndlich durch ihre geometrische Struktur, durch die klare Definition und Ordnung der einzelnen Elemente, die ein Ganzes bilden. Das Fundament fu¨r jene Denkweise, die zur Herausbildung regelma¨ßiger, mittelalterlicher urbanistischer Kreationen fu¨hrte, bildeten vermutlich Pha¨nome, die mit der westeuropa¨ischen ‚Renaissance des 12. Jahrhunderts‘, mit der neoplatonischen ¨ berzeugung von der Harmonie des Kosmos, von und zugleich pythagoreischen U der Vollkommenheit der Geometrie und einfacher geometrischer Formen, mit der sich damals vollziehenden Wiederentdeckung der Grundsa¨tze des Messwesens einhergingen.75 Die demokratische Gesellschaftsordnung der mittelalterlichen Stadt, in der selbst Straßennamen solcher Art, wie „Schustergasse“ oder „Judengasse“ in Krakau76 oder die „Tuchmachergasse“ in Kazimierz bei Krakau von der „Ordnung“ der Gesellschaftsstruktur zeugten, mochte vermutlich a¨sthetische Empfindungen bei einem mittelalterlichen Menschen wecken, der gerade in der Ordnung und Einordnung eine Widerspiegelung go¨ttlichen Rechts erblickte, das das All beherrschte.
70 Vgl. Jean Hani, Symbolika s´ wiatyni ´ ˛ chrze´scijanskiej [Die Symbolik des christlichen Gotteshauses],
Krako´w 1994 [franzo¨sische Ausgabe: 1962].
71 Vgl. Maria Łodynska-Kosi ´ nska, ´ Geometria architekto´w gotyckich [Die Geometrie gotischer Archi-
tekten], in: Kwartalnik Architektury i Urbanistyki 9 (1964), 2, S. 89–114.
72 Vgl. Kuthan, Pˇremysl Ottokar II. (wie Anm. 63). 73 Panofsky, (wie Anm. 65), S. 46. 74 Auf die Verbindungen zwischen der sta¨dtebaulichen Theorie des 13. Jahrhunderts und dem Denken
des hl. Thomas von Aquin wird verwiesen bei Maria Bogucka/Henryk Samsonowicz, Dzieje miast i ´ mieszczanstwa w Polsce przedrozbiorowej [Geschichte der Sta¨dte und des Stadtbu¨rgertums im Polen der Vorteilungszeit], Wrocław 1986, S. 89–90. 75 Tadeusz Lalik, W sprawie powstania miasta s´ redniowiecznego (W zwiazku ˛ z praca˛ T. Zagrodzkiego) [Zur Frage der Entstehung der mittelalterlichen Stadt (im Zusammenhang mit der Arbeit von T. Zagrodzki)], in: Kwartalnik Historii Kultury Materialnej 11 (1963), 2, S. 415–419; Gawlas, O kształt (wie Anm. 22), S. 33; ders., Ulica (wie Anm. 25), S. 13, 16. ˙ 76 Vgl. Hanna Zaremska, Ulica Zydowska w Krakowie: XIV–pierwsza połowa XV wieku [Die Ju¨dische Gasse in Krakau: 14.–erste Ha¨lfte 15. Jahrhundert], in: Kwartalnik Historii Kultury Materialnej 47 (1999), 1–2, S. 113–130.
¨ DTE UND BU ¨ RGERTUM IN DEN POLNISCHEN STA ¨ NDERN AN DER WENDE VOM 13. ZUM 14. JAHRHUNDERT LA von Roman Czaja*
Der Zeitraum zwischen dem Ende des 11. und dem Beginn des 14. Jahrhunderts ist in der Geschichte Europas die Geburtszeit einer neuen urbanen Kultur. Deren Kern war die kommunale Stadt, die am Anfang eines neuen, autonomen Typs der europa¨ischen Stadt stand. Die La¨nder West- und Mitteleuropas wurden im Verlauf des 12. und 13. Jahrhunderts mit einem Netz von Tausenden neuer Sta¨dte u¨berzogen, die bis heute das Grundgeru¨st der europa¨ischen Sta¨dtelandschaft bilden. Die Folgen dieser Urbanisierung besaßen globalen Charakter. Sie beeinflusste Siedlungsstruktur und wirtschaftliche Pha¨nomene ebenso, wie sie zu grundlegenden sozialen und kulturellen Vera¨nderungen fu¨hrte. „Die Vera¨nderungen, die mit der Entstehung sta¨dtischer Kultur einhergehen“, so Robert I. Moore, „sind so zahlreich und radikal [...], dass nichts, wirklich nichts davon unberu¨hrt bleibt.“1 Nach Polen gelangte die neue urbane Kultur gemeinsam mit der großen, als deutschrechtliche Kolonisation bezeichneten Siedlungsbewegung des 13. Jahrhunderts. Das im Westen entwickelte, strukturell und ra¨umlich einheitliche Modell der Lokationsstadt, in den Quellen des 13. Jahrhunderts als civitas bezeichnet, begann schrittweise a¨ltere, einheimische Stadtformen zu ersetzen. Am Ende des 12. Jahrhunderts gab es in Polen etwa 200 Ma¨rkte, die als lokale Handelszentren fungierten. Anna¨hernd die Ha¨lfte davon befand sich neben Mittelpunkten der fu¨rstlichen Administration (Burgen), wo sich auch einige Dutzend fru¨hsta¨dtische Zentren entwickelt hatten.2 Sie zeichneten sich durch eine polyzentrische Raumordnung aus, die aus folgenden Elementen bestand: einer milita¨rische und administrative Funktionen erfu¨llenden Burg, an diese angebundene Produktionssiedlungen und Marktzentren
* Vom Autor geringfu¨gig aktualisierte U ¨ bersetzung des Aufsatzes „Miasta i mieszczanstwo ´ na ziemiach
´ ´ polskich na przełomie XIII/XV w.“ (aus: Polska około roku 1300. Panstwo, społeczenstwo, kultura, ¨ bersetzung von Heidemarie Petersen. hg. v. Wojciech Fałkowski, Warszawa 2003, S. 57–72); U 1 Robert I. Moore, Die erste europa¨ische Revolution. Gesellschaft und Kultur im Hochmittelalter, Mu¨nchen 2001, S. 19. 2 Tadeusz Lalik, Ma¨rkte des 12. Jahrhunderts in Polen, in: Ergon 3 (1962), S. 364–367; Maria Bogucka/ ´ Henryk Samsonowicz, Dzieje miast i mieszczanstwa w Polsce przedrozbiorowej [Geschichte der Sta¨dte und des Stadtbu¨rgertums im Polen der Vorteilungszeit], Wrocław/Warszawa/Krako´w 1986, S. 42f.
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sowie kirchlichen Institutionen (Kathedrale, Klo¨ster). Seit dem 12. Jahrhundert entstanden bei den wichtigsten Burgen ra¨umlich separierte Siedlungen fremder Kaufleute (Breslau, Krakau, Stettin).3 Fu¨rstenburgen und Ma¨rkte waren fu¨r sich genommen, auch wenn sich bei einem Teil von ihnen Lokationssta¨dte entwickelten, keine stadtbildenden Faktoren. Den Weg zur Lokationsstadt ebnete in Polen eine Ende des 12. Jahrhunderts sichtbar werdende Krise des auf die Fu¨rstenburgen gestu¨tzten Verwaltungs- und Wirtschaftssystems der piastischen Fu¨rstentu¨mer.4 Nach den Intentionen der Herrscher sollten die Sta¨dte und die mit ihnen verbundenen Rechtsbezirke (Weichbilder) die Grundlage eines neuen Systems der Territorialverwaltung bilden. Die Rezeption der neuen urbanen Kultur markierte eine sozioo¨konomische Revolution, denn sie beruhte auf der Ausbildung neuer sta¨dtischer Siedlungsformen nach einem von außen importierten Programm.5 Die Gru¨ndung und Fo¨rderung neuer Sta¨dte geho¨rte seit der Mitte des 12. Jahrhunderts zu den wichtigsten Elementen bei der Errichtung von Territorialherrschaften und einer Sta¨rkung der Position des Herrschers in Mittel- und Westeuropa.6 Eine Stadt sicherte dem Herrscher Einku¨nfte aus Grundrente und Marktregal, und dank ihrer Befestigungsanlagen stellte sie ein wichtiges Element im Verteidigungssystem einer Territorialherrschaft dar. Der Urbanisierungsprozess war sowohl mit einem rechtlichen und ra¨umlichen Umbau bereits existierender sta¨dtischer Siedlungen, als auch mit der Gru¨ndung von Sta¨dten „aus dem Nichts“ verbunden. Im Rahmen der deutschrechtlichen Kolonisation wurde ein Modell zur Bewirtschaftung großer Gebiete ausgearbeitet, in dem Sta¨dte die Rolle o¨konomischer, rechtlicher und
3 Bogucka/Samsonowicz, Dzieje (wie Anm. 2), S. 30; Marian Rebkowski, ˛ Pierwsze lokacje miast w
ksi˛estwie zachodniopomorskim. Przemiany przestrzenne i kulturowe [Die ersten Stadtlokationen im westpommerschen Fu¨rstentum. Raum- und Kulturwandlungen], Kołobrzeg 2001, S. 60; Jerzy Piekalski, Von Ko¨ln nach Krakau. Der topographische Wandel fru¨her Sta¨dte, Bonn 2001, S. 158ff.; Winfried Schich, Die slavische Burgstadt und fru¨he Ausbreitung des Magdeburger Rechts ostwa¨rts der mittleren Elbe, in: Studien zur Geschichte des sa¨chsisch-magdeburgischen Rechts in Deutschland und Polen, hg. v. Dietmar Willoweit/Winfried Schich, Frankfurt 1980, S. 22–61; Ders., Die Bildung der Sta¨dte im westslawischen Raum in der Sicht der a¨lteren und der ju¨ngeren Forschung, in: Konzeptionelle Ansa¨tze der Hanse-Historiographie, hg. v. Eckhard Mu¨ller-Mertens/Heidelore Bo¨cker, Trier 2003 (Hansische Studien 14), S. 115–140, hier S. 123ff. 4 Sławomir Mozdzioch, ´ Zur Genese der Lokationssta¨dte in Polen in stadtgeschichtlicher Sicht, in: Burg, Burgstadt, Stadt. Zur Genese mittelalterlicher nichtagrarischer Zentren in Ostmitteleuropa, hg. v. Hansju¨rgen Brachmann, Berlin 1995, S. 149–160; Sławomir Gawlas, O kształt zjednoczonego ¨ ber Kro´lestwa. Niemieckie władztwo terytorialne a geneza społecznoustrojowej odr˛ebno´sci Polski [U die Form des vereinigten Ko¨nigreiches. Deutsche Territorialherrschaft und die Genese der sozialen und verfassungsma¨ßigen Eigenart Polens], Warszawa 1996, S. 88f.; Karol Modzelewski, Organizacja grodowa u progu lokacji [Die Burgorganisation an der Schwelle zur Lokation], in: Kwartalnik Historii Kultury Materialnej 28 (1980), 3, S. 329–340. 5 Jerzy Wyrozumski, Rozwo´j sieci miejskiej w Małopolsce w s´ redniowieczu i u progu czaso´w nowozyt˙ nych [Die Entwicklung des Sta¨dtenetzes in Kleinpolen im Mittelalter und an der Schwelle zur Neuzeit], in: Kwartalnik Historii Kultury Materialnej 28 (1980), H. 3, S. 362–372, hier S. 365; Lalik, Ma¨rkte (wie Anm. 2), S. 364–367; ders., Geneza sieci miasteczek w Polsce s´ redniowiecznej [Die Genese des Netzes der Kleinsta¨dte im mittelalterlichen Polen], in: Miasta doby feudalnej w Europie s´ rodkowo-wschodniej. Przemiany społeczne a układy przestrzenne, hg. v. Aleksander Gieysztor/ ´ Tadeusz Rosłanowski, Warszawa/Poznan/Toru n´ 1976, S. 113–136, hier S. 118. 6 Gawlas, O kształt (wie Anm. 4), S. 30.
Sta¨dte und Bu¨rgertum in den polnischen La¨ndern
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administrativer Zentren fu¨r die sie umgebenden do¨rflichen Siedlungen u¨bernahmen.7 Die mit einer Lokation in den bereits existierenden Administrations- und Marktzentren vollzogenen Vera¨nderungen fu¨hrten zu einer Zusammenlegung der Funktionen, die zuvor von den mit einer Fu¨rstenburg verbundenen Einzelsiedlungen wahrgenommen worden waren, in einem ra¨umlich geschlossenen sta¨dtischen Organismus. An Stelle verstreuter, unregelma¨ßig bebauter und vielgliedriger stadta¨hnlicher Zentren entstand also eine regelma¨ßig abgesteckte, sta¨dtebaulich einheitliche Anlage.8 Die politisch zersplitterte Piastenmonarchie schuf keine einheitlichen Rahmenbedingungen fu¨r eine Rezeption der neuen Urbanisierungsmuster. Wie intensiv der Aufbau einer neuen Sta¨dtelandschaft verlief, ergab sich aus der Politik des Territorialherrn, aus der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung des jeweiligen Landesteils sowie aus dem Zustrom von Siedlern aus dem Westen, hauptsa¨chlich aus Deutschland. Der erste Piastenherrscher, der Stadtgru¨ndungen und Kolonisation als Mittel zur Sta¨rkung seiner Territorialherrschaft und zum Umbau der ihr zugrunde liegenden Eigentumsverha¨ltnisse nutzte, war der schlesische Fu¨rst Heinrich der Ba¨rtige. Die in Schlesien im ersten Drittel des 13. Jahrhunderts durchgefu¨hrten Stadtlokationen hingen hauptsa¨chlich mit der Erschließung der an den Ra¨ndern und im Zentrum dieses Teilfu¨rstentums gelegenen Waldgebiete zusammen. Die neuen Sta¨dte erfu¨llten die Funktion lokaler Handels- und Handwerkszentren fu¨r die do¨rflichen Siedlungen und den Bergbau. Kolonisatorische Aktivita¨ten unternahmen sowohl die Fu¨rsten Heinrich der Ba¨rtige und Kasimir von Oppeln, als auch die Breslauer Bischo¨fe, Klo¨ster und Adlige. Die zweite Urbanisierungsphase Schlesiens begann in den 40er Jahren des 13. Jahrhunderts. Damals erhielten wichtige burgsta¨dtische Zentren deutsches Recht: Breslau, Oppeln, Ratibor, Glogau und Liegnitz, außerdem ein Teil der alten Ma¨rkte. In der zweiten Ha¨lfte des 13. Jahrhunderts gab es weitere Stadtlokationen, die funktional mit dem Ausbau der do¨rflichen Besiedlung verknu¨pft waren. Ein charakteristisches Merkmal des Urbanisierungsprozesses in Schlesien war zu jener Zeit die Monopolisierung der Lokationsaktivita¨ten durch die Herrscher der einzelnen Landesteile, welche eine Begrenzung sta¨dtischer Investitionen
7 Sławomir Gawlas, Polska Kazimierza Wielkiego a inne monarchie Europy Srodkowej ´ ˙ – mozliwo´ sci
i granice modernizacji władzy [Das Polen Kasimirs des Großen und die anderen Monarchien Mitteleuropas. Mo¨glichkeiten und Grenzen der Herrschaftsmodernisierung], in: Modernizacja struk´ ´ tur władzy w warunkach opo´znienia. Europa Srodkowa i Wschodnia na przełomie s´ redniowiecza i ˙ czaso´w nowozytnych, hg. v. Marian Dygo u. a., Warszawa 1999, S. 5–34, hier S. 27. 8 Cezary Bu´sko/Michał Kaczmarek, U progu nowej epoki [An der Schwelle einer neuen Epoche], ´ czaso´w habsburskich, Wrocław 2001, S. 79–91, in: Historia Wrocławia. Od pradziejo´w do konca hier S. 88f.; Marta Młynarska-Kaletynowa, Wrocław w XII i XIII wieku. Przemiany społeczne i osadnicze [Breslau im 12. und 13. Jahrhundert. Gesellschaftliche und siedlungsma¨ßige Wandlungen], Wrocław 1986; Jerzy Wyrozumski, Przedlokacyjna aglomeracja osadnicza Krakowa a gmina miejska na prawie niemieckim [Die Siedlungsagglomeration Krakau vor der Lokation und die Stadtgemeinde ´ zu deutschem Recht], in: Studia nad dziejami miast i mieszczanstwa w s´ redniowieczu, Bd. 1, hg. v. Antoni Czacharowski u. a., Torun´ 1996, S. 109–116, hier S. 109f.; Sławomir Gawlas, Nova civitas in ´ Okol. Fragment z dziejo´w Krakowa [Ein Ausschnitt aus der Geschichte Krakaus], in: Społeczenstwo ´ Polski Sredniowiecznej 6 (1994), S. 101–110; Anna Rogalanka, Poznan´ u progu lokacji [Posen an der Schwelle zur Lokation], in: Dzieje Poznania, Bd. 1, T. 1, hg. v. Jerzy Topolski, Warszawa/Poznan´ 1988, S. 146–183, hier S. 181f.; Rebkowski, ˛ Pierwsze (wie Anm. 3), S. 40ff.
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anstrebten, die von kirchlichen Institutionen oder dem Adel unternommen wurden.9 Einzig die Breslauer Bischo¨fe bauten weiterhin aktiv das Sta¨dtenetz innerhalb ihrer Territorialherrschaft um Neiße und Ottmachau aus. Die Fu¨rsten nutzten die Urbanisierung als ein Mittel zum wirtschaftlichen Wiederaufbau ihrer Teilfu¨rstentu¨mer, das zugleich der Sta¨rkung der o¨konomischen und politischen Grundlagen ihrer Territorialherrschaft diente.10 Bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts hatte sich die grundlegende Struktur des Sta¨dtenetzes in diesem Teil des Landes herausgebildet. Zu dieser Zeit waren 128 Sta¨dte von einer Lokation erfasst worden, d. i. etwa 76 % aller im Mittelalter gegru¨ndeten schlesischen Sta¨dte.11 Wie Marta Młynarska-Kaletynowa festgestellt hat, war das sich durch seine ziemlich gleichma¨ßige Ausbreitung auszeichnende Sta¨dtenetz des 13. Jahrhunderts in erster Linie an die wirtschaftlichen Erfordernisse angepasst, die sich aus der Entwicklung der do¨rflichen Kolonisation und des Handels ergaben. Zwar knu¨pfte es an das alte System von Burgen und Ma¨rkten an, doch in funktionaler Hinsicht unterschied es sich grundsa¨tzlich vom System des lokalen Handels in der Vorlokationszeit, das eng mit den administrativen und o¨konomischen Erfordernissen der Fu¨rstenherrschaft verknu¨pft gewesen war.12 In den u¨brigen Landesteilen verlief der Urbanisierungsprozess bedeutend langsamer als in Schlesien. Verursacht wurde dies hauptsa¨chlich durch einen geringeren Zustrom an Siedlern aus dem Westen und einem damit zusammenha¨ngenden geringeren Tempo bei der do¨rflichen Kolonisation. Bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts gab es in den Regionen Sandomierz und Krakau fu¨r lediglich 29 Sta¨dte eine Lokation, also fu¨r etwa 18 % aller in Kleinpolen bis zum Ende des 15. Jahrhunderts gegru¨ndeten Sta¨dte.13 Die Anfa¨nge der Herausbildung von Stadtgemeinden in den gro¨ßten Orten dieses Landesteils, in Krakau und Sandomierz, reichen vermutlich in die 20er Jahre des 13. Jahrhunderts zuru¨ck. Eine systematische Urbanisierung Kleinpolens beginnt jedoch erst in der zweiten Ha¨lfte des 13. Jahrhunderts. Damals erhielten auch die wichtigsten sta¨dtischen Zentren dieses Landesteils ihre Lokationsprivilegien – Krakau im Jahr 1257 durch Bolesław den Schamhaften und Sandomierz 1286 durch Leszek den Schwarzen. Deutschrechtliche Sta¨dte wurden hauptsa¨chlich in den seit langem besiedelten Gebieten der Regionen Sandomierz und Krakau gegru¨ndet. Dagegen
9 Zuletzt zu diesem Thema Gawlas, O kształt (wie Anm. 4), S. 83; Tomasz Jurek, Die Stadtlokationen
auf den Gu¨tern der Herren von Pogarell im 13. Jahrhundert, in diesem Band, S. 205–222.
10 Marta Młynarska-Kaletynowa, Rozwo´j sieci miejskiej na Sl ´ asku ˛ na przełomie XII/XIII i w XIII w.
[Die Entwicklung des Sta¨dtenetzes in Schlesien an der Wende vom 12. zum 13. und im 13. Jahrhundert], in: Kwartalnik Historii Kultury Materialnej 28 (1980), 3, S. 349–360, hier S. 357ff. 11 Henryk Samsonowicz, Tendencje rozwoju sieci miejskiej w Polsce po´zno´ ´ sredniowiecznej [Tendenzen der Entwicklung des Sta¨dtenetzes im spa¨tmittelalterlichen Polen], in: Kwartalnik Historii Kultury Materialnej 28 (1980), 3, S. 341–348, hier S. 342; Walter Kuhn, Die Sta¨dtegru¨ndungspolitik der schlesischen Piasten im 13. Jahrhundert, vor allem gegenu¨ber Kirche und Adel, in: Archiv fu¨r schlesische Kirchengeschichte 29 (1971), S. 32–67; 32 (1974), S. 1–20, hier S. 14, gibt die Zahl von 131 oder 134 Lokationen zwischen 1211 und 1300 an; vgl. auch Peter Johanek, Entstehung und Entwicklung des Sta¨dtenetzes in Oberschlesien, in: Stadtgeschichte Oberschlesiens. Studien zur sta¨dtischen Entwicklung und Kultur einer ostmitteleuropa¨ischen Region vom Mittelalter bis zum Vorabend der Industrialisierung, hg. v. Thomas Wu¨nsch, Berlin 1995, S. 57–74, hier S. 60. 12 Młynarska-Kaletynowa, Sie´c (wie Anm. 10), S. 359f. 13 Bogucka/Samsonowicz, Dzieje (wie Anm. 2), S. 84f.
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wurden die o¨stlich der Linie Dunajec-Weichsel gelegenen Gebiete bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts noch nicht von der Urbanisierung erfasst.14 Neue Sta¨dte entstanden bei fu¨rstlichen Administrationszentren (den Fu¨rstenburgen) und alten Ma¨rkten, aber auch als Handels- und Produktionszentren der do¨rflichen und Bergbausiedlungen (wie die fu¨rstlichen Sta¨dte Bochnia, Wieliczka und Olkusz sowie das bischo¨fliche Sławko´w). Im Gegensatz zur Situation in Schlesien hatte in Kleinpolen nicht der Fu¨rst (mit 10 Sta¨dten) den gro¨ßten Anteil an den Lokationsaktivita¨ten, sondern die Kirche: die Klo¨ster fu¨hrten 11 und die Bischo¨fe sechs Lokationen durch (darunter die Krakauer Bischo¨fe von vier Sta¨dten). In bedeutend geringerem Maße als die kirchlichen Gu¨ter erfasste die Urbanisierung die kleinpolnischen Adelsgu¨ter (mit zwei Sta¨dten).15 Der Urbanisierungsprozess Großpolens, Kujawiens und der Region Sieradz-Ł˛eczyca setzte in den 50er Jahren des 13. Jahrhunderts ein. Bis etwa 1300 erhielten im Gebiet Posen-Kalisz 38 Sta¨dte eine Lokation, also 25 % aller bis zum Ende des 15. Jahrhunderts entstandenen Sta¨dte (152). Eine a¨hnliche Entwicklungsetappe ´ erreichte zu dieser Zeit das Sta¨dtenetz in Kujawien und in der Region Dobrzyn, wo neun Sta¨dte gegru¨ndet wurden, sowie in der Region Sieradz-Ł˛eczyca mit 17 Lokationen, was jeweils 27 % und 24 % aller Lokationsinitiativen bis zum Jahr 1500 ausmachte.16 Der Verdichtungsgrad des Sta¨dtenetzes war in diesen Regionen sehr ungleichma¨ßig. Wie aus den Forschungen von Jacek Wiesiołowski hervorgeht, waren die Bedu¨rfnisse des Fernhandels der wichtigste Faktor, der wa¨hrend der Zersplitterung des Landes in Teilfu¨rstentu¨mer die Entwicklung des großpolnischen Sta¨dtenetzes bestimmte. An den Haupthandelswegen lagen 85–90 % aller Sta¨dte, wa¨hrend die Bedu¨rfnisse des lokalen Handels lediglich in den zentralen, am dichtesten besiedelten Regionen der einzelnen Teilfu¨rstentu¨mer Einfluss auf die Urbanisierung hatten.17 Im 13. Jahrhundert wurden die meisten großpolnischen Stadtlokationen bei Fu¨rstenburgen und Ma¨rkten durchgefu¨hrt (60 %). Auch in Kujawien erfolgten die a¨ltesten sta¨dtischen Lokationen im zentralen Teil des Fu¨rstentums bei den fu¨rstlichen Burgen
14 Wyrozumski, Rozwo´j (wie Anm. 5), S. 367f.; Feliks Kiryk, Lokacje miejskie nieudane, translacje miast
i miasta zanikłe w Małopolsce do połowy XVII stulecia [Fehlgeschlagene Stadtlokationen, Stadtverlegungen und verku¨mmerte Sta¨dte in Kleinpolen bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts], in: Kwartalnik Historii Kultury Materialnej 28 (1980), 3, S. 373–383; ders., Urbanizacja Małopolski – wojewo´dztwo sandomierskie XIII–XVI w. [Die Urbanisierung Kleinpolens, Wojewodschaft Sandomir, 13.–16. Jahrhundert], Kielce 1994. 15 Wyrozumski, Rozwo´j (wie Anm. 5), S. 368. 16 Oskar Lange, Lokacja miast Wielkopolski wla´sciwej na prawie niemieckim w wiekach s´ rednich [Stadtlokationen im eigentlichen Großpolen zu deutschem Recht im Mittelalter], Lwo´w 1925, S. 45; Ryszard Rosin, Studia z dziejo´w miast dawnych wojewo´dztw ł˛eczyckiego i sieradzkiego (XII–XVI w.) [Studien zur Geschichte der Sta¨dte der ehemaligen Wojewodschaften Ł˛eczyca und Sieradz] (Ło´dzkie Towarzystwo Naukowe. Sprawozdania z Czynno´sci i Posiedzen´ Naukowych 14 [1959], 1), Ło´dz´ ´ 1959, S. 4; Zenon Guldon, Lokacje miast kujawskich i dobrzynskich w XIII–XVI w. [Die Stadtlokationen in Kujawien und im Dobriner Land im 13.–16. Jahrhundert], in: Ziemia Kujawska 2 (1968), S. 19–46. 17 Jacek Wiesiołowski, Sie´c miejska w Wielkopolsce w XIII–XVI wieku. Przestrzen´ i społeczenstwo ´ [Das Sta¨dtenetz in Großpolen im 13.–16. Jahrhundert. Raum und Gesellschaft], in: Kwartalnik Historii Kultury Materialnej 28 (1980), 3, S. 385–399, hier S. 386f.
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sowie den Sitzen von Bischo¨fen und Domkapiteln.18 Generell kam also in Großpolen und Kujawien der Zusammenhang zwischen Urbanisierung und der Entwicklung der do¨rflichen Siedlung entschieden schwa¨cher zum Ausdruck. Jenseits der Reichweite der Lokationsaktivita¨ten blieben die Grenzzonen zwischen den einzelnen piastischen Teilfu¨rstentu¨mern sowie die no¨rdlichen und nordwestlichen Randgebiete Großpolens. Die wichtigsten Organisatoren der Lokationen in den drei erwa¨hnten Landesteilen waren die Territorialherren. In der Region Sieradz-Ł˛eczyca erteilten die Fu¨rsten Stadtrechte an 13 Sta¨dte (= 76 %) und kirchliche Institutionen an vier Sta¨dte; in Kujawien lag das Verha¨ltnis bei 66 % zu 33 %. In Großpolen beteiligte sich neben den Piastenfu¨rsten (63 % der Lokationen) und kirchlichen Institutionen (16 %) auch die Ritterschaft aktiv an den Lokationsunternehmungen, deren Anteil an der Gru¨ndung neuer Sta¨dte im darauf folgenden Jahrhundert auf 62 % anwachsen sollte. Der Faktor, der die Urbanisierung Pommerellens vorrangig bestimmte, war der Handelsweg entlang der Weichsel und der mit ihm zusammenha¨ngende Fernhandel. Die pommerellischen Herrscher begannen erst ab der Mitte des 13. Jahrhunderts sta¨dtischen Siedlungen, die bei den Zentren der fu¨rstlichen Administration entstanden waren, deutsches Recht zu verleihen. Vor der Eroberung Pommerellens durch den Deutschen Orden (1308–1309) bildeten nur 7, also 33 % aller bis zum Ende des 15. Jahrhunderts mit einer Lokation versehenen Sta¨dte das Sta¨dtenetz dieses Landesteils. Wahrscheinlich in den Jahren 1261–1263 erhielt die sich seit etwa 1225 entwickelnde deutsche Gemeinde in Danzig Lu¨bisches Recht. 1260 besta¨tigte Fu¨rst Sambor der Stadtgemeinde von Dirschau, deren Anfa¨nge in die 50er Jahre des 13. Jahrhunderts zuru¨ckreichen, dasselbe Lu¨bische Recht. In den 80er und 90er Jahren erhielten die an der Weichsel gelegenen Orte Mewe (ab 1282 zum Deutschen Orden geho¨rig), Nowe und Schwetz Stadtrecht. Vor 1308 begannen auch zwei neue sta¨dtische Siedlungen (Tuchel und Konitz) im nordwestlichen Teil des Fu¨rstentums an dem in die Neumark fu¨hrenden Handelsweg zu entstehen. Organisatoren der Lokationen in Ostpommern waren die pommerschen Fu¨rsten und der Deutsche Orden (bei der oben erwa¨hnten Lokation von Mewe).19 Im 13. Jahrhundert erfassten die Urbanisierungsprozesse in geringem Maße auch Masowien, wo die Rezeption des neuen Stadtmodells mit einem Umbau der sta¨dtischen Siedlungen bei den fu¨rstlichen (Płock, Ciechano´w, Pułtusk, Warschau) und bischo¨flichen (Łowicz) Hauptburgen verbunden war.20
18 Antoni Gasiorowski, ˛ Nasilenie si˛e proceso´w urbanizacyjnych. Rozwo´j produkcji przemysłowej i
handlu [Die Versta¨rkung der Urbanisierungsprozesse. Die Entwicklung der Gewerbeproduktion und des Handels], in: Dzieje Wielkopolski, Bd. 1, hg. v. Jerzy Topolski, Poznan´ 1969, S. 262–269, hier S. 267; Guldon, Lokacje (wie Anm. 16), S. 31. 19 Marian Biskup, Rozwo´j sieci miast pruskich do drugiej połowy XVII w. [Die Entwicklung des preußischen Sta¨dtenetzes bis zur zweiten Ha¨lfte des 17. Jahrhunderts], in: Kwartalnik Historii Kultury Mate´ rialnej 28 (1980), 3, S. 401–412, hier S. 404f.; Bła˙zej Sliwi nski, ´ Pomorze Wschodnie w okresie rzado ˛ ´w ksi˛ecia polskiego Władysława Łokietka 1306–1309 [Pommerellen in der Regierungsperiode des polni´ 2003, S. 150ff. schen Herzogs Władysław Łokietek], Gdansk 20 Bogucka/Samsonowicz, Dzieje (wie Anm. 2), S. 88; Stanisław Pazyra, Studia z dziejo´w miast na Mazowszu od XIII do poczatko ˛ ´ w XX wieku [Studien zur Geschichte der Sta¨dte in Masowien vom 13. bis zu den Anfa¨ngen des 20. Jahrhunderts], Lwo´w 1939, S. 58.
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Zu Beginn des 14. Jahrhunderts za¨hlte das Sta¨dtenetz in Polen etwa 234 Sta¨dte, von denen allein 128 (55 %) in Schlesien lagen,21 welches sich a¨hnlich wie Pommerellen jenseits der Grenzen des durch Władysław Łokietek und Kasimir den Großen wiedererrichteten Ko¨nigreichs Polen befand. Auffa¨llig ist der sehr unterschiedliche Verlauf der Urbanisierung in Polen, sowohl hinsichtlich des Tempos und der Intensita¨t der Lokationsinitiativen, als auch hinsichtlich der Funktionen der neuen sta¨dtischen Zentren. In Schlesien bildete sich im Verlauf des 13. Jahrhunderts das Grundgeru¨st des Sta¨dtenetzes heraus, in den u¨brigen Landesteilen dagegen (mit Ausnahme von Masowien) erreichte der Urbanisierungsgrad um 1300 zwischen einem Viertel und einem Drittel des Standes vom Ende des 15. Jahrhunderts. Aus einer Analyse des von Henryk Samsonowicz zusammengetragenen Materials geht hervor, dass vor der Thronbesteigung Kasimirs des Großen (1333) der sta¨dtische Lokationsprozess in Polen am Ende des 13. Jahrhunderts seine gro¨ßte Intensita¨t erreichte.22 Bestimmte zeitliche Unterschiede zwischen den einzelnen Landesteilen sind jedoch offensichtlich. In Schlesien fa¨llt der Kulminationspunkt der Lokationsaktivita¨ten in das letzte Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts (27 Orte). Der Verlauf der Urbanisierung dieses Landesteils entspricht ganz und gar der Urbanisierungsdynamik Ostmitteleuropas, wo genau in den beiden letzten Jahrzehnten jenes Jahrhunderts die Wachstumskurve der sta¨dtischen Lokationen ihr absolutes Maximum erreicht.23 In Großpolen gab es die meisten Lokationsinitiativen in den Jahren 1295–1305 (19), in Kleinpolen dagegen wurde in den letzten drei Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts ein ziemlich gleichma¨ßiges Urbanisierungstempo beibehalten (zwischen fu¨nf und sieben Stadtgru¨ndungen in jedem Jahrzehnt). Es ist hervorzuheben, dass bei der Bedienung des lokalen Handels an der Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert neben den neuen Lokationssta¨dten die alten Ma¨rkte weiterhin funktionierten. Um 1300 war Polen im Vergleich zu seinen Nachbarla¨ndern noch relativ schwach urbanisiert. Lediglich die Dichte des Sta¨dtenetzes in Schlesien – im Schnitt kam hier eine Stadt auf etwa 360 km2 – na¨herte sich den Nachbarla¨ndern an: In der Lausitz kam im Schnitt eine Stadt auf 320 km2, in Brandenburg und Mecklenburg auf 370 km2 und in Westpommern auf 460 km2.24 Die Stadtdichte in den u¨brigen piastischen Teilfu¨rstentu¨mern wich deutlich von diesen Zahlen ab. In Kujawien mit der Region Dobrzyn´ kam eine Stadt auf 1220 km2, in der Region Sieradz-Ł˛eczyca auf 1043 km2, im eigentlichen Großpolen auf 860 km2 ¨ hnlich wie in ganz Ostmitteleuropa, wo 90 % und in Ostpommern auf 2120 km2. A
21 Nach Bogucka/Samsonowicz, Dzieje (wie Anm. 2), S. 85f.; eine Zahl von 269 Lokationen (mit
Beru¨cksichtigung des Leubuser Landes) nennt Walter Kuhn, Die deutschrechtlichen Sta¨dte in Schlesien und Polen in der ersten Ha¨lfte des 13. Jahrhunderts, Marburg 1968, S. 158f. 22 Henryk Samsonowicz, Samorzad ˛ miejski w dobie rozdrobnienia feudalnego w Polsce [Die sta¨dtische Selbstverwaltung in der Zeit der feudalen Zersplitterung], in: Polska w okresie rozdrobnienia feudalnego, hg. v. Henryk Łowmianski, ´ Wrocław 1973, S. S. 133–159, hier S. 157f.; Bogucka/Samsonowicz, Dzieje (wie Anm. 2), S. 77ff. 23 Vgl. die Diagramme bei Heinz Stoob, Die Ausbreitung der abendla¨ndischen Stadt im o¨stlichen Mitteleuropa, in: ders., Forschungen zum Sta¨dtewesen in Europa, Bd. 1, Ko¨ln/Wien 1970, S. 73–128, hier S. 112. 24 Thomas Lewerenz, Die Gro¨ßenentwicklung der Kleinsta¨dte in Ost- und Westpreußen bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, Marburg 1976, S. 27.
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der Lokationen vor 1300 kleine Orte betrafen,25 dominierten auch in Polen definitiv die kleinen Orte mit einer Fla¨che von bis zu 10 Hektar und einigen hundert Einwohnern. Nach Henryk Samsonowicz existierten in Polen an der Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert etwa 64 Sta¨dte mit mehr als 1000 Einwohnern.26 Durch die Lokation einer Siedlung und die Verleihung des Stadtrechtes im Lokationsprivileg entstand eine Gemeinschaft der Bu¨rger – communio civium, communitas burgensium oder communitas civium – die Rechtsfa¨higkeit besaß und vom Stadtherrn als Rechtssubjekt behandelt wurde. Das Stadtrecht regelte zivil- und strafrechtliche Fragen, sicherte der Gemeinde eine eigene Gerichtsbarkeit und ihren Mitgliedern die perso¨nliche Freiheit sowie das Erb- und Vera¨ußerungsrecht am Grundbesitz. Es nahm die Stadt jedoch nicht aus der Territorialherrschaft heraus und schuf keine autonome Stadtverfassung.27 Max Weber betrachtete die sta¨dtische Autonomie – in Form von frei gestalteten Beziehungen zur Territorialherrschaft, von unabha¨ngiger Gerichtsbarkeit und Verwaltung – als das grundlegende Merkmal, das die westeuropa¨ische (okzidentale) Stadt auszeichne.28 Es ist jedoch hervorzuheben, dass sich sowohl die kommunale Autonomie, als auch die Gemeindeselbstverwaltung schrittweise entwickelten, die Dynamik dieses Prozesses aber hauptsa¨chlich vom sozioo¨konomischen Potential einer Stadt sowie vom Kra¨fteverha¨ltnis zwischen Territorialherrschaft und Stadtgemeinde abhing. Der Prozess der Kommunalisierung, d. h. der Entfaltung sta¨dtischer Autonomie, enthielt prinzipiell zwei miteinander verknu¨pfte Elemente. Auf der einen Seite stellte die Gemeinde, um fu¨r ihre Mitglieder angemessene Rahmenbedingungen sozialen Handelns zu schaffen, Rechtsnormen auf und schuf Verwaltungs- und Polizeiorgane. Der zweite Aspekt bei der Schaffung ¨ bernahme von Regalien und einer Beschra¨nsta¨dtischer Autonomie war mit der U kung der Rechte der Territorialherrschaft durch die Bu¨rger verbunden. In der ersten Kommunalisierungsphase in den Sta¨dten Mittel- und Ostmitteleuropas entwickelten sich die Gerichts- und Verwaltungsorgane einer Gemeinde, was in der Regel ¨ bernahme der Regierungsgezur Schaffung einer Ratsverfassung fu¨hrte, d. h. zur U walt durch einen Stadtrat und zur Unterordnung der Gerichtsbarkeit unter diesen. In eben dieser Entwicklungsphase der Autonomie befanden sich die gro¨ßten Sta¨dte
25 Stoob, Die Ausbreitung (wie Anm. 23), S. 101; Lewerenz, Die Gro¨ßenentwicklung (wie Anm. 24),
S. 25. In Mecklenburg, Brandenburg und Westpommern bestanden etwa zwei Drittel des Sta¨dtenetzes aus solchen kleinen Orten; im preußischen Ordensland nahmen 93 % aller Sta¨dte eine Fla¨che von weni˙ ´ ger als 10 ha ein, vgl. Roman Czaja, Miasta i ich posiadło´sci ziemskie w panstwie zakonu krzyzackiego ˙ ´ w Prusach [Die Sta¨dte und ihr Landbesitz im Ordensstaat Preußen], in: Panstwo zakonu krzyzackiego w Prusach, hg. v. Zenon Hubert Nowak, Torun´ 2000, S. 45–66, hier S. 56. 26 Henryk Samsonowicz, Miasta wobec zjednoczenia Polski w XIII/XIV wieku [Die Sta¨dte und die Vereinigung Polens im 13.–14. Jahrhundert], in: Ars historica. Prace z dziejo´w powszechnych i Polski, hg. v. Marian Biskup, Poznan´ 1976, S. 425–436, hier S. 428. 27 Samsonowicz., Samorzad ˛ (wie Anm. 22), S. 135f.; Benedykt Zientara, Das Deutsche Recht (ius teutonicum) und die Anfa¨nge der sta¨dtischen Autonomie, in: Autonomie, Wirtschaft und Kultur der Hansesta¨dte, hg. v. Konrad Fritze u. a., Weimar 1984, S. 94–100; Jan M. Piskorski, Miasta ksi˛estwa szcze´ cinskiego do połowy XIV wieku [Die Sta¨dte des Stettiner Herzogtums bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts], Poznan´ 1987, S. 96. 28 Max Weber, Die Stadt. Eine soziologische Untersuchung, in: Ders., Wirtschaft und Gesellschaft, 5. Aufl., Tu¨bingen 1972, S. 727–814.
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in Polen um 1300. Das wichtigste sta¨dtische Machtorgan war zu dieser Zeit weiterhin das Amt des Erbvogtes, der in der Stadt den Territorialherrn repra¨sentierte. Anfangs beschra¨nkte sich seine Rolle nicht allein auf den Vorsitz beim Gemeindegericht, das sich aus Scho¨ffen zusammensetzte, die aus der Mitte der Bu¨rger gewa¨hlt worden waren, sondern er u¨bte auch die Regierungsgewalt aus und repra¨sentierte die Stadt nach außen; außerdem saß er den Versammlungen der Bu¨rgergemeinschaft vor. Die wichtigsten Vera¨nderungen in den Sta¨dten Polens in der zweiten Ha¨lfte des 13. Jahrhunderts beruhten auf einer Sta¨rkung der Position des Stadtrates. Anfangs beschra¨nkten sich die Befugnisse der Ratsherren auf Fragen der Handelsorganisation und auf die Kontrolle der Preise, Maße und Gewichte. Zugleich vergro¨ßerten sich mit der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung der Stadtgemeinde auch ihre Machtbefugnisse. Dieser Prozess ist am Beispiel Krakaus gut sichtbar, wo der Rat im Jahr 1264 in seiner Bedeutung und seinem Ansehen noch hinter das Scho¨ffenkollegium zuru¨cktrat. In einer vom Fu¨rsten Heinrich IV. Probus im Jahr 1289/90 ausgestellten Urkunde wurden die Krakauer Ratsherren dagegen bereits vor den Scho¨ffen an erster Stelle angefu¨hrt.29 Die Ausweitung der Befugnisse des Rates fand hauptsa¨chlich zu Lasten der Vogtei statt, was zu Konflikten zwischen der Gemeinde und den Vo¨gten fu¨hrte. Am deutlichsten und fru¨hzeitigsten machte sich dieser Prozess in Breslau bemerkbar, wo die Bu¨rger im Jahr 1275 den Vogt des Machtmissbrauchs bezichtigten. Auf Bitten der Gemeinde berief der Fu¨rst den Vogt ab und nahm der Vogtei ihre festen Pfru¨nde, so dass sich seither die Einnahmen der amtierenden Vo¨gte auf ihren Anteil an den verha¨ngten Gerichtsstrafen beschra¨nkten. Eine weitere Etappe in der sinkenden Bedeutung des Erbvogtes war ein im Jahr 1306 verlorener Streit mit dem Rat um die Einnahmen aus den kommunalen Einrichtungen, dem Grundzins und den Strafzahlungen bei Versto¨ßen gegen sta¨dtische Willku¨ren. Die Ausbildung einer Ratsverfassung wurde in Breslau durch den Kauf der Vogtei durch die Gemeinde in ¨ bernahme der Kontrolle u¨ber das Amt des Gerichtsden Jahren 1324–1329 und die U vogtes durch den Rat abgeschlossen.30 In anderen polnischen Sta¨dten bedrohten die Organe der Gemeindeselbstverwaltung um 1300 die Position des Erbvogtes noch nicht. In Posen beschra¨nkte Władysław Łokietek nach der Vertreibung des Vogtes Przemko aus der Stadt um 1313 die Kompetenzen der Vogtei auf die Jurisdiktion. Von der wachsenden Bedeutung des Posener Rates zu Beginn des 14. Jahrhunderts zeugt auch die sich herausbildende Funktion eines Ratsvorsitzenden, d. h. des Bu¨rgermeisters (erstmals erwa¨hnt im Jahr 1310).31 In der Mehrzahl der polnischen Sta¨dte taucht dieses Amt jedoch erst wa¨hrend der ersten Ha¨lfte des 14. Jahrhunderts auf. In der ¨ bernahme zweiten Ha¨lfte des 13. Jahrhunderts setzte in den gro¨ßten Sta¨dten eine U 29 Jerzy Wyrozumski, Krako´w do schyłku wieko´w s´ rednich [Krakau bis zum Ausgang des Mittelalters],
Krako´w 1992, S. 197.
30 Mateusz Golinski, ´ Wrocław od połowy XIII do poczatko ˛ ´ w XVI wieku [Breslau von der Mitte des
´ 13. bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts], in: Historia Wrocławia. [Tom 1:] Od pradziejo´w do konca czaso´w habsburskich, Wrocław 2001, S. 95–220, hier S. 136f.; Theodor Goerlitz, Verfassung, Verwaltung und Recht der Stadt Breslau. Teil 1: Mittelalter, Wu¨rzburg 1962, S. 30–32. 31 Antoni Gasiorowski, ´ sredniowiecznego [Die spa¨tmittelalterliche Stadtverwal˛ Zarzad ˛ miasta po´zno´ tung], in: Dzieje Poznania, Bd. 1: Dzieje Poznania do roku 1793, hg. v. Jerzy Topolski, Poznan´ 1988, S. 233–242, hier S. 239.
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der Einku¨nfte aus dem Marktregal durch die Gemeinde ein. In Breslau verkaufte der Fu¨rst den Bu¨rgern 1266 die Fleischba¨nke, einen Teil der La¨den am Ring sowie die Einnahmen aus den Markt- und Wegezo¨llen. In Privilegien aus den Jahren 1271 und 1273 erhielt die Stadt das Recht zur Errichtung von Verkaufssta¨nden fu¨r Ba¨cker und Schuhmacher sowie einer Bleiwaage. 1280 u¨bertrug Przemysł II. dem Posener Rat einen Teil der Einnahmen aus dem Marktregal (den Zins auf Fleischba¨nke, La¨den und ¨ bernahme der Einnahmen des Brotba¨nke).32 Keine Beweise gibt es dagegen fu¨r eine U Fu¨rsten und des Vogtes aus dem Marktregal durch die Krakauer Gemeinde im Jahr 1311. Auch in den anderen großen Sta¨dten Kleinpolens (Sandomierz, Bochnia) stand der Zins von den La¨den in der zweiten Ha¨lfte des 13. Jahrhunderts dem Erbvogt und dem Fu¨rsten zu.33 Die Ausweitung der Befugnisse der Stadtra¨te und die Beschra¨nkung der Regierungsgewalt des Vogtes wurden jedoch nicht von einer Verselbsta¨ndigung der sta¨dtischen Selbstverwaltungorgane gegenu¨ber der Territorialherrschaft begleitet. In Breslau leisteten die neu gewa¨hlten Ratsherren bis 1327 dem Fu¨rsten den Treueschwur. In anderen schlesischen Sta¨dten zeichnet sich erst seit der Mitte des 14. Jahrhunderts ab, dass die Gemeinden das Recht auf eine freie Wahl des Rates und der Scho¨ffen erhalten.34 In den Sta¨dten des Ko¨nigreichs Polen bewahrte sich der Monarch bis zum Ende des Mittelalters seinen Einfluss auf die personale Zusammensetzung der Selbstverwaltungsorgane. Sogar die Breslauer Gemeinde, in der in der zweiten Ha¨lfte des 13. Jahrhunderts die Entwicklung der kommunalen Verfassung ziemlich schnell voranschritt, war in den Jahren 1299–1301 gezwungen, Bolko I. einen Tribut von bis zu 85 % der sta¨dtischen Einnahmen zu zahlen.35 Mit der wirtschaftlichen Entwicklung der Sta¨dte und der Entwicklung der Gemeindeautonomie verknu¨pft war die Errichtung von steinernen Befestigungsanlagen. In Breslau begann man um 1260 mit dem Bau einer Verteidigungsmauer aus Backstein, in Posen um 1280, und 1286 in Krakau und Sandomierz.36 Die Mauern, die der Gemeinde relative Sicherheit vor Gefahren gewa¨hrleisteten, ermo¨glichten es der Stadt, unabha¨ngig vom Herrscher politisch aktiv zu werden. Gleichzeitig stellten sie einen wichtigen Faktor in der Ausbildung einer eigenen Identita¨t des Bu¨rgertums dar.37 An der Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert traten die gro¨ßten Sta¨dte Polens in der Entwicklung der kommunalen Autonomie im Allgemeinen hinter die großen
32 Golinski, ´ Wrocław (wie Anm. 30), S. 107, 110; Goerlitz, Verwaltung (wie Anm. 30), S. 72; Gasio˛
rowski, Zarzad ˛ (wie Anm. 30), S. 237.
33 Tadeusz Lalik, Lokacja Sandomierza w r. 1286 [Die Lokation von Sandomierz im Jahr 1286], in:
Dzieje Sandomierza, Bd. 1, hg. v. Stanisław Trawkowski, Warszawa 1993, S. 99–114, hier S. 109.
34 Goerlitz, Verwaltung (wie Anm. 30), S. 35; Krystyna Kaminska, ´ Lokacje na prawie magdeburskim
na ziemiach polskich do 1370 r. (studium historycznoprawne) [Stadtlokationen zu Magdeburger Recht in Polen bis 1370 (Eine rechtshistorische Studie)], Torun´ 1990, S. 143f. 35 Golinski, ´ Wrocław (wie Anm. 30), S. 125; Goerlitz, Verwaltung (wie Anm. 30), S. 45. 36 Golinski, ´ Wrocław (wie Anm. 30), S. 103; Gasiorowski, ˛ Zarzad ˛ (wie Anm. 30), S. 224; Wyrozumski, ´ Krako´w (wie Anm. 29), S. 183; Jarosław Widawski, Miejskie mury obronne w panstwie polskim do poczatku ˛ XV wieku [Sta¨dtische Befestigungsmauern im polnischen Staat bis zum Beginn des 15. Jahrhunderts], Warszawa 1973, S. 19ff. 37 Gawlas, Polska Kazimierza Wielkiego (wie Anm. 7), S. 28.
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Sta¨dte anderer Regionen Ostmitteleuropas (Brandenburg, Mecklenburg, Pommern und preußischer Ordensstaat) zuru¨ck. Den gro¨ßten Ru¨ckstand scheint es bei der ¨ bernahme des Marktregals und der Ausbildung einer Ratsverfassung gegeben zu U haben. Bis zum Ende des 13. Jahrhunderts gelang es sowohl den Ra¨ten der o¨konomisch starken Ku¨stensta¨dte (Wismar, Stralsund, Rostock) als auch der wirtschaftlich schwa¨cheren brandenburgischen Sta¨dte, sich aus der Jurisdiktion von Erbvo¨gten und Burggrafen zu befreien. Sie u¨bernahmen gesetzgeberische Kompetenzen, welche die Ausgabe von Willku¨ren und Zunftstatuten umfassten, und erlangten (meistens durch Kauf) o¨konomische Befugnisse des Herrschers: Markt-, Mu¨hlen- und Mu¨nz¨ bernahme von Rechten des regalien sowie Zolleinnahmen.38 Langsamer verlief die U Herrschers und der Vogtei durch die Selbstverwaltungsorgane in den Sta¨dten Pommerns. In Stettin begann die Bedeutung der Vogtei in der ersten Ha¨lfte des 14. Jahrhunderts abzunehmen, und bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts gelang es dem Stettiner Stadtrat, die Mehrzahl der fu¨rstlichen Befugnisse zu u¨bernehmen.39 An der Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert bildete sich in den gro¨ßten Sta¨dten des preußischen Ordensstaates, in Thorn, Kulm und Elbing, eine Ratsverfassung heraus, und in der zweiten Ha¨lfte des 13. Jahrhunderts gelang es den Ra¨ten dieser Orte, die Mehrzahl der Einnahmen aus dem Marktregal zu u¨bernehmen.40 Man muss dennoch hervorhe¨ bernahme der Gerichtsbefugnisse des Erbvogtes durch den Rat noch ben, dass eine U keine Unabha¨ngigkeit von der Territorialherrschaft bedeutete. Einem Teil der großen und mittleren Sta¨dte Brandenburgs gelang es erst im 14. Jahrhundert, den Einfluss des Herrschers auf die Besetzung des Richteramtes zu beseitigen und die Einku¨nfte des Feudalherrn aus der sta¨dtischen Gerichtsbarkeit zu u¨bernehmen. So bekra¨ftigte zum Beispiel in Stendal, der gro¨ßten Stadt der Altmark, der Markgraf noch 1345 sein Recht, die neu gewa¨hlten Scho¨ffen zu besta¨tigen, und erst 1427 verpfa¨ndete Markgraf Johannes dem Rat von Stendal seine Gerichtseinku¨nfte.41 Ein gemeinsames Merkmal der Sta¨dtelandschaft in allen Regionen Mitteleuropas war die stark eingeschra¨nkte konstitutionelle Selbsta¨ndigkeit der kleinen Sta¨dte, denen es mehrheitlich nicht gelang, die fu¨rstlichen Gerichts- und Wirtschaftsbefugnisse zu u¨bernehmen. In vielen polnischen, pommerschen, preußischen oder brandenburgischen Kleinsta¨dten behielt der Territorialherr das Recht, einen Vogt zu ernennen und die gewa¨hlten Ratsherren und Scho¨ffen zu besta¨tigen.42 38 Evamaria Engel, Zur Autonomie brandenburgischer Hansesta¨dte im Mittelalter, in: Autonomie (wie
Anm. 27), S. 45–75, hier S. 54–56; Konrad Fritze, Autonomie von Mittel- und Kleinsta¨dten – dargestellt am Beispiel der mittelalterlichen Sta¨dte Vorpommerns, in: ebd., S. 76–83, hier S. 77f. 39 Piskorski, Miasta (wie Anm. 27), S. 97f., 156f.; Jerzy Walachowicz, Monopole ksia˙ ˛z˛ece w skarbowo´sci wczesnofeudalnej Pomorza Zachodniego [Die fu¨rstlichen Monopole in der fru¨hfeudalen Finanzverwaltung in Pommern], Poznan´ 1963, S. 136f. 40 Roman Czaja, Miasta pruskie a zakon krzyzacki. ˙ Studia nad stosunkami mi˛edzy miastem a władza˛ ´ terytorialna˛ w po´znym s´ redniowieczu [Die preußischen Sta¨dte und der Kreuzritterorden. Studien u¨ber die Beziehungen zwischen Stadt und Territorialmacht im spa¨ten Mittelalter], Torun´ 1999, S. 18f., 41f. 41 Engel, Zur Autonomie (wie Anm. 38), S. 56–58; dies., Die Stadtgemeinde im brandenburgischen Gebiet, in: Landgemeinde und Stadtgemeinde in Mitteleuropa: ein struktureller Vergleich, hg. v. Peter Blickle, Mu¨nchen 1991, S. 333–358, hier S. 346. 42 Samsonowicz, Samorzad ˛ (wie Anm. 30), S. 137; Bogucka/Samsonowicz, Dzieje (wie Anm. 2), S. 74; Engel, Zur Autonomie (wie Anm. 38), S. 58, 69.
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Anders als die do¨rfliche Lebensweise, die vor allem durch sehr intensive Sozialkontakte und einen unkomplizierten Austausch u¨ber Ideen und Handlungen charakterisiert war, zeichnete sich das Leben in der Stadt auch durch eine spezifische kulturelle Entwicklung aus.43 Die Lokationswende in Polen war mit der Ausformung einer neuen sta¨dtischen Kultur verbunden, die zusammen mit den Siedlern aus den deutschen Territorien in das Land kam. Mit der Rezeption des Modells des Lokationsstadt wurde Polen im 13. Jahrhundert in einen einheitlichen Kulturkreis integriert, der Mitteleuropa und den Ostseeraum umfasste. Im Vergleich mit der vorhergehenden Epoche tauchten neue, von slawischen Traditionen abweichende Muster in Erna¨hrung, Kleidung, Hausrat und auch in den Bauweisen auf. Neuere Forschungen verweisen auf den plo¨tzlichen und radikalen Charakter der Vera¨nderungen in den Lebensbedingungen, die im 13. Jahrhundert in den sta¨dtischen Milieus vor sich gehen. In der Anfangsphase der Stadtentwicklung sieht man ein Nebeneinander von Elementen einer traditionellen, slawischen Lebensweise und Elementen der neuen Kultur. Doch im Verlauf einiger Jahrzehnte – in den schlesischen und pommerschen Sta¨dten wird dieser Prozess um 1300 sichtbar – kommt es zu einer Assimilierung der slawischen Bevo¨lkerung an die neuen Kulturmuster.44 Sichtbarer Ausdruck der neuen sta¨dtischen Kultur an der Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert ist auch die Art der Raumwahrnehmung. Die komplexe Raumordnung der Lokationsstadt bewirkte das Entstehen eines neuen Begriffsapparates – wie die Benennung von Straßen, Pla¨tzen und Gassen –, mit dessen Hilfe der Stadtraum beschrieben und geordnet wurde.45 In den Quellen vom Ende des 13. und Anfang des 14. Jahrhunderts wird das Bu¨rgertum in Polen ha¨ufig als ein deutsches Milieu definiert, besonders im Kontext von Auseinandersetzungen mit der Ritterschaft und den Fu¨rsten.46 Diese Art der Wahrnehmung resultierte in gewissem Maße aus der ethnisch deutschen Zusammensetzung 43 Henryk Samsonowicz, Nowe warto´sci w kulturze s´ redniowiecznych miast polskich [Neue Werte in
der Kultur der mittelalterlichen polnischen Sta¨dte], in: Zapiski Historyczne 39 (1974), 2, S. 9–22; ders., ´ Ideologia mieszczanska w Polsce w XIII wieku [Die stadtbu¨rgerliche Ideologie in Polen im 13. Jahrhundert], in: Sztuka i ideologia XIII w., hg. v. Piotr Skubiszewski, Wrocław 1974, S. 153–162, hier S. 153ff.; Bogucka/Samsonowicz, Dzieje (wie Anm. 2), S. 213f.; zu den Mo¨glichkeiten, dieses Thema ´ zu erforschen vgl. auch Halina Manikowska, Miasta i mieszczanstwo na ziemiach polskich w s´ redniowieczu [Sta¨dte und Stadtbu¨rgertum in den polnischen La¨ndern im Mittelalter], in: Pytania o s´ redniowiecze. Potrzeby i perspektywy badacze polskiej mediewistyki, hg. v. Wojciech Fałkowski, Warszawa 2001, S. 99–127, hier S. 118ff. 44 Rebkowski, ˛ Pierwsze (wie Anm. 3), S. 208f.; Bu´sko/Kaczmarek, U progu (wie Anm. 8), S. 89f.; Jerzy ˙ Piekalski, Przyczynek do kwestii spozycia i dystrybucji mi˛esa w s´ redniowiecznym Wrocławiu [Ein Beitrag zur Frage der Lebensmittel und Fleischdistribution im mittelalterlichen Breslau], in: Kwartalnik Historii Kultury Materialnej 39 (1991), 2, S. 139–152. 45 Przemysław Tyszka, Obraz przestrzeni miejskiej Krakowa XIV–XV wieku w s´ wiadomo´sci jego ´ ´ w [Das Bild des sta¨dtischen Raumes im Krakau des 14.–15. Jahrhunderts im Bewusstmieszkanco sein seiner Bewohner], Lublin 2001, S. 234f.; zur Gestaltung des Stadtraumes vgl. Bogusław Krasnowolski, Lokacyjne układy przestrzenne na obszarze ziemi krakowskiej w XIII i XIV wieku [Die Raumgestaltung der Gru¨ndungssta¨dte im Gebiet des Krakauer Landes im 13. und 14. Jahrhundert], ´ Krako´w 2004, passim; Rafał Eysymontt, Kod genetyczny miasta. Sredniowieczne miasta lokacyjne ´ aska Dolnego Sl ˛ na tle urbanistyki europejskiej [Der genetische Stadtcode. Die mittelalterlichen Gru¨ndungssta¨dte Niederschlesiens vor dem Hintergrund der europa¨ischen Urbanistik], Wrocław 2009. 46 Rocznik Franciszkanski ´ Krakowski [Die Krakauer Franziskaner-Annalen], hg. v. August Bielowski, in: Monumenta Poloniae historica, Bd. 3, Lwo´w 1872, S. 46–52, hier S. 51: „dictis Theutonici contra
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der herrschenden Gruppen in der Stadt. Es steht jedoch außer Zweifel, dass entgegen den in den Lokationsprivilegien enthaltenen Klauseln auch polnische Bevo¨lkerung in das Stadtrecht aufgenommen wurde. Daher ist jener „deutsche“ Charakter der Sta¨dte in erster Linie als Ausdruck fu¨r die Andersartigkeit der sta¨dtischen Kultur im Vergleich zu den einheimischen Kulturmustern zu verstehen. In der zweiten Ha¨lfte des 13. Jahrhunderts machte sich in allen La¨ndern Mitteleuropas eine wachsende politische Aktivita¨t der Sta¨dte bemerkbar. Seit den 70er Jahren des 13. Jahrhunderts traten alle Sta¨dte Pommerns als eigensta¨ndige politische Akteure auf, die Einfluss auf die Geschicke des Landes nahmen.47 Die Sta¨dte in Pommern und Mecklenburg schlossen sich seit den 60er Jahren des 13. Jahrhunderts selbsta¨ndig zu Bu¨ndnissen und Konfo¨derationen zusammen mit dem Ziel, den Frieden im Land und einen sicheren Handel zu gewa¨hrleisten. Der Einfluss der brandenburgischen Sta¨dte auf die politischen Angelegenheiten des Landes machte sich seit dem Ende des 13. Jahrhunderts versta¨rkt bemerkbar, als die Macht der Askanier abzunehmen begann.48 Zu jener Zeit gab es auch die ersten Versuche polnischer Sta¨dte, sich im politischen Leben der einzelnen Landesteile zu engagieren und eine unabha¨ngige Politik zu betreiben. In Schlesien und in Großpolen schlossen sich die Sta¨dte mit Zustimmung der Landesherren zu Konfo¨derationen zusammen mit dem Ziel, Ordnung und Sicherheit zu gewa¨hrleisten. Im Jahr 1298 erhielten die vier großpolnischen Sta¨dte Posen, Gnesen, Pyzdry und Kalisz von Władysław Łokietek die fu¨rstliche Befugnis, Diebe und andere Verbrecher zu richten. 1302 besta¨tigte der Hofka¨mmerer Friedrich im Namen des Ko¨nigs Wenzel II. dieses Bu¨ndnis. Vermutlich hielt der Zusammenschluss der vier Sta¨dte (dem sich mit der Zeit noch weitere Sta¨dte in ¨ berwachung der o¨ffentliGroßpolen anschlossen) als politisches Subjekt, das an der U chen Ordnung des Fu¨rstentums teilnahm, bis in die Mitte des 14. Jahrhunderts.49 1310 schlossen sich in Glogau acht auf dem Herrschaftsgebiet der Glogauer Fu¨rsten gelegene Sta¨dte (Glogau, Sagan, Fraustadt, Freystadt, Sprottau, Guhrau, Steinau, Lu¨ben), repra¨sentiert durch ihre Erbvo¨gte, Bu¨rgermeister und Ratsherren, zu einer Rechtsfo¨deration zusammen, um gemeinsam Verbrecher zu verfolgen und zu bestrafen.50 Die gro¨ßten Sta¨dte der einzelnen Teilfu¨rstentu¨mer spielten auch eine wesentliche Rolle in den politischen Konflikten zwischen den Piastenfu¨rsten und im Kampf
voluntatem militium civitatem Cracoviensem munire permisit“; Rocznik kapituły krakowskiej, hg. v. Zofia Kozłowska-Budkowa, in: Monumenta Poloniae historica, Series Nova, Bd. 5, Warszawa 1978, S. 19–105, hier S. 104: „cives Cracovienses rabie furoris Germanici“. 47 Benedykt Zientara, Rola miast w walce stano´w Pomorza Zachodniego z władza˛ ksia˙ ˛z˛eca˛ na przełomie XIII i XIV wieku [Die Rolle der Sta¨dte im Kampf der Sta¨nde Pommerns mit der Fu¨rstenmacht an der Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert], in: Zapiski Historyczne 27 (1962), 4, S. 489–521. 48 Hildegard Thierfelder, Beziehungen zwischen vorpommerschen und mecklenburgischen Sta¨dten im 13. Jahrhundert, in: Pommern und Mecklenburg. Beitra¨ge zur mittelalterlichen Sta¨dtegeschichte, hg. v. Roderich Schmidt, Ko¨ln/Wien 1981, S. 75–88, hier S. 78; Engel, Zur Autonomie (wie Anm. 38), S. 64f. 49 Jerzy Wyrozumski, Miasta w zyciu ˙ politycznym Polski s´ redniowiecznej [Die Sta¨dte im politischen ´ Leben des mittelalterlichen Polen], in: Studia nad dziejami miast i mieszczanstwa, Bd. 2, hg. v. Roman Czaja/Janusz Tandecki, Torun´ 1996, S. 29–42, hier S. 32; Bogucka/Samsonowicz, Dzieje (wie Anm. 2), S. 295. 50 Kodeks dyplomatyczny Wielkopolski, Bd. 2, hg. v. Ignacy Zakrzewski, Poznan´ 1878, Nr. 936; Wyrozumski, Miasta (wie Anm. 49), S. 33.
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um die polnische Krone. Eine besondere Rolle fiel in dieser Hinsicht Krakau zu. Zum ersten Mal wurden die Krakauer Bu¨rger im Jahr 1285 selbsta¨ndig politisch aktiv, als sie wa¨hrend eines Aufstandes der kleinpolnischen Ritterschaft dem Fu¨rsten Leszek dem Schwarzen ihre Unterstu¨tzung gewa¨hrten.51 In der Zeit der Ka¨mpfe um den Krakauer Thron und die Vereinigung des Landes sprach sich die Mehrheit der Sta¨dte fu¨r die Pˇremysliden oder die schlesischen Fu¨rsten aus. Ziemlich deutlich zeigte sich in den ersten beiden Jahrzehnten des 14. Jahrhunderts die feindliche Haltung der großen Sta¨dte gegenu¨ber Władysław Łokietek. 1306 stellten sich Krakau und Wieliczka gegen ihn, als er noch zu Lebzeiten Ko¨nig Wenzels II. versuchte, Kleinpolen einzunehmen.52 Nach dem Tode des letzten Pˇremysliden ordnete sich Krakau Łokietek unter. Der Fu¨rst, der sich die Gunst des Vogtes und der Bu¨rger sichern wollte, stellte eine Urkunde aus, mit der die bisherigen Privilegien besta¨tigt und die Gerichtsbefugnisse der Gemeinde ausgeweitet wurden, insbesondere in Rechtsangelegenheiten zwischen Bu¨rgern und Personen von außerhalb der Stadt.53 Dieses Vorgehen brachte keinen dauerhaften Nutzen, denn 1311 – wie Jerzy Wyrozumski annimmt, gegen Jahresende – rebellierten die Krakauer Bu¨rger unter der Fu¨hrung ihres Vogtes Albert gegen Władysław Łokietek und beriefen Bolesław I. von Oppeln auf den Thron. Zur selben Zeit erhoben sich der Vogt von Sandomierz (er stammte aus dem Krakauer Bu¨rgertum) und wahrscheinlich auch jener von Wieliczka gegen Łokietek.54 Vermutlich sprachen sich die Bu¨rger von Nowy Sacz ˛ fu¨r den damaligen Herrscher von Kleinpolen aus, die auf eine Sta¨rkung ihrer wirtschaftlichen Position auf Kosten Krakaus za¨hlten. Gegen die Herrschaft von Władysław Łokietek traten 1313 der Posener Vogt Przemko und ein Teil der Bu¨rger auf, die sich fu¨r eine Regentschaft der Glogauer Fu¨rsten aussprachen. Die Haltung des Bu¨rgertums war jedoch nicht einheitlich, denn ein Teil der Posener tendierte zu einer Versta¨ndigung mit Łokietek, den auch die Bu¨rger von Pyzdry und Kalisz unterstu¨tzten.55 1306 sprachen sich auch die Bewohner des kujawischen Brze´sc´ dafu¨r aus, sich seiner Herrschaft zu unterwerfen.56 Eigensta¨ndige, gegen die Herrscher Pommerellens gerichtete politische Aktivita¨ten unternahm in der zweiten Ha¨lfte des 13. Jahrhunderts auch das Bu¨rgertum von Danzig und Dirschau. Als 1271 der Danziger Fu¨rst M´sciwo´j II. gegen Sambor II. von Dirschau und gegen Siemomysł von Kujawien ka¨mpfte, unterwarfen sich die Bu¨rger von Danzig und Dirschau der Herrschaft der brandenburgischen Markgrafen. Im Jahr 1308 o¨ffneten sich die Danziger angesichts der Schwa¨che der Regierung von Władysław Łokietek in Pommerellen erneut brandenburgischem Einfluss.57 Vermutlich resultierte die Abneigung der Stadt Danzig gegen Łokietek u. a. aus der pro51 Ebd., S. 34. 52 Wyrozumski, Krako´w (wie Anm. 29), S. 206. 53 Ebd., S. 188ff.; Gawlas, O kształt (wie Anm. 4), S. 93. 54 Wyrozumski, Krako´w (wie Anm. 29), S. 208f. 55 Tomasz Jurek, Dziedzic Kro´lestwa Polskiego – ksia˙ ˛z˛e głogowski Henryk (1274–1309) [Der Erbe des
Polnischen Ko¨nigreiches – Herzog Heinrich von Glogau], Poznan´ 1993, S. 128; Wyrozumski, Miasta (wie Anm. 49), S. 37. 56 Bogucka/Samsonowicz, Dzieje (wie Anm. 2), S. 295. 57 Kazimierz Jasinski, ´ w okresie samodzielno´sci politycznej Pomorza Gdanskiego ´ ´ Gdansk [Danzig in ´ der Zeit der politischen Selbststa¨ndigkeit Pommerellens], in: Historia Gdanska. Tom 1 do roku 1454,
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lu¨beckischen Politik des Fu¨rsten, der 1298 in einem Privileg im Gegenzug fu¨r finanzielle Unterstu¨tzung in seinem Kampf gegen den bo¨hmischen Ko¨nig Wenzel II. und die brandenburgischen Markgrafen die Lu¨becker Kaufleute von seinem Ku¨stenrecht ausgenommen, von sa¨mtlichen Zo¨llen und Abgaben befreit, ihnen Handelsfreiheit zugesichert und ihnen die Gru¨ndung eines Handelskontors an der Mottlau mit voller Gerichtsimmunita¨t erlaubt hatte.58 An der Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert versuchte auch Breslau, selbsta¨ndig auf die politischen Geschicke Schlesiens Einfluss zu nehmen. 1290 u¨bernahm der Liegnitzer Fu¨rst Heinrich V. der Dicke dank der Unterstu¨tzung der Bu¨rger die Regentschaft u¨ber das Fu¨rstentum Breslau. Mit einem Misserfolg endete ein Aufstand der Breslauer gegen seinen Nachfolger Bolko I., der die Stadt mit hohen Abgaben belastete. 1301 beteiligten sich die Bu¨rger von Breslau an den Verhandlungen um die Berufung eines neuen Herrschers nach dem Tode Bolkos I.59 In der Literatur findet sich bisher keine eindeutige Antwort auf die Frage, aus welchem Grund die gro¨ßten polnischen Sta¨dte gegen die Herrschaft von Władysław Łokietek auftraten. Jerzy Wyrozumski vermutet als Grund fu¨r die freundschaftliche Haltung Krakaus gegenu¨ber den Pˇremysliden und schlesischen Fu¨rsten ihr Bestreben, die Beziehungen zum wirtschaftlich besser entwickelten Bo¨hmen oder Schle¨ hnlich hat Kazimierz Jasinski ´ sien zu intensivieren.60 A die Gru¨nde fu¨r die pro-brandenburgische Einstellung Danzigs im Bestreben der Bu¨rger gesehen, bessere Rahmenbedingungen fu¨r ihre wirtschaftlichen Aktivita¨ten zu schaffen.61 Einen anderen Standpunkt hat in den vergangenen Jahren Sławomir Gawlas pra¨sentiert, der in seiner Analyse der politischen Aktivita¨ten der Sta¨dte in Polen an der Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert diese als Ausdruck des Bestrebens ansieht, eine mo¨glichst große politische und verfassungsrechtliche Unabha¨ngigkeit nach dem Vorbild der Sta¨dte im Reich zu erlangen.62 Seiner Meinung nach fu¨hrte die Realisierung der politischen Bestrebungen der Bu¨rger zu Konflikten mit der Territorialherrschaft und bedrohte den politischen Einfluss der bisherigen Ministerialelite, weshalb die politischen Bestrebungen der Sta¨dte auch den entschiedenen Widerstand der polnischen Ritterschaft hervorriefen.63 Diese zweifelsohne zutreffende These schließt jedoch
´ 1985, S. 271–297 hier S. 292ff.; ders., Gdansk ´ pod rzadami hg. v. Edmund Cie´slak, Gdansk ˛ Władysława Łokietka i Wacławo´w czeskich [Danzig unter der Herrschaft Władysław Ellenlangs und der bo¨hmischen Wenzels], in: ebd., S. 312–321, hier S. 321. 58 Edwin Rozenkranz, Dzieje kantoru hanzeatyckiego w Gdansku ´ [Geschichte des Hansekantors in Danzig], in: Studia i Materiały do Dziejo´w Wielkopolski i Pomorza 25 (1978), S. 145–161, hier S. 150f.; ´ Henryk Samsonowicz, Tło gospodarcze wydarzen´ 1308 r. na Pomorzu Gdanskim [Der wirtschaftliche Hintergrund der Ereignisse von 1308 in Pommerellen], in: Przeglad ˛ Historyczny 56 (1965), 2, ´ na przełomie XIII I XIV wieku [Die S. 202–219, hier S. 209f.; Wiesław Długokecki, ˛ Hanza a Gdansk ´ Hanse und Danzig an der Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert], in: ‚Rzez´ gdanska‘ z 1308 roku w ´ ´ hg. v. Bła˙zej Sliwi ´ 2009, S. 27–42, hier S. 39. s´ wietle najnowszych badan, nski, ´ Gdansk 59 Golinski, ´ Wrocław (wie Anm. 30), S. 119, 124, 129. 60 Wyrozumski, Krako´w (wie 29), S. 211; ders., Miasta (wie Anm. 49), S. 34. 61 Jasinski, ´ (wie Anm. 57), S. 292. ´ Gdansk 62 Gawlas, O kształt (wie Anm. 4), S. 94. 63 Ebd., S. 93.
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andere, aus den lokalen Rahmenbedingungen resultierende Motive nicht aus, welche die politischen Aktivita¨ten der Sta¨dte bestimmten. Auch la¨sst sich feststellen, dass die Erbvo¨gte – im Gegensatz zu den pommerschen und deutschen Sta¨dten – in der Regel entscheidenden Einfluss auf die politische Haltung der Sta¨dte ausu¨bten. Die mit Ausnahme der schlesischen Sta¨dte relativ schwach entwickelte Kommunalverfassung bewirkte, dass die die Gemeinden repra¨sentierenden Stadtra¨te nur einen beschra¨nkten Einfluss auf die sta¨dtische Politik besaßen. Die Niederschlagung der Aufsta¨nde des klein- und großpolnischen Bu¨rgertums sowie die von Łokietek gegenu¨ber Krakau, Sandomierz und Posen ausgeu¨bten Repressionen hatten einen grundlegenden Einfluss auf die weitere Entwicklung der politisch-konstitutionellen Strukturen des wiedererstehenden Ko¨nigreichs Polen, in dessen politischem System, u¨brigens a¨hnlich wie in Bo¨hmen und Ungarn, kein Platz fu¨r Einflussnahmen eines Bu¨rgerstandes war.64
64 Gawlas, Polska Kazimierza Wielkiego (wie Anm. 7), S. 17f.
´ GEGRU ¨ NDET? WIE OFT WURDE PRZEMY SL Zur Genese sta¨dtischer Gemeinden in der Haliˇcer Rus’ im 13.–14. Jahrhundert von Andrzej Janeczek*
Als Jan Tyszkiewicz seinerzeit dazu aufrief, die Studien zur fru¨hen Entwicklungsphase der sta¨dtischen Zentren an San und Bug im 13. Jahrhundert wiederzubeleben1, hatte er vor allem Przemy´sl im Blick, das im Su¨dteil dieser Region nach wie vor die Position des fu¨hrenden Zentrums innehat. Die seit dem 10. Jahrhundert erkennbare und sich in den folgenden Jahrhunderten festigende politische Bedeutung von Przemy´sl (als Hauptstadt des Teilfu¨rstentums und orthodoxer Bischofssitz) verband sich mit wirtschaftlichen Funktionen: hauptsa¨chlich als Zentrum des Fernhandels zwischen den su¨ddeutschen Territorien und Kiev und auch mit Ungarn, das Salz aus den Karpaten lieferte und ein Zentrum der Handwerksproduktion war.2 Die fu¨r die Zeit
*U ¨ bersetzung des Aufsatzes „Ile razy Przemy´sl lokowano? Z zagadnien´ formowania gminy miejskiej
na Rusi Halickiej w XIII–XIV wieku“ (aus: Inter Orientem et Occidentem. Studia z dziejo´w Europy ´ Srodkowowschodniej ofiarowane Profesorowi Janowi Tyszkiewiczowi w czterdziestolecie pracy nau¨ bersetzung von Heidemarie Petersen. kowej, Warszawa 2002, S. 103–115); U 1 Jan Tyszkiewicz, Problematyka i potrzeby badawcze wczesno´sredniowiecznych dziejo´w dorzecza Sanu i go´rnego Bugu [Problematik und Forschungserfordernisse der fru¨hmittelalterlichen Geschichte des Gebietes zwichen San und oberem Bug], in: Rocznik Przemyski 17–18 (1976–1977), S. 6–20, hier S. 15. ´ ´ dła arabskie do dziejo´w Słowianszczyzny 2 Zro ´ [Arabische Quellen zur Geschichte des Slawentums], Bd. 1, hg. v. Tadeusz Lewicki, Wrocław/Krako´w 1956, S. 147f.; Tadeusz Lewicki, Polska i kraje sasied˛ nie w s´ wietle „Ksi˛egi Rogera“, geografa arabskiego z XII w., al-Idrisi’ego [Polen und die Nachbarla¨nder im Licht des „Buches von Roger“, eines arabischen Geographen des 12. Jahrhunderts, Al-Idri´ sis], T. 2, Warszawa 1954, S. 120ff.; ders., Handel Samanido´w ze Wschodnia˛ i Srodkow a˛ Europa˛ [Der Handel der Samaniden mit dem o¨stlichen und mittleren Europa], in: Slavia Antiqua 19 (1972), S. 1–18; ˙ Andrzej Zaki, Topografia wczesno´sredniowiecznego Przemy´sla. Preliminaria badawcze [Die Topographie des fru¨hmittelalterlichen Przemy´sl. Forschungspra¨liminarien], in: Acta Archaeologica Carpathica 1 (1958), 1, S. 75–98; ders., Bolesław Chrobry i Przemy´sl [Bolesław der Tapfere und Przemy´sl], in: Universitas 60 (1995), S. 1–5; Teresa Wasowiczo ˛ ´ wna, Research on the Mediaeval Road System in Poland, in: Archaeologia Polona 2 (1959), S. 125–140; Rudolf Jamka, Poczatki ˛ gło´wnych miast wczesno´sredniowiecznych w Polsce południowej w s´ wietle badan´ archeologicznych [Die Anfa¨nge der wichigsten fru¨hmittelalterlichen Sta¨dte im su¨dlichen Polen im Licht der archa¨ologischen Untersuchungen], T. 2: Przemy´sl, Lublin, Sandomierz, Wi´slica i Opole, Warszawa/Krako´w 1973; Antoni Kunysz, Pradzieje Przemy´sla [Vorgeschichte Przemy´sls], in: Tysiac ˛ lat Przemy´sla. Zarys historyczny, T. 1, hg. v. Franciszek Persowski u. a., Rzeszo´w 1976, S. 7ff.; ders., Przemy´sl w pradziejach i wczesnym s´ redniowieczu [Przemy´sl in Vorgeschichte und Mittelalter], Rzeszo´w 1981; Franciszek Persowski, Przemy´sl od X wieku do roku 1340 [Przemy´sl vom 10. Jahrhundert bis zum Jahr 1340], in: ebd.
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um 981 belegte Vergangenheit des Ortes als Standort einer Burg findet ihre Entsprechung in dem ebenso alten Indiz fu¨r seinen sta¨dtischen Charakter in Gestalt einer fu¨r den Beginn des 11. Jahrhunderts bezeugten ju¨dischen Kolonie.3 In dem im 13. Jahrhundert vereinten Fu¨rstentum Haliˇc-Wolhynien geho¨rte Przemy´sl zu den wichtigsten burgsta¨dtischen Zentren. Seine Position behielt es nach dem Fall des Fu¨rstentums (1340) und dessen Eingliederung in das Ko¨nigreich Kasimirs des Großen (wahrscheinlich 1349) bei, die schließlich als Resultat eines Feldzuges der Ko¨nigin Jadwiga (1387) besta¨tigt wurde. In der polnischen Zeit tritt Przemy´sl als eine Stadt zu Magdeburger Recht hervor, die rechtlich und territorial von ihrem do¨rflichen Umland geschieden ist, eine regelma¨ßige sta¨dtebauliche Struktur besitzt, mit einer eigenen Binnenorganisation ausgestattet ist und Formen der Selbstverwaltung ausbildet. Diese neue Form sta¨dtischen Lebens brachte strukturelle, soziale und ra¨umliche Vera¨nderungen im Prozess einer deutschrechtlichen Lokation hervor. Die Lokation von Przemy´sl, durch die ein altrussisches burgsta¨dtisches Zentrum in eine Munizipalstadt transformiert wurde, ist in der Historiografie noch nicht zufriedenstellend erforscht worden. Lange Zeit galt eine Urkunde Władysław Jagiełłos aus dem Jahr 1389 als Lokationsprivileg. Die Stadt behandelte sie als ihr Gru¨ndungsdokument, das ihr einen Rechtsanspruch auf die Anwendung Magdeburger Rechtes, die Verfu¨gungsgewalt u¨ber ein Patrimonium und weitere Befugnisse verlieh. Noch 1632 wurde die Urkunde in der sta¨dtischen Kammer verwahrt. Zwar ging sie im 17. Jahrhundert verloren, wurde aber durch ein Transsumpt Sigismund Augusts aus dem Jahr 1559 ersetzt.4 Sie wurde in den Verzeichnissen der „der Stadt dienlichen“ Privilegien und in Rechtsdarlegungen aufgefu¨hrt und bei Lustrationen der Starostei pra¨sentiert, um den sta¨dtischen Status von Przemy´sl und dessen Ausstattung mit Einku¨nften zu legitimieren.5 Ihr Inhalt wurde in Kopiare u¨bernommen und in S. 93–159, hier S. 93ff.; Henryk Samsonowicz, Szlak bałtycko-czarnomorski w XIII–XIV wieku [Der Handelsweg von der Ostsee zum Schwarzem Meer im 13.–14. Jahrhundert], in: Balticum. Studia z dziejo´w polityki, gospodarki i kultury XII–XVII wieku ofiarowane Marianowi Biskupowi, hg. v. Zenon Hubert Nowak, Torun´ 1992, S. 285–290; Igor Swiesznikow, List z Przemy´sla z poczatko ˛ ´ w XII wieku [Ein Brief aus Przemy´sl vom Beginn des 12. Jahrhunderts], in: Rocznik Przemyski 31 (1995), ´ ask. 1, S. 47–53; Jan Tyszkiewicz, Z Mołdawii na Sl ˛ O handlu polskim w XIV i XV stuleciu [Aus der ¨ ber den polnischen Handel im 14. und 15. Jahrhundert], in: Viae historicae. Moldau nach Schlesien. U Ksi˛ega jubileuszowa dedykowana profesorowi Lechowi A. Tyszkiewiczowi w siedemdziesiat˛ a˛ rocznic˛e urodzin, hg. v. Mateusz Golinski/Stanisław ´ Rosik, Wrocław 2001, S. 479–488, hier S. 480. 3 Julij Bruckus, Persˇi zvistki pro Jevreiv u Polsˇcˇ i ta na Rusi [Die ersten Nachrichten u¨ber Juden in Polen und in der Rus’], in: Ukrains’ka Akademia Nauk. Istoryˇcna sekcja. Naukovyj zbirnik 26 (1927), ´ ´ dła hebrajskie i arabskie do dziejo´w Przemy´sla [Hebra¨ische und S. 3–11, S. 9f.; Tadeusz Lewicki, Zro arabische Quellen zur Geschichte Przemy´sls], in: Rocznik Przemyski 11 (1967), S. 49–61. 4 Auf der Grundlage eines Transsumptes Sigismunds des Alten von 1509. Jan Smołka, Katalog starozyt˙ nego Archiwum Miejskiego i Towarzystwa Przyjacio´ł Nauk w Przemy´slu, T. 1: Dyplomy pergaminowe [Katalog des alten Stadtarchivs und der Gesellschaft der Freunde der Wissenschaften in Przemy´sl], in: Rocznik Towarzystwa Przyjacio´ł Nauk w Przemy´slu 3 (1923), S. 3–59, hier S. 6f.; ders., Katalog Archiwum Akt Dawnych miasta Przemy´sla [Katalog des Archives der Alten Akten der Stadt Przemy´sl], Przemy´sl 1927, S. 13f.; Jacek Krochmal, Akta miasta Przemy´sla (1402–1944), T. 1: Przewodnik po zespole archiwalnym [Akten der Stadt Przemy´sl (1402–1944). Bd. 1: Fu¨hrer durch die Archivbesta¨nde], Przemy´sl 1995, S. 13f., 155. 5 Z. B. leitet eine an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert angefertigte Darlegung der Stadtrechte das ´ Privileg mit den Worten a Vladislao rege anno 1389 civitati [...] concessum ein – Archiwum Panstwowe
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Abb. 1: Przemy´sl um 1800 A: Burg mit vorromanischem Palatium und Rotunde sowie der orthodoxen Kathedrale des hl. Johannes; B: Suburbium; C: Lateinische Kathedrale der Muttergottes und des hl. Johannes, mit Presbyterium der hl. Michael-Rotunde im Untergeschoss; D: Marktplatz der Rechtsstadt; E: Judenviertel Quelle: Zentrales Historisches Staatsarchiv Lemberg, Fond 726, op. 1, spr. 1472. Der Autor dankt Stanisław Stepien´ vom Wissenschaftlichen Su¨dost-Institut Przemy´sl fu¨r die Zuga¨nglichmachung des Planes
Regesten zusammengefasst. Auf sie berief man sich wa¨hrend der Bemu¨hungen zur Wiedererlangung des Status einer freien Ko¨nigsstadt, den man zu Beginn der o¨sterreichischen Herrschaft durch einen Verkauf in private Ha¨nde verloren hatte.6 In a¨hnlicher Weise hat die a¨ltere Historiografie die Bedeutung der Urkunde von 1389 u¨ber-
Przemy´sl, Archiv der Stadt Przemy´sl, ms. 538, S. 23–27. Mit ihm begannen die den Lustratoren der Starostei 1661–1665 vorgelegten sta¨dtischen Privilegien – Lustracja wojewo´dztwa ruskiego 1661–1665, T. 1: Ziemia przemyska i sanocka [Die Lustrationen der Wojewodschaft Rus’ 1661–1665, Bd. 1: Das Land von Przemy´sl und Sanok], hg. v. Kazimierz Arłamowski/Wanda Kaput, Wrocław 1970, S. 4. 6 Das Privileg „zu Magdeburger Recht des Ko¨nigs Władysław“ stand an erster Stelle in der Zusammenfassung der Privilegien von Przemy´sl, die dem Gubernium in Lemberg 1783 vorgelegt wurde – Central’nyj Derzˇavnyj Istoryˇcnyj Archiv Ukrainy, L’viv, f. 134, op. 2, spr. 607.
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ho¨ht, indem sie sie als den ersten und wichtigsten Beweis einer sta¨dtischen Privilegierung, gleichsam als Gru¨ndungsdokument annahm, welches den entscheidenden Moment in der Entwicklung von Przemy´sl markiere.7 Im Jahr 1889 beging man den 500. Jahrestag ihrer Ausstellung (d. h. der Verleihung der Stadtrechte)8 und kultivierte damit die Tradition einer freien und autonomen Ko¨nigsstadt. In enzyklopa¨dischen Werken und popula¨rwissenschaftlichen Arbeiten hat das Datum 1389 bis heute u¨berdauert.9 1924 trat jedoch der Przemy´sler Archivar und Historiker Jan Smołka mit der These hervor, dass die Stadt bereits vor Władysław Jagiełło Magdeburger Recht besessen habe. Diese Ansicht war durch fru¨here Feststellungen von Anatol Lewicki, Leopold Hauser und Ludwik Dziedzicki vorbereitet worden, dass es in Przemy´sl schon vor 1389 einen Vogt sowie ein Ratsgremium gegeben habe.10 Damit ergab sich die Frage, ob tatsa¨chlich Jagiełło die neue sta¨dtische Verfassung eingefu¨hrt hatte, oder ob dies schon zuvor auf Veranlassung eines unbekannten Vorga¨ngers des Ko¨nigs geschehen war. Diesen Zweifel vertiefte Jan Smołka, indem er ausfu¨hrte, dass es in Hinblick auf die Bedeutung von Przemy´sl merkwu¨rdig, ja geradezu unmo¨glich sei, dass es bis 1389 kein deutsches Recht angewendet haben sollte, zumal andere, kleinere Orte schon fru¨her damit ausgestattet worden seien. Przemy´sl dabei zu u¨bergehen ha¨tte ein unerkla¨rliches „Versa¨umnis“ oder eine „Benachteiligung“ bedeutet, die der aktiven Sta¨dtepolitik der polnischen Herrschaft in Ruthenien widersprochen und insbesondere im Widerspruch zur Urbanisierungsta¨tigkeit von Kasimir dem Großen gestan¨ berlegungen fu¨gte Smołka weitere Argumente hinzu: die schon den ha¨tte. Solchen U aus der Zeit vor 1389 bekannte Benennung als civitas, Spuren einer funktionierenden sta¨dtischen Verfassung (Ratsherren und Vogt) aus dem Jahr 1386, die auf eine a¨ltere, bereits fixierte Privilegierung hinweisenden Formulierungen der Urkunde von 1389 und außerdem die allgemeine Besta¨tigung der Rechte der Stadt durch Sigismund den
7 Michał Balinski/Tymoteusz ˙ ´ Lipinski, ´ Starozytna Polska pod wzgl˛edem historycznym, geograficz-
nym i statystycznym opisana [Das alte Polen, beschrieben aus historischem, geographischem und statistischem Blickwinkel], Bd. 2, Warszawa 1845, S. 618; Leopold Hauser, Monografia miasta Przemy´sla [Monographie der Stadt Przemy´sl], Przemy´sl 1883, S. 106ff.; Ludwik Dziedzicki, Przemy´sl, in: Słow´ nik geograficzny Kro´lestwa Polskiego i innych krajo´w słowianskich, Bd. 9, hg. v. Bronisław Chlebowski/Władysław Walewski, Warszawa 1888, S. 148–168; Franciszek Siarczynski, ´ Wiadomo´sc´ o daw´ ´ niejszym i po´zniejszym stanie miasta Przemy´sla, o dziejach jego, o mieszkancach niegdy´s ziemi, teraz obwodu przemy´slskiego [Nachricht u¨ber den a¨lteren und spa¨teren Zustand der Stadt Przemy´sl, u¨ber seine Geschichte, u¨ber die Bewohner des einstigen Landes, des heutigen Bezirks Przemy´sl], in: Czaso´ pism Naukowy Ksi˛egozbioru Publicznego imienia Ossolinskich 2 (1829), S. 3–22, hier S. 6. Der Autor dieser a¨ltesten Monografie u¨ber die Stadt hat das Privileg fa¨lschlicherweise auf 1412 datiert. 8 Jo´zef Zagrodzki, Kilka sło´w o dawniejszych dziejach Przemy´sla z powodu 500-letniej rocznicy nadania mu prawa magdeburskiego [Einige Worte zur Geschichte Przemy´sls anla¨sslich des 500. Jahrestages der Verleihung Magdeburger Rechts], Przemy´sl 1890. 9 So auch noch im vor einiger Zeit herausgegebenen, imposanten Band Zabytki urbanistyki i architektury w Polsce. Odbudowa i konserwacja, T 1.: Miasta historyczne [Denkma¨ler der Urbanistik und Architektur in Polen. Wiederaufbau und Konservierung, Bd. 1: Historische Sta¨dte], hg. v. Wojciech Kalinowski, Warszawa 1986, S. 383. 10 Anatol Lewicki, Obrazki najdawniejszych dziejo´w Przemy´sla [Bilder der a¨ltesten Geschichte Przemy´sls], Przemy´sl 1880, S. 119; Hauser, Monografia (wie Anm. 7), S. 100; Dziedzicki, Przemy´sl (wie Anm. 7), S. 156.
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Alten aus dem Jahr 1512, die sich auf alte Privilegien von dessen Vorga¨ngern, darunter auch Kasimir dem Großen bezieht.11 Die Zeugnisse einer sta¨dtischen Organisation westlichen Typs, die dem Ausstellungsdatum des Privilegs von Jagiełło vorausgingen, schienen die These von einer fru¨heren Stadtreform zu belegen, auch wenn dabei nicht alle diese Ansicht besta¨tigenden und in gedruckter Form zuga¨nglichen Quellen ausgewertet wurden. Der Verweis auf Kasimir den Großen folgte jedoch der unbegru¨ndeten Erwartung, dass unter den Vorga¨ngern Jagiełłos gerade er es gewesen sein mu¨sse, der der Stadt das deutsche Recht „gespendet“ und sie wirtschaftlich entsprechend ausgestattet hatte.12 Ein halbes Jahrhundert spa¨ter hat Anna Berdecka die Idee einer Lokation durch Kasimir den Großen unterstu¨tzt, ohne allerdings explizit an die Ausfu¨hrungen von Smołka anzuknu¨pfen.13 Sie bezog sich dabei auf ein Dekret Stefan Bathorys aus dem Jahr 1577 zu einem Streit zwischen Ratsherren und Stadtbewohnern, in dem von einer Schenkung von 100 Flurstu¨cken durch Kasimir den Großen die Rede ist. Diese Erwa¨hnung fasste die Autorin als Beweis fu¨r die Ausstellung eines nicht erhaltenen Lokationsprivilegs und die Durchfu¨hrung einer ra¨umlichen Lokation der Stadt unter Kasimir (ho¨chstwahrscheinlich um 1350) auf. Die einander erga¨nzenden Ideen von Jan Smołka und Anna Berdecka wurden angenommen, und seither geistert ein neues, von den Historikern imaginiertes Lokationsprivileg Kasimirs durch die Forschungsliteratur.14 Doch darin erscho¨pfte sich die Suche nach Anzeichen fu¨r eine funktionierende westliche sta¨dtische Organisation in Przemy´sl, die in die Zeit vor 1389 zuru¨ckreichen sollte, nicht. Die einst herrschende Vorstellung von den Verdiensten Jagiełłos fu¨r das Lokationswerk erfuhr eine weitere, wesentlich bedeutendere Beeintra¨chtigung durch das Auftauchen einer Quelle, die die Existenz einer zu deutschem Recht installierten 11 Jan Smołka, O herbie miasta Przemy´sla [U ¨ ber das Wappen der Stadt Przemy´sl], in: Rocznik Towa-
rzystwa Przyjacio´ł Nauk w Przemy´slu 4 (1923[1924]), S. 78–110, hier S. 80ff.
12 Ebd., S. 95. 13 Anna Berdecka, Nowe Lokacje miast kro´lewskich w Małopolsce w latach 1333–1370. Chronolo-
gia i rozmieszczenie [Die Neulokationen ko¨niglicher Sta¨dte in Kleinpolen in den Jahren 1333–1370. Chronologie und Verteilung], in: Przeglad ˛ Historyczny 65 (1974), 4, S. 593–624, hier S. 601; dies., Lokacje i zagospodarowanie miast kro´lewskich w Małopolsce za Kazimierza Wielkiego (1333–1370) [Lokationen und wirtschaftliche Erschließung der ko¨niglichen Sta¨dte in Kleinpolen unter Kasimir dem Großen], Wrocław 1982, S. 29, 47. 14 August Fenczak, Z badan´ nad poczatkami ˛ samorzadu ˛ miejskiego w Przemy´slu i jego kancelarii (do 1389 roku) [Aus den Forschungen zu den Anfa¨ngen der sta¨dtischen Selbstverwaltung in Przemy´sl und seiner Kanzlei (bis zum Jahr 1389)], in: Rocznik Historyczno-Archiwalny 5 (1988), S. 23–48, hier S. 29ff.; Krochmal, Akta miasta (wie Anm. 4), S. 11ff.; ders., Piecz˛ecie i herb miasta Przemy´sla [Siegel und Wappen der Stadt Przemy´sl], Przemy´sl 1997, S. 14f. Fru¨her, aber erst nach Smołka, haben Zdzisław Kaczmarczyk und Kazimierz Arłamowski dies im Bereich des Mo¨glichen angesiedelt – Zdzisław Kaczmarczyk, Kolonizacja niemiecka na wscho´d od Odry [Die deutsche Kolonisation o¨stlich der Oder], Poznan´ 1945, S. 124; Kazimierz Arłamowski, Rozwo´j przestrzenny Przemy´sla [Raumentwicklung Przemy´sls], in: Roczniki Dziejo´w Społecznych i Gospodarczych 15 (1953), S. 161–194, hier S. 183. Ein Gegner der These von einer Lokation Kasimirs ist der Basilianermo¨nch Boris I. Balyk, der im Dekret von 1577 ganz umstandslos, wenn auch wenig u¨berzeugend, Kasimir durch Władysław Jagiełło ersetzt. Auf diese simple Weise ordnet er die dort erwa¨hnte Vergabe von 100 Flurstu¨cken dem bekannten Privileg von 1389 zu – Boris I. Balyk, Cerkva sv. Mykolaja v Peremysˇli v XIV st. [Die Kirche des hl. Nikolaus in Przemy´sl im 14. Jahrhundert], in: Bohoslovija 50 (1986), S. 21–66, hier S. 38.
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Vogtei bereits im ruthenischen Przemy´sl belegte. Dies geschah 1958, als der Przemy´sler Historiker Aleksy Gilewicz den Fund eines Registereintrags zu einer Urkunde des Fu¨rsten Lev im Scho¨ffenbuch von Przemy´sl publik machte.15 Die Urkunde besta¨tigte den Verkauf einer Vogtei in ius Thevtunicum in Przemy´sl sowie der steinernen Nikolaikirche zugunsten eines gewissen Johannes. In diesem undatierten Dokument verlieh der Fu¨rst der Vogtssiedlung Immunita¨t, wa¨hrend die u¨ber ihre Bewohner nach deutschem Recht auszuu¨bende Gerichtsbarkeit dem Vogt vorbehalten blieb. Dieser selbst sollte Vogteirecht unterstehen und konnte lediglich vor ein aus den Vo¨gten anderer Sta¨dte zusammengesetztes fu¨rstliches Gericht gezogen werden. Die ¨ berreste dank schnell in die Siedlung verfu¨gte u¨ber ein eigenes Gotteshaus, dessen U Wege geleiteter archa¨ologischer Untersuchungen unter dem Presbyterium der spa¨tgotischen katholischen Kathedrale entdeckt wurden.16 Die Urkunde lieferte den sensationellen Hinweis auf eine organisierte Stadtgemeinde westlichen Typs im ruthenischen Przemy´sl lange vor dessen Eingliederung in das Ko¨nigreich Kasimirs des Großen, also auf einen Lokationswandel, den man bisher der polnischen Epoche zugeschrieben hatte. Es wundert daher nicht, dass die Urkunde mehrfach in der lateinischen Originalsprache des Scho¨ffenbuchs publiziert, in das Polnische und Ukrainische u¨bersetzt und sogar das Risiko einer Ru¨cku¨bersetzung in das Altrussische eingegangen wurde, die Sprache, in der sie urspru¨nglich aufgezeichnet worden sein musste.17 Dies geschah ohne ada¨quate Quellenkritik, die in 15 Najwcze´sniejsza wzmianka o wo´jtostwie w Przemy´slu [Der wichtigste Hinweis auf die Vogtei in Prze-
´ ´ dłowe do historii regionalnej wojewo´dztwa rzeszowskiego dla klasy VIII my´sl], in: Wypisy i teksty zro i IX, u¨bers. v. Aleksy Gilewicz, Rzeszo´w 1958, S. 17f. 16 Julian Ataman, Odkrycie archeologiczne w podziemiach bazyliki katedralnej przemyskiej [Archa¨ologische Entdeckungen unter der Kathedrale von Przemy´sl], in: Kronika Diecezji Przemyskiej o. ł., 47 (1961), 9–10, S. 138–142; Antoni Kunysz/Jo´zef Frazik, Badania archeologiczne na terenie Przemy´sla w roku 1961 [Archa¨ologische Untersuchungen auf dem Gebiet von Przemy´sl im Jahr 1961], in: Sprawozdania Rzeszowskiego O´srodka Archeologicznego za rok 1961 (1961), S. 7–12; Antoni Kunysz, Wyniki badan´ archeologicznych na terenie Przemy´sla w rejonie starego miasta w roku 1961 [Ergebnisse der archa¨ologischen Untersuchungen auf dem Gebiet von Przemy´sl im Bereich der Altstadt im Jahr 1961], in: Rocznik Przemyski 9 (1962), 2, S. 355–361; ders., Najnowsze wyniki badan´ na terenie Przemy´sla w rejonie starego miasta [Die neuesten Ergebnisse der Untersuchungen auf dem Gebiet von Przemy´sl im Bereich der Altstadt], in: Roczniki Wojewo´dztwa Rzeszowskiego 3 (1960–1961[1963]), S. 294–301; Jo´zef T. Frazik, Relikty rotundy pod prezbiterium katedry przemyskiej w s´ wietle doty¨ berreste einer Rotunde unter dem Presbyterium der Kathedrale von Przechczasowych badan´ [Die U my´sl im Licht der bisherigen Forschungen], in: Biuletyn Historii Sztuki 24 (1962), 2, S. 222–225; Marek Gosztyła/Michał Proksa, Ko´scio´ł s´ w. Mikołaja w Przemy´slu na tle rotund prostych w Polsce [Die Kirche des hl. Nikolaus in Przemy´sl vor dem Hintergrund der einfachen Rotunden in Polen], Przemy´sl 1997; Zbigniew Pianowski/Michał Proksa, Rotunda s´ w. Mikołaja w Przemy´slu po badaniach archeologiczno-architektonicznych w latach 1996–1998 [Die Rotunde des hl. Nikolaus in Przemy´sl nach den archa¨ologischen Untersuchungen in den Jahren 1996–1998], Przemy´sl 1998. 17 Bisherige, leider mangelhafte Editionen sind: Oleksyi Markevyc, ˇ Nevidoma hramota kniazja L’va Danylovyˇca [Eine unbekannte Urkunde des Fu¨rsten Lev Daniloviˇc], in: Archivy Ukrainy 1968, 5, S. 25–29; Zbio´r dokumento´w małopolskich, T. 4 [Kleinpolnische Urkundensammlung, Bd. 4], hg. v. Irena Sułkowska-Kura´s/Stanisław Kura´s, Wrocław 1969, Nr. 901; Kazimierz Arłamowski, Sto´ wieku XIV do roku 1772 [Die sunki społeczno-gospodarcze w Przemy´slu staropolskim od konca sozial-o¨konomischen Verha¨ltnisse im altpolnischen Przemy´sl vom Ende des 14. Jahrhunderts bis 1772], in: Tysiac ˛ lat Przemy´sla (wie Anm. 2), S. 165–397, hier 167f.; Myron Kapral’, Privilej 1356 roku jak povtorne nadanja magdeburz’koho prava dlja mista L’vova [Das Privileg von 1356 als wie-
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diesem Fall wegen verschiedener, aus dem Fehlen des Originals resultierender Unsicherheiten notwendig gewesen wa¨re: hinsichtlich der zweifelhaften Glaubwu¨rdigkeit angesichts wiederholter Fa¨lschungen von Urkunden unter dem Namen des Fu¨rsten Lev; hinsichtlich der Person des Ausstellers (Lev Daniloviˇc oder Lev Jur’eviˇc?); und ¨ bersetzung aus dem Altrussischen in das Lateinihinsichtlich der Genauigkeit der U sche. Trotz dieser sich aufdra¨ngenden Bedenken wurde die Urkunde in die Versuche einbezogen, den Lokationsprozess von Przemy´sl zu rekonstruieren. Diese waren zuna¨chst eher banal,18 aber dann in einem Aufsatz von Borys I. Balyk und insbesondere in den gru¨ndlichen Studien von August Fenczak ergiebiger.19 Beide Autoren haben versucht, eine Chronologie der Urkunde zu erstellen sowie den Charakter der Siedlung zu bestimmen, der die Immunita¨t erteilt wurde. Bis zu einer eingehenden, kritischen Rezeption dieser Quellenu¨berlieferung ist es jedoch noch weit, und mein aktueller Vorschlag, ihre Glaubwu¨rdigkeit anzuerkennen, muss sich erst noch dem Urteil weiterer Diskussionen stellen.20 Als Resultat der bisherigen Forschungen hat sich ein Schema des Lokationswandels in Przemy´sl herausgebildet, das mit drei als Lokationsprivilegien angesehenen Urkunden verknu¨pft ist: der entdeckten Urkunde des Fu¨rsten Lev, einer vermuteten Urkunde Kasimirs des Großen sowie der seit langem bekannten Urkunde Jagiełłos aus dem Jahr 1389. Die Urkunde des Fu¨rsten Lev nimmt in dieser Konstruktion als „urspru¨ngliche Lokationsurkunde von Przemy´sl“, als Lokationsurkunde der „deutschrechtlichen Stadt“ und „Verleihung des Magdeburger Rechtes an die Stadt“ eine fu¨hrende Stellung ein.21 Die Bestimmung des Zeitraums, in dem es zur Einfu¨hrung des deutschen Rechtes kam, ha¨ngt von der Beantwortung der Frage ab, welcher der zur Debatte stehenden Levs der Aussteller der Urkunde gewesen sein ko¨nnte. Ein Teil der Forscher schreibt die Urkunde Lev Daniloviˇc (gestorben zwischen 1299 und 1301) zu, ein anderer Teil seinem Enkel Lev Jur’eviˇc (gest. 1323 oder fru¨her). Dieses Problem ist an anderer Stelle ausfu¨hrlicher vorgestellt worden, zusammen mit einem Begru¨ndungsversuch fu¨r die Idee, dass der a¨ltere Lev in dieser Rolle zu sehen sei, und man daher die Anfa¨nge einer sta¨dtischen Verfassung iure Theuthonico in Przemy´sl im letzten Drittel des 13. Jahrhunderts suchen mu¨sse.22 Dabei lohnt es sich, den Charakter und das Ausmaß der durch die Privilegierung des Vogtes Johannes hervorgerufenen Vera¨nderungen zu pra¨zisieren. Haben wir tatsa¨chlich das Recht davon zu spre-
derholte Verleihung Magdeburger Rechts fu¨r die Stadt Lemberg], in: L’viv. Misto, suspil’stvo, kul’tura, hg. v. Marian Mudryi, L’viv 1999, S. 11–21, hier S. 16. Der ju¨ngste Versuch einer korrekten Edition bei Andrzej Janeczek, Zab ˛ kniazia Lwa. W kwestii wiarygodno´sci przemyskiego przywileju wo´jtowskiego [Der Zahn des Fu¨rsten Lev. Zur Frage der Glaubwu¨rdigkeit des Przemy´sler Vogtei-Privilegs], ´ in: Civitas et villa. Miasto i wie´s w s´ redniowiecznej Europie Srodkowej, hg. v. Cezary Bu´sko u. a., Wrocław/Praha 2002, S. 177–189. 18 Markevyc, ˇ Nevidoma (wie Anm. 17), S. 28; Berdecka, Nowe lokacje (wie Anm. 13), S. 601; dies., Lokacje (wie Anm. 13), S. 28f.; Arłamowski, Stosunki (wie Anm. 17), S. 167f. 19 Fenczak, Z badan´ (wie Anm. 14), S. 25ff.; Balyk, Cerkava (wie Anm. 14), S. 23ff. 20 Janeczek, Zab ˛ (wie Anm. 17). 21 Arłamowski, Stosunki (wie Anm. 17), S. 167; Fenczak, Z badan´ (wie Anm. 14), S. 27; Krochmal, Akta (wie Anm. 4), S. 10. 22 Janeczek, Zab ˛ (wie Anm. 17).
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chen, dass damals eine Lokation von Przemy´sl stattgefunden hat? Erfu¨llt die Berufung eines Vogtes zu deutschem Recht schon die Definition einer sta¨dtischen Lokation?23 Wir wollen uns eine weitergehende Analyse, die die frappierenden Analogien zu den anderen großen Orten von Haliˇc-Wolhynien (Lemberg, Volodymyr, Sanok, und in gewissem Maße auch Krosno, Chełm und Haliˇc) beru¨cksichtigt, fu¨r eine separate Untersuchung aufheben und uns hier nur auf die Formulierungen der Urkunde selbst beschra¨nken. Die Schenkung bzw. der Verkauf zugunsten des Vogtes Johannes ist ihrem Wesen nach ein Vogteiprivileg. Dieses sieht die Einrichtung einer Vogtei vor, die auf ewig, d. h. zweifelsohne mit der Perspektive der Vererbung u¨bertragen wird, des weiteren die Einfu¨hrung deutschen Rechtes (vendidi [...] in ius Thevtunicum), die Ausdehnung der Gerichtsimmunita¨t auf die der Jurisdiktion des Vogtes unterstehenden homines civiles, die Ausstattung des Vogtes mit eigener Gerichtshoheit und dessen Rechtsunmittelbarkeit gegenu¨ber dem Fu¨rsten. Der Kern der Schenkung Levs ist die Rechtsimmunita¨t des Vogtes und der ihm unterstehenden Personen. Es werden keinerlei organisatorische Details zur Vogtei, zum Ausmaß der administrativen Machtbefugnisse des Vogtes, zu den eventuell von ihm zu erbringenden Diensten (etwa einem Milita¨rdienst) sowie zu seinen wirtschaftlichen und fiskalischen Befug¨ bertragung irgendwelcher Siedlungsnissen pra¨zisiert. Es ist keine Rede von der U aufgaben an den Vogt, was gegen die Vermutung spricht, er sei mit einer ra¨umlichen Lokation beauftragt worden.24 Auch gibt es keinerlei Verfu¨gung u¨ber Grundbesitz bzw. die Ausstattung des Vogtes und der Siedlung mit Grund und Boden und u¨ber die Zuweisung eines Platzes fu¨r die Siedlung selbst. Es fehlt ein entwickeltes Lokationsprogramm, und der Charakter der Privilegierung la¨sst eher an eine Initiative des Vogtes denken, der sich die Zustimmung erkauft, eine separate, auf deutsches Recht gestu¨tzte Administration zu schaffen und sie mit Ansa¨tzen von Autonomie, einer eigenen Gerichtsbarkeit, einer Erbvogtei und einem katholischen Gotteshaus auszustatten. Diese Einrichtungen bildeten, zusammen mit einer in der Urkunde nicht notierten Zusicherung perso¨nlicher Freiheit und der Gewa¨hrung von Grundbesitz ein Paket grundlegender Garantien zur Ansiedlung von aus dem Westen zuwandernden Kaufleuten. Es erscheint unmo¨glich, dass der neue Status auch andere Bevo¨lkerungsgruppen von Przemy´sl einbezogen haben ko¨nnte, etwa die Ruthenen als die zweifelsohne gro¨ßte Gruppe. Der Geltungsbereich des deutschen Rechtes in den alten Zentren kann nicht groß gewesen sein, und mit Sicherheit wurde er vom Prinzip der Rechtsfa¨higkeit bestimmt. Die ra¨tselhafte, ansonsten unbekannte Bezeichnung homines civi¨ bersetzungseinfall des ruthenischen Schreibers, der den les, ganz offensichtlich ein U
23 Eine Begriffsanalyse bei Richard Koebner, Locatio. Zur Begriffssprache und Geschichte der deut-
schen Kolonisation, in: Zeitschrift des Vereins fu¨r Geschichte Schlesiens 63 (1929), S. 1–32; Benedykt Zientara, Przemiany społeczno-gospodarcze i przestrzenne miast w dobie lokacji [Der sozioo¨konomische und ra¨umliche Wandel der Sta¨dte in der Lokationszeit], in: Miasta doby feudalnej w Europie s´ rodkowo- wschodniej. Przemiany społeczne a układy przestrzenne, hg. v. Aleksander Gieysztor/ Tadeusz Rosłanowski, Warszawa 1976, S. 67–97, hier S. 75ff. 24 Es gibt also keine Grundlage fu¨r Fenczaks Bezeichnung des Vogtes Johannes als Lokator – Fenczak, Z badan´ (wie Anm. 14), S. 27.
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Text der Urkunde bei ihrer Registrierung im Jahr 1470 in das Lateinische u¨bersetzte, sagt nichts u¨ber den Status der so bezeichneten sozialen Gruppe aus. Die Reichweite der Jurisdiktion des Vogtes entsprach der personalen, nicht territorialen Reichweite des deutschen Rechtes in der Gerichtsbarkeit (homines civiles nullus debet iudicare, nisi advocatus iure Theutunico); weitere Befugnisse erhielt der Vogt nicht. Der Machtbereich des Vogtes wurde dagegen von den jeweiligen Gruppenrechten abgesteckt – es fehlen die Voraussetzungen dafu¨r, anzunehmen, dass seine Kompetenzen u¨ber die Gruppe der aus dem Westen stammenden, durch Recht und Glaubensbekenntnis definierten Bevo¨lkerung hinausgegangen wa¨ren. Ihm die Administration u¨ber den gesamten Ort zuzuschreiben, wa¨re eine irrige Idee.25 Sehr entschieden hat sich Omeljan Pritsak fu¨r eine Unterscheidung von zwei nicht miteinander verbundenen sta¨dtischen Organismen, einer ruthenischen Patrimonialstadt und einer Siedlung zu deutschem Recht ausgesprochen, wobei er letztere ohne Umschweife als „deutsche Kolonialstadt“ bezeichnete.26 Die neue Ordnung habe lediglich einen Teil des Siedlungskomplexes von Przemy´sl umfassen ko¨nnen. Die Urkunde des Fu¨rsten Lev berechtigt uns nicht zu der Behauptung, dass damals eine Lokation von Przemy´sl durchgefu¨hrt worden sei. Schließlich entstand keine territorial definierte, einheitliche Stadtgemeinde, die ein abgegrenztes Stadtgebiet regiert ha¨tte. Also war es nicht Przemy´sl, dass hier durch eine Lokation gegru¨ndet wurde. Man kann lediglich von einer Lokation der westlichen Gemeinde von Przemy´sl sprechen, die eine pra¨kommunale sta¨dtische Organisation schuf, unter der Jurisdiktion eines Vogtes verblieb und in die alte, weiterhin funktionierende Siedlungskonglomeration eingegliedert wurde.27 Ohne sta¨dtebauliche und archa¨ologische Untersuchungen ist es unmo¨glich zu beurteilen, ob es gleichzeitig zu Vera¨nderungen oder ra¨umlichen Regulierungen auf dem Gebiet der mit Immunita¨t ausgestatteten Siedlung kam. Die na¨chste in der Literatur als Lokationsprivileg ausgewiesene Quelle ist die von Kasimir dem Großen angeblich um 1350 ausgestellte Urkunde. Sie wird als „neues Lokationsprivileg“, „Erneuerung eines Lokationsprivilegs“ oder „Erneuerung der Lokation“ betrachtet.28 Ihre Folge sollen eine ra¨umliche Lokation, die Entwicklung neuer Selbstverwaltungsformen und ein Zustrom von Neusiedlern aus dem Deutschen Reich und Schlesien gewesen sein. Ein Zusammenhang dieser sta¨dtebaulichen
25 Die Ausfu¨hrungen von Balyk, Cerkva (wie Anm. 14), S. 33ff., der einen weiten, den gesamten Ort
umfassenden Geltungsbereich der Urkunde des Fu¨rsten Lev annimmt, ru¨hren von dessen (nicht quellengestu¨tzter) Vision eines ruthenischen Przemy´sl her, das ohne Beteiligung von Fremden von einem ruthenischen Fu¨rsten und einem ruthenischen Vogt Ivan (gemeint ist der Vogt Johannes) reformiert worden sei; Deutsche, die nach Auffassung des Autors erst in der Zeit Kasimirs des Großen zugewandert seien, ha¨tten keinerlei Rolle bei der Entstehung der Stadtgemeinde gespielt. 26 Er hat dabei vor allem das wolhynische Volodymir untersucht – Omeljan Pritsak, Die Rus’-deutschen Beziehungen zwischen den 9. und 14. Jahrhunderten, in: . Istoryˇcni ta filolohiˇcni rozvidky prysvjaˇceni 60-riˇccˇ ju akademika Jaroslava Isaevyˇca, L’viv 1998, S. 517–533, hier S. 530ff. 27 Berdecka, Lokacje (wie Anm. 13), S. 28, spricht von einer Einfu¨hrung von Elementen einer deutschrechtlichen Stadtorganisation. 28 Ebd., S. 47; dies., Nowe lokacje (wie Anm. 13), S. 601; Fenczak, Z badan´ (wie Anm. 14), S. 29; Krochmal, Akta (wie Anm. 4), S. 13; ders., Piecz˛ecie (wie Anm. 14), S. 14.
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und sozialen Vera¨nderungen mit der Regierungszeit Kasimirs ist jedoch nicht ausreichend bewiesen. Der erste Hinweis auf eine eventuelle Trassierung eines Bereiches fu¨r eine Lokationsstadt stammt aus dem Jahr 1378 und ist nicht sehr sicher.29 Die Pfarrkirche St. Petri hat ihre eigene, komplizierte Geschichte, und ihre mit einer regelma¨ßigen Planung in keinem Zusammenhang stehende Lage tra¨gt zu dieser Frage nichts Erhellendes bei. Die Anfa¨nge der Dominikaner- und Franziskanerklo¨ster sind unklar, und in den Quellen tauchen sie erst 1375 sowie in den darauf folgenden Jahren auf.30 Ihre Gottesha¨user, deren Lage als Argument fu¨r die Existenz einer durch Lokation geschaffenen Raumordnung dienen ko¨nnte, entstanden erst in den 80er Jahren des 14. Jahrhunderts.31 In derselben Zeit treten erstmals Ratsherren (1385, 1386, evtl. 1387) und Zunftmeister (der Schneiderzunft, 1386) auf; belegt ist auch die Verwendung eines sicher dem Rat zuzuordnenden Siegels (1386), welches das heraldisierte Stadtwappen, den Ba¨ren, darstellt.32 Aus der Regierungszeit Kasimirs stammen Erwa¨hnungen eines Vogtes Michałko (1353, 1359, 1366, 1369 und spa¨ter noch bis 1392) sowie von Przemy´sler Bu¨rgern, die in Urkunden in ruthenischer Sprache unter der Bezeichnung mestiˇceve auftauchen (1353, 1366, 1369).33 Ihre Namen lauten in der ruthenischen Schreibung An’dr’ko Hinceviˇc, Han’ko Hirlachoviˇc resp. Iohannes Gerlati, Miˇcko Ranfleviˇc und Han’ko Herpachoviˇc [Herlachoviˇc]. Ihr Auftauchen in den Quellen ist nicht notwendigerweise mit einer um 1350 angenommenen Lokation durch Kasimir in Zusammenhang zu bringen. Die Gruppen privilegierter Zuwanderer aus dem Westen wurden mit dem Terminus mestiˇceve bezeichnet, der im 13. Jahrhundert in den großen, von deutschrechtlichen Fremdengemeinden durchsetzten sta¨dtischen Zentren der westlichen Rus’ gepra¨gt worden war.34 In Przemy´sl la¨sst sich ihre Anwesenheit ausreichend und besser mit einer fru¨her entstandenen Vogteisiedlung begru¨nden. Die slavisierte Form der deutschen Namen samt der Patronyme mit der Endung -iˇc wu¨rde dann eher einen la¨ngeren Aufenthalt in einer
29 In einer der Urkunden des Władysław Opolczyk wird bei der Standortbezeichnung zweier vorsta¨d-
tischer Kirchen von der Stadt als Gesamtheit foris civitatem gesprochen – Akta grodzkie i ziemskie ´ z czaso´w Rzeczypospolitej Polskiej z Archiwum tzw. bernardynskiego we Lwowie [Die Burg- und Landakten aus der Zeit der polnischen Adelsrepublik, aus dem so genannten Bernhardiner-Archiv in Lemberg], Bd. 5, hg. v. Ksawery Liske, Lwo´w 1875, Nr. 13. 30 Jerzy Kłoczowski, Zakony w diecezji przemyskiej obrzadku ´ ˛ łacinskiego w XIV–XVIII w. [Die Orden lateinischer Observanz in der Dio¨zese Przemy´sl im 14.–18. Jahrhundert], in: Nasza Przeszło´sc´ 43 (1975), S. 31ff.; Jacek Krochmal, Ko´scioły katolickie w Przemy´slu w latach 1375–1412 [Die katholischen Kirchen in Przemy´sl in den Jahren 1375–1412], in: Rocznik Przemyski 32 (1996), 1, S. 3–19, hier S. 8ff. 31 Fenczak, Z badan´ (wie Anm. 14), S. 34. 32 Akta grodzkie i ziemskie (wie Anm. 29), Bd. 6, Lwo´w 1876, Nr. 1; Bd. 7, Lwo´w 1878, Nr. 16, 19; Bd. 8, Lwo´w 1880, Nr. 16. 33 Zbio´r dokumento´w (wie Anm. 17), Nr. 946; Akta grodzkie i ziemskie (wie Anm. 29), Bd. 8, Nr. 3, 5; Ukrains’ki hramoty [Ukrainische Urkunden], Bd. 1, hg. v. Volodymyr Rozov, Kyı¨v 1928, Nr. 3, 6; ˇ Oleh Kupcyns’kyj, Zabuti ta nevidomi staroukrains’ki hramoty XIV-persˇoj polovyny XV st. [Vergessene und unbekannte altukrainische Urkunden des 14.–ersten Ha¨lfte 15. Jahrhunderts], in: Zapyski Naukovoho Tovarystva imeni Sˇevˇcenka 233 (1997), S. 333–359, Nr. 3, 4. 34 Andrzej Janeczek, Procesy lokacji Lwowa a poczatki ˛ gmin miejskich na Rusi Halickiej (XIII–XIV wiek) [Die Lokationsprozesse Lembergs und die Anfa¨nge der sta¨dtischen Gemeinden in der Haliˇcer Rus] [im Druck].
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ruthenischen Umgebung belegen und nicht bloß eine Ruthenisierung der Schreibweise in einem in ruthenischer Sprache aufgezeichneten Dokument. Das einzige auf ¨ hnlichkeit zweier, leicht unterschiedKasimir hinweisende Indiz ist die stilistische A licher Ratssiegel mit dem Majesta¨tssiegel des Ko¨nigs. Die Literatur datiert sie in die Mitte des 14. Jahrhunderts, obgleich sie aus Dokumenten der Jahre 1471 und 1625 bekannt sind.35 All dies sind wichtige Anzeichen fu¨r eine sich festigende sta¨dtische Organisation, eine entstehende Selbstverwaltung, eine Zunftorganisation, eine sta¨dtische Kanzlei und fu¨r die Errichtung von Gottesha¨usern und Klo¨stern, die eine katholische Bevo¨lkerung versorgten. Dennoch fehlt ein eindeutiger Hinweis darauf, dass Przemy´sl diesen Fortschritt im Lokationsprozess Kasimir dem Großen zu verdanken gehabt und insbesondere, dass er im Zusammenhang mit einem um 1350 ausgestellten ko¨niglichen Lokationsprivileg stattgefunden ha¨tte. Dieses historiografische Konstrukt ru¨hrte – vergessen wir dies nicht – von der Erwartung her, dass Kasimir der Große Przemy´sl bei seinen Lokationsaktivita¨ten, die er nach der Einnahme der Haliˇcer Rus’ dort entfaltete, nicht u¨bergangen haben ko¨nne, sowie von der Interpretation der vor der Urkunde von 1389 auftretenden sta¨dtischen Attribute als Erscheinungen einer fru¨heren Privilegierung. Wie oben festgestellt wurde, werden die a¨lteren Hinweise ausreichend durch eine vor Kasimir erfolgte Privilegierung erkla¨rt; die neueren aber tauchen erst einige Jahrzehnte nach dem Tod des Ko¨nigs auf. Einen unmittelbaren Hinweis auf die Person des letzten Piastenko¨nigs liefert die von Smołka erwa¨hnte, 1512 von Sigismund I. ausgestellte Besta¨tigung der Privilegien von Przemy´sl,36 die sich auf die von seinen Vorga¨ngern, u. a. auch von Kasimir „dem Alten“ verliehenen Rechte bezieht, sowie das von Anna Berdecka angefu¨hrte Dekret Stefan Bathorys aus dem Jahr 1577, das eine Erwa¨hnung der durch Kasimir vergebenen 100 Flurstu¨cke entha¨lt.37 Das Privileg von 1512 ist jedoch eine allgemeine Besta¨tigung der Rechte der Stadt ohne konkrete Bezugnahme auf fru¨here Urkunden. Ko¨nig Kasimir wird als einer der zahlreichen Vorga¨nger Sigismunds I. aufgefu¨hrt. Diese sind nicht als Aussteller realer Privilegien anzusehen, die der Stadt Schenkungen, Konzessionen und Befugnisse einbrachten. Es handelt sich also nicht um eine Liste der Fo¨rderer von Przemy´sl, sondern um eine Aufza¨hlung polnischer Ko¨nige, in der Kasimir natu¨rlich nicht fehlen durfte. Solche inhaltsleeren, allgemeinen Besta¨tigungen stellten immer wieder und fu¨r gewo¨hnlich auf Bitten der Sta¨dte erneuerte Garantien ihrer Pra¨rogative durch den jeweiligen Herrscher dar. Deutlicher belegt – dem Anschein nach – das Dekret von 1577 die Existenz eines Lokationsprivilegs von Kasimir. In einer der in ihm beru¨hrten Fragen, na¨mlich anla¨sslich der Pflichten der Vorstadtbewohner gegenu¨ber der Stadt, bezog sich der Ko¨nig auf die Vergabe von 100 Flurstu¨cken durch Kasimir. Der Passus ist eindeutig: „Denn vom Rat bekundet und durch ein Privileg Kasimirs des Großen einst verku¨ndet ist, dass diejenigen, die auf den Bu¨rgera¨ckern von hundert Flurstu¨cken, die dieser Stadt verliehen worden sind, sich niedergelassen, dadurch sa¨mtlicher Bu¨rgerpflichten 35 Smołka, O herbie (wie Anm. 11), S. 89ff.; Fenczak, Z badan´ (wie Anm. 14), S. 39ff.; Krochmal,
Piecz˛ecie (wie Anm. 14), S. 17f., 84. 36 Archiwum Panstwowe ´ Przemy´sl, Archiwum miasta Przemy´sla, Urkunde Nr. 18. 37 Ebd., ms. 538, S. 1–7.
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und Lasten, welche ihnen von der Obrigkeit auferlegt werden, ohne jegliche Ausnahme schuldig sind.“38 Es genu¨gt jedoch, sich diese Anordnung na¨her anzusehen, um festzustellen, dass sie nicht Przemy´sl betrifft. Es handelt sich um die Abschrift eines ko¨niglichen Dekrets (ohne Anfang), das erst beim Ordnen des Archivs durch Jan Smołka mit anderen Faszikeln zusammengebunden und in eine ku¨nstlich geschaffene Gruppe von Akten unter dem Titel „Stadtgeschichte“ eingefu¨gt worden ist. Das ¨ berschrift und des Anfangsteils erschwert eine Provenienzbestimmung, Fehlen der U doch schon eine flu¨chtige Analyse des Textes beweist, dass sich die darin enthaltenen Realia nicht auf Przemy´sl, sondern auf Lemberg beziehen (das vorsta¨dtische Dorf Brzuchowica, der Lemberger Stapel, der Jahrmarkt an St. Margarethen, das Lemberger Stadtgericht). Die Verfechter einer Lokation durch Kasimir haben Przemy´sl also eine fremde Urkunde zugeschrieben, irregefu¨hrt durch die Tatsache, dass sie im dortigen Archiv verwahrt wurde, sowie durch deren Beschreibung von Jan Smołka im gedruckten „Katalog des Archivs Alter Akten“.39 Das erwa¨hnte Privileg Kasimirs u¨ber 100 Flurstu¨cke ist eine gut bekannte Schenkung an Lemberg aus dem Jahr 1368,40 das Dekret selbst dagegen ist ein ko¨nigliches Rechtsurteil, das im Zusammenhang mit dem sich verscha¨rfenden Konflikt zwischen dem Lemberger Rat und der Stadtbevo¨lkerung (der mit der Einfu¨hrung eines Quadragintavirats endete) gefa¨llt wurde.41 Daher ru¨hrte wahrscheinlich das Interesse fu¨r die Lemberger Angelegenheiten in Przemy´sl: hier tauchte alsbald ein Zwilling jener Vertretung der Stadtbevo¨lkerung in Gestalt eines Vigintavirats auf. Daher ist es ganz offensichtlich, dass sich das Konzept einer Lokation durch Kasimir auf schwache Pra¨missen stu¨tzt, deren wichtigste sich als von Grund auf falsch erwiesen hat. Das Przemy´sl-Lemberger qui pro quo reduziert die Chancen zur Aufrechterhaltung der These von einer um 1350 durchgefu¨hrten Lokation. Von den bisherigen Beweisfu¨hrungen ist lediglich das siegelkundliche Argument u¨briggeblieben. Es ¨ berlegungen einzubeziehen, die bisher nicht lohnt sich also, eine Quelle in die U beru¨cksichtigt worden ist, wenngleich schon im 19. Jahrhundert ein Hinweis auf sie publiziert wurde.42 1586 wurde auf der Lemberger Burg eine Genehmigung Sigismund Augusts aus dem Jahr 1551 fu¨r den Kauf einer Mu¨hle in Przemy´sl, zweier Mu¨hlen in Drohobycz sowie einer Vogtei und einer Zollstelle in Dolina registriert. Diese gingen an den Adligen Stanisław Orlik, Salzgraf der ruthenischen Territorien, der vier 38 Ebd. 39 Man muss Smołka jedoch insofern Gerechtigkeit widerfahren lassen, als er in seinem Regest das Dekret
nicht eindeutig Przemy´sl zuschreibt: „Im Dekret ist die Rede von einem Privileg Kasimirs des Großen, ¨ ckern von 100 Flurstu¨cken ansa¨ssigen Vorstadtbeaufgrund dessen die auf den der Stadt vergebenen A wohner verpflichtet seien, alle sta¨dtischen Lasten zu tragen.“ – Smołka, Katalog (wie Anm. 4), S. 134. Zudem ist, im Lichte der Lemberger Provenienz der Urkunde, der Smołka erteilte Tadel unverdient, dass er jene Erwa¨hnung in seinen Studien zu Przemy´sl nicht beru¨cksichtigt habe – Fenczak, Z badan´ (wie Anm. 14), S. 30. 40 Akta grodzkie i ziemskie (wie Anm. 29), Bd. 3, Lwo´w 1872, Nr. 19. 41 Jan Pta´snik, Walki o demokratyzacj˛e Lwowa od XVI do XVIII wieku [Der Kampf um die Demokratisierung Lembergs vom 16. bis 18. Jahrhundert], in: Kwartalnik Historyczny 39 (1925), 2, S. 228–257, ´ hier S. 234; ders., Miasta i mieszczanstwo w dawnej Polsce [Sta¨dte und Stadtbu¨rgertum im alten Polen], Warszawa 21949, S. 149f. 42 Akta grodzkie i ziemskie (wie Anm. 29), Bd. 10, Lwo´w 1884, Nr. 8.
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Pergamente vorlegte, nulla in parte suspectas, primas serenissimi olim domini Casimiri Poloniae regis super molendinum Przemisliensem, Sandomiriae anno Domini millesimo trecentesimo quinquagesimo, feria secunda proxima post diem Ascensionis Domini datas, in quibus tametsi nulla erat summa contenta.43 Sonst ist leider nichts weiter u¨ber diese Urkunde Kasimirs bekannt. Das einzig verifizierbare Element, Datum und Ort der Ausstellung, widerspricht zumindest nicht dem Itinerar des Ko¨nigs, der damals gerade an einer Verfolgung der Litauer teilnahm, die das Gebiet um Sandomierz und Ł˛eczyca verwu¨stet hatten.44 Was der Erlass in der Angelegenheit der Przemy´sler Mu¨hle genau betraf, wissen wir nicht: ob eine Bauerlaubnis, eine Schenkung, den Verkauf, die Zuerkennung der Einku¨nfte daraus oder eine Besta¨tigung ihres Besitzes. Ohne sich allzu weit in eine Interpretation dieser spa¨rlichen ¨ berlieferung hineinzubegeben, la¨sst sich dennoch annehmen, dass sie ein in seinem U Ausmaß unbekanntes Engagement des Ko¨nigs auf Przemy´sler Gebiet bezeichnen ko¨nnte. Es sei lediglich erwa¨hnt, dass Mu¨hlen ein konstantes und vorrangiges Element in der wirtschaftlichen Ausstattung sta¨dtischer Vogteien darstellten. Die Vermutung, dass es um eine mit einer Vogtei verbundene Mu¨hle ging, bezeichnet jedoch nur eine der in Betracht kommenden Mo¨glichkeiten, noch dazu eine wenig wahrscheinliche. Nur dann ließe sich in der Urkunde eine teilweise Analogie zu einer 1352 durch Kasimir ausgestellten Besta¨tigung des Eigentums der Enkel des Berthold, einstmals Vogt von Lemberg, sehen, das diesem durch den Fu¨rsten Lev verliehen worden war, und die an erster Stelle molendinum Schilzkikut cum piscina ante civitatem Lemburgensem situatam nennt.45 Es sei aber sogleich eingewandt, dass eine Interpretation der Nachricht u¨ber eine ko¨nigliche Verfu¨gung wegen einer Mu¨hle in Przemy´sł als Beleg fu¨r eine gleichzeitige sta¨dtische Lokation ziemlich gewagt wa¨re. Den dritten Platz im bisherigen Schema der sta¨dtischen Privilegierungen von Przemy´sl nimmt die Urkunde Władysław Jagiełłos aus dem Jahr 1389 ein.46 Seit der Entdeckung der Urkunde des Fu¨rsten Lev und den Phantasien u¨ber ein Privileg Kasimirs wird ihre Bedeutung in der Fachliteratur gering gescha¨tzt. Fu¨r Jan Smołka markierte sie einen „Aufschwung“ nach einer zo¨gerlichen Entwicklung oder gar einem Niedergang der Stadt. Fu¨r die sich in der Folge a¨ußernden Forscher war sie eine „Erneuerung der Lokation“, eine „Besta¨tigung der Verleihung“ deutschen Rechtes, ein „Dokument, das die Rechtslage an die zwei Jahre zuvor, d. i. nach der Angliederung der Haliˇcer Rus’ an Polen, eingetretenen Rahmenbedingungen anpasst“, eine „wiederholte Verleihung“, eine „Formalita¨t“.47 Die Urkunde Jagiełłos als wenig bedeutsame Erneuerung oder bloße politische Geste zu behandeln, ist unbegru¨ndet. Es ist das erste bekannte Privileg, das sich nicht an eine Gruppe von Menschen oder 43 Central’nyj Derzˇavnyj Istoryˇcnyj Archiv Ukrainy, L’viv, f. 9, op. 1, spr. 345, S. 58–61. 44 Henryk Paszkiewicz, Polityka ruska Kazimierza Wielkiego, Warszawa 1925, S. 121. 45 Que inquam bona discreto viro Bertholdo, olym advocato Lemburgensi, avo ipsorum, per magnificum
principem felicis recordacionis dictum Leonem ducem Russie pro suis fidelibus serviciis donata dinoscuntur – Akta grodzkie i ziemskie (wie Anm. 29), Bd. 2, Lwo´w 1870, Nr. 1. 46 Akta grodzkie i ziemskie (wie Anm. 29), Bd. 5, Nr. 19. 47 Smołka, O herbie (wie Anm. 11), S. 95; Arłamowski, Stosunki (wie Anm. 17), S. 175; Berdecka, Nowe lokacje (wie Anm. 13), S. 601; dies., Lokacje (wie Anm. 13), S. 29; Krochmal, Akta (wie Anm. 4), S. 13; ders., Piecz˛ecie (wie Anm. 14), S. 15; Kapral’, Privilej (wie Anm. 17), S. 16.
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deren Vorsteher in Person eines Vogtes richtet, sondern an die Stadt im rechtlich-territorialen Sinn. Subjekt der u¨bertragenen Rechte ist die civitas Premisliensis. Sie ist es, die das Magdeburger Recht, die Einku¨nfte aus 100 Flurstu¨cken freien Kolonistengrunds sowie das Recht, einen Jahrmarkt abzuhalten, verliehen bekommt. Der Ko¨nig u¨bergeht in seinen Verfu¨gungen die Vogtei nicht und teilt ihr vier Flurstu¨cke sowie die gewo¨hnlichen Einku¨nfte aus den Gerichtsgebu¨hren und -strafen zu, jedoch tritt sie als separate, von der Stadt geschiedene Institution auf. Die Unterscheidung von Stadt und Vogtei (civitas Premisliensis et advocatia) in der Urkunde ist ein Indiz dafu¨r, dass die Gemeinde zum Rechtssubjekt und vom Vogt zunehmend unabha¨ngig wurde. Zu Recht hat man darauf hingewiesen, dass Jagiełłos Privileg „unvollsta¨ndig“ sei.48 Tatsa¨chlich fehlen darin die fu¨r Privilegierungen zu deutschem Recht typischen Elemente einer Immunita¨tsklausel, der Festlegung einer Jurisdiktion zu deutschem Recht sowie die Zuerkennung der Rechtshoheit an den Vogt.49 Die Urkunde schweigt u¨ber milita¨rische Dienste des Vogtes50 oder dessen eventuelle Befugnisse hinsichtlich solcher sta¨dtischer Einrichtungen wie dem o¨ffentlichen Bad, der Fleischba¨nke, der Marktbuden oder der Profite aus dem Fluss. Ebenso fehlt ein Programm fu¨r eine ra¨umliche Lokation, etwa mit Bestimmungen zur Ausstattung einer Pfarrkirche. Einige dieser Auslassungen lassen sich dadurch erkla¨ren, dass die Stadt einen solchen Entwicklungsstand erreicht hatte, auf dem eine Verleihung bereits genutzter Konzessionen gegenstandslos gewesen wa¨re. Przemy´sl erha¨lt hier, was es noch nicht hat: die schriftliche Zustimmung zur Anwendung des Magdeburger Rechtes auf dem gesamten Territorium der Stadt und nicht bloß der Vogtei (zumindest wird u¨ber deren fru¨here Erteilung nichts gesagt), noch abzusteckenden Grundbesitz und ¨ bertragung ausgedas Recht, auf einem eigenen Jahrmarkt Handel zu treiben. Die U wa¨hlter Befugnisse an eine Stadt mit bereits ausgebildeten Selbstverwaltungsorganen bedeutet, dass Jagiełłos Privileg nur die verfassungsrechtliche und materielle Ausstattung eines Ortes vervollsta¨ndigt, der sich bereits in der kommunalen Phase seiner Transformation zur Stadt befindet. Die Urkunde enthu¨llt, wie gut ihr Aussteller u¨ber den aktuellen Stand des in der entstehenden Stadt schon Erreichten und des noch Notwendigen orientiert war. Sein Wissen um den Grad der Fortschritte in der Organisation des Ortes ist deutlich sichtbar: die Stellung der Vogtei in Przemy´sl ist bekannt und wird respektiert, der Vogt
48 Krochmal, Akta (wie Anm. 4), S. 14. 49 Das vollsta¨ndige Formular eines Privilegs zur Verleihung deutschen Rechtes mit allen notwendigen
´ Klauseln finden wir in einer Urkunde von Kasimir Jagiellonczyk aus dem Jahr 1458, Akta grodzkie i ziemskie (wie Anm. 29), Bd. 6, Nr. 28. 50 Die Verpflichtung des Vogtes, ein berittenes Gefolge in der Sta¨rke von einem Lanzenknecht und zwei Bogenschu¨tzen zu stellen, wurde nachtra¨glich an das Ende der verloren gegangenen Urkunde aus dem Jahr 1389 angefu¨gt (so das Transsumpt aus dem Jahr 1509). Der Vermerk stammte von Zbigniew Ole´snicki, seinerzeit Protonotar der ko¨niglichen Kanzlei, tempore ostensionis literarum in Grodek sub anno millesimo quadringentesimo septuagesimo[s] – Akta grodzkie i ziemskie (wie Anm. 29), Bd. 5, Nr. 19. Gemeint ist hier natu¨rlich die in Grodek im Gebiet Lemberg 1417 durchgefu¨hrte Revision der ko¨niglichen Schenkungsurkunden, vgl. Irena Sułkowska-Kurasiowa, Dokumenty kro´lewskie i ich funkcja ´ w panstwie polskim za Andegaweno´w i pierwszych Jagiellono´w 1370–1444 [Ko¨nigsurkunden und ihre Funktion im polnischen Staat unter den Anjou und ersten Jagiellonen], Warszawa 1977, S. 244.
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Michałko wird namentlich erwa¨hnt, man weiß um eine primeva fundacione, und wiederholt wird auf eine fru¨here Privilegierung der Stadt, aber besonders der Vogtei Bezug genommen. Es handelt sich hier nicht um ein konventionelles, bloß erneuertes Quasi-Lokationsdokument,51 sondern um eine neue, von der Stadt beno¨tigte Privilegierung, die die Realia eines in sein Endstadium eintretenden rechtlichen Lokationsprozesses reflektiert. Zusammenfassend la¨sst sich der vorliegende Versuch, die drei in der Literatur kursierenden Privilegierungen von Przemy´sl zu ero¨rtern, mit den folgenden Resultaten abschließen: 1. Die Lokation von Przemy´sl ist kein Pha¨nomen, das durch eine einmalige Erteilung eines Lokationsprivilegs hervorgerufen wurde, dem „wiederholte Lokationen“ oder „erneuerte Verleihungen deutschen Rechtes“ ohne gro¨ßere Bedeutung folgten; sondern ein langfristiger Prozess, der sich u¨ber ein Jahrhundert zwischen (wahrscheinlich) der zweiten Ha¨lfte des 13. und dem Ende des 14. Jahrhunderts hinzog. Dies erlaubt es nicht, ein bestimmtes Lokationsdatum zu bestimmen. In ¨ berschrift gestellte Frage mo¨chte man kurz gefasst einer Antwort auf die in der U entgegnen, dass es nur eine, aber dafu¨r langwa¨hrende Lokation von Przemy´sl gab. Dieser Prozess verlief in Etappen.52 2. Die Urkunde des Fu¨rsten Lev ist kein Privileg zur Lokation der Stadt, sondern einer Gruppe fremder Zuwanderer in dem weiterhin als altruthenisches, burgsta¨dtisches Zentrum existierenden Ort. 3. Ein „klassisches“, „ideales“ oder „vollsta¨ndiges“ Lokationsprivileg, das die Gru¨ndung und Bevo¨lkerungsansiedlung einer neuen Siedlung in Auftrag gibt, ihr ein Programm fu¨r eine ra¨umliche Umgestaltung verleiht sowie ihr eine auf ihrem Territorium gu¨ltige Immunita¨t zuspricht, ist im Falle von Przemy´sl nicht bekannt oder hat nie existiert. 4. Die bisherigen Argumente zugunsten einer Lokation durch Kasimir den Großen ¨ berpru¨fung nicht stand; eine wirkungsvolle Verteidigung halten der genauen U jener These wu¨rde es erfordern, neue, solidere Begru¨ndungen zu pra¨sentieren. 51 Stanisław Kura´s, Przywileje prawa niemieckiego miast i wsi małopolskich XIV–XV wieku [Die Privi-
legien des deutschen Rechts der kleinpolnischen Sta¨dte und Do¨rfer des 14.–15. Jahrhundert], Wrocław 1971, zur Przemy´sler Urkunde S. 91, 110. 52 Allgemeiner zu den Entwicklungsphasen der Stadtgemeinde Helmut Ludat, Fru¨hformen des Sta¨dtewesens in Osteuropa, in: Studien zu den Anfa¨ngen des europa¨ischen Sta¨dtewesens, Konstanz 1958, S. 527–553; Anna Rutkowska-Płachcinska, ´ Gmina miejska w poczatkach ˛ XIII w. w Polsce [Die Stadtgemeinde zu Beginn des 13. Jahrhunderts in Polen], in: Wieki s´ rednie. Medium Aevum. Prace ofiarowane Tadeuszowi Manteufflowi w 60. rocznic˛e urodzin, Warszawa 1962, S. 141–150, hier S. 148f.; Roman Grodecki, Poczatki ˛ rady miejskiej w Krakowie [Die Anfa¨nge des Stadtrates in Krakau], in: Roczniki Dziejo´w Społecznych i Gospodarczych 25 (1963), S. 47–68; Stanisław Russocki, Etapy lokacji miejskich na Mazowszu w XIV–XV wieku [Etappen der Stadtlokationen in Masowien im 14.–15. Jahrhundert], in: Przeglad ˛ Historyczny 55 (1964), 2, S. 189–196; Andrzej W˛edzki, ´ ´ Poczatki ˛ reformy miejskiej w Srodkowej Europie do połowy XIII w. (Słowianszczyzna Zachodnia) [Die Anfa¨nge der Stadtreform in Mitteleuropa bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts (Das Westslawentum)], Warszawa/Poznan´ 1974, S. 53ff.; Krystyna Kaminska, ´ Lokacje miast na prawie magdeburskim na ziemiach polskich do 1370 r. [Die Stadtlokationen zu Magdeburger Recht in den polnischen La¨ndern bis zum Jahr 1370], Torun´ 1990, S. 116ff.
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5. Die Urkunde Jagiełłos ist das einzige bekannte, an die Stadt adressierte Lokationsprivileg. Es entha¨lt einen reduzierten Umfang an Verfu¨gungen entsprechend der bereits fortgeschrittenen Transformation von Przemy´sl in eine Stadt. Ausgestellt wa¨hrend der letzten Lokationsphase, besaß es eine reale Bedeutung fu¨r die Vervollsta¨ndigung der sta¨dtischen Privilegien. 6. Pro- und Epilog des rechtlichen Lokationsprozesses werden von der Urkunde des Fu¨rsten Lev und dem Privileg Jagiełłos markiert. Die Zeit dazwischen fu¨llt eine evolutiona¨re Entwicklung aus, bei der es zu einer Territorialisierung der Privilegierungen, dem Erlangen der Vorherrschaft in der Stadt durch die westliche Gemeinde, der Beseitigung der Suprematie des Vogtes sowie zur Entstehung einer kommunalen Stadt kam. 7. Es ist nicht auszuschließen, dass dieser Entwicklungsprozess zwischenzeitlich einen zusa¨tzlichen Impuls durch ein heutzutage (und auch im altpolnischen Przemy´sl) unbekanntes Privileg erhielt, das entweder in der Regierungszeit Kasimirs des Großen (wie z. B. in Lemberg), davor (wie in Sanok) oder spa¨ter (aber naturgema¨ß vor 1389) ausgestellt wurde. Zur Kla¨rung dieser und vieler weiterer schwieriger Fragen wa¨ren neue Untersuchungen erforderlich, die einen umfangreicheren (nicht zu erwartenden, aber auch nicht auszuschließenden) Quellenbestand nutzen ko¨nnten oder die die zuga¨nglichen Quellen auf einer komparatistischen Ebene und unter Beru¨cksichtigung der anderen großen burgsta¨dtischen Zentren Rutheniens, die bereits unter ruthenischer Herrschaft einen a¨hnlichen Weg hin zur Formierung einer Stadtgemeinde beschritten haben, intensiver analysieren mu¨ssten.
¨ DTE RUTHENIENS DIE MODERNISIERUNG DER STA Die Reformen des 14.–16. Jahrhunderts von Andrzej Janeczek*
Die politischen Vera¨nderungen im Ostmitteleuropa des 14. Jahrhunderts, die durch die Krise des Fu¨rstentums Haliˇc-Wolhynien und dessen Untergang im Jahr 1340 eingeleitet und ein halbes Jahrhundert spa¨ter mit der Aufteilung des ruthenischen Territoriums unter Polen und Litauen abgeschlossen wurden, haben dem polnischen Ko¨nigreich ein besonderes Gebiet eingegliedert. Dieses zeichnete sich durch eigene politische Traditionen, eine anders organisierte Wirtschaft und spezifische Sozialbeziehungen aus und geho¨rte einem anderen Kulturkreis an. Die Annexion der Haliˇcer Rus’ zog eine Konfrontation der zu beiden Seiten der aufgehobenen Grenze herrschenden sozioo¨konomischen Systeme nach sich. Diese Konfrontation findet ihren Widerhall in zeitgeno¨ssischen Quellenzeugnissen, die die Rus’ als o¨des, entvo¨lkertes und verwu¨stetes Land beschreiben, das der Erschließung bedu¨rfe. Zu diesem Zustand hatten nicht nur die langja¨hrige Schwa¨che des Fu¨rstentums und seiner Herrschaft, dessen Unterordnung unter die Goldene Horde und die im 14. Jahrhundert ha¨ufigen Kriegszersto¨rungen beigetragen, sondern auch die ineffektiven Strukturen des so genannten Fu¨rstenrechtes, die in den polnischen Territorien schon fru¨her verschwunden bzw. durch deutschrechtliche Reformen, eine neue Stadtorganisation und einen vermehrten Landesausbau zuru¨ckgedra¨ngt worden waren. Die Welle einer Kolonisation zu deutschem Recht, die die polnischen und spa¨ter auch die westruthenischen Territorien erfasste, hat ihren festen Platz innerhalb des allgemeinen, gesamteuropa¨ischen Pha¨nomens der ostwa¨rts gerichteten Kolonisationsbewegungen. In einer modernen, sich vom Druck tendenzio¨ser Ansa¨tze freimachenden Historiografie wird sie als europa¨ische Wiedergeburt, als starker zivilisatorischer Impuls betrachtet, der Entwicklungsperspektiven ero¨ffnet, soziale Mobilita¨t, Aktivita¨t und Initiative freigesetzt, als Stimulus fu¨r eine Rationalisierung der Wirt¨ konomisierung der Produktionsschaft und der Gesellschaftsstrukturen sowie eine O 1 methoden gewirkt habe. Die Ausnutzung der sich bietenden Mo¨glichkeiten schuf *U ¨ bersetzung des Aufsatzes „Miasta Rusi Czerwonej w nurcie modernizacji. Kontekst reform XIV–
¨ bersetzung von HeiXVI w.“ (aus: Kwartalnik Historii Kultury Materialnej 43 (1995),1, S. 55–66); U demarie Petersen. 1 Stanisław Trawkowski, W sprawie roli kolonizacji niemieckiej w przemianach kultury materialnej na ziemiach polskich w XIII w. [Zur Frage der Rolle der deutschen Kolonisation in den Wandlungen der
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Andrzej Janeczek
die Grundlagen fu¨r demografische Wachstumsprozesse, die nicht allein durch Migration zustande kamen. Sie schuf die Rahmenbedingungen fu¨r eine Stadtentwicklung, erleichterte die Anwendung produktiverer Wirtschaftsformen, fu¨hrte zu einer Ausweitung urbaren Lebensraumes, einer Erho¨hung des Lebensstandards und zu einer teilweisen Angleichung kultureller Unterschiede. Die mittelalterliche europa¨ische Kolonisation war in erster Linie eine Reform, eine im Kern wirtschaftliche Bewegung, trotz ihres Zusammenhangs mit einer politischen und territorialen Expansion, trotz ihrer besonders in den orthodoxen Gebieten offenkundigen Na¨he zur katholischen Kirche, trotz der durch sie auf der ethnischen Landkarte verursachten Vera¨nderungen und trotz ihrer dauerhaften Konsequenzen im kulturellen Bereich. Terram nostram Russie per civitatum locacionem [...] reformare. So klar definierte Władysław Opolczyk, der Statthalter Rutheniens (1371–1378/79) anla¨sslich einer Lokation die Ausrichtung seiner Sta¨dtepolitik.2 Er hatte in diesem Vorgehen aktive Vorga¨nger und Nachfolger.3 Daher nahmen unter den vielen Vera¨nderungen, die in Ruthenien ab der zweiten Ha¨lfte des 14. Jahrhunderts erfolgten, die Transformationen der sta¨dtischen Verfassung ein besonders großes Ausmaß an. Im Gegensatz zu den Do¨rfern, die nach unterschiedlichen Niederlassungsrechten organisiert wurden oder zumindest fu¨r eine gewisse Zeit bei ihrer in den Quellen als ruthenisches Recht bezeichneten Verfasstheit blieben, wurden die Sta¨dte nach einem einheitlichen Vorbild angelegt: dem sa¨chsisch-magdeburgischen Recht, demselben, das schon zuvor der Urbanisierung der polnischen Territorien gedient hatte und ihr im Spa¨tmittelalter
materiellen Kultur in den polnischen La¨ndern im 13. Jahrhundert], in: Kwartalnik Historii Kultury Materialnej 8 (1960), 2, S. 183–207; ders., Przemiany społeczne i gospodarcze w XII–XIII w. [Die sozialen und wirtschaftlichen Vera¨nderungen im 12.–13. Jahrhundert], in: Polska dzielnicowa i zjed´ ´ noczona. Panstwo – społeczenstwo – kultura, hg. v. Aleksander Gieysztor, Warszawa 1972, S. 62–118; ders., Die Rolle der deutschen Dorfkolonisation und des deutschen Rechtes in Polen im 13. Jahrhundert, in: Die deutsche Ostsiedlung des Mittelalters als Problem der europa¨ischen Geschichte, hg. v. Walter Schlesinger, Sigmaringen 1975, S. 349–368; Benedykt Zientara, Heinrich der Ba¨rtige und seine Zeit. Politik und Gesellschaft im mittelalterlichen Schlesien, Mu¨nchen 2002; ders., Przemiany społeczno-gospodarcze i przestrzenne miast w dobie lokacji [Der sozioo¨konomische und ra¨umliche Wandel der Sta¨dte in der Lokationszeit], in: Miasta doby feudalnej w Europie s´ rodkowo- wschodniej. Przemiany społeczne a układy przestrzenne, hg. v. Aleksander Gieysztor/Tadeusz Rosłanowski, ´ ´ dła i geneza „prawa niemieckiego“ (ius Teutonicum) na tle ruchu Warszawa 1976, S. 67–97; ders., Zro ´ osadniczego w Europie Zachodniej i Srodkowej w XI–XII w. [Quellen und Genese des ‚deutschen Rechts‘ (ius Theutonicum) vor dem Hintergrund der Siedlungsbewegung in West- und Mitteleuropa im 11.–12. Jahrhundert], in: Przeglad ˛ Historyczny 69 (1978), 1, S. 47–71; Jan M. Piskorski, Kolonizacja wiejska Pomorza Zachodniego w XIII i w poczatkach ˛ XIV wieku na tle proceso´w osadniczych w s´ redniowiecznej Europie [Die do¨rfliche Kolonisation Pommerns im 13. und zu Beginn des 14. Jahrhunderts im Kontext der mittelalterlichen Siedlungsprozesse in Europa], Poznan´ 1990. 2 Es ging hier um Rymano´w im Gebiet Sanok – Zbio´r dokumento´w małopolskich, T. 1–8, hg. v. Stanisław Kura´s/Irena Sułkowska-Kura´s, Wrocław 1962–1975, Nr. 149 (1376). Eine analoge Erkla¨rung gab Opolczyk in einem Privileg fu¨r den Ort Lubaczo´w im Gebiet Bełz im selben Jahr 1376 ab; ebd., Nr. 1028. 3 Eine a¨hnliche Erkla¨rung wie Władysław Opolczyk gab Władysław Jagiełło ab, wobei er das Roden von Wa¨ldern und das Anlegen von Sta¨dten im Sinn hatte: cupientes terras nostre Russie per locationem civitatum et extirpacionem nemorum facere populosas; Central’nyj Derzˇavnyj Istoryˇcnyj Archiv u m. L’vovi, f. 134, op. 1, spr. 91 (1425).
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auch weiterhin diente.4 Es brachte bekanntermaßen bewa¨hrte raumplanerische Prinzipien mit sich. Rechtlich separierte und vereinheitlichte es die mit ihm privilegierte sta¨dtische Bevo¨lkerung, garantierte den Bu¨rgern Freiheit und gewa¨hrte ihnen Autonomie. Dies waren allgemeine Verfassungsprinzipien, die einen Komplex von Niederlassungsfreiheiten und zugleich ein Urbanisierungsmodell bildeten, das gleichwohl in seinen Details modifiziert und an die o¨rtlichen Rahmenbedingungen angepasst wurde. Fu¨r die ruthenischen Territorien, die der polnischen Krone unterstanden, wurde dieses Modell obligatorisch und alleingu¨ltig, wa¨hrend in den dem Fu¨rstentum Litauen eingegliederten Gebieten, insbesondere in dessen o¨stlichem Teil, nur wenige Sta¨dte sich durch ein deutschrechtliches Privileg legitimieren konnten.5 Dies schuf erhebliche Unterschiede im Grad der Privilegierung mit sta¨dtischen Freiheiten; dem konnten die Sta¨dte im zur Krone geho¨renden Teil Rutheniens entgehen.
4 Das Problem der Verbreitung deutschen Rechtes in Osteuropa ist in der Literatur mit unterschied-
¨ ber lichen Ansa¨tzen und unterschiedlichen Intentionen aufgegriffen worden: Richard Roepell, U die Verbreitung des Magdeburgischen Stadtrechtes im Gebiete des alten polnischen Reichs ostwa¨rts der Weichsel, Breslau 1857; Michail F. Vladimirskij-Budanov, Nemeckoe pravo v Polsˇe i Litve [Deutsches Recht in Polen und Litauen], St. Peterburg 1868; Alfred von Halban, Zur Geschichte des deutschen Rechtes in Podolien, Wolhynien und der Ukraine, Berlin 1896; Dmitriy I. Bagalej, Magdeburgskoe pravo v levoberezˇnoj Malorossii [Magdeburger Recht im linksufrigen Kleinrussland (= Ukraine)], in: Zˇurnal Ministerstva Narodnogo Prosvesˇcˇ enija 3 (1892), S. 1–55; Raimund Friedrich Kaindl, Geschichte der Deutschen in den Karpathenla¨ndern, Bd. 1: Geschichte der Deutschen in Galizien bis 1772, Gotha 1907; ders., Zur Geschichte des deutschen Rechts im Osten, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung fu¨r Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung 40 (1919), S. 275–280; Dmytro Dorosˇenko, Das deutsche Recht in der Ukraine, in: Zeitschrift fu¨r Osteuropa¨ische Geschichte 5 (1931), S. 502–521; Iwo Jaworski, Studia nad ustrojem miast na prawie niemieckim w Wielkim Ksi˛est´ wie Litewskim w dobie jagiellonskiej [Studien zur Verfassung der Sta¨dte nach deutschen Recht im Großfu¨rstentum Litauen in der Zeit der Jagiellonen], Wilno 1931; Kurt Lu¨ck, Deutsche Aufbaukra¨fte in der Entwicklung Polens, Plauen 1934; Gertrud Schubart-Fikentscher, Die Verbreitung der deutschen Stadtrechte in Osteuropa, Weimar 1942; Andrij Jakowliw, Das deutsche Recht in der Ukraine und seine Einflu¨sse auf das ukrainische Recht im 16.–18. Jahrhundert, Leipzig 1942; Valentin D. Otamanovskij, Razvitie gorodskogo stroja na Ukraine v XIV–XVIII w. i magdeburgskoe pravo [Die Entwicklung der Stadtverfassung in der Ukraine im 14.–18. Jahrhundert und das Magdeburger Recht], in: Voprosy istorii 3 (1958), S. 122–135; Zinovij Ju. Kopyskij, Magdeburgskoe pravo v gorodach Belorusii (konec XV – pervaja polovina XVII v.) [Das Magdeburger Recht in den Sta¨dten Weißrusslands (Ende 15.–erste Ha¨lfte 17. Jahrhundert)], in: Sovetskoe Slavjanovedenie 5 (1972), S. 26–41; Anna K. Sˇvidko, Sovetskaja istoriografija o susˇcˇ nosti i roli nemeckogo prava v gorodach Ukrainy XV–XVIII vv. [Die sowjetische Historiographie u¨ber Wesen und Rolle des deutschen Rechts in den Sta¨dten der Ukraine des 15.–18. Jahrhunderts], in: Voprosy germanskoj istorii i istoriografii 3 (1975), S. 125–136; ˇ A. Ju. Dvornicenko, O predposylkach vvedenija magdeburgskogo prava v gorodach zapadnoruss¨ ber die Voraussetzungen der Einfu¨hrung des Magdeburger Rechts in den kich zemel’ v XIV–XV vv. [U Sta¨dten der westrussischen La¨nder im 14.–15. Jahrhundert], in: Vestnik Leningradskogo Gosudarstvennogo Universiteta. Istorija, Jazyk, Literatura 1 (1982), S. 105–108. 5 Juliusz Bardach, Miasta na prawie magdeburskim w Wielkim Ksi˛estwie Litewskim od schyłku XIV do połowy XVII stulecia [Sta¨dte zu Magdeburger Recht im Großfu¨rstentum Litauen vom Ausgang des 14. bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts], in: Kwartalnik Historyczny 87 (1980), 1, S. 21–51; Włodzimierz Jarmolik, Rozwo´j niemieckiego prawa miejskiego na Podlasiu do Unii Lubelskiej 1569 roku [Die Entwicklung des deutschen sta¨dtischen Rechts in Podlachien bis zur Union von Lublin 1569], in: Przeglad ˛ Historyczny 73 (1982), 1–2, S. 23–46.
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bis 1340 1340-1389 1389-1434 1434-1462 1462-1500
CHELM
BELZ
LEMSANOK
PRZEMSYL BERG HALICZ
Abb. 1: Die Urbanisierung Rutheniens bis 1500 Quelle: Entwurf des Autors
Die wiederholt festgestellte allgemeine Anwendung des Magdeburger Rechtsmodells (ius Theuthonicum, quo aliae civitates in Regno nostro gaudent)6 wird durch Zahlen besta¨tigt. Seit der Vero¨ffentlichung der die fru¨heren Befunde von Maurycy Horn und anderen Autoren korrigierenden Forschungsergebnisse von Ryszard Szczygieł7 ver-
6 Zitat aus dem erneuerten Privileg zu deutschem Recht von Chełm; Zbio´r dokumento´w małoposkich
(wie Anm. 2), Nr. 2565 (1425); die Frage nach den Abweichungen von diesem Recht wollen wir hier einstweilen als nebensa¨chlich beiseite lassen.
Die Modernisierung der Sta¨dte Rutheniens
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fu¨gen wir u¨ber maßgebliche Zahlenangaben.8 Bis 1500 existierten auf dem Gebiet der Wojewodschaften Ru´s, Bełz und des westlichen Podoliens insgesamt etwa 140 Sta¨dte. Wa¨hrend des darauf folgenden Jahrhunderts lassen sich etwa 190 neue Stadtlokationen feststellen. Nicht alle dieser Initiativen endeten positiv, einige a¨ltere, im 15. Jahrhundert noch funktionierende Sta¨dte verschwanden, daher lassen sich insgesamt am Ende des 16. Jahrhunderts etwa 290 formal nach dem Magdeburger Modell organisierte Sta¨dte za¨hlen. Sie schufen ein Sta¨dtenetz von einer Dichte, die der Quote fu¨r Kleinpolen nahezu gleich kam,9 das immerhin mit großem, beinahe hundertja¨hrigem Vorsprung nach denselben Prinzipien urbanisiert worden war. Die Dimensionen dieses Pha¨nomens (das hier notwendigerweise in Zahlen erfasst wird, ohne die Qualita¨t der diese Strukturen hervorbringenden Elemente zu beru¨cksichtigen) sind also betra¨chtlich und legen die Frage nach den Ursachen fu¨r die Beliebtheit und die Anziehungskraft dieser Siedlungsform nahe. Die Antwort auf diese Frage liegt bereits zu großen Teilen vor, sie findet sich in den umfangreichen Ergebnissen einer Historiografie, die schon seit vielen Jahrzehnten das Thema der Stadt im Gebiet zwischen Elbe und Oder, in Schlesien, Kleinpolen und anderen Landesteilen untersucht.10 Unter verschiedenen Ursachen und Bedingungen werden dort der Effekt von o¨konomischen Aktivita¨ten des Großgrundbesitzes, das Suchen neuer Einnahmequellen, das Streben nach einer Anhebung der Rentabilita¨t der Gutswirtschaften und schließlich auch repra¨sentative Gru¨nde genannt. Diese Faktoren hatten keinen geringen Einfluss auf die Intensita¨t sta¨dtischer Investitionen in Ruthenien, die seit der zweiten Ha¨lfte des 14. Jahrhunderts zunahm.
7 Maurycy Horn, Miejski ruch osadniczy na Rusi Czerwonej do konca ´ XV wieku [Die sta¨dtische
Siedlungsbewegung in Ruthenien bis zum Ende des 15. Jahrhunderts], in: Roczniki Dziejo´w Społeczynych i Gospodarczych 35 (1974), S. 49–74; ders., Miejski ruch osadniczy na Rusi Czerwonej w latach 1501–1648 [Die sta¨dtische Siedlungsbewegung in Ruthenien in den Jahren 1501–1648], in: Zes˙ zyty Naukowe Wyzszej Szkoły Pedagogicznej w Opolu, Seria A, Historia 13 (1975), S. 29–36; von den a¨lteren Arbeiten Przemysław Dabkowski, ˛ Podział administracyjny wojewo´dztwa ruskiego i bełzkiego w XV wieku [Verwaltungsteilung der Wojewodschaft Rus’ und Bełz im 15. Jahrhundert], Lwo´w 1939; Jaroslav P. Kis’, Vozniknovenie i razmesˇcˇ enie gorodov na territorii Russkogo i Belzskogo voevodstv s XIV do poloviny XVII v. [Entstehung und Verteilung der Sta¨dte auf dem Gebiet der Wojewodschaften Rus’ und Bełz vom 14. bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts], in: Archivy Ukrainy 1 (1968), S. 35–41. 8 Ryszard Szczygieł, Lokacje miast w Polsce XVI wieku [Stadtlokationen in Polen im 16. Jahrhundert], ´ Lublin 1989, S. 25f.; 28, 78, 102; Maria Bogucka/Henryk Samsonowicz, Dzieje miast i mieszczanstwa w Polsce przedrozbiorowej [Die Geschichte der Sta¨dte und des Stadtbu¨rgertums im Polen der Vorteilungszeit], Wrocław 1986, S. 118ff. 9 Szczygieł, Lokacje (wie Anm. 8), S. 101; Jerzy Wyrozumski, Rozwo´j sieci miejskiej w Małopolsce w ˙ s´ redniowieczu i u progu czaso´w nowozytnych [Die Entwicklung des Sta¨dtenetzes in Kleinpolen im Mittelalter und an der Schwelle zur Neuzeit], in: Kwartalnik Historii Kultury Materialnej 28 (1980), 3, S. 363–372; Feliks Kiryk, Lokacje miejskie nieudane, translacje miast i miasta zanikłe w Małopolsce do połowy XVII stulecia [Erfolglose Stadtlokationen, Stadtverlegungen und niedergegangene Sta¨dte in Kleinpolen bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts], in: ebd., S. 373–384; Maurycy Horn, Sie´c miejska na Rusi Czerwonej w latach 1340–1648 [Das Sta¨dtenetz in Ruthenien in den Jahren 1340–1648], in: ebd., S. 431–433; Bogucka/Samsonowicz, Dzieje (wie Anm. 8), S. 120f. 10 An Stelle der umfangreichen Literatur, deren Pra¨sentation an dieser Stelle nicht mo¨glich wa¨re, beziehe ich mich auf die bislang letzte, autoritative Synthese von Maria Bogucka und Henryk Samsonowicz (wie Anm. 8), die den bis dato erreichten Wissensstand zusammenfasst.
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Eine Untersuchung des Urbanisierungsprozesses in einem Teil des ruthenischen Territoriums, in der Wojewodschaft Bełz,11 hat die Unterscheidung von drei Phasen ermo¨glicht, in denen sich unterschiedliche Kra¨fte aus unterschiedlichen Gru¨nden, fu¨r die jeweils eigenen Ziele und mit unterschiedlichen Konzepten engagierten. Die erste, der Ku¨rze halber als „bezirksbezogen“ bezeichnete Urbanisierungsphase erfasste die alten burgsta¨dtischen Zentren Rutheniens. Die Lokationen dieser Phase, vorgenommen durch die Bełz beherrschenden masowischen Fu¨rsten, sollten das alte, an das Netz der Burgzentren großer Landgu¨ter (der spa¨teren Bezirke) gekoppelte Sta¨dtenetz anpassen und reformieren. Die eindeutig politische Zielsetzung ging dabei mit einem stets aktuellen wirtschaftlichen und fiskalischen Interesse einher. Die Modernisierung eben dieser Strukturen, die sich, zumindest der Intention nach, mit einer Installierung fremder, polnisch-deutscher katholischer Gemeinden verband, sollte weitere Strukturen sta¨rken, die dieselbe Raumordnung ausnutzten: ein System von Herrschaftszentren, ein dominiales Verwaltungssystem und auch das neue, erst noch zu errichtende Parochialsystem der katholischen Kirche. Diese Phase dauerte im Bełzer Gebiet etwa 50 Jahre und endete im ersten Viertel des 15. Jahrhunderts. Zu dieser Zeit existierten noch keine privaten Lokationen. Das Lokationsmonopol des Herrschers wurde in diesem Gebiet erst nach dessen Inkorporation in die polnische Krone gebrochen (1462). Zu dieser Zeit begann die zweite, sich zu Beginn des 16. Jahrhunderts intensivierende Urbanisierungsphase. Sie ko¨nnte man mit einem Schlagwort als Phase der dominialen Urbanisierung bezeichnen, da sie den Bedu¨rfnissen des Großgrundbesitzes diente, der sich in den ruthenischen Territorien in Folge einer von den Herrschenden durchgefu¨hrten Schenkungsaktion, einer Zinsreform und des Landesausbaus stabilisiert hatte. Aufkommen und Erfu¨llung dieser Bedu¨rfnisse fielen nicht zufa¨llig mit einer abschließenden Formierung der Adelsgu¨ter und mit der Herausbildung lokaler Zentren zusammen. Die programmatische Gru¨ndung einer Stadt, die der Konsolidierung neu geschaffener Landgu¨ter dienen sollte, die deren administratives, wirtschaftliches und nicht selten auch kulturelles Zentrum bilden und zugleich als Residenz des Grundherrn dessen Repra¨sentationsbedu¨rfnisse befriedigen sollte, stand nicht im Widerspruch zu einem weiteren Beweggrund: der Suche nach neuen Einku¨nften, die aus den von den sta¨dtischen Zentren erfu¨llten Verkehrs- und Handelsfunktionen zu erwarten waren. Genau diese Bedu¨rfnisse und Erwartungen allgemeineren Zuschnitts, die man in den polnischen Territorien schon fru¨her hatte sehen ko¨nnen,12 ergaben einen speziellen Urbanisie-
11 Andrzej Janeczek, Osadnictwo pogranicza polsko-ruskiego. Wojewo´dztwo bełskie od schyłku XIV
do poczatku ˛ XVII w. [Besiedlung des polnisch-rus’ischen Grenzgebietes. Die Wojewodschaft Bełz vom Ausgang des 14. bis zum Beginn des 17. Jahrhunderts], Warszawa 1993, S. 205ff. 12 Andrzej Wyrobisz, Rola miast prywatnych w Polsce XVI i XVII wieku [Die Rolle der privaten Sta¨dte in Polen im 16. und 17. Jahrhundert], in: Przeglad ˛ Historyczny 65 (1974), 1, S. 19–46; ders., Miasta prywatne w Polsce XVI–XVIII w. jako inwestycje kulturalne [Die privaten Sta¨dte in Polen im 16.–17. Jahrhundert als kulturelle Investition], in: Kwartalnik Historii Kultury Materialnej 26 (1978), 1, S. 47–56; ders., Typy funkcjonalne miast polskich w XVI–XVIII w. [Die funktionalen Typen der polnischen Sta¨dte im 16.–17. Jahrhundert], in: Przeglad ˛ Historyczny 72 (1981), 1, S. 25–49; Tadeusz ´ Lalik, Funkcje miast i miasteczek w Polsce po´zniejszego s´ redniowiecza [Die Funktionen der Sta¨dte und Kleinsta¨dte im spa¨tmittelalterlichen Polen], in: Kwartalnik Historii Kultury Materialnej 23 (1975),
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rungstyp, den Typus der kleinen Privatstadt, wie er im o¨stlichen Teil Europas so typisch ist. Die dritte, abschließende Urbanisierungsphase, die im Bełzer Gebiet auf das letzte Viertel des 16. und den Beginn des 17. Jahrhunderts fiel, besaß, neben den bereits erwa¨hnten und weiterhin gu¨ltigen Zielen ihre eigenen, spezifischen Entwicklungsstimuli. Den damals (ha¨ufig aus dem Nichts) entstehenden Sta¨dten wies man zusa¨tzliche Aufgaben zu, die man bisher do¨rflichen Pioniersiedlungen anvertraut hatte, na¨mlich ¨ dland und die Bewirtschaftypische Kolonisationsaufgaben: die Besiedelung von O tung peripherer Gebiete und Urwa¨lder inklusive deren Rodung und Urbarmachung. Die anderen ruthenischen Territorien liefern je nach ihrer Spezifik abweichende Beispiele einer sich entfaltenden Urbanisierungsdynamik. Sie zeichnen – soweit sich dies aus den immer noch unzureichenden Forschungen schließen la¨sst – kein so eindeutiges Bild von einer Unterteilung der Lokationen in eine „bezirksbezogene“ und eine „dominiale“ Phase. Beide Urbanisierungstypen kamen gleichzeitig vor, wenn sie auch nicht gleichermaßen produktiv waren. Der Lokationsvorgang im Bereich der alten sta¨dtischen Zentren Rutheniens, eine auf dem ruthenischen Erbe basierende Reform, verlief wesentlich schneller als die, wenn auch ausgedehntere Urbanisierung der dominialen Zentren, die – mo¨gen sie eine do¨rfliche Vergangenheit besessen haben oder aus dem Nichts gegru¨ndet worden sein – in der Regel keine eigenen sta¨dtischen Traditionen besaßen. Das in vielen Lokationsprivilegien (nicht nur jenen Władysław Jagiełłos) notierte ko¨nigliche Bestreben (studium mentis), die wu¨sten Besitzungen zu besiedeln (ut loca Regni nostri deserta hominum inhabitacione [...] excolantur),13 ist keine bloße Phrase oder banale Kanzleiwendung. Es gibt vielmehr Zeugnis von einem formulierten und realisierten Lokationsprogramm. Neben der u¨bergeordneten, universalen Motivation der Lokationsinvestitionen – der wirtschaftlichen oder auch offen fiskalischen Motivation14 – beru¨hren die Arengen der Urkunden ein weiteres Motiv, na¨mlich das der Verbesserung des allgemeinen Zustandes der jeweiligen Ansiedlung und des gan¨ dnis und unzureichendes Erschließungsniveau betont werden. zen Landes, dessen O Die Aussteller der Urkunden bringen in ihnen ha¨ufig ihren Glauben an die Tauglichkeit des deutschen Rechtes fu¨r eine Modernisierung15 sowie an die positiven Effekte der Lokation zum Ausdruck. Diese wird (wie zu betonen ist) nie bloß als eine 4, S. 551–565; ders., Geneza sieci miasteczek w Polsce s´ redniowiecznej [Die Genese des Netzes der Kleinsta¨dte im mittelalterlichen Polen], in: Miasta doby feudalnej (wie Anm. 1), S. 113–136. 13 Zitat aus dem Privileg zur Neulokation von Trembowla – Materiały archiwalne wyj˛ete gło´wnie z Metryki Litewskiej od 1348 do 1607 r. [Archivmaterial vornehmlich aus den litauischen Metriken von 1348 bis 1607 entnommen], hg. v. Antoni Prochaska, Lwo´w 1890, Nr. 52 (zwischen 1418 und 1425). 14 Volentes utilitates et profectus dominiorum nostrorum et hereditatum, ut merito tenemur, adaugere, ut nobis exinde fructus ampliores crescant et dominia nostra in utilitatibus comodis et prosperitatibus ˙ fu¨r Rohatyn uberiora recipiant per amplius incrementa – aus einer Urkunde des Wołczek Przesłuzyc (1415), ebd., Nr. 32. Volentes [...] proventus sufficientiores thesauro nostro comparare et inducere – aus ´ dem ko¨niglichen Lokationsprivileg fu¨r Luboml (1412), Archiwum Panstwowe w Lublinie, Chełmski Konsystorz Grekokatolicki 6, S. 105f. 15 Die verwendeten Formulierungen stellen ein iunctim zwischen der Verleihung deutschen Rechtes und der Anhebung des Lebensstandards einer Siedlung (condicionem efficere meliorem), einer Vergro¨ßerung der Gewinne (fructus deducere uberiores) und konkreter dem Bevo¨lkerungswachstum, dem Anziehen von Neusiedlern (ut eo melius collocari valeat hominibusque inhabitari) her.
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Reform, als die Verleihung eines Verfassungsprivilegs verstanden, sondern vor allem als eine Siedlungs- und Kolonisationsinitiative, die selbst bereits bestehenden Orten Menschen, neue Bewohner zufu¨hrt. Jede wirtschaftliche Initiative erforderte eine Zuwanderung jener hominum modernorum, und eben dies war fu¨r gewo¨hnlich die eigentliche Absicht der Aussteller von Lokationsurkunden. Die Bevo¨lkerungsintensivierung und -ausweitung (populus novus et ad incolendum et ad defendendum) stellte eines der offen deklarierten Ziele der Lokationen dar. Homines in unum congregare, populi multitudine habundare, convocacione hominum instaurare, dies sind ha¨ufig in Lokationsprivilegien und -vertra¨gen anzutreffende Wendungen. Die in den Quellen sichtbare Sorge um die Bevo¨lkerung eines Ortes als der grundlegenden Voraussetzung fu¨r die Entwicklung einer Stadt, ist also vollkommen versta¨ndlich, insbesondere fu¨r Regionen, die sta¨ndig von Kriegen bedroht, permanenten Zersto¨rungen und einer wiederholten Entvo¨lkerung ausgesetzt waren.16 Die Einbeziehung Rutheniens in eine kolonisationsfo¨rdernde Strategie hatte also, abgesehen von den offenkundigen politischen Absichten, sowohl wirtschaftliche als auch milita¨risch-defensive Gru¨nde. Die wechselseitige Abha¨ngigkeit dieser beiden Zielsetzungen erwies sich nach ¨ bereiner Serie von besonders schweren osmanisch-tatarischen und moldawischen U fa¨llen an der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert als noch offensichtlicher. Die Verteidigung Rutheniens wurde damals zu einem der wichtigsten Probleme staatlicher Politik. Das auf dem Sejm von Piotrko´w 1503 formulierte Programm zur Sicherung dieses Landesteils war im Prinzip ein Kolonisationsprogramm (de inferendis ad terras Russie novis incolis), das sich auf die Erkenntnis stu¨tzte, dass es keinen besseren Weg gebe, Ruhe zu erreichen und zu erhalten, als die Bevo¨lkerungszahlen zu erho¨hen; damals ille terre per se sufficerent ad defensionem.17 Die langja¨hrigen, sorgfa¨ltigen Bemu¨hungen von Grundbesitzern und Herrschern, die dem Ziel der Wiederbesiedelung dienten und oft einer Sysiphosarbeit glichen, brachten eine lange Reihe von Anreizen, Erleichterungen und Befugnissen fu¨r die Sta¨dte und deren Bewohner hervor. Es ließe sich sogar von einer Politik des Protektionismus sprechen, die die Finanzsituation der Sta¨dte kurzfristig notdu¨rftig aufrechterhielt, aber langfristig darauf ausgerichtet war, sie als Wirtschaftszentren zu sta¨rken und ihre Funktionen fu¨r Handel und Produktion zu sta¨rken. Dazu za¨hlten ¨ berschreiben von Einku¨nften an die Sta¨dte, BefugSteuer- und Zollbefreiungen, das U
16 Maurycy Horn, Chronologia i zasi˛eg najazdo´w tatarskich na ziemie Rzeczypospolitej Polskiej w
¨ berfa¨lle auf die La¨nder der polnischen latach 1600–1647 [Chronologie und Reichweite der Tataren-U Republik in den Jahren 1600–1647], in: Studia i Materiały do Historii Wojskowo´sci 8 (1962), 1, S. 3–71; ders., Skutki ekonomiczne najazdo´w tatarskich z lat 1605–1633 na Ru´s Czerwona˛ [Die wirtschaftli¨ berfa¨lle auf Ruthenien in den Jahren 1605–1633], Wrocław 1964. chen Folgen der Tataren-U 17 Racionabile esset ut queratur modus quo mediante ad terras depopulatas illas introducatur populus novus et ad incolendum et ad defendendum – aus der Gesandtschaft des Jakub Buczacki zum Sejm von Piotrko´w im Jahr 1503, Materialy dlja istorii vzaimnych otnosˇenij Rossii, Pol’sˇi, Moldavii, Valachii i Turcii v XIV–XVI vv. [Materialien zur Geschichte der wechselbeziehungen Russland, Polens, der Moldau, Walachei und Tu¨rkei im 14.–16. Jahrhundert], hg. v. V. A. Uljanickij, Moskva 1887, S. 235.
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nisse zum Nießbrauch von Wa¨ldern und Gewa¨ssern, Handels-, Zunft- und andere Privilegien. Die Wirksamkeit solcher Maßnahmen war begrenzt. Sie konnten weder die Sta¨rke und Ha¨ufigkeit destruktiver Faktoren ausgleichen, noch die Mu¨hen eines Lebens unter sta¨ndiger Bedrohung kompensieren. Man hat die allein durch die Tatarenu¨berfa¨lle in der ersten Ha¨lfte des 17. Jahrhunderts verursachten wirtschaftlichen Verluste Rutheniens dahingehend beziffert, dass etwa die Ha¨lfte aller existierenden Sta¨dte und mehr als die Ha¨lfte der Do¨rfer verwu¨stet, die do¨rfliche Wirtschaft im Umfang von etwa 50–60 % vernichtet, der Viehhandel um etwa 30 %, und die Bevo¨lkerung um 120 000–130 000 Menschen dezimiert worden seien.18 Selbst solche nur zum Teil wirklich messbaren Scha¨tzungen gebieten es, die sta¨ndige Kriegsbedrohung als einen der wichtigsten Begleitumsta¨nde bei der Erschließung Rutheniens zu betrachten. Der Wu¨rden- und Ehrentitel der antemurale et propugnaculum Regni gebu¨hrte nicht nur den gro¨ßten Sta¨dten Rutheniens wie Lemberg oder Kamieniec.19 Unter den o¨rtlichen Bedingungen besaß die Urbanisierung einen besonderen Wert – den der Wehrhaftigkeit.20 Diese sollte nicht nur durch die sta¨dtischen Befestigungsanlagen gewa¨hrleist werden, die fu¨r gewo¨hnlich unzureichend waren (u¨berwiegend handelte es sich um Holz-Erdwa¨lle, selten um Steinmauern). Manchmal erfu¨llten die Funktion auch Kirchen- oder Klosterburgen, am ha¨ufigsten aber eine „von Natur aus“ geschu¨tzte Lage. Solche Aspekte entschieden nicht nur u¨ber die Platzwahl fu¨r eine neue Siedlung, sondern auch u¨ber Verlegungen und Neulokationen bereits existierender Sta¨dte.21 Die Topographie der anla¨sslich einer Lokation neu gegru¨ndeten oder verlegten Orte verweist auf die Dominanz des milita¨rischen Faktors sowie die nachrangige Bedeutung anderer, scheinbar „stadtgerechterer“ Gru¨nde und Determinanten, wie gu¨nstige Wohnbedingungen, gute Anbindung an das Hinterland, unmittel¨ brigen war die fu¨r gewo¨hnbare Verbindung mit einem Verkehrswegesystem. Im U lich kompakt und konzentriert angelegte sta¨dtische Siedlung offenbar besser zu verteidigen und die autonome Stadtgemeinde organisatorisch besser auf den Abwehrkampf vorbereitet. Es kam auch vor, insbesondere in Podolien, dass die Bu¨rger zum berittenen Milita¨rdienst verpflichtet waren. Daneben hatten sie selbstversta¨ndlich die
18 Horn, Skutki (wie Anm. 16), S. 164ff. 19 Hier zitiert nach der „Titulatur“ von Kamieniec in einem Zollbefreiungsprivileg aus dem Jahr 1543 –
Central’nyj Derzˇavnyj Istoryˇcnyj Archiv u m. L’vovi, Castrensia Belzensia 155, S. 633f.
20 Die Bedeutung der Sta¨dte fu¨r das Verteidigungssystem im litauischen Teil Rutheniens unterstreicht
Jerzy Ochmanski, ´ Organizacja obrony w Wielkim Ksi˛estwie Litewskim przed napadami Tataro´w ¨ berfa¨llen der Krimtataren krymskich w XV–XVI wieku [Die Organisation der Verteidigung vor den U im Großfu¨rstentum Litauen im 15.–16. Jahrhundert], in: Studia i Materiały do Historii Wojskowo´sci 5 (1960), S. 349–398, hier 368ff. 21 Zum Beispiel wurde Le˙zajsk nach einem Tatarenu¨berfall im Jahr 1524 im Herbst desselben Jahres an einen neuen Ort verlegt, der sich durch natu¨rliche Verteidigungsmo¨glichkeiten auszeichnete – Jo´zef ´ ´ XVIII w. [Die BesiedPo´łcwiartek, Osadnictwo w niegrodowym starostwie le˙zajskim do konca ˙ lung in der unbefestigten Starostei Lezajsk], in: Rocznik Wojewo´dztwa Rzeszowskiego 6 (1966–1967), S. 55–92.
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u¨blichen, allgemeinen aus dem Magdeburger Recht selbst resultierenden22 Verteidigungspflichten einer Stadt gegenu¨ber der Burg zu erfu¨llen.23 Aus dieser Perspektive betrachtet waren große und kleine Sta¨dte die ada¨quateste und geradezu wu¨nschenswerteste Siedlungsform, denn sie sta¨rkten das Land nicht nur demografisch und wirtschaftlich, waren nicht nur ein Damm gegen den „Ansturm der Heiden“, sondern konnten auch als Refugium fu¨r andere Bevo¨lkerungsgruppen sogar aus der weiteren Umgebung fungieren. Vom Schutz der sta¨dtischen Befestigungsanlagen profitierten manchmal auch die Familien des im Umland ansa¨ssigen Adels, die auf ihren einige Dutzend Kilometer entfernten Ho¨fen residierten, die selbst keinen angemessenen Schutz gewa¨hrleisten konnten. Diese speziellen Anforderungen und im Allgemeinen zugleich geringen tatsa¨chli¨ ußerung u¨ber die Stadt Busk (in chen Mo¨glichkeiten, sie zu erfu¨llen, illustriert eine A der Wojewodschaft Bełz): ‘eine schwache und kaum befestigte Stadt, [...] bei einem Tatarenu¨berfall birgt sie eine bedeutende Zahl Volkes [...], wegen ihrer gu¨nstigen Lage ist sie fa¨hig, zu einer sta¨rkeren Festung zu werden.“24 Es ist kennzeichnend, dass Busk aus eben diesen, fu¨r eine Stadt doch nicht allzu typischen Gru¨nden die ko¨nigliche Zusicherung erhielt, es sei „der Rzeczpospolita notwendig“.25 Die Rezeption deutschen Rechtes in Ruthenien, die zwischen der Mitte des 14. und dem Ende des 16. Jahrhunderts in u¨ber 300 entsprechenden Privilegierungen zum Ausdruck kommt, reicht in ihren Anfa¨ngen in die Zeit vor der Herrschaft Kasimirs des Großen, in die Zeit des Fu¨rstentums von Haliˇc-Wolhynien zuru¨ck. Die fu¨r den Anfang des 14. Jahrhunderts und vielleicht auch schon etwas fru¨her in Lemberg und Przemy´sl belegbaren Vo¨gte26 sowie eine in den 20er Jahren des 14. Jahrhunderts existierende deutschrechtliche Gemeinde in Volodymyr27 belegen, gemeinsam mit einem Bericht von der Besiedelung Chełms und einer (leider bruchstu¨ckhaften) Erwa¨hnung aus Haliˇc,28 die Anwesenheit von Kaufmanns- und Handwerkerkolonien westlicher, hauptsa¨chlich deutscher Herkunft in den gro¨ßten Orten der Rus’.29 22 Wojciech Szczygielski, Obowiazki ´ ˛ i powinno´sci wojskowe miast i mieszczanstwa w Polsce od XIII
do połowy XV wieku [Die milita¨rischen Verantwortlichkeiten und Pflichten der Sta¨dte und Stadtbu¨rger in Polen vom 13. bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts], in: Studia i Materiały do Historii Wojskowo´sci 5 (1960), S. 425–457. 23 Bei seiner Lokation von Toporo´w im Jahr 1603 verpflichtete Andrzej T˛eczynski ´ die Bu¨rger zur Vertei´ digung der Stadt und der Burg und untersagte ihnen, bei Gefahr zu fliehen; Biblioteka im. Ossolinskich we Wrocławiu (im Folgenden: BO), ms. 2424/III, fol. 47–48. 24 Bibliothek der Akademie der Wissenschaften Lemberg, Sammlung Sˇaranevyˇc, ms. 13/I, S. 72 (1521). 25 Haec civitas Busko nobis et Reipublicae est necessaria pro conservatione hominum tempore necessitatis a quibusvis hostibus nostris; Bibliothek der Akademie der Wissenschaften Lemberg, Sammlung Czołowski, ms. 415/III, S. 19–25 (1543). 26 Akta grodzkie i ziemskie z czaso´w Rzeczpospolitej Polskiej z Archiwum tzw. bernardynskiego ´ we Lwowie [Die Burg- und Landakten aus der Zeit der polnischen Adelsrepublik, aus dem so genannten Bernhardiner-Archiv in Lemberg], Bd. 2, hg. v. Ksawery Liske, Lwo´w 1870, Nr. 1; Zbio´r dokumento´w małopolskich (wie Anm. 2), Nr. 901. 27 Hansisches Urkundenbuch, Bd. 2, hg. v. Konstantin Ho ¨ hlbaum, Halle 1879, Nr. 420. 28 Letopis’ po Ipatskomu spisku, izdanie Archeografiˇceskoj Kommisii [Die von der Archa¨ographischen Kommission herausgegebene Hypatius-Chronik], St. Peterburg 1871, S. 518, 558. 29 I. A. Linnicenko, ˇ ˇ Certy iz istorii soslovij v Jugo-zapadnoj (Galickoj) Rusi XIV–XV v. [Striche aus der Sta¨ndegeschichte in der su¨dwestlichen (Haliˇcer) Rus’], Moskva 1894, S. 213ff.; Mychailo Hrusˇevs’kyj,
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Die Verleihung deutschen Rechtes an Sanok durch Bolesław (Jurij) Trojdenowicz im Jahr 1339,30 kurz vor dem Untergang des Fu¨rstentums Haliˇc-Wolhynien, vervollsta¨ndigt diese Liste um einen weiteren Ort. Die Installierung deutschrechtlicher Einrichtungen war jedoch begrenzt und auf die wichtigsten Sta¨dte der westlichen Rus’ und innerhalb dieser auf die katholischen Ausla¨ndergemeinden beschra¨nkt. Es la¨sst sich also schwerlich von einer Aneignung dieser Rechtsform sprechen; das deutsche Recht reichte damals nicht u¨ber den Rahmen eines Gruppenrechtes hinaus, a¨hnlich wie die „aufgepfropften“ Rechte anderer ethnisch-rechtlicher Sondergruppen, die nebeneinander in den Sta¨dten der Rus’ lebten: jene der Armenier, Juden, Tataren und evtl. Kara¨er (suae nationis iure). Die sich natu¨rlich ha¨ufig in realen, scharfen Trennungslinien innerhalb des Stadtraumes manifestierende Segregation der unterschiedlichen, nach ethnischen und religio¨sen Prinzipien organisierten Gemeinden war ein quasi natu¨rlicher, organisch gewachsener, dem mittelalterlichen Prinzip der Rechtsfa¨higkeit entsprechender Zustand. Anzeichen einer Territorialisierung des deutschen Rechtes liefert das Privileg fu¨r Sanok, mit dem eine Vogtei iure Meydeburgensi eingerichtet wurde, die mit der Rechtshoheit u¨ber alle Bewohner, sive sit Theuthonicus, Polonus, Ungarus et Ruthenus, ausgestattet wurde. Ein a¨hnliches Modell – nennen wir es provisorisch Vogtei-Modell – wurde durch das Privileg Kasimirs des Großen fu¨r Lemberg (1356) geschaffen: Der Ko¨nig verlieh hier der gesamten Stadt das Magdeburger Recht, erlaubte aber den nicht-katholischen Gemeinden, sofern sie dies wu¨nschten, iuxta ritus eorum in ipsorum iure zu verbleiben.31 Doch selbst in diesem Fall wurde die Gerichtsbarkeit sue nacionis iure der Obrigkeit des Vogtes nach Magdeburger Recht unterstellt. Das Zulassen einer solchen Alternative beweist jedenfalls nicht, dass man das segregative, mehrere Gemeinden nebeneinander zulassende Modell der ruthenischen Stadt verworfen ha¨tte oder dazu auch nur bereit gewesen wa¨re, um den Weg zu einer einheitlichen Stadtorganisation zu ebnen. Im Gegenteil, unter der Herrschaft Jagiełłos wurde der Versuch unternommen, eine von oben dekretierte Erneuerung Istorija Ukrainy-Rusy [Geschichte der Ukraine-Rus’], Bd. 5, L’viv/Kyiv 1905, S. 224ff.; Stefan Sochaniewicz, Wo´jtostwa i sołtystwa pod wzgl˛edem prawnym i ekonomicznym w ziemi lwowskiej [Die Vogtei und das Schulzenamt unter rechtlichem und o¨konomischem Aspekt im Lemberger Land], Lwo´w 1921, S. 51ff.; Michail N. Tichomirov, Drevnerusskie goroda [Altrussische Sta¨dte], Moskva 21956; Anna Berdecka, Lokacje i zagospodarowanie miast kro ´ lewskich w Małopolsce za Kazimierza Wielkiego (1333–1370) [Die Lokation und wirtschaftliche Erschließung der ko¨niglichen Sta¨dte in Kleinpolen unter Kasimir dem Großen], Wrocław 1982, S. 28f.; August Fenczak, Z badan´ nad poczat˛ kami samorzadu ˛ miejskiego w Przemy´slu i jego kancelarii (do 1389 roku) [Aus den Forschungen zu den Anfa¨ngen der sta¨dtischen Selbstverwaltung in Przemy´sl und seiner Kanzlei (bis zum Jahr 1389)], in: Rocznik Historyczno-Archiwalny 5 (1988), S. 23–48, hier S. 24ff. 30 Codex diplomaticus Poloniae, Bd. 3, hg. v. Julian Bartoszewicz, Varsoviae 1858, Nr. 88. Diese Urkunde ist vielfach analysiert worden, z. B. Adam Fastnacht, Osadnictwo ziemi sanockiej w latach 1340–1650 [Die Besiedlung des Landes Sanok in den Jahren 1340–1650], Wrocław 1962, S. 103ff.; ders., Dzieła wybrane [Ausgewa¨hlte Werke], hg. v. Jerzy F. Adamski, Bd. 1: Sanok. Materiały do dziejo´w miasta do XVII w. [Sanok. Materialien zur Geschichte der Stadt bis zum 17. Jahrhundert], bearb. v. Feliks Kiryk, Brzozo´w 1990, S. 29ff.; Przywilej lokacyjny miasta Sanoka z 1339 roku [Das Lokationsprivileg der Stadt Sanok von 1339], hg. v. Feliks Kiryk, Przemy´sl 1992. 31 Akta grodzkie (wie Anm. 26), Bd. 3, Nr. 5.
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der Segregation sowie eine scharfe Reglementierung des nur Katholiken zuga¨nglichen deutschen Rechtes durchzusetzen. Man bediente sich dabei exceptis schismaticis-Klauseln, die in den im ersten Drittel des 15. Jahrhunderts fu¨r Do¨rfer und Sta¨dte ausgestellten deutschrechtlichen Privilegien erschienen. Dieses Vorgehen muss man ohne Zo¨gern der ko¨niglichen Politik Jagiełłos zuschreiben, mit dem im Fu¨rstentum Litauen Großfu¨rst Vytautas gleichzog.32 Notabene liefert die Sta¨dtelandschaft im westlichen Teil des Fu¨rstentums, in Podlachien, dort, wo die von außen kommende, okzidentale Kolonisationsbewegung noch bedeutende Ausmaße erreichte, auffa¨llige Beispiele fu¨r eine komplexe Doppelstruktur zweier nebeneinander existierender Gemeinden: einer Agglomeration separater Organismen, voneinander geschiedener ethnisch-religio¨ser Gemeinschaften in Gestalt einer ruthenischen und einer polnischen (‚lachischen‘) Stadt, jeweils mit einer orthodoxen bzw. einer katholischen Pfarrkirche, mit einem ‚lachischen‘ (katholischen) und einem ruthenischen Markt. Ruthenische Quellen aus der zweiten Ha¨lfte des 14. und aus dem 15. Jahrhundert liefern (beim gegenwa¨rtigen Forschungsstand) ho¨chstens vereinzelte Spuren fu¨r die Existenz gesonderter rechtlich-religio¨ser Gemeinden,33 von der besser bekannten Situation in den gro¨ßeren Sta¨dten, insbesondere in Lemberg, einmal abgesehen. Eine auf die podolische Stadt Bar bezogene Beschreibung (populi lingua, moribus et institutis omnino dissimiles) gibt ein wohl treffendes, zeitgeno¨ssisches Bild von der sta¨dtischen Gesellschaft in Ruthenien.34 Die ethnische Struktur der gesamten Provinz war stark differenziert und ging u¨ber die polnisch-ruthenische Zweiteilung weit hinaus, auch wenn diese natu¨rlich die Grundlage bildete.35 Dies betrifft speziell die Situation in den Sta¨dten, die im Vergleich zu den Do¨rfern wesentlich komplexer war.36 Zu den ethnischen Gemeinden aus der Zeit vor der Lokation kamen neue und zudem zahlreiche Gemeinden hinzu, die in der Periode der deutschrechtlichen Stadt im 15.
32 Andrzej Janeczek, Exceptis schismaticis. Upo´sledzenie Rusino´w w przywilejach prawa niemieckiego
Władysława Jagiełły [Die Benachteiligung der Rusinen in den Privilegien des deutschen Rechts Władysław Jagiełłos], in: Przeglad ˛ Historyczny 75 (1984), 3, S. 527–542. 33 Besonders wichtig sind die Nachweise fu¨r eine Existenz von Gemeinden zu Magdeburger Recht in den kleineren Sta¨dten wie zum Beispiel Seret, fu¨r das im Lemberger Scho¨ffenbuch ein ormenischer foit von Czereth erwa¨hnt wird; Ksi˛ega ławnicza miejska 1441–1448 [Sta¨dtisches Scho¨ffenbuch 1441–1448], hg. v. Aleksander Czołowski/Franciszek Jaworski, Lwo´w 1921, Nr. 2430 (vor 1448); fu¨r Kołomyja ein Voronko, vojt kolomyjskij russkij; Akty otnosjasˇcˇ iesja k istorii Juzˇnoj i Zapadnoj Rossii [Akten zur Geschichte des su¨dlichen und westlichen Russland], Bd. 1, St. Peterburg 1863, Nr. 5 (1398). 34 Archiv Jugo-Zapadnoj Rossii [Archiv des su¨d-westlichen Russland], Bd. 8. 1, Kiev 1893, Nr. 128 (1576). 35 Vgl. zuletzt (wenn auch fu¨r eine spa¨tere Zeit) Zdzisław Budzynski, ´ Ludno´sc´ pogranicza polsko-ruskiego w drugiej połowie XVIII wieku. Stan, rozmieszczenie, struktura wyznaniowa i etniczna [Die Bevo¨lkerung des polnisch-rus’ischen Grenzgebietes in der zweiten Ha¨lfte des 18. Jahrhunderts. Zahlensta¨rke, Verteilung, konfessionelle und ethnische Struktur], Bd. 1–2, Przemy´sl-Rzeszo´w 1993. 36 Henryk Samsonowicz, Grupy etniczne w Polsce XV wieku [Ethnische Gruppen im Polen des ˙ 15. Jahrhunderts], in: Ojczyzna blizsza i dalsza. Studia historyczne ofiarowane Feliksowi Kirykowi w sze´sc´ dziesiat˛ a˛ rocznic˛e urodzin, hg. v. Jacek Chrobaczynski ´ u. a., Krako´w 1993, S. 461–469; Andrzej ˙ Wyrobisz, Mniejszo´sci etniczne i wyznaniowe w miastach Europy wczesnonowozytnej (XVI–XVIII w.) [Ethnische und konfessionelle Minderheiten in den Sta¨dten des fru¨hneuzeitlichen Europa], in: ebd., S. 471–484.
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und 16. Jahrhundert entstanden.37 Sie setzten sich zu einem echten Nationalita¨tenmosaik zusammen, das – wir wollen uns hier einer originalen Quellennotiz bedienen – „Russe, Pole, Deutscher, Walach, Armenier, Jud und Tatare“38 bildeten. Den Reigen ¨ bertragen auf das Kridieser Gestalten mu¨sste man noch um den Kara¨er erga¨nzen. U terium der Religionszugeho¨rigkeit klingt diese Liste in der Sprache der Quellen folgendermaßen: catholici, schismatici, haeretici, Iudaei. Es bedarf keiner großen Phantasie, um zu begreifen, welche Schwierigkeiten das Zusammenleben kulturell so unterschiedlicher Gruppen auf dem fu¨r gewo¨hnlich engen Raum einer Stadt bereitete, zumal diese nach einem Recht organisiert war, das ¨ brigen erblickten schon die Zeitan solche Erfordernisse nicht angepasst war. Im U genossen in dieser Vielfalt, in der Andersartigkeit von „Sprache, Sitten und Lebensweise“, eine Quelle von Unruhen und verscha¨rften Problemen sowie (ganz zu Recht) einen bedrohlich desintegrativen Faktor, der die Koha¨renz und Geschlossenheit des sta¨dtischen Organismus bedrohte.39 Dabei du¨rfen wir nicht vergessen, dass das im lateinischen Kulturkreis entstandene und mit dem Katholizismus verknu¨pfte ius Theuthonicum gerade in Ruthenien zum ersten Mal auf einen anderen Kulturkreis stieß. Fu¨gen wir nun noch katholische Megalomanie und Proselytentum hinzu, fu¨gen wir die von Beginn an im deutschen Recht verwurzelte Bevorzugung der zugewanderten im Verha¨ltnis zur autochthonen Bevo¨lkerung hinzu, fu¨gen wir die im Kanon der Siedlungsreform iure Theuthonico enthaltene Monopolstellung der katholischen Kirche hinzu, fu¨gen wir die strukturelle Einfo¨rmigkeit des Magdeburger Rechts hinzu, dann erhalten wir das Bild von vornherein drohender, man mo¨chte sagen systemisch angelegter Gefahren und Konflikte.40 Und das sta¨dtische, auf eine Beseitigung wirtschaftlicher Konkurrenten eingestellte Milieu bildete dabei einen fruchtbaren Boden fu¨r solche Gefahren. ˙ 37 Maurycy Horn, Zydowski ruch osadniczy w miastach Rusi Czerwonej do 1648 r. [Die ju¨dische Sied-
˙ lungsbewegung in den ruthenischen Sta¨dten bis 1648], in: Biuletyn Zydowskiego Instytutu Historycz˙ nego 2 (90) (1974), S. 3–24; ders., Najstarszy rejestr osiedli zydowskich w Polsce z 1507 r. [Das a¨lteste ˙ ju¨dische Siedlungsregister in Polen aus dem Jahr 1507], in: ebd. 91 (1974), S. 11–15; ders., Zydzi na Rusi Czerwonej w XVI i pierwszej połowie XVII w. Działalno´sc´ gospodarcza na tle rozwoju demograficznego [Die Juden in Ruthenien im 16. und in der ersten Ha¨lfte des 17. Jahrhunderts. Die Wirtschaftsta¨tigkeit vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung], Warszawa 1975; Yaroslav ˇ L’e´poque de Danylo Romanovyˇc (milieu du XIIIe sie`cle) d’apre`s une source Stepaniv [Dasˇkevyc], karaı¨te, in: Harvard Ukrainian Studies 2 (1978), 3, S. 334–373; Jan Tyszkiewicz, Tatarzy na Litwie i w Polsce. Studia z dziejo´w XIII–XVIII w. [Die Tataren in Litauen und Polen. Studien zur Geschichte des 13.–18. Jahrhunderts], Warszawa 1989. 38 Archiv Jugo-Zapadnoj Rossii (wie Anm. 34), Bd. 5.1, Kiev 1869, Nr. 2. 39 Ein Beispiel aus Bar, das von (polnischen) Katholiken, Ruthenen, Armeniern, Juden und Tscheremissen bewohnt war: Inter quos populos [...] discordias [...] aboriri oporteat, unde interdum toti coloniae, faucibus hostium obiectae, magnum periculum intentari et imminere soleat; Archiv Jugo-Zapadnoj Rossii (wie Anm. 34), Bd. 8. 1, Nr. 128. 40 Mitteilungen u¨ber Konflikte, die durch den ungleichen Zugang zu sta¨dtischen Rechten und Privilegien verursacht wurden, sich aber nach außen hin auf der ethnischen oder religio¨sen Ebene abspielten, finden sich ha¨ufig in den Quellen insbesondere des 16. Jahrhunderts. Ein Beispiel aus dem podlachischen Drohiczyn, gleichwohl von allgemeiner Aussagekraft: propter ius diversum et varias inter homines ritus nostri et Ruthenorum consuetudines; Akty litovsko-russkogo gosudarstva [Akten des litauisch-russischen Staates], hg. v. Mitrafan Dovnar-Zapol’skij, Moskva 1899, Nr. 59 (1498); aus dem Ort Kamionka im Gebiet Lemberg: difensia, seditia, welche sich zugetragen haben zwischen den Bu¨r-
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Fu¨r die Stadtbevo¨lkerung standen der Zugang zum Magdeburger Recht, die Teilhabe an der Macht, die Mo¨glichkeit zur Erlangung der vollen Bu¨rgerrechte, die Ausnutzung wirtschaftlicher Privilegien u. a. im Handel und der Zusammenschluss in Berufskorporationen im Vordergrund. Diese Fragen wurden aktuell, als das deutsche Recht schrittweise seinen exklusiven Charakter, also den Status eines ausschließlich fu¨r die katholischen Zuwanderer aus dem Westen geltenden Rechtes verlor. Dieser mit der Verbreitung jenes Rechtssystems in der Zeit Kasimirs und Jagiełłos verknu¨pfte Wandel beruhte auf der Einsicht, dass das deutsche Recht ein erwu¨nschte Erleichterungen und Vorteile bietendes Privileg ist, dass es aber diskriminierend sein kann, außerhalb seines Geltungsbereiches zu stehen. Das Spektrum der durchaus differenzierten, im Laufe der Zeit wandelbaren Lo¨sungen, die man fand, um die teilweise immanente und natu¨rliche, teilweise ku¨nstlich auferlegte Exklusivita¨t des deutschen Rechtes mit dem wachsenden Wunsch in Einklang zu bringen, an ihm teilzuhaben,41 bewegte sich zwischen den extremen Polen von Exklusion und Inklusion bzw. Gleichberechtigung. Es reichte von einem ga¨nzlichen Niederlassungsverbot in der Stadt, das im Allgemeinen nur die ju¨dische Bevo¨lkerung betraf,42 einer strengen Reglementierung des Zugangs zum Magdebur¨ mtern, die zugleich mit wirtschaftlichen Beschra¨nger Recht und den sta¨dtischen A 43 kungen verbunden war, u¨ber Kompromissregelungen, zum Beispiel in Gestalt der gern der alten Religion der ro¨misch-katholischen Kirche und jenen der griechischen Religion oder Russen u¨ber die Nichtzulassung eines Griechen zum Rats- und Scho¨ffenamt; Central’nyj Derzˇavnyj Istoryˇcnyj Archiv u m. L’vovi, Castrensia Buscensia 10, S. 586f. (1598). 41 Solche Anspru¨che schlugen sich indirekt in einer Anklage gegen die bedeutendsten ruthenischen Bu¨rger von Lemberg nieder, diese ha¨tten eine Verschwo¨rung, beruhend auf der Errichtung eines „Schattenkabinetts“ heimlicher proconsules et consules Ruthenicales geplant; Acta Consularia aus dem Jahr ´ 1538, S. 789, nach Władysław Łozinski, ´ Patrycyat i mieszczanstwo lwowskie w XVI i XVII wieku [Das Lemberger Patriziat und Bu¨rgertum im 16. und 17. Jahrhundert], Lwo´w 21892, S. 344. 42 Privilegien de non tolerandis Iudaeis verbreiteten sich insbesondere im 16. Jahrhundert angesichts einer ˙ ˙ zunehmenden Judaisierung der Sta¨dte; Horn, Zydowski ruch (wie Anm. 37); ders., Zydzi na Rusi ˙ ´ w w miastach pols(wie Anm. 37); Zygmunt Sułowski, Mechanizmy ekspansji demograficznej Zydo kich XVI–XIX wieku [Mechanismen der demographischen Expansion der Juden in den polnischen Sta¨dten des 16.–19. Jahrhunderts], in: Zeszyty Naukowe KUL 17 (1974), 3 (67), S. 93–110. Außer den Juden wurden manchmal auch „Ha¨retiker“, also in den Begriffen der zweiten Ha¨lfte des 16. Jahrhunderts Anha¨nger der reformierten Bekenntnisse ausgeschlossen, im Unterschied zu den fu¨r gewo¨hnlich besser behandelten Orthodoxen und armenischen Monophysiten. Letztere schloß etwa der Besitzer von Magiero´w, das 1591 eine Lokation erhielt, nicht wie die Juden und „Abtru¨nnigen“ aus dem Kreis der Bu¨rger aus, aber versagte ihnen das Recht, sich um das Amt des Bu¨rgermeisters zu bewerben; Archiwum Gło´wne Akt Dawnych Warschau, Metryka Koronna, lib. 139, fol. 130v–133. Fa¨lle eines kompletten Niederlassungsverbotes fu¨r Ruthenen in einer Stadt sind selten. So verfu¨gte etwa Ja´sliska, eine kleinpolnische Enklave im Gebiet von Sanok und Eigentum der Bischo¨fe von Przemy´sl, u¨ber das (auch angewendete) Recht, „dass Rusnaken in der Stadt keine Ha¨user haben und sich zum Wohnen nicht in die Stadt begeben sollten“; Ferdynand Bostel, Przyczynek do dziejo´w Ja´slisk [Ein Beitrag zur Geschichte von Ja´sliska], in: Przewodnik Naukowy i Literacki 18 (1890), S. 801–864; Fastnacht, Osadnictwo (wie Anm. 30), S. 207. Diese Beschra¨nkung galt an der a¨ußersten Peripherie des ruthenischen Siedlungsgebietes. 43 Sie betrafen am ha¨ufigsten den Handel, die Reglementierung bestimmter Handwerke und das Schankrecht. Ein Bild der Lemberger Verha¨ltnisse zeichnet Łucja Charewiczowa, Ograniczenia gospodar˙ ´ w we Lwowie XV i XVI wieku [Die wirtschaftliche Restriktionen cze nacyj schizmatyckich i Zydo gegen die Schismatischen Nationen und Juden in Lemberg im 15. und 16. Jahrhundert], in: Kwartalnik Historyczny 39 (1925), 2, S. 193–227 [als Separatdruck: Lwo´w 1925].
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Verleihung des Magdeburger Rechtes an nicht-katholische Gemeinden bei gleichzeitiger Beibehaltung ihrer Sonderstellung,44 der Herstellung einer parita¨tischen Teilhabe aller Nationen an der Macht in der Stadt und in den Zu¨nften,45 bis hin zu einer ¨ brinahezu vollsta¨ndigen Beseitigung religio¨ser und ethnischer Barrieren.46 Im U gen sei, ohne dieses Thema weiter entfalten zu wollen, hinzugefu¨gt, dass die Frage des Zusammenlebens von Angeho¨rigen unterschiedlicher Religionen in der zweiten Ha¨lfte des 16. und im 17. Jahrhundert besondere Aktualita¨t und eine neue Bedeutung erhielt (Reformation und Gegenreformation, Union und Schisma). Die Einflussmo¨glichkeiten des Herrschers oder des Stadtherrn auf die religio¨se und ethnische Gestalt einer Stadt in Ruthenien waren also ziemlich groß,47 und die Instrumente zur Modellierung der erwu¨nschten Besiedlungsstruktur (zumindest theoretisch und wenn man die chronische Unterbevo¨lkerung der gesamten Region außer Acht la¨sst) zahlreich und zugleich effektiv. Sie griffen in so wesentliche und
44 Ein anschauliches Beispiel fu¨r die Koexistenz verschiedener Gemeinden zu Magdeburger Recht liefert
das litauische Troki, wo es je eine separate ju¨dische und kara¨ische Gruppierung gab, die beide u¨ber das Magdeburger Recht verfu¨gten; Tyszkiewicz, Tatarzy (wie Anm. 37), S. 154f. 45 Die zahlenma¨ßigen Relationen der Machtteilhabe wurden fu¨r gewo¨hnlich durch Verordnungen des Stadtherrn bestimmt. Ein ko¨nigliches Privileg fu¨r Potylicz aus dem Jahr 1523 regelte dies etwa folgendermaßen (bemerkenswert ist an dieser Stelle das Lob der Tugenden und Eigenschaften der Ruthenen): quia hoc tempore in illo oppido nostro non pauci sunt viri sectae Graecanicae, quos Ruthenos vocant, perhibenturque esse viri boni et abundantes ac bonae fidei et honoris, ideo statuimus, quod inter tres consules Romanae fidei sit deinceps semper quartus Ruthenus in officio consulari praesidens, et similiter inter septem scabinos Christianos fiat septimus numero Ruthenus; Archiwum Gło´wne Akt Dawnych Warschau, Metryka Koronna, lib. 37, fol. 426f. Eine gleichlautende Urkunde erhielt am selben Tag Lubaczo´w; BO, doc. 1724. Auch in Drohobycz und Jaworo´w wurde je ein Ruthene in den Rat und in die Scho¨ffenbank gewa¨hlt; Maurycy Horn, Walka klasowa i konflikty społeczne w miastach Rusi Czerwonej w latach 1600–1647 na tle stosunko´w gospodarczych [Klassenkampf und soziale Konflikte in den Sta¨dten Rutheniens in den Jahren 1600–1647], Wrocław 1972, S. 73. Fu¨r Sokal legte Aleksander ´ Jagiellonczyk eine andere Parita¨t fest: ordinavimus, ut proconsul, omnes vero scabini et duo consules ortodoxe fidei et duo Ruthenicze annis singulis in dicto oppido nominentur; Archiwum Gło´wne Akt ¨ hnlich sollten in Złoczo´w je zwei Dawnych Warschau, Metryka Koronna, lib. 22, fol. 38v–39 (1506). A Katholiken und zwei Ruthenen in den Rat gewa¨hlt werden; Horn, Walka, a. a. O., S. 73. Jaworski, Studia (wie Anm. 4), S. 12ff., und Bardach, Miasta (wie Anm. 5), S. 26, 39, fu¨hren a¨hnliche Kompromisse zwischen Katholiken und Orthodoxen in den Sta¨dten des Großfu¨rstentums Litauen an. Zofia ´ XVIII wieku. StuKulejewska-Topolska, Nowe lokacje miejskie w Wielkopolsce od XVI do konca dium historyczno-prawne [Neue Stadtlokationen in Großpolen vom 16. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts], Poznan´ 1964, S. 75ff., liefert Beispiele aus dem neuzeitlichen Großpolen, wo die Teilhabe von Protestanten und Katholiken an der Stadtregierung geregelt wurde. 46 Typisch hierfu¨r ist das Lokationsprivileg von Nemiro´w (1580): homines cuiusvis gentis, nationis, ritus ac sexus eodem convocandi, absolutam potestatem et facultatem [...] damus; Bibliothek der Akademie der Wissenschaften Kiev, ms. II.2580. Eine a¨hnliche Formulierung in polnischer Sprache findet sich in einem Privileg fu¨r Toporo´w (1603): erlaubt sei es Leuten jeglichen Standes, Volkes, Besitzes und Glaubens, ansa¨ssig zu werden; BO, ms. 2424, fol. 47f. 47 Insbesondere, wenn er ein so sorgfa¨ltiges und detailliertes, wenn auch variables Programm zur Verwaltung seiner Stadt hatte wie Jan Zamoyski im Falle von Zamo´sc´ , das zuna¨chst (1580) nur religionem catholicam et apostolicam Romanam zuließ, um 1585 fu¨r Armenier, 1588 fu¨r sephardische Juden und ein Jahr spa¨ter schließlich fu¨r Griechen eine Ausnahme zu machen; Ryszard Szczygieł, Zamo´sc´ w czasach staropolskich. Zagadnienia gospodarczo-społeczne [Zamo´sc´ in altpolnischen Zeiten. Sozioo¨konomische Fragen], in: Czterysta lat Zamo´scia, hg. v. Jerzy Kowalczyk, Wrocław 1983, S. 95–116, hier S. 105f.
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grundlegende Spha¨ren des perso¨nlichen, beruflichen und o¨ffentlichen Lebens ein wie Wohnung, Zugang zu Bu¨rgerrechten, Teilhabe an der Selbstverwaltung, perso¨nliches Eigentum und materielle Aktivita¨ten. Die gefundenen Lo¨sungen, die mit Sicherheit in Norm und Praxis stark voneinander abwichen,48 spiegelten sich in der Sozialtopographie und sogar der sta¨dtebaulichen Gestalt wider. Es genu¨gt – aus Mangel an entsprechenden Forschungen lediglich als Beispiel – an Kamieniec Podolski mit seinen drei sogar ra¨umlich voneinander abgegrenzten Sta¨dten (einer polnischen, ruthenischen und armenischen) zu erinnern, oder auch an Bar mit seinen drei Teilen Polski Bar, Ruski Bar und Czeremiski Bar, die jeweils separate Siedlungen darstellten.49 Der Grad des Zugangs zu den deutschrechtlichen Institutionen oder, um es von der anderen Seite zu betrachten, der Grad der Monopolisierung der Privilegien durch die katholische natio, hing unmittelbar von deren Zahl und Sta¨rke ab, oder aber von ¨ hnlich ortsspezifisch wurden den von oben erteilten Verfu¨gungen des Grundherrn. A Streitfragen gelo¨st, die aus der religio¨sen und kulturellen Verschiedenheit resultierten und fu¨r das ta¨gliche Zusammenleben einer Normierung bedurften; etwa die Form der nach Magdeburger Recht vorgesehenen Eidesleistung, die gegenseitige Beachtung von Fastenzeiten und Feiertagen, das Fu¨hren von Begra¨bniszu¨gen durch die Stadt, die Art und Weise, in der die Sterbesakramente durch die Straßen getragen und andere wichtige Zeremonien begangen wurden. Die Hauptrichtung der Vera¨nderungen zielte auf ein Aufbrechen des segregativen Modells, auf eine Territorialisierung sta¨dtischen Rechtes50 und auf eine Minderung seines elita¨ren Charakters. Dies geschah auf dem Wege einer schrittweisen Ausweitung der Freiheiten und Befugnisse u¨ber die privilegierte Gemeinde hinaus (equali-
48 Nicht alle Maßnahmen ließen sich tatsa¨chlich und vollsta¨ndig in die Tat umsetzen. Eine typische Situa-
tion aus Busk in der Wojewodschaft Bełz illustriert dies: Entsprechend einer ko¨niglichen Verordnung aus dem Jahr 1510, die fru¨here Anordnungen wiederholte, konnten in den Rat und andere sta¨dtische ¨ mter von Busk lediglich Katholiken gewa¨hlt werden; BO, ms. 2264/III, S. 472. Der Ko¨nig verfu¨gte A damals, die ruthenischen Ratsherren des Amtes zu entheben und ru¨gte den Starosten wegen seiner Begu¨nstigung von Schismatikern contra antiquam consuetudinem; Central’nyj Derzˇavnyj Istoryˇcnyj Archiv u m. L’vovi, Castrensia Buscensia 2, S. 647ff. Diese Vorschrift wurde 1541 wegen ihrer fortgesetzten und andauernden Missachtung erneuert, welche Bu¨rger von Busk, zweifelsohne Katholiken, gemeldet und sich u¨ber den Starosten beklagt hatten, dass dieser die Kandidatur eines hominum ritus Ruthenici unterstu¨tzt habe; Archiwum Gło´wne Akt Dawnych Warschau, Metryka Koronna, lib. 62, fol. 311v–313. 49 Tres inibi civitates satis amplae sint constituae [...] ex gente catholica sive Polonica, Graeca sive Ruthena, et qui vocantur Czeremissi; Archiv Jugo-Zapadnoj Rossii (wie Anm. 34), Bd. 8.1, Nr. 128. Das Lokationsprivileg fu¨r Ruski Bar erkla¨rt den Namen der Stadt folgendermaßen: hoc idem oppidum Ruski Bar, eo quod in eo natio Rutenica praecipue locari debet ebd., Nr. 59. Ruthenen sollten dort die Bevo¨lkerungsmehrheit stellen, vorgesehen war aber auch eine Ansiedlung von Juden und Armeniern. 50 Ein weiteres, von Kasimir Jagiellonczyk ´ fu¨r Przemy´sl ausgestelltes deutschrechtliches Privileg erweitert den Geltungsbereich auf die Bewohner der Vorsta¨dte und legt dabei in charakteristischer Weise den Kreis der vom Magdeburger Recht Begu¨nstigten fest: omnes et singulos cives seu incolas et suburbanos Premislienses civitatis predictae eorumque subditos, prout in eorum limitum distinctione consistunt limitati, de iure Polonico, Rutenico et quovis alio in ius Theutonicum [...] transferimus – Akta grodzkie (wie Anm. 26), Bd. 6, Nr. 28 (1458). Die Gemeinde zu magdeburgischem Recht besitzt hier schon einen ausdru¨cklich territorialen und nicht personalen Geltungsbereich.
Die Modernisierung der Sta¨dte Rutheniens
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bus prerogativis gaudere), zweifelsohne unter dem Druck der Erwartungen und Forderungen der bisher benachteiligten Gruppen. Sie nahmen, insbesondere in spa¨terer Zeit und nach der Ausweitung des Zugangs zum Stadtrecht, die Form eines Kampfes um Gleichberechtigung an, die nicht selten vollsta¨ndig oder in Teilen erreicht wurde.51 Trotz dieser Tendenzen blieben Ethnos und Religionszugeho¨rigkeit mit die wichtigsten Kriterien der sozialen Stratifikation in den ruthenischen Sta¨dten; sie verbanden sich mit so universalen, „klassischen“ Indikatoren wie Vermo¨gen, Machtteilhabe und Ansehen. Die strukturellen Vera¨nderungen in den Sta¨dten Rutheniens bildeten zusammengenommen eines der innovativen Pha¨nomene in diesem Landesteil seit dem 14. Jahrhundert. Sie lassen sich mit dem Begriff einer Modernisierung umreißen, die sich bewa¨hrter Mittel bediente und dabei ihr Vorbild im Verlauf der Rezeption korrigierte. Die beiden wahrscheinlich wichtigsten Umsta¨nde, die die Spezifik der ruthenischen Stadt bestimmten, waren die lokalen Rahmenbedingungen des Urbanisierungsprozesses, die einem Ort seinen speziellen Wert verliehen sowie die spezifischen Bedu¨rfnisse und Erwartungen der jeweiligen Region an eine Urbanisierung. Zum anderen war dies die komplexe Struktur, die das Resultat einer weit reichenden ethnischen, religio¨sen und kulturellen Differenzierung war. Die soziale und die ra¨umliche Gestalt der ruthenischen Sta¨dte wurden, obwohl man ein weithin verwendetes Modell wieder aufnahm, zweifelsohne unter Einbeziehung der vor Ort dominierenden Charakteristika entwickelt. Ein Versuch, die spa¨tmittelalterliche und neuzeitliche Stadt Rutheniens als einen origina¨ren Stadttypus zu definieren, der im Prozess der Adaptierung eines ganz Mitteleuropa gemeinsamen Modells an die sich (je weiter nach Osten desto sta¨rker) vera¨ndernden Erfordernisse und Umsta¨nde entstand, kann ohne eine angemessene Beru¨cksichtigung dieser Rahmenbedingungen nicht gelingen.
51 Der Konflikt zwischen dem Stadtrat von Przemy´sl und dessen ruthenischen Bu¨rgern, die sich u¨ber
eine schlechtere Behandlung beklagt hatten, endete mit einem ko¨niglichen Urteilsspruch, der sie den „Christen“ gleichstellte: decrevimus [...] Rutenos ex quo in uno et eodem iure Theuthonico cum christianis conveniant, equalibus prerogativis gaudere; Codex epistolaris saeculi decimi quinti, Bd. 3, hg. v. Anatol Lewicki, Krako´w 1894, Nr. 426 (1497). Die einzige Abweichung bestand in der Verpflichtung der Ruthenen, einige ausgewa¨hlte katholische Feiertage zu begehen.
WER TRAF DIE ENTSCHEIDUNGEN IN DEN SELBSTVERWALTETEN STA¨ DTEN DES MITTELALTERLICHEN POLEN? von Henryk Samsonowicz*
Durch die Rezeption deutschen Rechtes wurden in Polen sta¨dtische Selbstverwaltungsinstitutionen eingefu¨hrt, die den Gemeindeoberen verschiedene Befugnisse gaben. Dennoch la¨sst sich fragen: Wie weit reichten diese? Was waren die tatsa¨chlichen Umsetzungsmo¨glichkeiten, und wie eigensta¨ndig waren die von den Selbstverwaltungsorganen in den polnischen Sta¨dten des 13.–16. Jahrhunderts getroffenen Entscheidungen? Diese Probleme sind in einer umfangreichen Forschungsliteratur in unterschiedlichen Kontexten ero¨rtert worden,1 wobei man auf die Unterschiede zwischen den einzelnen Sta¨dten hingewiesen hat. Die Antwort auf die Frage, wie weit
*U ¨ bersetzung des Aufsatzes „Kto podejmował decyzje w miastach samorzadowych ˛ s´ redniowiecznej
˙ Polski“ (aus: Miasta – Ludzie – Instytucja – Znaki. Ksi˛ega jubileuszowa ofiarowana Profesor Bozenie ¨ bersetzung Wyrozumskiej w 75. rocznic˛e urodzin, hg. v. Zenon Piech, Krako´w 2008, S. 149–159); U von Heidemarie Petersen. 1 Unter den zahlreichen Arbeiten, die die sta¨dtische Selbstverwaltung behandeln, seien beispielhaft erwa¨hnt Zdzisław Kaczmarczyk, Poczatki ˛ miast polskich. Zagadnienia prawne [Die Anfa¨nge der polnischen Sta¨dte. Rechtliche Probleme], in: Czasopismo Prawno-Historyczne 13 (1961), 2, S. 9–46; Zygfryd Rymaszewski, Miejsko´sc´ czy wiejsko´sc´ prawa niemieckiego w Polsce [Stadt- oder Landcharakter des deutschen Rechts in Polen], in: Zeszyty Naukowe Uniwersytetu Ło´dzkiego. Nauki Humanistyczno-Społeczne, Prawo 1 69 (1970), S. 65–87; Benedykt Zientara, Przemiany społeczno-gospodarcze i przestrzenne miast w dobie lokacji [Der sozioo¨konomische und ra¨umliche Wandel der Sta¨dte in der Lokationszeit], in: Miasta doby feudalnej w Europie s´ rodkowo-wschodniej. Przemiany społeczne a układy przestrzenne, hg. v. Aleksander Gieysztor/Tadeusz Rosłanowski, Poznan´ 1976, ´ sredniowiecznym Poznaniu [Die MachtS. 67–97; Antoni Gasiorowski, ˛ Dysponenci władzy w po´zno´ haber im spa¨tmittelalterlichen Posen], in: Przeglad ˛ Historyczny 66 (1975), S. 25–40; Witold Maisel, ´ XVI wieku [Das Gerichtswesen der Stadt Posen bis zum Ende Sadownictwo ˛ miasta Poznania do konca des 16. Jahrhunderts], Poznan´ 1961; Maria Bogucka/Henryk Samsonowicz, Dzieje miast i miesz´ czanstwa w Polsce przedrozbiorowej [Geschichte der Sta¨dte und des Stadtbu¨rgertums im Polen der Vorteilungszeit], Wrocław 1986, dort das Literaturverzeichnis. In der deutschen Historiografie zuletzt Franz Irsigler, Die Stadt im Mittelalter. Aktuelle Forschungstendenzen, in: Goslar und die Stadtgeschichte. Forschungen und Perspektiven 1399–1999, hg. v. Carl-Hans Hauptmeyer/Ju¨rgen Rund, Bielefeld 2001, S. 57–74.; Roman Czaja, Grupy rzadz ˛ ace ˛ w miastach nadbałtyckich w s´ redniowieczu [Die regierenden Gruppen in den Sta¨dten des Ostseegebietes im Mittelalter], Torun´ 2008, bes. S. 16, 27; Zdzisław Noga, Urz˛ednicy miejscy Krakowa [Die Beamten der Stadt Krakau], Bd. 2: 1500–1794, Krako´w 2008, S. XIIIf.
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Henryk Samsonowicz
die Autonomie in den deutschrechtlichen Sta¨dten reichte, kann selbstredend keine einheitliche sein. Verschiedene Faktoren hatten darauf Einfluss: die wirtschaftliche Bedeutung eines Ortes, seine Gro¨ße, die Person und gesellschaftliche Stellung des Stadtherrn, Ausstattung und Vermo¨gen der neuen Gemeinde, die in ihr herrschenden Eigentumsverha¨ltnisse, regionale Abweichungen in der Umsetzung des Stadtrechtes, die Art der Abha¨ngigkeit von einer ho¨heren, in einer na¨her oder entfernter gelegenen „Vorbild“stadt oder am Hof des Stadtherrn angesiedelten Gerichtsinstanz. Wesentliche Vera¨nderungen traten auch wa¨hrend der verschiedenen chronologischen Phasen der Existenz einer Stadt auf. Bekannt ist zum Beispiel, dass mit der Festigung der Adelsherrschaft zunehmende rechtliche Einschra¨nkungen des Bu¨rgertums einhergingen. Auch wenn man alle diese Differenzierungen in Betracht zieht, lohnt es sich dennoch zu fragen, welche Organe die innen- und außenpolitischen Entscheidungen einer Stadt trafen – die Scho¨ffen, der Rat, die sta¨dtischen Amtstra¨ger (Bu¨rgermeister, Vogt)? – und auch, in welchen Angelegenheiten die Gemeinde dies eigensta¨ndig tun konnte. Schon die Anfa¨nge der sta¨dtischen Selbstverwaltung hingen teilweise von der Ausgangssituation der entstehenden Gemeinde ab: je nachdem, ob sie in cruda radice gegru¨ndet worden war, oder ob ein altes Wirtschaftszentrum neue Rechte erhielt. Im zweiten Falle musste der „Lokator“ (der die Gemeinde organisierende Unternehmer) nicht nur die Bedu¨rfnisse der Neuanko¨mmlinge in Betracht ziehen, sondern auch die der alten Bewohner und deren Besitzstand, insbesondere wenn sie unterschiedlichen Gruppenrechten unterstanden. Mo¨glichkeiten und Umfang des Handelns einer Stadtregierung leiteten sich selbstredend aus der Gro¨ße und Sta¨rke eines Ortes ab. In Polen herrschten kleine und sehr kleine Orte vor. Im 16. Jahrhundert za¨hlten von etwa 900 Stadtrecht genießenden Sta¨dten kaum sechs oder sieben (Danzig, Krakau, Thorn, Elbing, Posen, Lemberg und eventuell auch schon Warschau) zu den Orten der „ersten Kategorie“ (civitates primi ordinis), zu denen der zweiten keine 150, die u¨brigen aber, in denen die Einwohnerzahl keine Tausend erreichte, za¨hlten zur dritten oder vierten Kategorie. Im 13. Jahrhundert waren um die 70 % der Ortschaften in ko¨niglichem (fu¨rstlichem) Besitz, drei Jahrhunderte spa¨ter waren es etwas u¨ber 30 %.2 Es steht außer Zweifel, dass die Privatsta¨dte, die im Allgemeinen wesentlich schwa¨cher als die ko¨niglichen waren, sich einer geringeren Eigensta¨ndigkeit erfreuten, in ho¨herem Maße der Kuratel des Stadtherrn unterstanden und, wie es scheint, ho¨chstens in beschra¨nktem Maße u¨ber ihre Innenpolitik entscheiden konnten. Die mittleren Sta¨dte (einige Dutzend an der Zahl) hatten einen ausgedehnteren Handlungsspielraum, sie schlossen Vertra¨ge und Bu¨ndnisse mit anderen Orten, bemu¨hten sich, ko¨nigliche oder kirchliche Privilegien zu erhalten und mischten sich sogar manchmal in Diskussionen um die Thronfolge oder bei Friedensvertra¨gen ein. Die gro¨ßten Sta¨dte beeinflussten mehr als einmal den Lauf der Ereignisse im Staat oder sogar – wie im Falle der zur deutschen
2 Auf Grundlage der modifizierten Angaben in Bogucka/Samsonowicz, Dzieje (wie Anm. 1), Tab. 4,
8, 44, 50.
Wer traf die Entscheidungen in den selbstverwalteten Sta¨dten des mittelalterlichen Polen?
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Hanse geho¨renden Sta¨dte – die große europa¨ische Politik.3 Nicht nur die Befugnisse der Selbstverwaltungsorgane unterschieden sich, sondern auch deren Zusammensetzung, wozu das Fehlen einheitlicher, die Machtstrukturen definierender Vorschriften beitrug. Nicht in allen Sta¨dten existierte ein Rat, das Selbstverwaltungsgremium mit der gro¨ßten Eigensta¨ndigkeit. Manchmal war die sta¨dtische Scho¨ffenbank das einzige Selbstverwaltungsorgan, dessen urspru¨ngliche Rolle darin bestand, unter der Fu¨hrung eines Schultheißen (oder Vogtes), d. h. eines Beamten des Stadtherrn und, formal betrachtet, dessen Interessenvertreter, ta¨tig zu sein.4 Es existierten, auch in Polen, Orte die zu lu¨bischem Recht gegru¨ndet worden waren, deren Verfassung also die Existenz einer Scho¨ffenbank nicht vorsah und dem Stadtrat die gesamte Macht vorbehielt.5 Eben dieses Organ gilt als Gradmesser der Autonomie, wa¨hrend der Vogt als Vorsitzender der Scho¨ffenbank urspru¨nglich ein Vertreter des Stadtherrn war. Es ist dennoch zu beachten, dass die mit ihm zusammenarbeitenden Scho¨ffen aus dem Kreise der „Bu¨rger“ (cives) einer Stadt berufen wurden, die Bedu¨rfnisse ihres Milieus sowie dessen berufliches Gebaren gut kannten und im Allgemeinen zweifelsohne im Interesse ihrer Gemeinde handelten. Zudem lassen sich im Laufe der Zeit zwei wesentliche Transformationen des Scho¨ffenkollegiums beobachten. Zum einen wurde es in immer ho¨herem Maße zur Interessenvertretung der sta¨dtischen Gesellschaft. Zum anderen kam es in den Sta¨dten, die ein grundlegendes Selbstverwaltungsorgan, sprich: einen Rat besaßen, zu einer immer engeren Verbindung zwischen beiden Institutionen. Letzterer Prozess lief insbesondere dann ab, wenn die Befugnisse des Vogtes durch den Rat „frei“gekauft wurden, der damit dessen Obliegenheiten im Umgang mit dem Stadtherrn u¨bernahm. Die Wechselbeziehungen zwischen diesen drei Machtinstanzen in der Stadt – dem Stadtherrn, der Scho¨ffenbank und dem Rat – waren sehr vielfa¨ltig. Manchmal gab es, wie in Lublin, drei Selbstverwaltungsorgane – Rat, Scho¨ffenbank und Vogteigericht, gelegentlich aber, wie in den mit lu¨bischem Recht ausgestatteten Orten, nur eines, na¨mlich den Rat. Es lassen sich drei grundsa¨tzliche Arten beobachten, wie die Mitglieder dieser Institutionen benannt wurden. In den großen Sta¨dten, zum Beispiel in Danzig (oder auch in Breslau), berief der Rat die neuen Mitglieder der Scho¨ffenbank und erga¨nzte seinen eigenen Bestand, indem er Scho¨ffen in seinen Kreis hinzuwa¨hlte. In Sta¨dten mittlerer Gro¨ße wie Płock oder Przemy´sl wurde der Rat theoretisch per totam communitatem gewa¨hlt, also durch alle, die das Stadtrecht besaßen. In der Praxis redete die Obrigkeit, d. h. der ko¨nigliche Starosta, bei der Wahl der Ratsmitglieder mit. So war es in Posen, a¨hnlich wie in Krakau, wo die „nach allgemeinem Willen des Vogtes und der Scho¨ffen“ gewa¨hlten Ratsherren von der Obrigkeit besta¨tigt werden muss-
3 Henryk Samsonowicz, Rola polityczna miast polskich w pierwszej połowie XV wieku [Die politische
Rolle der polnischen Sta¨dte in der ersten Ha¨lfte des 15. Jahrhunderts], in: Kultura, polityka, dyplomacja, hg. v. Andrzej Bartnicki u. a., Warszawa 1990, S. 338–345, hier S. 338. 4 Adam Vetulani, Geneza statutu warckiego o wykupie sołectw [Die Genese des Statuts von Warta u¨ber den Auskauf des Schultheißenamts], in: Kwartalnik Historyczny 3 (1969), S. 557–581, hier S. 550. 5 Edwin Rozenkranz, Prawo lubeckie w Gdansku ´ w latach 1261–1346 [Das Lu¨bische Recht in Danzig ´ in den Jahren 1261–1346], in: Rocznik Gdanski 25 (1966), S. 9–30.
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ten (electi et confirmati). In den kleinsten Orten wurden die Selbstverwaltungsorgane 6 ´ vom Stadtherrn berufen (nominati sunt), so etwa in Wozniki. Der Kompetenzbereich der Selbstverwaltungsorgane, der Grad ihrer Selbsta¨ndigkeit beim Treffen von Entscheidungen und die Art, in der sie ho¨heren Instanzen unterworfen waren, sind nicht einfach zu bestimmen. Manchmal agierte die Scho¨ffenbank als Organ des Vogtes, in einigen Sta¨dten neben dessen Gerichtsbarkeit, manchmal als eigensta¨ndige und einzige Selbstverwaltungsinstitution, ein anderes Mal dagegen als Institution, die mit dem Rat zusammenarbeitete und diesem unterstand. Im Lauf der Zeit stieg die sta¨dtische Scho¨ffenbank mehr als einmal „in die Unabha¨ngigkeit auf“, auch ohne, dass die Vogtei freigekauft wurde, und arbeitete neben dem Amt des Vogtes, indem sie eine Art „niederer Kammer“ der Selbstverwaltung bildete, die in verschiedener Form vom Rat abha¨ngig oder diesem untergeordnet war. Es gab keine klaren Regeln, die die personale Zusammensetzung dieser Gremien definiert ha¨tten. In nahezu jeder Stadt unterschieden sie sich in der Anzahl der Ratsherren und Bu¨rgermeister, der Art ihrer Berufung und dem Zeitraum ihrer Machtausu¨bung. In Danzig arbeiteten in beiden Organen manchmal mehr als 30 Personen, im ´ kleinen Wozniki, a¨hnlich wie in anderen Kleinsta¨dten, kaum fu¨nf. Beginnend mit der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert begann eine Vertretung der so genannten dritten Ordnung eine immer gro¨ßere Rolle zu spielen, welche anscheinend entweder von der gesamten Bu¨rgergemeinde, oder – zumindest teilweise – von den Berufskorporationen und religio¨sen Bruderschaften (die ebenfalls etliche Autonomierechte besaßen) gewa¨hlt wurde.7 Der Verlauf dieser strukturellen Vera¨nderungen weist auf eine wach-
6 Archiwum Gło´wne Akt Dawnych, Dokumente der Sta¨dte Pyzdry, Kalisz, Płock und Kamieniec;
˙ ´ Stadtbu¨cher von Sieradz, Warta, Szrensk, Ci˛ezkowice, Szadek und Biecz; Joachim Zdrenka, Ratsund Gerichtspatriziat der Rechten Stadt Danzig, Bd. 1: 1342–1525, Hamburg 1989; Protokolarz miasta ˙ ˙ Woznik [Protokollbuch der Stadt Woznik], hg. v. Ludwik Musiał/Stanisław Rospond, Wrocław 1972, Nr. 2; Kodeks dyplomatyczny miasta Krakowa [Urkundenbuch der Stadt Krakau], Bd. 4, hg. v. Franciszek Piekosinski, ´ Krako´w 1882, Nr. 471; Zbio´r dokumento´w i listo´w miasta Płocka [Sammlung der Urkunden und Briefe der Stadt Płock], Bd. 1: 1065–1493, hg. v. Stella Maria Szacherska, Warszawa 1975, Nr. 122; Ksi˛ega ławnicza miasta Płocka [Das Scho¨ffenbuch der Stadt Płock], 1489–1517, hg. v. Danuta Poppe, Warszawa 1995, Nr. 39, 40, 276; Lauda miasta [Das Stadtlob von Wojnicz] Wojnicza, hg. v. Jo´zef Szymanski, ´ Wojnicz 1994, S. 161, 171; Ł˛eczyca, dzieje miasta w s´ redniowieczu i w XX wieku. Suplement do monografii miasta [Ł˛eczyca, Geschichte der Stadt im Mittelalter und im 20. Jahrhundert. Supplement zur Stadtmonographie], hg. v. Jo´zef Szymczak, Ł˛eczyca 2003, S. 41f.; Kazimierz My´sliwski, Wo´jt dziedziczny i rada miejska w Lublinie 1317–1504 [Erbschulze und Stadtrat in Lublin 1317–1504], Lublin 1962; ders., Czasy walki o samorzad ˛ w Lublinie [Die Zeit des Kampfes um die Selbstverwaltung in Lublin], in: Dzieje Lublina, Bd. 1, hg. v. Jo´zef Mazurkiewicz, Lublin 1965, S. 62f.; ´ Jerzy Motylewicz, Społeczenstwo Przemy´sla w XVI i XVII wieku [Die Gesellschaft von Przemy´sl im 16. und 17. Jahrhundert], Rzeszo´w 2005, S. 111f.; Jerzy Wyrozumski, Krako´w do schyłku wieko´w s´ rednich [Krakau bis zum Ausgang des Mittelalters], Krako´w 1992, S. 124f., 402, 407; Gasiorowski, ˛ Dysponenci (wie Anm. 1), S. 25f.; Antoni Gasiorowski, ˛ Wo´jt i starosta. Rami˛e monarsze w polskim mie´scie s´ redniowiecznym [Vogt und Starost. Der monarchische Arm in der mittelalterlichen Stadt], in: Ars historica. Prace z dziejo´w powszechnych i Polski, Poznan´ 1976, hg. v. Marian Biskup u. a., Poznan´ 1976, S. 437–444; Michał Patkaniowski, Krakowska rada miejska w wiekach s´ rednich [Der Krakauer Stadtrat im Mittelalter], Krako´w 1934, S. 76f.; Bogucka/Samsonowicz, Dzieje (wie Anm. 1), S. 54f. 7 Bogucka/Samsonowicz, Dzieje (wie Anm. 1), S. 479f.; Maria Bogucka, Przemiany społeczne i walki społeczno-polityczne w XV i XVI w. [Die gesellschaftlichen Vera¨nderungen und sozialpolitischen ´ ´ Ka¨mpfe im 15. und 16. Jahrhundert], in: Historia Gdanska, hg. v. Edmund Cie´slak, Bd. 2, Gdansk
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sende Bedeutung der Selbstverwaltung hin (erst Mitte des 17. Jahrhunderts setzte ein gegenla¨ufiger Prozess ein). Zu Beginn ihrer Existenz scheint die Eigensta¨ndigkeit der Selbstverwaltungsinstanzen ziemlich begrenzt gewesen zu sein. Bei der Organisierung eines neuen Wirtschaftszentrums auf staatlichen oder privaten Gu¨tern entschied ein zwischen dem Grundbesitzer und einem Siedlungsunternehmer abgeschlossener Vertrag u¨ber die Gestalt der ku¨nftigen Gemeinde, ihr Vermo¨gen, ihre Pflichten und Privilegien. Im Austausch fu¨r verschiedene Vergu¨nstigungen hatte er das Funktionieren der entstehenden Gemeinde vorzubereiten und in Gang zu bringen. Ungeachtet der Verhandlungen, die er mit den ku¨nftigen Mitgliedern des Gemeinwesens fu¨hren musste, hatte er bei den Entscheidungen, die dessen Organisation betrafen, zweifelsohne am meisten zu sagen. Wie es scheint, war er vor allem fu¨r drei Aufgabengebiete verantwortlich. Das erste betraf die Anwerbung von Neusiedlern oder ha¨ufiger die Umgestaltung eines bereits existierenden Ortes gema¨ß den neuen Rechten und eine Durch¨ nderung des bisherigen Status. Das fu¨hrung der entsprechenden Aktivita¨ten zur A wichtigste wirtschaftliche Ziel der Neuordnung bestand darin, festgelegte, auch in Geld zu erbringende Abgaben zu Gunsten des Stadtherrn sicherzustellen. Es war also notwendig, eine einheitliche Besteuerungsgrundlage zu schaffen; diese Grundlage sollte die zu ewigem Nießbrauch u¨bertragene Grundstu¨cksparzelle werden. Die zweite Aufgabe des Lokators war es daher, die zu besteuernden Parzellen abzustecken oder bereits existierende Eigentumsverha¨ltnisse an die neuen fiskalischen Erfordernisse anzupassen. Manchmal ging diese Arbeit mit der Anwendung ziemlich radikaler Methoden wie der Zersto¨rung alter Ha¨user und der Trassierung neuer Straßen und Parzellen einher („unter Protesten der Einen und schweigender Missbilligung der Anderen“, wie es ein Text u¨ber den Umbau einer Stadt u¨berliefert8). Das dritte Aufgabengebiet war die Zusammenstellung (per Berufung, Wahl in Abstimmung mit dem Stadtherrn oder womo¨glich den Bewohnern?) einer Gruppe fa¨higer Personen, um die Angelegenheiten der neuen Rechtsgemeinschaft zu regeln. Der Vogt musste schließlich cum suis scabinis arbeiten und Urteile sprechen, also unter Beteiligung und mit Hilfe einer Gruppe von Leuten, die wahrscheinlich zuvor darin eingewiesen worden waren, verschiedene professionelle Angelegenheiten zu regeln. Die Quellen betonen vielfach die Notwendigkeit, Entscheidungen von den Organen der Gemeinde gemeinsam fa¨llen zu lassen. Die Wahl dieser Organe hatte per totam communitates stattzufinden, und seine Urteile musste der Vogt cum scabinis, cum iudicibus, manu coniunctu et indivisa und cum coniuncto sprechen.9 Die Stadtoberen traten nach außen als kollektives Rechtssubjekt auf: „wir Herren Ratsma¨nner 1982, S. 208–259, hier 215f.; Ryszard Szczygieł, Konflikty społeczne w Lublinie w pierwszej połowie XVI wieku [Gesellschaftliche Konflikte in Lublin in der ersten Ha¨lfte des 16. Jahrhunderts], Warszawa 1977; Tomasz Strzembosz, Tumult warszawski 1525 [Der Warschauer Tumult von 1525], Warszawa 1959. 8 Zit. nach Zientara, Przemiany (wie Anm. 1), S. 87. 9 Archiwum Gło´wne Akt Dawnych, Scho¨ffenbuch Płock, S. XIV; ebd., Stadtbu¨cher Ci˛ezkowice ˙ (S. 46, 59), Sieradz (Bd. 2, S. 41); Kodeks dyplomatyczny katedry krakowskiej s´ w. Wacława [Urkundenbuch der Krakauer Kathedrale des hl. Wacław], Bd. 1, hg. v. Franciszek Piekosinski, ´ Krako´w 1874, Nr. 82; Kodeks dyplomatyczny Małopolski [Kleinpolnisches Urkundenbuch], Bd. 3, hg. v. Franciszek Piekosinski, ´ Krako´w 1887, Nr. 485. Vgl. zu diesem Thema Henryk Samsonowicz, Kultura miejska w Polsce
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und Scho¨ffen“, „wir rathmannen und scheppen“, wie es in den oben zitierten Stadtbu¨chern oder in der Korrespondenz der Hansesta¨dte heißt. Entscheidungen waren also gemeinschaftlich zu fa¨llen. Sie betrafen verschiedene Lebensbereiche, die Wahl der Stadtoberen und die niedere Strafgerichtsbarkeit, und schließlich umfassten sie „alles das, woraus menschlichen Bedu¨rfnissen gema¨ß Abkommen Handel, vielfa¨ltige Kontrakte, Kauf, Verkauf, Vermietung, Gesellschaften, Wahrung und Schaffung von Habe erwuchsen“.10 Die sta¨dtische Scho¨ffenbank erfu¨llte in erster Linie die Funktionen eines Notariats, das durchgefu¨hrte Handels- und Finanztransaktionen (Vertra¨ge, Darlehen, Zusammenschlu¨sse von Handelskompanien), Testamente und familia¨re Erbteilungen beglaubigte. Die Selbstverwaltungsorgane (der Rat und in kleineren Sta¨dten auch die Scho¨ffenbank) entschieden, ob Neuanko¨mmlinge in die Bu¨rgerschaft aufgenommen wurden und erhoben von ihnen die anfallenden (und von ihnen festgelegten) Steuern. Außerdem registrierten sie bereits existierende und neu organisierte Handwerkszu¨nfte und Bruderschaften, entschieden Streitfa¨lle, darunter auch strafrechtliche (mit Ausnahme solcher Fa¨lle, die der Obrigkeit des Stadtherrn vorbehalten waren), manchmal wandten sie sich (dies war der Fall bei Sta¨dten mittlerer Gro¨ße wie Kalisz oder Warschau) mit einer Anfrage um Rechtskla¨rung (lauteratio) an die Gerichte ihrer Mutterstadt.11 In welcher Weise bei Meinungsverschiedenheiten eine Entscheidung gefa¨llt wurde, wissen wir nicht. In Ru¨ckgriff auf spa¨tere Analogien in der Ta¨tigkeit der Landtage des 16. Jahrhunderts la¨sst sich vermuten, dass man in einer Diskussion „die Standpunkte verwischte“ und so versuchte, einen Kompromiss zu erzielen.12 Nach den Rezessen der preußischen Sta¨nde und der Versammlungen der Hansesta¨dte zu urteilen, gab es in strittigen Fa¨llen eine Diskussion, eine Polemik, in der man sich gegenseitig seine Argumente vorstellte. Es scheint, dass keine formale Abstimmung stattfand, stattdessen nahmen die Versammelten die Meinung einer „sichtbaren und ho¨rbaren“ Mehrheit an.
´ po´znego s´ redniowiecza [Die sta¨dtische Kultur im Polen des spa¨ten Mittelalters], in: Kwartalnik Historyczny 90 (1983), S. 4, S. 771–789, hier S. 779. 10 Bartłomiej Groicki, Porzadek ˛ sado ˛ ´ w i spraw miejskich prawa magdeburskiego w Koronie Polskiej [Die Ordnung der Gerichte und sta¨dtischen Fragen des Magdeburger Rechts im Ko¨nigreich Polen], Warszawa 1953, S. 23. Eine Liste der Angelegenheiten, die durch die Selbstverwaltung großer Sta¨dte entschieden wurden, bei Henryk Samsonowicz, Samorzad ˛ miejski w dobie rozdrobnienia feudalnego w Polsce [Die sta¨dtische Selbstverwaltung in der Zeit der feudalen Zersplitterung], in: Polska w okresie rozdrobnienia feudalnego, hg. v. Henryk Łowmianski, ´ Wrocław 1973, S. 99–132, wo siebzehn unterschiedliche Ta¨tigkeitsbereiche genannt werden. Vgl. auch Krystyna Kaminska, ´ Sadownictwo ˛ miasta Torunia do połowy XVII wieku na tle ustroju sado ˛ ´ w niekto´rych miast Niemiec i Polski [Das Gerichtswesen der Stadt Thorn bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts vor dem Hintergrund der Gerichtsverfassung einiger Sta¨dte in Deutschland und Polen], Warszawa 1980, S. 90. 11 Jerzy Wyrozumski, Pouczenie Kalisza dla Wielunia o administracji miasta (Z dziejo´w ustroju miejskiego w Polsce s´ redniowiecznej) [Die Belehrung aus Kalisch fu¨r Wielun´ u¨ber die Stadtverwaltung (Aus der Geschichte der sta¨dtischen Verfassung im mittelalterlichen Polen)], in: Czasopismo Prawno-Historyczne 22 (1970), 1, S. 185–194, hier S. 85; Wilhelm Ebel, Der Rechtszug nach Lu¨beck, in: Hansische Geschichtsbla¨tter 85 (1967), S. 1–16. 12 Wojciech Kriegseisen, Sejmiki Rzeczypospolitej Szlacheckiej w XVII i XVIII wieku [Die regionalen Landtage der Adelsrepublik im 17. und 18. Jahrhundert], Warszawa 1991, S. 58–60.
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Aus den Darstellungen verschiedener Ereignisse in den großen Sta¨dten la¨sst sich der Eindruck gewinnen, dass es manchmal eine einzelne Person war, die entschied – der Politiker, der den meisten Einfluss, die gro¨ßte Klientel und wahrscheinlich reichliche Finanzmittel hatte. Zweifelsohne handelte er mit Hilfe einer Gruppe von Unterstu¨tzern, die ihm durch gemeinsame Interessen verbunden und nicht selten mit ihm verwandt waren. Manchmal repra¨sentierte er die Interessen breiterer Bevo¨lkerungsschichten (etwa von neu zugewanderten, reichen Unternehmern oder von Personen jenseits der Machteliten – dem „gemeinen Volk“), manchmal derjenigen, die an bestimmten wirtschaftlichen Aktivita¨ten interessiert waren, oder auch von verschiedenen religio¨sen oder ethnischen Gruppen. Wahrscheinlich nahm er Einfluss auf Fragen von Krieg und Frieden oder das Abschließen von Vertra¨gen, außerdem spielte er eine bedeutende Rolle bei der Festlegung der Zusammensetzung des Rates und der Gerichtskollegien. Manchmal wurde er auf dem Wege eines mehr oder minder gewaltsamen Umsturzes beseitigt (Beispiele sind die Unruhen in Danzig, der sogenannte Aufstand des Vogtes Albert in Krakau oder der Konflikt mit dem Vogt Przemko in Posen).13 Im Falle der kleinen und ganz kleinen Sta¨dte la¨sst sich der Eindruck gewinnen, dass der Lokationsakt durch die Entscheidung eines einzigen Menschen vollzogen wurde. Natu¨rlich musste dieser dabei mit vielfa¨ltigen Einschra¨nkungen rechnen: dem Willen des Stadtherrn, den Interessen der alteingesessenen Bewohner, den aus der geografischen und politischen Lage, der Topographie und den wirtschaftlichen Mo¨glichkeiten des jeweiligen Ortes resultierenden Rahmenbedingungen. Es war notwendig, dass er die Bedu¨rfnisse der die vorbereiteten Parzellen besiedelnden Neuanko¨mmlinge beru¨cksichtigte. Aber auf ihm, dem Lokator, ruhte die Verantwortung fu¨r die getroffenen Entscheidungen. Im 15. Jahrhundert gab es Initiativen, um die polnische Wirtschaft zu reformieren und zu verbessern. Neben anderen Gesetzen verdient an dieser Stelle das Statut von Warta aus dem Jahr 1424 besondere Aufmerksamkeit, das die Mo¨glichkeit vorsah, einen „unnu¨tzen oder aufru¨hrerischen“ (inutilis aut rebellis) Schultheißen abzusetzen.14 Diese Vorschrift wurde natu¨rlich im Interesse des Eigentu¨mers eines Ortes erlassen, der sich seinen Einfluss auf die Aktivita¨ten einer Lokationssiedlung sichern wollte. Es la¨sst sich vermuten, dass die zweite Bemerkung u¨ber den „aufru¨hrerischen“ Schultheißen nur in den gro¨ßten Orten zum Tragen kam, die sich bemu¨hten, entgegen den Interessen des Stadtherrn („Grundherrn“) eine eigene, vor allem eine eigene Wirtschaftspolitik zu betreiben. Die Absetzung solcher ungehorsamer Beamter wurde in den großen Sta¨dten auch in besonders starken Gemeinden mit unterschiedlichem Erfolg betrieben –
13 Edmund Długopolski, Bunt wo´jta Alberta [Der Aufruhr des Vogts Albert], in: Rocznik Krakowski 7
(1905), S. 135–186, hier S. 135; Wyrozumski, Dzieje Krakowa (wie Anm. 6), S. 199; Karol Potkanski, ´ Walka o Poznan´ (1306–1312) [Kampf um Posen], in: ders., Lechici, Polanie, Polska. Wybo´r pism, War´ szawa 1965 (Erstdruck 1898), S. 474–505, hier S. 474; Edmund Cie´slak, Walki ustrojowe w Gdansku, Toruniu oraz niekto´rych miastach hanzeatyckich w XV wieku [Verfassungska¨mpfe in Danzig, Thorn ´ 1961, S. 183f. und einigen Hansesta¨dten im 15. Jahrundert], Gdansk 14 Polskie statuty ziemskie w redakcji najstarszych druko´w (syntagmata) [Die polnischen Landstatuten in der Redaktion der a¨ltesten Drucke], hg. v. Ludwik Łysiak/Stanisław Roman, Bd. 2, WrocławKrako´w 1958, S. 126; Vetulani, Geneza (wie Anm. 4), S. 559.
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Henryk Samsonowicz
etwa in Posen oder Krakau – wenn sich die Stadtoberen fu¨r den Gegenspieler des jeweils aktuellen Stadtherrn aussprachen. In den meisten Orten bezog sich die zweite Bemerkung der zitierten Vorschrift wahrscheinlich auf die Mo¨glichkeit, eine u¨berma¨ßige Eigensta¨ndigkeit des Schultheißen, d. h. dessen Missachtung des Willens des Stadtherrn, zu beka¨mpfen. Wenn sich ein Lokator nicht um eine effektive Bewirtschaftung der Siedlung ku¨mmerte, sondern sich lediglich fu¨r die Ausnutzung der ihm wirtschaftliche Vorteile einbringenden Privilegien interessierte, dann war er aus der Sicht des Stadtherrn in der Tat „unnu¨tz“. Im Falle vieler, vor allem kleiner Sta¨dte war eine solche „Nutzlosigkeit“ des Schultheißen in der Tat ziemlich ha¨ufig gegeben, d. h. dieser kam den u¨bernommenen Verpflichtungen zur Durchfu¨hrung einer Lokationsreform oft nicht nach. Dies wird z. B. durch ha¨ufige erneute Ausstellungen von Lokationsurkunden belegt.15 In der Anfangsphase einer autonomen Gemeinde war der Vogt (oder Schultheiß) wahrscheinlich perso¨nlich und individuell fu¨r deren Aufbau und Funktionieren verantwortlich. Es scheint jedoch, dass mit der Zeit zunehmend die Tendenz u¨berwog, eine kollektive Herrschaftsausu¨bung zu sta¨rken. Deren Prinzipien wurden in den Sta¨dten erst im ausgehenden Mittelalter durch Rechtsvorschriften definiert, wahrscheinlich hervorgerufen durch die wachsenden, vor der Selbstverwaltung stehenden Aufgaben, sowie durch die weitreichende wirtschaftliche Eigensta¨ndigkeit, welche die bu¨rgerlichen Eliten in den gro¨ßeren Orten des Landes errungen hatten. Genau in jener Zeit tauchen zum einen Vorschriften hinsichtlich der Qualifikation der an die Macht berufenen Personen auf,16 zum anderen neue, immer weiter ¨ mter, die eingerichtet wurden, um die unterschiedlichsten Angelegenausgebaute A heiten einer Gemeinde zu regeln. Die Vorschriften zur Wahl der Stadtoberen stellten eher einen Wunschkatalog dar als eine Liste tatsa¨chlicher Bedingungen. Von der Kandidatur zum Rat ausgeschlossen wurden: „Kranke an Ko¨rper (das heißt Blinde und Taube) oder Geist, Minderja¨hrige, vom Glauben Abgefallene, Andersgla¨ubige, Uneheliche, Frauenzimmer.“17 Diese Bedingungen waren leicht zu erfu¨llen, a¨hnlich wie die Anforderung, die Kandidaten sollten „in der Stadt ansa¨ssig“ sein und es mo¨ge „kein Fremder von anderem Recht und keiner, der neunzig Jahre alt [ist], erwa¨hlt werden“. Das Folgende war jedoch schwieriger zu u¨berpru¨fen: die zu Wa¨hlenden sollten „von gutem Ruf, Gott fu¨rchtend, Gerechtigkeit und Wahrheit liebend, Lu¨ge und Bosheit hassend“ sein. Weiter gab es die Empfehlung, dass man denjenigen wa¨hlen solle, der „die Geheimnisse der Stadt nicht aufdeckt“; auch sollten Gewa¨hlte „keine Trinker [...] keine der Vo¨llerei Ergebenen [...] keine Betru¨ger [...] keine von mittlerem Maß [... keine], die von den Frauen regiert werden“ sein. Sieht 15 Stanisław Kura´s, Przywileje prawa niemieckiego miast i wsi małopolskich XIV–XV wieku [Die Privi-
legien des deutschen Rechts der kleinpolnischen Sta¨dte und Do¨rfer), Wrocław 1971; Bogucka/Samsonowicz, Dzieje (wie Anm. 1), S. 60; Henryk Samsonowicz, Miasto i wie´s na prawie niemieckim w ´ po´znym s´ redniowieczu Polski (na marginesie pracy S. Kurasia) [Stadt und Dorf zu deutschem Recht im spa¨ten Mittelalter Polen (eine Bemerkung zur Arbeit von S. Kura´s)], in: Przeglad ˛ Historyczny 3 (1972), S. 493–504; dort ein abweichender Erkla¨rungsversuch fu¨r die aufeinander folgenden Lokationen als Investitionen in wirtschaftlich gu¨nstigen Bereichen. 16 Groicki, Porzadek ˛ (wie Anm. 10), S. 29. 17 Ebd.
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man Gerichtsakten durch, die Fa¨lle von Wirtshausschla¨gereien betrafen, an denen Ratsherren und Scho¨ffen beteiligt waren, so zeigt sich, dass diese Anforderungen nicht immer erfu¨llt wurden.18 Es scheint, dass eine auf Vermo¨gen und Kontakte zu anderen Sta¨dten oder zum Hof gestu¨tzte Autorita¨t mehr za¨hlte als Moral. Insbesondere der letztere Faktor spielte eine wesentliche Rolle. Im 15. Jahrhundert agierten die Ra¨te nicht nur der kleinen, sondern auch der mittleren Sta¨dte in enger Anbindung an die Territorialherrschaft. In Pyzdry arbeitete der Rat unter der Leitung eines Vogtes (und mit Beteiligung eines Bu¨rgermeisters). In Sandomierz wurde seine Arbeit vom Starosten kontrolliert. In Sieradz wurden die neuen Stadtoberen vom Starosten und dem Burggrafen vereidigt. In Płock bestimmte der Fu¨rst aus drei vorgeschlagenen Kandidaten den Vogt. In Ratno wa¨hlten die Bu¨rger zwei Ratsherren, der Starosta aber die beiden u¨brigen und den Untervogt. In Sochaczew pra¨sentierte die communitas der Bu¨rger dem Starosten drei probos viros, von denen dieser einen fu¨r den Stadtrat auswa¨hlte. Daru¨ber hinaus blieb das Amt des Vogtes zumindest im 15.–16. Jahrhundert entgegen dem Landrecht ha¨ufig in den Ha¨nden des Adels (etwa in Przemy´sl, Ł˛eczyca und Płock), und wahrscheinlich war es nur zu einem geringen Grad tatsa¨chlich ein Organ bu¨rgerlicher Selbstverwaltung.19 Dieses Amt war fu¨r seine Inhaber eher eine eintra¨gliche Sinekure, denn sie wurden mit Land, wirtschaftlichen Privilegien und Einku¨nften aus der Gerichtsbarkeit ausgestattet. Mit der Gerichtsbarkeit waren jedoch verschiedene Pflichten verknu¨pft, deren Erfu¨llung Rechtskenntnisse erforderte. Wahrscheinlich darf man, insbesondere fu¨r die Fru¨hzeit der autonomen Gemeinden, der juristischen Ausbildung von Ratsmitgliedern oder der Scho¨ffenbank keine gro¨ßere Bedeutung beimessen. Selbst in den ganz großen Sta¨dten besaßen Ratsherren und Scho¨ffen diese im Allgemeinen nicht. Ihre gerichtlichen Kompetenzen stu¨tzten sich auf drei Grundlagen: die gewohnheitsrechtlichen Normen einzelner Berufsgruppen (Kaufleute, Unternehmer, Produzenten), die aus der Praxis heraus entstanden waren und sich auf die anerkannten moralischen Grundsa¨tze des Christentums stu¨tzten; die Kenntnis der offenkundigen Fakten, die von Zeugenaussagen und – was auch wesentlich ist – vom gesunden Menschenverstand beglaubigt waren; schließlich – und wohl zum geringsten Teil – auf die Kenntnis eines kodifizierten Rechtes, sei es das sta¨dtische (Weichbild) oder, in noch selteneren Fa¨llen, das auf staatlicher Gesetzgebung beruhende Recht.20 Die ersten, vom Vogt berufenen Scho¨ffenba¨nke setzten sich wahrscheinlich aus besonders erfahrenen Kaufleuten und Handwerkern zusammen. Mit der Zeit a¨nderte sich jedoch die
18 Im ersten Buch der Territorialverwaltung (ksi˛ega ziemska) von Płock (Archiwum Gło´ wne Akt Daw-
nych) betreffen von ungefa¨hr 1200 Strafsachen etwa 80 % Streitigkeiten in Schenken, bei denen mindestens einer von fu¨nf Beteiligten der sta¨dtischen Machtelite angeho¨rte. 19 Iura Masoviae terrestria, hg. v. Jakub Sawicki, Bd. 2, Warszawa 1973, Nr. 138; Archiwum Gło´wne Akt Dawnych, Dokumente der Sta¨dte Kalisz, Płock, Ratno und Pyzdry. 20 Ebd., Ksi˛egi ziemskie kowalskie [Die Landbu¨cher von Kowal], Buch 1, S. 7; Kapicjana – Ksi˛egi ˙ nskie ˙ aus dem Bestand ‚Kapicjana‘], Buch 1, Schachtel 3, 5; Ksi˛egi zam´ łomzy [Die Bu¨cher von Łomza, browskie [Das Buch von Zambro´w], Buch 5; Przywileje kro´lewskiego miasta stołecznego Starej Warszawy, 1376–1772 [Das ko¨nigliche Privileg der Hauptstadt Warschau], hg. v. Tadeusz Wierzbowski, Warszawa 1913, Nr. 1–4.
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Lage. In den großen Sta¨dten, die mit Kaisern, Ko¨nigen oder geistlichen Herren korrespondierten, die diplomatische und wirtschaftliche Beziehungen mit Orten im Ausland unterhielten, wuchs die Notwendigkeit, Beamte zu besitzen, die eine entsprechende Ausbildung auf dem Gebiet des Ro¨mischen Rechtes und der Rechtsstatuten des eigenen Landes besaßen (von der Kenntnis fremder Sprachen ganz zu schweigen). ¨ bergang von „mu¨ndlichen In Sta¨dten mittlerer Gro¨ße wuchs zusammen mit dem U Texten“ zu „schriftlichen Texten“ ebenfalls die Notwendigkeit, im Gerichtskollegium einen versierten Schreiber zu haben.21 In den kleinsten Orten (von den bekannten Fa¨llen ließe sich Ło´dz´ nennen22) erfu¨llten ho¨chstwahrscheinlich die Scho¨ffen selbst abwechselnd die Funktion des Gerichtsschreibers. Diese Aufgabe erforderte Schreibkenntnisse und zumindest eine oberfla¨chliche Kenntnis der gerichtlichen Formalia. In einigen Sta¨dten wa¨hlten die Ratsherren einen sogenannten Gerichtsvogt (viceadvocatus, iudex ordinarius, advocatus iuratis),23 der aus einem Kreis von Bu¨rgern rekrutiert wurde, die die Anerkennung ihrer Umgebung genossen (wie es in Przemy´sl hieß) und der vor allem die entsprechenden Kompetenzen besaß. Dass den gefa¨llten Urteilen weitgehend die Normen des Gewohnheitsrechtes zugrunde lagen, belegen Forderungen der „dritten Ordnung“ nach einer Teilnahme von Vertretern der communitas an den Gerichtsverhandlungen, „damit sie Aufsicht u¨ber die Fa¨lle ha¨tten.“24 Generell stieg jedoch im Laufe der Zeit die Bedeutung juristischen Wissens an; sowohl die Kenntnisse eines auf die allgemeinen Vorschriften des Land- und des ro¨mischen Rechts gestu¨tzten, als auch jene eines sich auf bekannte (und niedergeschriebene) Pra¨zedenzfa¨lle beziehenden Rechts nahmen zu. Ende des 16. Jahrhunderts musste nach der bestehenden Gerichtsordnung „ein Richter das Recht kennen, und nach geschriebenem Recht richten, und manchmal auch nach alter Gewohnheit, welche fu¨r Recht genommen wird. Das Urteil soll[te] er nach Eigenart und Natur der Sache sprechen, aber nicht nach seinem eigenen Wissen oder Gewissen“.25 Diese Vorschrift, die aus einer Zeit stammte, in der die Selbstverwaltung bereits fest verankert und die juristische Ausbildung relativ weitreichend war, sollte erst nach 1535 obligatorisch werden, als das Magdeburger Weichbild gema¨ß einer ko¨niglichen Verordnung zur verpflichtenden Rechtsgrundlage erhoben wurde.26 Es ist schwierig festzustellen, wie weit dies in der Praxis befolgt wurde. Zweifel sind hier aufgrund der personalen Zusammensetzung vieler Anklagegremien ange-
21 Henryk Samsonowicz, Kultura prawnicza miast polskich w s´ redniowieczu [Die Rechtskultur der
´ polnischen Sta¨dte im Mittelalter], in: Mente et litteris. O kulturze i społeczenstwie wieko´w s´ rednich, hg. v. Helena Chłopocka u. a., Poznan´ 1984, S. 319–326, hier S. 324, dort u¨ber die ausgebildeten Schreiber in Danzig, Krakau und Kazimierz. 22 Archiwum Gło´wne Akt Dawnych, Stadtbuch von Ło´dz, ´ S. 1–20. 23 Ksi˛ega ławnicza miasta Płocka (wie Anm. 6), Nr. 39–40, 276 (loco domini advocatis). Zu diesem Thema ´ fu¨r Przemy´sl Motylewicz, Społeczenstwo Przemy´sla (wie Anm. 6), S. 112. 24 Maria Bogucka, Dzieje Warszawy 1526–1720 [Geschichte Warschaus], in: Warszawa w latach 1529–1795, hg. v. Andrzej Zahorski, Warszawa 1984, S. 35; Szczygieł, Konflikty (wie Anm. 7), S. 31. 25 Mikołaj Jaskier, Iuris municipalis maideburgensis liber vulgo Weichbild nuncupatus, Cracoviae 1535, Art. 1f.; Groicki, Porzadek ˛ (wie Anm. 10), S. 26. 26 Leges et privilegia civitatis Cracoviensis, hg. v. Franciszek Piekosinski, ´ Bd. 1, Krako´w 1885, S. 86.
Wer traf die Entscheidungen in den selbstverwalteten Sta¨dten des mittelalterlichen Polen?
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bracht. Nicht selten wurden die Verhandlungen gemeinsam vom Rat und der sta¨dtischen Scho¨ffenbank gefu¨hrt. In der u¨berwiegenden Zahl der Fa¨lle nahmen an ihnen auch Vertreter der Obrigkeit teil: Starosten und deren Beamte – Richter, Unterrichter, Mundschenk, Schwerttra¨ger – oder die Stadtherren selbst.27 Noch interessanter ist, dass dies nicht nur dann vorkam, wenn die vor Gericht stehenden Parteien verschiedenen Sta¨nden angeho¨rten, sondern auch, wenn Angeho¨rige derselben Rechtsgruppe vor Gericht standen – Bu¨rger, Bauern, manchmal sogar Adlige. Der entsprechende Usus sah auch die Berufung gemischter Gerichte vor, die sich aus Mitgliedern von Land-, Stadt- und manchmal auch Burggerichten zusammensetzten, in diesem Fall benutzte man die Bezeichnung magnum iudicium bannitum oder colloquium generale. Es scheint nicht, als ha¨tten diese Art von Gerichtskollegien die Rechtsprinzipien des Weichbildes angewendet.28 Das Landrecht des 14. Jahrhunderts untersagte die alternative Verwendung von (polnischem) Landrecht und (deutschem) Stadtrecht in Abha¨ngigkeit davon, welches fu¨r den Kla¨ger gu¨nstiger war. Wie diese zusammengesetzten Gremien berieten, wann in ihnen Vertreter der Obrigkeit (der Starost), der Territorialverwaltung (Ka¨mmerer) und der sta¨dtischen Selbstverwaltung (Ratsmitglieder) saßen, ist schwer festzustellen. Es la¨sst sich lediglich vermuten, dass die Entscheidungen auf der Grundlage bekannter Pra¨zedenzfa¨lle und wahrscheinlich des gesunden Menschenverstandes fielen. Diese Beobachtung la¨sst sich nicht nur durch die fehlenden Bezugnahmen auf das Landrecht (Statuten Kasimirs des Großen) in der Gerichtsprozedur besta¨tigen, sondern auch durch zahlreiche Auseinandersetzungen um die Verfahrensweise.29 Daraus resultiert ein gewisses (oder nur scheinbares?) Kompetenzchaos der Anklagegremien, auch wenn sich einige Gesetzma¨ßigkeiten erkennen lassen. Unter anderem scheint es, dass die Landgerichte die na¨chst ho¨here Instanz fu¨r in der Stadt gefu¨hrte Prozesse darstellten, und außerdem, dass der Zusta¨ndigkeitsbereich der Gerichte nicht streng definiert war. Fu¨r eine etwas spa¨tere Zeit – das 16.–17. Jahrhundert – sind viele Fa¨lle bekannt, in denen Parteien in analogen Angelegenheiten (etwa Vertrags- oder Testamentsfragen, manchmal sogar in strafrechtlichen Dingen) vor verschiedene – sta¨dtische, Land- und Burg-, aber auch kirchliche (konsistoriale30) – Gerichte gestellt wurden. Womo¨glich belegt dieser Sachverhalt, dass territoriale Bindungen zwischen den Menschen wichtiger (vielleicht auch bequemer zu handhaben) waren als deren Standeszugeho¨rigkeit. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass die Autorita¨t der jeweiligen Institution u¨ber die Wahl des Gerichtes entschied, insbesondere, wenn es darum ging,
27 Archiwum Gło´wne Akt Dawnych, Stadtdokumente Nr. 2194, 3507, 5806, 6078; ebd., Stadtbu¨cher
˙ Sieradz, Buch 1, S. 40, 61, 124, 133, 146; Buch 2, S. 37, 14, 31, 41; Radziejo´w, S. 38, 49, 148; Ci˛ezkowice, Buch 1, S. 36, 40, 46; Szadek, Buch 1, S. 11, 16, 132; Biecz, S. 296; ebd., Ksi˛egi ziemskie radziejowskie [Die Landbu¨cher von Radziejo´w], Buch 1, S. 6, 7, 9, 305f. 28 Ebd., Stadtbu¨cher Sieradz, Buch 1, S. 12, 78; Biecz, S. 296; Ci˛ezkowice, ˙ Buch 1, S. 400; Szadek, Buch 1, S. 16. 29 Ludwik Łysiak, Statuty Kazimierza Wielkiego w małopolskiej praktyce sadowej ˛ XV wieku [Die Statuten Kasimirs des Großen in der kleinpolnischen Gerichtspraxis des 15. Jahrhunderts], in: Studia Historyczne 19 (1976), 1, S. 25–39. 30 Archiwum Gło´wne Akt Dawnych, Konsistorialbuch von Pułtusk, Buch 1; Dio¨zesanarchiv Płock, Konsistorialbu¨cher.
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Henryk Samsonowicz
sich einen Gerichtsentscheid zu Zahlungsverpflichtungen, Testamentsvollstreckungen oder einer Vermo¨gensteilung zu sichern. Wenn man die oben getroffenen Feststellungen verallgemeinert, lassen sich mehrere Schlu¨sse ziehen. Der erste betrifft die Feststellung, dass in den großen Orten die Entscheidungen, die die Politik der Stadt angingen, von Gremien sta¨dtischer Amtstra¨ger, dass heißt von den Organen der Selbstverwaltung – dem Rat und der Scho¨ffenbank – gefa¨llt wurden. Ihre jeweiligen Kompetenzen waren nicht allzu genau voneinander getrennt. Sicher lagen Entscheidungen u¨ber die Berufung und Besta¨tigung der Stadtoberen und Zunftmeister, u¨ber diplomatische Aktivita¨ten, das Fu¨hren von Korrespondenzen, das Vorgehen zur Erlangung von Privilegien, und auch u¨ber die Erhebung von Steuern und Abgaben in der Zusta¨ndigkeit der „ho¨heren Kammer“ der Selbstverwaltung. Zu einem u¨berwiegenden Teil arbeiteten jedoch beide Gremien, Rat und Scho¨ffenbank, auf demselben Gebiet und fungierten vor allem als Notariat. In den kleinen Sta¨dten beschra¨nkten sich die Kompetenzen beider Selbstverwaltungsorgane und manchmal auch eines dritten, des Vogteigerichtes, hauptsa¨chlich auf die Beglaubigung gewerblicher Angelegenheiten, auf Testamentsvollstreckungen und familia¨re Erbteilungen. Außerdem umfassten sie, in mehr oder minder hohem Maße ¨ bereinku¨nften mit der Stadtherrschaft, die Wahl neuer Mitglieder unabha¨ngig von U und die Besetzung des Bu¨rgermeisteramtes. Und bestimmt befassten sie sich auch mit der Verhandlung von Vergehen, die nicht ho¨heren Gerichten vorbehalten waren. ¨ nderungen in der VorEine weitere Schlussfolgerung betrifft zwei wesentliche A gehensweise der Stadtoberen. Zwischen dem 13. und dem 16. Jahrhundert kam es sogar in kleinen Orten, wahrscheinlich einhergehend mit einer fortschreitenden Alphabetisierung, zu einer immer gro¨ßeren Professionalisierung der sta¨dtischen Gerichte. Wie es scheint, wuchs die Bedeutung des geschriebenen Rechtes sowie der Kenntnis von Rechtsprozeduren und Vorschriften. Zur Unterstu¨tzung der Gerichtskollegien oder als deren Mitglieder wurden Personen berufen, die entweder eine zumindest elementare Ausbildung oder entsprechende praktische Erfahrung besaßen. Ihre Rolle bestand wahrscheinlich darin, die Fa¨lle zu referieren sowie mo¨gliche Lo¨sungen vorzuschlagen und dafu¨r Sorge zu tragen, dass diese dem Recht oder der Gewohnheit entsprachen. Sie mussten auch die Stadtoberen bei Sitzungen vor gemischten oder ho¨heren Gerichten begleiten. Diese Formen der Ta¨tigkeit hatten wiederum Einfluss auf die zunehmende Rolle der kollegialen Machtorgane. Es ist anzunehmen, dass sogar in den Privatsta¨dten die Bedeutung kollektiver Entscheidungsfindungen wuchs. Damit einhergehend bildeten sich pra¨zisere Prozeduren in der Debattenfu¨hrung und der Entscheidungsfindung heraus. Dieser Professionalisierungsprozess der sta¨dtischen Gerichte wurde jedoch durch die Katastrophen des 17. Jahrhunderts beeintra¨chtigt.
INDEX DER ORTS- UND PERSONENNAMEN
Das Register verzeichnet Orts- und Personennamen, die im Haupttext begegnen; La¨nder- und ¨ rtlichkeiten innerhalb von Sta¨dten sind nicht aufgenomLandschaftsnamen, Patrozinien und O men; lediglich im Fall von Krakau, Breslau und Posen werden auch gro¨ßere Vorsta¨dte und Stadtteile dieser Sta¨dte unter ihrem Lemma aufgefu¨hrt; in drei Fa¨llen wurden bei Orten auch die mit ihnen verbundenen „Sachen“ aufgenommen, weil sie fu¨r den thematischen Zusammenhang des Bandes von besonderer Bedeutung erscheinen: Kulmer Handfeste, Magdeburger, Lu¨becker und Neumarkter Recht.
1. Orte Aachen 123 Alt-Grottkau 209, 210, 212 Amalfi 31 Bar 366, 370 Bardo 216 B˛edzin 309 Bełz 359–361, 364 Bernstadt 187 Biały Ko´scio´ł siehe Steinkirche Biecz 70, 295, 296, 298, 314, 317, 318 Błonia 269, 270 Bobowa 298, 315 Bochnia 10, 71, 186, 190, 200, 246, 264, 295, 314, 327, 332 Brandenburg 47, 90, 92, 94, 99, 104 Breslau/Wrocław 6, 8, 24, 62, 63, 65, 83, 94, 98, 100–102, 107–155, 157–168, 171, 173, 175–178, 184, 186, 188, 191, 194, 200, 203, 211, 213, 214, 216, 219, 220, 238, 241, 245, 247, 264–266, 313, 316, 321, 324–326, 331, 332, 337, 375 Dominsel 132, 136 Neustadt 130, 132, 161, 162, 164, 169–179 Sandinsel 119, 136, 150, 161, 162 Wallonensiedlung 136, 161, 162 Brieg/Brzeg 220, 221, 246, 248, 308 Brno siehe Bru¨nn Bronowice Małe 287 Bronowice Wielkie 287 Bru¨nn/Brno 87, 318
Brzeg siehe Brieg Brze´sc´ 336 Brzesko 300, 315 Brzuchowica 350 Buda 70 ˇ Budweis/Ceske ´ Budˇejovice 316 Buk 61 Busk 364 Byzanz 37 ˇ Caslav 305 ˇ Ceske ´ Budˇejovice siehe Budweis Chacimiech 269 Ch˛eciny 10, 71 Chełm/Cholm 346, 364 Chełmno siehe Kulm Chojnice siehe Konitz Cholm siehe Chełm Chrzano´w 300, 315 Ciechano´w 328 ˙ Ci˛ezkowice 305 Cottbus 257 Czarna Wie´s 269–271 Czarnowanz/Czarnowasy ˛ 220 Czcho´w 299, 315, 317 Czeremiski Bar 370 ˙ Czyzyny 268, 270 Dabie ˛ 268, 269 ´ 108, 110, 158, 159, 328, 336, Danzig/Gdansk 337, 374, 375, 379 D˛ebowiec 300, 315 Dirschau/Tczew 328, 336 Dobergast/Dobrogoszcz 214 ´ Dobrzyn/Dobrin 329
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Index der Orts- und Personennamen
Dolina 350 Domazˇlice siehe Taus Dresden 312 Drogocin siehe Droitzdorf Drohobycz 350 Droitzdorf (Drogotyndorf)/Drogocin 209, 210 Dukla 300, 315 ˙ Dzierzonio ´ w siehe Reichenbach Elbing/Elblag ˛ 94, 159, 162, 333, 374 Exin/Kcynia 239 Falkenberg/Niemodlin 220 Florenz 312 Frankenstein/Zabkowice ˛ 212, 215, 308 Frankfurt a. d. Oder 99 Fraustadt/Wschowa 335 Freiberg 51, 147 ´ Freiburg/Swiebodzice 179 ˙ Freystadt/Kozucho ´ w 335 Fro¨beln/Wro´blin 218, 219 Gambitz/G˛ebice 217 ´ siehe Danzig Gdansk G˛ebice siehe Gambitz Gewitsch siehe Jeviˇcko Gł˛ebocko siehe Tiefensee Glew 249 Glogau/Głogo´w 58, 62, 94, 101, 128, 171, 172, 174, 178, 194, 199, 206, 217, 243, 325, 335 Neustadt 169, 171 Gnesen/Gniezno 7, 35, 61, 114, 225, 229, 232, 235, 242, 335 Gniew siehe Mewe Gola siehe Guhlau Goldberg/Złotoryja 6, 61, 64, 117, 247 Go´ra siehe Guhrau Gorlice 308, 309, 315 Goslar 40, 44 Grodko´w siehe Grottkau Groß Rauden/Rudy Wielkie 209 Groß Wartenberg/Syco´w 215 Grottkau/Grodko´w 206, 208–212, 215, 220–222 Grzego´rzki 268 Grzybo´w 300 Guben 238, 241 Guhlau/Gola 209, 212, 222 Guhrau/Go´ra 335 Habendorf/Owiesno 212, 215 Halbendorf/Po´łwiosek 208, 209 Haliˇc 346, 364 Halle a. d. Saale 6, 91
Heinrichau/Henryko´w 190, 212, 215 Hohenmauth siehe Vysoke´ My´to Hohensalza siehe Inowrocław Hundsfeld/Psie Pole 247 Iglau/Jihlava 51 Igołomia 249 Inowrocław/Hohensalza 7 Janowa Wola 272 Ja´sliska 300, 315 Jasło 298, 299, 314 Jauer/Jawor 184, 201, 216 J˛edrzejo´w 267 Jeviˇcko/Gewitsch 305, 316 Je˙zyce 242 Jiˇcı´n 305 Jihlava siehe Iglau Jodłowa Go´ra 305 Ju¨terbog 59 Kalisz 48, 225, 242, 308, 327, 335, 336, 378 Kamenz/Kamieniec 206, 209 Kamieniec Podolski 320, 363, 370 Kaminietz 221 Kaschau/Kosˇice 70 Kcynia siehe Exin Kenzingen 312 Kielec 202 Kiev 32, 339 Klatovy/Klattau 316 Klein Neudorf/Nowa Wie´s Mała 209, 210 Kłobuck 305 Ko¨ln 123 Ko¨nigstadtl 290 Kolı´n 305 Konitz/Chojnice 328 Konstanz 123 Kopernia 262 Koprzywnica/Kopronitz 298 Kosˇice siehe Kauschau Kostomłoty 265 ˙ Kozucho ´ w siehe Freystadt Krakau/Krako´w 6–8, 10, 32, 33, 44, 45, 67, 70, 72, 83, 94, 101, 102, 107–126, 154, 158, 181, 182, 186, 200, 220, 245–274, 276, 281, 282, 287, 290, 292, 295, 298, 305, 307, 312, 314, 316–321, 324, 326, 327, 331, 332, 336–338, 374, 375, 379, 380 Bawo´ł 254, 287 Kazimierz 70, 254, 270–272, 287, 307, 312, 314, 319, 321 Kleparz 254, 271, 272, 319 Okoł 112, 252, 253, 256, 260, 290, 291, 312–314, 319 Pradnik ˛ 119–121, 256
Index der Orts- und Personennamen Wawel 252–254, 256, 257, 262, 269, 291 Zwierzyniec 267, 269–271 Krobia 61 Kroitsch/Krotoszyce 200 Kro´scienko 303, 315 Krosno 346 Krotoszyce siehe Kroitsch Krowodrza 268–270 Kulm/Chełmno 61, 62, 96, 333 Lanckorona 300, 315 Lebus 209 Ł˛eczyca siehe Lentschu¨tz Ł˛eg 269 Legnica siehe Liegnitz Łekno 61 Lelo´w 309 Lemberg/Lwo´w 10, 259, 260, 346, 350, 351, 354, 363–366, 374 Lentschu¨tz/Ł˛eczyca 69, 327–329, 351, 381 Leschnitz/Lesnica 221 Leubus/Lubia˙ ˛z 14, 60, 186, 204, 247 Lewin Brzeski siehe Lo¨wen Liegnitz/Legnica 6, 101, 128, 181–204, 226, 257, 325, 337 Lipnica Murowana 309, 310, 313, 314 Litovel/Littau 312, 316 Ło´dz´ 382 Lo¨wen/Lewin Brzeski 206, 218–221 Lo¨wenberg/Lwo´wek 6, 247 Łowicz 328 Lubia˙ ˛z siehe Leubus Lubin siehe Lu¨ben Lublin 375 Lu¨beck 96, 104, 315, 337 Lu¨becker (Lu¨bisches) Recht 257, 328, 375 Lu¨ben/Lubin 335 Lwo´w siehe Lemberg Lwo´wek siehe Lo¨wenberg Ma¨hrisch-Tru¨bau siehe Moravska´ Tˇrebova´ Magdeburg 6, 8, 16, 32, 47, 59, 76, 90, 98, 101, 123, 124, 129, 136, 138, 264–266 Magdeburger Recht/Weichbild 7, 9, 59, 68, 70, 76, 90, 91, 101, 104, 105, 129, 173, 181, 182, 186, 192, 201, 257, 259, 264, 265, 270, 272, 282, 290, 293, 313, 340, 342, 345, 352, 356, 358, 364, 365, 367–370, 382 Mainz 32 Marburg a. d. Lahn 122 Meißen 47, 92 Meristau 222 Mewe/Gniew 328 Michelau/Michalo´w 206, 219–221 Miecho´w 249, 267, 313 Mogiła 120, 249, 251, 267–269
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Mogilno 55 Moravska´ Tˇrebova´/Ma¨hrisch-Tru¨bau 312, 316 Mu¨nsterberg/Zi˛ebice 215, 308 Muniakowice 269 Muszyna 286, 313 My´slenice 300, 302, 315 Nakel/Nakło 60 Neapel 31 Neiße/Nysa 266, 326 Neu-Bydzˇov siehe Novy´ Bydzˇov Neumarkt (Kleinpolen) siehe Nowy Targ ´ ´ aska Neumarkt (Schlesien)/Sroda Sl ˛ 6, 90, 91, 96, 100, 245, 285, 290 Neumarkter Recht 14, 50, 70, 76, 91–93, 104, 285, 287, 294, 299, 313 Neusandez siehe Nowy Sacz ˛ Neu-Titschein siehe Novy´ Jiˇcı´n Niemodlin siehe Falkenberg Nienburg 257 Novgorod 95 Novy´ Bydzˇov/Neu-Bydzˇov 312, 316 Novy´ Jiˇcı´n/Neu-Titschein 316 Nowa Wie´s Mała siehe Klein Neudorf Nowe 328 Nowy Sacz/Neusandez ˛ 281, 299–301, 314, 317, 318, 336 Nowy Targ/Neumarkt 285, 286 Nysa siehe Neiße Oels/Ole´snica 187, 200, 308 Ohlau 214 Ole´snica siehe Oels Olkusz 10, 71, 303, 304, 307, 314, 317, 318, 327 Olmu¨tz/Olomouc 99, 318 Olszanica 287 Opoczno 305 Oppeln/Opole 212, 218–220, 325 Osiek 300 Osseg 222 Ostrava/Ostrau 316 Ottmachau/Otmucho´w 326 Owiesno siehe Habendorf Padua 312 Pierzchnica 309 Pilsen/Plzenˇ 309 Pilzno 309 Piotrko´w 362 Piwniczna 303, 315 Płock 7, 79, 129, 328, 375, 381 Plzenˇ siehe Pilsen Pogarell/Pogorzela 206, 221 Pogorzelica 233, 234 Polski Bar 370 Połwiosek siehe Halbendorf
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Index der Orts- und Personennamen
Posen/Poznan´ 6–8, 10, 61, 67, 91, 102, 107–126, 155, 223–244, 246, 327, 331, 332, 335, 336, 338, 374, 375, 379, 380 Dominsel 231 ´ ´ dka 113–115, 155, 225, 227, 230, 231, Sro 235–238 Postolsko 95 Poznan´ siehe Posen Prag/Praha 32, 34, 59, 95, 99, 119, 121–124, 154, 173, 247, 258–260, 277, 318 Prandocin 249, 269 Prenzlau 99 Prieborn/Przeworno 206, 212–217 Przemy´sl 9, 339–354, 364, 375, 381, 382 Przeworno siehe Prieborn Psie Pole siehe Hundsfeld Pułtusk 328 Pyzdry 335, 336, 381 Racibo´rz siehe Ratibor Radom 249 Radomsk 50 Ratibor/Racibo´rz 325 Ratno 381 Regensburg 32 ˙ Reichenbach/Dzierzonio ´ w 212, 215 Ritschen/Ryczyn 208, 210, 211, 218 ˙ Rosomanka/Ro´zana 212 Rostock 333 Rottweil 312 ˙ Ro´zana siehe Rosomanka Rudy Wielkie siehe Groß Rauden Ruski Bar 370 Rybitwa 268 Rybitwy 268, 269 Ryczyn siehe Ritschen Rymano´w 320 Sacz ˛ (Stary Sacz)/(Alt)Sandez ˛ 288–291, 300, 314, 315, 317 Sagan/Zagan´ 335 Salzwedel 99 Sandez siehe Sacz ˛ Sandomierz/Sandomir 83, 305, 306, 314, 317, 318, 326, 332, 336, 338, 351, 381 Sanok 346, 354, 365 ´ Schrimm/Srem 239 Schurgast/Skorogoszcz (Skorogosto´w Most) 220 ´ Schweidnitz/Swidnica 62–64, 94, 117, 171, 175, 178, 179, 199, 216 Neustadt 169, 171, 173–175 ´ Schwetz/Swiecie 328 ´ siehe Steinau Scinawa Siebenhufen/Siedmio 212 Sieradz 50, 69, 327–329, 381
Skała 303–305, 312–314, 317, 318 Skaryszo´w 249, 250 Skawina 312, 314 Skorogoszcz siehe Schurgast Skronskau/Zarzysko 245 Sławko´w 291, 309, 312, 314, 317, 318, 327 Słomniki 309, 311, 315 Sochaczew 381 Spandau 99 Sprottau/Szprotawa 335 Spytko´w 240 ´ Srem siehe Schrimm ´ ´ aska Sroda Sl ˛ siehe Neumarkt (Schlesien) Stanitz/Stanice 209 ´ Steinau/Scinawa 335 Steinkirche/Biały Ko´scio´ł 214, 217 Stendal 90, 99, 333 Stettin/Szczecin 68, 80, 104, 110, 324, 333 Stolp 110 Stralsund 333 Strehlen/Strzelin 212, 213, 215, 216, 218, 257 Striegau/Strzegom 63 Strzelin siehe Strehlen Sul˛ecin siehe Zielenzig ´ Swidnica siehe Schweidnitz ´ Swiebodzice siehe Freiburg ´ Swiecie siehe Schwetz Syco´w siehe Groß Wartenberg Szczecin siehe Stettin Szprotawa siehe Sprottau Szydłowiec 262 Tarno´w 298, 315 Taus/Domazˇlice 92 Tczew siehe Dirschau Thorn/Torun´ 10, 70, 79, 83, 95, 96, 99, 158, 159, 240, 241, 333, 374 Tiefensee/Gł˛ebocko 222 Torun´ siehe Thorn Trebnitz/Trzebnica 56, 82, 186, 245, 267 Trier 123 Trusino´w 249, 250 Trzebnica siehe Trebnitz Tuchel/Tuchola 328 Tucho´w 300 Tymbark 305 Tyniec 120, 257, 269, 299 Ujest/Ujazd 246 Ujo´w 265 U´scie Solne 311, 314 Venedig 31–33, 95 Verdun 32 Villingen 312
Index der Orts- und Personennamen Volodymyr-Volynskyj 346, 364 Vysoke´ My´to/Hohenmauth 305, 316 Wadochowice siehe Wiesenthal Wansen/Wiazo ˛ ´ w 215 Warschau/Warszawa 328, 374, 378 Wiazo ˛ ´ w siehe Wansen Wielen´ 60 Wieliczka 10, 71, 297, 298, 312–314, 318, 327, 336 Wielun´ 69 Wien 48 Wiesenthal/Wadochowice 217 Wismar 333 Wojnicz 286, 287 Wo´jtowice 209 Wolbrom 311, 312 ´ Wozniki 376 Wro´blin siehe Fro¨beln Wrocław siehe Breslau Wschowa siehe Fraustadt Zabkowice ˛ siehe Frankenstein Zabłocie 272 ˙ Zaga n´ siehe Sagan Zakliczyn 291 Zamo´sc´ 286 ˙ Zarnowiec 298, 315 Zarzysko siehe Skronskau Zi˛ebice siehe Mu¨nsterberg Zielenzig/Sul˛ecin 209 Złotoryja siehe Goldberg ˙ Zmigro ´ d Nowy 298, 315 ˙ Znin 61 Zrasowa 249
2. Personen Adalbert, schlesischer Adliger (1. Ha¨lfte 13. Jh.) 214 Adamczyk, Jacek, polnischer Historiker (*1962) 52 Adelheid, Gemahlin des Volkmar v. Liegnitz 186, 188 Adleyta Teutonica 251 ¨ gidius, Legat (13. Jh.) 257 A ¨ sterreich, Gemahlin Władysławs Agnes v. O des Vertriebenen (nach 1110–1157) 258 ¨ btissin, T. v. Pˇremysl Otakar Agnes, Prager A I. (1211–1282) 122 Albert, Vogt in Krakau (?–nach 1314) 336, 379
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Anna, Gemahlin Hz. Heinrichs II., des Frommen (1201/04–1265) 119, 122, 123, 203 Arnold, Zeuge in Krakau (1. Ha¨lfte 13. Jh.) 250 Bakowski, ˛ Klemens, polnischer Historiker (1860–1938) 255 Balyk, Borys I., ukrainischer Historiker (1913–1989) 345 Be´la IV., Kg. v. Ungarn (1206–1270) 86 Benjamin Zar˛eba, großpolnischer Adliger (13. Jh.) 232 Berdecka, Anna, polnische Historikerin 343, 349 Bernardus Guidonis, franzo¨sischer Dominikaner (1261/62–1331) 114 Berthold, Vogt in Lemberg (Ende 13.–14. Jh.) 351 Bertold, Kaufmann (1. Ha¨lfte 13. Jh.) 249, 250 Bertold v. Bohrau, Truchsess in Liegnitz (Ende 13. Jh.) 202 Berwig, Vogt in Liegnitz (13. Jh.) 187, 190 Blaschke, Karlheinz, deutscher Historiker (*1927) 152, 169, 171 Bogdana, Krakauer Bu¨rgerin (13. Jh.) 260 Boguchwał II., Bf. v. Posen (?–1253) 229, 230, 232, 233 Bogumił, Wojewode v. Posen (?–1252) 233 Bogusław d. Ju¨ngere, schlesischer Adliger 214, 216 Bogusław v. Fro¨beln 218–220 Bogusz v. Pogarell, schlesischer Adliger (?–1309/14) 212, 213, 217–222 Bogusz, S. des Racław Drzemlik (2. Ha¨lfte 13. Jh.) 214 Bolesław I. d. Tapfere (Chroby), Hz., Kg. v. Polen (967–1025) 42 ´ Bolesław II. d. Ku¨hne/Freigebige (Smiały/Sczodry), Hz./Kg. v. Polen (1041/42–1082) 43 Bolesław III. Schiefmund (Krzywousty), Hz. v. Polen (1086–1138) 44, 47, 227, 257 Bolesław IV. Kraushaar (K˛edzierzawy), Hz. v. Polen/Masowien (1121/22–1173) 45 Bolesław d. Lange (Wysoki), Hz. v. Schlesien (1127–1201) 184, 188 Bolesław V. d. Schamhafte (Wstydliwy), Hz. v. Kleinpolen (1226–1279) 10, 68, 112, 186, 200, 246, 250, 251, 257, 262, 267, 269, 271, 290, 295, 303, 304, 315–317, 326 ˙ Bolesław d. Fromme (Pobozny), Hz. v. Großpolen (1224/27–1279) 48, 226, 228, 231–236, 242, 246 Bolesław II. d. Kahle (Rogatka), Hz. v. Schlesien (1220/25–1278) 6, 92, 144, 184, 185,
390
Index der Orts- und Personennamen
188–190, 192, 199, 200, 202–204, 245–247, 265, 267 Bolesław, Hz. v. Falkenberg (um 1300–1362/65) 220 Bolesław I., Hz. v. Oppeln (1254/58–1313) 336 Bolesław Trojdenowicz (Jurij II.), Hz. v. Plock , Fs. v. Haliˇc-Wolhynien (1308–1340) 365 Bolko I., Hz. v. Jauer und Schweidnitz (1252/56–1301) 213, 216, 217, 332, 337 Bolko II., Hz. v. Schweidnitz (1300–1341) 171, 175 Boockmann, Hartmut, deutscher Historiker (1934–1998) 18 Borowiejska-Birkenmajerowa, Maria, polnische Historikerin (1921–1996) 256 Brather, Sebastian, deutscher Archa¨ologe (*1964) 146 Braudel, Fernand, franzo¨sischer Historiker (1902–1985) 26 Buczek, Karol, polnischer Historiker (1902–1983) 78, 79, 250, 258 Budziwoj v. Michelau, schlesischer Adliger (?–1276) 219, 220 Budziwoj, Zeuge in Liegnitz (13. Jh.) 201, 203 Burchardt, Zeuge in Krakau (1. Ha¨lfte 13. Jh.) 250 Bu´sko, Cezary, polnischer Archa¨ologe (*1957) 164 Chołubek, Teresa, polnische Historikerin 193 Chorowska, Małgorzata, polnische Architekturhistorikerin (*1958) 165, 167 Czacharowski, Antoni, polnischer Historiker (*1931) 169, 170, 175, 176, 178 Czaja, Roman, polnischer Historiker (*1960) 4, 8 Czenke, S. des Racław Drzemlik (2. Ha¨lfte 13. Jh.) 214 Czesław, Zeuge in Liegnitz (13. Jh.) 201, 202 Dethmar Wolk (Dytmar Wołek), Vogt in Krakau (Mitte 13. Jh.) 266 Detricus, Bu¨rger in Krakau (Mitte 13. Jh.) 251 Dionysius, Kaufmann in Krakau (13. Jh.) 249, 250 Długosz, Johannes (Jan), polnischer Chronist (1415–1480) 112, 113, 256 ´ Domanski, Grzegorz, polnischer Archa¨ologe (*1939) 196 Dygo, Marian, polnischer Historiker (*1951) 61 Dytmar Wołek 305 Dzieduszycki, Wojciech, polnischer Archa¨ologe (*1946) 42
Dziedzicki, Ludwik, polnischer Historiker (1844–1903) 342 Dziewulski, Władysław, polnischer Historiker (1904–1981) 188–190, 196 Eike v. Repgow, sa¨chsischer Rechtsdenker (1180–1233) 265 Elisabeth (El˙zbieta) Łokietko´wna, Kgn. v. Ungarn, Regentin v. Polen (1305–1380) 276 Elisabeth v. Brandenburg, Fs. v. Liegnitz (1403–1449) 200 Elisabeth, Lgfn. v. Thu¨ringen (1207–1231) 122, 290 Elisabeth, T. v. Bogusz dem Ju¨ngeren (13. Jh.) 214, 216 Enymerus, Zeuge in Liegnitz (13. Jh.) 201 Ernst, Bu¨rger in Liegnitz (13. Jh.) 200 Estreicher, Stanisław, polnischer Historiker (1869–1939) 265, 266 Facimiech 269 Fenczak, August, polnischer Historiker 345 Firszt, Stanisław, polnischer Archa¨ologe (*1955) 196 Friedrich I. Barbarossa, Ks. (1122–1190) 51, 60 Friedrich II., Ks. (1194–1250) 46, 48, 185 Friedrich, bo¨hmischer Hofka¨mmerer (Ende 13., Anfang 14. Jh.) 335 Friedrich, Bu¨rger in Jauer (2. Ha¨lfte 13. Jh.) 184, 201 Gallus Anonymus, Chronist am Piastenhof (?–nach 1116) 35 Gawlas, Sławomir, polnischer Historiker (*1949) 4–6, 285, 293, 313, 337 Gedko Siltvoyt, Vogt in Krakau (Mitte 13. Jh.) 266 Gerardus, Bu¨rger in Krakau (Mitte 13. Jh.) 251 Gerhard v. Glogau, Vogt (13. Jh.) 173, 177 Gerlach, schlesischer Geistlicher (1234–1275) 206, 210 Gerung, Breslauer Großer (1. Ha¨lfte 13. Jh.) 135, 141, 148 Gilewicz, Aleksy, ukrainischer Historiker (1905–1969) 344 Gilewska-Dubis, Janina, polnische Historikerin 190–192 Godinus, Breslauer Schultheiß (1. Ha¨lfte 13. Jh.) 129 Goerlitz, Theodor, deutscher Kommunalpolitiker und Rechtshistoriker (1885–1949) 132, 134, 177
Index der Orts- und Personennamen ´ Golinski, Mateusz, polnischer Historiker (*1960) 6, 142, 145, 173, 175, 179 Gosław, Kaufmann (1. Ha¨lfte 13. Jh.) 249, 250 Grodecki, Roman, polnischer Historiker (1889–1964) 14, 43 Gross, Friedrich, Breslauer Graphiker (16. Jh.) 130 Grzymisława, Gemahlin Leszeks des Weißen (?–1258) 249, 262, 316 Gumprecht, Schultheiß 210 Hauser, Leopold, polnischer Historiker (1844–1908) 342 Hedwig (Jadwiga), Gemahlin Heinrichs I., Hl. (1178/80–1243) 186, 188 Hedwig (Jadwiga), Kgn. v. Polen (1374–1399) 340 Heinrich de Sagor, Mundschenk in Liegnitz (Mitte 13. Jh.) 203 Heinrich, Breslauer Stadtschreiber (14. Jh.) 165 Heinrich, Vogt in Liegnitz (13. Jh.) 200, 204, 208 Heinrich III., Ks. (1017–1046) 257 Heinrich IV., Ks. (1050–1106) 257 Heinrich I. d. Ba¨rtige (Henryk Brodaty), Hz. v. Schlesien (1162/70–1238) 6, 14, 55, 60, 61, 90, 96, 98, 100, 111, 113, 119, 128, 129, 132, 138, 143, 144, 190, 245, 247, 248, 265, 285, 325 ˙ Heinrich II. d. Fromme (Henryk Pobozny), Hz. v. Schlesien (1196/1204–1241) 6, 112, 113, 122, 144, 203, 210, 245 Heinrich III. d. Weiße (Henryk Biały), Hz. v. Breslau (1227/30–1266) 6, 65, 100, 144, 173, 176, 187, 208, 211, 212, 216, 219, 245–247, 265, 267 Heinrich IV. Probus (d. Rechtschaffene) (Henryk Prawy), Hz. v. Schlesien (1257/58–1290) 66, 133, 208, 215, 217, 219, 331 Heinrich V. d. Dicke (Henryk Gruby), Hz. v. Liegnitz (1245/50–1296) 184, 198, 199, 201, 337 Heinrich, S. v. Jarosław v. Habendorf 215 Hel(len)bold, Bu¨rger in Jauer (2. Ha¨lfte 13. Jh.) 184, 201 Hermann, Schultheiß in Grottkau (2. Ha¨lfte 13. Jh.) 210, 211 Herpachoviˇc, Han’ko, Bu¨rger in Przemysl (2. Ha¨lfte 14. Jh.) 348 Hildebrand, Kaufmann (1. Ha¨lfte 13. Jh.) 249, 250 Hinceviˇc, An’dr’ko, Bu¨rger in Przemysl (2. Ha¨lfte 14. Jh.) 348
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Hirlachoviˇc, Han’ko, Bu¨rger in Przemysl (2. Ha¨lfte 14. Jh.) 348 Hoffmann, Frantisˇek, tschechischer Historiker (*1920) 87 Horn, Maurycy, polnischer Historiker (1917–2000) 358 ¯ arab. Reisender (10. Jh.) Ibr¯ah¯ım Ibn Ya’kub, 35 Iko Mironowic, Palatin in Liegnitz (2. Ha¨lfte 13. Jh.) 201–203 Innozenz III., Papst (1160–1216) 45 Irgang, Winfried, deutscher Historiker (*1942) 187, 199, 201–203 Iwo Odrowa˙ ˛z, Bf. v. Krakau (1170/80–1229) 119, 255, 256 ´ Jakub Swinka, Ebf. v. Gnesen (?–1314) 91 Jakub, Vogt in Krakau (Mitte 13. Jh.) 266 Jakub, Ritter in Skarzyszo´w (13. Jh.) 249 Jan Burek, Truchsess in Sandomierz (2. Ha¨lfte 14. Jh.) 268 Jan, Krakauer Ratsherr (2. Ha¨lfte 14. Jh.) 268 Jan Torigia, Zeuge in Liegnitz (13. Jh.) 201 Jan, Bu¨rger v. Zabłocie 272 Janeczek, Andrzej, polnischer Historiker (*1954) 9 Janusz v. Michelau, schlesischer Adliger (?–1277) 208, 219, 220 Jarosław v. Habendorf, schlesischer Adliger (1269–1296) 212, 214–217 Jarosław, Kastellan v. Ritschen (1202–1232) 218, 219 ´ Jasinski, Kazimierz, polnischer Historiker (1920–1997) 337 Johannes, Vogt in Przemysl (2. Ha¨lfte 13. Jh.) 344, 345 Jurek, Tomasz, polnischer Historiker (*1962) 7 Jutta v. Franken, T. v. Ks. Heinrich III. 257 Kaczmarczyk, Zdzisław, polnischer Historiker (1911–1980) 56 ´ Kaminska, Krystyna, polnische Rechtshistorikerin (*1946) 193 Kasimir I. (Kazimierz), Hz. v. Oppeln (1178–1229/39) 246, 325 Kasimir (III./I.) d. Große (Kazimierz Wielki), Kg. v. Polen (1310–1370) 4, 8–10, 69, 70, 91, 104, 126, 259, 268, 269, 271, 272, 274, 287, 290, 312, 314, 319, 320, 329, 340, 343–345, 347–351, 353, 354, 364, 365, 368, 383 Ka´zmierczyk, Jo´zef, polnischer Archa¨ologe (1926–1993) 138, 150, 151, 189–191, 195
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Index der Orts- und Personennamen
Kejˇr, Jiˇrı´, tschechischer Historiker (*1921) 87, 88 Kiersnowski, Ryszard, polnischer Numismatiker (*1926) 43, 47 Ko¨rmendy, Adrienne, ungarische Historikerin (*1946) 143 Ko¨tzschke, Rudolf, deutscher Historiker (1867–1949) 21 Konrad, Bu¨rger in Lo¨wen (2. Ha¨lfte 13. Jh.) 218 Konrad, Bu¨rger in Posen u. Thorn (13. Jh.) 240 ¨ btissin d. Klarissen v. Stary Sacz Konstanze, A ˛ 290 Krasnowolski, Bogusław, polnischer Kunsthistoriker (*1943) 7, 83 Kuhn, Walter, deutscher Historiker (1903–1983) 17, 190, 205, 208, 212–214, 218, 219, 221, 222 Kunigunde (Kinga) (Hl.), Gemahlin Bolesławs V., des Schamhaften (1234–1292) 262, 290, 314, 316, 317 Kunigunde v. Russland, Gemahlin Pˇremysl Otakars II. († 1285) 316 Kyrillos-Konstantin, griechischer Theologe und Slavenmissionar (826/27–869) 32 Lalik, Tadeusz, polnischer Historiker (1928–2000) 42, 51, 55, 80 Lasota, Czesław, polnischer Archa¨ologe 165, 193–196 Laurentius (Lorenz), Bf. v. Breslau (?–1232) 112 ¨ sterreich Leopold III., Mgf. v. O (1095/96–1136) 258 Leszek d. Schwarze (Czarny), Hz. v. Kujawien (1240/42–1288) 50, 299, 305, 315, 317, 336 Leszek d. Weiße (Biały), Hz. v. Kleinpolen (1184/85–1227) 248, 251, 258, 261, 264, 276, 285, 315 Lev Daniloviˇc, Fs. v. Haliˇc-Wolhynien (1228–1301) 259, 345 Lev Jur’eviˇc, Fs. v. Haliˇc-Wolhynien (?–1323) 345 Lev, Fst. 344–347, 351, 353, 354 Lewicki, Anatol, polnischer Historiker (1841–1899) 342 Loesch, Heinrich v., deutscher Historiker (1873–1947) 185, 186, 190, 201, 203 Ludwig I. d. Große v. Anjou, Kg. v. Ungarn u. Polen (1326–1382) 70, 271, 319 Ludwik, Ratsherr in Posen (2. Ha¨lfte 13. Jh.) 235 Ma´cko Borkowic, Wojewode v. Posen (?–um 1358/60) 69
´ Maleczynski, Karol, polnischer Historiker (1897–1968) 192 Małowist, Marian, polnischer Historiker (1909–1988) 31 Manikowska, Halina, polnische Historikerin (*1950) 124 Margarethe v. Babenberg, Gemahlin Pˇremysl Otakars II. (1204–1266) 316 Markus, Wojewode in Krakau 249 Markward, S. des Mroczko v. Grottkau (um 1269) 212 Marota, Krakauer Bu¨rgerin (13. Jh.) 260 Mattha¨us, Krakauer Beamter (1. Ha¨lfte 13. Jh.) 249 Matuszewski, Jacek, polnischer Historiker (*1946) 70 McCormick, Michael, amerikanischer Historiker (*1951) 30 Merbot v. Hain, schlesischer Ritter (13. Jh.) 214 Methodios, griechischer Slawenmissionar und Ebf. v. Sirmium (815–885) 32 Michałko, Vogt in Przemysl (2. Ha¨lfte 14. Jh.) 348, 353 Michałowski, Roman, polnischer Historiker (*1949) 123 Miˇcko Ranfleviˇc, Bu¨rger in Przemysl (2. Ha¨lfte 14. Jh.) 348 Mieszko I., Hz. v. Polen (um 922–992) 35, 42 Mieszko II. (Lambert), Kg. v. Polen (990–1034) 42 Mieszko III. d. Alte (Stary), Hz. v. Polen/ Großpolen (1123/25–1202) 45, 48 Mikora, Breslauer Kastellan (1. Ha¨lfte 13. Jh.) 141 Mikulski, Krzysztof, polnischer Historiker (*1960) 95 Mitkowski, Jo´zef, polnischer Historiker (1911–1980) 255 Młynarska-Kaletynowa, Marta, polnische Historikerin (*1933) 119, 137, 141, 192, 205, 326 Mojek v. Baitzen, schlesischer Adliger (Ende 13., Anfang 14. Jh.) 217 Moore, Robert I., britischer Historiker (*1941) 323 Morelowski, Marian, polnischer Historiker (1884–1963) 123 Mroczek v. Grottkau, schlesischer Adliger (1234–1271) 206, 208–212, 215, 218–220 M´sciwo´j II., Hz. v. Schwetz und Danzig (1220–1294) 336 Mu¨nch, Henryk, polnischer Historiker (1906–1968) 255 Nickil Rychil, Breslauer Bu¨rger (14. Jh.) 165
Index der Orts- und Personennamen Nikolaus, Kustos in Breslau (13. Jh.) 214 Nikolaus, S. v. Bogusław v. Fro¨beln (Mitte 13. Jh.) 218–220 Nikolaus Godula, Richter in Krakau (Mitte 13. Jh.) 251 Nikolaus, Krakauer Beamter (1. Ha¨lfte 13. Jh.) 249 Nikolaus, Bu¨rger u. Vogt in Liegnitz (13. Jh.) 186, 198, 200, 204, 246 Nikolaus, magister 201, 203 Otto I. d. Große, Ks. (912–973) 45 Otto, Breslauer Priester (1. Ha¨lfte 13. Jh.) 129, 134, 135 Panofsky, Erwin, deutscher Kunsthistoriker (1892–1968) 316 Paszkiewicz, Borys, polnischer Numismatiker (*1959) 43, 49 Paweł, Bf. v. Posen (?–1242) 113 Paweł v. Przemanko´w, Bf. v. Krakau (?–1292) 287 P˛ecien, Ka¨mmerer 201, 202 Peter, Breslauer Domherr (2. Ha¨lfte 13. Jh.) 214 Peter, Breslauer Priester (1. Ha¨lfte 13. Jh.) 129, 134, 135 Peter de Sagor, Mundschenk in Liegnitz (Mitte 13. Jh.) 203 Petrus, Schultheiß u. Vogt in Krakau (1. Ha¨lfte 13. Jh.) 249–251, 260 Piekalski, Jerzy, polnischer Archa¨ologe (*1956) 6, 83, 164 Piotr I. d. Ro¨mer (Rzymianin), Bf. v. Płock (?–1240) 79 Piotr, Krakauer Ratsherr (2. Ha¨lfte 14. Jh.) 268 Piotr, villicus in Krakau 115, 120 Pirenne, Henri, belgischer Historiker (1862–1935) 30 Piskorski, Jan M., polnischer Historiker (*1956) 68, 80 Pitz, Ernst, deutscher Historiker (1928–2009) 139 Pius II. (Enea Silvio Piccolomini), Papst (1405–1464) 282 Płocha, Jo´zef, polnischer Historiker (1923–1984) 55 Pogarell, Herren v. 205–222 Polonus, Zeuge in Liegnitz (13. Jh.) 201 Pˇremysl Otakar II., Kg. v. Bo¨hmen (1233–1278) 305, 316, 317 Pritsak, Omeljan, amerikanisch-ukrainischer Historiker (1919–2006) 347 Przecław (Preczlaus), Kastellan in Glogau (?–nach 1228) 206, 218, 220
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Przecław v. Michelau, schlesischer Adliger (?–1273) 219 Przecław v. Rosomanka, schlesischer Adliger (1269–1292) 212 Przedpełk, Wojewode v. Posen 233 Przemko, Vogt in Posen (1. Ha¨lfte 14. Jh.) 336, 379 Przemysł I., Hz. v. Großpolen (1220/21–1257) 110, 226, 229–234, 236, 237, 241, 246 Przemysł II., Hz. v. Großpolen, Kg. v. Polen (1257–1296) 14, 58, 242, 317, 332 Przemysł, Bu¨rger in Posen (13. Jh.) 236 Przybko, Truchsess in Liegnitz (2. Ha¨lfte 13. Jh.) 202 Przybysława, Krakauer Bu¨rgerin (13. Jh.) 260 Pudełko, Jan (Janusz), polnischer Architekturhistoriker 82, 137 Racław Drzemlik, Lokator in Schlesien (2. Ha¨lfte 13. Jh.) 213–215, 217 Radosława (Radlava), Krakauer Bu¨rgerin (13. Jh.) 260 Radwan, Truchsess v. Bolesław II. Rogatka 184, 185, 187, 190, 200–202, 204 Raszek (Racław) (Drzemlik), Vogt v. Strehlen (2. Ha¨lfte 13. Jh.) 212–214, 216 R˛ebkowski, Marian, polnischer Archa¨ologe (*1960) 83 Reiner (Rinerus), Bu¨rger in Krakau (Mitte 13. Jh.) 251, 260 Richoldus, Bu¨rger in Krakau (Mitte 13. Jh.) 251 Rogalanka, Anna, polnische Historikerin (*1919) 109 Rosłanowski, Tadeusz, polnischer Historiker (*1933) 84 Rozp˛edowski, Jerzy, polnischer Architekturhistoriker (*1929) 6, 193–195 ´ Rutkowska-Płachcinska, Anna, polnische Historikerin (1915–2008) 206, 208–211, 213, 216, 222 Rybisch, Heinrich, Breslauer Bu¨rger (16. Jh.) 134 Rze´znik, Paweł, polnischer Archa¨ologe (*1964) 146 Salomea v. Berg, 2. Gemahlin v. Bolesław III. (vor 1101–1144) 257 Salomea, Klarissin, Schwester Bolesławs des Schamhaften 304 Salomon, Vogt in Krakau (13. Jh.) 251, 260 Sambor II., Hz. v. Pommerellen (1208–1277/78) 328, 336 Samo, Slawenfs. (?–um 660) 32
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Index der Orts- und Personennamen
Samsonowicz, Henryk, polnischer Historiker (*1930) 8, 37, 80, 181, 293, 329, 330 Schich, Winfried, deutscher Historiker (*1938) 88 Schlesinger, Walter, deutscher Historiker (1908–1984) 110 Scho¨nborn, Theodor, deutscher Historiker (1836–1915) 187, 189 Siegfried, Bu¨rger in Liegnitz (13. Jh.) 200 Siegfried, Vogt v. Skarzyszo´w (1. Ha¨lfte 13. Jh.) 249 Siemomysł, Hz. v. Inowrocław 336 Sigismund I. d. Alte (Zygmunt Stary), Kg. v. Polen (1467–1548) 343, 349 Sigismund (Zygmunt) II. August I., Kg. v. Polen (1520–1572) 340, 350 Simon Gallicus 202 ´ Skwierczynski, Krzysztof, polnischer Historiker (*1971) 123 ´ Marek, polnischer Historiker 6 Słon, Smołka, Jan, polnischer Historiker (1882–1946) 342, 343, 349–351 Sobˇeslav II., Hz. v. Bo¨hmen (?–1180) 154, 247, 248, 259 Stanisław (Hl.), Bf. v. Krakau (um 1030–1079) 251, 260 Stanisław Orlik, ruthenischer Adliger (16. Jh.) 350 Stefan Bathory, Kg. v. Polen (1533–1586) 343, 349 Stein, Bartholoma¨us, schlesischer Humanist (1477–1520) 133, 158 Suchodolski, Stanisław, polnischer Numismatiker (*1937) 34, 42, 43, 47, 55 ´ Swiechowski, Zygmunt, polnischer Kunsthistoriker (*1920) 193 Szczaniecki, Michał, polnischer Historiker (1910–1977) 56 Szczygieł, Ryszard, polnischer Historiker (*1944) 358 Szujski, Jo´zef, polnischer Historiker (1835–1883) 255 Szymczak, Jan, polnischer Historiker (*1946) 72 Teodor (Czader), ˛ Wojewode v. Krakau (1. Ha¨lfte 13. Jh.) 113 Thomas I., Bf. v. Breslau (?–1268) 192 Thomas II., Bf. v. Breslau (?–1292) 208, 213, 214, 216 Thomas, Bu¨rger in Guben 238 Trawkowski, Stanisław, polnischer Historiker (?–2008) 57 Tˇre´stı´k, Dusˇan, tschechischer Historiker (1933–2007) 32
Tyc, Teodor, polnischer Historiker (1896–1927) 14 Tylo, Scho¨ffe in Posen (2. Ha¨lfte 13. Jh.) 235 Tylon, Bu¨rger in Lo¨wen (2. Ha¨lfte 13. Jh.) 218 Tymieniecki, Kazimierz, polnischer Historiker (1887–1968) 56 Tyszka, Przemysław, polnischer Historiker (*1969) 100 Tyszkiewicz, Jan, polnischer Historiker (*1939) 339 Vincentius Kadłubek, polnischer Chronist (um 1150/60–1223) 45 Vinzenz, S. des Mroczko v. Grottkau (um 1269) 212 Vladislav, Hz. und Kg. v. Bo¨hmen (?–1174) 247, 248, 259 Volkmar (Wolkmar), Vogt in Liegnitz (13. Jh.) 186, 187, 190, 204, 246 Vytautas d. Große, Gfst. v. Litauen (1350–1430) 366 Wałko´wski, Andrzej, polnischer Historiker (*1959) 203 Wallerstein, Immanuel, amerikanischer Soziologe (*1930) 26 Walter, monetarius in Lo¨wen (13. Jh.) 218, 219 Warnke, Charlotte, deutsche Historikerin 37 Weber, Max, deutscher Soziologe (1864–1920) 330 Wenzel I. (Va´clav), Kg. v. Bo¨hmen (1228–1253) 122, 316 Wenzel II. (Va´clav), Kg. v. Bo¨hmen und Polen (1271–1305) 58, 316–318, 335–337 Weyhner, Barthel, Breslauer Graphiker und Landschaftsmaler (16. Jh.) 130, 132, 134, 138 Wichmann, Ebf. v. Magdeburg (1152–1193) 6, 59, 60, 266 Wi˛ecemil, Adliger in Ratibor (1. Ha¨lfte 13. Jh.) 249 Wiesiołowski, Jacek, polnischer Historiker (*1966) 327 Wilkin, Kaufmann (1. Ha¨lfte 13. Jh.) 249, 250 Wincenty (z Niałka), Ebf. v. Gnesen, (?–1232) 14 Witosław, Breslauer Abt (1. Ha¨lfte 13. Jh.) 119 Władysław, Hz. v. Oppeln-Ratibor (1225–1281/82) 212, 320 Władysław Opolczyk, Hz. v. Oppeln und Statthalter in Haliˇc-Wolhynien (1326/32–1401) 356 Władysław I. Herman, Hz. v. Polen (1043–1102) 44, 257
Index der Orts- und Personennamen Władysław I. Łokietek (Ellenlang), Kg. v. Polen (1260–1333) 68, 243, 314, 319, 329, 331, 335–337 Władysław II. Jagiełło, Kg. v. Polen (1348–1434) 340, 342, 343, 345, 351, 352, 354, 361, 365, 368 Władysław II. d. Vertriebene (Wygnaniec), Hz. v. Polen/Schlesien (1105–1159) 44, 258 Władysław Odonic, Hz. v. Großpolen (1190–1239) 60, 113, 114, 117, 225, 226, 231 Wladyslaw, Hz. v. Breslau, Ebf. v. Salzburg (1237–1270) 144, 208, 265 Wojsław, Krakauer Geistlicher (1. Ha¨lfte 13. Jh.) 249 Wroniszewski, Jan, polnischer Historiker (*1956) 73, 104 ´ Wyczanski, Andrzej, polnischer Historiker (1924–2008) 73
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Wykerus, Bu¨rger in Krakau (Mitte 13. Jh.) 251, 260 Wyrozumski, Jerzy, polnischer Historiker (*1930) 7, 336, 337
Zachorowski, Stanisław, polnischer Historiker (1885–1918) 255 Zagrodzki, Tadeusz, polnischer Architekt/Kunsthistoriker (1911–2007) 312 Zˇemliˇcka, Josef, tschechischer Historiker (*1946) 87 ˙ Zerelik, Ro´scisław, polnischer Historiker (*1956) 6, 199 Zientara, Benedykt, polnischer Historiker (1928–1983) 14, 18, 59, 79–81, 251 Zum Winkel, Arnold, schlesischer Landeshistoriker 184, 185, 191
© Institut für vergleichende Städtegeschichte, Münster 2010